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Schiffsbetriebstechnik
2. Auflage
Schiffsbetriebstechnik
Manfred Pfaff
Schiffsbetriebstechnik
2., überarbeitete und erweiterte Auflage
Manfred Pfaff
Abfallstromkontrolle
Bezirksregierung Detmold
Detmold, Deutschland
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lierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
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Vorwort zur zweiten Auflage
Umfasste noch zum 1. Januar 2015 die Welthandelsflotte 50.422 Schiffe1 mit >300
BRZ2 und einer Tragfähigkeit von 1661 Mio. dwt3, so belief sie sich zum 1. Januar 2016
auf 51.405 Einheiten über 300 BRZ mit einer Tragfähigkeit von 1716,1 Mio. dwt4. Den
Hauptanteil bildeten dabei die Massengutschiffe gefolgt von den Rohöltankern. Dieser
Anstieg bestätigt den immer noch weiter anhaltenden Trend einer weltweit expandierenden
Seeschifffahrt.
Steigende Anforderungen an die Energieeffizienz, den maritimen Umweltschutz und
die Schiffssicherheit sowie steigende Komplexität der Anlagen prägen die Herausforde-
rung an die Schiffsingenieure. Vom Schiffsingenieur bzw. dem Schiffsbetriebstechniker
werden interdisziplinäre Kenntnisse hinsichtlich der Überwachung und der Wartung von
Schiffmaschinenanlagen verlangt. Allgemeine Kenntnisse auf den Gebieten der Physik,
Mathematik, Elektrotechnik und des Maschinenbaus sind daher erforderlich, vertiefend
u. a. auch in den Bereichen Anlagentechnik, Maschinendynamik, Kälte- und Klimatech-
nik sowie Schiffselektronik.
Dieses Lehrbuch beschäftigt sich neben den für die Schiffsbetriebstechnik notwendi-
gen grundlegenden physikalischen Gesetzmäßigkeiten mit einigen kurzen Ausführungen
zum Schiffbau und den Grundlagen der verschiedenen Antriebssysteme mit den Hilfs-
systemen und Hilfsmaschinen, Aggregaten, Rettungsmitteln, der Schiffssicherheit und
vielem mehr – eben mit dem, was aus dem Kasko erst das Schiff zum Schiff macht. Die-
ses Buch ergänzt insofern weitere Literatur, die sich mit dem eigentlichen Schiffsentwurf
und der schiffstechnischen Konstruktion sowie mit der Antriebstechnik von Schiffen
befasst.
4https://dmkn.de/wp-content/uploads/2016/12/2_3_Entwicklung_der_Welthandelsflotte_Jahresbe-
V
VI Vorwort zur zweiten Auflage
Am 01.01.2015 umfasste die Welthandelsflotte 50.422 Schiffe5 mit >300 BRZ6 und einer
Tragfähigkeit von 1661 Mio. dwt7. Den Hauptanteil bildeten dabei die Massengutschiffe
gefolgt von den Rohöltankern.
Damit diese Schiffe die Weltmeere sicher befahren können, kommt einer funktionie-
renden Schiffsbetriebstechnik eine besondere Bedeutung zu.
Dieses Fachbuch „Schiffsbetriebstechnik“ beschäftigt sich neben einigen kurzen
Ausführungen zum Schiffsbau und den Grundlagen der verschiedenen Antriebssysteme
mit den Hilfssystemen und Hilfsmaschinen, Aggregaten, Rettungsmitteln, der Schiffssi-
cherheit und vielem mehr – eben mit dem, was aus dem Kasko erst das Schiff zum Schiff
macht. Dieses Buch ergänzt insofern weitere Literatur, die sich mit dem eigentlichen
Schiffsentwurf und der schiffstechnischen Konstruktion sowie mit der Antriebstechnik
von Schiffen befasst.
Bei den verschiedenen hier vorgestellten Systemen, Einrichtungen, Anlagen und
Maschinen werden deren Charakteristika und Bedeutung für das Gesamtsystem „Schiff“
beleuchtet und einfache Berechnungen mithilfe von „Faustformeln“ durchgeführt.
Wo erforderlich, werden die den genannten Einrichtungen zugrunde liegenden
wesentlichen rechtlichen und technischen Normen genannt und Auslegungen bzw.
Dimensionierungen anhand dieser Vorschriften beispielhaft vorgenommen.
Damit soll es dem Leser ermöglicht werden, mit einfachen Mitteln überschlägig die
für die Auslegung notwendigen Daten wie Wärmetauscherfläche, überschlägige Ermitt-
lung von Antriebsleistung, Tauwerks- und Kettendurchmesser und vieles mehr zu
ermitteln. Fragen, wie z. B. welche Art der Lichterführung für welche Wasserfahrzeuge
erforderlich ist, werden beantwortet. Hinweise zum Umweltschutz und zur Schiffssicher-
heit runden das Werk ab.
VII
VIII Vorwort
Im Anhang finden sich Tabellen, die für die schiffsbetriebstechnische Praxis hilfreich
sein können.
Ein herzlicher Dank gilt dem Lektorat Maschinenbau des Springer-Vieweg-Verlags,
namentlich Herrn Dipl.-Ing. Thomas Zipsner, Frau Ellen-Susanne Klabunde und Frau
Imke Zander. Die vielfältigen Hinweise und Anregungen von Herrn Zipsner und Frau
Klabunde sowie die stete Unterstützung mit Rat und Tat durch das Team des Lektorats
haben ganz entscheidend zum Gelingen dieses Buches beigetragen.
Ferner gilt mein Dank den zahlreichen Firmen und Privatpersonen, die mich bei mei-
nen Recherchen für dieses Buch umfangreich unterstützten. Ganz besonders möchte ich
hier meine Tochter Ramona sowie die Reederei AIDA Cruises und Herrn Michael Grund
von der Firma Ocean Clean nennen.
Und nun, viel Erfolg beim Lesen und Anwenden, für die weitere Ausbildung, das
Studium und natürlich auch im Beruf.
1 Physikalische Grundlagen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1
1.1 Mechanik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2
1.1.1 Statik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
1.1.2 Dynamik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32
1.1.3 Mechanische Arbeit und Leistung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49
1.1.4 Energie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51
1.1.5 Impuls. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54
1.1.6 Festigkeitslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55
1.2 Schwingungen und Wellen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62
1.2.1 Schwingungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62
1.2.2 Wellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70
1.3 Hydrostatik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75
1.3.1 Verbundene Gefäße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75
1.3.2 Druck in Flüssigkeiten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76
1.4 Gase. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78
1.4.1 Das Gesetz von Gay-Lussac . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78
1.4.2 Das ideale Gasgesetz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80
1.4.3 Das Boyle-Mariottesche Gesetz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81
1.5 Wärmelehre. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82
1.5.1 Temperatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82
1.5.2 Ausdehnung von Festkörpern und Flüssigkeiten. . . . . . . . . . . . . . . 85
1.5.3 Wärmeenergie und Wärmemenge. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88
1.6 Strömungslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91
1.6.1 Reibungsfreie Strömung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91
1.6.2 Innere Reibung in Strömungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95
1.6.3 Strömungswiderstand. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96
1.6.4 Reynoldssches Ähnlichkeitsgesetz, Froude-Zahl. . . . . . . . . . . . . . . 97
IX
X Inhaltsverzeichnis
1.7 Optik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98
1.7.1 Reflexionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99
1.7.2 Lichtbrechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100
1.7.3 Linsen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101
1.8 Elektrizitätslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105
1.8.1 Stromkreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106
1.8.2 Elektrischer Strom, elektrische Ladung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106
1.8.3 Spannung, elektrische Leistung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107
1.8.4 Elektrischer Widerstand. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110
1.8.5 Widerstände beim Wechselstrom. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111
1.9 Messunsicherheiten und Fehlerrechnung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114
Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119
2 Tätigkeitsbild des Schiffsbetriebstechnikers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121
Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123
3 Regelwerke. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125
3.1 Gesetzes- und Normenhierarchie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125
3.2 Völkerrechtliche Regelungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127
3.2.1 SOLAS. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127
3.2.2 MARPOL. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128
3.2.3 Kollisionsverhütungsregeln. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128
3.3 Vorschriften der Europäischen Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129
3.4 Deutsche Gesetze und Verordnungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130
3.5 Bauvorschriften der Klassifikationsgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131
3.6 Technische Normen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131
Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132
4 Schiffskörper, Tauwerk, Aufbauten, Ankergeschirr,
Korrosionsschutz und Decksbeläge. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133
4.1 Schiffsrumpf. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133
4.1.1 Schwimmfähigkeit und Stabilität. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134
4.1.2 Wichtige Bezeichnungen und Hauptabmessungen . . . . . . . . . . . . . 138
4.2 Aufbauten, Deckshäuser, Schornstein. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139
4.3 Nicht integrierte Fundamente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142
4.3.1 Exkurs zum Thema Schwingungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146
4.4 Ankergeschirr, Leinen und Tauwerk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151
4.4.1 Ankergeschirr. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151
4.4.2 Auslegung bzw. Dimensionierung von Anker und Kette. . . . . . . . . 154
4.4.3 Leinen und Tauwerk. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157
4.4.4 Poller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165
Inhaltsverzeichnis XI
Stichwortverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 685
Physikalische Grundlagen
1
Damit Schiffe unsere Weltmeere sicher befahren können, kommt einer funktionierenden
Schiffsbetriebstechnik eine besondere Bedeutung zu. Diese zum Teil hochmodernen und
komplexen Anlagen erfordern qualifiziertes Fachpersonal – die Schiffsbetriebstechniker.
Für den Zugang zu den Tätigkeiten als Technische/r Schiffsoffizier/in wird eine
abgeschlossene Fachschulausbildung an einer Seefahrtschule oder ein abgeschlossenes
Fachhochschulstudium der Schiffsbetriebstechnik bzw. des Schiffsbetriebs sowie ein ent-
sprechendes gültiges Befähigungszeugnis vorausgesetzt.1 Im Internetauftritt der Deutschen
Marine [19] wird die Verwendung des Schiffsbetriebstechnikers wie folgt beschrieben:
„Schiffsbetriebstechniker sind die Spezialisten, die für Bedienung und Instandhaltung
der modernen Betriebsanlagen, zum Beispiel der Kälte-, Klima- und Umweltschutzanlagen,
der Feuerlösch-, Kraftstoff- und Sprühanlagen sowie der Kräne, Aufzüge und Hebezeuge,
die Betrieb- und Einsatzfähigkeit eines Schiffes oder Bootes gewährleisten, zuständig sind.“
Der „Chef“ der Betriebstechniker an Bord von Marineeinheiten ist der Schiffs-
technische Offizier (STO). Für die Antriebsanlage ist bei der Deutschen Marine der ANO
(Antriebsoffizier) mit seinem Personal (im Marinejargon Heizer genannt) zuständig.
An Bord ziviler Schiffe wird der leitende Schiffsingenieur „Chief“ genannt. Ihm
obliegt die Verantwortung und Instandhaltung aller technischen Anlagen und deren
Betrieb. Technischen Schiffsoffizieren untersteht zudem die Ausbildung der Mitarbeiter
im Bereich des technischen Schiffsbetriebs. Sie sind ferner für die Durchführung des
Arbeits- und Brandschutzes sowie die entsprechende Sicherheitsunterweisung in den
Betriebsräumen und nicht zuletzt auch für die Einhaltung von Umweltschutzvorschriften
zuständig. Zu allen Fragen des technischen Schiffsbetriebes und dem Einsatz der
Maschinenanlage beraten sie den Kapitän und die übrigen nautischen Offiziere.
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 1
M. Pfaff, Schiffsbetriebstechnik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-27052-0_1
2 1 Physikalische Grundlagen
1.1 Mechanik
Die Mechanik ist das Teilgebiet der Physik, in dem man die Wirkung von Kräften und
die Bewegung der Körper untersucht. Sie ist die Lehre von der Statik, Kinematik und
Kinetik fester, flüssiger und gasförmiger Stoffe. Die Methoden der Mechanik arbeiten
1.1 Mechanik 3
FR FR
deduktiv, d. h., es werden aus bekannten Gesetzmäßigkeiten, z. B. aus der Physik, mit-
hilfe theoretischer Überlegungen Folgerungen abgeleitet, um das verhalten definierter
mechanischer Systeme (Geräte, Maschinen etc.) voraussagen zu können. Entsprechend
den unterschiedlichen Eigenschaften der betrachteten Körper unterscheidet man
zwischen der Elasto-, der Fluid-, Plasto- und Stereomechanik.2
1.1.1 Statik
Die Statik behandelt die äußeren Kräfte und die Gleichgewichtsbedingungen der star-
ren Körper sowie die Bestimmung von unbekannten Kräften (z. B. Auflagerkräfte an
Brückenlagern). Statische Probleme lassen sich rechnerisch (analytische Statik) oder
zeichnerisch (grafische Statik) lösen. Ein mechanisches System ist statisch bestimmt,
wenn alle in ihm auftreffenden Kräfte anhand von Gleichgewichtsbedingungen
berechnet werden können; bei statisch unbestimmten Systemen muss die Verformung des
Materials berücksichtigt werden.3
→ →
FR = Σ Fi (1.1)
Beispiel
Das Hubseil und der Lasthaken eines Bordkrans kann mit 10 kN belastet werden. Mit
diesem sollen als Ladung Rohre verladen werden. Zum sicheren Heben der Rohre
werden diese in eine Ladetraverse mit G = 250 kg eingehängt. Wie schwer darf das zu
hebende Rohr maximal sein?
FT = 2,5 kN
Für die zeichnerische Lösung gilt 1 kN entspricht 1 cm (hier nicht maßstäblich
gezeichnet!).
FT Gewichtskraft Traverse = 2,5 kN
FL ax. Gewichtskraft der Ladung, hier Rohr, abgemessen 7,5 kN
m
FR resultierende Kraft, hier max. Tragfähigkeit Hubseil und Kranhaken (Abb. 1.3)
Rechnerische Lösung durch algebraische Addition unter Vorzeichenbeachtung:
FR = FT + FL
Umstellung nach FL liefert die max. Gewichtskraft der zu hebenden Last, hier der Rohre:
FL = FR − FT
FL = 10 kN − 2,5 kN
FL = 7,5 kN
FL
FL
1.1 Mechanik 5
Richtung der resultierenden Kraft an. Auch hierbei gilt für die grafische Lösung, dass ein
Kräftemaßstab festgelegt werden muss (z. B. 1 kN entspricht 1 cm). Die Bestimmung
der Resultierenden erfolgt durch vektorielle bzw. geometrische Addition (Abb. 1.4):
→ → →
FR = F1 + F2 (1.2)
Die Resultierende kann auch berechnet werden, wobei α der Winkel zwischen den bei-
den Komponenten F1 und F2 ist. Dann gilt nach dem Cosinussatz:
FR = F12 + F22 − 2F1 F2 cos(180◦ − α) (1.3)
Beispiel
Ein auf Grund gelaufenes Schiff kann durch zwei Schlepper S1 und S2 freigeschleppt
werden. Erforderlich ist, dass Schlepper 1 hat einen Pfahlzug von 150 t und Schlepper
2 einen Pfahlzug von 97 t hat; deren am Bug des Havaristen H angebrachte Schlepp-
trossen bilden einen Winkel von 35° (Abb. 1.5). Welchen Pfahlzug müsste ein Schlep-
per aufbringen, wenn nur ein Bergungsschiff zum Einsatz kommen soll?
FR = 2361 kN
Ein einzelner Bergungsschlepper müsste demnach einen Pfahlzug von 236 t aufbringen.
α FR
F2
S2
6 1 Physikalische Grundlagen
Hierbei reiht man alle Kräfte unter Beachtung ihrer Größe und Richtung aneinander
(geometrische bzw. vektorielle Addition – Gl. 1.4 (vgl. auch Gl. 1.1)).
→ →
FR = Σ Fi (1.4)
Die Resultierende ist dann die Verbindung zwischen Anfangspunkt der ersten Kraft und
Endpunkt der letzten Kraft (Abb. 1.6). Die resultierende Kraft verschiebt den Körper, an
dem sie angreift mit entsprechender Größe in die angezeigte Richtung. Ist das Krafteck
hingegen geschlossen, d. h., ergibt sich keine Resultierende, dann sind alle Kräfte im
Gleichgewicht, ihre Wirkungen heben sich gegeneinander auf, der Körper befindet sich
in Ruhe (Abb. 1.7).
d) Parallele Kräfte
Die Wirkungslinien paralleler Kräfte besitzen keinen Schnittpunkt. Um die Lage der
Resultierenden zu bestimmen, wird das Seileckverfahren angewendet (Abb. 1.8):
Im Kräfteplan des betrachteten Körpers (Abb. 1.8a) die Wirklinien der gegebenen
Kräfte zeichnen. Maßstab festlegen (z. B.: 1 cm entspricht 1 m). Krafteck (Abb. 1.8b) der
gegebenen Kräfte durch Parallelverschiebung der Wirklinien aus dem Kräfteplan zeich-
nen, unter Festlegung eines Kräftemaßstabs (z. B. 1 cm entspricht 1 kN). Die Resultie-
rende FR ist die algebraische Addition der Einzelkomponenten Fi. Damit liegen Betrag
und Richtung von FR fest. Polpunkt P im Krafteck beliebig wählen und Polstrahlen zeich-
nen. Seilstrahlen zum Seil-eck im Kräfteplan durch Parallelverschiebung der Polstrah-
len konstruieren; dabei ist der Anfangspunkt beliebig. Anfangs- und Endseilstrahl zum
Schnittpunkt S bringen. Der Schnittpunkt der Seilzugenden ergibt die Lage von FR im
Kräfteplan, die Größe und Richtung von FR ist aus dem Krafteck zu entnehmen.
a b
F2
0
FR F1
FR P
F1 F1
1
F1 2
3
0 3 F3 F2 2
1 S
Polstrahl
FR F3
Seilstrahl
FR
Rechnerisch wird die Resultierende nach Gl. 1.1 unter Berücksichtigung des Vor-
zeichens ermittelt. Ihre Wirkungslinie teilt den Abstand der einzelnen Wirklinien der
Kräfte F1 im umgekehrten Verhältnis:
F1 :F2 · · · Fi = li · · · l2 :l1 (1.5)
Die Abstände li sind dabei die Abstände der jeweilig zugehörigen Wirklinie der Kraft Fi
zur Wirklinie der Resultierenden FR.
Bei der Betrachtung paralleler, nicht auf der Zeichenebene zum Schnitt zu bringende
Kräfte, ist auch noch das Schlusslinienverfahren zu nennen.
Beispiel
Auf einem zweifach gelagerten Träger wirkt neben seiner Eigenlast Fe noch eine wei-
tere Last F1 ein. Wie groß sind die Auflagerreaktionen FA und FB?
Lösung: Im Lageplan (Abb. 1.9a) des freigemachten Körpers, hier des Trägers mit den
Auflagerreaktionen FA und FB, die Wirklinien der angreifenden Kräfte zeichnen. Krafteck
aus den gegebenen Belastungsfällen, hier F1 und F2, zeichnen (Abb. 1.9b). Pol P beliebig
wählen und Polstrahlen, hier 0 bis 2, im Krafteck ziehen. Polstrahlen als Seilstrahlen
durch Parallelverschiebung in den Lageplan übertragen. Anfangs- und Endseilstrahl
durch Schlusslinie S mit den Wirklinien der Auflagerreaktionen FA und FB zum Schnitt
bringen (vgl. Abb. 1.9a). S durch Parallelverschiebung ins Krafteck übertragen. Hier
schneidet S eine der angreifenden Kräfte, in diesem Beispiel F1. Dieser Schnittpunkt –
auch Teilpunkt genannt – ist Anfangs- bzw. Endpunkt der Auflagerkräfte.
8 1 Physikalische Grundlagen
a b
F1 F2 FB
F1 0
FA FB 1 P
F2
S FA
2 2
0
1
a b
F2 F1
FR
F3 2 1 F1 0
3
1
F3 P
3 0
2
S F2
FR
Beispiel
Im Beispiel des geschleppten Schiffes aus oben b) (Abb. 1.5) wird nun gefragt: Ein
Schlepper S mit einem bestimmten Pfahlzug FS soll durch zwei Schlepper S1 und S2
ersetzt werden (Abb. 1.11), dessen Schlepptrossen dann in einem Winkel von 35° am
Bug des Havaristen angeschlagen sind. Welchen Pfahlzug FS1 und FS2 müssen diese
Schlepper mindestens haben?
1.1 Mechanik 9
α
x
Fx
Beispiel
Ein Freifallrettungsboot (Abb. 1.13) mit einer Gesamtmasse m = 3900 kg (Boots-
gewicht + 16 Personen Besatzung) ist auf einer 40° zur Waagerechten geneigten
Ablaufbahn arretiert. Welche Kraft wirkt auf die Arretierung der Aussetzvorrichtung,
wenn Reibungskräfte vernachlässigt werden?
Lösung: Zunächst wird eine Systemskizze mit der Zerlegung der Kräfte gezeichnet
(Abb. 1.14).
Die zu zerlegende Gewichtskraft FG ist das Produkt aus der Masse des Bootes m
multipliziert mit der Erdbeschleunigung g; die Gewichtskraft wird hier überschlägig
mit FG = 39 kN angenommen. Durch die Zerlegung von FG findet sich einmal die
Normalkraft FN. Diese wirkt rechtwinklig zur Auflagerfläche. Zum anderen ergibt
sich aus der Kraftzerlegung die sog. Hangabtriebskraft FH. Diese wirkt in die
Bewegungsrichtung des Körpers. Soll der Körper sich nun in Ruhe befinden, muss
10 1 Physikalische Grundlagen
FN
α
FG
eine der Hangabtriebskraft mit gleicher Größe aber entgegengesetzter Richtung wir-
kende Kraft am Körper angreifen: Das ist die Kraft FA, mit der das Boot von der Arre-
tierung der Aussetzvorrichtung gehalten werden muss. Aus Gl. 1.6 folgt dann:
FA = FH = FG · sin α
FA = 39 kN · sin 40◦
FA = 25 kN
1.1.1.3 Drehmoment
Wirkt eine Kraft F auf einen drehbaren Körper, erzeugt sie ein Drehmoment. Das
Drehmoment M ist das Produkt aus dieser Kraft und dem senkrechten Abstand l ihrer
1.1 Mechanik 11
l
F
Wirkungslinie vom Drehpunkt. In der Abb. 1.15 wird dieses verdeutlicht. An einer in D
drehbar gelagerten Platte greift die Kraft F an. Der Abstand der Wirklinie von F zu D ist l.
Das Drehmoment ist dann
M=F· l [Nm] (1.8)
Beispiel
Verschraubungen einer Hydraulikeinheit müssen mit einem Drehmoment M von
95 Nm angezogen werden. Der hierfür verwendete Drehmomentschlüssel hat
eine Länge l = 530 mm (Abb. 1.16). Wie groß ist die vom Schiffsmechaniker auf-
zuwendende Kraft F?
1.1.1.4 Gleichgewichtsbedingungen
Die auf einen starren Körper einwirkenden Kräfte können sowohl eine fortschreitende
Bewegung (Translation) als auch eine Drehbewegung (Rotation) erzeugen. Soll ein Kör-
per aber in Ruhe sein, sich also im Gleichgewicht befinden, so müssen die Summe aller
wirkenden Kräfte gleich Null (demnach die Resultierende gleich Null) und die Summe
aller Drehmomente gleich Null sein:
Fx = 0; Fy = 0; Mi = 0 (1.9)
12 1 Physikalische Grundlagen
Beispiel
Träger auf zwei Stützen (vgl. Abb. 1.9)
An diesem Träger greifen keine Horizontalkräfte an, insofern ist ∑ Fx= 0. Die
Summe der Vertikalkräfte FA, F1, F2 und FB ist ebenfalls Null (vgl. Abb. 1.9b). Ferner
ist die Summe aller Momente um das Auflager „A“ des Balkens Null (rechtsdrehende
Momente positiv, linksdrehende negativ). Dabei gilt für den Träger aus Abb. 1.9a:
F1 = 1,09 kN
F2 = 1,75 kN
FB = 1,84 kN
l1 = 2,30 m (Abstand Auflager A zur Wirklinie F1)
l2 = 3,40 m (Abstand Auflager A zur Wirklinie F2)
lTräger = 4,60 m
M(A) = 0 = F1 · l1 + F2 · l2 −FB · lTrager
..
M(A) = 0 = 1,09 kN · 2,30 m + 1,75 kN · 3,40 m−1,84 kN · 4,60 m
Somit sind alle drei Gleichgewichtsbedingungen erfüllt, der Träger befindet sich in
Ruhe.
a) Hebel
Ein Hebel ist eine starre um eine Achse drehbarer Körper. Hierbei ist zwischen dem ein-
seitigen und zweiseitigen Hebel zu unterscheiden: Beim zweiseitigen Hebel liegt der
Drehpunkt zwischen den angreifenden Kräften (Abb. 1.17), beim einseitigen Hebel liegt
der Drehpunkt an einem Ende des Hebels (Abb. 1.18). Die mathematische Beschreibung
eines solchen Systems im Drehmoment-Gleichgewicht wird als Hebelgesetz bezeichnet:
Ein Hebel befindet sich im Gleichgewicht, wenn die Summe aller an ihm anliegenden
Drehmomente bezüglich desselben Bezugspunktes (nicht notwendigerweise der Dreh-
punkt) gleich Null ist:
Mi = 0 = li × Fi (1.10)
Bilden beide Hebelarme eines zweiseitigen Hebels einen Winkel < 180°, spricht man von
ei-nem Winkelhebel. Auch bei diesem sind lK und lF die senkrechten Abstände der Kräfte
vom Drehpunkt. Typischer „Vertreter“ eines Winkelhebels ist das sog. Nageleisen, auch
Kuhfuß oder Brecheisen genannt (Abb. 1.19).
1.1 Mechanik 13
FAuf lK
h=s (1.12)
Die lose Rolle wirkt wie ein einseitiger Hebel (Abb. 1.20). Bezogen auf einen Drehpunkt
D wirken folgende Drehmomente, die im Falle des Gleichgewichts gleich sein müssen:
14 1 Physikalische Grundlagen
FZ · 2r = FL · r.
Daraus folgt:
Kraft = halbe Last; FZ = FL /2 (1.13)
Die Länge des über die Rolle zu ziehenden Seils s ist dabei doppelt so lang wie der
Hubweg h; es gilt:
s = 2h (1.14)
c) Flaschenzug bzw. Talje
Wird ein Seil durch mindestens eine feste und eine lose Rolle geschleift, spricht man von
einem Flaschenzug, in der Seefahrt auch Talje genannt (Abb. 1.21). In der Regel werden
die Rollen der Ober- und Unterflasche jeweils auf einer Achse gelagert (vgl. Abb. 1.21).
Besteht die Talje aus n Rollen, so verteilt sich die Last ebenfalls auf n Seilstränge. Es
gilt für die Zugkraft F:
F = FL /n (1.15)
Für die Länge des Zugtrums s gegenüber dem Hubweg h gilt:
s=n·h (1.16)
Hinsichtlich der in den vorstehenden Betrachtungen gemachten Kräfte sind diese nur
theoretischer Natur. Vielmehr treten in der Praxis Verluste durch Reibung in der S
eilrolle
und durch einen gewissen Schlupf zwischen Seil und Rolle sowie durch den sog. Reck
im Seil auf. Hier werden in der Praxis folgende Werte angenommen, wobei F die
Zugkraft der Seile darstellt:
1.1 Mechanik 15
FVerl = FSch + FR
FVerl = 0,01F + 2µ · (d/D) · sin (β/2) · F
(1.20)
FVerl = [0,01 + 2µ · (d/D) · sin (β/2)] · F
16 1 Physikalische Grundlagen
η = F/(F + FVerl )
η = F/(F + 0,01F + 2µ · (d/D) · sin (β/2) · F) (1.21)
η = 1/(1,01 + 2µ · (d/D) · sin (β/2))
In der Praxis liegt der Wirkungsgrad einer Rolle bei folgenden Werten:
• Wälzlagerung η ≈ 0,97
• Gleitlagerung: η ≈ 0,95
d) Keil
Ein Keil ist ein Körper, der aus zwei mit der Basis zusammengefügten schiefen Ebenen
besteht. Beim Eintreiben des Keils beispielsweise in einen Baumstamm, um diesen zu
spalten, stehen die von seinen Flanken ausgehenden Kräfte (Normalkräfte) senkrecht zu
den Flanken (Abb. 1.22).
Wenn
F auf die Basis des Keils wirkende Kraft,
FN Flankenkräfte,
b Breite des Keilrückens,
s Länge einer Flanke,
α halber Keilwinkel,
dann gilt (ohne Berücksichtigung von Reibungskräften):
s F
FN = F · = (1.22)
b 2sin α
e) Schraube
Eine Schraube ist prinzipiell eine um eine Achse gewickelte schiefe Ebene (Abb. 1.23).
F 90° F
s
F
α
1.1 Mechanik 17
Mit
Anzugsmoment M der Schraube (z. B. mittels Drehmomentschlüssel erzeugt –
F1 · R
vgl. oben, Abschn. 1.1.3)
F2 in Achsrichtung wirkende Kraft
h Ganghöhe bzw. Steigung der Schraube
r Gewinderadius
b 2 · π · r = Schraubenumfang
α Neigungswinkel der abgewickelten schiefen Ebene
folgt:
F1 : F2 = h : b = tan α (1.23)
Beispiel
Mit einer Knebelschraube M 10 × 1,5 (Abb. 1.24) soll auf eine Platte Druck ausgeübt
werden. Welche maximale Kraft (theoretische Kraft) übt die Schraube auf die Druck-
platte aus, wenn sie mit 20 Nm angezogen wird?
Hier wird die Reibung vernachlässigt. So ergibt die Rechnung die maximal mögliche
Kraft – die tatsächliche Kraft ist immer deutlich kleiner.
Das Drehmoment von 20 Nm ergibt auf dem Gewindedurchmesser von 10 mm
eine (mittlere) tangentiale Kraft F1 von:
F1 = M/r
F1 = 20000 Nmm/5 mm
F1 = 4000 N
18 1 Physikalische Grundlagen
0 F x
Aus Gl. 1.23 ergibt sich nun durch Umstellen nach F2:
F2 = F1 · b/h = F1 · 2πr/h
F2 = 4000 N · 2π · 5 mm/1,5 mm
F2 = 83,8 kN
1.1.1.6 Schwerpunkt
Die Gewichtskraft eines Körpers greift in seinem Schwerpunkt an (Abb. 1.25). Die
Gewichtskraft eines Körpers ist dabei gleich der Summe der Gewichtskräfte seiner
Teilchen. Der Schwerpunkt eines Körpers ist der Angriffspunkt der Resultierenden aller
Teilgewichtskräfte. Er kann auch außerhalb des Körpers liegen. Anders ausgedrückt:
Man kann sich die Gewichtskraft eines (auch zusammengesetzten) Körpers (vgl.
Abb. 1.27) konzentriert in seinem Schwerpunkt angreifend vorstellen.
Zur rechnerischen Bestimmung des Schwerpunktes wird der Momentensatz heran-
gezogen. Danach muss bezüglich jeder Raumachse das vom Körpergewicht im Schwer-
punkt erzeugte Moment gleich der Summe der Momente aller Teilgewichte xi · FGi sein.
xS · FG = xi · FGi
yS · FG = yi · FGi
zS · FG = zi · FGi
Mit
..
FG = m · g m = Masse des Korpers in kg; g = 9,81 m/s2
1.1 Mechanik 19
folgt:
xS · m = xi · mi usw.
Für homogene Körper (seine Dichte ρ ist an allen Stellen gleich) vereinfachen sich die
vorstehenden Gleichungen wegen m = V · ρ (V ist das Gesamtvolumen des Körpers) mit
xi, yi und zi den jeweiligen Koordinaten der Teilvolumina Vi zu
xS · V = xi · Vi
yS · V = yi · Vi
zS · V = zi · Vi
Insofern sind die Koordinaten für den Schwerpunkt eines homogenen zusammen-
gesetzten Körpers nach Gl. 1.24 bestimmbar:
xi · Vi yi · Vi zi · Vi
xs = ys = zs = (1.24)
V V V
Für die Koordinatenbestimmung des Schwerpunkts einer zusammengesetzten Fläche gilt
dann:
xi · Ai yi · Ai
xs = ys = (1.25)
A A
Beispiel
Bestimmung eines Flächenschwerpunktes (zweidimensional) (Abb. 1.26). Eine ent-
sprechende Vorgehensweise ist zur Bestimmung bei dreidimensionalen Körperschwer-
punkten vorzunehmen.
Gegeben:
x1 = 1 cm
x2 = 7 cm
y1 = 8 cm
y2 = 1 cm
A1 = 32 cm2
A2 = 10 cm2
A = 42 cm2
20 1 Physikalische Grundlagen
S1
xS S
y1 A2
y
S2
y2
x
x2
x1
Lösung: Die Gesamtfläche A aus Abb. 1.26 ist in die Teilflächen A1 und A2 zu zer-
legen. Aus Gl. 1.25 folgt dann:
xS = 1 cm · 32 cm2 + 7 cm · 10 cm2 /42 cm2
xS = 2,4 cm
yS = 8 cm · 32 cm2 + 1 cm · 10 cm2 /42 cm2
yS = 6,3 cm
1.1.1.7 Standfestigkeit
Ein Körper ist standsicher bzw. standfest, soweit sein Körperschwerpunkt S lotrecht
oberhalb seiner Strandfläche liegt (stabiles Gleichgewicht – vgl. Abb. 1.27). Liegt der
Schwerpunkt oberhalb der Kippkante des Körpers, bedarf es nur einer kleinen Störung
von außen und er kippt um (labiles Gleichgewicht). Maß für die Standfestigkeit ist das
Standmoment, das mindestens so groß wie das zum Kippen erforderliche Kippmoment
sein muss (Abb. 1.27).
MS ≥ MK bzw. FG · lS ≥ FK · lK (1.26)
S lK
lS
FG
1.1 Mechanik 21
lK
F lS
Anders ausgedrückt: Ein Körper ist dann standsicher, wenn MK< MS.
Das Verhältnis von MS zu MK wird Standsicherheit s genannt.
Beispiel
Wie groß muss das Standmoment Ms des in Abb. 1.28 gezeigten Bordkrans mindes-
tens sein, wenn die max. Tragfähigkeit 4 t, die Kipplänge lK 4 m beträgt und eine
Sicherheit s von 1,3 gefordert wird.4
MS = F · l K
MS = 40000 N · 4 m
MS = 160 kNm
1.1.1.8 Reibung
a) Allgemeine Überlegungen
Wird eine Kiste mit der Gewichtskraft FG mit konstanter Geschwindigkeit über den
Boden geschoben, so muss dafür eine Kraft F aufgewendet werden (Abb. 1.29). Dabei
tritt eine Reibungskraft FR auf, die durch die Schubkraft F überwunden werden muss.
FG
So lange F < FR ist, verharrt die Kiste im Ruhezustand. Man spricht hier von der sog.
Haftreibung. Sobald sich die Kiste in Bewegung setzt und mit konstanter Geschwindig-
keit über den Boden gleitet (F = FR) spricht man von der Gleitreibung. Anders aus-
gedrückt: Damit sich die Kiste mit konstanter Geschwindigkeit bewegt, braucht man
eine Schubkraft, welche mit der Reibungskraft im Gleichgewicht ist.
Merke
• Die Reibungskraft wirkt stets parallel zur Berührungsfläche bzw. Aufstandsfläche und
ist der (beabsichtigten) Bewegungsrichtung entgegengesetzt.
• Die Reibung ist unabhängig von der Größe der Aufstandsfläche. Sie ist abhängig von
der Gewichtskraft des Körpers und den Materialpaarungen Körper/Aufstandsfläche.
Versuch An einem auf einer Tischplatte liegenden Holzklotz wird eine Federwaage
befestigt und langsam Zug auf diese parallel zur Tischplatte ausgeübt (Abb. 1.30). Was
kann beobachtet werden?
Ergebnis Wird die Kraft F von Null langsam erhöht, so steigt zunächst F, ohne dass
sich der Klotz bewegt. Erreicht F einen bestimmten Wert, setzt sich der Klotz plötzlich
in Bewegung; F hat dann den Wert FG · μ0 erreicht und die Haftreibung überwunden –
der Körper beginnt zu gleiten. In dem Augenblick sinkt F drastisch ab und erreicht den
Wert FG · μ; zwischen Klotz und Aufstandsfläche wirkt nun die Gleitreibung. Dieser Wert
muss beibehalten werden, damit der Klotz nun mit einer gleichförmigen Geschwindigkeit
Gleitreibungsgrenze
Gleitreibung
FG · µ
Haftreibung
bewegt wird. Ein zusätzlicher Zug an der Federwaage würde zu einer Beschleunigung
führen.
Beispiel
Die unter Abschn. 1.1.2.2 b) im dortigen Beispiel beschriebene Fregatte befindet
sich auf der dort aufgezeigten Kurvenfahrt (Abb. 1.53). In der Messe ist der Kaffe
für die Mannschaft bereitgestellt (Tasse mit Kaffe m = 0,2 kg). Die Tassen stehen auf
dem Tisch der Messe; als Haftreibungskoeffizient kann für die Paarung Tasse/Tisch
µ0 = 0,2 angenommen werden. Werden die Tassen bei dieser Kurvenfahrt vom Tisch
rutschen?
Lösung: Das Schiff befindet sich auf einer Kurvenfahrt. Somit wirkt auf jede Tasse
eine Zentrifugalkraft. Ist aber die Reibungskraft größer als die Zentrifugalkraft, wer-
den die Tassen nicht ins Rutschen geraten.
Daher gilt nach Gl. 1.27
FR = µ0 · FG = 0,2 · 2 N = 0,4 N
und mit Gl. 1.87 für die Zentrifugalkraft (s. Abschn. 1.2.2.2)
r
F
MR
FR
FN
b) Zapfenreibung
Die Zapfenreibung tritt an Wellen und Wellenenden auf, die in einem Gleitlager
(Abb. 1.32) gelagert sind.
In Abb. 1.33 sind die Verhältnisse bei der ruhenden Tragzapfenreibung dargestellt. Bei tro-
ckener (Anlauf) und halbflüssiger Reibung (Mischreibung) verlagert sich der Angriffspunkt
von FN um einen bestimmten Betrag entgegen der Wellendrehrichtung (Abb. 1.34) – der
Zapfen bzw. die Welle „wandert“ aufgrund des Lagerspiels im Lager entgegen der Lauf-
richtung aufgrund der Haftreibung solange „bergauf“, bis der Übergang von Haftreibung
zur Gleitreibung erfolgt. Bei rotierender Welle bildet sich bei Flüssigkeitsreibung (Lage-
rung ist ölgeschmiert) ein Schmiermittelfilm zwischen Zapfen bzw. Welle und Lagerschale.
Es bildet sich ein Ölkeil aus, der den Zapfen in Drehrichtung verlagert und anhebt.
Der tan α entspricht dabei dem Haftreibungskoeffizienten µ0.
1.1 Mechanik 25
Lagerschale
α
FN
F
FR
Tatsächlich sind die Verhältnisse bei der Gleitlager- bzw. Zapfenreibung sehr komplex5,
es gilt jedoch allgemein:
FR = µ0 · F [N] (1.28)
M R = F · µ0 · r [Nm] (1.29)
Dreht sich der Zapfen bzw. die Welle im Gleitlager mit der Umfangsgeschwindigkeit
v = ω · r = 2π · r · n (ω ist die Winkelgeschwindigkeit, n die minütliche Drehzahl), so
beträgt die Reibleistung (bzw. der Leistungsverlust durch Reibung) PR:
PR = MR · ω = (F · µ0 · r · π · n)/30 [Nm/s = W] (1.30)
mit µ dem Gleitreibungskoeffizienten.
Beispiel
Wie groß ist der Leistungsverlust durch Reibung im hinteren Gleitlager aus Abb. 1.35
(im Bild das rechte Lager), wenn die Belastung F = 20 kN beträgt, die Drehzahl der
Welle bei 120 min−1 liegt und µ = 0,1 (aus Anhang 11) ist?6 Der Wellendurchmesser
wird mit 300 mm angegeben.
c) Rollwiderstand
In Folge der Haftreibung zwischen Rad bzw. Wälzkörper und Unterlage bzw. Wälzfläche
kann das Rad oder der Wälzkörper rollen.
Abb. 1.35 Antriebswelle einer Schiffsschraube in zwei radialen Gleitlagern. (Foto: Claudio Elias)
Der Rollwiderstand (auch Rollreibung genannt) FR ist die Kraft, die beim Abrollen
eines Rades oder eines Wälzkörpers entsteht und der Bewegungsrichtung entgegen-
gesetzt wirkt. Der Rollwiderstand ist proportional zur Normalkraft N bzw. FN.
Kennwert ist der Rollwiderstandskoeffizient cR, auch Rollwiderstandsbeiwert oder
Rollreibungskoeffizient genannt.:
FR = cR · FN (1.31)
Die Werte für die Rollwiderstandskoeffizienten sind verglichen mit den passenden
Werten für Gleitreibung erheblich kleiner. Daher sind Wälzlager (z. B. Kugellager)
gegenüber Gleitlagern diesbezüglich im Vorteil.
Der Rollwiderstandskoeffizient cR hängt neben der Materialpaarung auch vom Radius
des Rollkörpers ab.
Die Kraft, die überwunden werden muss, um einen Rollkörper (beispielsweise ein
Rad) aus dem Stillstand in rotierende Bewegung zu versetzen, wird Anfahrwiderstand
genannt.
Beim Abrollen treten sowohl am Wälzkörper selbst als auch an der Wälzkörperbahn –
und zwar am Berührungspunkt oder an der Berührungslinie – Verformungen auf. Ob sich
nun der Walzkörper oder die Walzfläche stärker deformiert, hängt von der Härte des jewei-
ligen Materials ab. Im Wesentlichen sind dieses elastische Verformungen. Ferner wird in
Bewegungsrichtung eine „Aufwulstung“ vor dem Wälzkörper hergeschoben, vergleichbar
mit einem Autoreifen bei der Fahrt durch Schnee (Abb. 1.36).
Durch die Verformung beim Abrollen wird die Kontaktkraft zwischen Körper und Unter-
lage asymmetrisch (Abb. 1.36). Der Ersatz der Kontaktkräfte durch statisch äquivalente
Einzelkräfte ergibt eine Normalkraft FN, welche um die Strecke d in Bewegungsrichtung
verschoben ist, und eine Reibungskraft FR, die entgegen der Bewegungsrichtung wirkt.
1.1 Mechanik 27
FK
r FN K
a
F
FR
Aus den Gleichgewichtsbedingungen folgt für Wälzkörper mit Radius r bei konstanter
Geschwindigkeit v:
d
FR = · FN (1.32)
r
Der Quotient d/r ist der Rollreibungskoeffizient cR.
Damit lässt sich die Gl. 1.32 für die Rollreibung FR wie folgt umschreiben:
FR = cR · FN (1.33)
Dieser Koeffizient ist wie alle Reibungskoeffizienten eine dimensionslose Zahl, der
von den Materialeigenschaften (insbesondere der Härte und der Oberflächenrauigkeit),
der Geometrie des abrollenden Körpers und dem Einsatz von Schmiermitteln abhängt.
Typische Zahlenwerte des Rollwiderstandskoeffizienten liegen um ein bis über zwei
Größenordnungen unter denen des Gleitreibungskoeffizienten. So liegt der Rollreibungs-
koeffizienten für Kugellager, wobei Kugeln und Lager aus gehärtetem Stahl gefertigt
sind, bei 0,0005–0,001.
Weiterhin muss das Rad oder der Wälzkörper nun fortwährend über diese „Kipp-
kante“ K gekippt werden (Abb. 1.36). Aus der Momentengleichgewichtsbedingung um
die Kippkante K erhält man:
M(K) = 0 = FK · a − F · d (1.34)
Die Differenz zwischen dem Kippabstand a und dem Radius r ist vernachlässigbar,
sodass
a = r gesetzt werden kann; durch Umstellen der Gl. 1.34 erhält man somit aus dem
Radius des Wälzkörpers r und der Gewichtskraft F die Kippkraft (auch Rollkraft
genannt) FK:
d
FK = F · [N] (1.35)
r
28 1 Physikalische Grundlagen
Den Wert d bezeichnet man als „Hebelarm der Rollreibung“. Er ist, wie cR, abhängig von
der Materialpaarung. Je größer der Radradius r, umso kleiner ist die Rollkraft FK.
d) Seilreibung7
Seilreibung (Abb. 1.37) liegt vor, wenn um eine gegen Drehung gesicherte Scheibe ein
Zugmittel (Seil, Band) liegt. Durch die Reibungskraft FR zwischen Scheibe und Zug-
mittel wird die Seilkraft am ziehenden (ablaufenden) Trum S1 größer als die Seilkraft S2
am gezogenen (auflaufenden) Trum, mit dem eine Last gehoben werden soll. Anderer-
seits gilt, dass aufgrund der Seilreibung ein Gewicht, dass eine Seilkraft S2 bewirkt
(Abb. 1.37), mit einer geringeren Kraft S1 gegen ablassen gehalten werden kann (S1< S2).
Die Differenz ist die Seilreibung FR:
FR = S1 − S2 (1.36)
Bei Gleichgewicht (das System ist gerade in Ruhe) gilt:
S1 = S2 · eµα (1.37)
Gl. 1.37 ist die sog. Euler-Eytelwein-Formel, auch Seilreibungsformel genannt.
In Gl. 1.37 ist der Umschlingungswinkel α im Bogenmaß einzusetzen:
α = 2π · α°/360° = α°/57,3°. Ferner ist µ0 der Haftreibungskoeffizient Seil/Scheibe und e
die Euler’sche Zahl e = 2,718.
Somit gilt:
FR = S2 · (eµ0 α − 1) (1.38)
S2 = FR /(eµ0 α − 1) (1.39)
eµ0 α
S1 = FR · (1.40)
eµ0 α−1
Im Falle, dass das Seil nicht über die feststehende Scheibe rutscht bzw. rutschen soll, ist
für den Reibungskoeffizienten der Haftreibungskoeffizient µ0 einzusetzen.
Beispiel
Wie oft muss das Tragseil eines Aufzugs in einem Kreuzfahrtschiff um die Antriebs-
trommel geschlungen werden, wenn die Kabine eine Masse von 250 kg und eine
Nennlast von 450 kg aufnehmen soll und am anderen Ende das Gegengewicht hängt?
Als Haftreibungskoeffizient kann µ0 = 0,15 angenommen werden (s. Abb. 1.38).
S2
S1
Gegengewicht
Korb
30 1 Physikalische Grundlagen
α = α ◦ /57,3◦
α ◦ = α · 57,3◦ = 7,57 rad · 57,3◦
α ◦ = 433,7◦
Der erhaltene Wert wird durch 360° dividiert – so erhält man die Anzahl der erforder-
lichen Umschlingungen n:
n = 433,7◦ /360◦
n = 1,2
Die Antriebstrommel muss also mindestens 1,2 mal mit dem Tragseil umschlungen
werden, hier also konstruktionsbedingt 1,5-fach.
e) Bandbremsen
Bandbremsen wirken nach dem Prinzip der Seilreibung (vgl. vorstehend) durch Band-
reibung auf umspannter Bremstrommel. Wichtigster Einsatz der Bandbremse auf Schiffen
findet sich am Ankerspill (Abb. 1.39).
Im Wesentlichen sind drei Bautypen von Bandbremsen bekannt: Die einfache Band-
bremse, die Summenbremse und die Differenzbremse.8 Als Spillbremse wird in der Regel
die einfache Bandbremse verwendet. Die durch die Hebelkraft FZ in Abb. 1.40 generier-
ten Bandkräfte F1 und F2 erfolgen baulich durch einen Spindeltrieb (Abb. 1.41).
Für die Zugkräfte F1 und F2 gelten folgende Beziehungen:
2MB 1
F1 = · µα (1.41)
d (e − 1)
2MB eµα
F2 = · µα (1.42)
d (e − 1)
Mit
F1, F2 Bandkräfte [N]
MB Bremsmoment [Nm]
d Trommeldurchmesser [m]
µ = µ0 Haftreibungskoeffizient
α Umschlingungswinkel [rad]
Beispiel
Durch das Ankergewicht wird am Ankerspill ein Bremsmoment von 3000 Nm
erforderlich. Wie groß sind die Bandkräfte F1 und F2 an der in Abb. 1.41 gezeigten
Bandbremse? Trommeldurchmesser d = 0,8 m. Der Umschlingungswinkel beträgt
270°, das entspricht α = 4,71 rad. Die Materialpaarung des Reibbandes ist Leder auf
Stahl mit µ0 = 0,5 (s. Anhang 11).
Lösung: Die Gleichungen 1.41 und 1.42 liefern durch Einsetzen die gesuchten Band-
kräfte:
2MB 1
F1 = · µα
d (e − 1)
32 1 Physikalische Grundlagen
F2
F1
2 · 3000 Nm 1
F1 = · 0,5·4,71
0,8 m e −1
F1 = 787 N
2MB eµα
F2 = · µα
d (e − 1)
2 · 3000 Nm e0,5·4,71
F2 = · 0,5·4,71
0,8 m e −1
F2 = 8286 N
1.1.2 Dynamik
In der Dynamik werden die Kräfte als Ursache der Bewegungsänderung untersucht. Im
Folgenden werden hier nur die Bewegungen fester Körper dargestellt. Die Wirkungen in
Gasen und Flüssigkeiten (Strömungsmechanik) wie auch thermodynamische Zustands-
änderungen sind nicht Bestandteil der folgenden Ausführungen.
1.1 Mechanik 33
1.1.2.1 Kinematik
Der Kinematik werden die Bewegungsgesetze ohne Berücksichtigung der bei der
Bewegung auftretenden Kräfte zugeordnet. Es wird zwischen translatorischen
Bewegungen (fortschreitende Bewegungen) und Rotationsbewegungen (Bewegungen auf
der Kreisbahn) unterschieden.
a) Translation
Die Beziehung zwischen der Geschwindigkeit v, dem Weg s und der Zeit t ist bei
Translationsbewegungen aus dem Geschwindigkeits-Zeit-Diagramm (v-t-Diagramm –
s. Abb. 1.42) zu entnehmen. Es zeigt, welche Geschwindigkeit zu den verschiedenen
Zeiten vorliegt und welcher Weg (das ist die Fläche unter der Funktionslinie im
betrachteten Zeitintervall) bis dahin zurückgelegt wurde. Ferner beschreiben das
Weg-Zeit-Diagramm (s-t-Diagramm) und das Beschleunigungs-Zeit-Diagramm (a-t-
Diagramm) die gesetzmäßigen Verbindungen der genannten Größen.
gleichförmige Translation
Eine Translation ist – zumindest in einem betrachteten Zeitabschnitt – gleichförmig,
wenn die Geschwindigkeit in diesem Zeitabschnitt konstant ist. Im v-t-Diagramm ergibt
sich hierfür eine horizontale Gerade, im s-t-Diagramm eine stetig ansteigende Gerade
(vgl. Abb. 1.43a und b).
Wenn
v Geschwindigkeit (im betrachteten Zeitintervall konstant),
s d er im Zeitintervall zurückgelegte Weg und
t die Zeit (Zeitintervall), die für den Weg s benötigt wird,
dann gilt (weil s dem Inhalt der Rechteckfläche unter der v-t-Geraden entspricht):
s=v·t
oder
v = s/t (1.43)
t t
34 1 Physikalische Grundlagen
Beispiel
Nachdem ein Kreuzfahrtschiff die Elbmündung verlassen hat, nimmt es mit einer
Geschwindigkeit von 28 kn9 direkten Kurs auf New York. Die Entfernung kann mit
3285 sm angenommen werden. Wie lange braucht das Schiff für diese Strecke?
v0 + vt a · t 2 v2 − v02
s = · t = v0 · t + = t (1.47)
2 2 2a
Bei einer Beschleunigung aus der Ruhephase (v0 = 0) oder bei einem Abbremsen
zum Stillstand vereinfacht sich Gl. 1.47 zu s = (v · t)/2 bzw. s = (a · t2)/2. Hieraus ist
erkennbar, dass die gleichmäßige Beschleunigung eine quadratische Funktion ist, mit
s der Abhängigen von der Variablen t und der Beschleunigung a als Konstante der
Funktion (Abb. 1.46).
Der Zeitabschnitt, in dem von einer Anfangsgeschwindigkeit v0 gleichförmig auf
eine Geschwindigkeit vt zum Zeitpunkt t mit der Beschleunigung a beschleunigt oder
verzögert wird, errechnet sich nach Gl. 1.48:
v0 2 2�s
�t = (vt − v0 )/a = −(v0 /a) ± + (1.48)
a a
Beispiel
a) Nach dem Ablegen beschleunigt ein Schiff innerhalb von 10 min auf 18 kn10.
Wie groß ist die Verzögerung und in welcher Entfernung vom Hafen muss der
Schiffsführer den Bremsvorgang einleiten?
Lösung:
Zu a)
Aus Gl. 1.44 ergibt sich durch Einsetzen
a = (18 sm/h · 1852 m/sm/3600 s/h)/(10 min · 60 s/min)
a = 0,02 m/s2
Zu b)
Hier wird nach der negativen Beschleunigung, also der Verzögerung gefragt. Mit
Δv = v – v0 = 5 – 23 = –18 kn und Δt = 15 min = 900 s folgt durch Einsetzen in
Gl. 1.44:
a = −(18 sm/h · 1852 m/sm/3600 s/h)/(15 min · 60 s/min)
a = −0,01 m/s2
Weiterhin wird nach dem Bremsweg s gefragt. Durch Einsetzen in Gl. 1.47 ergibt sich
23 kn + 5 kn
s = · 15 min = 14 sm/h · 15 min = 14 sm/h · 1852 m/sm · 0,25 h
2
s = 6482 m
Der Schiffsführer muss demnach mit dem Abbremsen 6482 m bzw. 3,5 sm vor der
Hafeneinfahrt beginnen.
b) Kreisbewegung (Rotation)
Betrachtet wird hierbei eine um ihren Mittelpunkt drehbare Scheibe (Abb. 1.47), z. B.
Schwungrad eines Motors. Der Drehwinkel ϕ (Winkel im Bogenmaß rad), die Winkel-
geschwindigkeit ω sowie die Winkelbeschleunigung α haben für alle Punkte den glei-
chen Wert. Bei der gleichförmigen Drehbewegung ist ω =const., bei der gleichmäßig
beschleunigten Drehbewegung ist α = const.
Es gilt:
Umfangsgeschwindigkeit vu = 2 · r · π · n [m/s] (1.49)
vu = r · ω (1.50)
Drehzahl n [1/s]
ω = �ϕ/�t (1.52)
1.1 Mechanik 37
an
r n
Hinweis: Erfolgt die Beschleunigung der Drehbewegung aus der Ruhe heraus, ist ω0 = 0
zu setzen. Δt ist die für den Beschleunigungsvorgang benötigte Zeit in Sekunden.
Tangentialbeschleunigung at = α · r = r · �ω/�t = �vu /�t (1.55)
Winkelverzögerung α<0
(1.56)
α = (ω0 − ωt )/�t
Beispiel
Schwungrad bzw. Schwungscheibe eines Schiffsmotors. Schwungrad bzw. Schwung-
scheibe verbinden die Kurbelwelle kraftschlüssig über die Kupplung mit dem
Antriebsstrang. Hauptaufgabe des Schwungrads ist der Ausgleich von Drehunförmig-
keiten an der Kurbelwelle. Hierdurch wird die Übertragung von Motorschwingungen
auf den Antriebsstrang deutlich reduziert. Weitere Aufgabe der Schwungscheibe ist
die Aufnahme von Kupplung mit Mitnehmerscheibe und Druckplatte. Über den außen
aufgeschrumpften Zahnkranz greift das Ritzel des Anlassers zum Starten des Motors
[20].
38 1 Physikalische Grundlagen
ω = 34,9 1/s
Die Winkelbeschleunigung bestimmt sich dann durch Einsetzen nach Gl. 1.54 mit
ωt= ω zu:
α = (34,9 1/s)/5 s
α = 7 1/s2
c) Freier Fall
Eine besondere Art der gleichmäßig beschleunigten Bewegung ist der freie Fall. Beim
freien Fall im luftleeren Raum fallen alle Körper aufgrund der fehlenden Luftreibung
gleich schnell. Die Beschleunigung beim freien Fall wird durch die Erdanziehung
bewirkt. Aufgrund der örtlich unterschiedlichen Magnetkräfte des Erdmagnetfeldes ist
die Erdbeschleunigung g auch örtlich unterschiedlich – sie wird aber im Mittel mit
g = 9,81 m/s2 angenommen.
Gemäß den Gl. 1.46–1.48 gilt speziell für den freien Fall mit der Erdbeschleunigung
(ohne Berücksichtigung der Luftreibung):
Endgeschwindigkeit v nach der Fallzeit t:
v =g·t [m/s] (1.59)
Fallhöhe s:
Beispiel
Bei einer Rettungsübung in der Rettungshalle müssen die Teilnehmer aus 3 m Höhe
ins Becken springen. Mit welcher Geschwindigkeit tauchen sie ins Wasser und wie
lange dauert der freie Fall?
Beim Fall auf der geneigten Bahn mit α = Neigungswinkel der Ablaufbahn zur
Waagerechten (z. B. Freifallrettungsboot nach Lösen der Haltevorrichtung – vgl.
Abb. 1.13 und 1.14) ist
Beschleunigung a:
a = g · sin α (1.62)
Geschwindigkeit zum Zeitpunkt t:
v = g · sin α · t (1.63)
Wegstrecke s (vgl. Gl. 1.34):
Beispiel
Ein Freifallrettungsboot (Abb. 1.13) mit einer Gesamtmasse m = 3900 kg (Boots-
gewicht + 16 Personen Besatzung) ist auf einer 6,50 m langen und 40° zur Waagerech-
ten geneigten Ablaufbahn arretiert. Welche Beschleunigung erfährt das Boot und mit
welcher Geschwindigkeit verlässt es die Aussetzvorrichtung nach Lösen der Haltevor-
richtung?
Hierin ist t, die Ablaufzeit, noch unbekannt. Sie ergibt sich durch Umstellen von
Gl. 1.64:
t = 2s/(g · sin α)
t = 2 · 6,50 m/(9,81 m/s2 · sin 40◦ )
t = 1,44 s
FL = 1/2 · cw · ρ · A · v2 (1.65)
Unter der Wirkung der Erdbeschleunigung wächst die Geschwindigkeit v des Körpers.
Mit der Geschwindigkeit v nimmt auch, wie aus Gl. 1.65 ersichtlich, der Luftwider-
stand FL zu, der FG entgegengerichtet ist. Die resultierende Kraft aus beiden ist somit:
FR = FG − FL (1.66)
Wenn die Geschwindigkeit so groß ist, dass FL= FG ist, wird die resultierende Kraft
FR = 0, d. h. der Körper bewegt sich kräftefrei, also gleichförmig mit konstanter
Geschwindigkeit in Richtung Erdmittelpunkt.
Aus FL = FG lässt sich durch Umstellen der Gl. 1.65 nach v die theoretische End-
geschwindigkeit vend berechnen:
2 mg
vend = (1.67)
ρAcw
FG
1.1 Mechanik 41
d) Wurf
Der Wurf ist durch eine parabelförmige Flugbahn (Wurfparabel) des betrachteten Kör-
pers gekennzeichnet (quadratische Funktion). Es wird zwischen dem waagerechten
(Abb. 1.49) und dem schrägen Wurf (Abb. 1.50) unterschieden.
Waagerechter Wurf
Der waagerechte Wurf ist wie folgt gekennzeichnet:
• Wurfwinkel α = 0°
• Anfangsgeschwindigkeit v0 > 0 m/s
• in s-Richtung gleichförmige Bewegung mit v0
• in h-Richtung gleichmäßig beschleunigte Bewegung (mit Erdbeschleunigung
g = 9,81 m/s2)
ht = −1/2 · g · t 2 (1.69)
mit g der Erdbeschleunigung von 9,81 m/s2.
H
s
L
42 1 Physikalische Grundlagen
Hinweis: Das Minuszeichen in Gl. 1.69 gibt an, dass es sich bei dieser Funktion um
eine negative quadratische Funktion handelt, da die Funktionskurve nach unten geöffnet
ist.
Mit t = s/v0 ergibt sich daraus die Bahngleichung h(s) für den waagerechten Wurf:
h(s) = −1/2 · g · s2 /v02 (1.70)
Ferner kann die Bahngeschwindigkeit vt nach Ablauf der Wurfzeit t bestimmt werden:
vt = v02 + g2 · t 2 (1.71)
Schräger Wurf
Er ist zusammengesetzt aus einer gleichförmigen Translation unter dem Abwurfwinkel α
zur Waagerechten und einem freien Fall.
Es gilt:
Zeit-Weg-Gesetz für die s-Komponente:
st = v0 · t · cos α (1.72)
Zeit-Weg-Gesetz für die h-Komponente:
ht = v0 · t · sin α− 1/2 · g · t 2 (1.73)
bzw.
Beispiel
Zum Festmachen müssen die Festmacherleinen von Bord an Land übergeben wer-
den. Dazu werden an diese Wurfleinen (auch Bola genannt), beschwert mit einem
kleinen Sandsack (Wurfbeutel), befestigt (Abb. 1.51). Diese Wurfleine wird vom
Bordpersonal an Land geworfen; das Festmacherpersonal an Land zieht dann an der
Wurfleine die Festmacherleinen über und belegt sie dann an den Pollern. Der Abwurf-
winkel kann mit 38°, die Abwurfgeschwindigkeit mit 11 m/s und die Abwurfhöhe
gegenüber der Pier mit 7 m angenommen werden. Wie weit wird der Wurfbeutel theo-
retisch ohne Berücksichtigung von Widerständen aus Luftreibung und mitzuziehender
Wurfleine fliegen?
11So z. B. [28].
44 1 Physikalische Grundlagen
Ltheor = 17,94 m
1.1.2.2 Kinetik
Die hier besprochene Kinetik ist die Lehre von den Gesetzmäßigkeiten bewegter Körper
[7, S. 507].
Aus diesem wiederum folgt, dass das Verhältnis der wirkenden Kraft zur erzielten
Beschleunigung für jeden Körper eine konstante Größe ist – es ist seine Masse:
Masse = Kraft/Beschleunigung
Wenn
F die Kraft ist, die auf den Körper beschleunigend wirkt,
m seine Masse und
a die erzielte Beschleunigung ist,
dann spricht man vom Kraftwirkungsgesetz, dem Grundgesetz der Dynamik:
F =m·a F in N, min kg, a in m/s2 (1.82)
Insofern ist 1 N die Kraft, die einer Masse von 1 kg eine Beschleunigung von 1 m/s2
erteilt.
Auf alle Körper im Bereich der Erdanziehung wirkt die Schwerkraft der Erde. Diese
ruft eine Beschleunigung entsprechend Gl. 1.66 hervor. Man spricht von der Fall-, Erd-
oder Schwerebeschleunigung g.
Es gilt dann für die Gewichtskraft G eines Körpers:
G=m·g (1.83)
Versuch Aus etwa 2 m Höhe wird ein Tennisball o. ä. fallengelassen. Was ist zu
beobachten?
Solange der Ball festgehalten wird, ist seine Geschwindigkeit Null. Er beharrt in sei-
nem Ruhezustand (1. Newtonsches Bewegungsgesetz). Nachdem er losgelassen wird,
fällt er durch die Erdanziehungskraft beschleunigt Richtung Boden (2. Newtonsches
Bewegungsgesetz).
Aufgrund der nicht exakt kugeligen Gestalt der Erde und ihres lokal unterschiedlich
starken Erdmagnetfeldes ist auch g örtlich unterschiedlich. Im Allgemeinen wird mit der
Erdbeschleunigung g = 9,81 m/s2 gerechnet [17, 23].
Beispiel hierfür ist der Hammerwerfer. Durch seine Körperrotation zwingt er die an
einem Drahtseil befestigte Kugel auf eine Kreisbahn. in seinen Händen verspürt er die
dabei auftretende Zentripetalkraft.
Allerdings wirkt auf den Körper eine weitere Kraft, die bestrebt ist, den Körper von
seiner Kreisbahn zu bringen; das ist die Zentrifugalkraft FF oder auch Fliehkraft. Sie
wirkt der Zentripetalkraft entgegen und ist gleich groß: FZ = FF. Beispiel ist wieder der
Hammerwerfer. Lässt er das Drahtseil los, wird durch die Zentrifugalkraft der Hammer
von seiner Kreisbahn gebracht und fortgeschleudert und zwar geradlinig und tangential
zur Kreisbahn (Abb. 1.52).
Aufgrund der Zentripetalkraft ändert sich bei einer Kreisbewegung ständig die Rich-
tung des Geschwindigkeitsvektors. Bei der Änderung einer Geschwindigkeit spricht
man von Beschleunigung. Die Beschleunigung macht sich bei der gleichförmigen
Kreisbewegung nicht in einer Erhöhung oder Verringerung der Geschwindigkeit
bemerkbar, sondern in einer Änderung ihrer Richtung. Die Zentripetal- oder Radial-
beschleunigung az beschreibt die Geschwindigkeitsänderung bei einer Kreisbewegung.
Für den Zusammenhang zwischen Kraft und Beschleunigung gilt allgemein Gl. 1.82.
Somit für a:
a = F/m (1.84)
und für die Zentripetalbeschleunigung insofern:
aZ = FZ /m (1.85)
Damit sich ein Körper auf einer Kreisbahn bewegen kann, muss auf ihn – wie vorstehend
ausgeführt – die Zentripetalkraft wirken. Dafür hier ein paar Beispiele:
• Bei der Bewegung des Mondes um die Erde wirkt die Gravitationskraft (Massen-
anziehung zwischen Mond und Erde) als Zentripetalkraft.
• Bei dem Hammerwerfer wird die Zentripetalkraft vom Drahtseil (bzw. von den Hän-
den, die dieses festhalten) aufgebracht.
• Auf dem Schiff wirken Zentrifugal- und Zentripetalkraft bei Kurvenfahrt: So kann
Ladung durch Einwirkung der Zentrifugalkraft verrutschen. Um das zu verhindern,
muss die Ladung entsprechend gesichert sein – durch die Zentripetalkraft, die zum
FP
1.1 Mechanik 47
Mittelpunkt des Kreisbogens wirkt und gleich der Zentrifugalkraft ist, bleibt die
Ladung im Gleichgewicht.
Um berechnen zu können, welche Kraft für eine Kreisbewegung erforderlich ist bzw.
wie groß die Kraft ist, die auf einen sich auf einer Kreisbahn bewegenden Körper (z. B.
Schiff in der Bogenfahrt) wirkt, müssen zunächst die Größen identifiziert werden, von
denen die Zentripetalkraft abhängt.
Das sind:
Es gilt:
Aus den vorstehenden Proportionalitäten folgt, dass FZ ~ m · f2 · r bzw. FZ ~ · ω2 · r ist. Der
Quotient aus beiden Seiten ist damit konstant. Aus empirischer Ermittlung folgt, dass die
Konstante gleich 1 ist. Somit gilt für die Berechnung der Zentripetalkraft:
FZ = m · ω2 · r (1.86)
Zur Berechnung der Zentripetalkraft in Abhängigkeit von der Bahngeschwindigkeit folgt
aus dem Zusammenhang v = ω · r durch Einsetzen in Gl. 1.86:
FZ = m · v2 /r (1.87)
Für die Zentripetalbeschleunigung aZ gilt:
aZ = v2 /r bzw. aZ = ω2 · r (1.88)
48 1 Physikalische Grundlagen
FF
FZ
Beispiel
Eine Fregatte der Deutschen Marine (Abb. 1.53; Verdrängung 7200 t) führt ein
Wendemanöver durch. Die Geschwindigkeit beträgt 20 kn, der Drehkreisdurch-
messer13 liegt bei 700 m. Wie groß ist die Zentrifugalkraft, die auf das Schiff wirkt?
Wie aus Abb. 1.53 ersichtlich, führt diese Zentrifugalkraft offensichtlich zu einer
Krängung des Schiffes nach außen. Dieser Sachverhalt erklärt sich wie folgt: FF greift
im Körperschwerpunkt KS an, die dieser Kraft entgegengerichtete Kraft FZ greift im
Schwerpunkt der Lateralfläche LS14 an (vgl. Abb. 1.53 und 1.54).
Bei kleinen Krängungswinkeln (Neigungswinkeln um die Längsachse) wird
näherungsweise davon ausgegangen, dass sich das Schiff um die Hauptträgheitsachse
seiner Wasserlinienfläche dreht, was bei symmetrischen Schiffen die Symmetrie-
linie der Wasserlinenfläche in Längsrichtung ist. Damit die Fliehkraft ein Moment
bewirkt, welches das Schiff nach außen krängt, muss der Kraftangriffspunkt (der
13Dieserauch taktische Durchmesser genannter Durchmesser soll nicht > 5 Schiffslängen betragen
[26].
14Die Lateralfläche, auch Lateralplan, ist die seitliche Projektion des Unterwasserschiffs. Der
Flächenschwerpunkt des Lateralplans wird als Lateralschwerpunkt oder auch als Lateraldruck-
punkt bezeichnet.
1.1 Mechanik 49
KS
LS
assenschwerpunkt des Schiffes) über der Wasserlinienfläche liegen. Dies ist bei allen
M
großen Schiffen der Fall [30]. Somit erzeugen beide Kräfte dieses krängende Moment.
Um das krängende Moment so gering wie möglich zu halten wird angestrebt, den
Körperschwerpunkt möglichst tief zu verlagern. Gerade bei Leerfahrt werden dann
sog. Ballasttanks mit Ballastwasser gefüllt, was den Schiffsschwerpunkt nach unten
verlagert.
Insbesondere bei Sportbooten mit Motor ist aber zu erkennen, dass diese sich bei
Kurvenfahrt zur Kurveninnenseite neigen. Es könnte daher angenommen werden,
dass hier der Körperschwerpunkt tiefer als der Lateraldruckpunkt liegt. Das allerdings
nicht der Fall. Bei dem hier angesprochenen Phänomen kommt ein anderer Aspekt
zum Tragen:
Bei plötzlichem Einlenken z. B. eines Außenbordmotors ist das durch die Schub-
kraft unterhalb der Wasserlinie erzeugte Moment größer als das durch die Fliehkraft
entstehende Moment und zudem diesem entgegen gerichtet. Dadurch neigt sich ein
kleines Boot nach innen [31].
Wird ein Körper bewegt oder verformt, wird Arbeit geleistet. Das Produkt aus der in
Bewegungsrichtung wirkenden Kraft F [N] und dem zurückgelegten Weg s [m] ist die
Arbeit W:
W =F·s [J = Joule; 1 J = 1 Nm] (1.89)
Die pro Zeiteinheit verrichtete Arbeit ist die Leistung P [W]:
P = W /t (1.90)
Beispiel
Der Bordkran hebt in 20 s das Bereitschaftsboot (800 kg) 4 m hoch.
Lösung:
a) Durch Einsetzen in Gl. 1.89 folgt:
W = 8000 N · 4 m
W = 32 kJ
b) Mit der errechneten Arbeit ergibt sich durch Einsetzen in Gl. 1.90 die erforderliche
Mindestleistung des Hubmotors:
P = 32 kJ/20 s
P = 1,6 kW
Die vorstehenden Gesetzmäßigkeiten gelten nicht nur für die Bewegung fester Kör-
per, sie finden auch Anwendung z. B. bei der Förderung von Flüssigkeiten mittels
Pumpe. Bei der Pumpenleistung handelt es sich um eine mechanische Leistung.
Um z. B. die (träge) Masse m von einem Liter Wasser (= 1 kg, entspricht einer
Gewichtskraft FWasser von 9,81 N, weil F = m ∙ g)15 in einer Sekunde um die Förder-
höhe s von einem Meter zu heben, bedarf es gemäß Gl. 1.89 und 1.90 der nach-
folgenden Leistung:
P = W /t = (FWasser · s)/t = (m · g · s)/t
P = 1 kg · 9,81 m/s2 · 1 m /1 s
P = 9,81 W
Beispiel
Die Feuerlöschpumpe eines Seenotrettungskreuzers fördert stündlich 140 m3 Lösch-
wasser. Die Dichte des (Ostsee)Wassers16 kann mit ρ = 1015 kg/m3 angenommen
werden. Die Förderhöhe beträgt 5 m. Wie groß muss die Pumpenleistung bei Ver-
nachlässigung von Druckverlusten in den Rohrleitungen mindestens sein?17
15Giltfür „Süßwasser mit der Dichte ρ = 1 kg/m³“; Dichte für Seewasser s. Anhang 2.
16Aus Anhang 2.
17Vgl. auch Abschn. 6.4
1.1 Mechanik 51
1.1.4 Energie
Unter Energie (hier mechanische Energie) versteht man die Fähigkeit eines Körpers,
Arbeit zu verrichten. Mechanische Energie kommt in drei Formen vor:
• Lageenergie (potenzielle Energie) Epot besitzt ein Körper, der auf ein bestimmtes
Höhenniveau angehoben wurde
• Bewegungsenergie (kinetische Energie) Ekin besitzt ein Körper, der sich bewegt (z. B.
ein fallender Ball)
• Spannungsenergie Es hat ein gedehnter oder gestauchter elastischer Körper (z. B.
Spiralfeder)
Nach dem Gesetz von der Erhaltung der Energie geht diese nicht verloren; Energie wird
von einer Energieform in eine andere umgewandelt.
Beispiel
Ein Ball, der auf ein bestimmtes Höhenniveau gehoben wird, besitzt potenzielle Ener-
gie. Fällt er zu Boden, nimmt dabei die potenzielle Energie ab, gleichzeitig nimmt die
Bewegungsenergie um denselben Betrag zu.
Aus Vorstehenden folgt:
Beispiel
Ein Anker mit der Masse von 350 kg hängt in der Ankerklüse 4 m über dem Wasser-
spiegel. Bei „Fallen Anker“ fällt dieser frei ins Wasser. Mit welcher Geschwindigkeit
v trifft er auf die Wasseroberfläche (Reibung bleibt unberücksichtigt)?
Lösung: In der Ankerklüse hängend besitzt der Anker die potenzielle Energie Epot.
Beim Fallen wird diese in kinetische Energie umgewandelt. Nach der Beziehung
gemäß Gl. 1.91 errechnet sich v durch Umstellen:
v= 2gh
v = 8,86 m/s
52 1 Physikalische Grundlagen
Die Hubarbeit W, die die Ankerwinde verrichten muss, um den Anker von der Wasser-
oberfläche in die Ankerklüse zu ziehen, entspricht gemäß Gl. 1.91 der potenziellen
Energie, die der Anker besitzt, wenn er von der Wasseroberfläche in die Ankerklüse
gezogen wird:
W = F · s = Epot = m · g · h
hier mit s = h und F = m · g
Beispiel
Aufgrund eines Steuerfehlers fährt ein Schiff mit der Masse m = 7450 t mit der
Geschwindigkeit v = 2 kn = 3,7 km/h18 frontal mit dem Bug gegen die Beton-Kai-
mauer (Abb. 1.55). Dabei wird der Bug um 0,7 m eingedrückt. Ein Teil des Bug-
bereichs (Vorpiek) wird i. d. R. durch ein Schott nach achtern hin abgeschottet. Dieses
Schott wird als Kollisionsschott19 bezeichnet und soll den Einbruch größerer Wasser-
mengen in das Schiffsinnere bei Verletzung der Außenhaut im Bugbereich verhindern.
Weiter dient dieser Bereich dem Abbau der Kollisionsenergie.
Wie groß ist
a) die Kollisionsenergie,
b) die Verformungsarbeit an der Vorpiek in diesem Bereich und
c) die Verzögerung beim Aufprall?
Lösung:
a) Nach Gl. 1.91 besitzt das Schiff eine kinetische Energie von
b) Beim Aufprall auf die Kaimauer wird durch die Verformung der Vorpiek diese
kinetische Energie aufgrund des Energieerhaltungssatzes vollständig in Ver-
formungsarbeit umgewandelt:
Ekin = W = 3828 kNm
c) Die Verzögerung ist der negative Wert einer Beschleunigung (vgl. Abschn. 1.1.2.1).
Die Verzögerung a errechnet sich nach Gl. 1.45:
a = v2 /2s
a = 1,0282 m2 /s2 /(2 · 0,7 m)
a = 0,74 m/s2
1.1.4.2 Spannungsenergie
Elastisch verformte Körper besitzen potenzielle Energie in Form von Spannungsenergie
Es. Solche Körper kehren in ihren Ausgangszustand zurück, sobald die verformenden
Kräfte entfallen. Als Beispiel kann hier eine zusammengedrückte oder gedehnte Spiral-
feder herangezogen werden. Die in dem elastischen Körper gespeicherte Energie ist
dabei von zwei Faktoren abhängig:
Zur Bestimmung der Federkonstante einer Feder wird sie mit einer Kraft F gedehnt
(Zugfeder) bzw. gestaucht (Druckfeder) und die Längenänderung gemessen. Daraus
ergibt sich die Federkonstante c zu
c = F/�s (1.92)
20Vgl. z. B. [12].
54 1 Physikalische Grundlagen
Der Verformungsweg |Δs| ist die Differenz zwischen der Läge s der gelängten bzw.
gestauchten Feder und ihrer Anfangslänge s0. Insofern ist aus Gl. 1.92 zu entnehmen,
dass „harte“ bzw. „steife“ Federn eine große Federkonstante aufweisen, „weiche“ hin-
gegen kleine c-Werte haben.
Die Spannungsenergie berechnet sich nach Gl. 1.93:
Es = 1/2 · c · |�s| (1.93)
1.1.5 Impuls
Der Bewegungszustand eines Körpers ist abhängig von seiner Masse m und seiner
Geschwindigkeit v. Ein schwerer, sich schnell bewegender Körper prallt mit größerer
„Wucht“ gegen ein Hindernis, als ein leichter Körper, der sich nur langsam bewegt. Mit
„Wucht“ ist der physikalische Begriff Impuls gemeint; er ist das Produkt aus der Masse
eines Körpers und seiner Geschwindigkeit:
p=m·v Ns bzw · kgms−1 (1.94)
Wirkt auf einen Körper eine Kraft – gleichgültig, ob sich der Körper in Ruhe befindet
oder sich bewegt – so ändert sich sein Impuls. Das Produkt aus der einwirkenden Kraft
Ft und der Einwirkungsdauer t wird als Kraftstoß oder Antrieb bezeichnet; es ist gleich
der Impulsänderung Δp, die der Körper erfährt:
p = Ft · t (1.95)
Mit Gl. 1.94 lässt sich Gl. 1.95 auch wie folgt schreiben:
�(m · v) = Ft · t (1.96)
Wenn grundsätzlich gilt, dass F = m · a und v = a · t ist so gilt für die einwirkende Kraft
Ft:
Ft = �p/t = �(m · v)/t = m · a (1.97)
In Gl. 1.97 ist a die Beschleunigung des Körpers.
Gl. 1.97 gilt nur bei konstanter Kraft. Ist diese jedoch eine Funktion der Zeit F(t), so
gilt:
t2
m · v = Fdt (1.98)
t1
Die Impulsänderung bzw. der Kraftstoß ist das Zeitintegral der Kraft (Abb. 1.56).
1.1 Mechanik 55
t1 t2 t
Beispiel
Das Schiff aus dem Beispiel in Abschn. 1.1.4.1 erfährt durch seinen Aufprall auf die
Kaimauer eine Impulsänderung. Wie groß ist die dabei auf das Schiff durchschnittlich
einwirkende Kraft?
Lösung:Durch Einsetzen der gegebenen Daten in Gl. 1.95 errechnet sich die Kraft wie
folgt:
F = −m · a
F = − 7450000 Kg · 0,74 m/s2
F = −5513 kN
Das Minuszeichen in vorstehender Rechnung gibt an, dass es sich hierbei um eine
negative Beschleunigung – also Verzögerung – handelt, bei der das Schiff eine
Geschwindigkeitsänderung Δv von v1 = 1 m/s auf Stillstand (v0 = 0 m/s) erfährt.
1.1.6 Festigkeitslehre
Die Festigkeitslehre spielt eine große Rolle im Bereich der Technischen Mechanik. Sie
erörtert, welche inneren mechanischen Spannungen und welche Verformungen ein Kör-
per erfährt, sobald von außen Kräfte und Drücke sowie Temperaturänderungen auf ihn
einwirken.
1.1.6.1 Spannungen
Spannungen werden auf Querschnittsebene zu resultierenden Kräften und Momenten
zusammengefasst. Hier sind folgende Größen für die Statik von Bedeutung:
a) Normalkraft N,
b) Querkraft Q,
c) Biegebeanspruchung bzw. Biegemoment MB und
d) Torsionsbeanspruchung bzw. Torsionsmoment MT.
56 1 Physikalische Grundlagen
N N
Die Verteilung dieser Belastungen im Inneren des Körpers wird durch die Spannung
wiedergegeben [5]:
..
Spannung = Kraft/Flache
a) Normalkraft
Die in Richtung des Normalenvektors wirkende Normalkraft N erzeugt
• Druck- bzw.
• Zugspannung (σD bzw. σZ – s. Abb. 1.57).
Sie ist insofern die Längskraft, die parallel zur Stabachsenrichtung wirkt:
N = σ · dA (1.99)
Aus Gl. 1.99 folgt, dass die im Bauteil vorhandene Spannung σvorh in Längsrichtung die
Normalkraft N je Querschnittsfläche A ist:
σvorh = N/A (1.100)
Diese Spannung muss stets kleiner als die für das jeweilige Material festgelegte
zulässige Spannung σzul sein σvorh≤ σzul.21 Aus der Kenntnis der einwirkenden Normal-
kraft N und der zul. Spannung σzul lässt sich für den entsprechenden Belastungsfall die
erforderliche Querschnittsfläche berechnen:
Aerf ≥ N/σzul (1.101)
b) Querkraft bzw. Scherkraft
Mit Querkraft Q wird die Kraft bezeichnet, die einerseits
• auf einen stabförmigen Querschnitt (z. B. Balken bzw. Träger) als senkrecht zu seiner
Längsachse gerichtete Belastung wirkt, und die andererseits
• in einer Querschnittsfläche des Balkens liegt und dort dessen Beanspruchung auf
Scherung darstellt.
Q= τ · dA (1.102)
Aus Gl. 1.100 folgt, dass die im Bauteil vorhandene Scherspannung τvorh die senkrecht
zur Stabachse wirkende Querkraft V je Querschnittsfläche A ist, die kleiner als die für
das Material zulässige Scherspannung τzul sein muss:22
τvorh = Q/A ≤ τzul (1.103)
c) Biegung
Als Biegemoment MB wird ein Moment in Folge einer Kraft F bezeichnet, das ein
schlankes oder dünnes Bauteil belastet und somit biegt (Abb. 1.59). In Folge dessen tre-
ten innerhalb des Balkenquerschnitts Druck- und Zugspannungen auf (Abb. 1.60).
Das Biegemoment an der Stelle x, an der die Kraft F angreift, wird:
MB(x) = F · x (1.104)
Für Festigkeitsbetrachtungen an einem Träger, Balken o. Ä. muss die maximale Biege-
spannung σB in diesem bekannt sein. Sie wird aus dem gegebenen Biegemoment MB
und dem sog. Widerstandsmoment W der Querschnittsfläche A ermittelt.
Das erforderliche Widerstandsmoment Werf errechnet sich nach Gl. 1.105:
Werf ≥ MB, max /σB, zul (1.105)
Mit
MB, max dem maximalen Biegemoment
σB, zul der für das Material zulässigen BiegespannungAus einschlägigen Tabellenwerken
zu entnehmen, z. B. Roloff/Matek, Maschinenelemente: Normung, Berechnung,
Gestaltung, 23. Auflg., Springer Vieweg, Wiesbaden
d) Torsionsbeanspruchung
Als Torsionsmoment Mt wird ein Moment bezeichnet, wodurch ein damit belasteter Kör-
per (Stab, Balken, Welle) verdreht (tordiert) wird (Abb. 1.61). Die im Körper auftretende
Spannung, die dem Torsionsmoment das Gleichgewicht hält, wird Torsionsspannung
(auch Schubspannung) τt genannt.
Druck
F Mt
Die vorhandene Schubspannung τt, vorh ist proportional dem Torsionsmoment Mt und
wächst linear mit dem maximalen senkrechten Abstand amax der Randfaser zur neutra-
len Faser (beim Kreisquerschnitt oder Rohr ist das r = d/2). Proportionalitätsfaktor ist der
Kehrwert des polaren Flächenträgheitsmoments Ip:
τt, vorh = (Mt · amax )/Ip = Mt /Wp ≤ τt, zul (1.106)
Mit
Wp dem polaren Widerstandsmoment
τt, zul der zulässigen Torsionsspannung für das Material des Bauteils.23
Am äußersten Rand eines Rohres oder runden Stabes ist die Torsionsspannung am größ-
ten. Daraus folgt, dass es zur Aufnahme von Torsionskräften oftmals ausreichend ist ein
Rohr an statt eines Vollstabes zu wählen, was sich positiv auf das Gewicht der Konstruk-
tion auswirkt (Abb. 1.62).
Der Verdrehwinkel α ist zum Torsionsmoment proportional und wächst linear mit der
Stablänge L (Abb. 1.61). Proportionalitätsfaktoren sind die Kehrwerte des Schubmoduls
G des Materials und des polaren Flächenträgheitsmoments des Profils:
L
α= · Mt (1.107)
G · Ip
1.1.6.2 Verzerrungen
Aufgrund der auf einen Körper einwirkenden Kraft und mit der damit verbundenen
Spannung im Querschnitt wird dieser mehr oder weniger stark verformt bzw. verzerrt.
Die bekanntesten Verzerrungen sind die Dehnung und Stauchung.
Allgemein ist die Verzerrung ε der Quotient von Längenänderung Δl zu Ursprungs-
länge l0 [8]:
ε = �l/l0 = (l−l0 )/l0 [%] (1.108)
Versuch Aus Knetmasse wird ein etwa 3 cm langer Stab mit einem Durchmesser von
etwa 1 cm gerollt. Dieser wird zwischen zwei Holzbrettchen gelegt. Langsam wird die
Kraft genau zentrisch auf den Stab erhöht (Abb. 1.63).
Versuch Versuchdurchführung nach Abschn. 1.1.6.2. Diesmal ist die Säule aus Knet-
masse ein etwa 8 cm langer Stab mit einem Durchmesser von etwa 0,5 cm.
Beobachtung Bei einer bestimmten Kraft knickt der Stab seitlich aus.
Für die statische Auslegung eines Knickstabes reicht es i. d. R. nicht aus, dass FK ein-
fach nur unterhalb der Belastung des Stabes gehalten wird, da durch werkstoffliche oder
konstruktive Unvollkommenheiten ein Knicken schon vor Erreichen von FK eintreten
kann. Die kritische Last eines Einzelstabes, der ausschließlich auf Normalkraft (Druck-
kraft) beansprucht wird, wird bestimmt durch (Euler-Gleichung):
FK = E · Imin · π 2 /s2 (1.109)
Mit
E Elastizitätsmodul (s. Tab. 1.1),
I Flächenträgheitsmoment des Querschnitts,
s der freien Knicklänge, die von den sog. Euler-Knickfällen abhängig ist
Die vier Euler-Fälle unterscheiden sich in den Lagerungen der Stäbe – s. Abb. 1.64 von
links nach rechts:
In Gl. 1.110 ist λ der Schlankheitsgrad, der nach Gl. 1.111 ermittelt wird:
= s/i (1.113)
Hierin ist i der Trägheitsradius:
I
i= (1.114)
A
Aus Gl. 1.110 ist ersichtlich, dass die Knickspannung nur vom E-Modul und dem
Schlankheitsgrad λ abhängig ist. Bei gedrungenen Stäben schließt sich unterhalb eines
Grenzschlankheitsgrades λ0 ein Bereich des Knickens an, der nicht mehr alleine durch
die Elastizität des Materiales gekennzeichnet ist. Auch dieser lässt sich durch Umstellen
von Gl. 1.110 errechnen, wobei σK durch σP ersetzt wird. σP ist die Grenzspannung
(Proportionalitätsgrenze) des Stabes, bis zu der eine elastische Beanspruchung nach dem
Hookschen Gesetz erfolgt; aus Tab. 1.2 sind die Grenzschlankheitsgrade für div. Materia-
lien aufgelistet.
62 1 Physikalische Grundlagen
1.2.1 Schwingungen25
Neben mechanischen Schwingungen (z. B. Pendel) gibt es weitere Vorgänge, bei denen
sich physikalische Größen in Abhängigkeit von der Zeit periodisch ändern (Spannung,
Stromstärke, elektrische Feldstärke, magnetische Feldstärke, Energie des elektrischen
Feldes und Energie des magnetischen Feldes). Diese Schwingungen werden elektro-
magnetische Schwingungen genannt. Ferner gibt es im Bereich der Molekular- und
Atomphysik Schwingungen: Die einzelnen Atome eines Moleküls können zu Molekül-
schwingungen angeregt werden, sowie Atome, Ionen oder Moleküle im Gitter eines Fest-
stoffs (Gitterschwingungen).
1.2.1.1 Mechanische Schwingungen
Damit ein Oszillator (= schwingfähiges System) zu schwingen beginnt, muss im Falle
der mechanischen Schwingungen einem Körper Energie zugeführt werden, wodurch er
aus seiner Ruhelage ausgelenkt wird. Er erhält dadurch potenzielle Energie – Beispiel:
Federpendel (Abb. 1.65).
In Abb. 1.65 ist an einer Feder mit der Federkonstante c ein Körper mit der Masse
m aufgehängt und befindet sich in Ruhelage. Wird der Körper angehoben oder nach
unten gezogen, wird er durch diese Kraft aus der Ruhelage bewegt – er erhält potenzielle
y
m
y
nergie, die gleich der Spannungsenergie der Feder ist (vgl. Abschn. 1.1.4.2). Lässt man
E
den Körper los, wandelt dieser Oszillator bei seiner Schwingung fortwährend potenzielle
und kinetische Energie ineinander um. Im Idealfall setzt sich dieser Vorgang unendlich
fort – der Körper schwingt jedes Mal mit der Auslenkung (Elongation) s um seine Ruhe-
lage (ungedämpfte Schwingung). In der Realität treten aber Verluste durch Luftreibung
und Molekülbewegungen im Material der Feder auf, die die Bewegungsenergie in
Wärme umwandeln. Insofern liegt eine gedämpfte Schwingung vor. In der Technik ist es
sogar häufig wünschenswert, dass ein schwingfähiges System gedämpft wird; es werden
dann in das System Schwingungsdämpfer eingebaut (Beispiel: Stoßdämpfer beim Auto).
a) Harmonische Schwingung
Die im Idealfall als ungedämpfte Schwingung des Federpendels nach Abb. 1.65
angenommene harmonische Schwingung kann als Projektion einer gleichförmigen
Kreisbewegung angesehen werden. Stellt man die Schwingung als Weg-Zeit-Diagramm
grafisch dar, zeigt sich ein sinusförmiger Verlauf der Schwingung (Abb. 1.66).
Die maximale Auslenkung wird Amplitude genannt. Bei der ungedämpften Schwin-
gung bleibt die Amplitude mit ihrer maximalen Auslenkung y0 über den zeitlichen Ver-
lauf der Schwingung konstant; bei der gedämpften Schwingung nimmt der Maximalwert
der Amplitude über die Zeit ab.
b) Drehschwingung
Bei Schiffsantrieben mit Verbrennungsmotor werden Drehschwingungen durch die
periodische Anregung der Gaskräfte im Verbrennungsraum über die Pleuelstange erzeugt
und führen somit zu einem ungleichmäßigen Abtriebsdrehmoment an der Kurbelwelle,
die sich letztlich auch auf die Antriebswelle übertragen. Diese Drehschwingungen sind
unerwünscht, da sie die Ursache von Bauteilversagen, störendem Schall oder Vibration
sind. Sie müssen daher entsprechend gedämpft werden, was z. B. durch den Einbau von
Kupplungen im Antriebsstrang erfolgen kann.
Drehschwingungen folgen, wie lineare Schwingungen auch, dem Hookeschen Gesetz.
Dieses beschreibt die elastische Verformung von Festkörpern, wenn deren Verformung
proportional zur einwirkenden Belastung ist (linear-elastisches Verhalten). Insofern sind
auch Drehschwingungen harmonische Schwingungen.
In Abb. 1.67 wird eine Drehschwingung dargestellt: Der Torsionsstab tordiert harmo-
nisch im und gegen den Uhrzeigersinn.
Der Grad der Elastizität drückt sich in der Winkelrichtgröße τ [Nm] (auch Direktions-
moment oder Richtmoment genannt) aus. Diese ist das Verhältnis des wirksamen Dreh-
momentes zum Drehwinkel:
τ = M/ϕ = G · Ip /l (1.122)
In Gl. 1.122 sind
M wirksames Drehmoment
Φ Drehwinkel, hervorgerufen durch M
G Schubmodul des Torsionsstabes
Ip polares Flächenträgheitsmoment des Torsionsstabes
l Länge des Torsionsstabes
Wird die Schwungscheibe in Abb. 1.67 durch ein Moment um einen bestimmten Win-
kel gedreht und dann losgelassen, so schwingt sie mit einer bestimmten Frequenz f
(Gl. 1.116) bzw. benötigt für jede Schwingung die Zeit T:
J
T = 2π (1.123)
τ
mit J dem Massenträgheitsmoment des schwingenden Körpers, in Abb. 1.67 die
Schwungscheibe.
c) Schwingungsdämpfung
Als Dämpfung bezeichnet man die Erscheinung, dass bei einem schwingfähigen Sys-
tem die Amplitude von Schwingung zur nächsten kontinuierlich mit der Zeit abnimmt
(Abb. 1.68).
Wie bereits vorstehend ausgeführt, beruht eine Schwingung nach einmaliger
Anregung auf der Wechselbeziehung zweier Energieformen; beim Federpendel z. B.
werden kinetische Energie und potentielle Energie gegenseitig ausgetauscht. Hierbei
wird Energie in eine dritte Energieform Wärme umgewandelt, welche die Ursache der
Dämpfung ist.
Technisch kann das dadurch erreicht werden, dass Systeme federnd gelagert werden,
sodass die Energie von den Federn aufgenommen wird. In Abb. 1.69 wird ein sog. Draht-
seildämpfer gezeigt.
D
c
Spule
1.2.1.2 Elektromagnetische Schwingungen
Ein elektromagnetischer Schwingkreis kann Energie abstrahlen. Dabei lösen sich ein
magnetisches und ein elektrisches Feld, die sich beide periodisch ändern, ab. Auf diese
Weise können sich elektromagnetische Schwingungen im Raum ausbreiten, die zu
elektromagnetischen Wellen führen. Beispiele hierfür sind Radiowellen (Funk), Mikro-
wellen, Licht und auch Röntgenwellen.
Im Folgenden wird die Entstehung von Radiowellen und deren Empfang näher
betrachtet.27
Zum Erzeugen von Radiowellen ist ein elektrischer Schwingkreis erforderlich (Abb.
1.71). Er besteht aus einer Spule mit der Induktivität L und einem Kondensator mit der
Kapazität C. Man spricht hier von einem elektromagnetischen Oszillator.
Er kann natürlich nicht wie ein mechanisches Pendel per Hand zum Schwingen
angeregt werden; hierzu ist eine elektrische Ladung erforderlich, z. B. ein kurzer Strom-
stoß. Dieser lädt die Kondensatorplatten auf: die eine Platte ist positiv geladen, die
andere negativ. Damit ist der elektrische Schwingkreis angeregt. Der geladene Kon-
densator, zwischen dessen Platten die Spannung U anliegt, entlädt sich über die Spule.
Dabei fließt ein Strom I, der mit der Zeit schwächer wird. Dieser Strom baut in der Spule
ein Magnetfeld auf, gleichzeitig wird in dieser eine Spannung induziert. Infolge dieser
induzierten Spannung fließen die Ladungen weiter, sodass sich der Kondensator mit
umgekehrter Polung wieder neu auflädt. Dieser Vorgang beginnt von neuem – es entsteht
ein sinusförmiger Wechselstrom. Der Oszillator erzeugt eine harmonische Schwingung,
die eine gedämpfte Schwingung ist: Aufgrund des Ohm’schen Widerstandes in den elekt-
rischen Leitern erfolgt eine Dämpfung der Schwingung.
Wird bei einem Pendel die Fadenlänge verändert, so ändert sich die Schwingungs-
dauer. Beim elektrischen Schwingkreis kann die Schwingungsdauer durch Änderung von
C oder L bewirkt werden.
Die Schwingungsdauer (Periode) T berechnet sich nach der Thomson’schen
Schwingungsgleichung:
√
T = 2π · L · C (1.125)
27Weiterführend [10].
1.2 Schwingungen und Wellen 69
1.2.2 Wellen
Eine Welle ist eine sich räumlich ausbreitende periodische Schwingung (s. Abschn. 1.2.1)
oder eine Störung (= zeitliche Veränderung eines Gleichgewichtszustands eines Systems)
bezüglich mindestens einer orts- und zeitabhängigen physikalischen Größe, die sich mit
einer bestimmten Geschwindigkeit im Raum ausbreitet. Sie transportiert Energie, es fin-
det jedoch kein Stofftransport statt. Das heißt, dass benachbarte Oszillatoren die Störung
durch den Raum transportieren, ohne sich selbst im zeitlichen Mittel fortzubewegen.
Es wird zwischen mechanischen Wellen und solchen, die sich im Vakuum ausbreiten
können, unterschieden.
Mechanische Wellen sind können sich nur in Materie ausbreiten, die Störung ist eine
mechanische Bewegung.
Beispiel: Ein Seil ist mit einem Ende fest angeschlagen, das andere Ende wird in der
Hand gehalten. Lenkt man das freie Ende einmal ruckartig aus, überträgt es Energie auf
ein „benachbartes Seilstück“ (benachbarter Oszillator), welches dann seinerseits aus-
gelenkt wird, während das Anfangsstück in seine Ruhelage zurückkehrt. Das benach-
barte Seilstück reicht seine Energie wiederum an „seinen nächsten Nachbarn“ weiter und
kehrt dann auch in die Ruhelage zurück usw.
Erfolgt die Anregung wiederkehrend, spricht man von einer periodischen Welle, also
von einer Schwingung. Beispiel: Das Seil wird permanent mit der Hand am freien Ende
ausgelenkt.
Elektromagnetische Wellen können sich auch im Vakuum fortpflanzen. Hierbei besteht
die Störung in einer zeitlichen Änderung des magnetischen und elektrischen Feldes. Bei-
spiel für elektromagnetische Wellen sind Radiowellen (Schiffsfunk).
1.2.2.1 Wellenarten
Störungen, die sich quer zur Ausbreitungsrichtung der Welle bewegen werden Quer-
oder Transversalwellen genannt. Die Welle aus dem vorstehenden Beispiel mit dem Seil
ist eine Transversalwelle. In Transversalwellen wechseln Wellenberge und Wellentäler
(Abb. 1.73).
In Abb. 1.73 bewegt sich die Welle in x-Richtung, die Teilchen (blau) quer dazu in
y-Richtung.
Schwingen die Teilchen in der Ausbreitungsrichtung der Welle, so wird diese Längs-
oder Longitudinalwelle genannt. In ihr findet kontinuierlich ein Wechsel von Verdichtung
und Verdünnung der Teilchen statt.
Beispiel: Eine senkrecht hängende, sich auf- und abbewegende Schraubenfeder
(Abb. 1.65); bei Längung wird ihr Durchmesser kleiner, bei Kontraktion wird er größer.
In Abb. 1.74 findet keine Bewegung in y-Richtung statt. In x-Richtung ist eine perio-
dische Verdichtung und Verdünnung der Teilchenmenge erkennbar.
1.2.2.2 Wellenbewegung
Zur Beschreibung der Wellenbewegung sind folgende Größen von Bedeutung:
1.2.2.3 Reflexion
Trifft eine Welle auf ein Hindernis, in dem sie sich nicht ausbreiten kann, wird diese von
dem Hindernis zurückgeworfen (reflektiert). Dabei gilt, dass der Einfallswinkel α gleich
dem Reflexionswinkel α‘ ist (Abb. 1.76).
Das Reflexionsgesetz α = α‘ gilt auch für elektromagnetische und akustische Wel-
len. So macht sich das Sonar wie auch das Echolot das Reflexionsgesetz zunutze. Eine
Sonaranlage dient zur Ortung von Gegenständen im Raum und unter Wasser mittels aus-
gesandter Schallimpulse, wobei sowohl Richtung als auch Entfernung des zu ortenden
Objektes detektiert werden. Ein Echolot (Abb. 1.77) dient in der Schifffahrt zur elektro-
akustischen Messung der Wassertiefe.
Gemessen wird dabei die verstrichene Zeit zwischen Aussenden und Empfang der
vom Gewässerboden reflektierten Schallwelle. Insofern wird über die gemessene Zeit,
die der Schallimpuls unter Wasser zwischen Aussenden und Empfang zurücklegt, auf
die Wassertiefe geschlossen. Schall breitet sich unter Wasser mit einer Geschwindig-
keit von etwa 1450 m/s aus, wobei diese sowohl von der Wassertemperatur T, der Dichte
des Wassers ρ (Meerwasser, Süßwasser) und dem Druck p (Wassertiefe) abhängt. Für
genaue Messungen müssen diese Parameter jeweils bestimmt und bei der Umrechnung
der Laufzeit in eine Wassertiefe berücksichtigt werden. Für Messungen mit einem ver-
tretbaren Tiefenfehler von 5 % kann im Meerwasser aber mit einer Schallgeschwindig-
keit von 1480 m/s gerechnet werden. An Echoloten, bei denen die Schallgeschwindigkeit
eingestellt werden kann, sollte im Süßwasser die Schallgeschwindigkeit auf 1450 m/s
reduziert werden.
Beispiel
Ein Echolot sendet ein Signal aus, was nach t = 0,8 s wieder empfangen wird. Die
Schallgeschwindigkeit v betrage 1470 m/s. Welche Wassertiefe H zeigt das Echolot
an?
1.2.2.4 Brechung
Tritt eine Welle schräg von einem Medium in ein anderes ein (z. B. Luft – Wasser), so
ändert diese im zweiten Medium sowohl ihre Ausbreitungsgeschwindigkeit c wie auch
ihre Ausbreitungsrichtung (Abb. 1.78).
Es gilt das Brechungsgesetz:
sin α/sin β = c1 /c2 (1.131)
1.2.2.5 Beugung
Trifft eine Welle auf eine Wand mit einer kleinen Öffnung, breitet sie sich dahinter
fächerförmig aus – die Welle wird gebeugt. Dieses Phänomen wird als Huygens’sches
Prinzip bezeichnet und gilt für jede Art von physikalischen Wellen. Die Abb. 1.79 und
1.80 zeigen verschiedene Erscheinungsformen von Beugungen:
74 1 Physikalische Grundlagen
Grenzfläche
• Wenn der Lochdurchmesser in der Wand << kleiner ist als die Wellenlänge λ, ent-
stehen dahinter Kugelwellen.
• Wenn die Schlitzbreite in der Wand << kleiner ist als die Wellenlänge λ, entstehen
dahinter Zylinderwellen.
1.3 Hydrostatik
Das gilt auch dann, wenn mehrere Gefäße durch sog. kommunizierende Röhren mit-
einander verbunden sind. Die Form der Gefäße, die miteinander verbunden sind, spielt
dabei keine Rolle (Abb. 1.82).
Diesen Effekt macht man sich in der Schifffahrt z. B. für den Krängungsausgleich
zunutze (s. Abschn. 6.2.4).
Wird eine Flüssigkeit in einem Gefäß eingeschlossen, wirkt auf die Gefäßwand überall
derselbe Druck p. Das erklärt sich dadurch, dass die zu allen Seiten schwingenden Mole-
küle auf die Gefäßwand eine Kraft ausüben. Dies gilt auch für eingeschlossene Gase
(Gasflasche).
Beispiel
Zu Überprüfungszwecken taucht der Schwimmtaucher einer Deutschen Fregatte, die
sich im Mittelmeer aufhält, den Schiffsrumpf ab. Dazu begibt er sich auf eine maxi-
male Tauchtiefe von 6,5 m. Welcher Druck herrscht auf dem Taucher bei waagerech-
ter Schwimmlage?
Lösung: Der Wasserdruck in 6,5 m Tiefe errechnet sich nach Gl. 1.132. Die Dichte ρ
des Mittelmeer-Seewassers kann mit 1,025 kg/l angenommen werden (s. Anhang 2,
„Tabellen, Diagramme, Übersichten“). Somit folgt durch Einsetzen:
Tatsächlich wirkt auf den Taucher aber ein effektiver Druck von etwa 1,65 bar, da
noch der auf die Wasseroberfläche wirkende Luftdruck, vereinfachend mit 1 bar
angenommen, dem hydrostatischen Druck zugerechnet werden muss.
1.3.2.2 Kolbendruck
Wird von außen über einen Kolben auf eine Flüssigkeit eine Kraft ausgeübt, setzt sich
diese aufgrund der Verschiebbarkeit der Flüssigkeitsmoleküle in dieser fort. Die Kraft
wirkt somit auf die die Flüssigkeit einschließende Gefäßwand (Abb. 1.83). Das Verhält-
nis Kraft F zur Fläche A wird als Druck p bezeichnet:
p = F/A (1.133)
Beispiel
Der Hydraulikzylinder des Wippwerks eines Bordkranes soll eine Kraft von 100 kN
aufbringen. Der Kolbendurchmesser auf der größeren Kolbenflächenseite, die durch
Öl beaufschlagt wird, damit der Kolben ausfährt, beträgt 100 mm. Mit welchem
Druck muss der Zylinder beaufschlagt werden? (Abb. 1.84)
Kolben m. Fläche A
F1
F2
Beispiel
Abb. 1.85 – Auf den Kolben 1 mit der Fläche A1 = 10 cm2 wirkt eine Kraft
F1 = 3000 N. Wie groß ist die Kraft F2 auf der Kolbenseite 2 (A2 = 55 cm2), mit der
der Kolben 2 eine entsprechende Last bewegen könnte?
Lösung: Durch Umstellen der Gl. 1.134 nach F2 folgt durch Einsetzen:
F2 = (F1 · A2 )/A1 = 3000 N · 55 cm2 /10 cm2
F2 = 16,5 kN
1.4 Gase28
Das Operationszeichen „ ± “ deutet an, dass es sich bei diesen Vorgängen sowohl um
Abkühlungs- als auch Erwärmungsprozesse handeln kann. Die Volumenänderung ist
dabei linear abhängig von der Temperaturänderung Δt [K]:
�V = V1 · α · �t (1.137)
mit α dem thermischen Ausdehnungskoeffizienten (Luft: α = 0,00367 1/K). Somit wird
Gl. 1.136:
V2 = V1 · (1 ± α · �t) (1.138)
Vorstehender Zusammenhang wir das Gesetz von Gay-Lussac genannt:
V1 /T1 = V2 /T2 (1.139)
Die vorstehend beschriebene Volumenänderung wird durch das sog. Teilchenmodell
erklärt, was die Aggregatzustände und die damit einhergehende Molekülbewegung in
Stoffen beschreibt [1]. Die Moleküle befinden sich in ständiger Bewegung, wobei ihre
Geschwindigkeit und Bewegungswege von der Temperatur abhängig sind. Bei fes-
ten Stoffen hat jedes Molekül i. d. R.29 einen festen Gitterplatz, sie schwingen nur
vergleichsweise wenig. Bei Flüssigkeiten hat sich der kristalline Verband gelöst, die Teil-
chen lassen sich leicht gegeneinander verschieben und nehmen jede ihnen zur Verfügung
gestellte Form an. Sie liegen aber immer noch eng beieinander. Bei Gasen hingegen
befinden sich die Moleküle in einer ständigen ungeordneten Bewegung – sie besitzen
eine gewisse kinetische Energie. Bei höheren Temperaturen bewegen sich die Teilchen
heftiger, ihre kinetische Energie nimmt zu. Aus zufälligen Zusammenstößen der Mole-
küle mit der Behälterwandung entsteht das, was wir den Druck des Gases nennen.
Da nun alle Kräfte versuchen ein Gleichgewicht herbeizuführen, muss demnach die
auf die Spritze wirkende Kraft des Luftdrucks (F = p · A, mit F der Kraft, p dem äußeren
Luftdruck und A der Oberfläche der Spritze, auf die der Luftdruck wirkt) gleich der Kraft
des Druckes der in der Spritze eingeschlossenen Luft sein. Da nun die Teilchenbewegung
bei gleicher Teilchenmasse in der Spritze mit abnehmender Temperatur kleiner wurde,
musste sich insofern auch das Gasvolumen verringern. Damit nun aber innerhalb und
außerhalb der Spritze die gleiche Kraft wirkt, sich der Druck aber sowohl außerhalb als
auch innerhalb der Spritze nicht ändert, muss sich das Volumen in der Spritze durch Auf-
ziehen von Wasser soweit verringern, bis sich in ihr der Druck eingestellt hat, der dem
äußeren Luftdruck entspricht.
In der Schifffahrt ist das Gesetz von Gay-Lussac z. B. beim Transport von LPG und
LNG30 von Bedeutung (s. Abb. 1.86). Dabei werden diese Gase zum Teil bis zur Ver-
flüssigung abgekühlt, damit sie weniger Raum einnehmen.
29Ausnahmen: z. B. Glas – dieser Feststoff hat keine kristalline Struktur; er wird als unterkühlte
Flüssigkeit bezeichnet.
30LPG = liquefied petroleum gas, LNG = liquefied natural gas.
80 1 Physikalische Grundlagen
Volumen, Temperatur und Druck werden Zustandsgrößen eines Gases genannt. In der
vorstehend genannten Injektionsspritze war eine definierte Luftmasse m [kg] ein-
geschlossen, die sich trotz veränderter Volumina und Temperaturen nicht änderte.
bzw. p · V = p · k · T (1.141)
Das Produkt „p ∙ k“ wird durch den Faktor F ersetzt:
p·V =F·T (1.142)
Im Beispiel der v. g. Injektionsspritze war eine definierte Luftmasse m eingeschlossen,
die sich im Rahmen der Beobachtungen nicht änderte. Insofern kann F in Gl. 1.142
durch m und einen weiteren Faktor R ersetzt werden – das ist das ideale Gasgesetz:
p·V =m·R·T (1.143)
R ist die sog. Gaskonstante, die von der Gasart abhängt; Einheit: J/kgK.
1.4 Gase 81
Das ideale Gasgesetz sagt aus, dass das Produkt aus dem Druck und dem Volumen
eines Gases gleich seiner Masse und der dabei herrschenden Temperatur sowie der dem
Gas eigenen Gaskonstante ist.
Beispiel
Eine typische Druckluftflasche eines Atemschutzgerätes der Feuerwehr hat ein Volu-
men von 6 L und wird mit 300 bar Luft gefüllt. Für den Atemschutzgeräteträger ist es
interessant zu wissen, wie lange er bei einem Luftverbrauch von 50 Litern pro Minute
in den Einsatz gehen kann.
Lösung: Nach dem Gesetz von Boyle-Mariotte gilt Gl. 1.147 mit p1 = 300 bar
Flaschendruck und V1 = 6 L Flaschenvolumen. Da der Feuerwehrmann letztlich auf
82 1 Physikalische Grundlagen
1.5 Wärmelehre
1.5.1 Temperatur
Die Temperatur T eines Körpers, einer Flüssigkeit oder eines Gases wird von der
Wärmeenergie bestimmt. Sie äußert sich in der kinetischen Energie der Moleküle. Die
Temperatur gibt an, wie „warm“ der Stoff oder Gegenstand ist. Gemessen wird sie
i. d. R. in Grad Celsius [°C], bei technischen Berechnungen wird in aller Regel aber die
Temperatur in Kelvin [K] angegeben, wobei 0 °C = 273,15 K entspricht.
Hinweis: Die Temperatur eines Stoffes oder Gegenstandes ist nicht zu verwechseln
mit seiner Wärme!
1.5.1.2 Temperaturmessungen
Im Folgenden werden die gängigsten in der Schifffahrt benutzten Temperaturmessver-
fahren vorgestellt.31
a) Flüssigkeitsthermometer
Die Flüssigkeit füllt ein kleines Vorratsgefäß aus Glas vollständig aus. An dieses Vor-
ratsgefäß ist eine evakuierte Glaskapillare angeschmolzen. Mit dem Flüssigkeits-
thermometer macht man sich die Eigenschaft der Volumenänderung von Stoffen unter
Temperatureinfluss zunutze. Flüssigkeitsthermometer, auch Ausdehnungsthermometer
genannt, sind nur für einen begrenzten Temperaturbereich verwendbar. Sie kommen nur
zur örtlichen Ablesung infrage, eine Übertragung des Messwertes in den Leitstand ist
nicht möglich.
b) Bimetall-Thermometer
Bimetall-Thermometer besitzen einen zur Spirale gerollten Streifen aus Bimetall, der
sich je nach Temperatur mehr oder weniger einrollt und über ein Zahnrad- und Hebel-
werk den Zeiger über eine Temperaturskala bewegt. Hierbei macht man sich die unter-
schiedliche Längenausdehnung zweier Metalle zunutze: Da zwei unterschiedliche
Metalle mit unterschiedlichen Längenausdehnungskoeffizienten fest miteinander ver-
bunden sind, führt die unterschiedliche Längenänderung der Streifen bei Temperatur-
änderung zu einer Verformung des Bimetallstreifens (Abb. 1.87).
c) Elektrische Widerstandsthermometer
Sie eignen sich für Temperaturbereiche zwischen −220 °C und +550 °C und sind als
fernanzeigende Thermometer geeignet. Die Messung beruht darauf, dass sich der elek-
trische Widerstand bestimmter Metalle in genau bekannter Weise mit der Temperatur
ändert: Er wird mit steigender Temperatur größer, mit fallender Temperatur kleiner. Der
Messwertaufnehmer wird als Drahtwicklung ausgeführt und wird mit einem Wider-
standsmesser (Ohmmeter) verbunden, der in Grad Celsius oder auch in einer anderen
Temperatureinheit kalibriert oder auch geeicht ist. Für die Messung wird eine Gleich-
stromquelle geringer Spannung benötigt.
31Vertiefend [4].
84 1 Physikalische Grundlagen
Für Temperaturen bis 150 °C kommen Wicklungen aus Nickel zum Einsatz. Für Tem-
peraturen bis 550 °C (in Sonderfällen bis 750 °C) und für sehr niedrige Temperaturen
werden Platinwicklungen verwendet (Abb. 1.88).
d) Thermoelement
Thermoelemente sind für Temperaturmessungen bis etwa 1600 °C geeignet. Das
Thermoelement enthält zwei Drähte aus unterschiedlichen Materialien, die an einem
Ende miteinander verschweißt oder verlötet sind (s. Abb. 1.89). Wird die Verbindungs-
stelle erwärmt, entsteht dort eine Thermospannung, deren Größe von den verwendeten
Materialien/Materialpaarungen und vom Temperaturunterschied zwischen der Ver-
bindungsstelle (Messstelle) und dem kalten Ende (Vergleichsstelle) abhängt. Die
Thermospannung wird von einem Millivoltmeter mit Temperaturskala zur Anzeige
gebracht.
e) Strahlungspyrometer
Strahlungspyrometer für eine berührungslose Temperaturmessung kommen insbesondere
bei sehr hohen Temperaturen (bis zu 3000 °C) zum Einsatz. Diese Geräte erfassen die
Strahlungsintensität der Wärmestrahlung (Abb. 1.90).
Im Folgenden wird beschrieben, wie sich Festkörper und Flüssigkeiten unter Einfluss
von Temperaturänderungen ausdehnen oder zusammenziehen.
a) Längenausdehnung
Bei schlanken Bauteilen wie z. B. Wellen, Achsen etc. wirkt sich die Ausdehnung vor
allem in der Läge aus. Es gilt:
�l = l0 · α · �t (1.148)
Mit
Δl Längenänderung
l0 Anfangslänge
α Längenausdehnungskoeffizient [1/K]
Δt = t1 – t0 Temperaturänderung
86 1 Physikalische Grundlagen
Beispiel
Die Pleuelstange eines Schiffsmotors aus geschmiedetem Stahl (Länge Pleuel-
schaft = 216 mm) wird beim Betrieb von 20 °C auf über seine Länge gesehen durch-
schnittlich 120 °C erwärmt. Um wieviel mm längt sich die Pleuelstange?
Lösung: Die Lösung ergibt sich aus Einsetzen der gegebenen Werte in Gl. 1.148. Aus
Tab. 1.3 ist der Längenausdehnungskoeffizient für Stahl mit α = 11 ∙ 10−6 1/K zu ent-
nehmen:
b) Volumenausdehnung
Die Volumenausdehnung lässt sich als eine Längenausdehnung in drei Dimensionen deuten.
Mit
V0 Anfangsvolumen des Körpers,
V1 Endvolumen des Körpers,
ΔV Volumenänderung V1 – V0
Δt Temperaturänderung t1 – t0 [K]
α Längenausdehnungskoeffizient [1/K]
gilt für einen Würfel mit der Kantenlänge l:
Wegen des sehr kleinen Zahlenwertes von „α“ können die Glieder 2. und 3. Grades ver-
nachlässigt werden:
Beispiel
Ein Tanker wird mit 370.000 m3 Dieselkraftstoff bei einer Temperatur von 21 °C
beladen. Der Kraftstoff wird am Zielhafen bei 15 °C entladen. Wieviel Kubikmeter
Diesel wird abgegeben?
Lösung: Mit Hilfe von Gl. 1.150 wird zunächst die Volumenänderung unter dem Ein-
fluss der Temperaturänderung ermittelt; der Volumenausdehnungskoeffizient für Die-
sel ist der Tab. 1.4 zu entnehmen:
Wärme ist eine Form von Energie, die Wärmeenergie. Soll der Wärmezustand eines
Stoffes verändert werden, so ist eine entsprechende Wärmeenergie (Wärmemenge) zu-
bzw. abzuführen Sie wird in Joule [J] angegeben.
Die Wärmeenergie resultiert aus der Bewegungsenergie der Moleküle, aus denen der
Stoff besteht. Je stärker sich diese Teilchen bewegen, desto wärmer ist der Körper.
1.5 Wärmelehre 89
Die zur Erwärmung bzw. Abkühlung notwendige Wärmemenge ist proportional der
Masse des Stoffes und der entsprechenden Temperaturdifferenz:
Q = m · c · t (1.151)
Mit
ΔQ zu- bzw. abgeführte Wärmemenge [kJ]
m Masse [kg]
c spezifische Wärmekapazität [kJ/kgK]
Δt Temperaturdifferenz [K]
Hinweis [6, S. 177]: Die spezifische Wärmekapazität ist stoff- und temperaturabhängig.
In den gängigen Tabellenwerken ist daher eine mittlere spezifische Wärmekapazi-
tät angegeben, häufig für eine Temperatur von 20 °C;32 sie gelten bei festen Kör-
pern im Bereich von etwa 0 bis 100 °C und bei Flüssigkeiten von etwa 0 bis 40 °C mit
genügender Genauigkeit.
Bei Gasen sind zwei Arten des spezifischen Wärmekapazität zu unterscheiden:
Tab. 1.5 gibt für eine Auswahl von Materialien die mittlere spezifische Wärmekapazität
an.
cp − cv = R (1.152)
R ist die spezielle Gaskonstante des Gases und einschlägigen Tabellenwerken zu ent-
nehmen.33
Beispiel
Im Frischwassertank eines Schiffes befinden sich 320 L Wasser bei 21 °C. Es werden
680 L Frischwasser mit einer Temperatur von 15 °C nachgebunkert. Auf welche Tem-
peratur stellt sich die Wassermenge von 1m3 im Frischwassertank ein? Die Dichte des
Wassers beträgt 1 kg/dm3.
Lösung: Die spezifische Wärmekapazität wird auch für die Mischtemperatur von zwei
und mehr Stoffen benötigt: Werden z. B. zwei Stoffe unterschiedlicher Temperatur
miteinander vermischt, so gibt der Stoff mit der höheren Temperatur Wärme an den
Stoff mit niedriger Temperatur ab. Der kältere Stoff wird dadurch wärmer, der wär-
mere kälter. Dieser Vorgang läuft solange ab, bis beide Stoffe die gleiche Temperatur
erreichen. Die abgegebene Wärme ist gleich der aufgenommenen Wärme. Die Misch-
temperatur lässt sich wie folgt berechnen:
TM = (m1 · c1 · T1 + . . . + mi · ci · Ti )/(m1 · c1 + . . . + mi · ci ) (1.153)
Mit
TM Mischtemperatur [°C]
c1 spezifische Wärmekapazität des ersten Stoffes [kJ/kgK]
ci spezifische Wärmekapazität des i-ten Stoffes
m1 Masse des ersten Stoffes [kg]
1.6 Strömungslehre 91
Beispiel
In der Kombüse sollen Kartoffeln in 5 L Wasser gekocht werden. Dazu wird das Was-
ser von 17 °C zunächst einmal auf 100 °C aufgekocht. Welche Wärmemenge Q ist
dafür erforderlich? Aufgrund der Dichte des Wassers von 1 kg/dm3 sind in dem Koch-
topf 5 kg Wasser enthalten.
Lösung: Durch Einsetzen in Gl. 1.151 erhält man mit c = 4,183 kJ/kgK (aus Tab. 1.5):
Q = 5 kg · 4,183 kJ/kgK · (100 − 17) K
Q = 1736 kJ
1.6 Strömungslehre
Unter einer Strömung versteht man die Bewegung von Fluiden. Für eine Gasströmung
gelten die Gesetze für strömende Flüssigkeiten entsprechend, solange die Strömungs-
geschwindigkeit des Gases unter der Schallgeschwindigkeit bleibt, d. h. das strömende
Gas als praktisch inkompressibel angenommen werden kann.
Sieht man von Wirbelbildungen und inneren Reibungen (laminare oder turbulente Strö-
mungen im Strömungskanal ab, spricht man von einem idealen Fluid, einer reibungs-
freien Strömung.
92 1 Physikalische Grundlagen
Beispiel
Ein Binnenschiff fährt gegen die Kanalböschung, wobei der Rumpf in einer Tiefe von
1 m auf einer Länge von 0,75 m aufgerissen wird. Der Spalt ist 0,07 m breit. Durch
das nach innen eingebogene Material der Schiffshaut kann eine gerundete Spalt-
öffnung mit μ = 0,9 angenommen werden. Mit welcher Geschwindigkeit strömt Was-
ser durch das Leck.
Lösung: Den Lösungsansatz liefert das Gesetz über den Ausfluss aus Gefäßen, hier
nur anders herum: Wasser strömt in ein „Gefäß“ hinein. Es gilt Gl. 1.156; durch Ein-
setzen erhält man:
v =µ· 2gh = 0, 9 · 2 · 9,81 m/s2 · 1 m
v = 4 m/s
Q = V̇ = dV /dt = A · v (1.157)
Mit
Q = V̇ Volumenstrom [m3/s]
V Volumen [m3]
t Strömungszeit [s]
V̇ Ableitung des Volumens nach der Zeit
A Querschnittsfläche des Rohres [m2]
v Strömungsgeschwindigkeit [m/s]
Es strömen also 0,21 Qubikmeter Wasser pro Sekunde in das Schiffsinnere. Somit
wird der kritische Zustand nach
t = V /V̇ = 50 m3 /0,21 m3 /s
t = 238 s = 4 min
erreicht.
Strömt durch ein Rohr mit veränderlichen Querschnitten (Abb. 1.92) ein Massen-
strom ṁ eines Fluides, so bleibt dieser konstant. Das bedeutet, dass der in die Strom-
röhre einfließende Massenstrom gleich dem aus der Stromröhre ausfließenden
Massenstrom ist: ṁ1 = ṁ2.
Dieses Prinzip der Massenerhaltung wird durch die Kontinuitätsgleichung
(Gl. 1.158) ausgedrückt:
ṁ1 = ṁ2 = ρ · V1 Punkt = ρ · V2 Punkt = ρ · A1 · v1 = ρ · A2 · v2
Da ρ = konst. ergibt sich:
A1 · v1 = A2 · v2 ; A · v = konst. (1.158)
94 1 Physikalische Grundlagen
1.6.1.3 Druck in Strömungen
In einer Strömung existieren zwei Druckarten, der statische Druck pstat (er wirkt quer
zur Strömungsrichtung) und der Staudruck oder dynamische Druck pdyn (er wirkt
in Strömungsrichtung), der die Differenz aus dem Gesamtdruck pges und pstat ist (vgl.
Abb. 1.93).
Mit Änderung von v ändern sich auch pdyn und pstat. Es gilt:
pdyn + pstat = konst. = pges (1.159)
In Gl. 1.159 entspricht pges dem hydrostatischen Druck der ruhenden Flüssigkeit.
Vorstehender Zusammenhang nach Gl. 1.159 ist das Gesetz von Bernoulli.
Die Bernoulli-Gleichung ist eine Energiegleichung für ideale Fluide; sie lässt sich
über den Energiesatz aus der Mechanik herleiten:
Strömungen mit innerer Reibung, aber ohne Wirbelbildung, bezeichnet man als laminare
Strömungen. Die innere Reibung ist eine Folge der Kraftwirkung zwischen den Molekü-
len (Viskosität bzw. Zähflüssigkeit).
Man stelle sich zwei übereinander liegende parallele Platten mit der Fläche A im
Abstand d vor, zwischen denen sich eine Flüssigkeit befindet. Wird die obere Platte mit
der Geschwindigkeit v bewegt, so bewegt sich die an ihr aufgrund von Adhäsion haf-
tende Grenzschicht ebenfalls mit der Geschwindigkeit v. Da die untere Platte ruht, ruht
auch ihre Grenzschicht. Die innenliegenden Flüssigkeitsschichten gleiten mit unter-
schiedlichen Geschwindigkeiten aneinander vorbei (Abb. 1.94). Um die obere Platte zu
bewegen, ist eine Kraft F – die sog. Reibungskraft – erforderlich.
Es gilt:
F = (η A · v)/d (1.161)
Mit
F innere Reibungskraft [N]
ƞ d ynamische Viskosität [Ns/m2]
A Fläche der eingetauchten Platte [m2]
v Geschwindigkeit der Platte beim Herausziehen [m/s]
d Abstand Platte – Gefäßwand
Den Quotienten „v/d“ bezeichnet man als Geschwindigkeitsgefälle. Bei linearer
Abhängigkeit gilt Gl. 1.161. Nicht immer ist der Geschwindigkeitsverlauf innerhalb der
Schicht jedoch linear, sodass Gl. 1.161 wie folgt geschrieben wird:
F = (η A) · dv/dy (1.162)
Mit der Schubspannung τ = F/A folgt:
τ = η · dv/dy (1.163)
Neben der dynamischen Viskosität ist auch die kinematische Viskosität in der Technik
gebräuchlich; sie ist der Quotient aus der dynamischen Viskosität und der Dichte des
Fluids:
υ = η/ρ (1.164)
1.6.3 Strömungswiderstand
Wird in eine Strömung ein Körper getaucht oder wird ein Körper durch ein ruhen-
des Fluid bewegt (Schiff im Wasser), so greift an diesem eine der Bewegungs- bzw.
Strömungsrichtung entgegenwirkende Kraft – Strömungswiderstand FR35 an, die die
Bewegung bremst. Diese Kraft ist abhängig von der Form des Körpers, der Dichte des
Fluids und nimmt mit dem Quadrat der Geschwindigkeit zu; es gilt:
FR = cW · A · ρ/2 · v2 (1.165)
Mit
FR Strömungswiderstand [N]
cW Widerstandsbeiwert
A größter der Strömung entgegenstehender Körperquerschnitt/projizierte Quer-
schnittsfläche [m2]
ρ Dichte des Fluids [kg/m3]
v Relativgeschwindigkeit zw. Körper und Fluid [m/s]
Gl. 1.165 nach cW umgestellt ergibt cW= 2FR/(A ∙ ρ ∙ v2). Der Term „ρ ∙ v2“ ist der Stau-
druck q der Anströmung. Somit lässt sich zur Bestimmung von cW schreiben:
cW = 2FR /(q · A) (1.166)
Der Strömungswiderstand ist bei der Konstruktion von Schiffen von besonderer
Bedeutung, da er bestimmender Faktor für die Antriebsleistung P ist: 36
P = cW · A · ρ/2 · v3 (1.167)
Die Leistung an der Schiffsschraube, die letztlich das Schiff gegen seinen Strömungs-
widerstand mit der angestrebten Geschwindigkeit durch das Wasser bewegt, ist danach
vom Widerstandsbeiwert abhängig. Die Leistung wächst mit der dritten Potenz der
Geschwindigkeit!
35Zum Teil auch mit „R“ aus dem engl. „Resistance“ bezeichnet.
36Vertiefend s. a. Abschn. 5.2.
1.6 Strömungslehre 97
1.6.4.1 Reynoldssches Ähnlichkeitsgesetz
Für inkompressible Strömungen gilt, dass der Widerstandsbeiwert cW von der Rey-
nolds-Zahl Re abhängt: cw= f (Re).
Diese Aussage ergibt sich, wenn man davon ausgeht, dass der Strömungswiderstand
FR eines Körpers in einer bestimmten Lage abhängig von der Anströmgeschwindigkeit
v, der Dichte ρ und der Viskosität (Zähflüssigkeit) ƞ des Fluids sowie einer charakte-
ristischen Länge l des Körpers ist. Diese ist eine bestimmte geometrische Abmessung,
deren Quadrat l2 in einem festen Verhältnis zur Bezugsfläche A steht. Somit gilt für den
Strömungswiderstand FR:
FR = f (v, ρ, η, l)
Mittels einer Dimensionsanalyse nach dem Buckinghamschen Π-Theorem lässt sich
ableiten, dass die zwei Ähnlichkeitskennzahlen cW und Reynoldszahl Re ausreichen, um
den Strömungswiderstand eines bestimmten Körpers zu beschreiben.
Re = (lρv)/η (1.168)
Hinweis: Erreicht Re einen bestimmten Wert, so schlägt eine laminare Strömung in eine
turbulente um; für die Strömung in einem glatten Rohr liegt der Wert bei Re =1160.
Aus Gl. 1.168 ist ersichtlich, dass bei gleicher Reynoldszahl vom Modell auf das Ori-
ginal geschlossen werden kann, wenn entsprechend l, v und/oder ƞ verändert werden. Es
gilt das sog. Ähnlichkeitsgesetz: „Geometrisch ähnliche Körper besitzen gleiche Wider-
standsbeiwerte, wenn sie in der Reynoldszahl übereinstimmen.“
1.6.4.2 Froude-Zahl37
Um bei Untersuchungen an einem Schiffsmodell im Schlepptank bezüglich der Wel-
len (die ebenfalls von besonderer Bedeutung für den Gesamtwiderstand eines in Fahrt
befindlichen Schiffes sind – vgl. Abschn. 5.2) vergleichbare Strömungsverhältnisse
wie beim Original einzustellen, muss die Froude-Zahl Fr von Original und Modell
übereinstimmen. Das ist der Fall, wenn das Verhältnis der Länge l zum Quadrat der
Geschwindigkeit v2 identisch ist.
37Aus [22]
98 1 Physikalische Grundlagen
v
Fr = √ (1.169)
g·l
1.7 Optik
Optik ist die Wissenschaft vom Licht, seiner Entstehung, Ausbreitung und seiner Wahr-
nehmung.
Licht wird von Lichtquellen erzeugt (Sonne, Leuchtmittel etc.) und breitet sich stets
geradlinig aus (Lichtstrahlen). Verhindert ein lichtundurchlässiger Gegenstand im Licht-
strahl seine geradlinige weitere Ausbreitung, wird der Lichtstrahl von diesem reflektiert,
hinter dem Gegenstand entsteht ein Schatten.
Licht breitet sich wellenförmig aus38. Lichtwellen sind ihrem physikalischen Charak-
ter nach elektromagnetische Wellen kleiner Wellenlänge λ und damit großer Frequenz
f, wobei der für den Menschen sichtbare Bereich Wellenlängen zwischen 390 nm und
780 nm hat [18]. Lichtwellen breiten sich mit Lichtgeschwindigkeit c aus – es gilt:
c=·f (1.170)
Die Lichtgeschwindigkeit im Vakuum beträgt 299.792,458 km/s ≈ 300.000 km/s. In Luft
ist die Lichtgeschwindigkeit nur unwesentlich kleiner – sie hat dort einen durchschnitt-
lichen Wert von 299.711 km/s.
Lichtwellen können wie andere Arten von Wellen reflektiert, gebrochen oder
von Stoffen absorbiert werden. Darüber hinaus treten bei Licht unter bestimmten
Bedingungen folgende wellentypischen Erscheinungen auf:
1.7.1 Reflexionen
Trifft ein Lichtstrahl in einem Einfallswinkel α auf eine ebene, glatte Oberfläche (z. B.
Spiegel), wird er mit dem Ausfallswinkel β reflektiert, wobei gilt (vgl. auch Abb. 1.76,
1.96 und 1.97):
α=β (1.171)
Hierbei spricht man von einer gerichteten Reflexion. Der Zusammenhang in Gl. 1.171
wird Reflexionsgesetz genannt.
Diesen Effekt macht man sich z. B. beim U-Boot-Periskop zunutze. Abb. 1.95 zeigt
das Funktionsprinzip eines Sehrohres mit Spiegeln (a) und Umkehrprismen (b).
Die beiden Spiegel sind in einem Winkel von 45° zur Sehrohrachse angeordnet. Der
Lichtstrahl fällt immer im Winkel von 45° zur Senkrechten der Spiegelfläche ein, wird
insofern auch wieder in einem Winkel von 45° zu dieser senkrechten reflektiert.
Trifft Licht allerdings auf eine raue Oberfläche wie Papier, verputzte Wände etc.,
werden die Lichtstrahlen diffus reflektiert – sie streuen. Man spricht in diesem Fall von
ungerichteter Reflexion(Abb. 1.96).
Trifft Licht (parallele Lichtstrahlen) auf einen Hohlspiegel (sphärischer Konkav-
spiegel) wird jeder Lichtstrahl gemäß dem Reflexionsgesetz an der Spiegeloberfläche
reflektiert. Die reflektierten Strahlen vereinigen sich im Brennpunkt f des Spiegels.
Der Brennpunkt liegt auf der optischen Achse, der Abstand des Brennpunktes von der
Spiegelfläche ist abhängig von seiner Wölbung (Radius r der Spiegelkrümmung):
f = r/2 (1.172)
Bei einem ebenem Spiegel wird f = ∞.
1.7.2 Lichtbrechung
Hinweis: Licht, das von einem optisch dünneren Stoff (Luft) in einen optisch dichte-
ren Stoff (z. B. Wasser, Glas) eintritt, wird zum Einfallslot hin gebrochen, ein Teil wird
reflektiert. Bezüglich der Reflexion gilt: α1= α2 (s. Abb. 1.97).
Geht Licht in einen optisch dünneren Stoff hinein, erfolgt die Brechung vom Lot weg,
der Brechungswinkel β ist größer als der Einfallswinkel α, aber nicht größer 90°.39
Es gilt:
sin α/sin β = c1 /c2 = n (1.173)
Mit
α Einfallswinkel
β Brechungswinkel
c1 Lichtgeschwindigkeit im Medium 1 (z. B. Luft oder Vakuum)
c2 Lichtgeschwindigkeit im Medium 2
n Brechzahl
Einige Brechzahlen können Tab. 1.6 entnommen werden:
Beispiel
Der Lichtstrahl der Sonne fällt in einem Winkel von α = 30° durch das Fenster der
Brücke eines Schiffs. Die Brechzahl des Fensters n2 wird mit 1,45 angegeben. Wie
groß ist der Winkel β des gebrochenen Lichtstrahls?
Lösung: Aus Gl. 1.173 erhält man durch Umstellen sin β, daraus schließlich den
Winkel β. Da sich das Sonnenlicht zunächst durch die Luftschicht bewegt, also vom
α1 α2 reflektierter Strahl
Medium 1
Medium 2
Brechungswinkel β
gebrochener Strahl
d ünneren Medium Luft auf das dichtere Medium Glas fällt, wird noch die Brechzahl
für Luft benötigt – sie beträgt ≈ 1.
Gl. 1.173:
β ≈ 20◦
1.7.3 Linsen
Optische Systeme sind in der Schifffahrt weit verbreitet, wie z. B. das bereits genannte
Periskop, Kamerasysteme bei Kriegsschiffen zur optischen Aufklärung wie auch das
bekannte Fernglas. Sie alle haben eins gemeinsam – sie bestehen aus einem System
unterschiedlicher Linsenarten. Hierbei wird zwischen Konvexlinsen (Sammellinsen) und
Konkavlinsen (Zerstreuungslinsen) unterschieden.
Konvexlinsen sind in der Mitte dicker als am Rand, Konkavlinsen sind am Rande
dicker als in der Mitte. Innerhalb dieser beiden Linsentypen wird jeweils zwischen
bikonkav, plankonkav und konvexkonkav differenziert (Abb. 1.98).
102 1 Physikalische Grundlagen
Sammellinsen zeichnen sich dadurch aus, dass das parallel zur optischen Achse ein-
fallende Lichtstrahlenbündel idealerweise in einem Punkt hinter der Linse, dem Brenn-
punkt oder Fokus F, gesammelt wird. Die Brennweite f der Sammellinse ist positiv,
wobei die Brennweite der Abstand der Hauptebene der Linse (oder auch eines gewölbten
Spiegels) und dem Fokus bzw. Brennpunkt ist (s. a. Abb. 1.99).
Zerstreuungslinsen zeichnen sich dadurch aus, dass das parallel zur optischen Achse
O einfallende Lichtstrahlenbündel hinter der Linse so auseinander läuft, als käme es von
einem Punkt auf der Einfallseite des Lichts. Die Brennweite ist negativ (Abb. 1.100).
Vereinfachend gesagt: Eine konvexe Linse sammelt das Licht, eine konkave Linse
zerstreut das Licht.
Vorstehende Linsentypen werden auch sphärische Linsen genannt: Die beiden optisch
aktiven Flächen sind Oberflächenausschnitte einer Kugel. Daneben gibt es die sog.
asphärischen Linsen, die weitere Freiheitsgrade beim Design aufweisen und von der
idealen Kugeloberfläche abweichen. Diese werden hier nicht näher betrachtet.
Dünne sphärische Linsen werden durch folgende geometrische Merkmale und
Materialeigenschaften gekennzeichnet:
Aus diesen lassen sich in Verbindung mit dem Brechungsindex n des Umgebungsstoffs
(z. B. Luft) die Brennweite f und der Brechwert D als wichtigste optische Eigenschaften
beschreiben:
D = 1/f = n′ − n /n · [(1/R1 ) − (1/R2 )]
(1.174)
Dicke sphärische Linsen – das sind insbesondere Linsen, die an ihrer dünnsten Stelle
eine endliche Dicke haben – erfordern zusätzlich die Angabe der Dicke der Linse in
der Mitte d. Dicke Linsen weisen bei sonst gleichen Parametern andere Brennweiten
als dünne Linsen auf; weiterhin entstehen zwei nicht mehr aufeinanderliegende Haupt-
ebenen, da der Strahlversatz beim (nicht achsparallelen) Durchgang durch die Linse
nicht mehr vernachlässigt werden kann; sie werden mit Gl. 1.175 beschrieben:
und
D2 = − n′ −n /n · (1/R2 )
die Brechwerte von Vorder- und Rückseite der Linse, so lässt sich der Gesamtbrechwert
der Linse wie folgt schreiben:
D = D1 + D2 − n/n′ · (dD1 D2 )
(1.176)
Gl. 1.176 wird als Gullstrand-Formel bezeichnet.
Für Sensoren der optischen Aufklärung, wie Ferngläser, Fernrohre ist die Brennweite
einer Linse und der Abbildungsmaßstab A von besonderer Bedeutung: Mit der Linsen-
gleichung bzw. Abbildungsgleichung wird für die optische Abbildung mittels einer
Linse der Zusammenhang zwischen Gegenstandsweite g, Bildweite b und Brennweite f
beschrieben (vgl. Abb. 1.101):
1/f = 1/b + 1/g (1.177)
1.7.3.1 Kepler-Fernrohr [29]
Mittels eines Fernrohrs (auch Linsenfernrohr oder Refraktor genannt), erscheinen
entfernte Objekte um ein Vielfaches näher oder größer. Dies wird durch eine Ver-
größerung des Sehwinkels durch ein Linsensystem erreicht. Die Vergrößerung V des
Kepler-Fernrohrs ist gleich dem Verhältnis der Brennweiten fObj und fOk:
V = fObj /fOk (1.179)
Prismen und Spiegel dienen dazu, das Bild aufzurichten oder die Baulänge des Fernrohrs
zu verkleinern (Fernglas).
Das Okular ist eine konvexe Sammellinse mit geringerer Brennweite. Okular und
Objektiv stehen im Abstand ihrer addierten Brennweiten, d. h. ihre Brennpunkte fallen
zwischen den Linsen zusammen. Da sich der Strahlengang im Fernrohr kreuzt, erzeugt
das Objektiv ein auf dem Kopf stehendes und seitenverkehrtes, also um 180° gedrehtes
reelles Bild des betrachteten Gegenstands, das mittels des Okulars – nach dem Prinzip
der Lupe – vergrößert betrachtet wird.
Die seitenverkehrte Darstellung des Bildes wird mit weiteren Linsen oder Prismen
behoben:
Um das Bild gleich dem Original auszurichten, gibt es folgende Möglichkeiten der
„Umkehroptik“:
• zwei in den Strahlengang gelegte geneigte Spiegel (in der Regel um 45°)
• zwei Prismen, deren rückseitige Flächen durch Totalreflexion wie Spiegel wirken
• eine dritte Sammellinse (Umkehrlinse) zur erneuten Umkehrung des Bildes (sog. ter-
restrische Umkehrsätze u. ä.) – z. B. bei Zielfernrohren
Bei Prismenferngläsern (Feldstechern) und Spektiven wird das umgedrehte Bild des
Kepler-Fernrohrs mittels Prismensysteme um 180° gedreht.
Beispiel
Ein Kepler-Fernrohr hat ein Objektiv mit einer Brennweite von fObj = 32 cm und ein
Okular mit einer Brennweite von fOk = 4 cm. Welche Vergrößerung V hat das Fern-
rohr insgesamt?
1.8 Elektrizitätslehre
1.8.1 Stromkreis
Ein Stromkreis, in dem elektrischer Strom seine Arbeit verrichten kann, besteht immer
aus
Tatsächliche Stromrichtung Die Elektronen (negativ geladen) fließen vom Minus- zum
Pluspol der Stromquelle.
In einem Leiter (Kupferdraht o. ä.), der mit beiden Polen einer Stromquelle verbunden
ist, fließt ein elektrischer Strom I. Er besteht aus freien Elektronen, die sich aus dem
Atomverband des Leitungsmaterials gelöst haben. Die Einheit der Stromstärke ist
Ampere [A].
Unter elektrischer Ladung, auch Ladungsmenge Q, versteht man das Produkt aus
Stromstärke und Zeit t; die Einheit ist Coulomb [1 C = 1 As].
Q=I ·t (1.180)
Durch Umstellen von Gl. 1.180 nach I folgt: I = Q/t. Da I während der Zeit t keinesfalls
konstant sein muss, gilt für die augenblickliche Stromstärke:
I = dQ/dt (1.181)
40Eine Übersicht der gebräuchlichen Zeichen findet sich auch unter [21] oder auch unter [30].
1.8 Elektrizitätslehre 107
Zwischen den Polen einer Spannungsquelle wird mit dem Spannungsmesser eine Span-
nung gemessen – die sog. Klemmen- oder Urspannung. Wird zwischen den Anschluss-
klemmen eines elektrischen Bauteils oder auch einer Maschine die Spannung gemessen,
misst man eine Spannung, die ein Teil der Urspannung ist. Man spricht vom sog.
Spannungsabfall U. Er ist das Verhältnis zu der in diesem Bauteil umgesetzten Leistung
zu dem durch das Bauteil fließenden Stroms:
U = Pel /I (1.182)
Umstellen von Gl. 1.182 nach Pel liefert die elektrische Leistung eines Verbrauchers, an
dem die Spannung U anliegt und durch den der Strom I fließt:
Pel = U · I (1.183)
Die Gl. 1.182 und 1.183 gelten allerdings nur für den Gleichstrom, da hier der Span-
nungs- und Stromverlauf über die Zeit konstant sind (Abb. 1.102). Bei einer Wechsel-
spannung hingegen haben Spannung und Stromstärke über die Zeit einen sinusförmigen
Verlauf (vgl. Abb. 1.103, die den Spannungsverlauf darstellt).
Zur Berechnung der effektiven Leistung bei Wechselspannung mit Gl. 1.183 kön-
nen nicht die Maximal- bzw. Scheitelwerte für U und I eingesetzt werden („1“ in
Abb. 1.103). Daher vergleicht man den Wechselstrom mit einem Gleichstrom gleicher
Leistung und bestimmt so die effektiven (wirksamen) Werte für Spannung und Strom-
stärke („3“ in Abb. 1.103; „2“ ist der Spitze-Tal-Wert und „4“ die Periodendauer t = 1/f
mit der an Bord von Schiffen üblichen Frequenz f = 50 oder 60 Hz). Es gilt:
Imax
Ieff = √ (1.184)
2
sowie
Umax
Ueff = √ (1.185)
2
−
108 1 Physikalische Grundlagen
Beispiel
In den Kabinen eine Kreuzfahrtschiffs sind elektr. Haartrockner (Föns) installiert. Auf
dem Typenschild steht die Leistungsaufnahme „1000 W“ vermerkt. Die Klemmen-
spannung an der Anschlussdose beträgt Umax = 230 V. Wie hoch ist der maximale
Strom Imax, der durch den Leiter in der Anschlussdose fließt? Wie groß ist die Wirk-
leistung eines Föns?
Lösung: Die Angabe „1000 W“ bezieht sich auf die max. mögliche Leistung, die
Scheinleistung
S = U · I. Aus Gl. 1.183 folgt durch Umstellen und Einsetzen:
Imax = S/Umax = 1000 W/230 V
Imax = 4,3 A
Da Spannungs- und Stromstärkeverlauf im Wechselstromnetz Nulldurchgänge auf-
weisen, liegen die Effektivwerte für Spannung und Stromstärke unter den Maximal-
werten von U und I (s. Abb. 1.103). Die tatsächlich zur Verfügung stehende
Wirkleistung P ergibt sich daher aus Gl. 1.183 durch Ersetzen von U und I durch Ueff
und Ieff.
√ √
P = Ueff · Ieff = U/ 2 · I/ 2 = 230 V · 0,707 · 4,3 A · 0,707
P = 494 W
Im Wechselstromnetz sind die Sinusverläufe von Spannung und Stromstärke zeitlich
versetzt; man spricht von der sog. Phasenverschiebung:
1.8 Elektrizitätslehre 109
• Bei einer Induktivität L (ideale Spule) folgt die Stromstärke der Spannung
um 90° nach (die Spannung eilt der Stromstärke um 90° vor). Der Phasenver-
schiebungswinkel Δϕ wird positiv angegeben; er ist unabhängig von der Frequenz
(Abb. 1.104).
• Bei einer Kapazität C (idealer Kondensator) folgt die Spannung der Stromstärke
um 90° nach. Der Phasenverschiebungswinkel wird negativ angegeben; er ist eben-
falls unabhängig von der Frequenz (Abb. 1.105).
• Beim ohmschen Widerstand R sind Spannung und Stromstärke immer gleich-
phasig.
• Bei einer Kombination von R, L und C kann der Phasenverschiebungswinkel
beliebige Werte zwischen −90° und +90° annehmen; er hängt von der Frequenz
ab.
Hinsichtlich der elektrischen Leistung bedeutet das, dass die Leistung eines reinen
ohmschen Widerstandes nach Gl. 1.183 berechnet werden kann.
Wird ein induktiver bzw. kapazitiver Widerstand an eine Wechselspannung
angeschlossen, so tritt zusätzlich noch ein Blindanteil in Erscheinung. Der Blindanteil
kommt durch die Phasenverschiebung zwischen Strom und Spannung der Induktivi-
tät bzw. der Kapazität zustande. Dieser Anteil der Leistung wird als Blindleistung
Q bezeichnet. Seine Einheit ist var.
Der Wirkanteil wird als Wirkleistung P bezeichnet. Seine Einheit ist Watt [W].
Die Gesamtleistung im Wechselstromkreis ist die Scheinleistung S. Sie hat die Ein-
heit Voltampere [VA].
Zur besseren Unterscheidbarkeit der drei Leistungsarten werden die vorstehend
genannten Einheiten benutzt.
Zwischen der Wirkleistung P und der Blindleistung Q gibt es eine Phasenver-
schiebung von 90°.
Das Leistungsdreieck (Abb. 1.106) verdeutlicht die Zusammenhänge zwischen den
drei Leistungsarten.
Die einzelnen Leistungen werden wie folgt berechnet:
S =U ·I (1.186)
P = U · I · cos ϕ (1.187)
Q = U · I · sin ϕ (1.188)
Der Kosinus ϕ wird als Wirkleistungsfaktor oder kurz als Leistungsfaktor bezeichnet.
Er gibt insofern an, welcher Teil der Scheinleistung in die gewünschte Wirkleistung
umgesetzt wird. Er findet sich i. d. R. auf den Typenschildern von Elektromotoren. Er
ist das Verhältnis zwischen P und S:
cos ϕ = P/S (1.189)
Der Blindleistungsfaktor sin ϕ gibt das Verhältnis zwischen Q und S an:
sin ϕ = Q/S (1.190)
Jedes Bauteil, jeder elektrische Leiter hat einen Widerstand. Stromstärke I und Spannung
U in einem Stromkreis bzw. in einem Bauteil sind zueinander proportional. Das Verhält-
nis von I und U ist der elektrische Widerstand R mit der Einheit Ohm [Ω].
R = U/I (1.191)
P
1.8 Elektrizitätslehre 111
Der Widerstand eines elektrischen Leiters ist von seinem Material und von seiner Länge
abhängig:
R = (ρ · l)/A (1.192)
Mit
ρ spezif. Widerstand des Leitermaterials [Ωmm2/m]
l Leiterlänge [m]
A Leiterquerschnitt [mm2]
Beispiel
An Bord eines Schiffes wurden insgesamt ca. 1700 km Kupferleitungen verlegt. Im
Durchschnitt kann von einem Kabelquerschnitt von 1,5 mm2 ausgegangen werden.
Wie groß ist der Widerstand der verlegten Kabel? Der spez. Widerstand für Kupfer
beträgt 0,0171 Ωmm2/m.
Der Widerstand eines elektrischen Leiters nach Gl. 1.192 ist für Gleich- und Wechsel-
strom der gleiche. Man bezeichnet ihn als ohmschen Widerstand bzw. als Wirkwider-
stand. Er wird durch das Leitergefüge hervorgerufen. Zusätzlich zu diesem Widerstand
existieren im Wechselstromkreis noch sog. Blindwiderstände. Blind- und Wirkwider-
stand bilden zusammen den Scheinwiderstand.
112 1 Physikalische Grundlagen
1.8.5.1 Induktiver Widerstand
Die Induktivität, die jeder stromdurchflossene Leiter besitzt, erzeugt einen Selbst-
induktionsstrom, der dem eigentlichen Strom entgegengerichtet ist und insofern wie ein
zusätzlicher Widerstand (induktiver Blindwiderstand) wirkt. Es gilt:
XL = ωL = 2πfL (1.194)
Mit
XL induktiver Widerstand [Ω]
ω Kreisfrequenz = 2πf [1/s]
L Induktivität des Leiters [H = Vs/A]
Der induktive Widerstand ist, wie aus Gl. 1.194 ersichtlich, frequenzabhängig. Für
Gleichstrom (f = 0) ist daher XL=0.
Sind in einem Wechselstromkreis nur induktive Widerstände enthalten, berechnet sich
der Strom in diesem Stromkreis nach Gl. 1.195:
I = U/(ωL) (1.195)
1.8.5.2 Kapazitiver Widerstand
Ein Kondensator stellt in einem Wechselstromkreis einen zusätzlichen kapazitiven
Widerstand dar; es gilt:
XC = 1/(ωC) = 1/(2πfC) (1.196)
Mit
XC kapazitiver Widerstand [Ω]
ω Kreisfrequenz = 2πf [1/s]
C Kapazität des Kondensators [F = As/V]
Der kapazitive Widerstand ist, wie aus Gl. 1.196 ersichtlich, ebenso frequenzabhängig
wie der induktive Widerstand. Für Gleichstrom (f = 0) ist daher XC = ∞.
Sind in einem Wechselstromkreis nur kapazitive Widerstände enthalten, berechnet
sich der Strom in diesem Stromkreis nach Gl. 1.197:
I = UωC (1.197)
1.8.5.3 Blindwiderstand
Kapazitiver und induktiver Widerstand eines Wechselstromkreises ergeben zusammen
den Blindwiderstand X des Stromkreises.
Bei der Zusammenschaltung der L-C-Glieder unterscheidet man zwischen einer
Reihenschaltung und Parallelschaltung von induktiven und kapazitiven Widerständen.
UL
UC
U
IL
L
1.8.5.4 Scheinwiderstand
Jeder Stromkreis besitzt einen ohmschen Wirkwiderstand (Wirkwiderstand), der bei der
Bestimmung des Gesamtwiderstandes (Scheinwiderstand) berücksichtigt werden muss.
Mit
Z Scheinwiderstand
R ohmscher Widerstand
X Blindwiderstand
Y Scheinleitwert = 1/Z
G Wirkleitwert = 1/R
B Blindleitwert = 1/X.
41Die Klemmenspannung ist die Summe der Spannungsabfälle an den einzelnen Widerständen.
114 1 Physikalische Grundlagen
In den vorstehenden Kapiteln wurde eine Vielzahl physikalischer Größen vorgestellt, die
entweder messtechnisch erfasst werden können, oder aus solchen Werten zu berechnen
sind.
Es ist praktisch nicht möglich, reproduzierbare immer exakte Messwerte zu ermitteln.
Wenn die Messung einer Größe x unter gleichen Bedingungen wiederholt wird, stellt
man i. d. R. fest, dass die Einzelmesswerte differieren – sie streuen. Das liegt daran, das
jeder Messvorgang von Natur aus mit einer Ungenauigkeit behaftet ist, die als Fehler
bezeichnet wird.
Es stellt sich die Frage, was denn der wahre Wert einer Messung ist? Den wird man
nie kennen. Bei einer Vielzahl von Messungen einer Größe wird der wahre Wert xwahr
immer irgendwo im Bereich der Einzelmesswerte xi liegen.
Damit der einzelne Messwert überhaupt interpretieren werden kann, ist es nötig, die
Ungenauigkeit, mit der die Messung behaftet ist, mit anzugeben.
Beispiel
Im Rahmen der Qualitätssicherung werden aus der laufenden Produktion stichproben-
artig 10 Kugellager entnommen und deren Außendurchmesser da, der 30,000 mm
betragen soll, durch Messungen überprüft; es sollte insofern bei jeder Messung die-
ser Wert ermittelt werden. Die Arbeit wird von unterschiedlichen Personen mit
unterschiedlichen Messwerkzeug (Mikrometerschrauben) durchgeführt. Folgende
Messwerte werden dabei ermittelt: 30,001 mm, 30,001 mm, 29,999 mm, 30,002 mm,
29,999 mm, 29, 998 mm, 30,000 mm, 30,003 mm 29,997 mm und 30,001 mm.
1.9 Messunsicherheiten und Fehlerrechnung 115
Welches ist nun der wahre Wert des Durchmessers? Die Unterschiede lassen
sich auf Ungenauigkeiten im Messwerkzeug, auf unterschiedliche Umgebungs-
temperaturen und nicht zuletzt auf zufällige Fehler durch die Messenden bei der
Handhabung des Messwerkzeugs und beim Ablesen des Messwertes zurückführen.
a) Statistische Fehler
Diese Fehler beeinflussen das Messergebnis auf eine Art und Weise, die nicht vorher-
sehbar und nicht kontrollierbar sind. Man spricht deshalb auch von Zufallsfehlern.
Ursachen können in der Unzulänglichkeiten der menschlichen Sinnesorgane (etwa das
begrenzte Auflösungsvermögen des Auges, wenn es um die Frage geht, ob zwei haar-
feine Linien übereinander oder leicht nebeneinander liegen), fehlerhafte Benutzung von
Messgeräten und Ablesefehler (z. B. Parallaxefehler), äußere Einflüsse (Erschütterungen
am Messtisch, Temperatur, Luftfeuchtigkeit etc.).
Diese Fehler lassen sich mathematisch mit den Methoden der Statistik behandeln.
Diese Fehler tragen beiderlei Vorzeichen: ± .
Bei mehrfachen Messungen (vgl. Beispiel oben) streuen die einzelnen Mess-
ergebnisse um einen Mittelwert. Dieser Mittelwert wird wahrscheinlich nicht der tatsäch-
liche Wert sein, der gesucht wird. Je größer aber eine Messreihe ist, umso weiter nähert
sich der Mittelwert dem tatsächlichen Wert an. Erst wenn man die Genauigkeit des
Messverfahrens durch viele Wiederholungen ermittelt hat, ist bekannt, wie die Ergeb-
nisse der Einzelmessungen um eine Näherung für den wahren Wert schwanken.
b) Systematische Fehler
Systematische Fehler zeichnen sich dadurch aus, dass sie sich auf alle Einzelmessungen
in der gleichen Weise auswirken. Sie sind reproduzierbar, d. h. bei wiederholten Mes-
sungen unter gleichen Bedingungen treten sie in gleicher Größe und mit gleichem Vor-
zeichen auf.
Wodurch werden systematische Fehler bei Messung verursacht? Hier spielen bei-
spielsweise Eichfehler von Messgeräten eine Rolle (z. B. wenn die Mikrometerschraube
zur Durchmessermessung nicht Null anzeigt, wenn sie völlig zusammengedreht wird).
In einer Fehlerrechnung werden grundsätzlich nur die statistischen, aber nicht die sys-
tematischen Fehler behandelt!
Messergebnis der i-ten Messung heißt xi. Die Zahl Ni gibt dann an, bei wie vielen der N
Messungen das Messergebnis xi vorliegt. Teilt man Ni durch die Gesamtzahl der Messun-
gen N, erhält man die relative Häufigkeit n(xi) des Messwertes xi:
n(xi ) = Ni /N (1.207)
Beispiel
Wie groß ist die relative Häufigkeit des Messwertes 30,001 mm aus der Messreihe für
das o. g. Kugellager?
Lösung: Der Messwert „30,001 mm“ wurde in der Messreihe mit N = 10 Messungen
dreimal (= Ni) ermittelt. Somit erfolgt durch Einsetzen in Gl. 1.207:
n x30,001 = 3/10
n x30,001 = 0,33
Der wahre Wert einer gemessenen Größe x ergibt sich als arithmetischer Mittelwert
im Grenzfall einer unendlichen Anzahl von Messungen N, d. h. einer unendlich lan-
gen Messreihe; es gilt:
N
1
xwahr = lim xi (1.208)
N→∞ N
i=1
• eine möglichst gute Schätzung als Mittelwert x̄ für den wahren Wert,
• die Standardabweichung σx, die angibt, wie die einzelnen Messwerte um den
Mittelwert x̄ streuen und
• die Ungenauigkeit bzw. Standardabweichung σx̄ des Mittelwertes x̄, die besagt, wie
dieser um den wahren Wert streut(auch Varianz genannt).
Für eine Schätzung als Mittelwert x̄ für den wahren Wert wird der arithmetische
Mittelwert aus allen Messergebnissen gebildet; das geschieht nach Gl. 1.209:
N
1 x1 + x2 + . . . + xN
x̄ = xi = (1.209)
N N
i=1
1.9 Messunsicherheiten und Fehlerrechnung 117
N
1 30,001 mm + . . . + 30,001 mm
x̄ = d̄a = xi =
N 10
i=1
da = 30,0001 mm
Eine Größe, die angibt, wie die Ergebnisse der einzelnen Messungen xi um den
Mittelwert x̄ streuen, ist die Standardabweichung σx. Sie gibt den Mittelwert des
Quadrats der Entfernung eines Messergebnisses vom Mittelwert x̄ an. Die Standard-
abweichung wird auch als Stichprobenfehler bezeichnet und wird nach folgender
Gleichung ermittelt:
1 N
σx = · (xi − x̄)2 (1.210)
N −1
i=1
Beispiel
Wie groß ist der Stichprobenfehler (Standardabweichung) für das o. g. Kugellagerbei-
spiel?
Gleichung berechnet. Bei fehlerhafter Bestimmung der Messgröße(n) wird auch das zu
berechnende Messergebnis somit fehlerbehaftet sein, denn die Einzelabweichungen wer-
den mit der Gleichung
y = f (x) bzw. y = f (x1 , x2 , . . . xi )
übertragen. Man nennt dieses Fehlerfortpflanzung.
Beispiel
Ein Schiff fährt die Strecke s =100 sm in der Zeit t =7 h. Beide Werte werden mess-
technisch erfasst: Die zurückgelegte Strecke mit dem Log, die Zeit mit der Schiffsuhr.
Die zu ermittelnde Geschwindigkeit v = y ist eine Funktion von s und t:
..
v = y = f (s, t), namlich: v = s/t = 100 sm/7 h = 14,3 kn
Es ist ersichtlich, dass, wenn die Messungen von s und t fehlerbehaftet sind, somit
auch das Ergebnis der Geschwindigkeit v fehlerbehaftet ist.
Der Fehler – besser die Ungenauigkeit einer physikalischen Größe y – wird oft als
∆y bezeichnet.
Fehlerwerte können
• absolut (∆y),
• relativ (∆y/y) oder
• prozentual ((∆y/y) · 100 %)
angegeben werden.
Für die Fehlerbetrachtung interessiert nun, wie sich die Größtfehler Δx1, Δx2, …
(oder die Messunsicherheiten) der einzelnen Größen auf den Fehler Δy der Größe y
auswirken. Unter der Voraussetzung kleiner Fehler (gegenüber den Messwerten) lässt
sich der gesuchte Fehler mittels einer Reihenentwicklung (Taylorreihe) und Abbruch
der Entwicklung nach dem ersten Glied berechnen:
Die Größen ∂f /∂x1, ∂f /∂x2 usw. stehen dabei für partielle Ableitungen.43 Es wird
in der Fehlerfortpflanzung allerdings immer der Betrag der partiellen Ableitungen
gewählt, um eine gegenseitige Kompensation von Fehlern zu vermeiden und somit zu
einer Pessimalabschätzung zu gelangen:
�y = �x1 · |∂y/∂x1 | + �x2 · |∂y/∂x2 | + . . . (1.213)
Hierbei sind:
∆y Gesamtfehler Fy des Ergebnisses y (im vorstehenden Beispiel ist das Ergebnis
y die Geschwindigkeit v)
∆xi Fehler Fi der Eingangsgröße xi (im vorstehenden Beispiel sind die Eingangs-
größen x1 und x2 die Strecke s und die Zeit t)
Die Fehler der Eingangsgrößen sind i. d. R. der Messgerätebeschreibungen zu ent-
nehmen.
Es wird für die Schiffsuhr im v. g. Beispiel eine Genauigkeit von ± 0,001 Stunden
angenommen, der Fehler des Logs betrage ± 0,1 Seemeile. Damit wird Gesamtfehler
für die ermittelte Geschwindigkeit:
Fy = �y = �s · |∂v/∂s| + �t · |∂v/∂t|
Literatur
Printmedien
Internet
Für den Zugang zu den Tätigkeiten als Technischer Schiffsoffizier werden eine
abgeschlossene Fachschulausbildung an einer Seefahrtschule oder ein abgeschlossenes
Fachhochschulstudium der Schiffsbetriebstechnik bzw. des Schiffsbetriebs sowie ein ent-
sprechendes gültiges Befähigungszeugnis vorausgesetzt.1
Je nach Funktion, die innerhalb der Offiziersbesatzung eingenommen wird, sind für
den Technischen Wachoffizier im Einzelnen folgende Befähigungszeugnisse notwendig:
Schiffsbetriebstechniker sind die Spezialisten, die für Bedienung und Instandhaltung der
modernen Betriebsanlagen, zum Beispiel der Kälte-, Klima- und Umweltschutzanlagen, der
Feuerlösch-, Kraftstoff- und Sprühanlagen sowie der Kräne, Aufzüge und Hebezeuge, die
Betrieb- und Einsatzfähigkeit eines Schiffes oder Bootes gewährleisten, zuständig sind.
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 121
M. Pfaff, Schiffsbetriebstechnik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-27052-0_2
122 2 Tätigkeitsbild des Schiffsbetriebstechnikers
Der „Chef“ der Betriebstechniker an Bord von Marineeinheiten ist der Schiffstechnische
Offizier (STO). Für die Antriebsanlage ist bei der Deutschen Marine der ANO (Antriebs-
offizier) mit seinem Personal (im Marinejargon Heizer genannt) zuständig.
An Bord ziviler Schiffe wird der leitende Schiffsingenieur „Chief“ genannt. Ihm
obliegt die Verantwortung und Instandhaltung aller technischen Anlagen und deren
Betrieb. Darunter fällt beispielsweise auch die Versorgung mit den erforderlichen
Betriebsstoffen, Wasser, Arbeitsmaterial, Ersatzteilen, Werkzeugen und anderen Bedarfs-
gütern des technischen Schiffsbetriebs, die er nach Absprache mit der Schiffsführung
rechtzeitig vor Reiseantritt bestimmt und sich um deren Organisation kümmert.
Technischen Schiffsoffizieren untersteht zudem die Ausbildung der Mitarbeiter
im Bereich des technischen Schiffsbetriebs. Sie sind ferner für die Durchführung des
Arbeits- und Brandschutzes sowie die entsprechende Sicherheitsunterweisung in den
Betriebsräumen und nicht zuletzt auch für die Einhaltung von Umweltschutzvorschriften
zuständig.
Zu allen Fragen des technischen Schiffsbetriebes und dem Einsatz der Maschinen-
anlage beraten sie den Kapitän und die übrigen nautischen Offiziere.
Aufgrund der umfangreichen technischen Kenntnisse von „A wie Antriebsanlagen“
bis „Z wie Zylinderdeckel“, der Erwartung des Schiffsführers an den Chief bzw. den
STO und ANO, dass das Schiff mit seinen Aggregaten und technischen Einrichtungen
jederzeit funktionsbereit und sicher ist, kann die Rolle des schiffstechnischen Personals
auch als „Hausmeister“ der Einheit gesehen werden. Abb. 2.1 zeigt eine Teilansicht eines
schiffstechnischen Leitstandes, dem Hauptarbeitsplatz des „Chiefs“.
Steigende Anforderungen an die Energieeffizienz, den maritimen Umweltschutz
und die Schiffssicherheit sowie steigende Komplexität der Anlagen prägen die Heraus-
forderung an die Schiffsingenieure. Vom Schiffsingenieur bzw. dem Schiffsbetriebs-
techniker werden interdisziplinäre Kenntnisse hinsichtlich der Überwachung und der
Wartung von Schiffsmaschinenanlagen verlangt. Sie sind für das Funktionieren der
Technik an Bord eines Schiffs zuständig. Allgemeine Kenntnisse auf den Gebieten der
Physik, Mathematik, Elektrotechnik und des Maschinenbaus sind daher erforderlich,
vertiefend u. a. auch in den Bereichen Anlagentechnik, Maschinendynamik, Kälte- und
Klimatechnik sowie Schiffselektronik.
Literatur 123
Literatur
Bau und Betrieb von Schiffen, Booten und anderen Wasserfahrzeugen unterliegen
umfangreichen Normen, Gesetzen und anderen Vorschriften. Die folgenden Aus-
führungen wollen versuchen etwas Licht in den Dschungel des Vorschriftenwesens zu
bringen und deren grundsätzliche Systematik aufzuzeigen. Eine Übersicht über die wich-
tigsten beim Bau von deutschen Schiffen heranzuziehenden Vorschriften hat die Berufs-
genossenschaft für Transport und Verkehrswesen aufgestellt1 (s. Anhang 1).
Das Zusammenleben in einer Gemeinschaft regelt der Staat durch Gesetze sowie durch
diese konkretisierende Verordnungen. In der Rangfolge steht in Deutschland unser
Grundgesetz (GG) über allen anderen Gesetzen und Verordnungen. Neben den unmittel-
bar geltenden Gesetzen und Verordnungen kann die Bundesregierung auch sog. Ver-
waltungsvorschriften erlassen. Deren Inhalte binden zunächst nur die Verwaltung, also die
Vollzugsbehörden. Damit sie für den Bürger eine unmittelbare Wirkung entfalten, müssen
sie per Einzelanordnung durch die entsprechend zuständige Behörde umgesetzt werden.
Nun ist Deutschland aber auch eingebunden in die Europäische Union (EU). Die EU
hat ebenfalls die Möglichkeit, das Zusammenleben in dieser Staatengemeinschaft zu
regeln. Dazu kann sie EU-Verordnungen verabschieden. Diese sind unmittelbar geltend in
jedem Mitgliedstaat. Daneben kann die EU auch EU-Richtlinien erlassen. Diese bedürfen
zur unmittelbaren Rechtswirkung in einem Mitgliedstaat der dortigen Umsetzung in das
jeweilige nationale Recht durch entsprechende Rechtssetzungsverfahren.
1Siehe http://www.deutsche-flagge.de/de/download/bau-und-ausruestung/neu-und-umbau/ueber-
sicht/rechtsvorschriften.
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M. Pfaff, Schiffsbetriebstechnik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-27052-0_3
126 3 Regelwerke
Völkerrecht
EU-Verordnungen EU-Richtlinien
Klassifizierungsgesell-
GG
u. sonst. Normen, Un-
fallverhütungsvorschrif-
Gesetze
ten u.Ä.
Verordnungen
GL%20rules%20for%20classification:%20Ships%20(RU-SHIP).
4Das Deutsche Institut für Normung, der Verein Deutscher Ingenieure und der Verband der
3.2.1 SOLAS
Bereits am 20.01.1914 stimmten Vertreter aus 13 Ländern der ersten „International Con-
vention for the Safety of Life at Sea“ zu. Dieses internationale Übereinkommen zum
Schutz des menschlichen Lebens auf See legt grundsätzliche Anforderungen zur Schiffs-
sicherheit fest [3, S. 27 f.].
Im Folgenden werden einige wichtige Aspekte zur Schiffssicherheit angeführt, zu
denen im SOLAS-Übereinkommen Anforderungen definiert werden.6
Ein Aspekt sind Maßnahmen zur Lecksicherheit. So ist eine Unterteilung des Schiffs-
körpers durch wasserdichte Schotten vorgesehen. Ein Schott ist Teil des konstruktiven
Schutzes von Schiffen, der aus ausgesteiften, senkrechten Zwischenwänden besteht,
die den Schiffskörper zur Sicherheit in wasserdichte Abteilungen unterteilen und ihm
zugleich Festigkeit verleihen. Je nach Anordnung der Wände – längs oder quer zur Mitt-
schiffsachse – sprechen wir von Längs- oder Querschotten. Durch diese konstruktive
Schutzmaßnahme wird die Sinksicherheit im Falle des Leckschlagens erhöht.
Ferner finden sich hier Regelungen über die Beschaffenheit dieser wasserdichten
Schotte, über Öffnungen in diesen Schotten, in der Außenhaut und über den Einbau von
Doppelböden.
Anforderungen über Maschinen und elektrische Anlagen beziehen sich im Wesent-
lichen auf ausreichende Reserve- und Notstromquellen. Ferner müssen nach SOLAS
elektrische Anlagen so beschaffen sein, dass ein ausreichender Schutz gegen Unfälle
durch elektrischen Strom gegeben ist.
Weiterhin finden sich Regelungen über Ruderanlagen, da ihre sichere Funktion exis-
tenziell für eine sichere Manövrierfähigkeit des Schiffes ist.
3.2.2 MARPOL
3.2.3 Kollisionsverhütungsregeln
Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs auf hoher See und den damit verbundenen
Gewässern. Die KVR dienen der Vermeidung von Schiffszusammenstößen und gelten
für alle Schiffe, auch für Sportboote.
Die KVR sind die grundlegenden Regeln des Seeschiffsverkehrs (nicht Binnenschiff-
fahrt) und enthalten folgende Regelungsbereiche:
mit den Anlagen I–IV, in denen weitere Einzelheiten über die Anordnung und techni-
sche Ausführung der Lichter und Signalkörper, über Zusatzsignale für nahe beieinander
fischende Fahrzeuge, über technische Einzelheiten der Schallsignalanlagen und über
Notzeichen formuliert sind.
9http://www.bsh.de/de/schifffahrt/berufsschifffahrt/schiffsausruestungsrichtlinie/
Internationale und deutsche technische Normen werden von Verbänden und Vereinen
erlassen. Grundsätzlich sind solche Regelwerke keine verbindlichen Normen, können
aber durch Vertrag z. B. zwischen Reeder und Werft, durch Verbindlicherklärung in
Gesetzen oder Verordnungen, aber auch über behördliche Anordnungen gegenüber dem
Betroffenen (in der Regel dem Schiffseigner) als unmittelbar verbindlich erklärt werden.
Insofern haben sie eher den Charakter von Empfehlungen. Diese Regelwerke geben den
jeweiligen aktuellen Stand der Technik wieder.
International bedeutsame Organisationen für Normungen sind die ISO (International
Organization for Standardization) und auf dem Gebiet der Elektrotechnik die IEC (Inter-
national Electrotechnical Commission).
In Deutschland sind es das Deutsche Institut für Normung (DIN), der Verein Deut-
scher Ingenieure (VDI) und der Verband der Elektrotechnik Elektronik Informations-
technik e. V. (VDE), die technische Normen herausgeben. Über die Normenstelle
Schiffs- und Meerestechnik (NSMT)12 im DIN kann der jeweils aktuelle Stand der Nor-
mung hinsichtlich relevanter Normen für die Schifffahrt erfragt werden.
12http://www.nsmt.din.de
132 3 Regelwerke
Literatur
Form, Abmaße und sonstige konstruktive Elemente des Schiffskörpers sind von der vor-
gesehenen Verwendung des Schiffes abhängig. Eine einfache Einteilung der Schiffe nach
irgendwelchen Grundsätzen ist nicht ohne Weiteres möglich; so kann eine Differenzierung
nach Art des Antriebs vorgenommen werden: Segel oder Maschine, innerhalb der maschinen-
getriebenen Fahrzeuge nach der Art der Krafterzeugung: zum Beispiel Dieselmotoren oder
dieselelektrische Krafterzeugung, kombinierter Diesel- und Gasturbinenantrieb. Auch
Dampfmaschinen zur Krafterzeugung finden wir noch bisweilen. Es kann aber auch eine
Unterscheidung nach Fahrtgebiet vorgenommen werden: Binnen- oder Seeschifffahrt (z. B.
Revier- und Küstenfahrt, Hochsee). Nach Art der Ladung kann differenziert werden: Flüssige
Stoffe in Tankern, Massengutfrachter oder Stückgutfrachter, Passagierschiff oder Fähre.
Weitere Differenzierungsmerkmale zielen direkt auf die Rumpfformen ab: Gleiter oder
Verdränger, Einrumpffahrzeug, Doppelrumpf (Katamaran, s. Abb. 4.1, oder auch SWATH –
Small Waterplane Area Twin Hull) oder Fahrzeug mit drei Rümpfen (Trimaran).1
Im Rahmen dieses Buches soll jedoch nicht näher auf diese Aspekte und auf Fragen
der Konstruktion des Schiffskörpers eingegangen werden; hierzu wird auf einschlägige
Literatur verwiesen.
4.1 Schiffsrumpf
Als Boots- bzw. Schiffsrumpf bezeichnet man den Teil eines Boots oder Schiffs, der ihm
die Schwimmfähigkeit verleiht. Der Kasko ist der fertige, schwimmfähige Rumpf ohne die
enthaltene Technik. In der Binnenschifffahrt wird der Schiffsrumpf auch als Schiffsschale
bezeichnet [32].
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M. Pfaff, Schiffsbetriebstechnik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-27052-0_4
134 4 Schiffskörper, Tauwerk, Aufbauten, Ankergeschirr …
Den unter Wasser liegenden Teil des Schiffskörpers nennt man Unterwasserschiff,
dessen Form, von der Seite betrachtet, bezeichnet man als Lateralplan. Der Lateralplan
(von lateral: seitlich) ist insofern die seitliche Projektion der Unterwasserfläche.
Für die Schwimmfähigkeit von Schiffen ist das archimedische Prinzip von Bedeutung:
Der Auftrieb ist gleich der Gewichtskraft der verdrängten Flüssigkeit.
Der Vektor der Gewichtskraft des Schiffs FG wirkt senkrecht zur Wasserlinie durch
den Schwerpunkt S des Fahrzeugs (vgl. Abb. 4.2). Das vom Schiffskörper verdrängte
Wasser (Verdrängungsvolumen) hat die Gewichtskraft FGWasser. Diese Wassermenge
erzeugt entsprechend dem archimedischen Prinzip eine Auftriebskraft FA, die gleich
der Gewichtskraft des verdrängten Wassers ist. Für ein schwimmendes Schiff (auch bei
tauchenden U-Booten) gilt:
FG = FA . (4.1)
So befindet sich das Fahrzeug in einer schwimmenden Gleichgewichtslage, da beide
Vektoren mit gleichem Betrag direkt entgegengesetzt wirken und somit null werden.
FA = FG Wasser, verdrangt
.. , (4.2)
FG Wasser, verdrangt
.. = VWasser, verdrangt
.. · ρWasser · g (4.3)
4.1 Schiffsrumpf 135
mit g der Erdbeschleunigung und ρWasser der Dichte des Wassers, welche von seinem
Salzgehalt abhängig ist (s. Anhang 2).
Im Schiffbau werden folgende Formelzeichen verwendet:
Damit ergibt sich für die Berechnung der Masse des verdrängten Wassers die Formel:
2Berücksichtigt die tatsächliche Verdrängung gegenüber der „Verdrängung auf Spanten“, für über-
B B`
K
FG
„LPP“ ist die Länge zwischen den Loten, d. h. der Abstand zwischen Mittellinie Ruder-
schaft und Schnittpunkt Wasserlinie-Vordersteven auf Konstruktionswasserlinie.
Je kleiner CB, desto „schlanker“ das Schiff. Schnelle Schiffe haben meist einen kleinen
CB-Wert. Der Blockkoeffizient wird auch als Völligkeit bezeichnet.3
Hinsichtlich der Stabilität von Wasserfahrzeugen ist Folgendes wichtig: Um auch
in Bewegung betriebssicher zu sein, muss ein Rumpf neben einem ausreichenden Frei-
bord über ein Wiederaufrichtungsvermögen verfügen – Stichwort: metazentrische Höhe.
Der senkrechte Abstand zwischen dem Vektor der Gewichtskraft des Schiffes und der
Auftriebskraft bestimmt das aufrichtende Moment. Die Auftriebskraft verläuft durch die
metazentrische Höhe. Für eine ausreichende Stabilität des Wasserfahrzeugs muss inso-
fern das Metazentrum bei einem formstabilen Schiff oberhalb seines Schwerpunktes
liegen (s. Abb. 4.3).
3Zum genaueren Studium der Vermessung s. auch [8] bzw. [6, Chap. 1 General principles].
4.1 Schiffsrumpf 137
Fährt das Schiff in den Hafen, muss es mehr Wasser als im Meer verdrängen, denn die
Masse des Schiffes ändert sich ja nicht – es taucht tiefer ein. Nach der Entladung taucht
es wieder aus, der Tiefgang und somit das verdrängte Volumen verringern sich wieder.
Es gelten somit folgende Gleichungen:
In den beiden Gl. 4.8 und 4.10 treten das Volumen und die Masse des Schiffes als
unbekannte Größen auf. Da das verdrängte Wasservolumen in beiden Fällen gleich ist,
stellt man diese nach V um, setzt sie gleich und berechnet die Masse des Schiffs:
mSchiff + mL mSchiff
= ,
ρMW ρHW
mSchiff · ρHW + mL · ρHW = mSchiff · ρMW ,
mL · ρHW
mSchiff = ,
ρMW − ρHW
600 t · 1,00 g/cm3
mSchiff = = 20.000 t.
1,03 g/cm3 − 1,00 g/cm3
9
7 10
6 8
5 2
Abb. 4.4 Gebräuchliche Bezeichnungen am Schiff: 1 Bug ist das Vorderteil des Schiffsrumpfes;
2 Bugwulst – auch Wulstbug genannt – dient zur Verbesserung der Strömungseigenschaften, senkt
die erforderliche Antriebsleistung und reduziert insofern den Treibstoffverbrauch; 3 der Anker hält
das Schiff im Wasser, z. B. wenn es auf Reede liegt, er dient darüber hinaus der Schiffssicherheit
bei Manövrierunfähigkeit; 4 Steuerbord ist die – vom Heck zum Bug gesehen – rechte Seite des
Schiffes (nachts oder bei schlechter Sicht durch grünes Licht gekennzeichnet), die Backbordseite
ist die – vom Heck zum Bug hin gesehen – linke Seite des Schiffes (durch rotes Licht gekenn-
zeichnet); 5 Heck bezeichnet den hinteren (achternen) Teil des Fahrzeugs; 6 der Schornstein ist
für die Ableitung der Abgase aus Antriebs- und anderen Verbrennungseinrichtungen notwendig;
7 die Aufbauten und Deckshäuser bezeichnen alle Aufbauten oberhalb des Oberdecks [15, S. 47];
8 Oberdeck, auch Hauptdeck, ist das Deck, das den Rumpf nach oben abschließt, schiffbaulich ist
das Hauptdeck auch dasjenige, in dem sich die oberen auf ganzer Länge durchlaufenden Festig-
keitsverbände des Schiffsrumpfs befinden; 9 Brückennock (in der Regel die breiteste Stelle des
Schiffs); 10 Brücke
4Hierzu näher [6]; ferner: [8, H. Begriffsbestimmung], [6, Chap. 2 General arrangement design],
http://www.risp-duisburg.de/files/technik.pdf.
5Das Freiborddeck (auch Vermessungsdeck genannt) ist in der Regel das oberste dem Wetter und
der See ausgesetzte durchlaufende Deck, das für alle Öffnungen in seinem freiliegenden Teil feste
Verschlussvorrichtungen aufweist und unterhalb dessen alle Öffnungen in den Schiffsseiten mit
festen wasserdichten Verschlussvorrichtungen versehen sind (s. http://www.uni-protokolle.de/lexi-
kon/freiborddeck.html; Internationales Freibord-Übereinkommen von 1966, Anlage I).
4.2 Aufbauten, Deckshäuser, Schornstein 139
• Hauptspantvölligkeit; sie bezeichnet das Verhältnis der auf Mallkante bezogenen Haupt-
spantfläche zu dem Rechteck aus Breite und Tiefgang. Die Mallkante ist die Innenkante
der Außenhaut. Hauptspant ist der Spant an der größten Breite des Schiffes [34],
Hinsichtlich der Hauptabmessungen sind die in Tab. 4.1 aufgeführten Angaben üblich.
Insbesondere wird bei den Längenangaben noch weiter differenziert, wie LC, L∗
und LS; hierbei handelt es sich um spezielle Längenangaben aus Bauvorschriften der
Klassifikationsgesellschaften.
Aufbauten sind Bauten auf dem Freiborddeck, die von Bord zu Bord reichen oder deren
Seitenbeplattung um <0,04 B6 von der Außenhaut eingerückt ist. Sogenannte wirksame
Aufbauten sind solche, die sich im Bereich von 0,4 L7 mittschiffs erstrecken und >0,15 L
sind; hierbei wird die Seitenbeplattung als Außenhaut und das Deck als Gurtungsdeck
konstruktiv mit dem Rumpf zu einem Gesamtverband verbunden (vgl. Abb. 4.5).
Deckshäuser sind dagegen Bauten über dem Gurtungsdeck, deren Seitenbeplattung
>0,04 B von der Außenhaut eingerückt ist; sie werden auf den Rumpf aufgesetzt
(s. Abb. 4.6).
Bei Seeschiffen werden Abgasleitungen in der Regel nach oben aus dem Schiff
geführt8 und enden, um eine ungestörte Ableitung der Abgase zu ermöglichen, über dem
obersten Deck. Die Verkleidung der Abgasrohre ist der Schornsteinmantel, das gesamte
Bauteil der Schornstein (s. Abb. 4.6 und 4.7). Der Schornstein hat folgende Aufgaben:
der Regel seitlich oder achtern aus dem Rumpf, knapp oberhalb oder auch unterhalb der Wasser-
oberfläche. Bei Sportbooten und Jachten ist diese Art der Abgasführung ebenfalls üblich.
140 4 Schiffskörper, Tauwerk, Aufbauten, Ankergeschirr …
Abb. 4.5 MSC ARMONIA – Aufbauten ziehen sich fast über die gesamte Schiffslänge
• Verbesserung der Ableitung der Abgase (zur Vermeidung einer Beeinträchtigung von
Passagieren und Besatzung durch Ruß und Geruch, Vermeidung von Verschmutzung
des Decks durch Rußpartikel),
• Vermeidung der Berührung der heißen Oberflächen der Rauchgasleitungen,
• optischer Aspekt; häufig ist der Schornstein in den Reedereifarben gestrichen, in der
Regel findet sich auf ihm auch das Reedereilogo (s. Abb. 4.7b).
142 4 Schiffskörper, Tauwerk, Aufbauten, Ankergeschirr …
Auf Schiffen finden sich eine Vielzahl von Fundamenten zur Aufstellung von Maschinen
und Apparaten. Sie sollen die Massen und Kräfte auf die Raumstruktur übertragen und
eine sichere Befestigung der Komponenten ermöglichen. Bei ihrer Konstruktion wird
eine hohe Steifigkeit angestrebt, um Deformationen an den aufzunehmenden Aggregaten
unterhalb schädlicher Grenzen zu halten.
Darüber hinaus sollen Schwingungen, die von der Maschine oder dem Apparat aus-
gehen können, durch das Fundament auf die Schiffsstruktur verhindert werden, die durch
Schwingungsanregung in den Schiffsstrukturen zu Belästigungen für Mannschaften und
Passagiere führen können (Frequenz 1–80 Hz). Zu den Ganzkörperschwingungen zählen
auch niederfrequente Schwingungen (<1 Hz), denen Besatzung und Reisende ausgesetzt
sind; sie können bei ihnen die sog. Seekrankheit (Kinetose) verursachen.
In Deutschland gibt die „Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung“9 zum Schutz
von Arbeitnehmern, insofern von Besatzungsangehörigen unter deutscher Flagge fah-
render Schiffe, unter § 9 Expositionsgrenzwerte und Auslösewerte für Vibrationen10
(Schwingbeschleunigung bezogen auf einen 8-h-Arbeitstag – a8) verbindlich vor [4]:
9Verordnung vom 06.03.2007 (BGBl. I, S. 261), zuletzt geändert durch Artikel 3 der Verordnung
vom 19.07.2010 (BGBl. I, S. 960).
10Der Expositionsgrenzwert ist die absolute Grenze für die Einwirkung, bei Erreichen des Aus-
Die x- und y-Koordinaten geben die Richtung der Schwingung in der horizontalen, die
z-Koordinate in der vertikalen Richtung an.
Vom Anwendungsbereich dieser Verordnung ausgenommen sind die Beschäftigten
auf Seeschiffen nur dann, soweit dafür Rechtsvorschriften bestehen, die gleichwertige
Regelungen enthalten. Hier kann z. B. wieder die GL-Bauvorschrift „I Schiffstechnik“
herangezogen werden. Unter Zif. I-1-1 wird unter „F. Schwingungen“ ausgeführt:11
Diese Ausführungen zeigen, dass es in der Tat unterschiedliche Normen zur Beurteilung
der Frage gibt, ob eine Schwingung als belästigend anzusehen ist oder nicht. Hier kommt
es im Einzelfall auf die vertraglichen Vereinbarungen zwischen Kunde und Werft oder
auch hinsichtlich gesetzlicher Regelungen bzw. Anforderungen der Klassifikationsgesell-
schaften an.
Darüber hinaus können die Schwingungen der Maschinen und Apparate lokal auch
zu Rissbildungen aufgrund der Wechselbeanspruchung in den Bauteilen der Schiffs-
konstruktion führen. Daher werden schwingungsrelevante Aggregate in der Regel
schwingungsgedämpft aufgestellt (s. Abb. 4.8 und 4.9). Eine Auswahl von Schwingungs-
dämpfern wird exemplarisch im Anhang 3 dargestellt.12
Von nichtintegrierten Fundamenten spricht man, wenn diese als besondere Bauteile
eigens zur Aufnahme von Maschine oder Apparaten gefertigt werden und dann in die
Grundkonstruktion „Schiff“ integriert werden (s. Abb. 4.10). Die zu gründenden Aggre-
gate werden also in diesen Fällen nicht direkt mit der eigentlichen schiffstechnischen
Konstruktion verbunden.
Gummischwingungsdämpfer
Integrierte Fundamente sind dagegen solche, wenn Teile der normalen Schiffs-
struktur – ggf. auch in verstärkter Ausführung – direkt der Aufnahme von Baugruppen
dienen (s. Abb. 4.11).
Eine Einteilung der Fundamente kann wie folgt vorgenommen werden [15, S. 48]:
Fundament
Die SI-Einheit für die Kreisfrequenz ist der Radiant pro Sekunde (aus Konsistenz-
gründen muss ϕ daher auch in Radiant angegeben werden).
Nun wird aber nach den einschlägigen Tabellenwerken als Grenzwert für die Zumutbarkeit
von Schwingungen nicht nur nach der Amplitude gefragt; auch ist die Schwingbeschleunigung
als Grenzwert vorgegeben. Die Beschleunigung a ist ganz allgemein die erste Ableitung der
Geschwindigkeit v nach der Zeit t:
dv(t)
a(t) = . (4.14)
dt
Die Schwinggeschwindigkeit v ergibt sich nun wieder aus der ersten Ableitung der
Funktionsgleichung für die harmonische Schwingung nach der Zeit:
dy(t) d
v(t) = = y0 cos(ωt + φ) , (4.15)
dt dt
Das Ergebnis, eine rücktreibende Kraft proportional zur Auslenkung, aber mit entgegen-
gesetztem Vorzeichen, ist das sog. Hook’sche Gesetz für die Federkraft:
FF = −k · y. (4.19)
Hier ist die Federkonstante k = mω2. So ist sofort ersichtlich, dass bei einer harmonischen
Schwingung die Kraft linear proportional zur Amplitude y ist. Die Kreisfrequenz ω der
harmonischen Schwingung des Teilchens hängt insofern von der Federkonstanten k und
der Masse m ab:
k
ω= . (4.20)
m
Für die Periodendauer erhält man somit:
m
T = 2π · . (4.21)
k
148 4 Schiffskörper, Tauwerk, Aufbauten, Ankergeschirr …
d2 y dy
m 2
+ b + ky = 0. (4.24)
dt dt
Die Lösung dieser Differenzialgleichung lautet [9, S. 19]:
Beispielaufgabe
Ein Elektromotor der Gesamtmasse m und einer Betriebsdrehzahl n ist auf einer elas-
tischen Unterlage montiert. Er läuft mit einer Unwucht, die einer Masse mu mit einer
Exzentrizität e entspricht.
mu
150 4 Schiffskörper, Tauwerk, Aufbauten, Ankergeschirr …
Lösung14
a)
ω/ω0 = 4, daraus folgt: ω0 = ω/4,
n = 3000 min−1 = 50 sec−1 ,
ω = 2πf = 2π · 50 sec−1 = 314 sec−1 ,
ω0 = 314 sec−1 /4 = 78,5 sec−1 ,
k = mges · ω02 = 40 kg · (78,5 sec−1 )2 = 246.490 kg/sec2 .
b) Der Betrag der Kraft, die die elastische Unterlage den Schwingungen entgegen-
setzt, ist proportional der maximalen Amplitude, die diese Unterlage erfährt; der
Proportionalitätsfaktor ist die Federkonstante:
|F| = k · y,
wobei
mu · η2 ..
y =e· , „e“ ist die Exzentrizitat,
mges (1 − η2 )
somit
Um das Schiff auf See, z. B. auf Reede, auf einer festen Position zu halten oder an der
Pier sicher festzumachen, muss es mit ausreichendem Ankergeschirr und Festmachern
ausgerüstet sein.
4.4.1 Ankergeschirr
Das Ankergeschirr besteht aus einem Anker und der Ankerkette. Die Kette wird mittels
des Ankerschäkels (oft ein Wirbelschäkel) mit dem Anker verbunden. Die Ankerkette
kann auf kleineren Schiffen durch einen kürzeren Kettenvorlauf (einige Meter Kette
direkt am Anker) und eine Ankertrosse (Ankerleine) ersetzt werden. Da das Gewicht
der Ankertrosse bzw. der Ankerkette eine wesentliche Rolle bei der Haltekraft des
Ankergeschirrs spielt, finden sich gelegentlich bei der ausschließlichen Verwendung
von Trossen Leinen mit eingearbeiteten Bleigewichten, um das geringere Gewicht der
Trosse zur Kette auszugleichen. Zu diesem Zweck können auch Reitgewichte an der
Trosse befestigt werden. Diese Maßnahmen finden aber eher in der Sportschifffahrt
Anwendung. In der Seeschifffahrt sind ausschließlich Anker und Kette gebräuchlich.
Hinsichtlich der Art des Ankers wird nach dem Ankergrund differenziert. Dem liegt die
Erkenntnis zugrunde, dass je nach Ankergrund die optimale Ankerform gewählt werden sollte.
Historische Funde geben Zeugnis über uralte Ankersteine (s. Abb. 4.13).
Der heute auf Seeschiffen gebräuchliche Anker ist der Patentanker (s. Abb. 4.14),
der als Kompromisslösung hinsichtlich der Haltbarkeit bei den unterschiedlichen Anker-
gründen am besten gerecht wird, wobei hinsichtlich seiner Detailgestaltung Nuancen in
der Ausführung gegeben sind (z. B. Hallanker, Inglefield-Anker u. a. m.).
Dieser Anker erzielt seine Haltekraft dadurch, dass er sich bei annähernd waagerech-
tem Zug der Ankerkette in den Boden eingräbt. Um diesen waagerechten Zug zu gewähr-
leisten, muss beim Ankern je nach Wind und Seegang ausreichend Kette gesteckt werden
(s. weiter unten).
Patentanker gehören zu den stocklosen Ankern. Das heißt, sie haben am oberen
Ende des Schaftes, unterhalb des Rorings, keinen quer zu den Flunken stehenden Stock.
Weiteres Merkmal der Patentanker sind die drehbaren Flunken.
15Unter Kette stecken versteht der Seemann das Fieren (Herablassen) der Ankerkette.
4.4 Ankergeschirr, Leinen und Tauwerk 153
c a
In der Seeschifffahrt erfolgt heute die Auslegung der Ankerkette nach den Vorschriften
der Klassifikationsgesellschaften, wie z. B. des ehemaligen Germanischen Lloyd.16 Hier
16Vgl. dazu näher [8, Kap. 1 Schiffskörper, Abschn. 18]. Hinweis zu den ehemaligen GL-
Bauvorschriften: Diese können von Bauvorschriften anderer Klassifizierungsgesellschaften
abweichend sein. Obwohl durch den DNV ⋅ GL – der Nachfolgeorganisation des GL – neue
Bauvorschriften erlassen wurden, geben die alten Regelungen nach wie vor wertvolle Hinweise zur
Planung, Ausrüstung und Dimensionierung von Schiffskörpern und Bauteilen.
4.4 Ankergeschirr, Leinen und Tauwerk 155
sind Bauart (normale Kette oder Stegkette), Festigkeit, Länge usw. anhand von Tabellen
festgelegt. Ebenso sind auch Größe, Gewicht und Anzahl der Anker aus diesen Tabel-
len zu entnehmen. Maßgebend für die Auslegung der Kette und Anker ist die sog. Aus-
rüstungsleitzahl (engl. „equipment number“ – EN).
In der Binnenschifffahrt sind die Ankerketten und der Anker so ausgelegt, dass sie das
Schiff beim Ankern gegen den Strom halten können.
Die Formel zur Berechnung der Ausrüstungsleitzahl für die Bestimmung der Aus-
rüstung gemäß der ehemaligen GL-Bauvorschrift basiert auf der Annahme, dass die
Strömungsgeschwindigkeit des Wassers 2,5 m/s, die Windgeschwindigkeit 25 m/s und
die Länge der Ankerkette das 6- bis 10-Fache der Wassertiefe beträgt. Es wird davon
ausgegangen, dass das Schiff unter normalen Umständen nur mit einem Anker und einer
Ankerkette ankert.
Die Ausrüstungsleitzahl Z1 für Anker und Ketten berechnet sich nach Gl. 4.29:17
17Siehe [8, Kap. 1 Schiffskörper, Abschn. 18, S. 18–1]; diese wurde abgelöst durch [6, Chap. 11,
Hull equipment, supporting structure and appendages].
18Aus Stabilitätsgründen darf ein Schiff nicht tiefer als bis zu seiner Freibordmarke beladen wer-
D = 71.100 t
h = 28 m
B = 30 m
A = 6720 m2
Einsetzen der genannten Daten in die Gleichung für die Ausrüstungsleitzahl (Gl. 4.29)
„EN = D2/3 + 2hB + (A/10) “ liefert: EN = 4068.
din.de).
4.4 Ankergeschirr, Leinen und Tauwerk 157
Aus Tab. 1 Bauvorschrift DNV ⋅ GL „Rules for Classification – Ships, Part 3 Hull,
Chap. 11 Hull equipment, supporting structure and appendages“ folgt (s. Anhang 5):
Es sind zwei Anker mit einem Gewicht von je 12,3 t erforderlich; die Gesamtlänge
der Ankerkette (Stegkette) muss mind. 687,5 m betragen. Zwei der drei Anker sind
mit den Ketten zu verbinden, ein dritter Anker muss in Reserve liegen.
Auf Schiffen kommen Leinen und Tauwerk (zum Aufbau von Tauwerk s. Abb. 4.20)
zu unterschiedlichen Zwecken und aus unterschiedlichen Materialien zum Einsatz. Die
wichtigsten Einsatzgebiete sind die Verwendung als Festmacherleinen und Schlepptros-
sen. Es wird aber auch nach dem Einsatzzweck zwischen Tauwerk und Leinen für das
stehende Gut als auch für das laufende Gut unterschieden. Als stehendes Gut bezeichnet
man Tauwerk von Schiffen (i. d. R. bei Segelschiffen), das an Deck oder in der Take-
lage mit beiden Enden fest angeschlagen ist (z. B. zur Absteifung von Masten wie Wan-
ten, Stage, Pardunen, aber auch Strecktaue). Der Name erklärt sich dadurch, dass diese
bei Manövern meist nicht bewegt werden. Das laufende Gut ist jenes Tauwerk, das
üblicherweise durch Blöcke geschoren und bewegt wird (z. B. Flaggenleinen, Fallen und
Schoten, aber auch Verhol-, Festmacher-, Schlepp- und Ankerleinen).
dreikardeelige
geschlagene Leine
Kardeel
Garn
geflochtene Leine
Faser
Seele
Faden
Mantel
Tauwerk20 ist der Oberbegriff für alle geschlagenen und geflochtenen Seile aus
Natur- und synthetischen Fasern. Eine besondere Gruppe des Tauwerkes bildet das Her-
kulestauwerk, das eine Seele (Kern) aus Drahtseil hat.
Geschlagenes Tauwerk (s. Abb. 4.21) beruht auf dem Zusammendrehen von
abwechselnd links- und rechtsherum gedrehten Seilsträngen. Somit sind bei den meist
gebräuchlichen Seilen drei Kardeele rechtsherum verdreht, die ihrerseits linksherum aus
einer Vielzahl von Garnen zusammengesetzt sind. Die Garne sind wieder rechtsherum
aus einzelnen Fäden zusammengesetzt, die ihrerseits wieder aus linksherum gedrehten
einzelnen Fasern zusammengesetzt sind.
Terminologie
• Faser = Grundelement eines Fadens
• Faden = aus mehreren verdrillten Fasern zusammengesetzt
• Garn = aus mehreren entgegengesetzt verdrillten Fäden zusammengesetzt
• Kardeel oder Bändsel = aus mehreren entgegengesetzt verdrillten Garnen zusammen-
gesetzt
• Seil = aus mehreren entgegengesetzt verdrillten Kardeelen zusammengesetzt
• Trosse = aus mehreren entgegengesetzt verdrillten Seilen zusammengesetzt
• Als Hohlgeflecht: Diese Leine besteht nur aus lasttragenden Fasern und ist dadurch
sehr leicht und auch leicht zu spleißen.
• Als Kern-Mantel-Geflecht: Der lasttragende Teil der Leine wird von einem Mantel
umgeben, der den Kern vor Abrieb und Witterungseinflüssen schützt.
Tauwerksarten
Naturfasertauwerk (aus Hanf, Manila, Sisal, Kokos, Baumwolle oder Flachs) wird in der
Seefahrt wegen des hohen Verschleißes und der teuren, aufwendigen Herstellung kaum
noch verwendet (Ausnahme: Traditionsschifffahrt). Heute hat sich in der Berufsschiff-
fahrt Tauwerk aus Kunstfasern oder Draht durchgesetzt. Kunstfasertauwerke haben den
großen Vorteil der Verrottungsbeständigkeit, können aber anfällig gegen Chemikalien
sein. Folgende Materialien sind verbreitet (zum Tauwerksmaterial und seiner Anwendung
s. auch Tab. 4.3):21
Zum Festmachen des Schiffes an Pollern, Ringen, Pfählen etc., zum Verbinden von Leinen
usw. kommen in der Seefahrt diverse Knoten und Steke zur Anwendung (umgangssprach-
lich auch Seemannsknoten genannt; s. auch Anhang 8). Knoten und Steke müssen leicht zu
stecken sein, unter Belastung sicher halten und sich (ohne Last) leicht und schnell wieder
lösen lassen.
In der Regel kommt ein Längsseitsfestmachen an der Pier infrage (s. Abb. 4.23).
Damit das Schiff sicher liegt, wird es je nach Größe mit einer oder mehreren Vorleinen,
Achterleinen, Vor- und Achterspringleinen an Land festgemacht. Große Schiffe werden
teilweise zwischen Vor-/Achterleine und Springleine jeweils zusätzlich mit einer Brust-
oder Querleine sowie mit Kopf- und Heckleine stabilisiert. Deutlich sind in Abb. 4.23
zwei Vorleinen (auf einem Poller) und vier Vorspringleinen (Leinen, die von vorn nach
achtern führen) zu erkennen.
Die Festmacher werden durch eine Klüse im Schiff geführt und auf Pollern belegt. Bei
größeren Schiffen werden die Leinen häufig auch mittels einer Seilwinde durchgesetzt.
Zur Frage der Anzahl, Länge und Bruchkraft von Festmachern formulieren die ein-
schlägigen Bauvorschriften der Klassifizierungsgesellschaften die entsprechenden
Anforderungen. So finden sich beispielsweise unter Tab. 1 der DNV ⋅ GL-Vorschrift
„Rules for Classification – Ships, Part 3 Hull, Chap. 11 Hull equipment, supporting
structure and appendages“ Hinweise zur Auswahl von Ankern, Schlepptrossen und
Festmacherleinen. Deren Anzahl, Länge und Bruchkraft bestimmt sich nach der Aus-
rüstungsnummer (s. auch Tabelle im Anhang 5; [24]).
Nach der genannten Bauvorschrift können für Schlepp- und Festmachetrossen sowohl
Drahtseile als auch Faserseile sowie Seile, die aus Stahldraht- und Faserlitzen bestehen,
verwendet werden. Die in der dortigen Tab. 1 angegebenen Bruchkräfte gelten für Stahl-
und Faserseile.
Wenn in Tab. 1 der genannten Vorschrift Festmachetrossen mit Bruchkräften über
490 kN angegeben sind, können auch Trossen mit geringeren Bruchkräften vor-
gesehen werden, wenn die Trossenzahl vergrößert wird, sodass das Produkt aus Bruch-
kraft × Trossenzahl nach Tab. 1 nicht unterschritten wird. Die Bruchkraft der einzelnen
Trosse sollte jedoch nicht weniger als 490 kN betragen. Ebenfalls darf die Trossenzahl
verringert werden, bei gleichzeitiger Erhöhung der Trossenbruchkraft, wenn das Produkt
aus Bruchkraft × Trossenzahl nach Tab. 1 nicht unterschritten wird. Es sollten jedoch
mindestens sechs Festmachetrossen an Bord sein.
Unabhängig von der in Tab. 1 empfohlenen Bruchkraft sollte der Durchmesser eines
Faserseiles nicht kleiner als 20 mm sein [24].
162 4 Schiffskörper, Tauwerk, Aufbauten, Ankergeschirr …
f · Rm · k · d 2 · π
Fmin = [N]. (4.31)
4
Für die viel verwendeten Parallelschlagseile mit Stahleinlage und der Seilfestigkeits-
klasse Rm = 1770 N/mm2 beträgt zum Beispiel die Mindestbruchkraft nach DIN-EN
12385: Fmin = 630 d2 [29].
4.4 Ankergeschirr, Leinen und Tauwerk 163
FS Fv
FPf
Die Zugkraft in der Schleppleine hat insofern die horizontale Komponente des Pfahl-
zugs (FPf) und eine vertikal gerichtete Komponente (Fv). Aus der Vektoraddition folgt:
→ → →
FS = F v + F Pf . (4.32)
→
F Pf
cos α = → (4.33)
FS
beschreiben:
FPf 30 t
FS = = = 42 t.
cos α 0,7071
Das entspricht einer Kraft von FS = 412 kN. Unter Berücksichtigung eines Sicher-
heitsfaktors f = 1,3 für dynamische Seilbeanspruchungen aus Wind und Wellenschlag
ergibt sich eine erforderliche Bruchlastfestigkeit für die Schlepptrosse von 536 kN.
Laut Katalog z. B. des Herstellers Carl Stahl GmbH München23 ist ein Seildurch-
messer von d = 32 mm zu wählen (Rundlitzenseil Konstr. 6 × 36 WS-IWRC, DIN EN
12385-4 (DIN 3064)).
Nach Nr. C 4.3 des Abschn. 25 – Schlepper – der ehemaligen GL-Bauvorschrift
„I Schiffstechnik 1 Seeschiffe“ ist die erforderliche Mindestbruchkraft Fmin der
Schlepptrosse auf Basis der Entwurfskraft T (die Entwurfskraft T entspricht der vom
Betreiber geforderten Schleppkraft oder dem Pfahlzug, falls die Zugkraft nicht defi-
niert ist – vgl. Abschn. 25, Nr. 2.1 dieser Bauvorschrift) und des Faktors K für den
Gebrauchswert wie folgt zu bestimmen:
Fmin = K · T (4.34)
mit
..
K = 2,5 fur T ≤ 200 kN und
..
K = 2,0 fur T ≥ 1000 kN
(für Werte von T zwischen 200 und 1000 kN ist linear zu interpolieren).
Nach GL ist insofern die erforderliche Mindestbruchkraft der Schlepptrosse wie
folgt zu bestimmen: Da T = 30.000 kg · 9, 81 m/s2 = 294 kN beträgt, ist der K-Wert
zunächst linear zu interpolieren.
f(x)
Es gilt:
f1 − f0 x1 − x x − x0
f (x) = f0 + (x − x0 ) = f0 + f1 . (4.35)
x1 − x0 x1 − x0 x1 − x0
Unter Nutzung der vorstehenden Gleichung mit
f (x) = K
f0 = 2,5
f1 = 2,0
x0 = 200 kN
x1 = 1000 kN
x = 294 kN
folgt für K294 = 2,4 somit
Fmin = 2,4 · 294 kN
Fmin = 706 kN.
Ein Vergleich der beiden Ergebnisse zeigt, dass nach GL für unseren Schlepper
eine Schlepptrosse mit einer höheren Mindestbruchlast zu wählen ist; nach dem
Katalog der Fa. Carl Stahl München wäre demnach ein Seil der Seilfestigkeits-
klasse Rm = 1770 mit ∅ 36 mm zu wählen. Es ist insofern von Bedeutung, welche
Lastannahmen in Einzelfall getroffen werden bzw. nach welcher Bauvorschrift die
Auslegung eines Bauteils erfolgen soll.
4.4.4 Poller
Die Festmacher- oder auch Schleppleine wird bordseitig an Pollern belegt. Dabei nutzt
man die sog. Seilreibung aus (s. Abb. 4.26), um das Schiff mit wenigen Umschlingungen
der Leine um den Poller sicher zu halten.
Bordseitig sind Poller meist als Schweißkonstruktion ausgeführt, oben mit einer
gegossenen oder geschweißten Verdickung versehen und paarweise vorhanden. Ein bord-
seitiger Doppelpoller dient nicht nur dazu, die Festmacherleine zu belegen (achtförmig
mit Kopfschlag – s. Abb. 4.27), sondern kann auch als Bremse unter Ausnutzung der Seil-
reibung benutzt werden, um das Schiff mit der zuerst übergegebenen Festmacherleine, in
166 4 Schiffskörper, Tauwerk, Aufbauten, Ankergeschirr …
F2
der Regel die Vorspring, abzubremsen. Hierzu wird sie mit nur wenigen Törns belegt, mit
dem losen Ende wird von Hand gefühlvoll gefiert. Man bezeichnet dies auch als schricken.
Eine Variante des Doppelpollers ist der Doppelkreuzpoller (Abb. 4.28). Er findet vor-
nehmlich auf kleineren Wasserfahrzeugen Verwendung.
Auf einem Einfachpoller (s. Abb. 4.29) wird eine Leine mittels Palstek, Webleinstek
oder festem (gespleißtem) Auge belegt.
4.4 Ankergeschirr, Leinen und Tauwerk 167
Fz
ln Fh
α= , (4.37)
µH
168 4 Schiffskörper, Tauwerk, Aufbauten, Ankergeschirr …
α = 25,6.
Durch Umrechnung von Bogenmaß in Gradmaß mit
360◦ · 25,6
α◦ = = 1468◦ . (4.38)
2π
Durch Division mit 360° erhält man die Anzahl der Umschlingungen =4.
Um von einem Deck auf das andere zu gelangen, werden diese Höhen durch Leitern, Steig-
leitern und Treppen überbrückt. Sowohl ihre konstruktive Durchbildung und Gestaltung
wie auch erforderliche Festigkeiten unterliegen technischen Regelungen. Die folgenden
Abschnitte geben einen Überblick über die baulichen Ausführungen dieser Einrichtungen.
4.5.1 Leitern
(1) Wasserfahrzeuge, deren Laderäume begangen werden, müssen mindestens eine, bei
mehr als 20 m Laderaumlänge mindestens zwei fest eingebaute Leitern je Laderaum
haben, die diagonal versetzt angeordnet sein müssen.
(2) Leitern und Treppen müssen ein sicheres Ein- und Aussteigen auch vom Gangbord aus
ermöglichen. Anlegeleitern müssen Sicherungen gegen Abgleiten und Umstürzen haben.
24Berufsgenossenschaftliche Vorschrift.
4.5 Leitern, Treppen, Reling 169
Ortsfeste Leitern aus Metall erfüllen diese Forderung, wenn sie in einer Flucht geführt
werden oder an der Unterbrechungsstelle sichere Übergänge haben. Im Übrigen erfüllen
sie diese Forderung, wenn sie
entsprechen.
Sprossengänge erfüllen diese Forderung, wenn sie in einer Flucht geführt werden
oder an der Unterbrechungsstelle sichere Übergänge haben. Im Übrigen erfüllen sie
diese Forderung, wenn sie ISO 9519 „Schiffbau und Meerestechnik; Wand- und Metall-
sprossen“ entsprechen [11].
Der statischen Berechnung wird im Regelfall eine in Gebrauchsstellung der Leiter an sta-
tisch ungünstigster Stelle lotrecht wirkende Kraft von 1500 N zugrunde gelegt. Bei der sta-
tischen Berechnung von Leitern und Tritten aus Metall ist ein Sicherheitsfaktor von 1,75,
bezogen auf die Streckgrenze, zu berücksichtigen.
Zulässige Biegespannungen für Leitern siehe DIN EN 131-2 „Leitern; Anforderungen,
Prüfung, Kennzeichnung“.
Durchbiegung
Die Durchbiegung wird nach DIN EN 131-2 „Leitern; Anforderungen, Prüfung, Kenn-
zeichnung“ ermittelt.
Die Forderung nach Sicherung gegen übermäßiges Durchbiegen ist erfüllt, wenn die
Durchbiegung f in Abhängigkeit von der Stützweite L folgende Werte nach Tab. 4.4 nicht
überschreitet.
Die Stützweite L ist die Leiterlänge abzüglich eines Überstandes an den Leiterenden
von je 200 mm.
In Abb. 4.30 [11] ist die zulässige Durchbiegung f in Abhängigkeit von der Stütz-
weite L dargestellt.
Maßnahmen gegen übermäßiges Durchbiegen, insbesondere bei Leitern mit mehr als
12 m Länge, sind z. B. Holmabstützungen oder Verspannungen.
400
→Durchbiegung f(mm)
300
200
100
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12
Stützweite L(m) →
4.5.2 Steigleitern
Der Unterschied zwischen einer Leiter und einer Steigleiter liegt darin, dass eine L
eiter
in einem Anlegewinkel von etwa 65–75° zur Waagerechten angelegt, eine Steigleiter
dagegen senkrecht aufgestellt wird.
Bestimmungen für Steigleitern werden im § 15 der BGV D 36 formuliert [5]:
(1) Steigleitern sind nur zulässig, wenn der Einbau einer Treppe betrieblich nicht möglich
oder wegen der geringen Unfallgefahr nicht notwendig ist.
(2) Steigleitern müssen fest angebracht sein.
(3) Steigleitern müssen an ihrer Austrittsstelle eine Haltevorrichtung haben.
(4) Steigleitern mit möglichen Absturzhöhen von mehr als 5 m müssen, soweit es betrieb-
lich möglich ist, mit Einrichtungen zum Schutz gegen Absturz von Personen ausgerüstet
sein.
(5) Steigleitern mit Absturzhöhen von mehr als 10 m müssen mit Einrichtungen ausgerüstet
sein, die den Einsatz von Steigschutz ermöglichen.
(6) An Steigleitern mit mehr als 80° Neigung zur Waagerechten müssen in Abständen von
höchstens 10 m Ruhebühnen vorhanden sein.
Einrichtungen zum Schutz gegen Absturz von Personen sind z. B. (vgl. [5])
Bild 5 der Durchführungsanweisung zu § 15 der BGV D 36 (Abb. 4.31) zeigt die konst-
ruktive Durchbildung einer Steigleiter.
4.5.3 Treppen
Treppen finden sich sowohl im Außenbereich als auch im Innenbereich von Schiffen.
Insbesondere auf Kreuzfahrtschiffen werden oft Treppen besonderen Designs eingebaut.
Abb. 4.33 zeigt Treppenabschnitte auf der AIDAmar.
Grundlegende Bestimmungen für Treppen finden sich insbesondere in folgenden Vor-
schriften:
Laufbreite und die lichten Durchgangsmaße festgelegt. Darüber hinaus werden unter
anderem Festlegungen zur Nutzlast, zur Rutschhemmung der Stufen und zum Einbau
der Treppen getroffen.)
• DIN 83217 „Treppen und Geländer in Ladetanks von Schiffen – Grundsätzliche
Anforderungen“.
Wesentliche Anforderungen nach dieser Norm: Stützenabstand von 1500 mm,
Geländerhöhe an der Treppe 1000 mm.
• Richtlinie 2009/45/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 06.05.2009
über Sicherheitsvorschriften und -normen für Fahrgastschiffe.
1. Die lichte Breite der Treppen darf nicht weniger als 900 mm betragen. Treppen müs-
sen auf jeder Seite mit Handläufen versehen sein. Die lichte Mindestbreite der Trep-
pen muss, wenn die Anzahl der Personen, für die sie vorgesehen sind, 90 übersteigt,
für jede dieser weiteren Personen um 10 mm vergrößert werden. Sind Treppen breiter
als 900 mm, so darf die lichte Breite zwischen den Handläufen höchstens 1800 mm
betragen. Als Gesamtanzahl der über diese Treppen zu evakuierenden Personen sind
174 4 Schiffskörper, Tauwerk, Aufbauten, Ankergeschirr …
zwei Drittel der Besatzung und die Gesamtanzahl der Fahrgäste in den Bereichen, für
die diese Treppen vorgesehen sind, anzunehmen. Die Breite der Treppen muss mindes-
tens dem von der IMO-Entschließung A.757(18) angenommenen Standard entsprechen.
2. Alle Treppen, die für mehr als 90 Personen vorgesehen sind, müssen in Schiffslängs-
richtung angeordnet sein.
3. Türöffnungen und Gänge sowie dazwischenliegende Treppenabsätze, die zu Flucht-
wegen gehören, müssen die gleichen Abmessungen wie die Treppen haben.
4. Die senkrechte Ausdehnung der Treppen darf ohne Vorhandensein eines Treppen-
absatzes 3,5 m nicht überschreiten und der Neigungswinkel der Treppen darf nicht
größer als 45° sein.
5. Die Treppenvorflächen auf jeder Decksebene müssen eine Grundfläche von mindes-
tens 2 m2 haben und müssen, wenn sie für mehr als 20 Personen vorgesehen sind, für
jeweils weitere 10 Personen 1 m2 größer sein, brauchen jedoch insgesamt nicht grö-
ßer als 16 m2 zu sein, mit Ausnahme derjenigen Treppenvorflächen, bei denen ein
unmittelbarer Zugang von Gesellschaftsräumen zum Treppenschacht besteht.
Sind Treppen Teil einer Arbeitsstätte, was in der gewerblichen Schifffahrt immer anzu-
nehmen ist, unterliegen sie auch den Anforderungen der Arbeitsstättenverordnung
(ArbStättV).
Die BG Transport und Verkehr, Dienststelle Schiffssicherheit, führt unter „D.1
Maschinenbauliche und elektr. Einrichtungen“ mit Stand 02/2012 unter 3.2 aus [17]:
Treppen in Betriebsräumen sollen nach DIN 83206 aus Stahl hergestellt sein. Sie sollen
möglichst in Schiffslängsrichtung angeordnet sein. Treppen in Maschinenräumen bis zu vier
Stufen und über Wellenleitungen dürfen in Schiffsquerrichtung eingebaut sein.
Die Treppenneigung, bezogen auf die Waagerechte, darf 60° nicht überschreiten. Die
lichte Höhe über den Treppen muss, gemessen an Vorkante Stufe, 2,00 m betragen. Ist die
maximale Höhe zwischen zwei Treppenabsätzen größer als 3,70 m, müssen diese durch
Podeste unterteilt werden. Die Auftrittsflächen vor Treppen und von Treppenabsätzen dür-
fen 600 mm × 600 mm nicht unterschreiten. Die Stufenhöhe soll höchstens 230 mm, die
Stufenbreite 140 mm betragen. Der Stufenabstand muss vollkommen gleichmäßig sein. Die
oberste Stufe ist entsprechend DIN 83206 mit 250 mm Breite auszuführen. Unter den Trep-
pen, die über freien Räumen und Verkehrswegen angeordnet sind, sind Schmutzfangbleche
(Schutzbleche) nach DIN 83208 anzuordnen. Am oberen Treppenzugang dürfen keine Fuß-
leisten bzw. Stoßkanten zur Vermeidung von Stolpergefahren vorhanden sein. Vergleiche
DIN 83204, 83205, 83206, 83207, 83208.
Auf Schiffen mit einer Bruttoraumzahl von mehr als 6000 sind Treppen in Betriebs-
räumen, in denen Querschubanlagen angeordnet sind, vorzusehen. Auf Schiffen mit einer
Bruttoraumzahl bis 6000 sind – soweit möglich – Treppen anzuordnen. Eine Steigleiter
kann bis 3,00 m über Oberkante des Querstrahlkanals angeordnet werden.
Weitere Anforderungen an Treppen (vgl. auch Abb. 4.35) finden sich in der Arbeits-
stättenrichtlinie (ASR) „A1.8 – Verkehrswege“.25 Dort werden unter Nr. 4.5 folgende
Anforderungen formuliert:
(1) Treppen sind so zu gestalten, dass diese sicher und leicht begangen werden können.
Das wird erreicht durch ausreichend große, ebene, rutschhemmende, erkennbare und
tragfähige Auftrittsflächen in gleichmäßigen, mit dem Schrittmaß übereinstimmenden
Abständen.
(2) Die Steigungen und Auftritte einer Treppe, die zwei Geschosse verbindet, dürfen nicht
voneinander abweichen. Die Treppenstufen sollen kontrastreich und möglichst ohne stö-
rende Blendung des Benutzers ausgeleuchtet sein (siehe ASR A3.4 „Beleuchtung“).
(3) Unter Berücksichtigung der Unfallgefahren sind Treppen mit geraden Läufen solchen
mit gewendelten Läufen oder gewendelten Laufteilen vorzuziehen. Im Verlauf des ersten
Fluchtweges sind gewendelte Treppen und Spindeltreppen unzulässig (siehe ASR A2.3
„Fluchtwege und Notausgänge, Flucht-und Rettungsplan“).
Treppenhandlauf
a Auftritt
Handlaufhöhe
Stufentiefe
h
u
Steigung
u Unterschneidung
s
α
Steigungswinkel
(4) Für Treppen … ergibt sich als Beziehung zwischen Schrittlänge (SL), Auftritt (a) und
Steigung (s) die Schrittmaßregel 2 · s + a = SL. Für eine gute Begehbarkeit einer Treppe
soll die Schrittlänge zwischen 59 und 65 cm betragen.
In Arbeitsstätten darf die Steigung (s) zwischen 14 bis 19 cm, der Auftritt (a) zwischen 26
bis 32 cm und der Steigungswinkel (α) zwischen 24° bis 36° variieren.
Als besonders sicher begehbar haben sich Treppen erwiesen, deren Stufen einen Auftritt
von 29 cm und eine Steigung von 17 cm aufweisen.
Tab. 4.5 gibt einen Überblick über die einzelnen Auftrittstiefen und Steigungen.
Eine besondere Art einer Außentreppe bei Schiffen ist die Gangway oder Stelling.
Außenbordtreppen müssen DIN EN 1502 „Außenbordtreppen; Anforderungen, Bauarten“
entsprechen.
4.5.4 Reling
Die Reling kann man als Geländer bezeichnen, welches um ein frei liegendes Deck oder
um Decksöffnungen verläuft. Es werden geschlossene, offene, feste, abnehmbare und
klappbare Geländer unterschieden.
Eine geschlossene Reling wird als Verschanzung oder Schanzkleid bezeichnet. Dieses
besteht aus einem über dem Schergang um das Schiff laufenden Plattengang. Der obere
4.5 Leitern, Treppen, Reling 177
Tab. 4.5 Auftrittstiefe und Anwendungsbereich Auftritt (a) (cm) Steigung (s) (cm)
Steigung von Treppen
Freitreppen 32–30 14–16
Versammlungsstätten 31–29 15–17
Gewerbliche Bauten 30–26 16–19
Abschluss wird durch das Relingprofil gebildet. Auf Aufbaudecks ist dieses Profil viel-
fach mit einer Teakholzleiste abgedeckt, auf Segelschiffen und Jachten ggf. auch auf dem
Hauptdeck.
Eine offene Reling (Abb. 4.36) besteht aus einer Reihe von senkrecht stehenden Stützen
und waagerechten Zwischenstäben; den oberen Abschluss bildet das Relingprofil.
Außenkanten der Decks sowie solche Arbeitsbereiche, bei denen die Fallhöhe mehr als 1 m
betragen kann, müssen mit Schanzkleidern oder Lukensüllen von jeweils mindestens 0,70 m
Höhe oder mit Geländern entsprechend der europäischen Norm EN 711 versehen sein, die
aus Handlauf, Zwischenzug in Kniehöhe und Fußleiste bestehen. Bei Gangborden muss
eine Fußleiste und ein durchlaufender Handlauf am Lukensüll vorhanden sein. Sind Gang-
bordgeländer vorhanden, die nicht umlegbar sind, kann auf den Handlauf am Lukensüll ver-
zichtet werden.
In Arbeitsbereichen, in denen die Fallhöhe mehr als 1 Meter beträgt, kann die Unter-
suchungskommission geeignete Einrichtungen und Ausrüstungen zum sicheren Arbeiten
fordern.
26Stand 2012.
27In der Fassung der Änderung vom 16.06.2014 (BGBl. I, S. 748).
178 4 Schiffskörper, Tauwerk, Aufbauten, Ankergeschirr …
Die Umwehrungen müssen mindestens 1,00 m hoch sein. Die Höhe der Umwehrungen
darf bei Brüstungen bis auf 0,80 m verringert werden, wenn die Tiefe der Umwehrung min-
destens 0,20 m beträgt und durch die Tiefe der Brüstung ein gleichwertiger Schutz gegen
Absturz gegeben ist.
Beträgt die Absturzhöhe mehr als 12 m, muss die Höhe der Umwehrung mindestens
1,10 m betragen.
√ ..
t = 0,65 · L bei Schiffslangen L > 100 m, (4.40)
wobei für L kein größerer Wert als 200 m eingesetzt zu werden braucht.
Das Schanzkleid, das im Vorschiffsbereich besonders dem Seeschlag von vorn
ausgesetzt ist, soll die Dicke der Backseitenbeplattung gemäß einer besonderen
Berechnungsvorgabe nach Abschn. 16, B.1. dieser Bauvorschrift entsprechen.
Das Schanzkleid muss an jedem zweiten Spant eine Stütze erhalten. In der Regel soll
das Widerstandsmoment des am Deck angeschlossenen Querschnitts der Stütze nicht
kleiner sein als:
W ≥ 4 · p · e · l2 [mm3 ] (4.41)
mit
e S
tützenabstand in Meter,
l S
tützenlänge in Meter.
Die Belastung p ist mit mindestens 15 kN/m2 anzusetzen.28
Hinsichtlich der Statik der Reling ist Folgendes zu beachten: Die Relingstütze ist
statisch wie ein eingespannter Stab zu betrachten. Dieser wird in horizontaler Richtung
durch das Gegenlehnen von Personen auf Biegung beansprucht. Windlasten sind zusätz-
lich zu berücksichtigen, soweit die Reling ausgefacht ist. In Anlehnung an die DIN 1055
„Lastannahmen für Bauten“ müssen, je nach Montage der Reling am Schiffskörper, auch
noch vertikale Lasten aus dem Eigengewicht des Geländers angenommen werden. Hin-
sichtlich der besonders relevanten Horizontallasten gibt es in dieser DIN 21 Nutzungs-
kategorien mit drei verschiedenen Anprallasten. So gilt beispielsweise für Privathäuser
eine horizontale Belastung von 0,5 kN/m (entspricht rd. 50 kg je Meter Geländer). In
öffentlichen Gebäuden sind es 1,0 kN/m, für Gebäude mit Menschenansammlungen
2,0 kN/m. Die Lasten sind an der obersten Stelle bzw. dem Handlauf anzusetzen. Für
ein Kreuzfahrtschiff, vergleichbar einem Gebäude mit Menschenansammlungen, sollten
insofern 2,0 kN/m in Ansatz gebracht werden.
Ausgehend von der zu wählenden Horizontalkraft sind dann die Abstände der
Relingstützen und das Biegemoment am Fuß der Relingstütze (wie bereits vorstehend
gesagt, ist der Fuß der Relingstütze als Einspannung anzusehen; s. Abb. 4.37), welches
konstruktiv in den Schiffskörper eingeleitet werden muss, zu ermitteln.
Auch die Wanddicke der verwendeten Profile ergibt sich durch die statische Berechnung.
Reling: 1,1 m. Als Stahl ist normaler Schiffbaustahl zu nehmen. Es ist der Querschnitt
des Flachstahls zu bestimmen.
Das statische System ist eine eingespannte Stütze, an der am oberen Ende eine
horizontale Kraft angreift.
FQ
Die Querkraft auf die Stütze FQ errechnet sich aus der Streckenlast multipliziert mit
dem Stützenabstand s:
FQ = Q · s
FQ = 2 kN/m · 2 m (4.42)
FQ = 4 kN.
Das maximale Biegemoment eines Kragarms an der Einspannung errechnet sich mit
der Gleichung
M b = FQ · h (4.43)
mit „h“ der Relinghöhe zu
4.5 Leitern, Treppen, Reling 181
Mb = 4 kN · 1,1 m
Mb = 4,4 kNm.
Die an der Einspannung somit auftretende Biegespannung σB errechnet sich aus dem
Quotienten des Biegemomentes und des axialen Widerstandsmomentes des Stützen-
querschnitts. Die vorhandene Biegespannung muss kleiner sein als die für den Werk-
stoff zulässige Biegespannung σB,zul. Diese ist diversen Normblättern zu entnehmen.
Die GL-Bauvorschrift I Schiffstechnik, 1 Seeschiffe gibt unter Abschn. 2 A. für
normalfesten Schiffbaustahl eine Streckgrenze von ReH von mindestens 235 N/mm2
vor. Sie kann hier als zulässige Biegespannung eingesetzt werden.
MB
σB = ≤ σB,zul . (4.44)
W
Durch Umstellen erhält man mit den gegebenen Werten für W:
W = 18.723 mm3 .
Das axiale Widerstandsmoment für einen Rechteckquerschnitt wird wie folgt
bestimmt:
Für ein Rechteck mit der Breite b parallel zur y-Achse und der Höhe h ist das Wider-
standsmoment bezüglich der Horizontalachse
b · h2
Wy = . (4.45)
6
Für dasselbe Rechteck ist das Widerstandsmoment bezüglich der Vertikalachse
h · b2
Wz = . (4.46)
6
Insofern käme z. B. ein Flachstahl 110 × 10 mm S235JR+AR DIN EN 10058 infrage
(mit Wy = 20.167 mm3).
182 4 Schiffskörper, Tauwerk, Aufbauten, Ankergeschirr …
Wind, Wetter und See setzen dem Schiff zu. Metallische Teile neigen zur Korrosion, das
Deck kann durch Wasser und ggf. Eis rutschig werden. Insofern sind hinsichtlich des
Korrosionsschutzes aus Gründen der Arbeitssicherheit und zum Schutz der Passagiere
diesbezüglich Anforderungen zu stellen.
4.6.1 Korrosionsschutz
Korrosion29 ist eine durch chemischen Angriff hervorgerufene Schädigung eines Werk-
stoffs; dabei erfolgt der Angriff von der Oberfläche her.
Die Korrosion teilt sich in zwei Hauptgebiete auf:
1. reine Oxidation,
2. elektrochemische Zersetzung des Metalls.
Unter der reinen Oxidation versteht man die Verbindung des Fe-Metalls mit dem Luft-
sauerstoff. Die Oxidation wird durch elektrochemische (elektrolytische) Vorgänge
„unterstützt“.
Da Seewasser ein sehr guter Elektrolyt ist, begünstigt es die elektrolytische Zer-
setzung überall da, wo es präsent ist. Besonders gut korrodieren Stellen, die ständig der
Luft und dem Seewasser ausgesetzt sind.
Der eigentliche „Schauplatz“ der Korrosion ist die Grenzfläche Werkstoff/Elektrolyt.
Bei den Grenzflächenreaktionen gibt der metallische Werkstoff Elektronen ab und wird
dadurch gelöst (sog. anodische Metallauflösung): M → M+ + e−. Gleichzeitig laufen
an dem Werkstück eine kathodische Metallabscheidung (M+ + e− → M), eine kathodi-
sche Wasserstoffentwicklung (2 H+ + 2e− → H2) oder eine kathodische Hydroxylionen-
bildung (1/2 O2 + 2 H2 O + 2e− → 2 OH−) ab. Welche dieser Reaktionen vorherrscht,
hängt von der Umgebung und den beteiligten Metallen ab.
Die Korrosion kann auch über unterschiedliche Lokalelemente verlaufen. Hier-
bei liegen zwei unterschiedliche Metalle direkt aneinander, ein Elektrolyt tritt dazu
(z. B. Bronzegleitlager in Stahlgehäuse im Meerwasser). Man spricht dann von elektro-
chemischer Korrosion [13]. Die beiden sich berührenden Metalle ergeben zusammen mit
der Elektrolytlösung ein kurzgeschlossenes galvanisches Element, das Lokalelement.
Wie bei jedem galvanischen Element fließen vom unedleren Metall zum edleren Metall
Elektronen. Das unedlere Metall (z. B. Eisen) geht in Form von Ionen in Lösung. Am
edleren Metall (z. B. der Bronzebuchse) werden Kationen aus der Lösung entladen
(im Falle von Meerwasser Wasserstoffionen). Das heißt, dass das unedlere Metall mit
der Zeit zerstört wird. Der Grad der elektrochemischen Reaktionen ist abhängig von
der elektrochemischen Spannungsreihe.30 Je größer der Abstand zwischen den elektro-
chemischen Standardpotenzialen zwischen dem edleren und unedleren Material, desto
größer und stärker ist die Zersetzung des unedleren Metalls.
Bei der Rostbildung, der Reaktion von Eisenmetallen und Sauerstoff zu Eisenoxiden,
laufen Metallauflösung und kathodische Hydroxylbildung in stark sauerstoffhaltigen
Umgebungen ab (Regenwasser, Meerwasser, fließende Gewässer). Als Rost bezeichnet
man das Korrosionsprodukt aus Eisen oder Stahl durch Oxidation mit Sauerstoff.
Unter Korrosionsschutz werden alle Maßnahmen verstanden, die Korrosionen ver-
hindern. Sie müssen also dazu geeignet sein, die oben beschriebenen Korrosionsmechanis-
men zu verhindern [3].
Ein wirksamer Korrosionsschutz des Unterwasserschiffes setzt sich aus einer Beschichtung
(Coating) – passiver Korrosionsschutz – und einem kathodischen Schutz mit galvanischen
Opferanoden oder Fremdstromanoden – aktiver Korrosionsschutz – zusammen.
4.6.1.1 Kathodischer Korrosionsschutz
Der kathodische Korrosionsschutz wird im Metallschiffbau immer verwendet. Aufbau
und Prinzip entsprechen dem eines galvanischen Elementes. Die Wirkung des katho-
dischen Korrosionsschutzes beruht auf der Kompensation der oxidationsbedingten
Ströme auf der Metalloberfläche durch Schutzstrom. Die Aufgabe eines kathodischen
Korrosionsschutzes im Schiffbau besteht darin, die korrosiven Einflüsse am Unter-
wasserschiffskörper zu kompensieren, d.h. den Stahl des Schiffsrumpfes im Bereich der
Schad- und Fehlerstellen des Anstrichsystems sowie die unbeschichteten Metallflächen
(z. B. Propeller, Wellen) vor Korrosion zu schützen. Der Schutzstrom kann – wie bereits
gesagt – entweder mit galvanischen Opferanoden oder durch Fremdstromschutzanoden
und Gleichstromquelle erzeugt werden.
IG = AU,ges · IS (4.48)
mit:
4.6 Korrosionsschutz und Decksbeläge/Fußböden 185
IG Gesamtschutzstrom (A),
AU,ges zu schützende Gesamtfläche (m2),
IS Schutzstromdichte (A/m2).
AU,ges · IS · tS IG · tS
mG = = (4.49)
QG QG
Mit:
mG erforderliches Gesamtanodengewicht (kg),
IG Gesamtschutzstrom (A),
IS Schutzstromdichte (A/m2),
tS Schutzdauer (h),
QG Strominhalt (Ah/kg).
Der theoretische Strominhalt des Anodenmaterials kann z. B. aus Abschn. 7 B der Bau-
vorschrift des GL „VI Ergänzende Vorschriften und Richtlinien – 10 Korrosionsschutz“
entnommen werden. Für Zinkanoden ist dort ein Wert von 780 Ah/kg zu entnehmen.
Nun ist der Zinkeintrag ins Meer aus Umweltschutzaspekten nicht unproblematisch.
Insofern ist auch aus diesem Grund der kathodische Korrosionsschutz durch Fremdstrom
verbreitet.
Funktion Die Mess- und Steuerelektroden werden isoliert in die Außenhaut eingebaut
und sind mit der Regeleinrichtung des Schutzstromgerätes verbunden. Sie messen das
186 4 Schiffskörper, Tauwerk, Aufbauten, Ankergeschirr …
Istpotenzial. Das Signal der Steuerelektrode (= Differenz zum Sollpotenzial) wird zum
Regeln des erforderlichen Schutzstromes verwendet. Die Steuerelektroden werden je
nach Typ des Schutzstromgerätes durch einen Strom unterschiedlicher Größe belastet.
Bei Schiffen müssen die Schutzstromgeräte besonders robust und resistent gegenüber
Erschütterungen sein. Die Regelung erfolgt mit Magnetverstärkern, über Stelltrafos mit
Servomotor oder über Phasenansschnittsteuerung mit Thyristoren. Die Versorgungs-
anlagen enthalten ferner Strom- und Potenzialmessgeräte für die einzelnen Fremdstrom-
anoden und Messelektroden. Bei größeren Anlagen werden die wichtigsten Daten auch
mitgeplottet. Wegen der verhältnismäßig hohen Leistung werden vorzugsweise Silicium-
gleichrichter eingesetzt. Zum Schutz gegen Überlastung bei niederohmigem Kontakt zu
großflächig geerdeten Anlagen, zum Beispiel im Hafen, muss eine Strombegrenzung
oder Stromabschaltung vorgesehen sein. Im letzten Fall muss durch optische oder akus-
tische Warnsignale angezeigt werden, wann nach Aufheben des Kontaktes die Anlage
wieder eingeschaltet werden muss. Entsprechend kann auch eine Spannungsbegrenzung
vorgesehen werden, wenn die Fremdstromanoden dies erfordern.
Je nach Schiffsgröße können auch zwei Fremdstromanlagen installiert werden, die
dann unabhängig voneinander die Bereiche Heck/Mittelschiff und das Vorschiff katho-
disch schützen.
Die Anoden werden auf den Schiffsrumpf appliziert oder in die Außenhaut ein-
gelassen. Anhänge wie Ruder oder Stabilisatoren sind über flexible Kabel mit dem
Schiffsrumpf elektrisch leitend verbunden, sodass die vom Seewasser benetzten Flächen
mit in den kathodischen Schutz integriert werden. Propeller und Wellen werden über
Schleifringe elektrisch leitend mit dem Schiffsrumpf verbunden und werden dadurch in
den Kathodenschutz einbezogen (Abb. 4.39).
IS = ISi · Ai (4.50)
Mit:
ISi chutzstrombedarf pro Quadratmeter (A/m2),
S
Ai Fläche (m2).
4.6.1.2 Feuerverzinkung
Feuerverzinken ist das Aufbringen eines metallischen Zinküberzugs auf Eisen oder Stahl
durch Eintauchen in geschmolzenes Zink (bei etwa 450 °C). Dabei bildet sich an der
Berührungsfläche eine widerstandsfähige Legierungsschicht aus Eisen und Zink und dar-
über eine fest haftende reine Zinkschicht [31].
Einzelne Stahlbauteile werden zum Korrosionsschutz auch feuerverzinkt. Hierdurch
werden diese auf zweierlei Weise geschützt: Zum einen durch die Wirkung des aktiven
kathodischen Korrosionsschutzes, zum anderen wird durch den Komplettüberzug eine
Abschirmung des Bauteils gegen Wasser und Sauerstoff bewirkt.
4.6.1.4 Beschichtungen/Anstriche
Das Unterwasserschiff wie auch das Überwasserschiff werden nicht nur aus optischen
Gründen mit einem Anstrich versehen. Durch den Anstrich bzw. durch die Beschichtung
wird verhindert, dass das Elektrolyt Wasser und Sauerstoff Metalle berühren können.
die eine konstante Biozidfreisetzung bei einer permanenten Polierrate bewirken. Neu-
este Entwicklungen im Bereich der Antifouling-Systeme basieren auf Silikonen, den
sogenannten Silikon-FRC (Silicone Fouling Release Coatings). Diese Systeme zeichnen
sich durch eine extrem glatte Oberfläche, in einem hohen Maß flexible, kälteunempfind-
liche, nichterodierende und seewasserbeständige Eigenschaften mit einer hohen Lebens-
dauer aus. Eine noch recht neue Methode, um gegen das Fouling vorzugehen, kommt
aus der Werkstoffforschung. So wurde die Haut von Haien untersucht, da sie im Gegen-
satz zur Haut von Walen nicht durch Parasiten befallen wird. Es wird versucht mit einer
silikonartigen Schiffsfarbe, die beim Aushärten bestimmte kleine Strukturen bildet, dem
biologischen Vorbild nachzueifern. Der Vorteil dieser Methode ist, dass keine giftigen
Substanzen zum Einsatz kommen.
Forschungen haben gezeigt, dass winzige Nanopartikel aus Vanadium(V)-oxid
(Vanadiumpentoxid) den Bewuchs an Grenzflächen unterbinden. Vanadium(V)-oxid wirkt
hierbei als Katalysator, der für Mikroorganismen hochtoxische Verbindungen bildet.
Ein neuartiger Anstrich basiert auf Nanokompositlacken, die unterschiedliche elek-
trische Leitfähigkeiten aufweisen und in einem Mehrschichtsystem auf den Schiffs-
rumpf aufgebracht werden. Man lässt schwache Ströme im Bereich von 0,1 mA/cm2
durch diese Schichten fließen. In bestimmten Zeitintervallen werden die Ströme dann
umgepolt. Aufgrund elektrolytischer Prozesse ändert sich dadurch der pH-Wert des Was-
sers an der Grenzschicht, was einem Anwachsen von Muscheln, Algen und Seepocken
entgegenwirkt. Mit einem Boot der Fischereiaufsicht in Mecklenburg-Vorpommern
wurde 2012 die Wirksamkeit getestet [18].33
Zum Schutz der Ballastwassertanks gegen Korrosion werden ein oder zwei Schich-
ten einer Zwei-Komponenten-Epoxidharz-Beschichtung verwendet.
Die Beschichtung der Laderäume richtet sich nach dem einzubringenden Ladegut;
die Beschichtungsmaterialien müssen entsprechend beständig gegen das Ladegut sein.
Hier ist entweder eine chemische Beständigkeit (Chemikalientanker oder auch Gefahrgut-
frachter) bzw. auch eine Beständigkeit gegen mechanische Beanspruchung vordergründig
(beispielsweise Schüttgutfrachter).34
AU,ges · IS · tS IG · tS
mG = =
QG QG
mit
mG erforderliches Gesamtanodengewicht (kg),
IG Gesamtschutzstrom (A),
tS Schutzdauer = 17.520 h,
QG Strominhalt = 780 Ah/kg.
Der erforderliche Gesamtschutzstrom ergibt sich aus sinngemäßer Anwendung der
Gl. 4.50 mit
IG = AU,ges · IS (4.51)
mit
IG Gesamtschutzstrom (A),
AU,ges zu schützende Gesamtfläche = 490 m2,
IS Schutzstromdichte 0,02 A/m2 zu
4.6.2 Decksbeläge/Fußböden
Decksbeläge sollen nicht nur optisch ansprechend sein (z. B. das Teakdeck einer
Motorjacht, Abb. 4.40)35; vor allem müssen sie eventuell auftretenden mechanischen
Beanspruchungen standhalten und aus Gründen der Arbeitssicherheit ausreichend rutsch-
fest ausgeführt sein.
Unter Rutschsicherheit oder auch Trittsicherheit werden Eigenschaften eines Boden-
belags in Bezug auf gleitfördernde Stoffe, wie beispielsweise Wasser, zusammengefasst.
Die Rutschsicherheit von Personen ist insbesondere auf nassen und glatten Böden
gefährdet, weil beim Begehen ein Aquaplaningeffekt auftreten kann.
Ferner dienen Decksbeläge dem Korrosions- und Schallschutz als auch der Wärme-
isolierung. Die einzusetzenden Materialien und Werkstoffe orientieren sich daher an den
zu erfüllenden Anforderungen.
35Mittlerweile werden auch Decksbeläge in Teakoptik auf PU-Basis angeboten (siehe z. B. [20]).
4.6 Korrosionsschutz und Decksbeläge/Fußböden 191
Mit dem Decksbelag GISA TEX Antislide beispielsweise werden sowohl Rutsch-
festigkeit als auch Abdichtung gegen Wasser und Feuchtigkeit erreicht. Die Oberfläche
von GISA TEX Antislide besteht aus PVC und ist damit temperatur-, salzwasser- und
UV-beständig. Die pyramidale Struktur seiner Oberfläche verleiht dem Belag Rutsch-
festigkeit bei gleichzeitiger Trittweichheit [19].
Ein Maßstab für den Grad der Rutschhemmung ist die sog. R-Gruppe. Bodenbeläge
werden in Abhängigkeit von ihrer Rutschhemmung in fünf R-Gruppen (von R 9 bis
R 13) unterteilt, wobei Bodenbeläge mit der R-Gruppe R 9 den geringsten und mit der
R-Gruppe R 13 den höchsten Anforderungen an die Rutschhemmung genügen. Eine
ausreichende Rutschhemmung ist jedoch nicht nur für den Bereich der Außendecks
gefordert; grundsätzlich müssen alle Fußböden ausreichend rutschsicher gestaltet sein.
Die Anforderungen an einzelne Räume richten sich dabei nach der Technischen Regel
für Arbeitsstätten – Fußböden (ASR A1.5/1,2)36, die die diesbezüglichen grundsätz-
lichen Anforderungen der Arbeitsstättenverordnung konkretisiert. Demnach müssen im
Küchen- und Kombüsenbereich Fliesen mit einer Rutschfestigkeitskennzahl von mindes-
tens R 12 verlegt werden (Abb. 4.41).
Insbesondere in Arbeitsbereichen, in denen fettige, pastöse oder faserig-zähe Stoffe
auf den Boden gelangen können, müssen Fliesen gegebenenfalls neben der erforder-
lichen Rutschhemmung auch noch einen „Verdrängungsraum“ besitzen. Das ist der zur
Gehebene hin offene Hohlraum unterhalb der Gehebene zur Aufnahme oder Ableitung
36ZurTechnische Regel für Arbeitsstätten – Fußböden (ASR 1.5/1,2) siehe [16]; eine Auswahl von
Rutschfestigkeitskennwerten nach dieser ASR findet sich im Anhang 12.
192 4 Schiffskörper, Tauwerk, Aufbauten, Ankergeschirr …
von gleitfördernden Stoffen. Dieser wird in vier V-Klassen unterteilt. Ein V-Wert gibt an,
welche Flüssigkeitsmenge in cm3 der Boden auf einem Quadratdezimeter mindestens
aufzunehmen vermag (s. Tab. 4.7).37
Nach der ASR A1.5/1,2 wäre beispielsweise für den Küchen- bzw. Kombüsenbereich
eines Schiffes eine Fliese mit den Kennbuchstaben R 12/V4 zu wählen.
Rutschfeste Decksausführungen (R 11/R 12) können z. B. unter Verwendung von
Riffelblechen (auch Tränen- oder Raupenbleche genannt) aus Stahl, Edelstahl oder
Aluminium hergestellt werden (s. Abb. 4.42).38
Derartige Bleche aus Stahl sind in der DIN 59220 genormt. Riffelbleche werden laut
dieser Norm in den Bestellangaben mit dem Kennbuchstaben „R“ bezeichnet, Tränen-
bleche mit dem Kennbuchstaben „T“. Stahlbleche sind im Dickenbereich von 3–10 mm
genormt. Edelstahlbleche sind in der DIN 5220 genormt. Aluminiumbleche mit ein-
gewalzten Mustern sind in der europäischen EN 1386 genormt. Hier wird unterschieden
zwischen den Musterarten „Duett“, „Quintett“, „Diamant“, „Gerstenkorn“ und „Mandel“.
Blechdicken sind hier im Bereich von 1,2–20 mm genormt.
Auch ist zum Erreichen oder Erhöhen der rutschhemmenden Eigenschaften ein
Bekleben des Decks, von Fußböden und Treppen im gefährdeten Bereich mit besonders
rutschhemmenden Folien (R 11–R 13) oder Bändern möglich.39
Üblich ist im Decksbereich auch das Aufbringen von rutschhemmenden Anstrich- und
Beschichtungsstoffen in der Regel auf Zweikomponenten-Polyurethan- oder Epoxid-
harz-Basis (vgl. Abb. 4.43).40
Der TBS-Belag besteht aus Polyurethan in Verbindung mit Polyurethangranulat. Eine
widerstandsfähige Kombination, die elastisch ist und eine sichere Arbeitsfläche bietet,
sowohl im trockenen als auch im nassen Zustand. TBS bietet ein Maximum an Komfort
beim Gehen und Sitzen durch die weiche, hautsympathische Oberfläche. Die TBS-Bah-
nenware verlegt sich wie ein Teppich und eignet sich besonders für den Sportboot-
bereich. Auch PVC-Beläge mit Noppenstruktur und Korkbeläge sind im Sportboot- und
Jachtbereich weitverbreitet.41
Dem Coating können auch mineralische Bestandteile beigefügt werden, um Rutsch-
hemmung zu erreichen (Besanden genannt). Geeignet ist feuer-getrockneter Quarzsand
der Körnung 0,1/0,3 mm (Abb. 4.44).
Literatur
Printmedien
13. Schröter, W., Lautenschläger, K.-H., Bibrack, H.: Chemie – Fakten und Gesetze. VEB Fach-
buchverlag, Leipzig (1977)
14. SVB Spezialversand für Yacht- & Bootszubehör, Katalog 2012, Bremen
15. Verband für Schiffbau und Meerestechnik e. V.: Schiffstechnik und Schiffbautechnologie.
Seehafen, Hamburg (2006)
Internet
5.1 Einführung
Bei seiner Fahrt durch das Wasser muss das Schiff gegen Wind und Wellen arbeiten.
Das Wasser am Unterwasserschiff sowie die Luft am Überwasserschiff bewirken durch
ihr Strömungsverhalten Reibungswiderstände am Schiffskörper, die letztlich durch die
Antriebsanlage zu überbrücken sind. Die Dimensionierung und Auslegung dieser Anlage
und insbesondere des Leistungserzeugers (s. a. Abb. 5.1) ist vom Schiffswiderstand
abhängig.
Die auf das Schiff einwirkenden Widerstände werden im Folgenden näher dargestellt,
bevor die gängigen Konzepte zur Leistungserzeugung beschrieben werden.
5.2 Schiffswiderstand1
Der von der Antriebsanlage zu überbrückende Gesamtwiderstand, den Luft und Was-
ser der Bewegungsrichtung des Schiffes entgegensetzen, ist komplex und setzt sich aus
diversen Einzelwiderständen zusammen. Die Bedeutung des Schiffswiderstandes sowohl
aus ökologischer wie auch aus ökonomischer Sicht sowie die einzelnen Widerstands-
komponenten werden nachfolgend näher betrachtet.
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 197
M. Pfaff, Schiffsbetriebstechnik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-27052-0_5
198 5 Antriebsanlagen
Über die See läuft 90 % des Weltgüterhandels.2 Allein die deutsche Handelsflotte besteht
heute aus ca. 3350 Schiffen [33]!
Ein Großteil des deutschen Außenhandels erfolgt über die Meere. Auch der Sektor
der Kreuzfahrtbranche boomt. Bekannte Reedereien sind hier MSC, COSTA oder auch
die deutsche AIDA-Gruppe. Vor dem Hintergrund der steigenden Nachfrage nach Fracht-
raum und Passagierplätzen entsteht am Markt eine Konkurrenz zwischen den Reede-
reien. Um konkurrenzfähig zu bleiben, ist es wichtig, u. a. die Betriebskosten3 für ein
Schiff zu senken. Dabei sind zwei Aspekte von besonderer Bedeutung. Erstens: „Zeit
ist Geld“. Das bedeutet, dass ein Frachtgut möglichst schnell seinen Bestimmungs-
ort erreichen muss. Ziel muss es demnach sein, Schiffen bei größtmöglichem Lade-
volumen4 eine größtmögliche Geschwindigkeit zu verleihen. Zum anderen sind die
Treibstoffkosten für eine Überfahrt ein erheblicher finanzieller Faktor. In der Regel
benötigen die Schiffe Diesel oder Schweröl für ihre Antriebsmaschine. Wenn hier eine
Abzahlung von Krediten, Reparatur- und Wartungskosten, Vertragsstrafen bei verspäteter Liefe-
rung und vielem mehr zusammen; vertiefend hierzu [54].
4Was im Einzelfall hierbei möglich ist, ist von vielen Faktoren abhängig, wie z. B. das vorgesehene
Fahrtgebiet (so beschränkt allein ein Durchfahren des Panamakanals die Ausmaße eines Schiffes),
aber auch letztlich der Investitionswille des Reeders.
5.2 Schiffswiderstand 199
nergieeinsparung erzielt werden kann, schlägt sich das positiv auf die Marktfähigkeit
E
des Reeders nieder. Nicht zuletzt wird durch eine Treibstoffeinsparung auch ein Beitrag
zur Verringerung des CO2-Ausstoßes und somit zum Klimaschutz erreicht.5
Insofern muss es Aufgabe der Schiffbaukonstrukteure sein, in besonderem Maß
auch den beiden vorstehend genannten Aspekten Aufmerksamkeit zu widmen. Sie müs-
sen versuchen, die Schiffe geschwindigkeits- und energieoptimiert zu entwickeln. Der
Wulstbug (s. Abb. 5.2), die Gestaltung und Beschichtung des Unterwasserschiffs tragen
wesentlich dazu bei, diese Forderungen zu erfüllen.
Die folgenden Beispiele sollen aufzeigen, wie die Natur das oben beschriebene öko-
nomische Prinzip umgesetzt hat, wobei Ähnlichkeiten mit dem Wulstbug nicht von der
Hand zu weisen sind.
Der Pottwal
Große Pottwalbullen erreichen Längen von 18 m und ein Gewicht von 50 t. Auf ihren
Wanderungen legen sie weite Strecken zurück. Der Wal würde schnell ermüden, wenn er
sich nicht kräftesparend durchs Wasser bewegen könnte. Beobachtet man einen Pottwal
beim Schwimmen, scheint er quasi schwerelos mit leichten Flunkenbewegungen durch
das Meer zu ziehen. Auffällig ist sein markanter, langer Kopf! Dieser verleiht dem Pott-
wal seine strömungstechnisch günstige Körperform.
Der Delfin
Auch der Delfin hat eine Schnauze, die dem Wulstbug ähnelt. Nehmen wir den Delfin als
Vorbild für eine Schiffskonstruktion, so muss ganz vorne am Bug am Unterwasserschiff
eine längliche, nach vorne hin halbkugelförmige „Nase“ angebracht sein.
Haihaut
Die Haut von Haien ist mit vielen kleinen Zähnen besetzt. Diese machen es See-
pocken und Muscheln schwer, auf der Haut Halt zu finden. Dadurch verhindert die
Natur die Bildung von Verwirbelungen auf der Hautoberfläche und senkt somit den
Reibungswiderstand zwischen Wasser und Haihaut. Dieses Phänomen ist für den
Aspekt des Reibungswiderstandes6 am Schiffsrumpf von Interesse und kann somit
Vorbild für die Oberflächenbeschaffenheit bzw. Oberflächenbeschichtung des Unter-
wasserschiffs sein.
Muscheln und Seepocken am Schiffsrumpf machen das Schiff langsamer – der
Reibungswiderstand im Wasser kann um bis zu 15 % steigen. Von daher werden
heute insbesondere in der Großschifffahrt, vor dem Hintergrund des Verbots von
Zinnbutylanstrichen als Antifoulingfarben [71], vielfach Silikonunterwasseranstriche
verwendet [35].
Das Schiff erfährt bei seiner Fahrt durchs Wasser eine seiner Bewegungsrichtung
entgegenwirkende Widerstandskraft R7. Das ist die Kraft, die das Wasser am Rumpf
und die Luft an den Aufbauten und ggf. der Ladung der Vorwärtsbewegung des
Hierin ist CF der dimensionslose Widerstandsbeiwert, der in dieser Gleichung die Rauig-
keit des Unterwasserschiffs beschreibt, ρ die Dichte von Wasser14 in kg ∕ m3 und v die
Schiffsgeschwindigkeit in m ∕ s. AS ist in dieser Formel die Oberfläche des sich im Wasser
befindlichen Schiffsteils und wird oft nur durch Näherungsformeln bestimmt. Diese For-
meln ergeben gute Werte, wenn es sich um übliche Schiffsformen handelt, bei Sonder-
formen ist eine mühsame Bestimmung der Oberfläche erforderlich [32].
Eine übliche Näherungsgleichung für AS lautet:
√
AS = 2,6 · V · LWL, (5.6)
wobei V die Verdrängung des Schiffs in t bzw. m3 und LWL die Schiffslänge in der
Wasserlinie in Meter ist.
Direkt an der „Kontaktstelle“ Wasser/Schiffsrumpf werden die Wassermoleküle
durch Adhäsion festgehalten. Der Übergang von der Geschwindigkeit „null“ auf den
vollen Wert der vorbeiströmenden Wasserteilchen findet im engen Bereich der sog.
Grenzschicht statt. Diese kann laminar (Abb. 5.4) oder turbulent (Abb. 5.5) sein.15 Bei
anliegender laminarer Strömung setzt sich der Widerstand nur aus den in der Grenz-
schicht übertragenen Schubspannungen zusammen, während bei Abriss der Strömung
und der damit verbundenen Turbulenzbildung (z. B. durch den genannten Bewuchs) der
dadurch verursachte Unterdruck den Widerstand erhöht [6, Band I, S. 303, 323].16
Der Widerstandsbeiwert CF hängt bei einer glatten Platte, die parallel angeströmt
wird (vgl. Abb. 5.4 und 5.5) nur von der dimensionslosen Reynolds-Zahl ab:17
CF = f (Re), (5.7)
wobei
w·l
Re = (5.8)
v
mit w der kennzeichnenden Strömungsgeschwindigkeit, l einer typischen Längen-
abmessung (hier der Plattenlänge) und ν der kinematischen Zähigkeit (hier von Was-
ser18).
Der Widerstandbeiwert CF wird für die üblichen Schiffsformen wie folgt beschrieben
[6, Band I, S. 326]:
0,075
CF = . (5.9)
(lg Re − 2)2
Der Formwiderstand RPV verdankt seine Herkunft ebenfalls der Zähigkeit des Wassers,
ist aber im Wesentlichen abhängig von der Rumpfform. Er kann durch eine gute Form-
gebung des Unterwasserschiffs kleingehalten werden. Dabei kommt der Bug- und Heck-
gestaltung eine besondere Bedeutung zu: Am Heck muss ein Strömungsabriss, der zur
Turbulenzbildung und damit einhergehend dort zu einem „bremsenden“ Unterdruck
führt, vermieden werden (Abb. 5.6 und 5.7).
RPV unterliegt prinzipiell der gleichen Gesetzmäßigkeit wie der Reibungswiderstand:
ρ 2
RPV = CPV · A · · v · 10−3 [kN]. (5.10)
2
Mit CPV wird hier der Druckwiderstandsbeiwert des Rumpfes beschrieben. Dieser kann
nur schwer ermittelt werden, da im Strömungskanal bei einem Schleppversuch ja immer
die Reibungs-, Form- und Wellenwiderstandskräfte gemeinsam zur Wirkung kommen. In
Gl. 5.10 ist A die projizierte „Schattenfläche“ des Unterwasserschiffs von vorne gesehen.
Der Ausdruck ρ2 · v2 wird „Staudruck“ genannt, der durch die Schiffsgeschwindigkeit auf
die „Schattenfläche“ wirkt.
DerWellenwiderstand RW entsteht durch die schräg nach beiden Seiten vom Schiff
ablaufenden Wellensysteme, die durch Bug- und Heckwelle hervorgerufen werden
(Abb. 5.8). Bei Fahrt durchs Wasser tritt an Bug und Heck eine Aufweitung, im ersten
Drittel bis mittschiffs eine Zusammendrängung der Stromlinien auf, was entsprechend
der Bernoulli-Gleichung19 an Bug und Heck eine Geschwindigkeitsverminderung der
relativen Wasserströmung und damit einen Druckanstieg, etwa in der Schiffsmitte
dagegen eine erhöhte Geschwindigkeit und dementsprechend eine Druckabsenkung zur
Folge hat. An der Wasseroberfläche entsteht durch die Druckabsenkung ein Wellental,
während der Druckanstieg einen Wellenberg verursacht [32].
Die damit zusammenhängenden Wellenerhebungen bewegen sich mit dem Schiff
und zur Seite, sodass ein Wellenfeld entsteht, in dem sich das Schiff bewegt. Die
Wellenlänge der schräg ablaufenden Systeme ist proportional zum Quadrat der
Schiffsgeschwindigkeit:
= 0, 64 · ν 2 . (5.11)
Das heißt, schnelle Schiffe machen längere Wellen. Die Wellen können sich so über-
lagern, dass Wellenberg auf Wellenberg fällt, wodurch der Widerstand zunimmt (Reso-
nanz). Fällt dagegen ein Wellental des einen Systems auf einen Wellenberg des andern,
verringert sich der Widerstand (Interferenz).20 Dieser Effekt wird durch einen Wulstbug
erreicht (s. Abschn. 5.2.4). Aufgrund dieser Ausführungen kann geschlussfolgert werden:
Ein Schiff, das wenig Wellen erzeugt, hat einen niedrigeren Wellenwiderstand.
Ferner erzeugt das Schiff bei Stampfbewegungen durch das Eintauchen des Bugs
beim Überfahren der anrollenden Welle eine starke Bugwelle, die ebenfalls einen
19Satz von der Erhaltung der Energie. Die B.-G. besagt, dass in einer stationären Strömung die
Summe aus statischem und dynamischem Druck konstant ist und dem Gesamtdruck der ruhenden
Flüssigkeit entspricht; näheres dazu [20, S. 108].
20Meier-Peter in [18, S. 355].
206 5 Antriebsanlagen
mit g = 9,81 m/s2 und LWL = Länge des Schiffs in der Konstruktionswasserlinie. LWL
ist für die Betrachtung des Wellenwiderstands und der damit auch verbundenen maximal
erreichbaren Schiffsgeschwindigkeit in Verdrängerfahrt von besonderer Bedeutung, wie
in Abschn. 5.2.4 noch beschrieben wird.
21Näheres dazu Eck in [6, Band I, S. 326]; sie liegt im Allgemeinen zw. 0,20 und 0,35.
22In der Literatur wird als Gesamtwiderstandsbeiwert für heutige Schiffe ein C-Wert zwischen
0,03 und 0,05 angegeben (vgl. a. [27]).
5.2 Schiffswiderstand 207
durch einen Wulstbug (Vorbilder aus der Natur!) der Wellen- und Formwiderstandsbei-
wert deutlich reduziert werden, was letztlich den Schleppwiderstand verringert und in
Summe somit auch den Gesamtwiderstand des Schiffes.
Das vorstehend beschriebene Wellenbild ist stark abhängig von der Rumpfform. Die
Wulst verschiebt das Wellenbild eines fahrenden Schiffes durch Interferenz. Sie erzeugt
quasi ein zweites Wellensystem, das die Bug- und Heckwelle durch Überlagerung ver-
kleinert, im Idealfall fast aufhebt [13, S. 96 ff.].
Daneben hat diese „Tropfenform“ eine strömungsgünstige Form, die die Strömungs-
fäden idealisierter um den Rumpf führt und somit den Formwiderstand verringert.
Interessant ist hierbei, dass nicht alle Boote und Schiffe mit einem Wulstbug aus-
gerüstet werden, wenn doch hierdurch der Gesamtwiderstand reduziert werden kann.
Das liegt an den zwei grundsätzlich verschiedenen Schiffs- und Bootstypen: Es gibt-
Verdränger23 undGleiter. Ob ein Wasserfahrzeug Verdränger oder Gleiter ist, hängt von
seiner Rumpfform ab. Ein Gleiter kann aufgrund einer besonderen Bug- und Rumpf-
konstruktion bei genügend starker Antriebsleistung sein Wellenbild „überholen“, um
dann sozusagen auf seiner eigenen Bugwelle zu „reiten“ (was sehr hohe Geschwindig-
keiten erlaubt und daher im Sportbootbau verbreitet ist). Ein Verdränger verdrängt
durch den Rumpf genauso viel Wasser, wie es seiner Masse entspricht. Mit steigender
Geschwindigkeit steigt nur der Widerstand durch die eigene Bug- und Heckwelle; er
kann sein Wellensystem aber nicht verlassen. Daraus folgt, dass ein Verdränger – hat er
auch eine noch so starke Motorisierung – niemals eine maximal mögliche Geschwindig-
keit überschreiten kann. Das ist die sog. Rumpfgeschwindigkeit. Ist sie erreicht, lie-
gen Bug und Heck auf einem Wellenberg (s. Abb. 5.8). Diese maximal erreichbare
Geschwindigkeit eines Verdrängers errechnet sich nach Gl. 5.13:
√
vtheor, max = 2,42 · LWL in Knoten (1 kn = 1 Knoten entspricht 1,852 km/h).
(5.13)
Als Beispiel diene hier einmal ein kleines Containerschiff mit LWL von 110 m,
Annahme: kein Wulstbug! Nach Gl. 5.13 beträgt seine max. Geschwindigkeit dann
25,4 kn. Erhält das Schiff jedoch einen Wulstbug von ca. 7 m Länge, ist seine Wasser-
linienlänge dann 117 m, was zu einer maximalen Rumpfgeschwindigkeit von 26,2 kn
führt. Das ergibt auf der Seeroute Hamburg nach Taiwan (ca. 5300 sm24) eine Zeiterspar-
nis nach Gl. 5.14 von ungefähr 7 h:
v = s/t (5.14)
mit s der Distanz und t der Zeit.
Bedenkt man, wie häufig diese Route pro Jahr befahren wird, ist das für den Reeder
auf jeden Fall ein nicht zu unterschätzender Pluspunkt für seine Kalkulationen.
25Meier-Peter in [18, S. 354]; dieser liegt etwa zw. 0,65 und 0,75; s. auch [41].
5.2 Schiffswiderstand 209
irtschaftlichkeit des Schiffes beeinflussen. Daher liefert der Wulstbug auch diesbezüg-
W
lich einen positiven Beitrag.
5.2.6 Zusammenfassung
Re = (w · l)/ν,
13,6 m/s · 330 m
Re = ,
1,356 · 10−6 m2 /s
Re = 3,31 · 109 .
CF = 0,075/(lg Re − 2)2 ,
0,075
CF = ,
(lg 3.309.734.513 − 2)2
CF = 0,0013.
Dies deckt sich mit dem Diagramm nach ITTC zur Ermittlung des CF -Wertes im
Schiffbau (s. [32]).
c) benetzte Oberfläche (Gl. 5.6):
√
AS = 2,6 · V · LWL
mit der Verdrängung V ≈ B · T =
AS = 2,6 · 41 · 10,3 m3 · 330 m = 971 m2 .
d) Reibungswiderstand RF aus diesen Daten (Gl. 5.5):
ρ 2
RF = CF · AS · · v · 10−3 ,
2
RF = 0,0013 · 971 m2 · 513 kg/m3 · 13,62 m2 /s2 · 10−3 = 120 kN.
e) Druck- bzw. Formwiderstand (Gl. 5.10):
ρ 2
RPV = CPV · A · · v · 10−3
2
Somit ergibt sich aus Gl. 5.2 unter Berücksichtigung der v. g. prozentualen Ansätze
der übrigen Widerstandsanteile ein Gesamtwiderstand (R) von (Gl. 5.2):
R = RL + RZ + RW + RF + RPV = 17 % + 120 kN + 4408 kN,
R = 5455 kN.
Aus Gl. 5.1
ρ 2
R=C·A· · v · 10−3
2
mit A = 10,3 m · 41 m = 422,3 m2 errechnet sich hier durch Umstellung ein
Gesamtwiderstandsbeiwert C für die Queen Mary 2 von C = 0,14.30 Bei einem
Antriebswirkungsgrad von 85 %31 ergibt sich aus Gl. 5.15 eine erforderliche
Maschinenleistung PM von (Gl. 5.15)
R·v 5,455 MN · 13,6 ms
PM = = = 87 MW.
ηP 0,85
Diese Rechnung zeigt, dass die gemachten Annahmen real sind und eine sehr gute
Übereinstimmung mit der installierten Antriebsleistung der Queen Mary 2 wiedergeben.
5.3 Leistungserzeugung
Hauptbauteil der gesamten Antriebsanlage eines Schiffes ist das Aggregat zur Leistungs-
erzeugung (Hauptmaschine). In der Regel sind das Diesel-32 oder Elektromotoren, Gas-
oder Dampfturbinen, Gasmotoren oder Dual-Fuel-Antriebe, Motoren, die für den Betrieb
sowohl mit herkömmlichem Dieselkraftstoff als auch mit Flüssigerdgas (LNG, engl.
„liquified natural gas“) versorgt werden können. Erfolgt die Leistungsübertragung oft
direkt vom Antriebsmotor auf die Welle zum Propeller, werden insbesondere im Kreuz-
fahrt- und Marineschiffbau häufig kombinierte Systeme eingesetzt. Zu den kombinierten
Systemen zählen:
30Das ist ein realistischer Wert – die Titanic hatte einen Widerstandsbeiwert von C = 0,3; viel-
fach wird für überschlägige Berechnungen nur nach Gl. 5.1 mit der projizierten Unterwasserquer-
schnittsfläche verfahren, ohne nach den einzelnen Widerstandsanteilen zu differenzieren, was für
die Praxis hinreichend genaue Ergebnisse liefert [32, 38].
31Annahme aufgrund des besonders effizienten „Gondelantriebs“.
Vorteil dieser Antriebsart ist der geringe Treibstoffverbrauch, nachteilig ist das
komplizierte Sammelgetriebe (Abb. 5.10).
angetrieben wird. Bei „voller Fahrt“ wird die Gasturbine über ein Getriebe und
Kupplungssystem direkt auf die Antriebswelle(n) geschaltet. Diese Antriebs-
art soll bei niedrigen Geschwindigkeiten Treibstoff sparen und die Signatur33
reduzieren [16, S. 616] (Abb. 5.14).
Darüber hinaus sei hier noch der POD-Antrieb, auch Azipod-Antrieb34, genannt
(s. Abb. 5.18 und 5.19). Ein Generator liefert elektrischen Strom auf den Elektro-
antriebsmotor, der in einer um 360° drehbaren Gondel unter dem Schiffsrumpf ein-
gebaut ist. Vorteile: Bei diesem Antriebssystem erübrigt sich ein Ruderblatt, da die
Richtungsänderung des Schiffes durch das Drehen der Gondeln erreicht wird. Ferner
können sie an beliebigen, geeigneten Positionen unter dem Schiff angebracht werden,
haben einen besseren Wirkungsgrad als Dieselmotoren mit fester Welle, sind leiser und
erzeugen weniger Vibration.
34Aus dem engl. „pod“ = Gehäuse; „azi“ ist eine Anleihe aus dem Arabischen und soll ausdrücken,
a) Wie groß muss die Nennleistung jedes Motors sein, wenn für jede Getriebestufe
ein Wirkungsgrad von η = 0,95 angenommen werden kann?
b) Welche Drehzahl hat die Propellerwelle, wenn die Gesamtübersetzung des
Getriebes mit iges = 4,0 angegeben wird?
c) Wie groß sind Nenn- und Betriebsdrehmoment an der Propellerwelle?
d) Ermitteln Sie überschlägig den Durchmesser der Propellerwelle bei einer
geforderten zweifachen Sicherheit.
Zu a):
PN = 2 · PN,Motor · η2 (5.17)
(Die Wirkungsgrade jeder Stufe werden multipliziert!)
35Um eine einheitliche Lebensdauer von Getriebe und Motor zu erreichen, müssen die erforder-
lichen Drehmomente M um den jeweiligen Betriebsfaktor fB bei den verschiedenen Betriebslasten
erhöht werden, um das maximal zulässige Getriebedrehmoment nicht zu überschreiten.
218 5 Antriebsanlagen
Abb. 5.17 Prinzip eines IEP-Antriebs der Daring Klasse der brit. Royal Navy. (Aus: [16]/Grafik:
Brückler)
Daraus folgt:
PN,Motor = PN /(2 · η2 ),
PN,Motor = 12.600 kW/(2 · 0,952 ),
PN,Motor = 6981 kW.
Zu b):
iges = nAntrieb /nAbtrieb (5.18)
a) Zweitaktmotor
Vh · pme
M= (5.19)
2π
b) Viertaktmotor
Vh · pme
M= (5.20)
4π
mit Vh dem Hubvolumen des Motors und pme dem effektiven Mitteldruck
in den Zylindern.
Somit hier:
MN = PN /(2 · π · nAbtrieb ),
MN = 12.600.000 W/(2 · π · 240 min−1 ),
MN = 501.592 Nm.
mit
M in Nm,
P in kW,
n in min−1.
ur Berechnung des Betriebsdrehmomentes an der Welle ist der Betriebs-
Z
faktor zu berücksichtigen:
MB = M N · f B . (5.23)
Somit:
MB = 501.592 Nm · 1,2,
MB ≈ 602 kNm.
Zu d): ie Propellerwelle unterliegt einer Torsionsbelastung. Der Durchmesser der
D
Welle muss so gewählt werden, dass die durch diese Beanspruchung hervor-
gerufene Torsionsspannung im Wellenquerschnitt kleiner als die zulässige
Spannung ist. Die Torsionsspannung bei Betriebslast wird nach folgender
Gleichung berechnet:
Somit ergibt sich durch Einsetzen in Gln. 5.24 und Umstellen der Gl. 5.25
nach „d“:
3
derf = MB /(0,2 · τB,zul ),
derf = 328 mm, gewählt d = 330 mm (nach DIN EN 10250).
5.3.1 Verbrennungsmotoren
Dieselmotoren sind in der Schifffahrt die häufigste Antriebsart, vom Hilfsmotor bei
Segelschiffen bis hin zu Aggregaten mit mehreren Tausend Kilowatt [10, 62]. Sie werden
5.3 Leistungserzeugung 223
auch in absehbarer Zukunft ihren Platz im Schiffbau behaupten, da sie vor allem im Ver-
gleich zu Turbinenantrieben über eine relativ hohe Effizienz verfügen [16, S. 618].
Als Kraftstoff dient bei Großmotoren auch heute noch vielfach meist preis-
wertes, ungereinigtes Dieselöl oder Schweröl. Aufgrund von Beschlüssen der IMO zur
Emissionsminderung aus Antriebsmaschinen werden aber zunehmend schwefelarme
Dieselkraftstoffe („marine Diesel“) eingesetzt, um somit auch ein Befahren der sog.
Emission Control Areas (ECAs) möglich zu machen, in denen nur ein Schwefelanteil im
Kraftstoff von 1 % erlaubt ist; in EU-Häfen gelten noch strengere Anforderungen: 0,1 %
Schwefelanteil im Kraftstoff.38
Besonders die größeren Schiffsdieselmotoren mit Wirkungsgraden bis 50 % sind
für einen Betrieb mit niedrigen Drehzahlen ausgelegt. Es werden für kleine und mitt-
lere Leistungen Viertaktmotoren (bis 24 MW bei 400 min−1 bis max. 2000 min−1 –
sog. Mittelschnellläufer) und bei großen und größten Leistungen Zweitaktmotoren
(bis 100 MW pro Motor, Umdrehung 60–250 min−1 – sog. Langsamläufer) einge-
setzt.Schnellläufer mit Drehzahlen > 2000 min−1 sind vor allem im Bereich der Sport-
und Freizeitschifffahrt verbreitet, kommen aber auch in den Fast Rescue Boats (schnelle
Rettungsboote) an Bord von Berufs- und Marineschiffen zum Einsatz, obwohl sich dort
bereits auch der Jetantrieb für diese Boote mehr und mehr durchsetzt.
Im Rahmen dieses Buches sollen jedoch nicht alle Einzelheiten der Verbrennungs-
motortechnik erörtert werden; dazu wird auf die einschlägige Literatur zur Antriebs-
technik verwiesen.39 An dieser Stelle soll vielmehr das ein oder andere für die Praxis
Relevante nochmals wiederholt oder auch ergänzt werden [10].40
Der BegriffDiesel leitet sich vom Arbeitsprozess ab, der in der Maschine stattfindet –
nicht vom Kraftstoff. Der von Rudolf Diesel entwickelte Motor (1893–1898) ist die im
Wirkungsgrad unerreichte Wärmekraftmaschine. Das verdankt der Motor der beim Ver-
dichten im Arbeitsraum erzielten hohen Kompression, die dadurch ermöglicht wird,
dass er im Gegensatz zum Ottomotor reine Luft und kein Luft-Kraftstoff-Gemisch ver-
dichtet; das brennbare Gemisch wird beim Dieselprozess erst am Ende der Verdichtung
durch Einspritzen des Kraftstoffs in den Zylinder erzeugt. Der eingespritzte Kraftstoff
verbrennt unter der Wirkung der hohen Verdichtungstemperatur normalerweise ohne
besondere Zündvorrichtung selbstständig.41 Man spricht insofern beim Dieselmotor auch
von einem Selbstzündungsmotor. Im Gegensatz dazu findet beim Ottomotor die Zündung
des Kraftstoff-Luft-Gemisches über eine fremdgesteuerte Zündeinrichtung statt. Hierbei
werden allgemein elektrisch arbeitende Zündkerzen verwendet, die zu dem eingestellten
Zeitpunkt das angesaugte Gemisch zünden.
Die Zündungsart des Gemisches (Otto- oder Dieselprozess) bestimmt daher die Art
des Brennstoffs in der Weise, dass beim Dieselmotor Brennstoffe mit guten Selbst-
zündungseigenschaften, beim Ottomotor jedoch zur Vermeidung der Selbstzündung
vor dem beabsichtigten Zündzeitpunkt Brennstoffe mit geringerer Neigung zur Selbst-
zündung notwendig werden.
Als Arbeitsverfahren sind das Zweitakt- und das Viertaktverfahren bekannt. Beim
Viertaktverfahren umfasst eine Arbeitsperiode bzw. ein Arbeitstakt vier Kolbenhübe bzw.
zwei Kurbelwellenumdrehungen. Beim Zweitaktmotor findet ein Arbeitstakt bereits bei
einer Kurbelwellenumdrehung statt bzw. besteht aus zwei Kolbenhüben.
Im Folgenden soll der Dieselprozess etwas näher beleuchtet werden, da in der Groß-
schifffahrt unter den Verbrennungsmotoren ausschließlich der Dieselmotor zum Einsatz
gelangt.
Der Dieselprozess ist (vereinfacht als idealer Kreisprozess dargestellt – Abb. 5.21)
gekennzeichnet durch vier Schritte.
Energiebilanz:
w34 = −mcv · (T4 − T3 ) > 0, q34 = 0 (5.28)
4. Ausstoßen der Verbrennungsgase und Neuansaugen (4–1)
Energiebilanz:
Gemischbildung [10, 21, S. 261] Ein guter Wirkungsgrad des motorischen Prozesses
kann vor allem durch eine vollständige Ausnutzung der Brennstoffenergie, d. h. durch
eine vollständige Verbrennung, erzielt werden. Die vollständige Verbrennung des Brenn-
stoffs im Motor setzt wiederum eine gute Gemischbildung hinsichtlich Menge und
Verteilung von Brennstoff und Luft im Brennraum voraus. Weiterhin muss die Gemisch-
bildung auf verschiedene, vom Motorprozess bedingte Betriebszustände abgestimmt
werden können.
Die bei Ottomotoren überwiegend genutzte Vergasertechnik zur Gemischbildung soll
hier nicht weiter betrachtet werden, da sie bei den in der Großschifffahrt eingesetzten
Dieselmotoren nicht zur Anwendung kommt. Insofern soll hier die Gemischbildung bei
Dieselmotoren etwas näher betrachtet werden; hier erfolgt die Gemischbildung mittels
Einspritzung.
Hierbei wird der Brennstoff in die angesaugte Luft oder direkt in den Brennraum ein-
gespritzt. Die Einspritzmenge kann genau dosiert werden. Damit wird ein dem jewei-
ligen Betriebszustand angepasstes, optimales Brennstoff-Luft-Gemisch erzielt, was
wiederum zur besseren Nutzung der Brennstoffenergie führt. Darüber hinaus sorgt
eine möglichst vollständige Kraftstoffverbrennung auch zu einer sog. „sauberen“ Ver-
brennung.
Die Steuerung der Einspritzmenge kann elektrisch oder mechanisch erfolgen. Für
eine gute Gemischbildung im Zylinder, die Voraussetzung für eine gute Brennstoffaus-
nutzung ist, muss eine intensive Verwirbelung der Luft und des eingespritzten Kraftstoffs
bewirkt werden. Dieses erreicht man durch geeignete Gestaltung des Brennraums. Die
gebräuchlichsten Bauausführungen werden im Folgenden kurz dargestellt:
heftig zerstäubender und durchwirbelnder Wirkung das brennende Gemisch durch den
Schusskanal in die luftreiche Hauptbrennkammer. Heute ist dieses Verfahren weit-
gehend von der Direkteinspritzung verdrängt worden und kommt nur noch in kleine-
ren Dieselgeneratoren zur Anwendung.
• Beim Wirbelkammermotor (Abb. 5.24; [10, S. 298]) wird durch die Luftführung in
der Wirbelkammer eine gute Gemischbildung erzielt. Der Brennstoff wird tangential
in Wirbelrichtung eingespritzt. Zeitpunkt der Brennstoffzufuhr, Zündung und Ver-
brennungsablauf erfolgen analog zum Vorkammermotor.
• Beim Luftspeichermotor (Abb. 5.25; [10, S. 298]) erfolgt die Einspritzung wieder
kurz vor OT. Der Brennstoffstrahl ist auf den Eingangskegel der Luftdüse des Spei-
chers gerichtet, sodass der eingespritzte Brennstoff von der in die Vorkammer ein-
strömenden Luft mitgerissen wird. Die Zündung setzt in der Vorkammer ein, es findet
eine Teilverbrennung und das Überströmen mit starker Verwirbelung in den Zylinder-
raum statt.
Das Luftspeichervolumen beträgt bei modernen Konstruktionen etwa 20–25 % des
gesamten Verdichtungsraums, der Einspritzdruck liegt bei ca. 10–13 MPa.
• Bei der Direkteinspritzung, wobei der Brennraum teilweise oder ganz im Kolben-
boden liegen kann (Abb. 5.26), erfolgt die Einspritzung des Kraftstoffs unmittelbar
in den Verdichtungsraum durch eine Einspritzdüse, die ein oder mehrere kleine
Löcher (∅ 0,1–0,3 mm) enthält. Die Einspritzdrücke liegen bei 400 bar und mehr,
um eine feinste Verteilung und Zerstäubung des Kraftstoffs in der Verbrennungsluft
zu erzielen.43 Eine geeignete Formgebung des Kolbens unterstützt die Wirkung der
Düsenanordnung [10, S. 300].
• Das MAN-M-Verfahren („M“ steht für Mittelkugel) ist durch die typische Aus-
bildung des Kolbens mit dem eingelassenen Brennraum in Form einer Kugel gekenn-
zeichnet (Abb. 5.27). Durch die spezielle Gestaltung des Einlasskanals wird ein
Luftwirbel in der Kugel erzeugt, indem der Kraftstoff durch eine Einlochdüse tangen-
tial in die kugelförmige Vertiefung im Kolben gespritzt wird. Er verteilt sich dadurch
zu etwa 95 % als Film auf der Wandoberfläche; er verdampft erst während der Ver-
brennung und wird außerdem vom Luftwirbel abgetragen. Die Zündung erfolgt mit
dem geringen Restanteil Brennstoff, der bereits direkt mit der Luft ein Gemisch
gebildet hat. Nun verdampft der auf die heiße Brennraumoberfläche aufgespritzte
Brennstoff und mischt sich kontinuierlich dem Luftwirbel zu. Es läuft eine sehr wei-
che und relativ vollständige Verbrennung ab [10, S. 299].
Bei den genannten Verfahren werden verschiedene Pumpensysteme zum Aufbau der
Einspritzdrücke verwendet:
Um einen für den Einspritzprozess günstigen Druckverlauf zu erhalten, ist ein über
die Zeit steiler Druckanstieg erforderlich. Dazu ist die Kinematik der Betätigungsbahn
des Arbeitsnockens so ausgeführt, dass sich der Kolben nach starker Beschleunigung
mit hoher Geschwindigkeit bewegt. Erzielt wird dies rein mechanisch durch eine ovale
Nockenform.
Der Druckaufbau im sog. Plungerraum kann durch Öffnen und Schließen eines
Magnetventils oder eines durch einen Piezoaktor betätigten Ventils gesteuert werden.
Ist das Ventil geschlossen, baut der Kolben Druck auf und der Kraftstoff wird durch das
Einspritzventil eingespritzt. Durch Öffnen des Steuerventils wird der Einspritzvorgang
abgebrochen, wobei eine optimale Verbrennung durch ein möglichst abruptes Abbrechen
des Einspritzvorganges mit schnellem Druckabfall ermöglicht wird. Piezoaktoren arbei-
ten dabei bis zu dreimal schneller als Magnetventile [76].
5.3 Leistungserzeugung 231
Anlassen des Schiffsdiesels46 Große Schiffsdiesel haben eine solch hohe Kompres-
sion und einen so großen Hubraum, dass sie mit Elektrostartermotoren nicht angelassen
werden können. Hier wären überdimensional große E-Motoren mit riesigen Anlasszahn-
kränzen erforderlich. Derartige Dieselmotoren werden daher mittels Anlassluft gestartet;
das geschieht mittels verdichteter Luft. Diese wird mittels eines Kompressors in große
Druckluftflaschen gepumpt (Abb. 5.30).
Soll der Dieselmotor gestartet werden, wird aus dem Leitstand der automatisierte
Startvorgang der Hauptmaschine eingeleitet. Dazu wird die Luftleitung von den Flaschen
zum Motor hin mittels angesteuerter Ventile freigegeben. Dabei wird jeder Zylinder
entsprechend seiner Position (kurz hinter OT – oberem Totpunkt) und der Zündreihen-
folge mit Anlassluft beaufschlagt. Die entsprechenden Kolben werden aufgrund der im
Zylinderraum expandierenden Luft nacheinander heruntergedrückt und die Motordreh-
zahl auf Zünddrehzahl angehoben. Ein Regler zieht die Einspritzpumpen auf „Füllung“,
Kraftstoff wird eingespritzt und es kommt zur ersten Selbstzündung. Für diesen Vorgang
ist eine starkes Anlassdruckluftsystem (üblicherweise 30 bar Nenndruck) notwendig.
Diesen Vorgang des Startens der Maschine nennt man auch „anblasen“.
Darüber hinaus wird die Maschine auch beim Stillstand meist weiterhin durch das
Hochtemperatur-(HT-)Kühlwassersystem und eine Vorheizpumpe konstant auf unterer
Betriebstemperatur gehalten, um den Startvorgang zu erleichtern bzw. zu beschleunigen.
Bei Schiffen mit einem Verstellpropeller wird die Maschine langsam auf Nenndreh-
zahl hochgefahren. In diesem Zustand wird die Maschine einige Minuten im Leer-
lauf belassen, um Temperaturen und Drücke zu stabilisieren. Nach dem Erhöhen auf
Konstantdrehzahl wird die Kontrolle der Maschine an die Brücke übergeben (Remote
Control) und von dort per Knopfdruck akzeptiert und angenommen.
Schiffe ohne Verstellpropeller werden nur sehr langsam beschleunigt. Der Grund ist
der Anstellwinkel des Propellers, der auf die Maximalgeschwindigkeit ausgelegt ist. Der
Beschleunigungsvorgang ist daher vergleichbar mit dem Anfahren eines Autos im höchs-
ten Gang: Eine zu schnelle Beschleunigung bei hoher Übersetzung würde den Motor
abwürgen.
47Siehe dazu vertiefend wieder Kraemer in [6, Band II, S. 147 ff.], ferner [36].
234 5 Antriebsanlagen
Für die weitere Berechnung führt man zur Vereinfachung anstelle des wirklichen
Druckverlaufs während eines Arbeitstaktes einen mittleren indizierten Innendruck
Δpmi ein, dessen Verlauf als konstant über den Kolbenhub angenommen wird. Die
Größe des Drucks wird so gewählt, dass sich die wirkliche geleistete Arbeit einer
ds
5.3 Leistungserzeugung 235
Bei einer Kreisbewegung, wie sie die Kurbelwelle ausübt, ist die Geschwindigkeit
eines Punktes auf einer Kreisscheibe seine Umfangsgeschwindigkeit:
v = d · π · n. (5.38)
Wird nun in Gl. 5.38 d durch 2r (mit r in Metern) ersetzt und für den Ausdruck F ⋅ r
das Drehmoment (Arbeit) M in Nm geschrieben, so ist die Leistung in Watt:
P = M · 2 · π · n. (5.39)
Häufig wird anstelle des Terms „2 ⋅ π ⋅ n“ die Kreisfrequenz ω geschrieben:
P = M · ω. (5.40)
Berechnung der indizierten bzw. Innenleistung Pi:
Wie vorstehend bereits ausgeführt, gilt allgemein für die Leistung:
P = F · s/t. (5.41)
Darüber hinaus bewirkt der Druck p, der auf eine Kolbenfläche A wirkt, eine Kraft:
F = A · p. (5.42)
Die Kraft, die dann vom (mittleren) Zylinderinnendruck pmi auf die Kolbenfläche A
ausgeübt wird, ist dann:
F = A · pmi . (5.43)
Die indizierte Innenleistung bzw. Innenleistung Pi eines Motors entspricht der vom
Verbrennungsgas freigesetzten Energie. Da sie nicht direkt an der Kurbelwelle mess-
bar ist, wird zunächst mittels Druckmessung im Zylinder und der Aufnahme eines
p-V-Diagramms aus der entstehenden Diagrammfläche der indizierte Mitteldruck pmi
bestimmt.
Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass nicht die gesamte durch die Verbrennung des
Kraftstoffs bereitgestellte Leistung zur Bildung der indizierten Innenleistung zur Ver-
fügung steht – sie unterliegt Verlusten, die durch den indizierten (inneren) Wirkungs-
grad beschrieben werden:
ηi = Pi /(ṁB · hu ). (5.44)
Ferner wird noch folgende Überlegung angestellt: Ein Arbeitsspiel sind bei einem
Viertaktmotor vier Takte, die innerhalb von zwei Umdrehungen ausgeführt werden;
Hinweis: Das Treibstoff-Luft-Gemisch wird nur bei jeder 2. Umdrehung gezündet!
Bei einem Zweitaktmotor werden zwei Arbeitstakte innerhalb einer Kurbelwellenum-
drehung ausgeführt. Insofern gilt: ZN = Umdrehungen pro Arbeitsspiel mit ZN = bei
Zweitaktmotoren und ZN = 2 bei Viertaktmotoren (s. o.). Der Weg s entspricht dem
5.3 Leistungserzeugung 237
Kolbenhub. Durch Einsetzen in die oben stehende allgemeine Gleichung für die Leis-
tung erhält man dann die Innenleistung eines Zylinders Pi:
Pi = (A · pm,i · s · n)/ZN . (5.45)
Bei mehrzylindrigen Motoren ist die gesamte Innenleistung das Produkt aus Pi multi-
pliziert mit der Zylinderzahl z:
Pi = (A · pm,i · s · n) · z/ZN . (5.46)
Somit errechnet sich die effektive Nutzleistung Pe des Motors dann unter Berück-
sichtigung des mechanischen Wirkungsgrades zu (s. eingangs):
Pe = Pi · ηm . (5.47)
Typische Werte für ηm liegen für Viertaktmotoren zwischen 0,8 und 0,85 und zwi-
schen 0,75 und 0,9 bei Zweitaktmaschinen [62].
Aus der Kenntnis der effektiven Leistung Pe, der zugeführten Brennstoffmenge und
des unteren Heizwerts des Kraftstoffs kann auch der effektiveWirkungsgrad ηe der
Maschine bestimmt werden:
|Pe |
ηe = (5.48)
ṁB · Hu
mit ṁB der Brennstoffmenge pro Zeiteinheit und Hu dem unteren Heizwert des Brenn-
stoffs (für Dieselkraftstoff: 42,5 MJ ∕ kg bzw. 11,8 kWh ∕ kg oder auch 35 MJ ∕ l; [75]).
Analog zur Formel für Pi kann die Nutzleistung bzw. effektive Leistung Pe auch
direkt errechnet werden, wenn der effektive Mitteldruck pme bekannt ist:
Pe = (pme · Vh · n · z)/ZN , (5.49)
wobei Vh das Hubvolumen A ⋅ s ist (mit A der Kolben- bzw. Zylinderfläche und s dem
Kolbenhub).
Anhaltswerte für effektive Mitteldrücke zeigt Tab. 5.148 ; die hier angegebenen Drü-
cke müssen aber, um in die vorstehende Gleichung eingesetzt werden zu können, in
N ∕ m2 umgerechnet werden: 1 bar = 1 · 105 N/m2.
Der effektive Mitteldruck pme lässt sich aus dem abgegebenen Drehmoment M, wel-
ches an der Kurbelwelle messbar ist, auch direkt errechnen:
pme = ZN · 2 · π · M/Vh (5.50)
(mit ZN = 2 bei Viertaktmotoren; ZN = 1 bei Zweitaktmotoren).
Eine weitere interessante Kenngröße einer Verbrennungsmaschine ist ihr spezifischer
Brennstoffverbrauchbe; er ist definiert als der Quotient aus der zugeführten Brenn-
stoffmenge und der effektiven Nutzleistung des Motors:
be = ṁB /Pe . (5.51)
Weiterhin zählt die mittlere Kolbengeschwindigkeit vm zu den wichtigen Kenngrößen
eines Motors:
vm = 2 · s · n (5.52)
mit s dem Kolbenhub und n der Motordrehzahl; übliche Werte sind in Tab. 5.2
wiedergegeben [36].
Vh = (d 2 · π/4) · s. (5.53)
5.3 Leistungserzeugung 239
Die Summe der Hubvolumina aller Arbeitszylinder des Motors ist das Gesamthub-
volumen VH:
VH = (d 2 · π/4) · s · z,
VH = (2,22 dm2 · π/4) · 2,3 dm · 16,
VH = 139,9 L.
Wie groß ist das Hubbohrungsverhältnis dieses Motors? Handelt es sich um einen
„Langhuber“, „Quadrathuber“ oder um einen „Kurzhuber“?
Das Verhältnis von „Kolbenhub zu Zylinderbohrung“ wird Hubbohrungsverhältnis
„α“ genannt:
α = s/d, (5.54)
α = 1,05.
Bei diesem Motor handelt es sich um einen „Langhuber“:
Hubbohrungsverhältnis „a“:
Langhuber a > 1,
Quadrathuber
a = 1,
Kurzhuber a < 1.
Das Verdichtungsverhältnis dieser Maschine liegt bei 13 : 1; wie groß ist der Ver-
dichtungsraum dieses Motors?
Der Verdichtungsraum Vc ist das kleinste Volumen des Verbrennungsraumes. Die
Summe aus Verdichtungsraum und Hubvolumen eines Zylinders ist das größte Volumen des
Verbrennungsraumes bzw. das „Zylindervolumen“. Das Verhältnis „größter Verbrennungs-
raum zu kleinstem Verbrennungsraum“ wird Verdichtungsverhältnis „ε“ genannt:
ε = (Vh + Vc )/Vc . (5.55)
Das Verdichtungsverhältnis gibt an, auf den wievielten Teil das angesaugte Kraft-
stoff-Luft-Gemisch bzw. die angesaugte Luft zusammengedrückt wird. Es beeinflusst
den thermischen Wirkungsgrad und die Leistung des Motors.
Durch Umstellen erhält man
VH
Vc = Vh /(ε − 1) = /(ε − 1),
z
Vc = 8,7 L/(13 − 1),
Vc = 0,73 L.
Wie groß ist das Gesamtzylindervolumen des Motors VZyl,ges?
240 5 Antriebsanlagen
Das Zylindervolumen eines Zylinders VZyl ist die Summe aus dem Verdichtungs-
raum Vc und dem seines Hubvolumens Vh; das Gesamtzylindervolumen des Motors
wird durch Multiplikation des Zylindervolumens mit der Zylinderzahl ermittelt:
VZyl,ges = (Vh + Vc ) · z, (5.56)
VZyl,ges = 152 L.
Es ist der effektive Mitteldruck des Motors des Schnellbootes Typ A143 zu ermitteln.
Es sind die nachstehenden Daten zu nutzen.
Typ 4-Takt-Dieselmotor
Zylinder 16
Dauerleistung 4000 PS (2942 kW) bei 1515 min−1
Zylinderbohrung 220 mm
Kolbenhub 230 mm
Aus der Gl. 5.49 zur Ermittlung der effektiven Motorleistung eines Viertaktmotors
(mit ZN = 2)
Pe = (pme · Vh · n · z)/ZN
erhält man durch Umstellen nach pme:
pme = ZN · Pe /(Vh · n · z)
mit
Pe = 2.942.000 W,
Vh = 0,0087 m3 (Berechnung s. o.),
n = 1515 L/min : 60 sec/min = 25,25 sec−1 ,
z = 16,
pme = 2 · 2.942.000 Nm/s/(0,0087 m3 · 25,25 sec−1 · 16),
pme = 16,7 bar.
5.3.2 Gasmotoren
Für den Einsatz von LNG49 kommt der Gasmotor oder der Dual-Fuel-Motor infrage.
Dieser Motor ist als Hubkolbenmotor dem Otto- oder Dieselmotor vergleichbar
a ufgebaut. Die Zündung des Kraftstoff-Luft-Gemisches erfolgt bei Aggregaten auf Basis
von Ottomotoren durch Fremdzündung mittels Zündkerze, bei Aggregaten auf Basis von
Dieselmotoren durch Selbstzündung geringer eingespritzter Mengen Zündöls (Diesel-
kraftstoff). Die Firma Wärtsilä arbeitet bei der Hochdruckgaseinspritzung mit einem
Motor nach dem Dieselprinzip, also mit Selbstzündung des direkt mit hohem Druck in
den Brennraum injizierten Brenngases. Die nach diesem Verfahren arbeitenden Motoren
erzielen die höchsten Mitteldrücke aller Verbrennungskraftmaschinen.
Die Firma MAN hat das „PGI-Verfahren“ entwickelt. Dieses Verfahren funktioniert
nach dem gleichen Verfahren wie das Zündstrahlprinzip, umgeht allerdings den Nachteil
des zusätzlich benötigten Kraftstoffs, da es als Piloteinspritzmenge für die Einleitung der
Zündung das vorhandene Gas nutzt. Bauteile sind ein „Pilot-Gas-Hochdruckeinspritz-
ventil“ und eine Starthilfe (Glühkörper), die in einer gekühlten Vorkammer integriert
sind. Das direkt gesteuerte Einspritzventil spritzt kurz vor OT50 eine kleine Menge Pilot-
gas mit einem von einem Kompressor erzeugten Vordruck von 230 bar in die Vorkammer
ein. Dort stellt sich ein annähernd stöchiometrisches Gemisch ein, welches sich an der
heißen Oberfläche des Glühkörpers entzündet, die nur während der Startphase elektrisch
beheizt wird. Der Zündzeitpunkt wird bei diesem Verfahren somit direkt über den Ein-
spritzzeitpunkt des Pilotgases gesteuert [70].
Eine äußere Gemischbildung kann durch Gasmischeinheiten vor oder nach einem
eventuellen Turbolader erfolgen, innere Gemischbildungen sind durch separate Gasein-
lassventile oder Injektionsnadeln möglich.
5.3.3 Turbinen
Der Einsatz von Turbinen zur Leistungserzeugung im Schiffbau ist nicht neu. Waren
es früher in der Regel Dampfturbinen51, finden heute überwiegend Gasturbinen für den
Hauptantrieb Verwendung (s. Abb. 5.32). Diese ähneln denen im Flugzeugbau.
Die Turbinenanlage ist eine Strömungskraftmaschine mit rotierendem Antriebsteil
(Läufer) zur Umsetzung der Energie eines strömenden Mediums in mechanische Ener-
gie. Sie wird in axialer Richtung vom Fluid durchströmt, wobei dieses seine Energie auf
den Läufer abgibt. Die Drehzahlen liegen im Bereich um etwa 3500 min−1.
Vielfach werden Gasturbinen auch in Verbindung mit Dieselmotoren als kombinier-
ter Antrieb eingesetzt (vgl. Abschn. 5.3) oder auch als Energieerzeuger zum Antrieb
eines Generators, der die erforderliche Spannung für einen Elektroantriebsmotor liefert
(so z. B. bei der Celebrity Constellation, einem Kreuzfahrtschiff der Reederei Celebrity
Cruises).
Abb. 5.32 Schiffsgasturbine an Bord der amerikanischen Fregatte USS FORD. (Foto: US Navy)
Brennstoff
Brennkammer
Verdichter
Elektromotorantrieb
Turbine Generator
Abgas
Abb. 5.34 t-s-Diagramm des Joule-Prozesses „offene Gasturbine“. A → B isobare innere Ver-
brennung; B → C Expansion in der Turbine, Neigung der Linie gegen die Senkrechte gibt die
Entropiezunahme durch Verluste an; C → D Entzug der Wärme im Rekuperator; D → E isobarer
Wärmeentzug beim Gasaustritt aus der Turbine; E Ansaugen frischer Luft; E → F Verdichtung
der angesaugten Frischluft, wobei Neigung der Linie die Entropiezunahme durch Verluste im Ver-
dichter darstellt; F → A Zufuhr der dem Abgas längs C–D entzogenen Wärme. Da der Wärmeüber-
träger ein Temperaturgefälle benötigt, liegen die Punkte von CD bei höheren Temperaturen als die
entsprechenden der Kurve AF. (Quelle: [30])
Schaufeln (Leitschaufeln oder Leitgitter – Le) und den rotierenden Schaufeln (Lauf-
rädern – La; vgl. Abb. 5.35). In diesem Schaufelsystem findet sowohl der Arbeits-
austausch zwischen den rotierenden Maschinenteilen und dem Fluid als auch eine
Energieumwandlung zwischen kinetischer und potenzieller Energie innerhalb des Fluids
statt. Eine einzelne Stufe besteht aus einem Lauf- und einem Leitrad. Bei den Schiffs-
turbinenanlagen hat sowohl der Verdichter als auch die eigentliche Turbine mehrere Stu-
fen, die bei diesen Axialmaschinen (weil das Fluid die Maschine axial durchströmt) in
Strömungsrichtung hintereinander angeordnet sind.
244 5 Antriebsanlagen
c� = w
� + u�. (5.57)
Werden diese Geschwindigkeitsvektoren jeweils mit dem repräsentativen Stromfaden
am Ein- und Austritt des Relativsystems „Laufrad“ addiert, so ergeben sich sogenannte
Geschwindigkeitsdreieckean diesen Punkten (s. Abb. 5.36).
c1 c2
A2
Turbinenleistung
Zum Abschätzen der Turbinenleistung bietet sich folgende Vorgehensweise unter
Anwendung der „Euler’schen Turbinengleichung“ an.52
Beim Arbeitsaustausch zwischen dem Fluid und dem Schaufelgitter treten an den
benetzten Oberflächen der Schaufeln Druck- und Schubkräfte auf (Fp und Fτ). Die
Umfangskomponenten dieser Kräfte erzeugen das Drehmoment am Rotor, die Kräfte, die
dabei in axialer Richtung wirken, müssen vom Drucklager der Maschine aufgenommen
werden. Durch Integration der in Abb. 5.38 an dem Turbinenrad angreifenden Kräfte an
einem Schaufelflächenelement dO über die benetzte Rotoroberfläche O ergeben sich die
wirkenden Kräfte und aus deren Umfangskomponenten ergibt sich durch Multiplikation
mit der jeweiligen örtlichen Umfangsgeschwindigkeit die Rotorleistung als innere Leis-
tung Pi. Im Allgemeinen ist aber eine Bestimmung der Rotorleistung auf diesem Weg
kaum von praktischer Bedeutung; in der Regel wird ein Zusammenhang zwischen der
inneren Leistung und den Geschwindigkeiten vor und hinter dem Laufrad hergeleitet
(vgl. Abb. 5.38), der ohne detaillierte Kenntnisse der örtlichen Strömungsvorgänge
den Arbeitsumsatz beschreibt. Hierbei wird vom Impulsmomentensatz (Drallsatz) aus-
gegangen.
Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass in dem System Turbine (oder Verdichter)
ein stationärer Fließprozess stattfindet, bei dem die Zustandsgrößen und Geschwindig-
keiten an jeder Stelle des Systems von der Zeit unabhängig sind. Der Drehimpuls lässt
sich wie folgt beschreiben:
D=m·c·r (5.60)
mit
D Drehimpuls in Nms oder kg · m2 · s−1,
m Masse des Fluids in kg,
c Geschwindigkeit des Fluids in m ∕ s,
r mittlerer Abstand des Stromfadens von Mitte der Drehachse in m.
Die Veränderung des Impulses innerhalb eines Teilsystems (hier: die Turbinenschaufeln)
erzeugt ein Drehmoment um das Zentrum der Turbine:
dD dc
M= = ·m·r in Nm. (5.61)
dt dt
Sinnvollerweise können nur Anteile der Strömungsgeschwindigkeit des Fluids einen
Anteil zum Drehmoment liefern, die senkrecht im Sinne des Hebelgesetzes zum
Turbinendrehpunkt stehen. Solche Anteile werden mit dem Index u gekennzeichnet.
Eine Integration der Gl. 5.61 liefert folgendes Ergebnis:
t2 2
M · dt = m · r · dcu . (5.62)
t1 1
5.3 Leistungserzeugung 247
Aus dem Zusammenhang zwischen Drehmoment M und der Drehzahl n errechnet sich
die Innenleistung Pi:
Pi = M · 2 · π · n = M · ω in Nms−1 . (5.63)
(Der Term „2 ⋅ π ⋅ n“ ist die Winkelgeschwindigkeit ω.)
Somit:
m · r · ω · dcu m · u · dcu
Pi = = (5.64)
dt dt
mit u als der größtmöglichen Umfangsgeschwindigkeit in einem betrachteten Quer-
schnitt.
Eine erneute Integration liefert
2
Pi = ṁ · u · dcu (5.65)
1
bzw.
Pi
2
= u · dcu = W. (5.66)
ṁ 1
Mit dem bei stationären Strömungen konstanten Massenströmen vor und hinter dem
Laufrad ergibt sich mit ṁ1 = ṁ2 = ṁ das Drehmoment M zu:
M = ṁ(r2 · c2u − r1 · c1u ). (5.67)
Mit der Winkelgeschwindigkeit ω des Laufrades ergibt sich die mit dem Fluid aus-
getauschte spezifische technische Arbeit W (auch spezifische Schaufelarbeit genannt):
M ·ω
W= (5.68)
ṁ
und somit
W = ω · (r2 · c2u − r1 · c1u ), (5.69)
Leitschaufel
Gehäuse
Laufschaufel
rm
Rotor
5.3.3.3 Störungsmatrix Gasturbine
Wie alle mechanisch und thermisch beanspruchten Teile wie Anlagen und Maschinen-
teile unterliegen auch die Gasturbinen einem Verschleiß, der zu Betriebsstörungen führen
kann. Um die Gefahr von Betriebsstörungen möglichst gering zu halten, sind die War-
tungs- und Inspektionshinweise aus den Betriebshandbüchern der Hersteller und Liefe-
ranten einzuhalten; das gilt nicht zuletzt auch dem Schutz von Garantieansprüchen.
Mögliche Störungen und deren Ursachen sind in der Tab. 5.3 aufgezeigt.
Vorbemerkung zur Lösung: Der reale Gasturbinenprozess unterscheidet sich durch die
Irreversibilität der Zustandsänderungen (1–2, 3–4) vom theoretischen Joule-Prozess.
Darüber hinaus treten Druckverluste in der Brennkammer (2–3) auf. Die Druckänderung
durch die Wärmeverluste in der Brennkammer können heutzutage durch geeignete
Maßnahmen (hochtemperaturfeste Keramik) minimiert werden. Die genannten Unter-
schiede sind anschaulich im p-V-Diagramm (p – Druck, V – Volumen; Abb. 5.41) und im
T-s-Diagramm darstellbar (T – Temperatur, s – spezifische Entropie; Abb. 5.42).
Zu a): Zunächst wird die Temperatur T2′ am Ende der (fast) isentropen Verdichtung
von p1 nach p2 berechnet:
T2′ = 745,58 K.
250 5 Antriebsanlagen
Brennstoff
2
3
1 4
Abgas
p1
1 4
T 3
3 Q zu
p2 2
2’ 4
2
4 4’
p1
1
1 Q ab
5.3.4 Elektroantrieb
E-Motor
• Drehstromasynchronmotor,
• Synchronmotor,
• Gleichstrommotor.
5.3.4.1 Drehstromasynchronmotor
Der Asynchronmotor mit Kurzschlussläufer zählt zu den am weitesten verbreiteten
Motortypen (s. a. Abb. 5.44) [63]. Er ist einfach herzustellen, robust und praktisch
wartungsfrei.
Abb. 5.44 Käfigläufer und Ständer eines kleinen Asynchronmotors. (Foto: Zureks, CC BY-SA
3.0)
256 5 Antriebsanlagen
Stromfluss im Läufer zustande kommt und der Läufer sein eigenes Magnetfeld aufbauen
kann. Der Läufer dreht sich insofern „asynchron“ zum Ständerfeld.
Zwischen der Frequenz des Ständerfeldes und der Drehfrequenz des Läufers tritt ein
Schlupf auf. Die Größe des Schlupfes ist belastungsabhängig. Im Leerlauf ist der Schlupf
nur sehr gering.
mit
√
3 dem sog. Verkettungsfaktor,
U der Klemmenspannung,
I dem Klemmenstrom und
cos ϕ dem Leistungsfaktor.
Der Leistungsfaktor (auch Wirkleistungsfaktor genannt) ist das Verhältnis von Wirk-
leistung P zu Scheinleistung S. Er ist gleich dem Kosinus des Phasenverschiebungs-
winkels ϕ (s. Abb. 5.45) und liegt zwischen 0 und 1 (in der Regel bei etwa 0,8). Die
Wirkleistung P ist das Produkt aus Klemmenspannung U und Klemmenstrom I, die
5.3 Leistungserzeugung 257
Q
S
P
258 5 Antriebsanlagen
54Siehe z. B. [29].
55Das Folgende aus [42]; zum Pulswechselrichter näher auch [40, 44].
5.3 Leistungserzeugung 259
Einziger Nachteil ist der hohe schaltungstechnische Aufwand für die Realisierung des
Frequenzumrichters.
Die Drehrichtungsumkehr kann auch mittels Wendeschützschaltung erfolgen (Abb. 5.47).
Durch die genannten Verfahren entfallen aufwendige mechanische Drehrichtungs-
umkehreinheiten wie Wendeuntersetzungsgetriebe oder Verstellpropelleranlagen.
5.3.4.2 Synchronmotor
Der Synchronmotor trägt seinen Namen aufgrund seiner Betriebseigenschaft: Der Läu-
fer rotiert exakt synchron mit dem durch die Netzfrequenz vorgegebenen Statordrehfeld.
Das unterscheidet Synchronmaschinen von Asynchronmaschinen, deren Läufer dem
Drehfeld im Motorbetrieb nach- und im Generatorbetrieb voreilen. Ein weiteres Unter-
scheidungsmerkmal ist, dass im Gegensatz zu Asynchronmaschinen für den Betrieb von
Synchronmaschinen ein Erregerfeld benötigt wird [8, S. 291 ff.].
Bevor eine Synchronmaschine ans Netz geschaltet wird, muss sie mit dem Netz syn-
chronisiert werden. Die Drehzahländerung und -umkehrung erfolgen mittels der sog.
Leistungselektronik mit Frequenzumrichtern [8, S. 324 ff.].
Ein Drehgeber erfasst im Betrieb ständig die Läuferstellungsänderung. Daraus
ermittelt die Steuerungselektronik die tatsächliche Drehzahl. Bei Belastung läuft der Läu-
fer des Synchronmotors dem Drehfeld im Winkel, dem sog. Polradwinkel57, hinterher.
b) Läufer Der Läufer kann als Schenkelpolläufer oder Vollpolläufer ausgeführt sein.
Rotor oder auch Polrad sind ebenfalls gebräuchliche Bezeichnungen für beide Läuferbau-
formen. Der Vollpolläufer wird zudem als Walzenläufer und Volltrommelläufer bezeichnet.
Der Läufer trägt die Erregerwicklung. Diese ist in die Nuten des Vollpolläufers eingebracht.
Schenkelpolläufer besitzen ausgeprägte Polschuhe und Schenkel, weswegen sie einen gro-
ßen Durchmesser besitzen. Die Erregerwicklung ist auf die Schenkel des Läufers gewickelt.
c) Erregung Eine Möglichkeit der Erregung ist die statische Erregung. Hierbei sind die
Enden der Erregerwicklung mit Schleifringen verbunden, die sich auf der Läuferwelle
befinden. Über Kohlebürsten wird die Erregerspannung an die Erregerwicklung gelegt
(Abb. 5.48 und 5.49).
ω der Kreisfrequenz (=2 ⋅ π ⋅ n), wobei n die Drehzahl pro Sekunde ist,
mit
und
M dem abgeforderten Drehmoment.
Das Verhältnis von abgegebener mechanischer Leistung zu aufgenommener elektrischer
Leistung drückt den Wirkungsgrad der Maschine aus:
η = Pmech /Pel . (5.91)
Drehzahlregelung und Drehsinnänderung
Auch beim Synchronmotor erfolgen die Drehzahlregelung und Drehrichtungsumkehr im
Allgemeinen durch Frequenzumrichter (vgl. Abschn. 5.3.4.1).
5.3.4.3 Gleichstrommotor
Der Einsatz von Gleichstrommotoren findet in der Großschifffahrt vergleichsweise
geringe Bedeutung und beschränkt sich auf spezielle Anwendungen, z. B. für besonders
geräuscharme oder batteriebetriebene Antriebe (beispielsweise im U-Boot-Bau).
Aufbau
Der Ständer besitzt ausgeprägte Nord- und Südpole, die durch einen Magneten erzeugt
werden können (permanent erregter Motor) oder durch Erregerwicklungen. Die Wick-
lung des Läufers ist so aufgebaut, dass an den Stirnseiten des Läufers stets Leiter, die
sich im Bereich eines magnetischen Nordpols des Stators befinden, mit solchen Leitern
verbunden werden, die sich an der entsprechenden Stelle eines Südpols befinden. An den
Stirnseiten des Läufers, der aufgrund der Wirbelströme aus einem Blechpaket besteht, ist
der Wicklungszug an die Lamellen eines Kommutators (Stromwenders) angeschlossen;
dieser ist ein zylindrischer Körper, der aus sektorförmigen, voneinander isolierten
Kupferlamellen aufgebaut ist.
Abb. 5.50 zeigt einen kleinen Niedervoltelektromotor mit Permanenterregung durch
Hufeisenmagneten.
Drehrichtungsumkehr, Drehzahländerung
Die Umsteuerung erfolgt bei Gleichstrommotoren so, dass entweder die Stromrichtung
in der Ankerwicklung oder die Stromrichtung in der Erregerwicklung umgekehrt wird.
Im Normalfall wird die Umkehr der Stromrichtung in der Ankerwicklung vor-
genommen, da in diesem Fall nicht der gesamte Stator ummagnetisiert werden muss.
Schaltungstechnisch erfolgt das durch die Polwendeschaltung (Abb. 5.51).
Hierdurch wird die am Motor anliegende Spannung über ein Relais umgepolt, sodass
er vor- oder rückwärts läuft.
5.3 Leistungserzeugung 263
Motor
• Bei einer Induktivität (ideale Spule) folgt die Stromstärke der Spannung um 90°
nach (die Spannung eilt der Stromstärke um 90° vor).
• Bei einer Kapazität (idealer Kondensator) folgt die Spannung der Stromstärke um
90° nach (s. Abb. 5.52).
• Beim ohmschen Widerstand sind Spannung und Stromstärke immer gleichphasig.
• Bei einer Kombination von R, L und C kann der Phasenverschiebungswinkel
beliebige Werte zwischen −90◦ und +90◦ annehmen; er ist dabei von der Frequenz
abhängig.
ω = 2 · π · n.
Durch Einsetzen und Umstellen vorstehender Gleichungen ergibt sich:
Pmec 12.500 kW
M= = −1 = 911,2 kNm.
2·π ·n 2 · π · 13160min
sec
min
5.3.5 Brennstoffzellenantrieb
Der Vollständigkeit halber sei hier noch auf den Brennstoffzellenantrieb eingegangen.
Obwohl sich der Brennstoffzellenantrieb bis jetzt noch nicht in der Großschifffahrt
durchsetzen konnte, ist er doch revolutionär für U-Boot-Antriebe. So sind beispielsweise
die U-Boote der Klasse 212A der Deutschen Marine und die Nachfolgeklasse 214 mit
dieser Technologie ausgerüstet. Ferner fährt auf der Alster in Hamburg ein Personen-
schiff mit dieser Antriebsart.
266 5 Antriebsanlagen
Diese Boote der Klasse 212A und 214 setzen auf den Hybridantrieb.
Nach wie vor werden auch diese U-Boote, genau wie alle anderen U-Boote auch,
durch Elektromotoren angetrieben. Der nötige elektrische Strom dazu wird bei herkömm-
lichen U-Booten durch Dieselgeneratoren oder beim Atomantrieb durch Kernspaltung zur
Dampferzeugung für eine Turbine gewonnen.
Bei den genannten U-Booten geschieht dies mithilfe des Hybridantriebs. Hybrid-
antrieb bedeutet, dass zwei oder mehr verschiedene Antriebsarten eingesetzt werden.
In diesen U-Booten kommt daher neben dem herkömmlichen Dieselgeneratorsatz die
Brennstoffzelle als Stromlieferant zum Einsatz.
Der Brennstoff, hier H2, wird an der Anode katalytisch unter Abgabe von Elektronen
oxidiert und dabei in Ionen (H+) umgewandelt. Die Elektronen werden aus der Brenn-
stoffzelle abgeleitet und fließen über einen elektrischen Verbraucher (zum Beispiel
ein Ladegerät für Akkus oder Antriebsmotor) zur Kathode. An der Kathode wird das
5.3 Leistungserzeugung 267
elektrischer Strom
– – – –
– –
– –
2
– –
2
+ +
H+
Wasser H2O
+ +
Oxidationsmittel, hier O2, durch Aufnahme der Elektronen zu Anionen (O2−) reduziert
und reagiert gleichzeitig mit den durch den Elektrolyten zur Kathode gewanderten Proto-
nen zu Wasser.
Insofern wird in der Brennstoffzelle die im Wasserstoff gespeicherte chemische Ener-
gie in elektrische Energie und Wärmeenergie umgewandelt. Die Brennstoffenergie wird
bei der Verbrennung des Brennstoffs als Reaktionswärme frei; pro Mol Wasserstoff wird
eine Energiemenge von etwa 286 kJ freigesetzt. Dieser Wert wird als Reaktionsenthalpie
ΔH oder bei konstantem Druck und T = 298,15 K als Heizwert bezeichnet.
2 H2 + O2 → 2 H2 O �H0 = 285,8 kJ/mol
Der Wirkungsgrad dieser Brennstoffzellen ist im Vergleich zum Dieselgenerator sehr
hoch. Er beträgt ca. 65 %. Gute Dieselgeneratoren haben bestenfalls einen Wirkungsgrad
von ca. 30 %.
Die gelieferte Spannung liegt bei der H2-O2-Zelle theoretisch bei 1,23 V und einer
Leistungsabgabe von 0,1 W ∕ cm2 Elektrodenfläche [20, S. 148] bei einer Temperatur von
25 °C. In der Praxis werden jedoch nur Spannungen von 0,5–1 V erreicht („elektroni-
sche Reibungsverluste“): Die Spannung ist vom Brennstoff, der Reinheit der Reaktanten,
von der Qualität der Zelle und von der Temperatur abhängig. Um eine höhere Spannung
zu erhalten, müssen daher mehrere Zellen zu einemStack (engl. für „Stapel“) in Reihe
geschaltet werden.
Die theoretisch maximal erreichbare Zellspannung UΔH errechnet sich als Quotient
aus dem Brenn- oder Heizwert des Brennstoffs, der Faraday-Konstante (Produkt aus
268 5 Antriebsanlagen
Avogadro-Zahl [NA = 6,023 · 1023 1/mol] und Elementarladung [e = 1,6 · 10−19 C])
und den ausgetauschten Elektronen:
H
UH = − . (5.93)
n·F
Für die Brennstoffzelle auf U 212A:
Beispielaufgabe Brennstoffzelle
Eine einzelne Brennstoffzelle liefert eine Nennspannung von 0,8 V und eine Strom-
stärke von 1,0 A. Für die Versorgung eines Ladegeräts für einen Batterieblock wird
eine Leistung von 100 W bei einer Betriebsspannung von etwa 25 V benötigt.
Wie viele Zellen benötigt man und wie muss man sie schalten?
270 5 Antriebsanlagen
Lösung: Anzahl der Zellen n: Bei Reihenschaltung von Spannungsquellen (Abb. 5.55)
gilt
Uges = U1 + U2 + · · · + Un . (5.95)
Somit
Uges 25 V
n= = = 32 Zellen. (5.96)
Ui 0,8 V
Um die Ladespannung von 25 V zu erzielen, müssen 32 Zellen in Reihe geschaltet
werden. Diese liefern aber nur 1 A Strom. Um die erforderliche Leistung von 100 W
für das Ladegerät zu erreichen, folgt aus der Beziehung von Leistung, Stromstärke
und Spannung
U
P= (5.97)
I
und durch Umstellen nach I:
P 100 VA
I= = = 4 A.
U 25 V
Da eine Zelle nur einen Strom von 1 A liefert, müssen 4 Packs zu je 32 in Reihe
geschalteten Zellen parallel geschaltet werden (bei Parallelschaltung von Spannungs-
quellen addiert sich die Stromstärke! – Abb. 5.56).
Für den Betrieb eines Brennstoffzellensystems werden in einem Wasserstofftank
5000 L H2 bei 250 bar mitgeführt. Wie viel Energie ist im Tank gespeichert?
U1 U2 U3
Iges
5.3 Leistungserzeugung 271
Lösung: Wasserstoff hat einen unteren Heizwert von 10,8 MJ ∕ Nm3.59 Ein Liter
Wasserstoff von 1 bar hat insofern einen Heizwert von 10,8 kJ bei 0 °C.
Ein Liter H2 von 250 bar hat somit den 250-fachen Betrag an Energieinhalt:
10,8 kJ · 250 = 2,70 MJ.
Da der Tank 5000 L des komprimierten Wasserstoffs enthält, gilt für die gesamte im
Tank gespeicherte und somit nutzbare Energie:
E = 5000 · 2,70 MJ = 13,5 GJ.
5.3.6 Segelantrieb
Der Vollständigkeit halber soll hier auch noch auf den Wind als Antrieb eingegangen
werden. Neben dem Segelsport mit Jachten und Jollen sind auch heute noch Großsegler
in Fahrt, vielfach als Traditionssegler, aber auch insbesondere bei den Marinen der Welt
zu Ausbildungs- und Repräsentationszwecken (so bei der Deutschen Marine die Gorch
Fock).
Dass Rückenwind schiebt, ist eine altbekannte Tatsache, die ein jeder beim Radfahren
selber spüren kann. Nach diesem Prinzip wird ein Segelschiff oder auch ein Segelboot
vorgetrieben, wenn der Wind direkt von achtern kommt. Dieser Effekt ist auch noch der
vorherrschende auf Raumschotkursen, also wenn der Wind schräg von achtern einfällt
(s. a. Abb. 5.57).
Die Segel setzen dem Wind einen Widerstand entgegen. Die Luftströmung wird
abgebremst und unterbrochen. Je größer die Widerstandsfläche – also die Segelfläche –
ist, umso mehr Luftmasse wird abgebremst, umso größer ist der Schub für den Vortrieb.
Die optimale Form zum Aufbau eines entsprechenden Staudrucks ist eine hohle Halb-
kugel. Daher sind spezielle Vorm-Wind-Segel, wie Rahsegel bei Großseglern (Abb. 5.58)
oder Spinnaker auf Jollen von ihrem Profil her sehr „bauchig“ genäht.
Jedoch segeln Großsegler wie auch Jachten und Jollen nicht ausschließlich auf Raum-
schotkursen (vor dem Wind und raumer Wind), sondern auch auf Kursen, bei denen der
Wind mehr oder weniger in einem Winkel von 90° zur Längsschiffsachse auftritt (halber
Wind) oder gar schräg von vorne einfällt (am Wind). Für alle Kurse ab halber Wind und
vorlicher sind Rahsegel nicht geeignet. Hierfür sind Segel erforderlich, denen das Prinzip
„Vortrieb durch Auftrieb“ zugrunde liegt. Diese Segel sind vom Profil her geschnitten
wie der Tragflügel eines Flugzeugs (s. Abb. 5.59) und werden Schratsegel genannt.
Derartige Segel werden auf den besagten Kursen als umströmtes Profil betrachtet.
Das Segel erzeugt nach dem bernoullischen Prinzip eine Auftriebskraft. Diese Auftriebs-
kraft entsteht durch einen Unterdruck auf der Oberseite bzw. beim Segel auf der Leeseite
59Das Normvolumen wird bezogen auf den physikalischen Normzustand: 273,15 K = 0 ◦ C und
p = 1,01325 bar.
272 5 Antriebsanlagen
am Wind
halber Wind
raumer Wind
FV
Wind
des Profils und einen Überdruck auf der Unterseite bzw. Luvseite. Der Druckunterschied
basiert auf der durch die Wölbung auf der Leeseite höheren Luftgeschwindigkeit als auf
der Luvseite. Für inkompressible Medien gilt nach Bernoulli:
2
vLee pLee v2 pLuv
+ = konstant = Luv + (5.98)
2 ρ 2 ρ
mit
v Strömungsgeschwindigkeit der Luft am Profil,60
p Druck auf den Profilseiten,
ρ Dichte der Luft.
Wenn vLee > vLuv muss demnach pLuv > pLee sein, wodurch der Auftrieb FA erzeugt wird.
Insofern bewirkt die Druckdifferenz p = pLuv − pLee – die aufgrund der unterschied-
lichen Strömungsgeschwindigkeiten auf den beiden Segelseiten entsteht – diese Auf-
triebskraft.
Durch Vektorzerlegung folgt aus der Auftriebskraft FA eine Kraft, die das Segelfahr-
zeug seitlich versetzt – Abdrift (FAbdrift) genannt – und die Vortriebskraft FV (s. Abb. 5.60).
Der Abdrift wirkt am Unterwasserschiff eine Kraft entgegen, die den seitlichen Ver-
satz des Seglers auf etwa 4° reduziert.
Der Vortriebskraft FV wirkt die Reibungskraft FR an Rumpf und Takelage entgegen (s.
Abschn. 5.2). Folgende Zustände sind am Segelschiff zu betrachten:
a) Segelschiff befindet sich noch gerade in Ruhe, hat die Geschwindigkeit v = 0; die
Segelkraft (Vortriebskraft) ist maximal:
FV
c) Beschleunigung nimmt ab, Schiff nähert sich seiner max. Geschwindigkeit, Reibungs-
kraft nimmt weiter zu:
FV
FR
Fres
d) Vortriebs- und Reibungskraft sind gleich groß, Segler hat seine maximale
Geschwindigkeit erreicht (stationärer Zustand):
Fres = FV - FR = 0
FV
FR
Die Windkraft wird über das Rigg auf den Schiffsrumpf übertragen. Unter dem Rigg
eines Seglers wird die Gesamtheit der Takelage mit Masten, Rahen, Segeln, laufendem
Gut (Schoten und Fallen etc.) und stehendem Gut (Wanten, Pardunen, Stage) etc. ver-
standen.
Einen Überblick über die Takelungsarten von Großseglern, Jachten und Jollen gibt
Anlage 14.
Die Auslegung und Gestaltung eines Riggs mit Materialauswahl und Lastannahmen
für Großsegler kann, soweit der Kunde keine anderen Anforderungen stellt, z. B. nach
den Bauvorschriften des ehemaligen GL in „Klassifikations- und Bauvorschriften – I
Schiffstechnik, 4 Riggtechnik, 1 Großsegler-Riggs“ durchgeführt werden. Mit der fol-
genden Beispielaufgabe soll die Anwendung dieser Bauvorschrift an den Riggdetails
Rah und Hangerkette verdeutlicht werden.
Beispielaufgabe „Rigg“
An einer Dreimastbark müssen die Großrah und ihre Hangerkette ersetzt werden. Die
Großrah hat eine Länge von 24 m und ist fest (also nicht heb- und senkbar) am Mast
angeschlagen. Welche Maße muss die Rah haben und welche Kette ist für die Hanger-
kette zu wählen?
5.3 Leistungserzeugung 275
Lösung: Die Abmessungen der Rahen sind der Tab. 1.4 der genannten Bauvorschrift
zu entnehmen – Auszug:
Länge In der Mitte Bei dem 1. Bei dem 2. Bei dem 3. An den
Viertel Viertel Viertel Nocken
Durch- Dicke Durch- Dicke Durch- Dicke Durch- Dicke Durch- Dicke
messer messer messer messer messer
m mm mm mm mm mm mm mm mm mm mm
24 480 8,5 470 8,0 430 7,5 360 6,5 240 5,0
Die Befestigung einer festen Rah ist in Abb. 5.61 und in der Abb. 1.12 der genannten
Bauvorschrift zu sehen.
Die Hangerkette wie auch die Hangerstange dienen zur Aufnahme der vertikalen Kraft
(Eigengewicht und Segelwinddruckkomponente), die auf die Rah wirkt. Sie leitet diese
Kraft in den Mast bzw. in die Stenge weiter. Die anzunehmende Belastung der Hanger-
kette ist der Tab. 1.5 der Bauvorschrift zu entnehmen – Auszug:
Hangerkette
Hangerstange
mit Hangerkette
Für die Hangerkette ist somit eine Kette mit einer Mindestbruchlast von 65,8 kN zu wäh-
len, wobei eine Stahlkette mit einer Zugfestigkeit von 400–490 N ∕ mm2 zugrunde gelegt
werden soll (vgl. Zif. 1.1 der genannten Bauvorschrift). Hier käme z. B. eine Rundstahl-
kette nach DIN 766 mit einer Nenndicke von >13 mm zum Einsatz.61
Beispielaufgabe „Vortriebskraft“
Die Gorch Fock segelt auf einem Vor-Wind-Kurs mit maximaler Geschwindigkeit.
Wie groß ist die Segelkraft bzw. Vortriebskraft in horizontaler Richtung, die das
Schiff erfährt?
Daten:
Länge Wasserlinie (LWL): 70,4 m,
Breite: 12 m,
Tiefgang: 5,35 m,
max. Geschwindigkeit: 18 kn = 33 km ∕ h (unter Segel),
Anzahl Segel: 23,
Gesamtsegelfläche: 2037 m2.
Lösung: Die Gorch Fock befindet sich laut Aufgabenstellung im oben beschriebenen
stationären Zustand, in dem Segelkraft bzw. die Vortriebskraft und Reibungskraft den
gleichen Betrag haben und direkt entgegengerichtet sind:
FV = FR .
Zur Ermittlung der Widerstandskraft werden hier sehr vereinfachende Annahmen
getroffen; zur detaillierten Berechnung des Gesamtwiderstandes auf das System
Schiff wird auf Abschn. 5.2 verwiesen. Festzuhalten ist an dieser Stelle aber, dass
hinsichtlich der Widerstandskraft das Überwasserschiff in der Regel vernachlässig-
bar ist, da die Dichte der Luft überschlägig drei Zehnerpotenzen niedriger ist als die
von Meerwasser. Allerdings hat ein Segelschiff aufgrund seiner strömungsdynamisch
ungünstigeren Eigenschaften des Überwasserschiffs durch seine Takelage gegenüber
Passagierschiffen einen doch höheren Luftwiderstand, der bei der überschlägigen
Annahme des cw -Wertes berücksichtigt wird. Ferner verfügt die Gorch Fock nicht
folgt insofern
sec 2
kg 22.000 m
FR = 0,5 · 1025 3 · 64,2 m2 · 0,4 · : 3600 ,
m h h
FR = 491.507 kg/m sec2 = 491,507 kN.
5.4 Leistungsübertragung
Die durch Verbrennungsmotor oder Turbine oder Elektromotor erzeugte Energie wird ent-
weder direkt über eine Welle dem Schiffspropeller als eigentlichem Antriebsorgan oder über
ein Getriebe zugeführt. Die Welle wird durch das Stevenrohr aus dem Schiffsrumpf nach
außen geführt. Die Stevenrohrabdichtung (s. auch Abb. 5.75 und Abschn. 5.4.4) verhindert,
dass an dieser Wellendurchführung Wasser in den Rumpf eindringt.
Der Wasserstrahlantrieb (Abb. 5.62) wird hier nicht näher betrachtet. Er kommt
für schnelle Fahrzeuge zum Einsatz (Sportboote, Jetski, Behörden- und Lotsenfahr-
zeuge). An dieser Stelle nur so viel: Es handelt sich um einen Antrieb, bei dem das Was-
ser durch eine Ansaugöffnung im Rumpfboden zu einer Pumpe mit axialem Durchfluss
278 5 Antriebsanlagen
geführt wird. Diese Pumpe beschleunigt das Wasser auf eine um ein Vielfaches höhere
Geschwindigkeit als die Einlaufgeschwindigkeit. Das Wasser wird durch eine Düse
ausgestoßen, wodurch der Vorschub erreicht wird. Das Vortriebsprinzip ähnelt dem der
Strahldüse eines Raketenantriebs. Durch Drehen der Düse wird das Fahrzeug gesteuert
und auch die Fahrtrichtung von vorwärts auf achteraus geändert (s. a. Abb. 5.63).
Der Voith-Schneider-Propeller besteht aus einer horizontal im Schiffsboden drehbar
eingebauten runden Scheibe, an der vier bis sechs senkrecht stehende Spatenflügel dreh-
bar gelagert sind (Abb. 5.64). Durch eine Exentersteuerung werden die Anstellwinkel
dieser tragflügelförmigen Spatenflügel bei Drehung der Scheibe permanent so ver-
stellt, dass durch die an diesen Flügeln auftretenden Auftriebskräfte das Fahrzeug in die
gewünschte Richtung bewegt wird. So kann bei gleichem Drehsinn der Kreisscheibe in
alle Richtungen manövriert werden (Anwendung: Schlepper, Fähren, Arbeitsschiffe und
Ähnliche).
5.4.1 Direktantrieb
Beim Direktantrieb wird die Antriebsleistung der Antriebsmaschine direkt über eine
starre Welle, die durch das sog. Stevenrohr nach außenbords geführt wird, auf den Pro-
5.4 Leistungsübertragung 279
peller übertragen. Diese Antriebsart findet in der Regel bei sog. „Langsamläufern“ –
Antriebsdiesel mit Drehzahlen zwischen 60 min−1 und 250 min−1 – Anwendung.
Die Drehrichtung des Propellers kann, z. B. für die Rückwärtsfahrt, hier nur durch die
Umsteuerung des Motors verändert werden. Der Motor muss dann aus der Vorausfahrt
gestoppt, durch Verschieben der Nockenwelle umgesteuert und für die Rückwärtsfahrt
neu angelassen werden.
280 5 Antriebsanlagen
5.4.2 Propeller
5.4.2.1 Allgemeine Grundlagen
Die durch die Antriebsmaschine erzeugte Rotationsenergie wird über die Welle auf den
Schiffspropeller übertragen, der diese Energie zum Großteil in Vorschub umwandelt
[20, S. 851 f.]. Ein Schiffspropeller hat heute zwischen drei und – bei besonders kavi-
tations- und somit geräuscharmen Propellern – bis zu sieben Flügel. Die Flügelform ist
strömungsgünstig gestaltet.
Im Folgenden werden grundlegende Aspekte zur Propellertheorie aufgezeigt, die im
Wesentlichen für alle gängigen Propellerarten Gültigkeit besitzen. Da der Festpropeller
(s. Abb. 5.65) nach wie vor der gebräuchlichste Propeller ist, wird er auch für die folgen-
den Ausführungen herangezogen.
g leiche optimale Drehzahl. Für Fahrt achteraus werden die Flügel soweit verstellt, dass
sich ihre Steigung umkehrt [20, S. 850 ff.].
5.4.2.2 Der Radeffekt
Durch den Drehsinn des Propellers kommt es bei der symmetrischen Bauweise des
Schiffshecks insbesondere bei Einschraubenschiffen durch den sog. Radeffekt zu einem
unsymmetrischen Strömungsverlauf im Bereich des Propellers. Das heißt, dass das
Heck die Tendenz hat, in Drehrichtung des Propellers auszuwandern (Abb. 5.68). Ist
dieser Effekt bei Vorwärtsfahrt noch relativ unbedeutend und kaum spürbar, macht er
sich doch bei Achterausfahrt bemerkbar, da eine Anströmung des Ruderblatts durch den
Schraubenstrahl kaum gegeben ist, der aber für die Ruderwirkung begünstigend ist.
Dieser Effekt wird jedoch bei Anlegemanövern ausgenutzt: Dreht der Propeller zum
Aufstoppen des Schiffes beispielsweise nach rechts, also von achtern gesehen im Uhr-
zeigersinn, wird das Heck nach Steuerbord versetzt. Insofern wäre für dieses Schiff die
Steuerbordseite die „Schokoladenseite“ zum Anlegen (vgl. Abb. 5.68).
Versuchsweise hat man, um diesen Radeffekt zu vermeiden, das Heck von Schiffen
asymmetrisch gestaltet, um, unter Berücksichtigung des Drehsinns des Propellers, einen
symmetrischen Zustrom des Wassers zu erreichen. Wie gesagt, es hat Versuche gegeben;
durchgesetzt hat sich das asymmetrische Heck allgemein nicht, da bei Vorausfahrt der
Effekt vernachlässigbar ist und gerade beim Anlegen sogar geschickt genutzt werden
kann.
Weiterhin wird der Radeffekt durch Doppelpropelleranlagen ausgeglichen. Hierbei
laufen der Backbord- und Steuerbordpropeller in entgegengesetzte Richtungen.
5.4.2.4 Kenngrößen
Eine wichtige Größe im Zusammenhang mit Betrachtungen am Propeller ist das
Flächenverhältnis. Es beschreibt die tatsächliche Fläche, die die Flügel beschreiben,
bezogen auf die Propellerkreisfläche A0:
π
A0 = · D2 (5.99)
4
mit D = Durchmesser des Propellers.
Im Zusammenhang mit der Propellergeometrie wird sowohl das projizierte Flächen-
verhältnis AP ∕A0 benutzt, wobei AP die projizierte Flügelfläche ist, als auch die gestreckte
P = 2 · π · r · tan δ. (5.100)
Im Wasser ist der tatsächliche Propellerweg allerdings kleiner als der theoretisch mög-
liche. Das Verhältnis dieser Differenz zum theoretisch möglichen Weg wird Slip
genannt; er liegt bei etwa 20 %. Der Slip stellt eine Beziehung zwischen der Drehzahl
der Propellerwelle und somit des Propellers und der Schiffsgeschwindigkeit her. Dem
liegt die vorgenannte Überlegung zugrunde, dass sich der Propeller im Wasser wie eine
Schraube mit Gewinde in einem festen Material (z. B. Holzschraube in Holz) fortbewegt.
So kann man die theoretische Fortschrittsgeschwindigkeitvth als Produkt der Drehzahl
mit der Propellersteigung angeben:
vth = n · P. (5.101)
Das Wasser fließt dem Propeller tatsächlich aber mit einer geringeren Anström-
geschwindigkeit vA, auch tatsächliche Fortschrittsgeschwindigkeit genannt (engl. „speed
of advance“), zu. Setzt man diese beiden Geschwindigkeiten ins Verhältnis, erhält man
den nominellen Slip sR:
vth − vA vA
sR = =1− . (5.102)
vth n·P
projizierte gestreckte
Flügelfläche
5.4 Leistungsübertragung 285
Dieser gibt an, um wie viel Prozent der theoretischen Geschwindigkeit der Propeller
relativ zum Wasser fortschreitet.
Setzt man die theoretische Fortschrittsgeschwindigkeit zur Schiffsgeschwindigkeit vS
ins Verhältnis, erhält man den scheinbaren Slip sA:
vth − vs vs
sA = =1− . (5.103)
vth n·P
Nomineller und scheinbarer Slip sind durch den Nachstrom w miteinander verknüpft:
1 − sR
sA = 1 − . (5.104)
1−w
Werte für den Nachstrom werden den Propeller-Slip-Diagrammen entnommen und expe-
rimentell bestimmt (Beispiel s. Abb. 5.70).
Da sich die Steigungüber den Radius verändert, wird in der Regel als Referenzwert
für die Propellersteigung der Wert bei 0,7 r verwendet und auf den Durchmesser bezogen
(Steigungsverhältnis P ∕ D). Daher bezeichnet P ∕ D das Steigungsverhältnis auf 0,7 r.
Üblicherweise werden für Frachter, Tanker u. ä. Fahrzeuge Steigungsverhältnisse von
0,5–1,5 gewählt.
Ferner ist die Drehzahl von Bedeutung für die Propellergeometrie. Ein Punkt auf
einem Flügelblatt eines Propellers bewegt sich mit der Umfangsgeschwindigkeit vu, die
abhängig ist vom Radius r und der Drehzahl n:
vu = f (r, n) = 2 · r · π · n. (5.105)
15
%
SA
10
w=
%
%
15
10
%
20
%
25
5
%
%
30
35
0
10 15 20 25 30 35 40
SR %
–5
–10
Allgemein kann bei tragflügelähnlichen Profilen gesagt werden, dass bei niedrigen
Anströmgeschwindigkeiten eine größere Steigung als bei höheren Geschwindigkeiten
gewählt wird. Daher ändert sich auch beim Schiffspropeller die Steigung eines Propeller-
flügels von einem größeren Anstellwinkel an der Nabe hin zu einem geringen Anstell-
winkel am Außendurchmesser des Propellers.
Bezüglich des tragflügelähnlichen Profils des Propellerblattes gilt: Je höher die
Anströmgeschwindigkeit, desto schlanker das Profil. Daher ist das Profil des Propeller-
flügels an der Nabe ausgeprägter und wird nach außen hin schlanker.
Die Flügelzahl z der Schiffsschraube richtet sich nach dem Durchmesser, den
Kavitationseigenschaften66 und dem Schwingungsverhalten des gesamten Vortriebs-
systems und beträgt zwischen z = 2…7 Flügeln (z. B. der geräuscharme Skew-Back-Pro-
peller bei modernen U-Booten).
Zur Abschätzung des erzeugten Schubs wird nach wie vor häufig die klassische
Strahltheorie angewendet. Der Schub wird durch eine Impulsänderung ΔI der bewegten
Wassermasse m erzeugt:
I = m · v. (5.106)
Eine angetriebene Schraube, die sich mit der Geschwindigkeit v frei im Wasser bewegt,
beschleunigt den von ihr erfassten Teil der Strömung um den Betrag Δv (Abb. 5.71).
Nach dem Impulssatz drückt die Schraube mit der Kraft (dem Schub T)
T = ṁ · v (5.107)
(mit ṁ der beschleunigten Masse Wassers in kg ∕ sec) und bewirkt eine Kontraktion des
erfassten Strahls. In der Schraubenebene ist eine Mittelgeschwindigkeit von v + v
2 vor-
handen.
Die Schraube erzeugt ferner einen statischen Drucksprung (Abb. 5.72) der Größe
�v
�p = ρ · �v · v + in N/mm2 . (5.108)
2
Der Schub T lässt sich nun wie folgt schreiben:
�v
T = A0 · �p = A0 · ρ · �v · v + in N (5.109)
2
mit A0 der Kreisfläche der Schraube.
Die Nutzleistung ist demnach T ⋅ v; andererseits geht die kinetische Energie ṁ · �v2 /2
verloren. So lässt sich der Wirkungsgrad η der Schraube berechnen:
T ·v T ·v v
η= 2
= �v
= . (5.110)
T · v + ṁ · �v /2 T ·v+T · 2
v + �v/2
v+Δv
v
Schraubenebene
In dieser Formel liegt der Faktor k zwischen 1,5 und 2,0 und berücksichtigt den effek-
tiven Nachstrom67 und den Wirkungsgrad des frei fahrenden Propellers sowie die
Umrechnung der Schiffsgeschwindigkeit von m/s in Knoten (1 kn = 0,5144 m/s). Die
Leistung P ist in kW, die Geschwindigkeit des Schiffs vS in kn einzusetzen.
Für die Propulsionsprognose wird der effektive Nachstrom auf die effektive Nach-
stromziffer w reduziert. Zur Bestimmung der effektiven Nachstromziffer wird das Ver-
hältnis der Differenz der Schiffsgeschwindigkeit vS zur Fortschrittsgeschwindigkeit vA
mit eben der Schiffsgeschwindigkeit gebildet [39]:
vS − vA vA
w= =1− . (5.114)
vS vS
Weiterhin sind zur Beschreibung des Schiffspropellers folgende Kennzahlen gebräuch-
lich (mit T in N, auf die Schraube übertragenes Drehmoment Md in Nm und Dichte des
Wassers ρ in kg ∕ m3):
Belastungszahl
T
cs = ρ , (5.115)
2 · v2 · A
Drehmomentzahl
Md
kd = ρ d (5.116)
2 · u2 · A · 2
Schubzahl
T
ks = ρ . (5.118)
2 · u2 · A0
Ferner sind noch die folgenden allgemeinen Beziehungen zwischen den Kennzahlen
gebräuchlich:
Wirkungsgrad
2 ks
η= √ =J· , (5.119)
1 + 1 + cs kd
Schubzahl
ks = cs · J 2 . (5.120)
In Gl. 5.120 ist J der sog. Fortschrittsgrad und gibt das Verhältnis zwischen der
Geschwindigkeit der sich frei bewegenden Schraube im Wasser und ihrer Umfangs-
geschwindigkeit an mit n als Drehzahl in 1 ∕ s und D als Propellerdurchmesser:
v v
J= bzw. J = . (5.121)
n·D u
a) Propellerzahl Für die Verwendung von zwei – oder vielleicht auch drei oder vier –
Propellern können folgende Gründe sprechen [19, S. 218 ff.]:
Gegen die Anordnung von mehreren Propellern können allerdings folgende Aspekte
sprechen:
c) Flächenverhältnis Die Propeller werden mit dem Flächenverhältnis AE /A0 = 0,40 –1,50
gebaut. Typische Werte des Verhältnisses sind in Tab. 5.6 aufgezeigt.
Die Erhöhung des Verhältnisses AE ∕ A0 vermindert zwar die Kavitationsgefahr, gleich-
zeitig aber sinkt der Wirkungsgrad des Propellers. So sinkt er beispielsweise bei einer
Erhöhung des Verhältnisses um 10 % um ca. 1,5–2 %.
290 5 Antriebsanlagen
Qd = KQ · ρ · n2 · D5 , (5.123)
5.4 Leistungsübertragung 291
wobei KQ vom Fortschrittsgrad J und von der Propellersteigung P ∕ D abhängig ist. Das
von der Maschine abzugebende Drehmoment kann in der gleichen Form dargestellt wer-
den:
Md = KQ′ · ρ · n2 · D5 , (5.124)
wobei der Beiwert K′Q nur von der Drehzahl abhängig ist. Für Frachtschiffe ist die
Abhängigkeit der Drehzahl von der Schiffsgeschwindigkeit in gewissen Bereichen in der
Regel linear (vgl. Abb. 5.73):
vS = c1 · n (5.125)
mit c1 = Steigung der Geraden.
Deshalb ändern sich der Fortschrittsgrad J = vS /(n · D) und der Drehmomenten-
beiwert KQ bei konstanter Steigung P ∕ D kaum. Als Folge ist die vom Propeller auf-
genommene Leistung PD proportional der Drehzahl n mit der dritten Potenz:
PD = 2 · π · n · Qd = 2 · π · KQ · ρ · n3 · D5 = c2 · n3 . (5.126)
In Gl. 5.126 ist ρ die Dichte des Wassers in kg ∕ m3; der Term 2 · π · n · KQ · ρ · D5 wird
mit c2 bezeichnet.
5.4.2.7 Kavitation
Jeder Stoff kann in Abhängigkeit von Druck und Temperatur in allen drei Aggregat-
zuständen auftreten [9, S. 215 ff.]. Für die Fluidenergiemaschine „Schiffspropeller“ sind
nur der flüssige und dampfförmige Zustand von Bedeutung. Insofern ist hier die Dampf-
druckkurve, die den für den Stoff eigentümlichen Zusammenhang zwischen Dampf-
druck und Temperatur beschreibt, von Wasser von Interesse. Der Dampfdruck ist der
Druck, der sich einstellt, wenn sich in einem abgeschlossenen System ein Dampf mit
der zugehörigen flüssigen Phase im thermodynamischen Gleichgewicht befindet. Der
Dampfdruck steigt bei allen Fluiden mit der Temperatur exponentiell an (Abb. 5.74).
Wird in einer Flüssigkeitsströmung, wie hier an dem Schiffspropeller, örtlich der sta-
tische Druck unter den der Fluidtemperatur entsprechenden Dampfdruck gesenkt, so bil-
den sich dort mit Dampf gefüllte Hohlräume, welche, durch die Strömung in Gebiete
höheren Drucks transportiert, schlagartig innerhalb von Millisekunden zusammenfallen.
Dieser Vorgang wird Kavitation genannt.
n
292 5 Antriebsanlagen
0,5
Dampf
0
0 50 100
t in °C
Diese Dampfblasenbildung wirkt sich sowohl auf das Betriebsverhalten als auch auf das
Material des Schiffspropellers aus:
Ein hoher Anteil an freien und gelösten Gasen im Wasser begünstigt im Allgemeinen
den Kavitationsbeginn und das Blasenwachstum. Ferner begünstigen raue Oberflächen
insbesondere an der Saugseite des Propellers und im Bereich der Blattkanten die
Kavitationsneigung erheblich. Als Folge beginnender Kavitation werden Strömungs-
ablösungen und Verminderung des Auftriebs am Profil des Propellerblatts festgestellt.
Insofern ist bei der Herstellung der Propeller auf eine besonders sorgfältige Oberflächen-
bearbeitung und Gestaltung der Blattkanten zu achten.
5.4.3 Antriebswellenanlage
5.4.3.1 Allgemeines
Die Wellenanlage (engl. „marine shaft device“) dient der Übertragung der Drehbewegung/
Drehleistung der Antriebsmaschine auf den Propeller sowie zur Aufnahme des Propeller-
schubs und seiner Überleitung auf den Schiffskörper. Die Wellenanlage kann aus einem oder
mehreren parallelen Antriebssträngen bestehen (Mehrschraubenschiffe; vgl. Abb. 5.75).
Ist die Antriebsmaschine nicht sehr weit achtern untergebracht, handelt es sich bei der
Wellenanlage in der Regel um ein in mehrere Segmente geteiltes System. Zur Wellen-
anlage gehören die durch das Stevenrohr geführte Propellerwelle, auch Schwanzwelle
genannt (1), die Leitungs- oder Antriebswelle (2), die Druckwelle (3), die Wellen-
kupplungen, die Lager und das Stevenrohr mit der Stevenrohrabdichtung.
Stevenrohr
2 3 4 Motor
Lager Drucklager
Der Schiffspropeller sitzt auf der Propellerwelle (1), die im Stevenrohr mittels wasser-
geschmiertem Gleitlager geführt wird. Mindestens zur Innenseite des Schiffs ist das Ste-
venrohr mit einer Abdichtung versehen, um Eindringen von Wasser ins Schiffsinnere zu
vermeiden. Die Antriebs- oder Leitungswelle (2), auf Lagerböcken in Gleit-, Kugel- oder
Rollenlagern gelagert, ist an der Druckwelle (3) angeflanscht. Diese ist mit einem Druck-
flansch versehen und leitet über das Drucklager den Propellervorschub in den Schiffs-
rumpf ein. Die Druckwelle wiederum ist mit der Kurbelwelle der Antriebsmaschine
(4) verbunden. Bei Schiffen mit durchgehender Welle kann das Drucklager auch in der
Antriebsmaschine oder in einem ggf. vorhandenen Getriebe integriert sein; dann entfällt
das hier gezeigte Drucklager.
Aus Wartungs- und Montagegründen werden lange Wellenanlagen aus mehreren Teil-
wellen bestehend ausgeführt. Die saubere Ausrichtung der Antriebswelle ist wichtig, um
optimale Betriebsbedingungen für den Schiffsantrieb zu gewährleisten. Eine ungenaue
Ausrichtung der Antriebswelle kann zu Vibrationen des Schiffes und Schäden an den
Lagern der Welle führen.
Bei sehr langen Wellenanlagen umgibt ein begehbarer Wellentunnel beim Durch-
queren von Laderäumen oder anderen Schiffsräumen die Wellenanlage.
Oft sind Getriebe Bestandteil der Wellenanlage. Diese dienen dazu, die Motordreh-
zahl zu untersetzen, da für einen günstigen Antriebswirkungsgrad in der Großschiff-
fahrt Drehzahlen unter 200 Umdrehungen pro Minute, wenn möglich sogar unter 100
Umdrehungen pro Minute angestrebt werden. Darüber hinaus verfügen die Getriebe
häufig über weitere Abtriebe zum Betreiben von Hilfsmaschinen wie Generatoren oder
Pumpen.
Bei komplexen Antriebsanlagen nehmen die Getriebe der Wellenanlage eine zentrale
Rolle ein, da hier mehrere Motoren und evtl. Turbinen mit sehr unterschiedlichen Dreh-
zahlen auf eine oder mehrere Wellen geschaltet werden müssen (s. auch Abschn. 5.3).
ist in der Regel mit hohen Belastungen für den Motor (bei Verbrennungsmotoren;
Elektromotoren sind gegen das Umsteuern unempfindlich) und einem Zeitverzug (durch-
aus von mehreren Minuten) verbunden. Verstellpropeller und Getriebe zum Umsteuern
sind in der Anschaffung teuer.
Weiterer Nachteil: Insbesondere bei Wellenanlagen mit nur einem Propeller führt das
Anfahren nach achteraus aufgrund des sog. Radeffekts des Propellers zu einem starken
seitlichen Versatz des Hecks. Diesem kann mit Ruderlegen allerdings nur äußerst gering
entgegengewirkt werden, da bei Achterausfahrt die Ruderwirkung nur sehr gering ist
(vgl. Abschn. 5.4.2.2)!
Bei Wellenanlagen mit zwei Propellern ist die Drehrichtung beider Propeller gegen-
läufig, sodass nahezu kein Radeffekt auftritt und die Manövrierfähigkeit wesentlich ver-
bessert werden kann.
Hinsichtlich der Bemessung von Wellen wird zunächst auf folgende Normen hin-
gewiesen:
DIN 743-1 Tragfähigkeitsberechnung von Wellen und Achsen – Grundlagen, Einführung,
DIN 743-2 Tragfähigkeitsberechnung von Wellen und Achsen – Kerbwirkungs- und
Formzahlen,
DIN 743-3 Tragfähigkeitsberechnung von Wellen und Achsen – Werkstoff-Festigkeits-
werte,
DIN 743-4 Tragfähigkeitsberechnung von Wellen und Achsen – Dauerfestigkeit, Zeit-
festigkeit,
DIN 748-1 zylindrische Wellenenden – Abmessungen, Nennmomente,
DIN 1448 kegelige Wellenenden mit langem Kegel (1 : 10) und Gewindezapfen sowie
mit kurzem Kegel und Gewindezapfen,
VDI 3840 schwingungstechnische Berechnungen.
Konkrete Berechnungsgrundlagen für Wellenanlagen von Schiffen finden sich unter
den vorne genannten Bauvorschriften des DNV GL. Eine Werft ist also hinsichtlich der
Bemessung der Wellenanlage ggf. auch vom Kundenwunsch abhängig. Im Folgenden
wird eine Propellerwelle zunächst einmal nach DIN 748, dann nach Bauvorschrift GL
berechnet, um zu sehen, welche Unterschiede hier auftreten.
Vorstehende DIN 748 berücksichtigt, dass eine Antriebswelle durch das zu über-
tragende Drehmoment nicht nur einer Torsionsbeanspruchung unterliegt; aufgrund
ihres Eigengewichts hat sie zwischen den Lagern eine Durchbiegung, die zu einer
zusätzlich zu berücksichtigenden Biegebeanspruchung der Welle führt.
Lösung: Durch Umstellen der Gleichung aus Spalte c (Durchmesser und somit Durch-
biegung der Welle sollen ja erst noch ermittelt werden – somit ist das Biegemoment
nicht bekannt) nach d ergibt sich
3,5 M
d= .
27,45862 · 10−5
M wiederum ergibt sich durch Umstellen der Gl. 5.39 für die Nutzleistung eines
Dieselmotors69
9550 · P
M=
n
mit
M in Nm,
P in kW,
n in min−1,
9550 · 20.000
M= = 1.591.667 Nm.
120
Durch Einsetzen und Lösen der obigen Gleichung für d ergibt sich: d = 616 mm.
Auslegung nach „GL I Schiffstechnik, 1 Seeschiffe, 2 Maschinenanlagen, Abschn.
4 C.2“:
Der Berechnung liegt dort folgende Gleichung zugrunde:
d minimal erf. Außendurchmesser der Welle (mm),
PW
da ≥ d ≥ F · k · 4 CW ,
3 (5.128)
n · 1 − ddai
69Siehe Abschn. 5.3 und auch „Nutzleistung und einige Kenngrößen des Dieselmotors“, Abschn.
5.3.1.
298 5 Antriebsanlagen
Lösung: Die Längenausdehnung Δl eines Körpers errechnet sich nach der Gleichung
�l = l0 · α · �t (5.130)
mit
l0 der Anfangslänge,
α dem Werkstoff spezifischen Längenausdehnungskoeffizienten (für Stahl
11,7 · 10−6 1/K; weitere Längenausdehnungskoeffizienten finden sich im
Anhang 15),
Δt der Temperaturdifferenz.
Der Lagerabstand la bei langen Wellen soll erfahrungsgemäß ungefähr liegen bei70
√
la ≈ 300 d (5.131)
mit d als Wellendurchmesser. Wichtig bei der Wahl des Lagerabstandes ist aber, dass alle
Lager möglichst gleichmäßig belastet werden. Dazu sollte eine gedrängte Bauweise mit
kleinen Lagerabständen angestrebt werden. Dadurch hat die Welle ein kleineres Biege-
moment, was wiederum zu einem kleineren Wellendurchmesser und somit auch zu klei-
neren Lagern führt. Diese können grundsätzlich als Gleit- oder Wälzlager ausgeführt
werden.
Hinsichtlich der Schmierungder Lager wird zwischen Öl- und Fettschmierung unter-
schieden. Soweit Gleitlager eingebaut werden, kommt überwiegend die Ölschmierung
zum Tragen, Wälzlager hingegen können bei der Lagerung von Antriebswellen auch fett-
geschmiert sein. Wartungsfreie Wälzlager sind mit Wälzlagerfett gefüllt, der Lagerkäfig
beidseitig mit Dichtscheiben abgedichtet. Dadurch kann kein Fett aus dem Lager austreten,
Eindringen von Schmutz wird verhindert. In Abb. 5.77 wird die Lagerung einer Antriebs-
welle mittels Wälzlager und Ölschmierung gezeigt. Das Lagergehäuse ist mit Öl gefüllt,
über das Sichtfenster oben kann visuell eine Kontrolle des Ölstands vorgenommen werden.
Rechts am Lagergehäuse ist ein Messingthermometer zu erkennen, mit dem die Öltempe-
ratur – neben einer Aufzeichnung im Leitstand – visuell vor Ort überwacht werden kann.
Die Ölschmierung der Gleitlager dient zum einen dazu, dass die Welle im Lager
„schwimmt“, zum anderen dient das Öl der Wärmeabfuhr, die durch die Lagerreibung
entsteht. Der hierbei entstehende Ölverlust muss ausgeglichen werden. Bei kleinen
Lagern kommen daher Deckelöler, Dochtöler, Tropföler oder Ähnliche zur Anwendung.
Gebräuchlich bei großen Wellenanlagen mit Gleitlagerung sind jedoch Umlauf-
schmiersysteme. Durch eine Pumpe (für jedes Lager ein eigenes Schmiersystem oder
als Zentralschmierung für alle Gleitlager) wird das Schmieröl durch die obere Lager-
schale dem/den Gleitlager(n) zugeführt, im Lagertiefsten wieder abgeführt und gereinigt
(gefiltert) und im Kreis gepumpt. Verluste werden durch den Vorratsbehälter aus-
geglichen.
Hierdurch wird ein gleichmäßiger erforderlicher Ölzulauf erreicht.
Zunächst wird die Lagerung der Propellerwelle im Stevenrohr betrachtet. Durch die-
ses führt die Propellerwelle ins Schiffsinnere. Als Lagerung kommt in der Regel ein
wasser- oder ölgeschmiertes Gleitlager zur Anwendung, bei Gondelantrieben (POD-
Antrieb) auch Wälzlager.
Bei den hier in der Regel zur Anwendung kommenden Gleitlagern71 soll der Lager-
werkstoff immer weicher sein als der Wellenwerkstoff, damit die Welle nicht angegriffen
wird und sich in den Lagerwerkstoff frisst. Von daher kommen für die Auskleidung der
Lagerbuchse Kunststoffe, Spezialgummis, Bronze (Kupfer-Zinn-Gusslegierungen), Weiß-
blech (Blei-Zinn-Gusslegierungen) oder vereinzelt auch Gusseisen (EN-GJL-250 und
EN-GJL-300) zur Anwendung. In den Lagerschalen finden sich konstruktiv geschickt ein-
gearbeitete Nuten, die für eine optimale Benetzung der Lagerflächen mit Wasser oder Öl
sorgen.
Bei einer wassergeschmierten Lagerung hat das Stevenrohr in der Regel nur eine
innere Stevenrohrabdichtung. Bei ölgeschmierter Lagerung muss das Stevenrohr auch
nach außen abgedichtet sein. Zum einen aus Umweltschutzgründen, zum anderen muss
vermieden werden, dass sich das eintretende Wasser mit dem Öl suspendiert, was die
Schmiereigenschaften des Öls herabsetzt.
Moderne wassergeschmierte Stevenrohrgleitlager haben auch nach außen hin eine
Abdichtung, da sie mit gefiltertem kalten Seewasser aus dem See-Kühlwasser-System
der Maschinenanlage geschmiert werden.
Kunststoffe oder Spezialgummis habe zwar niedrige Verschleißraten und weisen
günstige Gleiteigenschaften auf, haben aber nur geringe Notlaufeigenschaften, da sie
empfindlich auf hohe Temperaturen (durch Reibung) reagieren.
Bronze und Blei-Zinn-Legierungen verfügen dagegen über wesentlich bessere Not-
laufeigenschaften.
Damit sich ein ausreichender Schmierfilm im Lager ausbilden kann, ist ein Mindest-
maß an Lagerspiel erforderlich; die Tab. 5.8 enthält Anhaltswerte für das Lagerspiel in
Abhängigkeit vom Lagerwerkstoff.
Das deutlich größere Lagerspiel bei Gummi ergibt sich dadurch, dass dieses Material
zum Quellen neigt – zum einen durch Wasser- oder Ölaufnahme, zum anderen auch durch
die im Betrieb vorhandenen thermischen Belastungen (Volumenausdehnung). Dadurch
würde bei zu engen Lagerspalten die Reibung innerhalb des Lagers zu groß werden.
Neben den Gummilagern sind heute Lagerschalen aus Vesconite [82] weitverbreitet. Die-
ser thermoplastische Kunststoff hat gute Trockenlaufeigenschaften (durch eingelagertes
Molybdänsulfid als Schmierstoff), nimmt wenig Wasser auf und quillt dadurch nur wenig
auf. Er ist ähnlich belastbar wie Weißmetall. Hinsichtlich des erforderlichen Lagerspiels
können daher vergleichbare Werte wie für die metallischen Gleitlager angenommen werden.
Hinsichtlich des erforderlichen Lagerspiels sind jedoch immer die Herstellerangaben
zu beachten.
Auch die Antriebswellen – und ggf. bei langen Wellensystemen auch die Zwischen-
wellen – können ebenfalls in Gleitlagern geführt werden. Neben Gleitlagern kommen
auch Wälzlager72, z. B. Pendelrollen- oder Rillenkugellager (vgl. oben, Abb. 5.77), zum
Einsatz (s. Abb. 5.78) mit den Baugruppen:
• 1 Welle,
• 2 Nutmutter nach DIN 981,
• 3 Sicherungsblech nach DIN 5406,
• 4 Außen- und Innenring, Rollen bzw. Kugeln und Rollen- bzw. Kugelkäfig,
• 5 Spannhülse nach DIN 5415.
Die Lager sind auf Lagerböcken montiert, die mit der Schiffskonstruktion über sog. inte-
grierte Fundamente verbunden sind (vgl. Abb. 5.76).
Die Druckwelle schließlich überträgt den Propellerschub bei der Voraus-, aber auch
bei Achterausfahrt über das Drucklager auf das Schiff. Hierbei findet ein Wälzlager Ver-
wendung (z. B. zweiseitig wirkendes Axialrillenkugellager oder Kippsegmentdrucklager73),
welches die axialen Kräfte des Vorschubs aufnimmt. Ist ein Getriebe zwischen Motor und
Welle eingebaut, so ist das Drucklager im Getriebe integriert. Bei Direktantrieben ist das
Drucklager mit seinem Lagerbock direkt mit der Schiffskonstruktion über ein integriertes
Fundament verbunden; zum Teil wird es auf der Motorgrundplatte montiert.
Durch kreuzweisen Wechsel der Richtung des Schabers entsteht das typische Schab-
muster. Es dient einerseits der optischen Verbesserung der Oberfläche, andererseits ver-
bleibt in den Vertiefungen in hydrodynamisch geschmierten Gleitlagern der Schmierfilm
aus Öl oder Wasser (im Stevenrohr) besser aufrechterhalten.
Am langsamen Verschwinden des Musters kann der Verschleiß abgeschätzt werden.
Zur Montage und Demontage von Wälzlagern ist grundsätzlich Folgendes zu
beachten:74
Vor Beginn der (De-)Montage sollte ein Schema der einzelnen Arbeitsgänge aufgestellt
werden. Information über die erforderlichen Anwärmtemperaturen, die Kräfte zum Auf-
und Abziehen der Lager und die erforderliche Fettmenge müssen vorhanden sein.75
Wälzlager sind mit einem Korrosionsschutzöl konserviert. Bei der Montage der
Lager braucht dieses nicht ausgewaschen zu werden. Es verbindet sich im Betrieb mit
dem Schmierstoff und gewährleistet beim Anlauf kurzzeitig eine ausreichende Schmie-
rung. An den Sitz- und Anlageflächen wird das Korrosionsschutzöl vor der Montage
abgewischt. Aus kegeligen Lagerbohrungen dagegen sollte der Korrosionsschutz vor
dem Einbau ausgewaschen werden, um einen sicheren, festen Sitz auf der Welle oder
Hülse zu gewährleisten. Nach dem Auswaschen mit Kaltreiniger wird die Bohrung mit
einem Maschinenöl mittlerer Viskosität dünn benetzt. Gebrauchte und verschmutzte
Lager sind vor dem Einbau in Waschpetroleum oder in Kaltreiniger auszuwaschen
und anschließend sofort wieder einzuölen oder einzufetten. Wälzlager sind unter allen
Umständen vor Schmutz und Feuchtigkeit zu schützen, da auch kleinste Teilchen, die in
das Lager eindringen, die Laufflächen beschädigen können. Daher muss der Montage-
platz staubfrei und trocken sein. Auch auf die Sauberkeit der Welle und des Gehäuses ist
zu achten. An den Sitzstellen des Lagers auf der Welle und im Gehäuse sind Rostschutz-
überzüge und Farbrückstände sorgfältig zu entfernen. Grate und scharfen Kanten an Wel-
len und Gehäusen müssen entfernt und gebrochen werden.
Alle zur Lagerung gehörenden Teile sind vor dem Zusammenbau auf ihre Maß- und
Formgenauigkeit zu kontrollieren. Grundsätzlich sollten beide Wälzlagerringe durch
die Sitzfläche gut unterstützt und daher möglichst fest gepasst sein. Das ist jedoch nicht
immer möglich, weil der Ein- und Ausbau dadurch erschwert wird oder weil ein Ring
bei Loslagern leicht verschiebbar sein muss. Das Übermaß bei festen Passungen führt zu
einer Aufweitung des Innenrings bzw. zu einer Einschnürung des Außenrings und damit
zu einer Verringerung der Radialluft. Deshalb muss die Radialluft auf die Passungen
abgestimmt sein.
Für den Einbau der Wälzlager wird auf Folgendes hingewiesen:
Aufgrund unterschiedlicher Bauarten und Größen können Wälzlager nicht alle nach
der gleichen Methode montiert werden. Man unterscheidet zwischen mechanischen, hyd-
raulischen und thermischen Montageverfahren.
5.4.3.6 Lagerberechnung
Nachdem der erforderliche Wellendurchmesser ermittelt wurde, sind die entsprechenden
Lager zu wählen. Dabei ist auf die Kataloge der Lagerhersteller zurückzugreifen.
Ausschlaggebendes Kriterium für die Wahl des „richtigen“ Wälzlagers ist seine
zu erwartende Lebensdauer, die mit dem Lebensdauerfaktor fL beschrieben wird. Der
Lebensdauerfaktor soll für Schiffsdrucklager bei 3…4 und für Schiffswellenlager bei
4…6 liegen. Er wird nach folgender Gleichung bestimmt:
C
fL = fn (5.132)
P
mit
C der dynamischen Tragzahl (s. weiter unten),
P der dynamischen äquivalenten Lagerbelastung (s. unten),
fn dem Drehzahlfaktor (aus Herstellerkatalog).
Folgende Rechenschritte nach ISO 281 sind durchzuführen:
der Welle als Streckenlast in die Berechnung ein, der Propeller erzeugt zusätzlich
noch eine Einzellast an einem Kragarm (vgl. Abb. 5.84). Ein Beispiel zur Ermittlung
der Lagerkräfte findet sich in Abschn. 5.4.3.7 d).
Für radial mit einer Radialkraft Fr und axial mit einer Axialkraft Fa belastete Radial-
lager beträgt die dynamische äquivalente Lagerbelastung
P = XFr + YFa . (5.134)
X ist der Radialfaktor, der das Verhältnis Radial- zur Axialkraft berücksichtigt, Y ist
der Axialfaktor zur Umrechnung der Axialkraft in eine gleichwertige (äquivalente)
Radialkraft. Diese Faktoren können den Lagerkatalogen der Hersteller entnommen
werden.
b) Dynamische Tragzahl und Lebensdauer
Die Lebensdauer eines Wälzlagers ist die Anzahl der Umdrehungen oder Stunden,
bevor sich erste Anzeichen für einen Verschleiß an Wälzkörper oder Rollbahn zeigen.
Die dynamische Tragzahl C ist die Belastung, die eine nominelle Lebensdauer von
L = 106 Umdrehungen bzw. Lh = 500 h bei n = 33 1/3 min−1 erwarten lässt. C ist den
Herstellerkatalogen zu entnehmen.
Berechnung der Lebensdauer in Millionen Umdrehungen bei 10 % Ausfall-
wahrscheinlichkeit:
p
C
L10 = (5.135)
P
mit p dem Lebensdauerexponenten (p = 3 für Kugellager; p = 10 ∕ 3 für alle anderen
Wälzlager).
Berechnung der Lebensdauer in Stunden bei 10 % Ausfallwahrscheinlichkeit:
p
106
16.666 C
L10h = · L10 = · . (5.136)
60 · n n P
Lösung: Um ein Lager auszuwählen, welches diese Last tragen kann, muss zuerst die
notwendige dynamische Tragzahl bestimmt werden:
Für die Lagerbauart „Zylinderrollenlager“ finden sich im Lagerkatalog des
gewählten Herstellers die Werte X = 1 und Y = 0.
Aus Gl. 5.134 folgt:
P = XFr + YFa = 1 · 12 kN + 0 · Fa = 12 kN.
308 5 Antriebsanlagen
Durch Umstellen der Gleichung für L10h (Gl. 5.136) nach C folgt nun:
1 3
L10h · 60 · n p 10.000 · 60 · 160 10
C= ·P = · 12 = 47,2 kN.
106 106
Die dyn. Tragzahl sollte insofern mind. 47,2 kN betragen. Hiermit lässt sich aus dem
Herstellerkatalog ein geeignetes Lager auswählen.
Bei der Gestaltung von Gleitlagern ist die zulässige spezifische Lagerbelastung aus-
schlaggebende Größe zur Dimensionierung der Lager.76 Grundsätzlich darf die zulässige
spezifische Lagerbelastung (Flächenpressung) nicht überschritten werden; es gilt:
F
p= ≤ pzul (5.137)
b·d
mit
p spez. Lagerbelastung (N ∕ mm2),
pzul zul. spez. Lagerbelastung (N ∕ mm2),
F Radialkraft auf die Lagerschale (N),
d Durchmesser der Lagerschale (mm),
b Breite Lagerschale (mm).
Aus dem ermittelten Wellendurchmesser, der in Gl. 5.137 mit d eingeht, kann dann mit
der zulässigen spezifischen Lagerbelastung durch Umstellen der Gleichung die erforder-
liche Lagerschalenbreite errechnet werden.
Tab. 5.9 enthält Richtwerte für pzul.
5.4.3.7 Wellenkupplungen
Selten ist die Propellerwelle direkt mit dem Getriebe oder der Kurbelwelle des Motors
verbunden. In der Regel sind die Wellenanlagen insbesondere aus Gründen der Montage-
freundlichkeit geteilt (vgl. Abschn. 5.4.3.1). Die Verbindung der einzelnen Wellen
wird konstruktiv durch Wellenkupplungen vorgenommen. Dabei können sowohl feste
(starre) – Abb. 5.79 – als auch elastische Kupplungen zum Einsatz kommen. Ferner
wird unterschieden zwischen schaltbaren Kupplungen (die das Zu- und Abschalten des
Antriebsstranges zum Motor ermöglichen) und nichtschaltbaren Kupplungen. Schalt-
bare Kupplungen arbeiten nach dem Prinzip des Reibschlusses. Weiter gibt es hydrau-
lische und elektromagnetische Kupplungen. Auf alle Besonderheiten der Vielfalt der
Kupplungssysteme näher einzugehen, würde hier den Rahmen sprengen – es wird dies-
bezüglich auf einschlägige Literatur verwiesen, z. B. [2, 24, 26].
Im Folgenden werden feste (starre) und elastische Kupplungen näher betrachtet, die
zur Verbindung der einzelnen Wellensegmente eingesetzt werden.
Beim Einsatz fester bzw. starrerKupplungen ist auf eine exakte Ausrichtung der
Wellenkomponenten zu achten!
Elastische Kupplungensind dagegen in der Lage, Abweichungen in Längsrichtung –
hervorgerufen durch Temperaturänderungen oder veränderliche Schubkräfte – zu kom-
pensieren. Sie gleichen Wellenbewegungen in radialer Richtung aus, hervorgerufen
durch Biegemomente (Eigengewicht, Drehschwingung). Auch können sie geringe
Winkelabweichungen zwischen zwei Wellen ausgleichen. Darüber hinaus kompensieren
sie abrupte Drehmomentschwankungen auf (z. B. durch rasche Drehzahländerungen); die
elastischen Kupplungen können derartige Stoßbelastungen durch vorübergehendes Auf-
speichern mechanischer Arbeit mildern.
Für die Berechnung von Kupplungen ist das maximal zu übertragende Drehmoment
Mt,max maßgeblich, wobei
Mt,max = k · Mt,normal (5.138)
ist, mit k dem sog. Stoßbeiwert. Der Stoßbeiwert berücksichtigt Anfahr- und Betriebs-
verhalten der Antriebsanlage; mit guter Näherung kann er im Allgemeinen mit 1,1…2,5
angenommen werden [28, S. 64 ff.].77
Mt,max = FS · n · µ · D (5.139)
mit
FS Anpresskraft der einzelnen Schraube,
n A nzahl der Schrauben,
μ Haftreibungskoeffizient Material Welle/Kupplung,
D Wellendurchmesser.
c) Scheibenkupplung78 Sie werden sowohl als feste (s. Abb. 5.81) wie auch als elasti-
sche Kupplungen ausgeführt (s. Abb. 5.82).
Auf jedem Wellenende ist eine Flanschnabe (Scheibe) befestigt (aufgeschrumpft mit
Keil oder geschweißt). Beide Elemente werden miteinander verschraubt. Für den rich-
tigen Sitz sorgt ein Zentrieransatz zwischen den beiden Scheiben. Die Wellen müssen
absolut fluchten (bei Kupplungen mit Zentrierbund). Die Kraftübertragung erfolgt auf-
grund der Haftreibung zwischen den beiden Kupplungsflächen (Haftreibungszahl μ ≈ 0,2
bei geschruppten Reibflächen), Momentübertragung durch Haftreibung und Formschluss
bei Verwendung von Passschrauben.
Bei Scheibenkupplungen mit elastischem Zwischenring können Lagetoleranzen aus-
geglichen werden. Sie sollten aber möglichst an der Stelle der Welle eingebaut werden,
wo ihr Biegemoment null ist (s. dazu weiter unten unter d).
In unmittelbarer Nähe von Flanschverbindungen müssen die Wellen gelagert sein.
Weitere Details:
FV
FV
mit
FS Anpresskraft der einzelnen Schraube,
n Anzahl der Schrauben,
μ Haftreibungskoeffizient Material Kupplungsscheiben,
D1 Schraubenkreisdurchmesser.
d) Statische Aspekte zur Wahl der Kupplungsart Aus statischer Sicht ist bei der Wahl
der Kupplungsart zu beachten:79 Eine Welle ist statisch bestimmt gelagert, wenn die
Summe der vertikalen Kräfte, die Summe der horizontalen Kräfte und die Summe der
angreifenden Momente null ist. Eine Welle, die als ein durchlaufender Träger angesehen
werden kann (Abb. 5.83), ist daher statisch bestimmt gelagert (äußerlich statisch
bestimmt), wenn nicht mehr als drei unbekannte Auflagerreaktionen vorhanden sind.
Soll also eine Welle (Träger) auf zwei Lagern (Stützen) statisch bestimmt gelagert wer-
den, so müssen ein festes (zwei Lagerreaktionen – in Abb. 5.83 das rechte Lager –, z. B.
das in axialer und radialer Richtung wirkende Drucklager an der Kurbelwelle des Motors)
und ein bewegliches Auflager (eine Lagerreaktion – in Abb. 5.83 das linke Lager –, z. B.
das Stevenrohrlager) vorhanden sein, denn nur dann sind im ganzen 2 + 1 = 3 unbekannte
Lagerreaktionen vorhanden.
Statisch unbestimmt nennt man dagegen ein System, wenn mehr als drei unbekannte
Größen auftreten. Das ist bei langen Wellenanlagen häufig der Fall. Um unzulässige
Durchbiegungen der Welle zu verhindern, müssen zwischen Stevenrohrlager und End-
lager Zwischenlager vorgesehen werden. Das führt zur statischen Unbestimmtheit (je
nach der Anzahl der Zwischenlager zu einer entsprechenden statischen Überbestimmt-
heit: bei einem Zwischenlager einfach statisch überbestimmt, bei zwei Zwischenlagern
zweifach statisch überbestimmt usw.). Ein statisch überbestimmtes System kann zum
Teil stabiler in sich sein als ein statisch bestimmtes, ist aber komplizierter zu berechnen.
Für die Wahl der Kupplungen ist Folgendes von Bedeutung: Werden feste Kupplungen
benutzt, ist ihre Einbaustelle konstruktiv zu wählen (hier zählen in aller Regel Zweckmä-
ßigkeitsaspekte, wie z. B. Montagefreundlichkeit). Elastische Kupplungen in statisch über-
bestimmten Systemen müssen allerdings dort angeordnet werden, wo die Momentenlinie
im Lastfall Eigengewicht-Welle einen Nulldurchgang aufweist, da diese Kupplungen kaum
radiale Kräfte aufnehmen können – sie wirken als Gelenke wie in einem Gerberträger.
Durch entsprechende Anzahl und Anordnung elastischer Kupplungen kann dann
eine mehrfach gelagerte Welle wieder zu einem statisch bestimmten Wellensystem
Zwischenlager
erden, sodass zwischen den einzelnen Teilen keine aus der Durchbiegung der Teile
w
entstehenden Kräfte übertragen werden. Die Welle ist statisch bestimmt, wenn folgende
Regeln befolgt werden:
• Die Anzahl der Gelenke (elastischen Kupplungen) ist um Eins kleiner als die Anzahl
der Felder.
• In Mittelfeldern dürfen höchsten zwei Gelenke angeordnet werden, in Endfeldern
höchstens eins.
• An Mittelfeldern mit zwei Gelenken angrenzende Mittelfelder dürfen höchstens ein
Gelenk haben.
• An Mittelfeldern mit zwei Gelenken angrenzende Endfelder dürfen kein Gelenk haben.
Der statische Aspekt der mehrfach gelagerten und unterteilten Wellenanlage wird nach-
folgend etwas näher beleuchtet.
VK = 17,80 kN
MK
316 5 Antriebsanlagen
Nunmehr handelt es sich statisch gesehen um einen Dreifeldträger ohne Kragarm mit
vorstehender Belastung.
Stützmomente:
Stützmomente aus Streckenlast q: Die Bestimmung der Stützmomente aus Strecken-
last erfolgt für den symmetrischen Dreifeldträger mit symmetrischer Belastung nach
folgender Gleichung [17, S. 2.14] und Einsetzen der Zahlenwerte:
L3 · l3 · l2
MB =
K
und
L3 · 2l3 · (l1 + l2 )
MC = −
K
mit
L = −MK · (1 − 3 · β 2 )
mit
β = b/l [17, S. 2.10].
In dieser Gleichung ist l die Länge eines betrachteten Trägers, b der Abstand vom
Trägerende bis zu dem Punkt, an dem das Moment angreift. Da im vorliegenden Fall
das Moment am Trägerende angreift, ist β insofern null. Somit errechnet sich L zu:
Aus der Darstellung der Schnittgrößen können die Lagerkräfte, die zur Dimensionie-
rung und Auswahl der Gleit- bzw. Wälzlager ausschlaggebend sind, ermittelt werden:
Drucklager A = 20,1 kN,
Zwischenlager B = 27,9 kN + 13,2 kN = 41,1 kN,
Zwischenlager C = 10,8 kN + 25,8 kN = 36,6 kN,
Stevenrohrlager D = 22,2 kN + 17,8 kN = 40,0 kN.
5.4.4 Stevenrohrabdichtung
Die Antriebs- oder Propellerwelle wird durch das Stevenrohr aus dem Schiffsrumpf
nach außen geführt (s. Abb. 5.75). Um den Wassereintritt in das Schiffsinnere durch
das Stevenrohr zu unterbinden, kommen verschiedene Stevenrohrdichtungssysteme zur
Anwendung.
5.4 Leistungsübertragung 319
Eine absolute Dichtheit im physikalischen Sinne gibt es nicht. Man muss sich ver-
ständigen, was man im konkreten Fall unter „dicht“ verstehen will (Moleküle, Feuchtig-
keit, Tropfen…). Diese „Dichtheit“ bezeichnet man als technische Dichtheit. Wird die
Fuge zwischen zwei abzudichtenden Teilen (hier Welle und Stevenrohr) mit einem
geeigneten Hilfsstoff (Dichtung) gefüllt und wird dieser Hilfsstoff so stark verpresst,
dass sowohl seine internen „Poren“ als auch die Mikrospalte zwischen Dichtung und
abzudichtenden Teilen so klein werden, dass der zurückzuhaltende Stoff nicht mehr
durchdringen kann, ist eine berührendeDichtung realisiert. Dichtungen, welche ohne
mechanische Berührung der beiden Teile und ohne einen festen „Zwischenstoff“ aus-
kommen, werden berührungsfreieDichtungen (auch Spaltdichtungen) genannt, die hier
jedoch nicht näher betrachtet werden.
Folgende Systeme kommen in der Schifffahrt bei Stevenrohrabdichtungen zum Einsatz:
• Gleitringdichtung,
• Radialwellendichtring.
Die Stopfbuchse findet sich allenfalls noch bei kleinen Booten oder in historischen
Fahrzeugen. Daher wird im Folgenden nur auf die Systeme Gleitringdichtung und Radi-
alwellendichtring näher eingegangen.
5.4.4.1 Gleitringdichtung
Gleitringdichtungen (GLRD) konnten sich im Laufe der Zeit – vor allem wegen ihrer
vergleichsweise geringen Leckage und Reibung – als Wellendichtungen im Bereich der
Schifffahrt durchsetzen.82
Hauptkomponenten des Systems Gleitringdichtung (Abb. 5.85) sind zwei aufeinander
gleitende Ringe (Gleitring und ein Gegenring), die axial durch eine Feder aneinander-
gepresst werden und zwischen denen sich durch hydrostatische und hydrodynamische
Effekte ein Dichtspalt mit einem Spaltmaß < 1 μm bildet. In diesem Dichtspalt befindet
sich ein Schmierfilm aus dem abzudichtenden Stoff (hier Wasser oder Öl), der die Funk-
tion der Gleitringdichtung maßgeblich beeinflusst. Der Abstand zwischen den zwei Flä-
chen hängt von mehreren Faktoren ab. Dazu zählen unter anderem die Beschaffenheit
der Gleitflächen, der abzudichtende Druck sowie die Gleitgeschwindigkeit. Der Schmier-
film führt zu einer Verringerung der Reibung, was einen Verschleiß der Gleitflächen
praktisch verhindert [59].
Ein möglicher Verschleiß der Gleitflächen wird durch Nachrücken aufgrund des
Federdrucks automatisch ausgeglichen; GLRD sind somit wartungsfrei.
Einer der beiden Ringe sitzt starr im Stevenrohr, der andere ist mithilfe von Verdreh-
sicherungsstiften auf der Welle befestigt. Gleitwerkstoffe sind in der Regel aus Kohlen-
stoffgraphitwerkstoffen, Metall, Keramik, Kunststoff oder kunstharzgebundenem
Kohlenstoff.
mit
f Reibungszahl,
κ Belastungsfaktor,
Δp Druckdifferenz,
v Gleitgeschwindigkeit,
A Gleitfläche,
pf Federpressung,
k Flächenverhältnis
5.4 Leistungsübertragung 321
Reibungszahl f
der Reibungszahlen von
Standardgleitringdichtungen.
(Quelle: [12, S. 22])
0,1
0,01
10–8 10–7 10–6 10–5
(κ, pf, A und k sind Kenngrößen der GLRD) sowie dem Diagramm (Abb. 5.86)
abschätzen.
Die vorstehenden Gleichungen verdeutlichen, dass schmale Gleitflächen (kleines
A) und entlastete Gleitringdichtungen (Flächenverhältnis k < 1) zu höheren Leistungs-
grenzen (p-v-Wert) führen. Deshalb kommen für Drücke > 1,5 MPa praktisch nur ent-
lastete GLRD zum Einsatz.
5.4.4.2 Radialwellendichtringe
Radialwellendichtringe [12] sind Lippendichtungen, wobei die Primärdichtlippe radial
an einem drehenden Teil anliegt. Das klassische, bekannteste und sehr häufig eingesetzte
Element dieser Gruppe ist der Elastomerradialwellendichtring RWDR, landläufig
auch Simmerring genannt (s. Abb. 5.87). Bei gut schmierender Flüssigkeit, optimaler
Umspülung und geeignetem Werkstoff sind RWDR bis 35 m ∕ s Gleitgeschwindigkeit ein-
setzbar. Die Dichtwirkung des RWDR basiert auf einem elastohydrodynamischen Rück-
fördereffekt. Dieser beruht auf den beiden unterschiedlichen Dichtkantenwinkeln α und
β und einem charakteristischen Berührflächenverschleiß. Die abzudichtende Flüssigkeit
muss immer auf der Seite mit dem größeren Dichtkantenwinkel α sein. Wird auf der
Seite mit dem kleineren Dichtkantenwinkel β Flüssigkeit angeboten, so wird diese auf
die Seite mit dem großen Dichtkantenwinkel gepumpt. Radialwellendichtringe sind also
aktive Dichtelemente und können deshalb leckagefrei abdichten.
Abb. 5.88 zeigt einige Bauformen von RWDR nach DIN.
Form A mit gummiertem Versteifungsring bringt bessere Sekundärdichtheit und
geringere Toleranzempfindlichkeit. Form AS und Form D haben sogenannte Schutz-
lippen (AS berührungsfrei, D flach gestellt mit geringer Anpressung). Schutzlippen min-
dern den Flüssigkeits- und Schmutzanfall von der Bodenseite her.
322 5 Antriebsanlagen
Gehäuse
Versteifungsring
Membran
Zugfeder Stirnseite
Bodenseite
abzudichtende
Flüssigkeit
β α
Welle
Federhebelarm hf
Berührbreite b
Alle RWDR-Bauformen gibt es auch mit Drall. Drall sind makroskopische Rückför-
derstrukturen auf der Bodenseite der Dichtkante (Winkel β). Sie verbessern das Dichtver-
mögen von RWDR wesentlich.
RWDR nach DIN 3760/3761 und ähnliche Elemente sind nur zur Abdichtung nahezu
druckloser Flüssigkeiten geeignet. Sind mehr als ca. 0,02 MPa (was beispielsweise bei
Kreuzfahrt- oder Containerschiffen mit Tiefgängen von zum Teil > 7 m der Fall sein
kann) abzudichten, kommen Radialwellendichtringbauformen, wie in Abb. 5.89 gezeigt,
zum Einsatz.
Typ a (Abb. 5.89) ist ein RWDR mit verkürzter und verstärkter Membran, Typ b ein
Sonderring aus Elastomer ohne Federanpressung und Typ c eine Manschettendichtung
mit einer Manschette aus PTFE-Compound. Diese Ringe sind deshalb druckbelastbar,
weil sie eine „kleine“ druckbelastete Wirkfläche (gegeben durch Abstand x zwischen
Dichtkante und niederdruckseitiger Wand) und eine größere Stabilität haben. Mit die-
sen Dichtelementen sind Drücke bis 1 MPa bei relativ geringer Gleitgeschwindigkeit
beherrschbar. Mit Dichtsystemen wie d und e mit Dichtringen aus PTFE sind aufgrund
ihrer besonderen Gestaltung (kleiner Wert x) Drücke bis 3 MPa bei Gleitgeschwindig-
keiten bis 12 m ∕ s (gleichzeitig) abdichtbar.
5.4 Leistungsübertragung 323
d e
PTFE p
Entlastung
Die Wellenlauffläche [77] DieWellenoberfläche, auf der die Dichtkante des Wellen-
dichtrings läuft, ist entscheidend für die Dichtigkeit des Systems. Sie muss so glatt
sein, dass ein übermäßiger Verschleiß durch Abrieb an der Dichtlippe vermieden wird.
Üblicherweise werden Oberflächenrauigkeiten von Ra = 0,2–0,8 μm (Rz = 1–5 μm,
Rmax < 6 μm) empfohlen. Derartige Oberflächengüten werden z. B. durch drallfreies
Schleifen im Einstich erreicht (vgl. DIN 3760/3761).
Hinsichtlich der Härte der Wellenoberfläche wird mindestens 55 HRC83 empfohlen.
Reibleistungsverlust Durch die Reibung der Dichtlippe auf der Welle tritt ein Reib-
leistungsverlust auf, der nach folgender Gleichung berechnet werden kann:
P = f · pm · π · b · d · v · n (5.143)
83Härte-Rockwell-Cone, ein Härteprüfverfahren, bei dem ein kegelförmiger Prüfkörper zur Mes-
Reibungszahl f
0.5
η = dynamische Viskosität im
Dichtspalt. (Quelle: [12, S. 18]) 0.3
Mischreibung
0.2
0.1
10–8 10–7 10–6 10–5
G=η·ω/pm
mit
f Reibungszahl,
pm mittlere Flächenpressung,
b Berührbreite,
d Abdichtdurchmesser,
v Umfangsgeschwindigkeit,
n Anzahl der Lippendichtungen.
Die Reibungszahl f ist abhängig von der „Gümpelzahl“ G. Abb. 5.90 zeigt den Reibungs-
zahlbereich von RWDR in Abhängigkeit von G. Hiermit kann die Reibleistung P eines
RWDR abgeschätzt werden.
Für eine erste Abschätzung kann von einer mittleren Flächenpressung pm = 1 N/mm2
bei einer Berührbreite von b = 0,15 mm ausgegangen werden.
Beispiel
Wellenanlage mit drei Lippendichtungen; d = 350 mm, n = 150 min−1, f = 0,4. Wie
groß sind Reibmoment und Reibleistung?
Lösung: Aus Gl. 5.143 folgt unter Einsetzen der gegebenen Werte:
wobei
Laufbuchse/Gleitlager
Abb. 5.91 Prinzip der inneren und äußeren Stevenrohrabdichtung mit Lecküberwachung durch
Ölfüllung
Dichtungssystem mit Öl geschmiert, zum anderen zeigt ein fallender Ölstand im Hoch-
behälter eine Undichtigkeit im Dichtungssystem an. Durch das Anbringen des Hoch-
behälters oberhalb der Wasserlinie herrscht im Raum zwischen der inneren und äußeren
Dichtung, gegenüber dem Wasserdruck von außen, ein minimal höherer Druck. Bei einer
Undichtigkeit würde somit Öl nach außen austreten.
Bekannte Vertreter dieser Einbauart sind Stevenrohrabdichtungen nach den SIM-
PLEX-Systemen [64]. Abb. 5.92 zeigt die automatische Überwachungseinheit einer
SIMPLEX-Compect-Stevenrohrabdichtung.
Die SC2, auch Simplex-Compact 2000 genannt, gehört zu den letzten Entwicklungen
der ölgeschmierten Stevenrohrabdichtungen; sie ist die zurzeit bevorzugte Technologie
in Hochseeschiffen. Hauptmerkmale der SC2 sind [65]:
Die SC2-Abdichtung kann auch als komplett geteilte Version geliefert werden, um einen
Austausch der gesamten Abdichtung inklusive der Laufbuchse ohne das Ziehen der
Welle zu ermöglichen. Das Gehäuse der hinteren Abdichtung ist außerdem axial geteilt.
Die geteilten Abdichtungskomponenten erlauben einen einfachen und schnellen Service
und sind daher ideal, um Zeit und Kosten im Trockendock zu sparen.
326 5 Antriebsanlagen
Literatur
Printmedien
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330 5 Antriebsanlagen
Weiterführende Literatur
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baden (1984)
84. Schnabel, P.: http://www.elektronik-kompendium.de. Zugegriffen: 28. Dez. 2017
Schiffsbetriebsanlagen/Hilfssysteme
6
Das Bild eines Maschinenraums im Schiff wird außer dem/den Antriebsmotor(en), der/
den Antriebswelle(n) und ggf. den Getrieben auch von Rohrleitungen, Ventilen, Pum-
pen und anderen Aggregaten bestimmt. Als wesentliche Manövriereinrichtung ist die
Ruderanlage zu nennen. Ferner gehören weitere zum Teil spezielle auf den Schiffstyp
und auf sein Aufgabenspektrum bezogene Einrichtungen und Anlagen zum Betrieb des
Schiffes.
Die wichtigsten Hilfssysteme und Betriebsanlagen werden in den folgenden
Abschnitten beschrieben.
6.1 Ruderanlage
Durch das Ruder wird ein Schiff in die Lage versetzt, seinen Kurs zu halten oder die
Richtung zu ändern. Die Steuerwirkung auf das Schiff wird durch das gelegte Ruder
im Fahr- und im Propellerstrom erreicht (s. Abb. 6.1). Im Anhang 17 findet sich eine
Auswahl konstruktiver Ruderausführungen.
Die bei gelegtem Ruder wirkenden Steuerkräfte ergeben sich aus der Druckverteilung
um das Ruderblatt, welches heute überwiegend eine Tropfenform hat. Der Ruderlage-
winkel wird allgemein mit dem Formelzeichen δ bezeichnet (Abb. 6.2). Der optimale
Ruderlagewinkel, bei dem das Ruder seine maximale Ruderkraft erwirkt, liegt – je nach
Ruderblattform – bei etwa 35–38°.
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 331
M. Pfaff, Schiffsbetriebstechnik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-27052-0_6
332 6 Schiffsbetriebsanlagen/Hilfssysteme
Die Ruderfläche A ist überschlägig abhängig von der Lateralfläche des Schiffs (verein-
facht: Schiffslänge LWL multipliziert mit seinem Tiefgang T; [63]).1
Für völlige Schiffe gilt
1 1
A= bis LWL · T , (6.1)
30 40
für scharfe Schiffsschnitte gilt
1
A= LWL · T . (6.2)
50
XR Schiffslängsachse
Durch die Schräganströmung des gelegten Ruders entsteht eine Kraft senkrecht zur
Ruderfläche, die Ruderkraft FR.2
Die Ruderwirkung wird von der Ruderseitenkraft YR (senkrecht zur Schiffslängs-
richtung) und einer Kraft in Schiffslängsrichtung XR bestimmt (vgl. Abb. 6.3). Die
Ruderkraft FR stimmt näherungsweise mit der Ruderquerkraft CR (der Auftriebskraft am
profilierten Ruderblatt) überein (für Plattenruder kann daher FR = CR gesetzt werden).
Zur Berechnung der Ruderkraft, auch Ruderdruck, gibt es in der Literatur verschiedene
Lösungsansätze, die in der Regel empirisch gewonnen wurden. Die Bauvorschriften der
Klassifizierungsgesellschaften weisen zum Teil weitere, abweichende Formeln dazu auf,
mit dem Ergebnis, dass – je nachdem, welchem Ansatz gefolgt wird – zum Teil erhebliche
Abweichungen zu verzeichnen sind.
Weitverbreitet ist der Ansatz nach Joessel [10, S. 248].
Diese Gleichung ist jedoch zu modifizieren, da die Joessel-Gleichung die Ruderkraft
noch in kg ermittelt; mithin ist das Ergebnis noch mit der Erdbeschleunigung g zu multi-
plizieren:
20 · A · v2 · sin δ kg m
FR = · 9,81 2 [N]. (6.3)
0,2 + 0,3 · sin δ s
Die auf das Ruderblatt in seinem Flächenschwerpunkt wirkende Ruderkraft FR (bzw.
beim profilierten Ruder CR) ist hierbei also abhängig von der Ruderfläche A (m2), dem
Ruderlagewinkel δ und der Schiffsgeschwindigkeit v (m/s).
Ein weiterer Ansatz geht von der Theorie des Widerstandes umströmter Körper in
einem Fluid aus. Hierbei findet sowohl die Dichte des Wassers (Meer- oder Süßwasser;
s. Tabelle in Anhang 2) und eine von der Ruderblattgestaltung abhängige Konstante K
Eingang:
ρ 2
FR = · v · sin 2δ · A · K [N]. (6.4)
2
Die Konstante K bestimmt sich wie folgt:
� · (� + 0,7)
K = 2π · · sin δ, (6.5)
(� + 1,7)2
wobei � = h2 /A das Seitenverhältnis des Ruders ist [22, S. 4].
A ist die Gesamtfläche des Ruderblatts, h die Ruderhöhe.
Eine andere Möglichkeit zur Berechnung der Ruderkraft CR (N) für Binnenschiffe
erfolgt nach einer Formel des ehemaligen GL3:
h2
= . (6.8)
A
h = durchschnittliche Höhe der Ruderfläche (m),
A = Ruderfläche (m2),
r2 = Koeffizient, zu ermitteln aus Tab. 6.2,
r3 = Koeffizient, wie folgt:
= 0,8 für Ruder außerhalb des Propellerstrahls (Mittelruder bei Zweischrauben-
schiffen oder ähnliche Fälle),
= 1,15 für Ruder hinter einer festen Propellerdüse,
= 1,0 in anderen Fällen.
Ein Vergleich beider Lösungsansätze zeigt, dass in Gl. 6.3 der Ruderlagewinkel als
bestimmende Größe Einfluss auf die Ruderkraft hat, Gl. 6.4 und 6.6 dagegen im Wesent-
lichen die Profilierung des Ruders berücksichtigen.
Für Seeschiffe sieht die GL-Bauvorschrift I-1-1 eine weitere Berechnungsgleichung vor:
Abb. 6.4 Übertragung der Steuerraddrehung auf das Ruder mittels Kettenzug
6.1 Ruderanlage 337
Der Hebelarm r ergibt sich aus dem Abstand zwischen dem Flächenschwerpunkt
(Druckpunkt) des Ruders und der Drehachse (Mitte Ruderschaft) mit
AF
r =b· α− . (6.11)
A
(Hinweis: Der Hebelarm r ist nicht kleiner als 0,1b für Vorausfahrt anzunehmen.)
b = mittlere Breite der Ruderfläche (m),
α = 0,33 für Vorausfahrt,
α = 0,66 für Rückwärtsfahrt,
AF = Fläche (m2) des Ruderblattes vor der Mittellinie des Ruderschafts (s. rote Fläche
in Abb. 6.6),
A = Gesamtfläche des Ruderblattes (s. rote und blaue Fläche in Abb. 6.6).
6.1.3 Kortdüse
Eine Kortdüse ist ein konisch zulaufender, tragflügelähnlich profilierter Ring, der den Pro-
peller umgibt. Durch den Einsatz einer Kortdüse werden die Strömungsverhältnisse an den
Enden der Propellerblätter optimiert, wodurch ein höherer Massenstrom erzielt wird. Dies
führt zu einer Steigerung des Wirkungsgrades. Sowohl durch den größeren Massenstrom
als auch durch den ruhigeren Nachstrom erfolgt eine optimale Anströmung des Ruders.
338 6 Schiffsbetriebsanlagen/Hilfssysteme
Kortdüsen können drehbar gelagert und somit direkt als Ruder verwendet werden
(Abb. 6.7). In der Sportschifffahrt und bei anderen Kleinfahrzeugen nutzt man Kortdü-
sen oft auch als Schutzvorrichtung für den Propeller gegen Beschädigung durch Treibgut
und/oder Grundberührung.
Berechnungsbeispiel Ruder
Ein Einschraubenmotorschiff wird angegeben mit einer Länge Lwl von 107 m und einem
Tiefgang T = 5,45 m; Höchstgeschwindigkeit v = 17 kn (= 31,5 km/h = 8,75 m/s). Das
Ruder kann als Hohlprofil (s. Tab. 6.2) angenommen werden. Der effektive Ruderlage-
winkel δ liegt bei 35°. Wie groß sollte seine Ruderfläche sein?
Lösungsansatz: Das Schiff kann als scharf geschnitten angesehen werden. Nach Gl.
6.2 ergibt sich demnach eine Fläche von
1 1
A= Lwl · T = A = 107 m · 5,45 m,
50 50
A = 11,6 m2 .
Wie groß ist die Ruderkraft (zu ermitteln nach GL-Gleichung für Seeschiffe) bei
Vorausfahrt?
Aus Gl. 6.9, Tab. 6.2 und oben stehenden Ausführungen zu r3 folgt:
Der Faktor κ1 ist abhängig vom Seitenverhältnis Λ des Ruderblatts; hier wie folgt
angenommen (vgl. Gl. 6.7 und 6.8 für Binnenschiffe):
�+2 2+2
r1 = κ1 = = = 1,3.
3 3
Somit ergibt sich eine Ruderkraft CR = 777 kN.
Eine Rechnung nach der modifizierten Joessel-Gleichung (6.3) liefert folgendes
Ergebnis:
20 · A · v2 · sin δ kg m
FR = · 9,81 2 ,
0,2 + 0,3 · sin δ s
20 · 11,6 m2 · 8,752 m2 /s2 · sin 35◦ kg m
= ◦
· 9,81 2 ,
0,2 + 0,3 · sin 35 s
FR = 269 kN.
6.2 Stabilisierungssysteme
6.2.1 Einleitung
Die Rollbewegungen eines Schiffes4 erschweren zum einen das Kurshalten des Schif-
fes, zum anderen können sie bei Passagieren und der Besatzung die Seekrankheit hervor-
rufen. Vor allem auf Passagierschiffen finden sich daher Stabilisierungssysteme, um
den Passagieren und der Besatzung einen höheren Komfort zu bieten. Aber auch auf
Fähren und Frachtschiffen, bei denen durch Verrutschen der Ladung (sog. Übergehen
der Ladung) größere Schäden entstehen könnten oder gar ein Kentern des Schiffes zu
befürchten wäre, kommen derartige Systeme zum Einsatz. Ferner ist bei Kriegsschiffen
von Bedeutung, dass mit Stabilisatoren die Sicherheit bei Landung von Flugzeugen oder
Hubschraubern verbessert wird und die Treffgenauigkeit der Waffensysteme größer ist,
je weniger das Schiff im Augenblick des Abschusses rollt.
6.2.2 Schlingerkiele
Schlingerkiele sind an beiden Seiten eines Schiffes fest angeschweißte flache Stahl-
profile, die die rollenden Bewegungen des Schiffes um dessen Längsachse dämpfen sol-
len (Abb. 6.8). Meist wird ein senkrecht auf den Rumpf aufgeschweißtes Hollandprofil5
als Schlingerkiel verwendet. Die Schlingerkiele sind in der Position der Kimm, also dem
Übergang des Schiffsbodens in den Seitenwänden angebracht. Sie verlaufen meist nur im
Bereich des parallelen Mittelschiffes, also auf der größten Breite des Schiffsrumpfes.
6.2.3 Flossenstabilisatoren
6.2.4 Rolldämpfungstanks
Dem Rollen wird durch einen regulierbaren Austausch von Wasser über mit Roh-
ren verbundene Tanks auf der Steuerbord- und Backbordseite entgegengewirkt (Abb.
6.10). Diese Tanks sind unten mit einem Überlaufkanal und oben mit einer Luftpendel-
leitung verbunden. Aufgrund der Rollbewegung fließt das Wasser stets von einem Tank
in den anderen. Die Strömungsgeschwindigkeit des Wassers in den Verbindungsrohren
der Tanks wird abhängig vom Krängungswinkel, der Winkelgeschwindigkeit und der
Winkelbeschleunigung optimal angepasst. So wird erreicht, dass immer in dem Tank,
dessen Seite sich durch das Rollen gerade aufwärtsbewegt, die größere Wassermasse ent-
halten ist als im anderen Tank (vgl. Abb. 6.10). Dadurch wird der Rollbewegung ent-
gegengewirkt. Die optimale Steuerung der Strömungsgeschwindigkeit des Wassers wird
durch eine computergesteuerte Regelung der Überstromventile in der Luftpendelleitung
erreicht.
Eigenschaften des Rolldämpfungstanks:
Bei Leerfahrt oder Fahrt mit nur sehr wenig Ladung kann die Stabilität der Schiffs-
struktur, insbesondere bei schwerem Wetter, durch die Zustände Sagging und Hogging
durch hohe Druck- und Zugspannungen gefährdet sein.
Sagging (Abb. 6.11a) lässt sich mit „Durchsacken“ übersetzen. Es beschreibt die Biege-
belastung, die auf die Struktur eines Schiffes wirkt, wenn die Wellenlänge etwa der des
Schiffes entspricht. Hierbei befinden sich Bug und Heck zugleich auf den Wellenbergen.
Infolgedessen steigt dort lokal die Auftriebskraft des Wassers, während in der Schiffs-
mitte, im Wellental, die Auftriebskraft deutlich abnimmt. Hierdurch treten Biegekräfte auf,
6.3 Krängungsausgleich und Ballastwassersysteme 343
Lenzen der Boden- und seitlichen Hochtanks (ähnlich der Rolldämpfungstanks – vgl.
Abschn. 6.2.4) kann auch ein Längstrimm und ein Krängungsausgleich (Quertrimm),
erforderlich durch entsprechende Ladungszustände, vorgenommen werden.
Hinsichtlich der Auslegung von Pumpen und Rohrleitungen wird auf Abschn. 6.4
verwiesen.
6.4.1 Pumpen
An Bord von Schiffen findet sich eine Vielzahl von Pumpen, um die verschiedensten
Medien zu fördern: Kühlwasser, Öl im Schmiermittelkreislauf, Brauchwasser, Lösch-
wasser, Ballastwasser etc. Je nach Einsatzgebiet und Aufgabe kommen unterschiedliche
Pumpensysteme zum Einsatz.
6.4.1.2 Theoretische Grundlagen
Die theoretische Förderhöhe (Saughöhe) Hth (das ist die theoretisch maximale
Saughöhe) einer Pumpe liegt bei Wasser und zur freien Atmosphäre hin geöffnetem
Saugbehälter bei etwa 10 m. Das ergibt sich aus folgender Beziehung:
Die hydrostatische Grundgleichung wird nach der Höhe h umgestellt:
p1 = p0 + ρ · g · h, (6.12)
p1 − p0
h= , (6.13)
ρ·g
�p
Hth = (6.14)
ρ·g
mit
ρ = Dichte des Fördermediums in kg/m3 (z. B. Wasser = 1 kg/m3),
g = der örtlichen Erdbeschleunigung in m/s2 (als Durchschnittswert 9,81 m/s2),
p1 = Luftdruck, der von außen auf die Flüssigkeitssäule wirkt (z. B.
1 bar = 101,325 · 103 Pa),
p0 = Druck durch Ansaugen über dem Medium (bei absolutem Vakuum im Pumpen-
raum = 0 bar),
somit:
101,325 · 103 Pa − 0 Pa
Hth = = 10,33 m.
1000 kg/m3 · 9,81 m/s2
Die theoretische Saughöhe ist demnach von den lokal herrschenden Bedingungen des
Luftdrucks und der örtlichen Erdbeschleunigung wie auch von der Dichte des Förder-
mediums abhängig; reale Saughöhen für Wasser liegen bei ca. 7 m.
Beispiel
Eine Lenzpumpe soll aus der Bilge Wasser fördern. Die Dichte des Bilgenwassers
kann mit 1021 kg/m3 angenommen werden, der herrschende Luftdruck beträgt
1023 mbar. Das Schiff befindet sich gerade am Äquator – dort beträgt die Erd-
beschleunigung6 nur 9,78 m/s2. Wie groß ist die theoretische Saughöhe Hth?
Lösung: Durch Einsetzen der gegebenen Zahlenwerte in Gl. 6.12 ergibt sich:
1,023 · 105 kg · m3 · s2
Hth = = 10,2 m.
m · s2 · 1021 kg · 9,78 m
Die theoretische Saughöhe läge demnach bei 10,2 m.
Die Nutzförderhöhe HN ist der Höhenunterschied zwischen dem Saug- und Druckflüssig-
keitsspiegel. Die Nutzförderhöhe setzt sich aus der Saughöhe HS und der Druckhöhe HD
zusammen (Abb. 6.13).
HN = HS + HD . (6.15)
Die Saughöhe bei Kolbenpumpen ist der senkrechte Abstand zwischen dem Flüssigkeits-
spiegel im Saugbehälter bzw. der freien Flüssigkeitsoberfläche (z. B. das umgebende
Meerwasser) und der Dichtfläche des Druckventils. Die Druckhöhe ist der senkrechte
HS
Die Summe der in den Rohrleitungen auftretenden Widerstände wird als Verlusthöhe HV
bezeichnet:
HV = HVS + HVD (6.16)
mit
HVS Widerstände der Saugleitung in m,
HVD Widerstände der Druckleitung in m.
Die manometrische Förderhöhe Hman ist die Summe der Nutzförderhöhe HN und der
Widerstände der Saug- und Druckleitungen, also der Verlusthöhe HV:
Hman = HN + HV . (6.17)
6.4 Pumpen, Rohrleitungen und Armaturen 347
Hat man die manometrische Förderhöhe errechnet und sind die inneren Widerstände der
Pumpe bekannt, kann die Gesamtförderhöhe, also die maximal mögliche Förderhöhe von
Flüssigkeitsoberfläche des anzusaugenden Mediums bis zum höchsten Punkt der Druck-
leitung bzw. des Flüssigkeitsspiegels im Hochbehälter, bestimmt werden:
H = Hman + Z, (6.18)
wobei Z die inneren Widerstände der Pumpe als Druckverluste in m angegeben werden.
6.4.1.4 Verdrängerpumpen
Verdrängerpumpen sind Pumpen, bei denen ein hin- und hergehender (oszillierender)
Kolben (Verdränger) die Flüssigkeit ansaugt und fortdrückt. Dazu wird das Medium
durch in sich geschlossene Volumina gefördert, eine Verhinderung des Zurückströmens
wird durch Rückschlagventile oder -klappen erreicht. Außer durch konstruktionsbe-
dingte Undichtigkeiten kann somit das Fluid auch im Stillstand die Pumpe nicht gegen
die Förderrichtung durchströmen. Verdrängerpumpen sind in der Regel selbstansaugend,
wobei die maximale Ansaughöhe (geodätische Saughöhe) durch das erreichbare
Vakuum, den örtlichen Luftdruck, die Dichte des Mediums und die zu überwindenden
Strömungswiderstände begrenzt wird. Verdrängerpumpen sollten auf der Druckseite
nicht abgesperrt werden, sofern nicht z. B. durch Überdruck- oder Bypassventile ver-
hindert wird, dass sich ein unzulässig hoher Druck im System aufbaut. An Bord werden
sie z. B. als Lenz- und Speisewasserpumpen eingesetzt.
348 6 Schiffsbetriebsanlagen/Hilfssysteme
patm
d2 · π n
Qth = ·s· ·z [m3 /s] (6.21)
4 60
mit
d = Zylinderdurchmesser in m,
s = Kolbenhub in m,
n = Drehzahl des Exzentertriebs in min−1,
z = Anzahl der Zylinder.
Da in der Praxis weder absolute Dichtheit (Dichtungen, Ventile) noch völlige
Inkompressibilität aufgrund der in den Flüssigkeiten gelösten Gase vorliegen, wird der
7Näher dazu und zu den unterschiedlichen Bauarten der Kolbenpumpe s. a. [19, S. 213] sowie Bouché
• Doppelkolbenpumpe,
• Membranpumpe,
• Axialkolbenpumpe,
• Radialkolbenpumpe,
• Schlauchpumpe,
• Zahnradpumpe,
• Schraubenpumpe,
• Drehkolbenpumpe.
Häufigster Vertreter der rotierenden Verdrängerpumpen ist die Zahnradpumpe (Abb. 6.15).
Bei diesen Pumpen drehen zwei kämmende Zahnräder, wobei die Zähne das Förder-
medium verdrängen. Die Abdichtung vom Druck- zum Saugraum erfolgt im Innern der
350 6 Schiffsbetriebsanlagen/Hilfssysteme
Pumpe durch das Kämmen der Zähne, im Außenraum zwischen der Zahnoberkante und
dem Gehäuse. Ventile und Windkessel sind nicht erforderlich. Sie kommen hauptsächlich
im Schmierstoffkreislauf zum Einsatz.
Das theoretische Fördervolumen Q̇th errechnet sich nach folgender Gleichung:
π2
π
Q̇th = · dK2 − c2 − dg2 · ·b·n (6.25)
2 3 · Z3
mit
dK = Kopfkreisdurchmesser in m,
c = Achsabstand in m,
dg
= Grundkreisdurchmesser in m,
Z = Zähnezahl,
b = Breite des Zahnrades in m,
n = Drehzahl in 1/s.
Der tatsächliche Volumenstrom Q ist kleiner als der theoretische Volumenstrom, da ein
Teil des Fördermediums über die kämmenden Zähne und über den Umfang der Räder
in den Saugraum zurückfließt und ein geringer Teil über Lager und Dichtungssystem
nach außen tritt. Diese Verluste werden durch den Liefergrad oder auch volumetrischen
Wirkungsgrad ηL definiert:
Q̇
ηL = . (6.26)
Q̇th
6.4 Pumpen, Rohrleitungen und Armaturen 351
Elektroantriebsmotor
Druckstutzen
Wellendichtung
Saugstutzen
Pumpenrad
Grundplatte Spiralgehäuse
Abb. 6.16 Prinzip Kreiselpumpe mit Antriebsmotor. (Abbildung: Mokery J., CC BY-SA 3.0)
6.4.1.5 Strömungspumpen
Bekanntester Vertreter der Strömungspumpen und an Bord von Schiffen häufig anzu-
treffen ist die Kreiselpumpe (Abb. 6.16).
Sie nutzt die Fliehkraft, um die Flüssigkeit zu fördern. Aus diesem Grund wird sie
auch Zentrifugalpumpe genannt. Das zu fördernde Medium tritt über das Saugrohr in
die Kreiselpumpe (Spiralgehäuse) ein, wird vom rotierenden Pumpenrad erfasst und auf
einer Spiralbahn nach außen getragen. Die dadurch aufgeprägte nach außen abnehmende
Radialgeschwindigkeit der Flüssigkeit führt zu einem nach außen zunehmenden Druck
innerhalb der Pumpe, der die Flüssigkeit in das tangential am Spiralgehäuse angeordnete
Druckrohr befördert. Bei entsprechender Gestaltung von Laufrad und Gehäuse können
auch mit Feststoffen vermischte Flüssigkeiten (z. B. Schmutzwasser) gefördert werden.
Ein Maß für die zulässige Feststoffgröße ist der sogenannte Kugeldurchgang, angegeben
als maximaler Durchmesser der Kugel, die die Pumpe passieren könnte.
Standardkreiselpumpen sind, anders als die Verdrängerpumpen, nicht selbst-
ansaugend. Sie müssen daher vor dem Anlaufen mit dem Fluid gefüllt sein. Dazu werden
sie im Zustrom des zu fördernden Mediums installiert. Ist das nicht möglich, müssen die
Pumpe und die Saugleitung z. B. mittels einer Kolbenpumpe vor dem Anlaufen gefüllt
werden. Eine Sonderbauform der Kreiselpumpe, die Seitenkanalpumpe (Abb. 6.17), ist
allerdings selbstansaugend; ein Befüllen vor dem Anlaufen ist nicht notwendig.
Kreiselpumpen8 haben aber gegenüber den Kolbenpumpen den Vorteil, dass sie
kontinuierlich fördern und die Fördermenge stufenlos bei konstanter Antriebsdrehzahl
(durch Drosselung) oder durch Änderung der Drehzahl geregelt werden kann.
Trotz unterschiedlicher Ausführungen des Pumpengehäuses, Anordnung von Saug-
und Druckstutzen, Anzahl und Form der Laufräder und Leiteinrichtungen in der Pumpe
Abb. 6.18 Schnitt durch eine einstufige Kreiselpumpe mit E-Motor. (Quelle: Bich und Kaselow
[2])
Der Fördervorgang einer Kreiselpumpe, deren Gehäuse und Saugrohr mit dem
Fördermedium gefüllt sein muss, da sie nicht selbstansaugend ist, erfolgt wie folgt: Wird
das Laufrad gedreht, so wird infolge der Zentrifugalkraft das im Laufrad befindliche
Fluid nach außen gefördert und gelangt durch die Leiteinrichtung in die Druckleitung.
In der Laufradmitte entsteht gegenüber dem Druck auf der Oberfläche des Flüssigkeits-
spiegels der anzusaugenden Flüssigkeit ein Unterdruck, durch den weitere Flüssigkeit
über die Saugleitung der Pumpe zuströmt.
Ist die verlangte Förderhöhe bzw. der verlangte Druck so groß, dass eine einstufige
Pumpe nicht ausreichend ist, so schaltet man mehrere Laufräder hintereinander und
bezeichnet solche Pumpen als mehrstufige Kreiselpumpen.
Die Kennlinie einer Kreiselpumpe beschreibt den Zusammenhang zwischen Druck-
erhöhung bzw. Förderhöhe und Fördermenge (s. Abb. 6.19). Der höchste Druck wird
bei einer Kreiselpumpe theoretisch bei der Fördermenge null erzeugt. Das ist dann der
Fall, wenn die Pumpe gegen einen geschlossenen Schieber fördert. Kombiniert mit der
Kennlinie des angeschlossenen Rohrnetzes ergibt sich der Arbeitspunkt als Schnittpunkt
von Pumpen- und Rohrnetzkennlinie. Durch Hintereinanderschaltung mehrerer Kreisel-
pumpen addiert sich der Förderdruck, durch Parallelschaltung die erzielbare Förder-
menge. Drehzahländerungen der Pumpen verändern sowohl die Fördermenge als auch
den Druck und damit die Leistungsaufnahme.
Abhängigkeitsgesetze von Förderstrom, Förderhöhe und Antriebsleistung einer Pumpe
von ihrer Drehzahl:
• Q ∼ n,
• h ∼ n2,
• P ∼ n3.
Kreiselpumpe. (Grafik:
Konwiki, CC BY-SA 3.0)
Druck/
Rohrkennlinie/
Netzkennlinie
Arbeitspunkt/ Betriebspunkt
hgeo.
Kennlinie der Pumpe
. .
Fördermenge Q oder V [m3/h]
Die Förderhöhe im Arbeitspunkt einer Pumpe ergibt sich aus dem Schnittpunkt der Kennlinie
der Pumpe mit der Kennlinie der Rohrleitung, die sich aus dem statischen (geodätischen)
Höhenunterschied (Hgeo) und den reinen Strömungsverlusten HV zusammensetzt.
Folgende Parameter charakterisieren die Kreiselpumpe:
Fördermenge Q (m3/h)
Förderhöhe H (m)
Kupplungsleistung P (W)
Wirkungsgrad η
Haltedruckhöhe NPSH am Eintritt (m)
Drehzahl n (min−1)
Weiterhin ist bei Wartung und Betrieb von Pumpen Folgendes zu beachten:
Saugleitung und Kreiselpumpe müssen vor Inbetriebnahme gefüllt werden. In der
Regel werden Kreiselpumpen daher – soweit möglich – unterhalb des Spiegels der zu
fördernden Flüssigkeit installiert. Beim Befüllen müssen die sich am höchsten Punkt
der einzelnen Pumpenstufen befindlichen Entlüftungsventile geöffnet und so lange
6.4 Pumpen, Rohrleitungen und Armaturen 355
Beispiel Pumpenberechnung
Eine Pumpe mit einer Leistung von 1 kW soll 4000 L Wasser (ρ = 1 kg/m3) 5 m
hochpumpen. Der Gesamtwirkungsgrad der Anlage beträgt 80 %. Wie lange dauert
der Pumpvorgang?
Lösung: Heranzuziehen ist hier Gl. 6.19. Der Volumenstrom Q ist das zu fördernde
Volumen von 4000 L in der gesuchten Zeit t. Insofern ist in Gl. 6.19 „Q“ durch „V/t“
zu ersetzen und diese Gleichung nach „t“ umzustellen:
1000 kg · 9,81 m · 5 m · 4 m3
t= = 245,45 s = 4,1 min.
1000 W · m3 · s2 · 0,8
356 6 Schiffsbetriebsanlagen/Hilfssysteme
6.4.2.1 Rohrleitungen
a) Allgemeines
Rohre und Rohrleitungen werden nach ihren Nennweiten (Innendurchmesser bzw. lichte
Weite des Rohres) und nach ihren zulässigen Betriebsdrücken eingeteilt.
Die Angabe der Nennweite erfolgt nach EN ISO 6708 durch die Bezeichnung DN (frz.
„diamètre nominal“), gefolgt von einer ungefähr dem Innendurchmesser in Millimeter
entsprechenden dimensionslosen Zahl. Sie ist eine Kenngröße für zusammengehörige
Teile, wie Rohre, Flansche, Formstücke und Armaturen.
Beispiel: DN 125 nach DIN EN 10357-Reihe 2 ist ein Rohr mit dem Außendurch-
messer von 129 mm und einer Wanddicke von 2 mm (Innendurchmesser somit 125 mm).
Oder ein Rohr mit folgender Bezeichnung: DN 125 nach EN ISO 1127-Reihe 1 ist
ein Rohr mit dem Außendurchmesser von 139,7 mm und einer Wanddicke von 2,6 mm
(Innendurchmesser somit 134,5 mm).
Wie die Beispiele zeigen, kann der tatsächliche Innendurchmesser von der Nenn-
weite oft um einige Millimeter abweichen. Insofern kann nur dann mit Sicherheit davon
ausgegangen werden, dass sich Rohre verschiedener Hersteller kombinieren lassen,
wenn die Angabe der Nennweite unter Hinweis auf die gleiche Norm geschieht. Die
Abweichungen erklären sich dadurch, dass die Wanddicken der traditionell für Sanitär-
installationen genutzten Stahlrohre mit steigender Druckstufe nach innen wachsen, d. h.,
der freie Querschnitt nimmt ab. Da so der Außendurchmesser gleich bleibt, können auf
Rohre mit gleicher Nennweite die gleichen Gewinde geschnitten werden. Dadurch lassen
sich für alle Druckstufen auch die gleichen Rohrmuffen (Fittings) benutzen.
Nur bei sehr dickwandigem Rohr für sehr hohen Druck wächst der Außendurchmes-
ser. Dasselbe gilt für Leitungen aus glasfaserverstärktem Kunststoff (meistens Kunst-
harz): Diese werden um einen Dorn oder ein Kunststoffrohr (Inliner) gewickelt; deshalb
muss hier die Wanddicke nach außen wachsen.
Nach ANSI9 wird die Nennweite in NPS (Nominal Pipe Size) in Zoll angegeben. Ein
Rohr von NPS 2 entspricht in etwa der Nennweite DN 50.
Neben der Nennweite ist auch der Nenndruck eine das Rohr beschreibende Angabe.
Die Angabe erfolgt nach DIN, EN, ISO durch die Bezeichnung PN (Pressure Nomi-
nal) gefolgt von einer dimensionslosen ganzen Zahl, die den Auslegungsdruck in bar
bei Raumtemperatur (20 °C) angibt. Der bei einer bestimmten Temperatur zulässige
Betriebsdruck wird üblicherweise in Prozent des Nenndruckes angegeben. Bei höheren
und tieferen Temperaturen ist, bedingt durch die Abnahme der zulässigen Werkstoff-
kennwerte (Streckgrenze), der zulässige Druck entsprechend geringer. PN 10 zum Bei-
spiel bezeichnet eine Rohrleitung mit dem höchstzulässigen Druck von 10 bar bei einer
Fluidtemperatur von 20 °C.
In Tab. 6.4 sind die Medien mit den zugehörigen Hauptfarben dargestellt.
Hinweise zur Rohrkennzeichnung:
In Anlehnung an die Norm DIN ISO 14726:2010-10 wird zur farblichen Kennzeichnung
von Rohrleitungen an Bord folgende Farbgebung von der ebu11 empfohlen (Tab. 6.5).
c) Druckverluste in Rohrleitungssystemen
Der Druckverlust (auch Druckabfall) in Rohrleitungssystemen ergibt sich aus den
Einzelverlusten (hervorgerufen durch Wandreibung und Dissipation) aller Rohrleitungs-
teile, wie Rohre, Formstücke und Armaturen, ferner aus dem Einfluss der geodätischen
Höhe und aus Querschnittsänderungen.
11ebu = European Barge Union, „Empfehlung zur farblichen Kennzeichnung von Rohrleitungen
Bei Gasen ist noch die Volumenänderung durch Expansion zu berücksichtigen. Sie kann
jedoch vernachlässigt werden, sofern der Druckabfall nur einige Prozent des absoluten
Drucks beträgt. Unter dieser Voraussetzung können die Berechnungen der Druckverluste
für flüssige und gasförmige Medien nach gleichen Ansätzen vorgenommen werden.
360 6 Schiffsbetriebsanlagen/Hilfssysteme
�p = C · (ρ · w2 )/2 (6.28)
mit
C = · l/d (6.29)
ergibt sich für den Druckverlust aus Wandreibung für Rohre:
Tab. 6.6 Rauigkeitswerte
Werkstoff und Rohrart Zustand des Rohres k (mm)
Neue gezogene u. gepresste Rohre aus Cu, Ms, Technisch glatt 0,001–0,0015
Bronze, Al, Glas, Kunststoff
Neue nahtlose Stahlrohre, gewalzt oder gezogen Neu 0,25–0,5
Handelsüblich angerostet 1,0–1,5
Verkrustet 1,5–3,0
Neue längsgeschweißte Stahlrohre Mit Walzhaut 0,04–0,1
Neue Stahlrohre mit Überzug Metallspritzung 0,08–0,09
Tauchverzinkt 0,07–0,1
Handelsüblich verzinkt 0,1–0,16
Galvanisiert ca. 0,008
Gebrauchte Stahlrohre Gleichmäßige Rostnarben ca. 0,15
Leichte Verkrustung 0,15–0,4
Mittlere Verkrustung ca. 1,5
Starke Verkrustung 2,0–4,0
Gummidruckschlauch Neu, nicht versprödet 0,0016
�p = ζ · (ρ · w2 )/2. (6.31)
Die Widerstandszahl selbst ist vom Volumenstrom, der Geometrie, Reynolds-Zahl usw.
abhängig.
In einer anderen gebräuchlichen Schreibweise wird C auch durch ζ · a ersetzt, mit a
dem sog. Körperfaktor. Für Rohre gilt a = l/d, bei Armaturen und Formstücken ist a = 1.
Somit ergibt sich aus Gl. 6.28 die Gleichung für den Druckverlust in Rohren (ohne
Armaturen etc.) zu
ρ·w·d w·d 4 · ρ · V̇
Re = = = . (6.33)
η ν π ·η·d
Dabei ist ρ die Dichte des Fluids, w die Strömungsgeschwindigkeit des Fluids gegenüber
dem Körper und d die charakteristische Länge des Körpers. Die charakteristische Länge,
362 6 Schiffsbetriebsanlagen/Hilfssysteme
auch Bezugslänge genannt, ist für die jeweilige Problemstellung definiert bzw. zu defi-
nieren. Bei Strömungskörpern wird üblicherweise die Länge des Körpers in Strömungs-
richtung gewählt. Bei Widerstandskörpern wird meist die Breite oder Höhe quer zur
Strömungsrichtung, bei Rohrströmungen in der Regel der Innendurchmesser des Rohres
und bei Gerinnen die Tiefe oder die Breite an der Gerinneoberfläche als charakteristische
Länge genommen. Die kinematische Viskosität ν des Fluids unterscheidet sich von der
dynamischen Viskosität η = ν · ρ durch den Faktor ρ.
Die Geschwindigkeit der Strömung kann durch den Term
V̇
w= (6.34)
A
beschrieben werden, wobei A die lichte Querschnittsfläche des Rohres ist.
Der durch die Reibung in einem Rohr entstehende Druckverlust Δp ist proportional
der spezifischen Rohrlänge l/d und proportional dem Staudruck der Strömung ρ · w2 /2.
Als Proportionalitätsfaktor dient die Rohrreibungszahl λ (vgl. Gl. 6.29 und 6.30). Die
Rohrreibungszahl wiederum ist eine Funktion der Reynolds-Zahl Re. Im Falle einer
laminaren Strömung ist die Rohrreibungszahl allein abhängig von der Reynolds-Zahl
(λ = f (Re ) ) und bestimmt sich für eine voll ausgebildete Strömung in einem kreisrunden
Rohr nach dem Gesetz von Hagen-Poiseuille zu:
= 64/Re. (6.35)
Wenn die Strömung jedoch turbulent ist, geht insbesondere auch die Rauigkeit der Ober-
fläche mit ein – es wird von einem hydraulisch rauen Rohr gesprochen. Der Wert für
λ errechnet sich dann, unter Berücksichtigung der tatsächlichen Rauigkeit nach Prandtl
und v. Karman wie folgt12:
1 k
= −2 log . (6.36)
3,71 · d
Einige Werte für die Rauigkeit k sind Tab. 6.6 zu entnehmen:13
Bei mehreren Einzelwiderständen (Rohrbogen, Absperrarmatur, Rückschlagventil
etc.) gleicher Nennweite wird der Druckverlust für diese Bauteile unter Anwendung von
Gl. 6.31 wie folgt ermittelt:
�p = ζi · ρ · w2 /2. (6.37)
Hv = C · w2 /(2g) in m, (6.41)
�p = Hv · ρ · g in Pa. (6.42)
d) Empfohlene Strömungsgeschwindigkeit in Rohren
Um einerseits Druckstöße durch Beschleunigungen oder Verzögerungen zu vermeiden,
sollte die Strömungsgeschwindigkeit in Rohrleitungen konstant gehalten werden. Weiter-
hin ausschlaggebend für die Dimensionierung ist die wirtschaftliche Geschwindigkeit. Sie
ergibt sich aus dem Optimum der Summe aus den Investitionskosten für die Rohrleitung,
den Investitionskosten der Maschinenanlage (Pumpen, Verdichter) und den Energie- und
14Vertiefend [49].
364 6 Schiffsbetriebsanlagen/Hilfssysteme
f) Rohrverbindungen
Die Wahl der Rohrverbindung ist von mehreren Randbedingungen abhängig, wie z. B.:
• Rohrwerkstoff,
• Montagefreundlichkeit,
• Wartungsfreundlichkeit (soll eine lösbare oder unlösbare Verbindung hergestellt werden),
• Kundenwunsch.
• Flansche aus Stahl können unter Berücksichtigung der in den zugehörigen Normen
festgelegten zulässigen Drücke und Temperaturen verwendet werden,
• mechanische Verbindungselemente (Rohrverschraubungen, Rohrkupplungen, Press-
verbindungen, Schneidringverschraubungen usw.) zugelassener Bauart.
366 6 Schiffsbetriebsanlagen/Hilfssysteme
Zur Montage von Flanschverbindungen (s. Abb. 6.24) finden sich im „Leitfaden zur
Montage von Flanschverbindungen in verfahrenstechnischen Anlagen“ [20] wertvolle
Hinweise.
So sind temporäre Beschichtungen, z. B. als Schutz vor Korrosion, von den Flansch-
dichtflächen vor der Montage rückstandsfrei zu entfernen (z. B. mit Reinigungsmittel,
geeigneter Drahtbürste). Beim Austausch einer Dichtung muss darauf geachtet wer-
den, dass die alte Dichtung vollständig von der Flanschdichtfläche entfernt wird,
ohne dass diese beschädigt wird. Die Flanschdichtflächen müssen sauber und frei von
Beschädigungen sein; das Gleiche gilt für die Dichtung. Ein besonderes Augenmerk gilt
dem Gewinde und den Auflageflächen der Flanschschrauben, die nicht beschädigt sein
dürfen. Zur Minimierung der Reibkräfte und auch im Hinblick auf eine ggf. wieder zu
lösende Flanschverbindung sind die Schraubengewinde, Muttern und Unterlegscheiben
vor dem Anziehen mit geeigneten Schmierstoffen zu behandeln (z. B. Molykote). Die
Dichtung ist passgenau zu zentrieren. Die Schrauben sind gleichmäßig über Kreuz mit
den angegebenen Anzugsmomenten zu verschrauben.
Schneidringverschraubungen (z. B. System ERMETO) sind nach EN ISO 8434 bzw.
DIN 2353 genormt und werden vor allem zur Verbindung von Hydraulikleitungen ein-
gesetzt. Die Bestandteile einer Schneidringverschraubung sind (s. Abb. 6.25a, b)
Überwurfmutter, Klemmkonus und Schneidring. Die Verschraubung besitzt einen
24°-Dichtkegel, die Mutter hat ein metrisches Gewinde.
Durch das Anziehen der Überwurfmutter, die innen konisch zuläuft, wird der
Schneidring zusammengedrückt, wodurch die keilförmige Ringinnenseite in die Rohr-
wand einschneidet und einen dichten Formschluss herstellt.
Lösung:
Q = w · A = const.,
Q Q·4 0,05 m3 · 4
w= = 2 = = 23,6 m/s.
A d ·π 0,0522 m2 s · π
Die Rohrreibungsverluste λ sind über die Reynolds-Zahl nach Gl. 6.36 zu ermitteln:
1 k 0,2 mm
= −2 log = −2 log = 5,97 → = 0,17.
3,71 · d 3,71 · 52 mm
Somit ergibt sich der Druckverlust aufgrund von Reibungs- und Formwiderständen
zu:
1020 kg · 23,62 m2
18 m
p = · 0,17 · + 2,56 = 284.111 Pa = 2,84 bar.
2 · m3 · s2 0,052 m
c) Aus Gl. 6.19 kann die Pumpenleistung ermittelt werden. In dieser Gleichung ist
Δp allerdings der vorstehend ermittelte Druckverlust zuzüglich des Druckverlustes
aufgrund des zu überbrückenden geodätischen Höhenverlustes sowie der Druck-
verluste saugseitig und in der Pumpe selber.
PW = (Q · �p)/η
mit
Wie groß ist die theoretische maximale Wurfweite s und die theoretisch maximale
Wurfhöhe h des Löschmonitors?
Lösung: Der Wurfweite des Löschmonitors liegt die Gesetzmäßigkeit des „schrägen
Wurfs“ zugrunde, da hier die Wurfweite eines Wasserteilchens betrachtet werden
kann. Der schräge Wurf ist zusammengesetzt aus einer gleichförmigen Translation
unter dem Winkel α zur Waagerechten und einem freien Fall; die maximalen Werte
für Wurfweite und -höhe berechnen sich nach folgenden Gleichungen [8, S. L8]:
p ..
v0 = φ · 2· u (6.46)
ρ
mit
ϕ = Flüssigkeitsreibungswert – zum Teil auch Geschwindigkeitszahl genannt (für
Wasser ϕ = 0,97),
pü = Überdruck gegenüber Außendruck,
ρ = Dichte (für Wasser je nach Fahrtgebiet; s. Anhang 2).
Der im Monitor oder auch innerhalb eines Strahlrohres eines Löschschlauches wir-
kende Überdruck ist die treibende Kraft, die dem Wasserteilchen den Impuls verleiht,
mit der korrespondierenden Geschwindigkeit v0 die Systemgrenze „Austrittsöffnung“
zu verlassen.
Die Anfangsgeschwindigkeit v0 lässt sich auch über die Konti-Gleichung
Q = A · v = const. bestimmen. Dann gilt: v0 = Q/A mit Q. Je scharfkantiger die
Düsenöffnung, desto stärker schnürt sich der Strahl ein; d. h., dass der Lösch-
strahl am Düsenaustritt einen kleineren Querschnitt A2 hat als der Düsenquerschnitt
A1 : A2 < A1. Das Verhältnis von A2 zu A1 wird Kontraktionszahl μ genannt:
µ = A2 /A1 . (6.47)
Das Produkt aus der Kontraktionszahl und dem Flüssigkeitsreibungswert ist die Aus-
flusszahl α:
α =µ·ϕ (6.48)
mit
Q=α· 2 · g · pu.. · A1 (6.49)
und v0 = Q/A könnte somit v0 auch über die Kenntnis der Durchflussmenge und dem
Strahlrohraustrittsquerschnitt ermittelt werden.
Durch Einsetzen der genannten Zahlenwerte in die Gl. 6.46 und 6.44 erhält man
für v0 = 43 m/s und somit für die theoretisch maximale Wurfweite s = 188 m; die
theoretische Wurfhöhe des Löschmonitors beträgt dann h = 94 m (nach Gl. 6.45).
Tatsächlich liegt die maximale Wurfweite in der Realität bei einem deutlich klei-
neren Abwurfwinkel. Das hängt damit zusammen, dass das Wasserteilchen bei sei-
nem Flug Reibungskräften mit der Luft ausgesetzt ist. Die Praxis hat gezeigt, dass
die maximale Wurfweite bei einem Abwurfwinkel von etwa 32° erreicht werden kann
(s. auch Abb. 6.26). So wird für den genannten Löschmonitor eine erreichbare Wurf-
weite von 132 m angegeben [65].
6.5 Wärmeübertrager 371
6.5 Wärmeübertrager
6.5.1 Einführung
t‘2 ṁ2 t‘‘2
t‘‘2 Gleichstrom Gegenstrom t‘2
372 6 Schiffsbetriebsanlagen/Hilfssysteme
6.5.2.1 Rohrbündelwärmetauscher
Prinzipiell handelt es sich bei einem Rohrbündelwärmetauscher um einen Hohlzylinder
(s. Abb. 6.28 und 6.29), in dessen Inneren sich ein Bündel aus Rohren befindet.
Das Rohrbündel ist eine Baugruppe, die aus parallel angeordneten Rohren besteht.
Sie sind in runden Platten mit Löchern, den Rohrböden, eingewalzt, eingelötet oder ein-
geschweißt. Rohrbündelwärmetauscher haben zwei voneinander getrennte Räume, den
Rohrraum und den Mantelraum. Durch das Rohrbündel, dem Rohrraum, strömt das eine
Rohrbündel
Klöpperboden
Medium, das andere strömt zwischen den Rohren im Mantelraum. Leitbleche können
eingebaut sein und das Fluid im Mantelraum umlenken, um so den Wärmeaustausch zu
verbessern. Bei einem Gas- bzw. Dampf- und Flüssigkeitsaustausch strömt gewöhnlich
die Gas- bzw. Dampfphase um die Rohre, die Flüssigkeit durch die Rohre.
Es gibt Wärmetauscher mit zwei Rohrböden (Abb. 6.29) und Wärmetauscher mit
U-Rohren (Abb. 6.30) und einem Rohrboden.
Anwendbare DIN-Normen:
6.5.2.3 Plattenwärmetauscher
Ein Plattenwärmetauscher besteht aus wellenförmig profilierten Platten (Abb. 6.31), die
so zusammengesetzt sind, dass jeweils in den aufeinanderfolgenden Zwischenräumen
einmal das aufzuwärmende und danach das Wärme abgebende Fluid fließt.
Das Plattenpaket ist nach außen und zwischen den Medien abgedichtet und wird mit
Schrauben zusammengehalten. Vielfach wird auch eine gelötete Bauausführung bevor-
zugt.
Aufgrund ihrer besonderen Bauweise sind diese Übertrager sehr kompakt und gut
erweiterbar und flexibel hinsichtlich der Gestaltung der Strömungsführung, welche durch
die Lage der Dichtungen determiniert ist.
6.5.3.1 Gleichstromwärmeübertrager
Hierbei werden beide Fluide so geführt, dass sie auf beiden Wandseiten in gleicher Rich-
tung strömen. Ein Gleichstromapparat kommt immer dann zur Anwendung, wenn eine
schnelle, sichere Kühlung notwendig ist.
Abb. 6.32 zeigt den Temperaturverlauf (in K) des warmen (rot) und kalten Fluids
(blau) über der Wärmeübertragungsfläche A eines Gleichstromwärmeübertragers.
6.5.3.2 Gegenstromwärmeübertrager
Hierbei werden die beiden Fluide auf beiden Plattenseiten so geführt, dass sie entgegen-
kommend strömen. Idealerweise werden die Temperaturen der Stoffströme getauscht,
das heißt, dass das ursprünglich kalte Medium die Temperatur des ursprünglich heißen
Mediums erreicht und umgekehrt (t2 = t2′ ; s. Abb. 6.33). Voraussetzung für diesen Ideal-
fall sind gleiche Wärmekapazitätenströme auf beiden Seiten des Wärmeübertragers. Dar-
über hinaus müsste der Wärmeübertrager einen Wirkungsgrad von 100 % haben, was real
K t1
t2
t‘1 t‘2
K t1
t2
t‘2
t‘1
nicht der Fall ist; daher ist ein Tausch der Temperaturen in der Praxis nur näherungs-
weise möglich.
In Abb. 6.33 wird der Temperaturverlauf (in K) des warmen (rot) und kalten Fluids (blau)
über der Wärmeübertragungsfläche A eines Gegenstromwärmeübertragers dargestellt.
6.5.3.3 Kreuzstromwärmeübertrager
Hier werden die Stoffströme so geführt, dass sich ihre Richtungen kreuzen. Hinsicht-
lich der Ein- und Austrittstemperaturen liegen diese im Ergebnis zwischen Gegen- und
Gleichstromapparaten.
19In der Bauphysik wird heute das Formelzeichen U für den Wärmedurchgangskoeffizienten ver-
1/�ges. = (si /i ). (6.60)
ri
ra
Nach den vorstehenden Gleichungen lässt sich auch der Wärmeverlust aus dem Schiff
heraus in die Umgebung nach außen berechnen, was z. B. für die Auslegung von Heiz-
körpern in Schiffsräumen wichtig ist.
Q̇ = k · A · tm .
Die Rohrfläche A berechnet sich dabei aus dem mittleren Rohrdurchmesser rm = ra − ri
(s. Abb. 6.35 und Gl. 6.61) und der Gesamtlänge des Rohres bzw. der Summe aller
einzelnen Rohrlängen im Rohrbündel l.
A = 2 · (ra − ri ) · π · l = 2 · rm · π · l. (6.61)
Die Temperaturen thoch und tklein sind die mittleren Temperaturen der Medien im Rohr
und außen um das Rohr herum.
Tab. 6.7 k-Werte
Heizendes Medium Material Rohrwandung Aufzuheizendes Wärmedurchgangszahl k
Medium W/m2K
Wasser Gusseisen Luft (Rauch) 8
Wasser Kupfer Luft (Rauch) 13
Wasser Gusseisen Wasser 291
Wasser Kupfer Wasser 407
Öl Kupfer; Eisenmetalle Wasser 110–350
Öl Kupfer; Eisenmetalle Öl 80–120
Luft (Rauchgas) Gusseisen Luft (Rauchgas) 6
Luft (Rauchgas) Kupfer Luft (Rauchgas) 10
Dampf Gusseisen Luft 12
Dampf Kupfer Luft 16
Dampf Gusseisen Wasser 907
Dampf Kupfer Wasser 1163
Dampf (Kondensation) Wasser 1000–6000
Gas allgemein 1 bar Kupfer; Eisenmetalle Gas allgemein 1 bar 5–35
Gas allgemein Kupfer; Eisenmetalle Gas allgemein 150–500
200–300 bar 200–300 bar
Die Tab. 6.7; [7]22 enthält Anhaltswerte für k-Werte zur überschlägigen Berechnung
von Wärmeübertragern.
6.5.4.4 Wärmeübergangskoeffizient α
Soll der Wärmeübergang genau ermittelt werden, ist die Wärmedurchgangszahl k unter
Berücksichtigung des Wärmeübergangskoeffizienten α zu ermitteln. Der Wärmeüber-
gangskoeffizient α ist u. a. eine Funktion der Strömungsgeschwindigkeit der Medien,
also auch der Reynolds-Zahl Re, insofern davon abhängig, ob die Strömung laminar
oder turbulent verläuft. Bei einer turbulenten Strömung (Re > 2300) ist der Wärmeüber-
gang größer als bei einer laminaren Strömung. Für die Berücksichtigung der beiden
Strömungsarten ist dann eine aufwendige Ermittlung dieser Kenngröße erforderlich.
Hierzu wird auf die einschlägige Literatur verwiesen [6, Band I, S. 470 ff.].
Grundsätzlich ist α abhängig von der Nußelt-Zahl. Sie ist eine dimensionslose Kenn-
zahl aus der Ähnlichkeitstheorie der Wärmeübertragung, die zur Beschreibung des kon-
vektiven Wärmeübergangs zwischen einer festen Oberfläche und einem strömenden
Fluid dient. Sie kann auch als dimensionsloser Gradient der Temperatur an einer Ober-
fläche betrachtet werden.
α = Nu · . (6.62)
d
Die Nußelt-Zahl ist nun von der Art der Strömung abhängig.
Für die laminare Strömung (Re < 2300) gilt:
� �
d
0,0668 Re · Pr · L
�
ηFl 0,14
�
Nu = 3,65 + · . (6.63)
�2/3
ηW
�
d
1 + 0,045 Re · Pr · L
α = Nu · , (6.65)
D
√
4
Nu = 0,41 · Gr · Pr, (6.66)
g · β · �t · ρ 2 · D3
Gr = . (6.67)
η2
Es sind hierbei:
D Außendurchmesser des Rohres,
Gr Grashof-Zahl,
g Erdbeschleunigung (9,81 m/s2),
β Volumenausdehnungskoeffizient (aus einschlägigen Tabellen, z. B. [8]),
6.5 Wärmeübertrager 381
Beispiel
Für die Zentralschmierung der Wälzlager der Antriebswelle soll ein Gegenstromrohr-
bündelwärmetauscher eingesetzt werden.
a) Wie groß muss die erforderliche Wärmetauscherfläche sein, wenn 220 L/h
Schmieröl (ρ = 890 kg/m3) mit einer spezifischen Wärmekapazität von c = 2,1 kJ/
(kgK) von 47 °C auf 25 °C abgekühlt werden sollen? Das dafür benutzte Meer-
wasser wird mit 15 °C dem Wärmetauscher zugeführt und soll sich auf 22 °C
erwärmen.
b) Aus wie vielen Rohren muss das Rohrbündel bestehen, wenn die Rohre einen
Innendurchmesser von 22,3 mm und eine Wandstärke von 1,00 mm haben sollen
und das Rohrbündel aufgrund vorhandener Platzressourcen nicht länger als 1,00 m
betragen darf?
Lösung:
Zu a) Hier liefert Gl. 6.50 den Lösungsansatz:
Q̇ = k · A · tm .
Der abzuführende Wärmestrom Q̇ errechnet sich nach Gl. 6.68:
Q̇ = ṁ · c · �t = V̇ · ρ · c · �t, (6.68)
Für die mittlere logarithmische Temperaturdifferenz Δtm liefern die Gl. 6.54–6.56 den
Lösungsansatz:
�tm = (�tgroß − �tklein )/ ln(�tgroß /�tklein ),
�tm = ((47 ◦ C − 22 ◦ C) − (25 ◦ C − 15 ◦ C))/ ln(25 K/10 K) = 16 K.
Durch Umstellen der Gl. 6.50 nach A mit einem Wärmedurchgangskoeffizienten
k = 200 W/m2 K (nach Tab. 6.7) folgt nun für die erforderliche Wärmetauscherfläche:
2513 W
A= = 0,8 m2 .
200 W/m2 K · 16 K
Zu b) Die Berechnung der erforderlichen Anzahl der Wärmetauscherrohre erfolgt
durch Umstellen der Gl. 6.61 nach n:
6.6.1 Kältetechnik
Auf Schiffen werden Kälteanlagen zum Kühlen der Proviantlasten, ggf. der Ladung
und ggf. auch für die Mülllagerräume23 benötigt. Weiter finden sich Kälteanlagen im
Zusammenhang mit dem Betrieb von Klimaanlagen.
6.6.1.1 Kälteanlagen
Dr
3 4
Verdampfer
Verflüssiger
2 K
M
Abb. 6.36 Prinzip einer einstufigen Kompressionskälteanlage. Der Bereich innerhalb der Strich-
linie ist der Kühlraum
Der Anteil des Kältebedarfes zur Abkühlung des Kühlgutes ist in der Regel der größte.
Wird allerdings bereits Gefriergut in einem Tiefkühlraum eingelagert, so kann der Kälte-
bedarf zur Runterkühlung des Gutes vernachlässigt werden. Ähnlich wird auch bei der
Auslegung der Mülllast verfahren werden. Primär wird hier der Kältebedarf zu ermitteln
sein, um die im Raum befindliche Luft auf Lagertemperatur herabzukühlen und auf dieser
Temperatur zu halten.
Werden aber Lebensmittel in einen Kühlraum eingebracht, die z. B. bei 20 °C liegen
und auf 7 °C herabgekühlt werden müssen, ist dafür Energie aufzuwenden. Der zum
Abkühlen des Kühlgutes erforderliche Kältebedarf Q̇AB berechnet sich zu [47]:
384 6 Schiffsbetriebsanlagen/Hilfssysteme
m · c · T
Q̇AB = [kW] (6.69)
t
mit
m = Masse des Kühlgutes in kg,
c = spez. Wärmekapazität des Kühlgutes beim Abkühlen in kJ/kgK (s. Tab. 6.9),
ΔT = Temperaturdifferenz des Kühlgutes zwischen Einbringtemperatur und gewünschter
Lagertemperatur in K (im vorstehenden Beispiel 293 K − 280 K = 13 K),
t = geforderte Zeit zur Abkühlung (in der Regel 24 h = 86.400 s).
Tab. 6.9 gibt eine Auswahl einiger spezifischer Wärmekapazitäten an.
Beispiel
Wie groß ist der Abkühlwärmestrom für 1000 L (≈1000 kg) diverser Getränke, die bei
einer Einbringtemperatur von 20 °C in der Proviantlast innerhalb eines Tages auf 8 °C
heruntergekühlt werden sollen?
Ferner muss noch die sog. Atmungswärme Q̇AT von Lebensmitteln (und sicherlich auch
von Abfällen) aufgrund organischer Prozesse berücksichtigt werden. Das erfolgt unter
Einsatz der spez. Atmungswärme des/der Kühlgutes/Kühlgüter qAT:24
m · qAT
Q̇AT = . (6.70)
t
Weiterhin ist die abzuführende Wärmemenge aus dem Verpackungsmaterial in analoger
Anwendung der Gl. 6.71 zu bestimmen, wobei hier der spezifische Wärmeinhalt des Ver-
packungsmaterials im betrachteten Temperaturfenster einzusetzen ist.
Darüber hinaus ist noch der Wärmedurchgang durch Wände, Decken, Fußböden und
Türen analog Abschn. 6.5.4.2 zu berücksichtigen.
Die Wärmeabgabe von Personen, die den Kühlraum betreten, ist zwar sehr gering,
kann aber überschlägig wie folgt in Ansatz gebracht werden:25
i·q·t
Q̇P = (6.71)
24
mit
Q̇P = Wärmeabgabe der Person in W,
q = Wärmeabgabe einer Person (s. Tab. 6.10),
i = Anzahl der Personen im Kühlraum,
t = Aufenthaltszeit einer Person in Stunden pro Tag.
Weiterhin muss die Wärmeabgabe über Beleuchtung und ggf. weitere wärmeabgebende
Maschinen und Einrichtungen in den Kühlräumen berücksichtigt werden. Für Kühl-
häuser an Land kann die Berechnung des Kältebedarfs sehr komplex werden.
Sind alle Wärmeströme erfasst, die in Summe den Gesamtwärmestrom Q̇ ergeben,
kann die weitere Konzeptionierung der Anlage erfolgen.
Die Verdampferleistung Q̇0 ergibt sich aus dem gesamten Wärmestrom zuzüglich
eines Sicherheitszuschlags von etwa 20 % [45].
Q̇0 = Q̇ + 20 %. (6.72)
Zur Beschreibung des Kälteprozesses (Abb. 6.36) wird der Carnot-Kreisprozess als Ver-
gleichsprozess herangezogen (s. Abb. 6.37).
In diesem Diagramm (Abb. 6.37) beschreibt Q̇41 die im Verdampfer zugeführte
Wärmeenergie:
25Nach [45].
386 6 Schiffsbetriebsanlagen/Hilfssysteme
T0
4 1
s
3 2
Flüssigkeit
Heißdampf
4 1
Nassdampf
Wt = h 2 − h 1 , (6.75b)
abzuführender Wärmestrom am Kondensator
Q̇0 ṁ(h1 − h4 )
ε= = . (6.82)
Pi ṁ(h2s − h1 )
388 6 Schiffsbetriebsanlagen/Hilfssysteme
Beispiel
Eine Verdichterkältemaschine soll bei einer Verdampfungstemperatur von −10 °C
(Kühlraumtemperatur) und einer Verflüssigungstemperatur von 25 °C mit Ammoniak
betrieben werden. Die Verdichtung verläuft annähernd isentrop28. Wie groß ist der
Kältegrad der Anlage? Auf wie viel bar wird das Kältemittel verdichtet?
Lösung: Aus dem lg-p-h-Diagramm im Anhang 23 und Abb. 6.36 findet man für h1
bei −10 ◦C 1748 kJ/kg. Für h2 liest man bei der Temperatur von 25 °C 1925 kJ/kg ab.
Dazu geht man von h1 entlang der Isentropen bis zur Temperatur 25 °C.
Die abzuführende Wärme ist die Differenz von h2 − h3 (vgl. Gl. 6.76a bzw. 6.76b).
Bei der Wärmeabfuhr im Kondensator wird das Kältemittel verflüssigt. Die Enthalpie
h3 liegt dann auf der Verflüssigungskurve und kann mit h3 = 620 kJ/kg abgelesen
werden. In der Drossel wird das Kältemittel wieder entspannt auf den Punkt 4. Die-
sem korrespondiert die Enthalpie h4 = 620 kJ/kg. Somit errechnet sich der Kältegrad
ε nach Gl. 6.82 zu
6.6.2.1 Einführung
Die klima- und lüftungstechnischen Verhältnisse auf Schiffen haben, unabhängig vom
Typ des Schiffes, einen erheblichen Einfluss auf das Wohlbefinden von Besatzung und
Passagieren sowie den störungsfreien Betrieb von Maschinen, Systemen und Anlagen.
Klimaanlagen schaffen in Schiffen die notwendigen Umgebungsbedingungen für
klimaempfindliche technische Anlagen und sorgen für ein angenehmes Raumklima für
die an Bord befindlichen Menschen, was üblicherweise bei einer Temperatur von etwa
20–22 °C und einer relativen Luftfeuchtigkeit von 40–50 % gegeben ist.
Daneben schreibt die Arbeitsstättenrichtlinie ASR A3.5 „Raumtemperatur“ [30] für
spezielle Arbeitsbereiche differenzierte Raumtemperaturen vor (s. Tab. 6.11).
Für die Klassifizierung der Arbeitsschwere gibt Tab. 2 der genannten ASR folgende
Anhaltspunkte (Tab. 6.12).
Weiterhin soll nach der ASR A3.5 die Lufttemperatur in Arbeitsräumen +26 ◦C
grundsätzlich nicht überschreiten.
28Da Entropie und potenzielle Temperatur direkt miteinander in Beziehung stehen, wird der
Begriff der Isentrope auch synonym für Linien gleicher potenzieller Temperatur gebraucht.
390 6 Schiffsbetriebsanlagen/Hilfssysteme
Tab. 6.11 Mindestwerte der Lufttemperatur in Arbeitsräumen nach Tab. 1 der ASR A3.5
Überwiegende Körperhaltung Arbeitsschwere
Leicht (°C) Mittel (°C) Schwer (°C)
Sitzen +20 +19 –
Stehen, Gehen +19 +17 +12
Ferner wird dort ausgeführt, dass in Pausen-, Bereitschafts-, Sanitär-, Kantinen- und
Erste-Hilfe-Räumen während der Nutzungsdauer eine Lufttemperatur von mindestens
+21 ◦C herrschen muss; in Toilettenräumen darf die Lufttemperatur durch Lüftungsvor-
gänge, die durch die Benutzer ausgelöst werden, kurzzeitig unterschritten werden. In
Waschräumen, in denen Duschen installiert sind, soll die Lufttemperatur während der
Nutzungsdauer mindestens +24 ◦C betragen.
Wird die Lufttemperatur in einem Raum von +35 ◦C überschritten (was im
Maschinenraum der Fall sein kann), so ist der Raum für die Zeit der Überschreitung
ohne
6.6.2.2 Lüftungstechnik
Die im vorstehenden Abschnitt genannten Raumtemperaturen und Feuchtigkeitswerte
können durch eine geeignete Lüftung erreicht werden. Hier ist zunächst die freie Lüf-
tung zu nennen. Die einfachste Form der freien Lüftung ist die Fensterlüftung. Sie hat
eine hohe Akzeptanz, falls die Öffnung der Fenster von den an Bord befindlichen Perso-
nen selbst bestimmt werden kann. Andere Formen der freien Lüftung sind z. B. Schacht-,
Dachaufsatz- oder Kaminlüftung (Windhutzen).
6.6 Kälte-, Lüftungs- und Klimatechnik, Heizungsanlagen 391
Tab. 6.14 Mindestöffnungsfläche für kontinuierliche Lüftung und für Stoßlüftung nach Tab. 3 der
ASR A3.6
System Maximal zulässige Raumtiefe Öffnungsflächea zur Sicherung des
bezogen auf die lichte Raum- Mindestluftwechsels
höhe (h) in m Für kontinuier- Für Stoßlüf-
liche Lüftung (m2/ tung (m2/10 m2
anwesende Person) Grundfläche)
I Einseitige Lüftung Raumtiefe = 2,5 × h 0,35 1,05
(bei h > 4 m: max. Raumtiefe
=10 m)
(angenommene Luft-
geschwindigkeit im Querschnitt
= 0,08 m/s)
II Querlüftung Raumtiefe = 5,0 × h 0,20 0,60
(bei h > 4 m: max. Raumtiefe
=20 m)
(angenommene Luft-
geschwindigkeit im Querschnitt
= 0,14 m/s)
aDie angegebenen Öffnungsflächen sind die Summe aus Zuluft- und Abluftflächen
Die freie Lüftung von Räumen kann als Stoßlüftung oder kontinuierliche Lüftung
erfolgen. In Arbeitsräumen ist eine ausreichende freie Lüftung nur dann gewähr-
leistet, wenn die erforderlichen Lüftungsquerschnitte und die maximal zulässigen
Raumtiefen nach Tab. 3 der ASR A3.6 eingehalten werden (Tab. 6.14). Von den dort
genannten erforderlichen Lüftungsquerschnitten kann abgewichen werden, wenn die
Anforderungen aus Tab. 6.13 auch bei geringeren Lüftungsquerschnitten erfüllt werden.
Andere Formen der freien Lüftung durch natürliche Ventilation (z. B. Lüftungskamine,
Windhutzen; Abb. 6.39) sind entsprechend auszulegen.
Dauer und Intensität des Luftaustausches bei freier Lüftung sind so zu gestalten, dass
Zugluft möglichst vermieden wird.
Raumlufttechnische Anlagen29
Die freie Lüftung – natürliche Ventilation – wird nur noch in Ausnahmefällen auf klei-
nen Schiffen angewendet. Üblicherweise erfolgt heute die Luftver- und Entsorgung als
Überdruckbelüftung mittels raumlufttechnischer Anlagen (RLT-Anlagen). Dazu wird die
Zuluft mit elektromotorischen Lüftern in die zu belüftenden Bereiche (insbesondere der
Maschinenraum, Laderäume auf Fährschiffen) gefördert. Die Abluft wird über Abluft-
kamine (Abb. 6.40), Klappen oder Jalousien nach außen geleitet.
Bei RLT-Anlagen muss die Zuluft (Außenluft/Umluft) vor der Zuführung in die zu
lüftenden Bereiche entsprechend den Anforderungen hinsichtlich der Nutzung der
Räume durch Luftfilter nach dem Stand der Technik gereinigt werden. Die RLT-Anlage
Lüftungsrohre
darf nicht selbst zur Gefahrenquelle (z. B. durch Gefahrstoffe, Bakterien, Schimmelpilze
oder Lärm) werden.
Der Außenluftvolumenstrom ist nach dem Stand der Technik so auszulegen, dass
Raumluftlasten (Stoff-, Feuchte-, Wärmelasten) zuverlässig abgeführt werden.
Abluft aus Räumen mit Lasten (Stoff-, Feuchte-, Wärmelasten) darf als Umluft nur
dann genutzt werden, wenn Gesundheitsgefahren und Belästigungen ausgeschlossen
werden können. Abluft aus Sanitärräumen, Raucherräumen (Fischereifabrikschiffe) und
Küchen darf nicht als Zuluft genutzt werden.
Die RLT-Anlage darf keine unzumutbare Zugluft erzeugen. Zugluft ist vorwiegend
von der Lufttemperatur, der Luftgeschwindigkeit, den Luftturbulenzen im Raum und
der Art der Tätigkeit (d. h. Wärmeerzeugung durch körperliche Arbeit) abhängig. Bei
einer Lufttemperatur von +20 ◦C und einer mittleren Luftgeschwindigkeit <0,15 m/s
tritt bei leichter Arbeitsschwere üblicherweise keine unzumutbare Zugluft auf. Bei grö-
ßerer körperlicher Aktivität und anderen Lufttemperaturen kann der Wert für die mitt-
lere Luftgeschwindigkeit abweichen. Zu hohe Luftgeschwindigkeiten können zu
Zugerscheinungen führen. So sollte die Luftgeschwindigkeit an Büroarbeitsplätzen und
vergleichbaren Räumen (z. B. die Brücke) bei ≤0,2 m/s liegen.
Ferner zielen lüftungstechnische Maßnahmen darauf ab, den CO2-Wert im Raum
in erträglichen Grenzen zu halten. Ein zu hoher CO2-Wert führt zu Müdigkeit,
Konzentrationsschwäche und kann Kopfschmerzen auslösen; das kann bereits bei
CO2-Konzentrationen von 1000 ml/m3 bzw. ppm erfolgen.
394 6 Schiffsbetriebsanlagen/Hilfssysteme
In Räumen, in denen sich eine größere Anzahl von Personen aufhält und die Luft-
qualität den hygienischen Erfordernissen nach DIN 1946, Teil 2 bzw. DIN EN 13779
entsprechen soll, wird der Außenluftvolumenstrom über die Außenluftrate personen-
bezogen bestimmt.
Als Richtwert ist ein Luftbedarf (Frischluftmenge) von 25–36 m3/h je Person anzu-
setzen, wobei 20 m3/h pro Person auch als absolute Mindestluftrate bezeichnet wird und
nicht unterschritten werden soll [54].
Die Außenluftrate bezeichnet, wie oft die Raumluft pro Stunde komplett gegen
Außenluft/aufbereitete Umluft ausgetauscht wird. Mittels der Daten für den Luftbedarf
je Person und der zugehörigen Außenluftrate (ALR) für einen bestimmten Raum lässt
sich auch eine Grobdimensionierung von Raum und Lüftung durchführen [61].
Tab. 6.15 gibt Anhaltswerte für die erforderliche Luftwechselrate (Außenluftrate)
nach DIN 1946, Teil 2. Sie richtet sich nach der Verwendung des Raumes. Daraus wird
nach Gl. 6.84 die benötigte Frischluftmenge pro Stunde ermittelt.
Beispiel
Die Brücke eines kleinen KüMos (Küstenmotorschiffs) ist mit drei Personen besetzt.
Welche Luftmenge muss stündlich ausgetauscht werden?
Lösung: Die Brücke kann als Büroraum angesehen werden. Aufgrund der hohen Auf-
merksamkeit, die vom Brückenpersonal verlangt wird, sollte daher eine Luftwechsel-
rate bzw. Außenluftrate von 60 m3/h pro Person angenommen werden. Nach Gl. 6.84
ergibt sich dann eine benötigte Luftmenge, die pro Stunde auszutauschen ist:
Neben der Frischluftmengenermittlung über die Außenluftrate, die auf die in einem
Raum befindliche Anzahl von Personen bezogen ist, kann die Luftmengenermittlung
auch mittels Luftwechselraten (LWR) berechnet werden.30 Wichtig ist hierbei, zunächst
die Art und die Bestimmung (Verwendung) eines Raumes zu definieren. Zur Entlüftung
beispielsweise einer Passagierkabine wird eine niedrigere Luftmenge erforderlich sein
als in einem Badezimmer.
Die LWR (stündliche Luftwechselrate – wie oft wird die Raumluft in der Stunde
ausgetauscht) ist als Empfehlung aus Tab. 6.16 zu entnehmen und wird in die Gl. 6.85
eingesetzt:
Lösung: Die Brücke kann als Büroarbeitsplatz gewertet werden. Da hier aber erhöhte
Anforderungen an die Konzentration des Brückenpersonals zu stellen sind, sollte eine
LWR von 7/h herangezogen werden. Aus Gl. 6.85 folgt:
ein 45 m3 großer (Brücken-)Raum auch mit deutlich mehr als drei Personen besetzt
werden kann, bevor unzuträgliche Arbeitsbedingungen insbesondere durch CO2-
Belastungen auftreten.
Beispiel
Wie viele Soldaten können in der Operationszentrale (OPZ) eines Kriegsschiffs
Dienst tun, damit hier für sie erträgliche Arbeitsbedingungen herrschen? Die
Lüftungsanlage entspricht dem Stand der Technik, die OPZ hat ein Raumvolumen
von 150 m3.
Lösung: Die OPZ kann als Konferenzraum gemäß Tab. 6.15 und 6.16 angesehen wer-
den, in der hohe Aufmerksamkeit von den Soldaten verlangt wird. Daher: LWR/h = 8,
ALR = 20 m3 /h pro Person.
Da sowohl Gl. 6.84 als auch Gl. 6.85 die erforderliche Frischluftmenge ermitteln,
können beide gleichgesetzt und nach der Personenzahl umgestellt werden:
Die erforderliche elektrische Lüfterleistung Pel errechnet sich nach folgender Gleichung:
�p · V̇L
Pel = (6.86)
ηL
mit
Δp = Differenzdruck (N/m2),
= Luftvolumenstrom (m3/s),
V̇L
ηL = Lüfterwirkungsgrad.
Da die elektrische Energie durch Dieselgeneratorsätze oder durch Wellengeneratoren
zur Verfügung gestellt wird (vgl. Abschn. 6.8), ist es aus Gründen des Umweltschutzes
(Verminderung des Schadstoffausstoßes der Dieselaggregate) und aus Gründen der
Kostenminimierung beim Kraftstoffverbrauch anzustreben, auf eine Reduzierung des
E-Bedarfs für die Lüfter hinzuwirken. Dazu muss die Lüfterleistung reduziert werden.
Aus Gl. 6.86 ist ersichtlich, dass das durch eine Verringerung des Druckverlustes im
System der Lüftungskanäle und durch eine Erhöhung des Lüfterwirkungsgrades erfol-
gen kann. Der Luftvolumenstrom kann nur eingeschränkt reduziert werden, da er ja
vorgegeben ist (vgl. vorstehende Ausführungen).
Zum Wirkungsgrad
Da die Lüfter überwiegend Dauerläufer sind, sollte auf gute Wirkungsgrade bei Lüfter
und Antriebsmotor geachtet werden. Bei üblichen Maschinenraumlüftungsanlagen bei-
spielsweise von 60 kW Nennleistung ergibt eine Wirkungsgradverbesserung von 5 % eine
jährliche Ersparnis der elektrischen Energie von ca. 25.000 kWh.
Zum Differenzdruck
Die Geometrie der Lüfterkanäle ist auf geringe Verluste zu optimieren. Dazu ist der
Querschnitt so groß wie möglich zu wählen, möglichst geradlinige Kanalführungen sind
anzustreben. Hier müssen jedoch aufgrund schiffbaulicher Gegebenheiten Kompromisse
eingegangen werden.
6.6.2.3 Klimaanlagen
Mit Klimaanlagen werden die vorstehend geforderten Raumluftbedingungen (Tempera-
tur, Feuchte, Reinheit und CO2-Gehalt) auf dem Schiff erzeugt. Sie haben die Aufgabe,
die Luft eines Raumes in einen bestimmten Zustand zu bringen und zu halten („kondi-
tionieren“). Da in der Schiffsklimatisierung mit extremen Luftkonditionen und korrosi-
ver Seeluft zu rechnen ist, müssen diese Anlagen höchsten Qualitätsansprüchen genügen.
Hier ist großer Wert auf die Materialtauglichkeit hinsichtlich des Korrosionsverhaltens
zu legen. Metallische Teile werden daher vielfach pulverbeschichtet [26] oder gleich in
Edelstahl ausgeführt. Im Bereich der Hochseeschifffahrt werden nicht selten alle Klima-
zonen der Erde durchfahren – die Klimaanlagen müssen daher stets zuverlässig die
genannten Raumluftwerte zum Wohlfühlen über einen weiten Klimabereich garantieren.
398 6 Schiffsbetriebsanlagen/Hilfssysteme
Wärmetauscher und
Mischkammer
Kältemittelkompressor
• Mischkammer, hier wird Frischluft und Rückluft gemischt, für die Besatzung wird
100 % Frischluft und keine Umluft verwendet,
• Filter (zum Teil auch Aktivkohlefilter) zur Luftreinigung von Schmutz, Staub, Bakte-
rien und Gerüchen,
Abb. 6.42 Schematische Darstellung einer typischen Klimaanlage auf Handelsschiffen. (Zeichnung:
Hochhaus, K.-H.)
• Nachheizung,
• Lüfter: Der Lüfter ist das einzig bewegte Teil der Klimaanlage (vorwiegend Radial-
lüfter). Der Antrieb erfolgt mittels Elektromotor (meistens frequenzgeregelt oder
polumschaltbar).
• Verteilerkammer: Der den Lüfter verlassende Luftstrom wird in der Verteilerkammer
den einzelnen Zuluftkanälen (Anzahl von der Schiffsgröße abhängig) zugeführt.
• Zur Energieeinsparung werden teilweise Wärmerückgewinnungsanlagen eingebaut
(Regenerator, Wärmerad).
Luftkühler mit Regelventil, einem elektrischen Nacherhitzer und einem Ventilator (mindes-
tens dreistufig).32 Die Fan-Coil-Geräte sind entweder stehend in bzw. an der Nasszelle oder
liegend in bzw. an der Kabinendecke montiert und besitzen einen Kondensat- sowie Kalt-
wasseranschluss. Die aus den Kanälen kommende Primärluft wird entweder druck- oder
saugseitig zugemischt.
Eines der wichtigsten Argumente für eine auf dezentralen Geräten basierende Klima-
tisierung ist der geringe Platzbedarf von Gebläsekonvektoren.
Abb. 6.43 Indirektes Klimasystem für Passagier- und Fährschiffe. (Zeichnung: Hochhaus, K.-H.)
Abb. 6.45 Hybridklimaanlage bestehend aus zwei Kälteanlagen (Verdichter- und Absorptions-
anlage) eines Kreuzfahrtschiffs. (Zeichnung: Hochhaus, K.-H.)
6.6.3 Heizungsanlagen
Wohn- und Aufenthaltsräume, aber auch Arbeitsräume auf Schiffen müssen beheizt wer-
den. Wie vorstehend ausgeführt, kann das mittels einer Klimaanlage erfolgen. Ist eine
Klimaanlage jedoch nicht vorgesehen, müssen die erforderlichen Temperaturen (diese
sind der Arbeitsstättenrichtlinie ASR A3.5 – Raumtemperatur33 – zu entnehmen) auf
33Die Arbeitsstättenrichtlinien finden sich auf der Internetseite der Bundesanstalt für Arbeitsschutz
andere Weise erzeugt werden. Insbesondere kann während der Fahrt die Wärme aus
dem Kühlwasserkreislauf der Antriebsmaschine oder auch die Wärme des Abgases der
Antriebsmaschine zu Heizungszwecken genutzt werden. Aber auch während der Liege-
zeiten vor Anker oder an der Pier müssen Warmwasser und die Möglichkeit zur Raum-
heizung zur Verfügung stehen.
6.6.3.1 Wärmeerzeugung
Dazu kommen diverse Arten von Heizanlagen, von der normalen Warmwasserheizungsanlage
mit einem ölbefeuerten Kessel bis zur Elektroheizung, Dampfheizung oder einer Warmluft-
heizung, zum Einsatz. Welches System gewählt wird, hängt im Wesentlichen von der gesam-
ten Elektro- und Wärmebilanz des Schiffes ab. Mit den Heizungsanlagen kann auch das
erforderliche Brauchwasser zum Waschen und Duschen erwärmt werden (s. Abb. 6.46).
Alle Wärmeerzeuger habe die Gemeinsamkeit, dass sie die Wärme einer offenen
Flamme oder die Abwärme anderer Systeme zur Erwärmung von Wasser nutzen. Die
Flamme wird dabei von einem Wärmetauscher umgeben, der vom Wasser durchströmt wird.
Die Wärmetauscher im Kessel sollten dabei im Verhältnis zur Brennerleistung (das ist
näherungsweise die Wärmeleistung der Flamme) möglichst groß sein. Dies gewährleistet,
dass die Verbrennungsluft der Flamme sehr stark gekühlt wird. Niedrige Abgastemperaturen
gewährleisten, dass die Wasseranteile im Abgas kondensieren. Den gewünschten Effekt
nennt man Brennwerttechnik.
Zur Auslegung einer Heizungsanlage ist der Wärmebedarf, der durch die Anlage
bereitgestellt werden muss, die ausschlaggebende Größe. Zunächst wird der Leistungs-
bedarf für die Brauchwassererwärmung betrachtet [33]:
Der Wärmeleistungsbedarf für die Trinkwarmwasserbereitung und die Auslegung
eines installierten Warmwasserspeichers hängt von der Nutzung des Schiffes (Passagier-
schiff, Fähre, Frachter, Marineschiff u. a.) und den damit verknüpften Anforderungen
an den Warmwasserkomfort, von dem Gesamtverbrauch an warmem Wasser sowie der
eingesetzten Systemtechnik (mit und ohne Wasserbevorratung im Speicher) ab. Zur
Bemessung der Leistung für die Warmwasserbereitung wird in der Regel eine Kalt-
wassertemperatur von 10 °C angenommen. Warmwassertemperaturen schwanken je nach
Art der Entnahmequelle. Anhaltswerte sind 45 °C für Waschbecken, Duschen, Bade-
wannen und 60 °C für Küchenzwecke und Sanitätsbereiche.
Beispiel
Auf einem Containerschiff befinden sich 3 Einzelkammern und 5 Doppelkammern mit
jeweils einer dazugehörigen Nasszelle mit Waschbecken und Dusche. In der Kombüse
gibt es eine Zapfstelle für Warmwasser. Wie hoch ist die Bedarfskennzahl N?
Aus Gl. 6.87 und Tab. 6.17 folgt:
(3 · 1 · 1 · 1,63) + (5 · 2 · 1 · 1,63) + 1,16
N= = 21,25.
3,5 · 5,82
Berücksichtigt (relevant) wird pro Wohneinheit nur die Zapfstelle mit dem größten
Leistungsbedarf. Demzufolge sind in Gl. 6.87 nur die Duschen, nicht aber die Wasch-
tische berücksichtigt worden.
406 6 Schiffsbetriebsanlagen/Hilfssysteme
Für wohnähnliche Gebäude wie Hotels (zu denen beispielsweise Kreuzfahrtschiffe, ggf.
auch Fährschiffe gezählt werden können) muss mit einer erhöhten gleichzeitigen Nut-
zung der Zapfstellen gerechnet werden. Die für Wohngebäude berechnete Bedarfskenn-
zahl N muss in diesem Fall nach praktischen Erfahrungen korrigiert werden. Es können
Anhaltswerte für Nkorr nach Tab. 6.18 herangezogen werden.
Entsprechend der errechneten Bedarfskennzahl N wird die Leistungszahl NL des
Warmwasserspeichers gemäß Herstellerangaben gewählt, wobei NL ≥ N sein muss. Ist
der Warmwasserspeicher gewählt, ergibt sich für diesen Speicher aus den Hersteller-
angaben die dafür erforderliche Wärmeleistung in kW.34
Beispiel
Für das im vorstehenden Beispiel genannte Containerschiff ist eine Bedarfskennzahl
von N = 21,25 ermittelt worden. Es soll ein entsprechender Speicher installiert wer-
den. Aus dem Datenblatt für den Speicher ist zu entnehmen (Auszug):
Gemäß diesem Datenblatt ist ein Speicher mit der Leistungskennzahl NL 34,0 und
einer Heißwasservorlauftemperatur von 80°C zu wählen. Aus den einschlägigen
Datenblättern der Hersteller können auch die zugehörigen Speichervolumina und
deren Leistung in kW abgelesen werden.
34Siehe z. B. [50].
6.6 Kälte-, Lüftungs- und Klimatechnik, Heizungsanlagen 407
Q̇ = k · A · T (6.88)
mit
Q̇
= Leistung in W,
k = Wärmedurchgangskoeffizient in W/m2K,
A = Fläche in m2,
Ti − Ta (Ti bzw. Ta = Innen- bzw. Außentemperatur) in K.
ΔT =
Der Wärmedurchgang ist für jede Teilfläche gesondert zu ermitteln. Für den betrachteten
Raum sind dann die Einzelwerte zu einem Gesamtwärmedurchgang zu addieren. Ferner
müssen zur Dimensionierung von Heizungsanlagen die Lüftungswärmeverluste (freie
Lüftung oder RLT-Anlage), eine eventuelle Nachtabsenkung der Heizungsanlage,
Wiederaufheizvorgänge etc. im Rahmen berücksichtigt werden.
Für den Wärmedurchgangskoeffizienten k (im Bauwesen auch „U-Wert“ genannt)
durch eine Wand, die aus mehreren Schichten bestehen kann (Außenhaut, Isolierung,
Innenverkleidung) gilt:
i=n
1 1 s 1
= + + (6.89)
k α1 i α2
i=1
mit
α = Wärmeübergangskoeffizient innen bzw. außen in W/m2K,
λ = Wärmeleitfähigkeit des jeweiligen Wandmaterials in W/m K,
s = jeweilige Wanddicke in m.
Der Temperaturverlauf durch eine mehrschichtige Wand ist in Abb. 6.47 dargestellt.
Tab. 6.19 zeigt λ-Werte diverser Materialien.
Tab. 6.20 gibt Anhaltswerte für α für verschiedene Zustände des Wärmeübergangs
Luft/Wand an.
Als überschlägige k-Werte im Bauwesen können die Werte in Tab. 6.21 angenommen
werden [25].
Ta
408 6 Schiffsbetriebsanlagen/Hilfssysteme
Das Verfahren zur Ermittlung der jeweiligen Heizleistung eines Raumes mittels
des Wärmedurchgangs ist sehr aufwendig.35 Es müssen die Lage und Beschaffenheit
des Raumes berücksichtigt werden: Innen- oder Außenkabine (bei Innenkabinen sind
Wärmedurchgänge durch die Wände, Decken und Fußböden vernachlässigbar, wenn die
umliegenden Räume gleiche Temperaturen aufweisen), Wärmeverlust durch Lüftungs-
anlagen, Wärmezufuhr durch Personen und/oder elektrische Geräte (z. B. in einer
Operationszentrale eines Kriegsschiffs) und anderes mehr.
In der Praxis wird daher häufig mit überschlägigen Größen gerechnet. Hierbei wird
eine überschlägige Wärmeleistung pro Quadratmeter Raum angenommen, wobei die
Art des Raumes, insbesondere seine Dämmung, ausschlaggebend ist. Für überschlägige
Rechnungen wird man wohl 170 W/m2 für schlecht gedämmte Schiffe und 70–100 W/m2
35Unter diesem Link [59] findet sich ein „U-Wert-Rechner“, mit dem der k- bzw. U-Wert für
für gut gedämmte Schiffe (moderne Kreuzfahrtschiffe) annehmen können. Für Sanitär-
bzw. Duschräume sollte ein Zuschlag von 10 % angenommen werden.36
Die Richtwerte beziehen sich auf eine Heizungsanlage nach der Norm EN 442 mit
einer Vorlauftemperatur von 75 °C und einer Rücklauftemperatur von 65 °C. Bei anderen
Vor- und Rücklauftemperaturen sind folgende Zuschläge in Ansatz zu bringen:
36Im Bauwesen wird überschlägig mit 100 W/m2 bei Neubauten und 150 W/m2 bei schlecht isolier-
ten Altbauten mit Einfachverglasung gerechnet (vgl. [42]).
410 6 Schiffsbetriebsanlagen/Hilfssysteme
Tankheizungen werden in der Regel mit Dampf betrieben, der meist einem sog. Dampf-
umformer entnommen wird. Das dabei anfallende Kondensat läuft über Kontrollein-
richtungen und Ölabscheider zu ihm zurück [14].
Sind alle Wärmemengen ermittelt, sind sie zu addieren und bestimmen insofern die
erforderliche Leistung der Heizungsanlage.
6.6.3.2 Wärmeverteilung
Im Schiff wird die Energie des Wärmeerzeugers mithilfe eines Rohrleitungssystems,
durch welches das erwärmte Wasser strömt, den Heizkörpern zugeführt [43]. Geregelt
wird die Verteilung mittels Ventile. Zur Temperatureinstellung des zu wärmenden Rau-
mes finden Thermostatventile, die am jeweiligen Heizkörper den Wasserdurchfluss
regeln, Anwendung. Es kann auch eine Regelung der Heizungsventile über einen im
Raum angebrachten Thermostaten erfolgen (s. Abb. 6.48).
Bei den Thermostatventilen am Heizkörper (Abb. 6.49) wird ein Medium im Kopf des
Ventils durch die Raumtemperatur beeinflusst. Hierbei wird die Eigenschaft genutzt, dass
sich Stoffe temperaturabhängig dehnen. Die Kraft dieser Dehnung wird auf einen klei-
nen Stift übertragen, der den Rohrleitungsquerschnitt beeinflusst. Weil die Kraft für die
Dehnung aus der Energie der Raumluft gewonnen wird, spricht man beim Thermostat-
ventil auch von einem Ventil ohne Hilfsenergie, da kein zusätzlicher Stromanschluss
notwendig ist.
Ebenfalls gängige Ventile findet man unmittelbar an der Warmwasserverteilung. Diese
Ventile regeln für gewöhnlich weniger die Verteilung als das Temperaturniveau, mit dem
das Wasser durch die Rohrleitungen fließt. Für die Effizienz einer Heizungsanlage ins-
gesamt sind diese Regelorgane sehr wichtig, da mit sehr niedrigen Temperaturen hohe
Wirkungsgrade erreicht werden können. Die hauptsächliche Einflussgröße ist hierbei
die Außentemperatur; es wird dann von einer „witterungsgeführten Vorlauftemperatur“
gesprochen.
Bei einem Kälteeinbruch reagiert die außentemperaturgeführte Vorlaufregelung
mit höheren Vorlauftemperaturen. Gleichzeitig werden die Brennerlaufzeiten pro Ein-
schaltung höher.
6.6.3.3 Rohrleitungen
Bei der Verteilung des erwärmten Wassers mittels Rohrleitungen kommen Stahl-,
Kupfer- oder Edelstahlrohre zum Einsatz, die an ihren Verbindungen geschweißt
oder verlötet werden [43]. Durchgesetzt hat sich neuerdings aufgrund einer schnelle-
ren Montagetechnik bei Edelstahl- und Kupferrohren die sog. Pressverbindung. Dabei
werden die Metalle an den Verbindungsstellen so geformt, dass die Dichtigkeit mittels
O-Ring-Einlage und Verformung gegeben ist (s. Abb. 6.50). Zum Teil kommen auch
412 6 Schiffsbetriebsanlagen/Hilfssysteme
Lötverbindung
Pressverbindung
Kunststoffrohre zum Einsatz, diese aber mehr im Jachtbau. Kunststoffe haben den Vor-
teil, dass sie biegsamer sind. Als Verbindungstechnik sind Verschraubungen und Kleben
üblich. Kunststoffleitungen werden gerne bei Flächenheizungen (Fußbodenheizung) ein-
gesetzt – z. B. im Bereich der Brücke. Hier erhält die Rohrleitung neben der Funktion der
Wärmeverteilung zusätzlich die Funktion des klassischen Wärmespenders oder Wärme-
verbrauchers.
werden Rohr und Fitting unter Drehen zusammengefügt, damit sich das Flussmittel noch
besser verteilt.
Rohr und Fitting werden mit der Gasflamme erhitzt. Dabei ist darauf zu achten, dass
beide Werkstücke gut und gleichmäßig erhitzt werden. Hält man den Brenner nur an das
Rohr, wird dieses zwar schnell heiß, aber das Fitting hat dann noch nicht die erforder-
liche Temperatur. Die richtige Temperatur der Werkstücke ist erreicht, wenn das Lot
beim Heranführen an den Lötspalt von selbst abschmilzt und in diesen hineingezogen
wird (ist das nicht der Fall, ist die Temperatur noch zu niedrig; dann keinesfalls die
Brennerflamme auf das Lötzinn halten, sondern die Lötstelle nachwärmen). Die Lötstelle
ist ausreichend mit Lötzinn gefüllt, wenn sich ein deutlich sichtbarer Lötzinnrand an der
Lötstelle ausbildet, der nicht weiter in den Lötspalt eingezogen wird (vgl. Abb. 6.48).
Bei waagerecht verlegten Rohren kann sich dann auch an der Unterseite der Lötstelle
ein kleiner Tropfen Lötzinn bilden. Anschließend wird die Lötstelle mit einem Tuch
gesäubert.
6.6.3.4 Heizkörper
Unter den Wärmeverbrauchern findet man natürlich den klassischen Heizkörper, die
Fußbodenheizung oder die Wandheizung [43]. Aber auch Wärmetauscher an Lüftungsan-
lagen zählen dazu.
Die Heizkörper (Wärmeverbraucher) übertragen die Wärme auf die Luft eines
Raumes. Die Übertragung findet dabei auf zwei Wegen statt: erstens durch Konvektion.
Hierunter versteht man die direkte Aufwärmung der Luft. Zweitens mittels Strahlung:
Hierbei wird von der Fläche des Heizkörpers Energie in Form von Strahlungswärme
abgegeben. Strahlung nimmt in Abhängigkeit des Temperaturunterschiedes stärker zu
bzw. ab als die Wärmeübertragung mittels Konvektion.
Sehr effektiv arbeiten daher Heizkörper, die ihre Wärme sowohl konvektiv als auch
durch Strahlung abgeben. Sie übertragen die Wärme in der Regel zu ca. 75 % durch Kon-
vektion und zu ca. 25 % über Strahlung an den Raum. Die optischen Variationen für der-
artige Heizkörper sind äußerst vielfältig. Interessant zu wissen ist, dass Heizkörper mit
gleichen Oberflächen dann leistungsfähiger sind, wenn sie hochkant statt längs montiert
werden. Das hängt damit zusammen, dass die zu erwärmende Raumluft entlang des
Heizkörpers zunehmend an Auftrieb erfährt und sich damit der Wärmeübergang zwi-
schen Heizkörper und Luft verbessert.
Andere Heizkörper sind multifunktionell, wie zum Beispiel ein Handtuchheizkörper
(Abb. 6.49) oder eine beheizte Garderobe, die auch als Designelement fungiert. Der
Kreativität sind keine Grenzen gesetzt: So sind bei den Designheizkörpern Formen wie
flach, rund, symmetrisch oder asymmetrisch am Markt zu erhalten.
„Designneutral“ sind Flächenheizungen. Meist in Form von Bodenheizungen liefern sie
bei relativ niedrigen Temperaturen eine angenehme Wärme. Gerade Fußbodenheizungen
sorgen bei angenehmer Fußwärme in Wohnbereichen für eine freie Gestaltung der Räume,
ohne dass auf den Platz und die Optik von Heizkörpern Rücksicht genommen werden
muss. Flächenheizungen arbeiten dann effizient, wenn der Fußbodenbelag möglichst
414 6 Schiffsbetriebsanlagen/Hilfssysteme
wenig dämmt. Daher sind wärmeisolierende Korkböden oder Holzböden nicht so sehr
geeignet wie der sonst eher als kalt empfundene Stein- oder Fliesenbelag. Allen Flächen-
heizungen gemein ist, dass sämtliche Fixierungsarbeiten in Abhängigkeit der Bohrtiefe
wohl überlegt sein müssen. Die Beschädigung des Systems durch eine falsch platzierte
Bohrung in den Fußboden führt zu einem enormen Reparaturaufwand. Diese Art der
Beheizung hat einen höheren Wirkungsgrad gegenüber den konventionellen Wandheiz-
körpern. Das hat mit der großen Wärmetauscherfläche zu tun, die bei gleicher Leistung
eine wesentlich geringere Vorlauftemperatur erlaubt.
6.7.1 Einführung
Die Frisch- bzw. Trinkwasserversorgung besteht aus der Wassererzeugung, der Wasser-
aufbereitung, der Wasserbevorratung in speziellen Wassertanks (Bunkersysteme) und
dem (Trink-)Wasserversorgungssystem.37
Frischwasser (Süßwasser) wird in Trink- und Brauchwasser unterteilt, wobei für jede
Wasserart ein separates System mit Vorratstanks, Rohrleitungen, Drucktanks und Pumpen
benötigt wird.
Trinkwasser dient zur Speisezubereitung, zum Trinken, Waschen und Geschirrspülen.
Das Spülwasser der WC-Einrichtungen ist Brauchwasser. Als Brauchwasser wird nicht
nur nach dem Gebrauch gereinigtes Trinkwasser, sondern zum Teil auch aufbereitetes
Seewasser verwendet.
Daneben wird Frischwasser als Kesselspeisewasser, zum Nachfüllen des Frischkühl-
wassers und in der Bordwäscherei benötigt.
Auf Schiffsneubauten wird heute in der Regel allerdings nur noch ein gemeinsames
Frischwassersystem für Trink- und Brauchwasser installiert. Damit werden zusätzliche
Rohrleitungen, Tanks und Einrichtungen eingespart. Zur überschlägigen Ermittlung des
benötigten Frischwassers zur Auslegung des Gesamtsystems sind der Bedarf für tech-
nische Zwecke und der Trinkwasserbedarf zu ermitteln: Für Trinkwasser werden pro
Person und Tag je nach Schiffstyp (Handelsschiff, Fährschiff, Kreuzfahrtschiff) etwa
200–500 L angenommen. Zur genaueren Ermittlung der Wassermenge, besonders für
Passagierschiffe, wird auf Erfahrungswerte der Reedereien und Werften zurückgegriffen.
In Häfen erfolgt die Frischwasserversorgung an Bord durch Bunkern des Wassers von
Land, auf hoher See hingegen erfolgt die Versorgung durch Seewasserverdampfung in
speziell für den Schiffseinsatz entwickelten Frischwassererzeugern [16, S. 63].
Daneben kann auch das Verfahren der Mikrofiltration (Umkehrosmose) zur Frisch-
wassererzeugung zum Einsatz gelangen.
37Vertiefend [11].
6.7 Frisch- und Trinkwassererzeugung 415
Seewasser wird in Verdampfern verdampft (s. Abb. 6.51). Der in diesen Anlagen erzeugte
Dampf wird anschließend kondensiert, aufbereitet und den Verbrauchern zugeführt. Im See-
wasser gelöstes Salz bleibt bei dem Verdampfungsprozess in der sogenannten Sole zurück.
Das von außenbords angesaugte Seewasser wird mit nichtverdampftem Wasser des
Frischwassererzeugers vermischt. Hierdurch wird die thermische Energie der Sole
zurückgewonnen. Dieses Gemisch durchläuft anschließend den im Frischwassererzeuger
installierten Wärmetauscher. Diese dienen der Abfuhr der Kondensationswärme, um
den im Frischwassererzeuger gebildeten Wasserdampf zu kondensieren. In den Wärme-
tauschern nimmt das Seewasser die Kondensationswärme auf, wodurch es sich weiter
aufheizt. Nach der Vorwärmung gelangt das Wasser zu einem weiteren Wärmetauscher,
welcher mit dem Kühlwasser der Hauptmaschinen betrieben wird. Nach Verlassen die-
ses Wärmetauschers besitzt das Seewasser eine Temperatur von rund 80 °C. Anschließend
durchläuft das Seewasser mehrere hintereinander geschaltete Entspannungsverdampfer,
wobei der Druck jeder Stufe im Vergleich zur vorherigen Stufe weiter vermindert ist. Von
Stufe zu Stufe beginnt das Seewasser bei geringeren Temperaturen zu sieden. In der letz-
ten Stufe ist der Druck so gering, dass das Wasser bereits bei T < 40 ◦C siedet [16, S. 63].
Dampf als Heizmedium für die Verdampfer wird heute auf Frachtschiffen selten ver-
wendet, ist auf Kreuzfahrtschiffen demgegenüber die Regel.
Das gewonnene Kondensat bzw. Destillat wird je nach Verwendungszweck (Trink-
wasser oder Brauchwasser) aufbereitet. Für die Aufbereitung zum Trinkwasser werden
Entkeimungsanlagen (z. B. UV-Anlage, Chlorierungsanlage) und Filter zur Aufhärtung
installiert.
Da auf Passagierschiffen der Trinkwasserverbrauch sehr hoch ist, werden oft auch
leistungsfähige Umkehrosmoseanlagen eingesetzt (s. Abb. 6.54).
Der Prozess der Osmose [17] tritt dann auf, wenn in einem System eine reine Lösung
(niedrige Konzentration) durch eine semipermeable Membran von einer Lösung hoher
Konzentration getrennt ist. In einem solchen System wird die Lösung geringer Konzent-
ration durch die Membran in die konzentrierte Lösung diffundieren und diese dadurch ver-
dünnen. Die Diffusion wird bis zum Konzentrationsausgleich aufrechterhalten, wenn das
System einige Zeit unbeeinflusst stehen bleibt. Die resultierende Differenz der unterschied-
lich hohen Flüssigkeitssäulen ist ein Maß für den natürlichen osmotischen Druck. Dieser
steht direkt in Relation zur Konzentration der angereicherten Lösung (vgl. Abb. 6.55).
Wird der Druck, der höher als der osmotische Druck sein muss, entgegen der Rich-
tung des natürlichen osmotischen Drucks ausgeübt (bei der Meerwasserentsalzung etwa
50…100 bar; [53]), läuft der Prozess der Umkehrosmose (Reverse Osmosis – RO) ab.
Auf der Seite der hohen Konzentration wird der Druck aufgebaut, reine Lösung wird
durch die Membran gedrückt, wodurch sich die Konzentration der Lösung auf der
Seite der hohen Konzentration weiter erhöht. Dieses Konzentrat (Salzwassersole) wird
418 6 Schiffsbetriebsanlagen/Hilfssysteme
osmot. Druck
hohe Konz.
niedrige Konz.
Membran Diffusionsrichtung
kontinuierlich abgezogen, das sog. Permeat – das Frischwasser – wird der weiteren Auf-
bereitung zugeführt.
Das Herz einer Umkehrosmoseanlage ist die Umkehrosmosemembran. Am häufigsten
wird eine Dünnschichtpolyamidmembran verwendet, die aus zwei Schichten aufgebaut
ist. Die „aktive“ Ionen abscheidende Komponente der Membran ist eine sehr dünne
Schicht, die auf ein Stützgewebe mit offener Struktur aufgebracht ist. Die Membran wird
in der Regel als Spiralwickelmodul, das durch die große Membranoberfläche kompakt
gebaut werden kann, eingesetzt (Abb. 6.56). Die Porengröße der Membran ist abhängig
6.7 Frisch- und Trinkwassererzeugung 419
von den zurückzuhaltenden Stoffen bzw. Ionen und liegt bei der Umkehrosmose zwi-
schen etwa 0,002 µm und 0,16 µm.
Die Leistungsfähigkeit eines Umkehrosmosemoduls berechnet sich wie folgt:
a) Ionenrückhaltung:
.. ..
.. Leitfahigkeit Rohwasser − Leitfahigkeit Permeat
% Ionen-Ruckhalt = .. · 100 %
Leitfahigkeit Rohwasser
(6.91)
b) Ausbeute:
Fließrate Permeat
% Ausbeute = · 100 % (6.92)
Fließrate Rohwasser
6.7.4 Trinkwasseraufbereitung
• Chlorierung,
• Ozonierung,
• Silberionenbehandlung,
• UV-Bestrahlung,
• Filtration,
• Erhitzung.
Das Trinkwasser wird auf Frachtschiffen mit der Trinkwasserpumpe aus dem Frisch-
wasservorratstank in den Trinkwasserdrucktank gefördert. In dem Drucktank wird mit-
hilfe eines Luftpolsters ein Überdruck gehalten, der abhängig von der Größe des Schiffes
und Ausdehnung des Trinkwassersystems 4–7 bar beträgt. Von diesem Kaltwasserdruck-
tank werden die Kaltwasserzapfstellen versorgt. Sinkt der Druck unter einen am Druck-
schalter eingestellten Druck ab, wird die Trinkwasserpumpe durch den Druckschalter
ein- und bei Erreichen eines oberen Druckes wieder ausgeschaltet. Mit dieser einfachen
Zweipunktregelung ist eine zuverlässige Wasserversorgung möglich, solange der Vorrats-
tank genug Trinkwasser enthält.
Große Passagierschiffe, wie Kreuzfahrt- und Fährschiffe mit hohen Aufbauten, ver-
fügen über umfangreiche Trinkwassersysteme, die in der Regel keine Drucktanks mehr
enthalten. Hier ist die Trinkwasserdruckpumpe ständig in Betrieb. Die in der Regel von
der Tageszeit abhängigen Verbrauchsvolumenströme werden im einfachsten Fall über
eine druckgesteuerte Bypassleitung in den Vorratstank zurückgeleitet. Häufig werden
jedoch Parallelschaltungen von Pumpen mit gleichen oder verschiedenen Volumen-
strömen gewählt. Eine andere technische Möglichkeit zur Anpassung der Volumenströme
an den Verbrauch sind polumschaltbare oder drehzahlverstellbare elektrische Antriebs-
motoren der Pumpen. Auf Passagierschiffen werden außerdem Umwälzpumpen ein-
gesetzt, um stehendes Trinkwasser in den Leitungen zu vermeiden (zur Prävention der
Legionellenbildung!).
Das Warmwassersystem wird während der Fahrt in der Regel mit einem dampf-
beheizten, selten Thermalölbeheizten Wärmetauscher erwärmt. Dabei wird die gewünschte
Temperatur (ca. 60 °C) an einem Thermostaten eingestellt, der die Beheizung beeinflusst.
Die Druckhaltung erfolgt über das Kaltwassersystem. Mit dieser bordüblichen Warm-
wasserbeheizung wird die Abwärme der Abgase ausgenutzt, zusätzlich wird eine elektri-
sche Beheizung oder eine Heizungsanlage mit Ölfeuerung (s. Abschn. 6.6.3.1) installiert,
um auch im Hafen bei stehendem Hauptmotor oder in der Werft die Warmwasserver-
sorgung zu gewährleisten.
6.7 Frisch- und Trinkwassererzeugung 421
Damit aus den Warmwasserzapfstellen sofort warmes Wasser fließt, sind die Warm-
wasserverbraucher an eine Ringleitung angeschlossen, worin eine ständige Umwälzung
erfolgt. Dazu wird eine Umwälzpumpe benötigt.
Neben der Frischwassererzeugung kommt auch das ausschließliche Bunkern von Frisch-
wasser in Trinkwassertanks (aus geschmacksneutralem Kunststoff, mit Kunststoff
beschichteten Stahltanks oder rostfreien Edelstahltanks) insbesondere für Schiffe mit
kurzer Stehzeit auf See infrage.
Eine Voraussetzung für reines Frisch- bzw. Trinkwasser an Bord ist eine gute Trink-
wasserqualität. Das Wasser muss frei von Keimen und Krankheitserregern sein. Grund-
sätzlich kann davon ausgegangen werden, dass das Trinkwasser in Nordeuropa von guter
Qualität ist. Über die zulässigen Werte diverser Inhaltsstoffe in unserem Trinkwasser gibt
die Trinkwasserverordnung Auskunft.38 Sie ist insofern auch auf das Trinkwassersystem
der Schiffe anzuwenden.
Zur Vorkehrung von Verkeimungen des Trinkwassers an Bord sollten einige grund-
sätzliche Vorsichtsmaßnahmen ergriffen werden:39
• Schläuche, die für die Betankung mit Trinkwasser verwendet werden, sind gegen
Verschmutzung geschützt zu lagern. Vor dem Verstauen müssen die Schläuche voll-
ständig entleert sein. Die Schlauchkupplungen müssen verschlossen sein, damit zwi-
schen den Betankungen keine Tiere, Insekten oder Schmutz eindringen können.
• Bei Beginn der Betankung sollte zunächst der Inhalt einer Schlauchlänge nicht in den
Trinkwassertank geleitet werden. Das gilt insbesondere dann, wenn der Füllschlauch
landseitig übernommen wird und nicht sichergestellt ist, dass er völlig entleert war;
in Restmengen Wasser, die sich im Schlauch befinden, kann insbesondere bei warmer
Witterung ein rasantes Keimwachstum stattfinden.
• Es sollte ein Desinfektionsplan für die regelmäßige Desinfektion des Schlauches und
des Wassertanks aufgestellt werden. Schläuche mit Kupplungen und Trinkwassertanks
sollten mit entsprechenden (chlorfreien) Mitteln desinfiziert werden.
• Lufteintrittsfilter an den Belüftungsrohren der Tanks sind regelmäßig zu wechseln.
• Trinkwassertanks können mit einer Dauerdosiereinrichtung zur Desinfektion versehen
werden.
• Grundsätzlich ist an der Entnahmeleitung des Trinkwassertanks druckseitig ein Trink-
wasserfilter (Gewebe- und/oder Aktivkohle) zu installieren.
6.8 Umschlaganlagen
Je nach Schiffstyp erfolgt seine Be- und Entladung (Laden und Löschen) durch unter-
schiedliche Umschlageinrichtungen. Diese können land- als auch schiffgebunden sein. Als
landgebundene Umschlaganlagen sind beispielsweise Containerbrücken für den Container-
umschlag oder z. B. auch pneumatische Fördereinrichtungen sowie Gurtförderer für das
Be- und Entladen von Getreide und ähnlichen Schüttgütern zu nennen. In diesem Abschnitt
sollen aber wichtige bordeigene Umschlageinrichtungen näher betrachtet werden.
6.8.1 Bordkräne
Stückgut, Schüttgut oder auch Container können durch bordeigene Krananlagen an und
von Bord gehievt werden.40 Bevorzugt werden Borddrehkräne (auch Deckkräne genannt)
mit Seilwippwerken eingesetzt (Abb. 6.57); Drehkräne mit >150 t Tragkraft werden als
Schwergutkräne bezeichnet, die bis zu 800 t tragen können [23, S. 23].
Mit dem Wippwerk wird die Neigung des Kranauslegers variiert. Die Statik ist dabei
so ausgelegt, dass die Neigung unter Last verändert werden kann. Mit dem Drehwerk
wird der Ausleger um die Kranachse geschwenkt. Sind mehrere Kräne an Bord vor-
handen, sind sie so angeordnet, dass sich ihre Förderbereiche überschneiden, um so die
gesamte Deckfläche bedienen zu können, wie in Abb. 6.57 gut zu erkennen ist.
In Abb. 6.58 sind noch einmal das Seilwippwerk, der Drehkranz und das Lastauf-
nahmemittel – der Kranhaken – detaillierter zu erkennen.
Neben dem Seilwippwerk kommen auch hydraulische Wippwerke zum Einsatz
(Abb. 6.59).
Drehkranz
Hydraulikzylinder
für Wippwerk
Um bei einer Änderung der Ausladung des Kranarms zusätzliche Hubarbeit durch
eine vertikale Lastbewegung zu vermeiden, wird während des Wippens der Lastweg-
verlauf möglichst waagerecht gehalten. Das wird durch eine geschickte Seilführung von
Trag- und Wippseilen erreicht.41
Krantragwerke werden in Vollwand- oder Fachwerkbauweise ausgeführt. Zur Ersteren
zählen sowohl die aus Normalprofilen oder Stegblechträgern bestehenden als auch die
in Zellen-, Kasten- oder Schalenbauweise gefertigten Tragwerke. Fachwerke werden aus
Dreiecken statisch bestimmt aufgebaut und als ebene Fachwerke betrachtet.
Um die Ladung von bzw. an Bord zu hieven, muss ein Drehen des Kranauslegers um
die senkrechte Kranachse möglich sein. Das erfolgt durch das Drehwerk des Krans. In die-
sem befindet sich die Lagerung des drehbaren Turms wie auch der Antrieb des Drehwerks.
Dieses ist jedoch im Verhältnis zu den wichtigeren Momenten zum Beschleunigen der
drehenden Massen MR und zur Überwindung des durch Winddruck auf den Ausleger wir-
kenden Momentes MW in der Regel von untergeordneter Bedeutung.
Zur Berechnung von MR (bezogen auf die Krandrehachse) brauchen als Schwung-
massen nur diejenigen der Last Q, des Auslegers QA und die Summe sonstiger größerer
zusammenliegender Kranmassen Gm (z. B. Gegengewicht – wenn vorhanden) angesetzt
zu werden. Rotierende Massen von Getriebe und Motor sind vernachlässigbar. Zur
Berechnung von MR gliedert man das mit der Winkelgeschwindigkeit ω drehende Krano-
berteil in einzelne Massen mi, bestimmt deren Schwerpunktabstände ri zur Krandrehachse
und deren Massenträgheitsmomente J0i um den eigenen Schwerpunkt. Somit gilt:
MR = mi ri2 + J0i · ω/ta (6.94)
mit ω = 2 · π · n und n der Krandrehzahl (0,02–0,05 s−1); übliche Werte für die
Beschleunigungszeit ta liegen bei 5–10 s.
Bei geringer Ausdehnung der Massen mi in horizontaler Richtung kann J0i ver-
nachlässigt werden (z. B. Last am Lasthaken Q oder auch Gegengewicht, wenn vorhanden).
Insofern bleibt das Massenträgheitsmoment in der Regel nur noch für den Kranausleger zu
berücksichtigen:
ω
MR = Q · rL2 + QA · rA2 + J0A + Gm mi2 · (6.95)
t
a
mit
ω =2 · π · n,
ri
= Schwerpunktabstände Lasten – Drehachse,
mi = Abstände Schwerpunkte sonstiger Lasten – Drehachse.
Das Windmoment MW wird aus einem Winddruck w mit in der Regel 150 N/m2 (soweit
keine anderen Vorgaben gemacht werden) auf die links und rechts der Drehachse liegen-
den Kranflächen A1 und A2 bestimmt zu (A1 > A2; Schwerpunktabstände der Flächen: s1
bzw. s2):
MW = A1 · s1 − A2 · s2 . (6.96)
Das maximale Motormoment ist dann:
MM,max = (MD + |MW | + MR )/(i1 · (1 − i2 ) · η). (6.97)
Es sind i1 die Übersetzung des Drehwerkgetriebes und i2 die Standübersetzung zwi-
schen Zahnkranz und Drehwerkritzel. Der Gesamtwirkungsgrad von Zahnkranz/Ritzel
und Getriebe kann überschlägig mit η = 0,85 angenommen werden. Das erforderliche
Motorenmoment ist überschlägig MM,erf. ≤ MM,max /1,7.
426 6 Schiffsbetriebsanlagen/Hilfssysteme
Somit ergibt sich die Motornennleistung PMotor, nenn (mit der Drehzahl n) zu:
PMotor, nenn = 2 · π · n · MM,erf. /η. (6.98)
Mit der Motornennleistung PMotor, nenn und der Einschaltdauer ED = 25 % bei leichtem,
ED = 40 % bei flottem Stückgutbetrieb und ED = 60 % bei schwerem Greiferbetrieb lässt
sich der erforderliche Motor aus den einschlägigen Motorenkatalogen wählen. Es muss
PMotor (ED) ≥ PMotor, nenn sein.42
G·v
P= [kW], (6.99)
60 · ηH
wobei der Gesamtwirkungsgrad ηH des Windenwerks beim Heben zunächst schätzungs-
weise und später zur Kontrolle als Produkt der Einzelwirkungsgrade der Hubwerksbau-
teile ermittelt wird; üblicherweise kann ein Wirkungsgrad von ηH ≈ 0,9 angenommen
werden. Der Wirkungsgrad beim Senken ηS ist ≈ ηH, wenn die Einzelwirkungsgrade der
Hubwerksbauteile 0,9 nicht unterschreiten.
Maßgebend für die Wahl der Motorgröße ist die zulässige Erwärmung. Da die Voll-
lastbeharrungsleistung beim aussetzenden Betrieb der Windenwerke nur während eines
Teils der Zeitdauer für ein Arbeitsspiel aufzubringen ist, wird der Motor nach seiner
relativen Einschaltdauer ED gewählt:
Einschaltzeiten
ED = · 100 %. (6.100)
Einschaltzeiten + stromlose Pausen
Die in den Listen der Kranmotorenhersteller angegebenen Motornennleistungen für 20,
40 und 60 % ED entsprechen den zulässigen Volllastbeharrungsleistungen.43
Hinsichtlich weiterer Anforderungen an Auslegung und Berechnungsgrundlagen für
Krane und Hebezeuge wird u. a. auf die Bauvorschrift der DNV GL „Klassifikations- und
Bauvorschriften: VI Ergänzende Vorschriften und Richtlinien 2 – Hebezeuge“ verwiesen.
Beispielaufgabe Kran
Der Kran in Abb. 6.60 soll eine Last von 1000 kg mittels des angeschlagenen
Flaschenzuges bewegen. Der Flaschenzug hat in der Ober- und Unterflasche je drei
Rollen. Es ist die Seilkraft am ziehenden Trumm zu ermitteln, die Reibungskräfte in
den Rollenlagern können vernachlässigt werden. Ferner sind die Stabkräfte des Krans
wie auch die horizontale und vertikale Kraft am kombinierten Stütz- und Halslager
(sog. dreiwertige Lagerung) zu bestimmen.
Lösung: Für die Zugkraft entscheidend ist die Anzahl der tragenden Seile n, auf die
sich die Last FL verteilt. Die Gewichtskraft der zu bewegenden Masse wird daher
gleichmäßig auf alle Verbindungen zwischen den unteren und den oberen Rollen, den
tragenden Seilen, verteilt. Die Zugkraft berechnet sich zu:
FZ = FL /n (6.101)
und somit durch Einsetzen:
muss, also F1 = FL = 9810 N. Für den Zugstab 2 kann eine Kraft von F2 = 11.000 N
und für den Druckstab F3 = 15.500 N abgelesen werden.
Die vertikale Kraft am Stütz- und Halslager beträgt 9810 N, da sie der Last ent-
gegenwirken muss. Die horizontale Kraft am Halslager errechnet sich aus dem
Kosinus der Stabkraft F3, die unter einem Winkel von 45° auf die Stütze 1 wirkt:
cos 45◦ = FH /F3 .
Daraus ergibt sich durch Umstellen FH = 10.960 N.
6.8.1.1 Lasthaken, Hakenflaschen
Als Lastaufnahmemittel kommen bei Bordkranen neben Greifern, Lasthebemagneten
u. a. insbesondere Lasthaken und Hakenflaschen in verschiedenen Ausführungen
(abhängig von der Traglast) zur Anwendung.
Der Haken ist, wenn er an einer Unterflasche befestigt und nicht direkt an einem Seil
oder an einer Kette angeschlagen ist, drehbar gelagert. Zwischen der gesicherten Haken-
mutter und der Traverse des Geschirrs bzw. der Unterflasche wird zur leichten Drehbar-
keit des Hakens ein Axialrillenkugellager eingebaut. Bei der einfachen Ausführung der
Lagerung wird die Kugellaufbahn in Mutter und Traverse eingearbeitet und gehärtet.
Um Unfälle durch unbeabsichtigtes Aushängen von Anschlagsmitteln (Ketten, Seile,
Gurtbänder) aus dem Haken zu vermeiden, soll der Haken mit einer Hakensicherung
(auch Falle genannt) versehen sein (Anhang 1, Abs. 2.5 der Betriebssicherheitsver-
ordnung). Bei Lasten >15 t überwiegen Doppelhaken (Abb. 6.62).
Um Unfälle zu vermeiden, müssen folgende Mängel zur sofortigen Außerbetrieb-
nahme des Hakens führen [23, S. 29]:
• Anrisse,
• Abnutzungserscheinungen >5 %,
• grobe Verformungen sowie Aufweitung des Hakenmauls ε > 10 %.
Zur Ermittlung der Aufweitung des Hakenmauls werden am Haken zwei Markierungen
z. B. mittels eines Körners angebracht (Abb. 6.63) und deren Abstand im Kran- bzw.
Hakenprüfbuch vermerkt. Die Dehnung ε bestimmt sich wie folgt:
6.8 Umschlaganlagen 429
gefährdeter Querschnitt
eakt. − e0
ε= · 100 % (6.102)
e0
mit
e0 = Abstand der Markierungen im Neuzustand des Hakens,
eakt. = aktuell gemessener Abstand der Markierungen.
Berechnungsgrundlage: Der Haken wird im Zapfenquerschnitt auf Zug, in den stark
gekrümmten Teilen auf Biegung und Zug berechnet. Der Hakenquerschnitt wird als Tra-
pez mit abgerundeten Ecken ausgeführt.
430 6 Schiffsbetriebsanlagen/Hilfssysteme
Der gefährdete Querschnitt kann näherungsweise als ein Trapez angenommen werden
(s. Abb. 6.63 und 6.64) mit a = 20 mm, b = 45 mm und h = 50 mm.
Lösung:
a+b 20 mm + 45 mm
ATrapez = ·h= · 50 mm = 1625 mm2 .
2 2
Somit errechnet sich durch Einsetzen in Gl. 6.103: σZ = 9 N/mm2.
b) Bestimmung der reinen Biegespannungsverteilung:
Die Spannungsverteilung über den betrachteten Trapezquerschnitt entspricht einer
Hyperbel44.
Ermitteln der Randfaserspannungen (Randfaserspannungen = max. Biegespannung)
Mb
σb1 = , (6.104)
−W1
Mb
σb2 = (6.105)
W2
mit dem Biegemoment (vgl. Abb. 6.65)
Mb = F · (s + m). (6.106)
Wobei die Schwerpunktlage m eines Trapezes wie folgt berechnet wird:
h b + 2a
m= · . (6.107)
3 b+a
B
y
A
m
Durch Einsetzen der o. g. Werte ergibt sich: m = 21,79 mm. Damit errechnet sich
durch Einsetzen in Gl. 6.106 das Biegemoment: Mb = 671,85 Nm.
Bestimmung der Widerstandsmomente W1 und W2:
Iyy
W1 = , (6.108)
m
Iyy
W2 = . (6.109)
(h − m)
Das axiale Flächenmoment 2. Ordnung bezogen auf die Schwereachse y–y (Iyy)
bestimmt sich für das in Abb. 6.63 dargestellte Trapez nach Gl. 6.110:45
6a2 + 6a · (b − a) + (b − a)2 3
Iyy = ·h . (6.110)
36 · (2a + (b − a))
Mit den o. g. Zahlenwerten ergibt das: Iyy = 321.848 mm4.
Durch Einsetzen in die Gl. 6.108 und 6.109 liefert W1 = 14.771 mm3 und
W2 = 11.409 mm3. Somit ergibt sich für die Randfaserspannungen durch Einsetzen
in die Gl. 6.104 und 6.105: σb1 = −46 N/mm2 und σb2 = 59 N/mm2.
c) Zusammengesetzte Spannungsverteilung
Zugspannung und Biegespannungen sind Normalspannungen und addieren sich,
wenn sie gemeinsam auftreten. Die zusammengesetzte Normalspannung ergibt
sich folglich zu
σi = σz + σbi . (6.111)
Somit ergibt sich:
6.8.1.2 Anschlagmittel
Anschlagmittel sind nicht zum Hebezeug gehörende Einrichtungen, die eine Verbindung
zwischen Tragmittel (z. B. dem Lasthaken oder auch fest mit dem Kran verbundene Grei-
fer, Traversen, Zangen) und Last oder Tragmittel und Lastaufnahmemittel herstellen. Das
Herstellen dieser Verbindung wird „anschlagen“ genannt und wird vom sog. Anschläger
vorgenommen. Von seinem Können und seinen Fähigkeiten ist ein sicherer Ladungs-
umschlag abhängig!47
Lastaufnahmemittel sind ebenfalls nicht zum Hebezeug gehörende Einrichtungen, die
zum Aufnehmen der Last mit dem Tragmittel des Hebezeuges verbunden werden können.
Zu den Lastaufnahmemitteln gehören z. B. Containergeschirre, Gehänge, Greifer,
Klemmen, Kübel, Lasthebemagnete, Palettengeschirre, Traversen, Vakuumheber oder
auch Zangen.
Lastaufnahmemittel können auch mittels Kupplungen, die für ein häufiges Lösen
bestimmt sind, mit dem Hebezeug verbunden werden.
Die Tragfähigkeit von Hebebändern und Gurtschlingen wird durch einen Farbcode
gekennzeichnet (DIN 1492-1 und 1492-2; Tab. 6.22).
Weiterhin gibt die Farbe des Etiketts Auskunft über den Werkstoff des Hebebandes
oder des Schlupfes:
Stahlketten, Drahtseile
Stahlketten zum Anschlagen von Lasten sollen den Normen DIN 695 oder EN 818
entsprechen. Stahlketten sind vielseitig einsetzbar. Kettenstränge können mit Ver-
kürzungsklauen schnell in ihrer Länge angepasst werden, um z. B. eine Last waagerecht
auszurichten. Ketten sind auszusondern bei
Drahtseile sind verschleißfest und relativ flexibel. Die Verschleißmerkmale sind leicht
sicht- und fühlbar. Drahtseile sind auszusondern bei
Eine Möglichkeit der Ladungssicherung ist das Sichern durch Niederzurren mittels
Spanngurten (Abb. 6.68). Diese werden über die zu sichernde Ladung gelegt und mit
Spannmitteln (z. B. Ratsche) festgezurrt. Dabei ist auf eine ausreichende Zurrkraft zu
achten, die sowohl von den Beschleunigungswerten des Schiffes beim Rollen, Stamp-
fen und bei überlagerten Bewegungen abhängig ist wie auch von den Materialpaarungen
der Standfläche (also z. B. Holzkiste auf Stahlboden oder Kiste auf Stahlboden mit
dazwischenliegender Antirutschmatte).
Die Tab. 6.23, 6.24 und 6.25 sowie die Gl. 6.113 bis 6.115 geben hierzu ent-
sprechende Hinweise.
436 6 Schiffsbetriebsanlagen/Hilfssysteme
481 daN = 10 N.
6.8 Umschlaganlagen 437
Die erforderliche Anzahl n der Spanngurte ergibt sich aus der zul. Spannkraft FVzul eines
Gurtes zu:
FV
n= . (6.114)
FV zul
Vereinfachte Berechnung (hierbei werden beide Seiten der Zurrung einzeln berechnet):
C−µ
FV eine Seite = ·G (6.115)
µ · sin α
mit G = Ladungsgewicht in kg bzw. in daN.
Abb. 6.69 und Tab. 6.25 geben einen Anhalt49 zur Benutzung der C-Werte (TUL50
-Belastung Schiff).
Schüttgüter (lose Massengüter) werden unverpackt als Schüttgut (z. B. Erz, Kohle, Bau-
xit, Phosphat, Zement oder Getreide) in Massengutfrachtern (auch Bulkcarrier oder
Schüttgutfrachter genannt) transportiert. In der Regel werden die Schiffe mit landseitigen
intermittierenden Fördermitteln (z. B. Greiferbagger) oder stetigen Fördermitteln (z. B.
Gurtförderer, Schneckenförderer, Strömungsförderer51) beladen und gelöscht. Derartige
Fördereinrichtungen können aber auch bordseitig vorhanden sein, z. B. Bordkran mit
Baggerschaufel, wie auch die genannten Stetigförderer.
Zur Erhöhung der Umschlaggeschwindigkeit werden im Laderaumtiefsten Stetig-
förderer fest installiert, die das Schüttgut stetig zu den Aufnahme- oder Abgabestellen
der Vertikalfördereinrichtungen befördern.
Welches Fördermittel am sinnvollsten zum Einsatz kommt, ist nicht zuletzt auch
abhängig vom zu fördernden Schüttgut. Anhang 25 enthält für ausgewählte Schüttgüter
49UnterZif. 5.3 des CTU-Codes [35] finden sich genauere C-Werte in Abhängigkeit von Wellen-
höhe und Seegebiet.
50TUL = Transport Umschlag Lagerung.
6.8.2.1 Rechengrößen
a) Förderarbeit (Hubarbeit W)
W =G·h (6.116)
mit
G = Nutzlast,
h = Förderhöhe.
b) Fördergeschwindigkeit
Die augenblickliche Geschwindigkeit v ist die Ableitung des Weges s nach der Zeit t:
v = ds/dt. (6.117)
Die mittlere Geschwindigkeit v ist der Quotient aus Weg und Zeit:
v = s/t. (6.118)
c) Förderleistung
Die Förderleistung P ist das Produkt aus Förderarbeit W in der Zeiteinheit t:
P = W · t. (6.119)
6.8 Umschlaganlagen 439
6.8.2.2 Stetigförderer
In DIN 15201 „Stetigförderer“ sind den Fördergutarten (Schüttgut und Stückgut) Stetig-
förderer zugeordnet, für die diese allein oder gemeinsam geeignet sind. Daraus ergibt
sich die Einteilung der Stetigförderer, die
eingesetzt werden.
Danach kommen im Schiffsbetrieb für die Förderung von Schüttgut insbesondere fol-
gende Stetigförderer zum Einsatz:
Für die Förderung von Schütt- und Stückgut eignen sich Bandförderer.
Für Lösch- und Ladevorgänge von Stückgütern kommen häufig Rollbahnen oder auch
Schleppkettenförderer als Stetigförderer zum Einsatz.
Schneckenförderer
Wie in Abschn. 6.8.2 bereits ausgeführt, finden sich häufig zur Erhöhung der Umschlag-
geschwindigkeit im Laderaumtiefsten Stetigförderer, die das Schüttgut stetig zu den Auf-
nahme- oder Abgabestellen der Vertikalfördereinrichtungen befördern. Daher wird hier
näher auf diese Fördererart eingegangen.
Das Förderprinzip beruht auf einem Fortschieben des Fördergutes in einem halbkreis-
förmigen Trog oder in einem Rohr (ähnlich einem „Fleischwolf“) durch eine teilbeauf-
schlagte Wendelfläche aus Blech, der eigentlichen Schnecke, die ein- oder mehrgängig
ausgeführt sein kann. Abb. 6.70 zeigt mögliche Ausführungsformen von Förderschnecken.
Der Antrieb der Schnecke erfolgt in der Regel durch einen stirnseitig über ein
Getriebe angeflanschten Elektromotor; die Schneckenwelle wird durch den Fördervor-
gang auf Zug beansprucht.
440 6 Schiffsbetriebsanlagen/Hilfssysteme
π · D2
Q̇ = ·s·φ·n (6.121)
4
mit
= v der Fördergeschwindigkeit (0,2–0,4 m/s),
s · n
D = Schneckendurchmesser,
s = Steigung des Schneckengewindes,
ϕ = Füllungsgrad (0,15–0,45 %) = AFG /ASch (vgl. Abb. 6.71),
AFG = projizierte Fläche Fördergut,
ASch = projizierte Schneckenfläche.
Der Füllungsgrad ist zum einen abhängig von der Materialklasse (Tab. 6.26).
AFG
Weiterhin ist der Füllungsgrad abhängig von der Art der Materialaufgabe: stetig oder
intermittierend.
Pa = Q̇ · L · k (6.122)
mit
L Förderlänge,
=
k = Verschiebewiderstand (dimensionslose Zahl: Quotient aus Widerstandkraft gegen
Verschieben und Gewichtskraft Fördergut; vgl. Tab. 6.27).
Bei ansteigender Förderung ist ein Leistungszuschlag vorzusehen: bei einer Steigung bis
15° etwa 25 %, bei einer Steigung bis 30° etwa 30 %. Bei Neigungen >30◦ kann eine
Förderung aufgrund rein translatorischer Verschiebung nicht mehr erfolgen; hier muss
dann eine Mindestdrehzahl der Schnecke gegeben sein, um das Schüttgut durch die
Zentripetalkraft am Förderrohr zu halten, damit es nicht nach unten abgleitet.52
Zum Be- und Entladen besitzen RoRo- und RoPax-Fähren53 Bug-, Seiten- oder Heck-
luken (s. a. Abb. 6.72), durch die die Fahrzeuge über Rampen an Bord fahren können.
Die Bugrampe befindet sich hinter der verschlossenen Bugklappe (auch Bugvisier
genannt; in Abb. 6.73 geöffnet). Das Öffnen und Schließen der Bugklappe erfolgt
hydraulisch mittels zweier Hydraulikzylinder.
Das Öffnen und Schließen der Rampen kann mittels Hydraulikzylinder oder auch
über ein Seilzugsystem (Flaschenzugprinzip) erfolgen.
52Näher zur Auslegung und Dimensionierung von stark geneigten Schneckenförderern s. [40].
53RoRo = engl. „roll on/roll off“; RoPax = Abkürzung für RoRo-Fähre mit Passagiertransport.
442 6 Schiffsbetriebsanlagen/Hilfssysteme
Hydraulikzylinder
Die Vorteile des RoRo-Verfahrens liegen in den kurzen Lade- und Löschzeiten und im
schonenden Ladungsumschlag, da die Ladung auf dem Beförderungsmittel – Lkw oder
Bahn – verbleiben kann. Nachteilig sind die höheren Baukosten – RoRo-Schiffe sind
Spezialschiffe und oft auf speziellen Reederwunsch hin gebaut worden (kein Schiff „von
der Stange“). Zudem ist die Laderaumnutzung nicht optimal lösbar.
Fähren sind aus Sicherheitsüberlegungen heraus nicht unproblematisch. Ihre Öff-
nungen für die Laderampen stellen große Öffnungen in der Außenhaut dar. Dies kann
insofern ein Risiko darstellen, als im Falle von Störungen oder Fehlbedienung die Ram-
pen nicht dicht verschlossen sind, sodass durch diese Öffnungen große Wassermengen
6.8 Umschlaganlagen 443
6.8.4 Tankschiffe
Tankschiffe sind Spezialschiffe zum Transport von flüssigen oder von gasförmigen Stof-
fen. Als Beispiele sind zu nennen: Rohöl, Kraftstoffe, flüssige Chemikalien, Flüssiggas,
aber auch Wasser oder Säfte.
Auf Beschluss der IMO (Internationale Seeschifffahrts-Organisation) im Jahr 1992
im Internationalen Übereinkommen zur Verhütung der Meeresverschmutzung durch
Schiffe (MARPOL) müssen alle Tanker, die ab 1996 gebaut wurden und über 5000 t
Transportgewicht haben, mit einer Doppelhülle ausgestattet sein. Weiterhin hat die IMO
beschlossen, dass ab 2015 nur noch Öltanker mit doppelwandigen Außenhüllen die Welt-
meere befahren dürfen.
Tankschiffe werden sowohl über bordeigene als auch über an Land befindliche
Pumpen- und Rohrleitungssysteme befüllt und gelöscht; das Löschen erfolgt in der
Regel mit bordeigenen Tauchpumpen, wobei bei sog. Supertankern die Förderleistungen
der einzelnen Ladepumpen bei >10.000 t/h liegen können.
Hinsichtlich der Ausführungen und Berechnungen von Pumpen und Rohrleitungen
wird auf Abschn. 6.4 verwiesen.
Die Verbindung Schiff-Land erfolgt mittels Schlauchleitungen. Diese werden durch
den mittschiffs montierten Manifoldkran von Land an Bord gehievt (s. Abb. 6.74), um
sie mit dem Leitungssystem des Schiffes zu verbinden.
Die Schlauchanschlussstellen werden Manifold genannt (s. Abb. 6.75).
Die Lade- und Löschtätigkeiten werden mittels Ladungsrechner überwacht. Dieser
erlaubt eine Vorhersage über die Verteilung der Kräfte (der Auftrieb und das Gewicht
der Ladung), die auf das Schiff einwirken. Ferner wird hiermit die Füllstandshöhe in
den Tanks überwacht. Abb. 6.76 zeigt den Blick in einen Tank eines Binnenschiffs zur
Beförderung von Diesel und Heizöl mit mechanischer Füllstandsüberwachung.
Wie eingangs beschrieben, befördern Tanker auch entflammbare Ladung, die zur
Bildung explosionsfähiger Atmosphären neigen. Daher sind ihre Pumpen- und Rohr-
leitungssysteme in diesen Fällen in sog. Ex-Schutz-Ausführung zu installieren.
54International Convention for the Safety of Life at Sea, 1974 (SOLAS; deutsch: Internationales
Übereinkommen von 1974 zum Schutz des menschlichen Lebens auf See).
444 6 Schiffsbetriebsanlagen/Hilfssysteme
Manifoldkran
Bei derartigen Ladungen werden darüber hinaus die Leerräume der Tanks, also ober-
halb der Ladung, mit Inertgas befüllt. Dieses verdrängt die vorherige sauerstoffhaltige
Tankatmosphäre. So wird verhindert, dass sich die Ladungsgase entzünden können.
Das Inertgas kann ein speziell aufbereitetes, auf dem Schiff hergestelltes Verbrennungs-
gas (Auspuffgas) sein. Es kann aber auch jedes andere Inertgas, das mit der jeweiligen
Ladung kein reaktionsfähiges Gemisch bildet, verwendet werden (z. B. Stickstoff).
6.8 Umschlaganlagen 445
Füllgrad
Weiterhin darf bei der Beförderung gefährlicher Güter ein bestimmter Füllgrad nicht
überschritten werden. Nach Kap. 3, Tab. C des Europäischen Übereinkommens über die
internationale Beförderung gefährlicher Güter auf Binnenwasserstraßen (ADN) ist in
der Binnenschifffahrt der maximale Füllgrad abhängig vom beförderten Gefahrgut. Die-
ser liegt beispielsweise für Ethanol und Benzin (UN-Nummer 3475) bei 97 %. Für die
Beförderung in der Seeschifffahrt geben die Klassifikationsgesellschaften den jeweiligen
maximalen Füllgrad vor.
Bei Erreichen von 94 % des maximal zulässigen Füllstands (High Load) muss ein Vor-
alarm ausgelöst werden, bei Erreichen von 98 % maximale Füllhöhe ein Füllstandsalarm
(Overflow; s. auch Abb. 6.76; [4, S. 843]).
Laderate
Die Laderate (LR) des Ladetanks darf den folgenden Wert nicht überschreiten:
Abb. 6.77 LNG-Tanker „Arctic Princess“. (Foto: Joachim Kohler, CC-BY-SA 4.0)
Eine Besonderheit bilden Gastanker (Abb. 6.77). Sie dienen dem Transport verflüssigter
Gase in fest installierten Ladetanks. Transportierte Gase sind neben technischen Gasen
vor allem Flüssigerdgas (LNG Liquefied Natural Gas) und Flüssiggas (LPG Lique-
fied Petroleum Gas). Durch die Verflüssigung der Gase kann eine erhebliche Volumen-
reduzierung und somit eine Vergrößerung der Masse des zu befördernden Gases erreicht
werden (bei LPG – Verflüssigung durch Verdichten – etwa 1/260, bei LNG – verflüssigen
durch Temperaturabsenkung – 1/600).
Beispiel
Das an Land von 20 °C auf −162 °C herabgekühlte Erdgas soll mit dem zurzeit größ-
ten Erdgastanker Mozah transportiert werden. Seine Tanks haben ein Gesamtvolumen
von 266.000 m3 [24].
Wie viel Kubikmeter Erdgas können landseitig verflüssigt und in die Tanks des
Schiffes gefüllt werden?
Lösung: Erdgas ist ein Gasgemisch, welches größtenteils aus Methan besteht. Die
Dichte ρ1 von flüssigem Erdgas (Siedepunkt bei etwa −162 °C) liegt bei etwa 450 kg/
m3 [38], im gasförmigen Zustand bei 20 °C bei ρ2 = 0,66 kg/m3. Somit liegt ein
Dichteverhältnis von 450 : 0,66 = 682 vor. Bei einer landseitigen Verdichtung (bei
etwa 20 °C) kann somit ein Dichteverhältnis zwischen Gas und flüssiger Phase von
ca. 1 : 680 angenommen werden. Da das Volumen V = m · ρ ist und sich die Masse des
Gases bei der Verflüssigung nicht ändert, kann somit landseitig eine etwa 600-fache
Menge gasförmigen Erdgases verflüssigt dem Tankschiff zugeführt werden:
V1 /ρ1 = V2 /ρ2 . (6.124)
6.8 Umschlaganlagen 447
International verbindliche Standards über die Konstruktion und Ausrüstung von Flüssig-
gastankern sind von der IMO im IMO Gas Code (IGC) festgelegt worden:
Jeder Tank muss über eine eigene Umschlageinrichtung verfügen. Diese besteht aus der
Ladepumpe mit der angeschlossenen Flüssiggasleitung, einer Restlenzeinrichtung mit
der Entleerungsleitung (dieses System führt bis zum tiefsten Punkt des Tanks) und der
Dampfleitung zur Ableitung der aufgrund des Dampfdrucks des Gases anfallenden gas-
förmigen Phase [4, S. 847].
6.8.5 RAS-Einrichtung
Ein Güter- bzw. Warenumschlag besonderer Art ist das RAS-Manöver (Replenishment
at Sea), auch Underway Replenishment (UNREP) genannt. Dieses von den Marinen der
Welt praktizierte Manöver dient zur Versorgung der Einsatzkräfte auf See während der
Fahrt. Hierbei geht es darum, die Kriegsschiffe von Versorgern (auch Tender genannt)
aus mit Munition, Betriebsmitteln und Kraftstoffen, Wasser, Lebensmitteln u. a. zu ver-
sorgen. Auf dem Versorgungsschiff befindet sich der sog. RAS-Baum (s. Abb. 6.78), an
dem ein Tragseil angeschlagen ist, welches zu dem zu versorgenden Schiff übergeben
wird. Über dieses Tragseil werden z. B. Tankschläuche zum zu versorgenden Schiff
geführt. Zum Ablauf des Manövers siehe weiter unten.
Der in Abb. 6.78 gezeigte EGV Bonn kann über seinen RAS-Baum gleichzeitig zwei
Schiffe versorgen – sowohl an seiner Steuerbord- als auch an seiner Backbordseite (sog.
Doppel-RAS-Manöver).
Bei diesem Manöver fahren der Versorger und bis zu zwei weitere Schiffe auf einem
Parallelkurs mit einer Geschwindigkeit von etwa 12–16 kn (22–30 km/h; s. Abb. 6.79).
Der Abstand beider Schiffe liegt zwischen 30 und 60 m und ist sowohl von der Fahrt-
geschwindigkeit wie auch von ihrer Größe abhängig (je höher die Geschwindigkeit und
je größer die Fahrzeuge, desto größer der Abstand). Ein gewisser Mindestabstand der
parallel fahrenden Schiffe darf nicht unterschritten werden:
448 6 Schiffsbetriebsanlagen/Hilfssysteme
RAS-Baum
Abb. 6.78 RAS-Baum des EGV (Einsatzgruppenversorger) „Bonn“ der Deutschen Marine
Abb. 6.79 Betankung zweier Fregatten durch das französische Tankschiff Mame A630. (Foto: ©
2016 Bundeswehr/Torsten Kraatz)
Bei der Parallelfahrt zweier Schiffe während des RAS-Manövers kann es aufgrund
des Bernoulli-Effekts zwischen den beiden Fahrzeugen zu Interaktionen kommen, die ein
unerwünschtes Gierverhalten oder auch das aneinander „Heransaugen“ beider Schiffe
zur Folge haben kann. Das Ausmaß der Interaktionswirkungen hängt von mehreren Fak-
toren ab, die sich in die Kategorien Wassertiefe, Schiff (Schiffsabmessungen, Tiefgang,
Verdrängung, Schiffsform und Schiffsgeschwindigkeit – absolut) und Passagekriterien
6.8 Umschlaganlagen 449
1 2
w
p
Staudruck
statischer Druck
Da die Dichte und somit der Massenstrom des Wassers beim Durchströmen zwischen
den beiden Schiffsrümpfen während des RAS-Manövers konstant bleibt, kann aus Gl.
6.125 folgende Beziehung für die Wassergeschwindigkeit an der engsten Stelle zwischen
den Rümpfen hergeleitet werden – die Kontinuitäts- oder kurz Konti-Gleichung:
w2 = (A1 /A2 ) · w1 . (6.129)
Für die Querschnittsflächen Ai für die an sich runde Querschnittsform einer Venturi-Düse
können hier vereinfachend die Rechteckflächen zwischen den Rümpfen eingesetzt wer-
den, die sich aus dem Tiefgang der Schiffe und den jeweiligen Abständen am Bug und an
der engsten Stelle ergeben.
Ist also die Fahrtgeschwindigkeit beider parallel fahrenden Schiffe bekannt, kann so
aus den Abständen zwischen dem Bug der Schiffe und der engsten Stelle zwischen den
Schiffsrümpfen sowie mit dem Tiefgang der Fahrzeuge die Strömungsgeschwindigkeit
des Wassers w2 an der engsten Stelle ermittelt werden.
Aus Gl. 6.126 ist erkennbar: Fahren beide Schiffe zu dicht nebeneinander, erhöht sich die
Strömungsgeschwindigkeit des zwischen den Schiffen hindurchströmenden Wassers, wodurch
der Wasserdruck an dieser Stelle aufgrund des Venturi-Effekts abnimmt. Dies kann dazu füh-
ren, dass die beiden Schiffsrümpfe trotz Gegensteuern aneinander gesaugt werden. Daher ist
auf jeden Fall während des RAS-Manövers auf einen erforderlichen Mindestabstand beider
Schiffe zu achten!
6.8 Umschlaganlagen 451
Die Dauer der eigentlichen Versorgungstätigkeit selbst ist von der Art und Menge der zu
übergebenden Fracht abhängig. Hinsichtlich der Übergabe von Flüssigkeiten wie Was-
ser oder Treibstoff ist hier die jeweilige Pumpenförderrate die ausschlaggebende Größe.
Abb. 6.81 Fregatte Hamburg (unten), EGV Berlin und Fregatte Hessen (oben) bei der Vorbereitung
zum RAS-Manöver. (Foto: © 2008 Bundeswehr/Ricarda Schönbrodt)
452 6 Schiffsbetriebsanlagen/Hilfssysteme
Abb. 6.82 Korvette Braunschweig wird vom EGV Bonn mit Treibstoff versorgt (deutlich erkennbar
das Drahttragseil). (Foto: © 2015 Bundeswehr/Matthias Letzin)
Für US-Schiffe kann als Anhalt gelten: Ein US-Flugzeugträger übernimmt pro Tank-
schlauch etwa 11.241 L Flugzeugtreibstoff pro Stunde. Von US-Versorgungsschiffen
können zum Teil bis zu drei Tankschläuche übergeben werden, zu Kreuzern und Zer-
störern wird ein Schlauch gespannt. Für die Übernahme von Fracht mittels Seilbahn
(„Manila-Highline-Verfahren“) kann eine Leistung von 35 t/h angenommen werden.
Es können auch Personen zwischen den Schiffen mittels des Manila-Highline-Verfahrens
ausgetauscht werden.
Gefahrenhinweis: Für die Zeit der Treibstoff- und Munitionsübergabe herrscht Rauch-
verbot auf dem gesamten Schiff.
Über die Gangway, auch Stelling oder Landgang genannt, gelangen Passagiere und
Besatzung an und von Bord von Schiffen (Abb. 6.83). Sie kann manuell, z. B. mit einem
Handkran, oder auch hydraulisch bewegt werden. Als separates Bauteil, ähnlich einer
Brücke, kann sie auch zwischen Pier und Schiff angelegt werden. Diese Zugänge müssen
mindestens 600 mm breit, mit Geländer, Mindesthöhe 1000 mm, versehen und für eine
Flächenlast von 4000 N/m2 ausgelegt sein.56 Ein Sicherheitsnetz zwischen Bordwand
und Kai unterhalb der Gangway entspricht weiteren Sicherheitsvorschriften.57
56Näheres zu Konstruktion und Ausführung s. ISO 7061: 1993 und ISO 5488: 2015.
57vgl. ISO 7061: 1993, Nr. 6.16 i. V. m. DGUV Regel 101-011.
Literatur 453
Literatur
Printmedien
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Werften, Bd. 25. Schifffahrtsverlag Hansa C. Schroedter & Co, Hamburg (2000)
2. Bich, E., Kaselow, D.: Kolbenpumpen – Kreiselpumpen. VEB Deutscher Verlag für Grund-
stoffindustrie, Leipzig (1978)
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Schiffsbetriebstechnik. Seehafen Verlag, Hamburg (2008)
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fahrtsverlag Hansa C. Schroedter & Co, Hamburg (1967)
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7. Fa. Gestra AG: GESTRA-Wegweiser. Fa. Gestra AG, Bremen (2005)
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9. Grundfos GmbH: Pumpenhandbuch. Grundfos, Erkrath (2004)
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11. Hesse, T., Hochhaus, K.-H., Mehrkens, J.D.: Trinkwassersysteme auf Schiffen. In: Handbuch
der Werften, Bd. 26. Hansa, Hamburg (2002)
12. Hochhaus, K.-H.: Vorlesung Schiffshilfsmaschinen, TU Hamburg-Harburg, Stand 10/90
13. Hofbauer, B.-G.: Moderne Seemacht Teil 2, TRUPPENDIENST-Handbuch. Republik Öster-
reich/Bundesminister für Landesverteidigung und Sport, Wien (2016)
14. Illies, K.: Handbuch der Schiffsbetriebstechnik. Vieweg, Braunschweig (1970)
15. Kurzhals, H.-A.: Kühlen und Gefrieren von Lebensmitteln, Bd. 1. Behr’s Verlag, Hamburg
(2007)
16. Meyer Werft: Nachhaltigkeitsbericht (2010)
454 6 Schiffsbetriebsanlagen/Hilfssysteme
Internet
7.1 Einführung
Die elektrische Ausrüstung ist ein wichtiger, aber auch komplexer Bestandteil des Schif-
fes, da Elektro- und elektronische Anlagen an Bord in praktisch allen Bereichen zum
Einsatz kommen. Grundsätzlich gilt, dass für die Installation der elektrischen Anlagen an
Bord die Vorschriften der Normenreihe VDE 0100 nicht zur Anwendung gelangen; hier
sind vielmehr die Vorschriften der Klassifikationsgesellschaften einschlägig. So ist bei-
spielsweise die Klassifikations- und Bauvorschrift „I Schiffstechnik – 2 Binnenschiffe,
3 Maschinenanlagen, Systeme und Elektrische Anlagen“ des GL zu nennen [8].
Sind in diesen Klassifikations- und Bauvorschriften für konkrete Fälle jedoch keine
Anforderungen enthalten, ist auf die VDE-Normenblätter zurückzugreifen.
Ein Schiff hat einen permanent hohen Strombedarf für seine für den Betrieb erforder-
lichen Anlagen wie Beleuchtung, Klimatisierung, Pumpen, Lüfter, Bug- und Heckstrahl-
ruder, Navigationsanlegen usw.
Mit einer E-Bilanz wird der voraussichtliche elektrische Leistungsbedarf für ver-
schiedene Betriebszustände (See, Revier, Hafen, u. U. Sommer- und Winterbetrieb, mit
und ohne Kühlcontainer) abgeschätzt. Außerdem geht mit dem Gleichzeitigkeitsfaktor
ein, ob es sich um ständige oder Kurzzeitverbraucher handelt. Die Gleichzeitigkeits-
faktoren liegen dabei üblicherweise zwischen g = 0,1 bis g = 1,0. Außerdem werden
wichtige, unwichtige und Notverbraucher unterschieden. Auf dieser Grundlage werden
die E-Erzeuger ausgewählt.
Für die Erzeugung des erforderlichen Strombedarfs gibt es mehrere Möglichkeiten,
die zum Teil auch in Kombination zur Anwendung kommen:
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 457
M. Pfaff, Schiffsbetriebstechnik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-27052-0_7
458 7 Bordstromversorgung und elektrische Schaltungsbeispiele
• abgasbetriebene Turbogeneratoren,
• Landstromanschluss (Möglichkeit der Stromversorgung, wenn das Schiff an der Pier
liegt).
Für die elektrische bordeigene Stromerzeugung stehen in Abhängigkeit von der Haupt-
antriebsanlage mehrere Möglichkeiten zur Verfügung:
• Besteht die Hauptantriebsanlage aus einer Dampfturbine mit Getriebe und Fest-
propeller, wird zum Antrieb der Drehstromgeneratoren ein Wellengenerator und/oder
auch eine Dampfturbine gewählt. Schiffe mit Atomantrieb erhalten ebenfalls Turbo-
generatorsätze.
• Ist der Hauptantrieb ein Dieselmotor, werden auch hier der Wellengenerator oder
ein bzw. mehrere Elektrodieselaggregate (EDiMot-Anlagen bzw. auch Hilfsdiesel
genannt) eingesetzt (Abb. 7.2).
• Gasturbinenschiffe werden mit EDiMot-Anlagen ausgerüstet [4, S. 93].
In der Regel werden drei bis vier EDiMot-Anlagen installiert. Hierbei kommen hauptsäch-
lich mittelschnell laufende (720–900 min−1), selten schnell laufende 4-Takt-Dieselmotoren
(1200–1800 min−1) zum Einsatz. Die Drehzahl ergibt sich aus der gewählten Frequenz
und Polpaarzahl. Der mit diesen Generatorsätzen erzeugte Dreiphasenwechselstrom
(„Drehstrom“) wird für den Antrieb von Motoren benötigt; Beleuchtung, Navigations-
anlagen usw. werden mit 230-V-Einphasenstrom oder als sog. Niedervoltanlagen (12–
24 V) betrieben.
7.2 Bordseitige Stromerzeugung 459
Diese Generatorsätze wurden früher als „Jockel“ bezeichnet. Daraus resultiert auch
heute noch das ab und zu benutzte „Jockeln“, wenn von der Stromerzeugung mit einem
Dieselgeneratorsatz gesprochen wird [2, S. 122].
Wellengeneratoren werden über ein Getriebe von der Antriebswelle angetrieben.
Eine Variante ist, den Generator direkt in die Wellenleitung einzubinden. Der Vorteil
einer Wellengeneratoranlage liegt in dem niedrigen spezifischen Brennstoffverbrauch der
Hauptmaschine.
Gasturbogeneratoren sind auf Handelsschiffen die Ausnahme, wurden aber z. B. auf
den Kreuzfahrtschiffen der Millenniumklasse der Reederei Celebrity Cruises installiert.
Bei abgasbetriebenen Turbogeneratoren wird die Energie des Abgases in einem
Turbosatz zur elektrischen Leistungserzeugung genutzt. Dazu wird den Schiffsantriebs-
dieseln ein Abgas- oder Abhitzekessel nachgeschaltet. In diesem wird mittels der Abgas-
wärme überhitzter Dampf erzeugt, der in einem Dampfturbogenerator Strom erzeugt.
7.2.1 Generatoren
Ein Generator ist eine Maschine zur Umwandlung von mechanischer Energie – die in
Form von Drehung des Rotors dem Generator zugeführt wird – in elektrische Energie
durch Induktion. Der Generator arbeitet nach dem umgekehrten Prinzip des Elektro-
motors – insofern wird auf Abschn. 5.3.4 verwiesen. Ähnlich dem E-Motor kann auch
der Generator als Außenpolmaschine (Induktionsspule auf dem Rotor, Erregerwicklung
oder Dauermagnet auf dem Stator) oder als Innenpolmaschine (Induktionswicklung
460 7 Bordstromversorgung und elektrische Schaltungsbeispiele
auf dem Stator, Erregerwicklung oder Dauermagnet auf dem Rotor) ausgeführt sein.
Die Erregerwicklung kann von einem Hilfsgenerator (Fremderregung) oder von selbst-
erzeugtem Strom (Eigenerregung) gespeist werden [5, S. 385 f.].
Es ist sinnvoll, Generatoren so auszulegen, dass der elektrische Energiebedarf im See-
betrieb etwa 60–80 % der Leistung eines Generators entspricht. Damit kann der Hilfs-
diesel im Seebetrieb in einem Arbeitsbereich mit gutem Wirkungsgrad arbeiten [4, S. 94].
Bei Wechselstrom- und Drehstromgeneratoren wird der Strom über Schleifringe
(Außenpolgenerator) oder direkt an der Statorwicklung (Innenpolgenerator) abgegeben.
Die Frequenz des erzeugten Wechsel- oder Drehstroms hängt von der Drehzahl und der
Anzahl der Erregerwicklungen ab.
Die häufigsten Bauarten des Wechselstromgenerators sind der Synchrongenerator, der
in seinem Aufbau dem Synchronmotor entspricht, und der Asynchrongenerator.
Beim Gleichstromgenerator, der immer als Außenpolmaschine ausgeführt wird,
wird anstelle von Schleifringen ein Kommutator (Stromwender) verwendet, der den
erzeugten Wechselstrom entsprechend der Frequenz ständig umpolt und somit gleich-
richtet. Vielpolige Gleichstromgeneratoren erzeugen einen relativ geglätteten techni-
schen Gleichstrom.
Ebenfalls gibt es, wie beim E-Motor auch, bei der Wicklung der Generatoren ver-
schiedene Schaltungsarten:
Die erzeugte elektrische Leistung Pel ist gleich der mechanischen Leistung Pmech abzüglich
der auftretenden Verluste Pv infolge mechanischer Reibung, Kupfer- und Eisenverluste.
Daraus folgt die Leistungsgleichung eines elektrischen Generators:
Pel = Pmech − Pv . (7.1)
7.3 Landstromversorgung
Durch die Landstromversorgung [3, S. 105 ff.]1 von Schiffen, auch Cold Ironing genannt,
zum Teil werden auch die Begriffe Alternative Maritime Power (AMP), Shore Power,
High Voltage Shore Connection (HVSC) oder auch Onshore Power Supply (OPS)
benutzt, soll während des Aufenthalts im Hafen die Luftverschmutzung durch Emissionen
aus den bordeigenen Stromerzeugern verringert werden. Das Problem der Landstromver-
sorgung liegt zurzeit allerdings noch darin, dass es keine einheitlichen Schnittstellen für
die Kabelverbindungen Land-Schiff gibt. Mit einer Norm soll diesem Hindernis Abhilfe
geschaffen werden: IEC/PAS 60092-510:2009 Electrical Installations in Ships – Special
Features – High Voltage Shore Connection Systems (HVSC-Systems) beschreibt Spezi-
fikationen für Landanschlusssysteme für Schiffe.
7.3.1 Hintergründe
In Häfen wird mit der seit dem 01.01.2010 gültigen Richtlinie 2005/33/EG des Europäi-
schen Parlaments und des Rates vom 06.07.2005 zur Änderung der Richtlinie 1999/32/
EG hinsichtlich des Schwefelgehalts von Schiffskraftstoffen, gemeinsam mit der MAR-
POL Anlage VI, das Ziel gesetzt, Schiffskraftstoffe mit maximal 0,1 % Schwefelgehalt
zu verwenden oder ein am Hafen verfügbares Landstromversorgungssystem zu nut-
zen. In kalifornischen Häfen ist die Nutzung von Landstrom bereits seit 2014 Pflicht.
Bis 2020 sollen die meisten Schiffe auf die Möglichkeit der Landstromversorgung
umgestiegen sein [1, S. 22].
Der aus dem öffentlichen Netz gelieferte Strom wird im Umformer an der Pier auf die
Spannung und Frequenz, die an Bord des Schiffes benötigt wird, umgewandelt (vgl.
Abb. 7.3). An Land müssen entsprechende Trafostationen errichtet werden, von denen
die entsprechenden Landstromkabel an Bord gebracht und an einer oder mehreren Ein-
speisungsstellen angeschlossen werden.
50 / 60 Hz
vom Netzbetreiber
20 - 110 kV
6-20 kV
Das Bordnetz wird überwiegend als Drehstromnetz mit einer Frequenz von 60 Hz aus-
geführt. In der Regel ist das Bordnetz eines Seeschiffes so aufgebaut, dass Verbraucher
direkt oder über Unterverteilungen von der Hauptschalttafel gespeist werden. Die Netz-
spannung in den Verteilernetzen beträgt 400 V bei einer Netzfrequenz von 50 Hz oder
440 V bei einer Netzfrequenz von 60 Hz. Schiffe mit Bordnetzleistungen von >8 MW
weisen eine zusätzliche Mittelspannungsebene von 3,3 kV, 6,6 kV oder 10 kV auf. Diese
werden bei Passagierschiffen und großen Containerschiffen mit vielen Kühlcontainern
eingesetzt. Soweit andere Spannungen erforderlich sind, müssen sie durch Trans-
formatoren heruntertransformiert werden. Ebenso gibt es an Bord vielfach elektrische
Verbraucher, die Gleichstrom benötigen. Dazu ist die Wechselspannung über Gleich-
richter gleichzurichten.
Die Verteilung der elektrischen Leistung erfolgt mittels einer Hauptschalttafel
(Abb. 7.4) über eine darin befindliche Sammelschiene in das Netzt zu den Verbrauchern.
Aus Gründen der Schiffssicherheit gibt es zumindest ein Hauptnetz und ein Notnetz.
Dieses wird über ein Notstromaggregat und eine Not- oder Hilfsschalttafel außerhalb des
Maschinenraums gespeist. Über das Notnetz werden alle schiffssicherheitsrelevanten
Verbraucher angeschlossen. Dazu gehören z. B. die Notbeleuchtung und Navigations-
geräte. Im normalen Schiffsbetrieb werden allerdings auch die sicherheitsrelevanten
Verbraucher über das Hauptstromnetz gespeist. Bei Ausfall der Hauptstromversorgung
startet die Notstromversorgung selbstständig. Über moderne Steuerpaneele erfolgen eine
Überwachung und auch die Schaltung der einzelnen Stromkreise (vgl. Abb. 7.5).
Abb. 7.6 zeigt eine schematische Darstellung eines einfachen Bordnetzes.
Mit dem Gleichstrombordnetz für Schiffe hat die ABB AG eigenen Angaben zufolge
das bis dato flexibelste Energieversorgungs- und Antriebssystem für Schiffe entwickelt.
Das System fasst die verschiedenen Gleichstromverbindungen (DC-Verbindungen) an
7.4 Das Bordnetz 463
Bord des Schiffes zusammen und verteilt die elektrische Energie über einen einzigen
1000 V Gleichstromkreis. So kann auf die üblichen Wechselstromschaltanlagen
(AC-Schaltanlagen), dezentralen Gleichrichter und Stromrichtertransformatoren ver-
zichtet werden.
Das DC-Bordnetz verbindet die Vorteile von AC- und DC-Komponenten und -Systemen,
erfüllt die relevanten Bestimmungen und Vorschriften für Selektivität und Geräteschutz,
kann für elektrische Leistungen bis 20 MW eingesetzt werden und arbeitet mit einer Nenn-
spannung von 1000 V DC [7].
464 7 Bordstromversorgung und elektrische Schaltungsbeispiele
Abb. 7.6 Schematische Darstellung eines einfachen Bordnetzes. (Quelle: Karl-Heinz Hochhaus,
CC BY 3.0)
Beispiel
Der SEATEC-Kartenplotter NAV-6/NAV-6i soll mit 24 V DC betrieben werden. Auf
der Brücke liegen 230 V AC vor. Welche technischen Maßnahmen sind erforderlich?
Die Spannung muss von 230 V zunächst auf 24 V herabtransformiert werden.
Anschließend ist die Wechselspannung gleichzurichten. Das geschieht üblicherweise
mit einem Netzteil, in dem Trafo (Abb. 7.7) und Gleichrichter (Abb. 7.8) integriert
sind.
7.4 Das Bordnetz 465
Beispiel: Auslegung des Trafos und Gleichrichters für den vorstehenden Kartenplotter
Die Windungszahl und die Spannung auf der Primärseite (N1, U1) des Trafos ver-
halten sich zu Windungszahl und Spannung auf der Sekundärseite (N2, U2) (Abb. 7.9)
wie folgt:
N1 /U1 = N2 /U2 . (7.2)
Wird beispielsweise ein Trafo mit 958 Windungen auf der Primärseite gewählt, so
bestimmt sich für den vorstehenden Kartenplotter die erforderliche Windungszahl auf
der Sekundärseite durch Umstellen der Gl. 7.2 nach N2 und Einsetzen der gegebenen
Werte:
U2 · N1 24 V · 958
N2 = = = 100.
U1 230 V
Die Spannung von 24 V, die an der Sekundärseite des Trafos anliegt, ist eine Wechsel-
spannung. Sie muss daher noch gleichgerichtet werden. Das erfolgt mittels eines Gleich-
richters. Standardgleichrichter für Einphasenwechselstrom ist der Brückengleichrichter,
auch Graetz-Schaltung oder Zweipulsbrückenschaltung genannt. Die Schaltung wird von
vier Dioden gebildet (Abb. 7.10).
Abb. 7.8 zeigt die bauliche Ausführung eines Brückengleichrichters in Form
eines sog. Flachbrückengleichrichters. Das hier gezeigte Bauteil mit den Maßen
2,3 cm × 1,8 cm (ohne Anschlussdrähte) ist auf der Wechselstromseite für 1000 V und
6 A ausgelegt.
Die in Abb. 7.10 links anliegende Wechselspannung (Abb. 7.11a) wird in eine pul-
sierende Gleichspannung (Abb. 7.11b) umgewandelt.
466 7 Bordstromversorgung und elektrische Schaltungsbeispiele
P = U · I. (7.3)
Angenommen, der Plotter hat einen Stromverbrauch von 200 mA, dann benötigt das
Gerät eine elektrische Leistung von P = U · I = 24 V · 0,2 A = 4,8 W.
Hier kämen insofern vier Zenerdioden ZD-5W 24 V infrage [12].
Bei einem Brückengleichrichter (auch B2U-Gleichrichter) wird der Glättungs-
kondensator immer nach einer halben Netzperiodendauer, also bei 50 Hz alle 10 ms,
7.5 Elektrische Schaltungsbeispiele 467
aufgeladen. Soll die Spannung während dieser Zeit Δt nur um ΔU absinken, ist die
Kapazität C nach Gl. 7.4 zu errechnen (mit „I“ dem elektrischen Strom):
t
C=I· . (7.4)
U
Angenommen ΔU soll 0,1 V betragen, so beträgt nach Gl. 7.4 die Kapazität für den
Glättungskondensator in der vorliegenden Schaltung:
t 0,01
C=I· = 0,2 · = 0,02 F (7.5)
U 0,1
7.5.1 Ausschaltung
Diese Schaltung wird überall dort eingesetzt, wo ein Verbraucher ein- und ausgeschaltet
werden soll. Bei der Bordinstallation werden meistens Kippschalter mit zwei Schalt-
stellungen (ein/aus) verwendet, um beispielsweise eine Lampe zu schalten.
Nachfolgend werden der Schaltplan und der Anschluss des Ausschalters im Wechsel-
stromnetz beschrieben (s. a. Abb. 7.13).
Ausgehend von einer Verteilerdose 3, in der Phase (L), Null- (N) und Schutz-
leiter (PE) anliegen, wird die Verdrahtung vorgenommen. Der Ausschalter 2 besitzt
zwei Anschlüsse. An dem dort mit dem Buchstaben L gekennzeichneten Anschluss
wird die Phase angeschlossen, an den mit einem ↑ gekennzeichneten Kontakt wird
das geschaltete Kabel zum Licht angeklemmt. Wie aus dem dargestellten Schaltplan
ersichtlich, wird durch den Schalter 2 die Phase L unterbrochen. An der Lampe 1 wer-
den der Nullleiter N und der Schutzleiter PE angeschlossen. Es sollte immer nur die
Phase L geschaltet werden, da die Lampe ansonsten unter Strom steht, auch wenn der
L N PE 3
468 7 Bordstromversorgung und elektrische Schaltungsbeispiele
Schalter ausgeschaltet ist. An der Lampe sollte der geschaltete L-Leiter am Fußkontakt
angeklemmt werden, während an die Lampenfassung der Nullleiter N angeschlossen
wird, damit die Lampenfassung beim Wechseln des Leuchtmittels nicht unter Spannung
steht. Der Schutzkontakt PE wird an das Metallgehäuse der Lampe angeschlossen. Die
Kabel sind normalerweise farblich gekennzeichnet. In der Regel ist die Phase L schwarz,
der Nullleiter N blau und der Schutzleiter PE gelb/grün.
7.5.2 Wechselschaltung
Soll ein Verbraucher, beispielsweise eine Lampe, von zwei unterschiedlichen Stellen an-
und ausgeschaltet werden können (z. B. an der Kabinentür und am Bett), ist das mittels
der Wechselschaltung realisierbar.
7.5.3 Bewegungsmelder
Ein Bewegungsmelder ist ein elektronischer Sensor, der Bewegungen in seiner nähe-
ren Umgebung erkennt und dadurch als elektrischer Schalter arbeiten kann. Hauptsäch-
lich wird er zum automatischen Einschalten einer Beleuchtung (z. B. beim Betreten
von Räumen oder Gängen) oder zum Auslösen eines Alarms (z. B. bei unbefugten
Zutritten) eingesetzt. Das Schaltbild in Abb. 7.15 zeigt die Schaltung einer Lampe mit-
tels Bewegungsmelder.
7.5 Elektrische Schaltungsbeispiele 469
PE
N
Lampe
L L
Wechselschalter
Lampe
N L N
PE
Neben anderen Sensoren ist der PIR-Sensor (englisch „passive infrared“) der am häu-
figsten eingesetzte Typ von Bewegungsmeldern.
Bewegungsmelder sind meist in der Empfindlichkeit einstellbar und mit einem eben-
falls justierbaren Dämmerungsschalter gekoppelt. Durch Vorsatzblenden kann ein Teil
der Sichtsektoren abgedeckt und das Sensormodul eventuell auch verschwenkt werden.
Bewegungsmelder können über Leitungen (direkt oder über ein Bussystem) oder
mittels eines Funkmoduls miteinander gekoppelt werden. Wenn einer der vernetzten
Bewegungsmelder reagiert, schalten alle angeschlossenen Melder ihre Verbraucher
(Beleuchtung, Alarm) ein [9].
Gerade beim Betreten längerer Gänge und Flure kann der Erfassungsbereich eines
Bewegungsmelders nicht ausreichend sein, sodass ein zweiter erforderlich wird. Dieser
ist dann parallel zum ersten zu schalten. Das Schaltbild in Abb. 7.16 zeigt die Parallel-
schaltung zweier Bewegungsmelder (BM) – von der Unterverteilung (UV) ausgehend –
sowie zweier parallel geschalteter Leuchtmittel.
470 7 Bordstromversorgung und elektrische Schaltungsbeispiele
L
PE
N
Lampen
L PE N LS
BM 2
Vor vielen Jahren bestanden elektronische Schaltungen aus einer Vielzahl elektronischer
Bauelemente wie Transistoren, Widerstände, Dioden und Kondensatoren. Mit diesen
Bauteilen wurden Schaltungen zur Kommunikation (Sende-/Empfangsanlagen, Netz-
geräte, Schaltungen zu Steuer- und Regelungszwecken u. a. mehr) aufgebaut.
Heute wird in vielen Fällen auf speziell entwickelte integrierte Schaltkreise (ICs)
zurückgegriffen, die mehrere der genannten Bauelemente in einem Bauteil vereint
beinhalten. Abb. 7.17 zeigt die Platine einer elektronischen Schaltung mit IC und weite-
ren Bauteilen wie Widerstand, Dioden, Kondensatoren und Transistoren.
Nachfolgend wird eine rein elektronische Schaltung zur Temperaturüberwachung
beschrieben und gezeigt (Abb. 7.18).
Mit dieser Schaltung können Temperaturänderungen z. B. in Kühllasten sicher über-
wacht werden. Der Temperaturfühler, ein NTC-Widerstand (der Widerstand dieses Bau-
teils ist temperaturabhängig), wird mittels Kabelverbindung an der Stelle montiert, an
der die Temperaturüberwachung vorgenommen werden soll. Die Leuchtdiode (LED)
leuchtet, wenn die eingestellte Temperatur unterschritten wird. Das heißt, die LED
leuchtet so lange, wie die eingestellte Temperatur (Sollwert) gehalten wird oder unter-
halb dieses Wertes liegt. Steigt die Temperatur über den Sollwert im Kühlraum an, fängt
die LED zunächst zu blinken an, um dann ganz zu erlöschen. Für diesen Zweck bietet
sich die Verwendung einer grünen LED an.
Andererseits kann mit dieser Schaltung aber auch eine unzulässige Abkühlung
detektiert werden: Die LED leuchtet nicht, soweit die Solltemperatur ein bestimmtes
Niveau hält; sinkt sie ab, fängt die LED zunächst zu blinken an, um dann gänzlich zu
leuchten. Für diesen Fall ist die Verwendung einer roten LED zu empfehlen.
7.6 Elektronische Schaltungen 471
Kondensatoren
Widerstand
Transistor
Dioden
IC
Abb. 7.17 Platine mit integriertem Schaltkreise (IC) und weiteren elektronischen Bauteilen
Abb. 7.18
Temperaturwächter
Literatur
Printmedien
Internet
Seit es die Schifffahrt gibt, passieren Unfälle auf See. Spektakuläre Schiffsunglücke wie
die der Titanic, Pamir, Exxon Valdez, Estonia, Prestige oder Pallas haben viel Leid für
Mensch und Umwelt ausgelöst, aber ohne sie hätte es die großen Fortschritte bei den
Sicherheitsvorschriften nicht gegeben.
Haben sich früher die Sicherheitsvorschriften häufig von Flaggenstaat zu Flaggenstaat
unterschieden, wird heute die Schiffssicherheit im Wesentlichen durch weltweite Regeln
von der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation IMO bestimmt. Bereits seit 1913 gibt
es das Internationale Übereinkommen zum Schutz des menschlichen Lebens auf See –
SOLAS-Übereinkommen.1 Seitdem ist diese Konvention immer weiter fortentwickelt
worden. Ferner gehören zu den einschlägigen internationalen Regelungen beispiels-
weise der International Safety Management Code (ISM), der Sicherheitsaspekte im ope-
rativen Schiffsbetrieb sicherstellt, und der International Ship and Port Facility Security
Code (ISPS), der seit 2002 die Einhaltung weltweiter Sicherheitsanforderungen gegen
Gefahren von außen (z. B. Piraterie, Terrorismus) vorgibt [26].
Neben den vorgenannten völkerrechtlichen Regelungen dienen aber auch eine schier
unübersehbare Menge an nationalen rechtlichen und technischen Normen dem Schutz
der Mannschaften, Passagiere und dem Schiff selbst. Eine detaillierte Ausführung würde
hier den Rahmen sprengen. In diesem Kapitel werden die wesentlichen Aspekte zum
Arbeitsschutz an Bord und zur Schiffssicherheit, zu der auch der Brandschutz an Bord
gehört, aufgezeigt.
1International
Convention for the Safety of Life at Sea, 1974 (SOLAS; deutsch: Internationales
Übereinkommen von 1974 zum Schutz des menschlichen Lebens auf See).
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 473
M. Pfaff, Schiffsbetriebstechnik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-27052-0_8
474 8 Arbeitsschutz und Schiffssicherheit, Brandschutz
Hinsichtlich der Frage der Erkenntnisquellen zu den Aspekten des Arbeitsschutzes und
der Schiffssicherheit gilt der Grundsatz „Lex specialis vor Lex generalis“. Das heißt,
soweit spezielle technische und rechtliche Regelungen zum Arbeitsschutz und für die
Schiffssicherheit bestehen, ist auf diese zurückzugreifen; die übrigen insbesondere
nationalen Regeln zur Arbeitssicherheit und zum Gesundheitsschutz sind nur subsidiär
anwendbar.
So wird im Schiffssicherheitsgesetz, konkretisiert durch die Schiffssicherheitsver-
ordnung, bestimmt, dass völkerrechtliche und EU-rechtliche Regelungen zur Schiffs-
sicherheit grundsätzlich Anwendung finden.
Darüber hinaus wird der Arbeitsschutz auch mit dem Arbeitsschutzgesetz
geregelt. Nach § 1 Abs. 2 ArbSchG gilt dieses jedoch nicht für den Arbeitsschutz von
Beschäftigten auf Seeschiffen. Das ist aber nur dann der Fall, wenn und soweit hierfür
entsprechende Rechtsvorschriften in anderen Vorschriften, z. B. im SchSG, bestehen.
Das heißt, dass nur dann das ArbSchG keine Anwendung findet, soweit in einer anderen
Regelung Lex specialis für die Seeschifffahrt entsprechende Regelungen zum Arbeits-
schutz enthalten sind.
Insofern scheint dann das SchSG Lex specialis zur Anwendung zu kommen. Zur
Frage jedoch, ob und inwieweit das ArbSchG bzw. das SchSG anzuwenden ist, bedarf es
einer genaueren Betrachtung der Regelungsinhalte beider Vorschriften.
So wird im § 1 Abs. 1 ArbSchG Ziel und Anwendung dieser Vorschrift wie folgt for-
muliert:
Dieses Gesetz dient dazu, Sicherheit und Gesundheitsschutz der Beschäftigten bei der
Arbeit durch Maßnahmen des Arbeitsschutzes zu sichern und zu verbessern. Es gilt in allen
Tätigkeitsbereichen …
Hieraus wird Folgendes deutlich: Das ArbSchG will die Sicherheit und den Gesundheits-
schutz ausschließlich für Beschäftigte sichern und verbessern.
Durch das Schiffssicherheitsgesetz – SchSG – (und durch die aufgrund dieses Geset-
zes erlassenen Schiffssicherheitsverordnung SchSV) soll auf einen sicheren Betrieb des
Schiffes hingewirkt werden. Dazu gehört insbesondere, dass es samt seinem Zubehör in
betriebssicherem Zustand gehalten und sicher geführt wird und dass die notwendigen
Vorkehrungen zum Schutz Dritter vor Gefahren aus dem Betrieb sowie zum Schutz der
Meeresumwelt und der Luft vor Gefahren oder widerrechtlichen Beeinträchtigungen
aus dem Betrieb getroffen werden. Dies umfasst auch, dass Personen, die in dem Schiff-
fahrtsunternehmen und auf dem Schiff hierfür beauftragt werden, wirksam ausgewählt,
angeleitet, unterrichtet, beobachtet und unterstützt werden (vgl. § 3 SchSG).
Die Zielrichtung ist hier demnach nicht nur auf den Arbeitsschutz gerichtet, sondern
wesentlich weitreichender: Durch einen sicheren Schiffsbetrieb, zu dem neben techni-
schen Anforderungen auch Anforderungen organisatorischer Art gehören (insbesondere
8.1 Arbeitsschutz, Arbeitssicherheit, Schiffssicherheit 475
Auswahl und Überwachung von Leitungspersonal), zielt das Gesetz auch auf den Schutz
der Meeresumwelt und der Luft ab. Ferner wird auf eine sichere Schiffsführung hin-
gewirkt, was neben personellen Anforderungen auch Anforderungen an Navigations-
anlagen beinhaltet. Daneben sollen Dritte vor Gefahren aus dem Schiffsbetrieb geschützt
werden. Dritte sind dabei nicht nur die an Bord befindlichen Beschäftigten, sondern auch
andere Personen (Passagiere, andere Verkehrsteilnehmer). Das soll, wie bereits vor-
stehend ausgeführt, durch die verbindliche Anwendung internationaler Normen erfol-
gen – vgl. Wortlaut des § 1 Abs. 1 SchSG:
Dieses Gesetz bestimmt, welche Maßnahmen bei der Durchführung der jeweils geltenden
internationalen Regelungen zur Schiffssicherheit und zum Umweltschutz auf See vorzu-
nehmen sind …
Diese sind die in den Abschn. A bis C der Anlage zum SchSG aufgeführten Vorschriften
des innerstaatlich geltenden Völkerrechts und die in Abschn. D der Anlage aufgeführten
Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaften oder der Europäischen Union in der jeweils
angegebenen Fassung. Internationale Schiffssicherheitsnormen im Sinne dieses Gesetzes
sind die in Abschn. E der Anlage aufgeführten in Deutschland als anwendbare anerkannte
Regeln der Technik oder der seemännischen Praxis bekanntgemachten Vorschriften in der
jeweils angegebenen Fassung. Zu den Schiffssicherheitsregelungen im Sinne des Satzes 1
gehören auch die internationalen Vorschriften, die die Abwehr äußerer Gefahren regeln,
soweit auf diese Vorschriften in Übereinstimmung mit den nachfolgenden Bestimmungen in
der Anlage Bezug genommen ist.
Insofern bedeutet das vor dem Hintergrund des Spezialitätsprinzips, dass das ArbSchG
dann verpflichtend anzuwenden ist, soweit dortige Regelungen nicht im SchSG enthalten
sind.
Wesentliche Bestimmungen des ArbSchG, die nicht im SchSG enthalten sind, sind
die Vorschriften zur Erstellung einer Gefährdungsbeurteilung (§ 5 ArbSchG) und deren
Dokumentation (§ 6 ArbSchG).
2Weiterführende Hinweise und Hilfen zur Erstellung einer Gefährdungsbeurteilung s. unter [24].
476 8 Arbeitsschutz und Schiffssicherheit, Brandschutz
Arbeitsabläufe auf dem Schiff. Dazu gehören auch Ereignisse und Aufgaben, die außer-
halb der „normalen“ Arbeitsabläufe stattfinden, wie zum Beispiel bei Betriebsstörungen.
Die Gefährdungsbeurteilung ist so zu strukturieren, dass alle erkennbaren Gefahren
und Gefährdungen untersucht werden. Das ArbSchG verweist beispielhaft auf folgende
Gefahrenquellen: Arbeitsverfahren, Arbeitsabläufe, Arbeitszeiten, unzureichende Quali-
fikation und Unterweisung der Beschäftigten. Sobald eine Gefährdung identifiziert
wird, ist in der Gefährdungsbeurteilung darzustellen, wie die Gefährdung beseitigt oder
gemindert werden kann.
Eine Gefährdungsbeurteilung ist für jede ausgeübte Tätigkeit bzw. jeden Arbeits-
platz an Bord erforderlich. Bei gleichartigen Tätigkeiten, gleichen Arbeitsverfahren und
gleichen Arbeitsplätzen ist die Beurteilung eines Arbeitsplatzes, -verfahrens oder einer
Tätigkeit ausreichend.3
Ferner gehört auch die Belehrungspflicht nach §§ 9, 12 ArbSchG und § 11 „Arbeits-
medizinische Vorsorge“ zu den anwendbaren Vorschriften. Pflichten und Rechte der
Beschäftigten (§§ 15, 17) gehören auch zu den anwendbaren Vorschriften des ArbSchG.
§ 7 ArbSchG bezüglich der Übertragung von Aufgaben auf Beschäftigte wird im
Wesentlichen sinngemäß auch durch den § 7 SchSG geregelt, sodass Lex specialis § 7
ArbSchG auf Seeschiffen nicht anwendbar ist.
Hier ist noch festzuhalten, dass das ArbSchG durch etliche Verordnungen konkreti-
siert wird. Von besonderer Bedeutung für die Schifffahrt sind dabei die nachfolgend
aufgelisteten:
Unter Berücksichtigung vorstehender Ausführungen wird deutlich, dass die in Rede ste-
henden Vorschriften nur zum Teil inhaltsgleiche Regelungen enthalten. Nur dann gilt Lex
specialis dem SchSG der Vorzug. Im ganz überwiegenden Fall haben beide Gesetze doch
voneinander abweichende Regelungsinhalte: So ist das ArbSchG auf jeden Fall anwend-
bar, soweit es sich um eine Beurteilung und Dokumentation der Gefährdung am Arbeits-
platz und auf eine sich daraus ergebende Unterweisungspflicht handelt. Ferner sind die
3Vertiefend [28].
8.1 Arbeitsschutz, Arbeitssicherheit, Schiffssicherheit 477
8.1.1 SOLAS
wobei v der Zahlenwert der in m/s gemessenen Fiergeschwindigkeit und H der Zahlen-
wert des in m gemessenen Höhenunterschieds zwischen Bootsdeck und Ballastlinie ist.
Bei v ist eine Abweichung von +/−10 % zulässig.
Hinsichtlich der erforderlichen Anzahl und Anordnung dieser kollektiven Rettungs-
mittel gilt grundsätzlich:5
Rettungsboote müssen auf Frachtschiffen an jeder Seite oder am Heck Platz für alle
an Bord befindlichen Personen bieten. Auf Fahrgastschiffen muss Platz für alle Perso-
nen in Booten und Rettungsflößen/Rettungsinseln (Abb. 8.3) auf beiden Seiten sein. Auf
Frachtschiffen unter 1600 BRT6 muss mindestens ein Rettungsboot an Bord sein. Ret-
tungsflöße bzw. -inseln mit Platz für alle an Bord Befindlichen müssen auf beiden Seiten
des Schiffes sein, falls die Rettungsboote am Heck angeordnet sind. Auf Frachtschiffen
<1600 BRT müssen Rettungsflöße/-inseln für alle Personen auf jeder Seite vorgesehen
werden; Rettungsflöße müssen mit einem zugelassenen Wasserdruckauslöser ausgerüstet
sein (Abb. 8.4).
Als gleichwertiger Ersatz von Rettungsmitteln gilt für Frachtschiffe von 500–1600
BRT, mit Ausnahme von Tankschiffen, folgende Ausrüstung mit Rettungsmitteln:
• auf der anderen Seite ein oder mehrere fierbare Rettungsflöße für alle Personen und
• frei aufschwimmende Rettungsflöße/Rettungsinseln für alle Personen [17].
Darüber hinaus müssen Rettungsinseln bzw. -flöße (Abb. 8.3) für weitere 25 % der Pas-
sagiere und Crewmitglieder an Bord vorhanden sein [27].
Dass Rettungsinseln als weiteres Rettungsmittel zum Rettungsboot mitgeführt wer-
den müssen, liegt daran, dass es Situationen gibt, in denen nicht alle Rettungsboote aus-
gebracht werden können, wie die Havarie der Costa Concordia zeigte.
So verfügt beispielsweise das Schiff Mein Schiff 1 (1924 Passagiere, 780 Besatzungs-
mitglieder) über folgende Kapazitäten [22]:
An die Bauweise der Rettungsboote auf Tankern werden wegen der möglicherweise
hohen Brandtemperaturen und giftigen Gase an Bord weitere Anforderungen gestellt. So
finden sich bei Frachtern generell, insbesondere aber bei Gefahrgutfrachtern, Freifall-
rettungsboote, die aufgrund ihrer Konstruktion das Verlassen des Gefahrenbereichs in
einem geschützten Rettungsboot über eine Freifalleinrichtung ermöglichen (Abb. 8.2).
Derartige Boote befinden sich achtern im Bereich des Deckshauses, häufig ein Rettungs-
boot an Steuerbord, eines an Backbord.
Nach dem Besteigen und Verschließen des Freifallrettungsbootes schnallt sich die
Crew auf ihren Sitzen an. Nach Auslösen der Haltevorrichtung des Bootes gleitet es auf
einer schiefen Ebene im freien Fall mit seinem Bug voran ins Meer, wodurch der Auf-
prall auf der Wasseroberfläche gemildert wird [34].
8.1.1.2 Rettungsringe, Rettungswesten
Die Hälfte aller Rettungsringe (auf Fahrgastschiffen mindestens jedoch sechs) müssen
mit selbstzündenden Lichtern versehen sein, die nicht durch Wasser gelöscht werden
können und mindestens 45 min leuchten (Abb. 8.5).
Die Anzahl der erforderlichen Rettungsringe ist abhängig von der Art des Schiffes
und der Schiffslänge (vgl. Tab. 8.1).
Rettungswesten müssen für jede an Bord befindliche Person vorhanden sein; für
Kinder müssen zusätzliche geeignete Westen vorgehalten werden. Auf Fahrgastschiffen
müssen darüber hinaus Rettungswesten für 5 % aller an Bord befindlichen Personen mit-
geführt werden, die an einem deutlichen Platz an Deck aufbewahrt werden müssen [17].
Für den SOLAS-Bereich zugelassene Rettungswesten auf europäischen Schiffen müs-
sen mit dem Steuerradzeichen gekennzeichnet sein. Es bestätigt, dass die Anforderungen
der Vorschriften erfüllt werden, wie beispielsweise in Doppelkammersystemen aus-
gelegte Schwimmkörper, die Ausstattung mit Rettungswestenlichtern oder die erforder-
liche Anzahl von Reflexstreifen [33].
482 8 Arbeitsschutz und Schiffssicherheit, Brandschutz
8.1.1.3 Stelling, Landgänge
Über die Stelling, Gangway oder den Landgang (vgl. Abb. 6.83) gelangen Personen an
und von Bord. Für die Beleuchtung der Ein- und Ausstiegsmittel, der Position an Deck,
an der Personen ein oder aussteigen können, und zur Kontrolle der Anordnung ist eine
ausreichende Beleuchtung vorzusehen. Ein Rettungsring, der mit einem selbstzündenden
Licht und einer schwimmenden Rettungsleine ausgestattet ist, sollte in der Nähe der
Ein- und Ausschiffungsanlage während des Betriebs sofort einsatzbereit sein. Der direkte
Zugang zwischen der Stelling und dem Schiffsdeck sollte durch die Anordnung einer
Plattform realisiert werden, die durch Handläufe bzw. Handgriffe sicher und ausreichend
geschützt ist. Die Leiter muss fest am Schiff befestigt sein, um ein Umkippen zu ver-
hindern (vgl. hierzu wieder Abb. 6.83).
8.2 Brandschutz 483
Jede Gangway sollte an jedem Ende eindeutig mit einer Kennzeichnung versehen
sein, auf der u. a. der maximal und minimal zulässige Neigungswinkel im Betrieb,
die Konstruktionslast sowie die maximale Belastung angegeben sind. Die maximale
Belastung liegt unter der Auslegungs- bzw. Konstruktionslast; sie sollte auch auf dem
Kennzeichnungsschild angegeben werden.
Gangways sollten nicht in einem Neigungswinkel von >30° zur Horizontalen ver-
wendet werden, sog. Unterbringungsleitern sollten nicht in einem Winkel von >55° zur
Horizontalen verwendet werden, es sei denn, sie sind für den Einsatz unter Winkeln grö-
ßer als diese konstruiert und konstruiert und entsprechend als solche gekennzeichnet.
Unter bzw. rechts und links neben der Stelling ist ein Sicherheitsnetz anzubringen, in
dem eine Person möglicherweise von den Ein- und Ausschiffungsmitteln oder zwischen
dem Schiff und dem Kai herunterfallen kann (vgl. wieder Abb. 6.83).7
Einrichtungen wie Landgänge und Fallreepstreppen sind unter entsprechender
Anwendung von SOLAS Regel III/20.7.2 monatlich zu besichtigten und zu warten.
Weitere Kontrollen sind immer dann durchzuführen, wenn diese verwendet werden.
Hinsichtlich der Instandhaltung wird auf MSC.l/Circ.1331 verwiesen. Die verwendeten
Drahtseile sind entsprechend den Vorgaben für Läufer von Aussetzeinrichtungen immer
zu wechseln, wenn dieses aufgrund von Abnutzungserscheinungen oder Beschädigungen
erforderlich ist, spätestens jedoch nach fünf Jahren (SOLAS Regel II- 1/3-9/siehe
ISM-Rundschreiben 02/2010).8
8.2 Brandschutz
8.2.1 Einleitung
Feuer an Bord ist ein immer sehr ernst zu nehmender Schadensfall [9]. Kann ein klei-
ner Entstehungsbrand vielleicht noch rechtzeitig gelöscht werden, können sich zu einem
8.2.2.1 Exotherme Reaktion
Bei der Verbrennung handelt es sich um eine chemische Reaktion, bei der sich der bren-
nende Stoff mit Sauerstoff zu den Verbrennungsprodukten verbindet.11 Wie jede chemi-
sche Reaktion ist auch die Verbrennung mit einem Energieumsatz verbunden. Es wird
dabei zwischen exothermen und endothermen Reaktionen unterschieden. Bei einer exo-
thermen Reaktion wird Energie freigesetzt, bei einer endothermen Reaktion ist dem
System Energie zuzuführen, damit die chemische Reaktion ablaufen kann. Bei einer Ver-
brennung handelt es sich um eine exotherme Reaktion: Es wird Wärme frei.
AC + O2 → A′ + CO2 + H2 O. (8.2)
In dieser Reaktionsgleichung ist AC eine beliebige Verbindung eines oder mehrerer
Stoffe (A) mit Kohlenstoff (C); das Verbrennungsprodukt ist A′, Kohlendioxid (CO2)
und Wasser (H2O). Bei jeder vollständigen, unter stöchiometrischen Bedingungen
ablaufenden Verbrennung entsteht das Verbrennungsprodukt, CO2 und H2O.
Triebkraft einer solchen selbstständig ablaufenden Reaktion sind zwei grundlegende
Naturgesetze:
Um die Triebkraft einer Reaktion genauer zu beschreiben, müssen beide Tatsachen mit-
einander verknüpft werden.
Der Energiezustand eines Systems wird beschrieben durch seine Enthalpie (H), der
Unordnungszustand durch die Entropie (S). Beide wirken gegeneinander, wie das am
Beispiel der Verdampfung einer Flüssigkeit am Siedepunkt (z. B. Wasser bei 100 °C)
deutlich wird. Die Flüssigkeit verdampft, da S beim Übergang von der flüssigen in die
Gasphase stark zunimmt. Gleichzeitig muss aber laufend Energie von außen zugeführt
werden, was den Enthalpieinhalt des Systems erhöht. Wird der Enthalpieinhalt des Sys-
tems vermindert (Energieentzug durch Ausschalten der Wärmezufuhr), so kondensiert
ein Teil des Dampfes, was gleichzeitig den Entropieinhalt verringert. Eine Zustands-
größe, die dieses Gegeneinanderwirken von H und S beschreibt, ist die freie Enthalpie,
auch Gibbs’sche Enthalpie G. Bei einer chemischen Reaktion sind die Enthalpien und
Entropien der Endprodukte verschieden von denen der Ausgangsstoffe. Ob eine Reaktion
486 8 Arbeitsschutz und Schiffssicherheit, Brandschutz
selbstständig abläuft, hängt davon ab, wie groß die Änderung, also die Differenz dieser
Werte ist. Die Änderung der freien Enthalpie ΔG wird durch die Gibbs-Helmholtz-
Gleichung beschrieben:
�G = �H − (T · �S) (8.3)
mit T der Temperatur des Systems (bei Großbränden liegt T zwischen 800 und 1000 °C)
[14, S. 17].
Eine Reaktion läuft solange selbstständig ab, wie ΔG negativ ist, d. h. dem System
freie Enthalpie entzogen werden kann (negatives Vorzeichen von ΔG). Ist die Differenz
der freien Enthalpien gleich null, so ist kein Antrieb für die Reaktion mehr vorhanden,
d. h., die Reaktion kommt zum Stillstand – es herrscht Gleichgewicht.
8.2.2.3 Verbrennungsgeschwindigkeit
Als Reaktionsgeschwindigkeit vRG bezeichnet man die Änderung der Konzentration der
an der Reaktion beteiligten Stoffe in Abhängigkeit von der Zeit. Für die Konzentrations-
abhängigkeit der Verbrennungsgeschwindigkeit gilt:
vRG ∼ cn (8.4)
mit
c Konzentration der an der Verbrennung beteiligten Stoffe,
=
n = Exponent, der den Reaktionstyp beschreibt.
Vom Grundsatz her unterscheidet man hinsichtlich der Verbrennungsgeschwindigkeit
zwischen folgenden Fällen [14, S. 26 f.]:
Die Verbrennung wird durch den Vorgang der Entzündung eingeleitet. Die Entzündung
tritt ein, wenn ein brennbarer Stoff auf eine gewisse Temperatur, die Zündtemperatur
(Beispiele s. Tab. 8.2; [14, S. 29 f.])., erwärmt wird. Sie ist die niedrigste Temperatur
einer erhitzten Wand oder Oberfläche, an der ein brennbarer Stoff in Berührung mit Luft-
sauerstoff nach max. fünf Minuten gerade noch zum Brennen angeregt wird.
Darüber hinaus müssen der brennbare Stoff und der Verbrennungssauerstoff im richti-
gen Mengenverhältnis zueinander (Stöchiometrie) vorliegen.
Insofern ist es das Ziel einer jeden Brandbekämpfung, auf das Eliminieren einer der
drei Voraussetzungen hinzuwirken! So zielt der Einsatz von Wasser im Wesentlichen
darauf ab, dem Feuer Wärme zu entziehen, es also so weit abzukühlen, dass die Zünd-
temperatur unterschritten wird. Schaum und Löschgase (N2 , CO2) bewirken ein Ver-
drängen von Umgebungsluft, verhindern insofern den Zutritt von Sauerstoff an den
488 8 Arbeitsschutz und Schiffssicherheit, Brandschutz
Brandherd. Schließlich kann auch durch Eliminieren brennbarer Stoffe die Brandlast ver-
ringert werden.
8.2.2.5 Brandklassen
In der Praxis werden die brennbaren Stoffe gemäß der Europäischen Norm EN 2 „Brand-
klassen“ in fünf Brandklassen eingeteilt (s. Tab. 8.3). Diese Klassifikation dient dazu,
eine richtige Auswahl entsprechender Löschmittel in Abhängigkeit vom brennbaren Stoff
bereitzuhalten und einzusetzen.
• Energiefreisetzung,
• Brandausbreitungsgeschwindigkeit und Brandausdehnung,
• Menge toxischer Bestandteile im Brandrauch,
• Rauchmenge,
• Temperatur (maximale Temperatur, Temperaturverlauf),
• bestimmte Zeitparameter wie Schwelbrandphase, Entstehungsbrandphase, Zeit bis
zum Flashover,
• Wärmefreisetzungsrate.
Die Wärmefreisetzungsrate (Heat Release Rate) Q wird oft als wichtigste Kenngröße
herangezogen und wird durch Gl. 8.5 beschrieben [16]:
Q = α · t2 (8.5)
mit
Q = Wärmefreisetzungsrate (kW),
Feuerübersprung
(Flashover)
abklingender Brand
Entzündung
Zeit
Schwelbrand- Bereich der Brand-
bereich ausbreitung
Als Ziel von festen und tragbaren Feuerlöscheinrichtungen nennt SOLAS II-2,
Abschn. C, Reg. 10 die Niederhaltung und Löschung des Brandes im Entstehungsraum.
Hierzu ist vorgesehen, Sprinkleranlagen zu installieren, die dem Brandausbreitungs-
potenzial im jeweiligen Raum angemessen sind. Handelt es sich um ein Schiff mit
mehr als 36 Passagieren, so ist eine automatische Sprinkleranlage in allen Aufenthalts-
und Betriebsräumen, Fluren und Treppen einzubauen. Anforderungen für Bereiche mit
keinem bzw. geringem Brandrisiko13 werden dahingehend reduziert, dass keine auto-
matische Feuerlöschanlage vorhanden sein muss [16, S. 30].
Zusätzlich zu ortsfesten Feuerlöschanlagen sollen leicht zugängliche Handfeuer-
löscher und Wandhydranten bereitgestellt werden. Anschlüsse von Hydranten sollen
leicht erreichbar und leicht mit Schläuchen zu verbinden sein. Der Schutz vor Frost muss
gewährleistet werden.
2.1 Feuerlöschpumpen
Schiffe mit >150 BRZ müssen mit mindestens einer vom Hauptstromnetz unabhängig
betriebenen Feuerlöschpumpe ausgerüstet sein. Schiffe mit ≤150 BRZ müssen mit mindes-
tens einer motorgetriebenen Feuerlöschpumpe ausgerüstet sein, die von der Hauptmaschine
angetrieben werden kann.
Die Leistung der Hauptfeuerlöschpumpe (vgl. Abb. 8.10) muss bei Schiffen mit einer
Bruttoraumzahl ≥500 (s. SOLAS-Kap. II-2/10.2.2) mindestens 25 m3/h betragen. Ferner
muss jede Feuerlöschpumpe in der Lage sein, mindestens zwei Löschschläuche mit den
erforderlichen Durchflussmengen und Drücken zu beliefern.
Der erforderliche Druck der Hauptfeuerlöschpumpe ist so zu wählen, dass die
Anforderungen nach SOLAS Kapitel II-2/10.2.1.6 erfüllt sind. Alternativ dazu muss auf
Schiffen mit <300 BRZ sichergestellt sein, dass jedes Strahlrohr in der Lage ist, einen
Wasserstrahl horizontal über 12 m zu werfen.
Bei Schiffen mit >150 BRZ ist eine zusätzliche motorgetriebene Feuerlöschpumpe
außerhalb des Raumes zu installieren, in dem die Hauptfeuerlöschpumpe untergebracht ist.
Auf Schiffen mit <150 BRZ kann diese Pumpe handbetätigt sein.
Die Zusatzpumpe muss über eine ausreichende Förderkapazität und einen ausreichenden
Druck verfügen, um einen 6-m-Wasserstrahl mit mindestens 9 mm Durchmesser an der
Düse des Strahlrohrs zu gewährleisten.
Der Wasserstrahl muss auf jeden Teil des Schiffes gerichtet werden können.
Bei Schiffen mit <100 BRZ ist keine zusätzliche Feuerlöschpumpe erforderlich.
normalerweise zugänglichen Teile des Schiffes möglich ist. Mindestens ein Hydrant ist im
Maschinenraum vorzusehen.
Es müssen mindestens drei Feuerlöschschläuche von mindestens 15 m Länge, komplett
mit Kupplungen und Strahlrohr, bereitgehalten werden.
Die Strahlrohre müssen absperrbar sein. Sie müssen die Möglichkeit bieten, von Sprüh-
strahl auf Vollstrahl umzuschalten. Der Strahldurchmesser muss 12 mm betragen; er kann
bei handbetriebenen Feuerlöschpumpen auf 10 mm reduziert werden.
2.3 Feuerlöscher
Jeder Pulver- oder CO2-Löscher muss eine Kapazität von mindestens 5 kg, jeder
Schaumlöscher muss ein Fassungsvermögen von mindestens 9 L haben.
Im Messe- und Servicebereich sind mindestens drei tragbare Feuerlöscher vorzusehen.
Mindestens zwei tragbare Feuerlöschgeräte, die zum Löschen von Ölbränden geeignet
sind,15 sind für jeden Kesselraum, Ladungspumpenraum und Räume vorzusehen, die Teile
einer Ölkraftstoffanlage enthalten.
In Maschinenräumen mit Verbrennungsmaschinen muss ein tragbarer Feuerlöscher pro
375 kW installierter Maschinenleistung bereitgehalten werden.
Kampfschiffe der Marine verfügen darüber hinaus häufig auch über eine Außensprü-
hanlage. Diese dient zum einen der Bekämpfung von Bränden aufgrund von Waffenein-
wirkung im Gefecht. So braucht die zur Schadensabwehr eingeteilte Mannschaft nicht
den schützenden Schiffsraum während der Kampfhandlungen zur Brandbekämpfung
verlassen. Zum anderen dient die Sprüheinrichtung auch der Dekontamination von durch
Kampfhandlungen an außenbords gelangten ABC-Kampfstoffen.
Als feste Feuerlöschanlage kommen Wassersprinkleranlagen zum Einsatz, wie
sie auch in Gebäuden an Land vorgesehen sind. Der Einsatz von Wasser bedingt aber
auch Wasserschäden, sodass gerade in empfindlichen Bereichen (Elektrotechnik, Leit-
stand, Maschinenraum) in der Regel CO2-Löschanlagen installiert werden. Das Gas
wird in Druckgasflaschen an Bord mitgeführt. Je nach Spühkopfgestaltung erfolgt der
Gasaustritt direkt als Gas, um den infrage kommenden Raum zu fluten und somit den
Luftsauerstoff zu verdrängen (Löschwirkung durch Ersticken), oder als Schnee (Lösch-
wirkung durch Kühlen und Ersticken).16 Da CO2 aufgrund seiner erstickenden Wirkung
für den Menschen nicht unproblematisch ist (Möglichkeit des rechtzeitigen Verlassens
des zu flutenden Bereichs), hat sich in letzter Zeit das sog. HI-FOG-System insbesondere
auf Kreuzfahrtschiffen durchgesetzt. Hierbei handelt es sich um ein Wassernebelbrand-
bekämpfungssystem.17
Wasservernebelungsanlagen stellen in der Entwicklung von automatischen Lösch-
anlagen eine noch relativ junge Technologie dar. Im Gegensatz zu herkömmlichen
Sprinkleranlagen wird hierbei der Löscheffekt von sehr kleinen Wassertropfen (Wasser-
nebel, engl. „fog“) genutzt.
Der Wassernebel besteht aus kleinsten Wassertropfen. Der Durchmesser eines Nebel-
tropfens beträgt ca. 50 μm. Unter hohem Druck (>35 bar, daher die Bezeichnung „HI“
vom engl. „high“) wird Löschwasser durch Edelstahlleitungen bis zu den Löschdüsen
gepresst. Durch das spezielle Design der Düsen (Abb. 8.11) wird der Wassernebel
erzeugt.
Der nötige Druck wird durch Hochdruckpumpen oder alternativ durch Druckgas-
flaschen (Stickstoff) erzeugt (Abb. 8.12).
Die Kombination aus optimaler Tropfengröße und Verteilung der Tropfen unter
hohem Druck sichert ein tiefes Eindringen des Wassernebels in den Brandherd und
ein schnelles Abkühlen der Rauchgase. Zusätzlich werden Rauchgase aus der Luft
gewaschen und ermöglichen ein früheres Betreten des Löschraumes durch Einsatzkräfte
der Feuerwehr.
Die Löschwirkung beruht auf folgenden Effekten:
• Kühlung,
• Absorption der Strahlungswärme (Hitzeabschirmung),
• Inertisierung (lokale Sauerstoffverdrängung).
• Nassrohrsystem,
• Sprühflutsystem,
• Trockensprinklersystem,
• vorgesteuertes Brandunterdrückungssystem.
Soweit Brände nicht bereits in der Entstehungsphase durch Handfeuerlöscher oder durch
automatische Brandbekämpfungssysteme gelöscht werden können, muss die Brand-
bekämpfung durch Löschtrupps vorgenommen werden. Das sind speziell für die Brand-
bekämpfung ausgebildete Besatzungsmitglieder. Sie müssen insbesondere zum Tragen
von schwerem Atemschutz geeignet sein. Das setzt ein regelmäßiges Training unter
schwerem Atemschutzgerät und das Bestehen der arbeitsmedizinischen Grundsatz-
untersuchung G 26 für das Tragen von Atemschutzgeräten [21] voraus. Die Ausstattung
der Brandschutztrupps orientiert sich dabei an der der Feuerwehren an Land; für einen
Innenangriff werden in der Regel benötigt:
• Kübelspritze/Feuerlöscher,
• Schlauchtragekorb,
• C-Strahlrohr,
• Handscheinwerfer,
• Sprechfunkgerät für den Funkverkehr an Bord,
• Feuerwehrleine (u. a. zur Sicherung des Rückwegs),
• Totmannmelder,
• Helmleuchte,
• Brechstange,
• Feuerwehraxt,
• Ramme zum Öffnen von Türen,
• Fluchthaube für zu rettende Personen,
• Pressluftatmer.
• Den Handrücken langsam der Tür/dem Schott nähern und von unten nach oben vor-
sichtig auf Erwärmung prüfen.
• Ebenso mit dem Handrücken die Klinke/Vorreiber prüfen.
• Geht die Tür zum Öffnenden hin auf, ist sie in hockender Stellung durch Gegenlehnen
von der Scharnierseite her zu öffnen.
• Geht die Tür vom Öffnenden weg auf, ist sie in hockender Stellung im Schutz der
danebenliegenden Wand zu öffnen. Sofern griffbereit und möglich, sollte ein Zeiser
um die Klinke gelegt werden, um die Tür ggf. wieder schließen zu können, ohne in
den Brandraum greifen zu müssen.
• In der Regel sollte mit Sprühstrahl die Decke des Raumes gekühlt werden, um einen
Flashover zu vermeiden.
• Vorsicht bei elektrischen Anlagen: Wasser- und Schaumlöscher nur bis 1000 V,
Mindestabstand 3 m; ABC- und D-Pulverlöscher nur bis 1000 V, Mindestabstand 1 m;
BC-Pulverlöscher bis 1000 V, Mindestabstand 1 m (>1000 V VDE 0132 beachten!),
• CO2-Löscher: Vorsicht bei Verwendung in engen, schlecht belüfteten Räumen;
Mindestabstand 1 m bei elektrischen Anlagen bis 1000 V.
8.2 Brandschutz 501
Abb. 8.13 Modernes Mittelschaumrohr. (Foto: Magnus Mertens, CC BY-SA 2.0 de)
Für die Praxis des Innenangriffs unter schwerem Atemschutzgerät (Abb. 8.14) ist es von
Interesse zu wissen, wie lange der Luftvorrat in den Flaschen des Atemschutzgerätes des
Truppmanns ausreicht.19 Hierzu gibt das Boyle-Mariotte’sche Gesetz Antwort. Aus-
gehend vom idealen Gasgesetz
p·V =m·R·T (8.6)
mit
R Gaskonstante,
=
p Druck,
=
V = Gasvolumen,
T = Gastemperatur,
m = Masse des Gases
lässt sich Gl. 8.6 wie folgt umschreiben:
V
p· = m · R. (8.7)
T
Wenn nun in einem geschlossenen System ein Gas enthalten ist (z. B. Luft in einer
Flasche eines Atemschutzgerätes), ist bei Betrachtung von Gl. 8.7 erkennbar, dass bei
Erwärmung des Systems sich das Volumen nicht ändern kann, soweit das Gas sich nicht
ausdehnen kann (wie eben in der geschlossenen Atemluftflasche). Die Masse bleibt kon-
stant, ebenso R. Somit muss sich bei Temperaturerhöhung der Druck im System erhöhen
(der Druck in der Atemluftflasche steigt an!). Man kann also sagen:
V
p· = konst. (8.8)
T
Anders ausgedrückt:
V1 V2
p1 · = p2 · . (8.9)
T1 T2
Hieraus ist zu entnehmen, dass für eine Temperaturänderung bei konstantem Druck
(p1 = p2) wieder das Gesetz von Gay-Lussac gilt:
V1 V2
= . (8.10)
T1 T2
Ebenso gilt bei einer Druckänderung unter konstanter Temperatur (T1 = T2):
p1 V2
= . (8.11)
p2 V1
Beispiel zur Berechnung der Einsatzzeit unter schwerem Atemschutz
Häufig kommen Atemschutzgeräte mit zwei Flaschen à 4 L mit einem jeweiligen
Fülldruck von 200 bar zum Einsatz. Der Luftverbrauch (Atemminutenvolumen) kann
mit 50 L pro Minute im Einsatz angenommen werden.
Es ist zu ermitteln, wie viele Liter Luft dem Feuerwehrmann bei einem
Umgebungsdruck von etwa 1 bar zur Verfügung stehen. Nach Boyle-Mariotte gilt
Gl. 8.11:
p1 V2
= .
p2 V1
Der Flaschendruck p1 beträgt 200 bar, das Flaschenvolumen V1 ist 2 × 4 L, also 8 L.
Der Umgebungsdruck ist p2 = 1 bar, die für die Atmung zur Verfügung stehende Luft-
menge ist V2. Somit ist durch Umstellen von Gl. 8.11:
p1
V2 = · V1 .
p2
Das Einsetzen der o. g. Zahlenwerte liefert V2 = 1600 L.
Wenn der Feuerwehrmann im Einsatz 50 L pro Minute veratmet, kann er somit
maximal
1600 L/50 L/min = 32 min
eingesetzt werden. Da bereits bei einem Restdruck von 50 bar ein Alarmsignal für den
Rückzug ertönt, verringert sich seine Einsatzzeit entsprechend.
504 8 Arbeitsschutz und Schiffssicherheit, Brandschutz
• Sicherheitszeichen,
• Verbotszeichen,
• Warnzeichen,
• Gebotszeichen,
• Rettungszeichen,
• Brandschutzzeichen,
• Hinweiszeichen,
• Zusatzzeichen,
• Kombinationszeichen.
Erst in Kombination von geometrischer Form und Sicherheitsfarbe zusammen mit dem
Bildzeichen entsteht das in seiner Aussage unverwechselbare und damit eindeutige
Sicherheitszeichen (s. auch Abb. 8.15). Ergänzende Hinweise werden auch in den
Berufsgenossenschaftlichen Regeln „Optische Sicherheitsleitsysteme“ (einschließlich
21EineÜbersicht über die zurzeit gültigen Sicherheitskennzeichen findet sich z. B. bei der Fa.
A-SPE [38].
506 8 Arbeitsschutz und Schiffssicherheit, Brandschutz
Brandschutzzeichen Feuerlöscher
Sammelstelle
8.3.2 Sicherheitsleitsystem
Das Sicherheitsleitsystem (SLS) macht bei Ausfall der Haupt- und Ersatzbeleuchtung
und bei Verqualmung den Fluchtweg bis zum gesicherten Bereich und die sanitätsdienst-
lichen, sicherheits- und brandschutztechnischen Einrichtungen erkennbar (s. a. Abb. 8.17
und 8.18). Für bodennahe Markierungen (Abb. 8.19) gelten die Normenblätter der Reihe
8.3 Sicherheitskennzeichnung am Arbeitsplatz, Schiffssicherheitsleitsystem 507
DIN 81230 „Bodennahes Sicherheitsleitsystem“ sowie ergänzend die Norm ISO 15370
„Schiffe und Meerestechnik – Bodennahes Sicherheitsleitsystem auf Fahrgastschiffen –
Anordnung“ der Normenstelle Schiffs- und Meerestechnik im DIN. Ergänzend ist die
Norm VG 81226-10 Kennzeichen und Kennzeichnungsschilder – Teil 10: Bodennahes
Sicherheitsleitsystem (SLS) der Normenstelle Schiffs- und Meerestechnik im DIN für
wehrtechnische Anforderungen zu berücksichtigen.
508 8 Arbeitsschutz und Schiffssicherheit, Brandschutz
lumineszierendes Leuchtband
8.4 Lenzsysteme
8.4.1 Einführung
Obwohl von der reinen Systematik her die Lenzsysteme zu den Schiffsbetriebsanlagen
und Hilfssystemen zu zählen sind und von daher im Kap. 6 hätten behandelt wer-
den können, werden sie jedoch in diesem Abschnitt behandelt, da sie von wesentlicher
Bedeutung für die Schiffssicherheit sind [12, S. 79]: Wassereinbruch durch Leckschlagen
oder durch Übernahme von Wasser bei schwerer See wie auch im Rahmen der Brand-
bekämpfung birgt immer die Gefahr, dass das Schiff in eine kritische Stabilitätslage
kommt, die letztlich zum Sinken führen kann. Daher ist ein ausreichend dimensionier-
tes, redundantes Lenzsystem für jede wasserdichte Abteilung des Schiffes zu installieren,
über welches ins Schiffsinnere eingedrungenes Wasser außenbords gepumpt wird.
Das System dient zum Lenzen der sogenannten Lenzbrunnen und Bilgen in Maschi-
nen- und Laderäumen. Das Lenzwasser muss aus Umweltschutzgründen zum Separieren
von Öl über einen sog. Bilgenwasserentöler geleitet werden. Das Lenzsystem erstreckt
sich über die gesamte Schiffslänge. Das Wasser, welches sich in den Lenzbrunnen sam-
melt, entstammt Leckagen und Kondensationsvorgängen an der Außenhaut.
Das Rohr- und Pumpensystem muss so projektiert werden, dass das Wasser aus jeder
Abteilung des Schiffes auch bei ungünstiger Trimmlage gelenzt werden kann. Saugkörbe
in den Saugern und Schlammkästen in den Hauptlenzleitungen sollen Schmutzteile
zurückhalten und so die Pumpen schützen.
Die Lenzpumpen müssen selbstansaugend sein (z. B. Tauchpumpen, Kolbenpumpen,
Vakuumanlage, selbstansaugende Kreiselpumpe) und die Absperrorgane der einzelnen
Ableitungen müssen als Rückschlagventil oder Rückschlagklappe ausgebildet sein, um
das Volllaufen einer Abteilung aus einer anderen durch das Lenzsystem zu verhindern.
Jede kraftbetriebene Lenzpumpe muss Wasser durch das vorgeschriebene Hauptlenz-
rohrsystem mit einer Geschwindigkeit von mindestens 2 m/s pumpen können.22
22Vgl. Kap. 1, Teil C, Zif. 3.2.4 der Richtlinie 2010/36/EU, Amtsblatt der EU L 162/1
v. 29.06.2010.
8.4 Lenzsysteme 511
Bei der Bemessung von Q2 bezieht sich L auf die längste wasserdichte Abteilung. In
diesen Formeln bedeuten:
L Länge der betreffenden wasserdichten Abteilung in m,
d1 rechnerischer innerer Durchmesser des Hauptlenzrohres in mm,
d2 rechnerischer innerer Durchmesser des Zweiglenzrohres in mm.
1. Sind die Lenzpumpen an ein Lenzsystem angeschlossen, müssen die inneren Lenz-
rohrdurchmesser mindestens das Maß d1 in mm und die inneren Durchmesser der
Zweiglenzrohre mindestens das Maß d2 in mm aufweisen.
Für Schiffe mit L von weniger als 25 m dürfen die Maße d1 und d2 bis auf 35 mm
herabgesetzt werden.
2. Nur selbstansaugende Lenzpumpen sind zulässig.
3. In jeder lenzbaren Abteilung mit flachem Boden und einer Breite von über 5 m muss
an Steuerbord und an Backbord mindestens je ein Sauger vorhanden sein.
4. Die Achterpiek darf über eine leicht zugängliche selbstschließende Armatur zum
Hauptmaschinenraum entwässert werden können.
5. Zweiglenzrohre einzelner Abteilungen müssen durch ein absperrbares Rückschlag-
ventil an das Hauptlenzrohr angeschlossen sein.
Abteilungen oder andere Räume, die als Ballastzellen ausgebildet sind, brauchen
nur über ein einfaches Absperrorgan an das Lenzsystem angeschlossen sein. Dies
gilt nicht für Laderäume, die zur Ballastaufnahme eingerichtet sind. Das Füllen sol-
cher Laderäume mit Ballastwasser muss durch eine von der Lenzleitung getrennte,
fest installierte Ballastleitung oder durch Zweigleitungen erfolgen, die als flexible
Leitungen oder mittels beweglicher Zwischenstücke mit der Hauptlenzleitung
verbunden werden können. Bodenventile sind hierfür nicht zulässig.
6. Laderaumbilgen müssen mit Peilmöglichkeiten versehen sein.
7. Ist ein Lenzsystem mit fest installierten Rohrleitungen vorhanden, müssen in den
Lenzrohren für Bilgen, die für das Sammeln von ölhaltigem Wasser bestimmt sind,
Absperrorgane angeordnet und in geschlossenem Zustand von einer Untersuchungs-
kommission mit einer Plombe versehen sein. Anzahl und Lage dieser Absperrorgane
müssen in das Schiffsattest eingetragen sein.
Zur sicheren Schiffsführung, für die Sicherheit und Leichtigkeit des Schiffsverkehrs,
sind Wasserfahrzeuge je nach Art, Größe und Fahrtgebiet mit Navigations- und Funk-
einrichtungen sowie mit entsprechenden Positionslampen auszurüsten. Die folgenden
Abschnitte geben hierzu einen Überblick.
8.5 Navigationseinrichtungen, Lichterführung, Funk 513
8.5.1 Navigationseinrichtungen
Für die Bestimmung von Kurs und Standort eines Schiffes sind Navigationsanlagen
erforderlich [15, S. 78 ff.].
Mit dem Kompass (Abb. 8.21) wird die Fahrtrichtung des Schiffes (der Kurs)
ermittelt. Neben einem Kreiselkompass ist auch heute noch der Einbau eines magneti-
schen Kompasses vorgeschrieben, da er bei Stromausfall immer noch sicher den Kurs
anzeigt.
Selbststeueranlagen sind mittlerweile Standard. Computertechnik, die GPS-Signale
in Verbindung mit einer elektronischen Seekarte verarbeiten, erlauben das Eingeben von
Wegpunkten, die das Schiff dann automatisch ansteuert. Versatz aufgrund von Wind und
Strömung gleicht das System selbstständig aus.
Das Echolot ist ein Gerät zur Messung der Wassertiefe auf indirektem Weg. Die
Wirkungsweise des Echolots beruht auf der Messung der Laufzeit zwischen dem
Abstrahlen eines Ultraschallimpulses und dem Empfang des Echosignals, das vom
Meeresboden reflektiert wurde (Abb. 8.22). Bei bekannter Ausbreitungsgeschwindigkeit
des Schalls im Wasser lässt sich damit die Wassertiefe unter dem Kiel bestimmen. Die
Registrierung der Tiefe erfolgt mittels eines Echografen; ferner kann das Echolot auch
mit optischen und akustischen Anzeigegeräten gekoppelt werden [8].
Ähnlich funktioniert ein Sonargerät (Sonar, engl. „sound navigation and ranging“ =
Schallortungsverfahren) zur Ortung von Gegenständen im Raum und unter Wasser. Die-
ses System wird von den Marinen zur U-Boot-Jagd eingesetzt (Abb. 8.23). Hierbei han-
delt es sich nicht um ein Vertikal-, sondern um ein Horizontalecholot. Dieses verfügt
über eine Entfernungs- und Richtungsanzeige. Damit bietet es die Möglichkeit, Objekte
in der Umgebung des U-Jagdschiffes festzustellen. Das Sonargerät ist unter dem Schiffs-
rumpf in der Regel in der Nähe des Bugs im sogenannten Sonardom platziert.
514 8 Arbeitsschutz und Schiffssicherheit, Brandschutz
Abb. 8.23 Sonardom der USS Cowpens. (Foto: Alan Warner, US Navy)
Radargeräte werden für die Navigation in Landnähe und für die Kollisionsverhütung
eingesetzt. Radar steht für Radio Detection and Ranging (Funkortung und Abstands-
messung). Eine Radaranlage besteht aus den Komponenten Radarantenne, Sende- und
Empfangseinheit und Bildschirm. Es kommen Nahbereichs- und Fernbereichsradare
zum Einsatz. Allen Geräten ist gemein, dass es sich bei diesen um Rundsichtimpulsra-
dare handelt. Das heißt, sie senden über eine rotierende Antenne (Abb. 8.24; Drehzahl
25–30 min−1) hochfrequente und stark gebündelte elektromagnetische Wellen in sehr
kurzen Impulsen aus. Auf Schiffen ab BRZ 10.000 wird das sogenannte S-Band oder
10-cm-Band, das im Frequenzbereich von 2920–3100 MHz arbeitet und eine Wellen-
länge von etwa 10 cm besitzt, eingesetzt. In der Sportschifffahrt und auf kleineren
Schiffen kommen X-Band-Geräte, auch 3-cm-Band-Geräte genannt, zum Einsatz. Die
Frequenz der Trägerwellen liegt hier zwischen 9320 und 9500 MHz [6, S. 53].
Diese Wellen werden von Objekten reflektiert („Radarecho“) und von der rotierenden
Antenne wieder empfangen. Diese moduliert und verstärkt das Echo und liefert das elek-
trische Signal zum Radargerät. Die Zeit zwischen Aussendung und Empfang der Impulse
ist ein Maß für den Abstand des detektierten Objektes:
s = c · t/2 (8.15)
mit
Abb. 8.25
Rundsichtradarbild Elbe westl.
Hamburg. (Foto: Barbara
Eckholdt)
In der gleichen Geschwindigkeit, wie sich die Antenne dreht, so dreht sich auf dem
Bildschirm der Schreibstrahl, welcher den abgestrahlten Impuls darstellt und alle ein-
treffenden Echos (Pips = Echopunkte) auf dem Bildschirm darstellt: Land als breite
Streifen, Tonnen als kleine Pips, Schiffe je nach Größe als kleine oder größere Pips.
In der Mitte des Bildschirms steht das eigene Schiff. Konzentrische Messringe (in
Abb. 8.25 zwei) stellen Entfernungsstufen dar. Der Messbereich kann verändert werden;
mit ihm variieren auch die Abstände zwischen den Messringen („range“). Am äußeren
Rand des Schirms befindet sich eine 360°-Winkelskala, die ein schnelles, grobes Peilen
erlaubt. Genaue Peilungen können mithilfe eines drehbaren Peillineals durchgeführt wer-
den [6].
Ein Problem bei der Darstellung auf dem Bildschirm ist das „Rauschen“, hervor-
gerufen durch Seegang: Hoher Wellengang kann zu Echos führen, die auf dem Radar-
schirm dargestellt werden; kleinere Objekte wie kleinere Wasserfahrzeuge können in dem
Rauschen untergehen. Durch eine „Rauschunterdrückung“ können hier diese Störungen
zum Teil unterdrückt werden.
Grundlage der Navigation ist die Seekarte in Papierform. Neben der Papierseekarte
können die Daten auch in digitalisierter Form als elektronische Seekarte25 vorliegen
und angezeigt werden (Electronic Chart Display and Information System – ECDIS). Auf
dem Bildschirm, der die elektronische Seekarte darstellt, kann das Radarbild überlagert
werden.
Die technische Entwicklung hat zu einer immer weitergehenden Zusammenführung
aller vorgenannten nautischen Geräte zum „Integrierten Navigationssystem“ geführt.
8.5.2 Lichterführung
Die Kollisionsverhütungsregeln (KVR, Regel 20-31 und Anlage I1.–14.), die Seeschiff-
fahrtsstraßen-Ordnung (§§ 8 bis 10 SeeSchStrO) und die Schifffahrtsordnung Ems-
mündung (EmsSchO) verpflichten alle Fahrzeuge zur Lichterführung bei Nacht und
verminderter Sicht. Für den Bereich der Binnenschifffahrt finden sich Bestimmungen zur
Lichterführung u. a. in folgenden Vorschriften: BinSchStrO, RheinSchPV, DonauSchPV
und MoselSchPV. Damit sollen die Art des aufkommenden Schiffs und sein Kurs
zum Betrachter hin erkennbar werden, was Kollisionen verhindern hilft. Schiffe, die
berechtigt sind unter deutscher Flagge zu fahren, dürfen nur die vom Bundesamt für
Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) oder von einer vergleichbaren europäischen
Stelle baumustergeprüften Lichter (Positionslampen) führen. Dazu sind die Laternen
mit einer Prüfnummer im Falle einer nationalen Zulassung (z. B. BSH/00/01/00) oder
im Falle einer EU-weiten Zulassung mit einem Steuerrad versehen (Abb. 8.26). Vom
Deutschen Hydrographischen Institut (DHI) zugelassene Geräte behalten ihre Gültigkeit
(Abb. 8.27). Ein CE-Zeichen ersetzt die Zulassung nach den KVR nicht! Durch andere
Mitgliedstaaten der EU zugelassene Laternen werden als gleichwertig behandelt, wenn
mit ihnen das geforderte Schutzniveau gleichermaßen dauerhaft erreicht wird [3].
Die rechtlich vorgeschriebenen Zulassungen für Navigationsleuchten, bezogen auf
den Fahrbereich (See- oder Binnenschifffahrtsstraßen) und die Anwendung (Sportboot
oder Berufsschifffahrt), sind der Tab. 8.9 zu entnehmen [3].
Die wichtigsten Positionslaternen/Navigationslichter sind [6, S. 96 f.] (s. a. Abb. 8.28):
• zwei Seitenlichter rot und grün, jedes über einen Sektor von 112,5° scheinend,
• ein Hecklicht weiß, über einen Sektor von 135° scheinend,
• ein oder zwei weiße Topplichter – je nach Länge des Schiffs (auch „Dampferlicht“
genannt, da Fahrzeuge unter Segel diese Lichter nicht führen) – über einen Sektor von
225° scheinend,
• weiße, rote, grüne oder blaue Rundumlichter, die über den ganzen Horizont (360°) fest
scheinen oder funkeln (blaues Funkellicht: Bundespolizei, Wasserschutzpolizei, Zoll,
Wasser- und Schifffahrtsverwaltung oder Boote des Rettungsdienstes im Einsatz).
Es dürfen nur elektrisch betriebene Lichter geführt werden; als Leuchtmittel haben sich
heute aufgrund ihrer Langlebigkeit und wegen ihres geringen Energieverbrauchs LED
durchgesetzt.
8.5 Navigationseinrichtungen, Lichterführung, Funk 519
8.5.3 Funkausrüstung
Die Ausrüstung von Schiffen mit Funkeinrichtungen richtet sich nach Art, Größe sowie
Fahrtgebiet (A 1 bis A 4) des Schiffes.27 Kap. IV des SOLAS-Übereinkommens regelt
die Umsetzung des Global Maritime Distress and Safety System (GMDSS) mit Funk-
28Ultrakurzwellenfunk.
8.5 Navigationseinrichtungen, Lichterführung, Funk 521
die ununterbrochen für DSC-Alarmierungen zur Verfügung steht – in Europa sind das
Küstengebiete bis etwa 30 sm) folgende Funkeinrichtungen mitführen:
• UKW-DSC-Seefunkanlage,
• UKW-DSC-Wachempfänger,
• NAVTEX-Empfänger (Navigational Text Messages), dient weltweit zum Verbreiten
von Sicherheits- und Wetterinformationen (Maritime Safety Information) auf 518 kHz.
Dieser Dienst arbeitet nur im Funkfernschreibverfahren.
• Satellitenseenotfunkbake (EPIRB29 – INMARSAT; EPIRB-COSPAS-SARSAT)
(Abb. 8.29),
• Radartransponder,
• UKW-Handsprechfunkgerät.
National ist die Ausrüstung von Seeschiffen unter deutscher Flagge mit UKW-Seefunk-
anlagen in der Schiffssicherheitsverordnung (SchSV) geregelt. Entsprechend dieser
Verordnung besteht für alle Fahrgastschiffe sowie Frachtschiffe ab BRZ 300 eine Funk-
ausrüstungspflicht.
Eine Übersicht über die Funkausrüstungspflicht nach SOLAS in Abhängigkeit der
Fahrtgebiete findet sich im Anhang 26.
Zum wechselseitigen Abhören von zwei Kanälen ist die Funktion Dual Watch (DW)
einzuschalten. Dabei kann immer nur ein Arbeitskanal (z. B. Kanal 70) in Verbindung
mit Kanal 16 (dem Seenot- und Anrufkanal) abgehört werden. Sobald auf einem oder
beiden Kanälen Funkverkehr betrieben wird, schaltet das Gerät automatisch auf diesen
Kanal um.
Durch das digitale Selektivrufverfahren (Digital Selectiv Calling) ist es möglich,
einzelne oder bestimmte Gruppen von Seefunkstellen auch dann zu unterrichten, dass
Funkverkehr für sie vorliegt, wenn die Seefunkstelle nicht besetzt ist. Eine Funkstelle
kann so, ähnlich einem Telefon, über seine Rufnummer direkt „angewählt“ werden.
Ultrakurzwellen haben im Vergleich zu anderen Radiowellen eine völlig andere Aus-
breitungscharakteristik, vergleichbar dem Licht – sie breiten sich völlig geradlinig aus.
Es werden keine Spiegelungen oder Reflexionen durch Luftschichten der Atmosphäre
hervorgerufen, wie etwa beim Kurzwellenfunk (KW-Funk). Da sich UKW-Wellen gerad-
linig ausbreiten, ist UKW-Funkverkehr quasi auch nur in Sichtweite zwischen zwei
Funkstellen möglich (20–30 Seemeilen – „quasioptische Reichweite“). Insofern bedarf
die Antennenanlage einer besonderen Beachtung:
Wellenlänge und Länge der Antenne stehen in etwa in folgendem Zusammenhang:
L = /2. (8.16)
Das heißt, dass die Länge L der Antenne in etwa die halbe Wellenlänge λ der ent-
sprechenden Frequenz beträgt. Für den Seefunk-UKW-Bereich – bei einer Frequenz von
ca. 156 bis etwa 174 MHz [5, S. 134] – beträgt die Wellenlänge ungefähr 2 m, insofern
ist die Länge der Antenne etwa 1 m (Abb. 8.31).
Hinsichtlich der Wellenlänge gilt: Elektromagnetische Wellen breiten sich mit Licht-
geschwindigkeit (ungefähr 300.000 km/s) aus. Wellenlänge und Frequenz der Schwin-
gung stehen in folgendem Zusammenhang:
= 300.000/f (8.17)
mit
λ = Wellenlänge in m,
Frequenz der Schwingung in kHz.
f =
Aufgrund der geradlinigen Ausbreitung der UKW-Wellen soll die Antenne so hoch
wie möglich auf dem Schiff platziert werden, um eine bessere Abstrahlung zu erreichen.
Auch muss sie vertikal angebracht werden. Metallische Gegenstände im Bereich des
Abstrahlungsfeldes beeinträchtigen die Sendeleistung erheblich.
Digitale Signale setzen sich aus konkreten Werten zusammen. Diese können stu-
fig sein (quantisiert = mehrere unterschiedliche konkrete Werte), wobei die Amplitude
durch einen „Zahlenwert“ übertragen wird (z. B. −2 V, −1 V, 0 V, +1 V, +2 V), oder
binär, wobei es nur zwei Werte („bi“ = zwei) gibt (0 und 1 oder niedrig und hoch oder
ein und aus).
Außerdem muss darauf geachtet werden, dass die beiden umlaufenden „Schalter“ des
Senders und Empfängers zur gleichen Zeit starten (Startsignal) und dann mit gleicher
Geschwindigkeit (synchron) drehen. Zwischen Sender und Empfänger muss also die
gleiche Schrittgeschwindigkeit (Baudrate, auch Übertragungsrate) eingestellt sein.
Modulation/Modulationsverfahren
Bei der Signalübertragung per Funk geht es darum, möglichst viele Informationen ver-
lustfrei zu übertragen. Bei der Übertragung verschiedener Signale auf demselben Über-
tragungsweg ist ohne eine vorherige Signalaufbereitung kaum eine Signalübertragung
möglich. Deshalb werden verschiedene Modulationsverfahren eingesetzt, um Informa-
tionen und Daten so in elektrische Signale umzuwandeln, damit sie für die Übertragung
geeignet sind.
Was ist Modulation?
Modulation ist:
• Frequenzanpassung,
• Mehrfachausnutzung des Übertragungsmediums,
• Erhöhung der Störsicherheit.
Übertragungsarten
Die Übertragungsgeschwindigkeit hängt davon ab, ob man die Daten (Signale) gleich-
zeitig in beiden Richtungen (Duplex) oder nur abwechselnd in einer Richtung senden
und empfangen kann (Simplex) (vgl. auch Abb. 8.34). Im Bereich der Funktechnik wird
also von Duplex gesprochen, wenn Sender und Empfänger unterschiedliche Frequenzen
verwenden; häufig wird in diesem Zusammenhang auch von Senden und Empfangen im
Unter- und Oberband gesprochen.
Um Duplexverkehr durchführen zu können, müssen die Funkgeräte mit einer Duplex-
weiche ausgerüstet sein, um die Geräteantenne gleichzeitig an Sender und Empfän-
ger anzuschalten. Voraussetzung ist die Verwendung eines Duplexkanals. Das ist ein
Frequenzpaar, bei der Sende- und Empfangsfrequenz um einen festen Duplexabstand
versetzt sind. Diese beiden Frequenzen heißen dann Ober- und Unterband [35].
8.6 Überlebensfähigkeit von Kriegsschiffen 527
UB OB
duplex
OB UB
Für Kriegsschiffe ist die Gefahr von Bränden und Explosionen als Folge feindlicher
Waffenwirkung oder auch von Unfällen ohne Feindeinwirkung dauernd vorhanden.
Heute ist die Gefährdung für Kriegsschiffe um einiges höher als in früheren Zeiten, da
die Schiffe eine hohe Dichte von einsatzwichtigen Gerätschaften aufweisen, die nach
einem Treffer nicht einfach von der Besatzung wieder instand gesetzt werden können.
Waffensysteme bringen heute eine sehr hohe Wirkung mit sich; bereits im Fall eines ein-
zigen Treffers ist ein Totalausfall eines Kriegsschiffs möglich.
Die wichtigsten Faktoren zur Beschreibung der Überlebensfähigkeit eines Kriegs-
schiffes sind:
• Empfindlichkeit,
• Verwundbarkeit,
• Instandsetzungsfähigkeit.
Abb. 8.36 Deutsche Fregatte der Klasse F124 in Stealth-Bauweise. (Foto: Brian Burnell, CC
BY-SA 3.0)
und Winkelreflektoren und Rundungen vermieden. Durch die Formgebung allein kann
der Radarquerschnitt um den Faktor 10–100 reduziert werden. Ein noch höherer Fak-
tor ist schwierig zu erreichen, da das sog. Huygens’sche Prinzip besagt, dass auch eine
extrem geneigte Platte einen Teil der Radarenergie zum Sender zurückstrahlt. Für eine
weitere Verringerung werden radarabsorbierende Materialien verwendet; diese sind
jedoch gegen Radar im niedrigen Frequenzbereich meist weniger effektiv. Für diese
Beschichtungsstoffe werden Materialien unter dem Namen „Iron ball Paint“ verwendet.
Diese Lackierung enthält kleinste Kugeln, die mit Kohlenstoff oder Eisenoxid über-
zogen sind. Radarwellen erzeugen molekulare Schwingungen innerhalb der Lackschicht,
die zur Umwandlung der Radarenergie in Wärme führt. Die Wärmeenergie wird dann
in die Struktur abgeleitet. Eine weitere Variante entsprechender Beschichtungen ist die
Nutzung von Neoprenpolymerschichten mit Eisenoxid oder Karbonpartikeln. Auch
Beschichtungen mit karbonfaserverstärkten Kunststoffen kommen zur Anwendung.
Die Signaturerfassung durch Infrarotdetektion der Antriebssysteme kann durch die
Anordnung der Abgasanlage nahe an der Wasseroberfläche und nahe am Heck des Schif-
fes reduziert werden. Eine gute Isolation der Schornsteinanlage ist ebenso denkbar wie
die Kühlung der Abgase durch Meerwasser oder das Ausblasen der Abgase unter Wasser.
Um die Geräuschabstrahlung zu verringern, werden spezielle Schiffsschrauben mit
möglichst geringer Kavitationsneigung eingesetzt. Weiterhin muss auf eine gute Ent-
kopplung geräuschintensiver Maschinen zum Rumpf hin geachtet werden, um Körper-
schall, der durch den Rumpf als Resonanzkörper verstärkt werden kann, zu minimieren.
530 8 Arbeitsschutz und Schiffssicherheit, Brandschutz
Künstliche Mineralfasern (KMF) sind anorganische Fasern glasiger Struktur, die aus
geschmolzenen Rohstoffen in technischen Verfahren, wie dem Zerblasen oder dem Zer-
schleudern, hergestellt werden. Sie können in Glas-, Stein- und Keramikfasern eingeteilt
werden.
Beim Umgang mit KMF kann es zu Haut- und Atemwegsreizungen kommen. Manche
Fasern verfügen über ein krebserzeugendes Potenzial. Dies gilt für die sog. WHO-Fasern
(nach der TRGS 90535 „alte“ anorganische fasern – ausgenommen Asbest – Fasern mit
einer Länge >5 μm, einem Durchmesser <3 μm und einem Länge-Durchmesser-Verhält-
nis von >3:1).
Seit dem 01.01.2005 gilt die neue europäische Gefahrstoffverordnung. Sie enthält ein
Herstellungs- und Verwendungsverbot von biopersistenten bzw. kanzerogenen Fasern
für Wärme- und Schalldämmungen im Hochbau. Dieses Verbot gilt auch für im Aus-
land hergestellte Erzeugnisse. Für die Einhaltung dieser Verordnung und damit für eine
gute Biolöslichkeit (KI40, Halbwertszeit ≤40 Tage) bürgt das Gütezeichen RAL-GZ 388
„Erzeugnisse aus Mineralwolle“. Bereits seit dem Jahr 2000 gilt ein Herstellungs- und
Inverkehrbringungsverbot von biopersistenten bzw. kanzerogenen Fasern. Somit wird
zwischen „alten“ und „neuen“ Fasern unterschieden.
Insofern kann nicht ausgeschlossen werden, dass an Bord von Schiffen und Boo-
ten die vor 2000 gebaut wurden, u. a. auch Isolierstoffe, die potenziell gesundheits-
gefährdende KMF enthalten, verwendet wurden. In diesem Zusammenhang ist jedoch
festzuhalten, dass verschlossene und unbeschädigte Isolierungen an Bord keine Fasern
freisetzen. Intakte Dämmungen aus Mineralwollen und Keramikfasern müssen in
aller Regel insofern nicht entfernt werden, da die Gefährdung bei ordnungsgemäßer
Anbringung gering ist. Das ist der Fall, wenn die Dämmstoffe mit einer Dampfsperre
mittels Folie abgedeckt sind und hinter Gipskartonplatten, Holzpaneelen oder einer
anderen dichten Verkleidung liegen.
Bei bautechnischen Mängeln oder veralteten Konstruktionen kann es dauerhaft zu
deutlich erhöhten Faserkonzentrationen kommen. Ein Beispiel ist die Beschädigung von
Verkleidungen, die die KMF-Isolierung umgibt. Auch bei der Installation neuer Leitun-
gen oder anderen baulichen Eingriffen können Fasern freigesetzt werden.
Bei der Verarbeitung muss die Emission von Faserstäuben, soweit wie technisch mög-
lich, verringert werden.36 Am sichersten ist es daher, erforderliche Arbeiten – soweit
35TRGS 905 = Technische Regeln für Gefahrstoffe 905 „Verzeichnis krebserzeugender, keimzell-
arbeiten mit alter Mineralwolle“ (Download über die Seite der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und
Arbeitsmedizin – www.baua.de).
8.7 Tätigkeiten an Bord 533
möglich – von einer Fachfirma ggf. im Rahmen der nächsten Werftliegezeit durchführen
zu lassen. Der Arbeitgeber muss vor den Arbeiten ermitteln, ob Faserstäube mit gefähr-
lichen Eigenschaften freigesetzt werden können. Sind keine Angaben verfügbar, ist
jeweils vom ungünstigsten Fall auszugehen.
Bei der Verarbeitung von Isoliermaterial mit RAL-Gütezeichen müssen Emissio-
nen von Faserstäuben generell verringert werden. Die Fasern sind jedoch nicht krebs-
erzeugend, daher sind lediglich allgemeine Mindestmaßnahmen zum Schutz vor Stäuben
notwendig.37 Diese Maßnahmen schützen vor Haut- und Augenreizungen, Allergien und
vor Reizungen der Atemwege.
Bei der Entfernung von „alten“ Isolierungen im Rahmen von Instandsetzungen wird der
Gefährdung von Personen durch Freisetzung von KMF durch das Tragen von persön-
licher Schutzausrüstung (PSA) Rechnung getragen.
Werften sind verpflichtet, im Rahmen von Instandsetzungen bei der Feststellung von
KMF Maßnahmen zum Schutz ihrer Mitarbeiter zu ergreifen.
Im Falle von unausweichlichen Eigeninstandsetzungen (Seebetrieb) ist eine
Beschädigung des verbauten Isoliermaterials zu vermeiden. Sofern dies (z. B. aus
Alterungsgründen) nicht möglich ist, sind die nachstehend aufgelisteten Schutzmaßnah-
men zu beachten:
37Vgl. Technische Regeln für Gefahrstoffe 500, „Schutzmaßnahmen“, (Download über die Seite
Literatur
Printmedien
38Vgl. zum Vorstehenden auch: Bayerisches Landesamt für Umwelt (Hrsg.), UmweltWissen –
6. Dreyer, R., Huth, W.: Sportküstenschifferschein und Sportbootführerschein See. Delius Kla-
sing, Bielefeld (2001)
7. Forell, B.: Niveau der Personensicherheit von Versammlungsstätten – Nachweis nach
vfdb-Leitfaden. TU-Braunschweig, Braunschweig (2016)
8. Gebauer, J., Krenz, E.: Marineenzyklopädie. Tosa, Wien (2003)
9. Hahne, J. (Hrsg.): Handbuch Schiffssicherheit. Seehafen, Hamburg, S. 56 (2012)
10. Hank, O.: „Unfallverhütung bei Aussetzvorrichtungen und Rettungsbooten“, Diplomarbeit,
Hochschule Bremen (2010)
11. Hannemann, U.: Beschränkt gültiges Funkbetriebszeugnis (SRC), UKW-Sprechfunkzeugnis
für den Binnenschifffahrtsfunk (UBI). Delius Klasing, Bielefeld (2003)
12. Hochhaus, K.-H.: Vorlesungsskript Schiffshilfsmaschinen, TU Hamburg-Harburg, Stand 10/90
13. Hofbauer, B.-G.: Moderne Seemacht Teil II. Republik Österreich, Bundesminister für Landes-
verteidigung und Sport, Wien (2015)
14. Kaufhold, F.: Verbrennen und Löschen. Kohlhammer, Stuttgart (1993)
15. Mayer, C.-F., Marquardt, R.-S.: Schiffstechnik und Schiffbautechnologie. Seehafen, Hamburg
(2006)
16. Milek, S.: „Sicherheitrelevante Maßnahmen im Land- und Schiffbau – Brandschutztechnische
Betrachtung einer schwimmenden Versammlungsstätte“, Bachelorarbeit an der Hochschule f.
Angewandte Wissenschaften Hamburg, Fakultät Life Sciences (2014)
17. Müller, J., Krauß, J.: Handbuch für die Schiffsführung. Springer, Berlin (1980)
18. Overschmidt, H., Gliewe, R.: Sportbootführerschein Binnen – Segel Motor. Delius Klasing,
Bielefeld (2017)
19. Rempe, A., Rodewald, G.: Brandlehre. Kohlhammer, Stuttgart (1993)
20. Verband der Sachversicherer e. V., „Feuerlöschanlagen mit Kohlenstoffdioxid, Planung und
Einbau“, Köln (2017)
Internet
33. http://www.mt-boehlen.de/downloads/International%20Convention%20for%20the%20
Safety%20of%20Life%20at%20Sea.pdf. Zugegriffen: 23. Jan. 2017
34. http://www.schiffslexikon.com/rettungsboot-65.html. Zugegriffen: 23. Jan. 2017
35. http://de.wikipedia.org/wiki/Duplexweiche. Zugegriffen: 24. Juli 2017
36. http://de.wikipedia.org/wiki/Frequenzband. Zugegriffen: 24. Juli 2017
37. www.amateurfunkpruefung.de. Zugegriffen: 28. Dez. 2017
38. www.a-spe.com. Zugegriffen: 28. Dez. 2017
39. www.baua.de. Zugegriffen: 28. Dez. 2018
Umweltschutz in der Seeschifffahrt
9
Das Thema „Meeresumweltschutz“ findet bereits seit etlichen Jahren international große
Bedeutung. Umweltgefährliche Chemikalien im Schiffsanstrich, das Einschleppen von
standortfremden Organismen mit dem Ballastwasser, das Einbringen von Abwasser und
Abfällen ins Meer sowie die Schadstoffe aus Abgasen oder Ölverunreinigungen können
den Zustand der Meeresumwelt nachhaltig beeinträchtigen.
Fragen der Seeschifffahrt werden aufgrund ihrer globalen Ausrichtung in erster Linie
durch die Internationale Seeschifffahrtsorganisation (International Maritime Organisa-
tion – IMO) geregelt. Aspekte des Umweltschutzes werden dort im Umweltausschuss
„Marine Environmental Protection Committee – MEPC“ behandelt und sind über-
wiegend im Internationalen Übereinkommen zur Verhütung der Meeresverschmutzung
durch Schiffe (MARPOL) festgeschrieben. Dieses Übereinkommen ist in Deutschland
durch das Marpol-Gesetz in nationales Recht umgesetzt worden.
Die völkerrechtliche Vereinbarung MARPOL besteht aus dem ursprünglichen
Übereinkommen, zwei zusätzlichen Protokollen und sechs Anlagen. Die Anlagen (auch
mit Annex bezeichnet) I bis VI des Übereinkommens regeln die verschiedenen Arten von
möglichen Umweltbeeinträchtigungen im Zusammenhang mit dem Schiffsbetrieb:
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 537
M. Pfaff, Schiffsbetriebstechnik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-27052-0_9
538 9 Umweltschutz in der Seeschifffahrt
Weitere wichtige Übereinkommen der IMO, die den Umweltschutz in der Seeschifffahrt
betreffen, sind:
Auf europäischer Ebene ist der Umweltschutz in der Seeschifffahrt auch im Überein-
kommen zum Schutz der Meeresumwelt des Nordostatlantiks (OSPAR-Übereinkommen,
1992) und der Ostsee (Helsinki-Übereinkommen, 1992) thematisiert. Das Grünbuch
(2006) und das Blaubuch (2007) über die künftige Meerespolitik der EU benennen viele
der bestehenden Probleme im Seeverkehr und zeigen Strategien zu deren Lösung auf.
Das Blaubuch enthält unter anderem einen Aktionsplan für die EU-Kommission, der
dringend erforderliche Maßnahmen für den Bereich Schifffahrt (u. a. zur Minderung
der Luftverschmutzung) beschreibt. Aus dem Blaubuch abgeleitet ist die EU-Meeres-
strategie-Rahmenrichtlinie (MSRL), die 2008 in Kraft getreten ist. Sie enthält einen inte-
grativen Ansatz, der eine nachhaltige Nutzung der europäischen Meere fördern und die
Meeresökosysteme schützen und erhalten will. Ziel ist es, bis zum Jahr 2020 einen guten
Meereszustand zu erreichen oder zu erhalten.
Weiterhin ist auf europäischer Ebene die Richtlinie überHafenauffangeinrichtun-
gen für Schiffsabfälle und Ladungsrückstände (Richtlinie 2000/59/EG) zu nennen. Da
ein Überbordkippen von Abfällen in aller Regel unzulässig ist, müssen die an Bord
anfallenden Abfälle zwischengelagert und im nächsten Hafen an Land zur Entsorgung
gegeben werden. Mit dieser Richtlinie soll die Verfügbarkeit und Inanspruchnahme
von Hafenauffangeinrichtungen für Schiffsabfälle und Ladungsrückstände verbessert
und festgeschrieben werden. Die Richtlinie gilt grundsätzlich für alle Schiffe, die
einen Hafen eines EU-Landes anlaufen, gleich unter welcher Flagge sie fahren. Ledig-
lich Behördenfahrzeuge und Kriegsschiffe sind von ihr ausgenommen. Die EU-Länder
haben zu gewährleisten, dass deren Häfen mit entsprechenden Auffangeinrichtungen
ausgerüstet sind. Weiterhin wird in dieser Richtlinie geregelt, dass Kapitäne von
Schiffen (die keine Fischereifahrzeuge oder Sportboote mit einer Zulassung für bis
9.1 Umweltschutzvorschriften im Seeverkehr 539
• den letzten Hafen und den Zeitpunkt der letzten Entladung von Schiffsabfällen,
• die Art und Menge der zu entladenden und/oder an Bord verbleibenden Schiffsabfälle
und Ladungsrückstände und den Prozentsatz der maximalen Lagerkapazität.
Alle Schiffsabfälle müssen vor dem Auslaufen aus einem EU-Hafen in einer Hafenauffang-
einrichtung entladen werden, sofern der Kapitän nicht belegen kann, dass auf dem Schiff
genügend Lagerkapazität vorhanden ist, um den Entladehafen zu erreichen. Dennoch kann
das EU-Land verlangen, dass die Abfälle vor dem Auslaufen entladen werden müssen, wenn
Diese Richtlinie haben die Bundesländer der Bundesrepublik Deutschland, die über
Häfen verfügen, die von entsprechenden Schiffen angelaufen werden, mit Landeshafen-
entsorgungsgesetzen jeweils für ihren Bereich als verbindlich erklärt.
Darüber hinaus ist noch das Übereinkommen über Sammlung, Abgabe und Annahme
von Abfällen in der Rhein- und Binnenschifffahrt vom 09.09.1996 (CDNI) zu nennen,
welches am 01.11.2009 in Kraft getreten ist.1 Da die Entsorgung der Schiffsabfälle von
Land aus bzw. auf Land erfolgt, werden mit diesem Übereinkommen Regeln definiert,
die für die beteiligten Parteien bindend sind. Diese zielen ab auf
Dieses Übereinkommen wurde durch die Bundesrepublik Deutschland mit Gesetz vom
13.12.2003, BGBl. II S. 1799, in nationales Recht umgesetzt.
Neben den internationalen Regelungen gelten für Schiffe unter deutscher Flagge und
auch für Schiffe unter ausländischer Flagge in deutschen Hoheitsgewässern ggf. weiter-
gehende deutsche Vorschriften zum Umweltschutz, wie beispielsweise das Bundes-Im-
missionsschutzgesetz (BImSchG), das Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) oder auch das
Wasserhaushaltsgesetz (WHG).
In den folgenden Abschnitten werden einige Szenarien aufgezeigt, durch die die Schiff-
fahrt die Umwelt, insbesondere die Meeresumwelt, aber auch die Luft, beeinträchtigen
kann und welche grundsätzlichen Maßnahmen dagegen getroffen werden können.
Ölkatastrophen, wie sie z. B. durch die Unfälle der Tanker Erika (1999 vor der französi-
schen Bretagne-Küste) und Prestige (2002 vor der Nordwestküste Spaniens) verursacht
wurden, müssen in Anzahl und Ausmaß vermindert werden. Ölverschmutzungen und
Ölunfälle können das Meeresökosystemen nachhaltig schädigen. Mit Ausnahme weni-
ger Schweröle schwimmt Öl zunächst an der Wasseroberfläche. Dünnflüssige Öle (leich-
tere Rohöle und die meisten Ölprodukte) breiten sich sehr schnell aus und bilden eine
dünne Schicht. Zähe Öle, wie Schweröl, breiten sich langsamer aus und bilden dickere
Ölteppiche. Bei ausreichendem Wind zerteilt der Seegang dünnflüssiges Öl in Tropfen,
zähes in größere Klumpen. Während die größeren direkt an beziehungsweise unter der
Oberfläche bleiben und im dünnflüssigen Fall wieder zusammenfließen, bleiben Tröpf-
chen unterhalb einer gewissen Größe stabil im Wasser und werden langsam in tiefere
Wasserschichten verteilt oder an den Küsten angespült.
Ölteppiche dämpfen den Seegang, sodass Seevögel die glatten Flächen oft für einen
Ruheplatz halten und dort landen. In der Folge verklebt das zähflüssige Öl ihr Gefieder,
zerstört die Wärmeisolation und teilweise die Schwimmfähigkeit und wird, wenn die
Vögel versuchen, sich zu reinigen, aufgenommen. Dies führt in der Regel zu einem
Massensterben von Seevögeln durch Ersticken, Unterkühlung, Ertrinken und Vergiftung.
Gelangt das Öl an die Küste, setzt es sich zunächst dort fest. Im Laufe der Zeit wird
es besonders an Küsten mit starker Brandung wieder abgewaschen und so mit wechseln-
den Wetter- und Tidenverhältnissen unter Umständen auch mehrfach umgelagert. Noch
relativ flüssiges, an Stränden abgelagertes Öl vergiftet oder erstickt Bodenlebewesen wie
Würmer oder Schnecken.
Bedroht ist nicht nur die Natur: Auch die Fischerei, der Tourismus und der Küsten-
schutz sind davon betroffen. Insbesondere in sensiblen Meeresgebieten, wie zum Bei-
spiel im Wattenmeer oder in polaren Gewässern, würde ein Ölunfall eine ökologische
Katastrophe mit lang anhaltenden Folgen bedeuten.
So hat beispielsweise aufgrund des Unfalls des Öltankers „Exxon Valdez“ 1989 vor
Alaska der Umweltausschuss der IMO im Dezember 2003 verschärfte Altersgrenzen für
Einhüllenöltanker sowie das Verbot, Schweröl in Einhüllentankern mit über 5000 t Trag-
fähigkeit zu transportieren, beschlossen. Tanker mit einer Tragfähigkeit von mehr als
5000 t müssen seither mit einer Doppelhülle ausgestattet sein. Diese zweite Außenhülle
soll verhindern, dass nach einem Zusammenstoß Öl ausläuft [79].
9.2 Mögliche Umweltbeeinträchtigungen 541
Für das Einleiten von Schiffsabwässern in Meeresgewässer sind vor allem die in MAR-
POL Annex IV enthaltenen Regelungen maßgebend, auf die sich andere Abkommen und
die nationale Gesetzgebung beziehen. Im Allgemeinen gelten die Einleitungsvorschriften
nach MARPOL Annex IV für Schiffe auf internationaler Fahrt, die entweder bei einer
Bruttoraumzahl (BRZ) ≥400 liegen oder bei <400 für mehr als 15 Personen zugelassen
sind. Als Personen gelten dabei sowohl Besatzungsmitglieder als auch Passagiere. Sport-
boote sind von den Regelungen aus MARPOL Annex IV ausgenommen.
Das ungeregelte Einleiten von Abwässern ist grundsätzlich verboten. Unter
bestimmten Bedingungen dürfen Abwässer jedoch in das Meer eingeleitet werden
(s. Tab. 9.1). So dürfen zum Beispiel mechanisch behandelte und desinfizierte Abwässer
ab einer Entfernung von 3 Seemeilen zur Küste (Basislinie) eingeleitet werden. In
Sondergebieten, wie beispielsweise der Ostsee, gelten strengere Einleitungsvorschriften
für Passagierschiffe. Als Passagierschiff gilt jedes Schiff, das mehr als 12 Passagiere
befördert. Dort ist das Einleiten nur erlaubt, sofern die Passagierschiffe über eine nach
IMO-Standards zertifizierte Abwasserbehandlungsanlage verfügen und darin das
Abwasser so aufbereitet wird, dass die Einleitung keine sichtbaren schwimmenden Fest-
körper oder Verfärbungen verursacht.
Für die Nordsee und den Nordostatlantik, die durch das OSPAR-Übereinkom-
men besonderen Schutz genießen, wurden hinsichtlich der Einleitung von Abwässern
die Regelungen nach MARPOL übernommen. Eine Besonderheit ist, dass die IMO
im Jahr 2011 die Ostsee als erstes und bisher einzigesSondergebiet2 nach MARPOL
Anlage IV ausgewiesen hat, sodass dort strengere Vorschriften für das Einleiten von
Abwässern von Passagierschiffen im Hafen festgeschrieben sind. Diese Vorschriften
treten jedoch erst dann in Kraft, wenn alle Anrainerstaaten „genügend“ Auffanganlagen
(Port Reception Facilities) für Abwasser gemeldet haben. Im Ostseegebiet haben die
MARPOL-Vorschriften durch HELCOM (Annex IV) auch für kleinere Schiffe und
Sportboote Gültigkeit, sofern sie eine Toilette an Bord haben. Dann wird beispielsweise
die Ausstattung mit Abwasserrückhaltesystemen an Bord vorgeschrieben, sodass die
Abwässer im Hafen abgegeben werden müssen.
National wird das Einleiten von Schiffsabwässern von den vorgenannten Regelun-
gen abgeleitet und in der Verordnung über das umweltgerechte Verhalten in der See-
schifffahrt (§ 9 Abs. 1 SeeUmwVerhV) konkretisiert. Das Verbot der Einleitung von
Abwässern betrifft „nach Maßgabe der MARPOL-Vorschriften alle Schiffe ab einer
bestimmten Größe auf internationaler Fahrt sowie alle Schiffe und Sportboote auf der
Fahrt zwischen deutschen Häfen, in den Mündungsgebieten schiffbarer Flüsse, im
Küstenmeer, sowie alle Schiffe und Sportboote, die die Bundesflagge führen, auf der
Fahrt zwischen deutschen Häfen“. Speziell in der Ostsee wird ergänzt, dass „Sportboote,
die entgegen § 6b Abs. 1 Schiffssicherheitsverordnung nicht mit einem Tank ausgestattet
sind und keiner Befreiung unterliegen, das Küstenmeer nicht befahren dürfen“ [79].
Darüber hinaus gilt für das Einleiten von Abwasser von Fahrgastschiffen inner-
halb eines Sondergebietes (wie z. B. der Ostsee):
Einleiten von Abwasser ins Meer ist neuen Fahrgastschiffen ab dem 01.01.2016 und
vorhandenen Fahrgastschiffen ab dem 01.01.2018 verboten, es sei denn die folgenden
Bedingungen sind erfüllt:
gelten beim Aufenthalt in besonders sensiblen Gebieten, die aufgrund ihrer spezifischen
ozeanischen und ökologischen Konditionen als Sondergebiete (z. B. die Ost- und Nord-
see) ausgewiesen wurden. In diese dürfen keine während des Transports anfallenden Tier-
kadaver entsorgt werden. Auch das Einbringen von Nahrungsabfällen, die nicht pulverisiert
wurden, sowie Ladungsrückständen, die sich nicht im Waschwasser befinden, ist nicht
erlaubt [73].
Einen Überblick über die Beschränkungen für das Einbringen oder Einleiten von
Abfällen ins Meer nach MARPOL Annex V, Regeln 4–6, findet sich in Anhang 28.
Abgase entstehen an Bord von Schiffen in erster Linie durch den Betrieb der Antriebs-
maschinen. Ferner sind, insbesondere während der Liegezeiten im Hafen, die Emissio-
nen der EDiMot-Anlagen3 nicht zu vernachlässigen. Von weiterer Relevanz sind auch die
Abgase der Schiffsmüllverbrennungsanlagen.
MARPOL Annex VI widmet sich diesem Themenkomplex.
Bei der Aufnahme von Ballastwasser werden regelmäßig Organismen aufgenommen, bei
denen es sich um kleine Fische, Benthos- und Planktonorganismen oder auch pathogene
Keime handeln kann [52]. Diese werden freigesetzt, wenn das Ballastwasser an ande-
rer Stelle wieder aus den Ballastwassertanks gepumpt wird (s. auch Abb. 9.1). Durch
den immer schneller werdenden Schiffsverkehr wächst die Wahrscheinlichkeit, dass die
Organismen die Passage in den Ballastwassertanks überleben. Mittlerweile haben sich
auf diesem Weg zahlreiche fremde Arten etwa in der Nord- und Ostsee angesiedelt, wo
z. B. der Schiffsbohrwurm vor allem an den Küstenschutzanlagen wie Buhnen Schäden
anrichtet, indem er die Hölzer dieser Bauwerke zerfrisst.
Mit dem Ballastwasserübereinkommen, welches im Februar 2004 bei der IMO ver-
abschiedet wurde, versucht man der Verschleppung nicht heimischer Organismen durch
das Ballastwasser entgegenzuwirken. Dieses Übereinkommen fordert ein Ballastwasser-
management, das weitgehend auf den bisher üblichen unkontrollierten Wasseraustausch
bei Aufnahme und Abgabe von Ballastwasser verzichtet. Stattdessen muss das Ballast-
wasser an Bord jedes Schiffes durch entsprechende Ballastwasserbehandlungssysteme
vor der Abgabe in die Meeresumwelt so behandelt werden, dass ein in dem Überein-
kommen vorgeschriebener Standard (D2-Standard) erreicht wird. Dieser wird durch ent-
sprechende Ballastwasserbehandlungsanlagen erzielt. Für eine Übergangszeit erlaubt das
3Elektrodieselmotoraggregate.
544 9 Umweltschutz in der Seeschifffahrt
Abb. 9.1 Füllen und Lenzen der Ballastwassertanks. (Grafik: Maxxl2, CC BY-SA 3.0)
Ein Schiff kann wie ein privater Haushalt, wie ein kleiner Gewerbebetrieb oder gar
wie ein großes Dorf, je nach Art des Schiffes und seiner Passagier- und Besatzungs-
zahl, betrachtet werden. So ist es nicht verwunderlich, dass auf einem Schiff insofern
auch ähnliche Müllmengen anfallen wie an Land. Hierbei können Zahlenwerte von etwa
1,5 kg pro Person und Tag [23] bis hin zu 5,3 kg pro Person und Tag (2,5 kg Speisereste,
1,8 kg Verpackungsabfall, 1 kg Glas- und Dosenmüll; [58]) in Ansatz gebracht werden.4
4In der Zeit Online wird beispielsweise eine Menge von bis zu 3 kg pro Person und Tag genannt
[78].
9.3 Technische Maßnahmen zum Meeresumweltschutz 545
Wie vorstehend ausgeführt, ist das Überbordgeben der anfallenden Abfälle grundsätz-
lich – bis auf wenige Ausnahmen, vgl. Anhang 28 – nicht erlaubt. Bis zur Übergabe an
Land oder bis zur Entsorgung durch bordeigene Schiffsmüllverbrennungsanlagen muss
der Abfall auf dem Schiff zwischengelagert werden. Das erfordert ein entsprechendes
Müllmanagement an Bord.
Hafenauffangeinrichtungen zur Abgabe von Schiffsmüll. Dort wird der Abfall an Land
übergeben. Die weitere Entsorgung erfolgt dann von dort nach den jeweiligen Vor-
schriften der Hafenstaaten. So kann nicht ausgeschlossen werden, dass beispielsweise in
einem asiatischen Hafen eine von in Deutschland typische Trennung in einzelne Abfall-
arten abweicht. Selbst in den deutschen Häfen können theoretisch unterschiedliche
Sortiertiefen erforderlich sein.
Das resultiert in erster Linie aus den unterschiedlichen Entsorgungskonzepten der
Hafenkommunen, denen die Abfälle direkt oder einem von der Kommune Drittbeauf-
tragten angedient werden. Mithin werden teilweise unterschiedliche Anforderungen an
die Getrennthaltung und Sortierung der Abfallfraktionen sowohl auf den Schiffen als
auch in den Häfen notwendig.
Egal, in welche Fraktionen der Müll zu trennen und zwischenzulagern ist, der Lage-
rung sollte eine Vorbehandlung vorausgehen. Hierbei handelt es sich im Wesentlichen
um Behandlungsmaßnahmen, die auf eine Reduzierung der Müllmenge gerichtet sind,
um Platz zu sparen. Hierbei kommen neben Schreddern (Abb. 9.2), beispielsweise
zum Zerkleinern von Glas, z. B. auch Kompaktoren (Abb. 9.3) zum Komprimieren von
Papier, Getränkedosen oder ähnlichen losen Abfällen infrage.
9.3 Technische Maßnahmen zum Meeresumweltschutz 547
Die Beantwortung der Frage, in welche Fraktionen der Müll an Bord getrennt werden
sollte, richtet sich zunächst nach dem Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG). Nach §§ 11
und 14 KrWG, dem Batteriegesetz und dem Elektro- und Elektronikgerätegesetz sind
zum Zwecke der Förderung des Recyclings und der sonstigen stofflichen Verwertung
Bioabfälle, Papier-, Metall-, Kunststoff- und Glasabfälle sowie gebrauchte Batterien und
Elektroaltgeräte getrennt zu sammeln, soweit dies technisch möglich und wirtschaftlich
zumutbar ist. Alle anderen Abfälle sind dann als Restmüll zu sammeln.
Vor dem Hintergrund der möglicherweise flächendeckenden Einführung einer Wert-
stofftonne, wie bereits schon von etlichen Kommunen praktiziert, könnte sich die Müll-
trennung noch vereinfachen; in diese käme, was früher über den Gelben Sack gesammelt
wurde:
Kunststoffe und Verbundstoffe wie Joghurtbecher, Pflegemittel-, Plastiktüten,
Schaumstoffe, Shampooflaschen, Spül- und Waschmittelflaschen, Styroporschalen für
Lebensmittel, Zahnpastatuben. Darüber hinaus kommen z. B. in die Wertstofftonne:
Gebrauchsgegenstände aus Kunststoff und Metall wie Duschvorhänge, Eimer, Gießkannen,
Kinderspielzeug, Klarsichthüllen, Wäschekörbe, Alufolie, -deckel, -schalen, Konserven-
dosen, Kronkorken, pfandfreie Getränkedosen, Einwickelfolie, Armaturen, Backformen,
Besteck, Drahtreste, Kehrbleche, Kleiderbügel, Nägel, Pfannen, Töpfe, Werkzeuge und
Ähnliches [50].
548 9 Umweltschutz in der Seeschifffahrt
Diese Forderungen des Sortierens richten sich aber primär an die Abfallentsorgung
an Land. Das heißt, dass in Deutschland – und auch in den anderen EU-Ländern – die
Abfälle aus den Hafenauffanganlagen gemäß dieser Sortiertiefen entsorgt werden. Tat-
sächlich können aber die entsorgungspflichtigen Körperschaften und sonstigen Ent-
sorger abweichende Regelungen treffen, sodass theoretisch in jedem Hafen andere
Entsorgungsstrukturen vorzufinden sind. Dennoch ist es ratsam, an Bord Abfallbe-
hälter für die vorstehend genannten Abfallfraktionen bereitzuhalten. Zusammenkippen
kann man immer, ein darüber hinausgehendes tieferes Sortieren in Abfallbehandlungs-
anlagen an Land ist auch möglich. Durch die beschriebene Sortiertiefe wird aber ein
rechtliches Mindestmaß an Abfalltrennung erreicht, mit dem die Abfälle in der Regel
unproblematisch an die Hafenauffangeinrichtungen übergeben werden können.
Im Hinblick auf die Umsetzung praktikabler Abfallmanagementsysteme muss dabei
auch an die Besatzungen der Schiffe gedacht werden. Diese werden zwangsläufig mit dem
Thema „Abfall“ konfrontiert. Dazu müssen sie effizient informiert, motiviert und aktiv in
die organisatorischen Abläufe eingebunden werden. Nun stelle man sich vor, wie es auf
das Besatzungsmitglied wirken muss, wenn dieses miterlebt, wie der von ihm akribisch
getrennte Müll im Hafen wieder in einem großen Container zusammengekippt wird, im
anderen Hafen die durchgeführte Abfalltrennung dagegen noch nicht ausreichend ist.
Es ist sicherlich selbstredend, dass auf die Abfallentsorgung in Häfen anderer Staaten
kein Einfluss genommen werden kann. Aber es muss dringend darauf hingewirkt werden,
dass zumindest für Schiffe unter deutscher Flagge und auch in den Hafenauffanganlagen
Deutschlands Abfalltrennsysteme noch vorstehender Beschreibung vorgehalten werden.
In Deutschlandweit sollte ein für alle Häfen einheitliches Entsorgungskonzept aufgestellt
und betrieben werden. Die Vorteile liegen auf der Hand:
9.3.1.2 Abfallverbrennung an Bord
Beispiel
Bei 3000 Personen an Bord mit einem durchschnittlichen Aufkommen brennbarer
Abfälle von 1,2 kg pro Person und Tag müsste eine Schiffsmüllverbrennungsanlage
folgende Durchsatzleistung haben:
D = 3000 · 1,2 kg/d/24 h/d = 150 kg/h.
Und es ist nicht nur ein Platzproblem; auch unter hygienisch-gesundheitlichen Aspekten
ist eine Mülllagerung an Bord mit der damit einhergehenden Bildung von Keimen (Bak-
terien, Viren und Schimmelpilze) nicht unbedenklich. Gerade an Bord eines Schiffes –
als ein mehr oder weniger geschlossenes System – ist die Bildung und Verschleppung
von Keimen ein nicht zu unterschätzender Faktor: Die Vermehrung der Keime erfolgt
rasant, in einem bestimmten Zeitfenster exponentiell. Breiten sich diese – insbesondere
bei einer unsachgemäßen Abfalllagerung – über das Lüftungssystem des Schiffes aus,
kann das zu ernstzunehmenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen für die Besatzung
und für die Mitreisenden führen.
Mithin ist eine Abfallverbrennung, insbesondere für Schiffe mit längeren Stehzeiten
in See, durchaus sinnvoll. Die Vorteile lassen sich wie folgt zusammenfassen:
6Hellwig et al. gehen von 1,2 kg pro Kopf und Tag brennbarer Abfälle aus [19]; eigene Recherchen
bei der Deutschen Marine liefern 1,5 kg pro Kopf und Tag als durchschnittliches brennbares Abfall-
aufkommen.
9.3 Technische Maßnahmen zum Meeresumweltschutz 551
Tab. 9.2 gibt einen Überblick über die typische Schiffsmüllzusammensetzung, die einer
Verbrennung zugeführt wird. Es ist allerdings nicht möglich, genaue Zahlenwerte für
die Müllzusammensetzung zu formulieren; Schiffsmüll zeichnet sich, genau wie Haus-
müll auch, durch eine hohe Heterogenität hinsichtlich seiner Inhaltsstoffe als auch seiner
Feuchte aus. Es ist insofern nahezu unmöglich, den Schiffsmüll exakt zu charakterisie-
ren, der für die Verbrennung geeignet ist. Das hier vorgestellte Datenmaterial hat letzt-
lich nur den Charakter von Orientierungswerten. Insofern gibt auch Tab. 9.2 nur eine
grobe Orientierung hinsichtlich der prozentualen Abfallzusammensetzung wieder.
Im Abgas der Abfallverbrennungsanlage sind jedoch Schadstoffe enthalten, die es
zu begrenzen gilt. Daher sind an die Schiffsmüllverbrennung Anforderungen bezüglich
des Abfallausbrands und der im Abgas der Verbrennungseinrichtungen enthaltenen Luft-
schadstoffe zu stellen.7 Die hierbei zu beachtenden rechtlichen Anforderungen nationaler
und internationaler Regelungen – ggf. auch ihre Konkurrenzen untereinander – werden
im Folgenden aufgezeigt.8
b) Völkerrechtliche Regelungen
Zunächst ist MARPOL zu nennen. Im Annex VI zu MARPOL formuliert Regel 16
Anforderungen an den Bau und Betrieb für seit 2005 auf Schiffen eingebaute Müllver-
brennungsanlagen. Nach Regel 16 Abs. 6.1 müssen diese Incineratoren den Vorschriften des
Anhangs IV dieses Annex VI genügen; Ausnahmen werden in Regel 16 Abs. 6.2 genannt.
Darüber hinaus muss jede Anlage von der zuständigen Behörde – in Deutschland ist
das die Berufsgenossenschaft für Transport und Verkehrswirtschaft – nach einer von der
IMO ausgearbeiteten Normenspezifikation zugelassen sein. Diese Normenspezifikation
ist die IMO-Resolution MEPC.76(40)9.
Die MEPC. 76(40) enthält relativ detaillierte Anforderungen an Abfallverbrennungs-
anlagen auf Schiffen, die sich zum Teil mit den Inhalten der für deutsche Müllver-
brennungsanlagen geltenden Abfallverbrennungsanlagen-Verordnung (17. BImSchV, Stand
27.01.2009) decken. Das gilt insbesondere für Anforderungen an den Betrieb der Anlagen
(vgl. Tabelle in Anhang 29).
c) Europäische Rechtsakte
Hier ist zunächst die europäische „Richtlinie über Industrieemissionen“ (Richtlinie
2010/75/EU) zu nennen. Diese Richtlinie legt u. a. Anforderungen fest an:
materiellen Anforderungen hinsichtlich der Errichtung und des Betriebs von Schiffs-
müllverbrennungsanlagen zu stellen sind und diese eine Baumusterprüfbescheinigung
besitzen müssen.
d) Nationale Regelungen
Auf nationaler Ebene ist hinsichtlich der immissionsschutzrechtlichen Anforderungen
an Schiffsmüllverbrennungsanlagen zunächst das Immissionsschutzrecht zu nennen.
Nach § 38 Abs. 1 Bundes-Immissionsschutzgesetz – BImSchG – müssen Wasser-
fahrzeuge so beschaffen sein, dass ihre durch die Teilnahme am Verkehr verursachten
Emissionen bei bestimmungsgemäßem Betrieb die zum Schutz vor schädlichen Umwelt-
einwirkungen einzuhaltenden Grenzwerte nicht überschreiten.
Die Grundpflicht nach § 38 Abs. 1 S. 1 BImSchG bezieht sich auf die Beschaffen-
heit der Schiffe. Unter Beschaffenheit ist umfassend der Zustand des Fahrzeugs,
nämlich Bauweise, Ausrüstung (z. B. Schiffsmüllverbrennungsanlage) und Wartungs-
zustand zu verstehen. Absatz 1 Satz 2 regelt allgemein die immissionsschutzrechtlichen
Anforderungen an den Betrieb von Fahrzeugen. Dem Betrieb sind dabei nicht nur der
Fahrvorgang, sondern auch alle ihn begleitenden Tätigkeiten zuzurechnen [17, § 38,
Rdnr. 15 ff.
Der Betrieb einer Schiffsmüllverbrennungsanlage ist dem begleitenden Betrieb des
Schiffes zuzuordnen, um den anfallenden Abfall ordnungsgemäß und schadlos zu ent-
sorgen. Fällt die Verbrennungsanlage aus, ist eine ordnungsgemäße Abfallentsorgung
nicht sichergestellt. Konsequenz: Das Schiff könnte nicht mehr betrieben werden und
nicht mehr am Verkehr teilnehmen, soweit es nicht über andere Möglichkeiten einer ord-
nungsgemäßen Abfallentsorgung (Notentsorgung) verfügt.
Fraglich ist allerdings, ob eine Anwendung des BImSchG überhaupt infrage kommt,
wenn die Verbrennung außerhalb deutschen Hoheitsgebietes, also exterritorial, statt-
findet. Der Betrieb auf offener See außerhalb der 12-sm-Zone wird nicht vom Geltungs-
bereich des BImSchG erfasst, da dieses Gebiet exterritorial ist.11 Somit wäre eine
Anwendung des deutschen Rechts dort nicht möglich. Es kann jedoch nicht sein, dass
auf einem Schiff, welches sich außerhalb der 12-sm-Zone befindet, ein rechtsfreier
Raum existiert. Sämtliche für den Bereich der Schifffahrt geltenden deutschen recht-
lichen Regelungen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes auf See, das Schiffsicherheits-
recht etc. fänden dann keine Anwendung. Dem wird durch den sog. Flaggengrundsatz
begegnet [38, S. 10].12 Der Flaggengrundsatz bzw. das Flaggenrecht besagt, dass ein
Schiff das Recht zum Führen der Landesflagge durch die Eintragung in das Schiffs-
register eines Staates erhält. Durch diese Eintragung erlangt es die Nationalität des
Staates, d. h., es unterliegt dessen Rechtsordnung und genießt dessen diplomatischen
Schutz.13
Insofern ist auf einem Schiff unter deutscher Flagge deutsches Recht auch außerhalb
der 12-sm-Zone anzuwenden, mithin auch § 38 BImSchG mit seinen daraus resultierenden
Konsequenzen.
Emissionsbegrenzende Anforderungen an Schiffe und mithin auch an auf diesen ins-
tallierte Abfallverbrennungsanlagen richten sich somit nach § 38 BImSchG „Beschaffen-
heit und Betrieb von Fahrzeugen“. Im § 38 BImSchG werden die Anforderungen an
die Beschaffenheit und den Betrieb von Fahrzeugen, hier also von Schiffen, jedoch
nicht abschließend geregelt. Es wird nur die allgemeine Forderung definiert, dass ein-
zuhaltende Grenzwerte nicht überschritten werden dürfen. Diese allgemeine Pflicht-
zuweisung bedarf der Konkretisierung. Konkretisierende Immissionsschutzanforderungen
sind daher an anderer Stelle zu suchen [17, vor § 38, Rdnr. 9, § 38, Rdnr. 6].
Hierbei ist auch das Schifffahrtsrecht zu berücksichtigen.
13„Schifffahrtslexikon“ in [56].
9.3 Technische Maßnahmen zum Meeresumweltschutz 555
14Hinweis: Neben dem BImSchG verlangt auch das Kreislaufwirtschaftsgesetz die Berücksichtigung
Die Bildung von Dioxinen durch die De-novo-Synthese, die bei langsamer
Abkühlung des Rauchgases in einem Temperaturfenster zwischen 400–200 °C erfolgt,
wird durch Quenschen bzw. schnelles Herunterkühlen des Abgases vermieden.
Darüber hinaus dient die Rauchgaskühlung der thermischen Konditionierung des
Rauchgases, um es auf ein Temperaturniveau von etwa 150–200 °C abzukühlen. In die-
sem Temperaturfenster läuft die Adsorption insbesondere von SOx und HCl optimal ab.
Grundsätzlich könnte die Rauchgaskühlung auf drei Arten erfolgen:
Das Eindüsen von Luft oder Wasser stellt zwar die effektivere Variante der Rauch-
gaskühlung dar (Quenschen genannt); hierdurch erfolgt aber eine Zunahme das
Abgasvolumenstroms, der letztlich zu einer deutlich größeren Dimensionierung der nach-
folgenden Baugruppen und Apparate führt. Auch verbietet sich sogar die Kühlung durch
Frischlufteindüsung, da hierdurch eine aus immissionsschutzrechtlicher Sicht unzulässige
Verdünnung des Rauchgases vorgenommen würde, es sei denn, diese Luftmenge bliebe bei
der Bestimmung der Emissionswerte im Rahmen der Abgasmessung unberücksichtigt.16
Eine CO-Begrenzung ist allein aus Brand- und Explosionsschutzgründen notwendig,
da CO ein sehr reaktives Gas ist. Ferner ist der CO-Wert ein Maß für den Ausbrand des
Brenngutes: Je niedriger der CO-Wert, desto besser der Ausbrand. Die Einhaltung des
Grenzwertes wird durch Optimierung der Feuerung selbst bestimmt. Hierbei ist ins-
besondere auf einen ausreichenden Luftüberschuss (Luftüberschusszahl λ > 1; [34,
S. 40 f.]) und einen sauberen Ausbrand des Mülls hinzuwirken. So wird in der Litera-
tur beschrieben, dass die Kohlenmonoxidemissionen als auch die Emissionen von
Stickoxiden und selbst von Kohlenwasserstoffverbindungen bereits im Feuerungsraum
maßgeblich beeinflussbar seien [34, S. 38 ff.].
Als feuerungsbeeinflussend gelten demnach die Einhaltung einer Mindesttemperatur
von 850 °C, eine Verweilzeit des Rauchgases im Brennraum von 2 s und ein Mindest-
sauerstoffgehalt im Rauchgas von 6 Volumen-%. Insofern ist bereits durch eine
feuerungstechnisch optimierte Feuerraumgestaltung und Verbrennungsluftzufuhr eine
Reduzierung der Schadstoffkomponenten erzielbar.
Gesamtstaub, HCl, SOx und die Emission an organisch gebundenem Kohlenstoff
(Cges) ist mit gängiger Abgasreinigungstechnologie zu minimieren. Durch den hierfür
erforderlichen verfahrenstechnischen Aufwand werden auch die übrigen Schadstoffe
nach der 17. BImSchV größtenteils reduziert.
16Siehe dazu auch Zif. 5.1.2 der Ersten Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Bundes-
Immissionsschutzgesetz (Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft – TA Luft) vom
24.07.2002 (GMBl. S. 511).
9.3 Technische Maßnahmen zum Meeresumweltschutz 559
• Nassverfahren,
• Quasitrockenverfahren,
• Trockenverfahren.
Beim Nassverfahren wird das Reaktionsmittel (Adsorbens) für die Sorption chemisch
zu bindender Schadstoffe nass in einen Reaktor gegeben (z. B. Kalkmilch). Auch die
Reaktionsprodukte liegen nass vor. Die Flugstaubabscheidung erfolgt vor dem Reaktor
(Adsorber).
Für das Quasitrockenverfahren wird das Adsorbens ebenfalls nass in den Adsorber ein-
gebracht, das Reaktionsprodukt liegt aber aufgrund einer anschließenden Eindampfung
trocken vor. Die Feststoffabscheidung erfolgt hier nach der chemischen Reinigungsstufe.
Beim reinen Trockenverfahren liegt das Adsorbens im trockenen Zustand vor. Je nach-
dem, ob eine Flugstromadsorption oder eine Festbettadsorption gewählt wird, erfolgt die
Feststoffabscheidung nach oder vor dem Adsorber.17
Reaktorstrecke
Kreislaufadsorbens
Verfahrensfließbild
Rauchgasreinigung
Schiffsmüllverbrennungsanlage
18Dioxinrückbildung.
9.3 Technische Maßnahmen zum Meeresumweltschutz 563
Vor- und Nachteile beider Verfahren Ein nicht zu unterschätzender Nachteil der
Flugstromadsorption auf Schiffen ist der größere Platz- und Raumbedarf gegenüber
der Festbettadsorption. Es müssen Lagerkapazitäten für Frischadsorbens und für das
ausgeschleuste Adsorbens vorgehalten werden. Auch ist der apparative Aufwand durch
Zudosierungseinrichtung für das Adsorbens, Reaktionsstrecke und anschließende Filte-
rung des beladenen Adsorbens gegenüber einem oder zwei Behältern für die Festbett-
adsorption wesentlich höher.
Bedingt durch den umfangreicheren apparativen Aufwand, des erhöhten Lageraufwands
und des damit verbundenen Handlings von Frisch- und Restadsorbens bei der Flugstrom-
adsorption, ist ein größerer Bedienaufwand der Gesamtanlage gegenüber einer Rauchgas-
reinigung mit Festbettadsorption gegeben. Der Festbettadsorber sollte dann aber auch eine
Standzeit von einer Werftliegezeit bis zur nächsten haben; dort kann dann der Festbettadsor-
ber regeneriert werden. Insofern hätte die Besatzung des Schiffes keinen Kontakt mit dem
Adsorbens, da diese Anlage quasi wartungsfrei läuft – ein nicht zu unterschätzender Arbeits-
schutzaspekt hinsichtlich der Beladung des Adsorbens mit Schad- bzw. Gefahrstoffen.
Als wesentlicher Nachteil der Festbettadsorption ist der höhere Druckverlust in der
Anlage zu nennen, der wahrscheinlich zu einem etwas größer dimensionierten Saug-
zuggebläse führt; zur Messung des Druckverlustes ist eine Differenzdruckmessung am
Adsorber erforderlich.
Ob dieser Nachteil jedoch so gravierend ist, muss das Detail-Engineering zeigen,
zumal der für ein derartiges Gebläse erforderliche höhere Strombedarf auf Schiffen
in der Regel nicht das Problem darstellen dürfte. Hierbei muss nämlich berücksichtigt
werden, dass durch den apparativen Mehraufwand und längere Rohrleitungen, Armatu-
ren und Krümmer auch ein nicht zu unterschätzender Druckverlust bei der Flugstrom-
adsorption auftritt. Bei der Festbettadsorption ist der Druckverlust im Wesentlichen
durch die Schüttung im Adsorber bedingt, der durch Eintrag von Flugstaub aus der Ver-
brennung kontinuierlich im Betrieb weiter ansteigen kann. Durch eine vorgeschaltete
Staubabscheidung wird das Festbett aber deutlich entlastet, sodass Standzeiten von mehr
als einem Jahr erreicht werden können [72].
Die große Pufferkapazität gegenüber Schadstoffspitzen und die geringe Empfindlichkeit
gegenüber Lastschwankungen sind weitere Argumente für die Verwendung von Festbettad-
sorbern [72], da gerade mit solchen Betriebszuständen bei einer Schiffsmüllverbrennungs-
anlage – ggf. hervorgerufen durch einen diskontinuierlichen Betrieb – zu rechnen ist.
564 9 Umweltschutz in der Seeschifffahrt
Ferner muss berücksichtigt werden, dass auf Schiffen Raum knapp ist; somit ist dies
ein wesentlicher Punkt, der für die Festbettadsorption spricht. Zudem spricht für dieses
Verfahren seine Bedienungsfreundlichkeit. Diese genannten wichtigen Vorteile lassen
den Aspekt der eventuell etwas höheren Druckverluste in den Hintergrund treten.
Ein nicht zu unterschätzender Nachteil der Festbettadsorption unter Einsatz von
Aktivkohle ist die Gefahr der Selbstentzündung der Kohle [3, S. 51–54].
Das macht die Möglichkeit zur Inertisierung des Adsorbers – in der Regel mit N2 –
und eine permanente Temperaturüberwachung dieses Apparates erforderlich.
• Standzeit,
• die betriebstägliche Verbrennungsdauer und
• die zu verbrennende Abfallmenge zu berücksichtigen.
19Ausgehend von einer zu verbrennenden Abfallmenge von 1,2 kg pro Person und Tag sowie einer
Besatzungsstärke von 200 Personen.
20Bezugssauerstoffgehalt 11 %, Abgas trocken, H etwa 9–11 MJ/kg.
u
21Siehe z. B. Riediger „Verbrennung“ in 11, S. 509 ff.].
9.3 Technische Maßnahmen zum Meeresumweltschutz 565
Üblicherweise kann bei der Verbrennung von 1 kg Abfall mit einem Heizwert Hu von
etwa 10 MJ/kg22, bezogen auf den Normzustand23, einem O2-Gehalt von 11 % und nach
Abzug des Feuchtegehalts im Rauchgas mit einer spezifischen Rauchgasmenge von etwa
6 Nm3/kg gerechnet werden. Mit diesem – vielleicht etwas hochgegriffenem Wert – liegt
man jedoch im Rahmen des Basic-Designs einer Rauchgasreinigung auf der sicheren
Seite, da die Literaturwerte hierzu schwankend sind.24
Ferner bedarf es zur Auslegung eines Adsorbers der Rohgasdaten. Neben Feuchte-
gehalt und Rohgastemperatur sind insbesondere die Beladungen mit den abzu-
scheidenden Schadstoffen von Bedeutung. Hierzu verlässliche Werte zu erhalten
ist schwierig, da der zu verbrennende Müll in der Regel ein sehr heterogenes Stoff-
gemisch ist. Das führt bei der Verbrennung zu gewissen Schwankungsbreiten bei der
Rohgaszusammensetzung; in Tab. 9.4 sind verschiedene Rohgasdaten aus der Ver-
brennung von Hausmüll aufgeführt.
22Der untere Heizwert Hu von Siedlungsabfällen liegt etwa bei 9–11 MJ/kg.
23273,15 K und 1013 hPa.
24So nennen Achternbosch und Richers z. B. einen Wert von 5 Nm3/kg [1, S. 8].
Zur Auslegung des Gefäßadsorbers, aber auch der gesamten Rauchgasreinigung, bieten
sich folgende Möglichkeiten an [8]:
1. Berechnen,
2. Berücksichtigung von Erkenntnissen bestehender Anlagen,
3. Gewinnung von Daten durch Laborversuch.
Zur rechnerischen Auslegung der Rauchgasreinigung, sei es die Bestimmung der erforder-
lichen Adsorbensmenge oder die Dimensionierung der erforderlichen Apparate, ist festzu-
halten, dass hierüber nur grobe Anhaltswerte gewonnen werden können. Das folgt aus der
Problematik, dass im Bereich der Schiffsmüllverbrennung in der Regel von unstationären
Zuständen sowohl hinsichtlich der Abfallzusammensetzung als auch der gefahrenen Tem-
peraturen im Prozess und auch von häufig diskontinuierlichen Verbrennungsvorgängen
auszugehen ist. Das macht das Rechnen mit exakten Zahlenwerten schwierig.
Nun ist aber die Rauchgasreinigung bei der Abfallverbrennung alt bewährt; mithin
ist es bei der Planung von Neuanlagen geübte Praxis, auf Erfahrungswerte bestehender
Anlagen zurückzugreifen. Das jeweilig zu konzipierende Projekt basiert dann in der
Regel auf diesen beiden Datenquellen. Bei bisher noch unbekannten Verfahrensprojekten
kann dann eine Verifizierung durch Versuch vorgenommen werden.
Zur Abscheidung eines Stoffes aus dem Abgas sind die vorgenannten Ansätze noch rela-
tiv einfach anzuwenden.
Bei der Rauchgasreinigung der Schiffsmüllverbrennung sind jedoch, wie bereits aus-
geführt, mehrere Komponenten zu adsorbieren, was die Auslegung sehr komplex werden
lässt.
Bei der Mehrkomponentenadsorption konkurrieren die einzelnen Stoffe um die
Adsorptionsplätze in der Aktivkohle. Im Adsorber treten quasi Gaschromatografieeffekte
auf [62]. Dieses Phänomen ist bei der Auslegung des Adsorbers mithilfe der „Theo-
rie der ideal adsorbierten Lösung“ handhabbar, was aber die Kenntnis der einzelnen
Adsorptionsisothermen der abzuscheidenden Stoffe erfordert [64].
Für die praxisorientierte Auslegung eines Adsorbers für die Rauchgasreinigung einer
Schiffsmüllverbrennungsanlage ist dieser Aufwand jedoch wenig pragmatisch. Hier bietet es
sich an, mit vereinfachenden Ansätzen eine überschlägige Dimensionierung vorzunehmen [80].
Wie oben beschrieben, werden die säurebildenden Stoffe wie HCl und SOx durch
Chemiesorption an Kalk gebunden. Der Aktivkohlefilter soll insofern lediglich ein Gesamt-
C-Gemisch und ggf. Spuren nichtumgesetzter HCl- und SOx -Verbindungen zurückhalten.
Auslegung für die Gesamt-C-Abscheidung Das Rauchgas ist nicht nur mit einem
organischen Stoff beladen; vielmehr liegt ein komplexes Gemisch organischer Bestand-
teile vor. Mithin gilt es, eine sog. Mehrkomponentenadsorption an der Aktivkohle zu
betrachten. Hierbei bleiben die grundsätzlichen Zusammenhänge, wie für die Adsorption
eines Einzelstoffs, bestehen, werden aber durch die unterschiedlichen Bindungskräfte der
einzelnen Stoffe recht komplex.
Die Konkurrenz der verschiedenen Stoffe bei der Mehrkomponentenadsorption
um die Adsorptionsplätze in der Aktivkohle hat zur Folge, dass sich die Beladung für
die Einzelkomponenten bei der simultanen Adsorption anderer Stoffe erniedrigt. Die
Beladung ist umso geringer, je besser die anderen Stoffe adsorbierbar sind.
Wie bereits ausgeführt, erfolgt die Berechnung der gegenseitigen Beeinflussung bei
der Mehrkomponentenadsorption mithilfe der „Theorie der ideal adsorbierten Lösung“.
Sie erfordert die Kenntnis der Einzelisothermen der beteiligten Stoffe und der Gemisch-
zusammensetzung. Exakte Ergebnisse können daher nur empirisch gewonnen werden. In
der Praxis bietet sich eine vereinfachende Betrachtung an [64].
Dabei wird angenommen, dass alle Gesamt-C-Komponenten an der Adsorption teil-
nehmen und die Stoffe zu einer mittleren Beladung der Aktivkohle von etwa 20 Gew.-%
führen.28
Die Schadstofffracht an Gesamt-C kann bei der Schiffsmüllverbrennung mit
400 mg/Nm3 angenommen werden, was einer Durchschnittsannahme hinsichtlich der
gewichtsmäßig eingesetzten Kunststoffmengen und der in der Literatur genannten Roh-
gasbeladungen gerecht wird.
28Siehe [64]; ferner Annahme aus der Auswertung div. Literaturangaben (z. B. [69]). als Mittelwert.
568 9 Umweltschutz in der Seeschifffahrt
Die in die Aktivkohle eingetragene Schadstoffmenge errechnet sich nach Gl. 9.3:
24 h/d
Sm = V̇ · c · (9.3)
1.000.000 mg/kg
mit
Sm Schadstoffmenge in kg/d,
V̇ Rauchgasvolumenstrom in Nm3/h,
c Konzentration des Schadstoffs im Rauchgas in mg/Nm3 (bei der Schiffsmüllver-
brennung kann 400 mg/Nm3 angenommen werden – s. vorstehend).
Beispiel
Wie hoch ist die in dem hier betrachteten Festbettaktivkohleadsorber eingetragene
Schadstofffracht Sm (organische Komponenten), wenn von einer maximalen Beladung
von 20 Gew.-% ausgegangen werden kann?
Es ist jedoch fraglich, ob der Ansatz von 400 mg/Nm3 an Cges realistisch ist. Es ist
durchaus anzunehmen, dass in kleineren Verbrennungseinheiten ein wesentlich besse-
rer Umsatz der Organikkomponente zu CO2 und H2O stattfindet als in großen Öfen, wie
etwa bei landbetriebenen Müllverbrennungsanlagen. Die o. g. Literaturwerte beziehen
sich nämlich auf solche.
So wird beispielsweise in der Literatur auch ausgeführt, dass nach dem heutigen
Stand der Technik die Emissionswerte nach der 27. BImSchV29 für Kohlenmonoxid und
bestattung.
9.3 Technische Maßnahmen zum Meeresumweltschutz 569
Auslegung für die HCl- und SOx-Abscheidung Diese sauren Komponenten lassen
sich durch Chemiesorption mit Calciumhydroxid aus dem Rauchgas eliminieren. Hierbei
wird zunächst ein stöchiometrischer Ansatz verfolgt. Dazu sind die molaren Massen der
an der Reaktion beteiligten Komponenten in den entsprechenden Reaktionsgleichungen
zu berücksichtigen; Tab. 9.5 enthält die Molmassen für die relevanten Stoffe.
Die HCl-Umsetzung läuft dabei nach folgender Reaktionsgleichung ab:
Ca(OH)2 + 2 HCl → CaCl2 + 2 H2 O,
74,28 g/mol + 72,92 g/mol.
Annahme: Im Rauchgas sind 400 mg/Nm3 HCl enthalten (s. Tab. 9.4). Diese Annahme
begründet sich damit, dass ein Chloreintrag in Schiffsmüllverbrennungsanlagen z. B.
durch PVC-Verbrennung als eher gering anzunehmen ist. Mithin scheint hier die Annahme
einer Rohgasbeladung gerechtfertigt, die an der unteren Grenze der Literaturangaben liegt.
570 9 Umweltschutz in der Seeschifffahrt
Bei einem Rauchgasvolumenstrom von 240 Nm3 /h · 1200 h = 288.000 Nm3 ist insofern
mit einem HCl-Anfall von
30REA = Rauchgasentschwefelungsanlage.
9.3 Technische Maßnahmen zum Meeresumweltschutz 571
Veitshöchheim [82]
In Tab. 9.6 sind für diverse Verbrennungsanlagen die für 1 t verbrannten Abfalls ein-
gesetzten Adsorbensmengen in kg eingetragen. Für die dortige Anlage unter Nr. 4, das
ist die hier betrachtete Schiffsmüllverbrennungsanlage, sind dabei die oben errechneten
Werte – ebenfalls bezogen auf eine Tonne zu verbrennenden Abfalls – eingetragen.
Aus dieser Tabelle ist zu entnehmen, dass eine Annäherung für den Einsatz von Aktiv-
kohle allenfalls zwischen der Anlage nach Nr. 1 und den Berechnungen besteht. Augen-
fällig ist, dass in den Krematorien (Anlagen Nr. 2) der geringste Adsorbensverbrauch
ausgewiesen wird. Das ist insofern auch erklärlich, da nach der 27. BImSchV lediglich CO,
Staub, Cges sowie Dioxine und Furane begrenzt werden. Die „sauren“ Komponenten, HF,
Hg etc. werden hier nicht betrachtet, gleichwohl aber in der 17. BImSchV. Insofern muss
für eine Reduzierung eines größeren „Schadstoffcocktails“ auch eine größere Adsorbens-
menge erforderlich werden. Das wird auch durch die aus vorstehender Berechnung
gewonnene Adsorbensmenge bestätigt: Bei der hier betrachteten Schiffsmüllverbrennungs-
anlage sollen zwar weniger Schadstoffe als bei herkömmlichen Müllverbrennungsanlagen
eliminiert werden, jedoch mehr als bei Krematorien. Mithin muss die hier erforderliche
Adsorbensmenge zwischen der für die beiden Anlagenarten nach der 17. und 27. BImSchV
benötigten Menge liegen – und das trifft für die berechnete Kalkmenge zu!
Eine Unsicherheit besteht bei der erforderlichen Aktivkohlemenge. Neben den nach-
folgend beschriebenen Überlegungen ist die erforderliche Menge stark abhängig von der
Art und Qualität der Kohle.
Aus dem Vorstehenden ist ersichtlich, dass die theoretisch erforderliche Aktivkohle-
menge zwischen den hier berechneten 6,25 und 0,3 kg im tatsächlichen Betrieb differiert.
Hier ist augenfällig, dass der berechnete Wert gegenüber allen anderen Anlagen wesent-
lich höher ausfällt. Das mag darin begründet sein, dass beim Berechnungsansatz von einer
vollständigen Gesamt-C-Abscheidung aus dem Rauchgas ausgegangen worden ist – vgl.
oben unter „Auslegung für die Gesamt-C-Abscheidung“ – und die A-Kohle dabei nur zu
20 % beladen wird. Real braucht die Konzentration im Reingas aber nur auf 20 mg/Nm3
begrenzt zu werden. Bei einer angenommenen Rohgasbeladung von 400 mg/Nm3 sind das
95 % abzuscheidende Schadstofffracht. Insofern kann die erforderliche A-Kohlemenge auf
95 % des berechneten Wertes reduziert werden, mithin auf 6 kg pro Tonne verbrennenden
572 9 Umweltschutz in der Seeschifffahrt
Schiffsmülls. Ein gegenüber der Berechnung niedrigerer Wert für die Aktivkohlemenge
ist sicherlich auch aufgrund der Überlegung gerechtfertigt, dass bereits am Flugstaub, der
im Zyklon und an dem Tragsieb für das Adsorbens im Adsorber abgeschieden wird, nicht
Diese Überlegung gilt auch für die erforderliche Kalkmenge: Hierbei wurde ein stöchio-
metrischer Ansatz verfolgt. Das heißt, dass die dem Kalk zugeführte Menge vollständig
chemisch sorbiert wird. Jedoch ist auch bei SO2 und HCl keine vollständige Abscheidung
erforderlich. SO2 ist auf 200 mg/Nm3 und HCl auf 60 mg/Nm3 zu begrenzen. Das macht
bei den entsprechenden Rohgaswerten für 500 mg/Nm3 SO2 und 400 mg/Nm3 HCl (vgl.
Tab. 9.4) 60 % abzuscheidende SO2-Menge und 85 % abzuscheidende HCl-Fracht aus.
Insofern kann die Kalkhydratmenge für die SO2-Abscheidung um 40 % auf 106 kg und
für die HCl-Abscheidung um 15 % auf etwa 100 kg, in Summe also auf etwa 206 kg redu-
ziert werden. Umgerechnet auf eine Tonne zu verbrennenden Abfalls wären dann für diese
Schiffsmüllverbrennungsanlage 4,3 kg Kalkhydrat erforderlich.
Die Frage ist, welche Mengen aber nun realistisch sind. Bei Auswertung der Tab. 9.6
ist erkennbar, dass die eingesetzte Aktivkohlemenge immer nur einen Bruchteil der
Kalkhydratmenge ausmacht. Diese Tatsache kann auch bei der hier betrachteten Ver-
brennungseinrichtung berücksichtigt werden: Da der rechnerische Wert für die Aktiv-
kohlemenge prozentual sehr hoch ausfällt, wird in diesem Fall eine aus den Anlagen 1–3
gemittelte AK-Menge in Betracht gezogen.
Aus der vergleichenden Betrachtung bestehender Anlagen mit den rechnerisch
ermittelten Adsorbenzienmengen kann daher, unter Berücksichtigung der vorstehenden
Überlegungen, für die betrachtete Verbrennungseinrichtung folgende Menge an Kalk-
hydrat und Aktivkohle in Betracht kommen:
Kalkhydrat: 4,5 kg pro t verbrannten Abfall,
Aktivkohle: 1,5 kg pro t verbrannten Abfall.
Das entspricht einem Mischungsverhältnis von 75 % Kalkhydrat und 25 % Aktivkohle.
Dieser prozentuale Ansatz liefert eine Adsorbenszusammensetzung, die zwischen der
prozentualen Zusammensetzung für Müllverbrennungsanlagen an Land und von Kre-
matorien liegt. Das ist insofern plausibel, da die für eine Schiffsmüllverbrennungsanlage
einzuhaltenden Emissionsbegrenzungen auch zwischen den Anforderungen nach der
17. BImSchV und der 27. BImSchV liegen. Von daher kann für die hier betrachtete Bei-
spielanlage festgehalten werden: Bei einer Verbrennung von 48 t Abfall in 200 Tagen
bzw. innerhalb von 1200 Betriebsstunden wären insofern
48 t · 4,5 kg/t = 216 kg Ca(OH)2
und
48 t · 1,5 kg/t = 72 kg Aktivkohle
9.3 Technische Maßnahmen zum Meeresumweltschutz 573
Bei der Abscheidung von SO2 wird Calciumcarbonat zu REA-Gips umgesetzt; diese
Reaktion läuft vereinfacht nach folgender Reaktionsgleichung ab:
4
3,5
3
2,5
2
1,5
1
0,5
0
0 10 20 30 40 50 60 70
Verbrennungszeit in Minuten
• der weitere Anstieg der Reingaskonzentration erklärt sich durch den Anstieg der
Konzentration des Stoffes in der Adsorbensschüttung, die sich der Sättigungs-
konzentration nähert (mehrschichtige Belegung und Kapillarkondensation), bis zum
„Durchbruch“ des Adsorbers.
Diese drei Bereiche gehen fließend ineinander über und lassen sich nicht genau
abgrenzen.32
V̇G
A= . (9.8)
3600 · wG · n
Aus der Gasgeschwindigkeit und der Rauchgasdichte33 ρG = 0,85 kg/m3 (bei 150 °C)
ergibt sich der zulässige Gasbelastungsfaktor F für Gefäßadsorber mit Adsorbensfestbett
aus
√ .. m kg
F = wG · ρG zul. ungefahr 0,2−0,4 . (9.9)
s m3
betrachtet werden, bleibt einzig – als allein seriöser Ansatz – mit Annahmen zu rechnen.
Ferner wird je nach Jahreszeit und Fahrtgebiet die Kühlwassertemperatur nicht immer
exakt bei den hier angenommenen 20 °C liegen.
Um die vielen Unwägbarkeiten hinsichtlich einer exakten Auslegung der Apparate
vernünftig zu kompensieren, ist die Anlage mit einer entsprechenden Regelung (z. B.
Proportionalregelung) auszurüsten. Hinsichtlich der erforderlichen Dimensionierung
der Rauchgaskühlung ist daher die Stellgröße „Kühlwassermenge“ für die Regelgröße
„Rauchgasaustrittstemperatur“ zu ermitteln.
Von folgenden Randbedingungen kann bei der Auslegung des Rauchgaskühlers aus-
gegangen werden (vgl. auch Abb. 9.8):
34Ebenfalls ein nur grob geschätzter Wert; er ist Abhängig von Fahrtgebiet und Jahreszeit.
35Rauchgas bei 500 °C und 1 bar: 1,185 kJ/kgK, Dichte von 0,46 kg/m3 [12, S. 161].
36Bei 20 °C [12, S. 154].
37[12, S. 111].
38[12, S. 161], gemittelt aus den Dichten bei 900 und 800 °C.
Q̇ab
ṁ = . (9.13)
cpW · TW
Tgr − Tkl
tm = Tgr
. (9.14)
ln Tkl
Durch Umstellen der Gleichung für den Wärmestrom über eine Wärmeübertragungs-
fläche A
Q̇ = k · A · tm (9.15)
erhält man für A
Q̇
A= . (9.16)
k · tm
Aus Platzgründen bietet sich hier die Wahl eines entsprechenden Plattenwärmetauschers
an, der darüber hinaus auch leicht zu warten ist.
Das bei der Rauchgaskühlung anfallende Kondensat muss konstruktiv aus dem System
abgeführt werden.
Zyklonentstaubung Die Staubfracht ist gering. Mit der Zyklonentstaubung soll hier
primär nur erreicht werden, dass der Wärmetauscher und die Adsorbenzien vor über-
mäßiger Staubbeladung geschützt werden. Durch die Wahl des hier aufgezeigten
Abgasreinigungsverfahrens wird der geforderte Staubgrenzwert sicher eingehalten:
Staubfrachten, die den Zyklon und den Wärmetauscher passieren, werden spätestens in
den Adsorberapparaten zurückgehalten.
Ein Zyklonentstauber ist ein Fliehkraftabscheider. Das teilchenbeladene Gas wird in dem
Apparat in eine rotierende Strömung versetzt. Hierbei werden die Staubpartikel aufgrund
der Zentrifugalkraft an die trichterförmige Wand des Zyklons befördert, an der sie aufgrund
ihrer größeren Masse als der des Gases nach unten abgeschieden werden (vgl. Abb. 9.9).
Die Auslegung des Zyklons und seine geometrische Gestaltung erfolgen in
Anlehnung an die VDI 3676 [45].
Gemäß Bild 13 der VDI 3676 ist unterhalb der Apexöffnung (Austrittsöffnung
des abgeschiedenen Staubes) ein gasdichter Aschekasten vorzusehen. Sein Volumen
9.3 Technische Maßnahmen zum Meeresumweltschutz 581
3 · ψ · ρ · w2 H 1 − ε
�p = · · 3 (9.19)
2 d ε
mit
ε Lückengrad der Schüttung,
H Höhe des Festbettes (m),
d mittlerer Korndurchmesser des Adsorbens (m),
ρ Dichte Rauchgas bei ca. 150 °C: ρ = 0,86 kg/m3,
ν kinetische Viskosität des Rauchgases: ν = 32,8 · 10−6 m2 /s40,
w mittlere Anströmgeschwindigkeit (m/s),
ψ Widerstandsbeiwert (s. Gl. 9.20).
Die vorstehende Rauchgasdichte wird gemäß GESTRA-Wegweiser [16] wie folgt
ermittelt:
270 · p · p0
ρ= (9.20)
T
mit
ρ Dichte im Betriebszustand, hier bei 150 °C (kg/m3),
ρ0 Normdichte (1,34 kg/m3; [16, S. 60]),
p absoluter Druck, hier überschlägig angenommen mit 1 bar,
T Betriebstemperatur (T = 273 + 150 ◦ C; K).Widerstandsbeiwert nach VDI 3674:
150
ψ= + 1,75. (9.21)
Re
Die dimensionslose Reynolds-Zahl Re bestimmt sich dabei – unter Berücksichtigung des
Lückengrades ε der Schüttung – nach folgender Gleichung:
1 w·d
Re = · . (9.22)
1−ε v
Druckverlust im Zyklon Der Druckverlust im Zyklon errechnet sich aus der Gleichung
([45]; Tab. 9.3):
ρ
�p = ξ · · w2 (9.23)
2
V̇
mit der mittleren axialen Tauchrohrgeschwindigkeit w = Ai .
Druckverlust in den Armaturen Nach GESTRA [16, S. 14 ff.] errechnet sich der
Druckverlust in einer Armatur nach folgender Gleichung:
ρ · w2
�p = ξ · a · . (9.24)
2
Der sog. „Körperfaktor“ a beträgt nach GESTRA [16, S. 12] bei Armaturen und Form-
stücken „1“; insofern gilt für das Produkt aus dem Widerstandsbeiwert und dem Körper-
faktor ζ · a = ζ = C (C wird Proportionalitätsfaktor genannt)41, wobei in einer zu
betrachtenden Rohrleitung die einzelnen Proportionalitätsfaktoren der Formstücke
addiert werden, somit gilt:
C= Ci . (9.25)
Bei der Berechnung des Druckverlustes in den Armaturen und Formstücken muss der
Einbauort dieser Bauteile berücksichtigt werden (Rohgasseite, Reingasseite), da hier
unterschiedliche Temperaturen vorliegen und diese Einfluss auf die Rauchgasdichte
haben, die wesentlicher Parameter bei der Bestimmung des Druckverlustes ist.
l ρ · w2
�pRohr = · · (9.26)
d 2
mit
λ Rohrreibungszahl,
l/d spezifische Rohrlänge mit l = Rohrlänge und d dem Rohrinnendurchmesser.
In Gl. 9.26 finden sich wieder die temperaturabhängigen Faktoren der Rauchgasdichte ρ
und der Strömungsgeschwindigkeit w des Gases. Genau genommen müsste zur exak-
ten Ermittlung der Druckverluste im Rohrleitungssystem dieses in entsprechende Teil-
abschnitte zerlegt werden. Da im Rahmen eines Basic-Designs jedoch die tatsächlichen
Rohrverläufe im Aufstellungsraum der Anlage noch nicht bekannt sind, ist es sinnvoll,
zunächst mit Näherungen zu rechnen. Mithin erscheint es daher angebracht, in Gl. 9.26
eine mittlere Rauchgasdichte über den betrachteten Temperaturbereich des Abgases und
ebenso eine mittlere Rauchgasgeschwindigkeit einzusetzen. Insofern kann für über-
schlägige Betrachtungen bei Rauchgasreinigungsanlagen für Schiffsmüllincineratoren
für ρ = 0,59 kg/m3 und für w = 10 m/s gewählt werden.
Der Proportionalitätsfaktor C bestimmt sich für eine Rohrleitung nach Gl. 9.27:
C = · l/d. (9.27)
Druckverlust im Rauchgaskühler bzw. im Wärmetauscher Zur Ermittlung des
Druckverlustes im Rauchgaskühler bzw. im Wärmetauscher sind detaillierte Hersteller-
angaben erforderlich. Sicherlich wird dieser Apparat aber aufgrund seiner bau-
artbedingten Oberflächengröße und -form gegenüber den übrigen Rohrleitungen,
Formstücken und Schiebern den größten Beitrag zum Druckverlust liefern.
42Abfallverzeichnis-Verordnung.
9.3 Technische Maßnahmen zum Meeresumweltschutz 585
In der Regel wird ein derartiger Entstauber aber wieder mehr Platz benötigen als ein
Zyklon bei vergleichbaren Betriebszuständen.43
Als weitere Alternative zur Vorentstaubung bietet sich auch im Rahmen der Rauch-
gasreinigung bei Schiffsmüllverbrennungsanlagen ein Elektrofilter an. Die hierfür
erforderliche elektrische Energie dürfte i. d. R. durch das Bordnetz in ausreichender
Größe zur Verfügung stehen.
Bei der Flugstromadsorption wird das Adsorbens regelmäßig an einem filternden
Abscheider als letzte Reinigungsstufe niedergeschlagen (vgl. Abb. 9.4). Jedoch wird eine
Vorentstaubung vor dem Rauchgaskühler dadurch nicht obsolet.
Auf welches Entstaubungssystem die Wahl letztlich fällt, muss im Rahmen der
Projektplanung anhand der bestehenden Randbedingungen geklärt werden:
43Vgl. Gebrauchsmusterschutz vom Deutschen Patent- und Markenamt v. 17.08.2006, Nr.: 20 2006
009 138.6.
586 9 Umweltschutz in der Seeschifffahrt
Diese Variante ist aus folgenden Gründen umsetzbar und aus immissionsschutzrecht-
licher Sicht auch vertretbar:
a) Bei der Nachrüstung bestehender Anlagen sind in der Regel immer Kompromisse ein-
zugehen. Insbesondere ist hierbei der verwaltungsrechtlich zu berücksichtigende Ver-
hältnismäßigkeitsgrundsatz von Bedeutung. Das angestrebte Ziel darf insofern nicht
nur durch einen übermäßig hohen (finanziellen und/oder technischen) Aufwand zu
erreichen sein. Allein durch den Einsatz von Kalk kann mit minimalem apparativen
Aufwand bereits eine deutliche Verbesserung der Emissionswerte erreicht werden.
b) Sollten Abgastemperaturen um 250 °C gefahren werden, ist es wahrscheinlich, dass
hierbei bereits Desorptionsvorgänge an der Aktivkohle überwiegen, was einen Aktiv-
kohleeinsatz schon von daher obsolet machen würde.
c) Durch dieses Reinigungsverfahren wird die besondere chemische Eigenschaft
des Quecksilbers genutzt: Dieses bildet bei Temperaturen über 300 °C Queck-
silber(II)-oxid. Diese Verbindung wird in dem Adsorber zurückgehalten. Ferner
bindet sich der organische Kohlenstoffanteil sehr gut am Flugstaub. Da dieser zum
großen Teil durch den Zyklon abgeschieden wird und weitere Partikel im Adsorber
zurückgehalten werden, ist davon auszugehen, dass sich die Emissionswerte für Cges
trotz verringertem apparativen Aufwand deutlich reduzieren werden.
Weiterhin kann die N2-Gasbevorratung entfallen. Diese war zur Inertisierung des Adsor-
bers im Falle einer Glutnestbildung in der Aktivkohle vorgesehen. Damit ist bei den
vorhandenen maximalen Rauchgastemperaturen, der konstruktiven Durchbildung des
Adsorbers und der hier nicht vorhandenen Aktivkohle nicht zu rechnen. Eventuell vor-
handener Funkenflug in der Rauchgasleitung zum Adsorber wird an dem metallischen
Auflagesieb der Adsorberschüttung zurückgehalten.44
Beim Betrieb von Verbrennungsmotoren werden Stoffe wie Schwefeloxide (SOx), Stick-
oxide (NOx), Kohlenmonoxid (CO) und Kohlendioxid (CO2), Kohlenwasserstoffe, Ruß
und Feinstäube emittiert.
Die in den vergangenen Jahren stetig gestiegenen Brennstoffpreise haben dazu geführt,
dass z. B. Containerschiffe langsamer fahren und dadurch erheblich weniger Brennstoff
verbrauchen. Außerdem werden Anstrengungen unternommen, um durch propulsion-
verbessernde Maßnahmen die Antriebsleistung zu reduzieren. Ein geringer spezifischer
44Gebrauchsmusterschutz vom Deutschen Patent- und Markenamt v. 17.08.2006, Nr.: 20 2006 009
138.6.
9.3 Technische Maßnahmen zum Meeresumweltschutz 587
9.3.2.1 NOx-Reduzierung
Der NOx-Ausstoß und die Schwefeloxidemissionen hängen vom Verbrennungsprozess
beziehungsweise vom Schwefelgehalt im Kraftstoff ab; sie sind durch die Art des Brenn-
stoffs und durch eine Optimierung des Verbrennungsprozesses direkt beeinflussbar.
Nach MARPOL Anhang VI gelten die in Tab. 9.9 genannten NOx-Emissionsgrenz-
werte. In dieser Tabelle ist auch das Datum genannt, ab wann die Anforderungen erfüllt
sein müssen.45
Die IMO-Emissionsnormen werden üblicherweise als Tier I…III-Normen bezeichnet.
Die Tier-I-Normen wurden in der Anhang-VI-Version von 1997 festgelegt, während die
Tier-II-/-III-Normen durch die im Jahr 2008 verabschiedeten Anhang-VI-Änderungen
eingeführt wurden:
• Ostsee,
• Nordsee, inklusive des Ärmelkanals,
• 24 Seemeilen vor der kalifornischen Küste, vorgelagerte Inseln zählen zur Küstenlinie,
• 200 Seemeilen vor den nordamerikanischen Küsten von Kanada und den USA,
inklusive der „Großen Seen“ und Hawaii,
• die Küstengewässer rund um Puerto Rico und die Amerikanischen Jungferninseln (die
sog. U. S. Caribbean Emission Area).
• gesamter Mittelmeerraum,
• japanische Gewässer,
• norwegische Gewässer.
• Alaska,
• Australien,
• Südkorea,
• Schwarzes Meer.
Die Emissionswerte für NOx werden in Abhängigkeit von der maximalen Betriebsdreh-
zahl des Motors n (min−1) festgelegt. Die Tier-I- und Tier-II-Grenzwerte sind global,
während die Tier-III-Standards nur in den ECA gelten.
Die strengen Tier-III-Emissionsgrenzwerte sind aber wohl nicht allein durch Opti-
mierung der Verbrennungsprozesse erreichbar; hier werden weitergehende Verfahren zur
NOx-Minderung erforderlich.
Die NOx-Fraktionen im Abgas von Dieselmotoren betragen ungefähr 95 % NO und 5 %
NO2. Die vorstehend genannten NOx-Werte in den ECA können mit dem Verfahren der selekti-
ven katalytischen Reaktion mit einem DeNOx-Katalysator (SCR-Katalysator) erreicht werden.
Hierbei reagieren die Stickoxide stöchiometrisch mit Ammoniak oder Harnstoff (Urea)
als Reduktionsmittel zu Stickstoff (N2) und Wasser (H2O). Diese Stoffe sind natürliche
Bestandteile der Atmosphäre.
Beim SCR-Verfahren (Abb. 9.10) wird in den Abgasstrom der Verbrennungsmaschine
zunächst Harnstoff eingeblasen und mit dem Abgasstrom durchmischt. Der Abgasstrom
SCR-Katalysator
Harnstoff-
Eindüsung
Abgas
9.3.2.2 SOx-Reduzierung
Trotz optimierter Verbrennungsvorgänge in den Verbrennungsmotoren sind die tatsäch-
lichen Ausstöße an Schwefeloxiden (SOx) gerade beim Betrieb von Schwerölmaschinen
noch sehr hoch. Das häufig eingesetzte Schweröl hat einen Schwefelgehalt von etwa
2,5 %. Die Abgase von mit Schweröl betriebenen Schiffsmotoren enthalten daher einen
hohen Anteil an SO2.
Nach MARPOL Anhang VI und der EU-Richtlinie 2005/33/EG werden daher, in
Abhängigkeit vom Fahrtgebiet, Schwefelgrenzen im Treibstoff festgelegt; Tab. 9.10 gibt
die geforderten Höchstmengen und das entsprechende Ausführungsdatum wieder.
Tab. 9.10 zeigt, dass im Prinzip ab dem Jahr 2020 kein konventionelles Schweröl
mehr verbrannt werden darf, da dieses die geforderten Schwefelgehalte nicht ein-
halten kann. Ferner ist dieser Tabelle zu entnehmen, dass in allen Emission Control
Areas verkehrende Schiffe ab dem 01.01.2015 verpflichtet sind, schwefelarmen Kraft-
stoff mit max. 0,1 % Schwefel zu verwenden. Alternativ müssten sie ihre Abgase einer
Entschwefelungsanlage zuführen. Eine Kombination aus Dieselrußpartikelfilter und
SCR-Katalysator kann die dringend benötigte Minderungsleistung von Feinstaub, Die-
selruß und Stickoxiden erzielen [25, S. 14].
Auch in Asien ist das Thema Schiffsemissionen vor dem Hintergrund gravierender
Luftverschmutzungen in weiten Teilen Chinas ganz oben auf die Tagesordnung gerückt.
So werden in Hongkong jetzt ebenfalls scharfe Schwefelgrenzwerte eingeführt. Auch
die chinesische Regierung hat nachgezogen und die Verwendung von niederschwefligem
590 9 Umweltschutz in der Seeschifffahrt
Treibstoff im Pearl-River-Delta vor Hongkong, für den Golf von Bohai (Peking) und
die Region Shanghai bis 2019 angewiesen. Dies soll in mehreren Schritten erfolgen,
angefangen mit der Regelung, dass ab dem 01.01.2017 in insgesamt elf führenden See-
häfen Schiffe während der Liegezeit nur noch niedrigschwefeligen Treibstoff nutzen dür-
fen. Anfang 2018 wird diese Regelung auf alle Häfen im sogenannten Pearl-River-Delta,
den Mündungstrichter des Jangtse sowie die Bohai-Bucht ausgedehnt. Stufe 3 macht ab
2019 die Verwendung niedrigschwefeligen Treibstoffs auch während der Ansteuerung
chinesischer Häfen obligatorisch [25, S. 15 f.].
Der Grenzwert von max. 0,1 % Schwefelgehalt im Kraftstoff kann nur vom sog.
Marinediesel (ähnlich dem Pkw-Diesel) eingehalten werden. Abgasfilter und -wäscher,
die sogenannten Scrubber, als Alternative sind jedoch noch nicht in Serie am Markt
erhältlich – insbesondere nicht für große Schiffe. Zudem kostet ihr Einbau selbst bei
kleinen Schiffen 1,5–2 Mio. €. Konsequenz ist, dass immer mehr Reedereien auf Marine-
diesel umstellen [46, S. 7]. Erstens wird hierdurch ein Beitrag zum Umweltschutz
geleistet, zum anderen können die umfangreichen Anlagen an Bord zur Aufbereitung des
Schweröls für die Verbrennung entfallen, was zusätzlichen Schiffsraum bringt.
Sollten Anlagen zur Schwefelemissionsminderung in Betracht gezogen werden, kann
zwischen den Verfahren der nassen (Abb. 9.11) oder trockenen Entschwefelung unter-
schieden werden.
9.3 Technische Maßnahmen zum Meeresumweltschutz 591
Tropfenabscheider
Kalkmilcheindüsung
Beim Einsatz von Calciumhydroxid, auch gelöschter Kalk genannt, läuft die Reaktion
wie folgt ab:
1
Ca(OH)2 + SO2 + O2 → CaSO4 + H2 O,
2
Ca(OH)2 + SO3 + H2 O → CaSO4 + 2 H2 O.
Auf der Timbus wurde Ende 2009 eine Trockenentschwefelungsanlage mit einem
Reaktionsmittel auf Kalkbasis eingebaut (Abb. 9.13), um die Anlage im Seebetrieb zu
testen. Hier wurden im Rahmen eines Forschungsvorhabens der TU Hamburg-Harburg
und der Couple Systems GmbH Untersuchungen im realen Schiffsbetrieb zur Rauchgas-
entschwefelung durchgeführt.
Anfang 2010 hat der Hersteller Alfa Laval Aalborg B. V. eine Entschwefelungsanlage
auf Basis des nassen Systems an Bord der Tor Ficaria der Reederei „DFDS Tor Line“
installiert. Diese Anlage kann sowohl mit Frischwasser als auch mit Seewasser betrieben
werden, weshalb hier auch von einem Hybridsystem gesprochen wird. Der Nasswäscher
reinigt die durchlaufenden Abgase des Hauptmotors von Typ MAN B&W 9L60MC-C.
9.3 Technische Maßnahmen zum Meeresumweltschutz 593
9.3.2.3 LNG-Antrieb
Alternativ werden heute schon Antriebskonzepte mittels LNG (Liquefied Natural Gas =
Flüssigerdgas) realisiert. So hat die United Arab Shipping Co. (UASC) im Jahr 2013
Containerschiffe (mit 18.000 TEU47) geordert, die so konstruiert sind, dass sie später
vergleichsweise unkompliziert auf die Nutzung von LNG umgerüstet werden können.
Als erstes deutsches Seeschiff verfügt die neue Helgoland über einen Dual-Fuel-An-
trieb, also einen, der für den Betrieb sowohl mit herkömmlichem Dieselkraftstoff als
auch mit Flüssigerdgas LNG versorgt werden kann. Damit können die ab 2015 geltenden
Abgasvorschriften eingehalten werden.
Auch die Reederei AG „EMS“ hat ihre Fähre Ostfriesland auf den Betrieb mit
Flüssigerdgas umgerüstet. Die Reederei hatte bereits Anfang 2014 mit der Bomin
Linde LNG den deutschlandweit ersten Liefervertrag über LNG als Schiffstreibstoff
abgeschlossen. Da das Erdgas erst auf ca. −163 ◦ C heruntergekühlt werden muss (bei
dieser Temperatur verflüssigt sich das Gas), sind allerdings entsprechende Tankanlagen
sowohl schiffsseitig wie auch an Land vorzusehen [46, S. 13 ff.].
Nach den Häfen Hamburg und Brunsbüttel folgen auch die bremischen Häfen dem
Trend, Schadstoffemissionen in den Häfen durch Einsatz von LNG als Antriebsenergie
für Arbeitsschiffe zu verringern. Daneben wird auch der Bau einer LNG-Hafentankstelle
forciert [46, S. 33].
9.4 Abwassermanagement
9.4.1 Einführung
Der Schutz der Meeresumwelt und der Küstengewässer ist in den letzten Jahren verstärkt
ins Blickfeld der Öffentlichkeit geraten [39, § 3, Rdnr. 18b]; [18, S. 154 ff.].
Eine besondere Belastung durch Schiffsabwässer trifft die Ostsee. Aufgrund ihrer ver-
gleichsmäßig kleinen Verbindungen zur Nordsee und damit zum Atlantik dauert ein völ-
liger Wasseraustausch etwa 20 bis 40 Jahre [15].
Dort sind gerade die Küstenbereiche durch Schiffsabwässer gefährdet. Das gilt vor
allem für die Nutzung dieser Bereiche als Badegewässer hinsichtlich der Gefährdung
Badender durch coliforme Keime.
Dem Meeres- und Küstenschutz wird sowohl auf internationaler Ebene durch völker-
rechtliche Vereinbarungen (z. B. durch das Helsinki-, MARPOL – und OSPAR-Über-
einkommen), im Bereich der EU durch diverse Richtlinien (beispielsweise durch die
Wasserrahmenrichtlinie sowie die Badegewässerrichtlinie) als auch durch nationale
Rechtsakte (in Deutschland durch das Wasserhaushaltsgesetz – WHG – mit darauf
erlassenen Verordnungen) vermehrt Rechnung getragen.
In Anlage IV des MARPOL-Übereinkommens wird Schiffsabwasser definiert als:
• Ablauf und sonstiger Abfall aus jeder Art von Toilette, Pissoir und WC-Speigatt,
• Ablauf aus dem Sanitätsbereich (Apotheke, Hospital usw.) durch in diesem Bereich
gelegene Waschbecken, Waschwannen und Speigatte,
• Ablauf aus Räumen, in denen sich lebende Tiere befinden, oder
• sonstiges Schmutzwasser, wenn es mit dem vorstehend definierten Ablauf gemischt
ist.
9.4 Abwassermanagement 595
Inhaltlich entspricht das hier definierte Abwasser dem allgemein bekannten Schwarz-
wasser. Nach dieser Definition ist dann Abwasser aus Küchen, Wäschereien, Kom-
büsen und Duschen, das als Grauwasser bezeichnet wird, im Sinne der Anlage IV des
MARPOL-Übereinkommens kein Schiffsabwasser, solange es nicht mit Schwarzwasser
vermischt wird. Vom Grundsatz her sieht MARPOL Anlage IV ein Einleitverbot für
Schwarzwasser vor, formuliert allerdings Ausnahmen.
Die Einleitbedingungen nach Anlange IV zu MARPOL gelten für Schiffe, die auf Aus-
landsfahrt sind mit einer Bruttoraumzahl (BRZ) ≥400 oder für Schiffe mit einer Brutto-
raumzahl (BRZ) von <400, die für die Beförderung von mehr als 15 Personen zugelassen
sind (vgl. Regel 2):
Das Einleiten von Abwasser ins Meer ist gemäß Regel 11 Abs. 1 Anlage IV zu MAR-
POL verboten, es sei denn die Bedingungen nach Tab. 9.11 sind erfüllt.48
48Vgl. Bundesgesetzblatt Jahrgang 2012 Teil II Nr. 32, ausgegeben zu Bonn am 23.10.2012.
596 9 Umweltschutz in der Seeschifffahrt
(1) das Einleiten von Schiffsabwasser ins Meer nach Maßgabe der Anlage IV Regel 11
Absatz 1 Satzteil vor Absatz 1.1 und Absatz 3 Satzteil vor Satz 2 des MAR-
POL-Übereinkommens verboten ist
1. außerhalb der in § 3 Absatz 1 Nummer 1 bezeichneten Wasserflächen für Schiffe
bei der Fahrt von einem deutschen Hafen zu einem deutschen Hafen
a) für Schiffe auf Seewasserstraßen,
b) für Schiffe, die die Bundesflagge führen, auch seewärts der Begrenzung der
Seewasserstraßen,
2. in der Ostsee
a) für die in Anlage IV Regel 2 Absatz 1 des MARPOL-Übereinkommens nicht
genannten Schiffe einschließlich Sportboote, sofern diese Schiffe über eine
mit einer Abwasserrückhalteanlage ausgerüstete Toilette verfügen, auf See-
wasserstraßen,
b) für die in Buchstabe a bezeichneten Schiffe, die die Bundesflagge führen, auch
seewärts der Begrenzung der Seewasserstraßen.
(2) Der Schiffsführer oder der sonst für den Schiffsbetrieb Verantwortliche darf mit
einem Schiff einschließlich eines Sportbootes, das über eine Toilette verfügt und
entgegen § 6b Absatz 1 der Schiffssicherheitsverordnung nicht mit einer Abwasser-
rückhalteanlage ausgerüstet ist, Seewasserstraßen in der Ostsee nicht befahren.
werte für diese Stoffe vorgegeben. Danach sind diese Grenzwerte oder eine 80 % Reduzierung von
TP und 70 % Reduzierung von TN. Diese Grenzwerte orientieren sich an den Einleitwerten kom-
munaler Kläranlagen
den Bakterien und alle anderen im Wasser vorhandenen Mikroorganismen bei einer Tem-
peratur von 20 °C innerhalb von fünf Tagen verbrauchen, woraus man auf die Menge der
dabei abgebauten organischen Stoffe schließt.
Der chemische Sauerstoffbedarf ist ein Maß für die Summe aller chemisch oxidier-
baren Stoffe im Abwasser. Er gibt die Menge an Sauerstoff in mg/L an, die zu ihrer Oxi-
dation benötigt würde, wenn Sauerstoff das Oxidationsmittel wäre.49
Abfiltrierbare Stoffe sind im Abwasser nicht gelöste Stoffe, also Feststoffe, die
durch Filtration, aus dem Abwasser entfernt werden können [75].
Mit dem pH-Wert wird die Wasserstoffionenkonzentration im Wasser angegeben. Sie
soll im neutralen Bereich liegen (neutraler Bereich bei pH 7 – z. B. destilliertes Wasser).
Das im Ablauf vorhandene freie Chlor ist auf 0,5 mg/L beschränkt. Im Wesentlichen
rührt das Chlor im Ablauf durch eine Chlorierung des Wassers zur Desinfektion her.
Werden andere Desinfektionsverfahren eingesetzt, beispielsweise die UV-Bestrahlung,
wird dieser Grenzwert keine Probleme darstellen.
Die fäkalcoliformen Keime sind Bakterien, die normalerweise im Darm von Men-
schen und Säugetieren vorkommen (Escherichia coli und andere laktospaltende Entero-
bakterien).
Regional gelten bereits heute schon strengere Vorgaben als nach Tab. 9.12. So müssen
beispielsweise Kreuzfahrtschiffe, die in Alaska verkehren, Anforderungen an die Schiffs-
abwasserentsorgung erfüllen, die über den Anforderungen der Anlage IV des MAR-
POL-Übereinkommens liegen. Neben der Einhaltung von strengeren Ablaufgrenzwerten
werden zusätzlich auch Anforderungen an die Grauwasserentsorgung gestellt.
9.4.4 Abwasserspeicherung
den, welche nach der Entschließung MEPC.159(55) und ab dem 01.01.2016 nach der Entschlie-
ßung MEPC.227(64) baumustergeprüft sind
bEinleiten von nichtbehandeltem Abwasser in einer Entfernung von mehr als 12 sm vom nächst-
werden
600 9 Umweltschutz in der Seeschifffahrt
Tab. 9.14 Abwassermengen pro Person und Tag in Litern zur Auslegung von Abwasserauf-
bereitungsanlagen
Ohne Vakuumanlage Mit Vakuumanlage
Schwarzwasser Grau- u. Schwarz- Schwarzwasser Grau- u.
wasser Schwarzwasser
Fahrgastschiff 70 230 25 185
Seeschiffe außer 70 180 25 135
Fahrgastschiffe
Tab. 9.15 Normabmessungen der Flansche für Abflussanschlüsse nach MARPOL Anhang IV,
Regel 10
Beschreibung Abmessung
Außendurchmesser 210 mm
Innendurchmesser Entsprechend dem Außendurchmesser des
Rohres
Die Speicherung von Abwasser an Bord benötigt insofern viel Platz und macht bei
entsprechender Größe ein nicht zu vernachlässigendes Zusatzgewicht für das Schiff aus.
Daher hat sich auf Neubauten von Kreuzfahrtschiffen – neben der Speicherung – mittler-
weile die Abwasserbehandlung durchgesetzt.
602 9 Umweltschutz in der Seeschifffahrt
9.4.5 Abwasserbehandlungsanlagen
Vor dem Hintergrund der vorstehenden Ausführungen drängt sich die Überlegung auf,
die anfallenden Abwässer an Bord so aufzubereiten, dass sie nicht gespeichert, son-
dern in See- oder auch Hafengewässer eingeleitet werden können. Ferner wurde durch
die vorstehenden Ausführungen aber auch deutlich, dass derartige Einleitungen nur von
Schiffskläranlagen aus erfolgen dürfen, die entsprechend zugelassen bzw. zertifiziert sind
(zuständige Institution in Deutschland: BG Verkehr).
9.4.5.1 Installierte Anlagentechnik
Im Folgenden wird aufgezeigt, welche Systeme an Bord zur Anwendung kommen und
inwieweit sie den wasserrechtlichen Anforderungen gerecht werden.
Problematisch für den Bau und Betrieb von Schiffskläranlagen gegenüber den an
Land betriebenen Anlagen sind die Besonderheiten, die das System „Schiff“ mit sich
bringen, wodurch bekannte Verfahren und Technologien der Abwasserreinigung von
Landanlagen nicht einfach 1:1 übertragen werden können.
So sind für ein Schiff andere Bauformen z. B. für Absetz- und Belebungsbecken zu
wählen, als sie im kommunalen Bereich üblich sind – eine offene Behälterbauweise
kommt nicht infrage. Auch wird durch die Eigenbewegungen des Schiffes aufgrund von
Seegang eine ausreichende Absetzrate von Klärschlamm nicht einfach zu erreichen sein.
Dazu kommt das Platzproblem an Bord, was zu kompakten Bauweisen zwingt. Ein wei-
teres Problem, insbesondere für die Bildung einer funktionstüchtigen Biologie, sind ggf.
schwankende Zulaufraten, was durch „geschickte Pumpen- und Belüftersteuerung“ kom-
pensiert werden muss. Ferner sollten die Anlagen einfach zu bedienen sein, da – gerade
im Bereich der Marineschiffe – mit häufig wechselnden Besatzungen gerechnet werden
muss, die evtl. nicht die Zeit haben, sich ausreichend mit einer diffizilen Anlagenfahr-
weise auseinanderzusetzen.50
Um ein sicheres Arbeiten der Abwasseranlage (AWA) mit einer gesunden Biologie
zu gewährleisten, muss diese regelmäßig und sorgfältig gewartet werden. Da der Inhalt
der AWA als Biostoff im Sinne der BioStoffV51 anzusehen ist, sind hier die besonderen
Vorgaben aus dieser Verordnung zu beachten. Hierzu gehören u. a. eine schriftliche
Gefährdungsbeurteilung, eine umfangreiche Unterweisung des Wartungspersonals sowie
die Bereitstellung entsprechender Schutzkleidung.
Bei allen Tätigkeiten mit Biostoffen müssen mindestens die allgemeinen Hygiene-
maßnahmen eingehalten werden. Insbesondere hat der Arbeitgeber dafür zu sorgen,
dass Arbeitsplätze und Arbeitsmittel in einem dem Arbeitsablauf entsprechenden saube-
ren Zustand gehalten und regelmäßig gereinigt werden, Fußböden und Oberflächen von
Zur Desinfektion (Entkeimung) des Abwassers kommen neben dem Einsatz der
Membranfiltration im Wesentlichen die Chlorierung, UV-Licht-Behandlung (Abb. 9.16)
und Ozonisierung zur Anwendung [23, S. 9/6].
Teilweise erfolgt eine mechanische Vorbehandlung (Sieb, Rechenwerk) des
Abwassers. Diese ist bei Verfahren der Membranfiltertechnologie allerdings unerlässlich,
um zu vermeiden, dass die Membran durch Grobstoffe unnötig belastet wird.
Bürstenantrieb
Feinrechenanlage
Siebelement
Rohwasser
Grobstoffsammeltank
Schlammaustrag
Fällungsmittel
Abwasser
Belebungsbecken
See
mechan. Desinfektion
Vorreinigung
Schlammtank
b) Aerobbiologische Verfahren
Nach der mechanischen Vorklärung und ggf. Fällung gelöster Stoffe durch Zugabe von
Fällungsmitteln (was allerdings die Ausnahme im Bereich der Schiffskläranlagen ist)53
erfolgt die biologische Klärung in der sog. Belebungsstufe (vgl. Abb. 9.18). Hier sorgen
unter Luftzufuhr Mikroorganismen mithilfe ihrer Enzymsysteme für eine Umsetzung
organischer Verunreinigungen durch Oxidation zu CO2 und H2O. Die Bakterien sind
bei relativ niedrigen Temperaturen zwischen 5 und 33 °C besonders aktiv, wobei sie in
der Lage sind, chemisch unterschiedliche Verbindungsklassen abzubauen. Die Organis-
men sind in der Belebungsstufe gezwungen, sich auf das schwankende Milieu hinsicht-
lich Temperatur, organischer Fracht und ggf. stoßweiser Zulaufraten durch metabolische
Adaption anzupassen, d. h. sich auf schwankende Betriebszustände einzustellen.
Dabei stellen die Bakterienkulturen Anforderungen an ihre Lebensbedingungen: Der
optimale pH-Bereich liegt zwischen pH 6–8. Ferner muss ein ausreichendes Stick-
stoff- und Phosphatangebot vorliegen, was aber normalerweise durch das Rohwasser in
ausreichender Menge geliefert wird [13, S. 21].
Grundsätzlich wird bei der biologischen Reinigung zwischen dem Belebtschlammver-
fahren und dem Festbettverfahren unterschieden.
Beim Belebtschlammverfahren befindet sich die Biomasse in Schwebe im zu reini-
genden Abwasser und wird über Belüfter mit Sauerstoff versorgt. Dabei durchläuft
das Abwasser die Klärbecken kontinuierlich (Durchlaufbiologie) oder diskontinuier-
lich. Durch die besondere Konstruktion der Belebung (Belüftung) werden Mikroblasen
mit 30–50 μm Durchmesser erzielt. Der Vorteil gegenüber dem Festbettverfahren ist
die hohe Konzentration von Mikroorganismen mit ebenfalls sehr großer Kontaktfläche.
Die „Flocken“ des Belebtschlamms werden vom Abwasser umströmt, gleichzeitig wer-
den der notwendige Sauerstoff und Abwasserbestandteile kontinuierlich durchmischt.
Nachteil: Ohne Belebtschlamm funktioniert die AWA nicht. Wird die Anlage z. B. für
eine Reparatur komplett geleert oder wird bei einer Havarie die Biomasse vernichtet/
abgepumpt, muss neuer Belebtschlamm beschafft werden, um die Anlage wieder neu
„anzuimpfen“.
Beim Festbettverfahren ist die Biomasse als Biofilm auf Bewuchsträgern fixiert.
Dabei entnehmen die Bakterien den benötigten Sauerstoff aus dem sie umströmenden
Wasser. Bei Tropfkörperanlagen besteht der Bewuchsträger aus einer offenen Gitter-
struktur, der Biofilm wird gleichzeitig von Abwasser und Atmosphärenluft umspült.
Abb. 9.19 zeigt eine Belebtschlammanlage. Die Anlage in kompakter Bauweise
besteht aus einem Pufferspeicher und Belebtschlammstufe. Der Feinsiebrechen ist als
externe Komponente der Anlage vorgeschaltet (im Bild nicht zu sehen).
Das weitestgehende Abtöten coliformer Keime kann nach der biologischen
Reinigungsstufe wieder durch Chlor- oder UV-Desinfektion (immer dann, wenn neben
Grauwasser auch Schwarzwasser mit behandelt wird; Abb. 9.18) erfolgen.
Anstelle der Chlor- oder UV-Desinfektion arbeitet die in Abb. 9.19 gezeigte Anlage
mit einer nachgeschalteten Membranfilterstufe (Abb. 9.20), die aufgrund ihrer geringen
Porengröße coliforme Bakterien aus dem Wasser eliminiert.
c) Biomembrantechnologie
Das Verfahren ([28].; s. Abb. 9.21) ähnelt den beiden vorstehend beschriebenen Techno-
logien. Das dreistufige Verfahren ist wie folgt aufgebaut:
Die Anlage besteht im Wesentlichen aus drei Tanksystemen. In der ersten Stufe
erfolgt eine Grobstoffabscheidung durch eine selbstreinigende Feinsiebung mittels
54Die Verfahren unterscheiden sich durch die Porengröße ihrer Membranen: 0,5–0,1 μm ist Mikro-
Hier werden selbst Bakterien und einige Viren zurückgehalten. Im Vergleich: Größe eines
Escherichia-coli-Bakteriums: Stäbchenform mit den Maßen 1,1–1,5 × 2,0–6,0 μm [71].
Treibende Kraft bei der Membranfiltration ist der Differenzdruck zwischen Zulauf und
Ablauf der Membran. Bei dem hier beschriebenen Verfahren mit einer sog. Flachmembran
saugt die Filtratpumpe an der Membran. Im Innern der AWA herrscht atmosphärischer
Druck (kein Druckbehälter, Anlage ist entlüftet). Der Saugdruck liegt bei max. 0,25 bar.
Charakteristisch für die Membranfiltration ist die tangentiale Überströmung der Mem-
bran, die Querstromfiltration oder auch Cross-Flow-Filtration genannt wird. Mit dieser
Strömungsführung wird durch tangential wirkende Kräfte der Aufbau eines Filterkuchens
auf der Membran minimiert, da ein derartiger – wie bei der klassischen Filtration – nicht
gewollt ist. Gänzlich vermeiden lässt sich eine Schichtbildung jedoch nicht. Da die meisten
Mikro- und Ultrafiltrationsmembranen allerdings selbsttragend sind, kann die Reinigung
der Membran z. B. durch eine periodische Rückspülung erfolgen. Die Rückspülung ist
jedoch vom Typ der eingesetzten Membran abhängig und wird nicht von allen Herstellern
empfohlen. So wird in der beschriebenen Anlage nicht rückgespült, sondern ca. einmal
pro Jahr chemisch in situ gereinigt. Das ist möglich, weil die Membrankammer von der
Belebung entkoppelt ist, sodass in diesem Tank mit Chlorbleichlauge gearbeitet werden
kann, um den Biofilm auf der Membranoberfläche abzureinigen.
Die Mikro- und Ultrafiltrationsmembranen werden in Form von Flachmembranen,
Rohrmembranen oder Hohlfasern hergestellt und in Druckrohren eingebaut. Eine
anschlussfertige Einheit aus Druckrohr und Membran wird Modul genannt. Bei der Rei-
nigung von Abwässern kommen i. d. R. Rohrmodule mit einem Rohrdurchmesser von
3–24 mm zum Einsatz [76].
Die Kombination aus Membrantechnologie und Bioreaktor wird allgemein kurz auch
als „ MBR-Verfahren“ bezeichnet.
Im Folgenden wird als Beispiel für diese Abwasserbehandlungstechnologie die in
Abb. 9.21 gezeigte kompakte Anlage „UltraC-2“ näher beschrieben. Sie ist ausgelegt
und von der BG-Verkehr auch zugelassen für eine hydraulische Belastung von 2,7 m3/d
und eine biologische Belastung mit einem BSB5-Wert von 1,9 kg/d. Sie enthält neben
der Verfahrenstechnik die erforderliche elektrische Anlage (Spannungsversorgung
3 × 400 V/50 Hz oder 3 × 460 V/60 Hz), in der u. a. die Anschlussspannung auf 24 V AC
für die Steuerspannung heruntertransformiert wird. Die Anlage ist in der Schutzart IP66
ausgeführt. Mittels Niveauschalter werden die Zu- und Ablaufpumpen geregelt. Bei
Überschreiten definierter Füllstände in den einzelnen Kammern erfolgt ein Alarm.
Tanks und Rohrleitungen sind aus nichtrostendem Stahl gefertigt. Folgende Rohr-
leitungsanschlüsse sind erforderlich:
• Einlauf DN 100,
• Entlüftung DN 100,
• Überlauf DN 25,
• Ablauf DN 25,
• Rückspülung DN 25,
• Entleerung DN 25.
610 9 Umweltschutz in der Seeschifffahrt
Für die Frischwasserzufuhr zur Rückspülung wird ein Wasserdruck von 2–5 bar benötigt.
Biologische und biologisch-physikalische Abwasserbehandlungsanlagen sind empfind-
lich gegenüber der Abwasserqualität. Eine intensive Verwendung von stark wirkenden
Reinigungsmitteln oder der Zulauf von Chemikalien (z. B. Chlor) zerstören die Mikro-
organismen des Belebtschlamms. Eine unzureichende „Fütterung“ mit Organik kann die
Konzentration der Mikroorganismen stark reduzieren, was einen unmittelbaren Einfluss
auf die Wirksamkeit derartiger Anlagen hat [28].
Abb. 9.22 zeigt den prinzipiellen Aufbau einer MBR-Anlage.
Mögliche Störungen, deren Ursachen und Möglichkeiten der Beseitigung an einer
MBR-Anlage werden nachfolgend beschrieben [29]:
• Feinsiebrechenanlage blockiert: Abwasser, das in die Anlage eintritt, kann das Fein-
sieb nicht passieren und wird im Abwasserzulauf zurückgehalten. Der Grobguttank
muss entleert und das Feinsieb gereinigt werden. Bei Bedarf die Bürste austauschen.
• Die Membran ist verstopft: Gereinigtes Wasser kann nicht aus der Anlage abgepumpt
werden. Das Vakuum wird erhöht und der Vakuumschalter stoppt die Filtratpumpe.
Ansonsten würde der Membranfilter beschädigt werden. (Den Membranfilter niemals
zurückspülen!)
Dies kann durch eine schlechte Biologie verursacht werden: Entweder zu wenig oder
zu viel Belebtschlamm.
Qualität des Belebtschlamms überprüfen und, wenn möglich, Maßnahmen zur Ver-
besserung der Belebtschlammqualität vornehmen.
Eine chemische Reinigung des Membranfilters durchführen.
• Die Belüftung funktioniert nicht: Die Belüftung ist entscheidend für das Bakterien-
leben in der MBR-Anlage. Wenn keine Luft bzw. nicht genügend Luft in die Belebt-
schlammstufe gelangt, leidet die Biologie. Das führt zu einer Verschlechterung der
Wasserqualität und damit ggf. auch zu einer Verstopfung der Membranfilter. Wird das
Problem durch ein defektes Gebläse verursacht, dieses reparieren bzw. austauschen.
Ungewöhnliche hohe oder niedrige Luftströme können durch defekte oder ver-
schmutzte Belüftungsrohre verursacht werden. Dies kann durch eine optische
Kontrolle des Aussehens der Blasen auf der Oberfläche der Flüssigkeit in der
Belebungsstufe festgestellt werden. Bei nur wenigen Blasen können die Belüftungs-
rohre verstopft sein. Steigen sehr große Blasen auf, kann das auf beschädigte
Belüftungsrohre hinweisen. Für eine detaillierte Überprüfung der Belüftungsrohre
ist der Aktivierungsbehälter zu leeren und die Belüftungsrohre durch Demontage der
Flansche sind auszubauen. Ggf. durch neue Rohre ersetzen.
• Die Umwälzpumpe arbeitet nicht: Solange die Umwälzpumpe nicht funktioniert, wird
der Membrantank nicht mit „frischem“ Belebtschlamm beliefert, die Flüssigkeit im
Membrantank dickt ein. Ergebnis: Entweder verstopft die Membran oder sie fällt tro-
cken – das beschädigt sowohl den Membranfilter als auch die Filtratpumpe.
• Die Filtratpumpe arbeitet nicht: Die Füllstandshöhe der Wasserstände in der AWA
wird über die Filtratpumpe gesteuert. Wenn der Flüssigkeitsstand ein High Level
9.4 Abwassermanagement 611
erreicht, beginnt die Filtratpumpe das gereinigte Wasser aus der Anlage abzupumpen
(über den Membranfilter). Wenn die Filtratpumpe den Apparat nicht entleeren kann,
steigt der Flüssigkeitsstand bis zum Füllstandsalarm „Hoch“ an, was dazu führt, dass
der Abwasserzulauf geschlossen wird. Daher muss die Anlage bei nicht funktionieren-
der Filtratpumpe im Bypass gefahren werden.
• Die Belebtschlammmenge ist zu hoch: Gefahr des Verstopfens der Membran! Ord-
nungsgemäße Anlagenfunktion sicherstellen. Richtige Balance zwischen Belebt-
schlammgehalt und Wassergehalt finden. Um die Schlammmenge zu reduzieren, über
die Schlammpumpe ein bestimmtes Schlammvolumen abpumpen. Achtung: Nicht die
komplette Anlage leerfahren! Es empfiehlt sich, den Filtratbehälter zu entleeren und
mit sauberem Wasser wieder aufzufüllen. Auf diesem Weg wird genügend Schlamm
entfernt, der verbleibende Schlamm im Inneren der Anlage wird ausreichend verdünnt.
Weitere Möglichkeit: Membrantank durch einfaches Neustarten der Zirkulation wie-
der füllen. Auf diese Weise wird der Membrantank mit Belebtschlamm aus dem
Aktivierungstank gefüllt. Die verbleibende Flüssigkeit wird durch Zulauf von „frischem“
Abwasser ausreichend verdünnt.
• Das Filtrat ist weder klar noch sauber: Beschädigung des Membranfilters; ersetzen.
Vor Auswechseln der Membran jeden Rohranschluss/Schlauchanschluss der Filtrat-
linie im Inneren der Anlage überprüfen. Eine fehlerhafte Verbindung kann ebenso zu
unsauberem Filtrat führen.
• Hohe Schaumbildung in der Anlage: Schaum ist eine Reaktion der Anlagenbiologie
auf Zufuhr stark verschmutzten Wassers (z. B. Reinigungschemikalien) oder hohe
Spitzenbelastungen. Die Belüftung unterstützt den Schaumaufbau, daher kurzzeitig
abschalten. Achtung: Ohne Belüftung über längere Zeit verliert die Biologie ihre
Fähigkeit, das Abwasser zu katabolisieren.
• Es treten zahlreiche High-Level-Alarme auf: High-Level-Alarme können verursacht
werden durch:
– Spitzenbelastung der Abwasserzuläufe,
– zu hohen Abwasserzulauf,
– zu geringen Ablauf über die Filtratpumpe,
– schwere Schiffsbewegungen,
– verschmutzte Sensoren,
– Schaumbildung.
Alarme, die durch Spitzenbelastungen oder zu großem Abwasserzulauf verursacht
werden, sollten nicht oft auftreten; wenn doch, dann liegt die Ursache i. d. R. nicht
in der Anlage selbst. Vielmehr ist häufig ein zu geringer Filtrataustrag der Grund: Ein
Defekt der Filtratpumpe kann hier ursächlich sein. Daher: Überprüfen und bei Bedarf
ersetzen.
Ebenso kann starke Schiffsbewegung aufgrund von Seegang die Flüssigkeit in der
Anlage in kräftige Bewegung versetzen. So kann es passieren, dass der Alarmpegel-
sensor als Reaktion auf das bewegte Wasser in der Anlage einen zu hohen Pegel erfasst,
obwohl die Anlage einwandfrei arbeitet.
612 9 Umweltschutz in der Seeschifffahrt
Auch können verschmutzte Sensoren falsche Signale senden. In dem Fall Sensor aus-
bauen, reinigen und wieder einbauen.
Übermäßige Schaumbildung kann dazu führen, dass die Sensoren Flüssigkeit
detektieren, wo es keine gibt.
9.5 Bilgenwasserbehandlung
Als Bilge wird der unterste Raum auf einem Schiff bezeichnet. In der Bilge sammelt sich
das in den Schiffsrumpf eingedrungene Wasser aus Havarien und Leckagen sowie auch
Kondenswasser mit diversen Verunreinigungen (insbesondere Kohlenwasserstoffen).
Dieses Wasser nennt man Bilgenwasser. Bei Schiffen mit Motorantrieb ist in der Regel
die Antriebsmaschine mit einer eigenen Bilge, der Motorbilge, ausgestattet.
Die anfallende Menge an Bilgenwasser ist von der Art und Größe, aber auch vom
Zustand und Alter der Schiffe abhängig. Die IMO rechnet im Mittel mit ca. 2–3 cbm
pro Schiff und Tag [20, S. 730].
Das Bilgenwasser darf nur dann auf See abgepumpt werden, wenn es über einen
zugelassenen Bilgenwasserentöler geleitet wurde.
Rechtliche Grundlage für die Einleitung von Bilgenwasser auf See sowie für den Auf-
bau geeigneter Bilgenentöler ist die Resolution MEPC.107(49) der IMO. Daraus folgt,
dass innerhalb der 12-sm-Zone Bilgenwasser mit einem Ölgehalt von max. 15 ppm
(= 15 Gramm Öl pro 1000 L Bilgenwasser) eingeleitet werden darf. In Sondergebieten
liegt der Grenzwert bei 5 ppm (vgl. auch MARPOL Anlage I).
Ein Problem bei der Behandlung von Bilgenwasser ist dessen stets unterschied-
liche und nur schwer vorhersehbare Zusammensetzung. Neben reinen Mineralölen und
Synthetikölen gibt es Verunreinigungen durch feste Schmutzpartikel, die die Reinigung
erschweren. Folgende Stoffe können als Schwitz-, Leck- oder Waschwasser in unter-
schiedlichen Anteilen im Bilgenwasser vorhanden sein [14]:
• Brennstoffe,
• Schmieröle,
• Hydrauliköle,
• Wasserzusätze (hauptsächlich für Kühl- und Kesselwasser),
• Lösemittel,
• Kältemittel,
• Kaltreiniger,
• diverse andere Schmutzteile (z. B. Rost, Sand, Farbreste, Metallabrieb).
614 9 Umweltschutz in der Seeschifffahrt
Zur Entsorgung des Bilgewassers bieten sich zwei Verfahren an: In der Binnenschiff-
fahrt erfolgt die Sammlung des Bilgewassers in einem Tank an Bord, bis es von einem
Bilgenölentsorgungsboot gelenzt (abgepumpt) wird. Das Bilgewasser wird anschließend
direkt auf dem Entsorgungsboot in Wasser und Altöl getrennt. Das Wasser wird nach Fil-
terung wieder dem Gewässer zugeführt, während das Altöl in Tanks gesammelt und spä-
ter an Abgabestellen zur weiteren Entsorgung an Land abgeliefert wird.
Das zweite Verfahren der Bilgewasserentsorgung ist die Behandlung an Bord in
Bilgenwasserbehandlungsanlagen. Dieses Verfahren wird auch an Bord der Bilge-
nölentsorgungsboote angewendet, ist aber in der Seeschifffahrt unumgänglich. Das
Wasser mit einem Restölgehalt von max. 15 ppm (entsprechend der IMO-Resolution
MEPC.107(49)), bzw. 5 ppm in einigen Sondergebieten, kann ins Meer geleitet werden,
während der Ölschlamm entweder mit dem Schweröl in der Antriebsmaschine verbrannt
oder in einer Ölschlammverbrennungsanlage an Bord verbrannt wird bzw. an Land ent-
sorgt werden muss.
9.5.1 Bilgenwasserbehandlungsanlagen
Die einfachste Art der Trennung von Öl-Wasser-Gemischen ist die auf den unterschied-
lichen Dichten beruhende Phasentrennung – die Schwerkraftabscheidung: Die mit
geringerer Dichte als Wasser in der Emulsion enthaltenen Öl- oder auch Kraftstoff-,
Kaltreiniger- und ähnliche Tröpfchen werden entsprechend ihres Auftriebs abgeschieden.
Der Auftrieb entspricht dem Gewicht der verdrängten Flüssigkeitsmenge. Je größer
diese also ist, desto stärker ist auch der Auftrieb. Unter der idealisierten Annahme kugel-
förmiger Öltropfen und vernachlässigbarer Reibung ergibt sich nach dem Stok’schen
Gesetz eine quadratische Abhängigkeit der Auftriebsgeschwindigkeit von dem Tropfen-
durchmesser (vA ~ d2). Das bedeutet, dass eine Verdoppelung der Tropfengröße eine
vierfach höhere Auftriebsgeschwindigkeit zur Folge hat. Es folgt auch, dass bei einer
Verkleinerung der abzuscheidenden Tropfen um die Hälfte die Verweilzeit im Absetz-
becken vervierfacht bzw. die Durchflussleistung auf ein Viertel reduziert werden muss.
Im einfachsten Fall der Schwerkraftabscheidung wird das Gemisch in einen Tank
gepumpt, wo sich das relativ leichtere Öl und andere Stoffe an der Oberfläche sam-
meln und abgeskimmt werden können; das weitestgehend ölfreie Wasser kann im unte-
ren Bereich des Tanks abgezogen werden. Die Grenzen dieses Verfahrens liegen in der
für eine Trennung notwendige Dichtedifferenz begründet; diese muss mindestens 15 %
betragen. Bei geringeren Dichteunterschieden oder auch bei sehr kleinen Öltröpfchen
erfolgt keine klare Trennung in eine Öl- und Wasserphase. Bei kleinen abzuscheidenden
Tropfen ist die Verweilzeit aufgrund der geringen Auftriebsgeschwindigkeit relativ lang.
Hier gewinnt das Koaleszenzverfahren Bedeutung. Auch dieses beruht darauf,
dass die relativ leichtere Phase flüssiger Kohlenwasserstoffe zur Oberfläche auf-
steigt. Im Koaleszenzabscheider wird erreicht, dass solch kleine Tröpfchen, die unter-
halb der kritischen Größe für die Abscheidung im Schwerefeld liegen, zu größeren
9.5 Bilgenwasserbehandlung 615
Tropfen zusammenfließen und somit abgeschieden werden können. Dazu wird das
Öl-Wasser-Gemisch durch – je nach Hersteller – verschiedenartig ausgestaltete Ein-
bauten im Koaleszenzabscheider geleitet. Durch die veränderte Strömungsführung wird
ein vermehrter Kontakt zwischen kleinsten Tröpfchen und somit ein Zusammenfließen
ermöglicht. Gleichzeitig lagert sich Öl an den Einbauten, z. B. Wellen- oder Winkel-
profilen, ab. Durch Öffnungen im oberen Bereich der Profile können abgeschiedene
Kohlenwasserstoffe zu der nächsten Profilreihe aufsteigen und auf ihrem Weg wei-
tere Tropfen „einfangen“. Durch einen geringen Abstand der einzelnen Profile – und
die entsprechend geringe Steighöhe – werden Öltropfen schneller abgeschieden als in
einem großen Behältnis ohne Einbauten. Zur Feinabscheidung können alternativ auch
sog. Festbetten verwendet werden. Diese können z. B. aus Kunststoffschäumen, -vlie-
sen oder Granulat bestehen.
Im Dom des Abscheiders sammelt sich die leichtere Kohlenwasserstoffphase und
kann abgezogen werden [14].
Die Abtrennung der Öl- und Feststoffpartikel aus dem Bilgenwasser ist umso
anspruchsvoller, je stärker diese Partikel mit dem Wasser eine stabile Emulsion bzw.
Suspension bilden. Die Struktur und Stabilität dieser Emulsionen und Suspensionen
spielt folglich bei der Bilgenwasseraufbereitung eine bedeutende Rolle.
Emulsion wird definiert als eine Mischung zweier unvermischbarer Flüssigkeiten.
Eine Öl-in-Wasser-Emulsion enthält kleine Öltropfen, die in einer zusammenhängenden
Wasserphase verteilt sind. Als Suspension bezeichnet man eine Mischung, in der Fest-
stoffpartikel in der zusammenhängenden Wasserphase enthalten sind.
Emulsionen entstehen, wenn kleine Tropfen der einen Flüssigkeit (Nebenphase) in
der anderen Flüssigkeit (Hauptphase) unter Druck eingeschlossen werden, zum Beispiel
bei Pumpvorgängen oder dem Drosseln von Ventilen. Kleine Öltropfen verschmelzen in
Wasser normalerweise zu größeren Tropfen, da Öl nicht wasserlöslich ist.
Im Bilgenwasser enthaltene Tenside, wie zum Beispiel Reinigungsmittel, Seifen oder
andere oberflächenaktive Verbindungen, tragen noch zur Stabilisierung der kleinen Trop-
fen bei. Das macht die Abtrennung schwierig.
Um den heute geforderten Ölgehalt von max. 15 ppm im Bilgenwasser sicher einzu-
halten, erfolgt daher die Bilgenwasserentölung in der Regel als Kombination der zwei
Prinzipien „Abscheidung durch Schwerkraft“ und „Vereinigung kleinster Tröpfchen zu
größeren“ (Koaleszenz). Der Mindestdurchsatz der Bilgenwasserentöler ist abhängig von
der Schiffsgröße ([5, Anhang 1]; vgl. Tab. 9.16).
Mindestdurchsatz <400 BRZ 400 BRZ bis 1600 BRZ bis 4000 BRZ bis ≥15.000 BRZ
bzw. Mindestinhalt <1600 BRZ <4000 BRZ <15.000 BRZ
15-ppm-Anlage für Sonder- m3/h 0,25 0,5a 1,0 2,5 5
gebiete bestehend aus
• 15-ppm-Anlagec
• 15-ppm-Alarmb
• Stoppeinrichtung
Schlammtanksd m3 2 % des Gesamtinhaltes aller Brennstofftanks in m3
Bilgenwasserhaltetankse, f m3 – – 2 6 15
Lecköltanksf m3 1 1 1 1,5 2,5
Schmutzöl- u. Altöltanksf, g m3 1 2 3 8 10
Abgabeleitung an Land – 1 Landanschluss auf Bb.- od. Stb.-Seite od. mittschiffs des 2 Landanschlüsse auf Bb.- u. Stb.-Seite des Haupt-
Hauptdecks nach MARPOL 73/78, Anlage I, Regel 13 decks nach MARPOL 73/78, Anlage I, Regel 13
aBei Anwendung der MARPOL-Regel 14(5) ist ein Bilgenwasserhaltetank von ca. 1,5 m3 vorzuhalten
Legende zu den „Baulichen Maßnahmen zur Verhütung der Meeresverschmutzung durch Öl“
b15-ppm-Alarm = Ölgehaltsmessgerät mit Alarmeinrichtung 15 ppm; Stoppeinrichtung = automatische Beendigung der Einleitung von Öl-Wasser-Gemischen
cDie Ausrüstungstabelle ist so angelegt, dass alle Schiffe mit 15-ppm-Anlagen für Sondergebiete auszurüsten sind. Damit ist die Forderung gemäß MARPOL
öltank um bis zu 30 % der festgelegten Tankvolumen vermindert werden. Der Mindestdurchsatz dieser Verbrennungsanlage muss 1 % des täglichen Brenn-
stoffverbrauchs betragen
eBilgenwasserhaltetanks sind vorzusehen, wenn die Dichte des Brennstoffes höher als 0,94 liegt, d. h. bei Schwerölbetrieb
fWerden die Tanks nach den Inhalten der Tab. 9.16 ausgelegt, so sind die Bedingungen der IMO-Richtlinien für Systeme zur Behandlung ölhaltiger Abfälle in
Maschinenräumen von Schiffen (Guidelines for systems for handling oily wastes in machinery spaces of ships incorporating guidance note for an integrated
bilge water treatments system (IBTS)), MEPC.1/Circ. 511 vom 18.04.2006 erfüllt
gWenn ein vollständiger Austausch des Schmieröls auf See für Haupt- und Hilfsdieselmotoren vorgesehen ist, so ist die Größe der Tanks – abweichend von
den Werten der Tabelle – mindestens mit 1,5 m3 für eine Maschinenleistung von je 1000 kW auszulegen
Umweltschutz in der Seeschifffahrt
9.5 Bilgenwasserbehandlung 617
1. Schwerkraftabscheidung,
2. Koaleszenzabscheidung und
3. ein Filtersystem.
Die Anlage kann entweder im manuellen oder automatischen Modus betrieben werden.
Die erste Stufe ist die Schwerkrafttrennstufe. Bis zu 100 % Öl kann in der ersten Stufe
ohne Unterbrechung für eine Rückspülung vom Wasser getrennt werden.
Die Ölwassertrennung wird durch einen speziellen Einlauf in den Apparat begünstigt,
wodurch ein Hydrozykloneffekt entsteht.
Die zweite Stufe ist die Koaleszenzstufe. Verbliebene feinste Öltröpfchen werden hier
vom Wasser getrennt. Die Koaleszenzeinheit besteht aus einem öl- und säurebeständigen
Polyetherschaum, der durch eine automatische Rückspülung gereinigt wird. Abhängig
von den Betriebsbedingungen kann die Lebensdauer dieser Einheiten zwischen 2 und
5 Jahren liegen. Das abgetrennte Öl wird durch eine Messung detektiert und automatisch
durch Ablassventile ausgeschleust.
Die erste und zweite Stufe dieses Apparates arbeiten ohne jegliche bewegliche Kom-
ponenten.
Die dritte Stufe ist die Emulsionsbrechstufe (Emulsionsspaltung).
Die Öl-Wasser-Emulsion muss spezielle Filter mit einer hydrophoben Oberfläche
durchlaufen. Diese Filter sind für Wasser durchlässig, Ölpartikel werden zurückgehalten.
Nach dem Bestehen des „15-ppm-Alarms“ (kann auf 5 ppm reduziert werden) wird das
behandelte Wasser nach außenbords gegeben. Die Lebensdauer der Filtereinsätze beträgt
ca. 2 Jahre.
Da sich das Trennsystem auf der Druckseite der Systempumpe befindet, gibt es keine
Einschränkung der Saughöhe. Wenn die Saughöhe mehr als 6 m beträgt, kann die Pumpe
separat in einer tieferen Position installiert werden.
Verfahrensbeschreibung
Das ölhaltige Wasser aus Bilge oder Bilgenwassersammelbehälter (From Bilge) wird
über eine Pumpe (Transfer Pump) in die 1. Stufe (1st Stage) geführt, die Grobtrennstufe
(Hydro Cyclone Stage; Abb. 9.25; [27]).
Das Einlassrohr ist wie ein Hydrozyklon gestaltet, welches das Bilgenwasser in
Rotation versetzt. Das leichtere Öl bewegt sich in die Mitte des Tanks, wo es von einer
Leitfähigkeitselektrode detektiert wird (N1.1). Diese Elektrode misst den elektrischen
Widerstand von Öl und Wasser zwischen Sensoren (A,B,C) im oberen Behälterbereich.
Wasser ist ein guter elektrischer Leiter, während der elektrische Widerstand des Öls
gegen ∞ geht. Das heißt, wenn die beiden Sensoren von Öl umgeben sind, kann kein
elektrischer Strom zwischen ihnen fließen. Dieses Signal wird vom Erfassungsrelais
übernommen. Das Ventil zum Ausschleusen von Öl wird geöffnet (V1). Während V1 zum
Ausschleusen von Öl geöffnet ist, bleibt V3 geschlossen.
9.5 Bilgenwasserbehandlung 619
Abb. 9.25 Prinzip Bilgenwasserentölung mit Ocean Clean EB. (Grafik: Fa. Ocean Clean GmbH,
Rostock)
Solange der besagte Sensor der 1. Stufe kein Öl detektiert, ist das Auslassventil V1
geschlossen. Die Öl-Wasser-Emulsion strömt von unten durch den Koaleszenzeinsatz
(2nd Stage) nach oben und bildet größere Öltropfen durch Zusammenfließen kleins-
ter Öltropfen. Hier abgetrenntes Öl wird vom Sensor N2.1 (nach dem gleichen Prinzip
arbeitend, wie vorstehend beschrieben) erkannt und durch Auslassventil V2 abgelassen.
Eine Rückspülung des Koaleszenzabscheiders (Flushing) mit Meer- oder Süßwasser
erfolgt automatisch. Der Druck der Rückspülwasser wird mittels eines Druckregelventils
geregelt, das auf 2 bar eingestellt werden soll.
Nach dem Passieren der 1. und 2. Stufe strömt das verbleibende vorentölte Wasser
durch die Emulsionsbrech- und Filterstufe (3rd Stage, Emulsion Breaker & Polishing
Stage), die in Serie geschaltet sind. Das saubere Wasser – frei von Öl und Emulsionen –
wird dann über das Ventil V6 nach außenbords gegeben (Overboard Discharge).
Zwischen der letzten Filtersäule und dem Auslass befindet sich eine Bypassleitung
zurück zur Bilge bzw. dem Bilgenwassertank (Return Pipe to Tank). Der 15-ppm-Alarm
detektiert ständig den Ölanteil (Messuring Cell) im Abfluss; sobald dieser auf mehr als
15 ppm ansteigt, wird das Auslassventil V6 geschaltet. Es schließt, die Abgabe nach
außenbords wird gestoppt und das Wasser fließt über die Bypassleitung zurück zur Bilge
bzw. dem Bilgenwassertank (Return Pipe to Tank).
620 9 Umweltschutz in der Seeschifffahrt
In der oberen Beruhigungszone des Entölers sammelt sich das abgeschiedene Öl. Eine
Sensorelektrode misst das angesammelte Ölniveau. Sobald eine vorgegebene Menge Öl
angesammelt ist, werden durch die Niveauautomatik das Ölablassventil und das Spül-
wassereintrittsventil geöffnet, damit das vorhandene Öl durch den Spülwasserdruck zum
Ölsammeltank abgesteuert wird. Nach der Absteuerung beginnt der Rückspülvorgang.
Mit sauberem Wasser wird der Hochleistungskoaleszer rückgespült.
Entölungsintervall und Spülzyklus sind so abgestimmt, dass der OWS-COM weit-
gehend wartungsfrei arbeitet.
Das Entölersystem ist mit einem 15-ppm- (wahlweise auch 5-ppm-)Öl-Alarmmonitor
OMD ausgerüstet. Das Gerät ist entsprechend der IMO Resolution MEPC.107(49) getestet.
Abb. 9.27 zeigt die Bauteilübersicht einer OWS-COM-Anlage, Abb. 9.28 zeigt ein
Installationsschema für Bilgenwasserentöler. Einzelheiten, insbesondere Rohrleitungs-
querschnitte und erforderliche Flanschverbindungen, sind den jeweiligen Hersteller-
angaben zu entnehmen.
9.5 Bilgenwasserbehandlung 623
9.6 Ballastwasserbehandlung
9.6.1 Einführung
Am 21.08.2014 ist die „Verordnung über das umweltgerechte Verhalten in der Seeschiff-
fahrt (See-Umweltverhaltensverordnung – SeeUmwVerhV)“ in Kraft getreten. Diese
Verordnung regelt Anforderungen an das umweltgerechte Verhalten in der Schifffahrt
sowie die Ahndung von Verstößen gegen das umweltgerechte Verhalten, insbesondere
auch von Verstößen gegen Vorschriften des Ballastwasserübereinkommens (s. § 1 See-
UmwVerhV).
§ 18 der Verordnung regelt das Einleiten von Ballastwasser. Nach Abs. 1 ist das Ein-
leiten von Ballastwasser ins Meer ist verboten, soweit nicht ein Ballastwasseraustausch
nach Regel D-158 oder eine Behandlung nach Regel D-2 erfolgt oder in den Fällen des
Artikels 9 Absatz 3 oder des Artikels 10 Absatz 2 oder 3 des Ballastwasserüberein-
kommens das BSH auf Antrag eine Erlaubnis erteilt hat.
In diesem Zusammenhang wird auf die Übergangsregel B-3 des Ballastwasser-
übereinkommens verwiesen [53]:
Ein vor 2009 gebautes Schiff
1. Schiffe, die den Austausch von Ballastwasser nach dieser Regel durchführen, müssen
dabei einen Wirkungsgrad von 95 vom Hundert der nach dem Volumen gemessenen
Menge an ausgetauschtem Ballastwasser erreichen.
2. Bei Schiffen, die das Ballastwasser mit der Methode des Durchpumpens austauschen,
wird ein dreimaliges Durchpumpen des Volumens jedes Ballastwassertanks als der in
Absatz 1 genannten Norm entsprechend angesehen. Ein weniger als dreimaliges Durch-
pumpen kann akzeptiert werden, sofern das betreffende Schiff nachweisen kann, dass 95
vom Hundert der nach dem Volumen gemessenen Menge ausgetauscht worden ist.
Die Regel D-2 Norm für die Zusammensetzung des Ballastwassers beschreibt folgendes
Verfahren:
1. Schiffe, die eine Behandlung von Ballastwasser nach dieser Regel durchführen, müs-
sen weniger als 10 lebensfähige Organismen je Kubikmeter mit einer Größe von min-
destens 50 μm und weniger als 10 lebensfähige Organismen je Milliliter mit einer
Größe von weniger als 50 μm und mindestens 10 μm abgeben; außerdem darf die
Abgaberate der Pilotmikroben im Sinne von Absatz 2 die angegebenen Konzentratio-
nen nicht überschreiten.
2. Zu den in der angegebenen Konzentration als für die menschliche Gesundheit
unbedenklich geltenden Pilotmikroben gehören die nachstehend genannten:
• toxigene Vibrio cholerae (O1 und O139) in einer Konzentration von weniger als cfu60
je 100 ml oder von weniger als 1 cfu je 1 g Zooplankton (Nassgewicht),
• Escherichia coli in einer Konzentration von weniger als 250 cfu je 100 ml,
• Darmenterokokken in einer Konzentration von weniger als 100 cfu je 100 ml.
Aus dem Vorstehenden ist ersichtlich, dass zurzeit zwei Verfahren des Ballastwasser-
managements gängig sind: der Ballastwasseraustausch und die Ballastwasserbehandlung
an Bord.
60Die Abkürzung „cfu“ steht für „koloniebildende Einheit“ (engl. „colony-forming unit“).
626 9 Umweltschutz in der Seeschifffahrt
9.6.2 Ballastwasseraustausch
9.6.3 Ballastwasserbehandlung
Die Herausforderung besteht darin, dass die Anlagen – die hohe Anforderungen nach den
oben genannten D-2-Regeln in Bezug auf die Abscheidung bzw. Abtötung von Organis-
men erfüllen müssen – hohe Wasserdurchsätze (im Bereich von 200–5000 m3/h) auf-
weisen müssen und gleichzeitig sehr kompakt aufgebaut und robust sein müssen [66].
Generell muss eine hohe Betriebssicherheit gewährleistet werden. Membranfilteranlagen,
welche eine Rückhaltung aller relevanten Organismen sicherstellen könnten (wie bei der
Trinkwasseraufbereitung oder Abwasserbehandlung), werden bei dem geforderten Durch-
satz den Anforderungen in Bezug auf den Platzbedarf nicht gerecht. Daher kommen Filter
bis hinab zu einer Trenngrenze im Bereich zwischen 20 und 60 μm zum Einsatz. Die
damit nicht abgeschiedenen Organismen müssen durch zusätzliche Maßnahmen abgetötet
werden. Daher beinhaltet eine Anlage zur Ballastwasseraufbereitung in der Regel zwei
wesentliche Stufen: 1. Eine mechanische Separationsstufe zur Abtrennung von Mikro-
organismen und Sedimenten mit einer Trenngrenze im Bereich von 20–50 μm und
2. eine Desinfektionsstufe zur Abtötung von Mikroorganismen, welche in der ersten Stufe
nicht abgeschieden werden. Die Festlegung der Trenngrenze der ersten Stufe gleicht einer
Gradwanderung, da eine kleine Trenngrenze die Abscheidung verbessert, jedoch den auf
die Filterfläche bezogenen Durchsatz verringert. Dieser wird auch wesentlich von einer
Ablagerungsschicht auf dem Filtermittel beeinflusst. Kleine Trenngrenzen erfordern
daher in der Regel eine große Filterfläche, wodurch eine bestimmte Baugröße nicht unter-
schritten werden kann. Eine Möglichkeit, die Filterfläche zu minimieren, besteht in der
sorgfältigen Auswahl des Filtermittels und in seiner periodischen Reinigung. Diese Opti-
mierung ist eine anspruchsvolle Entwicklungsaufgabe.
In der zweiten Stufe können physikalische oder chemische Entkeimungsverfahren zur
Anwendung gelangen. Eine rein physikalische Aufbereitung liegt in dieser Stufe vor, wenn
eine UV-Oxidation zum Einsatz kommt. Diese kann gegebenenfalls in Verbindung mit
Ultraschall oder einer biozid wirkenden Substanz noch verstärkt werden. Es kann, z. B.
ähnlich wie bei anderen Verfahren zur Wasserreinigung auch, Ozon eingesetzt werden. Die-
ses hat den Vorteil, dass es die Umwelt nicht belastet und vor Ort erzeugt werden kann [35].
Als physikalisches Verfahren wird heute überwiegend die UV-Bestrahlung des
Ballastwassers eingesetzt. Hierbei wird eine UV-Entkeimungseinheit vom Ballastwasser
9.6 Ballastwasserbehandlung 627
Desinfektionsreaktor
Filtereinheiten
Beschreibung Filterstufe
Die Filtereinheit besteht in der Regel aus einem Filterelement mit Maschenweiten
von 20–40 μm in Edelstahl oder Duplex, um suspendierte Feststoffe und Zooplankton
zurückzuhalten. Eine automatische Rückspülung des Filters wird durch einen Druck-
schalter vorgenommen, der bei einem eingestellten Differenzdruck auslöst.
Der Filter kann horizontal oder vertikal installiert werden, je nach zur Verfügung ste-
hendem Raum.
Bypassleitung
See
630 9 Umweltschutz in der Seeschifffahrt
Literatur
Printmedien
61Spektrum des UV-Lichts mit einer Wellenlänge zwischen 100 und 280 nm.
Literatur 631
42. Thomé-Kozmiensky, K.J., Borchers, H.-W., Faulstich, M.: Maßnahmen zur Schadstoff-
reduzierung bei der Abfallverbrennung. In: Müllverbrennung und Umwelt, 2. Aufl. EF-Verlag
für Energie- und Umwelttechnik, Neuruppin (1991)
43. Verband der chemischen Industrie (VCI): Chemie und Umwelt – Wasser. Verband der chemi-
schen Industrie (VCI), Frankfurt a. M. (1982)
44. Verein Deutscher Ingenieure: VDI-Richtlinie „Abgasreinigung durch Adsorption; Prozessgas-
und Abgasreinigung“ – VDI 3674. VDI, Düsseldorf (1998)
45. Verein Deutscher Ingenieure: VDI-Richtlinie „Massenkraftabscheider“ – VDI 3676. VDI,
Düsseldorf (1999)
46. Witthöft, H.-J.: Köhlers Flottenkalender. Koehlers, Hamburg (2015)
47. Witthöft, H.-J.: Köhlers Flottenkalender. Koehlers, Hamburg (2017)
48. Witte, U.: Steinmüller Taschenbuch Dampferzeugertechnik. Vulkan-Verlag, Essen (1984)
Internet
49. Köster, S., Westhof, L., Keller, L.: Stand der Technik der Abwasserreinigung an Bord von
Kreuzfahrtschiffen“, Fachberichte Abwasserreinigung. https://www.gwf-wasser.de/fileadmin/
GWF/01_fb_Koester.pdf (2016). Zugegriffen: 2. Apr. 2017
50. https://www.bielefeld.de/de/un/stadtreinigung/wertabfall/wert/in/. Zugegriffen: 22. März 2017
51. http://www.bmu.de/redenarchiv/14/altmann/doc/1876.php. Zugegriffen: 3. Apr. 2017
52. http://www.bsh.de/de/Meeresdaten/Umweltschutz/Ballastwasser/index.jsp. Zugegriffen: 16. März
2017
53. http://www.bsh.de/de/Meeresdaten/Umweltschutz/Ballastwasser/G-Ballastwasser.pdf.
Zugegriffen: 16. März 2017
54. http://www.bsh.de/de/Schifffahrt/Sportschifffahrt/Berichtigungsservice_NfS/Schifffahrtsvor-
schriften/2012/Beilage46-2012-172.pdf. Zugegriffen: 20. Apr. 2017
55. http://www.bund.net/lab/reddot2/eu_umweltpolitik.htm. Zugegriffen: 27. März 2017
56. http://www.cargoforum.de/seefracht/dictionary/f_d.htm. Zugegriffen: 19. März 2017
57. http://www.dammann.de/Produkte/Produktfamilie/Umweltschutz/Luftreinhaltung/Flour-Kas-
kaden-Absorber. Zugegriffen: 24. März 2017
58. http://www.daserste.de/information/wissen-kultur/w-wie-wissen/sendung/2010/umweltfreund-
liche-schiffe-100.html. Zugegriffen: 17. März 2017
59. http://www.deutsche-flagge.de/de/umweltschutz/marpol/abwasser. Zugegriffen: 29. März 2017
60. https://www.dieselnet.com/standards/inter/imo.php. Zugegriffen: 18. März 2017
61. http://www.energiewelten.de/elexikon/lexikon/seiten/htm/010607_Rauchgasentschwefelung_
in_Verbrennungskraftwerken.htm. Zugegriffen: 24. März 2017
62. http://www.fh-bochum.de/fb2/personen/bracke/flaechenentwicklung/leistungsbuch_bodenluft-
behandlung.pdf. Zugegriffen: 23. März 2017
63. http://www.gutmbh.de/AktivkohleVortrag3.htm. Zugegriffen: 26. März 2017
64. http://www.gutmbh.de/AktivkohleVortrag4.htm. Zugegriffen: 23. März 2017
65. http://www.gutmbh.de/AktivkohleVortrag5.htm. Zugegriffen: 23. März 2017
66. https://hochhaus-schiffsbetrieb.jimdo.com/ballastwassermanagement-264/. Zugegriffen: 21. Apr.
2017
67. http://www.imo.org/en/OurWork/environment/pollutionprevention/airpollution/pages/nitro-
gen-oxides- (nox)-regulation-13.aspx. Zugegriffen: 18. März 2017
68. http://www.jacob-rohre.de/berechnu/abwei10/abweich1.htm. Zugegriffen: 27. März 2017
69. http://www.patent-de.com/20030313/DE19613376C2.html ; Abrufdatum 23. März 2017
Literatur 633
1http://www.deutsche-flagge.de/de/download/bau-und-ausruestung/neu-und-umbau/uebersicht/
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 635
M. Pfaff, Schiffsbetriebstechnik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-27052-0
636 Tabellen, Diagramme und Übersichten
A.2 Werte für die Dichte von Seewasser in kg/m3 für überschlägige
Berechnungen
Süßwasser ≈1000
Ostseewasser bis zu 1015
Nordseewasser bis zu 1025
Rotes-Meer-Wasser bis zu 1044
Kaspisches-Meer-Wasser bis zu 1060
Großer Salzsee (USA) bis zu 1230
Totes-Meer-Wasser bis zu 1278
638 Tabellen, Diagramme und Übersichten
Megi® - Puffer
Megi® - Schienen
Megi® - Maschinenfüße
Megi® - Konen
2Quelle: sd-dresden.de.
Tabellen, Diagramme und Übersichten 639
Megi® - Lager
Megi® - U-V-W-Teile
Megi® - Ringelemente
Area classification
A B C
mm/s 2 mm/s mm/s 2 mm/s mm/s 2 mm/s
Values above which adverse comments 143 4 214 6 286 8
are probable
Values below which adverse comments 71,5 2 107 3 143 4
are not probable
OTE The zone between upper and lower values reflects the shipboard vibration environment
N
commonly experienced and accepted
Bereichsklasse A Passagierkabinen
Bereichsklasse B Mannschaftsunterkünfte
Bereichsklasse C Maschinen- und Arbeitsbereiche
Richtwerte für bewertete Schwingstärken in mm/s2 und mm/s auf Fußböden und
Flurplatten
Die Richtwerte in KB gemäß der VDI-Richtlinie 2057, Stand 24.10.1987, sind in Klam-
mern dargestellt. Hinweis: Die Richtwerte in der KB-Bewertung entsprechen den Werten
der Schwingstärke in mm/s.
Die folgende Tabelle stellt einen Auszug aus der DNV⋅GL Bauvorschrift „Rules for
Classification – Ships, Part 3 Hull, Chap. 11 Hull equipment, supporting structure and
appendages“ dar.
Drahtseilaufbau
Aufbau Litzenseil, Konstruktionsart 6 × 36 WS-IWC. (Bild: Fa. Carl Stahl Hebetechnik GmbH)
5Aus: Overschmidt/Gliewe, Sportbootführerschein Binnen – Segel und Motor, Delius Klasing &
Co, Bielefeld 1989.
Tabellen, Diagramme und Übersichten 645
Werkstoff Kennfarbe
Manila Schwarz
Sisal Rot
Hanf Grün
Polyamid Grün
Polyester Blau
Polypropylen Braun
Gold + 1,42 V
Platin + 1,20 V
Silber + 0,80 V
Kohlenstoff + 0,74 V
Kupfer + 0,34 V
Antimon + 0,14 V
Wasserstoff ± 0,0 V
Blei – 0,12 V
Zinn – 0,14 V
Nickel – 0,25 V
Cadmium – 0,40 V
Eisen – 0,44 V
Chrom – 0,71 V
Zink – 0,76 V
Aluminium – 1,67 V
– 0V +
unedel edel
A.13 Beaufort-Skala
Viermastbark
28 19 10
27 18 9
26 17 8
13
31
22
34 25 16 7
12
30 24 2
15 6 1
33 21
3
29 11 4
32 23 20 14 5
Dreimastvollschiff
20 1
21
16 6
26
15 5 11
25 19
29 14 4
24
28 18
13 3
23 9 10
12 17 2 8
22 27
7
Dreimastbark
8
15
11
2 7
14
4 10
6 13
1 17 18
3
5 12
16
Werkstoff Längenausdehnungskoeffizient α
(10−6 /K)
Aluminium, Al 23,8
Bronze 17,5
Eisen, Fe 12,2
Glas (Quarzglas) 0,5
Gusseisen 10
Hartmetall 60
Kupfer, Cu 16,5
Messing 18,4
Polyamid, PA 110
Polystyrol 75
652 Tabellen, Diagramme und Übersichten
Werkstoff Längenausdehnungskoeffizient α
(10−6 /K)
Polyvinylchlorid, PVC 80
Silber, Ag 19,5
Stahl 11,7
Stahl, hochlegiert, hier V2A 16
Wolfram, W 4,5
Zink, Zn 29
Zinn, Sn 26,7
an der Dichtung. Ist der Ölverbrauch stetig größer, kann ein Öl höherer Viskosität eingesetzt wer-
den. Alternativ kann man das Absperrventil in der Zulaufleitung schließen und zweimal täglich für
eine Stunde öffnen
bLeichte Öltropfen über dem Überlauf des 20-L-Hochtanks sind kein Anzeichen für eine schad-
hafte Dichtung, solange die Menge pro Tag unter ca. 1 % der Dichtungsgröße bleibt
cKleine Wassermengen, die in die 20-L-Hochtanks eindringen, sind kein Anzeichen für eine schad-
hafte Dichtung, solange die Menge pro Tag unter ca. 1 % der Dichtungsgröße bleibt
Die folgenden Abbildungen zeigen diverse konstruktive Ausführungen von Rudern. Die
Bezeichnung der Ruderausführung erfolgt nach der Art der Lagerung von Ruderblatt und
Ruderwelle (Abb. A.1, A.2 und A.3).
654 Tabellen, Diagramme und Übersichten
7BG
ROHRLEITUNGSSYSTEME-IDENTIFIZIERUNGSFARBEN FÜR DEN INHALT-
HAUPT UND ZUSATZFARBEN ISO 14726
ISO 14726
HAUPT (1) schwarz (2) blau (3) braun (4) grün (5) grau (7) orange (8) silber (9) rot (11) weiß (12) GELB
SELBSTKLEBENDE
FARBE
KUNSTSTOFFOLIE mit
VERSCHMUTZTE FRISCHWASSER KRAFTSTOFFE SEEWASSER NICHTBRENNBARE ÖLE. ANDERE ALS DAMPF FEUERLÖSCH LUFT IN BRENNBARE
ZUSATZ MEDIEN GASE KRAFTSTOFFE MEDIEN LÜFTUNGSANLAGEN GASE
LAMINAT
FARBE STANDARDLÄNGE 50m
SCHWERÖL DAMPF für FORTLUFT
(1) schwarz (BK) HEIZUNG
HAUPTFARBE
SCHMUTZ- SAUERSTOFF THERMALÖL ZULUFT. KALT. WASSERSTOFF
SCHWARZWASSER
(2) blau (BU) SEEKÜHLWASSER WÄRMETRÄGERÖL MECHANISCH GAS
PRESSLUFT
(9) rot (RD) 30 bar
DAMPF/AUSTRITT LÖSCHPULVER
(11) weiß (WH) GRAUWASSER
A.18 Kennzeichnung von Rohrleitungen nach dem Durchflussstoff7
Rohrbogen 90°
R/d
1 2 4 6 10
ξglatt 0,21 0,14 0,11 0,09 0,11
ξrau 0,51 0,30 0,23 0,18 0,20
R = Rohrbiegeradius, d = Innendurchmesser
R = Rohrbiegeradius, d = Innendurchmesser
Absperrventil
(Siehe Abb. A.4)
DN (mm) 15 20 25 32 40 50 65 80
ζ 1,4 5,2 9,8 11,7 10,2 8,7 6,8 5,9
DN (mm) 100 125 150 200 250 300 350
ζ 5,5 5,5 5,7 6,4 7,0 7,3 6,8
Schrägsitzventil
Absperrklappe
(Siehe Abb. A.5)
Kugelhahn
(Siehe Abb. A.6)
DN (mm) 15 20 25 32 40 50 65
ζ 0,084 0,107 0,117 0,123 0,121 0,117 0,110
DN (mm) 80 100 125 150 200 250
ζ 0,103 0,095 0,086 0,079 0,066 0,052
Eckventil
Absperrschieber, offen
(Siehe Abb. A.7)
Drosselklappe
(Siehe Abb. A.8)
α
10 20 30 40 50 60 70
ζ 0,5 1,5 4,0 11,0 33,0 120,0 250,0
Die Abb. A.9 zeigt weitere Widerstandszahlen, insbesondere auch für Armaturen größerer
Nennweiten.
Tabellen, Diagramme und Übersichten 661
Strömungsgeschwindigkeit (m/s)
Wasserleitungen
Kreiselpumpe, saugseitig 0,7–1,5
Kreiselpumpe, druckseitig 1,0–5,5
Kolbenpumpe, saugseitig 0,8–1,0
Kolbenpumpe, druckseitig 1,0–2,0
Presswasserdruckleitungen 15,0–20,0
Heißwasserdruckleitung 2,0–3,0
Trink- und Brauchwasserleitungen 1,0–2,0
9DUBBEL – Taschenbuch für den Maschinenbau; Bd. 1; Springer Verlag, Berlin, Heidelberg New
York, 1974.
662 Tabellen, Diagramme und Übersichten
Strömungsgeschwindigkeit (m/s)
Dampfleitungen
Turbine, Heißdampf, kleine Leistung ≈35,0
Turbine, Heißdampf, mittlere Leistung 40,0–50,0
Turbine, Heißdampf, große Leistung 50,0–70,0
Sattdampf ≈25,0
Abdampf 15,0–25,0
Luftleitungen
Saugleitung f. Kolbenverdichter 16,0–20,0
Druckleitung f. Kolbenverdichter 25,0–30,0
Turboverdichter (Saug- u. Druckleitung) 20,0–25,0
Druckluftleitung, allgemein 15,0
Leitungen in Brennkraftmaschinen
Gasmaschinen, Luftleitung 20,0
Gasmaschinen, Gasleitung ≈35,0
Gasmaschinen, Auspuffleitung 20,0–25,0
Dieselmaschine, Saugleitung ≈20,0
Dieselmaschine, in Spülschlitzen ≥80,0
Gebläsezuleitungen 25,0–30,0
Brennstoffleitungen Bis ca. 20,0
Schmierölleitungen Abhängig v. Zähigkeit 0,5–1,0
Flüssigkeiten Die folgenden Werte für die spezifische Wärmekapazität gelten für einen
Temperaturbereich von 0 ◦ C < t < 100 ◦ C . Für andere Temperaturen sind die Werte in
einschlägigen Tabellenwerken zu suchen oder nach folgender Gleichung zu berechnen:
Stoff/Material Wärmeleitzahl λ
W/mK
Aluminium 204
Dieselkraftstoff 0,15
Eis 2,33
Eisen 81
Gase 0,01–0,23
Gips 0,45
Glas, Fenster 0,81
Glaswolle 0,04
Grauguss 58
Hartschaum 0,04
Holz 0,12–0,17
Kesselstein 1,2–3,0
Kohlendioxid 0,015
Kork 0,05
Kupfer 3,84
Luft 0,02
Messing 113
Polyamid 0,31
Polyvinylchlorid 0,16
Rotguss 38
Schamotte 1,2
Stahl, NiRo 14
Stahl, unlegiert 47–58
Trafoöl 0,13
Wasser 0,6
Wasserdampf (100 °C) 0,016
Weichgummi 0,14–0,24
uelle: Dohmann, J., Thermodynamik der Kälteanlagen und Wärmepumpen, Springer Verlag,
Q
Heidelberg 2016
Warnzeichen
Rettungszeichen
Feuerlö-
schmonitor
Tabellen, Diagramme und Übersichten 669
Geräteausstattung A1 A2 A3 A4
UKW GW Satellit KW
UKW-Sprechfunkanlage X X X X
UKW-DSC-Controller X X X X
UKW-Wachempfänger Kanal 70 X X X X
Navtex-Empfänger X X X X
EPIRB (406 MHz od. 1,6 GHz) X X X X
Radartransponder (SART) X X X X
UKW-Handsprechfunkgeräte X X X X
GW-Sprechfunkanlage X X
GW-DSC-Controller X X
GW-/KW-Sprechfunkanlage X
GW-/KW-DSC-Controller X
EGC-Empfänger X X
INMARSAT-C od. -B X
Erklärungen
Ultrakurzwelle (Frequenzbereich 30 bis 300 MHz)
UKW
GW Grenzwelle (Frequenzband zwischen 1605 und 3800 kHz, liegt auf der
„Grenze“ zwischen Mittelwelle und Kurzwelle)
KW Kurzwelle (Frequenzbereich 3 bis 30 MHz)
Seegebiet A 1 Ein von der zuständigen Verwaltung festgelegtes Gebiet innerhalb der
Sprechfunkreichweite mindestens einer UKW-Küstenfunkstelle, die ununterbrochen für
DSC-Alarmierungen zur Verfügung steht (Reichweite 30 nm).
Seegebiet A 2 Ein von der zuständigen Verwaltung festgelegtes Gebiet (ohne Seegebiet
A 1) innerhalb der Sprechfunkreichweite mindestens einer GW-Küstenfunkstelle, die
ununterbrochen für DSC-Alarmierungen zur Verfügung steht (Reichweite 150 nm).
Seegebiet A 4 Ein Gebiet außerhalb der Seegebiete A 1 bis A 3 (Gebiete der Polkappen).
Es bleibt jeder Verwaltung überlassen, welche geografischen Grenzen sie für die Einrich-
tung der Seegebiete A 1 und A 2 wählt. Die Grenzen der einzelnen Seegebiete können
dem „Masterplan for shore-based facilities“, herausgegeben von der IMO, entnommen
werden.
A.27 Lichterführung
12Entnommen aus: Dreyer, R., Sportküstenschifferschein und Sportbootführerschein See, 14. Auflg.,
b) nach BinSchStrO13
Berufsschiffe allgemein
Schleppverband; Beson-
derheit: Das letzte Fahr-
zeug führt weißes Heck-
licht, ist es Kleinfahrzeug,
dann kein Licht. Ferner ist
Kennzeichnung bei Tag
dargestellt
Gefahrguttransporte (Tags werden anstelle der blauen Laternen blaue Kegel geführt)
BOS-Fahrzeug
674 Tabellen, Diagramme und Übersichten
Entgegenkommer an Steuerbord
passieren
geleitet werden dürfen oder für die andere Vorschriften für das Einbringen oder Einleiten gelten, so
gelten die strengeren Vorschriften
bZerkleinerte oder zermahlene Lebensmittelabfälle müssen ein Sieb mit höchstens 25 mm weiten
diese Erzeugnisse nicht verbrannt, autoklaviert oder in sonstiger Form behandelt wurden, um sie
keimfrei zu machen
dOffshoreplattformen, die 12 Seemeilen vom nächstgelegenen Land entfernt liegen, und dazugehö-
rige Schiffe umfassen alle festen oder schwimmenden Plattformen, die zur Erforschung und Aus-
beutung und der damit zusammenhängenden Verarbeitung von Bodenschätzen des Meeresbodens
eingesetzt sind, und alle Schiffe, die sich neben oder im Umkreis von 500 m von solchen Plattfor-
men entfernt befinden
eDer Ausdruck Ladungsrückstände bezeichnet nur die Ladungsrückstände, die bei Anwendung
35
M a s s e A d s o rb e n s m is c h u n g
40
M a s s e A d s o rb e n s m is c h u n g
20
Person und Tag
15
Adsorbensmenge bei 1,4
10 kg Abfallaufkommen pro
5 Person und Tag
0 Adsorbensmenge bei 1,5
0 1000 2000 3000 4000 kg Abfallaufkommen pro
Person und Tag
Anzahl Personen an Bord
cot x − sin12 x
Inverse Winkelfunktionen
asin x √ 1
1−x 2
acos x 1
− √1−x 2
acosh x √ 1
x 2 −1
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 685
M. Pfaff, Schiffsbetriebstechnik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-27052-0
686 Stichwortverzeichnis
E Emulsionsspaltung, 618
ECA, 588 endotherme Reaktion, 485
ECDIS, 516 Energie
Echolot, 71, 72, 513 kinetische, 51
Eckventil, 659 mechanische, 51
ED, 426 Potenzielle, 51
EDiMot-Anlagen, 458 Enthalpie, 386, 485
effektiv, 237 Enthalpieinhalt, 485
effektive Leistung, 234, 235 Entkeimung, 603
effektiver Mitteldruck, 220, 238 Entöler, 622
Eigenfrequenz, 69 Entölersystem, 622
Eigensicherung, 499 Entschwefelung, 590
Einbau von Radialwellendichtringen, 327 Entsorgungskonzepte, 546
Einfachpoller, 166 Entspannungsverdampfer, 416
eingetragene Schadstoffmenge, 568 Entstehungsbrandphase, 488
einheitliches Entsorgungskonzept, 548 Entwurfsgleichung, 135
Einkanalanlage, 400 EPIRB, 520, 521
Einleitbedingungen für Schwarzwasser, 595 Equipment Number, 155
Einleitbedingungen von Schiffsabwässern, 541 Erdbeschleunigung, 38, 45
Einleiten von Abwässern, 541 erforderliche Adsorbensmenge, 565, 575
Einleitwerte, 612 erforderliche Füllmenge, 568
Einrumpffahrzeug, 133 erforderliche Verdichterleistung, 386
Einspeisungsstellen, 461 erforderliche Wärmetauscherfläche, 381
einzuhaltende Grenzwerte, 554 erforderlicher Massenstrom, 387
elastische Kupplungen, 310 Erregerfeld, 260
elastische Lagerung, 144 Erregung, 260
elastische Scheibenkupplung, 312 erreichbare Zellspannung, 267
Elastizitätsmodul, 60 Ersatzkraft, 3
elastohydrodynamischer Rückfördereffekt, 321 Escherichia-coli-Bakterium, 609
elektrische und mechanische Leistung, 256 Euler-Eytelwein-Formel, 28, 167
elektrochemische Desinfektion, 628 Euler-Gleichung, 60
elektrochemische Korrosion, 182 Eulersche Knicklast, 60
elektrochemische Spannungsreihe, 183 Euler’sche Turbinengleichung, 245, 247
Elektrodenfläche, 267 EU-Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie, 538
Elektrodieselaggregate, 458 EU-Richtlinien, 125
Elektromotoren, 253 EU-Verordnungen, 125
elektronische Seekarte, 513, 516 exotherme Reaktion, 485
Elementarladung, 268 Expositionsgrenzwerte und Auslösewerte für
Elongation, 63 Vibrationen, 142
Emergency Position-Indicating Radio Beacon,
520
Emissionen, Schiffsmüllverbrennungsanlagen, F
559 Faden, 158
emissionsbegrenzende Anforderungen, fäkalcoliforme Keime, 597
554–556 Fall
Emissionskontrollgebiete, 588 auf der geneigten Bahn, 39
empfohlene Strömungsgeschwindigkeit, 363 freier, 38
Emulsion, 615 Fallbeschleunigung, 45
Emulsionsbrechstufe, 618 Faraday-Konstante, 267
Stichwortverzeichnis 691
M Messunsicherheit, 114
Manifold, 443 Messwert, 114
Manifoldkran, 443 metazentrische Höhe, 136
MAN-M-Verfahren, 228 Metazentrum, 136
manometrische Förderhöhe, 346 Mikro- und Nanofiltration, 612
Marine Environmental Protection Committee, Mindestanzahl Rettungsringe, 482
537 Mindestbruchfestigkeit, 162
Marine Pollution – International Convention for Mindestbruchkraft, 162
the Prevention of Pollution from Ships, Mindestfördermenge, 511
127, 128 Mindestlichtstärken, 519
Marinediesel, 590 Mindestluftrate, 394
Maritime Equipment Directive – MED, 129 Mindesttragweite, 519
maritimer Umweltschutz, 128, 477 Mindestwerte der Lufttemperatur, 390
MARPOL, 127, 130, 537 Mineralfasern, künstliche, 531
MARPOL-Abkommen, 128 Mineralwolle, 532
MARPOL Annex IV, 541 Mischkammer, 398
MARPOL Annex V, 542 Mitteldruck, 220
MARPOL-Übereinkommen, 594 Mittelkugel, 228
Massenstrom, 385 Mittelschaumrohr, 501
maximale Ausgangsleistung, 522 Mittelschnellläufer, 223
maximale relative Luftfeuchtigkeit, 391 Mittelschnellläufer-4-Takt-Dieselmotoren, 280
MBR-Anlage, 610 Mittelwert, 116
MBR-Verfahren, 608, 609 arithmetischer, 116
Mechanik, 2 mittlere Kolbengeschwindigkeit, 238
goldene Regel, 12 Modulationsarten, 524
mechanisch, 235 Modulationsverfahren, 526
mechanisch-biologischen Abwasserbehandlung molare Massen, 569
mit Desinfektionsstufe, 605 Molekülschwingung, 62
mechanische Behandlung mit Desinfektion, Molmassen, 569
604 Momentennullpunkte, 317
mechanische Leistung, 262 Momentensatz, 18
mechanische Separationsstufe, 626 Montagehülse, 327
mechanische Vorbehandlung, 603 Motor, 217, 235
mechanischer Wirkungsgrad, 349 Motorkennlinie, 220
mechanisches Drehmoment, 265 Motormoment, 424
Meeres- und Küstenschutz, 594 Motornennleistung, 426
Meeresumweltschutz, 537 Motorrettungsboot, 480
Mehrkomponentenadsorption, 567 Müllkompaktor, 547
mehrschichtige Wand, 377 Mülllagerung, 548
Mehrschraubenschiffe, 293
Membranbioreaktoren, 603
Membranfilterstufe, 606 N
Membranfiltration, 608 Nachheizung, 400
Membrantank, 608 Nachstrom, 285
MEPC.76(40), 552 Nachstromziffer, 288
MEPC.107(49), 613 Nageleisen, 12
MEPC.227(64), 596 Nanokompositlacke, 189
Messabweichung, 115 Nanopartikel, 189
Messfehler, 115 Nassrohrsysteme, 498
698 Stichwortverzeichnis
Turbogeneratorsätze, 458 V
turbulent, 203 Vakuumtoiletten, 598
turbulente Strömung, 364, 380 Varianz, 116, 117
VDE, 131
VDE 0100, 457
U VDI, 131
Übereinkommen über Sammlung, Abgabe und Vektoraddition, 163
Annahme von Abfällen in der Rhein- Venturi-Düse, 449
und Binnenschifffahrt, 539 Verband der Elektrotechnik Elektronik Infor-
Übereinkommen zum Schutz der Meeresum- mationstechnik e. V., 131
welt des Nordostatlantiks, 538 Verbotszeichen, 504
Übergangsregel B-3, 624 Verbrennungsdreieck, 487
Übergehen der Ladung, 340 Verdampfer, 382
Überlaufkanal, 341 Verdampferleistung, 385
Übertragungsarten, 526 Verdichter, 387
Übertragungsrate, 526 Verdichterantriebsleistung, 387
U-Boote, 266 Verdichterarbeit, 386
U-Jagdschiff, 513 Verdränger, 133, 207
UKW-DSC-Seefunkanlage, 521 Verdrängerfahrt, 205
UKW-DSC-Wachempfänger, 521 Verdrängerpumpen, 344
UKW-Funkantenne, 523 Verdrängung des Schiffes auf Spanten, 140
UKW-Handsprechfunkgerät, 521 Verdrängungsgewicht, 135
Ultrafiltrationsmembranen, 609 Verdrängungsvolumen, 135
Ultrakurzwellen, 523 Verdrehwinkel, 59
Ultraschalldesinfektion, 627 Verdünnungsverfahren, 626
Umkehrlinse, 105 Verein Deutscher Ingenieure, 131
Umkehrosmoseanlagen, 417, 603 Verflüssiger, 382
Umkehrosmosemembran, 418 Verflüssigung, 387, 446
Umlaufschmiersysteme, 300 Verformungsarbeit, 52
Umschlingungswinkel, 167 Vergleichsprozess, 385
Umsteuern, 294 Vergrößerung, 105
Umsteuerung des Motors, 279 Verkeimungen des Trinkwassers, 421
Umweltschutz, 130 Verkettungsfaktor, 261
Underway Replenishment, 447 Verlusthöhe, 346
Unfallverhütungsvorschriften, 130, 477, 635 Vernebelungsanlagen, 498
Unfallverhütungsvorschrift (UVV See), 126 Verordnung über die Krankenfürsorge auf
Ungenauigkeit, 116 Kauffahrteischiffen, 636
UNREP, 447 Verordnung über die Unterbringung der
unterer Heizwert, 237 Besatzungsmitglieder an Bord von
Unwucht, 149 Kauffahrteischiffen, 636
Urspannung, 107 Verordnung zu den Internationalen Regeln von
UV-Bestrahlung, 626 1972 zur Verhütung von Zusammenstö-
UV-Desinfektion, 630 ßen auf See, 130
UV-Lampen, 627 Verordnungen, 125
UV-Licht, 630 Verschiebewiderstand, 441
UV-Licht-Behandlung, 603 Verstellpropeller, 280, 281
UV-Reaktoreinheit, 630 Verteilerkammer, 400
UVV See, 126, 477 Verwaltungsvorschriften, 125
U-Wert, 407 Verwundbarkeit, 530
Stichwortverzeichnis 705