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B6897F
347 2/2021
Klima
Klima
Inhalt
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Jutta Klaeren
DIANA RECHID
Das Klima macht das Leben auf der Erde erst möglich. Der Mensch verändert das Klima mit hohen CO2-Emissionen.
Natürlicher Anthropogener
Treibhauseffekt Treibhauseffekt
(bis 1880) (2018)
Esther Gonstalla, Das Klimabuch, oekom verlag München 2019, S. 8/9; Quellen: DWD (2018), IPCC (2014), Rahmstorf (2013), Riedel & Janiak (2015)
Weltweit
Zeiträume sind gebräuchlich. 76
Lachgas (N2O) 6
Kohlendioxid
Das Klima wird von allen Teilsystemen des Erdsystems und
(CO2)
deren Wechselbeziehungen beeinflusst. Neben der Atmosphä-
re sind diese Teilsysteme im Wesentlichen die Ozeane, das Methan (CH4) 16
Meereis und das Landeis (Eisschilde und Gletscher), die Lebens-
räume im Ozean und an Land, das Wasser der Landflächen wie
zum Beispiel Seen, Flüsse und Grundwasser, die Böden sowie
der Mensch.
Beobachtungen des Klimasystems beruhen auf direkten
2 Fluorverbindungen u. a.
Messungen, die global seit etwa Mitte des 19. Jahrhunderts
Deutschland
durchgeführt werden. In jüngerer Zeit kommen auch Satelli- 88 4 Lachgas (N2O)
ten und andere Fernerkundungsmethoden zum Einsatz. Ge- Kohlendioxid
(CO2) 6 Methan (CH4)
messen werden unter anderem Luftdruck, Temperatur, Nieder-
schlag, Bewölkung, Strahlung und Windgeschwindigkeit.
Aus den langjährigen Beobachtungen ergibt sich zum einen,
dass das Klima natürlichen zeitlichen Schwankungen unter- * Es gibt Studien, die die Emissionen von
liegt. Diese entstehen zum Beispiel beim Austausch von Wär- Methan als wesentlich größer einschätzen,
me zwischen Atmosphäre und Ozean und können sich durch da bei der Förderung und dem Transport
von Methan oft Leckagen auftreten,
langsame und zeitlich unterschiedliche Wärmetransporte in die möglicherweise nicht ausreichend
den Meeren auch über mehrere Jahrzehnte bemerkbar ma- berücksichtigt sind.
chen. Faktoren außerhalb des Klimasystems wie unterschied- Eigene Darstellung auf Basis von Karl-Martin Henschel / Steffen Kenzer, Handbuch Klimaschutz,
liche Sonneneinstrahlung, vulkanische Aktivität oder auf ganz oekom verlag München 2020, S. 2 ; www.oekom.de/buch/handbuch-klimaschutz-9783962382377
langen Zeitskalen Veränderungen der Erdbahn und die Bewe-
gung der Kontinente (Kontinentaldrift) tragen ebenfalls zu na-
türlichen Klimaschwankungen bei. Wäre die Erde ein Planet ohne Atmosphäre, hätte ihre Erdober-
Die langjährigen Beobachtungsreihen für das vergangene fläche eine lebensfeindliche Temperatur von durchschnittlich
Jahrhundert bis heute zeigen zum anderen aber auch Klima- -18°C. Erst die Atmosphäre schafft durch ihren natürlichen Treib-
änderungen, die nur zu einem sehr geringen Anteil mit natür- hauseffekt lebensfreundliche Bedingungen: Während sie für die
lichen Klimaschwankungen zu erklären sind. Die Erdoberflä- kurzwellige Sonneneinstrahlung weitgehend durchlässig ist,
che hat sich im Durchschnitt der vergangenen hundert Jahre nimmt die Atmosphäre die von der Erdoberfläche abgestrahlte
um mehr als 1°C erwärmt. Der „Zwischenstaatliche Ausschuss langwellige Strahlung (Wärmestrahlung) von Gasen wie Was-
für Klimaänderungen“ (Intergovernmental Panel on Climate serdampf, Kohlendioxid (CO2), Methan (CH4), Lachgas (N2O) und
Change, IPCC, siehe auch S. 24 ff.) belegt mit dem in seinen Sach- Ozon (O3) in sich auf. Diese Gase strahlen ihrerseits im langwel-
standsberichten (Assessment Reports, AR) erarbeiteten Wissen, ligen Spektralbereich zurück in Richtung Erdoberfläche und er-
dass für diese globale Erwärmung in erster Linie der Einfluss höhen dort die Energiezufuhr. Dieser natürliche Treibhauseffekt
des Menschen verantwortlich ist. führt zu einer mittleren Erdoberflächentemperatur von +15°C.
Seit Beginn der Industrialisierung nimmt die Konzentration
Der anthropogene Treibhauseffekt langlebiger Treibhausgase in der Atmosphäre durch mensch-
Eine maßgebliche Rolle spielen dabei vom Menschen verursach- liche Einflüsse beständig zu. Zu diesen wachsenden Konzen-
te Emissionen von Treibhausgasen in die Atmosphäre (anthro- trationen von Kohlendioxid, Methan, Lachgas und Ozon in der
pogener Treibhauseffekt); sie entstehen beispielsweise durch Atmosphäre kommen noch hoch klimawirksame Treibhaus-
die Verbrennung von Kohle, Erdöl und Erdgas sowie durch die gase wie Halogenkohlenwasserstoffe und andere chlor- und
Abholzung von Wäldern. Dadurch ist in den vergangenen Jahr- bromhaltige Substanzen hinzu, die ausschließlich vom Men-
zehnten die Konzentration der Treibhausgase in der Atmosphä- schen produziert werden. Durch die zunehmende Treibhaus-
re kontinuierlich angestiegen und nur mit diesem Anstieg lässt gaskonzentration in der Atmosphäre erhöht sich die Energie-
sich Ausmaß und Geschwindigkeit der globalen Erwärmung zufuhr an der Erdoberfläche. Die zusätzliche Energie erwärmt
erklären. Denn in Klimasimulationen, die versuchsweise ohne die Erdoberfläche, die Ozeane und die bodennahe Atmosphäre.
den Anstieg der Treibhausgaskonzentrationen gemacht wurden,
fand keine Erwärmung der Erdoberfläche statt. Die Rolle des Kohlendioxids
Treibhausgase sind Spurengase in der Atmosphäre, die einen Die verschiedenen Gase verbleiben unterschiedlich lang in der
Teil der Wärmestrahlung der Erdoberfläche aufnehmen, sich er- Atmosphäre, und sie verfügen über unterschiedliche Poten-
wärmen und entsprechend ihrer Temperatur wiederum Wär- ziale für den Treibhauseffekt. Von herausragender Bedeutung
mestrahlung abgeben. Der zur Erdoberfläche gerichtete Anteil ist das Kohlendioxid (CO2), da es den größten Anteil der durch
dieser Wärmestrahlung erwärmt als „atmosphärische Gegen- den Menschen verursachten Emissionen ausmacht, besonders
strahlung“ die Erdoberfläche, was zu einem Treibhauseffekt lange in der Atmosphäre verbleibt und insgesamt die stärkste
führt. Wirkung auf das Klima ausübt. Deshalb wird Kohlendioxid bei
Menschengemachte Treibhausgase Carbon Project (GCP) derzeit mehr als die Hälfte der CO2-Emis-
sionen aufnehmen, bleibt der Rest für etwa ein Jahrhundert in
Konzentrationen
Konzentrationen der der Atmosphäre. Nur wenn die Emissionen dauerhaft auf null
der Treibhausgase Verweilzeit in Jahren
1750
Treibhausgase 2016 gingen, würde sich der atmosphärische CO2-Gehalt stabilisie-
ren und dann langfristig verringern. Im globalen Durchschnitt
CO2 280 ppm* 404 ppm ≈ 0,040 % Bis zu 1 000 000
werden pro Kopf und Jahr etwa 4,8 Tonnen CO2 ausgestoßen. In
CH4 722 ppb**
1842 ppb ≈
12,4
Deutschland liegt der CO2-Ausstoß laut GCP und Umweltbun-
0,0001842 %
desamt bei mehr als 9 Tonnen pro Kopf und Jahr und damit
N2O 270 ppb
328 ppb ≈
121
deutlich über dem weltweiten Durchschnitt.
0,0000328 %
Aerosole
* ppm = Teile pro Million ** ppb = pro Milliarde
Neben Treibhausgasen verändern auch Aerosole den Strah-
© David Nelles / Christian Serrer „Kleine Gase – Große Wirkung“, KlimaWandel GbR, lungshaushalt der Atmosphäre. Als Aerosol bezeichnet man
Friedrichshafen 2019, S. 36
ein Gemisch aus festen oder flüssigen Schwebeteilchen und
Gas. Die Schwebeteilchen heißen Aerosolpartikel und haben
Verlauf der monatlichen Mittelwerte des Kohlendioxids, eine typische Größe zwischen 0,01 und 10 μm (Mikrometer
gemessen vom Mauna Loa Observatorium, Hawaii = 1 tausendstel Millimeter/1 millionstel Meter). Aerosole ent-
in parts per million (ppm), 1959 bis 2020 stehen zum einen durch natürliche Vorgänge wie beispiels-
420
weise Vulkanausbrüche oder Wüstenstürme, zum anderen
infolge menschlicher Aktivitäten wie zum Beispiel Ruß und
Daten aus: Mauna Loa CO2 Schwefeldioxid aus der Verbrennung fossiler Rohstoffe oder
400 mittlere Jahreswerte Mineralstaub durch Winderosion landwirtschaftlich genutz-
von 1959-2020
ter Flächen.
Monatswerte von März 1958
bis Mai 2021 Im Gegensatz zu den Treibhausgasen haben Aerosole so gut
380
wie keinen Einfluss auf die langwellige Wärmestrahlung. Ae-
rosolpartikel streuen oder absorbieren die kurzwellige Son-
360 neneinstrahlung und verändern dadurch die Strahlungs- und
Energiebilanz an der Erdoberfläche: Die Streuung sehr kleiner
Aerosolpartikel bewirkt eine Abkühlung, die Aufnahme (Ab-
340 sorption) größerer Aerosolpartikel eine Erwärmung. Aerosole
wirken sich zudem indirekt auf das Klima aus, indem sie die
320
Wolkenbildung und den Niederschlag beeinflussen. Der indirek-
te Effekt kann je nach Zustand der Atmosphäre und Eigenschaf-
ten der Aerosole zu einer Abkühlung oder Erwärmung der ober-
1960 1970 1980 1990 2000 2010 2020 flächennahen Luftschicht führen. In der Summe lässt sich davon
www.esrl.noaa.gov/gmd/ccgg/trends/data.html ausgehen, dass Aerosole eine deutlich abkühlende Wirkung be-
sitzen, welche den globalen Temperaturanstieg der letzten Jahr-
zehnte um wenige Zehntel Grad geringer ausfallen ließen.
Klimauntersuchungen oft als Bezugsgröße gewählt. Um die
Klimawirkung der einzelnen Gase zu verdeutlichen, werden Landnutzung
die verschiedenen Treibhausgase in sogenannte Kohlendioxid- Eine weitere Ursache von Klimaänderungen sind Einwirkun-
Äquivalente umgerechnet. Diese geben an, welcher Menge gen des Menschen auf die Landoberfläche. Maßnahmen wie
Kohlendioxid die Klimawirkung der jeweiligen Gasmenge ent- Entwaldung, Bodenversiegelung oder Bewässerung verändern
spricht. die Reflexion von Sonnenstrahlung an der Erdoberfläche. Da-
Die längsten Aufzeichnungen direkter Messungen von Koh- mit einhergehend verändern sich die Vegetationsdichte, die
lendioxid in der Atmosphäre sind die Datenreihen des Mauna Rauhigkeit der Erdoberfläche oder das Wasserspeichervermö-
Loa Observatoriums auf Hawaii, begonnen durch den US-ame- gen der Böden, was zu Rückwirkungen auf den Austausch von
rikanischen Klimaforscher C. David Keeling im März 1958. Die Stoffen, Impuls und Energie führt. Die Strahlungs- und Energie-
als „Keeling-Kurve“ bekannt gewordene Datenreihe veran- bilanz, die Verdunstung von Wasser, der Transport von Energie
schaulicht neben den natürlichen Schwankungen im Jahresver- und die Wolkenbildung werden beeinflusst. Dadurch kann es
lauf den kontinuierlichen Anstieg der CO2-Konzentration in der zur Abkühlung oder Erwärmung der bodennahen Luftschich-
Atmosphäre. Diese Konzentrationen werden in „ppm – parts per ten kommen, was die treibhausgasbedingte globale Erwär-
million“, also Anzahl Teilchen pro Millionen Teilchen, gemessen. mung regional und lokal abschwächen oder verstärken kann.
Im Jahr 1958 lag die CO2-Konzentration im Mai bei einem Mo- Seit Beginn der Frühindustrialisierung um 1750 ist die weltwei-
natsmittelwert von 317,5 ppm. Am 13. Mai 2013 wurde erstmals te bodennahe Lufttemperatur im Mittel um etwa 1°C gestiegen
die Tageskonzentration von 400 ppm überschritten, im Mai 2021 und liegt gemittelt über alle Landflächen bei etwa 1,5°C. Weltweit
betrug der Monatsmittelwert schon 418 ppm. gesehen lagen die 20 wärmsten Jahre seit Beginn der Wetterauf-
Dass der mittlere CO2-Gehalt der Atmosphäre weiter ansteigt, zeichnungen nach Angaben der Nationalen Ozean- und Atmo-
selbst wenn die Emissionen zeitweise einmal sinken (wie zum sphärenbehörde der USA (NOAA, 2020) bis auf eine Ausnahme
Beispiel während des weltweiten Lockdowns 2020/2021 in (1998) alle im 21. Jahrhundert. In Deutschland ist die jährliche bo-
vielen Nationen aufgrund der Coronavirus-Pandemie), liegt dennahe Lufttemperatur seit Beginn der Wetteraufzeichnungen
an der langen Verweildauer des Kohlendioxids in der Atmo- 1881 nach Angaben des Deutschen Wetterdienstes (DWD) bereits
sphäre. Auch wenn die Ozeane und die Vegetation laut Global um 1,6°C im Mittel angestiegen (siehe auch S. 16 ff.).
Positive Anomalie
2
1
Temperaturanomalie (K)
-1
Negative Anomalie
Zukünftige Klimaänderungen RCP4.5 sind zwei Stabilisierungsszenarien und RCP2.6 ist ein
Minderungsszenario. Letzteres beinhaltet ehrgeizige Maß-
Eine wesentliche Rolle bei der Erforschung des Klimawandels nahmen, die nicht nur die Treibhausgasemissionen reduzieren,
und insbesondere der menschlichen Einflüsse auf das Klima sondern zum Ende des 21. Jahrhunderts in „negative Emissio-
spielen physikalisch-mathematische Klimamodelle. Dies sind nen“ übergehen, das heißt Kohlendioxid aus der Atmosphäre
dreidimensionale Zirkulationsmodelle der Atmosphäre, meist entziehen. Mit RCP2.6 soll der Strahlungsantrieb um 2040 etwa
gekoppelt mit dreidimensionalen Zirkulationsmodellen des 3 W/m2 betragen und dann zum Ende des 21. Jahrhunderts auf
Ozeans. Klimamodelle wurden über viele Jahrzehnte entwi- einen Wert von 2.6 W/m2 zurückgehen. Die unterschiedlichen
ckelt. Sie beinhalten heutzutage neben Modellen der Landober- Werte des Strahlungsantriebs spiegeln klimapolitische Maß-
flächen mit Böden, terrestrischer Hydrosphäre (das den Land- nahmen wider.
flächen zugeordnete Wasser) und Vegetation auch Modelle
der marinen Biosphäre sowie des Meereises und terrestrischer Minderungsziele
Eisschilde, zudem bilden sie Aerosole und chemische Prozesse In den letzten Jahren hat ein internationales Team von Fach-
in der Atmosphäre ab. Darüber hinaus werden auch biogeo- leuten aus den Bereichen Klimawissenschaft, Ökonomie und
chemische Kreisläufe wie der Kohlenstoff-, der Stickstoff- und Energie eine Reihe von Shared Socioeconomic Pathways (SSPs)
der Schwefelkreislauf abgebildet und mit physikalischen Pro- entwickelt, die in verschiedenen Entwicklungspfaden mög-
zessen im Klimasystem interaktiv gekoppelt. Diese komplexen liche zukünftige Veränderungen der globalen Gesellschaft
Modelle werden oft auch als „Erdsystemmodelle“ bezeichnet. beschreiben. In Kombination mit verschiedenen Emissions-
In diesen komplexen Modellen werden die anthropogenen minderungszielen bilden sie ab, wie sich gesellschaftliche Ent-
Treibhausgasemissionen direkt vorgegeben und deren Aus- scheidungen auf die Treibhausgasemissionen auswirken und
wirkungen auf das Klima berechnet. Die Verteilung des zu- wie die Klimaziele des Pariser Abkommens erreicht werden
sätzlichen Kohlendioxids in Atmosphäre, Ozean und Biosphäre können.
kann damit simuliert und Rückkopplungsprozesse im Klima- Die untersuchten Minderungsziele werden mittels RCPs
system können erfasst werden. Klimamodelle werden welt- durch den Strahlungsantrieb für das Jahr 2100 definiert. RCP1.9
weit an vielen Forschungszentren erstellt und im internatio- nimmt dabei eine besondere Rolle ein, denn es beschreibt
nalen Austausch stetig weiterentwickelt. Die Modelle werden einen modellierten Pfad zur Begrenzung der globalen Erwär-
dahingehend analysiert, wie gut sie das historische Klima (des- mung auf 1,5°C gegenüber dem vorindustriellen Niveau, dem
sen Verlauf durch Beobachtungen belegt ist) und beobachtete Ziel des Pariser Klimaabkommens (siehe auch S. 32 ff. und
Vorgänge im Klimasystem wiedergeben. 60 ff.). Hierbei nehmen die anthropogenen CO2-Emissionen bis
2030 um etwa 45 Prozent gegenüber dem Niveau von 2010 ab
Klimaprojektionen und erreichen einen Netto-Null-Zustand um das Jahr 2050.
Mit Klimamodellen lassen sich auf Basis von Annahmen über
die Entwicklung zukünftiger Treibhausgasemissionen deren Beschleunigte Maßnahmen zur Emissionsvermeidung
Auswirkungen auf das Klima abbilden. Auf diese Weise ist die erforderlich
Klimawissenschaft in der Lage, quantitative Aussagen über Zur Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5°C ist eine
die potenziell zukünftigen Änderungen des Klimas zu ma- schnelle und weitreichende Vermeidung und Reduktion aller
chen. Diese werden in der Fachsprache „Klimaprojektionen“ Treibhausgasemissionen, vor allem von Kohlendioxid, erfor-
genannt und beantworten Fragen wie: Was wäre, wenn …? derlich. Darüberhinaus ist ein Ausgleich des nicht zu vermei-
Wie entwickelt sich das Klima unter bestimmten Bedingun- denden Treibhausgasausstoßes durch „negative Emissionen“
gen, beispielsweise wenn durch menschliche Aktivitäten auch notwendig. Der Atmosphäre muss also Kohlendioxid entzogen
weiterhin große Mengen zusätzlicher Treibhausgase in die At- werden, beispielsweise durch das Anpflanzen von mehr Wäl-
mosphäre emittiert werden oder wenn stattdessen deutliche dern oder durch mehr Bindung von CO2 in Böden durch ver-
Anstrengungen zum Klimaschutz unternommen werden? Zu änderte landwirtschaftliche Bearbeitungsmethoden. Für das
diesem Zweck werden unterschiedliche Emissionsszenarien RCP1.9 sind nach 2050 bis zum Ende des 21. Jahrhunderts ne-
für das 21. Jahrhundert entwickelt, die auf verschiedenen An- gative Emissionen erforderlich. Da die Möglichkeiten zum Ent-
nahmen beruhen. In die Berechnung einbezogen werden dabei zug von Kohlendioxid jedoch in ihrem Umfang begrenzt sind
unter anderem die Bevölkerungsentwicklung sowie Entwick- und großen Unsicherheiten unterliegen, sollten Emissionen so
lungen auf den Gebieten der Energienutzung, der Technologie schnell wie möglich vermieden werden, um die Notwendig-
oder der Wirtschaft. keit für den nachträglichen Entzug soweit wie möglich zu mi-
Die Klimaprojektionen des 5. Sachstandsberichts des IPCC nimieren. Die Treibhausgasemissionen entsprechend der SSPs
(AR5) von 2013/14 basieren auf den sogenannten Repräsen- und daraus folgende atmosphärische Konzentrationen werden
tativen Konzentrationspfaden (Representative Concentration der neuesten Generation von Klimamodellen vorgegeben, de-
Pathways, RCPs). Diese beschreiben bestimmte Entwicklungs- ren Simulationen die Grundlage für den sechsten Sachstands-
pfade atmosphärischer Treibhausgaskonzentrationen und zu- bericht des IPCC bilden, der im Spätsommer 2021 veröffentlicht
gehöriger Emissionen. Eine charakteristische Kennzahl für die werden soll.
RCPs ist der Strahlungsantrieb, ein Maß für die Änderung der Alle zukünftigen Entwicklungspfade, welche die globale Er-
Energiebilanz der Erde innerhalb eines Zeitraums vom vorin- wärmung ohne oder allenfalls mit geringer zeitweiser Über-
dustriellen Niveau um 1750 bis zum Ende des 21. Jahrhunderts. schreitung der politisch vereinbarten Temperaturziele (Over-
Gemessen wird der Strahlungsantrieb in Watt pro Quadrat- shoot) schließlich auf 1,5°C begrenzen, nehmen den Einsatz von
meter (W/m2), wonach die Entwicklungspfade auch bezeichnet Maßnahmen zur Kohlendioxidentnahme aus der Atmosphäre
werden: RCP8.5 steht für einen Strahlungsantrieb von 8.5 W/ (Carbon Dioxide Removal, CDR) in einer Größenordnung zwi-
m2 und beschreibt einen kontinuierlichen Konzentrations- schen 100 bis 1000 Gigatonnen CO2 im Verlauf des 21. Jahrhun-
anstieg mit sehr hohen Treibhausgasemissionen. RCP6.0 und derts an. Die Entnahme von mehreren hundert Gigatonnen CO2
unterliegt allerdings vielfältigen Einschränkungen in Hinblick ven Netto-Emissionen zur Senkung der Temperaturen ist noch
auf Machbarkeit und Nachhaltigkeit. Deshalb sind beschleu- sehr begrenzt.
nigte Emissionsminderungen in der nahen Zukunft dringend Werden bestimmte globale Erwärmungsraten überschritten,
erforderlich, wenn das Pariser Klimaabkommen erfüllt werden können irreversible Prozesse ausgelöst und nicht umkehrba-
soll. re Änderungen im Klimasystem eintreten (Kipppunkte). Die
CDR-Maßnahmen müssten genutzt werden, um die noch derzeit von den Nationen festgelegten individuellen Beiträge
verbleibenden Emissionen auszugleichen, netto negative zum Klimaschutz bis 2030 (National Determined Contributions,
Emissionen zu erzielen und somit die globale Erwärmung NDCs) werden jedoch die globale Erwärmung nicht auf 1,5°C
nach einem zukünftig erreichten Höchststand wieder auf 1,5 °C begrenzen. Abhängig von Maßnahmen zur Vermeidung von
zurück zu bringen. Dabei kommt vor allem die Abscheidung Emissionen nach 2030 führen sie bis 2100 zu einer globalen Er-
und Speicherung von CO2 bei der Verbrennung von Biomasse wärmung von 3°– 4°C über vorindustriellem Niveau.
(Bioenergy with Carbon Capture and Storage, BECCS) infrage
sowie die Aufforstung, Wiederbewaldung und teilweise ver- Unsicherheiten und Methoden zu ihrer Begrenzung
mehrte Speicherung von Kohlenstoff im Boden durch geeig- Die Abbildungen des zukünftigen Klimas unterliegen verschie-
netes Landmanagement (Agriculture, Forestry and Other Land denen Unsicherheiten. Zum einen wissen wir nicht, welches der
Use, AFOLU). Vereinzelt könnte auch die Methode Direct Air oben aufgeführten Emissionsszenarien eintreten wird. Deshalb
Carbon Capture and Storage (DACCS) zum Einsatz kommen, werden Klimasimulationen basierend auf den verschiedenen
also der direkte Entzug von CO2 aus der Atmosphäre und sei- möglichen Szenarien durchgeführt. Zum anderen bestehen Un-
ne Abscheidung und Speicherung. Allerdings steht die Erfor- sicherheiten in der Modellierung. Deshalb werden Projektionen
schung dieser Methoden bislang noch am Anfang und zudem für das zukünftige Klima mit verschiedenen Klimamodellen in
ist noch unklar, wie und wo CO2 dauerhaft gespeichert wer- sogenannten Multi-Modell-Ensembles erstellt. Dazu werden
den kann. Auch das Wissen über den Kohlenstoffkreislauf im weltweit koordinierte Experimente in internationalen Modell-
Klimasystem insgesamt und über die Wirksamkeit der negati- vergleichsprojekten (Coupled Model Intercomparison Projects,
picture alliance / Klaus-Dietmar Gabbert | Klaus-Dietmar Gabbert
CMIP) im Rahmen des Weltklimaforschungsprogramms (World Für Europa wurden und werden im Rahmen der EURO-COR-
Climate Research Program, WCRP) durchgeführt, um die Ver- DEX-Initiative Ensemble-Simulationen mit Kombinationen
gleichbarkeit und einen geeigneten Austausch von Daten zu verschiedener globaler und regionaler Klimamodelle mit einer
gewährleisten. Die jeweils aktuellen CMIP-Ergebnisse bilden die horizontalen Auflösung von etwa 12,5 Kilometern erstellt. Ba-
Grundlage für die Sachstandsberichte des IPCC. Die neueste Ge- sierend auf dem neuesten Stand des EURO-CORDEX-Ensemble
neration koordinierter Experimente wird im Rahmen des CMIP6 von 2020 wurden für Deutschland 85 regionale Klimamodell-
durchgeführt und soll im 6. IPCC-Sachstandsbericht voraussicht- simulationen für drei verschiedene RCPs ausgewertet. Daraus
lich im Spätsommer 2021 veröffentlicht werden. ergeben sich für das Gebietsmittel von Deutschland bis zum
Die Ergebnisse der Ensemblesimulationen aus den CMIP-Ex- Ende des 21. Jahrhunderts im Vergleich zu 1971-2000 folgende
perimenten werden als Bandbreiten angegeben, um die Unsi- Bandbreiten für den projizierten Anstieg der bodennahen Luft-
cherheiten der Modellierung zu berücksichtigen. Basierend auf temperatur: 0,4–1,8°C für RCP2.6, 1,3–3,1°C für RCP4.5 und 2,7–
den Multi-Modell-Ensemblesimulationen des CMIP5 kommen 5,3°C für RCP8.5. Die projizierten Änderungen der jährlichen
alle RCPs zum Ergebnis, dass im Zeitraum 2081–2100 gegen- Niederschläge reichen von einer Abnahme von 9,9 Prozent
über dem Zeitabschnitt 1986–2005 ein mehr oder weniger bis zu einer Zunahme von 28,1 Prozent. Hier sind die projizier-
starker Anstieg der mittleren globalen Erdoberflächentempe- ten Zunahmen jedoch nur für RCP8.5 robust. Robust bedeutet,
ratur stattfinden wird: Für RCP2.6 mit sehr ambitionierten Kli- dass mindestens zwei Drittel der Simulationen eine Zunahme
maschutzmaßnahmen liegt die Bandbreite des Temperaturan- und mindestens 50 Prozent der Simulationen gleichzeitig eine
stiegs bei 0.3–1.7°C, für die beiden Stabilisierungspfade erhöht deutliche Zunahme zeigen.
sie sich auf 1.1–2.6°C (RCP4.5) bzw. 1.4–3.1°C (RCP6.0). Für RCP8.5
mit sehr hohen Treibhausgasemissionen ergibt sich eine
Spanne von 2.6–4.8°C. Dabei erwärmt sich die Arktis jeweils
wesentlich schneller als das globale Mittel, und die mittlere Globale Folgen des Klimawandels
Erwärmung über Land ist deutlich größer als über dem Ozean.
Um die regional unterschiedlichen Ausprägungen der Kli- Die Erwärmung der Erdoberfläche und der Atmosphäre ver-
maänderungen untersuchen zu können, werden die globalen ändern die Druck- und Windsysteme und damit den Transport
Simulationen mit deutlich höher auflösenden regionalen Kli- von Luftmassen und die Struktur der atmosphärischen Zirku-
mamodellen räumlich verfeinert. Damit können beispielswei- lation. Zudem erhöht sich die Verdunstung von Wasser in die
se extreme Niederschläge und räumlich detaillierte Tempera- Atmosphäre. Die erwärmte Atmosphäre kann mehr Wasser-
turkontraste abgebildet werden. Die so gewonnenen räumlich dampf aufnehmen und transportieren, was regional zu Verän-
detaillierten Informationen zu möglichen Änderungen ver- derungen der Niederschläge führt. So haben in den mittleren
schiedener Klimaparameter werden für die Forschung zu Kli- Breiten der Nordhemisphäre die Niederschläge gemittelt über
mafolgen, besonderen Gefährdungen (Vulnerabilität) und An- den Landflächen in den vergangenen Jahrzehnten zugenom-
passungsoptionen benötigt. men, in anderen Regionen jedoch abgenommen.
Trockenheit und Wetterextreme und Australiens häufiger auf. Starke Niederschläge nahmen in
Die zunehmende Verdunstung über Landflächen kann regio- Europa und Nordamerika an Häufigkeit und Intensität zu. Die
nal und jahreszeitlich zu Bodentrockenheit führen. Dauert die oberen Ozeanschichten (0–700 m) erwärmten sich, in den obe-
Trockenheit im Boden länger an, spricht man von einer „Bo- ren 75 Metern von 1971–2010 im Mittel um 0,11°C pro Dekade.
denfeuchte-Dürre“ oder auch landwirtschaftlichen Dürre, wel-
che das Wachstum der Pflanzen und die landwirtschaftlichen Erwärmung der Ozeane und Anstieg des Meeresspiegels
Erträge beeinträchtigt. Die Erwärmung des Ozeans macht mehr als 90 Prozent der
Die Klimaänderungen, einschließlich der Zunahme von Ex- zwischen 1971 und 2010 durch die anthropogene Erwärmung
tremereignissen in Häufigkeit und Intensität, haben bereits angehäuften Energie aus. Dabei hat sich die Ozeanerwärmung
jetzt negative Folgen für die Ernährungssicherheit und die in den letzten Jahrzehnten beschleunigt. Häufigkeit und In-
terrestrischen Ökosysteme und tragen in vielen Regionen zu tensität sogenannter mariner Hitzewellen sind deutlich ge-
einer Verschlechterung der Bodeneigenschaften bis hin zur stiegen. Durch die vermehrte Aufnahme von Kohlendioxid
Wüstenbildung bei. So hat der Klimawandel die Erträge von verringert sich der ph-Wert des Meerwassers und der Säurege-
Weizen und Mais in vielen Regionen und auch global betrach- halt der Ozeanoberfläche steigt an. Von der Oberfläche bis in
tet vermindert. 1000 Metern Tiefe ging der Sauerstoffgehalt zurück. Dadurch
In der Zusammenfassung des 5. IPCC-Sachstandsberichts für verschlechtern sich die Lebensbedingungen vieler Arten in den
politische Entscheidungsträger werden weitere Beobachtungen Meeren. Ganze Nahrungsketten sind betroffen und auch das
beschrieben: Seit 1950 zeigen sich zahlreiche Veränderungen Nahrungsangebot für den Menschen verringert sich.
von Wetter- und Klimaextremen. So nahm die Anzahl kalter
Tage und Nächte ab, die Anzahl warmer Tage und Nächte da-
gegen zu. Hitzewellen traten in weiten Teilen Europas, Asiens
Alexis Rosenfeld / Getty Images
Während der letzten Jahrzehnte verloren die Eisschilde in Nach den Erkenntnissen des IPCC-Sonderberichtes zu Ozeanen
Grönland und in der Antarktis an Masse, die Gletscher sind fast werden sich der globale Massenverlust von Gletschern, das
überall auf der Erde weiter abgeschmolzen, und die Schneebe- Tauen von Permafrost und der Rückgang der Schneebedeckung
deckung in der Nordhemisphäre hat im Frühjahr durchschnitt- und des arktischen Meereises in der nahen Zukunft fortsetzen.
lich weiter abgenommen. Im Zeitraum 1979–2012 hat sich die Die grönländischen und antarktischen Eisschilde werden wäh-
mittlere jährliche Ausdehnung des arktischen Meereises um rend des gesamten 21. Jahrhunderts und auch über dieses Jahr-
3,5–4,1 Prozent pro Dekade verringert. hundert hinaus mit zunehmender Geschwindigkeit an Masse
Auch die Dicke des Meereises hat abgenommen. Die Perma- verlieren. Die Geschwindigkeiten und Ausmaße dieser Ver-
frost-Temperaturen sind in den meisten Regionen seit den frü- änderungen werden bei einem Pfad mit hohen Treibhausgas-
hen 1980er-Jahren deutlich angestiegen, es wurden vielerorts emissionen in der zweiten Hälfte des 21. Jahrhunderts weiter
Rückgänge bei der Dicke und der flächenhaften Ausdehnung zunehmen. Gelingt es jedoch, in den kommenden Jahrzehnten
des Permafrostes festgestellt. die Treibhausgasemissionen stark zu verringern, so würden
Da Wasser sich bei Erwärmung ausdehnt und abschmelzen- die Klimaänderungen nach 2050 weniger stark ausfallen.
des Eis vom Festland dem Meer vermehrt Wasser zuführt, ist Die Auswirkungen einer globalen Erwärmung um 1,5°C auf
im Zeitraum von 1901–2010 der globale mittlere Meeresspiegel die Natur und den Menschen werden höher sein, als sie es heu-
um etwa 19 Zentimeter angestiegen, wobei sich die Anstiegs- te schon sind, aber deutlich geringer ausfallen als bei 2°C. Der
rate in den vergangenen 20 Jahren auf etwa 3,2 Millimeter pro „IPCC-Sonderbericht über 1,5°C Globale Erwärmung“ sagt für
Jahr verdoppelt hat. Erhöhte Windgeschwindigkeiten und Nie- die meisten bewohnten Regionen in Zukunft vermehrte Hitze-
derschläge von tropischen Wirbelstürmen sowie die Zunahme extreme voraus, in mehreren Regionen häufigere Starknieder-
von extremen Wellen verschärfen in Kombination mit dem schläge und in einigen Regionen eine erhöhte Wahrscheinlich-
relativen Meeresspiegelanstieg Extremwasserstände, und Ge- keit für das Auftreten von Niederschlagsdefiziten und Dürren.
fahren an Küsten führen zu Überflutungen und Erosion von Verbunden damit sind Folgen für Biodiversität und Ökosyste-
Landflächen. me einschließlich des Verlusts und Aussterbens von Arten, die
unter 1,5°C globaler Erwärmung lediglich etwas geringer aus-
Zukunftsszenarien bei Erwärmung um 1,5°C fallen als beim Temperaturanstieg auf 2°C.
Fortgesetzte Emissionen von Treibhausgasen werden eine wei- Der Bericht legt dabei den Schwerpunkt auf Klimaschutzsze-
tere Erwärmung und Veränderungen in allen Komponenten narien, die während des gesamten 21. Jahrhunderts die Erder-
des Klimasystems bewirken. Nach dem „IPCC-Sonderbericht wärmung auf 1,5 Grad begrenzen oder lediglich einen leichten
über 1,5°C Globale Erwärmung“ von 2018 erreicht die globale Overshoot von maximal 0,1°C zulassen. Ein starkes Überschrei-
Erwärmung wahrscheinlich zwischen 2030 und 2052 1,5°C. Wie ten der 1,5-Grad-Erwärmung hingegen würde zu irreversiblen
sich die Erwärmung dann weiter fortsetzt und ob sie entspre- Schäden für Menschen und Ökosysteme führen, selbst wenn
chend dem Pariser Abkommen auf weniger als 2°C und besser es gelingen sollte, die globale Erwärmung zum Ende des Jahr-
auf 1,5°C begrenzt werden kann, hängt von den weiteren An- hunderts durch verstärkten Entzug von Kohlendioxid aus der
strengungen zum Klimaschutz ab. Atmosphäre wieder auf 1,5 Grad zurückzuführen.
Steigende Temperaturen, hier im Juli 2019, verwandeln den auftauenden Permafrostboden rund
um das Dorf Usun-Kyuyol in Jakutien in eine Buckellandschaft.
EMILE DUCKE / NYT / Redux / laif
1 bis 3˚C 3 bis 5˚C über 5˚C angestoßen werden und sich aufeinander auswirken
Störung
des El Niño- Verschwinden
Phänomens des Amazonas- Zerstörung
regenwaldes von Korallen-
riffen durch
Erwärmung und
Versauerung
Verluste am
des Meeres
Ostantarktischen
Eisschild
Zukunftsszenarien bei Erwärmung um 4°C setzt die mikrobielle Zersetzung des darin gespeicherten Bo-
Würde die Menschheit einen Emissionspfad entsprechend dem denkohlenstoffs in Gang. Hierbei kann eine unkontrollierbare
RCP8.5 beschreiten, wäre eine globale Erwärmung hin zu einer Quelle von Treibhausgasemissionen geschaffen werden, die
4°C wärmeren Welt die Folge, was die Auswirkungen des Klima- möglicherweise ihrerseits die Erderwärmung verstärkt, auch
wandels deutlich verstärken würde. In einigen Komponenten nachdem die anthropogenen Treibhausgasemissionen auf null
des Klimasystems werden sogenannte Kipppunkte, also kriti- reduziert worden sind.
sche Schwellenwerte erreicht, deren Überschreiten unkontrol-
lierbare und sich selbstverstärkende Prozesse auslöst, die zum Einflüsse durch gesellschaftliche Entwicklungen
Teil unaufhaltsam und unumkehrbar sind. Die mit dem Klimawandel verbunden Risiken für die Natur
So würde ein anhaltender Massenverlust von Eisschilden ei- und den Menschen hängen vom Ausmaß und der Geschwin-
nen stärkeren Meeresspiegelanstieg verursachen, und ein Teil digkeit der Erwärmung ab und wie diese sich regional und lo-
dieses Massenverlustes könnte unumkehrbar sein. Eine anhal- kal ausprägt. Zum anderen spielt auch eine Rolle, wie sich die
tende Erwärmung, die höher ist als ein bestimmter Schwellen- Bevölkerung, der Konsum, die Produktion-, die Technologie und
wert, würde zu einem nahezu vollständigen Verlust des Grön- das Landmanagement entwickeln. Entwicklungspfade mit
ländischen Eisschildes über ein Jahrtausend oder mehr führen höherem Bedarf an Nahrung, Futtermitteln und Wasser, mit
und damit einen mittleren globalen Meeresspiegelanstieg ressourcenintensiverem Konsum und ressourcenintensiverer
von bis zu 7 Meter bewirken. Schätzungen basierend auf dem Produktion sowie mit geringeren technologischen Verbesse-
5. Sachstandsbericht des IPCC zeigen, dass dieser Schwellenwert rungen der landwirtschaftlichen Erträge führen zu höheren
größer als ca. 1°C globale Erwärmung ist, aber kleiner als 4°C. Risiken durch Wasserknappheit in Trockengebieten, Landde-
Eine mögliche Folge des Klimawandels ist auch ein abrup- gradierung und Ernährungsunsicherheit. Werden hingegen
ter und unumkehrbarer Eisverlust durch eine potenzielle In- die Treibhausgasemissionen reduziert und Maßnahmen zur
stabilität von auf dem Meeresgrund aufliegenden Teilen des Anpassung an den Klimawandel durchgeführt, können auch
Antarktischen Eisschildes. Die fortschreitende Erwärmung der Desertifikation und Landdegradierung bekämpft und die Er-
Permafrostregionen führt zum Auftauen des Permafrosts und nährungssicherheit verbessert werden.
Viele Maßnahmen zur Bekämpfung von Desertifikation kön- manchen Regionen ist bereits ein Anstieg der hitzebedingten
nen die Anpassung an den Klimawandel unterstützen und Todesfälle zu verzeichnen. Bestimmte wasserbasierte Krank-
sein weiteres Fortschreiten hemmen. Außerdem können sie heiten und Krankheitsüberträger verbreiten sich zunehmend.
den Verlust an biologischer Vielfalt eindämmen und nach- Von den Veränderungen stark betroffen sind Branchen wie
haltige Entwicklung fördern. Nachhaltiges Landmanagement Land- und Forstwirtschaft, Energie und Tourismus, für die be-
kann Landdegradierung verhindern oder verringern, die Pro- stimmte Temperatur- und Niederschlagsmengen wichtig sind.
duktivität von Landsystemen aufrechterhalten und so die Der Klimawandel vollzieht sich so rasch, dass viele Pflanzen-
negativen Folgen des Klimawandels für die Landsysteme auf- und Tierarten sich kaum anpassen können und verstärkt vom
fangen, vermeiden oder sogar umkehren. Handlungsmöglich- Aussterben bedroht sind.
keiten im gesamten Ernährungssystem, von der Produktion bis Auch in Deutschland hat die Hitzebelastung deutlich zuge-
zum Verbrauch, einschließlich der Vermeidung von Nahrungs- nommen. Im Zeitraum 1951 bis 2019 ist die Anzahl der heißen
mittelverlusten und -verschwendung, können eingesetzt und Tage, an denen die Tageshöchsttemperatur 30°C überschreitet,
ausgebaut werden, um eine Anpassung an bzw. Vermeidung im Mittel um etwa 8 Tage gestiegen, mit der höchsten Anzahl
von Klimawandel voranzubringen. im Jahr 2018 mit mehr als 20 heißen Tagen. Die Sommer in den
Jahren 2003, 2018 und 2019 waren die wärmsten seit Beginn der
Wetteraufzeichnungen 1881. Weiterhin sind in Deutschland in
vielen Regionen Veränderungen der Niederschlagsregime zu be-
Folgen für Europa und Deutschland obachten, mit Zunahmen der Niederschlagsmengen im Winter,
die zudem seltener in Form von Schneefall herunterkommen.
In Europa kommt es mit fortschreitendem Klimawandel immer Starkniederschlagsereignisse haben zugenommen, die bei-
häufiger zu Hitzewellen, Waldbränden und Dürren. Seit 2003 spielsweise in 2016 und 2017 in vielen Regionen und Städten
hat Europa mehrere extreme Hitzewellen erlebt (2003, 2006, in Deutschland zu Überschwemmungen geführt haben. Auch
2007, 2010, 2014, 2015, 2018, 2019). Sie werden unter dem Emis- in heißen und trockenen Jahren gibt es Starkregen, besonders
sionsszenario RCP8.5 in der zweiten Hälfte des 21. Jahrhunderts viele traten im Dürrejahr 2018 auf, das zugleich durch lange Pha-
voraussichtlich alle zwei Jahre auftreten und sich besonders sen mit sehr geringen Niederschlägen und durch hohe Verduns-
stark in Südeuropa ausprägen. In Nordeuropa wird das Klima tungsraten aufgrund hoher Temperaturen geprägt war. Längere
im Durchschnitt deutlich feuchter und es kommt häufiger zu Phasen mit geringen Niederschlägen führen in Kombination
Überschwemmungen. Alpine, skandinavische und isländische mit höherer Verdunstung aufgrund ansteigender Temperaturen
Gletscher ziehen sich zurück, in den Alpen nehmen Felsstürze vermehrt zu Trockenheit im Boden und damit zu Bodenfeuch-
zu. In den Flüssen treten zeitweise besonders niedrige und pha- te-Dürren. Beobachtungen des Meeresspiegels verzeichnen
senweise besonders hohe Abflussmengen auf. einen Anstieg von etwa 10 bis 20 Zentimetern an Deutschlands
Die städtischen Gebiete sind besonderes verwundbar gegen- Nord- und Ostseeküsten innerhalb der letzten 100 Jahre; dieser
über Hitzewellen und Überschwemmungen. Der Klimawan- generelle Trend verbindet sich im selben Zeitraum mit einem
del wirkt sich direkt auf die Gesundheit der Menschen aus. In Anstieg der Sturmflutwasserstände.
Die häufiger und intensiver auftretenden Hitzewellen belas- davon, wie sich die Klimaänderungen regional und lokal aus-
ten Menschen, Tiere und Pflanzen. Sie können vor allem bei prägen. Zum anderen wird der Risikograd davon bestimmt, wie
älteren und kranken Menschen schwerwiegende gesundheit- stark ein System Klimaänderungen ausgesetzt ist (Exposition),
liche Folgen haben. „Aufgrund der alternden Bevölkerung, der wie empfindlich es darauf reagiert (Sensitivität) und wie ver-
Urbanisierung und der Häufigkeit von Diabetes, Herzkreislauf- wundbar es dadurch ist (Vulnerabilität).
und Atemwegserkrankungen ist die europäische Bevölkerung Beim Grad der Verwundbarkeit spielt die Anpassungskapa-
durch Hitze besonders gefährdet“, stellt der Deutschland-Be- zität eine wesentliche Rolle, also die Fähigkeit, potenziellen
richt fest, der erstmalig im Rahmen des „Lancet Countdown on Schäden vorzubeugen oder mit entsprechenden Auswirkun-
Health and Climate Change“ 2019 veröffentlicht wurde. gen umzugehen. Resilienz ist die Fähigkeit von natürlichen
Die Veränderungen der Temperaturen und Niederschläge im und menschlichen Systemen, Klimaänderungen und extreme
Jahresverlauf haben Einfluss auf die landwirtschaftliche Pro- Ereignisse zu bewältigen und dabei derart zu reagieren be-
duktion; extreme Hitze und Trockenheit, aber auch Dauer- und ziehungsweise sich zu reorganisieren, dass die systemische
Starkregen können vermehrt zu Ernteausfällen führen. Die Grundfunktion, Identität und Struktur erhalten bleiben und
Wälder sind ebenfalls zunehmend durch Hitze und Trocken- die Systeme sich gleichzeitig die Fähigkeit zur Anpassung, zum
heit gefährdet, was ihre Anfälligkeit gegenüber Schädlings- Lernen und zur Transformation bewahren können.
befall und Stürmen erhöht. In Städten zeigt der Klimawandel Die Betroffenheit durch den Klimawandel und die Fähig-
besonders starke negative Effekte aufgrund der hohen Dichte keit zur Anpassung von menschlichen Systemen werden auch
an Bevölkerung und Infrastruktur. Neben einer besonders aus- durch soziale, wirtschaftliche und kulturelle Faktoren beein-
geprägten Hitzebelastung führt der hohe Versiegelungsgrad flusst. Dabei spielen zum Beispiel die Wirtschaftskraft einer
in Städten bei Starkniederschlägen häufiger zu Überschwem- Volkswirtschaft, Beschäftigungsstrukturen, Reichtum und
mungen und dadurch zu Beeinträchtigungen in der Wasser- dessen Verteilung eine Rolle, aber auch demografische Fakto-
versorgung und -entsorgung, in der Energieversorgung und im ren, Strukturen für politische Steuerung und gesellschaftliche
Verkehr, was durch die enge Verzahnung der Infrastrukturen Werte. Auch internationale Beziehungen und Handel sind von
wechselseitig verstärkt werden kann. Bedeutung.
IMAGO / Xinhua
gerjahren, auf der man nicht viel sieht außer Steppe und Ein-
öde. Dann kommt eine neuere Aufnahme, die zeigt, wie aus
dem Nichts ein großes, grünes Band wurde. Auf etwa sechs
Millionen Hektar wachsen plötzlich wieder Bäume in der Wüs- Herkömmliche Baumpflanzung gegen Wüstenbildung in der Sahelzone im
te von Niger: Gao, Wüstendattel, Nam, Schirmakazie und der Rahmen des Projekts Große Grüne Mauer der Afrikanischen Union, Sudan 2017
Baobab, der Affenbrotbaum [...].[...]
„Es ist […] ganz einfach“, sagt Sakina Mati. Man steigt mit ihr
ins Auto und fährt einige Kilometer zu ihrer Farm, so nennt sie sich noch an die französischen Kolonialherren, die das Land in
die wenigen Hektar, die sie bewirtschaftet, wie viele Hektar ge- Departements einteilten, eine Route Nationale in die Provinz
nau es sind, kann sie nicht sagen. Wenn man das Dorf verlässt, stanzten und den Bauern sagten, sie müssten ihre Bäume fällen,
öffnet sich eine Weite, es ist eine Landschaft mit sandigem Bo- damit sie Landwirtschaft betreiben könnten, mit Traktoren und
den und großen, dicken Bäumen. „Das ist mein Feld“, steht auf allem Drum und Dran. Also wurden die Bäume gefällt – und der
einem kleinen Schild, das Mati in den Boden gerammt hat, ein Sand der Sahara hatte freie Bahn. Die Bäume, die noch standen,
paar Meter daneben kauert eine Art Vogelscheuche, ein Stock, gingen in den Besitz des Staates über, waren also nicht mehr
behängt mit ein paar Kleiderfetzen, damit die Vögel nicht Eigentum der Bauern, was letztlich dazu führte, dass sich kei-
kommen. Es sieht nicht wirklich nach einem Wunder aus. ner mehr um sie kümmerte. Keiner protestierte, als sie gefällt
Sakina Mati zeigt auf ein paar grüne Zweige, die aus dem und als Brennholz verkauft wurden. Die Bevölkerung in Niger
Sand nach oben wachsen. „Man muss sie gut beschützen.“ Vor wächst bis heute so schnell wie sonst fast nirgends auf der Welt.
den Kühen, die hier manchmal grasen, und den Menschen, die Die Ressourcen reichten kaum noch für alle. Das Land wurde
hier manchmal nach Brennholz suchen. Sie baut den kleinen kahl. Was blieb, war ein riesiges unterirdisches Wurzelwerk, das
Sprösslingen ein Nest aus Zweigen, das sie schützen soll. Wenn weiterlebte und begann, seine Triebe nach oben zu schicken.
die Bäumchen wachsen und gedeihen, kommt Sakina Mati Und dann kam Rinaudo mit seinem missionarischen Eifer.
mit einem kleinen Messer oder einer Schere und schneidet die Die Bäume wuchsen und veränderten das Klima, an manchen
Triebe ab, sodass alle Kraft aus der Wurzel in den Stamm fließt, Orten war es mehr als 50 Grad heiß gewesen ohne sie, mit den
dass also kein Busch daraus wird, sondern ein Baum. 150 Bäu- Bäumen fiel die Temperatur auf etwa die Hälfte. Die Stämme
me stehen auf ihrem Feld. „So einfach ist das“, sagt Sakina Mati. brachen die Sandstürme, und die Wurzeln hoben den Grund-
Die Methode, die Mati und Tausende andere Bauern in Niger wasserspiegel an, lieferten Nitrate, die dem Getreide beim
seit Jahren erfolgreich praktizieren, wurde schon als koperni- Wachsen halfen. Bekamen die Bauern früher aus einem Hektar
kanische Wende beschrieben. Sakina Mati hat 150 Bäume groß- gerade mal 150 Kilogramm Hirse, waren es unter Bäumen nun
gezogen, aber noch nie einen Setzling gepflanzt. Sie hat sich plötzlich 500 Kilogramm. Erst begrünte Rinaudo Niger, dann
einfach nur um die Triebe gekümmert, die aus einem verbor- auch die Nachbarländer, mittlerweile hat er seine Methode in
genen unterirdischen Netzwerk von Wurzeln durch die Erde 28 Länder exportiert, die er Farmer Managed Natural Regene-
kamen. Es ist eine revolutionär einfache Methode. Aber eine, ration (FMNR) nennt.
die keine werbewirksamen Bilder von Setzaktionen produziert. Die Begrünung mit der FMNR-Methode kostet etwa 40 Dol-
Genau das ist das Problem: Sie berührt nicht, zumindest nicht lar pro Hektar. Manche schätzen, dass die konventionelle Auf-
unmittelbar. forstung mit Setzlingen etwa 8000 Dollar pro Hektar kostet
[…] Tony Rinaudo, ein Australier, [kam] als junger Kerl nach und dass in manchen Regionen bis zu 95 Prozent der Setzlinge
Niger, ganz in die Nähe des Dorfes von Sakina Mati, mit dem eingehen. „Man sieht die kleinen Bäume drei Mal: in der Baum-
Auftrag, die Leute zum christlichen Glauben zu missionieren schule, eingepflanzt und dann verdorrt.“ […]
und daneben auch noch ein paar Bäume zu pflanzen. Er grub In Niger hat das Baumwunder sehr viele Hauptdarsteller, es
die Setzlinge viele Jahre lang in den Wüstensand, wo sich funktioniert nur, weil in vielen Dörfern ganz viele Menschen
schnell ihre Spur verlor. Eines Tages, so hat es Rinaudo einmal an die Methode glauben – und an die Bäume. Es sind übrigens
erzählt, er wollte eigentlich aufgeben, hatte sich schon auf die Menschen, die schon daran geglaubt haben, bevor Rinaudo kam.
Kapitulation vorbereitet, als er eine Reifenpanne hatte, mitten „Ich habe bereits 1983 angefangen, mich mit Bäumen zu beschäf-
in der Wüste. Da sah er plötzlich lauter grüne Sprossen aus tigen“, sagt Sakina Mati. Damals seien die Männer zum Arbei-
dem Boden kommen. Das war der Anfang. Und das ist schon ten in die Nachbarländer gezogen. Im Dorf blieben die Frauen,
die ganze Geschichte: Setzlinge beschützen und beschneiden. denen der Saharawind um die Ohren blies. Sie haben sich um
Erst waren die Menschen skeptisch in Niger, weil da schon die wenigen Bäume und Triebe gekümmert, die es gab. […]
wieder ein Weißer kam und ihnen erzählte, was sie mit den
Bäumen machen sollten und was nicht. Die Älteren erinnerten Bernd Dörries, „Die Baumschule“, in: Süddeutsche Zeitung vom 29. September 2020
Maurizio Gambarini
Ort das Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF).
Die Winter sind dort kälter, Niederschlag ist seltener. Die Böden
sind sandig und humusarm. Vor über 90 Jahren gründete Erwin
Baur hier das Kaiser-Wilhelm-Institut für Züchtungsforschung,
um Nutzpflanzen zu züchten, die auch solch ungünstige Be- Über einem Versuchsfeld des ZALF in Müncheberg, Brandenburg, erhebt eine
dingungen überstehen. Damals ahnte man noch nicht, dass der Drohne im April 2017 Daten zu Bodenstruktur und Bewuchsintensität.
Mensch einmal die Atmosphäre so weit aufheizen würde, dass
er damit das gesamte Klimasystem ins Wanken bringt.
Die Mitarbeiter des Leibniz-Zentrums bewirtschaften eine Reckling ist dort Wissenschaftlicher Mitarbeiter. Er betreut
Reihe von Versuchsfeldern, teils zu Fuß von den Büros zu er- Gruppen von Landwirten, die sich auch untereinander beraten
reichen. Auf einigen Parzellen wachsen Sojabohnen, einmal sollen. Sie berichten ihm am Ende des Jahres, was auf dem Feld
bewässert, einmal unbewässert. Und natürlich der in Branden- funktioniert hat und was nicht.
burg allgegenwärtige Mais. Einmal in 20 Jahre andauernder Aus solchen Berichten, zusammen mit vorgegebenen Ver-
Folge, einmal im Fruchtwechsel mit Getreide. Das Leibniz- suchen auf Farmen in ganz Europa und aus Feldexperimenten
Zentrum erforscht die Grundlagen einer Landwirtschaft, die am ZALF, füttert Reckling Computermodelle. In diesen Model-
dem Klimawandel widersteht, die gleichzeitig ökologisch und len wachsen Agrarpflanzen virtuell. Basierend auf Daten aus
ökonomisch nachhaltig ist, die Ernährung und die biologische realen Einzelexperimenten. „Es ist ja noch unklar, an was wir
Vielfalt sicherstellt. uns anpassen müssen.“ Im Computer spielen sie verschiedene
Die Forscherinnen und Forscher arbeiten auch mit Landwir- Szenarien durch. Die Modelle arbeiten mit Tageswerten etwa
ten zusammen, die auf ihren Höfen experimentieren. Frank von Niederschlag und Temperatur und berechnen das Wachs-
Ewert ist Wissenschaftlicher Direktor des ZALF. Seit 25 Jahren tum der Pflanzen innerhalb eines Jahres – wann die Blätter
beschäftigt er sich mit Feldversuchen und Modellen, die Kli- sich bilden, wann sie blühen und Früchte bilden. „Wir können
maänderung und Pflanzenwachstum verbinden. „Wir haben simulieren, wie sie in Jahren mit ganz unterschiedlichem Wet-
Experimente gemacht, um Hitzestress und Dürrestress besser ter wachsen würden“, sagt Reckling.
zu verstehen, und dies dann berücksichtigt, wenn es um die Momentan interessiert er sich sehr für Soja. Die Bohne, die
Anbauplanung geht.“ Für die Anpassung der Landwirtschaft ursprünglich aus Ostasien stammt, ist einerseits in der Lage,
an den Klimawandel gebe es aber nicht die eine Lösung. Stickstoff aus der Luft im Boden zu binden, andererseits ist sie
Es gibt eine Reihe von Strategien, mit denen sich Landwir- gut an Hitze gewöhnt. Reckling hat sie in Experimenten künst-
te auf den Klimawandel vorbereiten können. Sie können auf lich bewässert. „Damit konnten wir die Erträge vervierfachen“
Technologie und Arbeitskraft bei der Bewässerung setzen […]. erzählt er. […]
Sie können das Risiko streuen, indem sie neue Einnahme- Nicht nur der Anbau, auch das Pflügen verändert sich gerade.
quellen erschließen. Sie können Arten verstärkt nutzen, die Neu ist das Strip-Till-Verfahren. Hierbei werden nur die später
an die Hitze angepasst sind, wie Mais und Hirse, aber auch auf besäten Streifen des Feldes mit einem Grubber aufgerissen
Trockenresistenz gezüchtete Sorten. Sie können ihre Anbau- und nur dort Gülle oder Biogas-Substrat in den Boden gegeben.
technik anpassen, um die Wasserhaltefähigkeit der Böden zu Auf Maisfeldern bleibt so ein gut 50 Zentimeter breiter Streifen
erhöhen, und mit einer stark erweiterten Fruchtfolge experi- des Bodens fast unberührt, samt Humus, Bodenleben und Res-
mentieren, wie es Johann Gerdes in Brandenburg macht. ten der Vorfrucht. Ertragskarten verzeichnen, wo in den ver-
Sein Beerfelder Hof liegt in sacht-welliger Landschaft. Der gangenen Jahren Mais schlechter wuchs. Dort, wo der Boden
Boden ist sandig. Während der Kollektivierung wurden hier schlechter Wasser speichert und weniger Nährstoff enthält,
Hecken, Gräben und Baumreihen entfernt. Im Sommer weht wird mehr Gülle und weniger Saatgut ausgegeben. […]
der heiße Wind ungebremst durch die Landschaft. Für Frank Ewert, den wissenschaftlichen Leiter des Zentrums
Gerdes telefoniert regelmäßig mit einem Mitarbeiter des na- für Agrarlandforschung, sind die individuellen Anpassungs-
hen ZALF, um seine Erfahrungen gegen Expertisen zu tauschen. strategien der Landwirte an den Klimawandel nur die Hälfte
Wann lohnt es sich, eine Hecke zu pflanzen? Sollte er seine Kar- der Geschichte. Es müsse darüber hinaus eine Agrarpolitik be-
toffeln künstlich bewässern, weil die Ernte nun zum zweiten trieben werden, die kleine Höfe und die regionale Verarbeitung
Mal so mickrig ausfiel? Welche Pflanzen und Anbauweisen der Produkte unterstützt, auch deren Vertrieb. Was in Deutsch-
könnten auf seinen Standorten funktionieren? Gerdes versteht land fehlt, sagt Ewert, „ist eine Vision, wie die Landwirtschaft
sich nicht nur als Landwirt, auch als Manager. Mit seinem An- in der Zukunft aussehen soll und wie wir dahin kommen.“
sprechpartner beim Leibniz-Zentrum, Moritz Reckling, ist er in-
zwischen befreundet. Andreas Bäumer, „Neulandwirtschaft“, in: DIE ZEIT Nr. 45 vom 2. November 2019
Klimaschutz in Heidelberg
Heidelberg gilt als Vorzeigestadt beim Klimaschutz. […] torarbeit über die Auswirkungen von Umweltgiften. Im Rathaus
Vor ein paar Monaten […] wollte [Lena Grazé] herausfinden, übernahm er Jahre später den Posten des Umweltfachberaters.
wie ihr ökologischer Fußabdruck aussieht. Gar nicht schlecht, Als er schließlich ins Büro des Bürgermeisters umzog, war klar,
stellte sich heraus, verglichen mit anderen im Land sogar ziem- dass die Natur auch in diesem Job sein Thema bleiben wird.
lich gut. Zu diesem beruhigenden Ergebnis hat Lena Grazé Nach beinahe drei Amtsperioden hat das Folgen. […] Zum
selbst nicht nennenswert beigetragen. Ihre Klimabilanz ver- Beispiel im Jahre 2006, als das Projekt „Passivhaussiedlung in
dankt sie der Wohnung […]. der Bahnstadt“ zu scheitern drohte. Damals fehlten Investoren.
Das Gebäude, in dem die Familie wohnt, ist ein Passivhaus. Also gründete der Bürgermeister mit der Heidelberger Spar-
Es ist so gebaut, dass Menschen selbst bei Minusgraden im kasse, einer Städtischen Wohnungsbaugesellschaft und der
Winter in den Räumen nicht frieren. Eine Anlage filtert die Luft, Landesbank Baden-Württemberg eine kommunale Entwick-
sodass sie immer frisch ist und die Fenster nur selten geöffnet lungsgesellschaft, und man kaufte die vorgesehene Fläche
werden. Auf diese Weise sparen Grazés Energie – so wie auch selbst. Die Stadt investierte 300 Millionen Euro. In nicht einmal
alle anderen Bewohner in der Bahnstadt, einem Neubauviertel zehn Jahren wurden hier Wohnungen für bislang 4319 Men-
in Heidelberg. Es ist die größte Passivhaussiedlung der Welt, schen gebaut und Büros für knapp 3000 Arbeitsplätze.
Stadtplaner kennen sie als Beispiel für gelungenen Klima- […] Wie vielen ihrer Nachbarn war auch [Lena Grazé] der
schutz. ökologische Fußabdruck ziemlich egal, als sie vor fünf Jahren
Auf Orte wie das Zuhause der Grazés kommt es an. Denn wie den Mietvertrag unterschrieb: „Neubau, Erstbezug, das war für
Häuser saniert oder gebaut werden, auf welche Weise Bürger uns entscheidend.“ Und doch stellte die Familie ihren Lebens-
ihre Wohnungen heizen – auch davon hängt ab, ob die Klima- stil nach und nach um. Die meisten Wege geht Grazé heute zu
ziele erreicht werden. Mehr als 60 Prozent des Kohlendioxids Fuß. Die Kita ihrer Tochter liegt nur wenige Minuten entfernt.
werden weltweit in Städten ausgestoßen. Um die Ecke gibt es Ärzte, Bäcker, Spielplätze. Neuerdings auch
[…] An vielen Orten basteln Beamte an Ideen, das COc zu ein Passivhaus-Kino und eine ökumenische Kirchengemeinde.
reduzieren. Städte wie Köln riefen den Klimanotstand aus. In „Außer zur Arbeit brauche ich das Viertel kaum noch zu ver-
Heidelberg kann man über solche Maßnahmen nur lächeln. lassen“, sagt Grazé. Fährt sie doch einmal zum Shoppen in die
Die Stadt hat sich schon vor Jahren verpflichtet, bis 2050 die Innenstadt, lässt sie den Golf inzwischen daheim. „Hier gibt es
COc-Emissionen um 95 Prozent zu reduzieren, den Energie- eine neue Haltestelle.“ Die Bahn ist komfortabler. […]
bedarf will sie um die Hälfte senken. Manchen geht auch das
noch nicht weit genug. Doch in Heidelberg ist schon auf der Laura Cwiertnia, „Sie machen den Anfang“, in: DIE ZEIT Nr. 38 vom 12. September 2019
Straße zu erkennen, was in anderen Orten höchstens in guten
Vorsätzen zu lesen ist:
¬ Einige Hundert Meter hinter Lena Grazés Wohnhaus ver-
picture alliance / Westend61 | Werner Dieterich
Strategien zur Anpassung an Extremwetterlagen: Deichbau zum Hochwasser- An der stark befahrenen Gladbecker Strasse in Essen sollen vertikale Gärten
schutz im Ganges-Flussdelta, Indien, und Berieselungsanlage zur Bekämpfung von an Mehrfamilienhäusern Schadstoffe aus der Luft filtern und das Stadtklima
Bodentrockenheit in Szentes, Ungarn verbessern.
Weitere Beispiele sind die standortgerechte Entwicklung von betroffen, und es bestehen vielfältige Notwendigkeiten zur An-
Mischwäldern zur Verringerung der Anfälligkeit gegenüber passung. Versiegelung, dichte Bebauung und zusätzliche Wär-
Klimaänderungen oder die Entsiegelung und Begrünung von meemissionen führen zu Hitzeinsel-Effekten, die sich unter
Städten zur Reduktion der Hitzebelastung. Zum Umgang mit fortschreitendem Klimawandel verstärkt ausprägen.
zunehmend extremen Wetterbedingungen werden Beobach- Unter den Stichworten „grüne, blaue, weiße Städte“ können
tungs- und Frühwarnsysteme eingesetzt und Maßnahmen zur unter anderem helle Oberflächen und Gebäudefarben, blaue
Bekämpfung der Folgen verbessert. und grüne Infrastrukturen wie Seen und offene Wasserele-
In Europa wurden auf allen Regierungsebenen Anpas- mente sowie Baumpflanzungen, Parks und Gründächer zu Ver-
sungsmaßnahmen entwickelt, die teilweise in das Küsten- dunstungskühlung und Beschattung beitragen. Damit wird
management und die Wasserwirtschaft, in Umweltschutz und die Hitzebelastung verringert und zugleich werden dadurch
Raumplanung sowie in das Katastrophenrisikomanagement Luftqualität und Lebensqualität verbessert. Zum nachhaltigen
eingebunden wurden. In Deutschland hat das Bundeskabinett Umgang mit Niederschlagswasser und zur Vorbeugung von
am 17. Dezember 2008 die Deutsche Anpassungsstrategie (DAS) Überschwemmungen wird vermehrt das Prinzip „Schwamm-
an den Klimawandel beschlossen. Diese schafft einen Rahmen, stadt“ in Betracht gezogen. Es soll die Speicherung von Wasser
der eine sektorenübergreifende Vorgehensweise des Bundes ge- in Phasen mit hohen Niederschlagsmengen ermöglichen und
gen die Folgen des Klimawandels in Deutschland ermöglichen dieses in Phasen mit geringen Niederschlägen nutzbar ma-
soll. Darin werden für 15 Handlungsfelder und ausgewählte Re- chen, zum Beispiel zur Grünflächenbewirtschaftung.
gionen mögliche Klimafolgen und Handlungsoptionen skizziert. Kommunen besitzen aufgrund der zentralen Aufgaben
Die DAS wurde 2015 und 2020 im Rahmen von Fortschrittsbe- der Daseinsvorsorge eine Schlüsselstellung bei der Anpas-
richten fortgeschrieben und die damit zusammenhängenden sung kritischer Infrastrukturen. Hierzu zählen die öffentliche
Aktionspläne werden alle vier Jahre aktualisiert. Ein besonderes Trinkwasserversorgung, die Abwasserentsorgung, präventiver
Augenmerk liegt zum Beispiel auf dem Handlungsfeld Mensch- Hochwasserschutz, die Energieversorgung sowie die Bereit-
liche Gesundheit, das unter anderem durch die Zunahme der stellung kommunaler Verkehrsinfrastruktur. Eine wichtige
Häufigkeit und Intensität von Hitzewellen besonders betroffen Rolle für die kommunale Anpassung an den Klimawandel neh-
ist. Maßnahmen umfassen hier beispielsweise Hitzeaktions- men die kommunalen Spitzenverbände ein. So veröffentlichte
pläne, staatliche Regeln zum Arbeitsschutz wie die Verordnung im März 2019 der Deutsche Städtetag ein Positionspapier zur
zur arbeitsmedizinischen Vorsorge sowie Informationen für die Klimaanpassung, in dem zentrale Forderungen, Hinweise und
Bevölkerung und die Gesundheitsberufe. Zudem sollen Infor- Anregungen formuliert werden.
mations- und Frühwarnsysteme angepasst und ausgeweitet
werden. Städte sind durch die hohe Dichte der Bevölkerung und Die Autorin dankt ihrer Kollegin beim GERICS, Dr. Irene Fischer-
Infrastrukturen sowie die hohe Konzentration wirtschaftlicher Bruns, für die sprachliche Überarbeitung des Textes.
Wertschöpfung besonders von den Folgen des Klimawandels
Klimaanpassung in Offenbach
[…] Extremwetterereignisse insgesamt nehmen deutlich zu, da-
von sind Klimatologen überzeugt. Holger Robrecht berät Städ-
te, wie sie „klimaresilient“ werden können. „Klimawandel ist
keine Sache, auf die man sich einmal einstellt“, sagt Robrecht.
„Die Stadt der Zukunft muss sich ständig an den Klimawandel
anpassen.“ In Robrechts Verband LCLEI mit Sitz in Freiburg
sind 1500 Städte, Kommunen und Regionalverbände weltweit
organisiert, die nachhaltig sein und sich auf den Klimawandel
einstellen wollen. […]. Es geht darum, dass sich das Denken der
Stadtverwaltungen verändert, sagt Robrecht.
picture alliance / dpa
[…] Der Starkregen 2016 führte in Offenbach dazu, dass inner-
halb kurzer Zeit ein Klimaanpassungskonzept erstellt wurde. Ei-
nerseits geht es um Risikobewertung, andererseits Maßnahmen
zum Schutz. Die Stelle einer Klimaanpassungsmanagerin wurde
2017 geschaffen. […] Wenn jemand etwa beim Thema Hitzeschutz Fahrzeugbergung nach Starkregen in Offenbach, Juni 2016
wissen will, wo der richtige Ansprechpartner in den Behörden
sitzt, vermittelt sie den Kontakt. Das Klimaanpassungskonzept
soll in der Stadt bekanntgemacht werden. Auch die Rolle des Um- S-Bahntunnel im Boden sind, dürfen Bäume nicht zu tief wurzeln
weltamtes hat sich verändert. „Heute beraten wir viel mehr prä- […]. Viel Geld der Stadt fließt inzwischen auch in die Bewässerung.
ventiv. Wir klären auf, wir planen mit den Ingenieurbüros, um Mit Hilfe neuer Fahrzeuge müssen die alten und neuen Bäume
Regenwasser mehr zu nutzen, wir sind aber inzwischen auch an bewässert werden. Im Umweltamt muss man sich am Stadtrand
der Gefahrenabwehr stärker beteiligt“, sagt Umweltamtsleiterin auch mit Fragen der Waldbrandgefahr auseinandersetzen.
Heike Hollerbach. „Seit 2017 ist die Voraussetzung für einen Neu- Eine Analyse des Deutschen Wetterdienstes, die 2014 für
bau bei großen Bauvorhaben und Bauleitplanung, dass er einem Offenbach erstellt wurde, zeigt, wie stark sich das Klima in der
hundertjährigen Niederschlagsereignis standhält.“ Stadt von jenem auf dem Land unterscheidet. Im Schnitt war
Die meisten Projekte, die Hollerbach und ihre Kollegen ange- es laut Wetterdienst ein bis zwei Grad wärmer als im Umland,
hen, greifen in den Planungsprozess ein. Mit großer Zufrieden- teilweise mit weiteren Ausschlägen an heißen Tagen. Vor allem
heit verweist man auf die 40 000 Quadratmeter große Fläche aber kühlte es in der Stadt viel weniger ab als im Umland. Die so-
des Goethequartiers, das derzeit im Stadtzentrum gebaut wird. genannten Wärmeinseln, die sich in der Offenbacher Innenstadt
Weil das Gelände vorher brach lag, konnte die Fläche viel Wasser bildeten, waren zum Teil sechs Grad heißer als etwa im Main-
aufnehmen. Das sollte nun auch der Neubausiedlung gelingen: vorland, einer ländlichen Vergleichsgröße. Die Tropennächte, bei
Die Dächer sollen bewachsen sein. Durch die Pflanzen kann das denen die Temperatur nicht unter 20 Grad sinkt, sind besonders
Wasser verdunsten, gleichzeitig können Wasserspeicher mit in- für ältere und kranke Menschen sowie Kleinkinder belastend.
tegrierten Kapilarsäulen das Wasser auch aufnehmen. Entschei- An jeder Ecke gibt es bei dem Thema Zielkonflikte der Stadt-
dend ist die Verdunstungsquote in der Jahresbilanz. Sie liegt im planung. Einerseits müssen Städte aufgrund des erhöhten Zu-
neuen Wohnviertel bei 78 Prozent. Laut der städtischen Planer zugs verdichtet werden, aufgrund geringerer Anfahrtswege
erreichen solche Werte sonst nur unbebaute Grundstücke. könnte das Leben in der Stadt auf den ersten Blick auch klima-
Schwieriger wird es, wenn es um die bereits bestehenden Ge- freundlicher sein. Andererseits braucht es mehr Platz in der
bäude geht. In Offenbach hat man sich aus finanziellen Gründen Stadt für Kaltluftschneisen und Parks. Es braucht auch weni-
gegen zusätzliches Dämmen entschieden. Im Fall von Schulen ger versiegelte Flächen – die haben den Nachteil, dass sie die
wird die Hitze immer mehr zum Problem. „In den Klassenräumen Erhitzung unterstützen und keinen Niederschlag aufnehmen.
gibt es keine Klimaanlagen“, sagt Düpre. Zu teuer und letztlich Perspektivisch gibt es laut einer Modellrechnung, die das Land
für das Klima kontraproduktiv. „Wir müssen also mit dem Stadt- Hessen erstellen ließ, bald auch in Offenbach weit mehr heiße
schulamt nach Lösungen suchen.“ Die Spielräume sind begrenzt. Tage. Und damit auch tropische Nächte. Viele Städte haben im
Entweder werden Jalousien angebracht oder Bäume gepflanzt. Sommer längst Hitzeberatungen eingeführt, mancherorts Hit-
Sie spenden nicht nur Schatten, sondern senken die Temperatur. ze-Hotlines geschaffen. […]
Bäume nehmen in den Städten eine wichtige Rolle ein. In Of- Wie sehr sich das Bewusstsein in den Städten bereits ver-
fenbach sind in den vergangenen Jahren 500 der 22 000 Bäume ändert hat, zeigen die Zahlen des Bundesumweltministeriums.
im Stadtgebiet abgestorben. Sie sind schlicht verdurstet, der Bo- Im Jahr 2015 bewarben sich 30 Kommunen um eine Förderung
den war bis tief unten ausgetrocknet. Weil sie umstürzen könn- für Klima-Anpassung, die Zahl stieg 2018 auf 85 und schnellte
ten, stellten sie ein Sicherheitsrisiko dar und wurden gefällt. Seit [...] [2019] auf 154 hoch. […] Städte engagierten sich schon seit
Anfang des Jahres werden neue Bäume gepflanzt, 200 Stück ins- langem intensiv für wirksamen Klimaschutz. [Helmut] Dedy
gesamt. 100 000 Euro hat die Stadt dafür zurückgestellt. […] Statt [Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags] nennt rund
Fichten, die in der Hitze schon vertrocknet sind, werden Sorten 16 650 Projekte in 3650 Kommunen, die von 2008 bis Ende 2019
wie der Zürgelbaum oder die Blumenesche, der Amberbaum, die im Rahmen der Kommunalrichtlinie der Nationalen Klimaan-
Ungarische Eiche oder die Silberlinde gepflanzt. Einerseits müs- passungsstrategie des Bundes gefördert worden sind […].
sen sie die Hitze des Sommers aushalten, andererseits die Kälte
Timo Steppat, „Jedes Jahr eine Jahrhundertflut“, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom
und den hohen Niederschlag des Winters. In Städten ist häu- 4. August 2020 © Alle Rechte vorbehalten. Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt.
fig auch der Untergrund ein Problem: Wenn Tiefgaragen oder Zur Verfügung gestellt vom Frankfurter Allgemeine Archiv
Zum 30. Jahrestag der Gründung des IPCC versammeln sich die Delegierten am
13. März 2018 im Hauptquartier der UNESCO in Paris. Die Begrüßungsansprache
hält der französische Außenminister Jean-Yves Le Drian.
FELIX SCHENUIT
Die Erkenntnisse über den Zusammenhang der Konzentration und Wissenschaftler an den Berichten mitarbeiten, sondern
von Treibhausgasen in der Atmosphäre mit dem Anstieg der Regierungen die Gelegenheit bekommen, Stellung zu beziehen
globalen Durchschnittstemperaturen fanden in den 1970er- und abschließend im Konsens über den Bericht abzustimmen
Jahren zuerst in der Wissenschaft und in den 1980er-Jahren (siehe weiter unten).
auch im politischen Raum deutlich wachsende Aufmerksam- Das erklärte Ziel des IPCC ist es, den aktuellen Forschungs-
keit. Gleichzeitig prägen politische Entwicklungen auch Dy- stand der Klimawissenschaft zusammenzutragen und zu
namiken in der Klimawissenschaft. Sowohl auf internationaler bewerten, um damit Grundlagen für wissenschaftsbasierte
wie auch auf nationaler Ebene lassen sich zahlreiche Institu- Entscheidungen in der Klimapolitik zu liefern. Dabei gilt die
tionen und Initiativen identifizieren, die an diesem intensiven Maxime, dass der IPCC politisch unabhängig ist und die Berich-
wechselseitigen Austausch zwischen Klimawissenschaft und te keine politischen Handlungsempfehlungen formulieren. Im
Klimapolitik beteiligt sind. Das bekannteste Beispiel hier- Rahmen dieses Mandats können die Dynamik des Klimawan-
für ist der Weltklimarat (Intergovernmental Panel on Climate dels sowie die antizipierten Folgen bestimmter Temperaturan-
Change, IPCC). stiege detailliert beschrieben werden. In Bezug auf zukünfti-
ge Emissionspfade und Minderungsmöglichkeiten, die einen
entsprechenden Anstieg verhindern könnten, legt der IPCC in
seinen Berichten jeweils eine große Bandbreite an möglichen
Der IPCC als Instanz wissenschaftlicher Optionen und Zukunftsbildern vor, um möglichst keine politi-
Politikberatung schen Entscheidungen vorweg zu nehmen (siehe auch S. 27 ff.).
Der IPCC Aufgabe des IPCC ist es, den Stand des Wissens über die Risiken des Klimawandels
umfassend, objektiv und transparent zusammenzutragen und die potenziellen
Intergovernmental Panel on Climate Change Folgen der Klimaveränderungen sowie Möglichkeiten der Anpassung und des Klima-
schutzes aufzuzeigen.
Das geschieht etwa alle 6 bis 7 Jahre in einem Sachstandsbericht.
Der Bericht kann als Grundlage für politisches Handeln dienen, empfiehlt aber
keine bestimmte Politik.
Vertreter der
Mitgliedstaaten Plenum Vorstand
trifft Grundsatzentscheidungen, besteht aus 34 Fachleuten
legt Themen der Berichte fest,
Fachleute von tagt mindestens 1 x jährlich
Beobachterorganisationen Exekutivkomitee
sorgt für die Umsetzung
Sekretariat der Beschlüsse des Plenums
Hunderte von ausgewiesenen Wissenschaftlern und Fachleuten, die als Koordinatoren, Leit-Autoren, Autoren, Gutachter und sonstige Mitwirkende
zu den einzelnen Kapiteln der IPCC-Sachstandsberichte beitragen.
AutorInnen erstellen
Scoping-Prozess Fach- und Regierungsbegutachtung endgültigen Entwurf des Berichts
und zweiten Entwurf der SPM*
AutorInnen erstellen
IPCC verabschiedet Entwurf
zweiten Entwurf des Berichts Regierungsbegutachtung der SPM*
der Grobstruktur des Berichts
und ersten Entwurf der SPM*
Regierungen und
Beobachterorganisationen Fachbegutachtung AutorInnen aktualisieren die SPM*
nominieren Fachleute
Vorstände und Arbeitsgruppen AutorInnen erstellen IPCC verabschiedet die SPM* und
wählen AutorInnen aus ersten Entwurf des Berichts stimmt dem Gesamtbericht zu
schen, wirtschaftlichen und technologischen Optionen zusam- freiwillig zur Begutachtung des Berichtes bei. Für den letzten
men, die zur Minderung des Klimawandels beitragen könnten. Sonderbericht zu 1,5°C globaler Erwärmung beispielsweise hat-
Jeder dieser Arbeitsgruppen ist eine Geschäftsstelle zugeord- ten die 90 Autorinnen und Autoren aus 40 Ländern insgesamt
net, die die Arbeit der Autorinnen und Autoren koordiniert über 42 000 Kommentare von mehr als 1100 Gutachterinnen
und unterstützt. Nach Veröffentlichung des dritten Berichts er- und Gutachtern durchzuarbeiten. Alle Beteiligten arbeiten un-
arbeiten die drei Gruppen gemeinsam den sogenannten Syn- entgeltlich an den Berichten mit.
these-Bericht und eine dazugehörige Zusammenfassung für Das größte mediale Interesse findet meist die mehrtägige
die politischen Entscheidungsträger. Plenumssitzungg des IPCC, in der die Zusammenfassung für
politische Entscheidungsträger (Summary for Policymakers)
Die Entstehung der IPCC- Berichte Zeile für Zeile verhandelt und abschließend gemeinsam mit
Sowohl die Sachstandsberichte als auch die Sonderberichte dem Bericht formell angenommen wird. Den unterschiedli-
durchlaufen komplexe Prozesse. Diese sollen sicherstellen, chen Entwürfen wird – zumindest in der breiteren Öffentlich-
dass die Publikationen wissenschaftlich korrekt sind und poli- keit – im Vorlauf weniger Aufmerksamkeit zuteil.
tische Unabhängigkeit wahren. Die Berichtsentwürfe werden Ein häufiger Kritikpunkt, der in sozialwissenschaftlichen
von Autorinnen und Autoren verfasst, die zu Beginn des Pro- Arbeiten über den IPCC-Prozess geäußert wird, zielt auf die
zesses im sogenannten scoping – einer ersten Verständigung überdurchschnittliche Beteiligung vieler nordamerikanischer
über relevante Inhalte und über zu deren Darlegung geeignete und europäischer, zudem meist männlicher Wissenschaftler.
Fachleute – von Regierungen oder Beobachterorganisationen Obwohl sich dies zuletzt verbessert hat, ist nach wie vor ein
nominiert werden. deutliches Ungleichgewicht erkennbar.
Die anschließende Auswahl trifft der IPCC-Vorstand unter Be-
rücksichtigung von Kriterien unterschiedlicher wissenschaftli- Die Rolle des IPCC für Politik und Wissenschaft
cher Expertise, Disziplinen, Weltregionen und Geschlecht. Bei Insbesondere die kontinuierliche Einbindung der Regierungsde-
der Auswahl wird unterschieden zwischen koordinierenden legationen in die Vorhaben des IPCC trägt dazu bei, dass er im
Leitautorinnen und -autoren, die für ganze Kapitel verantwort- politischen Prozess eine besondere Legitimität besitzt. Immer
lich zeichnen, und solchen, die jeweils für bestimmte Textteile wieder haben sich von Regierungen autorisierte Zusammen-
zuständig sind. Darüber hinaus wird bestimmt, welche Fachex- fassungen und Bewertungen des aktuellen Wissensstandes
pertinnen und -experten mit der Begutachtung der Entwürfe deutlich auf die internationale und nationale Klimapolitik aus-
sowie des breiteren Begutachtungsverfahrens insgesamt be- gewirkt. Eine große Rolle spielt dabei auch, dass IPCC-Berichte
auftragt werden. kurz vor wichtigen internationalen Klimagipfeln der Klimarah-
In diesem Prozess tragen tausende Expertinnen und Exper- menkonvention veröffentlicht werden und so als gemeinsame
ten aus Wissenschaft, Politik, Zivilgesellschaft und Wirtschaft Informationsgrundlage für die Verhandlungen dienen können.
Jüngste Beispiele hierfür sind der fünfte Sachstandsbericht, der Das Konzept des COc-Budgets
im Vorlauf der Verhandlungen zum Pariser Abkommen von 2015 Das CO2-Budget meint die verbleibende Menge an CO2, die
veröffentlicht wurde und der Sonderbericht über 1.5°C Globale noch ausgestoßen werden kann, bevor bestimmte Klimaziele
Erwärmung (SR1.5), der abgestimmt mit den politischen Prozes- verfehlt werden. Sie ergibt sich aus den bereits ausgestoßenen
sen zur Implementierung des Pariser Abkommens im Jahr 2018 Emissionen und den jeweiligen Obergrenzen für einzelne Kli-
veröffentlicht wurde. maziele. Das Konzept spielt in der Klimawissenschaft seit den
Gleichzeitig wird dem IPCC auch eine wichtige Wirkung in späten 2000er-Jahren eine prominente Rolle und wird seitdem
die Wissenschaft hinein bescheinigt. Neben der Autorenschaft immer häufiger als Ausgangspunkt klimapolitischer Zielvor-
ist auch die Sichtbarkeit der eigenen Forschung in IPCC-Berich- gaben und Instrumente diskutiert (siehe auch S. 32 ff.).
ten häufig ein wichtiger Baustein für wissenschaftliche Kar- Die wissenschaftliche Debatte über das CO2-Budget entstand,
rieren. Daraus ergibt sich, dass die IPCC-Zyklen ein Taktgeber um zwischen Klimawissenschaft und -politik vermitteln zu
wissenschaftlicher Forschung sind – sowohl zeitlich als auch in können und ist ein anschauliches Beispiel für die vielfältigen
Bezug auf thematische Schwerpunkte. Interaktionen zwischen Wissenschaft und Politik. Häufig wird
Diese einflussreiche Stellung wird allerdings nicht nur posi- der Budget-Ansatz genutzt, um die Dringlichkeit ambitionier-
tiv bewertet. Insbesondere im Zusammenhang des vergleichs- ter Klimaschutzmaßnahmen aus der wissenschaftlichen For-
weise kurzfristig anberaumten 1,5°C-Sonderberichts wurde schung in politische Debatten und Entscheidungs- und Gesetz-
die Rolle des IPCC in der Klimawissenschaft auch kritisch dis- gebungsprozesse zu übersetzen.
kutiert. So erfährt der Budget-Ansatz insbesondere seit dem Abkom-
men von Paris stetig wachsende Aufmerksamkeit und Beliebt-
heit, indem etwa immer mehr nationale Klimaschutzgesetze
auf ihn zurückgreifen. Doch es gibt auch grundlegende Heraus-
Zukunftsszenarien als Entscheidungshilfe forderungen, die in der Wissenschaft diskutiert werden und
für die Klimapolitik auch die Gesetzgebung vor Probleme stellt. Sie liegen unter an-
derem in der Methodik zur Berechnung des globalen Budgets,
aber auch in der gerechten Aufteilung des globalen Budgets
Während sich die Klimawissenschaft in ihren Anfängen vor al- auf einzelne Staaten, die auf internationaler, zwischenstaatli-
lem auf die Zusammenhänge zwischen der Konzentration von cher Ebene umstritten ist.
Treibhausgasen und dem menschengemachten Klimawandel
konzentrierte, rückte der Fokus im Laufe der Zeit immer stärker Diskussion um die Möglichkeiten der CO2-Entnahme
auf mögliche Zukunftsszenarien. Der IPCC entwickelte sich zur Seit dem Abkommen von Paris wird in Wissenschaft und Politik
zentralen Auswertungsinstitution der Szenarien und Modelle, außerdem ein spezifischer Baustein der IAM-Modelle viel dis-
die weltweit in aufwändigen Forschungsprojekten erarbeitet kutiert: Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gehen in
werden. ihren Annahmen davon aus, dass zusätzliches CO2 langfristig
Immer mehr verfügbare Daten sowie ein Anstieg von Re- aus der Atmosphäre entnommen werden kann und tatsächlich
chenkapazitäten führten zu immer komplexeren Erdsys- auch in großen Mengen entnommen werden muss, wenn die
temmodellen, in denen die physikalischen Prozesse im Kli- Klimaziele des Pariser Abkommens eingehalten werden sollen.
masystem repräsentiert sind. Darüber hinaus erlangten die Schon jetzt entziehen beispielsweise Ozeane oder Wälder der
sogenannten Integrated Assessment Models (IAMs) zunehmend Atmosphäre auf natürliche Weise große Mengen CO2.
an Bedeutung. In diesen Modellen werden vereinfachte natur- Würde man diese Mechanismen ausweiten und die Menge
wissenschaftliche Klimamodelle mit kostenoptimierenden des absorbierten CO2 – sei es durch natürliche oder technische
ökonomischen Modellen und Annahmen über gesellschaftli- Maßnahmen – deutlich erhöhen, könnten nur schwer zu eli-
che Entwicklungen verknüpft und so mögliche Zukunftsbilder minierende Emissionen hiermit ausgeglichen und somit Net-
entworfen. to-Null-Emissionen erreicht werden. Viele Modelle gehen zu-
Die IAMs zielen darauf ab, die wechselseitigen Einflüsse zu
verstehen, die zwischen unterschiedlichen klimatischen, öko-
nomischen und gesellschaftlichen Entwicklungen bestehen.
Jörg Böthling
sätzlich davon aus, dass in Zukunft Netto-Negativ-Emissionen So zeigen die für den 1.5°C Sonderbericht ausgewerteten Mo-
erreicht werden müssten, das heißt, es müsste der Atmosphäre delle beispielsweise klar, dass weltweit bis 2050 Netto-Null-
mehr CO2 entnommen werden, als in sie ausgestoßen wird. CO2-Emissionen erreicht werden müssen. Welches Land bis
In welchem Ausmaß CO2-Entnahmen in Zukunft benötigt dahin wie schnell Emissionen reduziert oder in welchen Wirt-
werden, ist in der Wissenschaft zurzeit noch umstritten. Klar schaftssektoren das vorrangig zu erfolgen hat, sind jedoch poli-
ist aber, dass die Menge maßgeblich von der Klimapolitik der tische Aushandlungsprozesse, die diese Modelle nicht vorweg-
kommenden Jahre abhängt. Je langsamer CO2-Emissionen re- nehmen können.
duziert werden, desto mehr CO2-muss in der Zukunft aus der Die für den IPCC ausgewerteten Modelle bemühen sich zu-
Atmosphäre entnommen werden. nehmend, gesellschaftliche Dynamiken stärker zu berück-
sichtigen, indem sie beispielsweise sozialwissenschaftliche
Zukunftsbilder im IPCC Forschungen über Transformationsprozesse mit einbeziehen.
Der IPCC wertet in seinen Berichten eine Vielzahl von Modellen So wird versucht, Innovationsdynamiken, Pfadabhängigkei-
und Szenarien aus und bündelt die Ergebnisse in sogenannten ten, die politische Machbarkeit einzelner Maßnahmen und
illustrativen Modellpfaden. Für den 1.5°C-Sonderbericht des auch plötzlich auftretende, sprunghafte gesellschaftliche Ver-
IPCC wurden beispielsweise 90 Szenarien ausgewertet, die mit änderungen(=disruptive Transformation) stärker zu berück-
der Begrenzung der globalen Erwärmung um 1,5°C vereinbar sichtigen. Wichtig bleibt trotz dieser Erweiterung: Die bevor-
sind. Daraus wurden vier unterschiedliche illustrative Modell- stehenden politischen Konflikte können damit beschrieben
pfade erarbeitet, um unterschiedliche Zukunftsbilder auszu- und analysiert, die nötigen gesellschaftlichen Aushandlungs-
leuchten (siehe auch S. 32 ff.). prozesse aber nicht in die Modelle verlagert werden.
Mit der Auffächerung unterschiedlicher Pfade zielt der IPCC Der Blick auf die Zukunftsbilder im IPCC veranschaulicht
darauf ab, eine Bandbreite möglicher Entwicklungen abzubil- wichtige Dynamiken zwischen Klimawissenschaft und -politik,
den und damit seiner politischen Unabhängigkeit gerecht zu die zu einem politisch und gesellschaftlich relevanten Schluss
werden. Zwar grenzen auch die wissenschaftlichen Modelle führen: Der Übergang hin zu einer Netto-Null-Emissionen-Ge-
den Lösungsraum ein, indem sie bestimmte Entwicklungen sellschaft kommt nicht ohne politische und gesellschaftliche
als mit dem 1,5°C-Ziel unvereinbar ausschließen und andere Aushandlungsprozesse und demokratische Entscheidungen
als zwingend notwendig erachten. Doch eine konkrete Hand- aus. Die Berichte des IPCC und die Klimawissenschaft insge-
lungsanleitung bzw. Empfehlungen für die politische Entschei- samt begleiten diese Prozesse, doch mehr wissenschaftliches
dungsebene oder für die breite Bevölkerung, die Verbrauche- Wissen allein wird die bevorstehenden politischen Konflikte
rinnen und Verbraucher, formuliert der IPCC damit nicht. nicht lösen können.
Gerhard Mester
Wissenschaft und Politik
Klimaprotest in Afrika
[…] Herbst [2019] am Rande einer Staubpiste in Bamako: Fous-
Nathalie Guironnet / Collectif DR
seny Traoré reckt ein selbstgemaltes Schild in die Höhe. Man
muss nahe herangehen, um die dünne Handschrift zu entzif-
fern: „Handelt endlich, sonst nehmen wir Jungen das auf unse-
re Weise in die Hand!“
Ein paar Dutzend Schüler und Studenten in Warnwesten be-
gleiten ihn, drängen sich zwischen überladenen Kleinbussen,
Mofa-Trauben und Lastenträgern. „Unsere Generation. Unser
Planet. Unsere Zukunft!“, ruft Traoré in sein Megafon. Und:
„Stoppt den Klimawandel jetzt.“ Parolen also, die an diesem Tag
auch viele Millionen Menschen so oder so ähnlich in München,
Paris oder Sydney skandieren, wo Rundfunk, Fernsehen und
Zeitungsreporter breit über den globalen Klimastreit der Akti-
visten von „Fridays for Future“ berichten.
Während in westlichen Großstädten allerdings Soundanla- „Jeder Mensch hat das Recht auf eine gesunde Umwelt, der Schutz der
ge, Bühne und Ordner selbstverständlicher Teil eines solchen Umwelt ist ein Anrecht, aber auch eine Pflicht“, Aktivisten der Gruppe um
Medienereignisses sind, müssen sich Traoré und seine Mit- Fousseny Traoré (2. v. re.), Mali, November 2019
streiter mühsam gegen das tägliche Hupkonzert, die Konkur-
renz der Marktschreier und Wasserverkäufer durchsetzen. Kei-
ne Popband greift ihnen unter die Arme. Ja nicht einmal Flyer nimmt. Eine französische Umweltgruppe hat ein Interview mit
oder Aufkleber haben sie zu verteilen. Nur der Wille, endlich ihm online gestellt. Eine australische Umweltwissenschaftle-
etwas zu verändern, treibt die jungen Malier an. rin sich auf Facebook für seine Arbeit begeistert. Dauerhaftere
Wer allerdings westliche Medien verfolgt, erfährt kaum et- Partnerschaften aber haben sich bisher nicht ergeben.
was von den Fousseny Traorés dieser Welt. Die Berichterstat- Traoré und seine Mitstreiter sind denn auch hin- und her-
tung über die globalen Klimastreiks zeigt fast ausschließlich gerissen: Zwischen dem Wunsch, Teil einer weltweiten Bewe-
weiße Gesichter. Fast könnte man glauben, der Klimaschutz gung zu sein, und dem Gefühl, am Rande zu stehen. So wie die
sei ein Anliegen des privilegierten Bürgertums im Westen. Wo ugandische Klimaschutzaktivistin Vanessa Nakate beim Welt-
aber bleibt Afrika? Wo die Sahelzone, deren Länder zwar für wirtschaftsforum in Davos. Ein Fotograf der Agentur Associa-
nur 0,25 Prozent der weltweiten Treibhausemissionen verant- ted Press hatte aus einem Gruppenbild von Greta Thunberg
wortlich sind, deren Bewohner aber jetzt schon am meisten und ihren jugendlichen Mitstreitern aus aller Welt ausgerech-
unter dem Klimawandel leiden? net das einzige schwarze Gesicht herausgeschnitten.
Schnell entsteht der Eindruck, der Westen müsse mehr oder Klimaaktivisten aus Afrika haben es doppelt schwer: Sowohl
weniger im Alleingang die Welt retten – während Afrikanern im Ausland als auch daheim kämpfen sie oft vergeblich um
die „Fridays for Future“-Parolen egal seien. „Viele Leute haben Sichtbarkeit. Umso bewegender ist es zu sehen, mit welcher Un-
schon Probleme genug, sie sind einfach entnervt“, sagt Traoré ermüdlichkeit und trotziger Hoffnung das Grüppchen Klima-Ak-
in einem Café in Bamakos Stadtteil Hippodrome […]. Immer- tivisten um Traoré agiert. An jedem der weltweiten Klimastreik-
hin kennt er den Verdacht mancher Landsleute, er und seine Freitage stehen sie an einer Straßenkreuzung in Bamako: „Stoppt
Umweltschützer-Kollegen würden das Geschäft der West- die Umweltzerstörung durch die Minenkonzerne“, haben sie mit
ler betreiben: „Sie sagen: Wir haben eine schlechte Gesund- Filzmarker auf eine der Wellpappen geschrieben. „Fridays for Fu-
heitsversorgung, die Schulen funktionieren nicht, im Norden ture Mali“ auf eine andere. Oder auch einfach: „Merci Greta!“
herrscht Krieg – und dann kommt ihr noch mit der Klimakrise! In der afrikanischen Metropole voll von Gerüchen, Farben
Überlassen wir das doch den Europäern!“ und Lärm kann man die Demonstranten leicht übersehen. Und
Traoré ist 26 Jahre alt, hat mal Apotheker gelernt und muss dennoch: Traoré und seine Mitstreiter – es sind zur Hälfte Frau-
sich wie die meisten Malier seiner Generation mit kleinen Jobs en – haben am Ende einige der Umstehenden überzeugt. Im
über Wasser halten. Die Umwelt- und Klimaschutzinitiative persönlichen Gespräch. Der einzigen Methode, die den mittel-
„Ensemble pour le Climat Bamako“ hat er vor drei Jahren ge- losen Aktivisten zur Verfügung steht. „Bei jeder Demonstrati-
gründet. Weil er die Menschen leiden sah, aber kaum jemand on“, sagt der „Ensemble pour le Climat“-Präsident, „gewinnen
über die Zusammenhänge Bescheid wusste. „Ich bin bei mei- wir in der Regel ein paar Dutzend neue Mitglieder“.
nem Onkel, einem Bauern und Lehrer, in einem Dorf in der Das ist an sich schon ein Erfolg. Denn nicht einmal die ört-
Nähe der Hauptstadt aufgewachsen. Und ich habe dort ge- lichen Radio- und Fernsehsender berichten über „Ensemble
sehen, wie sich die Umwelt verändert, wie es auf den Feldern pour le Climat“. Was wohl nicht nur daran liegt, dass die zwei
jedes Jahr trockener wird.“ 2010 hätten sie noch 100 Säcke mit Hundertschaften an „Fridays for Future“-Aktivisten in Bamako
Hirse geerntet. 2012 seien es nicht mal 70 gewesen. „Gleichzei- rein zahlenmäßig nicht mit ihren westlichen Pendants kon-
tig sehe ich, wie unsere Landwirtschaft die Böden zerstört. Es kurrieren können. Sondern auch an der Ignoranz der Politik:
fehlt an Informationen über nachhaltige Anbaumethoden.“ „Wir können von unserem Umweltministerium keine Unter-
[…] Traoré arbeitet von seinem Schlafzimmer aus, sein Lap- stützung erwarten. Es bleibt privaten Initiativen überlassen,
top ist die einzige Verbindung zur großen Welt da draußen und etwas zu bewegen.“ […]
all den Klimaaktivisten aus Frankreich, Amerika, Deutschland, Jonathan Fischer, „Klimakampf der Unsichtbaren“, in: Süddeutsche Zeitung vom
mit denen er – notfalls per Google Translator – Kontakt auf- 12. August 2020
Klimaprotest in China
[…] Fridays for Future, das sind Millionen von Schülerinnen doch bloß wieder eine, die am Ende nur alles für ein Studium
und Studenten in mehr als 120 Ländern. Fridays for Future in an einer Elite-Universität in Amerika tut“, lautet noch einer der
China besteht eigentlich nur aus der 18-jährigen Ou Hongyi. freundlicheren Kommentare über sie, die man auf Weibo fin-
Ihr Nachbar und einige Dutzend andere im Land streiken ge- den kann. Nach vier Jahrzehnten des Booms haben sich viele
legentlich mit, die meisten waren aber nicht öfter als einen Tag Chinesen bequem in ihrer Ohnmacht eingerichtet. Der Fata-
lang dabei. […] lismus hat auf Mandarin drei Silben: Méibànfã, sinngemäß:
Zum globalen Klimastreiktag am 26. September [2020] ka- „Man kann eh nichts machen.“ Eine Schülerin wie Hongyi, die
men in einer Fußgängerzone in Shanghai kürzlich mehr Jour- das Gegenteil behauptet, muss eine Geisteskranke oder eine
nalisten als Aktivisten zusammen. Hongyi hatte per Video in Heuchlerin sein.
den sozialen Medien junge Chinesen aufgerufen, sich ihrem Hinzu kommt: Verzicht zu predigen ist unpopulär in einem
Protest anzuschließen. In dem Video kam auch Luisa Neubauer Land, in dem Hunderte Millionen Menschen weiterhin nichts
zu Wort, die Grüße aus Deutschland schickte. Am Ende waren zum Verzichten haben. China ist zwar Emissionsweltmeister,
nur etwa zehn Leute da. doch ein Viertel seines CO2-Ausstoßes entfällt auf die Herstel-
Der Protest endete nach einer Stunde auf der Polizeistation: lung von Exportprodukten. Nur jede oder jeder Fünfte im Land
Die Beamten kassierten die Plakate ein, verhörten Hongyi […] besitzt ein Auto, genauso wenige Chinesen sind je ins Ausland
und nach vier Stunden ließ man sie gehen. Auf das in solchen gereist.
Fällen übliche Strafverfahren wegen „Störung der öffentlichen Die Aussicht auf ein Immer-mehr an Wohlstand, bis man ei-
Ordnung“ wurde verzichtet. Hongyi war zu dem Zeitpunkt nes Tages den Westen eingeholt und überholt hat, versöhnt die
noch 17, darum beließen die Beamten es bei einer telefoni- Mehrheit der Bürger mit dem autoritären Regime. Eine Schul-
schen Warnung an die Eltern: ob es nicht „unsicher“ sei, wenn abbrecherin, die den Bürgern sagt, sie sollen lieber wieder nur
die minderjährige Tochter sich in der Fremde mit Internetbe- Gemüse essen wie zu Zeiten der Kulturrevolution, die predigt,
kanntschaften treffe? man solle die Audis stehen lassen und die neuen Designer-
[…] [I]m Mai 2019, hatte Hongyi zum ersten Mal fürs Klima Flughäfen meiden, kommt nicht gut an. […]
den Unterricht geschwänzt. Sieben Tage demonstrierte sie vor In der Schule, wird ihre Mutter später erzählen, trieb Hongyi
den Toren der Provinzregierung. Die Fotos auf ihrem Twitter- mit ihrer Hartnäckigkeit nicht nur Klassenkameraden, sondern
Account wurden weltweit geteilt. Greta Thunberg nannte sie auch die Lehrer in den Wahnsinn. Sie sei immer eine der Klas-
„eine Heldin“. Der Direktor ihrer Schule stellte ihr kurz darauf senbesten gewesen. […] Als ich mit Hongyi entlang der Fluss-
ein Ultimatum: Entweder sie lasse ihren Klimastreik sein, oder promenade Guilins spazieren gehe, […] hebt sie nebenbei
sie müsse von der Schule gehen. Hongyi entschied sich für den Zigarettenstummel und To-go-Becher vom Boden auf, die sie in
Streik. In den 81 Wochen seither suchten Polizisten immer wie- einem Jutebeutel sammelt. Nachdem wir das Backpacker-Hos-
der ihre Eltern auf. Einmal fiel das Internet zu Hause tagelang tel erreichen, in dem Hongyi regelmäßig Filmabende zum The-
aus. Hongyi vermutet dahinter den Staat. Inzwischen ist ihr ma Klima veranstaltet, geht sie die sieben Stockwerke zu Fuß
Konto bei Weibo gesperrt, dem wichtigsten sozialen Netzwerk (ich nehme den Aufzug). Eigentlich sei sie gegen touristische
Chinas. Betriebe jeder Art, sagt Hongyi, als sie verschwitzt in der Lobby
Man könnte denken, dass Hongyis Kampf für das Klima in ankommt. In der Hotellerie werde ständig renoviert, dazu kom-
China große Zustimmung finden müsste – geriert sich doch me der Müll. […]
selbst die Regierung seit Neuestem als Klimaretter. Staatschef Mit Greta Thunberg ist Hongyi über Twitter in Kontakt.
Xi hat angekündigt, die Volksrepublik bis 2060 klimaneutral zu Wenn sie über die berühmte Schwedin spricht, wirkt sie aller-
machen. Erreicht China dieses Ziel, bleiben der Erde 0,2 bis 0,3 dings etwas enttäuscht. Hongyi hofft auf Mentoring und Tipps,
Grad Erwärmung erspart. Das wäre ein Zehntel der drei Grad, Greta schicke aber vor allem Motivationsbotschaften.
auf die die Welt derzeit zusteuert. So viel Gewicht hätte kein Die Frage, wie sie Fridays vor Future China aus einer Ich-AG
Beitrag eines anderen Landes auf der Welt. Überall treibt Chi- in eine Massenbewegung verwandeln kann, raubt Hongyi jede
na grüne Leuchtturmprojekte voran: Die südliche Insel Hainan Nacht den Schlaf. Nicht nur ihr. Bald werde man andere Seiten
will bis 2030 Verbrennungsmotoren verbieten. 60 Prozent aller aufziehen, wenn die Tochter so weitermache, deuteten die Be-
öffentlichen Busse im Land fahren mit Strom. Bis in die entle- hörden gegenüber den Eltern an. Weil sie so wenig Erfolg hat,
gensten Winkel lassen Provinzkader der regierenden KP Solar- zeigte die Staatssicherheit bislang wenig Interesse an ihr. Doch
farmen, Windparks und Biogasanlagen bauen. China ist heute das könnte sich bald ändern.
der weltgrößte Produzent von Wind- und Solarkraftanlagen. Ihre Minderjährigkeit schützt sie nicht mehr, […] [am 11. De-
Das ist der eine Teil der Geschichte, den die Partei oft und zember 2020] feierte Hongyi ihren 18. Geburtstag. Ob sie keine
gerne erzählt. Angst vor dem Gefängnis habe? Ihre Antwort jagt den Eltern
Über den anderen Teil der Wahrheit, der Ou Hongyi in Panik Angst und Schrecken ein. „Festgenommen zu werden ist ehren-
versetzt, spricht das offizielle China weniger gern: Denn um voll“ sagt Hongyi feierlich. „Mit jeder Strafe entblößt das auto-
seine Emissionen bis 2060 auf netto null zu bringen, müsste ritäre System seine ganze Härte.“ Sie fährt fort mit einem Zitat
das Land sofort mit den Einsparungen anfangen. Nicht erst von Martin Luther King: „Ich wäre der Erste, der es befürwortet,
2030, wie in den Plänen von Staatschef Xi. China müsste den gerechten Gesetzen zu gehorchen.“ Ungerechte Gesetze gelte
Neubau von Kohlekraftwerken sofort stoppen. Tatsächlich es zu missachten. […]
aber schießen sie aus dem Boden. […]
Ou Hongyi glaubt, dass in China der Wandel nur von unten
kommen kann. Diese Haltung teilen wenige im Land. „Das ist Xifan Yang, „Die chinesische Greta“, in: DIE ZEIT Nr. 53 vom 17. Dezember 2020
Minderungspfade
Im Pariser Abkommen von 2015 haben sich die teilnehmenden Staaten
gemeinsam verpflichtet, den Anstieg der globalen Temperaturen unter 2 Grad
zu halten. Um dies oder sogar nur 1,5 Grad zu erreichen, müssen sie die bis
2050 erreichte Gesamtmenge der ausgestoßenen Treibhausgase begrenzen.
Globale, EU-weite und nationale Klimaschutzszenarien bieten dazu verschiedene
Möglichkeiten. Exemplarisch werden vier neuere Szenarien für Deutschland
miteinander verglichen.
Mit dem Übereinkommen von Paris (Paris Agreement) wurde Globale und nationale
auf der 21. Vertragsstaatenkonferenz der Klimarahmenkonven- Treibhausgasemissionsbudgets
tion (COP 21) im Jahr 2015 das völkerrechtlich verbindliche, lang-
fristige Ziel verankert, den globalen Temperaturanstieg deutlich Im Rahmen des Pariser Klimagipfels wurde der Intergovern-
unter 2°C zu halten und Anstrengungen zu unternehmen, um mental Panel on Climate Change (IPCC) beauftragt, ein Son-
den Temperaturanstieg auf 1,5°C zu begrenzen (siehe hierzu aus- dergutachten über die globale Erwärmung von 1,5 Grad zu er-
führlich S. 60 ff.). Um dieses Ziel zu erreichen, soll in der zwei- arbeiten. Im Kapitel 2 dieses Sonderberichtes wurden auf der
ten Hälfte des 21. Jahrhunderts ein Gleichgewicht zwischen den Basis der damaligen Emissionsniveaus und von Annahmen
vom Menschen verursachten Treibhausgasemissionen und dem zu der Entwicklung zentraler Größen (z. B. Bevölkerungsent-
„Abbau“ von Treibhausgasen aus der Atmosphäre durch Senken wicklung) globale Minderungspfade erarbeitet, die mit der Be-
(CO2-absorbierende natürliche Ökosysteme) erreicht werden. grenzung der Erwärmung auf 1,5°C bzw. deutlich unter 2°C über
Dieses Gleichgewicht wird als Treibhausgas- oder Klimaneutra- einer vorindustriellen Basisperiode (1850–1900) vereinbar sind.
lität bezeichnet. International wird auch von „Net-Zero“ (Netto Diese globalen Minderungspfade wurden auf Grundlage von
Null) gesprochen. „Treibhausgasemissionsbudgets“ entwickelt.
Im November 2015 findet in Paris die Weltklimakonferenz der UN, COP21, statt. Gemeinsam mit dem damaligen
UN-Generalsekretär Ban Ki-moon (1. Reihe, 8. v. l.) versammeln sich die Regierungschefs und -chefinnen der Teil-
nehmerstaaten für die Presse zum „Familienfoto“.
picture alliance / Yonhap | Yonhap
COc-Emissionen
stoppen 600 Gt ab 2017
¬ die Fähigkeit zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels stärken ohne netto-negative
25
Emissionen
Nationale Klima-Aktionspläne
20 1,5-2 Grad erlaubt ein
COc-Budget von 150-1050
¬ Alle Teilnehmerstaaten legen nationale Pläne vor, wie sie die übergeord- Milliarden Tonnen (Gt).
neten Ziele im Rahmen ihrer Möglichkeiten erreichen wollen. Über ihre
15 Exemplarische Emissions-
Fortschritte müssen sie ab 2020 alle fünf Jahre Bericht erstatten.
pfade mit einem Gesamt-
ausstoß von jeweils 600
Hilfe für Entwicklungsländer 10 Gt COc, aber unterschied-
lichen Jahren, in denen der
¬ Die Industriestaaten unterstützen die Entwicklungsländer bei der Senkung Wendepunkt erreicht wird.
von Emissionen, der Anpassung an den Klimawandel und der Minimierung 5 Gestrichelt: ein Beispiel
von Verlusten und Schäden. mit 800 Gt COc-Ausstoß.
¬ Zur Finanzierung wollen die Industriestaaten 2020-2025 gemeinsam jähr-
0
lich 100 Mrd US-$ bereitstellen. 2025 wird ein neuer Beitrag festgelegt.
1990 2000 2010 2020 2030 2040 2050
© Bergmoser + Höller Verlag AG, Zahlenbild 665 055 Stefan Rahmstorf, 2017, siehe Literatur
Begriff und Konzept des globalen Treibhausgasemis- nationale Emissionsbudgets aufgeteilt werden. Der WBGU
sionsbudgets konzentriert sich dabei auf die CO2-Emissionen, da diese weit-
Ein Kohlenstoffbudget (carbon budget) ist eine Aufstellung der gehend bestimmen, inwieweit ein Temperaturanstieg von we-
Kohlenstoffflüsse von und zu einem Kohlenstoffspeicher. Die- niger als 2°C zu erreichen ist. Durch die hohe Lebensdauer von
ser Budgetansatz wurde vom Wissenschaftlichen Beirat der CO2 in der Atmosphäre werde auf lange Sicht dessen Bedeu-
Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) im tung im Vergleich zu anderen (kurzlebigen) Treibhausgasen
Jahr 2009 ausführlich beschrieben und ebenfalls vom IPCC in und Aerosolen immer dominanter. Aus diesem Grund ergebe
seinem Sondergutachten von 2018 angewandt. In der Atmo- sich die Erwärmung in diesem Jahrhundert hauptsächlich aus
sphäre werden CO2-Emissionen gespeichert. Für das Ausmaß der zukünftigen Gesamtmenge an CO2-Emissionen.
der Klimaerwärmung ist nicht die punktuelle absolute Höhe Aus der Bestimmung der Obergrenze für zukünftige CO2-Emis-
der Emissionen, sondern deren Gesamtmenge im Laufe der Zeit sionen im Rahmen eines Gesamtemissionsbudgets ergibt sich
entscheidend. Mathematisch wird dies durch die Fläche unter aber auch, dass ein Hinauszögern des Klimaschutzes auf einen
der Emissionskurve zwischen zwei Zeitpunkten beschrieben. späteren Zeitpunkt dann umso tiefer greifende Maßnahmen
Je nach Betrachtungszeitpunkten kann ein globales Emis- erforderlich macht. Die Grafik „Exemplarische Emissionspfade“
sionsbudget zweierlei umfassen: verdeutlicht dies für ein ab 2017 noch verfügbares globales Ge-
¬ die Menge der Emissionen aus anthropogenen Quellen, die samtbudget von 600 bzw. 800 Gt CO2. Je später der Wendepunkt
seit Beginn der Industrialisierung freigesetzt wurde; der Emissionsentwicklung erreicht wird, desto schneller muss
¬ die Menge, die zukünftig ab einem Zeitpunkt noch freige- die Emissionsreduktion erfolgen, um die Gesamtmenge nicht zu
setzt werden darf, um mit einer bestimmten Wahrschein- überschreiten.
lichkeit eine globale Erwärmung über eine definierte Tempe- Diese Grafik könnte zunächst einmal eine freie Gestaltbar-
raturgrenze hinaus zu vermeiden. keit der Emissionsverläufe und des Zeitpunktes der „Emissions-
Dieses somit noch verfügbare Emissionsbudget wird ermit- wende“ im Rahmen des Gesamtemissionsbudgets nahelegen.
telt, indem die kumulativen Treibhausgasemissionen mit dem Dies ist aus mehreren Gründen nicht der Fall:
Anstieg der globalen Mitteltemperatur in Beziehung gesetzt 1. Die vom Menschen verursachte Erwärmung kann soge-
werden: Die Temperaturerhöhung ist proportional zur Gesamt- nannte positive Rückkopplungsprozesse auslösen. Diese sind
menge der emittierten Treibhausgase – steigt die Emissions- nicht im herkömmlichen Sinn als positiv zu verstehen, sondern
menge steigt auch die Temperatur. Daher muss die über die in diesem Fall Prozesse, die sich selbst verstärken. Ein Beispiel
Zeit emittierte (kumulierte) Gesamtmenge der Emissionen be- für einen solchen positiven Rückkopplungsprozess der Klima-
grenzt werden, um ein bestimmtes Klimaziel zu erreichen. erwärmung ist die Verwandlung von Kohlenstoffspeichern in
Der Budgetansatz des WBGU definierte bereits im Jahr 2009 Kohlenstoffquellen: Bereits heute wird eine Erwärmung von
ein globales CO2-Emissionsbudget für den Zeitraum 2010–2050 Permafrostböden beobachtet. Bei einem zukünftigen Abtau-
in Höhe von 600 bis 750 Gigatonnen (Gt) CO2, um die Erd- en bzw. der weiteren Wanderung der Permafrostgrenze nach
erwärmung unter 2°C zu halten. Dieses globale Budget müs- Norden werden durch den Abbau von Biomasse bzw. die Frei-
se anschließend als Resultat eines Verhandlungsprozesses in setzung von im gefrorenen Boden gebundenen Methan hohe
zusätzliche Treibhausgasemissionen erwartet. Ein weiteres benötigen Zeit. Ein möglichst früher Beginn der Umsetzung
Beispiel ist die Polare Verstärkung. Eis- und Schneeflächen re- von Maßnahmen, Programmen zur Emissionsminderung bzw.
flektieren circa 90 Prozent der eingestrahlten Energie zurück eines klimaneutralen Strukturwandels ist anzuraten. Denn je
ins Weltall. Schmelzen die Eis- und Schneeschichten an den weiter sie in die Zukunft verschoben werden, umso radikaler
Polen, wird aufgrund der dunkleren Farbe der Boden- und Mee- werden Einschnitte in kurzen Zeiträumen erforderlich sein.
resoberfläche mehr Sonnenenergie absorbiert, was zu einer zu- Eventuell werden die Maßnahmen sogar gar nicht mehr um-
sätzlichen Erwärmung führt. setzbar sein oder die Kosten des Klimaschutzes so stark erhö-
Im Zusammenhang mit diesen Rückkopplungseffekten wird hen, dass dieser gesellschaftlich in Frage gestellt würde.
auch von Kipppunkten des Klimasystems gesprochen. Auf- Ist das Gesamtbudget einmal ausgeschöpft, ist also die damit
grund der Rückkopplung können zusätzliche Emissionen ab verbundene Menge an Treibhausgasen ausgestoßen, bedeutet
einem bestimmten Zeitpunkt plötzliche und schwerwiegende dies, dass ab diesem Zeitpunkt eine CO2-emissionsfreie Wirt-
Klimaänderungen auslösen. Auch mit einer deutlichen Emissi- schaftsweise mit Netto-Null-Emissionen bzw. CO2-Neutralität
onsminderung wird das Klima dann nicht unbedingt wieder in erreicht sein müsste. Gleichzeitig müssten bis dahin auch die
den alten Zustand zurückkehren, Änderungen könnten unum- anderen Treibhausgasemissionen deutlich reduziert werden.
kehrbar sein. Sind bestimmte Kipppunkte des Klimasystems Ab diesem Zeitpunkt sind alle noch verursachten CO2-Emis-
überschritten – beispielsweise das Schmelzen des arktischen sionen durch „negative Emissionen“ zu kompensieren, um das
Meereises –, reicht damit womöglich eine Begrenzung, die sich Gesamtbudget nicht zu überschreiten.
an dem Zielkorridor des Übereinkommens von Paris orientiert, Als negative Emissionen wird eine Kohlenstoffbindung
nicht mehr für diese Obergrenze des Temperaturanstiegs aus. durch die gezielte Entfernung von CO2 aus der Atmosphäre
Steigen die Emissionen im Zeitverlauf zunächst noch stark an, bezeichnet (Carbon Dioxide Removal Technologies, CDR). Diese
so wird das Erreichen der Kipppunkte wahrscheinlicher. Bindung kann auf mehrere Arten erreicht werden: durch die
2. Um Klimaneutralität bis zur Mitte des Jahrhunderts zu er- Förderung von Senken, das heißt CO2-absorbierenden natür-
reichen, müssen in allen Sektoren umfassende Emissionsmin- lichen Ökosystemen zum Beispiel durch Wiederaufforstung,
derungen (Dekarbonisierungsstrategien) stattfinden. Die Nut- oder durch die Verbindung des Einsatzes von Biomasse mit der
zung des globalen Budgets kann dabei nicht völlig frei erfolgen: CO2-Abtrennung und Speicherung (Bioenergy with Carbon Cap-
Der Umbau emissionsintensiver Infrastrukturen und Produk- ture and Storage, BECCS) oder durch Direct Air Capture (DAC),
tionsbedingungen sowie die Änderung von Konsummustern das heißt die direkte CO2-Abscheidung aus der Luft.
Weniger Artenvielfalt
Zwischen 1970 und 2016 ist die Biodiversität* im Durchschnitt um so viel Prozent gesunken
Europa und
Zentralasien
Nordamerika - 24 %
- 33 %
Südasien und
Pazifik
- 45 %
Lateinamerika Afrika
und Karibik - 65 %
- 94 %
Beim BECCS-Verfahren wird der Atmosphäre durch Photosyn- Gesamte globale Netto-COc-Emissionen
these im Wachstum von Bäumen und Pflanzen CO2 entzogen. Milliarden Tonnen COc / Jahr
Die Biomasse wird anschließend zur Erzeugung von Bioenergie 50 Sowohl in Pfaden, …
verbrannt. Das dabei wieder freigesetzte CO2 wird aufgefangen … welche die globale Erwärmung
und in geologischen Formationen tief im Boden auf sehr lange 40
ohne oder mit geringer Über-
Zeit gespeichert. Das Potenzial negativer Emissionen ist derzeit schreitung auf 1,5°C begrenzen, …
noch unklar und die technischen Verfahren stehen am Anfang. … als auch in Pfaden mit
30 hoher Überschreitung …
Ihre zukünftigen Kosten und Risiken sind unsicher, sodass auf
gehen die CO2-Emissionen
diesem Gebiet Forschungs- und Erprobungsbedarf besteht, um etwa im Jahr 2050 auf netto
20
deren Relevanz und Potenzial für das Erreichen von Netto- null zurück.
Null-Emissionen abzuschätzen.
Werden Negativ-Emissionen ohne genauere Kenntnis ihrer Po- 10 Vier illustrative
Modellpfade
tenziale in die globalen Emissionsbudgets eingerechnet, könnte
dies den möglicherweise trügerischen Eindruck erwecken, dass 0
P1
frühzeitiges ambitioniertes Handeln nicht nötig ist, und damit P2
das Erreichen der Klimaziele gefährden. Der IPCC schätzt, dass -10
bei der gegenwärtigen Emissionsentwicklung die Einhaltung P3
des 1,5°C-Zieles überhaupt nur noch mit globalen Negativemis- -20
P4
sionen möglich sei. Dies ist gleichbedeutend damit, dass das ver-
bleibende Emissionsbudget zeitweise überschritten wird. Je hö-
2010 2020 2030 2040 2050 2060 2070 2080 2090 2100
her jedoch dieser Mengen-Overshoot ausfällt und je länger dieser
andauert, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass die oben Zeitpunkt von netto null CO2 Die Linienbreiten bilden das 5.-95. Perzentil und das 25.-75.
bereits beschriebenen Kipppunkte im Klimasystem überschrit- Perzentil der Szenarien ab.
ten werden. Der IPCC weist auch auf die noch „konzeptionelle“ Pfade, welche die globale Erwärmung ohne oder mit geringer Überschreitung auf 1,5°C
begrenzen
Natur und Unsicherheit der Kosten vieler CDR-Technologien hin Pfade mit hoher Überschreitung
und auf die mögliche Konkurrenz um Flächen beispielsweise Pfade, welche die globale Erwärmung auf weniger als 2 °C begrenzen, sind nicht dargestellt.
für die Nahrungsmittelproduktion, für Biodiversität und Natur- Deutsche IPCC-Koordinierungsstelle / DLR Projektträger (Hg.): 1,5°C Globale Erwärmung. Zusam-
schutz sowie auf bestehende Rechte zur Landnutzung. menfassung für politische Entscheidungsträger, S. 17, siehe Literatur
Anstieg der Energieeffizienz vor. Dieser kompensiert einen An- extremsten Szenarien erwarten einen Anstieg der Investitio-
stieg der Nachfrage nach Energiedienstleistungen, sodass der nen um weniger als ein Drittel gegenüber dem historischen
Endenergieverbrauch in diesen Sektoren weltweit in etwa stabil Niveau. Allerdings bestehen hier große Unsicherheiten und
bleibt. In der Industrie wächst der Endenergiebedarf in den Min- es ist denkbar, dass der Anstieg auch erheblich kleiner aus-
derungsszenarien jedoch nur geringfügig langsamer als in den fallen könnte.
Basisszenarien. Im Mittel tragen CO2-arme Energien in den Min- Allerdings werden sich die Investitionsströme stark ver-
derungsszenarien im Jahr 2050 zu mehr als 50 Prozent des Ener- schieben. Die Investitionen in das bislang größte Emissions-
giebedarfs in Gebäuden und in der Industrie bei und zu etwas segment, die Gewinnung und Umwandlung fossiler Brenn-
weniger im Verkehr. Der Strombedarf wächst dagegen sowohl stoffe, werden in Klimaschutzszenarien um bis zu zwei Drittel
in den Basis- als auch in den Minderungsszenarien stark an. reduziert. Investitionen in die fossile Stromerzeugung ohne
Gleichzeitig wird der Strom in den Minderungsszenarien zu fast nachgeschaltete Kohlenstoffabscheidung und -speicherung
100 Prozent aus kohlenstoffarmer Energie, das heißt vornehm- (CCS) werden in allen Klimaschutzszenarien sehr rasch voll-
lich aus erneuerbaren Energien, hergestellt. Es wird also in der ständig eingestellt. Stattdessen verdoppeln sich die Investi-
Zukunft immer mehr CO2-arme Elektrizität in Verkehr, Industrie tionen in erneuerbare Energien, Energieeffizienz und andere
und Gebäuden eingesetzt, um diese Sektoren indirekt mit CO2- Optionen zur CO2-armen Erzeugung gegenüber den Basissze-
armer Energie zu versorgen. narien, und die Investitionen in das Elektrizitätssystem wer-
Die oben diskutierten Klimaschutzszenarien gehen von den erheblich erhöht.
einer massiven Veränderung der Investitionen gegenüber der Wenn man bedenkt, dass diese Änderungen bereits kurz-
Vergangenheit und auch gegenüber einer „Business-as-usual“- fristig beginnen müssen, werden die Dimensionen der Heraus-
Zukunft aus. forderung klar. Der massive Rückgang der Investitionen in
Der IPCC hat in seinem fünften Sachstandsbericht von 2014 fossile Brennstoffe stellt solche Regionen und Unternehmen
dazu für verschiedene Szenarien vergangene mit zukünftigen vor große Herausforderungen, die gegenwärtig noch von der
Investitionen in verschiedenen Segmenten des globalen Ener- Gewinnung und Umwandlung dieser Brennstoffe leben. Die-
giesystems verglichen. Das zentrale Ergebnis des Vergleichs se reichen von traditionellen Kohleregionen in vielen Staaten
war, dass die für den Klimaschutz erforderlichen Änderungen weltweit über die großen Öl- und Gasproduktionsländer, deren
im Energiesystem nicht zu wesentlich größeren Investitions- Volkswirtschaften häufig ganz wesentlich von den Einnahmen
volumina im globalen Energiesystem führen würden. Die des Verkaufs ihrer fossilen Ressourcen abhängen, bis zu den
Ölmarkt weltweit
Angaben in Millionen Tonnen
zum Vergleich:
2,1
Deutschland
(Platz 58)
großen Mineralölkonzernen, die zunehmend unter Druck ge- schließen können. Die harten Diskussionen um das Auslaufen
raten, ihre Geschäftsmodelle komplett umzubauen. der Kohleverstromung in vielen Ländern liefern hierfür aussage-
Der internationale Seehandel, Hafen- und Logistikunterneh- kräftige Beispiele, sind jedoch nur die Spitze des Eisbergs, wenn
men sind ebenfalls betroffen, da der Seehandel heute zur Hälf- es um die Umsetzung von Klimaschutzszenarien geht. Anderer-
te aus fossilen Brennstoffen wie ÖL, Kohle und Erdgas besteht seits ist es äußerst schwierig, die wirtschaftlichen Aktivitäten
(gemessen in Tonnen Handelsvolumen). bei Investitionen in saubere Energie praktisch über Nacht zu
Andererseits stellt der Ausbau der globalen erneuerbaren verdoppeln. Hier werden die Staaten künftig eine deutlich ak-
Energien und der Energieeffizienz sowie der Investitionen in tivere Rolle spielen müssen, um gemeinsam mit der Wirtschaft
Elektrizitätssysteme auch Regierungen und Investoren vor gro- Investitionen zu initiieren, die hoch genug sind, um die Ziele des
ße Herausforderungen. Den gegenwärtigen Märkten gelingt Pariser Abkommens zu erreichen.
es immer noch nicht, angemessene Bedingungen zu schaffen, Die möglichen wirtschaftlichen Schäden des Klimawandels
um diese Investitionen in erforderlichem Ausmaß rentabel sind jedoch viel größer als die oben dargestellten Veränderun-
zu machen. Dies bedeutet, dass ein großer (aber rückläufiger) gen bei den Investitionen in Energiesysteme. Verluste bei land-
Anteil der erforderlichen Investitionen stark von öffentlicher wirtschaftlichen Erträgen, höhere Kosten bei der Wasserver-
Unterstützung abhängt. sorgung und Schäden durch klimabedingte Wetterereignisse
Insbesondere die von der Umstellung des Energiesystems be- wie stärkere Stürme, Überschwemmungen oder Trockenheit
troffenen Regionen und Sektoren verfügen in der Regel über gut werden vermutlich stark zunehmen. Neuere Studien befürch-
etablierte Akteure. Für sie sind die fossilen Vermögenswerte ein ten, dass diese Schäden bei ungebremstem Klimawandel eine
wichtiger Teil ihrer (wirtschaftlichen) Macht, sie werden sich Größenordnung von 20 bis 25 Prozent der globalen Wirtschafts-
daher solchen Szenarien höchstwahrscheinlich nicht leicht an- leistung kosten könnten.
picture alliance / Jochen Tack | Jochen Tack
Klimaschutzszenarien für Deutschland Übersicht der analysierten Szenarien und deren Treib-
hausgasminderungen bis 2030 und 2050
Die Erstellung bzw. Auswertung von Szenarien gilt als wichti-
ge Methode der Zukunftsvorausschau und als nützliches Hilfs- Änderung der
mittel der Politikgestaltung. Während Prognosen Auskunft Treibhausgas-
emissionen
über die wahrscheinliche zukünftige Entwicklung geben – Titel der Studie Auftraggeber Jahr Szenario
(vs. 1990)
wie beispielsweise für das Wetter – beschreiben Szenarien die
mögliche Veränderung eines Systems unter bestimmten An- 2030 2050
nahmen für wesentliche Einflussgrößen und deren zukünf- Klimapfade für
tigen Verlauf. Nicht zuletzt für energie- und klimapolitische BDI 2018 95 %-Pfad –57 % –95 %
Deutschland
Entscheidungen wird heute auf Szenario-Analysen zurück-
dena-Leitstudie
gegriffen. Solche Energie- und Klimaschutzszenarien haben
Integrierte Energie- dena 2018 TM95 –55 % –95 %
in Deutschland eine lange Tradition und werden regelmäßig wende
von verschiedenen Bundesministerien, aber auch von anderen
Institutionen wie Umweltschutzorganisationen oder Indus- Wege in eine
–97 %
ressourcenscho- Green-
trieverbänden in Auftrag gegeben. Im Folgenden werden vier nende Treibhaus-
UBA 2019
Supreme
–69 % (–99 % bis
104 %)*
seit 2018 erschienene Szenarien für Deutschland miteinander gasneutralität
verglichen, die (weitgehende) Treibhausgasneutralität bis zum
Agora
Jahr 2050 beschreiben. Ähnlich ambitionierte Klimaschutzsze- Klimaneutrales
Energiewende 2020 KN2050 –65 %
–95 %
Deutschland (–100 %)*
narien liegen u. a. für die EU (Europäische Kommission 2018) et al.
sowie für die gesamte Welt (IEA 2021) vor.
*Die Änderungen in Klammern beziehen sich auf die Netto-Treibhausgasemissionen der Szena-
Überblick über die ausgewählten Szenarien rien. In den beiden entsprechenden Szenarien werden explizit technische bzw. natürliche Maß-
nahmen zur Entnahme von CO2 aus der Atmosphäre besprochen und quantifiziert, die innerhalb
Für die Betrachtung von Klimaschutzszenarien für Deutschland Deutschlands umgesetzt werden könnten, um die bis 2050 noch auftretenden Restemissionen
wurden hier aus vier Studien vier Klimaschutzszenarien aus- an Treibhausgasen zu kompensieren.
gewählt, die Wege zur Minderung der deutschen Treibhausgas- Eigene Darstellung
emissionen um mindestens 95 Prozent bis zum Jahr 2050 (ge-
genüber 1990) beschreiben. Alle vier Szenarien zeigen mögliche
Wege auf, wie die Treibhausgasemissionen Deutschlands in Ein- chen und politischen Umsetzbarkeit. Aus dieser Studie wird
klang mit den von der Bundesregierung bis zum Frühjahr 2021 im Folgenden das Szenario „TM95“ betrachtet.
verfolgten Klimaschutzzielen bis 2050 weitgehend reduziert ¬ Die Studie „Klimaneutrales Deutschland“ im Auftrag der
werden können. Bei der Entwicklung ihrer Szenarien setzen die Think Tanks Agora Energiewende, Agora Verkehrswende
vier Studien jedoch teilweise abweichende Schwerpunkte: sowie der Stiftung Klimaneutralität nennt sowohl Kosten-
¬ Die Studie „Klimapfade für Deutschland“ im Auftrag des effizienz als auch Umsetzbarkeit als zentrale Kriterien. Das
Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) möchte vor im Folgenden betrachtete Szenario „Klimaneutral 2050“
allem „volkswirtschaftlich kosteneffiziente Wege“ aufzeigen. (KN2050) stellt nach Einschätzung der Autorinnen und Au-
Aus dieser Studie wird im Folgenden das Szenario „95 %-Pfad“ toren einen „aus Kostensicht und unter Berücksichtigung der
betrachtet. Umsetzbarkeit optimierten Weg dar“.
¬ Die dena-Leitstudie „Integrierte Energiewende“ der Deut- ¬ Die Szenarien der Studie „Wege in eine ressourcenschonen-
schen Energieagentur (dena), die in Zusammenarbeit mit de Treibhausgasneutralität“ des Umweltbundesamtes (UBA)
mehreren Unternehmen insbesondere der Energiebranche möchten hingegen aufzeigen, wie ambitionierter Klima-
erarbeitet wurde, zielt darauf ab, „aus heutiger Sicht realis- schutz mit dem Ziel des Ressourcenschutzes verbunden wer-
tische Transformationspfade“ darzustellen, legt also einen den kann. Aus dieser Studie wird im Folgenden das Szenario
stärkeren Schwerpunkt auf das Kriterium der gesellschaftli- „GreenSupreme“ betrachtet.
Änderung der Treibhausgasemissionen gegenüber 1990 kung natürlicher Senken (u. a. durch eine nachhaltige Bewirt-
in Prozent schaftung des Waldes sowie eine Wiedervernässung von
Mooren) oder auch durch technische Maßnahmen (u. a. die
0 Abscheidung und unterirdische Speicherung von CO2 aus Bio-
-10 masse) realisiert werden. Durch negative Emissionen können
2015
-20 –28 % die Szenarien trotz einer gewissen Menge an – als unvermeid-
-30 bar angesehener – Restemissionen das Ziel der Klimaneutrali-
-40 tät bis zum Jahr 2050 erreichen.
2030
-50
–55 % bis –69 %
-60 Entwicklungen in den Endenergiesektoren
2050
-70
–95 % bis In allen hier betrachteten Klimaschutzszenarien sinkt die
-80 –97 % Menge an Endenergie in den kommenden Jahrzehnten deut-
-90 lich. Als Endenergie wird dabei die Energie bezeichnet, die
-100 direkt (zum Beispiel in Form von Strom, Erdgas, Benzin oder
1990 2000 2010 2020 2030 2040 2050 Fernwärme) in den Gebäuden, im Verkehr und in der Indus-
trie verwendet wird. In drei der Szenarien liegt der Rückgang
Statistik TM95 (dena 2018) KN2050 (Agora et al. 2020) des Endenergiebedarfs bis zum Jahr 2050 gegenüber dem tat-
sächlichen Bedarf des Jahres 2019 bei 37 Prozent, im Szenario
95 %-Pfad (BDI 2018) GreenSupreme (UBA 2019)
GreenSupreme sogar bei 58 Prozent. Der wesentliche Grund für
Eigene Darstellung; Quellen: Umweltbundesamt 2020 und zitierte Szenariostudien, siehe Literatur den Rückgang in allen Szenarien sind angenommene Steige-
rungen der Energieeffizienz, die sich gegenüber den in der Ver-
gangenheit realisierten Steigerungen beschleunigen müssten.
Während alle vier betrachteten Szenarien im Jahr 2050 ähnli- So werden zum Beispiel in den Szenarien in Zukunft jedes Jahr
che Treibhausgasemissionen aufweisen, unterscheiden sich die deutlich mehr bestehende Gebäude energetisch saniert als in
Szenarien in der Geschwindigkeit des Emissionsrückgangs. So der Vergangenheit. Zudem sorgt im Verkehr der in den Szena-
werden bis 2030 in den Szenarien GreenSupreme und KN2050 rien angenommene verstärkte Umstieg auf Elektroautos für
stärkere Emissionsrückgänge beschrieben als in den Szenarien bedeutende Energieeinsparungen, da Elektromotoren deutlich
95 %-Pfad und TM95. Folglich sind auch die gesamten Emissio- effizienter sind als Verbrennungsmotoren.
nen im Zeitraum von 2020 bis 2050 (die sogenannten kumula- Lebensstiländerungen: Insbesondere im Szenario GreenSu-
tiven Emissionen), die letztlich für die Auswirkungen auf das preme werden zudem weitgehende Lebensstiländerungen an-
Klima entscheidend sind, in den beiden erstgenannten Szena- genommen, die ebenfalls einen Rückgang des Energiebedarfs
rien niedriger als in den beiden letztgenannten Szenarien. zur Folge haben. So wird beispielsweise dort angenommen,
In den Szenarien GreenSupreme und KN2050 wird zudem dass bis 2050 die in den vergangenen Jahrzehnten zu beobach-
aufgezeigt, wie die Netto-Emissionen bis 2050 durch soge- tenden Trends einer wachsenden Pro-Kopf-Wohnfläche sowie
nannte negative Emissionen auf etwa null reduziert werden einer steigenden Verkehrsleistung sowohl im Personen- als
könnten. Solche negativen Emissionen können über die Stär- auch im Güterverkehr gestoppt und umgekehrt werden kön-
O2
Windenergie
oder
Solarenergie Strom-
erzeugung
Der „Elektrolyseur“ spaltet
mit Strom Wasser (H2O) auf,
H2 die Gase Sauerstoff (O2) und
Wasserstoff (H2) entstehen.
Nutzung …
synthetischer
... als ... in einer ... als Material ... als Brennstoff
Treibstoff Brennstoffzelle oder Energieträger eingespeist
in der Industrie ins Erdgasnetz
© ZEIT-Grafik Neele Jacobi; Quelle: Internationale Energieagentur IEA; The Future of Hydrogen-Report (2019)
nen. Durch den Rückgang der Pro-Kopf-Wohnfläche wird der brauch steigt folglich in den Szenarien deutlich an, von 20 Pro-
Heizenergiebedarf der Gebäude reduziert, während eine ab- zent im Jahr 2019 auf 35 (TM95) bis 55 Prozent (GreenSupreme)
nehmende Verkehrsleistung den Bedarf an Kraftstoffen bzw. im Jahr 2050.
(angesichts zunehmender Elektromobilität) Strom senkt. In- Synthetische Energieträger: Allerdings gibt es bestimmte
folge solcher Lebensstiländerungen wird es leichter, den dann Anwendungen, in denen der Ersatz fossiler Energieträger durch
niedrigeren Energiebedarf vollständig über klimaneutrale Strom nicht praktikabel oder technisch unmöglich ist. Beispiele
Energieträger zu decken. hierfür sind die Primärstahlerzeugung sowie Mittel- und Lang-
Elektrifizierung: Die Änderungen in der Zusammensetzung streckenflüge. In diesen Fällen kann dennoch indirekt Strom
des Endenergiebedarfs nach Energieträgern ist unter anderem aus erneuerbaren Energien zum Einsatz kommen, indem dieser
das Ergebnis der sogenannten Elektrifizierungsstrategie. Bei Strom per Elektrolyse in Wasserstoff und ggf. in einem weiteren
dieser Strategie werden in verschiedenen Bereichen fossile Schritt zu kohlenstoffhaltigen synthetischen Energieträgern
Energieträger durch den Einsatz von Strom ersetzt. Beispiele umgewandelt wird, zum Beispiel in synthetisches Kerosin für
sind hierfür Elektroautos, elektrisch betriebene Wärmepum- Flugzeuge. Diese sogenannten Power-to-X-Energieträger, also
pen zum Heizen sowie der Einsatz von Elektrodenkesseln zur gasförmige oder flüssige Energieträger, die auf Grundlage von
Erzeugung von Wärme und Dampf für industrielle Prozesse. Strom erzeugt wurden und neben Wasserstoff auch kohlenstoff-
Sofern – wie in den Szenarien unterstellt – die Stromerzeugung haltige synthetische Energieträger umfassen, spielen in den hier
aus erneuerbaren Energien weiter und in schnellem Maße ge- betrachteten Szenarien ebenfalls eine wichtige Rolle.
steigert werden kann, können über eine solche Elektrifizie- Kohlenstoffhaltige synthetische Energieträger ähneln dabei
rungsstrategie die CO2-Emissionen im Energiesystem reduziert den derzeit eingesetzten fossilen Energieträgern und können
werden. Der Anteil von Strom am gesamten Endenergiever- diese daher leicht ersetzen. So ist der Transport synthetischer
Energieträger per Schiff beispielsweise wesentlich einfacher erzeugung von Grundstoffen wie Stahl oder Grundstoffchemi-
und günstiger als der von Wasserstoff. Durch die verschiede- kalien reduzieren. Entsprechende Steigerungen der Recycling-
nen notwendigen Umwandlungsschritte ist die Herstellung raten werden in allen Szenarien angenommen, wenn auch in
synthetischer Energieträger jedoch mit erheblichen energeti- unterschiedlichem Ausmaß.
schen Verlusten verbunden. Zudem wird für die Herstellung Abscheidung und Lagerung von CO2: Zudem wird in drei der
synthetischer Energieträger CO2 benötigt, das bei der Verbren- vier betrachteten Szenarien (in 95 %-Pfad, TM95 und KN2050)
nung der Energieträger wieder freigesetzt wird. Folglich sind eine Abscheidung und Lagerung von CO2 (Carbon Capture
synthetische Energieträger nur dann CO2-neutral, wenn dieses and Storage, CCS) aus industriellen Prozessen angenommen.
CO2 nicht aus fossilen Quellen stammt, sondern entweder aus Der Einsatz von CCS wird vielfach vor allem für sogenanntes
(nachhaltig erzeugter) Biomasse oder über spezielle und ener- prozessbedingtes CO2 als notwendig angesehen. Dieses pro-
gieintensive Anlagen direkt aus der Atmosphäre gewonnen zessbedingte CO2 kann nicht durch den Einsatz erneuerbarer
wird (Direct Air Capture). Energien vermieden werden, sondern fällt bei der chemischen
Aufgrund der erheblichen energetischen Umwandlungs- Umwandlung benötigter Ausgangsmaterialien an. In einigen
verluste bei der Produktion synthetischer Energieträger wird Fällen ist es zwar möglich, die prozessbedingten Emissionen
daher vielfach argumentiert, dass eine direkte Elektrifizierung durch den Einsatz neuartiger Prozesse zu vermeiden, wie bei
gegenüber dem Einsatz synthetischer Energieträger zu bevor- der Umstellung der kohlebasierten Primärstahlproduktion in
zugen ist. Durch eine Minimierung des Einsatzes synthetischer
Energieträger kann der ohnehin erwartete starke Anstieg des
Bedarfs an erneuerbar erzeugtem Strom begrenzt werden. Bei-
spielsweise liegt der Strombedarf für die Fahrt einer bestimm-
ten Strecke mit einem Elektroauto um ein Vielfaches niedriger
als der (indirekte) Strombedarf, der für die gleiche Strecke mit
picture alliance / dpa / dpa-Zentralbild | Jan Woitas
einem Auto benötigt wird, das über synthetischen Kraftstoff
angetrieben wird.
In einigen der betrachteten Szenarien (zum Beispiel in
KN2050) wird daher auch soweit wie möglich auf eine direkte
Elektrifizierung (z. B. Elektroautos und Wärmepumpen) und –
falls dies nicht praktikabel ist – zunächst auf einen Einsatz
von Wasserstoff (z. B. Primärstahlerzeugung per Wasserstoff
statt per synthetischem Gas) gesetzt. Andere Szenarien (zum
Beispiel TM95) nehmen hingegen einen stärkeren Einsatz syn-
thetischer Energieträger an und begründen dies damit, dass
sie (gegenüber Wasserstoff) leichter importiert und leichter in Die Anfang 2021 in Betrieb genommene Biogasanlage Gordemitz in Sachsen kann
bestehenden Anwendungen genutzt werden können. künftig bis zu 4000 Haushalte mit biologisch produziertem Gas versorgen.
Biomasse: Der direkte Einsatz erneuerbarer Energien in
den Endenergiesektoren steigt in den meisten der betrachte-
ten Szenarien ebenfalls an. Neben dem Einsatz von Biomasse Klimaschutz auf dem Teller
fällt hierunter insbesondere die Nutzung von Umweltwärme Treibhausgasemissionen verschiedener Ernährungsweisen, in
(beim Einsatz von Wärmepumpen) sowie von Solarthermie. Kilogramm Kohlenstoffdioxidäquivalenten* pro Person und Jahr
Das inländisch verfügbare nachhaltige Potenzial für die ener-
getische Nutzung von Biomasse wird dabei unterschiedlich aktuelle Ernährungsweise
eingeschätzt. Während in den Szenarien 95 %-Pfad, TM95 und in Deutschland
KN2050 unterstellt wird, dass die energetische Nutzung von 2552 kg
761 548 741 492
CO2-eq
Biomasse gegenüber dem gegenwärtigen Niveau noch (mo- 11
derat) gesteigert werden kann, nimmt der Biomasseeinsatz im flexitarisch
(max. 470 Gramm Fleisch/Woche)
Szenario GreenSupreme ab. Dies liegt daran, dass das Umwelt-
bundesamt den Anbau von Biomasse zur Energiegewinnung 427 210 925 296 1874
16
sowie die Nutzung von Waldrestholz aus Gründen der Nach- vegetarisch
haltigkeit ablehnt. Im Szenario GreenSupreme erfolgt bis zum (kein Fleisch)
Jahr 2030 folglich ein Ausstieg aus der Anbaubiomasse. Die 226 994 139 1359
Verwendung der Biomasse erfolgt in den Szenarien 95 %-Pfad
sowie KN2050 zukünftig verstärkt in der Industrie, insbeson- vegan
(rein pflanzenbasiert)
dere zur Wärme- und Dampfbereitstellung. Im Szenario TM95
wird die verfügbare Biomasse hingegen in stärkerem Maße im 1200 114 1314
Verkehr und im Gebäudesektor eingesetzt.
Recycling: Neben der Senkung des Energiebedarfs durch Fleisch und Wurst Fisch und Meeresfrüchte Milch, Käse, Eier
Effizienzsteigerungen und Lebensstiländerungen sowie dem
Umstieg von fossilen auf erneuerbare Energieträger (bzw. auf pflanzliche Lebensmittel Landnutzungsänderung**
Energieträger, die auf erneuerbaren Energien basieren) gibt es
* alle Treibhausgase neben Kohlenstoffdioxid wurden in die entsprechende Menge CO2
zwei weitere wichtige Strategien, um die Treibhausgasemis- umgerechnet (Abkürzung: CO2-eq)
sionen zu reduzieren. Zum einen kann eine deutliche Stärkung ** Emissionen durch die Umwandlung von natürlichen Lebensräumen in landwirtschaftliche
der Kreislaufwirtschaft, also insbesondere eine Steigerung der Fläche
Recyclingraten, die energie- und emissionsintensive Primär- picture-alliance / dpa / dpa Grafik / dpa-infografik GmbH; Quelle: WWF
Hochöfen auf eine wasserstoffbasierte Herstellung in Direkt- Nettostromerzeugung und -bedarf 2019 sowie 2050
reduktionsanlagen. Sofern aber solche alternativen Prozesse in Terawattstunden (TWh, ohne Speicher)
nicht existieren bzw. nicht in ausreichendem Maße umgesetzt
werden können, wird für das „unvermeidbare“ prozessbeding-
1000 937
te CO2 vielfach der Einsatz von CCS vorgeschlagen, um tatsäch-
lich Klimaneutralität erreichen zu können. 815
Insbesondere für die Vermeidung der CO2-Emissionen der Ze-
800 738
mentherstellung könnte CCS zukünftig zum Einsatz kommen. 719
Bei der Herstellung von Zement fällt beim Brennen von Kalk-
stein – einem wesentlichen Bestandteil von Zement – unver- 600 542
meidlich CO2 an. In den Szenarien 95 %-Pfad, TM95 und KN2050
wird bis zum Jahr 2050 ein Großteil dieses CO2 abgeschieden
und zu unterirdischen Speichern (zum Beispiel in leergeförder- 400
te Erdgasfelder unter der Nordsee) transportiert. Das Umwelt-
bundesamt sieht CCS aus Gründen der Nachhaltigkeit aller-
dings kritisch, unter anderem weil es bei der Speicherung von 200
CO2 Leckagen für möglich hält, die zu Risiken für Grundwasser
und Böden führen könnten. Daher wird im Szenario GreenSu-
preme nicht auf diese Strategie zurückgegriffen. Dafür werden 0
in diesem Szenario vergleichsweise optimistische Annahmen
zur Reduktion des Zementbedarfs, zur Möglichkeit des Recy-
clings von Beton sowie zur Entwicklung neuer CO2-armer Ze- -100
Statistik 95 %-Pfad TM95 GreenSupreme KN2050
mente bzw. zementähnlicher Baustoffe getroffen. (BDI 2018) (dena 2018) (UBA 2019) (Agora et al.
2020)
Umstellung der Energiebereitstellung auf erneuerbare 2019 2050
Energien
Eine zentrale Voraussetzung für ambitionierten Klimaschutz ist
ein beschleunigter Ausbau erneuerbarer Energien in der Strom- Sonstige Erneuerbare Fossile Energieträger Wind Onshore
2011
2012
2013
2014
2015
2016
2017
2018
2019
2020
abfälle
tegie dar, durch die fossile Energieträger in den Sektoren Ge-
bäude, Verkehr und Industrie verdrängt werden. Gleichzeitig
wird zukünftig Strom auch benötigt, um daraus Wasserstoff zu Erneuerbare Energien Kernenergie Steinkohle Braunkohle
kommt. Diese Nutzung von Wasserstoff und synthetischen picture-alliance / dpa / dpa Grafik / dpa-infografik GmbH; Quelle: Bundesverband der Energie-
Energieträgern kann auch als „indirekte Elektrifizierung“ be- und Wasserwirtschaft
Gerhard Mester
Effizienzsteigerungen bei gegenwärtigen Stromanwendungen
wie zum Beispiel Haushaltsgeräten und elektrischen Pumpen
in der Industrie angenommen, die dadurch ausgelösten Ein-
sparungen beim Strombedarf können den zusätzlichen Strom-
bedarf durch direkte und indirekte Elektrifizierung allerdings
nicht kompensieren.
Power-to-X: Die Grafik unten zeigt den Bedarf an Power-to-
X-Energieträgern in den vier betrachteten Szenarien im Jahr
2050. Wie oben erwähnt, werden diese gasförmigen oder flüs-
sigen Energieträger in erster Linie bei solchen Anwendungen
genutzt, bei denen eine direkte Verwendung von Strom nicht
möglich bzw. nicht praktikabel ist. In den betrachteten Sze-
narien findet die Nutzung überwiegend in der Industrie und
im Verkehr statt, beispielsweise zur Deckung des industriellen
Wärme- und Dampfbedarfs sowie für den Antrieb von Teilen
des Güter- und Schiffsverkehrs.
In drei der vier betrachteten Szenarien liegt der Power-to-X-Be- hohem Ökostromangebot, die Nutzung von Batteriespeichern
darf im Jahr 2050 zwischen knapp 400 und rund 550 TWh. Nur sowie nicht zuletzt eine ausreichende Kapazität an Gaskraft-
im Szenario TM95 werden mit knapp 910 TWh deutlich mehr werken. Solche „Power-to-Gas“-Kraftwerke werden zukünftig
Power-to-X-Energieträger benötigt. Der hohe Bedarf in diesem in Zeiten geringer Wind- und Solarstromerzeugung betrie-
Szenario liegt unter anderem an der relativ geringen Nutzung ben, wobei kein fossiles Erdgas zum Einsatz kommt, sondern
von CO2-Abscheidung und -Speicherung (im Vergleich zu den Wasserstoff oder vielleicht auch synthetisches Methan, die in
Szenarien KN2050 und insbesondere 95 %-Pfad) sowie an eher Zeiten mit viel Wind- und Solarstrom erzeugt und zwischen-
vorsichtigen Annahmen zu Fortschritten im Bereich der Kreis- gespeichert werden.
laufwirtschaft und energiesparender Lebensstiländerungen Die zukünftige Zusammensetzung des Strommixes aus
(insbesondere im Vergleich zum Szenario GreenSupreme). Windenergieanlagen an Land (Wind Onshore), Windenergie-
Wind- und Solarenergie: Obwohl die zukünftig stark auf anlagen auf dem Meer (Wind Offshore) sowie Photovoltaik-An-
Wind- und Solaranlagen basierende Stromerzeugung mit dem lagen unterscheidet sich allerdings von Szenario zu Szenario.
Wetter oder der Tages- und Jahreszeit schwankt, wird eine zu- Ein wesentlicher Grund für diese Unterschiede sind abwei-
verlässige Stromversorgung auch in einem durch Wind- und chende Einschätzungen hinsichtlich der zukünftigen Kosten-
Solaranlagen dominierten System für möglich gehalten. Vo- entwicklungen und der Umsetzbarkeit bzw. gesellschaftlichen
raussetzungen hierfür sind insbesondere ein weiterer Aus- und Akzeptanz für den Zubau einzelner Technologien. So wird in
Umbau des Stromnetzes, eine Flexibilisierung der Stromnach- dem aktuellsten der vier betrachteten Szenarien (KN2050) ein
frage zum Beispiel durch niedrigere Stromtarife in Stunden mit relativ starker Zubau von Photovoltaik angenommen, um er-
wartete Grenzen beim Ausbau der Windenergie an Land kom-
pensieren zu können. Solche Ausbaugrenzen könnten sich in-
Bedarf an und Herkunft von Power-to-X-Energieträgern folge einer mangelnden Akzeptanz für Windenergieanlagen
in den betrachteten Szenarien im Jahr 2050 ergeben. So liegt seit 2018 der Zubau der Onshore-Windenergie
in TWh in Deutschland auf einem niedrigen Niveau, was unter ande-
1000
rem auf unzureichende Akzeptanz für den Ausbau dieser An-
lagen an einigen Standorten sowie Konflikte mit dem Vogel-
164 schutz zurückgeführt wird (siehe auch S. 54 ff.).
800 Allerdings müsste sich den Szenarien zufolge der durch-
schnittliche jährliche Ausbau von Wind- und Photovoltaik-
738
Anlagen bereits bis zum Jahr 2030 deutlich gegenüber dem
600 in den Jahren 2018 bis 2020 realisierten Ausbau erhöhen, um
84 die in den Szenarien beschriebenen Emissionseinsparungen
verwirklichen zu können. In den Szenarien GreenSupreme und
101
400 20 KN2050 müsste sich der jährliche Zubau dieser Anlagen in
84
23 370 Summe sogar mehr als verdoppeln.
123 Versorgung aus dem Ausland: In allen betrachteten Sze-
200 narien wird aufgrund der angenommenen Potenzial- bzw.
333 184
Akzeptanzgrenzen für den Ausbau erneuerbarer Energien in
Deutschland der Großteil der benötigten Power-to-X-Energie-
0 träger aus dem Ausland importiert. Diese Importe könnten
95 %-Pfad TM95 GreenSupreme KN2050
(dena 2018) (UBA 2019) (Agora et al. 2020)
zukünftig aus Ländern kommen, die sehr gute Bedingungen
(BDI 2018)
für erneuerbare Energien haben. Durch hohe Solarstrahlung
und/oder gute Windbedingungen ist die auf erneuerbaren
Wasserstoff Inland Synfuels Import Wasserstoff Import
Energien basierende Stromerzeugung in diesen Ländern sehr
Synfuels Inland
günstig, wodurch dort auch niedrige Erzeugungskosten für
strombasierten Wasserstoff realisiert werden können. Häu-
Eigene Darstellung; Quellen: zitierte Szenariostudien, siehe Literatur fig verfügen diese Länder auch über ein ausreichend großes
was die Sonne zur mit Abstand billigsten Quelle für die Strom-
erzeugung machen könnte.
Bisher kann die Floating Photovoltaik (FPV) allerdings gegen
die Konkurrenz an Land nur schwer mithalten: Die Stromer-
zeugungskosten liegen laut ISE zehn bis 15 Prozent höher. Die
schwimmenden Module, die robuster als konventionelle kons-
truiert sind, müssen entweder am Ufer oder auf dem Grund
der Seen befestigt werden. Das kostet Geld und schränkt damit
auch die Standorte für einen wirtschaftlichen Betrieb ein.
Konkurrierende Nutzungen müssen zudem bedacht werden:
Tourismus, Freizeitaktivitäten, Natur- und Landschaftsschutz.
Es bleiben in den Braunkohlerevieren laut der ISE-Studer ISE-
Studie, die von [Baywa Re, einem „Floating-PV-Entwickler“ aus
Braunschweig] in Auftrag gegeben wurde, etwa fünf Prozent
der Wasserflächen übrig, die eine Maximalleistung von gut 2,7 In Leimersheim, Rheinland-Pfalz, versorgen ein schwimmendes Solarkraft-
Gigawatt bringen können, was aber immer noch etwa zwei werk und Panelfelder von Photovoltaik-Anlagen auf einem Baggersee das dort
Atomkraftwerken entspricht. […] befindliche Kieswerk.
Potenzial an erneuerbaren Energien, um neben der klimaneu- Power-to-X-Importen werden allerdings in den Exportländern
tralen Deckung ihres eigenen Strom- und Wasserstoffbedarfs entsprechende Stromerzeugungsanlagen sowie eine hinrei-
zusätzlich Wasserstoff zu exportieren. Hierzu zählen Länder chende Importinfrastruktur aufgebaut werden müssen. Um
wie Norwegen oder Marokko, aus denen Wasserstoff prinzipi- entsprechende Importe zukünftig tatsächlich realisieren zu
ell kostengünstig über eine Pipeline nach Deutschland trans- können, sollten daher möglichst frühzeitig internationale Part-
portiert werden könnte, aber auch Länder wie Australien oder nerschaften auf Augenhöhe etabliert werden.
Chile, aus denen Power-to-X-Energieträger per Schiff impor- In drei der vier betrachteten Szenarien wird (nahezu) aus-
tiert werden müssten. schließlich ein Import von synthetischen (kohlenstoffhaltigen)
Die in den Szenarien im Jahr 2050 importierten Mengen Energieträgern angenommen, insbesondere da diese im Ver-
an Power-to-X-Energieträgern in Höhe von rund 310 TWh gleich zu Wasserstoff niedrigere Transportkosten aufweisen,
(KN2050) bis 740 TWh (TM95) liegen dabei deutlich niedriger wenn sie aus anderen Weltregionen importiert werden. Das
als die über 2000 TWh Mineralöl und Erdgas, die im Jahr 2019 Szenario KN2050 sieht hingegen einen höheren Import von
nach Deutschland importiert wurden. Für die Realisierung von Wasserstoff gegenüber synthetischen Energieträgern vor. Für
IMAGO / Chris Emil Janßen
eine Fokussierung auf Wasserstoff spricht unter anderem der Die Szenarien verdeutlichen jedoch auch, dass das Erreichen
gegenüber synthetischen Energieträgern geringere Strombe- solch weitgehender Reduktionen der Treibhausgasemissionen
darf für die Erzeugung sowie die Tatsache, dass für Wasserstoff eine gegenüber der Vergangenheit starke Intensivierung von
kein Bedarf an (klimaneutralem) CO2 anfällt. Klimaschutzmaßnahmen in allen Bereichen erfordern wird.
So müssten beispielsweise in allen Szenarien pro Jahr deutlich
Maßnahmen zur Minderung der Treibhausgasemissio- mehr Gebäude als bisher saniert werden, Elektroautos müss-
nen der Landwirtschaft ten in den nächsten Jahren stark steigende Anteile an den
Die Landwirtschaft verursacht derzeit rund 8 Prozent der deut- Pkw-Neuzulassungen erreichen und Wind- und Photovoltaik-
schen Treibhausgasemissionen (UBA 2020). Die CO2-Emissio- Anlagen müssten wesentlich stärker ausgebaut werden als in
nen spielen dabei eine untergeordnete Rolle, es dominieren den vergangenen Jahren.
die Emissionen der Treibhausgase Methan und Lachgas. Eine Die betrachteten Szenarien stimmen ebenfalls grundsätz-
weitgehende Minderung dieser Emissionen gilt als besonders lich darin überein, dass Deutschland auch zukünftig – wenn
schwierig. Aufgrund unvermeidbarer biologischer Prozesse auch in geringerem Maße als heute – auf Energieimporte an-
(z. B. dem Entstehen von Methan durch Verdauungsprozes- gewiesen sein wird. Die importierten Energieträger müssen
se in der Tierhaltung) werden sich Restemissionen der Land- allerdings im Ausland zunehmend auf Grundlage von erneu-
wirtschaft auch langfristig nicht komplett vermeiden lassen. erbaren Energien (insbesondere erneuerbarem Strom) erzeugt
Die vier hier betrachteten Szenarien halten bis zum Jahr 2050 werden. Zusätzlich sehen die Szenarien die Notwendigkeit
gegenüber 1990 einen Rückgang der Treibhausgasemissionen und Möglichkeit, einen Teil des zukünftigen Wasserstoff-
der Landwirtschaft um rund 50 bis 70 Prozent für möglich. Die bedarfs aus inländischer elektrolysebasierter Erzeugung zu
verbleibenden Restemissionen müssten für das Ziel einer Kli- decken. Unter anderem für diese Strategie stellt ein beschleu-
maneutralität durch die oben erwähnten Optionen für „nega- nigter Ausbau von Wind- und Solaranlagen eine zentrale Vo-
tive Emissionen“ ausgeglichen werden. raussetzung dar.
In der Studie der dena (2018) wird die Landwirtschaft nicht Neben der weitgehenden Senkung der energie- und prozess-
im Detail behandelt, sondern es wird für eine Abschätzung des bedingten Emissionen in den Sektoren der Energiewirtschaft,
Treibhausgasminderungspotenzials dieses Sektors auf eine der Industrie, des Verkehrs und der Gebäude erfordert Klima-
andere bestehende Studie verwiesen. Die anderen drei Studien neutralität auch eine Reduktion der Treibhausgasemissionen
diskutieren hingegen auch den Landwirtschaftssektor und der Landwirtschaft. Alle betrachteten Szenarien verweisen
nennen konkrete Maßnahmen, mit denen sich die Treibhaus- dabei auf die Potenziale einer ausgeweiteten Vergärung von
gasemissionen der Landwirtschaft, die zwischen 1990 und Gülle in Biogasanlagen sowie eines effizienteren Einsatzes von
2018 um 20 Prozent gesunken sind, weiter reduzieren ließen. Düngemitteln.
In allen Studien wird beispielweise auf das Potenzial für eine Es gibt jedoch auch Unterschiede in den Minderungsstrate-
Ausweitung der Vergärung von Gülle in Biogasanlagen verwie- gien der betrachteten Szenarien. Diese Unterschiede verdeut-
sen und ein effizienterer zukünftiger Einsatz von Düngemitteln lichen, dass verschiedene Pfade in Richtung Klimaneutralität
unterstellt, aus denen treibhauswirksames Lachgas entsteht. In denkbar sind und dass es derzeit noch abweichende Einschät-
der Studie für das Umweltbundesamt von 2019 wird zudem ein zungen in Wissenschaft und Gesellschaft in Bezug auf eine
Abbau der Tierbestände infolge eines angenommenen geringe- wünschenswerte oder am ehesten realisierbare Kombination
ren Fleischkonsums und rückläufiger Fleischexporte unterstellt. von Klimaschutzstrategien gibt.
In der Studie für den BDI wird die Reduzierung des Rinderbe- Deutliche Unterschiede gibt es unter anderem bezüglich
standes hingegen nur als eine Option bezeichnet, falls sich der der Frage, ob die CO2-Abscheidung und -Speicherung – wie im
Methanausstoß der Rinder nicht durch noch in Entwicklung be- Szenario 95 %-Pfad des BDI von 2018 – zukünftig eine zentrale
findliche organische Futtermittelzusätze („Methanpille“) in be- Rolle zur Minderung der Emissionen aus Industrie (inkl. indus-
deutendem Maße reduzieren lassen sollte. In der Studie für Ago- trieller Kraftwerke) und Abfallwirtschaft spielen sollte oder ob
ra Energiewende von 2020 wird wiederum als Fortschreibung diese Option insbesondere in Hinblick auf die gesellschaftliche
der Entwicklungen der vergangenen Jahre eine Verschiebung Akzeptanz so weit wie möglich begrenzt werden sollte (wie im
des Fleischkonsums hin zu mehr Geflügel und weniger Rind an- Szenario TM95) bzw. vielleicht sogar ganz verzichtbar ist (wie
genommen. Aufgrund der stärkeren Klimawirkung von Rindern im Szenario GreenSupreme). Auch hinsichtlich der Frage, ob in
führt dieser Trend zu einer gewissen Reduktion des Treibhaus- den kommenden Jahrzehnten deutliche Verschiebungen in
gasausstoßes der Landwirtschaft. Richtung klimafreundlicher Lebensstile bzw. Konsumgewohn-
heiten angenommen werden können, unterscheiden sich die
Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen den Szenarien. Ebenfalls gibt es unterschiedliche Einschätzungen
betrachteten Szenarien in Bezug auf die Höhe und Zusammensetzung des zukünftigen
Die betrachteten Szenarien aus verschiedenen Studien legen Energieimports. So wird vielfach ein starker Import kohlen-
nahe, dass Deutschland alleine mit gegenwärtig einsatzberei- stoffhaltiger synthetischer Energieträger angenommen, wäh-
ten sowie absehbar verfügbaren Technologien bis Mitte des rend im Szenario KN2050 mehr Wasserstoff als synthetische
Jahrhunderts seine Treibhausgasemissionen gegenüber 1990 Energieträger importiert wird.
um mindestens 95 bis 97 Prozent reduzieren könnte. Eine solch Schließlich gibt es vor dem Hintergrund der Frage der ge-
weitgehende Minderung der Emissionen könnte das von der sellschaftlichen Akzeptanz neben der grundsätzlichen Einig-
Bundesregierung und der EU verfolgte Ziel der Klimaneutrali- keit zur hohen Bedeutung des Ausbaus erneuerbarer Energien
tät erreichbar machen, sofern es gelingt, die nicht vermiede- in den Szenarien unterschiedliche Einschätzungen, wie viel
nen Restemissionen zu kompensieren – entweder über techni- des grundsätzlich vorhandenen Potenzials bis 2050 genutzt
sche Maßnahmen wie die Abscheidung und Speicherung von werden kann und wie sich die relative Bedeutung von Photo-
CO2 aus der Verbrennung von Biomasse oder über eine gezielte voltaik, Windenergie an Land und Windenergie im Meer ent-
Stärkung natürlicher CO2-Senken wie Wälder und Moore. wickeln wird.
Klimapolitik in der
öffentlichen Diskussion
In den vergangenen sechs Jahrzehnten sind Natur, Umwelt und wissenschaftliche
Erkenntnisse über den Zusammenhang von Umweltschäden und
Klimaveränderungen auf ein wachsendes Interesse der Öffentlichkeit gestoßen.
Zivilgesellschaftliche Initiativen, die Umweltbewegung, Umweltverbände
und zuletzt Fridays for Future mobilisierten mit ihrem Engagement
zwar die (internationale) politische Ebene. Doch politische Maßnahmen
müssen vielfältigen Interessen gerecht werden und bedürfen möglichst breiter
gesellschaftlicher Akzeptanz, um Wirkung zu entfalten.
Isländische Schülerinnen und Schüler sowie Studierende folgen am 15. März 2019 dem Aufruf der
Fridays For Future-Bewegung und beteiligen sich in Reykjavik an dem weltweiten Klimastreik für
eine nachhaltige Klimapolitik.
snapshot-photography / T.Seeliger / Süddeutsche Zeitung
Klimapolitik im engeren Sinne entstand mit Beginn der 1990er- 1970er-Jahren entstanden und deren Strukturen sich mit der
Jahre. Seitdem ist in der Öffentlichkeit das Bewusstsein für den Zeit verfestigten.
menschengemachten Klimawandel und seine Risiken etwa in Zur gleichen Zeit beobachteten Wissenschaftlerinnen und
Gestalt der Erderwärmung und der Zunahme extremer Wet- Wissenschaftler eine Erwärmung der Erde seit der Industriali-
terereignisse stark gestiegen. Umweltpolitik hingegen reicht sierung, forschten und diskutierten über den Treibhauseffekt.
historisch noch weiter zurück und beinhaltet auch Probleme, Anfang der 1990er-Jahre gab es dann einen gesicherten wis-
die nicht direkt mit dem Klimawandel in Verbindung gebracht senschaftlichen Konsens darüber, dass es den menschenge-
wurden und werden, wie zum Beispiel den Erhalt der Arten- machten Klimawandel durch Treibhausgase, vor allem durch
vielfalt, Lärmschutz oder Kritik an der Gentechnologie. Kohlendioxid (CO2), gibt. Der Weltklimarat begann seine Be-
richte zum Klimawandel zu veröffentlichen.
Die Umweltbewegung hatte schon vor den 1990er-Jahren
auf umweltschädigende Tatbestände hingewiesen, wie zum
Klimaschutz als soziale Bewegung Beispiel die Verbrennung fossiler Energie, die Luftverschmut-
HENRIKE KNAPPE zung, das Waldsterben sowie die industrielle Land- und Vieh-
wirtschaft, die ursächlich mit zum Klimawandel beitrugen.
Der Klimawandel an sich war allerdings noch kein herausste-
1962 beschrieb Rachel Carson in ihrem Buch Silent Spring chendes Thema. So war es auch in der DDR, wo es ab Anfang
(Stummer Frühling) das massenhafte Vogelsterben durch in- der 1980er-Jahre Umweltgruppen gab, die sich meistens unter
dustriell eingesetzte Pestizide und regte ihre Leserinnen und dem Dach der evangelischen Kirchen organisierten. Die Mög-
Leser an, sich vorzustellen, wie nach einem Winter im Frühjahr lichkeiten zu protestieren waren dort allerdings viel begrenz-
keine Vogelstimmen mehr erklingen, sondern die Natur ein- ter als in der alten Bundesrepublik und so konzentrierten sich
fach stumm bleibt. Diese Vorstellung drohender Naturzerstö- viele DDR-Umweltaktivistinnen und -aktivisten darauf, prakti-
rung mobilisierte viele Menschen auch in der Bundesrepublik schen Naturschutz, also beispielsweise den Schutz von Lebens-
Deutschland dazu, gegen die industrielle Umweltzerstörung räumen für Tiere oder von Naturlandschaften, zu betreiben
zu protestieren. Die moderne Umweltbewegung war geboren. und einen ökologischen Lebensstil vorzuleben.
Anfangs informell organisiert und einem bestimmten Ziel ge- Erste Vorzeichen der heutigen Klimaproteste deuteten sich
sellschaftlichen Wandels verpflichtet, gehörte sie zu den soge- in der Umweltbewegung der 1970er- und 1980er-Jahren jedoch
nannten neuen sozialen Bewegungen, die in den 1960er- und schon an. So wurde verstärkt die Erde als Ganzes in den Blick
genommen. Es ging nicht mehr „nur“ darum, gegen Fabriken
an bestimmten Orten oder die Wasserverschmutzung in be-
stimmten Flüssen zu protestieren: Die moderne Umweltbe-
wegung machte nun vielmehr darauf aufmerksam, dass das
Überleben des Planeten als Ganzes durch Umweltzerstörung
picture alliance / Nicolas Armer / dpa | Nicolas Armer
gefährdet sei.
In den 1990er-Jahren erlebte die Umweltbewegung einen
Globalisierungsschub. Es begann die Zeit der globalen Klima-
konferenzen. So zog es viele nun bereits fest etablierte Umwelt-
verbände – wie WWF, Greenpeace oder den BUND – auch auf
die internationale Ebene, wo sie zunehmend Gehör fanden
und sich zu weltweiten Koalitionen zusammenschlossen. Die
vormalige Umweltbewegung wurde vielfältiger, anerkannter
und internationaler in ihren Themen und Aktionsformen.
Eine richtige „Bewegung“ begann erst wieder im Sommer
2018, als sich Greta Thunberg das erste Mal vor den schwedi-
schen Reichstag setzte und ihren Klimastreik begann. Am 15.
März 2019 fand der erste global organisierte Protesttag der nun
gegründeten Bewegung Fridays for Future (FFF) statt. An ihm
nahmen nach Angaben der Organisatorinnen und Organisa-
toren 300 000 Menschen in Deutschland teil, was in der Ein-
schätzung des Instituts für Protest- und Bewegungsforschung
(ipb) als beeindruckender Mobilisierungserfolg der Bewegung
gewertet wird.
… und in Bonn blockiert ein Aktivist von Extinction Rebellion am 15. Mai 2021 eine innerstädtische Straße, um im
Rahmen der Aktion Rebellion of One (Ro1) gegen die Zerstörung von Natur und Umwelt zu protestieren.
picture alliance / SZ Photo | Rainer Unkel
Gleichzeitig beteiligen sich an den Demonstrationen viel mehr Sozialer Ausgleich als wichtige Zielsetzung
Frauen als sonst bei früheren Protesten, fast 60 Prozent sind Der zweite Forschungsbericht der Monitoring-Kommission
weiblich laut ipb-Studie. Auch die führenden Personen der Be- „Energie der Zukunft“, den das Bundesministerium für Wirt-
wegung, allen voran Greta Thunberg und in Deutschland Luisa schaft und Energie 2019 herausgegeben hat, zeigt eine soziale
Neubauer, sind weiblich. Trotzdem ist auch FFF eine Bewegung, Schieflage zwischen unterschiedlichen Einkommensgruppen
die, ähnlich wie die früheren Umweltproteste, stark der Mittel- auf und empfiehlt der Bundesregierung, einer Energiearmut
schicht entstammt und vornehmlich weiß ist. entgegenzuwirken.
All diese Merkmale, die die Themen und Aktionsformen von Energiearmut ist in Deutschland nicht eindeutig definiert.
FFF und Extinction Rebellion voneinander und von früheren Das Sozialgesetzbuch (SGB) berücksichtigt bei der Grundsiche-
Umweltbewegungen unterscheiden, lassen sich zum Teil mit rung für Arbeitssuchende (SGB II) und Sozialhilfe (SGB XII), die
den spürbaren Folgen des vorangeschrittenen Klimawandels das Existenzminimum für ein menschenwürdiges Leben ga-
erklären. Auf das Erkennen und die Bekämpfung weltweiter rantieren soll, auch den Energiebedarf. In einer Analyse über
Probleme in der Umweltzerstörung seit den 1970er-Jahren Energiearmut als soziales Problem hat ein Forscherteam der
folgte mit der wissenschaftlich gesicherten Erkenntnis der Erd- Universität Siegen vereinfachend als Indikator festgelegt: „Ein
erwärmung und ihrer inzwischen (etwas durch Dürresommer) Haushalt gilt als energiearm, wenn dessen (OECD-gewichtetes)
deutlich spürbaren Folgen die Einsicht in ein umfassenderes Haushalts-Nettoeinkommen nach dem Abzug der (OECD-ge-
Problem, das für das Leben auf unserem Planeten existenziell wichteten) Energiekosten unter der 60-Prozent Armutsgefähr-
bedrohlich wird. Gleichzeitig zeigten sich Regierungen und dungsschwelle liegt“. Als armutsgefährdet gelten Personen,
Gesellschaften in den vergangenen Jahrzehnten nicht in der deren Einkommen weniger als 60 Prozent des mittleren Ein-
Lage, den Klimawandel effektiv aufzuhalten. Aus diesen wi- kommens beträgt. Nach Maßgabe dieses Indikators waren im
dersprüchlichen Eindrücken speist sich das Engagement der Jahr 2008 21,5 Prozent der 39,5 Millionen deutschen Haushalte
gegenwärtigen sozialen Klimabewegungen. von Energiearmut bedroht.
Geringverdienende – in schlecht isolierten Mietwohnungen
in den Außenbezirken der Städte, weit entfernt von ihren Ar-
beitsstätten und zum Pendeln gezwungen – waren 2017 stärker
Verteilungsfragen von den Kosten der Energiewende betroffen als Haushalte mit
höherem Einkommen: Bei niedrigen monatlichen Nettoein-
CHRISTINA CAMIER
kommen von weniger als 1300 Euro belief sich der Anteil der
Energieausgaben auf rund 11 Prozent der gesamten Konsum-
Die Klimaschutzziele der Bundesregierung führen zu einem ausgaben. Allein die Ausgaben für Heizung, Kochen und Strom
Umbau des Energiesystems, der sich weitreichend auf die machten bei Geringverdienenden fast 9 Prozent aus. Bei Haus-
Gesellschaft auswirkt. Dabei gewinnen Gerechtigkeits- und halten mit durchschnittlichem Einkommen betrug der Anteil
Verteilungsfragen an Bedeutung: Wie werden die mit dem dieser Ausgaben nur knapp 6 Prozent.
Umbau des Energiesystems verbundenen Kosten und Nutzen In dem vom Bundesforschungsministerium geförderten Ko-
gerecht verteilt? Vor welchen Belastungen und Entlastungen pernikus-Projekt Energiewende-Navigationssystem (ENavi)
stehen die privaten Haushalte? Wie sieht eine sozial gerech- hat ein Forscherteam im Jahr 2019 Kriterien aufgestellt, die so-
te Nachhaltigkeit aus, die sicherstellt, dass die Belastungen ziale Nachhaltigkeit von Klimaschutzmaßnahmen aus unter-
nicht gerade die Gruppen in der Bevölkerung treffen, die sie schiedlichen Perspektiven beschreiben: Effektivität, Kosten-
sich am wenigsten leisten können? effizienz und Resilienz bewerten die Beiträge zu energie- und
Eine sozialverträgliche Kostenverteilung trägt entscheidend klimapolitischen Zielen sowie die Kosten der Zielerreichung.
dazu bei, dass auch finanziell schwächere Haushalte ohne all- Nebenwirkungen werden unter den Aspekten wirtschaftliche
zu große Belastungen Klimaschutzmaßnahmen umsetzen Planungssicherheit und Beitrag zur gesellschaftlichen Wohl-
können. Je umfassender die Gesellschaft die Energiewende fahrt, Schutz der menschlichen Gesundheit, Umwelt- und
unterstützt, desto größer wird die Widerstandsfähigkeit des Ressourcenschonung sowie Förderung des sozialen Zusam-
komplexen Energiesystems. menhalts betrachtet. Legitimität, ethische Akzeptabilität und
Höchstrichterliche Mahnung
[…] Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts – kein Urteil, Emission von Treibhausgasen verbunden und damit nach
weil nur schriftlich ergangen – könnte sich […] als „epochal 2030 von drastischen Einschränkungen bedroht sind“, heißt es
für den Klimaschutz“ erweisen. Erstmals hat das Gericht den in der Entscheidung. Die Freiheit als Nullsummenspiel: Wenn
Gesetzgeber zu konkreten Maßnahmen im Kampf gegen den sie heute zu großzügig und klimaschädlich ausgeschöpft wird,
Klimawandel verpflichtet. Das Programm, das Bundestag und dann wird sie morgen umso erdrückender eingeschränkt wer-
Bundesregierung bis Ende des nächsten Jahres abzuarbeiten den. Das Gericht spricht von einer „intertemporalen Freiheits-
haben, klingt zwar überschaubar. Sie müssen den Fahrplan sicherung“, ein Begriff, der den Brückenschlag über die Genera-
für die Zeit nach 2030 festlegen, also die weitere Reduktion tionen hinweg ins Grundgesetz importiert.
der Treibhausgas-Emissionen, um die Ziele des Pariser Klima- Und schließlich drittens: Sollte irgendjemand in politischer
schutzabkommens zu erfüllen – die Begrenzung des Tempe- Verantwortung sich nun darüber freuen, dass man den Karls-
raturanstiegs auf deutlich unter zwei und möglichst auf 1,5 ruher Beschluss heftig loben kann, aber zugleich nicht viel
Grad. Das Klimaschutzgesetz hingegen, mit seinem Etappen- unternehmen muss, dürfte dies ein Fehlschluss sein. Nicht nur,
ziel einer Verringerung der Emissionen bis 2030 um 55 Prozent weil das Gericht dem Gesetzgeber eine „besondere Sorgfalts-
gegenüber 1990, bleibt zumindest formal unangetastet. pflicht“ auch zugunsten künftiger Generationen aufgibt, nicht
Jedoch hat der Beschluss […] das Potenzial, dem Gesetzge- nur, weil es verlangt, den Übergang zu Klimaneutralität recht-
ber in Klimaschutzfragen das Bundesverfassungsgericht als zeitig einzuleiten, nicht nur, weil es schreibt, man könne sich
dauerhaften Mahner und gelegentlichen Antreiber zur Seite nicht hinter anderen Staaten verstecken. Es wird vor allem ein
zu stellen. Erstens ist nun die bisher umstrittene Klagebefug- Satz sein, der die Klimapolitik künftig verfassungsrechtlich
nis geklärt. Bürger und Aktivistinnen können Klimaschutz unter Druck setzen wird.
einklagen, übrigens sogar dann, wenn sie, wie einige der Be- Der Klimaschutz, den das Gericht auch ohne ausdrückliche
schwerdeführer, aus Bangladesch oder Nepal kommen. Dem Erwähnung in Artikel 20a Grundgesetz verankert sieht, genie-
Gericht wird es in Zukunft nicht an Verfassungsbeschwerden ße zwar keinen unbedingten Vorrang, sondern müsse in der
zum Klimaschutz mangeln. Abwägung mit anderen Gütern und Prinzipien in Ausgleich
Zweitens, und noch wichtiger: Grundrechte können auch gebracht werden. „Dabei nimmt das relative Gewicht des Kli-
dann heute und aktuell verletzt sein, wenn die spürbaren maschutzgebots in der Abwägung bei fortschreitendem Kli-
Einschränkungen erst noch in der Zukunft liegen. Nach den mawandel weiter zu.“
Worten des Gerichts hat der Gesetzgeber hohe Lasten zur Min- Das bedeutet: Mit jedem Zehntel Grad Temperaturanstieg,
derung der Emissionen „unumkehrbar auf Zeiträume nach mit jedem verfehlten Klimaziel wächst die Schlagkraft des
2030“ verschoben. Will man aber das „Paris-Ziel“ erreichen, Grundgesetzes und damit die Rolle des Bundesverfassungsge-
dann muss man in den Jahren danach die Maßnahmen zur richts als Supervisor in Sachen Klimaschutz. […] Das Bundes-
Reduktion der Treibhausgase immer dringender und kurzfris- verfassungsgericht ist künftig beim Kampf gegen den Klima-
tiger ergreifen. „Von diesen künftigen Emissionsminderungs- wandel mit im Spiel. […]
pflichten ist praktisch jegliche Freiheit potenziell betroffen, Wolfgang Janisch, „Zum Klimaschutz gezwungen“, in: Süddeutsche Zeitung
weil noch nahezu alle Bereiche menschlichen Lebens mit der vom 30. April / 1.–2. Mai 2021
Mobilitätsprämie von 14 Prozent der erhöhten Pendlerpau- netz kommt jedoch nur schleppend voran. In Berlin wurde
schale. zum Beispiel im Juli 2018 ein Mobilitätsgesetz verkündet, das
Durch die CO2-Bepreisung erhöhen sich auch die Heizkosten. die Bausteine für eine umweltfreundliche und gleichzeitig
Die erhöhten Kosten, staatliche Prämien und Fördergelder sol- komfortable Berliner Mobilitätswende festlegte. Ein Netzplan
len Anreize schaffen, alte Ölheizungen gegen energieeffizien- für ein integriertes Radverkehrsnetz, das alle im Alltag wichti-
te Heizungsanlagen auszutauschen, energieeffiziente Fenster gen Standorte der Stadt schnell, sicher und bequem verbindet,
einzubauen sowie Wände und Dächer zu dämmen. Davon kön- sollte binnen eines Jahres nach Inkrafttreten des Gesetzes, also
nen jedoch nur Eigenheimbesitzer profitieren. Für Haushalte bis Juli 2019, erfolgen. Doch erst im Herbst 2020 wurde der Ent-
mit geringem Einkommen wurde im Januar 2021 beim Wohn- wurf eines Radverkehrsplans vorgelegt.
geld eine CO2-Komponente als Heizkostenzuschuss eingeführt. Die Ladeinfrastruktur für Elektromobilität soll bis 2030
Mobilität soll nachhaltiger und gleichzeitig bezahlbarer wer- auf eine Million Ladepunkte in Deutschland ausgebaut wer-
den. Rad- und Gehwege sowie der öffentliche Nahverkehr sollen den. Laut Ladesäulenkarte der Bundesnetzagentur waren im
ausgebaut werden. Für den Ausbau des öffentlichen Nahver- März 2021 erst rund 35 000 Normalladepunkte und über 5700
kehrs hat die Bundesregierung die Bundesfinanzhilfen des Ge- Schnellladepunkte im Betrieb.
meindeverkehrsfinanzierungsgesetzes sukzessive erhöht, von Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zur teilweisen
332 Millionen Euro im Jahr 2019 auf jährlich eine Milliarde Euro Verfassungswidrigkeit des Klimaschutzgesetzes verweist auf
ab 2021 und ab 2025 auf zwei Milliarden Euro. Das Bahnfahren eine verhältnismäßige, intertemporale Lastenverteilung der
wurde billiger, indem seit Januar 2020 die Mehrwertsteuer für Emissionsminderung. Um die in Art. 20a GG verankerten Entfal-
Tickets im Fernverkehr von 19 auf 7 Prozent gesenkt wurde. tungs- und Freiheitsrechte auch für zukünftige Generationen zu
Der Aufbau eines integrierten Umweltverbundes aus öffent- schützen, ist Klimaschutz schon heute verpflichtend und die erfor-
lichem Personennahverkehr (ÖPNV), Fuß- und Radverkehrs- derlichen Emissionsminderungen können nicht vertagt werden.
Die Bewertung politischen Handelns entsteht jedoch nicht in teil der Kosten tragen, während andere Akteure (beispielswei-
einem sozialen Vakuum. Auch die Ansichten und Haltungen se Unternehmen) hauptsächlich die Vorteile genießen. Auch
des persönlichen Umfeldes, beispielsweise Freunde oder Ar- das Gefühl, dass sie nicht ausreichend an dem Entscheidungs-
beitskollegen, prägen die eigene Haltung. Ebenso beeinflussen prozess beteiligt und ihre Interessen nicht ausreichend berück-
soziale Normen, also von anderen erwartetes und akzeptiertes sichtigt wurden, kann dazu führen, dass Klimaschutzmaßnah-
Verhalten, individuelle Einstellungen. Umweltfreundliche Ein- men abgelehnt werden.
stellungen im sozialen Umfeld können folglich dazu beitragen, Instrumente, die nachweislich zur Erreichung der Klima-
Klimaschutzmaßnahmen zu akzeptieren und zu unterstützen. schutzziele beitragen und daher als sinnvoll und effektiv
Der Grad des sozialen Einflusses wird jedoch auch von der Qua- wahrgenommen werden, erfahren grundsätzlich eine hohe
lität der Beziehung und dem Vertrauen zwischen den Personen gesellschaftliche Zustimmung. Insbesondere Maßnahmen,
bestimmt. Dies gilt nicht nur für den privaten Bereich. Vertrau- die einen individuellen, gruppenspezifischen oder wirtschaft-
en in die Kompetenz und Unbescholtenheit (Integrität) politi- lichen Nutzen versprechen – beispielsweise für die eigene Ge-
scher Akteurinnen und Akteure ist eine wichtige Einflussgrö- meinde oder das eigene Unternehmen –, erfahren eine hohe
ße in der Bewertung von (Klima-)Politik. Akzeptanz.
Bei politischen Instrumenten, die die persönliche Freiheit
Ausgestaltung und Umsetzung von Maßnahmen und bestehende Lebensgewohnheiten einschränken, sieht es
Trotz der großen Vielfalt politischer Maßnahmen zum Schutz dagegen anders aus: Je stärker die vermeintliche Einschrän-
des Klimas sowie ihrer Ausgestaltung – beispielsweise in Form kung, desto mehr sinkt die Akzeptanzbereitschaft. Im Allge-
von Verboten oder finanziellen Anreizen – gibt es einige gene- meinen werden anreizbasierte Maßnahmen (beispielsweise
relle Merkmale, die für ihre gesellschaftliche Akzeptanz von die Kaufprämie für Elektroautos) im Vergleich zu einschrän-
Bedeutung sind. kenden Maßnahmen (beispielsweise die Innenstadtmaut
Ein zentraler Faktor für die Akzeptanz von Energiepolitik ist für PKWs mit Verbrennungsmotoren) bevorzugt. Erstere sind
die wahrgenommene Fairness: Wie sind der Nutzen und das jedoch in der Regel weniger wirksam als letztere. Eine aufei-
Risiko verteilt, wer ist am politischen Entscheidungsprozess be- nander abgestimmte Kombination dieser beiden Maßnah-
teiligt? Die Akzeptanz sinkt, wenn bestimmte gesellschaftliche mentypen hat sich als die effektivste Form für nachhaltige Ver-
Gruppen (beispielsweise Bürgerinnen und Bürger) den Groß- haltensveränderungen herausgestellt.
Windkraftgegner der „Bürgerinitiative Gegenwind“ und „Aktionsbündnis Pro Natur“ demonstrieren im Mai 2019
in Berlin-Mitte unter dem Motto „Zum Schutz unserer Heimat, Natur- und Kulturlandschaften“. Sie fordern den
sofortigen Stopp des Ausbaus von Windenergie sowie eine Neuausrichtung der Energiepolitik.
snapshot-photography / M.Czapski / Süddeutsche Zeitung Photo
Spielplätze, in Kindergärten.
[…]. Den Vorwurf, die Windkraftanlagen seien „Schredder-
maschinen“ für die Vögel, nennen die Leute im Hunsrück „Kap-
pes“. Quatsch. Viele Rotmilane und Schwarzstörche hätten sich
wieder angesiedelt. Vögel also, an denen Windanlagen vieler-
orts scheitern. […]
Bundesweit geht der Ausbau neuer Anlagen zurück. Meist
sind fehlende Flächen, mangelnde Akzeptanz und langwie-
rige Klagen die Gründe. Mit Unverständnis blickt man im
Landkreis auf die Pläne der Bundesregierung, einen Mindest-
abstand von tausend Metern zu Wohngebieten einzuführen. Anreizbasierte Maßnahmen erfahren Akzeptanz: Windräder oberhalb der
Nur etwas mehr als 80 Anlagen sind bundesweit in der ersten Gemeinde Bell im Hunsrück, Rheinland-Pfalz, im Mai 2021
Fälschlicherweise wird in solchen Kreisen verbreitet, dass hier Behauptungen von Klimawandelskeptikern auf eine Stufe
die Aussage des Weltklimarates, die Klimaänderungen seien mit wissenschaftlichen Erkenntnissen gestellt werden.
vorwiegend menschengemacht, wissenschaftlich nicht gesi- Zum anderen sind auch das Internet und vor allem soziale Me-
chert sei. dien wie Facebook, Twitter und YouTube beliebte Kanäle für die
Klimafaktenleugner lehnen zudem meist Klimapolitik und Verbreitung von Falschmeldungen und skeptischen Botschaften
Maßnahmen zum Klimaschutz ab. Diese Ablehnung stützt zum Klimawandel. Die schnelle Verbreitung durch solche Medi-
sich unter anderem auf die Angst vor den sozialen Folgen des en, aber auch eine überproportionale Vertretung all dieser skep-
Klimaschutzes – wie möglichen Jobverlusten und höheren tischen Initiativen, birgt die Gefahr, dass ihre Behauptungen
Preisen für Benzin, auf wirtschaftliche Interessen oder sie be- auch ohne Fachwissen geglaubt und weiterverbreitet werden.
ruht auf Antipathien wie etwa gegenüber Windrädern in der Grundsätzlich bedienen sich Wissenschaftsverleugnungen
Landschaft. stets derselben Methoden: Sie verdrehen oder verfälschen
Skepsis gegenüber dem Klimawandel wird auch durch ver- Studienergebnisse, reißen Zitate oder Fakten aus dem Zu-
schiedene Medien, Zeitungen, Magazine oder Onlineangebote sammenhang heraus und bedienen sich nicht zuletzt auch an
verbreitet. Zum einen werden dort Artikel mit gegenteiligen Verschwörungserzählungen. Die Artikel zitieren häufig Kli-
vermeintlichen Fakten und Argumenten veröffentlicht oder es mastudien aus Fachzeitschriften und wirken somit zunächst
wird bekannten Klimawandelskeptikern eine Plattform gebo- wissenschaftlich. Erst auf den zweiten Blick fällt auf, dass sie
ten. Generell erscheinen klimaskeptische Beiträge gehäuft im nur jene Studien zitieren, die passende Ansatzpunkte für ihre
Zeitraum vor und nach Klimatagungen der Vereinten Nationen. Argumentation hergeben und dann deren Kernaussagen ver-
Gegenüberstellungen, vermeintliche Streitgespräche und Dis- drehen, diese aus dem Kontext reißen und andere Studien un-
kussionen zwischen Wissenschaftlern und Klimaskeptikern erwähnt lassen. Zusätzlich setzen solche Artikel auf die Ängste
gehören aber auch in traditionellen Printmedien zu beliebten von Menschen. Sie sprechen die emotionale Seite der Men-
journalistischen Formaten. Das ist insofern problematisch, als schen an und lassen Rationalität und Vernunft außer Acht.
Globale Klimapolitik Jahre war der Erdgipfel 1992 in Rio de Janeiro bahnbrechend. Hier
CHARLOTTE UNGER wurde die Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen
(UNFCCC) beschlossen und die Industrienationen verpflichteten
sich zur Verringerung ihrer Treibhausgasemissionen. Sie ver-
Der Klimawandel macht als globales Problem vor keiner Re- sprachen (auf freiwilliger Basis), bis zum Jahr 2000 wieder ihre
gion dieser Erde halt. In den 1970er-Jahren begann durch ste- Emissionswerte aus dem Jahr 1990 einzuhalten.
tig wachsende wissenschaftliche Forschung, das Bewusstsein
über die globale Erderwärmung zu wachsen. Viele Länder Das Kyoto-Protokoll
stimmten nun zu, dass man der Herausforderung, den Klima- Erst einige Jahre später konnten sich die Länder auf ein recht-
wandel aufzuhalten, nur mit einem gemeinschaftlichen An- lich verbindliches Klimaabkommen einigen, das für die prak-
satz begegnen könne. tische Umsetzung der Rahmenkonvention sorgen sollte. Im
Von besonderer Bedeutung war die Einrichtung des Weltkli- Jahr 1997 wurde das Kyoto-Protokoll verabschiedet. Es dauerte
marats IPCC (siehe S. 24 ff.) im Jahr 1988. Nach den ersten inter- jedoch noch bis 2005, bis genug Länder das Abkommen rati-
nationalen Klimakonferenzen Ende der 1970er- und der 1980er- fiziert hatten, um es in Kraft treten zu lassen.
Fidschi /
Berlin Kyoto Bonn Marrakesch Mailand Montreal Bali Kopenhagen Durban Warschau Paris Bonn Madrid
1995 1997 1999 2001 2003 2005 2007 2009 2011 2013 2015 2017 2019
1992 1996 1998 2000 / 01 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 2016 2018
Rio de Genf Buenos Den Haag / Neu Delhi Buenos Nairobi Posen Cancún Doha Lima Marrakesch Kattowitz
Janeiro Aires Bonn Aires
Verlängerung Verabschiedung
UN-Konferenz über Gipfel scheitert; des Kyoto-Protokolls eines Regelbuchs,
Umwelt und Ent- 2001 Wiederaufnahme bis 2020 das die Umsetzung
wicklung („Erdgipfel“); und Einigung per Bonner des Pariser Klima-
Unterzeichnung Beschluss (ohne USA) schutzabkommens
der Klimarahmen- 2°C-Obergrenze offiziell anerkannt; ermöglicht
konvention und Aktionsplan für genaue Einrichtung des „Grünen Klimafonds“
der Agenda 21 Ausgestaltung der Kyoto-Vorgaben
bis 2000
picture-alliance / dpa | Pan-Asia Miyata
dem es die Summe der Minderungsverpflichtungen nur unter
ihnen aufteilte.
Zudem legte es konkrete Werkzeuge fest, wie die Länder im
Klimaschutz aktiv werden können. Wichtiger Bestandteil sind
sogenannte Markt- oder auch Kyoto-Mechanismen. Hier wer-
den in Klimaschutzprojekten entstehende Emissionsreduk-
tionen zertifiziert. Diese Zertifikate können verkauft werden.
Der Käufer (z. B. Länder oder Unternehmen) kann sie auf seine
eigenen Verpflichtungen zur Verringerung von Treibhausgas-
emissionen anrechnen und muss dann selbst, „zu Hause“ et-
was weniger tun.
Im „Internationalen Emissionshandel“, einem eigenständi-
gen Instrument unter dem Kyoto-Protokoll, handeln die Indus-
trieländer untereinander mit ihren durch das Kyoto-Protokoll
zugeteilten Emissionszertifikaten. Reduziert ein Land mehr als
sein festgelegtes Kyoto-Ziel, kann es überschüssige Zertifikate
Im Dezember 1997 einigen sich die UN-Mitgliedstaaten im japanischen Kyoto auf an ein anderes Land verkaufen. In sogenannten Joint Imple-
ein rechtsverbindliches Abkommen zum Schutz des Klimas. mentation-Projekten produzieren Projektbetreiber in Industrie-
ländern Emissionszertifikate, die sie an andere Industrieländer
weiterverkaufen.
Zunächst für eine Dauer von 2008 bis 2012 regulierte der Ver- Am weitesten verbreitet ist der Clean Development Mecha-
trag sechs der wichtigsten Treibhausgase: Kohlendioxid (CO2), nism (CDM). Hier erzeugen Klimaschutzprojekte in einem
Methan (CH4), Distickstoffmonoxid bzw. Lachgas (N2O), Fluor- Land des Globalen Südens Emissionszertifikate und veräußern
chlorkohlenwasserstoffe bzw. F-Gase (HFC) und perfluorierte diese an Industrieländer. Mit dem CDM wurde einerseits mehr
Kohlenwasserstoffe (PFC) sowie Schwefelhexafluorid (SF6). Vor- Flexibilität für Industrieländer geschaffen, anderseits hatten
gesehen war, deren Ausstoß um mindestens 5 Prozent unter damit auch die Länder des Globalen Südens die Möglichkeit,
das Niveau von 1990 zu senken, um „eine gefährliche vom zum Klimaschutz beizutragen und über den Verkauf von Zerti-
Menschen verursachte Störung des Klimasystems zu verhin- fikaten finanzielle Unterstützung zu erhalten.
dern“.
Das Abkommen enthielt auch eine Aufteilung in Industrie-
staaten und Entwicklungsländer. Heute wird meist von Län-
dern des Globalen Südens gesprochen, um die wertende Be-
zeichnung Entwicklungs- und Schwellenländer zu vermeiden. Solarbetriebene Heißwasserbereiter auf den Dächern
Das Kyoto-Protokoll versuchte der historischen Verantwortung der Siedlung Kuyasa am Rand von Kapstadt sind 2008
Südafrikas erstes Clean Development Mechanism
(CDM)-Projekt, unterstützt durch die UN.
Obwohl das Kyoto-Protokoll ein Meilenstein der internationa- fordern einen rechtlichen Anspruch auf einen (finanziellen)
len Klimapolitik war, hatte es auch viele Schwachstellen. Seine Ausgleich der Schäden, die sie durch den Klimawandel erleiden.
Mechanismen wurden als ineffizient kritisiert – beispielsweise Dem halten die Industrieländer entgegen, dass der Klima-
stand der CDM in Verruf, viele Schlupflöcher und gar Betrugs- wandel ohne die Mithilfe der Länder des Globalen Südens
geschäfte zuzulassen. Außerdem waren nicht alle großen nicht zu stoppen sei. Besonders wichtige Schwellenländer wie
Treibhausgasverursacher dabei: Die USA ratifizierten den Ver- China oder Indien, deren Wirtschaftswachstum Energiever-
trag gar nicht erst, Kanada trat im Jahr 2011 aus und andere brauch und Treibhausgasausstoß ansteigen ließ, sollten einen
große Treibhausgasverursacher wie Indien oder China hatten eigenen Beitrag zu den Minderungen leisten. Vor allem aber
keine Minderungsverpflichtungen. gibt es Vorbehalte in der Finanzierungsfrage. Die meisten In-
Zwar wurden die versprochenen Treibhausgasminderungen dustrieländer wollen sich nicht festlegen oder längerfristige
schließlich formal sogar übertroffen, aber das lag vor allem finanzielle Zusagen machen.
daran, dass große Treibhausgasverursacher wie die USA oder Diese Streitigkeiten machten es schwierig, sich auf die Kli-
Kanada nicht mehr dazu gezählt wurden. Ein weiterer großer mapolitik ab 2012, die Zeit nach dem Kyoto-Protokoll, zu eini-
Anteil der Minderungen resultierte aus der Stilllegung von In- gen. Die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen stritten über
dustrien nach Auflösung der Sowjetunion und dem Beitritt der Jahre hinweg und viele der jährlichen Verhandlungen endeten
DDR zur Bundesrepublik Deutschland und geschah bereits vor ohne nennenswerte Ergebnisse. Erst im Jahr 2012 wurde ver-
Unterzeichnung des Abkommens. Sie können deshalb streng einbart das Kyoto-Protokoll zu verlängern, jedoch mit weniger
genommen nicht als Erfolg des Abkommens gewertet werden. Erfolg. Große Treibhausgasverursacher wie die USA, Kanada,
Auch die Finanzkrise 2008/2009 verringerte die Produktion Japan und Russland oder aber China und Indien waren nicht
in den Industrieländern und ließ die Emissionen automatisch dabei. Die Staaten, die an der zweiten Periode des Kyoto-Proto-
schrumpfen. Schließlich erwies sich, dass einige Länder ihre kolls teilnahmen, waren insgesamt nur noch für knapp 15 Pro-
Ziele nur durch den massiven Kauf von Emissionszertifikaten zent der globalen CO2-Emissionen verantwortlich.
erreichten.
Es gibt daher viele Stimmen, – besonders aus der Wissen- Das Pariser Klimaabkommen
schaft –, die das Kyoto-Protokoll nicht als Erfolg werten, weil Positiv hervorzuheben ist vielleicht, dass in den ersten beiden
es dem schnellen weltweiten Emissionsanstieg nicht wirksam Jahrzehnten des neuen Jahrtausends langsam das Bewusstsein
Einhalt gebieten konnte. wuchs, dass Klimaschutz alle Lebensformen und -bereiche un-
serer Erde betrifft. Die internationale Klimaschutz-Zusammen-
Streit um die historische Verantwortung arbeit erweiterte sich deshalb um viele weitere Themen sowie
Bereits während der Verhandlungen zum Kyoto-Protokoll neue Akteurinnen und Akteure. So wurden nun beispielsweise
schwelte ein Streit zwischen Industriestaaten und Ländern des auch Anpassungsmaßnahmen zusätzlich zur Bekämpfung des
Globalen Südens. Die Konfliktlinien sind bis heute vorhanden. Klimawandels verhandelt.
Es geht darum, wer, wann wie viele Treibhausgase zu senken Nach Jahren zäher Verhandlungen stellte das Pariser Klima-
hätte und wie Treibhausgasminderung sowie Anpassung an abkommen einen Höhepunkt der internationalen Klimapolitik
den Klimawandel zu bezahlen seien. dar. Verabschiedet im Jahr 2015, trat es bereits etwa ein Jahr
Die Länder des Globalen Südens werfen den Industrieländern später in Kraft und betrifft die Zeit nach 2020.
vor, dass diese die Hauptverantwortung für den Klimawandel Der Vertrag legt ein übergeordnetes Ziel fest: Die Erderwär-
trügen. Historisch gesehen hätten sie, seit der Industriellen Re- mung soll „deutlich unter 2°C“ gehalten werden, und es sollen
volution die meisten Treibhausgase ausgestoßen und damit die weitere Anstrengungen unternommen werden, um den Tem-
bereits jetzt eingetretene Erwärmung von 1°C ausgelöst. peraturanstieg auf 1,5°C zu begrenzen. Denn der Weltklimarat
Der Globale Süden argumentiert, dass auch er ein Recht auf (IPCC) geht davon aus, dass die schlimmsten Folgen für den Pla-
industriellen Fortschritt und die damit einhergehenden Treib- neten noch abgewendet werden können, wenn die Erderwär-
hausgasemissionen habe. Daher sollten Industrieländer ihre mung auf 1,5°C begrenzt wird. Diese Annahme beruht auf einer
Treibhausgase (stärker) reduzieren, aber auch für die Kosten Berechnung eines Gesamtbudgets an Treibhausgasen, das der
des Klimawandels aufkommen. Hierfür wird der Begriff „Ver- Welt theoretisch noch zur Verfügung steht, bevor 1,5°C Erwär-
luste und Schäden“ benutzt. Viele Länder des Globalen Südens mung erreicht werden.
Im Pariser Klimaabkommen ist allerdings nur das 2°C-Ziel völ- Ein Ambitionsmechanismus legt fest, dass die Länder alle fünf
kerrechtlich verbindlich. Die Staaten konnten sich in den Ver- Jahre ihre NDCs überprüfen und nachbessern sollen. Nach der
handlungen nicht auf das anspruchsvollere Ziel von 1,5 Grad ersten NDC-Abgabe zur Verabschiedung des Abkommens 2015
einigen, da dies deutlich stärkere Anstrengungen verlangen findet die erste Updating-Runde demnach bereits 2020/2021
würde als die Begrenzung auf 2°C. Und so bleibt das 1,5°C-Ziel statt. Die EU hat Ende 2020 eine neue NDC vorgelegt, die bei-
vage und nur richtunggebend, aber dennoch Bestandteil des spielsweise auch eine Verstärkung ihres Minderungsziels
Vertrags. beinhaltet. Alle fünf Jahre findet außerdem eine globale Be-
Außerdem enthält das Pariser Klimaabkommen ein lang- standsaufnahme (Global Stocktake) statt, in der geschaut wird,
fristiges Ziel. Es geht darum, den Scheitelpunkt des Treibhaus- was von den Ländern versprochen und was tatsächlich erreicht
gasausstoßes so schnell wie möglich zu erreichen, um in der wurde. Einen ersten Ansatz dazu machte hier 2018 der „Tala-
zweiten Jahrhunderthälfte möglichst zu Netto Null-Emissio- noa-Dialog“, eine erste Bestandsaufnahme, um herauszufin-
nen zu gelangen. Die sogenannte Klimaneutralität bedeutet, den. wo die Länder hinsichtlich ihrer Klimaschutzbemühun-
dass nicht mehr klimaschädliche Gase ausgestoßen werden gen stehen. Das erste richtige Global Stocktake wird im Jahr
als von der Natur durch sogenannte Senken, wie beispiels- 2023 erwartet.
weise Wälder oder Ozeane, wieder aufgenommen werden Transparenz soll hergestellt werden, indem die Länder sich
können. Es bezeichnet also den Zustand, in dem zwischen gegenseitig und der Öffentlichkeit gegenüber Bericht über die
dem Ausstoß und der Aufnahme von Klimagasen ein Gleich- Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen erstatten. Die syste-
gewicht herrscht. matische Transparenz- und Rechenschaftspflicht ist deshalb
Zusätzlich zu den Temperatur-Zielen wurde die Anpassung auch der Kontrollmechanismus des Pariser Abkommens.
an den Klimawandel als weiteres Ziel in das Pariser Abkom- Ein neuer wichtiger Punkt wurde besonders von der Gruppe
men aufgenommen. Widerstandsfähigkeit und der Umgang der kleinen Inselstaaten und den am wenigsten entwickelten
mit den Folgen des Klimawandels sind somit deutlich wichti- Ländern vorangebracht: das Thema der Verluste und Schäden,
ger geworden. die gerade ihnen durch den Klimawandel jetzt schon bzw. zu-
Im Herzstück des Abkommens haben sich zum ersten Mal künftig entstehen. Hier wollen die Staaten vor allem stärker
nicht nur die Industrieländer, sondern auch die Länder des Glo- zusammenarbeiten, ein gemeinsames Risikomanagement
balen Südens darauf geeinigt, ihre Emissionen zu senken. Sie und Lösungsvorschläge erarbeiten. Eine Einigung auf Ver-
haben sogenannte nationale Beiträge vorgelegt (Nationally antwortlichkeiten, die die Industrieländer als Hauptverursa-
Determined Contributions, NDCs), in denen sie angeben, wie cher der Klimaschäden stärker in die Pflicht genommen hät-
viel und auf welche Weise sie ihre Treibhausgase reduzieren te, konnte jedoch nicht erreicht werden und so gibt es keine
wollen. Beispielsweise hat die EU für all ihre Mitgliedstaaten Möglichkeit, eine Kompensation oder Haftung für Folgen des
eine gemeinsame NDC vorgelegt. Diese sieht ein Ziel von 40 Klimawandels unter dem Vertrag zu fordern. Damit bleibt das
Prozent (bis 2030, gegenüber 1990) vor, das wiederum auf die Abkommen weit hinter dem zurück, was sich viele Länder des
EU-Mitgliedstaaten aufgeteilt wird. Globalen Südens erhofft haben.
Ein erstes festes Klimaziel verkündete Deutschland dann zur Contributon, NDC) enthielt unter anderem das Ziel, bis 2030 die
Jahrtausendwende 1999/2000 auf der UNFCCC-Konferenz in Treibhausgase um 40 Prozent (in Vergleich zu 1990) zu senken,
Bonn: die Senkung des CO2-Ausstoßes um 25 Prozent gegen- die aktualisierte Fassung steigert die Anforderung nun auf 55
über 1990 bis zum Jahr 2005. Das Ziel wurde in einem Nationa- Prozent. Auch dieses Ziel teilen sich die Mitgliedstaaten.
len Klimaschutzprogramm verankert. Die EU trat als Gemein-
schaft bei den internationalen Klimaverhandlungen auf und Die EU und ihre Klimapolitik – ein starker Akteur
legte sich auf einen gemeinsamen EU-Klimaschutzbeitrag Durch ihr starkes Auftreten in der Klimapolitik wird deutlich,
fest. Sie versprach 8 Prozent ihrer Treibhausgase im Zeitraum dass die EU in diesem Politikfeld weltweit eine zentrale Rolle
2008–2012 (gegenüber 1990) zu reduzieren. Dieses Ziel wurde einnimmt. Das hat sich über die Jahre noch verstärkt. Zwar
in der EU unter den Mitgliedstaaten aufgeteilt, und je nach spielen auch die einzelnen Rechtsprechungen in den Mitglied-
Größe, Wohlstand und Kapazitäten musste jedes EU-Land staaten eine wichtige Rolle, aber die EU hat die Gesetzgebungs-
einen unterschiedlichen Anteil erbringen. Die Minderungen initiative. Sie gibt den klimapolitischen Rahmen vor, indem sie
mussten von den EU-Ländern durch eigene Instrumente um- Direktiven, Pläne, Roadmaps und andere Instrumente erstellt.
gesetzt werden. Richtungsweisend sind derzeit auf kurze Frist das 2020 be-
Deutschland schrieb beispielsweise sein Nationales Klima- schlossene Klima- und Energiepaket auf mittlere Frist der Kli-
schutzprogramm fort und setzte sich im Jahr 2007 das neue ma- und energiepolitische Rahmen bis 2030 und schließlich
Ziel, seine Treibhausgase bis 2020 um 40 Prozent (im Vergleich die 2050-Langfrist-Strategie.
zu 1990) zu reduzieren. Aber bereits in dieser Zeit zeigte sich, In der EU ist die „Generaldirektion (GD) Klima“ als Teil der
dass ehrgeizige Zielsetzungen nicht unbedingt ausreichende EU-Kommission für die Klimapolitik hauptverantwortlich,
Emissionsminderungen nach sich zogen. Deutschland verfehl- auch wenn andere Generaldirektionen, wie beispielsweise die
te sein erstes Ziel für 2005 und konnte auch sein Ziel für 2020 GD Energie, die GD Umwelt oder auch die GD Wettbewerb, an
nur knapp, nach einem Coronavirus-Pandemie-bedingten vielen politischen Maßnahmen mitwirken. In Deutschland ist
Rückgang der Emissionen, erreichen. Nach der wenig erfolg- vor allem das Bundesumweltministerium (BMU) zuständig,
reichen zweiten Verpflichtungsperiode des Kyoto-Protokolls aber auch andere Ministerien, wie beispielsweise das Bundes-
hat sich die EU im Pariser Abkommen 2015 zu neuen Zielen wirtschaftsministerium (BMWi) oder das Bundesforschungs-
verpflichtet. Ihr „nationaler“ Beitrag (Nationally Determined ministerium (BMBF), sind beteiligt. Seit Ende 2019 haben zu-
dem alle Ressorts die Aufgabe, Klimaziele in ihren Bereichen Der europäische Green Deal
umzusetzen. Von der EU-Kommission vorgeschlagene Maßnahmen für ein
Klimapolitik ist ein sehr komplexer Prozess, in dem es zum klimaneutrales Europa bis 2050
Zusammenspiel, aber auch zu Konflikten zwischen der EU und
ihren Mitgliedstaaten kommt. Zwar ist das eigentliche politi- Klimaschutz Energie
sche Verfahren gesetzlich geregelt. Die EU-Kommission macht ¬ Bis 2030: Senkung der Treibhaus-
Vorschläge, es finden Abstimmungsprozesse mit den anderen gasemissionen um mindestens ¬ Dekarbonisierung
EU-Organen und ein gut geregeltes Konsultationsverfahren 50 % gegenüber 1990 ¬ Strategie für die Offshore-Wind-
¬ Ein Europäisches Klimagesetz soll energie
mit den Mitgliedstaaten statt. Es gibt jedoch auch viele in- das Ziel der Klimaneutralität ver- ¬ Energieeffizienz von Gebäuden ver-
formelle Absprachen, während derer Themen vorabgestimmt bindlich machen bessern
¬ CO2-Bepreisung von Einfuhren
und Weichen gestellt werden.
Deutschland hat als großes und finanzstarkes EU-Land eine Industrie Mobilität
wichtige Rolle und oft auch eine Veto-Position. Einerseits kön-
¬ Strategie für eine klimaneutrale ¬ Strategie für nachhaltige und
nen Deutschlands Vorstöße – so etwa die Auftritte der Kanzle- und kreislauforientierte Produktion intelligente Mobilität
rin bei den UN–Gipfeln – eine positive Signalwirkung erzielen.
Biodiversität Landwirtschaft
Anderseits lassen sich auch viele Beispiele nennen, bei denen
Deutschland die EU-Klimapolitik eher gebremst hat; beispiels- ¬ Strategie „Vom Hof auf den Tisch“
weise als es darum ging, ob der Emissionshandel freiwillig oder ¬ erhalten und wiederherstellen ¬ Einsatz von Pestiziden, Düngemit-
teln und Antibiotika reduzieren
bindend eingeführt werden sollte oder ob CO2-Grenzwerte für
die Automobilindustrie beschlossen werden sollten. Null-Schadstoff-Ziel Gerechter Übergang
Häufig entstehen die Schwierigkeiten auf innenpolitischer ¬ Schadstoffe in Luft, Wasser und ¬ Hilfen für vom Wandel besonders
Ebene. In Deutschland kommt es beispielsweise zu Abstim- Boden auf Null senken betroffene Wirtschaftsbereiche
mungskonflikten zwischen den Ministerien für Umwelt, Wirt- Europäischer Klimapakt EU als Vorreiter
schaft und Landwirtschaft oder aber zum Widerstand von
Interessengruppen aus der Industrie, die damit drohen, bei ¬ Lokale Gemeinschaften, Regionen,
Zivilgesellschaft und Unternehmen ¬ mit Vorbildfunktion in der Welt
steigenden Kosten für den Klimaschutz Arbeitsplätze zu strei- zusammenbringen
chen.
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Der Green Deal
Die Entwicklungen der vergangenen Jahre haben gezeigt, dass
auch in der EU die Klimapolitik noch erheblichen Verbesse- festzuschreiben. Der Green Deal versteht sich als übergreifen-
rungsbedarf hat. Die EU legte deshalb Ende 2019 eine neue des Instrument, das einzelne Wirtschaftssektoren, wie Energie,
Strategie vor. Der sogenannte Green Deal soll vor allem Klima- Gebäude, Verkehr und Landwirtschaft, betrifft, aber auch be-
schutz, aber auch Themen wie Gesundheit, Umwelt und Nach- stimmte Themenfelder, wie beispielsweise den Ausstoß des
haltigkeit stärken. Treibhausgases Methan, in den Schwerpunkt nimmt. Mit einem
Unter anderem sieht der Green Deal vor, ein bindendes Kli- Mix aus konkreten EU-Instrumenten und von den Mitglieds-
magesetz zu verabschieden. Außerdem schlägt die EU-Kom- ländern zu erbringenden Anstrengungen sollen die Heraus-
mission vor, das Treibhausgasminderungsziel von derzeit 40 forderungen gemeistert werden. Seitens der EU gehören dazu
auf 55 Prozent anzuheben und die Klimaneutralität bis 2050 finanzielle Förderungen wie etwa der EU-Just Transition Fund;
picture alliance / REUTERS | FRANCOIS LENOIR
ein Mechanismus, der sicherstellen soll, dass der Übergang zu Luftfahrt. Im Landwirtschaftsbereich will die EU das Ziel errei-
einer klimaneutralen Wirtschaft fair verläuft. chen, dass 25 Prozent der Flächen durch Biolandbau betrieben
Mit dem Green Deal setzt die EU auf eine Mischung aus Vor- werden.
gaben und Flexibilität, das heißt auch Eigeninitiativen aus der Gegen Ende des Jahres 2020 ist der Green Deal jedoch nur
Wirtschaft. Häufig ist es einfacher, sich unter den vielen Mit- eine Strategie, und seine konkrete Ausgestaltung, zum Beispiel
gliedstaaten auf solche Pakete zu einigen. Der breite, multi- die Höhe der Treibhausgasminderungsziele, muss noch ab-
dimensionale Ansatz signalisiert außerdem, dass eine Wende gestimmt werden. Da sich aber nicht alle EU-Mitgliedstaaten
hin zu einer kohlenstoffarmen Lebensweise auf allen Ebenen über seinen Inhalt einig sind, ist noch unklar, wann das EU-Kli-
und in allen Bereichen stattfinden muss. magesetz verabschiedet wird.
Im Energiesektor liegt beispielsweise der Schwerpunkt auf
Energieeffizienz; hier gibt es bereits ein separates Ziel von 32,5 Das erste deutsche Klimaschutzgesetz
Prozent (des Primärenergieverbrauchs bis 2030). Auch soll die Die Bereiche Energie, Wohnen und Verkehr stehen auch in
Energieproduktion zukünftig weitgehend auf erneuerbaren Deutschland im Fokus des Klimaschutzes. Im Dezember 2019
Energien basieren. Dazu gehört ein Ausbau des Leitungsnetzes hat Deutschland zum ersten Mal in seiner Geschichte ein Klima-
für erneuerbare Energien und eine volle Ausschöpfung der Off- schutzgesetz verabschiedet und hierzu ein neues Klimaschutz-
shore-Windkraft. Ein anderer Aspekt ist die Verbesserung der programm vereinbart. Es verankerte die Treibhausgasneutrali-
Energie- und Ökolabels, beispielsweise zur Anzeige des Ener- tät bis 2050 und zunächst ein Minderungsziel von 55 Prozent bis
gieverbrauchs oder des Recyclinganteils eines Produktes. 2030. Dieses wurde jedoch bereits im Jahr 2021 auf 65 Prozent
Ein weiterer Schlüsselsektor des Green Deals ist der Gebäu- erhöht.
debereich., Er gilt als einer der größten Treibhausgasverursa- Besonders interessant an dem Gesetz ist, dass nun jedes Poli-
cher in der EU, weil zum Beispiel Heizung und Warmwasser tikressort eine eigene Verantwortung mit eigenen Zielen erhält.
häufig mit fossilen Brennstoffen erzeugt werden. Sein Umbau Nun müssen beispielsweise auch die Ministerien für Verkehr
hat sich jedoch als besonders schwierig herausgestellt. Die EU oder Landwirtschaft dafür sorgen, dass sie ihre Klimaziele ein-
möchte hier die jährliche Rate an sanierten Gebäuden verdop- halten, sie sehen sich also stärker in die Pflicht genommen. Eine
peln. Dafür müssen die EU-Mitgliedstaaten eine langfristige weitere wichtige Maßnahme ist eine zusätzliche Abgabe auf fos-
Gebäudesanierungsstrategie vorlegen und für die Zeit von sile Brennstoffe wie Heizöl, Gas, Benzin und Diesel. Ab dem Jahr
2021 bis 2030 nationale Energie- und Klimapläne vorbereiten. 2021 sind 25 Euro pro Tonne Treibhausgas fällig, mit einer jähr-
Durch die Summe der Maßnahmen aller Länder soll die EU ihre lich steigenden Rate. Es wird damit gerechnet, dass etwa durch
Ziele erreichen. die Verteuerung des Benzins an der Tankstelle (ca. 7 Cent pro Li-
Im Verkehr will die EU ihre Treibhausgase um 90 Prozent ter) ein Anreiz geschaffen wird, weniger Auto zu fahren. Dieser
bis 2050 reduzieren. Hier setzt man vor allem auf alternative Schritt ist auch daher wichtig, weil das Heizen von Gebäuden
Brennstoffe, wie den erneuerbaren Wasserstoff, oder den Aus- und der Verkehr vom EU-Emissionshandel ausgenommen sind.
bau der Ladestationen für Elektroautos und die Stärkung des Das Programm versucht außerdem, einen Gerechtigkeits-
Schienenverkehrs. Auch diskutiert die Politik die Ausweitung aspekt mit einzuschließen. Damit Menschen, die nur wenig
des Emissionshandels und hier über strengere Regeln für die verdienen, nicht benachteiligt werden, gibt es Maßnahmen,
picture alliance / dpa | Fabian Sommer
die die Kosten sozial ausgleichen: Dazu zählen beispielsweise Häufig drehen sich Diskussionen um die Wirksamkeit von Kli-
die Senkung des Strompreises, steuerliche Entlastungen oder maschutzinstrumenten. Fachleute sehen zum Beispiel voraus,
die Vergünstigung der Bahntickets. Dieser Politik-Mix enthält dass die neue deutsche CO2-Abgabe und der entstehende ge-
Maßnahmen, die auf eine Verhaltensänderung der Verbrau- ringe Aufschlag auf die Benzinkosten zu gering sein werden,
cherinnen und Verbraucher abzielen, aber auch Ordnungsrecht, um Menschen dazu zu bringen, weniger Auto zu fahren. Der
also Standards und Verbote. So sollen verschiedene Ebenen ein- größte Kritikpunkt an der Politik ist, dass nicht genug und
bezogen werden: von der Privatperson und der Nachfrageseite nicht schnell genug gehandelt wird, um die nahende Klimaka-
(z. B. Rückgang des Verbrauchs) bis zur Produktion durch Unter- tastrophe zu verhindern.
nehmen und der Angebotsseite (z. B. Bereitstellung saubereren Nach der ersten großen Euphorie um das Pariser Abkommen
Benzins). Die gesetzliche Verankerung von Klimaschutz hat stand auch schnell der europäische Beitrag in der Kritik. Die
den Vorteil, dass Ziele und Regelungen verbindlicher sind und europäische NDC wurde vom Think Tank Climate Action Tra-
nun auch andere Politikressorts dafür rechtlich in die Pflicht cker als ungenügend beurteilt, um die Ziele des Pariser Klima-
genommen werden. abkommens zu erreichen. Fachleute argumentieren, dass das
Es hat sich jedoch schnell gezeigt, dass das Klimaschutzgesetz Ziel hierfür mindestens einer Minderung um 65 Prozent bis
noch erheblichen Nachbesserungsbedarf hat. Im Frühjahr 2021 2030 entsprechen müsse. Mit dem verbesserten Minderungs-
gab das Bundeverfassungsgericht neun jungen Klägerinnen ziel von 55 Prozent und der Ankündigung einer angestrebten
und Klägern recht: Es entschied, dass das Gesetz nicht ausrei- Treibhausgasneutralität hat die EU jedoch einen Schritt in die
chend sei, um das Grundrecht zukünftiger Generationen auf richtige Richtung getan.
Freiheit (also z. B. in der Ausübung ihrer Lebensweise) zu ge-
währleisten. Deshalb müssen nun konkrete Zwischenstufen Neue Chancen
für die Reduktionsziele und ehrgeizigere Maßnahmen verab- Anderseits lässt ein Blick auf die vergangenen Jahre doch das Ur-
schiedet werden. Als ersten Schritt hat die Bundesregierung im teil zu, dass die Klimaproteste des Jahres 2019 etwas mehr Druck
Mai 2021 eine Steigerung des 2030-Minderungsziels von 55 auf auf die Politik ausgeübt haben. Auch in der Wirtschaft gibt es
65 Prozent, ein Zwischenminderungsziel von 88 Prozent für 2040 immer mehr Unternehmen, die den Klimaschutz als Chance er-
und das Vorrücken der Klimaneutralität auf 2045 beschlossen. kennen und beispielsweise in einen klimafreundlichen Umbau
ihrer Produktion investieren. Dass überhaupt ein umfassendes
Kritik an der deutschen und europäischen Klima- deutsches Klimaschutzgesetz verabschiedet wurde und sich die
schutzpolitik Europäische Kommission unter der Führung der ehemaligen
Die deutsche und die europäische Klimapolitik haben kurven- deutschen Ministerin Ursula von der Leyen weiterhin für Klima-
reiche Strecken durchlebt. In einigen Punkten sind sie durchaus schutz als Priorität stark macht, sind wichtige politische Zeichen.
fortschrittlich und anderen Ländern voraus. Aber es gibt noch Auch der Verfassungsgerichtsbeschluss in Deutschland (in ande-
viele Baustellen, und die Vergangenheit hat gezeigt, dass auch ren Ländern der EU, wie den Niederlanden oder Frankreich, gab es
Deutschland nicht alle seine Versprechen eingehalten hat. 2021 ähnliche Urteile) für ein stärkeres Klimaschutzgesetz ist von gro-
muss es durch das Bundesverfassungsgericht zu ehrgeizigeren ßer Bedeutung, da es eindeutig feststellt, dass das bisherige Tem-
und konkreteren Zielen aufgefordert werden. po und die Maßnahmen erheblich gesteigert werden müssen.
Brennstoffzelle im Zentrum für Brennstoffzellen-Technik (ZBT) Duisburg, einer Forschungseinrichtung für Brenn-
stoffzellen, Wasserstofftechnologien und Energiespeicher, 2021. Brennstoffzellen ermöglichen eine netzunab-
hängige Energieversorgung.
Brennstoffzellenprüfung im netzgekoppelten Wasserstoff-Kraftwerk Apex, Rostock-Laage, 2020. Es soll aus
regenerativen Energiequellen bis zu 300 Tonnen Wasserstoff als Energieträger für Industrie und Gewerbe, Woh-
nungsgesellschaften, für den öffentlichen Nahverkehr oder zur Zwischenspeicherung von Regelenergie liefern.
picture alliance / Rupert Oberhäuser | Rupert Oberhäuser
Zwar hat die Coronavirus-Pandemie im Jahr 2020 erhebliche sind und als gerecht empfunden werden, könnte die Demokra-
neue Herausforderungen für die Weltgemeinschaft mit sich tie selbst zur Disposition stehen. Denn autoritäre Regime, wie
gebracht und in Anbetracht dieser Krise werden wieder Stim- beispielsweise das chinesische, können in Krisensituationen
men laut, die Klimaschutz nur als zusätzlichen Kostenfaktor se- Vorteile haben: Sie sind in der Lage schnell und kompromisslos
hen. Nichtsdestotrotz birgt dieser Moment jedoch eine Chance zu handeln, sobald sie ein Problem einmal als solches anerkannt
für einen tiefergreifenden Umschwung, um eine nachhaltige- haben. Die Klimakrise befeuert also den ohnehin herrschenden
re und klimafreundliche Gesellschaft aufzubauen. Wettstreit zwischen demokratischen und autoritären Systemen.
Noch ist es eine offene Frage, ob – und wenn ja, wie – Demokra-
tien und Autokratien fähig sein werden, diesen Herausforderun-
gen angemessen zu begegnen.
Klimapolitik in der Demokratie In demokratischen Staaten ist der wachsende Druck der
DANIEL OPPOLD Klimakrise auf die Strukturen und Kulturen bereits deutlich
spürbar. Er geht zunächst direkt von den physischen Auswir-
kungen der Klimaveränderungen aus, wie zum Beispiel von
Gelingt es den Ländern der Erde nicht, die menschlich verur- Extremwetterereignissen und ihren Folgen. Aber auch der
sachten Klimaveränderungen einzudämmen, sind extreme Druck vonseiten der wachsenden zivilgesellschaftlichen Klima-
Auswirkungen auf Umwelt und Gesellschaften zu erwarten. bewegung nimmt zu, wie beispielsweise in Form der Fridays
Die vom Weltklimarat IPCC erarbeiteten Szenarien bei einem for Future-Proteste.
wenig wirksamen klimapolitischen Handeln zeichnen beun- Beides kann Anpassungsleistungen wie etwa Reformen aus-
ruhigende Bilder der Zukunft: Millionen Menschen in vielen lösen, die über die sachpolitische Ebene hinaus auch die Funk-
Regionen des Planeten könnten ihre Lebensgrundlage verlie- tionsweise der Demokratie erweitern und diese im Umgang
ren. Das betrifft alle Nationen, unabhängig von ihrer Staats- mit komplexen Herausforderungen leistungsfähiger machen
form. Denn die tiefgreifenden Umwälzungen der Umwelt ha- können. Dass Demokratien prinzipiell in der Lage sind, sich
ben Auswirkungen auf die Lebensrealität aller Menschen und selbst zu reformieren und weiterzuentwickeln, ist dabei eine
werden deshalb unmittelbare soziale und politische Konflikte wichtige und vielversprechende Voraussetzung: Die große
nach sich ziehen. Vielfalt der demokratischen Strukturen und Kulturen auf der
ganzen Welt sowie auf den unterschiedlichen Ebenen inner-
Der Klimawandel als Herausforderung für die halb demokratischer Gesellschaftssysteme zeigt, wie flexibel
Demokratie die Demokratie mit Blick auf lokale, historische oder demo-
In diesem Kontext taucht die Frage auf, ob die jeweiligen poli- grafische Besonderheiten ausgeformt wird. Diese Anpassungs-
tischen Systeme und Regierungsformen überhaupt in der Lage fähigkeit ist auch mit Blick auf die Bewältigung komplexer
sind, klimapolitisch angemessen zu entscheiden und zu han- Zukunftsherausforderungen, wie sie (nicht nur) die Klimakrise
deln. Die heutige Klimapolitik bedingt damit also auch die Zu- darstellt, von zentraler Bedeutung.
kunftsfähigkeit der Demokratie. Demokratische Staaten wie Eine Weiterentwicklung der Demokratie ist aber keineswegs
beispielsweise Deutschland, Kanada oder Frankreich, die im ein Automatismus. Als über Generationen hinweg gewachse-
Rahmen der internationalen Klimapolitik zu den progressiven ne soziale Systeme sind insbesondere die westlichen Demokra-
Kräften zählen, stehen vor einer fundamentalen Belastungs- tien in ihrer nationalstaatlich organisierten Form eher struk-
probe. turkonservativ. Dennoch können von Seiten der Politik und
Gelingt es ihnen auf demokratische Weise nicht, rasch klima- Verwaltung oder auch aus der Bürgerschaft bzw. der organi-
wirksame Entscheidungen zu treffen, die in ihrer Tragweite der sierten Zivilgesellschaft heraus neue demokratische Verfahren
Problematik angemessen sowie zugleich umfassend legitimiert in Gang gebracht werden, die das Ziel haben, Zukunftsheraus-
Autoritäre und demokratische Regierungssysteme müssen sich gleichermaßen den Folgen des Klimawandels stellen. Applaus
für Präsident Xi Jinping und seinen Premier Li Keqiang auf der Politischen Konsultativkonferenz des chinesischen Volkes
(CPPCC) in Peking, März 2021; Bürgerversammlung im Brauhaus „Em Kölsche Boor“ im August 2019. Am Podiumstisch vorne
ganz rechts stellt sich der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul den Fragen der Bürgerinnen und Bürger.
picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Mark Schiefelbein
forderungen durch unkonventionelle Formen der Zusammen- Wirksames Handeln in der Klimakrise
arbeit anzugehen. Die klimatischen Veränderungen stellen über Jahrzehnte ein-
Ein Beispiel für solche demokratischen Innovationen in jün- geübte gesellschaftliche Handlungsmuster in Frage und er-
gerer Zeit sind Prozesse der Bürgerbeteiligung, in deren Rah- fordern umfassende Verhaltensänderungen sowohl auf der
men per Los ausgewählte Bürgerinnen und Bürger beratend in individuellen als auch auf der kollektiven Ebene. Es gilt nicht
die politische Entscheidungsfindung eingebunden werden. Als nur, das eigene Konsumverhalten bzw. generell den persön-
sogenannte Bürgerräte oder Bürgerversammlungen können lichen Lebensstil selbstkritisch zu betrachten. Vielmehr ist es
sie – bestimmte Bedingungen vorausgesetzt – das bestehende notwendig, dass aus diesen Überlegungen auch tatsächlich
Demokratiegefüge funktional ergänzen. Verhaltensänderungen resultieren.
Nachfolgend sollen die Hintergründe dieser Entwicklung Das trifft vor allem auf die Menschen in den westlichen In-
nachvollzogen werden und – illustriert am Beispiel der fran- dustrie- und Konsumgesellschaften zu, deren Lebensstile in
zösischen Klima-Bürgerversammlung Convention Citoyenne hohem Maße vom Verbrauch fossiler Ressourcen abhängen
pour le Climat – die Funktionsweisen und Potenziale solch de- und dadurch pro Kopf überdurchschnittlich zur Ansammlung
mokratischer Neuerungen aufgezeigt werden. von Treibhausgasen in der Atmosphäre beitragen. Allein der
Von den Hindernissen, moderne Gesellschaften auf ein gemeinsames Ziel zu verpflichten
Es ist kein Zufall, dass sich an der Klimafrage die Geister schei- Das lässt sich an jeder einzelnen Reaktion besichtigen – wer
den. Für die einen ist sie die finale Katastrophe, das letzte Ge- politisch das (vermeintlich) Richtige durchsetzen will, muss
fecht von apokalyptischen Ausmaßen. Für die anderen ist sie es einerseits so appellativ tun, wie es der Klimabewegung mit
geradezu ein Symbol für einen abgehobenen Experten- und Eli- großem Aplomb gelingt, andererseits so, dass die Betroffenen
tendiskurs mit kulturkämpferischen Dimensionen. […] Sobald ihn wiederwählen. Wer ökonomische Veränderungen herbei-
Konflikte solche Formen annehmen, haben es tiefenschärfere führen will, bleibt daran gebunden, dass dies auf den (Welt-)
Formen der Beobachtung schwer, denn beide Seiten kaprizieren Märkten darstellbar ist, sonst ist jeglicher Gestaltungsspiel-
sich auf Unbedingtes und finden im Gegenargument erst recht raum perdu. Und wer rechtliche Regulierungen will, muss
ihre Selbstbestätigung. Dabei gerät freilich die entscheidende zumindest auf die Konsistenz der Rechtsanwendung und der
Frage unter die Räder: Wie kann sich eine moderne, komplexe, Normenkontrolle achten.
in ihren Strukturen differenzierte Gesellschaft auf eine solche Selbst bei Konsens über Grundziele, wie sie in Resolutionen
Gesamtherausforderung einstellen? […] vereinbart werden, reagieren die unterschiedlichen Instanzen
Man muss es leider sagen: Nicht bloß die natürlichen Kapa- der Gesellschaft nach ihren je eigenen Regeln und Erfolgskri-
zitäten der Erde sind knapp und nur begrenzt belastbar. Auch terien. Politik ohne Machtchance ist ebenso unmöglich wie
die Kapazitäten der Gesellschaft, ihre Fähigkeit zur Reaktion ökonomisches Handeln ohne Markterfolg. Die Funktionsstelle
auf Störungen und Herausforderungen sind es. Wer über öko- fürs Ganze gibt es nicht, und wo man sie einzurichten sich an-
logische Knappheiten redet, muss auch über die Knappheit schickt, werden die Standards der Moderne unterlaufen.
sozialer Mechanismen sprechen – […] die Erfahrung, dass die Man kann daran verzweifeln, weil es so aussieht, als würden
bloße Aufklärung über Missverhältnisse oder die bloße Er- die eingebauten Sicherungen sich nun gegen das System selbst
kenntnis dessen, was zu tun sei, sich nicht einfach in Handlun- kehren. […] Es liegt fast nahe, die Sicherungen der Moderne
gen umsetzen lässt. […] außer Kraft setzen zu wollen – denn gerade jetzt wird das Ri-
Moderne Gesellschaften zeichnen sich nämlich durch eine siko der Gewaltenteilung und der Dezentralisierung sichtbar.
besondere zivilisatorische Errungenschaft aus, die man viel- Märkte sind zwar grandiose Problemlöser, aber sie produzieren
leicht Dezentralisierung, Arbeitsteilung und Differenzierung auch Produkte, die nur der Markt braucht. Die Demokratie ist
nennen kann. […]. eine geniale Form der Entscheidungsfindung, aber die Leute
Modernität bedeutet letztlich so etwas wie das, was man im wählen bisweilen falsche Lösungen. Die Wissenschaft ist un-
politischen Bereich Gewaltenteilung nennt. Es ist ein evolutio- fassbar leistungsfähig, aber die Erwartung nach eindeutigen
närer Prozess, dessen Gesamtrichtung dahin geht, dass es In- Lösungen kann sie gerade deswegen nicht stillen.
stanzen, die alles zusammenführen und in einem Prinzip auf- Exakt aus diesem Grund wirken Forderungen nach einem
heben, nicht mehr geben kann. Alles ist auf Wechselseitigkeit Herunterfahren der Industriegesellschaft oder nach dras-
angewiesen und erfährt an sich selbst, dass sich das Gesamt- tischen Verboten bestimmter Praktiken, selbst wenn sie
system nicht allein ökonomisch, nicht allein rechtlich, nicht al- klimatechnisch alles Recht auf ihrer Seite hätten, völlig un-
lein wissenschaftlich, nicht einmal allein religiös bestimmen, realistisch, ganz abgesehen von den eher symbolpolitischen
führen, verändern, gestalten lässt. […] Diskussionen um das SUV oder der Forderung nach einer
Was hat das mit Strategien gegen den Klimawandel zu tun? Blockwartmentalität zur Durchsetzung angemessenen Ver-
Fast alles. Sieht man im Klimawandel tatsächlich so etwas wie haltens. Man muss aber diese Diskussion führen, wie sich Ver-
eine existenzielle Bedrohung, dann lässt sich daran durchde- haltensänderungen und Emissionsvermeidung nicht gegen
klinieren, dass die moderne Gesellschaft gerade nicht in der die, sondern mit den Instanzen, Routinen und Strukturen der
Lage ist, darauf wie aus einem Guss, mit einer Strategie, gewis- Gesellschaft einstellen können. […]
sermaßen in einer konzertierten Aktion zu reagieren. Wie bei
allen anderen Themen wirken auch hier jene zivilisatorischen
Armin Nassehi ist Professor für Soziologie an der Ludwig-Maximilians-Universität
Sicherungen, die das Gesamtsystem an einer einheitlichen, München und Herausgeber der Kulturzeitschrift „Kursbuch“.
zentralisierten Reaktion hindern. Armin Nassehi, „Alles, sofort? Das geht nicht“, in: DIE ZEIT Nr. 44 vom 24. Oktober 2019
Blick auf den Mobilitätssektor, auf den CO2-Ausstoß des alltäg- mechanismen vor keine unmögliche Aufgabe gestellt werden:
lichen, mit fossilen Brennstoffen befeuerten Autoverkehrs, auf Denn Demokratien beweisen beispielsweise mit jeder Reform,
die internationalen Lieferketten oder die Tourismusindustrie dass sie in der Lage sind, auch tiefgreifende Veränderungen
genügt, um zu erkennen, wie weitreichend gegenwärtige Le- einzuleiten.
bensstile und moderne Gesellschaftsmodelle hinterfragt und Damit entsprechende Gesetzesänderungen oder -novel-
verändert werden müssen, um die angestrebte Klimaneutrali- len zustande kommen, genügt es in repräsentativen Demo-
tät zu erreichen. kratien – rein oberflächlich betrachtet –, die entsprechenden
Doch auch bei Einsicht in diese Notwendigkeiten und ob- Mehrheiten zu organisieren. Doch aufgrund der tiefgreifenden
wohl gerade in freiheitlichen Staaten der persönlichen Eigen- und umfassenden Natur des Klimawandels kann Klimapolitik
verantwortung großes Gewicht beigemessen wird, fällt eine nicht nur als ein weiteres Politikfeld neben anderen behandelt
effektive Veränderung individuellen Handelns schwer. Denn werden, in dem klimapolitische Notwendigkeiten in Zielkon-
die Handlungen jeder und jedes Einzelnen sind in die jeweils flikten gleichrangig mit beispielsweise Wirtschafts-, Landwirt-
herrschenden gesellschaftlichen, kulturellen und wirtschaft- schafts- oder Verkehrspolitik verhandelt werden. Vielmehr ist
lichen Rahmenbedingungen eingebettet, die derzeit nicht an Klimapolitik ein Querschnittsthema, das erst dann tatsäch-
Nachhaltigkeitszielen ausgerichtet sind. lich wirksam sein kann, wenn ihre konkreten Zielsetzungen
Industriegesellschaften wie Deutschland sind aufs Engste auf dem Weg zu einer klimaneutralen Gesellschaft von allen
mit Schlüsseltechnologien wie etwa dem Verbrennungsmotor Sektoren, Institutionen und Individuen unterstützt und zur
verwoben: Selbst, wenn sie es wollen, können viele Menschen handlungsleitenden Maxime werden. Obwohl diese Veranke-
ihren Alltag ohne die Nutzung eines PKWs gar nicht bewälti- rung einer wirksamen Klimapolitik als Grundkonsens mit der
gen. So sind beispielsweise in den ländlichen Räumen Bus- und Zustimmung zum Pariser Abkommen bereits vollzogen wurde
Bahnnetze wenig bis gar nicht ausgebaut bzw. wurden aus und dies Umfragen zufolge auch eine breite Zustimmung in
Rentabilitätsgründen eingestellt. Dieses Beispiel lässt sich auf der Gesellschaft genießt, steht die notwendige Konkretisie-
die Nutzung fossiler Ressourcen im Allgemeinen ausweiten: rung noch aus.
Ohne Erdölprodukte ist die gegenwärtige Welt kaum (mehr) Einigungen auf wirkungsvolle klimapolitische Maßnahmen
vorstellbar. kommen auf allen Ebenen nur langsam voran. Unter anderem,
Historisch gewachsene Rahmenbedingungen beeinflussen weil sie immer wieder fundamental mit etablierten lokalen
in hohem Maße, welche Entscheidungen Menschen bewusst Lebensweisen kollidieren. Die grundsätzliche Zustimmung zur
oder unbewusst im Alltag treffen und wie sich die damit zu- Klimapolitik bedeutet nicht, dass automatisch auch höhere
sammenhängenden Handlungen auf die Umwelt auswirken. Spritpreise, neue Stromtrassen oder das Windrad in Sichtweite
Das führt dazu, dass sich trotz eines steigenden Bewusstseins akzeptiert werden. In Deutschland lässt sich dies an der Ge-
über die klimatischen Konsequenzen individuelle Lebens- und schichte des Kohleausstiegs eindrücklich nachvollziehen: Ob-
Verhaltensweisen nicht in ausreichendem Umfang ändern. wohl die Unausweichlichkeit dieses Schrittes in Wissenschaft,
Aus diesem Grund kommt den sozioökonomischen, struktu- Öffentlichkeit und auch Wirtschaft bereits seit Jahrzehnten be-
rellen und rechtlichen Rahmenbedingungen große Bedeutung kannt ist, wurde diese zentrale klimapolitische Entscheidung
bei der Bekämpfung des Klimawandels zu. Denn sie bestim- erst 2020 verabschiedet.
men über die verfügbaren Handlungsmöglichkeiten, zwischen Eine weitere Ursache für die zögerliche Behandlung der kli-
denen die Menschen sich im Alltag entscheiden (können). Die mapolitischen Agenda scheint darin zu liegen, dass der extrem
klimapolitisch wirksame Gestaltung dieser Rahmenbedin- langfristigen Natur der Klimakrise die kurzfristigen Zyklen
gungen bildet deshalb einen starken Hebel, um klimafreund- und Logiken repräsentativ-demokratischer Prozesse gegen-
liche Verhaltensweisen wahrscheinlicher zu machen: Wenn überstehen: Die Entstehung mehrheitsfähiger politischer Ent-
beispielsweise Produkte aus fossilen Quellen, die (un-)mittel- scheidungen hängt indirekt stark von Faktoren wie beispiels-
bar CO2 in den Stoffkreislauf der Atmosphäre eintragen, durch weise anstehenden Wahlterminen oder Entwicklungen in
Abgaben verteuert werden, hat dies in einer Marktwirtschaft anderen Politikbereichen ab. Langfristig gültige, die Zukunft
nicht nur Auswirkungen auf individuelle Konsumentschei- betreffende Weichenstellungen, die zudem große Zumutun-
dungen, sondern setzt im Idealfall Anreize für klimafreundli- gen für die Gesellschaft und die Wirtschaft bedeuten, fallen im
che(re) Innovationen und die Weiterentwicklung ganzer Wirt- Rahmen dieser systemischen Zwänge schwer. Ein gutes Bei-
schaftszweige. spiel sind die „Gelbwesten“-Proteste in Frankreich, die durch
die Ankündigung einer Erhöhung der Benzinpreise (mit-)aus-
Potenziale demokratischer Weiterentwicklung gelöst wurden (siehe auch unten).
Die Klimakrise kann treffend als wicked problem charakteri- Ein zusätzliches Problem besteht darin, dass – ganz im Ge-
siert werden. Solche „vertrackten Probleme“ sind definitions- gensatz zum abschließenden, öffentlichen Entscheidungsakt
gemäß von einer großen Unübersichtlichkeit geprägt: Die (beispielsweise per Abstimmung oder Wahl) – die Phase, die
überwältigende Komplexität der Zusammenhänge macht es diesem Entscheidungsakt vorausgeht und in der Entschei-
schwer zu erkennen, wo konkrete Strategien und Handlungs- dungsalternativen erwogen werden, oft unzugänglich bleibt.
möglichkeiten wirksam ansetzen können. Die Notwendigkei- Selbst wenn beabsichtigt wird, diese Phase transparenter und
ten einer effektiven Klimapolitik kollidieren zwangsläufig mit partizipativer zu gestalten – wie zum Beispiel in der Debatte
anderen Zielgrößen und Grundwerten, wie etwa dem Streben um den Kohleausstieg mit der Einrichtung der sogenannten
nach ökonomischem Wohlstand, Gerechtigkeitsfragen und in- Kohlekommission angestrebt – können auch in dieser Phase
dividuellen Freiheitsverständnissen. macht- und interessenpolitische Einflüsse wirksam werden,
Vor diesem Hintergrund geraten demokratische Prozesse, die sich unter Umständen der Öffentlichkeit entziehen.
die nach verbreitetem Demokratieverständnis vorrangig auf Hier können eine hohe prozedurale Nachvollziehbarkeit
eine Ausbalancierung unterschiedlicher Interessen abzielen, und angemessene Partizipationsmöglichkeiten wesentlich
an ihre Grenzen. Und dies, obwohl die demokratischen Grund- zur Steigerung der Legitimation von Entscheidungen bei-
Grüne Holzkreuze und Schutzhelme liegen im September 2019 vor dem Haupt- tragen. Dies umso mehr, wenn absehbar ist, dass politische
eingang des Braunkohlekraftwerkes Jänschwalde, Lausitz. Etwa 600 Arbeitsplätze Entscheidungen und Maßnahmen von solchem Umfang und
werden nach Abschaltung eines Kraftwerkblockes in Tagebau und Kraftwerk
solcher Tragweite getroffen werden müssen, wie das für eine
künftig nicht mehr neu besetzt werden.
wirksame Klimapolitik notwendig ist.
Sogenannte demokratische Innovationen, wie beispiels-
weise Bürgerräte, zielen darauf ab, das repräsentativ-demo-
kratische System funktional zu ergänzen. Sie versuchen neue
oder zusätzliche demokratische Räume zu schaffen, die nicht
von den beschriebenen Zwängen dominiert sind. So stellt bei
Bürgerräten die Zufallsauswahl der Teilnehmenden sicher,
picture alliance / dpa / dpa-Zentralbild | Patrick Pleul
ressenvertreter unterschiedlicher Positionen werden eingela- Zwar hielt Präsident Macron sein Versprechen nicht vollum-
den, um von den Bürgerräten angehört zu werden. fänglich ein und erteilte drei der 149 Empfehlungen des Klima-
In den eigentlichen Debatten der Bürgerräte bleiben die- Bürgerrates bereits kurz nach Abschluss der CCC eine Absage.
se Stimmen jedoch außen vor, sodass hier Macht- oder Inte- Das betraf einmal den Vorschlag zur Erhebung einer Steuer
ressenpolitik keine Rolle spielen. So bleibt Zeit und Raum für von vier Prozent auf Dividenden, bei dem die Regierung auch
sachliche Betrachtung und inhaltliche Beratschlagung auf der die Bremsung von Investitionen befürchtete. Vertagt wurde
Suche nach den besten Argumenten und Ideen. Diese werden auch die Anregung, das Tempolimit auf Autobahnen von 130
anschließend den auftraggebenden Gremien, wie etwa einem auf 110 km/h herabzusetzen. Und der Präsident sah keine Mög-
Parlament, als Empfehlungen zur Verfügung gestellt. lichkeit, die Präambel der französischen Verfassung um einen
Klimaschutz-Passus zu ergänzen, da ein solcher nicht über die
Das Beispiel der Klima-Bürgerversammlung bürgerlichen Rechte gestellt werden könne.
in Frankreich Dem verbleibenden umfangreichen Klima-Maßnahmen-
Zuletzt war von Oktober 2019 bis Juni 2020 in Frankreich zu paket der CCC hat Macron jedoch zugestimmt. Es wird in
beobachten, wie klimapolitische Entscheidungsprozesse durch Frankreich derzeit vom Parlament debattiert und soll 2021 Be-
demokratische Innovationen bereichert werden können: Dort standteil eines „Multi-Maßnahmen-Gesetzes“ werden. Einige
hatten klimapolitische Ankündigungen der Regierung, vor al- Vorschläge wurden auch direkt an den Rat für Umweltschutz
lem die Einzelmaßnahme einer Spritpreis-Erhöhung, 2018 zu weitergeleitet oder fanden im französischen Corona-Konjunk-
heftigen Protesten in der Bevölkerung geführt. Um diese Stim- turpaket ihren Niederschlag. Die CCC ermöglichte auf diese
mung zu entschärfen und klimapolitische Fortschritte in stär- Weise bereits einige klimapolitische Fortschritte in Frankreich –
kerem gesellschaftlichem Konsens zu ermöglichen, wurde ein und das angesichts einer spannungsreichen Lage im Land, die
nationaler Klima-Bürgerrat, die Convention Citoyenne pour le wesentlich durch als autoritär und bürgerfern empfundene
Climat (CCC), einberufen. klimapolitische Ankündigungen der Regierung im Jahr 2018
Auf Einladung von Präsident Emmanuel Macron kamen 150 ausgelöst worden war.
zufällig ausgewählte Französinnen und Franzosen an insge- Die Funktionalität einer Bürgerversammlung wie der CCC er-
samt sieben Wochenenden zusammen, um sich zur Frage zu gibt sich vor allem aus drei zentralen Merkmalen der Prozess-
beratschlagen, wie Frankreich seine Treibhausgasemissionen gestaltung:
sozialverträglich um mindestens 40 Prozent bis zum Jahr 2030 ¬ die Zufallsauswahl der Teilnehmenden
reduzieren könnte. Die Bürgerinnen und Bürger hörten dazu ¬ ein ergebnisorientiert gestalteter Rahmen, in dem die Teil-
Fachvorträge an, debattierten und erarbeiteten klimapoliti- nehmenden miteinander interagieren
sche Vorschläge. ¬ die solide Einbindung des Verfahrens in das bestehende De-
Im Ergebnis wurden Präsident Macron 149 Empfehlungen mokratiegefüge.
übergeben, welche die Teilnehmenden durch Mehrheitsbe- Das Zufallsprinzip bei der Rekrutierung der Teilnehmenden
schluss als geeignet befunden hatten. Der Präsident hatte schafft gänzlich andere Voraussetzungen für den Verlauf eines
wiederum vorab zugesichert, dass er die legislativen und re- Bürgerbeteiligungsverfahrens als Wahl, Entsendung oder aber
gulatorischen Empfehlungen der CCC ungefiltert in Gesetz- Selbstrekrutierung. Ein geeignetes methodisches Vorgehen vo-
gebungsprozesse, präsidiale Dekrete oder gar nationale Re- rausgesetzt, gelingt es mit einer Zufallsauswahl, eine maximal
ferenden einbringen werde. Wobei die Entscheidung der CCC vielfältige Gruppe von Menschen zusammenzubringen, die
überlassen wurde, festzulegen, auf welchem dieser drei Pfade explizit keine Repräsentations- oder Vertretungsfunktionen
ihre Empfehlungen weiterverfolgt werden sollten. erfüllen. Das ist die Voraussetzung für einen unvoreingenom-
picture alliance / Hans Lucas | Mehdi Chebil
zentraler Bedeutung für die Demokratie, deren Zukunft von wollen sie nicht ersetzen. Gerade mit Blick auf die hochkomple-
der individuellen Bereitschaft aller Bürgerinnen und Bürger xen Wechselwirkungen, die eine wirksame Klimapolitik in der
abhängt, sich im Gemeinwesen einzubringen. Ganz gleich, ob Praxis erschweren, schaffen sie so eine tragfähigere Ausgangs-
in Form einer Kandidatur für ein politisches Amt, der Mitarbeit lage. Auf der lokalen Ebene werden diese Potenziale offenbar
in einer Partei oder etwa durch klimapolitischen Aktivismus zunehmend erkannt: In vielen Kommunen entstehen derzeit
und anderweitige kreative Formen des Engagements. sogenannte Klima-Bürgerräte und verwandte Ansätze , um die
Innovative „deliberative“ Möglichkeiten zum wechselseiti- Weichen für klimapolitisch relevante Entscheidungen gemein-
gen Gedankenaustausch können zur Vertiefung einer demo- sam mit der Bürgerschaft zu stellen – ein Zeichen dafür, dass
kratischen Kultur beitragen, in der die gemeinsame Suche die Demokratie beginnt, ihre Anpassungsfähigkeit auch mit
nach den besten Argumenten und Ideen im Zentrum steht. Blick auf die Klimakrise als Stärke einzusetzen.
Und nicht – wie zum Beispiel bei direktdemokratischen Prozes- In diesem Zusammenhang kommt dem grenz- und kultur-
sen oft zu beobachten – allein die Durchsetzung einer Meinung übergreifenden Austausch eine zentrale Bedeutung zu, damit
oder Idee gegen eine andere. Damit wirken sie auch der polari- Demokratien auch in Bezug auf die Herausforderungen des
sierenden und spaltenden Logik von Demagogie und Populis- Klimawandels stärker von- und miteinander lernen. Nur in ge-
mus entgegen, denn demokratische Innovationen sind darauf meinsamer Anstrengung lässt sich diesen Herausforderungen
ausgerichtet, die repräsentative Demokratie zu ergänzen, und wirksam und nachhaltig begegnen.
1 10 9
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Staatenübergreifende Aufklärungsarbeit
Kooperationen vernetzen und Agrarwende
2
intensivieren ausweiten Weg von Pestiziden, Nah-
rungsmittelverschwendung,
Trinkwassersicherheit
Biodiversitätsverlust und
Neben Nahrungsmitteln sollte industrieller Monokultur,
gewährleistet sein, dass jeder zurück zur biologischen
Mensch auf der Welt genügend Landwirtschaft, vielen
sauberes Trinkwasser zur Ver- kleinen Permakulturhöfen
fügung hat. Die Klimakrise ver- und gesunden Böden, die als
schärft den Trinkwassermangel CO2-Speicher dienen.
in ca. 20 Staaten extrem.
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3
Wirtschaftswende
Schutz vor Wetterextremen
Das Ende des Wachstums
Ein weiterer sozialer Aspekt ist
einleiten: In Zukunft
der Schutz vor Überflutungen,
sollten Nachhaltigkeit,
besonders in den ärmsten
z. B. nach COP21 und z. B. Onlineplattformen, Recycling, grüne Produktion
Ländern: Durch Starkregen und
Kyoto-Protokoll Klimawochen, und Ressourcenschonung
Meeresspiegelanstieg wächst in
Handlungsgruppen bilden Bildung, Medien, oberste Priorität haben.
Zukunft die Klimaflucht.
TV, Bücher An der Stelle von Expansion
und Ausbeutung rückt
„Grüne Effizienz“.
Esther Gonstalla, Das Klimabuch, oekom verlag München 2019 S.96/97; www.oekom.de/buch/das-klimabuch-9783962381240
Glossar
Aerosole: Gemisch aus festen oder flüssigen Schwebeteilchen und Gas. Nationen über Klimaänderungen. Alle Vertragsstaaten sind jeweils zur
Die Schwebeteilchen heißen Aerosolpartikel und haben eine typische Teilnahme eingeladen.
Größe zwischen 0,01 und 10 μm (Mikrometer = 1 tausendstel Millime-
ter/1 millionstel Meter). Aerosole entstehen durch natürliche Vorgänge DACCS (Direct Air Carbon Capture and Storage) bezeichnet den direkten
wie Vulkanausbrüche oder Wüstenstürme, aber auch infolge mensch- Entzug von CO2 aus der Atmosphäre durch entsprechende Technolo-
licher Aktivitäten wie der Verbrennung fossiler Rohstoffe oder durch gien und seine Abscheidung und Speicherung.
Winderosion landwirtschaftlich genutzter Flächen. Aerosolpartikel Elektrifizierung: Durch Elektrifizierung werden in verschiedenen
streuen oder absorbieren die kurzwellige Sonneneinstrahlung: Die Bereichen fossile Energieträger durch den Einsatz von Strom ersetzt.
Streuung der Einstrahlung bewirkt eine Abkühlung, die Aufnahme Über eine solche Elektrifizierungsstrategie sollen die CO2-Emissionen
(Absorption) eine Erwärmung. im Energiesystem reduziert werden. Die Strategie ist von einer aus-
reichenden Verfügbarkeit von klimafreundlich erzeugtem Strom ab-
AFOLU (Agriculture, Forestry and Other Land Use, Land- und Forstwirt-
hängig.
schaft und andere Landnutzung): In diesem Bereich werden Treibhaus-
gase ausgestoßen (z. B. Methanemissionen aus der Viehzucht), hier Elektrolyse: chemischer Prozess, bei dem elektrischer Strom eine Re-
kann über geeignete Maßnahmen aber auch eine Speicherung von doxreaktion erzwingt. Dabei werden Elektronen von einem Reaktions-
Kohlenstoff erfolgen, z. B. durch Wiederbewaldung oder Änderungen partner auf einen anderen übertragen, ein Stoff nimmt Elektronen auf
im Landmanagement. und gibt bei der Oxidation Elektronen ab. Das Verfahren dient zur Ge-
winnung von Metallen oder zur Herstellung von Stoffen, die durch rein
Anpassung (an den Klimawandel) ist – nach Definition des IPCC – der
chemische Prozesse kaum oder wesentlich kostenaufwändiger zu ge-
Prozess der Ausrichtung auf das tatsächliche oder erwartete Klima und
winnen wären. Beispiele wichtiger Elektrolysen sind die Gewinnung
dessen Auswirkungen. Es gilt Risiken zu senken, Schäden zu vermin-
von Wasserstoff, Aluminium, Chlor und Natronlauge.
dern oder zu vermeiden; betroffen sind die Lebensweise des Menschen
sowie alle gesellschaftlichen Bereiche. Energetische Sanierung bezeichnet üblicherweise die Modernisie-
rung eines Gebäudes, um den Energieverbrauch zu verringern, und be-
Anthropogene (menschlich verursachte) Treibhausgasemissionen in
trifft meist die Heizung, das Warmwasser und die Lüftung sowie die
Gestalt von CO2, CH4, N2O, HFCs, PFCs und SF6 stammen hauptsächlich Dämmung von Außenwänden, Dach und Keller.
aus unserem Energieverbrauch und unseren Energiesystemen durch
Verbrennung von Kohle, Erdöl und Erdgas, aus der Landwirtschaft so- Energieeffizienz bedeutet eine optimale, sparsame Nutzung der vor-
wie aus der Verbrennung und Zerstörung von Wäldern und Mooren. handenen Energieressourcen. Verbesserungen der Energieeffizienz
Die Emissionen sind eng mit den wirtschaftlichen Kernaktivitäten, können u. a. im Gebäudebereich durch energetische Sanierungen er-
vom Wohnen über den Verkehr und die industrielle Produktion bis hin zielt werden.
zur Abfallbehandlung, verknüpft.
Geothermie bezeichnet die ingenieurtechnische Nutzung der Erdwär-
BECCS (Bioenergy with Carbon Capture and Storage): Abscheidung und me, die im zugänglichen Teil der Erdkruste gespeichert ist. Erdwärme
Speicherung von CO2 bei der Verbrennung von Biomasse. Beim BECCS- kann zum Heizen, zum Kühlen, zur Stromerzeugung oder in der Kraft-
Verfahren wird der Atmosphäre durch Photosynthese im Wachstum Wärme-Kopplung eingesetzt werden.
von Bäumen und Pflanzen CO2 entzogen. Die Biomasse wird anschlie-
ßend zur Erzeugung von Bioenergie verbrannt. Das dabei wieder frei- Gletscher sind aus Schnee hervorgegangene Eismassen mit einem klar
gesetzte CO2 wird aufgefangen und in geologischen Formationen tief definierten Einzugsgebiet, die sich aufgrund von Hangneigung, Struktur
im Boden auf sehr lange Zeit gespeichert. des Eises, Temperatur und der aus der Masse des Eises und den anderen
Faktoren hervorgehenden Schubspannung eigenständig bewegen.
Biodiversität oder biologische Vielfalt ist in den biologischen Wis-
IAMs (Integrated Assessment Models) verknüpfen vereinfachte natur-
senschaften ein Bewertungsmaßstab für die Fülle unterschiedlichen
wissenschaftliche Klimamodelle mit kostenoptimierenden ökonomi-
Lebens in einem bestimmten Landschaftsraum oder in einem geogra-
schen Modellen und Annahmen über gesellschaftliche Entwicklungen.
fisch begrenzten Gebiet.
Auf diese Weise entstehen mögliche Bilder der Zukunft. IAMs zielen
Biogas ist ein brennbares Gas, das entsteht, wenn Bioabfälle, Klär- darauf ab, die wechselseitigen Einflüsse zu verstehen, die zwischen
schlamm, Gülle, Mist oder nachwachsende Rohstoffe in Biogasanlagen unterschiedlichen klimatischen und ökonomischen Zukunftsszena-
vergoren werden. Das Gas eignet sich zur Erzeugung elektrischer Ener- rien bestehen.
gie, zum Betanken von Fahrzeugen oder zur Einspeisung in ein Gasver-
IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change, „Weltklimarat“)
sorgungsnetz.
wurde 1988 als zwischenstaatliche Institution mit Sitz in Genf ge-
CCS (Carbon Capture and Storage): Nachgeschaltete Kohlenstoffab- gründet, um für politische Entscheidungsträger den Stand der wis-
scheidung und -speicherung aus industriellen Prozessen. Der Einsatz senschaftlichen Forschung zur globalen Erwärmung, zu deren Risiken
von CCS wird vielfach vor allem für sogenanntes prozessbedingtes CO2 sowie zu Minderungs- und Anpassungsstrategien zusammenzutragen
als notwendig angesehen, das in der Grundstoffindustrie (z. B. bei der und aus wissenschaftlicher Sicht zu bewerten.
Zementherstellung) bei der chemischen Umwandlung benötigter Aus- Kipppunkte sind kritische Schwellenwerte im Klimasystem, deren
gangsmaterialien anfällt. Dieses CO2 soll mittels CCS-Verfahren abge- Überschreiten unkontrollierbare und sich selbstverstärkende Prozes-
schieden und zu unterirdischen Speichern (zum Beispiel in leergeför- se auslöst, die zum Teil unaufhaltsam und unumkehrbar sind. Zu den
derten Erdgasfeldern unter der Nordsee) transportiert werden. Kippelementen zählen u. a. das Abschmelzen des arktischen Meerei-
CDR (Carbon Dioxide Removal): Gezielte Entfernung von CO2 aus der ses, das Auftauen der Permafrostböden sowie das Verschwinden von
Atmosphäre mittels unterschiedlicher technischer Verfahren. Wird Teilen der (Regen-)Wälder.
in vielen Klimaschutzszenarien zur Minderung der atmosphärischen Klimarahmenkonvention (UNFCCC = United Nations Framework Con-
CO2-Konzentration als notwendig angesehen, ist aber noch in der Kon- vention on Climate Change): globales Klimaschutzabkommen, Anfang
zeptionsphase und unsicher in den Kosten. der 1990er-Jahre verhandelt durch die UN, beschlossen durch die Staa-
CO2-Budget: Die verbleibende Menge an CO2, die noch ausgestoßen tengemeinschaft 1992 in New York. Mit Stand 2021 haben 197 Vertrags-
werden kann, bevor bestimmte Klimaziele verfehlt werden. Sie ergibt parteien inklusive der EU die Klimarahmenkonvention ratifiziert und
sich aus den bereits ausgestoßenen Emissionen und den jeweiligen damit die völkerrechtliche Basis für globalen Klimaschutz geschaffen.
Obergrenzen für einzelne Klimaziele. Minderungspfade: Im IPCC-Sonderbericht „1.5˚C Globale Erwärmung“
CO2-Neutralität bedeutet, nicht mehr CO2 zu emittieren, als durch Sen- wurden 2018 auf Basis der damaligen Emissionsniveaus und von An-
ken (CO2-absorbierende natürliche Ökosysteme wie Wälder und Moo- nahmen zur Entwicklung zentraler Größen wie der Bevölkerungsent-
re) wieder aus der Atmosphäre entnommen werden kann. wicklung globale Minderungspfade zur Begrenzung der Treibhausgas-
emissionen erarbeitet. Minderungspfade werden auf Grundlage von
COP (engl.: Conference of the Parties; frz.: Conférence des Parties, CP): Treibhausgasemissionsbudgets (siehe auch CO2-Budget) entwickelt.
Vertragsstaatenkonferenz oder Vertragsparteienkonferenz, die gemäß Sie zeigen verschiedene Möglichkeiten auf, wie die verbleibenden glo-
Völkerrecht das höchste Gremium einer internationalen Konvention balen Gesamtemissionen sich über die Zeit bis 2050 verteilen könnten,
bzw. eines Übereinkommens ist, also etwa solcher unter der Schirm- und stellen damit eine Grundlage für Handlungsoptionen für die na-
herrschaft der UN, wie z. B. das Rahmenübereinkommen der Vereinten tionalstaatliche Ebene dar.
NDC (Nationally Determined Contributions) sind nationale Beiträge der energie- und klimapolitische Entscheidungen wird heute meist auf kli-
Unterzeichnerstaaten des Pariser Klimaabkommens, in denen sie an- mawissenschaftliche Szenario-Analysen zurückgegriffen.
geben, wie viel und auf welche Weise sie ihre Treibhausgasemissionen
reduzieren wollen. Die EU hat für all ihre Mitgliedstaaten eine gemein- Treibhausgase sind Spurengase in der Atmosphäre, die einen Teil der
same NDC vorgelegt. Alle fünf Jahre sollen die Länder ihre NDC über- Wärmestrahlung der Erdoberfläche aufnehmen, sich erwärmen und
prüfen und nachbessern. entsprechend ihrer Temperatur wiederum Wärmestrahlung abgeben.
Dazu zählen Wasserdampf, Kohlendioxid (CO2), Methan (CH4), Lachgas
Negative Emissionen bezeichnen die Entnahme von CO2 aus der At- (N2O) und Ozon (O3) sowie ausschließlich vom Menschen produzierte
mosphäre, z. B. durch BECCS oder DACCS (siehe oben). Halogenkohlenwasserstoffe und andere chlor- und bromhaltige Sub-
stanzen.
Nettoemissionen, netto null siehe Treibhausgasneutralität
Treibhausgasneutralität wird in der Wissenschaft als Begriff für einen
Overshoot bezeichnet eine vorübergehende Überschreitung eines be- Zustand verwendet, in dem entweder keine Treibhausgase in die At-
stimmten Niveaus der globalen Erwärmung, z. B. 1,5°C. Entsprechende mosphäre abgegeben werden oder in dem verbleibende Treibhaus-
„Overshoot-Szenarien“ skizzieren eine mögliche zukünftige Entwick-
gasemissionen vollständig durch „negative Emissionen“ kompensiert
lung, in der es nach einer solchen Temperaturüberschreitung wieder
werden, es also insgesamt zu keinem Konzentrationsanstieg der Gase
zu einem Rückgang der globalen Erwärmung kommt, indem der CO2-
in der Atmosphäre kommt (Netto-Null-Emission). Um das Ziel, den
Gehalt in der Atmosphäre über „negative Emissionen“ reduziert wird.
globalen Temperaturanstieg deutlich unter 2°C zu halten, zu erreichen,
Permafrost oder Dauerfrostboden bildet sich, wenn unter der Erdober- soll in der zweiten Hälfte des 21. Jahrhunderts ein Gleichgewicht zwi-
fläche mindestens zwei Jahre lang ununterbrochen Temperaturen schen den vom Menschen verursachten Treibhausgasemissionen und
unter dem Gefrierpunkt geherrscht haben. Er kann unterschiedliche dem „Abbau“ von Treibhausgasen aus der Atmosphäre durch Senken
Mächtigkeit und Tiefe erreichen und ist in großen Teilen Nordkanadas, (CO2-absorbierende natürliche Ökosysteme wie Wälder und Moore) er-
Alaskas, Grönlands und Ostsibiriens zu finden. reicht werden.
Power-to-X bezeichnet verschiedene Verfahren, die unter Verwendung Vulnerabilität: Die Verletzbarkeit durch die Folgen des Klimawandels
von Strom gasförmige oder flüssige Energieträger erzeugen. Neben kann sich regional und lokal unterschiedlich ausprägen. Dabei spielt
Wasserstoff können auch unterschiedliche kohlenstoffhaltige synthe- die Anpassungskapazität (siehe auch Anpassung) eine wesentliche
tische Energieträger über Power-to-X-Verfahren hergestellt werden. Rolle, also die Fähigkeit, potenziellen Schäden vorzubeugen oder mit
entsprechenden Auswirkungen umzugehen.
ppm (parts per million, Anzahl Teilchen pro Millionen Teilchen) ist das
Maß für die Treibhausgas-/ CO2-Konzentration in der Atmosphäre. Wärmepumpe nutzt die in der Umwelt (z. B. im Boden) gespeicherte
thermische Energie, um im Zusammenspiel mit einem weiteren Ener-
RCP (Representative Concentration Pathways, Repräsentative Konzent- gieträger (meist Strom) Gebäude zu erwärmen.
rationspfade) beschreiben bestimmte Entwicklungspfade atmosphäri-
scher Treibhausgaskonzentrationen und zugehöriger Emissionen. Sie Wasserstoff ist ein farbloses Gas. Je nach Ursprung erhält er allerdings
bilden damit die Basis für Klimaprojektionen. Eine charakteristische unterschiedliche Farbbezeichnungen. Grauer Wasserstoff wird ge-
Kennzahl für die RCPs ist der Strahlungsantrieb (siehe unten). wonnen, indem Erdgas unter Hitze in Wasserstoff und Kohlendioxid
(CO2) gespalten wird. Das CO2 wird dabei an die Atmosphäre abgege-
Resilienz ist die Fähigkeit von natürlichen und menschlichen Syste- ben. Blau heißt der Wasserstoff, wenn das CO2 bei der Entstehung ab-
men, Klimaänderungen und extreme Ereignisse zu bewältigen und geschieden und gespeichert wird (siehe auch CCS). Grüner Wasserstoff
dabei derart zu reagieren bzw. sich zu reorganisieren, dass die syste- wird durch Elektrolyse von Wasser hergestellt, wobei für die Elektrolyse
mische Grundfunktion, Identität und Struktur erhalten bleiben und ausschließlich Strom aus erneuerbaren Energien zum Einsatz kommt.
die Systeme sich gleichzeitig die Fähigkeit zur Anpassung, zum Lernen Damit ist die Produktion CO2-frei. Türkiser Wasserstoff wird über die
und zur Transformation bewahren können. thermische Spaltung von Methan hergestellt. Anstelle von CO2 ent-
SDG (Sustainable Development Goals) sind die 17 globalen Nachhal- steht dabei fester Kohlenstoff. Wenn die Wärmeversorgung des Hoch-
tigkeitsziele der UN, die 2015 beschlossen wurden, um weltweit eine temperaturreaktors aus erneuerbaren Energiequellen stammt und der
nachhaltige Entwicklung auf ökonomischer, sozialer und ökologischer Kohlenstoff dauerhaft gebunden wird, ist das Verfahren CO2-neutral.
Ebene zu erreichen. Sie traten 2016 mit einer Laufzeit von 15 Jahren (bis Windkraft (Onshore- und Offshore-Windkraft) wird mit Anlagen ge-
2030) in Kraft und gelten für alle Staaten. wonnen, die nach dem Prinzip einer Windmühle die natürliche Kraft
Sektoren, in denen aufgrund hoher Treibhausgasemissionen besonde- des Windes nutzen, um elektrische Energie zu erzeugen. Der Wind
re Maßnahmen zum Klimaschutz gelten, sind Gebäude, Verkehr, Ener- treibt einen elektrischen Generator an. Offshore-Windparks befinden
giewirtschaft, Industrie und Landwirtschaft. sich auf dem Meer (meist in Küstennähe), Onshore-Windkraftanlagen
auf dem Festland.
Senken sind CO2-absorbierende natürliche Ökosysteme wie Ozeane,
Wälder und Moore.
SSP (Shared Socioeconomic Pathways) wurden in den letzten Jahren
durch ein internationales Team von Fachleuten aus den Bereichen Kli-
mawissenschaft, Ökonomie und Energie entwickelt. SSPs beschreiben Literatur und Internetadressen
in verschiedenen Entwicklungspfaden mögliche zukünftige Verände-
rungen der globalen Gesellschaft. Kapitel 1 – Quellen, Literatur und online-Quellen
Solarthermie gehört zu den erneuerbaren Energien. Mit ihr wird Bender, Steffen / Brune, Miriam / Cortekar, Jörg u. a.: Anpassung an die Folgen des
die Energie der Sonne in nutzbare thermische Energie umgewandelt. Klimawandels in der Stadtplanung und Stadtentwicklung – Der GERICS Stadtbau-
Solarthermische Kraftwerke verwenden die Wärme der Sonne, um kasten. Report 31, Climate Service Center Germany, Hamburg 2017, 81 S.; PDF unter
damit Dampf zu erzeugen und über eine Turbine Strom zu gewin- www.climate-service-center.de/imperia/md/content/csc/report31.pdf
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Strahlungsantrieb: Maß für die Änderung der Energiebilanz der Erde eine aktualisierte Neuauflage angekündigt)
innerhalb eines bestimmten Zeitraums. Gemessen wird der Strah-
Darin: Daniela Jacob u. a.: Regionale Klimamodellierung, S. 27–35
lungsantrieb in Watt pro Quadratmeter (W/m2).
Deutscher Städtetag: Anpassung an den Klimawandel in den Städten – Eine Hand-
Synthetische Kraftstoffe werden anders als Benzin und Diesel nicht
reichung mit Forderungen, Hinweisen und Anregungen, 2019
aus Erdöl, sondern aus erneuerbarem Strom und CO2 gewonnen. Sie
können aber wie Benzin und Diesel in Verbrennungsmotoren einge- www.staedtetag.de/publikationen/weitere-publikationen/klimafolgenanpassung-
setzt oder diesen beigemischt werden. Da diese Verbindungen nahezu staedte-2019, Zugriff am 26.11.2020
rußfrei verbrennen, stoßen sie deutlich weniger CO2 und fast keinen EEA Report No 1/2017: Climate change, impacts and vulnerability in Europe 2016.
Feinstaub oder Stickstoffoxid aus.
An indicator-based report,
Szenario ist eine konsistente und schlüssige Beschreibung der Abfol- www.eea.europa.eu/publications/climate-change-impacts-and-vulnerability-
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Weitere Angebote zum Thema Klima/Klimawandel
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sg2009/pdf/wbgu_sn2009.pdf weitere-bpb-Angebote siehe Umschlag-Rückseite
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für Meteorologie und Klimaforschung – Atmosphärische Spurengase Anforderungen
und Fernerkundung (IMK-ASF), Karlsruhe
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