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Datum: 16.06.

2016

Galledia Verlag AG Medienart: Print Themen-Nr.: 375.016


9230 Flawil Medientyp: Fachpresse Abo-Nr.: 1034417
058/ 344 93 61 Auflage: 2'835 Seite: 22
www.saq.ch Erscheinungsweise: 10x jährlich Fläche: 107'297 mm²

Sicherheit im Cockpit

Wie steigern Piloten


ihre Resilienz?
Von Michael Merz und bleiben.
Fliegen ist sehr komplex. Piloten müssen eine
Vielzahl von Systemen überwachen, steuern und Für die Masterthesis konnte
Christian Kunz die Swiss Interna-
kurzfristig auf Veränderungen reagieren. Welche tional Air Lines gewinnen. Einer
Bedeutung diese Fähigkeiten für die Arbeitssicher-
heit haben, untersuchte ein Student von der
seiner Kontakte, Thomas Bolli, sel-
Hochschule für Angewandte Psychologie FHNW ber Pilot und Head of Safety von
zusammen mit Swiss International Air Lines. Swiss International Air Lines. «Re-
So vielseitig Aviatik-Berufe «Resilience Engineering beschäf- silienz im Cockpit besteht darin,
sind, erfordern sie ebenso viel tigt sich mit der Fähigkeit bei Sys- die unterschiedlichen Erfahrun-
Disziplin, Wissen, Konzentra- temen, auf erwartete und uner- gen, Skifis und Wahrnehmungen
tion und Finesse. Neben dem wartete Veränderungen oder kri- der Crewmitglieder in optimaler
Handling der komplexen Technik Weise zusammenwirken zu las-
tische Ereignisse so reagieren zu
gehört es zu den professionellen sen. Dies bedingt eine Arbeitsat-
können, dass das sichere Funktio-
Aufgaben der Piloten, Ereignisse mosphäre, die Lösungsansätze
nieren aufrechterhalten, «idealer-
wie beispielsweise sicherheitsre- weise das System gar stärker von senioritätsjüngeren Kollegen
levante Wetterwechsel miteinzu- zulässt und fördert.
wird», so der Arbeitspsychologe.
planen oder ad hoc darauf zu re- Allerdings, wie entwickelt man ei-
agieren. Schliesslich lernt die ne kontinuierliche «Resilienz» in Die Messbarkeit und Analyse der
Cockpit Crew aus extremen Er- einem dynamischen Umfeld? vier Grundfähigkeiten waren
fahrungen für weitere Flüge. wichtigste Kriterien in Christian
Kunz' Thesis. Letztendlich war es
Ist Resilienz messbar?
Die Fliegerei vereint High Risk Be- Inzwischen spricht man von vier ebenso eine Frage der Definition,
rufe, die mit Ingenieuren, Medizi- Grundfähigkeiten von Resilienz: was wirklich unter den theoreti-
nern oder Rettungsleuten gleich- LAntizipation schen Grundfähigkeiten subsum-
gestellt werden können. Christian 2. Überwachung miert wird. Hierbei stützt sich
Kunz, ein Student der Fachhoch- 3. Reaktion Kunz auf weitere Begriffe der Ar-
schule Nordwestschweiz FHNW, 4. Lernen beitspsychologie, insbesondere
zog für seine Masterarbeit im Be- auf sogenannte «Detailfähigkei-
reich Angewandte Psychologie the- Eines der zentralen Anliegen der ten oder Einstellungen».
oretische Konzepte des «Resilience Resilienzforschung ist es, dass die
Engineering» herbei, indem er die Kunz: «Für die Messung von Fä-
Menschen bei der Arbeit respekti-
Wechselwirkung komplexer Tech- ve im organisationalen Kontext higkeiten gibt es diverse sozialwis-
nik und Pilotenprofile untersuchte. gesund sowie leistungsfähig sind senschaftliche Methoden», die je-
weils Vor- und Nachteile in Bezug

Medienbeobachtung ARGUS der Presse AG Argus Ref.: 61930160


Medienanalyse Rüdigerstrasse 15, Postfach, 8027 Zürich Ausschnitt Seite: 1/4
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auf den angezielten Erkenntnisge- doch fest: «Besonders Menschen eines Piloten. Dieser müsste bei-
winn mitbringen würden. Der zählen mit ihrer Fehleranfälligkeit spielsweise sagen können, wie
FHNW-Student unterstreicht: «In- zu einem stetigen Risiko.» Darü- der Flug verlaufen wird.»
wiefern letztendlich zuverlässige ber hinaus zeigt die Arbeitspsy-
und valide Messergebnisse erzielt chologie, dass die Fähigkeit von Rückschlüsse
werden, ist also grösstenteils eine Menschen, als Individuen und Or- Die Modelle mit den vier Grund-
messtheoretische und statistische ganisationen zu interagieren, fähigkeiten und den Indikatoren
Problemstellung.» auch viele Potenziale birgt, Verän- zeigen im Detail auf, wie Piloten
derung und Störungen proaktiv während eines Fluges zur «Anpas-
In der Literatur sind die vier zu erkennen und zu beheben. sungs- und Widerstandsfähigkeit
Grundfähigkeiten von Resilienz (Resilienz) des Systems Flugzeug»
als theoretisches Gerüst postu- Thomas Bolli, Head of Safety von konkret beitragen. Welche Rück-
liert. Sie sind jedoch für eine de- Swiss: schlüsse mithilfe des «Question-
taillierte Messung viel zu grob und «Die Resilienzforschung hilft uns naires» (engl. Fragebogen) von
müssen zunächst messbar ge- das systemische Zusammenspiel Christan Kunz optimieren nun
macht werden. Neuste Erkennt- von Mensch und Maschine im die Sicherheit im Cockpit?
nisse der Arbeits- und Organisa- komplexen Umfeld besser zu ver-
tions-Psychologie bilden deshalb stehen, zu optimieren und damit Einige wichtige Einblicke der Resi-
das Tüpfchen auf dem i. einen Beitrag an die Flugsicher- lienz-Untersuchung:
heit zu leisten.» Das 4-P-Modell 1.)Wichtig sind insbesondere zwei
Sicherheit im Cockpit für Cockpit-Operationen (A. De- Punkte: (1) Inwiefern trägt die
Systeme und Einheiten im Hoch- gani, E.L. Wiener, NASA) be- Swiss Aus- und Weiterbildung
risikobereich - die auch die Luft- schreibt die Wechselwirkung zwi- zur Entwicklung der definier-
fahrtindustrie vielerorts verwen- schen Operationsphilosophie, ten Resilienz-Fähigkeiten bei?
det und einsetzt - müssen sicher Policies, Procedures und der ef- (2) Welche Fähigkeiten von Pi-
funktionieren. Werkzeuge, Men- fektiven Praxis. Beim Fehlen von loten müssen im System vor-
schen und weitere Elemente Procedures in einer ausseror- handen sein, um sich flexibel
müssen möglichst auf eine jewei- dentlichen Situation müsste der an Veränderungen (Risiken)
lige alltägliche Situation einge- Pilot beispielsweise fähig sein, während eines Fluges anpassen
stellt oder angeglichen werden. aufgrund von übergeordneten zu können?
Policies oder gar der generellen 2.) Die Erhebung (Messung) zeigt
Werdende Forscher wie Christian Operationsphilosophie (z.B. «Sa- inwiefern die jeweiligen Fähig-
Kunz stellen früher oder später je- fety first») eine sichere und ziel- keiten differenziert sind und sich
führende Lösung zu finden. über die Zeit verändern. Weiter
werden berufliche Unterschiede
Mithilfe von Gruppen- und Ein- (z.B. zwischen Kapitänen und
zelinterviews entwickelte Kunz Co-Piloten, zwischen Lang- und
für jede Resilienz-Grundfähigkeit Kurzstrecken-Piloten, Piloten mit
Indikatoren, etwa welche Verhal- unterschiedlichen Dienstjahren)
tensweisen Rückschlüsse auf die registriert. Diese Daten geben
Resilienz im Cockpit bieten. «Bei- Hinweise in Bezug auf Stress-
spielsweise», so Kunz, « gibt es bei und Belastungen im Cockpit/
der Antizipations-Definition eine Flugzeug.
kritische Reflexion der eigenen
Einschätzungen und Annahmen Mit Modellen können komplexe

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Sachverhalten in vereinfachter lung und einer neuen Modellbil- die wichtigste Rolle.
Form dargestellt werden. Wirk- dung durchgeführt werden.»
mechanismen und Zusammen- Der Student der Fachhochschule
hänge können damit wesentlich Der Flugbetrieb ist als ein fortlau- ist überzeugt: «Grundsätzlich hat
nachvollziehbarer veranschau- fender und sicherheitsförderlicher die Swiss jetzt die Möglichkeit,
licht werden. Einen mindestens Prozess zu verstehen, der durch mein Messinstrument im Sinne
ebenso grossen Nutzen solcher Menschen, Technik und diverse eines Trendmonitorings einzuset-
Modelle sieht auch der Head of Umweltebenen dominiert wird. zen. Hierdurch könnte eine kriti-
Safety von Swiss International Dieses Wechselspiel wurde in den sche Entwicklung sehr früh (opti-
Airlines in der Diskussion von Er- letzten Jahrzehnten - neben den malerweise vor Eintreten eines
kenntnissen. Dies erhöhe die all- vielen Verbesserungen - aufgrund Safety-Risikos) entdeckt, beurteilt
gemeine Verständlichkeit. der steigenden Entwicklung zu- und entsprechende Verfahren ein-
nehmend komplexer. Daher birgt geleitet werden.
«Wichtig ist die Kenntnis, dass man es viele, teils neue Risiken.
eintretende Schäden als reaktiven Die Masterarbeit «Resilienz von
Prozess, losgelöst von Schuldfra- «Störungen sind heutzutage kaum Piloten im Cockpit bei SWISS»
gen oder persönlichen Vorwürfen, mehr technisch bedingt, es geht von Christian Kunz wurde be-
abhandelt. Aus vorliegenden Schä- eher um menschliche und organi- gleitet durch Prof Dr. Toni Wäf-
den sollte man emotionslos ler- sationale Faktoren sowie Umwelt- ler, Hochschule für Angewandte
nen, diese auch in Zukunft ohne einflüsse», meint Thomas Bolli. Psychologie FH1VW.
persönliche Gründe berücksichti- Wenn Menschen im Spiel sind,
gen», meint der ehemalige Aus- bekomme die Resilienz noch ein-
bildner und Swiss-Verantwortliche. mal eine ganz andere Dimension
«Der Mensch ist und bleibt nicht - «Immer mehr Sitze in einer Ma-
nur ein Risikofaktor, sondern auch schine, unvorhergesehene Warte-
eine entscheidende Sicherheitsres- zeiten, Flug- oder Terrorangst, in-
source», unterstreicht Kunz. «Wel- tensivere Wetterphänomene etc.
che konkreten Fähigkeiten schluss- können zu Stressreaktionen füh-
endlich zur Sicherheit beitragen, ist ren, welche die Resilienz der Crew
der springende Punkt. Ein Pilot auf die Probe stellen.»
sollte nicht nur selbstkritisch sein,
er sollte auch noch in Extremsitua- Hier übe sich die Swiss Crew in Die Swiss orientiert sich an einer «Just Culture», wobei die Crew
tionen optimistisch sein.» psychologisch nachvollziehbaren in einem offenen Report auch potenzielle Risiken thematisiert.
Umgangsformen. Resilienz sei
Kritische Fähigkeiten bei der Swiss in erster Linie eine
Kunz gesteht jedoch, dass seine Bewusstmachungsmassnahme.
Thesis nicht durchgehend im Be- Wenn es um die Sicherheit im
trieb der Swiss International Air
Cockpit geht, werde zuerst der
Lines Anwendung findet: «Der Flugzweck (Purpose) verdeut-
Fragebogen kann nicht einfach licht, erst dann berücksichtige
auf andere Swiss-Mitarbeitende man die eigentlichen Ressourcen
(z.B. die Cabin Crew) übertragen unter dem Grundsatz:
werden. Dafür müssten erst Vor-
untersuchungen mittels Inter- «Safety first». Hierbei spielen Ein-
views, einer Indikatorenentwick- schätzungen der Crewmitglieder

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Resilienzforschung
Die Arbeits- und Organisationspsychologie (AOP) leistet mit ihrem Methoden-
repertoire einen wesentlichen Beitrag zur Resilienzforschung. Resilience Engi-
neering, welches von Psychologen entwickelt wurde, widmet sich der «Wider-
standsfähigkeit» von Menschen schon seit Jahren. Die Definition, dass ein
resilientes System die vier Grundfähigkeiten (siehe Artikel) aufzuweisen hat,
ist das Ergebnis diverser theoretischer Überlegungen sowie psychologischer
Untersuchungen (z.B. in Bereichen wie dem Militär, der Aviatik, dem Gesund-
heitswesen, der Kerntechnik). Die Integration von Forschungsergebnissen in
den Berufsalltag liefert ein zunehmend verfeinertes Forschungsbild. Die Be-
weggründe, zusammen mit der Swiss International Air Lines Arbeitssicherheit-
relevante Bereiche zu untersuchen, leuchten ein. Undurchsichtige Manöver
von Piloten und ominöse Flugzeugabstürze zeigen immer wieder auf, dass
Sicherheit selbst auf dem heutigen Niveau keine Selbstverständlichkeit ist.

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