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Praxis – Handeln und Handelnde in antiker Philosophie

Beiträge zur Altertumskunde

Herausgegeben von
Susanne Daub, Michael Erler, Dorothee Gall,
Ludwig Koenen und Clemens Zintzen

Band 397
Praxis – Handeln und
Handelnde in antiker
Philosophie

Akten des 6. Kongresses der Gesellschaft für antike


Philosophie 2019

Herausgegeben von
Friedemann Buddensiek und Sebastian Odzuck
ISBN 978-3-11-073867-4
e-ISBN (PDF) 978-3-11-073559-8
e-ISBN (EPUB) 978-3-11-073567-3
ISSN 1616-0452

Library of Congress Control Number: 2022948389

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http://dnb.dnb.de abrufbar.

© 2023 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston


Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck

www.degruyter.com
Vorwort
Der vorliegende Band versammelt eine Auswahl der Beiträge des VI. Internatio-
nalen Kongresses der Gesellschaft für antike Philosophie, der vom 24.–27. Sep-
tember 2019 an der Goethe-Universität Frankfurt stattfand und unter dem The-
ma „Praxis — Handeln und Handelnde in antiker Philosophie“ Fragen der anti-
ken Handlungstheorie und angrenzender Gebiete gewidmet war.
Wir danken dem damaligen erweiterten Vorstand der Gesellschaft für antike
Philosophie für wichtigen Rat bei der Konzeption des Kongresses. Wir danken
ferner all denen, die mit ihren Vorträgen zum Gelingen des Kongresses beigetra-
gen haben, insbesondere den Autorinnen und Autoren dieses Bandes, die mit
der Bearbeitung und Zurverfügungstellung ihrer Beiträge diesen Band ermög-
licht haben. Ganz besonders danken möchten wir Johanna Sinn für ihren uner-
müdlichen Einsatz bei der Erstellung der Druckvorlage und der Register. Dan-
ken möchten wir ferner dem Verlag de Gruyter und Charlotte Webster für die
Unterstützung bei der Drucklegung des Bandes sowie Michael Erler und den an-
deren Herausgeberinnen und Herausgebern für die freundliche Aufnahme des
Bandes in die Reihe der Beiträge zur Altertumskunde. Der Gesellschaft für antike
Philosophie danken wir herzlich für die Übernahme der Druckkosten.
Unser Dank gilt außerdem noch einmal der Gesellschaft für antike Philoso-
phie sowie auch der Deutschen Forschungsgemeinschaft, den Freunden und
Förderern der Goethe-Universität und dem Institut für Philosophie der Goethe-
Universität für die großzügige Unterstützung des Kongresses. Herzlich danken
wir schließlich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die an der Organisation
und Durchführung des Kongresses mitgewirkt haben: Maria Nicolosi, Christo-
pher Izgin, Stefan Röttig, Maria Müller-Hornbach, Simon Reiners und Antonia
Steins.

Frankfurt, im Oktober 2022 Die Herausgeber

https://doi.org/10.1515/9783110735598-202
Inhalt
Friedemann Buddensiek / Sebastian Odzuck
Einleitung | 1

Tom Wellmann
Schuldhaftes Handeln in Empedokles’ Physika und Katharmoi | 15

Rachana Kamtekar
Plato on Intelligent Agency | 33

Sebastian Odzuck
Handeln mit Vernunft als Handeln aus Gründen: Die Erklärung menschlichen
Handelns in Platons Phaidon | 57

Dimitri El Murr
Platonic Political Demiurgy: Prescription and Action in Plato’s Republic and
Statesman | 81

Klaus Corcilius
Transformation and Discontinuity: Nature, Rationality, and Self-Motion in
Aristotle | 107

Antonio Ferro
Der orexis-Begriff in Aristoteles’ De anima III 9–10: Das Einheitsproblem und
sein platonischer Hintergrund | 139

Christian Kietzmann
Zwei Arten des praktischen Syllogismus bei Aristoteles | 173

Christoph Halbig
Praktische Wahrheit – aristotelische und moderne Perspektiven | 191

Stephan Herzberg
Die Frage nach den Prinzipien menschlicher Praxis: Zum Normproblem in der
aristotelischen Ethik | 209

Béatrice Lienemann
Wissen und die Zurechenbarkeit von Fehlern bei Aristoteles | 235
Inhalt | VIII

Laura Summa
Kindheit und moralische Erziehung bei Aristoteles – Kinder als potenziell
vernünftig Handelnde | 261

Hallvard Fossheim
Aristotle on Political Agency | 289

Uwe Walter
An der Stasis teilhaben: Assoziation und Dissoziation als Handlungsmuster im
griechischen Bürgerstaat | 307

Francesca Alesse
Action as a Reaction: Psychological and Logical Issues in the Early Stoic Theory
of Action | 329

Margaret Graver
Does God Have a Choice? Human and Divine Volition in Stoic
Philosophy | 349

John Sellars
Marcus Aurelius on Spontaneous Ethical Action | 371

Dagmar Kiesel
„… von tiefer Dunkelheit umnebelt“: Alltäglicher Wahnsinn in Senecas
Tragödie Phaedra
 | 385

Raphael Woolf
Cicero on Agency and Integrity | 413

Miira Tuominen
Porphyry’s Abstinence, Actions and Omissions | 433

Abkürzungsverzeichnis | 459

Verzeichnis zitierter Autorinnen und Autoren | 461

Sachregister | 467

Stellenregister | 477
Friedemann Buddensiek / Sebastian Odzuck
Einleitung
Die Fragen, wie es zu erklären ist und welches die Bedingungen dafür sind, dass
wir uns durch ein Tun, das durch uns zu verantworten und uns zuzurechnen ist,
auf die Welt beziehen und sie verändern, gehören schon in der Antike zu den
zentralen Fragen der praktischen Philosophie. Die Diskussionen der antiken
Philosophie zu diesen Fragen sind zugleich wichtige Anknüpfungspunkte auch
für handlungstheoretische Diskussionen in der heutigen Philosophie (man
vergleiche etwa die klassischen Arbeiten von Anscombe oder Davidson).
Die Beiträge in diesem Band nehmen wichtige Teilfragen der antiken Hand-
lungstheorie und ihrer vielfältigen Voraussetzungen auf. Die Texte sind im we-
sentlichen chronologisch angeordnet. Da aber zwischen den Fragen, die sie
behandeln, vielfache Querverbindungen über die gesamte Antike hinweg be-
stehen, stellt die Einleitung einige dieser miteinander verbundenen Fragen vor
und verknüpft sie durch eine erste Nennung der Autorinnen und Autoren mit
den Texten in diesem Band. Im Anschluss daran folgt ein knapper Überblick
über die einzelnen Beiträge.
Zu den Voraussetzungen handlungstheoretischer Überlegungen gehören
etwa Annahmen über die Struktur der Seele und das Verhältnis der Seelenteile
zueinander (vgl. den Beitrag von Corcilius). Für die antike Philosophie ist es
selbstverständlich, für Menschen – wie für Lebewesen überhaupt – eine Seele
anzunehmen, die die wesentliche Grundlage auch für das ist, was Menschen
tun. Die Frage nach dem gegenseitigen Verhältnis der Teile, Bereiche oder Ver-
mögen der Seele und die Frage, inwiefern das Tun, das auf diesen Teilen be-
ruht, eine Einheit bildet, stehen in enger Beziehung zueinander. Ebenso stellt
sich die Frage, welche Teile, Bereiche oder Vermögen der Seele überhaupt an-
zunehmen sind (s. Ferro): gibt es etwa – neben den Teilen, die für Wahrneh-
mung und für rationale Aktivität zuständig sind – auch ein separates Vermö-
gen, das für Strebungen verantwortlich ist? Wie auch immer diese Fragen
beantwortet werden: sie betreffen nicht weniger als die Einheit der Akteurin.
Aus systematischen Gründen wäre es zu wünschen, dass sie nicht in verschie-
dene einzelne Akteurinnen zerfällt – so als hätten wir es bei einem Menschen
nicht mit einem einzelnen Menschen zu tun, dem sein Tun als sein Tun zuzu-
rechnen ist, sondern mit einer Gruppe von Akteuren, die miteinander kooperie-
ren oder aber auch gegeneinander arbeiten können. In diesen Fällen wäre die-
sen Akteuren, nicht dem Menschen als ganzen, das Tun zuzuschreiben, das wir
von außen betrachtet sonst ihm zuschreiben. Wenn aber die Seele als Grundla-
ge dessen, was ein Lebewesen ist und tut, eine Einheit bilden soll, stellt sich

https://doi.org/10.1515/9783110735598-001
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wiederum die Frage, worin denn ihre Einheit besteht und welches die Basis für
die Annahme dieser Einheit ist.
Ein Bereich von handlungstheoretischen Fragen betrifft sodann die Erklä-
rung des Zustandekommens von Handlungen. Klassischerweise wird hier auf
eine Form des praktischen Syllogismus als Erklärungsmodell verwiesen, wie er
sich bei Aristoteles findet (s. Kietzmann): ein allgemeiner Obersatz bestimmt
etwas als gut und erstrebenswert (bzw. als schlecht und als zu vermeiden), ein
Untersatz liefert eine handlungsermöglichende Konkretisierung, die Konklusion
beschreibt dann – so eine der Deutungen – die Handlung (oder, so eine andere
Deutung, das konkret zu Tuende). In welcher Hinsicht ist dieses Modell für die
Erklärung des Tuns nicht-rationaler ebenso wie rationaler Lebewesen geeignet?
Konkreter gefragt: Welche Rolle spielt es für die Handlungserklärung, dass
Menschen die handlungsrelevanten Umstände nicht nur durch Wahrnehmung
und phantasia, sondern auch durch Denken (im weitesten Sinn) erfassen? Und
welche Rolle spielt es, dass die Struktur ihres Strebens zusätzlich das rationale
Streben umfasst?
Ein weiterer Bereich von Fragen betrifft die Kriterien der Zurechenbarkeit
von Handlungen. So werden Handlungen üblicherweise der handelnden Person
als ihre Handlungen zugerechnet, wenn diese Person zu diesem Tun nicht ge-
zwungen wird und hinreichende Kenntnis der Handlungsumstände besitzt (vgl.
Lienemann). Doch wann sind diese Kriterien erfüllt? Wenn Ödipus auf seiner
gesellschaftlichen Stellung besteht und die Person tötet, von der er glaubt, sie
müsse ihm Platz machen, die ihm aber nicht Platz macht und von der er nicht
weiß, dass sie sein Vater ist, so ist ihm offenkundig die Tötung eines Menschen
zuzuschreiben – doch ist ihm auch die Tötung seines Vaters zuzurechnen, wo er
doch nicht wusste, dass jener Mensch, den er glaubt töten zu dürfen, sein Vater
ist (den er wissentlich niemals, unter keinen Umständen getötet hätte)? Er un-
ternimmt ja größte Anstrengungen, eben nicht in diese ihm vormals prophezeite
Situation zu geraten. Und wenn die Tötung ihm doch zuzurechnen ist – schließ-
lich war er es, der Laios getötet hat –, ist die Handlung dann zumindest wegen
seines fehlenden Wissens entschuldbar (die sozialen Standards des Mythos, die
uns ganz fremd sind, einmal vorausgesetzt)?
Die Frage nach der Zurechenbarkeit und Entschuldbarkeit von Handlungen
stellt sich jedoch noch allgemeiner: so etwa als Frage danach, wie weit der Er-
werb von Kenntnis der handlungsrelevanten Umstände eine Frage der eigenen
Verantwortung ist (s. Wellmann). Liegt es in unserer Verantwortung, eingehen-
de theoretische, zum Beispiel naturphilosophische, Forschung zu betreiben und
uns Kenntnisse etwa über Seelenwanderung zu verschaffen – wie Empedokles
es verlangt –, damit wir nicht den Fehler bzw. die Untat begehen, Tiere zu op-
Einleitung | 3

fern und sogar deren Fleisch zu essen? In diesem Fall wäre uns die Tötung des
Tieres als Fehler oder Untat nicht direkt zuzurechnen. Schuld würden wir aber
dennoch auf uns laden, weil das Wissen um die Verwerflichkeit dieser Hand-
lung uns bei eigenem Bemühen um das Wissen zugänglich gewesen wäre: das
Versäumnis, uns dieses Wissen zu verschaffen, das dann zu jener Untat führte,
ist uns durchaus als unsere Schuld zuzurechnen. Dass es sich hierbei nicht um
eine weit entfernte Diskussion handelt, lässt sich an beliebigen aktuellen Bei-
spielen veranschaulichen – man nehme etwa nur unsere Verantwortung für die
Verschaffung von Kenntnissen über unseren Einfluss auf die Entwicklung der
natürlichen Lebensgrundlagen, durch den wir in ganz anderer Weise für Leben
und Tod verantwortlich sind, als sich dies Empedokles vorstellen konnte.
Empedokles‘ Forderung ist klarerweise, dass solche Tötungen zu unterlas-
sen sind. Unterlassungen werden prominent zum Beispiel von Porphyrios in der
späteren Antike diskutiert (s. Tuominen). Gelten Unterlassungen als Handlun-
gen? Sie verlangen kein aktives, etwa mit Bewegung verbundenes Eingreifen in
den Verlauf der Welt. Sie sind aber auch nicht oder nicht nur ein Nicht-Tun von
etwas. Vielmehr verlangen sie eine bewusste, an Prinzipien orientierte Ent-
scheidung, etwas nicht zu tun, und sie sind – im Unterschied zu vielen Fällen
von bloßem Nicht-Tun – zurechenbar. Offenbar geht es bei Handlungen um die
Verantwortung für einen bestimmten Weltzustand, und das scheint auch auf
Unterlassungen zuzutreffen.
Wenn wir wiederum auf die Frage nach den handlungsrelevanten Kennt-
nissen und nach der Verantwortung der handelnden Person für den Erwerb sol-
cher Kenntnisse zurückkommen, stellt sich die Frage, wie umfassend die zu
erwerbenden Kenntnisse sein müssen, damit wir unserer Verantwortung für den
Kenntnis-Erwerb (und für die richtige Handlung ebenso wie für die angemesse-
ne Unterlassung) gerecht werden (s. Wellmann, Kiesel). Aristoteles scheint hier
ernsthafte Sorgfalt um die Kenntnis alltäglicher Handlungsumstände für aus-
reichend zu halten, die Stoa hingegen setzt wie Empedokles die Hürde hinrei-
chenden Wissens sehr viel höher an: mit Ausnahme des tugendhaften Men-
schen, der solches Wissen besäße und den es wohl kaum jemals gibt, sind, wie
Seneca es darstellt, alle anderen Menschen in selbstverschuldetem Wahn be-
fangen, der eine Folge ihrer fortwährenden Akzeptanz und Neuaufnahme fal-
scher handlungsrelevanter Überzeugungen ist.
Eine Frage, die hier – mit Blick auf den Kenntniserwerb, aber auch mit Blick
auf den Charaktererwerb – zentral ist und die in den erhaltenen Texten der Stoa
weniger, dafür bei Platon und Aristoteles mehr diskutiert wird, ist die Frage der
„Akteursentwicklung“ (s. Summa): Wie haben wir uns die Entstehung eines
rationalen Akteurs antiker Philosophie zufolge vorzustellen? Wie wird ein We-
4 | Friedemann Buddensiek / Sebastian Odzuck

sen zu einem entwickelten vernünftigen Wesen, dem sein Tun uneingeschränkt


zuzurechnen ist? Und um etwas vorauszugreifen: Wie muss die Entwicklung
eines jungen Menschen verlaufen, damit er ein Mitglied der Polis wird, das zur
Stabilität der Polis beiträgt (vgl. Walter).
Die Frage nach der Zurechenbarkeit stellt sich auf andere Weise auch dort,
wo ein erwachsener Mensch aufgrund der Beschaffenheit seiner Seele nicht
anders handeln kann. Dies betrifft nicht nur den Fall der selbstverschuldeten
Unwissenheit: In diesem Fall ist zwar im Moment des Handelns keine unmittel-
bare Abhilfe möglich, doch könnten wir jetzt anders handeln, wenn wir uns
jene handlungsrelevanten Kenntnisse verschafft hätten. Anders sieht es im Fall
des guten Menschen aus, wie die Stoiker ihn sich vorstellen: er kann – so wenig
wie der die Welt lenkende Gott – nicht anders handeln, denn dies würde bedeu-
ten, dass er nicht das Beste tut (s. Graver). Wenn er aber gezwungen ist, das
Beste zu tun, wie kann er dann – wie auch die Stoiker meinen – willentlich han-
deln und wie kann ihm sein Tun dann noch zugerechnet werden?
In diesem Kontext stellt sich ferner die verwandte Frage, wie ein Handeln,
das, wenn es unmittelbar aus dem guten Charakter der handelnden Person
hervorgeht, spontan, d.h. ohne Überlegung erfolgt, als ein gutes Handeln ver-
standen werden kann (s. Sellars). Auch hier deutet die Antwort wieder darauf,
dass ein solches Handeln nicht als Folge mangelnder Freiheit, sondern als eine
Realisierung des Besten – wie die Stoiker meinen: als ein Handeln in Überein-
stimmung mit der Natur – zu verstehen ist.
Selbst wenn sich dies so verhält, stellt sich aber die weitere Frage, wie ein
Leben, das Handlungen verlangt, die sich an einem so verstanden Guten orien-
tieren und es realisieren, möglich sein könnte (s. Woolf). Antike Philosophen
halten es für eine notwendige Bedingung eines guten Lebens, dass die betroffe-
ne Person die richtigen Überzeugungen hat und ihnen gemäß lebt – ihr Leben
muss sich durch „Integrität“ auszeichnen. Doch im Fall bestimmter Überzeu-
gungen wie denen der Stoiker oder auch der Epikureer scheint es kaum mög-
lich, auch offen solchen Überzeugungen gemäß zu leben: dafür scheinen sie
doch zu radikal von den üblichen Überzeugungen abzuweichen. Aber wie könn-
te ein gutes Leben möglich sein, in dem die betroffene Person ihre Kernüber-
zeugungen nicht offen vertreten und ihnen gemäß leben kann? Sollte sie des-
wegen zur Skeptikerin werden und von jenen radikalen Überzeugungen ablas-
sen?
Sowohl diese letzte Frage als auch die zuvor genannte Frage zu den Wis-
sensbedingungen als Zurechenbarkeitskriterien und zur Erfüllbarkeit dieser Be-
dingungen, führt zur größeren Frage – exemplifiziert in der Diskussion zum
Phaidon –, ob rationales Handeln nur dann vorliegt, wenn die betroffene Person
Einleitung | 5

das tatsächlich Beste tut, oder auch dann, wenn sie das tut, was ihr als das
Beste erscheint (s. Kamtekar und Odzuck). Welche Bezugnahme auf ein Ziel gilt
als ein handlungsbegründendes Erfassen von Zielen? Welche Kriterien der Rati-
onalität muss ein Tun erfüllen, um als Handeln gelten zu können? Bei solchen
rationalitätstheoretischen Überlegungen geht es zudem auch um die Frage der
Zurechenbarkeit, da Rationalität eine Voraussetzung für Zurechenbarkeit ist.
Einen Teil dieser rationalitätstheoretischen Fragen betrifft die Frage, worin,
wie Aristoteles es ausdrückt, praktische Wahrheit besteht (s. Halbig). Handlun-
gen als solche sind üblicherweise Ereignisse, und das spricht zumindest dem
ersten Blick nach dagegen, sie als mögliche Träger von Wahrheit zu identifizie-
ren. Ist praktisch wahr zu sein dann eine Eigenschaft des Entschlusses, der der
Handlung vorausgeht? Immerhin involviert der aus praktischer Überlegung
resultierende Entschluss – jedenfalls bei Aristoteles – eine Meinung oder Über-
zeugung dazu, dass ein bestimmtes Mittel zur Erreichung eines bestimmten
Ziels geeignet ist. Zugleich enthält er ein Streben, dieses Mittel zu verwirklichen.
Dieses Streben allerdings kann doch wieder nur richtig oder passend, nicht
wahr in einem heutigen Sinne von „wahr“ sein.
Dass etwas Bestimmtes zu tun ist, wird im Griechischen (wie auch im Latei-
nischen) oft durch ein einzelnes Wort, nämlich eine bestimmte Verbform aus-
gedrückt, für die es im Deutschen oder im Englischen keine genau korrespon-
diere Form gibt. Ein berühmtes außerphilosophisches Beispiel findet sich etwa
in Horaz‘ Verszeile nunc est bibendum (Carmen I 37.1): „nun ist zu trinken“.
Aussagen, die solche Verbformen enthalten, können einerseits deskriptiv ver-
standen werden: sie bringen – nach stoischem Verständnis – einen Sachverhalt
zum Ausdruck, nämlich dass etwas Bestimmtes zu tun ist. Solche Beschreibun-
gen können wahr (oder falsch) sein, sie können Gegenstand der Zustimmung
sein, dass die Welt sich so verhält. Als deskriptive Aussagen führen sie aber
noch nicht zu einem Tun, und das könnte ein Problem sein, wenn Aussagen ein
Ausdruck von Überzeugungen sind und Überzeugungen – nicht nur nach stoi-
scher Auffassung – hinreichend für das Zustandekommen von Handlungen sein
sollen. Den Stoikern zufolge ist hier für den Handlungsimpuls jedoch keine
zweite, auf einer präskriptiven Aussage fußende Überzeugung nötig oder mög-
lich. Vielmehr ist der einen Handlungsimpuls hervorrufende Faktor eben in
jener Verbform enthalten (vgl. Alesse).
Dieses scheinbare Changieren zwischen deskriptiver und präskriptiver Ebe-
ne ist nicht nur ein Phänomen der stoischen Philosophie. Ganz allgemein stellt
sich für die antike Philosophie die Frage nach der Natur und der Begründung
von Handlungsnormen, und diese Frage bezieht sich einerseits auf die Normati-
vität als solche, andererseits auf die Frage, wie Normen praktikabel spezifiziert
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werden können (s. Herzberg). Für eine praktikable Spezifizierung wäre etwa ein
Verweis auf eudaimonia als Kriterium für das Richtige und zu Tuende – wenn er
denn angebracht wäre – längst nicht konkret genug. Auch ein Verweis auf die
Mitte, wie er sich bei Aristoteles findet, kann allenfalls die Richtung einer Kon-
kretisierung andeuten: für die konkrete Handlungssituation bleibt hier, so
scheint es, immer noch vieles unbestimmt.
Bis hierhin konnte vielleicht der Eindruck entstehen, als sei Handeln nur
eine Sache des Individuums. Das aber wäre eine stark verkürzte Sichtweise.
Handlungen stehen auch schon aus Sicht der antiken Philosophie immer in ei-
nem größeren Rahmen. Dieser größere Rahmen ist zum einen die oben schon
angedeutete naturphilosophisch zu beschreibende Welt, in der sich die han-
delnde Person befindet. Zum anderen ist dies der soziale und politische Zusam-
menhang des näheren Umfeldes und der Polis, in dem das Handeln zu sehen
ist.
Eine zweifache Frage stellt sich hier zunächst an das Verständnis der Funk-
tionsweise des Polis-Lenkers oder, wie etwa die Politeia (anders als später Aris-
toteles) explizit deutlich macht, der Polis-Lenkerin (s. El Murr): Eine solche
Polis-Lenkerin oder Herrscherin würde sich ihren Fähigkeiten nach um an-
spruchsvolle theoretische Probleme kümmern. Wie kann sie sich da als Polis-
Lenkerin betätigen und für die Realisierung des Guten – denn anderes könnte
sie nicht tun (s. Graver) – in die Belange der Polis einmischen? Etwa dadurch,
dass sie die Polis durch Anordnungen, d.h. nicht durch eigene Einmischungen
anderer Art lenkt und auf diese Weise die Polis zu einer Einheit der Polis ‚ver-
webt‘, wie es im Politikos ausgedrückt wird?
Politische Akteurschaft („agency“) zeigt sich offenkundig nicht nur auf der
Ebene der Polis-Lenkung, sondern auch bei den übrigen Personen, die in der
Polis tätig sind (s. Fossheim). Als polis- bzw. gemeinschaftsbezogene Lebewe-
sen sind dies zunächst alle Menschen, die in der Gemeinschaft bzw. in der Polis
leben. Insbesondere aber sind Akteure in der Polis die Personen, die eine Funk-
tion, d.h. ein Amt, und damit ein Stück Herrschaft innehaben, und zwar vom
obersten, die Polis lenkenden Amt bis zur einfachsten Funktion, die es in der
Polis auszufüllen gilt. Doch was heißt das für die Akteurschaft: was passiert mit
der Akteurschaft des Individuums, wenn es in ein solches Amt wechselt und in
diesem Amt nicht mehr für sich selbst oder als es selbst, sondern als eine Funk-
tion der Polis tätig ist? Und was heißt es für das Verständnis von Akteurschaft
und von Handlungen, dass Mitglieder der Polis gemeinsam handeln und dass
ihr Tun vielfach nur als ein solches gemeinsames Tun zu verstehen ist: wer ist
hier der Akteur und wie ist sein Tun handlungstheoretisch zu beschreiben?
Welche Rolle spielt das Handeln in der Polis, das aus einer Vielzahl von – oft
Einleitung | 7

auch einander scharf entgegengesetzten – Handlungen besteht, für die Konsti-


tuierung der Polis (vgl. Walter)?
Dies mag soweit als Auswahl von übergreifenden Themen, Fragen und Dis-
kussionen, denen sich die Beiträge dieses Bandes widmen, genügen. Hier
schließt nun die Präsentation der knappen Zusammenfassungen der einzelnen
Beiträge an.
Der Band beginnt mit dem Beitrag von Tom Wellmann, der die Frage the-
matisiert, inwiefern Empedokles den Vollzug der von ihm scharf kritisierten
Tieropfer als Formen schuldhaften Handelns betrachtet. Wellmann zeigt, dass
das allgemeine Tötungsverbot von Lebewesen bei Empedokles sich nicht nur,
wie man zunächst vielleicht erwarten könnte, aus der Transmigrationslehre der
Katharmoi ergibt, sondern auch aus den Einsichten der naturphilosophischen
Argumentation der Physika, die den Menschen durch richtigen Gebrauch ihrer
Vernunft generell zugänglich sind. Tieropfer sind Empedokles zufolge damit
zwar nicht als wissentlich falsches Handeln zu betrachten, aber insofern doch
schuldhaft, als die Tötungshandlung aufgrund eines intellektuellen Versagens
und selbstverschuldeten Mangels an Einsicht in größere naturphilosophische
Zusammenhänge erfolgt.
Mit dem Beitrag von Rachana Kamtekar wendet sich der Band der Diskus-
sion handlungstheoretischer Überlegungen bei Platon zu. Im Mittelpunkt ihrer
Auseinandersetzung steht die von Sokrates im Rahmen seiner fiktiven Autobio-
graphie im Phaidon geführte Diskussion der Erklärung seines eigenen Handelns.
Kamtekars Argumentation zufolge kann es Sokrates mit dem von ihm in dieser
Passage untersuchten Fall des Handelns aus Vernunft (nous) nicht um mensch-
liches Handeln allgemein gehen, sondern nur um einen Spezialfall des Han-
delns: Im Gegensatz zu dem, was Menschen normalerweise tun, genügt es bei
Handlungen aus Vernunft nicht, dass das Handlungsziel der handelnden Person
gut erscheint, es möglicherweise aber nicht ist, sondern es muss ihr gut erschei-
nen, weil es tatsächlich gut ist.
Auch der nächste Beitrag setzt sich mit Sokrates’ Überlegungen zur Erklä-
rung von Handlungen im Phaidon auseinander, kommt aber zu einem anderen
Ergebnis. Sebastian Odzuck argumentiert für die These, dass diese Passage
nicht als Diskussion spezieller Sonderfälle des Handelns gelesen werden darf,
sondern als Diskussion grundlegender Charakteristika menschlichen Handelns
zu verstehen ist, wenngleich zunächst Einiges gegen diese Deutung zu sprechen
scheint. Sokrates’ Überlegungen zufolge ist menschliches Handeln grundsätz-
lich als rational, als Handeln mit Vernunft (nous), aufzufassen, insofern ein Ak-
teur diejenige Handlung wählt, die ihm für die Realisierung seines Ziels am
8 | Friedemann Buddensiek / Sebastian Odzuck

besten geeignet zu sein scheint, und insofern die Handlung damit prinzipiell
nachvollziehbar ist.
Auch Dimitri El Murr diskutiert handlungstheoretische Überlegungen Pla-
tons, lenkt seinen Fokus dabei aber auf Werke aus dem Bereich der politischen
Philosophie. Er geht der Frage nach, wie die fachkundig staatslenkende Person
die Polis lenken und zugleich Dialektikerin bleiben kann, die mit Wissen und
Wahrheit beschäftigt ist. Der entscheidende Punkt im Politikos ist, dass die
Kunst zur Staatslenkung eine anordnende technê ist, eine Fertigkeit oder Wis-
senschaft der Präskription, die sich als solche von Dialektik unterscheidet, ohne
ihre Besitzerin jedoch in Aktivitäten hineinzuziehen, die nicht ihre eigentliche
Aufgabe sind. Die staatslenkende Person erfasst das Gute und realisiert es durch
Anordnungen und Kontrolle gegenüber den nachgeordneten Künsten und Auf-
gabenbereichen. Sie realisiert dadurch Rationalität auf jeder Ebene der Polis
und verwebt die Strukturen der Polis zu einer Einheit, ohne sich an den konkre-
ten Angelegenheiten der Polis direkt selbst zu beteiligen.
Der Abschnitt zu Aristoteles beginnt mit dem Beitrag von Klaus Corcilius
zu Aspekten der psychischen Grundlage des Verhaltens von Lebewesen und des
Handelns des Menschen. Eine der schwierigen Fragen für das Verständnis der
aristotelischen Seelenkonzeption ist die Frage nach dem gegenseitigen Verhält-
nis der Teile der Seele. Diese Teile sind einerseits separat definierbar, anderer-
seits soll die Seele eine Einheit bilden. Grundlage für diese Einheit ist nun das
teleologische Verhältnis, das zwischen den Teilen mit Blick auf ihre Aktualität
besteht. Im Fall nicht-rationaler Lebewesen legt die biologische Natur des Le-
bewesens das natürliche Ziel fest, welches auch die letzte bewegende Ursache
ist. Im Fall rationaler Wesen hingegen gibt es für die obersten Strebungen kein
solches begrenzendes Ziel, das Lebewesen auf die Art in Bewegung setzte, wie
dies bei nicht-rationalen Lebewesen geschieht. Die Erklärung der Bewegung
durch rationale Ziele und damit menschliches Handeln als solches bedarf einer
Erklärung ganz anderer Art als das Verhalten im Bereich nicht-rationaler natür-
licher Teleologie.
Antonio Ferro untersucht ebenfalls eine Frage, die die Grundlage mensch-
lichen Handelns betrifft, nämlich die psychologische Frage, ob das Strebever-
mögen Aristoteles zufolge ein einheitliches und eigenständiges Vermögen ist
oder ob es mit dem Bereich der Wahrnehmung oder dem der Vernunft identisch
ist. Er präsentiert Aristoteles’ kritische Auseinandersetzung mit den platoni-
schen Kriterien der Seelenteilung und argumentiert dafür, dass Aristoteles
selbst die Eigenständigkeit des Strebevermögens angenommen habe. Bei einer
Identifizierung mit anderen Seelenteilen würde das Strebevermögen auf ver-
schiedene Seelenteile verteilt und auseinandergerissen. Die Einheit des Strebe-
Einleitung | 9

vermögens wird durch die Einheit des Gegenstands des Strebens garantiert, der
weder durch Wahrnehmung noch durch Vernunft vollständig erfasst werden
kann. Hierin, in der Unterscheidung zwischen dem Gegenstand der Strebung
und den Weisen des kognitiven Zugangs zu ihm, liegt Aristoteles’ entscheiden-
der Punkt: das Strebevermögen ist eines, weil alle Strebungen, die den Han-
delnden bewegen, von einem einheitlichen Gegenstand des Strebens ausgehen.
In seinem Beitrag setzt sich Christian Kietzmann mit dem für die Erklä-
rung für das Zustandekommen von Handlungen zentralen Begriff des prakti-
schen Syllogismus auseinander. Seiner These zufolge sind die verschiedenen
Beispiele des praktischen Syllogismus, die sich bei Aristoteles finden, nicht wie
oftmals angenommen auf eine einzige zugrundeliegende Form zurückzuführen.
Aristoteles’ Diskussion legt vielmehr nahe, dass zwischen zwei prinzipiell ei-
genständigen Formen zu differenzieren ist, und zwar praktisch-spezifizierenden
und produktiven Syllogismen, denen jeweils eine unterschiedliche Rolle beim
Zustandekommen von Handlungen zukommt. Während der praktisch-spezifizie-
rende Syllogismus der Spezifikation von Zielen dient, insofern er diese Ziele mit
Blick auf eine bestimmte Situation konkretisiert, soll der produktive Syllogismus
die geeigneten Mittel zur Herstellung eines Produkts identifizieren.
Christoph Halbig argumentiert dafür, dass praktische Wahrheit bei Aristo-
teles eine eigenständige Form von Wahrheit ist, ohne dass “Wahrheit” mehr-
deutig würde. Praktische Wahrheit kommt nur dann zustande, wenn das Er-
gebnis praktischer Überlegung den Tatsachen entspricht – praktische Rationali-
tät ist spezifisch auf praktische Wahrheit bezogen –, wenn das Streben auf Er-
strebenswertes zielt, und wenn Überlegungsergebnis und Streben dasselbe in
derselben Hinsicht zum Inhalt bzw. Gegenstand haben, der seinerseits am über-
geordneten Ziel, nämlich der eudaimonia, orientiert ist. Praktische Wahrheit ist
die Leistung der richtigen prohairesis, und prohairesis, nicht die resultierende
Handlung, ist die Trägerin der Wahrheit. Handlungen sind mit praktischer
Wahrheit durch ihr Verhältnis zur prohairesis verbunden.
Stephan Herzberg erörtert das der aristotelischen Ethik inhärente Prob-
lem, dass in ihr kein Kriterium der richtigen Überlegung bzw. Handlung zum
Zweck der Handlungsleitung und -bewertung diskutiert wird. Weder der Begriff
der eudaimonia noch der der Tugend lassen sich normativ operationalisieren.
Normen werden nicht durch eudaimonistische Prinzipien begründet. Der Ver-
weis auf eudaimonia gibt keine Antwort auf die Frage, was hier und jetzt zu tun
richtig ist. In Richtung einer Antwort deutet hingegen die Lehre von der Mitte.
Die Mitte ist selbst kein Kriterium, sondern der Gesichtspunkt für die verschie-
denen normativen Bedingungen, die zusammen die moralische Richtigkeit ei-
ner Handlung ausmachen. Ein zweiter Hinweis auf Normbegründung findet
10 | Friedemann Buddensiek / Sebastian Odzuck

sich in der Rede von an sich schlechten Handlungen, die eine Grenze der prakti-
schen Überlegung bilden. Doch eine ausgearbeitete Antwort liefert Aristoteles
auch mit diesen Kriterien nicht.
Béatrice Lienemann erörtert v.a. mit Blick auf EN V 10 und Poetik 13 Aris-
toteles’ Verständnis von praktischen Fehlern und ihrer Zurechenbarkeit – d.h.
von Fehlern wie z.B. Ödipus’ Tötung seines Vaters. Sie zeigt, dass praktische
Fehler eine bestimmte Art von Fehlhandlungen sind, die sich von anderen Ar-
ten von Fehlhandlungen abgrenzen lassen und die mit Blick auf die Zurechen-
barkeit bei den zu entschuldigenden Schädigungsarten zu verorten sind, näm-
lich nahe bei den gänzlich nicht-zurechenbaren Unglücksfällen. Eine Folge
daraus ist, dass solche Fehler Entschuldigung verdienen, und manchmal sogar
Mitleid, weil die handelnde Person ihre Fehlhandlung unwissentlich begangen
hat und ihr dieses Unwissen nicht in nennenswerter Weise anzulasten ist.
Der Beitrag von Laura Summa widmet sich der Frage, wie sich im Rahmen
der aristotelischen Theorie aus Kindern als zunächst vernunftlosen Wesen tu-
gendhaft agierende Akteure entwickeln können, wenn doch das Erlernen und
Einüben tugendhaften Handelns das Vorhandensein von Vernunft bei den Ler-
nenden voraussetzt. Summa argumentiert für die These, dass sich die Vernunft-
entwicklung bei Kindern im Laufe der Erziehung graduell vollziehen muss: Sie
erfolgt einerseits auf charakterlicher Ebene durch die Habituation der korrekten
emotionalen Reaktionen und anderseits durch eng damit verzahnte Entwick-
lungs- und Lernprozesse auf kognitiver Ebene. Erst diese Vorgänge in ihrer Ge-
samtheit ermöglichen es letztlich, dass Vernunftgründe im Handelnden ihre
motivationale Kraft entfalten können.
Ein zentraler Bereich des Handelns ist auch für Aristoteles das Handeln in
der Polis. Hallvard Fossheim zeigt, dass Aristoteles politische Akteurschaft
nicht nur in dem weiten Sinn versteht, in dem jeder Mensch als gemeinschafts-
bezogenes Lebewesen politischer Akteur ist, sondern auch in zwei engeren
Sinnen: zum einen als Akteurschaft, die ein Handeln für die Gemeinschaft um-
fasst, zum anderen als Akteurschaft, die ein Handeln zum Guten der Gemein-
schaft aus einem Amt heraus umfasst. Beim Übergang zum Handeln aus einem
Amt heraus ändert sich die Akteurschaft in wesentlichen Aspekten: hier handelt
nicht mehr das Individuum als solches, vielmehr wechselt der Handelnde aus
der Rolle des Individuums in die der politischen Funktion und des Herrschen-
den in einem bestimmten Bereich. Für den Kontrast und die Erläuterung lässt
sich auf das Negativbeispiel des Tyrannen verweisen, bei dem das Individuum
die Art seiner Akteurschaft beim Übergang in den Bereich politischer Tätigkeit
nicht wechselt.
Einleitung | 11

Der Beitrag von Uwe Walter widmet sich der Erörterung eines zentralen
Problems des Handelns im politischen Raum im Griechenland der klassischen
Zeit. Gemeinschaft und Zugehörigkeit – zentrale Merkmale eines politischen
Verbands – verdanken sich vor allem dem gemeinschaftlichen Tun. Doch wie
steht es um dessen Wirklichkeit? Grundlage für politische Kohärenz sind in vie-
len Bereichen Assoziationen, die nicht auf Verwandtschaft, sondern ausgehend
von eigenen Interessen auf eigener Entscheidung beruhen. Problematisch wird
dies, wo politische Fragen nicht auch durch Konsens, sondern vor allem durch
Mehrheitsvotum entschieden werden, da dies vielfach zu einer Verschärfung
der Trennlinien und zu ausgeprägter Dissoziation führt. Mit Blick auf die daraus
erwachsenden Verwerfungen machen auch Philosophen dieser Zeit Vorschläge
für die theoretische Grundlage politischer Stabilität, zum Beispiel durch Theo-
rien der Gerechtigkeit oder der Mischverfassung. In jedem Fall legen sie beson-
deres Gewicht auf die Konzeption einer geeigneten Formung und Erziehung des
Polis-Mitglieds.
Die Reihe der Beiträge zur hellenistischen Philosophie beginnt mit dem Bei-
trag von Francesca Alesse zum stoischen Verständnis der Logik und Funkti-
onsweise präskriptiver Aussagen. Damit eine Handlung zustande kommt, muss
nach stoischer Auffassung eine Zustimmung der handelnden Person zum Sach-
verhalt vorliegen, dass etwas Gutes bzw. etwas Schlechtes der Fall ist. Damit
aber auch ein Impuls zur Handlung zustande kommt, muss die Zustimmung zu-
gleich ein Urteil der handelnden Person dazu sein, dass sie etwas Bestimmtes
tun soll. Der entscheidende Punkt ist nun, dass die Zustimmung als ganze zwar
auf die vollständige Aussage, die den Sachverhalt beschreibt, bezogen ist, der
Impuls als solcher hingegen mit dem Prädikat der Aussage verbunden ist, das
zum Ausdruck bringt, dass es ein bestimmtes Handeln notwendig oder ange-
messen ist. Diese Notwendigkeit oder Angemessenheit wird im Griechischen
durch die Wortform des Verbaladjektivs ausgedrückt, das in einem einzigen
Wort zum Ausdruck bringt, dass etwas zu tun ist. Solche Verbaldadjektive sind
es, die Zustimmung praktisch machen und in einen Handlungsimpuls umwan-
deln.
Ein systematisches Problem der stoischen Handlungstheorie ist das Prob-
lem, wie ein Handeln eines von sich aus guten Wesens – wie z.B. eines tugend-
haften Menschen oder des stoischen Gottes –, für das es nur eine Handlungs-
richtung geben kann, ohne Überlegung bzw. ohne alternative Möglichkeiten,
anders zu handeln, willentlich sein kann und als Handlung im eigentlichen
Sinn gelten kann. Die Frage, wie die Stoa auch solchen guten Wesen willentliche
Bewegungen zuschreiben kann, erörtert Margaret Graver. Solche Bewegungen
scheinen vorauszusetzen, dass der Bewegende auch anders handeln könnte.
12 | Friedemann Buddensiek / Sebastian Odzuck

Das aber ist beim stoischen Gott gerade nicht der Fall: er kann seiner Natur
nach nur das Beste tun und kann die Welt nur auf eine bestmögliche Weise
lenken. Welcher Art von Nötigung ist er hier unterworfen, so dass er gleichwohl
noch zu willentlichen Bewegungen in der Lage ist? Der entscheidende Punkt ist,
dass der scheinbare Zwang zum Besten, unter dem er steht, ihm nicht von au-
ßen, sondern durch die eigene Natur auferlegt ist. Seneca unterscheidet zwi-
schen ‚x kann nur dies tun’ und ‚x kann nur dies wollen’. Der Gott ist aufgrund
seiner eigenen Natur unfähig zum Wunsch, Schlechtes zu tun, sein Wille, das
Beste zu tun, ist unveränderlich. Doch das berührt nicht die Natur und das Vor-
liegen der Vorkommnisse seines Wollens. Ebenso können wir auch im Fall des
guten Menschen etwa davon sprechen, dass er sich gezwungen fühlt zu helfen.
Doch das heißt natürlich nicht, dass er nicht helfen wollte: der „Zwang“ ergibt
sich auch in seinem Fall aus seiner Natur.
Der Beitrag von John Sellars konzentriert sich, nun mit Blick auf Marc Au-
rel, auf die Frage nach der Möglichkeit und Erklärung spontanen tugendhaften
Handelns, d.h. von Handlungen, die nahezu ohne praktisches Überlegen auszu-
kommen und vollkommen aus dem tugendhaften Charakter der handelnden
Person zu entspringen scheinen. Sellars zufolge kann Marc Aurels Diskussion
aus den Meditationen nur vor dem Hintergrund der stoischen Annahmen zu Na-
tur und oberstem Ziel des menschlichen Lebens verstanden werden, auf denen
sie beruhen: Wenn wir ohne Überlegung und quasi absichtslos spontan tugend-
haft handeln, weil wir dies in so hohem Maße verinnerlicht haben, dass wir gar
nicht mehr darüber nachdenken müssen und nahezu automatisch handeln,
dann realisieren wir damit das Ziel menschlichen Lebens, in permanenter Über-
einstimmung mit der Natur zu leben, auf höchste Weise.
In ihrem Beitrag zu Senecas Charakterisierung menschlichen Handelns kon-
trastiert Dagmar Kiesel Senecas Drama Phaedra mit Euripides‘ erhaltenem
Hippolytos (d.h. nicht, wie üblich, mit dem nur in wenigen Fragmenten überlie-
ferten Hippolytos Kalyptomenos, sondern dem Hippolytos Stephanêphoros). Sie
argumentiert für die These, dass Seneca anhand seiner Phaedra-Figur den Zu-
stand alltäglichen Wahnsinns verdeutlichen möchte, in dem wir alle uns der
stoischen Auffassung zufolge im Gegensatz zum stoischen Weisen permanent
befinden und der wesentlich unser Handeln bestimmt. Mit seiner Phaedra
möchte Seneca verdeutlichen, dass diese Form des Wahnsinns selbstverschul-
det ist, da sie auf der willentlichen Annahme falscher Überzeugungen beruht,
die die kognitive und emotionale Instabilität des Akteurs und seiner Handlun-
gen bewirkt.
Raphael Woolf weist in seinem Beitrag auf die zentrale Bedeutung hin, die
Cicero in den Werken De Finibus und De Officiis dem Begriff der Integrität des
Einleitung | 13

Handelns zuschreibt. „Integrität“ meint dabei die Disposition eines oder einer
Handelnden, das eigene Leben in Übereinstimmung mit den eigenen Werten
und Überzeugungen zu leben, ohne die Cicero zufolge ein gutes Leben unmög-
lich ist. Woolf argumentiert dabei für die These, dass Ciceros Forderung nach
der Integrität des Handelns nicht nur klar im Einklang mit dessen skeptischer
Grundhaltung steht, sondern dass er aus dieser Perspektive heraus auch Kritik
an stoischen und epikureischen Entwürfen formuliert: deren Radikalität lässt es
nicht zu, dass die charakterlich gute Person auch offen in Übereinstimmung mit
ihren Überzeugungen lebt, obwohl auch diese Offenheit Voraussetzung für ein
gutes Leben ist. So ist Cicero zufolge die skeptische Position im Gegensatz zu
den beiden anderen Positionen die einzige, die ein Handeln gemäß der Integri-
tät und damit ein erfülltes Leben ermöglicht.
Im letzten Beitrag des Bandes wendet sich Miira Tuominen anhand von
Porphyrios’ Werk De Abstinentia der Diskussion von Unterlassungen als speziel-
lem Fall menschlichen Tuns zu. Genauer gesagt diskutiert sie, ob es sich bei dem
in dieser Schrift geforderten Verzicht auf alle Schädigung von Lebewesen um ein
Unterlassen im Sine eines Tuns handelt, für das wir als Akteure genauso so ver-
antwortlich sind wie für unsere anderen Handlungen auch. Tuominen zufolge
dürfen solche Verzichtshandlungen nicht auf ein rein negativ bestimmtes Nicht-
Tun reduziert werden. Sie sind vielmehr vor dem Hintergrund von Porphyrios’
Theorie des guten Lebens als einem Handeln gemäß ethischen Prinzipien zu be-
trachten. Damit, so Tuominen, wird auch mit Blick auf die moderne Debatte
deutlich, dass eine Reduzierung ähnlich gelagerter Fälle des Unterlassens auf
bloßes Nicht-Tun unangemessen ist und dass ein solches Unterlassen vielmehr
als ein Handeln aus bestimmten ethischen Prinzipien aufzufassen ist.
Tom Wellmann
Schuldhaftes Handeln in Empedokles’
Physika und Katharmoi
Im Proömium seines Gedichts Katharmoi wendet sich Empedokles mit folgender
Grußformel an die Bürger seiner Heimatstadt Akragas (DK 31 B 112.1–4):

ὦ φίλοι, οἳ μέγα ἄστυ κατὰ ξανθοῦ Ἀκράγαντος


ναίετ’ ἀν’ ἄκρα πόλεος, ἀγαθῶν μελεδήμονες ἔργων,
ξείνων αἰδοῖοι λιμένες, κακότητος ἄπειροι,
χαίρετ’·

Freunde, die ihr die große Stadt am gelben Akragas-Flusse


bewohnt bis hinauf zu den Höhen der Burg, gute Werke besorgend,
ehrfürchtige Häfen der Fremden, unerfahren im Unglück,
seid mir gegrüßt!

Empedokles spricht in diesen Versen die Akragantiner als „Freunde“ an und


lobt ausdrücklich ihre gute Gesinnung und Gastfreundlichkeit. Nach dem, was
aus den erhaltenen Fragmenten über den Inhalt der Katharmoi erschlossen
werden kann, erhebt er im weiteren Fortgang dieses Gedichts gegenüber seinen
Mitbürgern allerdings einen überaus schweren Vorwurf: Durch die von ihnen
im Rahmen der Polisreligion ausgeübte Praxis des kultischen Schlachtopfers
machten sie sich kollektiv nicht nur des Mordes, sondern sogar des Verwand-
tenmords schuldig. Mit seinem an die Akragantiner gerichteten Appell, die Pra-
xis des blutigen Opfers vollständig aufzugeben, fordert er mithin nichts Gerin-
geres als eine grundlegende Revolution der Polisreligion, sofern für deren
rituelle Ausübung das Tieropfer konstitutiv war. Als Begründung für das in den
Katharmoi zur Geltung gebrachte universale Tötungsverbot fungiert die darin
ebenfalls dargestellte Lehre von den transmigrierenden daimones, mit der Em-
pedokles offenkundig die pythagoreische Seelenwanderungslehre aufgreift, die
er in verschiedenen Hinsichten modifiziert und weiterentwickelt.1 Der frevelhaf-
te Charakter des Schlachtopfers ergibt sich nach dieser Konzeption aus dem
Umstand, dass es sich beim getöteten Opfertier potenziell um einen postmortal
reinkarnierten Menschen, ja um einen nahen Verwandten handeln könnte,

||
1 Näheres zum Verhältnis der pythagoreischen Seelenwanderungslehre und der Konzeption in
Empedokles’ Katharmoi bei Primavesi (2013) 713–717.

https://doi.org/10.1515/9783110735598-002
16 | Tom Wellmann

beziehungsweise, grundsätzlicher formuliert, aus der nach der Transmigrati-


onslehre zwischen sämtlichen „beseelten“ Lebewesen bestehenden Verwandt-
schaftsbeziehung.
Ausgehend von der damit angezeigten Spannung zwischen Empedokles’
lobender Anrede der „gute Werke besorgenden“ Akragantiner im Proömium
und der Fundamentalkritik, die er im weiteren Verlauf des Gedichts an ihren
Handlungen übt, wird im Folgenden nach Empedokles’ Beurteilung der Schuld-
haftigkeit dieser Handlungen gefragt: Auf der einen Seite scheinen die Akragan-
tiner ihre aus Empedokles’ Sicht verwerflichen Handlungen zumindest nicht
wider besseren Wissens zu vollziehen, insofern ihnen ja die Begründung des
Tötungsverbots, die Transmigrationslehre, in den Katharmoi überhaupt erst
mitgeteilt wird. Auf der anderen Seite ist aber der anklagende Charakter der
gegenüber den Akragantinern erhobenen Vorwürfe in den Katharmoi, wie so-
gleich deutlich werden wird, unübersehbar. Untersucht werden soll also, ob
sich in den Texten Hinweise finden, inwiefern die Durchführung des rituellen
Schlachtopfers für Empedokles als ein schuldhaftes Handeln zu betrachten ist.
Anzusetzen ist dazu an zwei Fragmenten, die nach einhelliger Auffassung
den Katharmoi zugehören. In B 136 bringt Empedokles die bereits erwähnte
Ansicht zum Ausdruck, nach der es sich beim Schlachtopfer um nichts weniger
als einen Mord (phonos) handelt, den diejenigen, die das Opfer durchführen,
letztlich an ihresgleichen verübten (DK 31 B 136):

οὐ παύσεσθε φόνοιο δυσηχέος; οὐκ ἐσορᾶτε


ἀλλήλους δάπτοντες ἀκηδείῃσι νόοιο;

Wollt ihr nicht aufhören mit dem misstönenden Mord? Seht ihr nicht,
dass ihr einander zerfleischt in der Unbekümmertheit eures Verstandes?

Die zwei Fragen mit οὐ (οὐ παύσεσθε; οὐκ ἐσορᾶτε;), die als Antwort jeweils ein
„doch!“ erwarten lassen, legen nahe, dass die Akragantiner Empedokles zufolge
den wahren Charakter ihrer Handlungen erkennen könnten und von der Tötung
von Opfertieren Abstand nehmen müssten, dies jedoch jeweils nicht tun. Zu-
gleich liefert der Text Hinweise darauf, woran dies zu erkennen wäre und wes-
halb es dazu nicht kommt. Das Adjektiv δυσηχής, „misstönend“, bei Homer
entweder in Verbindung mit πόλεμος („Krieg“) oder mit θάνατος („Tod“) ste-
hend, bezieht sich hier, wie sämtliche Interpreten annehmen, auf die vom Op-
fertier in unmittelbarer Todesangst ausgestoßenen Schreie, durch die sich, nach
der Logik des Textes, für Empedokles eben der wahre Charakter der ausgeübten
Opferhandlung ankündigt. Dass dieser, obwohl er gehört werden kann, nicht
„gesehen“ wird, liegt dem zweiten Vers zufolge an der „Unbekümmertheit des
Schuldhaftes Handeln in Empedokles’ Physika und Katharmoi | 17

Verstandes“ (ἀκηδείῃσι νόοιο) der Beteiligten. Diese „Unbekümmertheit des


Verstandes“ umfasst an dieser Stelle sowohl den Aspekt eines Nicht-Verstehens
aufgrund von fehlender gedanklicher Konsequenz als auch den Aspekt eines
gedanklichen Sich-nicht-Kümmerns um das Vernommene: Die sich spontan
einstellende Irritation über die Gewaltsamkeit der Opferhandlung wird unter-
drückt, so dass es zu einem konsequenten Durchdenken dessen, was die
Schreie des Opfers bedeuten, gar nicht erst kommt. Die Schuldhaftigkeit der in
Unkenntnis ihres wahren Charakters vollzogenen Opferhandlung begründet
sich also durch ein noch näher zu bestimmendes intellektuelles Versagen.
Bestätigung erfährt dieses Verständnis durch das bei Diels folgende Frag-
ment 137, dessen Text insbesondere am Ende des zweiten Verses umstritten ist,
wobei im Folgenden für die Beibehaltung von Diels’ Restitution der Stelle plä-
diert werden soll (DK 31 B 137):

μορφὴν δ’ ἀλλάξαντα πατὴρ φίλον υἱὸν ἀείρας


σφάζει ἐπευχόμενος μέγα νήπιος· οἱ δ’ ἀπορεῦνται
λισσόμενον θύοντες· ὁ δ’ αὖ νήκουστος ὁμοκλέων
σφάξας ἐν μεγάροισι κακὴν ἀλεγύνατο δαῖτα.
ὡς δ’ αὔτως πατέρ’ υἱὸς ἑλὼν καὶ μητέρα παῖδες
θυμὸν ἀπορραίσαντε φίλας κατὰ σάρκας ἔδουσιν.

Den eigenen Sohn, der geändert hat seine Gestalt, hebt der Vater empor
und schlachtet ihn, ein Gebet dazu sprechend, der große Narr! Die aber sind in
Verlegenheit
über das Flehen von dem, den sie opfern. Der Vater wiederum, der nicht hört auf die
Schreie,
bereitet, nachdem er ihn geschlachtet, im Hause ein schlimmes Mahl.
Genauso aber ergreifen den Vater der Sohn und die Mutter die Kinder,
entreißen ihnen das Leben und verschlingen ihr eigenes Fleisch.

Die ersten vier Verse schildern das drastische Szenario, bei dem ein Mann sei-
nem eigenen, vor ihm verstorbenen und anschließend im Opfertier reinkarnier-
ten Sohn eigenhändig erneut den Tod zufügt und sodann das Fleisch seines
Sohnes für den gemeinschaftlichen Verzehr zubereitet. Die Verse 5–6 verdeutli-
chen dann, dass sich ein solcher Vorgang des Tötens und Verzehrens verstor-
bener Familienangehöriger im Rahmen des Opfers auch in anderen, nicht min-
der erschreckenden Konstellationen ereignen soll. Mit den Worten λισσόμενον
(„… Flehen …“) und ὁμοκλέων („… Schreie …“) nimmt Empedokles im dritten
Vers nun erneut auf die vom Opfertier vor der Schlachtung in Todesangst aus-
gestoßenen Laute Bezug, die von keinem der an der Opferhandlung Beteiligten
zureichend interpretiert werden: Indem der Vater, der das Opfer vollzieht, sich
gegenüber dem Gehörten verschließt – wie das Wort νήκουστος (3) hier zu ver-
18 | Tom Wellmann

stehen ist – erweist er sich als „großer Narr“ (μέγα νήπιος, 2). Die übrigen Teil-
nehmer am Ritual hingegen versetzt das „Flehen“ des Opfertieres in „Verlegen-
heit“ (aporia). Die Berechtigung von Diels’ Emendation des in einer Sextus-
Handschrift überlieferten, aber sinnlosen οἶδα πορεῦνται zu οἳ δ’ ἀπορεῦνται2
(„die aber sind in Verlegenheit“) am Ende des zweiten Verses ist zwar aufgrund
einer vermeintlich fehlenden Plausibilität der dargestellten Situation bestritten
worden.3 Nach den bis hierhin vorgetragenen Überlegungen steht die Aussage
des von Diels restituierten Textes jedoch in Übereinstimmung mit dem be-
schriebenen Ansatzpunkt der von Empedokles’ geübten Kritik, die durch sie wie
folgt präzisiert werden kann: Das Schreien des Opfertieres als Ausdruck eines
verzweifelten Kämpfens ums Überleben steht in einem gedanklich kaum aufzu-
lösenden Kontrast zur vermeintlichen Reinheit und Heiligkeit der kultischen
Handlung. Da, wie Empedokles beobachtet, eine konsistente gedankliche In-
tegration des „Flehens“ des Opfertieres in den Rahmen eines oftmals ja gerade
zum Zweck der Reinigung von einer Befleckung vollzogenen Rituals unmöglich
ist, befinden sich die Teilnehmer am Ritual mit Blick auf dieses Flehen in einem
Zustand der aporia, über den sie sich jedoch „in der Unbekümmertheit ihres
Verstandes“ hinwegzusetzen pflegen. Zur Stützung eines solchen Verständnis-
ses kann man nicht zuletzt darauf verweisen, dass der Bewältigung der durch
das gewaltsame Töten eines sich wehrenden Tieres hervorgerufenen negativen
Affekte im Ablauf zahlreicher griechischer Opferrituale mit der sogenannten
„Unschuldskomödie“4 sogar eine eigene Handlungssequenz gewidmet war.
Gleichwohl ist an dieser Stelle zu fragen: Konnte Empedokles in diesen Tex-
ten tatsächlich die Ansicht zum Ausdruck bringen, dass ein gedankliches
Ernstnehmen der Schreie von Opfertieren die Beteiligten von selbst zu der Ein-
sicht hätte führen können oder gar müssen, dass es sich bei diesen in Wahrheit
um zuvor verstorbene und nun in Tiergestalt reinkarnierte Menschen handelt?
Zweifel hieran sind insbesondere deshalb angebracht, als Empedokles seine
spezifische Version der Transmigrationslehre in den Katharmoi den Akraganti-
nern ersichtlich als ein exklusives Wissen verkündet, dessen initiale Erlangung
Erfahrungen voraussetzt, die allein ausgezeichnete Individuen – wie Pythago-
ras und Empedokles selbst – für sich beanspruchen können.5 Inwiefern hätten

||
2 Siehe DK im kritischen Apparat zu 31 B 137.2.
3 Vgl. zuletzt Gemelli Marciano (2009) 435: „Niemand wäre damals verstört gewesen, weil es
sich um eine von der Stadt und von den Göttern bewilligte rituelle Handlung handelte.“
4 Zu diesem von Meuli geprägten Begriff s. Burkert (1972) passim.
5 Vgl. insbesondere DK 31 B 129.
Schuldhaftes Handeln in Empedokles’ Physika und Katharmoi | 19

also die Akragantiner erkennen können, dass sie beim Opfermahl in Wahrheit
„einander“ (B 136.2) verspeisen?
Wie nun dargelegt werden soll, sind hierzu aus dem 1999 von Alain Martin
und Oliver Primavesi herausgegebenen Straßburger Papyrus,6 durch den um-
fangreiche Passagen aus Empedokles’ Lehrgedicht Physika wiederentdeckt
wurden, weiterführende Einsichten zu gewinnen. Für eine interpretatorische
Auswertung der relevanten Textpassagen ist es allerdings erforderlich, zu-
nächst auf einige Fragen zur Rekonstruktion des betreffenden Teils des Lehrge-
dichts einzugehen.
Zu den in der sich an die Publikation des Straßburger Papyrus anschließen-
den Forschungsdiskussion am meisten beachteten Stellen zählt ein Verspaar,
das – in leicht entstellter Form – bereits vor Entdeckung des Papyrus durch die
Zitatüberlieferung bekannt war und das aufgrund des Zusammenhangs bei
Porphyrios, der es zitiert (De abst. II 31), vor allem aber aufgrund seines Inhalts
bis dahin stets den Katharmoi zugewiesen wurde: die Verse Strasb. d/f 5–6, die
von Diels als Fragment 139 gezählt wurden und deren Relevanz für die hier
verfolgte Frage offenkundig sein dürfte (Strasb. d/f 5–6 = DK 31 B 139.1–2):

οἴμοι ὅτ(ι) οὐ πρόσθεν με διώλεσε νηλεὲς ἧμαρ,


πρὶν χηλαῖς σχέτλι’ ἔργα βορᾶς πέρι μητίσασθαι·

Wehe! Dass mich nicht ohne Erbarmen hat sterben lassen ein früherer Tag,
bevor mit den Klauen ich schändliche Werke um Fraßes willen verübte!

Aus der damals überraschenden Entdeckung, dass diese beiden Verse, wie
sämtliche Teile des Papyrus, dem naturphilosophischen Lehrgedicht entstam-
men, zogen die Interpreten nun ganz unterschiedliche Schlussfolgerungen:
Während die einen meinten, die Textstelle beweise die gedankliche Einheit von
Katharmoi und Physika,7 indem sie zeige, dass Empedokles auch in seinem na-
turphilosophischen Lehrgedicht die Transmigrationslehre vertrete, versteht
etwa Primavesi sie als einen intertextuellen Verweis, mit dem Empedokles
schlaglichtartig die gerade nicht in naturphilosophische Begrifflichkeit über-
führbare mythische Weltsicht der Katharmoi evoziere.8 Dazu ist, bei vorerst
isolierter Betrachtung der beiden Verse, zunächst Folgendes festzustellen:
Dadurch, dass Empedokles mit Reue auf eine von ihm begangene Tötung „um

||
6 Martin/Primavesi (1999).
7 So etwa Martin/Primavesi (1999), Kingsley (2002).
8 Primavesi (2013) 720f.
20 | Tom Wellmann

Fraßes willen“ zurückblickt, d. h. auf eine eigenhändig von ihm durchgeführte


Schlachtung im Rahmen des Opferkultes, wird tatsächlich implizit deutlich,
dass die Forderung nach einer Einstellung der Opferpraxis, die man vor Entde-
ckung des Papyrus ausschließlich den Katharmoi zugeordnet hat, von Empe-
dokles auch in den Physika zur Geltung gebracht wird. Als Begründung für das
Tötungsverbot wiederum fungiert in den Katharmoi, wie gesagt, die Transmig-
rationslehre. Hieraus kann man jedoch nicht folgern, dass Empedokles dieses
Verbot in den Physika zwingend auf dieselbe Weise begründet hätte. Tatsäch-
lich gibt es gute Gründe dafür, mit der Mehrzahl der Interpreten die Annahme
einer wie auch immer gearteten postmortalen Fortexistenz von Individuen für
unvereinbar mit der in den Physika dargestellten Elementenlehre zu halten,
nach der es buchstäblich nichts anderes gibt als die Prozesse der Verbindung
und Trennung der vier Elemente (vgl. DK 31 B 8.3–4: μόνον […] ἔστι). Dann al-
lerdings stellt sich die Frage: Wie begründet sich das Tötungsverbot im Rahmen
der Physika, wenn dies nicht durch eine Bezugnahme auf die Transmigrations-
lehre geschieht? Wie nun gezeigt werden soll, ist erstens eine Einbeziehung der
Katharmoi zum Verständnis des Verspaares in der Tat nicht erforderlich. Auf
dieser Grundlage lässt sich dann aber zweitens präzisieren, in welchem Sinne
Empedokles den Akragantinern auch in den Katharmoi ein schuldhaftes Han-
deln vorwirft. Dazu ist jetzt, wie angekündigt, zu ermitteln, in welchem inhaltli-
chen Zusammenhang Empedokles in den Physika überhaupt diese Reuebekun-
dung vornimmt.
Der Straßburger Empedokles-Papyrus umfasst im Wesentlichen vier größere
Ensembles, die von den Herausgebern mit den Buchstaben a, b, c und d be-
zeichnet wurden, wobei Janko erfolgreich die Zusammengehörigkeit von En-
semble d mit einem weiteren, kleineren Ensemble (f) nachweisen konnte.9 Das
umfangreichste Papyrusfragment, Ensemble a, ließ sich mit DK 31 B 17, dem
längsten Fragment der Zitatüberlieferung, zu einem 69 Verse umfassenden
Textkontinuum verbinden, das dank eines stichometrischen Zeichens auf dem
Papyrus nunmehr in absoluter Verszählung als Physika I, Verse 232–300 zitiert
werden kann. Doch auch für den auf Vers 300 folgenden Teil ergeben sich vor
allem aufgrund der letzten 13 Verse dieses Kontinuums Möglichkeiten einer
näheren Rekonstruktion. Zentral ist dabei, dass die Verse 288–290 von Empe-
dokles in einem weiteren Fragment, B 35, durch einen expliziten Rückverweis
aufgegriffen und wiederholt werden (Physika I, 288–290):

||
9 Janko (2004).
Schuldhaftes Handeln in Empedokles’ Physika und Katharmoi | 21

[ὁππότ]ε10 δὴ Νεῖκός [τ’ ἀνυ]πέρβατα βέν[θε’ ἵκηται]


δ[ίνη]ς, ἐν δὲ μέσ[ῃ] Φ[ιλ]ότης στροφά[λιγγι γένηται,]
ἐν [τῇ] δὴ τάδε πάντα συνέρχεται ἓν [μόνον εἶναι.]

Wenn also der Streit gelangt zu den unüberschreitbaren Tiefen


des Wirbels und in der Mitte des Strudels die Liebe entsteht,
dann gehen dort diese alle zusammen, Eines alleine zu sein.

Durch eine auf Vers 290 folgende Ankündigung sowie durch den Inhalt von B 35
kann, wie nun gezeigt werden soll, der anzusetzende Inhalt des Gedichtteils
zwischen Vers 300 und B 35 in allgemeiner Weise ermittelt werden.11 Auf dieser
Basis lässt sich wiederum die Position und der inhaltliche Zusammenhang auch
der übrigen Papyrusensembles und damit auch der Reuebekundung in Ensem-
ble d/f rekonstruieren.
Empedokles’ in den Versen 291–300 vorgenommene Ankündigung lautet
wie folgt (Physika I, 291–300):

[σπεῦ]δε δ’ ὅπως μὴ μοῦνον ἀν’ οὔατα [μῦθος ἵκηται]


[ἠδέ] μευ ἀμφὶς ἐόντα κλύων [ν]ημερτ[έα φράζευ·]
[δεί]ξω σοι καὶ ἀν’ ὄσσ(ε) ἵνα μείζονι σώμ[ατι κύρει,]
[π]ρῶτον μὲν ξύνοδόν τε διάπτυξίν τε γενέθλης
ὅσ[σ]α τε νῦν ἔτι λοιπὰ πέλει τούτοιο τ[όκοιο,]
τοῦτο μὲν [ἂν] θηρῶν ὀριπλάγκτων ἀγ[ρότερ’ εἴδη,]
τοῦτο δ’ ἀν’ ἀ[νθρώ]πων δίδυμον φύμα, [τοῦτο δ’ ἀν’ ἀγρῶν]
ῥιζοφόρων γέννημα καὶ ἀμπελοβάμ[ονα βότρυν.]
ἐκ τῶν ἀψευδῆ κόμισαι φρενὶ δείγματα μ[ύθων·]
ὄψει γὰρ ξύνοδόν τε διάπτυξιν τε γενέθλης …

Sei aber darauf bedacht, dass nicht nur bis zu den Ohren mein Wort dir gelange,
und – indem von mir du vernimmst, was uns umgibt – mache die Wahrheit dir klar.
Zeigen werde ich dir auch bis zu den Augen, wo einen größeren Körper sie (die Elemente)
bilden,
zuerst die Vereinigung und Entfaltung der Schöpfung,
und dann alles, was jetzt noch von dieser Erzeugung Bestand hat:
zum einen bei den wilden Arten der bergedurchstreifenden Tiere,
zum anderen bei der Menschen Zwillingsgewächs, dann auch

||
10 [ὁππότ]ε Rösler (mündlich), [ἀλλ’ ὅτ]ε Primavesi; s. Wellmann (2020) 87 Anm. 265.
11 Im Folgenden werden, als Grundlage der unten vorzuschlagenden Interpretation der Verse
Strasb. d/f 5–7, in verdichteter Form einige in Wellmann (2020), Kap. 6–7, detaillierter ausge-
arbeitete Argumentationslinien aufgegriffen. Mit Blick auf die dort unternommene Auseinan-
dersetzung mit der Forschungsdiskussion zum Straßburger Papyrus beschränkt sich deren
Einbeziehung im vorliegenden Text auf wenige, zentrale Aspekte.
22 | Tom Wellmann

bei der wurzeltragenden Felder Erzeugnis oder der rebenbegehenden Traube –


aus diesen gewinne feste Beweise für meine Worte deinem Verstand.
Sehen nämlich wirst du Vereinigung und Entfaltung der Schöpfung …

Zum Verständnis dieses Textes ist hervorzuheben, dass Empedokles seine zuvor
(288–290) begonnene Darstellung des Vereinigungsvorgangs der Elemente hier
nicht, wie angenommen wurde, unterbricht,12 sondern lediglich darauf hin-
weist, dass er diese Darstellung im Folgenden „bis zu den Augen“ (293), d. h.
bis zu den sichtbaren Ergebnissen dieses Vereinigungsvorgangs führen wird.
Zwingend ist dies nicht zuletzt deshalb, da Empedokles in Vers 293 mit der
Wendung ἵνα μείζονι σώμ[ατι κύρει,] grammatisch wie auch sachlich die im
vorausgehenden Vers 290 erwähnten, sich vereinigenden Elemente – τάδε
πάντα – wieder aufnimmt. Ferner trifft die etablierte Ansicht nicht zu, dass im
erhaltenen Text das zweite Glied der in Vers 294 mit πρῶτον μὲν begonnenen
Aufzählung fehle, denn die Partikelverbindung πρῶτον μὲν … τε, wie sie in 294
und 295 vorliegt, ist gleichbedeutend mit πρῶτον μὲν … ἔπειτα δέ.13 Empedokles
kündigt somit an, erstens die „Vereinigung und Entfaltung der Schöpfung“
darzustellen und zweitens „alles, was jetzt noch von dieser Erzeugung Bestand
hat“. Aus dieser letzten Aussage wiederum geht hervor, dass die in Vers 294
erwähnten Vorgänge, die Empedokles – nach plausibler Ergänzung der Heraus-
geber – in 295 als „diese Erzeugung“ zusammenfasst, zwingend in der Vergan-
genheit liegen müssen. Schließlich bezieht sich das Wort διάπτυξις, „Entfal-
tung“, in Vers 294 nicht, wie üblicherweise angenommen, auf das Tren-
nungswirken des Streites,14 sondern bezeichnet jenen Prozess der Aszendenz,
der auch im epischen Gebrauch des Wortes γενέθλη in der Bedeutung „Ge-
schlecht als Aszendenz“15 enthalten ist und der, als Entfaltung der ersten Ele-
mentverbindungen, schrittweise zu den jetzt noch sichtbaren Resultaten „dieser
Erzeugung“ führt. Da nun Entfaltung im Bereich von Lebewesen zwingend als
ein Wachstum zu denken ist, Wachstum aber, wie Aristoteles bezeugt, für Em-
pedokles in einer „Hinzusetzung“ (prosthesis) von Elementarteilen besteht,16 die
von ihm wiederum durchgängig auf das Wirken der Liebe zurückgeführt wird,
ist zu konstatieren, dass Empedokles in diesen Versen ausschließlich die in

||
12 In diesem Sinne etwa Primavesi (2008) 21.
13 Siehe Denniston (1954) 374f. Anm. 2.
14 In diesem Sinne u.a. Trépanier (2003) 24, Gemelli Marciano (2005) 378, Sedley (2007) 36,
Primavesi (2008) 22, Ferella (2013) 36–38.
15 Siehe LfgrE s. v. γενέθλη.
16 Arist. Gen. corr. II 6, 333a35–b1 (= zu DK 31 B 37).
Schuldhaftes Handeln in Empedokles’ Physika und Katharmoi | 23

288–290 angesprochene, von der Liebe bewirkte Vereinigungsbewegung in den


Blick nimmt. Was er hier somit ankündigt, ist eine Darstellung der sich unter
dem Einfluss der Liebe vollziehenden Zoogonie bis hin zu ihren noch sichtbaren
Resultaten. Eine von mehreren relevanten Implikationen dieser Verse, die hier
nicht weiterverfolgt werden können, ist also, dass man die geläufige Situierung
des für Empedokles gegenwärtigen Zeitalters in der Phase zunehmender Herr-
schaft des Streites aufgeben muss.
Bestätigen lässt sich diese Interpretation durch den Inhalt von B 35, in dem
Empedokles sein Selbstzitat der Verse 288–290 folgendermaßen einleitet (DK 31
B 35.1–3):

αὐτὰρ ἐγὼ παλίνορσος ἐλεύσομαι ἐς πόρον ὕμνων,


τὸν πρότερον κατέλεξα, λόγου λόγον ἐξοχετεύων,
κεῖνον

Doch will ich erneut beschreiten den Pfad meiner Hymnen,


den ich zuvor schon ausführte, einen Punkt aus dem anderen herleitend,
jenen:

Entscheidend für die Bestimmung der Funktion des anschließenden Selbstzitats


ist der zweite Vers des Fragments und darin vor allem das Verb καταλέγειν, das
im epischen Sprachgebrauch die Bedeutung „ausführlich und der Reihe nach
erzählen“ hat. Empedokles kommt hier also „erneut“ auf etwas zu sprechen,
das von ihm zuvor bereits in extenso dargestellt wurde. Nach einhelliger Auf-
fassung enthält die Fortsetzung von Fragment 35 nun eine summarische Zu-
sammenfassung des Vorgangs der Entstehung der Lebewesen bei zunehmen-
dem Einfluss der Liebe, die Empedokles auch hier bis zu ihren „jetzt noch“
sichtbaren Resultaten führt (DK 31 B 35.16–17):

τῶν δέ τε μισγομένων χεῖτ’ ἔθνεα μυρία θνητῶν


παντοίαις ἰδέῃσιν ἀρηρότα, θαῦμα ἰδέσθαι.

Sobald aber diese sich mischten, ergossen sich unzählige Scharen sterblicher Wesen,
zu mannigfaltigen Formen gefügt, ein Wunder zu schauen.

Damit ergibt sich: Der Gedichtteil zwischen Vers 300 und B 35 enthielt eine
ausführliche Darstellung der Zoogonie unter dem Einfluss der Liebe von der
ersten Entstehung von Lebewesen bis hin zur Gegenwart.
Der Ertrag dieses Befundes für die hier verfolgte Fragestellung liegt nun
zum einen darin, dass sich auf dieser Grundlage das Ensemble d/f, in dem sich
die beiden Verse mit Empedokles’ Reuebekundung finden, innerhalb dieses
Teils des Gedichts lokalisieren lässt. Dieses Ensemble enthält in Vers 10 eine
24 | Tom Wellmann

Zäsur, nach der Empedokles, ähnlich wie in B 35, ankündigt, etwas, von dem im
Gedicht zuvor schon die Rede war, aufzugreifen und weiterzuführen (Strasb.
d/f 10–14):

… [ἡ]μεῖς δὲ λόγων ἐπιβ[ησόμ]εθ’ αὖθις


[κείνων· ὁππότ]ε δὴ συνετύγχανε φ[λογ]μὸς ἀτειρής
[ ]ς ἀνάγων π[ο]λυπήμ[ον]α κρᾶσιν,
[ ζῷ]α φυτάλμια τεκνώθ[η]σαν
[ τῶν ν]ῦν ἔτι λείψανα δέρκεται Ἠώς.

… Wir aber kommen nunmehr zurück auf jene (früheren) Worte:


Als nun die unermüdliche Flamme traf
[auf …], während nach oben sie führte die schmerzreiche Mischung,
[da] wurden zeugende Wesen geboren,
[ ] von denen jetzt noch Überbleibsel die Morgenröte erblickt.

Auch hier spricht Empedokles offenkundig über die Entstehung von Lebewe-
sen, die, wie sich der Verbform συνετύγχανε in Vers d/f 11 entnehmen lässt,
infolge einer Verbindung der Elemente geschieht. Vor allem jedoch ergibt sich
aus der schlagenden Parallelität der Verse d/f 18 – [τῶν ν]ῦν ἔτι λείψανα
δέρκεται Ἠώς – und 296 – ὅσ[σ]α τε νῦν ἔτι λοιπὰ πέλει τούτοιο τ[όκοιο,] –,
dass in dieser Passage exakt dasjenige dargestellt wird, was Empedokles am
Ende des bis Vers 300 reichenden Textkontinuums angekündigt hatte.
Zum anderen entfällt nach dem erläuterten Verständnis der letzten Verse
dieses Kontinuums die inhaltliche Grundlage, um mit Janko und Primavesi in
Ensemble c, das sich mit DK 31 B 20 überschneidet, die unmittelbare Fortset-
zung des Textes dieses Kontinuums zu erblicken.17 Vielmehr enthalten Ensem-
ble c sowie auch die ersten 10 Verse von Ensemble d/f, wie sogleich deutlich
werden wird, eine Erklärung von Geburt und Wachstum sowie Tod und Zerfall
von Lebewesen, die nicht mehr infolge eines einmaligen Schöpfungsakts durch
die Liebe hervorgebracht werden, sondern sexueller Reproduktion fähig sind
und damit dem fortgesetzten Wechselspiel von Geburt und Tod unterliegen. Bei
Empedokles’ Ausführungen zu diesem Thema handelt es sich folglich ebenfalls
nicht um einen Exkurs.18 Die Erklärung dieser Sachverhalte erscheint nach einer
Darstellung der Zoogonie bis hin zur Entstehung reproduktionsfähiger Lebewe-
sen im Rahmen seiner Darstellung vielmehr als geradezu zwingend. Zur Be-

||
17 Siehe Janko (2004) 5, Primavesi (2008) 23 u. 39.
18 Vgl. hierzu insbesondere die Interpretation des Textes als „apokalyptischer Exkurs“ bei
Primavesi (2008), 59.
Schuldhaftes Handeln in Empedokles’ Physika und Katharmoi | 25

gründung ist zunächst auf das in seiner Interpretation umstrittene Ensemble c


einzugehen (Strasb. c = DK 31 B 20):

[ δι]άκτορα μη[ ]
τοῦτο μὲν ἂν βροτέων μελέων ἀριδείκετον ὄγκον
ἄλλοτε μὲν Φιλότητι συνερχόμεθ’ εἰς ἓν ἅπαντα,
γυῖα τὰ σῶμα λέλογχε, βίου θηλοῦντος ἐν ἀκμῇ,
ἄλλοτε δ’ αὖτε κακῇσι διατμηθέντ’ Ἐρίδεσσι
πλάζεται ἄνδιχ’ ἕκαστα περὶ ῥηγμῖνι βίοιο.
ὣς δ’ αὔτως θάμνοισι καὶ ἰχθύσιν ὑδρομελάθροις
θηρσί τ’ ὀρειλεχέεσσιν ἰδὲ πτεροβάμοσι κύμβαις.

[ ] Gedanken der Lenkung [ ]


Dieses ereignet sich nun bei der augenfälligen Masse der menschlichen Glieder:
Bald vereinigen wir uns in Liebe, alles zu Einem,
als Glieder, die einen Körper erlangt haben, auf dem Gipfel blühenden Lebens,
bald jedoch wieder, durch schlimme Hader zerschnitten,
irrt, getrennt, ein jedes für sich umher in der Brandung des Lebens.
Genauso (geschieht dies) auch bei Sträuchern und wasserbehausten Fischen,
bei bergebewohnenden Tieren und mit Flügeln laufenden Vögeln.

Das Verständnis dieses Textes hängt wesentlich davon ab, wie man die Formu-
lierung γυῖα τὰ σῶμα λέλογχε in Vers c 4 interpretiert. Seit Diels19 dachte man
hierbei zumeist an die Zusammensetzung von Körpern aus zuvor einzeln vorlie-
genden Gliedmaßen, wie sie für den Übergang von der ersten zur zweiten Stufe
im Rahmen von Empedokles’ zoogonischer Theorie bezeugt wird,20 und bezog
den Text folglich auf ein oder gar mehrere von der Gegenwart verschiedene
Stadien des kosmischen Zyklus.21 Nach einem anderen, von Gemelli Marciano
und Trépanier22 vertretenen embryologischen Verständnis des Textes bringt
Empedokles mit der Formulierung γυῖα τὰ σῶμα λέλογχε die Vorstellung zum
Ausdruck, dass der Zeugungsvorgang im Sinne der sogenannten pangeneti-
schen Samentheorie in einer Komposition einzelner Gliedmaßen zu einem Gan-
zen bestehe. Die kosmologisch-zoogonische Interpretation des Textes scheidet
allerdings zum einen aufgrund von Empedokles’ ausdrücklichem Hinweis auf
die Sichtbarkeit des Beschriebenen (c 2: ἀριδείκετον ὄγκον) aus; zum anderen
ist sie unvereinbar damit, dass der beschriebene Wechsel sich dem Text zufolge

||
19 Diels (1898) 128f.
20 Vgl. Aët. V 19,5 (= DK 31 A 72), DK 31 B 57.
21 In diesem Sinne etwa Guthrie (1965) 202, O’Brien (1969) 218–228.
22 Gemelli Marciano (2005), Trépanier (2014) 28.
26 | Tom Wellmann

„bald“ und „bald“ abspielen soll, was sich kaum auf zwei bestimmte und zeit-
lich weit auseinander liegende Phasen des kosmischen Zyklus beziehen lässt.
Gegen die embryologische Interpretation wiederum spricht, dass deren Voraus-
setzung, Empedokles habe eine pangenetische Samenlehre vertreten, nach der
die Entstehung eines Embryos als Komposition präformierter Körperteile zu
denken wäre, aufgrund der vorliegenden doxographischen Referate zu Empe-
dokles’ Embryologie als unhaltbar erscheint.23 Eine konsistente Erklärung er-
schließt sich jedoch, wenn man berücksichtigt, dass der Plural γυῖα – bei Homer
wie auch bei Empedokles – selbst schon den Körper in seiner Ganzheit bezeich-
net.24 Mit dem Erlangen eines σῶμα ist hier somit nicht die Komposition von
Einzelgliedmaßen zu einem Körper, sondern das Erlangen einer für die Augen
sichtbaren Körperfülle gemeint, womit Empedokles die Aussage von Vers c 2
wieder aufnimmt: „Dieses ereignet sich nun bei der augenfälligen Masse der
menschlichen Glieder“. Vers c 4 beschreibt demnach, wie auch am Perfekt
λέλογχε erkannt werden kann, nicht den Prozess der Vereinigung selbst, son-
dern dessen Ergebnis: den „Gipfel des blühenden Lebens“. Der Tod hingegen,
beschrieben im darauffolgenden Verspaar, tritt ein durch die – hier wie überall
sonst bei Empedokles – negativ konnotierte Wirkung des Streites und manifes-
tiert sich im allmählichen Zerfall des Körpers in seine elementaren Bestandteile.
Die letzten beiden Verse des Fragments bringen sodann zum Ausdruck, dass
diese bei Menschen zu beobachtenden Gesetzmäßigkeiten unterschiedslos auch
für alle übrigen Lebewesen gelten: Das Leben ist ein von der Liebe gespendetes
Gut, Tod und Zerfall hingegen ereignen sich durch die Wirkung des Streites.
Auf dieser Basis ist nun ohne Schwierigkeiten erkennbar, dass Empedokles
im ersten Teil von Ensemble d/f, in dem sich die oben zitierte Reuebekundung
findet, exakt dieselben Dinge behandelt, womit sich bestätigt, dass Ensemble c
demselben Teil des Gedichts entstammt und in diesem mit Janko25 kurz vor En-
semble d/f lokalisiert werden muss. Hierzu sind nun die Verse d/f 1–4 (mit ten-
tativer Ergänzung des ersten Satzes in der Übersetzung) zu betrachten (Strasb.
d/f 1–4):

[ἄν]διχ’ ἀπ’ ἀλλήλω[ν] πεσέ[ει]ν καὶ π[ότ]μον ἐπισπεῖν


[πό]λλ’ ἀεκαζομέν[ο]ισιν ἀ[να]γκα[ίης ὕ]πο λυγρῆς
[ση]πο[μ]ένοις· Φιλίην δ’ ἐ[ρατ]ὴν [ἡμῖ]ν νυν ἔχουσιν
[Ἅρ]πυιαι θανάτοιο πάλοις [ἤδη παρέσ]ονται.

||
23 Die betreffenden Testimonien werden zitiert und ausgewertet in Wellmann (2020) 171f.
24 Für Homer s. LfrgrE s. v. μέλεα; für Empedokles s. DK 31 B 2.1; B 115.3; B 128.10; B 134.1.
25 Janko (2004).
Schuldhaftes Handeln in Empedokles’ Physika und Katharmoi | 27

[Uns steht es bevor,]


getrennt auseinander zu fallen und das Todesgeschick zu vollenden,
indem (wir) ganz gegen (unseren) Willen unter schlimmem Zwange
verwesen: Uns, die wir jetzt noch die sehnliche Liebe (in uns) haben,
werden bald Harpyien mit Todeslosen bedrängen.

Erneut bringt Empedokles hier den – für ihn als Autor und jeden Leser immer
jetzigen – Zustand des Lebens mit der Liebe in Verbindung, die wir „jetzt noch“
in uns haben, den Tod hingegen, von dem er in Vers d/f sogar explizit spricht,
mit dem an dieser Stelle durch die Harpyien verkörperten Streit. In den ersten
drei Versen beschreibt er wiederum, dass der nach dem Eintritt des Todes zu
beobachtende Verwesungsprozess – die sêpsis – als ein Zerfall in die elementa-
ren Bestandteile gedacht werden muss. Das von zahlreichen Interpreten vertre-
tene Verständnis, nach dem hier ein in ferner Zukunft liegendes, apokalypti-
sches Szenario beschrieben werde,26 in dem eine Dekomposition von Lebewesen
in ihre Einzelgliedmaßen stattfinde – ein Szenario, dessen Annahme durch
Empedokles im Übrigen sonst nirgends bezeugt wäre –, ist somit abzuweisen:
Empedokles blickt in diesen Versen voraus auf den auch ihm selbst bevorste-
henden Vorgang des natürlichen Todes. Dabei fällt auf, dass der Tod, wie auch
in Ensemble c, von ihm offenbar nicht als ein im lebenden Organismus selbst
als dessen Finalität angelegter Prozess, sondern als ein „unter schlimmem
Zwange“ (2) gleichsam von außen erlittenes Übel gedacht wird.
Nachdem Empedokles also zuerst, in Ensemble c, den Gedanken einer prin-
zipiellen Gleichheit aller Lebewesen dargelegt und anschließend die verderbli-
che Wirkung des Streites im Vorausblick auf den eigenen Tod thematisiert hat,
wird die zusammenhängende Bedeutung beider Motive von ihm nun in präg-
nanter Weise vor Augen geführt, indem er in Form einer Selbstanklage auf eine
eigenhändige Durchführung des Opferrituals zurückblickt (Strasb. d/f, 5–6):

οἴμοι ὅτ(ι) οὐ πρόσθεν με διώλεσε νηλεὲς ἦμαρ,


πρὶν χηλαῖς σχέτλι’ ἔργα βορᾶς πέρι μητίσασθαι

Wehe! Dass mich nicht ohne Erbarmen hat sterben lassen ein früherer Tag,
bevor mit den Klauen ich schändliche Werke um Fraßes willen verübte!

||
26 Ein solches Verständnis vertreten u.a. Martin/Primavesi (1999) 96, Osborne (2000) 352,
Kingsley (2002) 339, Tonelli (2005) 328, Primavesi (2008) 59, Gemelli Marciano (2009) 408.
28 | Tom Wellmann

Im Rückblick und im Lichte der später von Empedokles entwickelten Theorie


erschließt sich, dass er an jenem Tag „mit den Klauen“ selbst die Rolle der
soeben von ihm erwähnten todbringenden Harpyien ausgeübt hat.
Damit dürfte deutlich geworden sein, dass eine Bezugnahme auf die Ka-
tharmoi oder die Transmigrationslehre zum Verständnis dieser beiden Verse
nicht erforderlich ist. Das universale Tötungsverbot begründet sich in den Phy-
sika vielmehr durch die sich aus der Elementenlehre ergebende Annahme einer
zwischen sämtlichen Lebewesen bestehenden Verwandtschaftsbeziehung, in-
folge derer eine Einschränkung des Tötungsverbotes auf Menschen als inkonse-
quent kritisiert wird. Als – modern gesprochen – Quelle des Normativen fun-
giert im Rahmen von Empedokles’ Konzeption ersichtlich die als kosmisches
Prinzip gedachte Liebe, die jeden lebenden Organismus buchstäblich ausfüllt,
indem sie seinen Zusammenhang erst stiftet und sodann erhält. Dass nun die
Liebe nach Empedokles in einer solchen Weise „in uns“ wirkt, zeigt sich, wie
aus den Versen 252–257 hervorgeht, zunächst darin, dass sämtliche Menschen
ihr Wirken intuitiv-affektiv spüren und einige ihrer Handlungen danach aus-
richten (Physika I, 252–257):

τὴν σὺ νόῳ δέρκευ, μηδ’ ὄμμασιν ἧσο τεθηπώς


ἥτις καὶ θνητοῖσι νομίζεται ἔμφυτος ἄρθροις,
τῇ τε φίλα φρονέουσι καὶ ἄρθμια ἔργα τελοῦσι,
Γηθοσύνην καλέοντες ἐπώνυμον ἠδ’ Ἀφροδίτην.
τὴν οὔ τις γ’ ὄσσοισιν27 ἑλισσομένην δεδάηκε
θνητὸς ἀνήρ

Sie (die Liebe) erblicke mit dem Verstand, und sitze nicht da, über die Augen dich
wundernd;
sie, die ja auch bei den Sterblichen als eingeboren gilt in die Glieder,
durch die sie Zuneigung empfinden und verbindende Werke vollziehen,
sie Freude mit Beinamen nennend und Aphrodite.
Keiner hat je mit Augen gesehen, wie sie sich schlängelt,
kein sterblicher Mann!

Die entscheidende von Empedokles an dieser wie an anderen Stellen der Physi-
ka vermittelte Einsicht allerdings betrifft das Verständnis des Wirkens der Liebe
als Hervorbringerin sämtlichen Lebens innerhalb der Natur. Da die Liebe jedoch

||
27 γ’ ὄσσοισιν Preller; μετ’ ὄσσοισιν (F: ὄσοισιν) Simpl.; μετὰ τοῖσιν Brandis, Diels; vgl. Well-
mann (2020) 56–57.
Schuldhaftes Handeln in Empedokles’ Physika und Katharmoi | 29

nicht sichtbar ist (256–257), ist diese Erkenntnis jedoch nicht durch die Augen,
sondern allein durch den noos zu erlangen (252).
Die bis hierhin angestellten Beobachtungen zusammenfassend ist somit zu
konstatieren, dass das universale Tötungsverbot von Empedokles als in der von
ihm in den Physika dargestellten Weltordnung verankert gedacht wird. Bestäti-
gung erfährt dieses Verständnis schließlich durch eine Stelle bei Aristoteles, der
in der Rhetorik (I 13, 1373b6–17) mit folgenden Worten zwei von Diels als B 135
gezählte Empedokles-Verse zitiert:

ἔστι γάρ, ὃ μαντεύονται τι πάντες, φύσει κοινὸν δίκαιον καὶ ἄδικον, […] ὡς Ἐμπεδοκλῆς
λέγει περὶ τοῦ μὴ κτείνειν τὸ ἔμψυχον· τοῦτο γὰρ οὐ τισὶ μὲν δίκαιον τισὶ δ’ οὐ δίκαιον,

ἀλλὰ τὸ μὲν πάντων νόμιμον διά τ’ εὐρυμέδοντος


αἰθέρος ἠνεκέως τέταται διά τ’ ἀπλέτου αὐγῆς …

Es gibt nämlich, was alle irgendwie vermuten, von Natur aus ein gemeinsames Gerechtes
und Ungerechtes, […] wie auch Empedokles sagt über das Verbot, Beseeltes zu töten; dies
(zu tun) ist nämlich nicht für die einen rechtmäßig und für die anderen unrechtmäßig,

sondern, was für alle Gesetz ist, erstreckt sich ganz durch die weithin waltende
Luft und den unermesslichen Glanz …

Da Aristoteles sämtliche seiner sonstigen Empedokles-Zitate dem naturphiloso-


phischen Lehrgedicht entnommen hat, während die Katharmoi bei ihm „gera-
dezu von einer Mauer des Schweigens umgeben“28 sind, ist davon auszugehen,
dass auch diese beiden Empedokles-Verse den Physika zugehören. Zudem
spricht auch die Erwähnung der Elemente Luft und Feuer im zweiten Vers, die
Empedokles anschließend durch die von Erde und Wasser vervollständigt ha-
ben dürfte, dafür, dass das – nach Aristoteles’ Lesart für Empedokles „von Na-
tur aus“ gültige – Tötungsverbot in der durch die vier Elemente konstituierten
Weltordnung fundiert gedacht werden muss.
Im Hinblick auf die Frage nach Empedokles’ Beurteilung der Schuldhaf-
tigkeit des Handelns der Akragantiner in den Katharmoi verdient schließlich
noch der auf die Reuebekundung in Strasb. d/f 5–6 folgende, nur bruchstück-
haft erhaltene Vers (d/f 7) nähere Betrachtung: In ihm berichtet Empedokles mit
der Aoristform κατέδ]ευσα παρειάς erneut von einem Ereignis seiner Vergan-
genheit, bei dem er Tränen vergossen zu haben angibt. Dies wurde zumeist
damit erklärt, dass Empedokles im Rahmen der inszenierten Mündlichkeit sei-

||
28 Burkert (1975) 142; vgl. Laks/Most (2016) 318.
30 | Tom Wellmann

ner Darlegung bei der unmittelbar vorausgehenden Reuebekundung in Tränen


ausgebrochen sein will – Tränen, die er, nach Ergänzung des Versanfangs zu
[νῦν δ]ὲ μάτη[ν, im selben Atemzug als „vergeblich“ bezeichnet haben soll.29
Nach den zu den d/f 5–6 vorgetragenen Überlegungen erscheint es jedoch als
plausibler, dass hier dasselbe vergangene Ereignis in den Blick genommen
wird, auf das sich Empedokles auch in den beiden vorausgehenden Versen
bezogen hat – seine erste eigenhändige Durchführung eines kultischen
Schlachtopfers. Das nur zur Hälfte überlieferte Wort νο[ in der Versmitte lässt
sich nach einem Vorschlag von Rösler30 in diesem Sinne als eine Form des von
νέμειν abgeleiteten νομός, die „Verteilung“ oder „Speisung“, ergänzen, wobei
auch eine Form von νόμος in der Bedeutung von „Brauch“ ein solches Ver-
ständnis erlaubte. Bezieht sich der Vers aber, wie die beiden vorausgehenden,
auf eine vergangene Teilnahme am Schlachtopfer durch Empedokles, kann der
Versanfang keinesfalls durch ein νυν zu ergänzen sein, so dass sich als Alterna-
tive die Ergänzung [οὐδ]ὲ μάτη[ν mit der Bedeutung „nicht ohne Grund“ auf-
drängt, wie sie etwa in der (von Empedokles beeinflussten) Dichtung des Non-
nos wiederholt am Anfang eines Hexameters steht31 (Strasb. d/f 7):

[οὐδ]ὲ μάτη[ν ἐν] τῷδε νο[μῷ κατέδ]ευσα παρειάς

Und nicht ohne Grund habe ich bei dieser Speisung die Wangen benetzt.

Empedokles erlebte die eigenhändige Durchführung des Schlachtopfers als


schockierend und brach in Tränen aus, die er nun, im Lichte der später von ihm
entwickelten Theorie, einordnen kann und als begründet erkennt. Im sich spon-
tan einstellenden Mitleid bzw. der intuitiv-affektiven Abscheu gegenüber dem
Töten manifestiert sich demnach für Empedokles die von den meisten Men-
schen verkannte Verwandtschaftsbeziehung aller Lebewesen untereinander,
durch die sich die universale Geltung des Tötungsverbotes begründet. Diese
Verwandtschaftsbeziehung könnte jedoch, wie sich Empedokles’ Konzeption
weiterdenken lässt, von jedem durch einen aufmerksamen und konsequenten
Gebrauch des noos erkannt werden, wobei es im Hinblick auf die praktischen
Implikationen dieses Gedankens sekundär ist, ob er in naturphilosophisch-
argumentierender Weise wie in den Physika oder in mythischer Weise wie in
den Katharmoi ausformuliert wird.

||
29 In diesem Sinne bereits Martin/Primavesi (1999) 303.
30 Nach mündlicher Mitteilung durch Wolfgang Rösler übernommen in Wellmann (2020) 182.
31 Dion. 4.88; 34.237; 47.442; 48.285.
Schuldhaftes Handeln in Empedokles’ Physika und Katharmoi | 31

Damit lässt sich die Antwort auf die Frage, in welcher Weise die Akraganti-
ner für Empedokles schuldhaft handeln, wie folgt präzisieren: Sie müssen sich
zwar keinen bewussten Verstoß gegen den göttlichen nomos und somit auch
keine grundsätzlich schlechte oder frevelhafte Gesinnung vorwerfen lassen;
wohl aber, dass sie „in der Unbekümmertheit ihres Verstandes“ bereit sind, eine
fundamentale Unstimmigkeit zwischen ihren von der Liebe bestimmten affekti-
ven Regungen beim Opfern von Tieren, die sie gleichsam überhören, einerseits
und ihrer verstandesmäßigen Interpretation des Opferrituals sowie den daraus
resultierenden, vom Streit bestimmten Handlungen andererseits hinzunehmen.

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32 | Tom Wellmann

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Rachana Kamtekar
Plato on Intelligent Agency

1 Introduction
In his so-called intellectual autobiography in the Phaedo (96a–102a), Socrates
maintains that if his actions are due to his intelligence (nous), then they should
be explicable in terms of what seemed best to him, or what he judged to be best
(98c–99b). Against prevailing scholarly opinion, I argue that this claim is not
based on Socrates’ supposed assumption that we (human beings, or rational
agents) only do what seems best to us.1 Rather, I argue, it is best understood as a
claim about intelligent agency, modelled on expertise or craft-knowledge,
which, because it achieves good ends by optimal means, explains through a
reconstruction of the agent’s practical reasoning. The picture that emerges from
the Phaedo is not of intelligent agency as rivalling material and mechanical
causes (discussed at 96b–97b) or being replaced by formal causes (99d–105c),
as much as of intelligent agency using materials well to achieve a good end, a
use enabled by understanding their powers to change and be changed according
to the analysis provided by their participation in forms. In this way the Phaedo
anticipates the causal account of the cosmos in terms of reason and necessity
provided in the Timaeus.

2 Material and Mechanical Causes


The Phaedo account begins with Socrates recounting how, as a young man in-
terested in the causes (tas aitias2, 96a9) of coming to be, passing away and be-
ing, he grew puzzled by the accounts proposed by the natural scientists:

||
1 I gave a preliminary argument for this claim in chapter 6 of Kamtekar (2017).
2 In translation and discussion I am using the English “cause” for Plato’s hê aitia / aitios / to
aition (what is responsible for). Frede (1980) argued for a distinction between aitia and aition /
aitios in this discussion according to which aition / aitios would be “the thing responsible” and
aitia would be a propositional item. As far as I can make out, Socrates uses both terms for
“cause”, but aitia is the more inclusive, so that when the cause is a process rather than a body,
he calls it an aitia, e.g. in the case of separation vs. coming-to-be-nearby; see 97a2–b1:
θαυμάζω γὰρ εἰ ὅτε μὲν ἑκάτερον αὐτῶν χωρὶς ἀλλήλων ἦν, ἓν ἄρα ἑκάτερον ἦν καὶ οὐκ ἤστην

https://doi.org/10.1515/9783110735598-003
34 | Rachana Kamtekar

T1 [Socrates:] When I was a young man I was wonderfully keen on that wisdom which
they call natural science, for I thought it splendid to know the causes [τὰς αἰτίας] of every-
thing, why [διὰ τί] it comes to be, why it perishes and why it exists. [1] I was often chang-
ing my mind in the investigation, in the first instance, of questions such as these: Are liv-
ing creatures nurtured when heat and cold produce a kind of putrefaction, as some say?
Do we think with our blood, or air, or fire, or none of these, and does the brain provide our
senses of hearing and sight and smell, from which come memory and opinion, and from
memory and opinion which has become stable, comes knowledge? Then again, as I inves-
tigated how these things perish and what happens to things in the sky and on the earth,
finally I became convinced that I have no natural aptitude at all for that kind of investiga-
tion, and of this I will give you sufficient proof. This investigation made me quite blind
even to those things which I and others thought that I clearly knew before, so that I un-
learned what I thought I knew before, about many other things and [2] specifically about
how men grew. I thought before that it was obvious to anybody that men grew through
eating and drinking [διὰ τὸ ἐσθίειν καὶ πίνειν], for food adds flesh to flesh and bones to
bones, and in the same way appropriate parts were added to all other parts of the body, so
that the man grew from an earlier small bulk to a large bulk later, and so a small man be-
came big. That is what I thought then. […] I thought my opinion was satisfactory, [3] when
a large man standing next to a small appeared to be taller by a head [ὁπότε τις φαίνοιτο
ἄνθρωπος παραστὰς μέγας σμικρῷ μείζων εἶναι αὐτῇ τῇ κεφαλῇ] […]. Even clearer than
this, I thought that ten was more than eight because two had been added, and that a two-
cubit length is larger than a cubit because it surpasses it by half its length. […] [Now] I am
far, by Zeus, from believing that I know the cause of any of those things. I will not even al-
low myself to say that [2*] where one is added to one either the one to which it is added or
the one that is added becomes two,3 or that the one added and the one to which it is added
become two [4] because of the addition of the one to the other. I wonder that, when each
of them is separate from the other, each of them is one, nor are they then two, but that,
when they come near to one another, this is the cause of their becoming two, the coming
together and being placed closer to one another. Nor can I any longer be persuaded that
when one thing is divided, this division is the cause of its becoming two, for just now the
cause of becoming two was the opposite. At that time it was that they came close together
and one was added to the other, but now it is because one is taken and separated from the
other.
(Phd. 96a6–97b3, tr. Grube, in Cooper, with
modifications; numbering inserted for ease of
reference)

||
τότε δύο, ἐπεὶ δ’ ἐπλησίασαν ἀλλήλοις, αὕτη ἄρα αἰτία αὐτοῖς ἐγένετο τοῦ δύο γενέσθαι, ἡ
σύνοδος τοῦ πλησίον ἀλλήλων τεθῆναι. οὐδέ γε ὡς ἐάν τις ἓν διασχίσῃ, δύναμαι ἔτι πείθεσθαι
ὡς αὕτη αὖ αἰτία γέγονεν, ἡ σχίσις, τοῦ δύο γεγονέναι· ἐναντία γὰρ γίγνεται ἢ τότε αἰτία τοῦ
δύο γίγνεσθαι. By “explanation” I mean what we should say about causes.
3 With regard to “or the one that is added” (ἢ τὸ προστεθέν, 96e9), Ebrey (forthcoming, ch. 9
n. 34) argues against keeping this phrase, which he reports is found neither in any of the mss.
nor in the papyrus fragment PSI XIV 1393a (CPF 251 = OCT Π5), and is a conjecture based on a
parallel with Plotinus VI 6 [34] 14.16.
Plato on Intelligent Agency | 35

To begin, let us not assume that causes are necessary, or sufficient, or necessary
and sufficient, conditions. Later, Socrates will say that materials such as are
given by the natural scientists are “that without which cause could not act as a
cause”, i.e., are necessary, but he says they are not causes (99b). He will count
intelligence as a cause, but intelligence is not sufficient, since it cannot act as a
cause without those necessary conditions.4 Similarly he will call forms, which
require something to be qualified by them, ‘causes’.
Again, unlike in many modern discussions about causation, Socrates’
search for causes is for the causes of types of events (thinking, growing, being
larger or smaller than) rather than for token or singular events. Many commen-
tators have remarked that the causes themselves are things rather than events5
(e.g. is it blood with which we think?), but candidate causes in [4] include addi-
tion and division, and indeed, in [1], putrefaction.
We can follow the practice of many commentators and use Socrates’ list of
complaints to determine his desiderata for causal accounts.6 First, and most
simply, Socrates seems to want to know [1] which one of the candidate causes of
natural phenomena is the cause: is it, e.g. with our blood or with air that we
think, or do we think because the brain supplies perceptions, and on their basis
we form memory, opinion, and then knowledge (96b)?7 [2] Second, he seems to
want to know what is the subject of change, that, while somehow remaining the
same, also changes? For example, when food adds flesh to flesh, why is it that

||
4 Sattler (2018), 244–245, says that Plato’s causes are sufficient reasons, building on necessary
conditions which by themselves would have allowed for a different outcome, but cause and
necessary conditions together ensure that the effect in question comes about. Mackie (1965),
245–264, argues that a cause is an insufficient but necessary part of a set of unnecessary but
sufficient conditions, specifying some difference-maker in a causal field.
5 E.g. Frede (1980) 223, 226; Sedley (1998) 115–116.
6 With most readers since Gallop (1975), I reject the view of Vlastos (1969), that the Phaedo is
concerned with explanation more broadly rather than causation alone, and that Socrates in-
troduces formal causes to give logical explanations and intelligence (nous) to give reasons. The
explanations are in natural science, and the facts they seek to explain are physical.
7 This is not the same as assuming only one cause per change. Ebrey (2014) says that the
reason Socrates rejects material causes is that he assumes one cause per change. According to
Ebrey, it is also for this reason that Socrates rejects the possibility of opposites causing the
same thing: when Socrates says that in the case of adding one and one, he can’t say whether
the first or the second becomes two, the one-cause-per-change assumption is what rules out
the answer “both” (251). But Socrates’ question at this stage isn’t which one is the cause; it’s
(see next note) which one is the subject of coming to be two. As for Socrates’ alleged use of the
singular in seeking the cause, the very opening description of his interest in natural science
says he sought the causes (tas aitias) of each thing (96a9).
36 | Rachana Kamtekar

an animal grows, rather than the food? How is that change different from when
an existing animal perishes and a new animal is born or comes to be? (96c–
97a)?8 A causal account, then, should state what it is that changes, and how or by
what process. [3] Third, the natural scientists’ explanations imply that some-
thing, F, is the cause of opposites, G and not-G, as when a head is that by which
a big man is bigger than a smaller and also that by which he is smaller than a
bigger man (96e); conversely, [4], the natural scientists’ explanations imply that
opposites, F and not-F, are the causes of one and the same thing, G, as when
e.g. combination is the cause of one thing becoming two, but so is division
(97a–b). So causes should not be capable of causing opposite effects, and oppo-
site things should not be causes of the same effect.
In “Platonic Causes”, Sedley summarizes Socrates’ desiderata [3] and [4] for
causal accounts as three ‘laws of causation’:

If x causes anything to be F, then


(1) x cannot be un-F,
(2) x’s opposite cannot be the cause of anything’s being F,
(3) x cannot cause anything to be un-F.9

As Sedley observes, these ‘laws’ support a “like causes like” conception of


cause, which is obeyed by forms as causes. While this is true, I will argue (sec-
tion 3) that “like causes like” isn’t Socrates’ most basic causal or explanatory
principle.

||
8 Menn (2010) argues that the core fault Socrates is identifying in his predecessors’ accounts is
the lack of an account of identity-through-change. I agree that this is a fault, but not that it is
the only or main one, for Socrates is clearly troubled by contradictory causes as well, and not
only in Anaxagoras (according to Socrates’ autobiography he only encounters the book of
Anaxagoras after he is already puzzled, 97b–c).
9 See Sedley (1998) 121. This is a fuller list than is provided in Annas (1982), which mentions
only (2). It’s at least worth noting that Socrates doesn’t bring up (1) until after the introduction
of forms as causes (101a–b). Further, if these laws are fundamental, then we should conclude
that intelligence is the cause of goodness. But as Lennox (2001), 286, puts it, “explaining by
goodness is not just one more explanation of a feature (namely goodness) possessed by a
number of particulars: it is a way of explaining why particulars possess the other features they
do”.
Plato on Intelligent Agency | 37

3 Explanation by nous
After the material-mechanical accounts of his predecessors had thoroughly
confused him about the natural world, Socrates recounts,

T2a once, having heard someone reading from a book of Anaxagoras and saying that
nous10 is the orderer and cause of all things [νοῦς ἐστιν ὁ διακοσμῶν τε καὶ πάντων αἴτιος],
I was pleased by this cause and it seemed to me to be good that nous is the cause of all
things, and I considered that if this is how it is, then it is ordering nous that orders all
things and places each thing in the manner and place that is the best [εἰ τοῦθ’ οὕτως ἔχει,
τόν γε νοῦν κοσμοῦντα πάντα κοσμεῖν καὶ ἕκαστον τιθέναι ταύτῃ ὅπῃ ἂν βέλτιστα ἔχῃ];
then, if one should wish to find out the cause of each thing in what way it comes to be and
passes away and is, one should find out this about it, in what way it is best for it to be or to
undergo or to do anything [εἰ οὖν τις βούλοιτο τὴν αἰτίαν εὑρεῖν περὶ ἑκάστου ὅπῃ
γίγνεται ἢ ἀπόλλυται ἢ ἔστι, τοῦτο δεῖν περὶ αὐτοῦ εὑρεῖν, ὅπῃ βέλτιστον αὐτῷ ἐστιν ἢ
εἶναι ἢ ἄλλο ὁτιοῦν πάσχειν ἢ ποιεῖν]. From this argument it is fitting for a person to seek
to know nothing else, about this and about other things, other than the best.
(97b8–d3, my translation and emphases)

Notice the conditional form of Socrates’ appropriation of Anaxagoras: if intelli-


gence is the cause of natural phenomena, then the explanation of natural phe-
nomena should take the form of showing how they are for the best.11 For exam-
ple, to explain whether the earth is flat or spherical, and why it is in the center
of the world, if it is intelligence that shaped and placed it, then the explanation
should say what good is served by this shape and position (97d–e; while this
position secures its stability, 108e–109a, the explanation would need to say how
this stability is a good). Socrates goes on to complain that the causes Anaxago-
ras actually cites (air, ether, water) don’t explain natural phenomena by show-
ing how they are as they are for the best. Although you might have thought that
the problems with Anaxagoras’ citing air, water and ether as causes are the
same as what Socrates has just been complaining about in the previously-
discussed natural scientists (e.g. opposites are causes of the same thing; there is
no account of what stays the same and is the subject of change), what he actual-

||
10 I will leave “nous” untranslated in quotations but translate by “intelligence” in discussion.
For nous as a virtue, see Menn (1995). I’m also grateful to Stephen Menn for discussion of this
passage.
11 Laks (1993) notes that given Anaxagoras’ association of nous with life and soul, including
that of nonrational animals and plants, he probably thinks of its cognition as discriminating,
critical, and separative (enabling the emergence of identities already in the original mixture)
rather than ordering for the best.
38 | Rachana Kamtekar

ly says is quite a bit different. Socrates illustrates his complaint by saying about
the explanation of his own actions:

T2b Indeed it seemed to me to be most like if someone were to say that Socrates does all
the things he does by nous, and then when trying to say the causes of the things I do, he
would say first that I am sitting here now on account of these things, because my body is
composed of bones and tendons, and the bones are solid and have joints separated from
each other, and the tendons are such as to tense and slacken [εἴ τις λέγων ὅτι Σωκράτης
πάντα ὅσα πράττει νῷ πράττει, κἄπειτα ἐπιχειρήσας λέγειν τὰς αἰτίας ἑκάστων ὧν
πράττω, λέγοι πρῶτον μὲν ὅτι διὰ ταῦτα νῦν ἐνθάδε κάθημαι, ὅτι σύγκειταί μου τὸ σῶμα ἐξ
ὀστῶν καὶ νεύρων, καὶ τὰ μὲν ὀστᾶ ἐστιν στερεὰ καὶ διαφυὰς ἔχει χωρὶς ἀπ’ ἀλλήλων, τὰ
δὲ νεῦρα οἷα ἐπιτείνεσθαι καὶ ἀνίεσθαι], […] having forgotten to say the true causes
[ἀμελήσας τὰς ὡς ἀληθῶς αἰτίας λέγειν], that, since it seemed best to the Athenians to find
me guilty, on account of this it actually seemed to me better to sit here, and more just to re-
main to suffer the penalty which they commanded. […] [T]hese tendons and bones would
long ago be at Megara or Boeotia, carried by a judgment of the best, if I had not thought it
to be more just and fine to suffer whatever penalty was ordered by the city before fleeing
and running away like a slave. To call such things causes is very strange. If someone
should say that without having such things, bones and tendons and however many other
things I have, I would not be able to do the things that seemed best to me, he would say
something true. But [to say] that I do the things I do on account of these things, and do these
things by nous, but not by the choice of what is best, would be a very great heedlessness of
the account. For [it is] not being able to distinguish that what is the real cause is one thing
and that without which the cause could not ever be a cause is another [ἄλλο μέν τί ἐστι τὸ
αἴτιον τῷ ὄντι, ἄλλο δὲ ἐκεῖνο ἄνευ οὗ τὸ αἴτιον οὐκ ἄν ποτ’ εἴη αἴτιον].
(Phd. 98c2–99b4, my translation and emphases)

Again, what Socrates says about explaining his own action is that if he acts from
intelligence, then what seemed best to him must explain what he did (98c, 99a).
In the imagined explanation of his sitting in prison due to the arrangement of
his bones and sinews Socrates specifically objects to the conjunction of the
claims that (1) he acts by intelligence and (2) the causes of what he is doing are
material. Presumably this is because when someone acts by means of or from
intelligence, as opposed to intelligence acting on him, or his luckily happening
to do what is, independently, the best thing, he does so by exercising his judg-
ment. So Socrates’ sitting in jail, if due to his acting with intelligence, must be
due to Socrates’ correct judgment that it is best to abide by the verdict of the
Athenian people.
This conditional reading of Socrates’ rejection of materials and mechanisms
as causes is at odds with the reading of most commentators, who assume that
Socrates’ talk of intelligence arises from a commitment to the view that one
Plato on Intelligent Agency | 39

always goes after what one believes is best (the view expressed at Protagoras
358c–d).12 For example, in his commentary, Bostock says that Socrates is sup-
posing that a divine mind, by analogy with a human mind, has purposes or
reasons for acting, on the “over-optimistic” assumption that “a man’s purpose
will always be to achieve what seems best to him”.13 Likewise, nearly thirty
years later, Broadie says that Socrates (rightly) thinks that bones and sinews
contribute nothing to our understanding of Socrates’ sitting in prison, which is
a phenomenon of ethical significance, to be understood by appeal to the agent’s
logoi; the physics and chemistry of the action, she says, is irrelevant to under-
standing ethical phenomena but Socrates makes a mistake when he extrapo-
lates from this to the cosmological perspective and concludes that material
conditions give no explanation of cosmic facts.14
The line of reasoning common to these remarks is:

[Socrates assumes that]


(1) agents always do what they judge to be best;
[Since]
(2) what intelligent agents judge to be best really is best;
[It follows that]
(3) the explanation of an intelligent agents’ action is an account of
how the action really is for the best.

Although this would be a valid line of reasoning, Socrates doesn’t mention (1).
So we might look for an alternative basis for (3) in the passage. In fact, the rea-
soning we find is this:

[If you say of an effect that]


(1*) intelligence is the cause;

||
12 But my view is in agreement with Gallop (1975) 175: “This does not mean that Socrates will
regard the judgements of rational agents as the only reasons ever admissible, but only that
they are indicated by any appeal to ‘intelligence’ in explaining something.” Lennox’s claim
that “[o]nly intelligent agents bring about certain states of affairs because they are good” (Len-
nox, 2001, 283) seems too strong: In a teleologically ordered world, how is it established
whether my intelligence or divine intelligence is the cause?
13 Bostock (1986) 142–143.
14 See Broadie (2012) 175–176. She thinks that Plato corrects this extrapolation in the Timaeus
by recognizing material conditions as cosmological causes, even if not ethical ones. While to
understand human action, we can appeal to a person’s logoi and needn’t bother with physics
and chemistry, we can’t get the demiurge’s logoi and so have to infer his specific purposes from
considering material details.
40 | Rachana Kamtekar

[Then, since]
(2*) intelligence must be a cause via decision or judgment of what is
best, and an intelligent decision involves a correct judgment of
what is best;
[It follows that]
(3) the explanation of an intelligent agents’ action is an account of
how this action really is for the best.

(1*) and (2*) involve no commitment to what is explanatory in the absence of


intelligence. This seems to me an advantage in the context of the Phaedo, which
doesn’t say that (1) we always do what we judge best. Not subscribing to (1)
leaves open many possibilities. Perhaps some things we do are due not to judg-
ment or decision, but to pleasure or pain. And perhaps false or foolish judg-
ments call for further explanation (e.g. in terms of the bodily conditions or the
history that resulted in the false judgments). Nothing rules out unintelligent
agents’ acting on false judgments, but neither does anything promise that by
identifying the false judgment one has stated the cause.

After all, ‘R judged A to be best’ will not explain my doing A if


(1) I do A accidentally while trying to do B, or
(2) I do B intending to do B and its (foreseen or unforeseen) conse-
quence is A, or
(3) I’m forced to do A, or
(4) I do A following my teacher’s instructions.

Further, ‘R judged A to be best’ may also be part of the explanation of my akrat-


ically failing to do A.15 So if non-contradictory causal power is one of the desid-
erata for a cause, then unintelligent judgments fail to conform to it.
Some circumstantial evidence that Plato does not find a false judgment that
‘A is best’ to be a stopping point in causal accounts is that he goes out of his
way to explain how false judgments arise. For example, the body’s needs fill the
soul with desires of all kinds which distract it from its all-important pursuit of
truth; further, sense-perceptions misrepresent reality (66b–c); in particular, the
body gives rise to the false belief that only bodily things are real (81b), and the

||
15 Peter Osorio has suggested to me that it seems to follow that intelligence is never akratic. I
agree, for if intelligence produces not only actions that are in accordance with decision but also
those that are contrary to decision, then not only does its causality seem contradictory, but it is
also sometimes self-undermining, since decision is its instrument.
Plato on Intelligent Agency | 41

soul can mistake the intensity of pleasures and pains for truth about the way
things are (83c–d). These passages suggest that an important way in which the
body contributes to foolish actions is by causing false beliefs or inhibiting the
development of true beliefs. Does it imply that this is the only way? The Phae-
do’s concern is with the soul’s pursuit of truth, and consequently with how the
body hinders this pursuit by leading it to form false beliefs, not with how to
explain actions, except incidentally in the illustration of how to flesh out expla-
nation by intelligence. So the fact that we can’t pin it down on the question
whether bodily desires result in foolish actions without first causing false beliefs
needn’t commit Plato either way, either to all actions being caused by the
agent’s beliefs about good and bad, or to some actions being caused by factors
other than beliefs about good and bad.
In addition to invoking the body’s influence to explain false judgments of
what is best, Plato in other dialogues suggests that our constitutions and our
upbringing can influence our beliefs. So, for example, in the Republic Socrates
says that the oligarchic character steals from widows and orphans because in
dealings with them, his (dispositional) belief that wealth is the ultimate good
operates unchecked by caution about detection and punishment (554a–d). But
then he adds a historical explanation of the false belief itself: as a young man,
the oligarchic character sees his timocratic father dashed down from high office
into poverty, exile, or death, and decides to secure himself by amassing wealth
(553a–c). The genetic story shows how wealth could come to seem so good to
someone even though it is not. Again, in the Timaeus, where folly (anoia) is the
“disease of the soul” (86b2–3), one part of folly, madness, is caused by exces-
sive pleasures and pains and is sustained by bad political constitutions (86b–
87b).
If we ask ‘in what do such explanations terminate?’ the answer of the Ti-
maeus seems to be, ‘in an account which shows the greater good that this bad
thing serves or is a side-effect of’: false beliefs are a consequence of our embod-
iment in mortal bodies, which results in the experiences of perception and ap-
petition which in turn distort our rational power of judgment (43a–44a, cf. 31b–
c). But this embodiment was necessary for the completion of our world filled
with all kinds of living things, which is a very great good indeed, and which the
Timaeus tells us is the result of intelligence – not our own, of course, but the
creator-craftsman-god’s.
Returning to the Phaedo, where Socrates’ sitting in prison due to his intelli-
gence is our model for what an account in terms of intelligent causation should
look like, one might object to my restriction of Socrates’ claims to intelligent
actions, rather than applying to all the actions of rational agents: Socrates’ ex-
42 | Rachana Kamtekar

planation invokes not only his own judgment but also the Athenians’ judgment
of what is better, but he surely isn’t crediting the Athenians with intelligence! In
that case, Socrates must think that not only intelligent actions, but all actions,
should be explained by the agent’s beliefs about what is best.
But the explanandum is Socrates’ action, not the Athenians’. If the ex-
planandum were the Athenians’ action or judgment, then ‘it seemed best to the
Athenians to convict Socrates’, on the assumption that their judgment was
false, would seem to stand in need of further explanation – such as we saw
above in the case of the oligarch and the other vicious characters in Republic
and Timaeus. In other words, it is not only explanation by nous that invokes
judgment of what’s best, but explanation by nous must invoke judgment of
what’s best, and in explanation by nous the judgment of what’s best will pro-
vide a complete explanation – which it will not do in the case of unintelligent
actions.
Now Socrates says of his bones and sinews that if he acted by intelligence,
that they are not the cause of his sitting in prison but are “that without which
the cause could not act as cause” (99b3–4). Thinking carefully about the rela-
tionship between an action due to intelligence and the material factors, such as
bones and sinews, brings out some differences between this and a contempo-
rary way of thinking about the relationship between the psychological and
physical or decisions and their underlying biology and chemistry (in Broadie’s
terms). We tend to think of the psychological and physical as describing and
explaining the same events in different ways, perhaps parallel and irreducible,
perhaps one reducible to the other. But Socrates is thinking of intelligence as
using bones and sinews to do its bidding. In the affinity argument Socrates says
that the soul is the natural ruler of the body (79e–80a), and throughout the
dialogues he seems to think that the relationship of the natural ruler to the nat-
urally ruled is one of use. This is why, for example, the kingly expertise of the
Euthydemus (280c–81b) and Statesman (305d–e) is a knowledge of how to use
the products and possessions of the subordinate expertises, and why in the
hierarchy of expertises the user is the one who knows what the product is, and
directs the maker in its production:
Plato on Intelligent Agency | 43

T3 For each thing there are these three crafts, one that uses it, one that makes it, and one
that imitates it? […] Then aren’t the virtue or excellence, the beauty and correctness of
each manufactured item, living creature, and action related to nothing but the use for
which each is made or naturally adapted? […] It’s wholly necessary, therefore, that a user
of each thing has most experience of it and that he tell a maker which of his products per-
forms well or badly in actual use. A flute-player, for example, tells a flute-maker about the
flutes that respond well in actual playing and prescribes what kind of flutes he is to make,
while the maker follows his instructions.
(R. 601d1–e2, tr. Grube–Reeve, in Cooper)

Why are material factors no longer problematically contradictory in their new


role as necessary conditions, as when they were contenders for cause on their
own? For example, Socrates says that we should not say Socrates’ bones and
sinews are the cause of his being in jail in Athens because his bones and sinews
would also be causes of his being in Megara, that is, if he had judged it best to
run away to Megara. Why can the same thing (bones and sinews) be necessary
conditions, but not causes, of opposites (being in Athens, being in Megara)? If
intelligence is modelled on craft expertise, an answer suggests itself: an expert
might, for different purposes or in different circumstances, use the same mate-
rials to produce something and its opposite, or opposite materials to produce
the same thing. For example, an expert potter might use some clay to make
cheap but functional teacups (e.g. if clay is widely available), but also use the
same clay to make exquisite and/or decorative teacups. Again, the expert ma-
son could build a protective wall of thin pieces of slate, or bigger pieces of some
other rock, depending on what sorts of destructive forces the wall is supposed to
withstand, what local materials are available, and so on. Obviously, in these
cases we’d need to specify more about the materials to explain how the crafts-
man was able to get these opposite effects out of the same material. But the
context of intelligent use dispels the mystery around the apparent contradicto-
riness of material and mechanical necessary conditions.
Our little excursus has suggested that rather than replacing material and
mechanical explanation, explanation by intelligence subordinates materials
and processes so that they pertain to the means by which (the ‘how’) intelli-
gence achieves its end. But here another objection suggests itself: Socrates says
that if Anaxagoras could show how each thing (the position of the earth, the
movements of the heavenly bodies) is for the best, he wouldn’t seek any further
cause (97e–98a). Why does he say this unless to exclude material and mechani-
cal causes? Recall that Socrates is reserving ‘cause’ for a single item (T1 [1]), but
of course he doesn’t think this single item produces everything out of itself. This
is why he identifies intelligence as the cause and other factors as necessary
conditions. To return to the position of the earth: on the assumption that intelli-
44 | Rachana Kamtekar

gence rules the world, if I want to know why the earth is at the center, then if
I’m told what good is served by the earth’s being at the center of the cosmos,
I’ve received an answer. This answer won’t yet tell me how the earth came to be
at the center. Still, discovering what good is served by an arrangement is a sig-
nificant explanatory achievement, especially since goodness is often not a sur-
face feature of things; further, knowledge of what it is for the sake of (stability?
the possibility of astronomy?) can now direct inquiry into the process, because
knowing the end provides a craftsman’s perspective on possible and optimal
processes.
This is another difference between taking the model for explanation by in-
telligence to be based on intelligent agency, modelled on craft expertise, rather
than agency in general. When we ask agents why they did what they did, we
should expect variability in their reasons not just because they have different
ends, but because they differ in their knowledge of possible means to ends, and
of how various ends should be combined and ordered in the service of the most
important end(s). Saying ‘I judged it best to stay and receive the unjust death
sentence’ is one thing; producing the speech of the laws in the Crito detailing all
the reasons in favour of awaiting the sentence and against escaping is another;
saying how awaiting this punishment fulfills Socrates’ divine mission may be
still another. The difference lies not only in saying what (proximate) good is
served by the action but also in saying what ultimate good, and by what means,
and how those means are better than other means available. In the case of natu-
ral science, then, the determination of the good(s) served by how things are in
the natural world will be constrained by knowledge of the ultimate good and
how particular goods contribute to it.
In the Timaeus, Timaeus fleshes out the general explanation-scheme, ‘X
is/comes to be because it’s for the best, since created by an intelligent crafts-
man’, by showing (1) what good is achieved by this or that feature of the cosmos
(including animal parts, given the creator’s end of a world full of all the kinds of
living things) and (2) how this good is achieved by intelligent use of available
materials. Here’s an example of (1).
Why do we have eyes? According to Timaeus:

T4 Our sight has indeed proved to be a cause of supreme benefit to us, in that none of our
present statements about the universe could ever have been made if we had never seen
any stars, sun or heaven. As it is, however, our ability to see the periods of day-and-night,
of months and of years, of equinoxes and solstices, has led to the invention of number,
and has given us the idea of time and opened the path to inquiry into the nature of the
universe. These pursuits have given us philosophy, a gift from the gods to the mortal race
whose value neither has been nor ever will be surpassed. I’m quite prepared to declare
this to be the supreme good our eyesight offers us. Why then should we exalt all the lesser
Plato on Intelligent Agency | 45

good things, which a non-philosopher struck blind would “lament and bewail in vain”?
Let us rather declare that the cause and purpose of this supreme good is this: the god in-
vented sight and gave it to us so that we might observe the orbits of intelligence in the
universe and apply them to the revolutions of our own understanding [αὕτη ἐπὶ ταῦτα
αἰτία, θεὸν ἡμῖν ἀνευρεῖν δωρήσασθαί τε ὄψιν, ἵνα τὰς ἐν οὐρανῷ τοῦ νοῦ κατιδόντες
περιόδους χρησαίμεθα ἐπὶ τὰς περιφορὰς τὰς τῆς παρ᾽ ἡμῖν διανοήσεως]. For there is a kin-
ship between them, even though our revolutions are disturbed, whereas the universal or-
bits are undisturbed. So once we have come to know them and to share in the ability to
make correct calculations according to nature, we should stabilize the straying revolu-
tions within ourselves by imitating the completely unstraying revolutions of the god.
(Ti. 47a1–c4, tr. Zeyl, in Cooper, with slight
modifications)

The point of having eyes is so that we can see, and the point of our ability to see
is so that we can see the intelligent motions of the heavens, and the point of
seeing these intelligent motions is so that we can apply them to ourselves and
restore ourselves to rationality. But notice that what’s intelligent here isn’t (on-
ly) the end of restoring us to rationality, but the ingenious means (eyes that can
see the intelligent movements of the heavens and make them available to our
thought) to it.
Socrates concludes the Anaxagoras episode in his intellectual biography by
saying that since explanation by intelligence eluded him, he took up a new way
of inquiring into cause:

T2c But since I was deprived of this [cause] and was not able either to discover it for my-
self or learn it from another, do you want me to make a demonstration of the way in
which, as a second voyage, I took up the inquiry into cause [τὸν δεύτερον πλοῦν ἐπὶ τὴν
τῆς αἰτίας ζήτησιν], Cebes?
(Phd. 99c8–d2, my translation)

Gabor Betegh has argued that the account that Socrates says he is unable to
provide (T2c) is specifically a ‘tale’, a narrative telling how the current state of
affairs in the physical world came to be as an intelligent solution to an original
problem – for Socrates is able to give a teleological account of how things that
are already in existence function for the best; he does so when, in the final myth
of the Phaedo, he describes how the nature of the earth conduces to the ethical
advancement of souls.16 Betegh’s argument draws on Sedley’s reading of the
teleology in the myth, which requires some elaboration here.17 First, souls
achieve their good condition when they are separated from the (distracting-

||
16 Betegh (2011), 93–99.
17 Sedley (1990).
46 | Rachana Kamtekar

from-truth) body not only by death (which is often succeeded by reincarnation)


but also by philosophy (which affords a life of knowledge totally free from the
body). The myth explains that the earth has a true surface above the misty hol-
lows in which we live, and this is a place of uncorrupted beauty from which the
lights of the heavens are clearly visible, a place in which philosophically-
purified souls can enjoy perceiving and knowing (110b–111c). The myth also
describes the underground waters of Acheron and the pit of Tartarus into and
out of which all the waters of the earth flow (112a–b); these are places of (hope-
fully corrective) punishment for wicked souls (113d–114a). Sedley says that in
this myth, air, ether and water, to which Anaxagoras had assigned causal pri-
macy, function in the myth as necessary conditions for the operation of real
causes.18 Second, the shape and position of the earth are what they are due to
the good end of making the earth stable, for the symmetry resulting from earth’s
spherical shape and central position in the cosmos make it the case that it has
no more reason to go one way rather than another; the (good) result is that the
earth is stable. And why is it good for the earth to be stable? According to Sedley
the whole cosmos is organized for the good of souls, so perhaps the idea is that
having a stable earth makes it easier for us to know the nature of the cosmos
than if we were in motion. Such a geometrical cause of stability is preferable to
‘unreliable’ material causes like air.
Here is Socrates on the stability achieved by the earth due to its shape and
position:

T5 Well then […] the first thing of which I am convinced is that if the earth is a sphere in
the middle of the heavens, it has no need of air or any other force to prevent it from fall-
ing. The homogeneous nature of the heavens on all sides and the earth’s own equipoise
are sufficient to hold it, for an object balanced in the middle of something homogeneous
will have no tendency to incline more in any direction than any other but will remain un-
moved.
(Phd. 108e4–109a6, tr. Grube, in Cooper)

While Sedley’s and Betegh’s claim that the different regions of the earth to
which souls go serve the good of these souls seems correct, we might be skepti-
cal that Socrates is offering a teleological account of the shape, position, and
stability of the earth in the myth, and not only because he describes himself as

||
18 See Sedley (1990) 362.
Plato on Intelligent Agency | 47

deprived of that kind of cause (T2c).19 He does not say that the earth’s stability is
a good, and the principles of the round earth’s equipoise on all sides and the
heavens’ homogeneity all round could be geometrical, or mechanical (especial-
ly if we think the heavens are full of ether, offering equal resistance all round).
But before turning to that, I want to provide two reasons against Betegh’s
claim that what Anaxagoras and Socrates can’t deliver is an account of how
things come to be, as opposed to how they are, for the best. While Betegh’s dis-
tinction between saying how things are for the best and how they come to be for
the best is important, it seems to me that Socrates can do neither. First, in T2a
(97b8–d3) what Socrates hopes from Anaxagoras is just an account of how
things are for the best, not how they came to be (it is irrelevant that Anaxagoras
in fact gave a narrative; that is not what Socrates asks for from him). Second,
Socrates himself identifies a different shortcoming in his own account at the
end of the Phaedo: he doesn’t have knowledge of, and can’t prove the truth of,
the things he believes about the world (108d, 114d) – although he is willing to
share some of what he believes about it, and some of what he believes is that
the structure of the earth serves our good. Nevertheless Betegh is right that a
teleological account of coming to be would need to say more than a teleological
account of what is, and, I want to note, even if such a more demanding account
need not be a ‘tale’, it does need an account of the means used by intelligence to
achieve its end. A full account of how intelligence brings about good things
should include its reasoning about the materials and processes it uses. For a
craftsman knows not only the good end he should produce but the best means
by which to produce it.20

4 Knowing Your Stuff


I now want to argue that the hypothesis of Forms as causes, which Socrates
describes next in his intellectual autobiography, takes the first steps towards
giving this fuller account of how intelligence brings about good things, focusing
on the nature of the means or materials at intelligence’s disposal. Socrates de-

||
19 In this I agree with Fine (1990), 387. Fine adds that Socrates’ dissatisfaction with the natu-
ral scientists’ material accounts doesn’t commit him to thinking all material accounts are
equally bad (386). In the next section, I take Fine’s point a step further.
20 Cf. Grg. 464c–465a on the difference between craft and experience (empeiria): the former
aims at some good, knowing the nature of the things it brings to bear (prospherei) to achieve
that good.
48 | Rachana Kamtekar

scribes this method as a “second voyage” (deuterous plous, 99c9–d1), which


indicates a second-best (Statesman 300c1 uses the same expression for the con-
stitution ruled by law instead of expertise, and Philebus 19c for self-knowledge if
one is not wise about everything). According to Menander (fr. 183 PCG VI 2;
fr. 205 Körte / Thierfelder II) the expression refers to pulling out the oars when
the wind has failed. When the wind fails, one rows in the same direction21 as one
was previously sailing in, but one’s progress is painfully slow. This encourages
us to see how Socrates’ method might contribute to explanation by intelligence,
a topic to which I’ll turn in a moment.
But first, what exactly is Socrates’ method? Socrates says that after his dis-
appointment with Anaxagoras, because he feared ‘blindness’ from looking at
things through his senses, he decided to look at them through logoi, or state-
ments (99e1–6), which led him to the following method for inquiring into caus-
es:

T6a It seems to me that, if there is anything beautiful besides the Beautiful itself, it is
beautiful for no other reason than that it shares in that Beautiful, and I say so with every-
thing. […] I no longer understand or recognize those other sophisticated causes, and if
someone tells me that a thing is beautiful because it has a bright color or shape or any
such thing, I ignore these other reasons – for all these confuse me – but I simply, naively
and perhaps foolishly cling to this, that nothing else makes it beautiful other than the
presence of, or the sharing in, or however you may describe its relationship to that Beauti-
ful we mentioned, for I will not insist on the precise nature of the relationship, but that all
beautiful things are beautiful by the Beautiful [ὅτι οὐκ ἄλλο τι ποιεῖ αὐτὸ καλὸν ἢ ἡ
ἐκείνου τοῦ καλοῦ εἴτε παρουσία εἴτε κοινωνία εἴτε ὅπῃ δὴ καὶ ὅπως †προσγενομένη· οὐ
γὰρ ἔτι τοῦτο διισχυρίζομαι, ἀλλ᾽ ὅτι τῷ καλῷ πάντα τὰ καλὰ [γίγνεται] καλά]. That, I
think, is the safest answer I can give myself or anyone else. And if I stick to this I think I
shall never fall into error.
(Phd. 100c4–e1, tr. Grube, in Cooper, with
modifications)

Socrates introduces the Form, some F-itself, as the cause (by ‘participation’ or
some such relation) of a thing’s possession of the property, F, to the extent that
it is F, rather than not-F (F’s opposite). So, for example, if a body of water is hot,
that is because it participates in the Hot. The ‘safety’ but lack of sophistication
of this method explains why it is second best (inferior to intelligence but superi-
or to the causes of the natural scientists). So long as he says the Beautiful (Tall,

||
21 Fine (2003), 375, and Gallop (1975), 176, say ‘same destination’, i.e. the cause of generation
and corruption (αἰτίας γενέσεως καὶ φθορᾶς); Hackforth (1955), 132, and Vlastos (1969), 297–
298 n. 15, say ‘different’, i.e., not teleological causes. However, I argue above that the ‘second
voyage’ is still going in the direction of giving a teleological account.
Plato on Intelligent Agency | 49

Hot) is the cause of beautiful things’ beauty (tall things’ tallness; hot things’
hotness), Socrates will avoid the contradictions of the natural scientists. But
Socrates also calls his invocation of this kind of cause simple and unsophisti-
cated, which I suggest is because it defers explanation until (1) he has an ac-
count of the Beautiful (Tall,22 Hot) itself and (2) he determines which things
participate in the Beautiful (Tall) itself, and to what extent and under what cir-
cumstances.23
Socrates continues:

T6b Now it seems to me that not only Tallness itself is never willing to be tall and short at
the same time, but also that the tallness in us will never admit the short or be overcome,
but one of two things happens: either it flees and retreats whenever its opposite, the short,
approaches, or it is destroyed by its approach. It is not willing to endure and admit short-
ness and be other than it was, whereas I admit and endure shortness and still remain the
same person and am this short man.
(Phd. 102d6–103e5, tr. Grube, in Cooper)

The hypothesis of Forms as causes and the fact that these Forms are opposites
allows Socrates to give an account of relations and changes: because F and not-
F logically exclude one another, a thing’s coming-to-be F is also a case of F’s
driving out the not-F that thing formerly participated in. If the water cools, that
is the case of the cold in the water driving out the hot. Further, talk of the ad-
vance and retreat of these forms ‘in us’ introduces a subject of change: it is we
who come to be tall from being short, or beautiful from being ugly.
From this ‘safe’ cause, Socrates now develops the notion of a nature in
terms of the Forms necessary to the existence of a certain kind of subject:

T6c [N]ot only do those opposites not admit each other, but this is also true of those things
which, while not being opposite to each other yet always contain the opposites, and it
seems that these do not admit that Form which is opposite to that which is in them
[ἐναντία ἔχει ἀεὶ τἀναντία, οὐδὲ ταῦτα ἔοικε δεχομένοις ἐκείνην τὴν ἰδέαν ἣ ἂν τῇ ἐν
αὐτοῖς οὔσῃ ἐναντία ᾖ]; when it approaches them, they either perish or give way.
(Phd. 104b7–c1, tr. Grube, in Cooper)

T6c distinguishes two kinds of cases of subjects’ participation in Forms: in one


case, the subject can tolerate participating in two opposites, as Socrates, can be
tall or short, hot or cold; in the other case, one of the opposites is necessary to
the subject’s existence, and the subject cannot survive the advance of the other

||
22 However, Sedley (1998), 132, says ‘tall’ is given an account: ‘the capacity to exceed’. This
account says what the power of the Tall, qua tall, is, or what effects it has on other things.
23 As Lennox (2001), 286, points out, Forms give no account of order and unity.
50 | Rachana Kamtekar

opposite, as the number 3, being necessarily odd, cannot survive the advance of
the even, and fire, being necessarily hot, cannot survive the advance of the cold.
Participation in Forms is now used to describe the powers (and limits) of natural
things to be changed, both changes they can undergo while continuing to exist
and changes that entail their perishing. Simmias, at one time short, has the
power to become tall; fire, on the other hand, does not have the power to be-
come cold, but retreats or perishes at its advance.
Finally, Socrates builds on his “safe” causes to construct a “more sophisti-
cated” (105c2) cause:

T6d I say that beyond that safe answer, which I spoke of first, I see another safe answer. If
you should ask me what, coming into a body, makes it hot, my reply would not be that
safe and ignorant one, that it is heat, but our present argument provides a more sophisti-
cated answer, namely, fire [εἰ γὰρ ἔροιό με ᾧ ἂν τί ἐν τῷ σώματι ἐγγένηται θερμὸν ἔσται,
οὐ τὴν ἀσφαλῆ σοι ἐρῶ ἀπόκρισιν ἐκείνην τὴν ἀμαθῆ, ὅτι ᾧ ἂν θερμότης, ἀλλὰ
κομψοτέραν ἐκ τῶν νῦν, ὅτι ᾧ ἂν πῦρ], and if you ask me what, on coming into a body,
makes it sick, I will not say sickness but fever [ᾧ ἂν σώματι τί ἐγγένηται νοσήσει, οὐκ ἐρῶ
ὅτι ᾧ ἂν νόσος, ἀλλ᾽ ᾧ ἂν πυρετός].
(Phd. 105b6–c4, tr. Grube, in Cooper)

In T6, in place of the safe and ignorant causes, ‘heat’ for hot bodies and ‘sick-
ness’ for sick bodies, Socrates gives the cleverer causes ‘fire’ and ‘fever’. Fire
and fever are natural things that ‘must bring heat along with them’, and so have
the power to heat, or the power to sicken, bodies that are suitable patients to
heat or sickness. But these are sufficient conditions rather than necessary con-
ditions for their effect: fire of heating, fever of sickness.24
The case of fire shows us how to understand Socrates’ saying in T6a that he
won’t admit that anything other than the Beautiful-itself is a cause of beauty,
not color or shape or anything else (100c–d). “Anything other than the Beauti-
ful-itself” (100c4–5) rules out color and shape, which are not always beautiful,
but if there is anything in nature that is always beautiful, as fire in nature is
always hot, it will bring the Beautiful-itself along with it.

||
24 Following Ross (1951), 33, Hackforth (1955), 161, complains that by this the answer loses its
universality since fever is not the only thing that brings sickness. Gallop (1975), 211, points out
that fever is sufficient for sickness but so is hypothermia. Rowe (1993), 259, doubts it that Soc-
rates’s claim is meant seriously, since it would give the cause of a species of sickness as the
cause of the genus. But at Ti. 86a ‘fever’ seems to be the result of excesses of either fire, air,
water, or earth (in the primary or secondary constitution) – so perhaps ‘fever’ is some sort of
connate evil of the body. See the valuable discussion in Patterson (2018), 295–296.
Plato on Intelligent Agency | 51

Now it would seem that the operation of intelligence would need to know at
least these features of the natural world, insofar as they regulate the possible
changes that natural things can undergo and do.25 If intelligence (say in exper-
tise in ice sculpting) is to use fire and ice to make an ice sculpture, it will have to
know that fire both cuts and heats ice, and that heated ice melts, so that it can
make an ice sculpture rather than a puddle. This ‘more sophisticated’ answer
applies not only to natural materials, but also to mathematical properties. An-
other case of something that always ‘brings along’ an opposite with it is the 3,
which always brings the odd along with it and so always excludes the even or
ceases to be if it must admit the even (104a–b).26 To put the upshot of T6c and
T6d in Aristotelian terms, we have here a sketch of simple necessity (Phys. II 9,
200a15–16): Aristotle says that necessity in mathematics is similar to necessity
in natural things. Just as it belongs to a heavy body to fall earthward, given its
nature, so too, given the definition of a straight line, it is necessary that the
angles of a triangle should equal two right angles. In Plato’s terms, the neces-
sary properties that flow from the nature or definition of a thing are “always
brought along with” that thing. And some of these are opposites, allowing us to
use logical relations, such as opposition and making like or assimilation, to
explain their coming to be and perishing and affecting and being affected by
other things.
Once we see that formal, material, and geometrical properties are all cases
of ‘simple necessity’, we can see that T5, in explaining the earth’s stability by (1)
its round shape, which is equally balanced (isorrhopon, Phd. 109a4) in every
direction, and (2) its central position in a homogeneous (homoiotêta, homoiou,
109a2–4) heaven, uses not only (as Sedley claims) a ‘better’ because ‘more reli-
able’ immaterial, geometrical principle (rather than e.g. a cushion of air to rest
on), but also the notion of ‘simple necessity’ or ‘bringing along’ from T6c and
T6d’s discussion of ‘more sophisticated’ causes. The principle of symmetry or
indifference principle which has the effect of keeping the earth stable is not only
geometrical but also mechanical. So we can say that the stability achieved by
the symmetry or indifference of a round earth in the middle of a homogeneous

||
25 Phlb. 23c–30e gives a highly abstract account of how intelligence is cause and ruler by
imposing limit on unlimited more-and-less.
26 Perhaps it’s not the number but the figure, triangle, whose exclusion of the even is rele-
vant.
52 | Rachana Kamtekar

cosmos depends on the nature of the sphere, what it is to be in the centre, and
what happens in homogeneous mediums.27
Still, even on this more generous interpretation of Socrates’ more sophisti-
cated causes as invoking the relations of necessary properties and their opposi-
tions, it’s hard to see what scientific progress can be made without the sort of
reductive account that we get in the Timaeus, where to explain the genesis and
properties of the primary bodies fire, air, earth and water, Timaeus invokes the
properties of the atomic triangles that make up these bodies. For example, fire is
a pyramid made up out of scalene triangles; its small size and sharp angles are
the cause of its mobility and keenness, and the latter is felt as heat when the
keen fire-bodies divide up the flesh (54a–62e). Timaeus calls these properties
‘necessary’ and says that God ‘takes them over’ and uses them as subservient
(huperêtousais) causes (68e1–5).
As has been noted by many commentators, the Timaeus seems to promote
the necessary conditions of the Phaedo to the status of subservient or contribu-
tory causes (sunaitiai).28 For example, before explaining that the good served by
the eyes is to enable us to see the movements of the heavenly bodies and there-
by to do astronomy and thereby to become rational ourselves, Timaeus gives an
account of how we see:

T7a The eyes were the first of the organs to be fashioned by the gods, to conduct light. The
reason why they fastened them within the head is this [τοιᾷδε ἐνδήσαντες αἰτίᾳ]. They
contrived that such fire as was not for burning but for providing a gentle light should be-
come a body, proper to each day. Now the pure fire inside us, cousin to that fire, they
made to flow through the eyes: so they made the eyes – the eye as a whole but its middle
in particular – close-textured, smooth and dense, to enable them to keep out all the other,

||
27 Anaximander says that the earth is stable because of its position at the centre, a similar
distance from all points on the extremes, so that, it being impossible to move in different direc-
tions, it stays fixed by necessity (Aristotle Cael. II 13, 295b10–16 = DK 12 A 26). He seems, how-
ever, to think that the earth’s shape is cylindrical rather than spherical (Ps.–Plutarch Strom. 2 =
DK 12 A 10; Hippolytus Ref. I 6,3 = DK 12 A 11).
28 Johansen (2004), 104–106, argues that the promotion of necessary conditions to contribu-
tory causes is made possible by the Timaeus’ identification of the primary, intelligent cause in
the intentions of the demiurge, failing which none of the necessary conditions can be causes of
any kind, since a contributor requires a primary cause to contribute to. (He also claims that the
Phaedo doesn’t allow us to distinguish between instrumental necessity and what we’ve above
called simple necessity.) But Socrates’ very locution, “that without which a cause could not be
a cause” (99b2–3) indicates one thing enabling another and thereby suggests that the second
might use the first. A better explanation is suggested by Socrates’ willingness to call Forms
causes in the Phaedo: Forms identify the causal powers in materials that intelligence uses, and
it’s those causal powers that are called ‘contributory causes’ in the Timaeus.
Plato on Intelligent Agency | 53

coarser stuff, and let that kind of fire pass through pure by itself. Now whenever daylight
surrounds the visual stream, like makes contact with like and coalesces with it to make up
a single homogeneous body aligned with the direction of the eyes. This happens wherever
the internal fire strikes and presses against an external object it has connected with. And
because this body of fire has become uniform throughout and thus uniformly affected, it
transmits the motions of whatever it comes in contact with as well as of whatever comes in
contact with it, to and through the whole body until they reach the soul. This brings about
the sensation we call “seeing.”
(Ti. 45b2–d3, tr. Zeyl, in Cooper)

He hastens to add that this account has been of the “contributory causes”, not
primary cause, of sight:29

T7b. Now all of the above are among the contributory causes employed in the service of
the god as he does his utmost to bring to completion the character of what is most excel-
lent. But because they make things cold or hot, compact or disperse them, and produce all
sorts of similar effects, most people regard them not as contributory causes, but as the ac-
tual causes of all things. Things like these, however, are totally incapable of possessing
any account or intelligence about anything.
(Ti. 46c7–d4, tr. Zeyl, in Cooper, slightly
modified)

The last sentence suggests that the reason that contributory causes like fire,
which can heat and disperse, nonetheless can’t be causes is that being a cause
requires having intelligence. As the Phaedo said programmatically, and the
Timaeus elaborates, this is because intelligent agency uses what there is (e.g.
the fire within us, and the gentle fire outside of us) in a good-directed way (e.g.
to make an eye capable of seeing). As intelligence in a particular craft can ex-
plain why its product is composed as it is, given the available materials, divine
intelligence can explain why the cosmos as a whole and its parts are composed
as they are, given the traces in the receptacle and the Forms of the living-thing-
itself that are its raw materials. Further, as intelligence in a craft explains why
the maker makes the product (it’s good), so too, divine intelligence explains
why the cosmos comes to be as it does. Intelligence both explains and origi-
nates.

||
29 Broadie (2012), 180–181, complains about the misfit between the contributory cause ac-
count of vision, according to which we don’t see at night, and the purpose of vision, which is
astronomy, done at night.
54 | Rachana Kamtekar

5 Intelligent Human Action


What happens when we apply the craft model for natural science from the
Phaedo and Timaeus to human action, rather than thinking that all human ac-
tion is based on what seems best to the agent, with the intelligent agent tracking
the truth about what is best? In closing and by way of gesturing at future re-
search, I’d like to suggest that applying the craft model distinguishes the agent
from the character, and treats the character as among the materials to be used
and improved by the action, rather than as only what is expressed or manifested
by action. In the Republic, Socrates proposes this in his explanation of the les-
son of the Myth of Er (618b–e): in order to make ourselves more just, we must
always make our choices bearing in mind how things like wealth or poverty or
political office combine with our natural assets like beauty or ease in learning to
affect the condition of our soul (618b–e). We do not just make these choices ‘in
character’, so to speak, but stand back from them and regard them as among the
resources out of which we can make our future character.
Similarly, in Books I–II of the Laws, the Athenian describes each of us as a
puppet of the gods, our limbs moved by internal cords, a golden (flexible but
weak) cord of calculation and several other cords, including pleasure and pain,
and fear and confidence (stronger than the golden cord, but also less flexible).
This image is supposed to help us with the inculcation of virtue, particularly
self-control (644b–c, 645b), and to understand that to cultivate virtue we must
pull along with calculation, which, when it is a public power in the city, is law
(644d–645a).
The Athenian illustrates with the institution of the symposium, which can
be used to get mature men drunk in order to safely test their behavior when
reason has abandoned them; those that misbehave are shamed by the leader of
the symposium so that in the future they feel anticipatory shame when they
imagine future wrongdoing. Now their anticipatory shame ‘pulls on the side of
reason’, against temptation and daring (671a–672a). But one can also take this
sort of evaluative and controlling managerial attitude towards oneself. If it’s the
lawgiver or leader of the symposium that organizes the circumstances for me to
practice shame and learn to follow reason, then it’s their intelligence directing
my development; if it’s me myself, then I – qua shaper of my future character –
am the intelligent agent. In both cases intelligence consists in part in knowing
the ‘matter’ not only of my circumstances but also of my character – its capaci-
ties and tendencies – and knowing how they can be best combined to produce a
good end. Of course how I act now, even if it is to shape my character in the
future, is an expression of my character (now). But while that character will
Plato on Intelligent Agency | 55

undergo change under the guidance of intelligence, the intelligence will not,
and can be conceived of as cause – both good-maker and origin – of my charac-
ter coming to be what it will be.

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56 | Rachana Kamtekar

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Sebastian Odzuck
Handeln mit Vernunft als Handeln aus
Gründen
Die Erklärung menschlichen Handelns in Platons Phaidon

1 Überblick
Mein Beitrag konzentriert sich auf die Diskussion einer Passage aus Platons
Dialog Phaidon. In dieser Passage, die einen der Anfangspunkte der philosophi-
schen Reflexion menschlichen Handelns markiert, lässt Platon seinen Sokrates
grundlegende Überlegungen zu der angemessenen Erklärung von Handlungen
anstellen und gibt dabei, so meine These, entscheidende Einblicke in den von
ihm an dieser Stelle zugrunde gelegten Begriff der Handlung.
Meine Untersuchung der Passage ist von den folgenden zwei Fragen gelei-
tet: Erstens, was können wir über menschliches Handeln lernen, wenn wir Sok-
rates’ Diskussion ernst nehmen? Und zweitens: Darf die Passage überhaupt als
Darstellung von Überlegungen zur menschlichen Handlung allgemein gelesen
werden? Letzteres wird zwar in der Literatur normalerweise ohne Weiteres vo-
rausgesetzt, ist aber, wie ich zeigen werde, keineswegs selbstverständlich.
In Antwort auf diese Fragen argumentiere ich für die folgenden drei Thesen:
Erstens zeige ich, dass die Passage sehr gut als Diskussion grundlegender Cha-
rakteristika menschlichen Handelns gelesen werden kann. Zweitens argumen-
tiere ich, dass Sokrates’ Ausführungen zufolge menschliches Handeln als prin-
zipiell rational, genauer gesagt als zweckrational, aufzufassen ist, und zwar
insofern als ein Akteur normalerweise diejenige Handlung wählt, die ihm für
die Realisierung seines Ziels am besten geeignet zu sein scheint. In diesem Sin-
ne, so meine These weiter, sind auch solche Handlungen als grundlegend ratio-
nal zu betrachten, die wir in anderer Hinsicht als nicht besonders vernünftig
oder gar irrational bezeichnen würden, wie beispielsweise die Handlung eines
Terroristen. Meine dritte These lautet, dass dies wiederum zeigt, dass Platons
Sokrates in dieser Passage den Ausdruck nous (Vernunft) im Gegensatz zu einer

||
Anmerkung: Dieser Aufsatz entstammt der Arbeit an einem größeren Projekt zu Platons Hand-
lungstheorie, für dessen großzügige Förderung durch die DFG und den DAAD ich mich an
dieser Stelle bedanken möchte.

https://doi.org/10.1515/9783110735598-004
58 | Sebastian Odzuck

prominenten Deutung, in einem allgemeinen und nicht-terminologischen Sinn


gebraucht, der für den Leser Platons auf den ersten Blick eher ungewohnt zu
sein scheint, bei Platon aber an vielen Orten Verwendung findet.1
Um dies zu zeigen, gehe ich grob gesagt folgendermaßen vor. Nachdem ich
in einem ersten Schritt einen kurzen Blick auf den Kontext der Passage aus dem
Phaidon werfe (Abschnitt 2), konzentriere ich mich im Anschluss daran auf
Sokrates’ Untersuchung der Frage nach der angemessenen Erklärung menschli-
cher Handlungen und entwickle einen ersten Deutungsvorschlag (Abschnitte 3
& 4). Wie ich dann darstelle, lassen sich gegen diese Deutung allerdings zwei
schwerwiegende Einwände erheben (Abschnitt 5). In der Diskussion der beiden
Einwände entwickle ich die drei genannten Thesen und zeige, dass die beiden
Einwände letztlich keine Gefahr für meine Lesart darstellen (Abschnitte 6 & 7).
Abschließend fasse ich die Ergebnisse meiner Untersuchung kurz zusammen
und komme zu dem Schluss, dass den Überlegungen zufolge, die Platon seinen
Sokrates im Phaidon anstellen lässt, menschliches Handeln grundlegend als
rational zu denken ist (Abschnitt 8).

2 Der naturphilosophische Kontext


Bei der Passage, in der Sokrates Überlegungen zur angemessenen Erklärung
menschlicher Handlungen anstellt und auf deren Diskussion ich mich in diesem
Aufsatz konzentrieren werde, handelt es sich um einen Auszug aus der soge-
nannten Autobiographie des Sokrates aus Platons Phaidon, genauer gesagt um
den Auszug 98b7–99b6 dieses Dialogs. Als solcher ist die Passage Teil von Sok-
rates’ Antwort auf Kebes’ geäußerten Einwand gegen Sokrates’ zuvor in 95a–
102a3 präsentiertes Argument für die Unsterblichkeit der Seele. Kebes’ Einwand
zufolge hat Sokrates mit seinem Argument zwar gezeigt, dass die Seele nicht mit
dem Tod des Körpers vergehe, nicht jedoch, dass die Seele auch unsterblich
sein müsse.2
Um diesem Einwand angemessen begegnen zu können, ist es Sokrates zu-
folge notwendig die aitia, d.h. die Ursache oder den Grund von „Entstehen und
Vergehen überhaupt zu untersuchen“3 – und das ist es dann auch, was Sokrates

||
1 Für diese Deutung siehe Kamtekar (2017), Kap. 6.3.
2 Siehe dazu Phd. 88a1–b8.
3 Für Texte aus dem Phaidon verwende ich die von mir teils leicht modifizierte Übersetzung
Eberts, im Falle anderer Werke Platons von mir angepasste Übersetzungen Schleiermachers.
Handeln mit Vernunft als Handeln aus Gründen | 59

in seiner sogenannten Autobiographie tut.4 Dabei legt Sokrates zunächst dar,


weshalb die Antworten, die die Naturforscher seiner Zeit auf die Frage nach der
aitia gegeben haben, als unbefriedigend zu betrachten sind. Mit Hilfe der Dis-
kussion der Frage, wie menschliches Handeln angemessen zu erklären ist, zeigt
er im Anschluss daran, weshalb auch die Naturphilosophie des Anaxagoras
keine angemessene Antwort auf diese Frage bieten kann. Damit ist klar, dass
die Diskussion menschlichen Handelns im Phaidon im Kontext einer Untersu-
chung aus dem Bereich der Naturphilosophie stattfindet.
Die Literatur zu dieser Passage und ihrem größeren Kontext konzentriert
sich weitgehend auf die Diskussion des Begriffs der aitia und dessen Beziehung
zu Sokrates’ Verweis auf die Ideen, den er später vorzunehmen scheint.5 Für
meinen Zweck reicht es an dieser Stelle allerdings aus, von dem Grundver-
ständnis des Begriffs aitia auszugehen, das von Sokrates in dem für uns hier
relevanten Teil des Phaidon vorausgesetzt wird.
Im Zusammenhang mit unserer Passage wird aitia oftmals mit „Ursache“
oder „Grund“ übersetzt, und auch ich werde beide Wörter verwenden, wenn-
gleich hierbei zu beachten ist, dass das griechische aitia einen weiteren Be-
griffsumfang hat als unser moderner Begriff der Ursache.6
Folgt man beispielsweise Ausführungen aus Platons Gorgias, dann lässt
sich sagen, dass eine Person, die die aitia einer Sache y kennt, über Wissen von
y verfügt und angemessen Auskunft über die Natur von y geben kann.7 Diese
Person kann mit anderen Worten alle entscheidenden Fragen zu y beantworten
und erklären, weshalb y genauso ist, wie sie ist, und nicht etwa anders.
Dazu passt auch Vlastos’ Verständnis, dem zufolge x die aitia von y ist,
wenn y wegen x geschehen ist, geschieht oder der Fall ist, und es ist in diesem
Sinne, dass eine aitia, d.h. eine Ursache oder ein Grund, wie von Bostock ange-
merkt, zunächst als die Antwort auf eine Warum-Frage aufgefasst werden

||
Bei der hier zitierten Stelle handelt es sich um Phd. 95e10–11: δεῖ γὰρ περὶ γενέσεως καὶ φθορᾶς
τὴν αἰτίαν διαπραγματεύσασθαι.
4 Für die fiktive Autobiographie des Sokrates siehe Phd. 96a8–99d3.
5 So beispielsweise bei Vlastos (1969), Rowe (1993), Sedley (1998), Sharma (2009) und Ebrey
(2014).
6 So verwenden beispielsweise Schleiermacher, Rufener (1958) und Ebert (2004) sowohl „Ur-
sache“ als auch „Grund“ zur Wiedergabe des griechischen aitia. Burnet (1911), ad loc., Hack-
forth (1955), Grube (1977), und Sedley/Long (2010) übersetzen aitia im Englischen mit „cause“,
wohingegen Vlastos (1969) und Gallop (1975) diese Übersetzung wegen des zu begrenzten
Bedeutungsumfanges ablehnen und stattdessen weitgehend mit „reason“ arbeiten. Zu dieser
Diskussion siehe zum Beispiel Vlastos (1969) 292–296.
7 Siehe Grg. 464c–465b.
60 | Sebastian Odzuck

kann.8 Um ein Beispiel zu nennen: Wenn ich also wissen oder verstehen will,
warum eine Person das tut, was sie tut, und sie einen Text liest, der sich mit
einem Werk des Philosophen Platon beschäftigt, dann frage ich nach der aitia
ihrer Handlung.

3 Falsche aitiai des Handelns


Wie ich gezeigt habe, entstammt die Textpassage aus dem Phaidon, die ich
gleich genauer untersuchen werde, dem Kontext der Diskussion einer naturphi-
losophischen Frage. Genauer gesagt will Sokrates an dieser Stelle zeigen, dass
die aitiai oder Gründe, mit deren Hilfe Anaxagoras die Ordnung der Welt er-
klärt, unangemessen sind – und das, obwohl Anaxagoras laut Sokrates grund-
sätzlich davon ausgeht, die aitia von allem liege in einem die Welt ordnenden
Grundprinzip, dem nous oder der Vernunft, eine Annahme, die Sokrates selbst
erst einmal durchaus attraktiv erscheint.9
Problematisch ist für Sokrates allerdings, dass Anaxagoras keinen ange-
messenen Gebrauch von diesem Prinzip des nous macht und stattdessen de
facto andere Dinge als aitiai betrachtet, die seiner Auffassung nach gar keine
sind. Kurz gesagt ist Sokrates enttäuscht, weil Anaxagoras anders als erwartet
keine teleologische Erklärung der Natur bzw. des Kosmos vorlegt.10
Um dies zu verdeutlichen, bringt Sokrates Beispiele aus dem Bereich des
Handelns ins Spiel. Laut Sokrates könne man auch in Bezug auf diese Beispiele
– analog zum Bereich der Erklärung des Kosmos – wahre aitiai von solchen
unterscheiden, die nur fälschlicherweise als Gründe oder Ursachen (aitiai) be-
trachtet werden.
Ein Beispiel für die Angabe falscher Gründe wäre für Sokrates etwa der fol-
gende Fall:

T1 Ich hatte den Eindruck, dass es ihm ging wie jemandem, der sagt, dass Sokrates alles,
was er tut, mit Vernunft tut, und anschließend versucht, die Gründe für mein Handeln im
einzelnen anzugeben, und dann erklären würde, zunächst, dass ich jetzt deswegen hier
sitze, weil mein Körper aus Knochen und Sehnen besteht, weil die Knochen kompakt und
durch Gelenke voneinander getrennt sind, und weil die Sehnen, die angezogen und gelo-

||
8 Siehe Vlastos (1969) 293 bzw. Bostock (1986) 135.
9 Siehe beispielsweise Phd. 97c1–2: „dass in der Tat die Vernunft alles ordne und für alles
ursächlich sei“ (ὡς ἄρα νοῦς ἐστιν ὁ διακοσμῶν τε καὶ πάντων αἴτιος).
10 Siehe z.B. Bostock (1986) 143–146, Ebert (2004) 345–347, Frede (2005) 115–119 und Horn
(2011) 127–128.
Handeln mit Vernunft als Handeln aus Gründen | 61

ckert werden können, die Knochen umkleiden zusammen mit den Fleischpartien und der
Haut, die sie zusammenhält. Da nun die Knochen in ihren Gelenken hängen, setzen mich
die Sehnen, nehme ich an, durch Lockerung und Anspannung in die Lage, jetzt meine
Gliedmaßen zu krümmen, und aus diesem Grunde hocke ich hier mit zusammengekrüm-
mten Gliedmaßen.11
(Phd. 98c2–d6)

Text T1 beschäftigt sich mit der Frage, worin der Grund (aitia) einer jeden Hand-
lung von Sokrates (tas aitias hekastôn hôn prattô) besteht, wenngleich Sokrates
an dieser Stelle auf ganz konkrete Beispiele dessen verweist, was er tut. Die in
Text T1 dargelegte Möglichkeit einer Erklärung seines Tuns mit Verweis auf ein-
zelne seiner Körperteile und ihre Beschaffenheit scheint für Sokrates allerdings
unangemessen, da sie die wahren Gründe dieses Tuns nicht nennt (amelêsas tas
hôs alêthôs aitias legein).12 Wie wir später in T3 und in einer weiteren Textpassa-
ge sehen werden, müssen diese physiologischen Gegebenheiten eher als not-
wendige Bedingungen betrachtet werden, die erfüllt sein müssen, damit wir das
tun können, was uns gut erscheint. Mit anderen Worten, die Tatsache, dass wir
einen Körper haben, der aus bestimmten Bestandteilen zusammengesetzt ist
und eine spezifische Beschaffenheit hat, ist zwar eine notwendige, nicht jedoch
eine hinreichende Bedingung dafür, dass wir so handeln, wie wir handeln.13

4 Die Vorstellung des Besten als Grund der


Handlung
Im Gegensatz zu dem, was im Sinne des Anaxagoras als aitia des Handelns
aufzufassen wäre, liegt der wahre Grund für Sokrates’ Tun allerdings darin,

||
11 καί μοι ἔδοξεν ὁμοιότατον πεπονθέναι ὥσπερ ἂν εἴ τις λέγων ὅτι Σωκράτης πάντα ὅσα
πράττει νῷ πράττει, κἄπειτα ἐπιχειρήσας λέγειν τὰς αἰτίας ἑκάστων ὧν πράττω, λέγοι πρῶτον
μὲν ὅτι διὰ ταῦτα νῦν ἐνθάδε κάθημαι, ὅτι σύγκειταί μου τὸ σῶμα ἐξ ὀστῶν καὶ νεύρων, καὶ τὰ
μὲν ὀστᾶ ἐστιν στερεὰ καὶ διαφυὰς ἔχει χωρὶς ἀπ’ ἀλλήλων, τὰ δὲ νεῦρα οἷα ἐπιτείνεσθαι καὶ
ἀνίεσθαι, περιαμπέχοντα τὰ ὀστᾶ μετὰ τῶν σαρκῶν καὶ δέρματος ὃ συνέχει αὐτά· αἰωρουμένων
οὖν τῶν ὀστῶν ἐν ταῖς αὑτῶν συμβολαῖς χαλῶντα καὶ συντείνοντα τὰ νεῦρα κάμπτεσθαί που
ποιεῖ οἷόν τ’ εἶναι ἐμὲ νῦν τὰ μέλη, καὶ διὰ ταύτην τὴν αἰτίαν συγκαμφθεὶς ἐνθάδε κάθημαι.
12 Phd. 98e1.
13 Bei Text T3, den ich weiter unten genau betrachten werde, handelt es sich um Phd. 99a5–
b2. Eine weitere Passage, in der Sokrates explizit auf diesen Zusammenhang hinweist, ist
99b3–4. Auch Kauffmann (1993), 168–169, sowie Ebert (2004), 347, beziehen sich in Bezug auf
diese Passage auf die Unterscheidung zwischen notwendiger und hinreichender Bedingung.
62 | Sebastian Odzuck

T2 dass es nämlich, weil es den Athenern besser schien, mich zu verurteilen, es deswegen
auch mir besser schien, hier zu sitzen, und rechtmäßiger, hier zu bleiben und das Urteil
anzunehmen, das sie verhängen würden. Denn beim Hunde, diese Sehnen und Knochen
wären, wie ich glaube, schon längst weg nach Megara oder zu den Böotern, in Bewegung
gesetzt von einer Vorstellung des Besten, wenn ich es nicht für gerechter und schöner ge-
halten hätte, anstatt zu fliehen und wegzulaufen, das Urteil der Stadt anzunehmen, wie
immer sie es fällen würde.14
(Phd. 98e1–99a4)

Auch wenn ich zu dieser Passage später noch mehr sagen werde, ist diesen
Ausführungen zufolge die Frage, weshalb sich die Körperteile tatsächlich bewe-
gen oder eben gerade nicht bewegen, erst mit Blick auf eine „Vorstellung des
Besten“ (doxa tou beltistou) zu beantworten. So spricht Sokrates in T2 von einer
doxa tou beltistou, aufgrund derer seine Knochen und sein Körper als Ganzes
normalerweise in Bewegung gesetzt worden wären, um Athen und der Vollstre-
ckung seines Todesurteils zu entfliehen.15 Allerdings war es letztlich nicht diese
Vorstellung des Besten, die sein Handeln leitete, sondern die Ansicht, es sei
besser, zu bleiben und sich seiner Strafe zu stellen. Denn wie Sokrates in T2
explizit ausführt: „mir schien es besser“ (emoi beltion au dedoktai), „hier zu sit-
zen, und rechtmäßiger, hier zu bleiben und das Urteil anzunehmen, das sie
verhängen würden“.16 Diese Vorstellung (doxa), erklärt, warum Sokrates Athen
und seiner Strafe nicht entflieht, obwohl bereits alles dafür von seinen Freun-
den vorbereitet worden ist, wie wir aus dem Dialog Kriton wissen.17
Etwas irritierend ist, dass Sokrates hier einerseits unter Verwendung des
Superlativs von einer „Vorstellung des Besten“ (doxa tou beltistou) spricht, an-
derseits aber den Komparativ verwendet, wenn von seiner ganz konkreten Beur-
teilung der tatsächlich gewählten Handlungsoption die Rede ist, und sagt, diese
sei ihm „besser“ (beltion) erschienen. Vor diesem Hintergrund könnte man
fragen, aus welchem Grund Sokrates sich letztlich für das entscheiden sollte,
was ihm lediglich besser zu sein scheint, und nicht etwa für die Handlungsopti-
on, die dem Inhalt der erwähnten Vorstellung des Besten entsprechen würde.

||
14 ὅτι, ἐπειδὴ Ἀθηναίοις ἔδοξε βέλτιον εἶναι ἐμοῦ καταψηφίσασθαι, διὰ ταῦτα δὴ καὶ ἐμοὶ
βέλτιον αὖ δέδοκται ἐνθάδε καθῆσθαι, καὶ δικαιότερον παραμένοντα ὑπέχειν τὴν δίκην ἣν ἂν
κελεύσωσιν· ἐπεὶ νὴ τὸν κύνα, ὡς ἐγᾦμαι, πάλαι ἂν ταῦτα τὰ νεῦρα καὶ τὰ ὀστᾶ ἢ περὶ Μέγαρα
ἢ Βοιωτοὺς ἦν, ὑπὸ δόξης φερόμενα τοῦ βελτίστου, εἰ μὴ δικαιότερον ᾤμην καὶ κάλλιον εἶναι
πρὸ τοῦ φεύγειν τε καὶ ἀποδιδράσκειν ὑπέχειν τῇ πόλει δίκην ἥντιν’ ἂν τάττῃ.
15 Phd. 99a1–2.
16 Phd. 98e3–5.
17 Siehe Crit. 44b–c.
Handeln mit Vernunft als Handeln aus Gründen | 63

Ich werde an späterer Stelle mehr dazu sagen, möchte aber bereits hier
festhalten, dass es sich bei Sokrates’ Ansicht, es sei besser im Gefängnis zu blei-
ben, meiner Einschätzung nach ebenfalls um eine Vorstellung des Besten (doxa
tou beltistou) handelt, wenngleich sich diese ihrem Inhalt nach deutlich von der
doxa, d.h. der Ansicht oder Vorstellung unterscheidet, es sei das beste zu flie-
hen. Das lässt sich folgendermaßen verstehen: Mit Blick auf die Sokrates letzt-
lich zur Verfügung stehenden Handlungsoptionen erscheint es ihm im Ver-
gleich mit jeder anderen jeweils besser (emoi beltion au dedoktai)18, die Strafe zu
verbüßen und nicht zu fliehen. Insgesamt betrachtet handelt es sich seiner
Ansicht nach um die unter den gegebenen Umständen beste Handlungsoption,
und es ist in dieser Hinsicht, dass Sokrates hier von einer Vorstellung des Bes-
ten (doxa tou beltistou) sprechen kann.
Zu diesen Überlegungen passt es auch, dass Sokrates wenige Zeilen später
und auf ganz ähnliche Weise nochmals auf den eigentlichen Grund seines Han-
delns verweist:

T3 Wenn aber jemand sagen würde, dass ich ohne den Besitz von Dingen jener Art, näm-
lich Knochen und Sehnen und was ich sonst noch besitze, nicht in der Lage wäre, das
auszuführen, was mir gut scheint, dann würde er etwas ganz Richtiges sagen. Dass ich
aber eben deswegen tue, was ich tue, und es trotzdem mit Vernunft tue, nicht aber auf-
grund der Wahl des Besten, das wäre ein ganz unverantwortliches Argument.19
(Phd. 99a5–b2)

Den Ausführungen in T3 zufolge wäre es falsch, zu sagen, Sokrates tue das, was
er tut, mit Vernunft (nous) allein deshalb, weil sein Körper und dessen Teile auf
eine bestimmte Weise beschaffen und angeordnet sind. Wie Sokrates mithilfe
des hier kausal zu verstehenden Dativs hairesei deutlich macht, liegt der ent-
scheidende Grund für Sokrates’ Handeln in dessen hairesis tou beltistou, seiner
„Wahl des Besten“. Diese Wahl des Besten (oder Entscheidung für das Beste –
wie Ebert hairesis im Gegensatz zu Schleiermacher übersetzt) scheint sich hier
erneut auf die beste mögliche Handlungsoption zu beziehen. Sokrates’ Handeln
ist nur aus seiner Wahl dessen, was ihm besser erschien, d.h. aus der Wahl der
besten Handlungsoption zu verstehen. Man kann sich das so vorstellen: Sobald
ich glaube, dass eine bestimmte Handlungsoption die beste ist, habe ich sie
auch schon bereits gewählt und mich dafür entschieden, sie zu tun.

||
18 Phd. 98e3.
19 εἰ δέ τις λέγοι ὅτι ἄνευ τοῦ τὰ τοιαῦτα ἔχειν καὶ ὀστᾶ καὶ νεῦρα καὶ ὅσα ἄλλα ἔχω οὐκ ἂν
οἷός τ’ ἦ ποιεῖν τὰ δόξαντά μοι, ἀληθῆ ἂν λέγοι· ὡς μέντοι διὰ ταῦτα ποιῶ ἃ ποιῶ, καὶ ταῦτα νῷ
πράττων, ἀλλ’ οὐ τῇ τοῦ βελτίστου αἱρέσει, πολλὴ ἂν καὶ μακρὰ ῥᾳθυμία εἴη τοῦ λόγου.
64 | Sebastian Odzuck

Diese Vorstellung oder doxa, über die wir hier sprechen, ist normalerweise
nicht etwas, das uns einfach in den Schoß fällt, sondern ist oftmals das Ergeb-
nis einer Art praktischen Überlegung, auch wenn ich hier nicht behaupten
möchte, dass jeder unserer Handlungen immer ein Deliberationsakt unmittelbar
vorausgehen muss. Vielleicht habe ich mich beispielsweise schon vor langer
Zeit dafür entschieden, meinen Tee nie mit Milch zu trinken, und handle des-
halb auch immer entsprechend, ohne dass ich auch nur einen Moment nach-
denken müsste, ob ich nun Milch dazu gebe oder nicht.
Dieses Verständnis von doxa als dem Ergebnis einer Überlegung passt zu
der Art, in der dieser Ausdruck beispielsweise in einer Passage im Sophistes
verwendet wird. Dort wird doxa explizit als das Resultat eines Denkprozesses
(dianoias apoteleutêsis), d.h. als das Resultat eines Dialogs der Seele mit sich
selbst charakterisiert.20 Auf unser Beispiel von Sokrates im Gefängnis angewen-
det hieße dies: Bevor Sokrates zu dem Schluss kam, dass er anders als von sei-
nen Freunden angeboten nicht fliehen würde, stellte er die Überlegung an, was
in dieser Situation zu tun sei. Ergebnis dieses Deliberierens war dann die doxa
oder Vorstellung, das beste, was er tun könne, sei es, im Gefängnis zu bleiben
und die von den Athenern über ihn verhängte Strafe über sich ergehen zu las-
sen.
An dieser Stelle ist es wichtig, sich klar zu machen, dass doxa hier, wie oft-
mals bei Platon und im Griechischen allgemein, als neutraler Ausdruck aufzu-
fassen ist, der nicht notwendiger Weise mit all den negativen Konnotation ein-
hergehen muss, die man als Leser Platons oftmals gleich im Sinn hat, wenn
man auf das Wort doxa stößt – man denke beispielsweise an die Gegenüberstel-
lung von doxa i.S. bloßer Meinung und epistêmê i.S. wirklichen Wissens im
Liniengleichnis in Politeia VI. Für eine neutrale Verwendung des Ausdrucks
spricht ebenfalls, dass im Text auch dem weisen Sokrates ganz selbstverständ-
lich doxai zugesprochen werden.
Die Unterscheidung von besseren und schlechteren Handlungsoptionen
setzt allerdings ein Gut oder Ziel voraus, das als Maßstab fungiert, kraft dessen
wir diese Optionen erst als besser oder schlechter bewerten können. Dies wird
an unserer Stelle im Phaidon zwar nicht explizit thematisiert, aber klarerweise
vorausgesetzt, da Sokrates’ Beurteilung der Optionen anders gar nicht möglich

||
20 Soph. 264a9–b1: „von dem übrigen das Denken sich zeigte als die Unterredung der Seele
mit sich selbst, die Vorstellung aber als Endergebnis des Denkens“ (δίανοια μὲν αὐτῆς πρὸς
ἑαυτὴν ψυχῆς διάλογος, δόξα δὲ διανοίας ἀποτελεύτησις). Ich danke Friedemann Buddensiek
für den Hinweis auf diese Passage. Für eine weitere Passage, in der doxa auf ähnliche Weise
verstanden wird, siehe auch Tht. 189e7–190a7.
Handeln mit Vernunft als Handeln aus Gründen | 65

wäre. Sokrates schätzt jeweils die Handlungsoption als am besten ein, die sei-
nem Ziel oder dem erstrebten Gut letztlich am ehesten gerecht zu werden oder
es am ehesten zu realisieren scheint.
So könnte Sokrates zum Beispiel der Auffassung sein, dass er gerecht han-
deln muss, wenn er ein gutes Leben führen will, womit ein entscheidender
Maßstab zur Entscheidung der Güte einer Handlung darin läge, wie gerecht sie
ist. Wie Sokrates in T2 deutlich macht, hält er es für gerechter (dikaioteron), im
Gefängnis zu bleiben als zu fliehen und damit nicht den Gesetzen Athens zu
folgen.21 Da es für ihn unabdingbar scheint, gerecht zu handeln, um sein Ziel
des guten Lebens zu erreichen, wählt er diejenige Handlungsoption, die ihm am
ehesten zur Realisierung dieses Zieles zu führen scheint, und bleibt im Gefäng-
nis. Auch wenn das nicht explizit ausgeführt wird, so wird damit deutlich, dass
die von mir diskutierten Passagen offenkundig die Annahme voraussetzen, dass
wir, wann immer wir handeln, kraft unseres Handelns Ziele zu erreichen su-
chen, menschliches Handeln also teleologisch strukturiert ist.
Wenn wir fragen, warum Sokrates so handelt, wie er handelt, bestünde eine
als formal zu bezeichnende Antwort dem Text entsprechend darin, zu sagen,
weil er die letztlich gewählte Handlungsoption angesichts seines Zieles für die
beste hielt. Konkret hieße dies in unserem Beispiel, Sokrates bleibt im Gefäng-
nis und entzieht sich nicht seiner Strafe, weil er angesichts seines Zieles, ge-
recht zu handeln und ein gutes Leben zu führen, die Handlungsoption wählt,
die ihm gerechter und damit besser als alle anderen erscheint.
An dieser Stelle ist also festzuhalten, dass der Passage aus dem Phaidon zu-
folge menschliches Handeln teleologisch strukturiert ist und sich dies auch da-
rin zeigt, dass ein Akteur wie Sokrates normalerweise diejenige Handlungsopti-
on wählt, die ihm am besten zu sein scheint, um seine Ziele zu erreichen.
Zunächst mag diese Ansicht vielleicht trivial erscheinen. Allerdings muss man
bedenken, dass wir hier mit Platon am Anfang der philosophischen Reflexion
menschlichen Handelns stehen und die Annahme damals keineswegs selbst-
verständlich war und auch in der modernen Handlungstheorie nicht unumstrit-
ten ist.22 Tatsächlich lässt Platon seinen Sokrates mit dessen Ausführungen
deutlich machen, dass die angemessene, d.h. auch teleologische Erklärung
einer Handlung den Verweis auf die doxai des Akteurs voraussetzt und damit
eine Erklärung i.S. des von ihm kritisierten Modells der zeitgenössischen Natur-

||
21 Tatsächlich findet sich ein Argument für genau diese Annahme in Crit. 50a–54c.
22 Siehe z.B. von Wright (1981), 132, der die These vertritt, es gebe Fälle von „fortuitous or
gratuitous action“, die wir um keines Zieles willen und aus überhaupt keinem Grund heraus
vollziehen.
66 | Sebastian Odzuck

philosophie nicht möglich wäre. Wie ich nun zeigen werde, muss man sich
allerdings auch fragen, ob die bisher diskutierten Passagen überhaupt als Aus-
druck einer derartigen Reflexion menschlichen Handelns allgemein gelesen
werden können, auch wenn dies soweit eine plausible Lesart der untersuchten
Passagen zu sein scheint.

5 Zwei Einwände gegen die vorgeschlagene


Lesart
Im Folgenden diskutiere ich nun zwei mögliche Einwände, die gegen die von
mir vorgeschlagene Lesart zu sprechen scheinen. Meine Diskussion dieser Ein-
wände wird nicht nur zeigen, dass diese als unangemessen zurückgewiesen
werden können, sondern uns darüber hinaus helfen, ein tieferes Verständnis
des Handlungsbegriffes zu entwickeln, der der Passage aus dem Phaidon zu-
grunde liegt. Wie ich argumentieren werde, lässt Platon seinen Sokrates mit
dessen Diskussion nicht nur deutlich machen, dass menschliches Handeln als
teleologisch strukturiert zu betrachten ist, sondern auch als grundlegend ratio-
nal.
Der erste Einwand lautet folgendermaßen: In der Textpassage aus dem
Phaidon geht es nicht um das Thema menschlicher Handlung, sondern um eine
Frage aus dem Bereich der Naturphilosophie. Wer Sokrates’ Ausführungen als
eine Diskussion menschlichen Handelns generell liest, der ignoriert, dass diese
Aussagen Teil einer größeren Diskussion eines naturphilosophischen Problems
sind und nur ins Spiel gebracht werden, um die Frage zu erörtern, was die aitia
des Werdens und Vergehens aller Dinge ist. Wie wir gesehen haben, geht es
Sokrates darum zu zeigen, dass Anaxagoras, genau wie die anderen Naturphilo-
sophen, keine angemessene Antwort auf diese Frage geben kann, da er keinen
Gebrauch von seinem Prinzip der Vernunft, des nous, macht.
Auch wenn es korrekt ist, dass Sokrates’ Diskussion im Phaidon nicht pri-
mär darauf abzielt, menschliches Handeln als solches zu untersuchen, sondern
der Auseinandersetzung mit der genannten naturphilosophischen Frage dient,
stellt dieser Befund kein grundlegendes Problem für das von mir vorgeschlage-
ne Textverständnis dar. Vielmehr wird die angemessene Erklärung menschli-
chen Handelns als Paradigma eingeführt, an dem sich auch die Erklärungen der
Naturphilosophie orientieren sollen: Sokrates behauptet, dass menschliche
Handlungen und Naturvorgänge insofern als analog zu betrachten sind, als
Handeln mit Vernunft als Handeln aus Gründen | 67

beide eine teleologische Struktur aufweisen. Er überträgt also die teleologische


Struktur menschlicher Handlungen auf die Natur, nicht jedoch umgekehrt.
In der Forschung ist man sich weitgehend einig darin, dass es Sokrates’ mit
seiner Diskussion von Handlungen v.a. darum geht, das teleologische Erklä-
rungsmodell auch für die Naturerklärung einzuführen.23 Anhand seiner Diskus-
sion will er deutlich machen, dass eine teleologische Erklärung der einzig
gangbare Weg ist, wenn wir davon ausgehen, dass alles im Kosmos von der
kosmischen Vernunft des anaxagoreischen nous bestmöglich angeordnet ist.
Dass menschliches Handeln grundsätzlich als teleologisch strukturiert auf-
zufassen ist und daher auch nur mit Hilfe finaler Kausalität erklärt werden
kann, scheint im Text selbst nicht strittig zu sein und wird von Sokrates auch in
keinerlei Weise problematisiert. Vielmehr scheint diese Annahme für Sokrates
so offensichtlich, dass sie keiner weiteren Argumentation bedarf. Bei der Be-
hauptung, auch die Prozesse in Natur und Kosmos seien teleologisch struktu-
riert und dementsprechend zu erklären, mag das – gerade auch für moderne
Leser – anders aussehen, worauf in der Literatur auch hingewiesen worden ist.24
Doch auch wenn wir die Behauptung ablehnen, menschliches Handeln und
Prozesse im Kosmos seien auf analoge Weise zu erklären, berührt dies nicht die
Annahme, dass menschliches Handeln teleologisch zu erklären ist.
Diese letztere Behauptung scheint für Sokrates und seine Gesprächspartner
ganz unabhängig vom größeren naturphilosophischen Diskussionskontext gül-
tig zu sein, und sie ist es auch, um die es mir bei meiner Fragestellung geht. Die
Tatsache, dass die von mir betrachteten Passagen Teil einer größeren naturphi-
losophischen Untersuchung sind, spricht deshalb in keiner Weise gegen die An-
nahme, dass wir aus ihnen etwas über menschliches Handeln allgemein lernen
können.
Der zweite und schwerer wiegende Einwand gegen die Annahme, Sokrates
teile hier Überlegungen über menschliches Handeln allgemein mit, lautet fol-
gendermaßen: Bei genauerem Hinsehen wird deutlich, dass Sokrates nicht nach
dem Grund allen Handelns fragt, sondern explizit nach dem Grund für sein ei-
genes Handeln als ein mit Vernunft (nous) vollzogenes Handeln. So wurde in
Passage T1 als Voraussetzung angenommen, Sokrates tue alles, was er tut, mit

||
23 Siehe z.B. Gallop (1975) 174–175, Ebert (2004) 344, Frede (2005) 106 und Horn (2011) 127–
128.
24 Siehe Bostock (1986) 143–146, Frede (2005) 116–119 und Horn (2011) 127–128. Dabei wäre zu
klären, worauf genau die Behauptung der Analogie zwischen kosmischen Prozessen und
menschlichem Handeln hinausläuft. Wie Horn (2011), 135–136, richtig darlegt, impliziert sie
beispielsweise keineswegs die notwendige Existenz eines akteurgleich agierenden und intelli-
gent handelnden Demiurgen.
68 | Sebastian Odzuck

Vernunft (panta hosa prattei nôi prattei).25 In T3 wird als Grund dafür, dass er
das, was er tut, auf vernünftige Weise tue (nôi prattôn), auf seine „Wahl des Bes-
ten“ (hairesis tou beltistou) verwiesen.26 Es ist also die Tatsache, dass Sokrates
die beste Handlung gewählt hat, die dafür verantwortlich ist, dass seine Hand-
lung eine rationale Handlung ist und mit Vernunft (nous) vollzogen wird.27
Vor diesem Hintergrund scheint es in unserer Passage also nicht um eine
Analyse menschlichen Handelns generell, sondern um ganz spezielle Fälle von
Handlung zu gehen, und zwar um Handeln, das wir als mit Vernunft vollzogen
betrachten. Mit Blick auf die Bandbreite menschlichen Handelns scheint es al-
lerdings jede Menge Handlungen zu geben, die wir zu Recht als ohne Vernunft
vollzogen bezeichnen würden. Dessen scheint sich auch Platon bewusst zu sein,
und es gibt mehrere Stellen in seinem Werk, an denen dies deutlich wird. So
lässt er seinen Sokrates z.B. im Dialog Gorgias explizit für die Behauptung argu-
mentieren, Redner und Tyrannen handelten oftmals, wenn nicht sogar immer,
ohne den Gebrauch der Vernunft (nous), deren Besitz er ihnen generell ab-
spricht.28
Wenn es nun aber Handlungen gibt, die ohne nous ausgeführt werden, und
Sokrates sich im Phaidon nur mit Handlungen beschäftigt, die mit Vernunft
vollzogen werden, dann scheint es höchst problematisch von diesen speziellen
Fällen Rückschlüsse auf menschliches Handeln generell zu ziehen.29 Das Prob-
lem wird noch dadurch verschärft, dass wir es bei den Beispielen nicht nur mit
Handlungen mit oder aus Vernunft zu tun haben, sondern auch mit solchen, die
Sokrates selbst tut. Sokrates allerdings wird von Platon stets als Ausnahmeer-
scheinung geschildert, der alle anderen Menschen, was vernunft- und tugend-
gemäßes Handeln anbelangt, bei Weitem übertrifft.
Als ob dies nicht genug wäre, gilt es ebenfalls zu bedenken, dass das Han-
deln mit nous als analog zum Tun des den Kosmos auf beste Weise regierenden
Vernunftprinzips, des sokratisch-anaxagoreischen nous, betrachtet werden
muss. Aus diesem Grund werden hier auch nicht irgendwelche menschlichen
Handlungen diskutiert, sondern eben die vernünftigen Handlungen von Sokra-
tes selbst, der wie der nous im Kosmos alles auf denkbar bestmögliche Weise
tut. Diesem göttlichen nous gleichen menschliche Akteure in dieser Hinsicht
aber noch viel weniger als dem Menschen Sokrates.

||
25 Siehe Phd. 98c4.
26 Siehe Phd. 99a8.
27 Siehe Phd. 99a5–b2.
28 Siehe Sokrates’ Diskussion mit Polos in Gorg. 466e9–467a7.
29 Diese Position vertritt implizit Kamtekar (2017), Kap. 6.3.
Handeln mit Vernunft als Handeln aus Gründen | 69

Die These, man könne die Erklärung der vernünftigen Handlung des ver-
nünftigsten aller Menschen – ein Handeln, das dem des göttlichen nous zu glei-
chen scheint – daher als ein Paradigma für die Erklärung menschlichen Han-
delns generell sehen, scheint daher milde gesagt nicht unproblematisch. Viel-
mehr legt der zweite Einwand nahe, dass Sokrates im Phaidon nicht mensch-
liche Handlungen allgemein diskutiert, sondern seine Diskussion auf die stets
mit Vernunft ausgeführten Aktivitäten des göttlichen nous bzw. des weisen So-
krates beschränkt ist. Wenn dies aber korrekt ist, hieße dies dem Einwand zu-
folge, dass sich unser Text dann lediglich mit einem kleinen Bruchteil mensch-
lichen Handelns befasst und uns damit nichts über menschliches Handeln im
Allgemeinen sagen kann.

6 Menschliches Handeln als grundsätzlich


rationales Handeln
Wie ich im Folgenden darlegen werde, zeigt sich bei genauer Betrachtung, dass
sich auch dieser Einwand widerlegen lässt und es sehr gute Gründe gibt, die
von mir untersuchten Passagen als Überlegungen zum menschlichen Handeln
allgemein zu lesen. Damit dies allerdings möglich ist, so mein Argument, ist es
entscheidend, ein angemessenes Verständnis davon zu entwickeln, was es
heißt, jemand handle mit Vernunft (nous).
Wenngleich es korrekt ist, dass Sokrates’ Handeln selbst klar im Mittel-
punkt seiner Überlegungen steht, so verweist er im Rahmen seiner Argumenta-
tion doch auch auf eine Handlung, die nicht von ihm selbst ausgeführt wurde,
die sich in entscheidenden Hinsichten jedoch nicht von seinem Handeln unter-
scheidet. Denn wie in dem folgenden uns bereits als Anfang von T2 vertrauten
Textabschnitt deutlich wird, erklärt Sokrates die Handlung der Athener, ihn
zum Tode zu verurteilen, ganz analog zu seinem eigenen Handeln.
Dort erklärt er:

T4 dass es nämlich, weil es den Athenern besser schien, mich zu verurteilen, es deswegen
auch mir besser schien, hier zu sitzen.30
(Phd. 98e1–e3)

||
30 ὅτι, ἐπειδὴ Ἀθηναίοις ἔδοξε βέλτιον εἶναι ἐμοῦ καταψηφίσασθαι, διὰ ταῦτα δὴ καὶ ἐμοὶ
βέλτιον αὖ δέδοκται ἐνθάδε καθῆσθαι.
70 | Sebastian Odzuck

Auch wenn es Sokrates hier nicht darum geht, eine vollständige Erklärung des
Tuns der Athener abzugeben, so wird doch deutlich, dass die Erklärung in bei-
den Fällen analog verläuft: Genau wie es Sokrates besser erschien (emoi beltion
dedoktai), „hier zu sitzen“,31 so erschien es auch den Athenern besser (Athênai-
ois edoxe beltion einai), ihn zu verurteilen.32 In dieser Hinsicht unterscheiden
sich also beide Handlungen prinzipiell nicht. Sokrates zum Tode zu verurteilen,
ist den Athenern zufolge das Beste, was man tun kann, und in dieser Annahme
besteht deshalb ihre Vorstellung von dem Bestem, was zu tun ist – ihre doxa tou
beltistou. Unter den gegebenen Umständen scheint ihnen dies mit Blick auf die
anderen Handlungsmöglichkeiten die jeweils bessere Option zu sein und damit
insgesamt die letztlich beste Handlungsoption.
Dass ein Akteur eine Handlung für die bessere oder beste hält, schließt al-
lerdings nicht aus, dass er mit seiner Ansicht auch falsch liegen kann – wie in
unserem Beispiel die Athener, wenn sie glauben, es sei am besten, Sokrates zum
Tode zu verurteilen, auch wenn das tatsächlich vielleicht gar nicht der Fall ist.
Hieran wird Folgendes deutlich: Die Wahl des Besten (hairesis tou beltistou) wä-
re immer als eine Wahl dessen zu verstehen, was dem Akteur gerade als Bestes
erscheint, selbst wenn es sich hierbei um etwas handelt, das weit entfernt da-
von ist, das in der jeweiligen Situation auch tatsächlich Beste zu sein.33 Aus
Sicht der Athener ist es verständlich, dass sie Sokrates verurteilen, da es ihnen
aus verschiedenen Gründen die beste Handlungsoption zu sein scheint.
Der Fall des Sokrates und der der Athener gleichen sich also darin, dass bei-
de der ihrer Vorstellung nach besten Handlungsoption (doxa tou beltistou) fol-
gen und diese insofern wählen (hairesis tou beltistou). Die beiden Fälle unter-
scheiden sich allerdings entscheidend in Bezug auf die Frage, ob diese Ansich-
ten wahr oder falsch sind.
Wenn das korrekt ist, muss man allerdings fragen, inwiefern dann Sokrates’
Rede vom Handeln mit Vernunft (nôi prattein) zum Handeln der Athener passen
soll. Wir erinnern uns: Die Gründe die Sokrates anführt, sollen sein Handeln,
insofern es Handeln mit Vernunft (nous) ist, erklären. Wie wir gesehen haben,
werden die Handlungen der Athener jedoch auf exakt die gleiche Weise erklärt.
Folglich muss auch ihr Handeln als Handeln mit Vernunft (nous) gelten.34

||
31 Phd. 98e3.
32 Phd. 98e2.
33 Dies scheint weitgehend auch die Position der Forschung zu sein (siehe z.B. Bostock (1986)
147–148 oder Frede (2005) 116), wenngleich Kamtekar diese Auffassung zurückweist (siehe
Kamtekar (2017) 205 Fn.10).
34 Auch Kamtekar (2017), 192, legt dar, „that Socrates’ explanation also invokes the Atheni-
ans’ judgement of what is better“ und dass „the Athenians’ verdict is described in the terms
Handeln mit Vernunft als Handeln aus Gründen | 71

Diese Behauptung erscheint aber nicht unproblematisch, wenn man be-


denkt, dass Platon seinen Sokrates beispielsweise in der Apologie dafür argu-
mentieren lässt, dass die Einschätzung der Athener und die Schlüsse, die sie
daraus für die Behandlung des Sokrates ziehen, falsch sind.
Wenn man allerdings wie die Athener die Ansicht vertritt und fest davon
überzeugt ist, die beste Handlungsoption bestehe darin, Sokrates zu verurtei-
len, dann ist es folgerichtig und zumindest aus Sicht des Akteurs nur vernünftig
und rational, auch entsprechend zu handeln. In dieser Hinsicht also können wir
durchaus sagen, dass die Athener mit Vernunft und rational handeln – und dies
scheint der entscheidende Punkt zu sein. Tatsächlich dürften wir vor dem Hin-
tergrund der Überzeugungen der Athener sehr überrascht sein, wenn wir hören
würden, dass die Athener nicht diesen Überzeugungen entsprechend gehandelt
hätten; wir würden es für nicht nachvollziehbar halten, sollten die Athener
Sokrates plötzlich ohne weiteren Grund einfach gehen lassen oder ihm sogar,
wie von ihm selbst in der Apologie vorgeschlagen, freie Speisung im Prytaneion
gewähren.35
Folgen wir diesem Argument, dann hieße dies allerdings auch, dass jedes
Handeln, in dem der Akteur seiner Vorstellung davon, worin die beste Hand-
lungsoption besteht, folgt, zumindest in dieser Hinsicht als Handeln mit Ver-
nunft (nous) und in diesem Sinne als rationales Handeln zu bezeichnen wäre.36
Dies würde dann für jede Handlung gelten, die diesem Prinzip entspricht – also
auch für eine Handlung, die wir in anderer Hinsicht für eher unvernünftig oder
gar irrational halten würden. Man denke z.B. an die eines paranoiden Tyrannen,
der jeden tötet, der auch nur den geringsten Anschein erweckt, ihm feindlich
gesonnen zu sein, oder an die minutiös geplanten Handlungen von Terroristen,
die darauf abzielen, möglichst viele Menschen auf grausame Weise zu töten.
Auch in diesen Fällen wählt der Akteur die Handlungsoption, die ihm am bes-
ten erscheint, um seine jeweiligen Ziele zu erreichen.

||
that Socrates, acting with intelligence [i.e. nous, S.O.], uses to determine his course of action“,
lehnt aber gleichzeitig ab, dass dies impliziere, dass auch den Athenern nous zuzusprechen sei,
ohne allerdings eine angemessene Erklärung oder Motivation für die parallele Formulierung
beider Fälle anzugeben.
35 Siehe Ap. 36e–37a.
36 Ihren bereits von mir in Fn. 34 dargelegten Ausführungen entsprechend lehnt Kamtekar
(2017), 192, dies ebenfalls ab und bestreitet, dass „Socrates must be saying that all actions, not
only intelligent ones [i.e. solche mit nous, S.O.], are to be explained by the agent’s belief about
what is best“, ohne jedoch klar zu machen, worin der Grund für die formal gleiche Erklärung
der Handlung Sokrates’ und der der Athener besteht.
72 | Sebastian Odzuck

Wenn das von mir vorgestellte Verständnis zutrifft, dann bedeutet dies,
dass unsere Ausführungen aus dem Phaidon dem menschlichen Handeln Ratio-
nalität in einer ganz bestimmten Hinsicht und zwar im Sinne von Zweckrationa-
lität zuschreiben. Damit eine Handlung in diesem Sinne als rational bezeichnet
werden kann, genügt es, dass der Akteur diejenige Handlung ausführt, von der
er glaubt, sie sei unter den gegebenen Umständen die beste ihm zur Verfügung
stehende – ganz unabhängig davon, ob diese Handlung dann tatsächlich ein
probates Mittel ist, das Ziel zu erreichen, um dessentwillen sie überhaupt voll-
zogen wird.
Dass eine bestimmte Handlung instrumentelle Rationalität aufweist, impli-
ziert darüber hinaus in keiner Weise, dass der Akteur nicht vollkommen falsche
Ansichten darüber haben kann, was richtige Ziele des Handelns sind, oder dass
er sich überhaupt schon einmal eine derartige Frage gestellt hat. Solange der
Akteur das tut, was ihm am besten zu sein scheint, handelt er im dargestellten
Sinne rational.
Eine Definition für in diesem Sinne rationales Handeln könnte demnach
folgendermaßen lauten.

Rationale Handlung: Ein Akteur handelt rational genau dann, wenn er die
Handlung wählt, die ihm die beste Handlung zu sein scheint, um sein je-
weiliges Ziel zu erreichen.

7 Der Begriff des nous


Wenn mein Verständnis der Phaidon-Passage korrekt ist, dann scheint der Aus-
druck nous an dieser Stelle – gerade mit Blick auf Platon – auf vielleicht eher
unerwartete Weise verwendet zu werden. Wenn Sokrates, wie wir gesehen ha-
ben, beispielsweise im Gorgias bestreitet, dass Redner und Tyrannen überhaupt
über Vernunft (nous) verfügen, mit der sie handeln können, dann würde man
erwarten, dass das auch für die Athener gilt, die zu dem Urteil kommen, Sokra-
tes müsse sterben, und dass auch diese wohl nicht mit Vernunft handeln.37
Tatsächlich findet sich im Werk Platons, wie Jäger dargestellt hat, ein be-
sonderer terminologischer Gebrauch des Wortes nous, dem zufolge nur göttliche
Wesenheiten und, wenn überhaupt, dann nur besonders vollkommene Men-

||
37 Für die Passage aus dem Gorgias siehe wieder Sokrates’ Diskussion mit Polos in Gorg.
466e9–467a7.
Handeln mit Vernunft als Handeln aus Gründen | 73

schen über nous verfügen.38 In diesem Sinne ist es auch zu verstehen, wenn bei
von Fritz davon die Rede ist, bei Platon sei der nous „das geistige Organ, mit
Hilfe dessen der Mensch einen Zugang zu dem Reich der Ideen hat.“39 Ebenso
weist Menn in seiner Studie zum nous bei Platon darauf hin, der philosophische
Gebrauch des Terminus bei Platon sei von dessen gängigem Verständnis zu
unterscheiden und stelle eine wesentlich Weiterentwicklung desselben dar.40
Allerdings kann die Verwendung des Ausdrucks nous im Griechischen all-
gemein und auch bei Platon auf ganz unterschiedliche Sachverhalte verweisen.
Gängige Übersetzungen wären beispielsweise „Sinn“, „Vernunft“ oder „Ein-
sicht“.41 Oftmals findet sich der Ausdruck auch in stehenden Wendungen, von
denen auch Platon immer wieder an zahlreichen Stellen Gebrauch macht.
So lässt er die Protagonisten seiner Dialoge mit dem Ausdruck en nôi echein
beispielsweise darauf verweisen, jemand habe etwas im Sinn, d.h. beabsichtige
etwas.42 Ein weiteres häufiges Beispiel bei Platon ist die Wendung ton noun
prosechein, die dann Verwendung findet, wenn es darum geht, dass jemand
seine Aufmerksamkeit auf etwas richtet.43
Generell finden sich bei Platon in Dialogen aus allen Phasen seines Werks
zahlreiche Belege für einen weiten und nicht-terminologischen Gebrauch des
Wortes nous. Wenn davon die Rede ist, jemand habe nous, dann ist damit oft-
mals schlicht gemeint, dass diese Person über ein gewisses Grundmaß an Ver-
nunft verfügt, das wir normalerweise bei unseren Mitmenschen voraussetzen
und über das nicht nur Ausnahmeerscheinungen wie Sokrates oder gar göttli-
che Wesen verfügen.44
Da dies nicht der Ort sein kann die unterschiedlichen Verwendungsweisen
des Ausdrucks nous bei Plato in aller Ausführlichkeit zu diskutieren, möchte ich
an dieser Stelle lediglich auf einige Textpassagen verweisen, die exemplarisch
zeigen, dass Platon den Terminus auch in diesem weiten nicht-terminolo-
gischen Sinn verwendet. So wird beispielsweise sowohl in der Apologie als auch
im Dialog Phaidon selbst auf Menschen verwiesen, die nur „wenig Vernunft“

||
38 Siehe Jäger (1967) 144–148.
39 Von Fritz (1971) 578.
40 Siehe Menn (1995) 16.
41 Siehe auch Liddell et al. (1996), 1180–1181, die beispielweise auf „mind“, „sense“,
„thought“ oder „reason“ als Übersetzungen verweisen.
42 Siehe z.B. Crat. 50a9; R. I, 344d1; R. I, 344d6 und Leg. 712b8.
43 Siehe z.B. Euthphr. 14d5; Ap. 18a4; Crit. 46d1; Tht. 198b8; La. 197e8, Ly. 211a7 oder R. II,
376a9.
44 Darauf, dass sich bei Platon auch ein nicht-terminologischer Gebrauch von nous findet,
haben auch Jäger (1967), 13–15, sowie Menn (1995), 14–15, hingewiesen.
74 | Sebastian Odzuck

(smikron noun) besitzen. In beiden Fällen geht es darum, die Offensichtlichkeit


bestimmter Zusammenhänge durch den Hinweis zu verdeutlichen, diese könn-
ten selbst solche Menschen erkennen, die nur über wenig Vernunft, d.h. über
ein gewisses Grundmaß an Vernunft verfügen. So kann laut Apologie jeder, der
selbst nur über „wenig Vernunft verfügt“ (smikron noun echonta),45 die Argu-
mente des Meletos als falsch durchschauen und wird, wenn wir der Diskussion
im Phaidon folgen, die Ausführungen des Sokrates als wahr anerkennen.46
Die Tatsache, dass in diesen beiden und weiteren ähnlichen Passagen je-
mandem einerseits zwar prinzipiell Vernunft, d.h. nous zugesprochen wird, zu-
gleich aber ebenso deutlich gemacht wird, dass es sich bei diesen Personen in
keiner Weise um intellektuell-kognitive Ausnahmeerscheinungen handelt,
zeigt, dass Platon an diesen Stellen den Ausdruck nous in einem weiten und
nicht-terminologischen Sinn gebraucht. Daneben machen diese Passagen auch
klar, dass der Begriff von Vernunft (nous) als prinzipiell graduierbar zu denken
ist, eine Annahme, die uns auch heute nachvollziehbar erscheint. Auf diese
Weise scheint es ohne weiteres plausibel, dass man auch den Athenern ein ge-
wisses Grundmaß an Vernunft zusprechen kann, ohne dass man damit sagen
müsste, sie würden über das gleiche Maß an Vernunft verfügen wie Sokrates.
Auch an einer Textstelle aus dem Phaidros wird deutlich, dass Platon dort
den weiten und allgemein gängigen Begriff von nous voraussetzt. So lässt Pla-
ton seinen Sokrates dort argumentieren, dass ho noun echôn geôrgos, also wört-
lich „der Vernunft besitzende Bauer“,47 besonders wichtige Pflanzen klarerwei-
se gemäß der Kunst des Landbaus mit Ruhe und Geduld heranziehen würde
und nicht etwa auf die absurde Idee käme, diese im heißen Sommer auszusäen,
um sich wenige Tage später am schnellen Wachstum der Sprösslinge erfreuen
zu können.48
Im Phaidros geht es also offenbar um einen Bauern, den wir im gängigen
Sinne des Wortes als vernünftig bezeichnen würden, ohne dass sein Besitz des
nous darüber hinaus irgendwelche besonderen intellektuellen Fähigkeiten im-
plizieren würde. Diese Beobachtung trifft für zahlreiche weitere Stellen im Werk
Platons zu: Wenn dort die Rede von einem Menschen ist, der über nous verfügt,

||
45 Ap. 27e6, für den größeren Zusammenhang siehe 27d4–28a2.
46 Siehe Phd. 102a4; für den größeren Zusammenhang siehe 102a2–a6.
47 Phdr. 276b1–2.
48 Siehe Phdr. 276b1–c2.
Handeln mit Vernunft als Handeln aus Gründen | 75

so ist an jemanden zu denken, den wir im alltäglichen Sinn des Wortes und
ohne weitere Spezifizierung, als vernünftig bezeichnen würden.49
Meiner Auffassung nach setzt auch unsere Passage aus dem Phaidon dieses
weite und allgemeine Verständnis des Ausdrucks nous voraus. Dies ermöglicht
es, auch den Athenern prinzipiell Vernunft (nous) zuzusprechen und damit der
Tatsache Rechnung zu tragen, dass sowohl für Sokrates’ vernünftiges Handeln
als auch für das Handeln der Athener der gleiche Grund genannt und beides auf
gleiche Weise erklärt wird. Gleichzeitig lässt dies genügend Raum, um einen
Unterschied zwischen der Vernunft der Athener und der des Sokrates zu ermög-
lichen.50 Folgen wir diesem weiteren Gebrauch des Ausdrucks nous, ist es also
durchaus plausibel, dass Handeln mit nous für ein Handeln stehen kann, das
wir insofern als vernünftig oder rational bezeichnen würden, als der Akteur
diejenige Handlung wählt, die ihm am besten geeignet scheint, seine Ziele zu
realisieren, selbst wenn diese Einschätzung inhaltlich falsch ist.
Wenn wir die Gründe des Akteurs für seine Handlung kennen, können wir
verstehen und nachvollziehen, warum diese Person tut, was sie tut, und es ist in
diesem Sinn, dass Gründe – um eine Formulierung Davidsons aufzugreifen –
Handlungen rationalisieren.51 Wenn wir wissen, dass die Athener tatsächlich
glaubten, es sei am besten, Sokrates zum Tode zu verurteilen, dann hilft uns
das, besser zu verstehen, warum sie so handelten – auch wenn wir die zugrun-
deliegenden Vorstellungen und die daraus gezogenen Schlüsse nicht teilen. Vor
diesem Hintergrund wird also deutlich, dass wir sowohl die Handlung des So-

||
49 Als weitere Beispiele sollen an dieser Stelle die folgenden Passagen genügen: Crit. 51b2;
Phd. 114d2; Tht. 167d7; Soph. 249a2–4; Plt. 285d9; Symp. 181c6; Phdr. 276c4, R. I, 331b7, R. II,
358d8.
50 Das macht auch deutlich, dass es kein Problem für meine Deutung darstellt, dass Platon
seinen Sokrates in der zuvor genannten Textpassage aus dem Dialog Gorgias Rednern und Ty-
rannen generell abspricht, über nous zu verfügen, da Sokrates diesen Terminus an dieser Stelle
nicht im allgemeinen Sinn gebraucht. Das ist auch daran erkennbar, dass das, was im Phaidon
Kriterium des Handelns mit Vernunft (nous) ist, nämlich das zu tun, was einem am besten zu
sein scheint, im Gorgias gerade Kennzeichen desjenigen zu sein scheint, der über keine Ver-
nunft verfügt, da ein solcher Akteur, wie Sokrates an dieser Stelle argumentiert, nicht tut, was
er will. Siehe dazu Grg. 466a4–468e5.
51 Siehe Davidson (1963) 685. Ich möchte an dieser Stelle allerdings nicht behaupten, dass
Platon Vertreter einer kausalistischen Handlungstheorie war. Obwohl der Sokrates des Phaidon
Davidson darin zustimmen würde, dass Gründe das Handeln rationalisieren, indem sie es
nachvollziehbar machen, behaupte ich nicht, dass er ebenfalls behaupten würde, das Verhält-
nis von Handlungsgründen und Handlungen entspräche dem von Ursache und Wirkung im
modernen Sinne.
76 | Sebastian Odzuck

krates als auch die der Athener und damit auch alle ähnlichen Fälle menschli-
chen Handelns allgemein als grundlegend rational bezeichnen können.
Bedeutet dies aber, dass Sokrates’ Ausführungen im Phaidon als Ausfüh-
rungen über menschliches Handeln allgemein zu verstehen sind? Immerhin, so
könnte man einwerfen, scheinen Fälle willensschwachen oder akratischen
Handelns denkbar, in denen jemand nicht gemäß seiner Vorstellung vom Bes-
ten, sondern gegen diese handelt und sehenden Auges nicht das tut, was er für
am besten hält, und die schlechtere Handlungsoption wählt. Tatsächlich ist ein
Großteil der Platonforschung der Auffassung, dass für Platon spätestens mit der
Einführung der verschiedenen Seelenteile in Politeia IV und der Möglichkeit
inner-seelischen Konflikts auch akrasia denkbar wird,52 und selbst im Phaidon
finden sich Passagen, die so verstanden werden können, als ob Sokrates bereits
hier die prinzipielle Möglichkeit derartigen Handelns einräumen würde.53
Allerdings stellt die prinzipielle Möglichkeit von akrasia kein Problem für
meine Deutung dar. Meine These besteht nicht darin, dass Sokrates’ Ausfüh-
rungen im Phaidon zufolge alles, was ein Mensch tut, den Kriterien rationalen
Handelns im oben genannten Sinne entspricht und damit also kein Raum für
akrasia bestünde. Meine These besagt vielmehr, dass Sokrates mit seinen Aus-
führungen zeigt, dass menschliches Handeln im Sinne eines Tuns, das wir prin-
zipiell für erklärbar und nachvollziehbar halten, als rational aufgefasst werden
muss.
Dem Verständnis des Phaidon zufolge hat damit jeder, der handelt, im dar-
gestellten Sinn Gründe für sein Handeln, die dieses auch leiten. Alles weitere
Tun, für das dies nicht gilt, – und damit auch das Tun des Akratikers – fällt
streng genommen nicht in den Bereich dessen, was wir meinen, wenn wir von
Handeln sprechen: Dem Phaidon zufolge setzen wir für jedes Handeln immer
schon voraus, dass es rational und prinzipiell nachvollziehbar für uns ist, wenn
wir die Gründe des Akteurs kennen.54

||
52 Siehe z. B. Penner (1992) 128–130, Brickhouse/Smith (1994) 90 Fn. 25 und 98 Fn. 35, Irwin
(1995) Abschnitt 148, Reeve (1988) 131–135, Bobonich (2002) 236 sowie Lorenz (2006) 28–29 und
29 Fn. 27. Deswegen bezeichnen Bobonich/Destrée (2007), xv, diese Lesart auch als „standard
story“. Diese weitverbreitete Deutung wird dagegen beispielsweise von Carone (2001) abge-
lehnt. Für einen Überblick zur Diskussion der akrasia bei Platon siehe Müller (2009).
53 Für diesen Hinweis danke ich Hendrik Lorenz. Siehe hierzu Lorenz (2006), 37, der argu-
mentiert, bereits der Phaidon erlaube „the very types of conflict that the Republic’s argument
for tripartition of the soul relies on“.
54 Auch wenn mir klar ist, dass diese These von der Vereinbarkeit der grundsätzlichen Ratio-
nalität des Handelns mit der Möglichkeit von akrasia im Werke Platons zahlreiche Fragen auf-
wirft, kann ich diesen hier nicht weiter nachgehen; für eine Diskussion möglicher Antworten
Handeln mit Vernunft als Handeln aus Gründen | 77

Dass die Überlegungen von Platons Sokrates nicht unplausibel sind und
vielmehr versuchen explizit zu machen, was man immer schon voraussetzt,
wenn von Handeln die Rede ist, wird gerade am Fall des Akratikers deutlich.
Dieser wird eben deshalb zum erklärungsbedürftigen Rätsel und Problemfall,
weil wir erwarten und voraussetzen, dass Akteure rational handeln und, wie ich
in diesem Beitrag argumentiert habe, die Handlungsoption wählen, die ihnen
vor dem Hintergrund ihrer Ziele und in der gegebenen Situation am besten er-
scheint.55

8 Fazit
Zusammenfassend kommt meine Untersuchung zu den folgenden Ergebnissen.
Zunächst wurde deutlich, dass es Sokrates bei seiner Diskussion in der Phaidon-
Passage nicht primär um ein Verständnis menschlichen Handelns als solchem
geht, sondern er der Frage der angemessenen Erklärung menschlicher Hand-
lungen im Rahmen einer größeren naturphilosophischen Fragestellung nach-
geht.
Wie ich dann argumentiert habe, macht Sokrates’ Diskussion nicht nur
deutlich, dass menschliches Handeln stets auf die Realisierung von Zielen aus-
gerichtet und damit als teleologisch zu bezeichnen ist, sondern ebenso, dass der
wahre Grund (aitia) einer Handlung in der Vorstellung (doxa) des Akteurs da-
von liegt, was unter den gegebenen Umständen die beste Handlungsoption ist.
Im Anschluss daran setzte ich mich mit zwei möglichen Einwänden gegen mei-
ne These auseinander, dass Sokrates mit diesen Ausführungen eine Charakteri-
sierung menschlichen Handelns allgemein vorlegt. Wie ich gezeigt habe, stellt
der naturphilosophische Kontext von Sokrates’ Diskussion kein Problem für
meine Deutung dar. Sokrates’ Annahmen zur Erklärung menschlichen Han-
delns haben unabhängig von ihrem naturphilosophischen Rahmen Bestand, da
die teleologische Erklärung von Handlungen als Paradigma angemessener Er-
klärungen in Natur und Kosmos fungieren soll und nicht umgekehrt.

||
darauf siehe Kapitel 4 meiner Habilitationsschrift Plato on Action.
 An Inquiry into the Philoso-
phy of Action in Plato’s Dialogues (=Odzuck (2021)).
55 So weisen beispielsweise Stroud/Svirsky (2019) in der Einleitungspassage zu ihrer Diskus-
sion von akrasia darauf hin, dass „we expect people’s actions […] to reflect their overall as-
sessment of the merits of the alternative courses of action before them“ und dass wir de-
mentsprechend Handlungen, die von diesem Schema abweichen, als „somehow puzzling,
defective, or dubiously intelligible“ betrachten.
78 | Sebastian Odzuck

Der zweite und schwerer wiegende Einwand bestand darin, dass Sokrates
im Phaidon lediglich einen speziellen Sonderfall menschlichen Handelns disku-
tiert, und zwar den seines eigenen Handelns aus Vernunft (nous). Dieses Han-
deln, so der Einwand, scheint jedoch eher den Aktivitäten des göttlichen nous
des Anaxagoras als denen gewöhnlicher Menschen zu gleichen, weshalb es
unangemessen erscheinen würde, aus diesem Sonderfall verallgemeinernde
Schlüsse über menschliches Handeln im Allgemeinen zu ziehen.
In Antwort auf diesen Einwand zeigte ich zunächst, dass Sokrates mit der
Handlung der Athener, ihn zum Tode zu verurteilen, ein weiteres, diesmal all-
täglicheres Beispiel menschlichen Handelns verwendet. Wie ich darlegte, war
dabei entscheidend, dass Sokrates sein eigenes Handeln und das der Athener
jeweils auf die gleiche Weise erklärte: In beiden Fällen, so Sokrates in meiner
Lesart, hat die jeweilige Handlung ihren Grund in der Vorstellung vom Besten,
d.h. also in der Vorstellung des Akteurs davon, worin in den gegebenen Um-
ständen die beste Handlung besteht. Wenn das Kriterium für Sokrates’ Handeln
mit Vernunft (nous) nun darin besteht, dass er seiner Vorstellung vom Besten
entsprechend handelt, ebenso aber auch die Athener gemäß ihrer Vorstellung
vom Besten handeln, dann ist es allerdings korrekt, dass diese ebenfalls mit
Vernunft (nous) handeln, auch wenn uns dies zunächst problematisch erschei-
nen mag.
Daran wurde jedoch deutlich, dass Platon im Phaidon nicht nur voraussetzt,
dass menschliches Handeln als teleologisch aufzufassen ist, sondern ebenso,
dass Akteure prinzipiell rational handeln, indem sie normalerweise die Hand-
lung vollziehen, die ihnen am besten zu sein scheint, um ihre Ziele zu realisie-
ren – ganz unabhängig davon, ob diese Handlungen dann auch tatsächlich
Mittel sind, diese Ziele zu erreichen. In diesem Zusammenhang zeigte sich da-
mit auch, dass es sich im Phaidon damit um Rationalität im Sinne von Zweckra-
tionalität handeln muss und in diesem Sinn auch solche Handlungen als ratio-
nal gelten, denen wir dies in anderer Hinsicht absprechen würden.
Abschließend argumentierte ich für die These, dass Platon in den diskutier-
ten Passagen aus dem Phaidon den Ausdruck nous (Vernunft) in einem weiten
und nicht-terminologischen Sinn verwendet. Meiner Deutung nach verfügt in
diesem Sinne jeder über nous, dem wir ein gewisses Grundmaß an Vernunft
zusprechen würden. Damit ist nicht nur das Handeln von Ausnahmeakteuren
wie Sokrates als rational zu bezeichnen, sondern dies gilt ebenso für das Han-
deln der Athener und grundlegend auch für menschliches Handelns allgemein:
Wenn wir davon ausgehen, dass die Handlungen menschlicher Akteure prinzi-
piell nachvollziehbar sind, sie also Gründe für ihr Handeln haben, dann setzen
wir Platons Phaidon zufolge auch voraus, dass ein solcher Akteur diejenige
Handeln mit Vernunft als Handeln aus Gründen | 79

Handlung wählt, die ihm am besten zu sein scheint, um seine Ziele zu errei-
chen, und dass seine Handlung in dieser Hinsicht als rational zu bezeichnen ist.

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Dimitri El Murr
Platonic Political Demiurgy
Prescription and Action in Plato’s Republic and Statesman

1 Introduction
The education of philosopher-kings, the successive steps of which are set out in
Book VII of Plato’s Republic, is a scientific curriculum that lays the groundwork
for the highest science there is, namely dialectic.1 It is also an education in
which statesmanship and the effective conduct of the city’s affairs are conspic-
uously absent. True, Socrates signals that the philosopher-kings’ curriculum
includes a return to the Cave for a period of fifteen years, during which they will
acquire an ‘experience’ of military matters and other offices particularly
adapted to young people (539e). But this mention, made only in passing, is seen
by Socrates himself as a mere means to gauge the firmness and resistance of the
philosophers’ souls, for, when they are back in the Cave, these would-be phi-
losopher-kings or queens are expected to meet the highest standards “in every-
thing they’ve had to do or learn” (540a6: en ergois te kai epistêmais).2 Thus,
while the Republic depicts the structure of a politeia whose overall hierarchical
order and detailed social organization depend crucially on the learned govern-
ment of the philosopher-king, it has hardly anything to say on the details of this
government and the strictly political skills and actions that are required of its
rulers.

||
1 Earlier versions of this paper were given at the Gargnano Ancient Philosophy Conference in
May 2019 and the GANPH-Kongress in Frankfurt in September 2019. I thank the audience on
both occasions for criticisms and suggestions, especially Franco Aronadio, Friedemann Bud-
densiek, Andrea Capra, Klaus Corcilius, Hallvard Fossheim, Lorenzo Giovannetti, Roberto
Granieri, Philip Horky, Christoph Horn, Rachana Kamtekar, Hendrik Lorenz, Christopher
Moore, Frederico Petrucci, and Miira Tuominen. I owe special thanks to Doug Campbell who
sent me helpful comments on the penultimate version, and to Katie Ebner Landy who read the
final version and made many suggestions to improve it. Last but not least, this paper greatly
benefited from discussion with, and perceptive written comments by my doctoral student,
Marion Pollaert, who recently completed her dissertation on “Knowledge and action in Plato”
in which due importance is given to political demiurgy.
2 Translations of the Republic are borrowed from Rowe (2012).

https://doi.org/10.1515/9783110735598-005
82 | Dimitri El Murr

One possible reason for this underdetermination of the philosopher’s gov-


ernment is that political rule is depreciated in the Republic. Notably, Socrates
unhesitatingly asserts that the telltale sign of a well-run city is that those who
are trained to rule will do their best to avoid doing so: “‘So,’ I said, ‘is there any
other kind of life you can think of that looks down (kataphronounta) on political
office (politikôn archôn), apart from that of true philosophy?’” (R. VII, 521b1–2).
Socrates’ insistence on the lesser value of political office when seen from the
standpoint of ‘true philosophy’ is a direct response to Thrasymachus, according
to whom any ruler in any constitution rules in his own interest by exploiting the
people under his control.3 Hence the importance Socrates places in Book VII on
the vexed question of the moral motivation of the philosophers who will go on
to rule. In the Republic, we thus find an emphasis on the idea that the philoso-
pher will become a statesman by some kind of obligation. Yet, how they will
adapt to this political office, how they will actually exercise power and use
knowledge to perform political actions is something Socrates does not care to
examine in the Republic. Such an examination is left for another occasion and,
so I suggest, for the least popular of Plato’s three great political dialogues: the
Statesman.
One of the basic assumptions of my 2014 book on Plato’s Statesman is that
this dialogue is just as important as the Republic or the Laws for understanding
Plato’s political thought.4 Like the Republic and Laws, the Statesman is con-
cerned from start to finish with elucidating ways of articulating knowledge and
power, but unlike the Republic and Laws, it does so by offering a detailed defini-
tion of statesmanship and thereby grants political science (politikê epistêmê) a
genuinely epistemic status, which results in new insights on political action.
The Statesman, therefore, does not only help to account for Plato’s provocative
view that philosophers-dialecticians are the best equipped to rule. Regarding
the actual political rule of these philosophers, it also addresses specific issues
that the Republic keeps in the shadows, and especially the one I wish to consid-
er in this paper: how does the expert-statesman perform actions while remain-
ing an expert-dialectician concerned with knowledge and truth? This paper
argues that one of the main undertakings of Plato’s Statesman is to investigate
in detail how prescription and action are connected, and one of its major philo-
sophical achievements is to show that statesmanship is an epitaktikê technê, an

||
3 See El Murr (2019) 360–364.
4 See El Murr (2014) 9–18.
Platonic Political Demiurgy | 83

art (or a science)5 of prescription, which as such differs from dialectic, but which
does not debase its practitioner’s involvement with knowledge.
That there is a major philosophical achievement to be found in Plato’s dis-
cerning of the details of the concept of prescription should become clearer in
the broader context of Plato’s conception of statesmanship as a form of crafts-
manship, or what I should like to label, following earlier commentators, ‘Platon-
ic political demiurgy’. In a paper written more than half a century ago entitled
“The Demiurge in Politics”, Glenn Morrow convincingly argued that the action
of the philosopher-legislator in the Laws should be understood as a form of
demiurgy, putting to good use the materials that were available in Greek life,
notably institutions, customs, and actual laws.6 Following the path opened by
Morrow, the present paper intends to flesh out Plato’s demiurgic conception of
politics by considering the evidence available in the Republic and the States-
man.7 It argues in particular that a distinctive idea of Platonic political demiurgy
is that the prescriptive, order-giving activity of the political demiurge is the main
instrument leading to the proper ordering of his material.
Section 2 argues that one of the main outcomes of the craft analogy used by
Socrates in his discussion of Thrasymachus’ conception of ruling in Book I of
the Republic is to show that the prescriptions of genuine rulers are always good-
oriented and for the benefit of the ruled. The craft analogy is then further ex-
plored by Socrates at R. VI, 500b–501c, where the ideal ruler is said to be a
“‘demiurge […] of civic excellence” (s. 500d). A comparison with what Socrates
says in the Gorgias (500e–501c and 503d–504a) on the distinctive properties of
true craft will help elucidate Socrates’ view in that passage and shed light on
the prescriptive activity of the rulers and founders of the ideal city. Section 3
then considers the first divisions of the Statesman which situate statesmanship
in the genus of cognitive self-prescriptive arts and explain that performing ac-
tions by ruling other arts is a distinctive feature of politikê technê. Statesman-
ship’s indirect relationship to action is explored further in section 4 which ex-
amines how statesmanship directs the arts subordinate to it and especially
those kindred arts which it is said to find most valuable. Lastly, section 5 con-
siders the Statesman’s contribution to our understanding of Platonic political
demiurgy.

||
5 Throughout the Statesman, Plato uses the two terms (technê and epistêmê) interchangeably
to refer to the kind of expertise particular to the statesman.
6 Morrow (1953–1954).
7 Barely touched upon by Morrow: see Morrow (1953–1954) 14–15.
84 | Dimitri El Murr

2 Prescription and the Craft of Politics in the


Republic
Unsurprisingly, Plato’s use of the vocabulary of prescription (epitattein, pros-
tattein and cognate words) is highly evident in the political dialogues, and
above all in the Statesman and the Laws.8 Yet, earlier passages in which the
same vocabulary occurs, although less frequently, should not be overlooked.
These passages show, first, that Plato uses epitattein and prostattein inter-
changeably and, second, that he does so to refer to the act of issuing an order to
perform an action, the basic structure of this relation being: ‘X orders Y to φ’. A
distinct context in which this injunctive relation is typically put to use concerns
the actions dictated by gods to humans or to other gods. These include, for ex-
ample, passages such as Ap. 33c, where Socrates’ mission to examine his fellow-
citizens is assigned to him by a god; or Phd. 61a, where Socrates explains that
during his life, he has had this recurring dream, ordering him to practice mou-
sikê.9 This injunctive relation also describes situations in which one individual,
or a group of individuals, dictate an action to another individual. For instance,
the Thirty are described by Socrates as issuing unjust orders to many people,
and in particular as ordering him to arrest Leon of Salamis (an order Socrates
famously disobeyed).10 Similarly, Socrates accounts for Meno’s avoidance of his
questions and his eagerness to have Socrates answer his own by comparing him
to a spoiled pet who exercises tyrannical rule over his family.11 In all previously
mentioned passages, the two verbs epitattein and prostattein are used to de-
scribe a relation of the form ‘X orders Y to φ’ where X and Y have unequal posi-
tions or statuses. In some of these passages, moreover, what motivates X to
command Y does not take into account the good of Y.
With the Republic, we get a more complex and systematic picture of pre-
scription, as rightly noted in a recent monograph by Francesca Alesse:

the language concerning rule and authority and related to the prescription of rules of con-
duct is quite common both in the V century and in some of Plato’s contemporaries, most
notably Isocrates. Yet it is Plato who systematically uses, in his Republic, the verbs

||
8 For detailed data, see Brandwood (1976).
9 Ap. 33c4–7, Phd. 61a4–8. See also Prt. 320d4–6, Tht. 149c2–3.
10 Ap. 32c3–8.
11 Men. 76a9–c2.
Platonic Political Demiurgy | 85

ἐπιτάττειν and προστάττειν, as well as their cognate nouns, to refer to any form of pre-
scriptive measures.12

In fact, the philosophical importance of prescription surfaces in the Republic as


early as Socrates’ discussion with Thrasymachus, who makes use of epitattein
and prostattein to describe the rule exercised by the ruler over the ruled. In any
situation, Thrasymachus argues, the stronger (the ruler) makes prescriptions to
the weaker (the ruled) in his own interest. Not so, according to Socrates, who
offers an entirely different understanding of the ruler/ruled relationship and an
alternative interpretation of how prescription works in this context. Because the
relationship of ruler to ruled is analogous, Socrates claims, to that of a crafts-
man to the object of his expertise, it should be clear that just as craftsmen make
prescriptions in the interest of the object they produce or look after, the pre-
scriptions of rulers aim for the best interest (to beltiston) of the ruled. The crucial
point here is that just like rulers, craftsmen give orders, which aim unobjection-
ably to achieve the best interest of the subject of their expertise. What’s more, as
e.g. R. I, 342c–d clearly shows, the content of the prescription is indistinguisha-
ble from the end to which the prescription is directed.13 So, as early as the first
book of the Republic, Plato exhibits that in any technical skill worthy of the
name, epitattein and prostattein mean issuing orders for Y to φ in Y’s best inter-
est, and that the same is true for the particular skill of ruling the city, which
later dialogues will call politikê technê.14
Socrates’ appeal to the craft analogy in his argument against Thrasymachus
does not come out of the blue. It is a direct echo of his earlier treatment of the
same topic in the Gorgias, where he explains to Callicles what politics would be
like if it were a true craft and if politicians were true statesmen, i.e. if they were
to master the politikê technê that Socrates, at 521d, claims to be the only one to
practice in Athens. The reason for such a provocative claim is that according to
Socrates, neither the most famous politicians of his own time nor the celebrated

||
12 Alesse (2018) 45.
13 R. I, 342c11–d1: “In that case, there’s no expertise that looks out (skopei) for what’s in the
interests (to sumpheron) of the stronger, and prescribes (epitattei) that; every one of them looks
out for the interests of the weaker party, the one ruled by itself.” The two verbs (skopei and
epitattei) both refer to to sumpheron as the end of the prescription in this passage, and similarly
at R. I, 346e3–347a6, a point well noted by Alesse (2018) 45.
14 Politikê (technê) occurs only once in the Republic at VI, 493d3 and is not credited to the
philosopher-ruler, but to someone (the sophist) whose idea of sophia in the ‘art of politics’ is
merely a form of familiarity with the opinions and desires of the many.
86 | Dimitri El Murr

figures of Athens’ past adequately meet the standards of true craftsmanship


spelt out in the following passages:

I was saying, wasn’t I, that I didn’t think that pastry baking is a craft (technê), but a knack
(empeiria), whereas medicine is a craft. I said that the one, medicine, has investigated
both the nature (phusin) of the object it serves and the cause (aitian) of the things it does,
and is able to give an account (logon) of each of these. The other, the one concerned with
pleasure, to which the whole of its service is entirely devoted, proceeds toward its object
in a quite uncraftlike way, without having at all considered either the nature of pleasure
or its cause. It does so completely irrationally, with virtually no discrimination. Through
routine and knack it merely preserves the memory of what customarily happens, and
that’s how it also supplies its pleasures.
(Grg. 500e4–501b1)

Well then, won’t the good man, the man who speaks with regard to what’s best (epi to
beltiston), say whatever he says not randomly but with a view to something (apoblepôn
pros ti), just like the other craftsmen, each of whom keeps his own product in view (ble-
pontes pros to hautôn ergon) and so does not select and apply randomly what he applies,
but so that he may give his product some shape? Take a look at painters for instance, if
you would, or housebuilders or shipwrights or any of the other craftsmen you like, and see
how each one places what he does into a certain organization (eis taxin), and compels one
thing to be suited (prepon) for another and to fit to it (harmottein) until the entire object is
put together in an organized and orderly way (tetagmenon kai kekosmêmenon). The other
craftsmen, too, including the ones we were mentioning just lately, the ones concerned
with the body, physical trainers and doctors, no doubt give order and organization to the
body. Do we agree that this is so or not?
(Grg. 503d6–504a5; tr. Zeyl in Cooper [1997])15

As earlier commentators have duly noted,16 these two passages set forth the
distinctive features of true technê. What distinguishes a true craftsman from
someone engaged in mere empeiria is that the true craftsman: (i) knows the
nature of his subject matter and is able to provide a causal account of the prod-
ucts of his art; (ii) looks to something outside the product of his art, i.e. acts
upon a specific model, or paradeigma; and (iii) aims for the best, that is, orders
and arranges the material of his art so as to reach optimal organization.17
As evidenced in the first of the two passages above, Socrates’ main example
of a true craft in the Gorgias is the art of medicine. Note, however, that in the

||
15 See Dodds (1959), 328–329, for a good discussion of the textual problems at Grg. 503e1–4.
16 See e.g. Sedley (2007), 107–111, who offers a fascinating overview of how divine craftsman-
ship in the Timaeus meets the standards for technê in the Gorgias.
17 These three criteria are borrowed from Sedley (2007), 107–108, who speaks of them as the
“three hallmarks” of true craft.
Platonic Political Demiurgy | 87

second passage he provides other examples, such as painting, housebuilding,


or shipbuilding. Interestingly, housebuilding and architecture will return in the
early moves of the Statesman. As for painting, it is well worth noting that in the
Republic Socrates explicitly compares the ideal rulers to painters in a passage
which deserves to be quoted in full. At R. VI, 499d–e, Adimantus feels that So-
crates is far too optimistic (to say the least) when he claims that the ideal city
could come about if people were to accept philosophers as their rulers, and that
they would gladly do so once they had understood the kind of gentle and dedi-
cated individual that the true philosopher really is.18
That the philosopher could not be otherwise is, according to Socrates, per-
fectly obvious from his constant effort to model himself on eternal and immuta-
ble beings which maintain harmony and rationality in everything:

‘So if the philosopher spends his time with the divine and ordered, he’ll achieve such or-
der and divinity as is possible for man; though there’s always a chance, for anyone, of be-
ing slandered.’
‘There certainly is.’
‘If, then,’ I said, ‘he finds himself somehow compelled to apply what he sees there (ekei)
to humankind, not just to mould himself but to arrange the dispositions of others at the
level of both individual and city (eis anthrôpôn êthê kai idiai kai dêmosiai), do you suppose
he’ll turn out a bad craftsman (dêmiourgon) of moderation and justice, and of civic excel-
lence (dêmotikês aretês) as a whole?’
‘Hardly!’ he exclaimed.
‘And if ordinary people grasp that what we’re saying about him is true, will they maintain
their harsh attitude towards philosophers, and will they go on disbelieving us when we
say that there’s no other way that a city could ever be happy, that is, unless it was painted
by artists (zôgraphoi) using the appropriate divine paradigm (tôi theiôi paradeigmati)?’
‘No, they won’t be so harsh’, he said, ‘if they actually do grasp it. But what mode of “paint-
ing” would this be, exactly?’
‘It would be’, I said, ‘as if the city, and the dispositions of those in it, were a wooden board
they’d start by wiping clean. That’s not at all easy, but in any case you’ll recognize this as
one way in which our artists would immediately differ from all others: they would refuse
to do anything with either individual or city, or write laws, before either they’d received a
clean slate, or they had cleaned it themselves.’
‘And rightly so,’ he said.
‘And after that, do you think they’ll set about sketching the outline of its political ar-
rangements?’
‘Naturally.’
‘Then, I imagine, as they worked away, they would glance (apoblepoien) repeatedly both
at what justice, beauty, moderation and everything else of that sort are in nature (pros te

||
18 On Plato’s subtle approach to the realizability of the ideal city in the Republic, see El Murr
(2021a).!
88 | Dimitri El Murr

to phusei dikaion kai kalon kai sôphron kai panta ta toiauta) and at what they are in human
beings, and fill in the details of their sketch accordingly,19 mixing and blending together
from the various pursuits available to them the likeness of a man, all the time basing
themselves on what Homer himself described, when it appeared in human beings, as the
image or likeness of a god.’
(R. VI, 500d1–501b7)

Directly in line with his view that statesmanship is a craft, Socrates does not
only say that the philosopher-ruler of the ideal city is a ‘craftsman’ (dêmiourgos)
of civic excellence in this passage, but he describes him as a painter (zôgraphos)
whose activity meets the standards of true technê specified in the Gorgias. The
philosopher-ruler (a) applies to the individual and the city what he sees “there”
(ekei) while repeatedly turning to a model, a “divine paradigm”; and (b) “ar-
ranges”, “moulds”, “mixes and blends” his material for the best. That this ar-
rangement is for the best is clear from the fact that the philosopher-ruler is a
craftsman of virtues, and also from Socrates’ allusion to the divinity of the para-
digm which the philosopher tries to imitate. Lastly, Socrates explains that just
like painters need to wipe their board clean before starting to paint, the philo-
sopher-ruler needs to purify his material, which he describes as the characters
of men (anthrôpôn êthê) in private and public life. This suggests that the painter
of a constitution only uses materials that have been previously treated, materi-
als that he can guarantee can be shaped according to divine standards. The
philosopher-ruler thus (c) understands the nature of human character, and is
able to give an account of the causes that will lead to dêmotikê aretê, i.e. to the
forms of justice and moderation that can be shared by non-philosophers within
the city.20
As noted in the introduction to this paper, there is scanty evidence available
in the Republic on the actual government of philosopher-rulers. Even so, such
passages as the one quoted above signal that according to Plato, philosophical
rule is a form of demiurgic activity, which, as such, meets the standards of true
technê specified in the Gorgias.
What is the role played by prescription within this broader context? Note
first that good-oriented prescriptions, that is, prescriptions made by the true

||
19 As Rowe (2012), 412, notes, “the Greek text here is uncertain and contested”. For a discus-
sion of available options, see Adam (1963), II 79. I am grateful to Marion Pollaert for pointing
this out to me.
20 Presumably, “civic excellence” contrasts here with the philosopher’s own excellence which
Socrates will soon consider by following the “longer road” (R. VI, 504b) culminating in the
Form of the Good.
Platonic Political Demiurgy | 89

craftsman in view of the best ordering of his craft’s materials, are repeatedly
made by the founders of Kallipolis, the ideal city in the Republic. At R. IV, 423c,
Socrates uses prostagma (a rare word in Plato) and the phrase prostagma pros-
tattein (“shall we lay this further injunction on our guards?”) to refer to the
founders’ order to keep the city within manageable limits. But this prescription,
Socrates adds, is of no significance compared to the one important prescription
to establish a proper education (423d–e). For, if this one important prescription
is scrupulously followed, the rulers of the ideal city will work out for themselves
the details of all the other rules that they will need to establish. Socrates then
returns to this idea in Book V when he depicts the chain of command in the
ideal city:

‘Well,’ I said, ‘I think that if the rulers in the city are going to be worthy of the title, and
similarly if those serving as their auxiliaries are worthy of theirs, then the latter will be
ready to carry out the orders given them (poein ta epitattomena), and the former will issue
those orders (epitaxein), in some things obeying the laws we have given them, and in oth-
ers, where we hand over responsibility to them, imitating those laws.’
(R. V, 458b9–c4)

As far as I’m aware, this is the most detailed description there is in the Republic
of what I would like to call the epitactic organization of the ideal city. Socrates’
comment on the rulers’ and auxiliaries’ name is worth noting in that context, for
the very name epikouroi, which literally means “helpers” or “assistants”, sig-
nals that guards will follow orders and perform actions to contribute to the over-
all good of the city. In other words (and this is a very strong point made explicit
by Socrates at 463a–c), guards are not subjects to the rulers, but contributors to
the well-being of the city as a whole.21 Furthermore, Socrates briefly describes
how the rulers will issue orders: they will do so mostly (but perhaps not only) by
using legislative means. Laws of course are prescriptive, as the very common
phrase ho nomos epitattei / prostattei amply shows,22 and it is by following them
that auxiliaries will be enjoined by the rulers to perform given actions. Yet, two
distinct situations might occur regarding the prescriptions of the rulers: either
they will issue orders in line with what the laws left by the founders and legisla-
tors of Kallipolis command, or, because the founders have left them with more
initiative, they will issue new prescriptions in harmony with the spirit of the

||
21 This is also true of the producers of Kallipolis. For more details on the social and emotional
organization of the ideal city of the Republic, see El Murr (2012) and El Murr (2017).
22 See Cri. 50b8, 51b4, 52a1; Leg. 738b3, 745a8, 891a9, 947e9.
90 | Dimitri El Murr

existing laws.23 This is how I propose to understand Socrates’ point that the
rulers will be making prescriptions by “imitating (mimoumenous) those laws”, a
point which takes us back to R. IV, 423d–e mentioned above, where Socrates
points out that there is no need to work out the details of the ideal city’s legisla-
tion, for the properly-educated rulers will find out the right prescriptions by
themselves.
Calling attention to the prescriptive activity of the rulers thus sheds light on
a crucially important feature of the social organization of the ideal city in the
Republic: the difference, within the social group of guards, between philoso-
pher-rulers and auxiliaries. Part of the role devoted to the philosopher-ruler as
demiurge of civic excellence specifically consists in issuing prescriptions to the
rest of the city, and notably to the auxiliaries, prescriptions that will depend
upon, or at least be in harmony with the legislative prescriptions left by the
founders of the ideal city, and which will ensure that all citizens take their due
share in excellence.

3 Statesmanship as a Cognitive Self-Prescriptive


Art
Despite its importance for understanding the political structure of the ideal city,
the Republic’s approach to prescription does not come close to a systematic
investigation into the prescriptive nature of statesmanship and its relationship
to political action. Such an investigation is pursued in the Statesman where
Plato not only coins the name epitaktikê technê, “prescriptive art”, but makes it
a distinctive definitional feature of statesmanship.
Consider the following passage where a search for the nature of statesman-
ship begins with a division of the genus of technê:24

Visitor [V.]: Well then: isn’t it the case that arithmetic and some other sorts of expertise
that are akin to it don’t involve any practical actions (psilai tôn praxeôn), but simply pro-
vide knowledge (to gnônai)? Young Socrates [Y.S.]: That’s so. V.: Whereas for their part the
sorts of expertise involved in carpentry and manufacture as a whole have their knowledge
as it were naturally bound up with practical actions (hôsper en tais praxesin enousan
sumphuton), and use it to complete those material objects they cause to come into being

||
23 See Lane (2013a) for an insightful overview of law-giving and legislation in the Republic.
24 In this section, I am building on earlier material published in French in El Murr (2014), 113–
116.
Platonic Political Demiurgy | 91

from not having been before? Y.S.: What of that? V.: Well, divide all cases of knowledge in
this way, calling the one sort practical knowledge (tên men praktikên), the other purely
cognitive (tên de monon gnôstikên).
(Plt. 258d4–e5)25

Note that the Statesman is the only Platonic dialogue in which the term gnôstikê
occurs, and that it is more than likely that Plato coined this word, along with
several other key terms in the Sophist and the Statesman.26 This terminological
innovation marks a conceptual innovation. The gnôstikê branch of knowledge
including arithmetic and other kindred sciences which “don’t involve any prac-
tical actions” is opposed to the praktikê branch where knowledge is naturally
bound to action. The examples illustrating this last branch, namely “carpentry
and manufacture as a whole”, help explain why the Visitor claims that, within
praktikê, knowledge is naturally connected to action: it is distinctive of manu-
facture and manual arts in general to acquire knowledge through the making of
new products.27 It is clear, then, that praxeis, “practical actions”, should here be
understood in a narrow, non-Aristotelian sense, as meaning manual productive
actions. Since the statesman does not use his arms and fists to rule, the Visitor
argues that statesmanship belongs to gnôstikê and not to praktikê.28
In describing statesmanship as a cognitive form of expertise and the arts
falling under the class of praktikê as merely manual arts, Plato, however, could
be accused of removing statesmanship from any connection to action and mak-
ing it inefficient. Consequently, the connection between statesmanship and
action is further explored in the next division, which explores the genus of gnôs-
tikê:

V.: We agreed, I think, that there is such a thing as an art of calculation? Y.S.: Yes. V.: And
I suppose it belongs absolutely among the cognitive sorts of expertise (tôn gnôstikôn …
technôn). Y.S.: Quite. V.: Because once it recognizes that there is a difference between
numbers, there surely isn’t any further job we’ll assign to it than judging (krinai) what it

||
25 The translations from Plato’s Statesman are borrowed from Rowe (1995) throughout this
paper, sometimes with slight modifications. In this passage and elsewhere, I have in fact modi-
fied Rowe’s translation of gnôstikê and favoured “cognitive” (instead of “theoretical”) in
agreement with Dixsaut/El Murr et al. (2018), the most recent French translation of the dia-
logue. For a very good discussion of this issue and its philosophical implications, see Lane
(2018), 55–56, who settles for “discerning”.
26 On Plato’s terminological innovations in the Sophist and Statesman, see Campbell (1867)
xxv–xxvi.
27 See Lane (2018) 57.
28 For a full discussion of the complex argument at Plt. 258e–259d proving that statesmanship
belongs to the genus of gnôstikê, see El Murr (2018).
92 | Dimitri El Murr

has recognized? Y.S.: No, certainly not. V.: And all master-builders too – they don’t act as
workers themselves, but manage workers. Y.S.: Yes. V.: In so far – I suppose – as what the
master-builder provides is understanding rather than manual labour. Y.S.: Just so. V.: It
would be right to say, then, that he has a share in the cognitive sort of knowledge (tês
gnôstikês epistêmês)? Y.S.: Certainly. V.: But it belongs to him, I think, once he has given
his professional judgement (krinanti), not to be finished or to take his leave, in the way
that the expert in calculation took his, but to assign (prostattein) whatever is the appropri-
ate task to each group of workers until they complete what has been assigned (prostach-
then) to them. Y.S.: That’s correct. V.: So both all sorts of knowledge like this and all those
that go along with the art of calculation are cognitive, but these two classes of knowledge
differ from each other in so far as one makes judgements (krisei), while the other directs
(epitaxei)? Y.S.: They appear to do so. V. So if we divided off two parts of cognitive
knowledge as a whole, referring to one as directive (epitaktikon meros) and the other as
making judgements (kritikon), would we say that it had been divided suitably? Y.S.: Yes,
at least according to my view.
(Plt. 259e1–260b5)

This division pits the sciences the Visitor describes as involving the making of
judgements, which therefore belong to the genus of kritikê, against those he
names epitactic or prescriptive, which make judgements and produce orders
accordingly. The paradigm of kritikê is the art of calculation (logistikê), the sci-
ence of knowing the properties of numbers and judging them as a result. Read-
ers of Book VII of the Republic know that it is indeed crucial for Plato that these
sciences are exercised “for the sake of knowing” (R. VII, 527b1: gnôseôs heneka)
and not, as the language of the geometers might lead one to think, “for the sake
of the practical” (527a7: praxeôs heneka).29 Concerning the prescriptive forms of
knowledge, it has been assumed by most commentators, myself included,30 that
the paradigm the Visitor has in mind here is architecture. In light of the evi-
dence recently adduced by Melissa Lane, I now think that Plato uses architektôn
in this passage not to refer to any builder, nor to someone with merely theoreti-
cal knowledge of architecture, but to someone employed by the city to oversee
the completion of a building project and give commands to builders.31 The mas-
ter-builder’s commands involve discerning knowledge; for neither the mathe-
matician (or the dialectician), nor the master-builder exercise their art manual-
ly, but use their soul and intellect rather than physical force to fulfil their
respective tasks. Nevertheless, the mathematician’s and the master-builder’s

||
29 See Bénatouïl/El Murr (2010), 48–51, for a discussion of this much debated passage.
30 See El Murr (2014) 113.
31 See Lane (2020).
Platonic Political Demiurgy | 93

knowledge clearly differ because the former judges the properties of numbers,
while the latter’s knowledge involves “judging along with commanding”.32
Since the master-builder paradigm evidently involves a relationship with
action, but a relationship mediated by knowledge and the prescriptions it dic-
tates, Plato locates prescriptive knowledge on the border, as it were, of what we
call theory and practice. Yet, the picture given of epitaktikê in the early moves of
the Statesman is not that the statesman will apply theoretical principles in actu-
al practical actions: rather, the intimate connection between judging and com-
manding involved in the master-builder paradigm suggests that the statesman’s
prescriptions are “epistemic observation[s] […] expressed in the form of com-
mands”.33 To that extent, the concept of prescription is summoned to meet a
crucial requirement of the Platonic ideal of philosophical rule, namely the need
to enact knowledge without corrupting epistemic norms.34 The early divisions of
the Statesman thus provide evidence of Plato’s ongoing reflection, since Book
VII of the Republic, on the articulation of politics and philosophy. In the Repub-
lic, Socrates emphasized the radical difference between the life devoted to phi-
losophy and the life devoted to politics by showing that philosophers, even
though they are the best equipped for it, will inevitably feel reluctant to govern
others than themselves: hence the need to compel philosophers to rule, with a
subtle balance of legal coercion and moral obligation. The second division of
the Statesman presents synchronically, as it were, what the Republic narrated
diachronically: when they go back into the Cave, philosophers enact knowledge
by using the art of prescription, which, as the Statesman makes clear, only dif-
fers from all kritikai technai (including dialectic and mathematics) in that it
judges and commands.
Epitactic knowledge – this is the last point I wish to make about the passage
quoted above –, not only involves issuing orders but following them into com-
pletion. Plato, therefore, understands prescription as a twofold process: issuing
commands based on epistemic observation, and supervising how they are fol-
lowed by subordinates.35 This supervising activity raises, in turn, the interesting
question of whether the statesman, as a supervisor of subordinate experts, must
be an expert in all required technai. The very fact that the Statesman makes the
important philosophical point that epitaktikê is a distinct form of knowledge

||
32 Lane (2018) 58.
33 As Lane (2018), 58, puts it.
34 I borrow this formulation of the problem from the fascinating discussion between Harte
(2018) and Lane (2018) in the same volume of the Proceedings of the Aristotelian Society.
35 See e.g. Plt. 308d–e.
94 | Dimitri El Murr

suggests that the capacity to issue relevant orders does not presuppose the abil-
ity to perform the actions that these orders command. But more on this below.
The next division deepens the understanding of the prescriptive dimension
of statesmanship by distinguishing two kinds of epitaktikê technê:

V.: Then we should need to look at directive expertise (epitaktikên technên) in its turn, to
see if it divides somewhere. And to me it seems that it does so somewhere in this direction:
in the way that the expertise of the retail-dealer is distinguished from that of the ‘self-
seller’ or producer who sells his own products, so the class of kings appears set apart from
the class of heralds. Y.S.: How so? V.: The retailer, I think, takes over someone else’s
products, which have previously been sold, and sells them on, for a second time. Y.S.: Ab-
solutely. V.: Well then, the class of heralds takes over directions (epitachthent’) that have
been thought up by someone else, and itself issues (epitattei) them for a second time to
another group. Y.S.: Very true.
(Plt. 260c6–d10)

The Visitor points out that just as one can either sell what one produces directly
oneself, or resell what others have produced, one can transmit either what one
produces oneself, or what one has acquired from someone else.36 On the basis of
this distinction, the Visitor proposes to separate the class of kings “from the
class of heralds” (260d1). One simple reason for choosing this art as being par-
ticularly representative of the series that follows is that heralds were closely
associated with priests and politicians. The herald (kêrux) is indeed a creature of
words, who not only plays the role of ambassador, but most importantly, dic-
tates the forms of prayers in assemblies, commands silence, and assists priests
with sacrifices.37 Yet the herald is not the only one of its kind to differ from
statesmanship regarding the art of issuing prescriptions:

V.: So – shall we mix together the expertise of the king with that of the interpreter, the
person who gives the time to the rowers, the seer, the herald, and many other sorts of ex-
pertise related to these, just because they all have the feature of issuing directions (to g’
epitattein)? Or do you want us to make up a name in line with the analogy we were using
just now, since in fact the class of ‘self-directors’ (to tôn autepitaktikôn genos) happens
pretty much to be without a name of its own? Should we divide these things this way, lo-
cating the class of kings as belonging to the ‘self-directing’ sort of expertise (tên autepi-
taktikên), and taking no notice of all the rest, leaving someone else to propose another

||
36 On this distinction, see Prt. 313d and Soph. 223d.
37 On the multifaceted role of the kêrux in antiquity see e.g. Nettleship and Sandys (1899), s.v.
Cēryx. In the Laws, Plato indicates that the herald transmits decisions and sentences to the
people (Leg. XI, 917e1, 928d8, XII, 958b1), and serves as the ambassador of the city (Leg. XII,
941a1 and 950d8).
Platonic Political Demiurgy | 95

name for them? For we set up our investigation in order to find the person who rules, not
his opposite.
(Plt. 260d11–261a1)

Issuing prescriptions, so much is clear from this passage, is not specific to


statesmanship, for the art of the herald has this in common with the art of the
interpreter (hermêneutikê),38 the head of the rower (keleustikê),39 the seer and
many others. What matters, of course, is that they all pass on prescriptions they
have received from someone else. Not so, however, with statesmanship, whose
hallmark is that it decrees its own prescriptions to other arts that receive them.
As a result, statesmanship is a ‘self-prescriptive’ art, belonging to the class of
autepitaktikê, a name the Visitor coins for the occasion.40

4 The Prescriptive Capacity of Statesmanship and


the Subordinate Arts
The early divisions of the Statesman have singled out the particular epistemic
status of statesmanship by showing that it is a self-prescriptive form of
knowledge, which commands arts which are subordinate to it. The later parts of
the dialogue examine in turn how this ‘prescriptive capacity’ (308e5–6: tên tês
epistatikês dunamin) of statesmanship works in detail.
All arts subordinate to statesmanship are not subordinate in like manner.
So much is made clear by the minute exploration of the paradigm of weaving
(279a–283b) and its application to the search for statesmanship (287b to the end
of the dialogue). The analysis of the industry of cloth-making exhibits a distinc-
tion between arts that are themselves causes (aitiai) of the production of gar-
ments and arts that contribute to this production by providing tools and which,
for that reason, are called sunaitiai, “contributory”, or “auxiliary” causes. It also

||
38 Hermêneutikê is the art of interpreting in general, and notably of interpreting oracles. On
the art of interpreting belonging to the rhapsode and its limits, see Ion 530c–535a.
39 For more details on the keleustês, see Skemp (1952) 127–128 and Casson (1971) 300–303.
40 Interestingly, the Visitor does not care to coin the name of the alternative kind, even
though it wouldn’t have been too difficult to find, autepitaktikê calling for its counterpart,
presumably hetero-epitaktikê. One possible reason for leaving this genus nameless concerns
the later fate of the arts mentioned at 260d, which, at 290a–c, fall under the genus of the “arts
of service” (hupêretikê), a name that signals that, although they are remote from statesman-
ship, they are subordinate to its prescriptions.
96 | Dimitri El Murr

shows that weaving exercises control and supervision over each and every one
of these arts: a distant supervision over the arts which make a merely instru-
mental contribution to cloth-making, and a close supervision of the arts con-
cerned with creating products which directly affect the quality of the final fab-
ric.41 Applied to ‘the arts in the city itself’ (287b6: hai kata polin autên), the
distinction between aitia and sunaitia elucidates how statesmanship distin-
guishes itself from these arts and, at the same time, governs them all. This leads
to the following definition of statesmanship:

V.: If then one looks at all the sorts of expert knowledge that have been discussed, it must
be observed that none of them has been declared to be statesmanship. For what is really
kingship must not itself perform practical tasks (cf. 258d–e), but control those with the
capacity to perform them, because it knows when it is the right time to begin and set in
motion the most important things in cities, and when it is the wrong time; and the others
must do what has been prescribed (ta prostachthenta) for them. Y.S.: Correct. V.: For this
reason, then, the sorts of expertise we have just examined control neither each other nor
themselves, but each is concerned with some individual practical activity of its own, and
in accordance with the individual nature of the activities in question has appropriately
acquired a name that is individual to it. Y.S.: That seems so, at any rate. V.: Whereas the
one that controls all of these, and the laws, and cares for every aspect of things in the city,
weaving everything together in the most correct way – this, embracing its capacity with
the appellation belonging to the whole, we would, it seems, most appropriately call
statesmanship.
(Plt. 305c9–e6)

This definition summarizes the main lessons of the dialogue, notably that
statesmanship is cognitive and self-prescriptive, because it directs other arts.
But it also adds important elements explaining how the statesman’s prescriptive
knowledge applies to the specific expertise and actions of the subordinate arts.
Among these arts, which, as the Visitor put it, “control neither each other
nor themselves” and therefore differ from statesmanship, some have been
shown to be sunaitiai, auxiliary arts, which satisfy basic material needs and, to
that extent, are important as conditions of existence of the city, but are only
remotely supervised by statesmanship.42 Some others have been shown to be

||
41 Among the arts of cloth-making, arts involved in the making of spindles, shuttles, and the
like belong to the sunaitiai of the final fabric, while arts concerned with crafting garments
(such as carding, xantikê) and looking after them (such as the art of washing, pluntikê, or the
art of mending, akestikê) belong to the aitiai. For a detailed analysis of the paradigm of weav-
ing, see El Murr (2002), El Murr (2014) 189–208, and the diagram in Dixsaut/El Murr et al.
(2018) 610 (Annexe 4).
42 See El Murr (2014) 208–217.
Platonic Political Demiurgy | 97

“precious and kindred” arts (303e9–10), directly subordinate to the statesman’s


prescriptions, because they are conditions of the unity of the polis, and as a
consequence, too important to be left to their own devices, uncontrolled by
statesmanship. These subordinate arts are: strategy, the art of the judge and
rhetoric.
These three arts are examined in the section of the dialogue (303d–305c)
which immediately precedes the passage above. The Visitor’s approach to these
precious arts is systematic, each art being considered in turn and shown: (a) to
be a form of knowledge in its own right; (b) to have a specific praxis, i.e. a field
of expertise in which specific actions are undertaken; and (c) to be directly sub-
ordinate to statesmanship.43 These characteristics indicate that the order-giving
expertise of statesmanship controls the precious arts strictly, but without de-
priving them of their autonomy. The reason why these arts are recognized as
forms of knowledge is precisely to guarantee that each of them, within its specif-
ic field of action, will perform actions of its own. Note that this is true even of
rhetoric, which is here granted a form of autonomy and an epistemic status that
any reader of the Gorgias would find perplexing. Notice also, regarding rhetoric,
the awkward formulation found at 303e10–304a2 where strategy and the judi-
cial art are plainly named while rhetoric is convolutedly described as “that part
of rhetoric which in partnership with kingship persuades people of what is just
and so helps in steering through the business of cities (tas en tais polesi
praxeis)”. Rhetoric is given here a slightly different status from the two other
precious arts, because its aim is to persuade that the praxeis undertaken by
other arts are just. The importance of rhetoric for any action undertaken in the
city thus explains why it should be granted the status of an expertise, but also
why it should be strictly, and perhaps particularly, controlled by statesmanship.
With respect to the control exercised by statesmanship over the precious
arts, the Visitor’s approach is just as systematic as it was when it concerned
their relative autonomy. The main point is that rhetoric persuades, generalship
wages war, and the judicial art judges impartially whether something is lawful
or unlawful, but that it is up to another technê, namely statesmanship, to decide
whether rhetoric, generalship, or the art of the judge, should be set in motion,
and if so, when. The precious arts are therefore autonomous in that they know
how to perform actions in their specific field, but have no autonomy whatsoever

||
43 Each precious art is an expertise in its own right: Plt. 304c10–d1 (rhetoric), 305a5, a9 (strat-
egy), 305c9–10 (all three of them); each has its own praxis: 304a1–2, c10–d2 (rhetoric), 304e7–8
(strategy) , 305b6–7 (the judicial art); each is described as subordinate to statesmanship: 304e1
(rhetoric), 305a8 (strategy), 305c7–8 (the judicial art).
98 | Dimitri El Murr

as to whether and when these specific actions should be performed. The defini-
tion of statesmanship in the passage quoted above accounts for this reduced
autonomy and enlightens the content of the statesman’s prescription. States-
manship directs these subordinate arts “because it knows (gignôskousan) when
it is the right time (enkairias te peri kai akairias) to begin and set in motion the
most important things in cities, and when it is the wrong time” (305d2–4). As
Melissa Lane convincingly argued 20 years ago, the statesman’s knowledge is
knowledge of the kairos, the “right time”, that is, one of the aspects of what the
Visitor called earlier in the dialogue the “due measure” (to metrion) (283b–284b)
that all arts seek when producing something, as opposed to relative measure.
Attributing knowledge of the kairos to the true statesman does not only mark
Plato’s appropriation of an essentially rhetorical notion, but above all, his
recognition of the temporal dimension of statesmanship.44 Because statesman-
ship is the knowledge of the right time to set something in motion, its scientific
requirement does not come into contradiction with its constantly changing
object. In other words, the kairos is the very measure of how well-adapted the
prescriptions of the statesman are to its fluctuating object, the changing reality
of human affairs.
The importance conferred on understanding the kairos as a distinctive fea-
ture of epitaktikê takes us back to the issue raised earlier concerning the ability
of the statesman to perform the actions he orders the other arts. Deciding
whether and when subordinate arts should perform actions requires under-
standing the specific conditions and objectives of these arts, but does not re-
quire the ability to perform these actions oneself. Thanks to his knowledge of
the kairos, the statesman prescribes actions with the overall good of the city in
mind, and this, in my view, is sufficient to determine the appropriateness of
setting an action in motion, without the further necessary condition that the
statesman should himself master the subordinate arts.
The final section of the dialogue (306a–311c) adds yet another important
point regarding the statesman’s direct involvement with the subordinate arts.
The statesman, the Visitor notes, entrusts “offices in cities” (311a1: tas en tais
polesin archas), which means that he chooses the individuals who will carry out
these offices, and in doing so, sees to the general balance of the city, making
sure “never to allow moderate characters to stand away from the courageous”
(310e8–9). I will return to these two types of characters in the next section of
this paper. For now, I wish to observe that in all likelihood, these offices are the
ones which the statesman’s orders were shown to directly address. The states-

||
44 See Lane (1998) 139–146.
Platonic Political Demiurgy | 99

man, therefore, does not take direct charge of the tasks undertaken by the sub-
ordinate arts, but, because these officers are the conduits of his orders and the
means he has to diffuse them throughout the city, he will not let anyone but
himself choose the individuals in charge of strategy, justice, and rhetoric, 45 and,
in addition, education.

5 Political Demiurgy in the Statesman


The final section of this paper examines the prescriptive dimension of states-
manship further by situating the order-giving activity of the true statesman
within Plato’s broader conception of political demiurgy. We have learnt from
the Gorgias that a true craftsman: (i) knows the nature of his subject and can
give a causal account of the product of his art; (ii) looks to something which he
uses as a paradigm; and (iii) aims for the best, i.e. for the proper arrangement of
his material. How does the true art of statesmanship meet these requirements in
Plato’s Statesman?
Let us start with (ii) the appeal to a paradigm. The Statesman is unique
among the Platonic dialogues in providing a full-blown analysis (at Plt. 277d–
279a) of the epistemological use of paradeigmata for the discovery of complex
realities in dialectical enquiries.46 This methodological approach, however, is at
odds with Plato’s usual ontological approach, where models are transcendent
intelligible Forms, or ideal standards that e.g. craftsmen seek to reproduce. In
the Statesman, it is not a Form, but another technê, the art of weaving, that acts
as a paradigm for statesmanship. The paradigm of weaving, first understood as
the art exercising supervision over the whole process of cloth-making and for-
mulating prescriptions to the arts involved in that process, leads to a pros alla
definition of statesmanship at Plt. 305c–e (passage quoted above), elucidating
what statesmanship is in relation to other arts. Then, weaving, understood more
narrowly as the art of intertwining warp and woof, proves a suitable paradigm
for the specific task of politikê technê, what the Visitor calls “the intertwining
that belongs to kingship” (306a1: basilikê sumplokê), or “its own intertwining”
(308e2: tên hautês sumplokên), and so for formulating a pros hautên definition
of statesmanship in itself, which takes up the final section of the dialogue
(306a–311c). Weaving is thus an illuminating heuristic paradigm in the States-

||
45 This point has been convincingly argued by Lane (2013b).
46 For a detailed analysis of this passage, see El Murr (2015).
100 | Dimitri El Murr

man because, as a clearly structured and value-neutral technê, it helps discover,


within the more complex and value-laden art of statesmanship, the common
features shared by both arts, such as prescription and intertwinement.
I suggest nonetheless that weaving does not only operate as a model for the
discovery of statesmanship in the Statesman, but provides useful information as
well on the actual model which the political demiurge contemplates and seeks
to reproduce. As the art responsible for issuing prescriptions to other arts in-
volved in cloth-making, weaving acts first as a paradigm for the statesman to
structure his own prescriptive activity to subordinate arts, which create prod-
ucts that affect the material existence and unity of the polis. In this respect, it is
the whole textile industry that is a model for the social organization and divi-
sion of labour in the polis. But weaving operates as a paradigm for the states-
man at yet another level: as the art responsible for the production of fabric. For
the royal weaver also looks to the fabric made out of the intertwinement of con-
trasting fibers of wool and uses it as a model for resolving oppositions and be-
stowing a certain kind of unity on the social material. Obviously, unlike the
weaver who actually produces the fabric from the threads of warp and woof, the
true statesman is not responsible for producing the city. He is responsible none-
theless for weaving its unity, that is, for producing unity and harmony within the
city according to the paradigm of a “smooth” (310e11: leion), “fine-woven fab-
ric” (euêtrion huphasma).
Harmony and unity in the city are thus what the craft of statesmanship
seeks to produce. Can the statesman then provide (i) a causal account of the
product of his craft? Although statesmanship is a prescriptive art, with a mode
of action which mostly consists in managing other arts, we noted earlier that the
statesman’s knowledge of the kairos is sufficient for prompting subordinate arts
to take action and does not therefore require full mastery of these subordinate
arts. In this respect, statesmanship does not require the ability to give a causal
account of the products of each and every subordinate art within the city. How-
ever, since the unity of the city partly depends on the epitactic organization of
technai diffusing the statesman’s orders, the distinction between causes and
auxiliary causes which grounds this specific organization helps to explain the
product of statesmanship and therefore is key to the account which the political
demiurge is able to provide about the causes of the city’s unity. Moreover, as
weaver of the social fabric, the statesman has the ability to account for the
causes that lead to its own intertwinement. So much is clear from passages such
as this one, concluding the dialogue:

V.: Then let us say that this marks the completion of the fabric which is the product of the
art of statesmanship: the weaving together, with regular intertwining, of the dispositions
Platonic Political Demiurgy | 101

of brave and moderate people – when the expertise belonging to the king brings their life
together in agreement and friendship and makes it common between them […].
(Plt. 311b7–9)

This passage indicates that the statesman has deep knowledge of the material
he is supposed to weave, namely “the dispositions (to êthos) of brave and mod-
erate people (tôn andreiôn kai sôphronôn anthrôpôn)”. Thanks to this
knowledge, he is able to understand why these two characters are in conflict
and what needs to be done to reconcile them. At Plt. 306a–308b the Visitor ar-
gues that at least two types of characters coexist in a city – the ardent and the
moderate types, but that their coexistence is anything but peaceful, since they
are incapable of getting along and acting in concert (307c). What ultimately
explains this conflict between two antagonistic tendencies is that their opinions
and evaluations obey a law of similarity, of the form: “like loves like” (307d).
Each tendency thus praises what is closer to its nature, and such value judge-
ments reveal a clash between two parties within the city, each correlated with a
way of life, the affirmation of one thereby necessarily implying the negation of
the other. The difference between the brave and the moderate, therefore, should
not be diagnosed by the statesman as disagreement, or psychological antipathy,
but more dramatically, as conflict about the very purpose of the city. So much
for the diagnosis. The next, and final, pages of the dialogue (Plt. 308c–311c)
expose how statesmanship can remedy this conflict by spelling out the specific
measures the royal weaver puts in motion to reconcile the antagonistic charac-
ters, measures which include the supervision of paideia, the constitution of a
common opinion (homodoxia) on shared values among the citizens, marriage
control and eugenics.47 It is clear, then, that knowledge of the nature of its mate-
rial and the ability to give a causal account of the process leading to the produc-
tion of the social fabric are constitutive of the statesman’s political demiurgy.
The same goes for (iii) the statesman’s ability to aim for the proper ar-
rangement of his material. There is no need to dwell on the specific social or-
ganization that statesmanship, as a prescriptive form of knowledge, wishes to
produce: we have already seen that the order-giving activity of statesmanship
implied a specific ordering of technai within the polis, something close to a so-
cial division of labour. In addition, note that statesmanship, as kingly inter-
twinement, is also concerned with arranging and fitting its specific material, the
character types of individuals in the city.48 Consider the following passage,

||
47 See El Murr (2021b), and Dixsaut/El Murr et al. (2018) 592–599 for more on eugenics.
48 Marion Pollaert suggests to me that the diversity in the statesman’s material, i.e. the technai
and the character types within the city, is anticipated in the Republic passage (R. VI, 501b4–5)
102 | Dimitri El Murr

prefacing the argument designed to prove why statesmanship should closely


supervise paideia:

V.: Then let’s take the following point in its turn. Y.S.: What’s that? V.: Whether, I sup-
pose, any of the sorts of expert knowledge that involve putting things together (tis tôn sun-
thetikôn epistêmôn) voluntarily puts together any at all of the things it produces, even of
the lowliest kind, out of bad and good things, or whether every sort of expert knowledge
everywhere throws away the bad so far as it can, and takes what is suitable and good,
bringing all of this – both like and unlike – together into one, and so producing (dêmiour-
gei) some single kind of thing with a single capacity. Y.S.: Of course. V.: In that case, nei-
ther will what we have decided is by nature truly the art of statesmanship (ê kata phusin
alêthôs ousa hêmin politikê) ever voluntarily put together a city out of good and bad hu-
man beings […].
(Plt. 308c1–d3)

This passage clearly attests to the demiurgic conception of statesmanship, for


the true, kata phusin, art of statesmanship belongs to the “synthetic sciences”,
to the technai “putting things together” which, as such, impose order and struc-
ture on their material, and arrange them for the best so as to produce (dêmiour-
gei) a single unified product. For that reason, such technai only incorporate
materials that are good and useful for their own final product. Hence the need
for statesmanship to supervise educators49 who will prepare the material for the
weaving activity resulting in the proper arrangement of the polis.
So, within Plato’s Statesman there is enough compelling evidence to con-
clude that in defining politikê technê as the self-prescriptive art responsible for
weaving the city’s unity, Plato did not abandon his earlier views on the princi-
ples of technê and still holds a distinctly demiurgic conception of politics. In
this respect, the art of statesmanship in the Statesman remains faithful to the
true art of politics advocated by Socrates in the Gorgias.

6 Conclusion
This paper examined the demiurgic conditions of statesmanship according to
Plato, notably the kind of action the political demiurge takes to complete his
job. It argued notably that the Statesman exhibits an essential feature of politi-

||
examined in section 2, where Socrates mentions the philosopher-king’s “mixing and blending
together from the various pursuits”. “Pursuits” here stands for epitêdeuma, a word which refers
to one’s business, or activity, as well as one’s habit or way of life.
49 For more details on this supervision, see El Murr (2021b), 240–249.
Platonic Political Demiurgy | 103

cal demiurgy, namely that the political demiurge’s main tool, the art of prescrip-
tion, allows him to closely control the actions of specific arts, regarded as caus-
es, and direct the effects of other arts more distantly, regarded as contributory
causes insofar as these latter arts offer materials to the former. Political demiur-
gy thus diffuses rationality at every level of the city and produces what the Visi-
tor emphatically describes as “the most magnificent and best of all fabrics” (Plt.
311c2), “holding [citizens] together with this twining” (c4–5).
Evidence that such a view of prescription and causality is a significant phil-
osophical contribution of the late Platonic dialogues lies in the comparison
between the political demiurge of the Statesman and the divine craftsman of the
Timaeus.50 For the divine craftsman, too, gives prescriptions. To the lesser gods
he has himself created, he gives orders and guidance that they should follow in
producing the mortal parts of living beings and binding immortal souls to these
mortal bodies (Ti. 41b–d and 42e–43b). These lesser gods are part of what the
Timaeus calls “intelligent causes”, which manifest the intelligent agency of the
Demiurge,51 and include the direct products of the Demiurge’s actions and deci-
sions (such as the body of the World, the World-Soul, the lesser gods, the im-
mortal part of individual souls) as well as the products of these creations. The
Timaeus makes room for another type of cause, labelled “auxiliary causes”
(sunaitiai): these are the material causes which act mechanically or irrationally,
unless they are persuaded by intelligence. The Timaeus argues at length that
cosmic demiurgy accounts for both types of causes, thus conferring rationality
upon the world at every level. As a result, divine craftsmanship made the best
possible physical world.

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||
50 Comparison between the two craftsmen is prompted by the mention made, in the States-
man’s myth (Plt. 268d–274e), of the “craftsman and father” (273b1–2) of the universe, who
alternatively controls the world and lets it go its own way. This comparison is called for despite
the salient differences between the cosmology of the Statesman’s myth and the Timaeus. For
my own view on how the two accounts of the kosmos cohere and a discussion of the views of
others on the same topic, see El Murr (2010) and (2014) 143–188.
51 See Ti. 46c–48b and 68e–69a.
104 | Dimitri El Murr

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Klaus Corcilius
Transformation and Discontinuity
Nature, Rationality, and Self-Motion in Aristotle

1 The Problem of the Unity of the Human Soul


In his De anima, Aristotle defines the soul as the essence of living things and the
first principle of his science of living things. As a scientist, he is an explanatory
essentialist. Explanatory essentialism is the doctrine according to which natural
things and the things that depend on them have essences and that these essen-
ces explain all the non-essential universal and necessary attributes these things
have insofar as they are bearers of their essences. Since Aristotle is committed to
this doctrine, his scientific conception of the soul is designed for explaining all
the non-essential universal and necessary attributes that hold of living things
insofar as they are alive as their first principle.1 These non-essential necessary
attributes of living things insofar as they are alive are the scientific facts about
living things, i.e. the phenomena of living things. The definition of the soul will
provide the basic starting points of that science, which are its primitive, most
universal, and explanatorily most powerful propositions. In short, the soul will
be the basic explanans, while the scientific facts about living things – the phe-
nonema – will be the explananda of that science. However, in the course of the
hunt for the definition of that principle in the second book of the De anima, it
soon turns out that the explananda of living things are so rich and diverse that
their first explanatory principle, in order to be able to cover them as their first
principle, will have to be complex as well. The soul as the first principle of the
science of living things thus turns out to consist of a set of subprinciples. These
subprinciples are the so-called parts of the soul (merê, moria tês psuchês). Aris-
totle formally introduces the parts of the soul in the second chapter of the sec-
ond book of De anima. They are three: the vegetative, the perceptual and the
intellectual part.2 The parts of the soul jointly constitute the soul as the first

||
1 De an. I 1, 402a7–10. See Corcilius (2017) introduction.
2 The locution of “parts of the soul” has long been thought to be a mere mode of parlance
equivalent to speaking of “capacities” or “faculties” of the soul (see, e.g., Barnes (1971–1972)).

https://doi.org/10.1515/9783110735598-006
108 | Klaus Corcilius

explanatory principle of the science of living things. They thus cover all genera
of living things. The vegetative part covers plants and other growing things, the
perceptual part animals, and the intellectual part human beings. However, this
tripartite division of the soul as the first principle of the science of living things
immediately raises the question of the unity of the parts. This is a pressing and
by no means trivial question. As the essence and basic explanans of the corre-
sponding phenomena the soul is supposed to be the principle of the unity of
living things whose soul it happens to be. And this is what makes the question,
in Aristotle’s way of thinking of it, a pressing one. A mere aggregate of parts will
not suffice for the job.3 Aristotle´s answer to the question consists in an analogy.
This is the analogy of the relation among the parts of the soul with that among
different kinds of geometrical figures in De anima II 3. It runs as follows: In the
same way in which simpler geometrical figures are contained within more com-
plex ones, each of which contains the simpler ones not as actual parts but “in
potentiality”, the more basic capacities of the soul are contained in the “higher”
and more sophisticated ones. The relation among the parts of the soul thus is
that of an ordered series:

The capacities of the soul are related in a similar way to geometrical figures: the preceding
item is always present potentially in the next in the series, in the case both of figures and
of capacities of the soul; for example, the triangle is in the tetragon, and the nutritive fac-
ulty capacity is in the perceptive. The reason why they are in this sort of series must be in-
vestigated.
(De an. II 3, 414b28–415a2, tr. Miller, slightly
modified)

My perceptual soul, for instance, is present in my intellectual soul in potentiali-


ty, i.e. not in actuality. So far so good. But what does this mean? Aristotle’s
analogy here seems to merely gesture towards a solution of the problem without
spelling out what exactly the relation among the parts of the soul is supposed to
amount to. There are various possibilities of conceptualizing the unity of the
parts of the soul, and figuring out which one is the most adequate is one of the
vexed questions of Aristotle scholarship for a very long time.4 But it is not my

||
This view misses a basic structuring distinction in Aristotle’s thinking about the soul (see
Corcilius/Gregoric (2010)).
3 See De an. I 5, 410b10–15.
4 The best suggestion that I can think of in recent scholarship has been made by Johansen
(2012), 67–72. See fn. 13.
Transformation and Discontinuity | 109

intention to engage with the history of the treatment of that problem here. I
wish to focus on just one particular aspect of the unity problem instead, namely
the relation between the perceptual and the rational part of the human soul. I
wish to do so in order to illustrate what seems to me a common misconception
of the nature of the problem. As we will see, the misconception consists not so
much in the application of a false conception of the way in which the parts of
the human soul are supposed to form a unity but in too abstract a conception.
But let me introduce the conception first.

2 Additive and Transformative Accounts of Unity


Recently, Matthew Boyle has suggested an analysis of the problem of unity, not
in terms of the unity of the soul, but in terms of “theories of rationality”, by
which he means theories of how our rational powers unite with our perceptual
powers. His analysis uses a classification of different types of solutions to the
problem of unity that draws on the distinction between what Boyle calls “addi-
tive” and – following McDowell 1994 – “transformative” accounts of rationality.
However, insofar as it regards the question of the relation and the unity of dif-
ferent powers of living things, the distinction can readily be applied to Aristo-
tle’s division of the soul described above, and Boyle himself applies the trans-
formative framework to his division of the soul. Therefore, in what follows I will
continue to use the locution of “parts of the soul” for ease of reference. Boyle
describes additive accounts as follows:

Our additional rationality module, it is held, gives us the capacity to monitor and regulate
our believing-on-the-basis-of-perception and our acting-on-the-basis-of-desire in ways
that nonrational animals cannot, but it does not make our perceiving and desiring them-
selves essentially different from the perceiving and desiring of any animal. We rational an-
imals perceive and desire in the same sense in which any animal perceives and desires;
the power that differentiates our minds is something separate and additional.
(Boyle 2016, 528)

The underlying idea of the additive account of the unity of the parts of the soul
is the concept of aggregation5 of modules. The parts of the soul, on the additive

||
5 And not so much the concept of addition (I think). Addition, if taken as a mathematical
operation on numbers, seems to me to have more affinities with the transformative account.
110 | Klaus Corcilius

account as described by Boyle, are separate modules, which is to say that they
are operationally autonomous, i.e. at least the perceptual part can exercise its
functions without the aid of the other (rational) part. Thus, in a complex soul
consisting of modular parts X and Y, the fact that X and Y are combined into one
complex soul XY does not alter their respective being: nutrition, perception, and
thinking are not essentially different from themselves when they occur in isola-
tion from each other or when they occur as parts of complex souls. Integration
into a complex soul does not alter them, which is also why they can be treated
separately. The way in which intelligent natural beings perceive, in the additive
account, is the same as with non-rational animals, they both share the basically
same cognitive capacity of perception, only that intelligent perceivers can re-
flect, monitor and regulate their perceptual operations, while other animals
cannot. On the additive account thus described the different modules are both
operationally and definitionally separable from each other. Boyle then raises
problems for the additive account, and rejects it as unsatisfactory on two related
grounds: the problem of the interaction of the modules (how do the operational-
ly autonomous modules or parts know of each other’s doings, and how do they
interact?) and the problem of unity we are already familiar with.
Finally, Boyle recommends McDowell’s transformative account as superior
because it avoids these difficulties:

We can thus call the sort of view that McDowell recommends a transformative theory of
rationality. Such theories take the very nature of perceptual and desiderative capacities to
be transformed by the presence of rationality, in a way that makes rational perceiving and
rational desiring essentially different from their merely animal counterparts.
(Boyle 2016, 531)

On the transformative account thus presented, perception and rationality are


neither operationally nor definitionally separable from each other. When per-
ception occurs in rational animals, its very essence will be different from when
it occurs in non-rational animals.

||
Adding, for instance, 2 to 2 is transformative insofar as the result is not 2 and 2 but 4, which is
after all another number into which 2 and 2 are fused.
Transformation and Discontinuity | 111

3 Additive and Transformative Accounts in


Aristotle
As mentioned above, in his science of living things Aristotle conceives of the
soul as the generic essence of living things. It is the first principle of the scien-
tific facts that hold of living things insofar as they are alive. We have seen that
this common essence is divided into three parts, the so-called parts of the soul.
But apart from this scientific way of speaking about the soul as the generic first
principle of his science of living things, there is also another way in which Aris-
totle speaks about the soul. This is the perhaps more familiar conception of the
soul as the essence and nature of particular species or even as the nature and
essence of individual living beings. Aristotle, as we will see in a moment, offers
different solutions to the unity problem for each of these two cases. Regarding
the generic essence of living things, there can be no doubt that he adopts a solu-
tion more along the lines of what Boyle calls the additive account. Indeed, it
seems that he speaks of parts of the soul in the first place only because he sub-
scribes to some sort of additive conception of their relation to each other. This
follows from the fact that, in his De anima, Aristotle is committed to both of the
following claims: (i) each of the parts of the soul can be defined separately from
the other parts, and (ii) the parts jointly constitute the explanatory essence of
living things.6 Thus, some sort of talk of addition of parts does apply to Aristo-
tle’s conception of parts of the soul. This is why De anima II 3 explicitly recom-
mends defining the soul as the explanatory principle of the science of living
things by going through the series of the definitions of the parts in turn, i.e. by
defining each part separately:

There might be a common account in the case of the figures which will fit all of them but
be proper to none of them, and likewise also in the case of the types of soul just men-
tioned. That is why it is ridiculous in these cases as well as in the others to seek the gen-
eral account while neglecting the proper account – that is, to seek the account which will
be proper to nothing that exists while neglecting that which corresponds to the peculiar
and indivisible species. So we must inquire about particular cases: what is the soul of
each thing, for instance, what is the soul of a plant or of a human being or of a beast. (…) It
is clear, then, that the account of each of these capacities [i.e. nutrition, perception, self-
motion and intelligence] is also the most specific account concerning the soul.
(De an. II 3, 414b22–33, 415a12–13, tr. Miller)

||
6 For a full account see Corcilius/Gregoric (2010) and Corcilius (2017) XV–XVII.
112 | Klaus Corcilius

Aristotle’s mode of procedure in the rest of the treatise complies with this meth-
odology. He will discuss each of the candidates for parts of the soul mentioned
in De anima II 2, the vegetative part, perception, the intellect and locomotion in
turn, and there is no indication in or outside of the treatise that he does not
regard the sum of these definitions to be the definition of the soul as the first
principle of his science of living beings. So clearly, in this instance Aristotle
accepts some version of the additive account.
Having said this, however, it is important to add that this additive concep-
tion applies to the parts of the soul as the first principle of the science of living
things only. And what that means is that the parts of the soul are separable from
each other only in definition (logôi). But with this nothing is implied with respect
to their operational separability (modularity), which is an important part of
Boyle’s conception of additive accounts of rationality. Aristotle’s definition of
the soul in the De anima does not aim at giving accounts of the actual workings
of the soul within the living body, at least not immediately. For him, such ac-
counts of the actual operations of the soul have to be dealt with in a different set
of treatises, namely the works dedicated to the study of the so-called actions
and affections “common to body and soul”. De anima, as we have seen, is con-
fined to the definition of the first principle of the science of living things (see De
an. I 1, 402a7–19). In Aristotle’s explanatory essentialism, first principles of sci-
entific accounts are generic essences of the entities that constitute a scientific
domain – in our case living things – and there is, of course, no reason to sup-
pose that generic essences engage in any actual operation of the soul. They
could not possibly engage in such operations because they lack what Aristotle
thinks is absolutely necessary for such operations, namely a body. The generic
essence of living things has no more a body than other artifacts of scientific
abstraction have, such as, for example, ‘blooded animal’ or ‘soft-shelled ani-
mal’. Hence, in their case questions about the operations of the soul do not
arise. They come up “later” in the order of scientific explanation, namely at the
point where Aristotle goes about explaining the phenomena of living things with
reference to the soul as the first principle of these explanations. This happens
not in the De anima, which is dedicated to the definition of the generic principle
of the science of living things, but in the accounts of the actions and affections
of living things “common to body and soul”.7

||
7 See Sens. 1, 436a1–437a17.
Transformation and Discontinuity | 113

With regard to the conception of the soul as the essence of individual living
beings, by contrast, the question of operational separability should come up
immediately. Are the different parts of the soul of empirically existing hylomor-
phic compounds like, say, a dog, not only separate in account but also opera-
tionally separate modules? Is the dog’s perception operationally autonomous
from its vegetative part? As far as De anima is concerned, there seems to be no
informative discussion of this issue apart from the above quoted vague geomet-
rical analogy. Outside the De anima, though, there is textual evidence that
seems to suggest that Aristotle falls squarely into the transformative camp.8 In
his Metaphysics, he discusses the problem of the unity of multi-part definitional
accounts of essences. His solution there rests on the assumption that the parts
of the definition of essences correspond to steps on definitional trees that lead
from the highest genus to their infimae species. The answer to the question of
how the series of definitional steps, even though many in number, can form an
essential unity consists in his novel conception of the generic parts of the es-
sence higher up a given definitional tree as determinables.9 The idea is that the
generic features along definitional trees receive their determinations further
down the tree by increasingly specific differences until they are fully deter-
mined at the last stage where the series reaches its “last” difference (infima
species). In this way of thinking about the ontology of definitional trees, it turns
out that species just are certain determinations of their genera:

If then a differentia of a differentia be taken at each step, one differentia – the last – will
be the form and the substance; (…) Therefore it is plain that the definition is the formula
which contains the differentiae, or, according to the right method, the last of these.
(Met. VII 12, 1038a25–30; tr. Ross, in Barnes
(1984))

On this determinable–determinant view the essence of a given species would,


strictly speaking, consist only in the very last step of the series of determina-
tions of the highest genus and not in the entire series of steps (as Plato seems to
have thought). This is so because the generic features further up the tree, ac-
cording to this view, have no separate existence apart from the infimae species:
they are contained in the infimae species which are nothing but their last deter-
minations. On that conception, therefore, the problem of unity of the so-called
parts of the account of the essence does not arise. Since the more generic parts

||
8 As noted by Boyle (2016) 532 and 551.
9 See Prior (1949).
114 | Klaus Corcilius

have no separate existence apart from the infimae species, no principle of unity
is required to unify the species with its generic attributes. An immediate conse-
quence of this determinable-determinant account of the metaphysics of defini-
tional trees is that the very being of all previous steps on definitional trees – the
generic essential features further up the tree – will receive their determination
with their infimae species. And that is just another way of saying that the infi-
mae species transform the genus.10 Aristotle draws this conclusion explicitly:

For I give the name of ‘difference in the genus’ to an otherness which makes the genus it-
self other (legô gar genous diaphoran heterotêta hê heteron poiei touto auto).
(Met. X 8, 1057b38–1058a4)

This is strong evidence that Aristotle is committed to a transformative frame-


work in regard of the relation between genus and species as they occur in defi-
nitional trees. The question for us now is of course whether this result can be
transferred to the unity of the definitional parts of souls as they occur in con-
crete species of living beings, in which case Aristotle would have to be regarded
a transformativist. However, for that to be the case, i.e. for a straightforward
application of the metaphysical determinable-determinant framework of defini-
tional trees to the parts of the soul, the different parts of the soul would have to
relate to each other as genus and species relate to each other in definitional
trees. But that does not seem to be the case. Aristotle does not conceive of per-
ception as a species of vegetative self-preservation, nor does he conceive of the
intellect as a species of perception, and neither does he conceive of the intellect
as a subspecies of vegetation. And the fact that De anima II 3 says that the dif-
ferent parts of the soul stand in a serial order furthermore virtually precludes
that there is a common genus for the parts in the first place.11 Just as there is no
common genus “figure” of which triangle and quadrangle etc. are species, there
is no common genus “soul” of which vegetation, perception, and thinking are
species. Neither is vegetation the genus of perception, nor is perception the
genus of thinking. So, it seems we have to conclude that Aristotle is a trans-
formativist with respect to genus and species, but also an adherent of an addi-
tive conception of the parts of the soul, albeit not in the operational (or “modu-
lar”) but only in a definitional sense. This has a striking consequence. For it

||
10 Or, to put it differently, it is not the case for Aristotle that parts of the definition are predi-
cated of the other parts as “of something else” (An. post. II 3, 90b34–38).
11 See Pol. III 1, 1275a34–38, cp. EN I 4, 1096a17–18.
Transformation and Discontinuity | 115

now seems that according to Metaphysics X 8 Aristotle is committed to the thesis


that the genus “animality” in the horse Bucephalus (which is defined with ref-
erence to perception)12 is essentially different from the genus “animality” in the
human being Alexander, while at the same time he is not committed to the the-
sis that perception as a part of Alexander’s soul and perception as a part of Bu-
cephalus’ soul are essentially different from each other.13 This is a puzzling re-
sult.14

4 How?
So how can Aristotle preserve the transformative idea that perception in hu-
mans is essentially different from perception in other animals? Or should he not
be committed to this idea, after all? Before I discuss this question, I should point
out that all too simple transformative accounts of the unity of the parts of the
soul, and of the unity of perception and nous (“rationality” understood as the
basic capacity to think and act rationally) in particular, are not desirable in the
first place. Such all too simple transformative accounts would have it that the
rational soul of a human being transforms the very essence of that human be-

||
12 Somn. 1, 454b24–25.
13 Johansen has argued that Aristotle defines the parts of the soul not as kinds but as some-
thing like the specific differences of the largest kinds of living things: vegetation for plants,
perception for animals, and rationality for humans, even though there is no single genus com-
mon to them (s. Johansen (2012) 47–72, cp. De an. ΙΙ 2, 413b33–414a1). This, if correct, would
nicely cover the essential features of all living things while also taking care of the ordered
series in which the different parts of the soul stand, according to Aristotle. Since there is no
superordinate genus ‘soul’ of which the different kinds of soul are species, the parts of the soul
differentiate the largest kinds of living things without being determinants of a genus. This
would be an ingenuous solution to a long-standing problem. It does, however, not fully answer
the question of unity, since now it is difficult to see how the determinable–determinant ac-
count can be transferred into a scenario in which there is no common genus. Johansen’s sug-
gestion that De anima II 3 should be understood in such a way that the lower parts of the soul
relate to the higher parts as matter relates to form seems plausible, but it is not clear how this
version of the transformative account can be grounded in a scenario in which the parts of the
soul relate as specific differences of a common pseudo-genus (as opposed to species to genus),
while still preserving the features of ordered series. Of course, maybe there is no such ground-
ing to be had. I do not think this is the case, though, but there is no room to argue for this here.
14 Of course, the result is much less puzzling if we bear in mind that the doctrine of parts of
the soul is confined to the parts of the definition of the soul, not to actually existing souls.
116 | Klaus Corcilius

ing’s perceptual soul (and perhaps also the essence of the vegetative part) in
such a way as to make the human soul an unproblematic natural unity. Humans,
on such an exceedingly simple account, would be essentially rational in the
same way in which, for instance, the vegetative capacities of a dog are essential-
ly a canine’s vegetative capacities, i.e. they are naturally fused with, and opera-
tionally inseparable from, each other; they are essentially a dog’s capacities
responsible for biologically reproducing the dog, thus making these vegetative
capacities being essentially canine. If that were the case also for human beings
and the relation between their rational and their non-rational capacities in par-
ticular, human beings would be, as it were, all of one natural rational piece.
Everything they did or felt would have to be rational or at least in line with their
rationality, and the exercise of their rational capacities would have to be not
only definitionally but also operationally fused with the exercise of their non-
rational capacities. But that seems clearly not what Aristotle has in mind when
he speaks about the relation of the rational part of the human soul to the other
parts. On the contrary, he seems to think that there is, at least to some sizable
measure, a certain operational autonomy of our perceptual functions with re-
spect to rationality. This happens, for instance, when we are in the grip of over-
whelmingly strong emotions, in states of drunkenness, illness, or simply when
we are asleep. Sometimes Aristotle speaks of such situations as moments of
“eclipsed” rationality (epikaluptesthai ton noun, De an. III 3, 429a7–8). Now, in
whatever way we may wish to describe (or to explain away) such phenomena of
parts of the soul that are operationally autonomous from rationality, they cer-
tainly show that Aristotle does not think that we humans are all of one natural
rational piece, and that he in one way or the other endorsed the idea that our
perceptual system is in some way and to some extent operationally separable
from our rational capacities (not, however, the other way round).15 A further

||
15 One may object here that we encounter a similar operational separability with relation to
perception and the vegetative functions, namely during sleep. While asleep, animals cannot
only exert their vegetative functions without perception, but they can exert them even better
(Somn. 1, 454b27–455a3). However, this objection would miss the point in at least two respects.
Firstly, it takes it for granted that a simplistic transformative account applies with relation to
the unity of the perceptual with the vegetative part. But this is an open question at this point.
There may even be a certain degree of operational autonomy of the vegetative part with regard
to perception as well. But the main point is that in the case of sleep the operational autonomy
of the vegetative functions is the outcome of a causal (thermic) effect that certain digestive
processes exert on the perceptual system. Basically, what happens is that the region around
the heart, which is the location of the central perceptual organ, is thermally isolated from the
Transformation and Discontinuity | 117

reason to be cautious in this regard is that Aristotle denies the existence of a


dedicated organ or, if one prefers that language, the existence of a “material
realization” for the thinking capacity. This has, among other things, to do with
the fact that in his theory thinking cannot be acted upon. This makes it that the
capacity of thinking, unlike the other parts of the soul, is not something “of” a
body, which renders it conceptually independent of the body. But, if that is so
and vegetation and perception are hylomorphic, i.e. essentially enmattered
capacities, while human nous is not, the question how the non-rational and
hylomorphic parts of a human soul can be “of one natural piece” with non-
hylomorphic nous becomes even more pressing. How can there be an essential
unity between the form and entelecheia of a body on the one hand and the intel-
lect which is not the entelecheia of any body (De an. II 2, 413a6–7) on the other?
And then there is, of course, mental conflict. As Aristotle describes it, mental
conflict consists of a simultaneous occurrence of conflicting desires, and it is
important to add here that, in his conception, the conflicting desires stem from
different parts of the soul (De an. III 9, 433a7–8; 10, b5–10; cp. 11, 434a12–14).
He even says that each of the parts of the soul is capable of setting the animal in
motion (EN VII 3, 1147a33–b5: kinein gar hekaston dunatai tôn moriôn), which
strongly suggests some sort of operational autonomy of at least some parts of
the soul and with respect to the moving function of the soul. So, clearly, an all
too simple and unproblematic natural unity seems inadequate to capture the
complexity of Aristotle’s conception of the unity of the human soul.
To be sure, this all too unproblematic natural unity is a straw man. Nobody
I am aware of has attributed such a theory to Aristotle explicitly.16 The point I
wish to make with it is to bring out the undesirability of the application of the
determinable–determinant idea from the Metaphysics to the relation among the
parts of the human soul without significant further qualification. Aristotle sees
clearly that the parts of the soul are not species of a common genus. And he is
happy to speak about “parts of the soul” not only when speaking about the first

||
rest of the body and thus incapacitated (3, 457a33–b2). Now, whatever the details of this causal
story, the very fact that sleep is induced by the impact that the digestive system exerts on the
perceptual system shows that the perceptual system is there and ready to do its job, which it
would do if it was not acted upon so as to be neutralized. There seems to be nothing like this in
the case of nous.
16 I trust that Boyle (2016) does not suggest that theory either. As the title of his article sug-
gests, his interest seems to lie elsewhere, namely with the inadequacy of modular accounts.
The way I see it, the point of his paper is to show that some kind of transformative solution is
preferable over the additive model.
118 | Klaus Corcilius

principle of his science of living things but also when he speaks about individu-
al living things, and in particular when he discusses situations of mental con-
flict. The conception of parts of the soul pervades his entire oeuvre and is by no
means confined to his so-called psychological works. Thus, when he introduces
the soul in his ethical works he speaks about the unity of the human soul in a
way that accepts the existence of parts of the soul also in the individual human
being. He discusses the soul in terms that combine the concept of the defini-
tional separability of the parts of the soul from each other (which is familiar
from the definition of the parts of the soul in De anima) with their inseparability
“by nature” (achôrista pephukota):

Whether these parts (of the soul) are separate like the parts of the body or anything else
physically divisible, or whether they are two in account while inseparable by nature, like
the convex and concave in a curved figure, does not matter for our present concern.
(EN I 13, 1102a28–32, tr. Ross, in Barnes 1984,
altered)

This passage, I think, shows three things, which are relevant for our present
concerns: Aristotle (i) thinks of the parts of the soul as being separate in account
from each other not only in his so-called psychological writings but also in his
ethical writings;17 he (ii) does not seem to see any problem with applying his
conception of parts of the soul as separate in definition or account in his ethical
works; he (iii) thinks that the parts of the soul, though separate in account,
somehow form a natural unity “like the convex and the concave in a curved
figure”. This is confirmed by a parallel passage in the Eudemian Ethics:

It makes no difference if the soul is or is not divisible into parts; it still has different capac-
ities, including those we have mentioned – just as the convex is not separable in a curve
from the concave, nor is the straight from the white in a line. Yet the straight is not white,
except incidentally and not in its own substance.
(EE II 1, 1219b32–37, tr. Inwood/Woolf)

The result of this, I take it, is that the transformative account cannot possibly
apply to the parts of the human soul, at least not in any simple sense, while

||
17 This is how I understand his talk of “being two in account, while inseparable from each
other like the convex and concave in a curved figure”. The example makes it clear that what he
has in mind is some sort of combination of inseparability in nature with separability in ac-
count. The first option of a physical separation of the parts of the soul from each other is not a
serious option for Aristotle as he does not believe that the soul has any physical extension.
Transformation and Discontinuity | 119

there can be no doubt that the additive account of the parts of the soul from De
anima’s definition of the first principle of the science of living things continues
to apply also in the ethical works.
This, I submit, is as it should be. It is a simple truth, in spite of the natural
unity that the complex souls of human beings are said to exhibit, that a human
soul’s perceptual, vegetative, and intellectual parts – considered in themselves
– are separate in account. Their definitions do not contain any reference to each
other. Furthermore, qua perception, and qua vegetation all that is said in De
anima by way of definition of the corresponding parts of the soul continues to
hold if predicated of individual animals. As Aristotle seems to see it, the ques-
tion really is only how a soul of multiple and definitionally separate parts can
form a natural unity. Definitional fusion of the parts of the soul, as the simplis-
tic transformative account of human rationality suggests, is not an option for
Aristotle. What then is this Aristotelian conception of natural unity that allows
him to bring together the parts of the human essence, and the rational and the
perceptual parts of the soul in particular?18

5 Natural Unity
Aristotle’s answer to our question of the natural unity of the parts of the soul is,
I think, very much the answer of a scientist of living things.19 He says that the

||
18 Aristotle speaks of inseparability “by nature”, but we should read this with the due portion
of caution. For, while he thinks of the other parts of the soul as being necessarily co-present in
each ensouled part of the living body, he does not seem to think this about nous: “For each of
the parts [i.e. of the bisected bodies of insects] has perception and motion with respect to place,
and if perception, then also phantasia and desire; for wherever there is perception, there is also
both pain and pleasure; and wherever these are, of necessity there is appetite as well. But
concerning reason and the capacity for contemplation nothing is yet evident but it seems to be
a different genus of soul, and this alone admits of being separated, in the way the everlasting is
from the perishable.” (De an. II 2, 413b21–27, tr. Shields). “Natural unity” here refers to the way
in which the parts are one, it does not indicate that the parts are natures in the Aristotelian
sense (nous is not a nature and therefore separable from matter, Part. an. I 1, 641b32–b8). Note
that the ways in which the different definitional parts of the soul form a unity may vary in each
case. See below.
19 In the sense sketched above. Aristotle’s science of living things is not biology insofar as he
is an explanatory essentialist. Explanatory essentialism, unlike the modern science of biology,
120 | Klaus Corcilius

lower parts are teleologically subordinated to the higher parts, which is to say
that the latter are the former’s natural goals, while the lower and more generally
shared parts of the soul conversely are necessary enabling conditions for the
existence of the higher parts. Thus, the vegetative capacity of a mouse, for in-
stance, exists for the sake of its perceptual part, while the vegetative and the
perceptual parts of a human being both exist for the sake of her rational part
(cp. Gen. an. II 3, 736a35–b8). This seems to be the way in which Aristotle thinks
about the unity of the parts of the human soul already in De anima II 3, where
he introduces the idea of the lower parts as being potentially contained in the
higher parts, even if he does not explicitly speak of teleological subordination
there.20 So, in terms of the goal of their operations the different parts of the soul
are teleologically fused, which is to say that in human beings each of the lower
parts exists for the sake of the rational part, whereas the rational part is the
goal. The following preliminary picture results: in naturally unified souls, the
vegetative (i), the perceptual (ii), and the intellectual (rational) (iii) parts of the
soul relate by:

Potential Containment

Whenever a living substance possesses more than one part of the soul, the
lower parts – i.e. either (i) or (ii), or both (i) and (ii) – are contained in the
highest part (iii) in potentiality but not in actuality – i.e. they are contained
in (ii) or (iii).

And by:

Teleological Subordination

In all living substances that possess more than one part of the soul, the
lower parts are teleologically subordinated to the highest part, i.e. either (i)
is teleologically subordinated to (ii), or (i) and (ii) are teleologically subor-
dinated to (iii).

||
is, so to speak, metaphysical all the way down. Even the minutest biological detail should be
shown to depend on the essence of the species in question.
20 The passage in Gen. an. II 3 references the De anima (736a37–b1).
Transformation and Discontinuity | 121

This gives us a first and rough idea of how Aristotle might have thought about
“inseparability by nature”. It is a way of thinking about the parts of the soul that
on the one hand preserves their definitional separability while emphasizing
their teleological subordination to the highest part on the other.
But the idea of teleological subordination is a very general and, at this point
at least, still very abstract and unspecific idea. While it offers a basic answer to
the question of the unity of the parts of the soul, it does not tell us in which way
exactly (i) is teleologically subordinated to (ii), and in which way (ii) is subordi-
nated to (iii). In particular, the mere notion of teleological subordination is not
specific enough to offer a plausible account of the mode of unity of human ra-
tionality and perception, which seems to be different from the mode of unity
exhibited by the vegetative and the perceptual parts of the soul in non-rational
animals. All we know so far is that there is a teleological subordination among
the parts along the steps of the ordered series. What we want to know, however,
is on which conception of teleological subordination, if at all, human rationality
and human perception can form a natural unity that allows for phenomena
such as mental conflict and the eclipse of reason (and for whose at least partial
operational autonomy, as we have seen, there seems to be no equivalent in the
case of vegetation and perception). To see how this can be the case, I will look
into three different fields of application of teleological explanation in Aristotle’s
works. What we are looking for in particular is a more precise conception of
what “teleological subordination” may mean for Aristotle in the case of the
teleological subordination of the perceptual to the rational part of the soul.

6 Teleological Conceptions of Natural Unity in


Aristotle
I start with a brief account of Aristotle’s general and basic framework of expla-
nation by final causes. This model, as we will see, underlies his various applica-
tions of teleological explanation.
122 | Klaus Corcilius

6.1 Aristotle’s General Account of Explanation by Final Causes


Aristotle develops his general framework of explanation by final causes in Pos-
terior Analytics II 11. I will present it here merely in its barest outline,21 and only
to the extent to which it allows us to get a grip on Aristotle’s more specific con-
ception of teleological subordination. According to this general framework,
satisfying scientific explanations by final causes should exhibit three structural
features. They are: a goal, a realizer of the goal, and a productive action which
brings the realizer of the goal into physical existence. The example Aristotle
uses is health as the final cause of a walk after lunch. “Why does he walk after
lunch?” “In order to be healthy, since walking makes the foodstuff not remain
at the mouth of the stomach, which is healthy.” The scientific explanation of
this fact, says Aristotle, will look like this:

A: health: the goal


B: having food removed from one’s stomach (a certain state of affairs that
realizes A in the obtaining circumstances). Aristotle says of B that it “is
as it were an account of A”: the realizer of the goal
C: walking about: the productive cause of B “making the foodstuffs not
remain”

The items relate as follows: B and C cause the existence of A; however, they do
not cause the existence of A as such, since we cannot produce health, which is a
universal, but the existence of something that has A as a feature, i.e., B and C
can cause something in the sense of a state of the world that ‘is healthy’ (in
what follows, A’, typically expressed paronymously, such as in ‘is healthy’). The
resulting demonstration runs thus:

A holds of B: ‘health in these circumstances means having food removed


from one’s stomach’
B holds of C: ‘having food removed from one’s stomach in these circum-
stances means walking’
A holds of C: ‘health in these circumstances means walking’

Thus, final causes, strictly speaking, are only items of the kind A (‘A-type goals’
in what follows). They do not act as final causes by doing or undergoing things

||
21 For a more extensive account see Corcilius (2019).
Transformation and Discontinuity | 123

but by having other things doing / undergoing something for their sake. These
other things are items of kinds B and C that realize the goal and bring it about.
Final causes are causes only of the goodness of these other things, B and C. More
specifically, A-type goals are universals. Aristotle says of them that they are
intrinsically good and that therefore they can act as causes of the goodness of
the things that take place or exist for their sake, namely B and C. A, we may say,
is the ‘point’ why B and C exist, are done, or happen. Final causes of type A are,
in other words, the teleological ground for, and principle of, B and C. The other
things (B and C) that exist for the sake of A are either physical states of affairs
(or objects) that realize the final cause in the given circumstances (B),22 or they
are the productive causes of B, i.e. C. Hence, B and C are good, but only because,
and to the extent in which, they cause A’s existence, or, to be more precise, to the
extent in which they cause the existence of something A-ish (A’). In this way, A
is the teleological principle and norm of B and C, providing the latter with their
goal and criteria of success and failure. Without A, B and C are neither good nor
bad. However, insofar as B provides such norms for C, B may be regarded as a
kind of goal as well (B-type goal in what follows). For example, supposing that
shelter is the A-type goal of a house, then the house will be the B-type goal real-
izing A, but a proper house will also offer criteria of failure and success for C,
the process of house-building. As a result, there are three necessary structural
features of genuine explanations by way of final causes (‘A, B, C–structure’ in
what follows):23

A-type goal: a universal intrinsic good or value like e.g. health (or pleas-
ure, honor, the rationally good)
B-type goal: a physical state of affairs or a physical thing realizing A in the
obtaining circumstances, e.g. removal of the foodstuff
C (the productive cause of B): e.g. walking about

||
22 Aristotle says that B is “as it were an account of” A, which, I think, is best made sense of as
saying that B realizes A in the given circumstances. See Corcilius (2019).
23 Of course, this is a minimum condition. There are no limits to the complexity of the further
intermediary teleological steps. Aristotle’s point in An. post. II 11 is merely that A, B, and C are
necessary and sufficient for explanation by final causes, and that every additional step will
have to fall in the camp of either B or C. One cannot, of course, rule out the possibility that a
given course of action or process may realize or produce more than one A-type goal. However,
it will probably not be possible for B and C to contribute towards the existence of a plurality of
goals in the same respect. I shall not discuss that complication here.
124 | Klaus Corcilius

So much for the general framework of teleological explanation in Posterior Ana-


lytics II 11. Since it is meant to be general, we can apply the framework of the A,
B, C–structure to the different fields of teleological explanation in Aristotle’s
work, which is what I will do in what follows. I distinguish two fields of applica-
tion: natural teleology, within which I will distinguish two subcases, and non-
natural teleology.

6.2 Natural Teleology


Aristotle’s natural teleology is based on his ontological thesis that there are
things in nature that have final causes (A-type goals) which are ontologically
tied to them. These things have their own intrinsic goals for the sake of which
they engage in the processes that are distinctive of them. These goals are their
specific natures and essences. For Aristotle, all such natural things are living
things. The intrinsic goals that they have are their souls or life-functions, which
are their natures and essences. Natural teleology rests on the assumption that
living things tend towards self-realization and preservation and that they do so
by engaging in processes that aim at their intrinsic goals (their souls). For Aris-
totle, this assumption is a metaphysically primitive fact about living things.
Natural teleology is connected to natural processes (kinêsis) that either bring
about or realize such natural goals. These goals, then, are naturally good. It is
an important principle of Aristotle’s natural teleology that the goals of natural
things are intrinsic goals relative to the species in question:

Hence since nature is for the sake of something, we must know this cause also. We must
explain the ‘why’ in all the senses of the term, namely, (….) and also because it is better
thus, not without qualification, but with relation to the being of each thing (pros tên he-
kastou ousian).
(Phys. II 7, 198b3–9; tr. Hardie and Gaye, in
Barnes 1984, altered)

What is healthy or good is different for men and for fish.


(EN VI 7, 1141a22–23; tr. Ross, in Barnes 1984,
altered)
Transformation and Discontinuity | 125

Natural teleology is specific to certain kinds and genera of living things, namely
those that share the same kind of ousia (at least to some extent).24 This principle
makes sure that the goals which enter the account are intrinsic to the species in
question. This way Aristotle avoids teleological explanations by goals which are
extrinsic to the natural thing in question.25 Natural teleology, we may say, expli-
cates the teleological workings of natural goodness. In Aristotle we find two
kinds of natural teleology, which I here label objective natural teleology and
subjective natural teleology. I will briefly present the structure of both of these
fields of application of Aristotle’s natural teleology.

6.2.1 Objective Natural Teleology

Objective natural teleology is objective in the sense that it does not require any
subjective representation of a goal. It “just so happens” that the items that fall
under the domain of objective natural teleology behave in goal-oriented ways.
That they do so is a primitive metaphysical fact. The fact that a chestnut tree, for
instance, grows in the way in which chestnut trees naturally grow does not
require the subjective representation of the corresponding goal-state neither on
the side of the tree nor on the side of an alleged creator. That chestnut trees
grow in this way, provided that nothing intervenes, is a metaphysical fact about
chestnut trees. It is an important feature of objective natural teleology that the
A-type goals of the relevant life-processes are the natures (souls, essences) of
the living things whose goals they are. The chestnut tree’s goal-state is the natu-
ral form, soul, essence, and nature of the chestnut tree. Final and formal cause,
essential substantial being and goal, coincide. This brings with it another im-
portant feature of objective natural teleology: the final cause of the relevant
living things (their souls, essences) are their natures (phusis) also in the sense of
the ultimate moving causes of their life-processes: final and moving cause coin-
cide as well. Applying the A, B, C–structure to the goal-directed processes of our

||
24 Aristotle’s methodological principle of commensurate universal explanation makes it that
he sometimes transgresses the boundaries of the genera of living things. He does this wherever
there are significant commonalities among heterogeneous living things that allow for a com-
mon account (see Part. an. I 1, 639a29–b5, and, more generally for the soul as the first principle
of the science of living things, see Corcilius (2023)).
25 See Corcilius (2020a) 69–74.
126 | Klaus Corcilius

chestnut tree, then, results in the following schematic representation of objec-


tive natural teleology:

Objective Natural Teleology

(A) life-function (the soul, nature) of the chestnut tree


(B) physical state realizing A in nature: the actual chestnut tree
(C) process instrumental towards the production of B: growth of the chest-
nut tree

Everything going well, the result of the process will be the achievement of the
goal in the form of a well-functioning exemplar of the living thing in question:

(A’) a particular well-functioning chestnut tree

A’, the particular well-functioning chestnut tree, is paronymous with A, which


is its teleological principle, namely the chestnut-tree soul. Something like this
paronymy-relation is expressed when we say that the tree is ‘alive’ or – in the
Greek – empsuchon: ‘endowed with soul’. All natural processes of growing
things and all other vegetative processes in Aristotelian nature take place ac-
cording to objective natural teleology. The fundamental idea behind the above
schema of objective teleology is obviously that it describes a full circle: the soul,
nature and life-function of a natural being is both, the goal and the productive
cause of its own realization; no agent, demiurge or subjective representation of
the goal state is required. Natural living things “just are such” that they engage
in and undergo processes that serve their own intrinsic goals.26

6.2.2 Subjective Natural Teleology

Unlike objective natural teleology, subjective natural teleology involves a sub-


jective presentation or a representation of a goal. Subjective natural teleology

||
26 This ontological thesis about natural living things as “self-creating systems” is one of
Aristotle’s major innovations in teleological thinking (see Lennox (1995)). This important thesis
raises a host of questions, among others the question as to how much Aristotle here relies on
the ‘craft-analogy’. A discussion of this falls outside of the scope of this paper; for a survey of
the problems and questions see Johansen (2020).
Transformation and Discontinuity | 127

applies to the domain of animal self-motion. We can introduce it by using a


simple example: an animal – a rabbit, for instance, – cognizes an object in its
environment, say, a carrot, which strikes it as pleasant. The animal desires the
object, moves towards it, brings itself in possession of the object and eats it. We
can represent the underlying teleological structure as follows:

Subjective Natural Teleology

(a) perception of a given object of desire (x)


(b) desire for x
(c) process instrumental towards achieving x (= self-motion or ‘action’ of
the animal) driven by the animal’s desire

Everything going well, this will result in:

(a’) possession of the object of desire / satisfaction (and end) of desire

This is the teleological structure of basic animal action as it underlies Aristotle’s


theory of animal self-motion in De anima III 9–11 and the De motu animalium.27
Given that this structure looks very different from objective natural teleology,
we have to ask whether it matches the general teleological A, B, C–structure of
teleological explanation as stated above. In the case of a negative answer, we
would have to conclude either that subjective teleology is not a genuine teleo-
logical explanation or that the A, B, C–structure is not generally applicable to
all the instances of explanation by final causes. Perhaps the most striking dif-
ference between the two schemata is that in subjective natural teleology the
object of desire (a), unlike the teleological principle (A) in the general schema,
does not offer a teleological ground for the goodness of the objects of desire (nor
for the goodness of other items in the schema). A perceived or otherwise cog-
nized object of desire, like the carrot in our example, does not explain why that
object is good and why it is desired by the rabbit. So, it would seem that the
schema of subjective natural teleology does not offer a complete teleological
explanation of why animals engage in self-motions. This is different in objective
natural teleology, where the A-type goals do offer fully satisfying answers to the

||
27 This is not to say that Aristotle’s theory of animal self-motion in De an. III 9–11 and the Mot.
an. is a teleological theory. It is first and foremost a theory of the moving cause of animal self-
motion; see Corcilius/Primavesi (2018) and (2021).
128 | Klaus Corcilius

question “why are B and C good for the natural thing in question?”. A-type goals
are in this sense ultimate (eschaton) that they offer ultimate answers to the
question “why are B and C good?” This is why in Aristotle’s theory we cannot
meaningfully ask why animals or plants do undergo processes for the sake of
their A-type goals.28 But we can, by contrast, meaningfully ask: for the sake of
which goal does the rabbit desire the carrot? The reason for this is that ‘object of
desire’, if conceived of as an object of perception, as e.g. in the case of the car-
rot, clearly does not offer a teleological ground for animal self-motion: “carrot”
is not a satisfying answer to the question “why is it good?”
Aristotle’s theory of desire, however, does offer teleological grounds for the
goodness of the objects of desire. These grounds are what he calls the “highest
goals” of the three different kinds of desire he accepts in his theory. They are the
rational good (to agathon), which is the goal of the desire for the rational good
(boulêsis, often translated as wish), social recognition (honor, timê) for thumos,
the desire for social rank and recognition, and pleasure (hêdonê) for appetitive
desire (epithumia), which is the desire for pleasure.29 Leaving out the rational
good for the time being, there is, then, a full Aristotelian explanatory account of
animal self-motion available that entails a satisfactory teleological ground for
the fact that animals desire objects, namely either because these objects are
(and / or seem to them) honorable or they are or seem pleasurable to them. If we
now integrate these Aristotelian teleological grounds of desire in the above
schema of subjective teleology, we can assimilate it to some extent to the sche-
ma of objective natural teleology, as it now turns out that desires do have high-
est goal as their teleological principles, after all. But actually, there is an even
closer connection between the two schemata. The connection consists in the
fact that there is also a teleological ground for the fact that animals desire the
highest goals of their desires in the first place. We can meaningfully ask “why
do animals desire social rank and pleasure?”. And the answer to that question
will be the same in both instances, namely that it is the natures of the animals in
question that determine which highest goals they desire. So, pleasure and social
rank as the highest goals of animal desires are themselves teleologically
grounded in terms of what these animals are, that is to say in terms of what
souls, essences and natures these animals have. It is only animals with natures,
i.e. hylomorphic compounds that move and undergo natural processes, that

||
28 Top. VI 8, 146b9–12, An. post. I 24, 85b27–35. See Corcilius (2019) 17.
29 Top. VI 8, 146a36–b9; for discussion see Corcilius (2008) 56–64 and Corcilius (2011) 119–
121, Corcilius/Primavesi (2018) CCXIV–CCXVI.
Transformation and Discontinuity | 129

desire pleasure and social rank as highest goals. Pleasure and social rank are
the highest goals of animal behavior because of what animals are, i.e. because
of their animal souls, essences and natures. This is what Aristotle suggests in
his History of Animals:

And what is natural is pleasant; and all pursue their natural pleasure.
(Hist. an. VIII 1, 589a8–9, tr. Balme)30

Aristotle’s account of non-rational desire in the De anima confirms this picture.


It says that animals experience pleasure (or pain) whenever they perceive ob-
jects that are good or bad for them. Here, the sense of ‘good or bad’ is biological;
it is to be taken in the sense of ‘conducive or detrimental to the animal’s self-
preservation’ in the sense of the preservation of their natures. The result is what
I call a homeostatic account of self-preservation on the level of perceivers:31

To perceive then is like bare saying or thinking; but whenever it is pleasant or painful, the
soul, as if it were affirming or denying, pursues or avoids, and to feel pleasure and pain is
to act with the perceptual mean in relation to what is good or bad insofar as they are such.
(De an. III 7, 431a8–11)

What regulates sensations of pleasure and pain and desires in animals are their
biological needs, and these biological needs are determined by their natures
(souls, essences), i.e. by what they are. When animals are in need, e.g. in need
of food, their perceptions of eatable things will strike them as pleasant, which is
why they will feel attracted by these things and so on. And they will cease to feel
attracted by them as soon as their needs have been met, and this will be the
case whenever their natures have been “restored”. Their natures in this sense
determine the “states of equilibrium” of their bodily states. There is, in other
words, a teleological grounding relation between the subjective goals of ani-
mals and their natures. It is animal natures that are the regulating principles of
their desires and their sensations of pleasure and pain. The upshot of all this is
that subjective natural teleology, in Aristotle’s way of thinking about it, is em-
bedded in objective natural teleology.

||
30 Cp. De an. III 12, 434b14–27, Sens. 1, 436b15–437a1.
31 I argue for this biological interpretation of Aristotle’s definition of non-rational pleasure
and pain and desire at length in Corcilius (2008), Part I, and in Corcilius (2011). A shorter ver-
sion can be found in Corcilius/Primavesi (2018) CCII–CCXVI and in Corcilius (2021).
130 | Klaus Corcilius

Embedded Subjective Natural Teleology

(A) life-function (soul, nature) of the animal


(B) physical state realizing A
(b) cognition of some x, which is good for the animal because it is condu-
cive to B, and, for that reason, pleasant to, and desired by it
(C) process instrumental towards the production / possession of x (driven
by desire)

Which, everything going well, will result in

(b’) realization / satisfaction of the desire for x and end of desire


(A’) a particular well-functioning animal

Animals desire things they subjectively perceive or represent because, ultimate-


ly and usually unbeknownst to the animals, these things are either conducive or
detrimental to their natures, which are their ultimate A-type goals. The structure
of embedded subjective natural teleology thus again describes a full circle, start-
ing with an animal nature as the final, the formal and the ultimate moving
cause of the process and ending with a particular animal that is in possession of
its natural state. So we ought to conclude that subjective natural teleology is not
a self-standing mode of teleological explanation but fundamentally an extended
case of objective natural teleology. And because it is embedded in objective
natural teleology, subjective teleology works on the basis of A-type goals which
are also the moving causes of the ensuing processes. Embedded subjective nat-
ural teleology is the underlying structure of Aristotle’s teleology of animal ac-
tion and self-motion. It is also an instance of teleological subordination of the
vegetative under the perceptual part in that the vegetative machinery of objec-
tive teleology continues to take care of the biological reproduction of the animal
by providing it with a highest goal and moving cause, albeit in such a way that
it is the animal nature (A) which is reproduced. This suggests that the vegetative
soul continues to provide its functions qua vegetation (self-preservation) but it
provides it with what turns out to be an essentially transformed nature, namely
the nature of the animal (a perceiving living thing in the sense of an operation-
ally fused natural unity). In this way, vegetation is teleologically subordinated
to perception.
So much for the different kinds of natural teleology in Aristotle. Before I
turn to non-natural teleology, let me take stock by listing a number of structural
features of embedded subjective natural teleology as they emerge from the brief
discussion above:
Transformation and Discontinuity | 131

Some Important Features of Embedded Subjective Natural Teleology

(i) The subjective goals of animal behavior (B) are subordinated in nested
hierarchical teleological structures whose final goals are set by the
universal biological nature of the animal (A). Such natural goals of
animals are intrinsically good for them in virtue of being members of
their species.
(ii) The ultimate final cause (A) – the animal’s nature – is also the
ultimate moving cause of the process in the service of A’s realization
(via the causal powers of the animals’ desires).
(iii) Because of (i) and (ii), the teleological subordination of the goals of
animal desires under their natures is intrinsic: it is a basic fact of
objective natural teleology that the highest goals of animal desires are
determined by their natures.
(iv) Basic animal self-motion is homeostatic: in pursuing their subjective
goals, animals tend towards the restoration of disturbed equilibrium
states (determined by their natures, A) which provide the standards
for determining at which point their desires are satisfied and their self-
motions stop and vice versa. A lack of the natural condition means
pain, its restoration pleasure: non-rational goal-oriented states always
involve states of pleasure and / or pain for which there always are
contrary states of pleasure and / or pain, corresponding to lack and
restoration of the corresponding natural states.
(v) Because of (iv), animal self-motions are finite. There are external
limits to animal self-motion: their terminus ad quem (the peras, the
point where they stop to move in direction of their goals) coincides
with their having reached their goals. (Mot. an. 6, 700b15–16)32
(vi) Because of (v), the goals of natural self-motions are variably good,
which is to say that they can, at different points of time, be attractive
or unattractive to the animals in accordance with their bodily (or
affective) condition.

So much for the structure of the natural teleology of animal behavior in Aristo-
tle. Natural teleology applies to all living things insofar as they are endowed
with a vegetative soul, while embedded natural teleology applies to the way in
which the vegetative souls of animals are teleologically subordinated to their

||
32 I argue for this in Corcilius (2020b) 310–314.
132 | Klaus Corcilius

perceptual souls. In the latter case, the mode of teleological subordination is


natural, i.e. the vegetative and perceptual parts of the soul are teleologically
subordinated naturally: the highest goals of animal self-motion fully coincide
with their natures as they are ontologically tied to them as ultimate moving
causes of their bodies. This is why they are “of one piece” and operationally
fused: non-rational natures are intrinsically bodily, which is to say that they are
hylomorphic. I now move on to a short glimpse at some of the structural fea-
tures of rational goals in Aristotle. As we will see, here the mode of teleological
subordination will be significantly different.

7 A Short Glimpse on Non-Natural Teleology


Rational Goals

I will start with a brief list of features of non-natural, i.e. rational goals insofar
as they are relevant for our question. This list will touch upon issues the details
of which are partly controversial. However, I think the emerging general picture
of the teleological structure of rational goals should be more or less uncontro-
versial. To start with, from the short characterization of Aristotle’s theory of
desire given above it follows that all those ultimate goals of human action that
are neither pleasure nor social recognition will be rational. Note that this con-
ception of rational goals is teleological. Rational goals are to be kept apart from
the involvement of rationality in the pursuit of non-rational goals, i.e. they are
to be kept apart from the employment of rational means for the pursuit of non-
rational goals. This is so because, from a teleological point of view, to pursue
non-rational goals with rational means (deliberately, premeditatively etc.) just
is to pursue non-rational goals. One may also pursue things that are “rational”
for any member of a given species to pursue. Thus, it may be “rational” in this
sense for a lion to pursue a hare or it may be rational for any living being with a
body to pursue food. This, unless one understands this as a claim about intrin-
sically rational goals (in which case the qualification “for any member of a giv-
en species” would be superfluous), is a sense of “rational” that ties the concept
of rationality to species-relative goals. Again, from an Aristotelian teleological
perspective, such cases, even though they may involve a great deal of rationali-
ty, are not cases of genuinely rational motivation. Rational goals properly
speaking, then, in Aristotle’s philosophy, are not relative to any given species or
nature. The per se correlate object of rational desire – wish (boulêsis; De an. III
9, 432b5, Top. IV 5, 126a13) – is “primarily that which is noble” (Met. XII 7,
Transformation and Discontinuity | 133

1072a28) and, in a more extended sense, “a good”,33 i.e. wish correlates with
what is rationally good. “Good” is here to be taken in an absolute sense and not
in the sense of “good for this or that species” or “good for me in this particular
moment” etc.34 This entails that wish (boulêsis), unlike non-rational desires, as a
desire can relate us to objects that invariably bring pleasure with them and that
do not involve corresponding contrary states of pain.35 Examples of such ration-
al goals that are completely detached from anything natural are god, and per-
haps the contemplation of the truth,36 whereas health (of some other person),
justice, and generally the virtues seem to be examples of rational goals that may
be specific for human beings even if they do not involve natures as goals.

Nature and Rationality

Apart from the different relation that the goals of rational desire bear to natural
species canvassed above, there is a further crucial difference between the ra-
tional capacity of the soul (nous) and vegetative and animal (perceptual) na-
tures. Aristotle emphasizes that rationality does not constitute a nature in the
physical sense of “source of motion”:

However it is not the case that all soul is an origin of process / motion (kinêsis), nor all its
parts; rather, of growth the origin is the part which is present also in plants, of alteration
the perceptive part, and of locomotion something else and not the rational part; for loco-
motion is present in other animals too, but thought in none. So it is clear that one [i.e. the
natural philosopher] should not speak of all soul.
(Part. an. I 1, 641b4–9; tr. Lennox, altered)37

This passage severs the intimate connection between goal and moving cause
that we have found in the different varieties of natural teleology. From the

||
33 Which in the context of the passage in the Topics is to be taken in a sense that contrasts
with “pleasure”, Top. VI 8, 146b5–6.
34 Cp. Mot. an. 6, 701a32–35.
35 Alupon, Top. VI 8, 146b2. There are to be sure wishes in Aristotle’s theory that aim at non-
rational goals. For a discussion see Corcilius (2008) 160–207. Here, however, we are interested
in rational goals from a teleological perspective.
36 E.g. Met. XII 7, 1072b24–26; EN X 9, 1178b20–32.
37 Vgl. EN VI 2, 1139a35–36; De an. III 9, 432b26–29. In the literature, a prominent strategy of
explaining away Aristotle’s commitment to the causal inertia of rational desire per se is to say
that in these and such contexts he speaks of theoretical nous only. This ignores the, in this
respect, very clear passage in Part. an. I 1 just quoted.
134 | Klaus Corcilius

standpoint of natural teleology, then, the motivational relevance of rational


goals becomes a serious question: rational goals, unlike animal natures, do not
seem to be per se moving causes of human action because they are not per se
moving causes at all. These differences change the picture of the mode of teleo-
logical subordination of the perceptual under the rational part of the soul signif-
icantly.
The following points of contrast between natural and non-natural teleology
stand out:
(i) For humans, rational goals, unlike natural goals, are not per se moving
causes of processes and motions (archê kinêseôs, Part. an. I 1, 641b4–9,
Met. IX 5, 1048a2–24, EN VI 2, 1139a35–b5, De an. III 10, 433a23 etc.).
(ii) Rational goals are not embedded in a nested teleological structure whose
final goal is set by objective natural teleology. They are not relative to any
given body or natural species; at times they can even conflict with the goals
of natural teleology (like in cases of moral conflict).
(iii) Rational goals do not provide standards for equilibrium states (there is no
“rational state” of the human being invariantly corresponding to any de-
terminate bodily state). Indeed, the highest goals of human rational action
(our A-type goals) stand in more or less contingent relations to what we do
for their sake (B-type goals). There are no corresponding contrary states of
pain for rational pleasures.
(iv) Because of (iii), rational goals do not provide external limits for human self-
motion. Rational action as such would go on forever, if not for reasons that
have to do with our non-rational nature. This is to say that qua the exercise
of our rational capacities in the contemplation of eternal truths there is no
reason why thinking should ever stop, if it was not for our other (animal)
nature with its need for nourishment etc. (EN VII 15, 1154b21–31, see
De an. III 4, 430a5f.)

To be sure, each single of these features of non-natural teleology calls for fur-
ther discussion. But whatever the details and the controversies around them
may be, I hope the list shows that there is a deep structural discontinuity be-
tween rational and non-rational teleology in Aristotle. This discontinuity makes
it that the motivational relevance of rational goals – and therewith the existence
of rational human action – is in need of an explanation for Aristotle that is cru-
cially different from the explanatory scheme of natural teleology and from the
scheme of embedded subjective natural teleology in particular. Aristotle is no
doubt firmly committed to the thesis that the perceptual and nutritive parts of
the human soul are teleologically subordinated to the rational part. He says so
Transformation and Discontinuity | 135

many times. He is also committed to the thesis that from a normative perspec-
tive rational goals should be a per se cause of human action (as opposed to ani-
mal self-motion). That, however, does not imply or suggest that the non-rational
capacities and desires are subordinate to rationality in the same way in which
natural goals or desires are subordinated to animal natures, which, as we have
seen, is the basic idea underlying the simplistic transformative account of hu-
man rationality as presented above. Insofar as it involves rational goals, the
motivation of human action cannot be explained by means of natural teleology
in the sense of a human nature as a goal that is a source of motion and specific
to human beings. There is no specifically human nature in Aristotle that works
in the same way in which the natures of animals and plants work. Therefore,
applying the same conception to animals and humans is an exceedingly ab-
stract, one size fits all application of the idea of teleological subordination. But
as we have seen, for Aristotle, rational motivation does not take place by na-
ture.38 In acting rationally, humans transcend the animal part of their nature,
but in so doing they do not acquire their own specific human nature. Rather, for
Aristotle, to transcend animal nature is to transcend nature altogether. This
reflects also in the mode of acquisition of human rationality (again, understood
teleologically). It is our achievement.39 As such it involves habituation and moral
education, i.e. behavioral and intellectual, social, political, and historical pro-
cesses.40 These processes compensate for the fact that we lack a specific human
nature. These processes are non-natural, fragile, and in principle always re-
versable, which is why in human beings genuine mental conflict and the eclipse
of reason is possible. This is the fundamental difference between the teleologi-
cal subordination of natural capacities of the soul to each other on the one hand
and their subordination to rationality on the other. While the former mode of
subordination has the character of an irreversible fusion of parts (recall: the
dog’s vegetative capacity functions in the service of the self-preservation of the
dog’s soul and is operationally fused with it), the latter has the character of a

||
38 At least not for the most part. With regard to some rational states (noêtikai hexeis), Aristotle
seems to have allowed for the possibility of their acquisition “by nature” (as opposed to “by
others”, Phys. VII 3, 248a2–6, which I take to be a hint at the essentially social and historical
dimension of human rationality. See below).
39 Of course, nature equips us with the capacity (or flexibility) of turning us into rational
beings (EN II 1, 1103a23–26).
40 Habituation is important here especially in that it makes us feel pleasure about doings
things which from a natural point of view not pleasurable for us, see, e.g., Rhet. I 11, 1369b15–
18, and Corcilius (2008) 162–207.
136 | Klaus Corcilius

relation among parts that, to some sizable extent at least, remain distinct from
each other.41 That relation, in successful cases of subordination at least, is akin
to a reciprocal, yet asymmetric, relation among parts of the soul that form a
teleological unity while they remain distinct from each other and that Aristotle
calls “love” (philia).42 Hence, if we wish to tell a story of the teleological subor-
dination of our non-rational capacities to our rational capacity in Aristotle,
these and such like complexities of his moral psychology should be taken into
account. I trust that telling such a story on Aristotle’s behalf is possible, and I
also trust that the resulting account will be a transformative one, albeit not in
the simplistic sense canvassed above. I furthermore trust that the picture of the
human condition emerging from such an account will be more adequate than
what the simplistic account of human rationality suggests.

Bibliography
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Mass., London.
Barnes (1971–1972): Jonathan Barnes, “Aristotle’s Concept of Mind”, in: Proceedings of
the Aristotelian Society 72, 101–114.
Barnes (1984): Jonathan Barnes (ed.), The Complete Works of Aristotle. The Revised Oxford
Translation, 2 vols, Princeton.

||
41 To which extent exactly is an interesting question. Do we, for instance, always perceive in
ways that are subservient to our rational capacities?
42 Cp. the following statement about what we may regard the ideal result of moral education,
namely the self-controlled person: “But such a man would seem more than the other a lover of
self; at all events he assigns to himself the things that are noblest and best, and gratifies the
most authoritative element in himself and in all things obeys this (peithetai); and just as a city
or any other systematic whole is most properly identified with the most authoritative element
in it, so is a man; and therefore the man who loves this and gratifies it is most of all a lover of
self. Besides, a man is said to have or not to have self-control according as his intellect has or
has not the control, on the assumption that this is the man himself; and the things men have
done from reason are thought most properly their own acts and voluntary acts. That this is the
man himself, then, or is so more than anything else, is plain, and also that the good man loves
most this part of him. Whence it follows that he is most truly a lover of self, of another type
than that which is a matter of reproach, and as different from that as living according to reason
is from living as passion dictated, and desiring what is noble from desiring what seems advan-
tageous.” (EN IX 8, 1168b28–1169a6, tr. Ross, in Barnes (1984) ). For a recent discussion of
philia as a relation to one’s own self see Rapp (2019).
Transformation and Discontinuity | 137

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Antonio Ferro
Der orexis-Begriff in Aristoteles’ De anima
III 9–10
Das Einheitsproblem und sein platonischer Hintergrund

1 Einleitung
In den Kapiteln 9 bis 10 des dritten Buchs seiner Schrift De anima stellt Aristote-
les eine Untersuchung des seelischen Vermögens an, welches sowohl bei Tieren
als auch bei Menschen für die Orts- oder Fortbewegung, d.h. die Bewegung von
einem Ort zu einem anderen hin, kausal verantwortlich sein soll.1 Dabei unter-
streicht er die Zäsur zwischen der Abhandlung der kognitiven Vermögen in
De anima II 5–III 8, die das Wahrnehmungsvermögen und das Denken umfasst
und nun für abgeschlossen erklärt wird, und der anstehenden Erörterung der
Fähigkeit zur Ortsbewegung in De anima III 9–11.
Die diese Kapitelgruppe durchziehende Fragestellung wird zu Beginn von
Kapitel 9 aufgeworfen: Es soll das betreffende Seelenvermögen zur Ortsbewe-
gung (kurz: „das Bewegende“ oder „der Beweger“) ermittelt werden, und zwar
vor allem im Hinblick auf die Frage, ob (1.1) es ein neues einheitliches und ei-
genständiges bzw. über die bereits bekannten Seelenteile hinausgehendes Ver-
mögen darstellt oder (1.2) ob es mit einem von diesen (in einem noch zu präzi-
sierenden Sinne) identisch ist oder (2) ob die ganze Seele (d.h. die Zusammen-
setzung aller Seelenvermögen oder -Teile)2 für die Ortsbewegung verantwortlich
ist.

||
1 Mein ganz besonderer Dank gilt Friedemann Buddensiek und Béatrice Lienemann für ihre
zahlreichen Anmerkungen und Verbesserungsvorschläge. Der vorliegende Aufsatz entstand
größtenteils im Rahmen meines Forschungsaufenthalts an der Martin Buber Society of Fellows
in the Humanities at the Hebrew University Jerusalem im akademischen Jahr 2018–2019, der
durch das BMBF finanziell unterstützt wurde. Für Stellenverweise verwende ich den jeweiligen
OCT (R. (Burnet), De an., EN, Met., Phys.), die Ausgabe von W.D. Ross für Mem. und Insomn.,
die Budé-Ausgabe für Part. an.
2 Entgegen einer heutzutage gängigen Deutung, welche ursprünglich von Whiting (2002)
stammt und von Corcilius/Gregoric (2010) verbessert und weiterentwickelt wurde, halte ich die
Begriffe „(Seelen-)Vermögen“ (dynamis) und „(Seelen-)Teil“ (morion) im Kontext von De anima

https://doi.org/10.1515/9783110735598-007
140 | Antonio Ferro

Im Folgenden (§ 4) werde ich für die These plädieren, dass Aristoteles eine
argumentativ klar nachvollziehbare Antwort auf die Eingangsfrage im Sinne
von (1.1) liefert. Meiner Rekonstruktion des Gedankengangs geht eine Ausei-
nandersetzung mit einer jüngst sehr einflussreich gewordenen Deutungslinie
voraus (vgl. § 3.2 unten), die besagt, dass (1.2) (oder eine Variante davon) Aristo-
teles’ endgültige Antwort auf die Frage nach dem Beweger spiegelt.
Dabei stellt diese Interpretation auf eine vermeintlich aristotelische Unter-
scheidung zwischen (bloßen) Seelenvermögen und eigentlichen Seelenteilen ab,
welche die bisherige Forschung angeblich missachtet habe. Ich werde zunächst
Gründe gegen diese Deutung und die ihr zugrunde liegende philosophische
Motivation vorbringen und dann Argumente für die These liefern, dass Aristote-
les lediglich deshalb die Aporie über Seelenteile aufwirft, weil sie zum einen
von einer grundlegenden Schwierigkeit für die Anwendung der platonisch-
akademischen wissenschaftlichen Methode der Einteilung auf die Seele zeugt
und zum anderen das Scheitern einer solchen Methode an einem besonderen
Fall verdeutlicht: Er zeigt auf, inwiefern eine solche Methode es unmöglich
macht, ein formal einheitliches Seelenvermögen anzuerkennen, welches für die
Ortsbewegung von Tieren und Menschen verantwortlich sein soll. Aristoteles’
Kritik gilt dabei offensichtlich Platons Argument für die Dreiteilung der Seele im
4. Buch der Politeia, dem die Betrachtung von inneren Konflikten (d.h. unter
anderem prima facie-Fällen von akrasia) zugrunde liegt und der Platons be-
rühmtesten Beitrag zur Analyse der Handlungsmotivation darstellt.
Besonders augenfällig in diesem Zusammenhang ist die zunächst eher un-
gewöhnlich bzw. platonisch anmutende Darstellung der akrasia als eines Kon-
flikts zwischen entgegengesetzten Strebungen bzw. zwischen Vernunft und
Begierde (vgl. auch III 11, 434a12–14; EN I 13, 1102b14–25). Als ungewöhnlich
kann man dieses Bild insofern bezeichnen, als gemäß dem von Aristoteles in EN
VII 3 entfalteten Modell der akrasia diese nicht im Sinne eines innerseelischen
Konflikts („struggle“) zu verstehen, sondern vielmehr als ein kognitives Versa-
gen („ignorance“) einzuordnen ist.3 Aus der im Folgenden (§ 4) entwickelten

||
für austauschbar und ich verwende sie hier entsprechend. In dieser Hinsicht ist meine Deutung
als eine Variante der Lesart zu betrachten, die die letztgenannten Autoren als die „standard
view“ bezeichnen. In § 3.2 wird ihre Auslegung, wonach nicht alle Seelenvermögen (darunter
auch das Vermögen zur Ortsbewegung) Teile der Seele sind, einer ausführlicheren Kritik unter-
zogen.
3 „Struggle account“ (De an. III 9–11) und „ignorance account“ von akrasia werden in Moss
(2012), insb. Kap. 5, kontrastiert. Den ersten Erklärungsansatz bezeichnet Moss als „a close
descendant of Plato’s account of motivational conflict in Republic IV“ (101). Sie argumentiert
Der orexis-Begriff in Aristoteles’ De anima III 9–10 | 141

Lesart soll allerdings hervorgehen, dass das etwas abweichende Modell der
akrasia mit dem theoretischen Grundproblem zusammenhängt, mit dem Aristo-
teles in De an. III 9–10 konfrontiert ist in seiner Bestrebung, die Frage nach dem
Bewegenden angemessen zu beantworten. Der Lösungsansatz, den Aristoteles
in De anima erarbeitet, weist aber im Grunde bereits den Weg, den er in der
Nikomachischen Ethik beschreitet.

2 Die Eingangsfrage in De an. III 9


In De an. III 9 führt Aristoteles das Hauptthema der zu führenden Untersuchung
folgendermaßen ein:4

T1. Da die Seele der Lebewesen entsprechend zweier Vermögen bestimmt wird, nämlich
einerseits durch das Vermögen zu unterscheiden, welches die Leistung des Denkens und
der Wahrnehmung ist, und ferner auch dadurch, die Ortsbewegung zu vollziehen, und da
Wahrnehmung und Vernunft so weit behandelt sein sollen, so ist die Untersuchung über
das Bewegende zu führen, nämlich welches (Vermögen) der Seele es ist, ob es sich dabei
um (1) einen bestimmten Teil von ihr handelt, der entweder der Größe nach oder dem Be-
griff nach abtrennbar ist, oder (2) um die Seele als ganze, und wenn es ein bestimmter Teil
ist, ob er (1.1) ein eigenständiger Teil neben den für gewöhnlich genannten und den be-
reits besprochenen oder (1.2) ein bestimmter von diesen.5

Die Fragestellung zeichnet sich zunächst dadurch aus, dass sie nicht mehr das
„kritische“ Vermögen betrifft, welches bereits in II 5–III 8 ausreichend abge-
handelt wurde, sondern vom „Bewegenden“ handelt, d.h. dem zweiten Haupt-
vermögen, durch das die Seele der Lebewesen bestimmt wird. Die Frage nach
dem Bewegenden wird dahingehend präzisiert, dass es dabei um „(etwas) der
Seele“ (432a19: ti tês psychês) gehen soll.

||
allerdings nicht nur, dass beide Ansätze vereinbar sind, sondern auch, dass die De anima-
Abhandlung das in der Nikomachischen Ethik vorzufindende Erklärungsmodell näher zu be-
leuchten vermag (100).
4 Die hier verwendete deutsche De anima-Übersetzung stammt von Corcilius (2017). Stellen-
weise wurde sie jedoch leicht geändert.
5 De an. III 9, 432a15–22: ἐπεὶ δὲ ἡ ψυχὴ κατὰ δύο ὥρισται δυνάμεις ἡ τῶν ζῴων, τῷ τε
κριτικῷ, ὃ διανοίας ἔργον ἐστὶ καὶ αἰσθήσεως, καὶ ἔτι τῷ κινεῖν τὴν κατὰ τόπον κίνησιν, περὶ
μὲν αἰσθήσεως καὶ νοῦ διωρίσθω τοσαῦτα, περὶ δὲ τοῦ κινοῦντος, τί ποτέ ἐστι τῆς ψυχῆς,
σκεπτέον, πότερον ἕν τι μόριον αὐτῆς χωριστὸν ὂν ἢ μεγέθει ἢ λόγῳ, ἢ πᾶσα ἡ ψυχή, καὶ εἰ
μόριόν τι, πότερον ἴδιόν τι παρὰ τὰ εἰωθότα λέγεσθαι καὶ τὰ εἰρημένα, ἢ τούτων ἕν τι.
142 | Antonio Ferro

Damit schränkt Aristoteles die Antwortmöglichkeiten ein: Die Ausgangsfra-


ge soll ausschließlich unter Angabe eines seelischen Vermögens bzw. Teils be-
antwortet werden. Somit scheiden einige Optionen gleich aus: Bei dem gesuch-
ten Bewegenden handelt es sich im Zusammenhang von De an. III 9–10 weder
um den – für sich betrachteten – Körper oder einen Körperteil des Lebewesens
noch um das Lebewesen als Kompositum von Körper und Seele. Der Fokus liegt
ausschließlich auf der Beteiligung der Seele an der Entstehung von Ortsbewe-
gung.6
Kaum überraschend lässt die Abhandlung mehrere grundlegende Fragen
bewusst außer Betracht: Anhand der durchgeführten Untersuchung lässt sich
z. B. gar nicht sagen, warum eine konkrete Episode der Ortsbewegung bei einem
bestimmten Tier zu einem bestimmten Zeitpunkt anfängt bzw. aufhört und
nicht früher oder später. Das heißt allerdings noch lange nicht, dass die Analyse
der Ortsbewegung in De an. III 9–10 als unvollständig oder anderweitig man-
gelhaft zu beurteilen wäre. Denn Aristoteles erhebt in diesen Kapiteln keinen
Anspruch auf eine wissenschaftlich erschöpfende Abhandlung, sondern hält
sich vielmehr an ein Prinzip der disziplinären Arbeitsteilung.7 Eine befriedigen-
de naturwissenschaftliche Erklärung der animalischen Ortsbewegung kann sich
erst dann abzeichnen, wenn man die dem Thema gänzlich gewidmete Schrift
De motu animalium sowie das 8. Buch der Physik und zwar insbesondere die in
Phys. VIII 5 durchgeführte Kausalanalyse der Selbstbewegung mit einbezieht.8
De anima III 9–10 hat jedoch einen wesentlichen Beitrag zu leisten (vgl. § 4
unten).
Der Wortlaut in T1 legt außerdem nahe, dass die Antwortoptionen einer zu-
sätzlichen Beschränkung unterliegen: Sie umfassen lediglich (1) und (2), wobei
(1) wiederum zwei Möglichkeiten, (1.1) und (1.2), zulässt. Demnach ist das Be-
wegende entweder ein Seelenvermögen bzw. -teil – einerlei ob, das Vermögen
ein völlig neues ist oder mit einem der bereits bekannten zusammenfällt – oder
die Seele als Ganze.
Offensichtlich unberücksichtigt bleibt dabei die Möglichkeit, dass das ge-
suchte Bewegende mit mehr als nur einem Seelenvermögen zu identifizieren sei
bzw. dass es sich aus mehreren Seelenvermögen zusammensetze. Es kann kein
bloßer Zufall sein, dass Aristoteles in T1 dem Ausdruck für „Seelenteil“ (mori-

||
6 Vgl. Corcilius (2008) 247.
7 Vgl. De an. III 10, 433b19–21.
8 Auf Letztere greift Aristoteles bereits in De an. III 10, 433b13–27, mit Verweis auf das drei-
gliedrige Schema „(Unbewegt) Bewegendes – Werkzeug – Bewegtes“ ausdrücklich zurück.
Der orexis-Begriff in Aristoteles’ De anima III 9–10 | 143

on), der mit dem Indefinitpronomen verbunden ist, zweimal das Wort hen an-
fügt: Er spricht zunächst von „eine[m] bestimmten Teil“ (hen ti morion) der See-
le, um die Antwort des Typs (1) allgemein zu charakterisieren, und dann ver-
wendet er die gleiche Formulierung: „ein bestimmter [Teil] von diesen“ (toutôn
hen ti), um (1.2) einzuführen.
Die Charakterisierung der verfügbaren Antwortalternativen erinnert teilwei-
se an den Beginn der Erörterung der Seelenteile im 4. Buch der Politeia, wo
Sokrates die Ausgangsfrage folgendermaßen einführt: „Das ist aber wohl
schwer, ob wir mit eben demselben [tôi autôi toutôi] alles verrichten oder von
dreien mit jeglichem ein anderes [allo allôi] […] oder ob wir mit der ganzen Seele
[holêi têi psychêi] jegliches von diesen verrichten, wenn wir einen entsprechen-
den Impuls haben [hotan hormêsômen]“ (436a8–b2, und das weitere Vorgehen
so beschreibt: „[…] lass uns versuchen zu bestimmen, ob es unter sich dasselbe
[ta auta allêlois] ist oder ob verschiedenes [hetera]“ (436b5–6).
Aus dem 4. Buch der Politeia wird das Hauptkriterium der von Motivations-
konflikten ausgehenden Seelenteilung (d.h. das sog. „Prinzip der Gegensätze“)
zwar ersichtlich, doch der genaue Sinn, in dem jeder Teil eines und damit von
allen anderen Teilen verschieden ist, ist in der Sekundärliteratur notorisch um-
stritten. Einige Interpreten (insb. Shields 2010) vertreten die Ansicht, dass die
Seelenteile eher als bloße „Hinsichten“, „Eigenschaften“ oder „Merkmale“ der
Seele (aspectual parts) denn als strikte „Bestandteile“ (compositional parts)
derselben zu verstehen sind, während andere Platon ein viel radikaleres Ver-
ständnis der Seelenteile als separate Subjekte unterstellen, welches die Einheit
der Seele zu einem schwer zu lösenden Problem werden lässt.9 Ebenfalls klä-
rungsbedürftig ist das Verhältnis zwischen der im 4. Buch durchgeführten Drei-
teilung der Seele und der Zweiteilung zwischen vernünftigem und unvernünfti-
gem Teil im 10. Buch der Politeia, die Aristoteles vermutlich auch (vgl. T2
unten) anklingen lässt.10
Aristoteles beschränkt sich hingegen darauf, auf eine angeblich noch offene
Frage nach der Art der Abtrennung des gesuchten Seelenteils von den anderen
hinzuweisen, nämlich die, ob das gesuchte Vermögen zur Ortsbewegung „ent-
weder der Größe nach oder dem Begriff nach [von den anderen] abtrennbar ist“
(432a20: chôriston on ê megethei ê logôi). Diese Alternative wird im Folgenden
fallen gelassen, vor allem hinsichtlich der ersten Möglichkeit, welche bereits in

||
9 Zu den Befürwortern dieser Lesart sind z.B. Bobonich (2002) und Lorenz (2006) zu zählen.
Zum Einheitsproblem im Rahmen der Politeia siehe Brown (2012).
10 Siehe hierzu vor allem Moss (2008) und Ganson (2009).
144 | Antonio Ferro

De an. II 2 für alle Seelenteile (bis auf die Vernunft)11 emphatisch ausgeschlos-
sen wurde, doch Aristoteles weist im Folgenden auf eine wesentliche Schwie-
rigkeit bezüglich der begrifflichen Abtrennbarkeit der Seelenteile und der von
nicht namentlich genannten Denkern aufgestellten Kriterien für die Seelentei-
lung hin.
Bezüglich Alternative (1.1) ist außerdem anzumerken, dass Aristoteles zwi-
schen den „gewöhnlich genannten“ und den „bereits besprochenen“ Seelentei-
len unterscheidet. Bei den ersteren handelt es sich um diejenigen, die im Grun-
de auf Platons eigene Einteilung der Seele im 4. bzw. 10. Buch der Politeia
zurückgeführt werden können. Letztere sind diejenigen, die bisher im Rahmen
von De anima abgehandelt worden sind, d.h. Ernährungs-, Wahrnehmungs-
und Denkvermögen. Anders als bei den spätantiken Kommentatoren12 hat diese
Differenzierung in der jüngeren Literatur oft keine Beachtung gefunden. Rele-
vant ist sie aber vor allem deshalb, weil diese voneinander abweichenden Ein-
teilungen sich aus zwei grundsätzlich verschiedenen Erklärungsansätzen erge-
ben, von denen laut Aristoteles nur einer sich für den wissenschaftlichen
Gebrauch eignet. Außerdem spielt sie insofern eine wichtige Rolle, als sie uns
einen Einblick in Aristoteles’ argumentative Strategie gewährt: Zum einen hin-
terfragt er die Anwendung der Einteilungsmethode auf die Seele und zweifelt
damit die Haltbarkeit ihrer Ergebnisse, d.h. die „gewöhnlich genannten“ See-
lenteile (vgl. § 4 unten), an und zum anderen zeigt er in III 9, 432b8–433a1 mit-
tels eines stringenten Ausschlussverfahrens auf, warum jedes der „bereits be-
sprochenen“ Seelenvermögen (Ernährungs-, Wahrnehmungs- und Denkvermö-
gen) als Kandidat für die Rolle als Bewegendes ausscheiden muss. Trifft diese

||
11 In De an. II 2 fragt Aristoteles, ob die Seelenteile „nur dem Begriff nach […] oder auch dem
Orte nach“ (413b14–15: chôriston logôi monon ê kai topôi) voneinander abtrennbar sind. Seine
Antwort lautet, dass „die übrigen Teile der Seele“ (413b27–28: ta loipa moria tês psychês) – die
Vernunft und das „Vermögen der theoretischen Betrachtung“ ausgenommen – hingegen nicht
„in der Weise abtrennbar [χωριστά] sind wie manche sagen“. Vermutlich heißt dies, dass sie im
Gegensatz zu Platons Annahme im Timaios nicht in räumlich getrennten Körperregionen zu
verorten sind (vgl. auch I 5, 411b26–27), sondern lediglich „dem Begriff nach (voneinander)
verschieden“ (tôi logôi hetera). Obwohl die platonisch-akademische Annahme der begrifflichen
Abtrennbarkeit der Seelenteile laut Aristoteles ebenfalls problematisch ist, wird sie erst in
De an. III 9–10 ausführlich thematisiert. Für eine andere Lesart plädieren Corcilius/Gregoric
(2010), 97–102.
12 Simpl. in De an. 287.25–31 Hayduck; Them. in De an. 116.31–117.1 Heinze.
Der orexis-Begriff in Aristoteles’ De anima III 9–10 | 145

Rekonstruktion zu, so beabsichtigt er wohl bereits in III 9 Argumente gegen die


Option (1.2) anzuführen (vgl. § 4 unten).13
Wie ich im nächsten Abschnitt darlegen werde, erfüllt Aristoteles’ knappe
und scheinbar zusammenhangslose Auseinandersetzung mit der Aporie über
Seelenteile eine zweifache Funktion: Zum einen lässt sie vermutlich seine an-
dernorts geäußerte Kritik an einer bestimmten Version der akademischen Ein-
teilungsmethode anklingen, die sich hier ausschließlich gegen deren Anwen-
dung auf die Seele richtet, zum anderen ermöglicht sie es ihm, einen
nachvollziehbaren Zusammenhang zwischen einem allgemeinen theoretischen
Problem und der grundlegenden Schwierigkeit bezüglich des Bewegenden her-
zustellen, die er in De an. III 9–10 zu bewältigen hat und die letztlich auf die
durch die akademische Einteilungsmethode gefährdete Einheit des Strebever-
mögens zurückgeht.

3 Die Aporie über Seelenteile und das Problem


des diaspan
3.1 Die einschlägigen Passagen und ihre Deutung bei den
antiken Kommentatoren
Die Aporie über Seelenteile wird im an T1 unmittelbar anschließenden Ab-
schnitt aufgeworfen:

T2. Es ergibt sich aber sofort die Schwierigkeit, in welchem Sinne von Seelenteilen ge-
sprochen werden soll und auch von wie vielen. Auf gewisse Weise scheinen es nämlich
unendlich viele zu sein und nicht nur diejenigen, die manche behaupten, wenn sie in ih-
ren Einteilungen den zur Überlegung Fähigen, den Muthaften und den Begehrenden un-
terscheiden, andere dagegen den Vernünftigen und den Unvernünftigen; denn entspre-
chend den Unterschieden, durch welche sie sie trennen, stellt sich heraus, dass es auch

||
13 Es ist durchaus fraglich, ob das Strebevermögen (vgl. T3 unten) zu den „bereits besproche-
nen“ Seelenvermögen zählen würde (vgl. auch Pearson (2012) 18). Zwar hat Aristoteles es
bereits mehrmals (II 3, 414b1–16, III 7, 431a8–17) erwähnt, doch eine Betrachtung des Strebe-
gegenstands (orekton) steht in De an. III 9 offensichtlich noch immer aus. Da die Frage nach
dem Wesen eines Seelenvermögens laut Aristoteles (II 4, 415a14–22) nur dadurch beantwortet
werden kann, dass sein jeweiliges Korrelat bzw. sein entsprechender Gegenstand (antikei-
menon) betrachtet wird, kann das Strebevermögen in De an. III 9 noch nicht als abgehandelt
gelten. Hierzu siehe vor allem § 4 unten.
146 | Antonio Ferro

andere Teile gibt, die sich mehr voneinander unterscheiden als diese und über die gerade
gesprochen worden ist, (nämlich) das Ernährungsvermögen, […] und das Wahrneh-
mungsvermögen, welches man wohl leichthin weder als unvernünftig noch als vernünftig
ansetzen dürfte. Ferner das Vorstellungsvermögen, das sich zwar dem Sein nach von allen
unterscheidet, doch bei dem es große Schwierigkeiten bereitet (herauszufinden), mit wel-
chem von diesen es identisch oder von welchen es verschieden ist, wenn man denn abge-
trennte Teile der Seele ansetzen will.14

Die Schwierigkeit, die Aristoteles in T2 anspricht, ist eine zweifache: Zum einen
betrifft sie die genaue Definition der Seelenteile, d.h. was sie sind und gemäß
welchen Identitätskriterien sie bestimmt werden, zum anderen bezieht sie sich
auf ihre genaue Anzahl. Offenkundig hängt die Beantwortung der Frage nach
der Anzahl der Teile sehr eng mit der Lösung der ersten Schwierigkeit zusam-
men.
An dieser Stelle zielt Aristoteles offenkundig auf bestimmte Denker, welche
drei oder zwei Seelenteile „unterscheiden“ (vgl. 432a25: dihorizontes). Plausibel
ist die Annahme, dass diese Denker diejenigen sind, von denen er später sagt,
dass sie die Teile der Seele „nach den Vermögen einteilen“ (433b1–2: kata tas
dynameis dihairôsi). Denn auch später ist von „Begehr- und Mutvermögen“
(433b4: to epithymêtikon kai thymikon) die Rede, d.h. von zweien der drei Teile,
die die Anhänger der Einteilungsmethode nach T1 unterscheiden.
Ihr Einteilungsverfahren ist mit zwei Grundproblemen behaftet: Das in T2
zuerst genannte Problem besteht grundsätzlich darin, dass die Einteilung der
Seele in nur zwei oder drei Hauptteile sich nicht – oder zumindest nicht nur –
aus der Anwendung der Identitätskriterien ergibt, von denen die Verfechter der
Einteilungsmethode auszugehen scheinen. Bei diesen Identitätskriterien kommt
es in Aristoteles’ Terminologie auf die „Differenzen“ (diaphorai) an, welche der
Einteilung zugrunde liegen.
Mit anderen Worten: In T2 weist er auf einen Konflikt zwischen unter-
schiedlichen, aber nicht weiter genannten Identitätskriterien hin, die eine je-
weils andere Anzahl an Seelenteilen nach sich ziehen. Die Befürworter dieser

||
14 De an. III 9, 432a22–b3: ἔχει δὲ ἀπορίαν εὐθὺς πῶς τε δεῖ μόρια λέγειν τῆς ψυχῆς καὶ πόσα.
τρόπον γάρ τινα ἄπειρα φαίνεται, καὶ οὐ μόνον ἅ τινες λέγουσι διορίζοντες, λογιστικὸν καὶ
θυμικὸν καὶ ἐπιθυμητικόν, οἱ δὲ τὸ λόγον ἔχον καὶ τὸ ἄλογον· κατὰ γὰρ τὰς διαφορὰς δι’ ἃς
ταῦτα χωρίζουσι, καὶ ἄλλα φαίνεται μόρια μείζω διάστασιν ἔχοντα τούτων, περὶ ὧν καὶ νῦν
εἴρηται, τό τε θρεπτικόν, ὃ καὶ τοῖς φυτοῖς ὑπάρχει καὶ πᾶσι τοῖς ζῴοις, καὶ τὸ αἰσθητικόν, ὃ
οὔτε ὡς ἄλογον οὔτε ὡς λόγον ἔχον θείη ἄν τις ῥᾳδίως· ἔτι δὲ τὸ φανταστικόν, ὃ τῷ μὲν εἶναι
πάντων ἕτερον, τίνι δὲ τούτων ταὐτὸν ἢ ἕτερον ἔχει πολλὴν ἀπορίαν, εἴ τις θήσει κεχωρισμένα
μόρια τῆς ψυχῆς.
Der orexis-Begriff in Aristoteles’ De anima III 9–10 | 147

Methode – so Aristoteles’ Vorwurf – können sich somit nicht auf einen eindeu-
tigen und klar erkennbaren Sinn von „(Seelen-)Teil“ (morion) festlegen: Denn in
einem Sinn von „Teil“ gibt es unendlich viele (432a24: apeira), während es in
einem anderen Sinn nur zwei oder drei geben soll. Das Identitätskriterium, wel-
ches der Zwei- oder Dreiteilung zugrunde liegt und hier dennoch unausgespro-
chen bleibt, scheint eine ganze Reihe von Teilen auszuschließen, welche das
andere, ebenfalls nicht ausdrücklich genannte Identitätskriterium hingegen
zulassen würde – darunter auch Seelenvermögen, die Aristoteles in den voran-
gegangenen Kapiteln ausführlich behandelt hat und die er als besonders aus-
sichtsreiche Kandidaten für die Rolle als Teile der Seele erachtet.
Eine zweite, schwerwiegende Konsequenz betrifft die Art und Weise, wie
die Seele eingeteilt wird bzw. wie die Seelenteile voneinander unterschieden
werden: In T2 sowie an späterer Stelle macht Aristoteles nämlich deutlich, dass
das betreffende Einteilungsverfahren voneinander „abgetrennte“ Seelenteile
ergibt. Denn wie in T2 und III 10, 433b1–215 so hebt Aristoteles auch schon in T1
nachdrücklich hervor, dass die Seelenteile in dem Sinne „nach dem Vermögen“
eingeteilt oder unterschieden werden, dass sie voneinander „getrennt” werden
(vgl. 432a27: chôrizousi). Dabei fällt auf, dass Aristoteles das Abgetrennt-Sein
der Seelenteile als besonders problematisch ansieht: Denn zum einen lässt sich
durch das Abtrennen nicht verhindern, dass die Zahl der Seelenteile, welche
„nach den Vermögen“ (oder: „dem Sein nach“)16 unterschieden werden können,
ins Unendliche wächst, weshalb die Festlegung auf nur zwei oder drei Teile als
vollends willkürlich erscheint; zum anderen ist es aber so, dass andere Teile,
welche „nach den Vermögen“ nicht bloß unterscheidbar sind, sondern vielmehr
in noch größerem Maße als die zwei oder drei, die sich für die Freunde der Ein-
teilungsmethode ergeben, aufgrund der Abtrennung entweder ganz vernachläs-
sigt werden (wie z.B. das Ernährungsvermögen) oder völlig obskure Identitäts-
kriterien erhalten.
Das letztgenannte Problem lässt sich Aristoteles zufolge am deutlichsten an
den Vermögen verdeutlichen, welche er bisher besprochen hat, und zwar insbe-
sondere am Wahrnehmungsvermögen sowie am Vorstellungsvermögen: Vo-
rausgesetzt, alle Seelenteile können jeweils einem von zwei eigenständigen
Hauptteilen, d.h. entweder dem vernünftigen oder dem unvernünftigen, zuge-
ordnet werden, leuchtet es beispielsweise nicht ein, auf welche der beiden Sei-

||
15 Zu beachten ist das epexegetische kai in 433b1–2: ἐὰν κατὰ τὰς δυνάμεις διαιρῶσι καὶ
χωρίζωσι.
16 Zur Äquivalenz der beiden Ausdrücke siehe Anm. 19 unten.
148 | Antonio Ferro

ten der Zweiteilung das Wahrnehmungsvermögen fallen soll. Ferner: Sind alle
Seelenteile (dem Begriff nach) voneinander abgetrennt, dann ist rätselhaft, ob
und in welchem Sinne z. B. das Vorstellungsvermögen mit dem Wahrneh-
mungsvermögen identisch oder vom Meinungsvermögen verschieden sei,17 und
zwar deshalb, weil es von beiden abgetrennt ist.
Aristoteles’ Kritik an dieser Methode der Seelenteilung wird noch schärfer,
wenn er auf ein weiteres Seelenvermögen zu sprechen kommt, mit dem er – wie
sich im Laufe von Kapitel 10 zeigen wird – das gesuchte Bewegende identifi-
ziert, nämlich das Strebevermögen (432b3: to orektikon). Es gilt deshalb, den im
Originaltext auf T2 unmittelbar folgenden Passus etwas genauer zu betrachten:

T3. Und darüber hinaus das Strebevermögen, welches doch wohl dem Begriff sowie dem
Vermögen nach von allen verschieden zu sein scheint. Und es ist in der Tat abwegig, die-
ses zu zerreißen. Denn im vernünftigen (Seelenteil) entsteht das Wünschen und im unver-
nünftigen die Begierde und der Mut, und wenn die Seele aus dreien (Teilen) besteht, so
würde es in jedem einzelnen eine Strebung geben.18

Die eingangs gemachte Bemerkung, wonach das Strebevermögen sowohl „dem


Begriff nach“ als auch „dem Vermögen nach“ von allen anderen Teilen ver-
schieden sei, wirkt zunächst obskur oder redundant. Es ist jedoch plausibel
anzunehmen, dass sie auf die Aussage hinausläuft, dass für jedes Seelenvermö-
gen zu φ-en das Strebevermögen von diesem verschieden ist bzw. nicht ein und
dasselbe Vermögen ist wie dieses, wenn das Streben und das Φ-en dem Begriff
nach verschieden sind.19 Dass das Streben und das Φ-en dem Begriff nach ver-
schieden sind, soll wiederum einfach heißen, dass sie nicht die gleiche Definiti-
on teilen.20

||
17 In De an. III 3 entwickelt Aristoteles Argumente für beide Thesen.
18 De an. III 9, 432b3–7: πρὸς δὲ τούτοις τὸ ὀρεκτικόν, ὃ καὶ λόγῳ καὶ δυνάμει ἕτερον ἂν
δόξειεν εἶναι πάντων. καὶ ἄτοπον δὴ τὸ τοῦτο διασπᾶν· ἔν τε τῷ λογιστικῷ γὰρ ἡ βούλησις
γίνεται, καὶ ἐν τῷ ἀλόγῳ ἡ ἐπιθυμία καὶ ὁ θυμός· εἰ δὲ τρία ἡ ψυχή, ἐν ἑκάστῳ ἔσται ὄρεξις.
19 Vgl. Johansen (2012) 247. Diese Lesart stützt sich vor allem auf eine frühere Stelle (II 2,
413b29–31), an der die Verschiedenheit „dem Vermögen nach“ (dynamei) im Sinne eines Unter-
schieds „dem Sein nach“ (tôi einai) erläutert wird, wobei dieser wiederum auf einer Verschie-
denheit der entsprechenden Ausübungen der Vermögen gründet: Das Wahrnehmungsvermö-
gen ist z. B. vom Vermögen des Meinens insofern verschieden, als „das, was es heißt, fähig
zum Wahrnehmen zu sein“ verschieden ist von „dem, was es heißt, fähig zum Meinen zu sein“.
Das ist so, weil Wahrnehmen und Meinen, d.h. die jeweiligen Ausübungen der Vermögen,
voneinander verschieden sind.
20 Der hier verwendete Begriff von begrifflicher bzw. definitorischer Verschiedenheit umfasst
sowohl unterschiedliche Arten einer Gattung als auch generisch verschiedene Tätigkeiten.
Der orexis-Begriff in Aristoteles’ De anima III 9–10 | 149

Nun geht der Hauptvorwurf, den Aristoteles in T3 den Anhängern der Ein-
teilungsmethode macht, dahin, dass diese das Strebungsvermögen entweder
„auseinanderreißen“ oder „abtrennen“ (diaspan). Der Wortlaut lässt mindes-
tens zwei Lesarten zu: In der Literatur werden in der Regel Themistius’ und
Simplikios’ Lesarten gegenübergestellt.
Simplikios (in De an. 291.4–12 Hayduck) ist der Ansicht, dass diaspan im
Sinne einer Absonderung oder Abtrennung des Strebevermögens „von den an-
deren (Seelenteilen)“ (apo tôn allôn) zu deuten ist; dies sei deshalb absurd, weil
das betreffende Vermögen „weder von der Vernunft noch vom Vorstellungs-
vermögen dem Subjekt nach abgetrennt ist“:21 Das Vermögen könne nicht exis-
tieren, außer in Verbindung mit einem kognitiven Vermögen irgendeiner Art
(vgl. synhyparchein, synhyphistasthai).22 Aristoteles würde dies unter Verweis
auf den Wunsch, d.h. eine Strebung, welche „in der Vernunft“ (291.1–2
Hayduck: en tôi logôi) vorzufinden ist, einerseits und auf muthafte Strebung
und Begierde, welche wiederum „im Vorstellungsvermögen“ (291.3 Hayduck: en
tôi phantastikôi) vorzufinden seien, andererseits belegen: Auf diese Weise para-
phrasiert Simplikios Aristoteles’ Bemerkung in T3, dass der Wunsch „im ver-
nünftigen (Seelenteil)“ entsteht, während Begierde und Mut „im unvernünfti-
gen“ entstehen.
Doch Simplikios’ Lesart kann man folgende Punkte entgegenhalten, deren
Tragweite erst in § 4 erkennbar werden wird: Erstens knüpft Aristoteles in T3 an
die in T2 bereits angedeutete Differenzierung von Zwei- und Dreiteilung der
Seele unter den Anhängern der Einteilungsmethode an (432b6–7: en tôi lo-
gistikôi ... kai en tôi alogôi … ei de tria hê psychê …), weshalb zunächst kein An-
lass besteht, seine bisherige Behandlung der Seelenvermögen auf diese Modelle
der Seelenteilung (im Sinne der Abtrennung) abzubilden. Zweitens geht er in III
9 zwar davon aus, dass es ein Strebungsvermögen gibt, doch diese Existenzan-
nahme beruht vorerst allein auf der Feststellung, dass dieses „dem Begriff
nach“ von allen anderen verschieden ist. Sie kann gemäß De an. II 4, 415a14–22
erst dann als berechtigt gelten, wenn auf einen entsprechenden Gegenstand

||
Begrifflich verschieden in diesem Sinne sind z. B. sowohl das Begehren und das Wünschen,
welche beide Arten der Gattung Strebung sind, als auch das Sich-Ernähren und das Wahrneh-
men, das Wahrnehmen und das Streben, usw.
21 Simplikios in De an. 291.1–2 Hayduck: καὶ ὡμολογημένως τοῦτο [scil. τὸ ὀρεκτικὸν] οὐ
κεχώρισται τῷ ὑποκειμένῳ οὔτε τοῦ λόγου οὔτε τοῦ φανταστικοῦ.
22 Simplikios in De an. 290.41–291.1 Hayduck: τὸ δὲ ὀρεκτικὸν πάντως μετὰ γνώσεως; 291.5
Hayduck: γνώσει τινὶ πάντως συνυπάρχει; 291.6–7: τοῖς γνωστικοῖς συνυφίσταται.
150 | Antonio Ferro

(antikeimenon) verwiesen wird, auf den sich die unterschiedlichen Ausübungen


des Vermögens jeweils richten, d.h. ein orekton.
Ein explizites Argument für diese These bringt Aristoteles allerdings erst in
De an. III 10, 433a26–30 (= T7 unten) vor: Bis dahin sollte man eine solche Exis-
tenzannahme nicht als selbstverständlich betrachten, zumal er in De an. III 9
gegen Denker polemisiert, welche den Begriff orexis selbst, den die meisten
Gelehrten als aristotelische Prägung ansehen, als philosophischen Fachbegriff
vermutlich gar nicht kannten. Deshalb wäre die Annahme, dass Aristoteles von
vornherein eine scharfe terminologische Unterscheidung zwischen Strebung als
Vermögen (gr. to orektikon) und Strebung als Ausübung oder Verwirklichung
desselben (gr. orexis) voraussetzt, letztendlich fehl am Platz. Denn erst in III 10,
433a31–b1 weist er darauf hin, dass es sich bei dem gesuchten Bewegenden um
die orexis im Sinne des (Seelen-)Vermögens handelt.23 Der andere Sinn von orexis
(d.h. orexis als Verwirklichung) wird später (433b17–18) kurz angesprochen.
Der Hauptgrund, weshalb er nicht unproblematisch von dem dyna-
mis/energeia-Unterschied ausgehen kann, ist, dass Aristoteles’ platonische
Widersacher ihn anzweifeln könnten, etwa indem sie die zentrale Annahme
bestreiten, Wunsch, Begierde und Mut seien unterschiedliche Ausübungen
eines (einzigen und einheitlichen) Vermögens. Der dynamis/energeia-
Unterschied wird erst dann legitim sein, wenn Aristoteles eine solche Auffas-
sung erfolgreich zurückgewiesen und diese durch eine philosophisch befriedi-
gendere Alternative ersetzt hat.
Obwohl Aristoteles von dem dynamis/energeia-Unterschied noch keinen
Gebrauch macht, fällt eines trotzdem auf: Wenn er in T3 auf die absurden Fol-
gen des diaspan näher eingeht, redet er von Strebungen unterschiedlicher Art,
die in jedem der Seelenteile „entstehen“ (432b5: ginetai).24 Damit kann nur Stre-
bung im Sinne eines konkreten Vorkommnisses oder einer Episode (etwa einer
Bewegung) und nicht im Sinne einer Disposition oder eines Vermögens gemeint
sein.

||
23 De an. III 10, 433a31–b1: ὅτι μὲν οὖν ἡ τοιαύτη δύναμις κινεῖ τῆς ψυχῆς ἡ καλουμένη ὄρεξις,
φανερόν. Die Partikelverbindung μὲν οὖν signalisiert oft bei Aristoteles eine Überleitung,
wobei das bisher Gesagte durch μὲν οὖν noch einmal zusammengefasst und/oder vervollstän-
digt wird, während das entsprechende δέ dazu dient, einen neuen Diskussionspunkt einzu-
bringen.
24 Eine ähnliche Ausdrucksweise ist in der Politeia vorzufinden: Vgl. z. B. R. IV, 436b10: en
autois tauta gignomena, wobei sich tauta auf gegensätzliche Tätigkeiten oder Affektionen in
der Seele (436b8: tanantia poiein ê paschein) bezieht.
Der orexis-Begriff in Aristoteles’ De anima III 9–10 | 151

Deshalb erweist sich Simplikios’ Lesart von T3, welche unter den modernen
Interpreten breite Zustimmung gefunden hat,25 als wenig überzeugend: Es ist
per se zwar nicht falsch, Aristoteles die Ansicht zuzuschreiben, dass die Ver-
wirklichung des Strebevermögens immer eine bestimmte kognitive Leistung
voraussetzt bzw. dass die Betätigung der phantasia oder des Denkens eine not-
wendige Bedingung für eine wirkliche Strebung ist.26 Im Gegenteil: Aristoteles
behauptet dies mit Nachdruck in III 10, 433b27–30, wo er das Hauptresultat der
Untersuchung im 10. Kapitel zusammenfasst (vgl. insb. 433b28–29: orektikon
[…] ouk aneu phantasias). Doch das ist offensichtlich nicht der Aspekt, auf den
er in T3 abhebt.
Laut Themistius (in De an. 117.17–22 Heinze) besteht der Grundfehler der
Platoniker hingegen darin, dass sie das Strebevermögen nicht selbst als abge-
trenntes Vermögen neben den anderen Vermögen, von denen es gleichwohl
dem Begriff nach verschieden ist, ansetzen, sondern dieses „zerstreuen“ oder
„auseinanderreißen“, indem sie es teils auf den vernünftigen teils auf den un-
vernünftigen Teil verteilen. Allerdings scheint eine solche Lesart keine zufrie-
denstellende Alternative zu bieten: Ihr zufolge sollte das Strebevermögen als
abgetrennter Teil anerkannt werden, weil nach den Platonikern jedem dem
Begriff nach verschiedenen Seelenvermögen ein abgetrennter Seelenteil korres-
pondieren soll.27 Doch Aristoteles’ unmittelbar anschließende Erklärung in
432b5–7 (en [...] tôi logistikôi gar … kai en tôi alogôi …) lässt sich nur schwer mit
einer solchen Auslegung in Einklang bringen.28 Darüber hinaus übersieht The-
mistius den engen Zusammenhang zwischen der für Aristoteles offenbar ernst-
zunehmenden Schwierigkeit, welche mit der Abtrennung der Seelenteile ver-
bunden ist, und der Absurdität des diaspan völlig. Aristoteles gibt aber klar zu

||
25 Simplikios‘ Lesart wird u.a. von Rodier (1900), Corcilius (2008), Johansen (2012) übernom-
men. Neutral bleibt hingegen Hicks (1907).
26 Simplikios‘ These ist allerdings stärker: Sie besagt, dass das (wie auch immer definierte)
Strebevermögen nicht in Abtrennung von den jeweiligen kognitiven Vermögen existieren kön-
ne. Die Frage ist dann, ob sie auf die These hinausläuft, dass die kognitiven Vermögen (in
einem näher zu klärenden Sinne) zum Inhalt der Definition selbst des Strebevermögens gehören
sollen. Letztere These wird Aristoteles oft anhand von zwei früheren Stellen (De an. II 3, 414b1–
16, III 7, 431a8–17) unterstellt, auf die in § 3.2 näher eingegangen werden soll. Für den Zusam-
menhang zwischen existentieller bzw. ontologischer und definitorischer Abtrennbarkeit bei
Aristoteles, siehe Anm. 39 unten mit bibliographischen Hinweisen.
27 Vgl. in De an. 117.20–22 Heinze: καὶ γὰρ ἄτοπον […] μὴ ποιεῖν καὶ ταύτην χωρὶς ὥσπερ
ἐκείνων ἕκαστον.
28 Vgl. Rodier (1900) II 531, ad loc.
152 | Antonio Ferro

erkennen, dass sein Verweis auf den Fall des orektikon dazu dienen soll, die
grundsätzliche Unzulänglichkeit der platonisch-akademischen Einteilung der
Seele noch einmal deutlicher offenzulegen, welche bereits an anderen Beispie-
len (vgl. T2) veranschaulicht wurde.
In Folgendem soll eine Erläuterung geliefert werden, inwiefern das Eintei-
lungskriterium, welches in die Abtrennung der Seelenteile mündet, die Freunde
der Einteilungsmethode daran hindert, die unterschiedlichen Arten der Stre-
bung als Arten einer gemeinsamen Gattung oder – genauer gesagt – als Aus-
übungen eines an sich einheitlichen Vermögens anzuerkennen. Dabei soll das
grundlegende Einheitsproblem zutage gefördert werden, dem sich die Platoniker
laut Aristoteles stellen müssen: Obwohl sie aufgrund der Differenzen, nach
denen sie einteilen, das Strebevermögen als solches von allen anderen unter-
scheiden bzw. als eigenständiges, über die anderen hinausgehendes Vermögen
anerkennen sollten,29 lässt sich die Art und Weise, wie sie zwei (d.h. vernünf-
tig/unvernünftig) oder drei (d.h. vernünftig/begehrend/muthaft) Strebungsar-
ten einteilen, kaum mit der Annahme vereinbaren, dass das entsprechende
Vermögen Eines bzw. Einheitliches sei, sondern sie ergibt stattdessen eine
Handvoll voneinander abgetrennter Teile. Wie sich in § 4 zeigen wird, sind die
genaue Diagnose dieses Problems und Aristoteles’ eigener Lösungsansatz zur
Beantwortung der Eingangsfrage in T1 sehr eng miteinander verflochten.
Um den Weg für diese Lesart zu bereiten, werde ich mich zunächst einer im
letzten Jahrzehnt einflussreich gewordenen Interpretation zuwenden, die von
Simplikios ausgehend zu einer stark abweichenden Einschätzung der von Aris-
toteles angesprochenen Schwierigkeit gelangt.

||
29 In De an. III 10, 433b1–4 stellt Aristoteles fest, dass „diejenigen, welche die Teile der Seele
einteilen, wenn sie sie nach den Vermögen einteilen und trennen“, sich nicht auf Begehr- und
Mutvermögen beschränken können, sondern von ihrer Methode selbst dazu verpflichtet wären,
viele andere Teile einzuführen, erst recht wenn sie sich mehr voneinander unterscheiden als
diese – darunter auch das Strebevermögen (433b3: eti orektikon). Demzufolge stellt sich die
Beschränkung auf nur zwei oder drei Teile als völlig willkürlich heraus. Sollten sie das Eintei-
lungsverfahren andererseits konsequent anwenden, so würde eine unbegrenzte Zahl von
Teilen entstehen, ohne dass dabei ihre Verhältnisse zueinander (z.B. welche von ihnen funda-
mental sind und welche von ihnen auf fundamentalere zurückgeführt werden können, usw.)
jemals ersichtlich werden könnten.
Der orexis-Begriff in Aristoteles’ De anima III 9–10 | 153

3.2 Jüngere Versuche einer Interpretation: Eine Kritik


Nach dieser Auffassung ist das Bewegende zwar mit dem Strebevermögen selbst
zu identifizieren, dieses sei aber nicht als ein fundamentales, sondern als ein
auf bereits besprochene kognitive Seelenvermögen (d.h. Wahrnehmungs- und
Denkvermögen) zurückführbares Vermögen zu betrachten.30 Demgemäß plädie-
re Aristoteles in De an. III 10 für Antwort (1.2) (vgl. T1).31
Es zeigt sich allerdings, dass eine kaum zu lösende Spannung zwischen Op-
tion (1.2) und einigen zentralen Merkmalen dieser Lesart besteht. Denn merk-
würdigerweise schreiben dieselben Interpreten, die (1.2) favorisieren, Aristote-
les zuweilen auch Option (2) zu:32

Es gibt kein eigenständiges Seelenvermögen, auch nicht die Strebung, das für die Ortsbe-
wegung zuständig wäre. Stattdessen gibt es eine Reihe unterschiedlicher Faktoren, die zur
Ausbildung bzw. Konstitution von bewegungsrelevanten Strebungen beitragen bzw. bei-
tragen können. Aristoteles beantwortet die Frage nach dem für die Bewegung der Lebewe-
sen verantwortlichen seelischen Prinzip also, wenn überhaupt, im Sinne von [(2), AF].33

Andernorts heißt es dagegen, Aristoteles würde in De an. III 9–10 seinen in


De anima sonst konsequent angewandten Erklärungsansatz über Seelenvermö-
gen zugunsten einer rein „kausalen Theorie der animalischen Ortsbewegung“
nahezu vollständig aufgeben, welche „die Ortsbewegung als kontinuierlichen
Prozess der Bewegungsgenese begreift, und die Beteiligung einer ganzen Reihe
verschiedener seelischer Vermögen beinhaltet“.34 Damit ist offenbar der Erklä-
rungsansatz gemeint, den Aristoteles vor allem in De motu animalium entfaltet,

||
30 Z.B. Whiting (2002), Corcilius/Gregoric (2010) und Johansen (2012). Auf die Lesart von
Whiting wird hier nicht näher eingegangen. Eine nützliche Abgrenzung zwischen Whitings
Position und der von Corcilius und Gregoric vertretenen Lesart ist in Corcilius/Gregoric (2010),
114–118, zu finden.
31 Corcilius/Gregoric (2010) 105–106; Johansen (2012) 61.
32 Wie Pearson (2012), 17 Anm. 2, zu bedenken gibt, findet Antwortalternative (2) im restlichen
Verlauf der Argumentation in III 9–10 nicht weiter Erwähnung. Außerdem hätte diese Deutung
zur Folge, dass das Ernährungsvermögen selbst an der animalischen Ortsbewegung irgendwie
beteiligt wäre, was besonders unplausibel scheint (vgl. III 9, 432b17–19).
33 Corcilius (2008) 245 (Herv. A.F.).
34 Corcilius (2011) 240. Vgl. auch Corcilius (2008) 260: „Aristoteles beantwortet die Frage nach
dem bewegenden Seelenvermögen also nicht im Sinne eines oder mehrerer selbstständig
agierender ‚Vermögen‘, wie die Fragestellung dies vielleicht nahelegt, sondern durch die Be-
schreibung eines kontinuierlichen Prozesses der Bewegungs- bzw. Handlungsgenese.“ (Herv. i.
O.).
154 | Antonio Ferro

wo er die Untersuchungsresultate aus De an. III 9–10 in die in Phys. VIII 5


durchgeführte Kausalanalyse der Selbstbewegung integriert, auf die bereits in
De an. III 10, 433b13–27 verwiesen wird. Wie kann es innerhalb ein und dessel-
ben Interpretationslagers zu solchen merkwürdigen Schwankungen kommen?
Die Befürworter der Option (1.2) orientieren sich zunächst an einer an sich
plausiblen philosophischen Intuition, die man als eine „fakultätspsychologi-
sche“ bezeichnen könnte.35 Eine zufriedenstellende Theorie der Seelenvermö-
gen kann sich demnach nicht damit begnügen, alle einschlägigen Vermögen in
loser Reihenfolge aufzulisten, sondern sie muss diese nach bestimmten Krite-
rien systematisch ordnen, und zwar so, dass die Ordnung eine möglichst kleine
Zahl basaler, eigenständiger Seelenvermögen („Fakultäten“) ergibt, von denen
alle restlichen Vermögen abgeleitet werden können.
Umstritten ist allerdings die Umsetzung einer solchen Strategie im Fall von
De an. III 9–10, und zwar u.a. deshalb, weil Aristoteles die der Unterscheidung
zwischen fundamentalen und abgeleiteten Seelenvermögen zugrunde liegen-
den Kriterien nirgends explizit festlegt. Die Befürworter von (1.2) unterstellen
Aristoteles die Ansicht, dass nicht alle Seelenvermögen auch Seelenteile sind,
wobei zu den Seelenteilen nur die fundamentalen, eigenständigen Seelenver-
mögen zählen, welche nämlich auf grundlegendere Vermögen nicht weiter
reduzierbar sind.36 Ferner argumentieren sie, dass Aristoteles das Vermögen zur
Ortsbewegung deswegen nicht als eigenständigen Seelenteil betrachtet, weil (i)
es mit dem Strebevermögen (der Art nach) identisch ist und (ii) dieses wiederum
auf grundlegende kognitive Vermögen, d.h. das Wahrnehmungsvermögen und
die (praktische) Vernunft, zurückzuführen ist, welche hingegen als genuine
Seelenteile gelten dürfen.
Diese Lesart geht außerdem mit einer charakteristischen Diagnose des ver-
meintlichen Fehlers einher (vgl. Simplikios’ Deutung von diaspan in T3), den
Aristoteles in T2–T3 den Anhängern der dihairesis vorwirft: Ihre Einteilungsme-
thode drohe das Strebevermögen zu einem (von allen anderen Vermögen) abge-
trennten, eigenständigen Vermögen zu machen. Dieses unhaltbare Ergebnis sei
wiederum eine der problematischen Folgen der allgemeinen Grundannahme,
wonach es so viele voneinander abgetrennte Seelenteile gebe, wie es die dem
Begriff (oder: dem Sein) nach voneinander verschiedenen Seelenvermögen sind:
Da es unbegrenzt viele dem Begriff nach voneinander verschiedene Seelenver-

||
35 Sowohl Corcilius/Gregoric (2010) als auch Johansen (2012) verweisen auf Jerry Fodors
Modularismus als modernen Ausläufer eines solchen Ansatzes.
36 Vgl. Corcilius/Gregoric (2010) 113; Johansen (2012) 1–3, 4–7.
Der orexis-Begriff in Aristoteles’ De anima III 9–10 | 155

mögen gibt, müssten die Platoniker demnach unbegrenzt viele voneinander


abgetrennte Seelenteile anerkennen – darunter auch das Strebevermögen. 37
Dies führe sie insbesondere dazu, die definitorische oder begriffliche Abhängig-
keit des Strebevermögens einerseits vom Wahrnehmungsvermögen und ander-
seits vom Denkvermögen völlig zu verkennen.
Den Platonikern würde Aristoteles angeblich mit der Unterscheidung zwi-
schen (DV) bloßer begrifflicher Verschiedenheit zweier Seelenvermögen und
(DA) begrifflicher Abtrennbarkeit entgegnen: Nur Vermögen, welche dem Begriff
nach nicht bloß verschieden, sondern abtrennbar sind, entsprechen eigenstän-
dige Seelenteile. Dabei gilt:

(DA–1) Seelenvermögen x ist begrifflich (oder: definitorisch) abtrennbar


(oder: unabhängig) von Seelenvermögen y gdw x eine Definition
hat, welche auf y keinen Bezug nimmt.

Da die Rede von „Bezugnahme“ in (DA–1) für Probleme sorgen könnte, lässt
sich (DA–1) folgendermaßen umformulieren:38

(DA–2) Seelenvermögen x ist begrifflich (oder: definitorisch) untrennbar


(oder: abhängig) von Seelenvermögen y gdw y dem Begriff nach
früher ist als x.39

Es leuchtet zunächst nicht ein, wie sich anhand von (DA–1) bzw. (DA–2) Fälle
abdecken lassen, in denen y begrifflich zwar nicht früher ist als x, aber dennoch
eine notwendige Bedingung für x darstellt. Dieses Problem kann erst einmal
beiseitegeschoben werden, es wird aber im weiteren Verlauf der Analyse eine
Rolle spielen.

||
37 So interpretieren Corcilius/Gregoric (2010) und Johansen (2012) die Zeilen 433b1–4 (insb.
ἔτι ὀρεκτικόν in 433b3).
38 Vgl. Johansen (2012) 54 Anm. 21.
39 In diesem Zusammenhang werde ich weder auf die Schwierigkeiten weiter eingehen, die
mit dem Begriff der definitorischen Unabhängigkeit und dessen Verhältnis zu ontologischer
Priorität (d.h. Priorität „dem Sein nach“) und existentieller Abtrennbarkeit verbunden sind,
noch werde ich mich mit den Fragen befassen, warum die Art Abtrennbarkeit, von der (DA–1)
handelt, strikt symmetrisch sei oder ob (DA–1) als solches ein hinreichendes Kriterium für das
Vorliegen eines Seelenteils sei. Für eine ausführliche Diskussion siehe Johansen (2012) Kap. 3;
zum Verhältnis zwischen definitorischer Priorität und ontologischer Priorität („priority in
being“) siehe Peramatzis (2008) Kap. 12.
156 | Antonio Ferro

Laut den Interpreten, die Aristoteles (DA–1) bzw. (DA–2) als Kriterium der
Seelenteilung unterstellen, ist das Strebevermögen dem Begriff nach zwar ver-
schieden sowohl vom Wahrnehmungs- als auch vom Denkvermögen, im Gegen-
satz zu diesen erfülle es allerdings nicht das Kriterium (DA–1) bzw. (DA–2),
welches die Grundlage für die Unterscheidung zwischen Seelenteilen (d.h. pri-
mären, fundamentalen Seelenvermögen) und bloßen Seelenvermögen (d.h.
abgeleiteten Seelenvermögen) bilden soll. Das Strebevermögen sei folglich nicht
als genuiner, eigenständiger Seelenteil neben den anderen anzuerkennen [=
(1.1)], sondern bloß mit bereits bekannten Vermögen [= (1.2)] zu identifizieren,
die ihm gegenüber begrifflich früher sind.
Dagegen lässt sich einwenden, dass eine solche Interpretation mit Aristote-
les’ Anforderung (vgl. § 2, oben), dass es sich bei (1.2) um nur einen, einheitli-
chen Seelenteil handeln muss, schlicht unvereinbar ist. Denn dieser Lesart zu-
folge sollen dem Strebevermögen zwei Seelenteile entsprechen. (Das macht vor
allem Aristoteles’ Behandlung von seelischen Konflikten bei Menschen not-
wendig, welche, wie in § 4 gezeigt werden soll, den Ausgangspunkt für seine
Darlegung des Strebevermögens als Bewegenden darstellen.) Hinzu kommt,
dass sich Aristoteles in der zweiten Hälfte von Kapitel 9 (432b8–433a1) eines
Ausschlussverfahrens bedient, um zu erweisen, dass keiner der „bereits bespro-
chenen“ Seelenteile (d.h. Ernährungs- und Wahrnehmungsvermögen sowie
„die sogenannte Vernunft“ und die Begierde) für sich betrachtet als Bewegen-
des infrage kommt. Außerdem ist zu prüfen, ob sich die These der definitori-
schen Untrennbarkeit bzw. Abhängigkeit des Strebevermögens vom Wahrneh-
mungs- und Denkvermögen am Text von De an. III 9–10 oder aber an anderen
De anima-Stellen festmachen lässt. Drei Passus sind hier besonders einschlä-
gig:40 II 3, 414b1–16, III 7, 431a8–17, und III 10, 433b27–30 (vgl. T4). Die Befür-
worter von (1.2) berufen sich gerne auf die beiden ersten Passagen als Belege für
die These, dass das Strebevermögen, das in De an. III 10 zum Bewegenden er-
klärt wird, dem Begriff nach untrennbar ist vom Wahrnehmungsvermögen.
In II 3, 414b1–16 behauptet Aristoteles, dass die Begierde bzw. das Begehren
allen Lebewesen zukommt, denen das Wahrnehmen zukommt, insofern das

||
40 Eine weitere problematische Passage ist II 2, 413b22–24, wo Aristoteles behauptet, dass
nicht nur die Strebung, sondern auch die Vorstellung (phantasia) aus dem Wahrnehmungsbe-
sitz erfolgt, und damit anderen Stellen (z.B. III 3, 428a9–11; vgl. II 3, 414b16–17) widerspricht,
aus denen hervorgeht, dass nicht alle wahrnehmungsfähigen Lebewesen das Vorstellungsver-
mögen besitzen. Einiges spricht allerdings dafür, dass καὶ φαντασίαν (413b22) irrtümlich in den
Text gelangt sein könnte: vgl. Lorenz (2006) 138 Anm. 2.
Der orexis-Begriff in Aristoteles’ De anima III 9–10 | 157

Begehren identisch mit dem Lustempfinden ist, das das Wahrnehmen (eines
lustvollen Gegenstands) regelmäßig begleitet: Alle Tiere, die wahrnehmungsfä-
hig sind, indem sie wahrnehmen, empfinden das Wahrgenommene als lust-
oder leidvoll. Dass sie etwas als lustvoll empfinden, heißt wiederum, dass sie es
begehren (414b5–6: tou […] hêdeos orexis [epithymia]), und das Begehren ist
eine Art des Strebens. In III 7, 431a8–17 macht Aristoteles deutlich, dass die
These zunächst das Wahrnehmen und Streben im Sinne der Wirklichkeit
(431a12,: hê kat’ energeian) betrifft, und überträgt sie dann auf die Vermögen
selbst. Die These besagt, dass die Tätigkeiten des Wahrnehmens und des Stre-
bens bzw. Meidens der Zahl nach identisch sind: das Streben ist numerisch
identisch mit dem Lustempfinden, das Meiden mit dem Leidempfinden, und
diese wiederum sind „das Tätigsein mit der wahrnehmungsfähigen Mitte in
Bezug auf das Gute oder Schlechte“ (431a10–11: to energein têi aisthêtikêi me-
sotêti pros to agathon ê kakon). Die numerische Identität soll entsprechend auch
für die Vermögen gelten.41 Allerdings lässt Aristoteles eine wichtige Präzisie-
rung unmittelbar folgen: Das Sein all dieser Tätigkeiten (und der entsprechen-
den Vermögen) ist jedoch ein jeweils anderes (431a14: to einai allo). Das scheint
zu implizieren, dass es jeweils verschiedener Definitionen dessen bedarf, was es
heißt, wahrzunehmen, Lust bzw. Leid zu empfinden, nach etwas zu streben
bzw. etwas zu meiden. Das heißt wiederum, dass sich die entsprechenden Tä-
tigkeiten auf unterschiedliche antikeimena richten.
Da hervorgehoben wird, das Sein von Strebe- bzw. Meidevermögen und
Wahrnehmungsvermögen sei ein jeweils anderes, ist deren numerische Identi-
tät mit einer schwächeren Lesart kompatibel als die von den Befürwortern von
(1.2) vorgeschlagene Lesart, der zufolge das Wesen selbst des Strebe- bzw.
Meidevermögens vom Wesen des Wahrnehmungsvermögens abhängig bzw.
untrennbar ist. Die Feststellung der numerischen Identität lasst nämlich auch
zu, dass der Besitz des Wahrnehmungsvermögens eine bloß notwendige Bedin-
gung für die Ausübung der beiden anderen Vermögen ist.42

||
41 Für ein analoges Argument, das laut den Vertretern von (1.2) die definitorische Untrenn-
barkeit der (rationalen) Strebung (d.h. des Wunsches) von der praktischen Vernunft aufzeigen
soll, siehe III 7, 431a14–17 und Johansen (2012) 250. Damit wäre Aristoteles’ Lösung in De an. III
9–10 demselben Vorwurf ausgesetzt, den er nach meiner Lesart gegen Platons Seelenteilung
richtet: vgl. § 4 unten.
42 Wäre dies der Fall, so könnte man aufgrund von (DA–1) bzw. (DA–2) allein nicht ausschlie-
ßen, dass Strebevermögen und Wahrnehmungsvermögen begrifflich abtrennbar sind.
158 | Antonio Ferro

Ferner: Selbst wenn man einräumen sollte, dass diese Stellen die definitori-
sche Abhängigkeit des Begehrvermögens von der Wahrnehmung bzw. vom
Wahrnehmungsvermögen nahelegen, ist es doch fraglich, ob sie einschlägig
sind für das gesamte Strebevermögen, sofern dieses für die animalische Orts-
bewegung verantwortlich sein soll.43 Denn erstens nimmt sich Aristoteles in
De an. III 9–10 in erster Linie vor, seelischen Motivationskonflikten der Art, wie
sie Platon im 4. Buch der Politeia behandelt, auf eine philosophisch befriedi-
gendere Weise Rechnung zu tragen, was laut Aristoteles grundsätzlich voraus-
setzt, dass man über eine Erklärung des erklärungsbedürftigen Umstands ver-
fügt, dass Strebungen sowohl „richtig“ als auch „nicht richtig“ sein können.
Wie im nächsten Abschnitt dargestellt werden soll, beruht seine Lösung auf
dem Grundgedanken, dass der kognitive Zugang zu den jeweiligen Strebege-
genständen immer (auch) über das Vorstellungsvermögen stattfindet (vgl. III
10, 433a17–b1). Dies trifft allerdings auf die (rein wahrnehmungsbasierte) Be-
gierde, von der an diesen beiden Stellen die Rede ist, offensichtlich nicht zu.
Zweitens handeln diese Stellen von der elementarsten Form der Begierde, wel-
che sogar bei Tieren vorkommt, die als einzigen Sinn die Tastwahrnehmung
haben und vermutlich zur Ortsbewegung unfähig sind oder zumindest sich
nicht auf die Weise fortbewegen, wie höhere Tiere es tun (vgl. III 11, 433b31–
434a5).44 Denn Aristoteles ist in De an. III 9–10 bemüht zu zeigen, dass selbst
nicht-vernunftbegabte Lebewesen – d.h. Lebewesen, bei denen Motivationskon-
flikte nicht auftreten können – nur dann fähig zur Ortsbewegung sind, wenn sie
über das „wahrnehmungsmäßige“ Vorstellungsvermögen (phantasia aisthêtikê)
verfügen (vgl. T4 unten).
Somit erbringen die ersten beiden Passus keinen ausreichenden Nachweis
für die Annahme, dass das für die Ortsbewegung verantwortliche Strebevermö-
gen vom Wahrnehmungsvermögen untrennbar ist. Der letzte Text stammt hin-
gegen aus dem 10. Kapitel von De anima. Darin fasst Aristoteles das Hauptresul-
tat seiner Untersuchung zusammen:

T4. Überhaupt ist also das Lebewesen, wie gesagt, eben insofern fähig, sich selbst zu be-
wegen, als es zur Strebung fähig ist; zur Strebung fähig ist es allerdings nicht ohne Vor-

||
43 Ich folge hier im Wesentlichen der Deutungslinie, die in Lorenz (2006), insb. Kap. 9–10,
entwickelt wird.
44 Siehe Lorenz (2006), Kap. 9, für eine ausführliche Erörterung.
Der orexis-Begriff in Aristoteles’ De anima III 9–10 | 159

stellung. Und alle Vorstellung ist entweder vernünftig oder wahrnehmungsmäßig. An


Letzterer haben nun auch die übrigen Lebewesen teil.45

Zwei Bemerkungen sind hier angebracht: Erstens hebt Aristoteles zusammen-


fassend noch einmal hervor, dass das gesuchte Vermögen zur Selbstbewegung
(d.h. zweckmäßiger Ortsbewegung) qua Vermögen mit dem Strebevermögen zu
identifizieren ist. Zweitens suggeriert der Wortlaut, dass die phantasia eine
notwendige Bedingung für den Besitz des Strebevermögens ist, das für die Orts-
bewegung verantwortlich ist: Der Ausdruck, den Aristoteles in T4 verwendet,
ouk aneu (phantasias), bezeichnet die conditio sine qua non, die Aristoteles an-
dernorts auch synaition nennt.46 Ähnlich wie die ersten beiden Passagen kann
auch T4 somit nicht als hinreichender Beweis für die These der begrifflichen
Abhängigkeit des Strebevermögens von kognitiven Vermögen (insb. dem Wahr-
nehmungsvermögen)47 gelten, wenn damit gemeint ist, dass das Vorstellungs-
vermögen bzw. Wahrnehmungsvermögen zum Inhalt der Definition des orek-
tikon selbst gehört bzw. im Definiens desselben vorkommt. Abschließend grenzt
Aristoteles das Vorstellungsvermögen, das ausschließlich vernünftigen Lebe-
wesen zukommt, bei denen Motivationskonflikte möglich sind, von demjenigen
ab, das auch nicht-vernünftigen Lebewesen zukommt.

||
45 De an. III 10, 433b27–30: ὅλως μὲν οὖν, ὥσπερ εἴρηται, ᾗ ὀρεκτικὸν τὸ ζῷον, ταύτῃ αὑτοῦ
κινητικόν· ὀρεκτικὸν δὲ οὐκ ἄνευ φαντασίας· φαντασία δὲ πᾶσα ἢ λογιστικὴ ἢ αἰσθητική.
ταύτης μὲν οὖν καὶ τὰ ἄλλα ζῷα μετέχει.
46 Vgl. Met. V 5, 1015a20–26. Vgl. auch De an. III 8, 432a13–14; Mem. 1, 450a12–13.
47 Die Grundannahme aller unter § 3.2 besprochenen Interpreten (Corcilius (2008), Corcili-
us/Gregoric (2010), Johansen (2012)) ist, dass das Vorstellungsvermögen ein bloßer „Aspekt“
des Wahrnehmungsvermögens bzw. von diesem begrifflich untrennbar (vgl. z.B. Insomn. 1,
459a21–22) und deshalb kein eigenständiger Seelenteil ist. Die weitere Annahme ist, dass das
Strebevermögen analog zum Vorstellungsvermögen zu betrachten ist: Ähnlich wie das Vorstel-
lungsvermögen sei es definitorisch untrennbar vom Wahrnehmungsvermögen und damit kein
genuiner Seelenteil. Der zweiten Annahme werde ich in § 4 entgegenhalten, dass im Fall des
Strebevermögens zwischen Gegenstand und den Gegebenheitsweisen desselben unterschieden
werden muss.
160 | Antonio Ferro

4 Das Einheitsproblem und Aristoteles’ Lösung


4.1 Das Einheitsproblem
In diesem Abschnitt werde ich für eine alternative Deutung plädieren, die in der
jüngeren Sekundärliteratur nur selten48 vertreten zu sein scheint. Ich werde für
die Ansicht argumentieren, dass nur (1.1) in T1 Aristoteles’ Antwort auf die Aus-
gangsfrage widerspiegeln kann. Die skizzierte Lesart unterstellt Aristoteles kein
explizites Kriterium für die Seelenteilung, sondern geht von einer anderen Dia-
gnose des Grundfehlers der Platoniker aus, der darin besteht, dass sie das Stre-
bevermögen „auseinanderreißen“. Sie weicht aber zugleich von Themistius’
Lesart von T3 ab.
Ein zentrales Merkmal meiner Lesart ist die Unterscheidung zwischen zwei
akademischen Kriterien für die Einteilung der Seele, die als „locker“ resp.
„strikt“ bezeichnet werden können. Das erste wurde bereits genannt: Die Plato-
niker teilen die Seele „nach den Vermögen“ ein. Soweit man es anhand von
De an. III 9–10 beurteilen kann, muss es sich bei diesem Kriterium um dasjenige
handeln, das Platon im 5. Buch der Politeia festlegt, wonach nämlich ein jedes
Vermögen (dynamis) lediglich danach bestimmt werden soll, „(i) worauf es sich
bezieht und (ii) was es bewirkt“ (eph’ hôi te esti kai ho apergazetai) (477c9–d5),
und das Sokrates verwendet, um epistêmê und doxa voneinander abzugren-
zen.49 Ferner: Es besteht ein breiter Konsens darüber, dass Aristoteles sein in
De an. II 4, 415a14–22 eingeführtes Individuationskriterium für Seelenvermögen
– wenn auch nicht uneingeschränkt – von Platon übernimmt. Es sieht vor, dass
ein jedes Vermögen dadurch definiert werden soll, dass man sein entsprechen-
des Korrelat (antikeimenon) angibt.
Wird die Anwendung eines solchen Kriteriums nicht angemessen geregelt
oder beschränkt, so kann dieses zu unerwünschten Ergebnissen führen. Ein
Beispiel dafür wird in T2 angeführt: Wenn jeglichem (wie auch immer spezifi-
ziertem) Gegenstand, G, eine Tätigkeit, ε, und damit ein eigenständiges Vermö-
gen, δ, entspricht, so wächst die Zahl der dadurch individuierten Vermögen ins

||
48 Vgl. Pearson (2012) 17–19.
49 Zur umstrittenen Frage, ob die Bedingungen (i) und (ii) tatsächlich verschieden sind und
inwiefern laut Sokrates ein Unterschied bezüglich (ii) auf einen Unterschied bezüglich (i)
schließen lässt, siehe Fine (1990), wo der Kontrast zwischen „inhaltlicher“ („content reading“)
und „gegenständlicher“ Lesart („object reading“) des Gegenstandsbereichs einer dynamis
gezogen wird. Ein Alternativvorschlag wird in Harte (2018) verteidigt.
Der orexis-Begriff in Aristoteles’ De anima III 9–10 | 161

Unendliche. Um das Problem überspitzt zu verdeutlichen: Man erhielte dadurch


z.B. nicht nur das Vermögen, Geige zu spielen, sondern auch das Vermögen,
Geige am Montag um 17.02 Uhr zu spielen, das Vermögen, eine schwarze Geige
entsprechend der Strichart des staccato zu spielen, usw., oder aber zusätzlich
zum Sehvermögen, das Vermögen, rot zu sehen, das Vermögen, den Wert RGB =
(1;0;0) im RGB-Farbraum zu sehen, usw. Offenkundig würde ein allzu feinkör-
niges Individuationskriterium zur Einführung unbegrenzt vieler Vermögen
führen, deren begriffliche Beziehungen zueinander außerdem völlig unberück-
sichtigt blieben.
Es liegt nahe, dass die Freunde der Einteilungsmethode das Kriterium ent-
sprechend anpassen müssen, damit die Zahl der Vermögen auf die wenigen
beschränkt wird, die fundamental sind, und aus denen alle andere konstruiert
werden können. Bedenkt man Sokrates’ Vorgehen im Buch 4. Politeia – auf
welches De an. III 9–10 primär abzielt –, so muss man feststellen, dass es darauf
angelegt ist, drei fundamentale Teile zu identifizieren. Mit anderen Worten soll
das „lockere“ Kriterium soll durch ein „striktes“ ergänzt werden.
Der Dreiteilung liegt ein zentrales methodisches Prinzip zugrunde, das über
das antikeimenon-Kriterium hinausgeht, nämlich das notorische „Prinzip der
Gegensätze“ (R. IV, 436b–c): Platon geht von der Tatsache aus, dass ein und
derselbe Mensch z. B. das Verlangen zu trinken verspürt, sich aber dennoch
zurückhält und gelangt mithilfe eines solchen Prinzips auf die Annahme von
zwei eigenständigen Seelenteilen (vgl. R. IV, 439d4–5: ditta te kai hetera
allêlôn), und zwar „das Gedankenlose und Begehrliche“ und „das Denkende
und Vernünftige“.
In seinem ersten Argument für die Unterscheidung von Vernunft und Be-
gierde verweist Sokrates auf Gegensatzpaare, die den entsprechenden Konflikt-
fall charakterisieren: Er ordnet nämlich Begierde und Vernunft einem jeweils
anderen der beiden Glieder eines Gegensatzpaares (z.B. Gewähren/Abschlagen,
(nach etwas) Trachten/Ablehnen, An-Sich-Ziehen/Von-Sich-Stoßen) zu. Die
Vernunft wird dabei mit dem „Verhindernden“ oder „Verbietenden“ identifi-
ziert, während die Begierde mit dem „Treibenden“ und „Ziehenden“ gleichge-
setzt wird (vgl. 439c–d). Wäre dem nicht so, so könnte das Prinzip der Gegen-
sätze nicht zum Tragen kommen.
Die beiden Teile, die sich für einen jeweils gegebenen Gegenstandsbereich
(z. B. Trank) ergeben, entsprechen immer komplementären, sich einander aus-
schließenden Gliedern eines Gegensatzpaars. Ist dies der Fall, so läuft ein sol-
ches Verfahren schließlich auf eine Anwendung der Dichotomie hinaus – die
Rede in der Politeia ist von „zwei der Seele innewohnenden Arten“ (439e2–3:
dyo […] eidê en psychêi enonta). Vor diesem Hintergrund lässt sich besser ver-
162 | Antonio Ferro

stehen, inwiefern Aristoteles in De an. III 9–10 die gegenseitige „Abtrennung“


der Seelenteile und das damit einhergehende „Zerreißen“ des Strebevermögens
für bedenklich hält: Der Hauptvorwurf, der in De anima gegen die Anhänger der
dihairesis erhoben wird, sollte mit Aristoteles’ allgemeiner (und besser bekann-
ter) Kritik an der Einteilungsmethode in De partibus animalium I 2–3 in Zusam-
menhang gebracht werden.50
Da eine ausführliche Untersuchung des Verhältnisses zwischen dem Argu-
ment im 4. Buch der Politeia und anderen Anwendungen der dichotomischen
dihairesis den Rahmen dieses Aufsatzes bei Weitem sprengen würde, werde ich
mich hier mit dem Verweis auf eine auffällige terminologische Parallele begnü-
gen, die es ermöglicht, einen Zusammenhang zwischen De anima III 9–10 und
Aristoteles’ Kritik an der Einteilungsmethode in Part. an. I 2–3 herzustellen: Das
im Corpus sonst eher selten vorkommende Verb diaspan ist zweimal in Part. an.
I 2 vorzufinden (642b10–14; 642b16–18):

T5. Ferner ist es angemessen, dass man keine Gattung auseinanderreißt [mê diaspan he-
kaston genos] und zum Beispiel die Vögel teilweise in der einen, teilweise aber in der an-
deren Einteilung aufführt, wie es die geschriebenen Dihäresen tun. Dort kommt es näm-
lich vor, dass ein Teil von ihnen mit den Wassertieren zusammengestellt wird, während
ein anderer Teil sich in einer anderen Gattung befindet. Doch trägt eine bestimmte durch
Ähnlichkeit [têi homoiotêti] zusammengeschlossene Gruppe den Namen Vogel und eine
andere den Namen Fisch.51

T6. Wenn also gilt, dass man nichts Gleichartiges auseinanderreißen darf [mêden tôn ho-
mogenôn diaspasteon], muss die Zweiteilung vergeblich sein; denn wenn man auf diese
Weise einteilt, muß man zwangsläufig trennen und auseinanderreißen [anankaion chôri-
zein kai diaspan].52

Das Beispiel in T5 ist das der Gattung der Vögel: Sie wird „auseinandergeris-
sen“, wenn sie in zwei geteilt wird, so dass die einen Vögel „mit den Wassertie-

||
50 Die meisten Interpreten stimmen darin überein, dass Aristoteles’ Kritik in erster Linie
Speusipp gelten soll. Dies schließt jedoch nicht aus, dass Aristoteles sie auch gegen Platon
selbst gerichtet wissen will: vgl. Lennox (2001) 152–153; Kullmann (2007) 323–324.
51 Part. an. I 2, 642b10–14: Ἔτι δὲ προσήκει μὴ διασπᾶν ἕκαστον γένος, οἷον τοὺς ὄρνιθας τοὺς
μὲν ἐν τῇδε, τοὺς δ’ ἐν ἄλλῃ διαιρέσει, καθάπερ ἔχουσιν αἱ γεγραμμέναι διαιρέσεις· ἐκεῖ γὰρ
τοὺς μὲν μετὰ τῶν ἐνύδρων συμβαίνει διῃρῆσθαι, τοὺς δ’ ἐν ἄλλῳ γένει. Ταύτῃ μὲν οὖν τῇ
ὁμοιότητι ὄρνις ὄνομα κεῖται, ἑτέρᾳ δ’ ἰχθύς. Alle Übersetzungen zu De partibus animalium
stammen von Kullmann (2007).
52 Part. an. I 2, 642b16–18: Εἴπερ οὖν μηδὲν τῶν ὁμογενῶν διασπαστέον, ἡ εἰς δύο διαίρεσις
μάταιος ἂν εἴη· οὕτως γὰρ διαιροῦντας ἀναγκαῖον χωρίζειν καὶ διασπᾶν.
Der orexis-Begriff in Aristoteles’ De anima III 9–10 | 163

ren zusammengestellt“ werden, während sich die anderen z.B. in der Gattung
der Landtiere befinden. Geht man von einer Einteilung der Gattung in Wasser-
und Landtiere aus, so werden sich die gleichen Merkmale, welche die gesamte
Gattung der Vögel als solche auszeichnen, auf beiden Seiten der Zweiteilung
wiederfinden. Analog dazu: Geht man von einer Einteilung der Gattung der
Strebung in vernünftig und unvernünftig aus, so werden sich Strebungen (d.h.
Mitglieder der Gattung) auf beiden Seiten der Einteilung wiederfinden (vgl.
De an. 432b4–6 in T3). Angenommen, die Dreiteilung der Seele ließe sich ir-
gendwie auf die Zweiteilung in vernünftig und unvernünftig zurückführen,53
hätte man Strebungen in allen drei Teilen (vgl. 432b6–7 in T3). Die Gattung
wäre insofern „auseinandergerissen“, als die „Ähnlichkeit“ ihrer Mitglieder
gewissermaßen aufgehoben wäre: Es wäre aufgrund der Differenzen, nach de-
nen eingeteilt wird, nicht mehr ersichtlich, warum man den (unter unterschied-
liche Arten zerstreuten) Mitgliedern der Gattung ein und denselben Namen
beilegen sollte.
Der zweite Passus, T6, ist ebenfalls aufschlussreich, weil Aristoteles dort
unterstreicht, dass die verwandten Ausdrücke chôrizein und diaspan dazu die-
nen, die Dichotomie als eine bestimmte Art der dihairesis (vgl. Part. an. 642b18:
houtôs dihairountas) zu charakterisieren, die zu einem Trennen führt. Dass nicht
jede Anwendung der Einteilungsmethode eine Abtrennung der Teile und ein
„Auseinanderreißen“ der Gattungen zur Folge hat, sollte hier entgegen der in
§3.2 zusammengefassten Interpretation hervorgehoben werden: Denn diese
lässt einen ganz im Dunkeln darüber, welcher Aspekt der Einteilungsmethode
das chôrizein und diaspan nach sich zieht.
Deshalb entpuppt sich die bereits angesprochene Schwierigkeit als eine be-
züglich der Einheit des Strebevermögens: Teilt man dichotomisch nach dem
Differenzpaar vernünftig/unvernünftig ein, so lässt sich nicht mehr sagen, in-
wiefern vernünftige und unvernünftige Strebungen bzw. Wunsch, Begierde und
Mut gleichermaßen Strebungen, d.h. Arten ein und derselben Gattung (oder:
Verwirklichungen ein und desselben Vermögens) sind. Durch die Einteilung
wird nämlich genau die „Ähnlichkeit“ verwischt, welche sie alle zu Mitgliedern
derselben Gattung macht. Vernünftige und unvernünftige Strebungen werden
vielmehr zu primären, irreduziblen Trieben, Drängen oder gar Bewegungen,
welche einander entgegengesetzt sind: Für ihre Individuation spielen die

||
53 Für eine ausführliche Verteidigung dieser Annahme im Rahmen der Politeia siehe Moss
(2008). Das zwei- und das dreigeteilte Modell werden in De an. III 9 allerdings bloß nebenei-
nandergestellt und anscheinend unterschiedlichen Denkern zugesprochen.
164 | Antonio Ferro

Merkmale „vernünftig/unvernünftig“ (logon echon/alogon), welche Arten und


Weisen der Kognition (Vernunft resp. Wahrnehmung) entsprechen, so eine
wesentliche Rolle und die Unterschiede zwischen diesen beiden epistemischen
Modalitäten sind dabei so gewaltig, dass ihre Zugehörigkeit zu einer gemeinsa-
men Gattung in den Hintergrund gedrängt wird.
Anstatt vernünftige und unvernünftige Strebungen auf eine gemeinsame
Gattung der Strebung zurückzuführen, könnte Platon (oder ein Platoniker) da-
rauf insistieren, dass diese vielmehr fundamentale, nicht weiter analysierbare
und einander ausschließende Triebe oder Bewegungen seien.54 Damit könnte er
die These verbinden, dass die einen rein seelisch und/oder vernünftig (d.h.
Wunsch), während die anderen körperlicher Herkunft und/oder hinsichtlich
ihrer Entstehung grundsätzlich unvernünftig seien. Mit anderen Worten: Die
Gegner könnten darauf beharren, dass den vernünftigen resp. unvernünftigen
Bewegungen fundamental verschiedene bzw. entgegengesetzte konative Ein-
stellungen entsprechen, welche sich (zumindest prima facie) nicht unter eine
gemeinsame Gattung subsumieren lassen.55 Dann wäre es aber völlig unklar, in
welchem Sinne die Vernunft und die Begierde beide als „Beweger“ gelten dürf-
ten.56 Es entsteht nämlich für die Platoniker ein Konflikt zwischen „strikten“
und „lockeren“ Individuationskriterien. Denn einerseits würde das „lockere“
antikeimenon-Kriterium sie dazu verpflichten, neben unzähligen anderen Ver-
mögen auch das Strebevermögen einzuführen: Wenn ein entsprechender Stre-
begegenstand angegeben werden kann, dann muss auch ein (einheitliches)

||
54 Ein solches Bild ist durchaus kompatibel mit Sokrates’ Ausführungen im 4. Buch der Poli-
teia. Im ersten Argument für die Unterscheidung zwischen dem vernünftigen und dem begeh-
renden Seelenteil charakterisiert er entgegengesetzte Strebungen als in entgegengesetzte
Richtungen verlaufende physische Bewegungen: Die Begierde wird z.B. als ein An-Sich-Ziehen
(R. 437b2: prosagesthai) beschrieben, das Wünschen als ein Von-Sich-Stoßen bzw. Von-Sich-
Wegtreiben bzw. Dagegen-Ziehen (437b3: apôtheisthai, 437c9: apôthein, 437c9: apelaunein,
439b3: autên anthelkei). Vgl. auch das Bild des Schützen in 439b8–11.
55 Einen ähnlich gearteten Ansatz scheint Platon sowohl im Timaios als auch im 10. Buch der
Gesetze zu entfalten: Er grenzt nämlich kreisförmige seelische Bewegungen, welche intelligent
und zweckmäßig sind, von geradlinigen körperlichen Bewegungen ab, welche „notwendig“
oder „zufällig“ (d.h. nicht zweckmäßig) sind. Das im Theaitetos, Timaios und Philebos entwi-
ckelte Modell der aisthêsis als extern verursachter Bewegung, welche den Körper hindurch (dia
sômatos) geht und bis hin zur Seele (epi tên psychên) gelangt, bringt allerdings wesentliche
Komplikationen mit sich, welche jede Interpretation von Platons Theorie der arationalen Stre-
bung berücksichtigen sollte.
56 Das etwas verkappte Argument in III 10, 433a22–23, könnte vielleicht als Seitenhieb gegen
Platon gelesen werden. Siehe dazu Anm. 62 unten.
Der orexis-Begriff in Aristoteles’ De anima III 9–10 | 165

Vermögen existieren. Andererseits ist dieser Schritt mit dem Vorgehen im 4.


Buch der Politeia prinzipiell unvereinbar, welches (i) ausgehend von der Be-
trachtung innerseelischer Konflikte (z. B. akrasia) und (ii) unter Anwendung des
Prinzips der Gegensätze das Strebevermögen „auseinanderreißt“, indem es
dieses in zwei oder drei abgetrennte Teile spaltet. Das „strikte“ Individuations-
kriterium für Seelenteile hebt somit das „lockere“ Individuationskriterium auf.

4.2 Aristoteles’ Lösung im Umriss


Wie bereits angedeutet, ist Aristoteles’ Besprechung des Bewegenden in De an.
III 9–10 sehr geprägt durch die Konfliktfälle, die den Ausgangspunkt für Platons
Argument für die Dreiteilung bildeten. Es gehört zu den Erfolgskriterien von
Aristoteles’ Erklärung der animalischen Ortsbewegung in De anima, dass solche
Phänomene in seiner Theorie untergebracht werden können. Sein Ziel ist somit
nicht, die Realität solcher psychischen Phänomene selbst zu hinterfragen, son-
dern eine alternative Analyse derselben zu liefern, welche das Einheitsproblem
vermeidet.
Der Fall des akratês und der des enkratês werden zunächst in III 9, 433a1–6
in den Blick genommen und dienen als Beleg für die These, dass bei Menschen
weder die Vernunft noch die Begierde allein hinreichend für eine Episode der
Ortsbewegung sind. Es ist jedoch anzumerken, dass Aristoteles’ Darstellung
dieser Fälle sowie die dort verwendete Begrifflichkeit recht ungewöhnlich sind:
Möglicherweise ist er bemüht, diesen Phänomenen auf eine Weise Rechnung zu
tragen, die selbst für einen Platoniker unstrittig wäre. Man sollte sich außerdem
davor hüten, aus der Betrachtung dieser Fälle zu folgern, dass das Strebevermö-
gen damit als Kandidat für die Rolle des Bewegenden endgültig ausscheidet:
Zum einen möchte Aristoteles der platonischen Auffassung der innerseelischen
Konflikte als Konflikte entgegengesetzter Strebungen möglichst treu bleiben,
und zum anderen lässt er durch seinen bedachten Sprachgebrauch (vgl. auch
§ 2 weiter oben) durchblicken, dass es sich bei solchen Konflikten um Strebun-
gen im Sinne von konkreten Episoden handelt, z. B. um gegenwärtige, tatsäch-
lich auftretende Begierden (433a3: kata tên epithymian, a6–7: tautês kyria tês
kinêseôs, a7: oregomenoi kai epithymountes, a8: hôn echousi tên orexin).
Das Phänomen der innerseelischen Konflikte bleibt weiterhin ausschlagge-
bend für die folgenden Argumentationsschritte in III 10, 433a9–26, die hier
außer Betracht bleiben müssen. In 433a26–30 (T7) zieht Aristoteles ein sehr
wichtiges Zwischenfazit aus der Analyse der Konflikte zwischen Wunsch und
166 | Antonio Ferro

Begierde,57 die er ausdrücklich als (vernünftige resp. unvernünftige) Strebearten


bezeichnet (433a23, a25–26), indem er den Schwerpunkt von der Entgegenset-
zung der Strebungen hin auf Richtigkeit bzw. Möglichkeit von Irrtümern im Be-
reich der menschlichen Handlung verlagert:

T7. Freilich ist jede (Betätigung der) Vernunft [nous pas] richtig, aber Strebung und Vor-
stellung [orexis de kai phantasia] sind sowohl richtig als auch nicht richtig. Deswegen
[dio] bewegt jedes Mal der Gegenstand der Strebung [to orekton], aber dieser ist entweder
das Gute oder das, was das Gute zu sein scheint [ê to agathon ê to phainomenon agathon];
allerdings nicht jedes, sondern das Gute, das Gegenstand einer Handlung ist [to prakton
agathon]. Gegenstand einer Handlung aber ist das, was sich auch anders verhalten kann.
Dass es also das so beschaffene Seelenvermögen [toiautê dynamis tês psychês] ist, das be-
wegt, die sogenannte Strebung, ist klar.58

T7 ist ein vieldiskutierter Passus, der zahlreiche Fragen aufwirft: Zum einen ist
Aristoteles’ Behauptung, dass „jede Betätigung der Vernunft richtig“ sei, leicht
irritierend, wenn man unter nous das praktische Denken im weiteren Sinne
versteht.59 Zum anderen wurde über die extensionale oder intensionale Bedeu-
tung des Ausdrucks „to phainomenon agathon“ in der Literatur mehrfach debat-
tiert.60
Aristoteles’ Hauptgedankengang lässt sich jedoch ohne Mühe nachzeich-
nen. Zunächst erscheint der Übergang zum Aspekt der Richtigkeit bzw. Irrtum
aufgrund des Argumentationsschritts in 433a22–26 berechtigt: Das Wünschen
hat sich hierbei (433a23) als eine Strebungsart herausgestellt, die jede Bewe-
gung auszeichnet, welche „gemäß einer Überlegung“ (433a24: kata ton lo-
gismon) initiiert wird, während die Begierde, welche ebenfalls eine Strebungsart

||
57 Zum Gebrauch der Partikelverbindung μὲν οὖν … (δέ) in 433a26 siehe Anm. 23 weiter oben.
58 De an. III 10, 433a26–433b1: νοῦς μὲν οὖν πᾶς ὀρθός ἐστιν· ὄρεξις δὲ καὶ φαντασία καὶ ὀρθὴ
καὶ οὐκ ὀρθή. διὸ ἀεὶ κινεῖ μὲν τὸ ὀρεκτόν, ἀλλὰ τοῦτ’ ἐστὶν ἢ τὸ ἀγαθὸν ἢ τὸ φαινόμενον
ἀγαθόν· οὐ πᾶν δέ, ἀλλὰ τὸ πρακτὸν ἀγαθόν. πρακτὸν δ’ ἐστὶ τὸ ἐνδεχόμενον καὶ ἄλλως ἔχειν.
ὅτι μὲν οὖν ἡ τοιαύτη δύναμις κινεῖ τῆς ψυχῆς, ἡ καλουμένη ὄρεξις, φανερόν.
59 Der Verweis auf EN III 6, 1113a22–b2, wo Aristoteles zwischen dem „schlechthin und in
Wahrheit“ (haplôs kai kat’ alêtheian) Guten und dem „jedem (Einzelnen) gut Scheinenden“
(hekastôi to phainomenon) unterscheidet, dürfte genügen, um die etwas überzogen anmutende
Behauptung der Unfehlbarkeit des nous in T7 ins rechte Licht zu rücken. Der Umstand, dass
schlechte Menschen Dinge wünschen können, welche ihnen gut scheinen, aber nicht wirklich
gut sind, widerspricht laut Aristoteles nicht der These, dass „jede (Betätigung der) Vernunft
richtig ist“. Hierzu siehe vor allem Moss (2012) 103–105.
60 Überzeugende Argumente für die intensionale Lesart von to phainomenon agathon werden
in Moss (2012), Kap. 1–2, geliefert.
Der orexis-Begriff in Aristoteles’ De anima III 9–10 | 167

darstellt (433a25–26), „gegen die Überlegung“ (433a25–26: para ton logismon)


bewegt.
Darauf aufbauend behauptet Aristoteles in T7, jede Betätigung der Vernunft
sei richtig, während Strebungen – allgemein betrachtet – „sowohl richtig als
auch nicht richtig“ sein können: Denn einerseits sind vernünftige Strebungen –
insofern sie vernünftig sind – auf „das (wirklich) Gute“ als ihren Gegenstand
gerichtet. Andererseits sind manche Strebungen, wie die Begierde, die unver-
nünftig ist, unrichtig, und zwar insofern als sie den vernünftigen entgegenge-
setzt sind.
Doch woran liegt der Umstand, dass Strebungen auch nicht richtig sein
können? Aristoteles’ Antwort in T7 ist eindeutig: Das liegt daran, dass ihr Ge-
genstand über eine andere kognitive Leistung zugänglich ist, welche im Gegen-
satz zur Vernunft Irrtümer nicht prinzipiell ausschließt. Das ist die phantasia,
welche „sowohl richtig als auch nicht richtig“ sein kann (vgl. III 3, 428a17–19):
Das erklärt, warum es vorkommen kann, dass man nach etwas strebt, das nicht
wirklich gut ist. Man wünschte zwar, Aristoteles könnte sich in T7 etwas eindeu-
tiger ausdrücken, statt orexis und phantasia in Zeile 433a26–27 durch kai bloß
nebeneinanderzustellen. Doch der unmittelbare argumentative Kontext legt
folgende Deutung des Satzes nahe: „Strebung und Vorstellung – welche für die
Strebung notwendig ist – sind sowohl richtig als auch nicht richtig“.61 Kurzum:
Die Erwähnung der phantasia sowie des phainomenon agathon ist offensichtlich
mit Aristoteles’ Erklärung der Möglichkeit von Irrtum aufs Engste verbunden.
Daraus lässt sich folgern (433a27: dio), dass es immer etwas gibt, das so-
wohl durch die Vernunft als auch durch die phantasia erfasst werden kann und
die entsprechenden Bewegungen initiiert: Das ist nämlich der Gegenstand der
Strebung (to orekton). Wenn die Strebung „gegen die Überlegung“ bewegt, kann
dies allein an der Beteiligung der phantasia an der Strebungsbildung liegen: Der
Gegenstand der Strebung ist in diesem Fall etwas, was zwar als gut erscheint,
aber nicht wirklich gut ist.
Während die jüngsten Interpreten dieser Stellen auf der notwendigen Inter-
aktion von Kognition und Strebung bestehen, scheint Aristoteles’ Argument
eher eine wichtige Unterscheidung erforderlich zu machen, nämlich die zwi-
schen Strebegegenstand und unterschiedlichen Gegebenheitsweisen desselben
bzw. kognitiven Zugangsweisen zum Gegenstand. Denn Aristoteles verweist auf
zwei verschiedene Weisen, den Strebegegenstand zu erfassen, welchen wiede-

||
61 Vgl. Pearson (2012) 68.
168 | Antonio Ferro

rum unterschiedliche Strebungsarten entsprechen. Im gleichen Atemzug unter-


streicht er aber, dass die mit der einen oder anderen Strebungsart verbundenen
Ortsbewegungen nicht durch zwei der Art nach verschiedene Beweger verur-
sacht werden, sondern jeweils von einem der Art nach einheitlichen Beweger,
dem Strebegegenstand, ausgehen: Dieser bewegt in beiden Fällen und lässt sich
daher auf keine der beiden kognitiven Zugangsweisen reduzieren.62 Besondere
Beachtung verdient dabei die Tatsache, dass der Strebegegenstand auch unab-
hängig von seiner jeweiligen Gegebenheitsweise charakterisiert werden kann,
indem anstelle der kognitiven Komponente die Dimension der Handlung in den
Vordergrund gerückt wird: Aristoteles bezeichnet den Strebegegenstand nach-
drücklich als Gutes, das „Gegenstand einer Handlung“ (prakton) ist und somit
in den Bereich des Kontingenten einzuordnen ist (vgl. auch EN III 5–6).
Einleuchtend ist dann der letzte Schritt in T7: Nachdem Aristoteles auf den
Strebegegenstand als den Beweger, von dem Strebungen beider Arten ausge-
hen, verwiesen hat, ist er dazu berechtigt, das Strebevermögen als das gesuchte
Bewegende einzuführen, das den Strebegegenstand als sein antikeimenon hat.
Dabei fällt auf, dass er von einer „sogenannten“ Strebung (hê kaloumenê orexis)
spricht.63 Dies legt wiederum nahe, dass Aristoteles die Rede von Strebung im
Sinne eines für die animalische Ortsbewegung zuständigen Vermögens (dyna-
mis) erst nach erfolgtem Beweis der Existenz eines entsprechenden Gegen-
stands der Strebung für philosophisch begründet hält. Allem gegenteiligen
Anschein zum Trotz erfüllt auch das Strebevermögen das in § 2 erwähnte allge-

||
62 Aristoteles’ Zurückweisung der These, dass es zwei Beweger gibt, Vernunft und Strebung,
die an einer früheren Stelle erfolgt, bleibt dabei etwas rätselhaft. In 433a21–22 verweist er
nämlich auf eine vermeintlich unmögliche Folge dieser These (vgl. den Irrealis: ei gar dyo […]
ekinoun, […] an […] ekinoun): Gäbe es zwei Beweger, so sollten sie „auf eine gemeinsame Art“
oder „gemäß einer gemeinsamen Art“ (kata koinon eidos) bewegen. Nur soviel ist klar: Die
erneute Betrachtung der innerseelischen Konflikte im folgenden Abschnitt (433a22–26), mit
dem der neue Argumentationsstrang in T7 eng gekoppelt ist, dient dazu aufzuweisen, warum
beide Beweger nicht „auf eine gemeinsame Art“ bewegen und deshalb nicht zwei sein können.
T7 zielt nach meiner Lesart darauf ab zu erläutern, inwiefern der Beweger trotz der besagten
Konflikte und der unterschiedlichen Weisen, wie er dem Handelnden jeweils gegeben ist, eins
sein kann.
63 Die Wendung „to kaloumenon x“ kommt bei Aristoteles öfter vor, wenn es bei „x“ um einen
Ausdruck geht, der nicht gemäß dem allgemeinen oder alltäglichen Sprachgebrauch verwen-
det wird, weil er entweder aus einer technischen Fachsprache entlehnt wurde oder eine termi-
nologische Neuprägung darstellt oder aber in der Alltagssprache in einer abweichenden, ge-
wöhnlicheren Bedeutung vorkommt. Für eine Charakterisierung der „technischen“ oder
„innovativen“ (technical or novel) Verwendung des Partizips siehe Crowley (2008), insb. § 3.
Der orexis-Begriff in Aristoteles’ De anima III 9–10 | 169

meine Identitätskriterium, das Aristoteles in De an. II 4, 415a14–22 für Seelen-


vermögen festlegt. Die Hauptgründe, die zunächst dagegen zu sprechen schie-
nen, waren auf Fälle von Motivationskonflikt und die darauf beruhende plato-
nisch-akademische dichotomische Seelenteilung zurückzuführen, deren
Grundfehler darin bestand, das Strebevermögen „auseinanderzureißen“. Gera-
de auf diese Fälle kommt Aristoteles im nächsten Abschnitt (T8 = 433b5–13)
noch einmal zu sprechen:

T8. Da aber Strebungen [orexeis] entstehen, welche einander entgegengesetzt [enantiai


allêlais] sind – dies passiert dann, wenn die Vernunft [ho logos] und die Begierden [hai
epithymiai] einander entgegengesetzt sind, und es kommt bei den (Lebewesen) vor, die
eine Wahrnehmung von Zeit haben: auf der einen Seite befiehlt die Vernunft nämlich,
aufgrund des Zukünftigen [dia to mellon] zu widerstehen [anthelkein keleuei], und auf der
anderen Seite die Begierde aufgrund des Gegenwärtigen [dia to êdê], das gegenwärtig
Lustvolle scheint nämlich auch schlechthin lustvoll und gut schlechthin zu sein, weil man
das Zukünftige nicht sieht –, deswegen dürfte das Bewegende wohl der Art nach eines
sein [eidei men hen], nämlich das Strebevermögen, insofern es zur Strebung fähig ist [to
orektikon hêi orektikon]. Das erste von allen ist aber der Gegenstand der Strebung [to orek-
ton], denn dieser bewegt als Unbewegter, indem er gedacht oder vorgestellt wird, doch der
Zahl nach gibt es mehrere Beweger [arithmôi de pleiô ta kinounta].

In dieser Passage stützt Aristoteles sich offensichtlich auf die oben angedeutete
Unterscheidung zwischen Strebegegenstand und seinen Gegebenheitsweisen,
um die aus der Politeia bekannten Konfliktfälle aus der in T7 neu gewonnenen
Perspektive zu beleuchten. Hier werde ich mich darauf beschränken, auf einige
bemerkenswerte Aspekte von Aristoteles’ Lösungsansatz hinzuweisen.
Erstens: Die Konflikte (z. B. akrasia) werden eingangs zwar wie schon bei
Platon als Konflikte zwischen Vernunft und Begierde beschrieben. Aristoteles
scheint dabei übrigens eine unverkennbar platonische Terminologie (z. B.
anthelkein in 433b8) zu bemühen. Dennoch werden solche Konfliktfälle gleich-
zeitig im Sinne von entgegengesetzten Strebungen (Plural: orexeis) analysiert.
Zweitens: Die betreffenden Konflikte werden daraufhin (433b7–10) auf eine
Weise dargestellt, bei der es verstärkt auf das epistemische Verhältnis des Han-
delnden zum Gegenstand der Strebung ankommt. Aristoteles fokussiert vor
allem auf die zeitliche Dimension, welche mit den unterschiedlichen kognitiven
Zugangsweisen zum Gegenstand einhergeht, über die nur die Lebewesen verfü-
gen, die „eine Wahrnehmung der Zeit haben“, d.h. die vernünftigen Lebewesen.
Wenn der Strebegegenstand durch die Vernunft präsentiert wird, schließt der
erstrebte Gehalt z. B. einen Bezug auf die Zukunft mit ein: Mit anderen Worten
handelt es sich dabei nicht bloß um etwas, was jetzt gut ist, sondern um etwas,
das auch langfristig gut ist. Das ist nicht der Fall beim Gegenstand von unver-
nünftigen Strebungen: Überlegungen bezüglich zukünftiger Verhältnisse kön-
170 | Antonio Ferro

nen dabei völlig ausgeblendet werden, weshalb der eigentliche Gegenstand der
Begierde, d.h. „das gegenwärtig [êdê] Lustvolle“, „auch schlechthin [haplôs]
lustvoll und gut schlechthin [haplôs] scheint [phainetai]“.
Der philosophisch interessanteste Aspekt einer solchen Analyse ist die Er-
klärung des für das akratische Handeln charakteristischen Irrtums. Mindestens
ebenso wichtig ist aber, dass Aristoteles’ Lösung eine mögliche Entgegnung auf
Platons Argument für die Seelenteilung in der Politeia eröffnet. Man könnte
nämlich geltend machen, dass angesichts des Vorliegens bzw. Nicht-Vorliegens
einer dem Strebegegenstand jeweils anhaftenden – z.B. zeitlichen – Bestim-
mung das „Prinzip der Gegensätze“ nicht länger zu greifen vermag. Denn die
Gültigkeit eines solchen Prinzips unterliegt einigen Einschränkungen („zur
gleichen Zeit“, „in derselben Hinsicht“, „in Bezug auf dasselbe“, usw.: vgl. R.
IV, 436b8–c2, 436e8–437a10), auf die Platon im 4. Buch der Politeia übrigens
wiederholt verweist. Man könnte dementsprechend darauf verweisen, dass eine
dieser Einschränkungen verletzt ist, entweder weil der Gegenstand nicht in der
gleichen Hinsicht betrachtet wird oder weil der erstrebte Gehalt selbst nicht ein
und derselbe ist (vgl. „das gegenwärtig Lustvolle“ vs. „das schlechthin Lustvol-
le“).64
Drittens: Der Schlüssel zu Aristoteles’ Lösung liegt in der Unterscheidung
zwischen Gegenstand der Strebung und kognitiven Zugangsweisen zu diesem.
Einerseits ermöglicht die Angabe des antikeimenon es ihm, das Bewegende im
Sinne eines „der Form nach“ (eidei) einheitlichen Vermögens zu definieren: Das
ist nämlich das Strebevermögen als solches (d.h. als Vermögen), welches des-
halb eins ist, weil alle Strebungen, die den Handelnden bewegen, immer von
einem orekton ausgehen, das seinerseits „unbewegt“ ist. Doch diesen Strebun-
gen entsprechen ebenso viele Ausübungen des Vermögens: Insofern sind sie
„der Zahl nach“ mehrere Beweger.

||
64 Es ist auffällig, dass Sokrates in der Politeia (437d8–439b2) große Mühe darauf verwendet
zu zeigen, dass „jede Begierde für sich betrachtet [autê ge hê epithymia hekastê] allein auf
dasjenige [gerichtet ist], worauf sie ihrer Natur nach gerichtet ist“ (autou monon hekastou hou
pephyken), während „das, was hinzukommt“ (ta prosgignomena) (z. B. das „Gut-Sein“ des
begehrten Gegenstands) zum „So-oder-so [tou toiou ê toiou]“ (d.h. den zusätzlichen qualitati-
ven Bestimmungen des Gegenstands) gehört. Möglicherweise will Platon damit Einwände
dieser Art entkräften. Stellenweise habe ich „Gegenstand“ und „Gehalt“ verwendet, um zwi-
schen dem antikeimenon des Strebevermögens als solchen und den konkreten Inhalten (zu-
sammen mit sämtlichen zeitlichen und qualitativen Bestimmungen) der einzelnen Strebungen
zu differenzieren.
Der orexis-Begriff in Aristoteles’ De anima III 9–10 | 171

Um diese voneinander zu unterscheiden und damit eine Erklärung zu lie-


fern, wie der Handelnde eine konkrete Strebung bilden kann, muss man zwar
auf die Art und Weise Bezug nehmen, wie der Strebegegenstand dem Handeln-
den jeweils gegeben (z.B. gedacht oder vorgestellt) ist. Letztere gehört jedoch
nicht zum Wesen des Bewegenden im Sinne des Vermögens, sondern – wie T4
nahelegt – sie stellt eine notwendige Bedingung dafür dar, dass ein Lebewesen
das Vermögen hat, sich dem Orte nach zu bewegen. Denn ein solches Vermögen
lässt nicht verwirklichen, ohne dass der entsprechende Gegenstand der Stre-
bungen auf die eine oder andere Weise gegeben wäre.
Indem Aristoteles den Strebegegenstand und seine Gegebenheitsweisen
auseinanderhält, kann er schließlich das definitorische Verhältnis von Strebe-
gegenstand (unabhängig von den Arten seines Gegebenseins) und Strebever-
mögen, welches die Platoniker völlig verdeckt hatten, in den Vordergrund rü-
cken. Deshalb, wenn er sich im letzten Abschnitt von III 10 auf das dreigliedrige
Physik-Kausalschema „Bewegendes – Werkzeug – Bewegtes“ beruft, fügt er
gleich hinzu, das Bewegende meine „zweierlei“ (433b14: ditton): einmal das
Unbewegte, d.h. das Gute, welches Gegenstand einer Handlung ist (433b16: to
prakton agathon; vgl. T7), einmal das Bewegende und Bewegte, d.h. das Strebe-
vermögen als solches (433b17: to orektikon).
Eine restlose Klärung der heiklen Frage, wie das Vermögen bzw. der beweg-
te Beweger durch den Gegenstand bzw. den unbewegten Beweger bewegt wird,
liefert das dritte Buch von De anima zwar nicht.65 Nichtsdestotrotz ist der kriti-
sche Beitrag, den die Kapitel III 9–10 durch die Auseinandersetzung mit den
Platonikern zum Verständnis der animalischen Selbstbewegung als strebungs-
basierter Ortsbewegung leisten, nicht unerheblich.

Bibliographie
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||
65 Für eine eingehende Erörterung der Fragen rund um das orekton als unbewegten Beweger
und das orektikon als bewegten Beweger sowie des Zusammenhangs zwischen De an. III 10,
einerseits, und Phys. III 1–3, VIII 5 und Met. Θ 1–6, andererseits, siehe Ferro (2022) Kap. 3.
172 | Antonio Ferro

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Christian Kietzmann
Zwei Arten des praktischen Syllogismus bei
Aristoteles
G.E.M. Anscombe hielt den praktischen Syllogismus für „one of Aristotle’s best
discoveries.“1 Viele Philosophen der vergangenen Jahrzehnte stimmen ihr darin
zu. Allerdings ist im Detail höchst umstritten, wie diese Entdeckung zu verste-
hen ist, und zwar sowohl systematisch als auch exegetisch. Eine der Fragen, die
von Interpreten immer wieder diskutiert wurde, geht von der Beobachtung aus,
dass sich die Beispiele, die Aristoteles gibt, anscheinend zwei recht unter-
schiedlichen Schemata zuordnen lassen, nämlich einerseits „deduktiven“ Syl-
logismen, in denen eine allgemeine Regel auf eine konkrete Situation angewen-
det wird, und auf der anderen Seite „Zweck-Mittel“-Syllogismen, die zu einem
gegebenen Ziel notwendige Mittel identifizieren. In der Literatur ist umstritten,
ob Aristoteles hier zwei unterschiedliche Arten des praktischen Syllogismus im
Blick hat oder ob sich die eine Klasse letztlich als Sonderfall der anderen auffas-
sen lässt. Dabei besteht bei den Exegeten ein gewisser Hang zur Vereinheitli-
chung. Wie Klaus Corcilius zusammenfassend berichtet, „[führen] Hardie und
Mele die Zweck/Mittel-Stellen auf die deduktiven Stellen zurück, während San-
tas, Wiggins und Nussbaum umgekehrt versuchen, die deduktiven Stellen als
Zweck/Mittel-Kalküle zu erweisen“.2
Ich werde hier die These vertreten, dass sowohl Aristoteles’ Auffassungen
über die Funktion des praktischen Syllogismus als auch einige Textstellen na-
helegen, die Spezifikation von Zielen, d.h. ihre Konkretisierung innerhalb einer
bestimmten Situation, von der Identifikation von geeigneten Mitteln zur Her-
stellung eines Produkts zu unterscheiden. Entsprechend denke ich, dass wir
zwischen zwei verschiedenen Formen des praktischen Syllogismus unterschei-
den müssen: praktisch-spezifizierenden und produktiven Syllogismen.3

||
1 So Anscombe in ihrem Klassiker Intention: Anscombe (1957) 58. – Stellenverweise im vorlie-
genden Text beziehen sich, soweit vorhanden, auf den jeweiligen neuesten OCT, ansonsten für
De Memoria: W.D. Ross; De motu animalium: Primavesi; De partibus animalium: Louis.
2 Corcilius 2008a, 130. Corcilius bezieht sich hier auf Hardie (1968), Mele (1981), Santas (1969),
Wiggins (1975) und Nussbaum (1978).
3 Jessica Moss deutet diese Unterscheidung an, jedoch ohne sie genauer zu erläutern; vgl.
Moss (2014) 217–218. Zur Unterscheidung von instrumentellen und spezifizierenden Überle-
gungen im Allgemeinen vgl. Kolnai (1962), Wiggins (1975) und Millgram (2001) 10–12.

https://doi.org/10.1515/9783110735598-008
174 | Christian Kietzmann

Mein Text gliedert sich in zwei Teile. Im ersten skizziere ich eine Interpreta-
tion von Aristoteles’ Theorie animalischer Ortsbewegung, in deren Kontext sei-
ne Idee des praktischen Syllogismus steht. Diese Interpretation wird mir als
Hintergrund dafür dienen, im zweiten Teil den praktischen Syllogismus und
seine Struktur näher zu untersuchen und meine Unterscheidung zwischen prak-
tisch-spezifizierenden und produktiven Syllogismen einzuführen.

1 Aristoteles’ Theorie animalischer


Ortsbewegung
Ich möchte zuerst an einige philosophische Hintergrundannahmen der Theorie
des praktischen Syllogismus erinnern. Aristoteles führt die Idee eines prakti-
schen Syllogismus in De motu animalium 7 ein, und zwar im Kontext einer Un-
tersuchung der Frage, wie die Ortsbewegung von Lebewesen zu erklären ist. Für
ihn ist das menschliche Handeln ein Spezialfall tierischer Ortsbewegung. Aris-
toteles’ Idee ist also, dass Handlungserklärungen nicht grundlegend von den
Erklärungen tierischen Verhaltens unterschieden sind. Wie kommt es nun aber
zu tierischem Verhalten? Das heißt erstens: wieso bewegen sich Tiere über-
haupt, und nicht vielmehr nicht; und zweitens: wieso bewegen sie sich so und
nicht anders?4
Wieso bewegen sich Tiere überhaupt? Diese Frage stellt sich für Aristoteles
vor dem Hintergrund seiner Überlegungen zu Veränderungen, wie sie etwa in
seiner Physik und in De generatione et corruptione zu finden sind, sowie seiner
Aussagen zur Natur und Physiologie intentionaler Zustände in De anima und in
den Parva Naturalia. Ziel der in De motu animalium präsentierten Theorie
scheint es zu sein, tierische Ortsbewegung mit Hilfe der dort erarbeiteten Begrif-
fe verständlich zu machen: es handelt sich bei ihnen um einen Spezialfall von
Veränderung, der dadurch ausgezeichnet ist, dass in seine Erklärung wesent-
lich intentionale Akte wie Wollen und Denken eingehen.5
Werfen wir deshalb zuerst kurz einen Blick auf den Begriff der Bewegung
bzw. Veränderung im Allgemeinen. Kinêsis beruht laut der aristotelischen Phy-
sik auf dem Einwirken eines Akteurs auf einen Patienten: Akteur A besitzt die

||
4 Dass Aristoteles’ Fragestellung so allgemein ist, zeigt die Formulierung in Mot. an. 1,
698a1–7.
5 Zu letzterem siehe die gegen Demokrit gerichtete Bemerkung in De an. I 3, 406b24–25.
Zwei Arten des praktischen Syllogismus bei Aristoteles | 175

Veränderungsfähigkeit F, Patient B die Leidensfähigkeit G. Wenn Akteur und


Patient zusammenkommen – einander berühren – und geeignete Bedingungen
vorliegen, werden F und G zusammen in der Veränderung K ausgeübt, die im
Patienten stattfindet. Am Beispiel einer qualitativen Veränderung: Die Herdplat-
te ist heiß und besitzt damit die Veränderungsfähigkeit, kalte Gegenstände zu
erhitzen; der Topf ist kalt und besitzt damit die Leidensfähigkeit, erhitzt zu
werden. Stellt man den Topf auf die Herdplatte, findet am Topf eine Verände-
rung statt: Er wird erhitzt. Diese bipolare Struktur kann nun auch in Ketten
auftreten. Um bei unserem Beispiel zu bleiben: Wenn der Topf selbst heiß ge-
worden ist, wird er das Wasser, das man in ihn hineinschüttet, erhitzen; und
das erhitzte Wasser wird seinerseits das rohe Ei erhitzen, das man in es hinein-
legt. In dieser Veränderungskette spielen Topf und Wasser eine Doppelrolle: sie
sind zugleich Patient und Akteur, in Bezug auf einen Gegenstand sind sie Ver-
ändertes, in Bezug auf einen anderen Gegenstand Veränderndes.
Das eben gegebene Beispiel des Erhitzens ist insofern einfach, als darin nur
eine einzige Eigenschaft auf immer neue Gegenstände übertragen wird. Verän-
derungsketten können jedoch auch komplizierter aussehen. Insbesondere kann
es vorkommen, dass Veränderungen der einen Kategorie – z.B. qualitative Ver-
änderungen – zu Veränderungen einer anderen Kategorie – z.B. Ortsbewegun-
gen – führen. Dabei kann außerdem eine kleine Anfangsveränderung zu einer
großen und andersartigen Endveränderung transformiert werden. So etwas
geschieht z.B. in einem Uhrwerk, das durch Temperaturschwankungen ange-
trieben wird: Die Veränderung der Temperatur der Feder führt zu ihrer Kontrak-
tion bzw. Ausdehnung, und diese wiederum treibt den Mechanismus der Uhr
an, der die minimalen Ausgangsveränderungen in eine gleichmäßige Zeigerbe-
wegung, die Zeitanzeige auf dem Ziffernblatt, übersetzt. Eine minimale qualita-
tive Anfangsveränderung wird hier, durch komplizierte Übertragungen inner-
halb des Uhrmechanismus, in eine deutlicher wahrnehmbare Ortsbewegung
des Zeigers transformiert.6
Ungefähr so scheint sich Aristoteles nun auch die Erklärung der Ortsbewe-
gung von Lebewesen zu denken:

||
6 Mot. an. 7, 701b1–32.
176 | Christian Kietzmann

Wie aber die Automatentheater (automata) bewegt werden, sobald nur eine kleine Bewe-
gung stattgefunden hat – man löst die aufgezogenen Schnüre, und es schlagen sofort die
Figuren ihre Säbel gegeneinander; [...] auf solche Weise bewegen sich auch die Lebewe-
sen.
(Mot. an. 7, 701b1–7, Übers. Klaus Corcilius)

Ein Automat (automaton) – also zum Beispiel ein mechanisches Theater oder
ein Uhrwerk – transformiert eine kleine Ausgangsveränderung in eine womög-
lich andersartige und größere Endveränderung. Und Tiere denkt sich Aristoteles
analog zu solchen Automaten: auch sie sind funktional so gegliedert, dass sie
Anfangs- in Endveränderungen transformieren. Am Ende einer solchen Trans-
formation stehen tierische Ortsbewegungen. Was aber bildet den Ausgangs-
punkt solcher Veränderungsketten? Es muss sich dabei um Veränderungen
handeln. Aber um welche? Aristoteles’ Antwort in Mot. an. 6 lautet: Wahrneh-
mung, Vorstellung (phantasia), Denken. Diese drei Formen des Unterscheidens
(krinein) sind für ihn Veränderungen und qualifizieren sich somit als Ausgangs-
punkte für Handlungserklärungen: Wahrnehmungen sind für Aristoteles eine
Art qualitative Veränderung, das wissen wir aus De anima II 5.7 Auch phantas-
mata sind Veränderungen, wie Aristoteles in De anima III 3 bemerkt.8 Schwieri-
ger in diese Reihe einzuordnen ist auf den ersten Blick das Denken, denn Aristo-
teles bestreitet mitunter explizit, dass Denken eine Veränderung sei: es handele
sich vielmehr um ein Zur-Ruhe-Kommen.9 Andererseits behauptet Aristoteles
wiederholt, dass man nicht ohne phantasmata denken könne.10 Wenn das
stimmt, besteht das Denken zwar vielleicht nicht selbst in einer Veränderung, es
ist aber dennoch notwendig mit einer verknüpft. Und das reicht aus für Aristote-
les’ These, dass Denken den Ausgangspunkt von Ortsbewegung bilden kann.11
Wahrnehmung, Vorstellung und Denken sind aber nicht nur Veränderun-
gen. Sie sind allesamt auch Weisen des Unterscheidens (krinein), wie Aristoteles
sagt.12 Wir können auch, etwas moderner, sagen: es handelt sich bei ihnen um
Formen des Repräsentierens, sie alle stellen etwas vor, sie sind intentionale
Akte. Dieser Doppelcharakter – sowohl Veränderung als auch intentionaler Akt
– ist für Aristoteles’ Theorie ganz entscheidend.

||
7 De an. II 5, 416b33–35.
8 De an. III 3, 428b11–12.
9 De an. I 3, 407a32–33; Phys. VII 3, 247b1–248a9.
10 De an. III 7, 431a14–16; III 8, 432a7–14; Mem. 1, 449b30–450a9.
11 Mot. an. 7, 701b16–22.
12 De an. III 3, 428a3–5; Mot. an. 6, 700b19–22.
Zwei Arten des praktischen Syllogismus bei Aristoteles | 177

Repräsentationen allein reichen nun aber anscheinend nicht aus, um Orts-


bewegungen auszulösen. Eine Repräsentation kann einen schließlich ganz kalt
lassen; sie motiviert uns nicht zwingend zum Handeln. Das tut sie erst dann,
wenn der Vorstellende sich zu dem von ihm Repräsentierten in charakteristi-
scher Weise verhält, nämlich erstrebend oder vermeidend. Aristoteles denkt,
dass Tiere, die Lust und Schmerz empfinden können, dies bei denjenigen Re-
präsentationen, die ihnen zur Verfügung stehen – also solchen, die ihnen durch
Wahrnehmung zuwachsen – ganz automatisch tun. Diese Tiere verhalten sich
zu ihren Wahrnehmungen zwangsläufig so, dass sie das Wahrgenommene ent-
weder als lustvoll empfinden und, damit in eins, es erstreben, oder aber das
Wahrgenommene als schmerzhaft empfinden und damit in eins, es meiden.
Diese beiden Haltungen sind gleichsam praktische Weisen der Bejahung oder
Verneinung, die zwangsläufig mit einer wahrnehmenden Repräsentation ver-
knüpft sind. Zum Beispiel: Der Affe sieht eine Banane, empfindet bei ihrem
Anblick appetitvolle Lust und versucht, sie zu bekommen. Die Gazelle wittert
das Löwenrudel, empfindet dabei angstvolle Unlust und flieht in die entgegen-
gesetzte Richtung. Diese lust- und schmerzinvolvierenden praktischen Haltun-
gen des Strebens bzw. Meidens sind allerdings nicht die einzigen Formen des
Strebens. Sie sind zwar die einfachsten, weil sie schon mit der tierischen Wahr-
nehmungs- und Empfindungsfähigkeit gegeben sind. Jedes Tier, das wahrneh-
men kann – also mindestens den Tastsinn besitzt –, ist ipso facto in der Lage,
diese Haltungen einzunehmen. Manche Tiere besitzen aber zusätzlich zu ihren
Wahrnehmungsfähigkeiten auch noch höhere kognitive Fähigkeiten des Reprä-
sentierens, und diese gehen dann auch mit höheren Fähigkeiten des Strebens
und Meidens einher. Ein Tier, das Erinnerung (mnêmê) besitzt, kann Erfahrung
(empeiria) sammeln und so einen Sinn für Nützliches und Schädliches gewin-
nen. Die vorgestellten Gegenstände und Sachverhalte (phantasmata) wird das
Tier dann als nützlich oder schädlich repräsentieren. Diese Vorstellung wird
deshalb mit einer entsprechenden praktischen Haltung des Strebens bzw. Mei-
dens einhergehen. Ein Lebewesen schließlich, das denken kann und über die
Begriffe des Guten und Schlechten verfügt, wird einige seiner denkend reprä-
sentierten Sachverhalte als gut oder schlecht vorstellen und damit entspre-
chend erstreben oder meiden. Es wird die Strebensform der boulêsis besitzen.
Auf diese Weise wird es aber nur einige Sachverhalte repräsentieren, nämlich
solche, die als rationales Ziel seines Handelns in Frage kommen. Das sind Sach-
verhalte, die sowohl kontingent und damit durch Handeln realisierbar sind als
auch als gut oder schlecht bewertet werden. Neben solchen Sachverhalten kann
ein denkendes Lebewesen auch allgemeine und notwendige Sachverhalte vor-
stellen, die unabhängig von seinem Handeln bestehen und zu denen es keine
178 | Christian Kietzmann

praktische Haltung einnimmt. Anders gesagt: Bei denkenden Lebewesen diffe-


renziert sich das Repräsentieren in eine praktische und eine theoretische Spiel-
art aus.13
Laut Aristoteles bilden also Repräsentationen, die einen Gegenstand des
Strebens vorstellen, den Ausgangspunkt tierischer Ortsbewegung. Solche Re-
präsentationen sind einerseits, ontologisch gesprochen, Veränderungen, oder
zumindest systematisch mit solchen verknüpft. Das erklärt, wie sie komplexe
Veränderungsketten in Gang setzen können, die schließlich in tierischem Ver-
halten münden. Andererseits sind sie intentional gehaltvoll und gehen mit den
praktischen Haltungen des Strebens bzw. Meidens einher. Das erklärt, wie das
resultierende Verhalten als ein Bestimmtes klassifizierbar ist: Es kann als Ver-
such verstanden werden, das Repräsentierte entweder zu erlangen oder zu ver-
meiden.
Ich hatte gesagt, dass Repräsentationen Veränderungen sind, die Aristote-
les zufolge einen komplexen Mechanismus in Gang setzen, der in Verhalten
mündet. Wie genau funktioniert nun aber dieser Mechanismus? Ein Teil dieser
Frage bezieht sich auf die physiologische oder anatomische Realisierung der
Veränderungsübertragung: Welche körperlichen Veränderungen finden hierbei
genau statt, und wie werden sie von Körperteil zu Körperteil übertragen? Aristo-
teles gibt hierauf verschiedene Hinweise: Einmal scheint er zu meinen, dass das
Herz den organischen Ausgangspunkt der körperlichen Veränderungskette
bildet.14 Das scheint er zu glauben, weil das Herz für ihn der Sitz, also das orga-
nische Korrelat, des Wahrnehmungsvermögens und damit des Gemeinsinns
und des Vorstellungsvermögens ist.15 Diejenigen Veränderungen, die den Ver-
haltensmechanismus auslösen – d.h. Wahrnehmung, Vorstellung, Denken –
haben eine Doppelgestalt: sie sind einerseits intentional, denn sie repräsentie-
ren eine von ihnen verschiedene Wirklichkeit; andererseits haben sie aber auch
eine physiologische Seite, denn sie bestehen (zumindest auch) in körperlichen

||
13 Vgl. EN VI 2, 1139a5–14. Aristoteles unterscheidet dort einen „wissenschaftlichen“
(epistêmonikon) von einem „überlegenden“ (logistikon) rationalen Seelenteil, wobei ersterer
unveränderliche und allgemeine Tatsachen erfasst, während letzterer veränderliche Einzelfall-
tatsachen registriert. Im Folgenden ordnet er dann dem wissenschaftlichen Teil die Aufgabe
des interesselos-theoretischen Erfassens der Grundzüge der Wirklichkeit zu, während er für
den überlegenden Teil die Identifikation der zweiten Prämisse des praktischen Syllogismus
durch Nachdenken (bouleuesthai, logizesthai) und damit die Aufgabe der Handlungsanleitung
reserviert.
14 Mot. an. 7, 701b28–32.
15 Part. an. III 3, 665a10–13.
Zwei Arten des praktischen Syllogismus bei Aristoteles | 179

Veränderungen des Herzens. Aristoteles scheint dabei an unterschiedliche


Temperaturen des Blutes zu denken: je nachdem, was wir repräsentieren, kühlt
sich unser Blut im Herzen ab oder gerät in Hitzewallungen, und diese Tempera-
turunterschiede werden, vermittelt über das sogenannte „angeborene Pneu-
ma“, in Kontraktion oder Ausdehnung transformiert, was wiederum Sehnen,
Knochen und Muskeln bewegt, die dann ihrerseits einander in Bewegung set-
zen. Entsprechend stellt Aristoteles Überlegungen darüber an, wie die Anatomie
der Gliedmaße beschaffen sein muss, damit solche Bewegungsübertragung
durch Zug und Dehnung möglich ist. Hier geht es offenkundig um die Frage, wie
ein Tier organisch gebaut sein muss, um die vorhin beschriebene Transformati-
on der kleinen Ausgangsveränderung in tierische Ortsbewegung realisieren zu
können. Das ist für Aristoteles eine Frage von der Art, wie sie sich Ingenieuren
stellt, die für einen bestimmten Zweck einen Automaten konstruieren wollen.16
Neben diesem physiologisch-anatomischen Fragenkomplex behandelt Aris-
toteles aber auch die uns hier eigentlich interessierende Frage, wie genau ein
solcher Mechanismus in Gang gesetzt wird. Bisher haben wir nur erarbeitet,
dass Repräsentationen den Ausgangspunkt bilden. Doch wie genau schaffen es
Repräsentationen, eine Veränderungskette der beschriebenen Art in Gang zu
setzen? Die Frage stellt sich, weil nicht jede Vorstellung Verhalten motiviert.
Zum einen ist, wie wir bereits gesehen haben, nicht jede Vorstellung mit einem
Streben verknüpft; wissenschaftliche Vorstellungen z.B. sind das nicht. Wir
haben deshalb präzisiert, dass nur strebende Vorstellungen, die ihren Gegen-
stand als lustvoll bzw. gut vorstellen, Verhalten motivieren. Zum anderen führt
aber auch nicht jede mit Streben verbundene Vorstellung zu Verhalten. Solange
uns nicht klar ist, dass hier und jetzt eine Gelegenheit besteht, das Erstrebte zu
bekommen, und solange wir nicht wissen, wie wir es bekommen können, so-
lange werden wir nicht entsprechend handeln. Diese Überlegungen zeigen, dass
eine Repräsentation allein nicht hinreichend dafür ist, ihren Besitzer in Bewe-
gung zu setzen. Ich denke, diese Beobachtung motiviert die Frage, die Aristote-
les zu Beginn von De motu animalium 7 stellt: Warum bewegt Denken (im wei-

||
16 Den zeitgenössischen Hintergrund dieser Überlegungen bildet wohl Sokrates’ Position in
Platons Phaidon, 98c2–99b2. Platons Sokrates weist darauf hin, dass die eigentliche Erklärung
einer Handlung in einer Meinung über das Beste zu suchen ist und demgegenüber die physio-
logische Beschaffenheit von Sehnen, Knochen und Muskeln bloß als Ermöglichungsbedingun-
gen des entsprechenden Handelns in Handlungserklärungen eingehen.
180 | Christian Kietzmann

testen Sinn, der Wahrnehmen, phantasia und Denken im engeren Sinn umfasst)
manchmal, und manchmal nicht?17

2 Der praktische Syllogismus


Machen wir uns noch einmal das Problem klar, das sich an dieser Stelle für
Aristoteles stellt: Tierische Ortsbewegung ist das Resultat einer komplexen
Übertragungskette von Veränderungen, wobei eine Repräsentation den Aus-
gangspunkt bildet und diese Veränderung sukzessive so transformiert wird,
dass am Ende eine Ortsbewegung herauskommt. Ein Teil dieser Transformation
besteht in organischen Veränderungen, die durch unterschiedlich temperiertes
Blut in Gang gesetzt werden. Doch damit das Blut in der richtigen Weise in Wal-
lung gerät, bedarf es geeigneter Repräsentationen. Und Aristoteles bemerkt,
dass die bloße Vorstellung eines Guts – selbst wenn es sich um ein praktisches
Ziel und damit um ein Gut handelt, das erstrebt wird – nicht ausreicht, um den
weiteren Mechanismus in Gang zu setzen. Die praktische Repräsentation von
etwas als Strebensziel allein genügt also anscheinend nicht, um Verhalten aus-
zulösen. Was fehlt? Ich denke, das Fehlende besteht in einem Beziehen des
Ziels auf die konkrete Situation und die Bewegungsfähigkeiten des betreffenden
Tiers. Die Repräsentation des Ziels ist in dem Sinn allgemein, dass erstens das
Ziel bei verschiedenen Gelegenheiten auf unterschiedliche Weise einschlägig ist
und sich zweitens in einer konkreten Situation meist auf verschiedene Weisen
realisieren lässt. Demjenigen, der das Ziel hat, stellen sich damit – zumindest
implizit – zwei Fragen: Erstens, was bedeutet es hier und jetzt, das Ziel zu ver-
wirklichen? Und zweitens, wie mache ich das hier und jetzt? Um sich in irgend-
einer Weise zu verhalten, muss der Betreffende zuerst diese beiden Fragen be-
antworten. Er muss sein Ziel zum einen auf die konkrete Situation als eine sich
ihm bietende Gelegenheit beziehen und dabei auf diese Situation hin konkreti-
sieren, und er muss es zum anderen zu seinen Fähigkeiten in Beziehung setzen,
denn sie stellen ihm das Repertoire der ihm zur Verfügung stehenden Verhal-
tensweisen bereit. Diese beiden Operationen – das Konkretisieren des allgemei-
nen und noch unspezifischen Ziels auf die vorliegende Situation hin sowie das
Identifizieren geeigneter Mittel – sind m.E. das, was Aristoteles im Folgenden
beschreibt. Wir sollten also im Text eine Beschreibung davon erwarten, wie ein

||
17 Mot. an. 7, 701a7–8.
Zwei Arten des praktischen Syllogismus bei Aristoteles | 181

Ziel (d.h. ein Gut) auf eine Situation und die sich in ihr bietenden Verhaltens-
möglichkeiten (d.h. auf das in dieser Situation praktisch Mögliche) bezogen
wird.
Schauen wir nun in den Text. Aristoteles’ Antwort auf die Frage, warum das
Denken manchmal bewegt und manchmal nicht, lautet so:

Dies aber scheint sich auf ganz ähnliche Weise zuzutragen wie bei denen, die sich über
Unbewegliches Gedanken machen und deduzieren. Nur ist dort das Ergebnis eine theore-
tische Betrachtung – denn sobald man die beiden Prämissen gedacht hat, hat man auch
schon die Konklusion gedacht und sie zusammengesetzt –, hier hingegen tritt an die Stel-
le der Konklusion aus den beiden Prämissen die Handlung.
(Mot. an. 7, 701a8–13, Übers. Klaus Corcilius)

Aristoteles meint also offenbar, dass die Veränderungskette, die in ein Verhal-
ten mündet, durch ein Zusammendenken zweier Repräsentationen in Gang ge-
setzt wird. „Denken“ ist in diesem handlungstheoretischen Kontext, wie gesagt,
in einem weiten Sinn zu verstehen, der jede Form des kognitiven Erfassens von
etwas umfasst. Das Zusammendenken fasst Aristoteles als analog zum Fall des
theoretischen Schließens auf, in dem ein theoretischer Satz aus zwei bereits
vorhandenen theoretischen Sätzen geschlussfolgert wird.18 Ein Zusammenden-
ken zweier Repräsentationen findet hier wie dort statt; im einen Fall resultiert
daraus eine weitere Repräsentation, im anderen Fall dagegen ein Verhalten. Die
Pointe dieser Analogie liegt m.E. darin, dass uns das theoretische Schlussfol-
gern ein Modell dafür liefert, wie eine wirkkausale Beziehung so mit einer ratio-
nalen Begründungsbeziehung verknüpft sein kann, dass das Auftreten der Wir-
kung im Lichte der Ursachen zugleich kausal erklärt und rational verständlich
wird. Wenn jemand theoretisch schlussfolgert, stehen die Gehalte seiner Ge-
danken einerseits in einer Folgerungsbeziehung zueinander: wenn die Prämis-
sen wahr sind, ist notwendig auch die Konklusion wahr.19 Zugleich bildet er aber
dabei auch einen neuen Gedanken, nämlich die Konklusion. Ganz so soll es nun
auch beim tierischen Verhalten sein. Die Gedanken in den Prämissen sprechen

||
18 Den Terminus syllogismos verwendet Aristoteles mehrdeutig: manchmal meint er damit ein
gültiges Argument, d.h. einen abstrakten Gegenstand, so z.B. in der Definition in An. pr. I 1,
24b18–20; manchmal meint er damit aber auch ein psychologisches Ereignis des Schlussfol-
gerns (syllogizesthai), so etwa in De an. I 3, 407a32–34, oder an der uns hier interessierenden
Stelle.
19 Vgl. Aristoteles’ Definition des Syllogismus in An. pr. I 1, 24b18–20.
182 | Christian Kietzmann

einerseits für ein bestimmtes Verhalten, sie „rationalisieren“ es. Zugleich brin-
gen sie es aber auch hervor.20
Der Unterschied zwischen praktischem Zusammendenken und theoreti-
schem Schlussfolgern besteht nun nicht nur in seinem Resultat – einer Reprä-
sentation im theoretischen und einer Handlung im praktischen Fall –, sondern
auch darin, dass praktisches Denken auch auf das Einzelne zielt, so dass bei
ihm ein konkreter Situationsbezug ins Spiel kommen muss. Dieser Unterschied
bedingt formale Unterschiede zwischen einem praktischen und einem theoreti-
schen Syllogismus. Im theoretischen Syllogismus sind alle Repräsentationen
allgemeine (katholou) und partikuläre (en merei) Gedanken (logoi), also etwa
Aussagen der Form „Alle F sind G“ oder „Mindestens ein F ist G“. Dagegen ent-
hält in einem praktischen Syllogismus die zweite Prämisse einen Bezug auf eine
konkrete Situation und damit auf Einzelnes:

Immer wenn jemand z.B. den Gedanken gefasst hat, dass jeder Mensch gehen soll und
dass er selbst ein Mensch ist, geht er sofort; immer wenn er hingegen den Gedanken ge-
fasst hat, dass jetzt kein Mensch gehen soll und dass er selbst ein Mensch ist, steht er so-
fort still.
(Mot. an. 7, 701a13–15, Übers. Klaus Corcilius)

Die Ausgangspunkte dieser beiden Syllogismen, d.h. ihre ersten Prämissen,


bilden Vorstellungen von etwas Gutem: dass Menschen gehen oder jetzt nicht
gehen sollen. Aristoteles scheint sie für etwas Allgemeines zu halten: es geht
um das, was Menschen im Allgemeinen tun sollen. Aristoteles drückt das später
so aus, dass eine der Prämissen das Gute thematisiert.21 Dieser Gedanke wird im
Syllogismus mit einer zweiten Vorstellung verknüpft, die eine relevante Infor-

||
20 Klaus Corcilius nimmt an, dass man sich zwischen einer Deutung des praktischen Syllo-
gismus als Kausalbeziehung und einer Deutung als Begründungsbeziehung entscheiden müs-
se, und optiert für die wirkkausale Deutung. Die Rolle der Begründung reserviert er dagegen
für Deliberationsprozesse, die er vom praktischen Syllogismus unterscheidet; vgl. Corcilius
(2008b). Ich stimme zu, dass Deliberation etwas anderes ist als der praktische Syllogismus. Ich
sehe allerdings nicht, warum man sich zwischen den beiden Deutungen entscheiden muss und
nicht stattdessen beide Beziehungen im praktischen Syllogismus am Werk sehen kann. Wenn
man von der Begründungsbeziehung absieht, wird schließlich unklar, warum nicht Wünsche
und Gedanken mit beliebigen Inhalten Handlungen verursachen können. Das wäre aber ab-
surd. Nur, wenn man die Begründungsbeziehung mit in Rechnung stellt, ist auch die Verständ-
lichkeit des Verhaltens im Lichte der sie verursachenden Wünsche und Überzeugungen gesi-
chert. Patricio Fernandez argumentiert ausführlich dafür, dass Kausal- und Begründungs-
beziehung im Schlussfolgern zusammengehören; vgl. Fernandez (2014), besonders 178–186.
21 Mot. an. 7, 701a23–25.
Zwei Arten des praktischen Syllogismus bei Aristoteles | 183

mation über die konkrete Situation und die sich in ihr bietenden Verhaltens-
möglichkeiten zum Gegenstand hat: in unserem Beispiel die Information, dass
der Vorstellende selbst ein Mensch ist. Da es um kontingente Umstände geht,
spricht Aristoteles davon, dass die zweite Prämisse des Schlusses vom Mögli-
chen handle.22 Die Konklusion bildet das Verhalten: Der Schließende geht bzw.
ruht. Manchmal setzt Aristoteles an deren Stelle einen Sollens-Satz, etwa „Ich
muss einen Mantel machen“. Er fügt aber sogleich hinzu, dass dieser hier nur
verbal die Handlung vertrete.23 Wir können Aristoteles’ Position so zusammen-
fassen: Wenn jemand einen allgemeinen, aber durch Verhalten realisierbaren
Gegenstand als gut vorstellt und damit erstrebt, und außerdem hier und jetzt
eine Gelegenheit sieht, dieses Gut zu erlangen, so resultiert ein Verhalten, eine
Ortsbewegung, sobald er beide Informationen zusammenbringt, d.h. aufeinan-
der bezieht.
Wie gesagt: Aristoteles unterscheidet hier nicht grundlegend zwischen tieri-
schem Verhalten und menschlichem Handeln. Ob wir es mit einem Regenwurm
zu tun haben, der sich durch die Erde gräbt, oder mit einem Menschen, der vor
der Volksversammlung eine Rede hält – hier wie dort ist letztlich dasselbe Er-
klärungsschema anwendbar. Den einfachsten Fall bildet die Ortsbewegung des
Regenwurms: sein Tastsinn – dessen Besitz für Aristoteles die Minimalbedin-
gung dafür bildet, dass wir überhaupt ein Lebewesen vor uns haben – sein Tast-
sinn also unterscheidet seine Umwelt in die basalen Gegensatzpaare feucht und
trocken, warm und kalt. Wer ein Wahrnehmungsvermögen besitzt, hat laut
Aristoteles ipso facto auch ein Begehrensvermögen, das die Unterscheidung
lustvoll/unlustvoll auf die wahrgenommenen Eigenschaften abbildet. Der Re-
genwurm erstrebt im Allgemeinen das als lustvoll empfundene Warme und
Feuchte und meidet das für ihn unlustvolle Kalte und Trockene. In einer kon-
kreten Situation bringt er etwa sein allgemeines Begehren nach Warmem und
Feuchtem (als etwas Lustvollem) mit der Wahrnehmung zusammen, dass es in
dieser Richtung warm und feucht ist – und bewegt sich in diese Richtung.
Schon hier haben wir es mit einem Zusammenbringen, einem Aufeinanderbe-
ziehen, von Repräsentationen zu tun, also mit einer basalen Art von Schlussfol-
gern.24

||
22 Ibid.
23 Mot. an. 7, 701a19–20.
24 Mit Hilfe dieser Theorie macht Aristoteles deutlich, was es bedeutet, dass ein Verhalten
seinen Ursprung im sich verhaltenden Lebewesen hat. Aristoteles erklärt auf diese Weise einen
wesentlichen Aspekt dessen, was er hier und anderswo hekousion – oft als „freiwillig“ oder
184 | Christian Kietzmann

Bei menschlichen Handlungen ist dasselbe Grundschema einschlägig. Es ist


hier allerdings in mindestens vier Hinsichten raffinierter als beim Regenwurm:
(a) Erstens verfügen Menschen über mehrere Arten des Repräsentierens: Neben
dem Tastsinn haben sie auch noch die übrigen vier Sinne, außerdem besit-
zen sie (wie einige andere Tierarten auch) phantasia und verfügen über Er-
innerung (mnêmê) und können Erfahrung (empeiria) ausbilden. Und, last
but not least, können sie allein begrifflich denken (dianoia, nous). Das lie-
fert mehr Quellen für die Repräsentationen, die den Gegenstand des Stre-
bens vorstellen und so den Ausgangspunkt, die erste Prämisse, praktischer
Schlüsse bilden.
(b) Zweitens kommen beim Menschen zu der an Lust und Unlust orientierten
Strebensform der epithymia weitere Arten des Strebens: der am Gegensatz-
paar ehrend/kränkend orientierte thymos sowie die am Gegensatzpaar
gut/schlecht orientierte boulêsis. Auch dieser Unterschied schlägt sich in
der ersten Prämisse praktischer Schlüsse nieder.25
(c) Drittens verfügen Menschen über technê und damit über eine besondere Art
von Verstehen, die sie gegenüber anderen Tieren auszeichnet. Dieser Um-
stand schlägt sich, wie wir gleich noch sehen werden, in der zweiten Prä-
misse praktischer Schlüsse nieder.
(d) Schließlich sind Menschen viertens dazu in der Lage, praktisch nachzuden-
ken (bouleuesthai). Sie können sich so, gewissermaßen durch eine „mentale
Suche“ (zêtêsis), praktische Untersätze erschließen, die ihnen nicht unmit-
telbar gegenwärtig sind.26

Der Unterschied Tier-Mensch kommt also, wenn es um das Erklären von Verhal-
ten geht, nur darin zum Tragen, dass solche Erklärungen beim Menschen von
raffinierteren Formen des Repräsentierens und Strebens ausgehen können. Die
Art ihres Zusammenwirkens ist aber für Aristoteles überall dieselbe. Es besteht
überall im Zusammendenken dieser Elemente, also in dem, was wir „prakti-
scher Syllogismus“ genannt haben.

||
„willentlich“ übersetzt – nennt, ein Merkmal, das ihm zufolge einerseits eine notwendige
Voraussetzung der ethischen Zurechenbarkeit von Verhalten bildet, das andererseits aber, wie
er betont, nicht nur erwachsenen Menschen, sondern auch Kindern und Tieren zukommt.
Siehe Mot. an. 11, 703b3. Ausführlich in EN III 1–3, 1109b30–1111b3.
25 Vgl. etwa De an. III 9, 432b5–6; EE II 7, 1223a26–27; II 10, 1225b24–25; EN III 4, 1111b10–11;
VII 7, 1149a23–25.
26 Zur Überlegung als Suche vgl. EN III 5, 1112b11–1113a2.
Zwei Arten des praktischen Syllogismus bei Aristoteles | 185

Die beiden oben diskutierten Beispiele für praktische Syllogismen – ich


meine den Menschen, der geht bzw. ruht – gehören nun auch insofern zu den
einfacheren, als Gehen etwas ist, das so gut wie jeder einfach so tun kann. Die
Fähigkeit zu gehen hat fast jeder in seinem Repertoire basaler Verhaltenswei-
sen. Komplizierter wird die Sache, wenn das Verhalten, dass sich ihm durch die
Konkretisierung seines Ziels nahelegt, darin besteht, etwas herzustellen. Diesen
komplexeren Fall diskutiert Aristoteles anschließend anhand des folgenden
Beispiels:

„Ich brauche Bekleidung; eine geeignete Bekleidung aber ist ein Mantel; ich brauche ei-
nen Mantel.“ „Es soll das hergestellt werden, was ich brauche. Ich brauche aber einen
Mantel.“ Er stellt einen Mantel her. Und die Konklusion „Es soll ein Mantel hergestellt
werden“ ist eine Handlung. Doch handelt man von einem Ursprung (archê) aus: „Wenn es
einen Mantel geben soll, so ist erst noch dieses notwendig, wenn aber dieses, dann die-
ses“; und das Letztgenannte tut man sofort.
(Mot. an. 7, 701a17–22, Übers. Klaus Corcilius)

Beziehe ich mein allgemeines Ziel, Bekleidung zu haben, auf die konkrete Situa-
tion, in der ich mich befinde, so ergibt dies eine Konkretisierung meines Ziels:
Ich brauche einen Mantel, und hier und jetzt gelange ich an einen Mantel, in-
dem ich ihn herstelle.27 Der Herstellungsprozess scheint nun aber seinerseits
von einer Einsicht angeleitet zu sein, nämlich einem Verständnis davon, wie
man einen Mantel herstellt. Aristoteles deutet diese Einsicht als archê, d.h. als
erklärendes Prinzip des Herstellungsprozesses. Wer versteht, wie man einen
Mantel herstellt, der weiß, was geschehen muss, d.h. welche Schritte unter-
nommen werden müssen, damit schlussendlich ein Mantel existiert. Er weiß,
dass, damit ein Mantel existiert, bestimmte Bedingungen erfüllt sein müssen
und er deshalb für das Vorliegen dieser Bedingungen sorgen muss, wenn er
einen Mantel haben will. Aristoteles scheint vorauszusetzen, dass diese Bedin-
gungsanalyse irgendwann bei einer Bedingung endet, die der Betreffende un-
mittelbar verwirklichen kann. Indem er dieses letzte Glied in der Bedingungs-
kette verwirklicht, so denkt Aristoteles, beginnt der an Bekleidung Interessierte
damit, einen Mantel für sich zu machen. Und dann realisiert er sukzessive in

||
27 Man beachte allerdings, dass dieser Syllogismus sich insofern von den vorangegangenen
unterscheidet, als er nicht explizit vom Hier und Jetzt spricht. Die Gedanken, dass Mäntel
Bekleidung sind und man herstellen muss, was man braucht, sind beide allgemein, also situa-
tionsinvariant. Indirekt ist hier aber doch ein Situationsbezug im Spiel, da die Konkretisierung
auf das Handeln hier und jetzt abzielt.
186 | Christian Kietzmann

umgekehrter Reihenfolge die in seiner Analyse identifizierten Bedingungen, bis


sein Mantel fertig ist.
Ich denke, wir sollten den Umstand sehr ernst nehmen, dass das Herstellen
des Mantels für Aristoteles anscheinend eine andere Art von Denken oder Re-
präsentation ins Spiel bringt als die, die uns bei der Konkretisierung eines all-
gemeinen Ziels begegnet waren. Immerhin weist Aristoteles in EN VI 4 explizit
auf den Unterschied zwischen Herstellen (poiêsis) und Handeln (praxis) hin:

Was anders sein kann, ist teils Gegenstand des Herstellens, teils des Handelns. Herstellen
und Handeln sind zweierlei [...]. Daher ist auch die mit Einsicht verbundene Disposition
des Handelns (meta logou hexis praktikê) verschieden von der mit Einsicht verbundenen
Disposition des Herstellens (meta logou hexis poiêtikê). Sie schließen sich daher auch
nicht wechselseitig ein; weder ist das Handeln Herstellen, noch ist das Herstellen Han-
deln.
(EN VI 4, 1140a1–6, Übers. Ursula Wolf, leicht
modifiziert)

Handeln und Herstellen sind verschieden, und daher auch die „Dispositionen“
(hexeis), die sich in ihnen manifestieren. Charaktertugenden und praktische
Klugheit sind verschieden von den verschiedenen Handwerkskünsten (tech-
nai).28 Und da sowohl Handeln als auch Herstellen auf Denken oder Verstehen
(logoi) beruhen, sollten wir zweierlei erwarten. Erstens sollte es so sein, dass die
logoi verschieden sind – man muss verschiedene Dinge verstehen, um ein guter
Mensch und um ein guter Handwerker zu sein. Und zweitens ist anzunehmen,
dass diese verschiedenen logoi jeweils irgendwie im praktischen Syllogismus
auftauchen – denn wie anders sollte das entsprechende Verhalten auf Denken
beruhen? Der Unterschied der logoi ist nun offenbar nicht nur einer des Gedan-
keninhalts, sondern auch einer der Form oder Struktur. Charaktertugenden und
Klugheit enthalten insofern ein Wissen, als sie einerseits eine richtige Vorstel-
lung von dem liefern, was gut und wichtig ist im menschlichen Leben – also

||
28 Theodor Ebert hat vorgeschlagen, diese Stelle nicht (wie allgemein üblich) als Unterschei-
dung von zwei disjunkten Tätigkeitsklassen zu deuten, sondern im Sinne von zwei unter-
schiedlichen Arten der Beschreibung von Tätigkeiten – also als Unterscheidung nicht von
Extensionen, sondern von Intensionen; vgl. Ebert (1976). Für meine Zwecke muss ich nicht
entscheiden, welche von beiden Deutungen die Richtige ist, denn beiden Unterscheidungen
lassen sich jeweils verschiedene Arten des praktischen Syllogismus zuordnen. Praktisch-
spezifizierende bzw. produktive Syllogismen sorgen dann entweder für die Ausführung unter-
schiedlicher Tätigkeiten oder für den Umstand, dass ein und dieselbe Tätigkeit praxis- bzw.
poiêsis-Beschreibungen zulässt.
Zwei Arten des praktischen Syllogismus bei Aristoteles | 187

eine korrekte erste Prämisse für konkretisierende praktische Schlussfolgerun-


gen – und uns andererseits in einer Situation genau diejenigen Aspekte erken-
nen lassen, auf die es ankommt – also „die richtigen“ zweiten Prämissen. An-
ders gesagt: wer Charaktertugenden und Klugheit besitzt, ist in der Lage,
richtige menschliche Ziele korrekt zu spezifizieren. Demgegenüber geht es beim
produktiven Wissen (epistêmê poiêtikê) des Handwerkers nicht um die Spezifi-
zierung eines Ziels, sondern darum, wie, d.h. unter welchen Voraussetzungen,
das Ziel zustande kommen kann. Handwerker wissen, wie man etwas herstellt,
weil sie einerseits wissen, was das Herzustellende ist, und damit wissen, was
der Fall sein muss, damit es besteht, und weil sie sich andererseits mit dem
Material auskennen, das sie bearbeiten, d.h. weil sie die Materialeigenschaften
kennen. Die Struktur dieses produktiven Verstehens wird besonders schön an
einem Beispiel deutlich, das Aristoteles in seiner Metaphysik gibt:

Es entsteht nun das Gesunde durch folgenden Gang des Denkens: ‚Da das und das Ge-
sundheit ist, so muss, wenn dieses gesund werden soll, dieses Bestimmte stattfinden, z.B.
Gleichmaß. Soll aber dies stattfinden, so muss Wärme vorhanden sein.‘ Und so schreitet
man im Denken (noein) immer fort, bis man zuletzt zu dem hingeführt hat, was man selbst
hervorbringen kann. Dann wird nun die von hier ausgehende und zum Gesundmachen
fortschreitende Bewegung Hervorbringen genannt.
(Met. VII 7, 1032b6–10, Übers. Hermann Bonitz,
leicht modifiziert)29

Die Kunst des Arztes, die ihn dazu befähigt, Gesundheit (oder Krankheit) herzu-
stellen, ist für Aristoteles ein Paradigma für technê. Der hier rekapitulierte Syl-
logismus geht von einem zu verwirklichenden Ziel, der Gesundheit des Patien-
ten, aus, das aber nicht eigens genannt wird. Die „zweite Prämisse“ besteht
selbst aus mehreren Komponenten. Zum einen besteht sie in einer Wesensaus-
sage, denn sie sagt, was das Herzustellende, also Gesundheit, ist. Sie sagt etwa:
„Gesundheit ist ein Gleichmaß, eine harmonische Mitte, der Gegensätze warm
und kalt, feucht und trocken.“ Zum anderen formuliert sie eine Reihe von not-
wendigen Bedingungen für die Existenz dessen, worin das Herzustellende be-
steht. Sie sagt also etwa: „Ein solches Gleichmaß erfordert, dass so-und-soviel
Wärme und so-und-soviel Feuchtigkeit vorhanden ist.“ Diese Bedingungen

||
29 Ganz ähnlich heißt es in der Eudemischen Ethik: „Denn so wie für die theoretischen Wis-
senschaften die Grundannahme Ausgangsposition ist, so ist auch für die praktischen Künste
das Endziel soviel wie Ausgangsposition und Grundannahme. ‚Nachdem dies in gesundem
Zustand sein soll, muss notwendigerweise, wenn jenes zustande kommen soll, dies und das
geschehen.‘“ (EE II 11, 1227b28–31, Übers. Franz Dirlmeier).
188 | Christian Kietzmann

werden in dieser Weise als hypothetisch notwendig ausgewiesen (nämlich unter


Voraussetzung des Ziels in der ersten Prämisse). Die Konklusion besteht im
Verwirklichen dieser Bedingungen und sie wird gezogen, sobald man beim
Durchgehen der Bedingungskette zu einer Bedingung gelangt ist, die man un-
mittelbar herstellen kann. Indem man die zuletzt identifizierte Bedingung her-
stellt, schafft man die notwendigen (und, so scheint Aristoteles anzunehmen,
zusammen hinreichenden) Voraussetzungen dafür, dass das durch sie Beding-
te, also etwa die Gesundheit, vorliegt. Und so stellt man das Gewollte, in diesem
Fall Gesundheit, her.30
Um Missverständnissen vorzubeugen, sei noch nachgetragen, dass sowohl
in produktive als auch in praktisch-spezifizierende Syllogismen ein wahrneh-
mender Situationsbezug eingeht.31 Er spielt aber in beiden Arten des prakti-
schen Syllogismus unterschiedliche Rollen. Bei praktisch-spezifizierenden Syl-
logismen dient er der Spezifizierung oder Konkretisierung eines Ziels. So wird
dem phronimos beispielsweise die Hilfsbedürftigkeit einer Freundin auffallen
und er wird sie als etwas erkennen, das an ihn die Anforderung stellt, der
Freundin zu helfen. Außerdem wird er angesichts der besonderen Umstände
bestimmen können, wie er der Freundin am besten und ohne sie zu beschämen
oder zu bevormunden helfen kann. Demgegenüber sorgt die Wahrnehmung der
Besonderheiten der vorliegenden Situation in produktiven Syllogismen dafür,
dass allgemein bekannte Mittel im Lichte der Situation ausgewählt und adäquat
auf deren Gegebenheiten bezogen werden. Beispielsweise wird eine Ärztin,
nachdem sie die Krankheit ihres Patienten diagnostiziert hat, bei der Auswahl
einer passenden Therapie die spezifischen Eigenschaften des Patienten im Blick
behalten, also etwa sein Gewicht oder seine Nebenerkrankungen.32

||
30 Aristoteles’ Konzeption von produktivem Verstehen untersuche ich ausführlicher in Kietz-
mann (MS).
31 Die Rolle von Wahrnehmung im praktischen Syllogismus betont auch Anton Ford in Ford
(2013).
32 Frühere Versionen dieses Aufsatzes habe ich beim 12. GanPh-Workshop zur praktischen
Philosophie im September 2017 in Bonn und beim VI. GanPh-Kongress im September 2019 in
Frankfurt am Main vorgetragen. Ich danke den Teilnehmern für hilfreiche Fragen sowie Falk
Hamann und Friedemann Buddensiek für Kommentare zu früheren Fassungen des Textes.
Zwei Arten des praktischen Syllogismus bei Aristoteles | 189

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Christoph Halbig
Praktische Wahrheit – aristotelische und
moderne Perspektiven
0. „Vor Aristoteles war von praktischer Wahrheit überhaupt nicht, seitdem
kaum die Rede. Und selbst Aristoteles hat den Begriff nur einmal eher beiläufig
erwähnt (1139a25f.).“1 Diese lapidare Diagnose, die Fernando Inciarte noch in
den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts zu Recht stellen konnte, bedarf aus
der Perspektive der gegenwärtigen Debatte erheblicher Modifikation: Unbe-
schadet des Umstandes, dass der Begriff der praktischen Wahrheit bei Aristote-
les eben nur ein einziges Mal vorkommt,2 erscheint er nun sowohl als Schlüs-
selbegriff zum Verständnis von dessen Ethik insgesamt3 wie auch als eine
zentrale Kategorie der praktischen Philosophie überhaupt.
Ich möchte einleitend drei Hinsichten zu unterscheiden vorschlagen, in de-
nen der Begriff der praktischen Wahrheit eine systematische Neuorientierung
der praktischen Philosophie in Aussicht zu stellen scheint:

(i) Rationalitätstheoretisch: Praktische Wahrheit erlaubt eine präzise In-


dividuierung dessen, was praktische Rationalität als solche ausmacht
– eben durch den Bezug auf praktische Wahrheit als deren spezifi-
sches Objekt.4

(ii) Handlungstheoretisch: Handlungen selbst – und nicht etwa bloß Pro-


positionen – werden durch den Begriff der praktischen Wahrheit als
genuin wahrheitsfähige Entitäten verständlich.5

||
1 Inciarte (1985) 45.
2 Auch Thomas von Aquin verwendet den Begriff nur ein einziges Mal, und dann als Überset-
zung von Aristoteles’ Begriff in seinem Kommentar zur EN, Sententia libri Ethicorum 6, lect. 2,
n. 6 (Ed. Leon. tom. XLVII, p. 337, l. 92), vgl. zur Begrifflichkeit bei Pakaluk (2010) 145. Für den
Versuch, den Begriff der praktischen Wahrheit als eine auch für Thomas von Aquins Philoso-
phie grundlegende Kategorie fruchtbar zu machen, vgl. aber Brock (2008).
3 Vgl. etwa Broadie/Rowe (2002) 362: „This strange notion of practical truth is central for
Aristotelian ethics.“
4 Vgl. Olfert (2017) 129 mit Blick auf Aristoteles selbst: „practical truth is in fact integrally
important to Aristotle’s innovative conception of practical reason.“
5 Darin liegt die zentrale These von Elizabeth Anscombes Wiederbelebung des Begriffs der
praktischen Wahrheit seit den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts: „these predicates [i.e.

https://doi.org/10.1515/9783110735598-009
192 | Christoph Halbig

(iii) Normativ: Der Begriff der praktischen Wahrheit erlaubt es, Handlun-
gen im normativen Sinne als wahr oder falsch zu kennzeichnen und
bildet damit ein Bollwerk gegen ethischen Nihilismus und Relativis-
mus.6

Insbesondere geprägt durch die Arbeiten von Elizabeth Anscombe durchdrin-


gen sich die drei genannten Hinsichten sowohl in der systematischen prakti-
schen Philosophie, sie wirken aber auch auf die Aristoteles-Exegese zurück:
Lässt sich, so die Kernfrage, eine Konzeption praktischer Wahrheit formulieren,
die geeignet ist, allen drei Hinsichten gleichermaßen Rechnung zu tragen, die
sich aber zugleich weiterhin überzeugend als genuin aristotelisch verstehen
lässt? Eine solche Konzeption konnte bisher nicht vorgelegt werden; stattdessen
finden sich immer neue Anläufe zu einer Klärung von Inhalt und Leistungsfä-
higkeit des Begriffs praktischer Wahrheit, deren Verhältnis zueinander unklar
bleibt und die häufig sogar die Frage aufwerfen, ob sie sich überhaupt auf den-
selben Gegenstand beziehen. Der Eindruck der Überforderung drängt sich hier
auf: Suggeriert vielleicht der Begriff der praktischen Wahrheit eine Schlüssel-
funktion in allen drei genannten Hinsichten zugleich, die zwar in hohem Maße
wünschenswert wäre, sich aber eben nicht durch eine einzige Kategorie erfüllen
lässt? Wäre es dann nicht besser, den suggestiven Begriff der praktischen
Wahrheit wieder dem verdienten Vergessen anheimfallen zu lassen und statt-
dessen ein differenziertes begriffliches Instrumentarium für jedes einzelne der
genannten Problemfelder zu erarbeiten?
Ich möchte vor diesem Hintergrund in meinem Beitrag einen Schritt zurück-
treten und der Frage nachgehen, woher eigentlich die spezifischen Schwierig-
keiten rühren, mit denen sich der Begriff der praktischen Wahrheit konfrontiert
sieht. Diese werde ich in einem ersten Schritt aus systematischer Perspektive zu
charakterisieren versuchen (1), um dann in einem zweiten Schritt den Blick auf
Ort und Inhalt des aristotelischen Begriffs der praktischen Wahrheit im sechsten
Buch der Nikomachischen Ethik zu lenken (2). In einem dritten Schritt wird dann
in Auseinandersetzung mit exemplarischen Positionen sowohl der Literatur zu
Aristoteles wie auch der zeitgenössischen Handlungs- und Rationalitätstheorie

||
‚true‘ and ‚false‘] apply to actions [praxeis] strictly and properly, and not merely by an exten-
sion and in a way that ought to be explained away.“ (Anscombe (1965) 158, Hinzufügungen in
Klammern C.H.).
6 Vgl. etwa Inciarte (1987) 201: „If there is practical truth, there is a point in distinguishing
between right and wrong actions, right and wrong ways of life. But if there is not a practical
truth, then all kinds of action and all ways of life are in principle equally valid […].“
Praktische Wahrheit – aristotelische und moderne Perspektiven | 193

der Versuch unternommen, die internen Spannungen und potentiellen Bruch-


stellen des Begriffs der praktischen Wahrheit näher zu erkunden (3), um dann
in Form eines knappen Ausblicks einige wichtige Ergebnisse festzuhalten und
wenigstens einen kurzen Blick auf die Perspektiven zu werfen, die der Begriff
der praktischen Wahrheit sowohl für das Verständnis der aristotelischen Philo-
sophie wie auch für die praktische Philosophie der Gegenwart eröffnen mag (4).

1. Als Orientierungsrahmen für die nähere Charakterisierung des Begriffs prak-


tischer Wahrheit liegt es nahe, von drei Fragen auszugehen, die der Wahrheits-
begriff ipso facto aufwirft:

(i) Wer ist der Träger von Wahrheit? (truth-bearer)


(ii) Was sind die Bedingungen für Wahrheit? (truth-conditions)
(iii) Was macht den Träger von Wahrheit wahr? (truth-maker)

Die entscheidende Herausforderung besteht darin aufzuzeigen, in welcher Wei-


se die Formulierung und Beantwortung dieser drei Fragen für spezifisch prakti-
sche Wahrheit zu einer Transformation auch des vorausgesetzten Verständnis-
ses von Wahrheit führt oder lediglich einen weiteren Anwendungsbereich von
Wahrheit neben anderen darstellt. Eben diese Frage hat auch Sarah Broadie im
Blick, wenn sie es als zwingend notwendig anmahnt zu klären, ob praktische
Wahrheit „a unitary concept or an amalgam of independently intelligible
units“7 ist.
Ein eindeutiges Beispiel für letztere Möglichkeit stellt etwa die von Thomas
von Aquin sog. „speculativa consideratio […] de re operabili“ (Summa Theologiae
I, q.14 a.16c) dar. Dass es dem Wohl von Hühnern dient, sich frei bewegen zu
können, anstatt ihr Leben eingezwängt in Legebatterien zu fristen, stellt eine
wahre Aussage in dem vertrauten Sinn propositionaler Wahrheit dar, die sich
von anderen solchen Wahrheiten lediglich durch deren Gegenstandsbereich
unterscheidet: Hier bilden den Gegenstandsbereich eben nicht mathematische
Theoreme, Planetenbahnen oder Verkehrsampeln, sondern eben die Lebens-
form von Hühnern mit Blick auf deren praktische Dimension der artangemesse-
nen Form der Selbstbewegung. Was Selbstbewegung ist und was propositionale
Wahrheit ist, sind aber eben im Sinne Broadies „independently intelligible
units“, deren Zusammenwirken zu informativen Aussagen führen mag, die
einander aber äußerlich bleiben.

||
7 Broadie (2016) 283.
194 | Christoph Halbig

Der mit dem Begriff praktischer Wahrheit verfolgte Anspruch muss jedoch
ein höherer sein: Praktische Wahrheit muss eine genuin eigenständige Form
von Wahrheit darstellen, wie sie durch die Dimension der Praktizität erfordert
wird; umgekehrt muss das Praktische, das unter dem Anspruch von Wahrheit
steht, von anderen Formen des Praktischen konstitutiv unterschieden werden,
für die das nicht gilt, z. B. entlang der aristotelischen Unterscheidung zwischen
rationalen und a-rationalen Motiven (wie etwa boulêsis einerseits, epithymia
andererseits).
Hier freilich deutet sich ein fundamentales Dilemma an, das für die folgen-
de Argumentation leitend bleiben wird:
Entweder der Begriff der Wahrheit wird mit Blick auf die spezifischen Bedin-
gungen von Praktizität so fundamental transformiert, dass er gleichsam unter
der Hand schlicht äquivok wird. Wenn aber ‚Wahrheit‘ in ‚praktischer Wahrheit‘
etwas ganz anderes bedeutet als ‚Wahrheit‘ in ‚theoretischer Wahrheit‘, dann
kann etwa weder an dem in der zweiten der oben formulierten Hinsichten for-
mulierten Anspruch festgehalten werden, dass praktische Entitäten wie Hand-
lungen wahrheitsfähig sans phrase sind, noch wird sich eine solche Wahrheit
im Sinne der ersten und der dritten Hinsicht als normativer Maßstab für die
Individuierung praktischer Rationalität oder für die richtiger und falscher Hand-
lungsweisen eignen.
Oder aber der Begriff der Wahrheit, wie er in der theoretischen Philosophie
verstanden wird, wird lediglich auf das Praktische als einen Gegenstandsbe-
reich unter anderen angewendet. Dann eignet er sich qua Voraussetzung nicht
länger dazu, praktische Vernunft als solche und gerade in Abgrenzung zu theo-
retischer Vernunft zu individuieren (erste Hinsicht),8 es scheint auch von vorn-
herein ausgeschlossen, praktische Entitäten als solche in einem mehr als nur
metaphorischen Sinne als wahrheitsfähig auszuweisen (zweite Hinsicht).
Kann es gelingen, einen Begriff praktischer Wahrheit zu formulieren, der
die prekäre Balance zwischen den beiden Hörnern dieses Dilemmas zu halten
erlaubt, der also einerseits eine genuine Transformation des Wahrheitsbegriffs
im Lichte des Eigenrechts des Praktischen erlaubt, ohne andererseits den Wahr-
heitsbegriff aufzusprengen und äquivok werden zu lassen? Möglicherweise
kann dies nicht nur gelingen, sondern ist bereits gelungen, und zwar eben an
der Stelle der Nikomachischen Ethik, die den einzigen aristotelischen Beleg für
den Begriff der praktischen Wahrheit darstellt (EN VI 2, 1139a26f.); sie und die
daran anschließende Forschungsdiskussion gilt es nun, mit Blick auf das gera-
de formulierte Dilemma, in den Blick zu nehmen.

||
8 Darauf hat etwa Olfert (2017), 102–104, zu Recht aufmerksam gemacht.
Praktische Wahrheit – aristotelische und moderne Perspektiven | 195

2. Aristoteles erörtert das Problem der praktischen Wahrheit im sechsten Buch


der Nikomachischen Ethik im Zusammenhang mit seiner Diskussion der Tugen-
den des Denkens (dianoia) in Abgrenzung zu den zuvor behandelten Tugenden
des Charakters (êthos). Seine Individuierung der Tugenden des Denkens stützt
sich dabei methodologisch auf die beiden Prämissen, (i) dass es sich bei Tugen-
den insgesamt um vollkommene Dispositionen (hexeis) handelt und (ii) dass die
Vollkommenheit zu verstehen ist als die bestmögliche Erfüllung der spezifi-
schen Funktion (oikeion ergon), die den jeweiligen Seelenteilen, die Träger der
entsprechenden Disposition sind, obliegt (vgl. EN 1139a29). Innerhalb des See-
lenteils, der Vernunft besitzt, ist nun weiter zwischen zwei Teilen zu unter-
scheiden, die jeweils Träger unterschiedlicher Spezies von Tugenden des Den-
kens sind. Die Unterscheidung resultiert aus den Objekten, auf die die
entsprechenden Tugenden bezogen sind, nämlich einerseits das notwendige
Seiende, andererseits das, „was [so oder] anders sein kann.“ (EN 1139a7–8) Die
rationale Normierung praktischer Einstellungen ist Aristoteles zufolge Aufgabe
des überlegenden Teils des Vernunft besitzenden Seelenteils, insofern sich
Überlegen qua praktisches notwendig auf etwas richtet, was nicht notwendig
der Fall ist (im Gegensatz zu z. B. mathematischen Wahrheiten, Ereignissen der
Vergangenheit) und damit einen geeigneten Gegenstandsbereich für praktische
Einstellungen darstellt.
Praktische Wahrheit definiert Aristoteles nun ausgehend von einer Such-
bewegung, die zunächst „drei Dinge in der Seele, die Handlung und Wahrheit
kontrollieren“ (EN 1139a17f. ) in Betracht zieht, nämlich Wahrnehmung, Denken
und Streben. Wahrnehmung wird von Aristoteles sogleich aus der Betrachtung
ausgeschlossen, insofern sie nicht spezifisch sei für rationales Handeln, da sie
gleichermaßen auch Tieren, die dazu nicht fähig seien, zukomme. Es verbleiben
Denken und Streben:

Was beim Denken Bejahung und Verneinung ist, ist beim Streben das Aufsuchen und
Meiden. Also muss, da die charakterliche Tugend eine sich in Vorsätzen äußernde Dispo-
sition (hexis prohairetikê) und der Vorsatz ein überlegtes Streben (orexis bouleutikê) ist,
eben deshalb die Überlegung wahr (alêthês) und das Streben richtig (orthos) sein, wenn
der Vorsatz gut sein soll, und was der denkende Teil bejaht und der strebende Teil ver-
folgt, muss dasselbe sein. Dies ist das praktische Denken und die praktische Wahrheit.
(EN VI 2, 1139a21–27; Übers. Wolf)

Praktische Wahrheit erweist sich damit als deutlich komplexer als Wahrheit im
Bereich der Theorie: Ob ein Gebrauch der theoretischen Vernunft gut oder
schlecht erfolgt, entscheidet sich für Aristoteles schlicht daran, ob er dazu ge-
eignet ist, das zu erfassen, was tatsächlich (und notwendig) der Fall ist, und
damit eben zu wahren oder falschen Urteilen darüber zu kommen (vgl. EN
196 | Christoph Halbig

1139a27–31). Solchen theoretischen Urteilen fehlt aber jede praktische Dimensi-


on. Praktisch wird Denken erst durch den Bezug auf zu verwirklichende Ziele
(vgl. EN 1139a35f. ), wie sie Gegenstand des Strebens, aber auch des Überlegens
sind. Die Tugend des praktisch klugen Menschen, also die Phronesis, besteht
gerade darin, zu gutem Überlegen befähigt zu sein, und zwar nicht über belie-
bige und disparate Ziele, sondern über das Ziel, das gemäss des aristotelischen
Eudaimonismus keineswegs kontingent ist, sondern ein notwendiges Objekt
des menschlichen Strebens bildet, nämlich das Glück bzw. das „gute Leben
insgesamt [meine Übersetzung, C.H.]“ (EN VI 5, 1140a28, vgl. auch VI 10,
1142b27f. ) (Kant spricht mit Blick auf das Glück deshalb auch von assertorisch-
praktischen Imperativen, die sich aus ihm ableiten lassen).9 Das Glück wiede-
rum besteht paradigmatisch nicht in der poietischen Herstellung von Gütern
oder Zuständen, sondern im guten Handeln selbst, in der eupraxia (EN VI 5,
1140b7).
Auf die übergreifende Strategie, die Aristoteles mit der Einführung des Be-
griffs der praktischen Wahrheit verfolgt, – geht es ihm darum, die Wahrheitsfä-
higkeit der Phronesis und dann auch der ethischen Tugenden zu retten, wenn
diese neben den theoretischen Tugenden konstitutiv für Eudaimonia als tu-
gendhafte rationale Aktivität sein sollen, wie Broadie meint,10 oder stellt die
praktische Wahrheit lediglich ein vermittelndes Zwischenglied dar, das von der
Wertschätzung der Praxis auf die Wertschätzung von theoretischer Weisheit als
deren Maßstab hinführen soll, wie Richardson Lear nahelegt?11 – kann hier
freilich nicht näher eingegangen werden.
Mit Blick auf den Begriff der praktischen Wahrheit bleibt jedenfalls festzu-
halten, dass Aristoteles sich ohne Zweifel dem Anspruch stellt, damit eine genu-
in eigenständige Dimension von Wahrheit zu identifizieren (also nicht bloß ei-
nen Anwendungsbereich theoretischer Wahrheit im Sinne von Thomas’ „specu-
lativa consideratio […] de re operabili“) – andernfalls würde sie sich ja nicht als
Ausgangspunkt der Individuierung der Phronesis als spezifisch handlungslei-
tende Tugend des Denkens eignen.
Wahrheit selbst wird nun von Aristoteles korrespondenztheoretisch aufge-
fasst – ein logos ist in dem Maße wahr, als er mit dem übereinstimmt, wovon er
handelt: „Zu sagen nämlich, das Seiende sei nicht oder das Nicht-seiende sei,
ist falsch, dagegen zu sagen, das Seiende sei und das Nicht-seiende sei nicht, ist
wahr.“ (Met. IV 7, 1011b26f., übers. von H. Bonitz; vgl. auch Cat. 5, 4b8–10; 12,

||
9 Vgl. Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, Akademie-Ausgabe IV, 414–416.
10 Vgl. Broadie (1991) 220.
11 So Richardson Lear (2004) 94, 103.
Praktische Wahrheit – aristotelische und moderne Perspektiven | 197

14b18–22; Met. IX 10, 1051b6–9).12 Auch an der oben zitierten Stelle macht Aris-
toteles eine Korrespondenzrelation geltend, freilich keine mit der Wirklichkeit,
sondern eine Korrespondenzrelation zwischen den Gegenständen des Strebens
einerseits, der Überlegung andererseits: „und was der denkende Teil bejaht und
der strebende Teil verfolgt, muss dasselbe sein.“
Bedingung für Wahrheit ist hier der Grenzfall von Korrespondenz, nämlich
Identität: Was behauptet und was erstrebt wird, muss dasselbe (ta auta) sein.13
Der Begriff der Wahrheit wird von Aristoteles jedoch ausdrücklich nur für das
geltend gemacht, was das Überlegen behauptet, während er als normativen
Maßstab für das Streben nicht von Wahrheit, sondern von Richtigkeit spricht.14
Weder ein wahres bejahendes Urteil noch ein Streben, das sich auf ein richtiges
Objekt richtet, reichen jedenfalls für praktische Wahrheit aus; diese kommt nur
dann zustande, wenn beide sich auf dasselbe Objekt richten. Eben darin sieht
Aristoteles die Kernaufgabe des Vorsatzes als überlegtes Streben (orexis bouleu-
tikê), dessen Leistung Aristoteles freilich im dritten Buch der Nikomachischen
Ethik wiederum mit dem Begriff der Richtigkeit, und explizit nicht mit dem der
Meinung vorbehaltenen Begriff der Wahrheit charakterisiert:

Außerdem wird der Vorsatz eher deswegen gelobt, weil er das zum Inhalt hat, was er soll,
oder weil er richtig ist, während die Meinung dafür gelobt wird, dass sie wahr ist.
(EN III 4, 1112a5–7; Übers. Wolf)

Hält man trotz des verwirrenden Gebrauchs der Begriffe ‚Wahrheit‘ und ‚Rich-
tigkeit‘ daran fest, praktische Wahrheit als die Leistung des richtigen Vorsatzes
zu verstehen, bleibt zu konstatieren, dass sich die praktische Wahrheit gerade
nicht durch das Fehlen einer Korrespondenzrelation, sondern durch deren

||
12 Vgl. auch Christiana Olferts prägnante Charakterisierung des aristotelischen Wahrheitsbe-
griffs: „true cognitive states/assertions are those by which the thinker/speaker corresponds to
or mirrors the world, in virtue of combining or separating items of sorts (a) or (b) [sc. Sub-
jekt/Prädikat bzw. Materie/Form, C.H.].“ (Olfert (2017) 91).
13 Vgl. dazu Graeser (1983) 240–243.
14 An anderer Stelle definiert Aristoteles die Tugend der euboulia, also die Vollkommenheit
des praktischen Überlegens, indes ausdrücklich durch Bezug auf das für das praktische Überle-
gen konstitutive Ziel der Richtigkeit (orthotês, vgl. EN VI 10, 1142b10), und eben nicht der
Wahrheit, die das Ziel von Wissen und Meinung bilde. Aristoteles scheint insgesamt in verwir-
render Weise ‚Richtigkeit‘ sowohl als Genus für die Bezeichnung des konstitutiven Ziels unter-
schiedlicher Praktiken (theoretischer wie praktischer) zu verstehen, so dass Wahrheit selbst als
eine Spezies von Richtigkeit erscheinen kann, als auch als mit der Wahrheit kontrastierende
Spezies ihrer selbst – in diesem Sinne kann Richtigkeit als Ziel praktischen Überlegens mit
Wahrheit als Ziel von Meinungen auf gleicher Ebene kontrastiert werden.
198 | Christoph Halbig

komplexe Multiplikation in Form von drei solcher, miteinander eng verknüpfter


Relationen auszeichnet:

(i) Der denkende Teil muss etwas bejahen, was den Tatsachen entspricht.
(ii) Das Streben muss sich auf etwas richten, was es verdient, erstrebt zu
werden.
(iii) Die Inhalte von Bejahung und Streben müssen identisch sein.

3. Bevor gefragt werden kann, wie diese drei Bedingungen inhaltlich näher zu
verstehen sind und wie sie sich auf die drei Ausgangsfragen nach Wahrheitsträ-
ger, Wahrheitsbedingungen, und Wahrmacher beziehen, gilt es indes zunächst
zu zeigen, dass der aristotelische Begriff der praktischen Wahrheit ganz im Sin-
ne der oben definierten Herausforderung, ein Gleichgewicht zwischen den bei-
den Hörnern des Dilemmas zu halten, sich weder für eine grundlegende Trans-
formation des Wahrheitsbegriffs aus der Perspektive der Praxis in Anspruch
nehmen, noch lediglich als Sonderfall einer theoretischen Bejahung lesen lässt.
Für eine solche Transformation plädiert namentlich Elizabeth Anscombe
mit ihrer provokanten These, die die Wiederentdeckung des aristotelischen Be-
griffs der praktischen Wahrheit durch die moderne Handlungstheorie eingeläu-
tet hat:

And if, as I should maintain, the idea of the description under which what is done is done
is integral to the notion of action [praxis], then these predicates [i.e. ‚true‘ and ‚false‘] ap-
ply to actions [praxeis] strictly and properly, and not merely by an extension and in a way
that ought to be explained away.15

Mit der These, dass Handlungen selbst wahr oder falsch sein können, will An-
scombe mit einer Auffassung von Wissen und Wahrheit brechen, die sie bereits
in Intention als „incorrigibly contemplative“16 zurückweist. Das Provokationspo-
tential der These, dass Handlungen selbst Wahrheitsträger sein können, sollte
indes nicht übersehen lassen (auch wenn Anscombe dem nach Kräften Vor-
schub geleistet hat), dass eine solche These erstens offensichtlich inkonsistent
wäre (i) und dass sie zweitens bei genauerer Prüfung auch nicht Anscombes
eigenem Ansatz gerecht wird (ii).
Ad (i): Wenn Handlungen ebenso wie Urteile nämlich geeignete Wahrheits-
träger wären, stellt sich unmittelbar die Frage, was sie denn wahr machen könn-
te. Auf diese Frage gibt es keine gute Antwort – die von Anscombe gewählte

||
15 Anscombe (1965) 158; Hinzufügungen in Klammern C.H.
16 Anscombe (1963) § 32.
Praktische Wahrheit – aristotelische und moderne Perspektiven | 199

Formulierung, praktische Wahrheit komme gleichzeitig Handlungen zu und


werde durch sie hervorgebracht, erscheint als heillos paradox und wird von ihr
selbst deshalb auch sogleich qualifiziert: Praktische Wahrheit „is brought about
– i.e. made true – by action (since the description of what he does is made true
by his doing it).“17 Die Handlung stellt also in der Tat den Wahrmacher dar, aber
sie macht sich nur in dem Sinne selbst wahr, als die Handlung als solche konsti-
tuiert wird durch die Beschreibung, unter der sie intendiert wird. Wahrheitsträger
ist mithin die Intention, die unter der Bedingung wahr ist, dass sie eben durch
die ihr gemäße Handlung ausgeführt wird. Wer beabsichtigt, ein Buch zur Bib-
liothek zurückzubringen, und eben diese Absicht dadurch ausführt, dass er das
Buch zur Bibliothek zurückbringt, verwirklicht praktische Wahrheit. Das ändert
freilich nichts daran, dass Wahrheit pace Anscombe Handlungen nicht wie
propositionalen Beschreibungen direkt zukommt, sondern nur insofern als
Handlungen sich als Realisierung der verfolgten Absichten verstehen lassen,
die die eigentlichen Wahrheitsträger bilden.
Ad (ii): Ein solcher Begriff praktischer Wahrheit unterliegt zudem keiner
anderen normativen Erfolgsbedingung als bloß der, dass die Intention eben zur
Ausführung kommen muss. Dies kann auch dem aristotelischen Akolastos ge-
lingen, wenn er gierig nach dem dritten Nachtisch greift. Demgegenüber hebt
aber Anscombe selbst ausdrücklich hervor, dass Absichten selbst notwendig im
Lichte einer Konzeption des Guten gebildet werden.18 Wer eine schreiend unge-
rechte Handlung oder auch nur eine zügellose Handlung wie der Akolastos
vollzieht, erfüllt nach Anscombe den Begriff praktischer Falschheit.19 Falschheit
muss hier aber offensichtlich etwas anderes meinen als der Umstand, dass die
Realisierung der eigenen Absicht fehlgeschlagen ist – einem ungerechten Men-

||
17 Anscombe (1965) 157.
18 Vgl. Anscombe (1965) 148: „any sort of decision which does not have in view what one
thinks of as a good way of proceeding in one’s life, does not qualifiy to be a ‚choice‘.“ (Choice
setzt „moral character of some sort“ (ebd.) voraus.)
19 Vgl. Anscombe (1965) 157. In Anscombe (2005b), 157, definiert Anscombe „practical false-
hood“ wie folgt: „The agent chooses and he wants and believes the action that he chooses to be
a case of doing well; and it is not.“ Anscombe erwägt zudem, von „praxistic truth“ zu spre-
chen, um deutlich zu machen, dass solche Wahrheit aus einer Praxis hervorgeht, die selber das
Resultat praktischen Überlegens ist – und deshalb auch scheitern kann, wenn die Handlung
keine Spezifikation von doing well darstellt. Entsprechend hebt sie in Anscombe (2005a), 144,
ausdrücklich und unter Berufung auf Aristoteles hervor, dass es praktischem Überlegen nicht
bloss um „getting things the way one wants them to be“ geht, sondern um „getting things a
way it’s all right to want them to be.“
200 | Christoph Halbig

schen mag es ja genau darum gegangen sein, jemand anderen zu betrügen, und
das mag ihm eben auch gelungen sein.
Festzuhalten bleibt hier jedenfalls zweierlei: Anscombe selbst benötigt ne-
ben dem Begriff der praktischen Wahrheit, der in der erfolgreichen Realisierung
der handlungsleitenden Absicht durch den Handelnden besteht, noch eines
weiteren Begriffs der praktischen Wahrheit, der darüber hinaus eine ausdrück-
lich sogar moralische Dimension umfasst, und der sich dazu eignet, die Bildung
der Handlungsabsicht allererst normativ anzuleiten. Genau das Verwirklichen
dieser Wahrheit bleibt dem Akolastos verwehrt.20
Aristoteles wiederum diskutiert den Begriff der praktischen Wahrheit nicht
mit Blick auf die Ausführung der Handlungsabsicht, wie sie durch den Vorsatz
gefasst wird, sondern mit Blick auf den Vorsatz selbst. Natürlich gehört es zu
dessen natürlicher Teleologie, eben kein bloßer Vorsatz zu bleiben: Die Erfolgs-
bedingungen seiner Ausführung werden aber von Aristoteles selbst zumindest
im Zusammenhang seiner Diskussion praktischer Wahrheit nicht weiter thema-
tisiert. Die Dimension von Anscombes komplexem Begriff praktischer Wahrheit,
die Handlungen qua Realisierung der für sie konstitutiven Absicht zukommen
kann, vermag mithin den aristotelischen Begriff praktischer Wahrheit allenfalls
zu ergänzen, sie eignet sich aber nicht als Deutungsvorschlag für das, was ihn
im Kern ausmacht.
Der Fokus eines angemessenen Verständnisses praktischer Wahrheit muss
mithin aus aristotelischer Perspektive auf der Frage nach dem normativen
Rahmen liegen, der das Fassen des rechten Vorsatzes ermöglicht – genau darin
ist jedenfalls die Abgrenzung gegenüber einer Konzeption von Wahrheit als
bloß theoretischer Bejahung in dem oben diskutierten Sinne zu suchen. Wenn
Aristoteles nun im dritten Buch der Nikomachischen Ethik den Vorsatz definiert
als ein „mit Überlegung verbundenes Streben (orexis bouleutikê) nach den Din-
gen […], die in unserer Macht (ta eph’ hêmin) stehen“ (EN III 5, 1113a10f. ), ver-
weist er unzweideutig auf die Struktur dieses Rahmens: Der Vorsatz bildet eben
das Resultat eines praktischen Schlusses.
Die aristotelische Theorie praktischen Schließens kann hier nicht näher
diskutiert werden; festzuhalten bleibt aber, dass ein solcher Schluss zumindest

||
20 Olfert (2017), 100, weist zudem mit Recht darauf hin, dass wenn praktische Wahrheit erst
durch die Handlung hervorgebracht wird, sie sich ipso facto nicht länger dazu eignet, Prozesse
praktischen Überlegens und Entscheidungen rational zu kritisieren, die gar nicht (etwa durch
Akrasie) in Handlungen resultieren. Auch dazu bedarf es eines anderen, normativ reichhalti-
gen Wahrheitsbegriffs.
Praktische Wahrheit – aristotelische und moderne Perspektiven | 201

die folgenden drei Kriterien erfüllen muss, um zu einem rechten Streben zu


führen:

(i) Der Schluss muss formal gültig sein.


(ii) Der Schluss muss ausgehen von einem Streben, das seinerseits
(a) in einer stabilen, tugendhaften Verfassung des Charakters fest ver-
ankert ist und
(b) auf die eupraxia als Objekt ausgerichtet ist.
(iii) Die zwischen Obersatz und Vorsatz vermittelnden Untersätze müssen
ihrerseits wahr sein.

Bei der Formulierung der drei Bedingungen handelt es sich natürlich um eine
idealtypische Rekonstruktion und nicht um eine Beschreibung tatsächlicher
Prozesse praktischen Überlegens. Diese zeichnen sich gerade dadurch aus, dass
immer neue situativ angemessen erscheinende Spezifizierungen von eupraxia
erwogen, die dazu notwendigen Mittel auf ihre Verfügbarkeit ebenso wie auf
ihre ethische Annehmbarkeit hin geprüft werden, um dann – häufig nach einer
ganzen Reihe solcher Rückkoppelungen, Korrekturen und Anreicherungen – zu
einem Handlungsvorsatz zu gelangen.21
Vor dem Hintergrund einer solchen komplexen Struktur kann es nun nicht
verwundern, dass sich die Verwendung des Wahrheitsbegriffs gleich an mehre-
ren Stellen nahelegt, die dann jeweils von einzelnen Interpreten und Interpre-
tinnen als Schlüssel für das Verständnis der aristotelischen Theorie praktischer
Wahrheit insgesamt in Anspruch genommen worden sind. Ich möchte hier nur
exemplarisch auf einige dieser Ansätze hinweisen, um zum einen deren syste-
matischen Zusammenhang untereinander sichtbar, zum anderen aber auf die
Grenzen eines solchen hermeneutischen Zugangs aufmerksam zu machen, um
dann abschließend einige inhaltliche und methodische Schlussfolgerungen für
eine adäquate Theorie praktischer Wahrheit zu ziehen:
In einem strikten und minimalen Sinne als wahr lassen sich erstens die Un-
tersätze des praktischen Syllogismus qualifizieren. Die Behauptung, dass etwas
ein geeignetes Mittel für einen gegebenen Zweck darstellt, erscheint selbst dann
als unproblematisch wahrheitsfähig, wenn der Begriff des Mittels hier nicht auf
rein instrumentelle Beziehungen verengt, sondern in einem umfassenderen
Sinn verstanden wird, der etwa auch Beziehungen der Spezifikation etc. mitein-

||
21 Für eine erhellende Rekonstruktion der aristotelischen Theorie praktischen Überlegens, die
dieses nicht bloss als möglichst reibungsfreies ‚Herabrutschen‘ an gegebenen Prämissen, son-
dern als komplexe Suchbewegung versteht, vgl. Broadie (1991) 228–307.
202 | Christoph Halbig

bezieht. Im Sinne des Ausgangsdilemmas muss freilich konstatiert werden, dass


die Verwendung des Wahrheitsbegriffs an dieser Stelle zwar wahrheitstheore-
tisch unproblematisch ist, sich aber schlicht nicht für die Thematisierung des
Problems praktischer Wahrheit eignet: Diese mag zwar eine solche theoretische
Wahrheit in einer noch zu klärenden Weise voraussetzen, lässt sich aber keines-
falls auf diese reduzieren.22
Insofern sich die Untersätze des praktischen Syllogismus zwar als Wahr-
heitsträger, aber eben nicht als Träger praktischer Wahrheit qualifizieren, könn-
te es zweitens als probate Alternative erscheinen, den gesamten praktischen Syl-
logismus zum Wahrheitsträger zu erklären.23 Das Problem eines solchen An-
satzes liegt jedoch offensichtlich darin, dass der Begriff des Wahrheitsträgers
hier überdehnt zu werden scheint. Die Aufgabe eines Syllogismus besteht ja im
Kern darin, aus wahren Prämissen zu ihrerseits wahren Konklusionen zu gelan-
gen; was ihm in dieser Deutung aber aufgebürdet wird, ist die Aufgabe, in die-
sem Prozess selbst eine genuin neue Art von Wahrheit zu generieren, die dann
eben dem Prozess insgesamt attribuiert werden kann. Die Beweislast scheint so
letztlich nur verteilt, nicht aber abgetragen zu werden: Wahrheit als genuin
praktische wird so behauptet, aber nicht verständlich gemacht.
Doch vielleicht bleibt selbst eine Orientierung am praktischen Syllogismus
noch zu eng gefasst, um einen überzeugenden Kandidaten für den Träger prak-
tischer Wahrheit zu bilden. Entsprechend schlägt Richardson Lear drittens vor,
nicht weniger als die Person des tugendhaften Handelnden selbst als Wahr-
heitsträger zu verstehen: „the virtuous agent knows the truth by choosing and
acting. In realizing the human good in his actions, he [sic! C.H.] corresponds to
the object of knowledge in the appropriate way.“24
Ein solcher Ansatz jedoch scheitert m. E. aus zwei jeweils für sich hinrei-
chenden Gründen: Zum einen wird hier endgültig die Schwelle zu einem onto-
logischen Wahrheitsbegriff überschritten, demzufolge jede Entität wahr sein
kann, wenn sie – in der Formulierung Hegels – ihren Begriff adäquat realisiert.
Ein solcher Wahrheitsbegriff mag legitim sein, er ersetzt aber den propositiona-

||
22 So bezieht sich nach Vigo (2008), 76, die aristotelische Bedingung des „rightness of logos“
auf den Untersatz des praktischen Syllogismus „which contains a descriptive proposition that
refers to the determination of the conditions or means under which the realization of the de-
sired ends becomes possible.“ Es geht also hier um „adequate means“ zu gegebenen Zielen
(ebd.); Vigo hält aber auch selbst ausdrücklich fest, dass es sich bei dieser Wahrheit eben um
eine rein theoretische Wahrheit handelt (vgl. ebd. 77).
23 Diese Option ergreift etwa Sarah Broadie, wenn sie den wahrheitsfähigen logos bei Aristote-
les mit dem „whole deliberative argument“ (vgl. Broadie (2016) 286) identifiziert.
24 Richardson Lear (2004) 106.
Praktische Wahrheit – aristotelische und moderne Perspektiven | 203

len Wahrheitsbegriff keineswegs und reichert das Problem des Status prakti-
scher Wahrheit nur um weitere Komplexitätsdimensionen an (wie verhält sich
etwa die Korrespondenzrelation, die hier für ganze Personen geltend gemacht
wird, zu der, in der von solchen Personen gefasste propositionale Gehalte zu
ihren Objekten stehen?).25 Zum anderen wird auch hier die notwendige Klärung
des Begriffs praktischer Wahrheit nur verschoben, wenn nämlich die für prakti-
sche Wahrheit konstitutive Korrespondenzrelation mit den Begriffen des ‚Wis-
sens‘ und der ‚geeigneten‘ Beziehung charakterisiert wird. Worum es sich bei
einem solchen genuin praktischen Wissen und den dafür zu unterstellenden
normativen Kriterien handelt, stellt aber natürlich genau das zu lösende Prob-
lem dar.

4. Ein entscheidender Grund, der in die aufgezeigten Aporien einer immer wei-
ter ausgedehnten Fassung des Wahrheitsträgers vom Untersatz des praktischen
Syllogismus über den praktischen Syllogismus als Ganzes bis hin zu der delibe-
rierenden Person selbst führt, scheint mir indes in der Wahl eines drittpersönli-
chen Zugangs zu einem wesentlich erstpersönlichen Problem zu liegen. Was
macht Denken überhaupt praktisch in einem Sinn, der die Rede von praktischer
Wahrheit verständlich werden lässt? Hier etwa im Sinne der ersten der drei zu
Beginn des Textes unterschiedenen Fragedimensionen auf praktische Wahrheit
als konstitutives Objekt zu rekurrieren, um so praktische Rationalität allererst
individuieren zu können,26 stellt die tatsächlichen Abhängigkeitsbeziehungen
auf den Kopf: Ausgangspunkt des praktischen Überlegens ist eben die Frage
‚was soll ich tun?‘, nicht die Suche nach einer besonderen Spezies von Wahr-
heit. Gleichermaßen verfehlt wäre es aber auch, eine falsche Alternative zwi-
schen der Suche nach einer Beantwortung der praktischen Ausgangsfrage und
der nach Wahrheit zu unterstellen. Nur bildet Wahrheit eben nicht intentione
recta das Objekt, auf das der Überlegende seine Aufmerksamkeit richtet: Mit der
Frage nach dem, was er tun soll, stellt sich ihm ein genuin normatives Problem
(im Gegensatz etwa zu dem der bloßen Vorhersage von Verhaltenswahrschein-
lichkeiten in eigener Sache). Ein solches normatives Problem bedarf zu seiner
Lösung eines normativen Maßstabs, den Aristoteles selbst unzweideutig be-
nennt: Das praktische Überlegen erfolgt im Horizont des Guten. Nun hat Aristo-

||
25 Zur Rekonstruktion eines solchen ontologischen Wahrheitsbegriffs bei Hegel und seinem
Verhältnis zu einer Theorie propositionaler Wahrheit, wie sie Hegel selbst unter dem Begriff
der ‚Richtigkeit‘ diskutiert, vgl. Halbig (2002) Kap. 5.
26 In einem solchen Ansatz besteht der Kern von Olferts sog. priority desideratum, vgl. Olfert
(2017) 86.
204 | Christoph Halbig

teles bereits im ersten Abschnitt der Nikomachischen Ethik festgehalten, dass


das Gute das ist, „wonach alles strebt“ (EN I 1, 1094a3); dies bedeutet aber
nicht, dass das eigene Streben in einem humeanischen Sinne eine selbst nicht
weiter befragbare Prämisse eines auf eine bloß instrumentelle Funktion redu-
zierten praktischen Vernunftgebrauchs bliebe. Umgekehrt hält Aristoteles in der
Metaphysik fest: „Wir erstreben aber etwas vielmehr, weil wir es für gut halten,
als dass wir es für gut hielten, weil wir es erstreben. Prinzip aber ist die Ver-
nunfttätigkeit.“ (Met. XII 7, 1072a29f., übers. Bonitz) Die Herausforderung prak-
tischen Überlegens besteht nicht in der Erfüllung gegebener Wünsche, sondern
in der Beantwortung der Frage, wie sich das Gute, und zwar nicht das partikula-
re Gut einer bestimmten poietischen oder praktischen Aktivität, sondern das
Gut der eupraxia insgesamt, situativ so angemessen spezifizieren lässt, dass
daraus ein Handlungsvorsatz erwächst, der die Ausgangsfrage zu beantworten
erlaubt.27
Genau an dieser Stelle verortet Aristoteles an der einzigen Stelle seines Ge-
brauchs ja auch selbst den Begriff praktischer Wahrheit: Er erhält seinen Fokus
weder durch ihrerseits theoretische Aussagen über Status und Inhalt etwa des
guten Lebens, wie es einer menschlichen Lebensform angemessen sein mag,
noch durch die Handlung selbst bzw. deren gelungene Ausführung, sondern
eben durch den Vorsatz als Schnittstelle zwischen beiden. Im Vorsatz als ein
„überlegtes Streben“ (orexis bouleutikê) müssen, wie oben diskutiert, als Bedin-
gung für das Vorliegen praktischer Wahrheit die Objekte von Streben und Über-
legen dieselben sein. Diese Bedingung ist nun aber nicht so zu verstehen, dass
zwei distinkte intentionale Objekte – die des Denkens und die des Strebens –
nachträglich in eine Identitätsrelation zueinander gebracht werden müssten.
Vielmehr spiegelt die von Aristoteles getroffene Unterscheidung zwischen Ob-
jekt des Denkens und Objekt des Strebens eine analytische, drittpersönliche
Perspektive wider, die zwei Perspektiven auf das differenziert, was dem Subjekt,
das erfolgreich einen Vorsatz gebildet hat, als ein einziges intentionales Objekt
erscheint, nämlich dass die entsprechend spezifizierte Handlung das hier und
jetzt als angemessene Spezifikation der eupraxia zu Tuende darstellt.
Ein solcher Vorsatz kann umgekehrt praktische Wahrheit aus zwei distink-
ten Gründen verfehlen: Zum einen deshalb, weil die Überlegung insofern falsch

||
27 Vgl. Olferts prägnante Charakterisierung des von ihr sog. „Guise of the Good account of
rational motivation“: „when we are rationally moved to pursue or avoid something, this is
because we are in the grip of a rational thought or appearance that it is good and practicable,
and when we rationally believe or find something to be good and practicable, our rational
capacity thereby drives us to pursue the thing in question.“ (Olfert (2017) 133f.)
Praktische Wahrheit – aristotelische und moderne Perspektiven | 205

sein mag, als sich die Handlung tatsächlich eben nicht als gelungene Spezifika-
tion der eupraxia erweist, zum anderen deshalb, weil das Streben sich dann
faktisch und Vorsatz-widrig auf etwas anderes als die vorgesetzte Handlung
richtet. Der aristotelischen Diskussion praktischer Irrationalität, wie sie durch
diese zweite Weise des Verfehlens praktischer Wahrheit vorausgesetzt wird,
kann hier nicht weiter nachgegangen werden. Die berühmte These, dass die
Konklusion des praktischen Syllogismus in der Handlung selbst bestehe (und
nicht etwa in dem Vorsatz zu ihr) (vgl. Mot. an. 7, 701a22f.), lässt jedenfalls kei-
ne Zweifel an der von Aristoteles unterstellten Teleologie des praktischen Über-
legens auf das Handeln hin. Schließlich findet das Ausgangsproblem ‚was soll
ich tun?‘ seine adäquate Lösung nicht in dem Vorsatz zu einer Handlung, son-
dern in der Handlung.
Praktische Wahrheit ist mithin in dem Spannungsfeld zwischen normativer
Orientierung am für den Handelnden Guten insgesamt und teleologischer Aus-
richtung auf die Verwirklichung der eupraxia (EN VI 5, 1140b7) in der konkreten
Handlungssituation zu verorten. Mit Blick auf das oben formulierte Dilemma
soll die teleologische Orientierung auf das Handeln die praktische Wahrheit
davor bewahren, zu einer bloßen Spezies theoretischer Wahrheit zu werden,
während die Identifizierung des Vorsatzes als mentaler Entität mit propositiona-
lem Gehalt (im Gegensatz etwa zur Handlung selbst) als Wahrheitsträger einer-
seits, die Orientierung am Guten als Maßstab für das Vorgesetzte andererseits,28
es erlauben soll, an der Univozität des Wahrheitsbegriffs festzuhalten.
Blickt man von hieraus zurück auf die eingangs unterschiedenen drei Hin-
sichten, in denen der Begriff der praktischen Wahrheit eine systematische Neu-
orientierung der praktischen Philosophie in Aussicht zu stellen scheint, treten
freilich die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit klar vor Augen, selbst wenn die
hier skizzierte Deutung seines Gebrauchs bei Aristoteles es erlauben sollte, bei-
den Hörnern des Ausgangsdilemmas zu entgehen:
Rationalitätstheoretisch bildet auch für Aristoteles die Orientierung am Gu-
ten, nicht an einer – wenn auch praktischen – Wahrheit, den Ausgangspunkt
für die Individuierung praktischer Rationalität. Praktische Wahrheit (pace Ol-
fert) vermag insofern die Last einer solchen Individuierung nicht zu überneh-

||
28 Dabei bleibt freilich zu klären, wie genau das Gute als ein solcher Maßstab fungieren kann:
Geht es darum, das Gute adäquat zu erkennen, oder muss es zusätzlich durch das erkennende
Subjekt selbst instantiiert werden, wie etwa die folgenden Formulierungen von Olfert nahele-
gen: „rational action is a way of trying to assimilate ourselves to the unqualified goodness in
the world.“ (Olfert (2017) 160) Eine solche Assimilation resultiere in einem „coming to have
certain features of the rest of the world in our lives“ (ebd.).
206 | Christoph Halbig

men und sie muss es auch nicht, weil diese Aufgabe durch das Gute als konsti-
tutives Ziel praktischer Einstellungen bereits gelöst ist.
Handlungstheoretisch hat es sich (pace Anscombe)29 als irreführend erwie-
sen, Handlungen selbst als genuin wahrheitsfähig zu verstehen. Das Wissen,
das jemand, der eine Intention verwirklicht, von seinem Handeln hat, kann in
der Tat durch die entsprechende Handlung wahr gemacht werden; dies schließt
aber eben aus, dass die Handlung selbst zum Wahrheitsträger werden könnte.
Normativ schließlich mag der Begriff der praktischen Wahrheit gerade ange-
sichts von skeptischen, nonkognitivistischen und relativistischen Herausforde-
rungen geeignet sein, den Gesichtspunkt des normativen Anspruchs präsent zu
halten, dem das praktische Überlegen unterliegt. Wie auch der schwankende
Begriffsgebrauch bei Aristoteles selbst belegt, ist freilich nicht ausgemacht, wa-
rum Begriffe wie ‚richtig‘ oder ‚gut‘ nicht ebenso geeignet sein sollen, zumin-
dest mit Blick auf den Vorsatz und seine Erfolgskriterien diesen normativen An-
spruch zum Ausdruck zu bringen. Ein naheliegendes Argument zugunsten des
Wahrheitsbegriffs ergibt sich jedenfalls aus der damit eröffneten Möglichkeit,
praktisches Überlegen insgesamt im Sinne einer wahrheitsfunktionalen Logik
zu deuten.30
Dass sich die Renaissance des Begriffs der praktischen Wahrheit in der Phi-
losophie der Gegenwart maßgeblich der überschießenden Rhetorik Elizabeth
Anscombes verdankt, die mit ihrer These von der Wahrheitsfähigkeit von Hand-
lungen eine Behauptung aufstellt, die sich weder systematisch einlösen lässt,
noch auch den aristotelischen Gebrauch des Begriffs (dem Anscombe selbst in
ihrer Gesamtkonzeption praktischer Wahrheit durchaus verpflichtet bleiben
möchte) trifft, mag jedenfalls ein Anlass zur Vorsicht sein: Dass sein einziges
Vorkommen bei Aristoteles an einer Stelle der Nikomachischen Ethik erfolgt, an
der ganz unterschiedliche – handlungstheoretische, rationalitätstheoretische,
normative – Problemstränge konvergieren, legt jedenfalls die Schlussfolgerung
nahe, dass es sich bei praktischer Wahrheit viel eher um eine suggestive Formel
zur bündigen Identifizierung eines für das antike wie das moderne Denken glei-
chermaßen herausfordernden Problemkomplexes denn um den Generalschlüs-
sel zu ihrer Lösung handelt.

||
29 Anscombe (1965) 158.
30 Auf die Schwierigkeiten, die daraus erwachsen, das nicht zu tun, macht etwa die Debatte
um das sog. Frege-Geach-Problem aufmerksam, das die Frage aufwirft, wie das Vorkommen
moralischer Äußerungen in eingebetteten Kontexten (etwa Konditionalsätzen) und die sich
daraus ergebenden logischen Implikationen zu verstehen sind, wenn ein wahrheitsfunktiona-
les Verständnis der entsprechenden Sätze aufgegeben wird. Vgl. Geach (1965) und Blackburn
(2006).
Praktische Wahrheit – aristotelische und moderne Perspektiven | 207

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208 | Christoph Halbig

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Stephan Herzberg
Die Frage nach den Prinzipien menschlicher
Praxis
Zum Normproblem in der aristotelischen Ethik

Wie erkennen wir nach Aristoteles die moralisch richtige Handlung? Was ist das
Kriterium für die richtige Überlegung? Gibt es für Aristoteles so etwas wie hand-
lungsleitende Prinzipien oder Regeln? Solche Fragen, die im deutschen Sprach-
raum bisher vor allem unter dem Titel „Normproblem“ diskutiert worden sind,1
quälen nicht nur die Erstleser von Aristoteles’ ethischen Schriften, sondern
auch die Experten. Schon H. A. Prichard spricht von diesem „extremen Gefühl
der Unzufriedenheit, das eine genaue Lektüre der Aristotelischen Ethik hervor-
ruft.“2 Der Grund liegt nach Prichard darin, dass Aristoteles nicht das tut, was
wir als (moderne) Moralphilosophen von ihm erwarten würden, nämlich einen
Beweis dafür zu liefern, warum wir das, was wir bisher unreflektiert geglaubt
haben tun zu sollen, tatsächlich tun sollen. Aristoteles spreche allerdings an
manchen Stellen so, als ob er beabsichtigt, unser Verlangen nach Begründung
zufriedenzustellen.
Im vorliegenden Beitrag geht es mir darum, das Normproblem – also die bei
Aristoteles fehlende Formulierung eines Kriteriums der richtigen Überlegung
bzw. Handlung zum Zweck der Handlungsleitung und Handlungsbewertung –
als ein der aristotelischen Ethik inhärentes Problem einer genaueren Analyse zu
unterziehen und eine Richtung aufzuzeigen, in der eine Lösung zu suchen ist.
Das ist ein „heißes Eisen“, denn wie bei anderen Problemen, die sich uns heute
stellen (z.B. das Leib-Seele-Problem), könnte man der Auffassung sein, dass das
Normproblem nicht Aristoteles’ Problem ist. Aristoteles ginge es vielmehr (nur)
um die Analyse der verschiedenartigen affektiven und kognitiven Dispositio-
nen, die in ihrer wechselseitigen Bezogenheit aufeinander den Handelnden
dazu befähigen, das in einer konkreten Situation richtige Handlungsziel zu
erkennen und dies mit der passenden Handlung umzusetzen. Diesem Zweck
diene eine reichhaltige Tugendlehre, die sich der Handelnde durch die richtige

||
1 Vgl. Jaeger (1955) 251–252; Dirlmeier (1999) 441; Bien (1972); Ricken (1976) 82; Rhonheimer
(1994) 22–23, 163.
2 Vgl. Prichard (2002) 17.

https://doi.org/10.1515/9783110735598-010
210 | Stephan Herzberg

Erziehung anzueignen hat. Oder man meint: Aristoteles interessiere sich in


seiner Ethik qua Wissenschaft nur für die allgemeinsten Elemente, die Grund-
begriffe des Praktischen, und ließe die Singularität des menschlichen Handelns
aus guten Gründen (Inkonstanz, Variabilität) außen vor. Das konkrete richtige
Handeln werde allein der praktischen Vernunft oder der moralischen Sensibili-
tät des Einzelnen überlassen.
Im Folgenden werde ich zunächst naheliegende Einwände gegen eine nor-
mative Lektüre entkräften: Die Frage, wie man handeln soll, genauer: unter
welchen Bedingungen eine Handlung vernunftgemäß oder richtig ist, stellt
meiner Auffassung nach keine Frage dar, die Aristoteles allein dem einzelnen
Handelnden überlässt und bei deren Beantwortung das Reflexionswissen der
Ethik vielleicht eine Hilfe sein kann. Vielmehr handelt es sich um eine Frage,
die sich auch in einer Akteurs-fokussierten Ethik wie der des Aristoteles stellt,
und zwar in ihrem Kern, und die hier eigentlich eine konsistente Antwort finden
müsste (1.). In einem zweiten Schritt diskutiere ich, aus welchen Elementen der
aristotelischen Ethik sich eine Antwort auf das Normproblem (rekonstruktiv)
gewinnen lässt. Ich werde zeigen, dass sich weder der Glücksbegriff noch der
Tugendbegriff im gesuchten Sinn normativ operationalisieren lassen (2.). In ei-
nem dritten Schritt werde ich zwei Lehrstücke der aristotelischen Ethik vorstel-
len, die aus meiner Sicht einen vielversprechenden Ansatzpunkt für eine Re-
konstruktion der „normativen Rückseite“ der aristotelischen Ethik bilden. Diese
Rekonstruktion weist in eine Richtung, die sich von modernen monistischen
Moraltheorien deutlich unterscheidet (3.).

1 Diskussion naheliegender Einwände gegen eine


normative Lektüre
Es ist in der Tat nicht leicht, die Unzufriedenheit, von der Prichard spricht, zu
beheben.3 Vom „Vater“ der praktischen Philosophie und insbesondere der Ethik
als einer „Wissenschaft in sittlicher Absicht“4 hätte man gerne genauere Aus-
künfte über Fragen der Normenbegründung, zur Lösung moralischer Konflikte,
zur konkreten Handlungsorientierung etc. Stattdessen präsentieren sich uns die
Eudemische Ethik wie auch die Nikomachische Ethik erst einmal auf einem sehr

||
3 Vgl. ebd.
4 Vgl. Höffe (1996); Höffe (1972).
Die Frage nach den Prinzipien menschlicher Praxis | 211

abstrakten Niveau: Im Kern scheint es hier um nichts anderes als um die Defini-
tion der Grundprinzipien menschlicher Praxis zu gehen (Glück, Tugenden,
Freiwilligkeit etc.).5

1.1 Politischer Charakter


In der Nikomachischen Ethik, auf die ich mich im Folgenden konzentrieren wer-
de, ist dieses Definitions-Projekt in das größere Projekt einer „politischen Wis-
senschaft“ eingebettet, die von Aristoteles als „in höchstem Maß maßgeblich
und architektonisch“6 charakterisiert wird, da sie das Wohl der Gemeinschaft
zum Gegenstand hat. Sie hat im Hinblick auf die anderen (praktischen) Wissen-
schaften und Fähigkeiten innerhalb der Polis eine regulative Funktion, im Hin-
blick auf das Handeln ihrer Bürger eine normierende Funktion.7 Sie soll ange-
henden Gesetzgebern (und deren Beratern) ein fundiertes, d.h. Prinzipien-
basiertes, Wissen des Praktischen mit auf den Weg geben, um sie so zu befähi-
gen, (zusammen mit der notwendigen Erfahrung) gute Gesetze zu machen, d.h.
solche, die das Glück der Gemeinschaft und die Tugend der Bürger fördern.8 Für
dieses Gesetzgebungswissen ist nach Aristoteles ein allgemeines philosophi-
sches Grundlagenwissen über die menschliche Natur und Praxis unverzichtbar.9
Ein solches Prinzipienwissen wird von der Ethik als (konstitutivem) Teil der

||
5 Bei genauerem Blick zeigt sich, dass Aristoteles nicht einen Begriff nach dem anderen be-
handelt, sondern dass diese Begriffe in einer geordneten Sukzession stehen: Der Begriff des
Glücks setzt den Begriff der Tugend voraus (vgl. EN I 13, 1102a5–7). Der Begriff der Tugend
wiederum setzt den Begriff des Freiwilligen (vgl. EN III 1, 1109b30–34) und der Entscheidung
(vgl. EN III 4, 1111b5–6) voraus. Und der Begriff der Entscheidung den des Strebens und der
Überlegung bzw. der praktischen Vernunft (vgl. EN III 4, 1112a15–16). Die Nikomachische Ethik
zeigt sich in ihren ersten sechs Büchern als eine definitorische Vertiefung ihrer Grundlage, d.h.
als eine Reflexion auf die verschiedenen für den Glücksbegriff wesentlichen Teile. Von hier aus
ergibt sich die ‚Sachordnung‘ der aristotelischen Ethik, die von ihrer ‚Darstellungsordnung‘
oder Exposition zu unterscheiden ist.
6 Vgl. EN I 1, 1094a26f; auch VI 8, 1141b24–25.
7 Vgl. EN I 1, 1094a26–b11, b15,1095a2; I 2, 1095a16; I 13, 1102a12.
8 Vgl. EN X 10, 1180a32–35, b30–31, 1181a11–12, a23 (οἱ δὲ νόμοι τῆς πολιτικῆς ἔργοις ἐοίκασιν;
Pol. VII 2, 1325a7–10. Es ist umstritten, wo genau bei Aristoteles die Einlösung des Programms
einer solchen architektonischen Wissenschaft des Praktischen zu suchen ist. Hierzu Scott
(2015) 177–186.
9 Vgl. EN X 10, 1180b13–28.
212 | Stephan Herzberg

politischen Wissenschaft bereitgestellt.10 Es scheint also, so könnte ein nahelie-


gender Einwand gegen eine normativ-ethische Lektüre lauten, eher um die
Beantwortung der Frage „Welche Art von Gesetzen sollen wir erlassen?“ zu
gehen als um die individualethische Frage „Was soll ich tun?“. Hierauf ist zu
antworten: Man kann davon ausgehen, dass das Prinzipienwissen, das dem
angehenden Politiker zugutekommen soll, auch für den einzelnen Bürger und
seine phronêsis von Nutzen ist; die personale phronêsis hat ja auch mit dem
Allgemeinen zu tun, ist also auch empfänglich für prinzipielle Überlegungen.11
Auch Gasthörer werden einen Nutzen von Aristoteles’ ethischer Prinzipienlehre
für ihr Leben haben; die einzige Bedingung ist, dass sie ihr affektives Leben
nach der Vernunft gestalten und über eine gewisse Erfahrung im menschlichen
Leben verfügen.

1.2 Ein rein theoretisches Projekt?


Aristoteles’ Definitions-Projekt in der Ethik könnte rein theoretisch verstanden
werden, insofern es hier um nichts anderes ginge, als um eine Grundlagenrefle-
xion auf den Bereich menschlicher Praxis.12 In diesem Sinn wurde in jüngerer
Zeit der aristotelischen Ethik der normative Charakter ganz abgesprochen.13 Hier

||
10 Vgl. etwa Nielsen (2015) 33–34; Karbowski (2019) 161–162; Frede (2020) I 251, II 988.
11 Vgl. EN VI 8, 1141b14–15. Zu beachten ist, dass Aristoteles in EN VI 8, 1141b23–33 davon
spricht, dass die politische Wissenschaft und die Klugheit (phronêsis) dieselbe Disposition
sind, ihr (definitorisches) Sein aber verschieden ist. Aristoteles unterscheidet zwischen der auf
den Staat bezogenen Disposition, innerhalb derer die „architektonische“ für die Gesetzgebung
zuständig ist, die untergeordnete dagegen für das Handeln und Beraten (üblicherweise als
„Politik“ bezeichnet), und der auf den Einzelnen bezogenen, personalen Disposition (übli-
cherweise als „Klugheit“ bezeichnet). Einen Vorschlag, wie man diese nicht ganz klare Stelle
verstehen könnte, macht Scott (2015), 109–111.
12 In Entsprechung zu den drei „theoretischen Philosophien“ in Met. VI 1, 1026a18–19. Vgl.
Aristoteles’ Rede von der „Philosophie der menschlichen Dinge“ (EN X 10, 1181b14–15).
13 Vgl. Brüllmann (2011). Brüllmann skizziert eine dezidiert gütertheoretische Lesart des
ersten Buchs der Nikomachischen Ethik. Eine Verknüpfung mit dem Begründungsprojekt der
modernen Moralphilosophie ist aus seiner Sicht verfehlt: „Der Zusammenhang zwischen Glück
und Tugend dient bei Aristoteles nicht dazu, Gründe zu benennen, die für moralisches Verhal-
ten sprechen, und der Verweis auf den Tugendhaften dient nicht dazu, Kriterien des moralisch
Richtigen zu formulieren“ (150). Aristoteles betone zwar das praktische Anliegen der Ethik,
dennoch ließen sich weite Teile seiner Untersuchung einem deskriptiven Projekt zuordnen
(183). Ähnlich im Ergebnis auch Karbowski (2019), 172: „In contemporary philosophy ethical
principles are construed as prescriptive rules of conduct. Aristotle does not view them in this
Die Frage nach den Prinzipien menschlicher Praxis | 213

stellt sich allerdings die Frage, was aus der „praktischen Letztabsicht“ der Ethik
wird, die Aristoteles mehrmals dezidiert formuliert und mit ihrem kognitiv-
wissenschaftlichen Charakter verbindet: Die Ethik möchte auf ihre Art, nämlich
als eine methodisch reflektierte und an Gründen orientierte Untersuchung über
das Schöne und Gerechte, dazu beitragen, dass wir das Richtige tun, und zwar
um des Richtigen selbst willen, und auf diese Weise selbst gut bzw. besser wer-
den.14 Zutreffender (als den normativen Charakter zu verneinen) ist es daher zu
sagen, dass auch eine Reflexion der Grundprinzipien menschlicher Praxis eine
praktische Bedeutsamkeit für den Handelnden entfalten kann: Die Ethik-
Vorlesung biete denen, die in den menschlichen Handlungen erfahren sind und
gemäß der Vernunft leben, d.h. dem erzogenen und nachdenklichen Menschen,
eine vertiefte Reflexion über die Grundprinzipien menschlichen Handelns und
trage auf diese Weise, nämlich indirekt, zur Verwirklichung des richtigen Han-
delns bei.15 Die konkrete Normierung des richtigen Handelns stehe aber in einer
auffälligen Weise nicht im Mittelpunkt seiner Ethik.

1.3 Ethischer Partikularismus?


Es gibt Stellen, die es erst einmal nahelegen, dass Aristoteles die Erkenntnis der
richtigen Handlung allein der moralischen Sensibilität des Handelnden über-

||
way. He is not trying to develop a set of rules of conduct by appeal to which we can assess our
own and other’s actions. Right and wrong, and especially good and bad, are on Aristotle’s
mind. But the Nicomachean Ethics is – like most other Aristotelian philosophical treatises – by
and large a work of definition.“ Ebd. 187: „The theory itself, however, does not directly generate
any concrete practical advise. It is concerned exclusively with the goodness of ethical kinds.“
14 Vgl. EN I 1, 1095a5–6; II 2, 1103b26–29; X 10, 1179a35–b4.
15 Vgl. Frede (2020) I 202: „Wenn Aristoteles’ Darlegungen über das Wesen des guten Lebens
und seine Bedingungen auch der praktischen Anleitung dienen sollen, dann tun sie das nur
auf indirektem Weg. Sie vermitteln weder einen konkreten Lebensplan noch ein konkretes
Regelwerk, sondern vielmehr ein vertieftes Verständnis dafür, was das gute Leben ist und in
welcher Art von Handlungsweisen es besteht. Es ist also das vertiefte Verständnis der Bedin-
gungen der Möglichkeit des guten Lebens, das dazu führen soll, dass Menschen, die schon die
richtige Motivation mitbringen, d.h. die richtigen Vorlieben und Abneigungen, auch das Rich-
tige tun werden, wenn sie erst einmal die Prinzipien erfasst haben, auf denen das gute Leben
beruht. […] Aristoteles betreibt also nur eine Art Grundlegung zu einer eudämonistischen
Ethik.“ Vgl. auch Frede (2020) II 328, 409.
214 | Stephan Herzberg

lässt.16 Prinzipien und Regeln scheinen für die Identifikation der richtigen
Handlungsweise erst einmal keine Rolle zu spielen, wie der ethische Partikula-
rismus behauptet.17 Bei einem Denker wie Aristoteles, welcher der Annahme von
Universalien und Regularitäten grundsätzlich positiv gegenübersteht, scheint
es allerdings eher unwahrscheinlich zu sein, dass er den Raum zwischen den
höchsten Prinzipien des Praktischen (Glück, Tugenden) und der Einzelsituation
einer radikalen Singularität überlässt. Seine Aussagen zur abnehmenden Ge-
nauigkeit im Bereich des Praktischen, je weiter man sich der konkreten Situati-
on nähert, schließen gerade nicht die Geltung allgemeiner präskriptiver Sätze
(ho katholou logos) aus, sondern verdeutlichen nur, dass diese immer nur im
Regelfall gelten und sich das konkrete Urteil über das, was hier und jetzt zu tun
richtig ist, keiner simplen „Anwendung“ oder Subsumption verdankt.18 Auch
wird der „politischen Wissenschaft“ eine eindeutig normierende Aufgabe zuge-
sprochen.19

1.4 Charakter vor Handlung?


Aber spricht nicht auch die Akteurs-Fokussierung der aristotelischen Ethik
gegen eine handlungsnormierende Erwartung? Darauf ist zu antworten: Auch
wenn die moralische Bewertung immer an den Handelnden und seine für die
Handlung relevante Disposition zurückzubinden ist,20 muss die zugehörige
Handlung erst einmal als solche richtig sein: „Es ist zwar umstritten, ob bei der
Tugend die Absicht oder die Handlung wichtiger ist, da sie doch in beidem liegt.
Dass ihre Vollkommenheit in beidem besteht, ist aber offenkundig“.21 Ein be-
stimmter tugendhafter Charakter manifestiert sich nicht nur in der objektiv
richtigen Handlung, d.h. im Tun dessen, „was man soll“ (ha dei), er wird auch
durch wiederholtes richtiges Handeln erworben und setzt die objektiv richtige

||
16 Vgl. die Stellen EN II 2, 1103b34–1104a10 (τὰ πρὸς τὸν καιρὸν σκοπεῖν) und II 9, 1109b22–23
(καὶ ἐν τῇ αἰσθήσει ἡ κρίσις), die gerne für eine partikularistische Lektüre herangezogen wer-
den. Vgl. etwa Wiggins (1980) 231: „There are no general principles or rules anyway.“
17 Vgl. etwa McNaughton (1988) 62, 190. Zu einer etwas moderateren Form vgl. Dancy (1993)
67. Zu einer kritischen Auseinandersetzung mit einer partikularistischen Interpretation der
aristotelischen Ethik vgl. Irwin (2000).
18 Vgl. EN II 2, 1103b34–1104a11.
19 Vgl. EN I 1, 1094b5–6; I 13, 1102a9–13; X 10, 1179b31–1180a14.
20 Vgl. EN II 3, 1105a27–33, b5–12; III 4, 1111b4–6; VI 13, 1144a13–22.
21 Vgl. EN X 8, 1178a34–b1 (Übers. Frede).
Die Frage nach den Prinzipien menschlicher Praxis | 215

Handlung für seine Individuierung als Fall einer bestimmten Tugend voraus.22
Die Frage, wie man handeln soll (pôs prakteon autas),23 d.h. wann ein Handeln
vernunftgemäß oder richtig ist, ist also auch in einer Tugend-fokussierten Ethik
– also in einer Ethik, in der die verschiedenen charakterlichen Haltungen, die
den Handelnden jeweils zur richtigen Handlung disponieren, die primären
Objekte der Normierung sind24 – keine triviale Frage.

1.5 Zirkel zwischen ethischer Tugend und praktischer


Vernunft?
Man könnte diese Frage allerdings unter Hinweis auf das wechselseitige Bedin-
gungsverhältnis von ethischer Tugend und praktischer Vernunft25 für „ge-
schlossen“ erklären. Dem theoretischen Zugriff erscheine dieses Wechselver-
hältnis als Zirkel und die Pointe der aristotelischen Ethik gegenüber der
modernen Moralphilosophie bestünde gerade in der Nicht-Auflösbarkeit dieses
Zirkels (der dann nicht „vitiös“, sondern „virtuous“ wäre).26 Diese Position setzt
allerdings die problematische Annahme voraus, dass die Handlungsziele allein
durch den Charakter festgelegt werden und die Klugheit ausschließlich für die
Überlegung der passenden Mittel, d.h. für die Identifikation der richtigen Hand-

||
22 Vgl. Halbig (2013) 14.
23 Vgl. die zentrale Passage EN II 2, 1103b26–34: „Da unsere gegenwärtige Untersuchung
nicht wie unsere anderen auf Theorie ausgerichtet ist (denn nicht um zu wissen, was die Tu-
gend ist, untersuchen wir sie, sondern um gut zu werden; sonst hätte sie ja keinen Nutzen), ist
es notwendig, den Bereich der Handlungen näher zu untersuchen, d.h. wie man sie ausführen
soll. Denn sie bestimmen auch die Qualität unserer Dispositionen, wie wir bereits gesagt ha-
ben. Dass man der richtigen Begründung entsprechend handeln soll, ist allgemein anerkannt
und sei hier vorausgesetzt – später wird aber noch darüber zu sprechen und zu fragen sein,
sowohl was die richtige Begründung ist wie auch in welchem Verhältnis sie sonst zu den Tu-
genden steht.“ (Übers. Frede).
24 Vgl. Wieland (1990) 131–134.
25 Vgl. etwa EN VI 13, 1144a7–9, a34–36, 1144b16–17, b20–21, 1145a4–6; X 8, 1178a16–19.
26 Vgl. Owens (1996a) 44: „To expect moral philosophy to function independently of the
habituation is to mistake its nature as Aristotle sees it.“ Owens (1996b) 228: „Everywhere there
is circularity, if the problem is approached on the theoretical level.“ Die aristotelische Ethik
müsste demnach aus der Perspektive des Handelnden verstanden werden, der schon die rich-
tige Erziehung innerhalb der richtigen Gesetze genossen hat; eine „absolute“ oder rein rationa-
le Perspektive gebe es nicht.
216 | Stephan Herzberg

lung, zuständig ist.27 Demgegenüber wird aber an mehreren Stellen deutlich,


dass die Vernunft bei der Erfassung der Handlungsziele zumindest mitbeteiligt
sein muss.28 Auch die Erziehung zur Tugend als einer Disposition, die uns in der
Vielfalt von Situationen zur jeweils richtigen Entscheidung befähigt, kann nicht
ohne rationale Unterweisung ablaufen.29 Ethische Tugend und praktische Er-
kenntnis sind zwar untrennbar, aber dennoch unterscheidbar.30
Aristoteles’ Ethik, so meine These, ist also nicht nur eine für den Handeln-
den irgendwie bedeutsame „Metaphysik der menschlichen Praxis“, sondern ist
von ihrem praktischen Anspruch her in einer direkteren Weise mit dem Feld
menschlichen Handelns verbunden, als dies oft angenommen wird. Die Rekon-
struktion dieser handlungsnormierenden Seite ist zuerst exegetisch motiviert:
Ohne eine reflektierte Antwort auf die für die Tugendlehre zentrale Frage, wann
oder unter welchen Bedingungen eine Handlung richtig oder vernunftgemäß
ist, bliebe die aristotelische Ethik unvollständig. Sie wäre aber auch systema-
tisch wenig attraktiv, insofern zwar die moralepistemologische Bedeutung der
ethischen Tugenden für die Identifikation der situationsgerechten Handlung
gegenüber anderen Ethik-Ansätzen hervorgehoben werden könnte,31 für die
Erklärung dieser besonderen Fähigkeit aber nur das Rekurrieren auf Erziehung
und Erfahrung bliebe. Für die zentrale Frage nach der richtigen Handlung wür-

||
27 Zur Problematik der technê-Analogie, die eine Trennung zwischen Zielsetzung und Mittel-
findung auch im moralischen Bereich nahelegt, vgl. Frede (2008) 110–111.
28 Dafür spricht schon die weitausgreifende Kompetenz der phronêsis, die letztlich das gute
Leben im Ganzen im Blick hat (EN VI 5, 1140a25–28; VI 8, 1141b23–33) und damit auch für
konkrete Handlungsziele zuständig ist, deren „Passen“ (qua Teilziel) zum Letztziel sie zu
erkennen hat. Dafür spricht auch, dass das Ziel innerhalb einer praktischen Überlegung der
Gegenstand eines Wunsches ist (EN III 4, 1111b26–27). Dem Wünschen als einer vernünftigen
Strebung (De an. III 9, 432b6) liegt aber immer ein Urteil zugrunde; keiner wünscht etwas, was
er nicht für gut hält (Rhet. I 10, 1369a2–4; EN III 6). Vgl. auch EN VI 10, 1142b32–33; EN VII 9,
1151a18–19: „Vielmehr ist es die Tugend, ob die natürliche oder die durch Gewöhnung erwor-
bene, die richtiges Meinen (orthodoxein) das Prinzip betreffend lehrt“ (Übers. Frede).
29 Vgl. Frede (2008) 115–116.
30 Vgl. Ricken (2013) 253: „Die These des Aristoteles, dass die Phronesis die ethische Tugend
voraussetzt, besagt nicht, dass es ohne Tugend keinerlei sittliche Erkenntnis gibt.“ Selbst für
den, der nach seinen Affekten lebt, ist ein Erkennen möglich, wenn auch nutzlos (EN I 1,
1095a9).
31 Zu Recht werden die ethischen Tugenden bei Aristoteles nicht als Erfüllungsgehilfen für die
Umsetzung der praktischen Einsicht verstanden, sondern ihnen wird selbst eine kognitive
Dimension, eine Art „Spürsinn“ für das richtige, d.h. situationsangemessene, konkrete Hand-
lungsziel, zugeschrieben. Es gehört zu ihrem Wesen, den Handelnden dazu zu disponieren, in
jeder konkreten Situation die richtige Entscheidung zu treffen.
Die Frage nach den Prinzipien menschlicher Praxis | 217

de der Tugendbegriff dann fast zu einer Art Zauberwort. Bevor man also vor-
schnell die aristotelische Ethik in ihrem normativen Anspruch depotenziert,
sollte man eher versuchen, die von Aristoteles an einigen Stellen angedeutete
„normative Rückseite“ seiner Ethik genauer zu rekonstruieren. Aristoteles
spricht in seiner Ethik durchaus von praktischen Prinzipien, Normen und Re-
geln.32 Die Aufgabe des Interpreten besteht darin, deren jeweiligen systemati-
schen Ort genauer zu klären.

2 Glücksethik oder Tugendethik?


2.1 Eudaimonistische Prinzipienethik?
Nach Aristoteles ist das Glück (eudaimonia) das Prinzip menschlichen Han-
delns: Ihm zuliebe tut jeder alles, was er aufgrund einer Entscheidung tut; es ist
die Ursache des Gutseins aller menschlichen Güter.33 Aristoteles spricht diesem
Prinzip zudem eine handlungsorientierende Bedeutung zu: „Wird die Kenntnis
dieses Guts nun nicht einen großen Einfluss auf unsere Lebensführung haben,
so dass wir wie Bogenschützen, die einen Zielpunkt haben, das Richtige (tou
deontos) eher treffen können?“34 Man könnte in solchen Passagen den Ansatz
für eine eudaimonistische Prinzipienethik sehen: Eine Handlung wäre genau
dann moralisch richtig, wenn sie mehr als andere Handlungen, die in dieser

||
32 Aristoteles bezeichnet nicht nur das Glück als eine archê, im Sinne des höchsten Prinzips
allen menschlichen Tätigseins (EN I 12, 1102a1–3), sondern spricht auch von praktischen ar-
chai: Damit sind die konkreten, situationsbezogenen Ziele des Handelnden gemeint, die Aus-
gangspunkte der praktischen Überlegung sind und die sich auch als evaluative Obersätze in
einem praktischen Syllogismus darstellen lassen (vgl. VI 5, 1140b16–20; VI 13, 1144a31–36; VII
9, 1151a15–17; EE II 10, 1227a8–9; EE II 11, 1227b23–26). Weiterhin gibt es Sätze, die wie
Prinzipien gebraucht werden, wie etwa der formale Grundsatz, der richtigen Überlegung
entsprechend zu handeln (EN II 2, 1103b31–32). Auch die im Umriss skizzierten Tugendbegriffe
können als Prinzipien angesehen werden. Handlungsnormen und (prima facie-)Regeln werden
in EN II 6, 1107a8–15, EN V 3, 1129b19–25 und EN IX 2 genannt. Ein nützlicher Überblick über
das Thema der Prinzipien in Aristoteles’ Ethik findet sich in Nielsen (2015) 35–38. Vgl. auch die
verschiedenen Anmerkungen zur Generalismus-Partikularismus-Debatte bei Frede (2020) etwa
I 250, II 410–411, 871–872.
33 Vgl. EN I 12, 1102a2–4. Hierzu Richardson Lear (2004) 15.
34 EN I 1, 1094a22–24 (Übers. Frede mit Änderungen).
218 | Stephan Herzberg

Situation möglich sind, zur Verwirklichung dessen beiträgt, was objektiv unter
dem menschlichen Glück35 zu verstehen ist.36
Gegen eine solche eudaimonistische normative Lektüre spricht aber, dass
auch der mit einer Güter- und Tugendlehre gefüllte Glücksbegriff zu vage bleibt,
um im konkreten Fall handlungsleitend zu sein: Das Glück ist für Aristoteles
weder eine außermoralische Größe (wie im hedonistischen Utilitarismus) noch
irgendein anderes vom Handelnden abtrennbares ‚größtmögliches Gut‘ (wie im
idealen Utilitarismus),37 vielmehr verwirklicht es sich im tugendhaften Tätigsein
des einzelnen Menschen. Es geht also nicht wie in einer universal-teleo-
logischen Ethik um einen künftigen besseren oder besten Weltzustand, sondern
um die bestmögliche Entfaltung der eigenen Fähigkeiten.38 Es gibt gute Gründe
anzunehmen, dass ein solches Tätigsein nicht exklusiv in der theôria besteht;
eine Handlung wäre sonst genau dann richtig, wenn sie im Vergleich zu den
alternativen Handlungsmöglichkeiten den größeren Beitrag zur Realisierung
der eigenen kontemplativen Tätigkeit leistet, egal welche sonstigen Folgen eine
solche Handlungsweise für andere Menschen hätte.39 Vielmehr ist davon auszu-
gehen, dass das Glück in einem geordneten Ensemble exzellenter Tätigkeiten

||
35 Vgl. die umrisshafte Definition des menschlichen Glücks in EN I 6, 1098a16–17, die an-
schließend von Aristoteles mit den endoxa abgeglichen und mit einer Tugend- und Freund-
schaftslehre gefüllt wird.
36 Vgl. auch Ross (1995) 196.
37 Vgl. Ross (2002) 17.
38 Dieser Befund hat Aristoteles immer wieder den Vorwurf des Egoismus eingebracht. Ross
etwa charakterisiert Aristoteles’ Ethik in ihrer formalen Struktur als teleologisch, und zwar in
dem Sinne, dass moralische Richtigkeit für Aristoteles letztlich auf das dem Handelnden Zu-
trägliche, auf seinem Selbstinteresse gründe. Vgl. Ross (1995) 235: „For the most part Aristotle’s
moral system is decidedly self-centred. It is at his own eudaimonia, we are told, that man aims
and should aim. In the account of justice there is an implicit recognition of the rights of others.
But in the whole of the Ethics outside the books on friendship very little is said to suggest that
men can and should take warm personal interest in other people; altruism is almost completely
absent.“ Die Ehrenrettung des Aristoteles besteht aber für Ross darin, dass er an manchen
Stellen, wo es um das kalon geht (z.B. III 1, 1116b31), sein formales System zu vergessen scheint
und sich von einer deontologischen Intuition leiten lässt (Ross (1995) 211–212, 239). Frede
(2020) I, 207, unterscheidet mit Recht zwischen „einer gewissen ‚Ego-Zentriertheit‘“ der aristo-
telischen Ethik und einem Egoismus.
39 Gegen einen solchen „intellektualistischen Egoismus“ sprechen die Stellen, die vom intrin-
sischen Wert tugendhaften Handelns handeln (z.B. EN I 5, 1097b2–4; X 6, 1176b6–9) und den
Eigenwert des praktischen Bereichs betonen (X 8, 1178b5–7). Zudem darf nicht vergessen wer-
den, dass die betrachtende Tätigkeit als höchste Form menschlicher Tätigkeit selbst Gegen-
stand einer Entscheidung ist und moralischen Maßstäben unterliegt (vgl. VI 13, 1145a6–11).
Die Frage nach den Prinzipien menschlicher Praxis | 219

besteht, zu denen im Kern die Betätigung der ethischen Tugenden gehört. Die
ethischen Tugenden verwirklichen sich im vernunftgemäßen Handeln. Auch
wenn Aristoteles die praktische Überlegung in Analogie zur Überlegung im
Bereich der technê erläutert und der phronêsis die vermittelnde Aufgabe zu-
kommen lässt, das, was es heißt, glücklich zu sein, praktisch zu überlegen und
zu konkretisieren,40 so ist doch offensichtlich, dass sich das, was hier und jetzt
zu tun richtig ist, nicht einfach aus dem Glücksbegriff ableiten lässt. Die einzel-
nen Zwischenziele müssen vom Handelnden vielmehr auch in Entsprechung zu
den jeweiligen Umständen, also situationsgerecht,41 bestimmt werden.42 Der
Glücksbegriff als solcher ist nicht im gesuchten Sinn normativ operationalisier-
bar.

2.2 Ausweg Tugendethik?


Das Problem verschärft sich, wenn wir uns die Definition der Charaktertugend
genauer anschauen. Hier bringt Aristoteles den Begriff des orthos logos (recta
ratio) ins Spiel, den Interpreten immer wieder als Lösung für das Normproblem
ansehen. Aristoteles definiert die Charaktertugend folgendermaßen: „Die Tu-
gend ist also eine Disposition zu Entscheidungen, die in einer Mitte in Bezug auf
uns liegt und die durch eine Überlegung (logoi) bestimmt wird, so wie (hôs) sie
auch der Kluge bestimmen würde.“43 Nicht erst philosophische Überlegungen,

||
40 Vgl. EN VI 5, 1140a25–28; VI 8, 1141b14–16.
41 Die verschiedenen moralisch relevanten Merkmale einer Situation werden mit Hilfe der
verschiedenen sog. ‚deontischen Operatoren‘ oder ‚Parameter des Sollens‘ erfasst, die Aristote-
les unter den Titel der Mitte, und zwar der „Mitte in Bezug auf uns“, bringt (s. u.). Die Richtig-
keit der praktischen Überlegung ist von den objektiven Merkmalen der Situation abhängig.
Vgl. Brown (1997) 80, 86.
42 Vgl. Wolf (2004) 40: „Denn der Hinweis, dass das gute menschliche Leben im Ausüben der
ethischen aretê liegt, enthält keine konkreten Aussagen darüber, was in jeweiligen Situationen
zu tun ist. Er ist allgemein und vage. […] Was die phronêsis herausfinden muss, ist vielmehr, in
welcher konkreten Handlung in der vorgegebenen Situation die Betätigung der relevanten
aretê sich artikuliert, beispielsweise in welcher Handlung hier und jetzt sich unsere vage Leit-
vorstellung von Gerechtigkeit konkretisiert.“ Vgl. auch Frede (2008) 113: „Eine ‚kalkulierende
Beratung‘ überlegt also nicht bloß, ob das gewünschte Handlungsziel mit diesen Mitteln zu
erreichen ist, sondern auch ob es mit den gebotenen Mitteln erreicht wird.“ Die Effektivität
allein ist nicht hinreichend für die Richtigkeit der praktischen Überlegung.
43 EN II 6, 1106b36–1107a2 (Übers. Frede). Diese Übersetzung folgt exakt den Handschriften.
220 | Stephan Herzberg

sondern schon unterschiedliche Lesarten des griechischen Textes44 zeigen fol-


gendes Problem an: (a) Ist für Aristoteles der Kluge selbst (d.h. seine Überle-
gung, sein Urteil, seine Entscheidung) das Kriterium oder der letzte Maßstab der
richtigen Überlegung bzw. des vernunftgemäßen Handelns? (b) Oder liegt dem
Klugen selbst noch einmal ein objektiver Maßstab, ein Prinzip etc. (logos)45 der
Überlegung voraus, d.h. ein ethisches Prinzip, an das sich auch der Kluge bei
der Festlegung der richtigen Handlungsweise zu halten hat?
In (a) hätten wir mit dem Tugendhaften zwar einen (im Unterschied zu einer
Gesetzesethik) kontextsensitiven Maßstab vor uns: Eine Handlung wäre genau
dann richtig, wenn sich unter vergleichbaren Bedingungen ein Tugendhafter
für sie entscheiden würde.46 Eine solche normative Lektüre, die im Sinne einer
Akteurs-basierten Tugendethik den Tugendhaften zum Kriterium erhebt, wäre
aber mit schwerwiegenden Problemen konfrontiert: So stellt sich die Frage, wie
man den Tugendhaften identifizieren kann, ohne schon von einer Vorstellung
vom richtigen Handeln Gebrauch zu machen.47 Nehmen wir einmal an, eine
nicht-zirkuläre Identifikation sei möglich, dann ist immer noch nicht klar, was
der Tugendhafte in der konkreten Situation, in der ich stehe, tun würde.48

||
44 Aspasius (In Eth. Nic., CAG XIX 1, 48.12–21 Heylbut) liest dagegen hôrismenêi … hôi (dat.).
Demgemäß wäre zu übersetzen: „Die Tugend ist also eine Disposition zu Entscheidungen, die
in einer Mitte in Bezug auf uns liegt, die bestimmt wird durch den Logos, das heißt durch
jenen, mit Hilfe dessen der Kluge die Mitte bestimmen würde.“ Dieser Lesart folgt Bywater in
seiner kritischen Ausgabe von 1890. In dieser Lesart erscheint der Logos als ein unabhängiges
rationales Prinzip.
45 Zur Vieldeutigkeit dieses Ausdrucks (Überlegung, Begründung, Rechtfertigung, Regel,
Prinzip, Plan etc.), was sich auch in den Übersetzungen widerspiegelt, vgl. Frede (2020) II 410,
659.
46 So scheinen auch ältere Interpreten die Definition zu verstehen. Nach Jaeger (1955) kennt
die spätere Nikomachische Ethik keine allgemeingültigen Normen mehr, „außer dem individu-
ellen, lebendigen Maßstab, der in der autonomen sittlichen Persönlichkeit liegt“ (89), die, so
Jaeger, „sich selbst zum Gesetz wird“ (252). Die Definition von EN II 6, 1107a1 ist für Jaeger „der
prägnanteste Ausdruck, den man für den Wandel in der Stellung des Aristoteles zum Norm-
problem finden kann. Es gibt eben keine allgemeinen Normen mehr für ihn“ (252 Anm. 1).
Dagegen handelt es sich nach Jaeger bei der Eudemischen Ethik um eine ‚theonome Urethik‘:
„Der Schluß der Eudemischen Ethik ist die klassische Urkunde der theonomen Sittlichkeit im
Sinne des späteren Platon. Gott ist das Maß aller Dinge“ (253–254).
47 Vgl. Brüllmann (2011) 168–169. Einige ältere Kommentatoren vermeiden die Gefahr der
Zirkularität durch eine traditionsrelative oder „kommunitaristische“ Antwort auf die Frage,
woran man den „Normträger“ erkennen kann. Vgl. etwa Dirlmeier (1999) 284: „[L]etzte Norm
sind für Ar[istoteles] in der NE die edelsten Traditionen seines Volkes.“
48 Vgl. Louden (1998) 191–203.
Die Frage nach den Prinzipien menschlicher Praxis | 221

Schließlich wären seine Entscheidungen nicht gegenüber anderen, d.h. in-


tersubjektiv, rechtfertigbar, da der Rekurs auf Prinzipien und Regeln ausge-
schlossen wäre. In (b), wo dem Klugen oder Tugendhaften selbst noch ein un-
abhängiges Prinzip vorausliegen würde, das die richtige Handlung deter-
miniert, verschiebt sich das Problem auf die Frage nach dem Inhalt und der
Rechtfertigung eines solchen Prinzips. Wie könnte es inhaltlich genauer be-
stimmt werden?
Aristoteles scheint nun genau diese Frage im ersten Kapitel des sechsten
Buchs der Nikomachischen Ethik aufzuwerfen und eine Lösung in Aussicht zu
stellen:

Da wir früher gesagt haben, dass man das Mittlere wählen soll, nicht das Übermaß oder
den Mangel, das Mittlere aber so ist, wie es die richtige Begründung (orthos logos) be-
stimmt, wollen wir dies nun genauer untersuchen. Bei allen genannten Dispositionen, so
wie auch sonst, gibt es einen bestimmten Zielpunkt (skopos), auf den derjenige blickt, der
über diese Begründung verfügt, und seinen Bogen anspannt oder lockert. Auch gibt es ei-
ne Begrenzung der Mitten (horos tôn mesotêtôn), von denen wir sagen, sie lägen der rich-
tigen Begründung entsprechend (kata ton orthon logon) zwischen Übermaß und Mangel.
Diese Redeweise ist nun zwar wahr, aber keineswegs klar. […] Man muss vielmehr darüber
hinaus festlegen, was die richtige Begründung ist und wie sie zu bestimmen ist (kai toutou
tis horos).49

Aristoteles rekapituliert hier seine Definition der Charaktertugend und möchte


sie weiter vertiefen. Die Frage ist, von welcher Art diese weitere Analyse ist.
Neben dem Begriff des Zielpunkts (skopos)50 ist hier auch von einer „Grenze“
oder einem „Standard“ (horos) die Rede. Aristoteles bezieht diesen Begriff auf
die verschiedenen situationsrelativen „Mitten“ innerhalb eines bestimmten Tu-
gendgehalts und stellt eine genauere Bestimmung in Aussicht.51
Eine verbreitete Interpretation lautet, dass es sich hier um einen Standard
im Sinne eines Kriteriums handelt, das dazu da sei, die richtige Mitte zu be-
stimmen.52 Um die handlungsleitende Funktion der Ethik sicherzustellen, müss-

||
49 EN VI 1, 1138b18–34 (Übers. Frede).
50 Aristoteles verwendet diesen Begriff sowohl für das Glück als letztes Ziel menschlichen
Tätigseins (EN I 1, 1094a24) als auch für die situationsgerechte Handlung (II 5, 1106b32).
51 Zum umstrittenen Status dieses Kapitels vgl. Frede (2020) II 658–660.
52 Vgl. etwa die Übersetzung von Ross/Urmson: „a standard which determines the mean
states“ (EN VI 1, 1138b23), „what is the standard that fixes it“ (1138b34). Vgl. auch Joachim
(1951) 163: „It was thus assumed that there was a ὅρος τῶν μεσοτήτων – an ultimate standard
determining all the μεσοτήτων, all the moral virtues described in Books III–IV. […] Hence we
222 | Stephan Herzberg

te dieser Standard inhaltlich genauer formuliert sein. Ansonsten blieben die


Aussagen der Ethik „zwar wahr“, aber in Bezug auf das Handeln „nicht erhel-
lend“, vielmehr tautologisch oder leer. Zum Leidwesen der Interpreten bleibt
uns aber Aristoteles diese erhellende Antwort im Folgenden schuldig; mit der
Frage, wann genau ein Handeln vernunftgemäß ist, sind wir, so Friedo Ricken,
beim „unklarsten und schwierigsten Punkt der aristotelischen Ethik“.53
Nun ist es sprachlich höchst zweifelhaft, ob der Terminus horos an dieser
Stelle die enge Bedeutung von „Standard“ oder gar „Kriterium“ hat und der
richtigen Überlegung als allgemein maßgebend vorgeordnet ist. Man kann der
Auffassung sein, dass zu viel in dieses Kapitel hineingelegt wird, wenn man in
ihm die Formulierung und die Ankündigung der Lösung des Normproblems im
Sinne eines bestimmten Kriteriums erblickt.54 Was im sechsten Buch folgt, ist
eher eine Reflexion auf die verschiedenen kognitiven Kompetenzen, die uns
dazu befähigen, die richtige Entscheidung zu treffen. Diese Reflexion besteht im
Kern in einer Abgrenzung der praktischen Vernünftigkeit (phronêsis) von ande-
ren dianoetischen Tugenden.

3 Ansatzpunkt für eine Rekonstruktion


Im Folgenden möchte ich zwei Lehrstücke untersuchen, die aus meiner Sicht
zusammen einen vielversprechenden Ansatzpunkt für eine Rekonstruktion der
normativen Seite der aristotelischen Ethik bilden:

3.1 Die Lehre von der Mitte als Lehre von den verschiedenen
normativen Gesichtspunkten
Die Tugend gehört nach Aristoteles zur Gattung der Disposition oder Haltung.
Wesentlich für eine Haltung, wie es die Tugend ist, ist die Mitte, und zwar die
„Mitte in Bezug auf uns“, d.h. relativ auf die Situation, in der wir stehen.55 Diese
Mitte darf nicht in einem quantitativen Sinn verstanden werden, wie es sich erst

||
must explain further, in the sphere of conduct, precisely what the right rule is, what is the
standard determining its rightness.“
53 Ricken (1976) 82. Vgl. auch Ackrill (1980) 15; Wolf (2006) 16.
54 Vgl. auch Broadie/Rowe (2002) 357–360.
55 Vgl. Brown (1997).
Die Frage nach den Prinzipien menschlicher Praxis | 223

einmal durch die Analogien aus dem Bereich der körperlichen Kraft und der
Gesundheit nahelegt („Mittelmaß“); es bedürfte dann zum tugendhaften Han-
deln lediglich einer eingespielten Routine, was aber gerade das Zerrbild dessen
ist, was Aristoteles unter „Tugend“ versteht.56 Vielmehr muss die für die Tugend
wesentliche Mitte qualitativ verstanden werden.57 Das zeigt sich daran, dass
Aristoteles diesen Begriff mit einem Ensemble von verschiedenen normativen
Parametern (dei-Formeln) erläutert. Das Mittlere und Beste, das das Wesen der
Tugend ausmacht,58 besteht darin, Affekte und Begierden in der richtigen Weise
zu haben (und gleiches gilt auch für Handlungen), und zwar „wann man soll
(hote dei), welchen Dingen (eph’ hois) und welchen Menschen gegenüber (pros
hous), weswegen (hou heneka) und wie man es soll (hôs dei).“59 Das richtige Maß
an Zorn bedeutet, der richtigen Person gegenüber, über die richtigen Dinge,
zum richtigen Zeitpunkt oder in der richtigen Länge, auf die richtige Weise und
aus dem richtigen Motiv heraus zu zürnen. Freigebig zu sein bedeutet, der rich-
tigen Person, das richtige Maß, aus dem richtigen Anlass, um des richtigen
Zieles willen, auf die richtige Art und Weise Geld zu geben. Die Lehre von der
Mitte benennt also die Bedingungen für die richtige Umsetzung eines generisch
vorgegebenen Tugendgehalts (z.B. im Fall der Freigebigkeit: das richtige Geben
und Nehmen von Geld in eine konkrete Handlung).
Die einzelnen Parameter beziehen sich auf die Elemente, die die Richtigkeit
der konkreten Handlung ausmachen, mit der ein allgemeines Tugendziel in
einer konkreten Situation umgesetzt wird. Dem moralischen Anspruch einer
konkreten Situation hat der Handelnde mit seinem Handeln gerecht zu wer-
den,60 indem er die verschiedenen Formeln oder Leerstellen durch die Klugheit
richtig bestimmt und mit der richtigen Handlung umsetzt, d.h. „situationsge-
recht“ handelt. Die konkrete Situation mit ihren verschiedenen moralisch rele-
vanten Aspekten ist der „Wahrmacher“ für das konkrete moralische Urteil des
Handelnden über das, was hier und jetzt zu tun ist.61

||
56 Vgl. Achtenberg (2002) 118.
57 Vgl. Rapp (2006), insbesondere 125: „In summary, the introduction of the parameters is far
from obscuring the doctrine, as some interpreters have maintained; on the contrary, the para-
meters spell out the qualitative criteria without which the scheme of deficiency and excess
could not be applied.“
58 Vgl. EN II 6, 1107a6–7.
59 EN II 5, 1106b21–22; vgl. auch II 2, 1104b22–26; II 9, 1109a28, 1109b15–16; III 10, 1115b15–16;
III 15, 1119b17; IV 2, 1120b29.
60 Vgl. auch EN II 2, 1104a8–9; III 1, 1110a13–14.
61 Zu diesem „zirkumstantialen Realismus“ vgl. Achtenberg (2002) 67, 116, 122.
224 | Stephan Herzberg

Die für die Tugend essentielle Mitte ist also selbst kein Kriterium (etwa im
Sinne eines „Mittelwegs“ oder „Mittelmaßes“), sondern der Titel für die ver-
schiedenen normativen Bedingungen, deren Erfüllung zusammen die morali-
sche Richtigkeit einer Handlung ausmacht. Der primäre Zweck der Lehre von
der Mitte besteht darin, die verschiedenen Merkmale oder Umstände mit Hilfe
von Leerstellen, ohne den Anspruch auf Vollständigkeit,62 erst einmal für den
Handelnden zu markieren,63 dann aber auch als (mögliche) moralisch relevante
Gesichtspunkte zu klassifizieren.64 Bei genauerer Betrachtung handelt es sich
nämlich um heterogene moralische Gesichtspunkte (der Vergleich mit den Kate-
gorien legt sich nahe), die man zu folgenden Gruppen zusammenbringen könn-
te: (a) Relation auf bestimmte Personen oder auf bestimmte Dinge (Objekt oder
Adressat der Handlung), (b) konkretes Ziel (Absicht des Handelnden), (c) nähe-
re Umstände (Zeitpunkt, Zeitdauer, Art und Weise der Ausführung). Wie ich im
nächsten Abschnitt zeigen werde, kann man in dieser Parameter-Lehre nicht
nur eine Klassifikation, sondern auch eine Gewichtung angedeutet finden.
Die Richtigkeit der einzelnen Handlung, die der Handelnde in einer konkre-
ten Situation zur Verwirklichung eines konkreten Ziels überlegt, hängt also
nicht von der Erfüllung eines einzigen Merkmals (z.B. Effektivität im Hinblick
auf das Ziel), sondern von der Erfüllung verschiedenartiger normativer Bedin-
gungen ab. Hier ist es nicht ausgeschlossen, dass mit bestimmten Parametern
(z.B. beim pros hous oder beim eph’ hois) auch allgemeine Normen, die das Ver-
halten gegenüber anderen Personen betreffen, und Werte ins Spiel kommen
(z.B. elementare Rechte und Rechtsbeziehungen65; Schuldigkeiten bestimmten
Personen gegenüber66; Werte und „Unwerte“). Aristoteles formuliert zwar keine
systematische Pflichten- oder Regellehre, aber es ist naheliegend, dass sich

||
62 Vgl. EN II 2, 1104b22–24, b26; IV 2, 1120a25. Eine (fast) vollständige Liste der Umstände
findet sich in EN III 2, 1111a3–6. Diese steht aber im Kontext einer anderen Frage, nämlich der
nach der Zurechenbarkeit einer Handlung.
63 Vgl. Wieland (1990) 140; Achtenberg (2002) 118: „It is to guide us to avoid the routinization
of action and feeling […]“. Vgl. auch Rapp (2006) 123.
64 Vgl. Wieland (1990) 139. Wieland kommt das Verdienst zu, die Lehre von den Parametern
(oder wie er sie nennt: Situationstopoi) wieder in ihrer normativen Bedeutung freigelegt zu
haben: „Die Aristotelesforschung hat diesen Situationstopoi bisher nicht die Aufmerksamkeit
geschenkt, die ihrer Bedeutung angemessen gewesen wäre. Auffallenderweise wird nun aber
gerade im Umkreis dieser Topoi der präskriptive Charakter der aristotelischen Ethik offenkun-
dig.“ (140).
65 Vgl. etwa Pol. VII 2, 1324b39–40. Hierzu Kraut (1996).
66 Vgl. das wichtige Kapitel EN IX 2.
Die Frage nach den Prinzipien menschlicher Praxis | 225

aufgrund der Erfahrungen mit ähnlichen Situationen (die sich in einem morali-
schen Fakten-Wissen verdichten können67) Handlungsschemata oder prima
facie-Regeln formulieren lassen.68 Diese sind nichts anderes als die typischen
Konkretisierungen oder Umsetzungsweisen umrisshaft vorgegebener Tugend-
gehalte (z.B. seinen Posten nicht zu verlassen als eine Form der Tapferkeit in
Kriegssituationen, niemanden zu beleidigen als eine Form der Besonnenheit in
Situationen persönlicher Konflikte, Wohltaten zu erwidern als eine Form der
Dankbarkeit, Geschuldetes zurückzugeben als eine Form der Gerechtigkeit).69
Die Parameter-Lehre sollte also nicht vorschnell ineinsgesetzt werden mit einem
ethischen Partikularismus, vielmehr wird sich der Handelnde für das Finden
der richtigen Handlung durchaus an allgemeinen Gesichtspunkten, Normen
oder Regeln orientieren, die ihm das geteilte moralische Wissen bereitstellt.70
Es versteht sich aber von selbst, dass solche Normen und Regeln nur Annä-
herungen an die „moralische Wahrheit“ der konkreten Situation sind, d.h. an
das, was genau die konkrete Situation vom Handelnden verlangt.71 Oft sind
solche Regeln nur umrisshaft formuliert und das, was genau zu tun ist, muss
vom Handelnden selbst bestimmt werden. Manchmal kommen hier auch Um-
stände hinzu, die eine andere Handlungsweise als die, die „im Allgemeinen“
oder „im Regelfall“ richtig ist, notwendig machen.72 Die Regeln sind zwar Hilfen
bei der konkreten Urteilsfindung, können diese aber nicht ersetzen.73 Aristoteles
betont mehrfach, wie schwierig es ist, die richtige Handlung zu treffen, d.h.
diejenige, die von der konkreten Situation gefordert ist. Es gibt viele Arten der

||
67 Vgl. EN I 2, 1095b3–8; I 7, 1098b1–2. Hierzu Karbowski (2019) 167–169.
68 Ich lasse es einmal offen, ob es sich hier um bloße empirische Verallgemeinerungen (wie
bei „Faustregeln“) handelt oder um induktiv erfasste moralische Universalien, die in den
moralischen Überzeugungen der nachdenklichen und wohlerzogenen Menschen enthalten
sind (wie in der Moralphilosophie von Ross (2002), 20–21 Anm.1, 29, 40–41).
69 Vgl. EN V 3, 1129b20–23; IX 2, 1164b31–33.
70 Ein Kapitel wie EN IX 2 ähnelt einer pluralistischen Deontologie, für die es im Unterschied
zu Kant oder dem Utilitarismus keine einheitliche Begründung der verschiedenen prima facie-
Regeln gibt.
71 Vgl. EN I 1, 1094b10–23. Mit Frede (2020) II 325–327 ist dieses caveat nicht auf die Grund-
prinzipien der Ethik, wie z.B. den Glücksbegriff oder die einzelnen Tugendbegriffe (deren
Definitionen Aristoteles erst einmal „vorzeichnet“ oder „umrisshaft bestimmt“: z.B. EN I 7,
1098a20) zu beziehen, sondern auf Gesetze (die ja die übergeordnete politische Wissenschaft
formuliert: EN I 1, 1094b5–6), Normen und Regeln. Vgl. auch die Bemerkungen zur Allgemein-
heit der Gesetze in EN V 14, 1137b13–24.
72 Vgl. EN III 1, 1110a4–7, a29–30; IX 2, 1164b31–1165a4.
73 Das ist meiner Auffassung nach die Botschaft von EN II 2, 1104a7–10.
226 | Stephan Herzberg

Verfehlung, aber nur eine Weise des richtigen Handelns.74 Deshalb ist es auch
leicht, den (je anderen) Zielpunkt (skopos) oder die (je andere) Mitte zu verfeh-
len, schwer aber, sie zu treffen, d.h. die einzelnen Parameter richtig zu erfassen.
Das richtige Handeln ist „selten, lobenswert und schön“.75 Im konkreten Fall die
Grenzen zum tadelnswerten Handeln festzulegen, ist oftmals schwierig:

Doch bis wohin und wie viel man fehlgehen muss, um tadelnswert zu sein, ist nicht leicht
mit einer Begründung genau zu bestimmen, so wie auch sonst nichts von den Dingen, die
Sache von Wahrnehmung sind. Denn alles Derartige hängt vom Einzelnen ab, und das Ur-
teil darüber beruht auf der Wahrnehmung (kai en têi aisthêsei hê krisis).76

3.2 Die per se schlechten Handlungen als Grenzen der


praktischen Überlegung
Neben den schon angesprochenen prima facie-Regeln, die Aristoteles an weni-
gen Stellen andeutet, nennt Aristoteles im Anschluss an seine Lehre von der
Mitte auch einige Verbotsnormen:

Nun lässt aber nicht jede Handlung und jeder Affekt eine Mitte zu. Denn bei einigen Affek-
ten ist schon im Namen eine Schlechtigkeit mit enthalten (syneilêmmena), wie bei Scha-
denfreude, Schamlosigkeit oder Missgunst, und so auch im Fall von Handlungen wie
Ehebruch, Diebstahl oder Mord. Alle diese und andere dieser Art werden so genannt, weil
sie selbst schlecht sind, nicht ihr Übermaß oder Mangel. Bei ihnen kann man nämlich
niemals das Richtige treffen, sondern immer nur fehlgehen. Auch liegt in diesen Fällen
das Richtige oder Falsche nicht darin, mit welcher Frau oder wann oder wie man ehebre-
chen soll, sondern es ist schlechthin verfehlt, irgendetwas von dieser Art zu tun.77

||
74 Vgl. EN II 5, 1106b28–31.
75 Vgl. EN II 9, 1109a29–30.
76 EN II 9, 1109b20–23 (Übers. Frede). Vgl. auch EN IV 11, 1126b3–4. Dem letzten Satz im obi-
gen Zitat kommt eine entscheidende Bedeutung in der Moralphilosophie von Ross zu. Vgl. Ross
(2002) 42: „This sense of our particular duty in particular circumstances, preceded and in-
formed by the fullest reflection we can bestow on the act in all its bearings, is highly fallible,
but it is the only guide we have to our duty.“ Vgl. auch für Aristoteles Ross (1995) 205: „But
after all no general rule will help us very much to know what we ought to do; we must wait till
we are in the particular circumstances, and take account of them all; ‚the decision lies with
perception.‘“
77 EN II 6, 1107a8–17 (Übers. Frede); vgl. auch EE II 3, 1221b17–27.
Die Frage nach den Prinzipien menschlicher Praxis | 227

Aristoteles weist uns darauf hin, dass einige Affekte und Handlungen Namen
tragen, die schon immer mit einer sittlichen Wertung verbunden sind: Der Aus-
druck „Mord“ impliziert schon eine Schlechtigkeit, so dass die damit gemeinte
Handlungsweise immer oder schlechthin falsch ist. Solche Handlungen und
Affekte stellen gerade keine moralisch neutrale Materie dar, innerhalb derer
dann nach einer „Mitte“ zu suchen wäre. Vielmehr handelt es sich schon um
spezielle Affekt- und Handlungstypen, die in ihrer moralischen Qualität schon
fixiert sind.78 Sie stellen, wie es das Partizip syneilêmmenon79 (in 1107a10) nahe-
legt, eine schon geformte Handlungsmaterie dar.80
Die Funktion dieses Abschnitts scheint auf den ersten Blick keine andere als
eine logische zu sein.81 Wir müssen uns, so könnte die schlichte Botschaft lau-
ten, unsere Moralsprache genau ansehen. Dort gibt es viele hybride Begriffe, die
sowohl eine beschreibende als auch eine wertende Komponente haben. Manche
Handlungsbegriffe bezeichnen schon Fehlgeformtheiten einer bestimmten
Handlungsmaterie. Worin aber diese Fehlgeformtheit besteht, was genau also
einen Beischlaf zu einem Ehebruch (also zu einem moralisch falschen Bei-
schlaf), eine Tötungshandlung zu einem Mord (also zu einer moralisch falschen
Tötung) etc. macht, bliebe offen. Es wäre der moralischen Sensibilität des Ein-
zelnen überlassen zu überlegen bzw. zu beurteilen, was es in einer konkreten
Situation heißt, zu stehlen, die Ehe zu brechen etc.

||
78 Im Folgenden sehe ich von den Affekten ab und konzentriere mich auf die genannten
Handlungstypen. Es ist klar, dass diesen nach Aristoteles jeweils ein fehlgeformter Affekt
zugrunde liegt (vgl. EN V 3, 1129b19–25). Eine falsche emotionale Reaktion (z.B. ein Fall von
Jähzorn, ein Fall von Zügellosigkeit) kann sich im Hinblick auf einen anderen Menschen unge-
recht, d.h. in einer falschen Handlung, auswirken (z.B. Verletzung, Ehebruch). Ich gehe wei-
terhin davon aus, dass auch in einem Akteurs-fokussierten Ansatz die Qualität der Handlung
als solche bestimmt werden kann und muss.
79 Vgl. Met. VI 1, 1025b32; VII 10, 1035a25–26.
80 Vgl. Joachim (1951) 91: „The moment you name them you are expressing by the name not
bare material but material formed and wrongly formed.“
81 Vgl. Hardie (1980) 137–138: „He is making a purely logical point which arises from the fact
that certain words are used to name not ranges of action or passion but determinations within
a range with the implication, as part of the meaning of the word, that they are excessive or
defective, and therefore wrong. […] In our vocabulary for referring to actions and passions
there are words which name misformations; and, in such cases, there is no sense in asking
what is the right formation of the object named. This, and no more than this, is what Aristotle
means when he says that ‚not every action nor every passion admits a mean‘.“
228 | Stephan Herzberg

Das scheint mir aber gerade nicht die Botschaft dieses Abschnitts zu sein.
Aristoteles nennt hier vielmehr (wie schon etwa Xenophanes82, Platon83 und
überhaupt die populäre Ethik, die mit operationalisierbaren Handlungsschema-
ta84 arbeitet) mehr oder weniger wohldefinierte (d.h. in ihrer deskriptiven Kom-
ponente ausreichend bestimmte) Handlungstypen, die als das, was sie sind,85
schlecht und daher verboten sind.86 Aristoteles geht davon aus, dass klar ist,
was z.B. unter Ehebruch zu verstehen ist.87 Im griechischen Recht steht moicheia
für den „heimliche[n] Geschlechtsverkehr mit einer freien, ehrbaren Frau gegen
den Willen ihres kyrios“.88 Solche Handlungsnormen unterliegen nicht mehr der
praktischen Überlegung, sondern liegen dieser gerade als Grenze (horos) vo-
raus, d.h. sie sind als Normen bei der Frage zu berücksichtigen, was die mora-
lisch richtigen (und nicht nur effektiven) „Mittel“89 zur Umsetzung oder Reali-
sierung eines bestimmten Tugendziels sind.90 Es scheint sich (auch schon) für

||
82 Vgl. DK 21 B 11; B 12.
83 Vgl. R. IV 442e4–443a10. Hier geht es um das übliche Verständnis von Gerechtigkeit, das
sich in erster Linie an der Unterlassung bestimmter Handlungstypen (Unterschlagung, Dieb-
stahl, Ehebruch etc.) festmacht.
84 Vgl. Wieland (1990) 129–130.
85 Hier ist auch der Unterschied zwischen sachlicher und sprachlicher Ebene in der oben
zitierten Passage zu beachten: Die angeführten Beispiele „und andere dieser Art“ (τὰ τοιαῦτα)
werden mit solchen (hybriden) Begriffen „benannt“ (λέγεται, mit Bywater; nicht ψέγεται wie
Bekker und Susemihl), weil sie „an sich schlecht sind“ (τῷ αὐτὰ φαῦλα εἶναι).
86 Auch hier stellt sich wieder die Frage, ob es sich um empirische Generalisierungen oder um
robuste moralische Universalien handelt, die induktiv erfasst werden. Vgl. hierzu die empir-
isch-teleologische Deutung von Kraut (2012), 551: „For the direction of explanation may go
from the particular cases to the general rule, rather than the other way round. In other words,
the universal generalization that all adultery is wrong may rest on the fact that, without excep-
tion, each particular act of adultery has brought about so much harm. […] It is not because
there is a rule against adultery that it is wrong whenever it occurs; rather, it does great harm
whenever it occurs, and that is why we can correctly formulate an exceptionless generalization
about its wrongness.“
87 Vgl. Pol. VII 16, 1335b38–1336a2; EN V 3, 1129b21–22; V 5, 1131a6; V 7, 1132a3; V 15, 1138a25–
26.
88 Thür (2000) 340. Hierzu auch Lipsius (1905–1915) 429–430; Dover (1974) 209–210.
89 Ein Mittel kann zwar effizient, aber dennoch moralisch unangemessen sein: „Folglich ist
auch das noch keine Wohlberatenheit, wodurch man zwar erreicht, was man soll, aber nicht
auf dem Weg, auf dem man es soll.“ (EN VI 10, 1142b24–26; Übers. Frede). Zur notwendigen
moralischen ‚Symphonie‘ zwischen Mittel und Ziel vgl. Pol. VII 13, 1331b26–38.
90 Als solche „constraints“ liegen sie auch dem Tugendhaften und seinem Urteil voraus (vgl.
Louden (1998) 195–196). Der Tugendhafte selbst qualifiziert sich überhaupt erst als ein mögli-
Die Frage nach den Prinzipien menschlicher Praxis | 229

Aristoteles um moralische „Selbstverständlichkeiten“91 (im Sinne von morali-


schen Wahrheiten) zu handeln, denn man sucht eine Analyse ihrer Natur, d.h.
eine genaue Erörterung, was sie jeweils zu per se schlechten Handlungen
macht, vergebens.
Während Aristoteles für den Bereich des Rechts zumindest auf die Notwen-
digkeit verweist, klare Definitionen über ungerechte Handlungen aufzustellen,
um „das Gerechte ans Licht zu bringen“92, fehlt eine solche Bemerkung in seiner
Ethik. Das ist gerade hier ein Desiderat, handelt es sich doch um normierte
Handlungstypen, die (insbesondere im Fall des Diebstahls oder des Mords)
durch unterschiedliche Handlungen realisiert oder zustande gebracht werden. 93
Gerade hier wäre es wichtig, das moralisch relevante Merkmal klar zu benen-
nen, um entscheiden zu können, wann eine Handlung unter das entsprechende
Handlungsschema fällt und wann nicht. Im Fall des Ehebruchs, wo die Band-
breite möglicher Einzelhandlungen überschaubar sein dürfte, ist der moralisch
entscheidende Parameter das pros hous („in Bezug auf wen“), gegen das versto-
ßen wird. Hinter diesem Verbot dürfte bei Aristoteles als Begründung nicht nur
die Verletzung einer Rechtsbeziehung und auch der Schaden für die Gemein-
schaft stehen, sondern auch das direkte Gerichtetsein gegen die Freundschaft
(philia) zwischen den Eheleuten, der Aristoteles einen hohen intrinsischen Wert
beimisst. Diese Freundschaft kann nicht nur der Lust oder des Nutzens wegen,
sondern „auch der Tugend wegen bestehen, wenn beide gut sind“.94 Die Lehre
von den per se schlechten Handlungen macht deutlich, dass in wenigen Fällen
schon ein Parameter hinreichend sein kann, um eine Handlungsweise eindeutig
moralisch zu qualifizieren; weitere Umstände spielen dann keine Rolle mehr. In

||
cher Kandidat für eine moralische Vorbildfigur dadurch, dass er diese Normen kennt und in
seinem Handeln beherzigt. Vgl. Annas (1993) 113.
91 Wieland (1990) 129. Er weist in diesem Zusammenhang auch auf Top. I 11, 105a5–6 hin.
92 Vgl. Rhet. I 13, 1373b38–1347a9: „Da man häufig zwar darin übereinstimmt, dass eine Tat
erfolgt ist, jedoch in der Anklageformulierung oder in dem, worauf sich die Anklage bezieht,
nicht übereinstimmt, – wie zum Beispiel zwar darin, dass einer genommen, nicht aber darin,
dass er gestohlen habe […] – muss man deswegen wohl darüber Definitionen aufstellen, was
Diebstahl, was übermütige Misshandlung, was Ehebruch ist, damit wir, wenn wir zeigen wol-
len, ob ein Unrecht vorliegt oder nicht, in der Lage sind, das Gerechte ans Licht zu bringen“
(Übers. Rapp).
93 Hierzu genauer Buddensiek (2008) 36–37.
94 Vgl. EN VIII 14, 1162a25–27. Das ist eine sehr hohe Form, von der Ehe zu denken, die unse-
rem modernen personalen Verständnis (nicht nur Vertrag, sondern beiderseitiger Konsens des
Willens) sehr nahekommt.
230 | Stephan Herzberg

der entsprechenden Situation gäbe es eine eindeutige Grenze für die praktische
Überlegung, insofern eine bestimmte Handlungsweise eindeutig verboten wä-
re.95
Handelt es sich hier um kategorische, d.h. ausnahmslos gültige, Verbotsur-
teile? Das ist schwer zu entscheiden und würde im Zusammenhang mit den
„gemischten Handlungen“, d.h. in moralischen Konfliktsituationen, andere
Probleme nach sich ziehen.96 Zumindest für den Diebstahl wird Aristoteles eine
prima facie-Geltung vorgesehen haben, d.h. „an sich“ oder „einfachhin“ be-
trachtet sollten wir solche Handlungen niemals tun, weil sie per se schlecht
sind, aber in einer besonderen Konfliktlage würden wir sie wählen, wenn wir
vernünftig sind (noun echôn), weil nur so ein unvorstellbar großes Übel verhin-
dert oder ein besonders hohes Gut bewahrt werden könnte. Das Ziel der Hand-
lung richtet sich hier nach der augenblicklichen Situation.97 Aristoteles betont
die Schwierigkeit, in solchen Situationen zum richtigen Urteil zu kommen:
„Welche Dinge man aber um wessentwillen wählen soll, ist nicht leicht zu sa-
gen, da es in den Einzelfällen viele Unterschiede gibt.“98 Ist die Wahl in einer
solchen schwierigen Situation richtig (d.h. man nimmt etwas Schändliches oder
Unangenehmes als Preis für besonders große und werthafte Dinge auf sich,
indem man Erniedrigungen erträgt oder eine an sich gesehen schlechte Hand-
lung vollzieht), erfährt man Lob, wurde dagegen die Rangordnung oder die
Situation falsch eingeschätzt (d.h. man nimmt das Schändliche als Preis für
etwas weniger Wertvolles auf sich), wird man getadelt. In manchen Fällen,
wenn man etwas, was man nicht tun soll, unter Bedingungen tut, die die
menschliche Natur übersteigen, erfährt man Verständnis (syngnômê), d.h. die

||
95 Was die moralische Beurteilung des Handelnden angeht, so ist es möglich, Unrechtes zu
tun, ohne deswegen schon ungerecht zu sein (EN V 10, 1134a17). Die Entscheidung macht den
Unterschied (EE II 10, 1226a11–13; EN V 10, 1134a19–23; 1135b25; Rhet. I 13, 1374a9–17). Das, was
man im Ehebruch tut, d.h. das unmittelbare Resultat der Handlung, muss als solches intendiert
sein. Vgl. Buddensiek (2008) 38–39.
96 Zur Frage, ob sich für Aristoteles das Problem der dirty hands stellt, vgl. Nielsen (2007). Sie
deutet Aristoteles ‚rossianisch‘.
97 Vgl. EN III 1, 1110a13–14.
98 EN III 1, 1110b7–9 (Übers. Frede). Solche Konfliktsituationen werden von Aristoteles eher
als Randfälle betrachtet, während Ross sie in seiner Moralphilosophie eher als die Regel an-
sieht. Daher ist auch seine Moralphilosophie von einem starken Gewissheitsgefälle geprägt.
Über das, was meine aktuale Pflicht ist, gibt es nur eine fallible, wahrscheinliche Meinung. Vgl.
Ross (2002) 30–33.
Die Frage nach den Prinzipien menschlicher Praxis | 231

vollzogene Handlung ist unter diesen Umständen verzeihlich.99 Schließlich gibt


es aber auch Dinge, und hier schlägt Aristoteles einen kategorischen Ton an, zu
denen man sich wahrscheinlich niemals zwingen lassen darf, sondern eher den
Tod auf sich nehmen sollte.100 Aristoteles nennt als Beispiel den Muttermord.
Solche Handlungen sind im Unterschied zur vorherigen Klasse unverzeihlich
und durch nichts rechtfertigbar; wer so etwas tut, korrumpiert sich selbst. Auch
hier handelt es sich um eine moralische „Selbstverständlichkeit“, die Aristoteles
mit einem isôs (wahrscheinlich) anfügt, ohne dies aber genauer zu begründen.
Aristoteles macht hier nichts anderes, als eine „deontologische Intuition“ ernst
zu nehmen; er lässt sich, mit W. D. Ross gesprochen, von dem, „what we really
think“101, leiten. Das zeichnet seine Ethik gegenüber modernen Moraltheorien
bis heute aus.

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||
99 Vgl. EN III 1, 1110a19–29. Ich gehe davon aus, dass auch dieser von Aristoteles an dritter
Stelle aufgeführte Fall zu den Handlungen zählt, für die man sich in einer bestimmten Situati-
on entscheidet (auch wenn man sich die Situation nicht ausgesucht hat).
100 Vgl. EN III 1, 1110a26–27.
101 Vgl. Ross (2002) 19, 40–41.
232 | Stephan Herzberg

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Béatrice Lienemann
Wissen und die Zurechenbarkeit von Fehlern
bei Aristoteles

[Als Held einer möglichst guten Tragödie bleibt jemand übrig], der nicht trotz seiner sittli-
chen Größe und seines hervorragenden Gerechtigkeitstrebens, aber auch nicht wegen sei-
ner Schlechtigkeit und Gemeinheit einen Umschlag ins Unglück erlebt, sondern wegen ei-
nes Fehlers – bei einem von denen, die großes Ansehen und Glück genießen, wie Ödipus
und Thyestes und andere hervorragende Männer aus derartigen Geschlechtern.
(Poet. 13, 1453a7–12)1

1 Einleitung
Das vermutlich berühmteste Vorkommnis der Rede über Fehler (im Griechischen:
hamartia) im Corpus Aristotelicum kommt in der Poetik vor. In Kapitel 13 der Poe-
tik führt Aristoteles seine Ansicht aus, durch welche Merkmale sich die schönste
bzw. beste Tragödie (kallistê tragô[i]dia) auszeichnet. Dieser Erläuterung ist das
Eingangszitat entnommen, und wie wir noch sehen werden, nimmt ein Fehler für
Aristoteles in einer guten Tragödie eine Scharnierfunktion ein. Viel ist schon ge-
sagt und geschrieben worden über Aristoteles’ Tragödienverständnis und zu dem
mehrfach in der Poetik bemühten Beispiel für eine gute Tragödie, den Oedipus
Rex des Sophokles. Ich werde an diese jahrhundertelangen Diskussionen nur teil-
weise anknüpfen, und zwar indem ich dem schon häufiger beschrittenen Weg
folgen und Erläuterungen und Beispiel der Poetik in Verbindung bringen werde
mit der begrifflichen Bestimmung von Fehlern, die Aristoteles in Buch V der Ni-
komachischen Ethik gibt.2
Mein Interesse richtet sich indes vorrangig auf die Erwähnung und Behand-
lung von Fehlern in der Ethik. Die zentrale Frage, der ich nachgehen möchte, ist
die nach Aristoteles’ Auffassung von der Zurechenbarkeit von Fehlern. Ödipus’

||
1 Ὁ μεταξὺ ἄρα τούτων λοιπός. Ἔστι δὲ τοιοῦτος ὁ μήτε ἀρετῇ διαφέρων καὶ δικαιοσύνῃ μήτε
διὰ κακίαν καὶ μοχθηρίαν μεταβάλλων εἰς τὴν δυστυχίαν, ἀλλὰ δι᾿ ἁμαρτίαν τινά, τῶν ἐν μεγάλῃ
δόξῃ ὄντων καὶ εὐτυχίᾳ, οἷον Οἰδίπους καὶ Θυέστης καὶ οἱ ἐκ τῶν τοιούτων γενῶν ἐπιφανεῖς
ἄνδρες. (Übers. nach Fuhrmann, leicht verändert).
2 Die Erörterung aus EN V 10 wird spätestens seit dem 17. Jh. zur Erklärung der hamartia in der
Poetik herangezogen. Lurje nennt als erstes Textzeugnis für einen Versuch, die Passage in EN V
10 zur Erklärung des hamartia-Begriff in der Poetik heranzuziehen, die 1631 erschienene Ars Po-
etica des Jesuiten Alessandro Donati (vgl. Lurje (2004) 292, 306–309).

https://doi.org/10.1515/9783110735598-011
236 | Béatrice Lienemann

Tötungsdelikt am Dreiweg, wie es in Sophokles’ Werk dargestellt wird, gilt ihm,


so denke ich, als mustergültiges Beispiel für eine solche Handlung, wie er sie bei
seiner Erwähnung von Fehlern in EN V vor Augen hat. In der Darstellung bei
Sophokles tötet Ödipus am Dreiweg einen Mann, den er erst nach der Tat als sei-
nen Vater erkennt; er begeht die Tötung dabei, obwohl ihm das Orakel zuvor
vorhergesagt hat, dass er Vatermord begehen wird, und Ödipus daraufhin alles
daransetzt, diese schreckliche Tat zu vermeiden. Verhängnisvoller Weise kommt
das Zusammentreffen am Dreiweg aber derart zustande, dass Ödipus in dieser
Situation nicht ahnt, dass es sich bei dem Mann, den er tötet, um den eigenen
Vater handeln könnte.
Eine genaue Untersuchung der Bestimmung von Fehlern in EN V ist m.E. der
geeignete Ausgangspunkt, um die Frage nach der Zurechenbarkeit von Fehlern
zu beantworten. Mein Ziel ist es, aufzuzeigen, dass sich Fehler als eine bestimmte
Art von Fehlhandlungen von anderen Arten von Fehlhandlungen abgrenzen
lassen und auf einer Skala an möglichen Fehlhandlungen ganz unten bei den zu
entschuldigenden Schädigungsarten, nahe bei den gänzlich nicht-zu-
rechenbaren Unglücksfällen, zu verorten sind. Mit anderen Worten: Fehler ver-
dienen Entschuldigung, manchmal sogar Mitleid, weil die handelnde Person ihre
Fehlhandlung unwissentlich begangen hat und ihr dieses Unwissen nicht in
nennenswerter Weise anzulasten ist. Aus dieser Deutung resultiert schließlich
indirekt auch ein bestimmtes Verständnis des Tötungsdelikts, das Ödipus am
Dreiweg begeht.
Zu Beginn werde ich kurz zusammenfassen, welche Faktoren Aristoteles in
der Poetik als wichtige Merkmale für eine möglichst gute Tragödie nennt und wel-
che Rolle dabei Fehler einnehmen. Anschließend werde ich – nach einigen Be-
merkungen zum Ausdruck „hamartia“ und der zugehörigen Wortgruppe – auf
die Schlüsselpassage in EN V 10 eingehen. Hier nimmt Aristoteles eine
systematische Begriffsklärung verschiedener Schädigungsarten vor, indem er
sich einerseits am üblichen Sprachgebrauch orientiert und andererseits darüber
hinaus geht und eine eigene, präzisere Begrifflichkeit entwickelt – und zwar eine
Begrifflichkeit, für die die Willentlichkeit und die Zurechenbarkeit der jeweiligen
Fehlhandlungen wesentlich sind. Im letzten Teil führe ich aus, in welchem Maße
Fehler nach Aristoteles zurechenbare Handlungen sind. Das soll durch
Abgrenzung von anderen Fällen geschehen, die er ebenfalls in den Ethiken
diskutiert und an deren Beispiel seine Auffassung der Zurechenbarkeit sichtbar
gemacht werden kann.
Wissen und die Zurechenbarkeit von Fehlern bei Aristoteles | 237

2 Aristoteles’ Auffassung von einer möglichst


guten Tragödie
2.1 Der Hintergrund in der Poetik
Aristoteles beschreibt in Kapitel 13 der Poetik, durch welche Merkmale sich eine
gute Tragödie auszeichnet. Die Handlungen einer Tragödie sollen Handlungen
nachahmen, die bei den Zuschauern Furcht und Mitleid hervorrufen, um
dadurch eine erwünschte Reinigung (katharsis) von diesen Affekten oder
Emotionen beim Publikum zu bewirken.3 Furcht (phobos) wird erzeugt, wenn die
Hauptperson Ähnlichkeit mit den Zuschauern hat; Mitleid (eleos) wird
hervorgerufen, wenn die Hauptfigur ihr Unglück nicht verdient hat und man als
Zuschauer mit ihr leidet. Um Furcht oder Mitleid beim Zuschauer als gewünschte
Reaktionen zu bewirken, sind Handlungen unangebracht, bei denen eine
makellose und tüchtige Person einen Umschlag vom Glück ins Unglück erlebt;
dies empfände der Zuschauer bloß als abscheulich. Ebenso ungeeignet sind
Handlungen, bei denen Schlechte entweder vom Unglück ins Glück geraten –
dies wäre nicht einmal menschenfreundlich, philanthrôpon – oder vom Glück ins
Unglück – dies enthielte zwar philanthrôpia, riefe aber weder Furcht noch Mitleid
hervor. Vielmehr muss der tragische Held jemand zwischen diesen beiden
Extremen sein, also weder eine charakterlich makellose Person noch eine
charakterlich schlechte – vielmehr eine gewöhnliche, durchschnittliche Person,
mit der man sich als Zuschauer leicht identifizieren kann. Einer solchen Person
sollte es widerfahren, durch irgendeinen Fehler (di’ hamartian tina)4 vom Glück
ins Unglück zu geraten. Aristoteles wiederholt dieses Ergebnis nochmals: „Die
gute Tragödie muss [...] vom Glück ins Unglück umschlagen, nicht wegen der
Schlechtigkeit, sondern wegen eines großen Fehlers entweder wegen eines
Mannes, wie er genannt wurde, oder wegen eines besseren oder schlechteren.“5

||
3 Vgl. auch Poet. 6, 1449b24–28.
4 Rösler weist darauf hin, dass die Verwendung des Singulars hier bedeutsam ist. Das Indefinit-
pronomen gibt zu verstehen, dass der Umschlag durch einen wie auch immer gearteten Fehler
erfolgt, der je nach Komposition des Stücks eine unterschiedliche Form annehmen kann (Rösler
(2011) 339).
5 Vgl. Poetik 13, 1453a12–18: ἀνάγκη ἄρα τὸν καλῶς ἔχοντα μῦθον ἁπλοῦν εἶναι μᾶλλον ἢ
διπλοῦν, ὥσπερ τινές φασι, καὶ μεταβάλλειν οὐκ εἰς εὐτυχίαν ἐκ δυστυχίας, ἀλλὰ τοὐναντίον ἐξ
εὐτυχίας εἰς δυστυχίαν, μὴ διὰ μοχθηρίαν ἀλλὰ δι᾿ ἁμαρτίαν μεγάλην, ἢ οἵου εἴρηται ἢ βελτίονος
μᾶλλον ἢ χείρονος (Übers. Fuhrmann, leicht verändert).
238 | Béatrice Lienemann

Schon zuvor (Kap. 10/11) hatte er ausgeführt, dass die Komposition der Ge-
schichte einer guten Tragödie nicht einfach, sondern komplex zu sein hat. Eine
komplexe Geschichte ist aus Handlungen aufgebaut, in deren Verlauf sich eine
Wende durch einen Umschlag (peripateia), durch eine Wiedererkennung (anag-
nôrisis) oder durch beides vollzieht.6 Eine Peripatie erläutert Aristoteles als einen
Umschlag dessen, was erreicht werden soll, in das Gegenteil, d.h. der Verlauf der
Ereignisse wendet sich in einem plötzlichen, unerwarteten, aber gleichwohl lo-
gisch nachvollziehbaren Umschlag gegen die Absichten und Erwartungen der
handelnden Person.7 Eine Anagnorisis ist bestimmt als ein Umschlag von Un-
kenntnis in Kenntnis (anagnôrisis de, [...], ex agnoias eis gnôsin metabolê).8 Dabei
sieht es Aristoteles als die beste Kompositionsform einer Geschichte an, wenn die
Wiedererkennung zugleich mit der Peripatie eintritt; und hierfür nennt er als Pa-
radebeispiel den Oedipus Rex.
Diese Übersicht der wichtigen Merkmale einer guten Tragödie ergibt ein pas-
sables Bild davon, was Aristoteles unter einem Fehler, wie Ödipus ihn begeht,
verstanden wissen will. Erst einmal erscheint es klar, dass es sich beim Fehler um
eine Handlung – und nicht etwa ein charakterliches Defizit, d.h. eine Disposition
zu fehlerhaftem Handeln – handeln muss. Denn wenn Aristoteles die Komposi-
tion einer guten Tragödie analysiert, so bezieht er sich, wie er immer wieder deut-
lich zu erkennen gibt, auf die Verknüpfung von Handlungen. Und die Komposi-
tion des Ödipus zeichnet sich in seinen Augen dadurch aus, dass hier der
Umschlag und das Wiedererkennen zusammenfallen, denn der Verlauf der Ereig-
nisse ändert sich mit Ödipus’ plötzlichem Erkennen seines Fehlers in einem ab-
rupten, für ihn unerwarteten, aber gleichwohl logisch nachvollziehbaren Um-
schlag. Der Fehler, den Ödipus begeht und den er plötzlich erkennt, ist der
unwissentliche Vatermord, somit eine Tötungshandlung. Wichtig für die Beurtei-
lung der Zurechenbarkeit von Fehlern ist schließlich, dass der Held einer guten
Tragödie als einer bestimmt wird, der nicht aus Schlechtigkeit und Gemeinheit,
sondern wegen eines Fehlers handelt. Aus Schlechtigkeit und Gemeinheit zu
handeln, hieße, aufgrund eines schlechten Charakters zu handeln. Wer einen
Fehler begeht, scheint aber nicht zwangsläufig über einen schlechten Charakter
zu verfügen (ausgeschlossen ist dies freilich auch nicht).
Der Poetik lassen sich also einige Anhaltspunkte entnehmen, was Aristoteles
unter einem Fehler versteht; für eine genaue Begriffsbestimmung reichen sie aber

||
6 Poet. 10, 1452a12–18.
7 Poet. 11, 1452a22–24.
8 Poet. 11, 1452a29–31.
Wissen und die Zurechenbarkeit von Fehlern bei Aristoteles | 239

noch nicht aus. Dafür ist ein vergleichender Blick in die Ethik notwendig, wo Aris-
toteles in meinen Augen einen spezifischen Begriff des Fehlers entwickelt.

2.2 Eine jahrhundertealte Debatte


Aristoteles’ Konzeption eines Fehlers, wie sie in der Poetik zur Sprache kommt,
beschäftigt die Deutungen dieser Schrift schon lange. Eine Hochzeit erlebten die
Diskussionen in der moralisierenden Tragödienexegese im 16.–18. Jh. insbeson-
dere in Italien und Frankreich, aber auch in Deutschland und England. Viele die-
ser Deutungen vereinigt die Annahme, dass eine Tragödie eine moralische
Schuld aufseiten der Protagonisten veranschaulichen soll. So entstanden Deu-
tungen des Oedipus Rex, die auch in Ödipus’ Verhalten nach schuldhaftem Han-
deln aufgrund einer charakterlichen Schwäche suchten. In der Folge erfuhr auch
Aristoteles’ Rede über Fehler in der Poetik eine erhebliche Umdeutung gegenüber
dem offenbaren Wortlaut des Textes. Der Kern dieser langwährenden Debatten
in der Rezeption der aristotelischen Dichtungstheorie lässt sich kurz als Dilemma
formulieren: Entweder beruhen Fehler nach Aristoteles nicht auf einem morali-
schen Defizit, welches schuldhaftes Handeln begründen würde – dafür spricht,
wie ich aufzeigen wollte, der Wortlaut des Textes der Poetik –, dann erfüllten aber
weder die Mehrzahl der antiken noch der neuzeitlichen Tragödien das aristoteli-
sche Desiderat an eine gute Tragödie (was so manchem nicht gefiele); oder Fehler
beruhen auf charakterlichen Schwächen und verdienen auch nach Aristoteles
Tadel und Strafe, dann erweist sich aber die Beschreibung des tragischen Fehlers
in Poetik 13 als unpassend und Sophokles’ Oedipus Rex verlangte eine grundsätz-
lich andere Deutung, als ich sie angedeutet habe. Ein genaueres Verständnis der
Natur eines Fehlers könnte helfen, dieses Dilemma aufzulösen. Auch deswegen
erscheint ein vergleichender Blick auf die Bestimmung von Fehlern in Buch V der
EN lohnenswert. Diese spricht, um dies kurz vorwegzunehmen, für eine Lösung
des Dilemmas zugunsten des ersten Horns.

3 Das Bedeutungsspektrum des Ausdrucks


„hamartia“ und verwandter Ausdrücke
Der Ausdruck „hamartia“ allein hilft nicht, die inhaltliche Frage zu entscheiden,
ob unter einem Fehler ein moralisches Defizit oder ein entschuldbarer Tatsa-
chenirrtum zu verstehen ist. Aristoteles verwendet den Ausdruck flexibel in bei-
den Bedeutungen und er ist damit nicht allein. Weil auch die etymologische
240 | Béatrice Lienemann

Bildung des Ausdrucks keinen sicheren Anhaltspunkt für dessen Bedeutung lie-
fert, sind im 20. Jh. mehrere umfangreiche vergleichende Untersuchungen zu den
verschiedenen Gebrauchsweisen unternommen worden. Die Bedeutungen, die
Ausdrücke der Wortgruppe des Verbs hamartanô haben können, lassen sich in
drei Kategorien einteilen:9 (i) etwas verfehlen oder einer Sache beraubt sein, die-
ser verlustig gehen, etwas ermangeln; (ii) sich irren, einen Fehler machen, im Irr-
tum über eine Sache sein; (iii) (im moralischen Sinne) schlecht handeln, ein Ge-
setz brechen.
Bei Homer kommen Varianten des Verbs hamartanô vielfach in der ersten
Bedeutung vor, also im Sinne von Ein-ins-Auge-gefasstes-Ziel-nicht-Treffen. Die
Redeweise vom Verfehlen eines Ziels findet früh auch im übertragenen Sinne Ver-
wendung, wie z.B. Etwas-mit Worten-Verfehlen. Verwendungsweisen, in denen
bereits eine ethische Bedeutung zum Tragen kommt, kommen bei Homer zwar
auch vor, sind aber noch selten.10
In den Tragödien, wo sich erstmals auch die Substantive „hamartia“11 und
„hamartêma“ finden, wird die moralische Bedeutung immer üblicher, aber auch
die wörtliche Bedeutung des Verfehlens kommt immer noch vor (v.a. bei Euripi-
des). Insgesamt decken die Ausdrücke der Wortgruppe von hamartanô in der Tra-
gödiendichtung ein sehr weites Bedeutungsfeld ab, das vom verzeihlichen nich-
tigen Versehen bis zum vorsätzlichen Verbrechen reicht.12
Auch in der Geschichtsschreibung und Rhetorik des 5. Jhs. kommen die Aus-
drücke der hamartanô-Wortfamilie in allen drei Bedeutungen vor (wobei die erste
Bedeutung zunehmend unwichtiger wird); auffallend ist aber, dass sich in der
Rhetorik und der Gerichtssprache, z.B. bei Antiphon in den Tetralogien, Ansätze
zu einer präziseren Begriffsbestimmung des Fehlers finden, die eine Abgrenzung

||
9 Diese Einteilung übernehme ich von Bremer; vgl. Bremer (1969) 30.
10 Eine der frühesten Studien ist die Analyse von van Braam von 1912, der sich auf die Vor-
kommnisse von „hamartia“ und „hamartêma“ in der EN konzentriert. Er kommt zu dem Ergeb-
nis, dass Aristoteles’ Gebrauch der Ausdrücke in der EN konsistent (im Sinne von gleichbedeu-
tend) ist und stets im Sinne von Urteilsfehler (error of judgment) und nicht als charakterliche
Schwäche (flaw of character) oder moralisches Defizit (moral defect) aufzufassen ist. Weitere Bei-
träge sind von Hey (1928), Harsh (1945), Ostwald (1958) sowie Bremer (1969). Bremer gibt eine
umfassende lexikologische Untersuchung des Ausdrucks „hamartia“ und seiner Paronyma von
800 v. Chr. bis zu Aristoteles, die er in drei Phasen einteilt: (i) Homer bis Pindar (800–ca. 480 v.
Chr.), (ii) Tragödie, Geschichtsschreibung, frühe Redner (480–400 v. Chr.), (iii) Redner des 4.
Jhs., Platon, Aristoteles (400–300).
11 Erstmals bei Aischylos, der auch „hamartion“ verwendet. Sophokles verwendet auch „hama-
rtêma“.
12 Vgl. Hey (1928) 14.
Wissen und die Zurechenbarkeit von Fehlern bei Aristoteles | 241

zwischen Fehlern (hamartêmata) und Unrechtstaten (adikêmata) andeuten.13 Es


überwiegt jedoch ein unspezifischer Gebrauch von hamartanô als Oberbegriff für
alle Arten von Fehlhandlungen bzw. Schädigungen (blabai), derentwegen je-
mand vor Gericht stehen kann, wobei noch offen ist, ob die Tat als verzeihlich
(weil akousion) oder strafwürdig (weil hekousion) beurteilt werden wird.
Bei Platon findet sich keine erkennbare Unterscheidung zwischen Fehlern
und Unrechtstaten; vielmehr setzt Platon hamartiai und adikiai häufig gleich und
sieht beides als gleichermaßen verwerflich und tadelnswert an. Diesen Eindruck
vermitteln sowohl die Jenseitsmythen im Gorgias (523a–527a) und im Phaidon
(107d–114c) als auch die Ausführungen im Strafrechtsexkurs in Buch IX der No-
moi (Leg. 860e9–10; 863a1; 906c3).14
Aristoteles verwendet Ausdrücke aus der Wortgruppe von hamartanô eben-
falls in allen drei der genannten Bedeutungen. Am häufigsten kommen Irrtums-
fehler vor, und diese können ganz unterschiedlicher Art sein, so z.B. künstleri-
sche Fehler verschiedener Art, beispielsweise von Dichtern oder Tragödien-
dichtern, ungeeigneter Wortgebrauch, Fehlbehandlungen eines Arztes, Fehler
bei der Gesetzgebung, politische Fehlentscheidungen sowie Fehler, die bei ande-
ren Autoren kritisiert werden.15 Auch in der Naturphilosophie spricht Aristoteles
von Fehlern und meint hier Missbildungen der Natur (Phys. II 8, 199a33–b7).16
In der ersten Wortbedeutung des Verfehlens verwendet Aristoteles Ausdrü-
cke aus der Wortfamilie von hamartanô vor allem zur Erläuterung der mesotês-
Lehre. Er nutzt wiederholt zur Illustration seiner Idee der Tugend als richtiger
Mitte zwischen zwei Extremen das Bild eines Bogenschützen, der auf einen Ziel-
punkt (skopos) zielt; das Ziel kann dieser nur auf eine einzige Weise treffen, wäh-
rend er es auf viele Weisen verfehlen kann. Ähnlich besteht auch die Tugend in
der richtigen Mitte, die zwischen zwei schlechten Extremen liegt und die nur auf
eine Weise getroffen, aber auf vielfache Weise verfehlt werden kann. Bei der Be-
handlung der Einzeltugenden sagt er, dass einer, der noch nicht die richtige Mitte

||
13 Vgl. Antiphon, Or. 1 (In Novercam), 27.
14 Außerdem kommen bei Platon auch Verwendungen von „hamartia“ vor, die keine morali-
sche Bedeutung haben, sondern Kunstfehler oder Fehler im Denken bezeichnen, so z.B. in
Charm. 172a; R. 379d; Plt. 296b.
15 Bremer (1969) 53. Belege: künstlerische Fehler des Dichters oder Tragödienschreibers:
1451a20; 1454b17–35; 1456b15; 1460b15, 17, 19, 23, 29, 30; 1461b8; ungeeigneter Wortgebrauch:
1405a31; Fehler im Entwerfen einer politischen Verfassung oder in der konkreten Gesetzgebung:
1103b6; 1160b31; 1270a9; 1272b2; 1273a31; 1275b1; 1279a20; 1289b9; 1293b25; 1297a7; 1301a36;
1302a6; 1303b29–30; 1317a37; 1338b12; 1137b16, 17, 22, 15; 1269a16; 1376b18; Fehler bei politi-
schen Entscheidungen: Ath. Pol. 34,2; Fehler eines Arztes: 199a33; 1226a36; 1320b35; 1375b18.
16 Phys. II 8, 199a33–b7.
242 | Béatrice Lienemann

trifft, nicht als schlecht (kakos) gilt, sondern als jemand, der falsch handelt (ha-
martanesthai).17
Dass im Kontext der mesotês-Lehre so häufig vom Verfehlen die Rede ist,
könnte dafür sprechen, dass es sich bei Fehlern um charakterlich bedingte Fehler
handelt und die Grundbedeutung des Verfehlens auf eine moralische Schwäche
übertragen wird. Dieser Schluss wäre aber vorschnell. Zwar hat die Rede vom Ver-
fehlen in Buch II der EN und auch später in den Tugend-Büchern eindeutig eine
auf den Charakter bezogene Bedeutung, aber es ist wichtig, sich klarzumachen,
dass Aristoteles hier zunächst mit der Bestimmung der Tugend als richtiger Mitte
befasst ist und sich dann der Frage nach dem Erwerb eines tugendhaften Charak-
ters zuwendet. Es ist also nicht der Besitz eines schlechten Charakters, der hier
als Verfehlung bezeichnet wird, sondern bloß ein einzelnes Handeln, das nicht
richtig (orthos) ist.
Bei Aristoteles überwiegen also bei den Verwendungen von Varianten des
Verbs hamartanô deutlich die Bedeutungen des Verfehlens und des Irrtums. Bre-
mer anerkennt als relevante Beispiele für die dritte Bedeutung des Schlecht-Han-
delns sogar nur zwei Fälle in der Rhetorik und einen in der Politik18 und er kommt
in der Folge zum Schluss, dass „statistisch gesehen“ alles dafür spricht, dass un-
ter einer hamartia in der Poetik ebenfalls ein Irrtum und kein schuldhaftes Ver-
gehen zu verstehen ist.19 Auch van Braam war schon zu dem Ergebnis gekommen,
dass alle Vorkommnisse von „hamartia“ in der EN (das sechsmal vorkommt) und
von „hamartêma“ (das dreimal vorkommt) die Bedeutung eines Urteilsfehlers (er-
ror of judgment) bzw. eines Tatsachenirrtums haben.
Auch wenn mir vieles in den Untersuchungen von van Braam, Hey und Bre-
mer zu Aristoteles’ Wortverwendungen richtig erscheint, so lässt sich die Frage,
ob Aristoteles „hamartia“ und „hamartêma“ bisweilen eine spezifische Bedeu-
tung beimisst, kaum statistisch (wie bei Bremer) beantworten. Auch glaube ich
nicht, dass „hamartia“ in der EN immer eindeutig die Bedeutung eines Urteils-
fehlers hat (wie bei van Braam). Z.B. bezeichnet Aristoteles in EN III 2 die Unwis-
senheit über das, was man tun und was man unterlassen soll, als einen Fehler
(hamartia), durch den Menschen ungerecht und überhaupt schlecht werden.20

||
17 Vgl. EN IV 9, 1125a17–20.
18 Abgesehen von zwei weiteren in der (vermutlich pseudo-aristotelischen) Schrift Staat der
Athener.
19 Bremer (1969) 56: „From a mere statistical point of view it is extremely probable that the in-
stance in Poetics 1453a10–15 belongs to our second category [i.e. to err; BL].“
20 EN III 2, 1110b28–31: ἀγνοεῖ μὲν οὖν πᾶς ὁ μοχθηρὸς ἃ δεῖ πράττειν καὶ ὧν ἀφεκτέον, καὶ διὰ
τὴν τοιαύτην ἁμαρτίαν ἄδικοι καὶ ὅλως κακοὶ γίγνονται· τὸ δ᾿ ἀκούσιον βούλεται λέγεσθαι οὐκ εἴ
τις ἀγνοεῖ τὰ συμφέροντα (Übers. B.L.).
Wissen und die Zurechenbarkeit von Fehlern bei Aristoteles | 243

Diese tadelnswerte Art von Unwissenheit um das Allgemeine und Nützliche ist
sicherlich kein Urteilsfehler, sondern diese Unkenntnis wurzelt tiefer und ist cha-
rakterlich bedingt und daher nicht zu entschuldigen. Aristoteles’ Verwendungs-
weise von „hamartia“ und „hamartêma“ in der EN erweist sich vielmehr überwie-
gend als untechnisch und ist am besten schlicht als Gegenbegriff zu allem, was
orthos ist, zu verstehen, was zunächst ein sehr weites Bedeutungsspektrum zu-
lässt. Darunter lassen sich auch Fehler im Denken und Überlegen fassen, wie sie
zweimal in Buch VI erwähnt werden und hier der Richtigkeit (orthotês) im Über-
legen und Denken gegenüberstehen.21
Von diesem überwiegend untechnischen Gebrauch hebt sich allerdings in
meinen Augen die Verwendung von „hamartêma“ in Buch V 10 ab, denn hier ver-
wendet Aristoteles den Ausdruck offenbar tatsächlich als terminus technicus und
legt ihm eine spezifische Bedeutung bei.

4 Aristoteles’ Bestimmung des Fehlers in der


Nikomachischen Ethik
4.1 Einführung von „hamartêma“ als terminus technicus in EN
V 10, 1135b11–25
Der Kontext der Passage in EN V, in der Aristoteles „hamartêma“22 eine spezifi-
sche Bedeutung beilegt, ist seine Analyse, unter welchen Bedingungen eine
Handlung ungerecht ist. Ich zitiere die ganze Passage, konzentriere mich aber auf
die Deutung des ersten Teils:

In unserem wechselseitigen Austausch kommt es daher23 zu drei Arten von Schädigungen:


Ein mit Unwissenheit verbundener Fehler (hamartêma) liegt dann vor, wenn die betroffene

||
21 EN VI 9, 1142b20–24 sowie EN VI 10, 1142b7–9.
22 Das Suffix „-μα“ wird für das Ergebnis einer Handlung reserviert (Debrunner 1917, 157). Dies
deckt sich mit dem Gebrauch von „hamartêma“ in EN V 10, da es hier um das Ergebnis einer
hamartia geht, und zwar die vollzogene Schädigung eines Opfers. Außerdem verwendet
Aristoteles auch für die anderen Schädigungsarten jeweils den entsprechend gebildeten Aus-
druck, i.e. „atychêma“ und „adikêma“. Für einen möglichen Bedeutungsunterschied zwischen
„hamartia“ und „hamartêma“, vgl. auch Ostwald (1958).
23 Wie Susemihls Apparat zeigt, sind hier die Handschriften geteilt; einige bieten hier das fol-
gernde dê, andere ein adversatives de. Meiner Übersetzung zufolge ist der zitierte Abschnitt als
Folgerung zu verstehen, mit der an die zuvor in 1135a23–28 gegebene Bestimmung freiwilliger
und unfreiwilliger Handlungen angeknüpft wird.
244 | Béatrice Lienemann

Person, die Handlung, das Womit oder das Worumwillen nicht so sind, wie die handelnde
Person angenommen hatte. Sie meinte etwa, den anderen nicht zu treffen oder nicht mit
diesem Gegenstand oder nicht gerade diesen bestimmten Menschen oder nicht mit diesem
Ziel. Herauskam aber nicht das, um dessentwillen sie zu handeln meinte (z.B. den anderen
nicht zu verwunden, sondern bloß zu stoßen, oder nicht diese Person zu treffen oder nicht
mit diesem Gegenstand). Tritt der Schaden nun wider vernünftiges Erwarten ein, dann liegt
ein Unglücksfall vor. Wo er zwar nicht wider vernünftiges Erwarten eintritt, aber nicht auf
Schlechtigkeit beruht, handelt es sich um einen Fehler (denn man begeht einen Fehler,
wenn der Ursprung der Ursache24 (hê archê ... tês aitias) bei der handelnden Person liegt,
erleidet einen Unglücksfall dagegen, wenn er außerhalb liegt).

Handelt die betreffende Person zwar wissentlich, aber ohne vorherige Überlegung, dann ist
es eine Unrechtstat von der Art, wie man sie im Zorn oder aus einem der anderen Affekte
begeht, die Menschen entweder notwendig oder natürlicherweise befallen. Wenn sie in die-
ser Weise andere schädigen oder Fehler begehen, handeln die betreffenden Personen zwar
ungerecht und es liegen auch Unrechtstaten vor, ungerecht oder schlecht sind sie aber des-
wegen noch nicht. Denn die Schädigung beruht dann ja nicht auf einer Schlechtigkeit. Geht
die Schädigung auf einen Entschluss zurück, so ist die betreffende Person ungerecht und
ein schlechter Mensch.25

4.2 Zwei Vorbemerkungen zu EN V 10


(1) In diesem Passus ist an zwei Stellen die Rede von Fehlern: in Zeile b12 und in
b18. Der spezifische Gebrauch von „hamartêma“ liegt erst an der zweiten Stelle
vor. Beim ersten Vorkommnis nutzt Aristoteles den Ausdruck hingegen noch als
Oberbegriff für alle Arten von Schädigungen (blabai), die unwissentlich gesche-
hen, ohne zu differenzieren, ob es sich um einen Unglücksfall handelt (der gegen
die vernünftige Erwartung geschieht) oder um einen eigentlichen Fehler (der
nicht gegen die vernünftige Erwartung geschieht). Erst in b18 tritt die spezifische
Bedeutung von „hamartêma“ zutage und wird bestimmt. Derart lässt sich auch

||
24 Jackson hat für „tês aitias“ die Konjektur „tês agnoias“ vorgeschlagen (Jackson (1879) 110f.),
die z. B. auch von Susemihl übernommen wurde (s.u. Anm. 41).
25 EN V 10, 1135b11–25: τριῶν δὴ οὐσῶν βλαβῶν τῶν ἐν ταῖς κοινωνίαις, τὰ μὲν μετ’ ἀγνοίας
ἁμαρτήματά ἐστιν, ὅταν μήτε ὃν μήτε ὃ μὴτε ᾧ μήτε οὗ ἕνεκα ὑπέλαβη πράξῃ· ἣ γὰρ οὐ βάλλειν
ἢ οὐ τούτῳ ἢ οὐ τοῦτον ἢ οὐ τούτου ἕνεκα ᾠήθη, ἀλλὰ συνέβη οὐχ οὗ ἕνεκα ᾠήθη, οἷον οὐχ ἵνα
τρώσῃ ἀλλ’ ἵνα κεντήσῃ, ἢ οὐχ ὅν, ἢ οὐχ ᾧ. ὅταν μὲν οὖν παραλόγως ἡ βλάβη γένηται, ἀτύχημα·
ὅταν δὲ μὴ παραλόγως, ἄνευ δὲ κακίας, ἁμάρτημα (ἁμαρτάνει μὲν γὰρ ὅταν ἡ ἀρχὴ ἐν αὐτῷ ᾖ τῆς
αἰτίας, ἀτυχεῖ δ’ ὅταν ἔξωθεν)· ὅταν δὲ εἰδὼς μὲν μὴ προβουλεύσας δέ, ἀδίκημα, οἷον ὅσα τε διὰ
θυμὸν καὶ ἄλλα πάθη, ὅσα ἀναγκαῖα ἢ φυσικὰ συμβαίνει τοῖς ἀνθρώποις· ταῦτα γὰρ βλάπτοντες
καὶ ἁμαρτάνοντες ἀδικοῦσι μέν, καὶ ἀδικήματά ἐστιν, οὐ μέντοι πω ἄδικοι διὰ ταῦτα οὐδὲ
πονηροί· οὐ γὰρ διὰ μοχθηρίαν ἡ βλάβη· ὅταν δ’ ἐκ προαιρέσεως, ἄδικος καὶ μοχθηρός (Übers.
B.L.).
Wissen und die Zurechenbarkeit von Fehlern bei Aristoteles | 245

erklären, weshalb Aristoteles kurz darauf in Zeile b23–24 ausgerechnet das Par-
tizip von hamartanô verwendet, um die Art des ungerechten Handelns im Falle
von Unrechtstaten (adikêmata) der ersten Art zu erläutern. Hier liegt m.E. erneut
der weite unspezifische Gebrauch von Varianten des Verbs hamartanô vor, der
sich gleichermaßen für Fehler wie für eigentliche Unrechtstaten eignet.26
(2) Es fällt auf, dass Aristoteles zu Beginn des Zitats eine dreifache Unter-
scheidung von Schädigungen ankündigt, im weiteren Verlauf aber vier Arten un-
terscheidet. Das könnte man damit erklären, dass im attischen Gerichtswesen
eine dreifache Unterscheidung bekannt war, an der sich Aristoteles möglicher-
weise orientiert, die er aber alsbald präzisierend modifiziert und erweitert.27
Eine Dreiteilung zwischen Unrechtstat (adikia), Fehler (hamartêma) und Un-
glücksfall (atychia) wird z.B. in der pseudo-aristotelischen Rhetorik an Alexan-
der28 angeführt, um auf dieser Grundlage Angeklagten verschiedene Verteidi-
gungsstrategien zu empfehlen:

Unrechtstat, Fehler und Unglücksfall soll man folgendermaßen unterscheiden: Als Un-
rechtstat gilt, wenn man etwas Schlechtes mit Vorbedacht tut, und man sagt, dass man für
solche [Vergehen] die größten Strafen geben muss; wenn man aufgrund von Unwissenheit
etwas Schädliches tut, muss dies ein Fehler genannt werden. Und wenn man etwas Gutes
beabsichtigt, und dies nicht durch sich selbst, sondern durch andere oder durch Zufall
nicht erreicht, so gilt dies zu Recht als ein Unglücksfall.29

Eine ähnliche Dreiteilung findet sich auch in Aristoteles’ Rhetorik:

||
26 Eine andere Erklärung für diesen Gebrauch erwägen Rösler (2011) und Flashar (2006). Beide
führen die erneute Verwendung von „hamartanô“ in b23–24 als Beleg dafür an, dass Aristoteles
keine klare Unterscheidung zwischen Fehlern und weniger schwerwiegenden Unrechtstaten zie-
hen will, sondern bloß eine graduelle Abstufung und einen fließenden Übergang zwischen ha-
martêmata und adikêmata annimmt.
27 Ähnlich auch Lurje, der vorschlägt, dass „Aristoteles hier die bereits existierende Dreiteilung
der Schädigungsarten an seine eigene Handlungstheorie anzupassen versucht“ (Lurje (2004)
294).
28 Die Rhetorik an Alexander wurde wegen eines gefälschten Widmungsschreibens fälschlicher-
weise Aristoteles zugeschrieben; der wahrscheinliche Verfasser ist Anaximenes von Lampsakos.
Die Schrift gilt als Vorläufer der aristotelischen Rhetorik. Allerdings sind die Ähnlichkeiten meist
nur oberflächlich und rühren daher, dass Aristoteles Fachbegriffe der damaligen Rhetorik über-
nimmt, ihnen jedoch eine eigene Bedeutung beilegt (vgl. Rapp (2002) I 211; Fuhrmann (1960)
und (1965)).
29 Rh. Al. 4, 1427a30–36: ἀδικίαν δὲ καὶ ἁμάρτημα καὶ ἀτυχίαν ὧδε ὅρισαι· τὸ μὲν ἐκ προνοίας
κακόν τι ποιεῖν ἀδικίαν τίθει, καὶ φάθι δεῖν τιμωρίαν ἐπὶ τοῖς τοιούτοις τὴν μεγίστην λαμβάνειν·
τὸ δὲ δι’ ἄγνοιαν βλαβερόν τι πράττειν ἁμαρτίαν εἶναι φατέον. τὸ δὲ μὴ δι’ ἑαυτόν, ἀλλὰ δι’
ἑτέρους τινὰς ἢ διὰ τύχην μηδὲν ἐπιτελεῖν τῶν βουλευθέντων καλῶς ἀτυχίαν τίθει.
246 | Béatrice Lienemann

Auch dass man bloße Fehler nicht als gleich schlimm wie ungerechte Taten beurteilt, und
auch nicht Unglücksfälle (sc. ist ein Beispiel von Billigkeit); denn Unglücksfälle sind solche,
die wider vernünftiges Erwarten und nicht aus Schlechtigkeit, Fehler solche, die nicht wi-
der vernünftiges Erwarten und nicht aus Schlechtigkeit, ungerechte Taten aber solche, die
auch nicht wider vernünftiges Erwarten und aus Schlechtigkeit eintreten.30

Die verschiedenen Aufzählungen aus den beiden Rhetoriken enthalten dieselbe


Trias an Schädigungen – Unrechtstat (adikia/adikêma), Fehler (hamartêma) und
Unglückfsall (atychia/atychêma) –, die sich auch in EN V findet; außerdem bein-
halten beide Rhetoriken zusammengenommen alle der Charakteristika, die Aris-
toteles in der Ethik zur Abgrenzung der Fehler von den anderen Schädigungsar-
ten verwendet: Fehlern und Unglücksfällen ist gemeinsam, dass sie
unwissentlich geschehen, sie unterscheiden sich aber dadurch, dass die Schädi-
gung bei Unglücksfällen unerwartet bzw. gegen die vernünftige Erwartung ein-
tritt (paraloga), während ein Fehler nicht unerwartet eintritt, allerdings auch
nicht aus Schlechtigkeit. Letzteres unterscheidet Fehler wiederum von Unrechts-
taten, die zum einen wissentlich geschehen und ferner aus Schlechtigkeit, d.h.
aufgrund des Charakters der handelnden Person, eintreten. Ich werde gleich ge-
nauer auf diese Unterscheidungskriterien eingehen. Zuvor will ich noch einen
signifikanten Unterschied zwischen den drei Texten erläutern. Aristoteles weicht
in seiner Aufzählung von jenen der Rhetoriken ab, indem er innerhalb der wis-
sentlichen Unrechtstaten, der adikêmata, eine weitere Binnendifferenzierung
vornimmt. Er unterscheidet zwischen Unrechtstaten aus einem Entschluss (pro-
hairesis)31 heraus, die auf Schlechtigkeit beruhen, und Unrechtstaten, die zwar
wissentlich, aber nicht aus Schlechtigkeit und nicht aus einem Entschluss heraus
geschehen.
Der eine dieser beiden Typen von Unrechtstaten, Unrechtstaten aus einem
Entschluss, deckt sich mit der dritten Art von Schädigung aus den Rhetoriken. In
Aristoteles’ Rhetorik werden sie ebenfalls als ungerechte Taten, die aus

||
30 Rhetorik I 13, 1374b4–9: καὶ τὸ τὰ ἁμαρτήματα καὶ τὰ ἀδικήματα μὴ τοῦ ἴσου ἀξιοῦν, μηδὲ τὰ
ἀτυχήματα· ἔστι δ’ ἀτυχήματα μὲν ὅσα παράλογα καὶ μὴ ἀπὸ μοχθηρίας, ἁμαρτήματα δὲ ὅσα μὴ
παράλογα καὶ μὴ ἀπὸ πονηρίας, ἀδικήματα δὲ ὅσα μήτε παράλογα ἀπὸ πονηρίας τέ ἐστιν (Übers.
Rapp (2002) I, leicht geändert).
31 Ich übersetze hier „prohairesis“ mit „Entschluss“, wenngleich ich im Kontext der Rechtspra-
xis auch die Übersetzung mit „Vorsatz“ für passend halte. Aus Gründen der Einheitlichkeit be-
vorzuge ich aber eine durchgängige Wiedergabe mit einem einzigen Ausdruck und behalte mit
„Entschluss“ diejenige Übersetzung bei, die ich für die beste in den ersten Büchern der EN halte,
insbesondere dort, wo Aristoteles „prohairesis“ als terminus technicus einführt (i.e. EN III 4 und
5). Für meine Wahl der Übersetzung mit „Entschluss“ (und nicht etwa „Entscheidung“) argu-
mentiere ich ausführlich in Lienemann (2018), 204–216.
Wissen und die Zurechenbarkeit von Fehlern bei Aristoteles | 247

Schlechtigkeit erfolgen, charakterisiert; in der Rhetorik an Alexander werden sie


als „Unrechtstaten aus Vorbedacht (pronoia)“ bezeichnet. Es lässt sich fragen, ob
„pronoia“ und „prohairesis“ als bedeutungsgleiche Synonyme aufzufassen sind.
Dafür spricht, dass Aristoteles „pronoia“ offenbar tatsächlich bisweilen aus-
tauschbar mit „prohairesis“ verwendet, und zwar insbesondere dann, wenn er
sich explizit auf die damalige Rechtspraxis bezieht und sich an der Terminologie
von Gerichtsreden orientiert,32 wie diese Textstelle in der Eudemischen Ethik zeigt
(EE II 10):

[...] es ist notwendig, dass zwar alles, wofür man sich entschlossen hat, willentlich ist, dass
aber das Willentliche nicht alles etwas ist, zu dem man sich entschlossen hat, und dass
alles, was gemäß dem Entschluss ist, willentlich ist, das Willentliche aber nicht alles33 ge-
mäß einem Entschluss ist. Daraus wird zugleich auch deutlich, dass die Gesetzgeber zu
Recht zwischen willentlichen und unwillentlichen Unrechtstaten34 und solchen, die aus
Vorbedacht geschehen, unterscheiden; denn auch wenn sie nicht vollkommen Recht ha-
ben, so berühren sie die Wahrheit doch auf eine Weise.35

Gleichwohl lässt sich dafürhalten, dass Aristoteles ganz bewusst „prohairesis“


verwendet, da es ihm darum zu tun ist, sich von der üblichen Rechtsterminologie
zu distanzieren – dies legt auch die Stelle in der EE nahe. Üblicherweise wurden
in der Athener Rechtspraxis willentliche Schädigungen (hekousion) mit Schädi-
gungen aus Vorbedacht (ek pronoias) identifiziert und den unwillentlichen
(akousion) gegenübergestellt.36 Diese einfache Dichotomie ist Aristoteles aber zu

||
32 So auch Lee (1937) 139–140.
33 Bonitz (1866), 798, ergänzt in 1226b35 „ἅπαν“, und auch Susemihl macht, ohne Bonitz’
Emendation zu kennen, denselben Vorschlag. Ich halte die Ergänzung für einleuchtend, da der
Satz mit Sorgfalt und Absicht formuliert ist und es sachlich richtig ist, dass das Willentliche nicht
alles gemäß einem Entschluss ist (vgl. Dirlmeier (1969) 297, contra Inwood/Woolf (2013) 36).
34 In den MSS ist in 1226b37–38 „παθημάτων“ (Widerfahrnisse) überliefert, was jedoch nicht
passend erscheint, insbesondere im Fall von „Widerfahrnissen aus Vorbedacht“. Bonitz hat des-
wegen vorgeschlagen, „παθημάτων“ durch „ἀδικημάτων“ zu ersetzen (Bonitz (1866) 798). Ähn-
lich motiviert ist auch der Vorschlag von Ross (s. OCT-Apparat), stattdessen „ποιημάτων“ zu le-
sen. Ich lege meiner Übersetzung daher die Lesart, die Ross vorgeschlagen hat, zugrunde und
übersetze mit „Unrechtstaten“ (so auch Woods (2005) 195; anders Dirlmeier (1969) 297).
35 Vgl. EE II 10, 1226b34–1227a2: [...] ἀνάγκη τὸ μὲν προαιρετὸν ἅπαν ἑκούσιον εἶναι, τὸ δ’
ἑκούσιον μὴ <ἅπαν> προαιρετόν, καὶ τὰ μὲν κατὰ προαίρεσιν πάντα ἑκούσια εἶναι, τὰ δ’ ἑκούσια
μὴ πάντα κατὰ προαίρεσιν. ἅμα δ’ ἐκ τούτων φανερὸν καὶ ὅτι καλῶς διορίζονται οἳ τῶν παθη-
μάτων τὰ μὲν ἑκούσια τὰ δ’ ἀκούσια τὰ δ’ ἐκ προνοίας νομοθετοῦσιν· εἰ γὰρ καὶ μὴ διακριβοῦσιν,
ἀλλ’ ἅπτονταί γέ πῃ τῆς ἀληθείας (Übers. B.L.).
36 Lee weist darauf hin, dass „hekousion“ und „ek pronoias“ in antiken Texten häufig aus-
tauschbar verwendet werden (Lee (1937) 133). Beispielsweise kombiniert Antiphon (Or. 1 [In No-
248 | Béatrice Lienemann

wenig genau, da ihm zufolge nicht alle willentlichen Handlungen aus Vorbe-
dacht bzw. gemäß einem Entschluss (prohairesis) geschehen.37 Die interne Diffe-
renzierung, die er in EN V zwischen Unrechtstaten aus einem Entschluss und Un-
rechtstaten, die nicht gemäß einem Entschluss geschehen, vornimmt, scheint
darauf gemünzt zu sein, die unzureichenden Unterscheidungen in der damaligen
Rechtspraxis zu präzisieren und durch Untertypen zu ergänzen.38

4.3 Die Unterscheidungskriterien im Einzelnen


Kommen wir zur begrifflichen Bestimmung von Fehlern (hamartêmata), die sich
mittels der Kriterien darstellen lässt, durch die Aristoteles vier Arten von Schädi-
gungen abgrenzt.
Es gibt zwei Arten unwissentlicher Schädigung:

[1] Unglücksfälle (atychêmata) sind Handlungen, die nicht ungerecht sind,


sie geschehen [i] gegen die vernünftige Erwartung, sie haben [ii] eine außer-
halb der handelnden Person liegende Ursache, sie erfolgen nicht aus Schlech-
tigkeit, und sie geschehen nicht aus einem Vorsatz heraus.

[2] Fehler (hamartêmata) sind Handlungen, die nicht ungerecht sind, sie ge-
schehen [i] nicht gegen die vernünftige Erwartung, sie haben [ii] eine innerhalb
der handelnden Person liegende Ursache, sie erfolgen [iii] nicht aus Schlech-
tigkeit, und sie geschehen nicht aus einem Vorsatz heraus.

Und es gibt zwei Arten wissentlicher Schädigung:

[3] Unrechtstaten erster Art (adikêmata), kurz: Unrechtstaten–1 bzw. Affekt-


taten, sind Handlungen, die [iv] ungerecht sind, sie geschehen nicht gegen

||
vercam], 5) beide Ausdrücke auf nahezu redundante Weise in einer Wendung (τῆς δὲ ἑκουσιώς
ἐκ προνοίας ἀποκτεινάσης) (vgl. Gagarin (2005) 109).
37 Eine Handlung erfolgt in der Regel dann gemäß einem Entschluss (prohairesis), wenn ihr ein
Prozess des Überlegens und Abwägens vorausgegangen ist, im Zuge dessen sich eine Option als
diejenige erwiesen hat, die den anderen möglichen Optionen vorzuziehen ist, und diese Option
zum Inhalt eines Entschlusses geworden ist. Ein Entschluss bringt somit einen abwägenden
Überlegungsprozess zu seinem Abschluss. Dabei muss sich die Überlegung auf etwas beziehen,
was bei der handelnden Person liegt, weswegen sie auch keine Ziele, sondern nur Wege zum
Erreichen der gewünschten Ziele zum Inhalt haben kann.
38 Ähnlich auch Rapp (2002) II 433–434, 439–440 und 480; vgl. auch Rhet. I 10, 1368b6–12 so-
wie I 12, 1372b16–18.
Wissen und die Zurechenbarkeit von Fehlern bei Aristoteles | 249

die vernünftige Erwartung, sie haben eine innerhalb der handelnden Person
liegende Ursache, sie erfolgen [v] aus einem notwendigen oder natürlichen Af-
fekt, z.B. aus Zorn, sie erfolgen nicht aus Schlechtigkeit, und sie erfolgen nicht
aus einem Vorsatz heraus.

[4] Unrechtstaten zweiter Art (adikêmata), kurz: Unrechtstaten–2 bzw. ei-


gentliche Unrechtstaten, sind Handlungen, die ungerecht sind, sie gesche-
hen nicht gegen die vernünftige Erwartung, sie haben eine innerhalb der
handelnden Person liegende Ursache, sie erfolgen [vi] aus einem Vorsatz her-
aus, sie erfolgen aus Schlechtigkeit, und [vii] die handelnde Person ist unge-
recht und schlecht.

(1) Unwissenheit: Das erste Kriterium, anhand dessen Aristoteles die vier Arten
von Schädigungen zunächst in zwei Untergruppen aufteilt, ist die Unterschei-
dung zwischen wissentlichen und unwissentlichen Schädigungen. Fehlern und
Unglücksfällen ist gemeinsam, dass es sich um Schädigungen handelt, die in Un-
wissenheit (met’ agnoias) geschehen. Dies unterscheidet sie von den beiden Ty-
pen von Unrechtstaten, die separiert werden. Die Erläuterungen und Beispiele,
die Aristoteles für Unwissenheit im Falle von Fehlern und Unglücksfällen gibt,
machen deutlich, dass Unwissenheit um die Einzelumstände der handelnden
Person gemeint ist: Die Unwissenheit könne die von der Handlung betroffene
Person (hon) (wie im Fall der Tötungshandlung des Ödipus), die Handlung (ho),
das Womit (hô[i]) oder das Worumwillen (hou heneka) der Handlung betreffen.39
Die Unwissenheit im Falle von Fehlern und Unglücksfällen betrifft also nicht das
Wissen um das Allgemeine oder Nützliche – wovon Aristoteles Unwissenheit um
die Einzelumstände in EN III 2 abgrenzt –, und sie gilt auch nicht Wissen, das
notwendig und/oder einfach zu haben ist – wovon er Unwissenheit um die Ein-
zelumstände in EE II 9 absondert.
Die beiden folgenden Kriterien sind die entscheidenden Merkmale, um Feh-
ler von Unglücksfällen abzugrenzen.
(2) Innere Bewegungsursache: Bei Fehlern liegt, so sagt Aristoteles in der in
Klammern gesetzten Bemerkung, der „Ursprung der Ursache“ innerhalb der han-
delnden Person, bei Unglücksfällen liegt er außerhalb. Ich denke, damit ist ge-
meint, dass die Bewegungsursache bei Unglücksfällen extern ist, während sie bei
Fehlern in der handelnden Person liegt. Ein solches Externalitätskriterium ist

||
39 Sowohl die Hinsichten als auch die Beispiele, die Aristoteles für Unwissenheit um die Ein-
zelumstände der Handlung gibt, entsprechen den Ausführungen an den beiden Parallelstellen
in EN III 2 und EE II 9.
250 | Béatrice Lienemann

bekannt aus Aristoteles’ Bestimmung von Handlungen aus Gewalt (bia) in EN III
1 und EE II 8; auch hier liegt der Ursprung der Bewegung außerhalb der „han-
delnden“ Person, wie wenn jemand meine Hand ergreift und damit einen Dritten
schlägt.40
Die Formulierung, die sich in EN V 10 als Bezeichnung für die innere Bewe-
gungsursache findet (hê archê tês aitias), ist bei Aristoteles ein Unikum und er-
läuterungsbedürftig. Henry Jackson hat angesichts der eigentümlichen Phrase
eine Korrektur des Textes vorgeschlagen und den Genitiv „tês aitias“ durch „tês
agnoias“ ersetzt, so dass vom Ursprung der Unwissenheit die Rede ist.41 Zur
Begründung beruft er sich auf Parallelen zu Aristoteles’ Erläuterung selbstver-
schuldeter Unwissenheit, v.a. in EN III 7. Dort plädiert Aristoteles für die (sogar
erhöhte) Strafbarkeit des Betrunkenen mit dem Argument, dass dieser für seine
Unwissenheit verantwortlich (aition tês agnoias) ist, weil der Ursprung (gemeint
ist wohl: der Ursprung der Unwissenheit) in der betrunkenen Person liegt (hê ar-
chê en hautô[i]). Jacksons Konjektur hätte offenkundig einen erheblichen Ein-
fluss auf das Verständnis der Textstelle, da Fehler damit in die Nähe von selbst-
verschuldeten Vergehen gerückt (oder sogar damit identifiziert) würden, die auf
eine Nachlässigkeit der handelnden Person zurückzuführen sind.
Ich halte Jacksons Korrekturvorschlag weder für notwendig noch für über-
zeugend. Erstens steht ihm die Überlieferung der Mehrzahl der MSS (mit Aus-
nahme des Marcianus Mb und Ha) entgegen und zweitens lässt der Text auch ohne
Korrektur eine plausible Lesart zu. Die Formulierung mag zwar für Aristoteles42
ungewohnt und einzigartig sein, sie lässt sich aber durchaus als Bezeichnung für
den Ursprung der Bewegung (principium causae) verstehen. (Zudem wäre eine
Interpretation, wie Jackson sie durch seine Korrektur zu erreichen versucht, auch

||
40 Vgl. EE II 8, 1224a20–23 und EN III 1, 1109b35–1110a4.
41 Jackson (1879) 110–111: „It is plain that this sentence ought to restate the distinction already
drawn between ἀτύχημα and ἁμάρτημα: but it is difficult to see how ὅταν ἡ ἀρχὴ ἐν αὐτῷ ᾖ τῆς
αἰτίας – so the MSS. except Ha and Mb [and B2] (which have κακίας), and all the editors – can be
equivalent to μὴ παραλόγως, and ὅταν ἔξωθεν to παραλόγως. Moreover, ἡ ἀρχὴ τῆς αἰτίας is a
strange phrase. Hence I have supposed αἰτίας to be a corruption of ἀγνοίας, and I find the strong-
est possible confirmation of my conjecture both in the E.N. and in the M.M. Cf. E.N. III 5 §8 [...]:
also § 7; and M.M.“ (nämlich I 33, 1195a27–b4). Susemihl hat in der EN-Ausgabe (1880) Jacksons
Konjektur übernommen. Stewart erwähnt noch als weitere alternative Korrektur αἰκίας (= Ent-
ehrung, unziemliche Behandlung, Misshandlung), das in den Nomoi IX und auch bei Aristoteles
in Pol. II 4, 1262a26 vorkommt (Stewart (1892) I, 504 Anm. 1). Unter den neueren Autoren befür-
wortet Kenny Jacksons Konjekturvorschlag mitsamt der daraus folgenden Interpretation des
Textes (Kenny (1979) 59–60 Anm. 1).
42 Stewart (1892), I 504, weist außerdem auf eine parallele Formulierung bei Hippokrates hin
(De Vetere Medicina 1, Littré vol. I 570, Zeile 3–4).
Wissen und die Zurechenbarkeit von Fehlern bei Aristoteles | 251

nicht auf eine Veränderung des Textes angewiesen.)43 Um diese Option, nämlich
Fehler als fahrlässige Vergehen zu deuten, noch genauer zu diskutieren, ist es
zweckmäßig, zunächst das nächste Unterscheidungskriterium hinzuzunehmen.
(3) Nicht gegen die (vernünftige) Erwartung: Das zweite Kriterium, anhand
dessen Aristoteles Fehler von Unglücksfällen abgrenzt, ist, dass Unglücksfälle
gegen das vernünftige Erwarten geschehen, während Fehler nicht wider das ver-
nünftige Erwarten auftreten. Den Ausdruck „παραλόγως“ verwendet Aristoteles
in verschiedenen Kontexten und in wechselnden Bedeutungen (z.B. ungewiss,
merkwürdig, absurd, paradox, widervernünftig, unerklärlich, unerwartet). In der
Physik bezeichnet er den Zufall (tychê) als ein paralogon, weil dieser sich nicht
auf die Dinge bezieht, die immer oder meistens auf dieselbe Weise geschehen,
sondern diesen entgegen auftritt; daher bezeichnet er den Zufall als unbestimm-
bar (ahoriston).44
Versteht man paralogos in EN V 10 in diesem Sinne, so ist ein Unglücksfall
insofern wider das Erwarten, als er sich nicht vernünftig erklären lässt und somit
der vernünftigen Überlegung zuwiderläuft und ihr entzogen ist.45 Es ist nahelie-
gend, zu sagen, dass demgegenüber etwas mê paralogôs (= nicht gegen das
vernünftige Erwarten) ist, wenn es nicht unerklärlich ist, d.h. wenn das Auftreten
einer derartigen Sache grundsätzlich der vernünftigen Überlegung zugänglich ist
und sich rational nachvollziehen lässt. Sherman erläutert mê paralogôs
entsprechend: „[…] what is not paralogos is penetrable by human calculation. It
is not beyond our reason to account for what happened. Indeed, what happened
may be psychologically surprising, even astonishing, but at some level it is sub-
ject to coherent explanation.“ Wichtig an dieser Erläuterung ist, dass sie die bei-
den zentralen Charakteristika von Fehlern berücksichtigt: Fehler geschehen ei-
nerseits nicht gegen die vernünftige Erwartung, sondern sie sind grundsätzlich
rational nachvollziehbar und erklärlich. Andererseits treten sie effektiv für die

||
43 Dies zeigt die Position von Richard Sorabji, der zwar Jacksons Emendation ablehnt, Fehler
aber ebenfalls als fahrlässige Vergehen deutet (Sorabji (1980) 279–281).
44 Phys. II 5, 197a18–21: καὶ τὸ φάναι εἶναί τι παράλογον τὴν τύχην ὀρθῶς· ὁ γὰρ λόγος ἢ τῶν
ἀεὶ ὄντων ἢ τῶν ὡς ἐπὶ τὸ πολὺ, ἡ δὲ τύχη ἐν τοῖς γιγνομένοις παρὰ ταῦτα. ὥστ’ ἐπεὶ ἀόριστα τὰ
οὕτως αἴτια, καὶ ἡ τύχη ἀόριστον.
45 Auch Daube, Sherman und Schofield betonen die inhaltliche Nähe zwischen der Bestim-
mung des Unglücksfalls als etwas, das paralogôs geschieht, in EN V 10 und der Definition des
Zufalls in der Physik und in der EE VIII 2, 1247b6–8 (der Zufall wird hier definiert als „aitian alo-
gon anthrôpinô[i] logismô[i]“), den Aristoteles als ti paralogon bezeichnet (Daube (1969) 150;
Schofield (1973) 67; Sherman (1992) 187).
252 | Béatrice Lienemann

handelnde Person überraschend und unerwartet auf; Sherman nennt sie „psy-
chologically surprising, even astonishing“.46
Lässt sich nun daraus, dass Fehler mê paralogôs (nicht wider vernünftiges
Erwarten) geschehen, folgern, dass ihr Auftreten voraussehbar und vermeidbar
gewesen ist? Grundsätzlich voraussehbar und vermeidbar wären Fehler gewiss
gewesen, das ergibt sich aus ihrer rationalen Erklärbarkeit. Allerdings heißt das
nicht notwendig, dass sich daraus auch eine normative Forderung ergibt, derzu-
folge die handelnde Person ihren Fehler hätte voraussehen und vermeiden sol-
len.47 Mir scheint, dass Aristoteles Fehler in EN V 10 vielmehr von anderen Arten
von selbst-verschuldeten Schädigungen abgrenzen und in die Nähe von harmlo-
sen Unglücksfällen rücken will.

5 Zurechenbarkeit von Fehlern bei Aristoteles


Ich gehe davon aus, dass Aristoteles an verschiedenen Stellen unterschiedliche
Arten von Handlungen (sowie Affekten bzw. Emotionen und Dispositionen) sehr
differenziert auf ihre jeweilige Lobens- bzw. Tadelnswürdigkeit (bzw.: Zurechen-
barkeit) hin beurteilt. Das Spezifische von Fehlern lässt sich am besten in Abgren-
zung zu anderen Vergehen erfassen.

5.1 Unrechtstaten (adikêmata)


Der Fortgang des Textes in EN V 10 enthält die Abgrenzung von unwissentlichen
Handlungen von wissentlichen Schädigungen. Anders als Fehler geschehen Un-
rechtstaten wissentlich, was bereits einen zentralen Unterschied benennt. Ei-
gentliche Unrechtstaten sind überdies solche, die aufgrund eines Entschlusses
(prohairesis) und damit aus Schlechtigkeit geschehen. Unrechtstaten, denen kein
Entschluss vorausgegangen ist und die nicht auf einen schlechten Charakter zu-
rückzuführen sind, verbindet Aristoteles hier mit menschlichen bzw. natürlichen
Emotionen (wie z.B.) dem Zorn.48 Ist die Differenz zwischen Fehlern und

||
46 Sherman (1992) 187.
47 Vgl. Sherman (1992) 187.
48 Ein aristotelisches Beispiel, das den Unterschied zwischen eigentlichen und uneigentlichen
Unrechtstaten, d.h. Unrechtstaten, die auf einem Entschluss beruhen, und solchen, die auf ei-
nen natürlichen Affekt zurückzuführen sind, findet sich zu Beginn von EN V 10 erwähnt
(1134a17–23).
Wissen und die Zurechenbarkeit von Fehlern bei Aristoteles | 253

Unrechtstaten aufgrund des Kriteriums des Wissens noch eindeutig, so ist die Ab-
grenzung von Fehlhandlungen, bei denen Unwissenheit eine Rolle spielt, um-
strittener.

5.2 Akratische Handlungen


Relativ klar erscheint es mir, dass Fehler etwas anderes sind als die Handlungen
des schwachen Akratikers.49 Der Unbeherrschte handelt anders, als er es grund-
sätzlich für richtig hält, weil eine akute, der Vernunft gegenläufige Begierde sich
als stärker erweist und dazu führt, dass er temporär nicht über sein Wissen um
die richtige allgemeine Prämisse verfügt bzw. es nicht anwendet, sondern die Be-
gierde anstelle des vernünftigen Seelenteils sein Handeln bestimmt. Die Unbe-
herrschtheit sieht Aristoteles zwar nicht als eine Schlechtigkeit an, qualifiziert sie
aber zumindest als eine „Art von Schlechtigkeit“ (kakia tis)50, auch wenn der Un-
beherrschte weniger schlecht und tadelnswürdig ist als der Unmäßige.51 Akrati-
sche Handlungen sind somit (wie Unrechtstaten) auf die charakterliche Beschaf-
fenheit der handelnden Person zurückzuführen; sie erfolgen gleichsam habituell
und nicht einmalig, wie es bei Fehlern der Fall zu sein scheint. Über Fehler sagt
Aristoteles dagegen explizit, dass sie nicht aus Schlechtigkeit und Gemeinheit er-
folgen.52

5.3 Handlungen in selbstverschuldeter Unwissenheit


(Trunkenheit, Zorn, Nachlässigkeit)
Sicherlich die beliebteste Gleichsetzung ist die von Fehlern und den verschiede-
nen Kandidaten für selbstverschuldete Unwissenheit, die Aristoteles diskutiert.
In beiden Ethiken und auch in der Rhetorik anerkennt er, dass es unwissentliche

||
49 Aristoteles unterscheidet in EN VII 8, 1150b19–22 und b25–28 zwischen der Unbeherrschtheit
aus Schwäche und der Unbeherrschtheit aus Voreiligkeit. Diese unterscheidet sich von jener
dadurch, dass hier keine Überlegung stattfindet und somit auch kein Entschluss resultiert.
50 EN VII 6, 1148a2–4.
51 EN VII 9, 1151a20–25.
52 Aus ähnlichen Gründen halte ich auch die Deutungen von Lefèvre (1987) und Schmitt
(1987/88) für verfehlt, die die hamartia im Ödipus Rex sowie in der Rezeption von Aristoteles
nicht als einzelne Fehlhandlung, sondern als verfehlten Charakterzug zu deuten versuchen.
Lefèvre z.B. spricht von einem „hamartia-Komplex“ und nimmt an, dass Ödipus’ Neigung zu
Unüberlegtheit und Zorn zur Tötung am Dreiweg führten.
254 | Béatrice Lienemann

Fehlhandlungen gibt, für welche die handelnde Person trotz ihrer Unwissenheit
Tadel verdient. Dazu zählt Unwissenheit aufgrund von Trunkenheit, Unwissen-
heit infolge starker Emotionen wie Zorn oder durch Nachlässigkeit (ameleia). Die
Begründung für die Zurechenbarkeit derartiger unwissentlicher Handlungen lau-
tet, dass die handelnde Person in diesen Fällen verantwortlich für ihre Unwissen-
heit ist und es bei ihr lag, sie zu vermeiden.
In meinen Augen ist jedoch das Originelle der vierfachen Unterscheidung in
EN V 10, dass Aristoteles hier in Gestalt von Fehlern einen anderen Typus von
unwissentlicher Fehlhandlung einzufangen versucht, der faktisch auch vor-
kommt, der sich aber von den genannten tadelnswerten Handlungen unterschei-
det. Es kommt bei möglichen Beispielen für Fehler freilich sehr darauf an, wie
man die Geschichte erzählt; und es erscheint nicht abwegig, den Fall des Ödipus
so zu erzählen, dass sein Unwissen auf Nachlässigkeit oder einer starken Emo-
tion beruht.
Ein vielleicht eher überzeugendes Beispiel behandelt Antiphon in der Zwei-
ten Tetralogie in Gestalt eines Speerwerfers, der in der Trainingsstunde wie ge-
wohnt mit dem Speer wirft und dabei versehentlich einen Mitschüler trifft, der
über den Wurfsektor läuft und von dem Speer tödlich getroffen wird. Die zur Ent-
scheidung stehende Frage, die sich hier den Richtern stellt, ist die, ob der Wurf-
schüler damit hätte rechnen können, dass sein Mitschüler über das Feld läuft,
während alle anderen Schüler vom Rand aus den Wurf abwarten. In einem sol-
chen Fall könnte Aristoteles es als angemessen ansehen, den Wurfschüler vom
Vorwurf der Nachlässigkeit freizusprechen und ihm nur einen tragischen Fehler
anzulasten, da es für ihn zwar nicht mê paralogos ist, dass er seinen Mitschüler
trifft, dass es für ihn aber effektiv nicht erwartbar war, dass einer der Mitschüler
während des Werfens über den Wurfsektor läuft.53

||
53 Es sei erwähnt, dass ein anonymer Kommentator in seinen Erläuterungen der Passage in EN
V 10 die Beispiele anders zuordnet. Der Kommentator betrachtet den Fall einer versehentlichen
Tötung mit dem Speer während des Trainings als einen tragischen Unfall, ein atychêma; als Bei-
spiel für einen Fehler erwägt er demgegenüber eine Situation, bei der sich der Tatort stattdessen
auf einer Straße mit Passanten befindet. Der Wurfschüler beginge hier einen Fehler (hamartia),
weil er sich nicht ausreichend über die Risiken seines Werfens vergewissert hat und daher aus
Fahrlässigkeit handelt (vgl. Eustratios / Michael / Anonymus: In Ethica Nicomachea Commenta-
ria, CAG XX 238.2–8).
Wissen und die Zurechenbarkeit von Fehlern bei Aristoteles | 255

5.4 Handlungen in Unwissenheit um etwas, was einfach


und/oder notwendig zu wissen ist und aus Nachlässigkeit
nicht gewusst wird
In der EE erwähnt Aristoteles, wenn er Unwissenheit als mögliche Entschuldi-
gungsbedingung für willentliches Handeln erörtert, die Möglichkeit, dass eine
Person nicht über Wissen verfügt, das notwendig oder einfach zu haben ist und
über das die Person aufgrund von Lust, Unlust oder Nachlässigkeit nicht ver-
fügt.54 Hier liegt eine weitere Differenzierung innerhalb von selbstverschuldeter
Unwissenheit vor, denn Aristoteles geht davon aus, dass es Dinge gibt, die jeder
kennen sollte und die nicht zu kennen, jemandem als Nachlässigkeit anzulasten
ist. Auch dies ist ein anderer Fall, da es bei Fehlern zum einen der handelnden
Person nicht an notwendigem oder einfachem Wissen zu mangeln scheint; zum
anderen ist m.E. die Formulierung in EE II so zu verstehen, dass es sich nicht um
disjunktive Bedingungen handelt, sondern der Mangel an notwendigem und ein-
fachem Wissen nur dann tadelnswert ist, wenn die handelnde Person aus Lust,
Unlust oder Nachlässigkeit nicht darüber verfügt. Diese möglichen Ursachen für
den Wissensmangel liegen aber bei einem Fehler nicht vor.

5.5 Plötzliche Handlungen


Einen alternativen Deutungsvorschlag, zu dem mir sonst keine Parallele bekannt
ist, stammt von Rösler. Er macht auf die zeitliche Dimension der Handlung des
Ödipus am Dreiweg aufmerksam und deutet Fehler wie diesen als plötzliche
Handlungen. Eine plötzliche Handlung zeichnet es nach Aristoteles aus, dass
zwischen dem Wahrnehmen der Handlungssituation und dem Vollzug der Hand-
lung keine Zeit ist, um zu überlegen und einen Entschluss zum Handeln zu

||
54 EE II 9, 1225b8–16: „Was also jemand nicht in Unwissenheit und durch sich selbst tut, wenn
es auch bei ihm liegt, nicht zu handeln, dann geschieht das notwendigerweise willentlich, und
dies ist das Willentliche. Was man in Unwissenheit und aufgrund von Unwissenheit tut, ist un-
willentlich. Da aber Wissen und Verstehen zweierlei Art sind, das eine das Haben, das andere
das Gebrauchen des Wissens, mag derjenige, der es hat, aber nicht gebraucht, auf eine Weise zu
Recht unwissend genannt werden, auf eine andere Weise aber auch zu Unrecht, z.B. wenn er es
aufgrund von Nachlässigkeit nicht gebrauchte. Ebenso würde auch derjenige getadelt, der es
nicht einmal hat, wenn das Wissen, das er nicht hat, leicht oder notwendig war und er es auf-
grund von Nachlässigkeit, Lust oder Schmerz nicht hat. Dies also ist der Definition hinzuzufü-
gen.“
256 | Béatrice Lienemann

fassen.55 Aristoteles’ Behandlung plötzlicher tapferer Handlungen in EN III 11


zeigt überdies, dass er diese trotz eines fehlenden Entschlusses als zurechenbar
ansieht, und zwar mit der Begründung, dass sie direkt aus der entsprechenden
Disposition heraus erfolgen. Röslers Vorschlag, Fehler als plötzliche Handlungen
zu deuten, hat zum einen die Schwierigkeit, dass er plötzliche Handlungen an-
ders beschreibt, als Aristoteles dies tut. Rösler spricht von einem „spontanen Ent-
schluss“, auf den unmittelbar die Handlung folgt;56 für Aristoteles ist es dagegen
wesentlich für einen Entschluss, dass ihm eine Überlegung vorausgeht; das
schließt spontane Entschlüsse aus. Andererseits scheint es nach der Bestimmung
in EN V 10 nicht das Spezifische von Fehlern zu sein, dass sie mit einem plötzli-
chen Handeln verbunden sind; plötzlich erfolgt in einer guten Tragödie vielleicht
der Umschlag von Unkenntnis in Kenntnis, aber die Handlung, deren Fehlerhaf-
tigkeit erkannt wird, muss nicht plötzlich geschehen. Es mag richtig sein, dass
der Totschlag, wie die Ereignisse im Oedipus Rex beschrieben werden, plötzlich
erfolgt. Aber das Beispiel des Speerwerfers zeigt, dass Fehler ebenso gut ohne das
Merkmal der Plötzlichkeit auftreten können. Dass ein Fehler mê paralogos
geschieht, ist mithin nicht durch sein plötzliches Auftreten zu erklären.

5.6 Fehler als entschuldbare, jedoch grundsätzlich


nachvollziehbare und erklärliche Fehlhandlungen
Es sollte deutlich geworden sein, dass ich Fehler, wie sie in EN V 10 erläutert wer-
den, nicht als nachlässige oder fahrlässige Vergehen auffasse. Damit weiche ich
ab von Deutungen, die insbesondere von deutschen Rechtswissenschaftlern in
der ersten Hälfte des 20. Jhs. vertreten wurden, nämlich dass Aristoteles in Ge-
stalt des Fehlers die Konzeption fahrlässiger Vergehen vorbereitet oder gar ent-
wickelt hat. So sah z.B. der Rechtswissenschaftler Richard Loening in der Unter-
scheidung der Schädigungsarten einen Vorläufer der später im Römischen Recht
etablierten Trias von casus, culpa und dolus.57 Auch in die philosophische Sekun-
därliteratur hat diese Deutung Eingang gefunden (z.B. bei Gauthier/Jolif und bei
Sorabji).58 Mein Ziel war es demgegenüber, auszuloten, ob Aristoteles in seiner
Übersicht in EN V Fehler als spezifischen Typus von Fehlhandlung von

||
55 Aristoteles erwähnt plötzliche Handlungen in: EE II 8, 1224a2–4 und EE II 10, 1226b2–5 sowie
EN III 4, 1111b6–10. Plötzlichkeit bestimmt er ferner in Phys. IV 13, 222b14–15.
56 Rösler (2011) 339.
57 Vgl. Loening (1903) 210–235; Maschke (1926) 155–159; Kübler (1930).
58 Gauthier/Jolif (1970) II 1, 400f.; Sorabji (1980), insb. 278–281.
Wissen und die Zurechenbarkeit von Fehlern bei Aristoteles | 257

Unglücksfällen einerseits und Unrechtstaten andererseits abgrenzt und sie auf-


grund ihrer effektiven Unvorhersehbarkeit für die handelnde Person in die Nähe
von Unglücksfällen rückt. Fehler wären demnach zwar zurechenbare, aber zu
entschuldigende Vergehen.

6 Schluss
Gleichwohl ist mein Fazit abschließend eine Relativierung des erzielten Ergeb-
nisses, auch wenn dies kein guter rhetorischer Topos ist: Denn letztlich scheint
es mir zu weit zu gehen, zu sagen, dass Aristoteles in EN V 10 Fehler eindeutig als
eigenen Handlungstypus etabliert. Denn erstens ist es die einzige Stelle, wo er
eine derartige begriffliche Bestimmung unternimmt. Und zweitens geht es ihm
mit seiner Auffächerung vielleicht viel eher darum, auf eine bloß graduelle Ab-
stufung und einen kontinuierlichen Übergang zwischen den verschiedenen
denkbaren Fehlhandlungen aufmerksam zu machen.59 Womöglich will er damit
das Auge des Betrachters schärfen für die relevanten Aspekte der Handlungssi-
tuation, auf die es bei der Beurteilung der Handlung und vor allem des Handeln-
den ankommt.

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||
59 Zu ähnlichen Schlussfolgerungen gelangen auch Rösler und Flashar (vgl. Rösler (2011) 341;
Flashar (2006) 673–674; anders: Lurje (2004) 323–327).
258 | Béatrice Lienemann

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Laura Summa
Kindheit und moralische Erziehung bei
Aristoteles – Kinder als potenziell
vernünftig Handelnde
In der Nikomachischen Ethik erwähnt Aristoteles Kinder oft in einem Atemzug mit
Tieren. Er tut dies in Kontexten, in denen er Kinder als Beispiel für nicht-rationale
Lebewesen vom vernünftigen Menschen (phronimos) abgrenzen möchte. Kinder,
wie Tiere, treffen aus Aristoteles’ Sicht keine Entscheidungen und können des-
halb im strengen Sinne des Wortes auch keine Handlungen ausführen (EN III 4,
1111b8–9; vgl. auch EE II 8, 1224a25–30). Deshalb ist es ihnen auch (noch) nicht
möglich, ein gutes Leben zu führen (EN I 10, 1099b32–1100a4).
Kinder schlichtweg als nicht-rationale oder a-rationale Wesen zu begreifen,
stellt allerdings eine Schwierigkeit für die Rekonstruktion des Prozesses der mo-
ralischen Erziehung dar. Wenn das Subjekt des Tugenderwerbsprozess ganz
ohne Vernunft ist, so muss auch der Prozess selbst als eine Art mechanische
Nachahmung zu verstehen sein, der ohne jegliche intellektuelle Einsicht oder
vernünftige Erklärung auskommt. Am Anfang des Erziehungsprozesses steht
dann ein unvernünftiges, ja tierartiges Kind, am Ende der voll ausgebildete, re-
flektierende, tugendhafte Mensch. Dabei bleibt unklar, wie der Sprung von ers-
terem zu letzterem gelingen soll.
Um dieses Problem zu lösen, werde ich Aristoteles’ Verständnis von Kindheit
analysieren und zeigen, dass Kindheit eine Phase der menschlichen Entwicklung
ist, in der das menschliche Kind Vernunftfähigkeit graduell ausbildet. Auf dieser
Grundlage wird es möglich sein, den Begriff der Erziehung ebenfalls als einen
graduellen Prozess zu verstehen, bei dem Vorgänge der Einübung und Gewöh-
nung an richtige emotionale Reaktionen mit Lern- und Entwicklungsprozessen
auf kognitiver Ebene einhergehen, wenn nicht sich sogar gegenseitig bedingen.
So möchte ich die enge Verzahnung von kognitiver Entwicklung und charakter-
licher Formung nachweisen.
Zuerst werde ich einige zentrale Einsichten über den Prozess der Habituation
darlegen, d.h. über den Prozess, innerhalb dessen die charakterlichen Dispositi-
onen des Kindes geformt werden. Danach werde ich durch eine detaillierte Ana-
lyse der Darstellung der kindlichen Fähigkeiten in den zoologischen Schriften
des Aristoteles zeigen, dass die Analogie zwischen Kind und Tier in der Nikoma-
chischen Ethik mehr eine rhetorische Figur als eine substanzielle Behauptung
darstellt. Zuletzt werde ich untersuchen, inwiefern Kinder sowohl aktiv als auch
passiv in graduell wachsender Weise an der den Menschen ausmachenden

https://doi.org/10.1515/9783110735598-012
262 | Laura Summa

Fähigkeit zum logos teilhaben und inwiefern dies den Erwerb der charakterlichen
Tugend ermöglicht.

1 Einsichten über den Prozess der Habituation


Um das genannte Ziel dieses Beitrages zu erfüllen, werde ich in einem ersten
Schritt den Prozess der Habituation (ethismos) nach Aristoteles, d.h. den Prozess
des Tugenderwerbs skizzieren.1 Es gibt zwei Thesen, die ich in Bezug auf diesen
Prozess vertreten möchte. Die erste These besagt, dass der Prozess der Habitua-
tion, auch wenn dieser Prozess nicht ein Vorgang der intellektuellen Belehrung
ist, weder als stupide Einübung von Bewegungen noch als verständnisloses
Nachahmen von Handlungen oder gar als bloßes Ausführen von Anweisungen
abläuft,2 sondern ein Prozess ist, in dem Kinder eigenständig tätig sind, darin
aber durch Ratschläge, Ermahnungen, Lob und Tadel von der erziehenden Be-
zugsfigur begleitet werden.3 Der Schlüsselbegriff, mit dem dieser Prozess be-
zeichnet werden kann, ist daher der von Myles Burnyeat geprägte Begriff der

||
1 Der Begriff der Habituation wird in Anlehnung an die englische Forschungsliteratur für den
Erwerb von tugendhaften Dispositionen verwendet. Der Begriff der Gewöhnung ist breiter und
umfasst den Erwerb jeglicher Art von Disposition, auch den einer lasterhaften Disposition (vgl.
EN VII 11, 1152a27–30) oder den einer krankhaften Störung (vgl. EN VII 6, 1148b25–31). – Ich ver-
wende in diesem Aufsatz die folgenden Ausgaben: Aristoteles De an., EN, Met., Poet. (Kassel),
Pol.: OCT; EE: Teubner; Hist. an.: Balme (CCTC); Part. an.: Budé; Rhet.: Kassel; De sensu: W.D.
Ross; Platon R.: OCT (Slings).
2 Sorabji (1980), Sherman (1989), 7, McDowell (1996), 30, und Frede (2008) beispielsweise rich-
ten sich jeweils explizit dagegen, den Prozess der Gewöhnung als „mindless repetition/drill“
oder „passive absorption“ (Russell (2015) 24) zu verstehen. Vergleiche dazu die ausführliche Dis-
kussion in Summa (2022), Kap. 3.2.1.
3 Für den Begriff des Handelns setzt Aristoteles drei Kriterien an: Jemand handelt wissentlich,
vorsätzlich und aus einer festen Disposition heraus (vgl. EN II 3, 1105a30–33). Der Begriff des
Handelns im eigentlichen Sinn kann Kindern daher nicht zugeschrieben werden. Im Folgenden
werde ich also vermehrt vom ‚Tätigsein‘ des Kindes sprechen, um keine falschen Assoziationen
zu wecken. Eine andere Möglichkeit besteht darin, eine starke und eine schwache Lesart des
Begriffs des Handelns zu verwenden, wie es Ursula Wolf in ihrem Kommentar zu EN vorschlägt.
Der starke Begriff von Handeln würde die genannten Kriterien des Wissens, des Vorsatzes und
der charakterlichen Grundhaltung voraussetzen, während ein schwacher Begriff des Handelns
diesen Kriterien nicht entsprechen müsste. Dieser schwache Begriff wäre dann auf das Handeln
von Kindern anwendbar und würde lediglich verlangen, dass das Kind „eine Handlung tut, die
so beschaffen ist, wie ein Gerechter sie tun würde.“ Wolf (2007) 69. Daran bleibt jedoch zu kriti-
sieren, inwiefern dann das ‚wie‘ gemeint ist – denn das allein von außen zu beobachtende Tun
ist ja eben nur ein Teil einer Handlung, wie Aristoteles sie versteht.
Kindheit und moralische Erziehung bei Aristoteles | 263

‚advice guided activity‘, dem ich durch meine Interpretation zusätzliche Evidenz
verleihen und den ich gleichzeitig verfeinern möchte. Meine zweite These lautet,
dass das Gelingen des Prozesses von der Beziehung zwischen erziehender Be-
zugsfigur und Kind abhängt, es sich also um einen bedeutungsvollen interperso-
nalen Prozess handelt.

1.1 Habituation als ‚advice guided activity‘


Bekanntermaßen nimmt Aristoteles aufgrund der Zweiteilung der menschlichen
Seele in einen rationalen und einen arationalen Teil an, dass es auch zwei unter-
schiedliche Formen von Tugend gibt. Diesen beiden verschiedenen Formen von
Tugend, nämlich der Tugend des Charakters und des Verstandes, ordnet Aristo-
teles unterschiedliche Formen des Erwerbs zu. Die Tugend des Charakters (aretê
êthikê) entstehe durch Gewöhnung (ethismos), die Tugend des Verstandes durch
Belehrung.4 Diese Dichotomie oder Gegenüberstellung verleitet zu folgender In-
terpretation: Die intellektuellen Tugenden entstehen durch Belehrungen, im Un-
terschied dazu muss der Prozess der Habituation ohne verbale Kommunikation
auskommen. Diese Interpretation verführt sodann zu der Annahme, Aristoteles
sehe Kinder als nicht-vernünftige, quasi tierartige Lebewesen, die wie der paw-
lowsche Hund auf die Tugend konditioniert werden können, ohne dass sie für
rationale Erklärungen oder Erläuterungen empfänglich wären. Der Gegenent-
wurf zu dieser Interpretation verbirgt sich hinter dem Begriff der ‚advice guided
activity‘. Ich möchte auf alle drei Aspekte dieses Begriffes genauer eingehen: ac-
tivity, advice, guidance.
Zunächst zum Begriff der Aktivität. Aristoteles vertritt die Auffassung, dass
tugendhafte Haltungen durch tugendhaftes Handeln erworben werden.5 Dies
kann kurz gesagt als learning-by-doing-These bezeichnet werden.6 Aristoteles
vertritt des Weiteren die Auffassung, dass Handlungen die Äußerungen von cha-
rakterlichen Haltungen sind. Der tugendhafte Charakter eines Menschen drückt
sich in tugendhaften Handlungen aus.7 Beide Thesen zusammengenommen stel-
len jedoch ein Problem dar: Einerseits muss ich tugendhaft sein, um tugendhaft
zu handeln; andererseits kann ich aber nur tugendhaft werden, indem ich

||
4 Vgl. EN II 1, 1103a14–18.
5 Vgl. EN II 1, 1103a26–1103b2.
6 Zu einer lesenswerten Verteidigung der Auffassung, dass Aristoteles diese These sinnvoller-
weise zugeschrieben werden kann, siehe Müller (2019).
7 Diese Auffassung kommt in der gesamten EN zum Tragen, sehr deutlich aber innerhalb Aris-
toteles’ Überlegungen zur Verantwortung für den eigenen Charakter. Vgl. EN III 7.
264 | Laura Summa

tugendhaft handle. Wenn dies stimmt, ist Aristoteles’ Beschreibung des Tugend-
erwerbs zirkulär: Man kann nicht tugendhaft werden, ohne bereits tugendhaft zu
sein.

1.1.1 Das Paradoxon des Lernens durch Handeln

Dieses Paradoxon möchte ich an einem Beispiel erläutern. Ein Kind hat noch
nicht die kognitiven Fähigkeiten zu verstehen, was zum Beispiel Gerechtigkeit
ist. Für eine gerechte Handlung setzt Aristoteles aber drei Kriterien an: Sie muss
wissentlich geschehen (eidôs), sie muss mit Absicht geschehen (prohairoumenos)
und sie muss aus einer festen Disposition heraus geschehen (vgl. EN II 3,
1105a30–33).8 Das Kind erfüllt nun diese Kriterien nicht. Es ist kognitiv noch nicht
weit genug entwickelt, um wissentlich zu handeln, und ist auch noch zu keiner
prohairesis fähig; zudem befindet es sich noch im Lernprozess und hat daher
noch keine feste Disposition. Daher kann ein Kind also nicht gerecht handeln. Es
muss aber gerecht handeln, um die feste Disposition zu erwerben. Wie soll dies
möglich sein?
Nun legen einige Beispiele nahe, dass wiederholte Handlungen sehr wohl zu
einem gewissen Lernprozess beitragen können. So fordern wir Kinder dazu auf,
sich zu bedanken, wenn sie etwas bekommen. Kinder wissen vermutlich noch
nicht, was Dankbarkeit ist. Sie haben auch noch keine feste Disposition, aus der
heraus sie sich verlässlich bedanken. Wir müssen sie häufig daran erinnern.
Doch irgendwann beginnen Kinder, sich immer wieder auch unaufgefordert zu
bedanken. Und mit fortschreitendem Alter wissen sie immer besser, wann es an-
gemessen ist, Dankbarkeit zu zeigen, und wie sie diese Dankbarkeit ausdrücken
können. Vermutlich könnte ein Erwachsener eine dankbare Haltung nur schwer
einnehmen, wenn er nie als Kind gelernt hätte, sich zu bedanken.
Ein anderes Beispiel: Ein Kind hat Angst davor, ins Wasser zu springen. Es
wird jedoch von den Eltern dazu ermutigt oder es beobachtet ein anderes Kind,
wenn es lachend ins Wasser springt. Das Kind wird vielleicht seine Angst über-
winden können, wird mutig ins Wasser springen und danach merken: ‚Das war
gar nicht schlimm‘. Das Kind ist durch die tapfere Handlung tapferer geworden.
Demnächst springt es vielleicht auch vom Sprungbrett und nicht nur vom Rand
ins Wasser. Durch kleine Erfolgserlebnisse tritt so eine Veränderung der Persön-
lichkeit auf. Diese Beispiele zeigen, dass die Ausführung oder Wiederholung von
Handlungen dazu führen kann, dass wir eine bestimmte Haltung einüben.

||
8 Zur Schwierigkeit der Definition von Handlungen bei Aristoteles vgl. Buddensiek (2008).
Kindheit und moralische Erziehung bei Aristoteles | 265

Allerdings wird auch deutlich, dass Menschen offenbar nicht von Natur aus
dankbar oder tapfer sind. Sie brauchen einen von außen kommenden Anstoß in
Form einer Empfehlung oder eines Vorbildverhaltens, um sich zu verändern.
Neben diesen Beispielen gibt es auch noch eine andere Möglichkeit, der aris-
totelischen These eine gewisse Plausibilität zuzuschreiben. Stellen wir uns einen
Menschen vor, der gerecht werden will. Jeden Tag aufs Neue verhält er sich sei-
nen Mitmenschen gegenüber jedoch ungerecht und nimmt sich jedes Mal vor:
‚Morgen mache ich es anders‘. Wir würden Aristoteles zustimmen, dass dieser
Mensch niemals gerecht werden wird, wenn er nicht endlich damit anfängt, sich
so zu verhalten.9 Doch auch hier bleibt eine unauflösliche Spannung: Wenn es
sich jemand zum Ziel macht, sich gerechter zu verhalten, so muss er doch wissen,
was gerecht ist. Oder weiß er es gar nicht, weil er niemals gerecht handelt? Wie
aber soll er je so handeln und gerecht werden, wenn er nicht weiß, was gerecht
ist? Daraus ergibt sich letztlich die Frage, ob Lernen überhaupt möglich ist.

1.1.2 Die Lösung des Paradoxon

Aristoteles selbst spricht dieses Problem an. Er schlägt meines Erachtens eine Lö-
sung vor, die häufig übersehen wird und die ich im Folgenden anschaulich ma-
chen möchte. Als Reaktion auf den möglichen Einwand, er liefere eine zirkuläre
Beschreibung des Lernens, erwidert Aristoteles:

Ἀπορήσειε δ᾿ ἄν τις πῶς λέγομεν ὅτι δεῖ τὰ μὲν δίκαια πράττοντας δικαίους γίνεσθαι, τὰ δὲ
σώφρονα σώφρονας· εἰ γὰρ πράττουσι τὰ δίκαια καὶ τὰ σώφρονα, ἤδη εἰσὶ δίκαιοι καὶ
σώφρονες, ὥσπερ εἰ τὰ γραμματικὰ καὶ τὰ μουσικά, γραμματικοὶ καὶ μουσικοί. ἢ οὐδ᾿ ἐπὶ τῶν
τεχνῶν οὕτως ἔχει; ἐνδέχεται γὰρ γραμματικόν τι ποιῆσαι καὶ ἀπὸ τύχης καὶ ἄλλου
ὑποθεμένου. τότε οὖν ἔσται γραμματικός, ἐὰν καὶ γραμματικόν τι ποιήσῃ καὶ γραμματικῶς·
τοῦτο δ᾿ ἐστὶ τὸ κατὰ τὴν ἐν αὑτῷ γραμματικήν.

Es könnte aber jemand eine Schwierigkeit darin sehen, was wir meinen, wenn wir sagen,
man könne gerecht werden nur dadurch, dass man Gerechtes tut, und mäßig nur dadurch,
dass man Mäßiges tut. Denn wenn jemand tut, was gerecht und mäßig ist, ist er schon ge-
recht und mäßig, ebenso jemand, wenn er Grammatisches und Musikalisches tut, bereits
ein Experte in der Grammatik und Musik ist. Oder verhält es sich schon beim Herstellungs-
wissen nicht so? Jemand kann ja etwas Grammatisches auch durch Zufall (apo tychês) oder
unter Anleitung (hypothemenou) tun. Er wird also ein Experte in der Grammatik erst dann
sein, wenn er etwas Grammatisches tut und dies zugleich in der Weise des Grammatik-

||
9 S. EN II 3, 1105b11–12: „Ohne das Tun dieser Dinge […] könnte niemand auch nur erwarten,
gut zu werden“ (Übersetzung Wolf).
266 | Laura Summa

experten tut, und das heißt, wenn er es aufgrund des in ihm selbst vorhandenen Gramma-
tikwissens tut.
(EN II 3, 1105a17–26; Übers. Wolf)

Aristoteles erörtert in dieser Passage verschiedene Möglichkeiten und Varianten,


wie es zu richtigen Handlungen kommen kann. Die beste Variante ist, dass ein
Wissender oder Experte eine Handlung ausführt, zum Beispiel, wenn ein Musiker
etwas Musikalisches tut. Der Musiker handelt aufgrund seines eigenen Wissens.
Kinetisch betrachtet heißt dies, dass er das Prinzip der Bewegung in sich selbst
trägt. Es ist aber auch möglich, dass jemand, der selbst nicht über ein musikali-
sches Expertenwissen verfügt, etwas Musikalisches tut, und zwar entweder
durch Zufall oder unter Anleitung eines anderen, der ihn leitet oder führt. Ange-
wandt auf unsere Ausgangsfrage ist diese Variante bedeutsam, denn daraus
folgt, dass die Möglichkeit besteht, dass ein Lernender, der noch nicht selbst über
Wissen verfügt, richtige Handlungen unter Anleitung ausführen kann.10 In Aris-
toteles’ kinetisches Vokabular übersetzt bedeutet dies, dass der Lernende x das
Prinzip seines Handelns, also dasjenige, das Art und Richtung seiner Bewegun-
gen bestimmt, außerhalb seiner selbst, im Erziehenden oder Lehrenden y finden
kann. Dies erfordert wiederum, dass y über ein solches Bewegungsprinzip in sich
selbst verfügt, d. h. selbst ein Experte ist. Er oder sie muss das jeweilige Exper-
tenwissen aktual besitzen sowie die zugehörigen Handlungsdispositionen, die es
ermöglichen, dieses Wissen zuverlässig und regelmäßig anzuwenden.
Diese naheliegende Lesart ist jedoch in dreierlei Hinsicht noch problema-
tisch. Ein erstes Problem besteht darin, dass Aristoteles in den bereits besproche-
nen Passagen ganz ausdrücklich fordert, dass derjenige, der habituiert wird,
selbst tätig ist. Wir können ihn also nicht als passive Marionette vorstellen, die
einfach ausführt, was eine erziehende Bezugsperson anordnet. Das zweite Prob-
lem ist, dass die Beschreibung einer Bewegung, deren Prinzip außerhalb des
Handelnden selbst liegt, an Aristoteles’ Definition von Handlungen unter Zwang
erinnert.11 Eben dies, so meine Argumentation, schließt Aristoteles ausdrücklich
für den Prozess der Habituation aus: Das Kind soll nicht zum korrekten Handeln
gezwungen, sondern motiviert werden.12 Ein dritter relevanter Punkt besteht

||
10 Ebenso argumentieren Burnyeat und Wolf. Vgl. Burnyeat (1980) 74 und Wolf (2011) 69.
11 Eine Handlung wird unter Zwang ausgeführt, wenn der Bewegungsimpuls nicht von innen,
d. h. vom Handelnden selbst, sondern von außen kommt. Vgl. EE II 8, 1224b7–8.
12 Die Möglichkeit, dass der Prozess das Habituation damit verbunden ist, Kinder z.B. durch
Drohungen zu bestimmten Handlungen zu zwingen, ist durch zwei kurze Überlegungen ausge-
schlossen: Zwang verursacht nach Aristoteles Unlust, Lernen hingegen ist mit Lust verbunden.
Kindheit und moralische Erziehung bei Aristoteles | 267

darin, dass Kinder nicht ohne eigenen Antrieb (wie leblose Körper) sind. Sie ha-
ben bereits ein natürliches Streben und Wollen (vgl. Pol. VII 15, 1334b20–25),
auch wenn sie noch keine rationalen Entscheidungen treffen. Eine Lösung des
Problems muss diese drei Schwierigkeiten auflösen können. Dies gelingt, wie ich
im Folgenden zeigen möchte, mit Aristoteles’ eigenem Begriffsinstrumentarium.
Gehen wir nochmals einen Schritt zurück zu den Prämissen. Der Lehrende y
soll ‚externes‘ Bewegungsprinzip von x, dem Lernenden, sein und gleichzeitig
soll der Lernende selbst in Aktivität sein und dabei die Fähigkeiten erwerben, die
ihn bei einem erfolgreichen Gewöhnungsprozess in der Zukunft befähigen wer-
den, aus sich selbst heraus in Aktivität zu sein. Dies ist nur vorstellbar, wenn wir
das, was die erziehende Bezugsfigur als solche repräsentiert, als causa finalis ver-
stehen, nämlich als Ziel oder Vorbild, zu dem das Kind aus eigenem Wollen her-
aus hinstrebt.13 Diese Lösung vereint alle drei Kriterien: Das Kind, das nacheifert,
ist aus eigenem Antrieb aktiv und wird nicht gezwungen. Und das ist möglich, da
das Kind ja schon ein Wollen hat, aus dem heraus es jemandem nachstreben
kann.
Grundlage dieses Prozesses ist die angeborene Fähigkeit des Menschen zur
Nachahmung (mimêsis).14 Durch Nachahmung kann sich das Kind Verhaltens-
weisen des erwachsenen Vorbilds aneignen. Meiner Interpretation nach muss da-
bei kein Gegensatz zwischen dem Modell der Habituation durch Gewöhnung und
dem Lernen am Vorbild bestehen: man kann das Lernen am Vorbild als Teil des
Prozesses der Habituation verstehen. Die Bedenken, dass das Lernen am Vorbild
gerade in Bezug auf das tugendhafte Handeln schwierig oder gar unmöglich sei,
weil es beim tugendhaften Handeln gerade auf die innere Haltung ankäme und
diese von außen weder sichtbar noch einfach ‚kopierbar‘ wäre,15 lassen sich dabei
durch folgenden Hinweis ausräumen: Der Lehrende muss seine Rolle erfüllen,
indem er einerseits selbst tugendhaft lebt und handelt, gleichzeitig aber auch

||
Durch Zwang würde sich der gewünschte Effekt also nicht einstellen. Gegen diese Auffassung
argumentiert z.B. Curzer (2002). Für eine detailliertere Widerlegung seiner Argumente siehe
Summa (2022), Abschnitt 8.1.
13 Die Konzeption, dass Habituation als Lernen am Vorbild zu verstehen ist, wurde in einem
weiteren Zusammenhang schon von Kersting (2005) vorgeschlagen. Von Fossheim (2006) wurde
sie explizit ausgearbeitet. Gegen diese Interpretation ist einzig einzuwenden, dass Aristoteles an
keiner Stelle in der EN explizit selbst die Begriffe ethos und mimêsis miteinander verbindet. Vgl.
Hoffmann (2012) 66–67. Aus systematischen Gründen muss hier allerdings über die EN hinaus-
gedacht werden.
14 Vgl. Poet. 4, 1448b5–9.
15 Vgl. Hoffmann (2012) 65–67 und die ausführliche Diskussion ihrer Argumente in Summa
(2022), Kap. 8.6.
268 | Laura Summa

Rechenschaft über sein eigenes Verhalten, seine Gefühle und seine Motivation
ablegt und so dem Kind einen Einblick in seine Emotionen, Überlegungen und
Entscheidungen gewährt. So kann er dem Kind ermöglichen, die richtigen Hand-
lungen auszuführen und dabei zugleich die innere Haltung kennenzulernen, aus
der heraus das erwachsene Vorbild die Handlungen ausführt, ohne dass es selbst
diese innere Haltung bereits besitzt.
Somit ist das Kind in einem aktiven Prozess begriffen, indem es sich das
Handlungsprinzip, durch das sein Vorbild geleitet ist, zu eigen macht, d. h. es
internalisiert und für das eigene Handeln verbindlich macht. So ist die eigene
Aktivität mit äußerer Führung und Begleitung verbunden. Am Ende eines gelun-
genen Erziehungsprozesses verfügt der Jugendliche oder junge Erwachsene dann
selbst über die Fähigkeit, die richtigen Handlungen wissentlich, absichtlich und
aus einer festen Disposition heraus auszuführen. Sein Handlungsprinzip liegt
dann in ihm selbst.

1.2 Beziehung zwischen erziehender Bezugsfigur und Kind


Voraussetzung für das Gelingen dieses Prozesses ist allerdings die Beziehung
zwischen erziehender Bezugsfigur und Kind. In der Phase, in der das Kind die
Prinzipien des Handelns noch nicht selbst besitzt, muss es sich ganz auf die An-
weisungen, Ratschläge und Verhaltensweisen des Erwachsenen, dem es folgt,
verlassen; es muss ihm blind vertrauen. Diese Interpretation zeigt, dass das Ver-
hältnis zwischen Lernendem und Erziehendem eine wichtige Rolle spielt. Das
Kind führt die anempfohlenen Handlungen nur aus, weil es dem Erziehenden
vertraut, das Richtige für es zu wollen. Nur aufgrund der Tatsache, dass der Er-
ziehende sie ihm empfiehlt, glaubt es, dass sie richtig sind. Die personale Bezie-
hung ist also ausschlaggebend dafür, dass sich der Effekt der Gewöhnung über-
haupt einstellt. Meines Erachtens spielt für Aristoteles die Liebe des Kindes zum
Erziehenden dabei eine Schlüsselrolle.16 Dadurch, dass das Kind den Erziehen-
den liebt, eifert es dessen Idealen nach, möchte sein Lob erhalten und so werden
wie er.17 Dieses Nacheifern oder Nachstreben ist der Motor des Habituations-

||
16 Aristoteles charakterisiert das Verhältnis zwischen Eltern und Kindern als Freundschaft bzw.
Liebe (philia) (vgl. EN VIII 8, 1158b11–15; EN VIII 14). Während Eltern ihre Kinder von Anfang an
lieben, beginnen Kinder erst ihre Eltern zu lieben, wenn sie ihre Beziehung zu ihnen kognitiv
erfassen können (vgl. EN VIII 14, 1161b24–26).
17 Psychologische Gründe für diesen Zusammenhang liefern Steutel und Spiecker. Unter ande-
rem gehen sie darauf ein, dass die durch Liebe geprägte Beziehung dazu beiträgt, dass das Kind
Kindheit und moralische Erziehung bei Aristoteles | 269

prozesses. Etwas nachzueifern heißt gleichzeitig, es gut zu heißen, und dies be-
deutet, eine wertschätzende Haltung ihm gegenüber zu entwickeln. Auch wenn
Kinder noch nicht verstehen können, welche Handlungen aus welchen Gründen
richtig sind, entwickeln sie durch nachahmendes Handeln in Verbindung mit
Lob und Tadel sowie durch angeleitetes Handeln Präferenzen für die richtigen
Handlungen. Diese Präferenzen sorgen dafür, dass sie richtige Handlungen
schön finden und schätzen oder lieben: Aristoteles beschreibt die emotionale
Komponente des Erziehungsprozesses mit den Worten, dass die Lernenden ler-
nen, „bei denjenigen Dingen Lust und Unlust [zu] empfinden, bei denen man
soll“ (EN II 2, 1104b12), und so zu Liebhabern des Edlen und Noblen werden.18 So
lernen sie, das Gute und Richtige so zu schätzen und zu lieben, dass es ihr Leben
und Handeln zunehmend prägt und sie genuine Freude daran finden (vgl. EN I 9,
1099a10–24). Die emotionale Bindung ist die Voraussetzung dafür, dass das Kind
dem Erwachsenen gehorcht und folgt, sich über sein Lob und Tadel freut und
seinen Anweisungen und Rückmeldungen Respekt und Aufmerksamkeit entge-
genbringt. Die Beziehung zwischen erziehender Bezugsperson und Kind muss
deshalb von Vertrauen, Liebe und Respekt geprägt sein.

2 Relativierung der Gleichsetzung von Tier und


Kind
Nachdem wir nun den Prozess der Habituation durch seine Kernelemente be-
stimmt haben, sollten wir uns dem Subjekt dieses Prozesses zuwenden: dem
Kind. Die Gemeinsamkeit zwischen Tieren und Kindern besteht darin, dass sie
beide der Vernunft (logos) entbehren. Allerdings ist bereits die Art und Weise, wie
dieser Mangel vorliegt, unterschiedlich aufzufassen. Aristoteles hält Tiere grund-
sätzlich für unfähig, vernünftige Überlegungen anzustellen, überlegungsbasierte
Entscheidungen zu treffen oder ihre Einsichten und Wünsche sprachlich-diskur-
siv darzustellen. Im Gegensatz dazu sind Menschen grundsätzlich vernunftbe-
gabt. Die Abgrenzung, die innerhalb der scala naturae den Menschen von Tieren

||
die Emotionen des Erziehenden spiegelt: Wenn der Erziehende stolz auf es ist, wird es auch
selbst stolz auf sich sein und wenn der Erziehende von ihm enttäuscht ist, wird es auch selbst
über sich enttäuscht sein. Diese Spiegelung trägt dazu bei, dass positive Gefühle dauerhaft mit
tugendhaften Handlungen und negative Gefühle mit schlechten Handlungen assoziiert werden.
Vgl. Steutel/Spiecker (2004) 544–546.
18 Vgl. Burnyeat (2006) 222–223.
270 | Laura Summa

trennt, wird genau durch die Logos-Fähigkeit des Menschen begründet. Die dafür
ergiebigste Belegstelle stellt Pol. I 2, 1253a1–18 dar:

ἐκ τούτων οὖν φανερὸν ὅτι τῶν φύσει ἡ πόλις ἐστί, καὶ ὅτι ὁ ἄνθρωπος φύσει πολιτικὸν
ζῷον, καὶ ὁ ἄπολις διὰ φύσιν καὶ οὐ διὰ τύχην ἤτοι φαῦλός ἐστιν, ἢ κρείττων ἢ ἄνθρωπος
[…]. διότι δὲ πολιτικὸν ὁ ἄνθρωπος ζῷον πάσης μελίττης καὶ παντὸς ἀγελαίου ζῴου μᾶλλον,
δῆλον. οὐθὲν γάρ, ὡς φαμέν, μάτην ἡ φύσις ποιεῖ· λόγον δὲ μόνον ἄνθρωπος ἔχει τῶν ζῴων·
ἡ μὲν οὖν φωνὴ τοῦ λυπηροῦ καὶ ἡδέος ἐστὶ σημεῖον, διὸ καὶ τοῖς ἄλλοις ὑπάρχει ζῴοις
(μέχρι γὰρ τούτου ἡ φύσις αὐτῶν ἐλήλυθε, τοῦ ἔχειν αἴσθησιν λυπηροῦ καὶ ἡδέος καὶ ταῦτα
σημαίνειν ἀλλήλοις), ὁ δὲ λόγος ἐπὶ τῷ δηλοῦν ἐστὶ τὸ συμφέρον καὶ τὸ βλαβερόν, ὥστε καὶ
τὸ δίκαιον καὶ τὸ ἄδικον· τοῦτο γὰρ πρὸς τὰ ἄλλα ζῷα τοῖς ἀνθρώποις ἴδιον, τὸ
μόνον ἀγαθοῦ καὶ κακοῦ καὶ δικαίου καὶ ἀδίκου καὶ τῶν ἄλλων αἴσθησιν ἔχειν· ἡ δὲ τούτων
κοινωνία ποιεῖ οἰκίαν καὶ πόλιν.

(a.) Hieraus [aus der Beobachtung, dass aus der natürlichen Gemeinschaft zwischen Mann
und Frau das Haus, aus der Gemeinschaft von Häusern ein Dorf und aus der Gemeinschaft
von Dörfern die Polis entsteht – LS] wird deutlich, dass der Staat zu den naturgemäßen
Gebilden gehört und dass der Mensch von Natur ein politisches Lebewesen (zôon politikon)
ist: und derjenige, der von Natur und nicht durch zufällige Umstände außer aller staatli-
chen Gemeinschaft lebt, ist entweder mehr oder weniger als der Mensch. […]
(b.) Dass ferner der Mensch in weit höherem Maße als die Bienen und alle anderen herden-
weise lebenden Tiere ein politisches Lebewesen ist, liegt klar zutage. Denn nichts tut, wie
wir behaupten, die Natur zwecklos.
(c.) Der Mensch ist aber das einzige Lebewesen, das logos besitzt (zôon logon echon). Die
bloße Stimme (phônê) zwar ist des Unangenehmen (lypêrou) und Angenehmen (hêdeos)
(An-)zeichen (sêmeion), darum kommt sie auch den anderen Lebewesen zu (denn so weit
reicht ihre Natur, von Angenehmem und Unangenehmem eine Wahrnehmung (aisthêsis)
zu haben und diese einander anzuzeigen (sêmainein));
der logos dagegen ist dazu bestimmt, das Nützliche (sympheron) und Schädliche (blaberon)
deutlich kundzutun (dêloun) und also auch das Gerechte (dikaion) und das Ungerechte (adi-
kon).
Dieses nämlich ist dem Menschen den Tieren gegenüber seine eigentümliche Eigen-
schaft/sein Spezifikum (idion): dass er allein fähig ist, (sich) vom Guten (agathou) und
Schlechten (kakou), von Recht (to dikaion) und Unrecht (to adikon) eine Vorstellung
(aisthêsin echein) auszubilden/zu haben/zu machen. Dass diese aber allen gemeinsam ist,
erschafft Haus und Staat.
(Pol. I 2, 1253a1–4, a7–18; Übers. LS)

In dieser Passage macht Aristoteles zwei grundlegende Aussagen über den Men-
schen: einerseits, dass er ein politisches Lebewesen ist, und andererseits, dass er
das einzige Lebewesen ist, das über logos verfügt. Die zweite anthropologische
Bestimmung, die Logos-Fähigkeit, erachtet Aristoteles als konstitutiv für die erst-
genannte Fähigkeit zur Staatenbildung. Die Begründung ist Folgende: Tiere ver-
fügen über ein Mitteilungsinstrument, das Aristoteles mit „Stimme“ (phônê) be-
zeichnet. Dieses dient dazu, ihre Wahrnehmung von Angenehmem und Unan-
Kindheit und moralische Erziehung bei Aristoteles | 271

genehmem anzuzeigen oder auszudrücken. Das Schmerz- und Lustempfinden


können sie einander mitteilen, indem sie mit ihrer Stimme Zeichen (sêmeion) die-
ser Empfindung geben. Tieren wird demnach die Fähigkeit zugeschrieben,
Schmerz oder sein Gegenteil zu empfinden, und diese Empfindung durch eine
lautliche Äußerung den Artgenossen verständlich zu machen.
Genauso wie das Tier ist der Mensch ebenfalls in der Lage, sich seinen Artge-
nossen mitzuteilen, allerdings nicht nur aufgrund von stimmlichen Geräuschen,
sondern aufgrund des logos. Auch Menschen haben eine Wahrnehmung, aller-
dings nicht nur wie Tiere vom Angenehmen und Unangenehmen, sondern zu-
sätzlich vom Guten und Schlechten, vom Gerechten und Ungerechten sowie vom
Nützlichen und Schädlichen. Weiterhin sind Menschen in der Lage, diese Wahr-
nehmung auch deutlich kundzutun. Was Aristoteles hier beschreibt, ist demnach
die Fähigkeit, Begriffe von Gut und Schlecht oder Gerecht und Ungerecht, d. h.
abstrakte moralische und rechtliche Begriffe, zu bilden und diese in der Kommu-
nikation mit anderen zu verwenden. Diese Fähigkeit ist dem Menschen eigen
(idion) – im Gegensatz zu allen anderen Lebewesen – und prägt deshalb die Form
seines Zusammenlebens mit seinen Artgenossen: Durch die Begriffe von Recht
und Gerechtigkeit kann er eine Gemeinschaft bilden, die von moralischen Prinzi-
pien und rechtlichen Bestimmungen geprägt ist. Das macht ihn zu einem Wesen,
das außerordentlich gut für die Staatenbildung befähigt ist, in viel höherem
Maße als Bienen oder andere subhumane Lebensformen. Insofern kann man sa-
gen, dass die menschliche Logos-Fähigkeit konstitutiv für die Eigenschaft zôon
politikon ist, denn dann, wenn Menschen eine gemeinsame Vorstellung davon
haben, was gerecht und ungerecht ist, können sie einen Staat miteinander grün-
den. In Pol. I schließt die Logos-Fähigkeit also die Fähigkeit ein, abstrakte mora-
lische oder rechtliche Begriffe auszubilden. Begriffsbildung wird dabei einerseits
als gedanklich abstrahierender und andererseits als sprachlich expressiver Pro-
zess aufgefasst.19 Tiere sind von dieser Fähigkeit grundsätzlich und dauerhaft
ausgenommen. Im Gegensatz dazu spricht Aristoteles Menschen grundsätzlich
die Logos-Fähigkeit zu.

||
19 Es ist möglich, dass Aristoteles der Logos-Fähigkeit generell die Bildung abstrakter Begriffe
zuschreibt, hier jedoch im Hinblick auf den Kontext nur von der Ausbildung moralischer und
rechtlicher Begriffe spricht, da sie konstitutiv für die Entstehung des Staates sind und es in dieser
Passage gerade um die Entstehung des Staates geht.
272 | Laura Summa

2.1 Potentielle Vernunftfähigkeit und temporäre Privation


Im Folgenden werde ich erläutern, auf welche Weise bereits Kinder nach Aristo-
teles an dieser Logos-Fähigkeit teilhaben. Erstens sind sie potentiell vernunftfä-
hig, d.h. ihr Mangel an Vernunft ist nur temporär und nicht grundsätzlich. Zwei-
tens sind sie auf passive Weise vernunftfähig, weil sie an der Vernunft der
Erwachsenen teilhaben. Auf beide Punkte möchte ich genauer eingehen. Die po-
tentielle Vernunftfähigkeit ist darin begründet, dass Kinder gerade als Menschen
definiert werden, deren Vernunftfähigkeit noch nicht voll ausgebildet ist. Die da-
für zentrale Belegstelle befindet sich im ersten Buch der Politik. Aristoteles erläu-
tert dort seine Auffassung, dass das Kind einen abwägenden (deliberativen) (See-
len-)Teil habe (to bouleutikon), aber in einer unvollkommenen Form (atelês,
1260a12–14).20 Dadurch unterscheide es sich vom Sklaven, der nicht über einen
solchen Seelenteil verfüge. Aristoteles ergänzt dazu Folgendes: „Da das Kind un-
entwickelt ist, ist seine Tugend nicht relativ zu ihm selbst, sondern relativ zu ei-
nem voll entwickelten Individuum und demjenigen, der Autorität über es hat [sei-
nem Erzieher – LS]“ (Pol. I 13, 1260a31–33).21 Das bedeutet, dass der Maßstab, an
dem das Kind gemessen wird, nicht in ihm selbst liegt, sondern in dem vollkom-
menen Menschen, zu dem es möglicherweise werden kann. Insofern formuliert
Aristoteles eine Konzeption der Entwicklung.22 Dieser Absatz verdeutlicht nicht
nur, dass Aristoteles das Kind als unvollendet sieht, sondern auch, dass für ihn
der Maßstab, an dem das Kind gemessen wird, immer der Erwachsene ist. Der
defizitäre Aspekt der kindlichen Natur steht für ihn im Vordergrund.

||
20 Die Auffassung, dass Kinder nicht vernünftig sind, findet sich schon bei Platon (R. IV, 441a–
b). Allerdings nimmt Aristoteles eine wichtige Differenzierung vor, indem er Kinder nicht gene-
rell für nicht vernünftig hält, sondern indem er ihnen einerseits einen unvollkommenen, d. h.
ausbildungsfähigen, vernünftigen Seelenteil zuschreibt und sie andererseits auf passive Weise
an der Vernunft anderer teilhaben. Sorabji hält dies für eine bemerkenswerte Innovation gegen-
über Platon. Vgl. Sorabji (1995) 70.
21 ἐπεὶ δ᾿ ὁ παῖς ἀτελής, δῆλον ὅτι τούτου μὲν καὶ ἡ ἀρετὴ οὐκ αὐτοῦ πρὸς αὑτόν ἐστιν, ἀλλὰ πρὸς
τὸ τέλος καὶ τὸν ἡγούμενον. Meine Übersetzung orientiert sich an der Übersetzung von Sherman
(vgl. Sherman (1999) 234). Willmanns Übersetzung dieser Passage macht es noch deutlicher:
„Das Kind ist unentwickelt, seine Tugend ist nicht sein Eigentum, sondern nur auf seine Reife
angelegt und Verdienst dessen, der es leitet.“ (Willmann (1909) 86).
22 Für Sherman stellt Pol. I auch die stärkste Belegstelle dafür dar, von einem Entwicklungsmo-
dell bei Aristoteles zu sprechen. Allerdings verbindet sie damit noch die Behauptung, dass diese
Entwicklung schubweise verlaufe, manchmal auch stagniere. Dies konnte sich bisher nicht
nachweisen lassen. Vgl. Sherman (1999) 232. McGowan Tress betont ebenfalls, dass sich die
kindliche Entwicklung vom unvollkommenen zum vollkommenen Menschen vollzieht. Vgl.
McGowan Tress (1997) 83.
Kindheit und moralische Erziehung bei Aristoteles | 273

Die Aussage, dass der rationale Teil der Seele bei Kindern zwar vorhanden,
aber unvollkommen oder nicht voll entwickelt ist, lässt sich durch eine weitere
Passage belegen, in der Aristoteles die Auffassung vertritt, dass Vernunft sich im
Zuge einer naturgemäßen Entwicklung erst voll ausprägt. Die menschliche Ver-
nunftfähigkeit resultiert für Aristoteles aus der Aktualisierung eines angebore-
nen Potentials.

καὶ γὰρ ὁ λόγος φύσει ὑπάρχει ὅτι ἐωμένης τῆς γενέσεως καὶ μὴ πηρωθείσης ἐνέσται, καὶ ἡ
ἐπιθυμία ὅτι εὐθὺς ἐκ γενετῆς ἀκολουθεῖ καὶ ἔνεστιν. σχεδὸν δὲ τούτοις δυσὶ τὸ φύσει
διορίζομεν, τῷ τε ὅσα εὐθὺς γιγνομένοις ἀκολουθεῖ πᾶσι, καὶ ὅσα ἐωμένης τῆς γενέσεως
εὐθυπορεῖν γίγνεται ἡμῖν, οἷον πολιὰ καὶ γῆρας καὶ τἆλλα τὰ τοιαῦτα.

Denn sowohl die rationale Kraft ist von Natur da, weil sie sich bei normalem, unversehrtem
Entwicklungsablauf bei uns einstellen wird – als auch ist die Begierde da, denn gleich von
der Geburt ab begleitet sie uns und ist in uns anwesend. Das aber sind ja faktisch die beiden
Momente, mit denen wir den Begriff ‚von Natur‘ bestimmen: einerseits ‚was uns alle gleich
von Geburt an begleitet‘, andererseits ‚was uns bei normalem, geradlinigem Entwicklungs-
ablauf zuwächst‘, z. B. graue Haare, Alter und was dergleichen mehr ist.
(EE II 8, 1224b29–35; Übers. Dirlmeier)

Sowohl das rationale Vermögen, hier mit logos bezeichnet, als auch das stre-
bende Vermögen, hier mit epithymia bezeichnet, kommen dem Menschen von
Natur aus (physei) zu.23 Dennoch kommen sie dem Menschen auf unterschiedli-
che Weise von Natur aus zu: Das Streben, so Aristoteles, existiert ab der Geburt
und begleitet den Menschen daher von Anfang an. Für den logos hingegen, so
Aristoteles, gilt das andere Natürlichkeitskriterium: er stellt sich ein, wenn die
Entwicklung eines Menschen gradlinig verläuft, d. h. wenn nichts diese Entwick-
lung verhindert. Der logos als Potential ist also im Menschen zwar ebenfalls von
Geburt an anwesend, allerdings nur potentiell; er entfaltet sich im Laufe seiner
Entwicklung zu einem aktualen Vermögen, das sich dann jeweils aktualisiert,
wenn der Mensch denkt oder vernünftige Entscheidungen trifft.
Vor dem Hintergrund dieser Überlegung wird besser verständlich, warum
Aristoteles behauptet, dass Kinder einen (noch) unvollkommenen vernünftigen
Seelenteil haben: Er ist in ihnen zwar schon vorhanden, aber noch in einer un-
vollkommenen Form. Wenn es zur Natur von erwachsenen Menschen gehört, ra-
tional zu sein, Kinder allerdings noch nicht rational sind, legt dies nahe, dass
Kinder im Laufe des Erwachsenwerdens vernünftig werden. Sobald die Vernunft

||
23 Aristoteles bestimmt das, was von Natur aus (physei) besteht, hier durch zwei Momente: ei-
nerseits als das, was uns von Geburt an begleitet, und andererseits das, was uns bei einem nor-
malen ungehinderten Entwicklungsablauf ‚zuwächst‘.
274 | Laura Summa

aktual da ist, sind sie, dem Begriff nach, keine Kinder mehr. Kindheit lässt sich
in Aristoteles’ Sinn demnach als Zeit definieren, in der ein menschliches Lebewe-
sen seine Logos-Fähigkeit noch nicht voll entwickelt hat. Da Aristoteles von ei-
nem Entwicklungsablauf oder einem Prozess spricht, impliziert das zudem, dass
sich Vernunft graduell einstellt. Erwachsen-Werden wäre demnach zu verstehen
als ein Prozess des sukzessiven Vernünftig-Werdens. Damit einher geht eine zu-
nehmende Abstraktionsfähigkeit und die Fähigkeit, Begriffe wie gut und schlecht
oder gerecht oder ungerecht zu bilden und zu kommunizieren. Diese Interpreta-
tion wird auch von einer anderen Belegstelle gestützt, in der Aristoteles Folgen-
des sagt:

ὥσπερ δὲ τὸ σῶμα πρότερον τῇ γενέσει τῆς ψυχῆς, οὕτω καὶ τὸ ἄλογον τοῦ λόγον ἔχοντος.
φανερὸν δὲ καὶ τοῦτο· θυμὸς γὰρ καὶ βούλησις, ἔτι δὲ ἐπιθυμία, καὶ γενομένοις εὐθὺς
ὑπάρχει τοῖς παιδίοις, ὁ δὲ λογισμὸς καὶ ὁ νοῦς προϊοῦσιν ἐγγίγνεσθαι πέφυκεν.

und geradeso wie der Körper seiner Entstehung nach früher ist als die Seele, so ist auch der
unvernünftige Teil der letzteren früher als der vernunftbegabte. Auch dieses liegt offen zu-
tage, denn Erregung (thymos) und Wollen (boulêsis) sowie die Begierde (epithymia) sind bei
den Kindern gleich nach der Geburt vorhanden, Überlegen (logismos) und Einsehen (nous)
aber entwickeln sich naturgemäß nach und nach mit zunehmendem Alter.
(Pol. VII 15, 1334b20–25)24

Genauso wie in der Eudemischen Ethik betont Aristoteles auch in der Politik, dass
sich vernünftiges Überlegen (logismos) und Einsehvermögen (nous) bei Kindern
erst mit zunehmendem Alter einstellen, während alle Funktionen des strebenden
Seelenteils schon von Geburt an aktual bei Kindern vorhanden sind. 25 Das Kind

||
24 Als Formen des Strebens zählt Aristoteles hier thymos, boulêsis und epithymia auf. Von der
Argumentationsstruktur ist deutlich, dass Aristoteles hier einerseits rationale und andererseits
affektive Fähigkeiten einander gegenüberstellen will. Der Begriff der boulêsis ist deshalb hier
verwunderlich, weil er eigentlich ein vernünftiges Wünschen bzw. rationales Streben bezeichnet
(vgl. EN III 4, 1111b19–30, De an. III 9, 432b5–6, Rhet. I 10, 1369a1–4) und Kindern nicht zuge-
schrieben werden kann. Aufgrund des Kontextes und auch aus dem Satzbau lässt sich aber ab-
leiten, dass Aristoteles von arationalen Seelenvermögen des Kindes spricht, die den rationalen
kontrastierend gegenübergestellt werden. Eine Möglichkeit, zu erklären, warum Aristoteles hier
auch die boulêsis erwähnt, könnte darin liegen, dass sein Vokabular in der Politik noch weniger
ausgefeilt ist und Aristoteles den Begriff erst später in der strikten Definition als rationales Stre-
ben verwendet; in dieser Passage stünde es dann für ein kindliches Wünschen im Sinne eines
Wollens.
25 Man könnte nun einwenden, dass alle Menschen gleichermaßen vernünftig sein müssten,
wenn die Vernunftfähigkeit dem Menschen aufgrund seiner natürlichen Entwicklung zukommt
Kindheit und moralische Erziehung bei Aristoteles | 275

ist deshalb schon hier vom Tier zu unterscheiden, da es im Gegensatz zu ihm po-
tentiell vernünftig und nur temporär von der Vernunftfähigkeit ausgeschlossen
ist.

2.2 Die defizitäre Natur des Kindes aus biologischer Sicht:


Zwergenhaftigkeit
Nachdem das gesagt ist, möchte ich mich den biologischen Schriften zuwenden,
um zu zeigen, in welcher Hinsicht und wie lange die temporäre Analogie zwi-
schen Kind und Tier gültig ist. Aristoteles vertritt in den zoologischen Schriften
ein körperliches Erklärungsmodell, das seiner Meinung nach kausal für die man-
gelhafte oder unterentwickelte Vernunftfähigkeit des Kindes verantwortlich ist.
Deshalb wende ich mich mehreren körperlichen Merkmalen von Kindern zu, die
sie mit Tieren gemeinsam haben und die in ihrer Summe unter den Begriff der
sogenannten ‚Zwergenhaftigkeit‘ fallen.

νέοις δ᾿ οὖσι τοὐναντίον τὰ μὲν ἄνω μεγάλα, τὸ δὲ κάτω μικρόν. Διὸ καὶ ἕρπουσι, βαδίζειν δ᾿
οὐ δύνανται, τὸ δὲ πρῶτον οὐδ᾿ ἕρπουσιν, ἀλλ᾿ ἀκινητίζουσιν· νάνοι γάρ εἰσι τὰ παιδία
πάντα. Προϊοῦσι δὲ τοῖς μὲν ἀνθρώποις αὔξεται τὰ κάτωθεν· […] Ἔστι δὲ καὶ τὸ τῶν ὀρνίθων
καὶ τὸ τῶν ἰχθύων γένος καὶ πᾶν τὸ ἔναιμον, ὥσπερ εἴρηται, νανῶδες. Διὸ καὶ ἀφρονέστερα
πάντα τὰ ζῷα τῶν ἀνθρώπων ἐστίν. καὶ γὰρ τῶν ἀνθρώπων, οἷον τά τε παιδία πρὸς τοὺς
ἄνδρας […], ἀλλὰ τῷ τὸν νοῦν ἔχειν ἐλλείπουσιν.

Bei den Kindern sind im Gegenteil die oberen Partien groß und die untere Partie ist klein,
deshalb kriechen sie auch und können nicht laufen, anfangs aber kriechen sie nicht einmal,
sondern sind unbeweglich. Denn alle Kinder sind Zwerge. Mit fortschreitendem Lebensalter

||
wie Kopfhaar. Dies ist aber offensichtlich nicht der Fall. Verlangt wird eine Präzision des Begrif-
fes ‚vernünftig-sein‘. Wenn wir sagen, dass manche Menschen ‚unvernünftig‘ sind, dann meinen
wir im strikten Sinne nicht, dass sie vernunftlos wären wie eine Topfpflanze, sondern wir möch-
ten ausdrücken, dass Vernunft für diese Menschen in ihrem Handeln nicht verbindlich ist. Akra-
tische Akteure oder an der Lust orientierte Menschen haben zwar eine Logos-Fähigkeit, aber
diese wirkt nicht oder nicht immer handlungsleitend, weil ihre charakterlichen Dispositionen es
nicht erlauben. Die Logos-Fähigkeit ist somit ein natürliches Potential, das sich in jedem Men-
schen qua Mensch entfaltet. Die Vernunft wird aber nur auf gute und richtige Weise im Men-
schen wirksam und für sein Handeln verbindlich, wenn seine charakterlichen Dispositionen mit-
hilfe der richtigen Gewöhnung gut eingerichtet wurden. Das Streben, das Menschen von Geburt
an begleitet, muss also gezielt habitualisiert werden, damit sie zu moralisch-vernünftigen Ak-
teuren werden können. Diese Form der moralischen Vernünftigkeit, die an einen gut geformten
Charakter angebunden ist, heißt im aristotelischen Vokabular dann phronêsis. Eine ausführli-
chere Erläuterung dieses Aspekts findet sich in Summa (2022), Kap. 2.6. Vgl. zu diesem Punkt
auch Vasiliou (1996) 774–775.
276 | Laura Summa

wachsen bei den Menschen die unteren Teile. […] Die Gattung der Vögel und die Gattung
der Fische und überhaupt jedes blutführende Tier ist, wie gesagt, zwergenhaft. Deshalb
sind auch alle Tiere weniger intelligent als die Menschen. Ja sogar bei den Menschen blei-
ben die Kinder im Verhältnis zu den Erwachsenen […] an Denkfähigkeit zurück.
(Part. an. IV 10, 686b8–12, b21–27; Übers.
Kullmann)

In dieser Beschreibung ist der Ausdruck ‚zwergenhaft‘ einer Erläuterung bedürf-


tig. Aristoteles ist der Meinung, dass alle höheren Säugetiere, die Vierfüßler,
nicht zum Denken fähig sind, weil das Gewicht des Kopfes auf dem Denken lastet.
Diesen Körperbau beschreibt Aristoteles als zwergenhaft, weil die vorderen Kör-
perpartien im Vergleich zu den hinteren schwer sind und das Lebewesen auf vier
Füße zwingen.26 Die körperliche Eigenschaft des aufrechten Ganges, die nur dem
Menschen zu eigen ist, ist aufgrund des gleichen Prinzips einer Kausalität zwi-
schen körperlicher und seelischer Ausstattung seiner Meinung nach die körper-
liche Grundlage oder Voraussetzung für das Denken:

τὰ δὲ πρὸς τῷ ζῆν αἴσθησιν ἔχοντα πολυμορφοτέραν ἔχει τὴν ἰδέαν, καὶ τούτων ἕτερα πρὸ
ἑτέρων μᾶλλον, καὶ πολυχουστέραν, ὅσων μὴ μόνον τοῦ ζῆν ἀλλὰ καὶ τοῦ εὖ ζῆν ἡ φύσις
μετείληφεν. Τοιοῦτο δ᾿ ἐστὶ τὸ τῶν ἀνθρώπων γένος· ἢ γὰρ μόνον μετέχει τοῦ θείου τῶν
ἡμῖν γνωρίμων ζῴων, ἢ μάλιστα πάντων. Ὥστε διά τε τοῦτο, καὶ διὰ τὸ γνώριμον εἶναι
μάλιστ᾿ αὐτοῦ τὴν τῶν ἔξωθεν μορίων μορφήν, περὶ τούτου λεκτέον πρῶτον. Εὐθὺς γὰρ καὶ
τὰ φύσει μόρια κατὰ φύσιν ἔχει τούτῳ μόνῳ, καὶ τὸ τούτου ἄνω πρὸς τὸ τοῦ ὅλου ἔχει ἄνω·
μόνον γὰρ ὀρθόν ἐστι τῶν ζῴων ἄνθρωπος. Τὸ μὲν οὖν ἔχειν τὴν κεφαλὴν ἄσαρκον ἐκ τῶν
περὶ τὸν ἐγκέφαλον εἰρημένων ἀναγκαῖον συμβέβηκεν.

Die Wesen aber, die zusätzlich zum Leben Wahrnehmung besitzen, haben eine vielfältigere
Gestalt, und von diesen einige in höherem Maße als die anderen, und eine noch mannigfal-
tigere haben diejenigen Lebewesen, denen die Natur nicht nur am Leben, sondern auch am
guten Leben einen Anteil gegeben hat. Dieser Art ist das Geschlecht des Menschen. Von den
uns bekannten Lebewesen hat es allein Anteil am Göttlichen oder doch am meisten von
allen, so dass man sowohl aus diesem Grunde als auch deshalb, weil die Gestalt seiner äu-
ßeren Teile am besten bekannt ist, zuerst über dieses sprechen muss. Zunächst nämlich
verhalten sich allein bei diesem Lebewesen die naturgemäßen Teile auch naturgemäß, und
dessen oberer Teil ist auf den oberen Teil des Alls gerichtet. Als einziges Lebewesen nämlich
ist der Mensch aufrecht gehend. Dass sein Kopf ohne Fleisch ist, ergibt sich notwendig aus
dem Gesagten über das Gehirn.
(Part. an. II 10, 656a3–15; Übers. Kullmann)27

||
26 Vgl. Part. an. IV 10, 686a25–686b5. Eine sehr hilfreiche Erläuterung dazu bietet Coles. Vgl.
Coles (1997) 307–308.
27 Parallele Stellen: Part. an. IV 10, 686a25–686b5; Hist. an. II 1, 500b26f.
Kindheit und moralische Erziehung bei Aristoteles | 277

Diese Beschreibung des Menschen ist sehr aufschlussreich: Seine körperlichen


Merkmale bestehen im aufrechten Gang und in einem, wie Aristoteles sagt,
„fleischlosen“ Gehirn. Diese Eigenschaften sind das physische Korrelat seiner
Vernunftfähigkeit, die es ihm ermöglicht, sich auf das All, das Göttliche und die
höchsten Dinge auszurichten.28 Zu diesen Fähigkeiten gehört auch die Sprache,
über die das Kleinkind ebenfalls noch nicht verfügt.

τὰ δὲ παιδία ὥσπερ καὶ τῶν ἄλλων μορίων οὐκ ἐγκρατῆ ἐστιν, οὕτως οὐδὲ τῆς γλώττης τὸ
πρῶτον, καὶ ἐστιν ἀτελὴς καὶ ἀπολύεται ὀψιαίτερον, ὥστε ψελλίζουσι καὶ τραυλίζουσι τὰ
πολλά.

Und wie die Kinder ihrer sonstigen Glieder nicht mächtig sind, so haben sie auch noch keine
Herrschaft über die Zunge zuerst (prôton). Sie ist auch noch unausgebildet und löst sich erst
später (opsiaiteron). Daher stammeln sie und lallen.
(Hist. an. IV 9, 536b5–8)29

Da das Kind über die grundlegenden, das Menschsein ausmachenden Eigen-


schaften, also den aufrechten Gang, die Sprache und das Denken, nicht verfügt,
kann man durchaus behaupten, dass sich seine Seele nicht von der des Tieres
unterscheide:

φανερώτατον δ᾿ ἐστὶ τὸ τοιοῦτον ἐπὶ τὴν τῶν παίδων ἡλικίαν βλέψασιν· ἐν τούτοις γὰρ τῶν
μὲν ὕστερον ἕξεων ἐσομένων ἔστιν ἰδεῖν οἷον ἴχνη καὶ σπέρματα, διαφέρει δ᾿ οὐδὲν ὡς εἰπεῖν
ἡ ψυχὴ τῆς τῶν θηρίων ψυχῆς κατὰ τὸν χρόνον τοῦτον, ὥστ᾿ οὐδὲν ἄλογον εἰ τὰ μὲν ταὐτὰ
τὰ δὲ παραπλήσια τὰ δ᾿ ἀνάλογον ὑπάρχει τοῖς ἄλλοις ζῴοις.

Man versteht diese Behauptung [die Behauptung, dass Tiere analoge Anlagen haben wie
Menschen – LS], wenn man auf das Kindheitsalter blickt: in ihm sind ja schon Spuren und
Anlagen der Zustände zu sehen, die sich einmal entwickeln sollen, ihre Seele jedoch unter-
scheidet sich in nichts sozusagen zu dieser Zeit [Hvhbg. LS] von der eines Tieres, so dass es
gar kein Wunder ist, wenn diese Eigenschaften geradeso, jene ähnlich, noch andere ent-
sprechend ausgebildet sind bei den übrigen Geschöpfen.
(Hist. an. VIII 1, 588a31–b3; Übers. Gohlke)

||
28 Vgl. Coles (1997) 308.
29 Übersetzung Gohlke (mit b7 ἀτελής von Aubert/Wimmer statt ἀτελῆ). Thompson übersetzt
hingegen: „Children, just as they have no control over other parts, so have no control, at first,
over the tongue; but it is so far imperfect, and only frees and detaches itself by degrees, so that
in the interval children for the most part lisp and stutter.“ Es ergibt inhaltlich Sinn anzunehmen,
dass sich die Zunge nicht mit einem Schlag, sondern innerhalb einer schrittweisen Entwicklung
löst. Allerdings gibt der griechische Text keinen expliziten Anlass für diese Interpretation.
278 | Laura Summa

Aristoteles sagt ausdrücklich, dass man im Kind schon Spuren und Anlagen des-
sen sehen könne, zu dem es sich entwickelt. Gleichzeitig sei der Unterschied zwi-
schen Tier und Mensch kein radikaler, denn Tiere hätten analoge Fähigkeiten,
wie Aristoteles im Anschluss an die Passage erläutert. Das Entwicklungspotential
des Kindes wird aber ausdrücklich angesprochen: Nur zu einer gewissen Zeit un-
terscheide sich das Kind nicht vom Tier. Manche Privationen sind nur temporär30
und die Privation des Kindes von der Vernunftfähigkeit gehört dazu. Es ist des-
halb auch richtiger zu sagen, dass (Klein-)Kinder nicht unvernünftig, sondern
vorvernünftig sind, denn sie sind der Möglichkeit nach vernünftig.
Gleichzeitig wird aus Aristoteles’ Beschreibung der Kinder, die Tieren äh-
neln, deutlich, dass er von Säuglingen oder Kleinkindern spricht, nicht von älte-
ren Kindern oder gar Jugendlichen. Die Analogie mit dem Tier, die auf theoreti-
scher Ebene festgestellt werden kann, besteht nur solange, bis das Kind anfängt,
aufrecht zu gehen und zu sprechen – eine Veränderung, die sich um das zweite
Lebensjahr einstellt. Spätestens ab diesem Alter gilt also die Analogie zwischen
Kind und Tier nicht mehr.31 Diese Feststellung relativiert die in den Ethiken gezo-
genen Vergleiche: In den Ethiken verwendet Aristoteles die Bezeichnungen für
‚Kind‘ und für ‚menschliches Wesen ohne Vernunft‘ schlichtweg synonym, um
den jeweils gemachten Punkt über die Bedeutung der Vernunft für das jeweils
diskutierte Phänomen (Entscheiden, Handeln, Glück) zu unterstreichen.
Die Analyse der relevanten Passagen aus der Biologie zeichnen allerdings ein
differenzierteres Bild. Kinder gelten dort nicht einfach als nicht-vernünftig, wäh-
rend Erwachsene im Gegensatz dazu vernünftig sind. Vielmehr ist Kindheit eine
Phase der menschlichen Entwicklung, in der sich das Kind in einer stetigen kör-
perlichen und kognitiven Weiterbildung befindet und in der sich Vernunft gra-
duell ausbildet.32 Es gibt also nicht nur ‚Kind‘ oder ‚nicht-Kind‘ und damit ‚arati-
onal‘ oder ‚rational‘, sondern innerhalb der Kindheit selbst gibt es Abstufungen
von Rationalität bzw. Logos-Fähigkeit. Kinder sind deshalb nicht wie Tiere, aber
eben auch nicht wie kleine Erwachsene. Von beiden unterscheiden sie sich in ih-
ren Fähigkeiten und Eigenschaften.

||
30 Vgl. Met. IX 1, 1046a31–35.
31 „[T]hey [children] leave behind the quadrupeds in the scale of nature, both anatomically and
psychologically […]“, Coles (1997) 317.
32 Coles spricht deshalb von einem graduellen Begriff von Kindheit („a gradual account of
childhood“) bei Aristoteles. Vgl. Coles (1997) 317. Seine ausführliche Analyse der scala naturae
mit Blick auf die körperlichen und seelischen Fähigkeiten verschiedener Tierarten und von Kin-
dern in der aristotelischen Biologie stellen eine wichtige Vorarbeit für meinen eigenen Ansatz
dar.
Kindheit und moralische Erziehung bei Aristoteles | 279

2.3 Passive Teilhabe an der Vernunft der Erwachsenen: die


Empfänglichkeit des Kindes für den logos
Im Folgenden soll genauer auf die Fähigkeiten und Eigenschaften des Kindes ab
dem zweiten Lebensjahr eingegangen werden, die sich positiv beschreiben las-
sen. Aristoteles beantwortet die Frage, inwiefern Kinder aufgrund ihrer noch
nicht entwickelten eigenen Vernunftfähigkeit dennoch Anteil an der Vernunft
haben können, mit dem Begriff der Teilhabe. Aristoteles vertritt die Auffassung,
dass Kinder in einem passiven Sinne Anteil an der Vernunft der Eltern oder an-
derer Erwachsenen haben, indem sie ihnen gehorchen und auf sie hören. Diese
Auffassung wird allerdings nur indirekt in einer Passage am Ende des ersten Bu-
ches der Nikomachischen Ethik thematisiert, in der es eigentlich um das Verhält-
nis des strebenden zum rationalen Seelenteil geht.33 Dieses Verhältnis erläutert
Aristoteles mithilfe einer Analogie: Der strebende Seelenteil, der so wie das Kind
nicht selbst über Vernunft verfüge, verhalte sich zum rationalen Seelenteil wie
der Sohn zum Vater. Der strebende Seelenteil, so Aristoteles, habe Anteil an der
Vernunft, insofern er auf sie höre und ihr gehorche. Da Aristoteles diese Analogie
offensichtlich so versteht, dass sie das (hier zu klärende, unbekannte) Verhältnis
von strebendem und rationalem Seelenteil erhellen soll, geht er davon aus, dass
jedermann weiß, wie das Verhältnis von Vater und Sohn beschaffen ist. Er geht
allerdings an keiner anderen Stelle darauf ein. Man kann also nur mit den For-
mulierungen arbeiten, die Aristoteles hier verwendet. Er sagt vom strebenden
Seelenteil bzw. vom Kind, dass es den guten Rat in Rechnung stellt, d. h. ihm Ge-
hör schenkt bzw. ihn verbindlich nimmt. Der vernünftige Seelenteil bzw. der Va-
ter ermahnt, gibt Rat, tadelt und ermutigt. Im Grunde der Bedeutung des Wortes
passt auf die Haltung des Kindes sehr gut der Begriff des Gehorsams, denn es
verbindet den Aspekt des Hörens mit dem Aspekt des Verbindlich-Nehmens. So
formuliert Willmann zwar etwas altmodisch, aber richtig:

Das erste Gehorchen, peitharchein, gilt aber dem väterlichen Gebote, patrikê prostaxis; der
Gehorsam, den unsere Strebekraft der Vernunft und deren Mahnungen, Vorwürfen und
Aufmunterungen leistet, ist ein Hören auf dieselbe […].34

Kinder sind also selbst nicht aktiv vernünftig, haben aber auf passive Weise an
Vernunft Anteil, indem sie diese in Form von Ratschlägen, Anweisungen und Er-
mahnungen in ihrem Verhalten umsetzen können. Diese Beschreibung ent-
spricht recht genau dem anfangs erarbeiteten Begriff der ‚advice guided activity‘.

||
33 Vgl. EN I 13, 1102b30–1103a1.
34 Willmann (1909) 89.
280 | Laura Summa

Dort wo das Kind aufgrund der mangelnden Vernunftfähigkeit noch nicht selbst
überlegen oder entscheiden kann, gibt ihm der väterliche Rat die nötige Wegwei-
sung für das Verhalten.35 Das Kind muss also aufgrund der eigenen mangelnden
Vernunftfähigkeit nicht untätig verharren, bis es selbst vernünftig wird, sondern
kann vorläufig im Vertrauen auf die vernünftigen Anweisungen der Erwachsenen
handelnd tätig werden.
Die Fähigkeit, in dieser Weise mit vernünftigen Ratschlägen und Anweisun-
gen anderer umzugehen, werde ich im Folgenden als Vernunftrezeptivität be-
zeichnen. Nun muss genauer untersucht werden, auf welchen anderen Fähigkei-
ten des Kindes die Vernunftrezeptivität gründet. Dies sind zum einen die
körperliche Fähigkeit zu hören, zum anderen die seelisch konstituierte Fähigkeit,
Vernunftgründen Raum zu geben, die ich mit dem Begriff der Argumentrezepti-
vität bezeichnen werde.

2.3.1 Auf-den-logos-hören-Können: der körperliche Aspekt

Vieles spricht dafür, die Vernunftrezeptivität auf den passiven und später aktiven
Umgang mit Sprache zurückzuführen, denn das Medium der Vermittlung von An-
leitungen, Ratschlägen, Hinweisen und Ermahnungen ist die Sprache. Die pas-
siv-rezeptive Fähigkeit mit Sprache umzugehen ist auf der körperlichen Ebene
das Gehör. Es gibt Grund zu der Annahme, dass Aristoteles davon ausging, dass
Kinder, die von Geburt an nicht hören können, entweder nicht in der Lage sind,
selbst Vernunft auszubilden, oder in dieser Hinsicht zumindest deutlich benach-
teiligt sind. Das wird aus einer Passage in De sensu et sensibilibus deutlich, in der
Aristoteles erklärt, dass Blinde intelligenter als Taubstumme seien, weil das Ge-
hör (akzidentell) den größten Beitrag zur phronêsis leiste.

κατὰ συμβεβηκὸς δὲ πρὸς φρόνησιν ἡ ἀκοὴ πλεῖστον συμβάλλεται μέρος. ὁ γὰρ λόγος αἴτιός
ἐστι τῆς μαθήσεως ἀκουστὸς ὤν, οὐ καθ᾿ αὑτὸν ἀλλὰ κατὰ συμβεβηκός· ἐξ ὀνομάτων γὰρ

||
35 Es ist nicht leicht zu entscheiden, welche Rolle Mutter und Vater im Prozess der Habituation
einnehmen. Manche von Aristoteles’ Überlegungen legen nahe, dass er der Frau traditionell die
Verantwortung für die Kindererziehung zuweist, wie es im Athen seiner Zeit üblich war (vgl.
Sherman (1989) 153). Gleichzeitig bezweifelt Aristoteles, dass Frauen die Vernunftfähigkeit je
vollkommen ausbilden (Pol. I 13, 1260a13). Dies schließt sie als Vorbilder des tugendhaften Han-
delns im Grunde genommen aus. Daraus würde folgen, dass Männer für die Begleitung im Habi-
tuationsprozess zuständig sein müssten, während das traditionell nicht ihre Aufgabe ist. Aristo-
teles’ Position ist an dieser Stelle inkonsistent. Für weiterführende Überlegungen zur
Rollenverteilung in der Erziehung s. Summa (2022), Abschnitt 6.2.
Kindheit und moralische Erziehung bei Aristoteles | 281

σύγκειται, τῶν δ᾿ ὀνομάτων ἕκαστον σύμβολόν ἐστιν. διόπερ φρονιμώτεροι τῶν ἐκ γενετῆς
ἐστερημένων εἰσὶν ἑκατέρας τῆς αἰσθήσεως οἱ τυφλοὶ τῶν ἐνεῶν καὶ κωφῶν.

Akzidentell trägt das Hören den größten Teil zur Klugheit (phronêsis) bei. Denn die Beleh-
rung (logos) ist die Ursache des Lernens, und zwar, weil sie hörbar ist; aber sie ist nicht an
sich hörbar, sondern akzidentell, weil sie aus Worten zusammengesetzt ist, von denen jedes
ein Symbol ist. Folglich sind von denjenigen, denen von Geburt an eine Sinneswahrneh-
mung fehlt, die Blinden klüger als die Taubstummen.
(De sensu 1, 437a11–17)

Es sei zwar nur eine akzidentelle Eigenschaft des logos, hörbar zu sein; die Mög-
lichkeit, Kinder, die nicht hören können, auf alternativen Wegen zu belehren,
wird außerdem nicht kategorisch ausgeschlossen. Allerdings ist das gesprochene
Wort das übliche Medium der Unterweisung von Kindern. Insofern zieht Aristo-
teles hier eine direkte Verbindung zwischen der Möglichkeit, die phronêsis aus-
zubilden, und der Möglichkeit, mit Sprache rezeptiv umzugehen. Dieses Bild wird
bestätigt, wenn er an anderer Stelle behauptet, dass (von Geburt an) taubstumme
Menschen nicht intelligent seien.36 Für ihn besteht somit ein direkter Zusammen-
hang zwischen der Entwicklung der Vernunft und der Fähigkeit zu hören.
Wenn es ausschließlich um die Fähigkeit ginge, Ratschläge und Anweisun-
gen zu hören, müsste man aber wiederum alle Menschen mit gesundem Hörver-
mögen gleichermaßen durch eine vernünftige Rede zu vernünftigen Menschen
machen können, auch Erwachsene. Ebendies hält Aristoteles allerdings für aus-
geschlossen. Er bezeugt zu verschiedenen Gelegenheiten die Auffassung, dass
Kinder, anders als verdorbene Erwachsene, noch formbar seien und sich weiter-
entwickeln.37 Im Gegensatz dazu hält er Erwachsene, die nur an der Lust orien-
tiert leben, für unempfänglich für die vernünftige Rede und daher für unbelehr-
bar. Die Fähigkeit, der Vernunft Gehör zu schenken, kommt also nicht jedem
Menschen zu.

2.3.2 Auf-den-logos-hören-Können: der seelische Aspekt

Ich werde nun näher auf die Fähigkeit eingehen, der Vernunft Gehör zu schen-
ken. Dazu müssen zwei Passagen aus dem zehnten Buch der Nikomachischen
Ethik sorgfältig interpretiert werden. Obwohl Aristoteles die Fähigkeit, zum ver-
nünftigen Denken zu gelangen, mit der Fähigkeit zu hören, also mit Sprache

||
36 Vgl. Hist. an. IV 9, 536b3–4.
37 EN X 10, 1179b4–18; EN X 10, 1179b20–35.
282 | Laura Summa

rezeptiv umzugehen, verknüpft, betont er, dass diese Fähigkeit nicht allen Men-
schen zukommt. Er unterstreicht die Nutzlosigkeit von verbalen Erziehungsmit-
teln, wenn man es mit Menschen zu tun hat, die nicht für sie empfänglich sind.
Es ist nun aufschlussreich, an welchen Eigenschaften Aristoteles die Empfäng-
lichkeit für Argumente festmacht.

εἰ μὲν οὖν ἦσαν οἱ λόγοι αὐτάρκεις πρὸς τὸ ποιῆσαι ἐπιεικεῖς, πολλοὺς ἂν μισθοὺς καὶ
μεγάλους δικαίως ἔφερον κατὰ τὸν Θέογνιν, καὶ ἔδει ἂν τούτους πορίσασθαι· νῦν δὲ
φαίνονται προτρέψασθαι μὲν καὶ παρορμῆσαι τῶν νέων τοὺς ἐλευθερίους ἰσχύειν, ἦθός τ᾿
εὐγενὲς καὶ ὡς ἀληθῶς φιλόκαλον ποιῆσαι ἂν κατοκώχιμον ἐκ τῆς ἀρετῆς, τοὺς δὲ πολλοὺς
ἀδυνατεῖν πρὸς καλοκαγαθίαν προτρέψασθαι· οὐ γὰρ πεφύκασιν αἰδοῖ πειθαρχεῖν ἀλλὰ
φόβῳ, οὐδ᾿ ἀπέχεσθαι τῶν φαύλων διὰ τὸ αἰσχρὸν ἀλλὰ διὰ τὰς τιμωρίας· πάθει γὰρ ζῶντες
τὰς οἰκείας ἡδονὰς διώκουσι καὶ δι᾿ ὧν αὗται ἔσονται, φεύγουσι δὲ τὰς ἀντικειμένας λύπας,
τοῦ δὲ καλοῦ καὶ ὡς ἀληθῶς ἡδέος οὐδ᾿ ἔννοιαν ἔχουσιν, ἄγευστοι ὄντες. τοὺς δὴ τοιούτους
τίς ἂν λόγος μεταρρυθμίσαι; οὐ γὰρ οἷόν τε ἢ οὐ ῥᾴδιον τὰ ἐκ παλαιοῦ τοῖς ἤθεσι
κατειλημμένα λόγῳ μεταστῆσαι.

Wenn Worte ausreichen würden, um Menschen gutzumachen, dann würden sie mit Recht
nach dem Ausspruch des Theognis vielen und großen Lohn einbringen, und man müsste
sie herbeischaffen. Nun aber vermögen sie offenbar zwar Jugendliche von der Art freier Bür-
ger (eleutherios) anzuregen und anzutreiben und einen edel geborenen (eugenês), wirklich
das Werthafte liebenden (philokalos) Charakter (êthos) dahin zu bringen, dass die Tugend
von ihm Besitz ergreift; die Leute aus der Menge (hoi polloi) jedoch vermögen Worte nicht
zum Guten und Werthaften zu motivieren. Denn diese sind ihrer Natur nach so beschaffen,
dass sie nicht der Scham (aidôs), sondern der Furcht (phobos) gehorchen und dass sie sich
schlechter Handlungen nicht deshalb enthalten, weil diese niedrig (aischros) sind, sondern
weil sie Strafe nach sich ziehen. Denn indem sie nach ihren Affekten (pathos) leben, suchen
sie die ihnen eigene Lust und das, wodurch diese entsteht, und meiden die entgegenge-
setzte Unlust, haben aber vom Werthaften und wahrhaft Lustvollen nicht einmal eine Vor-
stellung, da sie nie davon gekostet haben. Welche Reden könnten daher Menschen von sol-
cher Beschaffenheit umgestalten? Es ist ja nicht möglich oder [zumindest] nicht leicht, das,
was vor langer Zeit in den Charakter aufgenommen wurde, durch Worte zu beseitigen.
(EN X 10, 1179b4–18; Übers. Wolf)

Aristoteles nennt hier die Eigenschaften, die ausschlaggebend dafür sind, dass
eine vernünftige Rede oder ein ermahnender Appell jemanden zu Verhaltensän-
derungen motivieren können. Empfänglich für vernünftige Appelle sind seiner
Meinung nach Jugendliche (neoi), die bestimmte Qualitäten besitzen. Sie sind
Freie (1), ihr Charakter entspricht einem edel geborenen (eugenês) (2), welcher
wahrhaft das Gute und Schöne liebt (philokalos) (3), und sie hören im Gegensatz
zu den Menschen aus der Menge auf ihr Schamgefühl (4). Nicht empfänglich für
eine vernünftige Rede sind nach Aristoteles Leute aus der Menge, die dadurch
charakterisiert werden, dass sie nach dem Affekt (pathos) leben und kein
Kindheit und moralische Erziehung bei Aristoteles | 283

Schamgefühl besitzen. Eine genauere Analyse dieser Abgrenzung wird zeigen,


wie sich auf dieser Basis die bisher erarbeiteten Hypothesen bestätigen lassen.
Die ersten beiden Eigenschaften, die Aristoteles hier nennt, beziehen sich auf
gute Naturanlagen und somit auf die günstigen Voraussetzungen, die ein Lernen-
der von Anfang an in den Lernprozess einbringt. Der dritte Punkt ist der für uns
relevanteste: Nur derjenige, der philokalos (geworden) ist, d.h. nur derjenige, der
das Gute und Schöne bereits erstrebt und liebt, kann auf Vernunftbelehrungen
hören. Zu Beginn wurde gezeigt, dass genau diese Art von Liebe, Wertschätzung
oder auch Verbindung von positiven Emotionen mit tugendhaften Handlungen
das Ziel der Charakterformung durch Habituation ist. Interessant ist nun die Ver-
bindung mit dem Schamgefühl. Wenn Kinder innerhalb des Lernprozesses Hand-
lungen ausführen, die nicht erwünscht sind, werden sie sich dafür schämen, ent-
weder schon von sich aus oder nach einem erhaltenen Tadel. Das Schamgefühl
trägt also in einem positiven Sinne dazu bei, vernünftig zu handeln.38 Die Men-
schen aus der Menge haben keine Gefühle dieser Art. Falls ihnen bewusst sein
sollte, dass ihre Handlungen falsch sind, dann nur, weil sie wissen, dass sie für
diese Handlungen bestraft werden könnten. Dies legt nahe, dass es Aristoteles
hier nicht um ein angeborenes Schamgefühl geht, sondern um ein erlerntes
Schamgefühl, das aufgrund untugendhafter und unmoralischer Handlungen
entsteht. Die Tatsache, dass ‚die Vielen‘ diese Scham nicht empfinden, weist
m. E. nach darauf hin, dass sie erst im Habituationsprozess erworben wird.
Neben dem fehlenden Schamgefühl gibt es jedoch einen noch gewichtigeren
Aspekt, der dazu führt, dass verbale Erziehungsmittel bei den Menschen aus der
Menge ohne Wirkung bleiben: Sie leben nach dem Affekt (pathos). Das bedeutet,
dass sich ihr ganzes Streben an der Maximierung von Lustempfindungen orien-
tiert. Wenn aber das Streben nach (körperlicher/niederer) Lust einen Menschen
beherrscht, kann die Vernunft nicht in ihm herrschen.
Zuletzt macht Aristoteles noch eine Aussage über das kausale Gefüge. Eine
durch Gewohnheit erworbene charakterliche Disposition hält er für relativ stabil.
Deshalb sei sie erst recht nicht durch Worte zu verändern. Dies kann einerseits
heißen, dass es allgemein recht unwahrscheinlich ist, sie zu verändern. Oder
aber, dass, wenn sie überhaupt verändert werden kann, das richtige Mittel dazu
in jedem Fall nicht sprachlich verfasste Instruktionen sein können. Dies verrät
uns etwas über Aristoteles’ Auffassung von den kausalen Wirkbeziehungen zwi-
schen Gewöhnung und Belehrung. Wenn die Gewöhnung die charakterlichen
Dispositionen richtig eingerichtet hat‚ fällt das belehrende Wort auf fruchtbaren

||
38 Nicht ohne Grund stellt Burnyeat Scham als Tugend des Lernenden heraus, s. Burnyeat
(1980) 78.
284 | Laura Summa

Boden.39 Charakterbildung stellt Argumentrezeptivität also erst her. Hat aber eine
Gewöhnung an das Schlechte stattgefunden oder ist eine Gewöhnung an das
Gute ganz ausgeblieben, haben belehrende Worte keine verändernde Kraft.
In einer etwas späteren Passage von Buch X macht Aristoteles vergleichbare
Punkte (EN X 10, 1179b20–34). Auch dort führt er die Unfähigkeit, auf vernünftige
Anweisungen, Belehrungen oder Ermahnungen zu hören, darauf zurück, dass je-
mand ausschließlich von Affekten geleitet wird. Diesmal geht er sogar so weit zu
behaupten, dass Menschen, deren charakterliche Disposition in einem solch
schlechten Zustand ist, nicht einmal in der Lage seien, eine vernünftige Rede
überhaupt zu verstehen. Menschen, deren Seele auf das vernünftige Wort vorbe-
reitet worden sind, befinden sich hingegen in einer günstigeren Ausgangslage:
Ihre Seele sei wie fruchtbarer Boden für den Samen der Vernunft.

ὁ δὲ λόγος καὶ ἡ διδαχὴ μή ποτ᾽ οὐκ ἐν ἅπασιν ἰσχύει, ἀλλὰ δεῖ προδιειργάσθαι τοῖς ἔθεσι τὴν
τοῦ ἀκροατοῦ ψυχὴν πρὸς τὸ καλῶς χαίρειν καὶ μισεῖν, ὥσπερ γῆν τὴν θρέψουσαν τὸ
σπέρμα. οὐ γὰρ ἂν ἀκούσειε λόγου ἀποτρέποντος οὐδ᾽ αὖ συνείη ὁ κατὰ πάθος ζῶν· τὸν δ᾽
οὕτως ἔχοντα πῶς οἷόν τε μεταπεῖσαι;

Die Rede und Belehrung haben aber wohl kaum bei allen Menschen Wirkung; vielmehr
muss die Seele des Hörers zuvor durch Gewöhnung bearbeitet worden sein, dass sie sich
auf richtige (kalôs) Weise freut und abgeneigt ist, so wie Erde, die Samen nähren soll [bear-
beitet wird]. Denn ein Mensch, der nach dem Affekt lebt, wird auf eine Rede, die ihn davon
abbringen will, nicht hören; er wird sie nicht mal verstehen. Wie aber soll es möglich sein,
einen Menschen, der so verfasst ist, umzustimmen?
(EN X 10, 1179b23–28; Übers. Wolf)

In diesem Abschnitt legt Aristoteles deutlich die Gewöhnung als eine Vorberei-
tung auf das Hören der belehrenden Worte fest. Dafür benutzt er einen anschau-
lichen Vergleich: Gewöhnung soll den Lernenden in derselben Weise auf die Be-
lehrung vorbereiten, wie man den Acker durch Pflügen auf die Einpflanzung des
Samens vorbereiten muss. Ziel der Gewöhnung ist es laut Aristoteles, dass der
Lernende lernt, auf die richtige Weise Freude und Abscheu zu empfinden; es geht
also um die richtige emotionale Reaktion auf verschiedene Sachverhalte und Ver-
haltensweisen. Der Gewöhnte soll lernen, das Gute wertzuschätzen und das
Schlechte zu hassen. Das sind genau die Ziele, die für die Habituationsphase fest-
gelegt wurden.
Das Gegenbild zum durch Gewöhnung veränderten Menschen ist auch hier
derjenige, der nach dem Affekt lebt (ho kata pathos zôn). Dieser Mensch strebt
danach, seinen Lustgewinn zu maximieren, wobei körperliche Lüste im

||
39 Eine ausführliche Verteidigung dieser Auffassung findet sich bei Kraut (1998).
Kindheit und moralische Erziehung bei Aristoteles | 285

Vordergrund stehen. Andere Werte sind für ihn nicht von Bedeutung, nur Zwang
verbindlich. In ihm kann die Vernunft keine motivierende Wirkung entfalten. Das
Ziel der Gewöhnung besteht demnach darin, das Streben nach Lust, das alle Men-
schen von Geburt an haben, einzuschränken und es gleichzeitig so zu verändern,
dass es sich auf andere Gegenstände richtet, nämlich das Gute und Schöne. Der
auf diese Weise Habituierte nimmt daher das Gute und Schöne im Allgemeinen
sowie die Ausübung der Tugenden im Besonderen als lustvoll wahr. Sein Verhält-
nis zu den eigenen Affekten lässt zu, dass Vernunftgründe verbindliche Wirkung
entfalten können. Diese Empfänglichkeit oder Offenheit für Vernunftgründe wird
also durch Habituation erst erreicht. Dies ist die zentrale These, die Aristoteles
mit Blick auf die Habituation vertritt: Habituation ermöglicht es, dass Vernunft-
gründe im Menschen motivationale Kraft entfalten können, d. h. sie stellt Argu-
mentrezeptivität her.

3 Zusammenfassung
Kinder haben, wie gezeigt wurde, auf doppelte Weise an der menschlichen Lo-
gos-Fähigkeit teil. Einerseits lernen sie aktiv, selbst zu sprechen, andererseits ler-
nen sie, Sprache zu verstehen. Dabei ist eine graduelle Entwicklung zu verzeich-
nen. Erst sprechen Kinder nur einzelne Wortfetzen, dann ganze Wörter und
Sätze, zuletzt komplexe Satzstrukturen. Zudem können sie mit zunehmendem Al-
ter immer komplexere und abstrakte Begriffe und Konzepte verstehen. Wie Aris-
toteles betont, ist die menschliche Fähigkeit zum logos ein Vermögen, das sich
dank der natürlichen Entwicklung des Menschen einstellt. Es ist zu Beginn seiner
Existenz nicht schon voll ausgeprägt vorhanden, sondern entfaltet sich erst im
Laufe der Kindheit und Jugend.
Gleichzeitig kann die Formung des Charakters nicht darauf warten, dass Kin-
der vernünftig werden, sondern Kinder sollen von Anfang an, auch wenn sie
noch nicht verstehen können, warum die richtigen Handlungen richtig sind, an
diese gewöhnt werden und eine positive Grundhaltung gegenüber diesen Hand-
lungen entwickeln. Dies ist die Voraussetzung dafür, dass sie vernünftige Erläu-
terungen dafür, warum diese Handlungen richtig sind, später verstehen können.
Für den Prozess der Habituation bedeutet das, dass Habituationsprozesse
sich mit der zunehmenden Vernunftfähigkeit mitentwickeln können. Die Im-
pulse, die ein Erziehender ganz am Anfang gibt, werden anfänglich sehr schlicht
sein. Mit der wachsenden Argumentrezeptivität können Ratschläge und Hin-
weise sukzessiv immer komplexer werden. Die wachsende aktive Teilhabe des
menschlichen Kindes an der logos-Fähigkeit ist so für Aristoteles die Voraus-
286 | Laura Summa

setzung dafür, durch Habituation eine gute charakterliche Disposition auszubil-


den und so in die (familiäre und dann politische) Gemeinschaft des tugendhaften
Handelns hineinzuwachsen.

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Hallvard Fossheim
Aristotle on Political Agency

1 The Question
Is there such a thing as political agency in Aristotle? In one way, an answer is
readily available. Given our nature as political beings, one could simply and
safely reply that all human agency is political according to Aristotle. Sharpen-
ing the question, we might then ask whether Aristotle recognizes and develops
a notion of political agency more specific than what is directly implied by our
species being a zộon politikon?
To see the relevance of such a more specific question, think of our standard
use of the Nicomachean Ethics. One would hardly gather from most of the enor-
mous literature on this work which constitutional framework each author has
had in mind – or rather, one can gather that something like our own political
frameworks has been taken for granted, but rarely involved as relevant to the
analysis of agency. The examples and discussions almost universally concern
what we classify as a private or even intimate sphere. If any idea of a political
framework lingers in the background, it normally does not interfere in the pic-
ture painted, outside perhaps an acknowledgement of a general dependency for
humans on a social network and culture.
Even more pertinently, a lot of effort has gone into interpreting and expand-
ing on Aristotle’s notion of human agency. The readings that have been devel-
oped are important for our understanding of his ethics and psychology general-
ly and his theory of happiness specifically. Furthermore, that influence
stretches into contemporary virtue ethics, ensuring an impact well outside pure-
ly exegetical circles.
This essay is devoted to establishing that Aristotle does indeed provide the
basis for a theory of political agency proper. “Proper” contrasts with the ways in
which human agency can be said quite generally to be political according to
Aristotle. After briefly sketching those more general ways, I go on to show that
Aristotle also acknowledges and develops a specific conception of political
agency. This more specific analysis in the main divides into discussions of act-
ing for the community and of acting from office, respectively. Acting for the

https://doi.org/10.1515/9783110735598-013
290 | Hallvard Fossheim

community is developed from Aristotle’s somewhat mysterious contention that


phronêsis in one’s private doings and in a political capacity are different in be-
ing, although they are also the same.1
Acting from office, a more complex idea, is then approached by three main
stages. First, I investigate acting from office as closely related to Aristotle’s defi-
nition of the citizen. Second, I argue from Aristotle’s recommendations that he
considers political agency proper as having limitations and powers that are
peculiar to it: this is nowhere as obvious as in Aristotle’s portrayal of the tyrant,
which he fleshes out as what comes into being if someone retains a merely pri-
vate individual agency while acting in a political sphere. Third, I consider how
Aristotle thought of one and the same individual human agent as becoming
another sort of agency, in a way that is not reducible to mere metaphor, when
taking on political functions. This last issue I shall refer to as the question of
political transubstantiation.

2 Political Agency, Base Camp Style


Inquiring into political agency in Aristotle must commence from an apprecia-
tion that all human agency is after a fashion political agency. Every action is
political in that life takes place within a political framework. Aristotle famously
sums up his genealogy of the polis.

It is evident from these considerations, then, that a city-state is among the things that ex-
ist by nature, that a human being is by nature a political animal, and that anyone who is
without a city-state, not by luck but by nature, is either a poor specimen or else superhu-
man.2
(Pol. I 2, 1253a1–4)

||
1 I hasten to add that by “private” in this article I will intend only the meaning found in ex-
pressions like “in a private capacity”, that is, a mainly privative sense. Such “non-official”
agency is contrasted with political agency proper developed in the following pages. (Cf. Aristo-
tle’s use of “idiôtai” at, e.g., Nicomachean Ethics (EN) X 8, 1179a6–8, where he thinks of such
agency as citizen agency while at the same time defining citizen status in terms of political
agency; more on this in section 4, below.) For a Realpolitik take on private interest in Ancient
Athens, cf. Humphreys (1977/78).
2 Politics (Pol.) I 2, 1253a1–4; Reeve’s (1998) translation throughout.
Aristotle on Political Agency | 291

The individual needs the political framework in order to exist and act.3 By this is
meant more than that the framework functions only as a means or enabling
condition. Saying that we are political animals amounts to an articulation not
only of conditions, but of our essence. Even in his praising of the theoretical life,
Aristotle (unlike some of his commentators) never forgets the distinction be-
tween activity and life. Choosing the theoretical life means structuring one’s
existence teleologically around the activity theôria; it does not mean that one
somehow can let go of one’s political and social being and doing.4
Almost as encompassing a notion of political agency is reached via consid-
erations of justice. Aristotle defines justice in terms of inter-personal activities.5
Spelled out in terms of virtue, “justice, then, is complete excellence, only not
without qualification but in relation to another person” (EN V 1, 1129b25–27).
This means that any activity that reaches beyond the individual is political in
the sense of involving justice.
In a related sense, any act following or diverting from justice understood as
law is political, since law is the universal reason of a given polis. “For there is
justice between people who also have law governing interactions between
them.”6 Aristotle suggests how broadly encompassing is law to life in the polis
in his transitional passage from the Nicomachean Ethics to the Politics: “their
upbringing and patterns of behaviour must be ordered by the laws […]. [W]hen
they are grown men too, there will need to be laws covering these aspects too,
and indeed covering the whole of life” (EN X 9, 1179b34–35, 1180a2–4). This way
of determining political agency roughly overlaps with the previous one, and
might even include some acts (non-interpersonal ones) that do not belong to
political justice.

||
3 Political being is even more explicitly tied to species at Pol. I 2, 1253a27–29 (ἢ θηρίον ἢ θεός).
4 The distinction is obvious from EN X 7, 1177b26–29: the theoretical life is superior through
the single activity provided by the divine element in one, not because other aspects of one’s
existence are shed.
5 As set out in the first chapter of EN V (1129a32–b1). The Republic’s justice as psychological
harmony is thereby judged to be as a mistaken conflation of two different principles, and a way
of talking of justice which he in Nicomachean Ethics V 11 allows only “in an extended sense,
based on similarity” (κατὰ μεταφορὰν δὲ καὶ ὁμοιότητα, 1138b5–6; for the EN I have used
Rowe’s (2002) translation throughout).
6 EN V 6, 1134a30: ἔστι γὰρ δίκαιον, οἷς καὶ νόμος πρὸς αὑτούς.
292 | Hallvard Fossheim

3 Acting for the Community


As political animals, acting in spaces established by justice and law, we are
such that all our agency is political. However, Aristotle acknowledges a divide
within political action thus broadly construed, at the same time establishing
one of two aspects of what I term political agency proper. The division is be-
tween acting for one’s own good and acting for the community. The idea, then,
is that acting for one’s community will be political agency in a heightened way,
since actions so described are defined in terms of the political community as
their end or intention.
We glean the distinction from Aristotle’s comment on phronêsis, a perfec-
tion of agency. The phrasing is compact and a perhaps a little mystifying. “Polit-
ical expertise and wisdom are the same disposition, but their being is not the
same.”7 There might seem to be at least two main ways in which to understand
this dictum. On what we might call the identity reading, which I will argue is the
most sustainable one, the disposition (hexis) should be taken to denote whatev-
er is activated when one acts with perfection. If so, Aristotle’s claim is ultimately
that political expertise and phronêsis are identical when considered as the abil-
ity or expertise of the agent, but that the activities are named according to
whether they aim at the individual’s or the community’s good. On the alterna-
tive reading, the disposition mentioned would be the underlying ethical virtue
conditioning phronêsis and political expertise alike, serving both, while they
remain distinct.
One consideration that might make one consider the second option is that
Aristotle elsewhere distinguishes between various ways in which something can
be when it is not activated, and hexis then seems to be associated with ethical
virtues rather than with intellectual virtues.8 These technical niceties suggest
that phronêsis is not the sort of thing that can have a hexis. Ultimately, however,
Aristotle’s wording precludes the second option. The verb esti (“is”), deployed
in such a plain predication, so clearly tells us that phronêsis is a hexis, that we

||
7 EN VI 8, 1141b23–24: Ἔστι δὲ καὶ ἡ πολιτικὴ καὶ ἡ φρόνησις ἡ αὐτὴ μὲν ἕξις, τὸ μέντοι εἶναι
οὐ ταὐτὸν αὐταῖς.
8 This is at least a possible reading of EN II 5, seen in connection with the account of habitua-
tion (ethismos) leading up to it in the previous chapters. Cat. 8, 8b26–29, includes knowledge
as well as virtue among the hexeis.
Aristotle on Political Agency | 293

should consider hexis as whatever ability, disposition, or potential phronêsis


might be when it is not activated.9
Considered as an ability, then, the perfection of successful political agency
is the same as the perfection of successful individual agency. What of the sec-
ond part of Aristotle’s characterization, that “their being is not the same”? Aris-
totle’s investigations into being readily suggest at least the silhouette of an an-
swer. Speaking in terms of energeia and dunamis is one of the main ways of
speaking about being and differences in being.10 If so, that the being – to einai –
of phronêsis and political expertise are not the same might indicate that their
activation into full reality (energeia) is not the same.
If this is the general direction of Aristotle’s words, the fact that he spells out
the relation between them might suggest that Aristotle does not expect his lis-
teners to understand already that political expertise and practical wisdom are
indeed the same. Corroboration for my reading is found in the fact that Aristotle
points out that “[w]ith phronêsis too, what is thought to be phronêsis most of all
is the sort that relates to oneself as an individual, and it is this that is given the
generic name phronêsis” (EN VI 8, 1141b29–31). The word has been usurped by a
part of the whole it denotes. Likewise, although his earlier examples are intro-
duced as integral to setting out the received opinions, they turn out to be on his
side in this case: “Hence Pericles and such people are the ones whom we regard
as intelligent, because they are able to study what is good for themselves and
for human beings; and we think that household managers and politicians are
such people” (EN VI 5, 1140b7–11).
For our purposes, the upshot is that while he emphasizes the differences in
acting for the sake of oneself and acting politically in the more proper sense of
concerning oneself with the city’s good, Aristotle insists that a grounding com-
petence, ability, or disposition remains identical in the two cases. Considered in
isolation, the individual’s ability is the same whether the context is a private or
a political one; something else ensures that their activations differ from each
other in their being. As we shall see, this is not his last word on the matter.

||
9 EN X 8, 1178a14–22, could also be used to suggest that phronêsis could in fact be considered
a hexis due to its total and integrated dependency on ethical virtues. I will not press the point,
however.
10 Jagannathan (2019), esp. 10–15, develops a related view in terms of definition rather than
being.
294 | Hallvard Fossheim

4 Citizenship and Acting from Office


Aristotle recognizes acting from office as importantly (albeit not perfectly) over-
lapping with what it means to be a citizen. “The unqualified citizen is defined
by nothing else so much as by his participation in judgment and office.”11 Two of
the crucial words here, “judgment” (krisis) and “office” (archê), denote primary
channels for political activity.
Archê concerns those offices and positions from which an individual, how-
ever chosen, has formal powers and responsibilities for some limited function,
normally for a limited time. Aristotle’s label for acting in such capacities is “par-
ticipating in office” (metechein archês), an important part of what I call “acting
from office”. Depending on the size and wealth of the community, the list of
such offices as recognized by Aristotle can be longer or shorter, with general-
ship for military command on any city’s shortlist, and general overseer of wom-
en’s morals a desirable addition for any community that can afford to keep
someone in such a position.12
The judgment (krisis) prong of Aristotle’s stipulative definition explicitly
counters those who claim that jury-duty and its like are not inherently part of
what defines a citizen. From one point of view, serving on juries was known to
Aristotle, from his own observations of practices in Athens and elsewhere, as an
important way of controlling the polis. From another point of view, Aristotle’s
political theory defines the political community as being for the good. Thus too
the law-based judging of actions is an important way in which to set in play the
community’s formally shared conception of the good as well as of its aberra-
tions. He disagrees with those who would exclude citizenship from functions
like juror or assemblyman, and invents the expression “indeterminate office”13
in order to find common terminological ground and include serving on juries or
attending the assembly among the offices, the archai.
It is important to see that Aristotle is not simply describing Athens, but
stipulatively defining the citizen. He does so in a way that allows for a unified
view of who are citizens, whether one looks to Athens or elsewhere. An implica-
tion of course is that in some cities, like those that do not have broadly based

||
11 Pol. III 1, 1275a22–23: πολίτης δ’ ἁπλῶς οὐδενὶ τῶν ἄλλων ὁρίζεται μᾶλλον ἢ τῷ μετέχειν
κρίσεως καὶ ἀρχῆς.
12 I list the necessary offices in what follows.
13 Pol. III 1, 1275a32: aoristos archê.
Aristotle on Political Agency | 295

assemblies or jury service, the number of citizens will be small relative to the
size of the population.14 Political rule thus also fits into what we might call Aris-
totle’s metaphysics of ruling, his division into ruling and ruled as part of the
analysis of any complex organism. This dichotomy of rulers and ruled matches
a structure recognizable from his analyses of phenomena as different as animal
physiology, individual agency, and cosmic order.15
The definition allows Aristotle to distinguish between different ways of
thinking of people as somehow part of a society or state. Many people, he
thinks, will – and should – be present in the polis and serve crucial functions,
without thereby being part of the polis in the sense of being part of its rule. A
citizen is someone who can be part of that rule. The mode is conveyed by Aristo-
tle by the term exousia (Pol. III 1, 1275b18), “power, authority to do a thing”. The
term reminds us that any given citizen might at any given time not be part of the
rule. The citizen is the person who may enter such functions, not only the one
who in fact holds them.
Although Aristotle does not fully work out a theory of political agency based
on his theory of citizenship, such a theory is presupposed, in both his Politics
and Ethics. Acting from office normally brings with it a host of palpable altera-
tions in agency, concerning function, power, limitation, and reflection. Consid-
ering them in turn will make it clear that political agency in the sense of acting
from office entails a heightened form of agency by Aristotle’s standards.
Function (end or objective). While individual actions normally have a more
or less focused end, these ends for most of us are not clearly defined, and even
tend to enter into conflict with each other. Acting from office will, for the vari-
ous offices and appointments, be done on the basis of an explicit function in
terms of both site and end. Listing in Politics VI 8, the clarifying specializations
in terms of ends and functions that pertain to acting from office, Aristotle’s
analysis in terms of sites has the necessary offices fall into nine main divides:
the market (1321b12–18), property (1321b18–27), the countryside (1321b27–30),

||
14 For a discussion of how this plays out in Aristotle’s ideal or nearly ideal setup, cf. Samaras
(2015).
15 The metaphysics of ruling probably plays a major role in his view that if some individual is
as different from the others as a human to a herd of animals, this individual must rule (Pol. VII
3, 1325b7–14). Aristotle’s metaphysics of ruling thus does not reduce to the fact that, to the
extent that law establishes and defines justice, there is a difference between ruler and ruled
when the law says there is. Aristotle was of course familiar with existing practices in this re-
spect (cf., e.g., Ps.-Demosthenes [Or. 26] Against Aristogeiton II 5). The political dynamics of
what he calls Aristotle’s “rule of reason” is developed by Miller (2013).
296 | Hallvard Fossheim

community funds (1321b31–33), court administration (1321b34–40), punishment


(1321b40–1322a29), defense (1322a33–b6), overseeing of offices’ finances
(1322b7–12), and the administration of parliament (1322b12–17). For each of
them, Aristotle reminds his reader of the various sub-functions and how they
relate to an over-all end. Unlike private life, then, each political office is defined
in such a way as to provide focus over time and reduce (if not completely eradi-
cate) conflicts internal to the function.
Power (ability and recognition). While individual actions rest on some pow-
er or ability on the part of the individual, individuals vary enormously in such
power, and most do not have much of it. A community’s offices and institutions
are generally characterized by the fact that they are universally (or nearly uni-
versally) recognized in the community. According to Aristotle, this is not their
basis, however. For as citizens, all have a duty to uphold the state, and Aristotle
does not appear to leave much room for going outside the state’s recognized
channels of influence in altering or undoing it while remaining in the right.
Whereas the short answer to the question about the end of the polis is eudai-
monia or the good life, the slightly longer answer is that the will of the single
individual or a small group is trumped by political authority, if there is a con-
flict.16 Political agency as acting from office thus offers what we might call a
principled power. Such power does not depend on success at every turn, but
remains in force even if a given initiative is halted or opposed.
Limitation (strictures and laws). While all citizens by definition are ruled by
the laws, many things in a person’s life are not ruled by laws. In an individual’s
life, there will thus normally be ample opportunity for failings and corruptions
that take their point of departure in activities and habits that do not strictly
break any laws, or that take place outside the law’s gaze. As a holder of an of-
fice, however, one will come up against powers and options circumscribed in
such a way that many obvious failings will either be prevented or not escape
detection in the longer run. “Anyone who instructs law to rule [archein] would
seem to be asking god and the understanding alone to rule; whereas someone
who asks a human being asks a wild beast as well.”17 While such strictures are

||
16 Speaking in terms of brute force, a king can justly arm himself sufficiently to take down
limited uprisings, but not so much as to be able to quell a movement encompassing the majori-
ty of the populace: Pol. III 15, 1286b27–40. The exception is tyranny, because this is no longer a
political authority (cf. section 5).
17 Pol. III 16, 1287a28–30. The underlying tripartite moral psychology is briefly commented on
in the next section.
Aristotle on Political Agency | 297

far from perfect, and Aristotle bleakly evinces an awareness of their shortcom-
ings as a lasting challenge even to the best of societies, they ensure that acting
from office is disciplined entirely differently from the actions of a private indi-
vidual.
Reflection (knowledge of evaluations and checks). Finally, while each citi-
zen in his actions carries an awareness of being evaluated by his compatriots,
this is an aspect of individual agency that drastically varies in strength and
presence. Well-functioning political agency not only for the most part takes
place in front of witnesses, but is steeped in controls before, during, and after
service. These controls depend less on the individual’s moral psychological
setup, and more on formalized political practices, than is the case for individu-
al, private agency. “Most people are pretty poor judges about what is their
own.”18 This is perhaps nowhere as true as when justice is concerned. We all
tend to think that whatever we possess (whether freedom or funds) is what
should act as a measure rod for political power.19 A political framework is in
place to quell such reductions in perspective.
Pulling together these four aspects of acting from office, we can say that the
political agency to which they contribute is very different from non-official
agency in order, stability, and power. The actions of a private human being are
explainable in terms of personal ends, desires, character traits, and decisions
shaped by them. While political agency is certainly not independent of such
personal qualities, the very root of political agency is something that goes be-
yond the individual. On a formal level, its powers are afforded by the constitu-
tion (politeia).20 To Aristotle, a constitution is not a founding document, but
whatever conglomerate of laws and practices that sets out the basic structures
and strictures for running a city-state – inclusions, exclusions, eligibilities, and
strictures. In short, it is what constitutes a polis as a structured whole and polit-
ical agency as its constituents. In claiming that the constitution is the form of
the city-state, Aristotle in his own way subscribes to his teacher’s city/soul

||
18 Pol. III 9, 1280a15–16. Thus doctors and trainers call in other doctors and trainers for treat-
ment when it concerns their own case (Pol. III 16, 1287a41–b3).
19 Cf., e.g., Pol. V 1, 1301a25–b1.
20 Cf. Pol. III 4, 1276b29: “the community is the constitution”. Naturally, this is not to say that
being based in the constitution is exclusively definitive of political agency proper, since private
agency too depends on it.
298 | Hallvard Fossheim

analogy.21 The shape of the constitution might be said to inform political actions
somehow analogously to how character shapes individuals’ actions.
While there is analogy between the political and individual levels in this
particular way, however, what is engendered on the level of the active individu-
al is best characterized in terms of contrasts and oppositions. A contrast be-
tween individuals’ private actions and acting from office is suggested in the
following passage:

It is neither the individual juror, nor the individual councillor, nor the individual assem-
blyman who is ruling, but the court, the council, and the people, whereas each of the in-
dividuals mentioned is only a part of these [ἕκαστος μόριόν ἐστι τούτων]. (By ‘part’ I mean
the councillor, the assemblyman, and the juror).
(Pol. III 11, 1282a34–37)

The passage is potentially confusing, in that Aristotle simultaneously describes


two phenomena: acting from office and acting collectively. A challenge is how
to disentangle political agency understood as acting from political office from
collective agency in this part of Politics III. Usually, the passage is seen only as
part of what, since Waldron’s seminal essay, has been known as the “Doctrine
of the Wisdom of the Multitude” (DWM).22 The two are not identical, however,
nor is being part of an over-individual agent a criterion for political agency. It is
possible to instantiate political agency individually (to proffer an Athenian
example: say, as royal archôn) as well as collectively (e.g., as council).23
The Doctrine of the Wisdom of the Multitude is well known and much dis-
cussed in the literature, not least for its ability to ameliorate agency by combin-
ing resources and coordinating competences.24 Something analogous can be
said about the transformation of individual agency into political agency. Collec-
tive agency is a separate brand of agency in that its pooling of resources can

||
21 Cf. Pol. III 3, 1276b1–9: a change in constitution is a change in form, which in turn alters the
identity of its constituent parts.
22 Waldron (1995). A core passage is Pol. III 11, 1281a42–b10.
23 Correspondingly, it is possible to instantiate agency that is not specifically political even as
a collective agent, for instance, in a friendship. I hope to deal with such Aristotelian sub-
political collective agency in a future publication.
24 A recent critical voice concerning the specifics of coordination is Cammack (2014).
Aristotle on Political Agency | 299

lead to other, better-quality outcomes. As we have seen, the same is true of po-
litical agency proper, albeit by different mechanisms.25
We can make sense of Aristotle’s added clarification that what he intends in
talking about parts or members (moria) is “the councillor, the assemblyman,
and the juror”. What misunderstanding does he wish to avoid by means of this
emphasis, repeating the titles of individuals’ offices? Clearly, the misunder-
standing that he has in mind is that the parts should be conceived of as simply
individual human beings, entities not defined in terms of office. Nor should this
come as any surprise. Already by his definition of the citizen, Aristotle has em-
phasized the difference between an individual qua human being and an indi-
vidual qua citizen.26 Stepping back a little, we can appreciate how Aristotle in-
tegrates this distinction between the individual human being and the individual
office holder in his theory.

For if indeed a city-state is a sort of community of citizens sharing a constitution, then,


when the constitution changes its form and becomes different, it would seem that the city-
state too cannot remain the same. At any rate, a chorus that is at one time in a comedy and
at another in a tragedy is said to be two different choruses, even though the human beings
in it are often the same.
(Pol. III 3, 1276b1–6)

More absolutely than a human being, a citizen is ultimately defined in terms of


power granted by the constitution. The definitional dependence of a citizen on
the constitution brings to the surface how political agency depends on some-
thing more and other than the person’s own, individual powers and abilities.
Again, the picture is complicated by Aristotle’s superimposition of collective
and political agency in his treatment. However one sees it, though, the distinc-
tion between the individual human being and the individual office holder is not
reducible to a metaphor.

||
25 Collective action and acting from political office share something important, in that neither
collective nor political agency can be understood simply as the expression of the individual
agent (in what we might term ‘merely’ ethical agency).
26 Just as who is a citizen is a different question from who is a human being – and even from
who is a male, Greek human being of age and sound mind – the good citizen will differ from
the good human being in almost all instances (cf. Pol. III 4, 1276b16–1277a10). This is because
the goodness of the citizen is co-determined by the regime’s continued existence. Thus, justice
– political justice – is not capable of destroying a city-state, because virtue politically defined
“certainly does not ruin what has it, nor is justice something capable of destroying a city-state”
(Pol. III 10, 1281a19–20).
300 | Hallvard Fossheim

5 The Tyrant
It has hopefully become clear that Aristotle possesses a developed conception of
political agency proper. We will now investigate just how deep – how reflective,
how considered – this complex conception of political agency is. By illustrating
its disappearance, the tyrant will function as a litmus test for what difference it
makes according to Aristotle whether political agency, as acting from office, in
fact is present as a transformative and non-metaphorical mode of acting.
On a general level, by Aristotle’s own lights, there could be no such thing as
a good human being outside the political sphere.27 That much was made clear
by the quote with which we opened (1253a1–4), where Aristotle claims that the
individual needs the polis. The tyrant shows us how important political agency
is, in the more specific sense of acting from office. For tyranny is nothing so
much as the collapse of political agency proper into private agency.
First, Aristotle’s tyrant is someone who radically breaks with the entire set
of political strictures and grounds offered by a constitution. Someone who in-
herits the position is not really a tyrant. Aristotle suggests that the act of de-
struction is almost definitive of tyranny.28 The tyrant usurps power by undoing
the entire structure of political agency set by established laws. He thereby also
erases the end set up by the community; substitutes fear for recognition; and
exists in a mode of agency devoid of external checks and balances. In other
words, the tyrant is the undoing of political agency proper.
Second, the tyrant’s resulting position thus, equally definitely, marks him
as someone without recourse to the channels of mutual recognition and criti-
cism that characterize political agency. Nor can the tyrant take recourse in
friendship or personal relations, since personal relations depend on political
relations.

As for the deviations, just as there is little in the way of justice in them, so there is little
friendship, and least in the worst deviation; for in a tyranny there is no, or little, friend-
ship. For where there is nothing in common between ruler and ruled, there is no friend-
ship either (after all, neither is there justice) […].
(EN VIII 11, 1161a30–34)

||
27 So when the good human being and the good citizen are not the same, this is not because
there is such a thing as a good human being outside the political sphere.
28 He does this in Pol. V 10, 1310b12–31, through his way of focusing on the coming-to-be of
tyranny as a seemingly defining feature of it.
Aristotle on Political Agency | 301

The lack of a shared basis ! including, but not limited to, a shared advantage !
runs so deeply in tyranny that complete friendship is more or less impossible
even among the inhabitants. Friendship in Aristotle’s full sense can only exist
through mutual recognition and openness, involving constructive criticism and
dialogue when this is in order. In a tyranny, it never is. The tyrant himself more
than anyone else suffers from the resulting vacuum. No voice of alternate per-
spectives, or further reflection, enters the tyrant’s purview. The inverse relation-
ship between political agency and merely inflated individual agency, law and
tyranny, is succinctly communicated in Aristotle’s conclusion.

This is why we do not allow a human being to rule, but rather logos, on the grounds that a
human being does it for himself and becomes a tyrant; but the ruler [ho archôn] is guardi-
an of what is just, and if of the just, of the equal too.
(EN V 6, 1134a35–b2)

It is crucial to realize that Aristotle is not just saying that tyranny is bad, but
that human beings performing political functions will turn radically bad if they
lack political agency proper. According to Aristotle’s version of psychological
tripartition, only reason stands a chance against corrupting forces if rule takes
place outside these strictures. “For appetite [epithymia] is like a wild beast
[thêrion, from a30], and passion [thymos] perverts rulers even when they are the
best men” (Pol. III 16, 1287a30–32). What Aristotle is claiming is that we are all
tyrants in the bud, were it not for the strictures and affordances of political
agency afforded in acting from office.29
Aristotle’s sketch of the tyrant, then, at the same time offers a glimpse of the
importance of political agency, in that the tyrant is a figure who lacks it.

6 Transubstantiation
As a final stage, I wish to pose what I will call a question of transubstantiation
about each of the two more specific notions of political agency I have sketched
– acting for the sake of the community and acting from office. Is there a mean-
ingful way in which we should say that the agent changes into an importantly
different agent in moving from acting for one’s own good to acting for the good

||
29 Even with those strictures in place, Aristotle warns that power – whether of idiôtai or archai
– has a universal tendency to engender corruption: Pol. V 4, 1304a33–38.
302 | Hallvard Fossheim

of the community, or in moving from acting as a private individual to acting


from office? I use the term “transubstantiation” to emphasize that the sort of
alteration I am considering would not be merely metaphorical. A real, as op-
posed to a merely metaphorical, change in agency would naturally be one that
affected the outcomes of actions, but that would not be sufficient. To Aristotle,
agency is something that affords causal explanation. The core of the question,
therefore, is rather about whether a truthful and informative account of the
agency would have to operate with other items, and include other factors, than
those listed in what I have here termed private or merely ethical agency.
In the standard ethical case, such agency requires as its conditions non-
force and knowledge, and reference to the agent’s decision in terms of inten-
tions and general principles, which in turn refer to the person’s state vis-à-vis
virtue and vice.30 This is the core of explaining an action, Aristotle-style. Is polit-
ical agency proper reducible to those same factors, or do we have to
acknowledge other elements in providing a proper explanation in such cases?
Let us first look at acting for the community. When outcomes are con-
cerned, Aristotle seems to think that in most cases, as long as the agent is a
basically decent person and the political framework a reasonably good one,
acting for one’s own good and acting for the good of the community will effec-
tuate at least fairly similar actions.31 That is, if the situation forcing a decision is
about, say, defending the city, then there will not be one course of action for the
fairly good private individual and a wholly other option for the decent citizen.
In such cases, there is no conflict between parallel schemes or strategies in the
agent’s mind. Notice, however, that the harmonizing mechanism is not that the
two aims are identical. The possibility of conflict is reduced because one’s role
as a citizen is prioritized in such clear-cut, dramatic cases. In slightly other
words, we might speak of harmonization by priority, not harmonization by inte-
gration in the single case.
Nevertheless, comparing acting for one’s own good to acting for the good of
the community can also reveal other consequences. Since the former depends
so radically on the latter in the sort of example just mentioned, let us consider
instead a case of seeing that one could use one’s material surplus to secure a
critical good for the community. Imagining for the sake of the example that the

||
30 For helpful sketches of ethical agency, cf. Price (2011), ch. C 2 (“Aristotle on Practical Rea-
soning”), and Gottlieb (2006).
31 Correspondingly, the happiness of the city and the happiness of the individuals are one
and the same thing: Pol. VII 2, 1324a5–7.
Aristotle on Political Agency | 303

individual unsolicited decides to help the city (it is not forced upon one as leito-
urgia, for example), the mindset or intention of the agent shifts from focusing
on some good pertaining exclusively to oneself, one’s friends, or one’s house-
hold, to focusing on some good of the political community.
Even in such cases, I am doubtful that we need to acknowledge a change in
agency of a transubstantive kind: we still explain the action in term of the
agent’s priorities and qualities, just as we would a decision to help one’s friend
or to spend one’s day at the Academy.
This changes when we look at acting from office. For in the sort of case we
have to consider here, the difference really concerns the status of the agency in
question (say, the difference between the private individual and the court
judge) and includes differences in function, authority, and framework. Acting
from office is in one way the individual acting, but in other ways, it is not. As we
have seen, Aristotle takes for granted such a change, and incorporates it in his
explanations and recommendations in ways that suggest an implicit theory. At
one point, he offers a suggestive indication. In Politics I 12, Aristotle reminds us
of “what Amasis said about his footbath” (1259b8–9). Amasis rose to the posi-
tion of pharaoh in 570 BC. At first looked down on by the Egyptians due to his
low birth and dubious background, his reign in the end was seen as a success,
peaceful and prosperous. According to Herodotus, the footbath incident went as
follows. This was early in his time as pharaoh, while he was still held in little
regard by his people. Among his countless treasures was a golden footbath in
which Amasis and his guests had their feet washed before feasts. Amasis took
this footbath and had it molten into a statue representing a god. He positioned it
in a most prominent place in the city. The Egyptians revered and looked up to
this divine image. Summing up, Amasis compared himself to the footbath
turned into an object of divinity. “Once I was a common man, now I am a king;
it is your duty to honour me and hold me in regard.”32
Aristotle is not very verbose in explaining to us what lesson he wants his lis-
teners or readers to take away from this elegant parable. The context seems to
be about how those in power try to establish a distinction between themselves
and the ruled in cases where the two are otherwise equal in relevant qualities.
In that respect, one might think the story is meant as a reminder that there is
nothing behind apparent authority. The gold in the statue is just the gold in the
footbath.

||
32 Herodotus II 172 (trans. Godley (1920)).
304 | Hallvard Fossheim

At the same time, the story fits well with other well-known Aristotelian ten-
ets concerning form and matter. The statue and footbath are not primarily gold,
even though they are of gold. Similarly for political office: it is not the individual
history of the person elected, or chosen by lot, that determines his authority as a
public official. He is merely the material that now goes into the political form
and function. Aristotle’s point is not that Amasis was playing illegitimate tricks
on the people. On the contrary, Aristotle straightaway goes on to say that one of
his own favourite instances of legitimate rule, that of man over woman, is of just
this kind (1259b9–10).
Amasis was in this respect a good Aristotelian. When he is pharaoh, he
should not be treated as a commoner, just as an image of a god should not be
looked down upon as a footbath. Doing so is mistaking the identity of the object
for something else, in this case, for its material constituents. Aristotle, in men-
tioning Amasis, means to remind us of the more complex insight that legitimate
(non-tyrannical) rule affects the status of agency. Doing so requires signs – by
manner, title, or rank – to secure the distinction upon which it rests. But those
signs are not at the heart of the transformation. What is essential, has to do
instead with the ruled and the ruler, respectively. As for the former, Aristotle’s
Amasis helps us get a little clearer about how political rule is not only about the
rulers, but also about the ruled – about the conceptions, abilities, qualities, and
opinions of the ruled. Non-tyrannical rule requires recognition.
In respect of the latter, the radical change in agency is not reducible to any
ethical change in terms of virtues or vices, but a transformation of agency that
goes far outside that psychological dimension. In explaining political agency
proper, understood as acting from office, very different mechanisms must be
introduced to identify and articulate the causes at work. Function, recognition,
limitation, and reflection come together to afford other choices, other options,
other responsibilities, other powers, and other borders. “Now I am king”.

7 Concluding Remarks
To reiterate, there are at least three general ways in which one can see political
agency as acknowledged in Aristotle: any action (in a polis), any other-directed
action, and any legally prescribed or proscribed action. Then, more interesting-
ly and less discussed, there are at least two notions of political agency that are
more specific: acting for the community’s good and acting from office. These
two overlap with each other as well as with the notion of collective or shared
agency, in ways that can make it difficult to disentangle the various elements of
Aristotle on Political Agency | 305

agency, but that also make it clear that Aristotle does acknowledge and work
from a notion of political agency not reducible to personal ethical agency. In-
cluding political agency proper in our reading of Aristotle constitutes an ad-
vancement in our understanding of his notion of human agency.
We might think that the second notion of political agency, acting from of-
fice, is narrower than Aristotle’s other notion of political agency proper, acting
with a view to the common good. However, whether speaking historically or
from a study of Aristotle’s examples, acting for the public good would normally
take part in ! and depend on ! a framework provided by acting from office. This
of course is not to say that one cannot activate phronêsis in acting for the com-
munity outside of holding office. It is quite likely, however, that both in his
ideal theory and in the Athens of Aristotle’s time, acting from office was much
more common than truly acting for the common good outside an official posi-
tion. The dozens of public sub-functions and great number of active positions
defined in terms of Aristotle’s necessary offices ensure that the average citizen
would habitually be acting from office.

Bibliography
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Theory 41, no. 2, 175–202.
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Guide to Aristotle’s Nicomachean Ethics, Malden Mass., 2006, 218–233.
Humphreys (1977/78): Sarah C. Humphreys, “Public and Private Interests in Classical Athens”,
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Jagannathan (2019): Dhananjay Jagannathan, “Every Man a Legislator: Aristotle on Political
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Destrée (eds.), The Cambridge Companion to Aristotle’s Politics, Cambridge, 2013, 38–66.
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2015, 123–141.
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Chapter 11 of Aristotle’s Politics”, in: Political Theory 23, no. 4, 563–584.
Uwe Walter
An der Stasis teilhaben
Assoziation und Dissoziation als Handlungsmuster im
griechischen Bürgerstaat

1 Tanzen wider den Bürgerkrieg?


Nach der Kapitulation gegenüber Sparta im Peloponnesischen Krieg waren im
Jahr 404 in Athen die sog. Dreißig an die Macht gekommen, zunächst formal
getarnt als von der Volksversammlung eingesetztes Gremium, das eine Neufas-
sung der Gesetze in Angriff nehmen sollte.1 Die Gruppe bestand aus Oligarchen,
militanten Gegnern der Volksherrschaft aus der Oberschicht, die endlich eine
Chance sahen, die seit langem verhasste Demokratie loszuwerden. Viele über-
zeugte Anhänger der seit drei Generationen in Athen etablierten politischen
Ordnung waren zu dieser Zeit gar nicht in der Stadt, vor allem die Reste der
einst so stolzen Flotte. Die verbliebenen, durch die Kriegsniederlage ohnehin
bis ins Mark erschütterten Demokraten wurden überspielt, indem die schwer
greifbaren sog. Hetairien – kleine private Zusammenschlüsse von Oligarchen,
verstärkt durch rachelüsterne Rückkehrer aus dem Exil und gewaltbereite junge
Männer ‒ wie schon bei der ersten Verfassungsänderung im Jahr 4112 eine At-
mosphäre der Unsicherheit und Einschüchterung verbreiteten. Die Volksver-
sammlung wurde bald gar nicht mehr einberufen, ein neu zusammengesetzter
Rat der 500 diente als Feigenblatt für die faktische Diktatur der Dreißig. Dieses
in sich ohnehin heterogene Regime um Kritias3, einen Onkel Platons, und

||
Anmerkung: Der Frankfurter Vortrag, dessen Titel die bald dreißig Jahre alte Dissertation des
Verfassers spiegelt (Walter [1993]), erscheint hier in etwas erweiterter und annotierter Gestalt.
Einige Passagen sind modifiziert aus Walter (2013) übernommen. Dem Überblickscharakter
geschuldet beschränken sich die Literaturnachweise auf ein Minimum und sind längere grie-
chische Texte nur in Übersetzung angeführt. ‒ Alle Jahreszahlen verstehen sich „v. Chr.“.
||
1 Aus den vielen Darstellungen zum Regime der Dreißig seien hier exemplarisch genannt:
Meyer (1902/1956), 13‒22, 32‒40; Welwei (1999), 247‒257; Munn (2000), 218‒247. Lehmann
(1997) ordnet die ‚Dreißig‘ diachron in die athenische Geschichte ein.
2 Für eine einführende Skizze s. Bringmann (1998); immer noch lesenswert ist Meyer
(1901/1965), 279‒305.
3 Zu ihm s. Németh (2006).

https://doi.org/10.1515/9783110735598-014
308 | Uwe Walter

Theramenes radikalisierte sich bald, teils aus einer inneren revolutionären Dy-
namik heraus, in der Radikale meist im Vorteil gegenüber Gemäßigten sind,
teils unter dem Druck der Verhältnisse: Um eine spartanische Besatzungstruppe
zu bezahlen, musste Geld aufgebracht werden, das nur zu generieren war, in-
dem man gutsituierte Bürger sowie Metöken in Prozessen verfolgte, enteignete,
verbannte, in großen Zahlen auch ermorden ließ. Wer konnte, brachte sich
durch Flucht in Sicherheit. Damit waren die Fronten klar, es bestand die klassi-
sche Konstellation einer Stasis, eine Spaltung der Polis: In Athen herrschten die
Dreißig und ihre Anhänger sowie viele Mitläufer, unterstützt von einer spartani-
schen Truppe, und verschärften ihren Terror durch Massenhinrichtungen; jen-
seits von Attika, in Theben und weiteren Städten sowie auf Samos rüsteten die
Demokraten, ebenfalls mit Unterstützung auswärtiger Mächte, zur Rückerobe-
rung ihrer Stadt. Es kam 403 zu Kämpfen, bei denen auch Kritias sein Leben ver-
lor4, sowie zu einer militärischen Pattsituation. Diese führte nach einem politi-
schen Umschwung in Sparta zu einem Waffenstillstand zwischen den Bürger-
kriegsparteien, den die Spartaner vermittelten: Alles Vergangene sollte verge-
ben und vergessen sein, niemand wegen einer Handlung zur Rechenschaft ge-
zogen werden können, die er während oder vor der Revolution begangen hatte.
Ausgenommen war nur der harte Kern von Oligarchen, denen aber die Option
offenstehen sollte, vor Gericht Rechenschaft abzulegen.5 Die Anhänger der Oli-
garchie bildeten eine Sondergemeinde in Eleusis und sollten dort unbehelligt
bleiben, im übrigen Athen und Attika wurde die Demokratie wiederhergestellt.
Zwei Jahre später, 401, trat das eleusinische Klein-Athen unter Zusicherungen
und Eiden dem demokratischen Groß-Athen bei, die staatliche Einheit war zu-
rückgewonnen. Die politische, juristische und mentale ‚Bewältigung‘ dieser
Katastrophe sollte die Athener indes noch mindestens eine Generation lang
beschäftigen6, trotz der aus der Vereinbarung von 403 übernommenen Amnes-
tie und des wegweisenden Amnesiegebots.7 Ein markanter, nur im politischen
Kontext angemessen zu verstehender Höhepunkt dieser ‚Vergangenheitsbewäl-
tigung‘ war der Sokratesprozess 399.8

||
4 Der von Anhängern gesetzte Epitaph für ihn und die anderen Toten der Dreißig zeugt von
ungebrochener Feindseligkeit (Schol. Aischin. 1,39,18f.): μνῆμα τόδ’ ἔστ’ ἀνδρῶν ἀγαθῶν, οἳ
τὸν κατάρατον δῆμον Ἀθηναίων ὀλίγον χρόνον ὕβριος ἔσχον.
5 Vgl. Loening (1987). Zur ‚Bewältigung‘ gehörte auch die vielbehandelte Modifikation des
politischen Systems; einen guten Überblick bietet Haßkamp (2005).
6 Dazu Shear (2011), Kap. 6‒10.
7 Dazu monographisch Loraux (2002) und Wolpert (2002).
8 Wer diese Initialzündung für die klassische griechische Philosophie historisch angemessen
verstehen will, muss gegenüber dem platonischen Zerrbild des Verfahrens den Blick auf die po-
An der Stasis teilhaben | 309

Eine Episode aus den schrecklichen achtzehn Monaten von Diktatur und
Bürgerkrieg ist für das Thema des folgenden Überblicks von besonderem Inter-
esse. Nach einem Gefecht im Piräus, so berichtet Xenophon, kamen Mitglieder
der beiden Bürgerschaften zusammen und redeten miteinander. Ein gewisser
Kleokritos, seines Zeichens Herold bei den Eleusinischen Mysterien, wandte
sich an die Oligarchen:

Mitbürger, warum verjagt ihr uns? Warum wollt ihr uns töten? Wir haben euch doch noch
niemals ein Leid getan, sondern wir haben zusammen mit euch an den ehrwürdigsten
Kulthandlungen und Opfern und an den schönsten Festen teilgenommen, wir sind Ge-
fährten im Reigentanz, Schulgefährten und Kampfgefährten gewesen, und wir haben mit
euch zusammen so manche Gefahr auf dem Lande und auf dem Meere bestanden, um die
unseren beiden Parteien gemeinsame Sicherheit und Freiheit zu erhalten. Bei den Göttern
unserer Väter und Mütter, bei den Banden des Blutes, der Verschwägerung und der
Freundschaft ‒ denn durch alles dies sind viele von uns untereinander verbunden ‒ be-
schwöre ich euch, in Ehrfurcht vor Göttern und Menschen den Verfehlungen gegen das
Vaterland ein Ende zu setzen! Hört nicht länger auf die gottlosesten aller Menschen, die
Dreißig, welche um ihres persönlichen Vorteils willen in acht Monaten beinahe mehr
Athener ums Leben gebracht haben als sämtliche Peloponnesier in zehn Kriegsjahren.
Während es uns freistand, in Frieden als Bürger eines Staates miteinander zu leben, stif-
ten diese uns zu dem allerverächtlichsten, verderblichsten, gottlosesten und bei Göttern
und Menschen verhaßtesten aller Kriege untereinander an.
(Xen. Hell. II 4,20–22; Übers. Strasburger)

Dieser Versöhnungsappell nennt als verbindende Kräfte zwischen den Bürgern


Athens also die Götter der Väter und Mütter, die myth-historische Verwandt-
schaft aller Athener miteinander sowie tatsächliche gestiftete Verwandtschaften
und Freundschaften. Zuvörderst aber appelliert der Redner an konkrete Hand-
lungen, welche die Bürger einst zusammengeführt haben: Teilnahme an Opfern
und Festen, am Tanz, am Unterricht und am Militärdienst. Die kurze Rede führt
plastisch vor Augen, dass sich eine Polis wie Athen nicht allein durch ihr Gebiet
mit Grenzen und Siedlungsverdichtungen oder durch ihre politischen Instituti-
onen definieren lässt. Die Polis war vielmehr für die Bürger und darüber hinaus
ein Raum, in dem Gemeinsamkeit und Zugehörigkeit in erster Linie durch ge-
meinsame Handlungen generiert wurden. Das Bürgersein stellte ‒ anders als in
Rom ‒ keinen abstrakten Rechtsstatus dar, sondern materialisierte sich im ge-
meinschaftlichen Tun, wobei die Assoziationen in ihrer Größe sehr unterschied-

||
litischen Voraussetzungen richten, die zu dem durchaus nachvollziehbaren Urteil gegen den
Lehrer und Freund prominenter Mitglieder der Dreißig, darunter Kritias, führten. Dieses wurde
zu einer Zeit gesprochen, in der die Bürgerschaft sensibler als zuvor auf Provokationen reagier-
te. Vgl. Hansen (1995); Stone (1988).
310 | Uwe Walter

lich waren: Das konnten kleine Gruppen von Freunden sein, die sich zum Sym-
posion trafen, oder Kultgemeinschaften, aber auch größere Kreise wie die örtli-
che Siedlungsgemeinschaft (Demos), die Phratrie und die Phyle, schließlich die
politischen und gerichtlichen Institutionen in der Stadt Athen, die nach Hun-
derten oder gar Tausenden zählten.
Es ging also um Handlungen und Haltungen. Nicht zufällig bildete für Aris-
toteles die Politik systematisch eine logische Fortsetzung der Ethik: Die Ethik
als praktische Wissenschaft vom menschlichen Leben ziele auf das möglichst
beste Leben, das sich durch richtiges Handeln erreichen lasse. Handeln aber ge-
schehe stets mit anderen Menschen zusammen oder mit Bezug auf andere, sei
also soziales Handeln im Verband. Zum wertvollen Menschen mit einem guten
Leben werde man dabei nicht allein durch Naturanlage oder durch bloße Ein-
sicht in das Richtige, sondern vor allem durch Gewöhnung und Belehrung. Ge-
wöhnung und wirksame Belehrung in diese Richtung seien aber nur in einer
durch gute Gesetze geordneten Gemeinschaft möglich. Die Gesetze und das Mit-
einander der Bürger wirkten dabei erziehend. Die Gesetzgebung wiederum so-
wie die eingeübte politische Praxis seien Emanationen der politikê epistêmê;
diese zu gewinnen stelle demnach einen Teil der ethischen Selbstvollendung
des Menschen dar.9

2 Assoziation ohne ‚natürliche‘ Fundierung


Bekanntlich unterscheidet Aristoteles zu Beginn seiner Politik zwei Lebens- und
Handlungsbereiche: das Haus (Oikos) und das Gemeinwesen (Polis). In beiden
bestehen herrschaftliche Verhältnisse, also Über- und Unterordnung. Doch die-
se Verhältnisse unterscheiden sich je nach Konstellation: In den „natürlichen
Gemeinschaften“ verfährt der Herr mit seinen Sklaven uneingeschränkt her-
risch (‚despotisch‘), die Eltern erziehen ihre Kinder als fürsorgliche Herren (‚kö-
niglich‘). Das Verhältnis zwischen Eheleuten nennt Aristoteles dann bereits ‚po-
litisch‘: Beide seien frei, und ihre Beziehung basiere auf Freundschaft; das Ver-
hältnis sei komplementär, aber ungleich, da der Mann dauerhaft der Frau über-
geordnet sei.10 Im eigentlichen Sinne politisch genannt zu werden verdiene aber
lediglich das Verhältnis unter Bürgern: Sie seien als Bürger untereinander
gleich, und die unvermeidbare Herrschaft in diesem Raum sei nicht dauerhaft,

||
9 Vgl. Aristot. EN X 10, 1179a33‒1181b23 sowie u. am Ende dieses Aufsatzes.
10 Vgl. einsichtig Weber (2015), 83‒92.
An der Stasis teilhaben | 311

vielmehr lösten sich Herrschen und Beherrschtwerden im Wechsel ab: „Bürger


ist allgemein gesagt, wer am Herrschen und Beherrschtwerden teilhat, in jeder
Verfassung ist er verschieden bestimmt, in der besten Verfassung ist Bürger
derjenige, der fähig ist und die Entscheidung getroffen hat, ausgerichtet auf ein
Leben nach der Norm höchster menschlicher Qualität (kat’ aretên) zu herrschen
und sich beherrschen zu lassen.“11
Zwar bilden für Aristoteles die Oikoi sozusagen die Bausteine, aus denen
eine Polis besteht, aber wichtig ist für uns, dass beide Bereiche kategorial ge-
trennt erscheinen. Bei allem Schematismus hat der Philosoph hier eine Beson-
derheit griechischer politischer Ordnungen im Vergleich zu anderen vormoder-
nen Formationen zutreffend identifiziert: Die Hellenen lösten den politischen
Raum in hohem Maße von Strukturen, die auf natürliche Verhältnisse zurück-
gingen. Während in den meisten vormodernen Gesellschaften Blutsverwandt-
schaft und gestiftete Verwandtschaften in Gestalt von Familien, Geschlechtern,
Clans oder Stämmen auch die Politik stark beeinflussten oder sogar dominier-
ten, war dies in den griechischen Poleis so gut wie gar nicht der Fall. Ja, man
kann sogar sagen, dass zumindest in Athen und Sparta die im Kern (jedoch
selbstverständlich nicht in ihren konkreten kulturellen Ausprägungen) natürli-
che soziale Einheit Familie von der politischen, also willentlichen Vergemein-
schaftung zurückgedrängt wurde. Im Dienste ihrer Formierung hat man in Spar-
ta sogar zeitweise die Ehe abgeschafft. Auch in Athen war, wenn auch in ganz
anderer Weise, die Hierarchisierung sichtbar, etwa im Stadtbild: die privaten
Häuser in Athen waren bis ins 4. Jahrhundert hinein unspektakulär und ten-
denziell recht ähnlich, während der öffentliche Raum früh ausgestaltet und
‚sichtbar‘ gemacht wurde. Zugespitzt formuliert: Die Verkümmerung der Fami-
lie war der Preis, den die Athener zu entrichten hatten, um den Fesseln von
Tribalismus und Verwandtschaft zu entkommen.12 Ebenso wenig spielten bei
den Griechen dauerhafte vertikale Abhängigkeiten in Gestalt von Klientelbezie-
hungen zwischen Bürgern eine nennenswerte Rolle, anders als in vielen ande-
ren vormodernen Gesellschaften (z.B. auch im antiken Rom).
Aus diesem Befund ergibt sich eine logische Konsequenz: Wenn Assoziation
und Dissoziation, wenn Solidarität und Feindschaft in der griechischen Polis
nicht in erster Linie durch Verwandtschaft im weiteren Sinn oder durch Klien-
telverhältnisse strukturiert waren, wenn es also so gut wie keine ‚natürlichen‘

||
11 Aristot. Pol. III 13, 1283b42‒1284a3; Übers. Schütrumpf, verändert.
12 Vgl. Murray (1986), 217: „The erosion of the family was the price to be paid for her success
in escaping from the ties of tribalism and kinship to create a new type of social and political or-
ganization.“
312 | Uwe Walter

und stabilen Loyalitäten gab, musste eine andere Art von Kohärenz eintreten,
um kein soziales Vakuum entstehen zu lassen. Und diese Kohärenz wurde her-
gestellt durch genossenschaftliche Zusammenschlüsse, die entweder egalitär
oder zustimmungshierarchisch funktionierten und die schon früh auch auf ge-
setzten Regeln sowie gemeinsamen Interessen und Überzeugungen basierten.
Ihre Bindekraft waren der häufige Umgang miteinander im gemeinsamen Tun
und die daraus erwachsende Freundschaft (philia). Aristoteles baut diesen Ge-
danken in sein Modell der idealen Polis ein: Die Gemeinschaft eines guten Le-
bens könne sich nicht entwickeln, wenn ihre Mitglieder „nicht ein und densel-
ben Ort bewohnen und untereinander als gültig anerkannte Ehen schließen.
Deswegen bildeten sich ja auch in den Poleis verwandtschaftliche Beziehungen
und Phratrien aus, und es gibt gemeinsame Opfer und Veranstaltungen geselli-
gen Zeitvertreibs. Es ist aber nur Freundschaft, die dies zustande bringt, denn
die Entscheidung (prohairesis) zum Zusammenleben macht eine Freundschaft
aus.“13 Man beachte, wie stark Aristoteles hier den Akzent auf Wahl und Willen
setzt. Auch wenn nicht für alle Assoziationen eine Freiwilligkeit galt ‒ so wurde
man in Athen in einen Demos und dadurch auch in eine Phyle hineingeboren ‒,
so ruhten diese alle doch durchweg ganz wesentlich auf dem aktiven Mitwirken
jedes einzelnen Mitglieds. In diesem Sinn liegt es auf der Hand, dass sich die
Frage der Kohärenz und Stabilität solcher Gebilde sowie ihres Zusammen- oder
eben auch Gegeneinander-Agierens in spezifischer Dringlichkeit stellte ‒ weil es
eben keine ‚natürlichen‘ und selbstverständlichen Leitmuster gab.

3 Stasis: die politische Dissoziation als Kehrseite


disponibler Loyalitäten
Liest man Präskripte inschriftlich überlieferter Volksbeschlüsse griechischer
Poleis einmal seriell durch, fällt auf, wie emphatisch hier eine Einheit des Wil-
lens beschworen wird. Eines der ältesten Dokumente dieser Art aus dem 7. Jahr-
hundert beginnt mit „Das hat die Polis beschlossen“.14 Einem athenischen
Volksbeschluss des 5. oder 4. Jahrhunderts, in dem penibel der Antragsteller,
der gerade amtierende Archont, die im Rat geschäftsführende Phyle, der Schrei-
ber des Rates, der täglich wechselnde Vorsteher der Volksversammlung und ge-
gebenenfalls auch noch der Proponent eines Abänderungs- oder Ergänzungsan-

||
13 Aristot. Pol. III 9, 1280b35‒39; Übers. Schütrumpf, verändert.
14 Rhodes / Lewis (1997), 301 (Dreros auf Kreta).
An der Stasis teilhaben | 313

trages genannt werden, stand stets die Formel „Rat und Volk haben beschlos-
sen“ voran.15 Gleichzeitig herrschte bei der Entscheidungsfindung in den zentra-
len politischen Gremien vielfach die Mehrheitsregel.16 Diese hatte erheblichen
Einfluss auf die politische Kommunikation. Für das Gemeinwesen relevante
Entscheidungen können nämlich prinzipiell auch ganz anders, nämlich kon-
sensorientiert hergestellt werden, etwa durch Palaver, wie bei vielen nordame-
rikanischen Indianerstämmen, oder durch das Prinzip der aufgeschobenen
Gegenleistung. Die Rhetorik orientiert sich in diesem Fall am Ziel der Konsens-
herstellung beziehungsweise der Reziprozität, sie betont das Gemeinsame und
vermeidet Zuspitzung und Ausgrenzung. Entscheidungen so zu fällen braucht
jedoch sehr viel Zeit und möglichst überschaubare Verhältnisse. Ein System mit
Mehrheitsentscheidung hingegen ist schnell, außerdem begünstigt es polemi-
sche Rhetorik in dem Sinne, dass die Optionen möglichst klar herausgearbeitet
und gegenübergestellt werden. Das ist solange unproblematisch, wie die Mehr-
heiten wechseln. Kommt es aber zu dauerhaften Parteiungen, etwa entlang
sozio-ökonomischer oder regionaler Differenzen, persönlicher Rivalitäten oder
sogar außenpolitischer Ausrichtungen (pro/contra Persien; Athen vs. Sparta),
dann kann das zu einer Verfestigung führen, als ob sich eine Gruppe die Polis
dauerhaft aneignet und die andere in die Ecke drängt oder ausgrenzt.17 Eine
solche Konstellation war nun in der Tat in den griechischen Poleis sehr häufig;
diese Parteiungen (Staseis, wörtlich „Auseinandertreten“) konnten zu blutigen
Bürgerkriegen (ebenfalls Staseis) führen, in deren Verlauf die Unterlegenen
vertrieben und enteignet, nicht selten auch ermordet wurden, um sie dauerhaft
aus der bürgerschaftlichen Gegenwärtigkeit zu entfernen.18 „Die jedesmal herr-
schende Partei“, so bringt Jacob Burckhardt es auf den Punkt, „benimmt sich
dann völlig so, als ob sie die ganze Polis wäre und deren ganzes Pathos auszu-
üben das Recht hätte.“19 Abstrakter formuliert: Die freie, auf Gedeih und Ver-

||
15 Ebd., 20.
16 Dazu grundlegend Flaig (2012), auch für das Folgende.
17 Riess (2013), 6375, nennt als Forschungsaufgabe u.a., die Unterschiede zwischen Staseis in
Archaischer und in Klassischer Zeit besser herauszuarbeiten. Eine Differenz lag sicher darin,
dass in Klassischer Zeit (5. und 4. Jahrhundert) die einander gegenüberstehenden Gruppen sich
vielfach gefestigter und ‚programmatischer‘ darstellten als die eher volatilen, um einzelne Aris-
tokraten gescharten Anhängerschaften der Archaik.
18 Die grundlegende Studie ist Gehrke (1985); vgl. ferner als weniger systematisch angelegte
Überblicksdarstellung Lintott (1982), die in einem Kapitel auch „The Philosophers and Civil
Conflict“ behandelt (239‒251), sowie von den Aufsätzen Hansen (2004); Radici Colace / Sergi
(2000); van Wees (2007).
19 Burckhardt (1898/1956), 80.
314 | Uwe Walter

derb geschlossene, daher potentiell sehr enge Assoziation generiert unter Um-
ständen eine maximal ausgeprägte Dissoziation. In vielen griechischen Ge-
meinden gewannen jedenfalls die zerstörerischen Kräfte des eskalierenden
Konflikts in Archaischer und Klassischer Zeit die Oberhand; die Stasis war ab
dem sechsten Jahrhundert in Hellas ein endemisches Phänomen von großer
Heftigkeit, übrigens auch noch im Hellenismus (338‒30), wie kürzlich in einer
umfassenden Studie überzeugend aufgewiesen werden konnte.20 Dabei pflegten
die Kontrahenten handfeste Gewalt, zudem wurden an sich stabilisierende Ord-
nungsräume gleichsam zweckentfremdet, etwa die Gerichte. Hans–Joachim
Gehrke hat ermittelt, dass es in klassischer Zeit beinahe 300 dieser meist kur-
zen, eruptiven, sich in Gewalt, Vertreibung und Enteignung äußernden Staseis
gab, häufiger in mittelgroßen als in ganz kleinen oder sehr großen Poleis, wobei
es in manchen Gemeinden über die Zeit mehrere solche Umstürze gab, in Ein-
zelfällen deren zehn oder sogar noch mehr. Ketten von Umsturz und Gegenum-
sturz wurden ganz gewiss auch durch die herrschende Erwiderungsethik beför-
dert, in der Rache keineswegs tabuiert war.21 Eine gewisse Verdichtung lässt
sich für die Zeit des Peloponnesischen Krieges (431‒404) beobachten. Die Opfer-
zahlen (Vertriebene und Tote) waren sehr unterschiedlich; wo Angaben überlie-
fert sind, ergeben sich gemessen an der Bürgerzahl Quoten von 5 bis 10 %, in
Einzelfällen 20 oder sogar 33 % (Milet 405). Schaut man auf die Erscheinungs-
formen, so sind folgende Züge auffällig: Es gab eine Tendenz, den Gegner völlig
zu eliminieren; die Bereitschaft und Fähigkeit, eine Opposition zu dulden oder
eine Niederlage zu akzeptieren, blieben schwach ausgeprägt.22 So ging es immer
wieder darum, den inneren Gegner selbst aus dem Weg zu räumen oder zumin-
dest dauerhaft zu entmachten; in diesem Sinn wurde verhaftet, verbannt, getö-
tet, enteignet und der Zugang zum politischen Raum verstellt.23 Das Handlungs-
modell der Wahl, um die eigenen Ziele zu erreichen, waren in einer polarisierten
Konstellation nicht das Bemühen um langfristig angelegtes Umgestalten oder
der zähe, geduldige Kampf um die politische Macht im Rahmen des politischen
Systems, sondern weit eher der plötzliche Coup, das überraschende und von
vornherein durch die Anwendung brachialer Gewalt gekennzeichnete bezie-

||
20 Börm (2019).
21 Dazu eindringlich Gehrke (1987/2019).
22 In der frühen Zeit bestand die ‚Lösung‘ der Stasis nicht selten darin, dass die Unterlegenen
bzw. Schwächeren die Gemeinschaft verließen; dabei ging von der ‚Befleckung‘ (miasma)
durch vorherige Gewalthandlungen zusätzlich ein religiös konnotierter Druck aus. Nicht weni-
ge Gründungen von eigenständigen Neusiedlungen (Apoikien) gingen auf solche Konstellatio-
nen zurück; s. dazu Bernstein (2004).
23 Gehrke (1985), 266f., auch für das Folgende.
An der Stasis teilhaben | 315

hungsweise diese in Kauf nehmende Losschlagen; die meisten Staseis verliefen


daher wie Ausbrüche von Devianz und Gewalt. Selbst da, wo die Attacke im
Rahmen der Verfassung blieb, ging man rasch aufs Ganze, etwa durch politi-
sche Prozesse, die den Gegner existentiell gefährdeten, und man überschritt die
Grenze schnell, gern auch präventiv ‒ wenn dies der Gegner nicht bereits getan
hatte.24 Und selbst wer unterlegen war, dachte oft nicht daran, die Niederlage zu
akzeptieren. Eher lieferte man dem Gegner einen das eigene Gemeinwesen und
dessen Integrität gefährdenden Krieg, als sich seiner Dominanz zu beugen. Je-
des Mittel war recht, alle Barrieren, die Moral und Religion, Recht und Ordnung
bildeten, erwiesen sich nicht selten als zu schwach. So berichtet Thukydides in
der berühmten „Pathologie“ über die Stasis auf Korkyra zu Beginn des Pelopon-
nesischen Krieges:

In allen seinen Erscheinungsformen trat der Tod auf, und, wie es in solchen Zeiten zu ge-
schehen pflegt, es gab nichts, was nicht vorkam, und sogar noch mehr: Da tötete ja der
Vater den Sohn, und Menschen wurden von den Heiligtümern fortgezerrt oder auch direkt
an diesen erschlagen, und einige kamen um, nachdem man sie im Dionysos-Heiligtum
eingemauert hatte.
(Thuk. III 81,5; Übers. Weißenberger, leicht
verändert)25

Thukydides führt die Eskalation des inneren Krieges ganz eindeutig auf den
großen Staatenkrieg zurück, der polare Konstellationen verstärkte und als „ge-
walttätiger Lehrmeister“ wirkte. Die Analyse ist präzise (III 82,3‒6; 83,2‒4):

Innere Konflikte also zerrissen die Städte, und kam es dazu irgendwo erst etwas später, so
gab die Kenntnis des bereits Vorgefallenen Anlass, sich im Denken und Planen zu nie da-
gewesenen Exzessen zu versteigen in der Perfidie der Anschläge und der Maßlosigkeit der
Racheakte. (4) Und die bis dahin übliche durch Bezeichnungen ausgedrückte Bewertung
von Verhaltensweisen wurde verändert, wie man es für richtig hielt: Hirnloses Draufgän-
gertum galt plötzlich als tapferer Einsatz für die Freunde, vorausdenkende Zurückhaltung
als maskierte Feigheit, kluge Mäßigung als Bemäntelung von Schwäche, alles bedenken-
der Verstand als alles versäumende Untätigkeit; wie wahnsinnig zu toben hielt man für
männlich, Sicherheit suchendes Überdenken für gut klingenden Vorwand der Verweige-
rung. (5) Wer unentwegt hetzte, galt als vertrauenswürdig, wer ihm widersprach, als ver-

||
24 Ein Beispiel: Wohl 357 wurden Philon und Stratokles als Gegner Philipps II. von ihren ei-
genen Mitbürgern aus der Stadt Amphipolis verbannt, ihr Besitz enteignet; sie selbst und ihre
Kinder erklärte man für vogelfrei und bedrohte jeden, der künftig ihre Partei ergreifen sollte,
mit der gleichen Strafe; vgl. Rhodes / Osborne (2003) Nr. 49.
25 Besonders auffällig: Die politische Parteibildung schlägt alle ‚alten‘, eingewurzelten Loyali-
täten und Handlungsleitlinien bzw. Restriktionen aus dem Feld, sowohl die familialen wie die
religiösen.
316 | Uwe Walter

dächtig. Wer mit einem hinterlistigen Anschlag Erfolg hatte, den hielt man für klug, wer
einen solchen rechtzeitig durchschaut hatte, galt noch mehr; traf einer aber im Voraus
Maßnahmen, dass dergleichen nicht gebraucht werde, hieß es, er sei ein subversives Ele-
ment im Kameradenbund und habe Angst vor dem Feind. Kurz, Lob erntete, wer zuschlug,
während der andere noch plante, und wer den anstiftete, der gar nicht daran dachte.
(6) Und Verwandtschaft wurde zu einer loseren Bindung als Parteizugehörigkeit, weil die-
se eher bereit war zu skrupellosem Handeln; denn nicht mit den geltenden Gesetzen zu
gutem Zweck agieren derartige Gruppen, sondern wider das bestehende Gesetz zur Berei-
cherung. Und die Vertrauensbande, die sie zusammenhielten, entstammten nicht göttli-
chem Recht, sondern gemeinsam begangenem Unrecht. (…) Kein Wort war verlässlich,
kein Eid furchterregend genug, eine Versöhnung herbeizuführen, und da alle sich stärker
fühlten durch Berechnen des Unverhofften als durch Verlass auf Garantien, versuchten
sie eher gegen Schaden Vorkehrungen zu treffen, als dass sie fähig gewesen wären, Ver-
trauen zu fassen. (3) Und bessere Überlebenschancen hatten zumeist die intellektuell
niedriger Stehenden; denn sie hatten Furcht wegen ihres eigenen Defizits und der geisti-
gen Überlegenheit ihrer Gegner und schritten deshalb, um nicht in der Debatte zu unter-
liegen und vorher Opfer einer mit gewandter Verschlagenheit eingefädelten Intrige zu
werden, verwegen zur Tat. (4) Die anderen aber, voller Geringschätzung überzeugt, alles
schon vorher zu durchschauen und nicht durch Handeln sich nehmen zu müssen, was
man mit Verstand bekommen kann, waren ohne Schutz und kamen eher ums Leben.
(Übers. Weißenberger)

In solchen Auseinandersetzungen fehlte auffälligerweise, anders als in moder-


nen Revolutionen, jedes über den unmittelbaren Machtgewinn hinausweisende
Telos; es gab keinerlei etwa auf ‚Fortschritt‘ oder ‚Emanzipation‘ gerichtete
Dynamik. Die Stasis machte lediglich das Ziel potentiell jedes ‚Anführers‘ in
Griechenland, Macht zu gewinnen ‒ Macht als diskretionäre Verfügung über
Leben, Eigentum und politische Institutionen ‒, besonders sichtbar. Da es prak-
tisch keine Routinen der De-Eskalation gab und die Akteure überdies sehr häu-
fig noch unter dem Druck äußerer Gegner beziehungsweise Verbündeter stan-
den, steigerte sich, wie wir ja schon im Fall von Athen gesehen haben, die Radi-
kalität des Verhaltens: Man wollte durch einen schnellen Sieg klare Verhält-
nisse schaffen, um danach wieder zum Alltag nach den eigenen Vorstellungen
übergehen zu können.
Ein wesentlicher Grund für die Labilität und Konflikthaltigkeit der politi-
schen Strukturen in den griechischen Poleis reicht bis in die früharchaische Zeit
zurück: Schon in dieser Zeit existierten in der Gesellschaft keine übergreifen-
den, auf Verwandtschaft basierenden Strukturen; vielmehr standen die aristo-
kratischen Oikoi isoliert und autark nebeneinander. Diese Vereinzelung war die
entscheidende Voraussetzung für das Wettbewerbs- oder Aristie-Ideal, das wir
bereits in den Homerischen Epen sowie in der archaischen Lyrik des 7. bis 5.
Jahrhunderts greifen können. Schon hier beruhte die Assoziation, etwa in adli-
gen Aktionszirkeln, den Hetairien, auf einer Entscheidung und konnte die Dis-
An der Stasis teilhaben | 317

soziation scharf ausfallen, wozu kommunikative ‚Echokammern‘ wie das Sym-


posion und gruppendynamische Selbstbestätigungen ihren Teil beitrugen. Mit
dem Aristie-Ideal untrennbar verbunden war das Denken in Kategorien von Sieg
und Niederlage, war schließlich das Gebot zu Rache und Widerrache. Hinzu
kam, dass viele aristoi durch Gastfreundschaften, Geschenke und Eheschlie-
ßungen Verbindungen über ihre Polis hinaus unterhielten; diese stellten im
Ernstfall eine Ressource dar.
In vielen Poleis gewannen die hieraus erwachsenden zerstörerischen Kräfte
die Oberhand, obwohl man selbstverständlich Verfahren ersann, um zu Lösun-
gen zu kommen, die nicht einfach im Sieg der einen Partei bestanden. In Archa-
ischer Zeit spielten kollektiv akzeptierte Satzungen ‒ oft angesichts einer dro-
henden Stasis durch einheimische oder auswärtige Schiedsrichter vorge-
schlagen ‒ eine wichtige Rolle, außerdem wurde mancherorts auch die Bür-
gerschaft neu geordnet, um die Teilhabe am koinon zu stärken (s.u.). Später
beschwor man Bürgereide oder schuf Gesetze gegen Tyrannen und Oligarchen.26
Aus der dennoch verbreiteten Heillosigkeit erklärt sich zum guten Teil, warum
die griechische politische Philosophie ‒ von Platons Staat der Gerechtigkeit bis
hin zum Konzept der Mischverfassung ‒ immer wieder und geradezu obsessiv
nach Wegen suchte, wie eine Polisordnung dauerhaft zu stabilisieren und ge-
gen Umsturz und Bürgerkrieg zu schützen sei. Auch die für sich genommen
schwer verständliche Bewunderung für Sparta in Oberschichtkreisen sowie ge-
rade unter Intellektuellen hat hier eine ihrer Wurzeln: Sparta galt im klassi-
schen Griechenland als Wunder an innerer Stabilität: keine offenkundige Stasis,
keine neben den Institutionen stehende Tyrannis.27
Man kann sich fragen, warum die dissoziativen Potentiale des adligen Aris-
tie-Ideals der Frühzeit auch nach der Formierung der Polis fortwirkten. Hatte
nicht die Idee nachbarschaftlicher Solidarität, wie sie die Bauern aus ihren dörf-
lichen Gemeinschaften in die neue, größere Formation einbrachten, eine alter-
native, gleichsam kommunale Option des Zusammenlebens eingebracht, die
von wechselseitiger Hilfe und strenger Verhaltenskontrolle durch die Gemein-
schaft gekennzeichnet war?28 Das trifft sicher zu. Doch gerade die demographi-
sche, wirtschaftliche, militärische, politische und nicht zuletzt religiöse Ver-
dichtung in der Polis seit dem 7. Jahrhundert machte diese zu einem höchst
attraktiven und höchst sichtbaren ‚Spielfeld‘ für die Aristokraten, die aufgrund

||
26 S. im Zusammenhang Dössel (2003); Börm (2019), 171‒272.
27 Zum Philolakonismus s. zuletzt Jordović (2014). Insofern ist das differenzierte, durchaus
kritische Bild, das Aristoteles in der Politik von Sparta zeichnete, recht bemerkenswert.
28 Dazu grundlegend Schmitz (2004).
318 | Uwe Walter

ihrer überlegenen sozialen Position zunächst auch dort die Führung beanspru-
chen konnten. Nicht zufällig betreffen gesetzliche Regelungen von Polisangele-
genheiten in der Archaischen Zeit (800‒500) sehr häufig die Besetzung und
Ausübung der von den Aristokraten bekleideten Ämter. Ferner ging es oft da-
rum, die Teilhabe an der Polis innerhalb einer oft inhomogenen Bürgerschaft
neu zu regeln und dadurch Spannungen abzubauen; das ist sehr schön an den
Phylenreformen zu sehen, wie zuletzt in einer vorzüglichen Studie gezeigt wur-
de.29 Auch der bekannte Ostrakismos in Athen, der in der frühen Demokratie der
Perserkriegs- und Nachperserkriegszeit eine nicht unwichtige Rolle spielte,
diente dazu, die Aristokraten auf ein gemäßigtes, gemeinschaftsdienliches Ver-
halten einzuschwören und die Eskalation von Rivalitäten innerhalb der Ober-
schicht zu verhindern30 ‒ was in Athen ja durchaus bis in den Peloponnesischen
Krieg hinein gelang.
Das Nebeneinander von Assoziation und Dissoziation hat Carmine Ampolo
in ein attraktives Modell gefasst. Der italienische Althistoriker vergleicht die
griechische Polis mit einer Aktiengesellschaft aus vielen kleinen und einigen
größeren Aktionären. Die meiste Zeit arbeiten alle gemeinsam am Erfolg des
Unternehmens; bisweilen kommt es jedoch auch zu Frontbildungen, sei es zwi-
schen Kleinen und Großen, um Anteile am und Einfluss auf das Gesamtunter-
nehmen zu gewinnen, oder sei es zwischen Großaktionären, die einander aus
dem Unternehmen herausdrängen wollen und dabei auch Anhängerschaften
der kleineren shareholder sowie Hilfe von außen mobilisieren. Nicht zu verges-
sen sind die Versuche einer feindlichen Übernahme von außen, der man sich
gemeinsam entgegenstemmen kann, die einigen Anteilseignern aber auch Vor-
teile zu bieten scheint, weswegen sie dem externen Interessenten zuarbeiten.31

||
29 Grote (2016).
30 Vgl. knapp Walter (2004) (Besprechung von: Peter Siewert [Hg.], Ostrakismos-Testimonien
I, Stuttgart 2002; Stefan Brenne, Ostrakismos und Prominenz in Athen. Attische Bürger des 5.
Jhs. v.Chr. auf den Ostraka, Wien 2001).
31 Vgl. Ampolo (1996), 323f.: „Non voglio spingere troppo oltre il confronto che ho proposto:
l’interpretazione della polis come comunità di azionisti della città costituisce un aiuto per
comprendere alcuni caratteri apparentemente contraddittori della città greca e fa rientrare
accanto alla politica e alla religione anche gli aspetti economici e sociali nella concezione della
città. Può anche servire a spiegare la transizione alla democrazia dopo un periodo di lotte tra
gruppi di aristocratici e loro seguaci: l’allargamento della partecipazione ai benefici della città
era una pretesa naturale. Se è vero che Clistene apri al demo il suo raggruppamento politico, il
parallelo con gli azionisti viene spontaneo. Uno dei grandi azionisti della città, per non essere
sconfitto dagli altri azionisti, ha coalizzato intorno a sé i piccoli azionisti, o ‒ secondo un’altra
versione ‒ ha fatto entrare dei «nuovi azionisti». L'interpretazione dei cittadini come «azioni-
sti» aiuta a capire la dinamica degli avvenimenti e a spiegare alcuni testi.“
An der Stasis teilhaben | 319

Dieses Muster war ja geradezu in Reinkultur im einleitenden Beispiel des athe-


nischen Bürgerkriegs 404/403 zu studieren, als die Oligarchen lange Zeit von
Sparta beziehungsweise dem damals in Sparta starken Mann, Lysander, unter-
stützt wurden, die Demokraten hingegen von verschiedenen benachbarten Po-
leis, die ihrerseits mit Sparta verfeindet waren.
Etwas anders hat zuletzt Benjamin Gray das Feld strukturiert: Anhand des
Exils als Indikator der Eigenarten griechischer Politik und politischer Theorie
unterscheidet er idealtypisch, mit Blick auf die komplexen Befunde wohl auch
allzu schematisch zwei im Widerstreit koexistierende, grundsätzlich unter-
schiedliche „civic political cultures“: einen als „communitarian“ zu klassifizie-
renden Handlungsmodus, der auf bürgerschaftliche Solidarität und Gemein-
wohl setzte, und einen „contractarian“ Entwurf, in dem strikte Reziprozität von
Handlungen und Rechten gegolten habe. Beide Konzepte ließen sich in unter-
schiedlicher Gewichtung in jeder Polis identifizieren. Ihre prinzipielle Unverein-
barkeit habe eine der Polis inhärente Konfliktanfälligkeit begründet.32

4 Der Umfang des Politischen


Auch die Intensität des politischen Lebens wurde durch Handlungen sowie
deren Verstetigung in Routinen skaliert: Für die Gestaltung des politischen
Raumes war es ganz erheblich, wie oft er aufgesucht wurde und was in ihm ver-
handelt wurde. Athen im 5. und 4. Jahrhundert ist wieder das am besten be-
kannte ‒ und zugleich extreme ‒ Beispiel: Durch die enorme außenpolitische
Aktivität im Zeichen des Attischen Seebundes und die häufigen Kriege gab es
hier für Rat und Volksversammlung einfach täglich ungeheuer viel zu tun. Stän-
dig musste man Informationen einholen, Wissen aktivieren, beraten, entschei-
den, anweisen, kontrollieren. Vieles davon war Routine, aber gerade diese
stärkte die „bürgerliche Gegenwärtigkeit“ des Demos (Chr. Meier33) und das
Selbstgefühl der Bürgerschaft, alle Fäden in Händen zu halten. Das ist übrigens
auch der Hauptgrund, warum es im demokratischen Athen keine ausgearbeitete
Ideologie der Demokratie gab beziehungsweise brauchte: Während die Gegner
der Demokratie intellektuell ausgefeilte Schriften verfassten und in kleinen Zir-
keln debattierten, weil sie ‚draußen‘ keine große Bühne fanden, lebte die Demo-

||
32 Gray (2015).
33 Meier (1980), 91‒143: „Kleisthenes und die Institutionalisierung der bürgerlichen Gegen-
wärtigkeit in Athen“.
320 | Uwe Walter

kratie ganz und gar in der alltäglichen Praxis und aus der Praxis. Ihr Pathos,
ihre ‚Ideologie‘ manifestierte sich nicht in Theorien, sondern in den erwähnten
Präskripten jedes einzelnen Beschlusses von Rat und Volk sowie in der alltägli-
chen Rhetorik auf der Pnyx und in den Gerichten.34 Im 4. Jahrhundert mussten
in Athen mindestens vierzig Volksversammlungen pro Jahr abgehalten werden;
oft gab es noch mehr. Das sah in einer kleinen, ausschließlich bäuerlich gepräg-
ten Polis in Arkadien oder bei den Lokrern ganz anders aus: Hier gab es viel
weniger zu entscheiden, der Blick richtete sich nicht nach außen, Politik spielte
gegenüber Familie und Subsistenz keine dominierende Rolle, und vielfach ga-
ben aristokratische Eliten den Ton an. In Sparta vollzog sich das politische Le-
ben weitgehend im Dreieck zwischen Königen, Gerusie und Ephoren; die Ver-
sammlung der Vollbürger, ohnehin auf Disziplin und Gehorsam getrimmt, kam
offenbar nur ins Spiel, wenn in der politischen Führung kein Konsens herge-
stellt werden konnte. Auch in Sparta war die Agenda sehr viel kürzer als in
Athen; sie wurde stark dominiert von der Niederhaltung der Heloten und der
Erhaltung der Vormachtstellung auf der Peloponnes. Leider wissen wir viel zu
wenig darüber, wie eine Versammlung von Spartanern, die an Disziplin und
Hierarchie gewöhnt waren, im Konfliktfall reagierte. Es gibt gute Gründe für die
Annahme, dass dann das politische System der Spartaner oft überfordert war
und Entscheidungen traf, die danach wieder revidiert wurden, woraus sich
nach außen der Eindruck einer unsteten und schwer berechenbaren Politik
ergeben konnte.35 Sparta zeigt überhaupt eines generell: Die stetige handelnde
Neuschaffung des Politischen im innergemeindlichen, als egalitär vorgestellten
Diskurs und seine einigermaßen klare Fixierung durch Institutionen und Ver-
fahren, wie sie im demokratischen Athen beobachtet werden können, waren
keineswegs in allen oder auch nur den meisten griechischen Polisstaaten selbst-
verständlich.
Politische Kommunikation spielte sich selbstverständlich nicht allein in den
‚großen‘ Beratungs- und Entscheidungsgremien ab. Vielmehr gehörten die Bür-
ger, wie bereits erwähnt, zahlreichen formellen und informellen Assoziationen
an: Nachbarschaft und Dorfgemeinschaft, Kultgemeinschaften, Berufsgruppen,
gesellige Freundeskreise. Besonders institutionalisiert waren in Athen die insge-
samt 139 Demen, mit eigenen politischen Institutionen quasi Poleis im Kleinen,
ferner die Phratrien und Phylen, genossenschaftliche Verbände36 unter der Fik-
tion von Blutsverwandtschaft, die das Bürgersein jedes Atheners im familial-

||
34 Vgl. Jordović / Walter (2019), 25‒33; Tiersch (2019).
35 Vgl. Link (2008) und (2011).
36 Vgl. Welwei (1988); Murray (1986).
An der Stasis teilhaben | 321

kultischen, im militärischen und im eigentlich politischen Bereich strukturier-


ten. Alle boten Räume für Nachrichten, Gerüchte und Diskussionen, für eine
ständige politische Sozialisation, besonders natürlich der Nachwachsenden. In
Sparta nahmen vor allem die Mahlgemeinschaften (Syssitien) der erwachsenen
Krieger diese Funktion wahr; charakteristisch für diese Polis war aber die Regel,
vom dort Gesprochenen nichts nach außen dringen zu lassen. In Athen wäre ein
Personenkreis mit einem derartigen Gebot als Verschwörergruppe angespro-
chen worden; umgekehrt orientierten sich die eingangs erwähnten oligarchi-
schen Hetairien in Athen vermutlich am spartanischen Vorbild. Vielleicht auch
deswegen wurde zu Beginn des 4. Jahrhunderts, also nach der Diktatur der
Dreißig, in Athen die Ausbildung der jungen Männer durch die Polis in Gestalt
der sog. Ephebie stärker geregelt: Der zweijährige gemeinsame (Wehr-)Dienst
der etwa 18-Jährigen begann mit einer Begehung der Heiligtümer und Erinne-
rungsorte in Attika, wobei ein Eid abgelegt wurde, in dem sich die Epheben zu
militärischem Gehorsam, zur Beachtung der Gesetze und religiösen Vorschriften
der Polis sowie zum Schutz der Verfassung verpflichteten. Das erste Jahr ver-
brachten sie in den befestigten Garnisonen des Piräus. Nach diesem ersten Jahr
demonstrierten sie während einer Volksversammlung im Theater ihr Können
und empfingen Schild und Lanze. Im zweiten Dienstjahr waren die Epheben in
den verschiedenen Festungen Attikas stationiert und hatten Patrouillendienst
auf dem Land zu leisten, nahmen aber auch an besonderen Kulthandlungen
und rituellen Wettkämpfen, zumal im Tanzen und Musizieren, teil, und wurden
dadurch auch in die Polisreligion eingeführt.37 Diese stellte neben der Politik ei-
nen weiteren zentralen Handlungsraum dar, der ebenfalls nicht familial struk-
turiert war.

5 Ein aristotelischer Ausblick


Ein skizzenhafter Ausblick zum Schluss: In seiner eindringlichen Analyse der
Veränderungen in den Staatsverfassungen (metabolai tôn politeiôn) im fünften
Buch der Politik stellt Aristoteles zu Beginn eine strukturelle Aporie fest: Demo-
kraten und Oligarchen haben fundamental verschiedene Vorstellungen dar-
über, welche Folgerungen aus partieller Gleichheit beziehungsweise Ungleich-
heit für die politische Ordnung und deren Gerechtsein zu ziehen seien, und sie

||
37 Vgl. einführend Bruit Zaidman / Schmitt Pantel (1994), 66‒111.
322 | Uwe Walter

suchen ihre subjektiv berechtigten, aber zusammengenommen inkompatiblen


Ansprüche unbedingt und ohne Rücksicht auf das Ganze durchzusetzen:

Man muß aber als Ausgangspunkt zunächst verstehen, daß viele Verfassungen dadurch
entstanden sind, daß alle, die über Gerechtigkeit, d.h. proportionale Gleichheit38, einer
Meinung sind, diese aber dann doch falsch bestimmen, (…). Die Demokratie entstand so
daraus, daß (ihre Anhänger), die in einer bestimmten Beziehung gleich sind, annehmen,
sie seien schlechthin gleich; denn weil sie alle in gleicher Weise frei geboren sind, glau-
ben sie, sie seien schlechthin gleich. Die Oligarchie entstand dagegen daraus, daß (ihre
Anhänger), die in einer Beziehung ungleich sind, annehmen, sie seien schlechthin un-
gleich; denn aufgrund ihrer Überlegenheit in Besitz glauben sie, schlechthin überlegen zu
sein. Als Folge davon verlangen nun die einen, in der Überzeugung, gleich zu sein, an al-
len Dingen in gleichem Umfang beteiligt zu werden, die anderen suchen dagegen in der
Überzeugung, überlegen zu sein, einen größeren Anteil zu bekommen; denn ein größerer
Anteil bedeutet Überlegenheit.
Alle (diese) Verfassungen besitzen zwar eine gewisse Rechtsgrundlage, müssen aber doch
schlechthin betrachtet als verfehlt gelten. Wenn nun jede der beiden Gruppierungen nicht
entsprechend ihren Vorstellungen an der Verfassung beteiligt ist, zettelt sie aus diesem
Grunde innenpolitische Unruhen an (stasiazousin).
(Aristot. Pol. V 1, 1301a25–39; Übers.
Schütrumpf)39

||
38 τὸ δίκαιον καὶ τὸ κατ’ ἀναλογίαν ἴσον. Schütrumpf (2019), 257f., widerruft seine eigene frü-
here Übersetzung von τὸ δίκαιον mit „Gerechtigkeit“: „Es ist eine unselige Vermischung und
stiftet nur Verwirrung, die dem Verständnis von dikaion entgegensteht, wenn man dessen
Identifikation mit dem Gleichen in E. N. V mit den davon verschiedenen Vorstellungen von
E. N. III über Tugenden, zu denen auch Gerechtigkeit gehört, vermengt. Dikaion, die Bestim-
mung eines Verhältnisses von mehreren in einer bestimmten Weise miteinander in Beziehung
getretenen Personen, einer rechtlichen Beziehung, eines Rechtsverhältnisses, das durch eine
mehrere Glieder umfassende Gleichung ausgedrückt wird, eines reziproken Verhältnisses,
kann mit der Übersetzung ‚Gerechtigkeit‘, justice, die bei Aristoteles immer nur die Charakter-
haltung jeweils einer Person bezeichnet, nicht erfasst werden, da erstens die Besonderheit, das
Grundmuster der verschiedenen von Aristoteles mit dikaion bezeichneten Beziehungen nicht
zum Ausdruck gebracht wird, wenn sie auf eine ethische Haltung reduziert werden. Und zwei-
tens weist man diesem Verhältnis eine ethische Dimension zu, die dessen meist entpersonali-
siertem Charakter nicht zukommt, da Aristoteles darlegt, wie aufgrund objektiver Kriterien
Schaden bemessen und wiedergutgemacht oder Leistungen oder Privilegien zugeteilt werden
sollen. Der moderne, weit gefasste Begriff von ‚Gerechtigkeit‘ hat kein Gegenstück bei Aristote-
les, bei dem dieser Begriff auf die Eigenschaft von Menschen begrenzt ist, während anderer-
seits E. N. V ‚gerecht‘, dikaion, konkret die spezifischen Ansprüche von mindestens zwei Par-
teien in einer wie auch immer gestalteten Beziehung bezeichnet.“
39 Pellegrin (2019), 241, hebt das psychologische Moment in Aristoteles’ Ursachenanalyse her-
vor: „Aristotle does not describe stasis as a political manoeuvre, violent or not, to get power, or
wealth, or both, but as a reaction of unsatisfied people. (…) The goal of a stasis is to establish or
An der Stasis teilhaben | 323

Aus dieser Feststellung, die im Folgenden vom Autor noch weiter ausgeführt
und erheblich substanziiert wird40, ließen sich eben wegen der fundamentalen
Unterschiede, was unter einem ‚gleichen‘, das heißt gerechten Anteil zu verste-
hen sei, kaum wirksame Gestaltungs- oder Handlungsempfehlungen ableiten,
sieht man von der Generallinie ab, die Verfassung der jeweiligen Bevölkerungs-
und Vermögensstruktur anzupassen und möglichst viele ‚mittlere‘ Bürger als
„citoyens intrinsèquement excellents“ zu haben.41 Doch die Gefahr, dass die
„cité différenciée“ zur „cité divisée“ wurde, bestand immer.42 In jedem Fall kann
Aristoteles’ Analyse der Stasis als die differenzierteste in der griechischen poli-
tischen Literatur gelten.43
Andere Empfehlungen und praktische Bemühungen setzten stärker auf eine
Erziehung zum guten Bürger, weil in der konkreten Stasis nicht Verfassungen,
sondern Menschen gegeneinander kämpften. Wiederum Aristoteles hielt in die-
sem Zusammenhang bündig fest:

Die wichtigste unter allen genannten Maßnahmen, die zur Dauer der Verfassungen bei-
tragen, die aber jetzt alle vernachlässigen, ist die Erziehung auf die jeweiligen Verfassun-
gen (to paideuesthai pros tas politeias) hin. Denn die besten Gesetze, die von allen Bürgern

||
re-establish a balance which had been broken to the detriment of the people who engage into
the stasis.“ Schütrumpf (2019), 264f., lässt Aristoteles hingegen kognitive Defizite diagnostizie-
ren: Dieser mache falsche, überzogene Vorstellungen von Demokraten und Oligarchen für
Ausbruch und Schwere der Stasiskonflikte verantwortlich.
40 Für die sechs Kategorien von Personen(gruppen), die Aristoteles zufolge für staseis verant-
wortlich sind, s. eingehend Rogan (2018), 81‒123.
41 Vgl. zu den mesoi Rogan (2018), 256‒270. Dass die unaufhebbare und an sich auch frucht-
bare Heterogenität der Bürgerschaft in einer Polis in Aristoteles’ Sicht den Nährboden für
staseis bildete und er deshalb das Ideal einer Verfassung beschwor, in der die ‚mittleren‘ Bür-
ger zahlreicher sind als die Reichen und die Armen, betont Rogan (2018), 271, unter Verweis
u.a. auf Pol. IV 11, 1295b35‒39 mit Recht. Andererseits stellte gerade die Differenziertheit der
Vermögen, Fähigkeiten und Ansprüche für ihn ein Hauptmerkmal einer Polis dar, weswegen
„vouloir penser une cité sans stásis reviendrait paradoxalement à annihiler la polis“ (132).
42 Vgl. Rogan (2018), 149‒159.
43 Vgl. Lockwood (2019): „Whereas Aristotle’s predecessors (e.g., Plato, Thucydides, or the
tragedians) represented στάσις as unequivocally and uniformly a problem, Aristotle’s dynamic
and multifaceted analysis is much more subtle and complicated in its estimation of blame.“
Pellegrin (2019), 240, spricht von „Aristotle’s multi-level explanation of stasis“. Esther Rogans
vorzügliche Studie zeichnet Aristoteles’ differenzierte Diskussion der stasis adäquat nach.
324 | Uwe Walter

gemeinsam beschlossen sind, nützen nichts, wenn nicht die Bürger im Geiste der Verfas-
sung Gewohnheiten angenommen und eine entsprechende Erziehung erhalten haben ‒
falls ihre Gesetze demokratisch sind, eine Erziehung in demokratischer Weise, wenn sie
oligarchisch sind, in oligarchischer Weise; denn wenn es Unbeherrschtheit (akrasía) bei
einer Person gibt, dann findet sie sich auch beim Staat.
(Aristot. Pol. V 9, 1310a12–19; Übers.
Schütrumpf)44

Dahinter stand die Annahme, dass die „thymotischen“, leidenschaftlichen, die


Ehre und den Sieg erstrebenden Teils der Seele durchaus gefährlich sind, wenn
sie die Oberhand gewinnen. Das war ja auch der Kern der oben umrissenen
thukydideischen Analyse der Stasis auf Korkyra gewesen. Gegen diese einseiti-
ge Ausprägung richtete sich ab dem 4. Jahrhundert vielerorts vor allem die
Schulung im Gymnasion, in der Mut und körperliche Tüchtigkeit einzubringen
waren in einen weitergreifenden Sozialisations- und Bildungsgang; dieser um-
fasste auch die Einübung in Disziplin und Harmonie im Zusammenwirken mit
anderen beim Tanzen sowie in der Musik. Dahinter stand durchaus keine
zweckfreie Liebe zum Schönen ‒ erinnert sei an den Appell des Herolds im athe-
nischen Bürgerkrieg, der ausdrücklich auf das gemeinsame Tanzen und andere
Aktivitäten dieser Art verweist. Nicht zufällig wurden im 4. Jahrhundert in
Athen und andernorts die bereits erwähnte Ephebie oder ähnliche ganzheitliche
Ausbildungsgänge vonseiten der Polis straffer und umfassender geregelt.45
Wenn verwandtschaftliche Bande nicht ausreichten, galt es, die künftigen Bür-
ger unter sowie mit ihresgleichen zu formen. An dieser Stelle kann man übri-
gens durchaus so etwas wie eine Schnittstelle zwischen philosophischem Dis-
kurs und praktischer Politik erkennen. Es war darum zu tun, „die Wildheit, die
Zügellosigkeit und den unbändigen Ehrgeiz der jungen Machos (…) im Sinne
der Gemeinschaft (zu) zügeln“46, ohne sie zu Schwächlingen zu machen, die
ihre Heimat nicht mehr zu verteidigen bereit und fähig gewesen wären. Marsch
und Tanz, Sport und Musik wurden als erfolgversprechende Mittel betrachtet,
eine gute Haltung, eine eutaxia und euhexia auszubilden und die Bürger zur

||
44 Schütrumpf verweist im Kommentar (Bd. 3, 539) darauf, dass das Verhältnis von Gesetzen
und Erziehung in EN X 10 umgekehrt dargestellt sei: Nicht die besten Gesetze seien nutzlos, so-
fern die Bürger nicht die entsprechende Erziehung erhalten hätten, sondern umgekehrt: um in
der Erziehung etwas zu erreichen, sei man auf die Zwangsmittel der Gesetze angewiesen
(1179b31–1180a5). Vgl. zum Aspekt der Erziehung in der Politik insgesamt Lord (1990).
45 Vgl. für Athen zuletzt Friend (2018).
46 Gehrke (1987/2019), 260.
An der Stasis teilhaben | 325

Freundschaft zu erziehen, um so den „inwendigen Explosivstoff“ (Nietzsche)47,


der in so vielen Poleis auf seinen Zündfunken wartete und ihn allzu oft auch
fand, so gut es ging zu entschärfen.

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||
47 Vgl. Friedrich Nietzsche (1889/1955), Götzen-Dämmerung: Was ich den Alten verdanke, Nr.
3, S. 1029: „In den Griechen »schöne Seelen«, »goldene Mitten« und andre Vollkommenheiten
auszuwittern, etwa an ihnen die Ruhe in der Größe, die ideale Gesinnung, die hohe Einfalt be-
wundern – vor dieser »hohen Einfalt«, einer niaiserie allemande zu guter Letzt, war ich durch
den Psychologen behütet, den ich in mir trug. Ich sah ihren stärksten Instinkt, den Willen zur
Macht, ich sah sie zittern vor der unbändigen Gewalt dieses Triebs – ich sah alle ihre Instituti-
onen wachsen aus Schutzmaßregeln, um sich voreinander gegen ihren inwendigen Explosiv-
stoff sicher zu stellen. Die ungeheure Spannung im Innern entlud sich dann in furchtbarer und
rücksichtsloser Feindschaft nach außen: die Stadtgemeinden zerfleischten sich untereinander,
damit die Stadtbürger jeder einzelnen vor sich selber Ruhe fänden. Man hatte es nötig, stark zu
sein: die Gefahr war in der Nähe –, sie lauerte überall. Die prachtvoll geschmeidige Leiblich-
keit, der verwegene Realismus und Immoralismus, der dem Hellenen eignet, ist eine Not, nicht
eine »Natur« gewesen. Er folgte erst, er war nicht von Anfang an da.“
326 | Uwe Walter

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Francesca Alesse
Action as a Reaction
Psychological and Logical Issues in the Early Stoic Theory of
Action

1 Introduction
In this paper I would like to offer a contribution to the explanation of the Stoic
thesis according to which human action is a reaction to a psychic act of a logical
and linguistic type.1 Interpreters fairly often use the notion of ‘reaction’ with re-
gard to the Stoic theory of praxis in order to emphasize that action is the response
to a sensory stimulus and to a certain content of the imagination, or representa-
tion (phantasia).2 Scholarship on this topic has focused on the Stoic notions of
‘assent’ and ‘impulse’, i.e. the act by which the human mind accepts a represen-
tational content as true, and the act by which the mind transmits an order to the
body in order to move it according to a more or less deliberate plan of action.3
Both assent and impulse are signs of the intellectual activity and independence
of human beings, whose mind is initially a tabula rasa and can only receive its
first content from outside.4 Assent and impulse play a crucial role in Stoic ethics.
They are the tools enabling human beings to build, however slowly, a system of

||
1 This paper has been translated into English by Davide Del Forno.
2 Cf. Inwood (1985) 49–54, 66–72 and passim; Annas (1994) 72–80; Brennan (2003) 263, 275–
276; Brennan (2005) 55, 109, 311–317; Salles (2005) 46, 76–78, 92–97; Graver (2007) 40–45, 78–
89; White (2010) esp. 115–116.
3 The act of assent (synkatathesis) presupposes perceptions and representations, of which logos
“approves” the content. Without this act of approval, it is not possible to understand the per-
ceived reality and to establish the criterion of truth, cf. e.g., Cic. Acad. Pr. 37–38 = SVF II 115.
Perception (aisthêsis) itself is sometimes called “assent”, in that we can say that we “perceive”
the external world as we believe it to be true at the very moment we perceive it, cf. Aët. Plac.
IV 8,12; Cic. Acad. Pr. 108 = SVF II 72 and 73. Assent is the basis of any complex cognitive process,
including opinion, judgement, conjecture, learning, and memory, cf. Cic. Acad. Pr. 38 cit., and
Clem. Al. Strom. II 12, p. 458 P. = SVF II 992. Impulse (hormê) is “primary motion of the soul” or
“propensity of mind toward something”, cf. Philo Quod Deus sit immut. 41 = SVF II 458; Stob. Ecl.
II 86.17 W. = SVF III 169; Clem. Al. Strom. II 13, p. 460 P. = SVF III 377.
4 Aët. Plac. IV 11,1–4 = SVF II 83.

https://doi.org/10.1515/9783110735598-015
330 | Francesca Alesse

knowledge – which becomes a constitutive part of their soul5 – and gradually


conquer the external world not only from a cognitive, but also a practical and
behavioural point of view.
Scholars have spelled out the numerous implications of the notions of assent
and impulse. More specifically, they have asked whether assent and impulse are
always concomitant and, if they are not, which of the two arises first;6 they have
also discussed non-cataleptic representation and weak assent and their relation-
ship with the rule of conduct,7 as well as the deterministic perspective, which the
Stoics defend just as they subscribe to the independence of assent.8
I shall focus on the linguistic structure of the particular representational con-
tents and acts of assent whose direct consequence is an impulse to action. I shall
take as my starting point the Stoic assumption that human mind can give propo-
sitional form to almost any representational content, even when it concerns di-
rectly the sphere of action; nonetheless, in my opinion, the Stoics did not admit
that any linguistic form given to the representation of a good, can express an im-
pulse and translate into an action. My aim is to show that action, as reaction to a
practical assent, is closely linked to the grammatical structure and the verbal
morphology of the logos by which assent is expressed. This verbal morphology
must be able to constitute a logos that is, at the same time, apophantic and pre-
scriptive.
After some considerations relating to the role that, in general terms, language
plays in the Stoic theory of action (par. 2), I first give an outline of some ethical

||
5 Cf. Stob. Ecl. II 73.19–74.3 W. = SVF III 112: “Scientific knowledge is a cognition (katalêpsis)
which is secure and unchangeable by reason. It is secondly a system of such sciences, like the
rational cognition of particulars which exists in the virtuous man. It is thirdly a system of expert
sciences, which has intrinsic stability, just as the virtues do. Fourthly, it is a tenor for the recep-
tion of impressions which is unchangeable by reason, and consisting, they say, in tension and
power.” (Translation by Long/Sedley (1987), vol. 1, 256, LS 41H. Cf. also Diog. Laert. VII 46 = SVF
II 130.
6 The question of the priority between assent and impulse is inferred from Cic. Acad. Pr. 24–25
= SVF II 116, and Fat. 41–42 = SVF II 974, which seem to argue that assent precedes impulse, and
from Plut. Adv. Col. 1122a–f and Sen. Ep. 113,18 = SVF III 169, which on the contrary seem to
support the priority of impulse over assent. See Ioppolo (1987), 449–466, who puts forward the
thesis of a “preliminary impulse” going back to Zeno; Stevens (2000) 139–168; Sakezles (2007)
225–252.
7 Cf. e.g., Cic. Acad. Pr. 24 = SVF II 116; Gal. De An. Pecc. Dign. 1,4, p. 59–60 Kühn V = SVF III 172.
The question of weak assent in relation to action is at the centre of the debate between the Stoics
and the skeptical Academy, see Ioppolo (1986); Allen (1997) 217–256; Burnyeat (1997) 277–310.
8 Cf. above all Bobzien (1998) esp. 245–290; Weidemann (2001) 111–120; Salles (2005) esp. 41–
61; Ioppolo (2012) 197–222.
Action as a Reaction | 331

and psychological doctrines of early Stoicism that I regard as relevant to the pre-
sent issue (par. 3). Next, I shall argue for my central claim, i.e. that a proposition
aimed at prompting action is made up of a particular type of predicates, and that
this has consequences for education (par. 4). Finally, I shall discuss a case study,
that of the sage who tells a falsehood (par. 5).

2 Language and Action in Stoicism


The Stoics believe that all acts of the human soul are acts of the logos, hence log-
ical and linguistic entities; action is a reaction provoked by a phantasia, to which
an utterance corresponds that reflects its content.9 The utterance can therefore
cause an action, for it can act as a stimulus on the soul of a listener. This is clear
in the case of someone giving an order and being obeyed or asking for something
and having their request granted. Such a view is interesting, since for the Stoics
anything capable of acting and interacting is corporeal, as are the states of the
soul, including cognitive contents, emotions and moral virtues.10 By contrast,

||
9 Praxis, i.e. human action, always arises from a phantasia, like animal movement. There is,
however, a crucial difference between the two: praxis is something of which only human beings
are capable, as they are the only logikoi animals, see Alex. Aphr. Fat. p. 205.24–206.2 Bruns =
SVF II 1002 = p. 86 Sharples and infra. Consequently, praxeis are the product of representations
of which only human beings are capable, i.e. phantasiai logikai (cf. Diog. Laert. VII 51 = SVF II 61),
whose content can be translated into a linguistic form in accordance with one of the structures
making up discourse – more specifically, complete meaningful discourse: cf. Diog. Laert. VII 63
= SVF II 181: “They say that a sayable is what subsists in accordance with a rational impression
(φασὶ δὲ [τὸ] λεκτὸν εἶναι τὸ κατὰ φαντασίαν λογικὴν ὑφιστάμενον)”, and particularly Sext.
Emp. Adv. Math. VIII 70 = SVF II 187: “They say that a ‘sayable’ is what subsists in accordance
with a rational impression (λογικὴ φαντασία), and a rational impression is one in which the con-
tent of the impression can be exhibited in language”. Translations by Long/Sedley (1987), vol. 1,
196, LS 33F and C. On these texts and, more generally, on the relationship between phantasia
and lekton, see in particular Atherton (1993) 44–45; Frede (1994) 109–129, esp. 112; Alessandrelli
(2013) 75–91. Another important text on the relationship between the content of phantasia and
language is Diog. Laert. VII 49 = SVF II 52: “For the impression arises first, and then thought,
which has the power of talking (διάνοια ἐκλαλητικὴ ὑπάρχουσα), expresses in language what it
experiences by the agency of the impression” (Transl. by Long/Sedley (1987), vol. 1, 196, LS 33D).
10 Cf. Euseb. Praep. Evang. XV 14,1, 816 D = SVF I 98; Plut. De Comm. Not. 30, 1073d–e = SVF II
525; Diog. Laert. VII 55 = SVF II 140; Plot. Enn. VI 1 [42] 28 and II 4 [12] 1 = SVF II 319 and 320;
Procl. In Plat. Parm. IV 841.2–4 Steel = SVF II 343. Qualities, virtues, as well as soul itself are all
corporeal: Plut. De Comm. Not. 45, 1084a = SVF II 848; Sen. Ep. 106,3 = SVF III 84; Simpl. In Arist.
Phys. p. 530.9–14 Diels = SVF II 467.
332 | Francesca Alesse

utterances are incorporeal,11 and they would not seem to be able to produce such
a concrete effect as an emotional reaction and an ensuing action. Yet, as is well
known, they also play a crucial semantic role. The Stoics distinguish complete
utterances, i.e. complex linguistic forms such as axiomatic propositions, interro-
gations, exhortations, orders, etc., from incomplete utterances, i.e. single terms.
Only the former are complete or ‘perfect’ in that they contain all the linguistic
elements that are necessary to describe a given situation, event or action, or to
evoke its representation (“Socrates writes”, “come in my presence!”).12 However,
even incomplete lekta have a direct connection with the objects of our perception
or, at least, of our representation (“Socrates”, “writing”).13 In addition, as is clear
from the examples provided by some texts, in the Stoics’ view there are notions,
hence words as well, that can be connected to perceptible beings only through
modes of imagination and thought (e.g. ‘giant’, by changing the proportions of
‘human being’, or ‘centre of the universe’, by analogy with the centre of a sphere,
or ‘Hippocentaur’, by combining two images familiar to perception).14
Although incorporeal, utterances may have a more or less direct reference to
the corporeal world as well as to the linguistic and conceptual elements that do
not appear in utterances. Language, therefore, plays an evocative function. I use
the word ‘evocative’ to refer to the view whereby the higher the degree of
knowledge a human being has (i.e. their possession of the systêma of notions
making up science15), the greater their ability to connect the meaning of a single
sentence with other unexpressed representations and notions. I am unaware of
there being in the Stoic vocabulary a specific word for this idea of an ‘evocative
function’ of language, yet its legitimacy can be proved by various arguments. A
while ago I mentioned the Stoic claim that such notions as ‘giant’ and ‘Hippocen-
taur’ have semantic value. This claim goes some way towards showing that, at
least in adulthood and at a certain degree of intellectual development, a

||
11 Sext. Emp. Adv. Math. VIII 10 = SVF II 195; X 218 = SVF II 331; Alex. Aphr. In Arist. Top. IV
p. 301.19–25 Wallies = SVF II 329; on the topic, see Bronowski (2019) 322–326.
12 Diog. Laert. VII 63 = SVF II 181; Sext. Emp. Adv. Math. VIII 12 and 70–71 = SVF II 166 and 187.
13 For the Stoics, the first voices emitted by men “imitated” things and from these phônai the
names of things were made to derive, cf. Orig. Contra Celsum I 24, p. 74 Koetschau I = SVF II 146.
On meaningful voices and their ambiguity, or semantic multivalence, cf. SVF II 136–165 and
Atherton (1993) 92–130 and passim. It is well known that the Stoics established a complex rela-
tionship between lekton, i.e. the meaning, the significant voice, and things (pragmata), cf. Sext.
Emp. Adv. Math. VIII 11–12 = SVF II 166, see Alessandrelli (2013) 91–112 and passim; Bronowski
(2019) 391–392.
14 Diog. Laert. VII 52 = SVF II 87; cf. also Cic. Fin. III 33.
15 Stob. Ecl. II 73.19 W. = SVF III 112.
Action as a Reaction | 333

representational content expressible by a noun or a sentence can be intuitively


connected to others that are neither linguistically expressed nor recollected. An-
other more complex evocative phenomenon can be found in the logical or situa-
tional context where a linguistic formulation can be placed.16 For example, there
is no need to reformulate and express the demonstrative presuppositions of a the-
orem each time it is quoted as true in a demonstration or a calculation, although
the theorem is assumed as true precisely in virtue of those presuppositions. A
somewhat similar case is someone executing an order of which they understand
the reason and aim even if these are not explicitly stated every time. This latter
case is particularly relevant to the theory of action. For action is the consequence
of an impulse that, as we shall see, is linguistically formulated in a specific form
and expresses assent to the representational content of a value. The Stoic theory
of action also considers prescription of a certain conduct to other people, in the
form of either orders issued by an authority or educational processes. Anyone re-
ceiving the order to perform a certain action is presumably inferior, from a cogni-
tive and a moral point of view, to the person issuing the order. Therefore, they
will have to gradually learn to connect the limited semantic value of the order to
a wider context of meanings (e.g. the aim of the order, the necessity of obeying it,
the possible consequences of violating it), even though these connections are not
expressed. Each of these connections, moreover, corresponds to an act of assent.
Assent is not only a judgement whereby a certain representational content is
accepted as true; it may also be an assessment, an indication of a practical type.
Assenting to the view that something should be done amounts to giving a logical
and linguistic expression to an inclination or a movement of the soul. These ideas
open up an extremely important practical perspective, according to which lan-
guage is one of the conditions for human action and the use of some modalities
of language makes it possible to educate people and give them prescriptions. The
Stoics subscribe to these ideas with a view to treating passions and more gener-
ally to help people become virtuous.17 In addition, they distinguish between ‘ut-
tered’ or ‘emitted’ logos, which is compared to the language of the animals or the
mere production of voice, and ‘internal’ logos, which is possessed by human be-
ings alone and is a discourse the soul addresses to itself in order to get to a logical

||
16 Alessandrelli (2013) 93f.
17 On the therapeutic logos of passions, cf. Orig. Contra Celsum I 64, p. 117 Koetschau I = SVF
III 474, and infra; on moral education imparted through orders, prohibitions or exhortations, cf.
Plut. De Stoic. Rep. 11, 1037c and e = SVF III 520 and 521; Philo Leg. Alleg. I 93 = SVF III 519. See
also infra.
334 | Francesca Alesse

conclusion or a practical deliberation.18 The Stoic sources apparently reduce ‘ut-


tered’ logos to a mere voice emission or the minimally articulated sounds of ani-
mals, yet quite probably it is human (rational) language using corporeal organs
that produce sounds. In the case of humans, internal and uttered languages con-
verge because they are based on the same grammar and morphology. This is im-
portant for action, for if action is the reaction to a stimulus that is never irrational
and can always be reduced to a propositional form, it is plausible that some lin-
guistic forms are likelier than others to provoke a reaction, both in case of the
internal discourse of the soul and in that of a prescription someone gives to oth-
ers.

3 The Characters of the Stoic Theory of Action


The early Stoics develop a theory of action whose peculiarities stem from the orig-
inality of their ethical and psychological doctrines. They propose a well-known
value theory based on the tripartition between moral good, moral evil and ‘indif-
ferent’. This last category comprises everything that is not identical with virtue or
vice and can be more or less preferable according to the circumstances. The goal
of life is acceding to a norm that the Stoics view as both universal nature and
universal reason: “the goal of life is agreement with nature or the logos”. Univer-
sal nature is the way things are, the order of the cosmos. But this latter depends
on a providential design which our individual choices cannot modify. Each of us
has the moral duty to understand it and give it their assent.19
On this view, any action has moral relevance not because of its content and
correspondence to a given set of rules, but only in virtue of the rational disposi-
tion with which it is performed. An action aimed at protecting one’s own or

||
18 Gal. In Hipp. De Off. Med. Comm. I 3, p. 649–650 Kühn XVIIIB = SVF II 135; Sext. Emp. Adv.
Math. VIII 275–276 = SVF II 223. On this topic see Labarrière (1997) 259–279; Manetti (2012) 83–
95.
19 Texts from primary and secondary literature on this topic are very numerous and I must limit
myself to a few indications. On the tripartition between goods, evils, and indifferents (adi-
aphora), see the evidence collected in SVF I 190–196; 559–562; SVF III 29–37; 72–79; 117–123. On
the definition of the moral end as “congruence with nature and universal reason”, see especially
the evidence collected in SVF I 179–188; 552–556; III 2–19. A recent survey is provided by Bé-
natouïl (2014), 423–438. The main difficulty of the Stoic theory of good and moral end is seen by
recent interpreters in the “tension” between the demand of detachment from what is not virtue
and the delineation of practical and rational behaviour: see esp. Barney (2003) 303–340; Klein
(2015) 227–281. On the relationship between ethics and nature, see Annas (2007) 58–87.
Action as a Reaction | 335

someone else’s health or life is not absolutely good, but just preferable within an
ordinary context, for health and life are indifferent in themselves. The Stoics give
the example of the sage who commits suicide if he is forced to live under too ad-
verse circumstances (e.g. under a tyrant, or in unbearable pains),20 or in situa-
tions that are contrary to the universal norm of reason. What is morally relevant
is rather performing a higher duty, i.e. abiding by the universal law. In accord-
ance with this view of the moral good as opposed to ‘indifferents’, the Stoics were
committed to a bipartition of types of actions. They distinguished ‘appropriate
actions’ (kathêkonta), characterized by their content, which is basically the prod-
uct of an evaluation of indifferents, and ‘correct actions’ (katorthômata), charac-
terized by their form, i.e. their adherence to universal reason.21 This bipartition is
of some relevance to our topic, since Stoic linguistics elaborates a grammar in
accord with the two types of action, i.e. two types of verbal predicate referring
respectively to assent given to an appropriate action and a correct action.
The general characters of Stoic psychology are also relevant to the theory of
action. The Stoics do not regard passions as the effect of a psychic component
separate from reason and independent of it. Passion is a psychic act amounting
to a judgement, and more precisely a ‘wrong judgement’, an aberration of the
logos.22 This implies that the passion itself is assent or the immediate conse-
quence of assent to an erroneous judgment, and that the passionate action is the
effect of that assent. For example, a sense of rage depends on propositional con-
tents we might formulate as follows: ‘I have been insulted, here and now’ and
‘insult is an evil’. The resulting passionate action (for instance: revenge) depends
on the fact that, according to the Stoics, pathos has a twofold propositional struc-
ture consisting in two judgements: a value judgement according to which a cer-
tain indifferent is good or bad; and a value judgement which is prescriptive as
well, for it states that before an alleged good or evil we are allowed to react in a
certain way.23 For example: when we get angry because we think we have been

||
20 The topos of the suicide of the sage is amply attested in the sources, cf. SVF III 757–768.
21 SVF I 230–232; III 491–499; 500–523.
22 Cic. Tusc. III 24 = SVF III 385; Plut. De Virt. Mor. 3, 441c and 7, 446f = SVF III 459; Diog. Laert.
VII 111 = SVF III 456; Stob. Ecl. II 88.8–10 W. = SVF III 378; Themist. In Arist. De an. paraphr.
p. 107.17–18 Heinze = SVF I 208 and III 382; Gal. De Plac. Hipp. et Plat. V 1,4 De Lacy = SVF I 209
and III 461.
23 See esp. Cic. Tusc. III 24–25 = SVF III 385; Cic. Tusc. IV 14 = SVF III 393; Ps.-Andr. De Pass. I,
1–4 p. 223 Glibert–Thirry = SVF III 391. On the propositional structure of pathos, see Frede (1986)
93–110, esp. 103–104; Nussbaum (1994) 366–400; Cooper (1998) 71–111; Graver (2007) 129 and
passim. On the bipropositional structure of pathos, see Inwood (1985) 147; Donini (1995) 305–
329.
336 | Francesca Alesse

insulted, we give our assent to the following two judgements: being insulted is
an evil, not an indifferent; hence I am right in being angry. The Stoics consider
this twofold propositional structure of passion as necessary to account for both
the origin of passion as a psychic event arising within reason and the origin of
such phenomena as are produced by passion, i.e. the various behavioural and
physiological reactions. The complex logical structure of passion is exploited e.g.
by Chrysippus. Based on this structure, he develops a strategy for treating pas-
sions that consists in countering first the prescriptive judgement according to
which it is right to get angry, and then the value judgement according to which
being insulted is a real evil.24
It is plausible from these few general remarks that the standard Stoic way of
defining praxis is to consider it as a sort of reaction to a judgement. More specifi-
cally, action is the reaction to a representational content, to an image produced
by the human logos to which corresponds a linguistic entity, i.e. a judgement
which is the object of assent. Hence assent is the act whereby the human logos
accepts, by internal language alone, the truth of a thing in the way in which it
believes that thing is represented. Yet this theory of the propositional structure of
passion still fails to account for the origin of action. I can regard as true and as-
sent to the representation of an insult addressed to me (‘what you said is insulting
to me and insult is an evil’). But it is unclear how, from a logical-linguistic act, a
physiological and emotional change (an acceleration of my heartbeat, a worsen-
ing of my mood) can arise and most notably a certain course of actions (a re-
venge). This also applies to all other propositions in which a value is stated, for
example those by which pleasure or physical health or anything else are qualified
as goods, agatha. In other words, the predications ‘this is good’ or ‘this is bad’ do
not appear to be able by themselves to provoke an action (or to prevent one from
taking an action).
The solution to this problem must be sought in the propositional structure of
the impulse. For the Stoics human impulse is also an act of assent, but this is
practical assent. This means that human logos accepts as true not just a certain
representational content, but the desirability or attractivity of the represented ob-
ject, which appears as something that must be pursued and possessed. In other
words, impulse is assent to such a judgement as ‘it is true that this object is a
good, and it is also true that it must be possessed by myself’. The notion of hormê
has a counterpart: the concept of aphormê, ‘aversion’.25 The logical dynamic un-
derlying aphormê is identical with that of hormê: aversion is assent to a such a

||
24 Cic. Tusc. III 76 = SVF III 486.
25 Stob. Ecl. II 86.17 W. = SVF III 169 cit.; Plut. De Stoic. Rep. 11, 1037f = SVF III 175.
Action as a Reaction | 337

judgement as ‘it is true that this object is an evil and it is also true that it must be
rejected and kept away by myself’. Some attention should be paid to the verb must
in the second part of the linguistic structure into which an impulse or an aversion
can be translated. This verb does not appear as such in the Greek texts, yet it is
generally used as an equivalent to the terms the Stoics use for keeping together
the assertory aspect of a value judgement and its possible prescriptive force. In
other words, the assent of a practical type, i.e. such as to cause an action, ex-
presses a truth judgement about whether the action should be performed.
This is what we can infer from two well-known and debated passages in Sto-
baeus taken from handbooks of Stoic ethics. The first passage is SVF III 171. I
quote this text in the English translation by Long and Sedley (LS 33I), with which
I partially disagree:

The Stoics say that all impulses are acts of assent, and the practical impulses also contain
motive power. But acts of assent and impulses actually differ in their objects: propositions
are the objects of acts of assent, but impulses are directed toward predicates, which are
contained in a sense in the propositions.26

As far as I could see, this interpretation of the Greek text is accepted by all trans-
lators.27 But in my view the first sentence may be rendered differently. The expres-
sion ‘practical impulses’, in the second half of the first sentence, does not corre-
spond to the original text whose literal meaning is ‘the practical ones contain the
principle of movement’. Moreover, the standard translation seems to suggest that
there are impulses which are not practical, and some scholars have taken Stoic
ethics to subscribe to the existence of non-practical impulses.28 However, it is un-
clear what a non-practical impulse might be other than an act of assent to a ge-
neric normative principle (‘x is just’) which does not yet prompt one to action and

||
26 Πάσας δὲ τὰς ὁρμὰς συγκαταθέσεις εἶναι, τὰς δὲ πρακτικὰς καὶ τὸ κινητικὸν περιέχειν. Ἤδη
δὲ ἄλλο (Wachsmuth, ἄλλων codd. and v. Arnim) μὲν εἶναι συγκαταθέσεις, ἐπ’ ἄλλο δὲ ὁρμάς καὶ
συγκαταθέσεις μὲν ἀξιώμασί τισιν, ὁρμὰς δὲ ἐπὶ κατηγορήματα, τὰ περιεχόμενά πως ἐν τοῖς ἀξιώ-
μασιν.
27 See e.g. Inwood (1985) 55 and 287 n. 271; Long/Sedley (1987), vol. 1, 197; Annas (1994) 93–94;
Stevens (2000) 144; Radice (2002) 1049; Boeri/Salles (2014) 120 (BS 6.15). But Inwood considers
the text as corrupt in that it evokes the idea of a non-practical impulse; precisely, he suspects a
lacuna between εἶναι and τὰς δὲ to be filled with συγκαταθέσεις δὲ καὶ ἄλλας εἶναι, which “would
distinguish practical assents which cause impulses from theoretical assents”; he admits, how-
ever, that there is no sign of a lacuna in the major manuscripts of Stobaeus. See also Long/Sedley
(1987), vol. 2, 200. Striker (1996), 111 n. 57, proposes to read πρακτικάς not necessarily as quali-
fying ὁρμάς, but rather as explicative of it.
28 See Tsekourakis (1974) 77; Long (1976) 80; Stevens (2000) 139–168; Togni (2010) 197–210.
338 | Francesca Alesse

therefore should not be called hormê. The expression hormê praktikê is indeed
attested in Stoic doxography. Even leaving aside SVF III 171, where in my view it
does not appear, there are at least three occurrences of this formula. They are
Plut. De Stoic. Rep. 47, 1057 b (SVF III 177), Stob. Ecl. II 86.17 W. = SVF III 169, and
Stob. Ecl. II 87.14 W. = SVF III 173; in the latter two hormê praktikê is a genus whose
species are kinds of inclination of the soul or dianoia.29 All the species of hormê
called praktikê in SVF III 169 and 173 (orousis, i.e. ‘inclination of mind’; prothesis,
i.e. ‘purpose’; epibolê and paraskeuê, i.e. ‘plan’, ‘design’; prohairesis, i.e.
‘choice’; and boulêsis, i.e. ‘rational or calculative desire’) make it clear that this
genus of hormê does not produce a generic inclination of desire or appetite, but a
praxis, something only human beings are capable of. That only rational beings
are capable of praxis can be inferred e.g. from Alex. Aphr. Fat. 34, p. 205.24 Bruns
= p. 86 Sharples (SVF II 1002), where Chrysippus’ argument is reported whereby
animals have different sensations and impulses because they correspond to dif-
ferent natures according to fate, and therefore “some living creatures will merely
act and others will act rationally…”.30 It is clear from this passage that praxis is a
characteristic of logika, as is also the adjective praktikos. Consequently, the ex-
pression hormê praktikê appearing in Stoic doxographies does not refer to a spe-
cific difference within human hormê, as opposed to a hypothetical ‘theoretical’
hormê, but a difference within animal hormê. Only human beings have a hormê
praktikê, i.e. an impulse to perform voluntary and deliberate actions that can be
right or wrong, as Alexander’s text points out, and for which they are responsible.
The meaning of hormê praktikê in Plutarch’s text can be interpreted along the
same lines. Plutarch describes Chrysippus as claiming that god or the sage pro-
duce false representations in the fool not in order to have them give their assent
in a wrong way, but to prompt them to perform a certain action. Plutarch objects
that, were this so, god and the sage would seem to hold that representations can
prompt one to act even if they have not been assented to. On the other hand, if
god and the sage view assent to representations as a necessary condition for im-
pulse, hence for action, and if they produce in other people false and persuasive
representations for a practical aim, they will have to lay the blame for wrong or
hasty assent on themselves. The problem of false representations produced by
the sage in the fool for a practical aim is relevant to our present topic, as I shall
attempt to show later. For now, it will suffice to point out that Chrysippus’ goal is

||
29 See Boeri/Salles (2014) 553–558.
30 Translation by Sharples (1983), ad loc. The Greek text is: οὐκοῦν κατὰ τὴν εἱμαρμένην καὶ
αἰσθήσεται τὰ ζῷα καὶ ὁρμήσει, καὶ τὰ μὲν τῶν ζῴων ἐνεργήσει μόνον τὰ δὲ πράξει τὰ λογικά, καὶ
τὰ μὲν ἁμαρτήσεται τὰ δὲ κατορθώσει.
Action as a Reaction | 339

to clarify how a practical impulse arises in the fool, i.e. people who lack perfect
knowledge and perfect mastery of their assent yet are rational beings and there-
fore can be educated and make progress. In other words, they can be led to per-
form virtuous actions and, above all, turned away from performing evil ones even
through false representations. The whole context of Chrysippus’ argument refers
to human behaviour, and hormê is praktikê in that it develops in the human logos,
even when the logos is imperfect.
In my view, what is meant in SVF III 171 is rather that all impulses are acts of
assent, more specifically, they are practical acts of assent in that they contain the
kinêtikon, the principle of movement. Hence the adjective ‘practical’ in the sec-
ond part of the first sentence refers to ‘acts of assent’, synkatatheseis, rather than
‘impulses’. The translation of the first sentence of SVF III 171 would read then:
“The Stoics say that all impulses are acts of assent, and the practical acts of assent
also contain motive power”. More interesting is what is claimed in the second half
of SVF III 171 quoted above. Assent, any kind of assent, has as its object the whole
proposition, or axiom, whereas impulse is linked to the predicate of the axiom
which has received assent. In Stoic theory of language, an axiom is an utterance
of which it can be said whether it is true or false, i.e., an apophantikos logos.31 The
predicate is a part of the axiom and is a certain characterization of the subject of
the utterance. Assent therefore concerns the truth of the judgement in its entirety,
i.e. the relationship between the predicate and that of which it is predicated.
What does it mean that impulse is an act of assent concerning not the judge-
ment as a whole, but the predicate? The answer could run as follows. Impulse is
a kind of assent which does not consist in accepting the truth of a value proposi-
tion such as ‘x is a good’, ‘y is an evil’, but acknowledges that it is necessary or
appropriate to act in a certain way as a consequence of assenting to the truth of
the value proposition. What I call the ‘necessity or appropriateness to act in a
certain way’ is technically expressed not by any, but a particular kind of verbal
predicate that is neither an infinitive nor an imperative. It cannot be an infinitive
verb,32 because a deliberating subject, in order to see a prescription in the infini-
tive verb, needs another linguistic element (‘we must do’, χρὴ ποιεῖν). So, we have
two verbal predicates (‘must’, ‘do’), and the problem arises which of the two ver-
bal predicates (‘must’ and ‘do’) is the object of impulse. The prescriptive predi-
cate cannot even be an imperative verb33 because, if a prescriptive proposition is

||
31 Cf. Sext. Emp. Adv. Math. VIII 12 = SVF II 166; and SVF II 186; 188; 200.
32 As claimed by e.g. Annas (1994) 96; Brennan (2005) 87–88; White (2010) 115; Bronowski
(2019) 370.
33 As claimed by Inwood (1985) 45–62.
340 | Francesca Alesse

to preserve its form of an ‘axiom’, that is, of an apophantic judgement of which it


can be said that it is either true or false, it cannot be in imperative form. Rather,
it must have the form of a predication where the predicate qualifies a subject.

4 The Form of Prescriptive Predicates


Stoic testimonia provide us with a pretty rich set of adjectives referring to moral
values and possessing at the same time a prescriptive function. I am thinking of
verbal predicates ending in -teon which, unlike the other moral qualifying adjec-
tives (including those ending in -ton), convey an idea of duty and a practical in-
dication. Unsurprisingly, these verbal predicates appear frequently in Stoic testi-
monia.34 They are used in order to build a prescriptive language made up of
qualifying predicates which, when assented to, must or should be followed by
the action in accord with the proposition of which they are part. This is clear from
the doxographical accounts where virtues are defined as epistêmai of what
should and should not be done in the different domains of action, as well as from
some texts taken from Chrysippus’ work On law. The verbal predicate ending
in -teon was used by Chrysippus also in the context of the treatment of passions I
mentioned above. This kind of adjective was of course in common usage, but
Stoic philosophers probably aimed to combine the prescriptive character of a
value judgement with its axiomatic form.
In addition, we have evidence for a distinction between predicates ending
in -teon and -ton.35 It should be noted that this distinction is not entirely clear and
is not described in a coherent way in our source, which is once again Stobaeus.
Fragments SVF III 89 and 91 seem to suggest that, generally speaking, predicates
ending in -ton refer to some good, something worth choosing, e.g. moral virtue in
each of its articulations, wisdom, self-control, etc. Predicates ending in -teon
would rather seem to refer to a line of conduct, an action or series of actions per-
formed for the sake of a good which is worth choosing, e.g. acting in a wise or
self-controlled way. Moreover, such things as are qualified by verbal predicates
of the second type, i.e. those ending in -teon, are not goods in themselves, but
‘useful’ or ‘profitable’ things, goods with respect to something else, mere instru-
ments for achieving the highest good. In SVF III 89 Stobaeus adds that whereas

||
34 These predicates are particularly frequent in the definitions of virtues, in the description of
the appropriate actions (kathêkonta) and in the therapy of passions, see e.g. SVF II 1003 and
1005; III 89; 90; 91; 255; 256; 262; 263; 265; 275; 280; 283; 286; 295; 314; 323; 475; 620.
35 See SVF III 89; 90; 91.
Action as a Reaction | 341

the moral goal (e.g. phronêsis) is the good, the object of practical choice is not so
much the good, but the particular action ‘connected’ to the good (e.g. phronein).
We choose to act wisely because wise acts are essentially connected to the pos-
session of wisdom. Fragment 91 reproduces the same distinction as fragment 89
but makes an important point about language. Qualifying adjectives ending
in -teon do not refer to the goods, but to useful things, since they are “predicates
(katêgorêmata) connected to the goods”. The use of the word katêgorêma here
recalls the definition, in SVF III 171, of practical impulse as assent not just to the
truth of a proposition, but more specifically to the predicate that the proposition
contains. As SVF III 89 and most notably SVF III 91 show, these predicates are
verbal predicates ending in -teon. We can plausibly conclude, therefore, that it is
precisely these verbal predicates that make assent practical and turn it into an
impulse. The passage in SVF III 91 reports the following general prescriptive prop-
ositions: ‘we must choose the things that must be chosen, we must tolerate the
things that must be tolerated’ etc. I should like to point out once again that the
verbs of obligation used in the translation do not appear in the Greek text, where
it is the verbal predicates ending in -teon that express the idea of obligation and
perform a prescriptive function. The passage goes on to claim that the choices of
human beings, their desires, their acts of volition as well as any leaning of the
human soul towards the possession of something and the achievement of a moral
goal, all have the predicate as their object, i.e., in my interpretation, only this kind
of predicate. And this kind of predicate is the only object of impulse.
Finally, prescriptive predicates should probably be connected to kathêkonta,
i.e. appropriate actions, rather than katorthômata, correct actions. As we have
seen, predicates ending in -teon apply not to such goods as are chosen for them-
selves, but to behaviour that is instrumental in achieving the moral good,
phronein in its specific facets, rather than phronêsis. As a result, correct actions,
of which only the sage and virtuous are capable and which represent the perfect
realisation of the good and the correctness of reason, can be adequately ex-
pressed by non-prescriptive qualifying predicates, including those ending in -ton.
In other words, a katorthôma is not a course of actions directed towards a still
unachieved goal, but a kind of status acquired by someone who at least in prin-
ciple does not need any further prescriptions. By contrast, an appropriate action
is the specific behaviour ordered by a moral prescription for the gradual improve-
ment of the logos. This is why it is more adequately expressed by a prescriptive
predicate ending in -teon. For example, honouring one’s parents, serving one’s
country and, more generally, acting in accordance with the rules of virtue, are
instances of phronein, dikein, etc. but do not necessarily mean that one has
342 | Francesca Alesse

attained phronêsis and dikaiosynê. Therefore, they should be regarded as instru-


mental in attaining virtue.
Like all predicates, these predicates are incorporeal. Yet they are key seman-
tic references, since they tell us what we ought to prefer and direct our actions
toward. These predicates are the only logical-linguistic entities that seem to meet
some essential requirements for promoting action. First, they reflect a normative
value and prescribe something to do, like a precept, an obligation, or a peremp-
tory order. Secondly, unlike precepts, orders, etc., these predicates, working as
qualifying adjectives such as ‘beautiful’, or ‘noble’ etc., form the assertions of
which we can say that they are true or false. And this is not the case with imper-
ative utterances. However, unlike most qualifying adjectives, these verbal predi-
cates have a further semantic function. Thanks to the form of the word, they
clearly signal that a certain action is not only beautiful and noble, but also that it
must be performed. Hence, they are prescriptive predicates within descriptive
and apophantic propositions.
There is a precise theoretical reason for the use that the Stoics made of this
kind of prescriptive predicates, i.e. their view that every psychic act can be ana-
lyzed in its logical elements and that impulse to action is in a way an act of cog-
nition and a judgement. The consequence of impulse, i.e. action, is the immediate
reflex of the acceptance of a cognitive and propositional content. Thus, we may
regard action as a reaction to a certain understanding of reality. But, as we have
seen, not all ways of representing and understanding a value, hence not every
linguistic act which can express that value, can arouse an impulse and promote
an action. This qualification is particularly significant if viewed in the light of the
pedagogical theories of the Stoics, which rest on a careful analysis of language.

5 Impulse (and Aversion) in the Stoic Theory of


Education. The Case of the ‘Sage who tells
something false’
Impulse and aversion are not only an important part of the Stoic analysis of hu-
man nature and action; they also play a decisive role in Stoic theory of education.
The sage plays a prescriptive role towards the insipient, which is comparable to
that of the nomos, the law. Both, the law and the sage, embody prescriptive rea-
son and are therefore capable of arousing impulses and aversions in the fools, in
Action as a Reaction | 343

order to direct them towards the good.36 This depends on what I have tried to il-
lustrate so far, that is, on the close connection between the impulse to action and
the ability to understand the content of an ‘impulsive representation’, a prescrip-
tion. Impulse and aversion correspond to linguistic acts that have the same gen-
eral structure and are configured as assents focused on verbal predicates of a pre-
scriptive type (i.e. ending in -teon). Keeping this in mind, let us now briefly dis-
cuss the case study of a Stoic sage who resorts to falsehood in order to have some
non-sage do something.
In Adversus Mathematicos, VII 42–44, Sextus Empiricus illustrates the Stoic
view that truth and the true are distinct. Truth and the true are distinct from mul-
tiple points of view. The true is a linguistic entity, i.e. an incorporeal. Truth, as a
possession of knowledge, is a part of reason and as such it is corporeal. The true
is accessible to anyone: even a fool can formulate a true proposition. Truth is a
conceptual structure and the intelligent understanding of the logical relations
between true propositions: hence it is accessible to the sage alone. As a result,
the (Stoic) sage never errs and never lies, although he can formulate a false prop-
osition. Here is what Sextus says:

Hence the person who has this [scil. knowledge – F.A.] is wise (for he has knowledge of
things that are true), and he never lies, even if he speaks a falsehood, owing to the fact that
it is uttered not from a bad but from a sophisticated disposition. The doctor says something
false about the health of the sick person, and promises to give him something but does not
give it. He says something false but does not lie; for it is with a view to the health of the
person in his care that he takes such a recourse. And the best military leaders often fabricate
letters from allied states to cheer up the soldiers under their command; they say something
false, but do not lie, because they do not do this with a bad purpose. And the grammarian,
in offering, an example of misuse of language, cites a misuse of language but does not mis-
use language; for it is not by way of ignorance of correct speech that this happens. Just like
them, the wise person too – that is, the person who has knowledge of what is true – will
sometimes speak a falsehood, but will never lie, because of not having a mind-set that as-
sents to what is false.37

||
36 This is what can be inferred from Plut. De Stoic. Rep. 11, 1037c–1038a = SVF III 520, 521, and
175, which come from Chrysippus’ treatise On Law. Similar ideas appear in Stob. Ecl. II 104.10–
105.6 W. = SVF III 682. On Plutarch’s text and Chrysippus’ strategy which provides first prohibi-
tions (apagoreumata) and only later positive prescriptions (prostagmata), see Alesse (2013).
37 Sext. Emp. Adv. Math. VII 42–44, translation Bett (2005), ad loc.
344 | Francesca Alesse

That the sage can mislead the common man by producing false representations
is a thesis that Stoics have considered, as we have seen above.38 I should like to
draw attention to the examples and their meaning with respect to action. Two
cases should be distinguished in Sextus’ account: that of the doctor and the gen-
eral, and that of the grammarian. The type of error is quite different in the two
cases. By uttering a solecism, the grammarian deliberately commits a mistake in
his own field of knowledge, i.e. he breaks the rules of the language he has to
teach. In the case of the doctor and the general it is surely not so. The doctor and
the general, the former by making a promise that is not going to become true, the
latter by lying about the imminent arrival of reinforcements, do not break the
rules of their respective sciences and truth systems, i.e. medicine and strategy.
The doctor does not seem to formulate, for instance, the axiom that an intake of
sugar will be good for the patient, but that he will let him eat a small quantity of
sugar, although he knows he will not. The general does not utter the axiom that
the battle will be won without reinforcements, but that the allies are coming, al-
though he knows they are not. The propositions uttered by the doctor and the
general are false with respect to a situation with which the content of the propo-
sitions is not in accordance. These propositions are uttered in order to provoke a
practical reaction, hence an impulse. By assenting to the false utterances of the
doctor and the general, the patient and the soldier will also assent to the true
value judgements according to which for the time being they must tolerate, re-
spectively, a diet and the hardships of war (i.e., they assent to prescriptive pred-
icates ending in -teon and qualifying diet and hardships of war as ‘tolerable’ or
‘things that must be tolerated’, ὑπομενετέα). Both the patient and the soldier
must develop a hormê for situations that usually arouse aversion based on the
misguided view that fasting and resistance are unpleasant efforts that are to be
avoided. On the other hand, the grammarian has no other purpose than clearly
to point out a mistake vis-à-vis the true. At most, we can say that he arouses an
aversion towards error.
These three cases are a good example of what the early Stoics took to be the
task of prescription, hence of the educator and the lawgiver. The latter aim to di-
rect the actions of their disciples and citizens by changing their views and judge-
ments. A change in one’s views has as its consequence a remarkable progress on
the path leading to rectitude of reason and virtuous behaviour, two qualities that
cannot be found in fools. To achieve more quickly a change in the fools’ be-

||
38 Cf. Plut. De Stoic. Rep. 47, 1055f–1056a = SVF II 994; and 1057b–c, cit. = SVF III 177. See also
Philo De Cherub. 14 = SVF III 513, reporting examples which are similar to Sextus’, and Stob. Ecl.
II 111.10–17 W. = SVF III 554.
Action as a Reaction | 345

haviour, the Stoics grant the wise educator and lawgiver the right to rely on a sort
of noble lie, based on the extremely close relationship between the representa-
tional-cognitive act, the linguistic act and the rise of the impulse which is the di-
rect and immediate condition for action. Since action is ultimately a reaction pro-
voked by ad hoc linguistic expressions, it is possible to use particular modalities
of language for educational purposes.

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Margaret Graver
Does God Have a Choice?
Human and Divine Volition in Stoic Philosophy

In Book II of Cicero’s De Natura Deorum the Stoic exponent Quintus Lucilius


Balbus gives what he says is the principal Stoic account of the divine nature:1

ipsius vero mundi, qui omnia conplexu suo coercet et continet, natura non artificiosa solum
sed plane artifex ab eodem Zenone dicitur, consultrix et provida utilitatum oportunitatum-
que omnium. atque ut ceterae naturae suis seminibus quaeque gignuntur augescunt conti-
nentur, sic natura mundi omnis motus habet voluntarios, conatusque et adpetitiones, quas
ὁρμὰς Graeci vocant, et is consentaneas actiones sic adhibet ut nosmet ipsi qui animis
movemur et sensibus.

But the nature of the world itself, which encloses and contains all things in its embrace, is
called by Zeno not just ‘craftsmanlike’ but actually ‘a craftsman’, being such as to consid-
er and provide in advance for all things useful and opportune; and just as other natures
are born and grow and are upheld by their seeds, so the nature of the world has all the vo-
litional movements, all the efforts and impulses (which the Greeks call hormai), and de-
ploys actions in accordance with these just as we ourselves do who are moved by minds
and senses.2

The intent of the passage is clear. According to Zeno, the first founder of Stoi-
cism, the world-soul – god or Zeus – is a rational agent possessed of all the ra-
tional and agencial capacities that humans have. This immanent god, elsewhere
called the active principle of the cosmos, or again Universal Cause, Right Rea-
son, and Fate,3 this god who permeates the entire world and imparts to formless

||
1 Earlier versions of this paper were given at Northwestern University in 2014, at Paris–
Sorbonne in 2014 and 2020, at Hebrew University in Jerusalem in 2018, and at the Gesellschaft
für Antike Philosophie in Frankfurt in September 2019. I wish to thank the participants in those
sessions for their contributions to the project. In addition, I am most grateful to Susanne Bob-
zien, Dhananjay Jagannathan, Tony Long, and David Riesbeck for written comments on earlier
and later drafts. Special thanks also to David Blank, who provided me with a much improved
transcription of PHerc. 1577–1579, and David Armstrong and (again) David Blank, who aided
me with the translation and interpretation of that text.
2 Cic., Nat. D. II 58, text in Ax (1933). Translations are my own throughout unless otherwise
noted.
3 The most important pieces of evidence include, besides De Natura Deorum II, Aetius I 7,33
(LS 46A = SVF II 1027); Diog. Laert. VII 135–136 (LS 46B = SVF I 102). The principal claims of the
early Stoics in the realm of theology are treated in Long/Sedley (1987) chapters 46, 52, and 54;

https://doi.org/10.1515/9783110735598-016
350 | Margaret Graver

matter every attribute that we observe – this god has the very same kinds of
mental events as we do when we perform some voluntary action: volitional
movements (motus voluntarios), efforts (conatus), and impulses (adpetitiones).
In one sense, this claim should not surprise us. We know that some Stoic
texts represent god as a person, not anthropomorphic in any bodily sense and
yet one who can be meaningfully addressed in prayer. The idea that the divine
craftsman acts through volition, as human beings do, accords well with the
direct invocations of Zeus that we find in the poetry of Cleanthes and, in the
later period, in some passages of Epictetus.4 And as will be seen below, the
claim that the Stoic gods are psychologically similar to human beings specifical-
ly in that their actions are willed, or voluntary, is also to be found in Seneca’s De
Beneficiis, a work that has close ties to the writings of much earlier Stoics.
In another sense, though, Balbus’s assertion seems deeply baffling. Given
how Stoics describe their primary deity, it seems peculiar and perhaps not even
viable to credit him, or it, with a mental faculty like the one that we recognize in
ourselves as voluntary action. The problem, as I see it, is one of necessitation.
Intuitively, we assume that an action can be volitional only if it is not necessi-
tated; or, putting it differently, we say that a person is not acting voluntarily if it
is impossible for them to do anything else. Now, in the human case it is not
difficult to show that Stoic thought treats instances of voluntary action as being
free of necessitation; for, while it is true that every one of our actions is deter-
mined by antecedent causes, the concatenation of causes that determine an
action is not such as to render alternative actions impossible. But when it comes
to the Stoic Zeus, or any divine being in Stoicism, additional considerations
come into play. The characteristics that are posited for the world-soul include
traits like foreknowledge, benevolence, and an inability to do harm, and these
essential traits should render it impossible for Zeus to do anything other than
the very thing he does; namely, create and govern the universe in the best pos-
sible way. So, if the world-soul acts out of necessity, but our notion of voluntar-
iness presupposes non-necessitation, then either the Stoic natura mundi does
not have volitional movements, or our understanding of volition requires revi-

||
also Dragona–Monachou (1976); Mansfield (1979) and (1999); D. Frede (2002); Sedley (2002);
Algra (2003); Meijer (2007); Bénatouïl (2009). Some difficulties with the Stoic view of divine
thoughts are explored in Reydams–Schils (2006).
4 For Cleanthes see the hymn to Zeus preserved in Stobaeus (SVF I 537); also the shorter invo-
cation quoted in both Epictetus, Encheiridion 53, and Seneca, Ep. 107,10; SVF I 527. For Epicte-
tus, especially Diss. I 16,20–21.
Does God Have a Choice? | 351

sion. Hence at some points in writing this paper I have asked myself, somewhat
whimsically, “Does god have a choice?”
In what follows, I would like to explore this concern more deeply and to
show how it arises from ancient reports of the Stoic position on necessity and
the divine nature. Then in addition, I mean to draw attention to a little-studied
text in Seneca’s De Beneficiis that makes a strong case in favor of divine volition.
In Seneca’s presentation of the issues, the necessity occasioned by the divine
nature applies not to the actions of gods but to the divine volition itself. God’s
will is necessitated by god’s nature, but god’s actions are not any less volitional
for that; indeed, they are all the more volitional. Moreover, the model Seneca
offers is one that applies also to the will of the perfected human being, the vir
bonus or Stoic sage. Insofar as the sage represents the perfection of the same
rational nature as every one of us possesses, Seneca’s remarks offer an interest-
ing way of understanding what it means for any human being to act of her own
volition. Not only does Zeus exercise a faculty of choice, but it is only in con-
ceiving of the world-soul as a volitional being that we gain a correct under-
standing of our own faculty of choice.

1 The Terminology of Choice in De Natura Deorum


II 58
Before studying the problem, we must first consider a point of terminology in
the Cicero passage. We read there that the Stoic Zeno attributes to the divine
craftsman omnis motus … voluntarios, conatusque et adpetitiones, quas ὁρμὰς
Graeci vocant: “all the volitional movements, all the efforts and impulses (which
the Greeks call hormai)”; that is, all the ones that human beings have. Now,
adpetitio is used elsewhere by Cicero as a rendering for the Greek hormê, and
conatus and adpetitiones are linked closely by the phrasing here.5 While it is
possible that conatus represents some other Greek term (e.g. orexis, in Stoicism
a species of hormê), it is perhaps preferable to assume that Cicero means the

||
5 Cicero makes his choice of adpetitio for ὁρμή explicit in Acad. Pr. 24, Fin. III 23, Off. II 18; and
compare Nat. D. II 29 in belua quiddam simile mentis, unde oriantur rerum adpetitus. (See Pease
(1958), vol. 2, 615, 686.) Seneca uses conatus in the same way in Ep. 114,23 and 121,13. Conatus
is used by Cicero as an equivalent for ἐπιβολή in Tusc. IV 72.
352 | Margaret Graver

pair of words to count as a double rendering for hormê.6 But what about motus
voluntarios? As motus (“movement”) recalls the Greek kinêsis, which is frequent
in psychological contexts, it is worth asking whether the adjective voluntarius
might also reflect Cicero’s knowledge of the psychological vocabulary of Stoi-
cism. In particular, I want to consider the possibility that Cicero might have
known a Stoic source that used the phrase prohairetikai kinêseis (volitional
movements), analogous to pathêtikai kinêseis (emotional movements) in the
fragments of Posidonius and tonikê kinêsis (tensional movement) in some re-
ports of Stoic physics.7
The suggestion is perhaps a bold one, for while prohairesis is an important
term earlier in Aristotle and later in Epictetus, it is only thinly attested for the
early period of Stoicism,8 and some have been inclined to doubt whether that
word or indeed any Greek word lies behind the Latin voluntas and voluntarius as
they appear in key texts of Cicero and Seneca.9 There is one bit of evidence,
however, that seems to me to be quite significant for this point. It is a fragment
from the Herculaneum papyri, written from an Epicurean perspective as a cri-
tique of the very doctrine Cicero is presenting in De Natura Deorum II 58:10

ἢ τί μᾶλλον ἀν- Or why is it possible to say that ... generated the


θρώπων χ̣άριν ἢ τῶν [ἀ- ...
λόγων ζωίων ἔϲτιν ε[ἰ- for the sake of humans
πεῖν γεγεννηκέναι any more than for the sake of some one of these
_το[ύ]τω[ν τι . . . ]ουτει[ . irrational animals? …
εμιβα[ . . . . . . . . . . . .
καὶ μέγαϲ ἀλλὰ [ . . . . and large, but ....
ζ[ωί]ου [ϲυ]μπαθίαϲ ο̣ [ὔ- of living sympatheia
κ [ἐϲτι . . . . . . . . . ]ϲ[ . . ]ολω[ . it is not...
. . . ]ν[ . . . . . . . .[Ἀπολλο [Apollo]doru[s]..

||
6 Expressing one Greek term with a pair of Latin equivalents is one of Cicero’s techniques as a
translator; see Powell (1995) 287–288. A triple rendering is also a possibility; compare the
threefold translation of καθήκει in Tusc. III 61.
7 For παθητικαὶ κινήσεις see Posidonius, fragments 153 and 165 Kidd; for τονικὴ κίνησις, Alex-
ander of Aphrodisias in SVF II 448 and Galen in SVF II 450.
8 For the evidence see Graver (2003) 353–358. Bobzien (1998), 402–406, observes that the
word is more common in later philosophical texts that are specifically concerned with the
ability to do otherwise.
9 See for instance Dihle (1982) 133, 239 notes 68–69; Inwood (1985) 240–242; Kahn (1988) 251–
255; Dobbin (1991); Inwood (2005) 132–156 (esp. 137 n. 21).
10 PHerc. 1577–1579, fr. 2; text in Minervini (1862–1876), vol. 8, 26–35, here 27; extracts printed
in SVF II 639–640.
Does God Have a Choice? | 353

δωρο[ . . . . . . . . . κόϲ- … of the world


μου κρα[θῆ]να[ι to have been mingled
ἀπειρίαϲ εἰ μὴ τ̣ [ὰϲ δυ- of infinitude, except the capacities,
νάμειϲ ἀλλὰ τῶν [ . . but it will have of the inanimate ...
_ἀψύχων ἕξει. τοιοῦ- And being of this kind
τοϲ δ’ ὢν οὐκ ἐπαιϲθα- it will not be conceived as having sense-
νόμενοϲ νοηθήϲε- perception.
ται· τὴν γὰρ ἰϲχὺν οὐ For it has neither the strength
τὴν πυρὸϲ οὐδὲ τὴν ἀ- of fire nor that of
έροϲ [ἔχει, κόϲ]μου δὲ air … but toward the world’s
ἐπὶ ϲυϲτήματι δι’ ἀϊ[δί- system, through eternals,
ων τῶι παρὰ τὴν ἐπι- by its being contrary to
ϲτήμην τῆϲ ἑαυτοῦ knowledge of its own
φύϲεωϲ καὶ τοῦ δυνα- nature and to knowledge both of what
τοῦ γενέϲθαι καὶ μὴ δυ- can happen and what cannot,
νατοῦ πάντα τὸν ἀῒ[δι- of one who considers every eternal one
ον ἄφοβον καὶ μακά- to be unthreatening and blessed.
_ριον ἐϲχηκότοϲ. ἀλ-
λὰ δὴ καὶ παρ’ ἡμῖν Moreover, given that in our case
τῶν μὲν φύϲει τῶν some things come about by nature
δὲ προαιρ[έϲ]ει γινομέ- and some by volition,
νων ἐπιβλέψ̣[αι πρό- it is easy to observe
χειρον ὅτι τῶν [προ- that the cosmos does not resemble
αιρετικῶν οὐδ[ὲ ἑνὶ even one of the volitional beings,
προϲέοικεν ὁ κόϲμοϲ
ὥϲθ’ ὑπον ο ῆϲαι καὶ οε. . ] so that one can conceive also
δυνατὴν οὖϲαν αὐ- being [im?]possible...

Wilhelm Crönert suggested in 1906 that this unidentified text might have be-
longed to Book II of Philodemus’ treatise On the Gods, a work that presents nu-
merous other parallels to the De Natura Deorum.11 Whatever the source, though,
it is clear that the author is arguing specifically against the claims that the cos-
mos has been generated for the sake of human beings, that it has capacities like
those of animate creatures, and that it has sense-perception. A proper under-
standing of the world’s nature, such as Epicureans have, shows that it “does not

||
11 See Crönert (1906) 113 n. 512; similarly Bassi (1910) 328 n. 1. The manner of argumentation is
very like that of Velleius in De Natura Deorum I 18–24 and 36–41 and also very like that of
Philodemus in Peri Eusebeias and Peri Theôn Books I and III. The latter work is standardly
compared to Cicero’s: Hermann Diels laid out the Latin and Greek texts in parallel columns in
Diels (1916) and Diels (1917). See Asmis (1990); Dyck (2003); Essler (2011).
354 | Margaret Graver

resemble even one of the volitional beings” (prohairetika). There are things that
come about by nature, and things that come about by volition, prohair(es)ei,
and it is easy to tell the one from the other. The author’s position thus resembles
what Epicurus says in Letter to Herodotus 77 and 81 about the heavenly bodies,
that they are not animate beings and do not go through their motions deliber-
ately (kata boulêsin). But in the papyrus, the opponent is not popular supersti-
tions about the stars and planets, but philosophical doctrines about the cosmos
as a whole, put forward by someone who believes that the world is created for
the sake of humans but not of irrational animals, who mentions cosmic sympa-
thy ([su]mpathias in line 8) and who favors the idea of a volitional cosmos. It
makes most sense if that philosophical opponent is a Stoic of the first century
BCE or earlier, and if that Stoic author has already used the terms prohairesis
and prohairetikos in stating his view.
This is indirect evidence at best, but it gives us some reason to trust Cicero’s
report that the Stoics’ theological physics includes a notion not just of an im-
manent and rational deity, but of one whose activities count as voluntary ac-
tions. To be sure, the main idea about agency is already implicit in the term
hormê, so that much of the puzzle we have to explore would be the same if we
were to ask simply “what is it for the Stoic god to have rational impulse”? But
the Herculaneum text entitles us to put the question in a more pointed way, and
ask “what is this divine will that Zeno speaks of?” or again, “does the Stoic god
have a choice?”

2 The Preconditions for Human Choice


We can now begin to consider the concept of choice itself. I think it is fair to say
that for most English speakers today, the terms “choice”, “volition”, and “vol-
untary” presuppose non-necessitation. That is, we tend to assume that for any
agent A and any token action φ, A cannot have chosen to φ or willed to φ, nor
can A be held responsible for φ-ing, if the proposition A φ’s is necessarily true;
or, equivalently, if the proposition A does not φ cannot be true. It appears that
Greek philosophers of the Hellenistic period shared that intuition. In her book
Determinism and Freedom in Stoic Ethics, Susanne Bobzien opens her chapter on
“Modality, Determinism, and Freedom” by noting that both the ancient Stoics
and their opponents treated non-necessitation as a precondition for an action’s
depending on us:
It seems that Hellenistic philosophers generally agreed that an action or, in
general, activity does not depend on us and is not in our power, if it (or a corre-
Does God Have a Choice? | 355

sponding proposition) is necessary or impossible; or, put differently, that a pre-


requisite for something’s depending on us is that it is both possible and non-ne-
cessary. This fact is invoked both by the Stoics in defence of their theory and in
the criticism of their opponents.12
We will need ultimately to probe this assumption about the preconditions
for voluntary action, at least when it comes to the sort of agent Zeno thinks of as
divine. In the meantime, though, it seems highly relevant to observe that in Sto-
ic philosophy, the actions of ordinary human agents do meet these modal re-
quirements.
It is important to bear in mind what it means in Stoicism to say that an
event is either necessary or non-necessary. Bobzien explicates a set of Stoic
modal definitions preserved in Diogenes Laertius and Boethius. Traceable to
Chrysippus of Soli in the third century B.C.E, these definitions counter those of
the Megarian philosopher Diodorus Cronus.

Δυνατὸν μέν <ἐστιν ἀξίωμα> τὸ ἐπιδεκτικὸν τοῦ ἀληθὲς εἶναι τῶν ἐκτὸς μὴ ἐναντιουμένων
εἰς τὸ ἀληθὲς εἶναι … ἀδύνατον δὲ ὃ μή ἐστιν ἐπιδεκτικὸν τοῦ ἀληθὲς εἶναι <ἢ ἐπιδεκτικὸν
μὲν ἐστι, τὰ δ᾽ ἐκτὸς αὐτῷ ἐναντιοῦται πρὸς τὸ ἀληθὲς εἶναι> … ἀναγκαῖον δέ ἐστιν ὅπερ
ἀληθὲς ὂν οὐκ ἔστιν ἐπιδεκτικὸν τοῦ ψεῦδος εἶναι ἢ ἐπιδεκτικὸν μέν ἐστι, τὰ δ᾽ ἐκτὸς αὐτῷ
ἐναντιοῦται πρὸς τὸ ψεῦδος εἶναι … οὐκ ἀναγκαῖον δέ ἐστιν ὃ καὶ <εἰ> ἀληθές ἐστιν καὶ
ψεῦδος οἷόν τε εἶναι, τῶν ἐκτὸς μηδὲν ἐναντιουμένων <εἰς τὸ ψεῦδος εἶναι>.

A proposition is possible if it is capable of being true, and not hindered from being true by
external circumstances…A proposition is impossible if it is not capable of being true, <or is
capable of being true, but is hindered by external circumstances from being true.> A prop-
osition is necessary if it is not capable of being false, or is capable of being false, but is
hindered by external circumstances from being false…A proposition is non-necessary if
(even <if> it is true) it is capable of being false, and not hindered <from being false> by any
external circumstances.13

The Stoics here reject the Diodoran account in which everything that will hap-
pen is regarded as necessary and only those things are regarded as possible. In
the system of modal logic established by Chrysippus, the Stoics assign a more
restricted scope to the necessary and a correspondingly larger scope to the pos-
sible. In compact form, the Chrysippan definitions state that a proposition is

||
12 Bobzien (1998) 97. The relevance of the capacity to act otherwise to Stoic compatibilism is
helpfully explicated also in Salles (2005).
13 The text and translation are as presented by Bobzien (1998), 112, following the reconstruc-
tion in M. Frede (1974), 107–114, which is based on Diog. Laert. VII 75 and Boethius, Int., 2. ed.,
234–235, 393 Meiser. For interpretation and for the attribution to Chrysippus see Bobzien (1998)
112–116, 119–122.
356 | Margaret Graver

possible if and only if it is capable of being true and is not hindered from being
true by external circumstances; it is necessary if and only if it is not capable of
being false or is hindered by external circumstances from being false. The defi-
nitions are interrelated in such a way that a proposition is necessary just when
its contradictory is impossible, and non-necessary just when its contradictory is
possible.
An important implication of laying out the system in this way is that even if
something is never going to happen, it still might be possible for it to happen. In
a determinate cosmos, the causes are already in place that will eventually bring
about the future that we are to have, and those causes determine their effects in
an entirely regular way: if the same causes are in place, the same effects will
always ensue. But they may not ensue of necessity. Many things that will in fact
happen turn out to be non-necessary, and many things that will not happen
turn out to be possible. Putting it another way, we can say that the undisputed
regularity of causation is not such as to eliminate every alternative possibility.
A passage in Cicero’s treatise De Fato provides an illustration. Cicero has
just explained that according to Diodorus Cronus, future-tense propositions that
will not actually come true are thereby impossible. He continues as follows:

At hoc, Chrysippe, minime vis, maximeque tibi de hoc ipso cum Diodoro certamen est. Ille
enim id solum fieri posse dicit quod aut sit verum aut futurum sit verum, et quidquid futurum
sit id dicit fieri necesse esse et quidquid non sit futurum id negat fieri posse. Tu et quae non
sint futura posse fieri dicis, ut frangi hanc gemmam etiam si id numquam futurum sit, neque
necesse fuisse Cypselum regnare Corinthi quamquam id millesimo ante anno Apollinis ora-
culo editum esset.

But you, Chrysippus, are by no means willing to accept this, and your controversy with
Diodorus is on this point in particular. He says that only that which either is or will be true
is possible, and that anything that will be happens of necessity, while anything that will
not be cannot possibly happen. You say that things which will not be are also possible.
For example, it is possible for this jewel to be broken even if that will never happen. And
you say that it was not necessary for Cypselus to rule at Corinth, even though that had
been predicted by the oracle of Apollo a thousand years earlier.14

Chrysippus holds up a gem and asks his audience to assume that this gem will
never be broken. Does it follow that it is impossible for it to be broken? Chrysip-
pus says no: the gem is still a breakable object, even if the possibility of its
breaking will never be realized. Conversely, something that definitely is going to
happen may not be going to happen of necessity. A thousand years before the

||
14 Cic., Fat. 13.
Does God Have a Choice? | 357

tyrant Cypselus was born, it was true of him that he would someday rule the city
of Corinth; and yet the fact that he would do so was never a necessity in the
strict sense of the word.15 By the same token, it was always possible that Cypse-
lus would not come to power, just as the gem is always capable of being broken.
The future is just full of possibilities that will never be realized.
But if these possibilities are not going to be realized, then in what do they
consist? The modal definition states two conditions that have to be met for
something to be possible: it has to be capable of being true, and it cannot be
hindered from being true by external circumstances. For the present discussion,
we can concentrate on the first of these. Coming from Chrysippus, “capable of
being true” ought to mean that the relevant proposition is internally capable of
being true; i.e. that there is no logical difficulty created by linking that subject
to that predicate. A proposition like this circle will have four corners is not capa-
ble of being true: a circle is in essence and by definition not the sort of thing that
can ever have corners. But to posit that this gem will break does not create any
such problem. A broken gem is not like square circle, for there is no conflict bet-
ween what it is to be a gem and what it is for something to break. Borrowing a
term from Alexander of Aphrodisias, we can speak of the “suitability of the sub-
ject” (epitêdeiotês tou hupokeimenou) to bear that predicate.16
Thinking of it this way, the notion of that which is “capable of being true”
can also be expressed as a property that some things have and others do not. In
general terms, again, that property is just the suitability of a certain subject,
whether a particular thing or a class of things, to bear a certain predicate. In
fact, gemstones sometimes do shatter, and so we can say that this particular
gemstone – whatever one we happen to have in mind – belongs to a class of
things to which the predicate breaks sometimes applies. But the breakability of
gems in Stoic thought cannot consist simply in the contingent fact that such
breakage has been known to occur. For Chrysippus might want to say that the
gem he is holding is breakable even if it happened to be the case that no gem-
stone in the world would ever break, and likewise even if his stone were the

||
15 From the modal definition above, the proposition Cypselus will rule would be necessary
only if it were incapable of being false or if some external hindrance prevented it from ever
being false.
16 Bobzien (1998) 109 n. 29, quoting Alexander of Aphrodisias, An. pr. 184.6–10. As Alexander
speaks in reference to the modal logic of Philo the Megarian, which was an important anteced-
ent for that of Chrysippus, it may be that Chrysippus also would have expressed possibility in
this way.
358 | Margaret Graver

only one in existence.17 Indeed, this is the crux of his dispute with the Diodoran
modalities. The possibilities of the gem are not dependent in any sense on what
events come to pass: they are inalienable features of the subject. There are many
facts that can be noted about Chrysippus’s stone: its location, how he handles
it, what sort of box it is kept in, and so forth. But only certain features are part of
what it is to be a gem of that kind. If you change the box, it is still the same gem,
but not if you change (say) its color or hardness or specific gravity. Chrysippus
can say that his gem’s breakability, i.e. its suitability to bear the predicate
breaks, is that sort of attribute. As long as the object remains what it is, a gem-
stone, it must retain that suitability, which is the same as its capacity to break,
which is the same as the possibility of its breaking.
Let’s now consider how this understanding of possibility and necessity ap-
plies to a human agent in the moment of action. My banker gives me a docu-
ment to sign, and I sign it. Was my act of signing necessitated by the various
causal factors that brought it about? In the moments before signing, was it pos-
sible for me not to sign, given that I was about to do so? For if it was impossible
for me not to sign, then my signing seems no longer to be a voluntary action.
As determinists, the Stoics are committed to saying that my action in sign-
ing the document is fully determined by antecedent causes. My banker and my
financial situation count as auxiliary causes, triggering my action; my own
mental character, that bundles within it my ideas about mutual funds, my sense
of responsibility, my love of fountain pens, and all my other attitudes and be-
liefs, constitutes the principal cause. And there are other causes that can be
named, including those genetic, environmental, and internal factors that have
shaped my character over time. All together that ensemble of causes brings it
about that I do in fact sign. But to say that my signing is fully determined is not
the same as saying that it is necessitated. Whether Chrysippus’s gem will shatter
is likewise determined by antecedent causes. Ex hypothesi, it will not, and yet
the possibility of is breaking remains, for it is still the sort of thing that can
break. By the same token, I remain capable of not signing the document right up
to the moment when I do sign it, just because I am a rational human agent. The
capacity to sign or not sign is inherent in the kind of creature that I am, in the
same way as the potential to break (or not break) is inherent in the stone.

||
17 In support of this point we have his statement that it is not necessary that Cypselos rule at
Corinth. Possibility and necessity are interrelated in this modal system in such a way that to
say Cypselos’s regime was not necessary is also to say that it was always possible for Cypselos,
the only Cypselos in the world, not to rule there.
Does God Have a Choice? | 359

Similarly, let’s say I have an opportunity to travel to West Africa to combat


the most recent outbreak of the Ebola virus. There is no external hindrance to
my going; I have the resources I need; and yet I do not go, because I am afraid.
Am I a suitable bearer of the predicate travels to West Africa to fight the epidem-
ic? Chrysippus will say yes: there is nothing about the predicate that is incom-
patible with my essential nature as a human being – witness other people who
are doing that very thing. Staying behind is what I will certainly do, timid as I
am, but the alternative possibility is there nonetheless, inherent in my nature as
a human. It is, as it were, a species-level potentiality: as a human being, I can-
not flap my arms and fly, nor can I live forever, but I can go to West Africa if
circumstances permit. Accordingly, it makes sense for a Stoic to say that my
staying at home, even in a determinate world order, is a matter of my own voli-
tion, that it is my choice, and that it is an act for which I can be held responsi-
ble.

3 The Puzzle of Divine Volition


Up to this point I have tried to show that in Stoicism there is a meaningful sense
in which the possibilities there are for a subject relate to the essential nature of
that subject. Having alternative possibilities is a basic precondition for volun-
tary action, for, although there is more to volition than having alternative pos-
sibilities (even stones have that much), one would not say that I sign a check
voluntarily if it is impossible for me not to sign it, nor, of course, if it is impossi-
ble that I sign it. Naturally, there is a great deal more that might be said about
the nature of human agency and about the ways that our individual histories
impose limitations on our possibilities in any given moment. For present pur-
poses, though, I mean to remain at this very basic level of generic potentialities
and to inquire into the possibilities that are open to the Stoic god. For there is a
case to be made that the activities of Zeus and of every Stoic deity are necessi-
tated in the sense defined above, just because of the kind of being that the Stoic
god has to be. It may be that the definitional characteristics of god simply leave
no possibility for Zeus, or the world-soul, to act otherwise than he does.
In the doxography of Diogenes Laertius, we read that in Stoicism, god is a
rational immortal animal – a perfect counterpart, then, to the human being,
who is a rational mortal animal. The passage then goes on to list further charac-
teristics of this immortal being:
360 | Margaret Graver

Θεὸν δ᾽ εἶναι ζῷον ἀθάνατον, λογικὸν ἢ νοερόν, τέλειον ἐν εὐδαιμονίᾳ, κακοῦ παντὸς
ἀνεπίδεκτον, προνοητικὸν κόσμου τε καὶ τῶν ἐν κόσμῳ.

[The Stoics say] that god is an immortal animal who is rational or intelligent, perfect in
happiness, incapable of everything that is bad, provident towards the world and every-
thing in it.18

In addition to being rational and intelligent (endowed with nous), the Stoic god
is (1) perfect in happiness, (2) incapable of evil, and (3) provident toward the
world and whatever is in the world. All three of these characteristics look to be
inherent in the nature of god, in the same way as a certain hardness, color, and
specific gravity are intrinsic to a jewel. In Stoic doctrine as here reported, a stu-
pid or malevolent being just could not be divine.
Clearly, this account of the divine nature places some constraints on the ac-
tivities a Stoic god will do. Imagine some course of events: the fall of a certain
empire, for example. Will god bring it about that the empire should fall? A prov-
ident god will always consider whether doing so would be beneficial, on the
whole, to the cosmos and its inhabitants, and if so would be sure to bring it
about. On the other hand, if that empire’s fall would be worse overall for the
world and its inhabitants than its continuing to stand, then god will not bring it
about. Everything that the divine craftsman produces and causes to happen is
for the best.
But perhaps we can go further than this. The passage suggests quite strong-
ly that if an event would be bad for the world overall, god simply cannot bring it
about: he is “incapable of everything that is bad.” The language on this point
recalls that of the modal definitions above: just as a proposition is impossible
when it is not capable (mê … epidektikon) of being true, so god is incapable
(anepidekton) of all evil.19 For him to bring about an overall-bad event would be
a contradiction in terms. Where evil is concerned, god is not like that unbroken
and yet breakable gem, still open to the unrealized possibility. He is more like
the circle that by virtue of its own nature must remain forever cornerless.
From here, it is not far to the conclusion that everything Zeus does must be
necessary in the strong Chrysippan sense. One need only reflect that in Stoic
thought, all the world’s events belong to a rationally designed sequence that is

||
18 Diog. Laert. VII 147 (LS 54A = SVF II 1021); compare LS 54K (Plutarch, De Comm. Not. 1075e
(SVF II 1126); also Cicero’s report in Nat. D. II 58 that the world’s nature is “a consulter and
provider of all things useful and opportune” (consultrix et provida utilitatum oportunitatumque
omnium). On providence in creation see also Wynne (2019) 111–181.
19 I wish to thank Susanne Bobzien for pointing out this connection.
Does God Have a Choice? | 361

the best it can possibly be. Hence any deviation from the events that actually
occur would belong to a less-than-optimal world order. But god, being incapa-
ble of everything bad, surely cannot produce a less-than-optimal world order.
Thus for any actual event E, the proposition Zeus causes not-E is incapable of
being true: Zeus simply is not a suitable subject for that predicate. And this is
equivalent to saying that for all E – that is, for everything god does – god does E
of necessity, with no possibility of doing anything else.
But now we are at an impasse. For the assertion that overall-harmful activi-
ties are downright impossible for god leads to two consequences that seem not
to belong in the Stoic system of thought. For one thing, this limitation on god’s
capabilities correspondingly limits the possibilities of the cosmos in a way that
Chrysippus seems unwilling to do. Keep in mind that the Stoic world-soul is a
maximally immanent deity. This is not a god who stands outside the cosmos
and only occasionally tinkers with world events; no, he is constantly shaping
and creating every element of the cosmos, and all events that happen are, with-
out exception, his activities. This should mean that any act it is impossible for
Zeus to perform is also an event that not only will not but cannot happen. But
the way the Stoics set up their modal system surely envisions a much wider
scope of possibility for events than that.
Let’s return once more to Chrysippus’s gemstone. The assumption that it
will not shatter implies that the world is better so, since, in a Zeus-governed
cosmos, everything that happens is for the best. But if its not breaking belongs
to the best possible world order, then its breaking would make for a worse uni-
verse than the one we have.20 And that would be a bad thing – and consequent-
ly, a thing that Zeus cannot bring about – and consequently, an impossibility.
But Chrysippus has gone out of his way to show that the gem can break.
The second consequence is equally unwelcome. We’ve seen that the Stoic
god is credited in Cicero’s report with volitional movements like those of human
beings. Following a standard assumption both for modern English speakers and
for Hellenistic philosophers, we have posited that the very idea of volition or
choice requires that things done voluntarily or by choice are not done of neces-
sity. If it now turns out that all activities of the world-soul are not only deter-
mined by the causal nexus but actually necessitated in the great scheme of

||
20 Must we think that the breaking or non-breaking of a single stone would make for a worse
universe? Perhaps not: one could make a case for multiple possible sequences of events, all of
which are equivalent in their overall goodness. (For this possibility see Salles (2005) 23–28.)
But the reasoning that applies to the stone applies also to the fall of empires.
362 | Margaret Graver

things, then either we misunderstand what voluntariness is, or the Stoic god
has no volition and no choice.
In the next section, we will explore an important passage in Seneca’s trea-
tise De Beneficiis that offers a clue as to what might have been missed in the
above train of thought. Reflecting on this not-often-studied text can give us a
more complete understanding of Stoic theology and a better grip on the nature
of volition in the human case as well.

4 Seneca’s De Beneficiis and the Immutable Will


As we turn to the Senecan material, it is important to keep in mind that the con-
tents of De Beneficiis do not all originate with Seneca himself. Although capable
of intellectual independence, Seneca is usually quite content to explicate ideas
and concepts of earlier philosophers, drawing on the resources of his excellent
library. In the De Beneficiis, an intricate and sophisticated study of the ethics of
gift-giving, favors, and reciprocity, he is explicit about having studied treatises
on the same subject in Greek by Cleanthes, by Chrysippus, and by the later Hel-
lenistic Stoic Hecaton of Rhodes.21 As the works he consulted do not otherwise
survive, we cannot now trace the history of Seneca’s argumentation in any de-
tail; we can safely assume, though, that large portions of it derive from one or
another of those earlier Stoics.
Throughout De Beneficiis, Seneca returns again and again to issues of agen-
cy and volition.22 While his main objective is to give a clear account of what it is
for one person to perform a beneficium, i.e. a favor or an act of kindness, toward
another person, he cannot achieve that aim without talking about the will (velle
or voluntas) or goodwill (benevolentia) that is expressed in the benefit. For bene-
fits are defined psychologically, in terms of the intention of the giver. Benefits

||
21 Hecaton, a pupil of Posidonius, wrote extensively in ethics; see the edition of the fragments
by Veillard (2022). Seneca mentions him frequently not only in Ben. I 3,8–9 and II 18,2 but also
in other works: Chaumartin (1985); Griffin (2013) 24–25; Setaioli (1988) 308–315. Seneca quotes
Cleanthes three times in De Beneficiis (at V 14,1; VI 11,1; 12,2) and Chrysippus five times (at
I 3,9; I 4,4; II 17,3; 25,3; III 22,1). The way Chrysippus is spoken of in Ben. I 3,8–9 suggests direct
familiarity with the work Περὶ χαρίτων that is attested by Philodemus (On Piety 14 = SVF
II 1081), but it is possible that Seneca knows that work only from what was said about it in
Hecaton.
22 For broader discussion of the aims of the treatise see Inwood (2005) 65–94; Griffin (2013). I
treat the issues of agency and volition in more depth in Graver (2020).
Does God Have a Choice? | 363

conferred on us by divine beings come up quite frequently as parallels to the


human case or as models for how human beings ought to behave. In typical
Stoic fashion, Seneca also writes extensively about the actions of the perfected
human agent, or sage; these, predictably, are closely analogous to those of the
gods.
The passage that concerns us here is found in Chapters 21–23 of Book VI.
The context is a larger discussion of actions that are performed not for any one
individual but for an entire populace or for everyone in the world. These do not
always count as benefits, but they may, if the intention of the agents is not
merely to benefit themselves. The question arises: do the movements of sun and
moon count as benefits? Seneca holds that they do, for while the purpose of
those movements is to preserve the cosmic order for everyone, we ourselves are
included in that purpose. In his view we have every reason to be grateful to the
sun and the moon, since their movements are performed deliberately and know-
ingly for our good, without expectation of reward.
But in order to make this case, Seneca must deal with some pressing ques-
tions about the volition of these heavenly bodies. Is it really right to say that the
sun and moon act of their own volition? For there seems to be no possibility of
their doing anything other than move through the sky in perfect circles. Follow-
ing his usual practice, Seneca expresses this concern as a question voiced by his
imagined interlocutor. What follows is worth quoting at length:

‘Sciam,’ inquit, ‘solem ac lunam nobis velle prodesse, si nolle potuerint; illis autem non licet
non moveri. ad summam consistant et opus suum intermittant.’ Hoc vide quot modis refella-
tur. Non ideo minus vult, qui non potest nolle; immo maximum argumentum est firmae vol-
untatis ne mutari quidem posse. Vir bonus non potest non facere, quod facit; non enim erit
bonus, nisi fecerit; ergo nec bonus vir beneficium dat, quia facit, quod debet, non potest
autem non facere, quod debet. Praeterea multum interest, utrum dicas: ‘Non potest hoc non
facere,’ quia cogitur, an: ‘Non potest nolle.’ Nam si necesse est illi facere, non debeo ipsi
beneficium, sed cogenti; si necesse est illi velle ob hoc, quia nihil habet melius, quod velit,
ipse se cogit; ita, quod tamquam coacto non deberem, tamquam cogenti debeo.
‘Desinant,’ inquit, ‘velle’. Hoc loco tibi illud occurrat: Quis tam demens est, ut eam neget
voluntatem esse, cui non est periculum desinendi vertendique se in contrarium, cum ex di-
verso nemo aeque videri debeat velle, quam cuius voluntas usque eo certa est, ut aeterna sit?
An si is quoque vult, qui potest statim nolle, is non videbitur velle, in cuius naturam non cadit
nolle?

“I would know that the sun and moon will to help us if they could be unwilling. But they
are not allowed not to move. In brief, let’s see them stand still and stop their work.” Con-
sider how many ways there are to refute this. A person who cannot be unwilling is not for
that reason any less willing. On the contrary: the greatest proof of a firm volition is that it
cannot be altered. The good man cannot but do what he does, for otherwise he will not be
good. It follows that not even a good man confers a benefit because he is doing what he
364 | Margaret Graver

should; rather, he cannot but do what he should. Besides, it makes a big difference wheth-
er you say, “He cannot but do this,” because he is forced, or “He cannot but want to.” For
if it is necessary for him to do it, I do not owe the benefit to him but to the one who com-
pels him; but if it is necessary for him to want to do it (because out of everything he could
want, this seems to him to be the best), then he compels himself. In that case, what I
would not have owed him as one who benefited me under compulsion, I do owe him as
one who compels a benefit toward me.
“Well, let them (sc. the sun and moon) stop wanting to.” On this point, consider the fol-
lowing argument. Who would be so crazy as to say that a wish that isn’t at risk of stopping
or changing to its opposite isn’t really a wish? On the contrary, one ought to think that the
most willing person of all is the one whose will is so certain as to be permanent. Given that
willingness belongs also to the person who can be unwilling in the next moment, will we
not think that the person is willing whose nature doesn’t admit of his being unwilling?23

Like Epicurus in Letter to Herodotus 77, the challenger denies that the heavenly
bodies perform their movements voluntarily. His argument is that the sun and
moon “are not permitted not to move”: in essence, they are incapable of doing
anything else. Seneca’s response is to probe the nature of volition itself, which
he designates either velle or voluntas (in my translation also “wish”, “want”,
“willingness”). Rather than address the question about whether the sun and
moon are capable of behaving differently, he concentrates on whether the very
concept of volition requires the capacity to will the opposite. He appeals to basic
intuitions about persistence and about moral goodness. The fact that someone
persists in wanting a certain thing strikes us as evidence of a firm will, not lack
of will; the fact that a good person feels compelled to help those in need, rather
than merely feeling obligated to do so, strikes us evidence of genuine willing-
ness and not the reverse. The question thus becomes one of what might be
called volitional necessity: whether an action can still be considered voluntary
when the will to act in that way was itself necessitated by the character of the
agent (non potest nolle … necesse est illi velle … in cuius naturam non cadit nolle).
Seneca’s answer is yes. Although ordinarily we do not owe any gratitude to
someone who was forced to assist us, we do owe it in this case, where the com-
pulsion was self-imposed. So the objection is answered: the regularity of the
movements of the celestial bodies does not prove that those movements are not
volitional.
To be sure, the above argument merely refutes the objection; it does not in
itself show that the celestial bodies act of their own volition. Seneca is not much
interested here in combatting the view that makes the heavenly bodies mere
globes of fire with no agency whatsoever. For him, their divinity can be as-

||
23 Ben. VI 21,1–4, text in Hosius (1914).
Does God Have a Choice? | 365

sumed without argument; what matters is the freedom and power of all divine
agency. A paragraph lower down, he is ready to generalize from the observed
regularities of the heavens to the immutability of all the gods’ purposes, in their
governance and in their gifts to humankind:

Adice nunc, quod non externa cogunt deos, sed sua illis in lege aeterna voluntas est. Stat-
uerunt, quae non mutarent; itaque non possunt videri facturi aliquid, quamvis nolint, quia,
quidquid desinere non possunt, perseverare voluerunt, nec umquam primi consilii deos pae-
nitet. Sine dubio stare illis et desciscere in contrarium non licet, sed non ob aliud, quam quia
vis sua illos in proposito tenet; nec inbecillitate permanent, sed quia non libet ab optimis
aberrare et sic ire decretum est.

Moreover the gods are not compelled by anything external; rather their own will is an en-
during law for them. They have made their decisions immutable. Here is why one cannot
think that they will ever act against their will: the things they cannot cease doing are
things they have willed to continue doing, and as gods they do not ever regret their initial
decisions. It is undoubtedly true that they are not permitted to stop their motions and
switch to the opposite, but that is for no other reason than that their own strength holds
them to their plan. They do not remain with it out of weakness, but because they have no
inclination to deviate from what is best, and they have resolved to proceed in this way.24

He does not mind saying that the gods are unable to act otherwise than they do:
they “cannot cease” (desinere non possunt). He is emphatic, though, that the
sole reason for this limitation on divine capabilities is a decision the gods have
already made. Their inability to act otherwise is merely a consequence of their
prior choice. A brief statement in the Natural Questions, written around the
same time as the De Beneficiis, neatly summarizes the same position. Can god
ever change his mind, Seneca asks, or alter the determinations that he made in
making the world? He then answers himself:

necesse est eadem placere ei cui nisi optima placere non possunt. non ob hoc minus liber est
ac potens: ipse enim est necessitas sua.

He who cannot but prefer the best necessarily has the same preferences. That does not
make him any less free and powerful, for he is his own necessity.25

A necessity that arises from one’s own nature, because one is incapable of want-
ing to do anything different, does not in any way limit the effectiveness of one’s
volition. The Stoic god is still entirely free and powerful, in that he can do what-

||
24 Ben. VI 23,1–2. Compare Sen., Prov. 5,8: Ille ipse omnium conditor et rector scripsit quidem
fata, sed sequitur; semper paret, semel iussit.
25 Sen., QNat. I, praef. 3.
366 | Margaret Graver

ever he wants. It is only that the divine nature is incapable of wishing to do


anything that is bad.
We see in this text how Seneca, perhaps following an earlier Stoic source,
confronts a puzzle very similar to the one outlined earlier. The solution he offers
respects our intuition that things done by choice must be non-necessitated,
while also preserving the Stoic doctrine that a god is by nature incapable of evil.
The key move is the distinction Seneca makes between saying that someone
“cannot but do this” (non potest hoc non facere) and that they “cannot but want
to” (non potest nolle). In this formulation, it is still the case that god is incapable
of everything evil, but that is only because god, in his providential concern for
the world, is incapable of wishing to do evil. The necessity of god’s internal
nature sets limits on his volition, and as rational action occurs through volition,
those are also limits on the things god can do. But a necessity that is mediated
entirely through the divine volition still leaves room for the potentialities of
things in the world as defined by Chrysippus. It remains true, contrafactually,
that god could cause the gem to break or the empire to fall if he wanted to.
There is a real difference between things that god cannot choose to do and
things that god simply cannot do. Hermann Diels once remarked that god is
incapable of making the diagonal of a square commensurable with its side;
similarly, Epictetus observes that Zeus is incapable either of removing the re-
strictions of the human body or of setting restrictions on the human capacity to
choose.26 Those are conceptual impossibilities that are inherent in what it is to
be a square or a human being. In those cases, even Zeno would presumably
want to say that god does not have a choice. In a vast real of other cases, though
– the gem, the fall of empires – there is no such conceptual impossibility. Unre-
alized possibilities remain possible, but subject to the choices of god.

5 Steadiness of Purpose
Before leaving Seneca’s treatise, it is worth our while to reflect briefly on what
might have been gained here for our understanding of human volition; since,
after all, the Stoic god is supposed to deploy actions in just the way that we do
who are moved by minds and senses. The passage we have studied from Book
VI has supplied us with a strange and arresting vision of heavenly bodies that
traverse the sky day and night as a matter of choice, realizing that their circular

||
26 Diels is cited by Mansfield (1979) 132 n. 13; for Epictetus, see Diss. I 1,10; 1,23.
Does God Have a Choice? | 367

orbits are the best course of action for the world, for themselves, and for us.
Does this distinctly unmodern vision of the universe offer any insight into the
nature of volition generally?
We began with the common assumption that no action can be considered
voluntary if it is necessitated by its causes. In the course of the discussion we
have seen how that intuition is refined and modified in the writings of Seneca,
who is likely to have drawn his ideas from earlier Stoic authors. According to
Seneca, the volition that generates an action may itself have been necessitated
by some essential characteristic of the agent, in this case the absolute and un-
changeable benevolence of god. The action generated in this way is then also
necessary, and yet it is still a voluntary action. In fact, Seneca holds that the
actions of those who cannot choose otherwise, whether divine or human, have a
stronger claim to be called voluntary than those of the ordinary person. Instabil-
ity, the tendency to change one’s resolve from one moment to the next, is not
part of what it is to act voluntarily; on the contrary, “the most willing person of
all is the one whose will is so certain as to be permanent.”27
Clearly Seneca has in mind the human as well as the divine case. In speak-
ing of the vir bonus, he has in mind the sage, the model human agent of Stoic
ethics who may or may not exist in actuality. But he also means to appeal to our
experience of the good person in the everyday sense, for instance the thorough-
ly kind person who cannot help but relieve suffering. We might want to say that
such a person feels compelled to help, but we would not take that to mean that
they were unwilling to help. It seems to matter that in this sort of case, the com-
pulsion arises from the person’s own nature. Extrapolating, we can imagine an
agent whose understanding of the world is so clear and whose motives are so
pure that not wanting to help is actually impossible for them. There, too, the
intuition is strong that the action undertaken through internal necessity is still a
voluntary action. If anything, it is the inconsistency occasioned by conflicting
beliefs and vacillating commitments that seems like an impediment to freedom.

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27 Ben. VI 21,4.
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John Sellars
Marcus Aurelius on Spontaneous Ethical
Action
In his Meditations Marcus Aurelius reflects on how he ought to act.1 Although he
does not offer any formal account of ethical conduct, a number of core themes
emerge. Throughout the book he mentions many of the traditional Stoic virtues,
but the one that dominates his thoughts is justice. Marcus offers a number of
reasons why just actions and – more broadly – actions that are “for the sake of
others” ought to be his (and, by extension, our) primary concern. These include
living in harmony with one’s nature as a social being but also involve reconceiv-
ing the relationship between individual and community, which is a corollary to
Marcus’s wider reflections on what it means to live in harmony with Nature as a
whole. Perhaps most striking, however, is his image of perfected ethical action
as a form of spontaneous benevolence, akin to a vine producing grapes. In what
follows I want to examine this idea of spontaneous ethical action. But first, by
way of context, it may be helpful to say something about wider ethical themes
in Marcus.

1 Living Consistently with Nature


In Book I of the Meditations Marcus thanks his Stoic teacher Sextus for teaching
him “the notion of life according to Nature (ennoia tou kata phusin zên)” (I 9).2
This idea of a life according to Nature was one of the core doctrines in Stoic
ethics. As we shall see shortly, it was often expressed using the word homolo-
goumenôs, “consistently”, and Marcus uses this term to capture the same idea
elsewhere. For instance, in III 4 he reminds himself “to cling not to the opinion
of all men, but only of men who live consistently with Nature (homologoumenôs

||
1 An earlier version of this chapter was read at the Internationalen Kongress der Gesellschaft
für Antike Philosophie held in Frankfurt am Main, in September 2019. I thank Friedemann Bud-
densiek for his kind invitations to present at the conference and to contribute to this volume, as
well as the audience for their helpful comments and suggestions. This chapter also appears as
ch. 8 in Sellars (2021) and is reprinted from there with permission of the publishers.
2 All references in the main text otherwise unattributed are to book and chapter of the Medita-
tions, for which I have relied on Farquharson (1944) and Dalfen (1987). Translations, some-
times slightly modified, are also by Farquharson unless indicated otherwise.

https://doi.org/10.1515/9783110735598-017
372 | John Sellars

têi phusei)”. But, in general, he prefers to use the shorthand kata phusin. At
VII 11 he writes, “for a reasonable creature the same act is according to nature
(kata phusin) and according to reason (kata logon)”. This reflects the Stoic view
that what following Nature actually involves is following the right reason (or-
thos logos) pervading all things, which they identify with universal law (koinos
nomos) and Zeus.3 At VII 56 he imagines wiping the slate clean of his life up to
the present moment and then proposes that he “use the balance remaining to
live henceforward according to Nature”. At X 15 he exhorts himself to live as a
true human being (alêthinos anthrôpos), which he then defines as one who lives
according to Nature (kata phusin). At XII 1 he lists living according to Nature
(kata phusin zên) as one of a handful of things to which one ought to aspire. It
seems fairly clear, then, that the idea of living in tune with Nature was central to
Marcus’s thinking about how he ought to live his life.4 But what precisely did it
involve? What did Marcus think it involved? Before we turn to those questions,
it might be useful to consider how this idea was formulated by the early Stoics
and what they took it to mean.
It is fairly common to see the statement that the goal (telos) of human life
for the Stoics was to live in agreement with Nature. In fact, we find the early
Stoics offering number of different versions of this telos formula. Our principal
sources of evidence for the Stoic telos formula are the Stoic doxography ap-
pended to the biography of Zeno of Citium in Diogenes Laertius, and the epito-
me of Stoic ethics attributed to Arius Didymus and preserved in the anthology of
Stobaeus.5 Diogenes Laertius reports that Zeno, in his book On the Nature of
Man, was the first person to define the telos as “living in agreement with Nature
(to homologoumenôs têi phusei zên)”. Diogenes goes on to report that Cleanthes,
Posidonius, and Hecato all defined the telos in this way. Chrysippus, he tells us,
glossed this by saying that living virtuously (kat’ aretên zên) is equivalent to
“living in agreement with experience of the actual course of Nature” (Diog.
Laert. VII 87). Diogenes continues with an explication of what he takes the Stoic
telos to mean, which probably derives from Chrysippus, before then noting
slightly different formulations by Diogenes of Babylon and Archedemus (ibid.
VII 88), and then signalling a potential difference between Chrysippus and Cle-

||
3 See the account in Diog. Laert. VII 88 (SVF III 4, LS 63C).
4 There are numerous other passages throughout the Meditations that allude to the same idea.
See e.g. V 3; 9; VII 74; IX 1. On this topic see also Ackeren (2011), vol. 2, 613–626; Gourinat
(2012) 421–422.
5 See Diog. Laert. VII 87–89 (LS 63C) and Stob. II 75.11–76.23 = Ar. Did. 6a–b (part LS 63B). The
latter is reprinted with a translation and notes in Pomeroy (1999).
Marcus Aurelius on Spontaneous Ethical Action | 373

anthes. According to Diogenes, Chrysippus took “Nature” (phusis) in the formu-


la “living in agreement with Nature” to refer to both universal (koinê) Nature
and human nature (idiôs tên anthrôpinên), whereas Cleanthes took it to refer to
universal (koinê) Nature only (ibid. VII 89). Although there were some later
innovations, Diogenes’ account suggests that Zeno, Cleanthes, Chrysippus, and
Posidonius all defended the same telos formula as “living in agreement with
Nature” (to homologoumenôs têi phusei zên).
When we turn to Arius Didymus, we find a broadly similar account, with
some minor but significant differences. He reports that Zeno defined the goal as
simply “to live in agreement” (to homologoumenôs zên), which he glosses as
living according to a single reason (kath’ hena logon) and in harmony (sum-
phônon).6 Arius then comments:

Those after him, adding further detail, expressed it thus: ‘to live in agreement with Na-
ture’, assuming that Zeno’s statement was insufficient as a predicate. So Cleanthes, the
first to take over the sect after him, added ‘with nature’ and interpreted it thus: ‘the goal is
living in agreement with Nature’. Chrysippus, wanting to make this clearer, expressed it in
this way: ‘to live in accord with experience of what happens naturally’.
(Stob. II 76.1–8, SVF I 552, III 12; tr. Pomeroy)

The significant difference with the report in Diogenes Laertius is of course the
different telos formulation attributed to Zeno. But Arius agrees with Diogenes in
suggesting that the three early heads of the Stoa – Zeno, Cleanthes, and Chry-
sippus – were in broad philosophical agreement about what the Stoic telos was.
Where they differed was in how best to express and explicate it.
Here we come to a key question: what was the shared telos that they were
all trying to express? Was it “to live in agreement” (to homologoumenôs zên) or
was it “to live in agreement with Nature” (to homologoumenôs têi phusei zên)?
According to Arius, the addition “with Nature” (têi phusei) was added by Clean-
thes, who did so because “Zeno’s statement was insufficient as a predicate”
(Stob. II 76.2–3). This might be taken to imply that Zeno’s original formulation,
as reported by Arius, was thought to be grammatically incomplete and so re-
quired revision. As Pomeroy puts it in his notes on this passage, “the predicate
‘in agreement’ (with what?) was therefore expanded by Zeno’s successors to
give a more complete definition”.7 This takes us to the grammatical use of the
key word in all the different formulations: homologoumenôs. Can this word be
used on its own – i.e. is it complete by itself – or is it necessarily incomplete,

||
6 See Stob. II 75.11–12 (SVF I 179, LS 63B).
7 Pomeroy (1999) 113 n. 75.
374 | John Sellars

demanding a noun to complete its sense? Pomeroy thinks it is incomplete. In


this he is following the statement by Arius, who may himself have been follow-
ing Cleanthes (it is unclear whether Arius is attributing the expansion of the
formula to Cleanthes’ judgement that Zeno’s formulation was incomplete, or
whether that is Arius’s (or some intermediate source’s) attempt to explain the
reason for the expansion). Grammatical rules are of course simply attempts to
codify existing use, so the question effectively becomes whether other authors
before or around the time of Zeno used the word homologoumenôs on its own
without further specification. Some, including Xenophon and Plato, certainly
did.8 The word was used both with the dative and on its own (see LSJ 1226, s.v.).
Perhaps the best way to take Arius’s comment that homologoumenôs was “insuf-
ficient as a predicate (katêgorêma)”, then, may simply be that Cleanthes
thought it was insufficient to convey fully the idea that Zeno had in mind.9
All this bears on how best to understand the Stoic telos and also how to
translate it. If Zeno did indeed use homologoumenôs on its own, then we ought
to translate it in a way that can work both with and without anything further. In
that case, translating the fuller version as “to live according to Nature” won’t
do. The slightly more neutral “in agreement with Nature” is also far from ideal.
Better would be “to live consistently with Nature”, because the first part, “to live
consistently” can work equally well with or without the addition “with Nature”.
However, one can also immediately see why it might have been judged too con-
cise and might benefit from further expansion, hence the additions and expan-
sions by Cleanthes and Chrysippus: “to live consistently with Nature”, “to live
consistently with universal and human nature”, “to live consistently with the
experience of what happens naturally”. These are all glosses on a single idea,
rather than innovations in doctrine. The core idea, expressed by Zeno, is to live
consistently.10
This account of the Stoic telos involves a number of assumptions. It priori-
tizes Arius’s version of Zeno’s formulation over Diogenes’. At the same time, it
rejects Arius’s claim that the reason for Cleanthes’ expansion of Zeno’s formula-
tion was due to its incompleteness, because it rejects the claim that homolo-
goumenôs is incomplete. While I have tried to justify the second of these, it is

||
8 See e.g. Xenophon, Oec. I 11 and, using homologoumenôs in a different sense, Plato, Symp.
186b.
9 It is worth noting that the word katêgorêma was a technical term in Stoicism; see e.g. Diog.
Laert. VII 64, with discussion in Gaskin (1997).
10 For further discussion, which also opts for “consistency”, see Rist (1977). The claim that
later Stoics were ultimately engaged in glossing and expanding the foundational ideas of Zeno
is explored in Sedley (1989).
Marcus Aurelius on Spontaneous Ethical Action | 375

difficult to justify the first, especially when Diogenes names one of Zeno’s books
where he (or more likely his source) claims to have found the fuller formulation.
Yet Arius’s report is clearly no mere slip, given that he explicitly comments on
the formulation straight afterwards. A little later in his account he adds that
“they”, the Stoics, say that “agreement is the goal (tên homologian legousi telos
einai)” (Stob. II 76.18–19), again stressing doctrinal unity despite the various
expansions and glosses on the first version. No doubt much could be said about
the potential unreliability of both of these doxographical accounts.11 In its de-
fence, however, this interpretation makes sense of the Stoic position, and it
makes sense of the various reformulations, understood as clarifications rather
than modifications of Zeno’s original statement. While the Stoic telos formula
makes reference to Nature in its expanded forms, the core of the idea is to live
consistently. When we read that the telos is “to live consistently with Nature”,
perhaps the stress ought to be on “consistently” rather than “Nature”.
What we have, then, are a number of different formulations all taken to ex-
press a single fundamental idea. Each formulation expresses a different aspect
of the basic idea. These are (i) internal consistency, (ii) consistency with human
nature, and (iii) consistency with external, universal Nature, often understood
as an acceptance of what happens.
We find all three of these aspects throughout the Meditations. With regard
to the first, the desire to avoid inner disturbance is a constant theme throughout
the work. With the second, as we shall see in due course, Marcus places consid-
erable emphasis on living in harmony with human nature. For Marcus humans
are rational, social animals, and a good life is one in harmony with these char-
acteristics. Reflecting on social virtues, Marcus writes at VII 74 that “to benefit
another is to act according to Nature (kata phusin)”. As for the third, reflections
on accepting what comes to pass according to Nature are also ubiquitous.

2 The Virtues
As well as engaging with the Stoic telos of living consistently with Nature, Mar-
cus also takes up the Stoic account of the virtues. Central to the Stoic account is
the claim that virtue or excellence (aretê) is the only good, its opposite, vice, is
the only thing inherently bad, and everything else falls into the category of “in-
differents” (adiaphora), some of which we naturally pursue and others we pre-

||
11 On some problems with the text of Arius, see Brennan (2014) .
376 | John Sellars

fer to avoid.12 Virtue, according to the Stoics, is a consistent disposition, some-


thing choice-worthy for its own sake, and something that makes the whole of
one’s life consistent (Diog. Laert. VII 89). In general, virtue – or perhaps better
“excellence” – is the perfection of something, and as such there can be a whole
host of virtues, some intellectual and some non-intellectual. Thus health and
strength can be “virtues” of the body. As on many topics, the early Stoics of-
fered different taxonomies of the virtues, with some referring to distinct logical,
physical, and ethical virtues (ibid. VII 92). But the standard Stoic view empha-
sized four primary virtues of wisdom (phronêsis), courage (andreia), moderation
(sôphrosunê), and justice (dikaiosunê), with other virtues subordinate to these
four.13 These were classified as good because, the Stoics claimed, they are con-
sistently beneficial.
There are a number of passages where Marcus refers to the four principal
virtues highlighted in the early Stoa. For example, at III 6 he writes “[i]f you can
discover in human life anything better than justice (dikaiosunê), truth (alêtheia),
moderation (sôphrosunê), and courage (andreia)” (tr. Hard, slightly altered). At
VII 63 he lists truth (alêtheia), justice (dikaiosunê), moderation (sôphrosunê),
benevolence (eumeneia). At VIII 1 he says, “nothing is good for a human (an-
thrôpos) except what makes him just (dikaion) and moderate (sôphrona), coura-
geous (andreion) and free (eleutherion)” (tr. Hard, altered).14 In another passage
he lists four principal Stoic virtues, stressing that these are the only real goods:

You could apprehend the character of what the majority of men fancy to be ‘goods’ like
this. If a man were to conceive the existence of real goods, like wisdom (phronêsis), mod-
eration (sôphronsunê), justice (dikaiosunê), courage (andreia), he could not with those in
his mind still listen to the popular proverb about ‘goods in every corner’, for it will not fit.
(V 12)

||
12 See the doxographical account in Diog. Laert. VII 102–105 and the discussion in Cicero, Fin.
III 16–24. For further discussion see Inwood (1985); Schofield (2003); Jedan (2009); Sellars
(2018) 103–108.
13 For definitions of the four principal virtues, see Stob. II 59.4–11 (SVF III 262, LS 61H). I
translate sôphrosunê as “moderation”. It is also often translated as “temperance” or “self-con-
trol”. In the context of early Stoic ethics, Long and Sedley (1987), 490, translate it as “modera-
tion”; Pomeroy (1999), 157, translates it as “self-restraint”. In Tusc. III 16, Cicero translates it as
temperantia (hence “temperance” in English), but also suggests moderatio, modestia, and fru-
galitas, signalling that in some respects he prefers the last of these options.
14 As well as III 6, VII 63, VIII 1, and V 12 and XII 15 quoted below, note also II 5, IV 18, IX 1,
XI 1, and XII 27.
Marcus Aurelius on Spontaneous Ethical Action | 377

As we can see, although in V 12 Marcus lists the four principal Stoic virtues,
elsewhere his list sometimes includes variations. To give one further example:

Does the light of the lamp shine and not lose its radiance until it be put out, and shall
truth (alêtheia) and justice (dikaiosunê) and moderation (sôphrosunê) be put out in you be-
fore the end?
(XII 15)

Here and in a number of the passages noted earlier Marcus prefers to list “truth”
(alêtheia) in place of “wisdom” (phronêsis), although that can hardly be taken to
be a significant deviation from the early Stoic view. It has been suggested that
this substitution might reflect the influence of Plato, and that is certainly possi-
ble.15 But ultimately this is mere terminological variation. Although early Stoics
such as Chrysippus embraced a variety of virtues, others such as Aristo stressed
the unity of virtue.16 All the virtues were, for the Stoics ultimately different
names expressing different aspects of the same thing, namely a soul in an excel-
lent state. Thus the virtues are inseparable, “for whoever has one has all, and
whoever acts in accordance with one acts in accordance with all. They differ
from one another by their own perspectives” (Stob. II 63.8–11, SVF II 280, LS
61D; tr. Pomeroy, altered).
It has been suggested that when Marcus lists truth (alêtheia) and justice
(dikaiosunê) and moderation (sôphrosunê), together, as we have just seen him
do in XII 15, this is not a minor deviation from the standard list of Stoic virtues
but instead a conscious development of his own list of virtues, inspired by Epic-
tetus’s list of three topoi, or areas of study.17 In the Discourses Epictetus had
proposed that there are three areas (topoi) in which people ought to be trained:

The first has to do with desires and aversions, that he may never fail to get what he de-
sires, nor fall into what he avoids; the second with cases of choice and of refusal, and, in

||
15 Hadot (1998), 234, notes that this substitution in the traditional list of virtues has prece-
dence in Plato’s Republic, 487a. One might add that at VII 35 Marcus quotes a passage from the
Republic just a few lines earlier, 486a, which adds weight to the thought that Marcus may well
have picked this up from Plato.
16 For Aristo see Plutarch, De Virt. Mor. 440f (SVF I 375, LS 61B). Although Aristo is often pre-
sented as heterodox, Plutarch notes that his position did not differ much from Zeno’s. See the
same passage (441a, SVF III 255) for Chrysippus as well. For further discussion see Schofield
(1984).
17 See Hadot (1998) 232–236, with comment in Gourinat (2012) 429, who endorses Hadot’s in-
terpretation. This is but one expression of his wider claim that “the Meditations as a whole are
thus organized in accordance with a threefold structure […] developed, and perhaps invented,
by Epictetus” (Hadot (1998) 232).
378 | John Sellars

general, with duty, that he may act in an orderly fashion, upon good reasons, and not
carelessly; the third with the avoidance of error and rashness in judgement, and, in gen-
eral, about cases of assent.
(Diss. III 2,1–2; tr. Oldfather)

Hadot argued that these three areas of study can help to explain Marcus’s refer-
ences to truth, justice, and moderation, and in support of this claim he focuses
on one extended passage, IX 1.18 There Marcus warns against acts of injustice, of
lying, and the pursuit of pleasure. In each case Marcus describes these as impi-
ous acts against universal Nature. Hadot takes these as expressions of Epicte-
tus’s three areas: desire, duty, and judgement. Thus he argues that injustice
correlates with duty, lying with judgement, and the pursuit of pleasure with
desire. The three things that Marcus reminds himself to avoid are the three areas
in which Epictetus thinks one ought to be trained, in order to cultivate the three
virtues that Marcus mentions elsewhere, justice (dikaiosunê), truth (alêtheia),
and moderation (sôphrosunê).
While those connections can certainly be made, and while Epictetus was no
doubt an important influence on Marcus, this account seems to look for a de-
gree of systematicity in the Meditations that may not be there. Although it is true
that on occasion Marcus lists together the three virtues of justice, truth, and
moderation, as we have already seen elsewhere, he produces a number of other
lists too. At III 6 he lists those three along with a fourth, courage (andreia). At
VII 63 he swaps courage for benevolence (eumeneia). At VIII 1 he swaps truth for
freedom (eleutheria), and, at V 12, he lists the four principal Stoic virtues with-
out any alteration. While Hadot may be correct to discern an echo of Epictetus’s
three topoi in IX 1, the further claim that “Marcus makes the virtues correspond
to each of the disciplines” does not seem warranted by the texts.19 Indeed, in all
the passages just noted we get lists of four virtues, not three. All this seems to
count against the claim that Marcus was engaged in a conscious development of
a new system of Stoic virtues.20

||
18 See Hadot (1998) 234–236.
19 Hadot (1998) 232.
20 The passage in Epictetus as it continues relates the three topoi to managing emotions,
duties, and attaining certainty. It states (Diss. III 1,5) that the third is only for those already
making progress. This suggests that the three topoi might be taken as three stages in a philo-
sophical education: first learn to manage emotions, then understand ethical duties, and finally
gain certainty in judgements. Epictetus goes on to criticize philosophers who skip the first and
second and go straight to the third (Diss. III 1,6), again suggesting that they ought to be under-
stood as a progressive series of stages in an education.
Marcus Aurelius on Spontaneous Ethical Action | 379

3 The Pre-eminence of Justice


Putting that issue to one side, the one feature that stands out in Marcus’s many
references to the virtues is the pre-eminence of justice, which is mentioned far
more often than any of the others.21 This is not merely an unconscious prefer-
ence to talk about this particular virtue, motivated perhaps by practical issues
arising from his role as emperor. At XI 10, he is quite explicit about its pre-
eminence, suggesting that justice is foundational for all the other virtues: “it is
from justice that all the other virtues spring”. It is unclear whether he means
that justice is the origin of all other virtues, in the sense of being their source, or
their origin in the sense that the other virtues exist for the sake of justice. Either
way, Marcus is clear that justice is the most important of the virtues.
Why does Marcus give this pre-eminence to justice? One suggestion has
been that this betrays the influence of Plato, who in the Republic accorded a
special status to justice as the virtue that co-ordinates the relationship between
the three other virtues that correspond to the three parts of the soul and city.22
Justice, for Plato, involves each part of a thing fulfilling its function (“doing its
own business”) and not encroaching into a territory not its own (R. 433b). This
leads Plato to state, like Marcus, that justice is the foundation of the other vir-
tues (ibid.).
However, there is no evidence to suggest that Marcus adopted that Platonic
model of justice, and the reason why Marcus prioritizes justice is fairly plain
throughout the Meditations. Fundamentally, it is because it is the virtue that
connects most closely with our nature as rational and social beings, and so
brings us into accord with Nature as a whole. Throughout the Meditations he
insists that this is our defining characteristic: see for example IV 24 (“a creature
that is sociable by nature”), VII 55 (“rational beings exist for the sake of one
another”), IX 1 (“universal Nature has created rational creatures for the sake of
one another”), and IX 42 (“a human being is formed by nature to benefit oth-
ers”; tr. Hard). Indeed, Marcus presents our social and political instinct as the
highest point of development in a human being, and he makes this point within
an explicitly Stoic account of the scale of nature.23

||
21 For examples of Marcus mentioning justice (dikaiosunê) see e.g. III 5; 16; VIII 7; 23; IX 23;
X 6; 11; XI 10; 21; XII 3; 24.
22 See Hadot (1998) 233, with Plato, R. 427d–441e. Hadot suggests that the three other virtues
straightforwardly correspond to the three parts of the soul and city, although Plato (e.g. 432a)
gives a more complex account of moderation (sôphrosunê).
23 See VI 14, with brief discussion in Sellars (2021) 87.
380 | John Sellars

This is closely connected to his arguments regarding the benefits of acting


justly. These benefits come automatically from being part of a larger organic
whole, which might be taken as a reference to either the community of all hu-
mankind or to Nature as a whole. He writes:

No one wearies of receiving benefits, and to benefit another is to act according to Nature.
Do not weary then of the benefits you receive by the doing of them.
(VII 74)

At first glance the claim that acting to benefit others is in accordance with Na-
ture might not seem immediately obvious. Here we should perhaps take this
reference to the telos formula to imply human nature and, in particular, our
nature as social animals. To act for the benefit of others is to act in accordance
with our social nature. By acting in this way we shall also benefit personally, by
avoiding internal dissonance with our own nature. As he puts it:

Withdraw into yourself: the governing self (hêgemonikon) is by its nature content with its
own just actions and the tranquillity it thus secures.
(VII 28)

The mind gains tranquillity or calm (galênê), Marcus writes, by acting justly,
precisely because just actions are in accord with our nature as social beings.
The anti-social person will never enjoy the contentment and smooth flow of life
towards which the Stoics strived because of their fundamental internal dishar-
mony with their own human nature. By contrast, as he puts it elsewhere, “a
human being finds his delight in doing what is proper to a human being; and
what is proper to him is to show goodwill to his own kind” (VIII 26; tr. Hard).
Thus, the agent directly benefits from acting justly in two ways: (i) by being
part of the whole, they benefit whenever the whole benefits; (ii) by acting con-
sistently with their own human nature, they avoid internal conflict and take
pleasure in fulfilling their proper function. In this way the just agent is living in
accord with Nature in all three of the ways outlined earlier. They achieve (i)
internal consistency and tranquillity, (ii) consistency with human nature, and
(iii) consistency with the larger whole of which they are a part. Marcus’s focus
on the virtue of justice, then, enables him to draw out the connections between
the Stoic account of the virtues and the Stoic telos of living consistently with
Nature in his own distinctive way. Yet the orthodoxy of his position should nev-
er be in doubt, as is clear if we compare what we have seen him say with the
following statement from Arius’s summary of Stoic ethics:
Marcus Aurelius on Spontaneous Ethical Action | 381

As man is a rational mortal animal, political by nature, they [the Stoics] also say that every
virtue which is associated with man and the happy life is consistent with and in agree-
ment with Nature.
(Stob. II 75.7–10; tr. Pomeroy, altered)

4 Spontaneous Ethical Action


In all this there is one passage that stands out among Marcus’s various reflec-
tions on ethical action. It is worth quoting at length:

It is the way of one person, when he has done someone a good turn, to count as a matter
of course on being repaid in kind. Another is not as quick to do so, but all the same, in his
own mind, he regards the beneficiary as being in his debt, and he is conscious of what he
has done. A third is, in a sense, not even conscious (oude oiden) of what he has done; he is
rather like a vine which has produced its grapes, and seeks for no further reward once it
has borne its proper fruit, as with a horse when it has run its race, or a dog when it has fol-
lowed its trail, or a bee when it has made its honey. And so such a person, when he has
done a good deed, does not shout about it, but passes straight on to the next one, as the
vine yields new clusters of grapes when the season comes around.
(V 6; tr. Hard)

Marcus distinguishes between three different types of people: (i) the person who
expects a favour in return whenever they act well towards someone; (ii) the per-
son who does not explicitly expect a favour but still thinks that the beneficiary
of their action is in some sense in their debt; and (iii) the person who benefits
others with absolutely no thought at all of receiving anything in return. The
third type of person is, of course, the most admirable and the one to be emulat-
ed.
Thus Marcus champions almost unconscious ethical action over ethical acts
where the agent is fully aware of what they have done and, even if only implicit-
ly, expect some kind of reward or praise for their action. The analogies he draws
with vegetative processes and animal behaviour underline that he thinks this
kind of spontaneous ethical action is entirely natural. We might call this “al-
most unconscious” because Marcus carefully qualifies his claim by writing “in a
sense” and “in a way” (tropon tina). He does not want to be taken too literally
here; it is the broader point that matters. Indeed, the passage continues with an
exchange with an imaginary interlocutor who objects that surely a social being
will be aware that their actions are appropriate to their nature. Marcus accepts
this but objects that it takes his main point too literally. Moreover, once one
goes down that path, one easily falls back into one of the other two types that
382 | John Sellars

Marcus wants to reject. As soon as an agent becomes conscious that they are
acting appropriately as a social being, the implicit desire for reward or recogni-
tion is likely to creep back in. The way to avoid this, Marcus suggests, is to focus
on natural spontaneity in ethical action.
Indeed, the naturalness of this sort of spontaneous ethical action is stressed
elsewhere in the Meditations too:

For when you have done good, what more, oh man, do you wish? Is it not enough that
what you did was in agreement with your nature and do you seek a recompense for this?
As if the eye asked a return for seeing or the feet for walking; for just as these were made
for this which they effect according to their proper constitution, and so get what is theirs,
even thus man is made by Nature to be benevolent, and whenever he contributes to the
common stock by benevolence or otherwise, he has done what he was constituted for, and
gets what is his own.
(IX 42)

When you have done good and another has been its object, why do you require a third
thing besides, like the foolish – to be thought to have done good or to get a return?
(VII 73)

At first glance this might appear to be at odds with standard Stoic thinking
about ethical action, which is often said to stress the role of intentions. It is the
intention standing behind an act that matters most, and it is tempting to assume
that this is a conscious intention. Moreover, if intentions are the sorts of things
that belong only to rational animals, then it looks as if Marcus’s appeal to the
vine that unconsciously produces grapes is somewhat out of step. Seneca, for
instance, stresses the importance of (conscious) intentions in ethical action:

So what is a benefit? It is a well-intentioned action that confers joy and in so doing derives
joy, inclined towards and willingly prepared for doing what it does. And so it matters not
what is done or what is given, but with what attitude, since the benefit consists not in
what is done or given but rather the intention of the giver or agent.
(Ben. I 6,1; tr. Griffin / Inwood)

For Seneca, then, such acts are willingly prepared with a deliberate attitude and
intention, nothing like the unconscious act of the vine producing grapes. But
here Seneca is addressing someone at an early stage in the process of learning
how to develop the appropriate attitude, someone who will need to deliberate
carefully. Marcus, by contrast, is describing someone at a far more advanced
stage of ethical development who has attained a virtuous character from which
virtuous actions flow automatically, without need for further deliberation.
(There might, of course, be deliberation about means – about how to do what
one is doing – but not about ends – not about what to do.) The genuinely virtu-
Marcus Aurelius on Spontaneous Ethical Action | 383

ous person does not need to stop and think before, say, offering assistance to
someone in need; they just do it. Although the process of training required to
develop the virtues might require quite a lot of thought, the goal is to reach a
point where virtuous actions themselves are, in a sense, thoughtless. They are
simply a natural expression of a person’s virtuous character.
Indeed, elsewhere Seneca comes closer to Marcus’s view, praising the per-
son who forgets what they have given to others, even while they are giving it
(Ben. II 6,2). The best person (optimus), he comments, never seeks anything in
return for what he gives to others, forgetting what he has given (Ben. II 17,7).
The good man (vir bonus) does not act well, he adds, because he has deliberated
about how best to act, but rather cannot help but act in the way that he does
(Ben. VI 21,2), just as the vine cannot help but produce grapes. On this, then,
Marcus is in line with his Roman Stoic predecessor.

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Dagmar Kiesel
„… von tiefer Dunkelheit umnebelt“
Alltäglicher Wahnsinn in Senecas Tragödie Phaedra

1 Pathologischer und alltäglicher Wahnsinn in


der Stoa
Nach dem Zeugnis bei Alexander von Aphrodisias (Fat. 199.18–20 = LS 61N3) sind
in den Augen der Stoiker „alle, die nicht weise [sind], gleichermaßen wahnsinnig
[…].“1 Diese – mit der These eines unvermittelten, d.h. nicht graduellen Über-
gangs vom Laster zur Tugend verbundene – Zuschreibung des Irreseins aller
Nichtweisen gründet in dem herausragenden epistemischen Status des Weisen:
Anders als der gewöhnliche Mensch bildet der Weise keine Meinungen aus, son-
dern stimmt nur kataleptischen Vorstellungen zu, und ist beständig und sicher
in seinen Urteilen sowie im Gebrauch seiner Eindrücke. Seine Weisheit besteht in
theoretischer und praktischer Vernunft sowie im „Wissen um Göttliches und
Menschliches“ (Aёt. I Prooem. 2 = LS 26A), und die von ihm verwirklichten Tu-
genden verstehen sich als „Wissenschaften und Künste (epistêmai kai technai)“
(Stob. II 63.6–7 [SVF III 280.1–2] = LS 61D1). Insofern Affekte falsche Meinungen
(doxai) bzw. falsche axiologische Urteile (kriseis) sind, die den für das menschli-
che Glück gleichgültigen Dingen (adiaphora) zusprechen, Güter oder Übel zu
sein, entspringt auch die Affektfreiheit des Weisen bzw. die ausschließliche Hin-
wendung zu guten Gefühlen (eupatheiai) seinem vollendeten Wissen: Gut, so ur-
teilt der Weise, ist allein die Tugend, übel ist allein das Laster. Dagegen gelten
die epistemische Unsicherheit und Instabilität des Nichtweisen als Ursache sei-
nes Wahnsinns: Er ist verblendet und hinsichtlich seines Welt- und Selbstver-
ständnisses ebenso im Irrtum wie über die Identifizierung des Guten und
Schlechten. Ebendeshalb wird er zum Spielball unkontrollierter Leidenschaften,
die seinen Geist verwirren – Cicero übersetzt das griechische pathê entsprechend

||
1 Vgl. Diog. Laert. VII 124 und Cic. Tusc. III 49–V 11. Das Titelzitat stammt aus Seneca De Ira
II [Dial. IV] 35,5. In diesem Beitrag werden, sofern nicht anders vermerkt, für Zitate die folgenden
Übersetzungen verwendet (für detaillierte Angaben s. Bibliographie): für Texte mit der Angabe
„LS“: Long / Sedley; für Aristoteles Nikomachische Ethik: Wolf; für Euripides Hippolytos: Donner
u.a.; für Seneca De Ira: Wildberger; Epistulae: Gunermann u.a.; Hercules Furens und Phaedra:
Thomann.

https://doi.org/10.1515/9783110735598-018
386 | Dagmar Kiesel

mit perturbationes animi2 – und ihm den Habitus eines Irrsinnigen verleihen.
Auch die rasende Exzessivität der sich als Handlungsimpulse (hormai) manifes-
tierenden Affekte, die sich darin kundtut, „dass sie auf sie [scil. die adiaphora]
mehr losstürmen, als es der Natur entspricht“ (Gal. De Plac. Hipp. et Plat. IV 5,21
= LS 65L1), und dass diese ohne Vorbehalt angestrebt bzw. vermieden werden,3
signalisiert ihren manischen Charakter.
Dennoch kennt die stoische Tradition die Differenz zwischen einem patholo-
gischen Wahnsinn und dem oben beschriebenen alltäglichen Irresein. Seneca
schreibt in diesem Sinne:

Zwischen dem allgemein verbreiteten Wahnsinn (insaniam publicam) und dem, den man
der ärztlichen Therapie anvertraut, liegt nur der eine Unterschied, dass der letztere auf ei-
ner Krankheit (morbo), der erstere auf falschen Vorstellungen (opinionibus falsis) beruht;
die Anfälle des einen haben ihre Ursache im [organischen] Leiden, der andere ist ein ge-
störter Geisteszustand (animi mala valetudo). […] Die Melancholie (bilis nigra) muss man
kurieren und so die Ursachen des Irreseins (causa furoris) beseitigen. Dasselbe hat bei die-
sem anderen, geistesbedingten Irrsinn (animo furore) zu geschehen: er selbst muss ausge-
merzt werden.4
(Ep. 94,17)

Während die Melancholie somatisch bedingt ist und der medizinischen Heilkunst
anvertraut wird, ist der alltägliche Wahnsinn des Nichtweisen die Folge falscher
Überzeugungen und Werturteile, deren Korrektur die genuine Aufgabe der Phi-
losophie darstellt.5
Mit dieser Differenzierung verbunden ist die Frage der Zurechenbarkeit des
Wahns: Im Unterschied zum pathologischen Irresein, das wie andere organisch
bedingte Erkrankungen nicht – oder nur bedingt – in der Verantwortung des Lei-
denden liegt, ist das nicht hinterfragte Innehaben falscher Überzeugungen zure-
chenbar: Der Mensch ist nach stoischer Auffassung aufgefordert, seine Natur als

||
2 Vgl. Tusc. III 4,7.
3 Praktische Urteile (‚Der Tod ist ein Übel‘) implizieren Handlungsimpulse (‚Ich vermeide ge-
fährliche Situationen‘).
4 Die Epistula diskutiert die Bedeutung konkreter Vorschriften für spezifische Lebenssituatio-
nen (praecepta), die die generellen Grunddogmen der Philosophie (decreta) ergänzen sollen.
Das Zitat findet sich im Kontext der Darstellung der Position Aristons, der die Auffassung vertritt,
dass die decreta zur sittlichen Lebensführung hinreichend seien und keinerlei praecepta mehr
bedürfen. Seneca kritisiert die Auffassung Aristons, jedoch ist davon auszugehen, dass er die
Unterscheidung der beiden Formen des Wahnsinns teilt.
5 Diese Differenzierung der Formen mentaler Störung sowie die Kompetenzverteilung zwischen
Medizin und Philosophie gilt nicht nur für die Stoiker, sondern war in der Antike weitgehend
Konsens, vgl. Ahonen (2014) 1–5.
„… von tiefer Dunkelheit umnebelt“ | 387

Vernunftwesen zu vervollkommnen und sich bei der Feststellung dysfunktiona-


ler, das menschliche Glück verfehlender Überzeugungen um deren Ausmerzung
und Substitution durch wahre Überzeugungen zu bemühen.
In seinen Tragödien illustriert Seneca beide Formen des Wahnsinns und de-
ren handlungstheoretische Grundlagen. Wie ich an anderer Stelle gezeigt zu ha-
ben hoffe,6 präsentiert Seneca die Titelfigur seines Hercules Furens als Opfer
wahnhafter Halluzinationen, die ihm in böswilliger Absicht von der Göttin Juno
geschickt wurden und unter deren Einfluss er unwissentlich Frau und Kinder tö-
tet. Weil der mit Zorn verbundene Wahnsinn des Herkules eine geistesexterne
Ursache hat, ist er vergleichbar mit der Melancholie als somatisch bedingte und
folglich nicht zurechenbare Form des Wahnsinns. Im Unterschied zu Juno, die
ihren Zorn auf Herkules (als Frucht einer der zahllosen Liebeseskapaden ihres
Gatten Jupiter) gezielt herbeiruft und aufstachelt,7 nimmt Herkules seinen erwa-
chenden wahnhaften Zorn zunächst aus der Außenperspektive und mit Erstau-
nen und Verwirrung zur Kenntnis.8 Seine Ohnmacht ebenso wie seine Passivität
bei der Genese des Zorns zeigt sich auch an dessen unvermitteltem und gänzlich
unmotiviertem Hervorbrechen nach dem Gebet des Helden um universellen Frie-
den.9 Herkules’ fehlende Verantwortlichkeit für seine Tat wird darüber hinaus an
den beiden aristotelischen Kriterien für nicht zurechenbare Handlungen gegen
das eigene Wollen (akôn) deutlich: Unwissenheit in Bezug auf die Handlungsum-
stände zum Zeitpunkt der Tat10 und das Empfinden von „Unlust und Bedauern
(metameleia)“ (EN III 2, 1110b18–19) im Nachhinein. Tatsächlich war Herkules in
vielfacher Hinsicht über die Handlungsumstände seiner Tat im Unwissen: So
wusste er beispielsweise weder, was er tat (nämlich: seine Familie töten), noch
zu welchem Zweck (er war fälschlicherweise der Meinung, zum Schutz Thebens
die Söhne des Lycus zu töten). Die Deutung seines Stiefvaters Amphitryon refe-
renziert auf genau diese aristotelischen Überlegungen, wenn er den lebensmü-
den Stiefsohn erinnert: „Wer hat je einen Irrtum Verbrechen genannt (Quis no-
men usquam sceleris errori addidit)?“ (Her. F. 1237) Auch das von Aristoteles
genannte zweite Kriterium, das entschiedene Reue einfordert, erfüllt Herkules
zur Gänze: Nachdem er seine geistige Klarheit zurückgewonnen hat und ihm

||
6 Vgl. Kiesel (2020) 197–210.
7 Vgl. Her. F. 27–28; 75; 109.
8 Vgl. Her. F. 944–946; 982–984.
9 Vgl. Her. F. 939–940.
10 Vgl. EN III 2, 1111a3–6: „[W]er (tis) handelt, was (ti) er tut, in Bezug auf was (peri ti) und in
welchem Bereich (en tini) er handelt, manchmal auch womit (tini) er handelt (zum Beispiel: mit
welchem Werkzeug), zu welchem Zweck (heneka tinos) (zum Beispiel um der Rettung willen)
und wie (pôs) er es tut (zum Beispiel: ob sanft oder heftig)“ (Übers. Wolf).
388 | Dagmar Kiesel

seine Wahnsinnstat in ihrer vollen Grausamkeit vor Augen tritt, scheinen ihm die
Vernichtung der todbringenden Waffen sowie der Suizid der einzige Ausweg zu
sein. Nur das Einschreiten des Amphitryon, der mit Vehemenz auf der Schuld der
Juno als Bringerin des halluzinatorischen Wahns und der Unschuld des Herkules
beharrt,11 ermutigt ihn zum Weiterleben. Dabei entsprechen die Argumente des
Ziehvaters nicht nur den genannten aristotelischen Kriterien für Handlungen ge-
gen das eigene Wollen (und der Auffassung Senecas), sondern ebenso der mo-
dernen Psychiatrie: Auch im heutigen Sinne würde der Wahnsinn des Herkules
als pathologisch klassifiziert werden, nämlich als akute vorübergehende psycho-
tische Störung (F23), die im Diagnosemanual ICD–10 definiert wird als „[e]ine he-
terogene Gruppe von Störungen, die durch den akuten Beginn der psychotischen
Symptome, wie Wahnvorstellungen, Halluzinationen und andere Wahrneh-
mungsstörungen, und durch eine schwere Störung des normalen Verhaltens cha-
rakterisiert sind.“12 Für die vorliegende Fragestellung relevant ist ferner der Fakt,
dass psychotische Täter gemäß § 20 StGB als schuldunfähig gelten.13
Ganz anders verhält es sich mit der titelgebenden Protagonistin von Senecas
Drama Phaedra:14 Wie ich zeigen möchte, zeichnet der Stoiker Phaedra als
exemplarische Gestalt des alltäglichen Wahnsinns, den sie durch bewusste und
willentliche Hinwendung zu falschen Wertüberzeugungen selbst verantwortet
hat und der die typischen Symptome einer kognitiven und axiologischen Instabi-
lität sowie einer dadurch bedingten Wechselhaftigkeit im Habitus und im Han-
deln mit sich bringt. Dabei sind die Folgen des alltäglichen Wahnsinns unter Um-
ständen nicht minder gravierend als die des pathologischen Irreseins: Wie
Herkules in geistiger Umnachtung die Gattin und die beiden Söhne tötet, so füh-
ren das fehlgeleitete Denken, Wollen und Agieren Phaedras zum grausamen Tod
des Hippolytus und ihrem eigenen Suizid. Dies ist aus der stoischen Perspektive
Senecas umso bedenklicher, als Phaedra im Unterschied zum fremdbestimmten
Herkules durch ein entschiedenes Bekenntnis zu wahren Wertüberzeugungen
den tragischen Ausgang hätte verhindern können.

||
11 Vgl. Her. F. 1200–1201.
12 Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information (2021) F23. Alle drei
Punkte treffen auf den senecanischen Herkules zu: Der Beginn seines Wahns ist unvermittelt, er
halluziniert und leidet unter akutem Realitätsverlust, und schließlich ist die Tötung der eigenen
Familie klarerweise eine schwere Störung des normalen Verhaltens.
13 Bundesamt für Justiz (2021) StGB §20.
14 Auch andere Tragödienfiguren Senecas (z.B. Medea) sind Protagonisten des alltäglichen Ir-
reseins. Weil ich mich dazu bereits geäußert habe (vgl. Kiesel (2019) u. (2020) 202–203; 205), soll
hier Phaedra im Blickpunkt stehen.
„… von tiefer Dunkelheit umnebelt“ | 389

In der Forschung wurde mehrfach der Versuch unternommen, die verloren-


gegangene erste euripideische Fassung des Stoffes, den Hippolytos Kalyptome-
nos, anhand der Tragödie Senecas zu rekonstruieren. Weil die unter dem Titel
Hippolytos Stephanêphoros erhaltene zweite Fassung des griechischen Tragikers
in Intention und Struktur der Bearbeitung Senecas erkennbar zuwiderläuft, gab
es Versuche, die erste euripideische Fassung anhand der senecanischen Tragödie
zu rekonstruieren.15 Christopher Gill hat auf die Gefahren dieser Bemühungen
hingewiesen, sofern diese darauf abzielen, die Psychologie des sexuellen Begeh-
rens in Senecas Phaedra auf den ersten Hippolytos zurück zu projizieren: In das
römische Drama sind die stoische Affektenlehre und Handlungstheorie eingewo-
ben, die von Euripides nicht geteilt werden.16 Auf Basis dieser Einsicht werde ich
einen anderen Weg einschlagen und anstelle der vermuteten Parallelen zwischen
dem verlorenen Hippolytos Kalyptomenos und Senecas Tragödie gerade die Diffe-
renzen zwischen dem erhaltenen Hippolytos Stephanêphoros und der Phaedra
aufzeigen. Dies ist insbesondere deshalb erhellend, weil Euripides hier eine von
Aphrodite arglistig mit unauslöschlichem erotischem Verlangen geimpfte (und
in diesem Sinne aus stoischer Perspektive wie der Titelheld des Hercules Furens
von einem pathologischen und nicht selbstverantworteten Wahn betroffene)
Phaidra dramatisiert, während Seneca den alltäglichen Wahnsinn der Titelfigur
und dessen Zurechenbarkeit herausarbeitet. Analog dazu hat Seneca, wie ich zei-
gen möchte, auch in den übrigen Charakteren (Amme, Hippolytus, Theseus) de-
ren inkohärentes Überzeugungssystem und die daraus resultierenden tragischen
Konsequenzen dargestellt.17 Im Unterschied zu Euripides, der das Motiv des Irres-
eins und der Raserei nur mit Phaidra verbindet, sind bei Seneca auch die übrigen
Charaktere von einem alltäglichen Wahnsinn betroffen.

||
15 Vgl. die Referenzen bei Dingel (1970) 44. Als Senecas Quellen zur literarischen Verarbeitung
des Stoffes kommen ferner Sophokles’ Phaidra, Lykophrons Hippolytos sowie Ovids Heroides 4
in Frage, vgl. Wessels (2014) 58 u. Heldmann (1968) 88.
16 Vgl. Gill (2005) 166–172.
17 Die euripideische Fassung dagegen betont auch bei Hippolytos und Theseus den Opfersta-
tus. Aus Gründen gebotener Kürze kann dies nicht ausgeführt werden.
390 | Dagmar Kiesel

2 Euripides’ Hippolytos Stephanêphoros und


Senecas Phaedra: Die (Un-)Zurechenbarkeit des
Wahnsinns
2.1 Handlung
Die Tragödie des Euripides beginnt mit einem Prolog der Aphrodite, die ihre Ab-
sicht bekundet, den in Geisteshaltung und Handeln keusch lebenden und treu
der Artemis huldigenden Hippolytos grausam zugrunde zu richten und so die
Missachtung ihrer göttlichen Person zu rächen. Zu diesem Zwecke schlägt sie
dessen Stiefmutter Phaidra mit einem verzehrenden Liebesverlangen nach dem
schönen Jüngling. Als Theseus wegen Mordes ein Jahr in die Verbannung ge-
schickt wird und gemeinsam mit der Gattin nach Troizen zieht, wo Hippolytos
unter der Obhut des dortigen Königs Pittheus aufgewachsen ist und dort nach
wie vor lebt, steigert sich die Liebe Phaidras zur Raserei. Nachdem die Amme vom
Unglück ihrer Herrin erfahren hat, offenbart sie dem Hippolytos deren Liebe.
Phaidra, die sich durch das unerwiderte und außereheliche Liebesbekenntnis
entehrt fühlt, begeht Selbstmord. Als Theseus die Tote entdeckt, findet er in ihrer
Hand ein Schreibtäfelchen vor, auf dem Phaidra den Stiefsohn der Vergewalti-
gung beschuldigt, und verweist den vermeintlichen Täter des Landes. Zuvor bit-
tet er seinen göttlichen Vater Poseidon, der ihm die Erfüllung dreier Wünsche
schuldet, um die Vernichtung des Hippolytos. Der Meeresgott schickt daraufhin
aus den Tiefen seines Reichs ein Ungeheuer, das Hippolytos’ Pferde in Panik ver-
setzt, und er verunfallt. Schwerverletzt wird er zu seinem – mittlerweile über den
Irrtum aufgeklärten – Vater gebracht, dem er sterbend verzeiht.
Seneca konzipiert den Gang der Handlung anders: Er verzichtet auf den Pro-
log der Liebesgöttin, die dem Rezipienten der euripideischen Tragödie schon zu
Beginn und aus dem Munde der Aphrodite selbst die Deutung nahelegt, dass
Phaidra in erster Linie nicht Täterin, sondern Opfer ist;18 überhaupt tritt Venus im
senecanischen Drama nicht in persona auf. Als der umtriebige Theseus wieder
einmal unterwegs ist – er bereist die Unterwelt –, verliebt sich Phaedra unglück-
lich in ihren misogynen und aus Überzeugung jungfräulichen Stiefsohn Hippo-
lytus. Nach einigem Ringen mit sich selbst und der Amme sowie dem erfolglosen
Versuch letzterer, Hippolytus die Freuden des Geschlechtlichen als natürliche

||
18 Bezeichnend ist, dass Seneca den Hercules Furens, wo er den pathologischen Wahnsinn dra-
matisiert, mit einem Prolog der Juno beginnen lässt, in dem sie ihre Rache an Herkules ankün-
digt.
„… von tiefer Dunkelheit umnebelt“ | 391

Pflicht der Arterhaltung anzudienen, bekennt Phaedra ihm ihre Liebe. Der emo-
tional überforderte Hippolytus fühlt sich durch den Angriff auf seine Keuschheit
bedroht und zückt das Schwert, lässt es aber unverrichteter Dinge fallen, nach-
dem Phaedra den Tod durch des Hippolytus Schwert als Heilung ihrer Raserei
und Erfüllung ihrer Liebe begrüßt hat. Um Phaedra vor der Aufdeckung ihrer
Schuld durch Hippolytus zu retten, bezichtigt ihn die Amme öffentlich der ver-
suchten Vergewaltigung, woraufhin der Beschuldigte flieht. Wenig später kehrt
Theseus nach Athen zurück. Seine treulose Gattin berichtet missverständlich von
einer Bedrohung ihres Leibes und zeigt das Schwert des Hippolytus vor. Theseus
zieht daraus den Schluss, dass sein Sohn ein Heuchler und Frauenschänder ist,
und verflucht ihn unter Anrufung seines Vaters Neptun. Hippolytus findet einen
grausamen Tod, als aus den Meereswogen ein monströser Stier entsteigt. Die er-
schrockenen Pferde scheuen, Hippolytus wird aus dem Gespann geschleudert
und sein Leib mehrfach gebrochen und zerstückelt. Als der Bote die Todesnach-
richt bringt, bekennt Phaedra ihre Schuld und begeht Selbstmord mit dem
Schwert des Geliebten.

2.2 Phaidra / Phaedra


Einigkeit herrscht in beiden Fassungen des Tragödienstoffes hinsichtlich der Dia-
gnose des Wahnsinns der Phaidra/Phaedra, und zwar sowohl als Selbst- wie
auch als Fremdbeschreibung. In beiden Fällen handelt es sich genauer um Lie-
beswahn. Bei Euripides nimmt der Chor Phaidra wahr als „trunken von Wahn-
sinn (entheos)“ (Hipp. 141) und geschlagen mit „des Geistes Irrwahn (noson [...]
planon phrenôn)“ (Hipp. 283). Artemis spricht von ihrer „Raserei (oistron)“ (Hipp.
1300). Die Amme sorgt sich um ihr „vom Wahnsinn besessenes Wort (manias epo-
chon […] logon)“19 (Hipp. 214) und stellt die Frage, „was für ein Gott dir die Sinne
verrückt und in wirrenden Taumel gerissen (hostis se theôn anaseirazei kai para-
koptei phrenas)“ habe (Hipp. 237–238). Auch Phaidra selbst erkennt: „Ich raste
(emanên)“ (Hipp. 241), und beklagt ihr Schicksal: „Wahnsinn ist schlimm (to de
mainomenon kakon)“ (Hipp. 248).
Bei Seneca ist die Zahl der Referenzen auf das Motiv des Wahnsinns ungleich
größer als bei Euripides, wobei der Begriff furor und seine Derivate dominieren:
Merzlak zählt insgesamt 24 Fundstellen.20 Des Weiteren bejammert die Amme den
„krankhafte[n] Sinn (mente non sana)“ (Phaedr. 356) der Phaedra und orakelt:

||
19 Übers. Donner, modifiziert.
20 Vgl. Merzlak (1983) 193.
392 | Dagmar Kiesel

„[K]ein Ende wird es geben für die rasenden Liebesflammen (flammis […] insa-
nis)“ (Phaedr. 361). Phaedra selbst seufzt über ihre „wahnsinnige Brust (pectus
insanum)“ (Phaedr. 641) und deren „Rasen (saevus)“ (Phaedr. 642).
Die Parallelen beider Werke zum Wahnsinn der Kreterin sind jedoch weniger
schlagend, als es prima facie scheinen mag: Sowohl die szenische als auch die
psychologische Ausgestaltung der beiden Tragödien zeigen, dass die euripidei-
sche Phaidra und die senecanische Phaedra von zwei unterschiedlichen Formen
des Wahnsinns ergriffen sind. Als Verantwortliche für das Liebesrasen der Prota-
gonistinnen stehen im mannigfaltigen Deutungspotenzial des mythologischen
Stoffs drei mögliche Erklärungen im Raum: So könnte die Kränkung der Liebes-
göttin im Hintergrund stehen, die sich entweder für ihre Missachtung durch den
keuschen Hippolytus an demselben rächt oder – so die zweite Option – für die
Aufdeckung ihres Liebesverhältnisses mit dem Kriegsgott durch den Sonnengott
dessen Geschlecht Buße üben lässt: Phaedra ist eine Enkelin des Sonnengottes.
Als dritter möglicher ätiologischer Faktor kommt die Verantwortung Phaedras
selbst für die Ausuferung ihrer Liebe in den Wahnsinn ins Spiel. Im euripidei-
schen Hippolytos wird bereits in dem langen Prolog Aphrodites die Verantwortli-
che der Tragödie identifiziert: Die Liebesgöttin fühlt sich von Hippolytos und des-
sen alleiniger Verehrung der Jagdgöttin Artemis missachtet und verfügt mittels
Phaidra seinen Untergang: „[W]ie ich’s verhängt, entbrannt ihr Herz in ungestü-
mer Liebesglut.“ (Hipp. 27–28) Bezeichnend für die Integrität und Charakter-
stärke der euripideischen Phaidra ist ihre grundsätzliche Bereitschaft, Verant-
wortung für ihr Liebesrasen zu übernehmen. Obwohl sie erkennt, dass sie Opfer
einer göttlichen Verwünschung geworden ist („Ich raste, ich fiel durch göttlichen
Fluch!“, Hipp. 241), empfindet sie ihr widernatürliches Begehren als Makel: „Rein
sind die Hände: Flecken hat die Seele nur“ (Hipp. 317), und vermerkt die doppelte
tragische Schuld: „Ein Freund [scil. Hippolytos] verdirbt unschuldig mich Un-
schuldige.“ (Hipp. 319) Ihren Entschluss zum Suizid, der auf ruhmvolle Weise das
Bekenntnis ihrer Liebe zum Stiefsohn unterbinden soll, kommentiert sie selbst-
kritisch: „Aus böser Quelle schöpf ich erst das Edle mir.“ (Hipp. 331) Auch der
Fluch Aphrodites über die Frauen ihres Geschlechts wird bei Euripides als wei-
tere Ursache von Phaidras Liebesrasen benannt. Wenn Phaidra klagt: „Unselige
Mutter, welcher Liebe fröntest du!“ (Hipp. 337), so bezieht sie sich auf die Liebe
der Pasiphae zu einem prachtvollen Stier. Um ihr Liebesverlangen zu stillen,
hatte sich Pasiphae in der von Daidalos erbauten Attrappe eines weiblichen Rin-
des verborgen und auf diese Weise den Stier zur Vereinigung animiert. Weil der
Minotauros als monströse Frucht dieser originellen Paarung die Unsitte hatte,
Menschenopfer zu fordern, musste er gefangen und getötet werden – Theseus bot
sich für diese Heldentat freundlich an. Die Schwester Phaidras, Ariadne,
„… von tiefer Dunkelheit umnebelt“ | 393

verliebte sich in den Helden und schenkte ihm den berühmten Faden, mithilfe
dessen Theseus aus dem Labyrinth, in dem der Minotauros gefangen gehalten
wurde, wieder herausfand. Zum Dank dafür ließ er Ariadne liebeskrank auf Na-
xos zurück, wo sie von Dionysos gerettet wurde. Auch darauf referenziert
Phaidra, wenn sie seufzt: „Auch du, o arme Schwester, Dionysos’ Weib!“ (Hipp.
339), und folgert: „Wie elend muss als dritte ich nun untergehen!“ (Hipp. 341)
Und obgleich sie erkennt, dass ihr eigener Liebeswahn ebenso dem Hass der Aph-
rodite geschuldet ist wie der ihrer Mutter und ihrer Schwester („Von dort und
nicht von gestern her stammt meine Not“, Hipp. 343), ist sie sich dennoch ihrer
Verantwortung bewusst, mit der Erblast des unverschuldeten Liebesrasens in
ethisch gebotener Weise umzugehen: „Und nimmer glaub ich, dass aus angebor-
ner Art der Mensch das Schlimmre wähle.“ (Hipp. 377–378) Ebendeshalb scheint
ihr der Suizid zur Verhütung der Erfüllung ihres Begehrens der angemessene
Weg zu sein. Motiviert wird sie in erster Linie durch ihr schamhaftes Ehrgefühl
(aidôs) für sich selbst und ihre Familie: „Nie möchte ich meines Gatten Ehren-
schänderin noch meiner Söhn’ erscheinen. Nein, sie sollen frei in hohem Mute
blühend, mir die stolze Stadt Athen bewohnen, durch die Mutter nicht be-
schimpft.“ (Hipp. 420–423) Einzig das Zureden der Amme hält sie davon ab, ihr
Vorhaben in die Tat umzusetzen. Die Amme ist es dann auch, die den Gang der
Handlung mit fatalen Folgen bestimmt. Anders als Phaidra vertritt sie die Auffas-
sung: „Wer könnte Kypris trotzen, wenn sie mächtig stürmt?“ (Hipp. 443), und
ermuntert ihren Schützling wortgewandt zum Ehebruch. Ihre Argumente sind
vorwiegend pragmatischer Natur: Aus Furcht vor der Schande stellten sich ge-
hörnte Ehemänner gerne blind (vgl. Hipp. 462–463). Außerdem sei es nicht ziem-
lich, besser sein zu wollen als die Götter selbst; vielmehr sollte man sich ihrem
Beschluss willig fügen (vgl. Hipp. 475–476). Und schließlich gebe es noch Zau-
bersprüche und Beschwörungen, die den widerspenstigen Hippolytos erweichen
könnten (vgl. Hipp. 478). Obwohl Phaidra der Amme das Versprechen abnimmt,
ihr Verlangen geheim zu halten, offenbart diese dem Hippolytos eigenmächtig
deren Liebe und setzt damit die eigentliche Tragödie in Gang.
Hinsichtlich der Zeichnung der Figuren der Phaedra und der Amme ergeben
sich nun deutliche Unterschiede in den zwei Tragödien. Die euripideische
Phaidra ist authentisch bemüht, einen für alle Beteiligten (sie selbst, Hippolytos,
Theseus und ihre Kinder) zuträglichen Umgang mit dem Liebeswahn zu finden,
und agiert in diesem Sinne verantwortungsvoll,21 während die Amme nicht nur

||
21 Zur „soziale[n] Eingebundenheit der euripideischen Phaidra“ im Unterschied zur „soziale[n]
Isolation der senecaischen Phaedra“ vgl. Lefèvre (1987) 208f. Phaidras soziale Orientierung
394 | Dagmar Kiesel

(mit Recht) auf den göttlichen Ursprung des Liebeswahns verweist, sondern auch
(zu Unrecht) aktive Maßnahmen zur Erfüllung des erotischen Verlangens ent-
schuldet und rechtfertigt. Im senecanischen Drama dagegen ist das Setting spie-
gelbildlich: Hier ist es Phaedra selbst, die ihre Liebe exkulpiert, während die
Amme ihr (zunächst: Das ändert sich im Laufe der Tragödie recht unvermittelt)
darlegt, dass sie Verantwortung für ihren Liebeswahn trägt. Wie wir sehen wer-
den, geschieht dies mit eindeutig stoischen Argumenten. Weit davon entfernt,
wie die Amme bei Euripides die Unwiderstehlichkeit der Liebesgöttin zu betonen,
vertritt sie die gegenteilige Position: „Dass Amor ein Gott sei, hat die schimpfliche
und dem Laster ergebene Lust erdichtet […] solche Trugbilder dachte sich ein
wahnsinniger Geist (demens animus) aus.“22 (Phaedr. 195–202) Anstatt Phaedra
zum Ehebruch zu ermuntern, ermahnt sie diese zur Aufgabe ihrer Liebe. Die Ar-
gumente, die sie vorbringt, sind, wie ich meine, nicht zufällig die Antithesen zu
denen der euripideischen Amme: So gibt sie zu bedenken, dass erstens der Ehe-
bruch nicht unentdeckt bleiben werde (Phaedr. 151) und dass zweitens die Götter
ihren Zorn zeigen würden (Phaedr. 154–158).23
Die senecanische Phaedra betrachtet als Ursache ihres Liebesrasens die Ra-
che der Venus, die die weibliche Nachkommenschaft des Sonnengottes dessen
Aufdeckung ihres außerehelichen Techtelmechtels mit Mars sühnen lässt: „Tod-
feind dem Stamm des verhassten Sol rächt Venus an uns die Ketten ihres Mars
und die ihren, sie belastet des Phöbus ganzes Geschlecht mit ruchloser Schmach:
Keine Minos-Tochter trug ein leichtes Liebesjoch, ihm verbindet sich immer ein
Frevel (nefas).“ (Phaedr. 124–128) Die Erwiderung der Amme ist ein wahrer Fun-
dus stoisch-senecanischer Argumente. So gibt sie gegen die Vorstellung einer
nicht zurechenbaren Erbsünde und mit Verweis auf die physische Monstrosität
des Minotauros zu bedenken: „Schwerer als Widernatur wiegt Frevel (maius est
monstro nefas), denn Widernatur rechne dem Geschick (fato), dem eigenen We-
sen (moribus) den Frevel (scelera) an.“ (Phaedr. 143–144) Seneca kann dieser Po-
sition nur zustimmen und betont die Zurechenbarkeit menschlicher Laster und
Verfehlungen: „Du irrst nämlich, wenn du meinst, unsere Fehler (vitia) würden
mit uns geboren.“ (Ep. 94,55) Generell ist die Weigerung der Amme, Phaedra von

||
erfährt allerdings mit der fälschlichen Bezichtigung des Hippolytos einen schweren Einbruch.
Ihre eigene Ehre sowie die ihrer Kinder sind hier vorrangig.
22 Den frühen Stoikern galt Eros noch als Gott, der durch die Stiftung von Freundschaft und
Freiheit zum Erhalt der (idealen) Stadt beiträgt, vgl. Ath. XIII, 561c–d (SVF I 263.1–5) = LS 67D.
Weil Seneca jedoch, anders als die ältere Stoa, den erôs als schädlichen Affekt betrachtet, hält
er dessen Auslöschung für wünschenswert (vgl. Gaca (2000) 209).
23 Im Unterschied zur antiken Volksfrömmigkeit sind für den Stoiker Seneca Gott und Tugend
untrennbar verbunden (vgl. De Vita Beata [Dial. VII] 16,1).
„… von tiefer Dunkelheit umnebelt“ | 395

ihrer Verantwortung zu entlasten, ein Echo Senecas. „[W]er immer gleich am


Anfang widerstand und eine Liebe vertrieb, der war in Sicherheit und Sieger“
(Phaedra 132–133), stellt sie im Einklang mit dem Philosophen fest, der schreibt:

Treffend scheint mir Panaitios auf die Frage eines jungen Mannes, ob sich der Weise verlie-
ben würde (an sapiens amaturus esset), geantwortet zu haben: „Was den Weisen angeht,
werden wir später sehen. Du und ich, die wir vom Weisen bis jetzt noch weit entfernt sind,
dürfen es nicht dahin kommen lassen (non est committendum), dass wir in eine stürmische,
unkontrollierbare (inpotentem), in der Verfügung eines anderen stehende und für uns
selbst klägliche Situation geraten.“
(Ep. 116,5)

Dementsprechend gehen sowohl die Amme als auch Seneca davon aus, dass
erste Liebesregungen, sofern sie sich noch nicht zu einem Affekt ausgebildet ha-
ben, kontrollierbar sind. Gemäß der von Seneca geteilten stoischen Emotionsthe-
orie generieren sich Affekte nicht von selbst bzw. folgen unmittelbar aus einem
äußeren Anstoß, „sondern nur mit Billigung der Seele (animo adprobante)“ (De
Ira II [Dial. IV] 1,4), und liegen ebendeshalb im Verantwortungsbereich des Men-
schen. Zwar bedarf es zur Entstehung des Affekts im ersten Schritt einer Vorstel-
lung (gr. phantasia/lat. species): Im vorliegenden Fall macht die physische
Schönheit des Hippolytus einen bleibenden Eindruck auf Phaedra. Wie die „Er-
scheinung von Unrecht“ einen „erste[n] Erschütterungszustand der Seele“ (De
Ira II [Dial. IV] 3,5) im Sinne eines Voraffekts (gr. propatheia) hervorruft, die je-
doch noch nicht als Wut zu klassifizieren ist, so sind auch die ersten Schmetter-
linge im Bauch der Phaedra noch keine Liebe.24 Die Erscheinung des Jünglings
evoziert Überlegungen wie ‚Die erfüllte Liebe zu Hippolytus wird mich glücklich
machen‘ oder ‚Der Ehebruch ist gerechtfertigt, weil mein Gatte mir seinerseits un-
treu ist und mich zu häufig an einem mir fremden Ort allein lässt‘. Erst wenn Pha-
edra diesen – im stoischen Sinne falschen – Vorstellungen ihre Zustimmung (gr.
synkatathesis/lat. assensio) gibt, kann sich der Liebesaffekt ausbilden. Die Mah-
nung der Amme, man könne beginnenden Liebesregungen widerstehen und so-
mit die Liebe vertreiben, verweist darauf, dass Phaedra diese Zustimmung eben
nicht geben muss; sie kann sie auch verweigern und somit die Entstehung einer
ausufernden Liebesglut verhindern. Die Zustimmung der irrenden Vernunft zu
falschen Vorstellungen fasst die Amme ebenso wie Seneca („Was hast du nötig,
um sittlich gut (bonus) zu sein? Du musst wollen (velle)“, Ep. 80,4) in den Begriff

||
24 Der Voraffekt ist nach Seneca ein Seelenimpuls (animi ictum), der noch keine Zustimmung
beinhaltet und deshalb auch nicht kontrollierbar ist (vgl. De Ira II [Dial. IV] 4,2). Nach stoischer
Lehre ist auch der Weise von Voraffekten betroffen.
396 | Dagmar Kiesel

des Wollens: „Das Ehrenhafte zu wollen ist erste Pflicht (Honesta primum est vel-
le) und nicht vom Wege zu gleiten“ (Phaedr. 140). Während die „erste Bewegung
(primus motus)“ des Voraffekts „nicht willentlich (non voluntarius) ist“, gilt die
Zustimmung gemäß dem Stoiker als „Willensentscheidung (cum voluntate)“ (De
Ira II [Dial. IV] 4,1).
Phaedra pflichtet der Amme grundsätzlich bei, wendet aber (implizit) ein,
dass sie bereits die Stufe des Voraffekts überschritten habe und der Affekt nicht
mehr unter ihrer Kontrolle stehe:

Was du in Erinnerung rufst, weiß ich, ist wahr, Amme; aber Liebesraserei (furor) zwingt
dazu, dem Schlechteren zu folgen. Mein Sinn geht wissentlich in den Abgrund (vadit ani-
mus in praeceps sciens) und kehrt vergeblich um (remeatque frustra), vernünftige Ent-
schlüsse erstrebend. […] Was vermöchte die Vernunft? Mein Rasen triumphiert und herrscht
(vicit ac regnat furor), und mächtig gebietet über all mein Denken der Gott.
(Phaedr. 178–185)

Die Kreterin deutet ihre Situation demnach in Begriffen harter (oder klarsichtiger)
Willensschwäche, die von Seneca hier im Einklang mit Chrysipp im Sinne des
sogenannten Persistenzmodells verstanden wird:25 Während die Zustimmung zu
falschen Vorstellungen und Werturteilen willentlich und kontrollierbar ist, hat
die Emotion als „dritte Bewegung schon keine Macht mehr über sich selbst. Sie
will […] [etwas, D.K.], nicht falls das richtig ist, sondern unbedingt und hat die
Vernunft unter ihre Kontrolle gebracht.“ (De Ira II [Dial. IV] 4,1) Ein Affekt ist ein
exzessiver, d.h. über das rechte Maß hinausschießender und nicht der rechten
Vernunft (gr. orthos logos/lat. recta ratio) folgender Handlungsimpuls (gr.
hormê/lat. impetus; appetitus), der sich eben aufgrund seiner Exzessivität nicht
mehr ohne Weiteres korrigieren lässt, auch wenn die Vernunft ihr Urteil korrigiert
hat. Auch in der Tragödie legt Seneca der Titelfigur des Dramas ein anschauliches
Bild für die Exzessivität der Affekte, in diesem Fall der Liebe, in den Mund: „So
bleibt, wenn der Schiffer die schwergeladene Barke gegen die Strömung vor-
wärtstreibt, seine Mühe eitel, und der Nachen wird überwältigt von der treiben-
den Flut fortgerissen.“ (Phaedr. 181–183) Auf die Schwierigkeit, einmal in Gang
gesetzte Affekte zu bändigen, kommt auch die Amme in sichtlich moralisieren-
dem Duktus zu sprechen: „[W]er mit Schmeicheln ein süßes Laster nährte, wei-
gert sich zu spät, das Joch zu tragen, unter das er getreten ist.“ (Phaedr. 134–135)
Zugleich belegt das Zitat, dass die Amme (wie der Autor Seneca) der Auffassung
ist, dass der Liebeswahn Phaedra nicht aus heiterem Himmel und ohne eigenes
Zutun getroffen hat; vielmehr trägt sie selbst die Verantwortung dafür, dass sie

||
25 Vgl. Gill (2005) 159 u. Müller (2018) 432.
„… von tiefer Dunkelheit umnebelt“ | 397

das „süße Laster“ der ersten, den Voraffekt konstituierenden Liebesregungen ge-
nährt hat, indem sie sie genossen und den mit ihnen verbundenen Vorstellungen
und Wertüberzeugungen zugestimmt hat. Die von Seneca gewählte Begrifflich-
keit ist ein weiteres Indiz dafür, dass Seneca an dieser Stelle das in De Ira präsen-
tierte Persistenzmodell der Willensschwäche dramatisiert. Es scheint mir kein Zu-
fall zu sein, wenn er Phaedra in den Mund legt, ihr Sinn gehe „wissentlich in den
Abgrund (in praeceps)“ (Phaedr. 179), denn die fragliche Terminologie ist die-
selbe wie in De Ira:

Es gibt Dinge, bei denen der Anfang in unserer Macht liegt, aber alles Weitere uns durch die
ihm eigene Dynamik fortreißt und keine Möglichkeit zur Umkehr lässt. […] [W]ie der unwi-
derrufliche Sprung in die Tiefe (praecipitatio) jegliche Möglichkeit zum […] Bereuen ab-
schneidet […], so ist es auch der Seele nicht erlaubt, ihren Drang zu unterdrücken (reprimere
impetum), wenn sie sich in Wut, erotische Liebe (amorem) oder andere Affekte gestürzt hat.
(De Ira I [Dial. III] 7,4)

Dass Phaedra zwischen erotischer Liebe (amor) und sittlicher Scham (pudor)
schwankt, wurde von Interpreten mehrfach festgestellt und als Pendeln zwi-
schen einem sittlichen und einem widersittlichen Beweggrund gedeutet.26 Tat-
sächlich jedoch ist die Zuordnung des pudor zur Tugend unter stoischen Prämis-
sen alles andere als selbstverständlich: Prospektive Scham im Sinne der Angst
vor Ehrverlust ist eine Unterart des generischen Affekts der Furcht27 und tritt nur
bei einer nicht-weisen Persönlichkeitsstruktur auf. Dennoch lässt sich die Stan-
darddeutung plausibilisieren: Beim Referat der zum guten Gefühl der Vorsicht
gehörenden Unterarten listet Diogenes Laertius auch die sittliche Scham.28 Ob-
wohl sich dort keine näheren Erläuterungen finden, scheint mir die Differenz zwi-
schen dem Affekt der Scham und dem guten Gefühl der sittlichen Scheu darin zu
liegen, dass das dem Schamaffekt zugrundeliegende Werturteil (‚Die gute Mei-
nung anderer über mich ist ein Gut‘ bzw. ‚Die schlechte Meinung anderer über
mich ist ein Übel‘) falsch ist, während das dem guten Gefühl der sittlichen Scheu
zugrundeliegende Werturteil (‚Die Tugend ist ein Gut‘ bzw. ‚Das Laster ist ein
Übel‘) richtig ist. Allerdings spielt in Senecas Phaedra nicht nur der philosophi-
sche, sondern wie im euripideischen Hippolytos auch der kulturelle Hintergrund
eine Rolle: Die griechische Kultur war eine Schamkultur, die einerseits das

||
26 Vgl. Gill (2009) 68 mit Bezug auf Hill (2004), sowie Müller (2018) 433–443. Die Gegenposition
vertreten Henry und Walker (1966), 228: „Pudor then is used by Seneca in this play as a quality
so ill-defined in essence and so variable in meaning that it cannot be taken as a counterforce to
furor.“
27 Vgl. Stob. II 91.5–6 = LS 65E3.
28 Vgl. Diog. Laert. VII 116.
398 | Dagmar Kiesel

gewünschte sozialkonforme Verhalten durch die Furcht vor sozialer Ächtung re-
gulierte, die aber zugleich die Sensibilität für das selbstwertbezogene Ehrgefühl
des Einzelnen hochhielt (aidôs) und nicht gerechtfertigte Verletzungen dessel-
ben (hybris) ihrerseits sozial sanktionierte.29 Entsprechend zahlreich sind die Ver-
weise auf die Scham der Phaidra als Movens ihres Handelns bei Euripides.30 Aber
auch in Rom war das Bewusstsein für Ehre (honor) und Würde (dignitas) mit ei-
nem ausgeprägten Schamgefühl verbunden,31 dessen soziale und moralische Be-
deutung von Seneca ambivalent, aber mit einer Tendenz zur Wertschätzung rezi-
piert wird.32 Für seine Position zur Scham ist Epistula 11 einschlägig: Einerseits
scheint er sich auf den negativ bestimmten Schamaffekt zu beziehen, wenn er die
„Schamesröte (rubor)“ als Ausdruck eines Voraffekts beschreibt, der als „natür-
liche Schwäche des Körpers oder des Geistes“ (Ep. 11,1) auch den Weisen beglei-
tet.33 Andererseits qualifiziert er die mit der Schamröte verbundene „Schüchtern-
heit (verecundiam)“ als „gutes Zeichen für den jungen Mann“ (Ep. 11,1). Offenbar
indiziert diese eine kulturell erwünschte34 und altersgemäß gebotene Zurückhal-
tung bezüglich der eigenen Wichtigkeit sowie die Achtung vor den bereits in Amt
und Profession Fortgeschrittenen. Darüber hinaus ist die Scham im Sinne der
Furcht vor dem fremden Blick ein von Seneca geschätztes Mittel für das sittliche
Weiterkommen des proficiens.35 Er empfiehlt die Verehrung eines „vortrefflichen
Menschen“, den es im Geiste vor Augen zu halten gilt, „um so gleichsam unter
seinen Blicken zu leben“ (Ep. 11,8). Insofern der Zeuge des eigenen Denkens, Füh-
lens und Tuns allerdings nur imaginiert wird, ist der fremde Blick internalisiert
und transformiert sukzessive in eine reflexive Innenschau – so verstehe ich
Seneca an dieser Stelle. Zudem handelt es sich bei dem verinnerlichten Vorbild
um Verkörperungen der Tugend (Seneca empfiehlt Cato und Laelius, vgl. Ep.
11,10), sodass es sich eher um eine (Selbst-)Ermahnung zur Tugend im Medium
visualisierter Fremdwahrnehmung handelt. In diesem Sinne hat die Scham

||
29 Vgl. Dodds (1970) 17–37 und Williams (2000) 91.
30 Vgl. besonders Hipp. 403–430.
31 Vgl. Barton (2001) .
32 Allerdings halte ich das Urteil bei Wray (2015), 200, für stark überzogen: „The forms of pudere
and its cognates circulating in his philosophical prose can hardly be taken as describing the eu-
pathic inner life of an ideal agent. In fact, Seneca’s philosophical use of shame terms sounds a
lot like ordinary Roman pudor-talk.“
33 Als Beleg für das Phänomen, dass der Geist auf die Schamröte keinen Einfluss nehmen kann,
verweist Seneca auf die Schauspieler, die Schamröte weder hervorbringen noch verhindern kön-
nen (vgl. Ep. 11,7).
34 Vgl. Barton (2001) 223f.
35 Dagegen: Wray (2015) 202–206.
„… von tiefer Dunkelheit umnebelt“ | 399

weniger den Charakter eines Schamaffekts, der das falsche Urteil ‚Die schlechte
Meinung anderer über mich ist ein Übel‘ aktualisiert, sondern vermittels des rich-
tigen Urteils ‚Die schlechte Meinung des Tugendhaften über mich ist ein Übel‘
auch dem korrekten Urteil ‚Das Laster ist ein Übel‘ zustimmt und daher dem gu-
ten Gefühl der sittlichen Scheu gleich- oder zumindest nahekommt.
Ob es sich beim pudor Phaedras um einen Schamaffekt oder um sittliche
Scheu handelt, ist meines Erachtens nicht eindeutig zu bestimmen, ich tendiere
jedoch wie die meisten Autoren zu letzterem. Im Falle Phaedras liegen dem als
sittliche Scham verstandenen pudor neben der generellen axiologischen Aussage
‚Das Laster ist ein Übel‘ als näher spezifizierte Überzeugungen darüber hinaus
Urteile wie ‚Ehebruch ist ein scelus‘ oder ‚Inzest ist ein nefas‘ zugrunde.36 In die-
sem Sinne bekennt sie: „Nicht ist Scham (pudor) ganz aus dem mir angeborenen
Sinn gewichen; ich gehorche, Amme. Eine Liebe (amor), die sich nicht beherr-
schen will, muss besiegt werden“ (Phaedr. 250–252), und erwägt den Suizid. Da-
gegen speist sich die Liebe aus der Vorstellung ‚Die Erfüllung erotischer Liebe ist
ein Gut und wird mich glücklich machen.‘
Um diese Vorstellung mit ihrer sittlichen Scham vereinbaren zu können, be-
darf es einer Reihe von Rationalisierungen. Phaedra entlastet sich von der Schuld
ihrer nach Erfüllung strebenden Liebe, indem sie auf die unglücklichen Um-
stände ihres Lebens verweist: Sie ist mit „einem Feinde vermählt“ (Phaedr. 90)
und hat in Athen den bejammernswerten Status eines „Flüchtling[s]“ (Phaedr.
91). Darüber hinaus verweist sie auf die Untreue des Theseus (Phaedr. 92 u. 97–
98) sowie auf ihre Machtlosigkeit gegenüber dem Einfluss der Liebesgöttin (vgl.
Phaedr. 120). Außerdem spekuliert sie auf die geringe Wahrscheinlichkeit der
Rückkehr ihres Gatten aus der Unterwelt (Phaedr. 219–221). Und selbst wenn:
Vielleicht mag er ihr ja den Treuebruch verzeihen (Phaedr. 225).
Dass die mit pudor und amor verbundenen Vorstellungen und Wertüberzeu-
gungen einander widersprechen37 und ebendeshalb eine Fülle von Rechtferti-
gungsbemühungen notwendig sind, ist ein Symptom des alltäglichen Wahn-

||
36 Würde es sich alternativ um einen bloßen Schamaffekt handeln, wären folgende Überzeu-
gungen mit ihm verbunden: 1) ‚Ehebruch gilt in meiner sozialen Umwelt als scelus‘, 2) ‚Mein
Ehebruch würde mich in den Augen anderer herabsetzen‘, und 3) ‚Die schlechte Meinung ande-
rer über mich ist ein Übel‘.
37 Nach der – auf dem hierarchischen Willensmodell bei Harry G. Frankfurt basierenden – Deu-
tung bei Müller (2018), 456, ist der „Konflikt von amor und pudor schon auf der Ebene der grund-
legenden Urteile, also der hinter den Volitionen stehenden Wertmaßstäbe angesiedelt […].
Phaedra sieht sich sowohl als waghalsige Liebhaberin wie auch als moralische Person, d.h. sie
oszilliert zwischen verschiedenen, miteinander inkompatiblen Überzeugungssystemen, mit de-
nen sie sich dennoch zugleich zu identifizieren versucht.“
400 | Dagmar Kiesel

sinns, dessen wichtigstes Kennzeichen eine prinzipielle Instabilität der Ziele,


Grundsätze und Projekte darstellt.38 Seneca schreibt: „Wir treiben (fluctuamur)
zwischen verschiedenartigen Vorhaben (consilia) hin und her; nichts wollen (vo-
lumus) wir uneingeschränkt, nichts unbedingt, nichts für immer.“ (Ep. 52,1) Als
Grund für dieses Fluktuieren benennt Seneca die epistemische Unsicherheit des
Nichtweisen: „Was ist die Ursache ihres Schwankens? Dass es keine Gewissheit
gibt (nihil liquet) für solche […]. Wenn du immer dasselbe (eadem) wollen willst,
musst du das Wahre wollen (vera oportet velis).“ (Ep. 95,58) Der Weise ist im Be-
sitz einer umfassenden theoretischen und praktischen Erkenntnis; sein zustim-
mendes kognitives Erfassen ist sicher und beständig und hat zur Folge, „dass all
deine Taten und Worte miteinander übereinstimmen und einander entsprechen
und dieselbe Prägung zeigen.“ (Ep. 34,4) Dagegen bildet der Nichtweise nur epis-
temisch ungesicherte Meinungen aus sowie Affekte, die ebendeshalb als „schwa-
che Zustimmungen“ (Stob. II 88.22–89.3 = LS 65C) gelten, weil sie jederzeit durch
andere, auch differierende Vorstellungen ersetzt werden können. Die seelische
Gesundheit des Weisen, die Seneca konsequent in den Begriff der tranquillitas
fasst (schließlich ist seine Seele keinem ständigen Wechsel von Meinungen und
Affekten unterworfen), ist dagegen „eine Gabe der Seelengröße (animi magni-
tudo) […] sowie des standhaften Festhaltens an einem richtigen Werturteil
(constantia bene iudicati tenax) […], wenn man die Wahrheit (veritas) voll und
ganz durchschaut hat.“ (Ep. 92,3)
Einen letzten Punkt gilt es mit Blick auf den Liebeswahn Phaedras zu analy-
sieren: Die Exzessivität des Liebesaffekts, die diesen zur Raserei mutieren lässt,
manifestiert sich nicht nur als akratisches Problem, insofern der Affekt auch bei
verändertem Vernunfturteil fortbesteht. Wie wir in De Ira II [Dial. IV] 7,4 gesehen
haben, stellt Seneca bei der Erörterung des Persistenzmodells der Willensschwä-
che zwei Affekte besonders heraus: die Wut und die erotische Liebe.39 Doch damit
nicht genug: Nach Seneca teilt der Liebeswahn mit dem Wutaffekt eine beson-
dere Destruktivität, die das zerstörerische Potenzial vieler anderer Affekte deut-
lich übersteigt. Auch dies gründet in der ausufernden Exzessivität, die beide Af-
fekte noch markanter als andere charakterisiert und in eine Form des alltäglichen
Irreseins münden lässt, die dem pathologischen Irresein schon sehr nahe

||
38 Überzeugende Belege für das sich im Handeln Phaedras manifestierende Schwanken zwi-
schen pudor und amor finden sich bei Gill (2009) 69f. Müller (2018), 430f., zeigt ferner, wie sich
der Konflikt in Form von Sprachhemmungen der Protagonistin offenbart.
39 Manche Gemeinsamkeiten von Wut und Liebe lassen sich damit erklären, dass beide nach
stoischer Lehre Unterarten des generischen Affekts der Begierde sind (vgl. Stob. II 90.19–91.4 =
LS 65E1).
„… von tiefer Dunkelheit umnebelt“ | 401

kommt.40 Die von Seneca festgestellten Parallelen zwischen Wut und erotisch-be-
gehrlicher Liebe sowie die Nähe beider zum Wahnsinn zeigen sich schon am la-
teinischen Sprachgebrauch: Das OLD nennt als erste Bedeutung des Nomens ‚fu-
ror‘: „1 Violent madness“41 und bezieht sich damit auf eine gewaltorientierte
Form des Wahnsinns. Die zweite semantische Facette „2b hostile rage, fury, an-
ger“42 notiert Zorn bzw. Wut und Ärger, und „3 Passionate desire, furious long-
ing“43 verweist insbesondere auf das Liebessehnen (OLD referenziert u.a. Phaedr.
540). In den Begriff des ‚furor‘ werden demnach Formen der Wut und der Liebe
gefasst, die sich als aggressiv-destruktiver und zügelloser Wahnsinn manifestie-
ren. Die philosophische Sicht Senecas korrespondiert nun in vielfacher Hinsicht
mit dem semantischen Befund. So zeigt sich die gewaltorientierte Destruktivität
beider Affekte durch ihre leibliche Phänomenologie: Wut und Liebe sind gewis-
sermaßen ‚heiße‘ Affekte, die Geist und Leib erhitzen.44 Beginnende Wut zeigt
sich, wenn die „Augen lodern und blitzen, das gesamte Gesicht ist stark gerötet
[…], und je größer sie ist, desto offenbarer kocht sie empor.“ (De Ira I [Dial. III] 4–
5) Wut ist demnach mit dem Element (stoicheion) Feuer verbunden, das im Un-
terschied zu Gott als schöpferisches und für die Vollkommenheit der Welt Sorge
tragendes kunstverständiges Feuer (pyr technikon)45 auch destruktiv sein kann:
Es verbraucht und zerstört seine Nahrung.46 Entsprechend diesem stoischen
Gedanken wird die Phänomenologie der Wut durch Seneca mittels des Feuermo-
tivs illustriert: Medea als Symbolfigur der Wut ist die Enkelin des Sonnengottes
Sol (vgl. Med. 28–29 u. 32–36), sie identifiziert sich selbst mit dem Feuer (vgl.
Med. 166–167) und gebietet über feuerspeiende Stiere und Drachen (vgl. Med. 466
und 472). Das von ihr entfachte Zornesfeuer ist in höchstem Maße zerstörerisch:
Das Giftgebräu, mit der sie ihre Rivalin mordet, zeigt eine inflammatorische Wir-
kung (vgl. Med. 817–821 und 832–839), die Braut wird zur lebenden Fackel und
setzt ungewollt den gesamten Palast inklusive ihres königlichen Vaters in Flam-
men (vgl. Med. 879–880). Für unsere Fragestellung relevant ist nun, dass Seneca

||
40 Vgl. De Ira I [Dial. III] 1,3–4.
41 OLD (2012), vol. I, furor2 ~ōris, 823.
42 Ebd. 824.
43 Ebd.
44 Zum Verhältnis von Leib und Seele vgl. Smith (2014). Insofern die Stoiker das menschliche
Seelenpneuma als eine Mischung aus Luft und Feuer betrachten, lässt sich die ‚heiße‘ Natur von
Wut und Liebe als eine Zunahme des feurigen Anteils deuten. Vgl. De Ira II [Dial. IV] 19,1: „Eine
feurige Seelennatur (fervidi animi natura) bietet der Jähzornigkeit (iracundiam) die beste An-
griffsfläche.“
45 Vgl. Cic. Nat. D. I 139 u. Aёt. I 7,33 (SVF II 1027.1–3) = LS 46A1.
46 Zur Differenz der beiden Arten des Feuers vgl. Forschner (2018) 113.
402 | Dagmar Kiesel

auch den Liebesaffekt in der Phaedra-Tragödie mit dem Feuermotiv assoziiert.47


So mahnt die Amme ihre Herrin, die wie Medea eine Enkeltochter Sols ist: „Un-
terdrücke einer ruchlosen Liebe Flammen (compesce amoris impii flammas)“
(Phaedra 165), sie spricht von den „sündigen Liebesfeuern (nefandis […] ignibus)“
(Phaedra 173) der Herrin und gibt schließlich, jeder Hoffnung beraubt, kund:
„[K]ein Ende wird es geben für die rasenden Liebesflammen (flammis […] insanis).
Sie wird versengt durch stumme Glut (aestu tacito).“ (Phaedr. 362) Auch im Äu-
ßeren werden die Feuerzeichen des Liebesrasens offenbar: „[E]s bricht aus ihren
Augen Feuer (ignis).“ (Phaedr. 364) Phaedra selbst reiht in ihrem Liebesbekennt-
nis an Hippolytus eine Feuerreferenz an die andere:

Die wahnsinnige Brust (pectus insanum) versengt Glut (vapor) und Leidenschaft. Sie ver-
zehrt in ihrem Rasen (saevus) mein innerstes Mark in der Tiefe, und durch die Adern eilt, in
meine Eingeweide versenkt, ihr Feuer (ignis) und eine heimliche Liebe, wie die behende
Flamme (flamma) die hohen Balken durchläuft.
(Phaedr. 641–644)

Und schließlich ist das erste Chorlied eine ambivalent zwischen Ehrfurcht und
Furcht schwankende Hymne auf die Flammenkraft Cupidos bzw. Amors, die Tie-
ren jedweder Art, Menschen jeglichen Alters und Geschlechts und sogar den Göt-
tern heißes Verlangen einbrennt.48 Die Frage des Chors, ob es „für ihre [scil. Phae-
dras] wilden Liebesflammen irgendein Maß (saevis ecquis est flammis modus)“
(Phaedr. 359) gebe, wird von der Amme entschieden verneint (vgl. Phaedr. 360).
Dass die maß- und zügellose Exzessivität des glühenden Liebeswahns Phae-
dras ebenso gewaltbereit ist wie die der feurigen Wut Medeas, veranschaulicht
Seneca zunächst im Chorlied. Cupido ist im Besitz von Waffen: Seine „Pfeile[.]“
(Phaedr. 276), die er mit „unfehlbarem Bogen“ (Phaedr. 278) zielt, richten in den
Liebenden mit „die Adern verwüstendem Feuer“ (Phaedr. 280) Unheil an. Sie
sind selbst die ersten „von ihm Verletzten“ (Phaedr. 330), wobei die „Wunde“
(Phaedr. 281) nicht in der Physis, sondern im Geiste liegt; in der Brunst jedoch
wird die Aggression nach außen getragen. Liebestolle Hirsche fordern den Riva-
len „zum Kampfe heraus und geben röhrend Zeichen der Raserei (signa furoris)“
(Phaedr. 342–344). Die im Chorlied besungene Gewalt des Liebeswahns wird nä-
her spezifiziert, indem Seneca die schon bei Euripides explizierte Grausamkeit
des hippolytischen Sterbens noch überbietet. Bezeichnend ist, dass auch im un-
mittelbaren Kontext des von Theseus heraufbeschworenen ‚Unfalls‘ die ent-

||
47 Auch Ov. Her. 4.15, 4.19–20 und 4.52 gebraucht im fiktiven Brief der Phaedra an den Gelieb-
ten das Feuermotiv.
48 Vgl. Phaedr. 276; 280; 290–291; 330; 337–338; 355.
„… von tiefer Dunkelheit umnebelt“ | 403

scheidende Rolle des exzessiven Furors betont wird: Das aus dem Meer geborene
Ungeheuer versetzt die Pferde des Hippolytus in „angstvolle Raserei (pavidus […]
furor)“ (Phaedr. 1070). Kurzfristig gelingt dem Führer des Gespanns49 die Bändi-
gung der panischen Tiere. Als der monströse Bulle das Gespann jedoch weiter
bedrängt, „versagen die in ihrem furchtsamen Sinn erregten […] Pferde […] den
Gehorsam“ (Phaedr. 1082–1083), bäumen sich auf und stoßen dabei den Lenker
vom Wagen. Diese Referenz auf den Furor der Pferde ist metaphorisch und illus-
triert ebenso das Unvermögen der Vernunft (in Gestalt des Lenkers), den einmal
in Gang gesetzten Affekt (den Furor der Pferde) zu bändigen, wie auch die zerstö-
rerische Wirkung desselben. Hauptverantwortlich für den brutalen Tod des Hip-
polytus sind jedoch der Liebesfuror Phaedras und das Zornesrasen des Theseus.
Seneca schont den Rezipienten der Tragödie nicht: Hippolytus stürzt „[k]opfüber
aufs Angesicht“ (Phaedr. 1085), „sein zerschmettertes Haupt prallt zurück an den
Felsen, Gestrüppe reißen seine Haare weg, hartes Gestein verwüstet das schöne
Antlitz“ (Phaedr. 1093–1095). Er wird von einem breiten Ast aufgespießt und
schließlich durch die beiden im Geäst hängenbleibenden Pferde entzweigerissen.
Nicht einmal den Hunden des Königssohnes und den sie begleitenden Dienern
gelingt es, alle über weite Flächen verstreuten Leichenteile zu finden. Die Aus-
sage scheint mir klar zu sein: Affekte, insbesondere Wut und erotische Liebe, ha-
ben nicht nur eine mentale Zerrissenheit in Gestalt von axiologischer Inkonsis-
tenz bzw. Wechselhaftigkeit, Willensschwäche und emotionaler Instabilität zur
Folge, sie können darüber hinaus eine manifeste physische Zerrissenheit nach
sich ziehen und sind in diesem Sinne ebenso potenziell destruktiv wie das ihnen
nahestehende Feuerelement.

2.3 Die Amme


Die senecanische Zeichnung der Amme ist erklärungsbedürftig. Auf ihre anfäng-
lich stoisch anmutenden Ermahnungen zum Eindämmen des Liebesverlangens
folgt eine in Argumenten ebenso wie in Handlungen sich manifestierende Ab-
wendung von den stoischen Maximen, nachdem sie vom Todeswunsch Phaedras
erfahren hat. Diese dramaturgisch prima facie ungeschickt, weil unvermittelt er-
scheinende Zäsur, ist nach meiner Deutung bewusst von Seneca inszeniert: Wie
Phaedra und die übrigen Protagonisten gestaltet Seneca nämlich auch die Amme

||
49 Die Parallele zum platonischen Gleichnis vom Seelentier (vgl. R. IX, 588b–590b) ist wohl
nicht zufällig, obwohl Seneca sehr wahrscheinlich den psychologischen Monismus der frühen
Stoa geteilt hat.
404 | Dagmar Kiesel

als nicht-weise Persönlichkeit, deren instabiles Überzeugungssystem und die da-


raus folgenden widersprüchlichen Handlungen den Gang der Tragödie auf ein
katastrophales Ende hinsteuern. Dass die Amme nahezu unvermittelt und abrupt
von der Verlautbarung stoischer Ethik, Handlungstheorie und Psychologie zu ei-
ner gänzlich anti-stoischen Denk- und Handlungsweise übergeht, ist gerade der
Punkt Senecas: Auch wenn sie sich zu Beginn der Tragödie nicht wie ihre Herrin
aktuell im Griff eines exzessiven Affekts befindet, so ist sie doch in dem Sinne
Opfer eines alltäglichen Wahnsinns, als sie sowohl in kognitiver wie auch in le-
benspraktischer Hinsicht im Widerspruch mit sich selbst steht und jederzeit Ge-
fahr läuft, wie Phaedra in die Gewalt eines ausufernden Affekts zu geraten. Und
wie der alltägliche Wahnsinn ihrer Herrin, so ist auch der ihrige zurechenbar und
zeitigt ebenso destruktive Folgen.
Als Phaedra der Amme ihre Absicht zur Selbsttötung mitteilt, die dem Liebes-
rasen Einhalt gebieten soll, ist deren erste Reaktion eine ambivalente Mischung
aus Affirmation und Abwehr: „[W]ürdig des Lebens halte ich dich darum, weil du
vermeinst, du seist des Todes würdig.“ (Phaedr. 256–257) Tatsächlich wäre aus
stoischer Perspektive der Suizid im Angesicht eines durch Willensschwäche dro-
henden, schwerwiegenden sittlichen Vergehens angeraten. Bei der Amme domi-
niert jedoch die Furcht vor dem Ableben ihrer Herrin. Sie empfiehlt, der „stürmi-
sche[n] Raserei (tam protervus […] furor)“ (Phaedr. 268) nachzugeben, und bietet
sich an, Fürsprache bei Hippolytus einzulegen. Im Vorfeld richtet sie ein Gebet
an die als Hekate erscheinende Diana, damit diese den „starren Sinn des finstern
Hippolytus zähme“ (Phaedr. 413). Schon dies ist in Gänze unstoisch: Die stoische
Gottheit ist als vollendete Ratio nicht für die Unterstützung des Ehebruchs zu ha-
ben. Darüber hinaus steht Hekate als Göttin der Zauberei in den Tragödien Sene-
cas für die (das Böse und das Laster symbolisierende) Unterwelt.50 Anders als bei
Euripides entscheidet sich die senecanische Figur nicht aus Gründen der Liebe51
für den Kuppelversuch, sondern aus Furcht vor Theseus’ Zorn: „Ich zittere? Nicht
ist es leicht, den aufgetragenen Frevel zu wagen, doch wer die Vergeltungen ei-
nes Königs fürchten muss, lege jegliche Ehrbarkeit ab und vertreibe sie aus sei-
nem Herzen: ein schlechter Helfer eines königlichen Befehls ist Scham.“ (Phaedr.
427–430) Wie Phaedra zwischen Scham und Liebe schwankt und der letzteren
nachgibt, so ist die Amme zwischen Furcht (timor) und Scham (pudor) hin- und
hergerissen, und auch sie stellt die Scham ausdrücklich zurück. Die im Furchtaf-
fekt manifestierte geistige Verwirrung zeigt sich deutlich an Mimik und

||
50 Vgl. die Anrufung der Göttin durch Medea (Med. 788 und 833).
51 Auch das wäre im stoischen Sinne falsch – wenngleich weniger selbstbezogen – und zeugte
von einem irrigen Verständnis der Liebe.
„… von tiefer Dunkelheit umnebelt“ | 405

Physiognomie der Amme: Hippolytus bemerkt ihre „verwirrte Stirn (turpidam


frontem)“ (Phaedr. 432).52
In ihrem Bemühen, Hippolytus zu erweichen, lässt sich die Amme zu vielfa-
chen Manipulationsversuchen herab. Sie täuscht Sorge um den in keuschem
Selbstverzicht lebenden Königssohn vor, ermuntert ihn zum ruhmreichen Ausle-
ben seiner Freiheit und sieht in der Zeugung von Nachkommen, die im Kampf
gefallene Krieger zu ersetzen trachtet, eine moralische Verpflichtung. Überhaupt
würden ohne die Verehrung der Venus, die in der menschlichen Natur einge-
pflanzt sei, Menschen und Tiere aussterben.53 Obwohl sie kurz vorher noch die
Herrin von der Naturwidrigkeit ihrer Liebe zu überzeugen versucht hatte (vgl.
Phaedr. 173), macht sie nun – in der Absicht, ihn für die Avancen Phaedras emp-
fänglich zu machen – dem Hippolytus zum Vorwurf, er würde seine „wahre Na-
tur“ (Phaedr. 454) abtöten. Dies ist, wie Kugelmeier mit Recht moniert hat,54 ge-
radezu eine Perversion der stoischen Maxime secundum naturam vivere. Doch
damit nicht genug: Nachdem Phaedra dem Stiefsohn ihre Liebe bekannt und eine
unmissverständliche Abfuhr erhalten hat, ist es die Amme, die den Gedanken
aufbringt, Hippolytus „selbst einer ruchlosen Liebe bezichtigen: durch ein Ver-
brechen soll das Verbrechen verschleiert werden“ (Phaedr. 720–721). Weit davon
entfernt, die Vertreterin stoischer Philosophie im Drama zu sein, ist die Amme
die Figur, an der die mentale Widersprüchlichkeit am deutlichsten sichtbar ist:
Obwohl sie mit der stoischen Lehre theoretisch bestens vertraut ist, entscheidet
sie sich im Konfliktfall nicht für die Tugend, sondern opportunistisch für ihre
Stellung bei Hofe.

2.4 Hippolytus
Die tiefgreifende Misogynie des Amazonensohns wird von Seneca ausdrücklich
betont. Mehrfach ist von seinem Hass gegenüber dem Frauengeschlecht die
Rede, und zwar sowohl aus dem Mund der Amme (vgl. Phaedr. 230) wie auch als
Selbstbekundung: „Ich verachte alle, fürchte, fliehe, verfluche sie […]: Am Has-
sen (odisse) habe ich Gefallen gefunden.“ (Phaedr. 566–568) Dass Seneca auch
die Figur des Hippolytus als von einem alltäglichen Wahnsinn befallen konzi-
piert, wird deutlich an der von Hippolytus selbst gewählten Begrifflichkeit: Wie

||
52 Gemäß den Stoikern, denen die körperliche Seele als mit dem körperlichen Leib eng verbun-
den gilt, manifestiert sich der mentale Zustand auch in Mimik, Gestik und im allgemeinen Habi-
tus.
53 Auch dieses Argument findet sich bei Musonius 14, p. 92.8–17 (Lutz).
54 Vgl. Kugelmeier (1998) 153.
406 | Dagmar Kiesel

Phaedra, die Einsicht in ihren Liebesfuror zeigt, erwägt auch er, seinen Frauen-
hass als „schreckliche Raserei (dirus furor)“ (Phaedr. 567) zu charakterisieren. Im
Unterschied zum guten Gefühl (gr. eupatheia/lat. constantia) der Vorsicht (gr.
eulabeia/lat. cautio),55 die um eine Mäßigung des Geschlechtstriebs und des ro-
mantischen Sehnens bemüht ist,56 ist der Hass im Verein mit den übrigen Affek-
ten exzessiv, d.h. über das von der Vernunft gesetzte Maß hinausgehend und de-
struktiv.57 Hippolytus ist zudem in seiner Denk- und Lebenspraxis inkonsistent,
auch dies ist ein Symptom seines alltäglichen Wahnsinns: Obwohl er die eigene
naturverbundene Lebensart preist,58 weil sie „[n]icht entflammt (non […] in-
flammat)59 […] die Raserei (furor) eines habsüchtigen Sinnes“ (Phaedr. 486), und
sie als Reminiszenz an die Idylle des Goldenen Zeitalters preist, die durch „un-
frommes Rasen (impius […] furor) nach Gewinn“ (Phaedr. 540) jäh unterbrochen
wurde, stellt er seinen rasenden Frauenhass nicht – wie es rational wäre – in eine
Reihe mit den von ihm kritisierten übrigen Formen der Raserei. Irrational ist auch
die Generalisierung, die Hippolytus unternimmt. Mit Recht hinterfragt die Amme
in diesem Sinne das Argument des Hippolytus, allein die Grausamkeit der Medea
mache „die Frauen zu einem furchtbaren Geschlecht“ (Phaedr. 564): „Warum
wird das Verbrechen weniger zur Schuld aller?“ (Phaedr. 565) Neben der Überge-
neralisierung begeht der senecanische Hippolytus weitere Denkfehler.60 Seine

||
55 Neben der Vorsicht zählen zu den guten Gefühlen das vernünftige Streben (gr. boulêsis/lat.
voluntas) und die Freude (gr. chara/lat. gaudium) sowie deren Unterarten. Gute Gefühle sind na-
turgemäße und nicht-exzessive Handlungsimpulse. Ob sich die guten Gefühle des Weisen a) auf
die adiaphora beziehen, die der Weise mit Vorbehalt erstrebt bzw. meidet, b) auf Tugend und
Laster, oder c) auf beides, ist strittig (vgl. Vogt (2004) 77–79). Es ist unklar, inwieweit Seneca mit
dem stoischen eupatheia-Konzept vertraut gewesen ist. In jedem Fall teilt er es der Sache nach
(vgl. Graver (2014) 273).
56 Vgl. Forschner (2018) 241: Die „Vorsicht […] hat als Arten die sittliche Scheu und Ehrfurcht
(aidôs) und die Keuschheit (hagneia) unter sich.“
57 Der Hass widerspricht nach Seneca der menschlichen Natur (vgl. De Ira III [Dial. V] 5,6), die
„durch gegenseitige Liebe […] eng zu einer solidarischen Hilfsgemeinschaft verbunden“ sein
sollte (De Ira I [Dial. III] 5,3).
58 Wie oben gezeigt wurde, entspricht die misogyne Lebensweise des Hippolytus nicht der sto-
ischen Maxime secundum naturam vivere (vgl. Sen. Ep. 5,4) und ist in diesem Sinne nicht wirklich
„naturverbunden“.
59 Wie bei Wut und Liebeswahn werden auch die Exzessivität und Destruktivität der Gewinn-
sucht mit dem Feuermotiv illustriert. In Phaedr. 340–342 werden die drei Affekte explizit neben-
einandergestellt: „Rasen nach Gewinn und jäher Zorn und Lüsternheit, welche die Sinne zur
Glut entfacht“.
60 Auch in der modernen Kognitiven Verhaltenstherapie gelten (mit ausdrücklichem Bezug auf
Epict. Ench. 1, vgl. Davison/Neale (1998) 688) Denkfehler als auslösende bzw. verstärkende Fak-
toren insbesondere bei affektiven Störungen (vgl. ebd. 259–262).
„… von tiefer Dunkelheit umnebelt“ | 407

Idee, der Hass auf die Frauenwelt biete „Trost für den Verlust der Mutter“ (Phae-
dra 578), entbehrt jeder Logik, und auch sein Selbstvorwurf („ich habe verdient
zu sterben: Ich habe meiner Schwiegermutter gefallen“, Phaedr. 683–684) ist
gänzlich unbegründet. Zugleich widerspricht die Selbstbeschuldigung der wenig
später vorgenommenen Fremdbeschuldigung, die wiederum in ihren Konse-
quenzen unvernünftig und ebendeshalb nach stoischem Maßstab exzessiv ist:
Hippolytus droht der Stiefmutter mit dem Schwert und kündigt an, ihr Blut am
Altar der Artemis zu opfern (vgl. Phaedr. 706–709).
Insgesamt fehlen die bei Euripides eingearbeiteten Motive, die ein positive-
res Bild des Königssohns zeichnen könnten, in der senecanischen Fassung na-
hezu vollständig: Weder wird seine Verehrung in Troizen positiv referenziert61
noch erlaubt die Konzeption des letzten Tragödienakts, dass Hippolytus dem Va-
ter vergibt.62 Für den keuschen Jüngling scheint zu sprechen, dass er sich vor der
Kenntnis der Ursache ihres Leidens authentisch um Phaedra und ihre Kinder be-
sorgt zeigt. Er nennt sie „Mutter“ (Phaedr. 609) und fordert sie auf, ihren Kummer
mit ihm zu teilen. Weil er glaubt, Phaedra verzehre sich in der Sorge um den säu-
migen Gatten, bietet er an: „[I]ch selbst werde bei dir die Stelle des Vaters verse-
hen.“ (Phaedr. 633) Tatsächlich jedoch stellt diese Szene nur ein weiteres Beispiel
für das inkonsistente Überzeugungssystem des Hippolytus dar: Er behauptet,
alle Frauen zu hassen, und zeigt doch im konkreten Einzelfall seine Bereitschaft
zu liebevoller Zuwendung.

2.5 Theseus
Während Euripides nur der Phaidra Raserei zuschreibt, hebt Seneca bei allen
zentralen Protagonisten, also auch in der Charakterzeichnung des Theseus, den
alltäglichen Wahnsinn hervor. In seinem Fall zeigt sich die Raserei an der Exzes-
sivität seiner sexuellen Begierlichkeit; er ist in diesem Sinne das (gleichfalls maß-
lose) Gegenstück zu seinem misogynen Sohn. Phaedra beklagt sich entspre-
chend: „Schändungen und unerlaubte Liebeslager sucht im untersten Acheron
des Hippolytus Vater“ (Phaedr. 97–98), und benennt explizit das Moment des
Wahnsinns: „[E]r verfolgt seinen Weg als Genosse des Wahnsinns (furoris socius),
nicht hält ihn Furcht und Scham (timor pudorque) zurück“ (Phaedr. 96–97). Wie
bei seiner Gattin, so ist auch bei ihm die Scham kein ausreichendes

||
61 Vgl. Hipp. 1423–1430.
62 Vgl. Hipp. 1449–1455.
408 | Dagmar Kiesel

Gegengewicht zum Liebesrasen, ebenso wenig die Furcht vor den Schrecken der
Unterwelt.
Zugleich zeigt die Befürchtung der Amme, Theseus würde nach der Entde-
ckung von Phaedras Untreue keine Milde zeigen (vgl. Phaedr. 226–227), dass sich
auch das zweite, den alltäglichen Wahnsinn bestimmende Merkmal der in Kogni-
tion und Verhalten manifesten Inkonsistenz bei Theseus findet. Während er sich
selbst nämlich das Recht zum Ehebruch zuspricht – Hippolytus’ Mutter Antiope
wurde von seiner Hand getötet, als sie gegen seine Untreue aufbegehrte63 –, gilt
dies offensichtlich weder für Phaedra noch für den Sohn:64 Als er – ohne Nach-
frage und entsprechende Rückversicherung – die missverständlichen Worte der
Gattin so deutet, dass sie Hippolytus der Vergewaltigung bezichtigt, lässt er sich
von der Exzessivität seines Zorns hinreißen und zögert nicht, den Fluch Neptuns
auf ihn herab zu wünschen. Seine Erklärung für den vermeintlichen Sittenver-
stoß des Sohnes unterstellt diesem rasenden Irrsinn: „Dies ist sichtlich jene Ra-
serei (furor) des waffentragenden Stammes, der Venus Bündnisse zu hassen und
den lange Zeit keuschen Leib Völkern preiszugeben“ (Phaedr. 909–911). Den ei-
genen Wahn jedoch erkennt und reflektiert er nicht. Wie bei seinem Sohn ist dies
auch in seinem Fall ein Zeichen mentaler Inkonsistenz. Auch seine Reaktion auf
die Nachricht vom grausamen Tod des Sohnes zeigt Theseus’ mentale Spaltung.
Er beklagt die Macht der Natur, die mit „starken Banden des Blutes“ die Eltern
gefangen hält, „wenn auch wider Willen (inviti): dass der Schuldige untergehe,
habe ich gewollt, den Verlorenen beweine ich.“ (Phaedr. 1115–1117) Der Schmerz
über den Verlust des Sohnes wird von Theseus als akratisches Phänomen gedeu-
tet, bei dem die lang geübte Vaterliebe den Sieg über den als gerecht bewerteten
Zorn davonträgt. Insofern die Willensschwäche einen Konflikt zwischen zwei
Wertüberzeugungen und Vorstellungen darstellt, ist auch sie ein Symptom, das
auf die kognitive Selbstwidersprüchlichkeit des von ihm Betroffenen verweist.
Entsprechend legt Seneca dem Boten den Vorwurf in den Mund, Theseus sei sich
selbst nicht treu geblieben: „Nicht kann einer in guten Treuen beweinen, was er
selbst gewollt hat.“ (Phaedr. 1118) Die Parallelstelle im griechischen Drama ist
vergleichbar, aber in einem entscheidenden Punkt durchaus verschieden. Wenn
der euripideische Theseus nach dem Unglück des Sohnes bekennt: „So freut mich
weder dieses Leid noch schmerzt es mich“ (Hipp. 1260), dann aktualisiert er einen
Zustand affektiver Neutralität. Dass Seneca diese Stelle gezielt mit dem Fokus auf
die innere Konflikthaftigkeit des Theseus modifiziert und ausgearbeitet hat,

||
63 Vgl. Phaedr. 227 und 927.
64 Der Einwand, im Commonsense der Antike habe männlicher Ehebruch einen anderen Status
als weiblicher, trifft nicht die Position Senecas (vgl. Ep. 97).
„… von tiefer Dunkelheit umnebelt“ | 409

scheint mir ein weiteres Indiz für die These zu sein, dass er den alltäglichen
Wahnsinn mit all seinen Symptomen den Protagonisten seiner Tragödie auf den
Leib geschrieben hat. Der Irrsinn des Königs endet auch nicht mit dem Einge-
ständnis Phaedras, Hippolytus zu Unrecht belastet zu haben. Zwar zeigt er Ein-
sicht in seine eigene Schuld: „Ich erkenne mein Verbrechen: Ich bin es, der dich
umgebracht hat“ (Phaedr. 1249–1250), doch der daraus resultierende Affekt der
Gewissenspein schießt über das Ziel hinaus, wenn er einen Suizid erwägt, der in
seiner Grausamkeit dem Tod des Sohnes nahekommt (vgl. Phaedr. 1223–1225).
Auch hier sind es die Exzessivität des Affekts und die ihm innewohnende Irratio-
nalität (die Selbsttötung würde das geschehene Unrecht nicht sühnen, sondern
nur zwei Waisen als weitere Opfer der Tragödie produzieren),65 die Theseus’ all-
täglichen Wahnsinn demonstrieren.

3 Fazit
Der euripideische Hippolytos endet tragisch, aber versöhnlich: Artemis gewährt
allen Beteiligten Vergebung, indem sie auf den absoluten und unhintergehbaren
göttlichen Ratschluss der Aphrodite verweist. Der Zuspruch der Jagdgöttin an
Theseus: „Du darfst Vergebung hoffen auch für solche Schuld. Denn Aphrodite
wollte, dass es so geschah. Um sich zu rächen“ (Hipp. 1326–1328), gilt gleicher-
maßen für Phaidra und Hippolytos, der in diesem Sinne erkennt: „Kypris vernich-
tete uns drei, ich seh es nun.“ (Hipp. 1404) Der Königssohn verstirbt erst, nach-
dem seine Göttin die Tragödie aufgeklärt und er selbst den Vater liebevoll des
Mordes freigesprochen hat. Hippolytos als wichtigstes Opfer erfährt für sein Lei-
den einen Ausgleich durch den ihm gewidmeten Kult der Bräute. Beides, die Ver-
söhnung und Vergebung der Protagonisten ebenso wie die Einführung des Hip-
polytos-Kults, vermitteln dem Rezipienten des Dramas ein Empfinden wieder-
hergestellter Gerechtigkeit.
Seneca dagegen verweigert dem Zuschauer bzw. Leser ein tröstliches Ende
der Tragödie. Seine Phaedra, die nicht durch das böswillige Walten der personi-
fizierten Liebesgöttin, sondern durch den von ihr selbst mittels der Zustimmung
zu falschen Wertvorstellungen initiierten Liebesfuror ins Unglück geraten ist,
wird erst im Angesicht der zerstückelten Leichenteile des Geliebten in den Selbst-
mord getrieben. Kirichenko weist mit Recht darauf hin, dass der Anblick des

||
65 Die Hinterbliebenen und ihr Wohlergehen müssen nach Seneca bei der Entscheidungsfin-
dung über den Suizid berücksichtigt werden (vgl. Ep. 77,7).
410 | Dagmar Kiesel

zerfetzten Körpers die Erkenntnis der eigenen Schuld in Gang setzt.66 Allerdings
stellt Phaedra sich ihrer Schuld nicht wirklich, sondern entflieht dem exzessiven
Schuldaffekt durch einen Akt autoaggressiver Grausamkeit. Der vom Chor ausge-
sprochene Schlussvers ist vernichtend: „[…] und lastend liege die Scholle auf ih-
rem unfrommen (impio) Haupte“ (Phaedr. 1280). Vom Rezipienten allerdings er-
wartet Seneca eine andere Reaktion: Er soll durch die sich in der physischen
Zerstückelung manifestierende destruktive Kraft des Liebesaffekts hinreichend
erschreckt und zur philosophischen Umkehr motiviert werden. Zugleich verhin-
dert das Wissen des Rezipienten über die Fiktionalität der Geschichte, dass das
Erschrecken seinerseits zum exzessiven Affekt mutiert und bedrohlich statt funk-
tional wird.
Auch die Tatsache, dass im Unterschied zur euripideischen Fassung weder
Hippolytus noch Theseus entlastet werden, ist bezeichnend: Wie Phaedra sind
auch sie im Griff exzessiver Affekte (Frauenhass und Zorn). Liebe, Hass, Zorn und
Schuld sind nicht nur auf der leiblich-physischen Ebene zerstörerisch. Auch im
Geiste des von ihnen Betroffenen richten sie Schaden an, indem sie durch die mit
ihnen verbundene kognitive Inkonsistenz und emotionale Instabilität eine ab-
gründige mentale Zerrüttung und Fragmentierung generieren. Für diese geistige
Verwirrtheit sind wir, so möchte Seneca anhand seiner Phaedra-Tragödie zeigen,
selbst verantwortlich. „Phaedra – das sind mithin wir alle“67, schreibt Kugel-
meier, und er hat Recht. Aber, so müssen wir mit Seneca eben auch hinzufügen:
„Wahnsinnig – das sind mithin wir alle.“

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||
66 Vgl. Kirichenko (2013) 43f. mit Verweis auf Phaedr. 1068–1069.
67 Kugelmeier (2015) 258. Allerdings gründet dieses Urteil bei Kugelmeier in seiner Intention,
die senecanische Phaedra zu entlasten.
„… von tiefer Dunkelheit umnebelt“ | 411

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Raphael Woolf
Cicero on Agency and Integrity

I
Let me begin by invoking a feature that I believe Cicero regards as crucial to any
human agent’s living a good life, one that I shall label ‘integrity’.1 Behind this
label lies the idea that each of us has a set of values and commitments that in an
important way gives us our sense of identity. Some of these values and commit-
ments may be shared by all, or nearly all, humans; some may be shared by par-
ticular groups or traditions – religious, social or cultural; some may be held dis-
tinctively, or at any rate in distinct permutations, by individuals. What the phe-
nomenon described seems to indicate as a whole is that the possibility of living a
good human life is to a significant extent founded on the possession of values
and commitments that a human agent can regard as their own, and that can
thereby serve to give their life meaning and structure.
Integrity, in turn, I take to be, roughly speaking, the disposition of an agent
to live one’s life in such a way that it accords with one’s core values and commit-
ments. Most agents, I take it, would on reflection regard the possession of such a
disposition as a necessary ingredient for leading a fulfilled life – which is not, of
course, to say that one is always able to live one’s life with integrity. Obstacles of
various kinds, both internal and external, may thwart our attempts to do so. Few,
I think, would deny, however, that a human life is impoverished if it cannot be
lived in that way.
I have spoken of living one’s life ‘in accordance with’ one’s values and com-
mitments. But that in turn has a certain vagueness about it. Consider, for exam-
ple, a society that is militantly atheist, one in which people of religious belief are
not tolerated and who are therefore forced to practice their religion, if they are to
practice it at all, covertly. Now we can imagine that in such a society it may still
be possible for one of religious conviction to live their life, to some extent, with

||
1 Readers who detect the influence of Bernard Williams in the notion of integrity outlined here
are not mistaken. See especially its invocation in Williams (1973), 108–118. Though I cannot dis-
cuss them further, there seem to me to be noteworthy affinities between Williams’ relation to the
principal ethical theories of his day (Kantianism and Utilitarianism) and Cicero’s relation to
those of his (Stoicism and Epicureanism), not least in their respective attacks on ethical system-
building as unable to capture essential features of lived human experience.

https://doi.org/10.1515/9783110735598-019
414 | Raphael Woolf

integrity. One might, for example, follow certain of the rituals and practices of
one’s religion in secret, perhaps with a small group of fellow practitioners. One
might, additionally, live in such a way that one’s more public activities and roles
are informed to the greatest possible extent by one’s (in this case religious) values
and commitments.
What one could not do, in this example, at least without serious risk, is to live
in such a way that one’s values and commitments are publicly expressible as the
basis upon which one lives one’s life. One might still, in such a scenario, find a
way to live without wholly compromising one’s values and commitments. But
most of us, I think, would regard such a life as nonetheless diminished, in a way
that the life of an agent free to proclaim her values and commitments as the basis
for her life would not be. Diminished, moreover, not simply because such a life is
likely to have various extraneous disadvantages, such as, in the case of those who
can only express their core values covertly, the fear of being caught. Rather, we
might be inclined to agree that one’s life is diminished just insofar as one is una-
ble to express its basis openly. We are social beings; and to be unable to proclaim
our core commitments in social contexts – to live, as one might say, opaquely –
is thereby to live a poorer life.
Let us label in turn as ‘transparent’ a life whose basis can be so proclaimed.
One of the main points I wish to draw attention to in this paper is the ethical im-
portance that Cicero attaches to the notion of transparency and the way he uses
this notion in his critique of both Stoic and Epicurean ethical theory. In sections
II and III below, I examine this critique, Epicurean and Stoic respectively, which
is to be found in Cicero’s main work on ethical theory De Finibus. I then turn, in
sections IV and V, to what one might regard as Cicero’s main work of practical
ethics, De Officiis, where we will see how his emphasis on transparency, now
translated into a broader concern with the value of openness, continues to have
a strong presence in his ethical reflections independently of its use as a critical
tool. Finally, in section VI, I offer some thoughts on how Cicero’s views on the
place of integrity in human life cohere with his professed sceptical outlook.

II
First, then, a brief outline of the structure of De Finibus. It is a work in five main
sections, or ‘books’. The first pair of books presents, respectively, an exposition
and a critique of Epicurean ethics, the second pair does the same with regard to
Stoic ethics. In the fifth book – which I shall not discuss here – there is both expo-
Cicero on Agency and Integrity | 415

sition and critique of the ethical position of the so-called Old Academy of Antio-
chus.
Cicero is generally regarded as a rather hostile critic of Epicurean ethics. And
certainly there are questions to be raised about how fair or accurate his account
of Epicurean ethics is, as voiced in De Finibus by his Epicurean spokesman Tor-
quatus. I shall not attempt here to assess in any detail this aspect of Cicero’s
presentation. Broadly speaking, he treats the Epicurean goal as being the maxi-
misation of the agent’s own pleasure; and in these broad terms he is not, I think,
doing the Epicurean system any great injustice. My main interest, however, is not
in Cicero’s historical fairness or accuracy as such. It is in what ethical lessons he
supposes we can draw from his critique of Epicurean ethics, in particular con-
cerning the importance of transparency in a good human life.
Cicero, it seems to me, raises a problem in his critique for a theory that lays
emphasis, as Epicureanism does, on the social nature of human beings (attested
most notably by its views on the importance of friendship). The problem he raises
is the difficulty of publicly proclaiming one’s (in this case) Epicurean beliefs.2 Cic-
ero’s spokesman Torquatus, as a typically ambitious and well-connected young
Roman, is pursuing the higher reaches of public office, and Cicero asks him to
consider what effect it would have if he publicly announced that his aim in so
doing was the maximisation of his own pleasure, rather than the serving of the
public interest.3 Cicero indeed points out that Torquatus does not present himself
in public in terms of the Epicurean rationale but speaks instead of duty and fidel-
ity, of what is right and honourable, of risking all, even unto death, for his coun-
try.4
The example is couched by Cicero, never forgetful of his Roman readership,
in highly Roman terms. Could not an Epicurean reply that all the case shows is
that Roman values are so corrupted that an enlightened Epicurean in Rome will
have to dissimulate in order to find favour with fellow citizens? This answer, on
the face of it, seems exactly on point. Recall that the notion of integrity, as an
ethical disposition, calls for us to live our lives in accordance with our core values
and beliefs; and assume for the sake of argument that an Epicurean’s core com-
mitment is the maximisation of their own pleasure. That one lives in a society in
which this commitment cannot be publicly proclaimed without at least some

||
2 See here Inwood (1990) 154–155.
3 Fin. II 74: quid merearis igitur ut dicas te in eo magistratu omnia voluptatis causa facturum esse
teque nihil fecisse in vita nisi voluptatis causa?
4 Fin. II 76: officium, aequitatem, dignitatem, fidem, recta, honesta … omnia pericula pro re pu-
blica, mori pro patria.
416 | Raphael Woolf

measure of social stigma does not in and of itself, we might think, recommend
that one abandon one’s values – any more than societal disapproval of religious
belief would necessarily recommend abandonment of one’s religion. On the con-
trary, if the maintenance of one’s integrity is crucial to the living of a good life,
then in cases where the choice is between abandoning one’s core values alto-
gether (assuming this to be even possible), and living, to some extent, in accord-
ance with them, albeit without being able to express them publicly, perhaps the
right thing for the agent is to choose the latter rather than the former option.
This kind of response, though, I think misses something important about the
example that Cicero gives. In suggesting that the proclamation of what he takes
to be Epicurean values would sit ill with the traditional values of Roman society,
the example does not rest on the idea that Roman values are right or wrong. Rath-
er, it asks us to acknowledge the undesirability of having to live a lie – of present-
ing oneself to others in a way that misrepresents one’s true motives. Torquatus,
in Cicero’s view, could only function on the political stage by representing his
values as quite other than, as Torquatus supposes, they actually are. And to do
this is already to compromise one’s integrity. For it is difficult to see how can one
be said to be living fully in accordance with one’s values and commitments if one
is unable even to own up to them in a public context.
Perhaps the answer for an Epicurean is simply to confine oneself to one’s own
circle – Cicero concedes that at least there one might be able to be honest about
one’s motives.5 But can Epicureanism even take it for granted that such a circle
exists? Given the corruptibility (as Epicureans see it) of human nature, it seems
rash to imagine that one might not be quite isolated in one’s Epicurean views.
The choice between isolation or even the company of a small band of fellow ini-
tiates, on the one hand, and wider acceptance in one’s society, but at the cost of
leading a double life, on the other, seems at first blush a deeply unappealing one.
Would an Epicurean necessarily find it so? Epicurus’s school in Athens was
famously known as the ‘Garden’ in recognition of its location in (literally) Epicu-
rus’s own backyard. And the paradigm Epicurean community seems to have been
that of a relatively small, self-contained group, content for the most part to steer
well clear of the cauldron of wider public and political participation. An outlook
that is happy to preach a secluded and avowedly apolitical life – Epicurus fa-
mously bade his followers to ‘live unnoticed’ – may feel that such a consequence
is, so to speak, Torquatus’s problem, not its own.

||
5 Fin. II 76: eamne rationem igitur sequere qua tecum ipse et cum tuis utare, profiteri et in medium
proferre non audeas?
Cicero on Agency and Integrity | 417

Cicero is, however, after more than the highlighting of tension between Epi-
curean theory and Roman convention. It is not, after all, as if we read Cicero’s
critique and think: the problem of public proclamation is one peculiar to the cul-
ture of ancient Rome. In the political sphere at least, it is hard to imagine any
politician in any age being able to assert (however truthfully) that they are acting
to promote their own wellbeing rather than the public good, even if, as might turn
out, the latter conduces to the former. It is equally hard, in many other vital areas
of human association, including that most championed by the Epicureans,
namely friendship, to imagine justifying one’s participation to those one is asso-
ciating with by reference to one’s own pleasure rather than concern for those
other participants.6
In this regard it is important that, although he maintains a Roman context,
Cicero does not intend his critique of Epicurean ethics to be read as a mere clash
with specifically Roman values. At Fin. II 116–117, he cites the epitaph of the Ro-
man general Calatinus that “very many peoples agree” (plurimae consentiunt gen-
tes) that he was the greatest of Rome’s citizens – evidently not, Cicero notes sar-
donically, for his devotion to pleasure but (implicitly) for his devotion to country,
a devotion held in high esteem, we infer, not quirkily by Romans but by most of
the nations of the world.
Selflessly gallant behaviour is remarked upon in a more domestic context at
Fin. II 58: a male friend passes on an inheritance left formally to him, but intend-
ed by the deceased for a female relative, since Roman women were legally ex-
cluded at the time from being the heirs of most estates. On the basis that he is
sure Torquatus would do a similar thing, in contravention (as Cicero sees it) of
his Epicureanism, Cicero concludes that it is all the more true that selflessness is
“a power of nature” (vis naturae, II 58) – that is, not a specifically Roman value.
Indeed, he concedes for these purposes that it is sometimes not even a Roman
value at all, mournfully recounting a similar case, except where the male legatee
refused to transfer the inheritance to the intended, and was cheered on in this
dastardly act by the friends advising him (II 55).
Selflessness is, as Cicero would have us acknowledge, a value of near univer-
sal reach. It is those (Romans included) who flout it who are, in his view, corrupt.
Interestingly, even the ‘bad’ legatee sanctimoniously defends his position to his
friends on the grounds of having sworn to uphold the law of inheritance in

||
6 In fact at Fin. I 69 Torquatus reports that some Epicureans, in response to sceptical critique,
thought that friendship would be altogether undermined if it were sought solely for the agent’s
pleasure, and consequently made room for the idea of loving one’s friends for their own sakes.
418 | Raphael Woolf

question (II 55),7 reinforcing the idea that his true selfish motive cannot be fully
declared even in a relatively private and sympathetic context, let alone a more
public one.
Does, then, the apparent impossibility of full transparency for an Epicurean
indicate simply that they are contending with a social setup whose values are
corrupted? Or does it show, as Cicero urges, that Epicurean ethics is at odds with
a value system rooted deeply in human nature? One ought perhaps to conclude
that in either case Cicero has raised a serious problem for Epicurean ethical the-
ory, since whichever side is nominally correct, the upshot seems to be that in or-
der to flourish as a social being, an Epicurean is required to present as their own
something other than the Epicurean viewpoint. If the Epicurean continues to in-
sist that the difficulty of being transparent is merely a reflection of an unenlight-
ened society, we are entitled to reply that from a practical point of view values
that prevail in society through the corruption of our nature can be no less en-
trenched than those that would, from an Epicurean perspective, express our na-
ture.
Perhaps the hope remains for an Epicurean that by patient advocacy of their
philosophy it will spread and thereby reform society and enable Epicureans to
live more transparently. Cicero frequently notes in De Finibus that Epicureanism
in fact already has considerable popularity (II 12; 28; 44; 49) and this may be
somewhat more of an embarrassment for him than he cares to admit. Beyond
hinting that this popularity was secured by recruiting and misleading the igno-
rant (II 12; 28), he confesses to not knowing exactly how this success has been
achieved – the theory has “somehow or other” (nescio quomodo) managed to gar-
ner popular support (II 44). Surprising indeed if faced with a society in which dis-
closing plainly the Epicurean viewpoint was supposed to be unfeasible.
But this in turn perhaps reveals an importance difference between accepting
a theory and living it. As Cicero puts it, sometimes one lives in such a way that
one’s discourse is refuted by one’s life.8 Torquatus calls himself an Epicurean and
is willing, at least in a suitable context, to advocate its doctrines. Presumably he,
among many others, finds them genuinely attractive and takes himself to live in
accordance with them. What he cannot do, Cicero argues, is live them with trans-
parency, since he cannot unreservedly profess them as the basis for his actions.
And now comes a further interesting move on Cicero’s part. Torquatus is advised

||
7 Contrast this patent insincerity of motive with the role played by a sworn oath in the case of
Regulus (see section V below).
8 Fin. II 81: ita enim vivunt quidam ut eorum vita refellatur oratio.
Cicero on Agency and Integrity | 419

at II 699 and again at II 11810 to look within himself and decide whether it is really
Epicureanism that he is committed to. That such self-reflection is called for im-
plies, in Cicero’s view, a certain opacity (pun intended) on the part of such an
agent as to his motives: he thinks they are Epicurean, but they are not.
Why might that be? I suggest that part of Cicero’s point is that, as a social
being, one cannot regard Epicurean values as truly one’s own, since any goal that
expresses one’s nature as a social being – that of friendship, for example, or po-
litical participation – requires such values to be inert, at least when it comes to
the very basis of a social existence, one that is vividly brought out by Cicero’s
reporting of Torquatus’s political discourse: justifying oneself to others. Cicero’s
appeal to Torquatus represents, I think, the idea that to live openly is not indeed
simply a matter of having values, whatever they may be, that happen to be ex-
pressible within one’s society. Rather, there are constraints, which reflection on
our nature as social beings will reveal, on the values that could possibly count as
our own, and therefore as liveable, in those terms, transparently. It is not the
case, then, that Torquatus is in the end faced with a genuine dilemma: either re-
tain his core (supposedly Epicurean) values and commitments at the cost of living
(to some extent) covertly, or follow an alien set of values at the cost of his integ-
rity. Instead, to espouse Epicureanism is, in Cicero’s view, already to be alienated
from oneself.

III
From a theory that Cicero is, in any event, mostly unsympathetic with, I turn now,
more briefly, to an aspect of Cicero’s critique of the Stoics (in Book IV of De Fini-
bus), which, precisely because it is targeted at a Hellenistic school whose doc-
trines Cicero generally presents himself as rather more respectful of, underlines
the importance to him of transparency as an ethical ideal. The Stoics, Cicero con-
tends, have a theory which, in the terms they express it, cannot be proclaimed in
those contexts that define the sphere of public life for a Roman: the courts, the
senate-house and the battlefield (IV 21).
Crucial to Cicero’s attack here are various elements of Stoic ethical theory
connected with their conception of virtue: in particular, first, the idea that virtue

||
9 Fin. II 69: non potes ergo ista tueri, Torquate, mihi crede, si te ipse et tuas cogitationes et studia
perspexeris.
10 Fin. II 118: tute introspice in mentem tuam ipse eamque omni cogitatione pertractans percon-
tare ipse te, perpetuisne malis voluptatibus perfruens …
420 | Raphael Woolf

is the only human good, and vice the only human evil, with all other things nor-
mally regarded as goods (health and wealth, for example) or evils (poverty and
sickness, for example) being, in reality, to use the Stoic technical terms, ‘pre-
ferred indifferents’ and ‘dispreferred indifferents’ respectively; and secondly, the
idea that possession of virtue is an all or nothing affair: those who are not per-
fectly virtuous are not virtuous at all, on the Stoic view. My aim, as before, is not
to assess the accuracy of Cicero’s presentation of his opponent’s position, nor in-
deed the intelligibility of that position, but to draw attention to a certain pattern,
revolving round the notion of transparency, in Cicero’s critique of Hellenistic eth-
ical theory.
Thus, Cicero observes, a lawyer could not credibly conclude the case for the
defence by declaring that the punishments of exile and confiscation were not
evils, but merely to be ‘rejected’ (the Stoic technical term, counterpart of ‘chosen’
or ‘selected’, for aversion towards dispreferred indifferents); nor could an orator,
he goes on, with Hannibal at the gates, announce that captivity, enslavement and
death were no evils (IV 22). Moreover, the senate would not be able to speak of
Scipio Africanus’s triumph over the Carthaginians as won by his valour, since he
did not meet the standards of perfection required, in Stoic terms, for virtue (IV 22).
This sort of objection is perhaps more potentially damaging to the Stoics,
who place more emphasis than do the Epicureans on participation in public af-
fairs, than it was for the Epicureans. It looks as if the Stoics cannot, in the public
sphere, use their own distinctive manner of expression on the subject of virtue.
What they are left with, as Cicero sees it, is hypocrisy: the use of ordinary ways of
speaking in the public domain, their own language in their school writings.11 It is
clear from Cicero’s examples that for him this is not a matter of the Stoics adjust-
ing for the technical ability of their audience, but of avoiding characteristic ex-
pressions which, in unadjusted form and taken at face value, would have no pur-
chase on the practical contexts in which they were to be uttered. As in the
Epicurean case, so too in the Stoic, Cicero’s attack here does not revolve around
a direct attempt to demonstrate that the theory under consideration is false.12
What he tries to show instead is that it cannot be publicly proclaimed. And for
such a theory that is already a major strike against it.

||
11 Fin. IV 22: quae est igitur ista philosophia quae communi more in foro loquitur, in libellis suo?
12 At Fin. IV 53 Cicero concedes for the sake of argument his Stoic expositor Cato’s claim at III 74
that the Stoic system is utterly self-consistent; so its basic principles can be shown to be false
only insofar as the conclusions that follow from them are false – and false they are, says Cicero
at IV 55, insofar as “common sense, the nature of things and truth itself shouted out (clamabat)”
that it was not possible to be persuaded of them – a striking notion of these conclusions meeting
their fate at the bar of open proclamation.
Cicero on Agency and Integrity | 421

IV
Let me now trace through this concern with the importance of being able to live
openly into Cicero’s work De Officiis, written formally as a guidebook for his son
Marcus (and thereby for his readership as a whole) on the correct approach to
take for one who wishes to live a good life. Central to the work’s structure is the
interplay between the notions of what is honourable and what is advantageous,
Cicero’s aim being to show that ultimately there is no tension between the two:
all and only what is honourable is thereby advantageous (see e.g. II 9; III 11), his
principal arguments to this effect coming in the work’s third and final book.
I shall look at two sections of Book III in particular in this regard: the discus-
sion of Gyges’ ring,13 and of the exploits of the Roman general Marcus Regulus.
The tale of Gyges, as memorably laid out in Book II of Plato’s Republic, is of par-
ticular concern to any advocate of the idea that doing the honourable thing and
doing the advantageous thing never come apart, since it seems to present on the
face of it a glaring exception to that principle.
If you recall, then, the story, in brief, goes that Gyges of Lydia, a humble
shepherd, one day discovers a magical ring that makes him invisible. Using its
power he is able to kill the king, usurp his throne and rule in his place. Assume
for the sake of argument that Gyges’ actions are indeed dishonourable: is there
anything to be said, in terms of Gyges’ own advantage, to persuade him that it
would have been better to refrain from acting thus?
Given the powers of the ring, Gyges can be reasonably assured of not being
caught. In more mundane cases of advantage sought dishonourably, while it
might be perfectly rational to balance, against a risk of getting caught, the poten-
tial rewards of success, the assessed chances of getting caught will nonetheless
presumably serve commensurately as a deterrent to the dishonourable action.
Gyges, by contrast, given the unusual circumstances of his finding the ring (in a
chasm in the earth on a body of immense size), can be confident that it puts him
way ahead of the pack: not only does he relinquish the usual risk of getting
caught, he has little need to take account of the possibility of others being in a
similar situation to his. His reasoning then, from the point of view of his own ad-
vantage, seems rather straightforward: I can gainfully do wrong; no one else can
challenge me; so I should.
Cicero is not satisfied with what looks like one obvious response to the Gyges
scenario, namely that it is so unrealistic that we do not need to take it seriously.

||
13 For some broader reflections on Cicero’s treatment of the Gyges tale, see Woolf (2013).
422 | Raphael Woolf

He instead imagines an opponent – most likely an Epicurean who would deny


that we have reason to pursue justice other than for our own advantage – facing
a dilemma. Either they would have to admit that justice is worth pursuing for its
own sake, if they agreed, hypothetically, that they would not use the ring un-
justly, or, if they say they would use it thus, “they would be confessing that they
are wicked” (facinorosos se esse fateantur, III 39).
Now this may not seem a very effective piece of argument on Cicero’s part.
After all, even if he himself believes that justice should be pursued come what
may, his main defence of it in Book III is that it is in fact advantageous to pursue
it thus. It seems to me, though, that the wording of his conclusion that one who
says that they would use the ring would thereby be “confessing” to wickedness
is significant and provides an important clue to his strategy for defending the in-
separability of the honourable and the advantageous. He speaks of a wise person
who possessed the ring as thinking themselves no more free to do wrong than if
they did not possess it – good people, Cicero says, seek what is honourable, not
what is hidden.14
Recall, then, that in De Finibus Cicero pressed the point that an ethical out-
look is flawed if it cannot be publicly expressed by the agent who holds it, since
that will require the agent, in order to live as a social being at all, to do so by
presenting a false picture of themselves. A similar point, it seems to me, is at work
in De Officiis. No one can ‘confess’ to being wicked and still expect to have a place
in society. The good seek what is honourable over what is hidden because being
able to live one’s life openly is, given one’s social nature, a better way to live.
Cicero thus ingeniously and with some force turns what was supposed to be
Gyges’ most effective weapon – his ability to go about his business covertly –
against him. It is precisely this aspect that debars Gyges’ way of life from being a
good one, and encourages us to prefer a life of openness to one of concealment.
Returning to Gyges at III 78, Cicero observes that just as what is shameful cannot
be made honourable by being “covered up” (occultetur), so too what is not hon-
ourable cannot be made advantageous, “since nature resists and refuses”.15
Indeed Cicero has just mentioned as a characteristic of the good person that
they would “not dare to think, let alone do, anything that they would not dare to
proclaim”.16 This ideal of transparency was brought out also at III 61 where Cicero
suggests that “pretence and concealment be abolished from the whole of our

||
14 Off. III 38: honesta enim bonis viris non occulta quaeruntur.
15 Off. III 78: adversante et repugnante natura.
16 Off. III 77: itaque talis vir non modo facere, sed ne cogitare quidem quicquam audebit, quod
non audeat praedicare.
Cicero on Agency and Integrity | 423

life”.17 He is generalising here from the legal concept of fraud and what, in the
context of commercial transactions, is required to avoid it. But Cicero is writing
philosophy, not legal theory (cf. III 68). And although he spends some time in
Book III on the importance of transparency in commercial contexts (see III 50–
67), particularly regarding property, he seems deliberately to emphasise that
transparency is a value that we should, ideally, uphold in every aspect of our life,
just because a life lived transparently is a better life.
Like most ideals, that of transparency seems to function more as a goal to
aspire to than a prescription that is achievable in full. But it is evidently one that
Cicero regards with great seriousness. Behind his advocacy of it lies the idea that
if we cannot interact openly and honestly with others then both the quality of our
own lives and, for that matter, the structures of society are undermined. One who
is unable to relate transparently to others is to be pitied rather than admired. As
part of his strategy in defence of the dishonourable as the enemy of one’s own
advantage he attacks the holding of absolute power (of which Gyges is, as it were,
an idealised example) as being miserable for the wielder of such power. Those
with absolute power can in the end only sustain that power through fear. And as
Cicero had put it succinctly at II 24, “those who wish to be feared must themselves
be afraid of those by whom they are feared”.18
Another story that Cicero is fond of alluding to (Off. III 45; cf. Fin. II 79; Tusc.
V 63) is that of Dionysius, tyrant of Syracuse, begging to be a third in the friend-
ship between Damon and Phintias, after one of that pair had agreed to stand in
for the other while the latter, sentenced to death by Dionysius, went off to make
his final dispositions, loyally returning despite Dionysius’s scepticism that he
would: a story that illustrates both the loneliness of absolute power and the com-
pelling quality of friendship. True friendship in turn is the vehicle by which, as
Cicero had put it at Fin. II 85, one shares all one’s secrets – the same word (oc-
culta) that Cicero used at Off. III 38 (which I rendered above as “hidden”) to refer
to the things good people wish to avoid. The importance of openness in friend-
ship is a persistent theme of Cicero’s work on friendship De Amicitia (see e.g. 44–
45; 65; 91; 97). But De Officiis goes one step further in treating openness as a value
that should ideally permeate all our interactions, and whose absence makes
poorer individual and society alike.
There is then, I think, force in Cicero’s defence of the idea that being dishon-
ourable is disadvantageous to the agent. It embodies the basically plausible no-
tion that morally shameful behaviour puts one beyond the social pale and this in

||
17 Off. III 61: ex omni vita simulatio dissimulatioque tollenda est.
18 Off. II 24: etenim qui se metui volent, a quibus metuentur, eosdem metuant ipsi necesse est.
424 | Raphael Woolf

turn is an intrinsically bad outcome – Cicero’s extra twist, I have argued, being
that an agent who tries to avoid this outcome by concealing his behaviour is
equally cutting himself off from the possibility of living openly that is an essential
element of a good human life. Cicero is able, thus, to argue that nothing dishon-
ourable is advantageous for the agent. But what about the further thesis that what
is honourable is advantageous for the agent? The first thesis, after all, entails no
more than that only what is honourable could be advantageous, and that falls
well short of the stronger thesis that Cicero wishes to establish, that whatever is
honourable is (thereby) advantageous.
One might see these two theses as corresponding to the two aspects of injus-
tice that Cicero had outlined earlier at Off. I 23, respectively the commission of
harm and the failure to prevent harm being done. He has argued thus far that the
commission of harm is in effect against the interests of the agent, and that one
should therefore refrain from it. Now, it seems, he needs also to show, if he is to
prove his stronger thesis, that intervention to uphold the safety and wellbeing of
others is advantageous for the agent. One strategy for doing this is simply to ap-
ply the point about transparency to the positive case. While the wrongdoer cuts
himself off from society, the actively just person is both cherished by society and
able to live their life openly, on both counts having a more fulfilled existence than
their vicious counterpart.
In Book III these two aspects are juxtaposed when Cicero turns from the ‘neg-
ative’ precept that no one shall harm another to profit themselves (III 23), to the
‘positive’ example of Hercules who did not simply refrain from doing harm, but
rather, instead of choosing to enjoy a comfortable private life, “underwent the
greatest toils and troubles for the sake of protecting and assisting all the peoples
of the world” (III 25). Hercules’ reward was to earn a reputation for service to the
human race that placed him amongst the gods in heaven (III 25).
We may, however, think that Hercules’ reward is somewhat double-edged,
and that, given some earlier remarks of Cicero about that legendary figure plan-
ning his life of virtue in solitude (I 118),19 he remains a problematic paradigm for
a human to follow. His reputation seems not to cement him within human society,
but to place him beyond it. Indeed the example is problematic in a way that is
highly pertinent to the question of whether Cicero can show the advantage to the
agent of behaving honourably in the sense of actively serving others rather than

||
19 Even his (rejected) choice of a life of private comfort is characterised as being lived in solitude
(in solitudine, Off. III 25), which, since this is juxtaposed with the supposed enjoyment of ‘the
greatest pleasures’ (maximis voluptatibus), insinuates an association between Epicurean life and
lack of society.
Cicero on Agency and Integrity | 425

simply refraining from harming them. That is because, in many such cases of ac-
tivism, the honourable behaviour results in the agent removing themselves from
society in the most final and literal way possible: by the loss or sacrifice of one’s
own life.

V
Cicero’s principal example of such behaviour in De Officiis is the tale of Regulus
(who also features at Fin. II 65 specifically as a counter-example to Epicurean-
ism),20 consul in the third century BCE, taken as prisoner of war by the Carthagin-
ians, who release him back to Rome to negotiate a prisoner swap involving him-
self and Carthaginian captives held by Rome. Regulus swears an oath to the
Carthaginians that he will return to captivity if he fails to negotiate the exchange
successfully. Once at Rome, he urges the senate not to capitulate to the demand
for an exchange, returning thence to Carthage and certain death. How does Cic-
ero show that such action – in particular the return – was to Regulus’s own ad-
vantage?
The case really has two separate components. First is the oath that Regulus
swore, to return to Carthage if the prisoner exchange were not agreed. Second is
his urging the senate not to assent to the exchange. The latter can, we might
agree, be regarded as honourable behaviour independently of any oath that had
been taken. For example, even had he remained in captivity, Regulus might have
got word to the Roman authorities that they should not assent, dooming himself
as in the actual scenario but without the addition of an oath.
It is interesting, in regard to this second component, that Cicero can do no
more than ask a rhetorical question. He imagines an opponent claiming that Reg-
ulus was foolish not only to fail to recommend the exchange but even to argue
against it, to which Cicero replies: “Even if he acted in the interests of the state?
And can what is disadvantageous for the state be advantageous for any citi-
zen?”.21 One might think that the obvious answer to this latter question is ‘yes’,
particularly in Regulus’s case, granting that his actions were indeed in the inter-
ests of Rome in terms both of the retention of valuable Carthaginian human assets

||
20 When Cicero discusses with Atticus his composing of the De Officiis (Att. XVI 11,4), he cites
Regulus as the paradigm example of apparent conflict between the honourable and the benefi-
cial.
21 Off. III 101: etiamne, si rei publicae conducebat? potest autem, quod inutile rei publicae sit, id
cuiquam civi utile esse?
426 | Raphael Woolf

(III 100) and the breaking of Carthaginian morale (cf. III 114). Note that Cicero re-
frains here from claiming the converse: that what is advantageous for the state
must thereby be advantageous for each of its citizens. And I take it that the reason
he does so is that it is indeed implausible that Regulus was advantaging himself
in arguing against the exchange.
Cicero is, however, at least asserting that it would not have been advanta-
geous for Regulus had he failed to serve Rome as he did in arguing against the
exchange and then following up on that argument by returning to Carthage. How
could that be? This, I think, is where the role of the oath comes into play and it is
here that Cicero’s main argument is to be located. Regulus’s disadvantaging of
Rome, as he perhaps rightly would have seen it, by staying put there in the ab-
sence of an exchange, would have disadvantaged him too, precisely insofar as a
refusal to go back to Carthage and accept his fate would have meant breaching
his oath to the Carthaginians. Cicero insists that he was indeed bound by that
oath, since it was undertaken in accordance with the laws of war (III 107–108).
Thus although Cicero tells us that Regulus was indeed to be praised for abid-
ing by his oath, he also says that the praise is really due to his times, not to him
as an individual, given the importance that Romans of that era placed on sworn
oaths (III 111). What Cicero does, then, is play down the positive heroism of Reg-
ulus in favour of the view that to breach the oath would have been terribly wrong,
despite the dire consequences for him of upholding it. It is not that returning to
Carthage was wonderful for him, but that staying in Rome would, in these cir-
cumstances, have been dreadful.
Cicero emphasises in this regard the difference between swearing an oath
when one is well aware that one has bound oneself thereby – “in accordance with
your own mind’s opinion” (ex animi tui sententia) as the Roman legal wording
that he cites has it – and doing so when one has no such understanding, for ex-
ample in dealing with pirates or others who have put themselves beyond the pale
(III 107). Regulus, he implies, knew well that he had sworn what would rightfully
be taken as a binding oath. To then breach it would be to place himself at odds
with his own self, and reveal him as a “cowardly, craven, dejected and broken
spirit”,22 whose plight was the result of his having been straight neither with a
legitimate foe nor with himself.
It is interesting that Cicero, in describing Regulus’s fate had he chosen to stay
in Rome instead of returning, says that “he would have remained at home, a cap-
tive elder, a perjurer of consular rank”.23 We are, I take it, to imagine someone

||
22 Off. III 115: timido animo, humili, demisso fractoque.
23 Off. III 100: si domi senex captivus, periurus consularis remansisset.
Cicero on Agency and Integrity | 427

unable, because of his status and his breach of the oath, to live at peace with
either himself or his society. To this extent Cicero can claim that Regulus was bet-
ter off returning to Carthage than staying in Rome (III 100), and that his staying
could not have been advantageous for him, since it was dishonourable (III 115).
It turns out, then, that the purportedly positive case of heroic behaviour is
treated not so differently from the negative cases of avoiding wrongdoing. One
might think that Cicero has thereby failed to offer a defence, in terms of the
agent’s advantage, of positive action in its own right, as opposed to avoidance of
the negative (breach of an oath in this case). This thought, it seems to me, is cor-
rect, and, as his treatment of Regulus shows, likely to be deliberate on Cicero’s
part. It is, he implies, not possible to show how self-sacrificial behaviour such as
that of Regulus can, in those terms, be to the agent’s advantage. He can, however,
make the case that any behaviour that involves an agent undermining their in-
tegrity or living as a pariah as a result is not in the agent’s interest.
The Regulus case thus reinforces a message that, I have argued, Cicero has
pressed consistently: the good life is the life that can be lived openly. By being
true to his oath and speaking his mind before the senate, Regulus guaranteed his
own death. But an honourable death is preferable, as Cicero sees it, to a life of
bad faith. The example of Regulus is, it seems to me, thrown into relief by reflec-
tion on Cicero’s dialectical engagement with Stoic and Epicurean ethical theory
in De Finibus which we examined above. Cicero does not try to prove those theo-
ries false but to undermine them by inviting us to see their implications for an
agent who tries to live in accordance with them. In the end it is we who must
decide to agree (or not) that the theories have those implications and that the
implications are unacceptable for a life that is to be well-lived. If we do agree,
then perhaps we will regard Regulus as having done the best for himself and draw
appropriate conclusions for our own agency, even if (as we may hope) we are
faced with somewhat less dramatic circumstances in our lives than Regulus was
in his.

VI
I would like in the final section of this paper to consider the question of how Cic-
ero’s advocacy of an ethics of integrity, centred on transparency, relates to his
own philosophical outlook. If I am right, then this advocacy should be part of that
outlook. But one might think nonetheless, in ways that I shall spell out below,
that it risks creating tension with other elements in his outlook, in particular his
428 | Raphael Woolf

profession of Academic scepticism.24 That in turn raises further, familiar, ques-


tions about interpreting Cicero: we may wonder what exact version of Academic
scepticism it is that Cicero espouses, and whether he is consistent on the matter;
and we may wonder to which ‘Cicero’ we are to attribute a sceptical outlook, as-
suming we think it prudent to distinguish, at least in principle, between Cicero
the historical figure, Cicero the self-presenting author of philosophical works,
and (where applicable) Cicero as a character in those works.
I shall not try to settle such large questions here. Instead I shall focus, briefly
and without aspiration to comprehensiveness, on the two works examined in this
paper – De Finibus and De Officiis – in order to see whether or not what Cicero
says therein about his sceptical outlook sits comfortably with the advocacy I have
attributed to him of a life lived with integrity.
Why, then, might one think that the profession of scepticism would sit ill with
such advocacy? First and foremost, one might wonder whether it is so much as
intelligible for a sceptic to have the kind of values and commitments that would
be a necessary precondition for a life lived with integrity. If Cicero is a sceptic, the
objection might run, he cannot profess commitments; if he does make such pro-
fessions, then he cannot be a sceptic.
By way of response, let us note that at Off. II 7–8 Cicero raises, and addresses,
a related objection against himself. He speaks at II 7 of “learned and erudite” peo-
ple – implying that this is an objection raised in a philosophical context – who
asks whether he acts consistently in, on the one hand, claiming that nothing can
be known (percipi nihil posse), and on the other hand, continually discoursing on
various topics and at this particular moment setting forth “rules of duty” (prae-
cepta officii) no less.
The force of the objection seems to be that one can consistently set forth
moral precepts only if one takes it that knowledge of such precepts is to be had.
If Cicero is a sceptic, he cannot hold that it is possible to know such precepts, and
so, equally, he cannot with consistency have a commitment to such precepts. It
seems that Cicero, on pain of relinquishing his scepticism, may not therefore con-
template a set of commitments as something that can be taken on and professed.
Cicero’s response is telling. He asks what sort of mental outlook, or rather, as
he adds pointedly, what sort of life would there be if one did away with a method
not simply of reasoning but even of living? He reminds the objector that what
differentiates sceptic from dogmatist is not that the former simply roams around
in a state of vagueness “without anything to follow”.25 Rather, where the dogma-

||
24 My thanks to Ursula Coope for pressing me on this point.
25 Off. II 7: nec habeat umquam, quid sequatur.
Cicero on Agency and Integrity | 429

tist holds that some things are certain, others not, the sceptic holds that some
things are plausible (probabilia), others not; and there is nothing to prevent him
following what seems to him plausible (II 7–8).
Cicero, then, faces clearly the challenge that a sceptic’s life is not liveable
without commitments and replies that, insofar as he is permitted, as a sceptic, to
follow what he regards as plausible, there is nothing to stop him having commit-
ments. He rejects as mistaken the idea that certainty is required for commitment.
And it seems to me he is right about this. I can intelligibly have, for example, a
set of religious or political commitments without regarding the beliefs that un-
derpin them as indubitable. Uncertainty and commitment are not mutually ex-
clusive.
But Cicero is not content simply to argue that his brand of scepticism is com-
patible with possession of commitments. He seeks to turn the tables on his oppo-
nents and show that their outlook bespeaks an “arrogance of assertion … a reck-
lessness that is far removed from wisdom”.26 Cicero suggests that an attitude
which allows that certainty is possible is in fact likely to lead one to becoming
convinced by things that do not epistemically merit such conviction.
It is not, I think, that the notion of things being (at most) plausible itself has
the status of a dogmatic judgement, with inconsistency now threatening the scep-
tic one level up, as it were. Cicero has no particular interest in asserting that, say,
‘2+2=4’ could be false.27 His stance does not principally concern particular items
that might or might not be knowable with certainty. Rather, he is contrasting two
sorts of attitude one might have: one which holds that certain knowledge is
achievable, the other which remains open to the possibility that, however con-
vinced we might be, things may be different from how they seem. It is with respect
to this contrast in attitude that Cicero’s claim about wisdom should be assessed.
If the dogmatist is more likely, in virtue of their dogmatism, to be convinced by
what does not merit conviction, then the sceptic’s commitments can, to that ex-
tent, be regarded as more authentic than the dogmatist’s.
In De Finibus, we can see the notion of plausibility put to practical work, es-
pecially in Cicero’s opening discussion with Torquatus in Book I.28 Here Cicero
emphasises his open-mindedness by telling Torquatus that nothing would pre-
vent him from being an Epicurean if he found plausible (probarem, I 27) Epicu-

||
26 Off. II 8: affirmandi arrogantiam … temeritatem, quae a sapientia dissidet plurimum.
27 Cf. Tusc. I 40, where Cicero invites us to regard some matters as beyond doubt (num igitur
dubitamus) insofar as they have ‘mathematical’ warrant (persuadent enim mathematici).
28 For a more broad-based discussion of Cicero’s sceptical stance in the work, see Brittain
(2016).
430 | Raphael Woolf

rus’s doctrines. Indeed he adds that he will not be “obstinate” (pertinax) but will
“gladly” (libenter) assent if Torquatus will make those doctrines plausible for him
(I 28).
This emphasis on attitude chimes in with the sentiments in De Officiis II that
we just examined. Cicero again moralises the debate by implying that the dogma-
tist, unlike the sceptic, is inclined to stick to their respective schools’ doctrines
with a stubbornness that is unwarranted. In similar fashion, at Fin. I 16 Cicero
recalls his encounters with the Epicurean teachers Phaedrus and Zeno of Sidon,
telling Torquatus that all they had made plausible for him about Epicureanism
was their “devotion” (sedulitas) to the system. It is, as he had said in his preface
at I 13, the sceptic whose passion is to find the truth.
This propensity of the adherents of dogmatic schools to hold fast to their doc-
trines regardless (Cicero implies) of the epistemic propriety of their doing so re-
flects his diagnosis in De Officiis II of the consequences of an attitude that takes
certainty to be attainable. Notice, then, a prominent feature of Cicero’s attack on
the Stoics in De Finibus: he insists that whatever they may say, in substance their
apparently radical ethical doctrines do not differ from the more commonsensical
position of the Peripatetics.29 Recall, too, how Cicero exhorted Torquatus to ex-
amine himself and figure out whether it is really Epicurean doctrine that he sub-
scribes to.
The implication is that, for both Stoics and Epicureans, what they say does
not reflect their genuine belief. The charge at this point has moved beyond hy-
pocrisy to a failure of self-knowledge. The pleas to Torquatus at II 69 and II 118
that we noted earlier make this especially clear, but with Cato, Cicero’s Stoic op-
ponent, too, Cicero does not accuse him of being insincere in denying, as he does
at IV 2, the equivalence of Stoic and Peripatetic ethical doctrine; rather, he tries
to persuade Cato that what Cato espouses is not what he thinks it is.
Cato refuses to concede the point (III 10; IV 80) and paradox may seem to
lurk: how can the stubbornness of an agent’s adherence to a set of doctrines sug-
gest a questioning of the agent’s belief in those very doctrines? The appearance,
I think, is deceptive: rigidity and fragility are not incompatible qualities. The dog-
matists see themselves as entitled to the possession of commitments; yet those
supposed commitments crumble, as we have seen, when faced with the prospect
of being tested in the public arena. In that fundamental sphere of human agency,
the dogmatists’ claims are found out.

||
29 Fin. IV 2; 57; 72; cf. III 10; IV 22; 60. On this form of argument more generally in Cicero, see
Schofield (2012); Müller (2020).
Cicero on Agency and Integrity | 431

If Cicero is right, it is not the sceptic who thus lacks authenticity of commit-
ment, but his dogmatic opponents, who reveal, in their interaction with their so-
cial environment, a hollowness at the heart of their professed dedication to what
their system says they must say. If my reading of Cicero has been correct, he has
in this regard a robust defence to mount of the thesis that the platform on which
a life of integrity can be built belongs not to the dogmatist, but the sceptic.

Bibliography
Brittain (2016): Charles Brittain, “Cicero’s Sceptical Methods: the Example of the De Finibus”,
in: Julia Annas and Gábor Betegh (eds.), Cicero’s De Finibus: Philosophical Approaches,
Cambridge, 2016, 12–40.
Inwood (1990): Brad Inwood, “Rhetorica Disputatio: The Strategy of De Finibus II”, in: Apeiron
23, 143–164.
Müller (2020): Jörn Müller, “Mere Verbal Dispute or Serious Doctrinal Debate? Cicero on the Re-
lationship between the Stoics, the Peripatetics, and the Old Academy”, in: Gernot Michael
Müller and Jörn Müller (eds.), Cicero Ethicus: Die ‘Tusculanae disputationes’ im Vergleich
mit ‘De finibus bonorum et malorum’, Heidelberg, 2020, 173–196.
Schofield (2012): Malcolm Schofield, “The Neutralizing Argument: Carneades, Antiochus, Cic-
ero”, in: David Sedley (ed.), The Philosophy of Antiochus, Cambridge, 2012, 237–249.
Williams (1973): Bernard Williams, “A Critique of Utilitarianism”, in: John Jamieson Carswell
Smart and Bernard Williams, Utilitarianism For and Against, Cambridge, 1973, 77–150.
Woolf (2013): Raphael Woolf, “Cicero and Gyges”, in: Classical Quarterly 63, 801–812.
Miira Tuominen
Porphyry’s Abstinence, Actions and
Omissions

1 Introduction
Thinking about action and responsibility often involves reflections on things we
do not do. To mention a few examples, we might not vote, fly, eat meat, save a
person from drowning, call someone, or water someone’s plants although we
promised to do so. To quote Randolph Clarke’s recent book-length study on the
subject:

(T1) [T]here’s a further interesting facet of our agency: we sometimes omit to do certain
things, or refrain from […] doing them. […] Sometimes one doesn’t listen as carefully as
one should. I might plan to buy milk on the way home but forget to do so. Occasionally we
fast, boycott certain products, or refrain from doing things we’re tempted to do.1

In today’s discussion, things that we do not do are typically called ‘omissions’.


If we do not vote, fly, eat meat, or water someone’s plants and so on, we omit
doing those things. Sometimes it is also said that we refrain from doing them.2
In Clarke’s view, we also omit to buy some things if we boycott them or omit eat-
ing if fasting.
One important point about omissions is that one is or can be equally re-
sponsible for things one does not do as one is of things one does. This point is
not controversial. However, all omissions are not necessarily alike. In this essay,
I shall focus on how the notion of omission is related to the notion of abstinence
in the context of Porphyry’s argument for the claim that the highest kind or
degree of justice requires restraint from harming living creatures. The argument
is found in the treatise translated as On Abstinence from Killing Animals by Gilli-
an Clark3 – not to be confused with Randolph Clarke referred to above.

||
1 Clarke (2014) 1.
2 Some scholars have introduced a distinction between omitting and refraining; see, e.g.,
Brand (1971), 46, while others simply talk about ‘omissions’ throughout the spectrum of non-
doings (e.g., Clarke (2014)).
3 Clark (2000).

https://doi.org/10.1515/9783110735598-020
434 | Miira Tuominen

A central question for my topic is whether abstinence is an omission in a


sense of simple not-doing, i.e., whether abstaining from causing harm to ani-
mate creatures as Porphyry describes it should merely be understood as not
causing harm to animate creatures or whether there is something else we
should add to the description or definition of abstinence. Another question is
whether we should classify omissions more generally on the basis of normative
considerations. Some examples of omissions are cases in which a person did not
do what they should have done.4 I might have forgotten to water my friend’s
plants although I promised to do so, and it can be said that I omitted to do what
I should have done. Another, more striking case of not doing what one should
have done is a widely-discussed example of a person who does not save a child
from drowning.5 By contrast, other cases that are normatively relevant in the
moral sense are such in which one refrains from doing what one should not do.
For instance, if one follows the maxim “thou shalt not kill”, one is not doing
something one should not do.
As to the second difference just mentioned, one general intuition is that
classifying omissions on the basis of moral grounds (merely as something
praiseworthy or blameworthy) is a task of moral theory. From this perspective,
action theory is more interested in what is common to omissions across the
morally normative spectrum.
The general idea that omissions simply are not-doings raises the question of
whether every situation (potentially) generates infinitely many omissions. At
the moment, for instance, in addition to not killing anyone, for instance, I am
not running a marathon, not taming a tiger, not counting to 15 432, not counting
to 14 532, or adding the two together, and so on. It seems that some limits to
omissions are implied by what I can do, since I can only omit doing something
that I can do or could have done. However, as the example of counting shows,
this does not prevent the number of omissions from growing infinitely large,
since it seems that insofar as I am able to count, do adding and other basic
mathematical operations, I am capable of doing an infinite number of them.

||
4 One way of relating omissions to normative considerations is by using a normative expres-
sion to denote the thing one does not do such as ‘evade’ or ‘neglect’. What I mean is rather the
distinction between whether one does not do what one should have done or what one should
not have done in the moral or ethical sense of ‘should’.
5 The thought experiment can be tweaked by additional conditions (such as added sharks) to
test our intuitions about to what extent the person can or cannot save the child, is responsible
for not saving the child, and whether or not they could or should have done otherwise. For a re-
cent discussion of the thought experiment and its various modifications, see Clarke (2014) 127–
153.
Porphyry’s Abstinence, Actions and Omissions | 435

It has been suggested that there is a difference between being inactive with
respect to something, e.g., sleeping in the bedroom when the phone rings in the
living room, and omitting to do something.6 This means that simply being capa-
ble of doing something (φ) and not doing φ (at time t) is not sufficient for one to
omit to φ (at time t) but that we need some more specific criteria as to what is
relevant to one’s course of action at a given moment. Things that I could do but
that fall outside the scope of things that are relevant in this way, are not things I
omit doing at a given moment. At least some of them are such that I am inactive
with respect to them. This suggestion perhaps blocks an infinite series of omis-
sions. However, it is far from obvious how the criteria for relevance to some-
one’s course of action at a given moment should be defined.
It is not my task to discuss such general problems related to omissions here.
Instead, I shall focus on the question whether abstinence from harming animate
creatures in Porphyry’s treatise can or should be analyzed as an omission and
what this implies. At first sight, abstinence seems to fall under the general cate-
gory of omissions: it is described as not doing something or as refraining from
doing something, namely from harming animate creatures or creatures with life,
“staying away from the ensouled” as the literal translation of the Greek title of
the treatise (peri apochês empsuchôn) would have it.
In the following, I shall argue in section 3 that the kind of abstinence Por-
phyry argues for is not a simple not-doing but rather should be defined with
reference to the general ethical framework of striving to live the best possible
life for human beings. Although this conclusion is related to Porphyry’s own
philosophical framework, it perhaps has some implications to todays’ discus-
sion of such actions as dietary choices and not flying for ethical and/or envi-
ronmental reasons.

2 On Abstinence
2.1 The Highest Justice Requires Abstinence from Harming
Animate Creatures
In his treatise On Abstinence from Killing Animals – On abstinence for short –
Porphyry argues that philosophers who aim at the highest goal in human life,
assimilation to god, to the greatest possible degree must refrain from causing

||
6 Brand (1971) 46.
436 | Miira Tuominen

harm to living creatures. The seminal passage for assimilation to god as the goal
of human life is found in Plato’s Theaetetus:

(T2) The flight consists in the assimilation to god insofar as it is possible. The assimilation,
in its turn, [consists in] becoming just and pious with wisdom.
(176b1–3; tr. M.T.)

The virtues that are central in this formulation are important in Porphyry’s ar-
gument as well. Book II is concerned with piety and book III with justice, while
book IV has the following connection with wisdom. Porphyry focuses on a sin-
gle objection, namely that no peoples and no sages have abstained from eating
meat (I 13,5–14,1; IV 1,2). He responds to the objection by listing a number of
(alleged) dietary restrictions among various groups of people including priests
described as philosophers (IV 17,4 = 256.18 Nauck) or as being wise about gods.7
By reference to his case studies on such groups, their dietary restrictions and
way of life, Porphyry claims that wisdom requires abstinence rather than op-
poses it.
With respect to justice, Porphyry says it must be extended to all animate
creatures because justice is, as I shall argue, partly constituted by abstinence
from causing harm to others. Consider, for instance, the following:

(T3) [J]ustice lies in restraint from and avoidance of causing harm to everything that does
not harm. This is how the just person is conceived of,8 not that other [i.e., the Stoic] way;
so justice, since it lies in avoidance of causing harm, extends as far as animate beings.
(III 26,9 = 224.2–6; Clark’s translation slightly
modified)

In Porphyry’s argument, animate creatures include not only human beings and
non-human animals but also plants. Therefore, although the focus is on absti-
nence from eating meat, reaching the goal of assimilation to god requires absti-
nence from injuring animals and harming plants and is thus broader than vege-
tarianism.9 The emphasis on vegetarianism is due to the fact that, on the one
hand, most objections Porphyry lists in book I are objections to vegetarianism.

||
7 Porphyry coins the term theosophein, cf. theosophia, in IV 17,1 = 256.7–8.
8 Clark (2000), 98, translates “this is how the just man thinks”, which is not quite right. The
verb is in medio-passive (noeitai) and a corresponding translation is found in Bouffartigue/Pa-
tillon (2003), 188: “C’est comme ceci que se conçoit l’homme juste”.
9 The claim that On abstinence is about vegetarianism is common in scholarly literature; see,
e.g., Osborne (now Rowett) (1995); Dombrowski (1987); Edwards (2018).
Porphyry’s Abstinence, Actions and Omissions | 437

On the other hand, the addressee of the treatise, Porphyry’s friend Firmus Cas-
tricius, had erred exactly by starting to eat meat again (I 1,1 = 85.2–4).
The evidence for the extension of justice to plants is found, for instance, in
the second-last chapter of book III:

(T4) [T]aking necessities does not harm plants, when we take what they let fall, or crops,
when we make use of crops from dead plants.
(III 26,12 = 224.17–20).10

The passage assumes that because justice is partly constituted by not harming
other living creatures, it requires avoiding harming plants insofar as it is possi-
ble. However, since it is not permissible to starve oneself to death either, plants
must be used for nourishment. The passage briefly explains how we can avoid
causing harm to them when doing so.
The claim that plants should be included in the scope of justice also occurs
in book II in which Porphyry quotes extensively from Theophrastus’ treatise on
piety (Peri eusebeias).11 An important argument to the effect that animals should
not be sacrificed is found in chapters 12–13 of book II, and Theophrastus also
includes plants in the scope of justice and gives instructions as to how one can
use them causing as little harm as possible. I shall not consider the details of
Theophrastus’ argument in this essay12 but rather focus on Porphyry’s position.
As mentioned, an important aspect of Porphyry’s argument is that the highest
degree of justice partly is abstinence from harming others and that such absti-
nence should be extended not only to human beings and other animals but also
to plants (T4 above and T8 below).
In general, Porphyry’s argument strategy can be described as turning the
tables against the opponents. Porphyry seems to assume that he has managed

||
10 Much of the material in On abstinence III is quoted or adapted from other sources; see
Bouffartigue/Patillon (2003), vol. 2, 138. This makes his argument somewhat complicated to
follow. However, chapters 26 and 27 and the extension of justice to plants are from Porphyry’s
own pen. They only include short extracts from Plutarch’s Septem Sapientium Convivium 16 in
III 26,8–9 and III 27,9–10.
11 Porphyry is our main source for the treatise and we do not have independent evidence for
his reliability. Bouffartigue and Patillon (2003), vol. 2, 18–20, take the text to be from Theo-
phrastus. Some scholars are more doubtful about how reliable a source Porphyry is; see, e.g.,
Ullucci (2008) 370. For an analysis of what exactly is from Theophrastus, see Fortenbaugh
(2003) 173–191, and for a translation as a fragment of Theophrastus, see Fortenbaugh and Gu-
tas (eds.) (1992) 404–433 = FHS&G 584A–D.
12 I do so in another article “Just Life: Porphyry’s Ethics of Animate Creatures”, which has not
been published yet.
438 | Miira Tuominen

to show that none of the known objections to abstinence he lists in book I is


valid – or at least that he has managed to undermine their credibility to the
extent that shifts the burden of proof to the opponent. It is noteworthy that Por-
phyry also seems to assume that his opponents accept the principle that justice
requires not causing harm to others.13 Since he takes himself to have shown that
the opponents (especially the Stoics and the Epicureans) do not have sufficient
grounds for excluding non-human animals from the scope of justice, they
should also extend restraint from causing harm to non-human animals – or of-
fer better arguments for their position.

2.2 Porphyry’s Argument for Extending Justice


Traditionally, scholars have understood Porphyry’s argument as being based on
what can be called ‘the assumption of desert’. The assumption maintains that
we must extend moral concern to non-human animals if and only if they can be
shown to share some general feature such as rationality, personhood, sen-
tience, or self-awareness (to mention some examples) with human beings on the
basis of which they “deserve” their moral status. The scholarly consensus has
been that for Porphyry such a feature is animal rationality.14
The consensus has been challenged basically in two different ways. One
suggestion is that rather than animal rationality, Porphyry’s argument is based
on animal capacity to feel pain.15 On the basis of the following passage, it cer-
tainly looks like Porphyry adopts such a view:

(T5) It is the nature of animals to have perceptions, to feel distress, to be afraid, to be hurt,
and therefore to be injured. Plants have no perceptions, so nothing is alien or bad to them,

||
13 For the principle in the Stoics, see Seneca Ep. 95,52 (Reynolds [1965]). Seneca himself re-
lates the principle of justice as restraint from causing harm to abstinence from eating meat in
Ep. 108,21. For the principle in other Stoic sources, see Marcus Aurelius IX 1 (Dalfen [1979]);
Cicero Off. I 31.7–8 (Winterbottom [1994]) with reference to Panaetius; for the Epicureans, see
Kyriai doxai 31 (Arrighetti [1973]).
14 This reading is found, e.g., in Sorabji (1993) 182; Newmyer (2011) 8; Clark (2000) 3; Osborne
(now Rowett) (2007) 228. The claim that Porphyry takes animals to be rational is found in, e.g.,
Barnes (2003) 111; Karamanolis (2006) 268; Brittain (2002) 255–256 and Caluori (2015) 193.
15 Dombrowski (1987) 776–777; (1984) 142. Girgenti (2001), 76, and Sorabji (1993), 184, also
refer to Porphyry’s recognition of the animal capacity to feel pain, but they do not see it as the
crucial criterion for deciding the moral status of non-human animals. For Sorabji, Porphyry’s
argument is based on the observation of general similarities between human beings and other
animals, including rationality.
Porphyry’s Abstinence, Actions and Omissions | 439

nothing is harm or injustice: for perception is the origin of all appropriation (oikeiôsis) and
aversion (allotriôsis), and the followers of Zeno make appropriation the origin of justice.
(III 19,2 = 208.24–209.6; Clark’s translation
slightly modified)

However, since plants are also taken to belong to the scope of justice, this ca-
pacity cannot be decisive for the moral status of non-human animals. In fact,
the passage belongs to a section that is probably quoted or adapted from a lost
writing by Plutarch.16 Therefore, the claim that we do not need to extend moral
concern to plants is perhaps made by Plutarch, not Porphyry.
However, the passage can be explained in the overall argument of On absti-
nence as a response to the following objection. According to some opponents of
vegetarianism, the use of animals for food is justified because we need to eat
plants anyway (I 18). The distinction between animals and plants can, from this
perspective, be seen to block that objection. Porphyry’s response is that alt-
hough plants can be used for nutrition without violating justice if certain guide-
lines are observed, this does not justify the use of animals. For instance, while a
part of a plant, say lettuce, can be taken without killing the organism or causing
pain to the plant, taking a part of an animal body harms the animal through
pain and probably death. This, however, does not entail that plants are not
subject to justice for Porphyry. Quite the contrary. In the passages that are from
his pen and not quoted from other works, he makes it clear that they are. This
also means that sentience cannot be Porphyry’s criterion for delimiting the
scope of justice.17
Another argument against the scholarly consensus is that Porphyry himself
does not accept the claim that animals are rational and hence rationality cannot
be the criterion for the moral status of animals. This point has been made by Fay
Edwards who argues that Porphyry does not in On abstinence III contradict his
claim made elsewhere that of animals only human beings are rational (Isagoge

||
16 Plutarch is not clear on whether justice should be extended to plants. Porphyry announces
in III 18,3 that he moves to use arguments that Plutarch also used and concludes in III 24,6 =
220.13 that he has explained what Plutarch says “in many books”. In chapter 20 (III 20,7), he
begins to quote with modifications from De Sollertia Animalium 2–5. This is taken to indicate
that III 18,3–20,6 is from a lost work by Plutarch.
17 It is noteworthy that on plant souls Porphyry disagrees with Plato for whom, in the Timae-
us, plants are sentient and even have some kinds of intelligence; see Carpenter (2010). Porphy-
ry rather follows Aristotle and Plotinus (Enn. I 4 [46] 1.21–23) on plant souls. Plants have life
functions but not perception let alone rationality.
440 | Miira Tuominen

or Introduction, e.g., 15.4–6 [Busse])18 or that rationality requires contact with


Platonic Forms19 that is only possible for human beings.20 This implies that
Porphyry’s argument for extending justice to animals cannot be based on ra-
tionality.
Edwards’s challenge to the traditional interpretation includes two claims.
The first one is that Porphyry himself denies that animals are rational – I shall
call this claim ‘the denial of animal rationality’, (DAR) for short.21 The second
claim is that Porphyry does not argue for animal justice on the basis of animal
rationality, i.e., he denies that animal justice is based on animal rationality – I
shall call this claim ‘denying that animal justice depends on animal rationality’,
(DAJR) for short.22 Moreover, Edwards takes the second claim (DAJR) to have the
implication that animals are not morally relevant for Porphyry at all.23 While I
agree with Edwards on the second claim (DAJR), I disagree with her on its ethi-
cal implications.
As to animal rationality, Edwards maintains that Porphyry himself denies it
(DAR) while arguing that on their notion of rationality the Stoics should ascribe it
to non-human animals.24 My view on animal rationality in On abstinence III is,
to an extent, similar to the one defended by Edwards, but I differ from her read-
ing on the following points. First, rather than understanding Porphyry’s argu-
ment to be that the Stoics should, on their notion of rationality, ascribe reason

||
18 See also Porphyry on Aristotle’s Categories 95.29–35 (Busse) for rationality as the specific
difference of human beings.
19 For the thoroughly Platonic nature of Porphyry’s explanation in the commentary on Ptole-
my’s Harmonics (despite some harmonization with Aristotle), see Chase (2010); the Platonic
Forms as archetypes occur in 14.22–26 (Düring), see Chase (2010) 400.
20 See also To Gaurus and How Embryos Are Ensouled 14,3 together with Abst. I 29–30, on the
point that the perceptual soul cannot generate the rational one, but that it has to be the other
way around; Edwards (2016).
21 Edwards (2014).
22 Edwards (2016).
23 Edwards (2018) 44; a similar argument about justice in On abstinence III has been made by
Catherine Rowett (previously Osborne) (2007) 227.
24 The most important piece of evidence that seems to speak against Edwards’s position is the
introductory section of book III (penned by Porphyry) in which Porphyry says: “[L]et us present
the belief that is true and also Pythagorean by demonstrating that every soul is rational in that
it shares in perception and memory” (III 1,4 = 187.14–17; tr. Clark). While this certainly looks
like a commitment to animal rationality, Edwards (2016) argues that Porphyry merely makes
the conditional claim according to which if perception and memory are sufficient for rationali-
ty, non-human animals should be taken to be rational. Since, for the Stoics, perception and
memory in adult human beings are rational, this would seem to entail that the Stoics should
ascribe rationality to non-human animals.
Porphyry’s Abstinence, Actions and Omissions | 441

to non-human animals, my reading takes him to shift the burden of proof to his
adversaries. In my view, Porphyry’s point is to argue that his adversaries, main-
ly the Stoics, do not have sufficient grounds for denying animal rationality and,
consequently, no sufficient grounds for excluding animals from the scope of
justice. Secondly, although the argument is mainly directed at the Stoics,
Porphyry indicates that the same arguments apply to other philosophers who
are committed to a similar position, especially the Epicureans.25
As for the Stoics, their position is in book III referred to as follows:

(T6) [O]ur opponents say that justice should extend only to beings like us and therefore
rule out the irrational animals.
(III 1,4 = 187.12–14; tr. Clark).

According to Diogenes Laertius (Lives of Eminent Philosophers VII 129), Chrysip-


pus and Posidonius made a point like this. The most important dissimilarity is
taken to be that non-human animals do not have reason. However, Porphyry
also undermines the Stoic grounds for denying animal justice by pointing to
other similarities between human beings and other animals: similarities in body
and soul (III 7–8), both in health and in disease or dysfunction. Therefore, alt-
hough the debate about animal rationality is central in Porphyry’s argument
against the Stoics, it is not his only argument. Rather, his general strategy is, in
my view, to undermine the grounds for denying animal justice more generally
and to stress that the Stoic claim concerning dissimilarity between human be-
ings and other animals is not well-grounded.
The Epicurean objections to abstinence are quoted in book I, and especially
the point that animals do not make agreements with human beings is central for
them as justice is understood as mutual advantage based on agreement (I 12,5–
6). The objection is that if animals cannot make agreements with human beings,
they cannot share mutual advantage with them either but rather threaten hu-
man life and communities by attacking people or stealing their food. Against the
common objection that animals are or can be dangerous to human beings,
Porphyry maintains that justice as restraint from causing harm to other crea-
tures applies to harmless animals (T3 above). Therefore, self-defense and re-
striction of harmful populations are justified. However, such justification does
not carry over to harming domesticated, tame, or otherwise harmless animals or
using them for food (III 26,2–3).

||
25 Porphyry also seems to think that this point is all the more detrimental to his opponents,
since they subscribe to the principle that justice requires restraint from causing harm to others.
See note 13 above.
442 | Miira Tuominen

With respect to agreements, Porphyry seems to assume that the real reason
for the Epicureans to exclude animals from the scope of justice is not lack of
agreements. In a sense he maintains that animals do make agreements with
people26 if they live peacefully with them and take part in common activities
such as work (III 13,2) and play or learn human skills (III 15,1–2). By contrast,
the crucial reason seems to be the denial of animal rationality. The Epicurean
expression quoted in book I is that non-human animals are not “receptive of
reason” (I 12,6 = 95.22–23) and the receptive capacity (to acquire human skills,
for example) is mentioned in the arguments of book III as well (III 15,1 = 204.2).
Therefore, it is not only the Stoics who cannot show conclusively that animals
can be excluded from the scope of justice because they are not rational. A simi-
lar argument also applies to the Epicureans.
There is one expression in book III of On abstinence that could be taken to
support Edwards’s point that Porphyry denies animal rationality in the context
and sticks to the view expressed in his other works that rationality should be
understood in the Platonic sense as requiring contact with the Forms. The ex-
pression is the following: “I mean by rationality that which is silently voiced in
the soul” (III 3,2 = 188.23–24). Although not quite the same, this could be taken
as an allusion to the famous Platonic dictum according to which reasoning is
soul’s conversation with herself.27 I am not particularly opposed to the idea that
Porphyry himself retains the assumption that reason in its full Platonic sense
requires contact with the Forms and that such contact is out of reach of non-
human animals as well as many human beings too. I shall return to this point
soon below.
This remark, however, is not sufficient to show that Porphyry operates on a
Platonic notion of rationality in the treatise, since, first, the expression is not
quite the same. Secondly, the remark occurs in a section that, according to
Bouffartigue and Patillon, is quoted or adapted from an Academic writing also
used by Sextus Empiricus and Philo of Alexandria.28 Therefore, it is only to be
expected that a passage quoted or adapted from a writing produced or used in
Plato’s Academy reflects a Platonic notion of reason. Although we do not know
whether the short remark is a quotation, it is not safe to conclude that it settles

||
26 It has been argued that Lucretius took the Epicurean position into this direction; see Massa-
ro (2014). Moreover, the Epicurean analysis of human beings as aggregates of atoms also makes
them similar to rather than dissimilar from other animals‚ see ibid. 47.
27 Theaetetus (189e4–7); Sophist (263e3–9); repeated in Alcinous, Handbook of Platonism (4,5
[155].17–19 [Whittaker 1990]).
28 Bouffartigue/Patillon (2003), vol. 2, 138–143.
Porphyry’s Abstinence, Actions and Omissions | 443

the question of how Porphyry himself understands animal rationality in On


abstinence III.
In addition, Edwards assumes that Porphyry’s denial of animal rationality
entails that he downgrades animal cognitive capacities. She claims, for in-
stance, that the example of Chrysippus’ dog has to be read without a reference
to any cognitive process resembling reasoning. Chrysippus’ dog is an argument
against the Stoics also used by Sextus Empiricus (PH I 69).29 In the argument, a
dog arrives at a crossing of three paths. Sniffing two forks of the crossing and
not smelling any trace of the prey on them, the dog rushes on the third path
without sniffing. Edwards maintains that this should, in On abstinence III, be
explained solely by the perceptions the dog makes.30
However, if Porphyry is committed to a Platonic view of rationality, he
probably follows Plotinus in assuming that rationality properly speaking is an
advanced cognitive achievement that eludes many human beings. According to
Plotinus, human children for instance learn to speak thanks to the lower soul
alone (Enn. I 1 [53] 11.1–4) and hence without contact with the Forms.31 If
Porphyry follows his teacher here, we do not need to conclude that denying
rationality in the Platonic sense from non-human animals entails downgrading
their cognitive capacities to mere perception of perceptible objects.

2.3 Extending Restraint from Causing Harm as Constitutive of


Justice
Although my view to an extent differs from that of Edwards on animal rationali-
ty in On abstinence III, my most important disagreement with her concerns the
ethical implications of DAJR. As mentioned, Edwards holds that Porphyry does
not assume that the claim for animal justice depends on animal rationality be-
cause animals are not relevant to the kind of justice Porphyry is talking about in
On abstinence III. Rather, such justice consists solely in the inner harmony or
organization of the philosopher’s soul (on a definition of justice that resembles
the one found in Plato’s Republic IV), and harming animals is unjust because it
decreases such justice by causing disorder in the soul.

||
29 See also Plutarch, De Sollertia Animalium (13, 969a9–b3) and Philo of Alexandria, De Ani-
malibus 45–46; in the Latin translation by Aucher (1822–1826) 147.
30 Edwards (2018) 38–40.
31 For the claim that Plotinus assumes animals to have lower souls, see Caluori (2015) 194 with
reference to Enn. I 1 [53] 11.8–15. For a similar view and reflections on what cognitive functions
this entails for animals, see Emilsson (2017) 284; Emilsson (2022) 122.
444 | Miira Tuominen

Although it is undeniable that a description of the essence or being (ousia)


of justice resembling the definition in Republic IV occurs in On abstinence III,32 I
do not think the inner order of the soul is sufficient to constitute the highest
degrees of justice in the context. In brief, my reasons for this are the following.
First, abstinence from causing harm to non-human animals and plants is only
required from philosophers who strive for assimilation to god to the highest
possible degree. Secondly, justice as the inner organization of the soul (reason
leading unreason) is already found on a lower level of justice and godlikeness
distinguished by Porphyry in On abstinence III 27,2. The crucial difference be-
tween justice as the inner organization of the soul alone and justice on the
highest levels of assimilation to god is exactly whether restraint from causing
harm to others is extended beyond the humankind:

(T7) In the same way, the person who is led by reason restrains from causing harm to fel-
low-citizens too, and further still to strangers and all human beings; he keeps irrationality
subjected, and is more rational than those others and thereby also more godlike.
(III 27,2 = 225.12–16; tr. Clark, slightly modified)

This formulation shows that justice as the inner organization of the soul is com-
patible with a form or degree of justice in which restraint from causing harm to
others is only extended to human beings. A person having justice in this sense
is more rational and more godlike (theioteros) than a person who has been de-
scribed immediately before T7 (in 225.7–11). Such a person restrains from harm-
ing only his children and wife but is contemptuous and greedy towards every-
one else. He is not just at all in the sense of Republic IV but is led by desires,
“dazzled by mortal things” (tr. Clark) and dominated by the irrational element
of the soul.
Therefore, abstinence from causing harm to non-human living creatures
cannot be for the sake of the inner order of the soul alone because such inner
order is compatible with justice that, externally, only extends justice to human
beings but not beyond the humankind. A person who is just in that sense is
more divine (theioteros 225.15–16) than the person who is not virtuous at all.
However, philosophers who strive for maximal godlikeness possible in the ma-
terial world, need to do better than that. They are required to be assimilated to
god (cf. homoios theộ in the following passage) to the greatest possible degree
described as follows:

||
32 “That is why the essence (ousia) of justice is that the rational rules over the irrational, and
the irrational follows” (III 26,10 = 224.6–7; tr. Clark).
Porphyry’s Abstinence, Actions and Omissions | 445

(T8) [S]omeone who does not restrict restraint from causing harm33 to human beings, but
extends it also to other animals is more like god (mallon homoios theộ); and if the exten-
sion to plants is possible, [the person] preserves the likeness (eikôn) even more.
(III 27,2 = 225.16–19; tr. Clark, slightly modified)

This passage makes clear that, by contrast to justice as the inner organization
and restraint from harming human beings, there are higher levels of assimila-
tion to god. They are achieved when we extend restraint from causing harm
beyond the human species, to non-human animals and ultimately to plants.
Therefore, the degree of godlikeness increases proportionately to how widely we
extend justice as restraint from causing harm.
It is possible that Porphyry understands justice as it is defined in Plato’s
Republic book IV as a lower form of justice, in accordance with the hierarchy of
virtue articulated by Plotinus on Ennead I 234 and rigidly systematized by
Porphyry himself in Sentence 32. In fact, in the context of Plato, the virtues of
Republic IV seem to be of a lower kind, attainable through practice without
philosophical understanding. The virtues of Republic IV are also related to the
tripartite, i.e. embodied soul, while the philosophical virtues apply to the im-
mortal rational soul. Porphyry himself probably assumes that justice as the
inner organization of the soul is necessary for the extension of justice outside
the human species. However, it is not sufficient, as the distinction in III 27,2 just
explained shows.35
Another reason why it seems impossible to understand justice in On absti-
nence III solely in terms of the inner condition or state of a tripartite soul is that
Porphyry talks about extending justice (diateinein tên dikaiosunên) outside the

||
33 Clark translates the Greek to ablabes as “harmlessness” and ablabês as “harmless”, which
is misleading. Being harmless means being innocuous, i.e., incapable of causing harm. This is
not the relevant meaning here, since the point is that human beings are capable of causing
harm to other living beings but should refrain from doing so because of justice.
34 For Plotinus’ hierarchy, see, e.g., O’Meara (2019) 12, 16–18, 78–81. For Plato’s distinction,
see, e.g., Vasiliou (2012). For Porphyry’s systematization of Plotinus’ hierarchy, see Sentence 32
(Brisson [(2005]). In fact, the definition of reason’s rule over unreason is, in the Republic, that
of moderation (sôphrosunê 430e6–7 Burnet), not justice (which is defined as oikeiopragia, i.e.,
each part focusing on its own activity in 434c8–9). I shall not address this difference in the
present context.
35 At times Porphyry suggests that the inner order of the soul leads to being unharming and to
the assimilation to god; see, e.g., III 26,10 = 224.10–13. However, there is no indication that
without being unharming to animate creatures, maximal assimilation to god could be
achieved.
446 | Miira Tuominen

humankind (III 26,9 = 224.5).36 Although the claim that one should abstain from
causing harm to other human beings is not foreign to the discussion of Plato’s
Republic, it does not seem possible to extend the inner organization of one’s
soul or reason’s rule outside one’s soul, let alone outside the human species. In
particular, it seems impossible to assimilate the soul’s inner organization with
abstinence from causing harm to animals and plants. Animals and plants are
neither parts of the human soul nor members of a political human community
or a city-state that could be understood as structurally isomorphic to a human
soul.

3 Abstinence and Omission


3.1 Is Justice Partly Constituted by Omissions?
I have now argued that restraint from harming animate creatures is a constitu-
tive element in the highest degrees of justice and assimilation to god in
Porphyry’s On abstinence. Now it needs to be asked whether this entails that
such justice is partly constituted by not-doings or omissions. I shall not consider
the question of whether the term ‘omission’ applies to abstinence as Porphyry
describes it. Rather, my question is what kind of a notion of not-doing (or omis-
sion if you wish) describes Porphyrian restraint from causing harm to animals
and plants.
One rather obvious consequence of how Porphyry describes extending jus-
tice to other living creatures is that it means refraining from doing something
one should not do. Therefore, it is analogous to “thou shalt not kill” – killing of
course being one way of harming. In today’s discussion, it thus resembles boy-
cotting, fasting or not flying for ethical and/or environmental reasons. Such
cases fall to the opposite end of the normative spectrum of, say, not saving a
drowning child just because one does not feel like getting their clothes wet.
However, as mentioned at the beginning, it is not sufficient merely to point out
that in one case one refrains from doing what one should not do and, in the
other one, one does not do what one should have done. What is common to all
not-doings that can be called omissions in the general sense perhaps is that

||
36 Cf. extending restraint from causing harm (parateinas [to ablabes] in III 27,2 = 225.15–16
and 17).
Porphyry’s Abstinence, Actions and Omissions | 447

they simply are not-doings. However, I do not think that Porphyry’s abstinence
should be understood in this way.
One case in todays’ discussion of omissions that resembles abstinence from
harming animate creatures for ethical reasons is Myles Brand’s example of a
police officer who refrains from shooting a fleeing youth37 – at least if it is added
that the officer is doing so for moral reasons. Brand argues that the police of-
ficer’s not-shooting should be described as refraining from shooting the youth
rather than a simple not-shooting. As opposed to a mere not-doing, the former
should be described with reference to what the officer is doing when refraining
from shooting. The officer could for instance be pushing his (in Brand’s example
the officer is a he) hand against his side and actively keeping it there to prevent
him from taking the gun from his pocket and firing it.38
Therefore, Brand distinguishes refraining from doing something from a
simple not-doing by the criterion that, while one can be inactive with respect to
a course of action when simply not doing something, refraining requires anoth-
er action (ψ) which the agent performs while refraining from φing. As Brand
puts it (with different symbols), the agent refrains from φing by ψing, e.g., the
police officer refrains from shooting the fleeing youth “by keeping his hand by
his side”.39 While I find Brand’s distinction useful for discussing Porphyrian
abstinence, it is not clear that the relevant additional factor to mere not-doing is
something that the agent does to prevent him or herself from harming animate
creatures.

3.2 Let the Sleepers Sleep


If Porphyrian abstinence is not a simple not-doing, it should at least be distin-
guished from inactivity with respect to the relevant course of action, such as
sleeping in the bedroom when the phone rings. In book I of On abstinence,
Porphyry distinguishes between two kinds of people. First, there are those who
just want to sleep and for whom it is appropriate to live in dark rooms, to eat
heavy food and to consume intoxicating drinks (I 27,2–3). They will remain, as it
were, inactive with respect to most things. Secondly, there are the wakeful, who
can benefit from well-lit and properly aired rooms and a light diet as well as

||
37 Brand (1971) 46.
38 Brand (1971) 49.
39 Ibid.
448 | Miira Tuominen

active and stimulating engagement in theoretical inquiry and contemplation


(I 27,4). Obviously, it is the latter group that Porphyry addresses (I 28,1).
In order to clarify the difference between abstinence and simple not-doing,
let us focus on a sleeper for a moment. Let us also assume that she has a wake-
ful servant who brings her food and that the food is derived from plants that
have been considerately harvested, fruit that trees have dropped, and animal
products such as milk and honey that are “earned” by taking care of the ani-
mals.40 In such a case, the sleeper’s diet does not cause harm to living creatures
and agrees with justice. If omission is understood as a simple not-doing, such a
sleeper can be said to omit to harm animate creatures. However, I do not think
she abstains in the sense that Porphyry requires on the highest level of virtue.
Rather, she is inactive with respect to harming animate creatures.
Perhaps someone could respond that the sleeper is not choosing her course
of action and that is why she is not omitting to cause harm to living creatures.
However, this raises the question of whether something more is required for an
omission than simply not doing the thing one omits doing. When Randolph
Clarke argues for his claim that omissions are simple not-doings, he takes an ex-
ample of himself going to an exhibition and omitting to touch the artwork at dis-
play.41 Clarke argues that there is nothing in particular he is doing that would
constitute his not touching the art.
However, we can ask whether Clarke needs to choose not to touch the art-
work, even if he is not doing anything in particular such as actively keeping his
hands in his pockets. I suppose most of us are so used to not touching the art-
work at exhibitions that a separate decision is not needed for every exhibition. It
could be argued that the exhibition guests still differ from the sleepers because
they once decided not to touch the artwork. This means, however, that the omis-
sion is no longer a simple not-doing that is nothing at all except the not-touch-
ing; it is the not-touching plus the decision. Clarke himself notes explicitly that
the decision is not needed, not at least an active one, although we might have
decided inactively42 not to touch the artwork. It is not clear that such an inactive
decision is sufficient to distinguish the exhibition guest from the sleeper. There-
fore, it is not clear whether an account like Clarke’s can exclude the possibility
that the sleeper is inactively choosing not to harm living creatures. However,
such an inactive decision not to harm living creatures would hardly be suffi-

||
40 The instructions for rightful use of plants and animal products are found in II 13,1–3 (quot-
ed from Theophrastus) followed by Porphyry with slight modifications in III 26,12.
41 Clarke (2014) 14.
42 Ibid.
Porphyry’s Abstinence, Actions and Omissions | 449

cient for abstinence as Porphyry conceives it. Therefore, I do not think we


should understand Porphyrian abstinence as a simple not-doing such as in
Clarke’s analysis.
One reason why it is not easy to connect Porphyry’s discussion to today’s
philosophy of action is that Porphyry is concerned with general choice of life
rather than individual token actions.43 He also seems to agree with the majority
of ancient philosophers for whom decisions are crucial for actions. Bodily
movements can be disturbed by external factors – and the consequences of
actions even more so. In the following, I shall consider what is needed for Por-
phyrian abstinence in addition to mere not harming animate creatures.

3.3 Actions for the Wakeful


As mentioned, Porphyry targets those who are fully awake and engage in active
reflection on how to act – and act accordingly (cf. actions (erga) in I 29,6 =
107.17). His argument is not meant for athletes, soldiers, manual workers, sail-
ors, orators, or those engaged in public life (I 27,1). Rather, he is concerned with
people who:

(T9) …have thought about who they are and whence they have come and where they
should try to go, and who have principles about food, and about other proper behaviour,
which are different from those in other ways of life.
(I 27,1 = 104.22–25; Clark’s translation slightly
modified)44

To live such a life, it is not sufficient just to learn a collection of arguments. If it


were, one could disregard foods and kinds of actions (I 29,5 = 107.12–15). How-

||
43 Brand (1971) 47 argues against von Wright (1963) that one cannot perform general actions
but only particular ones. We need not assume that Porphyry allows one to perform general
actions. However, the crucial choices he talks about are choices of actions or courses of action
generally described. He talks about choosing a life (I 29,6–30,1) and assumes that such a choice
brings along a selection of actions belonging to that kind of a life and excludes others. Even
though the life one should choose is described as being intellectual, this does not mean that it
consists of learning a set of arguments (cf. erga, ‘actions’, in I 29,6 = 107.17).
44 Clark translates “he has thought”. The relevant word, however, is anthrôpos, ‘a human be-
ing’, not anêr, ‘man’, and we know from Ad Marcellam that Porphyry assumed women to be ca-
pable of virtue and philosophy. On abstinence also mentions a female anthrôpos (a pregnant
human woman in III 7,3 = 196.1). Therefore, we should not assume that anthrôpos merely refers
to men. I have changed the form into plural (although it is singular) to avoid having to use a
gendered pronoun.
450 | Miira Tuominen

ever, “we must be purified by words and actions and change our present life for
another” (I 29,6 = 107.15–17).
According to Porphyry, the relevant words and actions separate us from
what is perceptible and our affections related to it (perceptions, appetites, and
feelings), and raise us towards what is intelligible so that we are free from ap-
pearances and affections (I 30,1 = 107.18–21).45 Since he also refers to such ac-
tions in terms of purification (katharthentas in I 29,6 = 107.16–17), they seem to
belong to the higher level in the Plotinian two-fold hierarchy referred to above
(Enn. I 2 [19] 3). Purification as a higher virtue for Plotinus includes two aspects:
the downward-looking and the upward-looking one. The former is concerned
with detachment from bodily concerns and the latter with focusing one’s gaze to
what is intelligible,46 and it is exactly in this way that Porphyry describes the
actions for the wakeful.
The “downward-looking” actions are described in negative terms, i.e., not
focusing one’s life on bodily concerns or not being preoccupied with percep-
tions and affections (or their objects). By contrast, the “upward-looking” aspect
means focusing one’s gaze on the intelligible objects that is only possible when
one has been sufficiently detached from the affections of the body. This sug-
gests that if there is an action or action type that the agent does to prevent her
from causing harm to animate creatures, it should probably be understood as
the actions that detach her from the body.
This, however, looks concerning for the claim I have made earlier, namely
that Porphyry’s abstinence should not be understood as mere not-doing. If it
turns out that the additional factor is defined in negative terms as not doing
something, this seems to imply that we need to add a not-doing (not being con-
cerned with the body) to the not-doing of abstaining from causing harm to ani-
mate creatures.
Although Porphyry describes the actions for the wakeful as detachment
from bodily concerns, I do not think that the relevant additional factor that de-
fines abstinence is the detachment itself. In the hierarchical conception of reali-
ty in late ancient Platonism, the body is inferior to the soul, and the soul is infe-
rior to the intellect. In that framework, what is lower in the hierarchy cannot
properly speaking be the cause of what happens on the higher level. Therefore,

||
45 The Greek for affection is pathos that I have translated more broadly as “affections” when
Clark has “passions”. The terms for a life being free from affections and appearances are apa-
thês and aphantastos respectively (I 30,1 = 107.20).
46 Porphyry elaborated on Plotinus’ hierarchy and separated these two aspects into two dis-
tinct degrees of virtue: purification and theoretical virtue (Sentence 32.33–62 in Brisson [2005]).
Porphyry’s Abstinence, Actions and Omissions | 451

it would seem that defining the best life including abstinence in terms of de-
tachment from the body would conflict with the order of things.
If we consider this from another perspective, life of intellect and virtue re-
quires practice. We human beings are fallen or descended to a bodily life, and
our task is to return to our origin, i.e., the intellect.47 Fallen as we are to this life,
we are surrounded by material objects and have reactions (perceptions and
desires) concerning them. If we have chosen to strive for the highest possible
life of philosophy and the highest virtue, we need to do something to prevent
ourselves from being occupied by bodily concerns and from being carried away
by desires. The actions that detach us from the body can be seen to function in
this role. The real nature of the best life, however, is not the detachment.
The point can be illustrated by someone who stops smoking. That person
can perhaps invent another action, stretching, chewing gum, playing on the cell
phone, reciting verses in her mind, and what not to help her not to smoke. At
first, when she learns the new habit, she needs those other actions to prevent
her from smoking. However, when she gets used to not smoking, she can let go
of the substitute activity. Now the question is whether she becomes inactive
with respect to smoking. More importantly, does this mean that there is nothing
at all she is doing when refraining from smoking in that new situation, and if so,
what are the consequences for Porphyry’s abstinent person?
The example can seem to suggest that abstinence in fact is a not-doing quite
like the person’s non-smoking when she has got used to it. In order to see what
follows from these considerations, however, it is important to distinguish be-
tween the following actions relevant to the abstinent person. One type of ac-
tions is involved when the person is still struggling inside, working and practic-
ing to become detached from the desires and other affections of the body. On
that level, the person can be likened to the person who has just stopped smok-
ing or the police officer in the example discussed above. In order not to φ (such
as to harm animals and eat meat), the person is doing ψ, whatever it is that
enables her to not give in to the desire for the pleasure of eating meat, for in-
stance. By contrast, the person who has already achieved the higher level of
virtue and does not need to struggle inside in order to live the kind of life she
has chosen, does not need such substitute actions. I do not think, however, that

||
47 Porphyry’s description of our human condition and our goal as the life of intellect becomes
increasingly metaphorical when he proceeds (I 28–45), referring to people who have left their
homeland (I 30) and are living in a foreign country (perceptible world), striving to get back and
working to not get enchanted (I 28) by the new environment.
452 | Miira Tuominen

such a person is inactive in a way the person is who is sleeping in another room
when the phone rings.
In order to see why, let us consider one more example. A person is born to a
Buddhist ashram in which the greatest possible abstinence from causing harm
to living creatures is observed. Such a person probably then adopts the way of
life practiced around him as the way people live their lives. However, it has
never even occurred to him that another kind of life could also be chosen if one
lived in different circumstances. This person can, in my view, be said to be inac-
tive with respect to causing harm to animate creatures and merely not doing the
things Porphyry requires those striving for the greatest possible assimilation to
god to refrain from. This is because eating meat and causing harm to animals
are not relevant to his course of action. By contrast, even though the person
who has acquired higher virtue does not need to struggle inside in order to life
the life in accordance with such a virtue, she is not quite like the person born to
the ashram. One crucial factor that makes a difference between the two is a
choice of life and a choice to live according to the principles that accord with
such a life. The person who has acquired higher virtue and does not suffer from
inner conflict living in accordance with it has made such a choice. The person
born to the ashram has not. Moreover, a person living the life of intellect in
accordance with higher virtue also has to eat, at least on most days, and this
makes the question of which nourishment to choose relevant to her course of
action. She is faced with the choice of what to eat every time when she eats, and
similarly with all her actions. In order to live the life of intellect, she needs to
choose and act in accordance with virtue, not only according to a habit or in a
life copied from others.
In fact, Porphyry describes the kind of abstinence he is talking about not
just by not eating this or that but by the attitude that if it were possible to not eat
at all, one would choose to do so (I 38,1). Moreover, the concept of nourishment
changes for the person with higher virtue. Such a person aims at fattening her
soul and intellect while giving the body what is sufficient to keep it alive
(III 27,11 and IV 20,10–11). While it does not probably cause an inner conflict for
a person with higher virtue, she still needs to choose her actions consciously.48

||
48 There is a debate about whether such a conception entails the so-called multiple operation
view according to which it is possible to exercise intellectual virtues and the virtues related to
the body and the tripartite soul simultaneously, a view that, according to Brittain (2003) 231–
233, Porphyry rejects. I do not think my account necessarily leads to the multiple operation
view. Rather the normative focus of attention on the intelligibles as the general orientation of
one’s action means that one lives the life of intellect. Although attention in the psychological
sense of paying attention to what goes on is moved to the body and the tripartite soul when
Porphyry’s Abstinence, Actions and Omissions | 453

Finally, as opposed to a person who is merely not doing something (φ) and
perhaps entirely inactive with respect to φ, there are specific types of actions
that the person with the higher virtue is engaged in. In the following passage,
Porphyry describes god (the greater in the universe, i.e., the demiurge) as the
object of assimilation as follows:

(T10) The greater in the universe does not cause any harm, and itself by its power safe-
guards all (sôstikon pantôn), does good to all (eupoiêtikon pantôn), and lacks nothing
(aprosdees pantôn); whereas we are unharming to all through being just, but by being
mortal we lack necessities.
(III 26,11 = 224.13–17; Clark’s translation
modified)

This passage makes clear that although our mortal nature prevents us from
being assimilated to god in self-sufficiency – we need things to survive –
assimilation is possible with respect to justice, protectiveness, and beneficence.
One suggestion could be that the actions that distinguish abstinence from
mere not-harming are actions of protectiveness and beneficence. Those are the
virtues that are described in positive terms, while justice is seen as the virtue
that makes us unharming towards everything, i.e., all animate things in the
context (224.5). It seems that while abstinence from causing harm to living crea-
tures is necessary for being protective and beneficent towards them, it is not
sufficient. Abstinence can include not killing, not causing pain and not restrict-
ing the life of an animate creature, whereas at least beneficence seems to re-
quire more, e.g., providing nourishment, care, and other conditions for the kind
of life that is in accordance with the nature of the living being in question.
What the abstinent person is doing is also described in terms of the general
ideal of assimilation to god. For us it might seem strange to say that someone is
busy assimilating themselves to god when abstaining from animal food. How-
ever, if we substitute the ideal of assimilation with something like ‘striving to
live in accordance with one’s ethical principles’, it does not seem so far-fetched
any longer. Similarly, it is possible to give a positive account of what the non-
smoker is doing if she, for example, stopped smoking because she chose a
healthier life or because she thought that the cigarette industry is not fair to-
wards the workers. In those cases, it is not merely that she is not smoking. Ra-

||
needed, this does not interrupt the life of intellect. Such a life is dependent on the overall
choices and actions and the general orientation of the agent, not on entirely uninterrupted
psychological attention on the intelligibles. For the distinction between the two kinds of atten-
tion, see Wilberding (2008) 390–391.
454 | Miira Tuominen

ther, she is living another kind of life (a healthier or more socially and political-
ly conscious one) and smoking is not in accordance with such a general choice
of life.

4 Conclusion
In this essay, I have argued that abstinence as Porphyry conceives it is partly
constituted by restraint from causing harm to animate creatures, including
plants. In addition, I have argued that such abstinence should not be under-
stood as simple not-doing but requires an additional factor, a choice of life that
is the best possible that human beings can live and agrees with the highest ethi-
cal principles. Although the description of such a life in terms of assimilation to
god probably sounds strange from today’s perspective, I have suggested that
the abstinent person’s restraint from causing harm to animate creatures can be
likened to a person who consciously lives in accordance with her moral or polit-
ical principles or has chosen a healthier life.
More importantly, I would like to suggest that this analysis perhaps has im-
plications to today’s discussion of such actions as boycotting, fasting, dietary
choices or not flying for ethical and/or environmental reasons. When people
choose not to fly because of environmental reasons or make dietary choices on
ethical grounds, we can perhaps say that they omit flying or, say, eating meat.
However, analyzing their actions merely in terms of not-doing (not-flying or not-
eating something) would not, in my view, give an accurate description. Rather,
they do not fly or eat meat because they are following their own principles and
those principles exclude flying. Moreover, what they are doing should not mere-
ly be described by some substitute activity such as the police officer keeping his
hands in his pockets but in terms of a life choice and actions that accord with it.
Perhaps someone could respond that this is simply a difference relevant in mor-
al philosophy. While following one’s principles is relevant in moral philosophy,
as actions the not-flying or not-eating-meat are entirely like Randolph Clarke’s
example of him forgetting to buy milk on his way home.
However, an account that takes both actions simply as not-doings and noth-
ing more, does not seem convincing to me. Especially refraining from actions
(such as flying, eating meat, or buying certain products) for ethical and/or envi-
ronmental reasons seems to require more than simple not-doings. One might be
too lazy to travel, like a sleeper. In such a case the person’s not-flying seems
rather different from the case of principled choice of life in which flying is ex-
cluded by the principles that constitute the relevant way of life. Insofar as mere
Porphyry’s Abstinence, Actions and Omissions | 455

bodily movements are concerned, their motions can seem rather similar. How-
ever, to exclude choices, decisions and the person’s inner life in such a way
from what actions are does not seem plausible. In general, refraining from do-
ing something that is against one’s principles seems more like acting. It requires
choice unlike sleeping in the next room when the phone rings.

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Acad. Pr. Academica Priora (Lucullus) Dion. Dionysiaca
Adv. Col. Adversus Colotem Diss. Dissertationes
Adv. Math. Adversus Mathematicos DK Diels / Kranz Die Fragmente der Vor-
Aët. Aëtius sokratiker
Alex. Aphr. Alexander von Aphrodisias
An. post. Analytica posteriora
An. pr. Analytica priora Ecl. Eclogae Physicae et Ethicae
An. pr. In Aristotelis Analyticorum Pri- EE Ethica Eudemia
orum Librum I Commentarium EN Ethica Nicomachea
Ap. Apologia Socratis Ench. Encheiridion
Ath. pol. Athenaion Politeia Enn. Enneades
Att. Epistulae ad Atticum Ep. Epistulae Morales
Epict. Epictetus
Euseb. Eusebius
Ben. De Beneficiis Euthphr. Euthyphro

Cael. De Caelo Fat. De Fato (Alexander von Aphrodisias)


CAG In Aristotelem Graeca Commentaria Fat. De Fato (Cicero)
Cat. Categoriae Fin. De Finibus Bonorum Et Malorum
Charm. Charmides
Cic. Cicero
Clem. Al. Clemens Alexandrinus Gal. Galenus
CPF Corpus dei papiri filosofici greci e Gen. an. De generatione animalium
latini Gen. corr. De generatione et corruptione
Crat. Cratylus Grg. Gorgias
Crit. Crito

Hell. Hellenica
De abst. De Abstinentia ab Esu Animalium Her. Heroides
(On Abstinence) Her. F. Hercules Furens
De an. De anima Hipp. Hippolytus (Hippolytos
De An. Pecc. Dign. De Animi cuiuslibet Stephanêphoros)
Peccatorum Dignotione et Curatione Hist. an. Historia animalium
De Cherub. De Cherubim
De Comm. Not. De Communibus Notitiis
Adversus Stoicos In Arist. Phys. In Aristotelis Physicorum
De Pass. De Passionibus Libros Quattuor Priores Commentaria
De Plac. Hipp. et Plat. De Placitis In Arist. Top. In Aristotelis Topicorum
Hippocratis et Platonis Libros Octo Commentaria
De Stoic. Rep. De Stoicorum Repugnantiis In De an. In Libros Aristotelis De anima
De Virt. Mor. De Virtute Morali Commentaria (Simplicius)
Dial. Dialogoi In De an. In Libros Aristotelis De anima
Diog. Laert. Diogenes Laertios Paraphrasis (Themistius)

https://doi.org/10.1515/9783110735598-021
460 | Verzeichnis der Abkürzungen

In Eth. Nic. In Ethica Nicomachea Plot. Plotin


Commentaria Plt. Politicus
In Hipp. de Off. Med. Comm. In Hippocra- Plut. Plutarch
tis de Medici Officina Commentarius Poet. Poetica
In Plat. Parm. In Platonis Parmenidem Pol. Politica
Commentaria Praep. Evang. Praeparatio Evangelica
Insomn. De insomniis Procl. Proclus
Int., 2. ed. In Librum Aristotelis Peri Prov. De Providentia
Hermêneias, Secunda Editio Prt. Protagoras
Ps.-Andr. Ps.-Andronicus
PSI Pubblicazioni della Società Italiana
La. Laches per la ricerca dei papiri greci e latini
Leg. Leges in Egitto (Papiri greci e latini)
Leg. Alleg. Legum Allegoriae
LS Long / Sedley The Hellenistic Philoso-
phers QNat. Quaestiones Naturales
Ly. Lysis Quod Deus sit immut. Quod Deus sit
immutabilis

Med. Medea
Med. Meditationes R. Respublica (Politeia)
Mem. De memoria et reminiscentia Rh. Al. Rethorica ad Alexandrum
Men. Meno Rhet. Rhetorica
Met. Metaphysica Ref. Refutatio Omnium Haeresium
MM Magna Moralia
Mot. an. De motu animalium
Sen. Seneca
Sens. De sensu et sensibilibus
Nat. D. De Natura Deorum Sext. Emp. Sextus Empiricus
Simpl. Simplicius
Somn. De somno et vigilia
OCT Oxford Classical Text Soph. Sophista
Oec. Oeconomicus Stob. Stobaeus
Off. De Officiis Strom. Strômata
Ov. Ovid SVF Stoicorum Veterum Fragmenta
Symp. Symposium

Part. an. De partibus animalium


PCG Poetae Comici Graeci Them. Themistius
PH Pyrrhôneiai hypotypôseis Tht. Theaetetus
Phaedr. Phaedra Thuk. Thukydides
Phd. Phaedo Ti. Timaeus
Phdr. Phaedrus Top. Topica
PHerc. Papyri Herculanenses Tusc. Tusculanae Disputationes
Phlb. Philebus
Phys. Physica
Plac. De Placitis Xen. Xenophon
Verzeichnis zitierter Autorinnen und Autoren
Achtenberg, Deborah 223, 224 Bringmann, Klaus 307
van Ackeren, Marcel 372 Brisson, Luc 445, 450
Ackrill, John 222 Brittain, Charles 429, 438, 452
Adam, James 88 Broadie, Sarah 39, 42, 53, 191, 193, 196,
Ahonen, Marke 386 201, 202, 222
Alessandrelli, Michele 331–33 Brock, Stephen 191
Alesse, Francesca 84, 85, 343 Bronowski, Ada 332, 339
Algra, Keimpe 350 Brown, Eric 143
Allen, James 330 Brown, Lesley 219, 222
Ampolo, Carmine 318 Bruit Zaidman, Louise 321
Annas, Julia 36, 229, 329, 334, 337, 339 Brüllmann, Philipp 212, 220
Anscombe, Gertrude 173, 192, 198, 199, Buddensiek, Friedemann 229, 230, 264
206 Burckhardt, Jacob 313
Asmis, Elizabeth 353 Burkert, Walter 18, 29
Atherton, Catherine 331, 332 Burnet, John 59
Aubert, Hermann 277 Burnyeat, Myles 262, 266, 269, 283, 330
Aucher, Johann 443 Busse, Adolf 440
Ax, Wilhelm 349

Caluori, Damian 438, 443


Barnes, Jonathan 107, 113, 118, 124, 136, Cammack, Daniela 298
438 Campbell, Lewis 91
Barney, Rachel 334 Carone, Gabriela 76
Barton, Carlin 398 Carpenter, Amber 439
Bassi, Domenico 353 Chase, Michael 440
Bénatouïl, Thomas 92, 334, 350 Chaumartin, François–Régis 362
Bernstein, Frank 314 Clark, Gillian 433, 436, 438
Betegh, Gábor 45–47 Clarke, Randolph 433, 434, 448
Bett, Richard 343 Coles, Andrew 276–78
Bien, Günther 209 Cooper, John 335
Blackburn, Simon 206 Corcilius, Klaus 107, 108, 111, 122, 123,
Bobonich, Christopher 76, 143 125, 127–29, 131, 133, 135, 139, 141,
Bobzien, Susanne 330, 352, 354, 355, 357 142, 144, 151, 153–55, 159, 182
Boeri, Marcelo 337, 338 Crönert, Wilhelm 353
Bonitz, Hermann 247 Crowley, Timothy 168
Börm, Henning 314, 317 Curzer, Howard 267
Bostock, David 39, 59, 60, 67, 70
Bouffartigue, Jean 436, 437, 442
Boyle, Matthew 109–13, 117 Dalfen, Joachim 371
Brand, Myles 433, 435, 447, 449 Dancy, Jonathan 214
Brandwood, Leonard 84 Daube, David 251
Bremer, Jan 240–42 Davidson, Donald 75
Brennan, Tad 329, 339, 375 Davison, Gerald 406
Brickhouse, Thomas 76 Denniston, John 22

https://doi.org/10.1515/9783110735598-022
462 | Verzeichnis zitierter Autorinnen und Autoren

Destrée, Pierre 76 Gallop, David 35, 39, 48, 50, 59, 67


Diels, Hermann 17–19, 25, 29, 353, 366 Ganson, Todd 143
Dihle, Albrecht 352 Gaskin, Richard 374
Dingel, Joachim 389 Gauthier, René 257
Dirlmeier, Franz 209, 220, 247 Geach, Peter 206
Dixsaut, Monique 91, 96, 101 Gehrke, Hans–Joachim 313, 314, 324
Dobbin, Robert 352 Gemelli Marciano, M. Laura 18, 22, 25, 27
Dodds, Eric 86, 398 Gill, Christopher 389, 396, 397, 400
Dombrowski, Daniel 436, 438 Girgenti, Giuseppe 438
Donini, Pierluigi 335 Godley, Alfred 303
Dössel, Astrid 317 Gottlieb, Paula 302
Dover, Kenneth 228 Gourinat, Jean–Baptiste 372, 377
Dragona–Monachou, Myrto 350 Graeser, Andreas 197
Düring, Ingemar 440 Graver, Margaret 329, 335, 352, 362, 406
Dyck, Andrew 353 Gray, Benjamin 319
Gregoric, Pavel 108, 111
Griffin, Miriam 362, 382
Ebert, Theodor 58–61, 63, 67, 186 Grote, Oliver 318
Ebrey, David 34, 35, 59 Grube, George 59
Edwards, Gemma Fay 436, 439, 440, 442, Gutas, Dmitri 437
443 Guthrie, William 25
El Murr, Dimitri 82, 87, 89–92, 96, 99,
101–103
Emilsson, Eyjólfur 443 Hackforth, Reginald 48, 50, 59
Essler, Holger 353 Hadot, Pierre 377–79
Halbig, Christoph 203, 215
Hansen, Mogens 309, 313
Farquharson, Arthur 371 Hard, Robin 376, 379–81
Ferella, Chiara 22 Hardie, William 173, 227
Fernandez, Patricio 182 Harsh, Philip 240
Ferro, Antonio 171 Harte, Verity 93, 160
Fine, Gail 47, 48, 160 Haßkamp, Dorothee 308
Flaig, Egon 313 Heldmann, Konrad 389
Flashar, Hellmut 245, 257 Henry, Denis 397
Ford, Anton 188 Hey, Oskar 240, 242
Forschner, Maximilian 401, 406 Hicks, Robert 151
Fortenbaugh, William 437 Hill, Timothy 397
Fossheim, Hallvard 267 Höffe, Otfried 210
Frede, Dorothea 60, 67, 70, 212, 213, Hoffmann, Magdalena 267
216–21, 225, 262, 350 Horn, Christoph 60, 67
Frede, Michael 33, 35, 331, 335, 355 Hosius, Carl 364
Friend, John 324 Humphreys, Sarah 290
Fuhrmann, Manfred 245

Inciarte, Fernando 191, 192


Gaca, Kathy 394 Inwood, Brad 247, 329, 335, 337, 339,
Gagarin, Michael 248 352, 362, 376, 415
Verzeichnis zitierter Autorinnen und Autoren | 463

Ioppolo, Anna Maria 330 Lintott, Andrew 313


Irwin, Terence 76, 214 Lipsius, Justus 228
Lockwood, Thornton 323
Loening, Richard 256
Jackson, Henry 244, 250, 251 Loening, Thomas 308
Jaeger, Werner 209, 220 Long, Alex 59
Jagannathan, Dhananjay 293 Long, Anthony 337,349, 376
Jäger, Gerhard 72, 73 Loraux, Nicole 308
Janko, Richard 20, 24, 26 Lord, Carnes 324
Jedan, Christoph 376 Lorenz, Hendrik 76, 143, 156, 158
Joachim, Harold 221, 227 Louden, Robert 220, 228
Johansen, Thomas 52, 108, 115, 126, 148, Lurje, Michael 235, 245, 257
151, 153–55, 157, 159
Jolif, Jean 256, 257
Jordović, Ivan 317, 320 Mackie, John 35
Manetti, Giovanni 334
Mansfield, Jaap 350, 366
Kahn, Charles 352 Martin, Alain 19, 27, 30
Kamtekar, Rachana 33, 58, 68, 70, 71 Maschke, Richard 256
Kant, Immanuel 196, 225 Massaro, Alma 442
Karamanolis, George 438 McDowell, John 109, 110, 262
Karbowski, Joseph 212, 225 McGowan Tress, Daryl 272
Kauffmann, Clemens 61 McNaughton, David 214
Kenny, Anthony 250 Meier, Christian 319
Kersting, Wolfgang 267 Meijer, Piet 350
Kiesel, Dagmar 387, 388 Mele, Alfred 173
Kietzmann, Christian 188 Menn, Stephen 36, 37, 73
Kingsley, Peter 19, 27 Merzlak, Regina 391
Kirichenko, Alexander 409, 410 Meyer, Eduard 307
Klein, Jacob 334 Miller, Fred 295
Kolnai, Aurel 173 Millgram, Elijah 173
Kraut, Richard 224, 228, 284 Morrow, Glenn 83
Kübler, Bernhard 256 Moss, Jessica 140, 143, 163, 166, 173
Kugelmeier, Christoph 405, 410 Most, Glenn 29
Kullmann, Wolfgang 162 Müller, Jörn 76, 263, 396, 397, 399, 400,
430
Munn, Mark 307
Labarrière, Jean–Louis 334 Murray, Oswyn 311, 320
Laks, André 29, 37
Lane, Melissa 90–93, 98, 99
Lee, Henry 247, 248 Neale, John 406
Lefèvre, Eckard 253, 393 Németh, György 307
Lehmann, Gustav 307 Nettleship, Henry 94
Lennox, James 36, 39, 49, 126, 162 Newmyer, Stephen 438
Lewis, David 312 Nielsen, Karen 212, 217, 230
Lienemann, Béatrice 247 Nietzsche, Friedrich 325
Link, Stefan 320 Nussbaum, Martha 173, 335
464 | Verzeichnis zitierter Autorinnen und Autoren

O’Brien, Denis 25 Rowe, Christopher 50, 59, 81, 88, 91, 191,
O’Meara, Dominic 445 222
Odzuck, Sebastian 77 Rufener, Rudolf 59
Olfert, Christiana 191, 194, 197, 200, Russell, Daniel 262
203–205
Osborne, Catherine 27, 436, 438, 440
Osborne, Robin 315 Sakezles, Priscilla 330
Ostwald, Martin 240, 243 Salles, Ricardo 329, 330, 337, 338, 355,
Owens, Joseph 215 361
Samaras, Thanassis 295
Sandys, John 94
Pakaluk, Michael 191 Santas, Gerasimos 173
Patillon, Michel 436, 437, 442 Sattler, Barbara 35
Patterson, Richard 50 Schmitt, Arbogast 253
Pearson, Giles 145, 153, 160, 167 Schmitt Pantel, Pauline 321
Pease, Arthur 351 Schmitz, Winfried 317
Pellegrin, Pierre 322, 323 Schofield, Malcolm 251, 376, 377, 430
Penner, Terry 76 Schütrumpf, Eckart 322, 323
Peramatzis, Michail 155 Scott, Dominic 211, 212
Pomeroy, Arthur 372–74, 376, 377 Scott, Robert 73
Powell, Jonathan 352 Sedley, David 22, 35, 36, 45, 46, 49, 51,
Price, Anthony 302 59, 86, 337, 349, 350, 374, 376, 386
Prichard, Harold 209, 210 Sellars, John 371, 376, 379
Primavesi, Oliver 15, 19, 21, 22, 24, 27, Sergi, Emilia 313
30, 127–29 Setaioli, Aldo 362
Prior, Arthur 113 Sharma, Ravi 59
Sharples, Robert 331, 338
Shear, Julia 308
Radice, Roberto 337 Sherman, Nancy 251, 252, 262, 272, 280
Radici Colace, Paola 313 Shields, Christopher 143
Rapp, Christof 136, 223, 224, 245, 246, Skemp, Joseph 95
248 Smith, Nicolas 76
Reeve, Charles 76 Smith, R. Scott 401
Reydams–Schils, Gretchen 350 Sorabji, Richard 251, 257, 262, 272, 438
Reynolds, Leighton 438 Spiecker, Ben 268
Rhodes, Peter 312, 315 Steutel, Jan 268
Rhonheimer, Martin 209 Stevens, John 330, 337
Richardson Lear, Gabriel 196, 202, 217 Stewart, John 250, 251
Ricken, Friedo 209, 216, 222 Stone, Isidor 309
Riess, Werner 313 Striker, Gisela 337
Rist, John 374 Stroud, Sarah 77
Rodier, Georges 151 Summa, Laura 267, 275, 280
Rogan, Esther 323 Svirsky, Larisa 77
Rösler, Wolfgang 237, 245, 255, 256, 257
Ross, William 50, 218, 221, 225, 226, 230,
231, 247 Thomas von Aquin 191, 193, 196
Thür, Gerhard 228
Verzeichnis zitierter Autorinnen und Autoren | 465

Tiersch, Claudia 320 van Wees, Hans 313


Togni, Paolo 337 Weidemann, Hermann 330
Tonelli, Angelo 27 Wellmann, Tom 21, 26, 28, 30
Trépanier, Simon 22, 25 Welwei, Karl–Wilhelm 307, 320
Tsekourakis, Damianos 337 Wessels, Antje 389
White, Stephen 329, 339
Whiting, Jennifer 139, 153
Ullucci, Daniel 437 Whittaker, John 442
Urmson, James 221 Wieland, Wolfgang 215, 224, 228, 229
Wiggins, David 173, 214
Wilberding, James 453
Vasiliou, Iakovos 275, 445 Williams, Bernard 398, 413
Veillard, Christelle 362 Willmann, Otto 272, 279
Vigo, Alejandro 202 Wimmer, Franz 277
Vlastos, Gregory 35, 48, 59, 60 Winterbottom, Michael 438
Vogt, Katja 406 Wolf, Ursula 219, 222, 262, 266
Wolpert, Andrew 308
Woods, Michael 247
Waldron, Jeremy 298 Woolf, Raphael 247, 421
Walker, Bessie 397 Wray, David 398
Walter, Uwe 307, 318, 320 von Wright, Georg 65, 449
Weber, Simon 310 Wynne, John 360
Sachregister
Absicht 199, 200, 214, 254, 268, s. akrasia 76, 396, 397, 400, 403, 404,
intention; prohairesis 408, s. innerseelischer Konflikt;
abstinence 433–57, s. omission; refrain; mental conflict
vegetarianism – akratische Handlung / akratisches
action 371, 380–83, s. Handlung / Handeln 76, 253
Handeln – Mangel an Selbstkontrolle 140, 141,
– alternative action 350, 355, 359, 365 165, 169
– and language 331 – Unbeherrschtheit 253, 324
– for the community 289, 292, 294, 301, akratês 165
302, 304, 305 Akteurschaft s. agency
– from office 289, 290, 294–98, 300–5 ameleia s. Schuld
– intelligent human action 54–79 – Fahrlässigkeit 255
– necessitated action 358, 359, 361, – Nachlässigkeit 251, 254, 255
364–67, s. necessitation Amnestie 308
– spontaneous ethical action 371, 381, Amt s. archê / office
382 animal self-motion 127, 128, 130–32, 135,
– virtuous action 382, 383 s. Seelenvermögen zur
– volitional action 350, 351, s. volition; Ortsbewegung
willentlich arational / nicht-rational s. Lebewesen /
– to do what seems best 33, 39, 54 nicht-rationales; non-rational
adikia / adikêma s. Gerechtigkeit; justice archê s. action from office
– causing harm 443 – office 82, 289, 290, 294–305
– Unrechtstat 241, 243–49, 252, 253, 257 – rule 294–97, 300, 304
Affekt 385, 386, 395–406, 409, 410, s. aretê s. Tugend; virtue
pathos Argumentrezeptivität 280, 284, 285; s.
– Voraffekt 395–98 Vernunft / Empfänglichkeit des
agency 354, 359, 362, 364, 365, 413–31, Kindes für Vernunft
s. intelligence Aristie-Ideal 316, 317
– political agency 289–304 assent 329, 330, 333–41, 343–46, s.
agnoia s. Schuld Zustimmung
– Unbekümmertheit des Verstandes 16– assimilation to god 435, 436, 444–46,
18, 31, s. intellektuelles Versagen 452–54
– Unwissenheit 238, 242–46, 249, 250, Assoziation, politische 307–20, s.
253–55 community; Dissoziation;
– Wahn, pathologischer vs. alltäglicher Gemeinschaft
385–410 Athen 307–13, 316, 318–21, 324
aitia s. synaition (auxiliary cause) atychia / atychêma (Unglücksfall) 243,
– cause 33–55, 86, 95, 96, 100, 103 245, 246, 248, 254
– contributory cause 52, 53 autepitaktikê technê (self-prescriptive art)
– formal cause 33, 35 90, 94–96 s. epitaktikê technê;
– Grund 58–62, 66 prescription
– material cause 33, 35, 38, 43, 46 aversion (aphormê) 336, 337, 342–44, s.
– Vorstellung des Besten als Grund der Impuls
Handlung 61

https://doi.org/10.1515/9783110735598-023
468 | Sachregister

Begehren / Begehrensvermögen / Denken 176–82, 186, s. nous


Begierde 146, 152, 156–58, 183, s. – Zusammendenken 181, 182, 184
desire; epithymia; orexis depending on us 354, 355, s.
Bewegungsprinzip 266, 267, s. responsibility
Seelenvermögen zur Ortsbewegung desire 109, 117, 119, 127–33, 135, s.
Bewegungsursache Begehren, epithymia, orexis
– externe / innere Bewegungsursache dianoia s. Denken
250 diaspan (Auseinanderreißen der
boulêsis (wish, Wunsch) 128, 132, 133, Seelenteile) 145, 148–52, 154, 162,
149, 150, 163–67, 177, 184, 216, 274, 163, s. orexis / Einheit des
338, 354, s. voluntas Strebevermögens; parts of the soul;
Bürger 307–11, 317–21, 323–25, s. citizen Seelenteile; unity of the soul
Bürgerstaat s. polis Dissoziation, politische 307–18, s.
Assoziation
divine being 350, 363, s. volition / divine
cause s. aitia – creates and governs the universe in the
character 54, 55, 88, 101, 364, 382, 383, best possible way 350
s. Charakter – God 349–51, 354, 359–62, 365, 366
Charakter 214, 237–40, 242, 243, 263, – immutable will 362
275, 283, 286, s. character – Zeus 349–51, 359–61, 366
– Charakterformung 283–85, s. Doctrine of the Wisdom of the Multitude
Habituation (DMW) 298
choice 351, 354, 359, 361, 365, 366, s. dogmatism vs. scepticism 428–31
hairesis, prohairesis – dogmatist vs. sceptic 428–31
citizen / citizenship 294–305, s. Bürger doxa 62–66, 70, 77, s. judgement;
city-state s. polis Wissen
Clan 311, s. Gemeinschaft Dreißig (Tyrannen) 307–9, 321
commitment 413–16, 419, 428–31
community 289, 292, 294, 296, 297,
299–305, s. action for the education s. paideia
community; Assoziation; Ehre 324, s. honourable
Gemeinschaft Einheit s. Assoziation; diaspan;
constitution s. politeia Gemeinschaft; orexis / Einheit des
craft expertise 43, 44, s. technê Strebevermögens; unity; unity of the
craftsman 85–89, 99 soul
– craftsmanship 83, 86, s. political Elemente (Naturphilosophie) 20–24, 29
expertise Eleusis 308
– divine craftsman (Demiurge) 86, 99– empeiria (Erfahrung) 177, 184
103 Enthaltsamkeit s. abstinence
Entscheidung s. prohairesis
Entschluss s. prohairesis
dei s. Sollen Entschuldigung / entschuldbar 236, 239,
deliberation / practical reasoning 33, 243, 255–57
382, s. praktische Überlegung Ephebie 321, 324
Demiurge s. craftsman epitaktikê technê (prescriptive art) 82,
Demokratie 307, 308, 318, 319, 322 90, 93–95, 98, 100, s. autepitaktikê
dêmos 310, 312, 319, 320 technê; prescription
Sachregister | 469

epithymêtikon 146 Gewöhnung 310, s. Habituation


epithymia 128, 157, 165, 184, 273, 274, s. Gleichheit 321
Begehren; desire; orexis; Streben – proportionale Gleichheit 322
Erfahrung s. empeiria – Ungleichheit 321
Erinnerung s. mnêmê Glücksethik 217, 218
Erklärung von Handlung 57, 58, 61, 65– goal s. telos
67, 69, 70, 77, s. Syllogismus / good life 296, 375, 413, 416, 427, s.
praktischer eudaimonia; gutes Leben
Erwartung s. paralogos – lived openly 414, 419, 421–24, 427, s.
Erziehung 323, 324, s. paideia integrity; transparency
– moralische Erziehung 216, 261, 268, Grund s. aitia
269 gut / schlecht 177, 179, 183, 184, 186, s.
eudaimonia 196, 217, 218, 296, s. good per se schlechte Handlung
life; gutes Leben – das Gute 177, 182
euhexia (gute Haltung) 324 – Gut 180, 181, 183
eupraxia 196, 201, 204, 205 gute Haltung s. eutaxia, euhexia
eutaxia (gute Haltung) 324 gutes Gefühl (eupatheia) 385, 397, 399,
Exil 307, 319 406
explanation 33–45, 48, 49, 52, 54, s. gutes Leben 310, 312, s. eudaimonia;
Erklärung von Handlung good life
Gymnasion 324

Familie 311, 320, s. Gemeinschaft


Fehler 235–57 Habituation 135, 261–63, 266–69, 280,
form 33, 35–37, 47–50, 53 283–86
Freundschaft s. philia hairesis 63, 68, 70, s. choice
hamartia s. Fehler
Handlung / Handeln 16–18, 28, 31, 57–
Gegenstand des Strebens s. orekton 72, 75–79, 174, 183, 186, 261–64,
Gemeinschaft 211, 229, 271, 286, 310, 266, 268, 269, 282, 283, 285, s.
311, 317, 318, 320, 321, 324, s. action; agnoia; Erklärung von
Assoziation; Clan; community; Handlung; Fehler; per se schlechte
Familie; genossenschaftlicher Handlung
Zusammenschluss; Geschlechter; – akratisch 76, 253
Hetairien; Phratrie; Phyle; Stämme; – aus Gründen 57–79
Symposion; Syssitien; – in Unwissenheit 254, 255
Verwandtschaft – irrational 57
Gemeinsinn 178 – mit Vernunft 57–79, s. intelligence
genossenschaftlicher Zusammenschluss – Opferhandlung 16, 17
312, 320, s. Gemeinschaft – plötzlich 255
Gerechtigkeit 317, 321, 322, s. adikia / – rational 57, 58, 66, 68, 69, 71, 72, 78
adikêma; justice – schuldhaftes Handeln 15–17, 20, 29,
Geschlechter 311, s. Gemeinschaft 31, s. Schuld
Gesetz 211, 212, s. law; nomos – tugendhafte Handlung 263, 264, 267,
Gesetzgebung 241, s. lawgiver; 269, 280, 283, 286, s. Tugend
legislation Handlungsimpuls s. Impuls
Gewalt 314, 315 Handlungsurheberschaft s. agency
470 | Sachregister

Herstellen 173, 186–88 kairos 98, 100


Hetairien 307, 316, 321, s. Assoziation; Kind / Kindheit 260, 261, 274, 277, 278,
Gemeinschaft 285, s. Erziehung; Gewöhnung;
homeostatic account of self-preservation Habituation; paideia
129 kinêsis s. Ortsbewegung; volition /
honourable 415, 421–25, 427, s. Ehre volitional movements
hormê s. Impuls / impulse – Veränderung 174–81
horos (Handlungsstandard) 221, 222, Klientelbeziehung 311
228, s. Normativität / Kriterium Klugheit 186, 187, s. phronêsis; practical
hypothetisch notwendig 188 wisdom
Konkretisierung von Handlungsnormen
173, 185, 186, 188; s. Spezifikation
Ideologie 319, 320 von Zielen
Impuls / impulse 329, 330, 333, 336–39, Konsens 313, 320
341–45, 349, 350, 354, 386, 396, Korkyra 315, 324
406, s. aversion (aphormê)
inactive (being inactive) 435, 447, 448,
451–53, s. abstinence Laster 385, 394, 396, 397, 399, 404, 406,
innerseelischer Konflikt 140, 165, 168, s. s. Tugend / Charaktertugend; virtue
akrasia; mental conflict law 89, 90, 291, 292, 294–98, 300, 301,
integrity 413–16, 419, 427, 428, 431, s. 342, s. Gesetz; nomos
good life / lived openly; – prescriptive 89
transparency – universal 335, 372, s. nature / universal
intellektuelles Versagen 17, s. agnoia lawgiver 344, 345, s. Gesetzgebung;
intelligence 33, 35–45, 47, 48, 51–55, s. legislation
Handlung / Handeln mit Vernunft; Lebewesen 174–78, 183
logos; nous; Vernunft – nicht-rationales Lebewesen 261, 263,
– divine intelligence 39, 53 273, s. nonrational / animal; Tier
– intelligent agency 33, 44, 53 legislation 90, s. Gesetzgebung; lawgiver
intention / purpose 199, 206, 366, 382, s. Liebe 21–24, 26–29, 31
Absicht; intentionale Akte; logos 262, 269–75, 278–81, s.
prohairesis intelligence; nous; Vernunft
intentional 178, s. intention Lust 177, 179, 183, 184, 266, 269, 271,
– intentionale Akte 174, 176 275, 281–85, s. pleasure
– intentionale Objekte 204

Macht 307, 314, 316


judgement 38, 40–42, s. doxa; value Mangel an Selbstkontrolle s. akrasia
judgement; Wissen Mehrheit 313
justice 291, 371, 376–80, 433, 435–46, – Mehrheitsentscheidung 313
448, 453, s. adikia / adikêma; – Mehrheitsregel 313
Gerechtigkeit Meiden 177–78, s. abstinence
– pre-eminence of justice 379 mental conflict 117, 118, 121, 135, s.
– understood as mutual advantage based akrasia; innerseelischer Konflikt
on agreement 441 mimêsis (Nachahmung) 261, 267
Mitte 219–24, 226, 227
Mittel 173, 180, 188, s. telos; Ziel
Sachregister | 471

mnêmê (Erinnerung) 177, 184 – Verbotsnorm 226, s. Verbot /


model s. paradeigma Tötungsverbot
movement (Stoic) s. kinêsis; volition nous 33, 37, 38, 42, s. intelligence; noos
– divine volitional movement 350, 351, – Vernunft 57, 60, 63, 66–75, 78
361
– volitional movement 349–52, 361, 364
Mut s. thymos Objekt des Denkens 196, 204
Objekt des Strebens 196, 197, 204, s.
orekton
Nachahmung s. mimêsis öffentlicher Raum 311
Nachbarschaft 317, 320 office s. archê
Nachlässigkeit s. ameleia oikos 310
nature 107, 111, 118–21, 124–26, 128–35, Oligarchie 308, 322
s. physis – Oligarchen 307–09, 317, 319, 321, 323
– human nature 373–75, 380 omission 433–35, 446–48, s. abstinence;
– living according to nature 371, 372, refrain; Verbot / Tötungsverbot
374, s. telos orekton s. Objekt des Strebens
– social nature of human beings 371, 379, – Gegebenheitsweise (des Gegenstands
380, s. zôon politikon des Strebens) 159, 167–169, 171
– universal nature 334, 373–75, 379 – Gegenstand des Strebens 145, 150, 159,
necessitation 350, 354, s. action / 164, 166–71
necessitated action; volition / – kognitiver Zugang (zum Gegenstand des
volitional necessity Strebens) 158, 167–70
Niederlage 307, 314, 317 orexis s. Streben
nomos 31, s. Gesetz; law – Einheit des Strebevermögens 145, 160,
non-rational s. teleology 163
– animal 110, 121, s. Lebewesen / nicht- – Strebevermögen 139, 148–60, 162,
rationales 164–66, 168–71
– capacity 116, 135, 136 orthos logos 219, 221, 372, 396
– desire 129, 133, 135 Ortsbewegung 174–80, 183, s.
– goals 132 Seelenvermögen zur Ortsbewegung
– nature 132, 134 – animalische Ortsbewegung 174–80,
– parts of the soul 117 183
– states 131 Ostrakismos 318
noos 29, 30, s. nous
Normativität 192, 194, 197, 199, 200, 203,
205, 206, 210, 212, 213, 217, 218, paideia s. Erziehung
220, 222, s. Sollen / dei; value – education 81, 89, 99, 101, 102
judgement; values pain 40, 41, 54, 119, 129, 131, 133, 134, s.
– Konkretisierung von Handlungsnormen Schmerz
173, 185, 186, 188 – animal capacity to feel pain 438
– Kriterium der Normativität 209, 212, paradeigma
220–22, 224, s. horos – model 86, 88, 99, 100
– normative Operationalisierbarkeit 210, – paradigm 87, 88, 92, 93, 95, 96, 99,
219, 228, s. Spezifikation von Zielen 100
– normativer Gesichtspunkt 222, 224, paradigm s. paradeigma
225
472 | Sachregister

paralogôs – expertise 292, 293


– wider vernünftiges Erwarten 244, 246, – office s. archê
251 – rule s. archê
– mê paralogôs (nicht gegen vernünftige Politik 310, 311, 319–21, s. political
Erwartung) 252, 254, 256 – politische Kommunikation 313, 320
Parteiungen s. stasis – politische Philosophie 317
Partikularismus, ethischer 213 – politische Praxis 310, 324
parts of the soul 107–21, 132, s. diaspan; – politischer Raum 311, 314, 319
Seelenteile; unity of the soul politikê epistêmê 310, s. Politik; politikê
– perceptual part 110, 119, 120, 121, 130, technê
134 politikê technê 85, s. politikê epistêmê
– rational part 109, 116, 119–21, 134 – statesmanship 81–83, 88, 90, 91, 94–
– tripartition 301 102
pathos (Affekt) 282–85 practical knowledge 91, s. practical
Peloponnesischer Krieg 307, 314, 315, wisdom
318 practical wisdom 292, 293, 298, s.
per se schlechte Handlung 226, 229, 230 Klugheit; phronêsis; practical
perception 109–17, 119, 121, 127–30, s. knowledge
parts of the soul; Wahrnehmung praktische Überlegung 64, 195–97, 199–
phantasia 151, 156, 158, 159, 166, 167 201, 203, 205, 206, s. deliberation
philia (Freundschaft) 309, 310, 312, 325 praktische Vernunft 215, s. phronêsis
Phratrie 310, 312, 320, s. Gemeinschaft praktische Wahrheit 191–208
phronêsis 196, 212, 216, 219, 222, 275, – Wahrheitsbedingung 193, 197, 198, 204
280, 281, 290, 292, 293, 305, 341, – Wahrheitsträger 193, 198, 199, 202,
376, 377, s. Klugheit; practical 203, 205, 206
wisdom – Wahrmacher 193, 198, 199
Phyle 310, 312, 320, s. Gemeinschaft praktischer Syllogismus s. Syllogismus
– Phylenreform 318 Präskription s. prescription; Sollen
physis (nature) 371–75, 378–82 prescription 81–85, 88–90, 92–100, 103,
pleasure 40, 41, 54, 119, 128–35, s. Lust 333, 334, 339, 341, 343, 344, s.
plötzliche Handlung 255, 256 epitaktikê technê; Normativität;
Pneuma, angeborenes 179 prescriptive; Sollen
polis 308–14, 316–21, 323–28 prescriptive s. epitaktikê technê; law;
– city-state 290, 291, 294–99, 304 prescription
– Konflikthaltigkeit der politischen – forms of knowledge 92, 97
Strukturen in den griechischen – law 89
Poleis 316 – logos / predicate / proposition /
politeia judgement 330, 335, 336, 339–44
– constitution 297–300 prima facie
– metabolai tôn politeiôn – Geltung 230
(Verfassungsänderungen) 307, 321 – Regeln 217, 225, 226
– Mischverfassung 317 prohairesis 264, 352, 354, s. Absicht;
– Verfassung 311, 315, 321 choice; hairesis; intention; volitional
political s. agency; Politik movements
– action 82, 90 – Entscheidung 312
– animal 290–92, s. zôon politikon – Entschluss 244, 246–48, 253, 256
– Demiurgy s. craftsman – Vorsatz 195, 197, 200, 201, 204–06
Sachregister | 473

pronoia (Vorbedacht) 245, 247, 248 Selbstbewegung s. animal self-motion


Prozess gegen Sokrates 308 Seele s. parts of the soul; Seelenteile;
Seelenvermögen; unity of the soul;
Vermögen der Seele
Rache 307, 314, 315, 317 Seelenteile / Einteilung der Seele 139–
Rationalität 72, 76, 78, s. rationality 52, 154–57, 159–64, 169, 170, 272,
– instrumentell 72 279, s. parts of the soul; Vermögen
– Zweckrationalität 57, 72, 78 der Seele; Tastsinn
rationality 107, 109, 110, 112, 115, 116, – rationaler Seelenteil 272, 273, 279
119, 121, 132, 133, 135, 136, s. – strebender Seelenteil 274, 279, s.
Handlung / rational; Rationalität orexis
– animal rationality 438, 440–43 Seelenvermögen zur Ortsbewegung 139,
– rational goal 131–35, s. Ziel 140, 143, 153, 154, 158, 159, 168, s.
– rational human agent 33, 349, 351, 358, animal self-motion; Ortsbewegung
359 Seelenwanderung s. Transmigration
– rational nature 132, 134 self-motion s. animal self-motion
refrain 433–36, 445–47, 451, 452, 454, self-prescriptive art s. autepitaktikê
455, s. abstinence; omission technê
Religion / Polisreligion 321 Sieg 317, 324
Repräsentation 176–86 Solidarität 311, 317, 319
responsibility / responsible 33, 354, 359, Sollen 209, 210, 212, 214, 215, 221, 223,
433, s. depending on us; 226, 230, 231, s. Normativität;
Verantwortung prescription; value judgement;
Reziprozität (politische) 313, 319 values
rhetoric 97–99, s. Rhetorik – dei (was / wann / wem gegenüber /
Rhetorik 313, 320, s. rhetoric weswegen / wie man soll ) 214, 223,
Ritual 18, 27, 31 228, 269
rule s. archê soul s. parts of the soul; Seelenteile;
Seelenvermögen; unity of the soul;
Vermögen der Seele
sage (Stoic) 335, 338, 341–44, 351, 363, Sparta 307, 308, 311, 313, 317, 319–21
367 Spezifikation von Zielen 173, s.
Satzungen 317 Konkretisierung von
scepticism 423, 428, s. dogmatism Handlungsnormen; Normativität /
– sceptic 427–31 normative Operationalisierbarkeit;
Schließen 183 telos
– theoretisches Schließen 181 spontaneous ethical action s. action
Schmerz / Unlust 177, 183, 184, 271, s. Stämme 311, 313, s. Gemeinschaft
pain stasis 307, 308, 312–17, 322–24
Schuld 16, s. agnoia; ameleia; statesmanship s. epitaktikê technê;
Entschuldigung; Fehler; Handlung / politkê technê
schuldhaftes Handeln; Streben 177–80, 184, 267, 273–75, 283,
Zurechenbarkeit 285, s. Begehren; boulêsis; desire;
– an falschen Wertüberzeugungen 388 epithymia; orexis; thymos
– an Unwissenheit 17, 31, 250, 254, 255, Strebevermögen s. orexis; Streben
390 Streit 21–23, 26, 27, 31
– der Protagonisten der Tragödie 239 sunaition s. synaition
474 | Sachregister

Syllogismus – Unterschied zwischen Tier und Mensch


– deduktiver Syllogismus 173 134, 269, 278
– praktischer Syllogismus 173, 174, 178, Transmigration (Seelenwanderung) 15,
180, 182, 185, 186, 188, 201–3, 205 16, 18–20, 28
– praktisch-spezifizierender Syllogismus transparency 414, 415, 418–20, 422–24,
173, 174, 186, 188 427; s. good life / lived openly;
– produktiver Syllogismus 173, 174, 186– integrity
88 Tugend 209–12, 214–25, 229, 385, 394,
– theoretischer Syllogismus 181, 182 397, 405, 406, s. action / virtuous;
Symposion 310, 317 Handlung / tugendhafte Handlung;
synaition s. aitia Laster; virtue
– auxiliary cause 95, 96, 100, 103 – Charaktertugend / ethische Tugend
synkatathesis s. assent; Zustimmung 186, 187, 196, 215, 219, 221, 263
Syssitien 321 Tugendethik 217, 219, 220
tyrant 290, 300–1

tanzen 307, 321, 324


Tastsinn 177, 183, 184, s. Seelenteile Unbeherrschtheit s. akrasia
technê 184, 186, 187, s. craft expertise Unglücksfall s. atychia / atychêma
Teilhabe, politische 307, 317, 318 unity / civic unity 97, 100, 102
Teleologie 65–67, 77, 78, s. teleology unity of the soul 107–9, 114, 115, 118–21,
teleology 124, 130, 131, 133, 135, s. s. diaspan; orexis / Einheit des
Teleologie Strebevermögens; parts of the soul;
– natural teleology 124, 130, 134 Seelenteile; virtue
– non-natural teleology 132, 134 – additive account of unity 109–12, 114,
– non-rational teleology 134 117, 119
– objective natural teleology 125–31, 134 – natural 119, 121
– rational teleology 134 – operational separability 110, 112–14,
– subjective natural teleology 126–31, 116, 117, 121
134 – separability in definition 110–12, 18,
– teleological conception of natural unity 119, 121
of the soul 121 – teleological conceptions of natural unity
– teleological explanation 121, 122, 124, 121
127, 130 – teleological subordination 119–22,
telos s. Mittel; Spezifikation von Zielen; 130–32, 134–36
Teleologie; teleology; Ziel – teleologically fused 120, 135
– goal of life 334, 372–75, 380 – transformative account of unity 109–11,
– living consistently with nature 371, 372, 113–19, 135, 136
374, 375 Unrechtstat s. adikia / adikêma
– rational goals 132 Unterlassung s. omission
thumos s. thymos Unterricht 309, s. Erziehung
thymos (Mut) 128, 145, 146, 148–50, 152, Unwissenheit s. agnoia; Schuld
163, 184, 274, 324, s. orexis; Streben
Tier s. Lebewesen / nicht-rationales; non-
rational / animal value judgement 101, 335–337, 340, 344,
– Tier vs. Kind 269 s. Normativität; Sollen / dei; verbal
– tierisches Verhalten 174, 178, 181, 183 predicate
Sachregister | 475

values 413–19, 428, s. Normativität voluntary 338, 350, 354, 355, 358, 359,
vegetarianism 436, 439, s. abstinence 361, 364, 367, s. willentlich
Veränderung s. kinêsis voluntas 352, 362–65, 406, s. boulêsis;
Verantwortung 250, 254, 386–89, 392– volition
97, 403, 410, s. responsibility; Vorbedacht s. pronoia
Zurechenbarkeit Vorsatz s. Absicht; intention; prohairesis
Verbalajdektiv s. verbal predicate
verbal predicate 340
Verbot s. Normativität / Verbotsnorm Wahl s. hairesis
– Tötungsverbot 15, 16, 20, 28–30, s. Wahn s. agnoia
omission Wahrnehmung 176–79, 183, 270, 271,
Verfassung s. politeia 276, 281, s. perception; Seelenteile;
Verfassungsänderung s. politeia / Vermögen der Seele
metabolai tôn politeiôn weaving (political) 95, 96, 99, 100, 102
Vermögen der Seele 139–42, 144–60, Weben s. weaving
166, 169, 273, 274, 281, 285, s. parts wider vernünftiges Erwarten s. paralogos
of the soul; Seelenteile; will, immutable 362, s. volition
Seelenvermögen zur Ortsbewegung Willensschwäche s. akrasia
– rationales Vermögen 273 willentlich 247, 248, 255, 388 s.
– strebendes Vermögen 273 voluntary
Vernunft 261, 269, 272–81, 283–85, s. – nicht willentlich 396
intelligence; logos; nous – unwillentlich 247, 248
– Empfänglichkeit des Kindes für Vernunft Willentlichkeit 236
279–85, s. Argumentrezeptivität wish s. boulêsis
– Vernunftfähigkeit 261, 272–75, 277– Wissen 178, 179, 186, s. agnoia; doxa;
80, 285 Fehler
Verwandtschaft 309, 311, 316, 324, s. – produktives Wissen 187
Gemeinschaft Wollen 267, 274, s. volition
– Blutsverwandtschaft 311, 320 Wunsch s. boulêsis
virtue 371, 375–81, 419, 420, 424, 429, s.
Tugend
– unity of virtue 377 zerreißen s. diaspan
volition 349–54, 359, 361–67, s. Ziel 173, 177, 180, 181, 185–88, s. Mittel;
voluntas; will; Wollen rationality / rational goal; telos
– divine 349, 351, 359, 366 zôon politikon 270, 271, s. political
– human 349, 366 animal
– volitional movements (prohairetikai Zurechenbarkeit 235, 236, 238, 252, 254,
kinêseis) 352 s. responsibility; Verantwortung
– volitional necessity 351, 361, 364–66 Zustimmung 395, 396, 399, 400, 409, s.
Volksbeschluss 312 assent
Volksversammlung 307, 312, 319–21 Zweckrationalität s. Rationalität
voluntarius 349–52, 396
Stellenregister
Aëtius (Aët.) Aristoteles
De Placitis (Plac.) Analytica posteriora (An. post.)
– I Prooem. 2 = LS 26A 385 – I 24, 85b27–35 128
– I 7,33 = LS 46A = SVF II 1027 349, 401 – II 3, 90b34–38 114
– IV 8,12 329 – II 11 124
– IV 11,1–4 = SVF II 83 329 Analytica priora (An. pr.)
– V 19,5 = DK 31 A 72 25 – I 1, 24b18–20 181
Athenaion Politeia (Ath. pol.)
– 34,2 241
Alcinous Categoriae (Cat.)
– 5, 4b8–10 196
Didaskalikos (Handbook of Platonism) – 8, 8b26–29 292
– 4,5 [155].17–19 [Whittaker] 442 – 12, 14b18–22 197
De anima (De an.)
– I 1, 402a7–10 107
Anaximenes – I 1, 402a7–19 112
Rethorica ad Alexandrum (Rh. Al.) – I 3, 406b24–25 174
– I 3, 407a32–33 176
– 4, 1427a30–36 246
– I 3, 407a32–34 181
– I 5, 410b10–15 108
Ps.-Andronicus (Ps.-Andr.) – II 2 107, 112, 144
– II 2, 413a6–7 117
De Passionibus (De Pass.) – II 2, 413b21–27 119
– I 1 p. 223 Glibert–Thirry = SVF III 391 – II 2, 413b29–31 148
335 – ΙΙ 2, 413b33–414a1 115
– II 3 114, 115, 120
– II 3, 414b1–16 145, 151, 156
Anonymus – II 3, 414b5–6 157
– II 3, 414b22–33 111
In Aristotelis Ethica Nicomachea – II 3, 414b28–415a2 108
– 238.2–8 CAG XX Heylbut 255 – II 3, 415a12–13 111
– II 4, 415a14–22 145, 149, 160, 169
– II 5–III 8 139, 141
Antiphon – II 5, 416b33–35 176
– III 3 148
Oratio 1 = In Novercam
– III 3, 428a3–5 176
– 5 248
– III 3, 428a17–19 167
– 27 241
– III 3, 428b11–12 176
– III 3, 429a7–8 116
– III 4, 430a5–6 134
– III 7, 431a8–11 129
– III 7, 431a8–17 145, 151, 156
– III 7, 431a10–11 157

https://doi.org/10.1515/9783110735598-024
478 | Stellenregister

– III 7, 431a12 157 – III 10, 433b1–2 146, 147


– III 7, 431a14 157 – III 10, 433b1–4 152, 155
– III 7, 431a14–16 176 – III 10, 433b3 152
– III 7, 431a14–17 157 – III 10, 433b4 146
– III 8, 432a7–14 176 – III 10, 433b5–10 117
– III 8, 432a13–14 159 – III 10, 433b5–13 169
– III 9–10 139–72 – III 10, 433b7–10 169
– III 9–11 127, 139, 140 – III 10, 433b8 169
– III 9, 432a15–22 141, 142, 145–47, 152, – III 10, 433b13–27 142, 154
160 – III 10, 433b14 171
– III 9, 432a19 141 – III 10, 433b16 171
– III 9, 432a20 143 – III 10, 433b17 171
– III 9, 432a22–b3 143, 145–48, 149, 152, – III 10, 433b17–18 150
154, 160 – III 10, 433b19–21 142
– III 9, 432a24 147 – III 10, 433b27–30 151, 156, 159, 171
– III 9, 432a25 146 – III 10, 433b28–29 151
– III 9, 432a27 147 – III 11, 433b31–434a5 158
– III 9, 432b3 148 – III 11, 434a12–14 117, 140
– III 9, 432b3–7 145, 148–51, 154, 160, – III 12, 434b14–27 129
163 De Caelo (Cael.)
– III 9, 432b4–6 163 – II 13, 295b10–16 = DK 12 A 26 52
– III 9, 432b5 132, 150 De generatione animalium (Gen. an.)
– III 9, 432b5–6 184, 274 – II 3, 736a35–b8 120
– III 9, 432b5–7 151 – II 3, 736a37–b1 120
– III 9, 432b6 216 De generatione et corruptione (Gen. corr.)
– III 9, 432b6–7 149, 163 – II 6, 333a35–b1 = DK 31 B 37 22
– III 9, 432b8–433a1 144, 156 De insomniis (Insomn.)
– III 9, 432b17–19 153 – 1, 459a21–22 159
– III 9, 433a1–6 165 De memoria et reminiscentia (Mem.)
– III 9, 433a3 165 – 1, 449b30–450a9 176
– III 9, 433a6–7 165 – 1, 450a12–13 159
– III 9, 433a7 165 De motu animalium (Mot. an.)
– III 9, 433a7–8 117 – 1, 698a1–7 174
– III 9, 433a8 165 – 6, 700b15–16 131
– III 10, 433a9–26 165 – 6, 700b19–22 176
– III 10, 433a17–b1 158 – 6, 700b32–35 133
– III 10, 433a21–22 168 – 7, 701a7–8 180
– III 10, 433a22–23 164 – 7, 701a8–13 181
– III 10, 433a22–26 166, 168 – 7, 701a13–15 182
– III 10, 433a23 134, 166 – 7, 701a17–22 185
– III 10, 433a24 166 – 7, 701a19–20 183
– III 10, 433a25–26 166, 167 – 7, 701a22–23 205
– III 10, 433a26–27 167 – 7, 701a23–25 182
– III 10, 433a26–30 150, 165 – 7, 701b1–7 175, 176
– III 10, 433a26–433b1 165–69, 171 – 7, 701b16–22 176
– III 10, 433a27 167 – 7, 701b28–32 178
– III 10, 433a31–b1 150 – 11, 703b3 184
Stellenregister | 479

De partibus animalium (Part. an.) – I 1 [3], 1094a26–27 211


– I 1, 639a29–b5 125 – I 1 [3], 1094a26–b11 211
– I 1, 641b4–9 133, 134 – I 1 [3], 1094b5–6 214, 225
– I 1, 641b32–b8 119 – I 1 [3], 1094b10–23 225
– I 2, 642b10–14 162 – I 1 [3], 1094b15 211
– I 2, 642b16–18 162, 163 – I 1 [3], 1095a2 211
– I 2, 642b18 163 – I 1 [3], 1095a5–6 213
– I 2–3 162 – I 1 [3], 1095a9 216
– II 10, 656a3–15 276 – I 2 [4], 1095a16 211
– III 3, 665a10–13 178 – I 2 [4], 1095b3–8 225
– IV 10, 686a25–686b5 276 – I 4 [6], 1096a17–18 114
– IV 10, 686b8–12 276 – I 5 [7], 1097b2–4 218
– IV 10, 686b21–27 276 – I 6 [7], 1098a16–17 218
De sensu et sensibilibus (Sens.) – I 7 [7], 1098a20 225
– 1, 436a1–437a17 112 – I 7 [7], 1098b1–2 225
– 1, 436b15–437a1 129 – I 10 [9], 1099b32–1100a4 261
– 1, 437a11–17 281 – I 12 [12], 1102a1–3 217
De somno et vigilia (Somn.) – I 12 [12], 1102a2–4 217
– 1, 454b24–25 115 – I 13 [13], 1102a5–7 211
– 1, 454b27–455a3 116 – I 13 [13], 1102a9–13 214
– 3, 457a33–b2 117 – I 13 [13], 1102a12 211
Ethica Eudemia (EE) – I 13 [13], 1102a28–32 118
– II 1, 1219b32–37 118 – I 13 [13], 1102b14–25 140
– II 3, 1221b17–27 226 – I 13 [13], 1102b30–1103a1 279
– II 7, 1223a26–27 184 – II 1 [1], 1103a14–18 263
– II 8, 1224a2–4 256 – II 1 [1], 1103a23–26 135
– II 8, 1224a20–23 250 – II 1 [1], 1103a26–1103b2 263
– II 8, 1224a25–30 261 – II 1 [1], 1103b6 241
– II 8, 1224b7–8 266 – II 2 [2], 1103b26–29 213
– II 8, 1224b29–35 273 – II 2 [2], 1103b26–34 215
– II 9 249, 250 – II 2 [2], 1103b34–1104a11 214
– II 9, 1225b8–16 255 – II 2 [2], 1104a7–10 225
– II 10, 1225b24–25 184 – II 2 [2], 1104a8–9 223
– II 10, 1226a11–13 230 – II 2 [3], 1104b22–24 224
– II 10, 1226a36 241 – II 2 [3], 1104b22–26 223
– II 10, 1226b2–5 256 – II 2 [3], 1104b26 224
– II 10, 1226b34–1227a2 247 – II 3 [4], 1105a17–26 266
– II 10, 1226b35 247 – II 3 [4], 1105a27–33 214
– II 10, 1226b37–38 247 – II 3 [4], 1105a30–33 262, 264
– II 10, 1227a8–9 217 – II 3 [4], 1105b5–12 214
– II 11, 1227b23–26 217 – II 3 [4], 1105b11–12 265
– II 11, 1227b28–31 187 – II 4 [5] 292
– VIII 2, 1247b6–8 251 – II 5 [6], 1106b21–22 223
Ethica Nicomachea (EN) – II 5 [6], 1106b28–31 226
– I 1 [1], 1094a3 204 – II 5 [6], 1106b32 221
– I 1 [2], 1094a22–24 217 – II 6 [6], 1106b36–1107a2 219
– I 1 [2], 1094a24 221 – II 6 [6], 1107a1 220
480 | Stellenregister

– II 6 [6], 1107a6–7 223 – V 3 [1], 1129b19–25 217, 227


– II 6 [6], 1107a8–15 217 – V 3 [1], 1129b20–23 225
– II 6 [6], 1107a8–17 226 – V 3 [1], 1129b21–22 228
– II 9 [9], 1109a28 223 – V 3 [1], 1129b25–27 291
– II 9 [9], 1109a29–30 226 – V 5 [2], 1131a6 228
– II 9 [9], 1109b15–16 223 – V 7 [4], 1132a3 228
– II 9 [9], 1109b20–23 226 – V 10 [6–8] 235, 236, 250–257
– II 9 [9], 1109b22–23 214 – V 10 [6], 1134a17 230
– III 1–3 [1] 184 – V 10 [6], 1134a17–23 253
– III 1 [1], 1109b30–34 211 – V 10 [6], 1134a19–23 230
– III 1 [1], 1109b35–1110a4 250 – V 10 [6], 1134a30 291
– III 1 [1], 1110a4–7 225 – V 10 [6], 1134a35–b2 301
– III 1 [1], 1110a13–14 223, 230 – V 10 [8], 1135a23–28 244
– III 1 [1], 1110a19–29 231 – V 10 [8], 1135b11–25 243, 244
– III 1 [1], 1110a26–27 231 – V 10 [8], 1135b12 244
– III 1 [1], 1110a29–30 225 – V 10 [8], 1135b18 244
– III 1 [1], 1110b7–9 230 – V 10 [8], 1135b23–24 245
– III 2 [1] 249 – V 10 [8], 1135b25 230
– III 2 [1], 1110b18–19 387 – V 14 [10], 1137b13–24 225
– III 2 [1], 1110b28–31 243 – V 14 [10], 1137b15 241
– III 2 [1], 1111a3–6 224, 387 – V 14 [10], 1137b16 241
– III 4–5 [2–3] 247 – V 14 [10], 1137b17 241
– III 4 [2], 1111b4–6 214 – V 14 [10], 1137b22 241
– III 4 [2], 1111b5–6 211 – V 15 [11], 1138a25–26 228
– III 4 [2], 1111b6–10 256 – V 15 [11], 1138b5–6 291
– III 4 [2], 1111b8–9 261 – VI 1 [1], 1138b18–34 221
– III 4 [2], 1111b10–11 184 – VI 1 [1], 1138b23 221
– III 4 [2], 1111b19–30 274 – VI 1 [1], 1138b34 221
– III 4 [2], 1111b26–27 216 – VI 2 [1], 1139a5–14 178
– III 4 [2], 1112a5–7 197 – VI 2 [1], 1139a7–8 195
– III 4 [2], 1112a15–16 211 – VI 2 [2], 1139a17–18 195
– III 5–6 [3–4] 168 – VI 2 [2], 1139a21–27 195
– III 5 [3], 1112b11–1113a2 184 – VI 2 [2], 1139a26–27 194
– III 5 [3], 1113a10–11 200 – VI 2 [2], 1139a27–31 196
– III 6 [4] 216 – VI 2 [2], 1139a29 195
– III 6 [4], 1113a22–b2 166 – VI 2 [2], 1139a35–36 196
– III 7 [5] 250, 263 – VI 2 [2], 1139a35–b5 134
– III 10 [7], 1115b15–16 223 – VI 4 [4], 1140a1–6 186
– III 11 [7–8] 256 – VI 5 [5], 1140a25–28 216, 219
– III 11 [8], 1116b31 218 – VI 5 [5], 1140a28 196
– III 15 [12], 1119b17 223 – VI 5 [5], 1140b7 196, 205
– IV 2 [1], 1120a25 224 – VI 5 [5], 1140b7–11 293
– IV 2 [1], 1120b29 223 – VI 5 [5], 1140b16–20 217
– IV 9 [3], 1125a17–20 242 – VI 7 [7], 1141a22–23 124
– IV 11 [5], 1126b3–4 226 – VI 8 [7], 1141b14–15 212
– V 236, 239, 248 – VI 8 [7], 1141b14–16 219
– V 2 [1], 1129a32–b1 291 – VI 8 [8], 1141b23–24 292
Stellenregister | 481

– VI 8 [8], 1141b23–33 212, 216 – X 10 [9], 1179a33‒1181b23 310


– VI 8 [8], 1141b24–25 211 – X 10 [9], 1179a35–b4 213
– VI 8 [8], 1141b29–31 293 – X 10 [9], 1179b4–18 281, 282
– VI 10 [9], 1142b7–9 243 – X 10 [9], 1179b20–34 284
– VI 10 [9], 1142b10 197 – X 10 [9], 1179b20–35 281
– VI 10 [9], 1142b20–24 243 – X 10 [9], 1179b23–28 284
– VI 10 [9], 1142b24–26 228 – X 10 [9], 1179b31–1180a5 324
– VI 10 [9], 1142b27–28 196 – X 10 [9], 1179b31–1180a14 214
– VI 10 [9], 1142b32–33 216 – X 10 [9], 1179b34–35 291
– VI 13 [12], 1144a7–9 215 – X 10 [9], 1180a2–4 291
– VI 13 [12], 1144a13–22 214 – X 10 [9], 1180a32–35 211
– VI 13 [12], 1144a31–36 217 – X 10 [9], 1180b13–28 211
– VI 13 [12], 1144a34–36 215 – X 10 [9], 1180b30–31 211
– VI 13 [13], 1144b16–17 215 – X 10 [9], 1181a11–12 211
– VI 13 [13], 1144b20–21 215 – X 10 [9], 1181a23 211
– VI 13 [13], 1145a4–6 215 – X 10 [9], 1181b14–15 212
– VI 13 [13], 1145a6–11 218 Historia animalium (Hist. an.)
– VII 3 [2] 140 – II 1, 500b26–27 276
– VII 5 [3], 1147a33–b5 117 – IV 9, 536b3–4 281
– VII 6 [4], 1148a2–4 253 – IV 9, 536b5–8 277
– VII 6 [5], 1148b25–31 262 – VIII 1, 588a31–b3 277
– VII 7 [5–6], 1149a23–25 184 – VIII 1, 589a8–9 129
– VII 8 [7], 1150b19–22 253 Magna Moralia (MM)
– VII 8 [7], 1150b25–28 253 – I 33, 1195a27–b4 250
– VII 9 [8], 1151a15–17 217 Metaphysica (Met.)
– VII 9 [8], 1151a18–19 216 – IV 7, 1011b26–27 196
– VII 9 [8], 1151a20–25 253 – V 5, 1015a20–26 159
– VII 11 [10], 1152a27–30 262 – VI 1, 1025b32 227
– VII 15 [14], 1154b21–31 134 – VI 1, 1026a18–19 212
– VIII 8 ]7], 1158b11–15 268 – VII 7, 1032b6–10 187
– VIII 12 [10], 1160b31 241 – VII 10, 1035a25–26 227
– VIII 13 [11], 1161a30–34 300 – VII 12, 1038a25–30 113
– VIII 14 [12] 268 – IX 1–6 171
– VIII 14 [12], 1161b24–26 268 – IX 1, 1046a31–35 278
– VIII 14 [12], 1162a25–27 229 – IX 5, 1048a2–24 134
– IX 2 [2] 217, 224 – IX 10, 1051b6–9 197
– IX 2 [2], 1164b31–33 225 – X 8 115
– IX 2 [2], 1164b31–1165a4 225 – X 8, 1057b38–1058a4 114
– IX 8 [8], 1168b28–1169a6 136 – XII 7, 1072a28 133
– X 6 [6], 1176b6–9 218 – XII 7, 1072a29–30 204
– X 7 [7], 1177b26–29 291 – XII 7, 1072b24–26 133
– X 8 [8], 1178a14–22 293 Physica (Phys.)
– X 8 [8], 1178a16–19 215 – II 5, 197a18–21 251
– X 8 [8], 1178a34–b1 214 – II 7, 198b3–9 124
– X 8 [8], 1178b5–7 218 – II 8, 199a33 241
– X 8 [8], 1178b20–32 133 – II 8, 199a33–b7 241
– X 9 [8], 1179a6–8 290 – II 9, 200a15–16 51
482 | Stellenregister

– III 1–3 171 – III 4, 1276b16–1277a10 299


– IV 13, 222b14–15 256 – III 4, 1276b29 297
– VII 3, 247b1–248a9 176 – III 6, 1279a20 241
– VII 3, 248a2–6 135 – III 9, 1280a15–16 297
– VIII 5 142, 154, 171 – III 9, 1280b35‒39 312
Poetica (Poet.) – III 10, 1281a19–20 299
– 4, 1448b5–9 267 – III 11, 1281a42–b10 298
– 6, 1449b24–28 237 – III 11, 1282a34–37 298
– 8, 1451a20 241 – III 13, 1283b42‒1284a3 311
– 10, 1452a12–18 238 – III 15, 1286b27–40 296
– 11, 1452a22–24 238 – III 16, 1287a28–30 296
– 11, 1452a29–31 238 – III 16, 1287a30–32 301
– 13 237, 239 – III 16, 1287a41–b3 297
– 13, 1453a7–12 235 – IV 2, 1289b9 241
– 13, 1453a10–15 242 – IV 8, 1293b25 241
– 13, 1453a12–18 237 – IV 11, 1295b35‒39 323
– 15–16, 1454b17–35 241 – IV 12, 1297a7 241
– 19, 1456b15 241 – V 1, 1301a25–39 322
– 25, 1460b15 241 – V 1, 1301a25–b1 297
– 25, 1460b17 241 – V 1, 1301a36 241
– 25, 1460b19 241 – V 1, 1302a6 241
– 25, 1460b23 241 – V 4, 1303b29–30 241
– 25, 1460b29 241 – V 4, 1304a33–38 301
– 25, 1460b30 241 – V 9, 1310a12–19 324
– 25, 1461b8 241 – V 10, 1310b12–31 300
Politica (Pol.) – VI 1, 1317a37 241
– I 2, 1253a1–4 270, 290, 300 – VI 6, 1320b35 241
– I 2, 1253a1–18 270 – VI 8, 1321b12–18 295
– I 2, 1253a7–18 270 – VI 8, 1321b18–27 295
– I 2, 1253a27–29 291 – VI 8, 1321b27–30 295
– I 12, 1259b8–9 303 – VI 8, 1321b31–33 296
– I 12, 1259b9–10 304 – VI 8, 1321b34–40 296
– I 13, 1260a12–14 272 – VI 8, 1321b40–1322a29 296
– I 13, 1260a13 280 – VI 8, 1322a33–b6 296
– I 13, 1260a31–33 272 – VI 8, 1322b7–12 296
– II 4, 1262a26 250 – VI 8, 1322b12–17 296
– II 8, 1269a16 241 – VII 2, 1324a5–7 302
– II 9, 1270a9 241 – VII 2, 1324b39–40 224
– II 10, 1272b2 241 – VII 2, 1325a7–10 211
– II 11, 1273a31 241 – VII 3, 1325b7–14 295
– III 1, 1275a22–23 294 – VII 13, 1331b26–38 228
– III 1, 1275a32 294 – VII 15, 1334b20–25 274
– III 1, 1275a34–38 114 – VII 16, 1335b38–1336a2 228
– III 1, 1275b1 241 – VIII 4, 1338b12 241
– III 1, 1275b18 295 Rhetorica (Rhet.)
– III 3, 1276b1–6 299 – I 10, 1368b6–12 248
– III 3, 1276b1–9 298 – I 10, 1369a1–4 274
Stellenregister | 483

– I 10, 1369a2–4 216 Boethius


– I 11, 1369b15–18 135
– I 12, 1372b16–18 248 In Librum Aristotelis Peri Hermêneias,
– I 13, 1373b6–17 29 Secunda Editio (Int., 2. ed.)
– I 13, 1373b38–1347a9 229 – 234–235 Meiser 355
– I 13, 1374a9–17 230 – 393 Meiser 355
– I 13, 1374b4–9 246
– I 15, 1375b18 241
– I 15, 1376b18 241 Cicero (Cic.)
– III 2, 1405a31 241
Topica (Top.) Academica Priora (Acad. Pr.) = Lucullus
– I 11, 105a5–6 229 – 24 351
– IV 5, 126a13 132 – 24–25 = SVF II 116 330
– VI 8, 146a36–b9 128 – 37–38 = SVF II 115 329
– VI 8, 146b2 133 – 108 = SVF II 72–73 329
– VI 8, 146b5–6 133 De Amicitia
– VI 8, 146b9–12 128 – 44–45 423
– 65 423
– 91 423
Alexander von Aphrodisias – 97 423
De Fato (Fat.)
(Alex. Aphr.)
– 13 356
In Aristotelis Analyticorum Priorum Librum – 41–42 = SVF II 974 330
I Commentarium (An. pr.) De Finibus Bonorum Et Malorum (Fin.)
– 184.6–10 CAG II,1 Wallies 357 – I 13 430
De Fato (Fat.) – I 16 430
– 28, 199.18–20 Suppl. Aristotelicum II,2 – I 27 429
Bruns = LS 61N3 385 – I 28 430
– 34, 205.24–206.2 Suppl. Aristotelicum – I 69 417
II,2 Bruns = SVF II 1002 331, 338 – II 12 418
In Aristotelis Topicorum Libros Octo – II 28 418
Commentaria (In Arist. Top.) – II 44 418
– 301.19–25 CAG II,2 Wallies = SVF II 329 – II 49 418
332 – II 55 417, 418
– II 58 417
– II 65 425
Aspasius – II 69 419, 430
– II 74 415
In Ethica Nicomachea Commentaria (In – II 76 415, 416
Eth. Nic.) – II 79 423
– 48.12–21 CAG XIX,1 Heylbut 220 – II 81 418
– II 85 423
– II 116–117 417
– II 118 419, 430
– III 10 430
– III 16–24 376
– III 23 351
484 | Stellenregister

– III 33 332 Epistulae ad Atticum (Att.)


– III 74 420 – XVI 11,4 425
– IV 2 430 Tusculanae Disputationes (Tusc.)
– IV 21 419 – I 40 429
– IV 22 420, 430 – III 4,7 386
– IV 53 420 – III 16 376
– IV 55 420 – III 24 = SVF III 385 335
– IV 57 430 – III 24–25 = SVF III 385 335
– IV 60 430 – III 49–V 11 385
– IV 72 430 – III 61 352
– IV 80 430 – III 76 = SVF III 486 336
De Natura Deorum (Nat. D.) – IV 14 = SVF III 393 335
– I 18–24 353 – IV 72 351
– I 36–41 353 – V 63 423
– I 139 401
– II 29 351
– II 58 349, 351–54, 360 Cleanthes
De Officiis (Off.)
– I 23 424 Hymnos eis Dia (Hymn to Zeus)
– I 31.7–8 438 – Stobaei Eclogae I 25.3–27.4 = SVF I 537
– I 118 424 350
– II 430
– II 7 428
– II 7–8 428, 429
Clemens Alexandrinus
– II 8 429 (Clem. Al.)
– II 9 421
– II 18 351 Strômata (Strom.)
– II 24 423 – II 12, p. 458 Potter = SVF II 992 329
– III 11 421 – II 13, p. 460 Potter = SVF III 377 329
– III 23 424
– III 25 424
– III 38 422, 423
Ps.-Demosthenes
– III 39 422
Oratio 26 = Kat' Aristogeitonos B' (Against
– III 45 423
Aristogeiton II)
– III 50–67 423
– 5 295
– III 61 422, 423
– III 68 423
– III 77 422 Diogenes Laertios (Diog.
– III 78 422
– III 100 426, 427
Laert.)
– III 101 425
Vitae Philosophorum
– III 107 426
– VII 46 = SVF II 130 330
– III 107–108 426
– VII 49 = SVF II 52 331
– III 111 426
– VII 51 = SVF II 61 331
– III 114 426
– VII 52 = SVF II 87 332
– III 115 426, 427
– VII 55 = SVF II 140 331
Stellenregister | 485

– VII 63 = SVF II 181 331, 332 – DK 31 B 115.3 26


– VII 64 374 – DK 31 B 128.10 26
– VII 75 355 – DK 31 B 129 18
– VII 87 372 – DK 31 B 134.1 26
– VII 87–89 = LS 63C 372 – DK 31 B 135 29
– VII 88 = SVF III 4, LS 63C 372 – DK 31 B 136 16
– VII 89 373, 376 – DK 31 B 136.2 19
– VII 92 376 – DK 31 B 137 17
– VII 102–105 376 – DK 31 B 137.2 18
– VII 111 = SVF III 456 335 – DK 31 B 139.1–2 19
– VII 116 397
– VII 124 385
– VII 129 441 Epictetus (Epict.)
– VII 135–136 = LS 46B = SVF I 102 349
– VII 147 = LS 54A = SVF II 1021 360 Dissertationes (Diss.)
– I 1,10 366
– I 1,23 366
Empedokles – I 16,20–21 350
– III 1,5 378
Papyrus (P. Strasb. gr. Inv. 1665–1666) – III 1,6 378
– Strasb. c = DK 31 B 20 25 – III 2,1–2 378
– Strasb. d/f 1–4 26 Encheiridion (Ench.)
– Strasb. d/f 5–6 = DK 31 B 139.1–2 19, – 1 406
27, 29 – 53 350
– Strasb. d/f 5–7 21
– Strasb. d/f 7 29, 30
– Strasb. d/f 10–14 24 Epicurus
Physika I
– I, 232–300 z.T. = DK 31 B 17 20 Epistula ad Herodotum (Letter to
– I, 252 29 Herodotus)
– I, 252–257 28 – 77 354, 364
– I, 256–257 29 – 81 354
– I, 288–290 20, 22, 23 Rata Sententiae = Kyriai doxai
– I, 291–300 21 – 31 438
– I, 293 22
– I, 294–295 22
Testimonia, Fragmenta Diels / Kranz
Euripides
– DK 31 A 72 25
Hippolytus = Hippolytos Stephanêphoros
– DK 31 B 2.1 26 (Hipp.)
– DK 31 B 8.3–4 20 – 27–28 392
– DK 31 B 17 20
– 141 391
– DK 31 B 20 24, 25 – 214 391
– DK 31 B 35.1–3 23 – 237–238 391
– DK 31 B 35.16–17 23
– 241 391, 392
– DK 31 B 37 22 – 248 391
– DK 31 B 57 25 – 283 391
– DK 31 B 112.1–4 15
– 317 392
486 | Stellenregister

– 319 392 Hippolytus


– 331 392
– 337 392 Refutatio Omnium Haeresium (Ref.)
– 337–338 393 – I 6,3 = DK 12 A 11 52
– 339 393
– 341 393
– 343 393 Marcus Aurelius
– 403–430 398
– 420–423 393 Meditationes (Med.)
– 443 393 – I 9 371
– 462–463 393 – II 5 376
– 475–476 393 – III 4 371
– 478 393 – III 5 379
– 1260 408 – III 6 376, 378
– 1300 391 – III 16 379
– 1326–1328 409 – IV 18 376
– 1404 409 – IV 24 379
– 1423–1430 407 – V 3 372
– 1449–1455 407 – V 6 381
– V 9 372
– V 12 376, 378
Eusebius (Euseb.) – VI 14 379
– VII 11 372
Praeparatio Evangelica (Praep. Evang.) – VII 28 380
– XV 14,1, 816d–817a = SVF I 98 331 – VII 35 377
– VII 55 379
– VII 56 372
Galenus (Gal.) – VII 63 376, 378
– VII 73 382
De Animi cuiuslibet Peccatorum Dignoti-
– VII 74 372, 375, 380
one et Curatione (De An. Pecc. Dign.)
– VIII 1 376, 378
– 1,4, p. 59–60 Kühn V = SVF III 172 330
– VIII 7 379
De Placitis Hippocratis et Platonis (De
– VIII 23 379
Plac. Hipp. et Plat.)
– VIII 26 380
– IV 5,21 de Lacy = LS 65L1 386
– IX 1 372, 376, 378, 379, 438
– V 1, 4 de Lacy = SVF I 209, III 461 335
– IX 23 379
In Hippocratis de Medici Officina
– IX 42 379, 382
Commentarius (In Hipp. de Off. Med.
– X 6 379
Comm.)
– X 11 379
– I 3, 8–9, p. 649–650 Kühn XVIIIB = SVF
– X 15 372
II 135 334
– XI 1 376
– XI 10 379
– XI 21 379
Herodotus
– XII 1 372
Historiae – XII 3 379
– II 172 303 – XII 15 376, 377
– XII 24 379
Stellenregister | 487

Long / Sedley (LS) Origenes


The Hellenistic Philosophers Contra Celsum
– 26A 385 – I 24, p. 74 Koetschau I = SVF II 146 332
– 33C 331 – I 64, p. 117 Koetschau I = SVF III 474
– 33D 331 333
– 33F 331
– 33I 337
– 41H 330 Ovid (Ov.)
– 46A 349, 401
– 46B 349 Heroides (Her.)
– 54A 360 – 4.15 402
– 54K 360 – 4.19–20 402
– 61B 377 – 4.52 402
– 61D 377, 385
– 61H 376
– 61N 385
Papyri Herculanenses
– 63B 372, 373 (PHerc.)
– 63C 372
– 65C 400 – 1577–1579, fr. 2 = SVF II 639–640 349,
– 65E 397, 400 352
– 65L 386
– 67D 394
Philo Alexandrinus
De Animalibus
Menander
– 45–46 443
Fragmenta De Cherubim (De Cherub.)
– fr. 183 Poetae Comici Graeci (PCG) VI 2 = – 14 = SVF III 513 344
fr. 205 Körte / Thierfelder II 48 Legum Allegoriae (Leg. Alleg.)
– I 93 = SVF III 519 333
Quod Deus sit immutabilis (Quod Deus sit
Musonius Rufus immut.)
– 41 = SVF II 458 329
Reliquiae
– 14, p. 92.8–17 (Lutz) 405
Philodemus
Nonnus De Dis = Peri Theôn (On the Gods)
– I 353
Dionysiaca (Dion.) – II 353
– 4.88 30 – III 353
– 34.237 30 De Pietate = Peri Eusebeias (On Piety) 353
– 47.442 30 – 14.3–12 = SVF II 1081 362
– 48.285 30
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Platon – IX, 863a 241


– X, 891a 89
Apologia Socratis (Ap.) – X, 906c 241
– 18a 73 – XI, 917e 94
– 27e 74 – XI, 928d 94
– 27e–28a 74 – XII, 941a 94
– 32c 84 – XII, 947e 89
– 33c 84 – XII, 950d 94
– 36e–37a 71 – XII, 958b 94
Charmides (Charm.) Lysis (Ly.)
– 172a 241 – 211a 73
Cratylus (Crat.) Meno (Men.)
– 50a 73 – 76a–c 84
Crito (Crit.) Papyrus PSI (Papiri greci e latini) XIV
– 44b–c 62 1393a (Corpus dei papiri filosofici
– 46d 73 greci e latini 251) = OCT Π5 34
– 50a–54c 65 Phaedo (Phd.)
– 50b 89 – 61a 84
– 51b 75, 89 – 66b–c 40
– 52a 89 – 79e–80a 42
Euthydemus – 81b 40
– 280c–81b 42 – 83c–d 41
Euthyphro (Euthphr.) – 88a–b 58
– 14d 73 – 95a–102a 58
Gorgias (Grg.) – 95e 59
– 464c–465a 47 – 96a 33, 35
– 464c–465b 59 – 96a–97b 34, 43
– 466a–468e 75 – 96a–99d 59
– 466e–467a 68, 72 – 96a–102a 33
– 500e–501b 86 – 96b 35
– 503d–504a 86 – 96b–97a 33
– 503e 86 – 96c–97a 36
– 521d 85 – 96e 34, 36
– 523a–527a 241 – 97a–b 33, 36
Ion – 97b–c 36
– 530c–535a 95 – 97b–d 37, 47
Laches (La.) – 97c 60
– 197e 73 – 97d–e 37
Leges (Leg.) – 97e–98a 43
– I, 644b–c 54 – 98b–99b 58
– I, 644d–645a 54 – 98c 38, 68
– I, 645b 54 – 98c–d 61, 67
– II, 671a–672a 54 – 98c–99b 33, 38, 179
– IV, 712b 73 – 98e 61, 62, 63, 69, 70
– V, 738b 89 – 98e–99a 62, 65, 69
– V, 745a 89 – 99a 38, 62, 68
– IX, 860e 241 – 99a–b 61, 63, 68
Stellenregister | 489

– 99b 35, 42, 52, 61 – 303d–305c 97


– 99c–d 45, 47, 48 – 303e 97
– 99d–105c 33 – 303e–304a 97
– 99e 48 – 304a 97
– 100c 50 – 304c–d 97
– 100c–d 50 – 304e 97
– 100c–e 48, 50 – 305a 97
– 101a–b 36 – 305b 97
– 102a 74 – 305c 97
– 102d–103e 49 – 305c–e 96, 99
– 104a–b 51 – 305d 98
– 104b–c 49, 51 – 305d–e 42
– 105b–c 50, 51 – 306a–308b 101
– 105c 50 – 306a–311c 98, 99
– 107d–114c 241 – 307c 101
– 108d 47 – 307d 101
– 108e–109a 37, 46, 51 – 308c–d 102
– 109a 51 – 308c–311c 101
– 110b–111c 46 – 308d–e 93
– 112a–b 46 – 308e 95, 99
– 113d–114a 46 – 310e 98, 100
– 114d 47, 75 – 311a 98
Phaedrus (Phdr.) – 311b 101
– 276b 74 – 311c 103
– 276b–c 74 Protagoras (Prt.)
– 276c 75 – 313d 94
Philebus (Phlb.) 164 – 320d 84
– 19c 48 – 358c–d 39
– 23c–30e 51 Respublica = Politeia (R.)
Politicus (Plt.) (Statesman) – I, 331b 75
– 258d–e 91 – I, 342c–d 85
– 258e–259d 91 – I, 344d 73
– 259e–260b 92 – I, 346e–347a 85
– 260c–d 94 – II 421
– 260d 95 – II, 358d 75
– 260d–261a 95 – II, 376a 73
– 268d–274e 103 – II, 379d 241
– 273b 103 – IV 140, 143, 158, 443, 445
– 277d–279a 99 – IV, 423c 89
– 279a–283b 95 – IV, 423d–e 89, 90
– 283b–284b 98 – IV, 427d–441e 379
– 285d 75 – IV, 430e 445
– 287b 96 – IV, 432a 379
– 287b–311c 95 – IV, 433b 379
– 290a–c 95 – IV, 434c 445
– 296b 241 – IV, 436a–b 143
– 300c 48 – IV, 436b 143, 150
490 | Stellenregister

– IV, 436b–c 161, 170 – 176b 436


– IV, 436e–437a 170 – 189e–190a 64
– IV, 437b 164 – 189e 442
– IV, 437c 164 – 198b 73
– IV, 437d–439b 170 Timaeus (Ti.) 164
– IV, 439b 164 – 31b–c 41
– IV, 439c–d 161 – 41b–d 103
– IV, 439d 161 – 42e–43b 103
– IV, 439e 161 – 43a–44a 41
– IV, 441a–b 272 – 45b–d 53
– IV, 442e–443a 228 – 46c–d 53
– V, 458b–c 89 – 46c–48b 103
– V, 463a–c 89 – 47a–c 45
– V, 477c–d 160 – 54a–62e 52
– VI, 486a 377 – 68e 52
– VI, 487a 377 – 68e–69a 103
– VI, 493d 85 – 86a 50
– VI, 499d–e 87 – 86b 41
– VI, 500b–501c 83 – 86b–87b 41
– VI, 500d 83
– VI, 500d–501b 88
– VI, 500e–501c 83 Plotin (Plot.)
– VI, 501b 101
– VI, 503d–504a 83 Enneades (Enn.)
– VI, 504b 88 – I 1 [53] 11.1–4 443
– VII, 521b 82 – I 1 [53] 11.8–15 443
– VII, 527a 92 – I 2 [19] 445
– VII, 527b 92 – I 2 [19] 3 450
– VII, 539e 81 – I 4 [46] 1.21–23 439
– VII, 540a 81 – II 4 [12] 1 = SVF II 320 331
– VIII, 553a–c 41 – VI 1 [42] 28 = SVF II 319 331
– VIII, 554a–d 41 – VI 6 [34] 14.16 34
– IX, 588b–590b 403
– X 143
– X, 601d–e 43
Plutarch (Plut.)
– X, 618b–e 54
Adversus Colotem (Adv. Col.)
Sophista (Soph.) – 26–27, 1122a–f 330
– 223d 94 De Communibus Notitiis Adversus Stoicos
– 249a 75
(De Comm. Not.)
– 263e 442 – 30, 1073d–e = SVF II 525 331
– 264a–b 64 – 32, 1075e = LS 54K, SVF II 1126 360
Symposium (Symp.)
– 45, 1084a = SVF II 848 331
– 181c 75 De Sollertia Animalium
– 186b 374 – 2–5 439
Theaetetus (Tht.) 164
– 13, 969a–b 443
– 149c 84
– 167d 75
Stellenregister | 491

De Stoicorum Repugnantiis (De Stoic. – I 29,6 = 107.15–17 Nauck 450


Rep.) – I 29,6 = 107.16–17 Nauck 450
– 11, 1037c = SVF III 520 333 – I 29,6 = 107.17 Nauck 449
– 11, 1037c–1038a = SVF III 520, 521, 175 – I 29,6–30,1 449
343 – I 30 451
– 11, 1037e = SVF III 521 333 – I 30,1 = 107.18–21 Nauck 450
– 11, 1037f = SVF III 175 336 – I 30,1 = 107.20 Nauck 450
– 47, 1055f–1056a = SVF II 994 344 – I 38,1 452
– 47, 1057b = SVF III 177 338 – II 13,1–3 448
– 47, 1057b–c = SVF III 177 344 – II 31 19
De Virtute Morali (De Virt. Mor.) – III 443
– 2, 440f = SVF I 375, LS 61B 377 – III 1,4 = 187.12–14 Nauck 441
– 2, 441a = SVF III 255 377 – III 1,4 = 187.14–17 Nauck 440
– 3, 441c = SVF III 459 335 – III 3,2 = 188.23–24 Nauck 442
– 7, 446f = SVF III 459 335 – III 7–8 441
Septem Sapientium Convivium – III 13,2 442
– 16 437 – III 15,1 = 204.2 Nauck 442
– III 15,1–2 442
– III 18,3 439
Ps.-Plutarch – III 18,3–20,6 439
– III 19,2 = 208.24–209.6 Nauck 439
Strômata (Strom.) – III 20,7 439
– 2 = DK 12 A 10 52 – III 24,6 = 220.13 Nauck 439
– III 26,2–3 441
– III 26,8–9 437
Porphyrius – III 26,9 = 224.2–6 Nauck 436
– III 26,9 = 224.5 Nauck 446, 453
Ad Gaurum quomodo Animetur Fetus (To
Gaurus and How Embryos Are – III 26,10 = 224.6–7 Nauck 444
Ensouled) – III 26,10 = 224.10–13 Nauck 445
– III 26,11 = 224.13–17 Nauck 453
– 14,3 440
De Abstinentia ab Esu Animalium (De – III 26,12 448
abst.) (On Abstinence) ed. – III 26,12 = 224.17–20 Nauck 437
– III 27,2 444, 445
Bouffartigue, Patillon, Segonds
– I 1,1 = 85.2–4 Nauck 437 – III 27,2 = 225.7–16 Nauck 444
– I 12,5–6 441 – III 27,2 = 225.15–17 Nauck 446
– III 27,2 = 225.16–19 Nauck 445
– I 12,6 = 95.22–23 Nauck 442
– I 13,5–14,1 436 – III 27,2–3 447
– I 18 439 – III 27,9–10 437
– III 27,11 452
– I 27,1 = 104.22–25 Nauck 449
– I 27,2–3 447 – III 7,3 = 196.1 Nauck 449
– I 27,4 448 – IV 1,2 436
– IV 17,1 = 256.7–8 Nauck 436, 437
– I 28 451
– I 28,1 448 – IV 17,4 = 256.18 Nauck 436
– I 28–45 451 – IV 20,10–11 452
In Aristotelis Categorias Commentarium
– I 29–30 440
– I 29,5 = 107.12–15 Nauck 449 – 95.29–35 CAG IV,1 Busse 440
492 | Stellenregister

In Harmonica Ptolemaei Commentarius – I 5,3 406


(Harmonics) – I 7,4 397
– 14.22–26 Düring 440 – II 1,4 395
Isagogê (Introduction) – II 3,5 395
– 15.4–6 CAG IV,1 Busse 440 – II 4,1 396
Sententiae ad Intelligibilia Ducentes – II 4,2 395
(Sentences) – II 7,4 400
– 32 445 – II 19,1 401
– 32.33–62 Brisson 450 – II 35,5 385
– III 5,6 406
De Providentia (Prov.) [Dialogus (Dial.) I]
Posidonius – 5,8 365
De Vita Beata [Dialogus (Dial.) VII]
Fragmenta – 16,1 394
– 153 Edelstein / Kidd 352 Epistulae Morales (Ep.)
– 165 Edelstein / Kidd 352 – 5,4 406
– 11,1 398
– 11,7 398
Proclus (Procl.) – 11,8 398
In Platonis Parmenidem Commentaria (In – 11,10 398
– 34,4 400
Plat. Parm.)
– IV 841, 2–4 Steel = SVF II 343 331 – 52,1 400
– 77,7 409
– 80,4 395
Seneca (Sen.) – 92,3 400
– 94,17 386
De Beneficiis (Ben.) – 94,55 394
– I 3,8–9 362 – 95,52 438
– I 3,9 362 – 95,58 400
– I 4,4 362 – 106,3 = SVF III 84 331
– I 6,1 382 – 107,10 350
– II 6,2 383 – 108,21 438
– II 17,3 362 – 113,18 = SVF III 169 330
– II 17,7 383 – 114,23 351
– II 18,2 362 – 116,5 395
– II 25,3 362 – 121,13 351
– III 22,1 362 Hercules Furens (Her. F.)
– V 14,1 362 – 27–28 387
– VI 11,1 362 – 75 387
– VI 12,2 362 – 109 387
– VI 21,1–4 364 – 939–940 387
– VI 21,2 383 – 944–946 387
– VI 21,4 367 – 982–984 387
– VI 23,1–2 365 – 1200–1201 388
De Ira [Dialogoi (Dial.) I–III] – 1237 387
– I 1,3–4 401 Medea (Med.)
– I 4–5 401 – 28–29 401
Stellenregister | 493

– 32–36 401 – 360 402


– 166–167 401 – 361 392
– 466 401 – 362 402
– 472 401 – 364 402
– 788 404 – 413 404
– 817–821 401 – 427–430 404
– 832–839 401 – 432 405
– 833 404 – 454 405
– 879–880 401 – 486 406
Phaedra (Phaedr.) – 540 401, 406
– 90 399 – 564 406
– 91 399 – 565 406
– 92 399 – 566–568 405
– 96–97 407 – 567 406
– 97–98 399, 407 – 578 407
– 120 399 – 609 407
– 123–133 395 – 633 407
– 124–128 394 – 641–644 402
– 140 396 – 642 392
– 143–144 394 – 683–684 407
– 151 394 – 706–709 407
– 154–158 394 – 720–721 405
– 165 402 – 909–911 408
– 173 402, 405 – 1068–1069 410
– 178–185 396 – 1070 403
– 179 397 – 1082–1083 403
– 181–183 396 – 1085 403
– 195–202 394 – 1093–1095 403
– 219–221 399 – 1115–1117 408
– 225 399 – 1118 408
– 226–227 408 – 1223–1225 409
– 230 405 – 1249–1250 409
– 250–252 399 – 1280 410
– 256–257 404 Quaestiones Naturales (QNat.)
– 268 404 – I, praef. 3 365
– 276 402
– 278 402
– 280 402 Sextus Empiricus (Sext.
– 281 402 Emp.)
– 290–291 402
– 330 402 Adversus Mathematicos (Adv. Math.)
– 337–338 402 – VII 42–44 343
– 340–342 406 – VIII 10 = SVF II 195 332
– 342–344 402 – VIII 11–12 = SVF II 166 332
– 355 402 – VIII 12 = SVF II 166 332, 339
– 356 391 – VIII 70 = SVF II 187 331
– 359 402 – VIII 70–71 = SVF II 187 332
494 | Stellenregister

– VIII 218 = SVF II 331 332 – 115 329


– VIII 275–276 = SVF II 223 334 – 116 330
Pyrrhôneiai hypotypôseis (PH) – 130 330
– I 69 443 – 135 334
– 136–165 332
– 140 331
Simplicius (Simpl.) – 146 332
– 166 332, 339
In Aristotelis Physicorum Libros Quattuor – 181 331, 332
Priores Commentaria (In Arist. Phys.) – 186 339
– 530.9–14 CAG IX Diels = SVF II 467 331 – 187 331, 332
In Libros Aristotelis De anima – 188 339
Commentaria (In De an.) – 195 332
– 287.25–31 CAG XI Hayduck 144 – 200 339
– 290.41–291,1 CAG XI Hayduck 149 – 223 334
– 291.1–2 CAG XI Hayduck 149 – 280 377
– 291.3 CAG XI Hayduck 149 – 319–320 331
– 291.4–12 CAG XI Hayduck 149 – 329 332
– 291.5 CAG XI Hayduck 149 – 331 332
– 291.6–7 CAG XI Hayduck 149 – 343 331
– 448 352
– 450 352
Stoicorum Veterum Frag- – 458 329
menta (SVF) – 467 331
– 525 331
I – 639–640 352
– 98 331 – 848 331
– 102 349 – 974 330
– 179 373 – 992 329
– 179–188 334 – 994 344
– 190–196 334 – 1002 331, 338
– 208 335 – 1003 340
– 209 335 – 1005 340
– 230–232 335 – 1021 360
– 263 394 – 1027 349, 401
– 375 377 – 1081 362
– 527 350 – 1126 360
– 537 350 III
– 552 373 – 2–19 334
– 552–556 334 – 4 372
– 559–562 334 – 12 373
II – 29–37 334
– 52 331 – 72–79 334
– 61 331 – 84 331
– 72– 73 329 – 89 340, 341
– 83 329 – 89–91 340
– 87 332 – 91 340, 341
Stellenregister | 495

– 112 330, 332 Stobaeus (Stob.)


– 117–123 334
– 169 329, 330, 336, 338 Eclogae Physicae et Ethicae (Ecl.)
– 171 337, 338, 339, 341 (Wachsmuth)
– 172 330 – I 25.3–27.4 = SVF I 537 350
– 173 338 – II 59.4–11 = SVF III 262, LS 61H 376
– 175 336, 343 – II 63.6–7 = SVF III 280.1–2, LS 61D1 385
– 177 338, 344 – II 63.8–11 = SVF II 280, LS 61D 377
– 255 377 – II 73.19 = SVF III 112 332
– 255–256 340 – II 73.19–74.3 = SVF III 112 330
– 262 376 – II 75.7–10 381
– 262–263 340 – II 75.11–12 = SVF I 179, LS 63B 373
– 265 340 – II 75.11–76.23 = LS 63B 372
– 275 340 – II 76.1–8 = SVF I 552, III 12 373
– 280 340, 385 – II 76.2–3 373
– 283 340 – II 76.18–19 = SVF III 3 375
– 286 340 – II 78,7–17 = SVF III 89 340
– 295 340 – II 86.17 = SVF III 169 329, 336, 338
– 314 340 – II 87.14 = SVF III 173 338
– 323 340 – II 88.1–6 = SVF III 171, LS 33I 337
– 377 329 – II 88.8–10 = SVF III 378 335
– 378 335 – II 88.22–89.3 = LS 65C 400
– 382 335 – II 90.19–91.4 = LS 65E1 400
– 385 335 – II 91.5–6 = LS 65E3 397
– 391 335 – II 97,15–98,13 = SVF III 90; 91 340
– 393 335 – II 104.10–105.6 = SVF III 682 343
– 456 335 – II 111.10–17 = SVF III 554 344
– 459 335
– 461 335
– 474 333 Themistius (Them.)
– 475 340
– 486 336 In Libros Aristotelis De anima Paraphrasis
– 491–499 335 (In De an.)
– 500–523 335 – 107.17–18 CAG V,3 Heinze = SVF I 208,
– 513 344 III 382 335
– 519 333 – 116.31–117.1 CAG V,3 Heinze 144
– 520–521 333, 343 – 117.17–22 CAG V,3 Heinze 151
– 554 344 – 117.20–22 CAG V,3 Heinze 151
– 620 340
– 682 343
– 757–768 335 Theophrast
De pietate = Peri eusebeias
– II 12–13 437
496 | Stellenregister

Thukydides (Thuk.)
Historiae
– III 81,5 315
– III 82,3‒6 315
– III 83,2‒4 315

Xenophanes
Fragmenta
– DK 21 B 11 = Sext. Emp. Adv. Math. IX
193 228
– DK 21 B 12 = Sext. Emp. Adv. Math. I 289
228

Xenophon (Xen.)
Hellenica (Hell.)
– II 4,20–22 309
Oeconomicus (Oec.)
– I 11 374

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