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Managementforschung

Band 23
Jochen Koch • Jörg Sydow (Hrsg.)

Organisation von Temporalität


und Temporärem
Managementforschung 23
Herausgeber
Jochen Koch Jörg Sydow
Lehrstuhl für Unternehmensführung Lehrstuhl für Unternehmenskooperation
und Organisation Management-Department
Europa Universität Viadrina Freie Universität Berlin
Frankfurt (Oder), Deutschland Berlin, Deutschland

ISSN 1615-6005
ISBN 978-3-658-02997-5 ISBN 978-3-658-02998-2 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-658-02998-2

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Springer Gabler
© Springer Fachmedien Wiesbaden 2013
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benutzt werden dürften.

Lektorat: Stefanie Brich

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Zur Managementforschung
Ziel der „Managementforschung“ ist es, einen Überblick über den aktuellen Stand und
Ergebnisse der Forschung zu Managementproblemen zu geben; zugleich soll sie ein Dis-
kussionsforum für neue Trends und Strömungen sein. Die „Managementforschung“ richtet
sich an Forscher und Studierende der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften sowie an wis-
senschaftlich interessierte Praktiker und Managementtrainer.
Die „Managementforschung“ ist am Institut für Management der Freien Universität Berlin
entstanden und erscheint seit 1991 jährlich. Sie wurde zusammen mit Wolfgang H. Staehle (†)
gegründet und viele Jahre von Georg Schreyögg zusammen mit Peter Conrad und Jörg
Sydow herausgegeben. Als neuer Mitherausgeber konnte Jochen Koch gewonnen werden,
der ab Band 22 an die Stelle von Georg Schreyögg tritt. Der Schwerpunkt liegt nach wie vor
auf innovativen Forschungsbeiträgen zu zentralen Gebieten des Managements. Neben
anerkannten Fachvertretern haben auch qualifizierte Nachwuchswissenschaftler die Gele-
genheit, zu aktuellen Fragen Stellung zu nehmen. Disziplinäre Offenheit ist Programm. Die
Herausgeber werden bei der Akquisition, Begutachtung und Auswahl geeigneter Beiträge
durch einen Beirat unterstützt. Dem Herausgeberbeirat gehören zurzeit an:
aus dem Bereich der Betriebswirtschaftslehre
 Prof. Dr. Albrecht Becker, Universität Innsbruck
 Prof. Dr. Peter Eberl, Universität Kassel
 Prof. Dr. Torsten J. Gerpott, Universität Duisburg-Essen
 Prof. Dr. Oskar Grün, Wirtschaftsuniversität Wien
 Prof. Dr. Axel Haunschild, Leibniz-Universität Hannover
 Prof. Dr. Werner Hoffmann, Wirtschaftsuniversität Wien
 Prof. Dr. Dirk Holtbrügge, Universität Erlangen-Nürnberg
 Prof. Dr. Helmut Kasper, Wirtschaftsuniversität Wien
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 Prof. Dr. Antoinette Weibel, Universität Konstanz
 Prof. Dr. Jürgen Weibler, FernUniversität in Hagen
 Prof. Dr. Uta Wilkens, Universität Bochum
aus dem Bereich der Arbeits- und Organisationssoziologie bzw. -psychologie
und der Politologie
 Prof. Dr. Christoph Deutschmann, Universität Tübingen
 Prof. Dr. Ulrich Jürgens, Wissenschaftszentrum und Freie Universität Berlin
 Prof. Dr. Peter Kappelhoff, Bergische Universität Wuppertal
 Prof. Dr. Friedemann Nerdinger, Universität Rostock
 Prof. Dr. Sigrid Quack, Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung Köln
Die Manuskripte werden einem anonymen „doppelt blinden“ Begutachtungsprozess un-
terzogen. Regelmäßig sind an der Begutachtung eines Beitrages Vertreter unterschiedlicher
Disziplinen beteiligt. Auf der Grundlage der Gutachten wird über die Akzeptanz sowie
über Art und Umfang der gewünschten Überarbeitung des Manuskriptes entschieden.
Jeder Band der „Managementforschung“ ist somit das Ergebnis einer engen Kooperation
zwischen Autoren, Beiräten und Herausgebern.
Vorwort
Temporalität und Temporäres prägen Management und Organisation in fundamentaler
Weise. Gleichwohl wird die Dimension der Zeit in der Managementforschung jenseits des
in der Praxis so beliebten „Zeitmanagements“ konzeptionell wie empirisch noch immer
stiefmütterlich behandelt; und dies, obwohl Zeit – zum Beispiel als Rhythmisierung oder
Terminierung einer Aufgabe – eine wichtige Bedingung des Managements darstellt oder –
etwa als Fristeinhaltung oder Fristüberschreitung – das Ergebnis von Managementhandeln
in einer für den wirtschaftlichen Erfolg von Organisationen oftmals zentralen Art und Wei-
se beeinflusst. Dieses Forschungsdefizit wird nicht zuletzt angesichts der jüngsten, immer
stärkeren Verbreitung von Projekten und anderen temporären Organisationsformen wie
geplanten Events, befristeten Beschäftigungsverhältnissen oder Projektnetzwerken unmit-
telbar virulent.

Befasst man sich von Forschungsseite mit Temporalität und Temporärem, so fällt einerseits
jedoch schnell auf, dass die dringend gebotene wissenschaftliche Auseinandersetzung mit
dem Themenbereich theoretisch und auch methodisch ein extrem anspruchsvolles Unter-
fangen ist. Dies liegt zum einen an der jahrelangen Vernachlässigung der Zeitdimension,
die selbst einer Reihe von Prozesstheorien zu attestieren ist. Zum anderen ist die Theoreti-
sierung von Zeit auch in benachbarten Disziplinen wie Philosophie, Psychologie und Sozio-
logie unzulänglich, oder wird nicht hinreichend von der Managementforschung rezipiert.
Darüber hinaus sind mit Dauer, Tempo, Beschleunigung und Timing (Grzymala-Busse)
zwar neben der Sequenzialität die wohl wichtigen Aspekte von Temporalität benannt; die
Notwendigkeit einer konzeptionellen Erfassung der Bezogenheit der Gegenwart auf bzw.
Verschränkung mit Vergangenheit und Zukunft droht sogar schon wieder zu einem Ge-
meinplatz zu degenerieren. Nicht zuletzt diese Gemengelage hat uns veranlasst, diesen
Band 23 der Managementforschung dem Thema Zeit und der Frage nach der Bedeutung von
zunächst Temporalität und sodann Temporärem zu widmen.

Im Auftaktbeitrag befasst sich Günther Ortmann mit der Temporalform von organisationa-
len Paradoxien, d.h. Konstellationen, in denen die Bedingungen der Möglichkeit einer Ope-
ration zugleich die Bedingungen ihrer Unmöglichkeit implizieren. Er unterscheidet dabei
fünf konzeptionell differenzierbare Unterfälle und zeigt jeweils anhand einer Reihe von
theoretischen wie praktischen Beispielen, dass es für den organisationalen Umgang mit
Noch nicht/nicht mehr-Konstellationen keine wirklichen Lösungen, sondern nur Paradoxie-
entfaltungen und somit Problemverschiebungen gibt. In diesem Sinne kann der Beitrag
auch dahin gelesen werden, wie in Organisation und Management Zeit sichtbar gemacht
werden kann und welche Bedeutung Zeit jenseits aller chronologischen Vorstellungen für
Organisationen besitzt.

Im zweiten Beitrag von Stephanie Duchek und Stefan Klaußner geht es um die Analyse des
Umgangs mit Unerwartetem durch eine dafür ad-hoc eingerichtete, temporäre Organisa-
tionseinheit (Team). Vor dem Hintergrund des Sensemaking-Ansatzes von Weick zeigen
die Autoren in einer explorativ angelegten Einzelfallstudie, wie die Bundesanstalt für Ma-
VIII Vorwort

terialforschung und -prüfung mit einer sich ihr plötzlich gestellten Sonderaufgabe („großer
Schadensfall“) umgeht und wie sie diese Aufgabe organisational be- und verarbeitet hat.
Besonderes Augenmerk liegt dabei auf dem Verhältnis von die Organisation stabilisieren-
den und flexibilisierenden Elementen. Der Beitrag eröffnet insgesamt einen interessanten
Einblick in die Möglichkeiten und Grenzen, Unerwartbares durch eine Balance aus organi-
sationalen Routinen und Einzelfallentscheidungen in (schnell) zu Bearbeitendes zu über-
führen. Darüber hinaus werden auch die motivationalen Implikationen, die eine solche
Organisationsform für die einzelnen Organisationsmitglieder hat, reflektiert.

Im dritten Beitrag untersucht Christian Noss die Möglichkeit, im Rahmen eines strategi-
schen Managements zeitinduzierte Wettbewerbsvorteile zu generieren. Beginnend mit
einem Überblick über die umfassende Forschung zu Strategieinhalt und Strategieprozess
und einer Kritik genau dieser Unterscheidung aus einer zeittheoretischen Betrachtung trägt
der Verfasser dieses Beitrags das bislang fragmentierte Wissen aus dem Strategischen Ma-
nagement zusammen und integriert es in eine eigene Konzeption temporaler strategischer
Wettbewerbsvorteile. Die Sinnhaftigkeit dieser Konzeption wird am Beispiel von Apple mit
Blick auf wichtige zeittheoretische Unterscheidungen (Tempo, Sequenz, Periodizität, Dauer
und Tempo) illustriert.

Die auf diese drei Beiträge folgenden widmen sich allesamt temporären Organisationsfor-
men. Dennis Schoeneborn geht in seinem Beitrag der Frage nach den Möglichkeiten und
Grenzen von projektübergreifendem Lernen nach und adressiert damit ein für temporäre
Organisationsformen zentrales Problem. Er untersucht dies auf der Basis eines sowohl kon-
zeptionell wie empirisch sehr speziellen Zugriffs: einer kommunikationszentrierten Analy-
se von Projektabschlussberichten von Beratungsprojekten bzw. der konkreten Form ihrer
Dokumentation. Der Autor argumentiert, dass eine zentrale Voraussetzung, Wissen pro-
jektübergreifend verfügbar zu machen, darin liegt, Verknüpfungen zwischen Kommunika-
tionsereignissen in der Zeit rekonstruierbar zu halten. Die zunehmende Tendenz, Projekte
im Wesentlichen auf der Basis der Präsentationssoftware PowerPoint zu dokumentieren,
erweist sich diesbezüglich als erwartungsgemäß wenig geeignet. Damit stellt sich unter
anderem die Frage, ob den mit solchen oder ähnlichen Formen der Projektdokumentation
in Kauf genommenen Möglichkeiten des organisationalen Vergessens nicht eine eigene
Funktionalität im Rahmen temporärer Organisationen zukommt.

Der anschließende Beitrag von Simon Dischner, Jost Sieweke und Stefan Süß basiert empirisch
ebenfalls auf dem Bereich der Unternehmensberatung und befasst sich mit Beratung im
Lichte temporärer interorganisationaler Projekte. Vor dem Hintergrund einer explorativen
Studie interessieren sich die Autoren insbesondere für die Fragen der Konstitution, Genese
und Folgen von Regeln in interorganisationalen Projekten, und zwar sowohl von formalen
als auch informalen Regeln. Im Mittelpunkt der Betrachtung steht u.a. die Idee, Regeln in
ihrer ambivalenten Rolle als Problemlösung und zugleich Problemverstärker zu verstehen.
Die Autoren verdeutlichen dies insbesondere mit Blick auf Projekte als temporäre Systeme
hinsichtlich der Zeitdimension und dem Effekt, dass Regeln die Folgen von Temporalität
im Sinne von zeitlichen Limitationen zugleich abmildern aber auch verstärken können.
Vorwort IX

Der diesen Band beschließende Beitrag ist dem Thema des Event-Managements im weite-
ren Sinne gewidmet. Elke Schüßler und Gordon Müller-Seitz entwickeln ihre Überlegungen
dabei aus einer neuen Perspektive, indem sie zwei bisher praktisch getrennte Forschungs-
bereiche konzeptionell miteinander in Beziehung setzen. Dies ist zum einen der For-
schungsbereich, der sich mit organisierten, sogenannten „Field-Configuring Events“ aus-
einandersetzt. Zum anderen handelt es sich um Forschungsarbeiten, die mit dem organisa-
tionalen Umgang mit unerwarteten Ereignissen wie Krisen und Katastrophen befasst sind.
Die Autoren argumentieren für einen aus einer Prozessperspektive heraus entwickelten
Vergleich und zeigen systematisch auf, wie sich beide Theoriebereiche wechselseitig be-
fruchten können.

Insgesamt dokumentiert der vorliegenden Band der Managementforschung nicht nur den
Stand der Forschung zur Temporalität sowie zum Temporären. Vielmehr weist jeder Bei-
trag über den derzeitigen Stand hinaus, indem entweder originelle konzeptionelle Ideen
oder überraschende empirische Einsichten präsentiert bzw. entsprechende Wissenslücken
und damit zukünftiger Forschungsbedarf aufgezeigt werden.

Alle eingereichten Beiträge haben wie gewohnt einen doppel-blinden Begutachtungspro-


zess durchlaufen, in dessen Rahmen insbesondere die Mitglieder des Herausgeberbeirats
der Managementforschung wieder mit großer Sorgfalt und sehr viel Engagement für die
Fachgutachten verantwortlich gezeichnet haben. Darüber hinaus haben als externe Gutach-
ter/innen an diesem Band mitgewirkt:

- Prof. Dr. Daniel Geiger, Universität Hamburg


- Prof. Dr. Hans Georg Gemünden, Technische Universität Berlin
- Prof. Dr. Katharina Hölzle, Universität Potsdam
- Prof. Dr. Rüdiger Kabst, Justus-Liebig-Universität Gießen
- Prof. Dr. Stephan Manning, University of Massachusetts Boston
- Prof. Dr. Arne Petermann, Deutsche Universität für Weiterbildung Berlin
Allen am Begutachtungsprozess Beteiligten sei an dieser Stelle herzlich für ihren Einsatz
gedankt. Ein ganz besonderes Dankeschön gebührt einmal mehr Irmgard Hoemke, die den
gesamten Begutachtungs- und Erstellungsprozess dieses Bandes wie gewohnt souverän
gesteuert hat.

Frankfurt (Oder) und Berlin-Dahlem im Mai 2013 Jochen Koch und Jörg Sydow
Inhaltsverzeichnis

Noch nicht/nicht mehr – Zur Temporalform von Paradoxien des Organisierens


Günther Ortmann ........................................................................................................................1

Temporärer Umgang mit Unerwartetem: Die Analyse einer gebrochenen ICE-Radsatz-


welle durch die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung
Stephanie Duchek/Stefan Klaußner ............................................................................................. 49

Strategisches Management und Zeit – Auf dem Weg zu einem integrativen Konzept
zeitinduzierter Wettbewerbsvorteile
Christian Noss ........................................................................................................................... 83

PowerPoint und die Einkapselung von Prozessualität im projektübergreifenden Lernen


Dennis Schoeneborn ................................................................................................................. 127

Regeln in interorganisationalen Projekten: Eine qualitative Studie


Simon Dischner/Jost Sieweke/Stefan Süß................................................................................... 157

From Event Management to the Management of Events – A Process Perspective


on Organized and Unexpected Field-Level Events
Gordon Müller-Seitz/Elke Schüßler........................................................................................... 193

Zu den Autoren und Herausgebern...................................................................................... 227

In Vorbereitung und bereits erschienen ............................................................................... 231


Günther Ortmann*

Noch nicht/nicht mehr ―


Zur Temporalform von Paradoxien
des Organisierens
Driften; Nachträglichkeit; Organisation; Paradoxie; Selbstbindung; slippery slope; Zeit

Zusammenfassung
Wenn man darauf achtet, dass operative Paradoxien eine zeitliche Dimension haben und
wie sie sich im Laufe der Zeit verhalten, dann imponiert eine Noch-nicht/nicht-mehr-
Struktur: Erst „ging es“ noch nicht, dann aber, unmittelbar, soll heißen: ohne dass es zu
einem Nun-aber gekommen wäre, geht es unweigerlich nicht mehr. Diese Konstellation wird
an einer Fülle organisationstheoretisch und -praktisch relevanter Fälle ausgemacht – zum
Beispiel am Fall von Zuständen, die wesentlich Nebenprodukt sind (Jon Elster), an den
Paradoxien der Wiederholung und des Entscheidens, am Fall des crowding out bei extrinsi-
scher Motivation u.a. Zwar werden „Lösungswege“ angeführt, unter anderem Selbstbin-
dung, aber eine Botschaft des Beitrags lautet: Es gibt auch Unmöglichkeiten und daher
Grenzen der Machbarkeit, die nicht (leicht) zu vermeiden sind. Daher folgen Überlegungen
zur Paradoxieentfaltung, näherhin zu „Problemverschiebung mit eingebauten Folgeprob-
lemen“, die dann an die Stelle echter Problemlösung treten kann.

Abstract
If one pays attention to the temporal dimension of operative paradoxes, a not yet/no longer-
structure catches one’s eye: first, “it” is not yet (it doesn’t yet work), then, necessarily and
immediately, without a “but now” having happened, it doesn’t and cannot come into being
(it doesn’t work) any longer. This constellation is made out under consideration of many
cases within organization theory and practice – e.g. states that are essentially by-products
(Jon Elster), paradoxes of iteration and of decision-making, “crowding out” by extrinsic
motivation, and others. Ways to resolve these problems are discussed (self-binding, among
others), but one of the article’s messages is: there are impossibilities and, therefore, re-
strictions of manageability not easy to evade. Because genuine solutions are not always
within reach, a concept of “unfolding paradoxes” is taken into consideration, namely
“problem displacement followed by resulting problems”.

J. Koch, J. Sydow (Hrsg.), Managementforschung 23,


© Springer Fachmedien Wiesbaden 2013, S. 1–48
2 Günther Ortmann

Inhaltsübersicht
Was zu Grunde liegt: Paradoxien, temporal

1 Inhärente Paradoxien
1.1 Elster-Zustände; intrinsische Motivation
1.2 Das Gleiten der Zukunft
1.3 Reorganisation: Permanente Verspätung
1.4 Paradoxie der Kommunikation
1.5 Die Berührung des Unberührten
1.6 Die Paradoxie der Wiederholung
1.7 Entscheidung, Voreiligkeit und Nachträglichkeit
1.8 Das Noch nicht/nicht mehr der Gabe

2 Noch nicht/nicht mehr, unintendiert, aber selbstgemacht


2.1 Das Driften von Regeln; slippery slope
2.2 Lock-ins
2.3 Sudden closure

3 Noch nicht/nicht mehr, unintendiert und fremdinduziert


3.1 Extrinsische Motivation; crowding out
3.2 Die Tragik der Allmende
3.3 Positionale Güter
3.4 Rat race economics; Leistungsturniere

4 Fallen stellen: Noch nicht/nicht mehr, intendiert und fremdinduziert

5 Selbstbindung: Noch nicht/nicht mehr, intendiert und selbstauferlegt

6 Paradoxieentfaltung; Problemverschiebung mit eingebauten Folgeproblemen

7 Resümee; Weiterungen
Noch nicht/nicht mehr ࡳZur Temporalform von Paradoxien des Organisierens 3

There is many a slip


twixt cup and lip
Englisches Sprichwort

Zwischen Lipp’ und Kelchesrand


schwebt der finstern Mächte Hand

„Was ich berühre, zerfällt.“


Franz Kafka

Was zu Grunde liegt: Paradoxien, temporal


Das Wort „noch“ hat es in sich, und erst jenes „noch nicht“, in dem die Hoffnung, der Trost
oder die Verheißung1 mitklingt: noch nicht, aber bald. Noch ist die Zeit nicht reif. Noch ist
alles gespannte Erwartung. Noch sind die Würfel nicht gefallen. Wie aber, wenn es dann
unweigerlich und unvermittelt heißt: nicht mehr, niemals, nimmermehr, wo es doch hätte
heißen sollen: endlich, endlich angekommen, endlich mein? Davon handelt das Folgende.

Nicht geht es mir um das bloße Problem der Zeitnot. Das schon ist zwar von einigem Inte-
resse für Organisationsmitglieder und Organisationen: Noch ist der Karrieresprung nicht
geschafft, noch kein tenure, aber das Fenster schließt sich. Noch ist das Hochregallager, die
Elbphilharmonie, der Berliner Großflughafen nicht fertig, der eilige Großauftrag des wich-
tigen Kunden nicht ausgeführt. Dass die Zeit knapp ist, zumal „im Zeitalter großer Organi-
sationen ... knapp geworden“ ist (Luhmann 1994, S. 143; Hervorh. G.O.); dass Entscheidun-
gen Zeit brauchen, aber unter Zeitdruck fallen müssen, also: ohne die Zeit und Ruhe, die sie
eigentlich benötigen; dass es in Organisationen gibt, was Niklas Luhmann in dem zitierten
Beitrag „die Vordringlichkeit des Befristeten“ genannt hat, also die Neigung, dem durch
Fristen, Termine und deadlines Bedrohten zeitlichen Vorrang auch gegenüber dem womög-
lich Wichtigeren einzuräumen: Das alles verdient – und erfährt – Aufmerksamkeit, ist aber
nicht mein Thema. „Windows of opportunity“ wollen als solche erkannt, Gelegenheiten,
die sich nur für kurze Zeit bieten, geistesgegenwärtig und reaktionsschnell wahrgenommen
werden, was in dynamischen oder gar turbulenten Umwelten eine besondere Responsivität
und Flexibilität der Organisation verlangt.

Auch das bloße Versäumen des rechten Augenblicks oder einer Gelegenheit – ein Autofah-
rer verpasst die Autobahnabfahrt, ein Unternehmen den günstigen Zeitpunkt, an die Börse
zu gehen – ist nicht Gegenstand der folgenden Überlegungen. Mich interessiert hier eine
besondere Konstellation, die dadurch ausgezeichnet ist, dass das „Nicht mehr“ dem „Noch
nicht“ mit einer konstitutiven Zwangsläufigkeit und unmittelbar folgt. Wovon ich hier handele,
das ist im Grunde genommen nichts anderes als eine Temporalform von Paradoxien. Ich um-
schiffe allerlei Vertracktheiten logischer Paradoxien (s. nur Sainsbury 1993 und, mit Blick auf
das Management, Müller-Stewens/Fontin 1997; Neuberger 2000), indem ich mich auf opera-
4 Günther Ortmann

tive beschränke. Damit rückt die Dimension der Zeit in den Blick. Mit Niklas Luhmann
(1989, S. 8 f.) sage ich: „Da jede Operation Zeit braucht“, handelt es sich „um die Problema-
tisierung der Organisation von Zeit“. Eine operative Paradoxie liegt genau dann vor, wenn
die Bedingungen der Möglichkeit einer Operation die Bedingungen ihrer Unmöglichkeit
implizieren (s. dazu ausführlicher Ortmann 2004a). In zeitliche Form gebracht heißt das:
Wenn während des Bemühens, oft sogar durch das Bemühen, werden zu lassen/geschehen
zu machen/zu bewirken, was noch nicht ist, Bedingungen seiner Unmöglichkeit gelten oder
nolens volens erzeugt werden oder unvermeidlich eintreten, dann haben wir es mit einer
Noch-nicht/nicht-mehr-Konstellation zu tun. Es lohnt sich, die statische Betrachtung der
Logik von Paradoxien um eine dynamische zu ergänzen, in der zu sehen ist, wie solche
Konstellationen in der Zeit entstehen, sich entwickeln und oft erst durch das Handeln von
Akteuren hervorgebracht werden – wie es zu dem „Nicht mehr“ kommt, dem das „Noch
nicht“ vorausging.
„Noch“ ist ein Umstandswort der Zeit, und ein erster Aspekt der Zeitlichkeit, um die es mir
hier zu tun ist, liegt darin, dass in dem „Noch“ – im „Noch nicht“ – eine Erwartung zum
Ausdruck kommt: die Erwartung, dass bald oder später das „Nun aber“ eintreten wird.
Dass diese Erwartung mit, wie ich gesagt habe, konstitutiver Zwangsläufigkeit enttäuscht
wird, erläutere ich für den Anfang an einem Beispiel, in dem diese Zwangsläufigkeit in
Technik eingebaut ist.
Versiegendes Wasser. Ein Bistro in Paris, ein heißer Tag, ein winziges Waschbecken, gerade groß
genug, um ein wenig Wasser mit den Händen zu schöpfen, und ein paradoxaler Wasserhahn:
Das Wasser kommt auf Knopfdruck, ich lasse den Knopf los, und augenblicklich versiegt der
Strom. Meine Hand, mein Unterarm, die irgendwie wissen, dass nun das Wasser eine, wenn
auch stets zu knapp bemessene, Weile fließen wird und Eile daher ohnehin geboten ist, stop-
pen jäh in ihrer Vorwärtsbewegung, da sie ins Leere vorzustoßen drohen, kleines Indiz, dass es
nicht einfach ein „Nicht“ ist, das ich beklage. Auch nicht das „Noch nicht“, sondern das „Noch
nicht“, dem das „Nicht mehr“ unmittelbar folgt, ein „Nicht mehr“, dem das doch immerhin
verheißungsvolle „Noch nicht“ vorausging. Erst dieses Dürsten, dann das Versiegen und Ver-
schmachten; der Aufschub der Begierde, und augenblicklich der Verzicht; die Vertröstung, die
doch eine Verheißung enthält, gefolgt von einer Leere anstelle der Erfüllung.

Dieses Versiegen nehme ich als Metapher für das Versiegen von Möglichkeiten – für die
mitlaufende Produktion von Unmöglichkeit. Der Pariser Wasserhahn ist nun allerdings ein
technologischer, kein organisatorischer Fall von Noch nicht/nicht mehr, und im Übrigen ein
harmloser Fall, einfach eine Fehlkonstruktion. Kann er etwas für das Geschehen in Organi-
sationen lehren? Nun, in Organisationen ähnelt, so lässt sich zum Beispiel sagen, der zu
aufdringlich kontrollierende Blick des Meisters jenem Knopfdruck insofern, als er hinder-
lich auf dem Arbeiter lastet und Eigeninitiative vereitelt. Kaum lässt der Meister los, ver-
siegt jedoch vielleicht erst recht – jedenfalls bei hinlänglicher Neigung zum shirking, die ja
in der ökonomischen Theorie oft unterstellt wird – der Arbeitsfluss. Dieser Fall ist schon
etwas weniger harmlos. Zwar kann man auch hier vielleicht von einer Fehlkonstruktion
(nämlich des Kontrollsystems) sprechen, Abhilfe jedoch ist schon schwieriger.
Paradoxien, darüber soll man sich nicht hinwegtäuschen, bedeuten Unmöglichkeit. An dem
Pariser Wasserhahn kann man Wasser mit Händen nicht schöpfen. Allerdings ist Paradoxa-
Noch nicht/nicht mehr ࡳZur Temporalform von Paradoxien des Organisierens 5

lität eine graduelle Angelegenheit (so auch Sainsbury 1993), wie man sich an dem Wasser-
hahn und auch am Fall der Kontrolle durch den Meister klarmachen kann: Wenn der Was-
serhahn nach Knopfdruck ein paar Sekunden Wasser spendet, wenn die Kontrolle weniger
aufdringlich ist und der Arbeiter trotz und auch ohne Kontrolle leidlich intensiv arbeitet,
sind wir schon diesseits der Unmöglichkeit.

Das mag angesichts von Noch-nicht/nicht-mehr-Konstellationen in und um Organisationen


als Hinweis auf Auswege genutzt werden: Die Arbeit an der Befreiung von Bedingungen
der Unmöglichkeit mag möglich sein und inkremental operieren, im Wege gradueller Ent-
paradoxalisierung. Die Kontrolle kann in eine indirekte verwandelt, die shirking-Neigung
der Beschäftigten schrittweise, im Laufe der Zeit, mehr oder minder erfolgreich behoben
werden. Nicht selten aber hat man es mit einer Sorte von Paradoxien zu tun, bei denen eine
Remedur sehr schwerfällt oder sogar unmöglich ist. Ihnen gilt meine besondere Aufmerk-
samkeit, und insoweit lautet die Kur nicht Entparadoxalisierung, sondern Paradoxienent-
faltung. Dazu unten, in Anschnitt 6, mehr.

Ich biete nun, in den Abschnitten 1 bis 5, eine ganze Fülle m.E. für Organisationen und die
Organisationstheorie besonders wichtiger Beispiele für Noch-nicht/nicht-mehr-Konstella-
tionen auf, die ich in fünf Gruppen eingeteilt habe: Die Paradoxalität ist der Konstellation
entweder als Logik der Sache inhärent (Abschnitt 1) oder vom respektiven Denken und
Handeln eines fokalen Akteurs (Abschnitte 2 und 5) oder aber anderer Akteure (Abschnitte
3 und 4) abhängig. Auch in den vier letzteren Fällen hat man es, wie man sehen wird, mit
Paradoxien oder paradoxienahen Konstellationen zu tun, aber „kontingenteren“, eben
denk- und handlungsabhängigen Fällen. Das legt die Vermutung nahe, dass eine Remedur
in diesen Fällen leichter fällt als in den Fällen inhärenter Paradoxalität. Obwohl das in ge-
wisser Weise zutrifft und der Fall des Abschnitts 5, Selbstbindung, sogar selbst eine Reme-
dur sein kann, wird sich zeigen, dass die Dinge in praxi doch komplizierter liegen. Am Fall
des shirking und seiner Vermeidung schon lässt sich ja sehen, dass „handlungsabhängig“
nicht mit „leicht behebbar“ in eins fällt. Die Sache hängt in diesem Fall im Übrigen nicht
nur vom Kontroll- und Motivationshandeln eines Managements ab, sondern selbstver-
ständlich auch vom Handeln der Beschäftigten, und sie ist außerdem wegen der Problema-
tik intrinsischer Motivation ein Fall inhärenter Paradoxalität (s.u. 1.1). Sie ließe sich also
sowohl dem Abschnitt 1 als auch Abschnitt 2 als auch Abschnitt 3 zuordnen. Diese drei
Konstellationsgruppen basieren, wie man daran sieht, auf einer analytischen Unterschei-
dung. In praxi gibt es Kombinationen (und außerdem unscharfe Ränder) dieser drei Fall-
gruppen. Das gilt auch für eine vierte Fallgruppe (Abschnitt 4), die sich von den übrigen
durch von anderen intendierte Herbeiführung jener Unmöglichkeiten unterscheidet, die mit
dem Noch nicht/nicht mehr impliziert sind: Fälle, in denen es gerade die Absicht anderer
Akteure ist, den fokalen – damit ist hier immer gemeint: vom Noch nicht/nicht mehr be-
troffenen – Akteuren die in Rede stehende Möglichkeit zu nehmen; in denen irgendwie „auf
Zeit gespielt“ wird und Mit- oder Gegenspieler überlistet und in eine Zeitfalle gelockt wer-
den – sei es aus guten, sei es aus schlechten Gründen. Schließlich ist auch die fünfte Fall-
gruppe, intendierte Selbstbindung, nicht immer säuberlich von Fremdbindung zu trennen
(Abschnitt 5).
6 Günther Ortmann

Die Produktions- und Zeitverhältnisse dieser fünf Fallgruppen lassen sich also nach drei
Gesichtspunkten unterscheiden: Das Noch nicht/nicht mehr ist

 unintendiert (Abschnitte 1, 2 und 3) oder intendiert (Abschnitte 4 und 5);


 inhärent (sachlogisch zwingend; Abschnitt 1) oder produziert (Abschnitte 2, 3, 4 und 5);
 selbstgemacht (Abschnitte 2 und 5) oder fremdinduziert (Abschnitte 3 und 4).
Die implizierte „Produktion von Unmöglichkeit“ geschieht in den Fällen der Fallgruppe 1
uno actu – oder geht sachnotwendig einher – mit dem Versuch der Produktion oder Reali-
sierung der Möglichkeit (Beispiel: dem Drücken des Knopfes im Falle des Pariser Wasser-
hahns). Das sind Fälle einer unvermeidlichen, von der Logik der Sache auferlegten Vergeb-
lichkeit, auch wenn diese sich erst im Zeitablauf entwickelt oder herausstellt.

In den Fällen der Fallgruppen 2 bis 5 dagegen hat man es jeweils mit vermeidbaren, kontin-
genten Denk- und Handlungsweisen zu tun, die erst die implizierte Unmöglichkeit generie-
ren, deren destruktive Seite aber (außer bei Selbstbindung) für die fokalen Akteure nicht
oder schlecht wahrnehmbar ist und/oder ihren Intentionen zuwiderläuft. In vielen Fällen
wirken dabei zwei distinkte Handlungen zusammen (wie im Falle der zu aufdringlichen
Kontrolle, welche erst das ungestörte Arbeiten unmöglich macht). Die Vereitelung der
Möglichkeit kann durch das eigene Denken und Handeln des fokalen Akteurs (Fallgruppen
2 und 5) oder durch fremdes Handelns (Fallgruppen 3 und 4) besorgt werden.

All diese Fälle lassen sich schematisch in folgende allgemeine Form bringen (Abb. 1):

Abb. 1: Zeit- und Produktionsverhältnisse des Noch nicht/nicht mehr

Produktion/Realisierung der Möglichkeit


Noch nicht
nicht Implizierte oder intendierte Konstitution der Unmöglichkeit mehr

t0 t1

(grau unterlegt: in den Fällen 1-4 für den fokalen Akteur unsichtbar oder nicht durchsichtig)

In den Fällen der Fallgruppe 1, bei inhärenten Paradoxien, fallen Möglichkeits- und Unmög-
lichkeitskonstitution in eins. Ich ziehe sie gleichsam vor die Klammer, weil diese Fälle we-
der als selbst- noch als fremdgemacht aufgefasst werden können. Sie sind eben überhaupt
nicht „gemacht“ im hier gemeinten Sinne, also auch nicht intendiert, sondern der Logik der
Sache geschuldet. Dann bleiben vier weitere Fallgruppen (2 bis 5), die sich aus den Distink-
tionen intendiert/unintendiert und selbst-/fremdinduziert ergeben. Es versteht sich wohl
von selbst, dass die Unterscheidungen intendiert/unintendiert sowie inhärent/selbstge-
Noch nicht/nicht mehr ࡳZur Temporalform von Paradoxien des Organisierens 7

macht/fremdinduziert für die Organisationspraxis hoch relevant sind, weil je unterschiedli-


che Ansatzpunkte für Remeduren resultieren. Die Fallgruppe 5, Selbstbindung, enthält
Sonderfälle, bei denen das Nicht-mehr vom fokalen Akteur selbst intendiert ist.

Es mag zum Verständnis beitragen, wenn man sich nach Art einer Liste klarmacht, worin
(a) die erwünschte (Fallgruppe 5: die befürchtete), aber vereitelte Möglichkeit – nennen wir
sie MNnnm (für: Noch nicht und nicht mehr realisierbare Möglichkeit) – und (b) die parado-
xe Operation besteht, die für die Vereitelung „verantwortlich“ ist. Für die beiden bisher als
Beispiele angeführten Fälle sieht eine solche Liste so aus (Abb. 2):

Abb. 2: Erst noch nicht, dann nicht mehr realisierbare Möglichkeiten (MNnnm)
und paradoxe Operationen

Möglichkeit MNnnm Paradoxe Operation

Mit Händen Wasser schöpfen Knopf des Wasserhahns drücken/gedrückt halten

Erwünschte Arbeitsleistung (zu aufdringliche) Kontrolle

Es geht mir in diesem Beitrag vor allem darum, die Figur des Noch nicht/nicht mehr plau-
sibel zu machen. Daher erlaube ich mir eine unkonventionelle, teils stark verknappte, teils
auch anekdotische Form der Darstellung. Ich beziehe mich, um der Figur (die weit über
organisationstheoretische und -praktische Zusammenhänge hinaus von Bewandtnis ist; vgl.
dazu Ortmann 2006 und unten, Abschnitt 7, 12. bis 14.) Plausibilität und Anschlussfähigkeit
im ökonomischen und organisationstheoretischen Fachdiskurs zu verschaffen, weitgehend
auf dort bekannte Konstellationen und Problemlagen, die in diesen Fächern aber üblicher-
weise eher als logische, sachliche oder soziale, nicht so sehr als temporale Paradoxien be-
trachtet werden.

In Abschnitt 6 erläutere ich die Figur der Paradoxienentfaltung am zughörigen Konzept der
„Problemverschiebung mit eingebauten Folgeproblemen“. „Positiver“ im Sinne der Frage
„Was tun?“ werde ich – mit Ausnahme allerdings regelmäßig eingestreuter Hinweise auf
mögliche Remeduren und besonders auf Wege der Selbstbindung (zu Letzterer s. Abschnitt
5) – nicht. Das liegt in der Natur der Sache. Ich reklamiere damit aber auch die Berechti-
gung, ja: die Notwendigkeit, negativ zu bleiben, wo die Sache es erfordert, hier also: Un-
möglichkeiten zu identifizieren, die daran hindern, etwas – ein „Nun aber“ – ins Werk zu
setzen. Die Identifizierung von Irreversibilitäten und von temporalen Paradoxien betrachte
ich als Gegengift gegen allfällige, trotz aller Kritik immer noch weit verbreitete Machbar-
keitsillusionen.
8 Günther Ortmann

Der Abschnitt 7 bietet ein Resümee und einige Hinweise auf Weiterungen, die sich eröff-
nen, wenn man die Denkfigur des Noch nicht/nicht mehr auf andere Aspekte und Gegen-
stände bezieht.

1 Inhärente Paradoxien
„Inhärent“ soll hier also heißen: Die Paradoxie ist der Logik der Sache geschuldet, ist ihr
inhärent und hängt insofern nicht von einem vermeidbaren Denken und Handeln intentio-
naler Akteure ab (die gleichwohl einen klügeren oder weniger klugen Umgang damit pfle-
gen können).

1.1 Elster-Zustände; intrinsische Motivation


„Elster-Zustände“, Zustände, die wesentlich Nebenprodukt sind, zerfallen mir unter der
Hand – unter der zielstrebig zugreifenden Hand, ja, durch den Versuch des Zugriffs. Man
denke an die Seife in der Badewanne. Dass es einem Zustand wesentlich sein soll, nicht-
wesentliches Produkt eines Handelns zu sein, klingt nach einem Oxymoron. Darin drückt
sich die Paradoxaliät aus, der Elster mit seinen berühmten Analysen solcher Zustände auf
der Spur ist. Ich sehne mich nach Unbefangenheit, Spontaneität, Schlaf, Vergessen, Ver-
trauen, Liebe, Glück, Natürlichkeit, weil ich sie noch nicht erlangt habe. Ich strebe nach
ihnen – und kann sie eben deshalb nicht mehr erlangen. Es sind Zustände, die nicht inten-
diert werden können, ja, die durchs Intendieren vereitelt werden (Elster 1987, S. 141 ff.).

Inhärent paradoxal sind diese Zustände insofern, als schon das bloße Beabsichtigen die
resultierende Unmöglichkeit (oder doch Gefährdung einer Möglichkeit) bewirkt. In Orga-
nisationen aber geht es (nicht nur, aber doch weithin) um intendierte Ordnung, Wiederho-
lung (s.u. 1.6), Verlässlichkeit, Erwartbarkeit etc. Nicht-Intendierbarkeit, so sie besteht, setzt
jedem Organisieren und jedem Management Grenzen.

Wichtige Fallbeispiele sind erstens emotionale Spontaneität und echte Freundlichkeit (im
Unterschied zu Höflichkeit), zweitens Authentizität, drittens Anerkennung. Sie werden
unmöglich oder leiden jedenfalls in dem Maße, wie sich Absichten auf sie richten. Ein-
schlägige Bemühungen darum machen sie zunichte. Dem bemühten Lächeln der Flugbeglei-
terin, des Verkäufers, der Politikerin merkt man die Bemühung an. Man merkt die Absicht,
und man ist verstimmt. Arlie Hochschild (1983) hat dargetan, dass Emotionsarbeit unter
anderem deshalb harte Arbeit ist. Authentizität gewinnt nur der, der nicht danach strebt.
Wer nach Anerkennung – durch Vorgesetzte, Untergebene, Kollegen und Partner – lechzt,
gilt als beflissen oder anbiedernd – und wird gerade nicht anerkannt. (Dem Protagonisten
in Charles Dickens’ Great Expectations, Pip, ist es ein großes Anliegen, ein Gentleman zu
werden, und er verfehlt es, weil und solange er es intendiert.)
Noch nicht/nicht mehr ࡳZur Temporalform von Paradoxien des Organisierens 9

Selbstverständlich kann man versuchen, derlei vorzutäuschen. Gute Schauspieler können


dabei große Erfolge erzielen. Gerade in Organisationen ist das ein probates, wenn auch oft
durchschaubares Mittel der Paradoxiebearbeitung. „Bitte recht freundlich“ ist aber, wie
jeder weiß, die paradoxale Aufforderung, willkürlich ein unwillkürliches Lächeln zu zei-
gen. Das geht nicht leicht, wie Antonio Damasio (1997, S. 195) unter Rekurs auf Neurobio-
logie und die nötige willkürliche Steuerung der Gesichtsmuskulatur gezeigt hat (dazu auch
Ortmann 2001, S. 305 ff. und 313, Fn. 27). Man bedenke, dass genau deswegen face-to-face-
Kommunikation in Organisationen so wichtig bleibt: weil das mimische Vortäuschen von
Freundlichkeit, Spontaneität u.Ä. leicht an dieser Paradoxie scheitert und Akteure die
Glaubwürdigkeit von Kollegen, Partnern und Gegnern gern an deren Gesichtern und ihrer
„Körpersprache“ ablesen. Wo das Mittel des So-Tun-als-ob nicht greift oder (Akteure in)
Organisationen es für inadäquat halten, bleibt nur, die genannten Nicht-Intendierbarkeiten
zu akzeptieren, sie anzuerkennen und auf einschlägiges direktes Intendieren zu verzichten.
Das stellt Organisationen, denen es doch qua Organisationen um Zwecke geht, vor parado-
xienahe Anforderungen.

In vielen Organisationen – und, wie Jon Elster (1987, S. 187 ff.) gezeigt hat, innerhalb von
nicht-demokratischen Staatswesen – resultiert eine eigentümliche „Machtlosigkeit der
Macht“ daraus, dass sie den Legitimitätsglauben der Mitglieder/Untertanen im Maße dro-
hungs- und machtbewehrter Bemühungen darum verfehlen müssen, ihn also, da und so-
fern ihnen andere Mittel nicht zu Gebote stehen, nicht absichtlich herbeiführen können.

Auch die Loyalität der Untertanen oder der Beschäftigten kann daher nicht, genauer ge-
sagt: nicht direkt, intendiert – etwa: befohlen, vom Regelwerk gefordert oder gekauft –
werden, eine notwendige Ergänzung zu Hirschmans (1974) Lob der Loyalität. Auch Eigen-
initiative würde dadurch ihres wesentlichen Charakters, Eigeninitiative zu sein, beraubt.
Beide müssen sich als Nebenprodukt eines Handelns ergeben, das wesentlich anderen Inten-
tionen folgt, etwa der Intention der Fairness, die sodann (vielleicht) mit Loyalität und Initi-
ative erwidert wird.

Allerdings liegt die Betonung auf dem Wörtchen „direkt“, das ich jetzt schon einige Male in
den Text eingeschmuggelt habe. Was direkt nicht möglich ist, das mag indirekt möglich
werden. Darin liegen in diesen Fällen Möglichkeiten der Remedur. Organisationen, sofern
sie auf emotionale Spontaneität und Freundlichkeit ihrer Beschäftigten, auf Authentizität
ihres Führungspersonals und auf Anerkennung ihrer Mitglieder – genitivus subiectivus und
obiectivus – Wert legen, müssen, allgemein gesprochen, den dafür nötigen Raum gewähren.
Sie müssen, schärfer formuliert, das (direkte) Intendieren lassen. Sie müssen sich insoweit
im Lassen üben2 – im Geschehenlassen, im Zulassen, im Bleibenlassen. Sie müssen die
Dinge den Mitgliedern und einer Evolution oder Entwicklung überlassen. Sie müssen da-
von absehen, etwas durch direktes organisationales, organisierendes Bemühen sicherzustel-
len. Sie müssen sich darauf verlassen, dass es sich einstellen wird, wenn nur jener Raum
und die nötige Zeit gegeben werden. Diesen Raum kann man aus gutem Grund ‚Organisa-
tionskultur’ nennen. Nicht zufällig sagt Niklas Luhmann (2000, S. 145, 240) zur Organisati-
onskultur: „nicht-entscheidbare Entscheidungsprämissen“. Darin kommt, in meiner Lesart,
die Unintendierbarkeit ganz gut zum Ausdruck, die herauszustellen mein Anliegen ist.3
10 Günther Ortmann

Der Blick auf den Zeitablauf nun und die Frage: „Was produziert hier, nach und nach oder
auch von Anfang an, die Bedingungen der Unmöglichkeit?“ erweist sich als lohnend auch
im Falle inhärenter Paradoxalität. Inwiefern?

Insofern, als das Erfordernis der Indirektheit eine zeitliche Dimension hat. Ein zeitlicher
Gesichtspunkt ist es ja schon, dass im Falle eines inhärenten Noch nicht/nicht mehr den
Dingen von Anfang an eine (a priori-)Vergeblichkeit innewohnt, der man daher auch von
Anfang an Rechnung tragen muss. Das kann vor unliebsamen Überraschungen bewahren.
Es kann davor bewahren, von solcher Vergeblichkeit erst Notiz zu nehmen, wenn das Kind
schon im Brunnen ist. (Es könnte Fluggesellschaften und Flughafenbetreiber davor bewah-
ren, ihrem Personal jene künstliche Freundlichkeit anzutrainieren, die umso mehr auf die
Nerven geht, je gleichmäßiger sie bei sich steigendem Ärger über Verspätungen, Überbu-
chungen e tutti quanti aufrecht erhalten wird.) Besser wäre ein Organisationsklima, das den
Beschäftigten erlaubt, von sich aus freundlich zu sein.

Eine enge zeitliche Kopplung aber zwischen der Entwicklung einer geeigneten Organisati-
onskultur und erwünschten – intendierten – Ergebnissen (etwa in puncto Spontaneität,
Freundlichkeit, Authentizität, Anerkennung) ist ausgeschlossen. Diese Entwicklung braucht
Zeit. Warum eigentlich geht das nicht von heute auf morgen? Weil eine Kultur zu ihrer
Entwicklung des Durchlaufens rekursiver Schleifen sozialer und kultureller Praxis und der
darin – allmählich! – gewonnenen Erfahrungen bedarf und Beschlüsse – Schnellschüsse –
mangels Intendierbarkeit nichts ausrichten. Organisationen müssen Zeit – und auch Geld –
in den Aufbau einer solchen Organisationskultur investieren, in der solche Werte wie Loya-
lität, Fairness, appreciativeness und Eigeninitiative Geltung haben. Dafür gibt es eben gute
Gründe, weil nur auf diese indirekte Weise eine organisationale Intentionalität doch noch
zum Tragen kommen kann.

Der organisations- und unternehmungstheoretisch wohl bekannteste und meist diskutierte


Fall ist der der intrinsischen Motivation (s. nur Deci 1975; Brennan/Lomaski 1993; Osterloh/
Frey 2000; Frey/Osterloh 2002). Wenn es schon wichtig ist zu sehen, dass ein Akteur die
eigene Motiviertheit nicht intendiert – etwa durch Entscheidung – herbeiführen kann, so
liegt der Fall (direkter) intrinsischer Motivation Anderer noch klarer: Es ist der Fall einer
contradictio in adiecto, ein hölzernes Eisen. Das erlaubt, ihn als Fall inhärenter Paradoxalität
einzuordnen.

An dieser Stelle auf extrinsische Motivation zu setzen, ist für Luhmann die historische Um-
stellung, derer sich moderne Organisationen bedienen.4 Dann aber gerät man in den Fall
eines gemachten, und zwar fremdinduzierten, aber auch von dem „fremden“ Akteur nicht
intendierten, gerade aus seiner Sicht kontraproduktiven Noch nicht/nicht mehr. Denn es
geht hier ja um vermeidbares (fremdes) Handeln, eben das Setzen extrinsischer Anreize –
und daraus resultierende Verdrängung der intrinsischen Motivation. Dieser Fall gehört
insofern der dritten Fallgruppe an und wird in Abschnitt 3.1 behandelt. Dort werden auch
Möglichkeiten indirekter Herbeiführung intrinsischer Motivation diskutiert.
Noch nicht/nicht mehr ࡳZur Temporalform von Paradoxien des Organisierens 11

1.2 Das Gleiten der Zukunft5


„Die Zukunft kann nicht beginnen“, sagt Niklas Luhmann (1990). Das soll ja wohl heißen:
Die Zukunft befindet sich dauerhaft in einem Zustand des Noch-nicht. Immerzu ist sie „noch
nicht“ und, schlimmer noch, unentwegt, von Sekunde zu Sekunde, ändert sie sich, ist sie
nicht mehr das, was sie eben noch war. Wenn wir ihr hinterherjagen, ähneln wir denen, die
den Schatz am Ende des Regenbogens hinterm Horizont finden wollen, und von Ferne
Alice hinter den Spiegeln, zu der die Rote Königin sagt: „… it takes all the running you can do
to keep in the same place.“ (Zur evolutionstheoretischen Bewandtnis s.u. 3.3 und Kauffman
1996, S. 322 ff., 334 ff., 38 f.) Die Zukunft, auf die wir uns einstellen, weicht unaufhörlich
zurück. Wir sollten daher (1.) an einen Red-Queen-Effekt der Zukunftsfähigkeit und (2.) an
einen Hase-und-Igel-Effekt der Zukunft selbst denken – ernstlich zur Kenntnis nehmen,
dass das Märchen vom Hasen und Igel eine mächtige Metapher für die Zukunft ist, nur
dass die Zukunft noch schneller ist als der Buxtehuder Igel. Der war „immer schon da“, die
Zukunft ist „immer schon weg“, immer schon weiter. Die Zukunft hat eine Noch-nicht/
nicht-mehr-Struktur. Erst ist sie „noch nicht“ (es ist noch nicht 2014), dann – schon im
nächsten Augenblick! – nicht mehr die, die sie einmal – eben noch – war (2013 gehört nicht
mehr der Zukunft an, sondern der Gegenwart oder der Vergangenheit). In Wirklichkeit ist
alles noch viel schlimmer, weil nämlich auch unser Wissensvorrat, mittels dessen wir die
Antizipation zukünftiger Ereignisse vornehmen, sich „in dauerndem Fluss befindet“, eben-
so wie unsere Interessenlage und unser Relevanzsystem (Schütz 1972, S. 267 und passim).
Das nun gilt auch und zumal für organisationale Wissensvorräte und Relevanzsysteme und
mit Blick auf organisationales Lernen.

Das unentwegte Gleiten der Zukunft ist auch sonst keine akademische Spitzfindigkeit.
Charles Perrow (1987, S. 257) hat beschrieben, dass es zu Kollisionen zweier Schiffe meist
kommt, weil „mindestens einer der Kapitäne das andere Schiff entdeckt und daraufhin sei-
nen Kurs geändert hatte“ (Hervorh. G.O.): vertrackte Zeitverhältnisse. Auch die sündhaft
teure Entwicklung des Eurofighter, vormals Jäger 90, der zum Zeitpunkt seiner ersten
Indienststellung 2006 nicht mehr so recht gebraucht wurde, weil er für den Kalten Krieg
konzipiert und der Eiserne Vorhang aber inzwischen gefallen war, ist ein schönes Beispiel.

Unter organisations- und strategietheoretischen Gesichtspunkten stellen aber wohl Strate-


gien von Unternehmen in sehr turbulenten Umwelten mit rapidem technologischem Wan-
del den wichtigsten Fall dar. Man denke nur an die strategischen Entscheidungen, die IBM,
Microsoft, Apple, Samsung, Motorola, Google, Facebook und andere zu treffen hatten und
haben, betreffend Märkte, die sich während ihrer, kurz nach ihren und eventuell durch ihre
Entscheidungen verändern oder gar auflösen. Dann mag Flexibilität und Responsivität der
Organisationsstruktur ein Ausweg sein. Eine sich beschleunigende Kannibalisierung, Nach-
ahmung und Substitution innovativer Produkte und Geschäftsmodelle verschärft dieses
Problem. Time to market und economies of speed sind längst die Schlagwörter, die der Vermei-
dung des durch einen Hyperwettbewerb implizierten oder forcierten Nicht-mehr gewidmet
sind – und dann aber Öl ins Feuer der Beschleunigung gießen (s. etwa Merrifield 1989;
D’Aveni 1994; Brown/Eisenhardt 1997; Ortmann 2009, bes. S. 35 ff., 215 ff.). Man denke
12 Günther Ortmann

ferner an die Probleme einer nomadisierenden business migration und die Dekonstruktion
von Wertschöpfungsketten und Geschäftsfeldern im Gefolge dessen (s. dazu das Programm
der Boston Consulting Group, z.B. Evans/Wurster 2000; ferner Khurana 2002).

In Ortmann (2009) habe ich eine Reihe möglicher Antworten auf solche Problemlagen dis-
kutiert, u.a. Portfolio- und Optionenmanagement, Reversibilitätsvorkehrungen und, allge-
mein gesprochen, Responsivität der Organisation. Das sind sämtlich Antworten auf zeitli-
che Probleme: Vor-Sorge angesichts drohender Irreversibilitäten, absehbarer oder nicht
absehbarer Dringlichkeiten, Wahrung von Kontingenzen, die mit der Zeit verloren zu gehen
drohen etc.

Auch intern aber, bei der dann umso dringlicher gebotenen Anpassung der Organisations-
struktur, macht das Gleiten der Zukunft den Organisationen zu schaffen: bei der Reorgani-
sation.

1.3 Reorganisation: Permanente Verspätung


Organisationen, so lautet die Lehrbuch-Weisheit, reagieren auf veränderte Umweltanforde-
rungen mit Anpassung ihrer Strukturen – oder sie scheiden aus. Adaption aber oder Ausle-
se, beides braucht Zeit, viel Zeit, wie man inzwischen – Stichworte: „blockierte Gesell-
schaft“, organisationale Trägheit, Lock-ins (s.u. 2.2) – schärfer sieht. Wie nun, wenn die
Umwelt sich schneller verändert als Reorganisation oder Selektion dauern? Das ergibt das
beunruhigende Bild der notorisch zu spät kommenden Organisation. Erst passten ihre alten
Strukturen noch nicht zu den neuen Anforderungen, dann die neuen nicht mehr – und
umso weniger, als die Zukunft schon wieder weiter ist, wie der Buxtehuder Igel.

Eine praktische Konsequenz – ein Versuch der Remedur – besteht in permanenter Reform,
ein anderer, damit zusammenhängend, in der Umstellung auf Projekt- und Netzwerk-
organisation. Das indes erweist sich auf den zweiten Blick nicht als Problemlösung, son-
dern, siehe unten, Abschnitt 6, als Problemverschiebung mit eingebauten Folgeproblemen.
Einander jagende, überstürzende Innovations- und Reorganisationsprojekte werfen Folge-
probleme auf, weil sie kaum noch die Reife- und Nutzungszeit für das jeweils Neue lassen.
Unternehmungsnetzwerke wiederum können Filz und Marktversagen implizieren. Eine
andere Konsequenz wäre: Reformen nicht in der Krise, ausgelöst durch die Krise, zu begin-
nen, sondern „in guten Zeiten“. Da gibt es weniger Zeitdruck, und man vermeidet das
Folgeparadox, dass in der Krise gerade diejenigen abzuwandern und diejenigen Ressour-
cen zu fehlen pflegen, derer man zu ihrer Bewältigung bedarf. (In guten Zeiten fehlt es
allerdings oft an Einsicht in die Notwendigkeit ...)
Noch nicht/nicht mehr ࡳZur Temporalform von Paradoxien des Organisierens 13

1.4 Paradoxie der Kommunikation


Der Sinn, der in der Kommunikation kommuniziert wird, erleidet unterwegs – genauer: via
Formulierung, Mitteilung und schließlich via Rezeption durch den Rezipienten – das
Schicksal einer Nachträglichkeit, welche die Struktur eines Noch nicht/nicht mehr hat. Das
beginnt schon beim „Sender“, dessen Formulierung/Codierung nicht mehr identisch ist mit
dem Gemeinten/Gedachten, es setzt sich fort in der Mitteilung, die ja das Gemeinte/Ge-
dachte in den Kontext des Mitteilens einrückt und dadurch nolens volens verändert, und es
wird – vorläufig – vollendet in der Decodierung/Rezeption, die nun erst recht nicht die
Identität mit dem Gemeinten/Gedachten verbürgen (sondern ihm allenfalls via aufschie-
bender/verschiebender/erfüllender/ergänzender/ersetzender Interpretation nahe kommen)
kann. So muss man sagen: Erst ist das Gemeinte/Gedachte noch nicht kommuniziert, dann
– wenn kommuniziert – ist es nicht länger das Gemeinte/Gedachte. Noch das einlässlichste
Verstehen impliziert daher eine Verfehlung, wenn das auch im Alltag meist unauffällig und
unproblematisch bleibt (s. dazu das Kommunikationsmodell von Lotman 1974, 1990). „Ret-
rospective sensemaking“ war Karl Weicks (1995) Ausdruck für diese Nachträglichkeit, und
es ist, wie man sieht, eine Nachträglichkeit-plus-Differenz. Es ist dies ein Fall der différance
im Sinne Jacques Derridas (1972), ein Fall von Verschiebung/Erfüllung/Ergänzung/Verän-
derung/Ersetzung (dazu s.u. 1.6). (Zu weiteren Facetten solcher Nachträglichkeit schon im
Rahmen des Wahrnehmens und auch des Antwortens s. Waldenfels 1994, S. 545 und pas-
sim, ferner 1995, S. 9, 24 ff., 105 ff., 383 ff.)

„Stille Post“ ist für dieses Kommunikationsproblem die geläufige Metapher. In Organisati-
onen, wo die Implikationen dieser Differenz zwischen dem gemeinten und dem rezipierten
Sinn eines Leitbildes, einer Strategieformulierung, einer Anweisung, eines instruction
manual (dazu: Orr 1996), einer Regelformulierung, einer Bitte etc. sich über viele Stationen
entwickeln können und oft müssen und durch Einrückung in immer neue Kontexte der
Arbeitsteilung und lokaler Rationalitäten verstärkt werden, kann das erfreuliche, aber auch
fatale Folgen haben: erfreuliche insofern, als Spielräume bleiben für die verständige, erfah-
rungsgesättigte und kontextsensible Interpretation seitens des Rezipienten; fatale, wenn
diese Spielräume missbräuchlich genutzt oder Interpretationsdifferenzen sich ohne böse
Absicht in Fehlern, Scheitern oder gar Desastern niederschlagen. Für die DDR als System
war bekanntlich die berühmt gewordene Fehlinterpretation der Zeit des Inkrafttretens des
neuen DDR-Reisegesetzes durch Günter Schabowski am 9. November 1989 – „Das trifft
nach meiner Kenntnis … ist das sofort, unverzüglich“ – desaströs. Dass dies gemeint war,
das war erst noch nicht klar, es war sogar eher abwegig, in den nächsten (historischen)
Minuten aber schon nicht mehr rückgängig zu machen. Auch das Noch nicht/nicht mehr
der Kommunikation von Sinn ist keine akademische Spitzfindigkeit, sondern ein handfes-
tes Problem. Das Beispiel verweist nachdrücklich auf die Zeitdimension. Missverständnisse
aufzuklären – oder Missbrauch von Interpretationsspielräumen abzustellen –, das braucht
ebenso Zeit wie die notwendigen Bemühungen um eine hinreichende Eindämmung von
Mehrdeutigkeiten.
14 Günther Ortmann

Abhilfe bietet sich an in Form von Redundanz, möglichst „klarer“ Kommunikation, der
Standardisierung von Wortbedeutungen („Organisationsvokabular“) und Kommunikati-
onswegen, in Form von Routinisierung, in Form kollektiver Interpretationsschemata, in
Form iterativer, rekursiver – daher: zeitraubender – Vergewisserung bei bemerkten Ver-
ständigungsproblemen („Metakommunikation“) und in vielen anderen Formen (für Nähe-
res s. Hahne 1997, S. 46 ff., 398 f.). Immer jedoch bleibt da ein Rest an Unerfülltheit, Unab-
geschlossenheit, Unabschließbarkeit, Differenz und Nachträglichkeit.

1.5 Die Berührung des Unberührten


Von Dorothy Sayers stammt das Wort, das Alfred Kieser (1995, S. 1) seiner „Anleitung zum
kritischen Umgang mit Organisationstheorien“ vorangestellt hat: „Mylords, facts are like
cows. If you look them in the face long enough, they generally run away.”

Karl Weick (1985, S. 45) hat es so formuliert: „Die Organisation in zähl- und messbare Form
zu bringen heißt, sie dessen zu berauben, was sie des Zählens ursprünglich wert gemacht
hatte.“ (Ich ziehe vor zu sagen: Sie auf Zähl- und Messbares zu reduzieren, heißt …)

Das Noch nicht/nicht mehr der wissenschaftlichen Forschung, auch der Organisationsfor-
schung, besteht, allgemeiner formuliert, darin, dass sie ihren Gegenstand unverfälscht, ja:
unberührt erforschen will, ihn aber durch seine Erforschung unvermeidlich berührt und
womöglich (wenn schon nicht, wie bei Kafka, zerfallen macht, so doch) verändert – oder
eben verscheucht wie Dorothy Sayers’ Kühe. Nicht zu reden von jener notwendigen Zu-
richtung ihres Gegenstandes durch Fokussierung, Selektion, Ausschnittbildung, Perspekti-
vierung, Modellierung, Interpretation, Typisierung, analytischer Zerlegung usf., nach der
er nicht mehr derselbe ist.

Das aber gilt auch in praxi. Es gilt für Evaluationen, Rankings, Leistungsmessungen und
daran geknüpfte Gratifikationen in Organisationen. Sie müssen sich irgendwelcher Indika-
toren – proxies – bedienen. Dass sie das tun (müssen), zeigt ja schon an, dass sie nicht ihren
Gegenstand selbst – die Leistung, die Qualität, die Zufriedenheit – zu fassen bekommen,
sondern eben nur einen Indikator. Das runaway des Gegenstandes aber nimmt dann zum
Beispiel die Form an, dass man schließlich nicht mehr weiß, was man da eigentlich misst,6
und sich daraufhin als Notlösung mit der Tautologie behilft: Leistung/Qualität/Zufrieden-
heit sei ex definitione das, was wir mittels unserer Leistungs-/Qualitäts-/Zufriedenheitsmes-
sung messen.

Die fehlsteuernden organisatorischen Folgen sind bekannt. Eine davon pflegen wir Indika-
torenverhalten zu nennen – die Jagd nach Indikatorpunkten. Schon die Messung tangiert
den Gegenstand, erst recht aber die Messung-plus-davon-abhängige-Gratifikation. Was als
Leistung/Qualität/Zufriedenheit zählt, ist danach nicht mehr dasselbe, und das Verhalten
der Akteure fällt erst noch nicht, dann aber nicht mehr wie gewünscht aus. (Wissenschaftli-
che Mitarbeiter etwa gehen auf „schnelle Punkte“; Kieser 1998; Franck/Opitz 1999.)
Noch nicht/nicht mehr ࡳZur Temporalform von Paradoxien des Organisierens 15

Ein anderes Beispiel ist ferner die selbstnegatorische Tendenz des Tourismus: „Berühren
Sie unberührte Natur!“ Das ist, entgegen erstem Anschein, keine Besonderheit dieser Bran-
che. Autobahnen, die den Verkehr erzeugen, den sie bewältigen sollen; Bürokratie, die uns
die Arbeit macht, die sie doch effizient ordnen soll; der oben erwähnte kontrollierende Blick
des Meisters, der die Arbeit hemmt, die er überwachen soll: Sie alle sind infiziert von der
inhärenten Paradoxie der Berührung des Unberührten (auch wenn sie schon den Übergang
zu selbst- oder fremdinduziertem Noch nicht/nicht mehr markieren).

1.6 Die Paradoxie der Wiederholung


Organisation, sofern es ihr um Ordnung, Absorption von Unsicherheit, Erwartbarkeit, Ver-
lässlichkeit, Qualitätssicherung, Stabilität, Koordination, Standardisierung, Routinisierung
und Effizienz geht, ist zuvörderst: Organisation von Wiederholung. Ein Immer-wieder-so-
und-nicht-anders soll gewährleistet werden. Ein VW Golf, ein Laib Brot wie der andere soll
die Fabrik verlassen, ein Versicherungsfall wie der andere bearbeitet, ein Soldat so gut wie
der andere ausgebildet, ein Handgriff wie der andere ausgeführt werden. Daher ist es von
höchstem organisationstheoretischem und -praktischem Interesse, dass auch der Wiederho-
lung eine Noch-nicht/nicht-mehr-Struktur inhärent ist (obwohl man das auf den ersten
Blick nicht sieht).

Zwar hat Heraklits „Man steigt niemals zwei Mal in denselben Fluß“ es fast zum Gemein-
platz gebracht (und ist dabei zu der zitierten Form verkürzt worden; zur Kritik Ortmann
2003, S. 50). Wo genau darin das Noch nicht/nicht mehr liegt, lässt sich aber vielleicht am
besten unter Rekurs auf das dänische Wort erläutern, das bei Sören Kierkegaard, nach
Heraklit einem der ganz großen Denker der Wiederholung, dafür steht: gjentagelse. Es ist,
darauf hat Samuel Weber (2001, S. 246 f.) aufmerksam gemacht, zusammengesetzt aus zwei
Wörtern, die ihre englischen Entsprechungen haben: gjen entspricht dem englischen again,
tagelse dem Verb take. „The promise of repetition is that through it the subject will to be able to
‚take again‘, to recover, to reappropriate what is lost through the passage of time …“ (Weber
2001, S. 247; Hervorh. G.O.). Im Deutschen kommen wir dieser Bedeutungsfacette am
nächsten, wenn wir die Wortbetonung wechseln: von Wiederholen zu Wiederholen. „Lost
through the passage of time.“ Das Unwiederbringliche wieder- oder zurückzuholen, das
macht die temporale Paradoxie der Wiederholung aus. Man denke nur an die deutsche
„Wiedergutmachtung“.

Ist das vielleicht nur der Verschiebung vom Wiederholen zum Wiederholen geschuldet?
Nein. So sehr Wiederholung conditio humana ist – schon die Stabilisierung der Bedeutung
von Wörtern durch Wiederholung, ohne die wir nicht sprechen und nicht kommunizieren
könnten –, und so sehr wir zumal in der Moderne, dem Zeitalter technischer Reproduzier-
barkeit, und in modernen Organisationen, den Stätten der Routine und repetitiver Teilar-
beit, auf sie angewiesen sind, so unweigerlich entzieht sich das, was wiederholt werden
soll, dem wiederholenden Zugriff. Es ist nicht mehr, ist „lost through the passage of time“,
soll aber wieder sein. Das ist es vor der Wiederholung noch nicht, aber als Produkt der
16 Günther Ortmann

Wiederholung nicht mehr, nämlich, fast schon trivial, nicht mehr das Vergangene, sondern
ein (damit nicht identisches) Gegenwärtiges. Das gilt zunächst für das Resultat – die Repro-
duktion, das Nachgeahmte, die Kopie anstelle des Originals –, dann aber auch und erst
recht für den Vorgang und das Erlebnis des Wiederholens. Ein guter Witz, zum wiederhol-
ten Mal erzählt, wird eben deshalb öde (oder, als running gag, besonders witzig). Ein Hand-
griff, oft genug wiederholt, gewinnt an Routiniertheit – und/oder beschert das Problem der
Monotonie. Dass die Struktur der Iteration, wie es Jacques Derrida (2001, S. 89) formuliert
hat, „gleichzeitig Identität und Differenz“ impliziert, das gewinnt schon mit diesem letzteren
Beispiel handfeste organisationstheoretische und -praktische Bewandtnis – im Positiven
wie im Negativen.

Da diese, wie Derrida es nannte, différance, diese verschiebende und verändernde Kraft, die
in jeder Wiederholung wirksam wird, unhintergehbar ist, muss sie von der Organisations-
praxis akzeptiert, anerkannt und in ihren positiven wie negativen (erwünschten wie uner-
wünschten) Effekten gewürdigt und berücksichtigt werden. Das kann durch Vermeidung,
Reduktion oder Anreicherung repetitiver Tätigkeiten geschehen, wie bei job enlargement/
enrichment/rotation, bei der Rücknahme hochrepetitiver Teilarbeit, integrierter Sachbearbei-
tung, abwechslungsreichem Training u.Ä. Oder es kann, auf einer abstrakteren Ebene, ge-
schehen, indem in jener différance sogar von Routinen – mit anderen Worten: darin, dass
jeder, auch der routinierten Praxis ein Moment der Improvisation inhärent ist – ein Innova-
tionspotenzial erblickt und das organisationale Sensorium dafür geschärft wird, wie es
Martha Feldman (z.B. 2000; s.a. Feldman/Pentland 2003) anempfohlen hat. Dann kann aus
Routine-plus-Abweichung Innovation resultieren. Schließlich kann und muss in vielen
Fällen die Responsivität der Organisation – im Sinne von Wahrnehmungs- und Reaktions-
fähigkeit – angesichts unerwünschter, womöglich gefährlicher Verschiebungen von Regeln
und Routinen erhöht werden, die ich (Ortmann 2010a) unter dem Titel „Driften“ behandelt
habe (s.u. 2.1). Das mit der Wiederholung implizierte Noch nicht/nicht mehr wird mit die-
sen Umgangsweisen nicht überwunden, wohl aber bedacht und mehr oder minder ge-
schickt genutzt oder jedenfalls berücksichtigt.

Ich habe eben als Beispiele längst praktizierte, arbeitsorganisatorische Formen des Um-
gangs mit der Paradoxie der Wiederholung und der Zwieschlächtigkeit der unvermeidli-
chen Differenz innerhalb jeder Wiederholung gewählt. Auf anderen Feldern ist die Prob-
lemerfassung und -bearbeitung sehr viel weniger weit gediehen. Man denke nur an die
langweilende Wiederholung einzelner Werbespots oder überhaupt des Formats der Fern-
sehwerbung, an die weltweite Monotonie der Ladenketten in den Innenstädten oder an die
kontraproduktiven Effekte uniformierender Evaluationen, Akkreditierungen und Standar-
disierungen. Und man denke, ein wiederum anders gelagerter Fall, an das Irakus-Paradox
sensu Danny Miller (1990), das ja in dem irgendwann zum Scheitern verurteilten Versuch
sich Geltung verschafft, Erfolge und Erfolgsrezepte zu wiederholen (und zu übertreiben).
Miller hat zeitliche Dimension dessen – und entsprechender Gegenmaßnahmen – durch die
Wahl der Metapher der Trajektorie deutlich gemacht, die ja im Kern auf die Unintendiert-
heit der in Rede stehenden Entwicklung aufmerksam macht. „Managing the trajectories“ ist
dann Millers Remedur (ebd., S. 221 ff.), mit Vorschlägen wie zum Beispiel Trajektoriever-
meidung, kulturelle Öffnung der Organisation, Diversität u.v.a.
Noch nicht/nicht mehr ࡳZur Temporalform von Paradoxien des Organisierens 17

Neben der Routine ist ein weiterer extrem wichtiger Fall der Wiederholung in Organisatio-
nen derjenige der Nachahmung – man denke an DiMaggio/Powells (1983) mimetischen
Isomorphismus oder an den Herdentrieb von Finanzmarktakteuren (Shiller 2000, S. 173 ff.).
Dafür gilt das Gesagte ganz entsprechend, und offen bleibt zunächst, ob der Nachahmer –
auch, ein weiteres Beispiel, der Stratege eines fast following („wer zuletzt kopiert, kopiert am
besten“) – für die zeitliche und/oder sachliche Differenz zum Original belohnt oder bestraft
wird.

1.7 Entscheidung, Voreiligkeit und


Nachträglichkeit
Wenn es zutrifft, dass Entscheidungen genau dann nötig sind, wenn gute – hinreichende –
Gründe fehlen, was von so unterschiedlichen Denkern wie Sören Kierkegaard (1996), Hans
Albert (1991: „Münchhausen-Trilemma“), Hermann Lübbe (1971), Heinz von Förster (1992),
Niklas Luhmann (2000, S. 123 ff.) und Jacques Derrida (1991) herausgearbeitet worden ist,
wenn auch in manchmal dramatisierender Zuspitzung (dazu Ortmann 2012a), dann hat
man es mit einer operativen Paradoxie des Entscheidens zu tun. Nur scheinbar geht es da
um rein sachliche (und nicht auch um zeitliche) Komplikationen.

Nimmt man Hans Alberts „Lösung“ des Münchhausen-Trilemmas – trial and error plus
kritische Prüfung –, dann sieht man leicht die zeitliche und näherhin die Noch-nicht/nicht-
mehr-Struktur des Problems: Ein Versuch hat es an sich, dass man zunächst noch nicht
weiß, ob er gelingt, sondern erst – frühestens! –, wenn er gemacht und die kritische Prüfung
erfolgt ist. Sobald jedoch so etwas in der Praxis statthat (und nicht, worauf Albert kon-
zentriert ist, in der Theorie resp. Erkenntnistheorie), ist das Kind womöglich schon in den
Brunnen gefallen. In Sachen ‚Erkenntnis‘ droht die Gefahr, dass sie „als Ganzes ins Gleiten
geraten“ könnte (Albert 1991, S. 72). Dem will Albert bekanntlich durch die „Idee der Kri-
tik“ steuern. Gleiten aber birgt – wie das Driften (s.u. 2.1) – immer die Gefahr, es erst noch
nicht zu bemerken und dann den Sturz nicht mehr vermeiden zu können.

Die Entscheidung kommt einerseits, so gesehen, immer zu früh, ist immer voreilig.7 Der
Augenblick der Entscheidung ist, in der zuspitzenden Formulierung Jacques Derridas
(1991, S. 54), „stets ein endlicher Augenblick der Dringlichkeit und der Überstürzung“.
Derrida (ebd., S. 53) spricht gar von einer „Aporie der Dringlichkeit“ (ähnlich Lübbe 1971,
S. 19 ff.). Andererseits läuft sie immer Gefahr, die Stalltür der Kontingenz erst zu verschlie-
ßen, wenn die Pferde durchgegangen sind. Der time lag aber zwischen Entscheidung und
(dem Vollzug) kritischer Prüfung ist, trivial genug, alles andere als harmlos, und ob eine
solche Prüfung (a) möglich und (b) erwünscht ist oder keine Lobby findet und womöglich
gar nachträglich sabotiert wird oder sich jedenfalls im Ungefähren verliert – genauer: in
„the uncertainty of the past“ (March/Olsen 1976) –, das steht in jedem Falle dahin. Dazu
muss man nicht erst an strategische Entscheidungen mit langfristiger Bindewirkung den-
ken – etwa an Edzard Reuters Strategie, aus Daimler Benz einen integrierten/diversifizier-
ten High-Tech-Konzern zu machen oder Jürgen Schrempps entgegengerichtete Strategie
18 Günther Ortmann

der Konzentration auf das Kerngeschäft und der Zukäufe innerhalb der Automobilbranche
(Chrysler, Mitsubishi, Smart). Es genügt schon, an die Probleme einer vorwärts gerichteten,
mit langen Rückkopplungsschleifen operierenden Kontrolle bei herkömmlicher Massen-
produktion und das alternative Konzept einer rückwärts gerichteten, aber kurzzyklischen
Kontrolle à la lean production zu denken. Letztere mildert erheblich die Probleme jener
Nachträglichkeit (Coleman 1992, S. 134 ff., 142 f.) und mag hier als weiteres Beispiel für den
zeitlichen Umgang mit der Paradoxie des Entscheidens genügen.

Entscheidungen haben im Übrigen, das wird oft übersehen, den Charakter mehr oder min-
der starker Selbstbindungen. Insofern implizieren sie nicht nur Voreiligkeit und Nachträg-
lichkeit, sondern auch einen (entschiedenen) Umgang damit: „Ich habe zwar im Augen-
blick der Entscheidung noch nicht genügend Informationen, lege mich aber trotzdem jetzt
fest, um morgen nicht mehr von der Überfülle an Möglichkeiten (à la Kierkegaard oder
Luhmann) überflutet, von Kontingenz und Hin- und Herschwanken geplagt und schließ-
lich handlungsunfähig zu werden“ (s. auch Abschnitt 5).

Für solches Festlegen spricht am ehesten Albert Hirschmans (1967) Idee, dass die „hiding
hand“ einer schützenden Unwissenheit – und gar „ignorance of ignorance“ – zwar in uner-
wartetes Ungemach führen kann, das aber durch eine ebenfalls unerwartete Kreativität
unterwegs behoben werden kann und oft wird.

1.8 Das Noch nicht/nicht mehr der Gabe


Eine Gabe wird, anders als ein Tauschobjekt, gegeben, ohne dass die Gegengabe das Motiv
des Gebens wäre (Mauss 1968; Ortmann 2004b, S. 128 ff., 161 ff.). Jacques Derrida (1993) hat
diese Figur radikal zu Ende gedacht und postuliert: Jede Erwiderung der Gabe setze sie
zum bloßen Tausch herab. Schon der Dank aber, ja, sogar die bloße Anerkennung der Gabe
als Gabe, ist eine solche Erwiderung. Eine Gabe indes, die vom Empfänger nicht als Gabe
wahrgenommen, also als solche anerkannt werde, habe es im Verhältnis der beiden Akteu-
re nicht zur Gabe gebracht. Erst ist es noch keine Gabe, weil sie noch nicht als solche (an-)
erkannt ist, dann keine mehr, weil die Anerkennung eine Erwiderung ist und den Ga-
bencharakter der Gabe zerstört. Dem muss man nicht in dieser Radikalität folgen (dazu
Ortmann 2004b, S. 131 ff.). Dass aber jedes großzügige Geben durch ein Schielen auf Ge-
gengaben oder dadurch beschädigt wird, dass der Beschenkte sie als Tauschobjekt missver-
steht und sich anschickt, sie zu bezahlen (ein fremdinduziertes Noch nicht/nicht mehr),
entspricht wohl unser aller Intuition.

In Organisationen nun geht es öfter als man denkt um solche „großzügigen“ Gaben – so,
wenn man Kollegen Tipps und Hilfe gibt, in der Kooperation, im Aus“tausch“ von Infor-
mationen (Göbel et al. 2007). Das können Tauschobjekte sein, sie werden aber umso mehr
geschätzt, je eher sie freigebig, als Gaben, gewährt werden. Dann knüpft sich daran zwar
normalerweise die Erwartung, dass sie (eines Tages) erwidert werden, aber diese Erwartung
ist nicht das Motiv des Gebens.
Noch nicht/nicht mehr ࡳZur Temporalform von Paradoxien des Organisierens 19

Für Derrida ist, wie man sieht, der Gabe als solcher eine Noch-nicht/nicht-mehr-Struktur
unabwendbar inhärent. So eng muss man es nicht sehen, aber die Gefahr, dass die Gabe
durch das Schielen auf eine Gegengabe entwertet wird, kennt jeder, der einmal geglaubt
hat, beschenkt worden zu sein, wo er in Wirklichkeit gekauft werden sollte.

Es kann zunächst unmerklich und in abgefeimter Absicht geschehen: wenn nämlich ver-
meintliche Gaben gegeben werden, um ein Gefühl der Verpflichtung beim Empfänger
auszulösen, das sodann ausgebeutet werden soll – ein Fall eines intendierten Noch nicht/
nicht mehr (s.u. Abschnitt 4). Gabe oder Tausch, das ist nicht immer leicht zu unterschei-
den, wie man etwa an dem schwierigen Unterschied zwischen Guanxi und Korruption
sehen kann.

2 Noch nicht/nicht mehr,


unintendiert, aber selbstgemacht
Anders als die Fälle inhärenter Paradoxalität sind die nun folgenden gelagert. Bei ihnen
führt das kontingente – eigene und dann auch fremde – Denken und Handeln der Akteure
(unintendiert) in die Falle des Noch nicht/nicht mehr oder ist am Bau dieser Falle beteiligt:
an der Herstellung von Bedingungen der Unmöglichkeit im Laufe der Zeit.

2.1 Das Driften von Regeln; slippery slope


Unser Handeln, zumal in Organisationen, folgt – folgt? – Regeln. Diese haben zum Teil den
Charakter von Fremd-, zum Teil auch den Charakter intendierter Selbstbindungen, kom-
men also auch als Remedur für so manches Noch nicht/nicht mehr in Frage (s.u. Abschnitt
5). Einer Regel aber, sei es einer Norm, sei es einem Deutungsschema, einem Handlungs-
prinzip oder einem Rezept, ist immer eine gewisse Unbestimmtheit eigen, notwendig, weil
sie Resultat und Garant von Wiederholung und Verallgemeinerung sind oder sein sollen.
Wir müssen in vielen Handlungssituationen auf sie zurückgreifen können, und dazu müs-
sen sie eine gewisse Leere lassen, die wir erst in situ, im Nachhinein füllen – wenn wir sie
anwenden. Darin steckt immer auch: wenden, nämlich auf die Situation hinwenden, inter-
pretieren, umdeuten, ergänzen, umgehen, verletzen, missbrauchen, ersetzen. Dieses situa-
tive Füllen/Erfüllen/Ergänzen/Ersetzen aber beraubt die Regel jener Leere und Unbe-
stimmtheit, mit Alfred Schütz (1974, S. 261 ff. und passim) zu sprechen: ihres typischen
Wesens. Das bedeutet merkwürdigerweise, dass der Sinn einer Regel erst in jener Situation,
in jener Anwendung vollends konstituiert wird, die sie regulieren soll, mit konstitutiver
Nachträglichkeit (Ortmann 2003). Es bedeutet, dass Regeln zwar Auferlegungen verallge-
meinerbarer Verfahren der Praxis sind, dass sie aber als reine Regeln, in reiner Allgemein-
heit noch nicht praktikabel sind, sondern erst, wenn sie nicht länger reiner Grund, reiner
20 Günther Ortmann

Ursprung, reines Prinzip des Handelns sind. Insofern haben wir es zunächst mit einer inhä-
renten Paradoxalität zu tun: Sie liegt in der Logik der Sache jedweder Regelbefolgung.

Das wiederum zieht die Chance, aber auch die Gefahr nach sich, dass Regeln – und Routi-
nen (Feldman/Pentland 2003; s. oben 1.6) – einer Drift unter dem Sog lokaler Rationalitäten
und situativer Anforderungen der Aufgabenerfüllung ausgesetzt sind. Routinen und in
ihrem Gefolge Regeln können sich dann – zunächst unmerklich – ändern. Diese Unmerk-
lichkeit gehört zum Charakteristikum dieser Art des Driftens (Ortmann 2010a). An Diane
Vaughans (1996) Studie des Challenger-Unglücks und an Scott Snooks (2000) Analyse eines
Falls von „friendly fire“, des Abschusses zweier US-Helikopter durch die eigene Air Force
über dem Nord-Irak 1991, lässt sich sehen, dass dieses Driften von Regeln – betreffend etwa
erodierende Standards der Akzeptabilität von Risiken oder ordnungsgemäßer Meldung
von Flügen – gefährlich werden kann. Das eintretende Desaster wird dann zum Augenblick
des Noch nicht/nicht mehr: Erst war die Drift noch nicht wahrzunehmen, nun ist alles zu
spät. Denn inzwischen hatte sich eine Spirale fortgesetzt: Die lokale Rationalität der „prac-
tical action“ vor Ort hat längst für andauernde, selbsttragende, weil durch Erfolg be- und
womöglich verstärkte „recursive loops“ der Abweichung vom ursprünglichen Regel-De-
sign gesorgt.

Ohne Weiteres lässt sich in diesem Lichte organizational slack, wie Albert Hirschman (1974,
S. 9 ff.) ihn im Anschluss an Cyert und March (1963) erklärt hat, als ein Fall des Driftens –
des Schleifenlassens – von Regeln und Routinen der Ressourcennutzung auffassen. Bei
Hirschman ist es, als ob Organisationen sich jederzeit in einer Lage befinden, die in Philo-
sophie, Logik, Ethik und Recht – allerdings überwiegend mit Blick auf argumentatives Ab-
rutschen – unter dem Namen „slippery slope“ diskutiert wird (s. nur Volokh 2003), hier
nun mit der Neigung zum Schlendrian als „Schwerkraft“. Dann lassen sich allfällige Bemü-
hungen um Rationalisierung, Intensivierung der Arbeit etc. als die Sisyphos-Arbeit verste-
hen, vom Noch-nicht optimaler Ressourcennutzung in ein Nun-aber zu kommen – ein Nun-
aber, das jedoch immer vom Nicht-mehr namens organizational slack bedroht ist. Und ein-
mal mehr lohnt sich die mikrologische Analyse der Zeit- und Produktionsverhältnisse, also
der Ansatz, nicht nur Schlaffheit als Resultat, sondern Erschlaffung als Prozess zu analysie-
ren (dazu erhellend schon Hirschman, ebd., u.a. mit der Empfehlung, „versteckte, verstreut
liegende oder schlecht genutzte Ressourcen und Fähigkeiten für … Entwicklungszwecke“
heranzuziehen, ebd. S. 10; s. dazu auch Staehle 1991).

„Slippery slope“ bezeichnet in der Argumentationstheorie die Gefahr oder den Fehler, dass
ein Argument oder eine Entscheidung A ungewollt und zu Anfang nicht recht absehbar
weitere Argumente B, C, D etc. auslöst und auf diese Weise „gleitend“ zu ganz uner-
wünschten oder absurden Konsequenzen führt. Das betrifft zum Beispiel, ein wichtiger
Fall, Argumente und Entscheidungen über Gesetze oder auch organisatorische Regeln. Ein
wirksames Gesetz gegen Abgeordnetenbestechung ist im Deutschen Bundestag noch stets
mit einem slippery-slope-Argument abgewehrt worden: Wenn wir so ein Gesetz einführten,
beschränkten wir ungewollt die Freiheit der Abgeordneten, als Interessenvertreter des
(oder von Teilen des) Volkes zu wirken. Das ist ersichtlich eine argumentative Falle (und
dann meist ein Fall intendierten Noch nicht/nicht mehr, s.u. Abschnitt 4). Aber die Sache hat
Noch nicht/nicht mehr ࡳZur Temporalform von Paradoxien des Organisierens 21

eine Entsprechung auf Seiten der Praxis, und oft ist nicht leicht zu entscheiden, ob ein Ar-
gumentationsfehler vorliegt oder diese Praxis tatsächlich zum „Abrutschen“ neigt: Bedient
sich die „broken windows“-Polizeistrategie eines Argumentationstricks oder ist es wirklich
so, dass das eine zerbrochene Fenster weitere Zerstörungen und sodann hohe Kriminali-
tätsraten nach sich zieht (Wilson/Kelling 1982), sodass bald „alles zu spät“ ist? Eine Reme-
dur gegen praktisches slippery slope lautet (einmal zu Recht, ein andermal zu Unrecht):
„Wehret den Anfängen“, sonst droht dieses: Erst hielten wir Abhilfe noch nicht für nötig,
aber bald ist sie nicht mehr möglich. Dass die Kriminalitätsrate New Yorks wegen der
dadurch nahegelegten Polizeistrategie der „zero tolerance“ gesunken wäre, ist allerdings
unter Kriminalsoziologen höchst umstritten. Ein wichtiger Fall in Organisationen (und
anderswo): Lassen wir Ausnahmen (z.B. betreffend Sicherheitsvorschriften oder das Verbot
von Hausberufungen) zu oder „schaffen wir damit Präzedenzfälle“ (instruktiv zu Präze-
denzfällen: Elster 2000, S. 97 f.)? Wie man sehen kann, gibt es eine Nähe des Driftens und
der slippery-slope-Figur zur Figur der Pfadabhängigkeit (so auch Volokh 2003). Mehr noch:
Jedwedes organisationale Momentum kann im Lichte der Metapher gesehen werden. Auch
Gregory Batesons (1987, S. 122) Frosch, der im allmählich zum Kochen gebrachten Wasser zu
Grunde geht, ist eine sprechende Metapher für Gefahren eines Noch nicht/nicht mehr.

Das Driften von Regeln kann also organisationsinterne Verhältnisse weit überschreiten, und
es kann sich sogar auf die Metaebene der Regeln für die Regelproduktion erstrecken – so,
wenn die Moderne, wie Michael Power (1994, 1997) zu bedenken gibt, in eine „audit
society“ driftet, in der „rituals of verification“ und gar Standards der Standardisierung zu
befolgen sind. Auch das ist ein Resultat, das in dieser Pertinenz, Allgemeinheit und Penet-
ranz niemand intendiert hatte, dessen wir uns aber nicht mehr – jedenfalls nicht mehr leicht
– entledigen können, selbst wenn es die von Power analysierten Folgeprobleme – Stich-
wort: Entfremdung von den ursprünglich motivierenden Problemen – zeitigt. (Man darf
dabei durchaus auch an jene gleitende Bewegung denken, in der inzwischen der Wissen-
schaftsbetrieb in Standards für die Standardisierung – Standards für Evaluation, Akkredi-
tierung, Rankings, nicht zuletzt via Standardisierungsmacht von Journalen, Zeitungen und
einschlägigen Agenturen – geraten ist.)

In der Politologie und der politischen Soziologie hat seit einiger Zeit das Phänomen des
Driftens von Institutionen Beachtung gefunden: Institutionen drohen im Laufe der Zeit zu
verfallen, wenn sie nicht beständig in ihrer Geltung neu bestätigt, bekräftigt, „reimpräg-
niert“ und auf diese Weise reproduziert werden (Streeck/Thelen 2005; Mahoney/Thelen
2010; Dank an Renate Mayntz für diesen Hinweis). Das Argument ähnelt, wie man sieht,
Hirschmans Begründung für „organizational slack“. Man könnte – mit Blick etwa auf
Wahlbeteiligungen, sorgfältige Rechtsproduktion durch den Gesetzgeber oder die Geldab-
hängigkeit des US-amerikanischen Kongress‘ – nachgerade von einem „institutional slack“
sprechen.

Die Gefahr des Verfalls von Instutionen wird forciert, das war eine beständige Sorge
Arnold Gehlens (jetzt 2004), durch das, was er „Hintergrunderfüllung“ genannt hat: Alle
Institutionen haben es an sich, allmählich den Schein ihrer eigenen Entbehrlichkeit zu er-
zeugen. Sie rücken nämlich zugehörige Bedürfnisse dadurch in den Hintergrund, dass ihre
22 Günther Ortmann

Erfüllung zur Selbstverständlichkeit wird – eine Erfolgsfalle für Institutionen: Ihr Erfolg
scheint sie zu erübrigen, daher verfallen sie, aber das ist erst noch nicht abzusehen und
dann nicht mehr (leicht) zu ändern.

Gehlens Remedur lautete: Lassen wir die Institutionen nach Möglichkeit unangetastet. Das
lässt sich als ein Fall eines argumentativen slippery slope auffassen (obwohl ein praktischer
Institutionenverfall eine tatsächliche Gefahr darstellt). Diesen Konservatismus können sich
Organisationen typischerweise nicht erlauben. Ihnen bleibt nichts anderes übrig, als das
Regelwerk jeweils zu verbessern – und das organisationale Sensorium für jedwedes – aber:
welches? – Driften zu schärfen.

Daher ist man besser beraten, sich Scott Snooks problembewusste Erörterung der Frage zu
Herzen zu nehmen: Was tun, da und sofern „mehr Regeln“ und „engmaschigere Kontrolle“
nicht die Mittel der Wahl sind, wenn man es mit der beschriebenen Regeldrift zu tun hat?
Snook (2000, S. 232 ff.) bietet keine fertige Antwort. Er hält es für fundamental, Antworten
auf eine entscheidende Frage zu finden, allgemein und für jeden Einzelfall: „What are the
critical design features of a hyper-complex, multilevel, multi-task, organizational system
that will increase the likelihood of accomplishing the ‚total task‘ consistently?“ (ebd., S.
235). In der Identifikation der (zyklischen, spiral- oder besser helixförmigen) Systemeigen-
schaften des fraglichen Interaktionssystems im Wege eines holistischen Ansatzes sieht er
den ersten Schritt, soweit hier das Systemdesign zur Debatte steht. Im Übrigen bedürfe es
zunächst einer Bibliothek einschlägiger Fälle und Studien, um zu Verallgemeinerungen zu
kommen. Ich ergänze diese Hinweise mit Blick nicht auf ein besseres Systemdesign, son-
dern auf eine unvermeidlich verbleibende Neigung zum Driften von Regeln: Wenn man
damit ernstlich rechnen muss, dann müssen in Organisationen Wahrnehmungs- und Reak-
tionsfähigkeiten, also: Responsivitäten für diese ja durchaus typischen Formen von Regel-
abweichungen im Dienste lokaler Rationalitäten eingebaut werden, einschließlich Kompe-
tenzen und Achtsamkeit der Beteiligten à la „Managing the Unexpected“ (Weick/Sutcliffe
2001), mit der Stoßrichtung der Vermeidung von Pannen und Desastern und gegebenen-
falls der Rücknahme des Driftens oder im Dienste responsiver, die lokalen Rationalitäten
transzendierenden Adaptationen des Regelwerks.

2.2 Lock-ins
Die berühmte QWERTY-Tastatur für Schreibmaschinen (David 1985) und Computer; die
Stromversorgung mittels zentraler Kraftwerke statt dezentraler Generatoren in jedem
Haushalt (Granovetter 1985); die Spurbreite der englischen Eisenbahn; überholte Compu-
tersprachen wie FORTRAN; das Videorecordersystem VHS; das Microsoft-Betriebssystem
oder auch Atomkraftwerke: Das sind Beispiele für pfadabhängige Entwicklungen und
Verriegelungen – Lock-ins –, die ihrerseits ein Noch-nicht/nicht-mehr-Problem konstituie-
ren: Erst mussten wir sie noch nicht loswerden, dann konnten wir es nicht mehr, auch dann
nicht, wenn ihre Ineffizienz inzwischen anerkannt wurde.
Noch nicht/nicht mehr ࡳZur Temporalform von Paradoxien des Organisierens 23

In vielen Fällen nimmt dieses Dilemma eine auf die Zukunft bezogene Form an: Zunächst
kann man noch nicht wissen, welcher technologische Standard, welche technische Lösung,
welches Produkt sich durchsetzen und die Vorteile von increasing returns auf sich vereini-
gen wird, muss sich aber jetzt, allzu früh, entscheiden, denn bald wird ist es zu spät sein,
um noch auf den abfahrenden Zug zu springen (für ein Fallbeispiel aus der Chipprodukti-
on s. Windeler 2003; zur prinzipiellen Voreiligkeit des Entscheidens s.o. 1.7). Insofern hier
das Handeln Anderer und Netzeffekte eine Rolle spielen, muss man Lock-ins als Fälle
fremdinduzierter Unmöglichkeit auffassen. Eine Form der Remedur mag dann in der Bil-
dung von Allianzen bestehen, an denen viele oder gar alle wichtigen Player beteiligt sind.
Auf diese Weise kann frühzeitig verhindert werden, dass jene Anderen dem fokalen Unter-
nehmen davonziehen und es im Zustand des „zu spät“ zurücklassen. Dabei ist der Zeitab-
lauf schon deshalb wichtig, weil die Partner – Gegner? – im Laufe der Zeit, im Maße inten-
sivierter Kooperation, Wissen abschöpfen und opportunistisch nutzen können, wogegen es
zeitlich genau differenzierter Vorkehrungen bedarf (s. etwa die Fallstudie von Gerybadze
2008 zur Durchsetzung von Standards am Beispiel eines Bussystems zur Datenübertragung
in Autos [Controller Area Network, CAN]; für weitere Abhilfen in Gestalt von Pfadver-
meidung, Pfadbrechung und Kreation neuer Pfade s. Schreyögg et al. 2003).

2.3 Sudden closure


Die realisierte Möglichkeit hört auf, eine Möglichkeit zu sein – sie ist ja Wirklichkeit gewor-
den. Bei dieser Gelegenheit verschwinden viele Alternativen in der Spalte zwischen Noch-
nicht und Nun-aber. Wie die Welt aussähe, wäre eine andere Möglichkeit realisiert worden,
konnten wir vorher noch nicht wissen und werden wir nun nie mehr erfahren. Das ist ein
Pfahl im Fleische nicht nur, aber besonders der Ökonomen, die es andauernd mit solchen
Problemen zu tun haben: Wie hätte sich das Bruttosozialprodukt der USA ohne die Erfin-
dung der Eisenbahn entwickelt? Was hätten Instantkameras gekostet, hätte es Wettbewerb
anstelle des Polaroid-Monopols gegeben? Was wäre der Preis für Zigaretten, Benzin, Au-
tomobile, würde die Tabak-, Mineralöl-, Kraftfahrzeugsteuer erhöht? Was, so musste man
vorher fragen, wenn der Markt für Versicherungen, Speditionen, Banken, Telekommuni-
kation in Deutschland frei zugänglich wäre für ausländische Wettbewerber? Hätten wir
Vollbeschäftigung, wenn die Löhne niedriger wären?

Viele Ökonomen neigen dazu, Probleme wie diese mittels scheinbar plausibler Gedanken-
experimente vom Sudden-Closure-Typ anzugehen (McCloskey 1990, S. 88 ff.): Was wäre
geschehen, wenn die Eisenbahnen in den USA 1890 stillgelegt worden wären? Was, wenn
wir heute den Flugverkehr verbieten würden? Was, wenn wir die Mineralölsteuer auf ei-
nen Schlag um 300% erhöhen würden? Im Lichte von Sudden-Closure-Modellen erscheinen
die Effekte der Realisierung von Alternativen dramatisch, das je Gegebene als unverzicht-
bar: Es geht nicht mehr ohne Eisenbahnen, Flugzeuge und billiges Benzin. Aber ohne Eisen-
bahnen, Flugzeuge und billiges Benzin lebten wir in einer anderen Welt, in einer Welt, in
der es sich ohne Eisenbahnen, Flugzeuge und billiges Benzin womöglich ganz gut leben
ließe. Der Trick liegt in der Plötzlichkeit. Plötzlich geht es tatsächlich heute noch nicht und
24 Günther Ortmann

eben deshalb morgen nicht mehr – morgen erst recht nicht mehr, weil unsere Abhängigkeit
von Eisenbahnen, Flugzeugen und billigem Benzin noch gestiegen sein wird. „Ex abrupto“
heißt ein kleiner Text von Jacques Derrida (2012, S. 143 f.), der – in ganz anderem Zusam-
menhang – dem gewidmet ist, was „abrupt“ eigentlich heißen kann: „der Bruch (rupture)
für einen Abstieg, der keine Zeit mehr lässt … mit dem letztendlichen Wunsch …, dass das
fällt wie es fällt, gut und mit einem Schlag Platz und ein Ende nimmt …“ (Hervorh. G.O.).

Wenn Manager oder auch Bankberater oder überhaupt Verkäufer durch Anreize und Kar-
rierelockungen und -bedrohungen auf allzu kurzfristige Zielerreichung orientiert oder gar
festgelegt werden (das wäre dann fremdinduziert), droht eine graduell abgestufte Variante
des sudden-closure-Problems. Solchen Akteuren müssen langen Atem erfordernde Lösungs-
wege als unmöglich erscheinen. Längerfristig wirkende Praktiken des Managements, der
Beratung, des Verkaufens kommen für sie daher nicht in Frage – heute noch nicht und
morgen nicht mehr, weil inzwischen die derart bescherte Kurzatmigkeit und Kurzsichtig-
keit zum Standard geworden ist und die Gratifikations- und Karrierechancen von dessen
Erfüllung abhängen.

Allmählichkeit ist das Heilmittel wider diese vorauseilende gedankliche Versenkung unse-
rer Möglichkeiten in den Spalten zwischen Noch-nicht und Nun-aber – statt sudden closure
die allmähliche Eröffnung möglicher Welten. Aber: Wie oft ist, zumal in Zeiten einer sich
überstürzenden Moderne (Ortmann 2009), Allmählichkeit in Gefahr, der Lächerlichkeit
preisgegeben zu werden?

Ein geläufigeres Gegenstück zu dem Wunsch nach unverzüglicher Verbesserung der Ver-
hältnisse ist die Idee langfristiger Planung. Sie indes ist, wie es heute die Spatzen von den
Dächern pfeifen, in großer Gefahr, sich der Unerträglichkeit des Noch-nicht nur auf inverse
Weise zu entwinden: statt im sudden-closure-Modus, also durch Verleugnung der Beharr-
lichkeit des status quo, diesmal durch Verleugnung der Unerkennbarkeit der Zukunft. Auch
Masterpläne haben es an sich, erst noch nicht und dann nicht mehr zu funktionieren und
die Fenster derjenigen Möglichkeiten, die sich erst unterwegs auftun, zu früh zu verschlie-
ßen und zu lange verschlossen zu halten. Auch dafür ist die Remedur Allmählichkeit: die
allmähliche Verfertigung der Ideen im Handeln – und, was in zeitlicher Hinsicht auf das-
selbe hinausläuft, Vorsorge für Rekursivität, Reversibilität, Responsivität, Flexibilität und
die Wahrung von Optionen und Kontingenz (dazu Ortmann 2009, 2010b).
Noch nicht/nicht mehr ࡳZur Temporalform von Paradoxien des Organisierens 25

3 Noch nicht/nicht mehr,


unintendiert und fremdinduziert
Während in Abschnitt 2 Fälle diskutiert wurden, bei denen die Akteure durch eigenes Den-
ken und Handeln unabsichtlich am Bau der Zeitfalle des Noch nicht/nicht mehr mitwirk-
ten, geht es nun um Konstellationen, bei denen das Handeln Anderer in die Falle führt: das
Interagieren. Wie man sogleich sehen wird, geht es da vor allem um die Temporalstruktu-
ren sozialer Dilemmata (zur möglichen Unterscheidung von Paradoxien und Dilemmata s.
Neuberger 2000, S. 187 ff.). Eine ganze Fülle von zugehörigen Fällen kann man Thomas
Schellings Micromotives and Macrobehavior (1978) entnehmen. Ich werde mich auf vier Fälle
beschränken, von denen Schelling nur einen erörtert (den Fall der Allmende; ebd., S. 110
ff.), und begnüge mich zum Auftakt dieses Abschnitts mit zwei Beispielen aus seinem
Buch. Erstens (ebd., S. 20): Nie ist ein Taxi da, wenn man es braucht. (Erst braucht man es
noch nicht, dann regnet es, und man kann keines mehr erwischen.) Schelling weist ferner
auf zyklische Prozesse hin, die – wie bei einem Thermostat – abwechselnd übers Ziel hin-
ausschießen, um sodann nach der anderen Seite auszuschlagen, also den richtigen Zustand
erst noch nicht und dann nicht mehr erreichen. Man denke an das Oszillieren zwischen zu
geringer und zu hoher Regelungsdichte in Organisationen (und Staaten). Schelling (1978,
S. 84) betont: Dafür ist der Zeitablauf der relevante Faktor: „… it is the time lag that genera-
tes the cycles“ – die Korrektur via Feedback kommt jeweils zu spät und tut dann zuviel des
Guten, zumal, wenn es, wie bei Umgehungen von Staus auf der Autobahn, das korrigie-
rende Handeln der Anderen ist, das die Vergeblichkeit meines korrigierenden Handelns
herbeiführt.

3.1 Extrinsische Motivation; crowding out


Intrinsische Motivation (s. Abschnitt 1.1), von extrinsischen Anreizen berührt, zerfällt, wird
verdrängt, jedenfalls unter näher anzugebenden Umständen. Das ist die Idee des crowding
out. Sie lässt sich, stark vereinfacht und nur mit Blick auf die Zeitverhältnisse,8 wie in Abbil-
dung 3 darstellen. (Dass in der Abbildung in t0 die extrinsische und in t1 die intrinsische
Motivation bei Null liegt, ist selbstverständlich eine Übertreibung. In praxi herrschen Mi-
schungsverhältnisse vor, und das Noch nicht/nicht mehr des crowding out ist eine graduelle
Angelegenheit.)
26 Günther Ortmann

Abb. 3: Verdrängung intrinsischer durch extrinsische Motivation

verbleibende
intrinsische

intrinsische
Motivation

Motivation verdrängte
intrinsische
Motivation

t0 t1

Motivation
insgesamt

intrinsisch

extrinsisch

t0 t1

Was die „näher anzugebenden Umstände“ angeht, so lohnt sich ein Blick auf die zeitlichen
Verhältnisse.

Zwei einfache zeitliche Umstände sind wohlbekannt. Erstens: „The most important condi-
tion for this trade-off (between in- and extrinsic motivation, G.O.) is the existence of intrin-
sic motivation in the first place” (Osterloh/Frey 2000, S. 541; Hervorh. G.O.). Zweitens:
„changing intrinsic motivation is more difficult … than relying on extrinsic motivation …“
(ebd., S. 549) und beansprucht in der Regel mehr Zeit. Dieser zweite Gesichtspunkt lässt
sich bestärken, wenn man intrinsische Motivation als Elster-Zustand auffasst, denn das
impliziert, dass er nur als Nebenprodukt eines anderen Verhaltens/Handelns erreicht wer-
den kann. In der Literatur werden genannt: die Eröffnung von Partizipationsmöglichkeiten,
persönliche Beziehungen, „gemeinsame Zielvereinbarungen“ (ein verräterischer Pleonas-
mus, der auf oktroyierte Ziel“vereinbarungen“ verweist), konstruktives Feedback, eine for-
dernde und fördernde Arbeitsorganisation mit anspruchsvollen Aufgaben („interesting
tasks“) u.a.m. Derlei herbeizuführen, kostet Zeit (und ist in seinen Erfolgen unsicher, wie
auch Osterloh/Frey 2000, S. 540 betonen). Wenn wir also den Fall betrachten, dass intrinsi-
sche Motivation aufgebaut, aber zugleich vom Verdrängungseffekt bedroht wird, dann
können wir die Dinge wie in Abbildung 4 darstellen:
Noch nicht/nicht mehr ࡳZur Temporalform von Paradoxien des Organisierens 27

Abb. 4: Aufbau und Verdrängung intrinsischer Motivation

t1
t0

(grau eingefärbt: für die Akteure unsichtbar/undurchsichtig)

Es ist ja offenkundig, dass die hier einschlägigen Begriffe wie Aufbau, Motivation, Ver-
drängung, crowding-out, Korruption, Verschiebung des locus of causality respektive locus of
control von Fremd- zu Selbstbestimmung oder umgekehrt, de- oder evaluation of self-deter-
mination (Osterloh/Frey 2000, S. 541) oder perception of fairness (ebd.) eine Doppelbedeutung
haben: Gemeint sein kann der Prozess oder sein Resultat. In der Literatur wird meist auf das
Resultat abgestellt. Der Prozess, und das heißt: die Zeit – die Dauer, die Geschwindigkeit
und die zeitliche Reihenfolge und deren Effekte – spielen eine lediglich untergeordnete,
implizit bleibende Rolle.

Crowding-out setzt eine a priori gegebene oder allmählich aufgebaute/aufzubauende intrin-


sische Motivation voraus. Das Balancieren ex- und intrinsischer Motivation bezeichnen
Osterloh und Frey (2000, S. 544) daher zu Recht als eine entscheidende Managementaufga-
be, zumal wegen der Probleme des Transfers impliziten Wissens im Falle wissensbasierter
Produktionsteams. Dass dabei die Zeit, nun auch in Gestalt von Zeittakten, der Taktung
von Zielvorgaben und zugehörigen Kontrollen – man denke an quartalsweise, monatliche,
wöchentliche, tägliche oder gar halbtägige Kontrolle der Umsatzzahlen von Bank“beratern“
oder auch an die kurzfristige Beurteilung von Managementleistungen anhand des sharehol-
der value – eine erhebliche Rolle spielt, liegt ja auf der Hand. Nicht zufällig propagieren
Osterloh und Frey (z.B. 2000, S. 545) unorthodox, aber mit starken Gründen, für viele Auf-
gaben qualifikationsabhängige Zeitlöhne. Diese sind nicht in Gefahr, via crowding-out das
Noch-nicht der Motivation in ein Nicht-mehr zu überführen.

3.2 Die Tragik der Allmende


Die bekannten Probleme der Allmende und der öffentlichen Güter bieten insofern Beispiele
für Noch-nicht/nicht-mehr-Konstellationen, als in diesen Fällen effiziente oder gar im übli-
chen Sinne optimale Lösungen zunächst noch nicht (leicht) determinierbar, später aber
28 Günther Ortmann

nicht mehr (leicht) möglich sind, wenn nämlich Defektion, Überweidung, Unterproduktion
und Trittbrettfahrerei eine kritische Schwelle überschritten haben. Die Gefangenen im ein-
maligen Gefangenendilemma zum Beispiel können erst noch nicht darauf vertrauen, dass
der Andere kooperieren wird, und danach ist es zu spät. Auch im iterierten Gefangenendi-
lemma drohen jederzeit Defektion und Defektionsketten – mit der Gefahr, dass „der Ehrli-
che der Dumme ist“, der davon überrascht wird, dass auf Kooperation nicht mehr vertraut
werden kann. Bekanntlich wurden für die Steuerung in Richtung auf effiziente Lösungen
zumal der Allmendeprobleme, mit denen Elinor Ostrom (dt. 1999) befasst ist, lange Zeit nur
der Markt oder der Staat als Kandidaten ins Auge gefasst. Ostrom aber, die demgegenüber
vielfältige Lösungswege und insbesondere Selbstverwaltung als Alternative postuliert, hat
m.E. das stärkste Argument für die Ergänzung einer statischen durch eine dynamische, die
Zeitbedarfe und -abläufe in Rechnung stellende Betrachtung solcher Dilemmata geliefert.
Sie hat gezeigt, dass die scheinbare Unausweichlichkeit der genannten sozialen Dilemmata
Resultat einer Dramatisierung ist, die sich, wie ich es sehe, nicht zuletzt der Statik der ein-
schlägigen Modelle verdankt. Die Tragik der Allmende (Hardin 1968), das Gefangenen-
Dilemma, die Logik kollektiven Handelns (Olson 1965) und allfällige Bedrohungen durch
Andere – Defektoren und Trittbrettfahrer – lassen sich entschärfen, wenn nur gefragt wird,
was da die Bedingungen der Unmöglichkeit in der Zeit produziert, wie deren Produktion
vonstatten geht und wie umgekehrt Akteure unter notwendiger, ausgiebiger Inanspruch-
nahme von Zeit für die Entwicklung – und spätere Modifikation! – geeigneter institutionel-
ler Arrangements sehr wohl Bedingungen der Möglichkeit selbstverwalteter Kooperation
schaffen können. Es geht da um Zeit „raubende“ Prozesse der Kreation, Bereitstellung,
Vollstreckung, Durchsetzung, Überwachung und Anpassung von Institutionen, um Selbst-
verpflichtung (dazu Abschnitt 5) und Vertrauensbildung (und dabei um das Nach-und-
Nach rekursiver Konstitution von Selbstverpflichtung und Überwachung; Ostrom 1999,
S. 54 ff. und passim). Es geht um Zeit beanspruchendes Experimentieren mit institutionellen
Arrangements, und es geht um langwierige Institutionentransformation, und immer droht
der Einbruch des Nicht-mehr der Kooperation – der Defektion und Ausbeutung. Dafür
verweise ich hier kursorisch auf die einschlägigen Arbeiten zu common-pool resources. Dar-
über hinaus biete ich nun nur noch zwei Beispiele für fremdinduzierte Unmöglichkeit auf,
die für das Handeln in Organisationen besonders aufschlussreich sind.

3.3 Positionale Güter


Ein Open-Air-Konzert am Rhein, Tracy Chapman singt, die Sonne scheint auf den Tanz-
brunnen in Köln. Es ist warm, alle sitzen auf der Erde, alle sind es zufrieden. Dann aber
stehen vorne einige auf, um besser sehen zu können. In einer Zeitfalte, das heißt: zeitgleich,
aber zunächst noch unsichtbar, beginnt der Prozess der Zerstörung der Bedingungen der
Möglichkeit, besser zu sehen, in diesem Falle eine Sequenz, ein negativer Dominoeffekt, bei
dem einer nach dem anderen aufstehen muss, um wieder genauso gut sehen zu können wie
zuvor. Man nennt Güter, deren Wert derart von ihrer relativen Position zu anderen ab-
hängt, positionale Güter (Hirsch 1980): das Eigenheim in der edlen Gegend, die eben des-
halb edel ist, weil nicht Hinz und Kunz dahinkönnen; die bessere Ausbildung, die meine
Noch nicht/nicht mehr ࡳZur Temporalform von Paradoxien des Organisierens 29

Arbeitsmarktchancen steigern sollen, die aber nur relativ zum Niveau der anderen besser
ist et cetera. Auch am Arbeitsmarkt aber gilt: Wenn alle auf den Zehenspitzen stehen, kann
niemand besser sehen. Die Bildungs- und Arbeitsanstrengungen der Einzelnen produzieren
und destruieren zugleich die besseren Arbeitsmarktchancen, wenn sich alle danach stre-
cken. Das verleugnen die meisten Arbeitsmarktpolitiker. Das alte Bildungsniveau beschert
dann den Arbeitsplatz noch nicht, das neue nicht mehr.

Der erste Theoretiker der positionalen Güter war Georg Christoph Lichtenberg. „Wo alle
Leute so früh als möglich kommen wollen“, schreibt er in den Sudelbüchern (1968, Heft L,
S. 913), „da muß notwendig bei weitem der größere Teil zu spät kommen.“ Das gilt, wie
man wohl sieht, auch für Wettbewerbspositionen zwischen und auch innerhalb von Orga-
nisationen.

Das lässt sich sogar evolutionstheoretisch fassen, und zwar auch mit Blick auf die Evolution
von Organisationen: als Red-Queen-Effekt. Die Rote Königin, noch einmal, sagt zu Alice in
Alice hinter den Spiegeln: „... it takes all the running you can do to keep in the same place.“
Die Evolutionsbiologen (dazu noch einmal Kauffman 1996) denken etwa an Kaninchen und
Füchse, die einander gegenseitig zur evolutionären Steigerung ihrer Schnelligkeit nötigen,
oder an Bäume, die im Wald um Sonnenlicht konkurrieren und dafür höher und höher
wachsen müssen. Organisationen – und Mitglieder in Organisationen mit ihren Positions-
kämpfen – können einem vergleichbaren Selektionsdruck unterliegen.

Ich gebe hier mit Blick auf das Innere von Organisationen nur noch das Beispiel der Zufrie-
denheit der Organisationsmitglieder, von der Oswald Neuberger (1997, S. 222) gezeigt hat:
Sie „ist ein bewegliches Ziel, das sich bei Annäherung immer ein Stück weiter entfernt“,
weil und soweit es dabei um positionale Güter geht und „der Selbstwert an die Wertschät-
zung durch andere gekoppelt ist“ (ebd., S. 223). Ein Management, das versucht, die Ar-
beitszufriedenheit zu erhöhen, läuft daher Gefahr zu erleben, dass die Leute erst (mit dem
alten Zustand) noch nicht und dann (nach zufriedenheitserhöhenden Maßnahmen) mit
dem neuen nicht mehr zufrieden sind: Die Referenzgruppe, von der man Standards der
Zufriedenheit ableitet, konnte inzwischen ihrerseits ein höheres Vergleichsniveau realisie-
ren. Man sieht daran, dass demonstrativem Konsum à la Veblen (1981) insofern mehr als
ein Hauch von Vergeblichkeit zukommt. Eine Remedur besteht dann darin, Abstand von
solchen – extrinsischen (s.o.)! – Anreizen zu nehmen, sofern sie ihren Wert aus der Position
in einer sozialen Rangordnung beziehen.

3.4 Rat race economics; Leistungsturniere


George Akerlof hat bekanntlich ähnliche Phänomene als Rattenrennen analysiert. „In the
rat race the chances of getting the cheese increase with the speed of the rat, although no
additional cheese is produced“ (Akerlof 1976, S. 603). Die ökonomische Logik ist klar und
einfach – wie bei den Arbeitsplatzsuchenden: „Von unten“, das heißt aus der Perspektive
des einzelnen Rennteilnehmers, ist der zusätzliche Einsatz vernünftig (übrigens selbst
dann, wenn er weiß, dass alle anderen genauso handeln), aber „von oben“, das heißt sum-
30 Günther Ortmann

miert über alle Rennläufer, handelt es sich eindeutig um Ressourcenverschwendung, weil


kein erhöhter Output resultiert. Das Rennen jedes einzelnen tangiert die Position, und das
heißt: erzeugt positionale externe Effekte für alle anderen, die sich eben deshalb dem Ren-
nen nicht verweigern können. Eine Variante dieser Konstellation allerdings, die sogenann-
ten Leistungsturniere, bei denen anders als im Akerlof-Fall sehr wohl eine Output-Stei-
gerung erreicht wird und angeeignet werden kann, ist „von oben“ aus gesehen effizienz-
steigernd und nur „von unten“ aus gesehen Verschwendung: Angehende Manager, Rechts-
anwälte oder Unternehmensberater „rennen“ zu Beginn ihrer Karriere gegeneinander und
arbeiten daher systematisch „viel zu viel“. Der Akerlof-Fall lässt sich an den Clubs ameri-
kanischer Major Leagues, die zu Überinvestitionen in ihre Spielstärke genötigt werden,
oder an der Ökonomie der Superstars studieren (Gaitanides 2004), in die Sponsoren, Fern-
sehsender, Filmproduzenten und andere immer mehr Geld investieren. Jedes Mal winken
starke Anreize – ein größeres Stück aus einem riesigen Kuchen. Das erzeugt auf individuel-
ler Ebene eine Jackpot-Mentalität. Die Leute flüchten aus „Normalberufen“ dahin, wo sol-
che besonderen Anreize wirken. Sie wollen Model, Primaballerina, Tennishero, Filmstar,
Führungskraft, Staranwältin, Investmentbanker werden statt Ingenieurin, Bäcker oder
Kindergärtnerin, und schrecken vor kostspieligen und gefährlichen Überholmanövern
nicht zurück – vor plastischer Chirurgie, Doping, dem Ruin der Gesundheit, der Zerstö-
rung der Familie, ultrateuren Schulen und Beratern etc. Auch in diesen Fällen können Or-
ganisationen davon massiv profitieren, und es sind zum Teil die individuellen, zum Teil
die korporativen Akteure, für die gilt: Bevor sie das alles tun, stehen ihre Chancen noch
nicht besser, danach nicht mehr – weil und sofern alle anderen ihrerseits „schneller ren-
nen“. Und: Jeder einmal für fünfzehn Minuten berühmt, das kann nicht wirklich funktio-
nieren: Ruhm ist ein positionales Gut. Den meisten winkt er erst noch nicht und dann nicht
mehr.

4 Fallen stellen: Noch nicht/


nicht mehr, intendiert und
fremdinduziert
Man kann das schwarze Loch zwischen Noch-nicht und Nun-aber deshalb eine Zeitfalle
nennen, weil Akteure hineingeraten, aber nicht (oder schlecht) wieder herauskommen. Das
Driften von Regeln und Routinen etwa, Pfadabhängigkeiten und die fixe Idee, Dinge einer
sudden closure zuführen zu müssen, bringen Akteure in schwere zeitliche Bredouillen – so
sehr Regeln und Verträge als Schutz vor Fallenstellerei aufzubieten sind.

Die Metapher der Falle – eine Falle ist, zeitlich gesehen, immer eine Noch-nicht/nicht-mehr-
Konstellation – erlaubt nun zu sehen, dass man derlei auch intendieren und Fallen auch
stellen kann. Immer noch bleibt es dann bei Akteuren, die hineingeraten (und irgendwann
Noch nicht/nicht mehr ࡳZur Temporalform von Paradoxien des Organisierens 31

vom Nicht-mehr-hinaus-Können überrascht werden). Aber hier gibt es Intendiertheit, eben


auf Seiten derer, denen an der Fallenstellerei gelegen ist. Der besondere Punkt hier ist, dass
es Zeitverhältnisse sind, aus denen die Falle besteht. Die eben erwähnten Leistungsturniere
tragen Züge einer solchen Fallenstellerei.

Ich kann hier nur in aller Kürze eine Reihe weiterer bekannter Konstellationen anführen,
die in oder zwischen Organisationen erhebliche Relevanz haben:

 Oliver Williamsons (1990, S. 70 ff.) „fundamentale Transformation“ hat eine zeitliche


Dimension, die zu jener Fallenstellerei genutzt werden kann, die ich einmal (in Ort-
mann 2011b, S. 142 f.) als „Aalreusenökonomie“ bezeichnet habe: Vorher mag es Wett-
bewerb gegeben haben, hinterher ist es damit vorbei. Der nun unentbehrlich gewordene
Lieferant, der Drucker-Hersteller mit den teuren, aber hochspezifischen Drucker-
Patronen, der Mobilfunkanbieter nach Lizenzerteilung: sie alle mögen den Fisch in die
Reuse gelockt haben, um anschließend Quasi-Renten zu realisieren (s. auch Picot et al.
1997, S. 69 f., 112 f., 333 f.). Abhilfe mag dann das vertragliche Instrumentarium ver-
sprechen, das die neue Institutionenökonomik anzubieten hat – nicht zuletzt Fremd-
und Selbstbindung (zu Letzterer s. Abschnitt 5).
 Man beachte andererseits, dass für Oliver Hart (1995, S. 2) „der Vertrag am besten als
ein geeigneter Hintergrund oder Ausgangspunkt für ... Nachverhandlungen statt als
Spezifikation eines endgültigen Ergebnisses verstanden“ werden sollte – erst gibt es
noch keine „endgültige Spezifikation“, dann – in situ – kommen neue Spezifikationen
hinzu, die aber den Mangel einer stets nur nachträglichen, nachsorgenden Behebung in
situ auffällig gewordener Vertragsmängel und -lücken nicht abstreifen können. Die
„endgültige Spezifikation“ wird so auf ewig aufgeschoben.
 Jedwede Salami-Taktik in Verhandlungen oder bei strategischen Manövern folgt einer
Logik des Noch nicht/nicht mehr: Erst gibt es noch nicht Grund genug für Einreden,
Ablehnung, Gegenzüge oder Abwehrmanöver, dann sind sie nicht mehr möglich. Es ist
dies nichts anderes als das Haufenparadox (Sorites-Paradox; s. Sainsbury 1993) in zeitli-
che Form gebracht und als Strategie genutzt: Ein Sandhaufen bleibt ex definitione ein
Haufen, wenn man ein Sandkorn wegnimmt, aber irgendwann ist es doch keiner mehr.
 Slippery-slope-Argumentationen locken in Zustimmungsfallen.
 Praktisches Driften, Gleiten und schleichende Entwicklungen können absichtlich herbei-
geführt werden, um Widerstand zu vermeiden. Man bedenke, dass Gewöhnung und
die Sozialisation von Organisationsmitgliedern, aber auch von Kunden, Klienten und
Konsumenten auf die Bahn eines praktischen slippery slope gebracht werden können.
 Ein Entscheidungskorridor (Ortmann 1984, S. 84 ff.; Ortmann et al. 1990, S. 65 ff., 409 ff.)
kann mit Absicht errichtet werden, um Irreversibilitäten zu erzeugen, zum Beispiel die
andere Koalition auf SAP-Produkte, auf Windows, auf eine bestimmte Strategie oder
eine neue Struktur festzulegen. (Auch jenseits von Absichten gibt es so etwas wie eine
Entscheidungsremanenz – Stichworte: escalating commitments; sunk costs; mikropolitisch
32 Günther Ortmann

bedingte Irreversibilitäten, wenn ein Verhandlungs„paket“ einmal geschnürt ist und


nur zu hohen, oft prohibitiven Kosten wieder aufzuschnüren wäre.)

 Über beabsichtigte (Folgen von) Reorganisationen wird oft nicht oder schlecht infor-
miert, um keine „schlafenden Hunde“ zu wecken. Wenn die schlafenden Hunde erwa-
chen, können sie oft nichts mehr machen, und das ist ja meist der Sinn dieser Taktik.
 Budgetanträge (auch: Bauvorhaben im öffentlichen Raum) werden bekanntlich oft mit
(zu) geringen Investitionssummen begründet, in hie bekannter, da dann doch überra-
schender Antizipation nachträglicher Korrekturen nach oben. (Die veranschlagten Kos-
ten für die Elbphilharmonie in Hamburg haben sich Ende 2012 von anfangs 77 Millio-
nen Euro auf nunmehr 575, nach neuesten Meldungen vom Mai 2013 auf 789 Millionen
erhöht.)
 Gaben erzeugen beim Empfänger die mehr oder minder stark empfundene Verpflich-
tung zur Erwiderung. Sie eignen sich daher zur Fallenstellerei via Moralität des Emp-
fängers. Kaffeefahrten, das „Anfüttern“ von Betriebsräten, das erst später in flagrante
Korruption ausartet, Spendenaufforderungen, denen kleine „Geschenke“ beigegeben
werden, und so manche Maßnahmen der Kundenbindung sind Beispiele.
Schließen wir mit dem Hinweis, dass beabsichtigtes Noch nicht/nicht mehr nicht immer
den Titel ‚Fallenstellerei‘ verdient. So manche selbsterfüllende und erst recht so manche
selbstzerstörende Prophezeiung (dazu Schelling 1978, S. 115 ff.) soll schützen oder retten,
nicht Andere in eine Falle locken. Das Versprechen blühender Landschaften in den neuen
Bundesländern war vielleicht keine Lüge und keine Fallenstellerei, sondern der Versuch,
auf Selbsterfüllung zu setzen, und die Warnung vor einer Krise mag sich – hoffentlich – erst
noch nicht, dann nicht mehr erfüllen. Ferner gibt es auch den Fall eines intendierten Noch
nicht/nicht mehr, das selbst- und nicht, wie in den eben angeführten Fällen, fremdinduziert
ist. Das ist ein mögliches Gegengift gegen viele der hier diskutierten Probleme: Selbstbin-
dung.

5 Selbstbindung: Noch nicht/


nicht mehr, intendiert und
selbstauferlegt
Gemeint ist der Fall („self-binding“, „precommitment“), mit der Odysseus die Sirenen
überlistet hat. Jon Elster (1987, S. 67 ff., 2000) hat ihm ausführliche Analysen gewidmet (s.
auch Thévenot 1984). Ihm fehlt, anders als in allen anderen Fällen, das Moment der Überra-
schung. Man könnte aber von Selbstüberlistung sprechen. Die zeitliche Dimension von
Selbstbindung liegt darin, dass sie eine (selbstauferlegte) Vorkehrung heute gegen eigenes,
unerwünschtes oder gar gefährliches, aber befürchtetes Verhalten morgen ist. Noch-nicht/
Noch nicht/nicht mehr ࡳZur Temporalform von Paradoxien des Organisierens 33

nicht-mehr-Konstellationen haben es an sich, dass wir in sie hineingeraten. Das kann man
nicht immer, aber in vielen Fällen frühzeitig absehen und sich mittels Selbstbindung davor
schützen. Sich selbst heute zu binden, heißt zu sagen: Heute, da ich der Verführung noch
nicht erliege, will ich dafür sorgen, dass ich es morgen, da ich vielleicht schwach werde,
nicht mehr (leicht) kann. Der in unserem Zusammenhang einschlägigste Komplex von
Beispielen sind: Verfassungen, der Gebrauch von Recht, besonders vertraglichen (Selbst-
)Verpflichtungen und organisationale Regelwerke. Vorgesetzte etwa können sich selbst
durch Regeln – etwa der Vorgesetztenbeurteilung – binden, um befürchteten eigenen
Machtgelüsten zu steuern. Vieles, was in der neuen Institutionenökonomik als Arsenal
wider den Opportunismus der Akteure mobilisiert wird, credible commitments, hands-tying,
bonding, Garantieerklärungen, Zertifizierungen u.v.a. gehört zu den Fällen der Selbstbin-
dung (s. z.B. Picot et al. 1997, S. 86 ff.). Auch moralische Selbstverpflichtungen etwa auf
Fairness können in diesem Licht gesehen werden. In Abschnitt 1.7 habe ich ferner erwähnt,
dass jede Entscheidung als Fall von Selbstbindung aufgefasst werden kann – nicht erst, wie
bei Elster, die Entscheidung zur Einschränkung von Entscheidungen. Paradigmatische
Beispiele bei Elster (2000, S. 88 ff.) sind (Staats-)Verfassungen. Sie sind ein Fall von Selbst-
bindung in zweierlei Hinsicht: zum einen, insofern der Staat sich damit selbst bindet und so
den Bürger vor unzulässiger Staatsgewalt schützt; zum anderen als Selbstbindung der
Verfassung durch die Verfassung, die nämlich selbst die Konditionen ihrer Veränderung,
Ergänzung und/oder Suspension regelt. Verfassungen sagen zu alledem: Heute ist es noch
nicht beabsichtigt; aber die Gefahr ist absehbar, daher stellt die Verfassung sicher, dass es
morgen nicht mehr (uneingeschränkt) möglich ist. Nicht zuletzt gilt das den Gefahren des
Hineinschlitterns – des Gleitens oder Driftens (s.o. 2.1). Beispiel: „There can be a primrose
path [ein Rosenpfad] to addiction“ (Elster 2000, S. 271). Selbstbeschränkungen gegen die
eigene Alkoholabhängigkeit (dazu Elster 2000, S. 63 ff.), zum Beispiel via Mitgliedschaft bei
den Anonymen Alkoholikern, bieten dann ein Noch nicht/nicht mehr (nämlich das des
Trinkens) gegen ein gegenläufiges Noch nicht/nicht mehr (nämlich das der Abstinenz) auf.
Den Zusammenhang dieses Beispiels zu Verfassungen hat Elster (2000, S. 97) mit einer bei
von Hayek geborgten Formulierung hergestellt – „a constitution is a tie imposed by Peter
when sober on Peter when drunk.“ Das dürfen wir auf Organisationen und ihre Regeln
übertragen. Das Regelwerk (einschließlich der Standardisierung) ist eine (Fremd- und)
Selbstbindung, auferlegt, solange man „nüchtern“ ist, gegen allerlei (Selbst-)Gefährdungen:
u.a. gegen Machtexzesse, Willkür, Bequemlichkeit, shirking, Opportunismus und Abhängig-
keiten – oder Schuldenmacherei des Staates, die in den USA der Budget Control Act von
2011 eindämmen soll. Regeln „enabling limits“ zu nennen (Ortmann 2012b), findet nicht
zuletzt darin seine Berechtigung, dass man selbst seine Freiheit einschränkt, um neue Frei-
heit zu gewinnen.

***

Ich stelle nun, in Abbildung 5, die Fälle der Fallgruppen 1.1 bis 3.4 sowie 4 und 5 noch
einmal in einer Liste zusammen, wie ich sie in der Einleitung als Abbildung 2 gewählt
habe. Darin bezeichnet MNnnm die erwünschten (in Fallgruppe 5: befürchteten), aber verei-
telten Möglichkeiten.
34 Günther Ortmann

Abb. 5: Erst noch nicht, dann nicht mehr realisierbare Möglichkeiten (MNnnm)
und paradoxe Operationen der Fallgruppen 1-5

Möglichkeit MNnnm Paradoxe Operation

1.1 Elster-Zustände; intrinsische Motivation (direktes) Intendieren


Seife in der Hand Griff nach der Seife in der Badewanne

1.2 Zukunftsfähigkeit, -wahrnehmung Antizipieren

1.3 „Fit“ der Organisation Reorganisation, die Zeit braucht

1.4 Ideales Verstehen der Kommunikationspartner Kommunikation ( Formulierung, Mitteilung und


Rezeption/Interpretation)

1.5 Erreichen des unberührten Gegenstandes Berühren

1.6 „Wieder-und-wieder“ Wiederholen (impliziert Identität und Differenz)


Verlässlichkeit, hohe Standards, Routinisierung (impliziert ein Moment der
Routiniertheit Improvisation)
Auf Dauer gestellter/dauernd gesteigerter Wiederholung/Überbietung alter Erfolgsrezepte
Erfolg (Ikarus-Paradox)
Sein oder Handeln „wie die Anderen“ Nachahmung (verfehlt das Original)

1.7 Zwingend begründete Problemlösungen Entscheiden unter Münchhausen-Trilemma

1.8 Die reine Gabe Geben, das als freigebig anerkannt sein will

2.1 Vollendete Regelkonformität; rechtzeitig rule following (impliziert Abweichung,


Wahrnehmung/Revision von Abweichungen u.U. Driften, organizational/institutional slack,
slippery slope)

2.2 Entscheidungsfreiheit; rechtzeitige Wahrneh- Entscheiden (impliziert Festlegungen und u.U.


mung/Revision von Verriegelungen Lock-ins)

2.3 Eine bessere Welt Plötzliche Änderung/sudden closure

3. Taxi Andere suchen auch ein Taxi


„richtiger Zustand“ Regelung via zeitraubender/ über-schießender
Rückkopplung

3.1 Motiviertheit Extrinsische Motivation, die crowding out bewirkt

3.2 Gemeinwohl in der Allmende Kooperation evoziert/fördert Defektion

3.3 Bessere Position Alle „stellen sich auf die Zehenspitzen, und
niemand kann besser sehen“

3.4 Sieg im Rattenrennen Alle rennen schneller „and the winner takes it all“

4. Wahrnehmung von/Schutz vor/Auswege aus Fallen stellen (Andere mit Zuckerbrot zur Peitsche
Fallen locken)

5. Zukünftige Gefährdung/Verführung Selbstbindung; self-commitment:


Selbstbeschränkung der eigenen Entscheidungs-
freiheit
Noch nicht/nicht mehr ࡳZur Temporalform von Paradoxien des Organisierens 35

6 Paradoxieentfaltung; Problem-
verschiebung mit eingebauten
Folgeproblemen
Dort, wo wir es ernstlich mit Paradoxien zu tun haben, sind wir mit Unmöglichkeit kon-
frontiert. Dann bleibt, was Niklas Luhmann (z.B. 2000, S. 41 ff.) Paradoxieentfaltung genannt
hat, insbesondere: Problemverschiebung.

Schon 1963 haben Richard Cyert und James March die Hoffnungen auf fix und fertige Prob-
lemlösungen – Lösungen, die das Problem zum Verschwinden brächten – enttäuscht und
ihnen die Idee der Quasi-Lösung von Konflikten entgegengestellt. Der Begrenztheit
menschlicher Rationalität entspreche die Begrenztheit – die Vorläufigkeit und Endlichkeit –
von Problem„lösungen“. Entscheidungsprobleme würden faktorisiert, in Subprobleme
zerlegt, lokalen Rationalitäten überantwortet und mit sequentieller Aufmerksamkeit be-
dacht. Ein attention focus mechanism sorge für ein Nacheinander der Konzentration auf
(Teil-)Probleme und Ziele. „Resolving“ setzen die Autoren in Anführungszeichen, wenn sie
von Konflikt- und Problemlösung sprechen (Cyert/March 1963, S. 35, 117 f.). Entscheidun-
gen, so sehr sie dem Zweifeln und Schwanken ein Ende bereiten sollen, bleiben Pro-viso-
rien. Ihre Vorläufigkeit ist die Kehrseite ihrer Voreiligkeit (s. Abschnitt 1.7).

Diese Figur lässt sich beträchtlich präzisieren und ausarbeiten durch den von Luhmann
inspirierten Gedanken der Problemverschiebung mit eingebauten Folgeproblemen (Chris-
tof Wehrsig, mündliche Mitteilung). Organisationen lösen nicht, sie verschieben Probleme.
Cyert und March betonen die Verschiebung auf Teilprobleme und lokale Rationalitäten
sowie das Eins-nach-dem-anderen sequentieller Fokussierung der Aufmerksamkeit. An
anderer Stelle (Ortmann 2004a, S. 25) habe ich eine Liste weiterer möglicher Arten der Prob-
lemverschiebung angesichts von Entscheidungsparadoxien aufgestellt, die ich später (in
Ortmann 2009, S. 166 f.) noch etwas verlängert habe und hier unter Bezugnahme auf das
bisher Erläuterte noch weiter ausbaue (für weitere Vorschläge s. Müller-Stewens/Fontin
1997; Neuberger 2000, S. 202 ff.):

 Verzicht auf Konsens zugunsten von Zeitgewinn (Luhmann 1994, S. 146) – man denke nur
an Tarifverhandlungen oder die Euro-„Rettung“;
 Verschiebung des Anspruchsniveaus: „es verkürzt die Entscheidungszeit, wenn man aus
vielen brauchbaren Lösungen die ‚erste beste‘ wählen kann …“ (ebd.). Man verschiebt
also das Problem der knappen Zeit auf das Konsensproblem oder das des (zu?) hohen
Anspruchsniveaus, mit absehbaren Folgeproblemen (zur Theorie der Anspruchsanpas-
sung s. Lewin et al. 1944);
 Verfolgung direkt nicht-intendierbarer Zustände auf indirektem Wege (s.o. 1.1);
36 Günther Ortmann

 Temporalisierung: wir schieben die Paradoxie vor uns her wie die Beule unter dem
Teppich, schieben auf, sitzen aus, spielen auf Zeit, vertrösten uns mit zukünftigen Lö-
sungen; positiv formuliert: Wir setzen auf Lösungen, von denen man weiß oder wissen
kann oder später lernt, dass sie provisorisch, vorläufig, Zwischenlösungen sind und be-
schäftigt sich mit deren Folgeproblemen später (wie im oben erwähnten Fall der Pro-
jekt- und Netzwerk-Organisation);
 Verräumlichung: die Problemverschiebung findet im Raum statt wie die buchstäbliche
Beule: Was hier unbewältigbar scheint, muss es ja nicht auch dort (am anderen Stand-
ort, im anderen Land etc.) sein;
 sachliche Verschiebung: durch Fortbewegung zu je neuen sachlichen Aspekten oder Ge-
bieten (Rankings etwa verschieben das Problem der Leistungs- oder Qualitätsbeurtei-
lung auf die Messung messbarer Indikatoren und bedienen sich ferner vieler anderer
Modi der Problemverschiebung; s. Kieser 2012);
 Prozeduralisierung: durch Verschiebung der Entscheidung über Inhalte auf die Regeln,
Formen oder Prozeduren der Entscheidung, von denen dann die Gewährleistung rich-
tigen Entscheidens erwartet wird (das ist der Michael-Power-Fall aus Abschnitt 2.1);
 soziale Verschiebung: auf immer andere Personen, Personenkreise (zum Beispiel höherer
oder niedrigerer hierarchischer Ebenen) oder auch korporative Akteure; Arbeitsteilung
hilft bei allen Weisen der Verschiebung;
 Problemverdrängung/Invisibilisierung: auch hier hilft Arbeitsteilung; die Paradoxie fällt
durch die Gitter der Zuständigkeiten und Kompetenzen, wird tabuisiert, aus dem orga-
nisationalen Gedächtnis und dem Organisationsvokabular entfernt;
 Relativierung: was für den einen/in einem Kontext/aus einer Perspektive paradoxal an-
mutet, muss es aus anderer Sicht nicht sein; Perspektivenwechsel und Pluralismus
avancieren zu Heilmitteln (Atomstromerzeuger können zum Beispiel ihre Argumenta-
tion von „preiswert“ auf „CO2-frei“ umstellen);
 Zuflucht zu Scheinobjektivität etwa eines Organisationsberaters, eines neutralen Gutach-
ters, eines unanfechtbaren Verfahrens, eines unvoreingenommenen Beobachters (Kieser
1998);
 Scheinheiligkeit: man begnügt sich wider besseres Wissen mit Begründungs- und Legiti-
mationsfassaden (Meyer/Rowan 1977; Brunsson 1989);
 Oszillation: man oszilliert zwischen den Hörnern eines Dilemmas (Luhmann 2000, S. 128
und passim), etwa zwischen Humanisierung und Rationalisierung, Größenwachstum
und „small is beautiful“, Zentralisierung und Dezentralisierung, Diversifikation und
Konzentration aufs Kerngeschäft;
 Versuch und Irrtum plus kritische Prüfung: das ist der Vorschlag Hans Alberts (1991) –
eine weise Konsequenz aus der Ernstlichkeit des von ihm etablierten Begründungsprob-
lems („Münchhausen-Trilemma“), die aber ihrerseits die Frage nach den Kriterien der
kritischen Prüfung, der Begründung dieser Kriterien und ihrer Anwendung in situ auf-
wirft;
Noch nicht/nicht mehr ࡳZur Temporalform von Paradoxien des Organisierens 37

 Pfadvermeidung, -auflösung, -brechung (Schreyögg et al. 2003, S. 273 ff.);


 Portfolio-, Optionen-, Kontingenzmanagement im Dienste von Reversibilität, Flexibilität
und Responsivität (Ortmann 2009);
 Selbstbindung: Man wappnet sich durch „precommitment“ heute dagegen, morgen von
verbleibender Kontingenz und allfälligen Versuchungen überfordert zu werden.
Allerdings sind Folgeprobleme programmiert. Um dies zunächst an dem oben, bei der
Erörterung der Elster-Zustände erwähnten Beispiel der Eigeninitiative zu erläutern: Eine
Organisation, die das Handeln ihrer Mitglieder durch Geldanreize steuern will, stützt sich
auf Zonen der Indifferenz und bringt es so zu einem erheblichen Mobilitätsschub, nämlich
der Entkoppelung der Mitgliedermotivation von den Systemzwecken, aber bekommt es
dann mit dem Folgeproblem zu tun, wie die Indifferenz der Mitglieder in Initiative über-
führt werden kann, und zumal, wie dann die Früchte der intrinsischen Motivation sollen
reifen können. Wenn sie, um dieses Folgeproblem zu lösen, Zu- und Vertrauen sowie die
nötigen Freiheiten gewährt, muss sie wiederum Folgeprobleme womöglich resultierender
Integrations- und Koordinationsprobleme lösen – und so fort, ad infinitum. Ein anderes
Beispiel: Die Problemverschiebung in Richtung auf lokale Rationalitäten führt, wie an
Snooks „Friendly Fire“ exemplarisch zu studieren ist, mitten in das Folgeproblem der dann
womöglich mangelnden Abstimmung zwischen diesen – notwendig partiellen – lokalen
Rationalitäten. Drittes Beispiel: Prozedualisierung evoziert Folgeprobleme der mangelnden
situativen Angemessenheit der Regeln und Prozeduren. Viertens: Scheinheiligkeit kann
durchschaut und sanktioniert werden. Fünftens: Evaluationen und Rankings schaffen
Mess- und Vergleichbarkeit, aber um den Preis von Fehlsteuerungen und Indikatorenver-
halten. Sechstens: So manche Selbstbindung wird man morgen bereuen. Und so fort. Man
sieht: Problemverschiebung ist eine Sisyphos-Arbeit, und nicht leicht fällt es, sich Sisyphos
als glücklichen Menschen vorzustellen.

7 Resümee; Weiterungen
Ich fasse zusammen, was mir an Noch-nicht/nicht-mehr-Konstellationen wichtig erscheint,
und deute einige Weiterungen an.

1. Paradoxien genießen in weiten Kreisen keinen guten Ruf. Ich habe sie einmal „die
Schmuddelkinder der Logik“ genannt (Ortmann 2004a). In der Philosophie werden sie
trotzdem, oder gerade deshalb, sehr ernst genommen (s. nur Sainsbury 1993). Vielen Be-
triebswirten zumal, mit ihrem praxeologischen Erkenntnisinteresse, sind sie jedoch ein
Dorn im Auge, weil und insofern sie Unmöglichkeit implizieren, statt Handlungsmöglich-
keiten zu eröffnen (s. aber die bereits zitierten Arbeiten von Müller-Stewens/Fontin 1997
und Neuberger 2000). Sie jedoch nur oder zu schnell unter dem Gesichtspunkt ihrer Über-
windbarkeit zu betrachten – „Was kann man tun?“ –, ist geeignet, den verweilenden Blick
auf die Grenzen der Machbarkeit zu trüben oder eilig abzuwenden.
38 Günther Ortmann

2. Operative Paradoxien haben eine zeitliche Ausdehnung, und in den hier interessierenden
Fällen sind die Zeitverhältnisse ausschlaggebend. Wenn eine operative Paradoxie dadurch
definiert werden kann, dass die Bedingungen der Möglichkeit einer Operation die Bedin-
gungen ihrer Unmöglichkeit implizieren, dann lässt sich mit Gewinn nach den empirischen
Zeit- und Produktionsverhältnissen solcher Unmöglichkeiten und Implikationen fragen,
die ja im Falle operativer Paradoxien über bloße Logik hinausgehen.
3. Im Noch-nicht kommt, implizit oder explizit, eine Erwartung zum Ausdruck – noch nicht,
aber bald –, die nicht einfach nur enttäuscht wird, sondern deren Enttäuschung auf eine für
den fokalen Akteur unsichtbare oder undurchsichtige, am Ende womöglich überraschende
oder jedenfalls irritierende Weise in den Zeit- und Produktionsverhältnissen impliziert ist
(Ausnahme: Selbstbindung). Solche Erwartungen aber sind es gerade, die ins Noch nicht/
nicht mehr locken. Wenn man der ganz überragenden Rolle von Erwartungen und Erwar-
tungserwartungen zur Ermöglichung und Stabilisierung von Interaktion und Kommunika-
tion eingedenk ist – auch und zumal in Organisationen, wo organisatorische Regelwerke
Erwartungssicherheit stiften sollen –, dann wird man die Relevanz von Erwartungsstörun-
gen nach dem Muster Noch nicht/nicht mehr kaum gering schätzen.
4. Manchmal muss man implizierte Unmöglichkeiten (erst einmal) einfach akzeptieren, sich
ihnen beugen. Das klingt trivial, aber das Beispiel des crowding out durch extrinsische Moti-
vation macht anschaulich, wie überaus schwer das in praxi – und auch in der Theorie – bis
heute fällt: Nach wie vor wird der mögliche Verdrängungs- und/oder Fehlsteuerungseffekt
von Prämien, Boni und jedweder leistungsabhängigen Entlohnung meist verdrängt.
5. Gleiten, Driften, schleichende Entwicklungen und alles, was in der Philosophie unter
dem Titel „slippery slope“ behandelt wird (Volokh 2003), beabsichtigt oder nicht, birgt die
Gefahr, erst noch nicht wahrnehmbar, dann nicht mehr reversibel zu sein.
6. Oft, versteht sich, tun sich sodann Umgangsweisen jenseits des ursprünglich Intendierten,
jenseits jener Möglichkeiten auf, die dem Noch nicht/nicht mehr zum Opfer gefallen sind
(so zum Beispiel, wenn von der fixen Idee einer sudden closure abgelassen wird).
7. Remeduren werden erleichtert durch einen mikrologischen Blick auf die Zeit- und Pro-
duktionsverhältnisse: Was genau produziert hier eigentlich die Unmöglichkeit? (Im Falle
von Elster-Zuständen: das bloße – direkte – Intendieren; im Falle der Regeldrift: die not-
wendige Differenz zwischen Auferlegung und Anwendung einer Regel im Verein mit loka-
len Rationalitäten; im Falle von Lock-ins: positive Rückkopplungen – increasing returns –
und externe Effekte einzelrational handelnder Akteure etc.) In welcher Zeit? Mit welcher
Geschwindigkeit? In welcher Reihenfolge? Mit welchem Grad an Irreversibilität? Man
denke für all diese Fragen nur an die erwähnten Fallstudien von Windeler zur Chipproduk-
tion und von Gerybadze zu Datenbussystemen in Autos.
8. Oft besteht die Remedur nicht in Problemlösungen, sondern in Problemverschiebungen mit
eingebauten Folgeproblemen.
9. Die Konstellationen des Noch nicht/nicht mehr können in vielen Fällen reflektiert, abge-
sehen und zum Aufbau von Zeitfallen genutzt werden, wie nicht selten in Fällen der fun-
damentalen Transformation à la Williamson.
Noch nicht/nicht mehr ࡳZur Temporalform von Paradoxien des Organisierens 39

10. Selbstbindung ist ein Weg, so manchem Noch nicht/nicht mehr zu begegnen, indem sie
gegen erwartbare Überraschungen (fast ein Oxymoron) wappnet. Dabei ist sie selbst ein
Noch nicht/nicht mehr, insofern sie dafür sorgt, dass jenes Selbst morgen nicht mehr (leicht)
kann, was es heute noch nicht will.
11. Dass das Nicht-mehr, außer im Falle der Selbstbindung, als Erwartungsenttäuschung –
als Überraschung oder Irritation – kommt, erfordert zweierlei: einerseits ein management by
exception, ein suprise management, ein managing the unexpected u.Ä., andererseits das Design
von Interaktionssystemen (etwa im Sinne des zitierten Scott Snook), in die Robustheiten
etwa gegen ein allfälliges praktisches Driften von Regeln, gegen zu kurzfristige Orientie-
rungen im Sinne einer sudden closure oder gegen intra- und interorganisationale Lock-ins
eingebaut sind.
12. Mit irritierenden Störungen hat es aber eine noch darüber hinausgehende Bewandtnis.
Sie stören Selbstverständlichkeiten auf, und indem sie das tun, eröffnen sie uns Weisen der
Welterschließung, die uns vorher nicht zugänglich, weil von Selbstverständlichkeiten ver-
stellt waren. Das hat Martin Heidegger (1984, S. 52 ff., bes. 66 ff. und 72 ff.) in Sein und Zeit
am Beispiel des von ihm so genannten Zeugs (Werkzeug, Schreibzeug, Fahrzeug etc. –
alles, was zuhanden ist) analysiert. Heidegger will sagen: In unserer Praxis, im praktischen
Umgang mit den Dingen, nicht in der Theorie, nicht in bloßer Kontemplation und Wahr-
nehmung, erschließt sich uns die Welt. (Seine Zeuganalyse müssen wir daher heute praxis-
theoretisch nennen.) Dabei spielen (Erwartungs-)Störungen eine besondere Rolle. Man
denke in diesem Zusammenhang zunächst noch einmal an den Pariser Wasserhahn, mit
dem ich den Auftakt gemacht habe.
„In den Stör- und Unfällen des alltäglichen Zeuggebrauchs,“ so haben Iris Därmann und Anna
Echterhölter (2013, S. 18 f.) Heideggers Überlegungen erläutert, „in denen sich das Zeug indes
als beschädigt, unbrauchbar, unhandlich, undienlich oder fehlend erweist, leistet es einer wich-
tigen Entdeckung Vorschub. Für Heidegger steht mit der Störung eine unerschütterliche Ver-
trautheit mit der Welt in Frage, die sich in und mit der Störung überhaupt erst bemerkbar
macht: In dem Moment, da die alltägliche Umsicht auf ein defektes Werkzeug trifft, rückt mit
ihm der Werkzusammenhang, die ganze >Werkstatt< in den Blick. Sobald sich ein Zuhandenes
als unbrauchbar oder fehlend erweist, ‚[stößt] die Umsicht […] ins Leere und sieht erst jetzt,
womit und wofür das Fehlende zuhanden war‘. Mit diesen Stößen in die Leere ... ‚meldet sich
die Welt‘“ (in einfachen Anführungszeichen wird hier Heidegger 1984, S. 75 zitiert).

Das alles dürfen wir getrost auf jedwedes „organisationale Zeug“ und den organisationalen
Zeugzusammenhang übertragen. Erst in den Anomalien und Brüchen leuchtet die Welt so
recht auf, und wir Selbstverständlichkeitsgeblendeten lernen erst daran, „womit und wofür
das Fehlende zuhanden war“ und, besonders wichtig, in welchem „Verweisungszusam-
menhang“, Zeug- und Werkzusammenhang, die Dinge gesehen werden müssen (s. Snooks
Verweis auf „hyper-complex, multilevel, multi-task, organizational systems“ und seine
Empfehlung eines holistischen Ansatzes) – und auch, wie ich nun ergänze, womit die Un-
möglichkeitsproduktion operiert hat und was sie anzurichten vermag. Die Analyse von
Entscheidungsanomalien, von organisationalen Fehlern, von Desastern, von gescheiterten
Projekten, Mergers & Acquisitions und Reorganisationen (und in der Theorie: von „Aus-
nahmefällen“) ist genau deshalb so wichtig.
40 Günther Ortmann

An dem defekten Wasserhahn in jenem Pariser Bistro leuchtete – jedenfalls für mich –,
wenn schon nicht „die Welt“, so doch eine merkwürdige Eigenschaft der Welt auf: Wie
viele ihrer Möglichkeiten in der Spalte zwischen Noch-nicht und Nicht-mehr verschwin-
den, hinter dem Rücken der doch so möglichkeitserpichten, machbarkeitsversessenen Ak-
teure.9

13. Eine vertiefende Analyse müsste, auch diesen Gedanken steuert Iris Därmann bei, die
Figur des Noch nicht/nicht mehr in eine allgemeine Struktur von Zeitlichkeit einfügen. In
seinen Vorlesungen zur Phänomenologie des inneren Zeitbewußtseins geht Edmund Husserl in
augustinischer Tradition den Konstitutionsbedingungen von Zeit nach, die er zu einer
Angelegenheit des Inneren macht. Zeit ist da nicht zuerst eine messbare Größe, sondern
„die ursprüngliche Temporalform der Empfindung“ (1928, S. 423), die Husserl am Beispiel
der Tonempfindung erläutert. Was ist ein Augenblick? Nicht ein Moment in der bloßen
Abfolge von Jetzt-Punkten. Husserl fächert die Struktur des Jetzt-Punktes zu der Dreifal-
tigkeit von Urimpression, Retention und Protention auf. Die Urimpression des Jetzt-seins
muss, um eine minimale Bleibe in der immanenten Zeit des Bewusstseins zu erhalten, sich
in einer, wie Husserl sagt, „primären Erinnerung“ (ebd., S. 418) retentional niederschlagen
– in einem Kometenschweif von Retentionen (ebd., S. 395). Beispiel: der soeben gehörte
Ton. Sie muss ferner via Protention einen Erwartungsanhalt an der Zukunft finden. Das
Jetzt ist nur jetzt, wenn es sich in ein Soeben-gewesen-Sein und in ein Noch-nicht-Sein
modifiziert, das heißt, abwandelt. In einer Generalisierung der Figur des Noch nicht/nicht
mehr wird das Jetzt zu dem, was niemals Gegenwart war, sondern sich in dem Anderen
seiner selbst, in dem Soeben-gewesen-Sein und dem leer Kommenden verliert. Als bloßes
Jetzt ist das Jetzt Nichts – noch Nichts. Als retentionales ist es aber bereits kein Ursprüngli-
ches mehr, sondern ein Modifiziertes, ein Vergegenwärtigtes, das sich zugleich protentional
auf die Zukunft – auf ein Noch-nicht – richtet. Das Jetzt ereignet sich demnach als ursprüng-
liches Jetzt niemals, sondern nur, insofern es einen retentionalen und protentionalen Anhalt
findet. Das ur-impressionale Jetzt ist ein stets versäumtes Jetzt. Das ist eine unvermerkte,
implizite Struktur aller phänomenaler Zeitlichkeit.
Das wirft ein neues Licht auf den terminus ad quem des Organisierens, die Wiederholung,
die ja gespeist wird aus Erinnerung („Wie war es?“) und Erwartung („Es kann und wird
wieder sein – wieder und wieder“).10 Dieses Wieder-und-wieder ist die Antwort der Orga-
nisation auf die Tücken, die in dem Satz stecken, der schon in „Casablanca“ von Wehmut
erfüllt ist: „As time goes by“. (Michael Curtiz‘ Film handelt vom Noch nicht/nicht mehr der
Liebe. Aber das ist eine andere Geschichte, und sie soll ein ander Mal erzählt werden.)
Noch nicht/nicht mehr ࡳZur Temporalform von Paradoxien des Organisierens 41

Anmerkungen
* Ich danke zwei anonymen Gutachtern einer früheren Fassung, die ich – schon stark überarbeitet –
auf dem Workshop der Wissenschaftlichen Kommission Organisation am 2.3.2012 in Berlin vorge-
tragen habe, und zwei anonymen Gutachtern der Managementforschung, die alle vier durchaus ge-
mischte Gefühle und Gedanken geäußert und mich zu weiteren erheblichen Um- und Ausarbei-
tungen bewogen haben; ferner Alfred Kieser und Margit Osterloh, die auf jenem Workshop wich-
tige Ergänzungen, betreffend Rankings sowie in- und extrinsische Motivation, beigesteuert haben;
schließlich meiner Frau, Iris Därmann, für Rat und Anregungen zu Husserls Zeit- und Heideggers
Zeuganalyse und für entschiedene Ermutigung.
1 Es kann auch eine Drohung sein – wenn nämlich das noch nicht Realisierte unerwünscht oder gar
gefährlich ist. Strategischen oder taktischen Drohungen ist, anders als Verheißungen, eine Noch-
nicht/nicht-mehr-Struktur von Haus aus inhärent, weil und insofern sie ihrer Operationslogik nach
darauf setzen, nicht wahrgemacht werden zu müssen – erst noch nicht, weil sie nur Drohungen
sind, und dann nicht mehr, weil und wenn sie wirken. Damit eröffnet sich ein zweites, riesiges
Feld von Noch-nicht/nicht-mehr-Konstellationen, das ich hier trotz seiner enormen Praxisrelevanz
nicht auch noch bearbeiten kann. Man denke nur an das Paradoxon der Abschreckung, das darin
liegt, dass Abschreckung funktioniert, obwohl es für den Drohenden gerade vernünftig ist, seine
Drohung nicht wahrzumachen, was die nötige Glaubwürdigkeit von Drohungen doch untergraben
müsste (s. Dupuy 1991, S. 94 ff. mit Rekurs auf spieltheoretische Überlegungen von Kreps/Wilson
1982 und Kreps et al. 1982). Nicht zuletzt die Reputation des „tough guy“ – im Krieg oder im wirt-
schaftlichen Wettbewerb – kann so gleichwohl aufgebaut werden und sogar von solchem Noch
nicht/nicht mehr zehren.
Eine Sorte von Gefährdungen allerdings werde ich diskutieren: Selbstgefährdungen, soweit sie
möglicher Gegenstand von Bemühungen um Selbstbindung sind (s.u. Abschnitt 5).
2 S. zu solchem Lassen Waldenfels (1990, S. 101 f.): „So wie es ein Schweigen gibt, das mehr ist als
ein Nichtreden, ... so müßte es auch ein Nichttun geben, das mehr ist als ein bloßes Nichttun, weil
es das ist, was auf ähnliche Weise das Tun selber in Gang hält.“ Beredtes Schweigen, beredtes Las-
sen.
3 S. auch Elster (2000, S. 97): „One difference between written constitutions and unwritten ones is
that the former are made, whereas the latter emerge or evolve” (Hervorh. i. Orig.).
4 Die Abkopplung der Mitgliedermotivation von den Systemzwecken via Entgelt hat Luhmann
(1973) zur evolutionären Errungenschaft erklärt, die den Organisationen einen enormen Mobili-
tätsschub verliehen hätte.
5 Dieser Abschnitt entspricht weitgehend dem Auftakt in Ortmann (2011a). Dort Näheres zum Prob-
lem des Bezugs auf die Zukunft.
6 „Man hat sich also bei Rankings ernsthaft die Frage zu stellen, ob das, was gezählt wird (etwa:
Publikationen, G.O.), auch das ist, was gemessen werden soll“ (Gischer/Spengler 2012, S. 904).
7 Die avancierte Entscheidungsforschung ist – unter dem Titel „intertemporal choice“ – bemüht,
über das Konzept der Standardökonomik zur Behandlung der zeitlichen Differenz zwischen Ent-
scheidung und künftigen Resultaten, nämlich das Konzept der exponentiellen Diskontierung des
Nutzens, hinauszukommen. Ainslie hat dieses Konzept schon 1975 in Frage gestellt. Heute geht
man von hyperbolischer Diskontierung aus (s. etwa Elster 2000, S. 24 ff., 34 ff.; Berns et al. 2007) –
vorbehaltlich weiterer Forschung. Daran stört nicht dieser Vorbehalt, wohl aber die unveränderte
Reduktion der ganzen Frage der Intertemporalität auf eine Sache der Diskontierung.
8 Frey und Osterloh (2000, S. 31 ff.) bieten an dieser Stelle eine komparativ-statische Darstellung.
42 Günther Ortmann

9 Der folgende Absatz ist weitgehend übernommen aus Ortmann (2006, S. 310 f.).
10 „Solange die Weltstruktur als konstant hingenommen werden kann, solange meine Vorerfahrung
gilt, bleibt mein Vermögen, auf die Welt in dieser und jener Weise zu wirken, prinzipiell erhalten.
… [Es] bildet sich, wie Husserl gezeigt hat, die … Idealität des ‚Ich-kann-immer wieder‘“
(Schütz/Luckmann 1979, S. 29, unter Rekurs u.a. auf Husserl 1939). Organisation kann insofern als
die Sisyphos-Arbeit an solcher Idealität und an der Konstanz der Weltstruktur verstanden werden.

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Prof. Dr. Günther Ortmann


Helmut-Schmidt-Universität
Lehrstuhl für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre
Holstenhofweg 85
D-22035 Hamburg
ortmann@hsu-hh.de
Stephanie Duchek/Stefan Klaußner*

Temporärer Umgang mit Unerwartetem:


Die Analyse einer gebrochenen ICE-
Radsatzwelle durch die Bundesanstalt für
Materialforschung und -prüfung
Ad-hoc-Teams; Fallstudie; Flexibilität; Sensemaking; Systemtheorie; Temporäre Organisati-
onsformen; Unerwartetes

Zusammenfassung
Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich mit dem organisationalen Umgang mit unerwarte-
ten Ereignissen. Dazu bedarf es ein hohes Maß an organisationaler Flexibilität, ohne dass
dabei die Stabilität der Organisation aufgegeben werden kann. Im Design einer explorati-
ven Fallstudie wird untersucht, wie die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung
(kurz: BAM) mit unerwarteten Ereignissen umgeht, mit denen sie ihrem öffentlichen Auf-
trag nach immer wieder konfrontiert wird. Konkret wird mit dem Fall einer gebrochenen
ICE-Radsatzwelle im Jahre 2008 die Analyse eines sehr komplexen und im Vorfeld völlig
unbekannten Schadens untersucht. Im Zentrum der Untersuchung steht ein temporäres
Ad-hoc-Team, welches speziell für den (Sensemaking-)Prozess dieser Schadensanalyse
aktiviert wurde. Das Team bildete sich aus einem etablierten Expertennetzwerk heraus und
wurde durch das Präsidium der BAM sowie die individuelle Motivation der Beteiligten
unterstützt. Es wird auf systemtheoretischer Ebene diskutiert, wie es der BAM gelang, die
notwendige Flexibilität mit diesem Team temporär zu realisieren und die bestehende Stabi-
lität mit der realisierten Flexibilität zu balancieren. Die Diskussion mündet schließlich in
theoretische Überlegungen zum organisationalen Umgang mit Unerwartetem sowie Pers-
pektiven zukünftiger Forschung.

J. Koch, J. Sydow (Hrsg.), Managementforschung 23,


© Springer Fachmedien Wiesbaden 2013, S. 49–82
50 Stephanie Duchek/Stefan Klaußner

Abstract
Handling the unexpected demands high levels of organizational flexibility, while stability
must be maintained as well. This article addresses the question of how organizations deal
with these conflicting priorities. An explorative case-study approach was chosen to study
how the German Federal Institute for Materials Research and Testing (BAM) deals with the
unexpected in terms of the organization’s tasks that revolve around safety in technology
and chemistry. Specifically, the case study focuses on how the BAM performed a multidis-
ciplinary and complex damage analysis of the unexpectedly defective wheel axle set of the
ICE train accident in 2008. The (sensemaking) process was performed by an ad hoc team,
which was put together by and recruited from a network of experts. The team was sup-
ported by the BAM’s presidium as well as by the individual efforts and commitment of the
team members. Referring to systems theory, we discuss on the one hand how the BAM
succeeded in realizing temporal flexibility with the ad hoc team, and on the other hand
how stability was maintained and balanced in light of the flexibility realized. The discus-
sion leads to some theoretical considerations as well as implications for future research.

Inhaltsübersicht
1 Einleitung

2 Theoretischer Rahmen der Fallstudie


2.1 Die Organisation und das Unerwartete
2.2 Organisationales Sensemaking im Umgang mit Unerwartetem
2.3 Temporäre Organisationsformen und organisationale Flexibilität

3 Fallstudie: „Die Analyse der gebrochenen ICE-Radsatzwelle“


3.1 Kontext der Fallstudie: Die BAM und der Radsatzwellenbruch
3.2 Daten und Methode
3.3 Ergebnisse
3.3.1 Der (Sensemaking-)Prozess der Schadensanalyse durch das Ad-hoc-Team
3.3.2 Der Organisationale Rahmen zur Herstellung von Flexibilität

4 Diskussion
4.1 Das Verhältnis der drei Rahmenfaktoren des Sensemakings
4.2 Die Balancierung von Flexibilität und Stabilität

5 Theoretische Implikationen und Fazit


Temporärer Umgang mit Unerwartetem 51

1 Einleitung
Angesichts der Tatsache, dass sich Organisationen zunehmend turbulenten Umwelten und
unerwarteten Ereignissen gegenübersehen, hat die Organisationsforschung in den letzten
Jahren damit begonnen, das Unerwartete sowie den organisationalen Umgang mit uner-
warteten Ereignissen immer stärker zu thematisieren (Weick/Sutcliffe 2007; Weick 1995).
Der abstrakte Begriff des Unerwarteten wird dabei in unterschiedlichen Konzepten konkre-
tisiert: Mal geht es um „Rare Events“ (Marcus/Nichols 1999; Lampel et al. 2009; Starbuck
2009), dann wieder um „Surprises“ (Lampel/Shapira 2001; Bechky/Okhuysen 2011), um
Katastrophen (Weick/Roberts 1993; Madsen 2009; Majchrzak et al. 2007) oder um Krisen
(Weick 1988; Pearson/Clair 1998; Rerup 2009). Das Attribut des Unerwarteten kann sich auf
verschiedene Dimensionen beziehungsweise Aspekte beziehen: Es können die Art eines
Ereignisses, der konkrete Zeitpunkt des Eintretens sowie die Dauer des Ereignisses uner-
wartet sein. Auch die Bedeutung beziehungsweise das Ausmaß der Auswirkung auf die
Organisation kann überraschend sein. Kurzum: Das Unerwartete unterbricht das Konstante
und Stabile in Gestalt des Besonderen und ist damit ein temporales Phänomen, mit dem
umgegangen werden muss.

Die empirische Forschung hat unabhängig von konkreten Bezeichnungen bereits verschie-
dene Perspektiven auf den Umgang mit Unerwartetem eingenommen. Einige Studien fo-
kussieren auf organisationale Reaktionen auf einzelne unerwartete und dabei höchst (über-
lebens)relevante Situationen. Beispielsweise zeigt Weick (1993) in seiner zwischenzeitlich
zum Klassiker avancierten Re-Analyse des tragischen „Mann Gulch fire disasters“, wie die
extreme Realisation des Unerwarteten – hier das gänzlich unterschätzte Ausmaß und die-
Ausbreitung des Feuers – zum Zusammenbruch jeglicher organisationaler Abstimmung
führen kann. Die von den „Smokejumpers“ (zu) spät realisierte Fehleinschätzung des Feu-
ers führte – katalysiert durch die feuerbedingte Unterbindung jeglicher Kommunikation
der Organisationsmitglieder – zur Auflösung der Organisation und zum Tod von 13 der 16
Feuerwehrleute. Mit dem theoretischen Fokus auf organisationales Lernen durch Unerwar-
tetes betrachten Christianson et al. (2009) ebenfalls ein einzelnes „Rare Event“: den schnee-
lastbedingten Einsturz eines Museumsdachs. Ein solches, die Organisation in ihrer Existenz
zwar bedrohendes, aber nicht auflösendes Ereignis eröffnet dieser Studie nach ungeahnte
Möglichkeitsräume des organisationalen Wandels.

Ein weiterer prominenter Forschungsstrang fokussiert auf sogenannte „High Reliability


Organizations“, die ausgehend von der Notwendigkeit einer geringen Fehlertoleranz per-
manent auf das Unerwartete vorbereitet sein müssen (Perrow 1984; Roberts 1990; Weick/
Roberts 1993). Gemeint sind Organisationen, deren fehlerhaftes Reagieren auf Unerwarte-
tes fatale Folgen für die Organisation selbst und/oder die Öffentlichkeit hätte (Roberts 1990,
S. 160). In diesem Forschungsfeld untersuchten beispielsweise Bechky und Okhuysen
(2011) kürzlich das Verhalten von Spezialeinsatztruppen der Polizei – sogenannte „SWAT
teams“ –, denen permanent unvorhersehbare Ereignisse im Einsatz begegnen (können). Die
52 Stephanie Duchek/Stefan Klaußner

Autoren explorierten in diesem Untersuchungsfeld Gestalt, Bedeutung und Quellen von


„Organizational Bricolage“ als Reaktion auf unerwartete Ereignisse.

Während der erste Strang auf den organisationalen Umgang mit dem bereits realisierten
und dabei existenzbedrohlichen Unerwarteten fokussiert, wird im zweiten die für die all-
gegenwärtige Möglichkeit der Realisation unerwarteter Ereignisse notwendige Achtsam-
keit thematisiert (Weick/Sutcliffe 2007). Beiden Perspektiven gemein ist die Betonung der
Notwendigkeit von organisationaler Flexibilität im Umgang mit Unerwartetem; und zwar
vor, während und nach dessen Realisation. Eben diese Flexibilitätsanforderung ist auch
Anknüpfungspunkt eines weiteren organisationstheoretischen Diskurses, der sich mit tem-
porären bzw. projektbasierten Organisationen und Organisationsformen beschäftigt (Good-
man 1981; Lundin/Söderholm 1995; Hobday 2000). Temporäre Organisation(sform)en sind
auf konkrete, zeitlich begrenzte Aufgaben beschränkt – beispielsweise die Produktion eines
Films (Bechky 2006) – und lösen sich mit deren Erfüllung wieder auf.

Das Resümee dieser Stränge zeigt, dass Organisationen angesichts stetig wachsender Um-
weltkomplexität und -turbulenz gefordert sind, immer anpassungsfähiger und damit flui-
der zu werden (Kellog et al. 2006). Schreyögg und Sydow (2010, S. 1251) decken das dieser
Forderung inhärente Paradox auf: „the idea of promoting organizational fluidity would
imply losing the very essence of organizing”. Die Autoren argumentieren auf konzeptionel-
ler Ebene, dass der Konflikt zwischen Stabilität und Flexibilität zwar nicht zugunsten einer
der beiden Seiten gelöst werden könne, er aber dennoch bearbeitet werden müsse. Der
Schlüssel dazu liege in der balancierten Dualität der gegenläufigen Anforderungen.

Der vorliegende Beitrag setzt nun an genau dieser Stelle mit der empirischen Fragestellung
an, wie Organisationen angesichts dieser Dualitätsanforderung mit unerwarteten Ereignis-
sen umgehen, also den Bedarf an organisationaler Flexibilität realisieren und dabei ihre
identitätsstiftende Stabilität aufrechterhalten. Dazu betrachten wir die Bundesanstalt für
Materialforschung und -prüfung (kurz: BAM). Obwohl die BAM als öffentliche Behörde
traditionell eher feste formale Strukturen mit klar definierten Abstimmungswegen besitzt
und daher durch Stabilität gekennzeichnet ist, stellt sie im Rahmen einer ihrer zentralen
Aufgaben – der Schadensanalyse – immer dann ein außerordentlich hohes Maß an organi-
sationaler Flexibilität unter Beweis, wenn besonders komplexe Schadensfälle eine interdis-
ziplinäre Bearbeitung verlangen und zeitnah unter besonderem Druck aufzuklären sind.
Solche Schäden sind aus Sicht der BAM unerwartete Ereignisse, da sie weder ihres zeitli-
chen Eingangs noch ihres Inhalts nach antizipierbar sind. Ihre Bearbeitung erfolgt in spon-
tan gebildeten Ad-hoc-Teams, bestehend aus Experten jeweils relevanter Disziplinen.

Im Design einer explorativen Fallstudie untersuchen wir, wie es einem solchen Ad-hoc-
Team (und damit der BAM) gelang, den unerwarteten Bruch der Radsatzwelle eines ICE-3
im Jahre 2008 (Wüpper 2008) mit der dazu notwendigen organisationalen Flexibilität zu
analysieren. Die leitenden Forschungsfragen lassen sich folgendermaßen konkretisieren:

(1) Der Umgang mit Unerwartetem: Wie verlief und funktionierte der Prozess der Scha-
densanalyse durch das Ad-hoc-Team im Fall der gebrochenen Radsatzwelle?
Temporärer Umgang mit Unerwartetem 53

(2) Der organisationale Rahmen: Welche Faktoren trugen dazu bei, die Flexibilität des
gebildeten Ad-hoc-Teams innerhalb fester formaler Strukturen zu realisieren?
Während die erste Frage stärker auf den konkreten Umgang mit Unerwartetem und dem
damit verbundenen Sensemaking-Prozess (Weick 1995) des analysierenden Ad-hoc-Teams
fokussiert, bezieht sich die zweite Frage auf jene organisationalen Faktoren, die der konkre-
ten Realisation der notwendigen Flexibilität gedient haben, ohne dabei organisationale
Stabilität aufzugeben. Die Struktur des Beitrags ergibt sich aus eben diesen Fragestellun-
gen: In einem einführenden, theoretischen Rahmen schärfen wir zunächst das Konzept des
Unerwarteten und diskutieren die daraus resultierende Notwendigkeit organisationaler
Flexibilität aus systemtheoretischer Perspektive. Diese zunächst abstrakten Überlegungen
werden dann in eine Perspektive organisationalen Sensemakings überführt, da diese es als
konzeptionelle Folie erlaubt, den Blick auf den tatsächlichen Prozess des Umgangs mit dem
unerwarteten Ereignis der gebrochenen Radsatzwelle zu richten. Die Fallstudie wird im
dritten Abschnitt mit Blick auf Methode, Datenbasis und nach Forschungsfragen differen-
zierten Ergebnissen vorgestellt. Die theoretische Reflexion und Diskussion der Ergebnisse
erfolgt im vierten Abschnitt, bevor abschließend theoretische Implikationen und zukünfti-
ger Forschungsbedarf adressiert werden.

2 Theoretischer Rahmen der


Fallstudie
2.1 Die Organisation und das Unerwartete
Der Begriff des Unerwarteten impliziert in einem ersten Zugriff zweierlei: Erstens handelt
es sich um die Negation des Erwarteten. Erst in der Differenz zum Erwarteten ist bestimmt,
was unerwartet ist und umgekehrt. Beide Begriffe sind also untrennbar miteinander ver-
bunden und bilden eine Einheit. Zweitens sind sowohl das Erwartete als auch das Uner-
wartete nur in Abhängigkeit von einem Subjekt beziehungsweise einem Akteur denkbar.
Auf einer systemtheoretischen Folie ist das das System (die folgenden Überlegungen fußen
auf Luhmann 1984). Sowohl psychische Systeme als auch Organisationen als soziale Syste-
me besitzen spezifische Erwartungsstrukturen, die determinieren, was für das System
(un)erwartet ist. Erwartete Ereignisse und unerwartete Ereignisse sind also der jeweiligen
Systemumwelt zuzuschreiben und realisieren sich als Ergebnis der Beobachtungsaktivität
des Systems.

Zugespitzt kann das Unerwartete als eine zwingende Konsequenz der System/Umwelt-
Unterscheidung verstanden werden: Um sich zu konstituieren, muss ein System Umwelt-
komplexität reduzieren und damit eine Differenz zur Umwelt aufbauen. Das daraus
zwangsläufig resultierende Komplexitätsgefälle impliziert, dass das System Umweltzu-
54 Stephanie Duchek/Stefan Klaußner

stände immer nur in begrenztem Maße verarbeiten kann. Es ist zur Selektion relevanter
Zustände und Ausschnitte gezwungen, wobei die Unterscheidung relevant/irrelevant ein-
zig von der Binnenkomplexität, also den Strukturen, genauer gesagt den Erwartungen des
Systems (und seiner Akteure), selbst abhängt. Das Unerwartete ist daher ein unausweichli-
ches (und insofern erwartbares) Faktum, dem sich Organisationen als soziale Systeme
zwangsläufig gegenübersehen.

Dem Begriff des Unerwarteten lässt sich zusätzliche Schärfe verleihen, wenn er aus Sicht
der Organisation anhand der beiden Aspekte Systembezug und Dimensionen weiter aus-
differenziert wird.

(1) Systembezug des Unerwarteten


Realisationen des Unerwarteten können in unterschiedlichem Bezug zu einzelnen Organi-
sationen stehen. Analytisch sind hier die drei Fälle Irrelevanz, Aufgabenbezug und Exis-
tenzbezug voneinander zu unterscheiden. Verdeutlichen lässt sich diese Abgrenzung an-
hand des hypothetischen Beispiels eines Grubenunglücks im Bergbau. Erstens kann ein
unerwartetes Ereignis aus Sicht einer Organisation irrelevant in dem Sinne sein, dass ihr
Überleben beziehungsweise organisationale Aktivitäten davon unberührt bleiben, sich das
Ereignis also außerhalb relevanter Umweltbereiche realisiert. So wäre beispielsweise ein
japanisches Softwareunternehmen von einem Grubenunglück in Deutschland nicht betrof-
fen und daher ohne Bezug dazu. Zweitens können unerwartete Ereignisse Aufgabenbezug
besitzen. Gemeint ist, dass die betreffende Organisation mit dem Unerwarteten umgeht
und darauf reagiert, während das eigene Überleben und die eigene Identität davon nicht
unmittelbar tangiert oder bedroht werden. Mit Blick auf das Grubenunglück wäre dies ein
örtlich naheliegendes Krankenhaus, das auf die unerwartete Einlieferung vieler Schwerver-
letzter reagieren müsste. Genauso wären die Feuerwehr oder das Technische Hilfswerk von
dem Ereignis betroffen, ohne selbst als Organisation von dem Unglück bedroht zu sein. Der
Umgang mit Unerwartetem fällt schlichtweg in den alltäglichen Aufgabenbereich dieser
Organisationen. Drittens können unerwartete Ereignisse schließlich die Existenz einer Or-
ganisation berühren bzw. bedrohen (Weick 1993). Im Falle des Grubenunglücks wäre dies
natürlich das Bergbauunternehmen selbst.

Die vorliegende Fallstudie fokussiert mit der BAM auf eine Organisation, die mit der Scha-
densanalyse regelmäßigen Aufgabenbezug zu unerwarteten Ereignissen besitzt. Wie dieser
Bezug konkret aussieht, wird im dritten Abschnitt des Beitrags näher ausgeführt.

(2) Dimensionen des Unerwarteten


Unerwartete Ereignisse können auch dahingehend differenziert werden, ob sie aus Sicht
der Organisation zeitlich und/oder inhaltlich unerwartet sind. Daraus ergeben sich drei
Arten von Unerwartetem, die sich anhand der Notaufnahme eines Krankenhauses illustrie-
ren lassen. Eindeutig zu diagnostizierende Fälle sind nur vor ihrem Auftreten, also in zeitli-
cher Hinsicht unerwartet. Ist der Patient – beispielsweise mit einem gebrochenen Arm –
erst einmal in der Notaufnahme angekommen, folgt eine standardisierte Behandlung. Der
Temporärer Umgang mit Unerwartetem 55

Umgang mit rein zeitlich Unerwartetem ist also aus organisatorischer Sicht unproblema-
tisch, da bereits adäquate Reaktionsmuster im Sinne organisationaler Routinen (Geiger/
Koch 2008) abrufbereit zur Verfügung stehen. Neben der zeitlichen Dimension auch inhalt-
lich unerwartet wäre der Fall eines Patienten, dessen Symptome keiner bisher bekannten
Diagnose zugeordnet werden können. In einem solchen Fall wäre keine unmittelbare, stan-
dardisierte Behandlung möglich. Hier müssen in einem – im nächsten Abschnitt näher zu
erläuternden – Sensemaking-Prozess erst Diagnose und adäquater Umgang gefunden wer-
den. Rein inhaltliche Unsicherheit läge schließlich vor, nachdem die Notaufnahme die
Benachrichtigung erhalten hat, dass ein Patient mit ungeklärter Diagnose auf dem Weg der
Einlieferung sei. Die vorliegende Fallstudie fokussiert auf den organisationalen Umgang
mit zeitlich und inhaltlich Unerwartetem.

2.2 Organisationales Sensemaking im Umgang mit


Unerwartetem
Während Realisationen des ausschließlich zeitlich Unerwarteten einen routinierten Um-
gang erlauben, verlangt inhaltlich Unerwartetes mit Aufgabenbezug eine Erschließung und
damit eine inhaltliche Verarbeitung: Dem Ereignis muss eine Bedeutung zugewiesen wer-
den, die wiederum ein Handeln ermöglicht. Beide Prozesse sind Teil des Sensemakings:

„If the first question of sensemaking is ‚what's going on here?’ the second, equally important
question is ‚what do I do next?’” (Weick et al. 2005, S. 412).

Sensemaking beinhaltet also nicht nur den rein kognitiven Prozess der Interpretation, es ist
vielmehr ein iterativer Prozess, in dem sich Interpretation und Handeln immer wieder
abwechseln und miteinander verwoben sind. Mit Blick auf das genannte Beispiel eines
Patienten mit nicht eindeutig zuordenbaren Krankheitssymptomen werden Ärzte Untersu-
chungen durchführen (Handeln), Ergebnisse diskutieren (Interpretation), daraufhin weitere
Untersuchungen ansetzen (Handeln), die neue Rückschlüsse erlauben (Interpretation), etc.,
bis die inhaltliche Unsicherheit soweit reduziert ist, dass eine Diagnose gestellt werden
kann. Sensemaking ist also – darauf liegt hier die Betonung – ein aktiver Prozess, der immer
dann stattfinden wird, wenn aus Sicht eines Akteurs bzw. einer Organisation „the current
state of the world is perceived to be different from the expected state of the world” (Weick
et al. 2005, S. 409). Im Ergebnis des Sensemaking-Prozesses wird das ursprünglich Uner-
wartete bearbeitbar und damit in etwas zukünftig Erwartbares transformiert. Aus system-
theoretischer Perspektive bedeutet dies, dass die Erwartungsstrukturen des Systems ent-
lang des Sensemaking-Prozesses derart verändert werden, dass ein erneutes Auftreten des
Ereignisses nicht mehr inhaltlich sondern nur noch zeitlich unerwartet ist.

Sensemaking kann nach Weick (1995, S. 91 ff.) ausgelöst werden durch ein Zuviel an mögli-
chen Erklärungen (Ambiguität) oder aber durch das Fehlen von möglichen Erklärungen
(Unsicherheit) für das Unerwartete. Ausgangspunkt ist dabei jeweils die Wahrnehmung des
56 Stephanie Duchek/Stefan Klaußner

Unerwarteten („noticing“), die vor dem Hintergrund bestehender Strukturen (Erfahrungen,


mentale Modelle, etc.) möglich wird und damit eine erste grobe und vorläufige Kategori-
sierung („bracketing“) erlaubt. Diese Aktivitäten „begin to change the flux of circumstances
into the orderliness of situations” (Weick et al. 2005, S. 414). Es werden aktiv Erklärungen
für das Unerwartete gesucht („enactment“), die im nächsten Schritt mit Blick auf ihre Plau-
sibilität eingegrenzt werden („selection“). Diese Plausibilitätsprüfung erfolgt vor dem Hin-
tergrund bestehenden Wissens und früherer Erfahrung. Das Ergebnis der Selektion ist
zunächst einmal provisorisch und muss sich im Zuge weiterer Handlungen erst bewähren
(„retention“).

Abb. 1: Sensemaking als aktiver Prozess (in Anlehnung an Weick et al. 2005, S. 414)

An dieser Stelle ebenfalls wichtig zu betonen ist, dass Sensemaking immer ein sozialer Pro-
zess ist (Weick 1995, S. 38 ff.). Selbst wenn ein einzelnes Individuum einem Ereignis aktiv
Sinn zuzuschreiben versucht, ist dieses Individuum in einen sozialen Kontext eingebettet,
der wiederum beeinflusst, welche Schritte gegangen werden und welche Interpretationen
möglich sind. Es findet sozusagen ein imaginierter Austausch mit anderen statt. Sensema-
king kann aber auch – wie in der vorliegenden Fallstudie zu sehen sein wird – in Gruppen
und damit im tatsächlichen Austausch mehrerer Individuen stattfinden. Es ist ein kommu-
nikativer Prozess: Individuen artikulieren ihre je eigenen (und in sozialen Prozessen entwi-
ckelten) Perspektiven, indem sie ihre Erfahrungen explizieren und mit dem aktuellen Pro-
zess in Verbindung bringen. Im gegenseitigen Austausch werden diese Perspektiven wei-
Temporärer Umgang mit Unerwartetem 57

terentwickelt und ein gemeinsames Bild konstruiert: „a situation is talked into existence
and the basis is laid for action to deal with it“ (Taylor/Van Every 2000, S. 58). Abbildung 1
visualisiert die hier referierte Perspektive organisationalen Sensemakings.

2.3 Temporäre Organisationsformen und


organisationale Flexibilität
Es wurde bereits festgestellt, dass die skizzierten Sensemaking-Prozesse organisationale
Flexibilität verlangen, damit Erwartungsstrukturen überhaupt verändert werden können.
Die Forderung nach organisationaler Flexibilität hat zur Entwicklung und Diskussion einer
Reihe neuer Organisationsformen geführt. Eine wichtige Rolle spielt in diesem Feld die von
Lundin und Söderholm (1995) geprägte „Theory of the Temporary Organization“. Die
Autoren beschreiben die temporäre Organisation als Begriff für Organisationsformen, die
nur für einen begrenzten Zeitraum ins Leben gerufen werden. Ihre Existenz wird somit
durch einen Start- und Endpunkt begrenzt. Sie dienen dazu, spezielle Aufgaben zu erfül-
len, die aufgrund besonders hoher Flexibilitätsanforderungen nicht von der permanenten
Organisation bewältigt werden könnten. Ist die Aufgabe erfüllt, wird die temporäre Orga-
nisationsform entweder aufgelöst oder vorübergehend deaktiviert (Lundin/Söderholm
1995). Die bekanntesten Beispiele temporärer Organisationsformen sind Projekte (Packen-
dorff 1995). Zu unterscheiden ist hier die Projektorganisation, die für ein einzelnes Projekt
temporär-spezifisch festgelegt wird, von der projektbasierten Organisation, bei der nahezu
der gesamte Leistungsprozess in Projektform erbracht wird. Als Zwischenform wird die
projektorientierte Organisation diskutiert, die dauerhaft angelegt ist und dabei temporäre
wie auch permanente Elemente enthält (Thyssen 2011). Diese Art temporärer Organisati-
onsformen ist in ihren Ressourcen eng mit der umgebenden permanenten Organisation
verwoben (Engwall 2003).

Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen können temporäre Organisationsformen als


eine Möglichkeit verstanden werden, aus Umweltturbulenz (im Sinne des häufigen Auftre-
tens organisationsbezogener unerwarteter Ereignisse) resultierende Flexibilitätsanforde-
rungen zu realisieren. Wie in der Einleitung bereits angedeutet, würde die vollkommene
Flexibilisierung organisationaler Strukturen jedoch zur Auflösung des Komplexitätsgefälles
zwischen System und Umwelt und damit zur Degeneration der Organisation selbst führen
(Schreyögg/Noss 2000). Totale Flexibilität kann also konzeptionell kein Ziel praktischer
Organisationsgestaltung sein. Vielmehr müssen Flexibilität und identitätsstiftende Stabilität
miteinander vereinbart werden. Die projektorientierte Organisation kann nun als Ansatz
der Organisationsgestaltung verstanden werden, Permanentes (Stabilität) und Temporäres
(Flexibilität) zu balancieren. Sie unternimmt den Versuch der simultanen Herstellung von
Stabilität und Flexibilität (s. hierzu Schreyögg/Sydow 2010) und unterscheidet sich damit
von Organisationsformen, die beide Anforderungen in segmentierter Weise – also organi-
satorisch voneinander getrennt – realisieren.
58 Stephanie Duchek/Stefan Klaußner

Im Anschluss an diese theoretischen Vorüberlegungen fokussiert die vorliegende Fallstudie


mit dem bereits angesprochenen Ad-hoc-Team auf eine temporäre Organisationsform und
die empirisch bislang weitgehend ungeklärte Frage des konkreten Umgangs mit Unerwar-
tetem. Besonderer Fokus liegt dabei auf der Herstellung organisationaler Flexibilität bei
gleichzeitigem Erhalt der notwendigen Stabilität.

3 Fallstudie: „Die Analyse der


gebrochenen ICE-Radsatzwelle“
3.1 Kontext der Fallstudie: Die BAM und der
Radsatzwellenbruch
Die BAM ist eine wissenschaftlich-technische Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des
Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie. Zentrale Aufgabe der BAM ist die
Gewährleistung von Sicherheit in Technik und Chemie. Die darunterfallenden Tätigkeiten
umfassen Forschung, Entwicklung, Prüfung, Analyse, Zulassung, Beratung und Informati-
on. Die BAM gliedert sich derzeit in elf Abteilungen, die sich wiederum in 53 Fachbereiche
und elf Referate ausdifferenzieren. Im Januar 2012 beschäftigte die BAM 1745 Mitarbeiter.

Zu den wichtigsten Aufgaben der BAM gehört die technische Schadensanalyse, oft im
Auftrag von Gerichten und Staatsanwaltschaften infolge von Unfällen, aber auch für ande-
re öffentliche Auftraggeber und privatwirtschaftliche Unternehmen. Als unabhängige
Behörde begutachtet die BAM Schadensfälle, indem sie Schädigungsmechanismen unter-
sucht und wissenschaftlich nachweist. Wie einleitend bereits angemerkt, stellen eingehende
Schadensfälle aus Sicht der BAM grundsätzlich unerwartete Ereignisse dar, mit denen sie
ihrem öffentlichen Auftrag nach umgehen muss, ohne dabei selbst als Organisation von
den jeweiligen Ereignissen in ihrer Existenz bedroht zu sein. Eingehende Schadensfälle
sind demnach wahrgenommene Realisationen des aufgabenbezogenen Unerwarteten. Ausge-
hend von den oben dargestellten Arten unerwarteter Ereignisse grenzen wir Schadensfälle,
mit denen sich die BAM beschäftigt, anhand dreier Dimensionen voneinander ab (s. Abb.
2).

Erstens können Schadensfälle danach differenziert werden, ob es zur Klärung der Ursache
nur der Arbeit eines einzelnen Fachbereichs oder aber der Verknüpfung mehrerer Fachbe-
reiche beziehungsweise Disziplinen bedarf. Zweitens sind Schadensfälle danach zu unter-
scheiden, in welcher der oben dargestellten Hinsicht sie als unerwartet einzustufen sind.
Viele der Fälle sind bezüglich des Schädigungsmechanismus‘ und daher auch der zu betei-
ligenden Fachdisziplinen aufgrund bestehender Erfahrungen eindeutig zuordenbar. In
solchen Fällen erfolgt eine in weiten Teilen routinierte Bearbeitung der Fälle, denn das
Temporärer Umgang mit Unerwartetem 59

Unerwartete liegt dort lediglich im zeitlichen Auftreten. Für diesen Beitrag relevanter sind
jedoch zeitlich und inhaltlich unerwartete Schadensfälle, die zudem eine größere Zahl, im
Vorfeld nicht eindeutig zu bestimmender Fachbereiche tangieren. Drittens können Scha-
densfälle dahingehend differenziert werden, ob ein besonders hoher öffentlicher Druck in
der Aufklärung liegt.

Abb. 2: Klassifikation von Schadensfällen der BAM

Sind zur Aufklärung eines Schadensfalls mehrere Disziplinen notwendig, ist er inhaltlich
und zeitlich unerwartet und unterliegt seine Aufklärung einem hohen öffentlichen Druck,
so handelt es sich um einen „großen“ Schadensfall. Solche Schadensfälle treten eher selten
auf, ihre Aufklärung steht dann jedoch unter einem besonderen Zeitdruck. Hinzu kommt,
dass die BAM in „großen“ Schadensfällen oft keine oder nur wenige Erfahrungen mit ähn-
lichen Schadensobjekten besitzt. Dies unterscheidet die BAM klar von Industrieunterneh-
men, die zwar auch mit unerwarteten Schadensfällen konfrontiert werden, in aller Regel
jedoch das Schadensobjekt sehr gut kennen, da es aus dem eigenen Produktspektrum oder
Anlagenbestand stammt.
60 Stephanie Duchek/Stefan Klaußner

Die Analyse „großer“ Schadensfälle stellt vor diesem Hintergrund eine Aufgabe dar, die
ein hohes Maß an organisationaler Flexibilität erfordert. Daher werden für entsprechende
Schadensanalysen in der BAM sogenannte Ad-hoc-Teams aktiviert, die losgelöst von der
Hierarchie weitgehend autonom agieren können. Bei diesen interdisziplinär besetzten
Teams handelt es sich um temporäre Projektgruppen: Sie werden mit Eintreffen eines neu-
en Schadensfalls spontan gebildet und lösen sich nach Klärung der Schadensursache wie-
der auf. Wie noch im Detail gezeigt wird, weisen die Teams sowohl in ihrer Besetzung als
auch in ihrer Arbeitsweise eine besonders hohe Flexibilität auf und ermöglichen somit eine
schnelle und valide Aufklärung „großer“ Schadensfälle.

Die vorliegende Fallstudie befasst sich nun mit der Aufklärung eines „großen“ Schadens-
falls, der die BAM im Jahr 2008 erreichte, über mehrerer Monate hinweg beschäftigte und
in der Öffentlichkeit für enorme Aufregung sorgte. Bei der Ausfahrt aus dem Bahnhof Köln
entgleiste am 09. Juli 2008 ein ICE-3 kurz vor der Kölner Hohenzollernbrücke. Eine Treib-
radsatzwelle war gebrochen und nur durch die Tatsache, dass der ICE mit Schritttempo
fuhr, kam es nicht zu einer Katastrophe, wie etwa in Eschede im Jahr 1998 (Wüpper 2008).
Da die Ursache des Bruchs unklar war – und somit auch das Gefahrenpotenzial weiterer im
Einsatz befindlicher Radsatzwellen gleicher Bauart und -reihe –, galt es möglichst schnell
zu klären, ob ein Weiterbetrieb der Hochgeschwindigkeitszüge überhaupt vertretbar sei
und wenn ja unter welchen Bedingungen (z.B. Art der regelmäßigen Prüfung, Länge der
Prüfintervalle, etc.). In den ersten Tagen nach dem Unfall war nicht klar, ob der Schaden
von der Welle selbst herrührte oder stattdessen Folge besonderer externer Einflüsse – wie
etwa die Beschaffenheit der Strecke – war. Daher beauftragte die Staatsanwaltschaft Köln
die BAM mit der schnellstmöglichen, unabhängigen Klärung der Unfallursache. Innerhalb
der BAM bildete sich unmittelbar ein Ad-hoc-Team, welches die Schadensanalyse durch-
führte und dabei Fragen zu Werkstoff- oder Fertigungsmängeln, zu Mängeln am Fahrzeug,
zur Einhaltung von Normvorschriften und zu eventuellen Wartungsmängeln beantworten
sollte.

Bevor der Prozess der Schadensanalyse durch das Ad-hoc-Team sowie die organisationalen
Rahmenbedingungen im Detail dargestellt und diskutiert werden, soll zunächst dargelegt
werden, welche Methoden der Datenerhebung und -analyse genutzt wurden, um die lei-
tenden Forschungsfragen zu adressieren.

3.2 Daten und Methode


Für die vorliegende Untersuchung wurde der Fallstudienansatz als wissenschaftliche For-
schungsstrategie ausgewählt, denn mithilfe von Fallstudien können organisationale Phä-
nomene in ihrer Multidimensionalität und Komplexität sowie unter Berücksichtigung des
angrenzenden Kontextes untersucht werden (Yin 2009; Eisenhardt 1989). Die Fallstudie ist
in ihrer Wahrnehmungsfähigkeit nicht beschränkt; vielmehr erlaubt ihr induktiver, inter-
pretativer und multimethodischer Zugang zur Empirie die Erforschung von Prozessabläu-
Temporärer Umgang mit Unerwartetem 61

fen, Entwicklungen im Zeitverlauf sowie Ursache- und Wirkungszusammenhängen und


unterstützt die Überführung der so generierten praktisch bedeutsamen, datenbasierten
Aussagen in den wissenschaftlichen Diskurs (Borchardt/Göthlich 2006; Larsson/Löwendahl
1995; Yin 2009; Parkhe 1993).

Bei der vorliegenden Studie handelt es sich um eine explorative Einzelfallstudie (Eisen-
hardt 1989), die zur Gewinnung neuer Erkenntnisse bezüglich des bisher immer noch nicht
hinreichend verstandenen Umgangs mit Unerwartetem genutzt wird. Konkret leistet die
Untersuchung einen Beitrag zum Theorieaufbau, indem sie anhand eines empirischen
Falles der Frage nachgeht, wie Organisationen die notwendige Flexibilität für den Umgang
mit Unerwartetem herstellen und wie sie diese mit ihrer bestehenden Stabilität balancieren.
Die Fallauswahl erfolgte dabei nicht zufällig, sondern folgte der Idee des sogenannten
„Purposeful Sampling“ (Patton 1990; Creswell 1998). Mit der BAM wurde zielgerichtet eine
Organisation ausgewählt, die immer wieder mit unerwarteten Ereignissen umgehen muss
und somit ein Maximum an Erkenntnissen im Hinblick auf die Forschungsfragen ver-
sprach. Zusätzlich wurde mit dem Bruch der ICE-Radsatzwelle im Jahr 2008 ein „großer“
Schadensfall fokussiert, dessen Aufklärung ein sehr hohes Maß an Flexibilität von der BAM
forderte.

Als wichtigste Quelle der Datenerhebung diente die qualitative Befragung, die in Form
halbstandardisierter, retrospektiver Experteninterviews durchgeführt wurde. Anders als
bei anderen Formen des qualitativen Interviews interessiert im Experteninterview weniger
der Befragte als Person, sondern seine Kenntnisse und Erfahrungen in Bezug auf ein be-
stimmtes Handlungsfeld (hier also die Schadensanalyse). Zur Strukturierung der Experten-
interviews wurde ein Interviewleitfaden erstellt. Dieser diente vor allem der inhaltlichen
Orientierung, wurde jedoch nicht als chronologischer und deterministischer Ablaufplan
verwendet; vielmehr wurden der Fokus des Gesprächs sowie die Reihenfolge der Fragen
flexibel gehandhabt. Für die insgesamt 13 Interviews wurden Mitarbeiter ausgewählt, die
direkt oder indirekt an der Analyse der gebrochenen Radsatzwelle beteiligt waren. Es wur-
de zudem darauf geachtet, dass sich diese hinsichtlich ihrer hierarchischen Position sowie
ihrer funktionalen Zugehörigkeit und Expertise unterscheiden, um ein möglichst breites
Spektrum unterschiedlicher und sich ergänzender Sichtweisen abbilden zu können. Kon-
kret handelte es sich bei den Interviewpartnern um den Koordinator sowie weitere feste
Mitglieder des zur Schadensanalyse gebildeten Ad-hoc-Teams. Befragt wurden zudem
Mitarbeiter, die aufgrund ihrer Expertise im Laufe des Analyseprozesses zeitweise zum
Ad-hoc-Team hinzugezogen wurden. Darüber hinaus wurden Leiter beteiligter Fachberei-
che und Abteilungen interviewt (zweite und dritte Hierarchieebene der BAM). Die Inter-
views dauerten zwischen 40 und 105 Minuten, wurden nach vorheriger Einwilligung der
Interviewpartner elektronisch aufgezeichnet und im Anschluss für die weitere Analyse
transkribiert.

Neben den Interviews wurden teilnehmende Beobachtungen (Friedrichs/Lüdtke 1973)


durchgeführt. Konkret erfolgte die Teilnahme an zwei dreistündigen Treffen von Scha-
densanalysten, wodurch der reale Umgang mit neu eingegangenen und bereits in der Bear-
62 Stephanie Duchek/Stefan Klaußner

beitung befindlichen Schadensfällen beobachtet werden konnte. Zur Dokumentation der


Abläufe und Abstimmungsprozesse wurden jeweils Beobachtungsprotokolle erstellt, die in
die spätere Analyse einflossen. Als Ergänzung zu Interviews und Beobachtungen wurden
außerdem verschiedene Dokumente und Archivdaten in die Untersuchung einbezogen
(z.B. Organigramme, Berichte, Präsentationen, Pressemitteilungen und -berichterstattun-
gen).

Um eine strukturierte Analyse und Auswertung der erhobenen Daten zu gewährleisten,


wurde eine umfängliche Fallstudiendatenbank aufgebaut, in die sukzessive alle Daten
aufgenommen wurden. Die Datenanalyse erfolgte schließlich in Form der qualitativen
Inhaltsanalyse (Mayring 2002). Entsprechend der drei Grundverfahren der Inhaltsanalyse
wurden die Interviewtranskripte, Beobachtungsprotokolle sowie Dokumente und Archiv-
daten zusammengefasst, expliziert und strukturiert. Ziel der Zusammenfassung war es, das
Material zu reduzieren (durch Abstraktion), sodass wesentliche Inhalte (als Abbild des
Grundmaterials) erhalten blieben. Die Explikation zielte darauf ab, zu fraglichen Textteilen
zusätzliches Material zur Klärung zu beschaffen und Ziel der Strukturierung war es, nach
vorher festgelegten Ordnungskriterien, bestimmte Aspekte aus dem Material zu filtern und
das Material aufgrund bestimmter Kriterien einzuschätzen. Als Werkzeug für die qualitati-
ve Inhaltsanalyse kam das Computerprogramm Atlas.ti zum Einsatz.

Zur Validierung der Untersuchungsergebnisse wurden zum Abschluss der Untersuchung


die zentralen Ergebnisse des Beitrags in einem Gruppenmeeting der BAM präsentiert. Mit
Interviewpartnern sowie weiteren Teilnehmern wurden die Ergebnisse diskutiert und
offene Fragen geklärt.

3.3 Ergebnisse
Korrespondierend mit den oben aufgeworfenen Forschungsfragen wird zunächst darge-
stellt, wie der Sensemaking-Prozess des Ad-hoc-Teams im Fall der gebrochenen Radsatz-
welle ablief. Im Anschluss wird der Blick auf jene Bedingungen gelenkt, die diesen Prozess
und die dazu notwendige Flexibilität ermöglicht haben.

3.3.1 Der (Sensemaking-)Prozess der Schadensanalyse durch


das Ad-hoc-Team
In einem ersten Schritt wird der Prozess der Schadensanalyse in seiner Chronologie nach-
vollzogen. Dabei geht es weniger um die detaillierte Darstellung technischer Fakten als um
die wesentlichen Schritte des Prozesses selbst. Im Anschluss werden die diesem Prozess
innewohnende Aktivität sowie seine soziale Natur beleuchtet. Eine Zusammenfassung
findet die Darstellung des Sensemaking-Prozesses schließlich in Abbildung 3.
Temporärer Umgang mit Unerwartetem 63

(1) Die Chronologie der Analyse des Radsatzwellenbruchs


Startpunkt des Sensemaking-Prozesses („noticing“) war der Tag des Unfalls: Einzelne Ex-
perten der BAM erfuhren aus Pressemeldungen von dem Bruch der Radsatzwelle und
diskutierten sogleich über denkbare Ursachen sowie eine mögliche Beauftragung der BAM
mit der Schadensanalyse. Tatsächlich nahm der ermittelnde Staatsanwalt zwei Tage nach
dem Bruch der Radsatzwelle mit dem innerhalb der BAM für Werkstofftechnik zuständi-
gen Abteilungsleiter Kontakt auf. Am nächsten Tag (einem Samstag) wurde ein erstes An-
gebot für die Schadensanalyse erstellt und wiederum zwei Tage später erhielt die BAM den
Zuschlag. An diesem Tag formierte sich auch bereits ein (Analyse-)Team bestehend aus
zunächst vier Mitgliedern: (1) einem in der Koordination interdisziplinärer Schadensanaly-
sen spezialisierten Experten, (2) einem Werkstoffexperten, (3) einem Betriebsfestigkeitsex-
perten, der zuvor bereits Eisenbahnunfälle untersucht hatte und (4) einem Experten für
eine Vielzahl von Materialprüfverfahren. Sämtliche Mitglieder entstammten einem Pool
von Schadensanalysten, die regelmäßig zusammenarbeiten (s. dazu Abschnitt 3.3.2). Der
eigentliche Prozess der Schadensanalyse begann schließlich eine Woche nach dem Unfall
mit der Anlieferung der Radsatzwelle durch die Bundespolizei und beanspruchte insge-
samt neun Wochen.

Zuvor galt es bereits, möglichst viele Kontextinformationen zu sammeln und aufzuberei-


ten: Die Bundespolizei hatte die Unfallstelle am Unfalltag gesichert, fotografisch dokumen-
tiert und anschließend die Radsatzwelle sowie das dazugehörige Drehgestell in eine Mon-
tagehalle der Deutschen Bahn transportiert. Auf Basis dieser Informationen und einer ers-
ten Besichtigung der Welle wurden erste Hypothesen zur Schadensursache in der Gruppe
diskutiert, weitere Experten hinzugezogen und ein erster Prüfplan erstellt. Es fand also eine
vorläufige Kategorisierung („bracketing“) statt. Da die BAM zuvor zwar Nahverkehrs-
Radsatzwellen, aber keine ICE-Radsatzwellen untersucht hatte, mussten zudem die für den
Hochgeschwindigkeitsverkehr relevanten Regelwerke und Normvorschriften identifiziert
und von entsprechenden Institutionen (Deutsche Bahn, Eisenbahnbundesamt, etc.) be-
schafft werden, um die einzelnen Untersuchungsergebnisse im Fortlauf interpretieren zu
können.

Nachdem die Radsatzwelle bei der BAM eingetroffen war, erfolgten die Eingangsdoku-
mentation und die Demontage der Welle durch das Ad-hoc-Team. Zunächst galt es zu
prüfen, ob der Werkstoff der Welle möglicherweise von den zum Herstellungszeitpunkt
geltenden Normen abwich. Auch sollte geklärt werden, ob sich in der Welle mit von der
Bahn üblicherweise verwendeten, zerstörungsfreien Prüftechniken (Ultraschall) Unregel-
mäßigkeiten nachweisen ließen, die ihrerseits den trotz erheblicher Beschädigungen der
Bruchflächen fraktographisch eindeutig identifizierten Schwingriss hätten herbeiführen
können. Man entschied sich im Laufe der ersten Woche außerdem, das zugehörige Drehge-
stell zu untersuchen, um zu prüfen, ob davon ausgehende, mechanische, dynamische Ein-
flüsse auf die Welle den Bruch hätten verursachen können. Diese anfänglichen Hypothesen
konnten durch die Ergebnisse der Metallographie und der Fraktographie widerlegt wer-
den, sodass im nächsten Schritt die Möglichkeit in Betracht gezogen wurde, dass Besonder-
64 Stephanie Duchek/Stefan Klaußner

heiten der Fahrstrecke zu dem Bruch der Welle geführt haben könnten. Der Flug einiger
Experten in einem Hubschrauber der Bundespolizei entlang der Strecke konnte diese Hy-
pothese jedoch ebenfalls widerlegen. Daher konzentrierte man sich im Anschluss wieder
auf die Welle selbst und begann die Materialbeschaffenheit noch genauer als mit den be-
reits durchgeführten Ultraschallprüfungen zu untersuchen. Nach einer ganzen Reihe zer-
störender Prüfungen wurden schließlich mit der Methode der Computertomographie
nichtmetallische Materialeinschlüsse unzulässiger Größe in unmittelbarer Umgebung der
Rissstartstelle gefunden und durch metallographische Zielpräparation nachgewiesen. Man
kam daraufhin zu der wahrscheinlichsten Hypothese, dass diese Einschlüsse im Zuge der
betriebsbedingten Nutzung der Welle einen stetig wachsenden und von regulären, be-
triebsbedingten Prüfungen unentdeckten Schwingriss gebildet hatten, der schließlich zum
Bruch der Radsatzwelle führte.

(2) Die Analyse des Radsatzwellenbruchs als aktiver Prozess


Die Aktivität – also das iterative Wechseln zwischen Interpretation und Handeln – zeigte
sich zunächst darin, dass die BAM aufgrund ihrer fehlenden Erfahrung in der Analyse von
Schäden an ICE-Radsatzwellen immer wieder mit externen Akteuren in Kontakt treten
musste, beispielsweise um entsprechende Regelwerke und Normenkataloge zu erhalten.
Erst nach Interpretation dieser Informationen war es möglich, die erforderlichen Prüfunter-
suchungen zu planen. Darüber hinaus musste teilweise auch die Prüftechnik – beispiels-
weise für die zerstörungsfreie Ultraschallprüfung – erst beschafft werden, um den von der
Bahn üblicherweise verwendeten Prüfaufbau nachstellen zu können:

„Das ist ja nichts, was wir hier standardmäßig bei uns haben. Ich musste das Material erst be-
sorgen, sprich borgen bei Dienstleistern. Weil ein Nachfertigen oder ein Kaufen dieser Techno-
logie wäre zwar möglich gewesen, aber das hätte natürlich zu lange gedauert. Und da habe ich
über meine Beziehungen entsprechende Gerätschaften mir besorgt, um dann mit unseren Me-
thoden das zu überprüfen“ (Mitglied Ad-hoc-Team, weiterer Kreis).

Der Ultraschallexperte nutzte somit seine Kontakte zu externen Prüfinstituten, um „Origi-


nalmaterial zu bekommen, was sonst sicherlich einen Aufwand von mehreren Wochen
bedeutet hätte“ (Mitglied Ad-hoc-Team, weiterer Kreis). Die mangelnde Erfahrung in der
Analyse von ICE-Radsatzwellen führte aber auch dazu, dass das Ad-hoc-Team mit einer
für den Analyseerfolg wichtigen Unvoreingenommenheit an die Schadensanalyse herange-
hen konnte. Die Suche nach denkbaren Szenarien der Unfallverursachung („enactment“)
war dadurch aus Sicht der Interviewpartner ergebnisoffener und auch ein Stück weit unbe-
fangener als es beispielsweise bei einer bahninternen Untersuchung der Fall gewesen wäre:

„Wir machen alles Mögliche, nur nicht so etwas Spezielles. Das war das erste Mal. Und
dadurch sind wir natürlich nicht in der Gemeinschaft derjenigen, die bauen, bewerten, ausle-
gen, betreiben oder prüfen. […] wir waren völlig unabhängig davon und haben uns dann da
ran tasten müssen“ (Mitglied des Ad-hoc-Teams, engerer Kreis).

Ein weiterer Beleg für das häufige Wechseln zwischen Interpretieren und Handeln findet
sich in der Entwicklung des Prüfplans. Dieser wurde im Anschluss an die erste Besichti-
Temporärer Umgang mit Unerwartetem 65

gung der Welle und unter Berücksichtigung im Vorfeld gesammelter Kontextinformationen


erstellt, veränderte sich aber fortlaufend im Lichte neuer Ergebnisse. So betonte der Koor-
dinator des Teams, dass sich etwa 80 Prozent der insgesamt durchgeführten Untersuchun-
gen erst im Prozess der Schadensanalyse ergeben haben.

Abb. 3: Der Sensemaking-Prozess der Schadensanalyse

(3) Die Analyse des Radsatzwellenbruchs als sozialer Prozess


Die regelmäßigen Anpassungen des Prüfplans waren das Ergebnis häufiger Diskussionen
des Ad-hoc-Teams und damit auch Ausdruck der sozialen Natur des Sensemaking-Prozes-
ses. Man traf sich spontan immer dort, wo neue Fragen auftauchten oder Ergebnisse vorla-
gen. Experten anderer Disziplinen wurden unmittelbar hinzugezogen, wenn ihre Einschät-
zungen gebraucht wurden. So betrachtete beispielsweise eine Korrosionsexpertin die Welle
kurz nach ihrem Eintreffen in der BAM und konnte Korrosion als Schadensursache sofort
ausschließen. Auch der bereits erwähnte Experte aus der zerstörungsfreien Ultraschallprü-
66 Stephanie Duchek/Stefan Klaußner

fung wurde immer wieder ad hoc hinzugezogen, um seine Einschätzungen mit einfließen
zu lassen. Die Zusammensetzung des Teams änderte sich also mit dem Prüfplan, wobei das
oben genannte Kernteam um den Koordinator erhalten blieb.

Zudem ermöglichten die häufigen Treffen und Diskussionen der Experten erst den tatsäch-
lichen Austausch und die Entstehung eines gemeinsamen Schadensbildes, da in den ein-
zelnen Disziplinen ganz unterschiedliche Fachsprachen verwendet werden.

„Also beispielsweise Risstiefe von 2mm ist für die Bruchmechaniker eine völlig andere Angabe
als für uns Ultraschaller. Obwohl wir natürlich über einen Riss reden, aber die Details die wir
damit meinen, sind von der Fachsprache her sehr unterschiedlich“ (Mitglied des Ad-hoc-
Teams, weiterer Kreis).

Besondere Bedeutung kam in diesen Austauschprozessen dem Koordinator des Ad-hoc-


Teams zu. Zu seinen Aufgaben zählte die Administration der einzelnen Untersuchungs-
schritte innerhalb der BAM, der Zwischenberichte und der Präsentationen sowie die Ab-
wicklung eines großen Teils der Kommunikation mit externen Akteuren (Staatsanwalt,
Vertretern der Deutschen Bahn, der Herstellerkette der Radsatzwelle, der Bundespolizei
und dem Eisenbahnbundesamt).

Abbildung 3 visualisiert – in Anlehnung an Abbildung 1 – die Schadensanalyse als Sense-


making-Prozess, beginnend mit der ersten Informationssammlung bis hin zu den compu-
tertomographisch gefundenen und metallographisch nachgewiesenen Materialeinschlüs-
sen.

3.3.2 Der Organisationale Rahmen zur Herstellung von


Flexibilität
Schnelle und erfolgreiche Analysen „großer“ Schäden durch Ad-hoc-Teams bedürfen einer
hohen Flexibilität. Auf der einen Seite müssen geeignete Mitarbeiter (Fachexperten, Werk-
stattmitarbeiter, Laboranten etc.) zur Verfügung stehen, die unverzüglich handeln und
durch Kombination ihres Wissens, ihrer Erfahrungen und ihrer persönlichen Netzwerke
einen Schadensfall analysieren. Auf der anderen Seite werden diverse technische Ressour-
cen (Werkstätten, Maschinen, Werkstoffe etc.) für die Analyse von Schadensfällen benötigt.
Diese Flexibilität und damit das Funktionieren eines Ad-hoc-Teams hängt im besonderen
Maße von organisationalen Rahmenbedingungen der Schadensanalyse ab. Im Zuge der
retrospektiven Experteninterviews ließen sich insbesondere drei Faktoren identifizieren,
die zur Analyse der gebrochenen Radsatzwelle in der realisierten Qualität beitrugen. Diese
Faktoren wirkten auf unterschiedlichen Ebenen und sollen im Folgenden näher erläutert
werden.
Temporärer Umgang mit Unerwartetem 67

(1) Unterstützung durch die Organisationsspitze


„Die erste Aktivität, wenn so ein großer Schadensfall im Hause ist, dann laufe ich zum Präsi-
denten und sage […]: ‚Wir müssen das untersuchen und da brauchen wir alle Ressourcen’“
(Abteilungsleiter).

Nachdem die BAM den Auftrag erhielt, setzte sich jener Abteilungsleiter, der in direktem
Kontakt zum ermittelnden Staatsanwalt stand, für eine Priorisierung dieser konkreten
Schadensanalyse innerhalb der BAM ein. Daraufhin erhielt das Ad-hoc-Team die offizielle
Unterstützung des Präsidiums und damit unverzüglichen Zugriff auf alle notwendigen
Ressourcen, um einen möglichst reibungslosen Ablauf zu gewährleisten. Ermöglicht wurde
die präsidiale Unterstützung insbesondere durch den öffentlichen Druck, der mit der Scha-
densanalyse einherging und sich aus der besonders hohen Bedeutung des Schadens für die
öffentlich-technische Sicherheit sowie der Notwendigkeit einer schnellen und validen Klä-
rung der Schadensursache speiste.

Das Präsidium versendete unverzüglich – noch bevor die Radsatzwelle bei der BAM eintraf
– eine elektronische Mitteilung an alle Abteilungsleiter der BAM, die zur unverzüglichen
Bereitstellung sämtlicher notwendiger Ressourcen und Kapazitäten für die Analyse des
Schadens aufforderte. Im Zuge dessen wurden – wenn nötig – laufende Forschungsprojekte
und Aufträge zunächst zurückgestellt, um entsprechende Ressourcen freizumachen. Der
Koordinator des Ad-hoc-Teams verdeutlicht dazu:

„[…] dann war sehr hoher Zeitdruck, aber der Präsident hat alle Ampeln auf Grün geschaltet,
d.h. wenn dann irgendwas zu tun war, dann wurde das sofort gemacht und nicht irgendwie
was anderes“ (Koordinator des Ad-hoc-Teams).

Durch die Unterstützung von oberster Hierarchieebene wurde folglich die Flexibilität er-
möglicht, die zur unverzüglichen und effektiven Analyse des Schadensfalls notwendig
war. Es musste nicht mit jedem Fachbereich bzw. jedem Abteilungsleiter um benötigte
Ressourcen und Kapazitäten verhandelt werden. Allen war gegenwärtig, dass der Fall der
gebrochenen Radsatzwelle vorrangig zu behandeln ist. Der Koordinator des Ad-hoc-Teams
hebt hervor, dass die präsidiale Unterstützung den dargestellten Sensemaking-Prozess
beschleunigt hat. Man hätte die Radsatzwelle zwar auch ohne den gewährten Freiraum
analysieren können, nur hätte dies deutlich mehr Zeit in Anspruch genommen:

„[…] dieses spontane reagieren können fällt dann aus. […] Dann hätte das mit dem ICE dop-
pelt so lange gedauert. Der Unterschied ist die Reibung, denn ich kann die Leute nicht formal
anweisen. […] Deswegen brauche ich die grüne Ampel“ (Koordinator des Ad-hoc-Teams).

Generell wird derart weitreichende Unterstützung jedoch nur in Ausnahmesituationen –


wie in diesem Fall – gewährt, also bei der Analyse von Schadensfällen, die von enormer
öffentlicher Bedeutung sind und einem besonderen Zeitdruck unterliegen.
68 Stephanie Duchek/Stefan Klaußner

(2) Das Expertennetzwerk als interdisziplinäre Plattform des Ad-hoc-Teams


Eine zentrale Rolle für die schnelle Formierung des Ad-hoc-Teams spielte ein formalisiertes
Expertennetzwerk, welches sich der Aufgabe der interdisziplinären Schadensanalyse wid-
met und seit etwa 1994 innerhalb der BAM existiert. Damals wurde der Nutzen von spon-
taner horizontaler Abstimmung bei der Schadensanalyse erkannt und man entschied sich,
die bis dahin informell stattfindenden Treffen mehrerer Experten ein Stück weit zu formali-
sieren. Insbesondere wurde die Position eines Koordinators geschaffen, der regelmäßige
Treffen der Schadensanalysten organisiert, temporäre Arbeitsgruppen für die Analyse von
Schadensfällen aktiviert und die Bearbeitung einzelner Arbeitspakete sowie die Integration
der Teilergebnisse zu einem kohärenten Abschlussbericht überwacht. Gegenüber den Mit-
gliedern des Netzwerks besitzt der Koordinator jedoch keinerlei disziplinarische Weisungs-
befugnis oder Personalverantwortung. Bei den übrigen Netzwerkmitgliedern handelt es
sich um Experten aus verschiedenen Fachbereichen und Abteilungen der BAM, die sich
freiwillig an der Arbeit des Netzwerks beteiligen. An den vom Koordinator moderierten
Treffen, die im Abstand von etwa drei Wochen stattfinden, nehmen in der Regel zwischen
zehn und 15 Experten teil. In den Treffen werden eingegangene Schadensfälle vorgestellt
und diskutiert, welche Fachdisziplinen zur Analyse relevant sind. Je nach Art und Größe
des Schadensfalls kann ein einzelner Experte ebenso wie ein interdisziplinäres Team mit
der Bearbeitung betraut werden. Die (Zwischen-)Ergebnisse der Analysen werden dann
wiederum in den Folgetreffen präsentiert und diskutiert.
Bei den hier relevanten „großen“ Schadensfällen werden die „regulären“ Expertentreffen
jedoch nicht abgewartet. In diesen Fällen ruft der Koordinator unverzüglich einige Exper-
ten aus dem Netzwerk zu einem außerplanmäßigen Treffen zusammen und beginnt mit
der Bildung eines Ad-hoc-Teams zur Analyse des Schadensfalls. So auch im Fall der gebro-
chenen Radsatzwelle: Bereits kurz nach Bekanntwerden des Unfalls und noch bevor die
Staatsanwaltschaft Kontakt zur BAM aufgenommen hatte, begannen einige Mitglieder des
Expertennetzwerks über den Fall zu diskutieren. Als dann der Auftrag an die BAM ging,
konnte der Koordinator sogleich Experten zusammenrufen, die einen unmittelbaren Bezug
zur Thematik aufwiesen. Ein Interviewpartner verweist auf das reibungslose Funktionieren
der Teamfindung aufgrund des bestehenden Expertennetzwerks:
„[…] Da hilft diese Gruppe, die sich kennt, dass das sofort auch funktioniert, dass sofort die
richtigen Leute zusammengetrommelt werden und dann auch beim Ortstermin sind“ (Koordi-
nator des Ad-hoc-Teams).

In der Gruppe wurden sodann erste Besichtigungen durchgeführt und Überlegungen ange-
stellt, welche weiteren Kompetenzen zur Bearbeitung des Schadensfalls hinzugezogen
werden müssen. Die „Rekrutierung“ dieser zusätzlichen Experten – wie beispielsweise
einem Ultraschallexperten aus der Abteilung der zerstörungsfreien Prüfung – konnte durch
das Expertennetzwerk ohne Rückgriff auf die formale Hierarchie erfolgen. Das bedeutet,
dass nicht nur die ursprüngliche Formierung des Ad-hoc-Teams durch das Netzwerk
überhaupt ermöglicht wurde, sondern auch die zügige, bedarfsabhängige Anpassung sei-
ner Zusammensetzung an den sich fortlaufend verändernden Prüfplan sowie die Konsulta-
tion von kurzzeitig hinzugezogenen Mitgliedern.
Temporärer Umgang mit Unerwartetem 69

(3) Motivation und Engagement der individuellen Teammitglieder


Die flexible Arbeit des Ad-hoc-Teams wurde durch einen dritten Faktor ermöglicht, der in
den Teammitgliedern selbst begründet lag. Es handelt sich dabei um die intrinsische Moti-
vation und das damit verbundene Engagement zur Aufklärung des Schadensfalls. Die
Motivation der Teammitglieder erwuchs dabei aus dem Neuigkeitsgrad der Aufgabe sowie
aus dem öffentlichen Interesse, welches das Schadensereignis auf sich zog. So erlebten die
befragten Mitglieder des Teams die gemeinsame Arbeit als sehr bedeutungsvoll und enga-
gierten sich aus eigener Initiative heraus, wie ein Interviewpartner verdeutlicht:

„Also für uns war es was Besonderes, etwas Aufregendes. Wir haben da auch einen Ehrgeiz
gehabt. […] Jetzt können wir mal zeigen, was wir wirklich können an der Stelle. Also ich fand
das sehr spannend und hab mich da mit meinen Kollegen auch stark eingebracht“ (Mitglied
des Ad-hoc-Teams, weiterer Kreis).

Die Neugier und das Interesse an der „Detektivarbeit“ motivierten die Mitglieder auch
dann zur Weiterarbeit, wenn die tariflich vereinbarte Wochenarbeitszeitgrenze bereits
erreicht war. Überstunden, Nacht- und Wochenendarbeit wurden zur Klärung der Scha-
densursache bereitwillig akzeptiert, um den Aufklärungsprozess sowohl zeitlich als auch
inhaltlich voranzutreiben:

„Und wir haben das innerhalb von zwei Tagen organisiert und wir haben dann auch spontan
beschlossen, das nicht tagsüber sondern außerhalb der normalen Arbeitszeiten in Nachtschicht
zu machen. Das ist auch ein recht untypisches Verhalten. Da haben wir versucht, sehr schnell
zu reagieren, weil die Ergebnisse dringend benötigt wurden“ (Mitglied des Ad-hoc-Teams,
engerer Kreis).

Eine wichtige Rolle für die hohe Motivation und das Engagement spielte auch die herr-
schende Kollegialität unter den Teammitgliedern. Sie akzeptierten die Grenzen ihres eige-
nen Wissens und tauschten sich auf dieser Basis gleichberechtigt aus, unabhängig von der
jeweiligen hierarchischen Position des Einzelnen. Im Rahmen der häufigen, spontanen
Treffen herrschte eine vertrauensvolle Atmosphäre, die es dem einzelnen Mitglied erlaubte,
scheinbar abwegige Ideen und Hypothesen frei zu äußern und zur Diskussion zu stellen.
Diese kollegiale Atmosphäre wurde über den speziellen Schadensfall hinaus von sämtli-
chen Interviewpartnern beschrieben und kam im Zuge der teilnehmenden Beobachtungen
ebenfalls klar zum Ausdruck.

„Das funktioniert gut. Insbesondere deshalb, weil alle offen sind und alle wissen, dass es im-
mer wieder auch eine Veränderung geben kann. Das irgendwo bei jedem das Fachwissen end-
lich ist und das eben nur im Zusammenspiel gut geht“ (Mitglied des Ad-hoc-Teams, weiterer
Kreis).
70 Stephanie Duchek/Stefan Klaußner

4 Diskussion
4.1 Das Verhältnis der drei Rahmenfaktoren
des Sensemakings
Der vorangestellte Ergebnisteil hat gezeigt, dass Faktoren der präsidialen Unterstützung,
des Expertennetzwerks und der individuellen Motivation es dem Ad-hoc-Team ermöglicht
haben, den Bruch der Radsatzwelle sehr zügig und erfolgreich zu analysieren. An dieser
Stelle soll nun daran anknüpfend diskutiert werden, in welchem Verhältnis die drei Rah-
menfaktoren stehen und wie sie in ihrem Zusammenspiel die besondere Flexibilität im
Umgang mit dem unerwarteten Ereignis ermöglicht haben. Die Ergebnisse der Fallstudie
lassen vermuten, dass die drei Faktoren in einem komplementären Zusammenhang stan-
den: Es waren nicht nur alle drei für den erfolgreichen Umgang mit dem unerwarteten
Ereignis notwendig, sondern sie bedingten sich auch gegenseitig.
Auf zeitlicher Ebene wirkte die präsidiale Unterstützung, indem sie den Sensemaking-
Prozess beschleunigte. Hätte die Unterstützung durch die Organisationsspitze gefehlt,
wäre die von formalen Abstimmungswegen ausgehende zeitliche Limitation durch ein
Mehr an individueller Motivation der beteiligten Experten oder ein besseres Expertennetz-
werk nicht zu kompensieren gewesen, da die Unterstützung in erster Linie zu viel schnelle-
rer Bereitstellung und auch „unbürokratischer“ Beschaffung notwendiger organisationaler
Ressourcen (Prüfanlagen, -technologien und -personal) führte. Umgekehrt hätte jedoch
auch die präsidiale Unterstützung allein den Prozess nicht beschleunigen können, wenn
die beteiligten Experten den zur Verfügung gestellten Raum nicht mit ihrer Motivation und
ihrem Engagement gefüllt hätten.
Auf inhaltlicher Ebene wirkte dagegen das beschriebene Expertennetzwerk, indem es die
Verknüpfung der relevanten Expertisen innerhalb der BAM ermöglichte. Das Experten-
netzwerk hätte seine inhaltliche Wirkung aber nicht in der realisierten Effizienz entfalten
können, wenn die Unterstützung des Präsidiums die Abstimmung zwischen den beteilig-
ten Experten und Fachbereichen nicht hinreichend entformalisiert hätte und wenn die
einzelnen Experten nicht hinreichend motiviert gewesen wären, im Ad-hoc-Team zusam-
menzuarbeiten.
Schließlich wirkte die individuelle Motivation der Experten auf zeitlicher und inhaltlicher
Ebene. Hätte diese gefehlt, so wären die Abstimmungs- und Verknüpfungsmöglichkeiten,
die ja gerade ohne formale Anweisung stattfanden, nicht im realisierten Maße genutzt
worden (Kreativität lässt sich bekanntlich nicht befehlen). Außerdem wäre auch der Be-
schleunigungseffekt durch die präsidiale Unterstützung ausgeblieben.
Theoretisch diskutieren lässt sich das zeitliche und inhaltliche Zusammenwirken der Fakto-
ren auf der Folie der eingangs bereits herangezogenen Systemtheorie (Luhmann 1984).
Oben wurde dargestellt, dass der Umgang mit einem unerwarteten Ereignis für eine Orga-
Temporärer Umgang mit Unerwartetem 71

nisation als soziales System bedeutet, dass sie ihre eigene Struktur derartig verändern
muss, dass das im Moment seiner Realisation unerwartete Ereignis zu einem (zukünftig)
erwartbaren Ereignis wird. Diese Transformation leistet der Sensemaking-Prozess und
dient damit – abstrakt ausgedrückt – dem Systemzweck der Komplexitätsverarbeitung. Für
den Umgang mit Unerwartetem ist also eine hohe organisationale Flexibilität nötig
(Schreyögg/Sydow 2010). Nun ist seit Längerem bekannt, dass die auf generelle Regelung
ausgerichteten Erwartungsstrukturen der Organisation diesem Anspruch wenn überhaupt
nur in sehr begrenztem Maße gerecht werden können (Luhmann 1999; Schreyögg 2008).
Bereits Gutenberg wies – wenn auch unter anderen Prämissen – im Umkehrschluss seines
Substitutionsprinzips der Organisation darauf hin, dass die Interaktion (fallweise Rege-
lung) immer dann Steuerungsaufgaben der Organisation (generelle Regelungen) überneh-
men muss, wenn die zu verarbeitenden Tatbestände variabel (also im Sinne dieses Beitrags
unerwartet) sind (Gutenberg 1983; Schreyögg 2008). Während Gutenberg mit der fallweisen
Regelung die „individuelle Anordnung“ (S. 239) im Blick hatte, bezieht sich die Interaktion
in diesem Beitrag auf die interaktiven Verknüpfungsprozesse des Ad-hoc-Teams. System-
theoretisch bedeutet dieser Prozess nämlich, dass die Interaktion – die in struktureller
Kopplung mit der Organisation steht (Seidl 2005; Luhmann 1984) – einen größeren Teil der
Komplexitätsverarbeitung für die Organisation übernimmt. Der Faktor der präsidialen
Unterstützung hat also zu einer temporären Verschiebung des Schwerpunktes der Komple-
xitätsverarbeitung von der Organisation zur Interaktion geführt, weil dort ein deutlich
höheres Maß an Abstimmungsflexibilität realisierbar ist (Luhmann 1999). In der systemthe-
oretischen Sprache heißt das, dass die Interaktion der Organisation im zeitlich begrenzten
Sensemaking-Prozess Komplexität in besonderem Umfang zur Verfügung gestellt hat.
Praxisnäher: Die präsidiale Unterstützung hat dem Ad-hoc-Team einen besonderen Entfal-
tungs- und Entscheidungsspielraum für schnelle und aformale Abstimmungsprozesse
zwischen und innerhalb der Fachbereiche gegeben. Die mit dem Ad-hoc-Team ins Leben
gerufene Interaktion übernahm damit für die zeitlich begrenzte Aufgabe der Schadensana-
lyse einen großen Teil der Koordinationsfunktion der Organisation.
Die Interaktion wiederum ist als eigenständige Art sozialer Systeme (s. Luhmann 1984,
S. 16) von der Beteiligung psychischer Systeme (Experten) abhängig: Psychische Systeme
und Interaktion sind zwar füreinander Umwelt, dabei aber notwendigerweise strukturell
aneinander gekoppelt, denn ohne Bewusstseinssysteme gäbe es keine Kommunikation als
Operation des sozialen Systems (Kieserling 1999). Das dargestellte Expertennetzwerk er-
möglichte nun, dass die entlang des Sensemaking-Prozesses relevanten Disziplinen und
Expertisen einfließen konnten, denn es ebnete die Teilnahme der entsprechenden psychi-
schen Systeme an der Kommunikation des Ad-hoc-Teams. Konkreter: das Netzwerk er-
möglichte, dass relevante psychische Systeme der Interaktion ihrerseits Komplexität zur
Verfügung stellen konnten (im Grunde in gleicher Weise wie die Interaktion wiederum der
Organisation Komplexität zur Verfügung stellte). Insofern kann das Expertennetzwerk als
notwendige Bedingung dafür markiert werden, dass die Interaktion der von der Organisation
ausgegangenen Aufforderung zur Komplexitätsverarbeitung (der Umgang mit dem Uner-
warteten) Folge leisten konnte.
72 Stephanie Duchek/Stefan Klaußner

Dass die Experten tatsächlich ihre Expertise und Abstimmungsbereitschaft zur Verfügung
gestellt haben, resultierte schließlich aus dem dritten der geschilderten Faktoren: der Moti-
vation und dem Engagement des einzelnen Experten. Systemtheoretisch formuliert, ent-
scheiden die psychischen Systeme selbst, inwieweit sie der Interaktion Komplexität zur
Verfügung stellen. Die Motivation der Experten kann damit in zweifacher Hinsicht als die
hinreichende Bedingung dafür verstanden werden, dass die Interaktion die Komplexitäts-
verarbeitung für die Organisation übernehmen konnte.

Damit wird nun deutlich, dass der Umgang mit Unerwartetem im Fall der gebrochenen
Radsatzwelle ein Zusammenspiel auf drei Ebenen darstellte: Auf organisationaler Ebene
fand durch die präsidiale Unterstützung eine Verlagerung der Komplexitätsverarbeitung in
Richtung Interaktion des Ad-hoc-Teams statt. Auf der Ebene dieser Interaktion ermöglichte
das Expertennetzwerk die Beteiligung bzw. Verknüpfung relevanter Expertisen. Auf Ebene
des Individuums wiederum ermöglichte die Motivation den Erfolg auf der Interaktions-
ebene in sowohl zeitlicher als auch inhaltlicher Hinsicht. Dem Expertennetzwerk kommt
hier eine besondere Rolle zu (s. dazu auch Abschnitt 4.2), da es einerseits durch die be-
schriebene kollegiale Atmosphäre ebenfalls einen positiven Einfluss auf die individuelle
Motivation hatte und sich andererseits im Zuge vergangener Schadensanalysen als Platt-
form bewähren konnte. Daraus resultierte ein positiver Einfluss auf die präsidiale Unter-
stützung, da innerhalb des Präsidiums Vertrauen in das Expertennetzwerk und daraus
gebildete Ad-hoc-Teams bestand.

Im Hintergrund von sowohl präsidialer Unterstützung als auch individueller Motivation


standen der hohe öffentliche Druck und die öffentliche Bedeutung des zu analysierenden
Schadensfalls. Da es sich bei der Schadensanalyse um eine zentrale Aufgabe der BAM als
Bundesbehörde handelt, identifizierten sich sowohl die Experten als auch die Leitung der
BAM sofort mit dem Auftrag, was einerseits die individuelle Motivation verstärkte und
andererseits zur präsidialen Unterstützung führte. Abbildung 4 fasst die Überlegungen
zusammen.

Dass das komplementäre Zusammenspiel der drei Faktoren zu einer schnellen und effekti-
ven Schadensanalyse geführt hat, zeigte sich insbesondere auch daran, dass keiner der
Interviewpartner von Friktionen und den Sensemaking-Prozess behindernden Faktoren
innerhalb der BAM berichten konnte. Zwar gab es vereinzelt interessenbedingte Reibungs-
verluste im Informationsaustausch mit externen Akteuren (etwa der Herstellerkette der
Radsatzwelle); die internen Abstimmungsprozesse wurden jedoch durchweg als sehr er-
folgreich und reibungsarm wahrgenommen.

An dieser Stelle sollen vor dem Hintergrund der systemtheoretisch begründeten Komple-
mentaritätsvermutung aber dennoch Überlegungen darüber angestellt werden, unter wel-
chen Bedingungen Friktionen zu erwarten gewesen wären. Ein Fehlen mindestens eines
der drei dargestellten Faktoren hätte zu Friktionen geführt, denn die notwendige Flexibili-
tät wäre nicht zu realisieren gewesen, zumindest nicht in der von der Umwelt (dem Staats-
anwalt) erwarteten Geschwindigkeit. Zwei Faktoren – präsidiale Unterstützung und indi-
Temporärer Umgang mit Unerwartetem 73

viduelle Motivation – waren im konkreten Fall maßgeblich beeinflusst durch die öffentliche
Bedeutung des Schadensfalls. Und genau darin lassen sich Vermutungen über Friktionen
zuspitzen: Ohne den äußeren Druck wäre das Präsidium der BAM wahrscheinlich nicht
bereit gewesen, derartig Freiräume zu eröffnen und die Abstimmungsprozesse des Ad-hoc-
Teams im realisierten Ausmaß zu entformalisieren.

Abb. 4: Zusammenspiel der Bedingungsfaktoren des Umgangs mit Unerwartetem im Fall


der gebrochenen Radsatzwelle

Die retrospektiven Interviews haben gezeigt, dass die Kompetenzen zwischen einzelnen
Abteilungen und Fachbereichen üblicherweise sehr klar abgegrenzt sind, was interdiszipli-
näre Zusammenarbeit erschwert, zumal diese zum Teil auch unerwünscht ist. Dementge-
gen wirkt das etablierte Expertennetzwerk, da es basierend auf der Eigeninitiative der
Beteiligten einen interdisziplinären Austausch ermöglicht. Im Fall eines „großen“ Schadens
entstehen nun zwangsläufig kapazitäre Friktionen, wenn einzelne Experten versuchen, die
Analyse neben ihren sonstigen Aufgaben durchzuführen. Das Problem ist nun, dass die
inhaltliche Komplexität des Schadens nicht das zentrale Kriterium zu sein scheint, nach
welchem die Analyse innerhalb der BAM priorisiert wird. Das entscheidende Kriterium
74 Stephanie Duchek/Stefan Klaußner

scheint vielmehr auf der öffentlichen Bedeutung des Auftrages zu liegen. So gab es eine
ähnliche Unterstützung lediglich im Rahmen der Analyse der Unfallursache des Fährschiffs
„Estonia“ (Ulrich/Thielke 2001). Damit könnte – rein hypothetisch – also ein in seiner Ent-
stehungsursache ähnlich komplexer Schaden bei einer geringeren öffentlichen Resonanz
deutlich mehr Zeit in Anspruch nehmen, weil es an präsidialer Unterstützung und ggf.
auch an individueller Motivation fehlen würde. Da im Rahmen der Interviews und Be-
obachtungen solche Vergleichsfälle jedoch nicht erhoben wurden, kann an dieser Stelle
keine tiefer gehende Diskussion von möglichen Friktionen erfolgen. Im nachfolgenden
Abschnitt soll es vielmehr darum gehen, wie der BAM die Balancierung zwischen Stabilität
und Flexibilität gelang.

4.2 Die Balancierung von Flexibilität und Stabilität


Der Ergebnisteil dieses Beitrags hat gezeigt, dass die Ad-hoc-Teams der BAM eine flexible
Bearbeitung unerwarteter Schadensfälle ermöglichen, da sie spontan aktiviert werden und
losgelöst von der Hierarchie weitgehend autonom agieren können. Ähnlich wie andere
Formen der Projektarbeit werden auch die Ad-hoc-Teams der BAM für spezielle Aufgaben
gebildet und nach deren Erfüllung wieder aufgelöst (Lundin/Söderholm 1995). Sie unter-
scheiden sich jedoch dadurch von üblichen Projektgruppen, dass sie bis auf wenige Start-
mitglieder keine feste Besetzung aufweisen. Vielmehr werden im Verlauf der Schadensana-
lyse je nach Bedarf Experten aus der Organisation herangezogen und wieder entlassen,
wenn ihr spezifischer Beitrag geleistet wurde. Darüber hinaus folgen die Ad-hoc-Teams
keiner festgelegten Vorgehensweise. Während in Industrieunternehmen häufig die Rege-
lungen eines Projektmanagementhandbuches den Ablauf der Projektarbeit vorbestimmen,
sind die Ad-hoc-Teams frei von derartigen Regeln und variieren ihr Vorgehen je nach Fall
und Analyseverlauf. Damit weisen die Ad-hoc-Teams einen deutlich höheren Flexibilitäts-
grad gegenüber traditionellen Projektgruppen auf.

Nun hat die BAM als Bundesoberbehörde neben der Analyse „großer“ Schäden eine ganze
Reihe weiterer Aufgaben, wie die Prüfung und Bewertung von (gefährlichen) Materialei-
genschaften oder die Entwicklung und Validierung von Prüf- und Bewertungsverfahren.
Zur Erfüllung dieser Aufgaben hat die BAM spezialisierte Abteilungen bzw. Kompetenzbe-
reiche (z.B. Werkstofftechnik, Bauwerksicherheit und Zerstörungsfreie Prüfung, etc.) ge-
schaffen, die mit ihren untergeordneten Fachbereichen eine stabile Struktur aufweisen und
in sich weitgehend geschlossen agieren. Die Bereiche beschränken sich also weitestgehend
auf Tätigkeiten ihres spezifischen Aufgabenfeldes in Korrespondenz mit den jeweils spezi-
fischen Umweltsegmenten. Die permanente Organisation der BAM ist folglich gekenn-
zeichnet durch eine hohe Spezialisierung und formale Abstimmungsroutinen, woraus ihre
identitätsstiftende Stabilität resultiert.
Temporärer Umgang mit Unerwartetem 75

In ihren Zielsetzungen weichen temporäre und permanente Organisation somit grundle-


gend voneinander ab und es entstehen zwangsläufig Widersprüche zwischen beiden Ebe-
nen, mit denen die BAM umgehen muss. In der projektorientierten Managementliteratur
werden zur instrumentalen Bewältigung dieser Widersprüche insbesondere drei Möglich-
keiten diskutiert: die Sequenzierung, die Segmentierung und die Balancierung (Nauser
2006; Thyssen 2011). Während bei der Sequenzierung und der Segmentierung Flexibilität
und Stabilität zeitlich oder inhaltlich voneinander getrennt werden, wird mit der Balancie-
rung die simultane Herstellung von Flexibilität und Stabilität verfolgt. Innerhalb der BAM
ist genau dies der Fall: Ad-hoc-Teams und permanente Organisation existieren und agieren
gleichzeitig. Folglich müssen ihre gegenläufigen Zielsetzungen (Spezialisierung vs. inter-
disziplinärer Austausch) und die sich daraus ergebenden Konflikte fortlaufend miteinan-
der vereinbart werden (s. hierzu Schreyögg/Sydow 2010).

Ermöglicht wird die Balance zwischen den beiden Extremen insbesondere durch das for-
malisierte Expertennetzwerk, welches zwischen temporärer und permanenter Organisation
angesiedelt ist. In diesem Expertennetzwerk treffen Stabilität und Flexibilität aufeinander:
Auf der einen Seite bildet das Netzwerk selbst eine stabile Plattform, die sich aus Mitarbei-
tern der permanenten Organisation zusammensetzt. Auf der anderen Seite werden aus
dem Netzwerk heraus temporäre (ad hoc) Teams gebildet, die sodann ihre unterschiedli-
chen Wissensbasen und Perspektiven kombinieren, um zügig „große“ Schadensfälle zu
analysieren. Folglich dient das Netzwerk dazu, die differenzierte Entwicklung dezentraler
Wissensbasen für die flexible Analyse komplexer Schadensfälle nutzbar zu machen. Der
entscheidende Faktor dabei ist, dass diese Wissensbasen mit den Positionen der einzelnen
Mitglieder innerhalb der formalen Organisationsstruktur korrespondieren und sich dort
auch weiterentwickeln. Würde man die Mitglieder des quer zur Hierarchie liegenden
Netzwerks zu einer eigenständigen organisationalen Einheit „Schadensanalyse“ zusam-
menfassen und damit im Grunde versuchen, die Flexibilität dauerhaft bereitzustellen, so
wären sie von den Wissensentwicklungen ihrer eigentlichen Fach- und Wissenschaftsberei-
che zu weit abgeschnitten. Die interdisziplinäre Schadensanalyse lebt jedoch gerade von
der Integration und der situationsangepassten Verknüpfung jeweils aktuellen Fachwissens.

Die Herstellung der Balance zwischen Flexibilität und Stabilität ist jedoch neben der reinen
Existenz dieser zwischengelagerten Plattform an weitere Voraussetzungen geknüpft. Zu-
nächst müssen die einzelnen Fachbereiche ihre Experten für die regelmäßigen Plattformak-
tivitäten freistellen. Dies setzt wiederum die Bereitschaft der gesamten Organisation vo-
raus, die notwendigen Freiräume zu schaffen. Mit anderen Worten muss „Organizational
Slack“ (Staehle 1991; Cyert/March 1963) in gewissem Umfang gegeben sein, damit regel-
mäßige Netzwerktreffen stattfinden können und das Netzwerk selbst als Plattform für die
Bildung von Ad-hoc-Teams dienen kann. Zudem werden Mitarbeiter benötigt, die diese
Freiräume nutzen können und wollen, denn diese Räume erlauben nicht nur den an-
spruchsvollen Umgang mit Unerwartetem, sondern verlangen auch den Umgang mit den
gegenläufigen Zielsetzungen ihrer Arbeitsbereiche und daraus entstehenden Konflikten.
Die komplexen und intensiven Arbeitsanforderungen erfordern somit auch eine hohe (psy-
chische) Belastbarkeit der Mitarbeiter, ähnlich wie es im Rahmen der Matrixorganisation
76 Stephanie Duchek/Stefan Klaußner

diskutiert wird (Schreyögg 2008). Schließlich ist es für die Balancierung von Stabilität und
Flexibilität hilfreich – das hat die Fallanalyse gezeigt –, die Stelle eines Koordinators zu
schaffen, der sich „hauptamtlich“ den Netzwerkaktivitäten und der Bildung und Steuerung
von Ad-hoc-Teams widmet. Dieser Koordinator bildet eine Instanz, die die Belange des
Netzwerkes und seiner Mitglieder gegenüber der permanenten Organisation vertritt und
entstehende Konflikte zu lösen versucht. Zusammenfassend kann festgehalten werden,
dass die Existenz einer Ebene zwischen temporärer und permanenter Organisation die
Balancierung von Flexibilität und Stabilität ermöglicht, die konkrete Realisation der Balance
ist jedoch mit besonderen Anforderungen an die Organisation und ihre individuellen Mit-
glieder verbunden.

5 Theoretische Implikationen
und Fazit
Die im vergangenen Abschnitt diskutierten Ergebnisse der Fallstudie münden an dieser
Stelle in einige theoretische Überlegungen zum organisationalen Umgang mit zeitlich und
inhaltlich Unerwartetem sowie Perspektiven zukünftiger Forschung. Dabei darf eine zent-
rale Limitation nicht übersehen werden: Es liegt in der Natur der explorativen Einzelfall-
studie, dass ihre Ergebnisse nur in sehr begrenztem Maße generalisierbar sind (Eisenhardt
1989). Demzufolge sind die folgenden Überlegungen in großen Teilen hypothetischer Natur
und sollen als eine Anregung zu künftiger konzeptioneller und empirischer Forschung
verstanden werden.

Der organisationale Umgang mit einem unerwarteten Ereignis ist ein zeitlich begrenzter
und damit temporärer Prozess, der sich aus drei Elementen zusammensetzt: (1) Erkennen,
(2) Bewerten und (3) Verarbeiten. Zunächst müssen unerwartete Ereignisse als solche er-
kannt werden. Der systemtheoretische Rahmen der Fallstudie implizierte, dass die Wahr-
nehmung unerwarteter Ereignisse von der Struktur der Organisation selbst abhängt. Im
Falle der gebrochenen Radsatzwelle war das Erkennen für die BAM unproblematisch, weil
es sich um ein aufgabenbezogenes Ereignis handelte und die BAM vom Kölner Staatsan-
walt direkt angesprochen wurde. Im Falle existenzbezogener Ereignisse kann das Erkennen
als Voraussetzung jeden Umgangs problematischer sein, wenn nämlich das Ereignis im
Moment seiner Realisation unscheinbar und unklar ist. So werden viele Schreibmaschinen-
hersteller sogenannte „small events“ (Schreyögg et al. 2003) im Bereich der Entwicklung
der Personal Computer schlichtweg in ihrem Existenzbezug übersehen haben. Damit konn-
te weder eine Bewertung noch eine Verarbeitung stattfinden, zumindest nicht rechtzeitig.
Erkennen („noticing“) ist also der Beginn und eine wesentliche Voraussetzung für den
Umgang mit Unerwartetem. Es erfordert eine hinreichende Achtsamkeit (Weick/Sutcliffe
2007), die durch entsprechende Monitoring-Strukturen ermöglicht werden kann (Schrey-
ögg/Steinmann 1987).
Temporärer Umgang mit Unerwartetem 77

Eng mit dem Erkennen verbunden und in der Realität wohl nicht in der hier vorgenomme-
nen, analytischen Trennung abzugrenzen, ist das Bewerten der Relevanz des Ereignisses. Je
relevanter ein unerwartetes Ereignis eingeschätzt wird, desto intensiver werden die Verar-
beitungsbemühungen ausfallen. Systemtheoretisch ist die Bewertung genau wie das Er-
kennen nur vor dem Hintergrund der Systemstrukturen möglich. Im Falle der gebrochenen
Radsatzwelle ergab sich die Bewertung ebenfalls aus dem klaren Aufgabenbezug und aus
der hohen öffentlichen Aufmerksamkeit. Die Bewertung kann aber auch problematischer
sein, wenn sich nämlich die Wirkungen auf die fokale Organisation nicht unmittelbar ab-
schätzen lassen. So werden einige Schreibmaschinenhersteller zentrale Entwicklungen des
frühen PC-Marktes zwar erkannt, in ihrer Relevanz aber deutlich unterbewertet haben. Es
ist im Falle existenzbezogener Ereignisse also nötig, die zukünftige Bedeutung zu antizipie-
ren und mit in die Bewertung einfließen zu lassen, beispielsweise mithilfe von Instrumen-
ten der Szenarioplanung (Schoemaker 1995).

Das dritte Element bezieht sich schließlich auf die tatsächliche Verarbeitung des Unerwar-
teten. Hier ist eine besondere Flexibilität nötig, die von der permanenten Organisation nicht
realisiert werden kann (Schreyögg/Sydow 2010; Luhmann 1999). Die Ergebnisse der Fall-
studie legen nun die Überlegung nahe, dass die Flexibilität dadurch erreicht werden kann,
dass die permanente Organisation einen hinreichenden Teil ihrer Komplexitätsverarbei-
tungskompetenz für einen zeitlich begrenzten Zeitraum auf die Ebene der Interaktion über-
trägt. Im Fall der gebrochenen Radsatzwelle geschah dies durch die Unterstützung des
Präsidiums für das Ad-hoc-Team. Die Interaktion erhält dadurch einen besonderen Hand-
lungsspielraum und kann befreit von formalen Abstimmungszwängen situationsangepass-
te Verknüpfungsleistungen erbringen. Dieser Handlungsspielraum geht dabei über den
herkömmlicher Projektgruppen hinaus. Letztere sind zwar in gruppeninternen Abstim-
mungsprozessen ähnlich flexibel, im Austausch mit der organisationsinternen Umwelt –
also der permanenten Organisation – aber deutlich beschränkter.

Die temporären Teilnehmer der Interaktion besitzen eine Doppelrolle: Sie sind einerseits als
Stelleninhaber Teil der stabilen, formalen Struktur der Organisation und andererseits der
sich selbst steuernden Interaktion. Innerhalb der BAM wird die individuelle Teilnahme an
der Interaktion und damit auch die Übernahme der Doppelrolle durch das beschriebene
Expertennetzwerk ermöglicht. Ihm kommt damit zentrale Bedeutung für die Balancierung
von Stabilität und Flexibilität zu. Erst dieser Pool von potenziellen Interaktionsteilnehmern
ermöglicht es der Organisation, der Interaktion tatsächlich Komplexitätsverarbeitungskom-
petenz zu übertragen, denn würde die permanente Organisation selbst die Interaktionsteil-
nehmer bestimmen, so wären die Verknüpfungsmöglichkeiten streng genommen auf jene
begrenzt, die von der permanenten Organisation vorgedacht wären. Ihren Abschluss findet
die Verarbeitung des Unerwarteten schließlich darin, dass die Interaktion den zugestande-
nen Handlungsspielraum wieder aufgibt, die Teilnehmer also wieder auf ihre Rollen in der
formalen Struktur beschränkt sind und die Ergebnisse der Verarbeitung in die permanente
Organisation einfließen, sich dort also in Veränderungen der Erwartungsstrukturen als
Ausdruck organisationalen Lernens niederschlagen (Lampel et al. 2009).
78 Stephanie Duchek/Stefan Klaußner

Die drei Elemente sind nicht voneinander unabhängig, stehen aber auch nicht in einem
linearen Zusammenhang. Erkennen und Bewerten liegen sehr nah beisammen, denn jene
Strukturen, die ein Erkennen ermöglichen sind auch an der Bewertung beteiligt. Die Verar-
beitung schloss sich in der hier modellhaft vorgetragenen Konzeption zwar an, wird selbst
aber auch zur Bewertung des Ereignisses beitragen, schließlich ergibt sich die Bedeutung ja
erst entlang des Sensemaking-Prozesses; wäre sie im Vorfeld klar, so handelte es sich nicht
um ein inhaltlich unerwartetes Ereignis. Damit wird auch deutlich, dass die drei Elemente
ein aktives Management erfordern, denn eine jeweilige Maximierung kann aus ökonomi-
scher Sicht nicht realisierbar sein. Zudem würde die vollkommene Übertragung der Kom-
plexitätsverarbeitungskompetenz an die Interaktion zur Auflösung der Organisation als
System führen (Schreyögg/Noss 2000). Es muss also eine optimale, dem jeweiligen Ereignis
angepasste Kombination der drei Elemente realisiert werden. Das wiederum bedeutet, dass
die Kombination nicht im Vorfeld im Sinne eines plandeterminierten Prozesses bestimmt
werden kann, sondern im Laufe des Prozesses immer wieder nachjustiert werden muss
(Schreyögg/Steinmann 1987).

Hier liegt auch ein Anknüpfungspunkt für zukünftige Forschung: Es sollte der Frage nach-
gegangen werden, wie in Organisationen – beispielsweise auf der Ebene des tatsächlichen
Handelns – die drei Elemente (Erkennen, Bewerten, Verarbeiten) kombiniert und im Pro-
zess des Umgangs mit Unerwartetem gesteuert werden. Im hier vorgetragenen Fall der
BAM lag der Fokus auf der Verarbeitung des Unerwarteten; Wechselwirkungen zwischen
Erkennen, Bewerten und Verarbeiten wurden also nicht untersucht, sollten aber Gegen-
stand zukünftiger Forschung sein. Darüber hinaus könnte es von großem Interesse sein, ob
und inwieweit sich im Zuge des wiederholten Umgangs mit unerwarteten Ereignissen eine
Art Meta-Kompetenz entwickelt, die sich auf die jeweils situationsangepasste Kombination
der drei Elemente bezieht.

Neben der Erforschung des Verhältnisses der drei Elemente sollte insbesondere die Verar-
beitung des Unerwarteten vertiefend untersucht werden. Im Zuge der Analyse der gebro-
chenen Radsatzwelle durch die BAM gelang dies durch das Ad-hoc-Team und die drei
Faktoren der präsidialen Unterstützung, des Expertennetzwerks und der individuellen
Motivation der Teammitglieder. In zukünftigen Studien könnte untersucht werden, inwie-
weit diese Faktoren generalisierbar bzw. abstrahierbar sind. Hier könnte es sich anbieten,
Faktoren nach den Ebenen Organisation (präsidiale Unterstützung), Interaktion (Experten-
netzwerk) und Individuum (Motivation und Engagement) zu differenzieren und dort nach
weiteren Faktoren zu suchen. Methodisch sollte der Versuch unternommen werden, den
Umgang mit Unerwartetem im tatsächlichen Vollzug zu erfassen (z.B. durch den Einsatz
ethnographischer Methoden), um so einen unmittelbareren Zugang zum Untersuchungs-
gegenstand zu erhalten. Der vorliegende Beitrag stützte sich in erster Linie auf retrospekti-
ve Interviews, was eine weitere Limitation darstellt.

Da Organisationen zunehmend turbulenten und unerwarteten Umweltentwicklungen


ausgesetzt sind, muss der Umgang mit Unerwartetem aus organisationstheoretischer Pers-
pektive zukünftig noch stärker in den Forschungsmittelpunkt rücken. Unsere Fallstudie
Temporärer Umgang mit Unerwartetem 79

und die daraus abgeleiteten Überlegungen sollen Impulse für die weitere empirische und
konzeptionelle Forschung zum organisationalen Umgang mit Unerwartetem sowie der
daraus resultierenden Notwendigkeit der Balancierung von Flexibilität und Stabilität set-
zen.

Anmerkung
 Die Autoren dieses Beitrags sind in alphabetischer Reihenfolge angegeben.

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82 Stephanie Duchek/Stefan Klaußner

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Dr. Stephanie Duchek


Management-Department
Freie Universität Berlin
Garystr. 21
D-14195 Berlin
s.duchek@fu-berlin.de

Dr. Stefan Klaußner


Gastprofessor für International Business
Administration
Europa-Universität Viadrina
Große Scharrnstr. 59
D-15230 Frankfurt/Oder
klaussner@europa-uni.de
Christian Noss

Strategisches Management und Zeit ‒ Auf


dem Weg zu einem integrativen Konzept
zeitinduzierter Wettbewerbsvorteile
Dynamische Kompetenzen; Entrainment; Gegenwartstheorem; Hyperwettbewerb; Strategic
Time Reckoning; Zeit-Wettbewerb

Zusammenfassung
Die Zeit stellt einen elementaren Faktor des strategischen Managements dar. Der gegen-
wärtige strategische Diskurs ist gekennzeichnet durch eine dynamische Basisorientierung
gegenüber jeglichen Unternehmens-, Umwelt- und Wettbewerbsphänomenen. Die Zeit
liefert hierzu die logische Grundlage. Der Beitrag zeigt zunächst, dass die Zeit als strategi-
scher Wettbewerbsfaktor bislang nicht schlüssig konzipiert ist. Neben einzelnen Kritik-
punkten liegt ein Manko darin, dass eine an sich notwendige konzeptionelle Integration
bislang nicht vorliegt. Das ist erstaunlich, da im gegenwärtigen strategischen Management
die Fundamente hierfür bereits angelegt sind. Der vorliegende Beitrag plädiert für eine
integrative Perspektive der Zeit als strategische Handlungsdimension und illustriert am
Beispiel der Firma Apple Inc., wie ein spezifisch gebildetes und im Wettbewerbsprozess
aktiv eingesetztes strategisches Zeitkonzept ursächlich am Erfolg eines Unternehmens
beteiligt sein kann.

J. Koch, J. Sydow (Hrsg.), Managementforschung 23,


© Springer Fachmedien Wiesbaden 2013, S. 83–125
84 Christian Noss

Abstract
Time is a one of the ultimate basic features of strategic management. The present strategy
discourse reveals a strong orientation towards dynamics in all corporate, environmental
and competitive phenomena. Time delivers the logical background. This contribution ar-
gues that in terms of a strategic success factor, time is not conceptualized in a sound way.
Besides singe critical aspects, one major deficit is its conceptual integration, which has been
missing so far. This is astonishing because contemporary strategic management already
delivers a great deal of the necessary theoretical perspectives. The paper advocates an inte-
grative view of time as a strategic dimension for action. With the illustration of Apple Inc. it
provides an example of how a company has developed a specific strategic time reckoning
system over time, and how it uses it fruitfully in competition to gain strategic success.

Inhaltsübersicht
1 Einführung: Strategisches Management, Zeit und Erfolg ‒ Eine Gemengelage

2 Eine kurze Rekapitulation der Zeit im strategischen Management


2.1 Das Phänomen der Zeit in der Strategieinhalts- vs. Strategieprozessforschung
2.2 Zeit als Sinn- und Erfolgsdimension des strategischen Handelns

3 Zeit als strategischer Wettbewerbsvorteil


3.1 Zeit als Geschwindigkeit: Time-based Competition und Hyperwettbewerb
3.2 Zeit als Takt und Rhythmus: Time Pacing und Entrainment
3.3 Zeit in ihrer historischen Dimension: Resource-Based View und dynamische
Kompetenzen
3.4 Zeit als zukünftige Option: Der Beitrag des Realoptionsansatzes
3.5 Zwischenfazit: Zeit und Wettbewerbsvorteile ‒ Facettenreich aber
unverbunden

4 Auf dem Weg zu einem integrativen Konzept temporaler strategischer


Wettbewerbsvorteile
4.1 Vorüberlegungen: Temporal Embeddedness
4.2 Zeit als operative Sinndimension des Handelns: Der Beitrag der Strategy-as-
Practice Forschung
4.3 Zeit als operative Erfolgsdimension des Handelns: „Strategic Time Reckoning“
und Strategische Interaktionen

5 Apple Inc.: Eine Illustration

6 Abschließende Bemerkungen
Strategisches Management und Zeit 85

1 Einführung: Strategisches
Management, Zeit und Erfolg ‒
Eine Gemengelage
Strategisches Management ist in heutiger Sicht ein zentraler – wenn nicht der zentrale –
Ansatz für Unternehmen, mit Unsicherheit, Turbulenz und Komplexität umzugehen. Zeit
spielt hierbei eine zentrale Rolle. Ohne sie würden Unsicherheit, Turbulenz und Komplexi-
tät nicht dynamisch in Erscheinung treten (können) – die Zeit liefert für ihre Existenz die
eigentliche Begründung. Seit jeher ist daher die Idee des strategischen Managements mit
dem Faktor Zeit verknüpft. Strategie ist ohne Zeit nicht denkbar und ein „zeitloses” strate-
gisches Management macht bei genauerem Hinsehen keinen Sinn.

Darüber hinaus ist die Zeit eine der grundlegenden Wettbewerbs- bzw. Erfolgsfaktoren von
Unternehmen. Strategischer Erfolg ist immer mit einer Zeitimplikation verbunden. Er stellt
sich in einem bestimmten Zeitpunkt bzw. Zeitraum ein, währt nicht ewig – ist also selbst
dynamisch – und basiert meist auf einer bestimmten Art der (Aus-)Nutzung von Zeit. Im
Rahmen des strategischen Managements, verstanden als einer Disziplin zur Systematisie-
rung nachhaltigen Unternehmenserfolgs, sind bis heute vielfältige Vorschläge unterbreitet
worden, wie strategische Zeit verstanden und auf welche Weise ein zeitbasierter strategi-
scher Erfolg bewirkt werden kann.

Spätestens seit Beginn der 1990er Jahre ist eine Dynamisierung des strategischen Diskurses
auf breiter Front feststellbar (Mosakowski/Earley 2000). Neben der bis dahin (fast) exklusiv
vorherrschenden Idee, Wettbewerbsvorteile verdanken sich einer rationalen Gestaltung der
Unternehmenszukunft über ein umfassendes strategisches Planungssystem (Schendel/Hofer
1979), hat sich die Vorstellung verfestigt, strategischer Erfolg sei primär das Resultat unter-
nehmensspezifisch gebildeter Ressourcen und Kompetenzen (Barney 1991). Diese erwach-
sen aus der Entwicklung eines Unternehmens, sodass mit dem ressourcenbasierten Ansatz
weitaus stärker als (je) zuvor die Unternehmenshistorie als Generator des strategischen Un-
ternehmenserfolgs in das Zentrum der Betrachtungen rückt. Neben diesen eher grundsätz-
lichen Überlegungen zu den die strategischen Erfolge induzierenden Zeithorizonten (Zu-
kunft vs. Vergangenheit) ist der strategische Zeit-Diskurs seit jeher durch eine Fülle von
Einzelaspekten gekennzeichnet. Klassischer Ausgangspunkt ist die Frage des Timings von
strategischen Aktivitäten („First-Mover” vs. „Follower”, Porter 1980). Weitere Erfolgsfakto-
ren, wie z.B. die besondere Bedeutung der Wettbewerbs-Geschwindigkeit („Time-based
Competition”, Stalk/Hout 1990) oder das Einschwingen von Unternehmens- und Umwelt-
zeit(en) („Entrainment”, Shi/Prescott 2012) reichern den strategischen Diskurs zusätzlich
an. So sieht man sich im gegenwärtigen Stadium mit einer ganzen Bandbreite von zeitindu-
zierten Wettbewerbsvorteilen, dynamischen Erfolgskonzepten und diesbezüglichen Dis-
kursen konfrontiert.
86 Christian Noss

So reichhaltig die Rezeption der Zeit als Erfolgsfaktor im strategischen Management zu-
nächst auch erscheint, erweist sie sich bei genauerem Hinsehen doch als partiell bzw. sepa-
riert, relativ unsystematisch und nicht immer frei von Widersprüchen. Statt einer konzepti-
onellen Zeitperspektive findet man eine Gemengelage vor. Die Gründe hierfür werden in
zwei Defiziten ausgemacht:

1. Dem Fehlen eines integrativen Konzepts der Erfolgsdimension strategischer Zeit. Zeit als
strategischer Erfolgs- bzw. Wettbewerbsfaktor wird in Diskursen behandelt, die in aller
Regel voneinander isoliert geführt werden. Es kann daher nicht überraschen, dass wesentli-
che Ergebnisse nicht ohne weiteres in eine gemeinsame Perspektive gebracht werden kön-
nen bzw. untereinander (oftmals) nicht anschlussfähig sind.

2. Dem Fehlen einer – zumindest groben – Vorstellung davon, wie Zeit als eine ganzheitli-
che Grundlagendimension der strategischen Unternehmensführung beschaffen sein könnte.
Ohne diese Vorstellung gelingt es nur unzureichend, die konzeptionelle Verbindung von
strategischen Handlungen und Zeit herzustellen. Erst im Anschluss hieran lässt sich das
gesuchte Konzept zeitinduzierter Wettbewerbsvorteile inhaltlich genauer ausformulieren.

Der vorliegende Beitrag ist der Bearbeitung bzw. Abmilderung der beiden konstatierten
Defizite gewidmet. Da insgesamt eine Basisproblematik des strategischen Managements
angesprochen ist, starten die weiteren Ausführungen bei der für das strategische Denken
konstitutiven Grundlagendifferenzierung in Strategieinhalts- vs. Strategieprozessforschung
und den dort jeweils verankerten Zeitvorstellungen.

Neben einer problemorientierten Rekonstruktion der wichtigsten Ansätze des strategischen


Managements zu zeitorientierten Wettbewerbsvorteilen wird im weiteren Verlauf der Ar-
gumentation aufgezeigt, wie Unternehmen in der Zeit agieren und eigene strategische
Zeitreferenzen ausbilden. Es ist die These des Beitrags, dass Unternehmen „ihre“ spezifi-
sche strategische Zeit zum Aufbau von Wettbewerbsvorteilen nutzen. Hierbei wird der
Versuch unternommen, die im bisherigen strategischen Diskurs mehr oder minder isoliert
thematisierten zeitbegründeten Wettbewerbsvorteile konzeptionell zu integrieren. Das
Beispiel von Apple Inc., einem bekannten Hersteller der Computerindustrie illustriert prak-
tisch, wie auf der Basis selbstgebildeter strategischer Zeit erfolgreich Wettbewerbsvorteile
zur Geltung gebracht werden können.
Strategisches Management und Zeit 87

2 Eine kurze Rekapitulation der Zeit


im strategischen Management
2.1 Das Phänomen der Zeit in der Strategieinhalts-
vs. Strategieprozessforschung
In der wissenschaftlichen Betrachtung des strategischen Managements ist es eine lange
Tradition, zwischen der sogenannten „Strategieinhaltsforschung“ und der „Strategiepro-
zessforschung“ zu unterscheiden (Hungenberg 2011, S. 59 ff.; Welge/Al-Laham 2008). Ziel
der Strategieinhaltsforschung ist es herauszufinden, welche Strategien letztlich zum Erfolg
führen. Jede Strategie verkörpert hiernach ein bestimmtes strategisches Konzept und es
zeigt sich, dass nicht alle strategischen Konzepte gleichermaßen erfolgsinduzierend wirken.
Die Strategieprozessforschung dagegen fragt nach den unterschiedlichen Wegen, wie Stra-
tegien entwickelt und implementiert werden. In einer normativen Variante wird ein idealer
Strategieformulierungsprozess unterlegt, der aus einer Abfolge der Phasen der strategi-
schen Zielsetzung, unternehmensexterner sowie -interner Analyse, rationaler Auswahl,
Implementation und Kontrolle besteht (Hax/Majluf 1996). Die empirische Strategieprozess-
forschung widmet sich dagegen den mannigfaltigen realen Strategieentwicklungsmustern
in Unternehmen (Mintzberg/Waters 1985).

Ursprünglich werden im Rahmen der Strategieinhaltsforschung strategische Konzepte wie


z.B. unterschiedliche Diversifikationstypen oder bestimmte, durch einen Kostenschwer-
punkt oder durch Differenzierung erreichte Positionen im Markt bezüglich ihres strategi-
schen Erfolgsbeitrags geprüft (klassisch: Porter 1985). In der Grundanlage dieser Forschung
folgen hieraus statische bzw. komparativ-statische Betrachtungen und Aussagen. Aus der
Strategieprozessforschung dagegen folgen, eben da hier bestimmte (z.B. evolutionstheoreti-
sche) Phasenverläufe, unternehmenspolitische Strategieformierungsmuster oder strategi-
scher Wandel als Resultat von Wachstums-, Reifungs- und Erneuerungsprozessen etc. im
Blickpunkt stehen, grundsätzlich dynamische Betrachtungen (Mintzberg et al. 2009). D.h. in
ursprünglicher Perspektive, zum Zeitpunkt der Ausdifferenzierung der damals noch recht
jungen Disziplin des strategischen Managements in den 1980er Jahren, standen die Strate-
gieinhaltsforschung und ihre Ansätze primär für Statik (bzw. komparative Statik), die Stra-
tegieprozessforschung mit ihren unterschiedlichen Strömungen dagegen – wie es der Name
schon andeutet – für Dynamik. Wenn das stimmt, ließen sich zeitliche Betrachtungen ver-
nünftigerweise nur mit Blick auf die Strategieprozessforschung anstellen, Ansätze der Stra-
tegieinhaltsforschung wären dagegen einer zeitlich orientierten Untersuchung nicht zu-
gänglich, eben weil sie nicht dynamisch gedacht und entsprechend intendiert sind. Aber, so
ist zu fragen, kann von dieser ursprünglichen Differenz auch heute noch ausgegangen
werden? Zwei Argumente sprechen dagegen:

Erstens sind im Zuge der allgemeinen und geradezu paradigmatischen Dynamisierung der
gesamten Disziplin des strategischen Managements (spätestens seit Beginn der 1990er Jah-
88 Christian Noss

re) statische Betrachtungen mehr und mehr in den Hintergrund getreten. Porter (1991)
beispielsweise reinterpretiert bzw. konkretisiert – als klassischer Vertreter der Strategie-
inhaltsforschung – seine Vorstellungen zur Branchenattraktivität („Five Forces“) und zur
Unternehmenspositionierung (als Resultat des Wertkettenmanagements), indem er zwi-
schen einem Querschnitts- und einem Längsschnittproblem in der Erfassung des Unter-
nehmenserfolgs differenziert. Seiner Auffassung nach kann Unternehmenserfolg nur in
einer Querschnittsperspektive zu einem bestimmten Zeitpunkt erfasst werden, benötigt
aber zu seiner Erklärung eine erweiterte Perspektive auf die Ausgangsbedingungen (z.B.
bestehende Reputation, Fähigkeiten etc. des Unternehmens) und die Entscheidungen des
Managements. Angereichert durch letztere Betrachtungen lassen sich in einer Längs-
schnittperspektive erst die Gründe für z.B. eine erreichte attraktive Positionierung in einer
Branche herleiten. Spätestens seit diesen Überlegungen interpretiert Porter seine bis dahin
entwickelten Konzepte als Bausteine auf dem Weg zu einer „dynamic theory of strategy“
und konstatiert (1991, S. 105): „The effort by some to dichotomize process and substance is
simply incorrect.“

Darüber hinaus gilt es zu berücksichtigen, dass die Strategieinhaltsforschung in der heuti-


gen Ausprägung Unternehmenserfolg maßgeblich als Resultat hochkomplexer und histo-
risch gewachsener Phänomene auffasst. Das lässt sich an der Weiterentwicklung des Re-
source-Based View deutlich machen: Fragte man anfänglich noch nach dem Besitz und der
Nutzung der unternehmensspezifischen (tangiblen und intangiblen) Ressourcen als strate-
gischem Erfolgsfaktor (Barney 1991), so verlagert sich die Fragestellung auf ihre Entwick-
lungsdynamik in einer erweiterten unternehmensspezifischen Geschichte und auf die
Kompetenzen, die ein Unternehmen währenddessen erlernt hat, diese Ressourcen jeweils
neu zu kombinieren (Teece et al. 1997). Der hier betrachtete Strategieinhalt bzw. strategi-
sche Erfolgsfaktor ist keine „Sache“ mehr im engeren Sinne des Wortes, wie z.B. eine selte-
ne materielle Ressource oder eine Ressourcenausstattung, sondern ist selber ein Prozess!
Damit werden aber auch zeitorientierte Untersuchungen und Aussagen hierüber möglich.

Zweitens sind Prozesse gemeinhin längst nicht in allen Fällen so dynamisch wie es die Be-
zeichnung eigentlich vermuten lässt. Paradoxerweise existieren auch mannigfache „undy-
namische“ Prozesse. Und dies gerade auch im strategischen Management bzw. genauer im
Rahmen der Strategieprozessforschung. Entscheidend ist, ob man einen Prozess primär von
seiner sachlichen oder von seiner zeitlichen Dimension aus begreift und konzeptioniert.

Im ersteren Fall startet man bei sachlichen Gegebenheiten des strategischen Kontexts, bei-
spielsweise bestimmten inhaltlichen Entwicklungen eines Unternehmens (z.B. Phasen, wie
Geburt, Wachstum, Reife, strategische Erneuerung etc., Miller/Friesen 1984) und muss,
damit die Phasen einen Verlauf aufweisen können, Zeit hinzudenken. Im Zentrum stehen
sachliche Veränderungen (Primat des Sachlichen). Die Zeit erscheint als reines Hinter-
grundphänomen, sie verbleibt implizit und neutral, ohne eigene Problem-Beiträge (z.B.
Gründe) für den spezifischen Verlauf des Prozesses. Die sachlichen Inhalte, z.B. wie genau
das Wachstum oder ein strategischer Turnaround erfolgt, bleibt in dieser Perspektive vari-
abel, die zeitliche Logik hingegen ist fixiert und bekannt. Zeit selber erscheint als funktionale
Zeit; funktional deshalb, weil die neutral unterstellte Zeit als Funktionsvoraussetzung für
Strategisches Management und Zeit 89

(sachlichen) Wandel notwendig hinzugedacht bzw. dem Ansatz unterlegt werden muss.
Funktionale Zeit findet man recht häufig in Konzepten des strategischen Managements:
Neben dem angeführten Beispiel des strategischen (bzw. organisatorischen) Lebenszyklus
und der strategischen Erneuerung findet sich diese Zeitperspektive z.B. bei der Erfah-
rungskurve oder in Ansätzen des sogenannten „unterbrochenen Gleichgewichts“ (punctu-
atd equilibrium, Romanelli/Tushman 1994). Wenn auch sachlich kontingent sind schließlich
auch evolutionstheoretische Konzepte, die an der strengen Folge der Entwicklungsphasen
Variation, Selektion und Retention anschließen (Nelson/Winter 1982), recht nah an einem
funktionalen Zeitverständnis.

Wie gesagt stellt die funktionale Zeit ein breites Phänomen in der strategischen Prozessfor-
schung und damit im gesamten strategischen Management dar. Weitere für das strategi-
sche Denken konstitutive Prozessansätze seien daher beispielhaft benannt: Gewissermaßen
als Klassiker ist die sachlich-inhaltlich bemerkenswerte Prozessforschung um Bower, Bur-
gelman und Kollegen hier anzuführen. In seiner vielbeachteten Untersuchung zu den stra-
tegischen Investitionsprozessen in Großunternehmen zielt Bower (1970) nicht auf die situa-
tiven Ereignisse, sondern auf den unternehmensstrukturellen Rahmen und die dort agie-
renden Akteure ab. Das Rational-Aktor-Paradigma des strategischen Managements zu
kritisieren, ist hierbei eine der zentralen Absichten; die Zeit in ihrer Prozessqualität zu
erfassen, steht nicht im Zentrum seines Forschungsinteresses. Ähnlich ist die bekannte
Nachfolgestudie von Noda und Bower (1996) zur Strategiefindung zu beurteilen. Zwar sind
als Datenbasis die historischen strategischen Aktivitäten von zwei US-amerikanischen
Firmen aus der Zeit von 1983 bis 1993/94 unterlegt, aber als Intention resümieren beide
Forscher: „It is hoped that this study will spur interests of strategy researchers in the itera-
tive approach and move the field of strategy closer to the establishment of a formal process
theory of strategy making“ (1996, S. 190). D.h., eine formale Prozesstheorie der Strategie-
entwicklung steht im Mittelpunkt; die Zeit bildet hierbei den rahmenartigen (neutralen)
Hintergrund.

Darüber hinaus weisen auch dynamische Erweiterungen strategischer Prozessansätze


durch (formale) Methoden des System Dynamics (Morecroft 2007) sehr deutlich in Rich-
tung einer funktionalen Zeit. Die Zeit entsteht hierbei durch die Art der Programmierung
der zentralen Modellvariablen (z.B. ihr Verhalten) und deren Verknüpfung zu multiplen
Feedbackschleifen (mit sachlich z.T. emergenten Resultaten). Die hierbei entstehende Zeit
ist als Rechen- bzw. Modellzeit aber letztlich ebenfalls neutral und unhistorisch, d.h. funk-
tional.

Schließlich ist der analytisch normative Prozessansatz der Strategieformulierung der funk-
tionalen Zeit verpflichtet. Auch hier steht die sachlich-logische Phasenabfolge von strategi-
scher Zielbildung, Analyse, Entscheidung, Implementation und Kontrolle, gepaart mit der
Entscheidungslogik als dem Garanten für die Rationalität der gewählten Strategie im Mit-
telpunkt. Eine als linear verlaufend angenommene Zeit bildet hierbei den notwendigen
Hintergrund, auf dessen (gedachter) Zeitachse sich der gesamte rationale Prozess über-
haupt erst vollziehen kann (Weihrich/Koontz 1993, S. 133 ff.).
90 Christian Noss

Man kann insgesamt aber auch umgekehrt herangehen: Man startet auf der Basis einer
emergenzoffenen Zeitperspektive und beobachtet dann, wie sachliche Gegebenheiten sich
darin entwickeln. Diese nehmen erst in einer erweiterten Zeitperspektive eine spezifische
Ausprägung und Identität an. Hierbei ist Zeit selbst ein Grund für Veränderung (z.B. als
Zeitsprung, Diskontinuität, Zeitkomprimierung, Beschleunigung, Verlangsamung etc.).
Zwei gleich lange Zeitintervalle können dann qualitativ völlig unterschiedlich sein. Analog
zu oben Gesagtem sind auch hier die sachlichen Entwicklungen variabel, die zeitliche Ent-
wicklung ist aber auch variabel und ungewiss. D.h., es herrscht basale Emergenz, der ge-
samte Prozess ist historisch (Emirbayer 1997). Zeit erscheint hier als empirische Zeit, weil
historische Prozesse sich nicht an bestimmte Zeit-Verlaufsmuster oder Phasen halten; im
Gegenteil, es ist zu jedem Zeitpunkt Neues möglich.

Wenn historische Prozesse als rekurrent und in bestimmten Phasenabläufen wiederkehrend


erscheinen, so ist das zunächst das Resultat ordnender Interpretationen eines Beobachters,
der sich allerdings nicht darauf verlassen kann, dass einmal aufgefundene Verlaufsmuster
– z.B. Phasenabfolgen – sich in Zukunft in gleicher Weise wiederholen. Andernfalls müsste
man, was im strategischen Kontext einer komplexen und unübersichtlichen Umwelt ge-
meinhin nicht möglich ist, die Zukunft bereits in der Gegenwart kennen. Außerdem muss
man sich fragen, ob z.B. ein wiederholter Wachstums- und Reifeprozess nach einem strate-
gischen Turnaround tatsächlich mit einem zu früherer Zeit durchlaufenen Wachstums- und
Reifungsprozess eines Unternehmens vergleichbar (gar identisch) ist. Im Grunde ist dies
eine typisch sachliche Analogie. Aus der Sicht der empirischen Zeit dagegen ist davon
auszugehen, dass man es zu unterschiedlichen Zeiten mit einem grundlegend veränderten
Unternehmen in einer grundlegend veränderten Umwelt zu tun hat. In der realen Welt
existieren im Rahmen der empirischen Zeit – streng genommen – keine eins zu eins Wie-
derholungen. Ähnlichkeiten indessen sind immer möglich, allerdings in ständiger Kombi-
nation mit dem grundlegenden Potenzial zu Unvorhergesehenem und Neuem.

Resümee: War die Dichotomie von statischer Strategieinhaltsforschung vs. dynamischer


Strategieprozessforschung zu Beginn der Entwicklung des strategischen Managements
auch wichtig und erkenntnisfördernd, so ist sie doch im Zuge der allgemeinen Dynamisie-
rung des strategischen Denkens zunehmend infrage gestellt worden. Es überrascht nicht,
dass sie bisweilen deutlich kritisiert wird, wenn z.B. Pettigrew (1992, S. 6) festhält, es beste-
he eine „… intellectual trap … clearly evident in classifying strategy research into content
and process domains.“ Powell (1992, S. 557) resümiert in einem seiner Beiträge mit ähnli-
cher Blickrichtung: „However, by viewing strategy process as a potential source of competi-
tive advantage, this article addresses process and content issues simultaneously, and sug-
gests that the process-content division may be arbitrary and limiting to the field.“

Insofern wird im vorliegenden Beitrag, da hier nicht Substanz vs. Prozess oder Statik vs.
Dynamik im Zentrum steht, von der sonst üblichen Dichotomie in Strategieinhalts- und
Strategieprozessforschung abgesehen. Hier interessiert allein die empirische Zeit und diese
ist in Ansätzen in der weit entwickelten dynamischen Inhalts- und der Prozessforschung
gleichermaßen enthalten. Entscheidend ist, ob die Zeit als eine explizite, maßgebliche und
gehaltvolle Größe in einem jeweiligen Strategiekonzept integriert ist. Nur als eine explizite
Strategisches Management und Zeit 91

Größe ist die Zeit als strategische Zeit sicht- und erfassbar und damit auch kritisierbar. Zeit
als funktionale Zeit ist bei genauem Hinsehen nicht problematisierbar, sie tritt nicht in
Erscheinung, man kann nur Vermutungen anstellen. Sie verbleibt ein implizites Konzept-
phänomen, ein neutraler Hintergrund, gewissermaßen der logische „Ermöglicher“ für
ansonsten in ihrer primären Sachlichkeit interessierende Verläufe und Entwicklungen. Aus
diesem Grund werden im vorliegenden Beitrag alle Prozessansätze mit einem funktionalen
Zeithintergrund nicht weiter berücksichtigt.

2.2 Zeit als Sinn- und Erfolgsdimension des


strategischen Handelns
An die Stelle der Differenz von Strategieinhalts- vs. Prozessforschung soll im vorliegenden
Beitrag die Differenzierung der Zeit in eine (operative) Erfolgsdimension vs. eine (operati-
ve) Sinndimension treten. Beide Dimensionen betreffen strategische Akteure bzw. Unter-
nehmen, aber im Gegensatz zur ursprünglichen Differenzierung wird davon ausgegangen,
dass besagte Akteure bzw. Unternehmen als laufend in-der-Zeit-Handelnde begriffen wer-
den. Sie sind grundlegend in einen selbstbeweglichen Kontext (Umwelt, Akteure in der
Umwelt, deren Aktionen und Interaktionen etc.) eingebettet („embedded“).

Das Embeddedness Theorem ist konstitutiv für den hier interessierenden temporalisierten
strategischen Kontext (Pettigrew 1992; Emirbayer/Mische 1998). Es besagt, dass der soziale
Kontext, zu dem auch der strategische zu rechnen ist, kein stabiler Zustand ist, sondern ein
dynamisches Werden, welches sich – über die permanenten Operationen der Akteure –
laufend aus sich selbst heraus entfaltet. Der strategische Prozess wird als ein Zusammen-
spiel von – individuellen oder kollektiven – Handlungen begriffen, die eingebettet sind in
ein Netzwerk von natürlichen (ökologischen), kulturellen, technologischen, ökonomischen,
kompetitiven, sozio-strukturellen und politisch-rechtlichen Relationen. Eine dynamisch
angelegte, strategische Umweltanalyse kann einen Eindruck von der Komplexität vermit-
teln, die das laufende „Eingebettet-sein“ in diesen sich bewegenden Kontext bedeutet (Por-
ter 2008). Die nie zu beendende Spannung zwischen den Handlungen und Strukturen (Re-
lationen) ist die Triebkraft des gesamten Prozesses, insofern als die strukturellen Relationen
konkrete Handlungen nahelegen bzw. ausformen und andererseits durch konkrete Ak-
teurshandlungen geformt, verfestigt oder modifiziert werden (Sztompka 1991; Ortmann
2010). In dieser Perspektive sind nicht nur die Handlungen, sondern auch die Strukturen,
die den Handlungen zu einem erheblichen Ausmaß Gestalt und Richtung verleihen, in
einem permanenten zeitlichen Fluss.

In diesem (operativ) temporalisierten Kontext lassen sich nun die Akteure mit ihren Hand-
lungen, eingebettet in besagte Relationen, laufend beobachten und hierüber lassen sich
Aussagen zur (empirischen) Handlungszeit machen. Mindestens zwei Aussagenkategorien
können unterschieden bzw. zwei Grundfragen beantwortet werden. Erstens: Wie handeln
Unternehmen als strategische Akteure in der Zeit? Hierbei erscheint die Zeit als operative
Sinndimension des Handelns. Konkretes Handeln orientiert sich an unterschiedlichen
92 Christian Noss

(externen) Kontextregeln und -restriktionen, wie es ebenso auf einer intern jeweils aktuellen
Interpretation der Kontextrelationen bzw. Umweltkonstellationen basiert. Was nach und
nach erscheint und rekonstruierbar wird sind die Sinnstrukturen des (strategischen) Han-
delns (Schwemmer 1987, S. 62 ff.), wie z.B. Prozesse der Strategieformierung, das Timing
eines Markteintritts etc. Zeitlich gesehen erscheinen konkrete Ereignisse und ihre Verknüp-
fungen als Prozesse in ihrem historischen zeit-operativen Zusammenhang.

Die zweite Kategorie berührt die Grundfrage: Wie sollen Unternehmen als strategische
Akteure in der Zeit handeln? Hier wird die normative Seite des zeitlichen Operierens ange-
sprochen. Unternehmen entwickeln bzw. verfolgen Strategien mit der ganz zentralen Ab-
sicht, Wettbewerbsvorteile zu erringen und Markterfolg zu realisieren. Dieser gesamte,
vom strategischen Management seit jeher thematisierte Fragenkomplex ist nun aber selbst
ein wesentlicher Bestandteil des bis hierher dargelegten temporalisierten Kontexts und
damit selbst ein Phänomen in der Zeit. Zeit ist so gesehen auch eine operative Erfolgsdi-
mension des Handelns, denn Erfolge sind auch (nur) temporärer Natur; Wettbewerbsvor-
teile bestehen nicht ewig (Sirmon et al. 2010), sondern sind eingebettet in eine bewegliche
Branchenstruktur etc. (Porter 1991).

Gemäß der Absicht des Beitrags gilt es nunmehr, an der zuletzt verdeutlichten Einsicht
anzusetzen und diejenigen Ansätze des strategischen Managements einer genaueren Un-
tersuchung zu unterziehen, die strategischen Erfolg in einer empirischen Zeit zum Thema ma-
chen. Dabei muss auf die (notwendige) Selektivität des weiteren Vorgehens verwiesen
werden, würde doch eine lückenlose Gesamtbetrachtung dieses breiten Strategiefeldes den
vorliegenden Beitrag unweigerlich sprengen. Auch kommt es nicht darauf an, die Fülle der
Konzepte zu präsentieren, sondern hier geht es darum, zentrale Sinnstrukturen des strate-
gischen Managements (verstanden als wissenschaftliche Disziplin) in Bezug auf die Dyna-
mik des strategischen Erfolgs herauszuarbeiten.

3 Zeit als strategischer Wettbewerbs-


vorteil
3.1 Zeit als Geschwindigkeit: Time-based Compe-
tition und Hyperwettbewerb
Im strategischen Konzept des Zeitwettbewerbs besteht der anzustrebende Wettbewerbsvor-
teil nicht länger in den (klassischen) Dimensionen von Qualität, Betriebsgröße oder Kosten,
sondern wird in der Art und Weise, wie Unternehmen die Zeit nutzen, ausgemacht (Stalk/
Hout 1990). Etwaige Qualitäts- und/oder Kostenvorteile sollen sich hieraus ableiten. „In
fact, as a strategic weapon, time is the equivalent of money, productivity, quality, even
innovation“ (Stalk 1988, S. 41). Innovationen sollen kundennah und schnell vorgetragen
Strategisches Management und Zeit 93

werden. Der first mover advantage wird von einer strategischen Option (Porter 1980) zum
Programm. Mit einer verkürzten „time to market“, so die Idee, ist der Zeitwettbewerber in
der Lage, beständig mehr neue Produkte oder eine größere Anzahl an Produktinnovatio-
nen bzw. -variationen einzuführen. Die Schnelligkeit kann und soll auch dazu genutzt
werden, um neue Kundenbedürfnisse frühzeitig zu detektieren und recht zügig in den
Strom der nie versiegenden Produkt- bzw. Verfahrensinnovationen zu integrieren (Stalk/
Hout 1990, S. 253 ff.).

Gemäß D’Avenis (1994, 1998) Konzept des Hyperwettbewerbs gehören Branchen mit einer
sich eher langsam und stetig entwickelnden Oligopolstruktur der Vergangenheit an. In der
Gegenwart vollziehen sich demgegenüber intensive und schnelle Wettbewerbsinitiativen,
die die Konkurrenten mit unerwarteten und z.T. unkonventionellen Mitteln betreiben. In
Anlehnung an zentrale Vorstellungen Schumpeters (1934) seien diese neuen Branchen-
strukturen gekennzeichnet durch „... hypercompetitors who continuously generate new
competitive advantages that destroy, make obsolete, or neutralize the industry leader's
advantages, leaving the industry in disequilibrium and disarray“ (D’Aveni 1998, S. 183).
Gemäß den Grundeinsichten des Hyperwettbewerbs sollen Wettbewerber gar nicht erst
versuchen, ihre Wettbewerbsvorteile zu halten und zu verteidigen, da sie sich bei diesem
Vorhaben unweigerlich in einer selbst gebauten Falle verfangen und es versäumen, das
nächste Set an Vorteilen zu identifizieren und zu errichten.

In beiden Konzepten, sowohl im Zeit- als auch im Hyperwettbewerb, wird die Zeit selbst
grundlegend mit Geschwindigkeit gleichgesetzt. Insgesamt gilt es, einen raschen Vorteil
gegenüber der Konkurrenz zu erzielen und ihr somit bestenfalls zuvorzukommen. Darüber
hinaus wird von einer allgemein hohen oder gar sich verschärfenden Wettbewerbsintensi-
tät – mit zunehmender Geschwindigkeit – ausgegangen (Pasmore 1994). Dies kann sogar
soweit führen, eigene Wettbewerbsvorteile rechtzeitig proaktiv zu eliminieren, um den
Weg für neue zu bereiten. Insbesondere im Hyperwettbewerb befinden sich die Unterneh-
men auf der Eskalationsleiter einer steigenden Wettbewerbsbrisanz (D’Aveni 1994, S. 25
ff.). Der Grund hierfür besteht laut D’Aveni in der drastischen Herabsenkung der Haltbar-
keit der als klassisch erachteten Wettbewerbsvorteile in vier entscheidenden Wettbewerbs-
arenen hyperkompetitiv angelegter Branchen. In seinen Ausführungen (S. 39 ff.) beschreibt
er sehr detailliert die über die Zeit eskalierenden Wettbewerbsmanöver, die dazu führen,
dass 1. Kosten-/Qualitätsvorteile, 2. Timing und Wissensvorteile, 3. Vorteile aufgrund der
Schaffung von hohen Markteintrittsbarrieren und schließlich 4. Vorteile durch finanzielle
Stärke notwendig in einem Prozess der irreversiblen Erosion verfallen (müssen).

Auf welche Weise aber entsteht nun die unternehmensendogene Geschwindigkeit? Im


Rahmen des Zeit- bzw. Hyperwettbewerbs soll der Markt sehr zügig mit einer strikt orches-
trierten bzw. parallelisierten Abfolge von Schritten verbunden mit sehr kurzen Reaktions-
zeiten bearbeitet werden. Ein zeitliches Komprimieren von Planungsprozessen bildet eine
wesentliche Grundlage hierfür (Stalk/Hout 1990). Ein differenziertes Bild erhält man durch
die Untersuchungen von Eisenhardt und Kollegen (Eisenhardt 1989, 1990; Bourgeois/Eisen-
hardt 1988). In ihren empirischen Untersuchungen zu unternehmerischen Entscheidungs-
prozessen in der Computerindustrie zeichnen sich erfolgreiche, d.h. „schnelle“ Entschei-
94 Christian Noss

dungsteams dadurch aus, dass sie nicht einzelne, in die Tiefe analysierte Pläne verfolgen,
sondern zur gleichen Zeit eine ganze Reihe alternativer Optionen auf der Basis von hand-
lungsnahen „Echtzeitinformationen“ aktuell (vor-)halten. Darüber hinaus schaffen sie es,
Konflikte über eingeführte Konsensverfahren zügig zu lösen bzw. bei Bedarf erfahrenen
Senior Executives kurzfristig die Entscheidungsvollmacht zu übergeben.

In einer anderen Studie stehen beschleunigte Produktentwicklungsprozesse in Unterneh-


men der Computerindustrie im Mittelpunkt (Eisenhardt/Tabrizi 1995). Auch hier werden
Alternativen zum herkömmlichen planbasierten Projektmanagement als Erfolgsfaktoren
herausgestellt. Eisenhardt und Tabrizi nennen die gefundene Vorgehensweise eine „experi-
ential strategy“ der Produktentwicklung. Vorherrschend sind nicht lineare, sondern iterati-
ve Entwicklungsschritte. Die Intuition der beteiligten Ingenieure und Informatiker und das
Offenhalten flexibler Optionen spielen eine sehr große Rolle. Nicht das Erreichen des „ei-
nen“ Projektziels steht im Mittelpunkt, sondern das ständige Neuverknüpfen vielfältiger
Innovationsimpulse, aus denen heraus sich neue Möglichkeiten ergeben (können).

3.2 Zeit als Takt und Rhythmus: Time Pacing und


Entrainment
Unter Stichworten Time Pacing und Entrainment wird ein breiteres, über den Aspekt der
Geschwindigkeit hinausreichendes Spektrum der strategischen Zeit-/Aktivitätsverknüpfun-
gen exploriert. Grundlegend ist dabei die ursprüngliche Einsicht, dass es zu wenig ist,
wenn man – wie in den 1970er und 1980er Jahren üblich – zwar von bestimmten Unter-
nehmensaktivitäten i.S.v. Politiken bzw. Strategien spricht, nicht aber gleichzeitig ihre
Zeitimplikationen mitdenkt. Gerade mit Blick auf die Unternehmenspolitiken und Strate-
gien war das Zeitproblem ja dadurch suspendiert, dass man von mittel- bis langfristiger
Beständigkeit und Gültigkeit der Problemlösungen ausgegangen war (Schendel/Hofer
1979). Es schien somit gerechtfertigt, bestimmte Aktivitäten auf ihre Erfüllungszeiträume
bzw. -zeitpunkte hin zu projektieren, wozu man sich der formalen Planung mit ihren ho-
mogenen Planungszeiträumen (Quartals-, Jahres-, Fünfjahresplanung etc.) bediente. Gerade
hiervon rücken nun die hier im Mittelpunkt stehenden Ansätze ab und betonen weitaus
stärker als zuvor die – zunächst einmal grundsätzlich offene – Zeitgebundenheit jeglichen
strategischen Handelns.

Aus der Perspektive des Time Pacing steht – zugegeben unschön übersetzt – die „Schritt-
folge“ bzw. das Voranschreiten („pacing“) der Unternehmen im Mittelpunkt, wobei der
Temporalisierungsaspekt im Substantiv „pace“ bereits angelegt ist, da pace ja einerseits
Schritt, andererseits aber auch Tempo bedeuten kann. Den Grundsatz des Time Pacing brin-
gen Eisenhardt und Brown (1998, S. 60) auf den Punkt, wenn sie konstatieren: „Like a met-
ronome, time pacing creates a predictable rhythm for change in a company.“ D.h., im Time
Pacing sind wesentliche Veränderungen zeitlich und nicht sachlich begründet.
Strategisches Management und Zeit 95

Entscheidend ist, dass diese Schrittfolge nun nicht mehr – wie noch in der herkömmlichen
strategischen Planung vorgesehen – nach bestimmten formalen Temporalkriterien festge-
legt angenommen wird (eben Jahres- oder Fünfjahresplanung), sondern Aktivitäten und
„ihre“ relevante Zeit im Grunde frei verknüpfbar vorgestellt werden. Dabei entstehen Kon-
strukte wie z.B. bestimmte Aktivitätszyklen oder Aktivitätsrhythmen, die nach ganz unter-
schiedlichen (z.B. branchenspezifischen) Kriterien eingerichtet werden (können). Das klas-
sische Beispiel, auf welches Eisenhardt und Brown (1998) gerne verweisen, ist das soge-
nannte Moore’sche Gesetz von 1965, nach dem sich die Firma Intel verpflichtet hat, in ei-
nem relativ festen Zeittakt von ca. 18 Monaten die Leistungsfähigkeit ihrer Mikroprozessor-
Chips zu verdoppeln. Dieses Vorgehen führte in der Folge zur Etablierung eines neuen
Rhythmus, wonach Intel ca. alle 9 Monate eine neue Chip-Fabrikationsanlage in Betrieb
nahm. Diese wird zu einer Zeit errichtet, (lange) bevor ein neuer Bedarf an Mikro-Chips
faktisch besteht. Der Grund für diese – recht kostspielige – Vorgehensweise ergibt sich aus
der Intel-Logik: Die hohe Innovationsrate der Chips führt in der Summe zu einer (zunächst
lediglich unterstellten) Nachfrageerhöhung und Intel hat sich das Ziel gesetzt, jede Steige-
rung der Nachfrage mit eigenen Chips zu befriedigen und auf diese Weise Substitutanbie-
ter bzw. Nachahmer nicht in das eigene Segment eindringen zu lassen – eine im Prinzip
dynamische Markteintrittsbarriere.

Die Vorstellung des Entrainment stammt ursprünglich aus der Biologie. Sie startet mit der
Erkenntnis, dass Zyklen unterschiedlichen Ursprungs rhythmisch ineinandergreifen, z.B.
Wachstumsprozesse in Abhängigkeit zu Tag/Nacht-Zyklen und dem Jahreszeitenwechsel
(McGrath/Rotchford 1983, S. 62 ff.). Bezogen auf Organisationen bzw. Unternehmen wird
vom Begriff des „social entrainment“ ausgegangen (McGrath/Kelly 1986, S. 83 f.; Ancona/
Chong 1996). Im Fall von Organisationen lassen sich „gewachsene“ Rhythmen beobachten,
die in der Auseinandersetzung mit wiederkehrenden Zyklen und Rhythmen der Umwelt
einen gemeinsamen Rhythmus formen. Ein Beispiel sind die Wechsel von Saison zu Saison
für Unternehmen der Mode- oder Touristikbranche, die mit dem Geschäftsjahr als allge-
meinem Unternehmenszyklus in wiederkehrenden Rhythmen verknüpft sind.

Im strategischen Kontext werden neuerdings das „Extra-Entrainment“ und das „Intra-


Entrainment“ unterschieden. Untersucht wird die strategische Passung von unternehmens-
internen zu externen Rhythmen. „Strategic fit research has mainly focused on ‘what’ and
‘how’ to match …; the entrainment perspective focuses on temporal fit or ‘when’, ‘at what
frequency’ and ‘with which rhythmic pattern’ to match” (Shi/Prescott 2012, S. 1285).
Entrainment wird als eine Form der organisatorischen Anpassung verstanden, die wieder-
holte Adjustierungen an sich entwickelnde Umweltzyklen über die Zeit beinhaltet (Pérez-
Nordtvedt et al. 2008). Erfolgsrelevant ist dann die Frage der Passung bzw. Nicht-Passung
von Unternehmens- und Umweltzyklen (sogenanntes Extra-Entrainment).

Shi und Prescott (2012) stellen in einer empirischen Studie zu strategischen Allianzen von
(kleineren) Herstellern von Spezialpharmazeutika fest, dass ein positiver Zusammenhang
zwischen Unternehmenserfolg und der Abstimmung von Aktivitätsrhythmen bei der Alli-
anzbildung besteht. Erfolgreiche Pharmaproduzenten synchronisieren einerseits ihre Mar-
keting-, Lizenzierungs- und Fertigungsprozesse mit denjenigen großer Pharmafirmen.
96 Christian Noss

Andererseits verzahnen sie ihre Prozesse der Arzneimittelprüfung und des Vertriebs mit
Kernprozessen von Forschungsinstituten und Krankenhäusern. Erfolgreiche strategische
Allianzen zeichnen sich durch ein hohes Maß an temporaler Synchronisation und Integrati-
on aus. Damit verbunden ist schließlich auch die stimmige Synchronisation unternehmens-
interner Prozesse (sog. Intra-Entrainment), z.B. zur Wissensgenerierung oder zur Steuerung
der Informationsflüsse. Unter Bezug auf McGrath und Kelly (1986) verweisen Shi und
Prescott (S. 1290) auf den Umstand, dass durch Intra-Entrainment ein internes dynamisches
Gleichgewicht eingerichtet wird, welches über die Zeit zu einem „balanced“ bzw. „steady
state change“ führt. Der Kreis zum Time Pacing schließt sich.

3.3 Zeit in ihrer historischen Dimension:


Resource-Based View und dynamische
Kompetenzen
Bekanntlich startet der ressourcenbasierte Ansatz bei der Grundannahme, dass die Ausstat-
tung aller Unternehmen mit Ressourcen letztlich idiosynkratisch bzw. einzigartig ist. Eine
asymmetrische Ressourcenverteilung seitens der Unternehmen führt – in Abkehr von mik-
roökonomischen Vorstellungen (Varian 2003) – unweigerlich zur Unvollkommenheit des
Wettbewerbs und der Märkte (Teece 2007, S. 22). Diese Umstände begünstigen bestimmte
Unternehmen, bestehende Unterschiede eigensinnig auszunutzen und die ihnen zur Verfü-
gung stehenden (physischen, humanen und/oder organisatorischen) Ressourcen je spezi-
fisch und – im günstigen Fall – überdurchschnittlich erfolgreich zu verwenden. Das Resul-
tat ist eine extranormale ökonomische Rente.

Zum Bestreiten des Wettbewerbs und zur Generierung dieser Rente werden strategierele-
vante dynamische Fähigkeiten („dynamic capabilities“) besonders akzentuiert. Sie verdan-
ken sich organisatorischen Prozessen, spezifischen Aktiva („positions“) und den Entwick-
lungspfaden, die jede Unternehmung im Verlauf der Zeit vollzieht (Teece et al. 1997). Un-
ternehmen sind damit nicht mehr völlig ungebunden bzw. disponibel. Das Management ist
mit deutlichen Entwicklungsrestriktionen konfrontiert. Ob sich diese allerdings als fest
eingetretene Pfade mit der Gefahr der Pfadabhängigkeit erweisen, hängt gemäß Teece et al.
(1997) erstens von der Güte der Organisations- und Managementprozesse, genauer von
Transformations- und Umwelt-Beobachtungsprozessen, ab (S. 520) und zweitens von der
Fähigkeit, sich ergebende technologische Optionen proaktiv nutzen zu können (S. 523).

Die unternehmensspezifischen Entwicklungsprozesse implizieren eine konzeptionelle Zeit-


perspektive insofern, als dass häufiger auf den Umstand des „history matters“ hingewiesen
wird (Teece et al. 1997, S. 517, 520). Dynamische Fähigkeiten stellen eine unternehmensin-
tern, selbstreferentiell entwickelte Praxis zur Restrukturierung der (materiellen und imma-
teriellen) Ressourcenbasis dar, die als nicht vollständig kodifizierbar, sozial komplex und
nur imperfekt kognitiv durchdringbar angenommen wird. Sie ist aus vergangenen Prob-
lemlösungen erwachsen, erweist sich als (prinzipiell) erfolgsinduzierend, verlässlich und
wiederholbar und besteht aus – über die Zeit – geronnenen Handlungsmustern (Helfat/
Strategisches Management und Zeit 97

Perteraf 2003; Helfat et al. 2007). Dynamische Fähigkeiten sind so gesehen ein Spiegel der
Unternehmensgeschichte, sie sind aus der Unternehmensgeschichte heraus entstanden und
ohne diese nicht rekonstruierbar. Ferner ist – qua Konzeptanlage – ohne den Rekurs auf die
historisch gewachsenen dynamischen Fähigkeiten keine Aussage zur Adaptionskompetenz
und damit zu denkbaren strategischen Handlungsoptionen von Unternehmen möglich.

Dynamische Fähigkeiten werden damit als Voraussetzung von Unternehmen betrachtet, die
Erstellung, den Ausbau bzw. die Modifikation der Ressourcenbasis absichtsvoll zu gestalten
und hierdurch neue Wettbewerbsvorteile zu kreieren (Helfat et al. 2007, S. 5). Hierbei nä-
hern sich die Vorstellungen denjenigen der Zeit-Wettbewerbs-Konzepte durchaus an, da
die dynamischen Fähigkeiten als notwendig und hinreichend erachtet werden, neue Wett-
bewerbsvorteile insbesondere in sich rapide ändernden Umwelten („rapidly changing
environments“) zu ermöglichen (Teece et al. 1997, S. 516). D.h., aus einer endogenen Per-
spektive wird der Fall turbulenter und diskontinuierlicher Märkte ebenso zum konzeptio-
nellen Fixpunkt wie in den Ansätzen des Zeit- oder Hyperwettbewerbs auch. Indem aber
hier die unternehmensindividuellen Entwicklungen hin zu den dynamischen Kompetenzen
im Kern der Überlegungen stehen, wird die Unternehmensvergangenheit zum strategisch
relevanten Zeitphänomen bzw. zum Erfolg verbürgenden Zeithorizont.

3.4 Zeit als zukünftige Option:


Der Beitrag des Realoptionsansatzes
In den letzten Jahren hat sich vermehrt die Einsicht durchgesetzt, Strategien als Investitio-
nen zu betrachten und hinsichtlich ihres Risikos einer der Beurteilung von Finanzoptionen
analog strukturierten Bewertung zu unterziehen. Inhaltliches und methodisches Vorbild ist
das Risikomanagement der modernen Kapitalmarkttheorie. „A real option is technically
defined by an investment decision that is characterized by uncertainty, the provision of
future managerial discretion to exercise at appropriate time, and irreversibility“ (Kogut/
Kulatilaka 2001, S. 746). Der strategische Wettbewerbsvorteil ist hierbei nicht ein inhaltli-
cher (z.B. Differenzierungsvorteil), sondern ein prozeduraler, da die Konsequenzen einer
einmal getroffenen strategischen Entscheidung im Verlauf der Zeit und unter Berücksichti-
gung der bis dahin eingetretenen Ereignisse immer wieder neu bewertet werden können.
Die periodische Neubewertung einer Strategie bzw. strategischen Investition impliziert ein
Optionsrecht, welches ausgeübt werden kann, aber nicht muss. Bei Finanztiteln (z.B. Ak-
tien) ist z.B. die Call- bzw. Put-Option geläufig, d.h. das Optionsrecht zu einem vertraglich
fixierten Kauf bzw. Verkauf am Ausübungsstichtag, wenn der Kurs der Aktie einen vorab
festgelegten Wert übersteigt bzw. unterschreitet. Im Falle realer Optionen sind diese aller-
dings nicht derart exakt vordefiniert wie es für Finanzoptionen typisch ist.

Der Bezug zur Zeit wird gleich in mehreren Aspekten deutlich: Erstens an der zeitlichen
Irreversibilität. Im Voranschreiten mit der Zeit ergeben sich Ereignisse und Weichenstel-
lungen, die eine Rückkehr zum Ausgangszustand der strategischen Entscheidung unmög-
lich machen. Es wird ein linearer Zeitverlauf unterstellt, in dem die Ausübung von Optio-
98 Christian Noss

nen in jedem Fall Kosten (mindestens Opportunitätskosten) verursacht. Die Kosten sind in
Abhängigkeit von der ausgeübten Option unterschiedlich hoch. Zweitens bemisst sich der
Wert einer strategischen Entscheidung nicht daran, welchen Barwert sie zum Entschei-
dungszeitpunkt aufweist, sondern welche Optionen bzw. Chancen sie in der Zukunft er-
öffnet (Amram/Kulatilaka 1999). D.h., gegenüber anderen mathematischen Verfahren zur
Strategiebewertung (z.B. Discounted Cash Flow) unterstellt der Realoptionsansatz eine als
flexibel und ereignishaft gedachte Zukunft. Auch ist ein Wandel der strategischen Intentio-
nen impliziert, da sich in Abhängigkeit von den eintretenden Ereignissen bzw. Umwelt-
konstellationen sowohl die Optionen als auch die Bereitschaft, diese auszuüben, verändern
können.

Drittens weisen einige wichtige Optionen selbst deutliche Zeitbezüge auf (Amram/Kulati-
laka 1999): Grundlegend sind die Optionen des Abbruchs bzw. des Weitermachens (d.h.
Nichtausübung der Abbruchsoption). Die Abbruchsoption kommt in Betracht, wenn sich
zu einem bestimmten Meilenstein erste Erfolge einer Strategieinitiative nicht eingestellt
haben (z.B. ein Mindest-Umsatzzuwachs). Ferner bestehen Timing-Optionen. Hier kann
z.B. ein unbestimmtes Abwarten oder bewusstes Verzögern angezeigt sein, um mehr In-
formationen zu sammeln und Unsicherheit abzubauen. Ähnliches kann man sich für Stu-
fen-Optionen vorstellen, bei denen eine Investition nicht auf einmal, sondern in Form von
fest vorgesehenen Stufen erfolgt. Diese sind beispielsweise sinnvoll, wenn eine schrittweise
Klärung von Umweltambiguität notwendig wird (indem z.B. behördliche Auflagen bei
einem Genehmigungsverfahren nach und nach erfüllt werden). Wachstums- und Flexibili-
tätsoptionen eröffnen unter Umständen neue strategische Alternativen in der Zukunft. Bei
Ersterer kann durch die Investition in ein bestimmtes Geschäftsfeld (z.B. Logistik) die Mög-
lichkeit für weitere Investitionen in ein verwandtes Geschäftsfeld (z.B. Verpackung) beste-
hen. Im zweiten Fall wird eine Investition zwischen Geschäftsfeldern aufgeteilt, um später
einen flexiblen Austausch zwischen beiden zu ermöglichen (z.B. man verstärkt die Aktivi-
täten im Geschäftsfeld Internetdienstleistungen bei einem gleichzeitigen Nachfragerück-
gang im Geschäftsfeld Touristik und umgekehrt).

Wichtig ist es zu sehen, dass die Optionen in einer komplexen Welt nicht isoliert auftreten,
sondern sich in einer Mehrzahl überlagern bzw. sequenzieren können. Der Aufbau einer
neuen Auslandsniederlassung kann neben Timing- und Stufenoptionen in einer späteren
Zeit die Notwendigkeit zur Ausübung von Wachstums- und/oder Ausstiegsoptionen nach
sich ziehen usw. „Much of the challenge in taking an options approach to strategy lies in
identifying the full set of options you have, disentangling them from one another, and de-
ciding which are the most valuable” (Amram/Kulatilaka 1999, S. 98). Hierbei gilt es, die
Zukunft als im Ganzen optional zu begreifen und die Optionen auszuüben, wenn sie sich
ergeben.
Strategisches Management und Zeit 99

3.5 Zwischenfazit: Zeit und Wettbewerbsvorteile ‒


Facettenreich aber unverbunden
Bis hierher wird deutlich, dass die Zeit als Erfolgsfaktor des strategischen Managements in
vielfältiger Weise berücksichtigt worden ist. Im Sinne der vorliegenden Untersuchung gilt
es nunmehr, innezuhalten und eine grundsätzlichere Perspektive einzunehmen. Zu fragen
ist im Folgenden nach der grundlegenden Plausibilität im Sinne einer Stimmigkeit der
zeitbedingten Wettbewerbsvorteile, auch und gerade untereinander. Folgende Aspekte
sind kritisch zu betrachten:

1. Im strategischen Denken nimmt die Vorstellung eines Wettbewerbsvorteils durch Ge-


schwindigkeit einen relativ breiten Raum ein. Das Zeit-Wettbewerbskonzept, der Hyper-
wettbewerb, die Idee einer schnellen strategischen Entscheidungsfindung etc. empfehlen
einmütig ein beschleunigtes strategisches Prozessieren. Ist das eine alternativlose Dispositi-
on? In der Organisationsforschung ist es beispielsweise üblich, die relevanten Zeiten in
Organisationen, z.B. geeignete Entscheidungszeitpunkte, Dauer von Prozessen, aber auch
Geschwindigkeiten als organisationsspezifisch und damit grundsätzlich variabel zu be-
trachten (Gherardi/Strati 1988). Man geht von einer Pluralität von Zeiten und Ereignissen
aus und dies sowohl in intra- wie auch in inter-organisationaler Perspektive. In diesem
Zusammenhang werden durchaus auch die Nachteile thematisiert, die aus einer (zu) hohen
Geschwindigkeit resultieren können. Beispielsweise wird eine aus organisationspsycholo-
gischer Sicht bestehende „Beschleunigungsfalle“ mit immensen dysfunktionalen Effekten
(z.B. Demotivation, Burn-out etc.) auf Seiten der Mitarbeiter (Bruch/Menges 2010) ebenso
thematisiert wie die Tatsache, dass die Konstitution von pluralistischen organisatorischen
Zeiten in unterschiedlichen Arenen (z.B. Gruppen, Subkulturen) geleistet wird und eine für
alle Bereiche einer Organisation gleichermaßen beabsichtigte Beschleunigung zu Konflikten
und damit erheblichen Reibungsverlusten führen kann (Bluedorn/Denhardt 1988).

Die im strategischen Management vertretene Schnelligkeitsempfehlung steht (in diesem


Punkt) für eine singuläre Zeit, die Beschleunigungsempfehlung ist in ihrer engen Lesart
monokausal und monotemporal. Demgegenüber sprechen sich aber auch Einzelergebnisse
der strategischen Forschung nicht derart konsistent pro Beschleunigung aus, wie man es
vermuten würde. So verweisen einige Untersuchungen auf die Vorteile der Vermeidung
von bzw. eines Ausstiegs aus einem hyperkompetitiven Wettbewerbsprozess (Pacheco-de-
Almeida 2010) oder auf Vorteile durch verlangsamte, gewissermaßen innegehaltene strate-
gische Logistikprozesse (Paché 2007), die insgesamt zu mehr Nachhaltigkeit führen. Klare
Wettbewerbsnachteile (z.B. mangelnde Kundenakzeptanz, ungewisse Vertagung von Kauf-
entscheidungen) bei zu schnell vorgetragenen Produktinnovationen von Konsumgütern
(Bates et al. 2001) werden ebenso thematisiert. Gerade Kunden mögen nicht jede Beschleu-
nigung. Dies würde dann einen nicht zeitlich abgestimmten Rhythmus mit Teilen der rele-
vanten Umwelt nach sich ziehen. Ein klarer temporaler Mis-Fit, deutlich entgegen den
Empfehlungen der Entrainment-Perspektive.
100 Christian Noss

Ein tieferer Grund für die universelle Empfehlung beschleunigter Prozesse ist in der
Grundthese der immerwährenden Beschleunigung der Umwelt zu sehen (Vinton 1992;
Pasmore 1994; D’Aveni et al. 2010). Hier deutet sich aus zeitlicher Sicht eine – für das stra-
tegische Denken – problematische Ko-Konzipierung von Unternehmen und Umwelt an, die
klar in die Richtung der Kontingenztheorie weist.

2. In kontingenztheoretischer Auffassung müssen Unternehmen zur Bewirkung eines stra-


tegischen Erfolgs in der Lage sein, sich den Entwicklungen und Herausforderungen der
Umwelt – einseitig – anzupassen (Donaldson 1987; Zajac et al. 2000). Die globale sowie die
Branchenumwelt werden zeitlich gesehen zum Taktgeber für Unternehmen, der Takt selbst
erscheint in allfälligen Beschleunigungstendenzen. Umweltanpassung ist das zentrale
Thema in allen Studien zu zeitgerechtem Handeln von Eisenhardt und KollegInnen. In
ihren Untersuchungen zu Erfolgsmustern von strategischen Prozessen differenzieren sie
regelmäßig in unterschiedliche Umwelten mit spezifischen Zeit-Aktivitäts-Frequenzen. Der
Ausgangspunkt aller Untersuchungen ist die als sogenannte „Hochgeschwindigkeitsum-
welt“ studierte Mikrocomputerindustrie. „By high-velocity environments we mean those in
which there is rapid and discontinuous change in demand, competitors, technology and/or
regulation, such that information is often inaccurate, unavailable, or obsolete“ (Boureois/
Eisenhardt 1988, S. 171). In dieser Umwelt, so die Ergebnisse der Studien, führen ganz spe-
zifisch beschleunigte Entscheidungsprozesse (Eisenhardt 1989) sowie erfahrungsbasierte,
iterative bzw. improvisierende Innovationsprozesse etc. zu strategischem Erfolg (Eisen-
hardt/Tabrizi 1995; Brown/Eisenhardt 1997). Vorgehensweisen, die eher am traditionellen
strategischen Analyse- und Planungsprocedere orientiert sind, ziehen in Hochgeschwin-
digkeitsumwelten unweigerlich Misserfolge nach sich bzw. sind nur in Umwelten mit einer
niedrigen Prozessrate (mit z.B. inkrementalem, stetigem Wandel) erfolgreich. Ähnliches
konstatieren Eisenhardt et al. für das Feld der dynamischen (strategischen) Kompetenzen.
Hierbei unterscheiden sie zwischen strategischen Kompetenzen und Fähigkeiten von Un-
ternehmen, die in moderat-dynamischen Umweltkonstellationen hinreichen und solchen,
die die Unternehmen in hoch-dynamischen Umwelten zum Einsatz bringen müssen (Eisen-
hardt/Martin 2003; Bingham/Eisenhardt 2008). Ausschließlich Letztere führen zum Erfolg
und somit könne nur ihnen das Prädikat „dynamic“ zugesprochen werden. Schließlich geht
auch die Vorstellung des Entrainment ursprünglich von der Annahme aus, die Rhythmen
und Zyklen der Unternehmen stellen zunächst einmal immer eine Ein- bzw. Anpassung an
diejenigen der Umwelt dar (Shi/Prescott 2012; Pérez-Nordtvedt et al. 2008).

Zwei Tatbestände sind in diesem Zusammenhang problematisch: Zum einen widerspre-


chen sich die Vertreter des Entrainment bisweilen untereinander. Brown/Eisenhardt (1997,
S. 25) erklären beispielsweise: „Further, the rhythmic transitions that we observed reveal
how time-paced change may entrain organizations to their environment and, more striking-
ly, permit them proactively to set the tempo of their industries.“ Die zuletzt zum Ausdruck
gebrachte Möglichkeit der Unternehmen, von sich aus das Umwelttempo beeinflussen zu
können, ist für den strategischen Kontext eine insgesamt wichtige Einsicht, die aber nicht
zu der kontingenztheoretischen Grundausrichtung der obigen Studien passt. An dieser
Stelle wird bereits deutlich, dass bestimmte empirische Beobachtungen keine Entsprechung
in der zugrunde gelegten theoretischen Perspektive finden.
Strategisches Management und Zeit 101

Zweitens gilt es zu bedenken, dass die Kontingenztheorie (Lawrence/Lorsch 1967) konzep-


tionell auf einen – für strategische Konzepte grundsätzlich problematischen – Umweltde-
terminismus hinausläuft (Schreyögg 1995). Empirisch sind heutzutage sicherlich Beschleu-
nigungstendenzen allenthalben feststellbar. Die elektronische Vernetzung, Multimedia,
schnellere Verkehrsmittel etc. sprechen eine deutliche Sprache. Dennoch dürfte es verfehlt
sein anzunehmen, Zeit bedeute immerwährende Beschleunigung. Im Gegenteil ist es nicht
unwahrscheinlich, dass diese an technische, ökonomische und/oder soziale Grenzen stoßen
wird (Braun 1991; Geissler 1999). Ferner kann man weder zeitliche Irritationen seitens der
Unternehmen noch etwaige Tempoänderungen – z.B. im Sinne von Verlangsamungen oder
neuen Aktivitäts-Rhythmen – grundsätzlich ausschließen, was letztlich auch die Vertreter
der Entrainment-Forschung, ohne allerdings die notwendigen theoretisch-konzeptionellen
Konsequenzen aus dieser Einsicht zu ziehen, bestätigen (neben Brown/Eisenhardt 1997
etwa: Shi/Prescott 2012, S. 1303 f.). Die zeittheoretische Forschung ist indessen angefüllt mit
(empirischen) Untersuchungen bzw. Beispielen zu entitätsspezifischen Sequenzen und
Tempi, inhomogenen Zeiten etc. (Hall 1983; Gurvitch 1990; Bluedorn 2002). Erst wenn man
die Zeit(en) im Kontext der Auseinandersetzung von Unternehmen und Umwelt offen und
variabel begreift, wird einerseits das Problem ihrer Synchronisation sichtbar und entsteht
andererseits ein diesbezüglicher – gerade auch strategisch relevanter – Steuerungskorridor,
den die Unternehmen durchaus eigensinnig nutzen können.

Dabei verdankt der zuletzt benannte Umstand seine Plausibilität nicht ausschließlich empi-
rischen Beobachtungen, sondern auch logischen Erwägungen: Soll die Zeit überhaupt eine
strategische Relevanz haben, so ist ihre potenzielle Gestaltbarkeit eine notwendige Voraus-
setzung, das Vorliegen eines zeitlichen Handlungsspielraums unabdingbar. In dieser Hin-
sicht ist es geradezu unverzichtbar, von der Möglichkeit der unternehmensspezifischen
Eigenzeitbildung für strategische Aktionen auszugehen. Gerade aus einer strategischen
Perspektive müssen sich Unternehmensprozesse nicht notwendig in Konsonanz mit der
Umweltzeit vollziehen – im Gegenteil, wenn strategisches Handeln ein „Brechen von Inva-
rianzen“ impliziert (Schreyögg 1984, S. 6 ff.), so besteht kein Grund, warum dies ausschließ-
lich sachlich und nicht auch zeitlich begründet sein soll.

3. Eine eigenständige zeitliche Sonderproblematik, im Sinne einer zeitlichen Anomalie,


weist das Konzept des Hyperwettbewerbs auf. Als solches ist es nicht unwesentlich an
dynamischen Grundvorstellungen der sogenannten „Österreichischen Schule“ orientiert
(z.B. in Form der Schumpeter’schen Idee der kreativen Zerstörung). Aus der Sicht der
Österreichischen Schule versetzt die ständige Bereitschaft von Unternehmen zur Hervor-
bringung von Innovationen den Wettbewerb in eigendynamische und historische Ungleich-
gewichte (Kirzner 1973). Für Unternehmen ist der Wettbewerb damit erstens ein zeitoffenes
Entdeckungsverfahren (v. Hayek 1969), welches keinen ex-ante definierten bzw. definierba-
ren Endzustand annehmen kann. Entsprechend bestehen Wettbewerbsvorteile temporär
und müssen erneuert werden. Zweitens wird in der Österreichischen Schule davon ausge-
gangen, dass in einer sich zeitlich entfaltenden Komplexität der konkrete Verlauf von
Wettbewerbsprozessen nicht per se präjudiziert werden kann (Jacobson 1992).
102 Christian Noss

Im Hyperwettbewerb ist dagegen der Endpunkt jeglicher Marktentwicklung – nach der im


Konzept begründeten Erosion sämtlicher Wettbewerbsvorteile – im Zustand der vollkom-
menen Konkurrenz bereits ausgemacht (D’Aveni 1994, S. 29 f.). Darüber hinaus wird der
Weg dorthin (Marktprozess) in Form von eindeutigen Ursache-Wirkungs-Ketten beschrie-
ben; als vorformulierte Wettbewerbsschritte in kaskadisch angeordneten Arenen zuneh-
mender Wettbewerbsbrisanz. Damit ist der Hyperwettbewerb zeitlich in einer paradoxen
Situation angelangt: Das Konzept leitet die Unternehmen – kausal betrachtet – hin zu einem
Zustand der vollkommenen Konkurrenz. Alle Schritte hierzu werden minutiös ausgearbei-
tet. In Übereinstimmung mit der mikroökonomischen Auffassung wird vollkommene Kon-
kurrenz aber als statischer bzw. zeitloser, mithin entwicklungsloser Punkt beschrieben
(Neumann 1995; D’Aveni 1994, S. 222). Daher müssen sich die Unternehmen im Hyperwett-
bewerb vor dem Eintritt in das Stadium der vollkommenen Konkurrenz schützen bzw.
dürfen es durch bewusstes hyperkompetitives Verhalten gar nicht erst so weit kommen
lassen. Hyperwettbewerb sei daher: „Movement toward, but failure to reach, perfect com-
petition” (D’Aveni 1994, S. 27). Der Hyperwettbewerb ist so gesehen als ein quasi-gesetz-
mäßiger Sog der Marktkräfte hin zum Stadium der vollkommenen Konkurrenz konzipiert.
Die Fließrichtung zielt auf dieses Ergebnis, womit gleichzeitig gewissermaßen das Prozess-
ende markiert ist. Innovationen sind Mittel zum Zweck, die vollkommene Konkurrenz
letztlich (doch) nicht zu erreichen. Indessen kann der Eintritt in das Stadium der vollkom-
menen Konkurrenz im Konzept des Hyperwettbewerbs auch nicht gänzlich ausgeschlossen
werden (S. 26 f.). Tritt das Stadium ein, ist das ökonomische Ende der Zeit erreicht. An-
schließende, den Wettbewerb reanimierende Maßnahmen seitens der Unternehmen (z.B. in
Form von abermaligen Innovationen) werden von D’Aveni zwar ins Feld geführt (S. 223),
sind indessen nicht ohne weiteres mit dem konzeptionellen Zuschnitt des Hyperwettbe-
werbs vereinbar. Insgesamt verbleibt der zeitbezogene Kern des gesamten Ansatzes, die
dynamische Modellierung des Marktes und der Wettbewerbsprozesse, für die Belange der
empirischen Zeit mindestens fragwürdig und wenig anschlussfähig.

4. Der dynamische Ressourcenansatz fokussiert aus zeitlicher Sicht auf zwei bedeutende
Grundtatbestände: Die Unternehmensgeschichte und die langfristige Wirksamkeit der
historisch begründeten Kernkompetenzen. Unklar bzw. mehrdeutig bleibt die Frage, wie
die historisch gewachsenen dynamischen Fähigkeiten in der Zeit generiert werden. Hier
eröffnet sich mittlerweile eine ganze Bandbreite an Interpretationen. So erscheint die Ent-
wicklungsdynamik der strategischen Fähigkeiten z.B. als Phasen eines Evolutionsprozesses
(Barney 2003), als Stufen- bzw. Phasenmodell des Herauskristallisierens neuer dynamischer
Fähigkeiten (Sirmon et al. 2007), als „Capability“-Lebenszyklus (Helfat/Peteraf 2003) oder
als (am Modell des unterbrochenen Gleichgewichts orientierte) Antwort auf die grundle-
gende Ambidextrie zwischen evolutionären und revolutionären Wandelphasen (O’Reilly/
Tushman 2008). Das Problem mit derartigen Interpretationen ist die primär sachliche und
nicht genuin zeitliche Erklärungsbasis, deren Logik eher an sachlichen Phasenverläufen
und damit a-historisch ausgerichtet ist und eine höchstens funktionale Zeit integriert. Das ist
verwunderlich, denn der Basisansatz der Dynamic Capabilities basiert auf einer histori-
schen (empirischen bzw. emergenten) Zeitperspektive. Andere Erklärungsansätze fundie-
ren dynamische Fähigkeiten als Antwort auf Umweltanforderungen in der Weise, dass nur
Strategisches Management und Zeit 103

bestimmte Capabilities mit unterschiedlich schnellen bzw. langsamen Branchengeschwin-


digkeiten harmonieren und zum Erfolg führen können (Eisenhardt/Martin 2003). Die damit
implizierte kontingenztheoretische Perspektive ist weiter oben bereits kritisiert worden.

Schließlich erweist sich die Zukunftsperspektive im Rahmen des dynamischen Ressourcen-


ansatzes als eine offene Gestalt und eine ebenso offene Frage (McGuinness/Morgan 2000).
Dieses an sich für ein zeitbasiertes strategisches Management konstitutive Grundproblem
spart der Ansatz im engeren Sinne aus. Hier fehlt gewissermaßen das zeitliche Verbin-
dungsstück: Wie lässt sich auf der Basis des Vorhandenseins bestimmter idiosynkratischer
Kompetenzen aus der Unternehmenshistorie die Zukunft gestalten und dies nicht vor dem
Hintergrund einer (wie o.a. im Rahmen bestimmter Phasen-Konzepte vorausgesetzten)
funktionalen, sondern einer empirischen Zeit? An dieser Stelle werden nur „Antworten-im-
Prinzip“ gegeben, der Grundansatz des dynamischen Ressourcenansatzes verbleibt (zu)
vage.

5. Ist auch das Denken in alternativen und flexiblen Zukünften ein unbedingter Vorteil des
Realoptionsansatzes, so weist dieser doch unübersehbare methodische Probleme auf. Es
muss bezweifelt werden, ob es unter allen Umständen möglich sein wird, strategische Op-
tionen tatsächlich (in etwa) analog zu Finanzoptionen berechnen zu können. Strategische
Optionen sind im Grundsatz individuelle und historische Projekte. Das Entscheiden über
das Relevantsetzen bzw. Ausblenden von Optionen ist ein selektiver und damit risikorei-
cher Prozess, der sich in einer komplexen Umwelt nur unvollständig mathematisch exakt
abbilden bzw. risikotechnisch berechnen lässt (Schreyögg/Noss 2000, S. 50).

Diesem Umstand sind sich offensichtlich auch die Vertreter des Realoptionsansatzes be-
wusst, wenn sie auf die sogenannte „Realoptionsgrenze” verweisen. Diese umreißt, ab wel-
chem Zeitpunkt das finanzmathematische Instrumentarium prinzipiell nicht mehr zum
Einsatz gelangen kann. „At some point – which we call the real-options-frontier – decisions
become so complex and so distant (in time - Ch. Noss) that valuation becomes impractica-
ble with existing tools” (Amram/Kulatilaka 1999, S. 99). Aus zeitlicher Sicht ist die Realop-
tionsgrenze eine dynamische Barriere, die in die Zukunft hineinreicht. Innerhalb des Zeitin-
tervalls vom Entscheidungszeitpunkt bis zu dieser (gedachten) Barriere lassen sich die
realen Optionen in dem Maße exakter berechnen, wie sie sich auf den Entscheidungszeit-
punkt hin konkreter offenbaren. Zuunterst liegt die Einsicht, dass (Umwelt-)Komplexität
durch den Verlauf der Zeit selbst reduziert wird, indem die immer bestehende Mehrdeu-
tigkeit nach und nach in Eindeutigkeit transformiert wird (Luhmann 1978). Jenseits der
Realoptionsgrenze in die Zukunft gedacht wird daher ein anders geartetes Instrumentari-
um zum Einsatz gelangen müssen, welches dem Realoptionsansatz zunächst einmal struk-
turell fremd ist. Qualitative Methoden, wie sie beispielsweise im Rahmen der strategischen
Kontrolle diskutiert werden (Schreyögg/Steinmann 1987), stellen dann eine notwendige
Erweiterung des flexiblen Umgangs mit der Unternehmenszukunft dar.
104 Christian Noss

Resümee: Die bisherigen Ausführungen haben gezeigt, welche Zeitaspekte und -perspek-
tiven im Zentrum des strategischen Managements stehen, wenn es um die Erreichung zeit-
bedingter Wettbewerbsvorteile geht. Neben sicherlich interessanten Anknüpfungspunkten
sind existierende Defizite und Widersprüche unübersehbar. Ein systematisches Bild der
strategischen Zeit und möglicher Wettbewerbserfolge in der Zeit entsteht insgesamt nicht.
Um eine konsistentere strategische Zeitperspektive zu entwickeln gilt es daher, an den
bisher herausgearbeiteten Einsichten anzusetzen und zunächst einmal konzeptionelle Klä-
rungen und Komplettierungen der einzelnen Befunde und Bausteine zueinander zu leisten.
Gemäß der oben eingeführten Unterscheidung von Sinndimension vs. Erfolgsdimension
der Zeit soll deshalb nachfolgend als erster Schritt ein Vorschlag erarbeitet werden, wie
Unternehmen als in der Zeit operierend verstanden werden können (Sinndimension). In
einem zweiten Schritt wird der Frage nachgegangen, wie sich strategische Wettbewerbsvor-
teile vor diesem Hintergrund begründen lassen (Erfolgsdimension).

4 Auf dem Weg zu einem integrativen


Konzept temporaler strategischer
Wettbewerbsvorteile
4.1 Vorüberlegungen: Temporal Embeddedness
Die konzeptionelle Ausgangsbasis der hier zu entwickelnden integrativen Perspektive
bilden Grundfiguren der dynamischen Handlungstheorie (Mead 1967, 1980; Emirbayer/
Mische 1998; Faulconer/Williams 1985). Sie nehmen ihren Ausgangspunkt bei der weiter
oben bereits eingeführten Vorstellung der Einbettung sozialer Akteure (Individuen und
Unternehmen) in einen selbst beweglichen Kontext. Diese Einbettung gilt es, in sachlicher
Hinsicht (z.B. in ökonomische, kulturelle, soziale, technische, juristische etc. Relationen) wie
auch in zeitlicher Hinsicht (als Zukunft, Gegenwart und Vergangenheit der Relationen) zu
differenzieren. Jede stattfindende Handlung erscheint aus dieser Perspektive als untrenn-
bar mit der sich dynamisch entfaltenden Handlungssituation und deren Relationen ver-
knüpft (Emirbayer 1997). Dies ist insgesamt ein Prozess, der sich permanent in der Zeitdi-
mension der Handlungsgegenwart vollzieht (Starbuck 1976, S. 1106; George/Jones 2000,
S. 659 ff.; Mead 1980).

Handlungen (und anderweitige Ereignisse) sind aus dieser Sicht nicht lediglich eingefloch-
ten in einen ansonsten gleichförmigen Verlauf der Zeit, sondern ihre Konstitutionsweise
hat Einfluss auf die Schrittfolge und Geschwindigkeit des Zeitverlaufs selbst. Daraus folgt,
dass die hierbei relevante – man kann auch sagen: die empirische – Zeit nunmehr in den
entitätsspezifischen Ereignissen bzw. Handlungen selbst in Erscheinung tritt (Noss 2002).
Die ansonsten so geläufige universale Zeit (Chronologie) hat die Funktion der Messung
Strategisches Management und Zeit 105

und Datierung von Ereignissen, bildet aber nicht deren zeitliche Sinnstrukturen ab. In der
empirischen Zeit erscheinen die Handlungen bzw. Ereignisse emergent, d.h., sie sind nicht
durch historische Prozesse völlig prä-determiniert. Andererseits leiten sie über zu unter-
determinierten Folgeereignissen. Der Grund liegt in der Komplexität sozialer Situationen
begründet, was bedeutet, dass zu einem (eigentlich: jedem) gegebenen Augenblick ein
Überschuss an Handlungsmöglichkeiten seitens der Akteure besteht (Luhmann 1995, S. 278
ff.). Schließlich lässt sich aus dieser historischen Perspektive nicht von „der“ (einzigen)
Vergangenheit sprechen, da mit jedem neuen Ereignis die Vergangenheit angereichert wird
bzw. diese von einem neuen Ereignis aus unter Umständen gänzlich neu in Erscheinung
treten kann oder neu zu bewerten ist. Analoges gilt spiegelverkehrt für „die“ Zukunft.

Für die Akteure bedeuten diese Grundzusammenhänge eine spezifische Relation zur Zeit,
gewissermaßen eine zeitliche Einbettung in die jeweiligen Handlungssituationen. In dieser
Einbettung (bzw. Relationierung) bilden sie im Wege des aktuellen Operierens in der Ge-
genwart laufend weiterführende Zeitorientierungen hinsichtlich Zukunft (Antizipation)
und Vergangenheit (Reflexion) aus (Mead 1980). Darüber hinaus besteht das grundlegende
Potenzial permanent möglicher Restrukturierungen (Re-Orientierungen) der Zeitperspekti-
ven in der Zeit (Emirbayer/Mische 1998).

Was, so muss anschließend gefragt werden, bedeuten diese – bislang noch eher schemen-
haft gebliebenen – Grundzusammenhänge für das strategische Management von Unterneh-
men? Wie kann dieses als zeitlich operierend, mit wechselnden Grundorientierungen hin-
sichtlich Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft verstanden werden? Zur weiteren Aus-
arbeitung dieser Grundgedanken der dynamischen Handlungstheorie lassen sich frucht-
bare Querbezüge zur Strategy-as-Practice-Forschung bzw. zum Strategischen Interaktions-
ansatz als Illustration heranziehen. Weitere Hinweise folgen aus der bislang vergleichs-
weise unbeachtet gebliebenen Vorstellung des „Strategic Time Reckoning“. Diese Konzept-
bausteine bilden schließlich auch das Grundgerüst zur Systematisierung dynamischer stra-
tegischer Wettbewerbsvorteile (Erfolgsdimension).

4.2 Zeit als operative Sinndimension des


Handelns: Der Beitrag der Strategy-as-
Practice-Forschung
Die Strategy-as-Practice-Forschung ist gemäß ihrer Grundintention zunächst einmal primär
auf die Erfassung der sachlichen Dimension von empirischen Strategieprozessen ausgerich-
tet. Dennoch ist diese Forschungsrichtung hier insofern relevant, als dass sie beachtliche
Anknüpfungspunkte zur Verdeutlichung der Zeit als operative Sinndimension des strategi-
schen Handelns bereitstellt. Sie startet mit der Einsicht, dass jede Unternehmensstrategie
als das Resultat eines komplexen Zusammenspiels von strategischer Praxis, diesbezügli-
chen Verfahren und involvierten Praktikern aufzufassen ist (Whittington 2006). Die strate-
gische Praxis besteht aus Elementen strategischer Sinnfindung, Interaktion, aber auch Im-
provisation. Strategische Verfahren können beispielsweise administrativer Natur (z.B. Pla-
106 Christian Noss

nung, Budgetierung, Analysen) oder diskursiver Natur (Fachsprache, Planungskonzepte,


Heuristiken etc.) sein. Die am Strategieprozess beteiligten Praktiker sind unternehmensin-
terne Akteure, wie z.B. das Top-Management, Middle-Management oder Unternehmens-
(z.B. Marketing-)Experten (Paroutis/Pettigrew 2007), aber durchaus auch externe Beteiligte,
wie z.B. Unternehmensberater oder andere Stakeholder (z.B. Vertreter von Politik oder
Interessenverbänden). Die Strategiefindung ist konzipiert als ein episodischer Prozess auf
den unterschiedlichsten Ebenen eines Unternehmens, in vielfach möglichen Arenen, mit
mannigfachen Gelegenheiten und durchaus informalen und extern angestoßenen Impulsen
(Whittington 2006, S. 620 ff.).
Für die hier verfolgte Perspektive sind die Vorstellungen bedeutsam, dass eine Strategie in
den Kontext von Unternehmen und Umwelt strukturell eingebettet ist und – da die Einbet-
tung auch immer eine zeitliche Dimension aufweist – sich nicht „verdinglichen“ lässt: Stra-
tegien werden entwickelt, verfolgt, verfeinert, verstärkt, verändert und im Extremfall abge-
brochen und durch anders gelagerte strategische Aktivitäten ersetzt. In dieser Hinsicht lässt
sich das Strategische in Unternehmen nicht zu Ende formulieren; die Strategien sind selbst
im Fluss, sie sind in dauernder Bearbeitung und so gesehen „Entitäten-im-Werden“ (Jar-
zabkowski 2005, S. 25). Ähnlich dem Begriff des „organizing“ (Weick 1979), wonach die
Formierung („Gestaltung“) von Unternehmensstrukturen im organisatorischen Leben fort-
läuft und allenfalls vorübergehend unterbrochen oder künstlich beendet werden kann,
unterstreicht die Vorstellung des „strategizing“ den grundsätzlich zeitoffenen Charakter
von Strategie(n) (Jarzabkowski et al. 2007).
In einer weiterführenden Interpretation – und im Unterschied zu den bislang im strategi-
schen Management eher isoliert betrachteten Zeitdimensionen der Zukunft vs. Vergangen-
heit – lassen sich die Aktivitäten der strategischen Praxis als in der jeweiligen und aktuellen
Gegenwart verlaufende Prozesse begreifen (Simpson 2009). In Konsonanz mit Vorstellun-
gen der dynamischen Handlungstheorie sind die strategischen Akteure grundlegend ein-
gebettet in die sozialen Sinnstrukturen der Zeit (Mead 1980). So gesehen handeln sie in der
andauernden und kontingenten Gegenwart mit einem Rekurs auf die Vergangenheit, aus
der heraus Erfahrungen und Handlungsmotive erwachsen sind, zugleich mit der Perspekti-
ve auf eine sich entfaltende Zukunft, in der Erwartungen und Projektionen aufscheinen.
Unterstellt man, dass zu einer gegebenen Zeit eine vielfältige Überschneidung derartiger
temporaler Dispositionen von unterschiedlichen Akteuren simultan vorfindbar ist, so wird
deutlich, dass eine komplexe soziale Zeitstruktur im Fluss der Zeit existiert.
„Since social actors are embedded within many such temporalities at once, they can be said to
orient toward the past, the future, and the present at any moment, although they may be pri-
marily oriented toward one or another of these within any one emergent situation. As actors
move within and among these different unfolding contexts, they switch between (or ‚recom-
pose’) their temporal orientations …” (Emirbayer/Mische 1998, S. 964).

Übertragen auf den strategischen Kontext findet eine Verschiebung der maßgeblichen stra-
tegischen Zeit in Richtung der operativern Gegenwart statt. Im Rahmen der laufenden
Konstitution der Gegenwart werden strategische Verweise hinsichtlich Zukunft und Ver-
gangenheit generiert. Die (Handlungs-)Gegenwart wird zum neuen konzeptionellen Dreh-
und Angelpunkt der strategischen Zeit (Gegenwartstheorem).
Strategisches Management und Zeit 107

Zum einen überschreiten strategische Entwürfe die jeweilige Gegenwart mit Blick auf eine
– über Unternehmensvision, -mission und -ziele, strategische Ausrichtung etc. zum Aus-
druck gebrachte – angestrebte Zukunft. An dieser Stelle lassen sich nun zentrale Einsichten
des Realoptionsansatzes in die Betrachtung einbringen: Angesichts einer emergenten Ge-
genwart entsteht die Zukunft bzw. mögliche Zukünfte als Horizont immer wieder neu. Die
Zukunft erscheint als ein beweglicher Horizont, der sich weiter entfernt, je mehr sich ein
Unternehmen daraufzu bewegt (Taschdjian 1977). Dies ist – weniger quantitativ interpre-
tiert – eine wesentliche Einsicht des Realoptionsansatzes und der dort thematisierten Rea-
loptionsgrenze. Aus dieser Sicht bewegt sich das Unternehmen permanent „in seine Zu-
kunft“ hinein und entschlüsselt oder konstruiert laufend die sich ergebenden strategischen
Optionen. Die Optionen sind ebenfalls in Bewegung, konkretisieren sich (werden gar bere-
chenbar), formieren sich neu oder fallen gänzlich fort, da die Gründe hierfür obsolet ge-
worden sind. Die Zukunft ist damit eine unternehmensspezifische, flexible Größe, die einen
Erwartungsraum für immer wieder neue strategische Optionen entfaltet.

Bildlich gesprochen ist hier die Realoptionsgrenze von zentraler Bedeutung. Jenseits dieser
– im Prinzip metaphorisch zu denkenden – Grenze ist auch die Grenze dessen, was konkret
erwartbar ist, überschritten. Erwartungen können dann höchstens qualitativ interpretiert
werden. Mit zunehmender Konkretisierung wird die Zukunft besser und klarer erwartbar,
bis zu dem Punkt, an dem reale Optionen aufscheinen, die einer Planung und/oder quanti-
fizierenden Bewertung (als strategische Verfahren) zugänglich werden (Amram/Kulatilaka
1999). Entscheidend ist, dass dieses Prozessieren ein in der Gegenwart permanent verlau-
fender (operativer) Sinnzusammenhang ist, in dem die strategischen Inhalte immer wieder
neu reformuliert bzw. terminiert werden (können).

Die gegenwärtigen Prozesse der laufenden Strategieformierung sind ferner ohne einen
basalen Vergangenheitsbezug nicht rekonstruier- und beschreibbar. Insofern gilt auch an
dieser Stelle „history matters“ – ganz analog zur Grundprämisse des ressourcenbasierten
Ansatzes (Teece et al. 1997). Die Verzeitlichung der Unternehmensoperationen lässt sich
ohne einen Vergangenheitsbezug nicht begründen. Für die gegenwärtigen strategischen
Unternehmensoperationen liefert die Vergangenheit grundsätzliche Orientierungen; die
Unternehmensgeschichte verleiht den Rahmen, der jeweils neu und gegenwärtig aktuell
mit Sinn zu füllen ist. Vergangenheit ist hierbei nicht als linearer Verlauf zu denken. Im
Gegenteil, die Unternehmenshistorie erschließt sich als ein Reservoir vergangener Gegen-
warten (Kosseleck 1989). Entwicklungstrends und -brüche lassen sich ebenso auffinden wie
so manche vergangene Zukunft, die als (reale) Option nicht verwirklicht wurde oder –
angesichts z.B. harter Wettbewerbsauseinandersetzungen – nicht umgesetzt werden konn-
te.

Praktische Kristallisationsarenen historischer Verläufe aber auch zukünftiger Optionen sind


aus zeitlicher Sicht die jeweils aktuell stattfindenden strategischen Diskurse bzw. Prozesse
des Strategizing. Damit ist auch ein integrativer Ansatz gefunden, der die grundlegenden
Orientierungsdimensionen der Zeit, d.h. Gegenwart, Zukunft und Vergangenheit, gemein-
sam konzeptioniert und das Prozessieren der Unternehmen als fortdauernden Prozess in
der Gegenwart beschreibt. Die nachfolgende Abbildung 1 verdeutlicht dies im Überblick:
108 Christian Noss

Abb. 1: Die operative Sinndimension strategischer Zeitbildung und der temporale


Schwerpunkt der beteiligten Strategiekonzepte (Quelle: Eigene Darstellung)

Insgesamt entsteht das Bild von Unternehmen, die sich in einem fortlaufenden, gegen-
wartsbasierten Strategieprozess befinden. Das Resultat sind strategische Aktionen (Ereig-
nisse bzw. strategische Handlungen) und ihre über die Zeit entstehende Verknüpfung zu
Handlungs- oder Ereignisketten (Ramaprasad/Stone 1992). Die Perspektive spiegelt sehr
deutlich Meads (1980) pragmatische Vorstellung von sozialer „Verzeitlichung“ wider:
„Meads view of temporality is that both the past and the future are in the actions of the
present” (Simpson 2009, S. 1337). In diesem Sinne liegt der temporale Korridor zur Restruk-
turierung von Unternehmensvergangenheit und -zukunft in den gegenwartsbasierten stra-
tegischen Aktionen und hierin entsteht und entwickelt sich – laufend (!) – die unterneh-
mensspezifische strategische Zeit. Damit kommen die Ausführungen der Frage „Wie ope-
rieren Unternehmen in der Zeit?“ ein erhebliches Stück näher. Sie adressieren in grundle-
gender Weise die operative Sinndimension der Zeit. Die wesentlichen Implikationen für die
Zeit als Erfolgsdimension des strategischen Handelns sollen nachfolgend zum Thema wer-
den.
Strategisches Management und Zeit 109

4.3 Zeit als operative Erfolgsdimension des


Handelns: „Strategic Time Reckoning“ und
Strategische Interaktionen
Grundsätzlich bestehen zwei Möglichkeiten, wie die Zeit ursächlich am Erfolg einer Unter-
nehmung beteiligt sein kann: Die erste liegt in der intern orientierten Zeitbildung, die zweite
in der extern orientierten Zeitnutzung. Beide sind als konkrete temporale Ergebnisse der
Prozesse des – gegenwartsbasierten – Strategizing zu verstehen.

Die erste Möglichkeit besteht in der spezifischen Art und Weise, wie ein Unternehmen in der
laufenden Strategiefindung „seine“ interne Zeit (zeitliche Rahmen, Intervalle, Rhythmen
etc.) erschafft, d.h., ob es z.B. eher darin verhaftet ist, relativ lineare und gleichförmige
Abläufe und strategische Entwürfe zu gestalten oder aber ob es z.B. fähig ist, Zeit insge-
samt flexibel zu kreieren und umzusetzen. Clark (1985, 1990) hat in seinen Untersuchungen
eine derartige Perspektive zugrunde gelegt und spricht Unternehmen einen je spezifischen
Modus des „strategic time reckoning“, also eine bestimmte Form der strategischen „Zeit-
rechnung“ bzw. Zeitauffassung zu (1990, S. 154). Aus der Sicht des dynamischen Ressour-
cenansatzes kann Time Reckoning im Grunde als eine dynamische idiosynkratische strategi-
sche Kompetenz verstanden werden, die ein Unternehmen im Verlauf seiner Historie ge-
bildet, gelernt und verfestigt hat und die sich in Form eines bestimmten Zeit/Bewegungs-
Repertoires äußert. Clark differenziert in ein eher homogenes, eng angelegtes, „mageres“
Zeitrepertoire („lean repertoire“) vs. ein heterogenes, breit bzw. robust angelegtes Zeitre-
pertoire („robust repertoire“).

Um die Unterschiede zu verdeutlichen wird hier (im Sinne von Clark, aber über seine Vor-
stellungen hinaus) an einen Katalog von Zeitphänomenen angeschlossen, der in der zeit-
theoretischen Forschung üblicherweise im Zentrum von klassifizierenden Untersuchungen
steht. In diesem Sinne werden regelmäßig die zeitlichen Eigenschaften von Handlungen
bzw. Prozessen in Form der Kriterien 1. Sequenz, 2. Dauer, 3. Synchronizität, 4. Periodizität
und 5. Tempo thematisiert (Lauer 1981; McGrath/Kelly 1986; Moore 1990; Noss 1997; Adam
et al. 2002). Derartige Temporalkriterien sind auch dem Strategischen Management nicht
fremd: Mit dem Aspekt des Tempos (i.S.v. Schnelligkeit bzw. Beschleunigung) setzen sich
z.B. die Konzepte des Zeit- und Hyperwettbewerbs schwerpunktmäßig auseinander. Syn-
chronizität, Periodizität gemeinsam mit Tempo sind zentrale Themen der strategischen
Betrachtungen zu Unternehmensrhythmen und Entrainment usw. Stellt man die Zeitphä-
nomene dichotomisiert, als Ausdrucksformen eines engen vs. robusten bzw. homogenen
vs. heterogenen strategischen Zeitrepertoires gegenüber, ergibt sich das in Abbildung 2
dargestellte Bild:
110 Christian Noss

Abb. 2: Das Kontinuum der strategischen Zeit/Bewegungs-Repertoires


(Quelle: Noss 1997, S. 251 ௅ modifiziert)

Die Dichotomisierung in ein homogen-enges („lean“) vs. heterogen-robustes („robust“)


(strategisches) Zeitrepertoire ist in der Form natürlich als idealtypisch zu verstehen. Genau
genommen sind beide Kolumnen als Extrempunkte eines Kontinuums aufzufassen, denn
kaum ein Unternehmen wird gänzlich der einen oder der anderen Kolumne zuzuordnen
sein. Im Gegenteil ist vielmehr anzunehmen, dass empirische Unternehmen sich mit spezi-
fischen (idiosynkratischen) Schwerpunkten im intermediären Bereich zwischen einem völ-
lig homogenen bzw. gänzlich heterogenen Zeitrepertoire einordnen lassen. Clarks (1990,
S. 155) These ist es, dass ein Unternehmen mit einem tendenziell robusten strategischen
Zeitrepertoire eher zeitbedingte Wettbewerbsvorteile ausbilden kann als ein Unternehmen
mit einem tendenziell enger gefassten Zeitrepertoire. Seinen Untersuchungen (in der briti-
schen Modebranche) zufolge können erstere Unternehmen auf ein umfangreiches, differen-
zierteres und tiefer verankertes Reservoir an Zeit-/Bewegungs-Optionen zurückgreifen,
welches sie insgesamt in die Lage versetzt, besser – d.h. proaktiver und flexibler – mit der
sich in der Zeit entfaltenden Umweltkontingenz umzugehen.
Strategisches Management und Zeit 111

Schließlich lässt sich an diesem Punkt eine Parallele zu zentralen Implikationen des Realop-
tionsansatzes auffinden. Die Idee, ein breit angelegtes temporales Repertoire sei für Wett-
bewerbsvorteile förderlich, wird auch durch den Realoptionsansatz unterstützt. Dort gilt es
als ein (erstrebenswerter) Vorteil an sich, einen eher breiteren Kranz an Zukunftsoptionen
zu generieren – im Vergleich zu einer eher schmalen Bandbreite oder gar einer einzigen
Option in der Zeit (Kogut/Kulatilaka 2001). Hierzu ist die Kompetenz, Zukunft als flexible
Handlungs-Projektions-Dimension zu verstehen und zu bearbeiten, von zentraler Bedeu-
tung. Und genau das ist auf der Basis eines robusten, heterogenen Zeit-/Bewegungs-Reper-
toires weitaus wahrscheinlicher bzw. besser begründbar als auf der Basis eines eng gefass-
ten, homogenen Repertoires.

Die zweite Möglichkeit besteht in der Art und Weise, wie ein Unternehmen auf der Basis
seines Zeitrepertoires in der Zeit agiert und z.B. seine realen Optionen erkennt, ausformu-
liert und umsetzt – mit anderen Worten, wie ein Unternehmen seine Zeit(en) nutzt. Der
strategische Erfolg macht sich dann vor allem in den Eigen-Bewegungen und Gegenbewe-
gungen der Konkurrenten, d.h. Zeit/Aktions-Mustern bzw. strategischen Interaktionen, am
Markt bemerkbar. Grimm et al. (2006, S. 86) bringen den Basisansatz der strategischen In-
teraktionsperspektive folgendermaßen auf den Punkt: „Firms act, and rivals react, and it is
in the context of action and reaction that competitive advantages are created and eroded
over time.”

Die Autoren konzentrieren sich in ihren Ausführungen auf vier generische strategische
Aktionstypen, die in Abhängigkeit von der Wettbewerbssituation initiiert werden, in der
sich eine Unternehmung befindet. 1. Entrepreneurische Aktionen sind an Schumpeters Idee
der kreativen Zerstörung (Innovation) orientiert, 2. ricardische Aktionen nutzen firmenspezi-
fische, seltene, nicht-imitierbare Ressourcen, 3. abschreckende Aktionen werden durch Unter-
nehmen aus einer Situation der Reife und relativen Ressourcenstärke heraus initiiert und
4. kooperative Aktionen aus einer Situation der Schwäche und insgesamt ungünstiger Res-
sourcenausstattung (S. 88 ff.).

Aus zeitlicher Sicht ist entscheidend, dass den Wettbewerbern durch die ersten drei Akti-
onstypen Reaktionen nahegelegt werden, die erst mit einer unterschiedlich langen Verzö-
gerung zur Wirkung gelangen können (Smith et al. 1992). Agierende Unternehmen sind in
dieser Auffassung im Vorteil, da sie – jedenfalls in Grenzen – die Reaktionszeit ihrer Wett-
bewerber aktiv beeinflussen. Beispielsweise sind Schumperter’sche Innovationen für die
Wettbewerber anfänglich unsicher und opak und müssen daher erst einmal in ihrer Trag-
weite für den Markt entschlüsselt werden. Ricardische Aktionen verbleiben zunächst nicht-
imitierbar, da sie auf endogenen, mitunter komplexen Kernkompetenzen beruhen. Hierbei
benötigen die Wettbewerber eine unbestimmte Antwortzeit, da nicht sicher ist, wann und
ob sie überhaupt kontern können. Abschreckende Aktionen werden unter Einsatz relativ
mächtiger (z.B. finanzieller) Ressourcen unternommen (z.B. ein dauerhafter Preis an der
Preisuntergrenze) und es wird zu einer Frage der zeitlichen Durchhaltekraft, ob und wie
lange (insbesondere schwächere) Wettbewerber eine derartige „Durststrecke” werden
durchstehen können. Einzig die kooperativen Aktionen zielen darauf ab, sich mit den Wett-
bewerbern zu arrangieren und das kann zeitlich vor allem ein synchronisiertes Verhalten
112 Christian Noss

(Extra-Entrainment) untereinander bedeuten (z.B. gegenseitiges Einpendeln von Wettbe-


werbsaktionen, abgestimmtes Timing bei Innovationen etc.).

Selbstverständlich müsste eine derartige interaktive Perspektive um weitere zeitliche As-


pekte, wie z.B. um die Vorteile eines verzögerten Verhaltens, eines bewussten strategischen
Abwartens (Ansoff/Stewart 1967; McGrath 2001) erweitert bzw. komplettiert werden. Auch
lassen sich zentrale Einsichten der Entrainment-Forschung in fruchtbarer Weise einbringen,
wenn es z.B. um die Vorteilhaftigkeit von eigensinnig gesetzten Aktivitätsrhythmen und
-zyklen geht (Brown/Eisenhardt 1997). Hierbei müsste allerdings die konzeptionelle Klam-
mer der Kontingenztheorie gelöst werden. Diese ist schließlich auch mit Blick auf den An-
satz von Grimm et al. (2006) klar erkennbar, sodass einige deutliche Defizite aufscheinen.
Z.B. wird (erneut) die Notwendigkeit der Anpassung an eine permanente und unabwend-
bare Umweltbeschleunigung postuliert oder es wird an anderer Stelle auf ein Phasenmodell
zur Verknüpfung von strategischen Aktionen mit dem Lebenszyklus eines Unternehmens
rekurriert (S. 92 ff.). Das bringt die interaktive Perspektive nach Grimm et al. insgesamt in
die Nähe eines Quasi-Determinismus unter Zugrundelegung einer funktionalen Zeit, was
an sich die Vorstellung von Interaktionen in einer emergenzoffenen empirischen Zeit kon-
terkariert.

5 Apple Inc.: Eine Illustration


Als Illustration der bislang erarbeiteten Einsichten zur operativen Sinn- und Erfolgsdimen-
sion der Zeit sei im Folgenden auf die Firma Apple Inc. mit Sitz in Cupertino CA (USA)
verwiesen. Als maßgeblicher Betrachtungszeitraum werden die Jahre von 1997 bis 2011
gewählt, d.h. die Phase, in der Steve Jobs nach seiner Rückkehr zu Apple bis zu seinem
vorzeitigen Tod im Oktober 2011 erneut als CEO tätig war. In den späten 1990er Jahren
fand Jobs die von ihm 1976 mitbegründete Firma als Hersteller für Computerhard- und
-software in einer schwierigen Situation vor: Die Innovationen stockten, Jahresergebnisse
waren im unteren positiven Bereich (oder sogar negativ), allein das Segment „Desktop-
Publishing“ und der Zuspruch einiger Computerenthusiasten rettete Apple das Leben.

In der nun folgenden Zeit entwickelte Jobs (und seine Führungsmannschaft) die Firma
Apple aus der Ecke eines kleinen Computerherstellers zu einem multimedialen und multi-
dimensionalen Kommunikationsunternehmen mit den wichtigsten Produktlinien: Compu-
ter (iMac, MacBook, seit 1998), iPod (digitaler Mediaplayer, seit 2001) und iTunes (digitaler
Medienservice, seit 2003), iPhone (multifunktionelles Smartphone zusammen mit dem App
Store, seit 2007) und iPad (Tablet-Rechner, seit 2010). Hinzu kommen diverse Betriebssys-
teme und die gesamte Palette der Anwendungssoftware (z.B. iWork, iPhoto, iMovie etc.). In
sachlich inhaltlicher Hinsicht sucht Apple seinen Erfolg in technisch und designerisch ex-
zellenten Produkten, die – vor dem Hintergrund ihres höheren Preises – in Richtung einer
Differenzierungsstrategie einzustufen sind. Im Sinne der aktiven Erschaffung realer strate-
gischer Optionen vernetzt Apple seit 2007 seine Produkte zunehmend auf der Basis des
Strategisches Management und Zeit 113

gemeinsamen internetfähigen Betriebssystems iOS, wodurch in Zukunft neue Produkte in


ein internetbasiertes Funktionsnetzwerk problemlos integriert werden können (von einer
Produkt- zu einer Plattformstrategie, Cusumano 2010).

Im Jahr 2011 hatten die Computer nur noch einen Umsatzanteil von ca. 20 %; ca. 70 % ent-
fielen auf iPhones (44 %), iPads (19 %) und iPods (7 %). Hinsichtlich der Börsenkapitalisie-
rung als Erfolgsindikator überholte Apple im Jahr 2011 erstmals ExxonMobile, den bis
dahin wertvollsten Konzern der Welt. Im August 2012 erreichte Apples Börsenwert die
Höchstmarke von ca. 600 Mrd. $, was in etwa der Summe der Börsenwerte der 10 besten
deutschen Dax-30-Unternehmen entspricht. Im Vergleich dazu waren zur gleichen Zeit die
Firmen Exxon ca. 400 Mrd. $, Microsoft ca. 260 Mrd. $ und Google ca. 220 Mrd. $ wert.

Nachfolgend sollen beispielhaft Schlaglichter auf das Zeitoperieren und die in der Zeit
begründeten Wettbewerbsvorteile von Apple geworfen werden. Hierbei wird Apple zu-
nächst aus der Perspektive der strategischen Interaktionen und anschließend vor dem Hinter-
grund des unternehmensspezifisch entwickelten strategischen Zeitrepertoires rekonstruiert.

Als Beispiel für strategische Interaktionen wird auf den Smartphonemarkt abgehoben und
Apples strategische Aktions-Reaktionsmuster gegenüber seinem schärfsten Mitwettbewer-
ber, der Firma Samsung. Zur Historie muss angemerkt werden, dass zum Zeitpunkt von
Apples Markteintritt im Jahre 2007 der Markt für Smartphones seit ca. acht Jahren durch
eine zunehmend stürmische Entwicklungsdynamik unter den bis dahin wichtigsten Anbie-
tern Toshiba, HTC, Nokia, RIM (BlackBerry), LG, Palm, Motorola und Samsung gekenn-
zeichnet ist. Alle Hersteller sind zu diesem Zeitpunkt bereits mit mehreren Smartphone-
Modellen erfolgreich auf dem Markt. Die Modellzyklen sind sehr kurz; nicht selten werden
pro Jahr und Hersteller drei oder mehr Produkte in den Wettbewerb eingeführt. Aus zeitli-
cher Sicht wird der Markteintritt des (bis dato) Computerherstellers Apple durchaus kri-
tisch gesehen. Es wird bezweifelt, dass Apple der zeitlichen Wettbewerbslogik der Smart-
phone-Industrie entsprechen kann:

„The problem here is that while Apple can play the fashion game as well as any company,
there is no evidence that it can play it fast enough. These phones go in and out of style so fast
that unless Apple has half a dozen variants in the pipeline, its phone, even if immediately suc-
cessful, will be passé within 3 months. There is no likelihood that Apple can be successful in a
business this competitive. Even in the business where it is a clear pioneer, the personal com-
puter, it had to compete with Microsoft and can only sustain a 5 % market share” (Dvorak
2007).

Apple löst das Problem des Eintritts in den schillernden und schnellen Smartphonemarkt
mit seinen vielen Anbietern und der (fast) unüberschaubaren Modellflut in sachlicher Hin-
sicht dadurch, dass ein (einziges) Produkt, das iPhone – gewissermaßen als „Leuchtturm“ –
eingeführt wird. Auf parallele Produkte bzw. Produktlinien verzichtet Apple. In der hier
interessierenden zeitlichen Hinsicht überarbeitet Apple das iPhone in relativ konstanten
Zyklen zum jeweils neuen Modell. Fand die Markteinführung des Ur-iPhone im Januar
2007 statt, so sind die Nachfolgemodelle wie folgt terminiert: das iPhone 3G im Juli 2008,
iPhone 3GS im Juni 2009, iPhone 4 im Juni 2010, iPhone 4S im Oktober 2011 und das iPhone
114 Christian Noss

5 im September 2012. Im Herbst des Jahres 2013 rechnen Branchenbeobachter mit der Ein-
führung des iPhone 5S bzw. iPhone 6.

In der Folgezeit wird das iPhone relativ schnell zu einem Meilenstein in der Entwicklungs-
geschichte der Smartphones. Dieser Umstand ist neben dem Produktdesign in dem multi-
funktionellen und überaus anwenderfreundlichen Betriebssystem iOS begründet. Apples
unmittelbarer Konkurrent Samsung kontert zwar sehr zügig, bereits im Jahr 2008 die
Markteinführung des iPhone – allerdings eher unkonzentriert: Bis zum Jahr 2010 werden
mehrere Smartphonemodelle auf der Basis der Betriebssysteme „Windows Mobile“ und
„Windows Phone“ eingeführt. Parallel dazu entwickelt Samsung sogar ein eigenes Be-
triebssystem namens „bada“ und führt dieses im Juni 2010 in den Markt ein.

Aus einer Perspektive der strategischen Interaktion kann die Einführung des iPhones als eine
entrepreneurische Aktion bezeichnet werden. Apples Wettbewerbsvorteil besteht darin,
dass die Mitbewerber, allen voran Samsung, in der Folge in einen Suchprozess einsteigen
mussten, um ein vergleichbar erfolgreiches Smartphone-Format nach und nach für sich erst
zu (er-)finden. Im Fall von Samsung hat dieser (kostspielige) Prozess bis in das Jahr 2010 ca.
drei Jahre gedauert. Erst in diesem Jahr führt Samsung das erste Galaxy Smartphone mit
dem von Google auf Linux (Open-Source) Basis entwickelten Betriebssystem „Android“
ein. Mit dem „Galaxy S“ erfolgt der Start der Galaxy-Modellserie, womit Samsung erstmals
ein dem iPhone ähnlich erfolgreiches Produkt zur Verfügung steht. Die Smarthphones auf
der Basis von Windows Betriebssystemen spielen bei Samsung mittlerweile keine große
Rolle mehr; das Betriebssystem „bada“ konnte sich nicht durchsetzen.

Nach der Einführung des iPhones hat Apple durch die Etablierung eines eigenen (ca. jährli-
chen) Innovationsrhythmus die Branche erfolgreich irritiert und sich dadurch einen weite-
ren zeitbedingten Wettbewerbsvorteil, im Sinne eines Aufmerksamkeitsvorteils, erschaffen.
Aus der Sicht der Kunden setzt Apple in die unaufhörliche, relativ indifferente Flut an
Produktneuerungen klare Orientierungs-(zeit-)punkte. Konkurrenten passen sich bisweilen
Apples Jahresrhythmus an. So hat z.B. Samsung mit den Galaxy-Modellen Apples Jahres-
rhythmus im Prinzip kopiert. Bleibt Samsung auch der Modellflut treu, so erfolgte im Jahr
2011 die Einführung des Galaxy S II (mit fünf Modelvarianten), im Jahr 2012 gleich mehrere
Versionen des Galaxy S III. Im März 2013 erscheint schließlich das Galaxy S IV.

Der Markterfolg spricht nicht unwesentlich für Apples Vorgehensweise: Wurde anfänglich
die Überlebensfähigkeit im rasanten Smartphonemarkt grundsätzlich infrage gestellt (s.o.),
so hält Apple seit dem Jahr 2011 einen weltweiten Marktanteil von ca. 21 %. Zwar steigt der
weltweite Marktanteil von Smartphones mit Android-Betriebssystemen bis in das Jahr 2012
auf ca. 69 %, wobei jedoch berücksichtigt werden muss, dass dieses Google-Betriebssystem
neben Samsung auch von anderen Herstellern, wie z.B. Alcatel, HTC, Sony, LG und Mo-
torola etc. verwendet wird (Gartner 2013). In dem überaus wichtigen Heimatmarkt USA
hält Apple im November 2012 erstmals einen Marktanteil von über 50 % (Friedrich 2012).

Der zweite, hier zu beleuchtende Zusammenhang ist das strategische Zeitrepertoire von
Apple. Durch die für Apple typische enorme Geheimhaltung von allen strategischen Akti-
vitäten ist es nicht ganz einfach, über die unternehmensspezifische, endogen gebildete Zeit
Strategisches Management und Zeit 115

Aussagen zu machen. Begründete Interpretationen lassen sich indessen anstellen; direkte


Veröffentlichungen zu diesem Themenkomplex existieren – bislang – nicht. Die nachfolgen-
den Erläuterungen beziehen sich auf die „generischen Zeitelemente“ aus der Abbildung 2.

Tempo. In der hier interessierenden zeitlichen Dimension erscheint Apple zunächst einmal –
wie erwartet – als das agile, schnelle, internetbasierte Unternehmen, welches in den ge-
schwinden elektronischen Zeittakt der weltweiten Vernetzung eingebunden ist. In Anleh-
nung an die Eisenhardt’schen Untersuchungen eine high-velocity Company, vernetzt in
einer high-velocity Umwelt. Von den fünf wichtigsten Werten bei Apple, d.h. clear direction,
individual accountability, a sense of urgency, constant feedback und clarity of mission stehen zwei
(urgency, constant feedback) ganz offensichtlich für eine an Geschwindigkeit orientierte
Unternehmenskultur (Lashinsky 2012). Mitarbeiter arbeiten deutlich „Deadline“-orientiert.
Deadlines ergeben sich oft, da das die wesentlichen Projekte steuernde „Executive Team“
(kurz: ET, bestehend aus dem CEO und den neun wichtigsten Executive Officers) sich wö-
chentlich zwei Mal trifft. Da Apple nur wenige Produkte bzw. -linien produziert, hält das
ET einen unmittelbaren Kontakt zu allen maßgeblichen Projekten bzw. Projektteams, die
damit ständig in Bewegung bleiben. „You are never out of a two week decision loop“
beschreibt ein Hardwaremanager die Situation(zit. nach Lashinsky 2012, S. 72).

Sequenz. Die strikte Projektorientierung lässt auf eher reguläre Ereigniszyklen, mit genau
vorgeschriebener Vorgangsdauer („bis zum nächsten Meilenstein“) schließen, die überdies
eher rekurrent und stetig als irregulär ineinandergreifen. Erhöht wird die Arbeitsaufladung
für gewöhnlich dadurch, dass die Teams zahlenmäßig relativ klein gehalten werden. Insge-
samt soll die Mentalität und Arbeitsweise einer Start-up-Unternehmung erhalten bleiben.
Ein Mitarbeiter des Personalwesens, der sich lange um Neueinstellungen gekümmert hat,
bringt es folgendermaßen auf den Punkt: „Apple runs so fast and so lean, it requires people
to really work hard and take on a lot of tasks and do them in a short period of time“ (zit.
nach Lashinsky 2012, S. 78).

Periodizität. In den Jahren 1998 bis 2011 erfolgen grundlegende Produktinventionen (i.S.v.
iPod, iPhone, iPad) eher irregulär. Bei Produktinnovationen dagegen, dies wird im Fall der
jährlichen Überarbeitung des iPhones deutlich, setzt Apple auf ein eher konstant rhythmi-
sches Entrainment. Hier wird jedes Jahr die nächste Generation vorgestellt. Unter Jobs
berühmt und zeitlich ebenfalls sehr konstant wird auch die Macworld Trade Show veran-
staltet, auf der die neuesten Perspektiven von Apple jeweils Anfang Januar für das laufen-
de Jahr der Öffentlichkeit präsentiert werden.

Bis hierher erscheint Apple eine High-tech-Unternehmung zu sein, die, in Konsonanz mit
der schnellen Taktung der Elektronikbranche, sich einer besonderen strategischen Ge-
schwindigkeit, aber auch relativ konstanten Handlungssequenzen verschrieben hat. All
dies deutet auf ein eher homogenes („lean“) Zeit-/Bewegungs-Repertoire. Das ist jedoch
nur die halbe Wahrheit. Die andere Hälfte zeigt Apple als ein Unternehmen, das eigene
Zeitmodulationen, z.B. Dehnungen, vornimmt und sogar ganz aus dem beschleunigten
Zeittakt der Mikroelektronik aussteigt und strategische Geschäftsprozesse bewusst ver-
langsamt.
116 Christian Noss

Dauer. Eine Zeitdehnung setzt Apple bei der Einführung von gänzlich neuen Produkten
bzw. wichtigen neuen Produktgenerationen ein. Die konkrete Produkteinführung wird
bewusst „in der Schwebe“ gehalten und zwar in sachlicher („Was leistet das Produkt ge-
nau?“) als auch in zeitlicher Hinsicht („Wann exakt kommt das Produkt zur Ausliefe-
rung?“). Dazu muss angemerkt werden, dass es Apple in den Jahren seit 1997 erfolgreich
geschafft hat, eine extreme Kundenbindung aufzubauen. Apples Kunden sind über 80 %
Privatkunden, institutionelle Kunden sind eher die Ausnahme. Der Zustand der Schwebe
wird durch Apples typische Geheimhaltung ermöglicht bzw. unterstützt. Da – mangels
Vorabinformationen – in Nutzerforen aber auch in der Presse viele Mutmaßungen über das
neue Produkt angestellt werden, erfreut sich dieses bereits lange vor der Einführung einer
hohen Aufmerksamkeit. Hierbei ist ein stark qualitatives Moment der Zeit gegeben. Der
Zeitsoziologe Gurvitch (1964) nennt eine derartige Zeit „retardiert“, womit er zum Aus-
druck bringen will, dass in einer solchen Zeit die Zukunft die Gegenwart in ihren relevan-
ten Sinnbezügen bereits ausfüllt. Der subjektive Verlauf der Zeit ist verzögert, die Akteure
projizieren ihre Erwartungen in die Zukunft und warten, bis sich diese (endlich) entfaltet.

Diese qualitative Zeit der schwebenden Andauer ermöglicht Apple mehrere Wettbewerbs-
vorteile. Aus sachlich-inhaltlicher Perspektive ist sie mächtiger und wirkungsvoller als jede
Marketingkampagne. Aus zeitlicher Sicht verschafft sie neben der hohen Erwartungsbil-
dung auf Seiten der Kunden, die mit fortdauernder Ankündigungszeit größer wird, ein
ganz entscheidendes zeitliches Puffer. In der Zeit der Schwebe können die – bei einer Pro-
dukteinführung immer bestehenden – (letzten) Schwachstellen am Produkt, Unkoordi-
niertheiten mit Zulieferern etc. nach und nach vermindert bzw. abgestellt werden. Die
Schwebe lässt sich zwar nicht allzu lange vorhalten, aber es ist Apple schon häufig gelun-
gen, ein relativ fehlerfreies Produkt auf den Markt zu bringen – wenn es denn soweit ist.
Technische Fehlerfreiheit und designerische Perfektion sind hohe Güter bei Apple
(Lashinsky 2012, S. 49 ff.), die helfen, eine (zu frühe) Einführung von unreifen Produkten zu
vermeiden. Letzteres ist Microsoft bereits mehrfach unterlaufen und führte z.B. bei der
Einführung von Windows Vista (2005 bis 2007) zu einer erheblichen Kundenunzufrieden-
heit. Darüber hinaus nehmen Apple-Kunden es der Firma nicht übel, einen gewissen Zeit-
raum (in erregter Vorerwartung) abzuwarten, bis das Produkt zur Auslieferung gelangt.
Wenn der Zeitpunkt der Einführung gekommen ist („the Day One burst of activity“), wird
die laufende Zeitorientierung blitzschnell restrukturiert. Jetzt findet ein fundamentaler
Tempowechsel statt und die gesamte Apple-Logistik schaltet auf schnelle Lieferfähigkeit und
Verfügbarkeit um. Die Kunden sollen dann zügig zu „ihrem“ Produkt gelangen, die Erwar-
tungen sollen endlich erfüllt werden!

Dieses stark qualitative Zeitmoment hat Apple – wie gesagt – bis heute schon häufiger zur
Produkteinführung (z.B. bei den iPhones) mit großem Erfolg angewendet. Die Zeit ist nicht
unwesentlich emotional aufgeladen; das jeweilige Produkt wird durch Geheimhaltung
gepaart mit zeitlicher Dehnung im Vorfeld der Markteinführung bereits so etwas wie ein
Mythos. Da sich hinsichtlich der Regelmäßigkeit aber auch in der Art der vagen Ankündi-
gung, der gesamten Inszenierung etc. ein Muster ablesen lässt, ist davon auszugehen, dass
Apple die retardierte Zeit als temporales strategisches Instrument bewusst einsetzt.
Strategisches Management und Zeit 117

Tempo. Apple geht sogar noch einen Schritt weiter, indem innerhalb eines Subsystems des
Unternehmens eine ganz eigene Zeitkultur, man ist fast geneigt zu sagen, eine Gegenkultur
zur Firmenzentrale in Cupertino gelebt wird. Gemeint sind die Apple Stores, in denen eine
ausgesprochene Kultur der Langsamkeit vorherrscht. Apple betreibt seit 2001 bis zum Ende
des Jahres 2012 weltweit 394 Apple Stores (davon 269 in den USA, 10 in Deutschland), in
denen alle Produkte und Produktlinien an private Endkunden verkauft werden – eine
insgesamt für ein High-tech-Unternehmen, dessen Produkte internetbasiert sind, unortho-
doxe Vertriebsmethode. Gemeinhin sollte man meinen, internetfähige Produkte verlangen
nach einem schnellen Vertrieb und das Internet selbst ist hierfür die schnellste und effizien-
teste Vertriebsplattform.

Der Hintergrund der Apple-Stores ist ein firmenspezifischer: In der Prägung durch Steve
Jobs steht bei Apple zunächst die Perfektionierung des Produkts im Zentrum aller Bestre-
bungen. Das führt in der Folge häufig dazu, dass das Produkt revolutionär erscheint und
den Kunden gegenüber erklärungsbedürftig ist. Apple eröffnet daraufhin einen strukturel-
len „Schonraum“, exklusiv eingerichtet zur Kommunikation mit den Kunden. In den Apple
Stores soll sich der Kunde Zeit nehmen für Apple und Apple gibt dem Kunden Zeit, sich
mit den Produkten auseinanderzusetzen. Entsprechend ist der Verkauf der Produkte nicht
das vorrangige Ziel der Stores. Sie arbeiten mit einem vom herkömmlichen Standard der
Mikroelektronikbranche, bei dem die Anzahl der verkauften Geräte pro Zeiteinheit (Wo-
che, Monat etc.) als das Maß aller Dinge gilt, völlig abweichendem Retail-Konzept (Johnson
2011).

In den Apple-Stores wird für die Kunden eine spezielle stressfreie Atmosphäre erzeugt:

„Visiting an Apple Store is like few other retail experiences. Clear, sparse tables hold Apple’s
products, which are touchable and usable. Up the elegant staircase, often a glass spiral, resides
the Genius Bar, a help desk where blue-shirted employees dole out special hand-holding.
Elsewhere ‘sales specialists’ hover to answer questions, demonstrate features, and never, ever
push for a sale“ (Lashinsky 2012, S. 149 f.).

Kundenberater sind hierzu speziell ausgebildet. Stress- und Frustrationsabbau gerade auch
an offenen Einkaufstagen und Wochenenden stehen im Mittelpunkt. Selbstverständlich
lassen sich alle Apple-Produkte über das Internet beziehen, aber die Apple-Stores sind
mittlerweile für viele Kunden mehr als ein Geschäft. Dort werden Seminare veranstaltet,
man trifft sich privat usw.; viele Kunden ziehen den realen Treffpunkt dem virtuellen
Treffpunkt im Internet vor.

Die Apple-Stores sind kein bloßer Vertriebsweg. Sie stellen im Gegenteil eine ganz wesent-
liche strategische Ressource in der Wertschöpfungskette von Apple dar. Dies wird dadurch
deutlich, dass von den insgesamt 72 800 Mitarbeitern im Jahr 2012 ca. 42 400 Mitarbeiter im
Retail-Bereich beschäftigt sind. D.h., neben der Bedeutung als strategischer Ressource stel-
len die Stores auch einen Kostentreiber dar, dessen strategischer Wertbeitrag aber offen-
sichtlich die Kosten übersteigt. Der Umsatz der Retail-Stores betrug im Jahr 2011 weltweit
ca. 16 Mrd. $; der Gewinn beläuft sich im Geschäftsjahr 2012 auf rund 4,7 Mrd. $. Die Apple
Stores stehen insgesamt für einen strategischen Differenzierungsvorteil im Vertrieb, deren
118 Christian Noss

konkreter Wettbewerbsvorteil ganz wesentlich auf der Entschleunigung der Vertriebs- und
Kundenberatungsprozesse beruht.

In der Summe verfügt Apple über einen spezifischen Verschnitt aus homogenen und hete-
rogenen generischen (strategischen) Zeitelementen. Eine exaktere und umfassendere Ana-
lyse ist sicher nötig, würde aber den Rahmen dieser Illustration sprengen. Neben den an
sich erwartbaren Kompetenzen zu zügigen („schnellen“) und konstanten Prozessen (ho-
mogenes Zeitrepertoire) zeichnet sich Apple auch durch die strategische Kompetenz zu
Elementen eines robusten, heterogenen strategischen Zeit/Bewegungs-Repertoires aus. Hier
stehen ein elastischer Umgang mit der Zeit, die Fähigkeit zu Tempo-Änderungen wie auch
das Initiieren von endogenen Zeitrhythmen und -zyklen, die in dieser Form in der Umwelt
nicht existieren, im Mittelpunkt. Insgesamt gelingt es Apple, sehr unterschiedliche strategi-
sche Zeiten zu vereinen und erfolgreich zu nutzen. Die Zeitkonstitution stellt ein Gesamt-
systemphänomen dar, welches durch die beiden wesentlichen Zeit-Subsysteme (Zentrale
vs. Retail-Stores), die verschiedenen Rhythmen und Intervalle, quantitative und qualitative
Zeitmomente etc. zum Ausdruck gebracht wird. Im Ergebnis führt das zu einer insgesamt
paradoxen, mehrdimensionalen strategischen Zeitaufladung (z.B. Gleichzeitigkeit von
schnellen und langsamen Prozessen). Apples temporaler Wettbewerbsvorteil liegt in der
Synchronisation derart divergierender Zeitmuster zu einer komplexen Zeitgestalt, die es
erlaubt, eine Bandbreite zeitlicher strategischer Optionen zu eröffnen, offen zu halten und
im Verlauf der Zeit variabel zu nutzen.

6 Abschließende Bemerkungen
Aus der im vorliegenden Beitrag entworfenen Perspektive wird die Zeit zu einem Medium,
welches einen unmittelbaren Beitrag zum strategischen Erfolg eines Unternehmens beizu-
steuern vermag. Dazu ist die Zeit aus der kontingenztheoretischen Einklammerung gelöst
und in einen strategischen Gestaltungsansatz überführt worden. Die in der Gegenwart
eines Unternehmens permanent stattfindende strategische Praxis ist der konzeptionelle
Verknüpfungshorizont der Zukunfts- und Vergangenheitsperspektiven. In der aktuell fort-
laufenden Gegenwart eröffnen und bewerten Unternehmen ihre jeweiligen strategischen
(Zukunfts-)Optionen vor dem Hintergrund ihrer spezifischen Historie.

Insgesamt bilden Unternehmen ein endogenes strategisches Zeit/Bewegungs-Repertoire im


Verlauf der Zeit. Das Beispiel von Apple hat verdeutlicht, auf welche Weise ein idiosynkra-
tisches Repertoire unter der Verwendung auch deutlich qualitativer Zeitmomente zu Wett-
bewerbsvorteilen führen kann. An dieser Stelle sind mehr empirische Einsichten nötig, die
die mögliche Bandbreite und konkrete Ausformung von strategischen Zeitrepertoires ver-
deutlichen und systematisieren. Auch müsste der Erfolgsbeitrag noch genauer herausgear-
beitet werden, als dies in einer kurzen Fallstudie möglich ist. Zurzeit sind die am weitesten
reichenden Einblicke durch die Untersuchungen von Eisenhardt und KollegInnen geleistet
worden, deren theoretische Interpretationen und Schlussfolgerungen allerdings für den
Strategisches Management und Zeit 119

strategischen Kontext überdacht werden sollten. Es wäre zu wünschen, dass in der Zukunft
eine mehrdimensionale Perspektive der Zeit als Quelle von Wettbewerbsvorteilen (jenseits
von Einzelaspekten wie Beschleunigung etc.) stärker noch in die Aufmerksamkeit des stra-
tegischen Diskurses rückt. Die vorliegenden Ausführungen wollen hierzu Grundlagen
aufzeigen und einen Beitrag leisten.

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Prof. Dr. Christian Noss


Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin
Fachbereich Wirtschaftswissenschaften
Badensche Straße 52
D-10825 Berlin
chnoss@hwr-berlin.de
Dennis Schoeneborn*

PowerPoint und die Einkapselung von


Prozessualität im projektübergreifenden
Lernen
Organisationsforschung; Organisationskommunikation; PowerPoint; projektbasierte Orga-
nisationen; projektübergreifendes Lernen; Wissensmanagement

Zusammenfassung
Die bestehende Literatur zum „projektübergreifenden Lernen“ kann bislang nur unzu-
reichend erklären, was den Austausch von Erfahrungswissen in projektbasierten Organisa-
tionen erschwert. In diesem Beitrag schlage ich daher eine Neubetrachtung des projekt-
übergreifenden Lernens vor. Eine kommunikationszentrierte Perspektive erlaubt es, beste-
hende Herausforderungen des projektübergreifenden Lernens als Problem der Verknüp-
fung zwischen Kommunikationsereignissen zu rekonstruieren. In einer empirischen Fall-
studie bei einer multinationalen Unternehmensberatung habe ich untersucht, inwieweit die
Anschlussfähigkeit an vergangene Projekte durch Praktiken der Projektdokumentierung
ermöglicht wird. Die Untersuchung zeigt zum einen die Dominanz der Präsentations-
software PowerPoint im Anwendungskontext der Projektdokumentation. Zum anderen
schränkt die Verknappung von Inhalten in PowerPoint-Dokumenten die Möglichkeiten zur
Rekontextualisierung durch Mitarbeiter ein, die nicht direkt am Projekt beteiligt waren. Die
Studie trägt zur bestehenden Forschung bei, indem sie aufzeigt, wie PowerPoint im alterna-
tiven Anwendungskontext der Projektdokumentation eingesetzt wird, hierbei die Prozess-
haftigkeit vergangener Projekte tendenziell „einkapselt“ und damit das projektübergrei-
fende Lernen erschwert.

J. Koch, J. Sydow (Hrsg.), Managementforschung 23,


© Springer Fachmedien Wiesbaden 2013, S. 127–156
128 Dennis Schoeneborn

Abstract
The existing literature on “cross-project learning” can only insufficiently explain what im-
pedes the exchange of knowledge within project-based organizations. Hence, in this article,
I aim to shed light on cross-project learning from a communication-centered perspective.
This view allows for reconstructing existing challenges in cross-project learning as prob-
lems of connectivity between communication events. In line with this view, I have conduct-
ed an empirical case study at a multinational business consulting firm. This study examines
to what extent existing practices of project documentation facilitate the visibility of past
project processes and thus any connectivity to future projects. The study shows the pre-
dominance of the presentation software Microsoft PowerPoint in the project documentation
practices at the case firm. Furthermore, the established practices of reducing the content of
PowerPoint slides (e.g. in the form of bullet point lists) constrained the possibilities for
recontextualization by organizational members that were not directly involved in the pro-
ject process. Taken together, the study contributes to the existing literature by showing how
a medium and genre of organizational communication (i.e. PowerPoint) becomes establish-
ed in the alternate application context of project documentation but tends to “encapsulate”
the processual nature of projects, which, in effect, can impede cross-project learning.

Inhaltsübersicht
1 Einleitung und Problemstellung

2 Theoretische Darlegungen
2.1 PBOs und das projektübergreifende Lernen
2.2 Ein kommunikationszentrierter Blick auf projektübergreifendes Lernen
2.3 Die Rolle von PowerPoint im projektübergreifenden Lernen

3 Empirische Untersuchung
3.1 Methodisches Vorgehen
3.2 Ergebnisse der Dokumentenanalysen: Die Sichtbarmachung von
Projektprozessen mittels PowerPoint
3.3 Ergänzende Kontextualisierung durch die qualitativen Interviews

4 Diskussion und Schlussfolgerungen


PowerPoint und die Einkapselung von Prozessualität im projektübergreifenden Lernen 129

1 Einleitung und Problemstellung


Die Untersuchung projektbasierter Organisationen (PBOs) hat sich im vergangenen Jahr-
zehnt als eigenständiges Forschungsgebiet in den internationalen Organisations- und Ma-
nagementwissenschaften etabliert (z.B. Hobday 2000; Hodgson 2004; Lindgren/Packendorff
2006; Shenhar 2001). PBOs unterscheiden sich von herkömmlichen Organisationen da-
durch, dass sie im Kern aus zeitlich begrenzten Organisationseinheiten bestehen (vgl. Lun-
din/Söderholm 1995) ௅ den Projekten. Innerhalb der Literatur zu PBOs befasst sich ein we-
sentlicher Strang mit der Frage, wie angesichts der zeitlichen Begrenztheit von Projekten
deren Flüchtigkeit überwunden wird und wie durch die Einbettung von Projekten in einen
größeren Organisationszusammenhang zeitlich Überdauerndes entsteht (z.B. Grabher 2004;
Sydow et al. 2004). Diese Frage ist gerade auch im Kontext des Wissensmanagements rele-
vant geworden. So untersuchen Managementforscher unter dem Begriff des „projekt-
übergreifenden Lernens“ („project-based learning“, Ayas/Zeniuk 2001; Keegan/Turner
2001; bzw. „cross-project learning“, Newell 2004; Newell et al. 2006), ob und inwieweit in
PBOs ein Austausch von Erfahrungswissen über Projekte hinweg stattfindet und wie dies
allenfalls begünstigt werden kann. Denn gerade in PBOs drohen unnötige Ineffizienzen
allein schon dadurch zu entstehen, dass mangels Wissensaustauschs das Rad in diversen
Projekten immer wieder aufs Neue erfunden wird.

Die bestehende Literatur zum projektübergreifenden Lernen (Ayas/Zeniuk 2001; Brady/


Davies 2004; Keegan/Turner 2001; Newell et al. 2006; Swan et al. 2010) lässt sich jedoch
dahingehend kritisieren, dass sie theoretisch unterentwickelt bleibt und das Scheitern von
Wissensmanagement-Maßnahmen in der organisationalen Praxis (z.B. Corbett-Etchevers/
Mounoud 2011; Currie/Kerrin 2004; Newell et al. 2006) nur unzureichend zu erklären ver-
mag. In diesem Beitrag argumentiere ich daher, dass die eingeschränkte Erklärungskraft
des Literaturzweigs unter anderem darauf zurückzuführen ist, dass diesen Arbeiten ein
unzureichend komplexer Kommunikationsbegriff zugrunde liegt. Zwar kritisieren bei-
spielsweise die Artikel von Currie und Kerrin (2004) oder Newell und Kollegen (2006) mit
Recht die ausschließliche Fixierung auf IT-basierte Lösungen im projektübergreifenden
Lernen; letztlich liegt aber auch diesen Arbeiten eine transmissionsartige Vorstellung von
Kommunikation zugrunde, demnach Wissen mittels Kommunikation ähnlich Paketen
zwischen Sender und Empfänger übertragen werden kann. Im Gegensatz zu einem solchen
Transmissionsmodell der Kommunikation (hierzu kritisch Axley 1984) betonen neuere
Ansätze der Kommunikationsforschung, dass Kommunikation vielmehr als komplexer
Prozess wechselseitiger Verständigung und Sinnverhandlung begriffen werden muss (z.B.
Cooren 2012). Folglich bedarf auch erfolgreicher Wissensaustausch primär einer kommuni-
kativen Annäherung zwischen den Beteiligten sowie einer entsprechenden Eingrenzung
von Sinn und möglichen Interpretationsspielräumen (vgl. Zorn/Taylor 2003).
130 Dennis Schoeneborn

Zur Weiterentwicklung der Forschung zum projektübergreifenden Lernen schlage ich da-
her vor, sich aktuellen Arbeiten aus dem Forschungsgebiet Organisationskommunikation
zuzuwenden, die der Komplexität von Kommunikationsprozessen besser gerecht werden.
Beispielsweise wird ein erweiterter und prozesshafter Kommunikationsbegriff in Studien
zur „Wissenskommunikation“ vertreten (z.B. Mengis/Eppler 2008; Reinhardt/Eppler 2004;
Schoeneborn 2006). Diese Forschungsarbeiten betonen insbesondere die Wichtigkeit inter-
aktiver (Face-to-Face-)Kommunikation zur Ermöglichung des Wissensaustauschs in Orga-
nisationen. In diesem Beitrag möchte ich diese wichtigen Vorarbeiten ergänzen und weiter-
entwickeln, indem ich auf jüngste Arbeiten aus der Organisationskommunikationsfor-
schung zurückgreife, die von einer fundamentalen kommunikativen Konstituierung bzw.
Verfasstheit von Organisationen ausgehen. Diese Theorieperspektive unter dem Namen
„communication as constitutive of organizations“ (CCO) bekannt geworden und erfreut
sich zunehmender Aufmerksamkeit auch in den Organisations- und Managementwissen-
schaften (für einen aktuellen Überblick siehe z.B. Ashcraft et al. 2009; Brummans et al. im
Druck; Cooren et al. 2011).

Eine solche, kommunikationszentrierte Sichtweise legt es nahe, im projektübergreifenden


Lernen insbesondere Informations- und Kommunikationstechnologien in den Blick zu
nehmen. Folglich widme ich mich in diesem Beitrag der Frage, inwieweit bestimmte Medi-
en und Genres der Organisationskommunikation (z.B. PowerPoint-Präsentationen, Emails,
Instant Messaging, etc.; vgl. Yates/Orlikowski 1992) das projektübergreifende Lernen er-
möglichen, erleichtern oder aber erschweren können. Erste fruchtbare Schritte in diese
Richtung unternehmen beispielsweise Fayard und Weeks (2007) in ihrer Studie zur Rolle
von Kopierräumen in der Ermöglichung von Wissenskommunikation. Im Kontext des
projektübergreifenden Lernens schlagen Yates und Orlikowski (2007) vor, das Augenmerk
vor allem auf den zunehmenden Einsatz der Präsentationssoftware Microsoft PowerPoint
in der Dokumentierung des in Projekten erworbenen Wissens zu richten. Um die Erklä-
rungskraft der kommunikationszentrierten Perspektive zu verdeutlichen, habe ich daher
speziell die Rolle von PowerPoint im projektübergreifenden Lernen im Rahmen einer em-
pirischen Fallstudie untersucht.

Der weitere Gang des Beitrags gliedert sich wie folgt: Der nachfolgende, zweite Abschnitt
gibt zunächst einen kurzen Überblick über die bestehende Literatur zu PBOs und speziell
zum projektübergreifenden Lernen. Hieran anknüpfend schlage ich vor, die bestehende
Literatur auf Basis einer kommunikationszentrierten Perspektive neu zu betrachten. Bei-
spielartig wird diese Perspektive anhand der Präsentationssoftware PowerPoint als beson-
ders häufig eingesetztem Kommunikationsmedium und -genre im Kontext des projekt-
übergreifenden Lernens veranschaulicht. Der dritte Abschnitt legt die Methodologie und
wesentlichen Ergebnisse der empirischen Untersuchung dar. Diese Befunde werden ab-
schließend vor dem Hintergrund der bestehenden Literatur diskutiert.
PowerPoint und die Einkapselung von Prozessualität im projektübergreifenden Lernen 131

2 Theoretische Darlegungen
2.1 PBOs und das projektübergreifende Lernen
Das Forschungsgebiet zu projektbasierten Organisationen (PBOs) hat in den letzten Jahren
zunehmende Aufmerksamkeit in den internationalen Organisations- und Management-
wissenschaften erfahren (z.B. Hobday 2000; Hodgson 2004; Shenhar 2001; Lindgren/
Packendorff 2006). Ein wesentliches Charakteristikum von PBOs ist die zeitliche Begrenzt-
heit ihrer Kernelemente ௅ den Projekten. Ferner sind Projekte dadurch gekennzeichnet,
dass sie ihre Mitglieder typischerweise immer wieder aufs Neue gruppieren, indem sie aus
verschiedenen Teilen der PBO zusammengezogen werden (Shenhar/Dvir 1996). In den
vergangenen Jahren haben sich PBOs vielfach als flexibel und effizient erwiesen und er-
freuen sich daher zunehmender Beliebtheit in diversen Branchen (Sydow et al. 2004). Dabei
repräsentieren PBOs jedoch nur eine von vielen Möglichkeiten temporären Organisierens in
einem weiteren Verständnis (z.B. Bakker 2010; Kenis et al. 2009).

In der bestehenden Literatur zu PBOs wurden bislang vor allem drei wesentliche Aspekte
in den Blick genommen: Ein erster, praxisnaher Forschungszweig interessiert sich vor allem
für die Entwicklung von Gestaltungsempfehlungen, d.h. wie Manager die Effizienz-
wirkung von PBOs als flexible bzw. post-bürokratische Organisationsform am besten zur
Entfaltung bringen können (z.B. Hobday 2000; Shenhar 2001; Shenhar/Dvir 1996). Hierbei
werden insbesondere Fragen der Steuerung und des Managements von Projekten virulent
(für einen aktuellen Überblick siehe Söderlund 2011). Ein zweiter Forschungszweig be-
trachtet PBOs dagegen aus kritischer Perspektive, indem die politische Dimension der
Projektarbeit in ihren spezifischen Machtstrukturen aufgedeckt wird (z.B. Clegg/Courpas-
son 2004; Hodgson 2004; Hodgson/Cicmil 2007; Lindgren/Packendorff 2006). Ein dritter
Forschungszweig untersucht darüber hinaus, wie einzelne Projekte in die übergreifende
PBO integriert bzw. „kontextuell eingebettet“ werden (Grabher 2004; Lampel et al. 2008;
Sydow et al. 2004). Entsprechend interessieren sich diese Autoren primär für Fragen des
Wissensmanagements und projektübergreifenden Lernens (z.B. Ayas/Zeniuk 2001; Keegan/
Turner 2001; Newell et al. 2006; Swan et al. 2010), d.h. ob und inwieweit in PBOs ein Aus-
tausch von Erfahrungswissen über Projekte hinweg stattfindet und wie dies allenfalls be-
günstigt werden kann.

In diesem Abschnitt möchte ich speziell zum letztgenannten Literaturzweig des „projekt-
übergreifenden Lernens“ beitragen. Ayas und Zeniuk (2001, S. 64) definieren den Begriff
wie folgt: „Project-based learning […] aims to contribute to the evolution of a culture where
project members engage in understanding the underlying system dynamics and unintend-
ed consequences of fire fighting that project work may require.” Empirische Untersuchun-
gen der organisationalen Praxis des projektübergreifenden Lernens zeigen jedoch auch,
dass das hehre Ziel einer Wissensvermittlung über Projekte hinweg in vielen PBOs u.a.
durch eine Organisationskultur des Zeitdrucks und kurzfristigen Denkens, durch eine
übermäßige Fokussierung auf IT-basierten Lösungen wie auch durch Kommunikations-
132 Dennis Schoeneborn

schwierigkeiten innerhalb und zwischen Projektteams erschwert werden kann (z.B. Kee-
gan/Turner 2001; Newell et al. 2006; Swan et al. 2010).

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Literatur zum projektübergreifenden Ler-
nen mit PBOs eine zunehmend bedeutsame Organisationsform in den Blick nimmt und
zugleich wichtige empirische Befunde zu den Schwierigkeiten des projektübergreifenden
Lernens in der Unternehmenspraxis zutage gefördert hat. Nichtdestotrotz lässt sich dieser
Literaturzweig jedoch in zweierlei Hinsicht kritisieren: Erstens sind die genannten Arbeiten
durch einen vergleichsweise geringen Grad an Theorieentwicklung gekennzeichnet. Es
dominieren fallbasierte Vergleichsstudien (z.B. Keegan/Turner 2001; Newell et al. 2006), in
denen jeweils eine Liste von Problemlagen zutage gefördert wird, die das projektüber-
greifende Lernen in der organisationalen Praxis erschweren (z.B. „short-termism“ Garrick/
Clegg 2001; Keegan/Turner 2001). Was dagegen weitgehend unterbleibt, ist eine Einbettung
dieser Erkenntnisse in einen umfassenden Theorierahmen, der eine Systematisierung und
tiefer gehende Erklärung der identifizierten Problemlagen erlaubt.

Zweitens ist kritisch anzumerken: Zwar wurden Kommunikationsaspekte als wesentliches


Erschwernis projektübergreifenden Lernens identifiziert (z.B. Keegan/Turner 2001, S. 74) –
was gerade angesichts der Wichtigkeit persönlicher und medienvermittelter Kommuni-
kation zur Vermittlung von Wissen zwischen Organisationsmitgliedern passend erscheint
(vgl. Schreyögg/Noss 1995, S. 181 f.) – jedoch greifen die Arbeiten dieses Literaturzweigs
überwiegend auf einen unzureichend komplexen Kommunikationsbegriff zurück, dem-
nach Wissen mittels Kommunikation zwischen Sender und Empfänger ähnlich Paketen
übertragen werden kann. Diese Vorstellung von Kommunikation zeigt sich zum Beispiel an
einem starken Fokus der bestehenden Literatur auf die „Kodifizierung“ projektgenerierten
Wissens in textlicher Form (z.B. Boh 2007; Brady/Davies 2004). Diese Kommunikations-
auffassung widerspricht dabei allerdings dem gegenwärtigen Kenntnisstand der Kommu-
nikationsforschung. Hier wird Kommunikation vielmehr als komplexer Prozess wech-
selseitiger Sinnverhandlung verstanden (z.B. Axley 1984; Cooren 2012; Luhmann 1992).

Zur Weiterentwicklung der Forschung zum projektübergreifenden Lernen schlage ich da-
her vor, die bestehende Literatur zum projektübergreifen Lernen auf Grundlage eines
komplexeren Kommunikationsverständnisses anzureichern. Beispielsweise wird ein sol-
cher erweiterter und prozesshafter Kommunikationsbegriff in jüngeren Arbeiten zur „Wis-
senskommunikation“ vertreten (z.B. Mengis/Eppler 2008; Reinhardt/Eppler 2004). Diese
Arbeiten betonen die Wichtigkeit interaktiver Kommunikationsprozesse zur Ermöglichung
des Wissensaustauschs in Organisationen. In meinem Beitrag möchte ich diese wichtigen
Vorarbeiten ergänzen, indem ich auf jüngste Arbeiten aus der Organisationskommuni-
kationsforschung zurückgreife, die von einer grundsätzlichen kommunikativen Konstituie-
rung von Organisationen ausgehen.
PowerPoint und die Einkapselung von Prozessualität im projektübergreifenden Lernen 133

2.2 Ein kommunikationszentrierter Blick auf


projektübergreifendes Lernen
In diesem Abschnitt schlage ich eine Neubetrachtung des projektübergreifenden Lernens
durch Anwendung einer kommunikationszentrierten Theorieperspektive vor. Diese Pers-
pektive firmiert in jüngster Zeit unter dem Label „CCO“ („communication as constitutive
of organizations“) und findet zunehmende Aufmerksamkeit in Fachzeitschriften der inter-
nationalen Management- und Organisationsforschung (z.B. Ashcraft et al. 2009; Cooren et
al. 2011). Verfechter des CCO-Ansatzes begreifen Organisationen primär als Netzwerke aus
miteinander verknüpften Kommunikationsprozessen und -ereignissen (z.B. Taylor et al.
1996). Ganz ähnlich hatte diese Sichtweise bereits Kieser (1998) – in einer Abwandlung der
bekannten Kleist‘schen Formulierung – als „allmähliche Verfertigung der Organisation
beim Reden“ zum Ausdruck gebracht. Die CCO-Perspektive regt dabei einen Blickwechsel
an: weg vom Fokus auf die individuellen Organisationsmitglieder und hin zu Kommunika-
tionsprozessen und -ereignissen (z.B. Meetings, Email-Korrespondenzen etc.) als primärer
Analyseeinheit. Dieser Theorieansatz trägt somit zur Organisationsforschung bei, indem er
das Augenmerk auf besondere Problembereiche lenkt, die erst durch die konsequente
Kommunikationszentrierung in den Blick geraten.

Die CCO-Perspektive hat ihre Ursprünge im nordamerikanischen Forschungsgebiet „Or-


ganizational Communication“, das an der Schnittstelle zwischen Organisations- und Kom-
munikationsforschung angesiedelt ist. Wichtigste Vertreter dieser Theorieperspektive sind
die Forscher der „Montréal School of Organizational Communication“ (z.B. Cooren et al.
2006; Robichaud et al. 2004; Taylor/van Every 2000, 2011). Taylor und van Every (2000)
konzipieren Organisationen als fortwährendes Wechselspiel aus Konversationsereignissen
einerseits (in welchen die Organisation in situ hervorgebracht wird) und deren Verschriftli-
chung bzw. „Vertextlichung“ andererseits (durch die Konversationen erst ihre konkreten
örtlichen und zeitlichen Entstehungskontext überschreiten können). Erst durch die Auf-
zeichnung und Textform gewinnen Organisationen überdauernden Charakter (Kuhn 2008).
Jüngste Publikationen (z.B. Brummans et al. im Druck; Cooren et al. 2011; Schoeneborn
2011) zeigen dabei auf, dass die CCO-Perspektive deutliche Parallelen zur Theorie sozialer
Systeme nach Luhmann (1984, 2000; Seidl/Becker 2005) aufweist. Ebenso wie die Vertreter
der Montréal School geht Luhmann (2000) von einer fundamentalen Konstituierung der
Organisation durch Kommunikationsereignisse (und hierbei speziell Entscheidungskom-
munikationen) aus.

Ich wähle die CCO-Perspektive als theoretischen Rahmen für eine Neubetrachtung pro-
jektübergreifenden Lernens aus drei wesentlichen Gründen: Erstens verstehen Autoren der
CCO-Perspektive Kommunikation als Prozess wechselseitiger Sinnverhandlung (z.B. Coo-
ren 2012). Diese Arbeiten vermögen daher den emergenten und komplexen Charakter von
Kommunikation besser zu erfassen – im Vergleich zum Transmissionsmodell der Kommu-
nikation (Axley 1984), das in der Literatur zum projektübergreifenden Lernen (mindestens
implizit) vorherrschend ist, wie oben bereits dargelegt.
134 Dennis Schoeneborn

Zweitens begreift die CCO-Perspektive Organisationen – dank ihres Fokus auf Kommuni-
kationsereignisse als deren Kernelemente (Ashcraft et al. 2009, S. 7) – als inhärent prekäre
Phänomene. Dieser Sichtweise zufolge bestehen Organisationen mit Kommunikationser-
eignissen letztlich als aus etwas sehr Flüchtigem. Sprachäußerungen verschwinden unmit-
telbar nach deren Ausführung (Hernes/Bakken 2003), es sei denn sie gewinnen eine Verste-
tigung durch Aufzeichnung oder Verschriftlichung oder aber in der Erinnerung der an der
Kommunikation beteiligten Individuen (Kuhn 2008). Dieses prozesshafte Bild von Organi-
sationen (Cooren et al. 2011, S. 1150) erlaubt es zugleich, bestehende Probleme des projekt-
übergreifenden Lernens (z.B. bei Keegan/Turner 2001; Newell et al. 2006) vor allem als
Problem der Verknüpfung bzw. Anschlussfähigkeit zwischen Kommunikationsereignissen
zu fassen.

Drittens lenkt die CCO-Perspektive den Blick nicht allein auf einen Problembereich, son-
dern zugleich auch auf dementsprechende Erklärungsansätze (vgl. Kuhn 1962, der dies als
eine wesentliche Eigenschaft wissenschaftlicher Paradigmen beschreibt). Aus der CCO-
Perspektive können zwei wichtige Voraussetzungen für die Ermöglichung von Anschluss-
fähigkeit abgeleitet werden: Zum einen erfordert dies, dass diese vergangenen Kommuni-
kationsereignisse als solche sichtbar werden. Mit anderen Worten: Es kann nur dann an
vergangene Episoden (z.B. Projekte und die darin getroffenen Entscheidungen) angeschlos-
sen werden, wenn diese zuvor in ihrer Temporalität, Prozesshaftigkeit und innewohnenden
Alternativität („Kontingenz“) aufgefächert wurden (vgl. Luhmann 2000; Nassehi 2005;
Seidl 2005). Dieser Befund weist interessante Parallelen zu Arbeiten aus dem projektüber-
greifenden Lernen auf, welche die Wichtigkeit von Prozess- gegenüber Ergebnislernen
unterstreicht (z.B. Newell et al. 2006). Zum anderen betonen Cooren und Fairhurst (2009) in
Antwort auf die Frage nach der Verstetigung und Stabilisierung von Organisationen als
Kommunikationsphänomene die Wichtigkeit materieller Entitäten wie z.B. Texte, Tools
und weitere Artefakte. So ist es gerade die Kommunikationsmodalität des „Texts“ (im
Kontrast zu eher flüchtigen „Konversationen“, Taylor/van Every 2000), die es Kommunika-
tionsereignissen erlaubt, über ihren konkreten zeitlichen und örtlichen Entstehungskontext
hinaus Wirkung zu entfalten (vgl. Ricœur 1981). In dieser Hinsicht ähnelt die CCO-
Perspektive allgemeineren Theorien sozialer Praktiken (z.B. Reckwitz 2002; Schatzki 2006;
hierbei insbesondere Arbeiten zu „soziomateriellen“ Praktiken, z.B. Barad 2007; Orlikowski
2007).
PowerPoint und die Einkapselung von Prozessualität im projektübergreifenden Lernen 135

2.3 Die Rolle von PowerPoint im


projektübergreifenden Lernen
Basierend auf diesen Darlegungen zur CCO-Perspektive möchte ich in einem nächsten
Schritt das Phänomen des projektübergreifenden Lernens einer entsprechenden, kommuni-
kationszentrierten Neubetrachtung unterziehen. Die Anwendung der CCO-Perspektive
legt es nahe, vor allem jene materialisierten Praktiken in den Blick zu nehmen, die in der
Praxis von PBOs eine Wissensannäherung über Projekte hinweg ermöglichen sollen. Yates
und Orlikowski regen in diesem Zusammenhang an, zwischen „Medien“ und „Genres“ der
Organisationskommunikation zu unterscheiden (Orlikowski/Yates 1994; Yates/Orlikowski
1992): Während man unter „Medien“ die eigentlichen Kommunikationsinstrumente (also
z.B. Telefon, Emails, PowerPoint, etc.) versteht, bezeichnet der Begriff des „Genres“ wie-
derkehrende Anwendungspraktiken des Mediums (z.B. die durch vorherige Anwendungs-
praktiken bereits stark vorgeprägte Grundstruktur eines Geschäftsbriefs). In den Worten
der Autorinnen:

„A genre of organizational communication (e.g., a recommendation letter or a proposal) is a


typified communicative action invoked in response to a recurrent situation. The recurrent situ-
ation or socially defined need includes the history and nature of established practices, social re-
lations, and communication media within organizations” (Yates/Orlikowski 1992, S. 301).

Wenn wir nun typische Medien der projektübergreifenden Kommunikation im projekt-


übergreifenden Lernen betrachten, sticht die Dominanz sogenannter „Slideware“ ins Auge,
d.h. von Software zur Erstellung elektronischer Präsentationen wie z.B. Microsoft Power-
Point (Yates/Orlikowski 2007). Die allgegenwärtige Nutzung von PowerPoint in der Orga-
nisationskommunikation wurde in den letzten Jahren in verschiedenen Arbeiten kritisch
beleuchtet (z.B. Gabriel 2008; Tufte 2003). Beispielsweise argumentiert Tufte (2003) in einem
provokativen Aufsatz, dass der Einsatz von PowerPoint dazu verleitet, ein aufmerksam-
keitserzeugendes Format und Layout stärker zu gewichten als die eigentlichen Inhalte.
Typische Charakteristika von PowerPoint-Präsentationen seien laut Tufte (2003) die aus-
giebige Verwendung textlich verknappter Stichpunktlisten, graphischen Elementen und
Bildern, sowie vergleichsweise großen Schrifttypen. Dabei zeige sich zugleich die Tendenz
zur Simplifizierung von Inhalten: „A PowerPoint slide typically shows 40 words, which is
about 8 seconds worth of silent reading material” (Tufte 2003, S. 12). Tufte illustriert die
Relevanz seiner Einschätzungen, indem er auf das Beispiel von NASAs Columbia-Raum-
fähren-Absturz aus dem Jahr 2003 verweist. So legt er dar, dass die Verwendung von
PowerPoint in der projektübergreifenden Kommunikation und Dokumentation zu einer
Unterschätzung des entscheidenden Fehlers führte (der sich letztlich auf der vierten Sub-
ebene einer Stichpunktliste versteckte), was mithin den fatalen Unfall begünstigte (Tufte
2003, S. 8).

Im Kontrast zu Tufte (2003) hinterfragen weitere Autoren dieses Literaturzweigs (z.B.


Kaplan 2011; Yates/Orlikowski 2007) die Einschätzung, dass solche negativen Effekte allein
auf die Eigenschaften von PowerPoint als Medium der Organisationskommunikation zu-
rückgeführt werden können. Sie argumentieren stattdessen, dass vielmehr die etablierten
136 Dennis Schoeneborn

Anwendungspraktiken des Mediums in Betracht gezogen werden müssen (d.h. dem „Gen-
re“ Yates/Orlikowski 1992). Mehrere Studien (z.B. Kaplan 2011; Stark/Paravel 2008; Yates/
Orlikowski 2007) heben beispielsweise hervor, dass PowerPoint nicht allein zur Unterstüt-
zung von Face-to-Face-Präsentationen eingesetzt wird, sondern zunehmend auch zu Do-
kumentationszwecken. So zeigen Stark und Paravel (2008) auf, dass PowerPoint-Präsenta-
tionen oftmals als digitale Dokumente zirkulieren. Yates und Orlikowski (2007) betonen
darüber hinaus, dass PowerPoint-Präsentationen in PBOs zunehmend das klassische Pro-
jektbericht-Genre verdrängen, dies insbesondere in Beratungsunternehmen: „We have […]
found that in many consulting firms, the written report that traditionally served as a final
deliverable to the client (sometimes in conjunction with an oral presentation) has been
replaced with a PowerPoint deck” (Yates/Orlikowski 2007, S. 79).

Wenn jedoch PowerPoint-Präsentation zunehmend auch als (digital verteilte oder ausge-
druckte) Projektberichte Einsatz finden, kann es zu einem Konflikt zweier Genre-Funk-
tionen kommen: Während im Anwendungskontext der Face-to-Face-Präsentation (z.B. von
Unternehmensberatern gegenüber ihren Klienten) PowerPoint primär zur Unterstützung
der mündlichen Rede dient, stellen sich unterschiedliche Anforderungen im Anwendungs-
kontext des schriftlichen Projektberichts, d.h. sobald PowerPoint als hauptsächliche schrift-
liche Quelle dessen dient, wie ein Projekt abgelaufen ist und was seine wesentlichen Ergeb-
nisse waren. Yates und Orlikowski führen hierzu aus:

„[The] deck of PowerPoint slides is expected to serve two different purposes: first, to function
as a visual aid supporting an oral (informal) presentation; and second, to perform as a stand-
alone deliverable (in many cases the only deliverable) reporting the results and conclusions of
a project. PowerPoint texts created with this dual purpose typically have too much content to
be effective presentation aids […] and too little content and context […] to fulfill expectations
for the report genre“ (Yates/Orlikowski 2007, S. 79).

Für die weitere Untersuchung soll PowerPoint im Spannungsfeld ebendieser beiden An-
wendungskontexte und ihren jeweiligen Anforderungen betrachtet werden, d.h. in seinem
Einsatz entweder als unterstützendes Tool für Face-to-Face-Präsentationen oder als „stand-
alone deliverable“ bzw. Projektbericht. Wenden wir uns zunächst dem Anwendungskon-
text der Projektdokumentation zu: Aus der Literatur zum organisationalen Lernen lassen sich
bestimmte Anforderungen an Medien und Genres der Organisationskommunikation ablei-
ten, wenn sie zum projektübergreifenden Lernen eingesetzt werden. Newell und ihre Kol-
legen (2006) betonen beispielsweise die Wichtigkeit einer Sichtbarmachung und Reflexion
des Projektablaufs, um neben dem reinen Ergebnislernen auch das Prozesslernen in PBOs
zu begünstigen. In dieser Hinsicht ähnelt der Ansatz dem „Learning from mistakes“-
Prinzip (z.B. nach Edmondson 1996; Zhao/Olivera 2006). Hierbei ist die zentrale Annahme,
dass der Lernwert aus Projekten nicht alleine in der Vermittlung von „Best Practices” und
„Success Stories” liegt, sondern gerade auch aus der Reflexion vergangener Fehler sowie
ungenutzter Alternativen. Kurzum: Dieser Ansatz impliziert, den Projektprozess gerade
auch hinsichtlich alternativer Entscheidungsmöglichkeiten kritisch zu beleuchten (vgl.
Schoeneborn 2008).
PowerPoint und die Einkapselung von Prozessualität im projektübergreifenden Lernen 137

Im Anwendungskontext der Face-to-Face-Präsentation stellen sich dagegen grundsätzlich


andere funktionale Anforderungen an PowerPoint. In Anlehnung an die Befunde von Tufte
(2003) ist zu erwarten, dass die PowerPoint-Folien typischerweise Merkmale aufweisen wie
eine starke textliche Verdichtung und einen hohen Anteil graphischer Elemente, um so am
wirkungsvollsten die mündliche Rede unterstützen zu können. In diesem Zusammenhang
dominieren also Anforderungen der Persuasion und des „Impression Management“ (vgl.
Gabriel 2008), d.h. die auf unmittelbare und wirkungsvolle Überzeugung der Zuhörerschaft
abzielen. Wie in PowerPoint-Ratgeberbänden empfohlen, kann dies z.B. durch „Action
Titles“ erzielt werden (d.h. als Handlungsimperative formulierte Folienüberschriften, die
sich im Idealfall zu einer konsistenten Gesamt-Storyline fügen; siehe z.B. Wolf 2004). Hier
zeigt sich ein deutlicher Kontrast zum Anwendungskontext der Projektdokumentation:
Während die Dokumentierung vergangener Projekte zur Steigerung des Lernwerts eher ein
Auffächern von Komplexität erfordert, verlangt die Face-to-Face-Präsentation dagegen eher
eine Reduktion von Komplexität und Kontext auf den Folien. Der folgende Abschnitt stellt
daher eine empirische Studie vor, in welcher PowerPoint im Spannungsfeld der beiden
Anwendungskontexte beleuchtet wird.

3 Empirische Untersuchung
3.1 Methodisches Vorgehen
Um zu ergründen, inwieweit das in Projekten generierte Wissen innerhalb von PBOs über
die Projektgrenzen hinweg tatsächlich sichtbar und anschlussfähig wird, habe ich die Prak-
tiken des projektübergreifenden Lernens bei einer multinationalen Unternehmensberatung
im Rahmen einer mehrmethodischen Fallstudie empirisch untersucht (hierzu ausführlicher
Schoeneborn 2008). Das Fallunternehmen gehört zu den weltweit größten Vertretern seiner
Branche und setzt einen besonderen Schwerpunkt auf IT-basierten Beratungslösungen. Wie
gerade bei Beratungsunternehmen üblich, weist das Unternehmen ausgeprägte Praktiken
des Wissensmanagements und projektübergreifenden Lernens auf (vgl. Werr/Stjernberg
2003). Die Wahl des Fallunternehmens folgte dabei dem Ziel, ein vergleichsweise typisches
Exemplar für die Branche der Unternehmensberatungen wie auch für PBOs im weiteren
Sinne zur Untersuchung heranzuziehen.

Die Fallstudie umfasste zwei wesentliche Formen der Datenerhebung: Erstens wurde mir
im Rahmen einer dreimonatigen Hospitanz Zugang zur Wissensmanagement-Abteilung
des Unternehmens gewährt. Dies beinhaltete u.a. den Zugriff auf zwei unternehmenswei-
ten elektronischen Datenbanken, die zum Zwecke des projektübergreifenden Lernens ein-
gerichtet worden waren und die allen Beratungsmitarbeitern des Unternehmens weltweit
zur Verfügung standen. Die Beraterinnen und Berater waren dazu angehalten, für jedes
abgeschlossene Projekt einen Datenbankeintrag mit wichtigen Eckdaten anzulegen (z.B.
Kunde, Auftrag, Projektzeitraum, beteiligte Berater, etc.) sowie weitere wesentliche Infor-
mationen beizufügen (z.B. in Form angehängter Projektdokumente wie PowerPoint-basier-
138 Dennis Schoeneborn

ten Klientenpräsentationen oder Excel-Tools), die potenziell für künftige Beratungsprojekte


hilfreich sein könnten. Die beiden Datenbanken umfassten zusammen etwa 6400 Pro-
jekteinträge. Zur Gewinnung eines handhabbaren Sets an Dokumenten habe ich eine rand-
omisierte Stichprobenauswahl vorgenommen (d.h. durch Nummerierung der Projektein-
träge und Auswahl per Zufallszahlenverfahren). Durch diese Vorgehensweise gewann ich
640 Projekteinträge, von denen sich schlussendlich 565 als auswertbar erwiesen, d.h. sie
umfassten mindestens ein angehängtes Projektdokument, das über die Eingabe reiner Ba-
sisdaten hinausging.

Die Auswertung der Projektdokumente folgte der Methodik der Inhaltsanalyse (Krippen-
dorff 1980; Mayring 2000). Die Methodik erlaubt die longitudinal-vergleichende Untersu-
chung von wiederkehrenden Inhalten oder Textstrukturen in schriftlich niedergelegten
Dokumenten. Im konkreten Forschungszusammenhang stellte sich jedoch die methodolo-
gische Herausforderung, dass sich weder eine rein quantitative Inhaltsanalyse (z.B. Früh
2007) noch eine rein offen codierende, qualitative Textauswertung (gemäß der „Grounded
Theory“ nach Glaser/Strauss 1967) als gegenstandsadäquat erwies. Denn einerseits war eine
Erfassung von (qualitativem) Kontextwissen erforderlich, um die Sichtbarmachung von
Entscheidungskontingenzen in den Projektdokumenten identifizieren zu können, was
gegen eine rein quantitativ-auszählende Herangehensweise sprach. Andererseits verhin-
derte die theoriegeleitete Anlage der Untersuchung eine rein qualitativ-induktive Vorge-
hensweise.

Folglich kam in meiner Studie eine Mischform aus deduktivem und induktivem Vorgehen
zum Einsatz. Um möglichst nah an den Anwendungspraktiken des Fallunternehmens zu
sein, nahm der Autor dabei im Rahmen einer dreimonatigen Hospitanz am Arbeits-
geschehen der Unternehmensberatung teil. Die Auswertung der Dokumente erfolgte dabei
in der Rolle eines „expertise-seeking novice“ (Markus 2001), d.h. als sei ein Neueinsteiger
im Unternehmen (z.B. ein Praktikant oder Junior Consultant) vor die Herausforderung
gestellt worden, zunächst anhand der reinen Dokumentenschau vergangene Projekte ähnli-
cher Art zu identifizieren und deren Herangehensweise nachzuvollziehen (wie die qualita-
tiven Interviews mit den Beratern bestätigten, sei dies in der Praxis eine sehr übliche Vor-
gehensweise gerade in der Anbahnungs- bzw. Anfangsphase eines Projekts; vgl. nähere
Ausführungen unten). Die Auswertung der Dokumente diente insbesondere dazu nachzu-
vollziehen, wie ein Projekt abgelaufen war und wie es zu ebenjenen Entscheidungen im
Projektprozess kam, die zu den dargestellten Projektergebnissen geführt hatten. Auf Basis
der Literatur zum organisationalen Lernen lassen sich drei Stufen der Sichtbarmachung
von Projektprozessen unterscheiden und zur vergleichenden Analyse der Projektdokumen-
te heranziehen.

Die Erfüllung der ersten Stufe der Sichtbarmachung des Projektprozesses entscheidet sich
an der Frage, ob und inwieweit das Projektdokument überhaupt den Projektablauf selbst
thematisierten und damit zum potenziellen Gegenstand von Reflexion und Hinterfragung
machten (vgl. die grundlegenden Praktiken zur Ermöglichung von „double-loop learning“
nach Argyris/Schön 1978 bzw. „second order learning“ nach Bateson 1972). Für den Kodie-
rungsprozess der Inhaltsanalyse bedeutete dies, all jene Inhalte der ersten Stufe zuzuord-
PowerPoint und die Einkapselung von Prozessualität im projektübergreifenden Lernen 139

nen, die nicht allein die Klientensituation, sondern auch den Projektablauf in selbst-
reflexiver Form thematisierten. Die zweite Stufe der Sichtbarmachung des Projektprozesses
setzt eine Erfüllung der ersten Stufe voraus: Hierbei wurden all jene Projektdokumente
einbezogen, die den Projektprozess nicht allein thematisierten, sondern darüber hinaus
auch kritisch reflektierten, d.h. z.B. auf Schwierigkeiten, Hindernisse oder Fehler hinwiesen.
Diese Stufe gründet im „Learning from mistakes“-Prinzip (z.B. Edmondson 1996; Zhao/
Olivera 2006), demnach der Lernwert aus vergangenen Fehlern höher ist als aus einem
reinen Fokus auf „Best Practices“ oder „Success Stories“ (vgl. obige Darlegungen). Die
dritte Stufe der Sichtbarmachung des Projektprozesses baut auf einer Erfüllung der ersten
Stufe auf, nicht aber zwingend der zweiten: Hierbei wurde kodiert, inwieweit über die
reine Thematisierung des Projektablaufs hinaus eine explizite Auffächerung von Entschei-
dungsalternativen gegeben war (vgl. Luhmann 2000; Seidl 2005), da dies nachfolgenden
Mitarbeitern am ehesten ermöglicht, an Einzelentscheidungen aus vergangenen Projekt-
prozessen (incl. allenfalls ausgeschlossener Alternativen) anschließen zu können. Typische
Indikatoren für diese Stufe im Datensatz waren Formulierungen wie z.B. „alternatives
considered but not pursued“ oder „what aspects of the process could/should we have done
differently“.

Zur ergänzenden Untersuchung der Dokumente habe ich eine sogenannte Genreanalyse
angewandt – eine Methodik, die auf die Sprachwissenschaften zurückgeht (z.B. Bhatia
1993, 2004) und in der Organisations- und Managementforschung insbesondere durch die
Arbeiten von Yates und Orlikowski (1992) zunehmende Bekanntheit erlangte. Diese Analy-
se diente dem Ziel, anhand von wiederkehrenden sprachlichen und formalen Elementen
typische Unterformen des PowerPoint-Genres zu identifizieren, die sich hinsichtlich der
Sichtbarmachung des Projektprozesses unterscheiden lassen. Die Identifikation von Genres
erfolgte in einem iterativen, qualitativ-verstehenden Prozess der Zuordnung von ähnlichen
PowerPoint-Dokumenten (z.B. gemäß wiederkehrenden Elementen wie einheitlicher Struk-
tur oder Layout oder wesensähnliche Inhalte wie „Lessons Learned“) sowie der anschlie-
ßenden Verdichtung zu Subgenres. Die Benennung der Subgenres erfolgte durch soge-
nannte „in-vivo codes“ (Strauss/Corbin 1990), d.h. anhand von Begriffen, welche den
Handlungskontexten der Untersuchten selbst entstammten.

Um die Ergebnisse der Dokumentenanalysen kontextuell einzuordnen, habe ich zudem 14


qualitative, teilstrukurierte Interviews mit Unternehmensmitarbeitern durchgeführt. Die
Befragten waren allesamt unmittelbar in den Projektdokumentierungsprozess involviert,
sei es als Berater (sieben Befragte) oder aber als Mitarbeiter der Wissensmanagement-
Abteilung (weitere sieben Befragte). Die Auswahl der Befragten folgte dabei dem Prinzip
des „purposeful sampling“ (Glaser/Strauss 1967, S. 45), d.h. es wurden möglichst unter-
schiedliche Interviewpartner ausgewählt (z.B. hinsichtlich Hierarchiegraden oder Lokati-
on), um eine größtmögliche Varianz auszuleuchten (so wurde z.B. nach Befragung eines
Junior Consultants zur Maximierung der Varianz als nächstes ein Partner der Unterneh-
mung ausgewählt). Die Durchführung folgte der Methodologie des problemzentrierten
Interviews (Witzel 2000), d.h. die Befragten wurden mit der untersuchungsleitenden Prob-
lemstellung konfrontiert, die direkt an ihre Lebenswelt und Handlungspraktiken anknüpft
– in diesem Falle also, wie und auf welchen Wegen Berater in die Lage versetzt werden,
140 Dennis Schoeneborn

den Prozess vergangener Projekte nachvollziehen zu können. Diese Methode weist eine
starke Passung zu unserer theoriegeleiteten Herangehensweise auf: Im Kontrast zu rein
induktiven „Grounded Theory“-Ansätzen geht Witzel (2000) in seinem Ansatz davon aus,
dass der Forscher den theoretischen Überbau weder bewusst ausschalten kann noch dies
tun sollte. Die Auswertung der Interviews erfolgte mittels „axialem Kodieren“ (Strauss/
Corbin 1990), um wiederkehrende Themen über die Interviews hinweg zu identifizieren
und zu vergleichen.

3.2 Ergebnisse der Dokumentenanalysen:


Die Sichtbarmachung von Projektprozessen
mittels PowerPoint
Als ein erstes wichtiges Ergebnis bestätigte die Untersuchung die Vorannahme der Domi-
nanz von PowerPoint als Genre der Organisationskommunikation (Tufte 2003; Yates/
Orlikowski 2007). Von den 565 analysierten Projektdokumenten waren tatsächlich 492 (d.h.
87 Prozent) PowerPoint-Präsentationen. Dieser Befund kann zugleich als weitere Bestäti-
gung der Annahme von Yates und Orlikowski (2007) gewertet werden, dass PowerPoint-
Präsentationen zunehmend das klassische Projektbericht-Genre ablösen. Dieser Eindruck
wird noch verstärkt durch Zitate aus den Interviews. So bezeichnete einer der Befragten,
ein Berater, PowerPoint als „all-in-one weapon of the consultant’s work – and justifiably so;
it’s simply the best tool for getting complex topics across when time is tight.“ Eine Berater-
Kollegin pflichtete bei: „There is almost no work-related communication among consultants
which does not involve PowerPoint at some point.“

In einem zweiten Schritt wurden diese Befunde durch die Anwendung der Genreanalyse
weiter detailliert (Bhatia 1993, 2004; Orlikowski/Yates 1994). Auf Basis der Analyse ließen
sich drei wesentliche Subgenres von PowerPoint in der Projektdokumentation identifizie-
ren, die so auch dem Erfahrungshorizont der Praktiker im Feld entsprachen: Das erste
Subgenre, das am ehesten den offiziellen Zweck der unternehmensweiten Projektdaten-
banken bediente, d.h. die Förderung des Austauschs von Lernwerten aus vergangenen
Projekten, waren die sogenannten „Lessons-Learned“-Dokumente. Jedoch entsprachen
insgesamt lediglich drei Prozent der Dokumente im Datensatz diesem Subgenre (n = 16).
Die PowerPoint-Präsentationen dieser Art beinhalteten eine explizite Reflexion des Pro-
jektprozesses und waren hierbei eindeutig an eine unternehmensinterne Leserschaft gerich-
tet. Weitere typische Merkmale waren die Verwendung von Stichpunktlisten, um Erfah-
rungswerte aus vergangenen Projekten mit den Beraterkollegen in verdichteter Form aus-
zutauschen. Interessanterweise waren die Dokumente jedoch nahezu ausschließlich in
einem positiven Grundtonus gehalten, d.h. nur in wenigen Fällen enthielten sie kritische
oder negative Einschätzungen. Oder aber es wurden potenziell kritische Punkte in positive
Floskeln verpackt – z.B. „create a good atmosphere” oder „change management is critical“.
Abbildung 1 zeigt ein typisches Beispiel des „Lessons-Learned“-Subgenres.
PowerPoint und die Einkapselung von Prozessualität im projektübergreifenden Lernen 141

Abb. 1: Beispiel-Slide des „Lessons Learned“-Subgenres

Das zweite Subgenre, die „Finalen Kundenpräsentationen“ macht bereits einen wesentlich
größeren Anteil des Datensatzes aus, d.h. 35 Prozent (n = 172). Dabei handelte es sich um
Dokumente, die in dieser Form auch gegenüber dem Kunden präsentiert und/oder diesem
ausgehändigt wurden. Typische Indikatoren hierfür waren die explizite Nennung eines
Präsentationsdatums und -orts, die Verwendung von Animationseffekten oder der Einbe-
zug sogenannter „Action Titles“ auf jeder Folie. Kennzeichnend für dieses Genre ist also,
dass sie primär für die (externe) Kommunikation gegenüber dem Kunden, nicht aber für
den (internen) Wissensaustausch mit Kollegen erstellt worden sind. Die Praxis der Zweit-
verwertung derselben Dokumente auch für den internen Gebrauch wurde von den Inter-
viewten durch den starken Zeitdruck im Beratungsgeschäft gerechtfertigt: „Essentially, we
are rushing from one project to the next“, wie es einer der Berater formulierte (vgl. Keegan/
Turner 2001). Zugleich aber kritisierten Interviewte den Nutzwert der Dokumente für den
Zweck des projektübergreifenden Lernens, da die Dokumente zumeist „blankpolierte”
Ergebnispräsentationen darboten, die jedoch den Entstehungskontext und -prozess weitge-
hend ausblendeten. Abbildung 2 zeigt ein prägnantes Beispiel des Subgenres der „Finalen
Kundenpräsentation“.
142 Dennis Schoeneborn

Abb. 2: Beispiel-Slide des „Finale Kundenpräsentationen“-Subgenres

Das dritte und bei weitem häufigste Subgenre waren allerdings die sogenannten „Zitatio-
nen“, die 62 Prozent des Datensatzes ausmachten (n = 304). Diese Dokumente bestanden
durchschnittlich aus nur einer bis maximal zwei Folien und enthielten teilstandardisierte
Elemente wie Informationen über den Klienten bzw. dessen Branche, die Problemstellung
sowie die entwickelte Lösung und die dadurch erzielten Erfolge. Der Zweck dieser stark
verdichteten Dokumente war primär die Wiederverwendung als Referenzen für die künfti-
ge Klienten- bzw. Projektgewinnung. Wie die Interviews mit den Beratern bestätigten,
konnten Folien wie diese hilfreich verwendet werden, z.B. indem sie via „Copy-and-paste“
in den Anhangsteil von Präsentationen zur Gewinnung von Klienten eingebaut werden,
um die Erfahrung des Unternehmens in bestimmten Branchen oder Themen durch Bei-
spielreferenzen zu belegen. Abbildung 3 zeigt ein typisches Beispiel des Subgenres der
„Zitationen“.
Interessanterweise wurden die Datenbanken, die zum Zwecke des Erfahrungsaustauschs
über vergangene Projekte eingerichtet worden waren, also von einem Subgenre dominiert,
das primär auf die Gewinnung künftiger Projekte ausgerichtet ist (also eher prospektiven
denn retrospektiv-reflektierenden Zwecken diente). Die drei Subgenres von PowerPoint in
der Projektdokumentation können nun verglichen werden anhand der Frage, inwieweit sie
zur Sichtbarmachung des Projektprozesses und dessen Alternativität über den konkreten
Projektkontext hinweg beitragen (vgl. Abb. 4).
PowerPoint und die Einkapselung von Prozessualität im projektübergreifenden Lernen 143

Abb. 3: Beispiel-Slide des „Zitationen“-Subgenres

Abb. 4: PowerPoint-Subgenres und die Sichtbarmachung des Projektprozesses


144 Dennis Schoeneborn

Abbildung 4 zeigt auf der vertikalen Achse die proportionale Verteilung der drei Subgenres
im Datensatz (Teilstichprobe der PowerPoint-Dokumente; n = 492). Die horizontale Achse
bildet dagegen die drei Stufen der Sichtbarmachung des Projektprozesses ab. Auf der ersten
Stufe zeigt sich, dass nur die beiden Subgenres „Lessons Learned“ sowie „Finale Kunden-
präsentationen“ überhaupt den Projektablauf thematisierten, was ich als kennzeichnend für
die erste Stufe definiert hatte (siehe oben). Das dritte Subgenre, die „Zitationen“, gaben
stattdessen in sehr verdichteter Form die Ergebnisse vergangener Projekte wider, ohne
jedoch den dahinterliegenden Projektprozess sichtbar zu machen. Auf der zweiten Stufe
ergibt sich ein weiter differenziertes Bild: Obschon die beiden ersten Subgenres Elemente
der ersten Stufe aufwiesen, enthielten nur ein Bruchteil dieser auch kritische bzw. negative
Reflexionen des Projektprozesses (8 Prozent; n = 39). Die dritte Stufe der expliziten Sicht-
barmachung von Alternativen im Entscheidungsprozess wird dagegen insgesamt nur von
einem sehr geringen Anteil der Dokumente im Datensatz erreicht (1 Prozent; n = 7).

3.3 Ergänzende Kontextualisierung durch die


qualitativen Interviews
Wie im Methodenteil dargelegt, wurden die Befunde der Genreanalyse zudem durch die
Ergebnisse der qualitativen Interviews angereichert. Die Interviews liefern einerseits Indi-
zien für eine Ermöglichung, andererseits für eine Einschränkung des projektübergreifenden
Lernens durch PowerPoint. Zugleich erlauben die Interviews, die in den Datenbanken
vorfindbaren Dokumente in den weiteren Kontext von Praktiken des projektübergreifen-
den Lernens im Fallunternehmen einzuordnen. Die folgende Darstellung der Interview-
ergebnisse ist nach dreierlei Praxiskontexten strukturiert, die von den Interviewten thema-
tisiert wurden: 1.) Praktiken der Bereitstellung von Lerninhalten in den projektübergreifen-
den Datenbanken, 2.) Praktiken der Nutzung von Lerninhalten (dabei vor allem der
PowerPoint-Dokumente) aus den projektübergreifenden Datenbanken sowie 3.) weitere
Praktiken des projektübergreifenden Lernens im Fallunternehmen.

Praktiken der Bereitstellung von Lerninhalten in den projektübergreifenden Datenbanken


Die qualitativen Interviews boten zunächst einige Erkenntnisse über die Bereitstellung von
Lerninhalten und der Dominanz von PowerPoint in den projektübergreifenden Datenban-
ken des Fallunternehmens. Im Sinne einer Ermöglichung (vgl. Kaplan 2011; Stark/Paravel
2008) hoben die Interviewten hervor, dass es Einsatz von PowerPoint den Beratern gerade
auch die Dokumentationspflichten im zeitintensiven Alltag erleichtere. So konnten die
Berater vor allem Synergien mit jenen Präsentationen nutzbar machen, die ohnehin bereits
für den Kunden erstellt wurden (vgl. das Subgenre der „Finalen Kundenpräsentation“).
Dieselben zeitsparenden und synergetischen Praktiken der PowerPoint-Nutzung waren es
allerdings auch, die einer ausführlicheren, retrospektiven und kritischen Reflexion des
Projektprozesses vorgriffen. Die Berater legitimierten diese gängige Praxis der Zweitver-
wertung von PowerPoint im abweichenden Anwendungskontext der Projektdokumentati-
on durch die allgemeine „Rastlosigkeit“ des Beratungsgeschäfts (vgl. Garrick/Clegg 2001;
PowerPoint und die Einkapselung von Prozessualität im projektübergreifenden Lernen 145

Keegan/Turner 2001). So dominiere im Unternehmen die zentrale Zielvorgabe der „Billabi-


lity“, d.h. die Maximierung der Arbeitszeit vor Ort auf Kundenprojekten, die dem Kunden
entsprechend in Rechnung gestellt werden können. Das wiederum böte nur wenig Anreize
für eine entsprechende kritische Nachbereitung bzw. Nachlese von Projekten. Wie ein Bera-
ter es formulierte: „Eigentlich sollen wir fünf Tage die Woche beim Kunden sein. […] Das
Zusammenstellen von ‚Lessons Learned‘ ist schlichtweg nicht ‚billable‘ für uns als Berater.”

Diese relativ freie Interpretation der Dokumentationspflichten seitens der Berater wurde
von den Interviewten ferner dadurch erklärt, dass im Fallunternehmen ein nur geringer
Grad an Standardisierung und Durchsetzung der Dokumentierungspraktiken vorherrsche.
Wie ein Mitarbeiter der Wissensmanagement-Abteilung hervorhebt, ist dieser geringe
Standardisierungsgrad darauf zurückzuführen, dass das Beratungsunternehmen aus einer
Unternehmensübernahme entstanden war: „Es gibt definitiv viel Unsicherheit, was [in die
Datenbanken] eingestellt werden darf und was nicht. All das war viel besser geregelt bei
[Unternehmen, das im Zuge des Mergers übernommen wurde], als wir noch einen festen
Dokumentierungsprozess hatten.” Eine weitere Kollegin der Wissensmanagement-Abtei-
lung pflichtet bei und führt die Praxis einer sehr knapp gehaltenen Projektdokumentation
(z.B. mittels PowerPoint) ebenfalls auf das starke Wachstum des Unternehmens im Zuge
des Mergers zurück: „Back then [i.e. before the merger], we had a clear ‚end-of-project
knowledge capture‘ process that usually involved some form of ‚lessons learned‘ work-
shops, either in personal meetings or online. […] But after the mergers […], the group grew
from 300 to about 3,000 people. So the demands [regarding knowledge management] chan-
ged a lot.“ Diese Einschätzung der Interviewten richtet den Blick zugleich weg von den
Bereitstellungs- und hin zu den Nutzungspraktiken der projektübergreifenden Datenban-
ken. Die Nutzungsseite soll daher im Folgenden näher betrachtet werden.

Praktiken der Nutzung von Lerninhalten aus den projektübergreifenden Datenbanken


Obschon die Interviewten einerseits die Praktikabilität der Bereitstellung von PowerPoint-
Präsentationen zur Erfüllung der Dokumentierungspflichten hervorhoben, wiesen sie an-
dererseits aber zugleich auch auf deren vergleichsweise geringen Nutzwert hin, allein auf
Basis dieser Dokumente mehr über vergangene Projekte zu erfahren. Die Interviewten
betonten in diesem Zusammenhang, dass die unternehmensweiten Projektdatenbanken vor
allem zur Gewinnung, Vorbereitung und in der Initiierungsphase von Projekten konsultiert
werden, d.h. um allenfalls bestehende Vorerfahrungen im Unternehmen mit den Projektin-
halten (z.B. hinsichtlich Branche, Themenfokus oder angewandten Methoden) erfassen zu
können. Gerade die (stark textlich reduzierten) PowerPoint-Präsentationen böten jedoch
oftmals nicht genügend Kontextinformationen, um vergangene Projekte zu rekonstruieren.
Treffend stellt daher eine Mitarbeiterin der Wissensmanagement-Abteilung fest: „So far we
only create a pile of documents in the databases, but it is not […] put into context at all.“
Dieser Hinweis auf das Problem der Kontextreduzierung von PowerPoint im Anwen-
dungskontext der Projektdokumentation gleicht dabei den kritischen Einschätzungen von
Tufte (2003) wie auch von Yates und Orlikowski (2007).
146 Dennis Schoeneborn

Erneut wird in diesem Zusammenhang von einem Mitarbeiter der Wissensmanagement-


Abteilung der geringe Standardisierungsgrad und fehlende Prozesse der Qualitätssiche-
rung angeführt, um den mangelnden Nutzwert der Projektdatenbanken (sowie der darin
befindlichen PowerPoint-Dokumente) zu erklären: „Die Projektprofile [in den unterneh-
mensweiten Projektdatenbanken] hatten es seit jeher schwer […], weil der Content nicht
qualitativ validiert wurde vor der Publikation. So kam viel ‚Schrott’ in den letzten Jahren
dazu.” Dieses Zitat unterstreicht einmal mehr die Frustration der Unternehmensmitarbeiter
hinsichtlich der Verwertbarkeit in der PowerPoint-basierten Projektdokumentation des
Fallunternehmens. Angesichts dieser insgesamt kritischen Einschätzung des Lernwerts der
PowerPoint-Dokumente liegt es nahe, die unternehmensweiten Projektdatenbanken nur als
eine von vielfältigen Quellen zu verstehen, aus denen die Berater Wissen über vergangene
Projekte generieren. Einige solcher weiteren Quellen werden im Folgenden näher vorge-
stellt, um die Bereitstellungs- und Nutzungspraktiken des projektübergreifenden Lernens
in den weiteren Lernkontext des Fallunternehmens einordnen zu können.

Weitere Praktiken des projektübergreifenden Lernens im Fallunternehmen


Wenn also die direkte Verwertbarkeit der PowerPoint-Dokumente als sehr eingeschränkt
eingestuft werden muss, welche alternativen projektübergreifenden Lernformen bestehen
allenfalls darüber hinaus im Fallunternehmen? Hinsichtlich dieser Frage hoben die Inter-
viewten hervor, dass die PowerPoint-Präsentationen aus den unternehmensweiten Projekt-
datenbanken oftmals gar nicht zum direkten Lernen aus vergangenen Projekten genutzt
wurden, sondern vielmehr allein, um zunächst einen schnellen Überblick über vergangene
Projekte zu gewinnen und nur im Bedarfsfall mit den am Projekt beteiligten Beratern direkt
in Kontakt treten zu können. Wie ein Partner des Unternehmens es ausdrückte: „Mündliche
Kommunikation bleibt Kommunikationskanal Nummer eins.“ Dies deckt sich mit der Ein-
schätzung eines weiteren Beraters, dass informelle (persönliche) Netzwerke die stärkste
Wissensquelle im Unternehmen repräsentiere. Auf diese Weise könne, wenn schon nicht in
schriftlich dokumentierter Form, so doch zumindest in persönlichen Gesprächen der Pro-
jektprozess rekonstruiert werden (vgl. Fayard/Weeks 2007). Zum Zwecke des schnellen
Überblicks käme in diesem Zusammenhang dagegen gerade jene starke Verknappung
(Tufte 2003) vorteilhaft zum Tragen, die dem PowerPoint-Genre eigentümlich ist.

Die Interviews lieferten jedoch ebenfalls Indikationen, dass solche Möglichkeiten zur direk-
ten Interaktion auf Basis der Projektdokumente im Fallunternehmen nur in sehr einge-
schränktem Maße gegeben waren. Die Befragten führten dies wiederum auf die hohe Per-
sonalfluktuation im Beratungsgeschäft zurück, was die Wiederauffindbarkeit der am Pro-
jekt Beteiligten erschwerte, dies vor allem bei weit zurückliegenden Projekteinsätzen. Oft-
mals hatten die involvierten Berater das Unternehmen also bereits verlassen und waren
somit kaum mehr greifbar. Einzig waren meistens noch die Partner im Unternehmen ver-
blieben, unter deren Führung das Projekt durchgeführt worden war. Jedoch seien diese zu
weit vom operativen Tagesgeschäft entfernt, um den Projektprozess retrospektiv nachvoll-
ziehbar zu machen.
PowerPoint und die Einkapselung von Prozessualität im projektübergreifenden Lernen 147

Eine weitere primäre Informationsquelle zur Rekonstruktion vergangener Projekte – neben


den informellen Netzwerken und persönlichen Gesprächen – seien sogenannte „Projekt-
laufwerke“, wie mehrere der interviewten Berater betonten. Diese projekteigenen Daten-
banken unterschieden sich von den unternehmensweiten Projektdatenbanken dadurch,
dass sie nur einem beschränkten Nutzerkreis im Unternehmen zur Verfügung stünden, d.h.
üblicherweise allein den unmittelbar am Projekt beteiligten Beratern und Partnern. Via
Lotus Notes könne aber weiteren Beratern auf Anfrage und via Partner-Erlaubnis Zugriff
gewährt werden: „These databases can have 3 to 50 people participating, sometimes not
only the project team members but also other colleagues who ask for access“ (Interview-
aussage einer Beraterin). Im Kontrast zu den unternehmensweiten projektübergreifenden
Datenbanken wurden die Projektlaufwerke allerdings durchaus dazu genutzt, gerade auch
Zwischenversionen verfügbar zu machen. Diese Zwischenversionen wiederum erlaubten
den Entstehungsprozess vergangener Projekte nachvollziehen zu können und hieraus
Lernwert zu schöpfen (vgl. Newell et al. 2006) – dies im deutlichen Kontrast zu den Sub-
genres der „Finalen Kundenpräsentation“ bzw. der „Zitationen“, die im untersuchten Da-
tensatz dominierten.

Zusammenfassend lässt sich feststellen: Richtet man den Blick über die unternehmenswei-
ten Projektdatenbanken hinaus, so bestehen im Fallunternehmen durchaus lokale Inseln, in
denen projektübergreifendes Lernen stattfindet, sei es in Form von persönlichen, informel-
len Netzwerken oder durch Gewährung des ansonsten restriktiv gehandhabten Zugriffs
auf Projektlaufwerke. Interessanterweise erlauben diese alternativen Kommunikationswege
jedoch gerade nicht eine unternehmensweite Sichtbarkeit vergangener Projekte, die vom
Unternehmen durch die Einrichtung der projektübergreifenden Datenbanken angestrebt
war. Wie sich an der Genreanalyse zeigte, wurden diese unternehmensweiten Datenbanken
– in Unterwanderung ihrer eigentlichen Primärfunktion und -widmung (vgl. Corbett-
Etchevers/Mounoud 2011) – weniger zum Projektlernen als vielmehr zur Unterstützung der
Gewinnung neuer Projekte genutzt (was sich insbesondere im „Zitationen“-Subgenre
manifestierte). Angesichts der nur lokalen Sichtbarkeit von Projektprozessen und -wissen
verblieb die PBO hierbei jedoch zerklüftet – aller Anstrengungen der Wissensmanagement-
Abteilung zum Trotz.

4 Diskussion und Schlussfolgerungen


In diesem Beitrag habe ich eine kommunikationszentrierte Perspektive auf das projektüber-
greifende Lernen angewandt und damit die bestehende Literatur ergänzt (z.B. Ayas/Zeniuk
2001; Keegan/Turner 2001; Newell et al. 2006; Swan et al. 2010). Der Fokus auf Kommunika-
tion erlaubt, Herausforderungen des projektübergreifenden Lernens primär als Verknüp-
fung zwischen Kommunikationsereignissen zu rekonstruieren. Daher habe ich im Rahmen
einer Fallstudie bei einem multinationalen Beratungsunternehmen empirisch untersucht,
inwieweit vergangene Projekte durch die Dokumentierung in den unternehmensweiten
Datenbanken in ihrer Prozesshaftigkeit sichtbar und somit für nachfolgende Beratergenera-
tionen anschlussfähig werden.
148 Dennis Schoeneborn

Die empirische Untersuchung hat gezeigt, dass diese Sichtbarkeit von Projektprozessen
(über den Projektkontext hinaus) nur in den seltensten Fällen gegeben war. Die Prozesshaf-
tigkeit blieb somit quasi eingeschlossen im Projekt als temporärem Organisationszusam-
menhang und ging nach dessen Beendigung gleichsam mit diesem unter. Diese Praxis der
Unsichtbarmachung des Projektprozesses korrelierte im Fallunternehmen mit der Allge-
genwart des PowerPoint-Genres in der Projektdokumentation (vgl. Yates/Orlikowski 2007).
So fand ein Medium der externen Kommunikation (d.h. primär genutzt zur Erstellung von
Präsentationen gegenüber Klienten) auch Anwendung im internen Kommunikationszu-
sammenhang des projektübergreifenden Lernens. Wie die Interviews zeigten, wirkte
PowerPoint dabei ermöglichend und einschränkend zugleich: Die eingeschliffene Praktik
der Verknappung von Inhalten (z.B. in Stichpunktlisten) erleichterte den Beratern zwar
einerseits die Erfüllung der Dokumentationspflichten im zeitintensiven Alltagsgeschäft
(u.a. durch die Synergien mit Präsentationen, die ohnehin für den Kunden erstellt wurden),
andererseits erschwerte jedoch die damit einhergehende Dekontextualisierung (vgl. Spee/
Jarzabkowski 2011) zugleich die Nachvollziehbarkeit des Projektprozesses durch nachfol-
gende Beratergenerationen.

Die Genreanalyse fördert dabei den überraschenden Befund zutage, dass der offizielle
Zweck der unternehmensweiten Projektdatenbanken, d.h. die Förderung des Wissens-
austauchs und der Reflexion über die Projekte hinweg, stark abwich von den tatsächlichen
Praktiken ihrer Nutzung. Die Dominanz des „Zitationen“-Subgenres im Datensatz zeigt,
dass die Anforderungen der Datenbanken von den Beratern vielfach eher zeremoniell be-
folgt wurden (vgl. Corbett-Etchevers/Mounoud 2011). Stattdessen überwog mit dem „Zita-
tionen“-Subgenre eine Anwendungspraktik, die vor allem auf die Gewinnung zukünftiger
Projekte ausgerichtet war statt auf die Nachbereitung und Verständlichmachung vergange-
ner Projekte. Ähnlich wie dies Yates und Orlikowski (2007) oder auch Kaplan (2011) diag-
nostizieren, ist der Einsatz von PowerPoint hierbei jedoch eher als symptomatisch denn als
ursächlich anzusehen. Auffällig ist jedoch, dass in den Subgenres der „Finalen Kundenprä-
sentation“ und „Zitationen“ das PowerPoint-Genre seine Primärfunktion der Unterstüt-
zung von (Face-to-Face-)Präsentationen beibehält, obschon die Software hier zum abwei-
chenden Zweck der Projektdokumentierung eingesetzt wurde.

Beziehen wir diese Ergebnisse zurück auf die CCO-Perspektive als einem möglichen theo-
retischen Interpretationsrahmen, kann die Genre-Robustheit von PowerPoint als Indiz für
eine weitgehende Verselbststständigung textbasierter Praktiken der Organisationskom-
munikation gedeutet werden (Konzept der „non-human agency“; vgl. Cooren 2004; Kuhn
2008). Am Fallbeispiel PowerPoint ließ sich zeigen, dass mit dieser Kommunikationspraktik
bestimmte Formen der Ausübung einhergehen (z.B. die Verknappung von Inhalten in
Form von Stichpunktlisten). Das Genre gewinnt damit eine eigene Wirkmacht, selbst wenn
sie ihren ursprünglichen Entstehungskontext verlässt und zu abweichenden Zwecken ein-
gesetzt wird (z.B. die Dokumentierung von Projekten). Jedoch demonstriert die Untersu-
chung zugleich, dass die CCO-Perspektive einer weiteren Spezifizierung bedarf, um das
Zusammenwirken verschiedener Kommunikationspraktiken und Anwendungskontexte
besser verstehbar zu machen.
PowerPoint und die Einkapselung von Prozessualität im projektübergreifenden Lernen 149

Die vorliegende Untersuchung trägt zu zwei wesentlichen Literaturzweigen in der Ma-


nagement- und Organisationsforschung bei: Erstens ergänzt die Studie die bestehende
Literatur über PBOs (Hobday 2000; Lindgren/Packendorff 2006; Lundin/Söderholm 1995)
und insbesondere über das projektübergreifende Lernen (Ayas/Zeniuk 2001; Keegan/Tur-
ner 2001; Newell et al. 2006; Swan et al. 2010). Wie empirisch gezeigt wurde, blieb im be-
trachteten Fallunternehmen die Prozesshaftigkeit von Projekten auf der unternehmenswei-
ten Ebene der PBO (auf welche die Projektdatenbanken abzielten) weitgehend unsichtbar.
Prozessabläufe wurden dagegen allenfalls lokal sichtbar, z.B. durch persönliche Netzwerke
und Kontaktaufnahme oder auch durch die Gewährung von Zugriffen auf die sogenannten
„Projektlaufwerke“ (vgl. die Aussagen aus den qualitativen Interviews). Basierend auf die-
sen Befunden kann geschlussfolgert werden, dass das Fallunternehmen hinsichtlich seiner
eigenen Prozesshaftigkeit von einer starken Vergesslichkeit geprägt ist. Unter Rückgriff auf
die CCO-Perspektive (z.B. Luhmann 2000; Taylor/van Every 2000) stellt sich die Frage, ob
ein solches fortlaufendes organisationales Vergessen eine wesentliche Konstitutionsbedin-
gung von PBOs als Kommunikationsgefüge ist. In dieser Hinsicht gleichen sich die Befunde
mit der Studie von Mohe und Seidl (2011). Die Autoren erklären Probleme der Übertrag-
barkeit von Wissen aus Projekten in das beratene Unternehmen hinein damit, dass jedes
einzelne Projekt als temporärer Organisationszusammenhang verstanden werden muss,
der über die Zeit eine eigene Kommunikationslogik herausbildet, welche jedoch wiederum
die Übertragbarkeit erschwert. Wie sich am Einsatz der Präsentationssoftware PowerPoint
im projektübergreifenden Lernen manifestierte, maximieren sich diese Übertragungsprob-
leme noch innerhalb von PBOs. Denn auch hier bildet jedes einzelne Projekt einen eigenen
Kommunikationskontext heraus, der von nachfolgenden Beratergenerationen allein auf
Basis stark verknappter Textdokumente (wie PowerPoint-Präsentationen) kaum noch nach-
vollzogen werden kann.

Zugleich bietet die Studie durch die Anwendung einer kommunikationszentrierten Pers-
pektive (Ashcraft et al. 2009; Brummans et al. im Druck) alternative Erklärungsansätze für
typische Hindernisse des projektübergreifenden Lernens (z.B. Newell et al. 2006; Corbett-
Etchevers/Monoud 2011); denn die CCO-Perspektive verdeutlicht, dass die Prozessualität
von Projekten durch etablierte Praktiken der Wissenskommunikation quasi „eingekapselt“
wird (v.a. in Form von PowerPoint-Präsentationen als einzigem textlichem Überbleibsel in
der Projektdokumentation) und somit von Mitarbeitern, die nicht direkt am Projekt betei-
ligt waren, kaum noch reaktiviert werden kann. Auf diese Weise geht PBOs ein wesentli-
cher Quell des projektübergreifenden Lernens verloren, d.h. die Möglichkeit zum Prozess-
lernen anstatt eines reinen Ergebnislernens (vgl. Newell et al. 2006). Insofern kann schluss-
gefolgert werden, dass im projektübergreifenden Lernen und Wissensmanagement vor
allem Schwierigkeiten der De- und Rekontextualisierung (vgl. Spee/Jarzabkowski 2011)
überwunden werden müssen, um eine bessere Anschlussfähigkeit zwischen Projekten zu
erzeugen. Die Literatur zur Wissenskommunikation, die Wissensmanagement primär als
Prozess der Sinnverhandlung rekonzipiert, bietet hierbei fruchtbare erste Ansätze (z.B.
Mengis/Eppler 2008; Schoeneborn 2006).

Zweitens trägt die Untersuchung im Speziellen zum wachsenden Literaturzweig über die
Rolle von PowerPoint in der Organisationskommunikation bei (z.B. Gabriel 2008; Kaplan
150 Dennis Schoeneborn

2011; Yates/Orlikowski 2007). Während sich die vormaligen Studien vor allem die Rolle von
PowerPoint in Strategiefindungsprozessen (z.B. Kaplan 2011; Spee/Jarzabkowski 2011)
sowie in der Unterstützung von Präsentationen (z.B. Gabriel 2008; Stark/Paravel 2008; Tufte
2003) in den Blick genommen haben, ergänzt meine Studie diesen Literaturzweig um die
Erforschung der Rolle von PowerPoint in Praktiken des projektübergreifenden Lernens. In
diesem Zusammenhang ließ sich empirisch zeigen, wie das PowerPoint-Genre in der be-
nachbarten Domäne der Projektdokumentation zum Einsatz kommt und dabei seine Genre-
Charakteristiken (d.h. ein primärer Fokus auf die Präsentations- anstatt der Dokumenta-
tionsfunktion) trotz geänderter Anforderungen selbst im neuen Anwendungskontext bei-
behält. Hiermit weist die Studie über den Spezialfall PowerPoint hinaus auf die generelle
Wichtigkeit der Erforschung des Zusammenspiels soziomaterieller Praktiken in organisa-
tionalen Kontexten (vgl. Faulkner/Runde 2009; Leonardi 2011; Schoeneborn im Druck).

In diesem Zusammenhang birgt die Untersuchung zudem einige praktische Implikationen:


Angesichts der zeitlichen und personellen Restriktionen im untersuchten Beratungs-
unternehmen erscheint der Einsatz von PowerPoint auch zu Dokumentierungszwecken
zunächst einmal naheliegend und zeiteffizient. Führen wir uns jedoch die in der Untersu-
chung aufgedeckten Mängel einer erschwerten Rekontextualisierungsmöglichkeit der stark
verknappten Darlegungen in PowerPoint-Präsentationen vor Augen, wäre eine Weiter-
entwicklung bzw. „Hybridisierung“ (Bhatia 2004) des PowerPoint-Genres erforderlich, um
den Anforderungen des Anwendungskontexts der Projektdokumentierung gleichsam ge-
recht werden zu können. Ein gangbarer Pfad zu einer solchen Hybridisierung des Genres
wäre z.B. das Einziehen einer zweiten Kommunikationsebene auf den Präsentations-Folien
– einer Ebene, die sich explizit an einen internen Adressatenkreis richtet (d.h. zum Zwecke
des Wissensaustauschs unter den Beraterkollegen). Konkret würde dies bedeuten, z.B. im
Notizenmodus von PowerPoint oder aber mithilfe der „Sticker“-Funktion Kommentare
und Reflexionen zu ergänzen, die vergangene Projekte auch noch einmal in ihrer Prozess-
haftigkeit und Alternativität auffächern (vgl. den in den Daten identifizierten Satz: „what
aspects of the project process could/should we have done differently“). Eine intentionale
Etablierung neuer oder abgewandelter kommunikativer Praktiken stellt jedoch in der Ma-
nagementpraxis eine signifikante Herausforderung dar, dies insbesondere in stark instituti-
onalisierten Kontexten (Lammers/Barbour 2006). Um den handlungsanleitenden Charakter
der CCO-Perspektive zu stärken, wäre es folglich vonnöten, gerade auch das Wechselspiel
aus emergenten und intentionalen Kommunikationspraktiken konzeptionell und empirisch
näher zu ergründen, die gemeinsam Organisationen konstituieren (vgl. Taylor/van Every
2000).

Abschließend möchte ich ferner einen kurzen Ausblick auf potenziell fruchtbare Anschluss-
forschung geben: Da in der empirischen Studie nur ein einzelnes Fallunternehmen unter-
sucht werden konnte, liegt es nahe, die Rahmenbedingungen der Sichtbarmachung von
Prozessualität im projektübergreifenden Lernen auch anhand weiterer PBOs zu untersu-
chen, um durch vergleichende Analysen sowohl die Theoriebildung als auch die Generali-
sierbarkeit von Befunden weiter voranzutreiben. Ein besonders interessanter Organisati-
onskontext zur Untersuchung der Sichtbarkeit von Prozessualität im projektübergreifenden
Lernen wären das Extrembeispiel einer PBO, die von einer noch höheren Personalfluktua-
PowerPoint und die Einkapselung von Prozessualität im projektübergreifenden Lernen 151

tion geprägt ist und daher vermutlich ganz besonders auf die Nachvollziehbarkeit vergan-
gener Projekte in schriftlicher Dokumentierung angewiesen ist. Ein passendes Beispiel
hierfür wären z.B. studentische Unternehmensberatungen, die durch eine besonders gerin-
ge Verweildauer ihrer Mitarbeiter gekennzeichnet sind. Darüber hinaus wäre es wichtig,
ein besseres Verständnis jener organisationalen und medialen Rahmenbedingungen zu
erzielen, die eine Sichtbarmachung von Prozessualität in PBOs eher verhindern oder be-
günstigen. Während sich meine Untersuchung allein auf PowerPoint fokussierte, erachte
ich es für fruchtbar, in nachfolgenden empirischen Studien gerade auch das Zusammen-
spiel verschiedener Medien und Genres der Organisationskommunikation näher zu er-
gründen (vgl. Bhatia 2004).

Anmerkung
* Dieser Beitrag ist eine Weiterentwicklung der Forschungen, die der Autor im Rahmen seiner Pro-
motion an der Bauhaus-Universität Weimar durchführte (Schoeneborn 2008). Der Autor ist der
Stiftung der Deutschen Wirtschaft (sdw; Berlin) zu besonderem Dank verpflichtet, welche die Stu-
die durch ein Promotionsstipendium unterstützt hat. Weiterer spezieller Dank gebührt Steffen
Blaschke, Alexander T. Nicolai, Anna Maria Theis-Berglmair, Managementforschungs-Mitheraus-
geber Jörg Sydow sowie den anonymen Gutachtern für ihre wertvollen Kommentare zu vorheri-
gen Fassungen des Beitrags.

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Dr. Dennis Schoeneborn


Universität Zürich
Institut für Betriebswirtschaftslehre
Universitätsstr. 84
CH-8006 Zürich
dennis.schoeneborn@uzh.ch
Simon Dischner/Jost Sieweke/Stefan Süß

Regeln in interorganisationalen
Projekten: Eine qualitative Studie
Interorganisationale Projekte; qualitative Studie; Regeln in Organisationen; Temporalität;
Unternehmensberatung

Zusammenfassung
Trotz der zunehmenden Relevanz interorganisationaler Projekte in der Praxis und der
Bedeutung von Regeln für Organisationen hat sich die Forschung nur ansatzweise mit
Regeln in interorganisationalen Projekten auseinandergesetzt. So ist unklar, wie und durch
welche(n) Akteur(e) Regeln in solchen Projekten gesetzt werden. Darüber hinaus ist der
Einfluss von Temporalität auf Regeln in interorganisationalen Projekten wissenschaftlich
kaum untersucht, obwohl Temporalität ein konstitutives Merkmal von Projekten ist. Vor
diesem Hintergrund hat der Beitrag das Ziel, Regeln in interorganisationalen Projekten zu
erforschen. Im Rahmen einer qualitativen Studie wurden Interviews mit Mitgliedern von
Unternehmensberatungsprojekten geführt. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass interor-
ganisationale Projekte und permanente Organisationen Ähnlichkeiten hinsichtlich der
Regelsetzung und der Koordinationsfunktion von Regeln aufweisen. Sie zeigen, dass die
Folgen von Temporalität in Projekten – begrenztes Zeitkontingent zur Zielerreichung sowie
limitierte Verfügbarkeit von gewonnenem Wissen und aufgebauten Erfahrungen – durch
Regeln sowohl reduziert als auch zum Teil verstärkt werden. Mit kooperativer Regelset-
zung offenbart sich zudem ein in der Regelforschung bislang kaum diskutierter Regelset-
zungstyp. Die auftretenden Regelsetzungsarten werden in einem beispielhaften Prozess-
modell der Regelsetzung in interorganisationalen Projekten dargestellt.

J. Koch, J. Sydow (Hrsg.), Managementforschung 23,


© Springer Fachmedien Wiesbaden 2013, S. 157–192
158 Simon Dischner/Jost Sieweke/Stefan Süß

Abstract
Despite the increasing relevance of inter-organizational projects in practice and the im-
portance of rules for organizations, research has analyzed rules in inter-organizational
projects only in a rudimentary way. Little is known about how rules in such projects are set
and by which actor(s). Furthermore, research has rarely focused on the influence of tempo-
rality on rules in inter-organizational projects, though temporality is a constitutive charac-
teristic of projects. Against this background, this article aims to analyze rules in inter-
organizational projects. We present the findings of an explorative study for which we inter-
viewed members of consulting projects. The results indicate that inter-organizational pro-
jects and permanent organizations share similarities regarding rule-setting and the coordi-
nating function of rules. They reveal that the consequences of temporality in projects – a
limited time quota to achieve goals as well as the limited availability of acquired
knowledge and experiences – are reduced as well as partially fostered by rules. Further-
more, we identified cooperative rule-setting as an important type of rule-setting in inter-
organizational projects, which has been rather neglected in research on rules so far. Based
on our findings about rule-setting types, we develop an exemplary process model of rule-
setting for inter-organizational projects.

Inhaltsübersicht
1 Einleitung

2 Begriffliche und konzeptionelle Grundlagen


2.1 Temporäre Organisationen und interorganisationale Projekte
2.2 Regelbegriff und Überblick über organisationswissenschaftliche
Regelforschung
2.3 Regeln in interorganisationalen Projekten: Begründung der Forschungsdefizite

3 Explorative Untersuchung von Regeln in Unternehmensberatungsprojekten


3.1 Entwicklung des Forschungsdesigns
3.2 Ergebnisse
3.2.1 Die Struktur von Regeln in Unternehmensberatungsprojekten
3.2.2 Die Setzung von Regeln in Unternehmensberatungsprojekten
3.2.3 Die Folgen von Regeln in Unternehmensberatungsprojekten

4 Schlussfolgerungen
4.1 Beiträge zur Erforschung interorganisationaler Projekte
4.2 Beiträge zur Regelforschung
4.3 Grenzen und Forschungsbedarf
Regeln in interorganisationalen Projekten: Eine qualitative Studie 159

1 Einleitung
In den vergangenen Jahren ist ein zunehmender Einsatz von Organisationsformen zu be-
obachten, die durch Fluidität und Instabilität gekennzeichnet sind (Bakker 2010; Schreyögg/
Sydow 2010). Aufgrund der dynamischer und komplexer werdenden Umwelt von Unter-
nehmen werden Aufgaben zunehmend im Rahmen flexibler Organisationsformen wie z.B.
Projekten (Grabher 2002), virtuellen Organisationen (Davidow/Malone 1992) und latenten
Organisationen (Starkey et al. 2000) bearbeitet. Konstitutives Merkmal dieser Organisati-
onsformen ist ihr zeitlich begrenztes Bestehen. Sie werden gegründet, um vorab definierte
Aufgaben zu bearbeiten oder Ziele zu erreichen; anschließend lösen sie sich wieder auf
(Lundin/Söderholm 1995).

Im Gegensatz dazu steht das klassische Verständnis von Organisationen (z.B. Weber 2005),
das Stabilität betont. In dieser Sichtweise gelten insbesondere Regeln als grundlegende
Elemente von Organisationen, die konstitutiver Bestandteil anderer Elemente wie z.B. Rou-
tinen oder Strukturen sind (Reynaud 2005). Sie werden als eine wesentliche Voraussetzung
für das Funktionieren von Organisationen erachtet (Zhou 1993, S. 1134 f.; March et al. 2000,
S. 9; Tyler/Blader 2005, S. 1143). Seit Weber (2005) gelten Regeln, z.B. der Arbeitsteilung
und Amtshierarchie, als Kennzeichen einer effektiven und effizienten bürokratischen Or-
ganisation. Damit bürokratisches Handeln und Entscheiden kalkulierbar und verlässlich
wird, muss aber eine relative Stabilität der Organisationsstruktur vorliegen (Schreyögg/
Koch 2010, S. 297). Die Forschung zeigt, dass die Existenzdauer einer Organisation einen
wesentlichen Einfluss auf ihre Regeln hat (March et al. 2000; Youn/Price 2009). Mit zuneh-
mender Existenz nimmt die Anzahl der Regeln bzw. der Regelmodifikationen zu (Schulz/
Beck 2002), da neue Regeln geschaffen bzw. revidiert werden müssen, beispielsweise um
Arbeitsabläufe an neue Anforderungen anzupassen (Burr 1998, S. 315 ff.). Allerdings ver-
läuft die Setzung neuer Regeln degressiv, d.h. die Anzahl neuer Regeln nimmt im Laufe der
Zeit ab. Grund dafür ist, dass neu auftretende Probleme teilweise mittels bestehender Re-
geln gelöst werden können (Schulz 1998).

Während Regeln in permanenten Organisationen vielfältig untersucht wurden, haben Re-


geln in temporären Organisationsformen vergleichsweise wenig Aufmerksamkeit erhalten
(für Ausnahmen vgl. Packendorff 1995; Bechky 2006). Dies ist überraschend, da die Tempo-
ralität dieser Organisationsformen verschiedene Auswirkungen auf organisationale Regeln
haben kann: Erstens können temporäre Organisationen kaum auf historisch gewachsene
Regelwerke zurückgreifen, die kodierte Erfahrungen beinhalten (Schulz 2001). Die zeitlich
limitierte Existenz dieses Organisationstyps erschwert die Etablierung stabiler Regeln, da
bestehende Regeln nur begrenzt im Handlungsalltag erprobt und bewertet werden können,
bevor es zu Änderungen bzw. Setzungen von Regeln kommt (March 1994, S. 80 f.). Zwei-
tens ist vor dem Hintergrund der Erkenntnis, dass mit der Lebensdauer einer Organisation
die Regelanzahl (degressiv) steigt (Schulz 1998; March et al. 2000), davon auszugehen, dass
in temporären Organisationen aufgrund ihrer relativ kurzen Lebensdauer nur verhältnis-
mäßig wenige Regeln bestehen. Allerdings besteht in diesen Organisationen ebenso wie in
160 Simon Dischner/Jost Sieweke/Stefan Süß

permanenten Organisationen Regelungsbedarf, denn auch in temporären Organisationen


treten neue Probleme auf, müssen neuartige Aufgaben bearbeitet werden oder finden In-
teraktionen mit unbekannten Akteuren statt. Wenn für solche Ereignisse keine adäquaten
Regeln existieren, besteht der Bedarf, neue Regeln zu setzen bzw. bestehende Regeln zu
verändern, um die auftretenden Probleme zu lösen.

Die Fragen nach dem Entstehen und der Existenz von Regeln in temporären Organisatio-
nen stellen sich insbesondere in interorganisationalen Projekten, mit denen sich die Organi-
sationsforschung bisher vergleichsweise wenig beschäftigt hat (Janowicz-Panjaitan et al.
2009a, S. 61; Bakker et al. 2011). Da in interorganisationalen Projekten Mitarbeiter aus ver-
schiedenen Organisationen in der Regel erstmalig zusammenarbeiten (Meyerson et al.
1996), können Probleme hinsichtlich der Regulierung solcher Projekte auftreten: Beispiels-
weise kann es zu Konflikten zwischen den Projektmitgliedern im Rahmen der Ausgestal-
tung von Regeln kommen, wenn die Mitglieder die in ihren Organisationen geltenden
Regelwerke in das Projekt übertragen. Darüber hinaus ist es möglich, dass die Projektmit-
glieder weiterhin den Regeln ihrer Mutterorganisation folgen, was zu Problemen in der
Zusammenarbeit führen kann. Offen ist, welche Rollen die beteiligten Organisationen und
Mitarbeiter bei der Entwicklung eines neuen Regelwerks spielen, denn es ist anzunehmen,
dass Faktoren wie z.B. die Beziehung der beteiligten Organisationen zueinander, der
Zweck des Projekts oder die Entscheidungsbefugnisse der Akteure Einfluss auf Regeln
haben.

Aufgrund der vermuteten Besonderheiten von Regeln in interorganisationalen Projekten


sowie der zunehmenden Verbreitung dieser Projekte, beispielsweise in Form von Bera-
tungs-, Software- und Bauprojekten, ist es für die Organisationsforschung wichtig, Regeln
in interorganisationalen Projekten zu untersuchen. Der vorliegende Beitrag setzt an diesem
Punkt an und verfolgt das Ziel, Regeln in interorganisationalen Projekten explorativ zu
erforschen, d.h. empirisch zu untersuchen, welche Struktur Regeln in diesen Projekten
haben, wie Regeln gesetzt werden und welche Folgen sie haben. Dazu wurde auf Basis der
Aufarbeitung des Forschungsstands und der Konkretisierung des Forschungsbedarfs eine
qualitative Studie konzipiert. In deren Rahmen wurden Experteninterviews mit Unterneh-
mensberatern und Kunden geführt, die in Beratungsprojekten zusammenarbeiten. Diese
Zielgruppe ist der Fragestellung insofern angemessen, als dass es sich hierbei um Teilneh-
mer an interorganisationalen Projekten handelt, die üblicherweise zum ersten Mal koope-
rieren. Die Analyse von Regeln in Beratungsprojekten verspricht neue Erkenntnisse sowohl
für die Forschung zu interorganisationalen Projekten als auch für die Regelforschung.
Regeln in interorganisationalen Projekten: Eine qualitative Studie 161

2 Begriffliche und konzeptionelle


Grundlagen
2.1 Temporäre Organisationen und
interorganisationale Projekte
In der Unternehmenspraxis hat sich in den letzten Jahren eine Vielzahl verschiedener For-
men temporärer Organisationen herausgebildet (Bakker 2010, S. 466 f.). Parallel dazu hat in
der Organisationsforschung das Interesse an zeitlich begrenzten Organisationsformen deut-
lich zugenommen (Kenis et al. 2009; Bakker 2010). Bakker (2010) identifiziert in seiner Ana-
lyse des aktuellen Forschungsstands zu temporären Organisationen deren Hauptmerkmale,
die weitgehend identisch mit den Arbeiten von Goodman und Goodman (1976) sowie
Lundin und Söderholm (1995) sind. Danach weisen temporäre Organisationen vier Basis-
merkmale auf: Zeit, Aufgaben, Team und Übergang.

(1) Temporäre Organisationen bestehen nur eine begrenzte Zeit, d.h. es gibt einen vorab
definierten Startpunkt, zu dem die notwendigen Ressourcen zur Verfügung gestellt, Auf-
gaben definiert, Rahmenbedingungen geschaffen und Ziele festgelegt werden. Außerdem
wird ein Endzeitpunkt festgelegt; ist dieser erreicht, löst sich die Organisation wieder auf.
(2) Aufgaben, die innerhalb einer temporären Organisation bearbeitet werden, können wie-
derkehrend oder singulär sein (Lundin/Söderholm 1995, S. 441). Dementsprechend kann
zwischen zwei Typen temporärer Organisationen unterschieden werden: Erstens finden
sich temporäre Organisationen, die nur für eine bestimmte Situation gebildet werden, und
zweitens solche, die ähnliche Vorhaben zukünftig erneut ausführen. (3) Das Team einer
temporären Organisation organisiert sich um die zu bearbeitende Aufgabe. Im Zentrum
steht hierbei die Frage, wie die Mitglieder untereinander kooperieren. Da die Zusammen-
arbeit zeitlich limitiert ist, verorten die Mitglieder ihr (berufliches) „Zuhause“ (Lundin/
Söderholm 1995, S. 442) auch während ihrer Mitgliedschaft in der temporären Organisation
in ihrer Ursprungsorganisation, was zur Folge hat, dass das Team auch von Rahmenbedin-
gungen außerhalb der temporären Organisation beeinflusst wird. (4) Übergang bezeichnet
die Transformation der temporären Organisation in einen neuen Zustand, der dem ange-
strebten Zielzustand näherkommt.

In der Literatur werden Projekte als eine Form temporärer Organisationen genannt (Turner/
Müller 2003, S. 7; Nausner 2006, S. 62). Beispielsweise rekurrieren Lundin und Söderholm
(1995, S. 445) an mehreren Stellen auf Projekte und setzen temporäre Organisationen mit
Projekten gleich. Projekte haben aufgrund ihrer Verbreitung in der Praxis eine hohe Bedeu-
tung (Sydow et al. 2004). Sie können in zwei Typen unterschieden werden (Janowicz-
Panjaitan et al. 2009a): Zum einen existieren intraorganisationale Projekte, wobei es sich um
interne Projekte innerhalb von permanenten Organisationen handelt (Shenhar 2001). Zum
anderen finden sich interorganisationale Projekte, d.h. Kooperationen zwischen zwei oder
mehr permanenten Organisationen. Interorganisationale Projekte weisen im Vergleich zu
162 Simon Dischner/Jost Sieweke/Stefan Süß

intraorganisationalen Projekten bzw. anderen temporären Organisationsformen folgende


Besonderheiten auf (Goodman/Goodman 1976; Meyerson et al. 1996; Turner/Müller 2003;
Jones/Lichtenstein 2008):
 in der Regel die Bearbeitung singulärer Aufgaben;
 üblicherweise die erstmalige Zusammenarbeit der Projektmitglieder;
 Beteiligung verschiedener Akteure mit unterschiedlichen Zielen;
 divergierende Erfahrung mit Projektarbeit und unterschiedliche fachliche Expertise;
 Überlappung von Kompetenzbereichen.
Diese Besonderheiten interorganisationaler Projekte verstärken das Problem der Regulie-
rung der Zusammenarbeit in solchen Projekten und machen diese Projekte zu einem Unter-
suchungsobjekt, das Fragen der Regelstruktur, -setzung und -folgen aufwirft.

2.2 Regelbegriff und Überblick über organisations-


wissenschaftliche Regelforschung
Regeln gelten als typisches Instrument des Organisierens, sodass Organisationen ohne
Regeln kaum vorstellbar sind (March et al. 2000, S. 8 f.). Aufgrund ihrer Bedeutung für
Organisationen sind Regeln, Regelsetzung und Regelbefolgung zentrale Themen verschie-
dener Organisationstheorien (für eine breitere Übersicht z.B. Beck 2001) wie z.B. der Büro-
kratietheorie (Weber 2005), der verhaltenswissenschaftlichen Entscheidungstheorie (u.a.
Cyert/March 1963; March/Simon 1993), des soziologischen Neo-Institutionalismus (Meyer/
Rowan 1977), der Population-Ecology-Theorie (Hannan/Freeman 1984) oder der Evoluti-
onsökonomik (Nelson/Winter 1982).

Einige Ansätze der Organisations- und Regelforschung haben sich explizit mit der Tempo-
ralität bzw. der zeitlichen Entwicklung von Regeln befasst. Beispielsweise geht der Ansatz
des Routinen-basierten Lernens (u.a. Zhou 1993; Schulz 1998; March et al. 2000; Schulz/Beck
2002) davon aus, dass organisationale Erfahrungen in Regeln kodiert werden und dass sich
mit der Zeit die Anzahl und Zusammensetzung von „rule regimes“ (March et al. 2000, S.
91) verändert. Darüber hinaus hat sich auch die neuere Forschung zu organisationalen
Routinen (Feldman 2000; Feldman/Pentland 2003) mit der zeitlichen Entwicklung von Re-
geln befasst. In dieser Sichtweise sind Routinen sich wiederholende, erkennbare Muster
von interdependenten Handlungen mehrerer Akteure. Regeln stellen dabei ein konstituti-
ves, strukturelles Element von Routinen dar. Im Gegensatz zur traditionellen Sichtweise
(z.B. Hannan/Freeman 1984) wird Routinen (und Regeln) die Fähigkeit des Wandels zuge-
schrieben. Mit der temporalen Strukturierung in Organisationen befasst sich eine weitere
Forschungsrichtung (z.B. Orlikowski/Yates 2002). In dieser Sichtweise (re-)produzieren
Organisationsmitglieder für einen bestimmten Zeitraum Regeln, um ihre Handlungen zu
koordinieren. Dabei greifen sie auf temporäre Strukturen zurück, die bereits in vorange-
gangenen Situationen erzeugt worden sind, um darauf aufbauend die Regelstruktur (modi-
fiziert) zu reproduzieren.
Regeln in interorganisationalen Projekten: Eine qualitative Studie 163

Nachfolgend wird ein breiter Regelbegriff verwendet, der unterschiedlich formalisierte und
kodifizierte Regeln beinhaltet und der Regeln allgemein als an Akteure gerichtete Verhal-
tenserwartungen definiert. Regeln unterscheiden sich in der Art der Kodifizierung in
schriftliche, mündliche und implizite Regeln. Weiterhin wird zwischen formalen und in-
formalen Regeln differenziert: Zu den formalen Regeln zählen insbesondere Regeln der
Arbeitsteilung und der Koordination, die wiederum jeweils in weitere Regeltypen wie z.B.
Aufgaben-, Stellen-, Hierarchie- oder Verfahrensregeln unterteilt werden können. Daneben
bilden sich auch informale Regeln heraus, die im Zeitablauf entstehen, von informalen
Gruppen festgelegt werden und Verhaltenserwartungen beinhalten, die sich neben bzw.
außerhalb der formalen Erwartungen bewegen (Ortmann 2003). Formale und informale
Regeln bilden zusammen die Struktur einer Organisation. Innerhalb dieser Struktur wer-
den einerseits organisationale Entscheidungen getroffen, andererseits prägen die getroffe-
nen Entscheidungen die zukünftige Struktur der Organisation. So gibt die Struktur vor, wer
in welcher Form und zu welchem Zeitpunkt über Regelsetzung, -änderung und -löschung
entscheiden darf. Sie stellt somit die Rahmenbedingungen von (Regel-)Entscheidungen dar
und die zeitlichen, räumlichen und sachlichen Aspekte der Struktur werden dauerhaft in
Anspruch genommen, um zu einer Entscheidung über Regeln zu gelangen. Dieser Prozess
der Regelsetzung impliziert, dass am Ende des Prozesses die Regelsetzung, -änderung bzw.
-löschung steht. Das Ergebnis des Regelsetzungsprozesses – also die Regel – findet sich im
Anschluss im strukturellen Kontext wieder.

2.3 Regeln in interorganisationalen Projekten:


Begründung der Forschungsdefizite
In der Forschung zu interorganisationalen Projekten können verschiedene Ansätze zur
Erforschung von Regeln identifiziert werden. Der als normative Projektforschung (Packen-
dorff 1995) bezeichnete Ansatz untersucht insbesondere den Einfluss formaler Regeln und
Strukturen auf den Projekterfolg. Praktiken eines erfolgreichen Projektmanagements, z.B.
Regeln der Implementierung (Nutt 1983), der Planung (Turner/Cochrane 1993) und der
Ressourcenallokation (Carbno 1999), werden ermittelt und in die Projektpraxis transferiert.
Beispielsweise beinhaltet der „Project Management Body of Knowledge“ kodifiziertes Pro-
jektwissen (Reich/Wee 2006) und gibt Regeln des Projektmanagements mit dem Ziel vor,
auf alle Arten von Projekten, Branchen und Kontexte anwendbar zu sein (Engwall 1992).
Ein zweiter Ansatz untersucht insbesondere die Zusammenarbeit von Mitarbeitern in in-
terorganisationalen Projekten und den Einfluss von (informalen) Regeln auf diese (Dekker
2004; Maurer 2010; Badenfelt 2011). Dies ist relevant, da die Projektmitglieder in solchen
Projekten üblicherweise erstmalig zusammenarbeiten (Goodman/Goodman 1976; Meyerson
et al. 1996) und da im Projekt beispielsweise Koordinationsprobleme oder opportunistische
Verhaltensweisen auftreten können (Dekker 2004; Jones/Lichtenstein 2008), die die Zu-
sammenarbeit des Projektteams negativ beeinflussen. (Informale) Regeln wurden als eine
Möglichkeit identifiziert, um diese Probleme zu reduzieren. Beispielsweise wird die Zu-
sammenarbeit in Filmprojekten durch institutionalisierte, in den Kontext eingebettete Rol-
164 Simon Dischner/Jost Sieweke/Stefan Süß

lenregeln koordiniert (Jones/Lichtenstein 2008), die sich im Laufe der Zeit verändern kön-
nen und in zukünftige Projekte mit wechselnden Akteuren hineingetragen werden (Bechky
2006). Zudem spielt Vertrauen zwischen den Projektmitgliedern, welches sich in informalen
(Verhaltens-)Regeln widerspiegelt, eine zentrale Rolle bei der informalen Koordination von
Projekten. In Gruppen, in denen die Mitglieder erstmals zusammenarbeiten, bildet sich
bereits nach kurzer Zeit ein sogenannter „swift trust“ (Meyerson et al. 1996). Dieses Ver-
trauen basiert auf gemeinsamen Verhaltenserwartungen, die bei Projektmitgliedern unter
Zeitdruck aktiviert werden und eine effektive Zusammenarbeit dieser ermöglichen.

Obwohl beide Forschungsansätze wichtige Einblicke in die Struktur und Bedeutung von
Regeln in interorganisationalen Projekten geliefert haben, lassen sich Forschungsdefizite
identifizieren. Ein Charakteristikum interorganisationaler Projekte ist ihre strukturelle
Einbettung in ihren organisationalen Kontext (Davies/Brady 2000; Manning 2008). Projekte
befinden sich in einem Dilemma zwischen Autonomie und Abhängigkeit von den Mutter-
organisationen (Sydow et al. 2004), was sich auch auf Regeln in diesen Projekten auswirken
kann. Je geringer die Autonomie eines Projekts ist bzw. je stärker eine Mutterorganisation
in ein Projekt involviert ist, desto mehr Routinen und Regeln werden von der Mutterorga-
nisation vorgegeben (Modig 2007). Umgekehrt müssen Routinen und Regeln intern entwi-
ckelt werden, wenn das Projekt unabhängig von der Mutterorganisation agiert (Modig
2007). So zeigen Scarbrough et al. (2004), dass Projektautonomie (z.B. (räumliche) Trennung
des Projektteams von der Mutterorganisation) dazu führt, dass Projektteams ihre eigenen
Regeln setzen. Hierbei spielt die Neuartigkeit der Aufgabe eine entscheidende Rolle; bei
repetitiven Aufgaben wird die Projektautonomie zur Effizienzsicherung durch standardi-
sierte Routinen der Mutterorganisation vermindert, während bei neuartigen Aufgaben das
Projekt eigene Regeln setzt.

Während der Transfer von Regeln von den Mutterorganisationen in interorganisationale


Projekte ausführlich untersucht wurde, hat sich die Forschung bislang kaum mit dem Pro-
zess der Regelsetzung in solchen Projekten auseinandergesetzt. Insbesondere in interorga-
nisationalen Projekten ist jedoch der Prozess der Regelsetzung von großer Bedeutung, da
sich in den Projekten Mitglieder aus verschiedenen Organisationen, die unterschiedliche
Regelwerke besitzen können, auf ein gemeinsames Regelwerk einigen und in diesem Zu-
sammenhang auch neue Regeln setzen müssen. Vor diesem Hintergrund sind Fragen, wie
neue Regeln innerhalb eines interorganisationalen Projekts gesetzt werden und inwieweit
in Projekten auf Regeln bzw. Regelwerke aus den Mutterorganisationen zurückgegriffen
wird, von hoher Bedeutung. Dadurch kann die Forschung zur Einbettung von interorgani-
sationalen Projekten in ihren organisationalen Kontext um einen wesentlichen Aspekt hin-
sichtlich des Austausches zwischen Projekt und Mutterorganisationen erweitert werden.

Ein weiteres Charakteristikum interorganisationaler Projekte ist die Temporalität (Lundin/


Söderholm 1995), d.h. ihre begrenzte Lebensdauer. Trotz der Bedeutung von Temporalität
haben sich nur wenige Studien explizit mit der Temporalität von (interorganisationalen)
Projekten und deren Einfluss auf Regeln beschäftigt (Bakker/Janowicz-Panjaitan 2009;
Janowicz-Panjaitan et al. 2009a; Janowicz-Panjaitan et al. 2009b). Bislang konnte ein Einfluss
von Temporalität auf Teammitglieder, Performance und Zielerreichung in Projekten festge-
Regeln in interorganisationalen Projekten: Eine qualitative Studie 165

stellt werden (Bakker/Janowicz-Panjaitan 2009; Janowicz-Panjaitan et al. 2009b). Die Er-


kenntnisse zum Einfluss von Temporalität auf Regeln eines Projekts beschränken sich bis-
lang jedoch auf die Feststellung, dass je kürzer ein Projekt andauert, desto mehr informale
und weniger formale Regeln und Strukturen bestehen (Keith 1978; Meyerson et al. 1996;
Jones/Lichtenstein 2008; Raab et al. 2009). Jedoch ist unklar, wie sich Projekte im Zeitverlauf
(strukturell) entwickeln (Bakker 2010, S. 476) und welchen Einfluss Temporalität auf Regeln
in Projekten hat. Dieses Forschungsdefizit zu Regeln in (interorganisationalen) Projekten ist
vor dem Hintergrund verwunderlich, dass Temporalität ein konstitutives Merkmal von
Projekten ist (Janowicz-Panjaitan et al. 2009a, S. 73; Bakker 2010, S. 473) und die Forschung
zu Regeln in permanenten Organisationen zeigt, dass Temporalität einen bedeutsamen
Einfluss auf Regeln hat (Zhou 1993; Schulz 1998; March et al. 2000).

Die Relevanz zur Reduzierung der Forschungsdefizite zu Regeln in interorganisationalen


Projekten ergibt sich aus verschiedenen Argumenten: Erstens müssen diese Forschungsde-
fizite reduziert werden, da interorganisationale Projekte in der Praxis zur Erreichung von
Organisationszielen an Relevanz gewinnen (Bakker 2010). Daher sind Erkenntnisse insbe-
sondere zu der Frage erforderlich, wie interorganisationale Projekte durch Regeln gesteuert
werden. Zweitens betont die Organisationsforschung die grundsätzliche Bedeutung von
Regeln für Organisationen (z.B. March et al. 2000). Mit der Untersuchung von Regeln in
interorganisationalen Projekten kann das Wissen über die Bedeutung von Regeln für eine
spezifische Organisationsform erweitert werden. Drittens hat die Regelforschung gezeigt,
dass Regeln bestimmte Ursachen wie z.B. Rationalität (Weber 2005) oder Isomorphismus
(Meyer/Rowan 1977) sowie Folgen für Organisationen wie z.B. Dysfunktionen (Crozier
1964) oder strukturelle Trägheit (Hannan/Freeman 1984) haben. Offen sind aber die Aus-
wirkungen von Regeln auf interorganisationale Projekte. Nachfolgend wird daher der
Stand der Regelforschung mit Erkenntnissen über Regeln in interorganisationalen Projek-
ten bereichert. Viertens bietet der Fokus auf Regeln in interorganisationalen Projekten die
Möglichkeit, Erkenntnisse hinsichtlich des Einflusses der Temporalität auf Projekte zu
gewinnen, der trotz ihrer hohen Bedeutung für Projekte bislang kaum untersucht wurde
(Bakker/Janowicz-Panjaitan 2009; Bakker 2010, S. 473).

Um die bestehenden Forschungsdefizite zu Regeln in interorganisationalen Projekten zu


reduzieren sowie um Erkenntnisse für die Regel- und Organisationsforschung zu gewin-
nen, werden drei Aspekte von Regeln in interorganisationalen Projekten genauer unter-
sucht, die auch in der Regelforschung große Aufmerksamkeit erfahren haben:

 Struktur von Regeln (z.B. Ortmann 2003; Fischer 2009),


 Setzung von Regeln (z.B. Schulz 1998; March et al. 2000) und
 Folgen von Regeln (z.B. Crozier 1964; Luhmann 1995).
166 Simon Dischner/Jost Sieweke/Stefan Süß

Die Regelstruktur einer Organisation lässt sich anhand der Art der Regel (z.B. Koordination
oder Arbeitsteilung), der Formalisierung (formal oder informal) und der Kodifizierung
(schriftlich, mündlich oder implizit) beschreiben. Dies trifft auch auf die Regelstruktur
interorganisationaler Projekte zu. Allerdings ändert sich in Projekten mit jedem Übergang,
also Phasenwechsel im Hinblick auf die Zielerreichung, die Regelstruktur (Lundin/Söder-
holm 1995, S. 443). Bislang ist unklar, wie die einzelnen Merkmale der Regelstruktur in
interorganisationalen Projekten beschaffen sind. Eine Analyse der Regelstruktur in interor-
ganisationalen Projekten bietet daher wichtige Erkenntnisse für die Regelforschung. Insbe-
sondere können Erkenntnisse über den Einfluss von Temporalität auf die Regelstruktur
gewonnen werden. Während die Regeldynamik in permanenten Organisationen mit der
Zeit abnimmt (March et al. 2000), kann in interorganisationalen Projekten aufgrund von
Phasenwechseln möglicherweise eine wechselnde Dynamik beobachtet werden.

In der Regelforschung werden verschiedene Arten der Regelsetzung diskutiert wie z.B. hie-
rarchische (z.B. Weber 2005) oder kompetitive (z.B. Crozier/Friedberg 1979) Regelsetzung.
Jeder Regelsetzungstyp hat verschiedene Ursachen und unterschiedliche Folgen für die
Organisation. Bislang ist unklar, wie Regelsetzung in interorganisationalen Projekten ab-
läuft und welche Typen der Regelsetzung sich in solchen Projekten widerfinden. Diese
Analyse verspricht wichtige Erkenntnisse beispielsweise für die Forschung zur Berater-
Kunden-Beziehung in Beratungsprojekten. Während die kritische Beratungsliteratur (z.B.
Clark/Salaman 1998; Fincham 1999) den Kunden als passiv beschreibt, deuten aktuelle
Arbeiten auf einen aktiveren Einbezug des Kunden hin (z.B. Nikolova et al. 2009). Damit
können Erkenntnisse über den Einbezug des Kunden in die Projektorganisation und somit
auch über seine Rolle in der Berater-Kunden-Interaktion gewonnen werden.

Die Regelforschung zeigt verschiedene Folgen von Regeln für Organisationen auf. Regeln
tragen zum einen zur Lösung organisationaler Probleme bei, wie z.B. Komplexitätsproble-
men (z.B. Cyert/March 1963) oder Legitimitätsproblemen (z.B. Meyer/Rowan 1977), zum
anderen sind sie Quelle von organisationalen Problemen, wie z.B. „wuchernder“ Regel-
werke (z.B. Merton 1957) oder Machtkämpfe (z.B. Crozier 1964). Aufgrund der Übergänge
in interorganisationalen Projekten ist jedoch unklar, inwiefern Probleme in solchen Projek-
ten durch Regeln dauerhaft gelöst werden können und inwiefern sie erst durch Regeln
entstehen. Die Untersuchung dieser Fragen bietet somit wichtige Erkenntnisse für die For-
schung zu Regeln in Projekten. Während insbesondere die normative Projektforschung
Regeln bislang meist als Lösung von Problemen erachtet hat, deuten neuere Arbeiten zu
interorganisationalen Kooperationen auf die Dualität von Regeln als Ursache und zugleich
Lösung von Problemen hin (z.B. Vlaar et al. 2007). Die nachfolgende Analyse der Folgen
von Regeln in Beratungsprojekten bietet hierzu weitere Erkenntnisse.
Regeln in interorganisationalen Projekten: Eine qualitative Studie 167

3 Explorative Untersuchung von


Regeln in Unternehmensberatungs-
projekten
3.1 Entwicklung des Forschungsdesigns
Zur Reduzierung des skizzierten Forschungsdefizits wurde ein qualitatives Forschungsde-
sign mit explorativen Elementen gewählt, da dieses besonders einschlägig zur Erschließung
wenig erforschter Untersuchungsgegenstände ist (Flick et al. 2004, S. 25). Es wurde auf die
Methode des leitfadengestützten Interviews zurückgegriffen, da diese sich besonders eig-
net, um Expertenwissen über Regeln in temporären Organisationen zu erheben (Hopf 2004,
S. 350).

Die Daten der empirischen Studie wurden durch 20 halbstandardisierte Leitfadeninterviews


gewonnen, die zwischen November 2011 und Januar 2012 durchgeführt wurden. Interviewt
wurden Personen, die an Unternehmensberatungsprojekten als Berater oder Kunde mitar-
beiten, da die Unternehmensberatung eine Branche ist, in der fast ausschließlich interorga-
nisationale Projektarbeit eingesetzt wird (Mohe/Seidl 2011). Unternehmen bilden mit Bera-
tungsunternehmen Projekte beispielsweise zur Durchführung von Strategieentwicklung,
Kostenreduktionsprogrammen oder Technologieimplementierung (Fritz/Effenberger 1998;
Bundesverband deutscher Unternehmensberater 2009). Unternehmensberatungsprojekte
setzen sich aus Mitgliedern der Beratungs- und Kundenorganisation zusammen (Libera-
tore/Luo 2010), für gewöhnlich ohne dass eine der involvierten Organisationen eine fokale
Stellung einnimmt (Mohe/Seidl 2011).

Insgesamt haben zwölf Unternehmensberater und acht Kunden an der Studie teilgenom-
men. Ein Großteil der Gesprächspartner wurde mittels einer Anzeige in einer personalwirt-
schaftlichen Fachzeitschrift (PersonalQuarterly) rekrutiert, die sich sowohl an Führungs-
kräfte in Unternehmen als auch an Unternehmensberater richtet und eigens eine Rubrik
(„News aus der Hochschulwelt“) bietet, um Forschungsanzeigen zu veröffentlichen. Die
weiteren Interviewpartner wurden von diesen Kontakten vermittelt.

Um möglichst detaillierte Einblicke in Regeln in interorganisationalen Projekten zu erhal-


ten, wurde auf eine große Berufs- und Projekterfahrung der Interviewpartner geachtet. Die
Interviewpartner auf Beratungs- und Kundenseite verfügen über eine Berufserfahrung von
im Durchschnitt mehr als zehn bzw. 15 Jahren und haben durchschnittlich in mindestens 36
bzw. 24 Beratungsprojekten gearbeitet (vgl. Tab. 1), weshalb von einer hohen Kompetenz
hinsichtlich des Untersuchungsgegenstands ausgegangen wird. Die Interviews wurden
aufgrund der intensiven Reisetätigkeit der Berater per Telefon geführt und hatten eine
durchschnittliche Länge von etwa 49 Minuten.
168 Simon Dischner/Jost Sieweke/Stefan Süß

Tab. 1: Beschreibung der Interviewpartner

Berater Kunden

Anzahl der Interviewten 12 8

männlich/weiblich 10/2 7/1

durchschnittliche Berufserfahrung (in Jahren) 10,1 14,8

durchschnittliche Zeit im jetzigen Unternehmen (in Jahren) 5,1 10,3

durchschnittliche Anzahl an Beratungsprojekten 35,9 24,3

Die Interviewleitfragen zielten auf die Erforschung der Struktur, Setzung und Folgen von
Regeln in interorganisationalen Projekten. Vor diesem Hintergrund wurden die Leitfragen
formuliert und anschließend in Pretests mit drei (ehemaligen) Beratern und Kunden, die
den Autoren persönlich bekannt waren, getestet und entsprechend der Anmerkungen mo-
difiziert. Der Leitfaden findet sich im Anhang.

Die Gesprächspartner wurden zunächst gebeten, sich an ihr letztes Beratungsprojekt zu


erinnern, um dann Auskunft über das Projektmanagement (z.B. beteiligte Personen, Pro-
jektdauer, Regeln), die ersten Projekttage (z.B. Aufgabenverteilung, Kennenlernen der
Teammitglieder), den Umgang mit unternehmensexternen Teammitgliedern (z.B. An-
sprechpartner, Zusammenarbeit) und über implizite Regeln des betreffenden Projekts zu
geben. Ziel war es herauszufinden, wie ein Projekt organisiert ist, d.h. welche Organisatio-
nen bzw. Personen (gemeinsam) Regeln vorgeben, in welcher Form Regeln vorliegen und
wie sie kommuniziert werden. Damit zielten diese Fragen insbesondere auf Regelsetzung
sowie Regelstruktur, also Formalisierung, Kodifizierung und Typen der Regeln, ab.

Im nächsten Interviewteil wurden die Gesprächspartner gebeten, an typische Projekte bzw.


Situationen in Projekten zu denken. Zunächst wurde um eine Einschätzung der Bedeutung
von Regeln für die Projektarbeit gebeten, um Hinweise darauf zu erhalten, ob die wahrge-
nommene Bedeutung von Regeln abhängig von der Berater- bzw. Kundenseite, der hierar-
chischen Stellung im Projekt oder der Projekterfahrung ist. Die Erfahrungen mit der In-
tegration in laufende Projekte sollten Aufschluss über den Formalisierungsgrad von Regeln
sowie deren Weitergabe an neue Teammitglieder geben. Des Weiteren wurden die Ge-
sprächspartner gefragt, wie in Projekten mit Problemen im Allgemeinen, Widerständen bei
der Einhaltung von Regeln und unterschiedlichen Interpretationen von Regeln umgegan-
gen wird. Dies sollte Einsichten darüber vermitteln, inwieweit Regeln herangezogen, ge-
setzt oder revidiert werden, um Probleme, Widerstände und Missverständnisse zu lösen
und wer über diesen Einsatz entscheidet. Die Frage, ob Regeln die Projektarbeit behindern
und welche Konsequenzen dies nach sich zieht, sollte Erkenntnisse über die Verbindlich-
keit von Regeln liefern sowie klären, inwieweit Regeln in temporären Organisationen Ursa-
che von Problemen sind. Schließlich wurden berufsbezogene Daten der Befragten erhoben
(z.B. höchster Ausbildungsabschluss, Berufs- und Projekterfahrung, Beschäftigungsdauer
beim derzeitigen Arbeitgeber, hierarchische Einordnung etc.).
Regeln in interorganisationalen Projekten: Eine qualitative Studie 169

3.2 Beschreibung der Auswertung


Die Interviews wurden vollständig transkribiert (insgesamt ca. 300 Seiten Datenmaterial)
und mittels der zusammenfassenden qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring (2011) com-
putergestützt mit der Software MAXQDA ausgewertet.

In einem ersten, deduktiven Schritt wurde aus den konstatierten Forschungsdefiziten be-
züglich Regeln in interorganisationalen Projekten ein vorläufiges Kategoriensystem gebil-
det. In einem zweiten, induktiven Schritt wurde das Kategoriensystem entlang des Daten-
materials modifiziert, bis sich schließlich ein finales System aus Ober- und Unterkategorien
herausgebildet hatte (vgl. Abb. 1). Auf dieser Grundlage wurden die Transkripte codiert.
Anschließend wurden die inhaltstragenden Textstellen generalisiert und die Aussagen
inhaltlich in dem finalen Kategoriensystem gebündelt (Reduktion).

Abb. 1: Kategoriensystem der Inhaltsanalyse

Struktur von Regeln in Unternehmensberatungsprojekten


 Art der Regel
o Koordinationsregeln
o Arbeitsteilungsregeln
o Kommunikationsregeln
o Projektregeln
o Verhaltensregeln
 Art der Formalisierung
o formal
o informal
 Art der Kodifizierung
o schriftlich
o mündlich
o implizit
Setzung von Regeln in Unternehmensberatungsprojekten
 hierarchisch
o kundenseitig
 Regel bereits in der Organisation existent
 Regel neu gesetzt
o beratungsseitig
 Regel bereits in der Organisation existent
 Regel neu gesetzt
 kooperativ
 kompetitiv
 adaptiv
Folgen von Regeln in Unternehmensberatungsprojekten
 Problementstehung durch Regeln
 Problemlösung durch Regeln
170 Simon Dischner/Jost Sieweke/Stefan Süß

Die Interviews wurden von einem der Autoren codiert. Um die Reliabilität der Codierun-
gen zu überprüfen (Lombard et al. 2002), wurden vier zufällig ausgewählte Transkripte von
einem weiteren Autor codiert. Die Intercoder-Reliabilität wurde mithilfe der prozentualen
Übereinstimmung, die einen häufig angewendeten Koeffizienten zur Berechnung von In-
terrater-Reliabilität darstellt (Neuendorf 2002, S. 149), bestimmt und betrug durchschnitt-
lich 97,2%; dies kann als eine hohe Reliabilität eingestuft werden (Neuendorf 2002). Die
Darstellung der Ergebnisse im folgenden Abschnitt erfolgt weitgehend auf aggregierter
Ebene. Zur Illustration der Ergebnisse werden besonders prägnante Aussagen aus den
Interviews zitiert; Aussagen von Unternehmensberatern sind mit „B“ zitiert, Aussagen von
Kunden mit „K“.

3.3 Ergebnisse
3.3.1 Die Struktur von Regeln in
Unternehmensberatungsprojekten
Im Datenmaterial konnten fünf Regelarten in Unternehmensberatungsprojekten identifi-
ziert werden, die sich jeweils in weitere Unterarten differenzieren lassen und die unter-
schiedlich formalisiert bzw. kodifiziert sind. Die Regelarten wurden induktiv aus dem
Datenmaterial gewonnen (vgl. 3.2). Dabei handelt es sich größtenteils um Arten, die auch in
anderen Organisationstypen zu finden sind, deren Ausgestaltung jedoch als spezifisch für
Beratungsprojekte zu betrachten ist.

Als erste Regelart wurden Koordinationsregeln identifiziert. Diese zumeist formalen und
schriftlich festgehaltenen Regeln umfassen Aspekte der Zusammenarbeit der Projektmit-
glieder untereinander bzw. der Abstimmung zwischen dem Projektteam und der Bera-
tungs- bzw. Kundenorganisation. Koordinationsregeln sind insbesondere in der Anfangs-
phase eines Projekts von großer Bedeutung, da in Beratungsprojekten Mitarbeiter aus in
der Regel zwei Organisationen zusammenarbeiten und diese die Arbeit untereinander
koordinieren müssen. Daneben bilden sich im Laufe des Projekts informale bzw. implizite
Koordinationsregeln heraus, um die formalen Koordinationswege zu umgehen, wie z.B.
informale Konfliktlösungsmechanismen, sodass „[a]ußerhalb des Protokolls Dinge [geklärt
werden], vielleicht auch mal bei einem Bier oder im Gespräch, im Zweiergespräch“ (K.3).

Eine zweite Regelart sind Arbeitsteilungsregeln, die zum einen anfänglich formal definiert
werden und die zum anderen im Projektverlauf durch informale Arbeitsteilungsregelun-
gen erweitert werden. Die aus Regeln resultierenden verschiedenen formalen Stellenaufga-
ben geben den Projektmitgliedern Tätigkeiten wie z.B. Sammeln von Informationen oder
turnusmäßige Berichterstattung an höhere Instanzen vor. Arbeitsteilungsregeln definieren
weiterhin die Rolle, die die Mitarbeiter im Projekt einnehmen: „Also bin ich Prozessunter-
stützer, bin ich inhaltlicher Vorantreiber, bin ich der, der gemeinschaftlich mit dem Kunden
die Themen erarbeitet oder macht der Berater die Vorschläge und die Kunden sagen nur ja
oder nein?“ (B.8). Während des Projekts werden Aufgaben und Arbeitszeiten den situati-
Regeln in interorganisationalen Projekten: Eine qualitative Studie 171

ven Bedingungen zumeist ad-hoc angepasst. Daneben verändert sich die Projektrolle durch
die täglichen Interkationen der Projektmitglieder.

Kommunikationsregeln stellen eine dritte Regelart in Unternehmensberatungsprojekten dar;


sie regeln insbesondere den Informationsaustausch im Projekt. Dieser ist vor dem Hinter-
grund der zum Teil räumlich voneinander getrennt arbeitenden Projektmitglieder von
großer Bedeutung für den Projekterfolg. Viele Interviewpartner berichten, dass Kommuni-
kationsregeln bereits auf der Kick-Off Veranstaltung zu Beginn des Projekts formal festge-
legt und an die Teammitglieder kommuniziert werden. So wird reguliert, über welche
Stellen die Kommunikation laufen muss und wie mit sensiblen Informationen umzugehen
ist. Im Verlauf des Projekts bestimmen Kommunikationsregeln unter anderem auch die
Form der Informationsweitergabe (z.B. schriftliche Dokumentation oder verbale Weiterga-
be), die dann faktisch überwiegend auf informalem Wege verläuft.

Eine vierte Regelart sind Projektregeln. Hierzu zählen alle Regeln, die das Projekt definieren,
wie z.B. das Projektziel oder seine Meilensteine. Projektregeln sind vielfach formal und
schriftlich fixiert und insbesondere in der Anfangsphase von Beratungsprojekten von gro-
ßer Bedeutung. Beispielsweise legen Kunden und Berater gemeinsam Projektziele und
Meilensteine fest, um das Projekt zeitlich und inhaltlich zu strukturieren. Weiterhin werden
in vielen Fällen bereits zu Beginn des Projekts Regeln bezüglich der Ressourcenausstattung
der Projektmitglieder festgelegt. Diese sind insbesondere für die Beratungsunternehmen
von großer Bedeutung, da ihre Mitarbeiter für ihre Arbeit darauf angewiesen sind, dass der
Kunde vor Ort Arbeitsplätze und technische Ressourcen zur Verfügung stellt. Aufgrund
der Bedeutung der Ressourcenausstattung, wie z.B. Büroräume, wird diese in vielen Bera-
tungsprojekten schriftlich festgehalten: „[Bzgl.] Räumlichkeiten (…) haben wir so eine all-
gemeine Klausel, dass (…) der Kunde uns die Räumlichkeiten zur Verfügung stellt“ (B.1).

Als letzte Regelart konnten Verhaltensregeln identifiziert werden; sie regeln die Interaktion
der Projektmitglieder sowie das Verhalten gegenüber Nicht-Projektmitarbeitern in der
Beratungs- und Kundenorganisation und gelten für viele bzw. alle Projektmitglieder. Ver-
haltensregeln existieren sowohl formal als auch informal. Sie werden selten schriftlich fest-
gehalten, sondern häufig mündlich kommuniziert oder liegen nur in impliziter Form vor.
Beispielsweise wird zu Beginn des Projekts formal vereinbart, dass im Projektteam offen
kommuniziert werden soll. Gleichzeitig existieren in Projekten aber auch informale Verhal-
tensregeln. Dies zeigt sich beispielsweise anhand der Anwesenheitszeiten der Berater. Zwar
wird die Arbeitszeit in einigen Projekten im Arbeitsvertrag des Beraters geregelt, jedoch
besteht die informale und zum Teil auch implizite Erwartung bzw. Regel, dass sie in Pro-
jekten mehr arbeiten müssen als vertraglich festgelegt. Einige Berater berichten sogar von
einem gegenseitigen Überbieten bei Anwesenheitszeiten: „Und dann bleibt man eher noch,
ja, dann ist es ein bisschen die Frage, so ein bisschen Mikado-Prinzip abends: wer sich zu-
erst bewegt oder wer zuerst geht, hat verloren“ (B.12).

Die identifizierten formalisierten und kodifizierten Regelarten bilden in ihrer Gesamtheit


die Regelstruktur eines Beratungsprojekts, die wiederum eine Form der Projektgovernance
repräsentiert. Unter Projektgovernance wird die Steuerung und Kontrolle interorganisatio-
172 Simon Dischner/Jost Sieweke/Stefan Süß

naler Projekte verstanden. Formale und informale Regeln sind ein wichtiger Teil dieser
Governance; so ermöglichen Projektregeln, wie die Definition von Meilensteinen, erst eine
effektive Projektsteuerung und -kontrolle (Turner/Cochrane 1993).

Die Regelstruktur ist jedoch nicht statisch, sondern vielmehr dynamisch und verändert sich
im Laufe des Projekts. Veränderungen der Regelstruktur in Unternehmensberatungsprojekten
sind insbesondere dann gegeben, wenn die von Lundin und Söderholm (1995) beschriebe-
nen Übergänge in temporären Organisationen stattfinden. Zu Beginn eines Projekts, der
konstituierenden Phase, wird eine Reihe von formalen Regeln aufgestellt, die schriftlich
oder mündlich kommuniziert werden und die die Ziele, Meilensteine und Organisation des
Projekts betreffen. Die anschließenden Phasen sind dann abhängig von dem gesetzten Pro-
jektziel. Hierbei spielen Meilensteine eine besondere Rolle, denn sie markieren den Fort-
schritt des Projekts. „Es muss diese Milestones geben. Das muss es einfach geben, ohne die
geht es nicht. Also ein Projekt ohne Milestones macht aus meiner Sicht keinen Sinn“ (B.7).
Das Erreichen eines Meilensteines bietet die Möglichkeit, den bisherigen Projektverlauf zu
evaluieren sowie ein neues Teilziel zu fokussieren und das Projekt dadurch in eine neue
Phase zu bringen. Es wird „dann jeweils ausdetailliert, wie soll denn die nächste Phase
ganz konkret aussehen. (…) [E]s gibt am Anfang sehr grobe Meilensteine, die werden im-
mer fein detaillierter, umso näher man da rankommt. (…) Und das wird dann aber immer
weiter ausdetailliert in Submeilensteine, in kleinteiligere Punkte, je nach Teilprojekt, was
müssen die dann jetzt genau machen in welchem Zeitraum“ (B.8). Mit jedem Übergang in
eine neue Projektphase wird demnach auch die Regelstruktur des Projekts geändert. Es
werden Regelarten modifiziert bzw. neu gesetzt. Auch später integrierte Projektmitglieder
tragen neue informale Regeln in das Projekt hinein und implizite Regeln verändern sich vor
dem Hintergrund neuer Phasen.

3.3.2 Die Setzung von Regeln in


Unternehmensberatungsprojekten
Die Interviews zeigen, dass Regeln in Unternehmensberatungsprojekten auf vielfältige
Arten gesetzt werden. Erstens werden zum Teil keine neuen Regeln aufgestellt, sondern
stattdessen werden Regeln in das Projekt hineingetragen, die bereits vor dem Projekt in dem
Kunden- bzw. dem Beratungsunternehmen existierten. Eine solche Form der hierarchischen
Regelsetzung findet fast ausschließlich während der konstituierenden Phase eines Projekts
statt. Diese Regeln betreffen beispielsweise das Projektmanagement oder die Meilensteine
des Projekts. Welche Partei diese Form der Regelsetzung vornimmt, hängt insbesondere
von der Projekterfahrung ab. Beispielsweise bringen Berater aufgrund ihrer großen Pro-
jekterfahrung vielfach bereits existierende Regeln hinsichtlich des Projektmanagements an.
Jedoch bestehen auch bei Kunden, insbesondere wenn sie häufig mit Beratern zusammen-
arbeiten, etablierte Prozesse für Beratungsprojekte, die als Regeln in das Projekt eingeführt
werden: „Es gibt bei uns sowohl für IT-Projekte als auch für Non-IT-Projekte so genannte
Vorgehensmodelle, die Projektmanagementprozesse abbilden“ (K.2). Hier zeigt sich, dass
aufgrund der Besonderheit interorganisationaler Projekte (z.B. divergierende Grade der
Projekterfahrung und Expertise der beteiligten Akteure; Ko et al. 2005; Jones/Lichtenstein
Regeln in interorganisationalen Projekten: Eine qualitative Studie 173

2008) der Akteur mit der größten Projekterfahrung als legitimiert erachtet wird, Regeln
hierarchisch in das Projekt zu transferieren. Neben Regeln, die das Projektmanagement
betreffen, werden zu Beginn eines Projekts auch Verhaltensregeln aus dem Beratungs-
und/oder Kundenunternehmen in das Projekt transferiert, wodurch auch Teile der Unter-
nehmenskulturen der beiden Unternehmen im gemeinsamen Projekt widergespiegelt wer-
den. Um Konflikte innerhalb der Berater-Kunden-Beziehung zu vermeiden, passen sich
Berater den Verhaltensregeln in dem Kundenunternehmen an. So besteht in Beratungen die
generelle Regel, dem Kunden keine Verhaltensregeln aufzuerlegen: „[D]a würde ich als
Berater einen Teufel tun, [den Kundenmitarbeitern] zu erklären, wie sie sich verhalten
sollen“ (B.12).

Eine zweite Form der hierarchischen Regelsetzung findet statt, wenn Regeln speziell für ein
Projekt neu gesetzt werden. Dies erfolgt zum einen insbesondere zu Beginn eines Projekts. So
gibt der Kunde stets das Projektziel bzw. das Projektende zeitlich und inhaltlich als Regel
vor, während der Berater sich an diesen Vorgaben orientiert und in diesem Rahmen die
Projektorganisation vornimmt: „Meistens ist es so, dass wenn wir Berater nutzen, dann
kommt die Meilensteinplanung von denen. (…) Und die Ausdetaillierung macht meistens
der Berater. (…) [W]ie genau Projektarbeit während des Zeitraums aussieht, ist ja eigentlich
schon die erste Beraterleistung“ (K.4). Wie bei dem hierarchischen Transfer von Regeln
spielt auch hier die unterschiedliche Expertise der Projektbeteiligten (Ko et al. 2005; Jones/
Lichtenstein 2008) eine wesentliche Rolle bei der Entscheidung, welcher Akteur hierar-
chisch neue Regeln setzen darf. Zum anderen werden während des Projekts insbesondere
dann neue Regeln gesetzt, wenn ein Übergang stattfindet und das Projekt in eine neue
Phase eintritt sowie wenn Probleme gelöst werden müssen. Da es sich bei den beteiligten
Unternehmen um ein Kunde-Dienstleister-Verhältnis handelt, hat der Kunde jedoch stets
die Möglichkeit, die von den Beratern gesetzten Regeln außer Kraft zu setzen oder zu revi-
dieren: „Letztendlich [macht] der (…), der Budgetverantwortung hat, der uns eingekauft
hat, (…) die Regeln so neu, wie er Bock hat“ (B.8).

Drittens existieren Fälle, in denen die Setzung der Regel kooperativ erfolgt, d.h. dass Kunde
und Berater gemeinsam eine Regel erstellen. Kooperative Regelsetzung findet statt, wenn
trotz der in das Projekt hineingetragenen sowie der neu gesetzten Regeln Aspekte des Pro-
jektmanagements noch ungeklärt sind. Da in interorganisationalen Beratungsprojekten die
Projektmitglieder in aller Regel zum ersten Mal zusammenarbeiten (Goodman/Goodman
1976; Meyerson et al. 1996), muss zu Beginn eines Projekts die Form der Zusammenarbeit
ausgehandelt werden, was üblicherweise im Rahmen des Kick-Off-Meetings geschieht:
„Und im Rahmen dieses Kick-Offs (…) wird dann diskutiert, wie die Zusammenarbeit jetzt
die nächsten Wochen, Monate konkret ausgestaltet werden soll. Das ist eine offene Diskus-
sion“ (B.4). Um während des Projekts die gemeinsame Regelsetzung zu organisieren, be-
stehen in der Regel auf allen Projektebenen Doppelspitzen, die aus Kundenmitarbeitern
und Beratern gebildet werden. Auf höheren Hierarchieebenen treibt der Berater gemeinsam
mit dem Kunden die strategische Ausrichtung des Projekts voran. Hier werden Regeln
gesetzt, die das gesamte Projekt betreffen wie z.B. Entscheidungen über den Austausch von
Beratern. Auf Teilprojektebene werden operative Regeln kooperativ gestaltet. Insbesondere
während der konstituierenden Phase wird das – meist vom Berater vorgegebene – Projekt-
174 Simon Dischner/Jost Sieweke/Stefan Süß

management operationalisiert: „[Die Detailarbeit] machen die Teilprojektleiter, wie gesagt,


es gibt dann ja auch immer eine Verdichtung“ (K.3). Auch während der einzelnen Pro-
jektphasen werden auf Teilprojektebene Regeln kooperativ gesetzt. Ähnlich wie bei den
neu gesetzten Regeln findet dies vermehrt dann statt, wenn neue Projektphasen erreicht
werden oder wenn Probleme auftreten.

Viertens konnte in einigen Beratungsprojekten eine kompetitive Regelsetzung beobachtet


werden; in diesem Fall ist die Regel die Folge eines Konflikts zwischen Kunde und Berater.
Konflikte werden in diesem Zusammenhang allgemein als Konsequenz enttäuschter Ver-
haltenserwartungen verstanden. Ein solcher Konflikt kann z.B. entstehen, wenn die Ausle-
gung einer Regel unklar ist oder wenn eine interne Regel von der anderen Partei nicht
akzeptiert wird. Beispielsweise kann der Kunde mit dem Verhalten der Berater nicht ein-
verstanden sein, weshalb eine neue Zusammensetzung des Beraterteams gefordert wird:
„Wenn man dann z.B. merkt, dass der Interne mit dem Externen nicht kann, dann (...) ver-
suche ich sowas, Unstimmigkeiten, Unklarheiten, recht schnell zu adressieren und anzu-
sprechen und auch zu lösen. Und das kann auch heißen, dass ich mich von einem Externen
(...) trenne, weil der sich anders gegeben hat, als der Erstkontakt das gezeigt hat“ (K.2). Der
Konflikt kann auch auf einer gescheiterten bzw. nicht eingehaltenen kooperativen Regel-
setzung basieren. Beispielsweise wird in vielen Fällen gemeinsam eine Liste mit Ansprech-
partnern auf beiden Seiten entwickelt, deren Nichtanwendung dazu führt, dass formale
Kommunikationsregeln aufgestellt werden. Konflikte zwischen Kunde und Berater mün-
den auch in informale Regeln; beispielsweise können die Beteiligten aus unterschiedlichen
Gründen daran interessiert sein, Informationen zurückzuhalten, sodass daraus Verhaltens-
regeln resultieren. Interviewpartner B.7 berichtet von einem Fall, in dem die Kundenmitar-
beiter durch die Hinzunahme von Beratern um die Anerkennung ihrer Kompetenz fürchte-
ten: „[D]ie [Kunden] sagen dann auch: ja, das kann doch nicht sein, warum soll der [Bera-
ter] das jetzt hinkriegen? Und die meiden Sie dann immer, also das ist eigentlich eine ganz
üble Situation“ (B.7). Das Zitat veranschaulicht das Problem der überlappenden Kompe-
tenzbereiche in interorganisationalen Projekten (Jones/Lichtenstein 2008). Der Kundenmit-
arbeiter sieht sich durch die Hinzuziehung von Beratern in seinem Kompetenzbereich be-
schnitten, woraufhin die Kompetenzbereiche neu – in diesem Fall kompetitiv – geregelt
werden müssen.

Fünftens berichten Berater und Kunden von einer adaptiven Regelsetzung im Verlauf eines
Projekts. In diesen Fällen ist die Regel nicht explizit gesetzt worden, sondern stattdessen in
der Interaktion der Projektteilnehmer im Laufe der Zeit entstanden, sodass sie keiner Partei
ursächlich zugerechnet werden kann. Adaptive Regeln betreffen alle regulierungsbedürfti-
gen Aspekte des Projektmanagements, die durch die anderen Regelsetzungsarten nicht
bzw. inadäquat abgedeckt werden. Dies gilt insbesondere für Verhaltensregeln, die – wie
die Gesprächspartner berichten – in Projekten meistens nicht genau definiert sind. Stattdes-
sen entstehen sie im Arbeitsalltag als Anpassung an Routinen und Gewohnheiten von Akt-
euren. Beispielsweise passen sich Berater und Kunde im Laufe der Zeit den Verhaltenswei-
sen des Gegenübers mithilfe von eigenen, impliziten Regeln an, um die Interaktion zu ver-
bessern: „[D]er Kunde kann vor zehn Uhr nicht angesprochen werden, bevor er seinen
ersten Kaffee hat. Dann etabliert sich das halt irgendwo, dass du ihn nachher erst an-
Regeln in interorganisationalen Projekten: Eine qualitative Studie 175

sprichst. (…) [M]anchmal weißt du, (...) wie du mit bestimmten Kollegen halt umgehen
musst“ (B.12).

3.3.3 Die Folgen von Regeln in


Unternehmensberatungsprojekten
Die in der Organisationsforschung angedeutete doppelte Rolle von Regeln, einerseits Quel-
le (vgl. u.a. Merton 1957), anderseits aber auch Lösung von Problemen zu sein (vgl. u.a.
Cyert/March 1963; Goulder 1964), kann auch in Beratungsprojekten beobachtet werden:

Erstens finden sich in Unternehmensberatungsprojekten Regeln, die Probleme verursachen.


Ein von vielen Interviewpartnern geschildertes Problem ergibt sich aus formalen Koordina-
tionsregeln, die die Projektarbeit behindern. Dies kann der Fall sein, wenn Verfahrensricht-
linien zu wenig Handlungsspielraum gewähren: „[Es gab] ganz genaue formale (...) Vorge-
hensregeln aus Brasilien, die eben das Projekt aufgesetzt hatten, wo eben dann streng nach
Strategieentwicklungsverfahren (...) vorgegangen werden sollte und ich fand das für
Deutschland etwas arg formalistisch und der Unternehmensgröße nicht angemessen“ (B.5).
Dies ist insofern problematisch, als dass es sich hierbei um Richtlinien handelt, die im Kun-
denunternehmen verankert sind und auf die der Berater keinen Einfluss nehmen kann:
„Und es ist auch meistens sehr schwierig, weil gerade in diesen großen Unternehmen geht
das alles nach Prozess XY und da musst du eben, ja, hoffen, aber du kannst eigentlich nicht
davon ausgehen, dass du vor ein, zwei Wochen einen Internetzugang hast (...). Ist alles
nicht so einfach immer“ (B.11). Ein anderes Beispiel für Problementstehung durch Regeln
sind kundenseitige Kommunikationsregeln, die verhindern sollen, dass Informationen
ungefiltert an Berater weitergegeben werden. Solche Regeln schützen zwar die zum Teil
vertraulichen Informationen des Kunden, schränken jedoch die Arbeit der Berater ein, da
diese zur Erreichung der Projektziele auf Informationen angewiesen sind: „[O]ftmals muss
ich dann an [Kunden]mitarbeiter herangehen, sagen: hör mal zu, ich brauche von der Per-
son das und das, damit ich weitermachen kann. Jetzt wenn interne Mitarbeiter untereinan-
der kommunizieren, die sind ja teilweise extrem träge, (…) das verzögert mir das komplette
Projekt“ (B.7). Auch Verhaltensregeln rufen zum Teil Probleme hervor. Beispielsweise
können Verhaltensregeln wie z.B. das Siezen von Projektmitgliedern oder die Vermeidung
persönlicher Kontakte ein distanziertes Verhältnis zwischen Beratern und Kunden begüns-
tigen, was ebenso die Arbeit des Beraters erschweren kann, da „dann auch natürlich dem
Kunden da eine Eskalation relativ einfach gemacht worden ist. Weil, wenn man persönlich
noch nicht so weiß: aha, der ist ja eigentlich auch so ein Mensch so wie ich (…)“ (B.10).

Zweitens tragen Regeln in Beratungsprojekten auch zur Lösung von Problemen bei. In vielen
Fällen werden informale Regeln angewendet, um durch formale Regeln verursachte Prob-
leme zu lösen: „Sagen wir mal so, ich nutze dann den Spielraum, den ich als Projektleiter
habe, und (…) versuche dann solche [formalen] Regeln zu umgehen, wenn ich einfach den
Sinn wirklich nicht sehe oder den Mehrwert“ (B.6). Viele Gesprächspartner berichten von
Kommunikationsregeln, die Ansprechpartner definieren, an die sich Berater zwecks Infor-
mationsgewinnung wenden müssen. Um zeitliche Verzögerungen zu minimieren, nutzen
176 Simon Dischner/Jost Sieweke/Stefan Süß

Berater allerdings auch informale Kommunikationswege, die teilweise im Widerspruch zu


diesen formalen Kommunikationsregeln stehen: „Und da muss ich schon auch mal selber
den Hörer in die Hand nehmen und sagen: Hallo, wie ist denn das da und da, kannst du
mir die und die Daten geben? Da muss ich einfach diese Kommunikationsrichtlinie ein
bisschen aushebeln und direkt bei den Leuten anrufen“ (B.7). Eine andere Maßnahme der
Berater besteht darin, dass sie zu Beginn des Projekts Regeln zur Informationstransparenz
setzen. Diese Regeln sollen den Zugang zu Unternehmensinformationen während des
Projekts sicherstellen: „Da die Beratung (...) auf Transparenz angewiesen ist (...), ist das eine
der zentralen Herausforderungen, die man dann ansprechen muss, um sich später darauf
berufen zu können, letztlich sagen zu können: wir wollten das so, wir haben es so verein-
bart“ (B.4). Ein weiteres Beispiel für Problemlösungen durch formale Regeln sind „weiche
Formulierungen“ (B.10), wie z.B. einen nicht eindeutig fixierten Projektendzeitpunkt, in
den Vertrag aufzunehmen. An diesem Beispiel offenbart sich das Problem, dass Akteure in
interorganisationalen Projekten unterschiedliche Ziele verfolgen (Jones/Lichtenstein 2008).
Während Kunden an fixen Vertragsinhalten interessiert sind, versuchen Berater dem ent-
gegenzuwirken und schwer zu erreichende Ziele abzuschwächen, damit der Kunde sich bei
negativem Projektverlauf (z.B. zeitlicher Verzug) nicht auf klar definierte Vertragsinhalte
berufen kann.

Neben Fällen, in denen diese doppelte Rolle von Regeln (entweder als Quelle oder als Lö-
sung von Problemen) vorlag, konnten auch wenige Fälle identifiziert werden, in denen
Regeln gleichzeitig Ursache und Lösung von Problemen sind. Beispielsweise führen Verhaltens-
regeln (z.B. Duzen, gemeinsames Essen) in Beratungsprojekten einerseits dazu, dass die
Projektmitglieder ein vertrautes Verhältnis zueinander aufbauen. Dies erleichtert das Ar-
beitsverhältnis zwischen Kunden und Beratern, da dann die Möglichkeit gegeben ist, Prob-
leme offen anzusprechen und zum Teil auch schneller und informell zu lösen: „[W]enn
man mit jemandem mal in Ruhe ein Bier getrunken hat, dann klappt die Zusammenarbeit
auch viel besser (...), weil vielleicht Barrieren überwunden sind (...). Und wenn man einfach
mal so eine persönliche Beziehungsebene erreicht hat, dann (...) kann man auch mal sagen:
weißt du was, wie du dich heute verhalten hast, das war einfach nicht akzeptabel aus dem
und dem Grund“ (K.7). Umgekehrt können Verhaltensregeln die Arbeit des Beraters aber
auch erschweren. So kann ein vertrautes Verhältnis zwischen Kunden und Berater, das
durch derartige Verhaltensregeln aufgebaut wird, in bestimmten Situationen „schon ein
bisschen hinderlich [sein], weil du halt nicht so hart durchgreifen kannst oder so hart da
spielen kannst“ (B.12).
Regeln in interorganisationalen Projekten: Eine qualitative Studie 177

4 Schlussfolgerungen
4.1 Beiträge zur Erforschung interorganisationaler
Projekte
Die Ergebnisse aus den Interviews mit den Beratern und Kunden liefern zwei wesentliche
Beiträge zur Erforschung interorganisationaler Projekte:
(1) Erkenntnisse über die Regelsetzung und die Koordinationsfunktion von Regeln in
interorganisationalen Projekten sowie
(2) Wissen über das Verhältnis von Temporalität und Regeln.
(1) Die Studie erweitert das Wissen über die Regelsetzung in interorganisationalen Projekten.
Die Interviewpartner berichteten, dass bestehende Regeln hierarchisch in interorganisatio-
nale Projekte transferiert, hierarchisch neu gesetzt, kooperativ ausgehandelt und kompeti-
tiv erstritten werden sowie sich adaptiv entwickeln. Damit zeigt die Studie, dass in interor-
ganisationalen Projekten Arten der Regelsetzung auftreten, die größtenteils auch in perma-
nenten Organisationen beobachtet werden können: Verschiedene Organisationstheorien
wie z.B. die Bürokratietheorie (Weber 2005) beschreiben das hierarchische Setzen von Re-
geln. Mikropolitische Ansätze (Crozier/Friedberg 1979; Ortmann 1995) analysieren koope-
rative und kompetitive Regelsetzung in Form von Machtspielen. Auch adaptive (bzw.
evolutionäre) Regelsetzung ist in der Organisationsforschung viel diskutiert (z.B. March et
al. 2000; Koch 2004). Ein Spezifikum in interorganisationalen Projekten, das bereits in der
Projektforschung beschrieben wurde (z.B. Brady/Davies 2004; Manning 2008), ist hingegen
der Transfer bestehender Regeln von Mutterorganisationen in das Projekt.

Darüber hinaus weisen die Ergebnisse darauf hin, dass sich interorganisationale Projekte
mit zunehmender Existenzdauer permanenten Organisationen strukturell angleichen. So
berichten mehrere Interviewpartner darüber, dass formale Regeln nach der konstituieren-
den Phase interorganisationaler Projekte nur noch dann gesetzt bzw. modifiziert werden,
wenn Probleme auftreten oder ein Übergang in eine neue Phase stattfindet. Dies deutet
darauf hin, dass nicht nur in permanenten Organisationen, sondern auch in interorganisa-
tionalen Projekten die Regelsetzungsrate degressiv verläuft (Schulz 1998). Mit der Zeit kann
auf Regeln zurückgegriffen werden, die sich als Problemlösung bewährt haben, sodass die
Setzung zusätzlicher Regeln seltener notwendig wird.

Sind Regeln in interorganisationalen Projekten erst einmal gesetzt, tragen sie insbesondere
zur Koordination der Projektaktivitäten bei. In Abschnitt 2.1 wurde auf die besondere Proble-
matik interorganisationaler Projekte hingewiesen, dass die Projektteammitglieder meist
zum ersten Mal zusammenarbeiten und dadurch die Koordination der Tätigkeiten zu-
nächst weitgehend ungeregelt ist (Turner/Müller 2003; Jones/Lichtenstein 2008). Die Bei-
spiele aus Abschnitt 3.3.3 haben jedoch illustriert, dass – ähnlich wie die Forschung zu
formalen und informalen Regeln in permanenten Organisationen gezeigt hat (z.B. Luh-
mann 1995) – versucht wird, Probleme und Verzögerungen, die aus formalen Regeln resul-
178 Simon Dischner/Jost Sieweke/Stefan Süß

tieren, durch informale Regeln zu lösen. Dieses Verhältnis von formalen Regeln und infor-
maler Praxis hat eine wesentliche Bedeutung für das Funktionieren von Organisationen
bzw. für die Herstellung von sozialer Ordnung (Ortmann 2003): Abweichungen bei der
Anwendung formaler Regeln halten die soziale Ordnung aufrecht, wenn die Regelverlet-
zungen im „Dienste der Sache“ (Ortmann 2003, S. 33) bzw. in der Intention des Regelset-
zers geschehen, denn dann kann der Regelbrecher davon ausgehen, dass die Verletzung
von den anderen Organisationsmitgliedern akzeptiert wird. Paradoxerweise lässt sich dar-
aus schließen, dass es den Projektmitgliedern aufgrund der der Regelanwendung inne-
wohnenden Möglichkeit der Regelverletzung erleichtert wird, die Projektaktivitäten in
einem neu zusammengestellten Team zu koordinieren. So fällt die Problematik des erstma-
ligen Zusammenarbeitens und der Bearbeitung einmaliger Aufgaben weniger ins Gewicht,
wenn das Projektteam die herrschenden Regeln zwar „respektiert“ (Ortmann 2003, S. 60),
diese jedoch außer Kraft setzen kann, wenn man dadurch dem Projektziel näher kommt.
Beispielhaft wird dieser Sachverhalt von B.7 beschrieben, der bei Projektverzögerungen
Kommunikationsregeln verletzt und informale Kommunikationskanäle nutzt (vgl. 3.3.3)
und somit dem übergeordneten Projektziel Rechnung trägt.

(2) Die Temporalität als genuines Merkmal von (interorganisationalen) Projekten ist in der
Literatur viel diskutiert (z.B. Janowicz-Panjaitan et al. 2009a, S. 73 ff.; Janowicz-Panjaitan et
al. 2009b; Bakker 2010, S. 471 ff.). Jedoch sind der konkrete Einfluss der Temporalität auf
diese spezifische Organisationsform sowie ihre Prozesse und ihr Funktionieren kaum er-
forscht (Janowicz-Panjaitan et al. 2009a, S. 81; Bakker 2010, S. 473). Die dargestellte qualita-
tive Studie liefert einen Beitrag zur Reduzierung dieses Forschungsdefizits. Die Ergebnisse
zeigen, dass Regeln die Folgen der Temporalität sowohl vermindern als auch verstärken:

Erstens hat Temporalität zur Folge, dass (interorganisationalen) Projekten nur eine begrenzte
Zeit zur Erreichung ihrer Ziele zur Verfügung steht. Als Folge der Temporalität geraten Pro-
jektbeteiligte unter Zeitdruck, z.B. hinsichtlich der Zielerreichung innerhalb eines vorgege-
benen Zeitrahmens (Turner/Müller 2003). Regeln reduzieren einerseits diesen Zeitdruck,
andererseits forcieren sie ihn. Diese Paradoxie wird insbesondere anhand zweier Regelar-
ten deutlich: Zum einen werden während der konstituierenden Phase interorganisationaler
Projekte bereits existierende Koordinationsregeln aus den Mutterorganisationen in das
Projekt transferiert, um den Zeitdruck zu reduzieren. Folglich kann das Projekt von Anfang
an auf elementaren Regeln des Organisierens aufbauen, sodass grundlegende Aspekte
nicht neu erarbeitet werden müssen. In diesem Sinne beginnen interorganisationale Projek-
te nicht bei einem „Nullzustand“. Vielmehr wird beispielsweise auf bestehende Verfah-
rensrichtlinien aus den Mutterorganisationen zurückgegriffen, um die Koordination in
Projekten mit Hilfe bewährter Instrumente zu erleichtern. Dies hat zur Folge, dass interor-
ganisationale Projekte bereits nach kurzer Zeit strukturiert mit ihrer Arbeit beginnen kön-
nen, was vor dem Hintergrund begrenzter zeitlicher Existenz und eng gesetzter Zeitpläne
von großer Bedeutung ist. Zum anderen erzeugen bzw. erhöhen Projektregeln aber den
Zeitdruck in interorganisationalen Projekten. Regeln, die Meilensteine, Projektziele oder
Deadlines definieren, haben eine stark regulierende Funktion (Lindkvist et al. 1998; Pitsis et
al. 2003) und führen dazu, dass Zeit zu einer raren Schlüsselressource in Projekten wird
(Keegan/Turner 2001): „Und [das Projektteam steht] in der Regel ja noch unter einem ganz
Regeln in interorganisationalen Projekten: Eine qualitative Studie 179

anderen Zeitdruck, Ergebnisse bringen zu müssen. Und von daher ist da die Grundan-
spannung [in Projekten] meines Erachtens nach schon höher als in normalen Linienorgani-
sationen, (…) weil Projektergebnisse klar definiert sind“ (K.2).

Das Ergebnis, dass bestimmte Regeln den Zeitdruck vermindern können, liefert einen Bei-
trag zur Diskussion über die Einbettung interorganisationaler Projekte in ihren organisati-
onalen Kontext (z.B. Davies/Brady 2000; Grabher 2004; Manning 2008). Neben der Versor-
gung mit elementaren Ressourcen wie z.B. Fachwissen, Reputation und Legitimation durch
die Umwelt (Grabher 2004) konnte eine Bereitstellung elementarer Regeln durch die Ur-
sprungsorganisationen identifiziert werden. Dies geschieht insbesondere durch den Trans-
fer bestehender Regeln aus den Mutterorganisationen in das Projekt. Die in permanenten
Organisationen aufgebauten „project capabilities“, d.h. Projekterfahrungen bzw. Projekt-
wissen z.B. in Form von Projekthandbüchern, beruhen auf den spezifischen Projekterfah-
rungen der Unternehmen (Davies/Brady 2000; Keegan/Turner 2001). Mithilfe dieser Pro-
jektkompetenzen können die Organisationen die neu gebildeten interorganisationalen
Projekte top-down mit einem Grundstock an Regeln versorgen, um das ohnehin begrenzte
Zeitkontingent nicht weiter zu belasten sowie in der Mutterorganisation vorhandenes Wis-
sen und Erfahrungen in das interorganisationale Projekt zu transferieren. Die Einbettung
interorganisationaler Projekte in die permanente(n) Organisation(en) wird offenkundig.
Eine ähnliche Sichtweise vertreten Manning und Sydow (2011): Durch die Einbettung in
einen multiplen Projektkontext (z.B. permanente Organisationen, Projektnetzwerke) stehen
in interorganisationalen Projekten Regeln zur Verfügung, die wiederkehrend auf spezifi-
sche Projekte angewendet werden, wodurch sogenannte „collaborative paths“ aufrecht-
erhalten bzw. modifiziert werden. Ein Beispiel dafür ist die stetige Auswahl derselben
Projektmitglieder als Kernteam. Auch im Unternehmensberatungskontext zeigte sich, dass
Kunden mit Beratungsunternehmen „project-based relationships“ eingehen und sich
dadurch „collaborative paths“ bilden. Beispielsweise engagieren Manager häufig Berater,
mit denen sie bereits zusammengearbeitet haben (Armbrüster 2006).

Das Ergebnis, dass bestimmte Regeln den Zeitdruck in Projekten erhöhen, lässt sich mit der
von Manning (2008) beschriebenen Paradoxie erklären, dass interorganisationale Projekte
zwar in einen permanenten, multiplen Kontext eingebettet sind (Davies/Brady 2000; Jones
2001; Engwall 2003), die Einbettung jedoch nicht die Projektstruktur determiniert. Er argu-
mentiert, dass jedes Projekt anders und deshalb zu einem gewissen Grad vom Kontext
losgelöst ist, auch wenn Projekte auf Routinen und Regeln aufbauen, die im multiplen
Kontext vorherrschen. Einbettung und Konstitution sind somit unzertrennliche Prozesse.
Dies lässt sich am Setzen neuer Regeln verdeutlichen: Neue Regeln können als spezifische
Auslegung bestehender Regeln der Mutterorganisationen verstanden werden. Wenn bei-
spielsweise Projektregeln in Form von Meilensteinen festgelegt werden, dann sind diese
zwar für das Projekt neu gesetzt worden, sie orientieren sich jedoch an den in der (Kun-
den-)Organisation bestehenden Zeitplänen. Folglich werden Regeln, die den Zeitdruck
erhöhen und somit im Wesentlichen die Projektstruktur beeinflussen, aufgrund der Einbet-
tung von Projekten in den Organisationskontext neu gesetzt. Deutlich wird zudem, dass die
hierarchisch neu gesetzten Regeln (vgl. 3.3.2) zwar im Detail neu gesetzt werden, sich aber
an bestehenden Prinzipien der Regelsetzung in den Mutterorganisationen orientieren.
180 Simon Dischner/Jost Sieweke/Stefan Süß

Zweitens hat Temporalität zur Folge, dass gewonnenes Wissen und aufgebaute Erfahrungen
nur zeitlich begrenzt verfügbar sind. „There is a risk that the knowledge and experience
gained is lost when the project finishes, the team dissolves, and its members move on to
other projects or are reabsorbed into the organization“ (Brady/Davies 2004, S. 1601). Insbe-
sondere Kunden befürchten, dass das im Rahmen des Beratungsprojekts gewonnene sowie
das durch die Berater in das Projekt hineingetragene Wissen nach Projektende verloren
geht (Ko et al. 2005; Bakker/Janowicz-Panjaitan 2009). Die Studie zeigt, dass diese spezifi-
sche Folge von Temporalität durch die Speicherung von Wissen mithilfe von Regeln redu-
ziert werden kann (Prencipe/Tell 2001). Beispielsweise werden spezifische Kommunikati-
ons- und Arbeitsteilungsregeln gesetzt, um das zunächst temporäre Wissen für den Kun-
den permanent zugänglich zu machen. Kommunikationsregeln sehen die Speicherung und
Weitergabe von Wissen vor, einerseits schriftlich, z.B. in Form von Dokumenten, Protokol-
len oder Berichten, andererseits mündlich, z.B. in Form von turnusmäßigen Meetings oder
Telefonkonferenzen. Zusätzlich werden kundenseitig Arbeitsteilungsregeln aufgestellt,
sodass Kundenmitarbeiter speziell für die Arbeit in dem interorganisationalen Projekt ab-
gestellt werden. Ihre Aufgaben sehen dann in der Regel eine möglichst intensive Zusam-
menarbeit mit dem Berater vor, damit das spezifische, meist implizite Wissen des Beraters
(Morris/Empson 1998; Werr/Stjernberg 2003) während des Arbeitsalltags aufgenommen
wird.

Dieses Ergebnis liefert einen Beitrag zur Diskussion über den Transfer von Wissen aus
(interorganisationalen) Projekten in die Mutterorganisationen (Brady/Davies 2004; Jano-
wicz-Panjaitan et al. 2009a, S. 65). Studien haben gezeigt, dass ein solcher Wissenstransfer
zum Teil schwierig ist (DeFillippi/Arthur 1998; DeFillippi 2001; Keegan/Turner 2001). Je-
doch fördert insbesondere die Verschriftlichung von Wissen dessen Speicherung und
Transfer (Kogut/Zander 1992). Bevor jedoch „knowledge codification“ gelingen kann, sind
vorgelagerte Lernprozesse notwendig („experience accumulation“ und „knowledge articu-
lation“; vgl. Zollo/Winter 2002). Diese forcieren die Inkorporierung von Wissen in Routi-
nen, was auch dem Verständnis von March et al. (2000) von Regeln als Wissensspeicher
entspricht. In beiden Fällen sind Regeln das Ergebnis von Lernprozessen und selbst Teil des
Wissens. Regeln in interorganisationalen Projekten sind jedoch nicht nur das Ergebnis von
Lernprozessen, sondern auch Unterstützer dieser Prozesse. Zum einen fördern bestehende
Regeln in Form von institutionalisierten Projektmanagementpraktiken wie z.B. „project
communications management“ (PMI Standards Committee 1996) Lernprozesse. Solche
institutionalisierten Regeln, die in das Projekt transferiert werden, können als Lernmecha-
nismen verstanden werden (Prencipe/Tell 2001). Zusätzlich konnte zum anderen das kun-
denseitige Setzen neuer Regeln beobachtet werden, um Lernprozesse voranzutreiben. Bei-
spielsweise fördert das Abstellen von Kundenmitgliedern für das Projekt insbesondere
durch die Interaktion mit den Beratern die „knowledge articulation“ (Feldman/Rafaeli
2002). Bemerkenswert ist, dass beratungsseitige Regeln, z.B. das Abschotten gegenüber den
Kunden, teilweise Lernprozessen entgegenwirken. Dies könnte ein Grund dafür sein, wes-
halb Lernprozesse in Beratungsprojekten bzw. der Transfer des Beraterwissens in die Kun-
denorganisation fehlschlagen können (z.B. McFarlan/Nolan 1995; Ko et al. 2005).
Regeln in interorganisationalen Projekten: Eine qualitative Studie 181

4.2 Beiträge zur Regelforschung


Die vorliegende Studie erweitert die Regelforschung um zwei Aspekte. Erstens zeigen die
Ergebnisse die Bedeutung kooperativer Regelsetzung auf Mikroebene als eine in der Forschung
bislang weitgehend vernachlässigte Art der Regelsetzung. Bislang hat sich die Forschung
insbesondere auf kooperatives Verhalten und Regulieren auf der Mesoebene fokussiert, wie
beispielsweise die Forschung zu kooperativen Strategien (z.B. Dyer/Singh 1998) oder Alli-
anzen (z.B. Larson 1992). Kooperative Regelsetzung auf Mikroebene wird einerseits als
impliziter, stillschweigender Prozess verstanden (z.B. Negotiated Order Theory, vgl.
Strauss et al. 1963; Ethnomethodologie, vgl. Garfinkel 1967), andererseits wird sie in mikro-
politischen Ansätzen im Rahmen von sogenannten „kooperativen Spielen“ thematisiert
(Ortmann 1995, S. 302), worunter ein Aushandlungsprozess verstanden wird, wessen Inte-
ressen sich in welchem Maße durchsetzen; eine explizite Auseinandersetzung mit koopera-
tiver Regelsetzung auf Mikroebene als aktive und bewusste Handlung hat in der Regelfor-
schung jedoch bislang kaum stattgefunden. Dass kooperative Regelsetzung zwischen den
Akteuren kein spezifisches Phänomen interorganisationaler Projekte ist, zeigt ein Blick auf
andere Organisationsformen. So lassen sich seit einiger Zeit neue Organisationsformen
beobachten (Child/McGrath 2001), die unter dem Begriff der postbürokratischen Organisa-
tion zusammengefasst werden (Hodgson 2004, S. 82; Palmer et al. 2007, S. 1829). Ein we-
sentliches Merkmal der Postbürokratie ist, dass Regeln nicht durch die Anerkennung von
Autorität entstehen, sondern durch den institutionalisierten Dialog (Heckscher 1994). Dies
entfernt sich von der klassischen bürokratischen Organisation, die gemeinhin mit regelba-
sierter Hierarchie gleichgesetzt wird (Höpfl 2006, S. 8). Eng verknüpft mit dem Konzept der
Postbürokratie sind Managementkonzepte wie Dezentralisierung (z.B. Hill et al. 2000) oder
Empowerment (z.B. Conger/Kanungo 1988; Seibert et al. 2004), die eine Verlagerung der
Entscheidungs- und Weisungsbefugnisse auf untere Hierarchieebenen vorsehen, was ko-
operative Abstimmungen unter den Akteuren erforderlich macht.

Für die Regelforschung haben diese Entwicklungen die Konsequenz, dass die bislang dis-
kutierten Formen wie z.B. die hierarchische (z.B. Weber 2005) und kompetitive (z.B. Cro-
zier/Friedberg 1979) Regelsetzung um die kooperative Regelsetzung erweitert werden
sollten, um den skizzierten Veränderungen in Organisationen gerecht zu werden. Dabei
zeigt die vorliegende Studie, dass Regeln in interorganisationalen Projekten insbesondere
dann kooperativ gesetzt werden, wenn das bisherige, in Regeln kodierte Wissen nicht aus-
reicht, um einen Prozess zu steuern oder ein Ziel zu erreichen. Durch kooperative Regelset-
zung werden das Wissen und die Erfahrung verschiedener organisationaler Akteure zu-
sammengetragen und in einer gemeinsamen Regel festgehalten.

Zweitens gibt es bislang kaum Studien, die sich mit verschiedenen Regelsetzungsarten
innerhalb einer Organisation befasst haben. So bietet der Fokus auf interorganisationale
Projekte die Möglichkeit, die Regelsetzung von der Entstehung bis zur Auflösung empi-
risch zu untersuchen. Dies ist in permanenten Organisationen nicht möglich, da sie kein
definiertes Ende haben. Vor dem Hintergrund der Ergebnisse der Interviews kann ein bei-
spielhaftes Prozessmodell der Regelsetzung in interorganisationalen Projekten entwickelt wer-
den, das verschiedene Setzungsarten berücksichtigt:
182 Simon Dischner/Jost Sieweke/Stefan Süß

In der Anfangsphase werden existierende Regeln aus den Ursprungsorganisationen in das


interorganisationale Projekt unmodifiziert transferiert. Diese Form der Regelsetzung ist als
hierarchisch zu bezeichnen, da die Regeln aus dem Regelrepertoire der einzelnen organisa-
tionalen Akteure stammen. Da das Projekt zur Erreichung eines bestimmten Ziels gebildet
wurde, ist es möglich, dass in dieser Phase auch Regeln neu gesetzt werden, weil keine
adäquaten Regeln im Hinblick auf das Ziel vorhanden sind bzw. aus den Mutterorganisati-
onen transferiert werden können. Auch hier kann von hierarchischer Regelsetzung gespro-
chen werden, wenn die neue Regel auf dem Zutun eines einzelnen organisationalen Ak-
teurs beruht. Gehen die Erfahrungen mehrerer Akteure in die Regel ein, dann handelt es
sich um eine kooperative Regelsetzung. Scheitern aus unterschiedlichen Gründen die ge-
nannten Arten der Regelsetzung, kommt es entweder zur kompetitiven Regelsetzung oder
das zu regelnde Problem bleibt (zunächst) ungelöst. In den folgenden Phasen werden – bis
zur Auflösung des interorganisationalen Projekts – bestimmte Teilziele verfolgt. Auch
wenn sich die einzelnen Phasen hinsichtlich Zielen, Meilensteinen oder Teammitgliedern
unterscheiden, deuten die Ergebnisse der Interviews darauf hin, dass die Regelsetzung in
jeder Phase ähnlich abläuft: Zu Beginn einer neuen Phase werden neue (Teil-)Ziele formu-
liert. Zu deren Erreichung werden vermehrt neue Regeln gesetzt, sowohl auf hierarchi-
schem als auch auf kooperativem Wege. Im Falle einer Nichteinigung erfolgt eine kompeti-
tive Regelsetzung oder ein Aufschieben der Regelsetzung. Während der neuen Phase auf-
tretende Probleme werden durch einzelne hierarchisch, kooperativ oder kompetitiv gesetz-
te Regeln bearbeitet. Unabhängig von verschiedenen Phasen des interorganisationalen
Projekts bilden sich adaptive Regeln, da diese im Laufe der Interaktion der organisationa-
len Akteure entstehen.

4.3 Grenzen und Forschungsbedarf


Die Ergebnisse der explorativen Studie unterliegen den „üblichen“ Grenzen empirischer
bzw. qualitativer Untersuchungen. Aufgrund der vergleichsweise geringen Anzahl an
Interviewpartnern (n = 20) ist die Verallgemeinerbarkeit der Ergebnisse begrenzt. Darüber
hinaus ist die Studie dadurch anfällig für Verzerrungen. Hinsichtlich der Interviewpartner
könnte ein „selection bias“ bestehen, da die Teilnehmer sich auf eine Anzeige hin gemeldet
haben bzw. vermittelt wurden. Um das Bias zu reduzieren, wurde in der Anzeige in der
Personal Quarterly nur sehr kurz auf das Forschungsthema eingegangen. Allerdings zeigte
ein Vergleich mit den Antworten der Teilnehmer des Pretests, die auf anderem Wege re-
krutiert wurden, keine auffälligen Unterschiede. Eine zusätzliche Limitation ist, dass die
Ergebnisse auf den subjektiven bzw. selektiven Berichten der Interviewpartner beruhen,
die aus forschungspragmatischen Gründen telefonisch geführt werden mussten. Die Be-
richte sind vergangenheitskonstruiert und können fehlerhaft erinnert worden sein sowie
eine Tendenz zur Ex-post-Rationalisierung aufweisen. Eine Triangulation der Aussagen der
Interviewten mit Projektdokumenten und direkten Beobachtungen zur Validierung der
Daten war nicht möglich. Jedoch wurden die Aussagen von Beratern und Kunden mitei-
nander verglichen, um mögliche Unterschiede in der Wahrnehmung zwischen den beiden
Gruppen zu identifizieren. Die Analyse zeigte keine auffälligen Unterschiede. Eine weitere
Regeln in interorganisationalen Projekten: Eine qualitative Studie 183

Limitation besteht hinsichtlich der externen Validität der Untersuchung. Da Unterneh-


mensberatungsprojekte spezielle Eigenschaften haben wie z.B. die Zusammenarbeit von
Akteuren aus zwei Organisationen, ist die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf andere For-
men temporärer Organisationen wie z.B. intraorganisationale Projekte begrenzt. Darüber
hinaus weisen Beratungsprojekte Besonderheiten auf, die die Übertragbarkeit der Ergebnis-
se auf andere interorganisationale Projekte einschränken. Während Beratungsunternehmen
große Erfahrung mit interorganisationalen (Beratungs-)Projekten haben, sind Kunden zum
Teil noch unerfahren in dieser Form der Projektarbeit (Mohe 2003). Vor diesem Hinter-
grund könnte Regelsetzung in Beratungsprojekten anders ablaufen als in anderen Formen
interorganisationaler Projekte, die sich gleichermaßen aus projekt(un)erfahrenen Mutteror-
ganisationen zusammensetzen. Jedoch zeigten die Interviews, dass Unternehmen, die häu-
fig Beratungsdienstleistungen in Anspruch nehmen, zum Teil über Projekthandbücher
verfügen, in denen der Umgang mit Beratern und die Struktur von Beratungsprojekten
beschrieben wird, was den Einfluss der Berater auf die Regelsetzung in Beratungsprojekten
reduzieren könnte.

Die Studie liefert Ansätze für Forschungsbedarf in mehrerlei Hinsicht. Erstens erscheint es
aussichtsreich, die hier gewonnenen Erkenntnisse über Beratungsprojekte mit anderen
temporären Organisationsformen abzugleichen. So ist beispielsweise ungeklärt, ob in ande-
ren temporären Organisationsformen wie z.B. virtuellen Organisationen (Davidow/Malone
1992) und latenten Organisationen (Starkey et al. 2000) ebenso Regeln zur Verminderung
der Folgen von Temporalität eingesetzt werden oder ob ähnliche Regelsetzungsprozesse
bestehen wie in Beratungsprojekten. Zweitens könnte ein Vergleich zwischen intraorgani-
sationalen temporären Projekten permanenter Organisationen (z.B. Produktentwicklung)
und temporären Organisationen wichtige Einsichten darüber liefern, wie sich inter- bzw.
intraorganisationale temporäre Organisationformen hinsichtlich der Struktur, der Setzung
und der Folgen von Regeln unterscheiden. Drittens sollte die in dieser Studie über Bera-
tungsprojekte herausgearbeitete Annahme, dass sich interorganisationale Projekte und
permanente Organisationen im Zeitverlauf strukturell angleichen, mit einer vergleichenden
Untersuchung dieser beiden Organisationsformen überprüft werden. Dies würde weitere
wichtige Ergebnisse darüber liefern, welchen Einfluss Temporalität auf Organisationsre-
geln hat. Viertens ist es im Hinblick auf die Regelforschung sinnvoll, die Erkenntnisse zu
kooperativer Regelsetzung zu erweitern, indem intensiver zu den Ursachen und Folgen
kooperativer Regelsetzung in Organisationen geforscht wird. Dies würde einen Vergleich
dieser Setzungsart mit den anderen Regelsetzungsarten ermöglichen.

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Dipl.-Soz. Simon Dischner


Dr. Jost Sieweke
Univ.-Prof. Dr. Stefan Süß
Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
Lehrstuhl für BWL, insb. Organisation und Personal
Universitätsstr.1
D-40225 Düsseldorf

simon.dischner@hhu.de
jost.sieweke@hhu.de
stefan.suess@hhu.de
Regeln in interorganisationalen Projekten: Eine qualitative Studie 191

Anhang
Interviewleitfaden
(Berater/Kunden)

Am Lehrstuhl für XXX läuft derzeit unter der Leitung von XXX ein Forschungsprojekt über „Regeln in
temporären Organisationen“. Eine temporäre Organisationsform sind Projekte im Rahmen der Unter-
nehmensberatung. Ziel ist es herauszufinden, wie solche Projekte organisiert werden und wie unter
den Beteiligten Regeln entstehen. Deshalb führen wir derzeit ca. 45-minütige Interviews mit Personen
durch, die an Projekten entweder auf der Kundenseite oder als Unternehmensberater mitarbeiten.
Selbstverständlich wird das Interview anonymisiert und Ihre Angaben werden nur zu Forschungszwe-
cken verwendet und nicht an Dritte weitergegeben.

Im Interview wird in vielen Fragen auf Regeln Bezug genommen. Darunter verstehen wir Verhaltens-
erwartungen an die Projektmitglieder. Diese können erstens schriftlich vorliegen (z.B. das schriftliche
Festhalten des Projektziels), zweitens explizit mündlich kommuniziert werden (z.B. die Absprache
eines Gesprächstermins zwischen Berater und Kunde) und drittens implizit, unausgesprochen beste-
hen (z.B. der Zeitpunkt des Arbeitstagbeginns der Berater, welcher nicht durch schriftliche oder münd-
liche Regeln festgelegt ist).

Letztes Beratungsprojekt
1. Denken Sie bitte an Ihr letztes Beratungsprojekt. Wie wurde das Projektmanagement gestaltet?
(Berater/Kunden)
a. Aus welchen Personen hat sich das Projektteam zusammengesetzt?
b. Wie lange hat das Projekt gedauert?
c. Welche Aspekte des Projektmanagements wurden schriftlich festgehalten?
2. Beschreiben Sie bitte die ersten Tage Ihres letzten Projekts. (Berater/Kunden)
a. Wie wurden Aufgaben verteilt?
b. Wie lernten sich die Mitglieder des Projektteams kennen?
c. Wer legte Ziele fest (z.B. Meilensteine)?
3. Bitte beschreiben Sie den Umgang mit dem Kunden bei Ihrem letzten Projekt.
(Berater/Kunden)
a. Wer waren Ihre Ansprechpartner?
b. Wie gestaltete sich die Kommunikation mit dem Kunden?
(saß man z.B. zusammen?)
c. Welche Freiheitsgrade wurden Ihnen gewährt?
(z.B. Kantine besuchen, Zugangskontrolle zum Gebäude etc.) (nur Berater)
4. Gab es Regeln, über die nicht explizit gesprochen wurde? (Berater/Kunden)
a. Welche Bedeutung haben solche „ungeschriebenen Gesetze“ für das Beratungsprojekt?
b. Bilden sich solche Regeln im Laufe des Projekts heraus?
c. Wie zeigt sich die Existenz solcher Regeln?

Umgang mit Regeln (Berater/Kunden)


Nachdem wir über Ihr letztes Projekt gesprochen haben, möchte ich Ihnen nun Fragen stellen, die
allgemeinerer Natur sind. Denken Sie bei den Antworten bitte sowohl an typische Projekte als auch an
konkrete Situationen in diesen Projekten.
192 Simon Dischner/Jost Sieweke/Stefan Süß

1. Welche Regeln sind Ihrer Erfahrung nach für ein neu zusammengesetztes Beratungsteam beson-
ders wichtig?
2. Sind Sie einmal zu einem späteren Zeitpunkt in ein Projekt eingestiegen? Wie verläuft die Integra-
tion in ein laufendes Projekt?
3. Was passiert, wenn während eines Projekts Probleme auftreten?
a. Werden dann neue Regeln eingeführt, um diese Probleme dauerhaft zu lösen?
b. Werden zur Lösung von Problemen auch bestehende Regeln geändert?
c. Wer entscheidet über die Einführung neuer bzw. die Modifikation bestehender Regeln?
d. Wie erfahren Sie von neu eingeführten bzw. geänderten Regeln?
4. Kommt es vor, dass Regeln auf Widerstände treffen oder dass Hindernisse bei der Einhaltung der
Regeln auftreten?
a. Macht es einen Unterschied, ob die Widerstände seitens eines Beraters oder eines Kunden
auftreten?
b. Kommt es manchmal zu Streitigkeiten hinsichtlich Regeln?
5. Kommt es vor, dass Sie oder Ihre Kollegen den Sinn von einzelnen Regeln unterschiedlich verste-
hen?
a. Was geschieht in solchen Fällen?
b. Wie und durch wen wird bestimmt, welche Interpretation der betreffenden Regel sich im
Projekt durchsetzt?
6. Kennen Sie Situationen, in denen die genaue Befolgung der Regeln Ihre Projektarbeit behindern
oder das Arbeitsergebnis verschlechtern würde?
a. Wie verhalten Sie sich in solchen Fällen?
b. An wen wenden Sie sich, wenn Sie eine solche „schlechte Regel“ entdeckt haben?
c. Was geschieht mit einer solchen Regel?

Fragebogen Berater
1. Welche Ausbildung(en) haben Sie?
2. Wie lange sind Sie schon berufstätig?
3. Bei welcher Unternehmensberatung sind Sie derzeit tätig und wie lange?
4. An wie vielen Beratungsprojekten haben Sie bisher mitgearbeitet? In welchen Positionen?
5. Wie lautet Ihre Stellenbezeichnung und wie lange haben Sie diese Stelle schon inne?
6. Wo lässt sich Ihre Stelle hierarchisch einordnen?
7. Worin bestehen ganz allgemein Ihre Aufgaben in dieser Unternehmensberatung?
8. Haben Sie vor Ihrer Tätigkeit als Unternehmensberater außerhalb dieser Branche gearbeitet? Wenn
ja, wie lange und bei welchem Unternehmen? Haben Sie dort mit Unternehmensberatungen zu-
sammengearbeitet?

Fragebogen Kunden
1. Welche Ausbildung(en) haben Sie?
2. Wie lange sind Sie schon berufstätig?
3. Bei welchem Unternehmen sind Sie derzeit tätig und wie lange?
4. An wie vielen Beratungsprojekten haben Sie bislang mitgearbeitet? In welchen Positionen?
5. Wie lautet Ihre Stellenbezeichnung und wie lange haben Sie diese Stelle schon inne?
6. Wo lässt sich Ihre Stelle hierarchisch einordnen?
7. Worin bestehen ganz allgemein Ihre Aufgaben in diesem Unternehmen?
8. Haben Sie selbst schon als Unternehmensberater gearbeitet? Wenn ja, wie lange? Bei welcher Un-
ternehmensberatung?
Gordon Müller-Seitz/Elke Schüßler

From Event Management to Managing


Events
A Process Perspective on Organized and Unexpected
Field-Level Events1

Crisis Management; Event Management; Field-Configuring Events; Project Management;


Rare Events; Risk Management

Zusammenfassung
Ereignisse werden in den Sozialwissenschaften meist als ungeplante Phänomene und nicht
als Ziel oder Ergebnis intentionalen Handelns verstanden. Auch wenn sich insbesondere
die sozialwissenschaftlich orientierte Managementforschung für den Einfluss von Ereignis-
sen wie Krisen, Naturkatastrophen oder auch Großveranstaltungen auf Organisationen
und organisationale Felder interessiert, wird die Rolle des Managements solcher Ereignisse
typischerweise auf bestimmte Projektmanagementaufgaben reduziert und unter dem Be-
griff Event Management in Praxisratgebern oder spezifischen Fachzeitschriften behandelt.
In diesem Beitrag stellen wir eine strategische Sichtweise auf das Management von Ereig-
nissen vor. Dabei verbinden wir die umfassende Literatur zum Umgang mit unerwarteten
Ereignissen in organisationalen Feldern mit der wachsenden Literatur zu organisierten
Ereignissen, also Veranstaltungen wie Messen oder Kongresse. Wir arbeiten Parallelen und
Differenzen dieser beiden Literaturstränge heraus, indem wir Ereignisse nicht nur als tem-
porär und mithin kaum beeinflussbar auffassen, sondern als Abfolge einander überlappen-
der Aktivitäten und Prozesse, die auf Organisationen und Felder einwirken, aber gleichzei-
tig von diesen (re-)produziert werden. Es zeigt sich, dass die beiden Literaturstränge die
bewusste Einflussnahme auf die Ereignisentwicklung unterschiedlich konzeptionalisieren
und dabei voneinander lernen können. Studien zu organisierten Ereignissen würden von
einer stärkeren Berücksichtigung von Maßnahmen im Vorfeld und Lernprozessen im
Nachgang profitieren, wohingegen Forschungsbemühungen zu unerwarteten Ereignissen
gegenüber mikropolitischen Prozessen aufgeschlossener sein sollten.

J. Koch, J. Sydow (Hrsg.), Managementforschung 23,


© Springer Fachmedien Wiesbaden 2013, S. 193–226
194 Gordon Müller-Seitz/Elke Schüßler

Abstract
In social sciences, events are researched typically as unplanned occurrences rather than as
the outcome or target of deliberate management activities. Even though a number of
streams of management research have examined how events influence organizations and
organizational fields, the notion of event management is often equated with project man-
agement and mainly debated in professional publications. In the present paper, we propose
a strategic perspective of managing events by connecting the vast body of research on un-
expected environmental events such as crises or risks with emerging research on organized,
sometimes field-configuring events such as trade fairs and conferences. By understanding
events as sequences of overlapping activities and processes that affect organizations and
fields as much as being (re)produced by them, we compare and contrast these two strands
of literature in order to evaluate the role of management in different phases of an event’s
course. We find that both strands discuss similar dimensions of event enactment and con-
sequences, but that each strand neglects certain aspects of how events can be managed
because of its specific theoretical foundations. We argue that the literature on organized
events should cover the possibilities for participating organizations to prepare for and learn
from these venues, whereas research on unexpected events should become more sensitive
to the micro-political dimension of event enactment.

Table of Contents
1 Introduction: The Role of Events in Management Research

2 A Review and Classification of Research on Field-Level Events


2.1 Attempts to Classify Events
2.2 Forms of Organized Field-Level Events and Academic Debates
2.3 Forms of Unexpected Field-Level Events and Academic Debates

3 Comparing the Management of Organized and Unexpected Field-Level Events from


a Process Perspective
3.1 Before Events
3.2 During Events
3.3 After Events

4 Strategies for Managing Events: Blind Spots and Further Research

5 Conclusions
From Event Management to Managing Events 195

1 Introduction: The Role of Events


in Management Research
Social scientists from a variety of disciplines are interested in events. The concept forms the
cornerstone of many process theories such as path dependence (e.g. Arthur 1989; Sydow et
al. 2009) and narrative theory (e.g. Abbott 1992; Pentland 1999), and serves as the object of
process methodologies such as event history analyses (e.g. Monge 1990) and temporal
bracketing (Langley 1999). Sociologists study global events such as LiveAid or the FIFA
Work Cup as spectacles with the power to create a sense of global connectivity and concern,
but also complacency regarding real structural transformations for a more just society (Ro-
jek 2013). In the management literature, Meyer and colleagues (2005) developed the concept
of field-configuring events (see also Lampel/Meyer 2008), defined as temporary social or-
ganizations such as trade fairs and conferences that assemble diverse members from an
organizational field and influence field evolution.

From a management perspective, the common denominator of these diverse studies is that
all the events they examine are temporally limited occurrences that, like other temporary
systems (Goodman/Goodman 1976), have a potentially broader impact on organizations
and organizational fields. This impact is predominantly described as disruptive, creating
risks for the routine operations of organizations such as supply chain exchanges (e.g.
Blackhurst et al. 2011), project implementation (e.g. Söderholm 2008), and the provision of
public services (Comfort/Kapucu 2006). However, events can also be perceived to be con-
structive by being capable of triggering innovation (e.g. Bower/Christensen 1995), learning
(e.g. Lampel et al. 2009), and institutional change (e.g. Hoffman 1999). Our aim in this paper
is to provide a better understanding of how different kinds of field-level events can be managed
by organizations before, during, and after their occurrence, because they are strategically rele-
vant for the development of organizations and the fields in which they are embedded.

We choose the term ‘field-level events’ to denote those events that occur outside the control
of individual organizations, but which may have a large impact upon both them and the
broader organizational field. An organizational field is defined as “a community of organi-
zations that partakes of a common meaning system and whose participants interact more
frequently and fatefully with one another than with actors outside of the field” (Scott 1994,
pp. 207-208). Based on the foregoing definition, therefore, we are not interested in everyday
events such as chats that take place over coffee or during a business lunch (e.g. Cabral-
Cardoso/Cunha 2003), which may be remarkable from the perspective of the individuals
concerned, but not at the organizational or field level. This understanding is based on the
workings of Sewell (1996, pp. 841-842), who stated that while the term ‘event’ can refer to a
happening or occurrence of any kind, the word is more commonly used to signify an occur-
rence that is remarkable, widely noted, or commented on by contemporaries.
196 Gordon Müller-Seitz/Elke Schüßler

The scholarly interest in how various kinds of field-level events impact on organizations
and organizational fields has grown in recent years. Despite a long research tradition (e.g.
Meyer 1982; Meyer et al. 1990), disruptive field-level events now seem to be more frequent
and wide-ranging in our highly globalized, interconnected, and technology-(inter)depen-
dent ‘world at risk’ (Beck 2009; see also Perrow 1984, 2011). Field-configuring events such
as international conferences are necessary for coordinating complex field-building process-
es such as the development of transnational policies (Hardy/Maguire 2010) and the defini-
tion of new technological standards (Garud 2008) among diverse and dispersed actors. Two
recent special issues (Lampel et al. 2009; Lampel/Meyer 2008) reflect this more pronounced
interest in both unexpected, disruptive and organized, field-configuring events. Based on
these developments, the present paper proposes a strategic perspective on managing events
that goes beyond the practical questions of how large-scale events can be set up, secured, or
evaluated that are examined typically under the label of event management (e.g. Bang et al.
2009; Bowdin et al. 2011; Delfmann et al. 2005; Getz 2012; Mossberg 2000; Silvers 2008).

We begin the present analysis by classifying the field-level events studied by management
researchers. We propose that a distinction between deliberately organized events and un-
expected events is useful because, although these two groups of events have largely differ-
ent causes, they demonstrate comparable characteristics regarding their enactment and
consequences. We then apply a process perspective to conceive events as sequences of
overlapping activities (Abbott 1992; Isabella 1990; Nigam/Ocasio 2010), and to compare and
contrast research on organized and unexpected field-level events by examining the role of
managerial agency in the different phases of their courses. On this basis, we discuss strate-
gies for actively managing events and outline several areas for further research. We con-
clude by discussing the advantages of a strategic rather than practitioner-oriented ‘manag-
ing events’-perspective.

2 A Review and Classification of


Research on Field-Level Events
2.1 Attempts to Classify Events
Events can be many things and have been researched from a number of perspectives. In
management research, events are often studied because of their capacity to trigger change
and unblock processes, as well as to present risks to the routine operations of organizations.
Although organizational events can take place in the form of firm-level strategy (Jarzab-
kowski/Seidl 2008), management (Lehtinen/Pälli 2011), and committee meetings (Hoon
2007) or company-wide gatherings (Ortlieb/Sieben 2011), they are frequently external to
organizations and come in the form of policy reforms (e.g. Hoffman 1999), technological
breakthroughs (e.g. Bower/Christensen 1995), or industry conferences (Lampel/Meyer
From Event Management to Managing Events 197

2008). Events can thus be distinguished by the level of analysis at which they occur, and in
this paper we are only concerned with field-level and not organization-level events.

Other authors have proposed distinguishing events on the basis of their frequency. Howev-
er, while it may be possible to define what is a rare event based on probabilistic calculations
(e.g. fatal coal mining accidents that occur once every 250 years; Madsen 2009), it is often
necessary to study qualitatively how an event is interpreted and enacted in a specific con-
text in order to assess its rareness (Lampel et al. 2009; Weick et al. 2005). For example, for
firefighting organizations that specialize in responding to wild land fires (e.g. Desmond
2007; Weick/Sutcliffe 2007) an accident is not a rare event but rather a routine occurrence.
Accordingly, social constructivists argued that events need to be acknowledged as such in
order to have any real effect on their targets (Munir 2005; Ocasio 1997). Isabella (1990), for
instance, studied organizational events such as acquisitions or leadership successions that
were perceived to be exceptional by members of the organization in question. She argued
that such events trigger change because they unfreeze the cognitions and interpretations of
organizational members by unbalancing established routines and eliciting emotions that are
the foundation of transitions (Gersick 1989, 1991). By contrast, the Mann Gulch fire
(Weick/Roberts 1993) elicited established routines among the firefighters on duty, even
though they were disastrously ill-equipped to deal with the crisis at hand. Therefore, alt-
hough useful for understanding the course and impact of different events, such a highly
idiosyncratic differentiation of events based on an assessment of their rareness leaves little
room for any systematization of the vast body of research on events.

Lampel and Meyer (2008, pp. 1026-1027) provided six formal criteria for defining field-
configuring events: (1) actors from diverse backgrounds gather intentionally for (2) a lim-
ited duration (3) to communicate face-to-face in an (un)structured fashion at venues that
include both (4) ceremonial and dramaturgical activities and (5) occasions for information
exchange and collective sensemaking. As a result, (6) these events generate social and repu-
tational resources that can be deployed elsewhere and for other purposes. However, this
definition only applies to organized events and cannot be extended to include the literature
on unexpected events. Furthermore, through focusing on the structure and formal set-up of
organized events, this definition neglects the outcomes of field-configuring events, ranging
from catalyzing institutional change (Hardy/Maguire 2010) to stabilizing field structures
such as relationships over time (Anand/Watson 2004; Power/Jansson 2008).

Building on the findings of Giddens (1979), historical sociologists have suggested under-
standing events as prisms through which structuration processes – the interplay between
action and structure – can be observed (Griffin 1992). Nigam and Ocasio (2010, p. 824) ac-
cordingly argued that “events have duration and history and are best understood not as
instantaneous occurrences or happenstances, but as a sequence of overlapping activities
and processes that occur over time”. From this perspective, each event flows and unfolds in
different ways (Griffin 1992, p. 414), which can complicate classification. As a possible solu-
tion, Aminzade (1992) proposed categorizing events by their temporal characteristics such
as duration or pace.
198 Gordon Müller-Seitz/Elke Schüßler

For our purpose of explaining the management of field-level events, we suggest distin-
guishing events that are intentionally set up and exhibit characteristics of formal organiza-
tions such as conferences (i.e. ‘organized’ events) from unforeseen and unintended inci-
dents such as natural disasters (i.e. ‘unexpected’ events). In the crisis literature, a similar
differentiation has been made between human-induced and natural disasters (Pear-
son/Mitroff 1993), since the former are considered to be preventable and thereby lead to
higher public contempt and a possible loss of reputation (Reason 1990; Perrow 1984). How-
ever, even though organized and unexpected events are different phenomena, they share
important overlaps and conceptual similarities, especially regarding the high degree of
uncertainty associated with events, their disruptive characters, and their potential to trigger
change. The proposed classification thus allows us to explore these similarities in more
detail across the different theoretical traditions, as well as to identify the blind spots of each
strand of research that may be informed by such a systematic comparison.

2.2 Forms of Organized Field-Level Events and


Academic Debates
Research on field-configuring events (Lampel/Meyer 2008) has drawn special attention to
organized field-level events and their role in building, changing, maintaining, and disrupt-
ing organizational fields (see Box I for an illustration). Most studies of field-configuring
events thus far have focused on how conferences affect organizational field structures in a
variety of contexts. Garud (2008), for instance, described how three specific conferences
shaped the development and commercialization of cochlear implants in the healthcare
domain because they allowed for an enactment of technological possibilities and facilitated
the achievement of a field-wide consensus. Similarly, Oliver and Montgomery (2008) doc-
umented how the first conference of Jewish lawyers in 1944 formed cognitive orientations
for the emerging legal profession in Israel. Most recently, Hardy and Maguire (2010) point-
ed out the role of United Nations conferences as catalysts of change in transnational policy
fields.
A related and partly overlapping strand of literature focuses on tournament rituals such as
award ceremonies (Anand/Watson 2004) and certification contests (Rao 1994) and examines
their role in structuring organizational fields over time. Anand and Jones (2008), for in-
stance, explicitly adopted a field-configuring event perspective in order to illustrate how
the Booker Prize for Fiction created a distinctive category of post-colonial fiction in the
English literature field. In the same vein, Moeran (2011) discussed the importance of such
events for the negotiation of values in creative industries (see also Gemser et al. 2008).
Moreover, since such tournament rituals are repeated, they are rarely associated with radi-
cal, punctuated changes, but are rather discussed as networking hubs at which relation-
ships can be stabilized and power positions in a field enacted and reinforced (Moeran
2011).
From Event Management to Managing Events 199

Box I: Illustration of an organized field-level event


(for a detailed report, see Sydow et al. 2012)

How trade fairs and conferences influence organizations and organizational fields has also
been investigated in other research contexts such as business-to-business marketing
(Vos/Balfoort 1989). Borghini and colleagues (2006), for instance, argued that trade fairs
foster ongoing search processes among industrial buyers. In the field of economic geogra-
phy, Maskell and colleagues (2006) labelled trade fairs ‘temporary clusters’ because they
allow knowledge and market exchange processes to occur among a diverse set of actors,
similarly to those found in regional clusters. In particular, periodic trade fairs have become
central to global business relationships in that they offer a hub around which professionals
can organize their research, production, sales, and marketing activities (Power/Jansson
2008).

Furthermore, the economic impact of large events on local communities and hosting re-
gions has been explored in the context of tourism and event management research (Bram-
well 1997; Chalip/McGuirty 2004; Dwyer et al. 2005; Matheson 2002). Such studies offer
implications for (public) managers to decide whether and to what extent to invest into these
events (Crompton et al. 2001; Dwyer et al. 2000). In this literature, some studies also ven-
ture beyond analyzing solely the economic impact by taking account of the wider social
and community-related repercussions. For instance, previous authors have addressed the
learning networks generated as a by-product of the Manchester Commonwealth and
Olympic Games projects (Cook/Ward 2011) and the potential social benefits of hosting
large-scale events for local communities (Chalip 2006).
200 Gordon Müller-Seitz/Elke Schüßler

Finally, very few studies have considered events as temporary organizations (Kenis et al.
2009). In this scarce literature, Pipan and Porsander (2000) examined how two European
cities set up allegedly unique cultural events – the festivities in the run-up to the third mil-
lennium celebrated in Rome and the hosting of the Cultural Capital of Europe in Stockholm
in 1998 – and found that the actors involved actually used similar organizing processes. In
both cases, temporary hybrid organizations were supported by permanent ones and the
event management bridged multiple actors and actions in a situation of high uncertainty,
not least caused by limited funds and the absence of the knowledge and skills needed to
handle the task. Moreover, while these events were expected to change local structures,
they turned out “to be more embedded in the existing institutional order than the organiz-
ers would wish” (Pipan/Porsander 2000, p. 25). Likewise, Løwendahl (1995) explored the
organization of the Lillehammer Winter Olympic Games from a project management per-
spective, arguing that this project was highly imbued with uncertainty and not embedded
in a parent organization, making emergent organization necessary. Finally, Chen (2009)
investigated the organization behind the annual Burning Man event in the desert of Neva-
da and again stressed its reliance on the capacity of the local community to deal with the
uncertain and unpredictable task of setting up this temporary venue.

In sum, while the professional event management literature has typically focused on how
events are organized and on their economic effects, especially in the tourism domain (e.g.
Bang 2009; Chhabra et al. 2002; Getz/Andersson 2009), research on the framework of field-
configuring events has shifted the focus onto the micro-level, field-building activities of
event participants during such events. Organized field-level events can thus serve both
economic and institutional purposes.

2.3 Forms of Unexpected Field-Level Events and


Academic Debates
Unexpected events such as policy reforms, natural disasters, and terrorist attacks are often
considered to be challenges to the routine operations of organizations (e.g. Weick/Sutcliffe
2007; Pearson/Clair 1998; Perrow 1984), but they also offer potential for change (see Box II
for an illustration). In this research area, terms such as environmental jolts (Meyer 1982),
critical incidents (Gremler 2004), triggering events (Hoffman 1999), rare events (Harding et
al. 2002; King/Zeng 2001), focusing events (Birkland 1998), surprises (Bechky/Okhuysen
2011), crises (e.g. Allison/Zelikow 1999), catastrophes (e.g. Perrow 2011), and risks (e.g.
Beck 2009) are all used to denote similar phenomena.
From Event Management to Managing Events 201

Box 2: Illustration of an unexpected event


(for a detailed report, see Müller-Seitz/Macpherson 2013)

We distinguish eight distinct debates in the literature on unexpected events. First, the pub-
lic management literature has studied how organizations deal with crises in order to restore
normal operations (Comfort 1988; Comfort/Kapucu 2006). The focus of these studies, in
which interest has risen since the 9/11 terrorist attacks, often lies on interorganizational
collaboration and coordination in response to crises (see Berthod et al. 2013 for an over-
view), including disease outbreaks (Moynihan 2008; Ondersteijn et al. 2006), political crises
(Allison/Zelikow 1999), and the provision of humanitarian aid (Nolte/Boenigk 2011).
Waugh and Streib (2006), for instance, reviewed empirical evidence from the United States
and found that the newly established Department of Homeland Security has caused severe
interagency coordination problems despite its overarching objective to protect the public
from terrorist attacks or alleviate the suffering caused by them (Perrow 2011). Similarly,
Lanzara (1983) investigated the aftermath of an unexpected earthquake in southern Italy
that caused widespread devastation and illustrated how spontaneous organizational forms
emerged, including a group of students who gathered together to offer support. Similar to
the studies of temporary organizing efforts for large-scale events mentioned earlier, the
author highlighted the often ephemeral, fuzzy, and ad hoc nature of the organizational
forms that respond to large-scale unexpected events.
202 Gordon Müller-Seitz/Elke Schüßler

Second, approaches that emanate from organizational and technological sociology explore
the wider societal implications of large-scale disasters and discuss reactive ‘damage control’
measures once an accident has occurred. Since the presentation of the findings of Quaran-
telli (1954), considered to be one of the founders of so-called catastrophe sociology, this
stream of the literature has remained sensitive to unexpected events. Perhaps most promi-
nently, Perrow (1984) formulated his ‘normal accident theory’ after participating in a spe-
cial commission set up by former U.S. President Carter after the nuclear power plant inci-
dent at Three Mile Island in 1979. Perrow (1984) suggested that technical failures in organi-
zations that deal with complex and hazardous technologies are inevitable because two key
sources of problems systematically lead to errors with potentially fatal consequences. These
two key sources are (i) complexity in the form of the unintended sequences of interactions
within and across complex technologies and (ii) tight coupling due to time-dependent pro-
cesses, invariant sequences of operations, a limited range of options to pursue a specific
objective, and a lack of slack. Both Beck (2009) and Giddens (1990) also speculated about the
general relationship between humankind and technology – especially lethal technologies
such as nuclear power plants – in modern society; however, they did not examine the rami-
fications for managing these events.

Third, studies of high-reliability organizations (HROs; Weick/Roberts 1993; Weick/Sutcliffe


2007; Weick et al. 1999) build on Perrow’s (1984) normal accident theory but focus rather on
the way in which organizations can optimize operations in order to mitigate the detri-
mental effects of large-scale incidents. HRO studies address a broad range of organizations,
such as firefighting services (Weick/Sutcliffe 2007), military operations (Snook 2000), nucle-
ar power plants (Perin 2006), and flight deck operations (Weick/Roberts 1993). Although
not explicitly geared towards the HRO debate, but following similar research questions,
Bechky and Okhuysen (2011) studied how organizations can deal with surprises of a less
catastrophic kind and highlighted how entities such as anti-terror teams and film crews that
routinely deal with surprises have developed sociocognitive resources that allow them to
respond to their environments and to handle unforeseen events through improvisation and
bricolage.

Fourth, technocratic approaches discuss how standards can be introduced or complied with
in order to deal with both potential and actual hazards. The risk management efforts of
multinationals, such as reporting on risk management processes as a part of the publication
of annual reports, reflect this approach (Parent/Reich 2009; Herbane 2010). Although such
instruments are often criticized as only being legitimizing devices (Power 2009; Power et al.
2009), the technocratic perspective has sensitized management to the strategically relevant
theme of unexpected events. By building on the weaknesses of current risk management
reporting, ‘business continuity management’ (Herbane 2010; Herbane et al. 2004) has been
developed as a more comprehensive perspective that takes account of organizational em-
beddedness. For instance, conducting periodic emergency training sessions and the con-
stant refinement of emergency plans represent two key suggestions of this literature (Crich-
ton et al. 2009; Herbane et al. 2004), which echo the practices of HROs (Weick/Sutcliffe
2007).
From Event Management to Managing Events 203

Fifth, research on supply chains is increasingly interested in disruptions (see Bode et al.
2011 for an overview), notably since 9/11 (Brindley 2004; Paulsson 2004; Ritchie/Brind-
ley 2007). This literature is often applied and design-oriented in nature, focusing on ways of
calculating risks ex ante and recommending how to prepare for such events (Chopra/Sodhi
2004; Kleindorfer/Saad 2005; Ram/Talluri 2009; Tang 2006; Zsidisin et al. 2004). Resilience, a
concept derived from the HRO literature, also plays a role in the literature on supply chains
(Blackhurst et al. 2011). Recommendations for building resilient supply chains center on
building up slack, organizational control systems, and cultural issues such as the empow-
erment of employees to be able to air concerns when they spot mistakes. These suggestions
are comparable to those made in the public management literature (Renn 2008; Sheffi 2007;
Sheffi/Rice 2005). By contrast, the interorganizational network literature more broadly dis-
cusses patterns of network change subject to alternative scenarios of unexpected environ-
mental variation (Koka et al. 2006; Madhavan et al. 1998). In these studies, events such as
technological change or the market entry of a competitor are seen as triggers for restructur-
ing networks, with both resultant benefits and disadvantages depending on the organiza-
tion’s position in the network. Beunza and Stark (2003), for instance, examined the role of
social networks among Wall Street traders after 9/11 and argued that by repositioning
themselves in damaged socio-technical networks, traders found ways in which to trade
despite severe technical and spatial disruptions (see also Stark 2009).

Sixth, and highly related, project management research explores how project managers
respond to unexpected events (Pich et al. 2002, Loosemore 1998a/b; Zhang 2007). Geraldi
and colleagues (2010), for instance, found three pillars that support the successful responses
of project managers to unexpected events, namely responsive organizational structures,
good interpersonal group relationships, and competent individuals. In particular, respon-
sive organizational structures can be provided by rapid top management involvement, the
deployment of resources, and the empowerment of project participants. Arriving at similar
results, Söderholm (2008) argued that empowered project managers who have flexibility in
project execution, in parallel with extensive meetings, frequent negotiations with stake-
holders, and the detachment of multiple project tasks, buffer projects against unexpected
events (e.g. change requests by clients).

Seventh, innovation management deals with unexpected events in the form of novel tech-
nologies by offering suggestions on when to adapt them (Bower/Christensen 1995) and on
whether to act as a technological leader or follower (Kim 1998). A central concern in this
regard is how organizations can build the capacity to react to such disruptions (Benner
2009).

Finally, institutional theorists have suggested that environmental events such as oil spills
and nuclear accidents (Hoffman/Jennings 2011; Hoffman/Ocasio 2001) as well as legal and
administrative changes (e.g. Hoffman 1999) serve as important triggers for change in organ-
izational fields. These studies built on earlier works, especially those by Meyer and col-
leagues (see Haveman et al. 2001; Meyer 1982; Meyer et al. 1990), who analyzed how dis-
ruptive events affect organizations and assessed their potential learning and change effects.
204 Gordon Müller-Seitz/Elke Schüßler

In sum, studies of unexpected events tend to address two overarching themes along a tem-
poral dimension: (i) preparing for and coping with these events as well as understanding
the limitations of their management and (ii) analyzing the causes, and learning from unex-
pected events by making sense of them and analyzing their aftermath. Most studies fall into
this latter category because it is difficult for researchers to study an unexpected event in
real time (Harding et al. 2002; Lampel et al. 2009).

3 Comparing the Management of


Organized and Unexpected Field-
Level Events from a Process
Perspective
When understanding events as temporally limited sequences of overlapping activities and
processes that have a history and that lead to outcomes (see Nigam/Ocasio 2010, p. 824), the
comparison of research on both organized and unexpected field-level events (and the dif-
ferent strands of research within both these groups) can be structured along the different
phases of an event’s course. As mentioned earlier, both strands of research clearly differ
regarding the causes of events, but they also have some similarities regarding their conse-
quences – field-level or organizational change and learning effects, for instance – and the
options for their enactment. In this section, we compare research on organized and unex-
pected field-level events by reviewing the management processes that occur before an event
takes place, the mechanisms and processes that unfold during events, and the managerial
actions taken after an event has happened.

Such a temporal differentiation can be inferred from the way in which previous manage-
ment research has addressed events. Isabella (1990), for instance, examined how managers
construct key events socially and found that the anticipation phase before an event needs to
be distinguished from the phases of confirmation and culmination when the event actually
occurs as well as from the event aftermath. Moreover, Pearson and Mitroff (1993) distin-
guished five phases of crisis management: signal detection, preparation and prevention,
containment and damage limitation, recovery, and learning. Similarly, Nigam and Ocasio
(2011) differentiated three phases of an event’s life course – anticipation, deliberation, and
retrospection – preceded by a baseline phase.

Of course, it is difficult to delineate these phases, especially when applying an enactment or


sensemaking perspective that acknowledges how events are experienced in specific con-
texts and by different actors. In particular, the initiation and termination of unexpected
events are highly debatable (Müller-Seitz/Macpherson, 2013). Regarding the EHEC out-
break described in Box II, for instance, it was difficult for the actors involved to define
From Event Management to Managing Events 205

when the crisis started. When did the first patients become infected? When did the leading
public institution, the Robert Koch Institute, become aware of the outbreak? When did the
Robert Koch Institute inform the relevant federal ministries and when did they become
active? When was the public informed via the tabloids? Such a temporal delineation is
much easier in the case of organized events because at least formally, they have a clear
beginning and end point, often marked ceremonially by opening and closing celebrations
(e.g. Glynn 2008).

For simplification purposes, we structure our comparison around the three broad phases of
before, during, and after an event. Despite the difficulties of defining the beginning and end
point of each phase in the case of unexpected events, similar temporal distinctions are
found in most relevant research articles, so that we can group their findings relatively un-
ambiguously into one or more of these phases. The three temporal categories thus allow us
to ‘cut through’ the event literature in an unconventional way in order to identify blind
spots of the different strands of research as well as areas of mutual learning regarding the
role of management. The results of our comparison are presented in Table 1. The table
demonstrates that the literature on unexpected events is vast compared to emerging re-
search on field-configuring events, but also that the comparison of similarities and differ-
ences is insightful for both streams of research.

3.1 Before Events


At first sight, organized and unexpected events have different causes or triggers. Whereas
organized events are the outcomes of deliberate management, unexpected events meet an
organization or organizational field suddenly and without intention. On closer inspection,
however, a more refined picture emerges, not only when comparing organized and unin-
tended events, but also when comparing the different perspectives within each strand.

The literature on field-configuring events and trade fairs, for instance, has paid relatively
little attention to event preparation, preferring to focus on the processes that occur during
events and on their outcomes. Furthermore, whenever attention has been duly paid to
event preparation, studies have typically concentrated on event organizers (Anand/Jones
2008) and their interests (Zilber 2011). Zilber (2011), for instance, showed how the organiz-
ers of two high-tech conferences in Israel allocated different discourses to separate spaces at
the conference venue so that competing institutional logics were maintained rather than
challenged. Lampel (2001) also pointed out that product demonstrations, such as Steve
Jobs’ presentation of the NeXT computer, need to be staged ex ante as technological dramas
before the opening of a trade fair, exhibition, or press conference in order to achieve the
desired effect. Moreover, as McInerney (2008) reported from the field of nonprofit consult-
ing, the selection and invitation of key participants is an important task in the run-up to an
event. In the case of film festivals, Rüling and Strandgaard Pedersen (2010) discussed pro-
gramming, ticketing, and access control as important organizational tasks. Programming, in
the sense of screening and selecting keynotes or selected performances, is also essential for
206 Gordon Müller-Seitz/Elke Schüßler

large-scale industry events, during which strategic actors or institutional entrepreneurs can
influence the agenda (e.g. Dutton 1986). By shifting perspective somewhat to the partici-
pants of field-configuring events, Oliver and Montgomery (2008) further demonstrated
how those actors that came prepared to a Jewish lawyers’ meeting they studied had more
possibilities to influence the course of that meeting. Generally, though, the preparation
activities of participating organizations constitute a blind spot in the literature on field-
configuring events.

Preparation is also an issue of studies examining the organization of large events. Despite
studying entirely different fields and using different theoretical perspectives, Pipan and
Porsander (2000), Løwendahl (1995), and Chen (2009) each pointed to the uncertainty in-
herent in the task of organizing large-scale events. Specifically, they described setting up
temporary organizations (Kenis et al. 2009; Lundin/Söderholm 1995) and developing multi-
ple locally embedded network relationships as crucial to overcoming this uncertainty. In
these studies, as well as in the professional event management literature, event participants
are often involved in such organization as volunteers, but the question of how different
organizations strategically prepare for their participation in large events remains largely
overlooked.

Preparation features prominently in studies of unexpected events, which often focus on


how organizations can become ‘crisis-prepared’ (Pearson/Mitroff 1993). Preparation implies
assessing the risk of an event and the likelihood of its occurrence, as well as the adoption of
measures that buffer an organization against its possible detrimental effects. Generally,
events are unexpected because managers can only concentrate on certain aspects of their
environments (Weick et al. 2005) or have only limited control over them. Preparation thus
implies that organizations pay attention to the potential event and take precautionary
measures. Sullivan-Taylor and Wilson (2009), for instance, showed that managers from
different organizations in the British travel and leisure sector frame the likelihood of a ter-
rorist attack differently and highlighted their varying organizational responses. Their re-
sults suggested that aviation industry managers face terrorist attacks proactively by making
their organizations resilient (e.g. through training), whereas travel and leisure industry
managers assess such uncertainty as less relevant and favor reactive measures (e.g. design-
ing emergency plans). Other studies of this topic have suggested that organizations may
also safeguard their operations or lobby for their causes. Safeguarding is a passive form of
organizational buffering (Lynn 2005; Thompson 1967) that involves building up slack or
engaging boundary spanners (e.g. Aldrich/Herker 1977; Miner et al. 1990). Flexible working
time arrangements, for instance, can buffer unexpected shifts in demand for production
processes.

Much can be learned by examining organizations that routinely deal with unexpected
events (Bechky/Okhuysen 2011; Weick/Sutcliffe 2007). Most prominently, Weick and Sut-
cliffe (2007) summarized the literature on HROs, suggesting that organizations should be
(1) preoccupied with failure (i.e. sensitive to near misses and early stages of detrimental
developments), (2) reluctant to simplify, (3) sensitive to operations that are dynamic and
nonlinear, (4) committed to resilience, and (5) deferent to expertise (i.e. temporarily ignore
From Event Management to Managing Events 207

hierarchical rank in favor of expertise from people running critical operations). Since the
works of previous authors have studied recurrent (non)events and near misses (March et al.
1991), the same strategies described above can slo be outlined for the phase after events.

In sum, whereas the unexpected event literature focuses heavily on how organizations can
prepare for events, the field-configuring event literature tends to concentrate on event or-
ganizers and neglects the perspective of diverse organizations affected by the event in the
preparation phase. At the same time, interesting similarities can be found between these
streams of literature regarding preparation activities. High levels of uncertainty, for in-
stance, require the establishment of security measures and the development of emergency
plans in both groups of events (Crichton et al. 2009; for a critical perspective in this regard,
see Clarke 1999). The importance of involving stakeholders to raise funds or awareness is
also discussed in both strands of research (e.g. Rüling/Strandgaard Pedersen 2010; Pear-
son/Mitroff 1993).

3.2 During Events


Both strands of research have also paid attention to the processes that unfold during events.
However, whereas the ‘locus of uncertainty’ in the unexpected events literature lies mainly
in the pre-event phase, the field-configuring events literature focuses on the scope for un-
predictable developments that occur during an event. This ‘predictable unpredictability’
(Lampel 2011, p. 342) stems from the fact that diverse actors who rarely interact can come
together at field-configuring events, as well as from the dual role of event participants as
both individuals and representatives of organizations, yielding potential for micro-political
tensions (Lampel/Meyer 2008). The field-configuring events literature accordingly focuses
much attention on discursive interactions and micro-political processes during events.

By applying a discursive perspective, McInerney (2008) argued that event participants can
use the temporally and spatially bounded space of an event to propagate their own narra-
tives while challenging those of competing actors. Hardy and Maguire (2010) also proposed
that the openness and boundedness of ‘discursive spaces’ (Hajer 1995) provided by field-
configuring events allow peripheral field actors to construct narratives that can influence
the outcomes of events such as international policy conferences. Dobusch and Schüßler
(2013) further described the regulatory propaganda found at German music industry con-
ferences, where competing coalitions voice their regulatory claims towards the public in-
stead of engaging in dialogue and debate with each other.

Möllering (2011) stressed that field-configuring events are important sites for ‘institutional
work’ (Lawrence/Suddaby 2006) because actors with different agendas can use these fo-
rums to create, maintain, or disrupt institutions in line with their self-interests. In contrast
to the pre-event phase, the field-configuring event literature focuses on the actions of par-
ticipants during events, largely overlooking discussion of the need for event organizers to
cope with unexpected occurrences. As an exception, Glynn (2008) mentioned the Centenni-
al Olympic Park bombing in Atlanta in 1996 as the kind of unexpected event organizers of
208 Gordon Müller-Seitz/Elke Schüßler

large-scale events need to cope with. Thus, insights from the project management literature
on unexpected events are clearly useful for shedding light on organizing practices during
field-configuring events.

Studies of unexpected events often concentrate on how organizations cope by relying on


the buffers built up before the event. Pre-established resources need to be mobilized imme-
diately in order to mitigate the harm inflicted and restore operations as quickly as possible
(Birkland 1998; Turner 1976). Representative of this line of inquiry is the literature that
focuses on the activities of public agencies in the face of crises. Public organizations such as
hospitals that were deeply involved in responding to the aftermath of the 9/11 terrorist
attacks, for instance, needed to rely on boundary spanners, (in)formal relations generated
before the attacks (e.g. Kapucu 2006), or on system slack (Nasrabadi et al. 2007) to run extra
shifts. Other studies have highlighted the role of communication or decision-making in
such crises (Kapucu 2006; Petrescu-Prahova/Butts 2008; Zsidisin et al. 2005). However,
mobilizing resources to cope with an unexpected event is by no means easily achieved, and
the levels of preparedness are often insufficient. Accordingly, the project management
literature stresses the importance of empowerment and top management involvement
when responding to an unexpected event (Geraldi et al. 2010; Söderholm 2008).

In sum, the main difference between research on organized and unexpected events lies in
the strong focus on micro-political factors of field-configuring events research, whereas
unexpected events research incorporates a wider array of psychological, group-level, and
organizational dynamics. At the same time, important similarities and overlaps between
both strands of research exist. Most event-related literature discusses the role of interper-
sonal or interorganizational networks as resources for coping with and enacting events, and
as a main mechanism for change and adaptation (e.g. Kelley/Stark 2002; Stam 2010). Fur-
thermore, both field-configuring events research and the crisis literature mention temporal
constraints on decision-making during events. While these limitations are discussed as an
opportunity for creating consensus (e.g. Hardy/Maguire 2010), they are considered to be an
obstacle in the unexpected events literature (e.g. Pearson/Clair 1998). Finally, while field-
configuring events are seen typically as opportunities for collective sensemaking (Oli-
ver/Montgomery 2008), unexpected events initially trigger a breakdown in sensemaking
(Christianson et al. 2009).

3.3 After Events


As mentioned earlier, organized and unexpected events have comparable consequences for
organizations and organizational fields. Both kinds of events bear the potential to reconfig-
ure organizational fields by creating new regulatory frameworks or standards (Hardy/
Maguire 2010; Garud 2008), generating a new shared understanding (Oliver/Montgomery
2008), or changing relationships and patterns of authority (Moynihan 2008). They also both
influence individual organizations by creating “social and reputational resources that can
be deployed elsewhere and for other purposes” (Lampel/Meyer 2008, pp. 1026-1027). In the
From Event Management to Managing Events 209

case of music awards, for instance, award-winners typically enjoy an unusually high
amount of resources for creative projects and increased opportunities for performing in the
post-event phase (e.g. Gemser et al. 2008).

However, the literature on organized events is relatively silent on the role of management
regarding the phase after events. As an exception, Hardy and Maguire (2010) took a long-
term perspective on a series of field-configuring events in a transnational policy process
and studied not only field-level, but also organization-level responses after each of the five
conferences they studied. They found that organizations changed their relationships and
organizing activities in order to be more prepared for upcoming events. Similarly, Barbato
and Mio (2007) reported on how the Venice Biennale art exhibition has evolved over time
for the event organizers, and how changes in the accounting system have influenced man-
agement control mechanisms. Aside from these exceptions, however, the question of how
both event organizers and participants can learn from field-configuring events remains a
blind spot.

By contrast, the question of what organizations can learn from events and how they can
adjust their procedures is prominent in the unexpected events literature. Such research has
discussed opportunities for changing and learning (e.g. Lampel et al. 2009; Meyer 1982;
Meyer et al. 2005) and provided many insights from the debate about the roles of HROs
(Sheffi/Rice 2007; Sutcliffe/Vogus 2003; Weick et al. 1999; Weick/Sutcliffe 2007). For exam-
ple, based on a comparative retrospective analysis of different crises, Crichton and col-
leagues (2009) argued that organizations ought to reflect upon lessons learned by searching
for best practices. Towards this end, the authors identified a number of recurring themes
such as preparing for emergencies, taking care of near misses, and constantly communi-
cating with the public. In this way, organizations can also then rely on established connec-
tions when a similar incident occurs in the future (Kendra/Wachtendorf 2003). In the public
management literature, interagency coordination during a crisis has been shown to repre-
sent a vital activity (Boin and ’t Hart 2003; Comfort 1988; Moynihan 2008; Renn 2008). Final-
ly, the role of sensemaking as an enabler of change is also discussed in the post-crisis phase
(Christianson et al. 2009; for an overview, see Maitlis/Sonenshein 2010). This literature high-
lights the opportunities for temporarily suspending old cognitive patterns (see also Birk-
land 1998).

In both strands of research, critical perspectives have questioned the ability of events to
trigger changes and discussed boundary conditions for such changes and learning to occur.
In the field-configuring event literature, Schüßler and colleagues (2013) discussed how UN
climate summits have turned into sites of field maintenance in which diverse actors partici-
pate to pursue highly divergent goals, preventing rather than facilitating the construction of
a new transnational agreement to combat climate change. In the unexpected events litera-
ture, Elliott (2009) mentioned the repeated failure to learn from inadequate child protection
services and argued that a lack of integration between policymakers and practitioners re-
sults in barriers to practical change (see also Elliot/Smith 2006).
210 Gordon Müller-Seitz/Elke Schüßler

Table 1: Comparison of Organized and Unexpected Events and Exemplary References

Before During After


Organized Staging dramaturgy in the Institutional work Social and reputational
events event run-up (Möllering 2011) resources
(Lampel 2001) Discursive struggles (Lampel/Meyer 2008)
Programming and agenda (Hardy/Maguire 2010)
setting Regulatory propaganda
(McInerney 2008) (Dobusch/Schüßler 2013)
Developing positions
(Oliver/Montgomery 2008)
Unexpected Developing attention and Damage containment Sensegiving by top manage-
events sensitivity (Pearson/Mitroff 1993) ment
(Weick/Roberts 1993) Heightened emotions (Maitlis/Sonenshein 2010)
Training and simulation (Isabella 1990) Establishing resilience
(Crichton et al. 2009) Improvising and bricolage (Sheffi 2007)
Safeguarding (Lynn 2005) (Bechky/Okhuysen 2011) Sustaining momentum
Inspections and audits Empowerment of partici- (Birkland 1998)
(Herbane et al. 2004) pants, provision of resources Reflection and retrospection
Emotional preparation (Geraldi et al. 2009) (Elliott 2009)
(Tugade et al. 2004) Interagency coordination Emotional recovery
(Boin/’t Hart 2003) (Fredrickson et al. 2003)
Role reconstruction
(Pearson/Clair 1998)
Similarities Setting up security and Sensemaking New field-level rules, posi-
making emergency plans (Oliver/Montgomery 2008; tions, and understandings
(Moynihan 2008; Weick 1988) (Hardy/Maguire 2010;
Pipan/Porsander 2000) Networking Nigam/Ocasio 2010)
Lobbying and reaching (Anand/Watson 2004; Learning and change, e.g.
out to stakeholders Kapucu 2006) adjusting basic assumptions,
(Glynn 2008; Setting up temporary changing organizing practic-
Pearson/Mitroff 1993) organizations es, and forming new partner-
Establishing latent networks (Lanzara 1983; ships
(Kelley/Stark 2002; Løwendahl 1995) (Christianson et al. 2009;
Sedita 2008) Lampel et al. 2009;
Collaborating with local Hardy/Maguire 2010)
communities
(Glynn 2008; Stabilization of relationships
Beunza/Stark 2003) (Anand/Watson 2004;
Comfort/Kapucu 2006;
Garud 2008)
Failure to learn and trigger
change
(Elliott 2009; Schüßler et al.
2013)
From Event Management to Managing Events 211

In sum, while research on both unexpected and organized events shares an interest in the
change potential of such disruptions, studies have discussed the contrasting consequences
for organizations in the phase after events. Whereas the field-configuring event perspective
directs attention towards the social and reputational resources that can be gained from
event participation, the unexpected event literature discusses the importance of learning
from events, of recovery, and of adjusting organizational structures and processes. Howev-
er, under certain conditions, especially when there is a lack of integration among diverse
actors and perspectives, such learning or field-level change may not occur.

4 Strategies for Managing Events:


Blind Spots and Further Research
The comparison of the research streams presented here yields a better insight into the strat-
egies available to organizations when dealing with field-level events before, during, and
after their occurrence. We have identified several blind spots in research on both organized
and unexpected events, and highlighted areas where both strands can learn from each
other. Whereas the shortcomings in research on field-configuring events mainly result from
the relative immaturity of this concept and its lack of a clear theoretical foundation, studies
of crisis and risk management have largely failed to acknowledge micro-politics because of
their problematic underlying assumption that organizations have a shared interest in solv-
ing the crisis as quickly as possible. We conclude that research on field-configuring events
would benefit from closer integration with the much older research tradition of unexpected
field-level events, an integration that the founders of the concept actually started out with
(Meyer et al. 2005). Furthermore, research on unexpected events would benefit from mov-
ing beyond its rather apolitical stance towards more focused attention on the interests,
power struggles, and conflicts in the unfolding of field-level events. Table 2 summarizes the
major areas for further research identified in the present study.

Generally, studies of organized events have addressed primarily the pre-event phase from
a project management or normative perspective and have neglected the organization-level
learning and change effects that result from events in favor of a focus on field-level devel-
opments. In turn, studies of unexpected events recognize the causes of these events and
offer suggestions how to prepare and learn from them in order to become more resilient
and crisis-prepared.

Both kinds of field-level events tend to disrupt organizations, especially when they occur
rarely. It is therefore somewhat surprising that the field-configuring events literature in
particular has not paid more attention to how organizations can respond to organized
events, how they can learn or change their operations, how they can deal with the poten-
tially disruptive consequences, and how they can integrate attention to field-configuring
events into their strategic planning and organization development processes. Indeed, most
212 Gordon Müller-Seitz/Elke Schüßler

existing studies of field-configuring events have investigated how diverse field actors with
diverging interests have interacted at the spatially and temporally bounded site of the event
venue, and how institutional entrepreneurs have managed to shift dominant narratives in
line with their interests (e.g. McInerney 2008; Oliver/Montgomery 2008). What is missing is
closer attention to the processes that participating organizations engage in before and after
such events in order to prepare, mobilize resources, and implement and learn from the
event outcomes.

Table 2: Strategies for Managing Events and Further Research

Before During After


What Attending and developing Sensitivity to unexpected Learning from participating in
research sensitivity to critical events, events as risks for large-scale organized events, systematic
on orga- integrating field-configuring organized events and organiz- knowledge transfer, and
nized events into the strategic ing strategies (although appropriation of the benefits
events can planning process already touched on by the Learning from organizing
learn from How organizations can project management litera- large events and adjusting
unexpected prepare and be trained to ture) procedures
events participate in field- Role of emotions as catalysts
configuring events of change
Flexibility in, and ad-hoc
coordination of interorganiza-
tional activities

What Focus on micro-politics and Social and reputational re-


research institutional work activities sources to be gained from
on unex- crisis management
pected The role of field-configuring
events can events as a field-restructuring
learn from mechanism after an unex-
organized pected event
events

A process perspective on events, in which each phase of an event’s course is actively (and
possibly strategically) enacted (Nigam/Ocasio 2010) would thus also be useful for research
on field-configuring events, as it allows researchers to explore how organizations can pre-
pare to participate in such events and engage with the consequences. For instance, organi-
zations may decide strategically to decouple their positions presented at conferences from
their actual interests and conduct (Meyer/Rowan 1991). Similarly, they may also interact
with important stakeholders in the pre-event phase in order to develop frames of collective
action and mobilize resources (e.g. Benford/Snow 2000). The outcomes of field-configuring
events are often immediately strategically relevant to businesses as well as to nongovern-
mental organizations and policymakers, so participation in such events may yield strategic
advantages for the phase after events. The ITRS conferences outlined in Box I, for instance,
are highly political and consequential venues for the further development of the semicon-
ductor industry (Sydow et al. 2012).
From Event Management to Managing Events 213

Existing field-configuring events research on the ‘during event’ phase has focused on dis-
cursive processes and the construction of narratives that shape event outcomes. The crisis
literature has outlined a set of further mechanisms. In particular, we wish to highlight the
role of emotions as a driver of how organizational change is triggered in the case of unex-
pected events (e.g. Isabella 1990). Field-configuring events can also be highly emotional
arenas, and paying closer attention to how event organizers or participants can strategically
influence the emotional atmosphere of events in order to move interactions in a certain
direction would increase our understanding of how field-configuring events can unfreeze –
or refreeze – organizational fields.

In addition, Lampel (2011) described the predictable unpredictability of field-configuring


events as the main reason for their capacity to bring about field-level change. We still know
little, however, about how organizers of field-level events cope with or even strategically
use this unpredictability during a field-configuring event. The project management litera-
ture on large-scale events and the unexpected event literature, which outlines strategies of
ad-hoc coordination such as improvisation or bricolage (Bechky/Okhuysen 2011), may offer
useful avenues for exploration beyond the current discursive approaches to how field-
configuring events are enacted.

These opportunities for further research result in part from the unclear theoretical founda-
tion of field-configuring events (Möllering 2011) and in part they highlight the fact that
many of the conceptual ideas put forward by Lampel and Meyer (2008) have not yet been
fully explored. The present discussion has not only helped specify more precisely further
research avenues for exploring organized field-level events, but has also pointed out rele-
vant theoretical approaches for understanding the mechanisms and processes at work be-
hind such events, not least those that stem from research on unintended events. Regarding
the comparison of different strands within research on organized events, the notion of event
organizing as institutional creation and maintenance work (Rüling 2011) could be a useful
perspective for the project management literature, since funding and support for an event
largely determines the degree to which the event is ‘taken for granted’.

Research on unexpected events builds on a long research tradition from multiple theoretical
angles. At the same time, with few exceptions, this field of research lacks sensitivity to the
inherently political nature of unexpected events, particularly in the phase during an event.
Indeed, most accounts of crisis management presume that unexpected events concentrate
the attention they attract and lead to the mobilization of the resources needed to mitigate
the harm inflicted and restore operations as quickly as possible (Birkland 1998). However,
large-scale unexpected events such as Hurricane Sandy or the EHEC outbreak suggest that
they represent contested terrain, in which actors exploit the leeway offered by these inci-
dents in line with their own agendas. We argue that in this vein, the literature on unex-
pected events can be informed fruitfully by research into the contested nature of organized
events. Not all actors necessarily interpret an unexpected event equally, and despite pulling
together in mitigating the event, they may pursue different interests. The time of a crisis
may thus be critical for institutional work or other forms of strategic agency, an aspect that
has been overlooked thus far in the coping-oriented literature on unexpected events. Fur-
214 Gordon Müller-Seitz/Elke Schüßler

ther, visible actors in the management of a crisis may gain social and reputational resources
(see Lampel/Meyer 2008), meaning that they aim to position themselves as crisis leaders,
which may influence their strategies. However, it is difficult to study micro-political agency
empirically during an unexpected event because researchers cannot plan studies about
unexpected events in advance, and comparatively less material is available ex post for the
organizational and field-level operations involved (Lampel/Meyer 2008; Harding et al.
2002; Lampel et al. 2009). Ethical concerns also often hinder authors from conducting re-
search in ‘hot spots’ such as politically unstable regions.

Finally, the interconnection between organized and unexpected events warrants further
examination, as the field-configuring potential of organized events seems to be at least
partially derived from their potential for serendipitous encounters (see Lampel 2011). By
contrast, the impact of organized events such as UN conferences that negotiate the regula-
tion of the use of dangerous pesticides (Hardy/Maguire 2010) may be preceded by unex-
pected events such as environmental accidents that unsettle existing structures and provide
a certain ‘readiness’ for a field-configuring impact. In turn, unexpected events such as
crowd crushes at soccer matches or the failure of child protection services (Elliott 2009;
Elliott/Smith 2006) are frequently followed up by public inquiries (i.e. staged venues in line
with our conception of organized events). Field-level or organizational change through
events may thus unfold over a series of both organized and unexpected events.

5 Conclusions
The aim of the present paper was to systematize current research on field-level events in
order to explain how organizations can strategically enact both organized and unexpected
events before, during, and after their occurrence. Our inquiry shows that despite the coex-
istence of several strands of event-related research, there has been little systematic compari-
son in previous studies – even though there are important conceptual similarities between
both groups of events, in that they are perceived as highly uncertain, unpredictable tempo-
rary phenomena with a potentially large-scale impact on organizations and organizational
fields. The comparison presented here has helped problematize some of the underlying
assumptions made by the literature reviewed (cf. Alvesson/Sandberg 2011), especially the
lack of attention to micro-politics that characterizes most research on unexpected events.
Furthermore, it has helped identify theoretical approaches as well as empirical questions to
elaborate further on the emerging concept of field-configuring events.

We have outlined several of the strategies available to organizations for attending to field-
level events, some of which cut across both groups of events. All these strategies go beyond
what is commonly understood as ‘event management’ and should be of relevance for or-
ganizations faced with an increasingly risky, technologically complex, and globally inter-
connected world, in which both organized and unexpected field-level events are of strategic
relevance.
From Event Management to Managing Events 215

Specifically, we have suggested that organized field-configuring events be integrated into


the strategic planning of a firm in a similar way to its crisis management processes (alt-
hough not in such a deterministic fashion; Pearson/Mitroff 1993) in order for organizations
to pay attention to critical events in which their participation may influence the resultant
outcome. Organizations could also direct training activities towards participation in such
field-configuring events in order to develop knowledge about their purposes, actor constel-
lations, and interests, as well as to understand their structures and dynamics. Participation
in complex policy events such as UN conferences (e.g. Hardy/Maguire 2010; Schüßler et al.
2013), for instance, needs to be well prepared for organizations to be able to use and influ-
ence these sites in line with their own interests.

Regarding unexpected events, managers should sensitize their employees to the (their)
contested nature and stress the potential reputational resources to be gained from crisis
management.

End notes
 Both authors have contributed equally to the development of this paper. Author names are there-
fore in alphabetical order.
1 We gratefully acknowledge the constructive advice given by the handling editor Jochen Koch and
two anonymous reviewers, which has helped us to improve the paper substantially. Moreover, we
are grateful for the friendly reviews from Uli Meyer prior to submission and from Jörg Sydow after
the paper had been accepted.

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Dr. Gordon Müller-Seitz


Management-Department
Freie Universität Berlin
Boltzmannstr. 20
D-14195 Berlin
gordon.mueller-seitz@fu-berlin.de
Jun.-Prof. Dr. Elke Schüßler
Management-Department
Freie Universität Berlin
Boltzmannstr. 20
D-14195 Berlin
elke.schuessler@fu-berlin.de
Zu den Autoren und Herausgebern

Peter Conrad, Studium der Betriebswirtschaftslehre (Dipl.-Kfm.) und der Psychologie (Dipl.-
Psych.), Promotion zum Dr. rer. pol. an der Freien Universität Berlin, langjährig als interner
und externer Berater für Industrie und Verwaltung mit den Schwerpunkten Personal, Or-
ganisation und Strategie tätig. Seit 1997 Universitätsprofessor für Betriebswirtschaftslehre
mit dem Schwerpunkt Personal an der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg. Zahlreiche
Publikationen auf den Gebieten Human Resources Management, verhaltenswissenschaftli-
che Managementforschung, Management öffentlicher Verwaltungsbetriebe und Organisati-
onspsychologie. Derzeitige Forschungsschwerpunkte: strategisches Human Resources
Management, kritische Managementforschung, New Public Management/New Public Ser-
vices, Dienstleistungsmanagement, Organizational Citizenship Behaviour.

Simon Dischner, Studium der Soziologie an der Universität Bielefeld. Seit 2011 Wissenschaft-
licher Mitarbeiter am Lehrstuhl für BWL, insbes. Organisation und Personal an der Hein-
rich-Heine-Universität Düsseldorf. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen
Regeln und Regelsetzung in Organisationen sowie moderne Organisationsformen.

Stephanie Duchek absolvierte eine Ausbildung zur Bankkauffrau bei der Deutsche Bank AG
(2000-2002) und studierte Betriebswirtschaftslehre an der Friedrich-Schiller-Universität Jena
(2002-2007). Von 2007 bis 2012 arbeitete sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Ma-
nagement-Department der Freien Universität Berlin und promovierte 2012 zum Thema
„Absorptive Capacity“. Forschungsinteressen: Innovationsmanagement, organisationale
Fähigkeiten und soziale Praktiken.

Stefan Klaußner ist derzeit Gastprofessor für International Business Administration an der
Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder). Ausbildung zum Industriekaufmann bei
der Siemens AG (2000-2002), Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Freien Universi-
tät Berlin (2002-2007) sowie der Princeton University (2006-2007). Wissenschaftlicher Mitar-
beiter (2007-2012) und Promotion (2011) am Institut für Management der Freien Universität
Berlin. Derzeitige Forschungsinteressen: Führung, Gerechtigkeit in Organisationen, organi-
sationale Reflexion.

Jochen Koch ist Professor für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Unternehmensführung


und Organisation an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder). Studium der
Betriebswirtschaftslehre an der Justus-Liebig-Universität Gießen und der FernUniversität
Hagen. Promotion und Habilitation an der Freien Universität Berlin. Seine derzeitige For-
schung befasst sich insbesondere mit Fragen des Zusammenspiels von Strategie und Orga-
nisation vor dem Hintergrund von Pfadabhängigkeit, Dissonanz und Responsivität.

Gordon Müller-Seitz ist derzeit Vertretungsprofessor an der Universität Stuttgart. Er hat an


der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt und der European Business School Lon-
don Betriebswirtschaftslehre studiert und dort im Bereich Personalmanagement promo-
viert. Seit 2008 arbeitet er als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Management-Department
des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaft der Freien Universität Berlin. Dort erfolgte auch

J. Koch, J. Sydow (Hrsg.), Managementforschung 23,


© Springer Fachmedien Wiesbaden 2013, S. 227–229
228 Zu den Autoren und Herausgebern

seine Habilitation 2012 zum Thema „Innovation, Wissen, Management – Beiträge zum
Nexus Organisation-Umwelt“. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in den Gebieten
interorganisationales Netzwerk- und Projektmanagement. Darüber hinaus ist er als Lehr-
beauftragter an mehreren Hochschulen und in Unternehmen sowie als freiberuflicher Bera-
ter in einer wissenschaftsnahen Unternehmensberatung tätig.

Christian Noss ist Professor für Strategische Unternehmensführung und Unternehmenssi-


mulationen an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin. Studium der Betriebswirt-
schaftslehre an den Universitäten Wuppertal und Köln. Promotion an der FernUniversität
Hagen. Habilitation an der Freien Universität Berlin. Seine gegenwärtigen Forschungs-
schwerpunkte sind Grundlagenbetrachtungen zur Dynamik in der strategischen Unter-
nehmensführung und Organisation sowie empirische Untersuchungen zu Erfolgsfaktoren
in Teamprozessen.

Günther Ortmann war zuletzt Professor für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre an der


Helmut-Schmidt-Universität Hamburg. Lehraufträge und Gastprofessuren in Wien, Inns-
bruck, Luzern und St. Gallen. Arbeitsschwerpunkte: Organisationstheorie; strategisches
Management; Entscheidungstheorie. Buchveröffentlichungen zuletzt: Management in der
Hypermoderne (2009), Organisation und Moral (2010); Kunst des Entscheidens. Ein Quan-
tum Trost für Zweifler und Zauderer (2011) und Organisationen regeln. Die Wirkmacht
korporativer Akteure (hrsg. zus. mit S. Duschek, W. Matiaske und M. Gaitanides 2012).

Dennis Schoeneborn ist Oberassistent im Fachbereich Organisationsforschung am Institut für


Betriebswirtschaftslehre der Universität Zürich. Seine Arbeiten wurden in internationalen
Fachzeitschriften der Organisations- und Managementforschung veröffentlicht (u.a. Journal
of Management Inquiry, Management Communication Quarterly oder Organization Studies).
Seine aktuellen Forschungsschwerpunkte sind: Organisationstheorie, Organisationskom-
munikation, computervermittelte Kommunikation und Corporate Social Responsibility.

Elke Schüßler ist sein 2012 Juniorprofessorin für Organisationstheorie am Management-


Department des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaft der Freien Universität Berlin. Ihre
mehrfach ausgezeichnete Promotion mit dem Thema „Strategische Prozesse und Persisten-
zen“ hat sie 2008 im Rahmen des DFG-Graduiertenkollegs „Pfade organisatorischer Prozes-
se“ an der Freien Universität Berlin angefertigt. Zwischen 2008 und 2012 war sie Wissen-
schaftliche Mitarbeiterin und Projektleiterin in verschiedenen Drittmittelprojekten zur
Steuerung, Entwicklung und Evaluation kreativer Cluster am Lehrstuhl von Prof. Jörg
Sydow an der Freien Universität Berlin. Sie hat an der University of Sussex und an der
London School of Economics studiert und arbeitete zwischen 2002 und 2005 als Unterneh-
mensberaterin in Berlin. Ihre Forschung beschäftigt sich mit Fragen von Innovation, Kreati-
vität und Pfadabhängigkeit in Prozessen institutionellen und organisationalen Wandels. In
diesem Zusammenhang analysiert sie die Rolle von feldkonfigurierenden Ereignissen in
unterschiedlichen Branchen, Regionen und Politikfeldern. Seit 2013 leitet sie ein interdis-
ziplinäres DFG-Wissenschaftliches Netzwerk zum Thema „Field-Configuring Events: Zeit ௅
Raum ௅ Relationen“.
Zu den Autoren und Herausgebern 229

Jost Sieweke, Studium der Sportwissenschaft und Wirtschaftswissenschaften an der Univer-


sität Oldenburg. Von 2008-2010 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Juniorprofessur für
Business Consulting an der Universität Oldenburg. Seit 2010 Wissenschaftlicher Mitarbeiter
am Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre, insbes. Organisation und Personal an der Hein-
rich-Heine-Universität Düsseldorf. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen
Praxistheorien, Neoinstitutionalismus sowie Fehler in Organisationen.

Stefan Süß, Studium der Wirtschaftswissenschaften an der Bergischen Universität Wupper-


tal. 1999-2009 Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Wissenschaftlicher Assistent und Akademi-
scher Oberrat an der FernUniversität in Hagen, dort 2004 Promotion, 2009 Habilitation. Seit
2010 Universitätsprofessor für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Organisation und
Personal an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Seine Forschungsschwerpunkte
liegen in den Bereichen Organisationstheorie, Neue Beschäftigungsverhältnisse und Perso-
nalmanagement.

Jörg Sydow, Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Freien Universität Berlin (Dipl.-
Kfm. 1978) und der Management Science am Imperial College of Science & Technology,
London (M.Sc. 1979); Promotion (1984) und Habilitation (1992) an der Freien Universität
Berlin; 1992-1996 Professor für Betriebswirtschaftslehre, insbes. Planung und Organisation,
an der Bergischen Universität Wuppertal; seit 1996 Professor für Allgemeine Betriebswirt-
schaftslehre, insbes. Unternehmenskooperation und zurzeit Gastprofessor an der Graduate
School of Business der Strathclyde University, Glasgow. Forschungsinteressen: Manage-
ment- und Organisationstheorie, strategische Unternehmenskooperation, Projekt- und
Innovationsmanagements sowie Industrielle Beziehungen.
In Vorbereitung und bereits erschienen
In Vorbereitung:
Managementforschung 24, 2014
hrsg. von Jörg Sydow, Dieter Sadowski und Peter Conrad
Arbeit ௅ eine Neubestimmung

Bereits erschienen:
Managementforschung 1, 1991
hrsg. von Wolfgang H. Staehle und Jörg Sydow
Selbstorganisation und systemische Führung
ISBN 3-409-11975-2
Inhalt:
Neuerungen durch selbstorganisierende Prozesse, H. Kasper
Unternehmungen als „autopoietische“ Systeme?, W. Kirsch & D. zu Knyphausen
Systementwicklung als Managementproblem, R. Klimecki, G.J. Probst & P. Eberl
Annäherungen an Informationsmanagement, H. Krcmar
40 Jahre „Work Activity“-Forschung, F. Schirmer
Der Managementprozeß – neu gesehen, G. Schreyögg
Ökonomische Analyse von Unternehmensnetzwerken, H. Siebert
Redundanz, Slack und lose Kopplung in Organisationen, W.H. Staehle
Entwicklung von Leitmotiven verhaltensorientierten Managementwissens, E. Walter-Busch
Managementforschung 2, 1992
hrsg. von Wolfgang H. Staehle und Peter Conrad
Flache Hierarchien und organisatorisches Lernen
ISBN 3-409-11976-0
Inhalt:
Betriebspolitische Aspekte des Bürokratieabbaus in Industrieunternehmen, K. Brünnecke,
Ch. Deutschmann & M. Faust
Verhaltenswissenschaftliche Ursprünge in der Betriebswirtschaftslehre, J. Deters
Unternehmenskultur und ökonomische Theorie, S. Föhr & H. Lenz
Auswirkungen globaler Informations- und Kommunikationssysteme auf die Organisation weltweit
tätiger Unternehmen, J. Griese
Betriebliche Qualifikationsstrategien und organisationales Lernen, P. Pawlowsky
Strategische Netzwerke und Transaktionskosten, J. Sydow
Vom Personalwesen zum Strategic Human Resource Management, W. Wächter

Managementforschung 3, 1993
hrsg. von Wolfgang H. Staehle und Jörg Sydow
Autonomie, Flexibilität und Effizienz
ISBN 3-409-11977-9
Inhalt:
Mitbestimmung und logistische Kette, W. Däubler
Management Buyouts, J. Drukarczyk
Zur Flexibilisierung der betrieblichen Beschäftigungs- und Entgeltpolitik, H.-D. Hardes & P. Grünzinger
Ökonomik und Ethik als Grundlage organisationaler Beziehungen, A. Löhr & M. Osterloh
Industrieökonomik und Strategieforschung, M. Minderlein
Akquisitionsmanagement als Organisation des Wandels, G. Müller-Stewens & J. Spickers
Soziologie des Managements: Eine Prozeßperspektive, G. Schienstock
Effizienz und Autonomie in Zuliefernetzwerken, K. Semlinger

J. Koch, J. Sydow (Hrsg.), Managementforschung 23,


© Springer Fachmedien Wiesbaden 2013, S. 231–239
232 In Vorbereitung und bereits erschienen

Managementforschung 4, 1994
hrsg. von Georg Schreyögg und Peter Conrad
Dramaturgie des Managements – Laterale Steuerung
ISBN 3-409-11978-7
Inhalt:
Zur Ästhetisierung des Managements, O. Neuberger
Die Mentalität des Managers, K.P. Hansen
Konzernmanagement durch Kontextsteuerung, H. Naujoks
„Lean“ – Zur rekursiven Stabilisierung von Kooperation, G. Ortmann
Verhandlung und Struktur, K. Sandner & R. Meyer
Risikoallokation im Arbeitsvertrag, K. Pull
Abgang von Top Managern in turbulenten Zeiten, T.J. Gerpott

Managementforschung 5, 1995
hrsg. von Georg Schreyögg und Jörg Sydow
Empirische Studien
ISBN 3-409-11979-5
Inhalt:
Störungen zwischenbetrieblicher Kooperation, E. Endres & Th. Wehner
Ausbreitung und Auswirkungen von Electronic Data Interchange, A. Picot, R. Neuberger & J. Niggl
Personelle Verflechtung als Ressourcenmanagement, G. Schreyögg & H. Papenheim-Tockhorn
Neue Managementkonzepte und industrielle Beziehungen, K. Dörre & J. Neubert
Produktivitätsfolgen (über-)betrieblicher Interessenvertretungen, B. Frick
Mittlere Manager in Deutschland und Großbritannien, P. Walgenbach & A. Kieser
Modern times für Frauen im Management?, U. Schumm-Garling, R. Martens & U.L. Fischer
Betriebliche Weiterbildung in kleinen und mittleren Unternehmen, H. Wagner, M. Wehling &
M. Weingärtner

Managementforschung 6, 1996
hrsg. von Georg Schreyögg und Peter Conrad
Wissensmanagement
ISBN 3-409-11980-9
Inhalt:
Wissensmanagement im Unternehmen, J. Rehäuser & H. Krcmar
Organisatorische Intelligenz, H. Oberschulte
Cognitive Mapping, J.M. Lehner
Organisationales Lernen und Macht, A. Hanft
Interorganisationales Lernen, C. Prange
Wissensintensiv durch Netzwerkorganisation, J. Sydow & B. van Well
Arbeit und Wissen im Produktentstehungsprozeß, I. Lippert, U. Jürgens & H. Drüke
Dimensionen des Wissensmanagements, H. Willke

Managementforschung 7, 1997
hrsg. von Georg Schreyögg und Jörg Sydow
Gestaltung von Organisationsgrenzen
ISBN 3-409-11981-7
Inhalt:
Systemrationalisierung an ihren Grenzen – Organisationsgrenzen und Funktionen von Grenzstellen in
Wirtschaftsorganisationen, V. Tacke
Die Gestaltung von Systempartnerschaften zwischen Automobilherstellern und ihren Zulieferern –
eine spieltheoretische Analyse, M. Kleinaltenkamp & H. Wolters
Vertrauen und Macht in zwischenbetrieblichen Kooperationen – zur Rolle von Wirtschaftsrecht und
Wirtschaftsverbänden in Deutschland und Großbritannien, R. Bachmann & C. Lane
In Vorbereitung und bereits erschienen 233

Auslandseinsatz als Instrument des informationellen Grenzmanagements international tätiger Unter-


nehmen – eine systemtheoretische Analyse, W. Mayrhofer
„Grenzenlose“ Unterstützung – „Grenzenlose“ Personalwirtschaft?, J. Eigler
Die Internet-Unterstützung Virtueller Unternehmen, P. Sieber
Organisationale Transformation – grenzenlos? Struktur- und Prozeßmuster in der kollektiven Bewälti-
gung von Unsicherheit, R. Klimecki & M. Gmür
Zur Fehlkonstruktion des deutschen Konzernrechts – Kritik und Neuansätze in interdisziplinärer
Perspektive, Ch. Kirchner

Managementforschung 8, 1998
hrsg. von Dietrich Budäus, Peter Conrad und Georg Schreyögg
New Public Management
ISBN 3-409-11982-5
Inhalt:
Von der bürokratischen Steuerung zum New Public Management – Eine Einführung,
D. Budäus
New Public Management – Theoretische Grundlagen und problematische Aspekte der Kritik,
S. Borins & G. Grüning
Benchmarking in der öffentlichen Verwaltung. Anwendungspotentiale und Grenzen aus theoretischer
und empirischer Sicht, W. Burr & H. Siedlmeier
Interkommunale Kooperation in der Region: Auf der Suche nach einem neuen Steuerungsmodell,
D. Rehfeld & J. Weibler
Verwaltungsmodernisierung als Machtspiel. Zu den heimlichen Logiken kommunaler Modernisie-
rungsprozesse, J. Bogumil & L. Kißler
Human Resource Management – Auswirkungen des New Public Management auf ein zeitgemäßes
Personalmanagement in der öffentlichen Verwaltung, W. A. Oechsler & S. Vaanholt
Zur Konzeption wirkungsorientierter Planung und Budgetierung in Politik und Verwaltung,
Th. Haldemann
Industrielles Produkt- und Prozeßdesign für Verwaltungs-Dienstleistungen, W. Kraemer,
A. Köppen & A.-W. Scheer

Managementforschung 9, 1999
hrsg. von Georg Schreyögg und Jörg Sydow
Führung neu gesehen
ISBN 3-409-11983-3
Inhalt:
Führung als Schlüssel zur organisationalen Lernfähigkeit, W.R. Müller & M. Hurter
Arbeitsengagement aus freien Stücken: Zur Rolle der Führung, H.W. Bierhoff & M.J. Herner
Zur Entwicklung interpersonalen, interorganisationalen und interkulturellen Vertrauens durch Füh-
rung – Empirische Ergebnisse der sozialpsychologischen Vertrauensforschung, W. Neubauer
Führung und Interaktionsstrukturen, S. Föhr
Charisma in Organisationen – Zum Stand der Theorienbildung und empirischen Forschung, J. Steyrer
Charismatische Momente und Trajekte – Das Projekt als Plattform charismatischer Führung, D. Blutner,
U. Holtgrewe & G. Wagner
Rebellion in der Organisation – Überlegungen zu einer Führungstheorie des radikalen Wandels,
P. Eberl, J. Koch & R. Dabitz
Führung in Netzwerkorganisationen – Fragen an die Führungsforschung, J. Sydow

Managementforschung 10, 2000


hrsg. von Georg Schreyögg und Peter Conrad
Organisatorischer Wandel und Transformation
ISBN 3-409-11536-6
Inhalt:
Zwischen Freiheit und Reglementierung – Widersprüchlichkeiten als Motor inkrementalen und trans-
formationalen Wandels in Organisationen – eine Kritik des punctuated equilibrium-Modells, D. Gebert
234 In Vorbereitung und bereits erschienen

Von der Episode zum fortwährenden Prozeß – Wege jenseits der Gleichgewichtslogik im Organisatori-
schen Wandel, G. Schreyögg & Ch. Noss
Organisationales Lernen – Zur Integration von Theorie, Empirie und Gestaltung, R. Klimecki,
H. Laßleben & M. Thomae
Entwicklung, Evolution oder Archäologie? Ansätze zu einer postmodernen Theorie des organisatori-
schen Wandels, D. Holtbrügge
Organisationaler Wandel als konstruktive Destruktion, J. Deeg & J. Weibler
Jenseits der Machbarkeit – Idealtypische Herausforderungen tiefgreifender unternehmerischer Wan-
delprozesse aus einer systemisch-relational-konstruktivistischen Perspektive, J. Rüegg-Stürm
Evaluation in Veränderungsprozessen, S. Hornberger
Strategie, Management und hierarchische Organisation – Barrieren organisationalen Wandels am
Beispiel der Wirtschaftskrise in Südkorea, M. Pohlmann

Managementforschung 11, 2001


hrsg. von Georg Schreyögg und Jörg Sydow
Emotionen und Management
ISBN 3-409-11804-7
Inhalt:
Leidenschaften als Organisationsproblem, Gertraude Krell & Richard Weiskopf
Reflexive Emotionalität – Konzepte zum professionellen Umgang mit Emotionen im Management,
Tanja Eiselen & Ralph Sichler
Was Metaphern über Gefühle sagen – Ein neuer Zugang zu Emotionen auf der Managementebene,
Thomas Steger
Emotionsarbeit – Betriebliche Steuerung und individuelles Erleben, Daniela Rastetter
Emotionale Intelligenz – Golemans Erfolgskonstrukt auf dem Prüfstand, Barbara Sieben
Konkurrenz als Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln – Eine sozio-analytische Dekonstruktion,
Burkard Sievers
Intuition und Emotion in der Entscheidungsforschung – State-of-the-Art und aktuelle Forschungsrich-
tungen, Michael Nippa
Emotionale Grenzen der Vernunft und ihre Konsequenzen für die Neue Institutionenökonomie,
Egon Franck & Josef Zellner
Emotion und Entscheidung, Günther Ortmann

Managementforschung 12, 2002


hrsg. von Georg Schreyögg und Peter Conrad
Theorien des Managements
ISBN 3-409-11916-7
Inhalt:
Zwischenbilanz: Prozesse, Strukturen und Schlüsselpersonen des Innovationsmanagements –
Ergebnisse empirischer Studien des Kieler Graduiertenkollegs „Betriebswirtschaftslehre für Technolo-
gie und Innovation“, Jürgen Hauschildt
Kommentar zu J. Hauschildt: Innovationsmanagement – Quo vadis?, Christian Noss
Komplexitätstheorie: Neues Paradigma für die Managementforschung?, Peter Kappelhoff
Kommentar zu P. Kappelhoff: Komplexität und Organisation, Georg Schreyögg
Der evolutionstheoretische Ansatz in der Organisationsforschung, Udo Staber
Kommentar zu U. Staber: Evolutionstheorie in der Organisationsforschung – Alltagstheorie, Metatheo-
rie oder Metaphysik?, Werner R. Müller
Neoinstitutionalistische Organisationstheorie – State of the Art und Entwicklungslinien,
Peter Walgenbach
Kommentar zu P. Walgenbach: Organisationales Handeln zwischen institutioneller Normierung und
strategischem Kalkül, Walter Müller-Jentsch
Vom Faktoransatz zum Human Resource Management, Hans-Gerd Ridder
Kommentar zu H.-G. Ridder: Was das Human Resource Management aus der Unternehmenstheorie
lernen könnte, Dieter Sadowski
Das Subjekt als Objekt der Begierde – Die Perspektive der „Subjektivierung von Arbeit“,
Manfred Moldaschl
Kommentar zu M. Moldaschl: Arbeit ohne Subjekt?, Peter Conrad
In Vorbereitung und bereits erschienen 235

Managementforschung 13, 2003


hrsg. von Georg Schreyögg und Jörg Sydow
Strategische Prozesse und Pfade
ISBN 3-409-11917-5
Inhalt:
Strukturwirkungen strategischer Entscheidungen: Die Forschungszielsetzung einer Studie als Modera-
tor der metaanalytischen Untersuchung, Gerhard Schewe
Strategieentwicklung von KMU im Globalisierungsprozess, theoretisch fundiert und empirisch unter-
sucht, Uta Wilkens & Martin Brussig
Allianzmanagementkompetenz – Entwicklung und Institutionalisierung einer strategischen Ressource,
Werner H. Hoffmann
Zur Anwendbarkeit des Realoptionenansatzes als Instrument zur Unterstützung strategischer Ent-
scheidungsprozesse – Indizien kontingenztheoretischer Bewertungsnotwendigkeiten,
Michael Nippa & Kerstin Petzold
Strategische Projekte als Objekte kollektiver Investitionsentscheidungen in Unternehmensnetzwerken,
Oliver Wohlgemuth & Thomas Hess
Die Pfadabhängigkeitstheorie als Erklärungsansatz unternehmerischer Entwicklungsprozesse,
Rolf Ackermann
Organisatorische Pfade, Georg Schreyögg, Jörg Sydow & Jochen Koch
Kreation technologischer Pfade: Ein strukturationstheoretischer Analyseansatz, Arnold Windeler

Managementforschung 14, 2004


hrsg. von Georg Schreyögg und Peter Conrad
Gerechtigkeit und Management
ISBN 3-409-11916-7
Inhalt:
Kann Corporate Governance Gerechtigkeit schaffen? Elmar Gerum
Business & Society-Forschung versus Kritische Strategieforschung – Kritik zweier Ansätze zur
Integration von sozialer Verantwortung und strategischer Unternehmensführung,
Andreas Georg Scherer & Brigitte Kustermann
Was ist gerecht im Unternehmen? Über die Möglichkeiten einer erfahrungswissenschaftlichen
Gerechtigkeitsanalyse in Unternehmen, Stefan Liebig
Gerechtigkeit und die zwei Ebenen industriellen Konflikts – Empirische Befunde der betriebli-
chen Einstellungsforschung, Holger Lengfeld
Fairness als Voraussetzung für die Tragfähigkeit psychologischer Verträge,
Sabine Raeder & Gudela Grote
Die Organisation von Inklusion und Exklusion – Zur Implizität organisationaler Gerechtigkeit
und dem Problem systematischer Exklusion, Jochen Koch
Management, Organisation und die Gespenster der Gerechtigkeit, Richard Weiskopf

Managementforschung 15, 2005


hrsg. von Bernd Schauenberg, Georg Schreyögg und Jörg Sydow
Institutionenökonomik als Managementlehre?
ISBN 3-409-14340-8
Inhalt:
Institutionenökonomik jenseits des Opportunismus: Froschungsprogramm statt Utopie,
Gotthard Pietsch
„The Proof of the Pudding ...“, Kommentar zum Beitrag von Gotthard Pietsch, Dieter Sadowski
Die Stellung von Natur in der Neuen Institutionenökonomik – Eine kritische Bestandsaufnahme und
Perspektive, Ralf Antes
Streckbett für eine „middle-range theory“, Kommentar zum Beitrag von Ralf Antes,
Walther Müller-Jentsch
Internationales Management aus der Perspektive der Neuen Institutionenökonomik, Birgitta Wolff
Wenn schon, denn schon: Ein Plädoyer für theoretische Stringenz, Kommentar zum Beitrag von Birgit-
ta Wolff, Stephan Duschek
236 In Vorbereitung und bereits erschienen

Metatheoretische Überlegungen zur Zusammenarbeit von Institutionenökonomik und Management-


lehre, Michaela Haase
Metatheoretische Klärungsversuche in schwierigem Terrain, Kommentar zum Beitrag von Michaela
Haase, Bernd Schauenberg
Markt und Organisation? – Eine Dekonstruktion Zum Verhältnis von Transaktionskostenansatz und
Organisationsforschung jenseits von Opportunismusbehauptung und Opportunismusvorwurf,
Jochen Koch
Das fatale Apriori des Marktes – Kommentar zum Beitrag von Jochen Koch, Günther Ortmann
Vertrauen, Opportunismus und Kontrolle – Eine empirische Analyse von Joint Venture-Beziehungen
vor dem Hintergrund der Transaktionskostentheorie, Peter Eberl & Rüdiger Kabst
Über den empirischen Umgang mit Beziehungsqualitäten, Kommentar zum Beitrag von Peter Eberl
und Rüdiger Kabst, Werner R. Müller
Opportunismus und Institutionen in vertikalen Innovationskooperationen, Martin Kloyer
Die Opportunismusannahme in der Neuen Institutionenökonomie, Kommentar zum Beitrag von
Martin Kloyer, Peter Kappelhoff
Corporate Governance: Eine Prinzipal-Agenten-Beziehung, Team-Produktion oder ein soziales Dilem-
ma?, Margit Osterloh & Bruno S. Frey
Wie entwickeln Firmen kollektive Kompetenzen? Kommentar zum Beitrag von Margit Osterloh und
Bruno S. Frey, Christoph Deutschmann
Institutionenökonomik und Managementlehre: Anmerkungen zu diesem Band, Bernd Schauenberg

Managementforschung 16, 2006


hrsg. von Georg Schreyögg und Peter Conrad
Management von Kompetenz
ISBN-10 3-8349-0398-1
Inhalt:
Innovationsfähigkeit, Zukunftsfähigkeit, Dynamic Capabilities – Moderne Fähigkeitsmystik und eine
Alternative, Manfred Moldaschl
Eine „Competence-based Theory of the Firm“ als marktprozesstheoretischer Ansatz –
Erste disziplinäre Basisentscheidungen eines evolutorischen Forschungsprogramms,
Jörg Freiling, Martin Gersch & Christian Goeke
Inhalt und Aufbau interorganisationaler Kooperationskompetenz – Eine Konstruktbestimmung,
Dietrich von der Oelsnitz & Andrea Graf
Wirkungsbeziehungen zwischen Ebenen individueller und kollektiver Kompetenz – Theoriezugänge
und Modellbildung, Uta Wilkens, Helmut Keller & Martina Schmette
Kompetenzmodelle und die Subjektivierung von Arbeit – Verbindungslinien zweier arbeitswissen-
schaftlicher Ansätze, Daniela Rastetter
Transaktives Wissen, Kompetenzen und Wettbewerbsvorteile: Der Akteur als strategischer Faktor,
Albrecht Becker, Elisabeth Braune & Stephan Duschek
Strategische Aufgaben- und Kompetenzverteilung im Management – Sind Porters Annahmen richtig?
Eine empirische Untersuchung, Helmut Kasper & Jürgen Mühlbacher
Orientierungskompetenz – Wege, Hindernisse, Potenziale, Arno Rolf

Managementforschung 17, 2007


hrsg. von Georg Schreyögg und Jörg Sydow
Kooperation und Konkurrenz
ISBN-978-3-8349-0575-8
Inhalt:
Outsourcing als Coopetition – eine spieltheoretische Analyse des Zusammenhangs von Kooperation
und Kompetition, Achim Hecker
Kooperation und Konkurrenz in Personaldienstleistungsbeziehungen – Theoretische Überlegungen
und explorative Ergebnisse, Katrin Bährin & Kirsten Thommes
Machtumkehr in Projektnetzwerken der Computer- und Videospielindustrie,
Ricarda B. Bouncken & Jörg Müller-Lietzkow
Zur Dynamisierung interorganisationaler Lernstrategien – Pfade zwischen Kooperation und Konkur-
renz, Dietrich von der Oelsnitz & Victor A. Tiberius
In Vorbereitung und bereits erschienen 237

Reziprozität – Kooperation zwischen Nutzen und Pflicht,


Markus Göbel, Günther Ortmann & Christiana Weber
Wenn Wettbewerber zu Kooperationspartnern (gemacht) werden – Einsichten aus zwei Netzwerken in
einem Cluster optischer Technologien, Frank Lerch, Jörg Sydow & Miriam Wilhelm
Sleeping with the enemy, oder Vorsicht vor falschen Freunden? Sozioökonomische Überlegungen zum
Dilemma der Coopetition, Udo Staber

Managementforschung 18, 2008


hrsg. von Georg Schreyögg und Peter Conrad
Gruppen und Teamorganisation
ISBN-978-3-8349-1048-6
Inhalt:
Der Einfluss von Organisationsstruktur und Aufgabenkomplexität auf Teamperformance – Eine grup-
penexperimentelle Studie, Heiner Evanschitzky, Christof Backhaus, David Woisetschläger & Dieter Ahlert
Wie teilautonome Gruppenarbeit Management und Organisation herausfordert –
Eine qualitative Heuristik zur Entwicklung von Gruppenarbeit, Frank Wippermann
Multikulturelle Teams unter Leistungsdruck – Eine empirische Analyse von Wirkungen des
Wettbewerbs, Rolf Bronner & Paulina Jedrzeczyk
Die Anwendung des Konzeptes der lose gekoppelten Systeme zur Lösung des Dilemmas
multikultureller Teams, Anne Susann Bachmann
Die Optimierung der virtuellen Teamarbeit – Ein integratives Managementmodell,
Björn Krämer & Jürgen Deeg
Strategische Erwägungen bei der Partnerselektion in Venture-Capital-Syndikaten, Christian Hopp
Wird die Selektion von Kooperationspartnern der zentralen Rolle interorganisationaler Teams gerecht?
– Eine Analyse des Gewichts personenbezogener Selektionskriterien bei der Auswahl von Kooperati-
onspartnern, Mischa Seiter & Johannes Isensee

Managementforschung 19, 2009


hrsg. von Georg Schreyögg und Jörg Sydow
Verhalten in Organisationen
ISBN-978-3-8349-1812-3
Inhalt:
Organizational Commitment und Job Involvement in Deutschland und Südkorea − Eine bedürfnisori-
entierte empirische Analyse, Yang-Kyu Park, Rüdiger Kabst, Holger Steinmetz & Michelle Turner
Kooperation und Engagement in der Arbeit − Eine vergleichende Betrachtung von psychologischer
Ökonomik und Verhaltenswissenschaft, Antoinette Weibel
Statusverhalten in der Organisation im Spannungsverhältnis von formaler und informaler Hierarchie,
Johannes M. Lehner
Jenseits des Leistungsprinzips − Paradoxien marktförmiger Leistungssteuerung in Arbeitsorganisatio-
nen, Gabriele Faßauer
Autonomie und Loyalität in strategischen Unternehmensnetzwerken − Eine Mehrebenenbetrachtung,
Christof Backhaus, Markus Blut, Heiner Evanschitzky & David Woisetschläger
Soziale Netzwerke und Organisation − Die soziale Einbettung des Verhaltens von und in Unterneh-
men, Markus Helfen
Warum prägen Institutionen das Handeln in Organisationen? Die unbeantwortete Frage des
Neo-Institutionalismus, Nils Müller
Verhalten im Stillstand − Stillstand als Verhalten − Organisationsblockaden in der Perspektive des
akteurzentrierten Institutionalismus, Jürgen Deeg, Uwe Schimank & Jürgen Weibler

Managementforschung 20, 2010


hrsg. von Georg Schreyögg und Peter Conrad
Organisation und Strategie
ISBN-978-3-8349-2542-8
Inhalt:
Organisation, Strategie, Responsivität – Strategieformation als responsive Strukturation,
Günther Ortmann
238 In Vorbereitung und bereits erschienen

Zur Komplementarität von strategischer Planung und organisationalem Lernen – Eine strukturations-
theoretische Sicht auf die Strategie- und Lernfähigkeit von Organisationen in dyadischen Handlungs-
feldern, Daniela Menzel
Der Einfluss affektiver Zustände auf den strategischen Entscheidungsfindungsprozess,
Theresa Michl, Isabell M. Welpe, Matthias Spörrle & Arnold Picot
Mobilizing Intra-Organizational Relationships – The Challenge of Corporate Venture Capital,
Dodo zu Knyphausen-Aufseß, Ingo Rauser & Lars Schweizer
Open Windows: Shaping Information Technology as a Continuous Organizational Process,
Georg Schreyögg & Leo Schmidt
Ambidexterity in Familienunternehmen – Die Top-Management-Familie als Innovationsinkubator,
Hermann Frank, Wolfgang Güttel & Daniela Weismeier-Sammer
Strategisches Pfadmanagement: „Beyond Path Dependence“, Stephan Duschek

Managementforschung 21, 2011


hrsg. von Peter Conrad und Jörg Sydow
Organisation und Umwelt
ISBN-978-3-8349-3121-4
Inhalt:
„Sensemaking“-Prozesse von Meta-Organisationen am Beispiel eines diakonischen Landesverbandes,
Peter Eberl, Ariane Jäckel & Christopher Klug
Phönix aus der Asche – Eine ereignisorientierte Betrachtung des Siemens-Korruptionsskandals als
Nexus zwischen Organisation und Umwelt, Christian Gebhardt & Gordon Müller-Seitz
Nichtwissen als vernachlässigte Variable im Verhältnis von Organisation und Umwelt, Daniel Dorniok
& Michael Mohe
Die Entstehung organisationaler Sachzwänge – Eine institutionensoziologische Analyse zum Anstieg
der Kaiserschnittrate in Deutschland, Elke Weik
Interorganisationale Netzwerke und digitale Gemeinschaften: Von Beiträgen zu Beteiligung? Leonhard
Dobusch & Sigrid Quack
Industry evolution and the interplay between extrinsic and intrinsic motivation: Software and
genomics from a Habermasian perspective, Dodo zu Knyphausen-Aufseß & Lars Schweizer
Von der sozialen zur sozial-ökologischen Einbettung des Unternehmens – Potenziale des Resource
Dependence-Ansatzes, Carsten Gandenberger

Managementforschung 22, 2012


hrsg. von Peter Conrad und Jochen Koch
Steuerung durch Regeln
ISBN-978-3-8349-4348-4
Inhalt:
Formalisierung und Wohlbefinden am Arbeitsplatz: Neue Perspektive auf eine Kontroverse, Harmonie
Sauer & Antoinette Weibel
Regulatorische Unsicherheit und private Standardisierung: Koordination durch Ambiguität, Leonhard
Dobusch & Jakob Kapeller
Imprinting und Regelkonformität – Die Bedeutung des institutionellen Gründungskontexts für die
Übernahme der Richtlinien des Deutschen Corporate Governance Kodex, Anne Galander, Simon Oertel
& Peter Walgenbach
Abweichung als problematische Konvention: Eine anomietheoretische Analyse des Managements von
Innovativität in Organisationen, Gabriele Faßauer
Abusive Supervision als stabile Ko-Konstruktion dysfunktionaler Beziehungsrealität, Stefan Klaußner
Regelsysteme in grenzüberschreitenden Geschäftsbeziehungen, Jörg Freiling & Holger Nieswandt
MANAGEMENTFORSCHUNG
Hrsg.: Peter Conrad, Jochen Koch und Jörg Sydow
Korrespondenzadresse:
Freie Universität Berlin
Peter Conrad peter.conrad@hsu-hamburg.de Management-Department
Jochen Koch koch@europa-uni.de Boltzmannstr. 20, 14195 Berlin
Jörg Sydow joerg.sydow@fu-berlin.de Tel.: +49 30 838 53783
www.managementforschung.com E-Mail: management@wiwiss.fu-berlin.de

Call for Papers


Managementforschung 25: Management zwischen Reflexion und Handeln

Abgabetermin für Manuskripte ist der


30. April 2014
Die Managementforschung steht seit Anbeginn in einem unauflöslichen Spannungsverhältnis: dem zwischen Reflexion
und Handeln. Auf der einen Seite richtet sie sich als Managementlehre auf die Fragen effizienter und effektiver Steue-
rungshandlungen in und von Organisationen. Auf der anderen Seite bietet sie gerade dieser Praxis als Wissenschaft einen
Reflexionsinstanz und macht damit die Praxis der Kritik wie der Veränderung zugänglich. Die Beziehung zwischen
Reflexion und Handeln spielt dabei in zumindest zweifacher Weise eine Rolle: im Verhältnis von Theorie und Praxis
einerseits, andererseits in Bezug auf eine ihr eigenes Handeln reflektierenden Praxis. Die neu ausgerufenen Leitbilder des
sog. „reflective practitioners“ und der „mindful organization“ bringen dabei plastisch zum Ausdruck, dass beide Ebenen
in einer Wissensgesellschaft gleichermaßen wie das Verhältnis von Reflexion und Handeln untrennbar miteinander
verwoben sind. Damit werden jedoch die Fragen virulenter: Was heißt hier genau Reflexion und welche Formen der
Reflexion sind gemeint und in welchem Verhältnis stehen diese zum praktischen Managementhandeln? Ist das Theorie-
Praxis-Verhältnis das eines differenter oder gar inkommensurabler Logiken und welche Konsequenzen ergeben sich
daraus für Theorie wie Praxis? Welche Rolle spielt – insbesondere kritische – Reflexion im Management heute überhaupt
und welche Arten von Institutionalisierung von Reflexion lassen sich identifizieren? Auf welchen Ebenen (Individuum,
Gruppe, Organisation, Netzwerk, Gesellschaft) findet Reflexion des Managements statt und wie interagieren diese
Ebenen? Wie ist die Beziehung zwischen Macht und Reflexion heute zu denken und welche Implikationen ergeben sich
daraus für das Steuerungshandeln? In welchem Verhältnis steht Reflexion zu organisationalen Routinen, zu handlungslei-
tenden Heuristiken und zum habituellen Handeln in Organisationen? Welche Rolle spielt dabei Intentionalität und welche
Rolle spielt der Zufall? Zeichnet sich nach der Verabschiedung des Primats der Planung nun zunehmend ein Primat des
Handelns ab? Welche Konsequenzen hätte eine solche Entwicklung für Fragen der Kritik, der Lernfähigkeit und eine
ethisch-normative Fundierung der Managementforschung?
Der 25. Band der ‚Managementforschung‘ widmet sich diesem gleichermaßen grundlegendem wie hochaktuellem The-
menspektrum und möchte – nicht zuletzt als Jubiläumsband – zugleich eine Plattform eröffnen für elementare Fragen der
Logik und Rationalität des Managements. Die einzureichenden Beiträge können wie immer rein konzeptioneller Art sein,
der Call zielt aber nachdrücklich auch auf empirische Beiträge ab. Sofern die Beiträge auf empirischen Studien basieren,
sollten diese theoretisch-konzeptionell fundiert und methodisch elaboriert sein. Neben den klassischen Aufsatzformaten
sind auch provozierende Essays denkbar.
Die eingereichten Manuskripte durchlaufen wie üblich einen doppelt-blinden Begutachtungsprozess mit mindestens zwei
Fachgutachter(inne)n. Zur Erleichterung der Planung bitten wir darum, den Herausgebern möglichst frühzeitig geplante
Beiträge anzuzeigen. Ein Leitfaden zur formalen Gestaltung steht auf o.g. Website zum Herunterladen bereit.
Hamburg und Frankfurt (Oder), Mai 2013 Peter Conrad und Jochen Koch

Herausgeberbeirat: Albrecht Becker (Universität Innsbruck), Peter Eberl (Universität Kassel), Torsten J. Gerpott (Universität Duisburg-Essen), Axel
Haunschild (Leibniz-Universität Hannover), Werner Hoffmann (Wirtschaftsuniversität Wien), Dirk Holtbrügge (Universität Erlangen-Nürnberg),
Ulrich Jürgens (Wissenschaftszentrum Berlin), Peter Kappelhoff (Universität Wuppertal), Helmut Kasper (Wirtschaftsuniversität Wien), Friedemann
Nerdinger (Universität Rostock), Sigrid Quack (Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung und Universität zu Köln), Dieter Sadowski (Universität
Trier), Bernd Schauenberg (Universität Freiburg), Frank Schirmer (TU Dresden), Antoinette Weibel (Universität Konstanz), Jürgen Weibler (FernUni-
versität in Hagen) und Uta Wilkens (Universität Bochum).

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