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BLÄTTER

FÜR WÜRTTEMBERGISCHE

KIRCHENGESCHICHTE

IM AUFTRAG DES VEREINS

FÜR WÜRTTEMBERGISCHE KIRCHENGESCHICHTE

HERAUSGEGEBEN

VO~ GERHARD SCHÄFER UND MARTIN BRECHT

89.Jabrgang.1989

VERLAG CHR. SCHEUFELE IN STUTTGART


IMMO EBERL

tJom Itwfttr ~urItwfttrfcbult


Die Entwicklung der >großen Mannskloster.
im Herzogtum Wiirttemberg unter den Herzögen Ulrich und Christoph

Archivdirektor D. Dr. Gerhard Schäfer zum 65. Geburtstag

Der Herzog von Württemberg besaß zu Beginn des 16.Jahrhunderts die


Landeshoheit über rund 40 Klöster.' Unter diesen befanden sich 15 große
Mannsklöster, von denen insgesamt vierzehn ihre so besonders eigenständige
Rolle in der Geschichte Württembergs spielen sollten, während sich eines vom
württembergischen Einfluß befreien konnte und daher auch nicht der Re-
formation unterzogen wurde. Es handelt sich bei diesen Klöstern urn: Adel-
berg2, Alpirsbach'', Anhausen", Bebenhausen'', Blaubeuren'', Denkendorf,

1 Vg!. GUSTAVLANG, Geschichte der wÜTttembergischen Klosterschulen von ihrer Stiftung bis zu
ihrer endgültigen Verwandlung in Evangelisch-theologische Seminare. Stuttgart 1938, S.3;
dazu vg!. auch JOHANNESWÜLK-"HANS FUNK,Die Kirchenpolitik der Grafen von Württemberg
bis zur Erhebung Württembergs zum Herzogtum (1495). Stuttgart 1912; DIETER STIEVER-
MANN,Die wÜrltembergischen KlosterreJormen des 15.lahrhunderts; in ZWLG 44 (1985),
S.65-103; DIETER STIEVERMANN,Das Haw Württemberg und die Klöster vor der Reforma-
tion; in 900 IahreHaus Wlirttemberg. Hg. von ROBERTUHLAND.Stuttgart ~1985, S. 459-481.
2 Urkundenregesten des PränwnstratenserklostersAdelberg(1178-15J6). Bearb. von KARLOTTO
MÜLLER. (Veröffentlichungen der württemberg. Archivverwaltung 4) Stuttgart 1949; WALTER
ZIEGLER, Der Gründer Adelbergs. Volknand von Staufen- Toggenburg, ein Vetter Barbarossas;
in Hohenstaufen. Staufer-Forschungen im Stauferkreis Göppingen 10 (1977), S.45-93; Jo-
SEPH ZELLER, Das Pränwnstratenserstift Adelberg, das letzte schwäbische Doppelkloster 1178
(1188)-1476; in Württembg. Vl£rteljahrsheJteJür Landesgeschichte 25 (1916), S.107-162.
3 KLAusSCHREINER,Alpirsbach; in Die Benediktinerklöster in Baden- Württemberg. Germania
Benedictina, Bd.5. Hg. von FRANZQUARTHAL.Augsburg 1975, S.117-124.
4 HEINZ BÜHLER,Anhausen; in Germania Benedictina (wie Anm. 3), S.125-132.
5 JÜRGENSYDOW,Die Zisterzienserabtei Bebenhausen. (Germania Sacra NF 16: Bistum Kon-
stanz 2) Berlin 1984.
6 OTTO-GÜNTER LONHARD,Das Kloster Blaubeuren im Mittelalter. Rechts- und Wirtschaftsge-
schichte einer schwäbischen Benediktinerabtei. (Veröffentlichungen der KommissionJür ge-
schichtliche Landeskunde in Baden-Wiuttemberg, Reihe B Bd.25) Stuttgart 1963; IMMo
EBERL, Blaubeuren; in Germania Benedictina (wie Anm. 3), S.160-174; Kloster Blaubeuren
1085-1985, Benediktinisches Erbe und Evangelische Seminartradition. Hg. von IMMo EBERL.
Sigmaringen 1985.
7 KASPARELM, St.Pelagiw in Denkendorf. Die älteste deutsche Propstei des Kapitels zum
Hi Grab in Geschichte und Geschichtsschreibung; in Landesgeschichte und Geistesgeschichte.
Festschriftfür Otto Herding zum 65. Geburtstag. (Veröffentlichungen der KommissionJür ge-
schichtliche Landeskunde in Baden-Wiirttemberg; Reihe B Bd. 92) Stuttgart 1977, S. 80-130.

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IMMO EBERL

Herbrechtingen'', Herrenalb", Hirsau'", Königsbronn 11, Lorch 12, Maulbronn n,


Murrhardt!", St. Georgen'P und Zwiefalten. 16 Diese Klöster gehörten zwarver-
schiedenen Orden an, waren aber in ihrer überwiegenden Mehrzahl in der
zweiten Hälfte des 11. und im 12.J ahrhundert enstanden - also in der Zeit der
größten Klostergründungswelle der Geschichte überhaupt.
In der Aufzählung der Orden und ihrer Klöster unter den großen Mannsklö-
stern sei mit den Benediktinern begonnen. Als ältestes Kloster dieses Ordens
im Bereich Altwürttembergs ist Murrhardt zu nennen, das bereits in karolingi-
scher Zeit gegründet worden war, aber sein ununterbrochenes mönchisches
Leben bis zur Reformation erst im 10.Jahrhundert begann. Die Vogtei über
das Kloster war 1395 von Württemberg erworben worden. Als zweites Bene-
diktinerkloster ist Hirsau anzuführen, das ebenfalls bereits eine erste Grün-
dung in karolingischer Zeit erlebt hat, dann jedoch wieder aufgegeben wurde
und erst 1059 erneut gegründet worden ist. In kürzester Zeit sollte es zu einem
der bedeutendsten Klöster Deutschlands aufsteigen. Dazu besagt eigentlich
der Hirsau in der Forschung vielfach beigelegte Name »deutsches Cluny< ge-

8 HEINZ BÜHLER,Aus der Geschichte der Gemeinde Herbrechtingen; in Herbrechsingen 1200


Jahre. Hg. von HANSMARTINBLErcHER, Gerlingen 1974,8.50-103.
9 HELMUTPFLÜGER,Schutzverhältnisse und Landeshemchoft der Reichsabtei Herrenalb von
ihrer Gründung im Jahre 1149 bis zwn Verlust ihrer Reichsunmittelbarkeit im Jahre 1497
(bzw. lfJ5). (Veröffentlichungen der Kommissionfor geschichtliche Landeskunde in Baden-
Wiirttemberg, Reihe B Bd.4) Stuttgart 1958.
10 KuuS SCHREINER,Hirsau; in Germania Benedictina (wie Anm.3), S.281-303.
11 Es ist noch zurückzugreifen auf KAHLPFAFF, Geschichte des Klosters Königsbronn; in Würt-
tembergische Jahrbücher 1856/11, 8.100-150; dazu vg!. WrLHELM HEUSEL, Königsbronn.
Das Kloster und die Eisenwerke. Stuttgart 1937; LORENZLÖFFLER,Kloster Königsbronn und
die Stadtpfarre PfuUendoif; in FDA 26 (1898), 8.303-315); JOSEPH JAKOBDAMBACHER,
Urkundenlese zur Geschichte schwäbischer Klöster. I.Königsbronn; in ZGO 10 (1859),
S.115-123. 251-257. 338-353; Beschreibung des Oberarrm Heidenheim. Stuttgart-Tü-
bingen 1844, 8.247-252; P.PIRMIN LlNDNEROSB, Monasticon Episcopatus Augustani an-
tiqui: Bregenz 1913, 8.106£.
12 WOLFGANGSEIFFER,Lorch; in Germanio. Benedictina (wie Anm. 3), S. 370-381.
13 EBERHARDGOHL, Studien und Texte zur Geistesgeschichte der Zisterzienserabtei Maulbronn
im späten Mittelalter. Phil. Diss. masch. Tübingen 1977; Kloster Maulbronn 1178-1978.
Hg. von WOLFGANGIRTENUUF. Stuttgart 1978; in Vorbereitung: lMMOEBEHL,Regestenzur
Geschichte des Klosters Maulbronn 1147-1648, und lMMo EBEHL, Kloster Maulbronn (im
Rahmen der Germania Sacra).
14 KAHL-HEINZMIsTELE, Murrluudt; in Germania Benedictina (wie Anm.3), S.396-401;
GERHARDFRITZ, Kloster Murrhardt im Früh- und Hochmittelalter. Eine Abtei und der
Adel an Murr und Kocher. (Forschungen aus Württembergisch Franken 18) Sigmaringen
1982.
15 HANS-JOSEFWOLLASCH,St. Georgen; in Gennanio Benedictina (wie Anm.3), S.242-253.
16 WILFRIEDSETZLER,Zunefalten; in Germania Benedictina (wie Anm. 3), S.680-709; WIL-
FRIEDSETZLER,Kloster Zwiejalten. Eine schwäbische Benediktinerabtei zwischen Reichsfrei-
heit und Landsässigkeit. Sigmaringen 1979.

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VOM KLOSTER ZUR KLOSTERSCHULE

nug, um die Ausstrahlungund das politische Gewicht des Klosters zu erfassen.


In der kirchengeschichtlichen Entwicklung des 11./12.Jahrhunderts hat
Hirsau eine wichtige Rolle gespielt, obwohl es selbst bereits im Laufe des
12.Jahrhunderts durch unbedeutende und sogar unwürdige Äbte seine bis-
herige Stellung einbüßte und zu einem nachgeordneten Kloster wurde.
Die Schutzvogtei über Kloster Hirsau gelangte im Zuge des württembergi-
sehen Landesausbaus nach \Vesten imJ ahr 1342 an den Grafen von Württem-
berg.
Kloster Hirsau ist das Mutterkloster vieler Benediktinerklöster im süddeut-
schen Raum geworden. Unter ihnen befanden sich auch mehrere der altwürt-
tembergischen großen Mannsklöster. Als erstes ist hier das 1084 gestiftete
St. Georgen zu nennen, dessen Schutzvogtei erst 1532 durch Kauf an Würt-
temberg gelangte. St. Georgen hat im Zuge der Reformation ein Schicksal
eigener Art gefunden. \Vährend das eigentliche Kloster evangelisch wurde,
wich der überwiegend katholisch gebliebene Konvent nach Villingen aus und
bestand dort bis zur Säkularisation 1806 unter habsburgischem Schutz wei-
ter. Auch das 1085 gestiftete Kloster Blaubeuren erhielt seinen Gründungs-
konvent aus Hirsau. Die Schutzvogtei über Blaubeuren gelangte durch Kauf
1447 an Württemberg. Das 1102 von den Vorfahren der späteren staufischen
Kaiser und Könige gestiftete Kloster Lorch wurde ebenfalls mit Mönchen aus
Hirsau besiedelt, ebenso auch das 1125 gegründete Anhausen. Während die
Schirmvogtei über Lorch bereits 1373 an Württemberg fiel, konnte es die
über Anhausen erst 1503 als Entgelt für die Waffenhilfe gegen die Kurpfalz
erwerben.
Der Gründungskonvent des 1089 gestifteten Klosters Zwiefalten wurde aus
Hirsau gerufen. Die Schirmvogtei über das Kloster gelangte erst 1491 endgül-
tig an Württemberg. Zwiefalten ist das einzige der 15 großen Mannsklöster
Altwürttembergs, das sich im 16.Jahrhundert mit habsburgischer Unterstüt-
zung den reformatorischen Bemühungen derwürttembergischen Herzöge UL-
RICH und CHRISTOPH widersetzen konnte und dadurch seine Existenz als Klo-

ster bis zur Säkularisierung 1803 bewahrte. Württemberg hat jedoch erst 1750
unter HERZOG WL EUGEN nach der Abtretung von drei Dörfern, einigen
Rechten und Gefanen des Klosters in 30 württembergischen Dörfern und ei-
ner Bezahlungvon 170000 fl in barem Geld auf seine Rechte über Zwiefalten
verzichtet und dessen Reichsunmittelbarkeit anerkannt." Das 1095 gegrün-
dete Kloster Alpirsbach erhielt seinen Gründungskonvent aus dem Kloster
St. Blasien, dem zweiten Reformzentrum Südwestdeutschlands.P Doch bereits

17 SETZLER,Gennania Benedictina (wie Anm.16), S.694.


18 HUGO OTT, St.Blasien; in Gennania Benedictina (wie Anm.3), S.146-160; HERMANN JA-

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IMMO EBERL

mit der Wahl des zweiten Abtes 1117, der aus Hirsau gerufen wurde, trat Al-
pirsbach in enge Beziehungen zu dem benachbarten Hirsau und schloß sich
seiner Observanz an. Die Schutzvogtei über Alpirsbach wurde im frühen
15.Jahrhundert von Württemberg erworben.
Die Hälfte der im Laufe des 16.Jahrhunderts reformierten großen Manns-
klöster Württembergs waren Benediktinerabteien. Ihnen sehr nahe verwandt
waren die Zisterzienserklöster, da auch diese ihre Regel auf die regula Bene-
dicti zurückführten. Zu ihnen gehörten die Klöster Maulbronn, Herrenalb,
Bebenhausen und Königsbronn. Maulbronn entstand 1147 an seiner heutigen
Stelle als Kloster. Es wurde von HERZOGULRICH im Bayerischen Erbfolgekrieg
1504 erobert und seiner Schutzvogtei unterstellt. Die Schutzvogtei über das
um 1150 gegründete Kloster Herrenalb erwarb Württemberg schon 1338 und
die über das reiche Kloster Bebenhausen im Zusammenhang mit dem Kauf
von Stadt und Herrschaft Tübingen 1343. Kloster Königsbronn war als jüng-
stes Zisterzienserkloster \Vürttembergs erst 1303 entstanden und 1448 zusam-
men mit Anhausen und Herbrechtingen unter die württembergische Schirm-
herrschaft gelangt.
An dieser Stelle ist nochmals zu betonen, daß also elf der großen Manns-
klöster Altwürttembergs ihre Lebensweise in klösterlicher Zeit nach den Re-
geln des HL.BENEDIKT ausgerichtet haben. Diese Tradition innerhalb der Klö-
ster Altwürttembergs ist besonders zu beachten. Die drei weiteren großen
Mannsklöster des Landes gehörten zu drei verschiedenen Orden. Herbrech-
tingen war 1171 durch Augustinerchorherren besiedelt worden und stand seit
1448 unter württembergischer Schutzvogtei. Das Stift Adelberg war 1178 für
Prämonstratenserchorherren gestiftet worden und bereits 1291 unter die
Schutzvogtei Württembergs gekommen. Das dem Orden vom HI. Grab in J e-
rusalem zugehörige Denkendorf unterstand seit 1424 dem Schutze Württem-
bergs. .
Die Verteilung der großen Mannsklöster Altwürttembergs auf die einzelnen
Diözesen vor der Refonnation gibt ein anschauliches Bild der Zersplitterung
des vorreformatorischen \Vürttemberg. Adelberg, Alpirsbach, Bebenhausen,
Blaubeuren, Denkendorf und St. Georgen im Schwarzwald gehörten zur Diö-
zese Konstanz": Anhausen, Herbrechtingen, Königsbronn und Lorch dage-

KORS, Der Adel in der Klosterreform von St.Blasien. (Kölner Hist. Abhandlungen 16) Köln!
Graz 1968; DAS TAUSENDJÄHRIGE 5T.BLASIEN. 200JÄHRIGES DOMJUBILÄuM. Bd.1-2, St.Bla-
sien 1983.
19 Regesta Episcoporum Constantiensium. Regesten zur Geschichte der Bischöfe von Konstanz
vonBubulcus bis Thomas Berloioer 517-1496. Hg. von der Bad. Hist. Kommission. Bd.1-5,
Innsbruck 1895-1941.

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VOM KLOSTER ZUR KLOSTERSCHULE

gen zur Diözese Augsburg20; Herrenalb, Hirsau und Maulbronn zur Diözese
Speyer" und Murrhardt zur Diözese Würzburg.22
Die württembergische Landeshoheit über die großen Mannsklöster, der
sich im Laufe des 16.Jahrhunderts nur Kloster Zwiefalten entziehen konnte,
hatte sich aus der Schutzvogtei herausgebildet. Bereits bei der Landesteilung
1442 unter die beiden gräflichen Brüder Ltmwtc I. und ULRICHV. waren insge-
samt zehn der großen Mannsklöster unter württembergischer Vogtei und wur-
den von den Brüdern unter sich aufgeteilt. 2~ Die Versuche einzelner Klöster
und Stifte, sich in den folgenden Jahrzehnten der württembergischen Vogtei zu
entziehen, scheiterten. Die Prälaten der Klöster unter württembergischem
Schutz nahmen bei der Landesteilungvon '1442 noch keine politisch herausra-
gende Stellung innerhalb der Grafschaft ein. Das sollte sich im Zuge der Ent-
wicklung der württembergischen Landstände in den folgenden Jahrzehnten
ändern. Die Prälaten waren auf den ersten Sitzungen der württembergischen
Landstände, die seit 1457 nachzuweisen sind, noch kein eigener Stand.f" Die
Landstände setzten sich in dieser Zeit nur aus der Ritterschaft und der Land-
schaft, d.h. den Vertretern der Amtsstädte zusammen. Nachdem jedoch die
Äbte von Bebenhausen, Herrenalb, Hirsau, Blaubeuren, Alpirsbach, St. Geor-
gen, Adelberg, Lorch und Murrhardt sowie der Propst von Denkendorf 1481
das Schutzbündnis der beiden württembergischen Landesteile Stuttgart und
Urach unterzeichnet hatterr", wurden sie im folgenden Jahr 1482 zu den Ga-
ranten des Müusinger Vertrags, der die beiden Landesteile wieder vereinigte."
Durch den Stuttgarter Vertrag von 1485 wurden die Prälaten der Klöster unter

20 FRIEDRICH ZOEPFL,Das B istumAugsburg und seine Bischöfe imMittelalter. München-Augs-


burg 1955.
21 ALms SEILER, Studien zu denAnfängen der Pfarrei- und Landdekanatsorganisation in den
rechtsrheinischen Archidiakonaten des Bistums Speyer. (Veröffentlichungen der Kommission
für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg, Reihe B Bd.l0) Stuttgart 1959; im
übrigen vgl. noch immer FJV.1,'ZM VERREMLlNG,Geschichte der Bischöfe zu Speyer. Bd. 1-2,
l\Iainz 1852-1854; FRANZ MVER REMLING,Neuere Geschichte der Bischöfe zu Speyer.
Speyer 1867.
22 Vgl.dazUALFRED WENDEHORST,DasBistumWzirzburg, Teill:DieBischofsreihebis 1224. (Ger-
mania SacraNF I) Berlin 1962;Teil2:DieBischofsreihevon 1224-1455. (GennaniaSacra NF
4)Berlin 1969;Teil3:DieBischofsreihevon1455-1617. (GennaniaSacraNF 13) Berlin 1978.
23 Württembergische Regesten von HOl bis 1)00. Erster Teil, Stuttgart 1916, S. 5 Nr. 88; GER-
HARDRAFF,Hiegut Wutemberg allewetre. Das Haus Württemberg von GrafUlrich dem Stifter
bis Herzog Ludwig. Stuttgart 1988, S.267f.
24 WALTERGRUBE,DerStuttgarterLandtag 1457-1957. Von den Landständen zum demokrati-
sehen Parlament. Stuttgart 1957, S.12.
25 EBERHARDGÖNNER,Der sMiinsinger Vertrag'; in MWtsingen. Geschichte- Landschaft= Kul-
tur. Festschrift zum Jubiläum des württembergischen Landesvereinigungsvertrags von 1482.
Hg. von der Stadt Münsingen. Sigmaringen 1982, S.17; vgl. dazu auch WÜLK-FuNK (wie
Anm.l), S.113tT.
26 GÖNII.'ER(wieAnm.25), S.13tT. mit Edition der Urkunde S.22tT. (Abb. derselben S.27tT.).

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IMMO EBERL

württembergischer Schutzvogtei von neuem ausdrücklich dem Schutz des GRA-


FEN EBERHARDIM BARTunterstellt und erhielten endgültig Sitz und Stimme
innerhalb des württembergischen Landtags. 27 Sie wurden damit zu einem eige-
nen Stand der württembergischen Landstände. Durch diese Einbindung in das
Land wurden die Prälaten in den folgenden] ahren gezwungen, zuerstfreiwillig
mitkleinen Summen, dann auchmitzunehmend größeren Beträgen dieAusga-
ben des Landes mitzutragen.P Zusammen mit der Steuerfreiheit verloren die
unter württembergischer Vogtei stehenden Klöster in der zweiten Hälfte des
15.Jahrhunderts auch weitgehend ihre bis dahin bestehende eigenständige
Gerichtsbarkeit.P Auf diese \Veise gelang es den württembergischen Grafen,
die großen Mannsklöster immer mehr in das Territorium der Grafschaft zu
integrieren. Als MAnMILIAN1. am 21.Juli 1495 GRAFEBERHARDIMBARTzum
Herzogvon Württemberg (eigentlich Teck) erhob, wurden die Klöster zu einem
untrennbaren Bestandteil des Herzogtums erklärt und den Prälaten der Klöster
neben Rittern und Vertretern der Landschaft die gleiche Beteiligung an einem
etwa einmal einzuberufenden Regentschaftsrat zugesichert.t" HERZOGEBER-
HARDIM BARThatte mit dieser Bestimmung für den Fail seines Ablebens und der
Nachfolge eines unmündigen Kindes vorgesorgt.
Kloster Herrenalb versuchte sich 1496 aus der württembergischen Schutz-
vogtei zu lösen, indem es von dem ihm zustehenden Recht der freien Vogtwahl
Gebrauch machte. Die Zugehörigkeit des Klosters zum Herzogtum Württem-
bergwar aber bereits zu verfestigt, um ein Herauslösen der Abtei aus demsel-
ben zu gestatten. Das Kloster konnte trotz seiner Klage auf dem Reichstag in
Worms seine Absicht nicht durchsetzen, sondern mußte unter württembergi-
scher Vogtei bleiben." Als HERZOGULRICH1504 Kloster Maulbronn von der
Kurpfalz erobert hatte, wurde ihm die Schutzvogtei und dieweltliche Obrigkeit
über das Kloster vom Kaiser zugesprochen, und der Abt bekam Sitz und
Stimme auf dem württembergischen Landtag, mußte sich aber dafür auch an
den auf den Landtagen beschlossenen Umlagen beteiligen. Damit wurde
Maulbronn sofort vollständig in das Herzogtum integriert.V Alle Prälaten der
großen Mannsklöster waren 1514 auf dem Landtag in Tübingen anwesend
und übernahmen im sog. Tübinger Vertrag ihren Anteil an der herzoglichen
Schuldenlast, um diese möglichst rasch zu tilgen.33 Am gleichen Tag wie der
berühmte Tübinger Vertrag wurde auch ein anderer Landtagsabschied be-

27 GRUBE (wieAnm.24), S.49.


28 Vgl. dazu beispielhaft LONHARD (wie Anm.6), S. 76f. und 74f.
29 Dazu vg!. auch LONHARD (wie Anm. 6), s. nff.
30 Vgl. GÖNNER (wie Anm.25), S.13ff. bzw. S.22ff.
31 Vgl. dazu PFLÜGER (wie Anm. 9), S.74ff.
32 LANG (wie Anm.l), S.21f.
33 GRUBE (wieAnm.24), S.83ff.

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VOM KLOSTER ZUR KLOSTERSCHULE

schlossen, der forderte, daß )in die Klöster des Herzogtums < in erster Linie nur
\Vürttemberger aufgenommen werden sollten.P" Damit sollte eine räumliche
Einengung der Konvente in der Zukunft auf das Herzogtum erreicht werden.
Die Klöster werden hier bereits deutlich als eine Versorgungsinstitution der
Landeskinder betrachtet. Die Beteiligung der Prälaten der großen Mannsklö-
ster am Tübinger Vertrag, die Forderung des Landtagsabschiedes vom glei-
chen Tag und auch die Beteiligung der Prälaten am Blaubeurer Vertrag von
1516, in dem sich die Landschaft bereit erklärte, die Buße HERZOGULRICHSfür
dessen Mord an HANsVONHUTTENaufzubringen, lassen die enge Einbindung
der großen Mannsklöster in das Herzogtum und dessen Politik erkennen." Es
ist besonders darauf aufmerksam zu machen, daß alle diese Vorgänge vor Be-
ginn der Reformation Württembergs geschehen sind. Die besondere Stellung
der großen Mannsklöster Altwürttembergs nach der Reformation ist aber ohne
Kenntnis dieser vorreformatorischen Vorgänge nicht zu verstehen.
In der Zeit der österreichischen Verwaltung Württembergs 1519-1534 wa-
ren die Klöster von der beginnenden Reformation nicht gefährdet. Dennoch
hat ERZHERZOG FERDINAND, der Bruder KARLSV. und Verwalter Württembergs,

nicht gezögert, den Prälaten hohe Summen abzufordern, um diese für die
Schuldentilgung des Landes einzusetzen. Als sich die Prälaten über ihren je-
weiligen Anteil an der geforderten Gesamtsumme nicht einigen konnten, ließ
die österreichische Regierung den Besitz der Klöster aufzeichnen und ihr Ein-
kommen veranschlagen. Aufgrund dieser Maßnahme setzte sie dann die
Summe fest, die jedes Kloster zu bezahlen hatte.36 In diesem Vorgehen gegen
die Klöster zeichnet sich deutlich die Säkularisierungsstimmung der Zeit oder
vielleicht besser bereits der Gedanke einer Umwidmung des Klosterbesitzes
für andere Aufgaben der Öffentlichkeit ab. Die Vertreter der Ämter und Städte
stellten imJahr 1525 den Antrag in der Landschaft, daß alle Stifter und Klöster
gründlich reformiert werden sollten. Sie sollten künftig keine Mönche oder
Nonnen mehr aufnehmen dürfen und die derzeitigen Mitglieder der einzelnen
Konvente sollten mit einem Leibgeding pensioniert werden. Die Einkünfte
aller Klöster und deren Verwaltung sollten jedoch an die herzogliche Rent-
kammer übergehen und dazu dienen, die Schulden und anderen Ausgaben
des Landes zu decken.V Der Antrag zeigte den Einfluß, den die Reformation

34 LANG (wie Anm. 1), S.22.


35 LANG (wieAnrn.1), S.22£.; vg!. dazu GRUBE (wie Anrn.24), S.101ff.; jetzt auch EBERHARD
GÖNNER,Der Blaubeurer Vertrag von 1516; in B laubeuren. Die Entwicklung einer Siedlung
in Südwestdeutschland. Hg. von HANSMARTINDECKER-lliuFF und IMMo EBERL. Sigmarin-
gen 1986, S. 245-263. GÖNp.,'ERhat ausgeführt, daß die Äbte von Maulbronn, Zwiefalten,
Lorch und Blaubeuren bei den Verhandlungen anwesend waren.
36 GRUBE (wie Anrn.24), S.154 und dazu auch S.152ff.
37 GRUBE (wieAnrn.24), S.148f. und 152.

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IMMO EBERL

bereits auf die öffentliche Meinung in Altwürttemberg gewonnen hatte. Ob-


wohl der Antrag der Vertreter der Ämter und Städte in der Landschaft nicht
durchgesetzt werden konnte und die Klöster in Württemberg noch ein Jahr-
zehnt in ihrem Bestand unbehelligt geblieben sind, zeigte er auch die künftige
Entwicklung in Württemberg nach einer Veränderung des Bekenntnisses an.38
Das Geschehen um die großen Mannsklöster in Württemberg erhielt eine
neue Wendung, nachdem HERZOGULRICHmit Unterstützung des LANDGRAFEN
PHILIPPVONHESSENin der Schlacht von Lauffen im Mai 1534 sein Land zu-
rückerobern konnte.P Er war seit mehr als einem Jahrzehnt Anhänger der
Reformation und hatte bereits die ihm 1519 verbliebene Grafschaft Mömpel-
gard (das heutige Montbeliard) zum evangelischen Glauben geführt. Wenige
Wochen nach dem Sieg bei Lauffen begann die Reformation Württembergs
durch die beiden Theologen AMBROSIUS BLARERund ERHARDSCHNEPF.Wäh-
rend BLARERsob der Steig< von Tübingen aus tätigwurde, reformierte SCHNEPF
von Stuttgart »unter der Steige, wobei die Weinsteige in Stuttgart die Grenze
der beiden Amtsbezirke bildete.f
Die beginnende Reformation konnte und wollte vor den Klöstern als Zen-
tren der katholischen Religionsausübung keinen Halt machen. Dazu kamen
noch die finanziellen Verpflichtungen HERZOGULRICHSgegenüber LANDGRAF
PHILIPP VONHESSEN für die militärische Unterstützung bei der Wiederer-
oberung seines Landes. HERZOGULRICHzögerte deshalb 1534 nicht, die Klö-
ster und dabei insbesondere die großen Mannsklöster zu der Schuldentilgung
des Landes heranzuziehen. Er forderte von den Prälaten die Hälfte der jährli-
chen Einkünfte" und erließ noch im November 1534 den Befehl, die Besit-
zungen, Einkünfte und Wertgegenstände der Klöster zu inventarisieren, damit
von ihnen künftig nichts mehr unbemerkt veräußert oder sonstwie beiseite
geschafft werden konnte.f Der Herzog entsandte zur raschen Durchführung

38 Vg!. insbesondere die Angaben über das Schicksal der Prälaten bei einem neuerlichen
Einfall des vertriebenen Herzogs Ulrich, dazu bei GRUBE (wie Anm.24), S.149.
39 Dazu noch immer umfassend CHRlSTOPH FRIEDRICH VON STÄLIN, Wirtembergische Ge-
schichte. Bd.4, Stuttgart 1873, S.358ff.
40 STÄLIN (wie Anm.39), S.390£.; ferner vg!. auch GERHARDSCHÄFER, Zu erbauen und zu
erhalten das rechte Heil de, Kirche. Eine Geschichte der Evangelischen Landeskirche in Würt-
temberg. Stuttgart 1984, S. 15; MARTINBRECHT- HERMANNEHMER, Südwestdeutsche Refor-
mationsgeschichte. Stuttgart 1984; vg!. ebenfalls VOLKERPRESS, 15 J4 - ein Epochenjahr der
württembergischen Geschichte. Herzog Ulrich wul die Reformation; in Beiträge zur Landes-
kunde. Regelmäßige Beilage zum Staatsanzeiger für Baden-Württemberg, Nr.5, Okto-
ber 1984, S.2£.; heranzuziehen ist auch VOLKERPRESS, Herzog Ulrich (1498-1550); in
900Jahre Haus Württemberg. Hg. von ROBERTUHLAND.Stuttgart 11985, S.115£.
41 GRUBE (wie Anm.24), S.176; LANG (wieAnm.l), S.27.
42 LANG(wie Anm.1), S. 27. Vg!. dazu auch den Befehl Herzog Ulrichs vom 9. November 1534
(HStA Stuttgart A 63 Bü 4); dazu Kloster Blaubeuren 1085-1985 (wie Anm.6), S.76
Nr.3.28 mitAbb.

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VOM KLOSTER ZUR KLOSTERSCHULE

seiner Befehle Kommissionen in die einzelnen Klöster, die in der Regel aus
einem oder mehreren herzoglichen Räten und dem Vogt des jeweiligen Amtes,
in dem das betreffende Kloster lag, bestanden.P Er ernannte 1535 den Stadt-
schreiber von Bietigheim, SEBASTIAN HORNMOLD,zum Vogt in Bietigheim und
gleichzeitig zum Beauftragten der kirchlichen Landesvisitation, insbesondere
mit der finanziellen Regelung der Verhältnisse bei der Inventarisierung der
Klöster und der Registrierung des Kirchenguts."
Der Zugriff des Herzogs auf die Klosterfinanzen war durch die Schirmvogtei
über die Klöster rechtlich abgedeckt. Wie oben gezeigt, hatten die Prälaten der
großen Mannsklöster seit Jahren und Jahrzehnten die finanziellen Lasten des
Landes mitgetragen. Auch die österreichische und überzeugt katholische Re-
gierung unter ERZHERZOGFERDINAND hatten im Laufe der 20er Jahre keinen
Augenblick gezögert, ihre vermeintlichen finanziellen Ansprüche an die Klö-
ster durchzusetzen. HERZOGULRICHging aber aufgrund des ihm im Vertrag
von Kaaden durch ERZHERZOG FERDINAND für \Vürttemberg zugestandenen ius
reformandi weiter. Es wurde noch 1534 sichtbar, daß der Herzog auch die
Klöster und ihr - rund ein Drittel des Herzogtums - umfassendes Territorium
mit in die Reformation einbeziehen wollte. Schon zu Weihnachten 1534 er-
hielten die Prälaten einen Befehl des Herzogs, der ihnen auferlegte, in allen
Patronatspfarreien ihrer Klöster evangelische Geistliche einzusetzen, gleich-
zeitig die bisherigen katholischen Gebräuche abzuschaffen und Gottesdienst
und Abendmahl in Zukunft allein nach der evangelischen Kirchenordnung
abzuhalten. In die Klöster wurden gleichzeitig Leserneister entsandt, die die
Konvente im evangelischen Glauben unterweisen und die einzelnen Mitglie-
der in den Konventen zur neuen Lehre bekehren sollten.t?
Nachdem die Konvente auf diese \Veise schon aufWeiterungen vorbereitet
worden waren, erließ der Herzog am 4.Juni 1535 eine Clausterordnung für
sein Land, die nach Sprache und Inhalt von AMBROSIUS BLARERverfaßt sein
dürfte.t" Die Klosterordnung schaffte Messen und Beichte ab, ebenso auch das
bisherige strenge Schweigegebot. Der Austritt aus dem Konvent wurde er-
laubt, jedoch wurden noch immer für die im Kloster und Konvent verbleiben-
den Mönche gewisse Tagzeiten festgeschrieben. Die Aufnahme von Novizen
wurde den Klöstern untersagt und der Austritt aus den Konventen mit einem

43 Vg!. dazu beispielhaft CHRISTIAN ThBINGIUS, Burrensis Coenobii Annales. Die Chronik des
Klosters Blaubeuren: Hg. von GERTRUD BRÖSAMLE. (Schriften zur südwestdeutschen Landes-
kunde 1) Stuttgart 1966, S.XXVI.
44 HERMANN RÖMER, Sebastian Hommold, der Vogt von Bietigheim. Festschrift des württem-
bergischen Gustau-Adolf-Vereins. Bietigheim 1927, S.33-39.
45 LANG (wie Anm.l), S.28; dazu vg!. TUBINGIUS (wie Anm.43), S.XXVI.
46 Vg!. Abdruck bei CHRISTIAN FRIEDRICH SCHNURRER, Erläuterungen der württembergischen
Kirchen-, Reformations- und Gelehrtengeschichte. Tübingen 1798, S. 547 ff.

13
IMMO EBERL

jährlichen Leibgeding von 40 fl nahegelegt. Wenn die Mönche mit einem


Leibgeding einverstanden waren, mußten sie sich verpflichten, keine weiteren
Ansprüche mehr an die henogliche Kasse zu stellen. Die Mönche, die nicht
mit einem Leibgeding pensioniert werden wollten, sollten mit Büchern und
Betten ins Kloster Maulbronn gehen und dort zu einem gemeinsamen Haus-
halt - Konvent wäre dieses Konglomerat von Angehörigen verschiedener Or-
den wohl keiner gewesen - zusammengefaßt werden.F HERZOGULRICHwar
nach dieser Klosterordnung entschlossen, das klösterliche Leben in seinem
Land abzuschaffen. Er war zwar bereit, die Prälaten wie bisher als einen eige-
nen, zur Landschaft gehörigen Stand auf die Landtage einzuladen, wollte sie
aber gleichzeitig mit einem jährlichen Leibgeding von 400-500 fl in barem
Geld und Naturalien als württembergische Beamte auf Lebenszeit zur Verwal-
tung der klösterlichen Güter anstellen. Das eigentliche klösterliche Leben da-
gegen sollte in den Konventen so rasch wie möglich aufhören.
Obwohl HERZOGULRICHbei seinem Vorgehen in den einzelnen Konventen
auf großen Widerstand der Mönche stieß, konnte er dennoch seine Absicht bis
Ende 1536 weitgehend durchsetzen. Zu diesem Zeitpunkt waren alle großen
württembergischen Mannsklöster mit Ausnahme von Zwiefalten und Königs-
bronn bereits säkularisiert und bis auf wenige Insassen - zumeist die Äbte -
geräumt.48 Die von den württembergischen Beamten eingezogenen Kirchen-
schätze wanderten in die herzogliche Münze und dienten dazu, die Kriegs-
kosten von 1534 und die anderen Schulden des Landes abzutragen. Selbst
Glocken scheinen in den Klöstern von den Türmen abgenommen und verkauft
worden zu sein,"? Aus den Klostergütern konnte HERZOGULRICHdarüber hin-
aus nach einem Schreiben seines Sohnes HERZOGCHRISTOPHan seine Räte
vom Jahre 1564 jährlich noch über 100000 fl zurücklegen. Die schnelle
Durchführung der Säkularisation der Klöster - vor allem der großen Manns-
klöster - hatte die Reformation erleichtert, da das katholische Bekenntnis
nicht mehr durch die im Lande bestehenden Klöster unterstützt werden
konnte. Darüber hinaus hatte die Säkularisation dem Württemberg drohen-
den Staatsbankrott entgegengewirkt und sogar die Möglichkeit eröffnet, fi-
nanzielle Rücklagen zu bilden, obwohl gleichzeitig noch starke Festungen im
Land gebaut wurden'", die große Summen benötigt haben dürften. Die finan-

47 Vg!. dazu neben SCHNURRER (wie Anm.46) auch LANG(wie Anm.1), S.28ff.
48 Für BIaubeuren vgl, ThBINGIUS (wieAnm.43), S..XXXVI.NachLANG(wie Anm.1), S.31 ff.
blieben neben dem Propst in Denkendorf die Abte von Hirsau, Herrenalb, Alpirsbach,
Lorch, Blaubeuren und Murrhardt allein in ihren Klöstern zurück.
49 Als Beispiel sei dafürdie Glocke vom Turm der Klosterkirche in BIaubeuren genannt, die in
dieser Zeit auf den Turm der Nürtinger Stadtkirche gelangte.
50 Hier sind zu nennen die Festungen Urach, Tübingen, Hohenneuffen und Hohenasperg,
aber auch die Arbeiten am Hohentwie!.

14
VO~l KLOSTER ZUR KLOSTERSCHULE

ziellen Rücklagen HERZOGULRICHSbeliefen sich bei seinem Ableben 1550


immerhin trotz aller inzwischen eingetretenen Verluste auf rund 350000 11in
barem Geld.51
Die Lage der großen Mannsklöster Altwürttembergs schien durch die politi-
sehe Lage Ende 1536 endgültig entschieden zu sein. Die Mönche in fast allen
Klöstern hatten sich der Reformation widersetzt. Sie hatten damit ein sehr gu-
tes Zeugnis für ihre hohe klösterliche Moral abgelegt.P Die Mannsklöster Alt-
württembergs waren 1534/1535 keine moralisch verkommenen Institutionen
gewesen, die sich bei der herannahenden Reformation rasch selbst auflösten.
Die Mönche, die bei ihrem Glaubensbekenntnis geblieben waren, hatten in
großer Zahl \Vürttemberg den Rücken kehren müssen und agierten nun im
Ausland, insbesondere in den habsburgischen Gebieten, gegen HERZOGUL-
RICHund das evangelische \Vürttemberg. ss Ohne eine entscheidende Verände-
rung der politischen Großwetterlage wäre ihr künftiges Schicksal und Han-
deln jedoch unverändert geblieben. HERZOGULRICHgab ihnen aber selbst die
Möglichkeit, nochmals in ihre angestammten Abteien zurückzukehren. Er
war 1536 dem Schmalkaldischen Bund zur Verteidigung des evangelischen
Glaubens beigetreten. Er ließ sich auch in den 1546 ausbrechenden Schmal-
kaldischen Krieg verwickeln und wurde daher nach dem Sieg KAISERWLS V.
1547 über die evangelischen Fürsten bei Mühlberg zu entscheidendem Nach-
geben gezwungen. Er mußte das von KARLV. erlassene Augsburger Interim"
wenige Tage nach seiner Verkündigung annehmen.P Damit wurde nicht nur
wieder sofort die katholische l\lesse in Württemberg eingeführt, die evangeli-
sehen Geistlichen aus ihren Pfarrstellen vertrieben und die bischöfliche Auto-
rität über die reformierten Teile ihrer in Württemberg liegenden Diözesen
wiederhergestellt, sondern auch die Forderung erhoben, die säkularisierten
Klöster an die vertriebenen Mönche und Nonnen zurückzugeben.
Als Folge des kaiserlichen Interims meldeten die katholischen Prälaten und
Konvente ihre berechtigten Forderungen auf die säkularisierten Klöster an.
Von den Äbten und Pröpsten der großen Mannsklöster lebten 1548 noch ins-
gesamt fünf, von denen jedoch zwei geheiratet hatten und sich damit von ihrer
geistlichen \Vürde getrennt hatten. Doch waren diese zwei, ihre Hirtenpflicht
vergessenden Prälaten ebenso wie die anderen neun verstorbenen Klosterobe-
ren durch außerhalb \Vürttembergs gewählte neue Klosterobere ersetzt wor-

51 Herzog Ulrich starb am 6.November. Zu seiner Hinterlassenschaft vg!. STÄLIN(wie


Anm.39), S.476 Anm.4.
52 Vg!. dazu nicht nur die Darstellung ThBINGIUS'(wie Anm.43), S.XXXII für das Kloster
Blaubeuren, sondern auch die Zusammenfassung bei LANG(wie Anm.l), S.31ff.
53 Für das Kloster Blaubeuren läßt sich dieser Vorgang eindeutig beweisen.
54 Vgl. dazu Lezikon fiir Theologie und Kirche, Bd.5, Sp.727.
55 STÄLIN(wie Anrn.49), S.468ff.

15
IMMO EBERL

den. HERZOGULRICHwar ursprünglich wenig gewillt, den Bestimmungen des


lnterims Folge zu leisten. Seine Räte beeinflußten ihn jedoch dahingehend,
durch einzelne Verhandlungen mit den jeweiligen Prälaten und vor allem
durch eine möglichst große Behinderung der Restitution für die Reformation
in Württemberg zu retten, was noch zu retten war. Auf diese Weise kam es in
den folgenden Monaten mit den meisten Äbten und Pröpsten der wieder in
ihre angestammte Heimat zurückdrängenden Konvente zu vertraglichen Re-
gelungen.ln allen Klöstern begann jedoch im Herbst 1548 oder spätestens im
Frühjahr 1549 das klösterliche Leben von neuem.t"
Es ist nun festzustellen, wie sich dieses neuerliche Klosterleben in einer in
der Zwischenzeit weitgehend reformierten Umgebung gestaltete. Die Äbte
und Pröpste waren teils allein, teils mit wenigen alten Mönchen, die nach mehr
als einem Jahrzehnt Aufenthalt im Exil seit der Säkularisation von 1534/1535
und der Vertreibung übriggeblieben waren, in die Klöster zurückgekehrt. Es
gelang ihnen in der Folgezeit zwar, Novizen in ihre Klöster aufzunehmen und
damit die Zahl der Mönche zu ergänzen, aber die Zahl der Novizen blieb rela-
tiv klein. Die Mönche waren dazu 1548/1549 in der Regel in weitgehend leere,
ausgeplünderte Klöster zurückgekehrr", die sie als erstes vollkommen neu
ausstatten mußten. Da die Einkünfte der Klöster entscheidend geschmälert
worden waren und HERZOGULRICHsich nicht bereit fand, Schadenersatz zu
leisten, war die Wirkung der neuentstandenen Konvente sehr gering. Der Her-
zog war nicht einmal bereit, den Klöstern ihre Urkunden und Güterverzeich-
nisse zurückzugeben, sondern behielt die 1535 nach Stuttgart verbrachten
Klosterarchive in seiner Hand, obwohl sich die Äbte wiederholt mit Beschwer-
den an ihn wandten.P' Dazu wurden die Klöster insgesamt angehalten, dem
Herzog die Erbhuldigung zu leisten. Die wiederhergestellten Klöster unter-
standen damit weiterhin der weltlichen Obrigkeit Württembergs. Sie hatten
zwar ihre Selbstverwaltung wiederherstellen können, hatten aber keineswegs
mehr ihre Bedeutungvon vor 1535 zurückgewonnen.t? HERZOGURLICHhatte
auf diese Weise verhindert, daß sich die Klosterherrschaften in seinem Land
erneut festigen und seiner Herrschaft entgegentreten konnten. Die politische

56 Vg!. LANG (wie Anm. 1), 5.37 cr.; die voraufgehende Epoche für die Klöster vg!. grundsätz-
lich auch bei WERHR ULRICH DEETIEN, Studien zur Württembergischen Kirchenordnung
Herzog Ulrichs 1534-1550. Das Herzogtum Württemberg im Zeitalter Herzog Ulrichs
(1498-1550), die Neuordnung des Kirchengutes und der Klöster (1534-1547). (Quellen und
Forschungen zur württembergischen Kirchengeschichte 7) Stuttgart 1981.
57 Beispielhafthierfür Kloster Blaubeuren KlosterBlaubeuren 1085-1985 (wie Anm.6), 5.57;
ferner ebendort 5.59, Nr.73.
58 50 %.B.Abt Christian Tubingius von Blaubeuren; vg!. Kloster Blaubeuren 1085-1985 (wie
Anm.6),5.58.
59 Vg!. dazu PFLÜGER (wie Anm.9), 5.160.

16
VOM KLOSTER ZUR KLOSTERSCHULE

Situation Wfuttembergs war trotz dieses politisch klugen Verhaltens HERZOG


ULRICHSbei dessen Tod im November 1550 vollständig ungeklärt, doch war
die Reformation durch die restituierten Klöster keineswegs gefährdet. Dieses
hätte erst durch weitere politische Veränderungen geschehen können.
HERZOGCHRISTOPHging nach seinem Regierungsantritt gegenüber den Äb-
ten und Pröpsten noch weiter als sein Vater. Obwohl selbst entschiedener und
kompromißloser Anhänger der Reformation ließ er den Prälaten der großen
Mannsklöster sofort die von seinem Vater bislang zurückgehaltenen Urkunden
und Akten aushändigen. Er ließ auch die Prälaten der Klöster zu den Landta-
gen einladen und in die Ausschüsse wählen.60 Auf diese Weise hat er die Ver-
fassungskontinuität des Landes seit dem 15.Jahrhundert gewahrt. HERZOG
CHRlSTOPHwar aber entschlossen, das Augsburger Interim als eine politische
Fessel seines Landes und seiner Herrschaft zu beseitigen und die Reformation
endgültig durchzusetzen. Nachdem der Passauer Vertragvon 1552 das Interim
aufgehoben und jedem Reichsstand freie Religionsausübung bis zum näch-
sten Reichstag gestattet hatte, war HERZOGCHRISTOPHfreie Hand gegeben, die
Reformation in seinem Land zu vollenden. Er befahl daher, die katholische
Messe überall abzuschaffen, da sie der von JOHANNESBRENZausgearbeiteten
Confessio Winenbergica widersprach. Er konnte sich auch in der Folgezeit mit
KÖNIGFERDlNANDeinigen und dessen Prozeßdrohung gegenüber Württem-
berg mit einem Betrag von 300000 fl ablösen." Diese Summe dürfte zumin-
dest in Teilen, wenn nicht ganz aus dem von HERZOGULRICHaufgrund der
Säkularisation des Kirchenguts angelegten Staatsschatz gestammt haben.
HERZOGCHRlSTOPHbegann bereits 1553, als er JOHANNESBRENZzum her-
zoglichen Rat, zum Stifts- und Landespropst und zum ersten Prediger in der
Stuttgarter Stiftskirche ernannte, mit dem Aufbau einer organisierten evange-
lischen Landeskirche. Noch im gleichen Jahr schuf der Herzog den Kirchen-
rat, eine ständige Landesbehörde mit kollegialer Verfassung, der er die Ver-
waltung des Gemeinen Kirchenkastens übertrug. Der Kirchenrat stellte die
ebenfalls dem Landhofmeister unterstehende Parallele zum weltlichen Ober-
rat dar, den bereits HERZOGULRICHgeschaffen hatte. Der Herzog baute gleich-
zeitig die Kirchenverfassung von unten her aus. Ein Amtsbezirk oder mehrere
wurden zusammen einem vom Herzog ernannten Spezialsuperintendenten,
d. h. Dekan, unterstellt, der seinenAmtssitz gewöhnlich in der Amtsstadt hatte.
Über den 28 Spezialsuperintendenten des Landes standen die vier Generalsu-
perintendenten der vier Sprengel, in die das Land durch Teilung der beiden
Hauptteile ob und unter der Steig geteilt worden war. Über den vier General-
superintendenten stand der Stuttgarter Stiftspropst als Landespropst. Er

60 GRUBE (wie Anm.24), S.197ff.


61 STÄLIN(wie Anm.49), S.525ff.; LANG(wie Anm.l), S.43f.

17
IMMO EBERL

wurde 1559 dem Landhofmeister gleichgestellt, also zu einer Art Kirchenprä-


sident neben dem Landespräsidenten.
HERZOGCHRISTOPHwar in der Klosterfrage überaus vorsichtig, obwohl seine
Politik eine klare Absicht erkennen läßt. Bereits vor dem Abschluß des Pas-
sauer Vertrags, als sich dessen Ergebnis aber bereits abzeichnete, verbot er am
11.Juli 1552 die Aufnahme von Novizen in die württembergischen Klöster.
Damit war die Entwicklung der württembergischen Klöster vorgezeichnet: sie
mußten in Zukunft durch den Tod der katholischen Mönche langsam ausster-
ben. Der Herzog verbot auch den katholischen Kult in allen den Klöstern un-
terstehenden Pfarreien. Die herzoglichen Räte rieten HERZOGCHRISTOPH
dazu, die katholischen Äbte einen nach dem anderen sterben zu lassen und
dann nach und nach durch Männer zu ersetzen, die den Absichten und Gedan-
ken der Refonnation aufgeschlossen gegenüberstanden. Die Lage der Refor-
mation in Württemberg war aber noch immer nicht sehr gefestigt. KAISER
KAru. V. scheint Einspruch gegen das Vorgehen von HERZOGCHRISTOPHgegen
die Klöster erhoben zu haben. Dieser mußte sich nämlich durch ein Schreiben
vom 7.September 1552 vor dem Kaiser rechtfertigen.P Er verteidigte in die-
sem Schreiben sein Vorgehen gegen die katholischen Klöster. Dabei hob er
darauf ab, daß die Novizen in den Klöstern schlechte Beispiele geboten hätten,
indem sie in die Dörfer gelaufen wären und dort mit Tanz, Prassen, Völlerei
und Hurerei schlechte Beispiele gegeben hätten. Dazu waren nach seiner Dar-
stellung in einigen Klöstern neue Gesänge, Riten und Lehren eingerissen, die
er in Anbetracht der Confessio Winenbergica nicht länger hinnehmen konnte.
Darüber hinaus hätten die Prälaten mehrfach Knaben im Alter zwischen
10-12 Jahren gegen deren 'Villen zum Klosterleben gezwungen und ihre
katholischen Untertanen gegenüber den evangelischen bevorzugt. Die katho-
lischen Äbte erhielten durch die von ihnen vermutlich bewirkte kaiserliche
Unterstützung nochmals eine Schonung, die bis zum Augsburger Religions-
frieden dauerte. HERZOGCHRISTOPHverstand es aber, in der Zwischenzeit die
Neuwahlen in den Klöstern auf Personen zu lenken, die der neuen Lehre an-
hingen und dadurch seinen Plänen entgegenkamen.
Auf diese Weise hatte HERZOGCHRISTOPHbis Ende 1555 bereits fünfKlöster
auf seine Seite ziehen können, als er den entscheidenden Schritt auf die end-
gültige Refonnation der Klöster zu tat und die evangelischen Klosterschulen in
ihnen einrichtete. Der entscheidende Anstoß zu diesem Schritt ging aber vom
Augsburger Religionsfrieden aus, der HERZOGCHRISTOPHendgültig den Spiel-
raum gab, seine eigene Politik gegenüber den Klöstern des Landes durchzu-
setzen. Er ließ die Prälaten der 14 großen Mannsklöster auf den 8.Ja-
nuar 1556 nach Stuttgart rufen, um ihnen dort die neue Klosterordnung in
62 LANG (wie Anm.l), SA7£.

18
VOM KLOSTER ZUR KLOSTERSCHULE

seiner Gegenwart verlesen zu Iassen.P Unter den Prälaten hat sich gegen die
herzoglichen Absichten kein sichtbarer 'Widerstand erhoben. Es hat den An-
schein, als hätten sie sich alle mit der Zukunft ihrer Klöster abgefunden ge-
habt. Die neue Klosterordnung erwähnte unter ausdrücklicher Berufung auf
den Augsburger Religionsfrieden die ehemalige Absicht der Klosterstifter, die
durch das unordentliche Leben der Mönche und der jungen Konventualen in
ihrer Ausführung gestört worden sei. Nach dieser Einleitung folgte die eigent-
liche Klosterordnung unter der Überschrift »Ordnung der Gottesdienste und
Lektionen in den Klöstern der Prälaten«. In der längeren Einleitung verwies
der Herzog auf die Geschichte und wahre Bestimmung der Klöster. Seit alters-
her wäre in den Klöstern das Studium der Heiligen Schrift das vornehmste
Mittel gewesen, einen wahrhaftigen und gottgefälligen Gottesdienst einzu-
richten und zu erhalten. Daher wurde in den Klöstern auch bislang bei den
Stundengebeten, den sog. horae canonicae, in der Kirche jährlich das gesamte
Alte und Neue Testament durchgenommen. Die Klöster sollten sich deshalb in
Zukunft vornehmlich auf das Studium der Heiligen Schrift ausrichten. Nach
dem Beispiel von Samuel, Elisa und den Kirchenvätern sollte eigentlich der
Abt seinen Konvent selbst in der Heiligen Schrift unterweisen. Da er jedoch
mit der weltlichen Haushaltung der Klöster betraut blieb und man das Lehr-
amt in den geplanten Klosterschulen für die künftigen evangelischen Geistli-
chen den bisherigen katholischen Äbten nicht anvertrauen konnte und wollte,
sollten jedem Kloster zwei Präzeptoren zum Unterricht der Novizen und Kon-
ventualen zugeordnet werden. Einer der Präzeptoren sollte ein praeceptor
theologiae und der andere ein praeceptor bonarum artium sein.64
In der sich aus diesen Anweisungen ergebenden Gottesdienst- und Lek-
tionsordnung nahm die Bibel entsprechend ihrer Wertschätzung in der evan-
gelischen Kirche die zentrale Stellung ein. Das Psalterium Davidis sollte »als
die kurze Summa der Heiligen Schrift« täglich neben den anderen Büchern
der Bibel in der üblichen lateinischen Übersetzung gelesen und gesungen wer-
den. Daneben sollte außerdem nach und nach die gesamte Heilige Schrift ge-
lesen und erklärt werden. Dieses sollte in den fünf Gottesdiensten am Tag
geschehen, die nach dem Muster der Horen der katholischen Gottesdienstord-
nung mit lateinischen Gesängen und Lesung lateinischer Bibelabschnitte
eingerichtet worden waren. Im Predigtgottesdienst am Sonntag trat das evan-
gelische Abendmahl an die Stelle der katholischen Messe, von der die wesent-
lichen Bestandteile der lateinischen Liturgie jedoch übernommen wurden.

63 LANG(wie Anm.l l, S. 50; Wortlaut der Klosterordnungvgl. bei CHRISTIAN FRIED RICH SATT-
Geschichte des Herzogtums Württemberg. 2. Unter der Regierung der Herzoge. Bd.4,
LER,
Ulm 1773, Beil. 35.
64 Vg!. dazu LANG (wie Anm.L), S.51ff.

19
IMMO EBERL

Dabei kommunizierte abwechselnd jeweils die Hälfte der Klosterangehörigen.


Auf diese \Veise sollte den katholischen Äbten die neue Gottesdienstordnung
als zeitgemäße \Veiterentwicklung der katholischen Klosterordnung annehm-
barer gemacht und gleichzeitig dem. Vorwurf begegnet werden, daß die evan-
gelischen Klöster über der Bibelkunde und der Predigt den eigentlichen Got-
tesdienst (Messe, Gebet und Danksagung) verkümmern ließen. Als Unter-
richtsstunden wurden für den \Verktag 3'1z und für den Sonntag zwei Stunden
vorgeschrieben. Neben dem Religionsunterricht war das nach den Grundsät-
zen der Humanisten gelehrte Latein zunächst fast das einzige Fach für den
Unterricht. Nur in den Klöstern, wo die Präzeptoren Hebräisch und Griechisch
konnten, konnten die Anfangsgründe dieser Sprachen mit jeweils ein bis zwei
Stunden in der Woche an Stelle des Lateins gelehrt werden.
Als neue Schüler durften in die Klöster nur noch 14-15jährige Knaben aus
Württemberg aufgenommen werden, die ehrbare christliche Eltern hatten.
Diese mußten Zeugnisse über ihre Begabung, ihre Kenntnisse und ihre Füh-
rung vorlegen, die von dem jeweils zuständigen Amtmann und Gericht, Pfar-
rer und Schulmeister beglaubigt sein mußten. Darüber hinaus hatten sie sich
in Stuttgart einer zusätzlichen wissenschaftlichen Prüfung zu unterziehen, ob
sie in der lateinischen Grammatik bereits soweit fortgeschritten waren, daß sie
dem Unterricht in der Klosterschule folgen konnten, ohne die übrigen Schüler
aufzuhalten. Hier ist der Beginn des noch heute in der Evangelischen Landes-
kirche Württembergs für die Aufnahme in die Seminare Blaubeuren und
Maulbronn vorgeschriebenen Landexamens festzustellen. Der Prälat der je-
weiligen Abtei mußte die Schüler bei ihrem Eintritt in das Kloster nach einer
vorgeschriebenen lateinischen Formel in Eid und Pflicht nehmen, wobei die
Schüler allem Fluchen, Schwören, der Trunkenheit, Völlerei und Unzucht ab-
sagen und Ernst und Fleiß im Unterricht der Präzeptoren sowie Gehorsam
gegenüber dem Prälaten und der Klosterordnung versprechen mußten. \Veil
die alte Ordensregel den Novizen drei Probejahre vorgeschrieben hatte, sollten
auch die Klosterschüler evangelischen Glaubens drei Jahre mit Nahrung und
Kleidung versehen werden und diese Zeit im Kloster verbringen. Nach Ablauf
der drei Jahre sollte der Prälat überjeden Schüler an den Kirchenrat berichten,
ob er zum Studium ins Tübinger Stift befördert, noch länger in der Kloster-
schule bleiben oder wegen seiner Ungeschicklichkeit zu geistiger bzw. geistli -
eher Arbeit zu einem Handwerkerberuf angehalten werden sollte. Es ist hier
besonders daraufhinzuweisen, daß also der katholische Prälat über die beruf-
liche Zukunft des evangelischen Klosterschülers entscheiden sollte.
An dieser Stelle ist darauf aufmerksam zu machen, daß HERZOGCHRISTOPH
in dieser Klosterschule ein nur in \Vürttemberg zu findendes quasi ökume-
nisches Beispiel gegeben hat. Die neuen evangelischen Klosterschulen, die in

20
VOM KLOSTER ZUR KLOSTERSCHULE

den großen Mannsklöstern eingerichtet wurden und durch deren Wirtschafts-


kraft getragen werden sollten, unterstanden den 1556 noch überwiegend ka-
tholischen Prälaten. Natürlich war durch das bereits 1552 angeordnete Verbot
für die Klöster, katholische Novizen aufzunehmen, das Ende der katholischen
Konvente abzusehen, doch ist die Aufsicht der katholischen Prälaten über die
neuen evangelischen Klosterschulen, die in dieser Form immerhin fast ein
ganzes Jahrzehnt bestehen sollten, ein geistesgeschichiliches Unikum, das die
württembergischen Klosterschulen und Seminare entscheidend mitgeprägt
hat. Die benediktinische Tradition hat sich dadurch natürlich in vielen Einzel-
heiten besser fortsetzen können als bei einem vollständigen Neuanfang der
Klosterschulen. Die Forschung hat von dieser an der Wiege der evangelischen
Kirche in Württemberg stehenden Tradition nur wenig Notiz genommen. Es
wäre auch zu fragen, ob sich hier nicht ein Ansatzpunkt für die rasche Ausbrei -
tung des Pietismus in Württemberg finden läßt. HERZOGCHRISTOPHwar bei
der Gründung der Klosterschulen und der Verwendung der Mannsklöster für
diesen Zweck dem Beispiel von HERZOGMORITZVONSACHSENgefolgt, der be-
reits 1543 im aufgehobenen Zisterzienserkloster Pforta eine Klosterschule
für 100 Schüler65, im ehemaligen Chorherrenstift St.Afra in Meißen eine
Schule für 60 und im vormaligen Augustinerkloster Grimma eine Kloster-
schule für 70 Schüler eingerichtet hatte. Doch ist nochmals darauf hinzu-
weisen, daß HERZOGMORITZ diese Schulen in bereits aufgehobenen Klö-
stern einrichtete und nicht wie HERZOGCHRISTOPHVONWÜRTTEMBERG in
noch bestehende, mit einem funktionierenden Konventsleben und katholi-
schen Stundengebeten.
Die Prälaten der großen Mannsklöster Württembergs wurden auch in der
Folgezeit von HERZOG CHRISTOPHsehr schonend behandelt. Anscheinend
wollte er auf diese Weise jede politische Einmischung der Habsburger in die
württembergische Innenpolitik von vorne herein verhindern. In den folgenden
Jahren hat sich aber in den württembergischen Klöstern bei den Abtswahlen
zunehmend die Reformation durchgesetzt. Bis 1566 waren alle großen
Mannsklöster endgültig für die Reformation gewonnen, d.h. sie hatten evan-
gelische Äbte und Pröpste erhalten.t" Die Abtswahlen ließen nach dem Ein-
rücken eines evangelisch gesonnenen Abtes sehr schnell das noch in den ein-
zelnen Konventen vorhandene katholische Mönchsleben verschwinden. In
insgesamt 13 der großen Mannsklöster waren seit 1556 Klosterschulen einge-
richtet worden. Lediglich in Herbrechtingen war keine solche Schule entstan-
den, da die dortige finanzielle Situation anscheinend nicht in der Lage war,
eine Klosterschule zu tragen. In Adelberg, Bebenhausen, Herrenalb, Hirsau

65 FRIEDRICH I-lEYER, Aus der Geschichte der Landesschule zu Pforte. Leipzig 1941.
66 Vgl. LANG (wie Anm.l), S.68££.

21
I~IMO EBERL

und Maulbronn standen die Klosterschulen unter der Leitung der in der her-
zoglichen Klosterordnung genannten zwei Präzeptoren, in den übrigen Klo-
sterschulen dagegen genügte vorerst ein Präzeptor. Alle 13 Klosterschulen wa-
ren ursprünglich gleichgeordnet und bereiteten bis 1559 unmittelbar auf das
Studium der evangelischen Theologie im Tübinger Stift vor. HERZOG eHRI-
STOPH hatte die dort bereits von seinem Vater eingerichteten Stipendien 1556
auf insgesamt 100 erhöht und dem Stift 1557 eine Ordnung gegeben'", die
1559 in die Große Kirchenordnung aufgenommen und damit bis ins 19.Jahr-
hundert festgelegt wurde.
Die Äbte und Pröpste der großen Mannsklöster hatten als Prälaten des Lan-
des bereits in katholischer Zeit einen eigenen Stand innerhalb der Landschaft
gebildet. Wie die Geschichte der einzelnen Klöster beweist, waren diese aus
meist reichsunmittelbarer Stellung durch die Schirmvogtei 'Vürttembergs im
Laufe des späten 14. und des 15.Jahrhunderts in das Territorium Württem-
berg hineingewachsen und mehr und mehr zum Untertanen des württem-
bergischen Grafen, seit 1495 Herzogs, geworden. Die Reformation hat diese
Entwicklung, die bereits weit fortgeschritten war, zum endgültigen Abschluß
gebracht. Mit dem Einschnitt der Reformation änderte sich die Stellung der
Äbte, da diese nicht mehr vom Konvent des Klosters gewählt, sondern vom
Herzog ernannt wurden. Sie mußten auch dem Herzog den Beamteneid
schwören und einen Revers unterzeichnen. Das gesamte Kloster mit Verwal-
tung, Klosterschule und Kirche unterstand der Visitation durch den herzogli-
chen Kirchenrat. Obwohl sich also der in katholischer Zeit als Vertreter des
Konvents erscheinende Abt oder Propst nach der Reformation mehr oder we-
niger zum württembergischen Beamten gewandelt hatte, blieb durch die alte
Tradition der Klöster dennoch eine Sonderstellung im Verhältnis zu Herrschaft
und Land bestehen. Diese Sonderstellung verlieh den Klostervorständen nicht
nur ein hohes Ansehen im Lande, sondern beließ sie auch im Besitz alter Her-
renrechte der Klostervorstände in der katholischen Zeit. Die Präzeptoren,
Schüler und das Klostergesinde versprachen noch längere Zeit dem Prälaten
Gehorsam und erst durch ihn auch dem Herzog. Die Klosteruntertanen hul-
digten dem Prälaten bei seinem Regierungsantritt, da die bisherige Klosterver-
waltung beibehalten wurde. Der Prälat ernannte und entließ die Klosterbeam-
ten und -diener, Er bestätigte die Schultheißen in den Klosterdörfern, und die
niedere Gerichtsbarkeit wurde in seinem Namen ausgeübt. Aus dieser Stel-
lung der Prälaten heraus wird verständlich, daß die Klosterstatuten den Schü-
lern vorschrieben, den Prälaten als ordentliches Haupt des jeweiligen Klosters
und als ihren Herrn die gebührende Reverenz zu erweisen. In dem täglich

67 JOACHIM HAHN -I-IANS MAYE", Das Evangelische Stift in Tübingen. Geschichte und Gegen-
wart - Zwischen ffiltgeist und Frömmigkeit Stuttgart 1985, S.20££.

22
VOM KLOSTER ZUR KLOSTERSCHULE

zweimal für die Obrigkeit gesprochenen Gebet wurde unmittelbar hinter Kai-
ser, Kurfürsten und Herzog der Reverendus Dominus Praelatus Monasterii
erwähnt. An die ehemals selbständige Stellung der Klöster erinnerte auch das
Versprechen der Äbte, keinen anderen Schirmherrn zu suchen, nicht eigen-
mächtig zugunsten eines anderen Abtes abzudanken oder etwas gegen das
Haus \Vürttemberg zu unternehmen.P
Die Klosterordnung von 155669 hatte den Prälaten noch einen relativweiten
Spielraum belassen, um dadurch die katholischen Prälaten zum baldigen
Übertritt zum neuen Bekenntnis oder zumindest zur loyalen Zusammenarbeit
zu bewegen. Obwohl ihnen der Herzog entgegengekommen war, waren die
Prälaten über die Gründung der Klosterschulen nicht sehr begeistert und ha-
ben diese in den ersten Monaten ihres Bestehens sehr zurückhaltend behan-
delt. Aus diesem Grunde wurde bereits 1557 den einzelnen Abteien von Stutt-
gart aus mitgeteilt, daß die Prälaten keine freien Reichsstände, sondern nur
einverleibte Landstände seien. Der Erlaß führte aus, daß die Prälaten »nicht
proprietarii, nicht einmal usufructuarii [Nutznießer], sondern nur usuarii
seien und vom Kloster nur victum et amictum fordern könnten, sonst aber
nichts-s.P Diese Bestimmung galt aber keineswegs nur für die bisherigen ka-
tholischen Äbte und Pröpste, sondern auch für die neuen evangelischen Klo-
stervorstände. Ihnen mußte diese Bestimmung sogar ganz besonders einge-
schärft werden, da sie sehr gerne in die volle Verfügungsgewalt über die Klo-
stervermögen eintraten." Bereits 1556 wurde anläßlich der Eheschließung
des Propstes von Denkendorf von Stuttgart aus angeordnet, daß bei der Heirat
eines Prälaten sofort ein Schaffner für das Kloster angestellt werden müsse,
der nicht nur auf den Prälaten und das Kloster, sondern auch auf den Herzog
verpflichtet werden mußte. Der Prälat erhielt ein festes Deputat an Geld,
Frucht und 'Vein.71 Mit dieser Bestimmung begann die Scheidung zwischen
Privateinkommen der Prälaten und dem Klostergut. Die Prälaten behielten
zwar einen Anteil an der Verwaltung der Klöster, aber nicht mehr am Eigen-
tum derselben.
Bereits 1557 wurde J OHANNES BRENzzum Generalvisitator aller Klosterschu-
len ernannt. Er hatte diese zweimal jährlich zu visitieren und hatte dabei die
Einführung und Beachtung der Klosterordnung von 1556 in den einzelnen
Klöstern zu überwachen. Diese erste Klosterordnung war aber bereits nach
wenigen Jahren revisionsbedürftig. Sie wurde 1559 im Rahmen der Großen

68 LANG(wie Anm.1), S.64; GRUBE (wie Anm.24), S.224££.


69 LANG(wie Anm.1), S.341££.
70 STÄLIN(wie Anm.39), 5.436.
71 Vg!.dazu die in Kloster Hlaubeuren 1081-1985 (wie Anm.6), 5.102 Nr.10 genannte Besol-
dung des Prälaten von Blaubeuren.

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Kirchenordnung HERZOGCHRISTOPHS erweitert und verbessert. 72 Bereits in die-


sem Augenblick begann die Entwicklung der Klosterschulen weg vom Kloster
und hin zur Schule. Die Klosterschulen wurden bereits durch diese neue Klo-
sterordnung in zwei Gruppen unterteilt: einerseits die Grammatistenschulen
und andererseits die höheren Klosterschulen. Als Grammatistenschulen wur-
den dabei die Klosterschulen in Adelberg, Alpirsbach, Anhausen, Blaubeuren,
Denkendorf, St. Georgen im Schwarzwald, Königsbronn, Lorch und Murr-
hardt geführt, während Bebenhausen, Herrenalb, Hirsau und Maulbronn als
höhere Klosterschulen genannt wurden. In den Grammatistenschulen wurde
die Grammatik gelehrt und die aus den verschiedenen Gebieten des Henog-
tums stammenden und dadurch anscheinend auf sehr verschiedenen Lehrni-
veaus stehenden Klosterschüler einander angeglichen, erst wenn dieses er-
reicht war, kamen sie in die höheren Klosterschulen, in denen neben der Theo-
logie die höheren Artes gelehrt wurden. n Mit dieser Einteilung der Kloster-
schulen in zwei voneinander getrennten Gruppen wurde eine Tradition in den
württembergischen Klosterschulen eingeführt, die sich über alle Zeit bis heute
in den evangelischen Seminaren der Seminarstiftung gehalten hat.
Als HERZOGCHRISTOPHbald nach seinem Regierungsantritt mit der bisheri-
gen Anschauung seines Vaters brach, als wäre das Kirchengut Eigentum des
Landes und des Herzogs, und das Kirchengut in einer großen Sammlung zu-
sammenfaßte, die als sog. Gemeiner Kirchenkasten bezeichnet und für die am
6.Män 1552 sogar eine besondere kirchliche Finanzverwaltung begründet
wurde, konnte er über Besitz und Einkünfte der großen Mannsklöster noch
nicht verfügen, da diese seit dem Interim wieder den katholischen Prälaten
unterstanden. Das Klostergut wurde deshalb auch in Zukunft nicht zum Ge-
meinen Kirchenkasten gezogen, sondern blieb bis zur Säkularisierung durch
den Staat 1806 selbständig. Erst als der Herzog Mitte der 60er Jahre alle
Mannsklöster in eigener Verwaltung hatte, bildete er aus den von den Kloster-
verwaltungen abzuliefernden Überschüssen das sog. Mannsklösterdepositum,
einen Staatsschatz, der in Notfällen zum Schutz von Land und Leuten ver-
wandt werden sollte und in dieser Funktion bis 1655 bestanden hat.
Die Reformation der großen Mannsklöster in Württemberg fand ihren Ab-
schluß mit dem Landtagsabschied vom 19.Juni 156574, auf den sich bis zum
Jahre 1806 Prälaten und Landschaft beziehen sollten und der in gewisser
Weise noch sein Gewicht bei der Wiedergründung der Klosterschulen als

72 LANG(wie Anm.1), S.347ff.; vg!. dazu auch die Faksimileausgabe der Württembergischen
Großen Kirchenordnung. Tübingen 1559, fol. CXLIIvff.
73 Vg!. LANG(wie Anm.1), S.315.
74 Vgl. dazu LANG(wie Anm.1), S. 77; ferner Sammlung der württembergischen Schulgesetze.
2.Abt. Beam. von CARLHIRZEL. Tübingen 1847, S.128-136.

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V01\t KLOSTER ZUR KLOSTERSCHULE

evangelische Seminare durch das Königreich Württemberg im frühen


19.Jahrhundert gehabt hat. Der Landtagsabschied von 1565legte fest, daß in
den Klosterschulen und im Tübinger Stift zusammen jeweils 350 Landeskin-
der zum Studium der Theologie erzogen und stufenweise zum Kirchen- und
Schuldienst des Landes befördert werden sollten. Diese Zahl wurde in den
folgenden Zeiten weitgehend beibehalten, auch als die Zahl der Klosterschu-
len bereits 1595 drastisch vermindert wurde75 und letztlich bereits damals die
bis zur Seminarreform von 1975 bekannte Viererzahl der Klosterschulen in
Wiirttemberg entstand. Der Landtagsabschied von 1565 bestätigte auch die
14 Prälaten der großen Mannsklöster als zweiten Landstand in der Landschaft
mit Sitz und Stimme im Landtag und dessen Ausschüssen. Gleichzeitig wur-
den die geistlichen Gefälle und Einkommen der Klöster zur Unterhaltung der
Kirchen und Schulen sowie für gottgefällige notwendige Ausgaben festge-
schrieben. \Venn später auch die Bedürfnisse der herzoglichen Hofhaltung
häufig auf die klösterlichen Einkünfte zurückgreifen mußten, blieben durch
die Stärke derwiirttembergischen Landschaft, die zu einem guten Teil von den
evangelischen Prälaten getragen wurde, dennoch größere Eingriffe in das Klo-
stervermögen ausgeschlossen.
Die Entwicklung der evangelisch gewordenen Klöster Württembergs kann
mit dem Landtagsabschied von 1565 abgebrochen werden und eine zusam-
menfassende Betrachtung über die Bedeutung der Aufhebung der großen
Mannsklöster in Wiirttemberg für die Entwicklung der evangelischen Kirche
des Landes unter Berücksichtigung der Klosterschulen gegeben werden:
1. Durch die Aufhebung der katholischen Klöster konnte in einem geistes-
geschichtlich überaus interessanten - gewissermaßen bereits ökumenisch an-
gehauchten - Vorgang teilweise neben die noch funktionierenden katholi-
schen Klöster die evangelischen Klosterschulen eingerichtet werden, die in ih-
rem Aufbau und ihrer Lebensweise über Jahrhunderte hinweg klösterliche
Traditionen bewahrt und der künftigen evangelischen Pfarrerschaft Württem-
bergs mitgegeben haben.
2. Die Aufhebung der großen Mannsklöster hat die für die Ausbildung eines
guten evangelischen Pfarrstandes erforderlichen Geldmittel zur Verfügung
gestellt.
3. Die Aufhebung der großen Mannsklöster als katholische Klöster, aber ihr
Bestehenbleiben als evangelische Klosterschulen unter der Leitung evangeli-
scher Prälaten hat deren Beteiligung als zweiten Landstand an den Landtagen
Altwürttembergs ermöglicht. Nach der Aufhebung der überwiegenden Zahl
der Klosterschulen 1595 hat sich an dieser Stellung der Prälaten nichts geän-
dert. Die besondere Struktur der evangelischen Kirche Württembergs hat
75 LANG [wie Anm.l), S. 74.

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I~1~O EBERL

einen guten Teil ihrer Begründung in dieser Stellung der Prälaten. Die Her-
zöge von Wiirttemberg haben zu keinem Zeitpunkt durch die starke Beteili-
gung der evangelischen Geistlichkeit an den Landtagen die Möglichkeit er-
halten, eine anderen deutschen Territorien vergleichbare absolute Herrschaft
aufzubauen.
4. Die besondere Ausprägung der württembergischen Landtage bis 1806
hat noch ins 19.Jahrhundert nachgewirkt und die Forderungen nach einer
liberalen Verfassung für das Königreich Wiirttemberg gefordert, die KÖNIG
WILHELMI. 1819 gewährte.
5. Die nach der Aufhebung der Klöster bestehenbleibende Eigenständigkeit
derselben hat die Überlieferung von Kulturschätzen unermeßlicher Werte ge-
fördert. Hier ist nur an den Blaubeurer Hochaltar zu erinnern, den HERZOG
CHRlSTOPH zerstört sehen wollte, den aber der erste evangelische Abt von Blau-
beuren, MArrHÄus ALBER, durch seine unabhängigere Stellung gegenüber
dem Herzog und vor allem wohl auch seiner Verwaltung bewahren konnte.

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