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Forschungs-/ Entwicklungs- /

Innovations-Management
Hans Dietmar Bürgel (em.) · Diana Grosse
Cornelius Herstatt · Hans Koller
Christian Lüthje · Martin G. Möhrle Hrsg.

Jens Lehnen
Integration von
Lead Usern in die
Innovationspraxis
Eine empirische Analyse
der praktischen Anwendung
des Lead User-Ansatzes
Forschungs-/ Entwicklungs-/
Innovations-Management

Edited by
H. D. Bürgel (em.), Stuttgart, Germany
D. Grosse, Freiberg, Germany
C. Herstatt, Hamburg, Germany
H. Koller, Hamburg, Germany
C. Lüthje, Hamburg, Germany
M. G. Möhrle, Bremen, Germany
Die Reihe stellt aus integrierter Sicht von Betriebswirtschaft und Technik Arbeits-
ergebnisse auf den Gebieten Forschung, Entwicklung und Innovation vor. Die
einzelnen Beiträge sollen dem wissenschaftlichen Fortschritt dienen und die For-
derungen der Praxis auf Umsetzbarkeit erfüllen.

Edited by
Professor Dr. Hans Dietmar Bürgel Professor Dr. Hans Koller
(em.), Universität der Bundeswehr Hamburg
Universität Stuttgart
Professor Dr. Christian Lüthje
Professorin Dr. Diana Grosse vorm. de Technische Universität Hamburg-
Pay, Harburg
Technische Universität Bergakademie
Professor Dr. Martin G. Möhrle
Freiberg
Universität Bremen
Professor Dr. Cornelius Herstatt
Technische Universität
Hamburg-Harburg

Weitere Bände in der Reihe http://www.springer.com/series/12195


Jens Lehnen

Integration von
Lead Usern in die
Innovationspraxis
Eine empirische Analyse
der praktischen Anwendung
des Lead User-Ansatzes
Mit einem Geleitwort von
Univ. Prof. Dr. oec. publ. Cornelius Herstatt
Jens Lehnen
Hamburg, Deutschland

Dissertation, Technische Universität Hamburg-Harburg, 2017

Forschungs-/ Entwicklungs-/ Innovations-Management


ISBN 978-3-658-19384-3 ISBN 978-3-658-19385-0 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-658-19385-0

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Geleitwort
Die Arbeit von Jens Lehnen reiht sich in die Forschung zu sogenannten Lead Usern.
Bei Lead Usern handelt es ich um Verwender von Produkten, die im Gegensatz zu
durchschnittlichen Anwendern zukünftige Bedürfnisse früher erfahren, von entspre-
chend geeigneten Lösungen erheblich profitieren und daher typischerweise selber
innovativ aktiv werden. Für Unternehmen ist die Identifikation und Zusammenarbeit
von Lead Usern in vielerlei Hinsicht nützlich, insbesondere wenn die Bedürfnisse der
Lead User stellvertretend für weitere Anwender und Kunden zukünftiger Produkte
stehen.

Zur systematischen Identifikation und Integration dieser speziellen Nutzergruppe


wurde bereits vor langer Zeit von Professor Eric von Hippel (MIT) und seinen Schü-
lern die sogenannte Lead User-Methode entwickelt. Dieses Verfahren hat sich in
zahlreichen Anwendungen im Zusammenhang mit bestimmten Branchen, Produktar-
ten und einzelnen Unternehmen bewährt. Bis heute besteht allerdings keine überge-
ordnete Untersuchung zur Anwendung dieses Verfahrens in der Unternehmenspra-
xis. Dies ist Gegenstand der vorliegenden Dissertation von Jens Lehnen. Ziel seiner
Arbeit ist die Analyse der praktischen Umsetzung der Lead User-Methode mit dem
Anspruch, diese auf Basis der gewonnenen Erkenntnisse gegebenenfalls weiter zu
entwickeln.

Hierzu führt er zunächst intensive Literatur-Analysen durch, die erste Hinweise auf
unterschiedliche Verständnisse und Anwendungen der Methode in der Praxis im
Kontrast zu den Empfehlungen der „theoretischen“ Literatur geben. In Rahmen einer
Direktbefragung (quantitative Online-Befragung, n=249) kann er die Bekanntheit des
Ansatzes, die Erfolgsfaktoren bzw. Herausforderungen sowie praktische Erfahrungen
und etwaige Prozessänderungen herausarbeiten. Dabei stellt sich heraus, dass die
befragten Unternehmen den Lead User-Ansatz zwar positiv bewerten, jedoch jedes
zweite Unternehmen den theoretischen Prozess anpasst bzw. ändert.

Die ermittelten Schwachstellen bzw. Korrekturen des theoretischen Prozess-Modells


nimmt Herr Lehnen dann zum Anlass für eine weitergehende, qualitative Studie.
Hierzu führt er 17 Fallstudieninterviews durch. Dabei kann er feststellen, dass die
jeweiligen Phasen der Lead User-Methode regelmäßig eine Anpassung an die Rah-
menbedingungen des jeweiligen Unternehmenskontextes erfordern. Zudem fügen
Unternehmen oft eine weitere Prozess-Phase (Evaluierung und Implementierung)
hinzu.

Im Ergebnis gelingt es Herrn Lehnen die theoretische Lead User-Methode überzeu-


gend weiter zu entwickeln. Weiterhin verknüpft er die Methode mit dem agilen Pro-
jektmanagement, einem Modell zur flexibleren Durchführung von Projekten Schließ-
VI Geleitwort

lich entwickelt er Grundlagen für eine Best Practice-Betrachtung. Hierzu leitet er für
jede Phase Voraussetzungen, Ziele und Aufgaben ab. In diesem Zusammenhang
stellt er auch nützliche Checklisten für die jeweiligen Phasenübergänge auf, um die
Zielerreichung regelmäßig überprüfen zu können. In der Summe resultiert eine Er-
weiterung der Lead User-Methode, die sowohl in theoretischer wie praktischer Hin-
sicht sehr wertvoll ist. Daher ist die Lektüre der Arbeit von Jens Lehnen sowohl für
Innovationsforscher wie auch Innovationspraktiker relevant.

Hamburg, Juli 2017


Univ. Prof. Dr. oec. publ. Cornelius Herstatt
Vorwort
Diese Dissertation ist während meiner Zeit am Institut für Technologie- und Innova-
tionsmanagement (TIM) an der Technischen Universität Hamburg-Harburg entstan-
den. Seit Jahren forscht das TIM unter der Leitung von Prof. Dr. Herstatt im Bereich
der Nutzerinnovationen (User Innovation). Dabei steht die Innovationskraft des Nut-
zers im Vordergrund, der durch sein Bedürfnis- und Lösungswissen viel verspre-
chende Produktideen und Prototypen entwickeln kann. Als besonders fortschrittliche
Nutzer werden so genannte Lead User bezeichnet, deren Integration in den Innova-
tionsprozess für Unternehmen enorm wertvoll sein kann. Die Einbeziehung von Lead
Usern ist schon lange durch die Lead User-Methode systematisiert worden. Eine um-
fassende Überprüfung der praktischen Umsetzung existiert bisher jedoch nicht und
stellt daher das Ziel dieser Arbeit dar. Durch umfangreiche Studien werden Erfahrun-
gen und Verbesserungen aus der Praxis identifiziert und die Lead User-Theorie auf
dieser Basis an aktuelle Rahmenbedingungen angepasst. Die Weiterentwicklung der
Lead User-Methode stellt einen wesentlichen Beitrag für die Lead User-Forschung
dar. Zudem wird als praktische Implikation eine Best Practice für die Durchführung
von Lead User-Projekten abgeleitet. Die Anwendbarkeit dieser erfolgversprechenden
Methode wird durch diese Arbeit verbessert und die Wissenschaft auf Basis empiri-
scher Studien weiterentwickelt.

Die erfolgreiche Vollendung dieser Dissertation wurde erst durch die Unterstützung
meiner Betreuer, Kollegen, Freunde und Familie möglich gemacht.

Insbesondere geht mein Dank an Herrn Prof. Dr. Cornelius Herstatt. Er hat mir durch
seine Unterstützung in den vergangenen Jahren gezeigt, was der Begriff Doktorvater
wirklich bedeutet. Fachliche Diskussionen und Gespräche haben nicht nur meine
Dissertation, sondern auch mich persönlich bereichert. Für die große Unterstützung
sowohl als Doktorvater als auch Chef bin ich sehr dankbar.
Weiterhin möchte ich mich bei meinem Zweitgutachter, Prof. Dr. Christoph Ihl, be-
danken. Auch durch ihn habe ich immer wieder Unterstützung sowie inspirierendes
Feedback erhalten und konnte mich jederzeit an ihn wenden - dafür ganz herzlichen
Dank!

Herrn Prof. Dr. Wolfgang Kersten gilt mein großer Dank für die Übernahme des Prü-
fungsvorsitzes meiner Dissertation. Seine freundliche, sachliche Art ist die beste Me-
dizin gegen die unausweichliche Nervosität bei der Verteidigung.
Beim gesamten TIM-Team möchte ich mich zunächst für die große fachliche Unter-
stützung bedanken. Das Teilen von Erfahrungen und Wissen lässt einen so manche
fachliche oder bürokratische Hürde nehmen und ist daher ungemein wertvoll. Vor
allem möchte ich mich jedoch für die großartige Zeit am TIM bei allen Kollegen be-
VIII Vorwort

danken. Nicht nur die zahlreichen Gespräche, Mittags-/Kaffeepausen und Feiern in-
nerhalb der Uni, sondern sämtliche Teamevents (Bruzzelhütte, Poetry-Slam, Thea-
ter, Grill-, Fußball- und Ruderabende) haben diese Zeit zu einem unvergesslichen
Erlebnis gemacht. Mein besonderer Dank gilt Thorsten Pieper für seinen Support bei
der Erstellung dieser Arbeit.
Neben den Kollegen waren meine Freunde eine enorme Unterstützung - Alexander,
Buschi, Daniel, Hauke, Ina, Jan Schulz, Paddy, Philip, Scheng, Sonja und Tom seien
hier stellvertretend für alle bisherigen Weggefährten genannt. Auch wenn man sich
aufgrund der großen Entfernungen nur selten sehen kann, weiß ich doch immer,
dass ich auf euch zählen kann.
Möglich gemacht hat diese Promotion jedoch erst meine Familie, die mich Zeit mei-
nes Lebens unterstützt hat. Meinen drei Schwestern (inkl. zunehmenden Anhang)
danke ich für die Unterstützung und tolle Zeit, die wir miteinander verbracht haben
und noch verbringen werden. Meinen Tanten Maria und Gertrud sowie insbesondere
Oma Grete danke ich für all die Fürsorge, Bewirtung und Herzlichkeit in all den Jah-
ren. Vor allem aber gebührt mein Dank meinen großartigen Eltern. Ohne euch wäre
ich heute nicht das, was ich bin. Diese Arbeit sei euch gewidmet.
Neben einer tollen Zeit, vielen Freunden und diesem Doktortitel hat Hamburg mir vor
allem meine wunderbare Freundin Claudia gebracht, der mein abschließender Dank
gilt. Danke, dass du mich immer unterstützt und auch an schlechten Tagen für mich
da bist. Durch dich ist Hamburg zu einer richtigen Heimat geworden.

Hamburg, Juli 2017


Jens Lehnen
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis .......................................................................................... XV
Tabellenverzeichnis ............................................................................................. XVII
Abkürzungsverzeichnis ........................................................................................ XIX

1 Einleitung: Forschungsfeld und Ablauf .......................................................... 1

1.1 Themenfeld und Relevanz ............................................................................... 1


1.2 Problemstellung und Zielsetzung ..................................................................... 4
1.3 Vorgehensweise und Aufbau ........................................................................... 5

2 Theoretische Grundlagen: Der Lead User-Ansatz .......................................... 9

2.1 Der Innovationsbegriff im Unternehmenskontext ............................................. 9


2.1.1 Innovationstreiber ................................................................................... 11
2.1.2 Einordnung des Innovationsmanagements ............................................. 14
2.1.3 Definition relevanter Innovationsprozesse .............................................. 15
2.1.4 Integration von Kunden in den Innovationsprozess ................................ 18

2.2 Lead User als spezielle Form der Nutzerinnovationen................................... 21


2.3 Literaturanalyse wissenschaftlicher Publikationen zum Lead User-Begriff .... 22
2.3.1 Definition von Lead Usern ...................................................................... 23
2.3.2 Lead User-Methode zur systematischen Integration von Lead Usern .... 25
2.3.3 Chancen und Risiken der Integration von Lead Usern ........................... 27
2.3.4 Weiterentwicklung der Lead User-Eigenschaften ................................... 30
2.3.4.1 Technologiebedingte Anpassungen der Lead User-Eigenschaften..... 31
2.3.4.2 Ökologische Entwicklungen der Lead User-Eigenschaften ................. 32
2.3.4.3 Lead User-Eigenschaften im organisatorischen Kontext..................... 33
2.3.4.4 Erweiterungen der Lead User-Eigenschaften ..................................... 33

2.3.4.5 Alternative Lead User-Definitionen...................................................... 34


2.3.4.6 Prozessänderungen ............................................................................ 35

2.3.5 Analyse des Lead User-Ansatzes in wissenschaftlichen Studien ........... 36


2.3.6 Forderungen der Wissenschaft als Bestätigung der Forschungslücke ... 39

2.4 Literaturanalyse praxisorientierter Fachmagazine zum Lead User-Begriff..... 41


X Inhaltsverzeichnis

2.4.1 Publikationen pro Jahr ............................................................................ 42


2.4.2 Autoren und Quellen ............................................................................... 44
2.4.3 Eigenschaften und Bezeichnungen von Lead Usern .............................. 46

2.4.4 Verständnis von Lead Usern .................................................................. 48


2.4.5 Umsetzung und Prozess von Lead User-Projekten ................................ 49

2.5 Wissenstransfer als Erklärung der Defizite zwischen Theorie und Praxis...... 52
2.5.1 Wissen .................................................................................................... 53
2.5.2 Wissensmanagement ............................................................................. 54
2.5.3 Wissenstransfer ...................................................................................... 56

2.5.4 Ebenen des Wissenstransfers ................................................................ 57


2.5.4.1 Beschreibung der Ebene Sollen .......................................................... 58
2.5.4.2 Beschreibung der Ebene Wollen ......................................................... 59
2.5.4.3 Beschreibung der Ebene Können ....................................................... 60

2.5.4.4 Beschreibung der Ebene Kennen ....................................................... 61


2.5.5 Lösungsansätze zur Vermeidung von Wissensbarrieren ........................ 62

2.6 Exkurs: Absorptive Capacity als alternative Theoriegrundlage ...................... 64


2.7 Zusammenfassung des Theoriekapitels ........................................................ 65

3 Forschungsfragen: Wissenstransfer im Lead User-Ansatz......................... 67


3.1 Verbindung von Wissenstransfer und Lead User-Forschung......................... 67
3.1.1 Wissenstransfer von Theorie zur Praxis ................................................. 68
3.1.2 Wissenstransfer zwischen Lead User und Unternehmen ....................... 68
3.1.3 Ableitung der Forschungsfragen auf Basis der Wissensebenen ............ 69
3.1.3.1 FF#1: Bekanntheit des Ansatzes (Kennen) ......................................... 69
3.1.3.2 FF#2: Bereitschaft und Offenheit zur Anwendung (Wollen/Sollen) ..... 70
3.1.3.3 FF#3: Qualifikation und Anwendbarkeit (Können) ............................... 70
3.1.3.4 FF#4: Praktische Umsetzung und Weiterentwicklung ......................... 71

4 Forschungsdesign: Kombination quantitativer/qualitativer Forschung .... 73


4.1 Quantitative und qualitative Erhebungsformen .............................................. 73
4.2 Kombination qualitativer und quantitativer Erhebungsformen ........................ 75
Inhaltsverzeichnis XI

4.2.1 Quantitative Studie: Internetgestützte Befragung ................................... 77


4.2.2 Qualitative Studie: Fallstudienanalyse .................................................... 79
4.2.2.1 Multiple Fallstudienanalyse ................................................................. 81

4.2.2.2 Anwendungsbeispiele ......................................................................... 82

4.3 Angewandtes Forschungsdesign ................................................................... 82


4.4 Triangulation der Ergebnisse ......................................................................... 83

5 Quantitative Untersuchung: Online-Befragung ............................................ 85


5.1 Methodisches Vorgehen ................................................................................ 85
5.1.1 Herleitung des Fragebogens durch Experteninterviews ......................... 86
5.1.1.1 Bekanntheit des Ansatzes und Verbreitung im Unternehmen ............. 88
5.1.1.2 Durchführung und Prozess des Projekts ............................................. 88
5.1.1.3 Herausforderungen und Widerstände gegen den Lead User-Ansatz .. 89
5.1.1.4 Evaluation und zukünftige Anwendung des Ansatzes ......................... 91
5.1.1.5 Ableitung des Fragebogens ................................................................ 92
5.1.2 Pre Test .................................................................................................. 96
5.1.3 Datenbasis und Auswahl der Teilnehmer ............................................... 97
5.1.3.1 Top 100 Innovatoren ........................................................................... 99

5.1.3.2 Deutscher Mittelstandspreis .............................................................. 100


5.1.3.3 Industriepreis der Initiative Mittelstand .............................................. 101
5.1.3.4 Kontrollgruppe ................................................................................... 102
5.1.4 Datensammlung.................................................................................... 102
5.1.5 Datenpräparation und -auswertung mit SPSS ...................................... 103
5.1.6 Umfrageteilnehmer ............................................................................... 104
5.1.6.1 Teilnehmerdaten ............................................................................... 105
5.1.6.2 Unternehmensinformationen ............................................................. 106

5.2 Ergebnisse der Online-Befragung ................................................................ 107


5.2.1 Bekanntheit des Lead User-Ansatzes ................................................... 107
5.2.2 Offenheit gegenüber dem Lead User-Ansatz ....................................... 109

5.2.3 Ablehnung des Lead User-Ansatzes .................................................... 111


XII Inhaltsverzeichnis

5.2.4 Praktische Erfahrungen mit dem Lead User-Ansatz ............................. 113


5.2.4.1 Eigenschaften von Lead Usern ......................................................... 114
5.2.4.2 Organisation der Lead User-Projekte ................................................ 115

5.2.4.3 Identifizierung der Lead User ............................................................ 116


5.2.4.4 Vorteile und Erfolgsfaktoren des Lead User-Ansatzes ...................... 117

5.2.4.5 Widerstände gegenüber dem Lead User-Ansatz .............................. 119


5.2.4.6 Herausforderungen bei der Durchführung von Lead User-Projekten 120
5.2.5 Bewertung des Ansatzes ...................................................................... 122
5.2.6 Änderungen und Weiterentwicklungen des Prozessablaufs ................. 123

5.2.6.1 Stärkere Individualisierung ................................................................ 124


5.2.6.2 Verkürzung und Veränderung des Prozessablaufs ........................... 126
5.2.6.3 Routinierter Ablauf bei mehrfacher Projektdurchführung .................. 127

5.3 Zusammenfassung der Ergebnisse und Vergleich mit Theorie.................... 128

5.4 Ableiten der Propositionen für die Fallstudienanalyse ................................. 130

6 Qualitative Vertiefungsanalyse: Fallstudienanalyse .................................. 133


6.1 Methodisches Vorgehen .............................................................................. 133
6.1.1 Interviewleitfaden .................................................................................. 136

6.1.2 Teilnehmer ............................................................................................ 137


6.1.3 Transkription und Codierung der Interviews ......................................... 140
6.1.4 Intercoder-Reliabilität ............................................................................ 143

6.2 Ergebnisse der Fallstudieninterviews........................................................... 144


6.2.1 Unternehmensinformationen ................................................................ 146
6.2.2 Projektablauf ......................................................................................... 147
6.2.2.1 Projektorganisation ........................................................................... 147
6.2.2.2 Prozess der Lead User-Projekte ....................................................... 149
6.2.2.3 Lead User-Workshops ...................................................................... 154

6.2.3 Erfolgsfaktoren...................................................................................... 155


6.2.4 Herausforderungen ............................................................................... 160

6.2.5 Evaluation der Lead User-Projekte ....................................................... 165


Inhaltsverzeichnis XIII

6.2.5.1 Bewertung der Projektergebnisse ..................................................... 165


6.2.5.2 Bewertung des Projekts .................................................................... 167
6.2.5.3 Kritikpunkte und Verbesserungen ..................................................... 168

6.3 Überprüfen der Propositionen ...................................................................... 170

7 Diskussion und Umsetzung der Ergebnisse ............................................... 175


7.1 Erweiterung des theoretischen Prozesses ................................................... 176
7.2 Einordnung in den Innovationsprozess ........................................................ 179
7.3 Agil/Stage-Gate Hybrid für Lead User-Projekte ........................................... 181
7.4 Best Practice für die Anwendung des Lead User-Ansatzes ......................... 184

7.5 Beantwortung der Forschungsfragen ........................................................... 190

8 Fazit, Implikationen und Limitationen ......................................................... 193


8.1 Fazit ............................................................................................................. 193
8.2 Wissenschaftliche Implikationen .................................................................. 196
8.3 Praktische Implikationen .............................................................................. 197
8.4 Limitationen und zukünftige Forschung ....................................................... 198

9 Literaturverzeichnis ...................................................................................... 201


Anhang .................................................................................................................. 227
Anhang A: Semistrukturierter Fragebogen der Experteninterviews ........................ 227
Anhang B: Fragebogen der internetgestützten Befragung ..................................... 229
Anhang C: Interviewleitfaden der Fallstudienanalyse ............................................. 241
Anhang D: Codesystem der Fallstudienanalyse ..................................................... 242
Anhang E: Beispiel der Summary Grid-Tabelle ...................................................... 244
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Vorgehensweise der Arbeit .................................................................... 5
Abbildung 2: Aufbau der Arbeit ................................................................................... 6
Abbildung 3: Treiber von Innovationen ..................................................................... 11
Abbildung 4: Demografischer Wandel in Deutschland bis 2050 ............................... 13
Abbildung 5: Innovationsprozess nach Herstatt und Verworn (2007) ....................... 16
Abbildung 6: Stage-Gate-Prozess nach Cooper (2001) ........................................... 17
Abbildung 7: Auswahl etablierter Methoden der Kundenintegration ......................... 20
Abbildung 8: Abgrenzung von Lead Usern nach Churchill et al. (2009) ................... 24
Abbildung 9: Die Lead User-Methode nach Lüthje und Herstatt (2004) ................... 26
Abbildung 10: Diversifikation der Lead User-Eigenschaften ..................................... 31
Abbildung 11: Veröffentlichungen pro Jahr ............................................................... 42
Abbildung 12: Modell des Wissenstransfers ............................................................. 56
Abbildung 13: Ebenen des Wissenstransfers ........................................................... 57
Abbildung 14: Wissenstransfer im Lead User-Ansatz............................................... 67
Abbildung 15: Überblick der Forschungsfragen ........................................................ 71
Abbildung 16: Kombinationsmodelle nach Mayring (2001) ....................................... 77
Abbildung 17: Angewandtes Forschungsdesign ....................................................... 82
Abbildung 18: Einordnung von internetgestützten Umfragen ................................... 85
Abbildung 19: Aufbau des Fragebogens .................................................................. 93
Abbildung 20: Anzahl der Hidden Champions im internationalen Vergleich ............. 98
Abbildung 21: Zeitverlauf der Online-Befragung ..................................................... 103
Abbildung 22: Unternehmensposition der Teilnehmer ............................................ 105
Abbildung 23: Branchenübersicht der teilnehmenden Unternehmen...................... 106
Abbildung 24: Bekanntheit des Lead User-Ansatzes nach Zielgruppe ................... 108
Abbildung 25: Bekanntheit des Lead User-Ansatzes nach Branchen..................... 108
Abbildung 26: Anwendung des Lead User-Ansatzes nach Branchen..................... 111
Abbildung 27: Gründe für die Ablehnung des Lead User-Ansatzes........................ 112
Abbildung 28: Involvierte Abteilungen .................................................................... 116
Abbildung 29: Vorteile von Lead User-Projekten .................................................... 118
Abbildung 30: Widerstände gegen die Anwendung des Lead User-Ansatzes ........ 119
Abbildung 31: Herausforderungen bei der Durchführung von Lead User-Projekten 121
Abbildung 32: Evaluation des Lead User-Ansatzes ................................................ 122
Abbildung 33: Zielerreichung, zukünftige Durchführung und Prozessänderung ..... 123
Abbildung 34: Prozessabweichungen nach Branchen............................................ 124
Abbildung 35: Abgrenzung von teilstrukturierten Interviews ................................... 137
Abbildung 36: Code-Matrix-Browser ....................................................................... 144
Abbildung 37: Prozessablauf der Lead User-Projekte ............................................ 150
Abbildung 38: Weiterentwicklung des Lead User-Prozesses.................................. 176
XVI Abbildungsverzeichnis

Abbildung 39: Zuordnung des Lead User-Ansatzes zu den Innovationsphasen .... 180
Abbildung 40: Agile/stage-gate hybrid for lead user projects .................................. 182
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Innovationsprozess nach Thom (1980) .................................................... 15
Tabelle 2: Vor- und Nachteile der Kundenintegration ............................................... 19
Tabelle 3: Chancen der Integration von Lead Usern ................................................ 28
Tabelle 4: Risiken der Integration von Lead Usern ................................................... 29
Tabelle 5: Studien zum Lead User-Ansatz ............................................................... 38
Tabelle 6: Autoren in Theorie und Praxis ................................................................. 44
Tabelle 7: Überblick der unterschiedlichen Wissensarten ........................................ 54
Tabelle 8: Barrieren und Lösungsansätze der Ebenen Sollen und Wollen ............... 62
Tabelle 9: Barrieren und Lösungsansätze der Ebenen Können und Kennen ........... 63
Tabelle 10: Vor und Nachteile quantitativer/qualitativer Datenerhebung .................. 75
Tabelle 11: Vor- und Nachteile internetgestützter Befragungen ............................... 78
Tabelle 12: Vor- und Nachteile qualitativer Fallstudienanalysen .............................. 80
Tabelle 13: Interviewteilnehmer der Experteninterviews .......................................... 87
Tabelle 14: Auswahl der Umfrageteilnehmer ............................................................ 99
Tabelle 15: Umfrageteilnehmer .............................................................................. 104
Tabelle 16: Organisation der Lead User-Projekte................................................... 115
Tabelle 17: Unterschiede zwischen Theorie und Praxis ........................................ 129
Tabelle 18: Prozess Fallstudienanalyse nach Eisenhardt (1989) und Yin (2009) ... 134
Tabelle 19: Überblick der durchgeführten Fallstudieninterviews............................. 138
Tabelle 20: Kritikpunkte und Verbesserungen am Lead User-Ansatz .................... 169
Tabelle 21: Zusammenfassung der Erkenntnisse aus der Praxis ........................... 175
Tabelle 22: Best Practice für die Projektorganisation und Zieldefinition ................. 185
Tabelle 23: Best Practice für die Bedürfnis- und Trendidentifikation ...................... 186
Tabelle 24: Best Practice für die Identifizierung der Lead User .............................. 187
Tabelle 25: Best Practice für Workshop und Konzeptentwicklung .......................... 188
Tabelle 26: Best Practice für Evaluierung und Implementierung ............................ 189
Abkürzungsverzeichnis
BSP Business Source Premier
Bsp. Beispiel
bspw. beispielsweise
bzw. beziehungsweise
B2B Business-to-Business
B2C Business-to-Consumer
ca. circa
d.h. das heißt
et al. et alii (und andere)
etc. et cetera
f. folgende Seite
ff. folgende Seiten
ggf. gegebenenfalls
i.d.R. in der Regel
inkl. inklusive
IP Internet Protokoll
ISI Institute for Scientific Information
J&J Johnson & Johnson
k.A. keine Angabe
KMUs kleine und mittelständische Unternehmen
o.g. oben genannte
S. Seite
sic VƯFHUDWVFULSWXP
SPSS Statistical Package for the Social Sciences
TIM Technologie- und Innovationsmanagement
u.a. unter anderem
vgl. vergleiche
vs. versus
z. Bsp. zum Beispiel
1 Einleitung: Forschungsfeld und Ablauf
Der Innovationsbedarf für Unternehmen ist heutzutage so groß wie nie, die Fähigkeit
zu innovieren für die langfristige Existenz von Organisationen essenziell (Bullinger
2010). Die Wirtschaft reagiert mit stetig steigenden Innovationsausgaben. So betru-
gen die im Jahr 2014 aufgebrachten Innovationsmittel deutschlandweit 145 Milliarden
Euro (Rammer et al. 2016). Dabei investierten allein die deutschen Fahrzeugbauer
über 47 Milliarden Euro und stellen damit die Branche mit der höchsten Innovations-
intensität (10%) dar. 1 Durch die hohe Innovationskraft liegt Deutschland im Innovati-
onsindikator 2015 auf dem fünften Platz hinter der Schweiz, Singapur, Finnland und
Belgien, ist im Vergleich zu den großen Volkswirtschaften (bspw. USA, Großbritanni-
en) jedoch führend (Frietsch et al. 2015). 2 Den hohen Stellenwert von Innovationen
verdeutlicht auch die strategische Bedeutung innovationsfördernder Maßnahmen.
Alle 30 DAX-Unternehmen definieren Innovationen als einen wesentlichen Bestand-
teil ihrer Unternehmensstrategie. 3 So definiert bspw. SAP (2016) im Rahmen der
Unternehmensstrategie: „Innovationen bringen einst unerreichbare Ziele in greifbare
Nähe und revolutionieren damit ganze Branchen.“ Innovationen sind jedoch nicht nur
als strategischer Aspekt von Bedeutung. Auch in der Werbung ist der Begriff in aller
Munde: Aufregend innovativ (VW), Global network of Innovation (Siemens), Empo-
wered by Innovation (NEC), Value from Innovation (Fujifilm), Leading Innovation
(Toshiba) oder Living Innovation (Merck) sind nur einige von zahlreichen Slogans,
die mit dem Innovationsbegriff werben.
Doch wie können Innovationen entwickelt werden? Und wie können gerade solche
Innovationen entwickelt werden, die tatsächlich den zukünftigen Kundenbedürfnissen
entsprechen? Schließlich kaufen Kunden längst nicht mehr unbedingt das, was die
Unternehmen als innovative Erfindungen bewerben. Die Liste vom Markt nicht ak-
zeptierter Produkte und Dienstleistungen ist dementsprechend lang (Enkel et al.
2005). Um dieses Risiko zu vermindern, können Kunden in die Neuproduktentwick-
lung integriert werden - schließlich sind sie diejenigen, die eine Innovation kaufen
sollen (Herstatt et al. 2001). Besonders hilfreich sind dabei Lead User, die stellvertre-
tend für den Markt in den Innovationsprozess einbezogen werden können.

1.1 Themenfeld und Relevanz


Bedingt durch Einflussfaktoren wie technologischer Fortschritt, Globalisierung, Ver-
änderung politischer Rahmenbedingungen, schnellere Produktlebenszyklen und indi-
vidualisierte Kundenbedürfnisse stellt die stetige und immer schnellere Entwicklung

1 Innovationsintensität ist der Anteil der Innovationsausgaben am Umsatz (Rammer et al. 2016).
2 Kleinere, besser platzierte Nationen können sich vergleichsweise einfacher spezialisieren.
3 Untersucht wurden alle Geschäftsberichte des Jahres 2015 der 30 DAX-Unternehmen.

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J. Lehnen, Integration von Lead Usern in die Innovationspraxis,
Forschungs-/ Entwicklungs-/ Innovations-Management,
DOI 10.1007/978-3-658-19385-0_1
2 Einleitung: Forschungsfeld und Ablauf

von Innovationen eine elementare Aufgabe für Unternehmen dar (Füller et al. 2009;
Goffin et al. 2009; Reichwald et al. 2009). Gleichzeitig steigen die Misserfolgsraten
für Markteinführungen neuer Produkte und Dienstleistungen (Bauer 2006; Cooper
2002; Enkel et al. 2005). Nach Pikkemaat und Weiermair (2009) scheitern bis zu
70% der am Markt eingeführten Innovationen. Auch Bruhn und Stauss (2009) bestä-
tigen eine Misserfolgsrate von 70% und geben als Grund an, dass viele der potenzi-
ellen Kunden keinen Nutzen in dem neuartigen Produkt bzw. der neuen Dienstleis-
tung sehen, die Innovationen daher nicht massentauglich sind. Reichwald et al.
(2007) stellen fest, dass abhängig von der Branche 50 bis 90% aller Innovationen
scheitern. Kreutzer und Merkle (2008) erkennen, dass 75% der Fast Moving Consu-
mer Goods i.d.R. scheitern. Bei neu entwickelten Parfums sowie Musiktiteln beträgt
diese Rate sogar bis zu 98% (ebd.).
Gemäß dem Open Innovation-Ansatz nach Chesbrough (2003) haben die meisten
Unternehmen daher erkannt, dass die Innovationskraft innerhalb der Organisation
nicht mehr ausreicht (Bartl 2010; Chesbrough 2003; Dahlander und Gann 2010;
Reichwald et al. 2009). Stattdessen werden das Wissen und die Kreativität der Per-
sonen genutzt, die die Innovation am Ende kaufen sollen: der Kunden (Enkel 2005;
Goffin et al. 2009; Jensen et al. 2014). Nijssen et al. (2012) stellen entsprechend
fest, dass etwa 30% aller Produkt- und Prozessinnovationen in Europa in Zusam-
menarbeit mit Kunden entwickelt werden - Tendenz steigend. Dass Kunden bzw.
Nutzer eine enorme Innovationskraft besitzen, wurde insbesondere durch die For-
schung Eric von Hippels zum Themenbereich der Nutzerinnovationen (User Innova-
tion) nachgewiesen (Franke et al. 2006; Herstatt und von Hippel 1992; von Hippel
2005a, 1988, 1986, 1976). 4 Demnach existieren zahlreiche Nutzer, die mit dem An-
gebot des Marktes nicht zufrieden sind (Bogers und West 2012; Lettl et al. 2006a;
von Hippel 2005a). Produkte und Dienstleistungen, die deren Bedürfnisse befriedi-
gen, existieren nicht (Lüthje und Herstatt 2004; von Hippel 1986). Anstatt langwierig
auf die Entwicklung passender Lösungen durch die Unternehmen zu warten, werden
viele Nutzer selbst innovativ tätig (Bogers et al. 2010; Flowers und Henwood 2010;
Morrison et al. 2000). So weisen de Jong und von Hippel (2009) nach, dass 54% der
untersuchten niederländischen Hightech-Unternehmen Nutzerinnovationen weiter-
entwickeln. Shah (2000) zeigt, dass sogar 58% der Innovationen im Extremsportbe-
reich von Nutzern entwickelt werden. Im Bereich der wissenschaftlichen Instrumente

4 Für seine erste grundlegende Veröffentlichung im Jahr 1976 führte von Hippel eine Studie in
der Halbleiterindustrie durch und stellte dabei fest, dass fast immer der Nutzer innovativere,
passgenauere Lösungen entwickelt: „We have seen that for both major and minor innovations in
the field of scientific instruments, it is almost always the user, not the instrument manufacturer,
who recognizes the need, solves the problem via an invention, builds a prototype and proves
the prototype’s value in use“ (von Hippel 1976, S. 227).
Themenfeld und Relevanz 3

(Chemie) wurde nachgewiesen, dass immerhin 44% der Innovationen von Nutzern
entwickelt werden (Riggs und von Hippel 1994). 5

Für Unternehmen sind die von Nutzern entwickelten Innovationen deshalb so wert-
voll, weil sie bereits existieren und nicht erst aufwendig entwickelt werden müssen
(Franke und Shah 2003; Urban und von Hippel 1988). Zudem werden diese Produkte
mit einer höheren Wahrscheinlichkeit auch von anderen Nutzern angenommen (Bo-
gers et al. 2010; Jeppesen und Laursen 2009). Fortschrittliche Nutzer, deren Bedürf-
nisse stellvertretend für den Markt sind und die solche Bedürfnisse frühzeitiger erfah-
ren, werden als Lead User bezeichnet (von Hippel 1986). Nach der grundlegenden
Definition durch von Hippel (1986) verspüren Lead User (I) „Bedürfnisse, die sich
zukünftig am Markt durchsetzen werden und dies wesentlich früher als die breite
Masse der Anwender“ (Wagner und Piller 2011, S. 8). 6 Zudem profitieren Lead User
(II) „frühzeitig in starkem Maße von Innovationen, die diese Bedürfnisse erfüllen kön-
nen. Daher werden sie oft selbst aktiv und erarbeiten Lösungen oder aber sind ge-
neigt, mit Unternehmen für die Erarbeitung einer Lösung zu kooperieren“ (ebd.). Das
Potenzial von Lead Usern wurde durch verschiedene Studien bestätigt (Eisenberg
2011; Franke et al. 2006; Hienerth und Lettl 2011; Lettl et al. 2008; Morrison et al.
2000; Urban und von Hippel 1988). 7

Die stetige Umsatzsteigerung anstrebend wollen Unternehmen nicht auf zufällige,


gelegentliche Entwicklungen von Lead Usern warten (Churchill et al. 2009; Wagner
und Piller 2011). Daher wurde die Lead User-Methode entwickelt, die nach Lüthje
und Herstatt (2004) einen vierstufigen Prozess umfasst:
1) Start des Lead User Projektes

2) Identifikation von Bedürfnissen und Trends


3) Identifikation von Lead Usern und deren Ideen

4) Entwicklung von Lösungskonzepten (Workshop)


Das Potenzial dieser Methode konnte in verschiedenen Unternehmensbeispielen
(bspw. 3M, Hilti oder Johnson & Johnson) nachgewiesen werden (Herstatt und von
Hippel 1992; Lilien et al. 2002; Lüthje und Herstatt 2004; von Hippel et al. 1999).

5 Für eine ausführlichere Übersicht ausgewählter Studien zu Nutzerinnovationen sei auf Franke
et al. (2006), Lüthje und Herstatt (2004), Schreier und Prügl (2008) oder Wellner (2015) verwie-
sen.
6 Wagner und Piller (2011) bieten eine angemessene Übersetzung der englischsprachigen Defi-
nition von Hippels. Die Definition als Originalzitat findet sich in Kapitel 2.3.1.
7 Eisenberg (2011) weist bspw. nach, dass die Erfolgswahrscheinlichkeit von Lead User-Ideen
um 14% höher ist als bei Ideen von Nicht-Lead-Usern. Es wird darüber hinaus nachgewiesen,
dass die Neuheit sowie die strategische Relevanz der Lead User-Ideen deutlich höher ist. Eine
umfangreiche Übersicht relevanter Lead User-Studien findet sich in Kapitel 2.3.5.
4 Einleitung: Forschungsfeld und Ablauf

1.2 Problemstellung und Zielsetzung


Das Potenzial der Lead User-Integration sowie der Anwendbarkeit der Lead User-
Methode wurde in den vergangenen 30 Jahren ausgiebig analysiert und bestätigt
(Eisenberg 2011; Franke et al. 2006; Kratzer und Lettl 2009; Olson und Bakke 2001;
Urban und von Hippel 1988). Es existieren verschiedene Untersuchungen in unter-
schiedlichen Anwendungsfeldern (bspw. Embedded Lead User) sowie Anpassungen
der Eigenschaften an spezifische Rahmenbedingungen (bspw. Empathic Lead User)
(Lin und Seepersad 2007; Schweisfurth und Raasch 2014). Diese Entwicklungen
beziehen sich größtenteils jedoch auf die Eigenschaften der Lead User und nicht auf
den Integrationsprozess selbst. So wurde die Lead User-Methode seit 2004 kaum
weiterentwickelt und an Entwicklungen (Technologie, Politik etc.) angepasst (Lüthje
und Herstatt 2004; Olson und Bakke 2001; Wagner und Piller 2011). Seitdem sind
jedoch wesentliche Veränderungen und Weiterentwicklungen, bspw. bei Online- und
Kommunikationsmedien, Technologien oder Marktbedingungen, zu erkennen (Coo-
per 2002; Enkel et al. 2005; Reichwald et al. 2009).

Die zugrundeliegende Problemstellung bezieht sich daher auf die Analyse der Um-
setzung des Lead User-Ansatzes in der Praxis mit Fokus auf die Erfolgsfaktoren und
Herausforderungen sowie dem angewandten Prozess. Dabei sollen wesentliche Fra-
gen zur Integration von Lead Usern in der Praxis beantwortet werden, z. Bsp.: Ist die
Methode überhaupt bekannt? Sind die Unternehmen offen für die Integration von
Lead Usern? Welche Gründe führen zur Ablehnung des Lead User-Ansatzes? Sind
die Unternehmen zur Anwendung in der Lage oder existieren etwaige Probleme?
Gibt es Weiterentwicklungen und Verbesserungen (bspw. des Prozesses) in der Pra-
xis, von denen auch die Theorie profitieren könnte? Welche Voraussetzungen, Auf-
gaben und Ziele existieren je Projektphase? Wie können Lead User-Projekte effekti-
ver in den Innovationsprozess eingebettet und die Ergebnisumsetzung gewährleistet
werden? Eine empirische Studie zur Beantwortung dieser Fragen ist bisher nicht
vorhanden, wird jedoch, wie die nachfolgenden Kapitel verdeutlichen, sowohl von der
Theorie als auch seitens der Praxis gefordert (Franke et al. 2006; Lilien et al. 2002;
Olson und Bakke 2001). Als übergeordnete Forschungsfrage wird daher definiert:
Wie ist die Implementierung von Lead Usern in die Innovationspraxis nach 30 Jahren
Lead User-Forschung zu beurteilen?

Ziel der Arbeit ist dementsprechend, durch Analyse der praktischen Umsetzung des
Lead User-Ansatzes, Erfahrungen aus der Praxis zu erarbeiten und darauf aufbau-
end den Ansatz weiterzuentwickeln. Neben empirischen Studien zur Analyse der Im-
plementierung des Lead User-Ansatzes soll schließlich eine Best Practice (inkl. Vo-
raussetzungen, Zielen und Aufgaben je Phase) für die Umsetzung erarbeitet werden.
Um eine effiziente Implementierung der durch die Lead User-Integration entwickelten
Vorgehensweise und Aufbau 5

Ergebnisse zu gewährleisten, wird zudem die detaillierte Einbettung des Lead User-
Ansatzes in den übergeordneten Innovationsprozess angestrebt.

1.3 Vorgehensweise und Aufbau


Der dieser Arbeit zugrundeliegende Forschungsablauf folgt vier wesentlichen Schrit-
ten (Abbildung 1):

1 2 3 4
Forschungslücke Quantitative Analyse Qualitative Analyse Implikationen
Umsetzung Praxis Online-Befragung Fallstudien Theorie und Praxis

Literaturanalyse Experteninterviews
Tiefeninterviews Weiterentwicklung
Theorie (Fragebogen)
n=17 Lead User-Ansatz
n=133 n=7

Literaturanalyse Online-
Best Practice für
Praxis Fragebogen
Unternehmen
n=255 n=249

Abbildung 1: Vorgehensweise der Arbeit 8

Zunächst wird im Rahmen der Vorstudie durch eine Analyse wissenschaftlicher Pub-
likationen der Forschungsstand zur Lead User-Theorie erfasst. Eine weitere Litera-
turanalyse mit Fokus auf praxisorientierte Fachartikel zeigt erste Erkenntnisse zur
Umsetzung des Ansatzes in der Praxis. Dadurch werden Unterschiede zwischen
Theorie und Praxis verdeutlicht und die Forschungslücke bestätigt. Nach der Erläute-
rung der Methodik wird die empirische Analyse in Form einer Online-Befragung so-
wie Tiefeninterviews durchgeführt. Die Resultate der empirischen Studien werden
schließlich in Form einer Weiterentwicklung des Lead User-Ansatzes umgesetzt. Zu-
letzt werden Implikationen für Wissenschaft und Praxis (bspw. Best Practice für Lead
User-Projekte) abgeleitet.
Der detaillierte Aufbau der Arbeit wird in Abbildung 2 dargestellt. Die wesentlichen
Inhalte der acht Kapitel werden anschließend erläutert.

8 Quelle: Eigene Darstellung basierend auf dem fünfstufigen Forschungsablauf nach Atteslander
(2008, S. 17): 1. Problembenennung, 2. Gegenstandsbenennung, 3. Durchführung, 4. Analyse,
5. Verwendung.
6 Einleitung: Forschungsfeld und Ablauf

• Problemstellung und Relevanz


1 Einleitung
• Zielsetzung sowie Vorgehensweise der Arbeit

• Innovation, Nutzerinnovationen, Lead User, Wissenstransfer


2 Stand der Forschung
• Abgleich der Literaturanalysen zeigt erste Unterschiede und Besonderheiten in der Praxis

• Ableiten von vier wesentlichen Forschungsfragen auf Basis der Wissenstransferebenen sowie
3 Forschungsfragen
der durchgeführten Vorstudien

• Kombination quantitativer (Online-Befragung) und qualitativer (Fallstudienanalyse) Studien


4 Forschungsdesign
zur Beantwortung der Forschungsfragen

• Online-Befragung (n=249) zur Analyse der Bekanntheit des Ansatzes, der Offenheit der
5 Quantitative Studie
Unternehmen sowie praktischer Erfahrungen (Herausforderungen, Prozessänderungen etc.)

• Experteninterviews (n=17) zur detaillierten Analyse praktischer Erfahrungen mit Fokus auf die
6 Qualitative Studie
Prozessänderungen (Gründe, Folgen, Anpassungen etc.)

7 Diskussion und Umsetzung • Weiterentwicklung des theoretischen Prozesses und Einordnung in den Innovationsprozess
der Ergebnisse • Kombination mit agilen Projektmanagement/Stage Gate sowie Erstellung Best Practice

8 Fazit, Implikationen und • Zusammenfassung und Bewertung der Ergebnisse sowie Implikationen (Theorie und Praxis)
Limitationen • Limitationen und Ausblick

Abbildung 2: Aufbau der Arbeit 9

Die Arbeit ist in acht Kapitel aufgeteilt. Nach dem Einleitungskapitel wird im zweiten
Kapitel (Stand der Forschung) die theoretische Einordnung der Begriffe Innovation,
Nutzerinnovation (User Innovation) sowie Lead User vorgenommen (Kapitel 2.1 bis
2.3). Dazu wird eine Literaturanalyse von 133 wissenschaftlichen Publikationen
durchgeführt. Um die Umsetzung des Ansatzes in der Praxis auf Basis von Sekun-
därdaten (Literatur) zu überprüfen, wird eine weitere Literaturanalyse (n=249) mit
Fokus auf praxisorientierte Fachartikel (bspw. in den Zeitschriften absatzwirtschaft
oder VDI nachrichten) durchgeführt. Dabei werden Unterschiede (Verständnis, Pro-
zess etc.) zwischen Theorie und Praxis erkannt. Als eine Ursache für dieses unter-
schiedliche Verständnis von Lead Usern sowie die abweichende Umsetzung des
Lead User-Ansatzes in der Praxis kann die Wissenstransfertheorie herangezogen
werden. So stellt die Integration von Lead Usern in die Neuproduktentwicklung einen
Wissenstransfer zwischen dem Lead User und dem Unternehmen dar, der durch
verschiedene Einflussfaktoren erschwert werden kann. Zudem kann die praktische
Umsetzung dieser Methodik als Wissenstransfer zwischen Theorie und Praxis be-
zeichnet werden. Demnach werden im Rahmen des Theoriekapitels ebenfalls die
Grundlagen der Wissenstransfertheorie definiert und die vier Ebenen des Wissens-
transfers (Kennen, Können, Sollen, Wollen) erläutert (Kapitel 2.5).
Auf Basis der im zweiten Kapitel definierten Wissenstransferebenen werden im drit-
ten Kapitel die Forschungsfragen abgeleitet. Die Ebenen Kennen, Können, Sollen
und Wollen bilden die relevanten Fragestellungen der Untersuchung ab. Entspre-

9 Quelle: Eigene Darstellung.


Vorgehensweise und Aufbau 7

chend werden Forschungsfragen zur Bekanntheit des Ansatzes (Kennen), der Of-
fenheit zur Anwendung (Wollen/Sollen), der Qualifikation in den Unternehmen (Kön-
nen) sowie deren Erfahrungen und Weiterentwicklungen definiert.
Im vierten Kapitel wird das angewandte Forschungsdesign erläutert und dessen
Auswahl begründet. Im Rahmen dieser Arbeit wird eine Kombination quantitativer
(Online-Befragung) und qualitativer (Fallstudienanalyse) Forschung gewählt, um von
beiden Erhebungsformen zu profitieren und die zuvor definierten Forschungsfragen
ausführlich beantworten zu können.

Eine eher deskriptive Analyse der Bekanntheit, Offenheit, der wesentlichen Er-
folgsfaktoren und Barrieren sowie etwaiger Prozessänderungen wird im Rahmen der
quantitativen Studie (Online-Befragung) im fünften Kapitel durchgeführt. Dazu wer-
den 249 kleine und mittelständische Unternehmen (KMUs) aus dem deutschsprachi-
gen Raum befragt. Die relevanten Inhalte des Fragebogens werden zuvor durch sie-
ben Experteninterviews abgeleitet.
Die Erkenntnisse der Online-Befragung dienen als Ausgangsbasis für die detaillierte
Fallstudienanalyse mit Fokus auf den Lead User-Prozess im sechsten Kapitel. Dazu
werden 17 Interviews mit Unternehmensmitarbeitern als auch Lead Usern durchge-
führt. Diese qualitative Studie ermöglicht eine detaillierte Identifizierung der relevan-
ten Probleme bei der Umsetzung des Lead User-Ansatzes sowie wichtiger Beson-
derheiten aus der Praxis. Ein fokussierter Aspekt ist die Analyse der Weiterentwick-
lungen des Ansatzes sowie deren Gründe und Auswirkungen, um auf dieser Grund-
lage Lösungsansätze entwickeln zu können.
Zur Lösung der identifizierten Probleme bei der Integration von Lead Usern wird der
theoretische Prozess im siebten Kapitel an die Forderungen und Bedürfnisse der
Praxis angepasst (Kapitel 7.1). Als Reaktion auf die im Rahmen der empirischen
Studien identifizierte Implementierungsproblematik wird eine Einordnung des Lead
User-Ansatzes in den Innovationsprozess vorgenommen (Kapitel 7.2). Die Flexibilität
von Lead User-Projekten wird durch Anwendung des agilen Projektmanagements
sowie der Kombination mit dem Stage Gate-Prozess in Kapitel 7.3 erhöht. Schließ-
lich wird zur Verbesserung der praktischen Anwendung ein Leitfaden (Best Practice)
inkl. Voraussetzungen, Aufgaben, Zielen und Checklisten entwickelt. In Kapitel 7.5
werden letztlich die vier Forschungsfragen beantwortet.
Die Arbeit schließt mit einer Zusammenfassung der wichtigsten Erkenntnisse (Kapitel
8.1) sowie Implikationen für Theorie und Praxis (Kapitel 8.2 und 8.3) im achten Kapi-
tel. Zudem werden Limitationen bewertet und ein Ausblick auf zukünftige Forschung
im Themenfeld der Lead User-Theorie gegeben (Kapitel 8.4).
2 Theoretische Grundlagen: Der Lead User-Ansatz
Im Rahmen des ersten Teils dieses Grundlagenkapitels (Kapitel 2.1 bis 2.3) wird zu-
nächst eine Definition des Innovationsbegriffs erarbeitet, die als Basis und einheitli-
ches Verständnis für die Analysen innerhalb dieser Arbeit dient. Danach werden In-
novationstreiber erläutert, die die steigende Notwendigkeit der Innovationsentwick-
lung verdeutlichen. Der Grundlagenteil zu Innovationen schließt mit einer Erläuterung
des Innovationsmanagements sowie einer Übersicht der grundlegenden Innovati-
onsprozesse. Kapitel 2.2 stellt den Fokus dieser Arbeit auf von Produktanwendern
entwickelte Innovationen dar. Eine Spezialisierung im Bereich dieser Nutzerinnovati-
onen sind das Auftreten sogenannter Lead User (von Hippel 1986), die in Kapitel 2.3
definiert werden. Im weiteren Verlauf wird die für die systematische Integration von
Lead Usern in die Neuproduktentwicklung entwickelte Lead User-Methode vorge-
stellt. Basierend auf einer Literaturanalyse wissenschaftlicher Publikationen mit Fo-
kus auf den Lead User-Ansatz werden Weiterentwicklungen des Lead User-Ansatzes
analysiert. Diese werden in die Kategorien Technologie, Ökologie und Organisation
eingeordnet. Zudem werden abweichende Definitionen sowie Weiterentwicklungen
des Lead User-Verständnisses in der Praxis aufgeführt und ein Überblick über vor-
handene Lead User-Studien erarbeitet (Kapitel 2.3.5). Im Rahmen einer weiteren
Literaturanalyse praxisorientierter Veröffentlichungen werden erste Unterschiede und
Besonderheiten aus der Praxis erkannt.
Der zweite Theorieteil (Kapitel 2.4) beinhaltet die Grundlagen zur Wissenstransfer-
theorie, die die Unterschiede zwischen Theorie und Praxis erklärt. Diese dienen als
theoretische Basis für die Analyse der Wissens- und Lösungsgenerierung durch die
Integration von Lead Usern. Dabei werden die Begriffe Wissen, Wissensmanage-
ment und -transfer definiert und die Ebenen des Wissenstransfers erläutert.

2.1 Der Innovationsbegriff im Unternehmenskontext


Der Innovationsbegriff ist durch eine lange Entwicklung geprägt und lässt sich auf
verschiedene Weise interpretieren. Anfängliche Erwähnungen im deutschsprachigen
Raum finden sich bereits Mitte des 19. Jahrhunderts (Burr 2014). Als Vorläufer der
betriebswirtschaftlichen Innovationsforschung wird Schumpeter bezeichnet (Goffin et
al. 2009; Hauschildt 2005). In seinem Werk Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung
von 1912 spricht Schumpeter zunächst von „neuen Kombinationen von Produkti-
onsmitteln“ (Schumpeter 1997, S. 105) 10 als Grundlage für wirtschaftliche Entwick-
lung, später bezeichnet er diese als Innovationen. Für Innovationen werden fünf we-
sentliche Erscheinungsformen definiert:

10 Die 1997 erschienene Version von Schumpeters Werk ist die neunte Auflage des Originalwerks
von 1912 und ist ein unveränderter Nachdruck.

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J. Lehnen, Integration von Lead Usern in die Innovationspraxis,
Forschungs-/ Entwicklungs-/ Innovations-Management,
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10 Theoretische Grundlagen: Der Lead User-Ansatz

1) „Herstellung eines neuen, dem Konsumentenkreis noch nicht vertrauten Pro-


duktes

2) Einführung einer neuen, noch nicht bekannten Produktionsmethode


3) Erschließung eines neuen Absatzmarktes

4) Eroberung einer neuen Bezugsquelle von Rohstoffen oder Halbfabrikaten


5) Durchführung einer Neuorganisation wie Schaffung einer Monopolstellung“
(Schumpeter 1997, S. 100 f.)
Schumpeter bezeichnet Innovationen als einen destruktiven Prozess, eine „schöpfe-
rische Zerstörung“ (Schumpeter 1997, S. 87), da bestehende Erzeugnisse und Pro-
duktionsverfahren abgelöst werden. Durch die bewusste Zerstörung der Gleichge-
wichtszustände werden revolutionäre Veränderungen hervorgerufen. Die Wirtschaft
wird stets vorangetrieben, da durch die Zerstörung des Vorhandenen Neues ge-
schaffen wird (Corsten et al. 2006). Der Innovationsbegriff wurde seitdem vielfach
definiert (Burr 2014). Nach Hauschildt und Salomo (2011) wurde zunächst der Begriff
der Neuartigkeit mit Innovationen in Verbindung gebracht, jedoch lediglich als Ver-
gleich mit dem vorherigen Zustand. Diese Eigenschaft wurde weiterhin präzisiert, die
Neuartigkeit einer Innovation müsse demnach stets als wesentlich bezeichnet wer-
den und sich von einfachen Weiterentwicklungen abgrenzen (ebd.). 11 Weiterhin wur-
de die betriebswirtschaftliche Ebene thematisiert, Unternehmen rückten dabei als
Entwickler und Nutzer von Innovationen in den Vordergrund (Bilgram et al. 2008; Bo-
gers et al. 2010; Nambisan 2002).
Grundsätzlich ist die Innovation von der Invention (Erfindung) zu unterscheiden (Gof-
fin et al. 2009). Die Innovation geht über die Invention insofern hinaus, da sie eine
wirtschaftliche Exploitation (Anwendung) erfährt (Hauschildt und Salomo 2011; Ple-
schak und Sabisch 1996). Nach Fichter (2009) ist Innovation „die Entwicklung und
Durchsetzung einer technischen, organisationalen, geschäftsbezogenen, institutio-
nellen oder sozialen Problemlösung, die als grundlegend neu wahrgenommen, von
relevanten Anwendern akzeptiert und von Innovatoren in der Erwartung eines Erfolgs
betrieben wird“ (Fichter 2009, S. 13). 12 Albers (2005) definiert Innovationen als „un-
strittig qualitativ neuartige Produkte oder Prozesse, die sich gegenüber dem voran-
gehenden Zustand "merklich" - wie immer das im Einzelnen zu bestimmen ist - un-
terscheiden. Diese Neuartigkeit muss wahrgenommen werden“ (Albers 2005, S. 25).

11 Hauschildt und Salomo (2011) unterscheiden zudem verschiedene Innovationsdimensionen:


Inhaltliche Dimension (Was ist neu?), Intensitätsdimension (Wie neu?), subjektive Dimension
(Neu für wen?), prozessuale Dimension (Wo beginnt, wo endet die Neuerung?), normative Di-
mension (Neu = erfolgreich?).
12 Fichter (2009) nennt vier elementare Innovationsmerkmale: 1. Neuartigkeit, 2. Multidimensiona-
lität, 3. Problemlösung, 4. Kommerzialisierung.
Der Innovationsbegriff im Unternehmenskontext 11

Vahs und Burmester (1999) weisen der Innovation die wesentlichen Merkmale Neu-
heitsgrad, Unsicherheit, Komplexität und Konfliktgehalt zu. Den Definitionen (Gass-
mann und Sutter 2013; Hauschildt und Salomo 2011; Herstatt und Verworn 2007;
Pleschak und Sabisch 1996; Vahs und Burmester 1999) gemein ist folgende, für die-
se Arbeit abgeleitete Charakterisierung des Innovationsbegriffs: 13
Innovationen sind neuartige wirtschaftliche, technische, soziale und organisatorische
Problemlösungen, die sich in Form neuer Produkte oder Dienstleistungen von einem
Vergleichszustand unterscheiden und eine marktliche Anwendung erfahren.

2.1.1 Innovationstreiber

Der Innovationsbedarf für Unternehmen wird durch bestimmte Einflussfaktoren aus-


gelöst. Als wesentliche Treiber zur Entwicklung von Innovationen nennen Goffin et al.
(2009) technologischen Fortschritt, veränderte Kundenbedürfnisse, verschärften
Wettbewerb und dynamisches Geschäftsumfeld. Cooper (2002) ergänzt um den As-
pekt der kürzeren Produktlaufzeiten (Abbildung 3):

(1)
Techno-
logischer
Fortschritt

(5) (2)
Veränderte Kürzere
Kunden- Produkt-
bedürfnisse laufzeiten
Innovations-
bedarf

(4)
(3)
Verändertes
Verschärfter
Geschäfts-
Wettbewerb
umfeld

Abbildung 3: Treiber von Innovationen 14

Die einzelnen Innovationstreiber werden nachfolgend erläutert und die verschiede-


nen Einflüsse auf den Innovationsbedarf dargestellt. Dabei bedingen und beeinflus-
sen sich die Treiber gegenseitig (Goffin et al. 2009).

13 Weitere Übersichten zum Innovationsbegriff finden sich bspw. bei Albers (2005), Hauschildt und
Salomo (2011) oder Siller (2010).
14 Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Cooper (2002) sowie Goffin et al. (2009).
12 Theoretische Grundlagen: Der Lead User-Ansatz

Aus (1) technologischem Fortschritt kann durch erhöhte Leistungsfähigkeit sowie


verbesserter Qualität neuer Produkte bzw. Dienstleistungen wesentliches Erfolgspo-
tential und eine Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit für Unternehmen resultieren
(Klappert et al. 2011). Zugleich folgt daraus die Notwendigkeit, technologische Neue-
rungen in die Produktentwicklung einfließen zu lassen, um nicht von der Konkurrenz
überholt bzw. verdrängt zu werden. Zudem verkürzen sich die Entwicklungszyklen,
sodass Technologien - auch bedingt durch die Globalisierung - konstant weiterentwi-
ckelt werden (Reichwald und Piller 2006).
Die stetige (2) Verkürzung der Produktlaufzeiten hat einen wesentlichen Einfluss auf
den Innovationsdruck (Goffin et al. 2009). Cooper (2002) zeigt anhand einer Studie
aus dem Jahr 1997, dass sich „im Durchschnitt [...] die Lebenserwartung neuer Pro-
dukte in den letzten 50 Jahren um 400% reduziert“ (Cooper 2002, S. 8) habe. Herr-
mann und Huber (2013) verdeutlichen anhand aktuellerer Daten der Automobilin-
dustrie, dass die Produktlebensdauer von zehn Jahren in den 1970ern auf heutzuta-
ge durchschnittlich zwei bis drei Jahre gesunken sei. In der Unterhaltungselektronik-
branche liegen die Produktlebenszyklen normalerweise sogar unter einem Jahr
(Reichwald et al. 2009). Durch die kurzen Laufzeiten haben Unternehmen bei Markt-
eintritt eines Produkts i.d.R. bereits ein Nachfolgeprodukt entwickelt bzw. befinden
sich in der konkreten Entwicklungsphase. Zudem existiert für eine zeitgerechte
Markteinführung meist schon eine dritte Produktgeneration, die zumindest am Beginn
ihrer Entwicklung steht (Backhaus 2015; Cooper 2002).
(3) Globaler und verschärfter Wettbewerb führen dazu, dass immer mehr, vor allem
internationale Unternehmen, in die Märkte vordringen und dadurch den Marktdruck
erhöhen (Cooper 2002; Stephan und Gundlach 2010). Ein Grund dafür sind an-
spruchsvollere und individuellere Kundenwünsche, die bereits genannte Verkürzung
der Produktlebenszyklen sowie die Reduzierung von Logistikkosten (Gaubinger
2009; Reichwald und Piller 2006). Auch die Marktdurchdringung branchenfremder
Unternehmen erhöht den Wettbewerbsdruck und somit den Bedarf an Innovationen.
Im Umkehrschluss bietet sich Unternehmen die Möglichkeit, ihre eigenen Absatz-
möglichkeiten in internationalen Märkten zu erhöhen (Goffin et al. 2009; Tintelnot
1999).
Im Rahmen des (4) dynamischen bzw. veränderten Geschäftsumfelds ist die Politik
ein elementarer Einflussfaktor für Innovationen (Welsch 2005). Der Innovationsdruck
erhöht sich bspw. durch die Öffnung der Märkte sowie der Reduzierung von Zollab-
gaben (Goffin et al. 2009). Ebenfalls ist eine Nachfrageheterogenisierung zu be-
obachten: Die Kunden verlangen zunehmend verschiedene Versionen und Variatio-
nen an Produkten, individuelle Bedürfnisse müssen befriedigt werden (Herstatt und
Verworn 2007; Piller 1997). Für die Unternehmen resultiert daraus ein höheres Risi-
Der Innovationsbegriff im Unternehmenskontext 13

ko von Markteinführungen bei steigenden Entwicklungskosten (Enkel et al. 2005;


Reichwald und Piller 2006).
Die (5) Bedürfnisse der Kunden ändern sich aufgrund verschiedener Faktoren. Ein
wesentlicher Aspekt ist die demografische Entwicklung (Wellner 2015). Abbildung 4
verdeutlicht anhand einer Prognose der Bevölkerungsentwicklung bis 2050 den de-
mografischen Wandel in Deutschland:

200

156
150

100
82
69
50
50 36 38
23
16 17
10 6 10 6
4
0
-6
-13 -16 -14
-29
-50 -35
Bevölkerung insgesamt Unter 20 Jahre 20 bis 64 Jahre 65 Jahre und älter 80 Jahre und älter

Bevölkerung im Jahr 2007 in Millionen Bevölkerung im Jahr 2050 in Millionen


Veränderung in Millionen Veränderung in Prozent

Abbildung 4: Demografischer Wandel in Deutschland bis 2050 15

Die Bevölkerungszahl in Deutschland wird bis zum Jahr 2050 insgesamt um 16%
fallen. Bemerkenswert ist dabei die Veränderung der Altersstrukturen. Die Anzahl der
unter 20-Jährigen sinkt um 35%, die der Personen zwischen 20 und 64 Jahren um
29%. Stattdessen steigen die Zahlen in der älteren Bevölkerungsgruppe bis 80 Jahre
stark an (38%). Für die Bevölkerungsgruppe 80 Jahre und älter wird eine Zahl von
zehn Millionen prognostiziert. Dies bedeutet einen Anstieg von 156%. Der Anteil der
über 80-Jährigen an der Gesamtbevölkerung wird gemäß der Prognose somit von
ca. 5% im Jahr 2007 auf 15% im Jahr 2050 ansteigen. Dies ist eine für die Wirtschaft
elementare Entwicklung, da neue Produkte und Dienstleistungen auf diese neuen
Altersstrukturen angepasst werden müssen. Desweiteren trägt der technologische
Fortschritt zu einer Veränderung der Kundenwünsche bei (Eisenberg 2011; Füller et

15 Quelle: Prognose des demografischen Wandels nach Altersgruppen bis 2050 von Statista
(Spectaris 2016).
14 Theoretische Grundlagen: Der Lead User-Ansatz

al. 2009). Durch kürzere Produktlebenszyklen erwarten die Kunden stets neue Tech-
nologien, die zunehmend heterogener werden (Reichwald und Piller 2006). Sofern
Unternehmen die Kundenbedürfnisse nicht durch ihre Produkte und Dienstleistungen
befriedigen können, suchen sich diese andere Anbieter, was durch die Globalisie-
rung verstärkt wird (Franke et al. 2006). Mittlerweile ist es Kunden möglich, von na-
hezu jedem Ort der Welt Produkte zu erhalten, sodass das Angebot und dadurch der
Marktdruck weiter wachsen (Munkelt und Stippel 1998). Die Entwicklung und der zu-
nehmende Gebrauch des Internets16 als Kommunikations- und Bestellplattform ver-
stärken diesen Faktor.
Aufgrund der dargestellten Treiber sowie weiterer externer Einflüsse (Politik etc.) ist
die Einführung von Innovationen für Unternehmen essenziell (Fust et al. 2011). Zur
strukturierten Umsetzung dieser Entwicklungen ist ein effizientes Innovationsmana-
gement notwendig.

2.1.2 Einordnung des Innovationsmanagements

Die erläuterten Innovationstreiber bedingen eine zunehmende Entwicklung innovati-


ver Produkte und Dienstleistungen (Verworn und Herstatt 2000). Ein systematisches
Innovationsmanagement ist dabei elementar (Goffin et al. 2009). Innovationsmana-
gement kann dabei von der Forschung & Entwicklung sowie dem Technologiemana-
gement abgegrenzt werden (Hauschildt und Salomo 2011). Forschung & Entwicklung
hat hauptsächlich die Wissensgenerierung in insbesondere technischen Bereichen
zum Ziel (Brockhoff 1999). 17 Technologie- und Innovationsmanagement beinhaltet
Forschung & Entwicklung und bildet somit „eine Querschnittsfunktion von der For-
schung und Entwicklung als Produktionsfunktion über die Vermarktung von Innovati-
onen als Absatzfunktion bis hin zu Organisation, Finanzierung und Controlling von
Innovationen“ (Albers 2005, S. 5). Forschung & Entwicklung ist dabei auf unterneh-
mensinterne Beschaffung von Wissen fokussiert. Technologiemanagement beinhal-
tet darüber hinaus auch unternehmensexterne Wissensbeschaffung (Pleschak und
Sabisch 1996.). Technologiemanagement wird durch alle Aktivitäten zur Generie-
rung, Bewahrung und Umsetzung neuen technischen Wissens zur Erreichung der
Unternehmensziele charakterisiert (Albers 2001). Im weiteren Sinne umfasst das In-
novationsmanagement diese Aufgaben und hat darüber hinaus die marktliche Ein-

16 Der Anteil der weltweiten Haushalte mit Internetzugang stieg laut Statista (2016a) von 14% im
Jahr 2002 auf 52% im Jahr 2016.
17 Brockhoff (1999) definiert: „Forschung und Entwicklung sind Aktivitäten, die in einen umfassen-
deren Innovationsprozeß eingebettet sind. Sie können in mehreren Institutionen ablaufen. Ihr
Erfolg ist eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für den Markterfolg der daraus
erwachsenden Neuerungen. Sie werden von Bedürfnissen oder Bedürfnisvermutungen stark
angeregt“ (Brockhoff 1999, S. 47).
Der Innovationsbegriff im Unternehmenskontext 15

führung der neuen Produkte und Dienstleistungen zur Aufgabe (Pleschak und Sa-
bisch 1996). Ziel des Innovationsmanagements ist also nicht nur die Beschaffung
neuen Wissens, sondern darüber hinaus dessen Umsetzung in Innovationen, die
schließlich zum Markterfolg führen sollen (Gassmann und Sutter 2013; Hauschildt
und Salomo 2011). Zudem hat Innovationsmanagement weitere unternehmerische
Aufgaben wie die Motivation der Mitarbeiter sowie Schaffung einer positiven Unter-
nehmenskultur (Goffin et al. 2009). Die Erfolgsmessung ist daher kaum auf Basis
existierender Kennzahlen möglich, stattdessen müssen Innovationsaktivitäten so
ausgerichtet werden, dass deren zukünftige Markteinführung erfolgversprechend ist
(Hauschildt und Salomo 2011). 18 Demnach muss der Innovationsmanager von den
neuartigen Produkten und Dienstleistungen überzeugt sein. Aufgabe des Innovati-
onsmanagements ist dabei die systematische, effiziente Steuerung des Innovations-
prozesses: „Innovationsmanagement ist die bewusste Gestaltung des Innovations-
systems, also der innovierenden Institution und aller Innovationsprozesse“ (Meffert et
al. 2012, S. 371).

2.1.3 Definition relevanter Innovationsprozesse

Zum Innovationsprozess existieren in der wissenschaftlichen Literatur verschiedenar-


tige Definitionen. 19 Trotz der unterschiedlichen Ansätze wird der Innovationsprozess
stets als Abfolge bestimmter Schritte definiert (Goffin et al. 2009; Herstatt und Ver-
worn 2007; Meffert et al. 2012). Ein frühes, grundlegendes Modell im deutschspra-
chigen Raum ist das Dreiphasenmodell nach Thom (1980), aus dem sich weitere
Modelle entwickelten (Herstatt und Verworn 2007). Thom definiert drei Hauptphasen
zur Ideengenerierung, -akzeptierung sowie -realisierung (Tabelle 1):

Tabelle 1: Innovationsprozess nach Thom (1980)

1 Ideengenerierung 2 Ideenakzeptierung 3 Ideenrealisierung

3.1 Konkrete Verwirklichung


1.1 Suchfeldbestimmung 2.1 Prüfung der Ideen
der neuen Idee

2.2 Erstellen von Realisie- 3.2 Absatz der neuen Idee


1.2 Ideenfindung
rungsplänen an Adressat

2.3 Entscheidung für einen


1.3 Ideenvorschlag 3.3 Akzeptanzkontrolle
zu realisierenden Plan

18 Die Ausrichtung auf zukünftige Ereignisse und Markterfolge ist ein sehr wesentlicher Faktor:
„Der Innovationsmanager arbeitet mit einem erwarteten Innovationserfolg, nicht mit einem reali-
sierten“ (Hauschildt und Salomo 2011, S. 22).
19 Verworn und Herstatt (2000) entwickeln einen oft zitierten Überblick über Prozessmodelle im
deutsch- und englischsprachigen Raum. Darin sind bspw. die unterschiedlichen Generationen
(1 bis 3) des Stage-Gate-Prozesses nach Cooper enthalten.
16 Theoretische Grundlagen: Der Lead User-Ansatz

Die Hauptphasen umfassen unterschiedliche Zielsetzungen, die durch die einzelnen


Unterphasen erreicht werden sollen. So werden in der ersten Phase der Ideengene-
rierung möglichst viele Ideen durch das Unternehmen gesammelt, ohne diese bereits
zu bewerten oder abzuwehren. Die Bewertung der Ideen findet im zweiten Prozess-
schritt statt. Die erfolgversprechendsten Ideen werden ausgewählt und ein zu reali-
sierender Plan definiert. In der dritten Phase der Ideenrealisierung wird der Realisie-
rungsplan umgesetzt und die neuen Ideen verwirklicht. Letztlich wird durch die Ak-
zeptanzkontrolle überprüft, ob die Ideen angenommen werden. Dazu lassen Unter-
nehmen die Attraktivität sowie den Nutzen durch Kunden bewerten (Thom 1980).
Spätere Modelle des Innovationsprozesses beinhalten detailliertere Phasen und ei-
nen stärkeren Fokus auf die Produktentwicklung und -diffusion, um einen höheren
Realitätsbezug zu gewährleisten. 20 Der Innovationsprozess nach Herstatt und Ver-
worn (2007) umfasst fünf Prozessschritte (Abbildung 5) und unterteilt Thoms Phase
der Ideenrealisierung in Entwicklung (Phase 3), Prototypenbau und Testing (Phase
4) sowie Produktion, Markteinführung und -durchdringung (Phase 5):

Phase 1 Phase 2 Phase 3 Phase 4 Phase 5


Ideengenerierung Konzepterarbeitung, Entwicklung Prototypenbau, Produktion, Markt-
und -bewertung Produktplanung Pilotanwendung, einführung und
Testing -durchdringung

• Ideengenerierung • Marktanalysen • Durchführung der Ent- • Prototypenbau und -test • Produktionsanlauf


- Kundenbezogen wicklung gemäß den
• Ausarbeitung eines • Markttest • Markteinführung
- Technologiebezogen Vorgaben aus Phase II
Produktkonzeptes
- Kostenbezogen • endgültiges Design • Marktdurchdringung
• Interdisziplinäre
• Produktplanung
• Ideenbewertung Projektteams • Vorbereitung der • Produktpflege
- Stückzahlen
- Attraktivität Serienfertigung
- Produktkosten • Design Reviews
- Risiko
- Timing
• Industrial Design
• Abgleich mit bestehen- - Investments
den Projekten - Projektkosten
• Neuausrichtung des • Produktspezifikation
Projektportfolios
• Produktarchitektur

Abbildung 5: Innovationsprozess nach Herstatt und Verworn (2007) 21

Als frühe Phasen des Innovationsprozesses (fuzzy front end) werden die Ideengene-
rierung und -bewertung (Phase 1) sowie Konzepterarbeitung und Produktplanung
(Phase 2) bezeichnet (Herstatt und Verworn 2007). Diese Phasen „umfassen alle
Aktivitäten vom ersten Impuls bzw. einer sich ergebenden Gelegenheit für ein neues
Produkt bzw. eine neue Dienstleistung bis zur Go-No-Go-Entscheidung zur Umset-
zung des Konzeptes und somit Aufnahme der eigentlichen Entwicklung des Produk-
tes bzw. der Dienstleistung“ (ebd., S. 8) und haben einen besonderen Stellenwert
innerhalb des Innovationsprozesses. In verschiedenen Studien wurde nachgewiesen,

20 Oftmals wird der Innovationsprozess als Trichterform dargestellt, bspw. bei Meffert et al. (2012),
um die Auswahl und Selektion der Ideen auf die erfolgversprechendsten Ideen zu visualisieren.
21 Quelle: Herstatt und Verworn (2007, S. 9).
Der Innovationsbegriff im Unternehmenskontext 17

dass die frühen Phasen das Projektergebnis wesentlich mitbestimmen (Cooper 1990;
Verworn 2005). Deutlich wird dies an relevanten Kennzahlen. Zwar wird in diesen
Phasen nur sehr wenig des eigentlichen Produkts tatsächlich umgesetzt und nur 5
bis 7% der Gesamtkosten verbraucht. Jedoch werden 75 bis 85% der Produktle-
benskosten festgelegt, zudem werden ca. 70% der Qualität durch die frühen Innova-
tionsphasen beeinflusst (Herstatt und Verworn 2007). Eine realistische, detaillierte
Planung eines Produktentwicklungsprojekts wirkt sich daher wesentlich auf das Er-
gebnis aus. Daher sollten frühzeitig die beteiligten Personen aus verschiedenen Un-
ternehmensabteilungen sowie sämtliche verfügbaren Informationen in die Planung
eingebunden werden (Gundlach et al. 2010). Die Projektverantwortlichen müssen mit
ausreichenden Kompetenzen sowie Freiräumen ausgestattet werden (Gassmann
und Sutter 2013). Einen wesentlichen Einfluss auf das Projektergebnis hat zudem die
in den frühen Innovationsphasen stark ausgeprägte Unsicherheit (Enkel et al. 2005;
Gassmann et al. 2010b). Ausgiebige Informationsbeschaffung sowie die Definition
klarer Vorgaben, bspw. in Bezug auf die Produktspezifikationen und -eigenschaften,
verringern das Risiko von Prozessabweichungen und Nacharbeiten. Diese Negativ-
faktoren wirken sich insbesondere in den späteren Innovationsphasen aus und kön-
nen eine deutliche Zunahme der Kosten sowie Projektdauer bewirken (Verworn
2005). Deutlich macht dies eine Studie von Bullinger (1990), bei der nachgewiesen
wurde, dass etwa ein Drittel der Kosten für die Produktentwicklung vermeidbar sind.
Eine weitere, in Theorie und Praxis oftmals angewandte Form des Innovationspro-
zesses stellt der Stage-Gate-Prozess nach Cooper (2001) dar (Abbildung 6):

Discovery

Idea
Gate 1
Screen
Second Go to Go to Go to
Screen Development Testing Launch

Stage 1 Gate 2 Stage 2 Gate 3 Stage 3 Gate 4 Stage 4 Gate 5 Stage 5

Build Business Testing &


Scoping Development Launch
Case Validation

Post-Launch
Review

Abbildung 6: Stage-Gate-Prozess nach Cooper (2001) 22

Der Ablauf, bestehend aus fünf Stufen (Stages), ähnelt den zuvor genannten Innova-
tionsprozessen (Cooper 2002). Vor der ersten Stufe wird bereits eine Discovery-

22 Quelle: Cooper (2001, S. 130). Stage-Gate-Prozess der dritten Generation von 2001. Die erste
Generation wurde bereits 1960 als phased review process entwickelt, die zweite Generation
1990 (ebd.).
18 Theoretische Grundlagen: Der Lead User-Ansatz

Phase zur Identifizierung von bisher unentdeckten Möglichkeiten und Ideen durchge-
führt. Daraufhin werden die fünf Phasen durchlaufen (Cooper 2001):
1) Scoping: Erster, schneller Überblick über das Projekt (hauptsächlich Analyse
von Sekundärdaten)
2) Build Business Case: Eine genauere Vorbereitung und Begutachtung des Pro-
jekts inkl. Erhebung und Analyse von Sekundärdaten zur Ermittlung der Pro-
jektdefinition bzw. -begründung sowie Erstellung eines Projektplans
3) Development: Tatsächliche Umsetzung bzw. Entwicklung des neuen Produkts

4) Testing & Validation: Test der Produktakzeptanz durch verschiedene Metho-


den (Labortest etc.) und Validierung des neuen Produkts bzw. des Marketings
5) Market Launch: Kommerzialisierung des neuen Produkts

Verbunden sind die Phasen durch einzelne Tore (Gates). Nur wenn die Aufgaben
und Ziele einer Phase erreicht wurden, wird in die folgende übergeleitet. Dadurch
wird vermieden, dass Aufgaben unerledigt bleiben oder nicht zufriedenstellend
durchgeführt werden (Cooper und Sommer 2016).
Welcher Innovationsprozess angewandt wird, ist von den jeweiligen Rahmenbedin-
gungen (Unternehmen, Produktart, Branche etc.) abhängig (Gassmann et al. 2005;
Verworn und Herstatt 2000). Die Integration von Kunden ist dabei vorteilhaft, um
möglichst kundennahe Innovationen entwickeln zu können.

2.1.4 Integration von Kunden in den Innovationsprozess

Um den Bedürfnissen der Kunden gerecht zu werden und das Marktrisiko von Neu-
produktentwicklungen dadurch von Beginn an zu vermindern, integrieren Unterneh-
men fortschrittliche Kunden in den Innovationsprozess (Chesbrough 2003; Herstatt
und Verworn 2007; Kristensson et al. 2008; Sandmeier und Wecht 2004; von Hippel
1988). Insbesondere in den frühen Innovationsphasen können Nutzer eines Produkts
bzw. einer Dienstleistung erfolgreich in den Innovationsprozess einbezogen werden,
indem sie wertvolle Ideen und Wissen generieren (Chesbrough 2003; Franke et al.
2006; Gemser und Perks 2015; Gruner und Homburg 2000). Dadurch können die
dargestellten Risiken der frühen Phasen verringert werden (Ihl und Piller 2010). Es
sollen möglichst viele kreative Ideen gesammelt werden. Eine Evaluation seitens des
Unternehmens ist zunächst jedoch nicht sinnvoll, um die Ideenentwicklung nicht zu
beeinflussen (Herstatt und Verworn 2007). Tabelle 2 veranschaulicht Vor- und Nach-
teile der Integration von Kunden in den Innovationsprozess:
Der Innovationsbegriff im Unternehmenskontext 19

Tabelle 2: Vor- und Nachteile der Kundenintegration 23

Vorteile Nachteile

Externalisierung von Entwicklungsaufgaben Abhängigkeit von einzelnen Kunden

Marketingeffekte (Kunde als Fürsprecher, Beeinflussung/Störung des betrieblichen Ab-


Kundenloyalität) laufs

Nutzung des Wissens sowie der Kreativität der Finanzieller und zeitlicher Aufwand für die Su-
Kunden (Lerneffekt) che und Integration der Kunden

Orientierung an den Bedürfnissen der Kunden Geistiges Eigentum (Wem gehören die Ideen?)

Produkttests durch die Kunden Nischenorientierung

Senkung der Produktentwicklungskosten Potenzieller Wissensabfluss

Verringerung des Markteinführungsrisikos Steuerungsaufwand

Zeitlicher Vorsprung vor der Konkurrenz Vorbehalte im Unternehmen

Zukunftsorientierung

Die Minimierung des Markteinführungsrisikos durch die Orientierung an den Kunden-


bedürfnissen ist einer der wesentlichen Vorteile der Kundenintegration (Enkel et al.
2005; Piller 2006). Voraussetzung dafür ist jedoch die Auswahl geeigneter Kunden,
deren Aussagen stellvertretend für die Masse stehen. Ansonsten kann eine Fokus-
sierung auf Nischenmärkte resultieren, die i.d.R. nicht erwünscht ist (Gassmann et al.
2010b). Weiterhin bietet sich die Schwierigkeit, aus der Masse an Ideen solche zu
identifizieren, die sowohl durchführbar sind als auch vom Markt nachgefragt werden
(Willhardt 2013). Nach Bruhn und Stauss (2009) hat die Kundenintegration als Betei-
ligung am Leistungserstellungsprozess die Kostensenkung durch Produktivitätsstei-
gerung sowie die Verbesserung der Qualität zum Ziel. Weiterhin wird die Erschlie-
ßung impliziten Wissens sowie ein auf die Bedürfnisse der Kunden ausgerichteter
Innovationsprozess angestrebt. Aus Marketingsicht resultiert aus einer effektiven In-
tegration der Nutzer die Möglichkeit einer erfolgreichen Kundenakquisition, -bindung
sowie -rückgewinnung (ebd.).

Für die Integration von Kunden in die Neuproduktentwicklung existieren zahlreiche


Methoden. Abbildung 7 fasst einige davon zusammen und ordnet diese den jeweili-
gen Erhebungsformen (Primär- und Sekundärdaten) zu:

23 Vor- und Nachteile in alphabetischer Reihenfolge, daher keine Wertung der jeweiligen Aspekte.
Basierend auf Baldwin und von Hippel (2011), Cohen und Levinthal (1990), Enkel et al. (2005),
Gassmann et al. (2010a), Herstatt und Verworn (2007), Ihl und Piller (2010), Piller (2006),
Reichwald et al. (2007).
20 Theoretische Grundlagen: Der Lead User-Ansatz

Primärdaten

Quantitative Qualitative
Sekundärdaten
Daten Daten

Absatz- und Beta Tests Delphi-Methode


Umsatzstatistik

Conjoint-
Audits Empathic Design
Analyse

Beschwerde- Experimente Fokusgruppen


management

Externe Studien Testmärkte Ideenwettbewerbe

Innovations-
Literaturanalyse Toolkits
communities

Portfolio-Analyse Umfragen Interviews

Virtuelle
Reportanalyse Lead User-Ansatz
Konzepttests

Abbildung 7: Auswahl etablierter Methoden der Kundenintegration 24

Informationen in Form von Sekundärdaten sind vergleichsweise leicht und kosten-


günstig zu erlangen (bspw. durch Analyse von Kundenbeschwerden), da die Informa-
tionen bereits existieren. Daraus folgt jedoch, dass die Daten nicht mehr beeinflusst
werden können und Nachfragen nicht möglich sind (Sekaran und Bougie 2010). Pri-
märdaten, also selbst erhobene Informationen, sind i.d.R. detaillierter. Die Datener-
hebung kann vom Unternehmen in Richtung der jeweils relevanten Aspekte gesteu-
ert werden (Corbin und Strauss 2015). Quantitative Daten, bspw. durch Umfragen
erhoben, lassen insbesondere deskriptive Aussagen (Mengenangaben etc.) zu. Im
Vergleich zur Analyse qualitativer Daten kann die Auswertung der Ergebnisse bei
quantitativen Erhebungsformen oftmals durch statistische Verfahren vereinfacht wer-
den. Die Auswertung qualitativer Daten ist i.d.R. aufwendiger und bedarf einer indivi-
duellen Interpretation bzw. Auswertung (Shah und Corley 2006). So können bspw.
Aussagen im Rahmen von Interviews kaum durch statistische Software automatisch
ausgewertet werden. Stattdessen müssen die Daten durch Codierung in eine ver-
gleichbare Form übertragen werden (Kuckartz 2010). Dieses Verfahren ist meist
aufwendiger als bei quantitativen Auswertungen, die Daten sind i.d.R. jedoch aussa-
gekräftiger (Sekaran und Bougie 2010).

24 Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Herstatt und Verworn (2007), Kaulio (1998), Piller
und Walcher (2006), Sekaran und Bougie (2010) sowie Sreejesh et al. (2014). In alphabetischer
Reihenfolge.
Lead User als spezielle Form der Nutzerinnovationen 21

Nach Creusen et al. (2013) sind die Durchführung von Interviews sowie die Analyse
von Fokusgruppen die meistgenutzten Methoden zur Kundenintegration. 25 Auch die
Durchführung von Umfragen wird häufig angewandt. Der im Rahmen dieser Arbeit
fokussierte Lead User-Ansatz wird vergleichsweise selten genutzt und wird der quali-
tativen Datenerhebung zugeordnet. Durch ihre Fähigkeit, frühzeitig zukünftige Kun-
denbedürfnisse des Marktes erfahren zu können, sind Lead User in den frühen Inno-
vationsphasen ideale Quellen insbesondere radikaler Ideen (Churchill et al. 2009;
Gemser und Perks 2015; Lilien et al. 2002) und stellen eine besondere Form der
Nutzerinnovationen dar (Herstatt und von Hippel 1992; von Hippel 1988).

2.2 Lead User als spezielle Form der Nutzerinnovationen

Innerhalb der Theorie der Nutzerinnovationen 26 wird davon ausgegangen, dass Nut-
zer zunehmend für sich selbst innovieren (Baldwin und von Hippel 2011; Franke et
al. 2006). Der Begriff Nutzer umfasst dabei sowohl Unternehmen als auch Einzelper-
sonen, die entweder von Produkten oder Dienstleistungen Gebrauch machen (von
Hippel 2005a). Es stellt sich die Frage, warum Nutzer selbst innovieren statt auf die
Angebote des Marktes zurückzugreifen? Das Marktangebot ist der ausschlaggeben-
de Punkt und letztlich die Motivation der Nutzer, selbst aktiv zu werden (Haefliger
2009; Sandmeier und Wecht 2004). 27 Sie werden nämlich genau dann innovativ tä-
tig, wenn seitens des Marktes keine Produkte oder Dienstleistungen vorliegen, die
ihre Bedürfnisse befriedigen (Bilgram et al. 2008; Bogers und West 2012; Franke et
al. 2006). Bekannte Beispiele dafür sind das Mountainbike, Surf- oder Skateboard
(Hienerth und Lettl 2011). In diesen Fällen wurde das Bedürfnis der Sportler nach
Nervenkitzel und Action nicht ausreichend durch die am Markt erhältlichen Produkte
befriedigt. Sie innovierten selbst und erstellten bspw. ein robustes, für das Fahren im
Gelände geeignetes Mountainbike (Lüthje et al. 2005).

Bei der Interaktion zwischen Unternehmen und Nutzern werden zwei Arten von In-
formationen unterschieden: Bedürfnis- und Lösungsinformationen (Herstatt und von

25 Die Autoren unterscheiden zwischen Methodenanwendung in den frühen sowie späten Innova-
tionsphasen. Interviews und Fokusgruppen sind in beiden Phasen die meistgenutzten Metho-
den (Creusen et al. 2013).
26 Im englischsprachigen Raum werden Nutzerinnovationen mit User Innovation bezeichnet. Auch
der Großteil der Literatur (insbesondere von Hippel) verwendet diesen Begriff. Aufgrund der
deutschen Sprache dieser Arbeit wird jedoch der Begriff der Nutzerinnovationen genutzt, da
dies eine gebräuchliche Übersetzung des Begriffs User Innovation darstellt (bspw. Ornetzeder
und Rohracher 2012). Da es für den Begriff Lead User keine anerkannte deutsche Übersetzung
gibt und auch im deutschsprachigen Raum von Lead Usern ohne deutsche Übersetzung
gesprochen wird, wird im Rahmen dieser Arbeit der englischsprachige Begriff Lead User
genutzt.
27 Sandmeier und Wecht (2004) bezeichnen den Kunden als „Innovationsmotor“ (Sandmeier und
Wecht 2004, S. 113).
22 Theoretische Grundlagen: Der Lead User-Ansatz

Hippel 1992; Schweisfurth und Raasch 2014). Von den Nutzern erhalten die Firmen
Bedürfnisinformationen, die die Frage beantworten: Was will der Kunde für Produkte
oder Dienstleistungen (Homburg et al. 2009; Ogawa 1998)? Die Fähigkeit, diese Be-
dürfnisse in konkrete Produkte oder Dienstleistungen umzusetzen, wird als Lösungs-
informationen bezeichnet (Drossou 2006; von Hippel 1994) und ist i.d.R. Aufgabe
des Unternehmens (Schreier und Prügl 2008). Es ist jedoch möglich, dass auch Nut-
zer über Lösungsinformationen verfügen und dadurch selbst innovativ tätig werden
(von Hippel 1988). Je nachdem, wann Unternehmen solche Nutzerinnovationen er-
kennen und - falls überhaupt - aufnehmen, „stellen Nutzerinnovationen in verschie-
denen Feldern eine zunehmende Konkurrenz bzw. eine wertvolle Ergänzung für her-
stellerseitige Innovationsaktivitäten dar“ (von Hippel 2005b, S. 63). Werden die Inno-
vationen nicht erkannt oder beachtet, bleibt erfolgversprechendes Potenzial unge-
nutzt. Sofern die Nutzerinnovationen von anderen Unternehmen aufgenommen wer-
den, besteht dadurch die Gefahr, Marktanteile zu verlieren bzw. den Anschluss an
neue Technologien und Trends zu verpassen (Müller-Prothmann und Pinternagel
2010). Um das durch Nutzerinnovationen vorhandene Erfolgspotenzial zu nutzen,
sollten Unternehmen fortschrittliche Nutzer daher aktiv in ihre Neuproduktentwicklung
einbeziehen (Bogers und West 2012; Lettl et al. 2006a). Dadurch wird die Wahr-
scheinlichkeit erhöht, passendere und für die Kunden attraktivere Innovationen zu
entwickeln (Franke et al. 2006). Dies ist im Hinblick auf die Flopraten von Neupro-
duktentwicklungen ein elementarer Faktor, da auf Konsumgütermärkten zwischen 35
und 60% der Innovationen nicht vom Markt angenommen werden, im Industriegüter-
bereich immerhin zwischen 25 und 40% (Lüthje 2007). Eine Möglichkeit der aktiven
Zusammenarbeit mit Nutzern ist die Identifikation und Integration so genannter Lead
User.

2.3 Literaturanalyse wissenschaftlicher Publikationen zum Lead User-Begriff


Die nachfolgende theoretische Einordnung des Lead User-Ansatzes dient als Grund-
lage für diese Arbeit und basiert auf einer Literaturanalyse wissenschaftlicher Publi-
kationen zum Begriff 'Lead User' (n=133). Für die Analyse wurden die Datenbanken
ISI Web of Science (ISI) sowie EBSCO Business Source Premier (BSP) genutzt. 28
Diese Datenbanken sind für die Literaturanalyse wissenschaftlicher Publikationen
gängige Quellen (Cheung und Thadani 2012; Schultz und Schreyogg 2013). Gesucht
wurde in der Kategorie 'topic'. Dabei suchen die Datenbanken jeweils im Titel, Ab-
stract und den Keywords nach dem gesuchten Begriff. Die Suche nach dem Stich-
wort 'Lead User' ergab bei ISI 92 Paper, bei BSP 105 Treffer (Summe: 197). Nach

28 Die Literaturanalyse wurde von einer unabhängigen, zweiten Person durchgeführt und dadurch
validiert. Die Ergebnisse wurden mit einander verglichen und zusammengeführt.
Literaturanalyse wissenschaftlicher Publikationen zum Lead User-Begriff 23

dem Löschen von doppelten Publikationen, Arbeitspapieren, Konferenzbeiträgen,


Artikeln ohne Autoren sowie solcher Paper, die nicht auf deutscher oder englischer
Sprache verfasst wurden (insgesamt 64), umfasst die Literaturanalyse letztlich 133
relevante, wissenschaftliche Publikationen.

2.3.1 Definition von Lead Usern


Ein zentraler Unterschied zwischen Nutzern und Unternehmen hinsichtlich ihrer In-
novativität besteht in der Motivation, neue Produkte oder Dienstleistungen zu entwi-
ckeln (Bogers et al. 2010; von Hippel 1988). Unternehmen sind i.d.R. profitorientiert
und streben durch die Einführung von Innovationen eine Gewinnmaximierung sowie
die Stärkung ihrer Marktposition an (Reichwald und Piller 2006). Nutzer hingegen
innovieren normalerweise nicht, um ihre Neuentwicklung zu vermarkten (Wagner und
Piller 2011). Ihre intrinsische Motivation ist die Befriedigung der eigenen Bedürfnisse
(Hienerth et al. 2013; Lüthje und Herstatt 2004). Die Bedürfnisse fortschrittlicher Nut-
zer können Unternehmen wichtige Voraussagen für die Nachfrage des Marktes bie-
ten (Churchill et al. 2009). Personen, die zukünftige Bedürfnisse bereits frühzeitig
erfahren und kommunizieren können, werden als Lead User bezeichnet und werden
nach von Hippel (1986) durch zwei wesentliche Eigenschaften charakterisiert:
1) „Lead users face needs that will be general in a market place - but face them
months or years before the bulk of that marketplace encounters them, and
2) Lead users are positioned to benefit significantly by obtaining a solution to
those needs“ (von Hippel 1986, S. 796).

Diese Typisierung wird von zahlreichen, etablierten Forschern im Forschungsgebiet


der Nutzerinnovationen angewandt (Bogers et al. 2010; Jeppesen und Laursen 2009;
Lettl et al. 2008; Lüthje und Herstatt 2004; Piller und Walcher 2006; Schreier und
Prügl 2008; Spann et al. 2009; von Hippel 1986). Eine entsprechende deutsche
Übersetzung der grundlegenden Definition durch von Hippel findet sich bei Wagner
und Piller (2011):
1) „Lead User verspüren Bedürfnisse, die sich zukünftig am Markt durchsetzen
werden, wesentlich früher als die breite Masse der Anwender.

2) Lead User profitieren frühzeitig in starkem Maße von Innovationen, die diese
Bedürfnisse erfüllen können. Daher werden sie oft selbst aktiv und erarbeiten
Lösungen oder aber sind geneigt, mit Unternehmen für die Erarbeitung einer
Lösung zu kooperieren“ (Wagner und Piller 2011, S. 8).

Da die Entwicklung und Markteinführung von Innovationen risikoreich für die Unter-
nehmen ist, kann die Integration von Lead Usern in den Innovationsprozess sehr
wertvoll sein, um dieses Risiko senken zu können (Enkel et al. 2005; Franke et al.
24 Theoretische Grundlagen: Der Lead User-Ansatz

2006). Lead User können Vorhersagen treffen, welche Bedürfnisse in Zukunft rele-
vant sein werden und den Unternehmen dadurch einen essenziellen, zeitlichen Vor-
sprung vor der Konkurrenz ermöglichen (Herstatt und von Hippel 1992). Dadurch
wird der Innovationsprozess beschleunigt, Innovationen können früher in den Markt
eingeführt und relevante Marktanteile dadurch erzielt werden (Langerak und Hultink
2008). Mit Lead Usern entwickelte Innovationen werden mit einer höheren Wahr-
scheinlichkeit vom Markt angenommen (Piller und Reichwald 2006). Von Hippel
(1986) verdeutlicht darüber hinaus den großen Beitrag von Lead Usern als Progno-
setool: „They can serve as a need-forecasting laboratory for marketing research“
(von Hippel 1986, S. 791).
Im Rahmen dieser Arbeit wird die Umsetzung des Lead User-Ansatzes in die Praxis
analysiert. Im weiteren Verlauf werden dabei mögliche Fehlinterpretationen oder ab-
weichende Definitionen von Lead Usern untersucht. Daher ist es eine grundlegende
Voraussetzung, Lead User an dieser Stelle von anderen Nutzertypen abzugrenzen.
Abbildung 8 visualisiert anhand der Diffusionskurve von Neuproduktentwicklungen
die Einordnung von Lead Usern (Churchill et al. 2009). Auf der x-Achse wird der zeit-
liche Verlauf der Neuproduktentwicklung dargestellt. Die y-Achse zeigt die Marktdif-
fusion der Innovation.

Markt- Produkt- bzw. Dienst-


diffusion leistungseinführung

Routineanwender
Early
Adopters Nachzügler
Lead User Zielmarkt/Massenmarkt

Zeit

Abbildung 8: Abgrenzung von Lead Usern nach Churchill et al. (2009) 29

Die gestrichelte Linie verdeutlicht die Produkt- bzw. Dienstleistungseinführung. Da-


durch wird klar, dass Lead User vor der Kommerzialisierung einzuordnen und da-
durch von frühen Adoptoren (Early Adopters) abzugrenzen sind (Churchill et al.
2009). 30 Nutzer dieser Kategorie adoptieren zwar als erste eine Innovation, jedoch
muss ein Produkt bzw. eine Dienstleistung bereits existieren. Lead User hingegen
geben Hinweise und Bedürfniswissen zu Innovationen, bevor diese existieren (Ei-

29 Quelle: Churchill et al. (2009, S. 7).


30 Churchill et al. (2009) unterscheiden: „Lead users are not the same as "early adopters" - users
who are among the first people to purchase an existing product or service. Lead users are
facing needs for products and services that do not yet exist on the market“ (Churchill et al.
2009, S. 7).
Literaturanalyse wissenschaftlicher Publikationen zum Lead User-Begriff 25

senberg 2011; Lilien et al. 2002).31 Dies verdeutlicht den enormen Wert der Lead
User für Unternehmen, die sich mit Early Adoptern erst dann austauschen können,
wenn neue Produkte und Dienstleistungen bereits bestehen - für die Entwicklung
dieser Innovationen kommen diese Erkenntnisse daher zu spät (von Hippel 2005a).
Um nicht auf zufällig entwickelte Innovationen von Lead Usern warten zu müssen,
wurde die Lead User-Methode zur systematischen Integration von Lead Usern in den
Innovationsprozess entwickelt (Herstatt und von Hippel 1992; Lüthje und Herstatt
2004).

2.3.2 Lead User-Methode zur systematischen Integration von Lead Usern

Viele Nutzerinnovationen entstehen durch zufällige, unsystematische Entwicklung


und Übertragung von Produkteigenschaften (Analogien) (Herstatt und Engel 2006;
von Hippel et al. 1999). 32 Das Mountainbike wurde als entsprechendes Beispiel be-
reits erläutert (Lüthje et al. 2005). Auch das Skateboard, Kitesurfing oder Alltagspro-
dukte wie Tip-Ex oder Kaffeefilter wurden eher zufällig von Lead Usern entwickelt
(Franke et al. 2006; Hienerth und Lettl 2011; Krempl 2007). Da Unternehmen nicht
auf ungeplante Innovation warten möchten, wurde eine Methode zur aktiven Identifi-
zierung von Bedürfnis- und Lösungswissen der Lead User entwickelt (Herstatt und
von Hippel 1992). Von Hippel entwickelte bereits 1986 einen vierstufigen Prozess für
die Zusammenarbeit mit Lead Usern:
1) „Identify an important market or technical trend;
2) Identify lead users who lead that trend in terms of (a) experience and (b) in-
tensity of need;
3) Analyze lead user need data;

4) Project lead user data onto the general market of interest“ (von Hippel 1986,
S. 797).

Dieser Prozessverlauf wurde sowohl von Herstatt et al. (2001), Lüthje und Herstatt
(2004) sowie Churchill et al. (2009) weiterentwickelt, wobei die Grundstruktur des
Prozesses beibehalten wurde. Die letzte Phase wurde dahingehend angepasst, dass
die Entwicklung von Lösungskonzepten durch Workshops vorgeschlagen wird (Lüth-
je und Herstatt 2004). Abbildung 9 visualisiert die Lead User-Methode nach Lüthje
und Herstatt (2004), deren einzelne Phasen nachfolgend erläutert werden:

31 Es existieren Veröffentlichungen, in denen Lead User als Early Adopter bezeichnet werden.
Abweichende Definitionen von Lead Usern werden in Kapitel 2.3.4 erläutert.
32 Herstatt und Engel (2006) verdeutlichen die Produktentwicklung durch Analogien am Beispiel
der NikeShox (analog zu Stoßdämpfern von Formel 1-Wagen), dem BMW iDrive (analog zu
Joysticks von medizinischen Robotern) sowie den Schwimmanzügen von Speedo, die sich an
der rillenartigen Haut von Haien orientieren.
26 Theoretische Grundlagen: Der Lead User-Ansatz

4. Phase
1. Phase 2. Phase 3. Phase
Entwicklung von
Start des Lead User- Identifikation von Be- Identifikation von Lead
Lösungskonzepten
Projekts dürfnissen und Trends Usern und deren Ideen
(Workshop)

• Bildung interdisziplinärer • Interviews mit Markt- und • Networking-Suche nach • Planung eines Workshops
Teams Technologieexperten Usern im Zielmarkt mit Lead Usern und Mit-
arbeitern
• Festlegung der Ziel- • Scanning von Internet, • Networking-Suche in
märkte Literatur, Datenbanken analogen Märkten • Weiterentwicklung der Ideen
• Definition der Projekt- • Selektion der wichtigsten • Findung und erste • Dokumentation und Konzept-
ziele Trends Evaluation der Ideen bewertung

Abbildung 9: Die Lead User-Methode nach Lüthje und Herstatt (2004) 33

1. Phase: Zunächst sollte ein interdisziplinäres Projektteam von etwa drei bis sechs
Mitarbeitern etabliert werden. Dieses sollte aus Mitarbeitern verschiedener Abteilun-
gen wie Forschung & Entwicklung, Marketing oder Vertrieb bestehen, um die Variati-
on interner Stakeholder zu gewährleisten. Zudem sollten die Zielmärkte sowie die
Projektziele definiert werden.
2. Phase: In der zweiten Projektphase werden die relevanten Kundenbedürfnisse
und Trends identifiziert. Dazu können verschiedene Methoden genutzt werden wie
bspw. Delphi-Methode oder Experteninterviews (Kuß et al. 2014; Linstone und Turoff
1975). Des Weiteren ist die Analyse von Internet, Literatur und Datenbanken hilf-
reich, um die wichtigsten Trends definieren zu können.
3. Phase: Im nächsten Schritt werden die Lead User sowie deren Ideen identifiziert.
Grundlage dafür sind die zuvor entwickelten Trends und Bedürfnisse. Die Suche
nach geeigneten Lead Usern ist aufwendig und äußerst wichtig, um nicht die fal-
schen Nutzer zu integrieren (Schuhmacher und Kuester 2012). Zur Identifizierung der
Lead User werden insbesondere zwei Vorgehen angewandt: Screening oder Pyra-
miding (Poetz und Prügl 2010). Screening bedeutet eine parallele Suche basierend
auf einem Fragebogen (Tietz et al. 2006). Dazu werden die gesuchten Charakteristi-
ka der Lead User in Fragen übertragen, die Lead User werden daraufhin auf Basis
ihrer Antworten bewertet und identifiziert. Bei der sequenziellen Suche durch Pyra-
miding wird der Schneeballeffekt (Networking) genutzt (von Hippel et al. 2009; Wag-
ner und Piller 2011). Dazu werden Experten und fortschrittliche Nutzer befragt, um
erste Aussagen zu zukünftigen Trends und Bedürfnissen zu erhalten bzw. Lead User

33 Quelle: Lüthje und Herstatt (2004, S. 561). Dieses Modell wurde zuvor bereits von Herstatt et al.
(2001) innerhalb eines Arbeitspapieres veröffentlicht. Anmerkung: Unter dem Begriff Lead User-
Methode wird der in Abbildung 9 dargestellte, vierstufige Prozess verstanden. Die Lead User-
Methode ist vom Begriff Lead User-Ansatz abzugrenzen, da der Lead User-Ansatz sämtliche
Vorgehen zur Integration von Lead Usern in den Innovationsprozess umfasst und daher nicht
nur die Lead User-Methode. Der Begriff beinhaltet daher auch solche Ansätze, die sich von der
Lead User-Methode unterschieden (bspw. andere Phasenanordnung, Entwicklung weiterer
Phasen oder andere Vorgehen).
Literaturanalyse wissenschaftlicher Publikationen zum Lead User-Begriff 27

zu identifizieren. Diese Personen geben schließlich Empfehlungen für weitere Exper-


ten. Dies wird so lange durchgeführt, bis geeignete Lead User identifiziert werden.
4. Phase: Schließlich entwickeln die ausgewählten Lead User in Kooperation mit den
Unternehmensmitarbeitern innovative Konzepte im Rahmen von Workshops. Dazu
werden neue Ideen und Ansätze zunächst in Subgruppen und schließlich im Plenum
erarbeitet. Die finalen Innovationskonzepte werden schließlich an das Top Manage-
ment weitergeleitet.
Die Anwendbarkeit der Lead User-Methode wurde in unterschiedlichen Fallstudien
nachgewiesen (Hjalager et al. 2015; Lettl et al. 2008; Lilien et al. 2002; Lüthje 2007).
Als in der Literatur grundlegende Beispiele erfolgreicher Innovationsentwicklungen
durch die Lead User-Methode gelten Unternehmen wie Johnson & Johnson, 3M oder
Hilti (Churchill et al. 2009; Herstatt und von Hippel 1992; Lüthje und Herstatt 2004;
von Hippel et al. 1999).

2.3.3 Chancen und Risiken der Integration von Lead Usern

Die Integration von Lead Usern birgt sowohl Chancen als auch Risiken für die Unter-
nehmen. Im weiteren Verlauf dieser Arbeit wird analysiert, welche Aspekte bei der
Anwendung dieses Ansatzes in der Praxis den größten Stellenwert haben. Für die
theoretische Grundlage werden nachfolgend die in der Literatur definierten Chancen
(Tabelle 3) sowie Risiken (Tabelle 4) dargestellt, um Vergleiche zwischen Theorie
und Praxis zu ermöglichen:
28 Theoretische Grundlagen: Der Lead User-Ansatz

Tabelle 3: Chancen der Integration von Lead Usern 34

Chancen Quelle

Bahnbrechende Innovationen sind durch Eisenberg 2011; Lilien et al. 2002; von Hippel et
Integration von Lead Usern wahrscheinlicher al. 1999

Wahrnehmung und schnellere Adaption Prügl 2008; Tuarob, Tucker 2015; von Hippel
neuer Technologien durch Lead User 1986

Enormes technisches Verständnis bzw. Gerth 2015; Morrison et al. 2000; Schreier,
Kenntnisse der Lead User Prügl 2008; von Hippel 1986

Fürsprecher/Meinungsführer: Lead User Morrison et al. 2000; Spann et al. 2009; Urban,
können sich für ein Unternehmen aussprechen von Hippel 1988;

Große Bereitschaft zur Zusammenarbeit Colazo 2014


der Lead User mit den Unternehmen

Höhere Marktakzeptanz, da Innovationen für Franke et al. 2006; Lilien et al. 2002; Urban,
Markt passgenauer und dadurch attraktiver von Hippel 1988

Höhere Produktvarietät durch Kollaboration Al-Zu’bi und Tsinopoulos 2012; Jensen et al.
mit Lead Usern 2014

Intrinsische Motivation durch Befriedigung Enkel et al. 2005; Morrison et al. 2000; Urban,
der Bedürfnisse sowie Freude und Interesse von Hippel 1988

Marktvorsprung durch frühzeitiges Erkennen Enkel et al. 2005; Franke et al. 2006; Jensen et
kleiner Marktbereiche mit großem Potenzial al. 2014

Real-world experience der Lead User durch Hienerth, Lettl 2011; Urban, von Hippel 1988
Nutzung/Kenntnisse der Produkte/Services

Verbesserung des Teamworks im Unter- Enkel et al. 2005; Herstatt, von Hippel 1992;
nehmen (bspw. Technik und Marketing) Lüthje, Herstatt 2004

Vorhersage zukünftiger Bedürfnisse, Trends Enkel et al. 2005; Gerth 2015; Herstatt, von
und Märkte durch Lead User Hippel 1992; Kratzer, Lettl 2009; Morrison et al.
2000; Von Hippel 1986

Weniger Kosten als bei anderen Methoden Franke et al. 2006; Herstatt, von Hippel 1992

Einer der wesentlichsten Vorteile der Lead User-Integration ist die Möglichkeit, zu-
künftige Bedürfnisse und Trends identifizieren zu können, woraus ein wichtiger
Marktvorsprung vor der Konkurrenz resultieren kann (Kratzer und Lettl 2009; von
Hippel 1986). Ein essentieller Erfolgsfaktor ist weiterhin die intrinsische Motivation
der Lead User (Urban und von Hippel 1988). Diese sind so an einer Problemlösung
interessiert, dass sie meist bereit sind, unentgeltlich mit Unternehmen zu kooperieren
(ebd.). Daraus kann eine höhere Produktvarietät sowie eine Verbesserung der Neu-
produktentwicklung entstehen (Morrison et al. 2000). Aus unternehmerischer Sicht ist

34 Auflistung in alphabetischer Reihenfolge. Die Reihenfolge zeigt keine Wertung oder Rangfolge.
Literaturanalyse wissenschaftlicher Publikationen zum Lead User-Begriff 29

zudem ein großer Vorteil, wenn Lead User als Fürsprecher für das Unternehmen auf-
treten (Spann et al. 2009). Da sie von anderen Nutzern aufgrund ihrer hohen Exper-
tise als Vorbild oder vertrauenswürdige Experten gelten, wirkt sich dies positiv auf die
Marktakzeptanz aus. In Studien konnte zudem nachgewiesen werden, dass durch
Lead User-Projekte das Teamwork innerhalb des Unternehmens verbessert werden
kann (Enkel et al. 2005; Lüthje und Herstatt 2004). So können etwaige Vorurteile
oder Abneigungen zwischen einzelnen Abteilungen und Mitarbeitern durch die ko-
operative Zusammenarbeit verringert werden.

Diesen Vorteilen stehen Risiken der Lead User-Integration gegenüber, die Unter-
nehmen beachten und möglichst verhindern sollten (Tabelle 4):

Tabelle 4: Risiken der Integration von Lead Usern 35

Risiken Quelle

Fehlendes Verständnis des Ansatzes und Enkel et al. 2005


wann bzw. warum er angewandt werden sollte

Geistiges Eigentum: Wem gehören die Gassmann et al. 2010b; Jensen et al. 2014
Ideen?

Identifizierung richtiger Lead User ist sehr Belz, Baumbach 2010; Bilgram et al. 2008;
schwer und aufwendig Enkel et al. 2005; Gerth 2015; Lüthje, Herstatt
2004

Konkurrenz durch den Lead User vorhanden, Gassmann et al. 2010b; Hienerth et al. 2013
wenn dieser seine Ideen selber vermarktet

Not invented here-Syndrom: Entwickler Enkel et al. 2005; Jensen et al. 2014
nehmen Lead User-Ideen nicht an

Ressourcen und Aufwand: Suche nach Lead Bilgram et al. 2008; Enkel et al. 2005; Hyysalo
Usern sowie deren Integration in den Prozess et al. 2014; Olson, Bakke 2011; Tuarob, Tucker
ist sehr aufwendig 2015

Risiko, dass Lead User nicht identifiziert wer- Gerth 2015; Hienerth et al. 2013
den oder diese keine geeigneten Trends und
Ideen entwickeln

Seltenheit: Lead User sind sehr selten und Bilgram et al. 2008; Tuarob, Tucker 2015; von
daher schwer zu finden Hippel et al. 2009

Vermissen der Austauschmöglichkeit durch Poetz, Prügl 2010


die herausragende Stellung der Lead User

Einer der größten Vorteile von Lead Usern ist deren herausragende Expertise sowie
Gabe, zukünftige Bedürfnisse im Gegensatz zur Masse frühzeitig zu erkennen (Krat-
zer und Lettl 2009; Morrison et al. 2000). Dies führt jedoch gleichzeitig zu einer der

35 Ebenfalls in alphabetischer Reihenfolge ohne Wertung oder Rangfolge.


30 Theoretische Grundlagen: Der Lead User-Ansatz

größten Herausforderungen dieses Ansatzes: Lead User sind extrem selten (Lüthje
und Herstatt 2004; Mahr et al. 2014; von Hippel et al. 2009). Daraus kann das Risiko
resultieren, keine geeigneten Lead User identifizieren zu können (Tuarob und Tucker
2015). Zudem ist es möglich, dass Lead User trotz ihrer erfolgversprechenden Ei-
genschaften keine Konzepte und Trends entwickeln (Jensen et al. 2014). Verstärkt
wird dieses Risiko durch die Auffassung verschiedener Autoren, dass das gesamte
Projekt und insbesondere der Identifizierungsprozess der Lead User sehr aufwendig
und damit kostenintensiv sind (Enkel et al. 2005; Olson und Bakke 2001). Andere
Wissenschaftler vertreten jedoch die Meinung, dass Lead User-Projekte vergleichs-
weise kostengünstig ablaufen und die Identifizierung der Lead User gerade durch
deren Seltenheit vereinfacht wird: „However, contrary to our expectations (Olson and
Bakke, 2001), the extended process required to identify lead users does not produce
a direct linear effect on costs“ (Mahr et al. 2014, S. 612). Zudem wurden in den letz-
ten Jahren vor allem beim Identifizierungsprozess Hilfsmittel und Vorgehensweisen
entwickelt, die die Suche nach geeigneten Lead Usern vereinfachen wie Online-
Communities (Jensen et al. 2014) oder virtuelle Aktienmärkte (Spann et al. 2009)
(vgl. Kapitel 2.3.5). Um der fehlenden Akzeptanz innerhalb des Unternehmens (Not
invented here-Syndrom) vorzubeugen, sollten frühzeitig verschiedene Abteilungen -
insbesondere die Entwickler - in den Prozess einbezogen werden (Herstatt und von
Hippel 1992). Ein weiterer Aspekt, den es bei Lead User-Projekten zu beachten gilt,
ist die Frage nach dem Geistigen Eigentum (Hienerth et al. 2013). Zwar nehmen
Lead User i.d.R. freiwillig und entgeltlos an den Projekten teil. Gerade weil sie aber
keine monetäre Vergütung erhalten, ist die Überlassung von Wissen und Ideen je-
doch ein möglicher Streitpunkt (Gassmann et al. 2010b). Eine weitere Konfliktsituati-
on existiert, sollte ein Lead User seine mit dem Unternehmen entwickelten Ideen
doch selber vermarkten wollen (Entrepreneurial Lead User) (Hienerth et al. 2013).
Diesem Problem kann durch vertragliche Klauseln vorgebeugt werden. Allerdings
kann dadurch die Motivation der Lead User leiden, da sie sich in ihrer Kreativität und
Wissensverbreitung eingeschränkt fühlen (Enkel et al. 2005).

2.3.4 Weiterentwicklung der Lead User-Eigenschaften


In den vergangenen Jahren entwickelten sich verschiedene externe Einflussfaktoren
wie technologischer Fortschritt oder verschärfter Wettbewerb (vgl. Kapitel 2.1.1), die
den Innovationsprozess und damit die Integration von Lead Usern veränderten
(Cooper 2002; Goffin et al. 2009). In der wissenschaftlichen Literatur wurde darauf
reagiert und Anpassungen vor allem bei den Eigenschaften durchgeführt. Abbildung
10 ordnet die Weiterentwicklungen der Lead User-Eigenschaften der letzten 30 Jahre
den Bereichen Technologie, Ökologie, Organisation und Erweiterung zu:
Literaturanalyse wissenschaftlicher Publikationen zum Lead User-Begriff 31

TECHNOLOGIE ÖKOLOGIE

Product specific/global lead users Empathic Lead User


Außerordentliche Expertise zu einzelnen Erfahren Produkte auf außergewöhnliche,
Produkten oder Produktgruppen meist umweltbewusste Art

Second Life Lead User Sustainable Lead User


Nutzer aus dem virtuellen Raum Zeichnen sich durch Anspruch zur Nach-
haltigkeit an Innovationen aus
Technology Lead User
Besondere Technologiekenntnisse VON HIPPEL (1986)
(1) Ahead of the trend

ORGANISATION (2) Benefit of innovation ERWEITERUNGEN

Co-Innovatorship Complementor
Zusammenarbeit zwischen Lead Usern und Übertragen Wissen von anderen Märkte
Nicht-Lead Usern auf Produkte

Embedded Lead User Future user


Mitarbeiter im Unternehmen Ähnliche, zukunftsorientierte Eigenschaften

Entrepreneurial Lead User Service defector


Ziel der Innovationsvermarktung Unzufriedenheit als Innovationsquelle

Abbildung 10: Diversifikation der Lead User-Eigenschaften 36

Vor allem die Entwicklung des Internets ist ein wesentlicher Faktor, da so die Kom-
munikation sowohl unterhalb der Nutzer als auch zwischen Unternehmen und Nutzer
erleichtert und verbreitet wurde (Rohrbeck et al. 2010). Aber auch ökologische The-
men (Nachhaltigkeit, Umweltschutz etc.) rückten vor allem in der vergangenen De-
kade in den Vordergrund und nehmen weiter an Bedeutung zu (Lin und Seepersad
2007; Srivastava und Shu 2013). Diese Entwicklungen werden nachfolgend erläutert.

2.3.4.1 Technologiebedingte Anpassungen der Lead User-Eigenschaften

Die Weiterentwicklung von Technologien beeinflusst den Lead User-Ansatz insbe-


sondere im virtuellen Bereich. So entwickeln Mackenzie et al. (2009) Second Life
Lead User, die grundsätzlich nicht von der klassischen Definition abweichen. Jedoch
unterscheiden sich die drei partizipierenden Nutzergruppen (Websiteentwickler, Un-
ternehmen, Online-Avatare) in Bezug auf ihren jeweiligen Realitätsbezug. So sind die
Entwickler der Websites sowie die Unternehmen, die die Sites betreiben, real vor-
handen. Die dritte Nutzergruppe der Avatare hingegen sind virtuelle und daher nicht-

36 Quelle: Eigene Darstellung basierend auf Duverger (2012), Hienerth et al. (2013), Hyysalo et al.
(2014), Jeppesen und Laursen (2009), Lettl et al. (2006b), Mackenzie et al. (2009), Martínez-
Torres (2013), Munksgaard und Freytag (2011), Schweisfurth und Herstatt (2013), Springer et
al. (2006), Srivastava und Shu (2013) sowie Tuarob und Tucker (2015). Um durch die Überset-
zung in die deutsche Sprache keine etwaigen Interpretation zu verursachen, wurden die ur-
sprünglichen und somit englischsprachigen Begriffe beibehalten.
32 Theoretische Grundlagen: Der Lead User-Ansatz

reale Animationen, sie verkörpern lediglich eine reale Person im virtuellen Raum. 37
Da ein Avatar keine reale Person darstellt, wird für Unternehmen die Kontaktauf-
nahme mit der Person, die den Avatar betreibt, erschwert. Jedoch bietet die virtuelle
Welt den Vorteil, dass Nutzer die Grenzen des Vorhandenen schneller überschreiten,
da sie eben „nur“ virtuell agieren und ihre Handlungen keine direkten, realen und ma-
teriellen Auswirkungen haben. Lettl et al. (2006b) fokussieren ebenfalls den techno-
logischen Fortschritt im Rahmen ihrer Studie im Bereich der medizinischen Techno-
logieausstattung. Dabei werden Nutzer involviert, die neue Technologien frühzeitig
erkennen und adaptieren können. Diese werden als Technology Lead User bezeich-
net. Tuarob und Tucker (2015) fokussieren die schwierige und aufwendige Suche
nach Lead Usern und versuchen, diese zu automatisieren. Dazu entwickeln sie ein
mathematisches Modell auf Basis verschiedener Algorithmen, das verborgene Ei-
genschaften in den Social Media-Kanälen (Facebook, Twitter etc.) analysiert. Die so
identifizierten Eigenschaften klassifizieren Nutzer entweder als product specific oder
global lead users. Produktspezifische Lead User haben außerordentliche Expertise
bzgl. eines bestimmten Produkts und können eingesetzt werden, wenn Unternehmen
Meinungen, Feedback und Ideen für spezifische Produktlinien abfragen möchten.
Globale Lead User sind, wie der Name vermuten lässt, allgemeiner einsetzbar. Sie
haben kritische, innovative Ideen, die für alle Produkte einer Produktkategorie an-
wendbar sind.

2.3.4.2 Ökologische Entwicklungen der Lead User-Eigenschaften

Durch ein zunehmendes Bewusstsein für Ökologie und die entsprechenden Res-
sourcen rückten umweltbezogene Themen in den letzten Jahren in den Fokus (Chen
2008). Lin und Seepersad (2007) definieren Empathic Lead User als Nutzer oder
Designer, die ein Produkt auf außergewöhnliche, komplett neue und meist umwelt-
bewusste Art erfahren und somit zu Lead Usern werden. Damit verbinden die Auto-
ren den Lead User-Ansatz mit dem Phänomen Empathic Design (Leonard und Ray-
port 1997). 38 Ein weiteres, stets an Bedeutung gewinnendes Thema ist die Beach-
tung von Nachhaltigkeit bei der Entwicklung von Innovationen (Hyysalo et al. 2013).
Springer et al. (2006) entwickeln den Ausdruck des Sustainable Lead Users. Zusätz-
lich zu den Eigenschaften nach von Hippel charakterisieren sich diese Lead User
durch den Anspruch an Nachhaltigkeit bei neuen Produkte und Innovationen. Sustai-

37 Möbus (2006) spricht vom „Stellvertreter für Nutzer" (Möbus 2006, S. 5) in der virtuellen Welt.
38 Der Ansatz des Empathic Design wird von Srivastava und Shu (2013) aufgenommen und als
Grundlage für eine ethnografische Studie genutzt, bei der durch ressourcenbewusstes Verhal-
ten ökologisch vorteilhafte Produkte entwickelt wurden. Als Produkte wurden bspw. entwickelt:
Wasserkonservierendes Duschsystem, zusammenlegbarer Helm, wiederverwertbare Kaffee-
tasse mit abnehmbarer Verkleidung.
Literaturanalyse wissenschaftlicher Publikationen zum Lead User-Begriff 33

nable Lead User sind insbesondere Nutzer in den Bereichen Verbraucherschutz und
Umwelt vorhanden.

2.3.4.3 Lead User-Eigenschaften im organisatorischen Kontext

Weitere Entwicklungen sind im organisatorischen Kontext der Unternehmen zu er-


kennen. Lead User nach der Definition von Hippels innovieren normalerweise für sich
selbst mit dem Ziel, Lösungen für die eigenen Bedürfnisse zu erhalten (Morrison et
al. 2000; von Hippel 1988). Der unternehmerische Aspekt steht i.d.R. nicht im Vor-
dergrund (Herstatt und von Hippel 1992). Hienerth et al. (2013) definieren Entrepre-
neurial Lead User jedoch als solche Personen, die das Ziel haben, ihr eigenes Un-
ternehmen zu gründen bzw. ihre Innovation zu vermarkten. Den Fokus auf Lead
User innerhalb der Organisation richten Schweisfurth und Herstatt (2013). Embedded
Lead User weisen die wesentlichen Eigenschaften von Lead Usern auf und sind zeit-
gleich Mitarbeiter des Unternehmens. Durch die für Lead User typische Expertise für
bestimmte Produkte und Technologien sowie die Kenntnisse durch die Mitarbeit im
Unternehmen erweisen sich Embedded Lead User als wichtige Informationsquelle.
Zudem wird der Barriere der aufwendigen und schwierigen Identifizierung von Lead
Usern entgegengewirkt, da diese Nutzer einfacher erkannt und direkt kontaktiert
werden können (Schweisfurth und Raasch 2014). Blättel-Mink (2014) warnt davor,
ausschließlich Lead User in den Innovationsprozess zu integrieren. Zwar leiste der
Lead User als Meinungsführer einen großen Beitrag, den Innovationsprozess zu ver-
bessern. Jedoch sei es genauso wichtig, „non-lead users“ (Blättel-Mink 2014, S. 162)
zu integrieren, um auch deren Input zu erhalten. Diese Zusammenarbeit von Lead
Usern und Nicht-Lead Usern wird als „Co-Innovatorship“ (ebd., S. 160) bezeichnet.

2.3.4.4 Erweiterungen der Lead User-Eigenschaften


Es existieren verschiedene Erweiterungen des Lead User-Ansatzes, wobei meist ei-
ne dritte Eigenschaft zusätzlich zu den zwei Basiseigenschaften von Hippels entwi-
ckelt wird. Spann et al. (2009) weisen Lead Usern als dritte Dimension die Eigen-
schaft der Meinungsführerschaft zu. Demnach sind Lead User Personen, die neue
Produkte als erste kaufen und innerhalb des sozialen Umfelds ihre Nutzungserfah-
rungen kommunizieren. Dies hilft, Nutzerwissen aufzubauen, das für eine schnelle
Diffusion des neuen Produkts im Markt benötigt wird. Demnach beeinflussen Mei-
nungsführer die Bedürfnisse des Marktes. Zusätzlich zu den durch von Hippel defi-
nierten Eigenschaften ergänzen Fust et al. (2011) den Aspekt der „Perspektivenviel-
falt, die sich in Informationen über verschiedene Produkte und Dienstleistungen so-
wie in persönlichen Erfahrungen äußert“ (Fust et al. 2011, S. 88) und integrieren so
die Tatsache, dass Lead User Wissen über den Markt haben und somit als Marktex-
34 Theoretische Grundlagen: Der Lead User-Ansatz

perten gelten. Damit wird eine Kombination des Lead User-Ansatzes mit der Theorie
des User Entrepreneurships geschaffen (ebd.). Schreier und Prügl (2008) analysie-
ren den Lead User-Ansatz im Hinblick auf die Ursache (Antezedens) und Konse-
quenz der Lead Userness. 39 Die Autoren zeigen, dass die Lead Userness stärker ist,
je höher das Nutzerwissen sowie die Nutzererfahrung in dem Bezugsfeld sind. Nut-
zer zeigen zudem mit einer höheren Wahrscheinlichkeit die Eigenschaft von Lead
Usern, je höher ihre Kontrollüberzeugung (locus of control) ist, sie also davon ausge-
hen, dass Ergebnisse stark von ihren eigenen Handlungen beeinflusst werden. Au-
ßerdem wird nachgewiesen, dass die Lead Userness höher ist, je ausgeprägter die
Innovatitvät der Persönlichkeit des Nutzers ist. Lead User zeigen im Bezug auf ihr
Adoptionsverhalten neuer Produkte, dass sie diese generell öfter und schneller an-
nehmen. Hyysalo et al. (2014) verdeutlichen den Zukunftsbezug von Lead Usern und
bezeichnen Nutzer als future users, die sehr zukunftsbezogen denken und konform
der Lead User zukünftige Bedürfnisse erfahren. Unternehmen bietet sich durch deren
Integration die Möglichkeit, geeignetere Prognosen über die Kundenbedürfnisse so-
wie die Marktentwicklung zu erhalten. Duverger (2012) fokussiert die Zufriedenheit
von Nutzern als ein Aspekt der Innovativität und zeigt, dass unzufriedene Kunden,
service defectors genannt, eine Quelle für innovative Ideen darstellen. Anhand einer
empirischen Studie wird nachgewiesen, dass unzufriedene Kunden bessere Ideen
für Serviceinnovationen generieren als zufriedene Kunden. Zudem wird argumentiert,
dass die Integration dieser Defektoren in den Ideenentwicklungsprozess die innova-
tivsten Ideen bietet. Marchi et al. (2011) definieren Lead User etwas allgemeiner als
von Hippel. Lead User sind demnach die Individuen oder Unternehmen, die in der
Lage sind, nutzbare Ideen über Produkteigenschaften und Nutzungskontexte zu ge-
nerieren und selektieren.

2.3.4.5 Alternative Lead User-Definitionen

Die dargestellten Erweiterungen entsprechen grundsätzlich der klassischen Definiti-


on von Lead Usern. Es werden meist weitere Theorien mit diesem Ansatz kombiniert
und dadurch zusätzliche Eigenschaften hinzugefügt. In der Wissenschaft existieren
jedoch auch Autoren, die ein abweichendes Verständnis von Lead Usern definieren
oder neue Begriffe prägen, um einen Kontrast zu Lead Usern herzustellen. Martínez-
Torres (2013) grenzt Lead User von Creative Usern ab, die als Individuen oder
Gruppen definiert werden, die ein eigenes Angebot (Produkt oder Service) adaptie-

39 Als Lead Userness wird die Tatsache definiert, dass ein Nutzer die Kerneigenschaften - dem
Markt voraus zu sein und Profitieren von Innovationen - aufweist (Schreier und Prügl 2008). Je
höher die Lead Userness, desto stärker sind die Eigenschaften vorhanden.
Literaturanalyse wissenschaftlicher Publikationen zum Lead User-Begriff 35

ren, modifizieren oder transformieren. 40 Sie werden von Lead Usern in drei Punkten
abgegrenzt. Zum einen arbeiten Creative User mit allen Arten von Angeboten, nicht
nur den neuen oder verbesserten. Zum anderen erkennen sie nicht unbedingt nur
Bedürfnisse, die generalisierbar sind. Sie entwickeln auch Ideen und Innovationen,
die nur von einer Minderheit nachgefragt werden. Schließlich müssen Creative User
nicht unbedingt von ihren Innovationen profitieren. Sie erzielen mitunter ihren Profit in
Form von Dank oder Anerkennung.
Eine weitere Alternative zu Lead Usern ist die Integration eines Complementors
(Munksgaard und Freytag 2011). Dabei wird davon ausgegangen, dass es in einigen
Industrien nicht möglich ist, Lead User identifizieren und integrieren zu können.
Complementors werden definiert als Entwicklungspartner, deren Output oder Funkti-
on den Wert der Innovation erhöht. Der Unterschied zu Lead Usern liegt gemäß den
Autoren darin, dass Complementors Wissen von anderen Märkten auf ein Produkt
übertragen, wohingegen das Wissen von Lead Usern auf der Nutzung eines be-
stimmten Produkts in einem bestimmten Markt basiert. Diese Abgrenzung ist diskus-
sionswürdig, da Lead User durchaus Analogien anderer Produkte und Märkte für In-
novationen berücksichtigen und einbeziehen (Herstatt und Engel 2006). Auch Jep-
pesen und Laursen (2009) fügen Lead Usern eine abweichende Eigenschaft hinzu.
Lead User werden als „early adopter of the product or service“ (ebd., S. 1)
bezeichnet. Lead User sind jedoch von Erstanwendern abzugrenzen (vgl. Kapitel
2.3.1), da sie Wissen über Produkte und Services haben, bevor diese überhaupt
existieren (Churchill et al. 2009).

2.3.4.6 Prozessänderungen

Die Ausführungen zeigen, dass seit den 1980er Jahren verschiedene Weiterentwick-
lungen der Lead User-Theorie vorhanden sind. Jedoch fokussieren sich diese haupt-
sächlich auf die Eigenschaften und Anwendungsfelder. Änderungen des Prozesses
sind in der wissenschaftlichen Literatur weniger zu erkennen. Henkel und Jung
(2010) ändern den Lead User-Prozess nicht grundlegend, jedoch bildet eine verän-
derte Ausgangssituation den Startpunkt des Lead User-Projekts. Bei der technology-
push lead user method ist zu Beginn des Projekts bereits eine Innovation vorhanden,
für die mit den Lead Usern nach Anwendungsfeldern gesucht wird (Gehringer
2013). 41 Gerth (2015) zeigt eine weitere Anpassung des Lead User-Ansatzes, je-
doch fokussiert auf den IT-Bereich und ohne diese Weiterentwicklung näher zu be-
gründen. Dabei wird konform der Theorie in Kapitel 2.3.2 ein vierstufiger Prozess zur

40 Dadurch werden die Ideen von Berthon et al. (2007) aufgegriffen, die Creative Consumer auch
als Clever Customer bezeichnen.
41 Lead User-Projekte nach dem Technology Push-Ansatz werden im Rahmen der Fallstudienana-
lyse ebenfalls analysiert (vgl. Kapitel 6).
36 Theoretische Grundlagen: Der Lead User-Ansatz

Integration von Lead Usern entwickelt. Die ersten drei Phasen entsprechen dabei
den Phasen nach von Hippel (1986) bzw. Lüthje und Herstatt (2004). In der Theorie
endet die Lead User-Methode jedoch mit der Entwicklung von Lösungskonzepten in
Workshops. Gerth fügt dem Prozess eine weitere Phase zu: Überprüfung der Über-
tragbarkeit der Ergebnisse auf den Gesamtmarkt. Damit soll sichergestellt werden,
dass die Innovationen tatsächlich vom Markt angenommen werden (Gerth 2015). Die
Gründe für die Abweichungen zum theoretischen Prozess werden jedoch nicht ge-
nannt und weiter ausgeführt. Stattdessen wird die etablierte Literatur nach von Hippel
(1986), Lüthje (2007) sowie Herstatt und Verworn (2007) als Grundlage angegeben,
die abweichende Phasen beinhaltet. Dieser Prozess ist daher als eine erste, nicht
weiter ausgeführte Entwicklung des Ansatzes zu sehen. Nachfolgend wird analysiert,
ob weitere Studien zur praktischen Umsetzung des Lead User-Ansatzes existieren.

2.3.5 Analyse des Lead User-Ansatzes in wissenschaftlichen Studien

Es existieren verschiedene Studien, die die Integration von Lead Usern als eine Mög-
lichkeit zur Kundenintegration in den Innovationsprozess beinhalten. Creusen et al.
(2013) untersuchen die Wahl der Methoden zur Kundenintegration in den frühen
Phasen des Innovationsprozesses (fuzzy front end) (vgl. Kapitel 2.1.4). Die Studie
(n=88) zeigt, dass 43% 42 der Unternehmen Lead User in der frühen Phase des fuzzy
front end integrieren sowie 34% 43 in der späten. Zu einem ähnlichen Ergebnis
kommt Enkel (2011). Bei der Studie zu Open Innovation-Aktivitäten nahmen 159
deutsche Unternehmen teil, die Anwendung von 17 Innovationsmethoden wurde ab-
gefragt. 46% der Befragten gaben an, den Lead User-Ansatz intensiv zu nutzen. Nur
zwei Methoden, Integration von Kunden und/oder Lieferanten (70%) sowie gemein-
same Entwicklung mit Kunden und/oder Lieferanten (74%), werden öfter angewandt.
Jedoch erscheint eine Abgrenzung der Methoden fragwürdig, da die Integration von
Lead Usern auch anderen Aktivitäten (bspw. Integration von Kunden und gemeinsa-
me Entwicklung) zugeordnet werden müsste. Cooper und Edgett (2008) untersuchen
den Einsatz von 18 Methoden zur Unterstützung der Neuproduktentwicklung
(n=160). Ca. 24% der Befragten gaben an, Lead User zu integrieren. 44 Im Vergleich
zu den anderen Studien wird der Lead User-Ansatz also weniger häufig angewandt.

42 Lead User-Ansatz auf neunter Position (von 15). Am häufigsten werden in der frühen Phase
des fuzzy front end Interviews (73%), Fokusgruppen (66%) sowie Beschwerdemanagement
(65%) durchgeführt.
43 Lead User-Ansatz auf sechster Position (von 10). Am häufigsten werden in der späten Phase
des fuzzy front end Interviews (64%), Fokusgruppen (55%) sowie Brainstorming (50%) durch-
geführt.
44 Fünf Methoden werden häufiger angewandt als der Lead User-Ansatz. Am häufigsten werden
Internal idea capture system (ca. 38%), peripheral vision (ca. 33%) sowie patent mining (ca.
32%) genutzt.
Literaturanalyse wissenschaftlicher Publikationen zum Lead User-Begriff 37

Interessant ist jedoch, dass mit Fokusgruppen und so genannten „customer visit
teams“ (Cooper und Edgett 2008, S. 1) nur zwei Methoden öfters angewandt werden,
die nach Meinung der Befragten eine höhere Effektivität haben. Bezogen auf die Ef-
fektivität gehört der Lead User-Ansatz daher zu den Methoden, die am besten be-
wertet wurden.
Die genannten Studien analysieren den Lead User-Ansatz im Vergleich zu anderen
Methoden der Neuproduktentwicklung. Der Fokus liegt also nicht allein auf dem Lead
User-Ansatz bzw. dessen Anwendung. Auch werden praktische Erfahrungen (bspw.
Herausforderungen bei der Umsetzung) nicht explizit analysiert. Auf Basis der unter
Kapitel 2.3 dargestellten Literaturanalyse wissenschaftlicher Publikationen zum
Thema Lead User fasst Tabelle 5 daher Studien zusammen, die allein den Lead
User-Ansatz thematisieren. Die Tabelle verdeutlicht, dass in den letzten 30 Jahren
viele Studien zu unterschiedlichen Themenbereichen sowie Branchen durchgeführt
wurden. Einige Studien fokussieren sich auf die Identifizierung von Lead Usern,
bspw. Tuarob und Tucker (2015), die eine automatisierte Lead User-Identifizierung
entwickelten oder Poetz und Prügl (2010), die Pyramiding als Methode zur Erken-
nung von Lead Usern testen. Andere Studien untersuchen, durch welche Techniken
Lead User integriert werden können. So analysieren bspw. Spann et al. (2009), wie
virtuelle Aktienmärkte genutzt werden können. Jeppesen und Frederiksen (2006)
untersuchen, wie die Lead User-Integration in Online-Communities durchgeführt
werden kann. Zudem wird der Lead User-Ansatz in verschiedenen Fallstudien über-
prüft, bspw. bei Ducati (Marchi et al. 2011), Hilti (Lüthje und Herstatt 2004) oder 3M
(Lilien et al. 2002).
38 Theoretische Grundlagen: Der Lead User-Ansatz

Tabelle 5: Studien zum Lead User-Ansatz 45

Autor Themenfeld Wesentliche Ergebnisse (n)


Tuarob, Smartphones x Entwicklung einer datengetriebenen Methode zur automatischen 27
Tucker Identifizierung von Lead Usern aus einem Pool an Social Media-
2015 Nutzern
Hjalager et Lead User- x Lead User stellen geeignete Alternative zu anderen Wegen des 8
al. 2015 Experiment mit Produktentwicklungsprozesses dar
Köchen x Änderung beim Workshop: Experimente, bei denen vor Ort Ideen
entwickelt und aufgezeichnet werden, jedoch nicht in der Gruppe
Colazo Software x Qualität des Quellcodes, Produktivität des Entwicklungsprozes- 29
2014 ses und Popularität der Software beeinflussen Lead User-Beitrag
Faullant et Küchengeräte (Phi- x Lead Userness ist grundsätzlich an Kreativität gebunden 146
al. 2012 lips) x Kreative Fähigkeiten werden durch persönliche Eigenschaften
(Bildung, Geschlecht etc.) beeinflusst
Hienerth, Medizintechnik, x Hersteller bewerten Lead User-Ideen als nicht lukrativ 62
Lettl 2011 Sportausrüstung x Kooperation mit der Community, um Produkte zu verbessern und
zu testen und Gründung eigener Unternehmen
Marchi et Motorradbranche x Positive Beeinflussung der Innovativität durch Bereitschaft zur 572
al. 2011 (Ducati) Kollaboration, Produktwissen und strategische Anpassung
Poetz, Pyramiding (diverse x Pyramiding zur Überwindung von Bereichsgrenzen 1147
Prügl 2010 Branchen) x Die Wahrscheinlichkeit einer Weiterempfehlung ist höher bei
Personen mit Top-Level-Expertise (Lead User)
Belz, Online-Community x 9 der 40 aktivsten Mitglieder zeigen Lead User-Attribute 40
Baumbach zu nachhaltigen x Studie zeigt, dass durch Netnography mehr Lead User identifi-
2010 Konsum (utopia.de) ziert werden können als durch Mass Screening
Kratzer, Lead Userness von x Studie in 16 Schulgruppen zur Frage, ob Lead User und Mei- 366
Lettl 2008 Kindern nungsführer in sozialen Netzwerken gleich positioniert sind
x Kinder, die als Verbindung zwischen sozialen Netzwerken agie-
ren, haben ein hohes Maß an Lead Userness und Kreativität
Spann et Virtuelle Aktien- x Virtuelle Aktienmärkte werden als effektives Instrument zur Lead 102
al. 2009 märkte User-Identifizierung bestätigt
x Diese Lead User haben überdurchschnittliche Fähigkeiten zur
Vorhersage des Markteerfolges
Lettl et al. Medizintechnik x Lead User haben enormes Wissen und Lösungsbeiträge 30
2008 x Sie agieren als Entrepreneure und überbrücken Lücken, die Her-
steller aufgrund des Risikos nicht bearbeiten
Franke et Kitesurfen x Hohe Intensität an Lead-User Charakteristika eines Nutzers hat 414
al. 2006 positive Auswirkungen auf die Wahrscheinlichkeit, dass dieser
Nutzer eine kommerziell attraktive Innovation erbringt
Intrachooto Architektur x Innovieren im Architekturbereich schwierig, daher Entwicklung 7
2004 von Lead Providern als Alternative
Lüthje, Befestigungs- und x Grundlegendes Paper zur Lead User-Methode 153
Herstatt Medizintechnik x Verdeutlichung von Vorgehensweise und Potenzial der Lead
2004 (Hilti, J&J) User-Methode bei Hilti und Johnson & Johnson
Lilien et al. Medizintechnik (3M) x 8-fach höhere Umsatzprognose bei Produkten mit Lead Usern 42
2002 x Aus jedem Projekt soll neue Produktlinie für 3M resultieren
Olson, IT (Cinet) x Management ist begeistert, dass die Cross-Funktionalität der 21
Bakke Neuproduktentwicklung durch Lead User gesteigert wird
2001 x Lead User-Ideen werden von Routinenutzern sehr gut bewertet
Morrison et Bibliothekswesen x Nutzerinnovationen werden von vielen OPAC-Herstellern als 122
al. 2000 (OPAC) kommerziell interessant bewertet
x Viele Nutzer sind gewillt, Innovationen zu teilen
Herstatt, Befestigungstechnik x Lead User-Methode zwei Mal so schnell wie traditionelle Metho- 74
von Hippel (Hilti) den zur Neuproduktentwicklung
1992 x Am Beispiel Hilti wird gezeigt, dass bessere Ergebnisse durch
die Lead User entwickelt wurden
Urban, von PC-CAD Software x Lead User haben einzigartiges Bedürfnis- und Lösungswissen 136
Hippel x Mit Lead Usern entwickelte Produktkonzepte werden von PC-
1988 CAD-Nutzern deutlich bevorzugt

45 In chronologischer Reihenfolge. Weitere Übersichten finden sich bspw. bei Franke et al. (2006),
Lüthje und Herstatt (2004) oder Schreier et al. (2008).
Literaturanalyse wissenschaftlicher Publikationen zum Lead User-Begriff 39

Eine allgemeinere, übergeordnete Studie zur Anwendung des Lead User-Ansatzes in


der Praxis - unabhängig von Branche, Produkt oder Methodik - ist jedoch nicht vor-
handen. Die Analyse der praktischen Umsetzung des Lead User-Ansatzes mit Fokus
auf die Weiterentwicklung des Prozesses stellt daher die Forschungslücke für diese
Arbeit dar. Zudem fällt auf, dass oftmals die frühen Phasen des Innovationsprozes-
ses und somit die Ideengenerierung im Vordergrund stehen. Eine Analyse der späte-
ren Phasen und insbesondere der Umsetzung der mit Hilfe der Lead User erarbeite-
ten Ideen und Resultate erscheint jedoch ebenso wesentlich. Dies bestätigt Blättel-
Mink (2014) und fordert „...that the focus of lead user research has to be directed
away from generating to implementing ideas“ (Blättel-Mink 2014, S. 162). Nachfol-
gend werden weitere Forderungen nach einer solchen Studie mit Fokus auf die Um-
setzung des Ansatzes in der Praxis erläutert.

2.3.6 Forderungen der Wissenschaft als Bestätigung der Forschungslücke

Kapitel 2.3.5 hat verdeutlicht, dass eine übergeordnete Studie zur Umsetzung des
Lead User-Ansatzes in der Praxis nicht existiert. In wissenschaftlichen Publikationen
sind jedoch Forderungen nach einer solchen Analyse vorhanden, die die For-
schungslücke bestätigen. So erläutern Gemser und Perks (2015) die Entwicklung
des Themenfelds der Customer Co-Creation. Darunter wird die aktive Integration von
Kunden und weiteren Akteuren in den Innovationsprozess verstanden. Dies umfasst
auch den Lead User-Ansatz. Die Autoren stellen folgende, den Kern dieser Arbeit
treffende Forderung: „There is also a need for more large-scale, “real-world“ studies
on customer co-creation and its outcomes and antecedents. Thus far, most studies
on customer co-creation use experiments or are case study-based. Large-scale, sur-
vey-based studies demand a focus on measurement and operationalization of key
co-creation constructs“ (Gemser und Perks 2015, S. 664). Olson und Bakke zeigten
bereits 2001 in einer empirischen Studie, dass der Lead User-Ansatz im Allgemeinen
positiv bewertet wird, jedoch aufgrund von Mangel an Ressourcen und Zeit nicht
regelmäßig durchgeführt wird: „If the LU method is so good at uncovering innovative
product ideas, why don't more companies use it as part of their new product devel-
opment process?“ (Olson und Bakke 2001, S. 388). Lilien et al. (2002) zeigen in ihrer
oft zitierten Veröffentlichung anhand des Unternehmensbeispiels 3M, dass die Integ-
ration von Lead Usern in die Neuproduktentwicklung vorteilhaft ist, fordern jedoch
Weiterentwicklungen des Ansatzes: „The LU idea-generation method does appear to
generate better results than traditional methods. It therefore appears to merit further
investigation and development“ (Lilien et al. 2002, S. 28). Langerak und Hultink
(2008) unterstützen diese Aussage. Auch hier wird jedoch auf die Frage, warum Un-
ternehmen diesen Ansatz so selten nutzen, kaum eingegangen. Franke et al. (2006)
fokussieren die Eigenschaften von Lead Usern und deren Einfluss auf die Innovation.
40 Theoretische Grundlagen: Der Lead User-Ansatz

Dabei wird festgestellt, dass die beiden Kerneigenschaften unabhängig voneinander


betrachtet werden sollten. Die Autoren fordern ebenfalls Weiterentwicklungen des
Lead User-Ansatzes: „Improvements to lead-user theory are needed to inform and to
guide these efforts“ (Franke et al. 2006, S. 2). Müller-Prothmann und Pinternagel
(2010) bestätigen, dass eine Forschungslücke darin besteht, dass Prozess, Ablauf
und Methoden zur Integration von Lead Usern bisher zu undeutlich definiert und er-
forscht sind: „However, research on integration beyond the first stages of innovation
processes is rare. The close collaboration is rather exception than standard. This
shortcoming needs to be resolved if lead users were to be integrated into the innova-
tion process on a regular basis“ (Müller-Prothmann und Pinternagel 2010, S. 1). Ei-
senberg (2011) zeigt auf, dass die Integration von Lead Usern in der Praxis
unterschiedlich durchgeführt wird und die Unternehmen jeweils Adaptionen,
Weiterentwicklungen oder Verbesserungen vornehmen: „Practitioners continue to
discover and try the lead-user research method, making adaptations to accomodate
both recent technological developments and context-specific needs“ (Eisenberg
2011, S. 52). Die Analyse möglicher Weiterentwicklungen und Anpassungen des An-
satzes in der Praxis stellt ein Kernelement der vorliegenden Arbeit dar.

Ein weiterer, in der Literatur diskutierter Aspekt in Bezug auf die Anwendbarkeit des
Lead User-Ansatzes betrifft mögliche Restriktionen wie Unternehmensgrößen und -
branchen. Lettl et al. (2008) bestätigen das Potenzial des Lead User-Ansatzes, das
jedoch vergleichsweise wenig ausgeschöpft wird: „Despite this potential, only a rela-
tively small number of manufacturing firms have actually integrated lead users into
their new product development processes“ (Lettl et al. 2008, S. 219). Auch Grabher
et al. (2008) zeigen, dass die Verbreitung des Ansatzes meist nur in kleineren Ni-
schenmärkten wie Sportausrüstung zu finden ist. Bilgram et al. (2008) stellen den
wachsenden Stellenwert neuer Technologien, insbesondere des Internets, heraus.
Dabei wird festgestellt, dass die Rolle des Internets zur Identifizierung von Lead
Usern trotz der wachsenden Bedeutung dieses Mediums bisher kaum analysiert
wurde. 46 Schließlich merken Schuhmacher und Kuester (2012) an, dass existierende
Studien zu Lead Usern hauptsächlich im Konsumgüterbereich zu finden sind und
führen ihre Studie daher im Bereich der Serviceinnovationen durch. Anhand eines
Ideenwettbewerbs werden 120 Ideen ausgewertet und dadurch das große Potenzial
von Lead Usern zur Entwicklung innovativer Ideen verdeutlicht: „Lead user analysis
has been shown to provide the highest potential to create attractive innovation ideas“
(ebd., S. 427). Auch die Generalisierbarkeit der Ergebnisse dieser Studie ist durch
den Fokus auf eine bestimmte Branche (Vermarktung von Fußballclubs) jedoch be-

46 Zu beachten gilt, dass der Artikel bereits 2008 verfasst wurde. Die Rolle des Internets hat sich
seitdem weiter verstärkt (vgl. Kapitel 2.1.1).
Literaturanalyse praxisorientierter Fachmagazine zum Lead User-Begriff 41

grenzt. Die Studien dieser Arbeit (vgl. Kapitel 5 und 6) beziehen daher unterschiedli-
che Branchen ein, um übergeordnete Aussagen, über Branchen-, Produkt- und Un-
ternehmensgrenzen hinweg, treffen zu können.
Diese Aussagen aus der wissenschaftlichen Literatur verdeutlichen, dass der Lead
User-Ansatz zwar eine erfolgversprechende Methodik darstellt, jedoch weitere For-
schung zur Weiterentwicklung des Ansatzes notwendig ist. Auch die vorherige Über-
sicht zu relevanten Lead User-Studien (vgl. Kapitel 2.3.5) zeigt, dass die praktische
Anwendung dieses Ansatzes bisher zu wenig erforscht ist bzw. die Studien nur auf
bestimmte Branchen sowie Unternehmen fokussiert sind, eine ganzheitliche Betrach-
tung jedoch fehlt. Die Analyse der praktischen Umsetzung ist daher das Kernziel die-
ser Arbeit. Zuvor dient die Literaturanalyse praxisorientierter Fachmagazine der Vali-
dierung der Forschungslücke sowie der Entwicklung der Forschungsfragen.

2.4 Literaturanalyse praxisorientierter Fachmagazine zum Lead User-Begriff

Um eine theoretische Grundlage zu gewährleisten, werden innerhalb von Dissertati-


onen häufig Literaturanalysen durchgeführt (vgl. Kapitel 2.3). Diese fokussieren sich
i.d.R. jedoch auf theoretische (wissenschaftliche) Publikationen. Das Verständnis
eines Themas in der Praxis kann dadurch nicht analysiert werden. Dem Fokus dieser
Arbeit entsprechend ist eine Analyse der Praxis jedoch sinnvoll, um das praktische
Verständnis und die Umsetzung erforschen zu können. Daher wird nachfolgend eine
Literaturanalyse von Veröffentlichungen im praktischen Kontext durchgeführt. 47 Eine
solche Studie mit diesem Themenschwerpunkt existiert bisher nicht (vgl. Kapitel
2.3.5). Um Unterschiede zwischen Theorie und Praxis analysieren zu können, wer-
den die Ergebnisse mit der Analyse der theoretischen Publikationen verglichen. Da-
durch wird zunächst auf Basis von Veröffentlichungen (Sekundärdaten) ein Überblick
in Bezug auf die Anwendung des Lead User-Ansatzes in der Praxis erarbeitet, bevor
dies im weiteren Verlauf der Arbeit empirisch (Primärdaten) untersucht wird.

Die Analyse der Veröffentlichungen aus der Praxis basiert auf zwei Quellen. 48 Zu-
nächst wurde die Datenbank WISO Wirtschaftswissenschaften genutzt, die im be-
triebswirtschaftlichen Bereich eine gebräuchliche Quelle darstellt (Kollmann et al.
2011; Kühl et al. 2009). Diese Datenbank umfasst etwa 400 Fachzeitschriften und
deckt ein großes Feld an unterschiedlichen Branchen ab. Zudem werden neben be-
kannteren und auflagenstärkeren Fachmagazinen wie absatzwirtschaft oder VDI
nachrichten auch spezifischere Zeitschriften mit geringen Auflagen (bspw. TabakZei-
tung, konstruktionspraxis) durchsucht. In WISO wurde nach dem Stichwort 'Lead

47 Eine ausführliche Erläuterung der Ergebnisse dieser Literaturanalyse praxisorientierter Fach-


magazine findet sich bei Lehnen et al. (2014).
48 Die Literaturanalyse wurde von einer unabhängigen, zweiten Person validiert.
42 Theoretische Grundlagen: Der Lead User-Ansatz

User' seit der ersten Veröffentlichung 1991 bis einschließlich 2015 gesucht und somit
alle Artikel identifiziert, die diesen Begriff mindestens einmal beinhalten. So wurden
223 Publikationen ermittelt. Da WISO eher spezifischere Magazine beinhaltet und
bekanntere Wirtschaftszeitschriften wie Harvard Business Manager oder Wirt-
schaftswoche nicht enthält, wurde zudem eine Auswahl der auflagenstärksten Fach-
zeitschriften im Bereich der Wirtschaft analysiert. 49 So wurde die Literaturanalyse um
48 Veröffentlichungen in auflagenstarken Zeitschriften erweitert. Nach dem Löschen
doppelter Artikel beider Datenbanken basiert die Literaturanalyse der praxisorientier-
ten Fachzeitschriften schließlich auf 255 Artikeln. Nachfolgend werden die Ergebnis-
se beider Literaturanalysen (Theorie und Praxis) verglichen. Diese sind in deskriptive
(Publikationen pro Jahr, Autoren und Quellen) und inhaltliche Ergebnisse (Eigen-
schaften und Bezeichnungen von Lead Usern sowie Prozess der Integration) unter-
teilt. 50 Die deskriptiven Ergebnisse (Kapitel 2.4.1 und 2.4.2) lassen - unabhängig
vom Inhalt - zunächst Aussagen über die Häufigkeiten der Publikationen sowie den
Autoren zu.

2.4.1 Publikationen pro Jahr


Abbildung 11 zeigt die Publikationen der wissenschaftlichen Journals sowie der pra-
xisorientierten Fachmagazine im Jahresverlauf:

35
29
30 27 27

25 22
19
20 17 16
14 15 16 15
15 12 12 13
11 11 10 11 10 10
8 9 8 9
10 6 5 67 6
4 4 5 4
5 3 2 2 3 3 3
1 1 0 1 1 1
0
1986
1987
1988
1989
1990
1991
1992
1993
1994
1995
1996
1997
1998
1999
2000
2001
2002
2003
2004
2005
2006
2007
2008
2009
2010
2011
2012
2013
2014
2015

Theoretische Veröffentlichungen Praxisorientierte Veröffentlichungen

Abbildung 11: Veröffentlichungen pro Jahr 51

49 Dazu wurde eine Auswertung von Statista der 23 auflagenstärksten Wirtschaftszeitschriften


genutzt. Auch hier wurde nach dem Stichwort 'Lead User' gesucht.
50 Es gilt zu beachten, dass die Analysen auf einer unterschiedlichen Anzahl an Publikationen
basieren (theoretisch: 133; praxisorientiert: 255). Die Stichproben sind bei den einzelnen Analy-
sen daher nicht identisch, die Ergebnisse (bspw. Veröffentlichungszahlen) sind somit eher als
Hinweise für Unterschiede zwischen Theorie und Praxis zu sehen. Dennoch lassen sich inhaltli-
che Aussagen ableiten, die im weiteren Verlauf dieser Arbeit empirisch überprüft werden.
51 Quelle: Eigene Darstellung. Daten basieren auf den durchgeführten Literaturanalysen.
Literaturanalyse praxisorientierter Fachmagazine zum Lead User-Begriff 43

Die Grafik verdeutlicht die Entwicklungen dieses Themas über die letzten drei Deka-
den. Die ersten Veröffentlichungen wurden 1986 und 1988 vom Begründer dieses
Ansatzes, Eric von Hippel, verfasst (von Hippel 1986, 1988). Das Thema wurde - ba-
sierend auf der Anzahl der Veröffentlichungen - Ende der 1990er Jahre relevant und
gewann ab der Jahrtausendwende sowohl in der wissenschaftlichen als auch praxis-
orientierten Literatur weiter an Bedeutung. Ein erster Peak ist bei den praxisorientier-
ten Artikeln 1996 zu erkennen (acht Veröffentlichungen, im Vorjahr keine). Von die-
sen acht Artikeln wurden sechs in der Zeitschrift absatzwirtschaft veröffentlicht. Ba-
sierend auf den Studien von Hippels, der in den Artikeln meist genannt wird, wurden
die Herausgeber offensichtlich auf diesen Ansatz aufmerksam (Hanser et al. 1996;
Werner und Homburg 1996; Wessner und Weissmann 1996).
Die praxisorientierten Veröffentlichungen zeigen einen zweiten Peak zwischen den
Jahren 2005 und 2009. Es scheint, als habe sich der Lead User-Ansatz in dieser Zeit
von einer sehr speziellen zu einer weiter verbreiteten Methodik entwickelt. Aussagen
von Autoren unterstützen dies: „Die Beobachtung von Lead Usern als Inspirations-
quelle für Innovationen ist mittlerweile zu Recht erkannt und auf dem Wege, sich auf
breiter Front durchzusetzen“ (Liebl 2005, S. 36). Dafür spricht weiterhin, dass in die-
ser Zeit auch auflagenstarke Managementzeitschriften wie Harvard Business Mana-
ger, Wirtschaftswoche oder Handelsblatt den Lead User-Ansatz erwähnen. Auch die
Titel der Artikel verdeutlichen, dass Methoden der Kundenintegration ein großes Er-
folgspotenzial zugesprochen wird. Beispielhaft können genannt werden: Der Kunde
als Innovationsmotor (Beck 2009), Ideen frisch vom Kunden (Honsel 2007), Der
Kunde als Ideengeber (Baeuchle 2006), Den Kunden erkunden (Heuer 2005) sowie
Das Know-how der Kunden nutzen (Nohr 2004). Ein weiterer Auslöser für diesen
Peak könnte von Hippels wegweisende Veröffentlichung Democratizing Innovation
sein, die auch in Managementkreisen wahrgenommen wurde (Krempl 2007; von
Hippel 2005a). So erläutert bspw. Haefliger (2009) von Hippels Forschung im Mana-
ger Magazin und verdeutlicht, dass die Unternehmen von den Ergebnissen positiv
überrascht seien. 52

In der wissenschaftlichen Literatur ist in den vergangenen 30 Jahren ein stetiger An-
stieg der Publikationen zu erkennen. 53 Das Thema ist nach wie vor von Relevanz
und wird, wie Kapitel 2.3.4 verdeutlicht hat, ausgiebig erforscht. Bei den praxisorien-
tierten Veröffentlichungen ist nach dem erläuterten Peak (2005 bis 2009) ein Rück-
gang zu erkennen, jedoch auf ein höheres Niveau als vor 2005.

52 „Konfrontiert mit diesem Ergebnis zeigten sich die Herstellerfirmen überrascht. Sie waren fest
davon überzeugt, dass die Innovationen in ihren Häusern entstanden sind“ (Haefliger 2009, S.
1).
53 Teilweise eine Publikation weniger als im Vorjahr (bspw. 2008 zu 2009), danach jedoch An-
stieg.
44 Theoretische Grundlagen: Der Lead User-Ansatz

2.4.2 Autoren und Quellen

Bei den Literaturanalysen stellt sich die Frage, ob die Autoren der praxisorientierten
Fachartikel Wissenschaftler sind oder Unternehmensmitarbeiter über ihre Erfahrun-
gen berichten. Daher stellt Tabelle 6 die Autoren, aufgeteilt nach Theorie und Praxis,
gegenüber:

Tabelle 6: Autoren in Theorie und Praxis

Theorie (n=133) Praxis (n=255)


Impact
Autor 54
gesamt 55
Autor % von 133 Autor Experte % von 255

von Hippel, Eric 9 6,77% 0 39 15,29% 22,06%

Lettl, Christopher 7 5,26% 1 3 1,18% 6,44%

Herstatt, Cornelius 5 3,67% 3 4 1,57% 5,33%

Franke, Nikolaus 2 1,50% 3 6 2,35% 3,86%

Enkel, Ellen 2 1,50% 2 4 1,57% 3,07%

Füller, Johann 2 1,50% 3 3 1,18% 2,68%

Gassmann, Oliver 2 1,50% 2 2 0,78% 2,29%

Lang, Alexander 0 0,00% 1 6 2,35% 2,35%

Bartl, Michael 0 0,00% 2 5 1,96% 1,96%

Piller, Frank 0 0,00% 3 4 1,57% 1,57%

In Bezug auf die wissenschaftlichen Publikationen (Theorie) ist es nicht verwunder-


lich, dass von Hippel als Begründer dieses Ansatzes die meisten wissenschaftlichen
Veröffentlichungen (9) zu diesem Thema beitrug. Auch die anderen Autoren können
als führende Wissenschaftler in diesem Bereich bezeichnet werden. Bei den Artikeln
der Fachmagazine (Praxis) fällt auf, dass von Hippel keinen der Artikel selber ver-
fasst hat. Dies erscheint naheliegend, da von Hippel amerikanischer Wissenschaftler
ist und die Analyse Artikel deutschsprachiger Wirtschaftszeitungen beinhaltet. Des-
wegen wurde die Kategorie Experte hinzugefügt. Dies bedeutet, dass Personen,
meist Wissenschaftler, entweder direkt für den Fachartikel befragt oder deren Aus-

54 Unter Autoren wurden alle Personen gezählt, die bei der Verfassung eines Artikels mitgewirkt
haben (also auch Zweit-, Drittautoren etc.) Es wurde keine Beschränkung auf Erstautoren vor-
genommen.
55 Zur Berechnung des Impacts wurden die Anteilswerte (in %) an den Gesamtzahlen addiert.
Literaturanalyse praxisorientierter Fachmagazine zum Lead User-Begriff 45

sagen im Artikel explizit wiedergegeben wurden. 56 Etwa jeder siebte Artikel (15%)
basiert daher auf von Hippels Aussagen oder Studien. Die anderen Wissenschaftler
sind allesamt deutschsprachig und haben daher sowohl wissenschaftliche als auch
praxisorientierte Veröffentlichungen verfasst. So findet sich bei den zehn Personen
mit dem höchsten Impact der Literaturanalysen nur ein Praktiker57 gegenüber neun
Wissenschaftlern. Dies zeigt, dass Wissenschaftler einen starken Einfluss auf Publi-
kationen in der Wirtschaftspresse haben.

Bezüglich der Journals und Wirtschaftsmagazine, die diese Artikel veröffentlichten,


sind verschiedene Branchen und Themenbereiche zu erkennen. Die wissenschaftli-
chen Publikationen (Theorie) wurden in 84 verschiedenen Journals veröffentlicht.
Diese können insbesondere dem Bereich des Managements zugeordnet werden
bzw. betreffen direkt das Themenfeld Innovationsmanagement. 58 Basierend auf der
Literaturanalyse der Datenbanken ISI und BSP kann daher das Journal of Product
Innovation Management mit 16 Veröffentlichungen als das Führende im Bereich der
Lead User-Forschung bezeichnet werden. Ein weiteres Feld an Themenbereichen
umfassen die praxisorientierten Fachzeitschriften (Praxis) mit den häufigsten Publi-
kationen zum Thema Lead User. Auch hier liegt der Fokus auf dem Bereich des Ma-
nagements. 59 Jedoch wurden die mit Abstand meisten Artikel (36 von 255) in der
Zeitschrift absatzwirtschaft veröffentlicht, die dem Marketing zugeordnet wird. 60 Die-
ses Fachmagazin war zudem das erste, das das Thema Lead User aufnahm. So
wurden sieben der ersten zehn identifizierten Fachartikel 61 in der absatzwirtschaft
veröffentlicht. Weiterhin wurden entsprechende Artikel in Fachmagazinen der The-
menbereiche Technologiemanagement, Wissensmanagement und Ingenieurswis-
senschaften identifiziert. Es ist also festzuhalten, dass die Publikationen zum The-
menfeld der Lead User nicht auf einen Themenbereich festgelegt sind, sondern ver-
schiedene Gebiete umfassen, wobei das Thema in der Praxis insbesondere dem
Marketing zugeordnet wird.

56 Aufgenommen wurden nur zitierte Aussagen, bspw. direkte Aussagen oder Interviews, sowie
eine direkte Bezugnahme auf einen Experten. Autoren, die lediglich als Quelle genannt wurden,
sind daher in der Kategorie Experte nicht enthalten.
57 Grau markiert sind Unternehmensvertreter.
58 Journal of Product Innovation Management: 16 Veröffentlichungen; Research Policy: 6;
Creativity & Innovation Management: 6; Management Science: 4; Harvard Business School
Cases: 4.
59 Harvard Business Manager: 11 Veröffentlichungen; Industrie Management: 9; IM Information
Management & Consulting: 7; Handelsblatt: 7; Wirtschaftswoche: 7.
60 Gemäß der Bezeichnung absatzwirtschaft - Zeitschrift für Marketing sowie der Zielgruppe: Mar-
keting-Entscheider, Geschäftsführung, Marketing-Vorstände, Marketing-Dienstleister, Medien-
häuser, Marktforscher, Beratungshäuser (vgl. Website der Zeitschrift).
61 Zeitraum: 1991 bis 1996.
46 Theoretische Grundlagen: Der Lead User-Ansatz

2.4.3 Eigenschaften und Bezeichnungen von Lead Usern

Die deskriptiven Ergebnisse geben erste Hinweise darauf, dass der Themenbereich
der Lead User in den vergangenen Jahren in Theorie und Praxis an Aufmerksamkeit
gewonnen hat. Während die wissenschaftlichen Paper das Thema der Lead User-
Integration ausführlich behandeln, 62 gibt es bei den Veröffentlichungen in der Praxis
die Möglichkeit, dass der Lead User-Ansatz ausführlich erläutert oder lediglich er-
wähnt wird. 63 Die Analyse der Artikel zeigt, dass 59% (151) der Veröffentlichungen
Lead User nur erwähnen, nicht aber ausführliche Definitionen, Integrationsmöglich-
keiten, Methoden und dergleichen bringen. Dementsprechend bieten nur 41% (104)
der Artikel ausführliche Erläuterungen. Um die Integration von Lead Usern systema-
tisch und effizient durchzuführen, wäre eine ausführlichere Erläuterung und bessere
Kommunikation von der Theorie zur Praxis vorteilhaft. Noch weniger Erläuterungen
finden sich in den letzten drei Jahren (2013 bis 2015). Von 44 veröffentlichten Fach-
artikeln in diesem Zeitraum beinhalten nur 12 (27%) ausführliche Erläuterungen. In
32 (73%) Artikeln wird der Lead User-Ansatz nur erwähnt. Ein möglicher Grund dafür
ist, dass ein korrektes Verständnis des Lesers vorausgesetzt werden kann. Nachfol-
gend wird daher untersucht, ob das Verständnis in Theorie und Praxis konform ist
oder ob falsche Interpretationen in der Praxis existieren, die die Notwendigkeit einer
genaueren und richtigen Erläuterung bedingen.
Die Eigenschaften von Lead Usern sind in der Theorie nach von Hippel (1986) defi-
niert, wie in Kapitel 2.3.1 erläutert. Davon ausgehend wurde zunächst festgestellt,
dass von Hippels Definition in den meisten Fällen, insbesondere wenn Wissenschaft-
ler involviert sind, angewandt wird. Darüber hinaus ist zu erkennen, dass weitere Ei-
genschaften, die Lead Usern in der Praxis zugesprochen werden, meist positiv sind.
Die meist genannten Charakteristika sind:
ƒ Anspruchsvoll/erfahren (Semlinger 2007; Wilkes 2012)
ƒ Fortschrittlich/vorauseilend (Bilgram und Jawecki 2011; Fösken 2009; Koob und
Schoegel 2008; Maurer 2007; Murtinger 2010; Pätzmann 2003)

62 Aufgrund der Tatsache, dass der Begriff Lead User entweder im Titel, Abstract und/oder den
Keywords der wissenschaftlichen Paper zu finden sind, kann davon ausgegangen werden, dass
diese Publikationen das Thema behandeln und Lead User ausführlich erläutern. Diese Annah-
me wurde durch das Lesen der Paper bestätigt.
63 Die analysierten Artikel beinhalten mindestens ein Mal den Begriff Lead User. Es ist also mög-
lich, dass dieses Themenfeld nicht ausführlich erläutert sondern nur nebenbei erwähnt wird.
Bsp. zur Veranschaulichung: „Eine weitere Strategie ist es, auf Lead User oder Early Adopters
der Zielgruppe, zum Beispiel erfolgreiche Weblogger oder MySpace-Musiker, und deren Wir-
kung zu setzen“ (Schön et al. 2011, S. 13).
Literaturanalyse praxisorientierter Fachmagazine zum Lead User-Begriff 47

ƒ Innovativ (Bretschneider et al. 2011; Ernst 2004; Hackhausen 2006; Jenner


2007; Judt und Klausegger 2009; Kinter und Granval 2013; Nohr 2004; Wessner
und Weissmann 1996)
ƒ Kreativ/gewitzt (Jansen 2009; Rigley und Pärsch 2015; Willenbrock 2012)

ƒ Meinungsbildend/-führend (Kaps et al. 2011; Karle 2014; Walcher 2008)


ƒ Speziell/intensiv (Kersten et al. 2012; Puscher 2013; Reckenfelderbäumer und
Wille 2008)
ƒ Technikbegeistert (Wieking 2004)

ƒ Wichtig/wertvoll (Ivens 2002; Pennekamp 2009)

Solche Eigenschaften zeigen, dass Lead User als positiv und erfolgversprechend für
das Unternehmen betrachtet werden. Charakteristika wie speziell (Kersten et al.
2012) und intensiv (Puscher 2013) verdeutlichen jedoch auch, dass Lead User an-
ders sind als die Masse. Zudem werden Eigenschaften genannt, die vom theoreti-
schen Verständnis abweichen. So werden Lead User in der Praxis als meinungsfüh-
rend bezeichnet (Karle 2014; Walcher 2008), in der wissenschaftlichen Literatur wird
der Begriff Lead User jedoch von dem des Meinungsführers abgegrenzt (Kratzer und
Lettl 2009). Ähnliche Beispiele sind bei Walcher (2008) zu erkennen, wo Lead Usern
„Wesenszüge von Trend- und Meinungsführern" (Walcher 2008, S. 245) zugeordnet
werden sowie bei Schögel et al. (2005), wo Communities als „Lead User und Mei-
nungsführer" (Schögel et al. 2005, S. 3) angesehen werden.
Die Auswertung der für Lead User genutzten Bezeichnungen zeigt ein ähnliches Bild
und stimmt meist mit den theoretischen Kriterien überein. 64 Oftmals werden positive
Begriffe gewählt und Lead User als wichtige Kunden dargestellt, die den Unterneh-
men wertvolles Feedback geben können. Häufige Bezeichnungen innerhalb der pra-
xisorientierten Fachartikel sind etwa:
ƒ Bastler (Jacobs 1998)

ƒ Elite/Experten (Klähn 2007; Schulten et al. 2010)


ƒ Extremanwender/Vielnutzer (Gassmann et al. 2005; Gillies 2006b)

ƒ Impulsgeber/Leitkunden (Buchholz und Werner 1997; Ciupek 2008; Schwarz


2000)

64 Es gilt zu beachten, dass unterschiedliche Bezeichnungen für Lead User aus Stilgründen ge-
nutzt werden, um ständige Wiederholungen des Begriffs zu vermeiden. Da außerdem deutsch-
sprachige Fachartikel analysiert wurden, ist zu vermuten, dass einige Bezeichnungen für Lead
User gewählt wurden, um den englischen Begriff zu vermeiden. Auch bei der Bezeichnung des
Lead User-Ansatzes existieren verschiedenste Begriffe wie Lead User-Integration, Lead User-
Konzept, Lead User-Kooperation, Lead User-Marktforschung, Lead User-Methode, Lead User-
Methodik, Lead User-Prinzip, Lead User-Projekt, Lead User-Prozess oder Lead User-Strategie.
48 Theoretische Grundlagen: Der Lead User-Ansatz

ƒ Pionieranwender/frühe Anwender (Heuer 2005; Kröher 2005; Siemon 2012)


ƒ Schlüsselkunden/Trendführer (Bunk 2001; Hanser et al. 1996; Junge 2011; Lang
2006b)
ƒ Vertrauenskunde/Referenzkunde (Labriola und Nippa 2005; Saab 2005)

Auch hier wird deutlich, dass Lead User als von der Masse abweichend angesehen
werden, so werden sie bspw. als Querdenker bezeichnet (Gillies 2006b). Dies ist je-
doch nicht zwangsläufig negativ gemeint. Stattdessen verdeutlicht diese Bezeich-
nung die Eigenschaft von Lead Usern, anders als die breite Masse zu denken und in
der Lage zu sein, zukünftige Bedürfnisse früher als der Rest erkennen zu können
(von Hippel 1986).

2.4.4 Verständnis von Lead Usern

In nur 41% der praxisorientierten Fachartikel wird der Lead User-Ansatz ausführlich
erläutert bzw. definiert. Umso wichtiger ist es daher, dass die Erläuterungen korrekt
sind, um ein treffendes Verständnis von Lead Usern zu schaffen. Beim überwiegen-
den Teil der Artikel ist ein mit der Theorie konformes Verständnis festzustellen. Die
durch von Hippel definierten Charakteristika werden entweder wörtlich wiedergege-
ben oder korrekt umschrieben. Jedoch ist in einigen Artikeln ein abweichendes und
aus theoretischer Sicht teilweise falsches Verständnis zu erkennen, wie nachfolgen-
de Beispiele verdeutlichen:
ƒ Eine Sparkassenfiliale wird als Lead User bezeichnet, die als First Mover eine
neue Form des Kreditantrags angeboten, aber nicht entwickelt hat (Friggemann
2007)
ƒ Endkonsumenten, die durch ihr Kaufverhalten den Markt entscheidend prägen
(Gromball 2007)
ƒ Großkunden, die Produkte zuerst testen, werden als Lead User benannt
(Schneider 2003)

ƒ Lead User sind Firmen, die dem Unternehmen CargoLifter 65 zukünftig nutzen
werden und daher Kapazitäten und Unterstützung für die Entwicklung zur Verfü-
gung stellen (Steffes und Lutz 2000)
ƒ Lead User sind Händler, die lediglich an einem bestimmten Projekt teilnehmen
(Günther 2002)

65 Die Cargolifter AG wurde 1996 gegründet und wollte durch die Entwicklung eines Luftschiffs zur
Beförderung von Lasten die Transporttechnik revolutionieren. Nach einer erfolgreichen Vor-
gründungsphase und einem Börsengang im Jahr 2000 musste das Unternehmen durch wieder-
holte Nachkalkulation der Kosten sowie fehlender Investoren 2002 Insolvenz anmelden
(Schwarzburger 2001; Steffes und Lutz 2000).
Literaturanalyse praxisorientierter Fachmagazine zum Lead User-Begriff 49

ƒ Lead User sind industrielle Anleger (Schwarzburger 2001)


ƒ Lead User sind repräsentative Kunden (Frank und Tobias 2010)

ƒ Lead User sind Unternehmen, deren Entwicklungsstand des Multiprojektmana-


gements weit fortgeschritten ist (Seibert 2009)

ƒ Lead User üben als Verbraucherapostel Einfluss auf die Entwicklung bekannter
Marken aus (Kilian 2015)
ƒ Lead User werden als Werbeträger für neue Produkte bezeichnet und weniger
als Innovatoren (Hermes 2012)
ƒ Öffentliche Hand (Politik) wird als Lead User bezeichnet (Dauchert et al. 2013)

Lead User werden also häufig mit wichtigen Kunden gleichgesetzt (Frank und Tobias
2010; Schneider 2013), die jedoch nicht zwingend frühzeitig Kundenbedürfnisse er-
fahren sowie von Innovationen profitieren. Oftmals sind sie lediglich Kunden, die für
die Unternehmen als Geldgeber oder frühe Partner wichtig sind (Schwarzburger
2001; Steffes und Lutz 2000). Zudem werden Lead User aus praktischer Sicht häufig
als potenzielle Kunden oder Werbeträger des Unternehmens gesehen (Gromball
2007; Hermes 2012), ihre Expertise zur Entwicklung von Innovationen ist dabei nicht
oder nur kaum von Belang.
Auf Basis der analysierten Fachartikel kann also festgestellt werden, dass die Lead
User-Eigenschaften nicht immer korrekt wiedergegeben werden. Dadurch kann sich
ein falsches Verständnis festigen. Auch kann bei einer bloßen Erwähnung des An-
satzes nicht davon ausgegangen werden, dass die Leser den Ansatz korrekt einord-
nen können. Daher sollte zukünftig darauf geachtet werden, den Ansatz in Facharti-
keln korrekt und ausführlich zu erläutern.

2.4.5 Umsetzung und Prozess von Lead User-Projekten


Um den Lead User-Prozess auf Basis praktischer Erfahrungen überarbeiten zu kön-
nen, werden in den Kapiteln 5 und 6 umfangreiche empirische Studien durchgeführt.
Die Literaturanalysen bieten zuvor erste Aussagen und Annahmen zum angewand-
ten Prozess der Lead User-Integration.
In Bezug auf die Umsetzung des Lead User-Ansatzes ist in den letzten Dekaden ein
entsprechender Verlauf zu erkennen. 2003 wurde der Ansatz noch als neuartig und
wenig angewandt bezeichnet: „Das ist eine für Europa neue Methode, die zudem
aufwändiger und teurer ist als bisherige“ (Grosser 2003, S. 16). Auch Sandmeier und
Wecht (2004) stellen fest: „Dieser «Lead User»-Ansatz hat aber in vielen Branchen
und gerade bei KMU noch keine weite Verbreitung gefunden“ (Sandmeier und Wecht
(2004, S. 31). Ab 2005 sind jedoch vermehrt Aussagen zu erkennen, die den Lead
50 Theoretische Grundlagen: Der Lead User-Ansatz

User-Ansatz als eine erfolgreiche und etablierte Methodik darstellen (Gillies 2006a;
Lemke und Goffin 2005; Schreiber 2007; Wilkes 2012). Bspw. erläutert Liebl (2005):
„Die Beobachtung von Lead Usern als Inspirationsquelle für Innovationen ist mittler-
weile zu Recht erkannt und auf dem Wege, sich auf breiter Front durchzusetzen“
(Liebl 2005, S. 36). Dementsprechend sind in den letzten Jahren vermehrt Unter-
nehmensbeispiele zu finden, bei denen Lead User integriert werden, bspw. Webasto
(Klauß 2014), Beiersdorf (Bilgram et al. 2013), Mammut (Schweisfurth et al. 2013),
Lego (Burmeister und Loh 2009) oder Adobe (Tapscott und Williams 2007). Auch die
in der Theorie etablierten Unternehmensbeispiele wie Hilti (Grosser 2003; Wilkes
2012), Johnson & Johnson (Herstatt und Engel 2006) und 3M (Bilgram und Jawecki
2011; Bretschneider et al. 2011; Krempl 2007; Schäfer 2009) werden in praxisorien-
tierten Artikeln genannt.
Zur Identifizierung und Integration von Lead Usern werden neben dem klassischen
Screening und Pyramiding (Jansen 2009; Lang 2006a; Pätzmann 2003) auch virtuel-
le Methoden aus dem Online-Bereich durchgeführt. Dabei werden Innovationssignale
in Online-Communities identifiziert (Markus et al. 2013), Lead User in virtuellen Pro-
gnosemärkten erkannt (Müller 2009), Ideen von Lead Usern in Online-Workshops
(Honsel 2007) sowie durch Netnography (Salvenmoser 2009) gesammelt oder Lead
User in virtuellen Workshops unter Zuhilfenahme von Toolkits integriert (Krempl
2007). Der technische Fortschritt und die stetige Entwicklung des Internets und des-
sen Methoden bieten wesentliche Vorteile durch die drastische Erhöhung der Kom-
munikationsreichweite und die Möglichkeit, mit Nutzern in aller Welt kommunizieren
zu können (Gieseking 2009). Jedoch wird auch vor möglichen Risiken dieser Ent-
wicklung gewarnt. So stellen Schroll und Römer (2011) fest: „Ideenwettbewerbe ha-
ben in den letzten Jahren, verstärkt durch die zunehmende Internetnutzung, stark
zugenommen. Dadurch entstand ein echter Kampf um die Aufmerksamkeit von Early
Adoptern und Lead Usern. Auftraggeber sind immer öfter gezwungen, zu neuen Mit-
teln zu greifen um ihre Zielgruppe zu erreichen“ (Schroll und Römer 2011, S. 59). Die
Nutzer sind also einer Überflutung an Möglichkeiten zur Partizipierung am Innova-
tionsprozess ausgesetzt. Diese Gefahr wird durch die Tatsache verstärkt, dass Lead
User sehr selten sind und sich aufgrund ihrer intrinsischen Motivation meist nur an
Fragestellungen beteiligen, die ihren Interessen entsprechen (Enkel 2011; Salven-
moser 2009; Schreiber 2007).

Wer im Unternehmen für die Durchführung von Lead User-Projekten zuständig ist,
kann auf Grundlage der Fachartikel nur schwer beurteilt werden. 66 Meist wurden in

66 Zwar wurden die Artikel in Bezug auf die Abteilungen untersucht. Jedoch kann nicht definitiv
angenommen werden, dass nur die genannten Abteilungen verantwortlich sind. Stattdessen
können auch Abteilungen integriert werden, die im Artikel nicht genannt werden.
Literaturanalyse praxisorientierter Fachmagazine zum Lead User-Begriff 51

den Artikeln gar keine für die Lead User verantwortliche Abteilungen oder Personen
genannt. 67 Die Analyse ergab jedoch, dass am häufigsten interdisziplinäre Teams
vorgeschlagen werden (Bilgram et al. 2013; Metzmann 2009; Pätzmann 2003). Dies
ist konform mit der Theorie, nach der ein Team aus verschiedenen Abteilungen und
Zuständigkeiten bestehen sollte (Churchill et al. 2009; Lüthje und Herstatt 2004; Ol-
son und Bakke 2001). Weiterhin wurden die Abteilungen Marketing (bspw. Baeuchle
2006; Junge 2011; Koob und Schoegel 2008; Schögel et al. 2005; Steinbiß und
Volkmann 2007; Wilkes 2012) sowie Forschung & Entwicklung (bspw. Haefliger
2009; Hantrop 2005; Kranz et al. 2009) am häufigsten genannt.
Die Anzahl der integrierten Lead User variiert stark. Oftmals werden sechs bis zehn
Lead User einbezogen, was eine steuerbare Workshopgröße darstellt (Gieseking
2009). Es konnten aber auch Beispiele identifiziert werden, bei denen 30 oder mehr
Lead User integriert wurden, bspw. in einem Online-Panel (Baeuchle 2006; Koob und
Schoegel 2008). Die Dauer der Lead User-Projekte variiert ebenfalls und reicht von
einem Zeitraum von 14 Tagen (Willenbrock 2012) bis zu sechs Monaten (Ciupek
2008), wobei für die Vor- und Nachbereitung eines Projekts weiterer Aufwand zu er-
warten ist. Die Workshops dauern i.d.R. zwei bis drei Tage (Herstatt et al. 2002;
Honsel 2007; Klauß 2014). Die Integration von Lead Usern wurde bei einigen Unter-
nehmen als feste, regelmäßige Methodik implementiert, sodass diese einen routinier-
ten Umgang mit Lead Usern pflegen (Ciupek 2008; Honsel 2007; Wilkes 2012). Die
in den praxisorientierten Fachartikeln genannten Chancen und Risiken entsprechen
zum Großteil der in Kapitel 2.3.3 erläuterten Theorie. 68

Ausgehend von der in Kapitel 2.3.2 definierten Lead User-Theorie wurde weiterhin
analysiert, ob es in den Fachartikeln Hinweise auf den in der Praxis angewandten
Prozess gibt. Dabei bietet sich die Schwierigkeit, dass nur wenige Artikel den Pro-
zess detailliert erläutern. 69 Dennoch sind Hinweise für Besonderheiten und Prozess-

67 Betrachtet wurden die 113 Fachartikel, in denen der Lead User-Ansatz erläutert und nicht nur
erwähnt wurde. Keine genaue Zuständigkeit für Lead User: 48 Nennungen, Interdisziplinäres
Team: 26, Marketing: 19, Forschung & Entwicklung: 10, Externe Experten: 4, Marktforschung:
3, Innovationsabteilung: 2, Produktentwicklung: 1.
68 Auf die ausführliche Erläuterung der Chancen und Risiken wird daher an dieser Stelle verzich-
tet. Eine detaillierte Auflistung findet sich bei Lehnen et al. (2014). Eine Darstellung der Vor-
und Nachteile der Kundenintegration in den frühen Phasen des Innovationsprozesses bieten
zudem Gassmann et al. (2005).
69 Meist wird eine kurze Erläuterung gebracht, jedoch keine detaillierte Beschreibung der einzel-
nen Phasen, bspw: „Ein bewährter Ansatz ist die Lead User Methode, bei der hochgradig inno-
vative Anwender in die frühen Innovationsphasen eingebunden werden. Diese sind mit ihren
Bedürfnissen der breiten Masse weit voraus und entwickeln bereits frühzeitig - wenn noch keine
passenden Produkte am Markt sind - eigene Lösungsideen, -konzepte und funktionsfähige Pro-
totypen. Auf deren Basis sowie den darin ausgedrückten Bedürfnis- und Lösungsinformationen
werden im Rahmen von Workshops konkrete Konzepte für innovative Produkte und Dienstleis-
tungen entwickelt. Diese unterscheiden sich oft deutlich von bisher bekannten Lösungen und
52 Theoretische Grundlagen: Der Lead User-Ansatz

änderungen in der Praxis zu erkennen. Der angewandte Prozess ähnelt dem theore-
tischen Prozess (vier Phasen) meist (Bretschneider et al. 2011; Hering et al. 2011).
Eine praktische Abweichung ist jedoch zu Beginn des Lead User-Prozesses zu er-
kennen. In der Theorie werden Lead User identifiziert, die Ideen generieren. Diese
werden evaluiert, daraufhin entwickeln Lead User und Mitarbeiter, meist in Form von
Workshops, gemeinsam innovative Konzepte aus diesen Ideen (Herstatt und von
Hippel 1992; Lüthje und Herstatt 2004). In der Praxis sind hier Abweichungen zu er-
kennen. Insbesondere durch die Anwendung virtueller Methoden wie Online-
Communities oder Crowdsourcing ist eine Masse an Ideen und externen Wissen
teilweise bereits vorhanden (Dittrich und Spanner-Ulmer 2011). Die Lead User müs-
sen selber also keine Ideen mehr entwickeln, sondern werden von den Unternehmen
eingesetzt, um die Ideen zu evaluieren, auszusortieren und weiterzuentwickeln
(Krempl 2007). Lead User werden außerdem befragt, um die Arbeit der Forschung &
Entwicklung oder der Marktforschung zu bewerten (Schachinger 2011). Einen weite-
ren Unterschied zur Theorie stellt die Möglichkeit dar, die Lead User zur aktiven Ei-
genbewerbung aufzufordern, wie bspw. die Handelskette Real durch die Online-
Community familiymanager: 70 „Im Gegensatz zu herkömmlichen Konzepten, bei de-
nen die Lead User erst aufwändig aufgespürt werden müssen, haben die Mitglieder
der real-familymanager-Gemeinde die Möglichkeit, sich selbst als Experte zu bewer-
ben. Sie werden von real,- zugelassen, sofern sie ein gewisses Aktivitätsniveau in-
nerhalb der Community haben und aus ihrer Bewerbung eine ausreichende Experti-
se für die Moderation eines vakanten familymanager-Forums hervorgeht“ (Schulten
et al. 2010, S. 47). Jedoch muss bei solchen Ansätzen ganz besonders untersucht
werden, ob es sich tatsächlich um Lead User handelt oder ein anderes Verständnis
(bspw. lediglich wichtige Kunden) vorherrscht.
Um die identifizierten Defizite zwischen Theorie und Praxis zu erklären, kann die
Wissenstransfertheorie angewandt werden.

2.5 Wissenstransfer als Erklärung der Defizite zwischen Theorie und Praxis
Aus dem Vergleich der Literaturanalysen resultieren Defizite zwischen Theorie und
Praxis insbesondere in Bezug auf das Verständnis von Lead Usern sowie dem an-
gewandten Prozess zur Lead User-Integration. Als eine erklärende Theorie zu die-
sem Phänomen erscheint die Wissenstransfertheorie sinnvoll. Die (I) Integration von
Lead Usern in den Innovationsprozess stellt einen Wissenstransfer dar: Möglichst
viel marktrelevantes Wissen und Kreativität wird von den Lead Usern in das Unter-

treffen dazu noch mit hoher Wahrscheinlichkeit den Geschmack der Kunden“ (Schöllhammer
2014, S. 22).
70 Schulten et al. (2010) bezeichnen dies als meritorisches Community Management.
Wissenstransfer als Erklärung der Defizite zwischen Theorie und Praxis 53

nehmen transferiert (Jeppesen und Laursen 2009; Korell 2004; Probst et al. 2012).
Zudem stellt (II) der Übergang des Methodenwissens von Theorie zur Praxis einen
Wissenstransfer dar (Mahr und Lievens 2012; Pircher 2014). In Kapitel 3.1 werden
der Lead User-Ansatz und die Wissenstransfertheorie kombiniert, um daraus die
Forschungsfragen abzuleiten. Als theoretische Basis dafür werden nachfolgend rele-
vante Begriffe (Wissen, Wissensmanagement und -transfer) dieser Theorie definiert
und unterschiedliche Ebenen, Barrieren sowie Lösungsansätze dargestellt.

2.5.1 Wissen

Sowohl auf internationaler Ebene als auch im deutschsprachigen Raum existieren


zahlreiche Definitionen und Modelle zum Begriff des Wissens (Bresman et al. 1999;
Nonaka und Takeuchi 1995; Schettgen 2013; Schmid 2013; Völker et al. 2007). 71
Von Krogh et al. (1998) definieren wesentliche Basisaspekte des Wissens und er-
kennen, dass Wissen sowohl explizit (eindeutig kommunizierbar) als auch implizit 72
(Wissen vorhanden aber nicht verbalisierbar) auftreten kann. Auch North (2011) er-
läutert die Komplexität der Wissensübertragung und definiert: „Wissen beinhaltet un-
ter anderem Patente, Prozesse, Technologien, Fähigkeiten, Fertigkeiten und Erfah-
rungen der Mitarbeiter, Informationen über Kunden, Märkte und Lieferanten. Wissen
entsteht in einem spezifischen Kontext und kann davon nicht losgelöst betrachtet
werden, es ist an Personen gebunden und vielfach unbewusst“ (North 2011, S. 2).
Die Definition des Wissensbegriffs steht zumeist in direktem Zusammenhang mit Da-
ten und Informationen (Alavi und Leidner 2001). Als Daten werden dabei logische
Abfolgen von Zeichen definiert, die jedoch nicht interpretierbar und daher nicht ver-
wertbar sind. Eine Interpretation ist erst möglich, wenn eine Beziehung hergestellt
werden kann und die Zeichen somit eine Bedeutung haben. Dies wird als Informatio-
nen bezeichnet, die als Vorbereitung für Entscheidungen genutzt werden können
(Völker et al. 2007). Probst et al. (2012) verdeutlichen den Gegensatz zwischen Da-
ten bzw. Informationen und personengebundenen Wissen: „Wissen stützt sich auf
Daten und Informationen, ist im Gegensatz zu diesen jedoch immer an Personen
gebunden. Es wird von Individuen konstruiert und repräsentiert deren Erwartungen
über Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge“ (Probst et al. 2012, S. 23). Als Zusam-
menfassung verschiedener Definitionen (Nonaka und Takeuchi 1995; North 2011;
Probst et al. 2012; Schüppel 1996; von Krogh et al. 1998; Yih-Tong Sun und Scott
2005) wird Wissen für diese Arbeit folgendermaßen definiert:

71 Bspw. identifizieren Anand und Singh (2011) zwölf verschiedene Wissensdefinitionen, die sich
in Bezug auf bestimmte Aspekte (z. Bsp. Informationen und Erfahrungen als Grundlage von
Wissen) stark ähneln.
72 In der Originalquelle wird implizites Wissen als tacit knowledge bezeichnet (von Krogh et al.
1998).
54 Theoretische Grundlagen: Der Lead User-Ansatz

Wissen beinhaltet die Anwendung von sowohl theoretischen als auch praktischen
Informationen, Daten und Erfahrungen, um Probleme zu lösen und Entscheidungen
zu treffen.
Weiterhin existieren zahlreiche Wissensmodelle wie die Wissenstreppe nach North
(2011) oder die Wissenspyramide nach Gassmann (2006). Schmid (2013) liefert eine
Übersicht in Bezug auf Kriterien, Wissensart und Merkmale (Tabelle 7):

Tabelle 7: Überblick der unterschiedlichen Wissensarten 73

Kriterium Wissensart Merkmale

Implizites Wissen Wissen an persönlichen Kontext gebunden


Wissens-
explizierung
Explizites Wissen In Worten/Zahlen (bspw. in Handbüchern) mitteilbar

Individuelles Wissen An Einzelperson gebunden und nur dieser zugänglich


Wissens-
träger
Kollektives Wissen Wird von einer Gruppe oder Organisation geteilt

Internes Wissen Wissen aus Eigenfertigung (Forschung etc.)


Wissens-
bezug
Externes Wissen Wissen aus Fremdbezug (Bibliotheken, Internet etc.)

Praxiswissen Wissen aus praktischer Erfahrung


Wissens-
quellen
Theoriewissen Wissen aus theoretischen Aussagen

Für die nachfolgende Analyse des Wissenstransfers von Lead User zu Unternehmen
bzw. Theorie zu Praxis sind insbesondere die Wissensarten des internen und exter-
nen Wissens sowie Praxis- und Theoriewissens bedeutend (Wolter 2009). Es wird
untersucht, ob das unterschiedliche Verständnis von Lead Usern auf einer problema-
tischen Integration externen Wissens beruht. Dabei ist fraglich, ob Unternehmen ex-
ternes Wissen nicht annehmen können oder ob sie es nicht annehmen wollen
(Schmid 2013). Ein möglicher Grund wäre, dass die theoretischen Aussagen nicht in
die praktische Arbeit integriert werden können (Riege 2007). Es ist jedoch auch mög-
lich, dass Unternehmen ihr Praxiswissen dem theoretischen Wissen vorziehen und
daher ihre eigenen Erfahrungen umsetzen (Katz und Allen 1982). Für die Generie-
rung und Nutzung von Wissen ist ein effektives Wissensmanagement notwendig.

2.5.2 Wissensmanagement

Auch bei der Definition von Wissensmanagement finden sich unterschiedliche Ansät-
ze (Anand und Singh 2011; Davenport et al. 1998; Kusterer 2008a; Lehner 2014).

73 Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Schmid (2013) und Völker et al. (2007).
Wissenstransfer als Erklärung der Defizite zwischen Theorie und Praxis 55

Götz (2008) benennt als Voraussetzungen für ein erfolgreiches Wissensmanage-


ment, „...dass personales und systemisches Wissen in Wissenskreisläufen zusam-
menspielen und die Ressource Wissen auch durch die Lernfähigkeit der Organisati-
on selbst zum kritischen Produktivfaktor der intelligenten Organisation wird“ (Götz
2008, S. 5). Als wesentliche Aufgaben des Wissensmanagements benennt Schmid
(2013) die Sicherstellung der Informations- und Kommunikationstechnik. Dies betrifft
die Speicherung und Dokumentation von Wissen, um es für weitere Personen zur
Verfügung zu stellen. Im Bereich des Human Ressource ist die Motivation der Mitar-
beiter zur Nutzung und Weiterentwicklung von Wissen Aufgabe eines effizienten
Wissensmanagements (Kusterer 2008a). Schließlich muss das Unternehmen die
Strukturen und Prozesse aus organisatorischer Sicht bieten, um die Mitarbeiter zu
unterstützen (Schmid 2013). North (2011) definiert als Ziel des Wissensmanage-
ments, „Wissen optimal zu nutzen, weiterzuentwickeln und in neue Produkte, Pro-
zesse und Geschäftsfelder umzusetzen“ (North 2011, S. 3). Zum Erreichen dieses
Ziels entwickelten Probst und Büchel (1994) eines der grundlegendsten Wissensma-
nagementmodelle, das sechs Bausteine beinhaltet (North 2011; Probst und Büchel
1994; Völker et al. 2007):
1) Wissensidentifikation: Überblick über externes und internes Wissen (Daten,
Kenntnisse, Informationen)
2) Wissenserwerb: Betrifft den Wissenserwerb durch Externe (Kunden, Lieferan-
ten, Konkurrenten, Partner), die eine erfolgversprechende Quelle sein können
3) Wissensentwicklung: Interne Entwicklung von Wissen zur Erlangung besserer
Ideen, neuer Fähigkeiten und Produkte sowie effizienterer Prozesse
4) Wissens(ver)teilung: Vorhandenes Wissen muss an den richtigen Adressaten
zum geeigneten Zeitpunkt verteilt werden, kann jedoch intern aufgeteilt wer-
den
5) Wissensnutzung: Nutzung von Wissen muss gewährleistet sein, wird jedoch
oft behindert, obwohl das Wissen vorhanden ist (bspw. Transfer Theorie zu
Praxis)
6) Wissensbewahrung: Auswahl und Speicherung von relevanten Wissen für
spätere Zeitpunkte durch effiziente Dokumentation

Zur Verankerung in die Unternehmensstrategie wurde das Modell um die Bausteine


der Wissensziele sowie der Wissensbewertung ergänzt (Probst et al. 2012). Die Wis-
sensziele dienen dazu, dem Wissensmanagement durch die Definition klarer Ziele
eine strategische Richtung zu geben. Diese Ziele müssen durch geeignete Methoden
evaluiert werden (Wissensbewertung), um die Einhaltung der Wissensziele überprü-
fen zu können (Keuper 2009). Auf Grundlage der zuvor erläuterten Definitionen und
56 Theoretische Grundlagen: Der Lead User-Ansatz

Modelle des Wissensmanagements (Anand und Singh 2011; Davenport et al. 1998;
Keuper 2009; Kusterer 2008a; Lehner 2014; Probst et al. 2012) wird folgende Defini-
tion als grundlegend für diese Arbeit zusammengefasst:
Wissensmanagement bezeichnet die optimale, von internen und externen Faktoren
beeinflusste Nutzung und Weiterentwicklung von Wissen, um es in neue oder ver-
besserte Produkte, Prozesse und Geschäftsfelder umzusetzen.

2.5.3 Wissenstransfer

Wissenstransfer wird als Überführung von Wissen einer Einheit (Person, Gruppe,
Institution) zur nächsten definiert (Musial et al. 2013). Wesentlich ist dabei die opti-
male Wissensverteilung (North 2011). Das richtige Wissen muss an den geeigneten
Adressaten weitergeleitet werden (Argote und Ingram 2000). Hier zeigt sich die Be-
deutung des Wissenstransfers als wesentlicher Teil des Wissensmanagements
(Schmid 2013). Basierend auf dem grundlegenden Sender-Empfänger-Modell nach
Shannon und Weaver (1964) verdeutlicht Abbildung 12 einen vereinfachten Ablauf
des Wissenstransfers:

Wissenssender Wissen Wissensempfänger

Wissensgenerierung Wissensfluss Wissensverwertung

Abbildung 12: Modell des Wissenstransfers 74

Dem Modell nach Shannon und Weaver wird der Aspekt des Wissensfluss (Wis-
sensgenerierung und -verwertung) nach Schüppel (1996) hinzugefügt, um zu ver-
deutlichen, dass Wissenstransfer nicht nur einseitig abläuft. Stattdessen verläuft der
Wissensfluss in beiderseitige Richtung, sodass auch der Wissenssender durch den
Wissensempfänger beeinflusst wird (Schmid 2013). Aufbauend auf Argote und In-
gram (2000), North (2011), Schüppel (1996) sowie Shannon und Weaver (1964) wird
der Begriff Wissenstransfer für diese Arbeit zusammengefasst als:

Wissenstransfer ist die effiziente Übertragung von Wissen von einem Objekt 75 zum
anderen, um dieses optimal nutzbar zu machen.

74 Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Kohler (2008), Schüppel (1996), Shannon und
Weaver (1964) sowie Wolter (2009).
75 Mit Objekt können sowohl Personen, Gruppen und Organisationen oder auf höherer Ebene
Theorie und Praxis gemeint sein (van de Ven und Johnson 2006).
Wissenstransfer als Erklärung der Defizite zwischen Theorie und Praxis 57

2.5.4 Ebenen des Wissenstransfers

Wissensbarrieren treten dann auf, wenn das mögliche Potenzial an Wissen nicht
ausgenutzt und der Lernprozess behindert oder gehemmt wird (Schüppel 1996). 76
Dabei wird zwischen Änderungsbereitschaft und Änderungsfähigkeit unterschieden
(Schmid 2013). In Fällen, die der Änderungsbereitschaft zugeordnet werden, ist ein
Wissenstransfer generell möglich, jedoch unter Umständen nicht erwünscht. Das
Gegenteil tritt bei der Änderungsfähigkeit auf. In solchen Fällen ist der Wissenstrans-
fer zwar gewollt aber nicht möglich (Wolter 2009). Innerhalb dieser Dimensionen
werden vier wesentliche Ebenen von Wissenstransferbarrieren (Kennen, Können,
Sollen, Wollen) unterschieden (Schmid 2013), die im weiteren Verlauf der Arbeit auf
den Lead User-Ansatz angewandt und nachfolgend erläutert werden (Abbildung 13):

Wissenstransfer

Bereitschaft Fähigkeit

Sollen Wollen Können Kennen

Organisation Motivation Qualifikation Kommunikation

Abbildung 13: Ebenen des Wissenstransfers 77

Der Änderungsbereitschaft werden die Aspekte Sollen 78 und Wollen zugeordnet


(Wolter 2009). Die Einordnungen Können und Kennen werden hingegen der Ände-
rungsfähigkeit zugeordnet (Keuper 2009; Schuster 2013):
Sollen: Ist die Wissensannahme/-weitergabe gestattet oder bestehen Verbote?
Wollen: Zwar kann Wissenstransfer betreiben werden, doch ist dies erwünscht?

Können: Obwohl Wissen transferiert werden darf, besteht die Fähigkeit dazu?
Kennen: Sind grundsätzlich Quellen bekannt, um Wissen anzueignen bzw. weiter zu
geben?
Den einzelnen Wissensebenen werden relevante Einflussfaktoren (Organisation, Mo-
tivation, Qualifikation, Kommunikation) zugeordnet, die den Wissenstransfer beein-

76 Für einen umfangreichen Überblick von Wissensbarrieren sei auf Kern et al. (2009) verwiesen,
die einen Katalog von 46 Wissensbarrieren erstellen.
77 Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Keuper (2009), Schuster (2013) und Wolter (2009).
78 Diese Ebene wird auch als Dürfen bezeichnet (Schmid 2013).
58 Theoretische Grundlagen: Der Lead User-Ansatz

flussen (Schmid 2013). 79 Einen Zusammenhang zum Innovationsmanagement stel-


len Hauschildt und Salomo (2011) her, die eine Beziehung der Barrieren des Nicht-
Wissen, Nicht-Wollen sowie Nicht-Dürfen zu ihrem etablierten Promotorenmodell
herstellen. Zur Verhinderung der Barrieren werden Fachpromotoren (Nicht-Wissen),
Machtpromotoren (Nicht-Wollen) sowie Prozesspromotoren (Nicht-Dürfen) 80 einge-
setzt (Helbig und Mockenhaupt 2009). Die Wissensebenen sind für die Entwicklung
der Forschungsfragen grundlegend, da sie genau die Aspekte der praktischen Um-
setzung des Lead User-Ansatzes betreffen, die durch diese Arbeit analysiert werden
(Bekanntheit, Bereitschaft, Qualifikation, Umsetzung). Die Ableitung der Forschungs-
fragen wird in Kapitel 3.1.3 vorgenommen. Die vier Ebenen werden zuvor jeweils aus
Sicht des Wissenssenders bzw. -empfängers diskutiert. 81

2.5.4.1 Beschreibung der Ebene Sollen

Sofern ein Wissenstransfer vom Unternehmen als Wissenssender nicht vorgesehen


ist, wird dieser aufgrund strategischer Restriktionen und der Projektorganisation be-
hindert (Schmid 2013). Die Weitergabe von Wissen wird aus strategischer Sicht als
ineffizient eingestuft oder ist nicht mit der Organisation des Unternehmens kompati-
bel. Auch finanzielle Vorgaben, bspw. durch das Controlling, können einen Grund für
Widerstand gegenüber Wissenstransfer darstellen (Kusterer 2008a). Aus Sicht des
Wissensempfängers betreffen die Barrieren der Kategorie Sollen wie zuvor beim
Sender strukturelle und politische Barrieren. So ist die Aufnahme von Wissen vom
Unternehmen nicht gewollt oder Strukturen sind so angelegt, dass der Wissenstrans-
fer behindert wird (Keuper und Oecking 2008). Eine wesentliche Barriere des Emp-
fängers stellt zudem mangelnde Reputation dar (Kohler 2008). Dabei entsteht Wider-
stand gegen die Aufnahme von Wissen, wenn der Empfänger dem Sender nicht ver-
traut oder sein Wissen nicht wertschätzt (North 2011).
Auf die Wissensebene Sollen wirkt insbesondere der Faktor der Organisation (Kern
et al. 2009). Eine für Wissenstransfer offene Unternehmenskultur ist nötig, um das
Repertoire an Wissen zu erhöhen (Gassmann et al. 2010a). Dabei ist es wichtig,
dass Unternehmensleitung als auch Mitarbeiter Neuem positiv gegenüber eingestellt

79 Diese Faktoren werden in den Kapiteln 2.5.4.1 bis 2.5.4.4 erläutert.


80 Der Prozesspromotor soll zusätzlich die Barriere des Nicht-Begegnens verhindern, die der Ebe-
ne Kennen zugeordnet werden könnte (Hauschildt und Salomo 2011).
81 Basierend auf verschiedenen Theoriequellen wird eine Vielzahl potentieller Wissensbarrieren
ermittelt und den einzelnen Kategorien zugeordnet. Dabei gilt es zu erwähnen, dass die Zuord-
nung der Barrieren nicht immer absolut ist, je nach Verständnis also auch anderen Kategorien
zugeordnet werden könnten. Will der Sender bspw. keinen Wissenstransfer (Ebene Wollen), so
könnte dies auch unter der Ebene Sollen beim Empfänger eingeordnet werden, da der Transfer
für ihn nicht erlaubt ist. Sofern eine Barriere dem Sender und Empfänger gleichzeitig zugeord-
net werden kann, müssen beide Parteien einbezogen werden. Dies ist vom Einzelfall abhängig.
Wissenstransfer als Erklärung der Defizite zwischen Theorie und Praxis 59

sind (Bendt 2000). Es muss für alle Beteiligten klar sein, dass neues Wissen eine
Bereicherung für das Unternehmen darstellt und nicht dazu dient, potenzielle Schwä-
chen der beteiligten Personen aufzudecken (Pircher 2014; Völker et al. 2007). Aus
organisatorischer Sicht ist es ein wesentlicher Faktor, entsprechende Ressourcen für
den Transfer von Wissen bereitzustellen. Dies betrifft neben finanziellen Anreizen
und Kompensationen der Mitarbeiter vor allem zeitliche Ressourcen. Mitarbeitern
müssen entsprechende Zeitfenster für den Wissenstransfer zur Verfügung gestellt
werden, um diesen effizient bewältigen zu können. Organisatorisch bedeutet dies,
Personen (teilweise) von ihren Tagesaufgaben zu entbinden, um genügend Zeit für
den Wissenstransfer aufbringen zu können (Bendt 2000).

2.5.4.2 Beschreibung der Ebene Wollen


Die Barrieren der Kategorie Wollen betreffen die Motivation des Wissenssenders
(Osterloh und Frey 2000; Wölbling und Keuper 2009). Der Wissenstransfer wird dann
nicht durchgeführt, wenn der Sender keinen Nutzen (fehlende Anreize, keine Kom-
pensation) darin sieht bzw. Nachteile für sich erwartet (Probst et al. 2012). Dies be-
inhaltet nicht nur den monetären Aspekt, auch machtpolitische Gesichtspunkte sind
eine wesentliche Barriere des Wissenstransfers (Seidel 2003). Bspw. fühlt sich der
Sender seinen Kollegen gegenüber überlegen und sieht für sich keinen Anreiz darin,
Wissen weiterzugeben, da er so seine Überlegenheit reduzieren würde (Kern et al.
2009). Für den Wissensempfänger ist das Not invented here-Syndrom (Katz und Al-
len 1982) insbesondere bei der Innovationsentwicklung eine häufig auftretende Bar-
riere (Cohen und Levinthal 1990). Empfänger wollen Wissen nicht annehmen, da es
nicht im eigenen Unternehmen entstanden ist. Es ist daher - in den Augen des Emp-
fängers - schlechter, zudem sieht der Empfänger eine Schwächung seines eigenen
Standpunkts, wenn er fremdes Wissen nutzt (Angst vor Gesichtsverlust). Auch die
gegenteilige Barriere, das Überlegenheitsdenken des Empfängers gegenüber dem
Sender, behindert den Wissenstransfer (Schuster 2013). Wissen wird nicht ange-
nommen, da sich der Empfänger dem Sender überlegen fühlt und daher sein Wissen
nicht wertschätzt. Auch die Überschätzung der eigenen Fähigkeiten ist eine wesentli-
che Barriere (Lehner 2014). Der Empfänger überschätzt eigenes Wissen und Eig-
nungen und nimmt daher fremdes Wissen nicht an, da sein Wissen vermeintlich aus-
reicht. Schließlich kann der Wissenstransfer auch durch die Bequemlichkeit des
Empfängers verhindert werden. So fehlt Mitarbeitern teilweise die Motivation, aktiv
Informationen einzuholen, und routinierte Vorgänge werden bevorzugt (Kohler 2008).
Als größter Einflussfaktor wirkt bei dieser Wissensebene die Motivation der Mitarbei-
ter (North 2011). Diese steht in engem Zusammenhang mit der Organisation. Nur
wenn Mitarbeiter keine Nachteile (Kosten, zu viel Arbeit, keine Wertschätzung etc.)
60 Theoretische Grundlagen: Der Lead User-Ansatz

durch den Wissenstransfer erfahren, sind sie auch motiviert, diesen durchzuführen
(Schröder 2003). In einer wissenstransferfreundlichen Unternehmung sind sowohl
Geschäftsführung als auch Mitarbeiter darauf bedacht und motiviert, Neues zu erler-
nen, um das Unternehmen und sich selber weiterzuentwickeln (Gassmann et al.
2010a; Seidel 2003). Dies sollte entsprechend gewürdigt werden, wobei nicht immer
nur finanzielle Belohnung ausreicht. Durch die Aneignung neuen Wissens und des
damit einhergehenden persönlichen Potenzials, wollen Mitarbeiter auch mehr Ver-
antwortung tragen, um ihr neues Wissen anwenden zu können (Bresman et al.
1999). Motivation in Form von Lob, Anerkennung, verantwortungsvolleren Aufgaben
oder Zuständigkeiten sind als Instrument für einen effizienten Wissenstransfer nicht
zu unterschätzen (North 2011; Osterloh und Frey 2000).

2.5.4.3 Beschreibung der Ebene Können


Wissenstransfer ist innerhalb der Kategorie Können seitens des Senders zwar ge-
wollt, es fehlen aber die nötigen Kompetenzen (Wölbling und Keuper 2009). Dabei
sind fehlende Fachkompetenzen (Sender verfügt nicht über Wissen oder Mittel zur
Weitergabe) ebenso behindernd wie das Fehlen von Sozialkompetenzen (Bresman
et al. 1999). So kann es sein, dass der Sender zwar über das Wissen verfügt, aber
persönlich nicht in der Lage ist, es effektiv weiterzugeben (Götz 2008). Tacitness be-
zeichnet das Problem, dass sich Wissen kaum vom Sender trennen lässt, sodass
eine sehr enge Interaktion zwischen Sender und Empfänger stattfinden muss (Rea-
gans und McEvily 2003; von Hippel 1994). Dokumentation in Handbüchern etc. reicht
nicht aus, um das Wissen zu transferieren (Bendt 2000). Die Kategorie Können beim
Empfänger ähnelt der des Senders. So wird der Wissenstransfer durch den Mangel
von Fähigkeiten behindert. Der Empfänger ist a) gar nicht in der Lage, Wissen auf-
zunehmen, er kann es b) nicht anwenden oder es ist ihm c) nicht möglich, das Wis-
sen zu bewahren (Schmid 2013). Im letzteren Fall kann der Empfänger Wissen zwar
aufnehmen, er kann es aber nicht dokumentieren oder institutionalisieren. Dies ist für
den Wissenstransfer jedoch ein elementarer Aspekt, da Wissen dauerhaft und re-
gelmäßig genutzt werden soll (Bendt 2000).

Als zusätzliche Barrieren existieren Hindernisse innerhalb der Organisation, obwohl


das Unternehmen eigentlich Wissen transferieren möchte (Probst et al. 2012; Seidel
2003). Zunächst kann es an den Fähigkeiten zur Weitergabe von Wissen mangeln.
Neben der Offenheit eines Unternehmens zur Aufnahme externen Wissens ist die
Fähigkeit dazu ein wesentlicher Faktor im Sinne der Absorptive Capacity (vgl. Kapitel
2.6). Die Identifizierung von Personen mit relevantem Wissen reicht nicht aus (Cohen
und Levinthal 1990). Die effektive Absorption dieses Wissens ist eine notwendige,
oftmals jedoch schwierige Aufgabe (Lettl et al. 2006a; Lüthje und Herstatt 2004).
Wissenstransfer als Erklärung der Defizite zwischen Theorie und Praxis 61

Fehlende gemeinsame Sprache ist eine weitere, teilweise schwerwiegende Barriere.


Entweder wird die Kommunikation sowie das Verständnis zwischen Abteilungen oder
auf höherer Ebene zwischen Theorie (Methode) und Praxis (Umsetzung) erschwert
(Bartunek und Rynes 2014). Weiterhin treten sowohl finanzielle als auch personelle
und technologische Mängel an Ressourcen auf. Ein häufig auftretender Faktor ist
das Fehlen von Zeit für einen effizienten Wissenstransfer (Bresman et al. 1999). Die-
ses Vorhaben ist meist nicht zusätzlich zum Tagesgeschäft durchführbar und erfor-
dert ausreichende zeitliche Ressourcen. Da Mitarbeiter häufig nicht von ihren tägli-
chen Aufgaben entbunden werden, wird Wissenstransfer vernachlässigt oder gar
nicht erst durchgeführt (Bendt 2000). Erschwert wird Wissenstransfer durch eine zu
strikte Standardisierung bzw. Formalisierung sowie eine zu hohe Regelungsdichte.
Bei zu strikter Planung der Abläufe und Prozesse sind weder Freiheiten noch Flexibi-
lität vorhanden. Dadurch wird der Transfer neuen Wissens behindert (North 2011).
Schließlich stellt eine wissenstransferfeindliche Unternehmenskultur eine große Her-
ausforderung dar. Das Unternehmen muss Neuem offen gegenüber stehen, ansons-
ten können kaum neue Erkenntnisse durch Wissen gewonnen werden (Götz 2008;
Pircher 2014). Beeinflusst wird diese Ebene insbesondere durch die Qualifikation der
jeweiligen Personen, die den Wissenstransfer durchführen. Sofern Sender oder
Empfänger nicht in der Lage sind, Wissen zu transferieren, müssen entweder die
Voraussetzungen dazu geschaffen oder andere Personen involviert werden (Schrö-
der 2003).

2.5.4.4 Beschreibung der Ebene Kennen

Sofern dem Sender die Möglichkeit zum Wissenstransfer oder die entsprechenden
Adressaten nicht bekannt sind, wird Wissen möglicherweise nicht transferiert. Dabei
kann es generell an Kommunikation mangeln oder die Kommunikation adressiert die
falsche Person (Heckert 2002). Als Hindernis für den Wissenstransfer kann auch ei-
ne ungeeignete Kommunikationsstruktur, insbesondere durch unzureichende IT-
Ausstattung, wirken (Seidel 2003).
Die Kommunikation ist der wesentliche Aspekt bei den Wissensbarrieren im Bereich
Kennen (Bartunek und Rynes 2014). Die Akteure können in solchen Fällen über-
haupt nicht entscheiden, ob sie Wissenstransfer betreiben wollen oder nicht, da ih-
nen die Möglichkeit gar nicht bewusst ist (Bresman et al. 1999; Probst et al. 2012).
Auch hier spielt die Unternehmenskultur wieder eine große Rolle: Nur Unternehmen,
die für Neues offen sind und nicht strikt auf bekannten Prozessen verharren, lassen
sich für den Wissenstransfer erreichen (Kern et al. 2009). Zudem ist es für die Kom-
munikation vor allem vom Sender zum Empfänger wichtig, die Vorteile des Transfers
herauszustellen, um Widerstände zu vermeiden (Gassmann et al. 2010a).
62 Theoretische Grundlagen: Der Lead User-Ansatz

2.5.5 Lösungsansätze zur Vermeidung von Wissensbarrieren

Im empirischen Teil dieser Arbeit wird analysiert, welche Barrieren und Hindernisse
bei Lead User-Projekten verstärkt auftreten. Ziel ist es, zur Vermeidung dieser Prob-
leme Lösungsansätze zu entwickeln bzw. die Lead User-Projekte so zu steuern,
dass die Probleme erst gar nicht auftreten (bspw. durch die Best Practice in Kapitel
7.4). Als theoretische Basis werden nachfolgend Herausforderungen des Wissens-
transfers sowie entsprechende Lösungsansätze genannt, von denen einige bei der
Analyse der Lead User-Projekte in Kapitel 5 und 6 auftreten werden. Tabelle 8 ver-
deutlicht wesentliche Barrieren der Ebenen Sollen und Wollen (Änderungsbereit-
schaft) und weist diesen entsprechende Lösungsansätze zu: 82

Tabelle 8: Barrieren und Lösungsansätze der Ebenen Sollen und Wollen 83

Sollen Wollen

Keine Fehlertoleranz des Managements Angst vor Gesichtsverlust


Reduzierung des zeitlichen Drucks, Vergabe von Offene Haltung bzgl. Fehlern deutlich machen,
Zeitrahmen für den Wissensaustausch um Angst vor Versagen zu mindern

Mangelnde Beweise über Nützlichkeit Bequemlichkeit


Klare Definition der Ziele des Wissenstransfers, Trainings- und Informationsveranstaltung zur
Verdeutlichung anhand von Erfolgsbeispielen Verdeutlichung des Nutzens

Strategie Fehlende Anreize


Wissenstransfer sollte Teil der Strategie sein Einführung eines Belohnungssystems bei
und zu den Unternehmenszielen passen durchgeführten Wissenstransfer

Strenge Hierarchie Konkurrierende Zielsetzungen


Verminderung der formellen Macht, stattdessen Involvieren der Mitarbeiter in die Planung und
Verteilen der Zuständigkeiten auf alle Mitarbeiter verschiedenen Entwicklungsstufen

Veränderungsresistenz Überlegenheitsdenken/Not invented-here


Überzeugende Erläuterung der Vorteile, um Entwicklung einer offenen Innovationskultur,
Widerstände abzubauen Verdeutlichen der Vorteile externer Ideen 84

Vereinbarkeit mit Unternehmenszielen Überschätzung eigener Fähigkeiten


Sämtliche Aktivitäten sollten Unternehmenszie- Definition von Jobbeschreibungen, Kennzah-
len und -strategie entsprechen len zur Erfolgsmessung

82 Für eine ausführlichere Erläuterung von Problemlösungsansätzen sei auf Riege (2007) verwie-
sen, der 206 Aspekte zur Vermeidung von menschlichen, organisationalen und technischen
Barrieren erläutert. Diese sind mit den oft zitierten Publikationen von Nonaka (1994) sowie Da-
venport und Prusak (1998) vereinbar.
83 Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Davenport et al. (1998), Keuper (2009), Nonaka
(1994), Probst et al. (2012) sowie Riege (2007). In alphabetischer Reihenfolge.
84 Riege (2007) empfiehlt weiterhin ein Bezahlungs- und Anerkennungssystem.
Wissenstransfer als Erklärung der Defizite zwischen Theorie und Praxis 63

Die Ebenen Sollen und Wollen beinhalten vor allem strukturelle und politische Barrie-
ren. Die Zusammenarbeit innerhalb des Unternehmens ist ein zentraler Aspekt, ins-
besondere das Verhalten von Managern gegenüber deren Angestellten (Riege
2007). Eine generelle Missstimmung im Unternehmen erschwert den Wissenstrans-
ferprozess ungemein. Ein vertrauensvoller Umgang miteinander bewirkt hingegen
eine Offenheit gegenüber externem Wissen, das mit einer höheren Wahrscheinlich-
keit angenommen und umgesetzt wird (Davenport und Prusak 1998).
Tabelle 9 zeigt potenzielle Barrieren der Ebenen Können und Kennen (Änderungsfä-
higkeit) sowie Gegenmaßnahmen für diese Ebenen:

Tabelle 9: Barrieren und Lösungsansätze der Ebenen Können und Kennen 85

Können Kennen

Datenschutz und Geheimhaltung Betriebsblindheit


Vereinbarung zu den Mitarbeiterbeiträgen und Aufzeigen neuer Möglichkeiten und Potenziale
Motivationen zum Wissenstransfer für die Firma durch Betriebsfremde

Fehlende Fach- und Methodenkompetenz Fehlende gemeinsame Sprache


Fortbildungen und Trainings bspw. zur Nutzung Gewährleistung eines gleichen Verständnis-
der IT zum Wissenstransfer ses durch Übersetzung (sprachlich/inhaltlich)

Fehlende Unterstützung und Freiräume Generell keine Kommunikation


Definition der Ziele, Erwartungen und Kompen- Frühzeitige Verständigung mit allen Teilneh-
sation mit den jeweiligen Vorgesetzten mern über definierte Kommunikationskanäle

Kulturelle Barrieren Kommunikation an falschen Adressaten


Interkulturelle Teams zum Erlernen anderer Kul- Zu Beginn Screening und Ansprache der rele-
turen, Schulungen über kulturelle Unterschiede vanten Projektteilnehmer

Mangelnde Sozialkompetenz Mangelnde Aufnahmefähigkeit


Zusammensetzung von Teams und effizientes Schaffung von Freiraum und Ressourcen so-
Konfliktmanagement wie Motivation zur Aufnahme von Inhalten

Unzureichende IT-Infrastruktur Unklarheit über vorhandenes Wissen


Orientierung an IT-Systemen, deren Anwend- Mitarbeiter zur Reflexion motivieren, welches
barkeit für Wissenstransfer nachgewiesen wurde Wissen sie haben und ob es nützlich ist

Zeitmangel Unzureichende Wissensträgereinbindung


Verbindung des Wissenstransfers mit regulären Der Wissensträger sollte stets im Transfer
Aufgaben der Mitarbeiter eingebunden sein, um ihn zu motivieren

Die Ebenen Können und Kennen betreffen die Fähigkeit zum Wissenstransfer. Die
Schaffung geeigneter Rahmenbedingungen für den Wissenstransfer kann durch das
Unternehmen direkt vorgenommen und beeinflusst werden (North 2011). Jedoch ist

85 Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Davenport et al. (1998), Keuper (2009), Nonaka
(1994), Probst et al. (2012) sowie Riege (2007).
64 Theoretische Grundlagen: Der Lead User-Ansatz

die erfolgreiche Umsetzung des Wissenstransfers von der Bereitschaft der Mitarbei-
ter abhängig (vgl. Kapitel 2.5.5). Die für den Wissenstransfer geeignetste Umgebung
ist für das Unternehmen nutzlos, solange die Mitarbeiter dazu nicht gewillt sind (Leh-
ner 2001). Die Maßnahmen zur Vermeidung der Barrieren betreffen meist die Aus-
stattung der Mitarbeiter mit entsprechender Infrastruktur (IT, Räumlichkeiten etc.), die
Durchführung von Schulungen zur Verbesserung der Mitarbeiterkompetenzen bzw.
des Methodenwissens sowie eine effiziente und umfangreiche Kommunikation, um
die Mitarbeiter im Wissenstransfer ausreichend zu informieren bzw. zu involvieren
(Heckert 2002).
Die erläuterten Probleme beim Wissenstransfer sind auf den Lead User-Ansatz an-
wendbar. Die Lösungsansätze bieten erste Ansatzpunkte zur Verminderung des An-
wendungsrisikos. Welche Barrieren genau bei einem Lead User-Projekt auftreten,
wird im empirischen Teil dieser Arbeit untersucht.

2.6 Exkurs: Absorptive Capacity als alternative Theoriegrundlage


In Bezug auf die Themenstellung dieser Arbeit ist die so genannte Absorptive Capa-
city 86 eine denkbare Grundlagenalternative zur Wissenschaftstheorie. Nach Cohen
und Levinthal (1990) wird Absorptive Capacity definiert als: „The ability of a firm to
recognize the value of new, external information, assimilate it, and apply it to com-
mercial ends“ (Cohen und Levinthal 1990, S. 128). Als Absorptive Capacity wird also
die Fähigkeit verstanden, den Wert neuer, externer Informationen zu erkennen, auf-
zunehmen und umzusetzen (Tsai 2001). Wesentliche Voraussetzung für Absorptive
Capacity ist das Vorhandensein von Wissen sowie dessen Kommunikation entweder
durch externe Personen oder innerhalb des Unternehmens (Flowers und Henwood
2010). Die Schwierigkeit besteht darin, das Wissen des Einzelnen in die Organisation
zu übertragen (von Hippel 1994). Zwar wirkt Absorptive Capacity kumulativ. Je mehr
Wissen ein Einzelner bzw. mehrere Einzelpersonen demnach haben, desto mehr
Wissen erhält das Unternehmen. Jedoch ist die bloße Akquisition dieser Personen
und des damit einhergehenden Wissens nicht ausreichend (Cohen und Levinthal
1990). Stattdessen ist die Fähigkeit des Unternehmens zur Gewinnung und insbe-
sondere der Umsetzung des Wissens elementar. Das Wissen betrifft dabei haupt-
sächlich technisches Wissen sowie Lösungswissen (Grimpe und Sofka 2009).
Die Verbindung zwischen Absorptive Capacity und dem Lead User-Ansatz wurde
zuvor bereits von anderen Wissenschaftlern hergestellt. So weisen Schweisfurth und

86 Absorptive Capacity stellt einen etablierten Begriff in der internationalen Wissenschaft dar (Co-
hen und Levinthal 1990; Tsai 2001; von Hippel 1994). Auch in deutschen Texten wird i.d.R. der
englischsprachige Term genutzt. Daher wird in dieser Arbeit der englische Begriff genutzt und
dieser nicht ins Deutsche übersetzt. Eine mögliche Übersetzung könnte jedoch Absorptive Ca-
pacity als Aufnahmefähigkeit von Wissen beschreiben (Rohrlack 2009).
Zusammenfassung des Theoriekapitels 65

Raasch (2014) nach, dass auch Nutzungswissen die Absorptive Capacity erhöht und
dadurch den Stellenwert von Lead Usern als Wissensgeber für Organisationen
stärkt. Auch Lüthje und Herstatt (2004) verdeutlichen, dass Lead User die Absorptive
Capacity erhöhen und für die Innovationsentwicklung relevante Informationen besser
aufnehmen und weitergeben können. Grimpe und Sofka (2008) stellen fest, dass
Lead User im Vergleich zu wissenschaftlichen Institutionen mehr Ideen und Lösun-
gen für aktuelle Produkte bzw. Services bieten. Im Sinne der Absorptive Capacity ist
das Wissen der Nutzer jedoch schwieriger zu erlangen, was Wissensgenerierung als
auch -transfer erschweren kann.
Diese Arbeit fokussiert sich auf den zuvor definierten Wissenstransfer als theoreti-
sche Grundlage der Forschungslücke. Absorptive Capacity wird nicht explizit analy-
siert, beeinflusst den Wissenstransfer jedoch.

2.7 Zusammenfassung des Theoriekapitels

Im Rahmen dieses Theoriekapitels wurde zunächst die Notwendigkeit des Innovie-


rens und dabei der herausragende Nutzen von Lead Usern erläutert. Im Rahmen der
Literaturanalyse wissenschaftlicher Publikationen (vgl. Kapitel 2.3) wurde erkannt,
dass die Innovationsentwicklung zur Sicherung der Marktposition aufgrund verschie-
dener Einflussfaktoren (technischer Fortschritt, Globalisierung etc.) unausweichlich
ist. Dabei stellen Nutzer im Innovationsprozess eine wertvolle Bedürfnis- und Lö-
sungsquelle dar und ermöglichen eine passgenauere Entwicklung von Innovationen.
Vor allem die Integration fortschrittlicher Lead User bietet zahlreiche Vorteile (bspw.
frühzeitige Identifizierung zukünftiger Kundenbedürfnisse, Risikominimierung). Die
Identifizierung der Lead User ist jedoch eine schwierige und ressourcenintensive
Aufgabe, da Lead User selten sind und sich aufgrund ihrer speziellen Kenntnisse nur
an solchen Projekten beteiligen, die ihrem Interesse entsprechen. Darüber hinaus
ergab die Literaturanalyse, dass der Lead User-Ansatz in den vergangenen 30 Jah-
ren ausgiebig erforscht wurde. Verschiedene Weiterentwicklungen sind dabei zu er-
kennen, meist jedoch in Bezug auf die Eigenschaften bzw. Anwendungsbereiche und
kaum beim Prozess.
Die Analyse praxisorientierter Fachmagazine (vgl. Kapitel 2.4) ermöglichte erste Er-
kenntnisse über das Verständnis und die Umsetzung des Lead User-Ansatzes in der
Praxis auf Basis von Sekundärliteratur. Zunächst zeigte der Abgleich der Literatur-
analysen (wissenschaftlich und praxisorieniert), dass der Lead User-Ansatz in Theo-
rie und Praxis ein Thema darstellt, über das diskutiert und publiziert wird. Die Analy-
se der praxisorientierten Fachartikel verdeutlicht jedoch, dass in der Praxis unter-
schiedliche, aus theoretischer Sicht teilweise falsche Bezeichnungen und Interpreta-
tionen von Lead Usern existieren. Weiterhin wurde erkannt, dass der Prozess der
66 Theoretische Grundlagen: Der Lead User-Ansatz

Lead User-Integration in der Praxis an die Rahmenbedingungen der Unternehmen


(Branche, Größe, Produktart etc.) angepasst wird und dabei moderne, oftmals virtu-
elle Methoden genutzt werden.
In Kapitel 2.5 wurde mit der Wissenstransfertheorie eine mögliche Erklärung für die
Differenzen erläutert. Basierend auf dem zuvor dargestellten Modell des Wissens-
transfers lässt sich dieser Zusammenhang auf den Lead User-Ansatz übertragen.
Dabei stellt die Integration von Lead Usern in den Innovationsprozess einen Wis-
senstransfer dar, da Wissen, Kreativität und Lösungskonzepte der Lead User vom
Unternehmen abgefragt werden. Auch die Übertragung des Methodenwissens von
Theorie zu Praxis kann als Wissenstransfer bezeichnet werden. Der Wissenstransfer
geschieht auf vier Ebenen: Sollen und Wollen (Änderungsbereitschaft) sowie Können
und Kennen (Änderungsfähigkeit). Diese Ebenen spiegeln die wesentlichen Frage-
stellungen der praktischen Umsetzung des Ansatzes wieder, was im empirischen Teil
untersucht wird
Die Wissenstransferebenen stellen daher eine theoretisch fundierte Grundlage für
die nachfolgende Entwicklung der Forschungsfragen dar.
3 Forschungsfragen: Wissenstransfer im Lead User-Ansatz
Ziel des Lead User-Ansatzes ist es, Wissen und Kreativität fortschrittlicher Nutzer zu
erhalten und in Innovationen umzusetzen (Franke et al. 2006; Lüthje und Herstatt
2004; von Hippel 1986). Dabei können jedoch Herausforderungen und Widerstände
auftreten (vgl. Kapitel 2.3.3). Die Vorstudie hat zudem gezeigt, dass Unterschiede
zwischen Theorie und Praxis in Bezug auf das Verständnis von Lead Usern, den
Prozess sowie der Projektorganisation vorhanden sind (vgl. Kapitel 2.4.3). Auch wur-
de deutlich, dass Aspekte (bspw. Umsetzung der Ergebnisse) bei der Umsetzung
des Ansatzes in der Praxis als sehr wichtig betrachtet werden, die in der Theorie ei-
nen eher geringeren Stellenwert haben (vgl. Kapitel 2.4.5). Als ein wissenschaftliches
Themenfeld, das dieses Zusammenspiel zwischen Theorie und Praxis betrachtet,
wurde im vorherigen Kapitel die Theorie des Wissenstransfers erläutert und dessen
Anwendbarkeit bestätigt (Argote und Ingram 2000; North 2011; Probst et al. 2012).
Auf Basis der genannten Wissenstransferebenen (Kennen, Können, Sollen, Wollen)
werden nachfolgend die Forschungsfragen hergeleitet.

3.1 Verbindung von Wissenstransfer und Lead User-Forschung


Basierend auf dem dargestellten Modell des Wissenstransfers (vgl. Kapitel 2.5.3)
kann diese Theorie auf den Lead User-Ansatz angewandt werden (Abbildung 14):

(I) Erwartungen
Theorie Praxis
Umsetzung

Verständnis
(II) Lead User Unternehmen
Prozess

Wissensfluss

Abbildung 14: Wissenstransfer im Lead User-Ansatz 87

Bei der Umsetzung des Lead User-Ansatzes in der Praxis lassen sich zwei Arten von
Wissenstransfer feststellen. Es findet (I) ein Wissenstransfer zwischen Theorie und
Praxis statt: Eine in der Wissenschaft entwickelte Methodik wird in die Praxis einge-
führt und umgesetzt (Probst et al. 2012). Dies kann zu Problemen führen, falls sich
die Methode nicht einwandfrei umsetzen lässt oder die Praktiker die theoretischen
Vorgaben nicht verstehen (Zerfaß 2010). Zum anderen kann der Lead User-Ansatz
(II) selbst als Wissenstransfer verstanden werden, da Wissen vom Lead User zum
Unternehmen transferiert wird (Jeppesen und Laursen 2009; Olson und Bakke

87 Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Schüppel (1996), Shannon und Weaver (1964)
sowie Wolter (2009).

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017


J. Lehnen, Integration von Lead Usern in die Innovationspraxis,
Forschungs-/ Entwicklungs-/ Innovations-Management,
DOI 10.1007/978-3-658-19385-0_3
68 Forschungsfragen: Wissenstransfer im Lead User-Ansatz

2001). Relevante Aspekte sind dabei die jeweilige Erwartungshaltung, Umsetzung,


das Verständnis von Lead Usern sowie der Prozess der Lead User-Integration.

3.1.1 Wissenstransfer von Theorie zur Praxis

Verschiedene Studien verdeutlichen, dass die Wissenstransfertheorie auf die Frage


der praktischen Umsetzung einer Methode angewandt werden kann. Nach Bartunek
und Rynes (2014) besteht eine Kluft 88 zwischen Theorie und Praxis schon seit Jahr-
zehnten. Eine Problematik besteht darin, dass beide Seiten unterschiedliche Bedürf-
nisse haben sowie Ziele verfolgen. Seitens der Praxis werden den Wissenschaftlern
oftmals eine zu theoretische Herangehensweise und die damit einhergehende
Schwierigkeit der praktischen Umsetzung vorgeworfen. Nach Meinung vieler Prakti-
ker sitzen die Theoretiker - bildlich gesprochen - im Elfenbeinturm der Theorie (Stef-
fens et al. 2014). Dadurch lassen sie den Bezug zur tatsächlichen Umsetzung von
Methoden in der Praxis vermissen: „Nebensächliches, über das im Elfenbeinturn der
Wissenschaft nachgedacht wird, findet in der Praxis nur selten Beachtung“ (Zerfaß
2010, S. 13). Wissenschaftler werfen Praktikern hingegen oftmals vor, die von ihnen
entwickelten Methoden und Ansätze nicht korrekt umzusetzen oder zu missachten
(Catterall 1998). Dieses schwierige Verhältnis wird von Beech et al. (2010) sogar als
selbstzerstörerisch bezeichnet: „We believe that dialogues between academics and
practitioners remain problematic because too often they are self-defeating“ (Beech et
al. 2010, S. 1363). Umso wichtiger wäre daher ein korrekter Transfer der Methodik
von der Wissenschaft zur Praxis. Um dies in Bezug auf den Lead User-Ansatz zu
verbessern, wird die praktische Umsetzung im Rahmen dieser Arbeit analysiert und
untersucht, ob Probleme bei der Anwendung aufgrund dieses Phänomens existieren.
Darauf aufbauend werden entsprechende Lösungsansätze sowie eine Best Practice
für die erfolgreiche Umsetzung von Lead User-Projekten entwickelt (vgl. Kapitel 7).

3.1.2 Wissenstransfer zwischen Lead User und Unternehmen

Als eine weitere Form des Wissenstransfers kann die Informationsgewinnung bzw. -
verarbeitung durch die Integration von Lead Usern dargestellt werden: Der Lead
User transferiert Wissen zum Unternehmen, das daraus Innovationen entwickeln
möchte (Lüthje und Herstatt 2004; Olson und Bakke 2001). Definitionsgemäß haben
Lead User ein großes Interesse daran, Lösungen für ihre Bedürfnisse zu erhalten
(Herstatt und von Hippel 1992; von Hippel 2005a). Entsprechend sind sie i.d.R. be-
reit, mit Unternehmen zusammenzuarbeiten, da bei Lead Usern nicht der wirtschaftli-

88 „The gap between management academics and practitioners has been of concern for decades,
at least as long as early attempts to establish administration as a scientific discipline in the
1950s“ (Bartunek und Rynes 2014, S. 2).
Verbindung von Wissenstransfer und Lead User-Forschung 69

che Erfolg im Vordergrund steht (Franke und von Hippel 2003). Es ist jedoch zu er-
warten, dass die Zusammenarbeit mit Lead Usern nicht immer so idealtypisch ab-
läuft, wie in der Theorie definiert (vgl. Kapitel 2.4). Eine Analyse der praktischen Um-
setzung des Lead User-Ansatzes ist daher auch unter diesem Aspekt notwendig, um
eventuelle Barrieren und Probleme der Umsetzung erkennen und verbessern zu
können. Dass die Anwendbarkeit der Wissenstransfertheorie auf den Lead User-
Ansatz möglich ist, wurde bereits von anderen Wissenschaftlern erkannt. Jeppesen
und Laursen (2009) analysieren bspw. den Wissenstransfer von Lead Usern in Onli-
ne-Communities und stellen dabei fest, dass Lead User eine höhere Motivation zum
Wissenstransfer haben als die übrigen Nutzer. Zudem ist das Wissen der Lead User
von einer höheren Qualität und daher für Unternehmen extrem vorteilhaft (Churchill
et al. 2009; Franke et al. 2006). Dies indiziert, dass die Theorie des Wissenstransfers
nicht nur auf den Lead User-Ansatz anwendbar ist, sondern auch, dass Lead User
ideale Wissensquellen und -träger sind (Mahr und Lievens 2012).

3.1.3 Ableitung der Forschungsfragen auf Basis der Wissensebenen

Auf Basis der Wissenstransferebenen (vgl. Kapitel 2.5.4) werden nachfolgend vier
Forschungsfragen abgeleitet, welche der Frage nach der Implementierung dieses
Ansatzes in der Praxis untergeordnet werden können.

3.1.3.1 FF#1: Bekanntheit des Ansatzes (Kennen)

Dass die Umsetzung des Lead User-Ansatzes in der Praxis grundsätzlich weiterer
Forschung und Analyse bedarf, wurde in Kapitel 2.3.6 nachgewiesen. Dabei wurde
auch die Frage gestellt, warum der Lead User-Ansatz nicht häufiger und regelmäßig
angewandt wird (Eisenberg 2011; Lettl et al. 2008; Müller-Prothmann und Pinterna-
gel; Olson und Bakke 2001). Zudem verdeutlicht die Literaturanalyse der Fachartikel
aus der Praxis, dass der Lead User-Ansatz zu wenig erläutert wird (vgl. Kapitel
2.4.3). 89 Dies kann, wie die Literaturanalyse ebenfalls ergab, zu einem abweichen-
den und falschen Verständnis von Lead Usern führen. Diese Problematik kann der
Ebene Kennen zugeordnet werden und betrifft vor allem die Kommunikation. Die
Übersicht der Barrieren dieser Ebene zeigt, dass fehlende oder falsche Kommunika-
tion die wesentlichen Barrieren darstellen. Auch die Kommunikation an den falschen
Adressaten sowie eine zu hohe Komplexität können die Bekanntheit des Ansatzes
negativ beeinflussen. Um dies zu quantifizieren sowie Lösungen zur weiteren Ver-
breitung zu entwickeln, wird als erste Forschungsfrage definiert:
FF#1 In wie weit ist der Lead User-Ansatz in der Innovationspraxis bekannt?

89 In nur 41% der analysierten Artikel wird der Lead User-Ansatz (Definition, Prozess etc.) aus-
führlich erläutert.
70 Forschungsfragen: Wissenstransfer im Lead User-Ansatz

3.1.3.2 FF#2: Bereitschaft und Offenheit zur Anwendung (Wollen/Sollen)

In der Theorie wird die Frage diskutiert, ob der Lead User-Ansatz für die Neupro-
duktentwicklung eine geeignete Innovationsmethodik darstellt (Creusen et al. 2013;
Lettl et al. 2006a). Auch die Literaturanalyse der Praxismagazine ergab, dass der
Ansatz im Vergleich zu anderen Methoden eher weniger angewandt wird. Zudem
scheinen einige Autoren von Hippels Definition nicht annehmen zu wollen und kom-
munizieren daher ihr eigenes Verständnis (Dauchert et al. 2013; Gromball 2007;
Schneider 2003). Weiterhin scheinen in der Praxis Widerstände gegen die Integrati-
on von Lead Usern zu existieren. Mitarbeiter können Abneigungen gegenüber exter-
nen Wissen oder Ideen (Not invented here-Syndrom) haben und ihre eigene Innova-
tionskraft überschätzen (Fust et al. 2011). Die identifizierten Barrieren dieser Ebenen
(Wollen und Sollen) entsprechen diesen Erkenntnissen. Fehlender Support des Ma-
nagements sowie mangelnde Motivation der Mitarbeiter zur Wissensteilung kann da-
zu führen, dass der Lead User-Ansatz nicht angewandt wird. Um die Offenheit der
Unternehmen zur Integration von Lead Usern zu analysieren, wird als zweite For-
schungsfrage definiert:
FF#2 Sind die Unternehmen offen für die Integration von Lead Usern?

3.1.3.3 FF#3: Qualifikation und Anwendbarkeit (Können)


Aus der Frage der Offenheit zur Anwendung des Lead User-Ansatzes ergibt sich
zwangsläufig eine weitere Frage in Bezug auf die Umsetzungskompetenz: Sofern
Unternehmen den Lead User-Ansatz nutzen möchten, sind sie dazu überhaupt in der
Lage? Zusätzlich ist fraglich, welche Faktoren die Umsetzung beeinflussen bzw. er-
schweren. Neben der Änderungsbereitschaft ist also die Umsetzungsfähigkeit rele-
vant (Schmid 2013). Die Literaturanalyse der praxisorientierten Fachartikel (vgl. Kapi-
tel 2.4) ergab kaum Negativbeispiele von abgebrochenen oder schlecht bewerteten
Lead User-Projekten. Dies ist nicht verwunderlich, schließlich tragen solche Artikel
zur negativen Außenwirkung eines Unternehmens bei. Daher wird i.d.R. kein Unter-
nehmen ausführlich über ein gescheitertes Projekt berichten, da die Kundenwirkung
negativ beeinflusst werden kann. 90 Dennoch sind in diesen Artikeln verschiedene
Herausforderungen und Umsetzungsprobleme erkennbar (erschwerte Identifizierung
der Lead User, unzureichende Strukturen im Unternehmen etc.). Eine weitere, detail-
lierte Analyse der Umsetzungsfähigkeit mit dem Ziel, Lösungen für die Umsetzungs-

90 CargoLifter (Lastentransport durch Luftschiff) ist zwar ein Beispiel eines gescheiterten Vorha-
bens. Dabei wurde jedoch ein früher Geldgeber/Kooperationspartner als Lead User definiert.
Das Verständnis von Lead Usern ist aus Sicht der Wissenschaft (von Hippel) also nicht korrekt.
Zudem wurden die Artikel zu Beginn des Projekts verfasst, die Zuversicht war groß und die Er-
läuterungen entsprechend positiv.
Verbindung von Wissenstransfer und Lead User-Forschung 71

probleme auf Basis praktischer Erfahrungen zu erarbeiten, ist daher sinnvoll. Ent-
sprechend wird als dritte Forschungsfrage definiert:

FF#3 Sind die Unternehmen in der Lage, den Lead User-Ansatz anzuwenden
und welche Faktoren erschweren die Umsetzung?

3.1.3.4 FF#4: Praktische Umsetzung und Weiterentwicklung


Eine Weiterentwicklung des Lead User-Ansatzes wird in verschiedenen Publikatio-
nen gefordert (Churchill et al. 2009; Franke et al. 2006; Lilien et al. 2002; Müller-
Prothmann und Pinternagel 2010) (vgl. Kapitel 2.3.6). Die Analyse der Fachartikel
aus der Praxis verdeutlicht erste Änderungen und Anpassungen des Lead User-
Prozesses (bspw. Weiterentwicklung bereits vorhandener Ideen durch die Lead
User). Daher wird eine detaillierte, empirische Analyse von Lead User-Projekten an-
gestrebt, um abweichende Prozessabläufe sowie die resultierenden Effekte zu ana-
lysieren. Eine Untersuchung, welche Aspekte in der Praxis die größte Relevanz ha-
ben, ist für die Lead User-Forschung zudem ein wesentlicher Aspekt. Das Ziel ist
schließlich, den vor 30 Jahren entwickelten Lead User-Ansatz auf Basis aktueller,
praktischer Erfahrungen weiterentwickeln zu können. Als vierte Forschungsfrage wird
daher definiert:
FF#4: Wie kann der theoretische Ansatz basierend auf praktischen Erfahrun-
gen weiterentwickelt werden?91

Zur Beantwortung der dargestellten Forschungsfragen werden nachfolgend zwei


empirische Studien (quantitativ sowie qualitativ) durchgeführt, wie Abbildung 15 vi-
sualisiert:

FF#1 Bekanntheit (Kennen)


In wie weit ist der Lead User-Ansatz in der Innovationspraxis
bekannt?
Wie ist die
Implementierung von FF#2 Bereitschaft (Wollen/Sollen) Umfrage
Sind die Unternehmen offen für die Integration von Lead Usern? (n=249)
Lead Usern in die
Innovationspraxis
nach 30 Jahren Lead FF#3 Qualifikation (Können)
User-Forschung zu Sind die Unternehmen in der Lage, den Lead User-Ansatz
anzuwenden und welche Faktoren erschweren die Umsetzung?
beurteilen?
FF#4 Umsetzung & Erfahrung Fallstudien-
Wie kann der theoretische Ansatz basierend auf praktischen interviews
Erfahrungen weiterentwickelt werden? (n=17)

Abbildung 15: Überblick der Forschungsfragen 92

91 Die Beantwortung dieser Frage betrifft alle Wissensebenen (Sollen, Wollen, Kennen, Können).
72 Forschungsfragen: Wissenstransfer im Lead User-Ansatz

Zur Beantwortung insbesondere der ersten beiden Forschungsfragen 93 wird eine


Umfrage durchgeführt, um einen Eindruck über die Bekanntheit sowie Offenheit ge-
genüber dem Lead User-Ansatz zu erhalten. Diese quantitative Studie soll möglichst
viele Aspekte der Umsetzung auf einer eher deskriptiven Ebene abdecken. Dennoch
sollen durch den explorativen Charakter der Umfrage 94 erste qualitative Erfahrungen
identifiziert werden. Eine vertiefende Analyse verschiedener Fallstudien dient zur
Beantwortung der dritten und vierten Forschungsfrage. Diese qualitative Studie soll
detaillierte Ergebnisse erbringen und konkret die Umsetzung und Weiterentwicklung
des Ansatzes abfragen.

92 Quelle: Eigene Darstellung.


93 FF#1 und FF#2 werden hauptsächlich durch die Umfrage beantwortet, FF#3 und FF#4 insbe-
sondere durch die Fallstudien. Die Studien bieten jedoch auch Ergebnisse für die jeweils ande-
ren Forschungsfragen und sind daher nicht strikt voneinander getrennt zu betrachten. Vielmehr
beeinflussen und bedingen sie sich gegenseitig.
94 Durch offene Fragen sowie die Möglichkeit, im Antwortfeld Sonstiges eigene Erfahrungen ein-
zutragen, erhält die Umfrage einen explorativen Charakter (vgl. Kapitel 5.1).
4 Forschungsdesign: Kombination quantitativer/qualitativer For-
schung
In der empirischen Forschung wird zwischen quantitativer und qualitativer Forschung
unterschieden, wobei eine Kombination beider Methoden ebenfalls möglich ist und
das für diese Arbeit angewandte Forschungsdesign darstellt (Mayring 2002; Schnell
et al. 2005). Daher werden nachfolgend die Grundlagen der quantitativen und quali-
tativen Forschung sowie verschiedene Typen von Forschungsmodellen erläutert.

4.1 Quantitative und qualitative Erhebungsformen


Empirische Forschung bezeichnet die methodische Generierung von Daten, da diese
die Entscheidungsfindung positiv beeinflussen und das Entscheidungsrisiko reduzie-
ren (Bortz und Bongers 1984; Schnell et al. 2005). 95 Entsprechend fordert
Brandimarte (2011): „When information is available, decisions should be based on
data“ (Brandimarte 2011, S. 5). Dabei wird zwischen qualitativer und quantitativer
Datenerhebung unterschieden (Häder 2015; Raithel 2008; Steinmann 2011). Bei
quantitativen Methoden werden durch einen zuvor festgelegten, statischen Prozess
Daten erfasst, die durch statistische Auswertung in kausalen Zusammenhang gesetzt
werden. Die Ergebnisse sollen dabei möglichst generalisierbar und replizierbar sein
(Bell 2010). Der dynamischere und offenere Prozess der qualitativen Sozialforschung
hat zum Ziel, Zusammenhänge zu verstehen und zu interpretieren. Dadurch sollen
die Ursachen und Gründe für Sachverhalte erforscht werden (Sekaran und Bougie
2010). Bortz und Döring (2015) unterscheiden: „Die Menge aller Merkmalsmessun-
gen bezeichnet man als (quantitative) Daten einer Untersuchung. Werden Merkmale
oder Merkmalsausprägungen verbal beschrieben, spricht man von qualitativen Da-
ten“ (Bortz und Döring 2015, S. 6). Mohr und Schaffner (2011) differenzieren weiter-
hin die Fragestellungen beider Datenarten. So fokussieren qualitative Methoden die
Fragen nach den Gründen (Warum?) sowie der Vorgehensweise (Wie?). Quantitati-
ve Vorgehensweisen beantworten messbare Fragestellungen (Wieviel?) (Baur und
Blasius 2014). Nachfolgend werden relevante Aspekte beider Forschungsarten (Ziel
und Fokus, Prozess und Ablauf sowie Methoden) erläutert.
Ziel und Fokus: Die quantitative Datenerhebung hat die Verallgemeinbarkeit durch
die Erfassung valider Daten mit Hilfe multivariater, statistischer Verfahren zum Ziel
(Schnell et al. 2005). Durch die lineare Organisation quantitativer Methoden soll die
Subjektivität so weit wie möglich reduziert werden. Bei qualitativen Datenerhebungen

95 Schnell et al. (2005) erläutern den Untersuchungsgenstand empirischer Forschung und definie-
ren: „Empirische Sozialforschung kann zunächst als eine Sammlung von Techniken und Me-
thoden zur korrekten Durchführung der wissenschaftlichen Untersuchung menschlichen Verhal-
tens und gesellschaftlicher Phänomene gesehen werden“ (Schnell et al. 2005, S. 5).

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017


J. Lehnen, Integration von Lead Usern in die Innovationspraxis,
Forschungs-/ Entwicklungs-/ Innovations-Management,
DOI 10.1007/978-3-658-19385-0_4
74 Forschungsdesign: Kombination quantitativer/qualitativer Forschung

wird hingegen davon ausgegangen, dass die Subjektivität nicht vollkommen mini-
miert werden kann (Breuer 2010). Die Subjektivität des Forschenden ist aber nicht
als Problem, sondern als positiver Einflussfaktor auf die Forschung zu bewerten
(Backhaus et al. 2016). Qualitative Forschung bedeutet daher, die erhobenen Daten
zu interpretieren und daraus Schlussfolgerungen abzuleiten (Atteslander 2008; Seka-
ran und Bougie 2010).
Prozess und Ablauf: Der Ablauf quantitativer Erhebungen folgt mehr einer linearen,
fest definierten Vorgehensweise. Die Methoden, Instrumente sowie die durchzufüh-
renden Schritte sollten vor der Datenerhebung klar definiert werden (Bell 2010). Die
Behebung möglicher Probleme quantitativer Erhebungen ist im laufenden Prozess
kaum oder gar nicht möglich; dies ist zudem meist sehr aufwendig. Qualitative Erhe-
bungen folgen einem weniger linearen und dadurch freieren Prozess (Baur und Bla-
sius 2014). Demnach können auch während der Datenerhebung Änderungen durch-
geführt werden (Häder 2015).
Methoden: Es existieren unterschiedliche Methoden für quantitative oder qualitative
Datenerhebungen (Atteslander 2008). 96 Für quantitative Studien werden bspw.
schriftliche Befragungen mit Fragebogen (online und offline), Versuche, Experimente
oder Beobachtungen durchgeführt (Hofmann 2008). Qualitative Methoden sind bspw.
Interviews, Gruppendiskussionen, qualitative Inhaltsanalyse, Beobachtung, Fokus-
gruppen, Video- oder Social Network-Analysen (Mayring 2002).

Die Nutzung quantitativer oder qualitativer Erhebungsmethoden impliziert jeweils


Vor- bzw. Nachteile, wie in Tabelle 10 zusammengefasst:

96 Atteslander (2008) bietet eine vertiefende, detaillierte Erläuterung relevanter Methoden (qualita-
tiv und quantitativ) der empirischen Sozialforschung.
Kombination qualitativer und quantitativer Erhebungsformen 75

Tabelle 10: Vor- und Nachteile quantitativer/qualitativer Datenerhebung 97

Quantitativ Qualitativ

Erreichen einer großen Zahl von Personen Befragter hat Einfluss auf den Inhalt

Repräsentative Ergebnisse Feedback kann direkt geäußert werden

Statistische Auswertung der Ergebnisse Flexible und offene Methodik, daher wird
Vorteile

mit vergleichsweise wenig Aufwand auch Neues und Unbekanntes erfasst

Statistische Zusammenhänge können er- Möglichkeit der Reaktion


mittelt und abgebildet werden

Subjektivität wird weitestmöglich reduziert Positive Beeinflussung der Datenqualität


bzw. der Motivation der Befragten

Einschreiten bei Problemen während des Auswertung der Ergebnisse aufwendig


Prozesses kaum möglich

Keine direkte Einflussnahme auf Motivati- Generalisierbarkeit der Ergebnisse


on zur Teilnahme während der Befragung
Nachteile

Nur geringes direktes Feedback Signifikanzüberprüfungen im Vergleich zu


quantitativen Erhebungen schwieriger

Prozess- und Methodendefinition notwen- Vollkommene Reduzierung der Subjektivi-


dig tät nicht möglich

Scheinobjektivitäten durch Standardisie- Zeit- und kostenintensiv (Fragebogen-


rung und Quantifizierung druck, Schulung der Interviewer etc.)

Unterschiede zwischen quantitativer und qualitativer Sozialforschung sind auch bei


den Merkmalen der Befragten und der dazugehörigen Skalierung zu erkennen
(Schnell et al. 2005). So werden quantitative Merkmale wie Einkommen oder Alter
über ein metrisches Skalenniveau abgefragt (Raithel 2008). Durch Nominal- oder
Ordinalskalen werden hingegen qualitative Merkmale wie Beruf oder Geschlecht er-
fragt (Backhaus et al. 2016). Auch in Bezug auf die Hypothesenüberprüfung gibt es
Unterschiede. Quantitative Erhebungen werden durch vorher definierte Hypothesen
überprüft. Durch qualitative Forschung werden hingegen neue Kenntnisse gewon-
nen, um daraus Hypothesen zu entwickeln (Häder 2015).

4.2 Kombination qualitativer und quantitativer Erhebungsformen

Qualitative und quantitative Datenerhebungen sind nicht als Gegensätze zu sehen,


die sich widersprechen. Vielmehr sollten sie sich gegenseitig ergänzen (Baur und
Blasius 2014). Diese Kombination bezeichnet Brüsemeister (2008) als zunehmenden

97 Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Atteslander (2008), Baur und Blasius (2014), Rai-
thel (2008), Schnell et al. (2005) sowie Yin (2009). In alphabetischer Reihentfolge.
76 Forschungsdesign: Kombination quantitativer/qualitativer Forschung

Trend. Auch Shah und Corley (2006) fordern eine stärkere Verbreitung und Nutzung
der Kombination qualitativer und quantitativer Praktiken. Durch die Vereinigung bei-
der Erhebungsformen sollen die dargestellten Nachteile (vgl. Tabelle 10) reduziert
werden. So können erhobene Ergebnisse (bspw. aus einer Online-Befragung) durch
qualitative Tiefenstudien (bspw. Interviews und Fallstudien) validiert, erweitert oder
entkräftet werden (Greer und Lei 2012; Janzik 2011). Auch Flick (2011) stellt fest,
dass beide Erhebungsmethoden nicht getrennt voneinander betrachtet werden soll-
ten. Im Gegenteil, „diese Perspektiven können sich in unterschiedlichen Methoden,
die angewandt werden, und/oder unterschiedlichen gewählten theoretischen Zugän-
gen konkretisieren, wobei beides wiederum mit einander in Zusammenhang steht
bzw. verknüpft werden sollte“ (Flick 2011, S. 12). Die Kombination qualitativer und
quantitativer Forschung hat insbesondere in der letzten Dekade an Bedeutung ge-
wonnen (Backhaus et al. 2016; Brüsemeister 2008; Flick 2011; von Kardorff et al.
2008) und wird auch als Mixed Methods bezeichnet 6FKUHLHUXQG2GD÷ . Eine
grundlegende Definition dieses Begriffs bietet Kuckartz (2014):
„Unter Mixed-Methods wird die Kombination und Integration von qualitativen und
quantitativen Methoden im Rahmen des gleichen Forschungsprojekts verstanden.
Es handelt sich also um eine Forschung, in der die Forschenden im Rahmen von
ein- oder mehrphasig angelegten Designs sowohl qualitative als auch quantitative
Daten sammeln“ (Kuckartz 2014, S. 33).

Bei der Kombination qualitativer und quantitativer Methoden wird zwischen Kombina-
tions- und Integrationsmodellen unterschieden. Innerhalb der Integrationsmodelle
werden quantitative und qualitative Methoden simultan ausgeführt (Wrona 2010).
Kombinationsmodelle werden sequentiell durchgeführt. Mayring (2001) definiert drei
solcher Modelle für das Forschungsdesign (Abbildung 16):
Kombination qualitativer und quantitativer Erhebungsformen 77

Vorstudienmodell

1. Qualitativ 2. Quantitativ 3. Ergebnisse


Vorstudie, Hypothesen Hypothesen überprüfen Auswerten und
entwickeln und testen interpretieren

Verallgemeinerungsmodell

1. Qualitativ 2. Ergebnisse 3. Quantitativ


Fallorientierte, deskriptive Auswerten und Verallgemeinerungen,
Studie interpretieren Zusammenhanganalyse

Vertiefungsmodell

3. Qualitativ
1. Quantitativ 2. Ergebnisse
Interpretation,
Studie mit möglichst Auswerten und
Korellationsdeutung,
großer Stichprobe interpretieren
Fallstudien

Abbildung 16: Kombinationsmodelle nach Mayring (2001) 98

Bei den dreistufigen Modellen wird zwischen dem Vorstudien-, dem Verallgemeine-
rungs- sowie dem Vertiefungsmodell unterschieden (Hofmann 2008; Mayring 2002;
Popp 2012). Für den empirischen Teil dieser Arbeit wird das Vertiefungsmodell an-
gewandt. Dieses Modell stellt das Gegenstück zum Verallgemeinerungsmodell dar
(Mayring 2001). Statt mit einer qualitativen Studie zu beginnen, wird zunächst eine
quantitative Stichprobe durchgeführt, idealerweise mit einer großen Fallzahl. 99 Diese
Studie wird abgeschlossen und die Ergebnisse ausgewertet. Im dritten Schritt wer-
den die Ergebnisse qualitativ analysiert und interpretiert. Die Erkenntnisse der quan-
titativen Studie werden überprüft, detailliertere Schlussfolgerungen sind dadurch
möglich. Für das Kombinationsmodell werden eine internetgestützte Befragung
(quantitativ) sowie eine Fallstudienanalyse (qualitativ) durchgeführt (Baur und Blasius
2014; Bellmann und Himpel 2008; Kusterer 2008a).

4.2.1 Quantitative Studie: Internetgestützte Befragung

Die Anwendung internetgestützter Befragungen bietet viele Vorteile im Vergleich zu


schriftlichen Befragungen in Papierform. Tabelle 11 fasst wesentliche Vor- und Nach-
teile internetgestützter Befragungen zusammen:

98 Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Mayring (2001).


99 Die große Fallzahl ist mit 249 Teilnehmern der Online-Befragung gegeben.
78 Forschungsdesign: Kombination quantitativer/qualitativer Forschung

Tabelle 11: Vor- und Nachteile internetgestützter Befragungen 100

Vorteile Nachteile

Automatisierbarkeit Datenschutz/-sicherheit
Die Durchführung und Auswertung ist systema- Dieses dem Internet inhärente Probleme betrifft
tisiert, Filter werden automatisch umgesetzt auch webbasierte Umfragen

Geringer Ressourcenaufwand Kein persönlicher Kontakt


Zeitlich und räumlich unabhängig, keine Be- Der direkte Kontakt mit den Befragten kann die
zahlung und Ausbildung der Interviewer nötig Motivation und Glaubhaftigkeit erhöhen

Hohe Datenqualität und Reichweite Mehrfachteilnahmen


Keine Verständnisfehler durch bspw. undeutli- Jede Person sollte idealerweise nur einmal
che Handschrift; hohe Reichweite im Vergleich teilnehmen
zur persönlichen Befragung

Multimedial Repräsentativität
Visuelle (Videos etc.) und auditive (Musik, Jing- Es ist nicht sicher, dass sämtliche Bevölke-
les etc.) Inhalte können gezeigt bzw. abgespielt rungsgruppen (insbesondere ältere Menschen)
werden teilnehmen und wahrheitsgemäß antworten

Transparenz Technische Voraussetzungen


Online-Umfragen sind transparenter und stei- Befragte müssen technische Ausstattung (In-
gern die Akzeptanz, da öffentlich zugänglich ternet, PC) besitzen und anwenden können

Insbesondere die hohe Reichweite bei vergleichsweise geringem Ressourcenauf-


wand sind entscheidende Vorteile internetgestützter Befragungen (Jackob et al.
2009; Sekaran und Bougie 2010). Jedoch sind die Nachteile nicht zu vernachlässi-
gen. Diese wurden für die nachfolgenden Studien durch folgende Maßnahmen ver-
hindert:
Datenschutz/-sicherheit: Der Datenschutz für die Befragten ist im Rahmen der Da-
tenschutzbestimmungen der Software SurveyMonkey gewährleistet.
Kein persönlicher Kontakt: Der persönliche Kontakt zu den Befragten soll durch die
folgende, qualitative Fallstudienanalyse hergestellt werden.
Mehrfachteilnahmen: Die Umfrage kann nur einmal durchgeführt werden. Sofern der
Umfragelink angeklickt wurde, muss er auch von dieser IP (Internet Protokoll) ausge-
füllt werden oder wird bei SurveyMonkey als unvollständig angezeigt. Ein Weiterlei-
ten ist nicht möglich.
Repräsentativität: Ältere Bevölkerungsgruppen werden durch die Umfrage nicht an-
gesprochen, da nur Mitarbeiter von Unternehmen integriert werden.

100 Quelle: Baur und Blasius (2014), Brandenburg (2012), Häder (2015), Jackob et al. (2009) sowie
Sekaran und Bougie (2010). In alphabetischer Reihentfolge.
Kombination qualitativer und quantitativer Erhebungsformen 79

Technische Voraussetzungen: Es wird davon ausgegangen, dass Mitarbeiter von


international agierenden Unternehmen die technischen Voraussetzungen erfüllen
und entsprechende Ausstattung (Internetzugang, PC) sowie Nutzerwissen vorhan-
den sind.

Obwohl die Nachteile dieser Methodik weitestgehend verhindert oder minimiert wer-
den können, wird eine genaue Analyse der Beantwortungen bzgl. ihrer Auswertbar-
keit im Anschluss an die Datenerhebung (vgl. Kapitel 5) durchgeführt.

4.2.2 Qualitative Studie: Fallstudienanalyse

Nach Bellmann und Himpel (2008) stellt „eine Fallstudie [...] eine kurze, sorgfältig
arrangierte, realistische Unternehmensstory mit allen für einen bestimmten Sachver-
halt relevanten qualitativen und quantitativen Informationen dar“ (Bellmann und Him-
pel 2008, S. 3). Eine Fallstudienanalyse wird angewandt, wenn die Fragen nach dem
Warum bzw. Wie im Vordergrund stehen (Yin 2009). 101 Die Anwendung einer sol-
chen Forschungsmethodik ist in diesem Fall daher geeignet: Warum ändern Unter-
nehmen den Prozess der Lead User-Projekte? Wie ändern sie ihn? Was für Effekte
bewirken diese Änderungen? Fallstudienanalysen werden insbesondere in der Ex-
plorationsphase eingesetzt, um Zusammenhänge und Verknüpfungen zu erarbeiten
und eignen sich demnach für die Beantwortung dieser Fragestellungen (Schögel und
Tomczak 2009). Kusterer (2008a) nennt drei wesentliche Aspekte bzw. Vorausset-
zungen zur Eignung von Fallstudienanalysen:

1) Es handelt sich um Fragen nach dem Wie und/oder Warum


2) Es handelt sich um eine empirische Untersuchung eines aktuellen Phäno-
mens in seinem realen Kontext
3) Der Forscher hat keinen Einfluss auf den Untersuchungsgegenstand
Die Fallstudienanalyse dieser Arbeit soll (I) Hinweise dafür geben, wie Lead User
integriert werden und ob es dabei verschiedene Vorgehensweisen gibt. Da der Fokus
auf der Implementierung in die Innovationspraxis liegt, handelt es sich (II) um ein ak-
tuelles Phänomen in realen Kontext. Auch (III) trifft zu, da die Lead User-Projekte
bereits abgeschlossen sind, eine Beeinflussung demnach nicht möglich ist. Sekaran
und Bougie (2010) verdeutlichen bei der Analyse und Vergleich von Fallstudien die
Bedeutung ähnlicher Situationen und Rahmenbedingungen. In diesem Fall sind die
zugrundeliegenden Konstellationen insofern ähnlich, dass Lead User-Projekte mit
einem gleichen oder zumindest ähnlichen Ablauf untersucht werden.

101 „Your choice depends in large part on your research question(s). The more that your questions
seek to explain some present circumstance (e.g., “how” or “why” some social phenomenon
works), the more that the case study method will be relevant“ (Yin 2009, S. 4).
80 Forschungsdesign: Kombination quantitativer/qualitativer Forschung

Auch qualitative Fallstudienanalysen bieten verschiedene Vor- und Nachteile, wie in


Tabelle 12 zusammengefasst: 102

Tabelle 12: Vor- und Nachteile qualitativer Fallstudienanalysen 103

Vorteile Nachteile

Detaillierungsgrad Abgrenzung des Falls


Fragestellungen und Untersuchungsgegen- Inhalte und Semantik können unterschiedlich
stände können detaillierter analysiert werden und subjektiv verstanden werden

Flexibilität Abschweifen vom Forschungsinteresse


Aufnahme interessanter, von der Ausgangsfra- Erkenntnisinteresse und Fallabgrenzung müs-
gestellung abweichender Aspekte möglich sen in angemessenen Verhältnis stehen

Realitätsnähe Übertragbarkeit
Zusammenhänge können realitätsnaher hinter- Fallstudienergebnisse können nicht ohne Wei-
fragt werden statt nur deskriptiv beschrieben teres auf die Allgemeinheit übertragen werden

Unternehmensfindung
Zusammenhänge
Die Weitergabe vertraulicher Daten wird oft
Können im persönlichen Gespräch direkt er-
gescheut, geeignete Fallstudien sind daher
fragt und erläutert werden
schwer zu finden

Insbesondere die erkenntnisreiche Analyse von Zusammenhängen gilt als wesentli-


cher Vorzug gegenüber quantitativen Verfahren (Bell 2010). Dem stehen jedoch
Schwierigkeiten bei der Übertragbarkeit der Ergebnisse als wesentlicher Nachteil
gegenüber (Baur und Blasius 2014). Um die genannten Nachteile zu verhindern,
werden für die empirische Analyse in Kapitel 6 entsprechende Voraussetzungen
bzw. Lösungsansätze geschaffen:
Abgrenzung des Falls: Ist für die Fallstudienanalyse insofern gegeben, dass die Un-
ternehmen sowie jeweiligen Projekte deutlich voneinander unterschieden werden
können.

102 Flyvbjerg (2006) widerlegt fünf Missverständnisse von Fallstudien: Die Annahme (1), dass ge-
nerelles, theoretisches Wissen wertvoller als konkretes, praktisches Wissen ist, wird widerlegt.
Es wird (2) oftmals davon ausgegangen, dass auf der Basis einer einzelnen Fallstudie keine
Generalisierbarkeit besteht und Fallstudien daher keinen wissenschaftlichen Beitrag leisten.
Dies ist jedoch der Fall: „One can often generalize on the basis of a single case, and the case
study may be central to scientific development via generalization as supplement or alternative to
other methods“ (Flyvbjerg 2006, S. 228). Fallstudien sind (3) für die Generierung und Überprü-
fung von Hypothesen nutzbar und beschränken sich nicht auf die alleinige Generierung von Hy-
pothesen. Ebenfalls widerlegt wird die Annahme (4), dass die Verifizierung der Ergebnisse ver-
zerrt ist und lediglich die Auffassung des Forschers bestätigt wird. Zuletzt wird (5) bestätigt,
dass die Zusammenfassung von Fallstudien oftmals schwieriger ist, was häufig jedoch an den
Eigenschaften der Fallstudie (Unternehmensauswahl etc.) liegt als an der Methodik selbst.
103 Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Baur und Blasius (2014), Bell (2010), Eisenhardt
und Graebner (2007) sowie Sekaran und Bougie (2010). In alphabetischer Reihentfolge.
Kombination qualitativer und quantitativer Erhebungsformen 81

Abschweifen: Da solche Projekte durch viele Aspekte und Faktoren beeinflusst wer-
den, ist diese Gefahr gegeben. Jedoch stehen die Prozessänderungen und Lö-
sungsansätze der Unternehmen stets im Mittelpunkt; dieser Fokus wird durch einen
Fallstudienleitfaden fortwährend beibehalten.
Übertragbarkeit: Die Projekte sind sich grundsätzlich sehr ähnlich. Zwar weichen die
Prozesse voneinander ab, jedoch ist die Grundlage i.d.R. der in der Theorie etablier-
te Prozess (wenn auch teilweise stark verändert). Eine Übertragbarkeit auf andere
Fälle und Lead User-Projekte ist dadurch gegeben.
Unternehmensfindung: Durch die quantitative Umfrage werden geeignete Unterneh-
men ermittelt, die bereits Lead User-Projekte durchgeführt haben. Durch die Analyse
der entsprechenden Beantwortungen dieser Probanden kann sichergestellt werden,
dass die Unternehmen für die Fallstudie geeignet sind. Zudem können die An-
sprechpartner direkt kontaktiert werden.

4.2.2.1 Multiple Fallstudienanalyse

Bei Fallstudienanalysen wird zwischen singulären Einzelfallstudien und multiplen


Fallstudien unterschieden (Heimerl 2009; Schnell et al. 2005). Vorteil einer multiplen
Fallstudie ist eine größere Robustheit der Ergebnisse, da sie durch andere Fallstudi-
en validiert sind. 104 Dabei gilt jedoch zu beachten, dass die Fallstudien sorgfältig
ausgewählt werden und entweder die Ergebnisse anderer Fallstudien bestätigen
oder kontrastierende Resultate erbringen, deren Zusammenhänge und Ursachen
nachvollziehbar sind (Yin 2009). Weiterhin ist die Anzahl der Fallstudien erfolgskri-
tisch. Diese ist von verschiedenen Faktoren wie Fragestellung, Branche oder Unter-
nehmensart abhängig. Eine definitive, bestmögliche Zahl an zu analysierenden Fäl-
len ist also nicht vorhanden. Jedoch wird in der Literatur eine Fallzahl zwischen vier
und zehn als am geeignetsten definiert (Eisenhardt 1989; Heimerl 2009; Stake
2005). Die Fallstudienzahl sollte demnach so gewählt werden, dass eine zu geringe
Übertragbarkeit auf die Theorie (weniger als vier Fallstudien) sowie eine zu hohe
Komplexität (mehr als zehn Fallstudien) vermieden wird. 105 Im Rahmen dieser Arbeit
werden sieben Fallstudien (mit 17 Interviews) analysiert (vgl. Kapitel 6). Dies bietet
ausreichende Ergebnisse, die durch mehrere Fallstudien validiert werden und ver-
meidet einen Überfluss an generischen Resultaten durch eine zu hohe Fallzahl.

104 Heimerl (2009) definiert: „Multiple Fallstudien gelten grundsätzlich als valider als Einzelfallstudi-
en“ (Heimerl 2009, S. 388).
105 „Finally, while there is no ideal number of cases, a number between 4 and 10 cases usually
works well. With fewer than 4 cases, it is often difficult to generate theory with much complexity,
and its empirical grounding is likely to be unconvincing. [...] With more than 10 cases, it quickly
becomes difficult to cope with the complexity and volume of the data“ (Eisenhardt 1989, S. 545).
82 Forschungsdesign: Kombination quantitativer/qualitativer Forschung

4.2.2.2 Anwendungsbeispiele

Die erläuterten Vorteile von Fallstudienanalysen verdeutlichen den Stellenwert als


effiziente Forschungsmethode zur Analyse qualitativer Zusammenhänge. Entspre-
chend wird diese Methodik in der Wissenschaft zahlreich angewandt. So basieren
die Dissertationen von Kusterer (2008b) oder Matros (2012) auf der Analyse von
Fallstudien. Auch Wrona (2005) verdeutlicht den Stellenwert der Fallstudienanalyse
als wissenschaftliche Forschungsmethode. Gleissner und Möller (2009) veröffentlich-
ten ein Fallstudienbuch zur Erläuterung und Veranschaulichung von Zusammenhän-
gen in der Logistik, insbesondere von Transportsystemen und -dienstleistungen. Da-
bei werden Fallstudien unterschiedlicher Produkte - von Luftschiffen über Pharma-
zeutika, Biotechnolgie, Halbleitern bis zu Software und Klebstoffen - erläutert. Dies
zeigt, dass Fallstudien nicht auf bestimmte Produktgruppen beschränkt sind. Als wei-
tere Anwendungsbeispiele erläutert Large (2008) strategisches Beschaffungsmana-
gement anhand von Fallstudien. Bellmann und Himpel (2008) verdeutlichen anhand
anschaulicher Fallstudien das Prozess-, Programm- und Ressourcenmanagement.

4.3 Angewandtes Forschungsdesign


Das Forschungsdesign dieser Arbeit wird nach dem Vertiefungsmodell durchgeführt
(vgl. Kapitel 4.2), wobei zusätzlich zu Beginn eine umfangreiche Vorstudie ähnlich
dem Vorstudienmodell durchgeführt wird (Abbildung 17):

1. Vorstudie 2. Umfrage 3. Fallstudien


(Forschungslücke) (Quantitativ) (Qualitativ)

Theoretische Fallstudien-
Experten-
Literaturanalyse interviews
interviews (n=7)
(n=133) (n=17)

Praktische Weiterentwick-
Literaturanalyse Pretest (n=10) lung des Lead
(n=255) User-Ansatzes

Online-
Befragung Best Practice
(n=249)

Abbildung 17: Angewandtes Forschungsdesign 106

106 Quelle: Eigene Darstellung.


Triangulation der Ergebnisse 83

Durch die bereits erläuterte Vorstudie im ersten Schritt wurden explorative Ergebnis-
se erfasst. Dazu wurde neben einer in Dissertationen üblichen Literaturanalyse wis-
senschaftlicher Publikationen (n=133) eine umfangreiche Analyse von 255 Artikeln
praxisorientierten Fachmagazinen durchgeführt. Dadurch konnten erste Erkenntnisse
und Eindrücke in Bezug auf die Implementierung des Lead User-Ansatzes in der
Praxis gewonnen sowie Unterschiede zwischen Theorie und Praxis festgestellt wer-
den. Basierend auf den Literaturanalysen wurde die Wissenstransfertheorie als ge-
eignete theoretische Grundlage der Forschungslücke erkannt.
Für die quantitative Umfrage im zweiten Schritt wurden zunächst sieben Interviews
mit Personen aus der Praxis durchgeführt, die bereits Lead User-Projekte durchge-
führt haben. Dies diente zur Erstellung des Fragebogens, der nicht nur auf theoreti-
sche Aspekte aufbauen, sondern auch Inhalte aus der Praxis (bspw. Herausforde-
rungen und Erfolgsfaktoren) beinhalten sollte. Die Umfrage wurde so aufgebaut,
dass die Unternehmen ihre eigenen Erfahrungen äußern und somit neue Erkenntnis-
se gewonnen werden konnten. Eine reine Abfrage der Aspekte auf Basis der Theorie
sowie der Vorstudie wäre kontraproduktiv, da gerade die Analyse praktischer, über
die theoretischen Kenntnisse hinausgehender Aspekte im Fokus dieser Arbeit steht.
Dies ist der Unterschied zum Vorstudien- sowie dem Verallgemeinerungsmodell, da
keine starre, quantitative Erhebung durchgeführt wird, sondern durch eine explorative
Umfrage neues Wissen generiert wird (Mayring 2001). Nach einem Pretest (n=10)
und einer Nachbesserung des Fragebogens auf Grundlage von Feedbackgesprä-
chen, wurden durch die Online-Umfrage 249 107 Unternehmen befragt. Die Ergebnis-
se der quantitativen Studie werden in Kapitel 5 sowohl deskriptiv (bspw. Be-
kanntheitsgrad des Ansatzes) als auch qualitativ (bspw. Definition von Lead Usern)
ausgewertet.
Im dritten Schritt wurde analog zum Vertiefungsmodell die qualitative Vertiefungsana-
lyse durchgeführt, die die Interpretation und detaillierte Analyse der Resultate als Ziel
hat. Dazu wurden 17 Fallstudieninterviews mit deutschsprachigen Unternehmen ge-
führt und die zuvor erfassten Ergebnisse überprüft. Schließlich wurde auf Basis aller
Analysen und Studien eine Anpassung bzw. Weiterentwicklung des theoretischen
Lead User-Ansatzes vorgenommen (Kapitel 7).

4.4 Triangulation der Ergebnisse


Flick (2011) definiert Triangulation folgendermaßen: „Triangulation beinhaltet die
Einnahme unterschiedlicher Perspektiven auf einen untersuchten Gegenstand oder
allgemeiner: bei der Beantwortung von Forschungsfragen“ (Flick 2011, S. 12). Durch

107 1154 Unternehmen wurden insgesamt kontaktiert, 249 nahmen an der Befragung teil (vgl. Kapi-
tel 5.1.3).
84 Forschungsdesign: Kombination quantitativer/qualitativer Forschung

die Kombination verschiedener Untersuchungsformen soll gewährleistet werden,


dass Erkenntnisse auf verschiedenen Ebenen gesammelt und die Ergebnisse nicht
durch eine einseitige Sichtweise verzerrt werden 6FKUHLHUXQG2GD÷ . Nachtei-
le und Schwächen einer Untersuchungsform sollen durch die Vorteile und Stärken
einer anderen ausgeglichen werden (Schnell et al. 2005). Es werden vier Arten von
Triangulation unterschieden (Flick 2011; Patton 2015; Yin 2009):
1) Datentriangulation: Verschiedene Datenquellen zur Analyse des gleichen
Phänomens
2) Investigator Triangulation: Verschiedene Forscher führen die Analyse durch,
sodass die Resultate nicht durch den Forscher selbst verzerrt werden
3) Theorietriangulation: Analyse und Interpretation auf Basis unterschiedlicher
Theorien und Hypothesen
4) Methodentriangulation: Kombination verschiedener Methoden (quantitativ und
qualitativ) zur Erhebung von Daten 108

Die gesamte Empirie dieser Arbeit, von den Literaturanalysen im Rahmen der Vor-
studie über die quantitative Online-Befragung bis zur qualitativen Fallstudienanalyse,
kann als Methodentriangulation bezeichnet werden (Flick 2011). Durch Kombination
verschiedener, sowohl quantitativer als auch qualitativer Methoden wird ein Sachver-
halt (Integration von Lead Usern in die Innovationspraxis) analysiert und entspre-
chende Daten erhoben. Die Fallstudienanalyse selbst ist eine Datentriangulation
(Patton 2015). Verschiedene Datenquellen, in diesem Fall unterschiedliche Unter-
nehmen und Personen (Unternehmensmitarbeiter, Lead User), werden zur Analyse
des gleichen Phänomens befragt.
Grundsätzlich ist durch die verschiedenen Studien im Rahmen dieser Arbeit eine
Triangulation der Ergebnisse, also eine Analyse der Forschungslücke aus unter-
schiedlichen Perspektiven, gewährleistet.

108 Nach Flick (2011) wird weiterhin zwischen Triangulation innerhalb einer Methode (bspw. durch
Nutzung unterschiedlicher Subskalen in einer Erhebung) sowie Triangulation zwischen Metho-
den (Kombination verschiedener Methoden zur Datenerhebung) unterschieden.
5 Quantitative Untersuchung: Online-Befragung
Zur Analyse der Umsetzung des Lead User-Ansatzes in der Innovationspraxis wird
eine empirische, quantitative Untersuchung in Form einer internetgestützten Umfrage
durchgeführt. Eine Studie mit diesem Themenfokus existiert bisher nicht (vgl. Kapitel
2.3.5). Wichtige Aspekte in Bezug auf die praktische Umsetzung wie Barrieren, Er-
folgsfaktoren, Prozessänderungen oder verschiedene Definitionen sind daher nur
teilweise oder gar nicht in der wissenschaftlichen Literatur zu finden. Solche Erfah-
rungen können nur durch die Praxis selbst wiedergegeben werden (Richter 2010).

5.1 Methodisches Vorgehen


Durch die Unternehmensbefragung sollen neue Kenntnisse gewonnen und nicht nur
bereits bekannte Aspekte abgefragt werden. Die Befragung weist daher einen explo-
rativen Charakter auf: „Wenn über das interessierende Problem vor Beginn der Un-
tersuchung wenige Informationen vorliegen [...] oder weil dazu noch keine Ergebnis-
se früherer Studien vorliegen, so wird eine explorative Untersuchung angemessen
sein“ (Kuß et al. 2014, S. 31). 109 Explorative Studien werden eingesetzt, um Zu-
sammenhänge und Einflussfaktoren erkennen und interpretieren zu können (Schäfer
2010). Das Untersuchungsproblem wird präzisiert, neue Erkenntnisse erfasst und
komplexe Fragestellungen übersichtlicher analysiert (ebd.). 110 Abbildung 18 verdeut-
licht die Einordnung internetgestützter Umfragen:

Datensammlung

Interview Umfrage Beobachtung

Schriftlich Mündlich

Papierform Online Telefonisch Persönlich

Abbildung 18: Einordnung von internetgestützten Umfragen 111

109 Auch Sekaran und Bougie (2010) bestätigen die Durchführung einer explorativen Studie für die
Zielsetzung dieser Arbeit als angemessen: „Exploratory studies are undertaken to better
comprehend the nature of the problem since very few studies might have been conducted in
that area“ (Sekaran und Bougie 2010, S. 104).
110 Explorative Studien werden in der Wissenschaft, bspw. in Dissertationen (Richter 2010) oder
wissenschaftlichen Journalpapern (Enkel und Mezger 2013), häufig genutzt, um bisher wenig
erfasste Fragestellungen zu analysieren (Meffert et al. 2012).
111 Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Kuß et al. (2014) sowie Schnell et al. (2005).

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017


J. Lehnen, Integration von Lead Usern in die Innovationspraxis,
Forschungs-/ Entwicklungs-/ Innovations-Management,
DOI 10.1007/978-3-658-19385-0_5
86 Quantitative Untersuchung: Online-Befragung

Umfragen können schriftlich oder mündlich gestaltet werden (Schnell et al. 2005).
Die schriftliche Version bietet einen Dokumentationsvorteil, da die Beantwortungen
direkt aufgeschrieben werden (Baur und Blasius 2014). Dies kann entweder im Inter-
net (online) oder in Papierform durchgeführt werden. Die internetbasierte Vorge-
hensweise bietet den Vorteil, dass Internet-Links einfacher verschickt werden können
als Fragebögen in Papierform (Jackob et al. 2009). Zudem können Softwarepro-
gramme genutzt werden, um die Auswertung zu erleichtern (Gordon 2002).

5.1.1 Herleitung des Fragebogens durch Experteninterviews

Die Online-Befragung soll die praktische Sicht des Lead User-Ansatzes abbilden und
neue Erkenntnisse aus der Praxis erbringen. Ideal wäre daher, wenn die Befragten
ihre eigenen Erfahrungen und Meinungen (Erfolgsfaktoren, Herausforderungen etc.)
zu jeder Frage erläutern würden. Dies würde jedoch bedeuten, stets offene Fragen
zu stellen, was praktisch nicht umsetzbar ist (Schumann 2012). Zu hoch wäre die
Abbruchquote, da die Probanden nachweislich wenig Motivation und Zeit zum Be-
antworten einer großen Zahl offener Fragen haben (Raithel 2008). Stattdessen muss
der Fragebogen Antwortvorgaben enthalten, die die Teilnehmer auswählen können
(Mayring 2001). Zwar wurden im Theorieteil (vgl. Kapitel 2.3) wesentliche Aspekte
des Lead User-Ansatzes wie Erfolgsfaktoren, Herausforderungen oder Weiterent-
wicklungen der Eigenschaften erläutert. Jedoch spiegelt dies die Theoriesicht wieder.
Den Fragebogen für die Online-Befragung auf dieser Basis abzuleiten, würde dazu
führen, dass nur die in der Theorie vorhandenen Punkte analysiert werden und dem
Bestreben dieser Arbeit (Analyse der praktischen Anwendung) daher widersprechen.
Dementsprechend ist es notwendig, über die theoretischen Erkenntnisse hinaus re-
levante Aspekte aus der Praxis vorzugeben.
Die Analyse der praxisorientierten Fachartikel (vgl. Kapitel 2.4) weist erste Erkennt-
nisse in Bezug auf die Integration von Lead Usern in die Innovationspraxis auf, je-
doch basiert diese Ex-post-Analyse auf veröffentlichten Informationen. Detaillierte
Nachfragen sowie die Fokussierung auf relevante Problemstellungen und Zusam-
menhänge sind daher nicht möglich (Sekaran und Bougie 2010). Zur Überprüfung
der erarbeiteten Kenntnisse anhand realer Unternehmensaussagen wurden daher
sieben Experteninterviews durchgeführt, die der Validierung und Ergänzung der in-
nerhalb der Literaturanalysen erkannten Aspekte dienen (Atteslander 2008; Schnell
et al. 2005). Die Experteninterviews haben einen explorativen Charakter (Honer
2011a). Dadurch sollen die Experten die Möglichkeit erhalten, auch Inhalte anzu-
sprechen, die durch die bisherigen Analysen nicht abgedeckt wurden und daher nicht
Teil des Fragebogens sind (Bogner et al. 2002). Experteninterviews sind insofern
besonders geeignet, da standardisierte Interviews den Befragten zu sehr einschrän-
Methodisches Vorgehen 87

ken (Honer 2011a). 112 Entsprechend wurde ein teilstrukturierter Fragebogen auf Ba-
sis der Literaturanalysen erstellt (vgl. Anhang A). Dieser wurde nach Kategorien ein-
geteilt, die für die Analyse der praktischen Umsetzung relevant sind und auf den Er-
gebnissen der Literaturanalysen (vgl. Kapitel 2) basieren:

ƒ Bekanntheit des Ansatzes


ƒ Durchführung und Prozess des Projekts
ƒ Evaluation und zukünftige Anwendung des Ansatzes
ƒ Widerstände und Ablehnung im Unternehmen gegen den Lead User-Ansatz

Es wurden sechs Unternehmensexperten sowie ein wissenschaftlicher Experte be-


fragt, der bereits Lead User-Projekte für Unternehmen leitete. Um branchenspezifi-
sche Spezifikationen zu verhindern, wurden Unternehmen aus unterschiedlichen
Branchen ausgewählt (Tabelle 13):

Tabelle 13: Interviewteilnehmer der Experteninterviews

Unternehmen Branche Mitarbeiter Anzahl Projekte

A Präsentationstechnik 1 bis 250 1

B Dentaltechnik 1000 bis 5000 1

C Elektrotechnik 1000 bis 5000 k.A.

D Metallverarbeitung 5000 bis 10000 1

E Energie 5000 bis 10000 2

F Medizintechnik > 10000 4

G Wissenschaft >5

Mit den Unternehmensexperten wurde ein Telefoninterview geführt, der wissen-


schaftliche Experte wurde persönlich befragt. Die Interviews dauerten durchschnitt-
lich 40:26 Minuten. 113 Die Interviews wurden mit der Software f4 wörtlich transkri-
biert, also genau in der Art und Weise, wie der Interviewte seine Aussagen getroffen
hat (Häder 2015; Kuckartz 2008). So wird die Gefahr eventueller Interpretationen

112 „Die wesentlichste Differenz zwischen einem Experteninterview und einem standardisierten
(Umfrage-)Interview besteht darin, dass beim ersteren die Interviewerin ihren Fragekatalog
nicht direktiv verwendet, um eine optimale Vereinfachung der Vergleichbarkeit ihrer Daten zu
erzielen, sondern als Angebot für ein informiertes Gespräch und um es sozusagen ,jederzeit zu
vergessen' gegenüber den Relevanzsetzungen - auch und gerade gegenüber den unerwarte-
ten, außergewöhnlichen und abweichenden - der Befragten“ (Honer 2011a, S. 51).
113 Interviewdauer: A = 25:22 netto (25:46 brutto); B = 32:37 (39:33); C = 32:07 (33:30); D = 54:07
(59:03); E = 45:26 (49:19); F = 34:42 (35:49); G = 58:41 (58:41); Durchschnitt = 40:26 (43:05).
88 Quantitative Untersuchung: Online-Befragung

durch Zusammenfassen des Interviews in Stichpunkte vermieden (Kühl et al.


2009). 114 Fünf der sechs Unternehmensexperten fungieren in leitenden Positionen
(Gruppen- bzw. Abteilungsleiter). Der sechste Interviewteilnehmer ist Mitarbeiter im
Bereich Innovations- und Produktmanagement. Nachfolgend werden die wichtigsten
Aspekte der Interviews erläutert, auf deren Basis anschließend der Fragebogen ab-
geleitet wird.

5.1.1.1 Bekanntheit des Ansatzes und Verbreitung im Unternehmen


Bei den Experteninterviews wurde deutlich, dass der Ansatz weniger aus dem Studi-
um als aus persönlichen Fortbildungen oder über das Unternehmen selber bekannt
ist. So arbeitet D 115 regelmäßig im Rahmen praxisorientierter Abschlussarbeiten mit
einer Hochschule zusammen. Der Lead User-Ansatz wurde seitens der Hochschule
für das Unternehmen vorgeschlagen und dort sehr positiv aufgenommen. Auch B, E
und F wurden durch Kontakte zu Hochschulen auf den Ansatz aufmerksam, jedoch
nicht während des Studiums, sondern durch Unternehmensvorträge von Professo-
ren. Lediglich C kannte den Ansatz aus seinem Studium. A kennt den Ansatz aus
eigenen Recherchen: „Man macht halt Internetrecherchen, besorgt Literatur und
zwangsläufig beim Thema Open Innovation stoßen sie irgendwann auf diesen Lead
User-Ansatz.“ Wie Tabelle 13 verdeutlicht, führten einige Unternehmen (A, B, D)
erstmalig ein Lead User-Projekt durch. Der Ansatz war in diesen Fällen vorher nicht
bekannt und wurde erst durch die Interviewteilnehmer initiiert. E berichtet über ein
Verständnisproblem innerhalb des Unternehmens. Der Lead User-Ansatz musste
mehrfach und in einfacher Form kommuniziert werden, um ein korrektes Verständnis
sowie die Akzeptanz bei den übrigen Mitarbeitern herstellen zu können. Innerhalb
des Fragebogens sollte daher neben dem Studium auch persönliche Weiterbildung
und Projekterfahrung als Antwortmöglichkeit aufgenommen werden.

5.1.1.2 Durchführung und Prozess des Projekts

Als weiterer, wichtiger Aspekt wurde die Organisation der Projekte genannt. Die An-
zahl der integrierten Lead User variiert von sechs (B) bis zwanzig (E). Vier der sechs
Unternehmen führten das Projekt mit einem wissenschaftlichen Partner durch, die
anderen beiden arbeiteten ohne Partner (C) bzw. wurden durch eine Unternehmens-

114 Auf die Kodierung der Interviews durch MAXQDA sowie die Überprüfung der Intercoder-
Reliabilität wurde verzichtet. Die Interviews sollen einen Eindruck über relevante Aspekte in der
Praxis geben und zur Vorbereitung des Fragebogens dienen. Die Auswahl und Bewertung der
Inhalte ist zu diesem Zweck durch den Autor möglich und bedarf keiner Überprüfung weiterer
Personen. Für die umfangreichere Fallstudienanalyse in Kapitel 6 werden diese Maßnahmen
zur Überprüfung der Objektivität durchgeführt.
115 Nachfolgend werden die Mitarbeiter des Unternehmens sowie das Unternehmen selbst syno-
nym mit dem jeweiligen Buchstaben (A-F) bezeichnet.
Methodisches Vorgehen 89

beratung unterstützt (A). Insbesondere die Unternehmen, die mit Hochschulen zu-
sammenarbeiten (B, D, E, F), führten Screening oder Pyramiding zur Lead User-
Identifizierung durch. Ergänzt wurde diese Suche durch moderne Methoden wie Net-
nography und Communities (A, D, E). Die Befragten der Online-Studie sollten daher
die Möglichkeit haben, weitere Methoden zur Lead User-Identifizierung erläutern zu
können.
Auffällig ist, dass die einbezogenen Fachabteilungen der Unternehmen sehr unter-
schiedlich sind. So werden recht spezielle und nicht bei jedem Unternehmen vorhan-
dene Abteilungen wie Bedürfnisforschung (D), Konzernentwicklung (E) oder Zulas-
sung (F) involviert. Die Abteilungen Forschung & Entwicklung sowie Marketing wur-
den bei fast allen Projekten beteiligt (B, D, E, F). Dies entspricht den Ergebnissen der
vorherigen Literaturanalyse (vgl. Kapitel 2.4). Bei den beteiligten Abteilungen ist da-
her in der Online-Befragung eine große Varianz zu erwarten. In Bezug auf den Pro-
zess lässt sich wiederum eine Nähe zur Theorie durch die Unternehmen erkennen,
die mit Hochschulen kooperieren (B, D, E, F). Jedoch sind auch Anpassungen des
Prozesses durch die Unternehmen an deren praktischen Rahmenbedingungen zu
erkennen. D verkürzt den Selektionsprozess bei der Lead User-Suche und nutzt be-
reits vorhandene Kontakte: „Dann werden solche Themen etwas abgekürzt, die in
der Methodik relativ viel Zeit brauchen. [...] Weil ich glaube, viele Firmen haben sol-
che Kontakte, sie wissen es nur noch nicht.“ C verzichtet ebenfalls auf einen auf-
wendigen Screeningprozess, da die Kunden und potenziellen Lead User dem Unter-
nehmen bekannt sind. Jedoch stellt C fest, dass das Verzichten auf ein umfangrei-
ches Lead User-Screening ein hohes Risiko birgt: „Auf der anderen Seite steckt da
natürlich auch ein Stückweit Gefahr dahinter. Denn man hat dadurch die Gefahr,
dass man sich wirklich mit immer wieder den gleichen Kunden beschäftigt und eben
komplett neue Märkte und komplett neue Anwendungsfelder ausblendet.“ Die durch-
geführten Prozessänderungen sollten daher zwingend in der Online-Studie abgefragt
werden. Die Nutzung einer offenen Frage erscheint hier sinnvoll, um die größtmögli-
che Varietät bei dieser wichtigen Frage gewährleisten zu können.

5.1.1.3 Herausforderungen und Widerstände gegen den Lead User-Ansatz

Die Frage nach den Herausforderungen sowie Erfolgsfaktoren ist für die Überprüfung
der praktischen Anwendung elementar. Entsprechend wird auf Basis der Expertenin-
terviews analysiert, welche Aspekte zusätzlich zur Theorie wichtig sind und als Vor-
gaben für den Fragebogen aufgenommen werden sollten.
Konform zur Theorie wurde von allen Unternehmen die schwierige und aufwendige
Identifizierung von Lead Usern als eine wesentliche Herausforderung genannt. Als
möglicher Grund wurde, neben der grundsätzlichen Seltenheit von Lead Usern,
90 Quantitative Untersuchung: Online-Befragung

mangelnde Motivation zur Teilnahme an den Workshops und der entgeltlosen Wei-
tergabe von Ideen genannt (A, B). B nimmt daher an, dass bei längeren Workshops
eine Bezahlung der Lead User notwendig ist, um diese zusätzlich zu motivieren. Als
eine weitere Herausforderung wurde die große Unsicherheit von Lead User-
Projekten in Bezug auf Prozessplanung und Ergebniserwartung bei hohem finanziel-
len und zeitlichen Aufwand genannt (A, D, E). Seitens der Unternehmen ist daher
eine ausreichende Offenheit gegenüber externen Ideen und ungewissen Ergebnis-
sen notwendig. Ein weiterer Faktor ist die Frage nach der Geheimhaltung der Ideen
(Wem gehören die Ideen?) bzw. dem geistigen Eigentum (B, F).
Durch den explorativen Charakter der offenen Experteninterviews wurden Aspekte
genannt, die sich aus der Theorie nicht ergeben bzw. in der theoretischen Literatur
nicht oder weniger relevant sind. Für die Erstellung des Fragebogens sind diese
Aussagen jedoch umso bedeutsamer. So wird durch die Experteninterviews das Ver-
ständnisproblem bestätigt (D, E, F), das sich durch die Analyse der praxisorientierten
Fachartikel bereits angedeutet hatte. F machte bei der Durchführung des Lead User-
Projekts die Erfahrung, dass sowohl das Verständnis von Lead Usern als auch das
Projekt selber nicht ausreichend kommuniziert wurde. So wurden Mitarbeiter gar
nicht oder falsch über den Inhalt und das Ziel des Projekts informiert. Eine umfang-
reiche Kommunikation scheint im Unternehmen also notwendig, um ein korrektes
Verständnis sowie Akzeptanz für das Projekt zu schaffen. Dies wird durch die Aus-
sagen von E bestätigt. Demnach war ein großer Erfolgsfaktor, dass sämtliche Mitar-
beiter über das Lead User-Projekt informiert wurden 116 und dadurch eine größere
Offenheit im Unternehmen herrschte. Eine weitere Herausforderung bezeichnet A als
„Faktor Mensch“. Demnach ist es kaum voraussehbar, wie die Lead User persönlich
miteinander im Rahmen eines Workshops agieren und kommunizieren. Lead User
sind an einem Sachverhalt sehr interessierte Personen mit überdurchschnittlicher
Expertise. Im Idealfall ergänzen sie sich, was den Workshop und die daraus resultie-
renden Ergebnisse positiv beeinflusst. Im schlechtesten Fall sind sie von ihren eige-
nen Ideen und Kenntnissen so eingenommen, dass sie die Meinungen anderer gar
nicht oder nur teilweise akzeptieren. Um dieses Risiko zu mindern, ist eine gute Mo-
deration der Workshops notwendig (A, B, D, E). Ein in der Praxis ebenfalls auftreten-
des Problem ist die mangelnde Umsetzung der erarbeiteten Ergebnisse (E). Es be-
steht die Gefahr, dass ein Lead User-Projekt mit dem Workshop als abgeschlossen
wahrgenommen wird und die Resultate nicht weiter umgesetzt werden. Eine weitere,
konkrete Änderung betrifft den zeitlichen Umfang der Workshops. A stellt fest, dass

116 Alle Mitarbeiter wurden aufgerufen, ihre Ideen zu eine bestimmten Fragestellung zu äußern.
Dadurch wurden die in Kapitel 2.3.4 erläuterten Embedded Lead User identifiziert (Schweisfurth
2013).
Methodisches Vorgehen 91

ein Workshop zukünftig drei Tage umfassen sollte, um ausgiebig mit den Lead Usern
diskutieren und entwickeln zu können. 117

5.1.1.4 Evaluation und zukünftige Anwendung des Ansatzes

Die befragten Unternehmen bewerten die durchgeführten Lead User-Projekte haupt-


sächlich positiv. Unternehmen B, D, E und F geben sehr positive Beurteilungen ab,
teilweise sind die Erwartungen sogar übertroffen worden: „Das war dann am Schluss,
muss man sagen, waren wir doch recht positiv überrascht, was da an Input kam“ (B).
Zudem gaben die Unternehmen an, dass die Ziele größtenteils erreicht wurden. Le-
diglich die Erwartungen von Unternehmen A lagen etwas höher als die Ergebnisse
erbracht haben. Jedoch sollen weitere Lead User-Projekte durchgeführt werden, so-
dass der Ansatz selbst positiv bewertet wird und das Unternehmen stattdessen die
Lerneffekte des ersten Projekts nutzen will. Die Überprüfung der Projektziele ist da-
her ein wesentlicher Aspekt für den Fragebogen. Zudem sollte die zukünftige Durch-
führung von Lead User-Projekten abgefragt werden (inkl. Begründung für eine etwai-
ge Ablehnung zukünftiger Projekte).
Bezüglich der Resultate ist zu erkennen, dass keine endgültigen, fertigen Produkte in
den Workshops entwickelt wurden, die ohne weiteres in den Markt eingeführt werden
können. Jedoch wurden Ideen entwickelt, die in innovative Produkte einfließen: „Und
ich muss auch sagen, wir sind auch an der Arbeit, an Produktlösungen, die aus die-
sem Workshop herausgekommen sind“ (D). Die positive Bewertung der Projekte ver-
deutlicht, dass den Unternehmen die Entwicklung neuer Ideen, Konzepte und Pro-
duktansätze ausreichen bzw. Ziel der Projekte sind. Ein fertiges Produkt wird von
den meisten Unternehmen nicht erwartet (B, C, D, E). Stattdessen ist ein weiteres,
positives Resultat der Projekte das Kennenlernen der Methode (D, E). Die befragten
Unternehmen arbeiten dazu in ihrem ersten Lead User-Projekt mit Universitäten zu-
sammen, die die nötigen Fachkenntnisse besitzen. Zukünftige Projekte können dann
von den Unternehmen selbst durchgeführt werden. Die Aussagen in Bezug auf die
zukünftige Durchführung weiterer Projekte sind dabei unterschiedlich. So planen Un-
ternehmen A und B weitere Lead User-Projekte. Unternehmen D und E planen zwar
kein konkretes Projekt, jedoch werden Teile des Lead User-Ansatzes auch in ande-
ren Projekten angewandt. 118 Gleichzeitig ist der Lead User-Ansatz, der von beiden
Unternehmen positiv bewertet wird, nach der erstmaligen Durchführung nun eine

117 „Also, ich hätte so das Gefühl gehabt, dass [...] wenn man doch vielleicht noch einen halben
Tag mehr gehabt hätte und den Lead Usern die Möglichkeit gegeben hätte, ihre Ideen vielleicht
selber weiter zu verfeinern, dass dann doch noch das eine oder andere [...] greifbare Projekt
herausgekommen wäre“ (A).
118 „Drum habe ich es auch super gefunden. Also ich glaube, dass wir einfach vielleicht 50% weiter
verwenden“ (D).
92 Quantitative Untersuchung: Online-Befragung

weitere methodische Option zur Entwicklung innovativer Produktkonzepte. 119 C stellt


hingegen die Hypothese auf, dass der Ansatz zwar genutzt wird, jedoch weniger sys-
tematisch und unter einer anderen Bezeichnung: „Ich glaube, er wird in der Realität
sehr intensiv genutzt, nur eben nicht in der Systematik und in der Stringenz, wie es in
der Literatur beschrieben ist. Und ich glaube, er wird in vielen Fällen nicht als solcher
bezeichnet.“ Ob der Lead User-Ansatz in geänderter Form bzw. unter anderem Na-
men durchgeführt wird, soll durch die Online-Studie abgefragt und dadurch Weiter-
entwicklungen des Ansatzes erkannt werden.

5.1.1.5 Ableitung des Fragebogens

Die Ergebnisse der Experteninterviews (insbesondere Kapitel 5.1.1.3) verdeutlichen,


dass in der Praxis Aspekte wesentlich sind, die in der Theorie einen geringeren Stel-
lenwert haben (bspw. falsches Verständnis in der Praxis, Faktor Mensch, mangelnde
Umsetzung). Auch die Integration von Lead Usern zur Bewertung bereits vorhande-
ner Ideen (Kapitel 5.1.1.2) entspricht nicht immer dem theoretischen Verlauf, bei dem
Lead User selber Ideen entwickeln (Lüthje und Herstatt 2004). Darüber hinaus äu-
ßern die Interviewteilnehmer weitere Änderungen des Lead User-Ansatzes insbe-
sondere in Bezug auf den Prozess. Die Resultate bestätigen damit die Wahl offener
Experteninterviews, um auch für neue Erkenntnisse offen zu sein (Honer 2011b).

Als wesentliches Ergebnis der Experteninterviews lässt sich zunächst festhalten,


dass die Interviews den positiven Eindruck des Lead User-Ansatzes aus den Litera-
turanalysen als erfolgversprechende Methodik zur Kundenintegration bestätigen. Es
sind jedoch Unterschiede zur Theorie zu erkennen, bspw. in Bezug auf die Zielset-
zung, die Erwartungshaltung und den Prozess. Die Interviews zeigen darüber hinaus
für die Praxis wichtige Herausforderungen, die in der Theorie einen geringeren Stel-
lenwert haben. Basierend auf den praktischen Erfahrungen ändern die Unternehmen
den Prozess und entwickeln Verbesserungen für die zukünftige Durchführung.
Auf Basis dieser Erkenntnisse wurde der Fragebogen für die Online-Studie entwi-
ckelt. Durch die Literaturanalysen und insbesondere die Experteninterviews wurden
die für die Analyse der Umsetzung relevantesten Aspekte identifiziert. Darauf auf-
bauend wurden insgesamt 36 Fragen verfasst (vgl. Anhang B). Dabei existieren un-
terschiedliche Pfade je nach Beantwortung bestimmter Fragen. Abbildung 19 ver-
deutlicht den Aufbau des Fragebogens sowie der verschiedenen Pfade:

119 „Ist jetzt nicht konkret so, dass ich sage: Morgen startet das nächste Lead User-Projekt, das
nicht, aber es ist einfach jetzt im Werkzeugkoffer drin“ (E).
Methodisches Vorgehen 93

Ja Ansatz Nein
bekannt?

Ansatz
angewandt?

Ja Nein

(I) Ansatz angewandt (II) Ansatz nicht angewandt (III) Ansatz unbekannt
ƒ Bewertung ƒ Bewertung ƒ Bewertung
ƒ Erfahrungen ƒ Geeignetere Methoden ƒ Geeignetere Methoden
ƒ Erfolgsfaktoren ƒ Gründe für Ablehnung ƒ Mögliche Probleme
ƒ Herausforderungen ƒ Verbesserungen ƒ Offenheit zur Anwendung
ƒ Verbesserungen

Demografische
Informationen

Abbildung 19: Aufbau des Fragebogens 120

Zu Beginn wird die Bekanntheit des Lead User-Ansatzes abgefragt. Wird diese Frage
bejaht, wird weiterhin untersucht, ob der Ansatz auch angewandt wird. Ist dies der
Fall (I), werden die Erfahrungen mit diesem Ansatz abgefragt. Insbesondere die Her-
ausforderungen und Erfolgsfaktoren sind dabei relevante Aspekte, ebenso Vorschlä-
ge für Verbesserungen des Ansatzes. Sofern der Ansatz bekannt ist, aber nicht an-
gewandt wird (II), werden die Gründe dafür erfragt. Aus diesen Gründen lassen sich
wichtige Informationen ableiten, da auf Basis solcher Kritik Lösungsvorschläge und
Verbesserungen entwickelt werden können. Sofern der Ansatz den Befragten unbe-
kannt ist (III), wird den Probanden der Ansatz erläutert und die Offenheit zur Anwen-
dung abgefragt. Interessant ist dabei die Einschätzung, ob es aus Sicht der Befrag-
ten bessere Methoden zur Entwicklung von Innovationen gibt. Aus diesen bevorzug-
ten Methoden können wiederum Lehren gezogen und Weiterentwicklungen abgelei-
tet werden. Bei allen drei Pfaden soll zusätzlich die Eignung des Lead User-Ansatzes
zur Entwicklung innovativer Produktkonzepte bewertet werden. Der Fragebogen
schließt mit demografischen Fragen, die für die Pfade jeweils identisch sind und eine
Vergleichbarkeit gewährleisten.
Bei der Art der Fragen wird zwischen geschlossenen und offenen Fragen unter-
schieden (Atteslander 2008; Baur und Blasius 2014; Brosius et al. 2012). Bei offenen
Fragen kann der Befragte alles antworten, was er gerne äußern möchte (Schumann
2012). Dies verspricht vor allem bei explorativen Umfragen wichtige Informationen,
insbesondere da diese über die Antwortmöglichkeiten hinaus gehen können, die der

120 Quelle: Eigene Darstellung.


94 Quantitative Untersuchung: Online-Befragung

Autor erwartet (Häder 2015). Die Auswertung offener Fragen ist jedoch vor allem bei
Umfragen mit einer hohen Beteiligung sehr aufwendig. Zudem können offene Fragen
die Motivation der Befragten zum Ausfüllen des Fragebogens gefährden, da offene
Fragen mühseliger zu beantworten sind als das Auswählen vorgegebener Antwort-
möglichkeiten (Raithel 2008). 121 Offene Fragen sollten daher nur selten angewandt
werden (ebd.). Geschlossene Fragen hingegen geben bestimmte Antwortmöglichkei-
ten vor, die der Autor festlegt (Atteslander 2008). Die Auswertung geschlossener
Fragen ist weniger aufwendig, die Beantwortung ist schneller durchführbar als bei
offenen Fragen (Brosius et al. 2012). Durch die Beantwortung pfadentscheidender
Fragen 122 werden die Befragten durch die zuvor erläuterten Pfade geleitet. Diese
sind entweder mit Ja oder Nein zu beantworten. Weitere Ja/Nein-Fragen wurden ge-
stellt, meist jedoch mit einem zusätzlichen Textfeld als Option zur Begründung der
Antwort. 123 Durch die offene Beantwortung dieser Fragen werden wichtige Aussagen
erwartet, warum andere Methoden bevorzugt werden, der Lead User-Ansatz nicht
anwendbar ist oder warum die Ziele des Projekts nicht erreicht wurden. Desweiteren
wurden Fragen mit einer Mehrfachauswahl gestellt. Bei diesen Fragen ist nicht nur
eine Antwort möglich, der Befragte kann alle Antwortmöglichkeiten auswählen, die
zutreffen. Werden bei einem Lead User-Projekt bspw. mehrere Abteilungen eines
Unternehmens involviert, so können alle zutreffenden Antworten angeklickt wer-
den. 124 Wichtig ist hierbei der Hinweis, dass eine Mehrfachauswahl an Antworten
möglich ist, sodass der Befragte sich nicht zwingt, nur eine Antwortmöglichkeit zu
wählen. Bei bewertenden Fragen wurde eine 5er-Likert-Skala gewählt (Kuckartz et
al. 2010). Diese Skalen bestehen aus fünf Antwortmöglichkeiten (Items) (Brosius et
al. 2012). 125 Den einzelnen Items werden Nominalwerte zugeordnet, die zur Auswer-
tung addiert werden. Zur Beurteilung wird aus der Summe der Antworten der Durch-

121 „Als problematisch erweisen sich offene Fragen darin, dass Befragte oft Schwierigkeiten haben
oder es ihnen einfach zu lästig ist, offene Fragen zu beantworten. Daraus ergeben sich häufig
Antwortverweigerungen. Des Weiteren ist die Auswertung offener Fragen recht aufwendig, da
praktisch jeder Befragte seine Antworten anders formuliert“ (Raithel 2008, S. 68).
122 Vgl. Abbildung 19: Kennen Sie den Lead User-Ansatz? (Ja/Nein); Wurde in Ihrem Unternehmen
bereits ein Lead User-Projekt durchgeführt? (Ja/Nein).
123 Bspw.: Wurde das Lead User-Projekt in Ihrem Unternehmen entsprechend durchgeführt oder
gab es Abweichungen? Ja, es wurde nach dem theoretischen Prozess durchgeführt bzw. Nein,
es gab folgende Abweichungen:...
124 Welche Abteilungen waren bei dem Lead User-Projekt involviert? (mehrere Antworten möglich)
= Externe Berater, Forschung & Entwicklung, Geschäftsführung, Innovationsmanagement, Mar-
keting, Marktforschung, Wissenschaftlicher Partner, Vertrieb, Sonstiges (bitte angeben). Auch
hier ist es wichtig, ein Optionsfeld (Sonstiges) anzugeben, sodass der Befragte eine eigene
Antwort niederschreiben kann. Dies entspricht dem explorativen Charakter der Umfrage und ist
wichtig, um die Offenheit gegenüber den Befragten zu bewahren.
125 Bsp.: Zur Beantwortung der Frage „Wie beurteilen Sie die Erfolgsaussichten eines Lead User-
Projekts, innovative Produktkonzepte zu entwickeln?“ kann der Befragte zwischen den Ant-
wortmöglichkeiten äußerst positiv, positiv, neutral, negativ, äußerst negativ wählen.
Methodisches Vorgehen 95

schnitt gebildet. 126 Um eine aussagekräftige Antwort zu erhalten, sollten dazu jedoch
ausreichend viele Antworten abgegeben werden (mindestens 100), da Ausreißer den
Durchschnittswert sonst zu stark beeinflussen können (Schnell et al. 2005). Die un-
gerade Zahl von fünf Antwortmöglichkeiten ermöglicht, sich einer Frage neutral ge-
genüber zu positionieren (Raithel 2008). Da bei dieser Studie bei einigen Fragen
neutrale Antworten zu erwarten sind, ist eine ungerade Zahl von Antwortmöglichkei-
ten sinnvoll. 127 Hätte der Befragte keine Möglichkeit einer neutralen Antwort, besteht
die Gefahr, dass er sich für eine Antwort entscheidet, die er eigentlich gar nicht ge-
ben würde: „Eine gerade Anzahl birgt dagegen die Gefahr, der Akquieszenz Vor-
schub zu leisten, also der Tendenz der Befragten, eine Frage im Zweifelsfall zu beja-
hen. Auch dies würde einen Messfehler verursachen“ (Baur und Blasius 2014, S.
706).
Um die Motivation der Teilnehmer aufrecht zu erhalten, wurden nur zwei offene Fra-
gen gestellt (Atteslander 2008). Diese betreffen jedoch sehr wichtige Aspekte dieser
Umfrage. Zum einen wird durch eine offene Frage abgefragt, welche Eigenschaften
nach Meinung des Befragten einen Lead User ausmachen (vgl. Anhang B). Diese
Frage ist sehr wichtig, um das Verständnis des Ansatzes in der Praxis zu überprüfen.
Zudem sollte hier nicht mit geschlossenen Fragen und damit Antwortmöglichkeiten
gearbeitet werden, da die Teilnehmer offen ihre Einschätzung eines Lead Users ab-
geben sollen. Die Vorgabe von Antwortmöglichkeiten kann den Befragten insofern
beeinflussen, dass er eine Antwort auswählt statt seine evtl. differente Meinung nie-
derzuschreiben (Baur und Blasius 2014). Eine zweite offene Frage betrifft etwaige
Verbesserungsvorschläge zur Verbesserung des Lead User-Ansatzes. 128 Auch hier
sollen die Befragten frei ihre Meinung und Einschätzungen äußern. Eine Beeinflus-
sung durch die Vorgabe bestimmter Antworten würde die Aussagekraft der Ergeb-
nisse mindern (ebd.). Für das Fragebogendesign wurden verschiedene Vorlagen
gesichtet sowie Hinweise aus Veröffentlichungen aufgenommen (Baur und Blasius
2014; Schnell et al. 2005; Schumann 2012; Schweisfurth 2013). 129 Es sollten nur
Fragen gestellt werden, die von großem Interesse sind und zum Themenfeld beitra-

126 Bspw. werden den zuvor genannten Antwortmöglichkeiten die Werte 1,2,3,4,5 zugeordnet. Ein
Durchschnittswert von 1,5 würde bedeuten, dass die Befragten die Erfolgsaussichten eines
Lead User-Projekts zur Entwicklung innovativer Produktkonzepte positiv bewerten (zwischen
äußerst positiv (1) und positiv (2)).
127 Kennt ein Proband den Lead User-Ansatz bspw. nicht, so wird er ihm erläutert und daraufhin
nach der Einschätzung gefragt, wie dieser Ansatz zur Innovationsentwicklung bewertet wird. Ei-
ne neutrale Einschätzung des Befragten ist dabei zu erwarten.
128 Was würden Sie am Lead User-Ansatz ändern, damit eine Anwendung in Ihrem Unternehmen
sinnvoll wäre? (stichpunktartig) (vgl. Anhang B).
129 So raten bspw. Schnell et al. (2005), unterschiedliche Farben für die Fragen zu vermeiden, die
Instruktionen jedoch anders zu gestalten als die Fragen. Dieser Hinweis wurde bei der Erstel-
lung des Fragebogens berücksichtigt.
96 Quantitative Untersuchung: Online-Befragung

gen (Brace 2013). Unnötige Fragen stellen eine Verschwendung an Ressourcen dar,
weil andere, potenziell wichtigere Fragen, nicht gestellt werden (ebd.). Zudem sollte
der Fragebogen nicht zu viel Zeit beanspruchen, damit beim Befragten nicht der Ein-
druck einer Zeitverschwendung entsteht und dadurch die Abbruchwahrscheinlichkeit
erhöht wird (Atteslander 2008). Um dies zu verhindern, wurden nur die für diese Ar-
beit wichtigsten Fragen ausgewählt und darauf geachtet, dass die Beantwortung des
Fragebogens nur etwa zehn Minuten in Anspruch nimmt. 130 Damit die Teilnehmer
den Fragebogen überall ausfüllen können, wurde die Online-Software SurveyMonkey
genutzt (Gordon 2002). Bei einer idealen Dauer von maximal 15 Minuten der Online-
befragung kann auf eine Incentivierung verzichtet werden (Baur und Blasius 2014).
Den Umfrageteilnehmern wurde jedoch die Möglichkeit geboten, ihre Kontaktdaten
anzugeben, um eine Zusammenfassung der Umfrageergebnisse zu erhalten.

5.1.2 Pre Test

Aufgrund der Abwesenheit des Interviewers können eventuelle Verständnisschwie-


rigkeiten nicht vor Ort behoben werden (Baur und Blasius 2014). Umso wichtiger ist
es daher, dass die Fragen und Informationen für die Teilnehmer verständlich sind
(Brosius et al. 2012). Um dies zu überprüfen, wurde ein Pre Test durchgeführt. Nach
Raithel (2008) hat dieser „die Aufgabe, das vorläufige Instrument auf seine Anwend-
barkeit, Vollständigkeit, Verstehbarkeit und Qualität (Einhaltung der Gütekriterien),
die Erhebungssituation und eventuell die Interviewer zu prüfen“ (Raithel 2008, S. 63).
Um relevantes Feedback zum Fragebogen zu erhalten, wurde ein Pre Test mit zehn
Personen 131 durchgeführt. Dabei wurde darauf geachtet, eine ausgeglichene und
förderliche Balance zwischen Wissenschaftlern und Praktikern zu gewährleisten.
Wissenschaftliche Kollegen können besonders hilfreichen Input zur Fragebogenge-
staltung (bspw. Art der Fragen) sowie zur Vollständigkeit beitragen. Praktiker können
insbesondere das Verständnis und die Anwendbarkeit beurteilen (Häder 2015). Ein
wesentliches Kriterium war dabei die benötigte Zeit zum Ausfüllen des Fragebogens.
Angestrebt wurde eine durchschnittliche Zeit von zehn Minuten, um die Abbruchquo-
te möglichst zu minimieren bzw. die Motivation zur Teilnahme durch den geringen
Zeitverbrauch zu erhöhen. Der Mittelwert der benötigten Dauer der Pre Tests ist
14:28 Minuten. Zu beachten gilt jedoch, dass zwei Probanden mit 33:59 bzw. 26:53
Minuten vergleichsweise lange zur Beantwortung benötigten (da nicht durchgängig
ausgefüllt). Ohne diese zwei Ausreißer liegt der Mittelwert bei 10:28 Minuten und
somit im gewünschten Bereich. Zudem wurden von den Probanden weitere, jedoch
nur kleinere Änderungen und Verbesserungen geäußert (bspw. zu den Formulierun-

130 Die Überprüfung wurde durch den Pre Test durchgeführt (vgl. Kapitel 5.1.2).
131 Fünf Wissenschaftler, fünf Mitarbeiter von Unternehmen unterschiedlicher Branchen.
Methodisches Vorgehen 97

gen der einzelnen Fragen). Da alle Teilnehmer des Pre Tests den Fragebogen als
verständlich bewerteten, wurde nach Einarbeitungen der Verbesserungsvorschläge
die Umfrage begonnen.

5.1.3 Datenbasis und Auswahl der Teilnehmer

Um die Durchführbarkeit der Befragung zu gewährleisten, ist die Fokussierung auf


eine Zielgruppe sinnvoll (Häder 2015). Die Literaturanalyse hat gezeigt, dass in der
wissenschaftlichen Literatur hauptsächlich Beispiele von Großunternehmen wie
Johnson & Johnson oder 3M genannt werden, die Lead User erfolgreich integrieren
(Lettl et al. 2008; Lilien et al. 2002; Lüthje und Herstatt 2004). Solche internationalen,
finanzstarken Unternehmen haben den Vorteil, verschiedene Methoden anwenden
und erproben zu können. Risiken, insbesondere finanzieller Art, können von Großun-
ternehmen eher eingegangen und kompensiert werden als durch kleinere Organisa-
tionen (Leimeister et al. 2011). 132 Interessant und durch Studien bisher kaum er-
forscht, ist daher die Frage, ob auch mittelständische Unternehmen diesen Ansatz
nutzen und welche Erfahrungen sie mit dem Lead User-Ansatz gemacht haben. Um-
so spannender ist diese Fokussierung vor dem Hintergrund, dass Deutschland im
Bereich der so genannten Hidden Champions auf dem Spitzenplatz liegt (Abbildung
20). Als Hidden Champions werden mittelständische Unternehmen bezeichnet, die
folgende Eigenschaften aufweisen (Simon 2009): 133

1) Gelten in ihrer Branche als Nummer eins, zwei oder drei im weltweiten Markt
2) Jahresumsatz beträgt weniger als drei Milliarden Euro

3) Unternehmen sind vergleichsweise wenig bekannt


Dementsprechend werden diese Unternehmen als heimliche Gewinner (Hidden
Champions) bezeichnet, da sie sowohl erfolgreich als auch verhältnismäßig unbe-
kannt sind. Abbildung 20 verdeutlicht den Stellenwert Deutschlands im Bereich der
Hidden Champions im internationalen Vergleich:

132 Leimeister et al. (2011) stellen fest, dass begrenzte Ressourcen von 45% der KMUs und nur
von 36% der Großunternehmen als Herausforderung bei der Kundenintegration bewertet wer-
den.
133 Simon (2009) gilt als Begründer dieses Themengebiets und definiert die Kriterien folgenderma-
ßen: „Who is a hidden champion? Number one, two or three in the global market, or number
one on its continent. The market position is generally determined by market share. If a company
does not know its exact market share, we use the relative market share (its own market share,
revenues or number of units divided by the market share, revenues or number of units of the
strongest competitor). As it is not possible to monitor every market, we rely on the market share
information provided by the companies; Revenue below $4 billion; Low level of public aware-
ness. This aspect cannot be quantified precisely, but over 90% of the companies included meet
this requirement from the qualitative point of view“ (Simon 2009, S. 15).
98 Quantitative Untersuchung: Online-Befragung

Abbildung 20: Anzahl der Hidden Champions im internationalen Vergleich 134

Die Abbildung zeigt, dass Deutschland im internationalen Vergleich die meisten Hid-
den Champions vorweisen kann. Zu vermuten ist daher, dass aufgrund dieses Po-
tenzials nicht nur Großunternehmen (3M, Johnson & Johnson etc.), sondern auch
mittelständische Unternehmen den Lead User-Ansatz anwenden oder zumindest für
die Anwendung offen sind. Die Voraussetzungen dafür (Finanzen, Innovationskraft,
Marktkenntnis etc.) sollten insbesondere bei den Hidden Champions vorliegen.
Damit im Rahmen der Umfrage eine effektive Bewertung des Ansatzes vorgenom-
men werden kann, sollen zudem Unternehmen befragt werden, die bereits Kunden in
ihren Innovationsprozess integrieren und somit entsprechende Expertise haben oder
Kundenintegration zumindest beurteilen können. Zu erwarten ist dies bei Unterneh-
men, die im Rahmen verschiedener Innovations- und Industriepreise ausgezeichnet
wurden. Für die Umfrage wurden demnach die Preisträger und Nominierten von drei
Industriepreisen (Top 100 Innovatoren, Deutscher Mittelstandspreis, Industriepreis
der Initiative Mittelstand) ausgewählt. Diese Unternehmen agieren in einer Vielzahl
unterschiedlicher Branchen und sind an Innovationsmanagement interessiert bzw.
als innovativ zu bezeichnen. Eine Einbeziehung der Unternehmen (Preisträger und
Nominierte) der Auszeichnungen vor 2010 ist nicht zielführend, da eine Vielzahl der
verantwortlichen Personen dieser Jahrgänge nicht mehr im Unternehmen arbeitet.
Zum anderen ist zu befürchten, dass die Motivation der Unternehmen zur Teilnahme
abnimmt, je länger die Auszeichnung zurück liegt. Aktuelle Preisträger sind im Be-

134 Quelle: Frietsch et al. 2015 (2015, S. 44).


Methodisches Vorgehen 99

reich des Innovationsmanagements nachweislich stärker involviert, daher dürfte die


Motivation zur Teilnahme an einer Umfrage in diesem Bereich hoch sein.

Insgesamt wurden 1482 Unternehmen durch die Industriepreise seit 2010 ausge-
zeichnet oder waren nominiert. 135 Dabei kommt es zu zahlreichen Doppelungen, da
eine Firma (I) für den gleichen Industriepreis in verschiedenen Jahren nominiert oder
ausgezeichnet werden kann oder (II) ein Unternehmen mehrere Industriepreise
gleichzeitig gewinnen kann. 136 Diese Doppelungen wurden entfernt, sodass schließ-
lich 1154 verschiedene Unternehmen kontaktiert wurden. Tabelle 14 fasst die Anzahl
der Unternehmen für die jeweiligen Quellen zusammen:
Tabelle 14: Auswahl der Umfrageteilnehmer

Quelle / Jahr 2015 2014 2013 2012 2011 2010 Ȉ

Top 100 114 144 80 66 49 50 503

Mittelstandspreis 0 96 71 71 67 67 372

Industriepreis 39 38 38 30 31 31 207

Kontrollgruppe 72 0 0 0 0 0 72

Basis (n=) 225 278 189 167 147 148 1154

Diese Unternehmen sind durch ihre Auszeichnungen nachweislich innovativ. Um ei-


ne Vergleichbarkeit der Ergebnisse zu gewährleisten wird eine zusätzliche Kontroll-
gruppe (n=72) 137 von Unternehmen involviert, die nicht nominiert waren bzw. keinen
der Preise erhielten. So kann im Nachhinein überprüft werden, ob die Ergebnisse
durch die Quellen (Innovationspreise) beeinflusst wurden.

5.1.3.1 Top 100 Innovatoren

Seit 1993 werden jährlich mittelständische, deutsche Unternehmen für ihre Innovati-
onskraft als Top 100 Innovatoren ausgezeichnet. 138 Der Innovationspreis wurde von
Prof. Dr. Franke von der Wirtschaftsuniversität Wien entwickelt. 139 Die Jury der Top

135 Zu Beginn der Umfrage (11. Juli 2015) waren die Preisträger und Nominierten des Deutschen
Mittelstandspreises für das Jahr 2015 noch nicht veröffentlicht und konnten in die Umfrage da-
her nicht aufgenommen werden.
136 Bspw. wurde die Fissler GmbH als Top 100 Innovator in den Jahren 2011, 2012, 2013 und
2014 ausgezeichnet. Die HG Hans Geiger Formenbau GmbH wurde sowohl als Preisträger des
Mittelstandspreises 2013 als auch als Top 100 Innovator 2012, 2013 und 2014 ausgezeichnet.
137 Unternehmen unterschiedlicher Branchen.
138 Alle nachfolgenden Informationen sind der Website www.top100.de entnommen.
139 Von 1993 bis 2002 war Hans-Jürgen Warnecke Mentor dieser Auszeichnung, 2002 bis 2011
begleitete Lothar Späth in dieser Rolle das Projekt. Seit 2011 ist Ranga Yogeshwar der Mentor.
100 Quantitative Untersuchung: Online-Befragung

100 besteht aus 36 Personen aus Wissenschaft, Politik und Wirtschaft. Um die Aus-
zeichnung als innovatives Unternehmen zu erhalten, durchlaufen die Unternehmen
ein Auswahlverfahren, wozu sie sich selbst anmelden müssen. Die Bewertung wird
„auf Basis eigener Untersuchungen und aktueller Erkenntnisse der internationalen
Innovationsforschung“ (Yogeshwar 2014, S. 17) durchgeführt. Der Bewertung liegen
fünf Kriterien zugrunde, nach denen die Unternehmen begutachtet werden:
1) Innovationsförderndes Top-Management
2) Innovationsklima

3) Innovative Prozesse und Organisation


4) Innovationsmarketing/Außenorientierung

5) Innovationserfolg
Im ersten Schritt müssen die Unternehmen 30 Fragen zu den zuvor genannten The-
menbereichen beantworten. 140 Auf dieser Basis wird seitens der Organisatoren be-
wertet, ob ausreichend Innovationskraft und -potenzial vorhanden ist, sodass eine
weitergehende Analyse der Unternehmen lohnt. Mit den innovativsten Unternehmen
wird dann ein individuelles Rating durch die Jury durchgeführt und schließlich die
Preisträger ermittelt. Ausgezeichnet werden Unternehmen in drei Kategorien (bis zu
50 Beschäftigte, 51 bis 250 Beschäftigte sowie mehr als 250 Beschäftigte). 141

5.1.3.2 Deutscher Mittelstandspreis


Seit 1995 werden jährlich mittelständische, deutsche Unternehmen mit dem Großen
Preis des Mittelstands ausgezeichnet. 142 Ausrichter ist die Oskar-Patzelt-Stiftung,
eine Non-Profit- bzw. Non-Governmental-Organisation mit 200 ehrenamtlichen Mit-
arbeitern. Mittelständische Unternehmen können in einem Zeitraum von drei Mona-
ten von anderen Unternehmen, Verbänden, Kommunen oder Institutionen für diese

140 Beispielfragen: Inwieweit ist Innovationsmanagement Chefsache? (Innovationsförderndes Top-


Management); Haben die Mitarbeiter den Freiraum, der für Kreativität nötig ist? (Innovationskli-
ma); Sind Neuerungen Zufall oder organisierter Prozess? (Innovative Prozesse und Organisati-
on); Ist das Marketing im Innovationsmanagement eingebunden? (Innovationsmarke-
ting/Außenorientierung); Welchen Anteil haben Marktneuheiten am Unternehmensgewinn? (In-
novationserfolg).
141 Bspw. nahmen 2014 mehr als 2.000 Teilnehmer an der Umfrage teil, 247 Unternehmen ent-
sprachen den Kriterien (ca. 12%), 198 wurden schließlich zur Finalrunde eingeladen. In jeder
Kategorie können bis zu 100 Unternehmen (Top 100) ausgezeichnet werden, daher nehmen an
der Finalrunde stets mehr als 100 Unternehmen teil.
142 Alle nachfolgenden Informationen sind der Website www.mittelstandspreis.com entnommen.
Bis 2005 wurde die Auszeichnung als OSKAR bezeichnet. Wegen der Verwechslungsgefahr mit
der Filmauszeichnung Oscar wurde nach jahrelangem Rechtsstreit eine außergerichtliche Ver-
einbarung getroffen und die Auszeichnung in Großer Preis des Mittelstands geändert.
Methodisches Vorgehen 101

Auszeichnung vorgeschlagen werden, wenn die Unternehmen vier Voraussetzungen


erfüllen: 143

1) Mindestens zehn Arbeitsplätze und 1,0 Mio. Euro Umsatz p.a.


2) Mindestens drei Jahre stabile Tätigkeit am Markt

3) Müssen frei von kommunaler oder staatlicher Beteiligung sein


4) Jede gesetzliche Rechtsform ist möglich
Daraufhin wird in einer Vorauswahl überprüft, ob die Unternehmen relevante Kriteri-
en aufweisen (Gesamtentwicklung des Unternehmens, Schaffung/Sicherung von Ar-
beits- und Ausbildungsplätzen, Modernisierung und Innovation, Engagement in der
Region sowie Service und Kundennähe, Marketing). Die verbleibenden Unternehmen
werden dann von zwölf Regional- 144 und einer Abschlussjury bewertet. Pro Region
können jeweils fünf Finalisten und drei Preisträger ausgezeichnet werden. Innovation
ist nur eine von fünf Kriterien für die Auszeichnung des Mittelstandspreises. Im Ver-
gleich zu den Top 100, wo jede Kategorie die Innovativität fokussiert, ist bei diesem
Preis der Fokus eher auf dem generellen Markterfolg des Unternehmens. Im Rah-
men dieser Auszeichnung werden auch kleine Unternehmen (bspw. Malerbetriebe,
Bäckereien) ausgezeichnet. Daher werden interessante Erkenntnisse in Bezug auf
die Offenheit der Unternehmen gegenüber neuen Innovationsmethoden wie dem
Lead User-Ansatz erwartet.

5.1.3.3 Industriepreis der Initiative Mittelstand


Seit 2006 wird vom Huber Verlag für neue Medien der Industriepreis der Initiative
Mittelstand an erfolgreiche, deutsche Industrieunternehmen vergeben. 145 Intention
der Auszeichnung ist, den Unternehmen „durch den Preis zu einer erhöhten Präsenz
in der Öffentlichkeit zu verhelfen und so die Aufmerksamkeit potenzieller Kunden und
Geschäftspartner auf sich zu ziehen“ (Huber Verlag für Neue Medien GmbH 2016, S.
1). Unternehmen können sich selbst für die Auszeichnung bewerben, sofern sie fol-
gende Kriterien erfüllen:

1) Nur Unternehmen und Selbständige im deutschsprachigen Raum


2) Es werden nur eigene, also keine zugekauften Produkte bewertet

3) Die Rechte Dritter dürfen durch die Teilnahme nicht verletzt werden

143 Im Jahr 2014 wurden bspw. 4.555 Unternehmen für die Auszeichnung vorgeschlagen.
144 Regionen: Sachsen, Sachsen-Anhalt, Berlin/Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Baden-
Württemberg, Bayern, Hessen, Thüringen, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen/Bremen,
Rheinland-Pfalz/Saarland, Schleswig-Holstein/Hamburg.
145 Alle nachfolgenden Informationen sind der Website www.imittelstand.de entnommen. Durch die
Initiative Mittelstand wird zusätzlich der Innovationspreis-IT jährlich vergeben.
102 Quantitative Untersuchung: Online-Befragung

Eine Jury von 31 Personen aus Wissenschaft, Journalismus und Wirtschaft bewertet
die Unternehmen nach den Kriterien Innovationsgehalt (Neuheit, Produktreife und
Zukunftsorientierung) und Nutzen (erkennbarer Nutzen, Auswirkung auf Profitabilität,
Effizienzsteigerung). 146 Beim Industriepreis der Initiative Mittelstand liegt der Fokus
neben dem ökonomischen Nutzen (Profitabilität, Effizienzsteigerung etc.) auf dem
Innovationsgehalt der Unternehmen. Daher sind durch die Umfrage Erfahrungen die-
ser Unternehmen mit dem Lead User-Ansatz bzw. eine fachkundige Evaluation des
Ansatzes zu erwarten.

5.1.3.4 Kontrollgruppe

Von den oben genannten Preisträgern und Nominierten der Industriepreise wird er-
wartet, dass sie durch ihre nachgewiesene Innovativität praktische Erfahrungen mit
dem Lead User-Ansatz weitergeben oder - sofern der Ansatz bisher nicht bekannt
war - das Potenzial im Vergleich zu anderen Innovationsmethoden bewerten können.
Sie können die Methoden effektiver evaluieren bzw. vergleichen und somit vielver-
sprechende Aussagen zum Lead User-Ansatz treffen. Jedoch birgt der Fokus auf
diese prämierten Unternehmen die Gefahr, dass der Lead User-Ansatz bekannter ist
als in Unternehmen, die nicht explizit innovativ tätig sind. Um zu überprüfen, ob eine
solche Verfälschung der Ergebnisse vorhanden ist, werden als vierte Quelle Mitarbei-
ter von Unternehmen befragt, die nicht mit den zuvor genannten Industrie- und Inno-
vationspreisen ausgezeichnet wurden. Durch Vergleich der Gruppen kann im Nach-
hinein festgestellt werden, ob die Umfrage aufgrund der Auswahl der Unternehmen
beeinflusst wurde.

5.1.4 Datensammlung

Mit der Entwicklung des Fragebogens wurde zu Beginn des Jahres 2015 begonnen.
Neben der Herleitung des Fragebogenkonstrukts und der inhaltlichen Gestaltung der
Fragen auf Basis der Theorie sowie der Experteninterviews nahm die Recherche der
zu befragenden Unternehmen viel Zeit in Anspruch. Da davon auszugehen ist, dass
nicht personalisierte Mails an Info- oder Kontaktadressen 147 oftmals nicht den richti-
gen Ansprechpartner finden und daher eine Teilnahme an der Umfrage unwahr-
scheinlicher ist als bei personalisierten Anschreiben, wurden in einer umfangreichen

146 Im Jahr 2014 wurden bspw. 15 Nominierte und 13 Sieger in den Kategorien Antriebs- & Fluid-
technik, Automotive, Biotechnologie, Elektrotechnik, Energie & Umwelt, Forschung & Entwick-
lung, IT- & Softwarelösungen für die Industrie, Intralogistik & Produktionsmanagement, Medizin-
technik, Mikrosystemtechnik, Optische Technologien, Produktionstechnik & Maschinenbau,
Service & Dienstleistungen sowie Zulieferer ausgezeichnet. Zudem gibt wird ein Gesamtsieger
prämiert.
147 Bspw.: info@tuhh.de.
Methodisches Vorgehen 103

Internetrecherche in mehr als 85% der Fälle personalisierte Kontaktinformationen


gesammelt. Diese umfassen insbesondere den Namen des geeigneten Mitarbeiters
im Unternehmen und seine persönliche Mailadresse. Nach der Sammlung der Kon-
taktdaten und der Durchführung des Pre Tests wurde im Juni 2015 die Umfrage ver-
schickt. Den genauen Zeitverlauf zeigt Abbildung 21:

11.06.2015 02.07.2015
Vorbereitung Umfrage Versenden Versenden Versenden der
und Sammeln Umfrage per Umfrage per Ergebnisse an
Kontaktdaten Survey Monkey XING / Mail Teilnehmer

26.05.2015 17.06.2015 08.08.2015


Versenden Versenden Schließen der
Pre Test Reminder Umfrage

Abbildung 21: Zeitverlauf der Online-Befragung 148

Am 11. Juni 2015 wurde die Umfrage an die Unternehmen per Mail über Survey-
Monkey versendet. Ein wichtiger Faktor bei der Planung der Umfrage war die Termi-
nierung außerhalb der Ferienzeit in Deutschland. 149 Etwa eine Woche nach Versen-
den der Umfrage wurde eine Erinnerung an die Personen verschickt, die bis dahin
noch nicht teilgenommen oder die Umfrage nicht vollständig ausgefüllt hatten. Am 2.
Juli wurden die Mails und Nachrichten per XING an die Kontrollgruppe verschickt.
Anfang August wurde die Umfrage abgeschlossen.

5.1.5 Datenpräparation und -auswertung mit SPSS

Um aus den Umfrageergebnissen sinnvolle Analysen und Zusammenhänge ableiten


zu können, ist ein professionelles Datenmanagement notwendig (Schendera
2005). 150 Die Datenauswertung durch die Statistiksoftware SPSS (Statistical Packa-
ge for the Social Sciences) ist eine etablierte Vorgehensweise in der quantitativen
Forschung (Baur und Fromm 2008; Raithel 2008; Schendera 2005). Dazu wurden

148 Quelle: Eigene Darstellung.


149 Damit sich möglichst wenige der kontaktierten Personen in den Ferien befanden und die Um-
fragemail dadurch keine oder weniger Beachtung erfuhr, wurde explizit ein ferienfreier Zeitraum
gewählt. Da die Pfingstferien in Bayern am 5. Juni und in Baden-Württemberg am 6. Juni ende-
ten, befand sich zum Zeitpunkt des Umfragestarts kein Bundesland in der Ferienzeit. Die Som-
merferien begannen 2015 zuerst in Nordrhein-Westfalen am 29. Juni, sodass nach Beginn der
Umfrage über zwei Wochen Zeitspanne zum Ferienbeginn lagen.
150 „Professionelles Datenmanagement ist die Voraussetzung für einen korrekten Datensatz und
ein Datensatz ist die Basis Ihrer wissenschaftlichen Arbeit“ (Schendera 2005, S. 1).
104 Quantitative Untersuchung: Online-Befragung

die Daten von SurveyMonkey nach SPSS exportiert. Zur Auswertung und zum Ver-
gleich der Ergebnisse wurden zunächst geeignete Variablen vergeben. 151 Danach
wurden die Häufigkeiten ausgezählt, um Aspekte wie Bekanntheit oder Anwendung
des Ansatzes deskriptiv zu beschreiben. Um den Zusammenhang zwischen zwei
oder mehr Variablen zu untersuchen, ist die Erstellung von Kreuztabellen geeignet
(Baur und Fromm 2008; Janssen und Laatz 2013). So kann bspw. die Bekanntheit
des Ansatzes je Branche abgebildet werden. Es gilt jedoch zu beachten, dass die
Fallzahlen und damit die Aussagekraft der Aussagen sinken, je detaillierter die Zu-
sammenhänge untersucht werden (Schendera 2005). Die ausgegebenen Tabellen
und Daten wurden schließlich in Form von Balkendiagrammen visualisiert.

5.1.6 Umfrageteilnehmer

Insgesamt wurden an 1154 Unternehmen Umfragemails verschickt. Bei Schließung


der Umfrage hatten 249 Personen teilgenommen (exklusive der 10 Beantwortungen
des Pre Tests). Dies entspricht einer Rücklaufquote von 22% (Tabelle 15), die für
Online-Befragungen einen akzeptablen Wert darstellt (Füller et al. 2009; Gruner und
Homburg 2000; Wellner 2015):

Tabelle 15: Umfrageteilnehmer

Quelle Verschickte Fragebögen Umfrageteilnehmer Rücklaufquote

Top 100 503 83 16,50%

Mittelstandspreis 372 69 18,55%

Industriepreis 207 33 15,94%

Kontrollgruppe 152 72 64 88,89%

Basis (n=) 1154 249 21,58%

SurveyMonkey bezeichnet Fragebögen, an deren Ende das Feld Fertig angeklickt


wurde, als vollständig. Bei dieser Umfrage sind dies 209 Fälle, deren Daten in die
Auswertung aufgenommen wurden. Wird dieses Feld am Ende nicht angeklickt, wird

151 Bspw. wurden den Industriepreisen die Nummern 1 bis 4 (1=Industriepreis der Initiative Mittel-
stand, 2=Mittelstandspreis etc.) zugeordnet. Die Variablen dienen der Übersichtlichkeit bei der
Auswertung.
152 Die Kontrollgruppe sind hauptsächlich Kontakte des Autors. Daher ist deren Bereitschaft zur
Teilnahme und somit die Rücklaufquote mit 89% sehr hoch. Die Beantwortung wird dadurch je-
doch nicht beeinflusst, da alle Teilnehmer der Kontrollgruppe die für sie und ihr Unternehmen
relevanten Antworten selbständig abgeben. Es wurden keine vorherige Informationen durch den
Autor geäußert, lediglich die Bereitschaft zur Teilnahme ist durch diese Kontakte höher. Ohne
die Kontrollgruppe beträgt die Rücklaufquote 17%.
Methodisches Vorgehen 105

der Fragebogen als unvollständig gewertet; bei dieser Umfrage in 40 Fällen. 27 die-
ser unvollständigen Fragebögen waren solche, die bereits nach wenigen Fragen ab-
gebrochen wurden und somit tatsächlich unvollständig bzw. unbrauchbar sind. Die
Antworten dieser Fragebögen wurden daher nicht in die Auswertung aufgenommen.
In den übrigen 13 Fällen wurden die Fragen beantwortet, der Fragebogen jedoch
nicht durch Anklicken des Feldes Fertig abgeschlossen. Die Daten dieser Fälle wur-
den in die Auswertung aufgenommen, sodass letztlich 222 auswertbare Fragebögen
vorhanden sind.

5.1.6.1 Teilnehmerdaten

80% der Umfrageteilnehmer waren männlich, die restlichen 20% weiblich. 153 Durch-
schnittlich waren die Befragten 44 Jahre alt. Mit ca. 36% weist der Großteil der Be-
fragten eine Arbeitserfahrung von mehr als zehn Jahren im aktuellen Unternehmen
auf, nur ca. 8% waren erst weniger als drei Jahre beschäftigt. 154 Daher ist davon
auszugehen, dass die Teilnehmer eine ausreichende Kenntnis über ihr Unternehmen
aufweisen. Die Umfrage fokussierte sich auf mittelständische Unternehmen. Da klei-
nere Unternehmen oftmals keine eigene Innovationsmanagementabteilung haben
und die Aufgabenverteilung mehr auf die Geschäftsführung statt auf Fachabteilungen
fokussiert ist als bei Großunternehmen oder Konzernen, sind von den Befragten nur
9% im Innovationsmanagement, 10% in der Produktentwicklung und 8% im Vertrieb
tätig. 16% der Teilnehmer arbeiten im Marketing, der Großteil von 42% ist in der Ge-
schäftsführung der Unternehmen tätig.

Fast die Hälfte der Befragten (47%) kann dem oberen Management (bspw. Ge-
schäftsführung und Vorstand) zugeordnet werden (Abbildung 22):

Welche Position haben Sie in Ihrem Unternehmen? (n=210)

Oberes Management 47%


Mittleres Management 28%
Unteres Management 8%
Angestellter 17%

0% 5% 10% 15% 20% 25% 30% 35% 40% 45% 50%

Abbildung 22: Unternehmensposition der Teilnehmer 155

153 n=210. Die Angabe demografischer Daten (Alter etc.) war in der Umfrage kein Pflichtfeld, die
Beantwortung konnte ausgelassen werden.
154 Weniger als 1 Jahr: 3%; 1 bis 2 Jahre: 5%; 3 bis 5 Jahre: 30%; 6 bis 10 Jahre: 24%; Mehr als
10 Jahre: 38%.
155 Quelle: Eigene Darstellung basierend auf den Umfrageergebnissen.
106 Quantitative Untersuchung: Online-Befragung

Der hohe Wert an führenden Managern verstärkt den Stellenwert der Umfrage, da
hauptsächlich Personen mit entsprechender Entscheidungsgewalt befragt wurden.
Ziel der umfangreichen Beschaffung der Kontaktdaten war es zudem, möglichst die
relevanten Abteilungen (Geschäftsführung, Innovationsmanagement etc.) zu kontak-
tieren und nicht auf Kontakt- und PR-Adressen zurückgreifen zu müssen. Positiv ist
somit die Tatsache, dass nur 3% der Befragten dem Bereich PR und Kommunikation
zuzuordnen sind.

5.1.6.2 Unternehmensinformationen

Fast alle der befragten Unternehmen stammen aus dem deutschsprachigen


Raum. 156 Dem Fokus auf mittelständische Unternehmen entsprechend hat der
Großteil der Unternehmen (83%) weniger als 1.000 Mitarbeiter. 157 Die meisten Un-
ternehmen (62%) existieren seit mehr als 21 Jahren. Nur ca. 2% der Unternehmen
bestehen weniger als fünf Jahre. Daher kann davon ausgegangen werden, dass Un-
ternehmen mit ausreichender Markterfahrung an der Umfrage teilgenommen ha-
ben. 158 Basierend auf der Branchenkategorisierung von Statista (2016b) wurden
zehn Branchen unterschieden (Abbildung 23): 159

Zu welcher Branche gehört Ihr Unternehmen? (n=222)

Elektronik, IT & Telekommunikation 21%


Anlagen- & Maschinenbau 15%
Dienstleistung & Beratung 15%
Handel & Produktion 13%
Bau, Handwerk & Logistik 9%
Keine Angabe 6%
Medizin & Gesundheit 5%
Energie & Umwelt 5%
Finanzen & Versicherungen 4%
Automobil 4%
Forschung & Bildung 3%
0% 5% 10% 15% 20% 25%

Abbildung 23: Branchenübersicht der teilnehmenden Unternehmen 160

156 94% sind deutsche Unternehmen (169), 2% stammen aus Österreich (4) und 1% aus der
Schweiz (2). Zudem nahmen zwei Unternehmen aus Schweden sowie den USA und eins aus
Dänemark an der Umfrage teil (n=180).
157 1-10 Mitarbeiter: 4%; 11-50: 31%; 51-250: 28%; 251-1000: 20%, < 1001: 17% bei n=208.
158 < 5 Jahre: 2%; 5-10: 13%; 11-20: 23%; 21-50: 32%; 51-100: 17%; > 100: 13% bei n=20.
159 Die 22 von Statista definierten Branchen wurden zu zehn Branchengruppen (bspw. Elektronik,
IT & Telekommunikation) zusammengefasst, um aussagekräftige Vergleiche der Branchen zu
ermöglich.
160 Quelle: Eigene Darstellung basierend auf den Umfrageergebnissen.
Ergebnisse der Online-Befragung 107

Die Grafik zeigt, dass ein weites Spektrum unterschiedlicher Branchen befragt wur-
de. Die meisten Unternehmen agieren im Bereich der Elektronik, IT & Telekommuni-
kation (21%), die wenigsten werden der Forschung & Bildung zugeordnet (3%). Im
weiteren Verlauf dieser Arbeit (vgl. Kapitel 6) werden Unterschiede bei den Branchen
bzw. dem Unternehmenskontext, Business-to-Business (B2B) bzw. Business-to-
Consumer (B2C), analysiert. Ein detaillierter Vergleich der Branchen wird nachfol-
gend in der Ergebniserläuterung vorgenommen, um etwaige Restriktionen bei der
Implementierung innerhalb der einzelnen Branchen zu analysieren.

5.2 Ergebnisse der Online-Befragung


Nachfolgend werden die empirischen Ergebnisse der Umfrage erläutert. Dabei wer-
den deskriptive Ergebnisse insbesondere als Beantwortungen von Ja/Nein-Fragen
dargestellt. 161 Deskriptive Resultate sind eine objektive Wiedergabe der Fakten,
meist in Prozentform oder relativen Häufigkeiten (Brosius et al. 2012). Die explanati-
ven Ergebnisse hingegen dienen der Interpretation der Aussagen, der Identifizierung
von Wenn-Dann-Beziehungen sowie zur Identifizierung neuartiger Aspekte und In-
formationen (ebd.). 162 Solche eher subjektiven Ergebnisse werden vor allem durch
offene Fragen hervorgerufen (Raithel 2008). 163 Wie in Kapitel 5.1.1 bereits darge-
stellt, sollten nicht zu viele offene Fragen gestellt werden, um das Abbruchrisiko zu
minimieren (Atteslander 2008). Daher wurde bei vielen Fragen ein Textfeld (oft Sons-
tiges) integriert, um den Befragten eine Option zur freiwilligen Ausführung von Infor-
mationen zu gewährleisten. Diese Möglichkeit wurde häufig angenommen, sodass
diese Umfrage trotz der bei quantitativen Studien stets vorhandenen Deskriptivität
einen explorativen Charakter aufweist. 164

5.2.1 Bekanntheit des Lead User-Ansatzes

Die Frage, ob ihnen der Lead User-Ansatz bekannt sei, verneinten 61% der Befrag-
ten (136). 39% (86) war der Ansatz demnach bekannt. An dieser Stelle ist es sinn-
voll, die unterschiedlichen Beantwortungen der jeweiligen Quellen zu analysieren
(Abbildung 24):

161 Bsp. Frage 2: Kennen Sie den Lead User-Ansatz?


162 „Explanative Forschung beschäftigt sich mit dem Aufdecken von Wenn-dann-Beziehungen zwi-
schen zwei oder mehr Sachverhalten“ (Brosius et al. 2012, S.6).
163 Bsp. Frage 21: Unten sehen Sie Ablauf der Lead User-Methode. Wurde das Lead User-Projekt
in Ihrem Unternehmen entsprechend durchgeführt oder gab es Abweichungen?
164 Bspw. wurde bei Frage 14 gefragt, wie die Lead User durch die Unternehmen identifiziert wur-
den. Die aus der Theorie bekannten Methoden Pyramiding und Screening wurden als Antwort-
möglichkeiten vorgegeben. 53% der Befragten gaben zusätzlich zu diesen Optionen im Feld
Sonstiges weitere Methoden zur Lead User-Identifizierung aus der Praxis an. Dadurch konnten
die praktischen Erfahrungen abgefragt werden, die durch die Vorgabe der theoretischen Ant-
wortmöglichkeiten nicht abgedeckt werden.
108 Quantitative Untersuchung: Online-Befragung

Kennen Sie den Lead User-Ansatz? (n=222)


100%

80%

60%

40%

20% Ja Nein Ja Nein Ja Nein Ja Nein


49% 51% 20% 80% 44% 56% 46% 54%
0%
Industriepreis Mittelstandspreis Top 100 Innovatoren Kontrollgruppe

Abbildung 24: Bekanntheit des Lead User-Ansatzes nach Zielgruppe 165

Die Unternehmen der drei Industrie-/Innovationspreise gelten - wie zuvor erläutert -


als nachweislich innovativ oder zumindest an Innovationstätigkeiten interessiert. Es
wäre zu erwarten, dass diese Unternehmen den Ansatz eher kennen als die Unter-
nehmen der Kontrollgruppe. Entsprechend wäre das Ergebnis verzerrt. Dies ist je-
doch nicht der Fall. Wie Abbildung 24 verdeutlicht, weichen die Ergebnisse einer Un-
ternehmensgruppe zwar ab, dies sind jedoch die Preisträger des Mittelstandspreises
und nicht die Unternehmen der Kontrollgruppe. Den Unternehmen des Industrieprei-
ses (49%), der Top 100 Innovatoren (44%) sowie der Kontrollgruppe (46%) ist der
Lead User-Ansatz etwa zur Hälfte bekannt. Bei den befragten Preisträgern des Mit-
telstandspreises hingegen kennt nur jeder Fünfte (20%) den Ansatz.
Interessant ist auch eine branchenspezifische Unterscheidung der Bekanntheit. Ab-
bildung 25 visualisiert die Bekanntheit des Ansatzes nach Branchen:

Kennen Sie den Lead User-Ansatz? (n=222)

Anlagen- & Maschinenbau 10 23


Automobilbranche 5 4
Bau, Handwerk & Logistik 6 14
Dienstleistung & Beratung 12 21
Elektronik, IT & Telekommunikation 20 26 Ja
Energie & Umwelt 5 6 Nein
Finanzen, Versicherungen & Immobilien 3 6
Forschung & Bildung 5 1
Handel & Produktion 7 22
Medizin & Gesundheit 6 6
Keine Angabe 7 7
0 10 20 30 40 50

Abbildung 25: Bekanntheit des Lead User-Ansatzes nach Branchen 166

165 Quelle: Eigene Darstellung basierend auf den Umfrageergebnissen.


Ergebnisse der Online-Befragung 109

Gemäß der allgemeinen Verteilung der Bekanntheit (61% nicht bekannt, 39% be-
kannt), ist der Ansatz in den meisten Branchen öfter unbekannt als bekannt. Eine
Ausnahme bildet der Bereich Forschung & Bildung. Fünf von sechs Befragten war
der Ansatz in diesem Gebiet bekannt. Da davon auszugehen ist, dass sich Personen
im Bereich Forschung & Entwicklung mehr mit innovativen Methoden auseinander-
setzen, ist diese Erkenntnis nicht verwunderlich. Bemerkenswert ist jedoch die Ver-
teilung im Bereich Handel & Produktion. Nur 24% der Befragten dieser Branche
kannten den Lead User-Ansatz, der dadurch in diesem Bereich vergleichsweise un-
bekannt ist. Eine stärkere Verbreitung dieser Methode ist daher gerade im Bereich
Handel & Produktion sinnvoll. 167

Ausgehend von der Beantwortung dieser Frage wurde der Fragebogen in zwei Pfade
unterteilt. Nachfolgend werden die Beantwortungen in Bezug auf die (I) Offenheit
(Ansatz bisher nicht bekannt) sowie (II) die Erfahrungen (Ansatz bereits bekannt)
erläutert.

5.2.2 Offenheit gegenüber dem Lead User-Ansatz


79% (108) der Befragten, die den Ansatz bisher nicht kannten, können sich die
Durchführung eines Lead User-Projekts in ihrem Unternehmen vorstellen. Die Beur-
teilung der Erfolgsaussichten des Ansatzes zur Entwicklung innovativer Produktkon-
zepte entspricht dieser Offenheit: Mehr als die Hälfte (61%) der Befragten bezeich-
nen die Erfolgsaussichten als positiv, 168 36% stehen dieser Frage neutral gegen-
über. Nur 4% 169 bewerten den Ansatz negativ. Insgesamt sind 96% der Befragten,
die den Lead User-Ansatz bisher nicht kannten, ihm gegenüber neutral oder sogar
positiv eingestellt. 170

166 Quelle: Eigene Darstellung basierend auf den Umfrageergebnissen. Abweichend zu den übri-
gen Diagrammen werden bei dieser Abbildung statt Prozentwerte die Fallzahlen dargestellt, da
ein Vergleich der jeweiligen Anzahl je Branche vorgenommen wird. Prozentzahlen sind zu die-
sem Zweck weniger aussagekräftig.
167 Zu beachten sind die geringen Fallzahlen und die dadurch limitierte Verallgemeinbarkeit. Die
Ergebnisse stellen daher eher Tendenzen als definitive Aussagen dar, da eine zufällige Beein-
flussung der Resultate (bspw. Befragung von 29 Personen im Bereich Handel & Produktion)
nicht ausgeschlossen werden kann.
168 Äußerst positiv: 16%, positiv: 45%.
169 Äußerst negativ: 1%, negativ: 3%.
170 Die Überprüfung der Anwendungsoffenheit je Gruppe (Industriepreis, Mittelstandspreis, Top
100 sowie Kontrollgruppe) verdeutlicht wiederum, dass die Kontrollgruppe nicht abweicht und
die Beantwortungen der Umfrage durch die Auswahl der Industriepreise nicht verzerrt ist: Kön-
nen Sie sich vorstellen, ein Lead User-Projekt durchzuführen? Industriepreis: Nein=15%,
Ja=85%; Mittelstandspreis: Nein=31%, Ja=69%; Top 100: Nein=17%, Ja=83%; Kontrollgruppe:
Nein=15%, Ja=85%. Es ist wiederum zu erkennen, dass die Unternehmen des Industriepreises
(85%), der Top 100 Innovatoren (83%) sowie der Kontrollgruppe (85%) sehr ähnlich antworten
und sich die Durchführung eines Lead User-Projekts zum Großteil vorstellen können. Die Re-
sultate der Preisträger des Mittelstandspreises weichen hingegen wieder ab. So können sich
110 Quantitative Untersuchung: Online-Befragung

Als mögliche Probleme bei der Integration von Lead Usern sehen die Unternehmen,
denen der Ansatz bisher nicht bekannt war, insbesondere die schwierige Planbarkeit
des Projekts (45%) sowie des Projektoutputs (41%). Zwar liegt der Vorteil der Integ-
ration genau darin, dass gerade unvorhersehbare, innovative Konzepte entstehen.
Den Unternehmen scheint jedoch das Risiko (insbesondere durch Aufwand und Kos-
ten) zu hoch zu sein, ohne den Projektverlauf genau vorhersagen zu können. 38%
gaben zudem an, dass der Aufwand für ein solches Projekt generell zu hoch ist, 29%
erwarten einen zu hohen Widerstand innerhalb des Unternehmens. Ein bemerkens-
werter und durch die Unternehmen beeinflussbarer Aspekt ist das Fehlen geeigneter
Strukturen und Abläufe für ein derartiges Projekt (34%). Interessanterweise gaben
nur 11% der Befragten als Hinderungsgrund für die Anwendung des Ansatzes an, sie
würden keine brauchbaren Ergebnisse erwarten. Dies unterstützt die Aussage, dass
der Lead User-Ansatz Potenzial zur Entwicklung von Innovationen hat.

40% der Befragten bejahten die Frage, ob Methoden vorhanden sind, die für die
Entwicklung innovativer Produktkonzepte besser geeignet sind als der Lead User-
Ansatz. Die qualitative Auswertung dieser Frage 171 verdeutlicht, dass eine starke
und effiziente Kommunikation mit dem Kunden als wesentliche Voraussetzung für die
Entwicklung kundenorientierter Innovationen bewertet wird. Verschiedene Teilneh-
mer erwähnten als wichtigen Faktor, die interne Innovationskraft und das Wissen der
Mitarbeiter über die Kunden aktiv zu integrieren sowie Kunden und Mitarbeiter zu-
sammenarbeiten zu lassen:
„Innovationen im eigenen technischen Team zu entwickeln, natürlich nahe am
Kundenwunsch.“
„Innovationsmanagement über die Mitarbeiter. Befragungen etc. jeder Ebene.
Einfluss der Mitarbeiter durch Bonus-System honorieren.“
„Involvierende, spielerische Workshops mit Mitarbeitern UND Kunden.“

Desweiteren sollte der Lead User-Ansatz nicht losgelöst von anderen Methoden zur
Kundenintegration betrachtet werden. Stattdessen sollten Methoden kombiniert wer-
den, um sich gegenseitig zu ergänzen:
„Dieser Ansatz ist eine Methode, in der täglichen Praxis werden immer mehrere
Methoden kombiniert.“
„Eine vorgeschaltete Discoveryphase, die User so früh wie möglich in die Ideen-
findung integriert hat.“

etwa zwei von drei Unternehmen (69%) dieser Gruppe die Durchführung eines Lead User-
Projekts vorstellen.
171 Frage: Gibt es Methoden, die Ihrer Meinung nach für die Entwicklung von innovativen Produkt-
konzepten besser geeignet sind? Antwortmöglichkeiten: Ja, und zwar:...; Nein.
Ergebnisse der Online-Befragung 111

Eine interessante Fragestellung ist daher, wie der Lead User-Ansatz in den Innova-
tionsprozess eingeordnet werden kann, um ihn mit anderen Methoden kombinieren
zu können. Erste Hinweise dazu werden in der Fallstudienanalyse (vgl. Kapitel 6)
erläutert. Eine Einordnung in den Innovationsprozess bietet schließlich Kapitel 7.2,
zudem wird der Lead User-Ansatz mit dem Stage Gate-Prozess in Kapitel 7.3 kom-
biniert.

5.2.3 Ablehnung des Lead User-Ansatzes

Diejenigen Teilnehmer, denen der Lead User-Ansatz bereits bekannt war, wurden
nach der Anwendung im Unternehmen gefragt (Abbildung 26):

Wurde in Ihrem Unternehmen bereits ein Lead User-Projekt durchgeführt?


(n=83)

Anlagen- & Maschinenbau 70% 30%


Automobilbranche 60% 40%
Bau, Handwerk & Logistik 20% 80%
Dienstleistung & Beratung 82% 18%
Elektronik, IT & Telekommunikation 80% 20%
Energie & Umwelt 50% 50% Ja
Finanzen, Versicherungen &… 67% Nein
Forschung & Bildung 100%
Handel & Produktion 86% 14%
Keine Angabe 57% 43%
Medizin & Gesundheit 83% 17%
0% 20% 40% 60% 80% 100%

Abbildung 26: Anwendung des Lead User-Ansatzes nach Branchen 172

In den meisten Fällen gilt: Wenn der Ansatz bekannt ist, wird er auch angewandt. Im
Bereich Forschung & Bildung nutzen sogar sämtliche Befragte diesen Ansatz. Be-
merkenswert ist die Verteilung im Bereich Bau, Handwerk & Logistik. Nur jedes fünfte
Unternehmen (20%) wendet den Ansatz an. 173 Als eine mögliche Erklärung wurden
die Besonderheiten der Kunden in dieser Branche genannt:
„Wir haben mehrere Ansätze in dieser Richtung bereits durchgeführt. Nicht sel-
ten sind die Anforderungen der Kunden jedoch entweder zu limitiert oder so abs-
trus, dass sie technisch in keinem adäquaten wirtschaftlichen Rahmen umzuset-
zen sind. Nicht selten weckt man beim Kunden Begehrlichkeiten, die aufgrund

172 Quelle: Eigene Darstellung basierend auf den Umfrageergebnissen.


173 Zu beachten gilt die geringe Fallzahl von 5 Personen aus dieser Branche. Die Aussagen geben
daher eher Tendenzen als exakt übertragbare Resultate.
112 Quantitative Untersuchung: Online-Befragung

obengenannter Problematik nicht erfüllbar ist. Das erzeugt einen gewissen


Frust.“

Die Befragten, die den Ansatz trotz Bekanntheit nicht nutzen, wurden nach den
Gründen für die Ablehnung gefragt. Abbildung 27 visualisiert die Gründe, Lead User
bei der Entwicklung innovativer Produktkonzepte nicht zu integrieren:

Warum führt Ihr Unternehmen keine Lead User-Projekte durch? (n=24)

Strukturen und Abläufe ungeeignet 33%

Zu aufwendig 29%

Keine verwertbaren Ergebnisse 25%

Widerstand im Unternehmen 21%

Verlauf des Projekts schwer planbar 13%

Projekt geplant 13%

Sonstiges 4%

0% 5% 10% 15% 20% 25% 30% 35%

Abbildung 27: Gründe für die Ablehnung des Lead User-Ansatzes 174

Als häufigster Grund, Lead User bei der Entwicklung innovativer Produktkonzepte
nicht zu integrieren, wurde das Fehlen geeigneter Strukturen und Abläufe innerhalb
des Unternehmens für die Durchführung solcher Projekte genannt (33%). 29% be-
mängelten einen zu hohen Aufwand bei zu geringen oder gar keinen verwertbaren
Ergebnissen (25%). Widerstand im Unternehmen (21%) sowie eine schwierige Plan-
barkeit des Projektverlaufs (13%) stellen weitere, wesentliche Herausforderungen
von Lead User-Projekten dar, die insbesondere dem Projektmanagement zugeordnet
werden können.
Bemerkenswert ist weiterhin die Aussage bzw. Haltung einiger Befragter, dass aus-
reichend Ideen innerhalb ihrer Unternehmen vorhanden seien und ideenfördernde
Methoden daher abgelehnt würden:
„Durch die Größe unseres Unternehmens sind wir ständig im Erarbeiten neuer
Ideen, und benötigen daher keinen speziellen Prozess.“

Teilweise wird dem Gedanken von Open und User Innovation, dass Kunden maß-
geblich zur Entwicklung von Innovationen beitragen können, grundsätzlich wider-
sprochen:

174 Quelle: Eigene Darstellung basierend auf den Umfrageergebnissen. Mehrfachnennungen mög-
lich, daher über 100%.
Ergebnisse der Online-Befragung 113

„Außerdem bekommt man mit solchen Ansätzen bestenfalls schnellere Pferde,


aber keine Autos. Echte Innovation kommt in den seltensten Fällen von Kunden.“

Gegenüber externen Einflüssen besteht bei einigen Unternehmen immer noch eine
große Abwehrhaltung. Es wird davon ausgegangen, dass die interne Innovationskraft
ausreicht:
„Bei uns hat der Chef kreative Ideen (von Messen, aus Netzwerken o.ä.) und die
werden zu neuen Produkten.“

Neben dieser generellen Abwehrhaltung gegenüber Externem wurde als ein weiterer
Grund, den Lead User-Ansatz nicht zu nutzen, eine zu theoretische Herangehens-
weise bzw. das „Gefühl das der Ansatz für uns zu akademisch ist“ genannt. Eine effi-
zientere und genauer auf die Praxis abgestimmte Vorgehensweise wird daher gefor-
dert. Als weiterer Verbesserungsansatz wurde die Vereinfachung der Lead User-
Identifizierung und eine genauere Definition der Eigenschaften genannt.

Basierend auf den Umfrageantworten muss jedoch nicht zwangsläufig der Lead
User-Ansatz geändert werden, damit er effektiver implementiert werden kann. Auch
die Unternehmen müssen sich für den Ansatz grundsätzlich öffnen:
„Der Lead User Ansatz muss nicht verändert werden, das Management muss es
wollen und die Rahmenbedingungen schaffen.“
Dass der Lead User-Ansatz nicht generell als ineffizient für die Entwicklung innovati-
ver Ideen und Konzepte bewertet wird, zeigt auch die Beantwortung der Frage nach
den Erfolgsaussichten des Ansatzes. Von den Personen, denen der Ansatz bekannt
war, jedoch Lead User-Projekte nicht in ihrem Unternehmen durchführen, bewertet
fast die Hälfte (45%) den Lead User-Ansatz als positiv. 41% stehen dem Ansatz
neutral gegenüber und nur 14% bewerten ihn negativ.

5.2.4 Praktische Erfahrungen mit dem Lead User-Ansatz

Die meisten (45) der 76 Personen, denen der Ansatz bereits bekannt war, kannten
ihn durch eigene Projekterfahrung entweder in ihrem aktuellen Unternehmen oder in
vorherigen Tätigkeiten. 36 Befragte sagten aus, sich Kenntnisse über den Ansatz
durch persönliche Weiterbildung wie Seminare, Fachliteratur oder Internetrecherche
angeeignet zu haben. 175 Durch ihr Studium lernten nur 15 Teilnehmer den Ansatz
kennen, Potenzial zur weiteren Verbreitung scheint daher vorhanden. Unter Sonsti-
ges wurde zudem erwähnt, dass der Ansatz durch Gespräche mit Kunden entdeckt
wurde. Kunden dienen also auch als Ideenquelle in Bezug auf innovative Methoden.

175 Mehrfachnennungen möglich.


114 Quantitative Untersuchung: Online-Befragung

Der Lead User-Ansatz wird von den Umfrageteilnehmern, die bereits Erfahrungen
damit haben (n=57), zum Großteil (90%) positiv bewertet. Keins der Unternehmen
bewertet den Lead User-Ansatz als negativ, nur 10% stehen der Integration von
Lead Usern neutral gegenüber.

5.2.4.1 Eigenschaften von Lead Usern


Im Rahmen der Vorstudie (Analyse der Fachliteratur und der entsprechende Ver-
gleich mit theoretischen Veröffentlichungen) wurden einige Diskrepanzen bzgl. der
Definition und des Verständnisses von Lead Usern erkannt (vgl. Kapitel 2.4). Die
Analyse der offenen Frage der Online-Befragung, welche Eigenschaften nach Mei-
nung der Teilnehmer einen Lead User ausmachen, ist essenziell zur tieferen Analyse
dieser Unterschiede zwischen Theorie und Praxis. Basierend auf 76 brauchbaren
Beantwortungen auf diese Frage ist das Verständnis der Befragten größtenteils kon-
form mit der theoretischen Definition von Hippels. Einige Antworten entsprechen sehr
genau dieser Definition, bspw.:
„Identifikation und Einbindung von "Intensiv"-Nutzern eines Produkts, die dieses
sehr gut kennen und besonders anspruchsvoll sind; die Hoffnung, damit zukünf-
tige Bedürfnisse des Massenmarktes frühzeitig erkennen zu können; Potenziale
für Produktverbesserungen erkennen, die letztlich allen zugute kommen.“
„...hohe Lösungskompetenz; erkennen Bedürfnisse, bevor sie am gesamten
Markt auftreten; wahre Innovatoren.“
Analog zu der Literaturanalyse der Fachmagazine treten jedoch einige Unterschiede
zur theoretischen Definition auf. So werden Lead User als First Mover oder Early
Adopter bezeichnet, im Theorieteil zu Beginn dieser Arbeit wurden Lead User von
diesen Personengruppen jedoch abgegrenzt (vgl. Kapitel 2.3.1). Zudem werden Lead
User als Personen charakterisiert, die eine zukünftige Kaufbereitschaft haben („kauf-
freudig“, „zukünftige Kaufbereitschaft“). Lead User können zwar ebenfalls kaufbereit
sein, allein dieses Merkmal ist aber nicht ausreichend, um eine Person als Lead User
zu definieren (von Hippel 1986). Bemerkenswert ist, dass Lead User häufig als risiko-
freudige Unternehmen bezeichnet werden. Zudem werden solche Unternehmen oft
als erfolgreich, zukunftsorientiert, kooperationsbereit und in führender Position am
Markt agierend beschrieben. 176 Bspw. haben Lead User, in diesem Fall als Unter-
nehmen definiert, eine „führende Marktposition oder stark wachsender Marktanteil,
hohe Innovationsorientierung oder Anpassungsbereitschaft“ oder eine „gehobene
Marktstellung, Innovationsfreude, Risikobereitschaft“.

176 „Er ist dem Markt voran, erkennt Trends lange, bevor es die anderen Marktbeteiligten tun, ist
erfolgs- und zielorientiert. Er sucht sich geeignete Partner, um sein Vorhaben umzusetzen.“;
„...der Zukunft zugewandt, Offenheit für Neues, Ausdauer beim Versuchen neuer Lösungen.“
Ergebnisse der Online-Befragung 115

5.2.4.2 Organisation der Lead User-Projekte

In Tabelle 16 werden die wesentlichen organisatorischen Aspekte der 62 Befragten,


die bereits Erfahrungen mit Lead User-Projekten haben, zusammengefasst:
Tabelle 16: Organisation der Lead User-Projekte

Durchgeführte Projekte Integrierte Lead User Projektdauer (in Monaten)

Anzahl n % Anzahl n % Anzahl n %

1 8 13% 1-5 41 66% <1 3 5%

2-3 16 26% 6 - 10 13 21% 1-2 5 8%

4-6 16 26% 11 - 15 4 6% 3-5 16 26%

7 - 10 5 8% 16 - 20 1 2% 6-9 20 32%

>10 17 27% >30 3 5% >9 18 29%

Ȉ 62 100% Ȉ 62 100% Ȉ 62 100%

Die meisten Unternehmen (27%) haben die Erfahrung von mehr als zehn durchge-
führten Lead User-Projekten. 66% der Unternehmen integrieren dabei ein bis fünf
Lead User, 21% arbeiten mit sechs bis zehn Lead Usern zusammen. Projekte mit
mehr als zehn Lead Usern sind hingegen ungewöhnlich (insgesamt 13%). Die Dauer
eines Lead User-Projekts beträgt i.d.R. mindestens drei Monate, meistens dauern die
Projekte sechs bis neun Monate (32%). Dies entspricht dem in der Theorie für ein
Lead User-Projekt vorgeschlagenen Zeitraum (Herstatt und von Hippel 1992; Lilien et
al. 2002). Allerdings arbeitet jedes vierte Unternehmen (29%) mehr als neun Monate
mit Lead Usern zusammen.

In der wissenschaftlichen Theorie wird für die Durchführung eines Lead User-
Projekts die Bildung eines interdisziplinären Teams empfohlen (Lüthje und Herstatt
2004). 177 Die Literaturanalyse der Fachmagazine zeigte bereits erste Hinweise da-
rauf, dass in der Praxis weitere Abteilungen und Personenkreise in Lead User-
Projekte einbezogen werden. Die Umfrage bestätigt diese Ergebnisse, wie Abbildung
28 verdeutlicht:

177 „The creation of a dedicated, interdisciplinary team consisting of people from marketing, sales,
R&D and production is therefore required“ (Lüthje und Herstatt 2004, S. 562).
116 Quantitative Untersuchung: Online-Befragung

Welche Abteilungen waren bei dem Lead User-Projekt involviert?


(n=61)

Innovationsmanagement 85%
Marktforschung 62%
Wissenschaftliche Partner 59%
Forschung und Entwicklung 52%
Marketing 41%
Geschäftsführung 28%
Externe Berater 16%
Vertrieb 15%
Sonstiges 10%

0% 20% 40% 60% 80% 100%

Abbildung 28: Involvierte Abteilungen 178

Die in der Theorie erwähnten Abteilungen (Marketing, Vertrieb, Forschung & Ent-
wicklung) werden auch in der Praxis einbezogen. Bei der Mehrheit von 85% der Un-
ternehmen ist das Innovationsmanagement involviert. Diese Abteilung wurde bei
Lüthje und Herstatt (2004) nicht genannt. Eine mögliche Erklärung dafür ist, dass die
Entwicklung solcher Abteilungen hauptsächlich in der vergangenen Dekade (und
damit nach 2004) stattgefunden hat (Goffin et al. 2009). Mehr als die Hälfte der Un-
ternehmen (62%) involviert die Marktforschungsabteilung. Bemerkenswert ist, dass
59% der Befragten angaben, dass wissenschaftliche Partner bei Lead User-
Projekten involviert werden. In der Theorie wird diese Möglichkeit, externe Expertise
zu nutzen, weniger dargestellt. Auch die Nutzung externer Berater stellt eine Weiter-
entwicklung des theoretischen Ansatzes dar. Da mittelständische Unternehmen auf-
grund geringerer Unternehmensgrößen oftmals keine eigene Innovationsmanage-
ment- oder Marktforschungsabteilung haben, ist die Geschäftsführung in einigen Fäl-
len (28%) direkt selbst involviert. Dies bestätigt den Aspekt, dass Managementunter-
stützung die Erfolgsaussichten von Lead User-Projekten erhöht (Lilien et al. 2002).

5.2.4.3 Identifizierung der Lead User

In der Theorie werden insbesondere Screening und Pyramiding als Vorgehen zur
Identifizierung von Lead Usern genannt (Lettl et al. 2008; Poetz und Prügl 2010; von
Hippel et al. 2009). 16% der Unternehmen nutzen Screening zur Identifizierung von
Lead Usern in der Praxis. Pyramiding wird von mehr als der Hälfte (56%) durchge-

178 Quelle: Eigene Darstellung basierend auf den Umfrageergebnissen. Mehrfachnennungen mög-
lich.
Ergebnisse der Online-Befragung 117

führt. Interessant sind die qualitativen Ergebnisse der Kategorie Sonstiges, die von
53% 179 beantwortet wurde. Eine Möglichkeit der Identifizierung besteht demnach
darin, durch enge Kontakte mit den Kunden Lead User-Eigenschaften zu erkennen.
Dadurch sei ein umfangreiches Screening oder Pyramiding nicht nötig. Beispielhafte
Quellen sind:
„Aus internen Unternehmenskontakten (Bekannte, Freunde, ...)“

„Direkte Ansprache aus Kundendatei“


„Gute und teils persönliche Kenntnis des eigenen Kundenstammes“

„Internes Know how und Erfahrung mit bestimmten Kunden“


„Netzwerk, wir kennen unsere Kunden“

„Persönlicher Bekanntenkreis des Unternehmens“


„Persönlicher Kontakt“

Zudem zeigt sich, dass interne Kontakte und ein umfangreiches Netzwerk die Suche
nach Lead Usern vereinfachen. Ebenfalls werden Lead User oft im Internet, bspw. in
Communities und Foren, gesucht. 180 Dies bestätigt die in der Literaturanalyse be-
reits erkannte Weiterentwicklung der Lead User-Identifizierung durch internetbasierte
Methoden (Bilgram et al. 2013; Burmeister und Loh 2009), die in der klassischen Li-
teratur weniger vorhanden ist. Als eine weitere Möglichkeit wird das Outsourcen der
Lead User-Identifizierung genannt. Dies entspricht den Erkenntnissen der Experten-
interviews (vgl. Kapitel 5.1.1), dass einige Unternehmen Unterstützung durch Partner
(Beratungen, Wissenschaft etc.) in Anspruch nehmen.

5.2.4.4 Vorteile und Erfolgsfaktoren des Lead User-Ansatzes

Um zu analysieren, warum der Lead User-Ansatz in der Praxis genutzt oder abge-
lehnt wird, ist die Einschätzung der Unternehmen bzgl. der Erfolgsfaktoren und Vor-
teile des Ansatzes elementar. Werden diese durch die von den Unternehmen ver-
spürten Probleme und Herausforderungen übertroffen, wird ein solches Projekt eher
nicht durchgeführt werden. Nachfolgend werden daher zunächst die positiven Erfah-
rungen der Unternehmen analysiert, die solche Projekte bereits durchgeführt haben
(Abbildung 29):

179 Da bei dieser Frage mehrere Antworten möglich waren, summiert sich die Summe der Prozent-
sätze mit 125% auf über 100%.
180 Beispielzitate: „...aus der User Community“, „Suche in Internetforen“.
118 Quantitative Untersuchung: Online-Befragung

Was sind Ihrer Meinung nach Vorteile von Lead User-Projekten? (n=60)

Wahrnehmung als innovatives Unt. 68%

Kundenbindung 68%

Frühe Erkennung von Trendsignalen 68%

Reduzierung des Risikos 60%

Impulse für radikale Innovationen 55%

Vereinbarkeit mit Strategie 27%

Hohes Gewinnpotenzial 22%

Einblick in andere Branchen 20%

0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80%

Abbildung 29: Vorteile von Lead User-Projekten 181

Als wichtigster Erfolgsfaktor wird die frühe Erkennung von Trendsignalen evaluiert
(68%). Gleichzeitig werden auch indirekte Faktoren wie die Wahrnehmung als inno-
vatives Unternehmen (68%) und die Kundenbindung (68%) als wesentliche Vorteile
des Lead User-Ansatzes genannt. Ein erfolgreiches Lead User-Projekt kann also die
Außenwirkung und die Wahrnehmung der Kunden positiv beeinflussen. Unter Sons-
tiges wurde eine Aussage getroffen, die diese Schlussfolgerung unterstützt:

„Die Kunden erfahren frühzeitig, dass wir eine Lösung für ihr Problem anbieten
werden. [...] Wenn die führenden Unternehmen das Produkt akzeptieren, ist es
einfach auch kleinere Kunden zu überzeugen.“

Etwa die Hälfte der Unternehmen bezeichnet zudem die Reduzierung des Risikos
der Markteinführung (60%) sowie Impulse für die Entwicklung radikaler Innovationen
(55%) als wesentliche Vorteile des Lead User-Ansatzes. Nach Wahrnehmung der
befragten Unternehmen hat die Integration von Lead Usern also einen direkten Ein-
fluss auf den Unternehmenserfolg durch das Erreichen von Wettbewerbsvorteilen
oder Ideen für neue Innovationen.
Interessanterweise wird ein hohes Gewinnpotenzial nur von 22% der Unternehmen
genannt. Dies entspricht der Unsicherheit von Lead User-Projekten bzgl. der Resul-
tate und des Ablaufs. Wie hoch das Gewinnpotenzial tatsächlich ist, kann also zu
Beginn eines solchen Projekts nur schwer vorhergesagt werden.

181 Quelle: Eigene Darstellung basierend auf den Umfrageergebnissen. Mehrfachnennungen mög-
lich.
Ergebnisse der Online-Befragung 119

5.2.4.5 Widerstände gegenüber dem Lead User-Ansatz

Dass ein hohes Gewinnpotential aufgrund der schwierigen Vorhersehbarkeit der


Lead User-Projekte kaum als Erfolgsfaktor genannt wurde, ist konform mit den ge-
nannten Widerständen gegenüber dem Lead User-Ansatz (Abbildung 30):

Welche Widerstände gegen den Einsatz des Lead User-Ansatzes können Sie
sich vorstellen? (n=60)

Output des Projekts schwer vorherzusehen 50%

Zu hoher erwarteter Aufwand 50%

Not invented here 37%

Projekt dauert zu lange 32%

Sonstiges 12%

0% 10% 20% 30% 40% 50% 60%

Abbildung 30: Widerstände gegen die Anwendung des Lead User-Ansatzes 182

Der schwer vorhersehbare Output der Projekte wird als größter Widerstand gegen-
über der Integration von Lead Usern genannt (50%) und beeinflusst damit die Ein-
schätzung der Befragten bzgl. des Gewinnpotenzials. Damit einher geht die Proble-
matik, dass von den Projekten ein zu hoher Aufwand erwartet wird (50%). Ein auch
in der Theorie als Widerstand genannter Aspekt ist das Not invented here-Syndrom
(Fust et al. 2011). Eine Abwehrhaltung gegenüber externen Ideen, Wissen und Ein-
flüssen erfahren 37% der Unternehmen. Ein elementarer Aspekt, um diese Wider-
stände zu verringern bzw. zu umgehen wurde unter Sonstiges geäußert. Demnach
ist die Offenheit für externe Ideen und die Anwendung neuer Methoden Grundvo-
raussetzung, um Neues zu entwickeln:
„Vermeidung des ewigen Tunnelblicks. Wirklich NEUES kann entstehen. Wenn
man sich als Unternehmen darauf einlässt...“

Weitere, durch die explorative Umfrage identifizierte Widerstände betreffen die Ver-
traulichkeit wichtiger Unternehmensinformationen oder Ideen. Unternehmen befürch-
ten, dass durch die Integration von Lead Usern Wissen an Mitbewerber übergeht:
„Vertraulichkeit von Innovationsprojekten (Gefahr, dass durch Lead-User Einbin-
dung auch der Mitbewerber "Wind von einer Sache bekommt")“

182 Quelle: Eigene Darstellung basierend auf den Umfrageergebnissen. Mehrfachnennungen mög-
lich.
120 Quantitative Untersuchung: Online-Befragung

Die Frage nach dem geistigen Eigentum bzw. Urheber- und Nutzungsrechten wird in
der Literatur als ein kritischer Faktor definiert (Lilien et al. 2002; Lüthje und Herstatt
2004; von Hippel 2005a). Auch in der Praxis kann dieser Aspekt den Widerstand ge-
genüber der Integration von Lead Usern erhöhen oder ist mit hohen Kosten für die
Sicherung der Rechte verbunden:
„Die Lead-User-Projekte selbst sind selten besonders rentabel, schließlich wollen
wir ja die Rechte an der Idee haben. Daher müssen wir diese i.d.R. bezuschus-
sen.“

„Erwartungshaltung der Lead User, z.B. Alleinnutzungsrecht“

Der richtige Zeitpunkt für die Entwicklung von Innovationen mit Lead Usern wird
ebenfalls kritisch hinterfragt. Dadurch, dass Lead User früher als der Rest des Mark-
tes Bedürfnisse erfahren, könnte die Einführung einer Innovation zu früh durchge-
führt werden. Auch wenn die von den Lead Usern geäußerten Bedürfnisse i.d.R. zu
einem späteren Zeitpunkt auch vom Massenmarkt erfahren werden, ist der Markt bei
der Produkteinführung evtl. noch nicht bereit dafür:
„Fehlendes Interesse“
„Zu zeitiger Beginn mit der Entwicklung und der Umsetzung der Ideen, noch kein
Markt da, der es kaufen würde.“
Die Umfrageteilnehmer warnen daher vor dem „Risiko des Fehlschlags“ sowie einer
„Kundenenttäuschung“ durch verfrühte Markteinführung einer Innovation.
Diese Widerstände bewirken, dass Lead User-Projekte bei Unternehmen grundsätz-
lich nicht durchgeführt werden. Von großem Interesse sind darüber hinaus auch die
Herausforderungen, die bei der Durchführung eines solchen Projekts auftreten.

5.2.4.6 Herausforderungen bei der Durchführung von Lead User-Projekten


Die vorher genannten Widerstände führen dazu, dass Unternehmen generell keine
Lead User integrieren. Entschließt sich ein Unternehmen jedoch zu einem solchen
Projekt, treten folgende Herausforderungen bei der Durchführung der Projekte auf
(Abbildung 31):
Ergebnisse der Online-Befragung 121

Was sind Ihrer Meinung nach Herausforderungen bei der Durchführung von
Lead User-Projekten? (n=60)

Schwierige Identifizierung geeigneter Lead User 50%


Falsches Verständnis von Lead Usern 48%
Konflikte zwischen den Funktionsbereichen 40%
Ergebnisse werden nicht umgesetzt 40%
Konflikte bei Zusammenarbeit mit Lead Usern 35%
Sonstige 3%

0% 20% 40% 60%

Abbildung 31: Herausforderungen bei der Durchführung von Lead User-Projekten 183

Die von der Hälfte der befragten Unternehmen (50%) genannte Schwierigkeit der
Identifizierung geeigneter Lead User wird auch in der Theorie als eine der wesent-
lichsten Herausforderungen genannt (Belz 2008; Enkel et al. 2005; Herstatt und von
Hippel 1992; Spann et al. 2009). Auch Konflikte bei der Zusammenarbeit mit Lead
Usern (35%) sowie zwischen den Funktionsbereichen (40%) werden als wesentliche
Herausforderungen genannt.

Die Umfrage weist jedoch auch weitere, in der Theorie weniger erkannte Probleme
bei der Durchführung von Lead User-Projekten auf und stellt dadurch einen wichtigen
Fortschritt der Lead User-Forschung dar. So wird von jedem zweiten Unternehmen
(48%) ein falsches Verständnis von Lead Usern als Herausforderung genannt. Die
klassische Lead User-Forschung beachtet diesen Aspekt weniger und geht i.d.R.
davon aus, dass das Verständnis im Unternehmen mit der theoretischen Definition
konform ist. Dies wurde in der Vorstudie (vgl. Kapitel 2.4) bereits anhand einiger Bei-
spiele, bei denen das Verständnis zwischen Theorie und Praxis abweicht, erkannt
und wird durch die Umfrage validiert. 184 Ein ebenfalls in der Praxis sehr wichtiger
Aspekt ist die effiziente Umsetzung der Ergebnisse (40%); diese Herausforderung
wurde bereits in den Experteninterviews identifiziert (vgl. Kapitel 5.1.1). Demnach
sehen die Unternehmen nicht nur die Erarbeitung innovativer Produktkonzepte als
große Schwierigkeit, sondern darüber hinaus auch die effiziente Implementierung der
Resultate in den Innovationsprozess. Nach Abschluss eines Lead User-Projekts soll-
ten die Ergebnisse also aktiv umgesetzt und in weitere Projekte integriert werden.

183 Quelle: Eigene Darstellung basierend auf den Umfrageergebnissen. Mehrfachnennungen mög-
lich.
184 Bemerkenswerterweise waren bei der Abfrage der Eigenschaften von Lead Usern nur wenige
Unterschiede zwischen Theorie und Praxis erkennbar. Demnach wissen viele der Befragten
durchaus, was einen Lead User ausmacht, sehen aber ein falsches Verständnis anderer Mitar-
beiter als ein großes Problem an.
122 Quantitative Untersuchung: Online-Befragung

5.2.5 Bewertung des Ansatzes

Abbildung 32 visualisiert die Evaluationen der befragten Unternehmen, aufgeteilt


nach den drei Pfaden des Fragebogens (Ansatz nicht bekannt, bekannt und keine
Anwendung sowie bekannt und Anwendung):

Erfolgsaussichten des Ansatzes zur Entwicklung innovativer Produktkonzepte


(n=57,23,137)
80%
71%
70%

60%
52%
50% 47%

40% 36% 35%

30%
19%
20% 13% 15%
10%
10%
1% 2%
0%
Äußerst negativ Negativ Neutral Positiv Äußerst positiv

Nicht bekannt Bekannt und keine Anwendung Bekannt und Anwendung

Abbildung 32: Evaluation des Lead User-Ansatzes 185

Die Unternehmen, die den Ansatz bisher noch nicht kannten, sind ihm sehr offen und
positiv gegenüber eingestellt (vgl. Kapitel 5.2.2). 186 Auch die Unternehmen, die den
Ansatz bereits kennen, aber nicht anwenden, bewerten die Integration von Lead
Usern zu 52% positiv (vgl. Kapitel 5.2.3). Negativ wird der Ansatz nur von 13% be-
wertet. Dies zeigt, dass der Ansatz selber meist nicht negativ evaluiert wird. Statt-
dessen sind die Strukturen und Abläufe der Unternehmen oftmals nicht für Lead
User-Projekte geeignet. 187 Die Evaluation des Ansatzes durch die Unternehmen, die
bereits Lead User-Projekte durchgeführt haben, ist zu 90% positiv. 188 Nur 10% ge-
ben eine neutrale Bewertung ab, negativ wird der Ansatz von keinem dieser Befrag-
ten bewertet. Basierend auf den Resultaten der Umfrage mit 222 auswertbaren Be-
antwortungen lässt sich demnach zusammenfassen:
Der Lead User-Ansatz kann nachweislich als erfolgversprechende Methode zur Ent-
wicklung innovativer Produktkonzepte bezeichnet werden.

185 Quelle: Eigene Darstellung basierend auf den Umfrageergebnissen.


186 Nur 3% der Befragten bewerten die Integration von Lead Usern als negativ, dies birgt Potential
für eine weitere Verbreitung und Implementierung des Ansatzes in der Praxis.
187 Beispielzitat: Lead User-Projekte sind „schwer in den Strukturen umzusetzen.“
188 71% positiv, 19% äußerst positiv.
Ergebnisse der Online-Befragung 123

Die Analyse der Zielerreichung sowie der Intention, weitere Lead User-Projekte
durchzuführen, entspricht dieser Erkenntnis (Abbildung 33):

Ja Nein
Ziele erreicht (n=53) 93% 7%

Ja Nein
Zukünftige Durchführung (n=59) 93% 7%

Ja Nein
Prozessänderung (n=59) 47% 53%

0% 20% 40% 60% 80% 100%

Abbildung 33: Zielerreichung, zukünftige Durchführung und Prozessänderung 189

So gaben 93% der Befragten an, dass die Ziele des Lead User-Projekts erreicht
wurden. Ebenfalls 93% haben vor, ein weiteres Lead User-Projekt durchzuführen.
Auch diese Resultate verdeutlichen, dass die Integration von Lead Usern in der Pra-
xis als eine positive und erfolgversprechende Methode bewertet wird, um externes
Wissen und Kreativität in den Innovationsprozess zu integrieren. Interessant ist je-
doch die Erkenntnis, dass fast alle Unternehmen den Ansatz als positiv bezeichnen,
jedoch etwa die Hälfte (47%) den Prozess zur Lead User-Integration im Vergleich zur
Theorie (Lüthje und Herstatt 2004) geändert haben. Offenbar nutzen die Unterneh-
men also ihre Erfahrungen und Kenntnisse, um die zuvor erläuterten Herausforde-
rungen und Widerstände zu umgehen. Dies wird in Kapitel 6 detailliert analysiert, um
die Lead User-Forschung durch die praktischen Erfahrungen weiterentwickeln zu
können. Zuvor werden die im Rahmen der Online-Befragung genannten Prozessän-
derungen erläutert.

5.2.6 Änderungen und Weiterentwicklungen des Prozessablaufs


Nachfolgend werden die Abweichungen zum theoretischen Prozess (bspw. Auslas-
sen von Projektphasen) detailliert analysiert. Zuvor visualisiert Abbildung 34 die Fra-
ge, ob in bestimmten Branchen häufigere Abweichungen zu erkennen sind als bei
anderen:

189 Quelle: Eigene Darstellung basierend auf den Umfrageergebnissen.


124 Quantitative Untersuchung: Online-Befragung

Wurde das Lead User-Projekt nach dem theoretischen Ablauf durchgeführt?


(n=57)

Anlagen- & Maschinenbau 71% 29%


Automobilbranche 67% 33%
Bau, Handwerk & Logistik 100%
Dienstleistung & Beratung 56% 44%
Elektronik, IT & Telekommunikation 31% 69%
Energie & Umwelt 100%
Finanzen, Versicherungen & Immobilien 50% 50%
Forschung & Bildung 60% 40%
Handel & Produktion 67% 33%
Medizin & Gesundheit 20% 80%

0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%

Ja Nein

Abbildung 34: Prozessabweichungen nach Branchen 190

Bei den meisten Branchen wird eher dem theoretischen Prozess gefolgt, wobei nur
die Branchen Bau, Handwerk & Logistik sowie Energie & Umwelt exakt nach der
Theorie vorgehen. 191 Im Bereich Medizin & Gesundheit folgen nur 20% dem theore-
tischen Ablauf, wobei die Fallzahl mit fünf Befragten aus dieser Branche gering ist.
Aussagekräftiger sind dagegen die 16 Beantwortungen von Unternehmen aus dem
Bereich Elektronik, IT & Telekommunikation. 69% nutzen einen alternativen Prozess
im Vergleich zur Theorie. Für diese Branche scheint eine Anpassung des Lead User-
Ansatzes demnach besonders notwendig.
Nachfolgend werden diese Erkenntnisse detailliert analysiert, um daraus Weiterent-
wicklungen für die Theorie abzuleiten. Dadurch sollen Barrieren und Herausforde-
rungen bei der Lead User-Integration zukünftig von Beginn an gemindert oder ver-
hindert werden.

5.2.6.1 Stärkere Individualisierung

Durch die Literaturanalyse praxisorientierter Fachartikel (vgl. Kapitel 2.4) sowie die
Experteninterviews (vgl. Kapitel 5.1.1) wurde die Individualisierung des Prozesses
bei der Durchführung von Lead User-Projekten bereits erkannt. Dies wird durch die
Umfrage validiert. Verschiedene Unternehmen bewerten den in der Wissenschaft
etablierten Prozess als zu theoretisch und starr. Stattdessen sind fließende Über-

190 Quelle: Eigene Darstellung basierend auf den Umfrageergebnissen.


191 Zu beachten gilt die geringe Fallzahl dieser Branchen (Bau, Handwerk & Logistik=1; Energie &
Umwelt=2).
Ergebnisse der Online-Befragung 125

gänge der Phasen vorhanden, die einzelnen Schritte selbst werden verkürzt oder
ausführlicher durchgeführt - je nach Unternehmen und Ziel des Projekts. Entspre-
chende Beantwortungen der Umfrage bestätigen dieses Resultat:
„Das prinzipielle Vorgehen in den konkreten Projekten entspricht der obigen Vor-
gehensweise, allerdings fallweise ausgeprägt.“
„Die klaren Grenzen bestehen so in der Praxis nicht. Es findet ein fortlaufender
Dialog mit den Kunden statt. Es werden Testversionen entwickelt und den Lead
Usern zur Verfügung gestellt. Das Feedback wird durch Anpassungen umge-
setzt.“
„Individuell“

„Phase 2 und Phase 3 sind meist fließend & versmischt [sic].“


„Projekt wurde bei uns deutlich informeller durchgeführt und basierte nicht auf
theoretischen Ansätzen.“

„Projektimmanent“
„Wir entwickeln auf diese Weise seit vielen Jahren unser Angebot weiter. Weni-
ger systemisch, eher pragmatisch.“

Ein für die erfolgreiche Durchführung von Lead User-Projekten sehr wichtiger Faktor
ist die Wahl des Projektmanagements. Folgt die theoretische Literatur einem eher
starren Projektablauf (Herstatt und von Hippel 1992; Lüthje und Herstatt 2004), wer-
den in der Praxis auch alternative, insbesondere agile Projektmanagementformen
angewandt:

„Agile Produktentwicklung inkl. Entwicklungsrahmen wie Scrum oder Kanban“ 192

Offenbar ist es nicht immer sinnvoll, Lead User stets nach dem theoretischen Pro-
zess zu integrieren und dabei chronologisch alle Phasen durchzuführen. Diese soll-
ten individuell angepasst werden, teilweise werden sie auch vertauscht oder ver-
nachlässigt, wie nachfolgend erläutert wird.

192 Scrum ist ein häufig angewandtes Modell des agilen Projektmanagements und wird in Kapitel
7.3 bei der Ableitung des Agil/Stage Gate-Hybrids für Lead User-Projekte aufgegriffen. Vielen
Unternehmen ist die Umstellung des klassischen Projektmanagements auf agile Prozesse zu
riskant. Kanban (japanisch, zu Deutsch: Signalkarte) wurde vom Automobilhersteller Toyota
entwickelt und stellt eine Vorgehensweise für die optimale Steuerung des Produktionsprozes-
ses dar. Ziel ist es, jede Produktionsstufe optimal planen zu können. Dabei stellt Kanban eine
Tabelle mit drei Spalten (To do, in progress und done) dar, um die jeweiligen Aufgaben besser
visualisieren und strukturieren zu können. Sammeln sich nicht begonnene Tätigkeiten, muss
das Projektmanagement an dieser Stelle verbessert werden (bspw. Restrukturierung der Res-
sourcen) (Epping 2011).
126 Quantitative Untersuchung: Online-Befragung

5.2.6.2 Verkürzung und Veränderung des Prozessablaufs

Eine stärkere Individualisierung des Prozesses basierend auf den spezifischen An-
forderungen der Unternehmen bedeutet auch, dass Prozessschritte weggelassen
oder in anderer Reihenfolge durchgeführt werden. Teilweise geschieht dies aufgrund
nicht vorhandener Ressourcen und Kapazitäten:
„...aus Ressourcengründen etwas reduziert“

Andere Unternehmen vernachlässigen Prozessschritte, da sie ihrer Meinung nach


überflüssig sind. Bspw. können einzelne Prozessaufgaben wie die Definition des
Zielmarktes bereits in vorherigen oder anderen Projekten durchgeführt worden sein
und müssen daher im Lead User-Projekt nicht nochmal ausgeführt werden:
„Bedürfnisse und Ientifikation [sic] bereits vorhanden“
„…ohne Phase 2 Phase 4 intern, Diskussion mit Lead Usern“
„Phase 1 lassen wir weg. Wir suchen ständig nach solchen Projekten. Phase 3
fassen wir mit Phase 2 zusammen: Wir suchen nicht "Lead User mit Ideen", son-
dern "Lead User mit Problemen". Und diese lösen wir dann in Phase 4 gemein-
sam.“

Zudem erfolgt die Integration von Lead Usern in der Praxis nicht immer so exakt und
gesteuert wie im theoretischen Prozess definiert. So nutzen Unternehmen diesen
Ansatz teilweise bei Bedarf, ein exakter Projektstartpunkt geht dem nicht immer vo-
raus:
„Die stringente Identifikation des lead users erfolgt nur eingeschränkt, keine [sic]
offizieller Start des Projektes“
„Lead User begleitete von Anfang an, musste nicht erst identifiziert werden“

Es ist jedoch nicht immer nur eine Verkürzung des Prozesses zu erkennen. Auch
Veränderungen durch Umsortieren der Prozessschritte sind in der Praxis zu finden.
Dabei ist häufiger zu erkennen, dass nicht relevante Schritte vernachlässigt werden.
Weitere Phasen werden weniger hinzugefügt, obwohl bspw. die Umsetzung der Er-
gebnisse am Ende des Projekts als ein elementarer Aspekt genannt wurde (vgl. Ka-
pitel 5.2.4.6). Von den befragten Unternehmen genannte Änderungen des Prozess-
ablaufs sind bspw.:
„Es wurde in Phase 3 bereits mit verschiedenen Lösungskonzept [sic] (Prototy-
pen) gearbeitet.“
„Es wurd [sic] nicht zuerst ein Lead-User-Projekt gestartet (Phase 1), sondern
nach Identifikation der Lead User und deren Ideen (Phase 3) wurde das Geld für
ein Lead-User-Projekt (Phase 1) in die Hand genommen.“
Ergebnisse der Online-Befragung 127

„Phase 2 vor Phase 1“


„Reihenfolge 3,2,1,4“

„Start war Identifikation von Bedürfnissen in einer Branche, dann wurden die
Leaduser [sic] ausgesucht und dann nach einer Lösung“

Ein wiederkehrender Aspekt betrifft die Form der Kommunikation mit den Lead
Usern. Die Theorie sieht einen Workshop mit Lead Usern und Mitarbeitern des Un-
ternehmens am Ende des Projekts vor, um Ideen und Konzepte entwickeln und eva-
luieren zu können (Churchill et al. 2009; Lilien et al. 2002; Lüthje und Herstatt 2004).
In der Praxis wird dies meist auf diese Weise durchgeführt, einige Unternehmen be-
vorzugen jedoch individuelle, regelmäßige Gespräche mit den Lead Usern:
„Fokus auf Phase 3, Einzelgespräche statt Workshop“
„Im Laufe des Projektes lassen wir uns immer wieder Feedback von unseren
Lead Usern geben“

Die Identifizierung der Bedürfnisse und Trends ist in der Theorie als zweiter Prozess-
schritt vorgesehen (Lüthje und Herstatt 2004). Dies soll durch Experteninterviews
oder Recherche in Datenbanken, Internet etc. durchgeführt werden. Die Lead User
sollen dazu dann innovative Produktkonzepte entwickeln (Herstatt und von Hippel
1992; Olson und Bakke 2001). In der Praxis kann die Ermittlung von Bedürfnissen
und Trends jedoch auch eine Folge der Zusammenarbeit mit den Lead Usern sein:
„Ein besseres Verständnis von Bedürfnissen und Trends können auch ein Er-
gebnis der Arbeit mit Lead-Usern sein (nicht unbedingt eine Vorarbeit)“

Die Erarbeitung der Trends und Bedürfnisse durch die Lead User kann wiederum
Ausgangssituation für weitere Folgeprojekte sein. Wesentlich ist dabei zu untersu-
chen, ob es Unterschiede zwischen der erstmaligen Durchführung eines Lead User-
Projekts und folgenden Projekten gibt. Durch die Umfrage konnte erkannt werden,
dass Unternehmen, die bereits mehrfach Lead User-Projekte durchführten, eine Rou-
tine entwickelt haben.

5.2.6.3 Routinierter Ablauf bei mehrfacher Projektdurchführung


Durch erfolgreiche und für alle Beteiligten zufriedenstellende Lead User-Projekte wird
eine Beziehung zwischen dem Unternehmen und Lead Usern aufgebaut, die sich
idealerweise nach Beendigung des Projekts fortsetzt und in weiterer, kontinuierlicher
Zusammenarbeit resultiert:
„Es bestanden bereits vor Projektbeginn Beziehungen zu Lead Usern bzw. zu
Kontakten, die solche vermitteln konnten.“
128 Quantitative Untersuchung: Online-Befragung

„Man kannte sich vorher“


„Produkte werden kontinuierlich mit Lead Usern weiterentwickelt“

Dies ist für die Unternehmen von Vorteil, da die aufwendige und schwierige Suche
bzw. Identifizierung der Lead User nicht mehr bzw. weniger notwendig ist. Von den
innovativen Produkten überzeugte Lead User können zudem als Fürsprecher des
Unternehmens agieren. Besteht ein enges Vertrauensverhältnis zwischen Lead User
und Unternehmen, treten Lead User auch aktiv an das Unternehmen heran, um In-
novationen als Lösung ihrer Probleme zu erhalten. 193 So können Unternehmen auf
neue Trends und Bedürfnisse aufmerksam werden, ohne aktiv danach zu suchen.
Ein weiterer Aspekt, der in der Vorstudie bereits erkannt wurde, wird durch die Um-
frage bestätigt. So werden in der Praxis Projekte durchgeführt, deren Ablauf dem
theoretischen Prozess sehr ähneln. Diese Projekte werden jedoch bewusst oder un-
bewusst nicht als Lead User-Projekte benannt:
„Wir nutzen dies schon lange, aber ohne diese Struktur und deren Begriffe...“

Insbesondere im deutschsprachigen Raum wird der englischsprachige Begriff der


Lead User, wie in Kapitel 2.4.4 bereits erläutert, nicht oder falsch verstanden. Eine
unternehmensinterne Bezeichnung ist daher naheliegend. 194 Zudem profilieren sich
Unternehmen dadurch, eigene Methoden entwickelt zu haben. Ein weiterer Aspekt
für eine routinierte Umsetzung der Lead User-Projekte ist die effektive Weitergabe
des Methodenwissens.
„Eventuell muss man die Beschreibung der Lead User Methode so anpassen,
dass die Idee auch ohne viel Dokumentation transportiert werden kann.“

Die Best Practice in Kapitel 7.4 kommt dieser Forderung nach und stellt die Durch-
führung von Lead User-Projekten auf nachvollziehbare Art und Weise dar.

5.3 Zusammenfassung der Ergebnisse und Vergleich mit Theorie

Die quantitative Online-Befragung zeigt einen Überblick der Anwendung des Lead
User-Ansatzes im deutschsprachigen Raum. Eine solche Studie existiert bisher nicht
und bietet daher wesentliche Erkenntnisse zur Implementierung des Ansatzes. So ist
zunächst zu erkennen, dass der Ansatz grundsätzlich auch von KMUs angewandt
werden kann. Er ist damit nicht auf Großunternehmen beschränkt, wie die Beispiele
aus der Theorie (Johnson & Johnson, 3M etc.) vermuten lassen (Churchill et al.
2009; Herstatt und von Hippel 1992; von Hippel et al. 2009). Oft wird jedoch der
Mangel an Ressourcen sowie die Planungsunsicherheit der Lead User-Projekte als

193 „Die Lead User haben uns kontaktiert.“


194 Für eine ausführliche Erläuterung unternehmensinterner Methoden sei auf Lehnen et al. (2014)
verwiesen.
Zusammenfassung der Ergebnisse und Vergleich mit Theorie 129

Herausforderungen insbesondere für kleinere Unternehmen genannt. Weiterhin ist


dem Großteil der Befragten der Ansatz unbekannt. 39% der Befragten konnten den
Lead User-Ansatz einordnen. Insgesamt haben nur 28% der 222 Befragten bereits
ein Lead User-Projekt durchgeführt. Eine vermehrte Anwendung durch stärkere
Kommunikation des Ansatzes scheint daher möglich. Zudem verdeutlicht die große
Offenheit der Befragten, die den Ansatz bisher nicht kannten, großes Potenzial für
eine weitere Verbreitung und Anwendung.
Zusammenfassend können in Bezug auf die Anwendungserfahrungen des Lead
User-Ansatzes folgende Unterschiede zwischen wissenschaftlicher Theorie und
praktischer Anwendung genannt werden (Tabelle 17):

Tabelle 17: Unterschiede zwischen Theorie und Praxis 195

Theorie Praxis

Dauer Empfohlene Dauer von drei bis sechs 62% der Projekte dauern länger als
Monaten ein halbes Jahr

Definition Wissenschaft geht davon aus, dass Jedes zweite Unternehmen (48%)
die theoretische Definition eingehalten nennt falsches Verständnis von Lead
wird Usern als Herausforderung

Erfolgsfaktoren Identifikation zukünftiger Bedürfnisse Organisationssicht: Kundenbindung/-


und Trends wahrnehmung am bedeutendsten

Ergebnisumset- Endet mit dem Workshop, keine ex- Wichtiger Aspekt ist die oft vernach-
zung plizite Umsetzungsphase lässigte Umsetzung der Ergebnisse

Erwartungshal- Viele Beispiele von radikalen Innova- Praxis erwartet eher neue Ideen und
tung tionen und finalen Produkten Konzepte statt finaler Produkte

Herausforderung Identifizierung geeigneter Lead User Identifizierung sowie falsches Ver-


ist die größte Herausforderung ständnis und fehlende Umsetzung der
Ergebnisse

Identifizierung Insbesondere Pyramiding und Scree- Pyramiding und Screening, aber mehr
ning insbesondere webbasierte Methoden

Prozess Theoretischer Prozess (Lüthje, Her- Hälfte (47%) ändert den Prozess im
statt 2004) als Grundlage Vergleich zur Theorie

Team Interdisziplinäres Team: Forschung & Interdisziplinäres Team, mehr Abtei-


Entwicklung, Marketing oder Vertrieb lungen (Innovationsmanagement etc.)

Widerstände Widerstände werden genannt, von Widerstände: Schwierige Vorhersage


Durchführung des theoretischen Pro- des Projektablaufs und -outputs, zu
zesses wird aber ausgegangen hoher Aufwand

195 Quelle: Eigene Darstellung. Die theoretischen Inhalte basieren auf Franke et al. (2006), Herstatt
und von Hippel (1992), Lettl et al. (2008), Lilien et al. (2002), Lüthje und Herstatt (2004),
Schreier und Prügl (2008), Spann et al. (2009) sowie von Hippel (1986).
130 Quantitative Untersuchung: Online-Befragung

In Bezug auf die Anwendung des Lead User-Ansatzes in den jeweiligen Branchen
zeigt die Umfrage Tendenzen, aufgrund der geringen Fallzahlen ist die Übertragbar-
keit jedoch begrenzt. 196 So ist der Ansatz im Bereich Forschung und Bildung zu 83%
bekannt, jedoch gehörten nur sechs Personen dieser Gruppe an. Aussagekräftigere
Tendenzen sind hingegen im Bereich Anlagen- und Maschinenbau (n=33, 30% be-
kannt), Dienstleistung und Beratung (n=31, 36% bekannt) sowie Handel & Produktion
(n=29, 24% bekannt) zu erkennen. In diesen Branchen ist aufgrund des geringen
Bekanntheitsgrads eine weitere Verbreitung bzw. Kommunikation des Ansatzes
sinnvoll. In Bezug auf die Anwendung des Ansatzes existieren ebenfalls branchen-
spezifische Unterschiede. Im Bereich Forschung & Bildung wird der Ansatz von allen
Befragten angewandt, die den Lead User-Ansatz bereits kannten. Im Forschungsbe-
reich war eine hohe Bekanntheit dieser Theorie zu erwarten. Weiterhin ist eine ver-
gleichsweise große Anwendungsrate in den Bereichen Dienstleistung und Beratung
(82%), Elektronik, IT und Telekommunikation (80%), Handel und Produktion (86%)
sowie Medizin und Gesundheit (83%) zu erkennen. Der Lead User-Ansatz wird in
diesen Bereichen also öfter angewandt als in den übrigen Branchen. Eine bessere
Eignung der Methodik ist in diesen Branchen demnach zu vermuten. Interessanter-
weise sind in diesen Bereichen Abweichungen zum theoretischen Prozess jedoch
häufig. Im Bereich Elektronik, IT und Telekommunikation änderten 69% (n=16) den
Projektablauf im Vergleich zur Theorie. In der Medizin- und Gesundheitsbranche
wurde der Prozess sogar zu 80% geändert (n=5). Der Lead User-Ansatz wird in die-
sen Branchen also überdurchschnittlich angewandt, der Prozess dabei aber stark
verändert. Die Umstrukturierung der Phasen sowie das Auslassen von Teilschritten
wurden dabei als häufigste Veränderungen genannt.

Basierend auf den Resultaten der Umfrage werden nachfolgend Propositionen abge-
leitet, die durch die qualitative Fallstudienanalyse überprüft werden.

5.4 Ableiten der Propositionen für die Fallstudienanalyse


Die ersten Forschungsfragen nach der Bekanntheit des Lead User-Ansatzes in der
Praxis (FF#1) sowie der Bereitschaft der Unternehmen, diese Methodik anzuwenden
(FF#2), konnten durch die Online-Befragung beantwortet werden. Die übrigen For-
schungsfragen bzgl. der Qualifikation der Unternehmen zur Umsetzung des Ansat-
zes (FF#3) sowie den praktischen Erfahrungen mit der Integration von Lead Usern

196 Geringe Fallzahlen sind nicht vermeidbar aufgrund der verschiedenen Pfade der Umfrage.
Bspw. kennen nur 39% den Ansatz, 72% davon wenden ihn an. Diese Gruppe ist nochmal nach
Branchen unterteilt, sodass z. Bsp. nur sechs Personen aus dem Bereich Forschung & Bildung
teilgenommen haben. Von diesen kannten fünf den Lead User-Ansatz, die alle den Ansatz be-
reits angewandt haben. Eine Verallgemeinerung, dass der Lead User-Ansatz in diesem Bereich
grundsätzlich angewandt wird, ist aufgrund der Fallzahl (n=5) nur bedingt möglich. Daher sind
diese Zahlen eher als Tendenzen zu bewerten.
Ableiten der Propositionen für die Fallstudienanalyse 131

(FF#4) sollen durch die qualitative Fallstudienanalyse im folgenden Kapitel beantwor-


tet werden. Aus der Umfrage ergeben sich erste Hinweise zu diesen Forschungsfra-
gen, aus denen Propositionen abgeleitet werden können.
PP#1 Im Vergleich zur wissenschaftlichen Literatur existiert in der Praxis ein abwei-
chendes oder zumindest unschärferes Verständnis von Lead Usern
Innerhalb der Online-Befragung wurden erste Ansätze erkannt, das Verständnis so-
wie die Charakteristika von Lead Usern anders oder zumindest etwas breiter anzule-
gen. Durch die Fallstudien soll überprüft werden, ob dies in der Praxis ein gängiges
Vorgehen ist und die Definition von Lead Usern in der Praxis verallgemeinert wird.
PP#2 Am häufigsten werden ein bis fünf Lead User über einen Zeitraum von sechs
bis neun Monaten integriert
Diese Erkenntnis in Bezug auf die Organisation von Lead User-Projekten ist für die
Erstellung einer Best Practice sehr wichtig. Durch die Fallstudien soll überprüft wer-
den, ob diese Vorgaben zutreffen oder eine höhere Zahl an Lead Usern einen größe-
ren Mehrwert bringt.
PP#3 Die größten Erfolgsfaktoren von Lead User-Projekten sind die Wahrnehmung
als innovatives Unternehmen, Kundenbindung sowie die frühe Erkennung von
Trendsignalen

Die Umfrage hat gezeigt, dass Lead User-Projekte eine Vielzahl an positiven Fakto-
ren beinhalten. Die im Rahmen der Online-Befragung erarbeiteten Erfolgsfaktoren
sollen durch die Fallstudien überprüft werden. Ebenfalls soll untersucht werden, ob
die eher unternehmerischen Aspekte wie Kundenbindung und Wahrnehmung als
innovatives Unternehmen tatsächlich als die wesentlichsten erachtet werden oder
weitere essenzielle Faktoren existieren.
PP#4 Die Identifizierung richtiger Lead User ist die größte Herausforderung

In der Theorie wird die Identifizierung geeigneter Lead User als wesentlichste Her-
ausforderung erachtet. Die Online-Befragung bestätigt dies: 52% der Befragten be-
werten diese Schwierigkeit als größte Herausforderung von Lead User-Projekten.
Durch die Fallstudien soll dies überprüft und gleichzeitig Lösungsansätze abgeleitet
werden, um die Identifizierung zu vereinfachen.
PP#5 Unternehmen passen den Prozess der Lead User-Integration im Vergleich
zum theoretischen Vorgehen in der Praxis an

Die Umfrage zeigt, dass mit 47% fast die Hälfte der Befragten den ursprünglichen,
theoretischen Lead User-Prozess anpassen und verändern. Erste Gründe dafür und
resultierende Effekte wurden in Kapitel 5.2.6 genannt. Die Fallstudienanalyse soll die
132 Quantitative Untersuchung: Online-Befragung

Prozessänderungen detailliert überprüfen, um ggf. Anpassungen am theoretischen


Prozess durchführen zu können.
PP#6 Der Lead User-Ansatz bringt eher Ideen und Lösungsansätze hervor statt fina-
le Produkt- oder Dienstleistungsinnovationen

In der wissenschaftlichen Literatur existieren einige Beispiele von Unternehmen, die


durch Lead User-Projekte entwickelte Produkte direkt umsetzen und im Markt einfüh-
ren konnten (Hilti, 3M, Johnson & Johnson). Fraglich ist jedoch, ob neben diesen oft
genannten Beispielen in der Praxis stets fertige Produkte durch Lead User entwickelt
werden können oder ob eher Ideen und Ansätze dafür erarbeitet werden.
PP#7 Der Lead User-Ansatz ist in den frühen Phasen des Innovationsprozesses
einzuordnen
Da durch die Integration von Lead Usern eher Ideen und Konzepte statt entwickelter
Produkte zu erwarten sind, scheint eine Einordnung dieses Ansatzes in den frühen
Phasen des Innovationsprozesses angemessen. Interessant ist dabei die Frage, wie
Lead User-Projekte in den Innovationsprozess eingebettet werden können, damit sie
nicht als separates und dadurch losgelöstes Projekt angesehen werden.
PP#8 Aufgrund der schwierigen Vorhersehbarkeit des Lead User-Projekts bzw. der
erforderlichen Ressourcen wird in der Praxis ein agiles Projektmanagement
verlangt

Durch die Umfrage wurde erkannt, dass der Prozess in der Praxis durch Auslassen,
Neuanordnung, Zusammenfassen oder Hinzufügen der Phasen geändert wird. Ein
wesentlicher Grund dafür ist die schwierige Vorhersehbarkeit des Prozesses, wes-
wegen Reaktionen und Anpassungen aufgrund unvorhersehbarer Ereignisse not-
wendig sind. Um eine höhere Flexibilität in Lead User-Projekten zu gewährleisten,
scheint die Anwendung eines flexiblen, agilen Projektmanagements sinnvoll.
6 Qualitative Vertiefungsanalyse: Fallstudienanalyse
Die quantitative Umfrage stellt die Ausgangssituation für die folgende, qualitative
Vertiefungsanalyse dar. Insbesondere Prozessänderungen von Lead User-Projekten
im Vergleich zur Theorie sollen dabei erforscht werden. Jedes zweite Unternehmen
gab im Rahmen der Online-Befragung an, diesen Prozess zu ändern - somit scheint
dies ein gebräuchlicher Vorgang in der Praxis zu sein. Die Gründe und Effekte dafür
wurden bisher jedoch kaum erforscht. Demnach ist die vertiefende Untersuchung
dieses Sachverhalts in Form von Fallstudien geeignet, wie von Kardorff et al. (2008)
bestätigen: „Qualitative Forschung ist immer dort zu empfehlen, wo es um die Er-
schließung eines bislang wenig erforschten Wirklichkeitsbereichs [...] geht“ (von Kar-
dorff et al. 2008, S. 25). 197

6.1 Methodisches Vorgehen


Um Fallstudienanalysen durchzuführen sind nach Yin (2009) grundlegende Voraus-
setzungen nötig. Zunächst muss ausreichend Zugang zu Daten vorhanden sein,
bspw. durch bereits geführte Interviews, Durchsicht von Dokumenten oder Aufzeich-
nungen. Der Beginn einer Fallstudienanalyse sollte nicht nach externen, zeitlichen
Bedingungen festgelegt werden. Zwar hat das Umfeld der Analyse einen hohen Stel-
lenwert. So warten bspw. Unternehmen, die zu Fallstudien bereit sind, nur eine ge-
wisse Zeit bis zum Beginn der Fallstudien - bei zu langer Wartezeit könnte die Be-
reitschaft schwinden (Kusterer 2008a). Die Analyse sollte aber erst dann begonnen
werden, wenn die durchführende Person dazu bereit ist und alle Vorarbeiten (Defini-
tion Forschungsfragen, Erstellung eines Interviewleitfadens etc.) abgeschlossen
sind. 198 Auch der Zeitpunkt für das Beenden einer Fallstudienanalyse ist im Vorhi-
nein kaum zu bestimmen. Die Analyse gilt dann als abgeschlossen, wenn (a) ausrei-
chend konfirmatorische Ergebnisse und Nachweise vorhanden sind und (b) diese
Resultate Hinweise und Ansätze bieten, um Hypothesen/Propositionen zu untersu-
chen und grundlegende Erklärungen zu erbringen (ebd.). Eisenhardt (1989) definiert
ein achtstufiges Vorgehen von Fallstudien in ihrem häufig zitierten Grundlagenwerk.
Der theoriebildende Prozess durch die Fallstudienanalyse beinhaltet darin die we-
sentlichen Aspekte nach Yin (2009) (Tabelle 18):

197 Auch Eisenhardt (1989) stellt fest: „This research approach is especially appropriate in new
topic areas“ (Eisenhardt 1989, S. 532). Zwar ist der Themenbereich des Lead User-Ansatzes
nicht neu. Dennoch wird eine Fallstudienanalyse mit Fokus auf den Ablaufprozess von Lead
User-Projekten erstmalig in dieser Detaillierung durchgeführt.
198 „...“readiness” depends upon your own skill levels for doing case studies, as well as your having
completed formal and preparatory procedures prior to collecting actual data“ (Yin 2009, S. 72).

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017


J. Lehnen, Integration von Lead Usern in die Innovationspraxis,
Forschungs-/ Entwicklungs-/ Innovations-Management,
DOI 10.1007/978-3-658-19385-0_6
134 Qualitative Vertiefungsanalyse: Fallstudienanalyse

Tabelle 18: Prozess Fallstudienanalyse nach Eisenhardt (1989) und Yin (2009) 199

Prozessphase Aktivität Begründung

(1) Start - Definition der Forschungsfragen - Fokussiert den Aufwand, bietet


bessere Basis für Konstruktmessung
- Nutzung von evtl. vorhandenen
Konstrukten - Beibehaltung der Flexibilität

(2) Fallstudien- - Spezifizierung der Fallstudien - Schärft die externe Aussagekraft


auswahl
- Theoretisch, stichprobenartig - Fokussierung sinnvoller Fallstudien

(3) Werkzeuge und - Kombination multipler Methoden zur - Stärkt die Theoriebasis durch Trian-
Protokolle Erhebung qualitativer und quantitati- gulation der Nachweise
ver Daten
- Fördert divergente Perspektiven und
- Verschiedene Forscher beteiligt stärkt das Fundament

(4) Feld betreten - Nutzung verschiedener Methoden - Beschleunigt Analysen und zeigt
zur Datensammlung Anpassungen der Datensammlung
- Flexible und opportunistische Me- - Ziehen von Vorteilen aus auftreten-
thoden der Datensammlung den Besonderheiten der Fallstudien

(5) Daten analysie- - Analyse innerhalb der Fallstudien - Ansteigende Vertrautheit mit Daten
ren und vorherigen Theorien
- Fallstudienübergreifende Suche
nach Mustern - Zwingt Forscher, über anfängliche
Impressionen hinaus zu blicken

(6) Hypothesen - Replikation, Logik zwischen den - Schärft die Konstruktdefinition, Vali-
entwickeln Fallstudien dität und Messbarkeit
- Suche nach Gründen für das Warum - Bestätigt, erweitert, schärft Theorie
hinter den Beziehungen und bildet interne Validität

(7) Literatur um- - Vergleich mit widersprüchlicher - Baut interne Validität auf und stei-
fassen Literatur gert das theoretische Level
- Vergleich mit gleichartiger Literatur - Verstärkt die Generalisierbarkeit

(8) Abschluss - Theoretische Durchdringung sofern - Beendet den Prozess sofern margi-
möglich nale Verbesserungen vorhanden

Gemäß diesem Vorgehen wurde die Fallstudienanalyse innerhalb dieser Arbeit


durchgeführt: 200
1) Start: Die Definition der Forschungsfragen wurde in Kapitel 3.1.3 durchgeführt.
Der Fokus der Fallstudienanalyse liegt somit auf den Gründen und Effekten
der Prozessänderungen sowie weiteren Erfahrungen aus der Praxis.

199 Quelle: Eisenhardt (1989) und Yin (2009).


200 Kuckartz (2008) erläutert ein ähnliches Vorgehen in sieben Schritten: 1. Evaluationsgegenstand
und -ziele festlegen; 2. Interviewleitfaden und Kurzfragebogen entwickeln; 3. Interviews durch-
führen, aufnehmen und transkribieren; 4. Daten erkunden, fallweise darstellen; 5. Das Katego-
riensystem erstellen und die Interviews codieren; 6. Kategorienbasiert auswerten und Evaluati-
onsbericht erstellen; 7. Fazit erarbeiten, Ergebnisse rückmelden, Bericht abschließen.
Methodisches Vorgehen 135

2) Auswahl der Fallstudien: Von den 222 verwertbaren Beantwortungen erklärten


sich insgesamt 101 Unternehmen dazu bereit, sie nochmals zu kontaktieren.
32 davon hatten bereits mindestens ein Lead User-Projekt durchgeführt. Nach
Analyse der in der quantitativen Umfrage angegebenen Antworten, insbeson-
dere im Hinblick auf ein richtiges Verständnis von Lead Usern, wurden diese
Unternehmen kontaktiert. Sieben Unternehmen stellten sich für eine detaillier-
te und umfangreiche Analyse des Lead User-Ansatzes zur Verfügung.
3) Werkzeuge und Protokolle: Zwei Methoden zur Analyse der Fallstudien wur-
den genutzt. Zum einen wurden verschiedene Interviews mit an den Projekten
beteiligten Mitarbeitern der Unternehmen durchgeführt. Außerdem wurden die
Dokumentationen der Projekte gesichtet und analysiert.
4) Feld betreten: Das Forschungsfeld wurde mit den zwei genannten Methoden
betreten. Durch die Analyse der vorhandenen Dokumentation wurden die Er-
kenntnisse gesammelt, die während bzw. kurz nach dem Projekt verschriftlicht
wurden. Dies betrifft insbesondere die Organisation des Projekts (involvierte
Personen, Zeitablauf etc.). Durch die Interviews konnten für den Forscher
wichtige Aspekte direkt abgefragt werden und auf interessante Ergebnisse fle-
xibel näher eingegangen werden.
5) Daten analysieren: Die Kenntnisse aus den einzelnen Fallstudien wurden zu-
sammengefasst und gegenübergestellt. Die fallstudienübergreifende Analyse
lässt Muster erkennen und Zusammenhänge nachvollziehen.
6) Hypothesen entwickeln: Aus der Online-Befragung wurden in Kapitel 5.4 be-
reits Propositionen entwickelt, die durch die Fallstudienanalyse überprüft wer-
den. Die praktischen Ergebnisse der empirischen Studien wurden somit auf
ein theoretisches Niveau gebracht. Die Entwicklung von Hypothesen, wie bei
quantitativen Modellkonstrukten üblich, ist für diese Forschungsmethodik nicht
notwendig, da stattdessen Propositionen überprüft werden.
7) Literatur umfassen: Die gewonnenen Erkenntnisse werden in Kapitel 7 mit der
Literatur verglichen und eine Weiterentwicklung der Theorie durchgeführt.
Durch die zwei Literaturanalysen (Theorie/Praxis) aus Kapitel 2 ist ein Ab-
gleich der empirisch erhobenen Daten sowohl mit der theoretischen Literatur
als auch der praxisorientierten Fachliteratur möglich.
8) Abschluss: Zum Abschluss der Fallstudienanalyse wird die theoretische Lite-
ratur des Lead User-Ansatzes auf Basis der gewonnen Kenntnisse in Kapitel
7.1 überprüft und erweitert. Die Fallstudienanalyse stellt damit - in Verbindung
mit der zuvor durchgeführten Vorstudie und insbesondere der umfangreichen
quantitativen Befragung - eine wesentliche Weiterentwicklung der Theorie dar.
136 Qualitative Vertiefungsanalyse: Fallstudienanalyse

Damit die Aussagen der im Rahmen der Fallstudienanalyse befragten Personen ver-
glichen werden können, ist die Definition von Bewertungsmaßstäben und Erfolgskri-
terien sinnvoll (Fisch und Roß 2009). Andernfalls besteht die Gefahr, aufgrund unter-
schiedlicher, subjektiver Bewertungen verzerrte Ergebnisse zu erhalten. 201 Die Er-
folgsmessung ist jedoch insbesondere bei Fallstudien kritisch (Jacob 1976). Ein ein-
heitliches Verständnis könnte durch Kennzahlen (bspw. Absatz, Umsatz, Gewinn)
geschaffen werden. 202 Die Anwendung solcher betriebswirtschaftlichen Kennzahlen
ist bei Lead User-Projekten jedoch schwierig bzw. oft nicht möglich. So muss nicht
aus jedem Projekt zwangsläufig ein neues Produkt mit Absatzzahlen, Umsatz etc.
entstehen. Auch die Gewinnung neuer Ideen und Ansichten wird als Erfolg betrach-
tet; dies fließt jedoch meist in andere Produkte ein und ist daher nicht immer als aus
den Lead User-Projekten resultierendes Ergebnis zu erkennen. Zudem ist der Ver-
lauf der Projekte schwer vorherzusehen, sodass eine vorherige Definition relevanter
Kennzahlen erschwert wird. Die Möglichkeit der Nutzung von Kennzahlen als Er-
folgsmaßstab der Lead User-Projekte ist daher vom einzelnen Projekt abhängig. So
hat die Vorstudie bereits verdeutlicht, dass die Ziele und damit die Erfolgsmessung
von Lead User-Projekten abweichen können. Ein Unternehmen bezeichnet die Um-
setzung einer radikalen Innovation als Erfolg, ein anderes bewertet den Einblick in
andere Branchen bereits als erfolgreich. Um die Lead User-Projekte zu vergleichen,
wurden daher Fragen zur Zielerreichung gestellt: Wie wurden die Ziele des Projekts
vom Unternehmen zu Beginn des Projekts definiert (Zieldefinition)? Wann wurden die
Ziele als erfüllt bewertet und das Projekt beendet (Zielerreichung)? Wie wurde die
Zielerreichung vom Unternehmen gemessen (Ziel-/Erfolgsmessung)?

Die Analyse der Evaluation der Lead User-Projekte sowie der Zielerreichung findet
im Kapitel 6.2.5 statt.

6.1.1 Interviewleitfaden
Abbildung 35 visualisiert die Abgrenzung von Leitfadengesprächen gegenüber ande-
ren Interviewformen:

201 Unstimmigkeiten ergeben sich etwa für folgende Fragen: Wann bezeichnet der Einzelne ein
Projekt als erfolgreich? Wann gelten Ziele als erreicht? Worauf basiert eine positive Bewertung?
202 Langmann und Gräf (2011) definieren Kennzahlen im Bereich der F&E sowie des Innovations-
Controllings: F&E-Budget, Anzahl neuer Ideen, Anzahl genehmigter F&E-Projekte, Anzahl von
Entwicklungen, Anzahl von Prototypen, Anzahl eingerichteter Patente, Kundenzufriedenheit,
Anzahl Beschwerden, Absatz, Umsatz, Gewinn, Marktanteil.
Methodisches Vorgehen 137

Datensammlung

Interview Umfrage Beobachtung

Gruppen-
Einzelinterviews
interviews

Wenig struktu- Teilstrukturiert Stark strukturiert


riert

Abbildung 35: Abgrenzung von teilstrukturierten Interviews 203

Zur Sammlung empirischer Daten wird zwischen Interviews, Umfragen und Beobach-
tungen unterschieden (Sekaran und Bougie 2010). Eine Befragung von Interview-
partnern gilt als „Standardinstrument empirischer Sozialforschung“ (Schnell et al.
2005, S. 321). Da im Rahmen dieser Interviews persönliche Erfahrungen mit der
Durchführung von Lead User-Projekten abgefragt werden sollen, werden Einzelinter-
views durchgeführt. Diese können wenig, teilweise oder stark strukturiert werden
(Nohl 2012; Schnell et al. 2005). Wenig strukturierte Interviews (bspw. narrative In-
terviews) werden i.d.R. ohne die Anwendung eines Fragebogens oder Leitfadens
durchgeführt (Atteslander 2008). Der Interviewte soll sämtliche Gedanken äußern
und wird kaum vom Interviewer unterbrochen (Häder 2015). Diese Form der Befra-
gung ist jedoch zu offen. Durch stark strukturierte Interviews hingegen könnten wich-
tige Erfahrungen verloren gehen, da dem Interviewten zu wenig Freiraum gewähr-
leistet wird (Schnell et al. 2005). Teilstrukturierte Interviews sind daher optimal, um
neue Kenntnisse zu erlangen, ohne dabei den Gesprächsfokus zu verlieren (Flick
2011). Sie bieten Spielraum für die Abfolge der Fragen und Nachfragen bei Unklar-
heiten (von Kardorff et al. 2008). Der Interviewer kann so doppelte Fragestellungen
vermeiden, sofern diese durch die offene Form des Interviews bereits beantwortet
wurden. Teilstrukturierte Einzelinterviews mit Unternehmensexperten bieten dabei
das Potenzial, möglichst viel über praktische Erkenntnisse zu erfahren (Atteslander
2008). Der Fragebogen der Fallstudieninterviews ist in Anhang C zu finden.

6.1.2 Teilnehmer

Bei den jeweiligen Projektteilnehmern (Projektleiter, Mitarbeiter, Lead User) sind un-
terschiedliche Ansichten und Erfahrungen entsprechend ihrer jeweiligen Beteiligung,

203 Quelle: Eigene Darstellung basierend auf Sekaran und Bougie (2010) und Schnell et al. (2005).
138 Qualitative Vertiefungsanalyse: Fallstudienanalyse

Erwartungshaltung und Expertise zu erwarten. So bewertet der Projektleiter die Er-


gebnisse vielleicht anders als sein Kollege, der nicht die Verantwortung für die Pro-
jektergebnisse trägt. Ein Lead User wird wiederum andere Erwartungen haben, da
seine Motivation nicht die kommerziellen Ziele des Unternehmens sind, sondern sein
intrinsisches Verlangen nach einer Lösung für sein Bedürfnis (Urban und von Hippel
1988; von Hippel 1986). Daher werden im Rahmen der Fallstudienanalyse Interviews
mit Projektleitern und -mitarbeitern von Unternehmen geführt sowie mit Lead Usern
selbst. Zudem werden Berater befragt, die das Lead User-Projekt für ein drittes Un-
ternehmen durchgeführt haben. Auch dort sind andere Einschätzungen zu erwarten.
Tabelle 19 bietet eine Übersicht über die 17 durchgeführten Interviews:

Tabelle 19: Überblick der durchgeführten Fallstudieninterviews 204

Bereich Branche Art Projektart Dauer Interview

A B2B IT Dienstleister Abgebrochen 25‘ Telefonisch

B B2B Beratung Dienstleister Klassischer Ablauf 39‘ Persönlich

C B2B Beratung Dienstleister Klassischer Ablauf 52‘ Telefonisch

D B2B Beratung Dienstleister Klassischer Ablauf 32‘ Telefonisch

E B2B Wissenschaft Hochschule Klassischer Ablauf 37‘ Telefonisch

F B2B Wissenschaft Hochschule Technology Push 47‘ Telefonisch

G B2B Wissenschaft Hochschule Technology Push 25‘ Telefonisch

H B2B Medizintechnik Lead User Technology Push 23‘ Telefonisch

I B2B Medizintechnik Lead User Technology Push 32‘ Telefonisch

J B2B Luft-/Raumfahrt Unternehmen Klassischer Ablauf 40‘ Persönlich

K B2B Luft-/Raumfahrt Unternehmen Klassischer Ablauf 55‘ Persönlich

L B2B Automatisierung Unternehmen Technology Push 79‘ Telefonisch

M B2B Maschinenbau Unternehmen Anderes Vorgehen 76‘ Telefonisch

N B2C Marktforschung Dienstleister Ähnliche Methode 62‘ Persönlich

O B2C Beratung Dienstleister Klassischer Ablauf 40‘ Telefonisch

P B2C Beratung Dienstleister Klassischer Ablauf 55‘ Telefonisch

Q B2C Lebensmittel Unternehmen Ähnliche Methode 67‘ Persönlich

204 Dauer der Interviews sind Nettowerte. Einführende Worte, Smalltalk etc. wurden nicht mit in die
Analyse aufgenommen. Die Bruttodauer der Interviews beträgt 892 Minuten.
Methodisches Vorgehen 139

13 Interviews wurden zu Lead User-Projekten im Bereich B2B geführt, die restlichen


vier Interviews werden dem B2C-Bereich zugeordnet. 205 Um eine möglichst hetero-
gene Zusammensetzung der Interviewteilnehmer zu gewährleisten, wurden sieben
Interviews mit Dienstleistern geführt, die das Lead User-Projekt für ein drittes Unter-
nehmen durchgeführt haben. Fünf Personen wurden befragt, die ein Projekt für ihren
eigenen Arbeitgeber durchführten. Um eine weitere Sichtweise zu ermöglichen, wur-
den weiterhin drei Mitarbeiter einer Hochschule befragt, die ein Lead User-Projekt in
Kooperation mit einem Unternehmen durchgeführt haben. Schließlich wurden die
Erfahrungen von zwei Lead Usern selbst erfragt. Zur Analyse liegen 786 Minuten
Interviewmaterial vor, ein Interview dauert im Schnitt 46 Minuten. Persönliche Inter-
views sind i.d.R. geeigneter, um Unklarheiten besser erläutern zu können und Gestik
bzw. Mimik des Befragten zu erkennen (Schnell et al. 2005). Daher wurden fünf In-
terviews persönlich durchgeführt. Da Telefoninterviews von der Organisation einfa-
cher zu verwirklichen sind und flexibler durchgeführt werden können (Misoch
2015), 206 wurden die restlichen zwölf Interviews telefonisch durchgeführt. Auch die
Art der analysierten Projekte bietet eine heterogene Zusammensetzung und dadurch
unterschiedliche Sichtweisen. Nicht nur die nach dem klassischen Vorgehen durch-
geführten Projekte bieten relevante Informationen für die Durchführung eines Lead
User-Projekts. Ein abgebrochenes Lead User-Projekt zeigt umso deutlicher, welche
Herausforderungen und Barrieren bei der Integration von Lead Usern auftreten kön-
nen und somit zum Projektabbruch geführt haben. 207 Um den Lead User-Ansatz wei-
terentwickeln zu können, ist die Untersuchung von Projekten nach dem klassischen
Prozessablauf nicht ausreichend. Durch die Analyse ähnlicher Methoden 208 können
wesentliche Vorteile und alternative Herangehensweisen abgeleitet werden, die für
die Weiterentwicklung des klassischen Ansatzes wertvoll sind. Zwei Interviews wur-

205 Zum Zwecke der Anonymisierung, wie von den Befragten gewünscht, werden die Unternehmen
mit den Buchstaben A bis P bezeichnet. Die Bezeichnungen werden zufällig zugeordnet, die
Buchstaben selber haben daher keine weitere Bedeutung/Bewertung.
206 Die Interviewteilnehmer sind i.d.R. sehr beschäftigt. Auch wenn sie durch ein Interview unter-
stützen möchten, reicht die Zeit für ein persönliches Gespräch oft nicht aus. Ein persönliches In-
terview wird daher oftmals verneint. Telefonische Interviews können flexibler durchgeführt wer-
den. Eine Verschiebung des Interviews kann bspw. einfacher durchgeführt werden als bei ei-
nem persönlichen Gespräch aufgrund der Anreise des Interviewers.
207 Unternehmen möchten sich nur selten oder oftmals gar nicht zu gescheiterten Projekten äu-
ßern, da dies negativ auf die Reputation des Unternehmens wirken könnte. Personen zu finden,
die über ein gescheitertes Projekt sprechen möchten, ist daher äußerst schwierig. Immerhin ein
Unternehmen konnte im Rahmen dieser Arbeit befragt werden, das Gespräch erbrachte wichti-
ge Informationen (insbesondere zu den Herausforderungen).
208 Unter ähnlichen Methoden werden Ansätze verstanden, die dem grundsätzlichen Ablauf des
Lead User-Ansatzes ähneln. Fortschrittliche Nutzer werden also identifiziert und in die Neupro-
duktentwicklung einbezogen mit dem Ziel, Konzepte für innovative Produktideen zu entwickeln.
Ähnliche Methoden werden jedoch anders bezeichnet oder weichen in gewissen Punkten vom
klassischen Ablauf ab (bspw. Einzelgespräche mit Lead Usern statt Lead User-Workshops).
140 Qualitative Vertiefungsanalyse: Fallstudienanalyse

den zu Projekten mit ähnlicher Vorgehensweise geführt. Eine Fallstudie mit fünf In-
terviews wurde zu Lead User-Projekten mit dem bereits erläuterten Technology
Push-Ansatz (vgl. Kapitel 2.3.4.6) durchgeführt.

6.1.3 Transkription und Codierung der Interviews

Die über 13 Stunden Interviewmaterial wurden mit der Software f4 transkribiert, ein
für die Transkription in wissenschaftlichen Arbeiten gängiges Vorgehen (Kleemann et
al. 2009; Kuckartz 2008). Um einer möglichen Interpretation von Sachverhalten bei
der Transkription der Interviews entgegenzuwirken, wurde ein Volltranskript mit wört-
licher Wiedergabe der Inhalte angefertigt. 209 Die Transkription der Interviews wurde
vom Autor selbst durchgeführt. Nur diesem ist es als Interviewer möglich, eventuelle
Pausen, Tonlagen, Zögern des Befragten und dergleichen zu interpretieren (Weber
2015). Zudem kann so die einwandfreie Qualität der Transkripte gewährleistet wer-
den. Die Dauer der Transkription wird in der Literatur oftmals mit einem Verhältnis
von 1:6 angegeben (Buber 2009; Kuckartz 2008; Rothfuss und Dörfler 2013). 210
Dies trifft auch für die Transkription der Fallstudieninterviews im Rahmen dieser Ar-
beit zu. 211
Der Begriff Code kann im Deutschen mit Stichwort oder Schlagwort übersetzt werden
(Kuckartz 2008). 212 Hussy et al. (2013) definieren den Begriff des Codierens folgen-
dermaßen: „Das Codieren ist eine sehr flexible Methode zur Analyse des Äußerungs-
inhalts. Die Bedeutung relevanter Textstellen wird erfasst, indem dem Text ein zu-
sammenfassendes »Etikett« quasi angeheftet wird. Die Codierung kann eher konkret
und nahe am Textmaterial oder eher abstrakt erfolgen. Meist werden die Codes in-
duktiv aus dem Datenmaterial heraus entwickelt“ (Hussy et al. 2013, S. 253). Buber
(2009) weist darauf hin, dass die perfekte Kenntnis der Daten die Voraussetzung für
die Codeerstellung ist. Dies bekräftigt das Vorgehen, sämtliche Interviews eigen-
ständig zu transkribieren, um so einen idealen Überblick der Daten zu erhalten
(Rothfuss und Dörfler 2013).

209 Nach Kühl (2009) „hat es sich eingebürgert, dass Experteninterviews nur noch selektiv transkri-
biert bzw. überhaupt nur noch paraphrasiert werden“ (Kühl 2009, S. 41). Der Autor fügt jedoch
selbst an, dass die Selektion der zu transkribierenden Passagen bereits eine Interpretation dar-
stellt. Allein die vollständige und wörtliche Niederschrift des Gesagten - wie in dieser Arbeit an-
gewandt - gewährleistet daher, dass das Transkript nicht durch Interpretation beeinflusst wird.
210 Für eine Minute Interview müssen also etwa sechs Minuten Zeit für die Transkription veran-
schlagt werden. Dieser Wert variiert je nach Sprachstil des Befragten (schnelles/langsames
Reden, lange/kurze Pausen, Verständlichkeit, Tonqualität etc.).
211 Die Transkription der 786 Interviewminuten nahm demnach etwa 79 Stunden Arbeitszeit in An-
spruch. Die Transkripte umfassen insgesamt ca. 250 Seiten Interviewmaterial und können auf
Nachfrage beim Autor eingesehen werden.
212 Kuckartz (2008) benennt Codes zudem als Kategorien. Dem wird jedoch von anderen Autoren
widersprochen, die Kategorien als Zusammensetzung mehrerer Codes verstehen (bspw. Roth-
fuss und Dörfler 2013).
Methodisches Vorgehen 141

Einen grundlegenden Ansatz dieses Themenfelds stellt die 1967 von Glaser und
Strauss entwickelte Grounded Theory dar (Glaser und Strauss 2005; Mey und Mruck
2011). Wie der Name aussagt, ist das Ziel dieses Ansatzes die Theorieentwicklung,
wobei die bereits vorhandenen Theorien dabei als wahrnehmungshemmend betrach-
tet werden und dadurch nicht beachtet werden sollen (Kuckartz 2008). Vor allem
durch die Weiterentwicklung durch Strauss und Corbin (1990) wurde die Grounded
Theory zu einem Analyseverfahren der qualitativen Forschung weiterentwickelt. 213
Dabei existieren drei grundlegende Formen des Kodierens: Offenes, axiales und se-
lektives Codieren (Baur und Blasius 2014; Corbin und Strauss 2015; Mey und Mruck
2011; von Kardorff et al. 2008;). Kuckartz (2010) stellt jedoch fest, dass der Codier-
begriff der Grounded Theory nach Strauss und Corbin von klassischen Forschungs-
ansätzen abweicht: „Strauss formuliert „Codieren ist der Prozess der Datenanalyse“
und bringt damit zum Ausdruck, dass der Begriff „Codieren“ in der Grounded Theory
etwas anderes meint als in klassischen Forschungsansätzen, in denen „Codieren“
wesentlich enger als Klassifizierung von Daten in der Auswertungsphase eines Pro-
jektes begriffen wird“ (Kuckartz 2010, S. 74). Zudem soll im Rahmen dieser Arbeit
keine neue Theorie im Sinne der Grounded Theory entwickelt werden, diese Form
des Codierens ist daher wenig geeignet.

Ein weiterer, etablierter Ansatz des Codierens ist die Methode nach Gioia et al.
(2013). 214 Auf Basis der Grounded Theory werden dabei Codes entwickelt, ohne
zuvor Kategorien oder Themenbereiche zu bilden. Diese Codes werden als 1st order
concepts bezeichnet und daraufhin in die 2nd order themes zusammengefasst. Zur
besseren Übersicht werden schließlich so genannte Aggregate Dimensions entwi-
ckelt. Diese stellen die Oberkategorien des Codesystems dar. Zwar wird diese de-
duktive Vorgehensweise in der Wissenschaft häufig angewandt (bspw. Corley und
Gioia 2004; Rerup und Feldman 2011), jedoch wurden im Rahmen dieser Arbeit be-
reits erste Kategorien auf Basis der Experteninterviews in Kapitel 5.1.1 gebildet. Die-
ses Vorgehen entspricht der Aussage von Kuckartz (2010), dass die meisten For-
scher trotz einer induktiven Vorgehensweise bereits gewisse Kategorien im Hinter-
kopf haben. 215 Brosius et al. (2012) erkennen zudem, dass der Codierungsvorgang

213 Für eine ausführliche Erläuterung der Entwicklung der Grounded Theory sei auf Mey und Mruck
(2011) verwiesen.
214 Gioia et al. (2013) liefern eine Übersicht von 26 Studien, bei denen diese Methode bzw. Variati-
onen angewandt wurden (elf davon im Academy of Management Journal (A+) veröffentlicht).
215 „Das Gegenstück zu dieser deduktiven Vorgehensweise stellt die induktive Kategorienbildung
dar, bei welcher der kategoriale Bezugsrahmen aus den Daten selbst konstruiert wird. Bei ge-
nauerem Hinschauen zeigt sich allerdings oft, dass das Vor- und Kontextwissen des Forschers
dabei einen nicht zu unterschätzenden Einfluss hat“ (Kuckartz 2010, S. 58). Die Ableitung der
Codes und daraus resultierenden Kategorien ist also von Beginn an beeinflusst. Es ergeben
sich letztlich die Kategorien aus der stetigen Zusammenfassung der Codes, die der Forscher
haben möchte.
142 Qualitative Vertiefungsanalyse: Fallstudienanalyse

und die damit einhergehende Kategorienbildung eine Kombination aus einem theo-
riegeleiteten, deduktiven Vorgehen und einer empiriegeleiteten, induktiven Herange-
hensweise ist. Somit können Aspekte, die bereits vorher durch die Literaturanalysen
erarbeitet wurden, mit solchen vereint werden, die durch die eigene Einschätzung
beim Durcharbeiten der Interviews entstanden sind. Für diese Arbeit wird daher eine
Kombination aus deduktiven und induktiven Codieren gewählt. Das Vorgehen nach
Kuckartz (2014) erscheint dabei am geeignetsten und wird folgendermaßen definiert:
„Bei der inhaltlich strukturierenden Inhaltsanalyse wird nach der von der Forschungs-
frage geleiteten explorierenden Phase (initiierende Textarbeit etc.) ein zweistufiger
Codierungsprozess durchlaufen. Im ersten Codierungsprozess wird das Material
thematischen Hauptkategorien zugeordnet, welche dann in einem Schritt der Ausdif-
ferenzierung und Verfeinerung präzisiert werden. Die Bildung der Kategorien und
Subkategorien kann sowohl induktiv am Material als auch auf der Basis von theoreti-
schem Vorwissen und Literaturstudium erfolgen. In den meisten Fällen wird eine Mi-
schung aus beidem praktiziert, d.h. sowohl deduktiv wie induktiv vorgegangen“ (Ku-
ckartz 2014, S. 112).
Für die Codierung der Interviews wurde die Analysesoftware MAX Qualitative Daten
Analyse, kurz MAXQDA (Version 12), genutzt (Kelle und Kluge 2010; Kuckartz
2008). Das Programm vereinfacht die Codeerstellung und -organisation und ermög-
licht die Anwendung der Codes auf sämtliche Interviews (Baur und Blasius 2014). Zu
Beginn wurden sechs Hauptkategorien aus der Literatur, der Vorstudie sowie der
quantitativen Umfrage ermittelt. Als relevante Oberpunkte in Bezug auf die Analyse
des Lead User-Ansatzes in der Praxis wurden folgende Kategorien definiert: 216
Unternehmensinformationen: Enthält sämtliche Informationen, die die Organisation
des Befragten betreffen (bspw. Anzahl der bereits durchgeführten Projekte).
Projektablauf: Beinhaltet Aspekte der Projektorganisation (Projektdauer, involvierte
Abteilungen, Anzahl etc.) sowie des Prozesses selbst (bspw. Fragestellung und Ziel,
Start des Projekts, einzelne Phasen). Dieser Themenbereich beinhaltet zudem den
für die Forschungsfrage wichtigen Aspekt etwaiger Prozessabweichungen.
Erfolgsfaktoren: Welche Faktoren tragen positiv zum Projekterfolg bei und sind da-
durch unbedingt zu beachten?
Herausforderungen: Sind die Grundlage für die Ableitung von Lösungsansätzen und
dadurch Weiterentwicklungen des Ansatzes.
Ergebnisse: Übersicht aller Ergebnisformen (Ideen und Ansätze, erwartbare Ergeb-
nisse, Kontakte und Kooperationen, umsetzbare bzw. nicht umsetzbare Ergebnisse).

216 Reihenfolge gemäß der Abfolge innerhalb der Interviews.


Methodisches Vorgehen 143

Evaluation: Umfasst alle evaluierenden Aussagen wie Benennung und Bewertung


der Projektergebnisse.

Basierend auf diesen Kategorien wurden beim Durcharbeiten des ersten Interviews
die Codes erstellt und zugeordnet. Dieser Vorgang wurde für die übrigen Interviews
wiederholt. Dabei wurden weitere Codes hinzugefügt, zusammengefasst, gelöscht
sowie im Codesystem neu arrangiert. Schließlich wurde ein Codeystem mit 68 Codes
erstellt (vgl. Anhang D). Den Codes wurden insgesamt 1066 Codings in den Inter-
views zugeordnet. 217 Die Länge der codierten Abschnitte variiert. Teilweise wurden
nur einige Wörter in einem Coding zusammengefasst, mitunter umfasst ein Coding
auch ganze Sätze oder Abschnitte.

6.1.4 Intercoder-Reliabilität
Die Auswertung und Überprüfung der Ergebnisse qualitativer Erhebungsmethoden
wird nach Krippendorff (1989) als Inhaltsanalyse (Content Analysis) bezeichnet. 218
Ziel der Inhaltsanalyse ist die Schaffung einer Vergleichbarkeit der subjektiven Aus-
wertung der Inhalte (ebd). Durch einen Vergleich der unabhängigen Kodierung ver-
schiedener Forscher wird gemessen, wie allgemeingültig und verständlich die Codes
sind. Dazu werden gleiche Aussagen der Interviews von unterschiedlichen Personen
kodiert. Der prozentuale Vergleich dieser Kodierungen gibt einen ersten Eindruck
über die Übereinstimmung der Rater (Gwet 2014). Eine größere Aussagekraft hat
jedoch die Intercoder-Reliabilität. Diese „kann mittels eines Koeffizienten berechnet
werden, der nicht nur die Quote der übereinstimmenden Kodierungen verschiedener
Auswerter berücksichtigt, sondern das Ergebnis um die Zahl der zufällig zu erwar-
tenden Übereinstimmungen bereinigt“ (Gläser-Zikuda 2011, S. 116). Die Intercoder-
Reliabilität wird meist anhand von Krippendorff’s Alpha berechnet (Gwet 2014; Krip-
pendorff 1989). Das zu berechnende Į umfasst dabei das Intervall von 0.000 (gar
keine Reliabilität) bis 1.000 (perfekte Reliabilität) (Hayes und Krippendorff 2007). Ein
akzeptabler Wert von Į wird in der Wissenschaft unterschiedlich bewertet, wobei ein
Į •DOOJHPHLQDOVDN]HSWDEHOEH]HLFKQHWZLUG
„Į value of +0.75 or +0.80 could be considered an acceptable standard of reliabil-
ity for Krippendorff's Į“ (Milne und Adler 1999, S. 251).

217 Dies entspricht durchschnittlich 13,7 Codings pro Code. Ein Code, bspw. der Aspekt Herausfor-
derungen, kann mehrere Codings haben, da in den Interviews mehrere Aussagen zu diesem
Themenpunkt geäußert wurden.
218 „Formally, content analysis is a research technique for making replicable and valid inferences
from data to their context“ (Krippendorff 1989, S. 403). Lombard et al. (2002) unterstützen den
Stellenwert der Inhaltsanalyse: „But one method, content analysis, is specifically appropriate
and necessary for (arguably) the central work of communication scholars, in particular those
who study mass communication: the analysis of messages“ (Lombard et al. 2002, S. 587).
144 Qualitative Vertiefungsanalyse: Fallstudienanalyse

„Coefficients of .90 or greater would be acceptable to all, .80 or greater would be


acceptable in most situations, and below that, there exists great disagreement“
(Neuendorf 2002, S. 143).
„The criterion of .70 is often used for exploratory research. More liberal criteria
are usually used for the indices known to be more conservative (i.e., Cohen’s
kappa and Scott’s pi)“ (Lombard et al. 2002, S. 593).
„To assure that the data under consideration are at least similarly interpretable by
two or more scholars (as represented by different coders), it is customary to re-
quire Į • :KHUH WHQWDWLYH FRQFOXVLRQVDUH VWLOO DFFHSWDEOH Į •  LV WKH
lowest conceivable limit“ (Krippendorff 2004, S. 241).

Zur Messung der Intercoder-Reliabilität dieser Fallstudienanalyse wurde die Kodie-


rung des Autors durch zwei unabhängige Wissenschaftler überprüft. Dazu mussten
jeweils 81 Aussagen (Codings) den 58 Codes 219 zugeordnet werden. Krippendorff’s
Alpha wurde mit Į = 0.876 für den ersten sowie Į = 0.851 für den zweiten Prüfer be-
rechnet. Aufgrund dieser Werte kann die Codeverteilung und -zuordnung als ausrei-
chend objektiv und nachvollziehbar bezeichnet werden (Krippendorff 2004).

6.2 Ergebnisse der Fallstudieninterviews


Die 1066 Codings wurden mit MAXQDA ausgewertet. Die Software bietet verschie-
dene Tools zur Auswertung und Visualisierung der Daten. Eine Übersicht stellt der
Code-Matrix-Browser dar (Abbildung 36):

Abbildung 36: Code-Matrix-Browser 220

Die Abbildung visualisiert die Häufigkeit der einzelnen Codings bei den jeweiligen
Interviewteilnehmern (A-Q). 221 Die Größe der Kreise zeigt die Häufigkeiten der je-
weiligen Codes und verdeutlicht dadurch die unterschiedlichen Schwerpunkte der

219 Insgesamt sind 69 Codes vorhanden. Die 11 Codes, die nur zur Einordnung dienen (bspw. Er-
folgsfaktoren oder Herausforderungen) enthalten keine kodierten Textpassagen. Diesen Codes
mussten dementsprechend keine Aussagen zugeordnet werden.
220 Quelle: Visual Tool des Code-Matrix-Browser von MAXQDA basierend auf Fallstudiendaten.
221 Die Grafik dient der Visualisierung der unterschiedlichen Häufigkeiten. Aus Gründen der Über-
sicht wurden die Codes in Abbildung 36 auf die sechs Oberkategorien (Unternehmensinformati-
onen, Projektablauf, Erfolgsfaktoren, Herausforderungen, Ergebnisse und Evaluation) zusam-
mengefasst. Die Abbildung soll lediglich einen Eindruck über die Anzahl der Codings vermitteln,
genaue Werte sind daher nicht nötig.
Ergebnisse der Fallstudieninterviews 145

Interviews. 222 Es zeigt sich, dass bei den Interviews unterschiedlich viele Codings
vorhanden sind. Dies hat mehrere Gründe. Zum einen haben die Interviews eine un-
gleiche Dauer. 223 Entsprechend mehr oder weniger transkribiertes Interviewmaterial
liegt vor, die Wahrscheinlichkeit einer größeren Zahl von Codings steigt dadurch. De-
ren Häufigkeit ist jedoch auch abhängig von der Art des Interviewten, über seine Er-
fahrungen zu berichten. Einige Personen berichten „auf den Punkt“ und sind in der
Lage, Sachverhalte treffend und mit vergleichsweise wenigen Worten zu erläutern.
Bei diesen Personen sind meist längere Codings über ein oder mehrere Sätze vor-
handen, da sie zusammenhängend ihre Einschätzung zu einem Themenbereich wie-
dergeben. Andere Personen „schweifen oftmals ab“ und erläutern Erfahrungen, die
dem eigentlichen Themenfeld nicht zugeordnet werden können (bspw. über andere
Methoden oder Projekte). Diese Aussagen werden demnach nicht kodiert. Sofern die
Angaben der Interviewteilnehmer oft durch Aussagen zu Themen unterbrochen wer-
den, die nicht den eigentlichen Fragen entsprechen, entstehen zudem mehr Codings,
da sich der Befragte immer wieder zu einer Frage äußert, statt diese mit einer Aus-
sage direkt zu beantworten. 224 Weniger Codings bedeuten also nicht zwangsläufig,
dass ein Interview schlechter als andere ist oder eine geringere Aussagekraft hat.
Maßgeblich ist die Qualität der Codings (Kuckartz 2008). 225
Um die Auswertung der 1066 Codings zu strukturieren, werden nachfolgend die Er-
gebnisse nach den Oberkategorien Unternehmensinformationen, Projektablauf, Er-
folgsfaktoren, Herausforderungen und Evaluation erläutert. 226 Dazu wurde die Funk-
tion Summary-Grid von MAXQDA genutzt. Diese zeigt einen Überblick der einzelnen
Codings und ermöglicht dem Autor, eine prägnante Zusammenfassung der Codings
zu erstellen. Umfangreiche Codings können somit zu kurzen, aussagekräftigen
Stichpunkten zusammengefasst werden. 227 Dadurch können übersichtliche Listen
mit den Ergebnissen der Interviews erstellt werden (Lewins und Silver 2007). 228

222 A nennt bspw. gar keine Erfolgsfaktoren, bei P wurden stattdessen 27 Codings zu den Er-
folgsfaktoren erstellt.
223 Das zuvor genannte Interview mit A dauerte 25 Minuten bei 28 Codings, das Interview mit K
war das längste mit 79 Minuten und den meisten Codings (104).
224 L erläutert bspw. ein Lead User-Projekt im Bereich des Maschinenbaus. Dabei erläutert der
Befragte immer wieder andere Projekte, zum Beispiel aus dem Chemiebereich, die das eigentli-
che Lead User-Projekt nicht betreffen. L bringt zwischendurch immer wieder kurze Aussagen
mit Bezug zum Lead User-Projekt, die entsprechend kodiert werden. Jedoch werden viele An-
gaben wiederholt, vergleichsweise viele Codings daher vergeben.
225 Zwar lässt sich aus den Häufigkeiten des Auftretens einer Kategorie nicht ohne weiteres auf
ihre Relevanz schließen, doch ist es heuristisch durchaus von Interesse, ob bestimmte Katego-
rien in einem Text oder einer Gruppe von Texten sehr häufig oder überhaupt nicht vorkommen.
226 Die Inhalte der Kategorien Ergebnisse und Evaluation sind eng miteinander verbunden. Die
Ergebnisse werden daher in Kapitel 6.2.5.1 der Evaluation untergeordnet.
227 Bsp.: K gab zur Frage nach den bisher durchgeführten Projekten im Unternehmen folgende
Aussage: „Also, ich sag: Wir haben zwei durchgeführt und ich meine, zu wissen, dass das aber
146 Qualitative Vertiefungsanalyse: Fallstudienanalyse

6.2.1 Unternehmensinformationen

Zwei Befragte führten bereits sechs (F) bzw. sieben (E) Lead User-Projekte durch. O
und P führen als beratende Unternehmen regelmäßig Lead User-Projekte für andere
Firmen durch und haben Erfahrungen aus etwa hundert Projekten. Die restlichen
Unternehmen führten in ihrem Unternehmen bisher ein oder zwei Projekte durch. Die
Antworten bzgl. des ersten Kontakts mit dem Lead User-Ansatz bestätigen die Er-
gebnisse der Online-Befragung (vgl. Kapitel 5.2.4), dass diese Methodik in den Uni-
versitäten vergleichsweise wenig gelehrt wird. 229 So geben drei Personen an, den
Ansatz aus dem Studium zu kennen. Der Großteil der Befragten lernte den Lead
User-Ansatz hingegen erst durch die Arbeit im jeweiligen Unternehmen oder durch
eigenständige Recherche kennen.
In Bezug auf das Verständnis von Lead Usern ist zunächst erkennbar, dass die theo-
retischen Kriterien nach von Hippel i.d.R. der Ausgangspunkt sind. Damit einherge-
hende Bezeichnungen sind bspw. engagiert, eloquent, innovativ, intrinsisch motiviert,
kreativ, trendaffin, Visionär oder Wissensträger. Analog zur Literaturanalyse im
Rahmen der Vorstudie (vgl. Kapitel 2.4.3) werden Lead User zudem als „durchge-
knallt“ (N) oder „unorthodox“ (M) bezeichnet und grenzen sich dadurch von den ge-
wöhnlichen Nutzern ab. Ausgehend von diesem Verständnis wird die Definition von
Lead Usern an die jeweiligen Rahmenbedingungen und Eigenschaften der Unter-
nehmen angepasst.230 Oftmals ist daher ein etwas breiteres Verständnis von Lead
Usern mit entsprechend weicheren Kriterien vorhanden (B, C, D, E, F, N, P). 231 Lead
User müssen nicht zwangsläufig Prototypen (C) oder Lösungen entwickelt haben (B,
E, F). 232 E und F bezeichnen diese Personen daher als Lead Experten, die in ihren
Fachgebieten detaillierte Kenntnisse und Wissen vorweisen können, selbst jedoch
noch keine Lösungen entwickelt haben. Dies geschieht erst in Kooperation mit dem
Unternehmen im Workshop. 233 Die allgemeinere Definition von Lead Usern in der

woanders im Haus nicht weiter verfolgt wurde.“ In der Summary-Tabelle wurde zur besseren
Übersicht als Beantwortung der o.g. Frage „Zwei“ eingetragen.
228 In Anhang E findet sich ein Ausschnitt einer Summary Grid-Tabelle. Die gesamten Tabellen
können bei Bedarf beim Autor eingesehen werden.
229 59% der Befragten gaben an, den Ansatz aus Projekterfahrung zu kennen, 46% aus persönli-
cher Weiterbildung. Nur 20% gaben an, den Ansatz aus dem Studium zu kennen.
230 Diese Erkenntnis entspricht den Ergebnissen der Literaturanalyse in Kapitel 2.4.4.
231 Bspw.: „Und die wurden zum Teil ein bisschen abgeändert, je nachdem, wie es halt zu dem
Projekt oder zu den Leuten auch gepasst hat“ (E).
232 „Also es war in dem Falle ein sehr weiches Kriterium. Also es war nicht die Anforderung, dass
sie bereits Lösungen für sich entwickelt haben müssen. Sondern wir haben das sehr, sehr stark
abgemildert in Richtung starke Verbalisierungsfähigkeit, kreatives Potenzial, was wir im Vorfeld
bei der Rekrutierung mit entsprechenden Methoden abgeprüft haben“ (B).
233 „Da war eben die Idee: Okay, wir haben keine Lead User im Sinne des klassischen Ansatzes,
also die Prototypen bereits entwickelt haben. Sondern wir übertragen diese Prototypenentwick-
Ergebnisse der Fallstudieninterviews 147

Praxis ist in der schwierigen Identifizierung von Lead Usern mit den durch von Hippel
definierten Eigenschaften begründet. So erläutert F:
„Allerdings muss man sagen, haben wir gelernt, dass es den idealen Lead User,
so wie er im Buche steht, nur selten gibt.“

Neben einem allgemeineren Verständnis von Lead Usern werden diesen Personen
über die theoretischen Eigenschaften hinaus weitere Aspekte zugesprochen. Perfek-
tionismus (P) und Dialogstärke (H) werden in der Praxis als zusätzliche Charakteris-
tika genannt, die zum größeren Erfolg von Lead User-Projekten beitragen können.
Zudem erläutert P, dass insbesondere für die Identifizierung und Integration von
Lead Usern im Onlinebereich eine breite Mediennutzung notwendig ist. 234

6.2.2 Projektablauf
Diese Kategorie enthält 21 Codes (vgl. Anhang D), die in die drei Unterbereiche Or-
ganisation, Prozess und Workshops zusammengefasst werden.

6.2.2.1 Projektorganisation

In Bezug auf die Anzahl der integrierten Lead User ist bei den Fallstudien kein we-
sentlicher Unterschied zur wissenschaftlichen Literatur (bspw. Churchill et al. 2009;
Lüthje und Herstatt 2004; Olson und Bakke 2001) sowie der Online-Befragung (vgl.
Kapitel 5.2.4.2) zu erkennen. Meist werden fünf bis acht Lead User integriert. Zwei
Unternehmen arbeiten mit 13 (K) sowie 15 (I) Lead Usern zusammen, die Integration
von mehr Lead Usern ist in der Praxis jedoch nicht sinnvoll. 235

Die Berufe und damit einhergehenden Branchen der integrierten Lead User variieren
aufgrund der Art des Produkts sowie des Unternehmens, die diese Personen inte-
griert. Oftmals werden technologische und sehr spezielle Lösungen angestrebt. Da-
her werden Lead User aus technischen und innovationsnahen Bereichen identifiziert,
bspw. Marktforscher (E), Analytiker (K), Innovationsmanager, Techniker, Methodiker
oder Entwicklungsleiter (L). Insbesondere im B2C-Bereich ist hingegen eine größere
Bandbreite an Branchen zu erkennen. So integrieren die B2C-Unternehmen N und Q
Künstler, Musiker, Schauspieler, Autoren, Kameraleute, Krankenpfleger, Friseure,
Rentner, Hausfrauen oder Studenten. Der Fokus liegt dabei eher auf Kreativität und
Nutzungserfahrungen mit den Konsumgütern statt auf technischer Expertise. Analog
zu 6.2.1 gelten weniger strikte und spezielle Kriterien, je konsumorientierter das Pro-

lungsphase in diese Online-Community. Also die Prototypen werden in der Community selber
entwickelt“ (C).
234 P definiert ein für Lead User relevantes Skillset: „Ganz vorn dabei, hip, breite Mediennutzung,
trendaffin, eloquent, kreativ, bringt viel mit, sehr engagiert, intrinsisch motiviert.“
235 „...der Lead User-Workshop sollte nicht mehr als 12 Teilnehmer haben“ (K).
148 Qualitative Vertiefungsanalyse: Fallstudienanalyse

dukt ist. Nutzer können Produkte des täglichen Gebrauchs eher evaluieren und wei-
terentwickeln. Je höher die Spezialisierung und je komplexer die Technologie ist,
desto spezifischere Personen werden jedoch benötigt. Diese zu finden ist sehr viel
schwieriger, während kreative und fortschrittliche Nutzer aus dem B2C-Bereich ver-
gleichsweise einfacher zu identifizieren sind. 236
Die Incentivierung der Lead User ist ein in der Praxis oft diskutierter Aspekt. Zwar
nehmen Lead User gemäß der wissenschaftlichen Literatur i.d.R. ohne Bezahlung an
den Workshops teil, da sie definitionsgemäß erheblich von den Lösungen profitieren
und daher ihre intrinsische Motivation ausreicht (Herstatt und von Hippel 1992; von
Hippel 1988). In der Praxis existieren jedoch unterschiedliche Ansichten darüber, ob
finanzielle Vergütung zusätzlich als Incentivierung gezahlt werden sollte oder nicht.
Darüber, dass Ausgaben der Lead User wie Anreise zu den Workshops, Übernach-
tungskosten, Verpflegung und dergleichen vom Unternehmen übernommen werden
sollten, herrscht Konsens. Für E, F, G, I, K und L ist dies als Incentivierung ausrei-
chend, da die Lead User aufgrund ihrer intrinsischen Motivation und Interesse ohne
weitere Vergütung teilnehmen. Für C, D, J, O, P und Q sind weitere Anreize insbe-
sondere monetärer Art oder durch Gutscheine hingegen notwendig. 237 Die Höhe der
Vergütung variiert dabei und ist nicht unbedingt ausschlaggebend für die Motivation
der Lead User. So erläutert D, dass einige Lead User das Geld spenden oder nicht
annehmen. 238 Jedoch scheint es für diese Lead User ein Zeichen der Anerkennung
zu sein, dass sie generell eine Vergütung erhalten. O erläutert entsprechend:
„Aber deswegen machen sie jetzt nicht mit wegen der Knete. [...] Aber das ist
einfach so, die Leute haben so 'ne gute Transparenz und abstrahieren, also kön-
nen dann eben auch herleiten, was da passiert mit ihrem kostbaren [...] Input.“
Interessanterweise verlangen insbesondere die Unternehmen nach einer finanziellen
Vergütung, die im B2C-Bereich oder beratend tätig sind. In sehr speziellen Berei-
chen, bspw. der Automatisierungstechnik (L), sind non-monetäre Anreize wie Werks-
führung, Austausch mit den Entwicklern oder Anerkennung durch namentliche Er-
wähnung oftmals ausreichend.
Die wissenschaftliche Literatur legt aufgrund der Individualität der Unternehmen nicht
definitiv fest, welche Abteilungen in Lead User-Projekten beteiligt sein sollten (Her-
statt und von Hippel 1992; Lüthje und Herstatt 2004). Nach Gassmann et al. (2006)
sollten Personen aus Marketing sowie Forschung & Entwicklung teilnehmen; die wei-

236 „...aber eben kreativ sind. Nur, man findet tatsächlich in den kreativen Berufen leichter welche
bzw. das Netzwerk unter einander ist da auch größer“ (N).
237 „...da sind wir wieder beim Anreizsystem. Und das ist am Ende: Kohle“ (P).
238 „Ob die dann 20 Euro oder 200 oder 500 bekommen, das ist denen dann letztenendes egal. Wir
hatten auch schon Leute, die den Umschlag da gelassen haben! Oder spenden wollten“ (D).
Ergebnisse der Fallstudieninterviews 149

teren Projektteilnehmer sind jedoch individuell zu wählen. Wichtig ist, dass ein multi-
funktionales Team besteht und unterschiedliche Bereiche involviert sind (Lüthje und
Herstatt 2004). 239 Auch in der Praxis werden multifunktionale Teams empfohlen. Am
häufigsten werden die Marktforschungsabteilung (B, C, D, N, Q) sowie Forschung &
Entwicklung (B, F, L, M, O) einbezogen. Die übrigen Abteilungen sind divers und de-
cken entweder Managementbereiche wie Geschäftsführung, Innovationsmanage-
ment oder Business Development (E, F, Q) sowie technische Bereiche (I, J, M, Q)
ab. B, C und D kritisieren, dass in dem von ihnen durchgeführten Lead User-Projekt
seitens des Unternehmens nur die Marktforschungsabteilung beteiligt war, und da-
durch wichtige Impulse aus dem Unternehmen verloren gingen. Zudem besteht das
von B erläuterte Risiko, dass relevante Informationen unzureichend an die Entwick-
lung kommuniziert werden:
„Da geht einfach zu viel verloren, wenn wir etwas erheben auf der Kundenseite
und die Marktforschungsabteilung das dann transportiert in die umsetzende Ab-
teilung innerhalb des Unternehmens.“

Dies unterstreicht die Notwendigkeit multifunktionaler Teams bei Lead User-


Projekten. Für die Durchführung der Projekte sind entweder die Projektteams der
Unternehmen selbst verantwortlich (A, E, F) oder diese Aufgabe wird an einen
Dienstleister abgegeben (D, P, Q). Wird das Projekt in Kooperation mit einer Univer-
sität durchgeführt, kann die Identifizierung der Lead User bspw. im Rahmen eines
Seminars durch Studenten organisiert werden (E, F, G, K).
Die Dauer der untersuchten Lead User-Projekte weicht von den Ergebnissen der On-
line-Befragung ab (vgl. Kapitel 5.2.4.2). Während die Projektdauer innerhalb der
quantitativen Umfrage am häufigsten (32%) mit sechs bis neun Monaten angegeben
wurde, gab keiner der Befragten der Fallstudienanalyse an, dass das Projekt länger
als sechs Monate dauerte. Am häufigsten wurde eine Projektdauer von drei Monaten
genannt. Basierend auf den Ergebnissen der quantitativen (Umfrage) und qualitati-
ven (Fallstudien) Studie ist in der Praxis demnach eine Dauer zwischen drei und
neun Monaten üblich.

6.2.2.2 Prozess der Lead User-Projekte

Beim Prozess der analysierten Lead User-Projekte sind drei Vorgehensweisen er-
kennbar:

239 Die Integration verschiedener Unternehmensabteilungen verbessert nicht nur die Qualität des
Lead User-Projekts. Der Lead User-Ansatz verbessert auch die Effektivität der Abteilungen:
„Their identification and involvement in the fuzzy front end of innovation is supported by the
Lead User method – a multi stage approach aiming to generate innovative new product con-
cepts and to enhance the effectiveness of crossfunctional innovation teams" (Lüthje und Her-
statt 2004, S. 554).
150 Qualitative Vertiefungsanalyse: Fallstudienanalyse

1) Theorienaher Prozess: Lead User-Projekt wird gemäß der Literatur (Lüthje


und Herstatt 2004) durchgeführt, kleinere Abweichungen sind möglich
2) Onlineworkshops: Identifizierung und Integration der Lead User im Internet
(bspw. Online-Communities oder -Ideenwettbewerbe), teilweise durch persön-
liche Workshops ergänzt
3) Aufteilung zwischen Unternehmen und Universität: Identifizierung der Lead
User durch Studenten, Organisation des Workshops durch Unternehmen
Zudem bietet der Technology Push-Prozess (vgl. Kapitel 2.3.4.6) eine Änderung zum
klassischen Lead User-Ablauf, da eine Technologie bzw. Produkt bereits vorhanden
ist und stattdessen Anwendungsfelder ermittelt werden sollen. Eine weitere Abwei-
chung zum theoretischen Prozess ist bei Unternehmen M zu erkennen, da im Rah-
men des Lead User-Projekts mehrere Iterationsschleifen durchgeführt wurden. 240
Ideen wurden dazu in Konzepte oder Technologien umgesetzt, die zur Disposition
gestellt wurden. Basierend auf dem Feedback wurden die Technologien in zusätzli-
chen Schleifen weiterentwickelt. Durch dieses agile Projektmanagement sind Sprün-
ge im Prozessablauf zulässig und erwünscht, um durch iteratives Vorgehen das
bestmögliche Resultat zu entwickeln. 241 Auch C führt ein repetitives Verfahren in-
nerhalb der Lead User-Projekte durch. So stellt ein Lead User seine Ideen vor, ein
weiterer Lead User evaluiert diese und ergänzt durch seine Ideen. Schließlich sollen
immer bessere und weiterentwickelte Konzepte entstehen.
Im Allgemeinen läuft der in den Fallstudien genannte Prozess zur Integration von
Lead Usern in fünf Schritten ab (Abbildung 37), der bis auf die letzte Phase dem Pro-
zess nach Lüthje und Herstatt (2004) entspricht:

(1) (2) (3) (4) (5)


Start des Fragestellung Identifizierung Lead User- Projekt-
Projekts und Ziel Lead User Workshop abschluss

Abbildung 37: Prozessablauf der Lead User-Projekte 242

(1) Start des Projekts

Auf den Lead User-Ansatz aufmerksam werden die Unternehmen durch Recherche,
Mundpropaganda und Unternehmensnetzwerke (A, E, F). Auch durch Anfragen von
Unternehmen, ob eine dahingehende Beratungstätigkeit angeboten wird, kommen

240 In diesem Fall gab es sechs Iterationsschleifen.


241 „Wir lassen ausdrücklich Vor- und Rücksprünge im Entwicklungsprozess zu. Das heißt, um es
mal ganz bildlich zu machen, wir machen einen Prototypen heute zu 'nem Zeitpunkt, was wir
uns früher nie, nie getraut hätten“ (M).
242 Quelle: Eigene Darstellung basierend auf den Ergebnissen der Fallstudieninterviews. Die Pha-
sen gehen teilweise in einander über und sind dadurch nicht strikt voneinander zu trennen.
Ergebnisse der Fallstudieninterviews 151

Unternehmen mit dem Ansatz in Berührung (C, N, O). Unternehmen L erfuhr vom
Lead User-Ansatz durch Informationen auf einer Fachmesse.

(2) Fragestellung und Ziel

Zu Beginn des Projekts werden i.d.R. Kickoff-Meetings durchgeführt und die Aufga-
ben sowie Zielsetzung des Ansatzes besprochen. Bei Zusammenarbeit mit Dienst-
leistern oder Universitäten stellen sich die jeweiligen Projektteilnehmer in diesem
Meeting vor und tauschen relevante Informationen aus (bspw. zur Marktsituation).
Ein wichtiger Aspekt ist dabei, die Ziele detailliert und verständlich zu definieren. Als
Ziele und zu beantwortende Fragestellungen der analysierten Projekte wurden u.a.
genannt:

ƒ Blick in alternative oder analoge Industrien mit gleichen Problemen, um Lö-


sungsansätze für eigene Problemstellung abzuleiten (A, C)
ƒ Einsatzmöglichkeiten und Limitationen für bestehende Technologie (E, F, G)

ƒ Einschätzung der Markttauglichkeit von Ideen bzw. Produkten (L, M)


ƒ Entwicklung neuer Produkte und Services (E, N, P)
ƒ Evaluation der Marktentwicklung und Identifizierung zukünftiger Trends (O, Q)
ƒ Hoffnung, Dinge zu entwickeln, an die der Hersteller noch nicht gedacht hat (B)

(3) Identifizierung Lead User

Um diese Ziele zu erreichen, ist die Identifizierung geeigneter Lead User elementar.
In der Praxis werden dazu die bekannten Methoden Screening, Pyramiding und
Broadcasting angewandt (E). Die klassische Herangehensweise durch telefonische
Anfragen wird weiterhin genutzt (G, H, K, L), teilweise mit vorheriger Überprüfung der
Lead Userness durch standardisierte Fragebögen (O, P). Nach G, H und I hat sich
als erfolgreiche Kontaktaufnahme mit den Lead Usern ein erster, kurzer Anruf etab-
liert, bei dem das Projekt in wenigen Sätzen dargestellt und eine Informationsmail
angekündigt wird. Die Lead User können die ausführlichen Informationen dann in
Ruhe lesen und bei Interesse ein weiteres, ausführliches Telefonat vereinbaren. Die
Bereitschaft der Lead User kann so bereits geprüft werden, da i.d.R. nur wirklich inte-
ressierte Personen ein weiteres Telefonat vereinbaren werden. Wichtig ist jedoch,
die Lead Userness dieser Nutzer im detaillierten Gespräch zu überprüfen. Als ein
weiterer Erfolgsfaktor bei der Identifizierung von Lead Usern hat sich die Erstellung
einer Black- bzw. Greenlist durch die Unternehmen bewährt (F, G, H, I). Die Green-
list enthält Kontakte des Unternehmens, mit denen schon Beziehungen bestehen
und deren Expertise daher bekannt ist. Diese können zuerst kontaktiert werden, um
so entweder erste Lead User zu identifizieren oder Impulse für den Pyramiding-Effekt
152 Qualitative Vertiefungsanalyse: Fallstudienanalyse

zu geben. Die Blacklist enthält hingegen Kontakte, die nicht angesprochen werden
sollten, da mit diesen bereits in anderen Projekten zusammengearbeitet wird oder
bspw. Verhandlungen durchgeführt werden. 243 Eine geeignete Quelle für Lead User
stellen zudem die eigenen Mitarbeiter dar (K). Analog dem theoretischen Ansatz der
Embedded Lead User (vgl. Kapitel 2.3.4) werden Aufrufe zur Einreichung von Ideen
und Konzepten im Unternehmen durchgeführt, um dadurch Lead User zu identifizie-
ren. Insbesondere bei großen Unternehmen mit entsprechend großen Mitarbeiter-
zahlen ist dieser Ansatz sinnvoll. 244 Eine Weiterentwicklung zum klassischen Identi-
fizierungsprozess ist die Suche und Kommunikation von Lead Usern durch Online-
Medien (C, D). So wird zum Bsp. in Online-Communities nach fortschrittlichen, akti-
ven Nutzern gesucht und diese direkt kontaktiert. Insbesondere solche Unterneh-
men, die als Dienstleister Lead User-Projekte für weitere Firmen durchführen, haben
oftmals zudem eine bestehende Datenbank potenzieller Lead User (D, N, P). Sofern
die Zusammenarbeit mit den Nutzern in vorherigen Projekten positiv war, ist grund-
sätzlich nichts gegen deren wiederholte Integration einzuwenden. Da sie bereits in
der Datenbank vorhanden sind, ist die Auswahl und Kontaktaufnahme vergleichswei-
se einfach. Jedoch besteht die Gefahr, dass Nutzer aufgrund der einfachen Rekrutie-
rung als Lead User klassifiziert werden, die für das spezielle Thema keine Lead
User-Eigenschaften vorweisen. 245 Eine sorgfältige Kontrolle der Lead Userness ist
daher, wie aufgrund der großen Bedeutung für den Projekterfolg schon mehrfach
erwähnt, essenziell. Für diese Überprüfung nutzen die Unternehmen standardisierte
Fragebögen, bei denen einige Fragen auf die Lead Userness hinweisen. N nutzt zu-
dem verschiedene wissenschaftliche Testverfahren zur Validierung der Kreativität
der Nutzer, bspw. den Torrance Test oder den Myers-Briggs-Test. 246 Diese Tests
fokussieren die Kreativität von Nutzern, die eng mit der Lead Userness verknüpft ist
(Kratzer und Lettl 2008). 247

243 Dieses Vorgehen ist insbesondere dann zu empfehlen, wenn die Identifizierung ausgelagert
wird (bspw. an Studenten oder Dienstleister).
244 K schlägt vor, grundsätzlich zunächst ein Projekt mit Embedded Lead Usern zu machen, um
diesen Ansatz intern zu testen und danach extern durchzuführen: „Also grad für Großunter-
nehmen [...] würde ich sagen: Anfangen mit 'nem Embedded Lead User-Projekt. Um dann zu
sagen: Da Erfolge generieren und dann [...] über das hinaus dann in die große weite Welt raus.“
245 Weiterhin werden falsche Lead User definiert, weil keine anderen Nutzer vorhanden sind: „Wir
haben im Endeffekt fast alle genommen, die bereit waren, da mit zu machen“ (L).
246 Der Torrance Tests of Creative Thinking gilt als der meistgenutzte Kreativitätstest (Kim 2006).
Der Myers-Briggs-Typenindikator wird definiert als: „The purpose of the Myers-Briggs Type
Indicator® (MBTI®) personality inventory is to make the theory of psychological types described
by C. G. Jung understandable and useful in people's lives. The essence of the theory is that
much seemingly random variation in the behavior is actually quite orderly and consistent, being
due to basic differences in the ways individuals prefer to use their perception and judgment“
(The Myers & Briggs Foundation 2016).
247 Eine Verbindung von Kreativität und Lead Userness stellen Faullant et al. (2012) dar. Die Auto-
ren verdeutlichen die Messung der Lead Userness anhand der Items Ahead of the trend, high
Ergebnisse der Fallstudieninterviews 153

(4) Lead User-Workshop

Eine ausführliche Erläuterung der Workshops findet in Kapitel 6.2.2.3 statt. Eine Be-
sonderheit bei den Workshops zeigt sich in der Konzeptentwicklung von N. Die inte-
grierten Nutzer werden bereits vor den Workshops darauf geschult, Konzepte zu ver-
fassen. Dadurch soll eine höhere Qualität der Konzepte erreicht werden. Zudem stellt
diese Schulung einen Anreiz für die Nutzer dar, weil sie dadurch Methodenwissen
erlangen. Die Konzepte werden am Ende des Workshops von jeweils einem Lead
User und einem Unternehmensmitarbeiter geschrieben, um sowohl externes Know-
How als auch Unternehmenswissen zu nutzen. Die Konzepte werden im Plenum
vorgestellt und gehen nach einem Feedback aller Workshopteilnehmer in die Opti-
mierungsrunde. Das Unternehmen wählt schließlich das erfolgversprechendste Kon-
zept aus. 248

(5) Projektabschluss

Die Lead User-Projekte enden meist mit dem Workshop oder einer Abschlusspräsen-
tation. Weitere Prozessschritte wie eine Implementierungsphase der Ergebnisse oder
zusätzliche Feedbackgespräche werden kaum durchgeführt. Lediglich J und N gaben
an, nach den Workshops weitere Besprechungen zur Umsetzung der Ergebnisse
durchgeführt zu haben, diese jedoch eher unsystematisch. Die Implementierungs-
phase wird von J als eine wesentliche Aufgabe genannt, die oft vernachlässigt wird:
„Dann müsste man konsequenterweise danach noch irgendeine Art Implementie-
rungsworkshop machen.“

Mit dem Workshop sollte das Projekt nicht als abgeschlossen bewertet werden; die
eigentliche Umsetzung der Ergebnisse beginnt dann erst. 249 Eine für diese Arbeit
essenzielle Aussage und Bestätigung der Forschungslücke ist die Forderung durch F
nach einem Lead User-Leitfaden (Best Practice) mit genaueren Vorgaben und Hand-
lungsempfehlungen für die Praxis:
„Und aus meiner Sicht gibt es da wenig [...] Guidelines oder Strukturen oder ähn-
liches aus der Literatur.“

expected benefit, divergent thinking, Product-related knowledge, Openness sowie Motivation


(Faullant et al. 2012).
248 Die positive Bewertung des Projekts durch N zeigt, dass dieses Vorgehen in diesem Projektzu-
sammenhang erfolgreich war.
249 F stellt entsprechend fest: „Allerdings denke ich, dass nach so einem Workshop natürlich die
Arbeit erst anfängt“ (F).
154 Qualitative Vertiefungsanalyse: Fallstudienanalyse

6.2.2.3 Lead User-Workshops

Die Lead User-Workshops umfassen einen zeitlichen Rahmen von vier Stunden (D)
bis zu zwei Tagen (I, O, Q). Um ausreichend Zeit zur Diskussion und Ausarbeitung
von Ideen zu haben, sollte der Workshop jedoch mindestens einen Tag, idealerweise
zwei Tage umfassen (K). Die Workshops werden entweder im Unternehmen oder an
externen Locations durchgeführt. 250 Moderiert wird der Workshop i.d.R. durch exter-
ne Personen (Dienstleister, Universität etc.), um eine Objektivität zu gewährleisten
(A, E, F, L, N, Q). Eine Moderation durch einen internen Mitarbeiter birgt das Risiko,
neuartige und vermeintlich nicht umsetzbare Ideen direkt abzublocken (L).
Bei der Fallstudienanalyse ist zu erkennen, dass immer mehr Onlinemedien zur Iden-
tifizierung und Integration von Lead Usern sowie zur Workshop-Durchführung ge-
nutzt werden. C lässt grundlegende Themen in Online-Communities diskutieren, um
die Bedarfslage der Nutzer zu identifizieren. Auch P nutzt das Internet, um potenziel-
le Lead User an Aufgabenstellungen arbeiten zu lassen und dadurch innovative
Ideen und Lead User zu ermitteln. Jedoch stellt B fest, dass persönliche Zusammen-
arbeit nur schwer durch Online-Workshops zu ersetzen ist:
„Also das ist nicht so einfach zu ersetzen, dieses kreative Moment, was dann
beim persönlichen Kontakt entsteht.“251

Um einen etwas persönlicheren Raum zu gewährleisten, schaltet O in den Work-


shops weitere Lead User per Soundboard 252 zu, damit diese eine erste Bewertung
der entwickelten Ideen durchführen können:
„Das heißt, wir haben einen Workshop für Kunde XY und arbeiten mit denen
zwei Tage lang. Haben mit denen Konzepte und Ideen ausgearbeitet und schal-
ten dann am zweiten Tag ein Soundboard von sechs Lead Usern, acht Lead
Usern dazu, nicht zu viele. Und die [...] machen so den ersten Check sozusa-
gen.“

Dies erspart die Anreise der Lead User und ermöglicht eine Teilnahme von internati-
onalen Nutzern.

250 Einige Aspekte der Workshops (Location, Moderation etc.) betreffen sowohl die Projektorgani-
sation als auch Erfolgsfaktoren von Lead User-Projekten. Bspw. ist die Moderation ein organi-
satorischer Aspekt (wer moderiert?), hat aber auch großen Einfluss auf den Erfolg des Work-
shops (wie wird moderiert?). Einige Aspekte der Workshops werden daher als Erfolgsfaktoren
in Kapitel 6.2.3 nochmals aufgegriffen.
251 Ein erster Lösungsansatz zur Vermeidung dies Problems wäre nach B: „Mit der Erfahrung
müsste man das zukünftig auch nochmal überarbeiten und darauf achten, dass trotz Online-
Beteiligung dieser gemeinsame Raum stärker betont wird, in dem Kreativität entstehen kann.
Habe jetzt keine wirklich konkreten Ideen vor Augen, ob man das jetzt mit Videokonferenzen
machen muss, also mit zeitgleicher Teilnahme.“
252 Eine Möglichkeit zur Video-/Audiozuschaltung von externen Personen.
Ergebnisse der Fallstudieninterviews 155

6.2.3 Erfolgsfaktoren

Als wesentliche Erfolgsfaktoren wurden neun Aspekte von Lead User-Projekten am


häufigsten genannt, die nachfolgend erläutert werden. 253

Beteiligung externer Personen

Ein wesentlicher Erfolgsfaktor ist die Beteiligung externer Personen, insbesondere


Lead User, am Entwicklungsprozess. Die Integration der Lead User gewährleistet
Gedankenanstöße aus der Praxis (J). Lead User geben frischen Input von außen,
liefern Ideen für neue Produkte oder Dienstleistungen (M) und ermöglichen einen
Perspektivwechsel (C). Sie können Unternehmen dadurch die „Augen öffnen“ (Q).
Zudem bieten sie eine gute Balance zwischen Kreativität und dem Bewusstsein für
Bedürfnisse und Wünsche (N). Lead User haben die wertvolle Fähigkeit, „über den
Tellerrand hinaus zu sehen und neue Ideen mit einzubringen“ (E). Viele Sachverhalte
werden innerhalb des Unternehmens nicht richtig hinterfragt (K). Erst durch die Aus-
sagen externer Personen werden viele Probleme erkannt, wie B erläutert:
„Häufig ist eben genau der externe Blick, der unbelastete Blick, der noch keine
Scheuklappen hat, der ein Problem überhaupt erst mal identifizieren kann.“

Bemerkenswert ist, dass nicht nur der externe Beitrag der Lead User positiv zum
Projekterfolg beiträgt, sondern auch die Durchführung des Projekts mit externen
Partnern, insbesondere Hochschulen. So äußert sich K sehr positiv zur Kooperation
mit der Hochschule, 254 da allein die Fragen der Studenten einen großen Mehrwert
bringen, bevor Lead User überhaupt integriert werden:
„Wir sind ja schon so ein bisschen betriebsblind. [...] Man fragt sich viele Sachen
einfach nicht. Und das war also wirklich super erfrischend. Da kamen auch teil-
weise dann Ideen und schon Vorschläge: Warum macht ihr das nicht?“

Diese positive Evaluation der Beteiligung wissenschaftlicher Partner wird durch L


unterstützt. Demnach ist es gerade ein Vorteil, mit Studenten zusammenzuarbeiten,
die von den vorhandenen Technologien und Produkten keine Kenntnis haben und
daher treffende, unvorhersehbare Fragen stellen. Durch solche unbefangenen Fra-
gestellungen wird vermieden, dass sich das Unternehmen „im eigenen Saft dreht“
(L). 255

253 Erläuterungen in alphabetischer Reihenfolge. Die Reihenfolge stellt daher keine Wertung oder
Gewichtung der Aspekte dar.
254 Bei diesem Lead User-Projekt wurde die Lead User-Identifizierung durch Studenten im Rahmen
eines universitären Seminars durchgeführt.
255 L bemängelt, dass ohne externe Einflüsse weiterhin nur die Aktivitäten zur Innovationsentwick-
lung durchgeführt werden, die im Unternehmen bereits existieren: „Dann mach ich doch sowie-
so nichts anderes, wie das, was ich schon die letzten Jahre mache.“
156 Qualitative Vertiefungsanalyse: Fallstudienanalyse

Beteiligung interner Mitarbeiter

Auch die Beteiligung interner Mitarbeiter wird als ein essenzieller Erfolgsfaktor be-
wertet (F, I, L, Q). Ohne deren Teilnahme am Lead User-Projekt fehlt relevantes
Entwicklungs-Know-How (B, K). Zudem entstehen so unnötige Schwierigkeiten bei
der Weitergabe der erarbeiteten Ideen an die umsetzenden Abteilungen (B, C). J
erläutert entsprechend:
„Also das fände ich, ehrlich gesagt, einen Kardinalsfehler im Lead User-Ansatz,
dass ich die Leute nicht mit an den Tisch hole, die es dann später auch umset-
zen müssen. [...] Also jemand aus der Marktforschung, wie soll der denn die
technischen Raffinessen verstehen, die eventuell ein Lead User mir da grade
verrät?“

Flexibilität

Auch eine ausreichende Flexibilität der Unternehmen ist ein wesentlicher Erfolgsfak-
tor. Je weniger die Lead User eingeschränkt werden, desto mehr Ideen werden ent-
wickelt (E). Auf der anderen Seite erläutert J:
„Je konkreter dieses Zielbild ist, desto einfacher tun sich auch die Lead User.“

Die Unternehmen müssen daher eine geeignete Balance finden und das Thema so-
weit vorgeben, dass die Ergebnisse die richtige Zielsetzung betreffen. Andererseits
dürfen die Lead User nicht durch zu strikte Vorgaben eingeschränkt werden (J, N).

Glück

Es wird immer wieder ein für den Erfolg des Projekts ausschlaggebender Faktor ge-
nannt, auf den die Unternehmen jedoch keinen Einfluss haben: Glück. Zunächst
müssen die Unternehmen Glück haben, die richtigen Lead User zu identifizieren, die
zur Teilnahme an einem Workshop motiviert sind und dazu Zeit haben. Definitions-
gemäß sollte die Motivation beim Lead User zur Teilnahme an einem Workshop zwar
vorhanden sein (Churchill et al. 2009; Lüthje und Herstatt 2004). Jedoch sind diese
Personen meist in einem Beschäftigungsverhältnis, weshalb deren Zeit dadurch stark
begrenzt ist. Zudem müssen mehrere Lead User an einem Workshop teilnehmen,
was die Schwierigkeit der Planung erhöht. Schließlich ist der Verlauf des Projekts
und die daraus resultierenden Ergebnisse nach L nicht eindeutig planbar:
„Das muss man einfach im Hinterkopf behalten, dass man da einen gewissen
Teil nicht, ich sag jetzt mal, professionalisieren kann. Das ist eigentlich dem Zu-
fall geschuldet. [...] Also an solchen Dingen kann's dann letztendlich scheitern,
obwohl man alles vorher richtig gemacht hat.“
Ergebnisse der Fallstudieninterviews 157

Letztlich ist bei der Integration von Personen immer ein gewisser, nicht vorhersehba-
rer Teil vorhanden, der wiederum einer offenen Innovationskultur, Risikobereitschaft
und Flexibilität bedarf.

Klare Zielsetzung

Um den Erfolg eines Lead User-Projekts messen zu können, bedarf es einer klaren
Zielsetzung. Die Überprüfung, ob die Ziele erreicht wurden, stellt die Grundlage für
die Erfolgsmessung dar (M). Dieser Aspekt wird von allen Befragten als sehr wichtig
eingeschätzt, bei einigen Projekten wurde diese grundlegende Maßnahme jedoch
unzureichend durchgeführt (C, G, K, N).256 Eine klare Zielsetzung vermeidet zum
einen die Enttäuschung, wenn gewisse Aktivitäten der Mitarbeiter bzw. Lead User
kritisch evaluiert oder nicht akzeptiert werden. Zum anderen kann durch die Definiti-
on des Ziels und der Aufgabenverteilung Mehrarbeit vermieden werden, wenn nur
relevante Aspekte bearbeitet werden. Dies setzt eine effiziente Kommunikation vo-
raus (E). Die Zielsetzung gibt zudem die Erwartungshaltung aller Beteiligten vor. Um
Frustration und falsche Hoffnungen zu vermeiden, sollte das Ziel daher frühestmög-
lich definiert und an alle kommuniziert werden (N). 257 Eine klare Definition der Ziel-
setzung ist zudem wichtig, um die Kriterien für die Lead User festzulegen. Je nach-
dem, was für eine Art Produkt oder Dienstleistung aus welchem Bereich entwickelt
werden soll, sind unterschiedliche Lead User-Eigenschaften relevant (O).

Kooperative Workshops

Einen für den Projekterfolg wesentlichen Beitrag stellen die kooperativen Workshops
dar, in denen Lead User mit den Unternehmen Ideenkonzepte entwickeln. Als prob-
lematisch wird dabei immer wieder die Tatsache geäußert, dass sich die Unterneh-
mensmitarbeiter nicht vollends auf den Workshop einlassen können oder wollen - sei
es aus grundsätzlichem Widerstand gegenüber Externen (Not invented here-
Syndrom) oder der Problematik, sich nicht aus dem Unternehmensalltag lösen zu
können. Daher wird die Auslagerung des Workshops an einen externen Ort vorge-
schlagen und als wichtiger Erfolgsfaktor bewertet (F, L, N, O, Q). Q stellt fest:
„Dann Erfolgsfaktor: Raus aus dem Tagesgeschäft. Ganz eindeutig! Ganz, ganz
wichtig!“ 258

256 Bspw. evaluiert C die Zieldefinition folgendermaßen: „Ja, das war halt ein bisschen im Prinzip
schwammig eben definiert.“
257 Die Zieldefinition sollte sowohl intern zu Beginn des Projekts als auch zu Beginn des Work-
shops an die Lead User kommuniziert werden: „In so einem Workshop ist [...] das wichtigste,
dass alle erstmal wissen, worum es geht und auf was sie sich einlassen“ (N).
258 H, I, L und M zeigen hingegen, dass auch die Durchführung eines Workshops innerhalb des
Unternehmens erfolgreich sein kann. Die Wahl des Ortes ist daher individuell zu bewerten.
158 Qualitative Vertiefungsanalyse: Fallstudienanalyse

Dadurch wird gewährleistet, dass sich die Mitarbeiter frei von ihrem Tagesgeschäft
auf den Workshop konzentrieren können und keine Termine, Besprechungen, Tele-
fonate etc. durchführen. Sofern der Workshop in den Räumlichkeiten des Unterneh-
mens stattfindet, kann eine Drucksituation für die Lead User entstehen, da sie sich in
den Räumen des Unternehmens einer Bringschuld ausgesetzt sehen (N). Unabhän-
gig vom Ort der Workshops ist die Atmosphäre und der persönliche Austausch sehr
wichtig (C, D). Eine lockere und angenehme Atmosphäre steigert die Motivation, Be-
geisterung und Kreativität aller Teilnehmer (H, L, N, Q). Die Entwicklung eines Ge-
meinschaftsgefühls 259 erhöht den Zusammenhalt zwischen Lead User und Unter-
nehmen und dadurch die Motivation der Lead User, für das Unternehmen meist ohne
Vergütung Ideen und Lösungen zu entwickeln (N). Einen wesentlichen Beitrag zur
Atmosphäre sowie zum Erfolg des Workshops leistet der Moderator (D, E, L, O, P,
Q). Durch einen externen Moderator (Universität, Beratung etc.) wird Betriebsblind-
heit vermieden, da auch Inhalte zugelassen werden, die für das Unternehmen zu-
nächst abwegig sind. L bewertet dementsprechend:
„Also ich hab‘ das genossen, dass das jemand gemacht hat, der auch Dinge zu-
gelassen hat, wo ich eigentlich innerlich den Kopf geschüttelt habe.“

Durch die Wahl geeigneter Kreativitätstechniken sowie der richtigen Fragen ist der
Moderator in der Lage, das Potenzial der Teilnehmer bestmöglich zu nutzen. Ein gu-
ter Moderator erkennt zudem Ungleichgewichte in Bezug auf den Redeanteil (extro-
vertierte vs. introvertierte Personen) und kann dies steuern (P). 260 Zuletzt wird der
Einsatz von Grafikern 261 empfohlen, die die Ideen und Inhalte visualisieren. Nach
dem Motto „ein Bild sagt mehr als tausend Worte“ (Q) kann so einfacher über Inhalte
diskutiert werden, da alle Beteiligten ein gemeinsames Bild der Ideen haben. Dies
erspart die mühsame verbale Erläuterung der Inhalte (ebd.). Als ein positiver Neben-
effekt fließt die künstlerische Kreativität der Grafiker in den Workshop mit ein (N).

Motivation der Mitarbeiter

Ein wesentlicher Aspekt von Lead User-Projekten ist die Motivation der Mitarbeiter
zur Umsetzung von Ideen. Werden Ideen nur an die Entwickler berichtet, entsteht
schnell eine Abneigung (Not invented here-Syndrom) oder Unverständnis aufgrund

259 Nach N ist es wichtig, dass „alle in einem Boot sitzen“.


260 Es gibt Personen, die zurückhaltender (introvertiert) agieren und weniger Redeanteil haben.
Extrovertierte Personen hingegen zeichnen sich durch einen hohen Redeanteil aus. Beides
muss in Einklang gebracht werden, wie H erläutert: „Haben sie irgendwie introvertierte Men-
schen und sie wollen mit ihm dann Dialog führen, dann müssen sie das Setting so bauen, dass
ein introvertierter eben auch zum Zuge kommt. [...] Beim Setting, ich würde drauf achten, dass
quasi extrovertierte und introvertierte zum Zug kommen. Das Setting so ist, dass quasi alle Be-
dürfnisse gedeckt sind.“
261 Diese Grafiker werden in der Praxis auch als Scribbler bezeichnet (C, N).
Ergebnisse der Fallstudieninterviews 159

unzureichender Kommunikation (B, J). 262 Sind die umsetzenden Personen jedoch
frühzeitig an der Ideenentwicklung beteiligt, steigert dies die Akzeptanz sowie die
Motivation der Mitarbeiter wesentlich (B, L, N, O, Q). N fasst die notwendige Beteili-
gung der relevanten Mitarbeiter treffend zusammen:
„Der war dabei, der hat auch irgendwie so ein bisschen Herzblut da mit rein ge-
steckt. Also der ist auch ganz anders motiviert, da weiter dran zu arbeiten.“

Die Zusammenarbeit externer und interner Personen bietet enormes Potenzial, da


sämtliche Expertise genutzt werden kann (P). 263

Offene Innovationskultur

Die Akzeptanz externer Einflüsse und Ideen bedarf jedoch einer offenen Innovati-
onskultur (J, L, Q). Dazu gehört, Ideen erst einmal zur Diskussion zu stellen, die aus
Sicht des Unternehmens zunächst weniger passend oder nicht umsetzbar scheinen
(Q). Diese können mit weiteren Ideen verbunden oder weiterentwickelt werden. Eine
Offenheit muss auch gegenüber möglicher Kritik von Lead Usern vorhanden sein,
bspw. wenn vom Unternehmen entwickelte Produkte für die Nutzer nicht relevant und
attraktiv sind (L). Für K bedeutet Innovation weiterhin, dass zu Beginn des Innovati-
onsprozesses nicht klar ist, was daraus resultieren wird. Die Ergebnisse können sich
daher in eine gänzlich unerwartete Richtung entwickeln oder die Projekte sogar
scheitern. Diese Offenheit, Scheitern zu akzeptieren und stattdessen als Lernerfolg
für zukünftige Projekte zu bewerten, ist für Unternehmen wichtig (K). 264

Risikobereitschaft

Aus der Offenheit, Unerwartetes zu akzeptieren, resultiert eine für die Innovations-
entwicklung wichtige Risikobereitschaft. Diese beinhaltet neben einer offenen
Grundhaltung auch die Verfügbarkeit von Kapital sowie das Vertrauen darauf, dass
die Mitarbeiter und Lead User zufriedenstellende Resultate entwickeln (K, M).

Die Erfolgsfaktoren verdeutlichen das große Potenzial der Lead User-Projekte. Die-
sen stehen jedoch Herausforderungen gegenüber, die es bei der Durchführung der
Projekte zu beachten gilt.

262 Ein Negativbeispiel stellt das Projekt von B, C und D dar, bei dem lediglich ein Mitarbeiter der
Marktforschungsabteilung beteiligt war. Die Kommunikation der Ergebnisse an die Entwickler
wurde dadurch erheblich erschwert. Zudem wurde die Motivation zur Umsetzung bzw. die Ak-
zeptanz der externen Ideen stark negativ beeinflusst.
263 P bezeichnet dies als „Durchmischung“ externer und interner Ideen.
264 Wess (2010) bezeichnet die offene Innovationskultur als „innovationsfreundliches Klima“ (Wess
2010, S. 193) und nennt weitere Hinweise zur Schaffung einer solchen Atmosphäre, wie bspw.:
Klare Zuständigkeiten, Anerkennung von Engagement, Führungskultur und Entscheidungskraft
oder Einbeziehung der Ideengeber in Besprechungen und Entscheidungen.
160 Qualitative Vertiefungsanalyse: Fallstudienanalyse

6.2.4 Herausforderungen

Nachfolgend werden die meistgenannten und wesentlichen Probleme bei Lead User-
Projekten erläutert. In Kapitel 7.4 werden schließlich Lösungsansätze in Form einer
Best Practice für Lead User-Projekte dargestellt, die diesen Herausforderungen vor-
beugen oder zumindest mindern sollen. Die nach Meinung der Fallstudienteilnehmer
relevantesten Herausforderungen werden nachfolgend erläutert. 265

Akzeptanz

Eine elementare Herausforderung bei der Integration von Lead Usern stellt die Ak-
zeptanz der Unternehmensmitarbeiter dar. Für die Mitarbeiter ist die Entwicklung von
Innovationen oftmals eine zeitaufwendige Aufgabe, die eine große Expertise und
Kenntnis des Unternehmens voraussetzt - externe Personen können dies ihrer Mei-
nung nach nicht erbringen (L). Zudem wird der Innovationsdruck häufig gar nicht so
hoch eingeschätzt, dass dringend externe Ideen aufgenommen werden sollten
(ebd.). Statt externes Wissen und Kreativität als bereichernde Quelle anzusehen,
wird die Integration von externen Personen oft als Kritik an der eigenen Entwick-
lungstätigkeit bewertet (B, L, M, N, O, Q). J merkt entsprechend an:
„Glaubt der Chef nicht, dass wir das nicht auch können oder machen wir unsere
Arbeit nicht gut genug?“

Aus diesem falschen Verständnis resultiert eine grundlegende Abwehrhaltung (Not


invented here-Syndrom). Eine Auseinandersetzung mit den wertvollen Anregungen
von außen bereichert jedoch die Arbeit der Mitarbeiter und kann als Evaluation der
eigenen Entwicklungsaktivitäten genutzt werden (E). Neben der Schwierigkeit feh-
lender Akzeptanz externer Einflüsse im Workshop ist vermehrt eine Abneigung bei
solchen Mitarbeitern zu erkennen, die am Workshop nicht beteiligt sind. Wie in 6.2.3
erläutert, erzeugt eine kooperative Atmosphäre ein Gemeinschaftsdenken zwischen
Mitarbeiter und Lead User. Wer jedoch nicht daran beteiligt ist, behält seine Abwehr-
haltung. Eine Integration der relevanten Personen im Workshop ist daher wichtig.

Eingrenzung des Themas bzw. Ziels

Die Problematik der Erwartungshaltung wird durch die unzureichende Eingrenzung


des Themas bzw. Ziels verstärkt. Eine klare Zieldefinition ist zu Beginn des Projekts
elementar, wird jedoch durch die schwierige Vorhersage des Projektverlaufs er-

265 Ebenfalls in alphabetischer Reihenfolge ohne Wertung oder Gewichtung der einzelnen Aspekte.
Die Erfolgsfaktoren und Herausforderungen können sich teilweise überschneiden. So wird
bspw. die Akzeptanz des externen Wissens im Unternehmen (Herausforderung) durch eine of-
fene Innovationskultur (Erfolgsfaktor) vermindert.
Ergebnisse der Fallstudieninterviews 161

schwert (C, J, K). Damit die Ziele schließlich als erreicht gelten, besteht nach J die
Gefahr, die Ergebnisse und Inhalte entsprechend anzupassen:
„Und da wird dann vielleicht auch mal was passend gemacht, was nicht unbe-
dingt passt.“

„Schönreden“ von Ergebnissen ist allerdings keine geeignete Vorgehensweise, die


Resultate zu optimieren. Stattdessen sollten die vorhandenen Ergebnisse evaluiert,
kritisch hinterfragt und - falls nötig - weiterentwickelt werden.

Erwartungshaltung

Mit der Akzeptanz einher geht die Erwartungshaltung der Lead User sowie des Un-
ternehmens. Lead Usern mangelt es definitionsgemäß an Lösungen für ihre Bedürf-
nisse (von Hippel 1986). Die Entwicklung entsprechender Innovationen wird von ih-
nen erwartet. Weitere Aspekte wie Bezahlung etc. sind ebenfalls wichtige Faktoren,
die jedoch im Einzelfall zu bewerten sind (B, N, P). Eine falsche Erwartungshaltung
innerhalb des Unternehmens wird schnell aufgebaut, wenn eine mangelnde Kommu-
nikation über die Methodik und die Zielsetzung vorhanden ist. Dadurch werden von
der Methodik Resultate erwartet, die diese nicht erbringen kann. Die Projektevaluie-
rung fällt entsprechend negativ aus (N).

Identifizierung und Rekrutierung

Ist die Motivation der Lead User zur Teilnahme am Projekt vorhanden, können weite-
re, oftmals organisatorische Herausforderungen auftreten. Eine der in Theorie wie
Praxis elementarsten Schwierigkeiten des Lead User-Ansatzes ist die Identifizierung
und Rekrutierung geeigneter Lead User (vgl. Kapitel 2.3.3), wie nachfolgende Zitate
verdeutlichen:
„Also das ist meiner Meinung nach die größte Herausforderung, dass du eben an
die Leute kommst“ (E)

„Also die Identifizierung der User, Lead User, [...] das ist auch ein großes Thema“
(M)
„Beim traditionellen Lead User-Ansatz ist das Screening natürlich das größte
Problem“ (C)

„...dass die Rekrutierung dieser Lead User natürlich der große Knackpunkt ist“
(B)
„Die Rekrutierung an sich ist natürlich sehr schwer im Vergleich jetzt zu anderen
Studien“ (D)
162 Qualitative Vertiefungsanalyse: Fallstudienanalyse

Alle befragten Personen sind sich einig, dass die Auswahl der Lead User einen gro-
ßen Einfluss auf den Projekterfolg hat. Da Lead User selten sind und das Identifizie-
ren solcher Personen entsprechend aufwendig, findet in der Praxis eine Abwägung
statt, in wie weit die Lead User-Charakteristika erfüllt sein müssen. So erläutert B:

„Also für uns die größte Herausforderung war die, den richtigen Grad zu finden
zwischen Rekrutierungsaufwand, also wie spitz rekrutiert man? Wie strikt legt
man diese Anforderungen an?“

Diese Abwägung ist jedoch gefährlich. Nur um mit möglichst wenig Aufwand Lead
User zu finden, sollten nicht einfach Personen integriert werden, die die Anforderun-
gen nicht oder nur teilweise erfüllen. Im Bereich der Konsumgüter erscheint eine Lo-
ckerung der Lead User-Definition noch am ehesten durchführbar, da Vielnutzer auch
ohne herausragende technische Expertise Ansätze und Ideen zu Produkten äußern
bzw. sich neuartige Ideen vorstellen können (B, D, N, O, P, Q). Bei sehr technischen
Fragestellungen ist jedoch davon auszugehen, dass die Integration „normaler“ Nut-
zer nicht ausreichend ist und stattdessen nur Personen als Lead User integriert wer-
den sollten, die bereits erste Ideen oder sogar Prototypen entwickelt haben (E, H, J,
M). Erheblich erschwert wird die Identifizierung von Lead Usern durch Vorgaben oder
Modellquoten wie Altersstruktur, Nutzungsverhalten, Geschlecht und dergleichen,
wie C kritisch anmerkt:
„Die Teilnehmer müssen ein Auto von einer bestimmten Marke haben und in
dem kompletten Sample müssen dann 20% BMW-Fahrer drin sein und 20% Tes-
la-Fahrer. Und das Baujahr darf nicht älter als 2010 sein oder was auch immer.
Das limitiert natürlich die Auswahl an Teilnehmern.“

Dies ist insbesondere bei Beratungen und Dienstleistern zu erkennen, die die Projek-
te für weitere Unternehmen durchführen (B, C, D). Solche Vorgaben sollten vermie-
den werden, da sie die Identifizierung zusätzlich erschweren.

Messbarkeit

Im Rahmen der Erfolgsmessung eines Lead User-Projekts ist die Messbarkeit ein
kritischer Faktor. M wünscht sich geeignete Kennzahlen in Lead User-Projekten, um
diese vergleichen und bewerten zu können (M). Sofern jedoch keine Innovation in
Form eines realen Produkts entwickelt wird und stattdessen Ideen resultieren, die in
weitere Entwicklungen einfließen, ist die Messung dieses Beitrags in Kennzahlen wie
bspw. Produktverkäufe schwierig.

Motivation der Lead User

Neben der Akzeptanz seitens des Unternehmens ist die Motivation der Lead User
eine der größten Herausforderungen. Die praktischen Erfahrungen zeigen, dass eini-
Ergebnisse der Fallstudieninterviews 163

ge Lead User über ihre intrinsische Motivation und Befriedigung der Lösungsbedürf-
nisse hinaus Anerkennung wünschen. Die Höhe einer finanziellen Vergütung ist da-
bei nicht unbedingt ausschlaggebend, das Vorhandensein wird jedoch als Zeichen
der Wertschätzung erachtet (vgl. Kapitel 6.2.2.1).

Planungsunsicherheit
Die bereits angesprochene Schwierigkeit der Erwartungshaltung wird durch die Pla-
nungsunsicherheit der Projekte verstärkt (B, C, E, F, J, K). F erläutert entsprechend:
„Aber die Herausforderung, die ich halt sehe, [...] gerade bei professionellen An-
bietern der Lead User-Methodik: Man kann ja nichts versprechen.“

Daher sollte das Projekt an alle Teilnehmer sowie innerhalb des Unternehmens aus-
führlich kommuniziert werden. Durch eine einheitliche Informationslage ist eine adä-
quate Messung des Projekterfolgs möglich. Interessanterweise sagen einige der Be-
fragten aus, dass man sich von der Methodik nicht zu viel versprechen sollte (E, J,
K). Demnach sind auch kleinere Innovationen oder Lösungsansätze als Erfolg zu
bewerten. Dies setzt jedoch voraus, dass eine offene Innovationskultur vorhanden ist
und auch unerwartete, abwegige Ergebnisse resultieren können (M). Eine bemer-
kenswerte Erkenntnis ist weiterhin, dass die Erwartungshaltung je nach Projektpart-
ner variiert. Wird ein Lead User-Projekt mit einer Universität und somit vergleichswei-
se geringen Kosten durchgeführt, ist die Erwartungshaltung geringer und weniger
Ergebnisse oder sogar das Ausbleiben von wirklichen Innovationsentwicklungen wird
akzeptiert (E, F). Werden Projekte jedoch mit Dienstleistern oder Beratungen durch-
geführt, erwarten die Unternehmen mehr umsetzbare Resultate. F stellt fest:
„Wenn sie aber mit Unternehmen sprechen, die da wirklich mit professionellen
Agenturen das machen. [...] Dann wäre meine Erwartungshaltung als Unterneh-
men ganz klar eben diese: Da muss was am Ende rauskommen! Da reicht es mir
nicht, dass ich mal nett irgendwie ein paar Leute kennengelernt hab. Oder dass
wir eben mal vielleicht ein paar neue Ideen mitnehmen. Da würde ich eben
schon erwarten, dass dann da wirklich, sag ich mal, was sehr konkretes am En-
de des Tages auch auf dem Tisch liegt.“

Probleme innerhalb des Workshops

Weiterhin treten Probleme innerhalb des Workshops auf. Wie sich die Lead User im
Workshop verhalten, ist nur schwer vorherzusehen und für das Unternehmen kaum
beeinflussbar (L). 266 N rät daher eine vorherige Überprüfung der Teamfähigkeit

266 J bezeichnet dieses Problem als „Faktor Mensch“. Demnach besteht stets ein Risiko, dass es
zu Problemen und Spannungen zwischen den Teilnehmern kommt, was vor dem Workshop je-
doch kaum vorherzusehen ist.
164 Qualitative Vertiefungsanalyse: Fallstudienanalyse

durch Gespräche oder erste Zusammenarbeit, 267 was aber vorab nur begrenzt mög-
lich ist (N). Eine Möglichkeit zur Vermeidung dieses Problems wäre die regelmäßige
Zusammenarbeit mit Lead Usern, da die Teamfähigkeit so eigenständig und auf Ba-
sis eigener Erfahrungen überprüft werden kann. Jedoch muss die Lead Userness für
jedes Projekt bzw. für jede Fragestellung detailliert analysiert werden (vgl. Kapitel
5.2.6.3). Als eine Problematik beim Lead User-Workshop wurde zudem geäußert,
dass die Gruppenzusammensetzung zu homogen sein kann und daher kaum neue
Impulse oder Ideen genannt werden. N und Q wirken dem entgegen, indem sie mög-
lichst verschiedene Persönlichkeiten mit unterschiedlichen Berufen und Hintergrün-
den als Lead User einladen. Dies ist vor allem bei Konsumgütern möglich, wo eher
kreative Vielnutzer eines Produkts integriert werden können. Bei sehr technischen
Produkten und Fragestellungen haben die Lead User oftmals einen ähnlichen Hin-
tergrund (Ausbildung, Interessen etc.).

Terminfindung

Bei der Rekrutierung tritt weiterhin eine organisatorische Herausforderung auf, die
zwar logisch erscheint, jedoch oft als Selbstverständlichkeit vernachlässigt wird:
Terminfindung. Oftmals befinden sich die Lead User in einem Beschäftigungsver-
hältnis mit einem anderen Arbeitgeber. Das bedeutet, dass sie nicht ohne weiteres
jeden Workshoptermin wahrnehmen können, auch wenn ihre grundsätzliche Motiva-
tion dazu besteht (A, E, I, J, K).

Ressourcenbedarf
Unterschätzt wird oftmals auch der Ressourcenbedarf eines Lead User-Projekts. Die
Befragten sind sich einig, dass ausreichende Ressourcen zur Verfügung gestellt
werden sollten, um die bestmöglichen Resultate zu erlangen. Dies ist in der Praxis
jedoch nicht immer möglich, denn die Gefahr eines Projektabbruchs bspw. aufgrund
zu hoher Kosten ist stets vorhanden (N). Eine konstante Überprüfung der Ressour-
ceneinhaltung ist daher hilfreich. Evtl. können ressourcenintensive Projektschritte,
bspw. die Identifizierung der Lead User, outgesourced werden (J). Dies verursacht
jedoch weitere Kosten, die es zu berücksichtigen und abzuwägen gilt.

Vertraulichkeit

Einen letzten, wesentlichen Faktor stellt die Vertraulichkeit innerhalb von Lead User-
Projekten dar. Damit Lead User keine Besitzansprüche an entwickelte Ideen äußern
können, kann vorher eine Verschwiegenheitserklärung unterzeichnet werden (J, Q).
Jedoch besteht die Gefahr, dass sich die Lead User dadurch eingeengt fühlen. Da-

267 „Also dieses sich Hervortun, das haben wir vorher ausgeschlossen über die Workshops, die wir
vorher mit denen machen, ne? Also, dass wir sehen, dass das wirklich Teamplayer sind“ (N).
Ergebnisse der Fallstudieninterviews 165

tenschutz ist ebenfalls ein kritischer Faktor bei der Identifizierung der Lead User.
Dürfen insbesondere Beratungs- und Dienstleistungsunternehmen, die für Dritte ein
solches Projekt durchführen, den Unternehmensnamen nicht nennen, kann dies die
Motivation der Lead User mindern (C).

6.2.5 Evaluation der Lead User-Projekte


Die bisherigen Ergebnisse verdeutlichen ein großes Erfolgs- und Innovationspotenzi-
al von Lead User-Projekten. Gleichzeitig sind Herausforderungen vorhanden, die die
Projektdurchführung erschweren. Für die Analyse der praktischen Umsetzung des
Ansatzes ist die Evaluation der Projekte daher sehr wichtig, um die Erfolgsaussichten
des Ansatzes bewerten und Verbesserungsvorschläge identifizieren zu können.

6.2.5.1 Bewertung der Projektergebnisse

Bei den Ergebnissen wird unterschieden zwischen finalen Produkten (direkte Umset-
zung am Markt möglich), Ideen und Ansätzen für neue Produkte bzw. Dienstleistun-
gen, neu geknüpften Kontakten sowie der Validierung und Bestätigung bereits vor-
handener Ideen durch die Lead User.

Finale Produkte/Dienstleistungen

Wie in Kapitel 6.2.4 dargestellt, ist die Messbarkeit der Ergebnisse eine schwierige
Aufgabe für die Unternehmen. Lediglich M und Q gaben an, dass eine im Lead User-
Workshop entwickelte Idee direkt in ein Produkt umgesetzt und erfolgreich am Markt
eingeführt wurde. Zu beachten gilt, dass Q im B2B-Bereich agiert und die Produktin-
novation im Nahrungsmittelbereich eher geringer technischer Kenntnisse bzw. Um-
setzung bedarf. Diese werden bspw. bei Unternehmen M, tätig im Maschinenbau,
eher verlangt.

Ideen und Ansätze für neue Produkte/Dienstleistungen


Bei den übrigen Unternehmen konnten die entwickelten Konzepte zwar nicht direkt in
ein finales Produkt umgesetzt, jedoch für weitere Innovationen als Ideen und Ansätze
genutzt werden (E, F, L, O). L erläutert bspw.:
„Es ist natürlich selbstverständlich, dass wir diese Inhalte und dieses Wissen,
das wir hier dann praktisch auch uns angeeignet haben, dass wir das an anderer
Stelle fortsetzen.“

Das externe Wissen wird also im Unternehmen aufgenommen und weiterentwickelt.


Nach O werden diese Impulse entweder in weitere Produkte übertragen oder sie stel-
len Hinweise dar, in welche Richtungen innoviert werden sollte (Trends, zukünftige
Bedürfnisse etc.):
166 Qualitative Vertiefungsanalyse: Fallstudienanalyse

Was, glaub ich, eher passiert, dass die Sachen, die wir entwickeln, [...] weiter
gedreht werden im Unternehmen und dass es wichtige Impulse sind, um gewisse
Abteilungen eben auch auf Spur zu bringen. Oder auch gewisse Innovations-
maßnahmen dann auch anzutreiben innerhalb des Unternehmens.“

E warnt jedoch davor, dass die Umsetzung an fehlender Kapazität scheitern oder
zumindest sehr lange dauern kann. 268 Die erarbeiteten Inhalte können zudem als
„Initialzündung“ (K) für weitere Projekte und Fragestellungen genutzt werden. Die
Mehrzahl der Befragten äußerte sich positiv über die entwickelten Ideen und war
damit als Resultat der Lead User-Workshops zufrieden (B, C, F, L, O, P, Q). Auch J
bewertet das Lead User-Projekt positiv, stellt jedoch fest, dass davon nicht mehr als
Ideen zu erwarten sind:
„Man darf sich in der Praxis nicht zu viel davon versprechen. Also man kriegt ei-
gentlich selten [...] echte Lösungen als mehr Ideen. Oder Gedankenanstöße. Al-
so allein aus diesem Sparring dann in dem Lead User-Workshop mit den ver-
schiedenen Leuten, kommen dann neue Ideen auf. Und das ist aber auch nicht
mehr.“

Entsprechend muss die Erwartungshaltung, bspw. durch frühzeitige Definition der


Projektziele (vgl. Kapitel 6.2.3), gesteuert werden (J).

Kontakte

Neben fertigen Produkten oder Ansätzen werden auch durch die Workshops ent-
standene Kontakte als wichtiges Ergebnis bewertet (E, F, G, H, J, K, L, P). Einige der
Befragten sagten aus, dass Kontakte zu Personen entstanden sind, die das Unter-
nehmen selbst nie angesprochen hätte (E, K, L). E bewertet diese neuen Kontakte:
„Sondern da sind zum Schluss immer viele interessante Leute bei rausgekom-
men, an die Unternehmen jetzt noch nicht so gedacht haben oder auch Bereiche,
an die sie noch nicht gedacht haben.“

Durch das Lead User-Projekt entstehen also neue Möglichkeiten und neuartige
Denkweisen. Ebenfalls bemerkenswert und in der Theorie bisher kaum erkannt ist
die Tatsache, dass auch die Lead User selbst Kontakte durch die Workshops gewin-
nen. So kooperiert H über das Lead User-Projekt hinaus und für seine eigene Frage-
stellung mit einem weiteren Lead User und führt ein gemeinsames Forschungspro-
jekt durch - unabhängig vom eigentlichen Lead User-Projekt, an dem beide teilnah-
men (H). Die Möglichkeit der Kontaktaufnahme stellt also auch für die Lead User ei-

268 „Wenn [...] die Kapazität nicht vorhanden ist, dann dauert es halt entweder ziemlich lange oder
es findet dann halt gar nicht statt, die Umsetzung der Ergebnisse also“ (E).
Ergebnisse der Fallstudieninterviews 167

nen weiteren Motivationsfaktor dar, der zur Steigerung der Teilnahmebereitschaft vor
Beginn des Workshops verdeutlicht werden sollte.

Validierung und Evaluation bereits vorhandener Ideen

Die erarbeiteten Ideen und Konzepte sind nicht immer bahnbrechend und neuartig
(C, E, F, I, J). Es können Ergebnisse entstehen, die die Entwickler nicht „vom Hocker
reißen“ (C) und die bereits durch das Unternehmen entwickelt wurden (E, F). Dies
wird jedoch nicht unbedingt als Misserfolg bewertet. Die Bestätigung von Ideen und
Lösungsansätzen durch die fortschrittlichen Lead User kann als Beleg für die richtige
Vorgehensweise des Unternehmens bewertet werden (E). Die Ursache für die Ent-
wicklung nicht umsetzbarer oder neuartiger Ideen kann an den Lead Usern liegen,
die sich zu schnell auf ein Thema fokussieren und nicht mehr in andere Richtungen
denken. Aber auch das Unternehmen kann die Verwendung der Ergebnisse behin-
dern, wenn die Fähigkeiten der Ergebnisumsetzung nicht vorhanden sind oder den
Mitarbeitern die Phantasie zum innovativen Denken fehlt (J). Eine weitere Herausfor-
derung liegt darin, die Umsetzbarkeit der Ideen zu gewährleisten. Andernfalls können
sowohl Lead User als auch Mitarbeiter Innovationen entwickeln, die zwar neuartig
und revolutionär erscheinen, technisch aber nicht durchführbar sind (C, H, I). Bspw.
wurde das Produkt bei C durch die Mitarbeiter und Lead User so „überentwickelt“
(C), dass es aufgrund des zu hohen Gewichts nicht einsatzfähig war. Ein weiterer
Grund für die fehlende Umsetzung von Ergebnissen besteht in der Priorisierung in-
nerhalb des Unternehmens. Wenn andere Aufgaben und Projekte als wichtiger er-
achtet werden, können die erarbeiteten Resultate schnell vernachlässigt werden (N).

6.2.5.2 Bewertung des Projekts

In Bezug auf die Anwendbarkeit des Lead User-Ansatzes herrscht Konsens unter
den befragten Unternehmen, dass diese Methodik zur Ermittlung neuartiger Ideen
und Konzepte genutzt werden kann. J stellt fest, dass dieser Ansatz auf die Ideenge-
nerierung beschränkt ist und die Umsetzung der Ergebnisse Aufgabe des Unterneh-
mens ohne Unterstützung der Lead User ist (J). 269 F hingegen verlangt nach einer
weiteren Phase der Ergebnisumsetzung im Lead User-Prozess, anstatt das Projekt
nach dem Workshop zu beenden. Ob Lead User-Projekte allein vom Unternehmen
oder mit externer Unterstützung durch Dienstleister oder Universitäten durchgeführt
werden sollten, wird kontrovers diskutiert und bedarf der Einzelfallprüfung. M führt
diesen Ansatz erfolgreich eigenständig durch, L stellt hingegen die These auf, dass
Unternehmen ein solches Projekt aufgrund fehlender Ressourcen selber nicht be-

269 J stellt darüber hinaus klar, dass für hochtechnologische Themen andere Methoden genutzt
werden sollten, da der Lead User-Ansatz an seine Grenzen stößt. H erläutert übereinstimmend,
dass bessere Kreativitätsmethoden vorhanden sind, ohne diese weiter zu benennen.
168 Qualitative Vertiefungsanalyse: Fallstudienanalyse

werkstelligen können (L, M). 270 A sieht die optimale Anwendbarkeit des Lead User-
Ansatzes bei der Suche von Lösungsansätzen in analogen Märkten, die mit ähnli-
chen Problemstellungen konfrontiert sind (A).
Die Befragten waren mit den durchgeführten Lead User-Projekten grundsätzlich zu-
frieden, wie nachfolgende Zitate verdeutlichen:
„Also es lohnt sich auf jeden Fall“ (L)
„Also ich find auch den Ansatz super sinnvoll“ (P)
„Der Lead User-Ansatz ist ein begrüßenswerter Ansatz, weil er, ich nenn das
jetzt mal so, weil er einen zwingt, die Kundensicht zu jedem Zeitpunkt der Pro-
duktentwicklung zu akzeptieren“ (M)

„Ich mein, das haben uns die, die Projektpartner immer gesagt, dass sie zufrie-
den waren in dem Kontext“ (E)

„So insgesamt denke ich sehr positiv an, an das zurück“ (I)
„Und da ist nach meinem Verständnis der Lead User-Ansatz im Grunde eine
recht starke Marke und wenn man auch vielleicht Leuten, die das noch nicht
kennen, das kurz ausführt, dann ist es sehr schnell und sehr gut nachvollziehbar,
warum dieser Ansatz zum Erfolg führen soll“ (B)
„Und das war tatsächlich sehr ergiebig, fand ich, weil man wirklich so die Spreu
vom Weizen ein bisschen trennen konnte“ (C)
„War gut insgesamt, Detail war verbesserungswürdig aber sonst nichts“ (H)
„Wenn wir das nicht gemacht hätten, würde dieses Projekt, glaube ich, nicht be-
stehen; also von daher war's auf jeden Fall gut“ (K)

Trotz dieser positiven Bewertungen wurden Kritikpunkte und Verbesserungsvor-


schläge genannt, die insbesondere für die Entwicklung der Best Practice (vgl. Kapitel
7.4) sehr wichtig sind.

6.2.5.3 Kritikpunkte und Verbesserungen

In Tabelle 20 werden kritische Aspekte des Lead User-Ansatzes aus den Fallstudien-
interviews genannt und entsprechende Verbesserungsvorschläge abgeleitet:

270 „Wenn sie sagen: Der Lead User-Ansatz könnte sich dazu eignen, dass das eine Firma, sagen
wir jetzt mal, mit ihren eigenen Ressourcen stemmt. Dann möchte ich eigentlich fast den Finger
heben und sagen: Das kann ich mir eigentlich überhaupt nicht vorstellen“ (L).
Ergebnisse der Fallstudieninterviews 169

Tabelle 20: Kritikpunkte und Verbesserungen am Lead User-Ansatz

Kritikpunkte Verbesserungen

Abwehrhaltung: Unternehmensmitarbeiter sind Integration aller relevanten Mitarbeiter und


nicht offen für externe Ideen und Diskussionen Schaffung einer kooperativen Zielsetzung und
mit Lead Usern (J) Atmosphäre

Falsche Abteilungen involviert: Nicht die rich- Ausreichende Beteiligung der umsetzenden Ab-
tigen oder zu wenige (bspw. nur Marktfor- teilungen; aufgrund der schwierigen Vorhersage
schung) Mitarbeiter werden involviert, dadurch des Projekts evtl. laufende Anpassungen not-
Verlust von Informationen und Motivation zur wendig (agiles Projektmanagement)
Umsetzung (B, C, E, J)

Geheimhaltung: Wird bei Kontaktaufnahme der Offene Nennung des Unternehmens, der Inten-
Unternehmensname nicht genannt (insbesonde- tion des Projekts und der beteiligten Personen
re bei Beratungen), wirkt dies unseriös (C) schafft Vertrauen und wirkt motivierend

Kontakt zu Lead Usern: Nach Beendigung des Halten des Kontakts als Zeichen der Dankbar-
Workshops wird der Kontakt zu Lead Usern oft- keit und Nutzung der Expertise der Lead User
mals nicht aufrecht erhalten für weitere Projekte und Fragestellungen

Mangelnde Flexibilität: Prozess schwer vor- Dynamik durch agiles Projektmanagement muss
hersehbar und bedarf flexibler Durchführung (M) gefördert werden

Mangelnde Informationen: Potenzielle Lead Bei erster Kontaktaufnahme mit Lead User In-
User zu Beginn nicht ausreichend informiert, formationen über Ablauf, Umfang und insbeson-
welchen Umfang Workshop hat (A) dere Vorteile für Lead User liefern

Modellquoten: Lead User sollen Vorgaben wie Vermeidung solcher Vorgaben, da starke Beein-
Alter, Nutzungsverhalten etc. erfüllen (D, E) flussung der Lead User-Identifizierung

Zeitdruck: Für die Projekte wird zu wenig Zeit Planung ausreichender Ressourcen, flexibles
eingeplant, vor allem die Identifizierung geeigne- Reagieren auf Prozessabweichungen (agiles
ter Lead User erfordert zeitliche Ressourcen (K) Projektmanagement)

Zieldefinition: Zu schwammig und undetailliert, Klare Festlegung des Projektziels als Basis der
dadurch falsche Erwartungshaltung (C, N, P) Erfolgsmessung

Viele der aufgeführten Kritikpunkte (mangelnde Informationen, unzureichende Zielde-


finition, Modellquoten, fehlender Managementsupport etc.) können durch sorgfältige
Planung und vorbeugende Aktivitäten bereits zu Beginn des Lead User-Projekts ver-
hindert werden (Hauschildt und Schewe 2000; Turner und Müller 2005). Weitere kri-
tische Aspekte bzgl. der Flexibilität (bspw. Involvieren der Abteilungen, mangelnde
Flexibilität, Zeitdruck) können durch agiles Projektmanagement (vgl. Kapitel 7.3) ge-
löst werden (Cleland und King 1997). Die Verbesserungsmöglichkeiten werden in
Kapitel 7 aufgegriffen und im Rahmen der Best Practice umgesetzt.
Zuletzt wurde die zukünftige Durchführung von Lead User-Projekten abgefragt. Zwar
ist der Lead User-Ansatz bei den Unternehmen „definitiv im Werkzeugkasten“ (J).
Jedoch sind bei den meisten Unternehmen aktuell keine weiteren, konkreten Lead
User-Projekte geplant (A, B, J, K, L). Offenbar muss - dies entspricht den Aussagen
170 Qualitative Vertiefungsanalyse: Fallstudienanalyse

der Theorie 271 - eine konkrete Fragestellung bzw. Zielsetzung für ein Lead User-
Projekt vorliegen. Als eine erste Methode zur groben Ermittlung von Kundenbedürf-
nissen scheint der Ansatz aufgrund seines Umfangs und Ressourcenaufwands we-
niger geeignet. L fasst entsprechend zusammen:
„So ein richtiges Projekt nochmal aufgesetzt, ist momentan nicht ersichtlich. Ich
könnte mir jetzt aber sehr gut vorstellen, dass das zu irgendeinem Thema wieder
wunderbar passt.“

6.3 Überprüfen der Propositionen

Aus der quantitativen Studie (Umfrage) wurden Propositionen abgeleitet (vgl. Kapitel
5.4), die durch die qualitative Studie (Fallstudien) überprüft wurden. Die Beantwor-
tung der Propositionen dient als Grundlage für die Diskussion im folgenden Kapitel 7.
PP#1 Im Vergleich zur wissenschaftlichen Literatur existiert in der Praxis ein abwei-
chendes oder zumindest unschärferes Verständnis von Lead Usern

Die Umfrage hat ergeben, dass das Verständnis von Lead Usern aus wissenschaftli-
cher Sicht teilweise abweicht bzw. falsch ist. So wurden Lead User oftmals als wich-
tige oder besondere Kunden bezeichnet, die jedoch keine überdurchschnittliche Be-
dürfnis- bzw. Lösungskompetenz vorweisen. Diese Erkenntnis konnte durch die Fall-
studien bestätigt werden. Als Grundlage des Verständnisses von Lead Usern wurden
zwar allgemein die theoretischen Eigenschaften nach von Hippel genannt, hier sind
also keine umfangreichen Abweichungen zur Theorie durch falsches Verständnis zu
erkennen. Jedoch wird in einigen Fällen bewusst ein abweichendes Verständnis auf-
gebaut, indem die Definition von Lead Usern verallgemeinert wird. Lead User sind
demnach wichtige und fortschrittliche Nutzer mit überdurchschnittlicher Kreativität.
Eigene Lösungen müssen sie jedoch nicht zwangsläufig vor den Workshops erarbei-
tet haben. Zudem ist insbesondere im B2C-Bereich zu erkennen, dass das Bedürf-
niswissen nicht unbedingt vor dem Projekt vorhanden sein muss. Stattdessen wer-
den gemeinsam mit den Lead Usern im Workshop Fragestellungen bearbeitet, zu
denen die Nutzer ihre Bedürfnisse bewerten müssen. In der Praxis wird der Lead
User-Begriff daher breiter gefasst als in der Theorie.
PP#2 Am häufigsten werden ein bis fünf Lead User über einen Zeitraum von sechs
bis neun Monaten integriert

In den Projekten der Fallstudien wurden meist fünf bis acht Lead User integriert, so-
dass eine Anzahl von bis zu acht Lead Usern in der Praxis als geeignet bewertet
werden kann. Den Erkenntnissen der Literatur sowie der Umfrage entsprechend ist

271 Vgl. Churchill et al. (2009), Herstatt und von Hippel (1992) sowie Lüthje und Herstatt (2004).
Überprüfen der Propositionen 171

eine Anzahl von mehr als 15 Lead Usern nicht sinnvoll. Im Vergleich zu der Umfrage
(sechs bis neun Monate) dauern die Fallstudienprojekte i.d.R. zwischen drei und
sechs Monate. Dieser Zeitraum wird in den Interviews als empfehlenswert bewertet.
Von einer Dauer von weniger als zwei Monate wird abgeraten, da die Aufgaben ei-
nes Lead User-Projekts zu umfangreich sind. Die Proposition kann also teilweise be-
stätigt werden, eine Integration von ein bis acht Lead User über einen Zeitraum von
etwa sechs Monaten ist empfehlenswert.
PP#3 Die größten Erfolgsfaktoren von Lead User-Projekten sind die Wahrnehmung
als innovatives Unternehmen, Kundenbindung sowie die frühe Erkennung von
Trendsignalen

Diese Erfolgsfaktoren wurden auch in den Fallstudien als wesentlich beurteilt. Die
Proposition wird daher bestätigt. Eine ebenfalls große Bedeutung hat die klare Ziel-
definition sowie eine ausreichende Unternehmensbeteiligung mit den richtigen Abtei-
lungen. Erkennbar ist, dass sowohl bei den Erfolgsfaktoren als auch bei den Heraus-
forderungen viele Aspekte genannt wurden, die dem Projektmanagement zugeordnet
werden können (Zieldefinition, Ressourcenallokation, Terminfindung etc.). Dies ver-
stärkt die Notwendigkeit, Lead User-Projekte in den übergeordneten Innovationspro-
zess einzubinden (vgl. Kapitel 7.2), um das generelle Management von Projekten im
Unternehmen zu verbessern.
PP#4 Die Identifizierung richtiger Lead User ist die größte Herausforderung
Diese Proposition wird durch die Fallstudienanalyse bestätigt. Basierend auf der Lite-
ratur, der Vorstudie sowie der Umfrage und Fallstudienanalyse ist die Identifizierung
geeigneter Lead User die größte Herausforderung von Lead User-Projekten. Diese
Schwierigkeit beeinflusst wiederum andere Aspekte wie Ressourcenverteilung für die
Suche nach Lead Usern (Wie viel Zeit einplanen? Wie viele Mitarbeiter abstellen?
Welche Methoden nutzen? Wie teuer wird die Suche?) oder Motivation der Lead
User (Incentivierung? Bezahlung?).
PP#5 Unternehmen passen den Prozess der Lead User-Integration im Vergleich
zum theoretischen Vorgehen in der Praxis an

Auch diese Proposition wird durch die Fallstudienanalyse bestätigt. Zwar gilt der the-
oretische Prozess nach Lüthje und Herstatt (2004) weiterhin als Basis, dennoch sind
unterschiedliche Vorgehensweisen (Technology Push, Online-Workshops etc.) zu
erkennen. Einen Einfluss auf die Prozessänderung haben dabei die Produktart sowie
die Handelsbeziehung (B2B/B2C). Auch die Anzahl bereits durchgeführter Lead
User-Projekte beeinflusst den Prozess (bspw. mehrmalige Integration gleicher Lead
User). Eine fünfte Prozessphase zur Implementierung der Projektergebnisse in den
generellen Innovationsprozess wird gefordert, jedoch vergleichsweise selten durch-
172 Qualitative Vertiefungsanalyse: Fallstudienanalyse

geführt. Dies verstärkt die Notwendigkeit einer Weiterentwicklung des theoretischen


Prozesses (vgl. Kapitel 7.1) sowie einer Vorlage für die Durchführung von Lead User-
Projekten in der Praxis (vgl. Kapitel 7.4).
PP#6 Der Lead User-Ansatz bringt eher Ideen und Lösungsansätze hervor statt fina-
le Produkt- oder Dienstleistungsinnovationen
Tatsächlich wurde nur bei einem Lead User-Projekt der Fallstudienanalyse (M und
Q) ein finales Produkt entwickelt, umgesetzt und erfolgreich am Markt eingeführt.
Dieses Unternehmen agiert im Bereich B2C, wo die Produktentwicklung mit Nutzern
im Vergleich zu hochspezialisierten B2B-Unternehmen eine weniger komplizierte,
technische Herausforderung darstellt. Aus den übrigen Projekten resultierten eher
Ideen und Konzepte. Diese Proposition kann also bestätigt werden. Interessanter-
weise scheinen die Unternehmen oftmals keine finalen Produkte zu erwarten, son-
dern bewerten Produktideen und -konzepte als Erfolg der Lead User-Projekte. Of-
fenbar herrscht in der Praxis demnach eine geeignete Einschätzung, was der Ansatz
zu leisten im Stande ist. Zur Vermeidung nicht erfüllbarer Erwartungen sollten die
Leistungsmerkmale des Lead User-Ansatzes kommuniziert und dadurch eine einheit-
liche Erwartungshaltung zu Beginn des Projekts sichergestellt werden.
PP#7 Der Lead User-Ansatz ist in den frühen Phasen des Innovationsprozesses
einzuordnen

Eine Einordnung des Lead User-Ansatzes ist tatsächlich hauptsächlich in den ersten
beiden Prozessphasen (Ideengenerierung und -bewertung sowie Konzepterarbeitung
und Produktplanung) sinnvoll. 272 Die Ergebnisse der Fallstudienanalyse bestätigen
daher die aus der vorherigen Studie entwickelte Proposition. Die dritte Phase bein-
haltet die Produktentwicklung, zu der den Lead Usern meist die Kompetenz bzw. In-
formation fehlt. Den Lead Usern dieses Wissen zu verschaffen, wäre oftmals auf-
wendig, sodass eine alleinige Entwicklung durch das Unternehmen effektiver ist. Au-
ßerdem besteht bei der Integration externer Nutzer stets die Gefahr von Wissensab-
fluss. Eine Integration von Lead Usern wäre evtl. in der fünften Phase des Innovati-
onsprozesses zur Überprüfung der Marktdurchdringung möglich. Jedoch ist eine ge-
naue Abschätzung ratsam, ob diese Informationen nicht durch andere, weniger auf-
wendige Methoden erhältlich sind. Das Wissen der seltenen und wichtigen Lead
User sollte daher eher in der Ideen- und Konzeptentwicklung genutzt werden. Eine
detaillierte Einordnung des Lead User-Ansatzes in den Innovationsprozess findet in
Kapitel 7.2 statt.

272 J bestätigt diese Aussage: „Und wenn ich den Lead User-Ansatz als eine Möglichkeit der Idea-
tion verhafte, dann ist es für mich so konkret genug, dass ich weiß, wo ich's verorten muss.“
Überprüfen der Propositionen 173

PP#8 Aufgrund der schwierigen Vorhersehbarkeit des Lead User-Projekts bzw. der
erforderlichen Ressourcen wird in der Praxis ein agiles Projektmanagement
verlangt

Flexibilität wird oft als notwendige Voraussetzung genannt, um auf nicht vorherseh-
bare Situationen und Aspekte spontan reagieren zu können. Agiles Projektmanage-
ment wird als eine Möglichkeit erachtet, Lead User-Projekte flexibler zu gestalten.
Diese Proposition wird also bestätigt. Jedoch gibt es bisher nur ein Unternehmen
(M), das in Lead User-Projekten bewusst und systematisch agiles Projektmanage-
ment anwendet. Die restlichen Befragten nannten dies als gute und erfolgverspre-
chende Möglichkeit, haben es selbst aber noch nicht umgesetzt. Dies birgt Potenzial,
aus der Wissenschaft heraus die Grundlagen für ein agiles Projektmanagement von
Lead User-Projekten zu schaffen (vgl. Kapitel 7.3).
Zusammenfassend kann die zweite Proposition (Anzahl Lead User und Dauer der
Projekte) nur teilweise bestätigt werden, die restlichen Propositionen werden alle be-
stätigt. Nachfolgend werden diese Erkenntnisse umgesetzt, indem der theoretische
Prozess erweitert und in den übergeordneten Innovationsprozess eingeordnet wird.
Schließlich wird eine Best Practice für Lead User-Projekte abgeleitet.
7 Diskussion und Umsetzung der Ergebnisse
Aus der Vorstudie (Vergleich der Literaturanalysen), der quantitativen (Online-
Befragung) sowie der anschließenden qualitativen Analyse (Fallstudienanalyse) re-
sultieren eine Vielzahl bisher weniger erforschter Erkenntnisse aus der Praxis. In Ta-
belle 21 werden die wesentlichen Erkenntnisse zusammengefasst:

Tabelle 21: Zusammenfassung der Erkenntnisse aus der Praxis

Literaturanalysen Online-Befragung Fallstudienanalyse

Abteilungen Interdisziplinäres Team Meist Innovationsmana- Individuelle Beteiligung,


empfohlen; meist Marke- gement, Marktforschung, meist Forschung & Ent-
ting sowie Forschung & Forschung & Entwick- wicklung, Marktforschung
Entwicklung lung; oftmals auch wis- und (falls vorhanden)
senschaftliche Partner Innovationsmanagement

Bekannt- Erläuterung des Ansatzes 39% der Befragten ken- Nur 3 von 17 Personen
heit 273 in 27% der Praxisartikel, nen den Ansatz, nur 20% aus dem Studium be-
in 73% nur Erwähnung davon aus dem Studium kannt

Erfolgs- Moderation, umfangrei- Unternehmensfokus: Projektmanagement:


faktoren che Dokumentation, Be- Neben frühzeitiger Trend- Flexibilität, klare Zielset-
teiligung möglichst vieler identifizierung ist Außen- zung, Glück, Motivation
Abteilungen wirkung sowie Kunden- sowie Beteiligung exter-
bindung wichtig ner und interner Experten

Evaluation Grundsätzlich positive Zu 90% positiv und Pro- Grundsätzlich positiv,


Bewertung, erfolgver- jektziele zu 93% erreicht jedoch geringere Erwar-
sprechende Methode tungshaltung

Herausforde- Identifizierung der Lead Identifizierung geeigneter Identifizierung der Lead


rungen User, falsches Verständ- Lead User, falsches Ver- User, sonst Fokus auf
nis, mangelnde Kommu- ständnis von Lead Usern Projektmanagement:
nikation und Ergebnis- sowie fehlende Umset- Ressourcenbedarf,
umsetzung zung der Ergebnisse Messbarkeit etc.

Organisation Zwischen 6 und über 30 Meist 1 bis 5 Lead User Meist 5 bis 8, maximal 15
Lead User, Zeitraum 14 über Zeitraum von 6 bis 9 Lead User über Zeitraum
Tage bis 6 Monate Monaten von 3 bis 6 Monaten

Prozess Abweichungen im Pro- Jedes zweite Unterneh- Nah an Theorie, jedoch


zess erkennbar (bspw. men (47%) ändert theo- Forderung nach fünfter
Ideengenierung durch retischen Prozess Umsetzungsphase sowie
Kollektiv, Bewertung flexibleren, agilen Pro-
durch Lead User) jektmanagement

Verständnis Vergleichsweise viele Teilweise falsches Ver- Eigenschaften nach von


Abweichungen in Fachar- ständnis von Lead Usern Hippel als Basis, jedoch
tikeln; teilweise falsche (Early Adopter etc.) allgemeineres Verständ-
Erläuterungen von Lead nis (bspw. eher kreative
Usern Leute im B2C-Bereich)

273 Da im Rahmen der Fallstudienanalyse Interviews mit Unternehmen geführt wurden, die bereits
Lead User-Projekte durchgeführt haben, war diesen Befragten der Ansatz bekannt.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017


J. Lehnen, Integration von Lead Usern in die Innovationspraxis,
Forschungs-/ Entwicklungs-/ Innovations-Management,
DOI 10.1007/978-3-658-19385-0_7
176 Diskussion und Umsetzung der Ergebnisse

Basierend auf diesen Erkenntnissen wird in Kapitel 7.1 der theoretische Prozess er-
weitert und in Kapitel 7.2 in den Innovationsprozess eingeordnet. In Kapitel 7.3 wird
der Lead User-Ansatz mit dem Stage-Gate-Prozess und dem agilen Projektmana-
gement kombiniert. Kapitel 7.4 bietet eine Best Practice für die Anwendung des Lead
User-Ansatzes inkl. Voraussetzungen, Aufgaben und Ziele für jede Projektphase.
Schließlich werden die Forschungsfragen beantwortet (Kapitel 7.5).

7.1 Erweiterung des theoretischen Prozesses


Bei der Online-Befragung wurde die Einführung einer fünften Umsetzungsphase als
eine Möglichkeit genannt, die Ergebnisimplementierung zu gewährleisten. Dies wur-
de durch die Fallstudien bestätigt. Zusätzlich wurde eine konkretere Benennung der
Phasen (statt bspw. Start des Lead User Projektes) gefordert. Basierend auf dem
Lead User-Prozess nach Lüthje und Herstatt (2004) wurden diese Änderungen auf-
genommen und in einen fünfstufigen Prozess übertragen (Abbildung 38). Zudem
wurden in die Unterphasen Aspekte integriert, die in der Praxis als besonders wichtig
bewertet wurden (bspw. Verifizierung der Lead Userness).

(1) Projektorganisation und Zieldefinition

• Definition des Projektziels


• Projektplanung
• Interdisziplinäres Team
• Ressourcenallokation

(2) Bedürfnis- und Trendidentifikation

• Literatur-, Internet- und Datenbankrecherche


• Expertengespräche
• Auswahl der relevanten Bedürfnisse und Trends

(3) Identifizierung der Lead User

• Identifizierung geeigneter Lead User (online/offline)


• Suche im Zielmarkt und analogen Märkten
• Verifizierung der Lead Userness
• Terminvereinbarung für Workshops

(4) Workshop und Konzeptentwicklung

• Workshop mit Lead Usern und Mitarbeitern


• Entwicklung von Ideen
• Weiterentwicklung zu Lösungskonzepten
• Auswahl geeignetster Konzepte
• Prüfung Markttauglichkeit

(5) Evaluierung und Implementierung

• Kommunikation der Ergebnisse im Unternehmen


• Weiterentwicklung der Konzepte
• Erstellung eines Umsetzungsplans
• Prüfung und Evaluierung der Umsetzung

Abbildung 38: Weiterentwicklung des Lead User-Prozesses 274

274 Quelle: Eigene Darstellung basierend auf Lüthje und Herstatt (2004) sowie Studienresultaten.
Erweiterung des theoretischen Prozesses 177

(1) Projektorganisation und Zieldefinition

Um eine für alle Beteiligten identische Erwartungshaltung zu gewährleisten, ist die


Definition der Projektziele zu Beginn essenziell. Dadurch wird Frustration vermieden,
wenn falsche Erwartungen nicht erfüllt werden. Zudem bietet sich so die Möglichkeit
einer nachvollziehbaren und eindeutigen Beurteilung des Projekterfolgs durch Ab-
gleich der Ziele mit den tatsächlichen Resultaten. Basierend auf den angestrebten
Zielen wird das Projekt geplant und das Projektteam zusammengestellt. Welche Mit-
arbeiter seitens des Unternehmens am Projekt beteiligt werden, sollte individuell be-
stimmt werden (je nach Produktart, Unternehmensorganisation etc.). Eine Integration
der Abteilungen Innovationsmanagement, Forschung & Entwicklung sowie Produkt-
entwicklung erscheint grundsätzlich sinnvoll. Aufgrund der schwierigen Vorherseh-
barkeit von Lead User-Projekten sollte jedoch eine gewisse Flexibilität auch im Hin-
blick auf die Teamzusammensetzung vorhanden sein. Sollte im Laufe des Projekts
festgestellt werden, dass die Expertise bestimmter Mitarbeiter fehlt oder die Teilnah-
me bereits involvierter Personen überflüssig ist, ist die Restrukturierung des Teams
sinnvoll. Ebenfalls ratsam ist die Erstellung eines Projektplans inkl. Meilensteinen.
Auch hier wird eine ausreichende Flexibilität bei der Projektsteuerung empfohlen.
Schließlich werden die Ressourcen (Finanzen, Personal, Zeit) verteilt.
(2) Bedürfnis- und Trendidentifikation

Zur Identifizierung der relevanten Bedürfnisse und Trends sollte zunächst eine Ana-
lyse vorhandener Sekundärliteratur durchgeführt werden (Internet, Datenbanken,
Journal- und Fachartikel). Die Nutzung dieser Informationen ist simpel, vergleichs-
weise schnell durchführbar und kostengünstig. Insbesondere die Analyse internetba-
sierter Informationen hat in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen, da das In-
ternet eine Vielzahl an Informationen bietet. Nichtsdestotrotz ist die Ermittlung und
Analyse von Primärdaten i.d.R. unerlässlich, um spezifische Informationen zu erhal-
ten. Dazu können zunächst Experten innerhalb des eigenen Unternehmens befragt
werden. Dies ist vergleichsweise einfach möglich und steigert die Akzeptanz des
Lead User-Projekts, da sich die Kollegen in den Prozess integriert fühlen. Zudem
bieten solche Experten den Vorteil, über die Produkte, Organisation und Möglichkei-
ten des Unternehmens genau Bescheid zu wissen. Um jedoch Betriebsblindheit zu
vermeiden, sind Gespräche mit externen Personen, auch aus analogen Märkten,
empfehlenswert. Solche externen Einschätzungen bilden zudem die Markttauglich-
keit ab. Schließlich werden auf Basis der Analysen und Gespräche relevante Trends
und Bedürfnisse identifiziert. Diese dienen als Grundlage für die Lead User-
Identifizierung in der dritten Phase.
178 Diskussion und Umsetzung der Ergebnisse

(3) Identifizierung der Lead User

Nach Lead Usern sollte sowohl im Zielmarkt als auch in analogen Märkten gesucht
werden. 275 Die Identifizierung der Lead User kann durch die Nutzung internetbasier-
ter Tools und Programme unterstützt werden. Jedoch ist dabei das persönliche Ge-
spräch mit den potenziellen Lead Usern vor Beginn der Workshops unverzichtbar,
um die Person hinter den Kommentaren, Avataren und Internetaktivitäten zu erken-
nen. Ein in der Praxis oft genannter Aspekt ist die Terminfindung für die Workshops.
Obwohl Lead User definitionsgemäß zur kooperativen Innovationsentwicklung und
dadurch zur Teilnahme an den Workshops motiviert sind, ist ein für alle Lead User
realisierbarer Termin oftmals schwer zu finden - insbesondere vor dem Hintergrund,
dass viele Lead User innerhalb ihrer Anstellung stark beansprucht sind. Eine frühzei-
tige Terminfindung ist daher ratsam. Die Incentivierung der Lead User - in welcher
Form auch immer (Geld, Produkte, Gutscheine etc.) - sollte individuell entschieden
werden. Die Fallstudienanalyse ergab jedoch, dass ein Verzicht auf eine Vergütung
nicht selbstverständlich vom Lead User verlangt werden sollte.
(4) Workshop und Konzeptentwicklung

Der Workshop ist das Kernelement eines Lead User-Projekts. Dabei entwickeln Lead
User gemeinsam mit dem Unternehmen innovative Ideen und Konzepte. Die empiri-
schen Ergebnisse aus der Praxis verdeutlichen, dass die Auswahl der Lead User,
der involvierten Mitarbeiter sowie des Moderators einen wesentlichen Einfluss auf die
Workshopergebnisse hat. Zwar sind in den Fallstudien Unternehmen enthalten, die
einen solchen Workshop online durchgeführt haben. Jedoch wurde vom Großteil der
Befragten darauf hingewiesen, dass der persönliche Kontakt aller Beteiligten uner-
lässlich ist, um von der Kreativität, dem Teamspirit und den Diskussionen zu profitie-
ren. Weiterhin wurde die Wahl externer Moderatoren und Standorte empfohlen. Ein
externer Moderator gewährleistet eine objektivere Sicht und Führung des Work-
shops. Bei der Moderation durch einen Unternehmensmitarbeiter besteht hingegen
die Gefahr, die Diskussionen in gewisse Richtungen zu lenken oder Ideen frühzeitig
abzublocken, da diese für das Unternehmen nicht geeignet scheinen. Jedoch können
zunächst unpassend anmutende Ideen als Ausgangsbasis für weitere Vorschläge
dienen. Eine Location außerhalb des Unternehmens trägt dazu bei, den Erwartungs-
druck auf die Lead User zu verringern. Findet der Workshop in den firmeneigenen
Räumlichkeiten statt, fühlen sich Lead User evtl. in einer Erbringungssituation (Un-
ternehmen hat eingeladen, Lead User muss liefern). Zudem ist ein sehr wichtiger
Faktor, dass auch die Unternehmensmitarbeiter ihr Tagesgeschäft verlassen und

275 Zum Bsp. identifizierte eines der im Rahmen der Fallstudienanalyse befragten Unternehmen
der Automatisierungstechnik (L) einen Lead User aus dem Bereich der Medizintechnik, der für
die Themenstellung sehr wertvolle Beiträge leisten konnte.
Einordnung in den Innovationsprozess 179

sich ein bis zwei Tage vollständig auf den Workshop konzentrieren. Gemeinsam
werden in den Workshops Ideen generiert, bewertet und die vielversprechendsten
identifiziert. Die Umsetzbarkeit der Ideen sollte dabei beachtet werden. Aus den
Ideen werden schließlich konkretere Konzepte entwickelt.
(5) Evaluierung und Implementierung
Die Beendigung des Lead User-Prozesses nach der vierten Phase (Workshop), wie
in der Theorie etabliert, ist ein wesentlicher Kritikpunkt innerhalb der empirischen
Studien (insb. Fallstudienanalyse). Viele Unternehmen merkten an, dass zwar inte-
ressante und erfolgversprechende Resultate erzielt, aber nur unzureichend oder gar
nicht umgesetzt wurden. Der Prozess wird daher um eine Phase der Evaluierung und
Implementierung erweitert. Wichtig ist dabei, dass Verantwortliche für die Umsetzung
definiert werden. Weiterhin wird die Erstellung eines Umsetzungsplans empfohlen,
dessen Realisierung durch die verantwortliche Person verifiziert und sichergestellt
werden sollte. Um die Akzeptanz und Aufmerksamkeit innerhalb des Unternehmens
zu erhöhen, sollten die Ergebnisse bzw. eine Zusammenfassung des gesamten Pro-
jekts unternehmensintern kommuniziert werden. Auch die externe Kommunikation
eines erfolgreichen Lead User-Projekts kann die Außenwirkung positiv beeinflussen -
dies wurde als ein wesentlicher Erfolgsfaktor von Lead User-Projekten geäußert. Je-
doch sollte darauf geachtet werden, nicht zu früh wichtige Informationen und Daten
zu veröffentlichen.
Der erläuterte Prozess zur Lead User-Integration zeigt eine auf empirischen Daten
basierende, idealtypische Vorgehensweise, die wesentliche Schwächen des bisheri-
gen Prozesses aufgreift und zu verhindern versucht. Jedes Projekt ist jedoch indivi-
duell und sollte auch so durchgeführt werden. Zudem sollte die Einbettung des Lead
User-Projekts in den übergeordneten Innovationsprozess gesichert werden, damit
Probleme bei der Ergebnisimplementierung verhindert werden können.

7.2 Einordnung in den Innovationsprozess

Als eine große Problematik von Lead User-Projekten wurde innerhalb der Studien
mehrfach geäußert, dass solche Projekte oft losgelöst vom übergeordneten Innova-
tionsprozess stattfinden. 276 Deren Verbindung zu anderen Projekten und Aktivitäten
des Innovationsmanagements ist daher oftmals unzureichend, sodass die Umset-
zung der Ergebnisse erschwert wird (vgl. Kapitel 5.2.4.6 und 6.2.5.3). Für die optima-
le Umsetzung des Lead User-Ansatzes ist deshalb wichtig, diese Projekte genau in
den Innovationsprozess einzuordnen (an welcher Stelle im Innovationsprozess sollte

276 Grundlage ist der in Kapitel 2.1.3 erläuterte Innovationsprozess nach Herstatt und Verworn
(2007).
180 Diskussion und Umsetzung der Ergebnisse

welche Phase des Lead User-Ansatzes platziert werden?), um die Implementierung


zu verbessern. Durch die Erweiterung des Lead User-Prozesses (Kapitel 7.1) ergibt
sich zudem eine neue Zuordnung der jeweiligen Phasen.
Der weiterentwickelte Lead User-Ansatz ist den ersten beiden Phasen des Innovati-
onsprozesses zuzuordnen (vgl. Kapitel 2.1.3) (Herstatt und Verworn 2007). Bei der
Ideengenierung und -bewertung sowie der Konzepterarbeitung und Produktplanung
können Lead User einen enormen Beitrag leisten. Die anschließenden Phasen (Ent-
wicklung, Prototypenbau/Pilotanwendung/Testing und Produktion/Markteinführung/-
durchdringung) obliegen dem Unternehmen. Die 4. Phase des Lead User-Ansatzes
(Workshop und Konzepterstellung) muss dabei den ersten beiden Phasen des Inno-
vationsprozesses zugeordnet werden. Schließlich dient der Workshop zur Ideenge-
nerierung und -bewertung (Phase 1), die Konzepterstellung hingegen entspricht
Phase 2 im Innovationsprozess (Konzepterarbeitung, Produktplanung). Abbildung 39
visualisiert die Zuordnung des Lead User-Ansatzes zu den jeweiligen Innovations-
phasen:

Phase 4 Phase 5
Phase 1 Phase 2
Phase 3 Prototypenbau, Produktion,
Ideengenerierung und - Konzepterarbeitung,
Entwicklung Pilotanwendung, Markteinführung und
bewertung Produktplanung
Testing -durchdringung

1. Projektorganisation
und Zieldefinition
2. Bedürfnis- und
Trendidentifikation
3. Identifizierung Lead
User

4. Workshop und Konzeptentwicklung

5. Evaluierung und
Implementierung

Abbildung 39: Zuordnung des Lead User-Ansatzes zu den Innovationsphasen 277

Der wesentliche Teil eines Lead User-Projekts ist demnach der ersten Phase des
Innovationsprozesses zuzuordnen, wobei die organisatorischen Aufgaben der Pro-
jektorganisation sowie die Zieldefinition die Ausgangsbasis darstellen. Der vierte
Schritt des Lead User-Prozesses (Workshop und Implementierung) beginnt am Ende
der ersten Innovationsphase (Ideengenerierung und -bewertung) und erstreckt sich
über die zweite Phase des Innovationsprozesses (Konzepterarbeitung und Produkt-
planung). Besonders kritisch ist der Übergang der zweiten zur dritten Innovations-
phase nach Beendigung des Lead User-Projekts. Wichtig ist, dass die erarbeiteten
Ergebnisse tatsächlich in der Entwicklung umgesetzt werden. Dies wird durch den

277 Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an den Innovationsprozess nach Herstatt und Verworn
(2007).
Agil/Stage-Gate Hybrid für Lead User-Projekte 181

zugefügten Schritt der Evaluierung und Implementierung gewährleistet (vgl. Kapitel


7.1).

Um die Umsetzung zu unterstützen bzw. zu systematisieren, ist die Einführung ge-


eigneter Checkpoints sinnvoll. Nur wenn die Aufgaben am Ende einer jeden Phase
erfüllt sind, sollte in die nächste Phase übergegangen werden. Dies garantiert, dass
die jeweiligen Ziele der Phasen erreicht wurden. Ist dies nicht der Fall, sollten die
Aufgaben wiederholt werden. Dazu bietet sich an, das in den Studien häufig genann-
te agile Projektmanagement mit dem Stage Gate-Prozess nach Cooper (2001) zu
kombinieren.

7.3 Agil/Stage-Gate Hybrid für Lead User-Projekte

Die Integration von Lead Usern in den Stage-Gate-Prozess ist nicht neu. 278 Cooper
selbst empfiehlt die Lead User-Integration zu Beginn des Stage-Gate-Prozesses
(Discovery-Phase), um innovative Produktideen zu entdecken (Cooper 2001). 279
Dabei wird die Arbeit mit Lead Usern als eine viel versprechende Methode zur Ent-
wicklung innovativer Ideen erläutert: „If you work with an average customer, you’ll get
average ideas. But if you identify a select group of innovative or lead users, and work
closely with them, then expect much more innovative new products“ (ebd., S. 165).
Dazu wird der Lead User-Prozess nach von Hippel skizziert und anhand der Beispie-
le 3M und Hilti erläutert. Zwar zeigt Cooper, dass die Integration von Lead Usern in
den ersten Phasen des Stage-Gate-Prozesses (Discovery und Ideation) stattfinden
sollte. Jedoch bringt Cooper keine genauere Einordnung oder Kombination des Lead
User-Ansatzes mit dem Stage-Gate-Prozess.
Eine Möglichkeit zur Kombination des Lead User-Ansatzes mit dem Stage Gate-
Prozess ist daher das Agile/Stage-Gate Hybridmodell nach Lehnen et al. (2016)
(Abbildung 40). 280 Dieser Ansatz integriert relevante Vorteile des agilen Projektma-
nagements (bspw. Scrum-Meetings) in den Lead User-Prozess, kombiniert diese mit
Aspekten des Stage Gate-Prozesses (bspw. Gates) und stellt somit eine Reaktion
auf die in den empirischen Studien angesprochene Inflexibilität von Lead User-
Projekten dar.

278 Als Grundlage dient der in Kapitel 2.1.3 erläuterte, fünfstufige Stage Gate-Prozess der dritten
Generation. Es existieren Variationen zur Beschleunigung des Prozesses wie der Stage Gate
XPress (drei statt fünf Stages) oder Stage-Gate Lite (zwei statt fünf Phasen) (Cooper 2001;
Cooper und Sommer 2016.)
279 „It‘s an approach that Eric Von Hippel of MIT pioneered years ago, and it has recently gained
prominence at 3M as a key tool for uncovering innovative product ideas“ (Cooper 2001, S. 165).
280 Dieses Paper wurde im International Journal of Product Development, 21 (2/3), S. 212-232,
veröffentlicht.
182 Diskussion und Umsetzung der Ergebnisse

Sprints Scrum Meeting (daily)


15min 15min 15min 15min 15min

2 weeks

2 weeks

2 weeks

2 weeks
1 week

Trends and Needs


Project Definition

Identification and
Investigation of

Achievement
Verification
Lead User

Lead User
Workshop

Validation
Gate 1 Gate 2 Gate 3 Gate 4 Gate 5

Abbildung 40: Agile/stage-gate hybrid for lead user projects 281

Dieses Vorgehen basiert auf dem Modell nach Sommer et al. (2015), das ein Hybrid
aus agilen Projektmanagement (Scrum) und dem Stage Gate-Prozess nach Cooper
darstellt. Dass die Nutzung eines Agile-Stage-Gate Hybrid Modells sinnvoll ist, wei-
sen zudem Cooper und Sommer (2016) nach. Da die Studien im Rahmen dieser Ar-
beit zeigen, dass viele Probleme des Lead User-Ansatzes aus fehlerhaftem Projekt-
management resultieren (vgl. Kapitel 5.2.4.6 und 6.2.4), ist die Verbindung dieses
Modells zum Lead User-Ansatz naheliegend. Die fünf elementaren Phasen des Lead
User-Prozesses, wie in Kapitel 7.1 dargestellt, bleiben dabei erhalten.

Sprints und Scrum Meetings

Eine wesentliche Erweiterung stellen zunächst die Sprints und (täglichen) Scrum
Meetings dar, die sich im agilen Projektmanagement etabliert haben (Schwaber und
Sutherland 2016). Innerhalb dieser Sprints werden Ergebnisse erarbeitet, die i.d.R.
alle zwei Wochen 282 in Sprintmeetings evaluiert werden. Innerhalb dieser Meetings
werden die vergangenen Aktivitäten bewertet, eventuelle Verbesserungen definiert
sowie die zukünftigen Sprintaufgaben geplant. In der ersten Phase der Projektdefini-
tion sollten die Sprintmeetings in kürzerer Abfolge (eine Woche) stattfinden. Da in
dieser Phase die Projektziele, der (grobe) Projektverlauf sowie die Ressourcen des

281 Quelle: Lehnen et al. (2016, S. 224). Aufgrund der englischsprachigen Publikation wird das
Modell in englischer Sprache dargestellt. Die Phasenbezeichnungen weichen wörtlich, jedoch
nicht sinngemäß vom Modell in Kapitel 7.1 ab.
282 Die Dauer der Sprints ist abhängig vom Unternehmen, umfasst i.d.R. aber ein bis zwei Wochen.
Auch eine längere Sprintdauer (bis zu fünf Wochen) ist denkbar. Jedoch ergibt sich dadurch
das Risiko, dass Aktivitäten, die nicht zielführend sind, für einen längeren Zeitraum unbeobach-
tet bleiben bzw. nicht evaluiert werden. Eine kürzere Sprintdauer und dadurch kürzere Zeit-
spanne zwischen den einzelnen Evaluationen der Projektaktivitäten erhöht die Möglichkeit des
Eingreifens und reduziert dadurch das Risiko.
Agil/Stage-Gate Hybrid für Lead User-Projekte 183

Projekts geplant werden, existiert ein höherer Abstimmungsbedarf. Wöchentliche


Sprintmeetings sind daher zu empfehlen. Srcrummeetings sollten hingegen täglich
durchgeführt werden. Diese etwa 15-minütigen Besprechungen sollten stets am glei-
chen Ort zur gleichen Uhrzeit stattfinden, um die Planung zu vereinfachen und eine
Kontinuität zu gewährleisten. Geleitet werden diese Meetings vom so genannten
Scrum Master, der mit dem Entwicklungsteam die Erledigung vergangener sowie die
Planung zukünftiger Aufgaben bespricht (Sommer et al. 2015). Im Vordergrund die-
ser kurzen Meetings steht jedoch lediglich die organisatorische Bewertung der Er-
gebnisse (vorhanden oder nicht), um die iterative Projektplanung durchführen zu
können. 283 Inhaltliche Fragestellungen, bspw. zur Lösungsfindung fachlicher Heraus-
forderungen, sollten in nachfolgenden Gesprächen besprochen werden. Dadurch
wird gewährleistet, dass nur die relevanten Mitarbeiter an diesen Besprechungen
teilnehmen und die anderen Kollegen nicht unnötig Zeit verlieren, was negativ auf die
Motivation wirken kann (Hoogendoorn 2014).

Gates
Die zweite essentielle Erweiterung des Lead User-Prozesses stellt das Hinzufügen
relevanter Gates zwischen den einzelnen Phasen dar. Dies bedeutet eine Überprü-
fung der Zielerreichung der vorherigen Phase. Nur wenn die zuvor definierten Aufga-
ben zufriedenstellend durchgeführt wurden, geht das Projekt in die nachfolgende
Phase über. Sind Aufgaben offen oder Resultate unzureichend, müssen diese nach-
gebessert oder erarbeitet werden. In der ersten Phase wird ein Zeitplan erstellt, bei
dem die Gatemeetings terminiert werden. So kann sichergestellt werden, dass alle
relevanten Stakeholder frühzeitig zu den Meetings eingeladen werden. Die Planung
der Sprints ist hingegen Aufgabe des Projektteams selbst und wird zu Beginn der
Sprints festgelegt (Cooper 2001). Durch diese rollierende Planung wird die Flexibilität
des Projekts gewährleistet (Möhrle und Isenmann 2008).
Können Lead User bis zu der Phase der Konzeptentwicklung im Rahmen der Work-
shops noch wertvolle Hinweise geben, sollte die Phase der Evaluierung und Imple-
mentierung vom Unternehmen größtenteils selbst durchgeführt werden. Eine weitere
Zusammenarbeit für andere Projekte sowie eine ausführliche Erläuterung der
schlussendlichen Projektergebnisse (Was wurde umgesetzt?) ist jedoch ratsam, um
die Lead User an das Unternehmen zu binden bzw. sie als Fürsprecher zu gewinnen.
Ein effektives Projektmanagement erhöht die Erfolgschancen von Lead User-
Projekten maßgeblich. Jedoch muss beachtet werden, dass den größten Einfluss auf
die Qualität der Ergebnisse die Personen haben, die die Ideen und Konzepte erarbei-

283 Die erarbeiteten Ergebnisse werden im so genannten Projekt Backlog festgehalten, um die
Nachvollziehbarkeit, bspw. für den Auftraggeber, zu sichern (Highsmith 2010).
184 Diskussion und Umsetzung der Ergebnisse

ten. Die Auswahl geeigneter Lead User sowie Mitarbeiter ist daher essenziell.
Schließlich ersetzt ein gutes Projektmanagement nicht die Generierung vieler Ideen,
aus denen letztlich wenige erfolgversprechende gefiltert werden: „Don’t expect a su-
perb new product process to overcome a deficiency in good new product ideas. The
need for great ideas coupled with high attrition of ideas means that the idea genera-
tion stage is pivotal: You need great ideas and lots of them“ (Cooper 2001, S. 133).

Der in den empirischen Studien identifizierte Nachteil der schwierigen, inflexiblen


Planung von Lead Usern wird durch den iterativen Prozess verhindert oder zumin-
dest verringert. Zu erwähnen ist jedoch, dass agiles Projektmanagement, trotz des
aktuell vorherrschenden Hypes (Hoogendoorn 2014), kein „Allheilmittel“ für sämtliche
Herausforderungen darstellt. Die Einführung von agilem Projektmanagement als
neue und dadurch unbekannte Projektform kann selbst Probleme verursachen. Der
Vorteil für das Unternehmen sollte daher genau geprüft und jedes Projekt individuell
an den jeweiligen Kontext angepasst werden (Sommer et al. 2015). 284

Das dargestellte Modell gewährleistet durch die stetige Überprüfung der Zielerrei-
chung im Rahmen der Scrum- und Sprintmeetings eine Reduzierung des Projektrisi-
kos. Voraussetzung dafür ist die Definition der Gates. Diese wird nachfolgend in
Form einer Best Practice für die Durchführung von Lead User-Projekten erläutert.

7.4 Best Practice für die Anwendung des Lead User-Ansatzes


Aus den Praxisstudien konnten wichtige Erkenntnisse abgeleitet werden, wie ein er-
folgreiches Lead User-Projekt durchgeführt werden sollte. Daraus wird nachfolgend
ein Leitfaden (Best Practice) für die Durchführung von Lead User-Projekten abgelei-
tet und für die einzelnen Projektphasen erläutert (Tabelle 22 bis 26). 285 Für die Pra-
xis relevant sind dabei das Ziel, die Voraussetzungen sowie die Aufgaben der jewei-
ligen Phase. Zur Steigerung der Praxistauglichkeit des Lead User-Ansatzes werden
zudem Checklisten mit wesentlichen Fragen definiert. 286

284 Wurden mit dem bisherigen, traditionellen Projektmanagement zufriedenstellende Ergebnisse


erzielt, muss agiles Projektmanagement nicht zwangsläufig eingeführt werden. Für die inner-
halb der Studien genannten Probleme stellt diese Form der Projektsteuerung allerdings eine er-
folgversprechende Möglichkeit dar.
285 Die Ausführung der Lead User-Integration nach diesen Vorgaben erhöht die Erfolgschancen,
jedoch sollte beachtet werden, dass die Durchführung eines Lead User-Projekts je Unterneh-
men unterschiedlich ist. Eine Anpassung an die jeweiligen Rahmenbedingungen ist daher not-
wendig und hat evtl. eine andere Abfolge oder Ausprägung (Voraussetzungen, Aufgaben etc.)
im Vergleich zu dieser Best Practice zur Folge.
286 Die Best Practice fasst die wesentlichen Erkenntnisse der vorherigen Kapitel (8.1 bis 8.3) zu-
sammen (fünfstufiger Prozess, Einordnung in den Innovationsprozess, agiles Projektmanage-
ment). Es kommt daher zu Überschneidungen mit den vorherigen Inhalten. Das bestmögliche
Ergebnis der Lead User-Projekte wird jedoch erzielt, wenn alle zuvor erarbeiteten Aspekte ge-
bündelt und gemeinsam angewandt werden.
Best Practice für die Anwendung des Lead User-Ansatzes 185

Tabelle 22: Best Practice für die Projektorganisation und Zieldefinition

(1) Projektorganisation und Zieldefinition

Schaffung der organisatorischen Rahmenbedingungen und klare Formulie-


Ziel
rung der Projektziele

- Kenntnis des Lead User-Ansatzes aller Beteiligten


- Motivation aller Projektbeteiligten
Voraussetzungen - Managementsupport
- Grundsätzliche Durchführbarkeit des Projekts (ausreichende Ressour-
cen, Passen in Strategie- und Zeitplanung des Unternehmens)

- Teamzusammensetzung: Interdisziplinäres Projektteam (individuell;


Teilnahme von Innovationsmanagement, Forschung & Entwicklung,
Produktentwicklung und Marketing wird empfohlen)
- Definition des Projektziels: Realistische Ziele unter Berücksichtigung
aller Projektbeteiligten
Aufgaben - Projektplanung: Erstellung eines Projektplans; Planung von aus-
reichenden Puffern zur Gewährleistung der Flexibilität
- Ressourcenallokation: Einplanung einer ausreichenden Menge von
Finanzen, Zeit und Mitarbeitern
- Kommunikation: Erläuterung des Projektvorhabens an Entscheidungs-
träger (Managementsupport) und übrige Mitarbeiter (Akzeptanz)

9 Ist das Ziel deutlich formuliert und an alle Beteiligten kommuniziert?


9 Sind alle Mitarbeiter motiviert oder gibt es Einwände gegenüber dem
Projekt, der Planung oder Teamzusammensetzung?
Checkliste
9 Existieren Widerstände, die den Projektverlauf behindern könnten?
9 Ist der Managementsupport gesichert und die Ressourcen gebilligt?
9 Wurde ein verständlicher, detaillierter Projektplan definiert?

Die erste Phase hat als Projektstart einen enormen Stellenwert (Kuster et al. 2011).
Darin werden mit der Projektplanung, Teamzusammensetzung und Ressourcenallo-
kation die maßgeblichen Projektvorgaben definiert (Corsten 2000; Verworn 2005).
Der Definition der Projektziele kommt dabei eine herausragende Bedeutung zu, da
sie die Basis jeglicher Aktivitäten sowie der Erwartungshaltung darstellen. Zudem
sind zuvor definierte Ziele Voraussetzung für die Erfolgsmessung am Projektende
(Davenport et al. 1998). In der Praxis wird der Aspekt der Kommunikation in dieser
Phase als sehr bedeutend bewertet. Von Anfang an müssen ausreichende Informati-
onen (bspw. Ziel, Umfang, Projektdauer) kommuniziert werden - sowohl an die Pro-
jektteilnehmer als auch an die übrigen Unternehmensmitarbeiter. Die Erfahrung zeigt
zudem, dass Unternehmen oftmals eine Abneigung gegenüber Externem zeigen (Not
invented here-Syndrom). Die Erläuterung des Lead User-Projekts sowie der Metho-
dik ist daher essenziell, um eine ausreichende Akzeptanz zu gewährleisten.
186 Diskussion und Umsetzung der Ergebnisse

Tabelle 23: Best Practice für die Bedürfnis- und Trendidentifikation

(2) Bedürfnis- und Trendidentifikation

Identifizierung der relevanten Kundenbedürfnisse und Trends, für die eine


Ziel
Innovation entwickelt werden soll

- Vorhandene Zieldefinition, um die Art der angestrebten Innovation zu


definieren
- Kenntnisse über unterschiedliche Erhebungsformen zur Informations-
Voraussetzungen
beschaffung (Experteninterviews, Analyse von Branchenreports etc.)
- Umfangreiche Kenntnisse über aktuelle Produkte, Technologien und
Dienstleistungen, um zukünftige Trends zu erkennen

- Literatur-, Internet- und Datenbankrecherche: Die Analyse von Se-


kundärdaten ergibt schnell und kostengünstig erste Informationen, zu-
sätzlich sollten jedoch auch Primärdaten erhoben werden
- Expertengespräche: Zur Identifizierung spezifischer Informationen
Aufgaben sollten zunächst Experten im eigenen Unternehmen und daraufhin ex-
terne Spezialisten befragt werden
- Auswahl der relevanten Bedürfnisse und Trends: Bestimmung der
aus Sicht des gesamten Projektteams relevantesten Trends als Basis
der Lead User-Identifizierung

9 Sind die identifizierten Trends wirklich neu oder existieren bereits glei-
che bzw. ähnliche Produkte/Dienstleistungen?
Checkliste 9 Sofern die Trends neuartig sind, sind sie auch erfolgversprechend?
9 Ist grundsätzlich vorstellbar, dass sich diese Trends auf dem Massen-
markt etablieren oder sind es eher Nischentrends?

Die zweite Phase der Bedürfnis- und Trendidentifikation beeinflusst die Identifizie-
rung der Lead User (3. Phase) und dadurch den Projekterfolg maßgeblich (Herstatt
und von Hippel 1992). Zur Generierung erster Informationen können Literatur-, Inter-
net- und Datenbankrecherchen durchgeführt werden (Spann et al. 2009). Die zusätz-
liche Erhebung von Primärdaten (Interviews etc.) ist i.d.R. jedoch erforderlich (von
Hippel et al. 2009). Voraussetzung dafür ist die Kenntnis unterschiedlicher Erhe-
bungsformen zur Informationsbeschaffung (bspw. Analyse von Branchen- und Un-
ternehmensreports oder Durchführung von Experteninterviews). Basierend auf den in
dieser Phase definierten Bedürfnissen und Trends werden die erforderlichen Eigen-
schaften der Lead User bestimmt, nach denen im folgenden Schritt gesucht wird.
Daher gilt es, die identifizierten Trends durch ausgiebige Recherche (mehrfache Ex-
pertengespräche etc.) zu validieren. 287 Sollten Trends zukünftig nicht relevant wer-
den oder sich lediglich als Nischenmarkt etablieren, ist die angestrebte Entwicklung

287 Bewertet werden sollten die Ideen anhand relevanter Kriterien. Cooper (2001) schlägt bspw.
vor: „Strategic alignment, project feasibility, magnitude of opportunity and market attractiveness,
product advantage, ability to leverage the firm’s resources, and fit with company policies“ (Coo-
per 2001, S. 104).
Best Practice für die Anwendung des Lead User-Ansatzes 187

eines innovativen Produkts/Service für den Massenmarkt gefährdet (Enkel et al.


2005).

Tabelle 24: Best Practice für die Identifizierung der Lead User

(3) Identifizierung der Lead User

Identifizierung geeigneter Lead User, die den erforderlichen Eigenschaften


Ziel
entsprechen und die Bereitschaft zur Teilnahme zeigen

- Vorherige Definition der relevanten Bedürfnisse und Trends, um auf


dieser Basis die Eigenschaften der gesuchten Lead User bestimmen zu
können
- Definition der Lead User-Eigenschaften, um Lead Userness objektiv
Voraussetzungen überprüfen zu können
- Planung von ausreichenden Ressourcen (insbesondere Zeit) für diese
oft unterschätzte Aufgabe
- Evtl. Absprache mit unterstützendem Partner (Universität, Beratung
etc.)

- Suche nach Lead Usern: Sowohl im Zielmarkt als auch in analogen


Märkten
- Identifizierung geeigneter Lead User: Suche nach geeigneten Nut-
zern offline (Expertengespräche etc.) und online (Communities etc.)
- Verifizierung der Lead Userness: Überprüfen, ob die Lead User wirk-
Aufgaben
lich den Eigenschaften entsprechen
- Teamfähigkeit: Erste Einschätzung, wie die Lead User sich im Team
verhalten werden und ob Spannungen vorhersehbar sind
- Terminvereinbarung für Workshops: Selbstverständliche Aufgabe,
aber oft unterschätzte Schwierigkeit

9 Entsprechen die Lead User den vorab definierten Vorgaben?


9 Lead User sind definitionsgemäß zur Teilnahme am Workshop bereit,
Checkliste aber ist dies auch terminlich machbar?
9 Sind alle Beteiligten (Lead User/Mitarbeiter) ausreichend über den
Workshop (Ablauf, Dauer etc.) informiert?

Sowohl in der Literatur als auch in den durchgeführten Praxisstudien wurde die Iden-
tifizierung geeigneter Lead User als eine essentielle, meist sogar als die wesentlichs-
te Aufgabe genannt (vgl. Kapitel 5.2.4.6 und 6.2.4) (Enkel et al. 2005; Gerth 2015;
Lüthje und Herstatt 2004; Schuhmacher und Kuester 2012; Spann et al. 2009). Da
die Ergebnisse des Workshops auf der Qualität der Lead User beruhen, ist deren
Suche und Identifizierung von großer Bedeutung (Churchill et al. 2009; Franke et al.
2006). Sie sollte daher ausführlich und gewissenhaft durchgeführt werden. Daher
wird in Ergänzung zum etablierten Lead User-Prozess (Lüthje und Herstatt 2004) die
Verifizierung der Lead Userness als eine Unterphase empfohlen. Die Erfahrung
zeigt, dass Unternehmen oft zu schnell Nutzer als Lead User bezeichnen, die die
188 Diskussion und Umsetzung der Ergebnisse

notwendigen Eigenschaften nicht unbedingt besitzen. Grund dafür ist meist der zeitli-
che Aspekt. Unternehmen möchten sich nicht die Mühe machen, weiter nach Lead
Usern zu suchen, wenn Personen identifiziert wurden, die mehr oder weniger als
Lead User gelten könnten. Dieses Denken ist sehr gefährlich, sollten diese Personen
tatsächlich keine geeigneten Lead User sein. Auch bei der mehrmaligen Kooperation
mit Lead Usern ist die Verifizierung der Lead Userness essenziell. Ein Nutzer, der für
Projekt A der geeignete Lead User war, muss nicht zwangsläufig für Projekt B geeig-
net sein.

Tabelle 25: Best Practice für Workshop und Konzeptentwicklung

(4) Workshop und Konzeptentwicklung

Kooperative Generierung und Selektion von Ideen sowie Entwicklung von


Ziel
innovativen Produktkonzepten

- Motiviertes Workshopteam
Voraussetzungen - Einheitliche Erwartungshaltung und Zielsetzung
- Optimale Planung des Workshops

- Organisation des Workshops: Termin, Räumlichkeiten, Beteiligte etc.


- Informationen: Kommunikation der Ziele und Ablauf des Workshops an
alle Beteiligte
- Geistiges Eigentum: Klärung der Besitzansprüche der Ideen
- Moderation des Workshops: Idealerweise durch externen/objektiven
Aufgaben
Moderator
- Ideen-/Konzeptentwicklung: Erarbeitung von Ideen und Weiterent-
wicklung zu Konzepten
- Konzeptauswahl: Prüfung der Umsetzbarkeit und Markttauglichkeit
- Dokumentation der Ergebnisse: Protokoll, Aufzeichnungen, Grafiker

9 Können die Lead User offen ihre Ideen äußern oder existiert eine Ab-
wehrhaltung des Unternehmens?
9 Herrscht eine offene, positive Atmosphäre oder gibt es Spannungen?
9 Werden nur umsetzbare Ideen (insbesondere technisch) zu Konzepten
Checkliste
weiterentwickelt?
9 Werden die Ideen und speziell die Konzepte detailliert dokumentiert?
9 Gibt es einen geeigneten Workshopabschluss oder bestehen weiterhin
Fragen, Anregungen, Unklarheiten?

Der Workshop ist das Herzstück des Lead User-Projekts, da in diesem Zeitraum die
Expertise der Lead User genutzt werden kann (Herstatt und von Hippel 1992; Wag-
ner und Piller 2011). Voraussetzung ist die klare Definition des Workshop- und Pro-
jektziels sowie die Identifizierung geeigneter Lead User (Lüthje und Herstatt 2004).
Basierend auf den Erfahrungen der Praxis sollte innerhalb des Workshops eine posi-
Best Practice für die Anwendung des Lead User-Ansatzes 189

tive, angenehme Atmosphäre herrschen. Idealerweise ist keine hierarchische Tren-


nung zwischen Lead User und Unternehmensmitarbeiter zu erkennen, sodass im
Team die bestmöglichen Ideen und Konzepte entwickelt werden können. Der Mode-
rator steuert den Workshop und behält die Konzeptentwicklung als Ziel im Fokus,
ohne dabei ablehnend gegenüber Ideen zu sein. Die Durchführung des Workshops
durch einen externen Moderator an einem Ort außerhalb des Unternehmens wird
daher empfohlen. Ein in den Fallstudien oft genannter Faktor ist die Dokumentation
des Workshops sowie insbesondere der Ergebnisse. Für die Weitergabe der Ideen
und Konzepte nach Beendigung des Workshops ist eine genaue Dokumentation un-
erlässlich. Die Resultate sollten daher bspw. durch einen Protokollanten oder Video-
aufzeichnung des Workshops dokumentiert werden. Auch die Visualisierung durch
einen Grafiker bietet sich an.

Tabelle 26: Best Practice für Evaluierung und Implementierung

(5) Evaluierung und Implementierung

Bewertung der im Workshop entwickelten Ideen/Konzepte und Gewährleis-


Ziel
tung der Implementierung der Ergebnisse

- Geeignete und umsetzbare Konzepte wurden entwickelt


- Mitarbeiter, die für die Umsetzung der Ergebnisse verantwortlich sind
Voraussetzungen (Produktentwicklung etc.), werden identifiziert und kontaktiert
- Projektteams aus Lead User-Projekt und generellen Innovationsmana-
gement müssen sich austauschen und Ergebnisse teilen

- Evaluierung der Workshopergebnisse: Bewertung der Umsetzbarkeit


aus Unternehmenssicht
- Austausch und Übergabe: Kommunikation zwischen Lead User-
Projektteam und umsetzenden Abteilungen sowie Übergabe der Ergeb-
Aufgaben nisse und Einbettung in den übergeordneten Innovationsprozess
- Erstellung eines Umsetzungsplans: Inkl. Definition der Verantwort-
lichkeiten für die Ergebnisumsetzung
- Überprüfung der Ergebnisumsetzung: Fortwährende Kommunikation
und Austausch zwischen den Abteilungen

9 Wurden die Projektergebnisse verständlich dokumentiert und an die


weiterführenden Abteilungen übergeben?
9 Sind alle Unklarheiten beseitigt und die Ergebnisimplementierung ge-
währleistet?
9 Wurden die Ergebnisse des Projekts im Unternehmen kommuniziert
Checkliste
(Erhöhung der Akzeptanz sowie des Methodenwissens)?
9 Wird weiterhin mit den Lead Usern kooperiert oder gab es zumindest
eine ausreichende Ergebniszusammenfassung und Danksagung?
9 Welche Lerneffekte bietet das Lead User-Projekt und was kann bei
zukünftiger Durchführung verbessert werden?
190 Diskussion und Umsetzung der Ergebnisse

Die fünfte Phase der Evaluierung und Implementierung wurde dem theoretischen
Prozess nach Lüthje und Herstatt (2004) im Rahmen dieser Arbeit hinzugefügt. Dies
wurde in den praktischen Studien mehrfach gefordert, die fehlende Umsetzung der
Resultate zudem häufig als großes Hindernis genannt. Zur effektiven Übergabe der
Ergebnisse sollten diese nicht nur sorgfältig dokumentiert sein, sie sollten auch von
den umsetzenden Abteilungen (Produktentwicklung etc.) nochmals auf ihre Durch-
führbarkeit überprüft werden. Damit technische oder organisatorische Restriktionen
nicht erst bei der Ergebnisübergabe entdeckt werden, wird die frühzeitige Einbindung
der relevanten Mitarbeiter aus den umsetzenden Abteilungen empfohlen. Wichtig ist
weiterhin, dass die Zuständigkeiten für die Ergebnisumsetzung geklärt werden. Oft-
mals fühlt sich nach Abschluss eines Lead User-Projekts niemand mehr zuständig
und die Ergebnisse werden nicht umgesetzt. Zuletzt ist es daher wichtig, dass die
Resultate des Lead User-Projekts, wie in Kapitel 6.2.5.3 verdeutlicht, in den überge-
ordneten Innovationsprozess des Unternehmens überführt werden.

7.5 Beantwortung der Forschungsfragen

Auf Basis der durchgeführten Studien lassen sich die in Kapitel 3.1.3 hergeleiteten
Forschungsfragen beantworten. Die ersten beiden Forschungsfragen werden haupt-
sächlich durch die Online-Befragung (vgl. Kapitel 5) beantwortet. Die Beantwortung
der Forschungsfragen 3 und 4 basiert hauptsächlich auf der qualitativen Studie (vgl.
Kapitel 6).
FF#1: In wie weit ist der Lead User-Ansatz in der Innovationspraxis bekannt?

Die Beantwortung dieser Forschungsfrage wird dadurch erschwert, dass keine ein-
deutige Definition existiert, ab welchem Wert eine Methodik als ausreichend bekannt
bewertet werden kann. Diese Beurteilung ist eher subjektiv und beruht meist auf per-
sönlichen Einschätzungen. Aussagekräftiger ist daher der Vergleich mit anderen Me-
thoden. Die Online-Befragung ergab, dass 39% den Ansatz kannten und 61% die
Frage nach der Bekanntheit verneinten. Im Vergleich zu oft gelehrten und dadurch
gängigen Methoden wie der SWOT-Analyse oder dem Stage-Gate-Prozess ist dies
ein eher geringer Wert, wie wissenschaftliche Studien bestätigen. So liegt der Lead
User-Ansatz bei der Studie von Meyer (2005) auf Rang 16 von 20 untersuchten In-
novationsmethoden. 288 Methoden wie Brainstorming sind demnach deutlich bekann-
ter (ebd.). Auch in den unter 2.3.5 dargestellten Studien ist der Lead User-Ansatz

288 Die Studie von Meyer (2005) zum Thema Bekanntheit und Einsatz von Innovationsmethoden in
jungen KMU: Ergebnisse einer regelmäßigen Befragung im Zeitvergleich ist bereits über zehn
Jahre alt, jedoch eine der wenigen Studien, die die Bekanntheit von Innovationsmethoden hin-
terfragt. Bei den meisten Studien zum Einsatz von Innovationsmethoden (bspw. Creusen et al.
2013, Kärkkäinen et al. 2001) werden lediglich die meistgenutzten Methoden erfragt und deren
Nutzung analysiert. Methoden können aber auch bekannt sein, jedoch nicht angewandt werden.
Beantwortung der Forschungsfragen 191

i.d.R. im unteren Drittel zu finden. 289 Zudem gilt zu beachten, dass 39% der Befrag-
ten zwar angaben, den Lead User-Ansatz zu kennen, aber einige falsche Definitio-
nen abgegeben wurden. Dies verringert die Zahl derer, die den Lead User-Ansatz
kennen und richtig einordnen können. Entsprechend lässt sich zur Beantwortung
dieser Forschungsfrage festhalten:
Im Vergleich zu weit verbreiteten Methoden (SWOT-Analyse etc.) ist der Lead User-
Ansatz in der Praxis weniger bekannt, etwa jeder Dritte kann die Methodik korrekt
zuordnen; Potenzial zur weiteren Verbreitung ist daher vorhanden.

FF#2: Sind die Unternehmen offen für die Integration von Lead Usern?
Diese Forschungsfrage kann eindeutig bejaht werden. Begründet wird dies durch die
Beantwortung der Frage nach der Offenheit zur Anwendung des Ansatzes an die
Befragten, die den Ansatz bisher nicht kanten: 79% können sich vorstellen, ein Lead
User-Projekt durchzuführen. Unterstützt wird die Aussage durch die Beurteilung die-
ser Personen, wie sie die Erfolgsaussichten des Ansatzes zur Entwicklung innovati-
ver Produktkonzepte einschätzen: 61% bewerten die Erfolgsaussichten positiv, 36%
neutral. Demnach stehen nur 4% dem Lead User-Ansatz negativ gegenüber. Die
große Offenheit der Unternehmen zur Integration von Lead Usern wird zusätzlich
durch die Unternehmen unterstützt, die bereits Lead User-Projekte durchgeführt ha-
ben. Für 93% der Befragten ist eine zukünftige Durchführung vorstellbar. Für die Be-
antwortung der zweiten Forschungsfrage lässt sich zusammenfassen:
Es besteht große Offenheit zur Integration von Lead Usern sowohl bei Unternehmen,
denen der Ansatz bisher unbekannt war, als auch bei Unternehmen mit vorhandener
Projekterfahrung.

FF#3: Sind die Unternehmen in der Lage, den Lead User-Ansatz anzuwenden
und welche Faktoren erschweren die Umsetzung?
Einen ersten Hinweis auf die Fähigkeit der Unternehmen zur Umsetzung des Lead
User-Ansatzes bietet die Online-Befragung. 62 Befragte gaben an, bereits mindes-
tens ein Lead User-Projekt durchgeführt zu haben. 93% davon sagten aus, dass die
Ziele erreicht wurden und bewerteten den Ansatz sehr positiv (90% positiv, 10%
neutral). Die Unternehmen sind also in der Lage, Lead User-Projekte zufriedenstel-
lend umzusetzen. Zusätzlich zeigt die Befragung, dass die Unternehmen fähig sind,
auf Herausforderungen zu reagieren und den Prozess erfolgreich zu verändern.

Detailliertere Aussagen zur Umsetzungsfähigkeit bietet die Fallstudienanalyse. Bis


auf ein Unternehmen setzten alle die Projekte erfolgreich um. Dabei ist zu erkennen,

289 Zu beachten gilt, dass diese Studien den Einsatz der Methoden abfragen. Der Ansatz könnte
also bekannt sein, jedoch nicht angewandt werden. Als einzige Studie, die die reine Bekanntheit
abfragt, wurde nur Meyer (2005) identifiziert.
192 Diskussion und Umsetzung der Ergebnisse

dass viele der analysierten Unternehmen auf die Unterstützung externer Partner wie
Hochschulen oder Beratungen zurückgreifen. Begründet ist dies mit mangelnder Me-
thodenkenntnis. Einige Unternehmen führten daher zur Erlernung der Methodik das
erste Projekt mit Partnern durch und leiteten fortan die Projekte selber. Ein weiterer
Grund sind mangelnde Ressourcen insbesondere zeitlicher Art. Allein die umfangrei-
che Identifizierung der Lead User ist vielen Unternehmen zu aufwendig, sodass sie
diese Aufgabe outsourcen. Auch die Objektivität ist ein Aspekt, warum einige Unter-
nehmen externe Partner bevorzugen. Wird das Projekt und insbesondere der Work-
shop allein von Unternehmensmitarbeitern durchgeführt, besteht die Gefahr, aus Un-
ternehmenssicht unpassende Ideen zu früh abzublocken. Als größte Herausforde-
rung wurde die Identifizierung geeigneter Lead User erkannt. Auch ein falsches Ver-
ständnis von Lead Usern sowie die fehlende Umsetzung der Ergebnisse sind we-
sentliche Probleme. Zudem sind Aspekte des Projektmanagements von großer Be-
deutung wie Planungsunsicherheit, Messbarkeit der Ergebnisse oder Ressourcenbe-
darf. Zur Beantwortung dieser Forschungsfrage gilt daher:
Die Fähigkeit der Unternehmen zur Umsetzung des Lead User-Ansatzes ist größten-
teils vorhanden, jedoch findet in der Praxis eine Abwägung statt, ob die selbständige
Durchführung oder die Inanspruchnahme externer Partner sinnvoller ist.

FF#4: Wie kann der theoretische Ansatz basierend auf praktischen Erfahrun-
gen weiterentwickelt werden?
Die Beantwortung dieser Forschungsfrage wurde im Kapitel 7.1 ausführlich erläutert.
So wurde die etablierte Lead User-Methode zum einen um eine fünfte Phase der
Evaluierung und Implementierung ergänzt, um die Umsetzung der Ergebnisse zu
garantieren. Zudem wurden die einzelnen Phasen bzw. Unterphasen neu benannt
und Aufgaben hinzugefügt, die in der Praxis von großer Relevanz sind (bspw. Verifi-
zierung der Lead Userness). Zum anderen wurde in 7.3 eine Kombination des Lead
User-Ansatzes mit dem Stage-Gate-Prozess sowie agilen Projektmanagement ent-
wickelt (Agile/Stage-Gate Hybridmodell nach Lehnen et. al 2016). Dieses Modell bie-
tet den Vorteil, dass die Aufgaben und Phasen des Lead User-Prozesses durch Ga-
tes überprüft werden. Dadurch soll gewährleistet werden, dass Aufgaben vollends
erfüllt und negative Auswirkungen auf den Projektverlauf durch unzureichende Bear-
beitung der Anforderungen verhindert werden. In Bezug auf die Weiterentwicklung
des theoretischen Prozesses wird daher zusammengefasst:
Der theoretische Lead User-Prozess wird durch das Hinzufügen von Phasen sowie
deren Anpassung auf Basis praktischer Erfahrungen weiterentwickelt; zudem wird
ein Kombinationsmodell zwischen Lead User-Ansatz, Stage-Gate-Prozess und agi-
len Projektmanagement sowie eine Best Practice für die Durchführung von Lead
User-Projekten entwickelt.
8 Fazit, Implikationen und Limitationen
Die Arbeit schließt mit dem nachfolgenden Fazit, wissenschaftlichen und praktischen
Implikationen sowie den Limitationen.

8.1 Fazit
Zur Beantwortung der übergeordneten Forschungsfrage „Wie ist die Implementierung
von Lead Usern in die Innovationspraxis nach 30 Jahren Lead User-Forschung zu
beurteilen?“ wurden im Rahmen dieser Arbeit verschiedene empirische Studien
durchgeführt. Nach einer ausführlichen Einordnung und Erläuterung des For-
schungsstands zur Lead User-Theorie wurde in Kapitel 2.3.6 zunächst bestätigt,
dass die Analyse der praktischen Umsetzung des Ansatzes eine relevante For-
schungslücke darstellt. Zudem wurde durch die Literaturanalyse praxisorientierter
Fachmagazine (vgl. Kapitel 2.4) die Forderung einer Erweiterung des klassischen,
theoretischen Ansatzes (Lüthje und Herstatt 2004) sowohl in der Theorie als auch in
der Praxis erkannt. Die Wissenstransferebenen erwiesen sich als geeignete theoreti-
sche Basis zur Ableitung der Forschungsfragen (Kapitel 3). Die Ebenen Kennen,
Können, Sollen und Wollen umfassen dabei die relevanten Aspekte für die Analyse
der praktischen Umsetzung. Auch die Kombination quantitativer (Online-Befragung)
und qualitativer (Fallstudienanalyse) Studien bestätigte sich als geeignetes For-
schungsdesign (vgl. Kapitel 4).
Im Rahmen der quantitativen Studie (vgl. Kapitel 5) konnte zunächst festgestellt wer-
den, dass der Großteil der Befragten (61%) den Lead User-Ansatz nicht kannten.
Gleichzeitig konnte eine große Offenheit zur Durchführung von Lead User-Projekten
erkannt werden: 79% der Unternehmen, die den Ansatz bisher nicht kannten, können
sich die Integration von Lead Usern vorstellen. Neben dem aus der theoretischen
Betrachtung bekannten Vorteil der frühzeitigen Bedürfnis- und Trenderkennung wur-
de die Steigerung der Kundenloyalität sowie die Wahrnehmung als innovatives Un-
ternehmen als größte Erfolgsfaktoren von den Unternehmen genannt, die entspre-
chende Erfahrungen mit dem Lead User-Ansatz haben. Dies zeigt einen eher unter-
nehmerischen Fokus, der in der Theorie oftmals vernachlässigt wird. Als größte Her-
ausforderung von Lead User-Projekten wurde die schwierige Identifizierung der sel-
tenen Lead User genannt. Dieser Aspekt deckt sich mit der vorhandenen Lead User-
Forschung. Darüber hinaus ist das unterschiedliche Verständnis von Lead Usern
(Welche Eigenschaften machen eine Lead User aus?) ein wesentliches Problem in
der Praxis. Dies kann zur Integration der falschen Personen sowie zur fehlerhaften
Weitergabe des Methodenwissens führen. Eine oft genannte Herausforderung ist
zudem die unzureichende Implementierung der Projektergebnisse in den Innova-
tionsprozess sowie in weitere Projekte. Stattdessen werden Lead User-Projekte oft

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J. Lehnen, Integration von Lead Usern in die Innovationspraxis,
Forschungs-/ Entwicklungs-/ Innovations-Management,
DOI 10.1007/978-3-658-19385-0_8
194 Fazit, Implikationen und Limitationen

als separate Projekte gesehen, sodass die Umsetzung der Ergebnisse häufig nicht
geregelt ist. Die Beendigung eines Lead User-Projekts mit dem Workshop, wie in der
Theorie definiert, ist daher nicht ausreichend, sofern die Implementierung der
Workshopresultate nicht gewährleistet ist. Trotz der identifizierten Probleme bei Lead
User-Projekten ist die Evaluation positiv (61% positiv, 36% neutral, nur 4% negativ).
Die Integration von Lead Usern ist daher eine starke Methode zur Steigerung der
Innovationskraft. Entsprechend gaben fast alle Unternehmen (93%) an, dass die Pro-
jektziele erreicht wurden und weitere Lead User-Projekte denkbar sind. Dennoch
sagte knapp die Hälfte dieser Unternehmen (47%) aus, dass der Prozess im Ver-
gleich zur Theorie (Lüthje und Herstatt 2004) geändert wurde. Eine detaillierte Analy-
se der Gründe und Auswirkungen dieser Prozessänderungen war daher sinnvoll, um
auf Basis dieser praktischen Erfahrungen den theoretischen Prozess weiterentwi-
ckeln und modernisieren zu können.

Dies wurde durch die qualitative Studie in Form von Fallstudieninterviews durchge-
führt (vgl. Kapitel 6). Die 17 Experteninterviews zeigten wichtige Aspekte aus der
Praxis auf, die in der Theorie weniger Beachtung finden. Die Fallstudienanalyse stellt
dadurch einen wesentlichen Beitrag zur Lead User-Forschung dar. In den Unterneh-
mensgesprächen wurde ein breiteres Verständnis von Lead Usern insbesondere im
B2C-Bereich festgestellt. Als Lead User werden nicht nur Nutzer bezeichnet, die die
theoretischen Eigenschaften nach von Hippel innehaben, sondern auch Vielnutzer
oder kreative Nutzer, die nicht zwangsläufig selber innoviert haben müssen. Ein wei-
terer wesentlicher Aspekt ist die unterschiedliche Erwartungshaltung bei Lead User-
Projekten, die zudem vom Kooperationspartner und der Anzahl bereits durchgeführ-
ter Projekte abhängig ist. So ist die Erwartungshaltung geringer, wenn mit wissen-
schaftlichen Partnern kooperiert wird. Meist steht bei diesen Projekten die Erlernung
der Methode im Vordergrund und nicht unbedingt die Erstellung einer finalen Innova-
tion. Bei Beauftragung einer Unternehmensberatung ist die Erwartungshaltung hin-
gegen höher, vor allem bedingt durch die höheren Kosten im Vergleich zu wissen-
schaftlichen Einrichtungen. Die Generierung von ersten Ideen und Konzepten reicht
den Unternehmen i.d.R. nicht aus, sie erwarten umsetzbare und erfolgversprechende
Innovationen. Wird ein Lead User-Projekt erstmalig durchgeführt, ist die Erwartungs-
haltung meist geringer. Die Erlangung des Methodenwissens steht wiederum im Vor-
dergrund. Bei weiteren Projekten, wenn die Methodik bereits bekannt ist, werden
hingegen mehr Ergebnisse erwartet. Die Fallstudienanalyse erbrachte zudem wichti-
ge Kritik und Forderungen der Praktiker an der theoretischen Methodik. Demnach ist
durch den zu unflexiblen Prozess eine Reaktion auf Unvorhergesehenes kaum mög-
lich. Lead User-Projekte werden weiterhin als zu aufwendig (Zeit, Kosten, Personal)
bezeichnet, die Ressourcenallokation ist zudem sehr schwer planbar. Die Ergebnisse
der Umfrage bestätigend, wurde die unzureichende Umsetzung der Ergebnisse als
Fazit 195

großer Nachteil von Lead User-Projekten genannt. Eine weitere Bestätigung der Um-
frage ist die von mehreren Befragten genannte, unzureichende Umsetzung bzw. Ein-
bettung der Lead User-Projekte in den Innovationsprozess.
Im Rahmen der Diskussion (vgl. Kapitel 7) wurden schließlich Lösungsansätze ent-
wickelt, um die identifizierten Herausforderungen und Probleme aus den empirischen
Studien zu reduzieren. Zunächst wurde eine grundlegende Weiterentwicklung der
Lead User-Methode nach Lüthje und Herstatt (2004) vorgenommen (vgl. Kapitel 7.1).
Die wesentlichste Änderung ist dabei das Hinzufügen der fünften Phase Evaluierung
und Implementierung. Diese stellt eine Lösung des identifizierten Implementierungs-
problems dar und hat die Umsetzung der Workshopresultate zum Ziel. Weiterhin
wurde die Bezeichnung der Phasen nachgebessert. So wurde bspw. die Aussage-
kraft der Bezeichnung der ersten Phase Start des Lead User-Projekts nach Lüthje
und Herstatt (2004) durch Änderung in Projektorganisation und Zieldefinition erhöht.
Ebenso wurden die Unterphasen angepasst und relevante Aspekte wie die Ressour-
cenallokation (1. Phase) oder die Verifizierung der Lead Userness (3. Phase) hinzu-
gefügt. Der überarbeitete Prozess stellt damit eine praxisnähere und dadurch leichter
umsetzbare Weiterentwicklung der Lead User-Methode dar. Um das oft genannte
Problem der Inflexibilität und Planungsunsicherheit von Lead User-Projekten zu ver-
meiden, wurde weiterhin ein Kombinationsmodell zwischen Lead User-Methode,
Stage Gate-Prozess und agilen Projektmanagement (Agil/Stage-Gate Hybrid) entwi-
ckelt. In einer ersten empirischen Studie (vgl. Lehnen et al. 2016) wurde dessen An-
wendbarkeit bereits bestätigt. Dieses Modell ermöglicht eine effizientere Einbindung
von Lead User-Projekten in den Innovationsprozess und gewährleistet eine frühzeiti-
ge Reaktion auf unvorhersehbare Einflussfaktoren und Rahmenbedingungen. Um die
Anwendung des Lead User-Ansatzes in der Praxis zu erhöhen, wurde schließlich
eine Best Practice für die Durchführung von Lead User-Projekten entwickelt (vgl. Ka-
pitel 7.4). Insbesondere kleinere Unternehmen (auch Start-Ups), denen die Inan-
spruchnahme externer Partner (insbesondere Unternehmensberatungen) nicht mög-
lich ist, können diesen Leitfaden nutzen, um selbständig Lead User-Projekte durch-
zuführen. Dazu wurden notwendige Voraussetzungen für jede Projektphase definiert.
Weiterhin wurde für jede Phase das Ziel sowie relevante Aufgaben festgelegt. Dies
ist enorm wichtig, um den Abschluss der Phasen (Aufgaben erfüllt? Ziele erreicht?)
bewerten zu können. Zur Erleichterung dieser wesentlichen Maßnahme wurden da-
her Checklisten entwickelt, die von den Unternehmen vergleichsweise einfach über-
prüft werden können.

Alle Forschungsfragen konnten schließlich vollständig beantwortet werden (vgl. Kapi-


tel 7.5). Die vorliegende Arbeit stellt einen wesentlichen Fortschritt und Beitrag der
Lead User-Theorie dar. Durch die empirischen Studien der Praxis wird eine reale
196 Fazit, Implikationen und Limitationen

Sicht gewährleistet, die für die Steigerung der Anwendbarkeit des Ansatzes notwen-
dig ist. Die Weiterentwicklung der Lead User-Methode, das Agil/Stage-Gate-Modell
sowie der Leitfaden für Lead User-Projekte ermöglichen eine verbesserte Implemen-
tierung des Lead User-Ansatzes in die Innovationspraxis und leisten daher einen es-
sentiellen Beitrag für Wissenschaft und Praxis gleichermaßen.

8.2 Wissenschaftliche Implikationen

Grundsätzlich zeigt diese Arbeit, dass die Wissenstransfertheorie eine geeignete


Theoriebasis für diese Problemstellung bietet. Die Wissensebenen (Kennen, Kön-
nen, Sollen, Wollen) sind auf die jeweiligen Fragestellungen der praktischen Umset-
zung anwendbar. Die umfassende Theorie zum Wissenstransfer bietet verschiedene,
anwendbare Lösungsansätze für die Vermeidung bzw. Minimierung der Umset-
zungsbarrieren. Zudem zeigt die quantitative Studie (vgl. Kapitel 5.2.1), dass der
Lead User-Ansatz vergleichsweise wenig bekannt ist. Jedoch besteht große Offen-
heit zur Anwendung dieser Methodik. Eine weitere Verbreitung des Ansatzes ist da-
her möglich. Diese kann durch vermehrte Lehre in diesem Bereich sowie praxisorien-
tiertere Publikationen, nicht nur in wissenschaftlichen Journalen, sondern auch in
praxisorientierten Fachmagazinen, gewährleistet werden. Verständliche, korrekte
Erläuterungen des Lead User-Ansatzes in praxisorientierten Fachmagazinen sind
umso wichtiger, da die Literaturanalyse der praxisorientierten Artikel gezeigt hat,
dass teilweise falsche Darstellungen zum Lead User-Ansatz verbreitet werden (vgl.
Kapitel 2.4.4).
Die Studien zeigen weiterhin, dass der Lead User-Ansatz in der Praxis weiterentwi-
ckelt wurde (insbesondere der Prozess), dies jedoch in der Theorie weniger beachtet
wurde. Die letzte wesentliche Weiterentwicklung des Ansatzes (Lüthje und Herstatt
2004) wurde 2004 vorgenommen. Für die Wissenschaft ist die Beobachtung bzw.
Analyse der Entwicklungen in der Praxis jedoch sehr wichtig, um die Umsetzung des
Ansatzes sicherzustellen - schließlich wurde die Lead User-Methode zur Anwendung
in der Praxis entwickelt. Insbesondere vor dem Hintergrund der Beschleunigung des
Marktes (kürzere Produktlebenszyklen, stetige Entstehung moderner Methoden zur
Identifizierung und Integration von Kunden, technologischer Fortschritt etc.; vgl. Kapi-
tel 2.1.1) sollten Weiterentwicklungen in der Praxis regelmäßig überprüft und in die
Theorie einbezogen werden. Diese Arbeit bildet daher eine „State-of-the-art“ der
Lead User-Forschung und sollte fortan regelmäßig überprüft werden. Die fünfstufige
Lead User-Methode (vgl. Kapitel 7.1) stellt eine praxisnahe Weiterentwicklung dar
und steigert die Anwendbarkeit in der Praxis, die es zukünftig jedoch zu überprüfen
gilt. Eine weitere Anpassung der Lead User-Methode basierend auf praktischen Er-
fahrungen ist daher möglich und erwünscht. Das Agil/Stage Gate-Hybrid (vgl. Kapitel
Praktische Implikationen 197

7.3) stellt eine Möglichkeit dar, die in der Praxis geforderte Flexibilität von Lead User-
Projekten zu gewährleisten. Auch dieses Modell gilt es zukünftig zu validieren und
durch weitere, umfangreichere Studien zu überprüfen.
Für die Theorie ist weiterhin eine Analyse der Lead User-Definition bzw. Eigenschaf-
ten relevant, insbesondere in Bezug auf unterschiedliche Unternehmenstypen (B2B
vs. B2C, kleine vs. große Unternehmen etc.). Die Studien haben gezeigt, dass vor
allem im Bereich B2C ein breiteres Verständnis vorhanden ist. Es gilt zu überprüfen,
ob ein generelleres Verständnis möglich ist oder zu sehr vom ursprünglichen Lead
User-Gedanken nach von Hippel (1986) abweicht.

8.3 Praktische Implikationen

Durch den Fokus dieser Arbeit auf die praktische Umsetzung des Lead User-
Ansatzes ergeben sich wichtige Implikationen für die Praxis. Die Studien haben zu-
nächst verdeutlicht, dass Lead User-Projekte grundsätzlich in verschiedensten Un-
ternehmen und Branchen anwendbar sind. Somit sollte die Integration von Lead
Usern in den Innovationsprozess auch in KMUs möglich sein. Abzuwägen bleibt je-
doch der für das Projekt erforderliche Aufwand und ggf. die Zuhilfenahme externer
Partner (insbesondere Wissenschaft).
Grundsätzlich sollte bei Lead User-Projekten zunächst auf das richtige Verständnis
bzw. die richtige Definition von Lead Usern geachtet werden. Weitere praxisorientier-
te Veröffentlichungen tragen positiv zur korrekten Verbreitung dieser Methode bei.
Zudem sollten Unternehmen zukünftig den in Kapitel 7.1 erarbeiteten Prozess an-
wenden, da dieser stärker auf die praktischen Rahmenbedingungen zugeschnitten ist
und identifizierte Probleme aus der Praxis verhindert (bspw. unzureichende Umset-
zung der Ergebnisse). Auch die Praxistauglichkeit des Agil/Stage Gate-Hybrids (vgl.
Kapitel 7.3) wurde bereits bestätigt. Die Anwendung dieses Modells steigert die Fle-
xibilität der Unternehmen bei der Integration von Lead Usern. Für die Unternehmen
ist zudem der in Kapitel 7.4 erarbeitete Leitfaden eine geeignete Möglichkeit, Lead
User-Projekte selbständig durchzuführen. Insbesondere kleineren Unternehmen, die
aus finanziellen oder personellen Gründen keine Kooperationspartner einbinden
können/wollen, kann diese Best Practice weiterhelfen. Die Zusammenarbeit mit Part-
nern, insbesondere wissenschaftlichen Einrichtungen (Universitäten etc.), ist jedoch
gerade bei der erstmaligen Durchführung eines Lead User-Projekts zur Erlangung
der Methodenkompetenz empfehlenswert.

Zuletzt sei den Unternehmen empfohlen, sich grundsätzlich auf innovative Methoden
wie dem Lead User-Ansatz einzulassen, auch wenn gewisse Risiken durch die er-
schwerte Vorhersehbarkeit des Projektverlaufs existieren. Erfolgreiche Innovationen
sind jedoch stets neuartig, die vorherige Planung der zugrundeliegenden Innovati-
198 Fazit, Implikationen und Limitationen

onsprojekte wird daher erschwert. Sofern Unternehmen eine ausreichende Offenheit


und Innovationskultur aufweisen, stellt der Lead User-Ansatz nachweislich eine er-
folgversprechende Methode zur Entwicklung massentauglicher Innovationen dar.

8.4 Limitationen und zukünftige Forschung

Mehr Teilnehmer der Online-Befragung würden weitere Erkenntnisse bspw. in Bezug


auf Branchenvergleich oder Unterschiede bei der Unternehmensgröße ermöglichen.
Die Vergleiche wurden durch teilweise geringe Fallzahlen (bspw. nur 9 von 222 Be-
fragten in der Automobilindustrie tätig) erschwert. Zukünftige Studien mit mehr Teil-
nehmern oder fokussiert auf bestimmte Branchenvergleiche wären daher sinnvoll.
Zudem ist die Arbeit auf den deutschsprachigen Raum beschränkt. Weitere internati-
onale Studien wären eine Möglichkeit, länderspezifische Aspekte bei der Durchfüh-
rung von Lead User-Projekten zu berücksichtigen und Vergleiche zu analysieren. 290
Dazu sind jedoch weitere Studien der praktischen Umsetzung des Ansatzes im Aus-
land nötig. Weiterhin würde eine größere Anzahl von Interviews die Validität und
Generalisierbarkeit der Aussagen im Rahmen der Fallstudienanalyse erhöhen. 17
Interviews in sieben Fallstudien bieten jedoch bereits aussagekräftige Resultate und
lassen umfangreiche Vergleiche der einzelnen Projekte (bspw. mit Kooperationspart-
ner vs. selbständige Projekte) zu.

Eine weitere Limitation betrifft das Agil/Stage Gate-Hybrid (vgl. Kapitel 7.3). Agiles
Projektmanagement kann nachweislich die Flexibilität von Projekten erhöhen. Je-
doch ist agiles Projektmanagement nicht zwingend anwendbar und stellt daher kein
„Allheilmittel“ dar - die Einzelfallprüfung ist daher geboten. Insbesondere gilt zu be-
achten, dass aus der Einführung einer neuen Projektstruktur weitere Probleme und
Herausforderungen (fehlendes Methodenwissen, Ressourcen etc.) resultieren kön-
nen. Dies wird im aktuellen Hype um agiles Projektmanagement oftmals vernachläs-
sigt, die positiven Aspekte (Flexibilität, Nachvollziehbarkeit etc.) scheinen stets zu
überwiegen. Sofern etablierte Projektstrukturen jedoch vorhanden sind, und erfolg-
reiche Resultate durch traditionelles Projektmanagement generiert werden können,
mag für agiles Projektmanagement gar kein Bedarf bestehen. Das erarbeitete Modell
stellt daher eine attraktive Lösung bzw. Alternative zum traditionellen Projektmana-
gement dar, sofern Probleme mit der bisher angewandten Struktur bestehen. Neben
dem Fokus auf agiles Projektmanagement ist zudem die Verbindung zum Stage Ga-
te-Prozess als Mehrwert zu betrachten. Die Reflektion vorheriger Phasen bzw. Auf-
gaben (Gates) ist i.d.R. sinnvoll - egal ob traditionelles oder agiles Projektmanage-
ment durchgeführt wird. Selbstreflektion und -evaluation trägt grundsätzlich zum Er-

290 Eine erste, internationale Analyse des Lead User-Ansatzes mit Fokus auf die daraus resultie-
rende Produktvarietät in Großbritannien bieten Al-Zu’bi und Tsinopoulos (2012).
Limitationen und zukünftige Forschung 199

folg von Projekten bei. Die Integration solcher Gates ist daher für alle Projektarten zu
empfehlen.

Die erweiterte Lead User-Methode wurde auf Basis praktischer Erfahrungen und
Forderungen entwickelt, dennoch ist eine zukünftige Überprüfung der Anwendbarkeit
notwendig. Die Praxistauglichkeit des Kombinationsmodells aus agilen Projektmana-
gement, Stage Gate-Prozess und Lead User-Methode wurde zwar bereits überprüft
und bestätigt (vgl. Lehnen et al. 2016), dennoch ist eine weitere Prüfung der An-
wendbarkeit mit größerer Fallzahl sinnvoll. Eine interessante Studie im Rahmen der
zukünftigen Forschung wäre der Vergleich zweier Projekte mit jeweils dem alten
(Lüthje und Herstatt 2004) sowie neuen Lead User-Ansatz (vgl. Kapitel 7.1), um die
praktische Anwendbarkeit zu überprüfen sowie eventuelle Nachbesserungen abzulei-
ten. Aufgrund der Schnelllebigkeit des Marktes ist eine regelmäßige Überprüfung und
weitere Bearbeitung der Lead User-Theorie grundsätzlich ratsam.
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Wiesbaden (SpringerLink : Bücher).
Anhang
Anhang A: Semistrukturierter Fragebogen der Experteninterviews

Bekanntheit des Ansatzes


ƒ Woher kennen / kannten Sie den Lead User-Ansatz?
ƒ Bereits Erfahrungen mit Lead Usern gemacht?
ƒ War der Ansatz im Unternehmen bereits bekannt?

Durchführung und Prozess des Projekts


ƒ Wie oft wurden Lead User-Projekte durchgeführt? Alleine oder mit Partnern?
ƒ Können Sie bitte kurz das Projekt erläutern (Wie Lead User identifiziert; Wie viele
LU integriert etc.)?
ƒ Gab es Probleme bei der Durchführung des Projekts? Was waren die Hauptprob-
leme?
ƒ Gab es Gründe, das Projekt anders durchzuführen als geplant (Änderungen im
Prozess)? Wenn ja, welche?
ƒ Wurden die Projektziele erreicht und die Vorgaben (zeitlich, finanziell etc.) einge-
halten?

Herausforderungen und Widerstände gegen den Lead User-Ansatz


ƒ Gab es Widerstände seitens Ihrer Vorgesetzten (Genehmigung etc.) oder anderer
Mitarbeiter (persönliche Widerstände)?
ƒ Hatten diese Widerstände Einfluss auf die Durchführung des Projekts (Änderung
des Prozesses etc.)?

ƒ Konnten die Kollegen mit Widerstand von den Vorteilen überzeugt werden?

Evaluation und zukünftige Anwendung des Ansatzes


ƒ Würden Sie das durchgeführte Lead User-Projekt als Erfolg bezeichnen? Wurden
Ideen umgesetzt und als Produkte / Dienstleistungen im Markt eingeführt?
ƒ Was würden Sie im Nachhinein anders machen? Würden Sie den theoretischen
Ansatz ändern oder verbessern?

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017


J. Lehnen, Integration von Lead Usern in die Innovationspraxis,
Forschungs-/ Entwicklungs-/ Innovations-Management,
DOI 10.1007/978-3-658-19385-0
228 Anhang A: Semistrukturierter Fragebogen der Experteninterviews

ƒ Wie bewerten Sie die Integration von Lead Usern? Gibt es bessere / sinnvollere
Methoden?

ƒ Wird / Wurde diese Methode weiterhin, regelmäßig im Unternehmen angewandt?


ƒ Denken Sie, dass die Integration von Lead Usern von Unternehmen oft ange-
wandt wird?
Anhang B: Fragebogen der internetgestützten Befragung 229

Anhang B: Fragebogen der internetgestützten Befragung


230 Anhang B: Fragebogen der internetgestützten Befragung
Anhang B: Fragebogen der internetgestützten Befragung 231
232 Anhang B: Fragebogen der internetgestützten Befragung
Anhang B: Fragebogen der internetgestützten Befragung 233
234 Anhang B: Fragebogen der internetgestützten Befragung
Anhang B: Fragebogen der internetgestützten Befragung 235
236 Anhang B: Fragebogen der internetgestützten Befragung
Anhang B: Fragebogen der internetgestützten Befragung 237
238 Anhang B: Fragebogen der internetgestützten Befragung
Anhang B: Fragebogen der internetgestützten Befragung 239
240 Anhang B: Fragebogen der internetgestützten Befragung
Anhang C: Interviewleitfaden der Fallstudienanalyse 241

Anhang C: Interviewleitfaden der Fallstudienanalyse

(1) ORGANISATION

Anzahl und Dauer der durchgeführten Projekte

Anzahl integrierter Lead User und beteiligte Mitarbeiter / Abteilungen

Identifizierung der Lead User nach welcher Methode?

Auswahlkriterien der Lead User

(2) PROZESS

Ablauf / Prozess der Projekte

Änderungen im Prozess im Vergleich zum theoretischen Vorgehen?

Treiber / Gründe für Prozessänderung (Ressourcen, politische Entscheidungen etc.)

Effekte / Folgen

(3) ZIELERREICHUNG

Ziele und Zielerreichung des Projekts

Resultate des Projekts (Produktinnovation, neue Erkenntnisse etc.)

Bewertung und Verbesserungsmöglichkeiten des Lead User-Ansatzes

Zukünftige Durchführung und Änderungen im Vergleich zum vorherigen Projekt

(4) UMSETZUNG

Erfolgsfaktoren (Moderation etc.)

Herausforderungen / Widerstände (Identifizierung der Lead User etc.)

Umsetzung der Ergebnisse

Implementierung in allgemeines Innovationsmanagement --> Routinevorgang?


242 Anhang D: Codesystem der Fallstudienanalyse

Anhang D: Codesystem der Fallstudienanalyse

Liste der Codes #


1066
Unternehmensinformationen 0
Anzahl durchgeführter Projekte 19
Bekanntheit des Ansatzes 18
Themenbereiche 19
Verständnis Lead User 0
Abweichungen zur Theorie 14
Lead User Eigenschaften 33
Projektablauf 0
Organisation 0
Anzahl Lead User 22
Branchen Lead User 9
Incentivierung und Vergütung 35
Involvierte Unternehmensabteilungen 25
Projektdauer 9
Projektverantwortliche 15
Prozess 0
Abweichungen zur Theorie 31
Fragestellung und Ziel 43
Identifizierung Lead User 63
Konzeptentwicklung 8
Projektabschluss 8
Prozessablauf 32
Start des Projekts 25
Workshops 0
Dauer 10
Location 6
Moderation 12
Online 9
Organisation 15
Erfolgsfaktoren 0
Beteiligung Uni 13
Externer Einfluss 17
Flexibilität 9
Glück 4
Klare Zielsetzung 17
Kreativität 5
Offene Innovationskultur 15
Risikobereitschaft 3
Unternehmensbeteiligung 20
Vorteile Workshop 0
Externe Location 9
Moderation 12
Positive Atmosphäre 22
Scribbler / Zeichner 9
Anhang D: Codesystem der Fallstudienanalyse 243

Herausforderungen 0
Akzeptanz (Not invented-here) 27
Erwartungshaltung 19
Identifizierung und Rekrutierung 33
Markttauglichkeit 7
Messbarkeit 8
Motivation Lead User 37
Planungsunsicherheit 8
Ressourcenbedarf 17
Terminfindung und Verfügbarkeit 9
Vertraulichkeit und Datenschutz 7
Probleme Workshop 16
Ergebnisse 0
Ideen und Ansätze 15
Erwartbare Ergebnisse 12
Kontakte und Kooperationen 20
Nicht umsetzbare Ergebnisse 16
Umgesetzte Ergebnisse 26
Evaluation 0
Anwendbarkeit des Ansatzes 26
Kritikpunkte 24
Positive Bewertung 54
Verbesserungen 34
Zielerreichung 7
Zukünftige Anwendung 9
244 Anhang E: Beispiel der Summary Grid-Tabelle

Anhang E: Beispiel der Summary Grid-Tabelle

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