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Siedlungswasserwirtschaft
Springer-V erlag
Berlin Beideiberg GmbH
Willi Gujer
Siedlungs-
wasserwirtschaft
'Springer
Prof. Dr. Willi Gujer
ETHZürich
Institut für Hydromechanik und Wasserwirtschaft
ETH-Hönggerberg
CH- 8093 Zürich
ISBN 978-3-662-12992-0
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eigenen Arbeiten die vollständigen Vorschriften oder Richtlinien in der jeweils gültigen Fassung
hinzuzuziehen.
1 Einleitung ................................................................................................ 1
A GRUNDLAGEN
2 Systemanalyse und Massenbihmz ........................................................... 19
3 Charak:terisierung von Wasser ................................................................ 33
4 Charak:terisierung von Klärschlamm ...................................................... 63
5 Wasserbedarf, Abwasseranfall ................................................................ 67
6 Schmutzstoffanfall und Temperatur ....................................................... 91
B WASSERVERSORGUNG
7 Wasserversorgung ................................................................................ 103
8 Wasserbeschaffung ............................................................................... 111
9 Wasseraufbereitung .............................................................................. 127
10 Wasserspeicherung ............................................................................... 145
11 Wasserverteilung, Netz ........................................................................ 153
C SIEDLUNGSENTWÄSSERUNG
12 Siedlungsentwässerung ........................................................................ 191
13 Siedlungshydrologie ............................................................................. 197
14 Entwässerungsverfahren ....................................................................... 219
15 Mischwasserbehandlung ...................................................................... 227
16 Technik der Siedlungsentwässerung ..................................................... 237
17 Entwässerungsplanung ......................................................................... 277
D ABWASSERREINIGUNG
18 Abwasserreinigung ............................................................................... 281
19 Mechanische Abwasserreinigung ......................................................... 289
20 Biologische Abwasserreinigung ............................................................ 305
21 Physikalische Reinigungsverfahren ...................................................... 357
22 Umfeld der Abwasserreinigung ............................................................ 363
23 Kleinkläranlagen .................................................................................. 367
E BEHANDLUNG VON KLÄRSCHLAMM
24 Entsorgung von Klärschlamm .............................................................. 373
25 Verfahren der Schlammbehandlung ..................................................... 381
F LITERATUR UND SACHVERZEICHNIS
26 Literatur ............................................................................................... 401
27 Sachverzeichnis ................................................................................... 407
VIII Inhalt
1 Einleitung ............................................................................................... 1
1.1 Umschreibung des Fachgebiets ................................................................. 1
1.2 Siedlungswasserwirtschaft........................................................................ 1
1.3 Geschichte der Siedlungswasserwirtschaft ................................................ 2
1.4 Wasserkreislauf in Siedlungen ................................................................. 4
1.5 Wasserbeschaffung und Wasserversorgung .............................................. 6
1.6 Siedlungsentwässerung ............................................................................ 9
1. 7 Abwasserreinigung................................................................................. 10
1.8 Behandlung und Unterbringung von Klärschlamm ................................. 12
1.9 Gewässerschutz ...................................................................................... 13
1.10 Siedlungswasserwirtschaftliche Planung ................................................ 14
1.11 Wert und Kosten der Siedlungswasserwirtschaft..................................... 15
1.12 Fazit. ............................... :...................................................................... 16
8 Wasserbeschaffung............................................................................. 111
8.1 Wasserarten und -Vorkommen ............................................................. 111
8.2 Fassung von Quellwasser ..................................................................... 113
8.3 Fassung von Grundwasser .................................................................... 114
8.4 Berechnungen zum vollkommenen Filterbrunnen ................................. 117
8.5 Fassung von Seewasser ........................................................................ 120
8.6 Grundwasseranreicherung .................................................................... 121
8.7 Schutz von Wasserfassungen (Schutzzonen) ......................................... 123
10 Wasserspeicherung............................................................................. 145
10.1 Aufgabe der Wasserspeicher (Reservoire) ............................................. 145
10.2 Art der Wasserspeicher ........................................................................ 145
10.2.1 Hochbehälter ........................................................................... 145
10.2.2 Tiefbehälter ............................................................................ 146
10.3 Standort und Höhenlage ....................................................................... 146
10.4 Speichervolumen .................................................................................. 146
10.4.1 Löschreserve ........................................................................... 148
10.5 Bilanzierung eines Trinkwasserspeichers ............................................. 148
10.6 Hygienische Anforderungen ................................................................. 149
10.7 Gestaltung eines Trinkwasserspeichers ................................................. 149
10.8 Spezialfälle .......................................................................................... 150
10.8.1 Wasserturm ............................................................................. 150
10.8.2 Löschwasserbehälter ............................................................... 150
10.8.3 Druckwindkessel ..................................................................... 151
12 Siedlungsentwässerung...........................................................•........... 191
12.1 Aufgaben der Siedlungsentwässerung................................................... 191
12.2 Prozesse der Siedlungsentwässerung .................................................... 192
12.3 Wie sollen Siedlungen entwässert werden? ........................................... 193
12.4 Elemente der Siedlungsentwässerung ................................................... 194
Die Siedlungswasserwirtschaft ist eine technische Disziplin, die sowohl für die
Siedlungshygiene und die persönliche Hygiene als auch den Komfort und die
Sicherheit des urbanen Menschen von zentraler Bedeutung ist: Sie liefert und
entsorgt Wasser verschiedenster Art (Trinkwasser, Regenwasser, Sickerwasser,
Schmelzwasser, verunreinigtes Abwasser, etc.), sie entsorgt die dabei anfallen-
den Schmutzstoffe und bewirtschaftet die natürlichen Wasserressourcen (Quel-
len, Grundwasser, Gewässer) im Umfeld von Siedlungen.
1.2 Siedlungswasserwirtschaft
Die Siedlungswasserwirtschaft ist eine Ingenieurwissenschaft, die sich mit allen
Aspekten des Wassers im Zusammenhang mit Siedlungen befasst:
- der gesicherten Beschaffung, der Aufbereitung und Verteilung von Trink-
und Brauchwasser in genügender Menge, Qualität und bei genügendem
Druck,
- der Ableitung und Reinigung des Abwassers sowie der möglichst schadlosen
Rückführung des gereinigten Abwassers in die Natur,
- der Sammlung, Versickerung und Ableitung von Regen-, Schneeschmelz-,
Drainage- und anderen wenig belasteten Wässern,
2 1 Einleitung
- dem Bau, Betrieb und Unterhalt der erforderlichen Anlagen, der Organisation
der Betriebsstrukturen, der Sicherstellung der ökonomischen Grundlagen etc.,
- der Planung der Wasserversorgung und W asserbeschaffung, der Entwässe-
rung und des regionalen Gewässerschutzes,
- der langfristigen Sicherung der Wasserressourcen sowie der finanziellen Si-
cherstellung der Wasserversorgung und der Siedlungsentwässerung und der
nachhaltigen Entwicklung des Wasserhaushalts von Siedlungen.
Insgesamt ergibt sich das Bild, dass die Siedlungswasserwirtschaft sowohl
dem Menschen dient, indem sie im Bereich der Siedlungshygiene (Wasserver-
sorgung und Abwasserableitung) und dem Hochwasserschutz (Ableitung von
Regenwasser) seit vielen Jahrzehnten Entscheidendes geleistet hat, als auch die
Natur schützt, indem sie im Bereich des Gewässerschutzes grosse Investitionen
auslöst. Ohne Siedlungswasserwirtschaft wären Siedlungen und insbesondere
Städte (also unsere Art der Zivilisation) in ihrer heutigen Form auch nicht ange-
nähert denkbar und viele Gewässer wären in katastrophalem Zustand.
Die Siedlungswasserwirtschaft und der Siedlungswasserbau schützen:
I. Den Menschen vor der Natur (Hochwasser, Hygiene, Trockenheit) und
2. die Natur vor dem Menschen (Gewässerschutz)
30 90
20 80
10 70
0 60
1880 1890 1900 1910 1920 1930 1940
Kalenderjahr
Abb. 1.1. Abnahme der Typhus Todesfalle anfangs des 20. Jh. in Massachusetts (USA) als
Folge des zunehmenden Anteils der Bevölkerung mit öffentlicher Wasserversorgung (nach
Whippie and Horwood, 1966)
terirdische Anlagen wurde das Abwasser auf schnellstem Wege in den nächsten
Fluss geleitet.
Durch die Einführung der Schwemmkanalisation und insbesondere des Was-
serklosetts im 19. Jh. wurden die hygienischen und ästhetischen Probleme von
den Städten in die Gewässer verschoben. Diese Entwicklung trug massgebend
dazu bei, dass jetzt die Städte rasch wachsen konnten und so das Potential für die
industrielle Entwicklung geschaffen wurde.
Der Gewässerschutz hat in England gegen Ende des 19. Jh. eingesetzt. Da-
mals sammelten sich z.B. auf der Sohle der Themse Sedimente und verfaulten
dort, sodass der Fluss als Folge der Biogasbildung "gekocht" habe. Erste Abwas-
serreinigungsanlagen wurden als Sedimentationsanlagen gebaut, um die Akku-
mulation der Sedimente in den Gewässern zu verringern und sie in technischen
Bauwerken abzutrennen.
Schon bald zeigte sich aber, dass neben den Sedimenten insbesondere die
gelösten und kolloidalen organischen Stoffe, die biologisch abbaubar sind, in den
Gewässern eine massenhafte Entwicklung von Mikroorganismen auslösten. Zu-
nehmend wurden biologische Abwasserreinigungsverfahren entwickelt, die den
Abbau dieser organischen Stoffe in die technischen Bauwerke zurückverlegten
und so die Gewässer entlasteten: Bereits gegen Ende des 19. Jh. wurden erste
biologische Kläranlagen in England gebaut.
In der Mitte des 20. Jh. haben wir erkannt, dass die Nährstoffe im Abwasser,
insbesondere der Phosphor, die Seen überdüngen und zu grossen Algenblüten
führen. Mit Hilfe der weitergehenden Abwasserreinigung konnte auch dieses
Problem angegangen werden. Heute verursachen v .a. die Massnahmen zur Re-
duktion des Stickstoffgehalts im gereinigten Abwasser die grössten Investitionen.
Mit der Aufdeckung des Zusammenhanges zwischen der fäkalen Verunreini-
gung von Trinkwasser und der Häufigkeit von stark verbreiteten Krankheiten
bekam die Aufbereitung von Trinkwasser eine immer grössere Bedeutung. Eine
zuverlässige Trinkwasseraufbereitung kann aber nur in öffentlichen, grösseren
Wasserversorgungsbetrieben gewährleistet werden (Abb. 1.1 ).
4 1 Einleitung
1100 400
200
200
300
300
1100 200
200 }
soo Abwasser
200
300
1400 mm a·1
Total 1400 mm a·1
Abwasser 900mma·1
Abb. 1.2. Wasserbilanz einer landwirtschaftlich genutzten Fläche und einer Siedlungsfläche.
Geschätzte Richtwerte im schweizerischen Mittelland. Alle Zahlenangaben sind in mm a· 1,
bezogen auf die ganze Fläche. In der Siedlung wird Grundwasser als Trinkwasser gefördert, das
dann als Abwasser wieder abgeleitet werden muss. S.a. Beispiel 1.4
Abb. 1.4. Veränderung einer Region im Glattal im Kanton Zürich zwischen 1850 (oben) und
1990 (unten). Hervorgehoben werden überbaute Flächen, Flussläufe, Feuchtgebiete und Wald-
flächen zwischen dem Greifensee und der Stadt Dübendorf (Original von R. Koblet nach der
Wild-Karte 1850 und der Landeskarte 1990)
Quele
Grundwasser
--------------~v~o~~~~-------------~
Abb. 1.5. Schematische Darstellung der Wasser- und Schlammflüsse in Siedlungen
nung zur Verfügung und reagiert ungehalten, wenn er nur einige Stunden darauf
verzichten muss.
Wasser ist heute das billigste Konsumgut (wenige Franken pro t), es wird
über grosse Strecken transportiert und in riesigen Mengen (ca. 50 - 100 t pro
Person und Jahr) verbraucht.
1.6 Siedlungsentwässerung
Die Siedlungsentwässerung hat die Aufgabe, das Abwasser aus den Siedlungen
abzuleiten und in geeigneter Form und mit geeigneter Qualität einer Vorflut
zuzuleiten.
Hörler hat 1966 die Aufgabe der Ortsentwässerung wie folgt definiert:
"Aufgabe der Ortsentwässerung ist es, sämtliche Abwässer so vollkommen
und so schnell als möglich zu sammeln und aus dem Bereich menschlicher Sied-
lungen zu entfernen, ohne Belästigung der Bewohner, ohne Beeinträchtigung des
Verkehrs und ohne Schädigung der ober- und unterirdischen Gewässer."
Die rasche und vollkommene Ableitung, insbesondere des Regenabwassers,
hat zu vielen Nachteilen geführt, die z.T. wieder korrigiert werden müssen.
Heute versuchen wir das Regenabwasser möglichst langsam und nur gerade in
dem Umfang aus den Siedlungen abzuleiten, dass hygienisch einwandfreie Be-
dingungen gewährleistet sind und Störungen des Verkehrs oder Schäden aller Art
(Überschwemmungen, Rückstau in Keller etc.) im Vergleich zu den Kosten der
Entwässerung nicht zu gross werden. Die langsame Entwässerung bei Regen-
10 1 Einleitung
wetter bedingt, dass möglichst viel Regenwasser am Ort des Anfalles unter Be-
achtung des Grundwasserschutzes ins Grundwasser versickert wird.
Heute erkennen wir, dass die Aufgabe der Siedlungsentwässerung neu defi-
niert werden muss. Ein Ansatz für eine moderne Definition dieser Aufgabe ist:
Aufgabe der Ortsentwässerung ist es, Abwässer soweit aus den Siedlungen ab-
zuleiten, dass die Hygiene und die Sicherheit gewährleistet werden können. Da-
bei ist darauf zu achten, dass insbesondere Regenabwässer möglichst langsam
abgeleitet und ihrer Herkunft und Qualität entsprechend einer Behandlung re-
spektive Vorflut zugeführt werden.
Wir kennen zwei Arten der Siedlungsentwässerung:
- Aus historischen Gründen hat sich die Mischkanalisation stark verbreitet:
Hier wird in einem gemeinsamen Kanal das dauernd anfallende und mit
Schmutzstoffen stark belastete Abwasser aus Haushaltungen, Gewerbe und
Industrie zusammen mit Regenwasser abgeleitet.
- In vielen neueren Siedlungsgebieten (ca. 20% der Schweiz) wurde eine
Trennkanalisation eingerichtet: Hier wird in einem tiefliegenden Schmutz-
wasserkanal das stark belastete, dauernd fliessende Abwasser zur Kläranlage
geleitet und in einem höher liegenden, grösseren Meteorwasserkanal das we-
niger belastete Regenwasser direkt der Vorflut zugeführt.
1.7 Abwasserreinigung
Wasser, das aus Siedlungen abgeleitet werden muss, heisst Abwasser. Es führt
eine Reihe von Stoffen und Organismen mit, die nicht bedenkenlos in die Um-
welt zurückgegeben werden können. Die Abwasserreinigung vermittelt zwischen
dem Bedürfnis des Menschen, das Wasser als Transportmittel für Abfallstoffe
einzusetzen (Schwemmkanalisation) und den Möglichkeiten der Umwelt, mit
diesen Stoffen umzugehen: In der Abwasserreinigung sollen diejenigen Stoffe
zurückgehalten werden, welche die Umwelt überlasten würden.
Die zulässige Belastung der Umwelt ist keine feste Grösse, sie ist abhängig
von unseren Vorstellungen, was einer wünschenswerten Umwelt entspricht. Mit
zunehmendem W obistand steigen die Anforderungen an die Umwelt, aber auch
die wirtschaftlichen Möglichkeiten, Umweltschutz und damit auch Abwasserrei-
nigung zu betreiben. Die Anforderungen an die Abwasserreinigung sind in den
dichtbesiedelten, reichen Industrieländern seit ca. 1950 stark gestiegen. Das hat
mehrere Gründe:
- Durch die laufende Zunahme der Bevölkerung, der Industrieproduktion, der
Entwässerungsanlagen (Kanalisation), des Wasserkomforts etc. hat die Ab-
wassermenge und die Schmutzstofffracht entsprechend zugenommen.
- Durch vermehrte Sensibilisierung gegenüber Umweltschäden haben unsere
Ansprüche an die Umwelt und deren Schutz zugenommen.
- Heute wird im Umweltschutz häufig gefordert, was machbar ist. Die Tech-
nologie der Abwasserreinigung hat seit 1950 riesige Fortschritte gemacht.
An moderne Abwasserreinigungsanlagen werden deshalb heute Ansprüche
gestellt, die nur mit aufwendigen und häufig komplizierten Verfahren und mit
sorgfältigstem Betrieb erfüllt werden können. Kläranlagen, die weniger als 20
Jahre alt sind, also von unseren Eltern gebaut wurden, genügen diesen Anforde-
1.7 Abwasserreinigung 11
Anschlussgrad in
% der Bevölkerung
100
80
60
40
~~~~~~:~~sbe~~
2~
0 ~
0 ~--_.----~--~----~----~
1965 1970 1975 1980 1985 1990
Abb. 1.6. Anteil der schweizerischen Wohnbevölkerung, die an eine Abwasserreinigungsanlage
angeschlossen ist. Für 1991 gilt: 95% können an eine bestehende ARA angeschlossen werden,
91 % sind angeschlossen, für 27% der Einwohner genügt die Reinigungsleistung der ARA
nicht mehr den gültigen Vorschriften (Nach statistischen Angaben des BUWAL, 1994)
rungen häufig bei weitem nicht mehr. Die Abwasserreinigung, wie auch der
gesamte Umweltschutz, ist einer raschen Entwicklung unterworfen. Das führt
dazu, dass teilweise Investitionen getätigt werden, die in ihrer gesamten Bedeu-
tung noch wenig überschaut werden können. Bei einigen modernen Forderungen
an die Abwasserreinigung kann nicht mehr ausgeschlossen werden, dass sie nur
mit negativer Ökobilanz (Summe aller Be- und Entlastungen der Umwelt) reali-
siert werden können.
In der Abwasserreinigung werden Schmutzstoffe aus dem Abwasser entfernt.
Diese Stoffe können zwar z.T. biologisch abgebaut und damit häufig in un-
schädliche Stoffe (Wasser, Kohlendioxid, ev. Nährstoffe) überführt werden, ein
Teil der Schmutz- und Schadstoffe fällt in Form von Sedimenten (Klärschlamm)
an, die weiter behandelt und aufbereitet werden müssen.
Heute ist in der Schweiz der grösste Teil der Bevölkerung und der Industrie-
und Gewerbebetriebe an ca. 1000 öffentliche Abwasserreinigungsanlagen ange-
schlossen (Abb. 1.6). Ein grosser Teil dieser Anlagen muss aber erneut ausge-
baut werden, weil er den Anforderungen nicht mehr genügt. Die Abwasserreini-
gung ist eine Daueraufgabe, die uns in Zukunft durch Erweiterungen, Erneue-
rungen und Verbesserungen laufend beschäftigen wird: Eine Aufgabe die an-
spruchsvoller ist als der Bau der ersten Generation von Kläranlagen.
Beispiel1.9. Klärschlammanfall
Auf einer Kläranlage für ca. 20'000 Einwohner fallen pro Tag ca. 50 m3 Klärschlamm an.
Diese enthalten ca. 96% Wasser und 4 % Trockensubstanz, also ca. 2 t Schmutzstoffe
(getrocknet).
ln einem Eindicker kann dieser Schlamm auf 8 % Trockensubstanz eingedickt werden.
Wieviel Schlammvolumen bleibt zurück?
2 t Trockensubstanz= 8% also 100% = 25 t oder ca. 25 m3 • Die Volumenverringerung
beträgt also 50 %.
ln einer Entwässerung wird der Klärschlamm bis zu einer Konzentration von 25% Trok-
kensubstanz entwässert. Das Restvolumen beträgt noch 2 t/25% = 8 t oder ca. 8 m3 •
Getrockneter Klärschlamm enthält nur noch 5% Wasser. Das Restvolumen ist daher 2
t I 0.95 = 2.1 t oder ca. 2.5 m3 •
1.9 Gewässerschutz 13
g Zinkit TS g Cadmium I t TS
2000 20
1500 15
1000 10
500 5
0 0
1980 1982 1984 1986 1988 1990
Jahr
Abb. 1.7. Entwicklung des Schwermetallgehalts im Klärschlamm der Stadt Zürich. Zink hat
seinen Ursprung dominant in langlebigen Gütern (verzinkte Oberflächen), Cadmium eher in
Industrie und Gewerbeabwässern (Daten des Stadtentwässerung Zürich)
Tabelle 1.1. Ziel des Gewässerschutzes: Zweckartikel des Schweiz. Gewässerschutzgesetzes vom
24. Jan. 1991
Dieses Gesetz bezweckt, die Gewässer vor nachteiligen Einwirkungen zu schützen. Es dient
insbesondere:
a. der Gesundheit von Menschen, Tieren und Pflanzen;
b. der Sicherstellung und haushälterischen Nutzung des Trink- und Brauchwassers;
c. der Erhaltung natürlicher Lebensräume für die einheimische Tier- und Pflanzenwelt
d. der Erhaltung von Fischgewässem;
e. der Erhaltung der Gewässer als Landschaftselemente;
f der landwirtschaftlichen Bewässerung;
g. der Benützung zur Erholung;
h. der Sicherung der natürlichen Funktion des Wasserkreislaufs.
1.9 Gewässerschutz
Das schweizerische Gewässerschutzgesetz (GSchG) vom 24. Januar 1991 defi-
niert den Zweck des Gewässerschutzes im Art. 1 (Tabelle 1.1). In Art. 2 wird
dargestellt, dass das Gesetz (also der Gewässerschutz) für alle ober- und unterir-
dischen Gewässer gilt: Seen, Flüsse, Grundwasser, Quellen.
Die Siedlungswasserwirtschaft überschneidet sich mit dem Gewässerschutz:
Sowohl die Beschaffung von Trink- und Brauchwasser als auch die Rückführung
des belasteten Abwassers in die Gewässer greift stark in den Haushalt der Ge-
wässer ein. Der Gewässerschutz wird aber heute so weit definiert, dass er nicht
als Teil der Siedlungswasserwirtschaft dargestellt werden darf, genauso wie die-
se nicht Teil des Gewässerschutzes ist (Abb. 1.8). Im Rahmen des Gewässer-
schutzes werden heute Anforderungen an Stoffe und Produkte formuliert, Rest-
14 1 Einleitung
Heute ist es üblich, die Kanalisation nicht mehr gesondert zu betrachten, son-
dern im Rahmen einer umfassenderen Generellen Entwässerungsplanung (GEP)
auch das Umfeld und insbesondere die Gewässer mit in die Planung einzubezie-
hen.
Die Zukunft muss zeigen, ob die Planung dieser beiden Bereiche weiterhin
getrennt betrieben werden kann, oder ob es nicht besser wäre, einen umfassenden
siedlungswasserwirtschaftliehen Rahmenplan zu erarbeiten.
Tabelle 1.2. Wert von gemeindeeigenen Anlageinvestitionen in einer Gemeinde mit 2500 Ein-
wohnern (Lehmann 1994)
Anlagewert in Mio. Anteil
Investitionsbereich in%
Franken
Allgemeine Hochbauten
(Gemeindehaus, Werkhof, Zivilschutz, etc.) 9 7
Schulraum (inkl. Turnhalle) 15 12
Kultur und Freizeit (Gemeindesaal, Fussballplatz, etc.) 8 6
Alterswohnungen 6 5
Gemeindestrassen 15 12
Wasserversorgung 32 25
Abwasserentsorgung 43 33
Gesamthaft 128 100
16 1 Einleitung
-
o/o Anteil älter als Neubau in km I a
"'
100 10
80 8
"'-
60
" 6
40
" 4
20 2
0
2000
I
1980 1960 1940 1920 1900
' 1880 1860
0
Baujahr
Abb.1.9. Altersverteilung der Hauptleitungen der Wasserversorgung der Stadt Zürich. Fast
70% wurden vor dem 2. Weltkrieg gebaut. Um die Jahrhundertwende hat der Bestand am
schnellsten zugenommen. Neubauten sind heute die Ausnahme. Die Gesamtlänge der Haupt-
leitungen beträgt ca. 1100 km für ca. 350'000 Einwohner
1.12 Fazit
Die Siedlungswasserwirtschaft ist ein Wirtschaftszweig, ohne den die Gesell-
schaft in ihrer heutigen Form nicht möglich wäre. Ihre wirtschaftliche Bedeu-
tung ist gross. Sie übernimmt die Verantwortung für das Lebensmittel Trinkwas-
ser, das sie in genügender Menge und v.a. in hygienisch einwandfreier Qualität
langfristig gesichert zu Verfügung stellt. Die Siedlungswasserwirtschaft leitet
Abwässer aller Art aus den Siedlungen ab und bereitet diese in den Reinigungs-
anlagen so weit auf, das sie weitgehend schadlos in die Umwelt zurückgeleitet
werden können. In der Form von Klärschlamm entsorgt sie die anfallenden
Schad- und Wertstoffe.
Das Potential für interessante Arbeit im Bereich der Siedlungswasserwirtschaft
ist gross. Wir sind auf eine nachhaltige Sicherstellung der Wasserversorgung, der
Siedlungsentwässerung und der Abwasserreinigung angewiesen. Die Aufgabe
des Unterhaltens, Erneuerns, Betreibens und Verbessems erscheint für junge
Leute häufig nur wenig attraktiv. Diese Aufgabe ist aber um das Vielfache an-
1.12 Fazit 17
2.1 Einleitung
Die Systemanalyse ist ein Werkzeug oder eine Arbeitsmethode, die in der Sied-
lungswasserwirtschaft ausserordentlich gute Dienste leistet und breite Anwen-
dung gefunden hat. Hier werden nur die einfachsten Prinzipien der Systemanaly-
se eingeführt. Eine detaillierte Einführung dieses Thema ist z.T. sehr anspruchs-
voll.
Das wichtigste Element der Systemanalyse ist die Stoffbilanz; viele Probleme
können ohne die entsprechende Bilanzgleichung nicht systematisch angegangen
werden. Bilanzgleichungen verfolgen uns im Leben, jede Buchhaltung, jedes
Bankkonto beruht auf Bilanzgleichungen. Intuitiv bilanzieren wir, wenn wir
Vorräte beurteilen (Wie lange reicht das Heizöl noch? Gibt es noch warmes
Wasser für meine Dusche?), Trinkwasser wird auf Grund von Bilanzen abge-
rechnet (Was ins Haus hinein fliesst, wird auch verbraucht!) etc. Die Bilanzglei-
chung hilft uns, unsere Systeme zu beschreiben.
Um die Bilanzgleichung auf ein System anzuwenden, müssen wir dieses vor-
erst definieren und abgrenzen.
Belebungsbecken Nachklärbecken
Belüffung
Zufluss
Abb. 2.1. Beispiel einer Systemdefinition: Das Belebtschlammverfahren zur biologischen Rei-
nigung von Abwasser besteht aus zwei Teilen (Teilsysteme), dem Belebungsbecken und dem
Nachklärbecken. Je nach Fragestellung definieren wir unterschiedliche Systeme; hier sind drei
Möglichkeiten mit Hilfe von gestrichelten Linien angedeutet
Mit zunehmender Erfahrung gelingt es, Systeme immer einfacher und daher für
unsere Aufgaben wirksamer zu definieren.
Ein System ist ein gedachtes Konzept und nicht ein physikalisch existieren-
der Teil der Welt. Die Systemdefinition (Abgrenzung von der Umwelt) geschieht
nicht nur räumlich sondern auch phänomenologisch, indem wir bestimmte Phä-
nomene in unsere Analyse aufnehmen oder von vomherein als wenig bedeutsam
ausschliessen: Die Systemdefinition beruht auf unseren Modellvorstellungen.
Zufluss
Qzu• Czu System
Volumen V
mittlere Stoffkonzentration C
mittlere Prod.geschwindigkeit r Abfluss
--~r---------~
Qab• cab
Abb. 2.2. Definition eines einfachen Systems. Die Annahmen sind, dass das System ein varia-
bles Volumen V hat, dass Transport über die Systemgrenzen nur innerhalb von Zufluss- oder
Abflussleitungen möglich ist und dass Stoffe über das ganze System gleichmässig mit der Kon-
zentration C verteilt sind
Die Akkumulation des Stoffes oder den Speicherprozess können wir als Ver-
änderung der Stoffmasse M mit der Zeit t verfolgen. Mit GI. (2.2) ergibt sich:
. dM d(V ·C) dC dV
Spetcherung = - = V ·-+C·- (2.3)
dt dt dt dt
Der Transport von Stoffen ins System hinein oder aus dem System heraus er-
gibt sich zu:
Zufluss = Q.. · C"" (2.4)
Abfluss = Q.., · Cab
Q = Volumenstrom (Durchfluss) des Wassers [L3 T 1].
Die Reaktion oder die Umwandlung des Stoffes im System berechnet sich
aus:
Reaktion = r · V (2.5)
r =Reaktionsgeschwindigkeit [M L"3 T 1].
r > 0 wenn der Stoff produziert wird
r < 0 wenn der Stoff verbraucht wird.
Die Reaktionsgeschwindigkeit r gibt an, wieviel des Stoffes pro Volumen
und pro Zeit im System produziert werden. Zum Beispiel kann in einer biologi-
schen Abwasserreinigungsanlage Sauerstoff, 0 2, verbraucht werden. r02 ist nega-
tiv, weil es sich um einen Verbrauch handelt. Die Reaktionsgeschwindigkeit
wird z.B. angegeben als:
r 02 =- 500 g 0 2 m·3 d-1•
Mit den Gin. (2.2- (2.5) können wir nun GI. (2.1) schreiben als:
dC · dV (2.6)
V·-+C·-=Q ·C -Q 8 b ·Cab +r·V
dt dt zu zu
Gleichung (2.6) ist eine stark vereinfachte Form einer allgemeinen Massen-
bilanzgleichung. Sie ist nur für das sehr einfache System in Abb. 2.2 gültig. Das
genügt hier, um einfache Fragestellungen zu bearbeiten.
c~
3 ·1 ·3
Mp = Ozu · Czu · .it = 1500 m d · 7 gP m · 365 d = 3.83 t Phosphor.
Die Antwort auf diese Frage beinhaltet die Dimension der Zeit nicht mehr. Entsprechend
handelt es sich hier nicht um eine Transportgeschwindigkeit
Zufluss
a c:u
Abfluss
C Zufluss
c Abb. 2.4. Schematische Darstellung des idealen
Abfluss
cab Rührkessels. Unten sind die lokalen Stoffkon-
zentrationen angedeutet. Im Rührkessel finden
Ort wir die gleiche Konzentration wie im Ablauf
Wie lange muss das Wasser an der Sonne stehen, damit die Konzentration der Mikroor-
ganismen um den Faktor 106 reduziert wird?
Das Plastikgefäss können wir als Chargenreaktor betrachten. Für die angegebene Abtö-
tungsgeschwindigkeit gilt : r= - k · X, mit k = 0.05 min·1 • Dabei steht X für die Konzentra-
tion der Mikroorganismen.
Integrieren wir GI. (2.7), ausgehend von X= X0 bei t = 0, so resultiert:
y IY ·k·l -Q.OS·I
IVI'O =e =e .
Um den gewünschten Abbau von X/X0 = 10-s zu erhalten, sind t = 276 min oder ca. 5 h
erforderlich. Insbesondere in grosser Höhe (Südamerika, Anden) ist die UV·Strahlung
sehr intensiv, hier stellt diese einfache Art der Wasseraufbereitung eine geeignete Mög-
lichkeit zur Desinfektion dar, wenn das Rohwasser nicht allzu stark belastet ist.
Zudem können wir davon ausgehen, dass die Stoffkonzentrationen wegen der
guten Durchmischung im Reaktor und im Ablauf identisch sind, C =Cab.
2.4 Ideale Reaktoren 25
Hauptfliessrichtung
Abb. 2.5. Der Röhrenreaktor. Die Konzentration C eines Stoffes, der abgebaut wird, nimmt
entlang der Fliessrichtung ab
geschwindigkeit des Wassers bewegen. Ein Förderband oder ein Skilift sind
Beispiele für Röhrenreaktoren. Fliessgewässer und Kanalisationen entsprechen
angenähert einem Röhrenreaktor.
Auf den Röhrenreaktor können wir GI. (2.6) nicht anwenden, weil die An-
nahme, dass die Konzentration C des Stoffes über den ganzen Reaktor die glei-
che ist, nicht anwendbar ist. Der Röhrenreaktor entspricht nicht der einfachen
Systemdefinition in Abb. 2.2.
2.5.1 Speicherung
Speicherung ist in allen Bereichen der Siedlungswasserwirtschaft von Bedeu-
tung. Deutlich wird der Prozess der Speicherung in der Wasserversorgung: Ein
Trinkwasserspeicher (ein Reservoir) speichert Wasser in Perioden mit geringem
Verbrauch, um ansebliessend bei erhöhtem Verbrauch Wasser ins Verteilnetz
einzuspeisen. Wasser wird gespeichert, weil sich der Zufluss vom Abfluss unter-
scheidet. Aus GI. (2.6) wird deutlich, dass ohne Reaktion und ohne Transport
auch der Speicherterm der Bilanzgleichung gleich null wird. Speicherung ist also
immer eine Folge von entweder Transport oder Reaktion.
Wieviel grösser ist die mittlere Konzentration SN des gelösten Stickstoffes im Verlaufe
des Jahres geworden?
Die totale Stoffmenge im See ist M =SN · V, und daraus ergibt sich die Zunahme der
mittleren Konzentration zu:
6 6 3 ·3
ßSN=ßM/V=2·10g/5·10 m =0.4gNm.
(2.9)
Nach dem Nachlassen des Regens nimmt der Zufluss a•• ab. Das Wasservolumen in
den Kanälen nimmt wieder ab, die Speicherung ist negativ, der Abfluss Qab muss grösser
sein als der Zufluss a••.
Die Tatsache, dass die Kanalisationen vorübergehend Wasser speichern können, führt
zu einer Verlangsamung des Abflusses.
dC dV (2.11)
V·-+C·-=Q
dt dt ·C -Q aba
zuzu ·Cb
Abb. 2.6. Systemdefinition für einen Vereinigungsschacht: Regenwasser wird dem Abwasser
einer Gemeinde zugeleitet. Die Wassermengen werden mit Q, die Schmutzstoffkonzentrationen
mit C bezeichnet
Das System kann so klein sein, dass für eine bedeutende Reaktion keine Zeit
zur Verfügung steht, s. dazu Beispiel 2.11.
Der Stoff ist einem Erhaltungssatz unterworfen. Er kann zwar an Reaktionen
teilnehmen, die Summe von Produktion und Verbrauch ist aber immer gleich
null. Erhaltungssätze gelten v.a. für Elemente. In einem System kann z.B.
kein zusätzlicher Phosphor (P) produziert werden (s. a. Beispiel 2.14 ).
Der Stoff ist wohl einer Reaktion unterworfen, im Vergleich zur Stoffmenge,
die durch das System fliesst oder darin vorhanden ist, ist die Reaktion aber
vernachlässigbar. Das gilt insbesondere für Wasser, das z.B. in geringen
Mengen durch Mikroorganismen gebildet wird.
. h· C
0 s · C s + 0 R • C R = 0 M • C M" DaraUS erg1"bt SIC QM . CM - Qs . Cs
. R = -="----"'---=--"- 3.3gm· 3
QR
Wir sprechen hier von einer Mischrechnung, effektiv haben wir die Bilanzgleichung an-
gewendet und die Annahmen gemacht, dass der Schmutzstoff nicht reagiert und nicht im
Schacht gespeichert (zurückgehalten) wird.
30 2 Systemanalyse und Massenbilanz
------l
'
i System2
Qzu --1-:-+~
Nitrifikation 1-t--~
:
'
''
'
i' '----------------'----~_... Oüs
i QR
·-----------------------------------------------------
'
Abb. 2.7. Fliessschema einer einfachen Belebungsanlage mit Nitrifikation. (s.a. Abb. 2.1)
Die Siedlungswasserwirtschaft ist eine Disziplin, die sich sehr umfassend mit der
Qualität von Wasser befasst. Damit dies möglich wird, müssen wir das Wasser
chemisch, physikalisch und hygienisch charakterisieren. Das bedingt ein Ver-
ständnis für die Bedeutung und die Probleme der verschiedenen Analysemetho-
den.
3.1 Vorbemerkungen
Hier werden einzelne Analysen und Methoden zur Charakterisierung von Was-
ser, Abwasser und Klärschlamm diskutiert. Die Angaben beschränken sich auf
das Minimum, das erforderlich ist, um die Grundlagen der Siedlungswasserwirt-
schaft zu verstehen. Fachleute, die sich vertieft mit der Siedlungswasserwirt-
schaft befassen, müssen sich auch im Detail mit den Analysemethoden vertraut
machen. Nur so sind sie vor Fehlinterpretationen gefeit. Zu jeder Analyse, sei
diese physikalisch, chemisch oder mikrobiologisch, gehört eine reproduzierbare
Beschreibung des standardisierten Vorgehens und der möglichen Fehlerquellen
bei den Resultaten, s. dazu die weiterführende Literatur in Kapitel 26.4, Seite
402.
Abwasserprobe
Fittermembran mit
Vakuum suspendierten Stoffen
Filtrat m~
gelösten Stoffen
Abb. 3.1. Apparatur zum Trennen von gelösten und ungelösten Stoffen. Die ungelösten Stoffe
bleiben auf der Filtermembran zurück, die gelösten Stoffe werden mit Hilfe von Vakuum zu-
sammen mit dem Wasser durch die Filtermembran gesogen
Summenparameter quantifizie-
ren eine Teilmenge aller Stoffe,
die in einem Wasser vorhanden
Einzelsloff: sind. Einzelstoffanalysen bezie-
~ Ein Element hen sich auf ein Element aus
der gesamten Menge der vor-
handenen Stoffe. Die Filtration
teilt die Stoffe in zwei Teilmen-
gen: Gelöste und partikuläre
Stoffe.
Trennverfahren: Membranfihration
3.3.1 Filtration
Als gelöste Stoffe werden Stoffe bezeichnet, die durch ein Membranfilter mit
definierten Porengrössen passieren können. In der Schweiz wird meist eine Po-
rengrösse von 0.45 J.lm für diese Abtrennung verwendet. Als ungelöste, partiku-
läre oder suspendierte Stoffe werden diejenigen Stoffe bezeichnet, die bei der
Filtration auf dem Membranfilter zurückbleiben. Abb. 3.1 zeigt eine Apparatur,
mit der die ungelösten von den gelösten Stoffen abgetrennt werden können.
3.3 Filtration, gelöste und partikuläre Stoffe 35
Der CSB ist heute eine häufig gebrauchte Grösse um die Konzentration der
organischen Stoffe im Abwasser, unabhängig von deren Zusammensetzung und
biologischen Abbaubarkeit, zu bestimmen. Der CSB ist besonders geeignet weil
er auf Kläranlagen einfach bestimmt werden kann und die organischen Stoffe
fast vollständig erfasst. Er steht in Beziehung zum Sauerstoftbedarf, der insbe-
sondere in der biologischen Abwasserreinigung eine bedeutende Rolle spielt.
Zur Bestimmung des CSB wird der Probe Silber (Ag+) als Katalysator und
Quecksilber (Hg2+) zugegeben, um Verfälschungen durch Chlorid (Cn zu ver-
mindern. Die ausreagierten Proben sind daher reich an Schwermetallen und müs-
sen entsprechend entsorgt werden. Heute gibt es Lieferanten, die fertig abge-
füllte Analysegläser ausliefern und diese nach Gebrauch zur Aufarbeitung und
Entsorgung zurücknehmen.
Leider wird in der CSB Analyse auch Nitrit N02• zu Nitrat N03• aufoxidiert.
Das verfälscht bei (seltenen) hohen Nitritkonzentrationen das Resultat. Eine
Eigenheit der CSB Analyse ist, dass die Analyse einen absoluten Fehler hat,
sodass insbesondere tiefe Konzentrationen relativ ungenau werden. Im Abwasser
sind Konzentrationen unter 20 g m·3 mit einem grossen relativen Fehler behaftet,
sofern die Analysemethode nicht angepasst wird.
Kaliumpermanganatverbrauch, KMn04
Historisch wurde an Stelle des Diebromats Kaliumpermanganat KMn04 als Oxi-
dationsmittel eingesetzt. Die entsprechende Analyse ist sehr einfach und rasch
durchzuführen. Entsprechend wird sie z.B. auf kleinen Kläranlagen immer noch
zur Überwachung genutzt.
Kaliumpermanganat oxidiert die organischen Stoffe nur teilweise. Das Re-
sultat kann daher nur relativ zu anderen Kaliumpermanganatverbrauchswerten
interpretiert werden.
TabeHe 3.1. Die verschiedenen Formen von Stickstoff, die in der Siedlungswasserwirtschaft von
Bedeutung sind. Die Darstellung ist stark vereinfacht
Oxidationszahl pH-Wert hoch pH-Wert tief
Reduziert: 0 2 Bedarf
-3 NH3 (Ammoniak) NH/ (Ammonium)
0 N2 (elementarer Stickstoff)
+3 N02- (Nitrit)
+5 N03- (Nitrat)
Oxidiert: "02 Angebot"
-3 Organisch gebundener Stickstoff
3.5 Stickstoff
Stickstoff spielt in seinen verschiedenen organischen, aber v.a. anorganischen
Formen, eine wichtige Rolle in der Abwasserreinigung und in der Beurteilung
von Trinkwasser.
(3.1)
2706
pKs = -log(Ks) = +0.139
T+273.15
Ks = Gleichgewichtskonstante für die Dissoziation von Ammonium
[NH3], [W], [NJ-4+] =Molare Konzentration der drei Stoffe in Mol 1'1
T = Temperatur in oc
Mit GI. (3.1) können wir in Funktion des pH-Wertes, der Temperatur und der
Summe der Konzentrationen von Ammonium und Ammoniak berechnen, wie-
viel vom fischgiftigen Ammoniak ~ im Wasser ist:
(3.2)
einer Farbreaktion analysiert werden. Das Resultat wird meist angegeben als
N02·-N.
Nitrat N03- ist die am höchsten oxidierte Form von Stickstoff. Es ist im Was-
ser unerwünscht, insbesondere weil es im Trinkwasser nur beschränkt zugelassen
ist (Tabelle 3.9, Seite 59). Die Analyse von Nitrat ist problematisch und häufig
mit grösseren Fehlern behaftet.
In manchen Analysen wird Nitrat chemisch zu Nitrit reduziert und die Sum-
me von Nitrat und Nitrit analysiert. Bei bekannter Nitritkonzentration kann dann
Nitrat berechnet werden.
GP: Gelöster Phosphor P1el, wenn die Probe vor dem Mineralisieren der orga-
nischen Stoffe filtriert wird.
Es gilt: TP ~ GP ~ P04-P.
3.7.1 pH-Wert
Der pH-Wert des Wassers ist eine zentrale physikalisch-chemische Grösse des
Wassers. Er beeinflusst das Gleichgewicht von Säuren und Basen, Fällungsreak-
tionen, elektrische Ladungen an Partikeln, etc.
Der pR-Wert gibt an, wie gross die Aktivität (:::Konzentration) der Protonen H+
im Wasser ist (pH =- log(H+)). Er bestimmt die Gleichgewichte zwischen Säu-
ren und Basen, beeinflusst die Geschwindigkeit der Auflösung oder Ausfallung
von vielen Mineralien etc. Im natürlichen Wasser wird der pR-Wert meist durch
das Kohlensäure-Bikarbonat-Karbonat System gepuffert.
Der pR-Wert kann heute zuverlässig und einfach mit Elektroden gemessen
werden. Häufig entstehen aber Messfehler durch nicht fachgerecht geeichte oder
unterhaltene Elektroden.
Der pR-Wert ist für den Ablauf der Wasseraufbereitung, der Abwasserreini-
gung und von Korrosionsprozessen von grosser Bedeutung. Typische pH-Werte
sind in Tabelle 3.2 gegeben.
3. 7.2 pH-Puffer
Ein Wasser ist gegen pH-Änderungen gepuffert, wenn es grössere Mengen von
Säuren oder Basen aufnehmen kann, ohne dass sich der pH-Wert des Wassers
stark ändert.
Im Bereiche der Siedlungswasserwirtschaft spielt v.a. das Kohlensäure- Bikar-
bonat - Karbonat - Gleichgewicht eine Rolle als pH-Puffer. Dieses Gleichge-
wicht wird durch die folgenden zwei Gleichungen charakterisiert:
(3.3)
(3.5)
3.8 Wasserhärte
Die Wasserhärte drückt aus, wieviel Kalzium Ca 2 +und Magnesium Ml+ im Was-
ser enthalten sind. Diese beiden Ionen bilden bei der Erwärmung des Wassers
unlösliche Salze, die sich z.B. auf Pfannen und der Wäsche als eine weisse Kru-
ste niederschlagen. Die Wäsche wird hart.
Durch Verwitterungsprozesse löst das Niederschlagswasser Mineralien, die an-
schliessend das Verhalten des Wassers in den unterschiedlichsten Situationen
prägen. Von besonderer Bedeutung sind die Härtebildner, die zweiwertigen Me-
tallionen, insbesondere Calcium (Ca2+) und Magnesium (Mg2+). Die Karbonatsal-
ze dieser Metalle sind schlecht löslich, sie bilden weisse Niederschläge, wenn im
Wasser der pH-Wert zunimmt resp. das Wasser erhitzt wird. Härtebildner wer-
den v.a. in kalkreichen Regionen in erhöhten Konzentrationen ins Wasser aufge-
nommen.
Zusammen mit den Härtebildnern wird auch Karbonat (CO/') oder je nach
pH-Wert Bikarbonat (HC03'} im Wasser gelöst (s. Säurebindungsvermögen,
Kapitel 3.7.3). Es gelten die folgenden Begriffe:
Gesamthärte umfasst die Summe der zweiwertigen Metallionen, v.a. Calci-
um und Magnesium. Sie wird in unterschiedlichsten Einheiten
angegeben.
Alkalinität, SBV gibt an, wieviel starke Säure erforderlich ist, um den pH-Wert
des Wassers auf 4.3 zu reduzieren. Sie wird in unterschied-
lichsten Einheiten angegeben.
48 3 Charakterisierung von Wasser
Da beide Ionen 2 positive Ladungen tragen, entspricht die Gesamthärte [GH] in meq/1:
[GH] =2·[Ca2+] + 2·[Mg2+] =2 · (1.88 + 0.41) =4.58 meq/1
ln •f ergibt sich eine Härte von 5 •f I (meq/1) · 4.58 meq/1 = 22.9 •f
Dieses Wasser würde als mittelhart bezeichnet (Tabelle 3.3).
TabeHe 3.4. Löslichkeit von Sauerstoff im Wasser. Die Angaben beziehen sich auf Normaldruck
(760 mm Hg oder 1031 hPa). Diese Sättigungswerte beziehen sich auf Wasser im Gleichgewicht
mit der Atmosphäre. Sie können ungefähr proportional mit dem Luftdruck an die lokalen Verhält-
nisse angepasst werden
Temperatur gelöster Sauerstoff
·3
in •c ingm
0 14.7
5 12.8
10 11.3
15 10.0
20 9.0
25 8.2
30 7.4
Die Konzentration von gelöstem Sauerstoff im Wasser kann heute mit Elek-
troden zuverlässig und kontinuierlich gemessen werden.
Tabelle 3.5. Physikalische Eigenschaften von unbelastetem Wasser (Fair et al. 1968)
Temperatur Dichte Kinematische Zähigkeit Oberflächenspannung
oc kgm· 3 2 ·I
m s dyn cm· 1
0 999.87 1.79. 10 75.6
4 1000 1.57. 10-6
5 999.98 1.52. 10-6 74.9
10 999.73 1.31 . 10-6 74.2
15 999.12 1.15. 10-6 73.5
20 998.23 1.01 . 10-6 72.8
25 997.07 0.90. 10-6 72.0
30 995.68 0.80. 10-6 71.8
Abb. 3.2. Petrischale mit Nährboden und Kolonien von Mikroorganismen. Oben Coliforme
Keime auf Endo Agar, alte Methode; unten Gesamtkeimzahl, Kolonien teilweise markiert beim
Auszählen. Photo: Wasserversorgung Zürich
Escherichia coli (E.coli) ist ein Bakterium, das schon früh in hoher Zahl in
den Fäkalien des Menschen gefunden wurde. Alle Menschen sind Träger von
E.coli, sie unterstützen unsere Verdauung. Einige wenige Stämme lösen bei nicht
adaptierten Menschen Durchfall aus. So ist etwa in Mexico ein Stamm von
E.coli häufig vertreten, der bei Westeuropäern starken Durchfall auslöst, gegen
den aber die lokale Bevölkerung resistent ist. Die ausgelöste Krankheit heisst in
Nordamerika "Montezuma's Rache".
E. coli ist also ein mehr oder weniger ungefährliches Bakterium, das in gro-
sser Zahl in den Fäkalien ausgeschieden wird. Es wird in Wasser immer dort
auftreten, wo auch Krankheitskeime, allerdings in viel geringerer Konzentration,
auftreten. Sind also E. coli vorhanden, so muss auch mit Krankheitskeimen ge-
rechnet werden. Diese Überlegung hat schon früh dazu geführt, dass selektive
mikrobiologische Analysemethoden für die Bestimmung der Anzahl von E. coli
in unterschiedlichen Wässern entwickelt wurden. Zudem haben Mediziner und
Mikrobiologen über lange Zeit hauptsächlich diesen Organismus untersucht,
sodass E. coli heute einer der bestuntersuchten Mikroorganismen ist.
54 3 Charakterisierung von Wasser
TabeHe 3.6. Grenzwerte fiir die hygienische - mikrobiologische Qualität von Trinkwasser in der
Schweiz (Verordnung über die hygienisch- mikrobiologischen Anforderungen an Lebensmittel,
Gebrauchs- und Verbrauchsgegenstände vom 1. Juli 1987)
Grenzwertea
Erreger von Typhus Salmonella Arten
Shigella Arten in 5 I nicht nachweisbar
Erreger von Cholera Vibrio cholerae
Toleranzwerte für unbehandeltes Trinkwasser
an der Quelle Aerobe mesophile Keime 100/ml
im Verteilnetz Aerobe mesophile Keime 300/ml
Escherichia coli nicht nachweisbar in 100 m1
Enterokokken nicht nachweisbar in 100 m1
Grenzwerte sind Höchstkonzentrationen, bei deren Überschreitung das Trinkwasser für die
menschliche Ernährung als ungeeignet gilt.
Toleranzwerte sind Höchstkonzentrationen, bei deren Überschreitung das Trinkwasser von der
Vollzugsbehörde beanstandet wird. Bei wiederholtem Überschreiten der Toleranzwerte müs-
sen Massnahmen zur Reduktion ergriffen werden.
Für behandeltes Trinkwasser gelten strengere Grenzwerte.
Bakteriums (oder doch mindestens einer Gruppe von Bakterien, die auch E. coli
umfasst) in relativ geringer Zahl ist einfach, billig und schnell.
Historisch hat sich daher entwickelt, dass wir stellvertretend als Indikatoren
für die in sehr geringer Anzahl vorkommenden pathogenen Keime die in viel
höherer Zahl vorkommenden Darmbakterien, mit allerdings gleichem Ursprung,
verfolgen.
In Tabelle 3.6 sind die Grenzwerte für die hygienische Beurteilung von
Trinkwasser in der Schweiz zusammengestellt. Für viele Laien (und Studieren-
de) ist es überraschend zu erfahren, dass in jedem ml Trinkwasser bis zu 300
Bakterien (aerobe mesophile Keime) zugelassen werden, d.h. mit jedem Glas
einwandfreiem Trinkwasser nehmen wir z.B. 10'000 vermehrungsfähige Bakte-
rien zu uns. Das entspricht aber gemessen als TSS der ausserordentlich geringen
Konzentration von ca. 0.01 g m·3 und ist weder als Trübung sichtbar noch in
dieser Form messbar. Solche Bakterien können sich zudem unter den Bedingun-
gen im Darm kaum vermehren.
Tabelle 3.8. Zusammensetzung des Niederschlages (gesamt) und des Regenwassers (feucht) in
zwei schweizerischen Messstationen in der Messperiode 1978n9 (Zobrist, 1998). Die Konzentra-
tionen beziehen sich auf das Volumen des Niederschlages
Station Dübendorf Jungfraujoch
Höhe über Meer 400m 3570m
Stoff Einheit feucht gesamt gesamt
Natrium gNam- 0.08 0.16 0.24
Kalium gKm-3 0.05 0.10 0.20
Calcium g Cam-3 0.38 0.91 0.69
Magnesium gMgm-3 0.05 0.16 0.06
Ammonium-N gNm-3 0.43 0.47 0.19
starke Säuren mmolH+m·3 57 41
Nitrit-N gNm- 0.004 0.006
Nitrat gNm-3 0.40 0.48 0.14
Sulfat-S gSm-3 0.97 1.08 0.38
Chlorid gClm-3 0.74 0.86 0.42
Phosphat-P gPm-3 0.001 0.002
Blei mgPbm- 21 39
Kupfer mgCum-3 5 9
Zink mgZnm·3 46 54
·3
Cadmium mgCdm 0.46
P,., gPm- 0.014 0.021
DOC gCm-3 1.2 1.4
pH-Wert 4.26 4.46 5.4
Niederschlag mm 1225 1225 1105
3.12.3 Trinkwasserzusammensetzung
Tabelle 3.9 gibt eine Zusammenfassung von Richtwerten für Qualitätsziele und
Grenzwerte für Trinkwasser. Das Qualitätsziel charakterisiert ein gutes Trink-
wasser (Kolonne 1). Die Grenzwerte sollten nicht während längerer Zeit über-
schritten werden, sie charakterisieren ein ungeeignetes Trinkwasser.
TabeHe 3.10. Zusammensetzung des Abwassers der Stadt Zürich. Werte aus Untersuchungen der
EAW AG von 1977 und 1989 (Jl = Mittelwert, cr = Streuung)
1977 1989
Parameter Zulauf Ablauf Zulauf Ablauf Einheit
der Vorklärung der Vorklärung
ll ll (J ll ll (J
BSB 5 90 gOm
TOC 97 62 17 120 61 17 gcm·3
DOC 35 31 10 28 7 gcm·3
-3
CSB 310 207 56 216 61 gOm
-3
TSS 203 101 29 79 26 gm
TP 6.4 6.1 1.6 3.8 0.8 gPm-3
GP 4.2 4.1 1.0 gPm- 3
-3
TKN 21.5 19.4 3.9 23.1 4.6 gNm
-3
NH4•-N 12.4 11.5 1.8 17.0 15.1 3.7 gNm
-3
N02--N 0.3 0.2 gNm
N03--N 2.1 0.9 gNm-3
SBV 4.7 0.2 5.5 5.1 0.8 Molm- 3
pH-Wert 7.6 0.2
3.13 Probenahme
Die Probenahme ist interaler Bestandteil der Charkterisierung von Wasser. Sie
muss sorgfältig an die Fragestellung angepasst werden.
Wasser wird nicht als Ganzes chemisch oder bakteriologisch untersucht, sondern
es wird stellvertretend ein kleiner Anteil des Wassers als Probe gezogen, ins
Labor gebracht und dort zeitverschoben analysiert. Die Probenahme ist ein
wichtiger Teil einer genauen und zuverlässigen Charakterisierung eines Wassers.
Sie muss der Fragestellung angepasst sein: Der Analytiker muss sich darauf ver-
lassen können, dass die Probe die gleichen Eigenschaften hat wie das zu untersu-
chende Wasser. Da in Probenahmeflaschen sowohl biologische als auch chemi-
sche Reaktionen ablaufen, können wir nicht grundsätzlich von dieser Annahme
ausgehen.
3.13 Probenahme 61
Wie gross ist für die obenstehenden Angaben die erwartete Konzentration des CSB in
einer zeitproportionalen und in einer mengenproportionalen Sammelprobe?
Zeitproportionale Probe:
Mittlere Konzentration= (90 + 220 + 260 + 150) I 4 = 180 g CSB m-a
Mengenproportionale Probe:
Mittlere Konzentration = 1: Q(t) · C(t) I 1: Q(t) =
= (70·90+200·220+280·260+ 120·150)/(70+200+280+120)
= 211 g CSB m-a
Unterschiedliche Resultate der beiden Arten der Probenahme ergeben sich v.a. dann,
wenn Q(t) und C(t) stark korrelieren. Das ist im Abwasser häufig der Fall.
Die Fracht Fcss des CSB im Abwasser kann hier nur mit der mengenproportionalen Probe
zuverlässig berechnet werden:
FCSB =1: Q(t) · C(t) =~ot • CMittel,mengenproportional
= 211 g CSB m-a ·670m3 d·t = 141 kg CSB d-1 •
ln der Wirklichkeit müssten pro Tag mehr als 4 Proben gezogen werden um mengenpro-
porionale Resultate zu erhalten.
Beispiel 4.5. Typische Werte für den Anteil Glühverlust an der Trockensubstanz
Typischer Klärschlamm enthält:
Frischschlamm ohne Phosphorfällung: GV/TS=70%
mit Phosphorfällung: GV/TS = 60%
Faulschlamm ohne Phosphorfällung: GV/TS =55%
mit Phosphorfällung: GV/TS=45%
Im Zuge der Faulung gehen organische Stoffe (=GV) in Form von Biogas verloren, das
vermindert den Anteil des Glühverlusts an der Trockensubstanz.
TabeHe 4.1. Grenzwerte ftir den Schadstoffgehalt von Klärschlamm und Kompost (Schweiz.
Stoffverordnung, Anhang 4.5, Änderung 16.9.1992)
Schadstoff Grenzwert in g Metall/ t Trockenstoff
Kompost Klärschlamm
Blei (Pb) 120 500
Cadmium (Cd) 1 5
Chrom (Cr) 100 500
Cobalt (Co) 60
Kupfer (Cu) 100 600
Molybdän (Mo) 20
Nickel (Ni) 30 80
Quecksilber (Hg) 5
Zink (Zn) 400 2000
Der Bedarf von Wasser in Siedlungen (v.a. der Trinkwasserverbrauch) und die
Menge von Abwasser, welche aus den Siedlungen abgeleitet werden muss, stehen
miteinander in Beziehung. Regen, Drainage und der Verlust von Wasser führen
aber zu Unterschieden in den beiden Wassermengen. Beide Grössen sind wichti-
ge Unterlagen für die Planung, die Projektierung und den Betrieb der Anlagen
in der Siedlungswasserwirtschaft. Von Bedeutung sind Tagesmittelwerte, Ex-
tremwerte, saisonale Variationen, Wochengang, Tagesgang und Momentanwer-
te.
Trinkwasser ---~1"""'
Verluste ...,..+-t
Abwasser
Gärten zur ARA
Entlastung
beiRegen
Grundwasser
Abb. 5.1. Die verschiedenen Quellen des Abwassers in Siedlungen: Das Trinkwasser wird um
die Verluste vermindert, Industrien betreiben gelegentlich eigene Wasserbeschaffungsanlagen,
Grundwasser gelangt direkt in die Kanalisation und Regen wird teilweise abgeleitet. Zuneh-
mend wird auch Regenwasser gespeichert und als Brauchwasser genutzt. Vor den Kläranlagen
muss während Regen Abwasser entlastet werden
5.2 Trinkwasserbedarf
Der Bedarf an Trinkwasser ist starken Schwankungen unterworfen. Während
heisser, trockener Monate kann der Wasserbedarf ein Mehrfaches des mittleren
Bedarfes ausmachen. In Orten ohne touristische Bedeutung sind Ferienzeiten im
Winter Perioden mit minimalem Bedarf.
5.2.1 Nomenklatur
Die vielen unterschiedlichen Angaben zum Wasserbedarf bedingen eine Definiti-
on der Symbole.
Je nach Fragestellung müssen ganz unterschiedliche Wassermengen bestimmt
werden. Nachfolgend sind einige wichtige Wassermengen definiert:
Qh = Momentanwert des Wasserverbrauches. Der Index h steht für Stunde.
Dieser Wasserverbrauch kann als Zustand direkt gemessen werden.
=Mittelwert des Wasserverbrauchs über einen Tag. Der Index d steht
für Tag. Dieser Wert kann nur als Summe über 24 h gemessen werden.
~..... = Der maximale tägliche Wasserverbrauch ~ als Extremwert einer län-
geren Periode, z.B. der maximale Verbrauch, dem eine Anlage gerecht
werden muss.
=Der mittlere Wasserverbrauch ~während einer längeren Periode.
= Der minimale Wasserverbrauch ~ während einer längeren Periode.
= Der maximale momentane Wasserverbrauch im Tagesgang, die Ta-
gesspitze.
Qh.max.max =Die momentane Tagesspitze am Tag mit maximalem Verbrauch~......
Qh.max.m =Die Tagesspitze an einem Tag mit mittlerem Verbrauch ~.m·
Der Wasserbedarf Q wird in m3 d. 1 für eine ganzes Versorgungsgebiet ange-
geben. Zusätzlich werden spezifische Verbrauchszahlen angegeben, z.B. der
mittlere tägliche Wasserverbrauch pro Einwohner als qd.m in m 3 E"1 d· 1•
Für die Charakterisierung von Tages- und Jahresganglinien werden dimensi-
onslose Extremwertfaktoren fh und fd definiert, die die Extremwerte des Wasser-
bedarfes auf den Mittelwert einer relevanten Periode beziehen. Beispiele sind:
fh.max = Qh.max.m I ~.m' ein Faktor der angibt, wie gross der tägliche maximale
Wasserverbrauch relativ zum Tagesmittelwert ist.
fd.min = ~.m;n I ~.m' ein Faktor, der die Beziehung zwischen minimalem Ta-
gesverbrauch und dem Jahresmittel des Wasserverbrauchs angibt.
In den Beispiel 5.3 und Beispiel 5.5 solche Faktoren aus gemessenen Gangli-
nien berechnet worden.
5.2.2 Wasserverbrauch
Der Tages-, Wochen- und Jahresgang des Verbrauchs von Trinkwasser beruht
auf unseren Aktivitäten. Der Verbrauch im Haushalt wird überlagert vom Ver-
brauch im Kleingewerbe sowie in Gewerbe- und Industriebetrieben. Steigende
70 5 Wasserbedarf, Abwasseranfall
Spezifischer Wasserverbrauch
m3E·1d·1
1.0
0.8
0.6
0.4
0.2
0.0
1940 1950 1960 1970 1980 1990 2000
Abb. 5.2. Entwicklung des Wasserverbrauchs pro Einwohner in der Schweiz. Angegeben wer-
den mit Einwohnern gewichtete Mittelwerte der rapportierenden Wasserversorgungen (totale
Wasserabgabe). Vom mittleren Tag kann auf den Jahresverbrauch geschlossen werden. Der
maximale Tag entspricht dem gewichteten Mittelwert aller Maximalwerte der einzelnen Betrie-
be. Diese Extreme treten nicht im ganzen Land am selben Tag auf (Quelle SVGW)
TabeHe 5.1. Wasserabgabe der Wasserversogongen in der Schweiz. Statistische Erhebungen des
Schweiz. Verein des Gas- und Wasserfaches (SVGW)
Wasserabgabe 1985 1990 1993
Haushalte inkl. Kleingewerbe 54.0% 54.9% 58.0%
Gewerbe und Industrie 20% 21.3% 19.0%
Öffentliche Zwecke und Brunnen 7.2% 8.8% 6.9%
Selbstverbrauch 2.0% 2.1% 2.7%
Verluste 16.8% 12.9% 13.4%
Total 100% 100% 100%
Total in 106 m3 Jahr. 1 1144 1162 1066
Einwohner in Mio. 6.534 6.796 6.989
Tabelle 5.2 gibt einen Überblick über die Verwendung von Trinkwasser in
den Haushaltungen. Der Verbrauch von 180 1/Einwohner und Tag ist typisch für
schweizerische Verhältnisse, er liegt hoch im europäischen Vergleich.
1pro Einwohner
Aktivität %
pro Tag
Toilettenspülung 59 33
Baden I Duschen 58 32
Wäsche 18 10
Körperpflege 11 6
Geschirrspülen 11 6
Garten 9 5
Trinken I Kochen 5 3
Putzen 5 3
Autowaschen 4 2
Total 180 100
Körperpflege 11
Geschirrspülen 11
Garten 9
Trinken I Kochen 5
Putzen 5
Autowaschen 4
Total 90 90
Ca. 50 % des Trinkwassers, das in Haushaltungen verbraucht wird, könnte durch
Brauchwasser substituiert werden. Das bedingt allerdings aufwendige Installationen am
Ort des Verbrauchs und eine saubere Trennung der beiden Verteilsysteme. Der Abwas-
seranfall hat sich dadurch nicht verringert.
TabeHe 5.3. Beispiele von Wasserverbrauchsangaben für verschiedene Städte und Dörfer in der
Schweiz. Die Auswahl gibt Ortschaften mit unterschiedlichen Aktivitäten, aber z.T. gleicher Grö-
sse, mit Angabe des Anteils der Industrie am abgegebenen Wasser (Quelle: SVGW Statistik 1993)
Ort Angeschl. Wasserabgabe in 1 E. d Bemerkungen
Einwohner Max. Min. Mittel
Genf 391~000 791 300 459 UNO, Tourismus
Zürich 360'000 497 287 387 Dienstleistung
Thun 40'000 453 259 341
Schaffhausen 36'000 690 321 470 Industrie > 25%
Sion 26'000 1040 214 568 Bewässerung, wenig Regen
Aarau 19'000 710 403 511 Industrie > 25%
Volketswil 13'000 522 254 354 Industrie > 30%
Huttwil 3900 555 190 286 Industrie > 25%
Baizers FL 3900 1163 336 894 Dominante Industrie
Abtwil 3700 277 157 197 Ländlich
Der Wasserbedarf von Städten und Dörfern hängt stark mit den lokalen Ge-
gebenheiten zusammen. Tabelle 5.3 gibt einen Überblick über den Wasserver-
brauch pro Einwohner für verschiedene Versorgungsgebiete. Ohne eine detail-
lierte Analyse des Versorgungsgebiets können die beobachteten Unterschiede
nicht erklärt werden. Die Analyse der historischen Entwicklung des Wasserver-
brauchs, zusammen mit einem Verständnis für die Struktur der Siedlung, sind die
Basis für die Prognose der weiteren Entwicklung des Bedarfes.
Abb. 5.3. Tägliche Wasserabgabe der Wasserversorgung der Stadt Zürich im Jahre 1991. Deut-
lich sichtbar ist der Einfluss der Witterung (z.B. Bewässerung im Sommer) und der Wochen-
gang. Feiertage wie Ostern, Auffahrt, Pfingsten und 1. Mai sind deutlich im Wasserverbrauch
zu identifizieren. Die Dauerkurve zeigt den verminderten Wasserverbrauch während den Wo-
chenenden (Wasserversorgung Zürich, Geschäfts- und Untersuchungsbericht 1991). Jahresmit·
telwert 192'000 m3d. 1
Verhältnis fh = Qh I Qd
2.5
1.5
0.5
0
0 6 12 18 24
2.5
2
städtisch
1.5
0.5
0
0 6 12 18 24
Uhrzeit
Abb. 5.4. Typischer Tagesgang des Wasserverbrauchs. Q. = Momentanwert, Q, = Tagessumme,
c. =relativer Momentanwert (SVGW, W6, 1975). Siehe auch Tabelle 5.4
0
1000 10000 100000 1000000
Belieferte Einwohner
Abb. 5.5. Spitzenfaktoren für die Bereitstellung von Trinkwasser in Abhängigkeit von der
Anzahl Einwohner im Versorgungsgebiet Ab 20'000 Einwohner ist der Industriebedarf ent-
halten. (gezeichnet nach DVGW, Merkblatt W410, Januar 1995). Die obere Kurve stellt das
Produkt fd.max · fh.max dar
rung, abendliches Duschen etc., zu Stande kommen, ist diese Annahme nur an-
genähert richtig.
In Abb. 5.5 sind Beispiele von Spitzenfaktoren dargestellt, wie sie in
Deutschland für die Bemessung von Anlagen verwendet werden. Deutlich ist die
Abnahme der Spitzenwerte mit zunehmender Grösse des Versorgungsgebietes zu
sehen. Tabelle 5.5 gibt Richtwerte für Extremwertfaktoren.
Tabelle 5.5: Extremwertfaktoren für die Abschätzung des minimalen und des maximalen Was-
serverbrauchs im Tgesgang und pro Tag (Gl.(5.1)).
Charakter des Tagesgang Jahresgang
. Versorgungsgebietes fbmin fhDIIII fclmin fd!QM
Landgemeinde 0.0-0.1 2.0-3.0 0.5-0.7 1.7- 2.0
Kleinstadt 0.1 -0.3 1.6-2.0 0.5-0.7 1.6- 1.8
Grossstadt mit Industrie 0.3- 0.5 1.4-1.7 0.6-0.7 1.3- 1.6
5.3 Löschwasser
Häufig muss die Wasserversorgung auch das Löschwasser für die Feuerwehr zur
Veifügung stellen. Der entsprechende Bedarf wird in Abschn. 10.4.1, Seite 148
diskutiert.
5.4 Abwasseranfall
'
Der Abwasseranfall setzt sich zusammen aus dem verschmutzten Abwasser aus
Haushaltungen, Gewerbe und Industrie, unbelaste~em Fremdwasser und Regen-
wasser. Das Regenwasser stellt während intensiver Regen bei weitem den
grössten Anteil. Hier wird nur das Abwasser besprochen, das bei Trockenwetter
anfällt. Es ist einem regelmässigen Tages-, Wochen- und Jahresgang unterwor-
fen.
80 5 Wasserbedarf, Abwasseranfall
Industrielle
Abwässer
20%
Fremdwasser
40%
Regenwasser
15%
Abb. 5.6. Herkunft des Abwassers im Zulauf zu den Kläranlagen in der Schweiz. Statistisches
Jahrbuch der Schweiz 1989, Angaben für das Jahr 1986. Neuere statistische Angaben sind nicht
verfügbar. Tendenziell hat seit 1986 der Fremdwasseranteil abgegenommen und das Regenwas-
ser zugenommen, weil heute weniger entlastet wird
Q in L3 T·1
QARA
2.00
Reserve für
Regenwasser ORw Q
~ TW,h,max
1.00
Fremdwasser, QFW
0.00
0 4 8 12 16 20 24
Uhrzeit
Abb. 5.7. Tagesgang der Wassermengen im Zulauf einer Abwasserreinigungsanlage. Aufge-
zeigt sind das stetig fliessende Fremdwasser, das zusätzlich fliessende verschmutzte Abwasser
und die Reservekapazität der Kläranlage für Regenwasser sowie die Dimensionierungswasser-
menge der Abwasserreinigungsanlage
In der Schweiz werden ca. 1 · 109 m 3 Trinkwasser pro Jahr ausgeliefert; die-
ses macht ca. 45% des Abwassers aus. Nach den Angaben in Abb. 5.6 müssen
also ca. 2- 2.5 · 109 m 3 Abwasser pro Jahr aus den Siedlungen abgeleitet werden.
Bei 7 Mio. Einwohnern entspricht das durchschnittlich 0.8 - 1.0 m 3 Abwasser pro
Einwohner pro Tag. Verteilt über die ganze Schweiz entspricht diese Wasser-
menge einer Wassertiefe von 60 mm a· 1 und einem Volumen von 2-2.5 km3a· 1•
5.4.2 Nomenklatur
Abwasser setzt sich aus verschiedenen Fraktionen zusammen, die alle sowohl
einem Jahresgang als auch einem Tagesgang unterworfen sind. Entsprechend
müssen viele unterschiedliche Grössen definiert werden.
In Abb. 5.7 ist der Tagesgang von einigen Fraktionen des Abwassers dargestellt
und die einzelnen Abwassermengen sind unten definiert. Hier wird für das
Trinkwasser und das Abwasser eine analoge Nomenklatur gewählt. Die Nomen-
klatur für das Abwasser ist nicht diejenige der Praxis. In der Praxis werden je
nach Land historisch unterschiedlich definierte Grössen verwendet; diese werden
teilweise im Rahmen von Beispielen erläutert.
Q71.h = Momentanwert des Abwasseranfalles. Der Index h steht für Stunde.
?? bezeichnet die Fraktion des Abwassers. Dieser Abwasseranfall ist
ein Zustand, oder Momentanwert, und kann z.T. direkt gemessen
werden.
Q17,d = Mittelwert des Abwasseranfalles über einen Tag. Der Index d steht
für Tag. ?? bezeichnet die Fraktion des Abwassers. Der Wert kann
nur als Summe über 24 h gemessen werden.
82 5 Wasserbedarf, Abwasseranfall
Der gewählte Stundenansatz x (hier 14 h) ist abhängig von der Grösse des Einzugsge-
biets einer Abwasserreinigungsanlage. Typische Werte für den maximalen und den mi-
nimalen Abwasseranfall im Tagesgang sind:
Einzugsgebiet Maximalwert im Tagesgang Minimalwert im Tagesgang
x in h x in h
Ländlich 12 48
Dorf 14 45
Kleinstadt 16 40
Grossstadt 18-20 36
Leider wird in den praktischen Angaben häufig keine klare Unterscheidung zwischen
Schmutzwasser und Trockenwetteranfall gemacht. Je grösser aber der Fremdwasseran-
teil am Abwasser ist, desto geringer sind die Variationen des Abwasseranfalles
(Beispiel5.11).
5.4.3 Betriebserfahrungen
In den westlichen Industriestaaten bestehen heute für den grössten Teil des Ab-
wassers Abwasserreinigungsanlagen und deren Zufluss wird gemessen. Dies
erlaubt, die Betriebseifahrungen auszuwerten.
Die Wassermenge kann mehr als 50% der Investitionskosten einer Kläranlage
bestimmen. Eine sorgfältige Erhebung auf der Basis von gerrau geeichten Mes-
sungen ist deshalb vor einem geplanten Ausbau immer zu empfehlen. Dies
schützt z.B. vor Überraschungen mit überdurchschnittlich grossem Fremdwas-
seranfall, wie dies in vielen ländlichen, kleinen Verhältnissen oft vorkommt (und
z.B. bei der Einweihung von Kläranlagen schon viele enttäuschte Gesichter ver-
ursacht hat, weil ein ganzer Bach unberücksichtigt geblieben ist).
VORSICHT: Die Messung von Abwassermengen ist nicht trivial. Die meisten
Messstationen sind nur ungenügend geeicht, sodass systematische Fehler in den
Messreihen vorhanden sind. Abweichungen von über 20% vom Effektivwert sind
keine Seltenheit. Bevor eine solche Messreihe ausgewertet wird, sollten die
Messgeräte neu geeicht werden und die alten Zahlen sind allenfalls an die neue
Eichung anzupassen. Dem Ausbau von Kläranlagen liegen absolute Zahlen zu
Grunde. Ist der angenommene Durchfluss grösser als der effektive, so wird der
Ausbau unwirtschaftlich, umgekehrt genügt die neue Anlage den gesteckten
Zielen nicht.
84 5 Wasserbedarf, Abwasseranfall
100000
50000
Jan Feb Mrz Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez
Abb. 5.8. Jahresgang des Zuflusses (unten) und des Niederschlages (oben) auf einer grösseren
Kläranlage in der Schweiz (Dietikon 1994, Betriebsüberwachung). Eingezeichnet ist auch eine
Summenkurve des Abwasseranfalles
In Abb. 5.8 ist der Jahresgang der täglich in einer grösseren Abwasser-
reinigungsanlage gemessenen Abwassermenge (Mischwasser) dargestellt. Der
Einfluss des Niederschlages ist insbesondere im nassen Monat Mai deutlich
sichtbar. Offenbar verbleibt ein erhöhter Basisabfluss (Fremdwasser) über länge-
re Zeit bestehen. Für solche Beobachtungen sollte die Ursache gesucht und be-
hoben werden. Ev. dringt hier überrnässig viel Drainagewasser in die Kanalisati-
on ein oder es wird ein kleiner Bach über die Kanalisation abgeleitet. Beides
vermindert die Leistung derAbwasserreinigungsanlage.
In Abb. 5.9 und Abb. 5.10 sind die Summenhäufigkeiten des Abwasserzu-
flusses und des Niederschlages (Tagessumme) aufgetragen. Da kleine Nieder-
schläge (< 2 mm) kaum zu einem zusätzlichen Abfluss führen, wird häufig an-
genommen, dass z.B. der 80% Wert des Abwasserzuflusses <0-s.B()'I,) mit dem ma-
ximalen Abwasseranfall bei Trockenwetter übereinstimmt. Auf dieser Wasser-
menge basiert häufig die Dimensionierungswassermenge der Kläranlage.
% derWerte
100
40 Mittelwert:
Qd.m =35'700 m3 d·1
20
0
0 50'000 100'000 150'000
60
rd,SO% =0.1mm d·l
40
M~telwert:
20
rd,m =3.3 mm d·l
0
0 20 40 60 80 100
Niederschlag, Tagessumme in mm d·l
Abb. 5.10. Summenhäufigkeit der Tagessumme des Niederschlages auf einer Kläranlage in der
Schweiz (Dietikon 1994). Gleiche Daten wie Abb. 5.8
5.4.4 Dlmenslonierungswerte
Bei der Berechnung des Abwasseranfalles muss zwischen verschiedenen Situa-
tionen, Aufgaben und Zielsetzungen unterschieden werden, z.B.:
- Dimensionierungsaufgaben: Kläranlagen, Kanalisation, Sonderbauwerke etc.
Alle diese Bauwerke werden für eine Abwassermenge dimensioniert, die die
speziellen Randbedingungen und die Aufgabe des Bauwerkes berücksichti-
gen. Grundsätzlich interessieren hier die Extreme der berücksichtigten Be-
triebszustände.
- Betriebskostenrechnung: Hier interessieren eher die langfristigen Mittelwerte
als die nur selten auftretenden Betriebszustände.
- Für die Berechnung von Jahresfrachten (z.B. Belastung eines Sees mit Phos-
phor) können je nach Situation die Extremereignisse oder langandauernde
mittlere Betriebszustände massgebend sein.
Für die Bemessung von Bauwerken für die Entwässerung der Siedlungen
spielt der anfallende Regen eine zentrale Rolle. Der entsprechende Abwasseran-
fall wird in Kapitel 13.5, Seite 211 diskutiert.
Ein grosse Bedeutung hat die Dimensionierungswassermenge der Kläranla-
gen. Für deren Festlegung wird in der Schweiz häufig die folgende Beziehung
gewählt:
(5.2)
Dimensionierungswassermenge der Kläranlage [L3 T 1]
Erwartete Abwassermenge, die an 80% der Tage unterschritten
wird [L3 T 1]. Ca. maximaler TrockenwetteranfalL
Extremwertfaktor, der aus dem Tagesmittelwert den maximalen
Momentanwert berechnet[-]
In Deutschland wird nicht die ganze Abwassermenge, sondern nur das anfal-
lende verschmutzte Abwasser Osw verdoppelt. Die Wassermengen basieren z.B.
auf85% Werten:
~ =2 • Osw,d.SS% • fSW,h,max + <4w (5.3)
Gln.(5.2) und (5.3) haben sich im Laufe der Zeit als sinnvoll erwiesen, eine
sehr detaillierte Begründung kann aber dafür nicht abgegeben werden.
Die ATV (Arbeitsblatt A 131, 1991) geht für die Bemessung von biologi-
schen Abwasserreinigungsanlagen von den folgenden Überlegungen aus: der
maximale Trockenwetterzufluss QTW,h,max ergibt sich aus dem Schmutz-
wasserzufluss der Wohngebiete, einschliesslich des kleingewerblichen Anteils
Q", dem gewerblichen und industriellen Schmutzwasserzufluss Q1 und dem
Fremdwasserzufluss <4w. Er berechnet sich zu:
QTW,h,max =Qsw,h,max +QFW =QH,h,max +QI,h,max +QFW
Q _ Qd,m _ qd,m ·E
H,h,max - X - X (5.4)
5.4 Abwasseranfall 87
="" 24 365
Ql,h,max ...(... a. · b . · Ql,d,m,i
i I 1
der Annahme, dass die ganze Fläche des Industriegebiets überbaut ist, entspricht dieser
Wert dem erwarteten Wert von Q1,h,max,m·
Nach Tabelle 5.6:
Der spezifische Trinkwasserverbrauch, der für Industrieflächen in Zürich erwartet wird
beträgt qd,m = 120 m3 ha·1 d.1 mit fd,max = 1.6 und fh,max = 1.4. Im Allgemeinen wird ange-
nommen, dass die Bauzonen nur zu 80% überbaut werden. Daraus ergibt sich
3 ·1 ·1
qh,max,m = 120. 1.4. 0.8 =134m d ha .
Die Unterschiede zwischen den Angaben, die nach A131 in der Abwassertechnik zur
Anwendung kommen und den Grundlagen für die Dimensionierung der Verteilleitungen in
der Wasserversorgung sind beträchtlich. Hier unterscheiden sie sich um einen Faktor 3.
Dieses Beispiel zeigt deutlich die Unsicherheiten, wenn Kläranlagen für Industriebetriebe
basierend auf Erfahrungswerten aus Fachbüchern dimensioniert werden. Wenn die Be-
triebe bereits existieren, so muss unbedingt eine Messkampagne durchgeführt werden,
um die entsprechenden Frachten genauer zu erheben. Das gilt insbesondere, wenn ein
Betrieb eine grosse Bedeutung für eine Abwasserreinigungsanlage hat.
Der Politiker versteht, dass für den Schlachthof ein Anteil von 3300 EG, also etwas weni-
ger als für die Gemeinde, bereit gestellt werden muss. Für viele Vorentscheidungen ge-
nügt diese Information.
Die lngenieurin lernt aus diesen Zahlen, dass sie für ihre Arbeit zu ungenau sind und sie
daher genauer untersucht werden müssen. Schlachthofabwasser hat z.B. in Bezug auf
Stickstoff, Phosphor und Schwebestoffe eine andere Zusammensetzung als häusliches
Abwasser und ist häufig viel konzentrierter (d.h. es fällt weniger Abwasser an). Das sind
Informationen, die beim Gestalten der Anlage von Bedeutung sind, aber nicht aus den
6.4 Jahresgang der Belastung 95
. ... . . ·- .. .........
6000
·~ ..
4000 -:.. • ':. •
•
. rl'..·-
•
•
•
•
• •
• • • ··rl' •••• ••
2000 • • • •
• •
Jan Feb Mrz Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez
Datum
Abb. 6.1. Jahresgang der BSB5 Fracht in einer grösseren Abwasserreinigungsanlage im Schwei-
zer Mittelland. Ca. 90 Einzelwerte, Dietikon 1993, Eigenüberwachung
tabellierten EG resultieren. Sicher kann der Stickstoff und der Phosphorgehalt des ver-
mischten Abwassers nicht genügend genau geschätzt werden.
Das Konzept der EG stammt aus einer Zeit, in der der BSB5 das Mass aller Versehrnut-
zungen im Abwasser war und der Erfolg der Abwasserreinigung an der Verminderung
des BSB5 gemessen wurde.
In schweizerischen Richtlinien, die heute veraltet sind, wurde nur für BSBi
ein Einwohnergleichwert definiert. Es werden für rohes Abwasser 75 g BSB 5 E.
d-1 und für vorgeklärtes Abwasser 50 g BSB 5 E"1 d"1 verwendet. Insbesondere der
Wert für rohes Abwasser ist zu gross und beinhaltet Dimensionierungsreserven.
Das war früher gerechtfertigt als in den Anfängen der Abwasserreinigungs-
technik die zukünftige Entwicklung noch nicht absehbar war. Zudem hatten da-
mals die Kläranlagen noch sehr kurze hydraulische Aufenthaltszeiten, sodass sie
sofort auf hohe Belastungen reagierten. Heute werden meist grosse biologische
Anlagen gebaut, die nicht mit so grossen Reserven dimensioniert werden müs-
sen, da die Belastungen über ein Schlammalter (s. Beispiel 20.8) gemittelt wer-
den können.
% derWerte
100 r--------=====---,
80
Mittelwert: 3750 kg BSB5 d·1
60
80% Wert: 4690 kg BSB5 d·1
40 50% Wert: 3440 kg BSB5 d·1
20% Wert: 2600 kg BSB5 d·1
20
0.___.....__ _.......__ ___._ __.__ __,
0 2000 4000 6000 8000 10000
Tagesfracht kg BSB5 <t1
Abb. 6.2. Summenhäufigkeit der BSB~-Fracht im Ablauf der Vorklärung einer grösseren Ab-
wasserreinigungsanlage (Ca. 100'000 EG). Gleiche Daten wie in Abb. 6.1. Beachtenswert ist
der Unterschied zwischen dem Mittelwert und dem 50% Wert, der auf die Schiefe der Vertei-
lung hindeutet
Kanalisation abgebaut als im Winter. Im Herbst, während der Ernte nimmt die
Fracht zu.
In Abb. 6.2 ist die Summenhäufigkeit der BSB,-Frachten aus Abb. 6.1 darge-
stellt. Deutlich zu sehen ist die Schiefe der Verteilung. Diese Art der Darstellung
erlaubt es, die Grundlagen für die Dimensionierung, z.B. einer Erweiterung, zu
erarbeiten.
0 0
0 6 12 18 24 0 6 12 18 24
Uhrzeit Uhrzeit
Abb. 6.3. Tagesganglinie der Ammoniumfracht im Abwasser in einer kleinen Gemeinde mit
2000 Einwohnern (links) und in der Stadt Zürich mit 350'000 Einwohnern (rechts). Die Gangli-
nie bezieht sich auf die gemessene Tagesfracht
1\,min =0.17·~· 11
Fd
0.1
10 100 1000 10000
Mit den oben angegebenen f; Werten, der Zulaufganglinie 'Yzu nach Abb. 6.3 (links) ergibt
sich der maximale Wert von 'YARA um 10 Uhr zu 2.1. Dieser Wert liegt nahe beim maxi-
malen Wert der Ganglinie im Zulauf zur Kläranlage der Stadt Zürich.
Es wird deutlich, dass die Belastungsspitze mit zunehmender Riesszeit über eine immer
längere Zeitdauer verteilt wird. Extremwerte werden dadurch gedämpft.
1.5
0.5
0
10 12 14 16 18 20 22 24 2 4 6 8 10 12 14
Uhrzeit
Abb. 6.5. Tagesganglinie der organischen Stoffe (TOC, Total Organic Carbon) im Zulauf zur
Kläranlage Werdhölzli der Stadt Zürich. Ein typischer Tagesgang mit einer überlagerten Gang-
linie als Folge eines Abendgewitters
TabeHe 6.2. Wochenganglinie im Ablauf der Vorklärung der Kläranlage Werdhölzli, Zürich.
Langanhaltendes Trockenwetter im Winter (Januar/Februar), Einzelwerte
Wochentag Zufluss Frachten in t d . :
m3 d·• CSB TOC DOC TKN NH4 -N Ptot
Montag 127'672 35.7 9.45 4.21 3.80 2.26 0.59
Dienstag 123'197 34.5 9.49 3.82 3.22 2.23 0.54
Mittwoch 120' 372 32.5 10.35 4.21 3.48 2.13 0.54
Donnerstag 121'769 30.4 8.89 3.90 3.32 2.62 0.55
Freitag 126'916 31.7 9.07 4.28 3.29 2.31 0.60
Samstag 102'164 19.4 6.03 2.86 2.49 1.78 0.39
Sonntag 90' 769 12.7 3.63 1.63 2.16 1.57 0.30
Mittel 116'123 28.1 8.13 3.55 3.11 2.13 0.50
100 6 Schmutzstoffanfall und Temperatur
6.7 Abwassertemperatur
Die Temperatur des Abwassers hat insbesondere für die biologischen Prozesse
eine entscheidende Bedeutung. Für die Dimensionierung einer modernen Abwas-
serreinigungsanlage müssen die Temperaturen festgelegt werden, bei denen die
vorgeschriebenen Leistungen erbracht werden müssen.
Rohwassertemperatur in •c
25.0
20.0
15.0
10.0
5.0
0.0
Winter Frühling Sommer Herbst
Abb. 6.6. Jahresganglinie der Temperatur im Rohabwasser einer grösseren Kläranlage im
Schweizerischen Mittelland (Tagesmittelwerte)
Abwassertemperatur in •c
!~ 1 1® I
0 24 48 72
Stunden
96
Abb. 6.7. Drei Tagesganglinien der Temperatur im Belebungsbecken einer Grossstadt (22.4 -
25.4.75)
Geschlossene Bauten
Quell-
Fassung
Aufbereitung
See
Gewässerschutz
Barrieren
Abb. 7.1. Schematische Darstellung der Anlagen einer Wasserversorgung und Identifikation
der Barrieren gegen das Eindringen von pathogenen Keimen
Die Römer haben offene Aquädukte erstellt, die sie z.T. militärisch schützen mussten:
Soldaten als Barriere.
Im Mittelalter wurde Wasser weitgehend aus Brunnen geschöpft. Die Barriere bestand
darin, dass .Brunnenvergifter" mit dem Tode bestraft wurden.
ln den USA wird in Landstrichen mit geringer Bevölkerungsdichte das Grundwasser ein-
zeln, für jedes Haus gefördert. Die Barriere besteht in lokalen Schutzabständen zwischen
Abwasserversickerung und Trinkwasserförderung (also kleinen lokalen Schutzzonen), die
sicherstellen, dass keine Kontamination des Trinkwassers erfolgt. Dieses System ist
offensichtlich nur bei geringer Bevölkerungsdichte möglich.
ln den südlichen Ländern Europas wird Trinkwasser häufig aus gekauften, hygienisch
einwandfreien Flaschen getrunken. Die Wasserversorgung gewährleistet hier nicht, dass
das angelieferte Wasser hygienisch einwandfrei ist. Das Wasser kann aber zum Kochen,
für die persönliche Hygiene etc. Verwendung finden. Die Barriere ist hier Teil der Kultur
und besteht im Bewusstsein der Bevölkerung, dass Leitungswasser kein Trinkwasser ist.
7.2.1 Wasserbeschaffung
In der Schweiz werden v .a. Quell-, Grund- und Seewasser zu Trinkwasser aufbe-
reitet. Flusswasser wird meist nur über künstliche Grundwasseranreicherung
gewonnen.
Eine zuverlässige Wasserbeschaffung bedingt ein Verständnis einerseits für
die Eigenheiten und den Schutz der Wasserressource (Hydrologie, Hydrogeolo-
gie bei Grundwasser und Quellen, Limnologie bei Seen und Fliessgewässern)
und andererseits für die technische Gestaltung der Wasserfassung.
7.2 Mittel der Wasserversorgung 107
Die meisten Wasserversorgungen beruhen nicht nur auf einer einzigen Was-
serressource, sondern es stehen mehrere Wasserquellen zur Verfügung (z.B.
Quell- und Grundwasser). Zudem sind viele Wasserversorgungen in Verbund-
netzen zusammengeschlossen, sodass nach Ausfallen einer Bezugsquelle rasch
Ersatz geschaffen werden kann.
7.2.2 Schutzzonen
Um die Beschaffung von Trinkwasser dauerhaft zu gewährleisten, werden in der
Umgebung von Wasserfassungen Schutzzonen ausgeschieden, in denen je nach
Situation gewisse Aktivitäten (Bauen, Landwirtschaft, Industrie, Verkehr... )
verboten oder eingeschränkt sind (Hydrogeologie). Zudem müssen die Rechte an
der Ressource (Quelle, Grundwasser) und der Schutzzone gesichert werden
(Grundbuch).
7.2.3 Wasseraufbereitung
Häufig hat das Rohwasser nach der Fassung keine einwandfreie Trinkwasser-
qualität und muss vorerst aufbereitet werden. Die Aufbereitung reicht von einer
einfachen Desinfektion zur Erreichung einer genügenden hygienischen Qualität
bis zur anspruchsvollen, mehrstufigen Trinkwasseraufbereitung, die auch die
chemischen und physikalischen Eigenschaften des Wassers verändert (Verfah-
renstechnik).
7.2.4 Pumpwerke
Es gibt in der Wasserversorgung unterschiedlichste Arten von Pumpwerken, z.B.
zur Förderung von Wasser in Grundwasserbrunnen, in Aufbereitungsanlagen etc.
Von besonderer Bedeutung sind die Pumpwerke, die den Betriebsdruck im Ver-
teilnetz herstellen und aufrecht erhalten - sie sind häufig die grössten Verbrau-
cher von Energie (Maschinenbau). Pumpwerke liefern potentielle Energie ins
Wasser, Energie die nachher in Form von Wasserdruck zur Verfügung steht und
die Energiebarriere gewährleistet.
7.2.5 Wasserspeicherung
Aus verschiedensten Gründen ergeben sich Unterschiede zwischen dem mo-
mentanen Wasserangebot (Input) und dem Wasserbedarf (Output). Da die Ver-
teilnetze immer voll sind, muss zum Ausgleich dieser Unterschiede ein Element
mit variablem Volumen zur Verfügung stehen: Trinkwasserspeicher, Reservoire
(Bauingenieure).
Reservoire stellen einwandfreies Trinkwasser mit potentieller Energie zur
Verfügung, sodass das Wasser ohne zusätzliches Pumpen ins Verteilnetz gelie-
fert werden kann.
7.2.6 Wasserverteilung
Die Verteilung von Wasser im Versorgungsgebiet mit Hilfe von Druckleitungen
ist das anfälligste Element der Wasserversorgung: Das weitverzweigte, komple-
108 7 Wasserversorgung
Vermaschte Netze
Lineare oder verästelte Netze sind anfällig auf Störungen: Jeder Unterbruch einer
wichtigen Leitung führt dazu, dass die Versorgung eines ganzen Quartiers unter-
brochen wird. Mit Hilfe von vermaschten Netzen (Ringleitungen) kann gewähr-
leistet werden, dass Unterbrüche in der Versorgung auf kleine Gebiete begrenzt
werden können. Vermaschte Netze weisen also eine hohe Versorgungssicherheit
auf.
7.2.7 Hausinstallationen
Die Hausinstallationen stellen das "offene" Ende der Wasserverteilung und einen
neuralgischen Punkt der Wasserversorgung dar. Die meisten Epidemien, die in
perfektionierten Wasserversorgungen durch Trinkwasser in unserem Klima heute
noch verursacht werden, können auf den Rückfluss von Wasser über Hausinstal-
lationen in die Versorgungsleitungen zurückgeführt werden (Beispiel 7.4). Die
Wasserwerke stellen daher z.T. detaillierte Anforderungen an die Hausinstalla-
tionen: Z.B. dürfen Häuser nur über Vorrichtungen, die einen Rückfluss verhin-
dern, ans öffentliche Netz angeschlossen werden (Sanitärinstallateure).
7.2.8 Überwachung
Wasserversorgungen müssen überwacht werden. Dabei kommen mikrobiologi-
sche, chemische und physikalische Analysemethoden zur Anwendung. Insbeson-
dere die chemische Analytik von Spurenstoffen ist anspruchsvoll und bedingt
entsprechende Fachkompetenz (Chemiker, Mikrobiologen, Limnologen).
7.2 Mittel der Wasserversorgung 109
Die Wasserbeschaffung befasst sich mit der Herkunft und den Eigenschaften des
Rohwassers, den Vorkehrungen für den Schutz der Quantität und der Qualität
der Ressourcen sowie den technischen Installationen für die Fassung des Was-
sers.
In der Schweiz wird Trinkwasser v.a. aus Grund- und Quellwasser gewonnen
(Tabelle 8.1). Je grösser die Siedlung, desto weniger kann Quell- und Grund-
wasser den Bedarf decken- die Besiedelungsdichte wird zu gross (s.a. Kapitel
1.4, Seite 4). Der kleine Anteil an Seewasser, der in den kleinen Gemeinden
gebraucht wird, wird mit wenigen Ausnahmen durch Gruppenwasserversorgun-
gen geliefert - Seewasserwerke können nur von grösseren Wasserversorgungen
effizient und professionell betrieben werden.
TabeHe 8.1. Wassergewinnung in der Schweiz im Jahre 1993 in Abhängigkeit der Grösse der
Wasserversorgung (E =angeschlossene Einwohner) nach statistischen Erhebungen des SVGW
Grösse der
>50'000E 10'000- 50'000 E < 10'000 E Ganze Schweiz
Wasserversorgung
Einwohner 1'650'000 1'600'000 3'750'000 7'000'000
Seewasser in 10m 177 56% 36 14% 11 2% 224 21%
Grundwasser in 106 m3 80 26% 130 50% 194 39% 404 38%
Quellwasser in 106 m3 57 18% 92 36% 289 59% 438 41%
Total in 10m 314 30% 258 24% 494 46% 1066 100%
Seewasser, Trinkwassertalsperren
Seewasser wird in vielen Städten zu Trinkwasser aufbereitet. Da Seen meist
verschiedenartig genutzt werden (Erholung, Schifffahrt, Abwassereinleitung
etc.), kommt dem Schutz des Sees grosse Bedeutung zu. Talsperrenwasser kann
dem Seewasser gleichgestellt werden. Die Rohwasserqualität ist häufig besser,
weil im Einzugsgebiet des künstlichen Sees gezielte Schutzmassnahmen ergrif-
fen werden können.
Seen haben im Gegensatz zu Aiessgewässem die Eigenschaft, dass sie die
Qualität über längere Zeit ausgleichen und dadurch die Aufbereitung vereinfa-
chen. Seen sind einem typischen Jahreszyklus unterworfen: Schichtung des Was-
sers im Sommer und ev. Winter, Zirkulation im Herbst und Frühling. Dieser
Zyklus muss bei der Festlegung der Entnahmestelle und deren Tiefe berücksich-
tigt werden.
Meerwasser
Meerwasser kann heute mit energieintensiven Technologien entsalzt werden.
Eine Rolle spielt entsalztes Wasser nur in ausgesprochenen Mangelgebieten und
in Gegenden mit grossem Energieangebot (Persischer Golf).
Grundwasser
Je nach dem geologischen Aufbau des Grundwasserleiters unterscheidet man
zwischen Lockergesteins-, Kluft- und Karstgrundwasser.
- Lockergesteinsgrundwasser kann in der Schweiz dank intensivem Schutz
häufig ohne Aufbereitung als Trinkwasser verwendet werden. Lockergesteine
haben eine hohe nutzbare Porosität von 10-20%. Die Aiessgeschwindigkeit
des Grundwassers ist meist gering, und die Aufenthaltszeit im Untergrund ist
gross. Das Grundwasser hat häufig ein gleichmässiges, mittleres Energiege-
fälle.
- Kluftgrundwasser tliesst in den Klüften und Spalten von Festgesteinen mit
meist nur geringer Porosität von 1 - 2%. Die Aiessgeschwindigkeit ist häufig
höher als im Lockergestein und das Energiegefälle meist unregelmässig.
- Karstgrundwasser zirkuliert in den Lösungshohlgängen von Kalk- und Dolo-
mitformationen. Häufig steht solches Grundwasser in fast direktem Kontakt
zur Oberfläche und Karstquellen reagieren rasch auf Regenereignisse und
Schneeschmelze, was auf eine kurze Aufenthaltszeit des Wassers im Unter-
grund hinweist. Bei rasch zunehmender Wasserführung ist Karstwasser häu-
fig trübe (Abb. 8.1). Karstgrundwasser muss meist mit aufwendigen Verfah-
ren aufbereitet werden, um dauernd Trinkwasserqualität zu gewährleisten.
8.2 Fassung von Quellwasser 113
50
100
2000
1000
0
Jan Feb Mrz Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez
Abb. 8.1. Jahresgang der Quellenergiebigkeit in I s·' (unten) und der Trübung in NTU (oben)
einer Karstquelle im Schweizerischen Jura (Boiler 1998)
Quellwasser
Quellwasser ist Grundwasser, das mit freiem Gefälle zu Tage tritt. Bei geeigne-
ter Fassung hat Quellwasser die gleichen Eigenschaften wie Grundwasser und
kann häufig ohne Aufbereitung als Trinkwasser genutzt werden.
Brunnenstube
Abb. 8.2. Beispiel einer Quellfassung, erstellt in einem offenen Graben. Längsschnitt
erstes Mal zu Tage, es kann und soll dort in Bezug auf Schüttung und Qualität
überwacht werden.
--~
~
-,
··-- -- -
. ~
.....
,.
-----------
v-
GWS p.
KiesstUtzschichten
Abb. 8.4. Detail eines Filterbrunnens mit mehrfacher Kiesstützschicht und innerem Stahlfilter-
rohr
Leistungsfähigkeit: Beim Bau ergibt sich die Gefahr, dass die Schichtstrukturen
des gewachsenen Bodens gestört werden, im Betrieb wird ev. Sand mitgerissen,
der sich dann in falsch ausgelegten Filterstützschichten festsetzt und den Brun-
nen verstopft.
Um die Leistung von Brunnen zu erhöhen, werden Horizontalfilterbrunnen
gebaut (Abb. 8.5) oder durch andere Methoden die mögliche Entnahmeleistung
erhöht, ohne dass der Brunnen versandet (Abb. 8.6). Gelegentlich werden ganze
Gruppen von Brunnen, z.B. in einer Linie, zusammengefasst und so die Entnah-
meleistung gesteigert.
Die Entnahme von Grundwasser verursacht eine Störung im natürlichen Auss
des Grundwassers. Bevor ein neuer Brunnen abgeteuft wird, werden deshalb
umfangreiche hydrogeologische und grundwasserhydraulische Untersuchungen
gemacht Um die Grundlagen zur Auslegung des Brunnens zu erarbeiten und zur
Berechnung der zu erwartenden Leistung sowie der Beeinflussung des Grund-
wasserspiegels, werden vorgängig in Pumpversuchen aus temporären Brunnen
die erforderlichen Daten erhoben. Die Erhebung dieser Unterlagen, sowie die
116 8 Wasserbeschaffung
Brunnenschacht
Gewachsener Boden
Grundwasserträger Stützschicht mit
Filterkörnung
Projektierung und der Bau von Grundwasserbrunnen ist eine Aufgabe für Spe-
zialisten.
Grundwasserbrunnen werden gelegentlich entlang von Flüssen zur Entnahme
von Uferfiltrat angeordnet. Da die Filtrationsstrecke bei solchen Brunnen nur
kurz ist, hat das geförderte Wasser noch nicht Trinkwasserqualität, es kann aber
z.B. zur Anreicherung eines Grundwassers genutzt werden. Anlagen zur Förde-
rung von Uferfiltrat bergen die Gefahr, dass die Flussufer kolmatieren und damit
die mögliche Förderleistung abnimmt. In Tabelle 8.2 sind Informationen zur
Wasserqualität im Fluss (Limmat) und im Uferfiltrat der Wasserversorgung der
Stadt Zürich zusammengestellt. Deutlich sichtbar ist der Filtrationseffekt (Ab-
nahme der Keime und der Biomasse), der Temperaturausgleich sowie die Selbst-
reinigung (Abnahme des 0 2 und des NH/-N sowie Zunahme des C02 durch bio-
logische Aktivität).
8.4 Berechnungen zum vollkommenen Filterbrunnen 117
TabeHe 8.2. Qualität des Flusswassers und des Uferfiltrats in der Uferfiltrationsanlage der Stadt
Zürich, Jahresmittelwerte (Jahresbericht der Wasserversorgung 1993)
"Stoff' Fluss Limmat Uferfiltrat Einheiten
Keimzahl <29'000 <640 proml
E. coli <2'000 <4 pro 100 rnl
Temperatur 3.5-23.4 9.7- 16.5 oc
·3
02 10.1 5.2 gm
co2 2.3 6.5 gm
·3
·3
NH/-N <0.055 <0.016 gm
.J
Biomasse <7 <0.02 gm
V= -k ·J mit 1= dh (8.1)
dr
h
Brunnen j 0e
Niederschlag N
HHH
___ 3~~~~i~9~~ ------- GWSp
h - - - Fliessrichtung
H des Wassers
- - - konzent risch
0
Abb. 8.7. Definition eines vollkommenen Filterbrunnens in einem ungespannten, homogenen
und isotropen Grundwasserträger. N =Niederschlag, H =Mächtigkeit des ungestörten Grund-
wassers, hR =Wasserstand im Filterbrunnen, rR =Radius des Filterbrunnens,
k =Durchlässigkeit des Grundwasserträgers nach Darcy, QR =geförderte Wasserrnenge, rund h
bezeichnen die Koordinaten des freien Wasserspiegels
(8.2)
R2
1t·k · (H 2-h 82) +1t·N·-
QB-- R 2 (8.4)
In-
rB
Dupuit hat eine Gleichung abgeleitet, die analog zu GI. (8.4) ist, aber den
Niederschlag N nicht berücksichtigt (N 0). =
8.4 Berechnungen zum vollkommenen Filterbrunnen 119
Die grösste Fördermenge aus einem Filterbrunnen ergibt sich nach GI. (8.4)
für h8 =0. Das resultiert in sehr grossen Fliessgeschwindigkeiten des Wassers in
den Brunnen hinein, es entsteht die Gefahr, dass Sand aus dem anstehenden Bo-
den ausgewaschen wird und ev. den Filterbrunnen verstopft. Sichardt hat 1928,
basierend auf Erfahrung und Versuchen vorgeschlagen, dass die Fliessgeschwin-
digkeit nach Darcy an der Oberfläche des Filterbrunnens beschränkt wird auf:
VB
< .Jk
-15SO.Sm-().S (8.5)
Q ~
.Jk 1
2 ·~r·r · h · - · - .
mtt
k.
m ms
-1
(8.6)
B B B 15 SF
1.5 +------f-,L----:~:::;..._ __
--- h8 =10m
0.5 -t-~::-"'"':7"'-"--+----r----- - h8 =15m
gewählt werden. Vom Niederschlag versickern N = 0.5 m pro Jahr. Wie gross wird der
Brunnen? (Als Alternative werden zwei Brunnen mit je halber Leistung berechnet)
Die folgenden Angaben beschreiben das Problem:
Paramter 1 Brunnen 2 Brunnen im Abstand von 500 m
Os m s 0.1 2 malje0.05
·1
k ms 0.001 0.001
H m 20 20
-1
N ma 0.5 0.5
SF 2 2
R m 1400 total1400 Gl.(8.3)
hs m 15 15 G1.(8.7)
rB.nin m 3.5 0.01 G1.(8.4)
rB,Sichardl m 1.0 0.5 Gl.(8.6)
rs m ~3.5 ~0.5
Aus den Berechnungen folgt, dass mit einem einzigen Brunnen der erforderliche Durch-
messer von 7 m zu gross wird, es müssten Massnahmen ergriffen werden, die die Flä-
che, über die das Wasser einsickern kann, vergrössern. Werden zwei Brunnen, z.B. im
Abstand von 500 m gebaut, so wäre ein Brunnendurchmesser von je 1.0 m bereits aus-
reichend (aber immer noch sehr gross). Dieses überraschende Ergebnis hängt mit den
Eigenschaften von GI. (8.4) zusammen. ln Abb. 8.8 ist der Zusammenhang zwischen
Brunnenradius und Fördermenge dargestellt.
Werden die zwei kleineren Brunnen mit weniger als 500 m Abstand angeordnet, so be-
einflussen sie sich gegenseitig und die Berechnung wird anspruchsvoller (Superposition).
Rohwasserpumpwerk
Ansaugkorb mtt Schwallentlastung
Fischgitter
30-60mtief
10m über Grund
men werden kann. Ist der See nicht zu stark eutrophiert (überdüngt), so ist das
Wasser in einer Tiefe von 30 - 60 m meist arm an Schwebstoffen und reich an
Sauerstoff, es hat eine zeitlich gleichmässige Zusammensetzung und ist als Folge
der natürlichen Vorgänge im See eher weich (Tabelle 8.3).
In der Schweiz wird Wasser aus natürlichen Seen mit weitgehend konstanten
Wasserspiegeln genutzt. Dazu wurden Unterwasser-Saugleitungen gebaut. Ein
Beispiel ist in Abb. 8.9 dargestellt. In künstlichen Talsperren kann der Wasser-
spiegel stark variieren, das Wasser wird dann z.B. aus Fassungstürmen entnom-
men, wie sie ähnlich auch in Stauseen für die Energiegewinnung zur Anwendung
kommen. Die Veränderung des Wasserspiegels bedingt eine Wasserentnahme in
unterschiedlicher Tiefe.
8.6 Grundwasseranreicherung
Reicht das Angebot von Grundwasser nicht aus um den Bedarf zu decken, so
kann Grundwasser künstlich angereichert werden. Dabei wird die ausgleichende
Funktion und die Reinigungswirkung des Grundwasserträgers ausgenutzt:
122 8 Wasserbeschaffung
Anreicherungsbecken
Abb. 8.10. Darstellung eines Grundwasseranreicherungsbeckens. Der Aufbau des Filter ist
vergleichbar mit einem Langsamsandfilter (Abb. 9.6)
Rohwasser Barriere
Trinkwasser
variabel Aufbereitung
Jahresgang chemisch
Regen physikalisch
hygienisch
Anforderungen
gernäss Lebensmittelverordnung
Wiederverkeimung
Korrosion
Abb. 9.1. Die Aufgabe der Trinkwasseraufbereitung: Ein Rohwasser mit variabler Qualität muss
chemisch, physikalisch und hygienisch soweit aufbereitet werden, dass es beim Verbraucher noch
Trinkwasserqualität hat
Tabelle 9.1. Trinkwasseraufbereitung nach Art der Wasserherkunft. Situation in der Schweiz
1995, totale Produktion von Trinkwasser 1067.5 mio m3 (BUWAL 1998)
Aufbereitung Anlagen Wassermenge in% der totalen Produktion
Quellwasser Grundwasser Seewasser Total
mehrstufig"' 5% 4% 9% 16% 29%
einstufigbl 20% 17% 16% 0% 33%
keine 75% 21% 17% 0% 38%
Total 100% 42% 42% 16% 100%
al Mehrstufige Aufbereitung umfasst Prozesse wie Chlorierung, Ozonierung,
Versickerung, Filtration, Desinfektion, Neutralisation
bl Einstufige Aufbereitung heisst Desinfektion und kann gelegentlich eine Entsäuerung
oder Belüftung miteinschliessen.
9.1 Desinfektion
Die Desinfektion ist das häufigste Aufbereitungsverfahren in der Wasser-
versorgung. Sie gewährleistet die Hygiene des Trinkwassers.
Ziel der Desinfektion in der Trinkwasseraufbereitung ist die Vermeidung von
Krankheiten, die über das Trinkwasser übertragen werden. Dazu müssen Krank-
heitserreger (Mikroorganismen, Protozoen, Bakterien, Viren) abgetötet werden.
Das ist möglich durch Hitzeeinwirkung (Abkochen), ultraviolette (UV) oder
Gamma-Strahlung, bakterizide Metalle (Silber, Kupfer), starke Säuren und Ba-
sen, oberflächenaktive Stoffe und chemische OxidationsmitteL In der Wasser-
werkspraxis ist der Einsatz von chemischen Oxidationsmitteln wie Cl2 (Chlor),
0 3 (Ozon), Cl02 (Chlordioxid) am weitesten verbreitet. In kleinen Werken wird
ev. UV eingesetzt. Silber wird gelegentlich zur Konservierung von Wasser ge-
nutzt. Abkochen wird in Notfällen empfohlen.
UV-Strahlung eignet sich für die Anwendung in kleinen Anlagen. Eine dünne
Wasserschicht (lern) wird während wenigen Sekunden mit UV-Strahlung von
265 nm Wellenlänge und hoher Intensität bestrahlt (Abb. 9.2). Ein Vorteil ist,
dass sich keine Nebenprodukte bilden. Nachteilig ist, dass sich keine nachhaltige
Wirkung ergibt (Netzschutz).
Ozon ist ein giftiges und sehr instabiles Gas. Es wird am Ort des Einsatzes
mit grossem Energieaufwand erzeugt (Abb. 9.3). Ozon hat den Vorteil, dass sich
nur geringe Mengen von unerwünschten Nebenprodukten bilden. Es hat den
Nachteil, dass es schnell zerfällt und daher keinen Schutz des Verteilnetzes er-
gibt. Ozonisierunganlagen sind aufwendig, entsprechend wird Ozon v.a. in grös-
seren Aufbereitungsanlagen eingesetzt (Abb. 9.4).
9.1 Desinfektion 129
-
Abb. 9.2. Beispiel einer Desinfektionsanlage
mit UV Strahlung
Hochspannungs-Wechselfeld
(7 · 12 kV, 300 ·600Hz)
Abb. 9.3. Schematische Darstellung einer Ownerzeuger-Anlage: Mehrere solche Rohre werden
parallel betrieben
Zulauf
Ablauf
zur Nach·
behandlung
Verdampfungsanlage
ChierbehäHer
Abb. 9.5. Darstellung einer einfachen Dosierung von Chlorgas direkt in die Transportleitung einer
Wasserversorgung
Rohwasser
Filtration Schmutzdecke
Drainageboden
chemischen Prozessen, in denen das Cl02 vor Ort produziert und ins Wasser
dosiert wird. Die Desinfektion bedingt meist nur kurze Reaktionszeiten (Sekun-
den bis Minuten), um seine volle Wirkung zu erlangen. Je grösser das Wasser-
werk, desto aufwendiger wird die Desinfektion- die Wasserversorgung der Stadt
Zürich setzt sowohl Cl 2 als auch 0 3 und Cl02 ein, wobei in Zwischenstufen z.B.
die Nebenprodukte der Chlorung wieder auf Aktivkohle adsorbiert werden.
9.2 Langsamsandfiltration
Die Langsamfiltration ist ein umfassendes Reinigungsverfahren, das sowohl par-
tikuläre Stoffe und mikrobielle Keime als auch biologisch abbaubare Stoffe zu-
rückhält.
Bereits im 19. Jh. wurden Langsamsandfilter zur Aufbereitung von Trinkwasser
betrieben; sie sind die ersten Filterverfahren, die verwendet wurden. Ihr Reini-
gungsprinzip ist der Bodenpassage nachempfunden (Abb. 9.6):
Langsamsandfilter werden mit Quarzsand mit einer Körnung im Bereich von
0.2- 2 mm (typisch sind 0.5 - 1 mm) und mit einer Schichtstärke von 0.7-
1.2 m aufgebaut. Um zu verhindern, dass das Filtermaterial in den Unterbau
ausgeschwemmt wird, wird der Unterbau mit gegen oben abnehmender
Korngrösse in mehreren Stützschichten aufgebaut.
- Langsamsandfilter besitzen eine Siebwirkung an der Oberfläche und eine
adsorptive Wirkung für Kolloide und Keime über die ganze Filterschicht
Von besonderer Bedeutung für die Reinigungswirkung ist die sogenannte
Schmutzdecke, eine wenige Zentimeter dicke Schicht, die biologisch aktiv ist
und in der sowohl Ammonium zu Nitrat oxidiert wird (Nitrifikation), als auch
organische Stoffe mineralisiert werden. Voraussetzung für eine gute Reini-
gungswirkung ist eine genügende Versorgung mit Sauerstoff und eine geringe
Belastung mit suspendierten Stoffen (Zulauf< 10, besser< 3 g TSS m· 3).
Langsamsandfilter können ein hygienisch einwandfreies und feststofffreies
Wasser liefern. Eine Reduktion der totalen Keimzahlen um 3 - 4 Zehnerpo-
tenzen und der Fäkalkeime um 2 - 3 Zehnerpotenzen sind typisch.
Langsamsandfilter werden mit einer hydraulischen Belastung von 0.06 - 0.3
mh· 1 (m3 Rohwasser pro m2 Filterfläche pro Stunde) und einem Überstau von ca.
1 in betrieben. Wird der Energie- oder Druckverlust mit zunehmender Verstop-
132 9 Wasseraufbereitung
fung zu gross, wird die Schmutzdecke (5 - 20 cm) abgeschält und der Sand ge-
reinigt (z.B. alle 3- 24 Monate je nach Belastung und Vorreinigung des Rohwas-
sers). Ansebliessend muss der Filter wieder reifen, d.h. es muss sich eine neue,
biologisch aktive Schmutzdecke bilden, was einige Zeit erfordert, während der
das produzierte Wasser nicht einwandfrei ist. Langsamsandfilter werden deshalb
immer in mehreren Einheiten gebaut- in grossen Anlagen bis zu 5000 m2 gross,
gedeckt oder offen.
Langsamsandfilter haben eine grosse Grundfläche und werden deshalb in
Städten kaum mehr neu gebaut. In ländlichen Regionen, insbesondere in Ent-
wicklungsländern sind sie ideale Aufbereitungsverfahren, sofern die Vorbe-
handlung auf die Rohwasserqualität abgestimmt ist: Die Langsamsandfilter
kommen mit einfachen Baumaterialien aus, kennen keine beweglichen Teile,
können im Gefälle ohne Fremdenergie betrieben werden, brauchen keine Che-
mikalien und liefern bei sorgfältigem Betrieb ein hygienisch einwandfreies Was-
ser. Betrieb und Unterhalt bedingen intensive Handarbeit mit einfachsten Werk-
zeugen.
Langsamsandfilter haben als Vorbehandlungsstufe von Grundwasser-
Anreicherungsanlagen neuerdings wieder einige Bedeutung erlangt: Hier sind
grosse Infiltrationsflächen erforderlich, was sich optimal mit der alten Technik
verbinden lässt (S.a. Abb. 8.10).
9.3 Schnellfiltration
Die Schnellfiltration hat die Aufgabe, Partikel aus dem Wasser abzutrennen.
Der grosse Flächenbedarf der Langsamsandfilter hat dazu geführt, dass die Filter
mit immer höheren hydraulischen Belastungen betrieben wurden. In der Folge
verstopften diese Filter nach immer kürzerer Laufzeit, und sie mussten mit einer
Rückspülung ausgerüstet werden. Diese erlaubt, die Schmutzstoffe aus dem Fil-
terbett auszuwaschen und dieses zu regenerieren. Anfänglich wurden die Filter
mit einer einzigen Schicht Flusssand 0.2 - 2 mm ausgerüstet und mit nur 1 m h.1
beschickt, der Druckverlust stieg sehr rasch an, weil die Filterwirkung v.a. an der
Oberfläche zum tragen kam, man spricht von einem Flächenfilter. Seit den 60er
Jahren werden die Filterbetten mit von oben nach unten abnehmender Korngrös-
se gebaut, die Filterwirkung kann so besser über die Tiefe des Filterbetts verteilt
werden, man spricht von einem Raumfilter. Die Zunahme des Druckverlusts
wurde verringert und entsprechend die Laufzeit bis zur nächsten Spülung stark
gesteigert.
9.3 Schnellfiltration 133
Rückspülen Rltrieren
Schwemmwasser
--~-.~r-------~
. '~------------,_ ______
Rohwasser
Zulauf
Spülluft
Luftpolster
Abb. 9.7. Längsschnitt durch einen Schnellfilter. Rechts in der Phase des Filtrierens, links
während der Rückspülung. Das Filterbett ist aus zwei Schichten aufgebaut, oben liegt ein spezi-
fisch leichtes, grobkörniges, unten ein spezifisch schweres, feinkörniges Material. Während der
Rückspülung werden die beiden Schichten von Filtermaterial durchmischt
Für den Aufbau von modernen Mehrschichtfiltern, mit von oben nach unten
abnehmender Korngrösse des Filtermaterials, kommen heute Materialien mit
unterschiedlicher Dichte zur Anwendung: Quarzsand mit 2.65 g cm· 3, Anthrazit
oder Blähtongranulat mit 1.7 g cm·3 oder Bims mit 1.4 g cm·3• Abb. 9.8 zeigt die
Entwicklung des Aufbaus der Filterschichten in einer modernen Wasserauf-
bereitungsanlage. Die grobkörnigen Filtermaterialien haben den Vorteil, dass sie
134 9 Wasseraufbereitung
Energievertust ßH in mWS
-------------------·-·······--------J·········-·····7·········
Filter1<orn
2 ·3m klein
Fmen<orn
gross
T~ ~\~~
Oberfläche
~
~
1i k ~~~
10A
9.4 Aktivkohleadsorption
Die Adsorption trennt gelöste, organische Verbindungen aus dem Wasser ab,
indem diese an der Oberfläche der Aktivkohle adsorbiert werden.
Aktivkohle oder aktivierte Kohle wird hergestellt, indem z.B. Anthrazit oder
Holzkohle bei hoher Temperatur (> 650 oq in Gegenwart von Wasserdampf
aktiviert wird, d.h. dass in den graphitischen Strukturen der Kohle mikroskopi-
sche Poren entstehen, weil ein grosser Teil der Kohle oxidiert und als C02 ver-
flüchtigt wird (Abb. 9.1 0). Diese mikroskopischen Poren stellen eine grosse in-
nere Oberfläche dar (1000- 2000 m2 g·1 Aktivkohle), an die organische Stoffe
adsorbieren können. Adsorbieren heisst, dass sich die Stoffe auf der Oberfläche
angelagern und dann zusammen mit der Aktivkohle aus dem Wasser entfernt
werden können.
Aktivkohle kommt heute meist in Apparaten ähnlich den Schnellfiltern zur
Anwendung, die Korngrössen der Aktivkohle sind gleich wie beim Filtermaterial
(I - 3 mm). Da Aktivkohle teuer ist und beim Rückspülen durch Abrieb immer
ein Teil verloren geht, muss das Wasser vor der Aktivkohlefiltration vorbehan-
delt werden und weitgehend frei von Feststoffen sein.
136 9 Wasseraufbereitung
Die innere Oberfläche der Aktivkohle hat nur eine begrenzte Aufnahme-
kapazität von organischen Stoffen (die zudem stark von den spezifischen Eigen-
schaften des Stoffes abhängen). Ist die Oberfläche belegt und damit die Adsorp-
tionskapazität erschöpft, so muss die Aktivkohle regeneriert werden (in speziel-
len Aktivierungsöfen, die je nach Lieferant nur im Ausland zur Verfügung ste-
hen).
Die Konzentration von organischen Verbindungen auf der Aktivkohle führt
dazu, dass sich Mikroorganismen auf den Kohlekörnern ansiedeln und diese
Stoffe z.T. abbauen. Das Adsorptionsverfahren wird dadurch zum biologischen
Reinigungsverfahren, das im Notfall grössere Mengen von organischen Verbin-
dungen zurückhalten kann.
9.6 Sedimentation
Die Sedimentation ist ein Vorbehandlungsveifahren, das einen grossen Teil der
partikulären Stoffe abtrennen soll.
9.6 Sedimentation 137
IChemikalien Zugabe I
Schlammabzug
Abb. 9.11. Schematische Darstellung einer Flockung und eines einfachen Sedimentationsbek-
kens. Die gleiche Anordnung wird auch für die chemische Reinigung von Abwasser eingesetzt
(Abb. 19.9)
Rod<ungsmitteldosierung
Klarwasser
.t.,;;p:::;-- Ablauf
Schlammbett
Schlammabzug
Abb. 9.12. Beispiel einer integrierten Flockungs- und Sedimentationsanlage
rr===== Rückspülung,
Reinwasser
Zufluss Abfluss
Abb. 9.14. Prinzipskizze eines horizontal durchströmten Kiesfilters, wie er z.B. in Entwick-
lungsländern zur Vorreinigung von Flusswasser vor Langsamsandfiltern immer häufiger zur
Anwendung kommt
9.7 Mikrosiebe
Mikrosiebe sind Apparate, in denen ein Stahl- oder Textilgeflecht mit kleinsten
Durchlässen im Bereich von 0.016-0.05 mm auf drehende Trommeln aufge-
spannt ist. Das Wasser fliesst durch das Mikrosieb, dabei bleiben Partikel auf
dem Sieb zurück. Eine kontinuierliche Rückspülung der sich drehenden Trom-
mel sorgt dafür, dass das Sieb nicht verstopft (Abb. 9.13).
9.8 Vorfiltration
Die Vorfiltration ist wie die Sedimentation ein Vorbehandlungsveifahren, das die
partikulären Stoffe in einem stark trüben Rohwasser reduzieren soll.
Soll Flusswasser mit stark variablem Gehalt von suspendierten Stoffen mit Fil-
tration oder Langsamfiltration und ev. Grundwasseranreicherung aufbereitet
werden, so muss dieses Wasser in einer Vorfiltration vorbehandelt werden, weil
die hohen Konzentrationen der suspendierten Stoffe die eigentliche Filtration
rasch verstopfen. Die Vorfilter haben eine grosse Speicherkapazität für zurück-
gehaltene Feststoffe. Ein Beispiel eines solchen Vorfilters ist der horizontal
9.9 Abtrennung von partikulären Stoffen 139
1000
10
0.1
10-6 10•1 10
Partikelgrösse in mm
~
Viren Bak1erien Algen
Abb. 9.15. Wirkungsbereich der verschiedenen Prozesse und Verfahren zur Abtrennung von
Partikeln aus Rohwasser
durchströmte Kiesfilter, wie er in Abb. 9.14 dargestellt ist. Solche Filter unter-
stützen insbesondere die Sedimentation von Partikeln auf den Kieskömem: Es
ergeben sich kurze Sedimentationswege für die Partikel.
filter, der mit Vorteil als mehrschichtiger Raumfilter gestaltet ist, abgetrennt
werden.
Die Entmanganung des Wassers ist ähnlich der Entfernung von Eisen, aber
schwieriger: Da die Oxidation zu unlöslichem Mangan nur langsam abläuft,
werden z.B. Filtermedien mit katalytischen Oberflächen (Mn02) eingesetzt, die
die Oxidation im Filterbett beschleunigen und dann erlauben, die sich bildenden
Niederschläge im Filter zurückzuhalten.
9.11 Entsäuerung
Enthält ein Wasser in Bezug auf das Gleichgewicht zwischen Kalk CaC03 und
Kohlensäure C02 einen Überschuss an Säure (d.h. im Kontakt mit CaC03 würde
das Wasser noch Kalk auflösen können), so hat das Wasser die Tendenz, in
Verteilleitungen aggressiv oder korrosiv zu sein. Besteht hingegen ein Über-
schuss an Ca2• und CO/-, so besteht die Tendenz, dass aus dem Wasser Kalk als
weisser Niederschlag ausfällt und die Leitungen verkrustet. In der Wasserwerk-
spraxis wird darauf geachtet, dass Kalk und Kohlensäure angenähert im Gleich-
gewicht sind. Ein Überschuss von Kohlensäure kann durch mehrere Verfahren
vermindert werden (DIN 2000):
- Kohlendioxid C02 kann durch Belüftung aus dem Wasser in die Atmosphäre
ausgetrieben werden. Dadurch wird zusätzlich Sauerstoff ins Wasser einge-
tragen und es werden z.T. andere unerwünschte Gase ausgetrieben.
- Filterung des Wassers über gekörntes Calciumkarbonat, Kalk, CaC03, be-
wirkt, dass Kalk im Wasser aufgelöst wird, bis sich ein Gleichgewicht ein-
stellt. Das Wasser wird aufgehärtet
- Filterung über dolornitisches Filtermaterial oder andere alkalisch reagierende
Filtermaterialien (vorwiegend Gemische aus CaC03 und MgO).
- Entsäuerung mit Zugabe von Hydroxiden (Ca(OH)2 und NaOH) sowie Soda
(NaC03). Hydroxide heben den pH-Wert des Wassers, das führt zur Umlage-
rung entsprechend:
C02 + OH ~ HC03- und HC03- + OH ~ C032- + Hp.
9.12 Enthärtung
Hartes Wasser wird gelegentlich vor der Nutzung als Trinkwasser enthärtet, d.h.,
dass die Konzentration der härtebildenden Ionen (insbesondere Kalzium Ca2• und
z.T. Magnesium Mg2) reduziert wird. Vor allem in den USA wurden eine Reihe
von Verfahren für diese Aufgabe entwickelt, von Bedeutung sind die Fällung
und der Ionenaustausch:
- Die Fällung von Calcium Ionen kann erreicht werden, indem das Wasser
durch Zugabe von Chemikalien in Bezug auf CaC03 übersättigt wird. Der
Kalk (CaC03) wird dann in Form von weissen Flocken ausfallen und kann
z.B. durch Sedimentation und nachfolgende Filtration eliminiert werden. Die
zugegebenen Chemikalien sind abhängig von der Wasserzusammensetzung,
in Frage kommen alkalisch wirkende Stoffe: Soda (NaC03), gebrannter Kalk
(CaO) ev. in seiner gelöschten Form (Ca(OH) 2), Natronlauge (NaOH) etc.
9.12 Enthärtung 141
Ionenlauscherharz
mit negativen,
fixierten Ladungen
Abb. 9.16. Darstellung eines Ionentauscherharzes: Auf einem organischen Makromolekül sind
negative Ladungen fixiert, die anfanglieh durch Na+ neutralisiert werden. Weil Ca2+ eine stärke-
re Affinität zu diesen negativen Ladungen hat, kann es gegen Natrium Ionen ausgetauscht
werden
Durch chemische Enthärtung werden dem Wasser meist Salze entzogen, das
heisst, dass das enthärtete Wasser weniger Mineralien enthält. Über die che-
mische Enthärtung gibt es umfangreiche amerikanische Literatur.
Der Ionenaustausch bedeutet, dass z.B. Na• Ionen, die auf einem Ionen-
tauscherharz fixiert sind, gegen die Ca2• Ionen im Wasser ausgetauscht wer-
den: 2 Na• H Ca2• (Abb. 9.16). Dadurch werden dem Wasser keine Salze
entzogen, sondern nur das eine Salz mit dem anderen ersetzt. Ionentauscher-
harze werden in kleinen Kügelchen (0.5 - 1.5 mm) geliefert und in Kolonnen
gepackt, über die das feststofffreie Wasser geleitet wird. Nach einer gewissen
Zeit hat das Harz die anfänglich vorhandenen Na• Ionen abgegeben und eine
entsprechende Menge Ca2• aufgenommen. Die Austauschkapazität ist er-
schöpft, und das Harz muss regeneriert werden. Dazu wird eine konzentrierte
Lösung von Na•cr (Kochsalz) über das Harz geleitet, die hohe Konzentration
des Na• führt zur Umkehr des Ionenaustausch-Prozesses. Es fällt ein Abwas-
ser an, das die Reste der konzentrierten NaCI Lösung enthält, die mit dem zu-
rückgelösten Ca2• verschmutzt ist.
Früher hatte die Enthärtung von Trinkwasser eine grosse Bedeutung, weil die
Waschmittel noch nicht mit der natürlichen Härte des Wassers umgehen konn-
ten. Modeme Textilwaschmittel werden so konfektioniert, dass sie auch in har-
tem Wasser ihre Wirksamkeit entfalten können (z.T. enthalten sie selber Ionen-
tauseber in der Form von Zeolithen). Von Bedeutung ist die Enthärtung des
Wasser dort, wo viel heisses Wasser gebraucht wird (die Löslichkeit von CaC03
nimmt mit zunehmender Temperatur ab) oder wo Wasser z.B. zur Kühlung ver-
dampft wird. In der Kühlung wird nur reines Wasser verdampft, sodass sich die
Salze im zurückbleibenden Wasser aufkonzentrieren und dieses übersättigt wird.
Zusätzlich wird durch die Belüftung im Kühlturm C02 in die Atmosphäre aus-
getrieben, sodass der pH-Wert ansteigt.
Wasserenthärtung ist heute primär ein Verfahren, das in der Brauchwasser-
aufbereitung von Industriebetrieben, Klimaanlagen und Atomkraftwerken (Kühl-
türme) genutzt wird.
142 9 Wasseraufbereitung
Trinkwasser
Abb. 9.17. Verfahrensschema der Wasseraufbereitung in den Seewasserwerken der Stadt Zürich
die Rohwasserfassung 1 mal pro Monat während 8 h mit einer hohen Kon-
zentration von Cl2 desinfiziert (Stosschlorung).
- Nun wird dem Wasser Ozon zugeführt. Das Ozon reagiert (oxidiert) mit ei-
nem Teil der organischen Wasserinhaltsstoffe. Das erleichtert die nachfol-
gende Flockung. Gleichzeitig wird dem Wasser Sauerstoff zugeführt und es
können ev. flüchtige Stoffe aus dem Wasser ausgetrieben werden.
- Mit Hilfe von geringen Mengen von Aluminiumsulfat wird das Wasser nun
geflockt. Man spricht hier von einer Mikroflockung und setzt nur geringste
Mengen von Chemikalien ein (< 2 g m'3).
- In den Schnellfiltern werden der grösste Teil der partikulären Stoffe und ins-
besondere die gebildeten Flocken zurückgehalten. Da der Zürichsee eine
konstant gute Rohwasserqualität liefert, ist vor der Filtration keine Vorbe-
handlung erforderlich.
- Durch die Zugabe von geringen Mengen von Kalkmilch (Ca(OH) 2) wird das
Wasser in Bezug auf die Löslichkeit von CaC03 ins Gleichgewicht gebracht,
sodass es später in den Verteilleitungen nicht korrosiv wirkt.
- In einer zweiten Ozonierung werden gelöste organische Stoffe oxidiert. In der
Folge sind diese Stoffe besser biologisch abbaubar, sodass Bakterien diese
aus dem Wasser eliminieren können.
- Im nachfolgenden Aktivkohlefilter werden organische Stoffe auf die Aktiv-
kohle adsorbiert und zum grössten Teil von Bakterien, die sich auf der Ak-
tivkohle angesiedelt haben, abgebaut. Die Adsorption stellt gleichzeitig ein
Schutz dar, der in Notsituationen organische Verbindungen im Wasser zu-
rückhalten kann, auch wenn diese nicht biologisch abbaubar sind (s. dazu
Beispiel 9.9).
- Die nachfolgenden Langsamsandfilter werden eingesetzt, weil sie beim Aus-
bau der Wasserwerke bereits bestanden haben. Ihr Ablauf hat Trinkwasser-
qualität und ist hygienisch einwandfrei. Heute würde man keine neuen Lang-
sarnsandfilter mehr bauen.
144 9 Wasseraufbereitung
Als sogenannter Netzschutz kann dem Wasser noch Chlordioxid als Desin-
fektionsmittel zugegeben werden. Ohne Langsamsandfilter ist das erforder-
lich, damit die hygienische Qualität des Trinkwassers auch im Verteilnetz
aufrecht erhalten bleibt. Geringe Restkonzentrationen von organischen Stof-
fen dienen Bakterien als Nährstoffe und können dazu führen, dass das Wasser
im Netz von neuem verkeimt wird. Diese Bakterien siedeln sich in einer dün-
nen Schicht, einem Biofilm, auf den Wänden der Verteilleitungen an und er-
nähren sich aus dem vorbeifliessenden Trinkwasser. In den Langsamsandfil-
tern werden aber diese Nährstoffe soweit abgebaut, dass die Wasserwerke in
Zürich auf diesen Netzschutz meistens verzichten können - ein ausgezeich-
netes Trinkwasser ist entstanden.
Jede grössere Wasserversorgung muss an einer Stelle in ihrem System über einen
Speicher mit Trinkwasser verfügen, um Angebot und Nachfrage auszugleichen.
Ausnahmsweise kann direkt das Grundwasser im Boden (d.h. das Porenvolumen)
als Speicher genutzt werden. Häufiger sind Speicherbauwerke, in denen das
Trinkwasser bereits mit der erforderlichen potentiellen Energie bereit gestellt
wird.
Die Wasserspeicher sind in Phasen grossen Wasserbedarfs die Energieliefe-
ranten oder Batterien der Wasserversorgung.
10.2.1 Hochbehälter
Im Hochbehälter ist der Speicherraum in einem über dem Versorgungsgebiet
gelegenen Volumen vorgesehen. Er ist so angeordnet, dass im Versorgungs-
gebiet, bei ausreichend dimensioniertem Leitungsnetz, optimale Druckverhält-
nisse gewährleistet werden. Hochbehälter sind in der Regel ins Terrain einge-
146 10 Wasserspeicherung
10.2.2 Tiefbehälter
Tiefbehälter dienen als Saugbehälter von Pumpwerken. Der Versorgungsdruck
im Verteilnetz wird durch Pumpen erzeugt. Für Pumpendefekte und Stromausfall
sind bei dieser Anordnung besondere Vorkehrungen zu treffen (Notstromaggre-
gate, redundante Pumpen etc.).
TabeHe 10.1. Berechnung des erforderlichen Speichervolumens. Alle Angaben beziehen sich auf
den Wasserumsatz Qd während des ganzen Tages. Die Angaben sind in%. Der Verbrauch ent-
spricht der Ganglinie in ländlichen Verhältnissen, Wasser wird nur in den 10 Nachtstunden ge-
fördert. S.a. Abb. 10.1, unten
Uhrzeit 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24
Verbrauch % 1.2 0.4 0.4 0.4 0.6 1.6 3.7 5.6 6.0 5.8 6.8 8.1 4.2 5.8 5.8 6.0 6.3 8.7 6.7 5.8 4.1 2.5 1.9 1.6
Einspeisung % 10 10 10 10 10 10 10 10 10 10
Fehlbetrag % 3.7 5.6 6.0 5.8 6.8 8.1 4.2 5.8 5.8 6.0 6.3 8.7 6.7 5.8
Überschuss % 8.8 9.6 9.6 9.6 9.4 8.4 5.9 7.5 8.1 8.4
Speicher % 38 48 58 67 77 85 82 76 70 64 57 49 45 39 34 28 21 13 6 0 6 13 22 30
10.4 Speichervolumen
Das Speichervolumen umfasst die Brauch-, Not- und nötigenfalls die Löschre-
serve. Die Brauchreserve richtet sich nach dem erforderlichen Ausgleich zwi-
schen Wassergewinnung (Zulauf und Förderung) und dem Verbrauch. Die Not-
reserve dient der Überbrückung allfälliger Unterbrüche in der Wassergewinnung
oder übermässiger Verbrauchsmengen bei Rohrbrüchen und dergleichen. Sie soll
insbesondere das Leerlaufen des ganzen Leitungsnetzes verhindern.
Das erforderliche Speichervolumen und ein allenfalls notwendiger etappen-
weiser Ausbau der Behälteranlage wird im generellen Wasserversorgungsprojekt
nachgewiesen. Bei hinreichend genauen Grundlagen wird das Volumen der
Brauchreserve durch Aufsummierung der stündlichen Zulauf-, Förder-und Ent-
nahmemengen während eines ganzen Tages ermittelt (Abb. 10.1 und
Tabelle 10.1). Die Praxis zeigt, dass ein Behälter in der Regel dann wirtschaft-
lich bemessen ist, wenn die Kriterien in Tabelle 10.2 erfüllt sind. Daraus ergibt
10.4 Speichervolumen 147
2
flvNx = 1.5
1.5
0.5
0
0 6 12 18 24
Uhrzeit
f h 1)
( 2.5
1.5
0
0 6 12 18 24
Uhrzeit
Abb. 10.1. Abschätzung des erforderlichen Speicherinhalts auf der Basis von Tagesganglinien
des Bedarfes und der Wasserförderung. Oben: Tagesganglinie in städtischen Verhältnissen und
konstante Förderung über den Tag. Unten: Tagesganglinie in ländlichen Verhältnissen und
Förderung nur in der Nacht, bei Niedertarif für die Elektrizität (Ganglinien nach SVGW, W6,
1975)
sich ein spezifisches Speichervolumen von 0.20 bis 0.60 m 3/Einwohner, je nach
Struktur der Kommune und Art der Produktion des Wassers.
10.4.1 Löschreserve
Die Grösse der gegebenenfalls notwendigen Löschreserve wird mit den zustän-
digen Organen der Feuerwehr und den Gebäudeversicherungsanstalten festgelegt
(Minimum 100m3). In grossen Versorgungsanlagen mit mehreren unabhängigen
Wasserbezugsorten kann auf die Ausscheidung von Löschreserven meist ver-
zichtet werden. In mehrzonigen Anlagen genügt eine ausreichende Löschreserve
im höchst gelegenen Reservoir. Der Wasserbedarf der Feuerwehr wird je nach
Bauzone und Brandgefährdungsklasse mit 0.01 - 0.06 m3s-' angegeben, d.h. dass
100m3 für eine Löschdauer von 0.5-2.5 h ausreichen.
Von besonderer Bedeutung sind Sprinkleranlagen, wie sie z.B. in Lagerhäu-
sern installiert werden. Sie haben einen grossen Wasserbedarf. Richtlinien des
SVGW (WS, 1979) geben Zahlen im Bereich von 6- 1000 m3 Gesamtbedarf und
0.003 - 0.2 m3s-' Durchfluss, je nach Gefährdungsklasse und Grösse des Objek-
tes.
Staubfilter
Kammer 1
mit Löschreserve
::::::::::;;::~1./"..Fiiii =~
Abb. 10.2. Einfache Darstellung eines Trinkwasserspeichers: Die Kammern (und Armaturen)
sind so gestaltet, dass das durchfliessende Wasser laufend erneuert wird und eine Löschreserve
gesichert bleibt
triebes, z.B. an Tagen mit mittlerem und geringem Verbrauch, gegenüber Tagen
mit maximalem Verbrauch.
Ablauf Zulauf
Abb.10.3. Prinzipzeichnung
Überlauf eines Wasserturmes
achtet, dass das Wasser laufend erneuert wird. Das wird hier durch den zwei-
kammengen Gebrauchsspeicher und den gerichteten Durchfluss (Rückschlag-
klappen) erreicht. Die mögliche Wiederverkeimung des Wassers kann dadurch
minimal gehalten werden. Die Löschreserve wird durch Öffnen der Löschklappe
im Brandfall freigegeben, im Tagesgang steht dieses Volumen nicht zur Verfü-
gung, das Wasser wird aber laufend erneuert.
10.8 Spezialfälle
10.8.1 Wasserturm
Wenn keine geeignete topographische Formation für den Bau eines Erdbehälters
in der Nähe des Versorgungsgebiets zur Verfügung steht, kann ein Wasserspei-
cher in Form eines Wasserturmes erstellt werden.
Wie bei Erdbehältern muss der Fassungsraum 30- 40 m über dem Versorgungs-
gebiet liegen. Mit grossen Leitungsdurchmessern können die Druckverluste im
Versorgungsnetz klein gehalten und die Turmhöhe ev. verringert werden.
Abb. 10.3 zeigt schematisch einen Wasserturm mit nur einer Wasserkammer.
Kleine Behälter (< 200 m3) werden meist nur einkammerig ausgeführt. Eine
grosse Wassertiefe (5-7 m) führt zu schlanken Wassertürmen aber entsprechen-
den Druckschwankungen.
Wassertürme haben den Vorteil, dass sie nahe an den Verbrauchern errichtet
werden können. Dadurch ergeben sich geringe Energieverluste und entsprechend
günstige Druckverhältnisse.
10.8.2 Löschwasserbehälter
Wenn die Wasserversorgung Löschwasser nicht in ausreichender Menge liefern
kann, ist ev. die Erstellung eines von der Trinkwasserversorgung unabhängigen
10.8 Spezialfälle 151
Druckluft
Wasserspeicher
10.8.3 Druckwindkessel
Druckkessel oder Windkessel sind keine eigentlichen Wasserspeicher. Ihr Volu-
men ist meist nur so bemessen, dass die Schalthäufigkeit der Pumpen beschränkt
und damit deren Lebenserwartung verbessert werden kann. Der Windkessel nutzt
die Kompressibilität der Luft: Ein Luftpolster speichert die erforderliche potenti-
elle Energie um den Betriebsdruck des Wassers innerhalb bestimmter Grenzen
zu halten (Abb. 10.4). Wenn das Wasser verteilt über 24 h im Tag gefördert
werden soll, so sind Windkessel wirtschaftliche Einrichtungen. Sie können auch
genutzt werden um Druckstösse auszugleichen (Kapitel 11.7, Seite 180).
11 Wasserverteilung, Netz
z
Energielinie
------- -- ~
vl12g
Rohrreibungskoeffizient A. Relative
Rauhigkeit
0.10
k/D
0.05
0.05 0.02
1-.
t:-
0.04 0.01
~
0.03 0.005
~~ 0.002
r--
0.02 0.001
i" 1'--
~ 0.0005
0.0002
0.0001
0.01
104 lOS
Reynoldszahl NRe
Abb. 11.2. Ausschnitt aus dem Moody Diagramm, Darstellung der Gl. ( 11.4) von Co1ebrook
Für Wasser mit 10 °C, mit der kinematischen Zähigkeit v 1.31·10-6 m 2 s·\ =
findet man für Aiessgeschwindigkeiten v = 1 - 3 m s·1 und Durchmesser
=
D 100- 1000 mm Reynolds-Zahlen in der Grössenordnung von NRe 105 - 106 • =
=
Für Betriebsrauhigkeiten k 0.1- 10 mm liegen die relativen Rauhigkeiten kiD
für dieselben Durchmesser bei 0.0001 - 0.05. Aus dem Moody-Diagramm
(Abb. 11.2), ist erkennbar, dass sich die Strömung im hydraulisch rauben Be-
reich mit relativ hoher Turbulenz befindet. Die Rohrreibungskoeffizienten A.
liegen zwischen 0.02 und 0.05. In diesem Bereich ist A. nicht mehr von der
Reynoldszahl abhängig (hydraulisch raub) und es gilt vereinfachend die explizite
Gleichung:
11.1 Stationäre Rohrhydraulik 157
(11.7)
Im rauben Bereich des Moody-Diagramms ist auch der Ansatz von Manning-
Strickler angenähert gültig:
Gl.(ll.12) ist spezifisch für eine Leitung und daher sehr nahe an der prakti-
schen Anwendung.
Nach Darcy-Weisbach:
Nach GI. (11.6) ist: AzE =A·V2 ·U(2~·D~ =8·/..·l·Q2/(g·7t2 ·D5)
= 0.0826 s m· ·A·L·Q2/D5 •
Es wird ß = AzE I (l·02) =8·J.../(g·i·D5) =0.0826 s2m·1·J.../D5•
Nach Strick/er:
. 413 2 2 2 16/3 2 2 16/3
Nach GI. (11.9) g1lt: AzE = 16·4 ·L·Q /(1t ·k51 ·D ) = 10.294-l·Q /(k51 ·D )
Es wird ß= 16·4413/(i·k5 /·D 1613) = 10.294/(k512 ·D1613)
Vergleich:
Es entspncht
.
ß =0.0826s2 m·1 ·J.../D5 = 10.294/(k512 ·D16/3)
und k51 =11.2 m112 s·1 ' ('J... 112 ·D116).
Im vollständig rauhen Bereich ist /.. konstant, also nimmt k51 mit zunehmendem Durch-
messer D zu.
Wie gross wird der Wert von k 51 für die Leitung in Beispie/11.2?
=0.02, D =0.2m wird k51 = 103 m113 s·1 •
Für J...
Werte über k51 = 100 m113 s·1 werden fürberechnungennicht empfohlen.
(11.13)
Werden zwei Leitungen parallel angeordnet, so ergibt sich für beide Leitun-
gen der gleiche Energieverlust .llzE (Abb. 11.4). Der Durchfluss entspricht der
Summe des Durchflusses durch die beiden Teilstränge:
160 11 Wasserverteilung, Netz
Aze
Q+' -a
Aze
Aze,tot~- Aze,2
Azet
~~
Abb. 11.3. Serieschaltung von 2 Leitungssträngen. &F., und &F.. 2 stellen den Energieverlust der
beiden Teilleitungen 1 und 2 dar. &F.'"' entspricht der Summe der beiden Energieverluste und
damit gleichzeitig dem Energieverlust einer äquivalenten Leitung
Qtot = Ql + 02--+-
-------..._
ßZe
L
Abb. 11.4. Parallelschaltung von zwei Leitungssträngen. Q, und Q2 stellen den Durchfluss
durch die beiden Teilleitungen 1 und 2 dar. Q,.. entspricht dem Durchfluss durch eine äquiva-
lente Leitung, die die beiden zusammenfasst und den gleichen Energieverlust erzeugt
(11.14)
I
y =-----=-
aeq ( _
I.yi
112 )2
nen äquivalente Leitungen für anspruchsvolle Netze gefunden werden. Das ver-
einfacht die ansebliessende Handrechnung (Beispiel11.7).
11.2 Pumpen
Pumpen sind Aggregate, die dem Wasser mechanische Energie zuführen. Sie sind
meist die grössten Energieverbraucher einer Wasserversorgung.
In der Wasserversorgung haben Pumpwerke die Aufgabe, dem Wasser Energie
zuzuführen, damit:
- die in Kapitel 7.2, Seite 104, diskutierte Druck- oder Energiebarriere zwi-
schen Trinkwasser und Umwelt aufrechterhalten werden kann;
- genügend Energie für den Transport des Wassers durch die Verteilnetze zur
Verfügung steht;
- das Wasser mit einem genügenden Druck an die Verbraucher geliefert wer-
den kann.
-...--------------- --
t.zE,d ---
-
----------- ---·· .... ............. .
Saugleitung Druckleitung
Abb. 11.6. Schematische Anordnung einer Pumpe. Definition der Energie- und der geodäti-
schen Höhen
Höhe z 1 hat, und fördert in ein zweites Reservoir mit dem Druck p2 und der Höhe
Zr Der Förderhöhenbedarf ergibt sich dann zu:
P P v2 v2
H A =~+z 2
2 -z I + 2-. g +ßz E ,s+Llz E.d (11.15)
1
p. g
hydrostatischer Anteil
geodätischer Anteil
~--------------------~~aA
Abb. 11.7. Schematische Darstellung einer Systemkennlinie nach Gl. (11.16)
Hp 60
inm 50
40
30
Förderleistung
20 bei n =1800 min·1
10
0
0 0.01 0.02 0.03 0.04 Op in rn3s·1
NPSH 6
inm
4
2 Net Positive Suction Head
0
0 0.01 0.02 0.03 0.04 Op in rn3 s·1
T]p 0.8
0.7
0.6
0.5 Wirkungsgrad
0.4
0.3
0 0.01 0.02 0.03 0.04 0p in rn3s·1
Pp 14
kW 12
10
Leistungsbedarf
8 derPumpe
6 Abb.ll.S. Beispiel eines
Kennlinienblatts einer
4 Kreiselpumpe (n=Motor-
0 0.01 0.02 0.03 0.04 Op in m3s·1 drehzahl)
- Eine Darstellung der NPSH (Net Positive Suction Head) in Funktion der För-
derleistung. Die NPSH gibt an, welcher minimale absolute Druck im Saug-
stutzen der Pumpe verfügbar sein muss, um die Pumpenleistung nicht über-
mässig durch Kavitation zu gefahrden. Die NPSH berücksichtigt den lokalen
Luftdruck (Höhenlage) und den Dampfdruck des Wassers (Temperatur).
- Angaben zum Wirkungsgrad der Pumpe T)p: Dieser gibt an, welcher Anteil
der mechanischen Energie, die auf die Pumpenwelle übertragen wird, durch
die Pumpe auf das Wasser übertragen werden kann.
- Die erforderliche LeistungPan der Welle der Pumpe: Die Leistungsaufnah-
me des Antriebsmotors ist grösser. Ein typischer Wirkungsgrad eines Elektro-
motors TIM liegt im Bereich von 75- 90%.
166 11 Wasserverteilung, Netz
Förderhöhe Hp in m
ro ~--------------------------,
50 ~----""''L.._
40
30
20
1200 1400 1600 1800
10 1000 Drehzahl n in min·1
0 ~--_.~~--_.----~~--~
NPSHI nr (11.19)
NPSH 2 = n~
Das sogenannte Muscheldiagramm einer Kreiselpumpe stellt die Q - H Be-
ziehungen der Pumpe für verschiedene Drehzahlen n dar. Abb. 11.9 ist ein Bei-
spiel eines Muscheldiagrammes.
QA,QP
Abb. 11.10. Verbindung der System- und der Pumpenkennlinie und Bestimmung des Be-
triebspunkts einer Anlage
A) ----<~---- Einzelpumpe
~ Seriebetrieb
--r-o--<
_.,__,__
8)
c) Parallelbetrieb
H
2 Pumpen in Serie
1 Pumpe
2 Pumpen parallel
~------~~-------~~a
Abb. 11.11. Oben: Schematische Darstellung der unterschiedlichen Betriebsmöglichkeiten von
Pumpen. Unten: Pumpenkennlinien für Einzel-, Serie- und Parallelbetrieb. Die Schnittpunkte
mit der Systemkennlinie stehen für: A) Betriebspunkt mit einer Pumpe, B) Betriebspunkt für
Seriebetrieb, C) Betriebspunkt für Parallelbetrieb
stellen: Hier ist der Energieeintrag ins System (Pumpe, HP) identisch mit dem
Energiebedarf des Systems (HA).
Die Systemkennlinie ist abhängig von der Lage der Wasserspiegel in Wasser-
speichern und dem Bezug von Wasser in einem Netz. Der Betriebspunkt einer
Pumpe ist entsprechend nicht konstant, sondern er passt sich den Gegebenheiten
an.
Liegt der Betriebspunkt A höher als die maximale Förderhöhe einer einzel-
nen Pumpe, so kann diese kein Wasser fördern. Auch Parallelbetrieb wird
nicht zu einer Förderung führen. Hingegen können zwei (oder mehrere)
Pumpen in Serie ev. eine ausreichende Förderhöhe erzeugen.
Heute werden Pumpen gebaut, in denen mehrere (2-8) Einzelpumpen in Serie
auf einer Weile mit nur einem Antrieb angeordnet sind. Solche Pumpen sind
geeignet, bei kleinem Pumpendurchmesser eine geringe Wassermenge auf einen
hohen Druck anzuheben. Sie kommen z.B. in engen Bohrlöchern zur Förderung
von tiefliegendem Grundwasser zum Einsatz.
In Tabelle 11.3 sind die wichtigsten hydraulischen Eigenschaften und die Zu-
standsgrössen von Elementen einer Wasserversorgung zusammengefasst. Jedes
Element ist charakterisiert durch eine Zustandsgrösse und eine hydraulische
Bedingung (Gleichung). Damit ist ein Netz, das in solche Elemente aufgelöst
wird, mathematisch bestimmt: Es gibt gleichviele unbekannte Zustandsgrössen
wie Gleichungen. Die Berechnung eines Netzes resultiert aber häufig in hunder-
len bis tausenden von meist nicht linearen Gleichungen, die simultan gelöst wer-
den müssen. Dafür kommen kommerziell vertriebene Computerprogramme zum
Einsatz.
5) Lenung 6) Lenung
L= 1000 m L=500m
D=0.2m 0=0.2 m 7) Pumpe
-=- 4) Grundwasser
HGw=460müM
Abb. 11.12. Beispiel zur Netzberechnung: Ein einfaches Wasserversorgungsnetz
mehr möglich, weil ein Teil der Information (Pumpenkennlinie) nur graphisch
verfügbar ist, und zwei Leitungen mit quadratischen Gleichungen hydraulisch
charakterisiert sind.
TabeHe 11.4. Hydraulische Charakterisierung der Elemente des Versorgungsnetzes in Abb. 11.12
Element Zustands- Hydraulische Eigenschaft
Nr Art Anfang Ende Grösse des Elementes
Knoten und Entpunkte
1 Reservoir Hl HI=HR
2 Bezugsknoten H> ~+Q,=Q.
3 Einspeiseknoten H, Q,+Q.=Q,
4 Grundwasser H. H.= How
Leitungen
5 Leitung 5 2 ~ Hl - H2 = 'Ys . ~ . IQsl
6 Leitung 6 3 2 Q. H,- H2 = "(6 • Q 6 • IQ61
Pumpe
7 Pumpe 7 4 3 Q, Q, = f(H 3 - H4)
Bezug und Einspeisung
8 Bezug 2 Q. Q.=Q.
9 Einspeisung 3 Q. Q.=QE
Bei Berechnung von Hand muss der Lösungsweg dem Problem angepasst
werden. Hier wird das folgende iterative Vorgehen gewählt (Zahlenangaben sind
in Tabelle 11.6 zusammengestellt):
- Vorerst wird eine Förderleistung für die Pumpe geschätzt (Qp =Q7 =0.02
m3s-\ Ansebliessend können alle zugehörigen Durchflusswassermengen be-
rechnet werden.
- Nun können die Förderhöhe der Pumpe HP =H, bestimmt und die Energie-
verluste der Leitungen berechnet werden (ßH).
11.3 Wasserverteilung: Netzberechnungen 173
sind dann bedeutend mehr Iterationsschritte erforderlich, und die Wahl der Kor-
rekturen bestimmt, wie schnell die Rechnung konvergiert.
In der Fachliteratur wird das Verfahren von Hardy Cross empfohlen, um Kor-
rekturen zwischen Iterationsschritten in vermaschten Systemen systematisch zu
wählen. Da Handrechnungen heute keine grosse Bedeutung mehr haben, und das
Verfahren von Hardy Cross in der digitalisierten Netzberechnung nicht zur An-
wendung kommt, wird hier auf dessen Einführung verzichtet.
Eine einfache Möglichkeit zur iterativen Lösung der Gleichungen beruht auf
der folgenden Überlegung: Basierend auf den momentanen Energiehöhen wird
berechnet, ob einem Knoten zuviel oder zuwenig Wasser zufliesst. Wenn zuviel
Wasser zufliesst, wird die Energiehöhe des Knotens erhöht, sonst vermindert.
Das Programmieren dieser Iterationsstrategie ist aussecordentlich einfach. Die
Iterationen führen bei nicht allzu grossen Netzen rasch zum Ziel
(Beispiel 11.11).
I Reservoir I
I Reservoir I
'
Die zwei Einspeisungen können als zwei parallele Leitungen betrachtet werden. Eine
äquivalente Leitung hat nach GI. (11.14) den folgenden Widerstandsbeiwert
=( fi +
1
ri)2 343s-'m-5
vr.:
Ytot
Vrneu
Der Energieverlust nach der Realisierung der Erweiterung wird zu:
2
Q = 3.43 mWs
ßZE.neu = "'ftot ·
Der Wasserbezug teilt sich wie folgt auf die beiden Reservoire auf:
ßzE,neu
Q alt= - 3 -1 Q 3 ·t
- - =0.041 m s und neu= 0.059 m s .
y alt
Durch die doppelte Einspeisung wird also nicht nur die Versorgungssicherheit verbessert
sondern auch die Variation der Druckhöhe im Versorgungsgebiet vermindert und der
minimale Druck erhöht.
11.4.1 Druckhaltung
Im hügeligen Gelände gilt für Trinkwasserverteilsysteme eine Druckhöhe von
40 - 100 m gemessen ab Strassenhöhe als geeignet, angestrebt werden 50 - 80 m.
Häuser bis zu 8 Stockwerken können dann ohne eigene Druckerhöhungs-
pumpwerke versorgt werden, und die Feuerwehr kann vorerst ohne Motor-
pumpen arbeiten. Die Druckhaltung über Hochbehälter bedingt allerdings, dass
Geländeerhebungen von 50- 100m in der Nähe des Versorgungsgebiets liegen.
Eine grössere Druckhöhe bedingt nicht nur die Verstärkung der Leitungen, In-
stallationen und Armaturen, sondern bei Pumpbetrieb auch einen grossen Ener-
gieeinsatz sowie Druckreduzierventile beim Verbraucher.
Im Flachland sind Druckzonen mit nur 10- 40 m Druckhöhe verbreitet; die-
ser Druck kann z.B. durch geregelten, dauernden Pumpbetrieb ohne Speicher
zuverlässig aufrecht erhalten werden. Um Perioden mit Ausfall der Elektrizität
zu überbrücken, sollte allerdings ein Notstromaggregat zur Verfügung stehen,
mit dem ein minimaler Betriebsdruck aufrechterhalten werden kann. Häuser mit
mehr als zwei Stockwerken müssen mit eigener Druckerhöhung ausgestattet
werden.
In Abb. 11.17 sind schematisch einige Möglichkeiten für die Druckhaltung
dargestellt. Zusätzlich kommen Wassertürme und Druckkessel zur Druckhaltung
zur Anwendung (Kapitel 10.8).
11.4.2 Druckzonen
Bei grossen Höhenunterschieden im Versorgungsgebiet werden unterschiedliche
Druckzonen ausgeschieden, die von verschiedenen Hochbehältern versorgt wer-
178 ll Wasserverteilung, Netz
Grundwasser
Energielinie je
nach Betriebszus~-
Grundwasser
Reservoir
> 40m
<100m
Grundwasser
Abb. 11.17. Beispiele von Anordnungen zur Druck- oder Energiehaltung in Verteilnetzen.
Oben: Im flachen Gelände, ohne Speicher mit dauernd laufenden Pumpen und ev. Notstrom.
Mitte: Mit Förderung des Wassers durch das Netz. Hier ergeben sich je nach Betriebsbedingun-
gen unterschiedliche Energielinien. Unten: Mit Förderung des Wassers über den Speicher
H
müM
640 -----------------
600
560
500
470 ----------------===--+---
Grundwasser
Abb. 11.18. Aufteilung der Druckzonen mit einem Beispiel der Höhenlage
in d ie Tefzone
i
Abb. 11.19. Schematische Darstellung eines Druckbrecherschachtes. Ein Ventil wird über den
Wasserstand geregelt
11.6 Sonderbauwerke
11.6.1 Druckreduzierventile
In Gebieten mit unterschiedlicher Höhenlage kann eine tieferliegende Zone über
ein Druckreduzierventil aus der höherliegenden Zone mit Wasser gespiesen wer-
den. Druckreduzierventile sind das Gegenstück zu Pumpen, sie wandeln die
Energie um, die frei wird, wenn Wasser von einer Zone mit hohem Druck in eine
solche mit niedrigerem Druck geleitet wird. Die Energie geht verloren.
Heute kommen auch Turbinen zum Einsatz, die die potentielle Energie in
Form von Elektrizität zurückgewinnen.
11.6.2 Druckbrecherschacht
Um Wasser von einer höheren Druckzone zuverlässig in eine Zone mit niedrige-
rem Druck zu leiten, bewähren sich auch Druckbrecherschächte (Abb. 11 .19).
Diese können ohne Fremdenergie und Fernsteuerung auskommen. Grosse
Schächte vermeiden Druckstösse, weil die Armaturen nur langsam reagieren.
11.6.3 Zonenpumpwerke
Zonenpumpwerke sind das Gegenstück zu Druckreduzierventilen und Druck-
brecherschächten. Sie fördern das Wasser aus einer untenliegenden Zone in eine
höherliegende Zone (s. z.B. Abb. 11.18, Förderung in die Hangzone).
"Information", dass sich ein Durchfluss geändert hat, breitet sich in starren Roh-
ren mit Schallgeschwindigkeit im Netz aus. Es dauert eine endliche Zeit, bis ein
Netz einen neuen stationären Zustand findet. Während dieser Zeit entstehen als
Folge der Trägheit des Wassers Druckschwankungen, sogenannte Druckstösse.
Diese werden unter Umständen so gross, dass Rohrleitungen, Armaturen und
Pumpen zerstört werden können.
Das Thema Druckstass kann hier nur grundsätzlich eingeführt werden. Es
wird dadurch ein Problem bewusst gemacht, das in Zusammenarbeit mit Spezia-
listen bearbeitet werden soll.
Ekin,o= Kinetische Energie des Wassers vor dem Stopp der Pumpe
[M L 2 T 2]
L = Länge der Druckleitung [L]
F = Querschnittsfläche der Druckleitung [L2]
p = Dichte des Wassers, 1000 kg m- 3 [M L- 3]
Uo = Anfängliche Fliessgeschwindigkeit [L T 1]
182 ll Wasserverteilung, Netz
Pumpe Leitung
uf
--
r~---~E+~-----------· L
Pb-:----~ L
-
"l +=c>L ~
p t-umummmum:.=r- . L Q)
"'0
cQ)
E
~
Q)
c
::J
uf N
1--
r---.F.--------------'..~ L
p 1----------~b
; ;~---- ., L
Abb. 11.20. Veränderung der Fliessgeschwindigkeit u und der DruckesPin einer starren, gera-
den Druckleitung nach dem plötzlichen Ausfall einer Pumpe. Die Randbedingungen der
Druckleitung sind durch einen vollständigen Abschluss bei der Pumpe und einen unendlich
grossenfreien Wasserspiegel auf der Seite des Reservoirs definiert
Die Verformung des Wassers im starren Rohr als Folge einer Veränderung
des hydrostatischen Druckes kann mit dem Elastizitätsmodul des Wassers be-
rechnet werden:
dL L
--=-- (11.23)
dP Ew
P = Hydrostatischer Druck [M L" 1 T 2]
Ew = Elastizitätsmodul des Wassers, 2-109 N m·2 [M L- 1 T 2]
Die potentielle Energie der Verformung ergibt sich aus dem Integral über die
Verformungsarbeit (Änderung des hydrostatischen Drucks mal die entstehende
Volumenänderung) als:
11.7 Instationäre Vorgänge: Der Druckstass 183
F·L L\P 2
E =-·- (11.24)
pot Ew 2
I;m.o =Epo,
oder mit Gln.(ll.22) und (11.24):
2 L\P2
p·uo = - - (11.25)
Ew
Die Schallgeschwindigkeit a im Wasser kann für eine starre Druckleitung aus
GI. (11.26) berechnet werden:
(11.26)
MI=L\P (11.27)
p·g
Nach Substitution von Gln.(ll.26) und (11.27) in GI. (11.25) resultiert die
Gleichung von Joukowsky (1898):
Belspiel11.15. Änderung des Volumens von Wasser als Folge des Joukowsky Stosses.
Wiegrossist die maximale Änderung L1L der Länge einer Wassersäule mit L=1000 m in
einem starren Rohr, das mit einer Fliessgeschwindigkeit von u0 =1.5 m s·' fliesst und zu
einem pl6tzlichen Stopp gebracht wird?
Integration von GI. (11.23) über äP und Substitution von Gln.(11.27) und (11.28) ergibt:
kinetischen Energie des Wassers nur eine geringe Energie speichern können,
ist diese Anwendung auf schnelllaufende Pumpen und kurze Leitungen be-
schränkt.
- In einem Druckwindkessel kann mit Druckluft potentielle Energie gespei-
chert werden; bei einem Druckabfall wird aus dem Druckkessel Wasser ins
System eingepresst, respektive bei Überdruck wird Wasser aufgenommen.
Hier wird die Randbedingung, dass das Wasser an einem Ende der Leitung
zum Stehen kommt, verändert.
Mit Hilfe eines Wasserschlosses wird die Möglichkeit gegeben, analog zum
Druckwindkessel, kinetische Energie in potentielle Energie umzuwandeln
und umgekehrt.
Typisch für diese Methoden ist, dass die kinetische Energie des Wassers über
mehrere Laufzeiten der Schallwellen sukzessiv abgebaut wird. Gewählte Reakti-
onszeiten liegen bei~= 10-20·Ua.
Abb. 11.21. Der hydraulische Widder. Links der Apparat, rechts eine Anlage, die den Wider
nutzt
11 _ Q Förder · H Förder
'!Widder -
QTreib · H Treib
Dabei sind bei geeigneter Gestaltung grosse Förderhöhen möglich.
11.8 Mess-, Steuer-, Regel- und Fernwirktechnik 187
11.9.1 Planungshorizont
Einerseits sind Wasserversorgungen sehr langlebige Anlagen- eine Lebens-
erwartung von 75 Jahren für die Leitungen und Behälter ist üblich. Andererseits
ist heute kaum absehbar, welche Forderungen in 50 Jahren an die Wasser-
versorgung gestellt werden. Wird heute für zukünftige eine Situation gebaut, so
müssen meist grosse Reservekapazitäten eingeplant werden, die den Betrieb der
Anlagen unwirtschaftlich machen. Die traditionell eher konservative, vorsichtige
Planung in der Wasserversorgung wird in Zukunft einer Planung weichen, die zu
möglichst grosser Flexibilität bei geringerem Kapitalbedarf führen soll. Metho-
disch muss dieses Vorgehen erst entwickelt werden.
Tabelle 11.8. Statistische Angaben zur Wasserversorgung in der Schweiz fiir das Jahr 1993.
Hochrechnung des SVGW, Nov. 1994
Einwohner 6'988'900
Wassergewinnung Total 10m 1066 100%
Quellwasser 106 m3 439 41%
Grundwasser 106 m3 404 38%
Seewasser 106 m3 224 21%
Wasserabgabe Total 10m 1066 100%
Haushalte und Kleingewerbe 106 m3 618 58%
Gewerbe und Industrie 106 m3 202 19%
öffentliche Zwecke und Brunnen 106 m3 74 7%
Selbstverbrauch 106 m3 29 3%
Verluste 106 m3 142 13%
Finanzen Ausgaben total 10 Fr. 1848 100%
Betriebskosten 106 Fr. 1206 65%
Investitionen 106 Fr. 642 35%
Subventionen 106 Fr. 111 17%
Personal Vollbeschäftigte 2400
Teilbeschäftigte 3600
Spezifische Zahlen Mittlerer Verbrauch pro Einwohner lE- d- 418
Maximaler Verbrauch pro Einwohner 1E-1d- 1 657
Mittlerer Verbrauch der Haushalte 1E-1d- 1 242
Mittlere Betriebskosten Fr. m-3 1.13
Investitionen pro Einwohner pro Jahr Fr.E-1a- 1 92
11.10 Kosten der Wasserversorgung 189
TabeHe 11.9. Versuch einer Vollkostenabschätzung für die Wasserversorgung in der Schweiz.
Basierend auf der Annahme, dass pro Einwohner der Anlagewert der Wasserversorgung ca.
13'000 Fr. beträgt. Diese Berechnungen sind ohne Hausanschlüsse und hausinterne Installationen
Kaptaldienst Wiederbeschafffungswert 91 · 10 Fr. Fr. 13'000 E.
2% Realzins 1.8 · 109 Fr. Fr. 260 E.1 a· 1
Amortisation (60 a) 1.5 ·109 Fr. Fr. 220 E.1 a· 1
Personal 2400 Vollbeschäftigte 240 · 10 Fr. a Fr. 35E a
3600 Teilbeschäftigte 180 · 106 Fr. a· 1 Fr. 26E.1 a· 1
Betriebsmittel, Reparaturen Schätzung Fr. IOE. a
·3
Elektrizität <lkWhm 0.7 · 109 kWh a· 1 Fr. 10E.1 a· 1
Totaler Aufwand Fr.4.HO a Fr. 596E. a·
·I
Verkauftes Wasser 900 ·106 m3 a 4.60 Frm·3
12 Siedlungsentwässerung
Regen~--
~\'__ Versickerung
0 Grundwasser
Die Modelle der Siedlungsentwässerung basieren oft auf den Modellen der tech-
nischen Hydrologie. Typisch für die Siedlungsentwässerung ist aber, dass uns
kleine Einzugsgebiete (ha bis km2 ) und schnelle Prozesse mit Zeitkonstanten im
Minutenbereich interessieren. Die technische Hydrologie interessiert sich eher
für grössere, naturnähere Einzugsgebiete mit Zeitkonstanten im Bereich von
Stunden und Tagen.
l
Niederschlags-
lntensHät
ung
Oberflächen-
abfluss
1 Verslckerung
Abb. 13.1. Qualitative Darstellung der Abflussbildung während eines Regens mit konstanter
Intensität
sen, wie sie für die Dimensionierung von Kanälen beachtet werden. Es kann aber
keine Ganglinien (zeitlich variable Abflüsse) simulieren und ist für die Beschrei-
bung von wenig ergiebigem Regen nicht geeignet, weil es zeitabhängige Prozes-
se wie z.B. das Auffüllen von Mulden nicht beschreibt.
Dieses einfache Modell zur Abschätzung des Abflusses von Regenwasser aus
einem beregneten Gebiet hat die folgende Form:
(13.1)
OR = Abfluss von Re~enwasser aus dem Einzugsgebiet mit
der Fläche F [L T 1]
r = Regenintensität [L T 1] oder häufiger [L3 L-2 T 1]
F = Fläche des Einzugsgebiets [L2]
'I' = Abflussbeiwert (Definition s. Text) [-]
Nach diesem Modell wird die Regenintensität r über längere Zeit und über
das ganze Einzugsgebiet gemittelt. Der Niederschlag auf das Einzugsgebiet wird
als proportional zur Regenintensität und zur Fläche des Einzugsgebiets ange-
nommen und entspricht dem Produkt r · F. Der Abflussbeiwert 'JI ist eine Kon-
stante, die angibt, dass nur ein Teil des Niederschlages zum Abfluss gelangt.
Es werden zwei Abflussbeiwerte unterschieden:
'Jis =
Der Spitzenabflussbeiwert, der angibt, wie gross der maximale
Abfluss~ im Vergleich zum maximalen Niederschlag r ·Fist
(Abb. 13.2).
'l'm =
Der mittlere Abflussbei wert, der angibt, welcher Anteil des
Niederschlags zum Abfluss gelangt (Abb. 13.3).
In erster Näherung können für die Entwässerung von Siedlungen die beiden
Abflussbeiwerte für intensive Regen gleich gesetzt werden. Dieser Abflussbei-
wert 'JI ergibt sich auch aus einer Abschätzung des Abflussbeiwerts aus dem
Anteil der undurchlässigen Flächen an der Fläche des gesamten Einzugsgebiets
F.
13.1 Einführung in die Siedlungshydrologie 199
QA.max
. f1 .
Mittlerer Ab ussbetwen 'I' m =VA
-
VR
0
0 Regen· und Abflussdauer
Gl.(13.1) ist die Basis für viele einfache Überlegungen in der Siedlungs-
entwässerung und dient in geeigneter Form für die Dimensionierung von vielen
Kanalisationen. Um dieses einfache Modell anzuwenden, müssen wir einerseits
die vorkommenden Regen und andererseits die entwässerten Flächen charakteri-
sieren.
Die Abflussbeiwerte nehmen mit zunehmender Ergiebigkeit der Regen zu, asymptotisch
wird hier der Wert von 'Vm = 0.65 erreicht, dieser Wert entspricht dem Spitzenabflussbei-
wert 'l's·
Die vorliegende Berechnung ist stark vereinfacht, weil die Verdunstung und Versickerung
kaum als fester Anteil am Niederschlag beschrieben werden kann.
Mittlere RegenintensHät
in nvnh·1
1000
100
10
0.1
0.1 10 100 1000 10000
Messintervall in h
Abb. 13.5. Niederschlags-Intensitäts-Diagramm für Zürich. Basierend auf den Regenmessungen
1901- 1975. Angegeben ist die Jählichkeit der Überschreitung (Neu nach WSL, Band 7, 1991)
tion ist dabei grundsätzlich anders, von Interesse ist die Summe der Niederschlä-
ge (Regenhöhe) über eine längere Zeit.
Heute werden z.B. die folgenden unterschiedlichen Darstellungen von Re-
geninformationen für Dimensionierungsaufgaben in der Siedlungsentwässerung
genutzt:
- Die Auswertung von durchschnittlichen Regenintensitäten während Regenab-
schnitten von 5- 60 min Dauer, die mit unterschiedlicher Häufigkeit über-
schritten werden. Die entsprechenden Auswertungen wurden in der Schweiz
1961 von Hör/er und Rhein für mehrere Regenmessstationen publiziert und
dienen noch heute für die Dimensionierung von vielen Kanalisationen. Diese
Art der Darstellung wird in Abschn. 13.5.4 diskutiert, sie hat für die Sied-
lungsentwässerung eine besondere Bedeutung.
Die Charakterisierung der Starkniederschläge (für die Schweiz: WSL 1975-
1992). Es werden mittlere Intensitäten bestimmt, die während unterschiedli-
cher Messperioden mit bestimmten Häufigkeilen überschritten werden. Diese
Information eignet sich zur Dimensionierung von Retentionsmassnahmen
(Versickerung, Regenrückhaltebecken, Regenwassernutzung). Ein Bei-
spiel ist in Abb. 13.5 dargestellt.
- Heute kommt auch in der Siedlungsentwässerung immer häufiger die mathe-
matische Simulation von ganzen Einzugsgebieten zur Anwendung. Dabei
wird das hydrologische und hydraulische Verhalten des Einzugsgebiets abge-
bildet und es werden Prognosen gemacht, wie sich das Entwässerungssystem
unter verschiedenen Belastungszuständen verhält. Basis für die Regencha-
rakterisierung sind hier häufig Ganglinien in 1 - 5 Minutenschritten von hi-
storisch gefallenen Regen. Verkäufer von Simulationsprogrammen sind meist
in der Lage, für ihr Programm Informationen über effektiv gefallene Regen
für verschiedene Messstationen auf Datenträgern verfügbar zu machen.
- Im Punktediagramm wird jeder Regen einer längeren Periode nur mit seiner
Dauer und der insgesamt gefallenen Regenhöhe dargestellt (s. z.B. Abb. 13.6
und Abb. 13.7). Diese Darstellung eignet sich für statistische Überlegungen
202 13 Siedlungshydrologie
Niederschlagshöhe in mm
25
20
15
10
5 Abb. 13.6. Lineares Punktedia-
gramm aller Regen mit einer
0
Dauer< 300 min, die in Fehral-
0 60 120 180 240 300 torf (Schweiz) 1991 gefallen
sind. Mittelwert von 5 Messsta-
Dauer des Niederschlags in Minuten tionen (Daten EAWAG)
II
ll
10
~· 2
~- ....
1
.-.....z
l4 ~~- .. P'
10 100 1000
Dauer des Niederschlags
in Minuten
Abb. 13.7. Logarithmisches Punktediagramm aller Regen mit einer Dauer< 1000 min, die in
Fehraltorf (Schweiz) 1991 gefallen sind. Mittelwert von 5 Messstationen (Daten EAWAG)
und erlaubt z.B. die Gegenüberstellung von Retention (diese entspricht einer
gewissen RegenmengeN in mm) und Ableitung von Regenwasser (diese ent-
spricht einer mittleren Intensität). Die Darstellung wird je nach Fragestellung
linear oder logarithmisch gewählt.
Neben Dauer und Intensität eines Regens sind für die Siedlungsentwässerung
z.T. auch die Windrichtung oder der Zug eines Gewitters von Bedeutung.
Abb. 13.8 zeigt deutlich, dass während Starkregen in Zürich Westwind vor-
herrscht. Entwässert nun ein Kanalnetz von Westen nach Osten, so kann das eine
Vergrösserung des Abflussmaximums zur Folge haben, die mit der Annahme,
dass das Gebiet gleichmässig beregnet wird, nicht erfasst wird. Heute ist es nicht
üblich, in der Siedlungsentwässerung solche Effekte zu berücksichtigen, gele-
gentlich könnten diese aber Ursache von unerwarteten Überschwemmungen sein.
Hier wird nur die Auswertung von maximalen Regenintensitäten, die mit ei-
ner bestimmten Häufigkeit während einer bestimmten Dauer überschritten wer-
13.3 Intensität von Starkregen 203
17%
Nord-
36%
Westwind
den, diskutiert. Diese Art der Auswertung hat für die Dimensionierung von Ka-
nalisationen in Handrechnungen die grösste Bedeutung.
200
100
0
0 5 10 15 20 25
Regendauer in min
Abb. 13.9. Bestimmung der maximalen durchschnittlichen Regenintensität während eines Re-
genabschnitts von 10 min Dauer
.dN
r=- (13.2)
L\T
r = Mittlere Regenintensität während der Dauer L\T [L T 1]
.dN = Während der Dauer L\T akkumulierter Niederschlag [L]
L\T = Dauer des betrachteten Regenabschnitts [T]
Die Regenintensität r hat die Dimension einer Geschwindigkeit. (Diese Ge-
schwindigkeit entspricht der Zunahme des Wasserspiegels mit der Zeit, wenn auf
einer Ebene kein Niederschlagswasser verloren geht). In der Literatur wird heute
r gelegentlich mit der Einheit Jlm s·1 angegeben. Häufiger wird die Einheit
I s·1 ha· 1 gewählt. Diese zweite Einheit hat den Vorteil, dass sie die Grössen, in
denen Siedlungen charakterisiert werden (Hektaren) mit den Grössen in denen
Abflüsse gemessen werden I s·1 (oder m3 s·1) direkt miteinander in Beziehung
setzen. 10 I s· 1 ha·1 entsprechen 1 Jlm s·1•
Hörler und Rhein haben 1962 eine Methode für die Auswertung und Dar-
stellung von Regenmessungen vorgestellt, die konsequent auf die Bedürfnisse
der Siedlungsentwässerung ausgerichtet ist. Sie haben mittlere Intensitäten für
Regenabschnitte bestimmt, unabhängig davon, ob es einen Vor- oder einen
Nachregen gibt. In Abb. 13.9 und in Beispiel 13.2 wird eine mögliche Art der
Bestimmung solcher Intensitäten dargestellt.
Mit Hilfe von statistischen Auswertungen ergeben sich nun für einzelne
Messstationen· Resultate, wie sie in Abb. 13.10 für die Messstation in Bern dar-
gestellt sind: Die mittlere Regenintensität r in I s·1 ha·1 wird für Regenabschnitte
von 5- 60 min. Dauer und verschiedene Jährlichkeilen z dargestellt. z 10 a =
heisst z.B., dass die entsprechende Intensität während der angegebenen Regen-
dauer innerhalb von 10 Jahren im Mittel gerade 1 Mal erreicht oder überschritten
wird (Wiederkehrintervall).
13.3 Intensität von Starkregen 205
RegenintensHät
in!. s·1 ha·1
500
400
300 Sa
2a
200 1a
100
0 10 20 30 40 50 60
Dauer des Regenabschnittes T in Minuten
Abb. 13.10. Intensitäts-Dauer-Frequenz-Kurve (IDF) für Regenabschnitte in Bern (G =
1481 s·• ha.., B = 12 min, C =0.95, neu nach Hörler und Rhein, 1962)
Belspiel13.4. Extremereignisse
Im August 1993 stand im Tagesanzeiger die Schlagzeile:
In 10 min 10 mm Regen über Bem gefallen.
Wie oft könnte der Tagesanzeiger diese Meldung machen?
10 mm /10 min = 10 mm ·10-3m mm·1 • 103 1m-3 ·104 m2 ha·1 /600 sec
= 1671 s·1ha·1
Nach Abb. 13.10 ergibt sich für eine Regendauer von 10 min und eine Intensität von
1671 s·1 ha·1 eine Jährlichkeit von z < 1 a. Im Durchschnitt könnte also der Tagesanzei-
ger jährlich über einen noch stärkeren Regen berichten, also war die Schlagzeile in die-
ser Form wohl kaum gerechtfertigt.
Nehmen wir noch an, dass es in der Schweiz z.B. 50 Regenmessstationen gibt, die die
entsprechenden Informationen sammeln (die Regen messen), so könnte wohl nach jeder
Gewitterfront, die über die Schweiz fährt, diese Meldung über irgend eine Stadt der
Schweiz geschrieben werden.
Empirisch haben Hörler und Rhein (1962) die Information in Abb. 13.10 mit
Hilfe der folgenden Gleichung dargestellt:
K(z)
r=-- T > 5 min (13.3)
T+B
r = Regenintensität [L T 1] hier in I s·1 ha-1
K = Eine Ortskonstante mit der Dimension [L] hier Imin ha- 1 s·1
z = Dauer des durchschnittlichen Wiederkehrintervalles [T] hier in a.
T = Dauer des Regenabschnitts [T] hier in min.
B = Eine Ortskonstante [T] hier in min
In Worten: r gibt die mittlere Regenintensität an, die während T min alle z
Jahre in Bem im Mittel einmal erreicht oder überschritten wird.
TabeHe 13.1. Beispiel von Ortskonstanten für die Berechnung der mittleren Regenintensität in
Funktion des Wiederkehrintervalles und der Regenabschnittdauer nach GI. (13.3) (ausgewählte
Regenmessstationen nach Hörler und Rhein 1962). Für die Defmition der Ortskonstanten K(z}, B,
G und C siehe Text. H = Mittlerer Jahresniederschlag
Wiederkehrintervall z B G c H
·I
z inJahren 1 2 5 10 min !s"lha·l mma
Ortskonstante K(z) in Imin ha· s-
Bern 4000 4984 6484 7796 12 148 0.95 1028
Davos 1950 2438 3159 3762 10 78 0.93 999
Locarno 7068 8446 10418 12044 23 186 0.69 1822
Sion 1050 1360 1780 2160 6 50 1.06 588
Zürich 3036 3664 4569 5313 8 132 0.75 1044
In Tabelle 13.1 sind für einige Messstationen in der Schweiz und typische
Wiederkehrintervalle, wie sie in der Siedlungsentwässerung zur Anwendung
gelangen, die Ortskonstanten K(z) und B zusammengestellt: Bem und Zürich
liegen nördlich der Alpen, Davos in einem alpinen Hochtal, Sion in einem gro-
ssen Tal, das von West nach Ost verläuft, Locamo liegt südlich der Alpen, wo
13.3 Intensität von Starkregen 207
sich bei Föhn Staulagen mit langen intensiven Niederschlägen ergeben. Die
Ortskonstanten und damit die Regenintensitäten unterscheiden sich um einen
Faktor 7 zwischen dem Tessin und dem eher trockenen Wallis und das, obwohl
Locarno und Sion beide im Alpenraum und nur 110 km Luftlinie auseinander
liegen.
Aus Tabelle 13.1 werden die klimatischen Unterschiede in der Schweiz deut-
lich:
- In Locarno fallen die intensivsten Regen (grösster Wert von G) und der
grösste Jahresniederschlag H. Hier ergeben sich bei Südwind typische Stau-
lagen, die im Schweizer Mittelland als Föhn bekannt sind. Der hohe Wert
von B deutet an, dass diese intensiven Regen auch sehr lange anhalten. Der
geringe Wert von C zeigt, dass die Extremereignisse nicht sehr unterschied-
lich sind (oder dass Starkregen sehr häufig sind). Das Einzelereignis ist sehr
13.4 Abflussbeiwert von Siedlungsgebieten 209
ergiebig. Pro Jahr ergibt ein Ereignis mindestens K(z=l) = 70681 min ha· 1 s·1
= 43 mm (s. Beispiel13.7).
- In Sion fallen die schwächsten Regen, mit der geringsten Jahressumme. Das
Wallis ist ein grosses und breites Tal, das quer zu den Südwinden liegt.
Warmfronten treffen hier selten auf Kaltfronten. Das Einzelereignis ist wenig
ergiebig: K(z=l) = 6.5 mm.
- Das ganze Schweizer Mittelland wird recht einheitlich beregnet (Bem, Zü-
rich).
Tabelle 13.3. Typische Abflussbeiwerte 'I' für unterschiedliche Siedlungsflächen. Tiefe Werte
gelten für Quartiere mit Versickerung, mittlere bei Flachdächern, hohe Werte bei Steildächern
Art der Überbauung und Dichte Versickerung Flachdächer Steildächer
Einfamilienhäuser, freistehend, locker 0.15 0.20 0.30
Einfamilienhäuser, freistehend, dicht
Doppelhäuser, Reihenhäuser, Mehrfamili- 0.20 0.25 0.40
enhäuser
Wohn- und Gewerbezone 0.35 0.45 0.70
Dorfkem, ländlich 0.50
Stadtkern, Altstadt, Citygebiet 0.75
Industrie, neu 0.60
Industrie, alt 0.75
Tabelle 13.4. Jährlichkeiten z (Jahre) von Regenereignissen, die der Dimensionierung von Kanali-
sationen zu Grunde gelegt werden
Jährlichkeit z des massgebenden Ereig-
nisses in Jahren
Schweiz Deutschland
Kernzonen und Industriegebiete, die im Misch-
system entwässert sind, wenn in den Kellern 10-20 5-10
wertvolle Güter lagern
Städte allgemein 10 5
Dörfer mit lockerer Überbauung 5 2-3
Strassenentwässerung innerorts 10
(nach SNV 640 350) ausserorts 5-10
212 13 Siedlungshydrologie
13.5.4 Fliesszeitverfahren
Das Fliesszeitveifahren ist eine einfache und überschaubare Methode für die
Dimensionierung von Kanalisationen ohne Rückstau. Es berücksichtigt, dass
entlang der Kanalisation die reduzierte Fläche und die Fliesszeit laufend zuneh-
men. Dadurch wird die Dauer der berücksichtigten Regenabschnitte immer län-
ger und die massgebende Regenintensität geringer.
Es gibt unterschiedliche Berechnungsverfahren für die hydraulische Dimensio-
nierung von Kanalisationssträngen in Kanalnetzen. Ist in den Kanälen bei Nor-
malbetrieb kein Rückstau zu erwarten, eignet sich die Listenrechnung nach Im-
hoff (das Fliesszeitveifahren, die Fliesszeitmethode). Dieses Verfahren ist ein-
fach, durchschaubar und meist genau genug, um neue Kanalisationen (Endsträn-
ge) zu dimensionieren. Es ist wenig geeignet, um bestehende Kanalnetze nach-
zurechnen und Engpässe zu identifizieren. Kanalisationen mit Rückstau können
nach dieser Methode nicht dimensioniert werden.
Die Grundlage des Fliesszeitverfahrens bildet die Annahme, dass in einer be-
stimmten Kanalhaltung die grösste Regenwassermenge (b. dann erreicht wird,
wenn alle Teileinzugsgebiete zum Abfluss beitragen. Die Dauer des massgeben-
den Regenabschnitts T = 1o entspricht daher der Summe aus Anlaufzeit t.. und
maximaler Fliesszeit in der Kanalisation~ nach GI. (13.12). Ausnahmen zu die-
ser Annahme sind in Abschn. 13.5.3 erwähnt. Die Fliesszeit kann aus der Länge
der Kanalisation L und der Fliessgeschwindigkeit v bei maximalem Abfluss aus
~=LI v berechnet werden. Aus GI. (13.3) ergibt sich die massgebende Regen-
intensität r.(T). Mit GI. (13.9) kann nun der grösste Regenabfluss (b. berechnet
werden, der für die Dimensionierung der Kanalisation berücksichtig werden soll.
In Mischsystemen muss noch der Trockenwetteranfall dazu addiert werden.
Damit diese umfangreichen Berechnungen überschaubar bleiben, werden die
Grundlagen und Resultate in Listen (oder Tabellen) eingetragen. Die Literatur ist
voll von geeigneten Darstellungen solcher Listen, und jedes Ingenieurbüro hat
seine eigenen Präferenzen. Hier wird ein sehr einfaches Beispiel einer solchen
Liste in Tabelle 13.5 dargestellt. Diese Tabelle ist für die praktische Anwendung
zu einfach, sie genügt aber, um das Prinzip zu erklären. In den folgenden Ab-
schnitten wird die Berechnung der massgebenden Regenwassermengen für die
Stellen (Haltungen) 1 - 7 in Abb. 13.11 beschrieben.
13.5 Maximaler Regenabfluss 215
1
o e.Lo~e-, •
Entlastung
Regen von Bem
Jährlichken z = 5 a
Ortkonstante K(5a) = 6484l min ha·1 s·1
B=12min
Abb. 13.11. Ein einfaches Einzugsgebiet, für das die maximal abzuleitende Regenwassermenge
berechnet werden soll. Die geometrischen Angaben zu den einzelnen Teileinzugsgebieten sind
direkt in Tabelle 13.5 eingetragen
TabeHe 13.5. Eine sehr einfache Tabelle für die Berechnung des massgebenden Regenwasseran-
falles in einem Kanalsystem nach dem Fliesszeitverfahren. Die Zahlenangaben beziehen sich auf
Abb. 13.11, kursive Zahlen sind berechnet. Der Berechnungsgang ist im Text erläutert
Vorarbeiten:
Nur mit einer sorgfaltigen Vorbereitung der Berechnungen kann der Überblick
gewahrt bleiben. In der Praxis hat Tabelle 13.5 bis zu 30 Zeilen und oft 100 und
mehr Kolonnen.
Abgrenzung des Einzugsgebietes, für das die Kanalisation dimensioniert
werden soll: Hier die Darstellung in Abb. 13.11 mit 5 Teileinzugsgebieten
und einer Entlastung unterhalb von Punkt 4.
Abgrenzung der Bauzonen, Festlegen der Bebauungsdichten, der typischen
Abflussbeiwerte und des typischen Abwasseranfalles. Hier wird kein Trok-
kenwetteranfall berücksichtigt, in einem Mischwasserkanal müsste dieser
216 13 Siedlungshydrologie
- Nun wird die reduzierte Fläche, die an eine spezifische Haltung angeschlos-
sen ist, aufsummiert (Zeile 10). Wiederum entkoppelt die Entlastung den
oberen Teil des Einzugsgebiets vom unteren Teil, d.h. die Aufsummierung
beginnt ab Haltung 6 von Neuem.
- Die Regenwassermenge QR (Zeile 11) ergibt sich nun aus dem Produkt der
Regenintensität (Zeile 6) und der angeschlossenen reduzierten Fläche (Zeile
10). Die massgebende Regenwassermenge in Haltung 4 (0.742 m3s.1) ent-
spricht nicht der Summe der Regenwassermengen der Haltungen 2 und 3
(0.618 + 0.144 =0.762 m3s·\ weil Haltung 3 für sehr kurze intensive Regen
dimensioniert werden muss, während Haltung 2 bereits längere Fliesszeiten
berücksichtigt.
- In Haltung 5 (unterhalb der Entlastung) wird dem untenliegenden Kanal eine
konstante Wassermenge übergeben (hier 0.072 m3s·t, Zeile 12), die zusätzlich
zu den Regenwassermengen in den untenliegenden Kanälen abgeführt wer-
den muss. Diese Wassermenge kann z.B. von einem wenig intensiven Vorre-
gen stammen.
- In Zeile 13 ergibt sich nun der Abfluss aus der Summe der konstanten Zu-
flüsse und des zunehmenden Regenabflusses.
- Mit den Resultaten in Zeile 13 (ev. ergänzt durch den erwarteten Trocken-
wetterabfluss) kann nun der Kanal hydraulisch dimensioniert werden
(Durchmesser, Gefälle). Damit ist die Basis gelegt, um die Fliessgeschwin-
digkeit zu berechnen. Es gilt nun, die effektiven Fliesszeiten zu berechnen
und die Annahmen in Zeile 4 zu überprüfen und ev. iterativ zu verbessern.
Das Resultat dieser Berechnungen ist ein Kanalnetz, das grundsätzlich das
anfallende Abwasser ableiten kann. Details, wie die genaue Höhenlage, Gefälle
etc. müssen aber noch einmal überprüft werden. Ferner muss noch überprüft
werden, ob die Grundannahmen dieser Listenrechnung für alle Berechnungs-
punkte gültig sind, oder ob Teileinzugsgebiete zu grösseren Regenwassermengen
führen können.
Zusammenfassung
Die in Kapitel 13.1 eingeführten vier Teilprozesse der Abflussbildung erkennen
wir in der Fliesszeitmethode wie folgt:
- Der Niederschlag wird mit einer konstanten, durchschnittlichen Regen-
intensität abgebildet und berücksichtigt weder zeitliche noch räumliche Un-
terschiede. Es werden Regenabschnitte betrachtet.
- Die Abflussbildung wird mit dem Abflussbeiwert 'I' erfasst.
- Die Abflusskonzentration wird durch die Anlaufzeit t... beschrieben.
- Der Abwassertransport wird durch die hydraulische Berechnung der Kanali-
sation erfasst und geht mit der Fliesszeit in der Kanalisation ~ in die Berech-
nung ein.
Insgesamt ist der Rechengang durchschaubar und in sich logisch. In den USA
ist diese Art der Berechnung als "Rational Method" bekannt.
14 Entwässerungsverfahren
14.2 Grundlagen
In Europa hat sich die Schwemmkanalisation als Transportsystem vorerst für
Fäkalien, dann aber auch für andere unerwünschte Stoffe in Siedlungen soweit
durchgesetzt, dass wir uns fast kein anderes Entsorgungskonzept mehr vorstellen
können. In Japan wird noch heute ein grosser Teil der Fäkalien in Behältern als
sogenannter "night soil" gesammelt und zentral, z.B. in Kompostierungsanlagen
entsorgt. Ein ähnliches "Kübelsystem" kannte auch die Stadt Zürich, wo die
Schwemmkanalisation erst nach 1923 konsequent eingeführt wurde. In den
dünnbesiedelten Regionen der USA und vielen ärmeren Ländern wird häufig die
ganze Abwasserbehandlung und -versickerung direkt auf dem Grundstück ange-
ordnet, sodass sich der Bau von öffentlichen Kanalnetzen erübrigt. Möglich, dass
wir auch in Europa die aufwendige und komfortable Lösung der zentralen
Schwemmkanalisation nicht für immer aufrechterhalten können. Vereinzelt wer-
den bereits Alternativen entwickelt; ein neues, ressourcenschonendes, wirt-
schaftliches und vergleichbar komfortables Verfahren ist aber noch nicht er-
kennbar.
220 14 Entwässerungsverfahren
Abwasser können wir sowohl in Druckleitungen (bei voller Füllung) als auch
in Freispiegelleitungen (bei Teilfüllung) abführen. Der Abfluss mit freiem Spie-
gel hat eine Reihe von Vorteilen:
- Das Abwasser wird mit Sauerstoff versorgt, es bleibt "frisch" und Geruch-
sprobleme werden verringert.
- Als Folge von variabler Wassermenge verändern sich die Fliessgeschwindig-
keiten weniger, das verringert die Sedimentation.
- Das Abwasser kann ohne Pumpen aus den Liegenschaften in den Kanal ein-
geleitet werden.
- Die Kanäle sind auch im Betrieb für den Unterhalt zugänglich. (Während
Wasserversorgungsleitungen abgestellt werden können, ist das bei Abwas-
serleitungen nur bedingt möglich.)
Wenn genügend Gefälle verfügbar ist, werden Druckleitungen für Abwasser
nur selten ausgeführt. Gelegentlich werden Sonderformen von Entwässerungs-
systemen mit geringen Leitungsdurchmessern eingesetzt. Dabei wird das Abwas-
ser meist vorbehandelt und ansebliessend mit Druckluft oder Vakuum durch die
Leitungen gefördert.
Aus Siedlungen müssen Abwässer mit ganz unterschiedlichen Eigenschaften
abgeleitet werden:
- Unbelastetes Fremdwasser, das gleichmässig über den ganzen Tag anfällt.
Dieses Wasser sollte möglichst nicht in die Schmutzwasser-Kanalisation ge-
langen und die Kläranlagen belasten.
- Belastetes Abwasser aus Haushaltungen, Industrie und Gewerbe, das entspre-
chend den menschlichen Aktivitäten einem starken, aber regelmässigen und
voraussehbaren Tagesgang unterworfen ist. Dieses Abwasser muss einer
Kläranlage zugeführt werden. Es ist hygienisch bedenklich und mit hohen
Konzentrationen von Schmutzstoffen belastet.
- Regenwasser, das je nach den Verhältnissen im Einzugsgebiet und in der
Kanalisation (Sedimente, Ablagerungen) mehr oder weniger mit Schmutz-
stoffen belastet ist. Dieses Wasser muss in der Regel nur einer einfachen
Reinigung zugeführt werden, bevor es in die Gewässer eingeleitet werden
darf. Bei Regen ist der Abwasseranfall, der abgeleitet werden muss, bis 100
Mal grösser als bei Trockenwetter.
- Schneeschmelzwasser, das über lange Zeit mit geringen Temperaturen anfällt
und Schutzstoffe und Tausalze von den Strassen mitführt.
Um den verschiedenen Qualitäten von Abwasser und den lokalen Anforde-
rungen und geschichtlichen Gegebenheiten gerecht zu werden, wurden verschie-
dene Entwässerungsverfahren entwickelt. Hier werden nur das Mischsystem und
das Trennsystem diskutiert.
14.3 Mischsystem
Das Mischsystem ist das historisch gewachsene Entwässerungsverfahren, das
v.a. in den älteren Siedlungen zur Anwendung kommt. Es kennt nur ein Kanalsy-
stem, in dem alle Abwässer abgeleitet werden.
14.4 Trennsystem 221
Strassenentwässerung
Regen- und Grundwasser
historisch: Brunnen- und Bachwasser
Abb.14.1. Schematische
Darstellung der Elemente
Vorflut eines Mischsystemes
14.4 Trennsystem
Im Trennsystem werden Schmutzwasser und Regenwasser in getrennten Kanälen
abgeleitet (Abb. 14.2). Die Schmutzwasserleitungen mit geringem Durchmesser
liegen im Strassenquerschnitt tiefer als die Regenwasserleitungen, um auch Kel-
ler entwässern zu können. Da historisch bedingt die tiefliegenden Schmutz-
wasserleitungen auch Drainagewasser aufnehmen und z.T. Garagenzufahrten
entwässern müssen, wird für deren Bemessung ein Zuschlag zum maximalen
Trockenwetterabfluss von typischerweise 100% gemacht.
Die Regenwasserableitungen mit grossem Durchmesser liegen in der Regel
höher als die Schmutzwasserkanäle und nehmen Dachwasser, Strassenwasser,
Sickerwasser und ev. Bachwasser auf und leiten dieses meist direkt, oder seltener
über Rückhaltebecken oder Regenklärbecken, in die Vorflut.
In Tabelle 14.1 ist zusammengestellt, welche Art Abwasser in den Entwässe-
rungsverfahren an die verschiedenen Abwasserleitungen angeschlossen werden
soll und muss.
222 14 Entwässerungsverfahren
Regenwasserkanal
Häusliche Abwässer
Industrie- und Gewerbe-Abwasser
Strassenentwässerung
Regen- und Grundwasser
Brunnen- und früher Bachwasser
-......;~ Versickerung
Regenwasserrückhalt
Regenwasserreinigung
Abb. 14.2. Schematische
Darstellung der Elemente
Vorflut eines Trennsystemes
Tabelle 14.1. Grundsätze ftir die Entwässerung von Grundstücken (gilt nicht ftir Grundwasser-
schutzzonen und -Areale). Aus VSA, GEP Richtlinie 1989
Trennsystem Mischsystem
Schmutz- Regen- Versi- Misch- Rein- Versi
wasserkanal ckerung wasserkanal ckerung
Schmutzabwasser:
Haushaltungen, Gewerbe, Industrie ++ - - ++ - -
Regenwasser:
-Dächer - -1- + -1- - a) +c)
-Zufahrten, Wege, Parkplätze - -1- + -1-
_a) +d)
b) e) e) e) e) e) e)
- Umschlagplätze und Arbeitsflächen
Reinabwasser ( Fremdwasser):
_a)
- Brunnen- und Sickerwasser - -1- + -1- +
- Grund- und Quellwasser - -1- + - a) -1- +
- Kühlabwasser - -1- + - -1- +
Legende:
Nicht gestattet
-1- Nur gestattet, wenn die Versickerung auf Grund der hydrogeologischen Verhältnisse,
der Versehrnutzung des Abwassers, der Havarierisiken etc. nicht möglich ist.
+ Anzustrebende Lösung
++ Anschluss ist obligatorisch
a> Nur für kleine Wassermengen, mit besonderer Bewilligung gestattet.
b) Bei wassergefährdenden Flüssigkeiten nach der entsprechenden Verordnung
c) Wenn möglich oberflächliches Versickernlassen, sonst Versickerungsanlage
d) Oberflächliches Versickernlassen
e)
Entwässerungskonzept nach Norm für die Liegenschaftsentwässerung
Kosten: Neue TS sind häufig teurer als neue MS, da zwei Kanalnetze erstellt werden
müssen. Heute werden aber bestehende Netze erweitert, bei Kapazitätsengpässen in
untenliegenden Kanälen können ev. Erweiterungen im TS billiger werden, da in nahelie-
gende Gewässer eingeleitet werden kann.
Klliranlage: Im MS gelangt mehr Abwasser auf die Kläranlage und die Betriebs-
bedingungen variieren als Folge von Regenereignissen stark. Heute bestehen aber fast
keine reinen MS oder TS, sodass sich auf der Kläranlage in der Realität kein messbarer
Unterschied ergibt.
Unterhalt: Beim MS müssen zusätzlich zum Kanalsystem Regenbecken betrieben wer-
den. Beim TS müssen zwei Kanalnetze unterhalten werden. Der Anschluss von Liegen-
schaften im TS muss strikte kontrolliert werden. Fehlanschlüsse führen zu hydraulischer
Überlastung der Schmutzwasserkanäle oder einer Verunreinigung der Gewässer durch
die Regenwasserkanäle.
Gewässerbelastung: Es ist kaum möglich die unterschiedliche Bedeutung der Gewässer-
belastung zu interpretieren. Bei schwachen Regen wird im MS alles Abwasser über die
Abwasserreinigungsanlage geleitet, im TS wird häufig Regenwasser unbehandelt einge-
leitet. Dafür muss bei stärkeren Regen im MS mit verschmutztem Abwasser vermischtes
Mischwasser unbehandelt eingeleitet werden.
Folgerung: Beide Systeme können unter vielen unterschiedlichen Randbedingungen als
gleichwertig betrachtet werden. Die Unterschiede sind marginal, die Wahl ergibt sich auf
Grund von wirtschaftlichen und technischen Gesichtspunkten. Nur selten führen die Er-
fordernisse des Gewässerschutzes zwingend zur Wahl des einen oder des anderen
Systems.
(14.1)
Die Anlaufzeit t.. können wir vergrössern, indem wir Dächer begrünen (Abb. 16.2) und
lokale Retentionsanlagen einrichten (Einstau von Flachdächern und Parkplätzen), da-
durch wird die massgebende Regenintensität r verringert.
Die massgebende Jährlichkeil z können wir verringern, indem wir gezielt Überschwem-
mungen von offenen Feldern und Parkplätzen zulassen.
Die Flächenanteile 1; können wir verringern, indem z.B. Dächer an Versickerungsanlagen
angeschlossen werden.
Den Abflussbeiwert von Teilflächen a1 können wir durch geeignete, durchlässige Gestal-
tung von Oberflächen verringern (durchlässige Kiesbeläge, Rasengittersteine etc.).
15 Mischwasserbehandlung
Mischwasser soll so in die Gewässer eingeleitet werden, dass diese nicht nach-
teilig beeinflusst werden. Dazu sind Konzepte erarbeitet worden, die mit den
anfallenden Regenwassermengen, je nach deren Häufigkeit, unterschiedlich
verfahren. Hochwasserentlastungen und Regenüberlaufbecken sind die haupt-
sächlichen Bauwerke.
15.1 Problemstellung
Während Regenereignissen sind die Abwasserreinigungsanlagen häufig hydrau-
lisch überlastet, es muss wenig behandeltes oder unbehandeltes Mischwasser aus
der Kanalisation in die Gewässer entlastet werden. Das kann zu Problemen füh-
ren. Wir unterscheiden zwischen der Beeinflussung der Qualität (stoffliche und
hygienische Belastung der Gewässer) und der Quantität (Erhöhung der Häufig-
keit von Spitzenabflüssen). In Tabelle 15.1 sind einige Zusammenhänge aufge-
zeigt.
Tabelle 15.1: Ursachen und Lösungsansätze flir Gewässerschutzprobleme als Folge von Regen-
ereignissen
Beeinträchtigung Art der Belastung Mögliche Technologien
Qualitative Beeinträchtigungen
Baden, Pathogene Keime Feinsiebung, Desinfektion,
Sport mit Wasserkontakt Schwimmstoffe, Trübung, Speicherung I Sedimentation
Leben im Gewässer Ammoniak (NH3), Sedimente, Speicherung I Sedimentation
toxische Stoffe, Sauerstoffbe- Feinsiebung
darf
Eutrophierung von stehen- Eintrag von Nährstoffen, insbe- Speicherung I Retention
den Gewässern sondere Phosphor Ableitung über ARA
Ästhetik Grobstoffe, Schwimmstoffe, Siebe, Wirbelabscheider, Spei-
Sedimente cherung I Sedimentation
Quantitative Beeinträchtigung
Störung des Lebensraumes Häufiger Geschiebetrieb als Rückhalt und verzögerte Ablei-
im Fliessgewässer Folge von erhöhtem Abfluss tung, andere Einleitstelle
Abb. 15.1. Das Konzept zur Ableitung des Regenwassers bei unterschiedlich intensiven Regen.
= =
Details sind im Text erklärt. HWE Hochwasserentlastung, KÜ Kanalüberlauf, RÜB Re- =
genüberlaufbecken,.ARA = Abwasserreinigungsanlage
30
15
...
Hochwasserentlastung
lmRegenübe~au~ecken
teilweise geklärt
15
Regenhö:le
in %
10
t---1~--- 60% 2 0-rw = Kanalüberlauf
___/ ~chmutzwasser
~ahresmiltel
sität und wie lange pro Jahr die verschiedenen Betriebszustände, die in Abb. 15.1
dargestellt sind, erwartet werden müssen. Während 8500 h a·' (=97% der Zeit)
reicht die hydraulische Kapazität (2 QTW) der Kläranlage aus. Die Regenüber-
laufbecken sind ca. 250 h pro Jahr im Betrieb (< 3%) und überlaufen nur wäh-
rend ca. 50 h im Jahr (<1% ). Nur während wenigen Stunden pro Jahr muss
Mischwasser über Hochwasserentlastungen unbehandelt entlastet werden (=0.1%
der Zeit). Die letzte Grenze, die Schluckfähigkeit der Einlaufschächte und der
Dachrinnen, wird nur noch während Minuten alle 10 Jahre überschritten und ist
kaum mehr von Belang.
3 ·1 ·1 ·1 ·1
Der mittlere Abwasseranfall beträgt 200 · 0.4 = 80 m d ha,ed entsprechend 0.9 ls ha,ed .
Damit verbleiben im Durchschnitt 3.2 - 0.9 = 2.3 I s·1 ha,ed· 1 für das Regenwasser.
Da die Abflussbeiwerte und damit die reduzierte Fläche für extrem starke Regen ge-
schätzt werden, wird bei geringen Regenintensitäten der effektive Regenwasserabfluss
230 15 Mischwasserbehandlung
/ ÜberlaufhäufigkeR I Jahr
10
stark überschätzt (s. Beispiel13.1). Die Kläranlage wäre daher je nach Regendauer und
Temperatur erst bei Regenintensitäten überlastet, die> 31 s·1 ha·1 sind.
In Abb. 15.3 sind einige Kenngrössen für das Zusammenspiel von Entlastung
und Speicherung in der Jahresbilanz des Mischwassers im Schweizerischen Mit-
telland zusammengestellt. Diese Abbildung kann wie folgt gelesen werden:
Eine Hochwasserentlastung, die bei einer kritischen Regenintensität von
=40 1 s·1 ha· 1 anspringt und der kein Speichervolumen im Kanalnetz zuge-
r~u~,
ordnet ist, springt ca. 20 mal pro Jahr an (Punkt 0). Dabei gelangen zwischen
5 und 6% des abtliessenden Regenwassers in die Vorflut. Da insgesamt ca.
830 mm Niederschlag pro Jahr zum Abfluss gelangen, sind das 0.06 ·
8300 =500 m 3ha..,/a·t, während ca. (1-0.06) · 8300 =7800 m 3ha,e/a· 1 in
Richtung Kläranlage weitergeleitet werden.
Ein Regenbecken mit einem spezifischen Inhalt von 20 m 3 ha..,/, das bei einer
Regenintensität von 4 1s· 1 ha·1 (nach Füllung) entlastet, überläuft zwischen 20
und 30 mal pro Jahr (Punkt 8). Dabei werden ca. 25% (2100 m 3ha·1n:da.1} des
Regenwassers der Vorflut zugeleitet, während in der Jahresbilanz ca. 75%
des Abflusses (6200 m3 ha· 1 ra~a. 1 ) zur Kläranlage weiterfliesst und dort behan-
delt wird.
Gesamtniederschlagshöhe in mm
20
15
L2.::_:=J--:======
Einzelereignis ohne HWE, mit Beckenübertauf (BÜ)
10
Regenuber1aulbecken
5 Ableitung zur ARA
0 2 3
Dauer des Regens (h)
Abb. 15.4. Schematische Darstellung der Anlaufverluste, der Retention und der Ableitung zur
Abwasserreinigungsanlage im linearen Punktediagramm der Einzelregen (s. Abb. 13.6). Einge-
zeichnet sind zwei Einzelregen, je mit und ohne Verlust von Mischwasser über die Hochwasser-
entlastung
3 ·1
1. Muldenverluste: 1 mm = 10m3 ha_,red
2. Kanalvolumen bei Entlastung: 2.5 mm = 25 m ha red
3. Volumen von Regenüberlaufbecken: 2 mm = 20 m3 ha·1red
Der Ablauf von Regenwasser in Richtung Kläranlage beträgt 2.31 s·1 ha·1red (s.
Beispiel 15.1) oder während der Regendauer:
·1 ·1 -4 ·1
2.31 s ha red· 7200 sec· 10 mm ha I = 1.7 mm.
Die entlastete Regenwassermenge beträgt:
Hentiastet =H,ot-Hspeicher-HAI>IIuss =10- (1 + 2.5 + 2)- 1.7 =2.8 mm oder28m
3 ·1
h~ .
Vom Regenwasser, das insgesamt auf undurchlässige Flächen gefallen ist, verbleiben
also 10% in Mulden, 45% werden im Kanalsystem (Kanäle und Becken) zurückgehalten
und verspätet abgeleitet, 28% werden in die Vorflut entlastet und 17% werden während
des Regens zur Kläranlage abgeleitet. (Diese Berechnung berücksichtigt nicht, dass
variable Regenintensität die Situation ev. leicht verändern könnte, dass zusätzlich Was-
ser verdunsten und versickern kann, und dass der Abflussprozess länger als der Regen
dauert.)
--r~r-f:·::~-:~:::=~---
l.r,~- ~M
I
!
~
L.................................................................~.?.Q........l
............................................ ·······:
350
[_ _ _=:::::=-----"
Abb. 15.5. Jahresbilanz der suspendierten Stoffe (TSS) für ein Regenüberlaufbecken und die
nachfolgende Kläranlage. Das Becken hat ein spezifisches Volumen von 30 m3 hared- 1. Die
Vorflut
Angaben sind in kg TSS ha- 1red a- 1• Die Angaben basieren auf einer Messkampagne (BUWAL
1984). Als Regenwetter (260 h a· 1) wird die Zeit berücksichtigt, während der Mischwasser ins
Regenüberlaufbecken entlastet werden muss
fluss des Sees) liegt. Entsprechend müssen die beiden Restbelastungen unter-
schiedlich beurteilt werden.
Massnahmen zur Behandlung von Mischwasser sollten immer aus den loka-
len Problemen heraus begründet werden und nicht grundsätzlich, nach einheitli-
chem Konzept, landesweit zur Anwendung kommen. Dabei ist das häufigste
Problem die ästhetische Beeinträchtigung des Umfeldes der Einleitstelle durch
Sedimente, Fest- und Grobstoffe. Nur in Ausnahmefällen können Regenüber-
laufhecken ökologisch begründet werden.
der Vorklärung. Das entlastete Wasser entspricht aber dem Abwasser, das vor
dem Regen ins Vorklärbecken eingeleitet wurde. Entsprechend hoch ist seine
Konzentration an gelösten Stoffen. Die entlastete Fracht an gelösten Stoffen ist
nun grösser als die Fracht, die der Anlage zufliesst. Mit anderen Worten, der
Wirkungsgrad für gelöste Stoffe ist negativ, die Umwelt wird als Folge der ge-
wählten Massnahme stärker mit DOC belastet als ohne Massnahmen. Das ge-
wählte Vorgehen hat für partikuläre, sedimentierbare Stoffe den erwünschten
Effekt. Es bleibt die vorläufig unbeantwortete Frage, ob die partikulären Stoffe
oder die gelösten Stoffe in der Umwelt die grössere Bedeutung haben.
Dieses Fallbeispiel zeigt, dass die einseitige Ausrichtung der Massnahmen
auf sedimentierbare Stoffe Nachteile für die Umwelt haben kann. Ohne ein de-
tailliertes Verständnis der Dynamik des ganzen Systems, können keine opti-
mierten Gewässerschutzstrategien erarbeitet werden.
Bei geringer Intensität wird der grösste Teil des Mischwassers und damit
auch der grösste Teil der Ammoniumfracht in Richtung Kläranlage weiter-
geleitet; das wenige, entlastete Wasser wird durch das Flusswasser genügend
verdünnt.
Bei mittlerer Intensität wird ein grosser Teil der Ammoniumfracht in das
Gewässer entlastet und nur ungenügend verdünnt.
Bei grosser Intensität wird das Mischwasser durch Regenwasser so verdünnt,
dass die resultierende Konzentration (trotz grösserer Fracht) bereits im
Mischwasser nicht mehr bedenklich ist.
Auch dieses Problem kann nur mit einem detaillierten Verständnis und der
Berücksichtigung der ortsspezifischen Gegebenheiten einer sinnvollen Lösung
zugeführt werden.
16 Technik der Siedlungsentwässerung
Siphon als
Geruchsverschluss
3r/2
Abb. 16.3. Genormte Profile für Kanalrohre: Links das seltenere Eiprofil, rechts im Vergleich
das häufige Kreisprofil
16.1.3 Kanalisationen
Die Kanäle sind die umfangreichsten Bauwerke der Siedlungsentwässerung. Sie
werden v.a. als Freispiegelleitungen mit genormten Profilen, meist kreisförmig
gestaltet. An ihre Höhenlage werden grosse Anforderungen gestellt, weil die
Entwässerung auch unter Extrembedingungen mit natürlichem Gefälle möglich
sein soll.
Abwasserleitungen werden meistens als Freispiegelkanäle gestaltet. Drucklei-
tungen haben den schwerwiegenden Nachteil, dass bei geringer Wasserführung
die Fliessgeschwindigkeit und damit die Schleppkraft so gering wird, dass Sedi-
mente nicht zu verhindem sind. Zudem fehlt in Druckleitungen der Nachschub
von Sauerstoff, das Abwasser fault und es entstehen am Ende der Drukleitung
Geruchsemissionen. Druckleitungen können kaum im freien Gefälle beschickt
werden, Hausanschlüsse müssten gepumpt werden.
Die Durchmesser der Kanalrohre sind heute für Kreis- und Eiprofile (s.
Abb. 16.3) genormt. Es sollen nur Normgrössen zur Anwendung gelangen, weil
sonst der Unterhalt und der teilweise Ersatz extrem verteuert werden. Nach deut-
schen Richtlinien sollen die nachstehenden Kreisquerschnitte D =2r nicht unter-
schritten werden:
- Schmutzwasserkanal D ~ 0.20 m, vorzugsweise ~ 0.25 m
- Regen- und Mischwasserkanal D ~ 0.25 m, vorzugsweise ~ 0.30 m
Für Leitungen bis zu einem Durchmesser D =0.5 m kommen normalerweise
Kreisrohre zum Einsatz, darüber hinaus je nach besonderen Gegebenheiten auch
genormte Eiprofile oder Sonderprofile. Eiprofile haben den Vorteil, dass bei
Trockenwetter die Abflusstiefe bei Teilfüllung grösser und damit die Fliessge-
schwindigkeit höher ist (Beispiel 16.11 ). Sie bedingen aber eine grössere Bautie-
fe.
Mitte
- Fahrbahn~ Gehsteig-
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wasser I
·2.70m
3m
Ab·
wasser
4m
Abb. 16.4. Richtlinie des Tiefbauamts der Stadt Zürich für die Anordnung der Werkleitungen
im Strassenquerschnitt
Materialwahl
An das Material, die Muffen, die Dichtungen und die Dichtigkeit von Kanalroh-
ren werden hohe Anforderungen gestellt, die in den einschlägigen Normen aus-
formuliert sind. Eine hohe Lebenserwartung von Kanalisationen ist langfristig
billiger als ein dauernder und aufwendiger Unterhalt und eine bald erforderliche
Erneuerung.
Die Materialien, aus denen Kanalisationsrohre hergestellt werden, sollen ge-
genüber den erwarteten Abwasserinhaltstoffen chemisch beständig und durch
den Transport von Sand nur einem geringen Abrieb unterworfen sein. Tempera-
turschwankungen dürfen sie nicht gefährden. Heute kommen die folgenden Ma-
terialien zum Einsatz:
Normal- und Spezialbeton
- Steinzeug
- Faserzement (früher Asbestzement, Eternit)
- Kunststoffrohrleitungen: Hart PVC (Hartpolyvinylchlorid), Hart PE (Hartpo-
lyäthylen), GUP(glasfaserverstärkte, ungesättigte Polyesterharze)
242 16 Technik der Siedlungsentwässerung
Grundwasser:
Hydrostatischer Druck
und Auftrieb
Rohr: - --\-"""*".-
Eigengewicht Abb. 16.5. Einwirkungen
und Füllung auf Kanalisationen
Hydraulische Berechnungen
Angaben zur hydraulischen Berechnungen von Kanalisationen sind in Kapitel
16.2 zusammengestellt.
Dichtigkeit
Je nach Gewässerschutzbereich oder Grundwasserschutzzone werden unter-
schiedliche Anforderungen an die Dichtigkeit der erdverlegten Kanalisationen
gestellt (SIA V 190, 1993). Diese gelten jeweils für alle Leitungen, Schächte und
Anschlüsse des Kanalnetzes und müssen bei der Bauabnahme überprüft werden.
Der zulässige Wasserverlust bei einem Überdruck von 5 mWs liegt je nach Zo-
ne, bezogen auf die benetzte Kanalwandfläche, im Bereich von 0.05-
0.151 m·2 h- 1 •
In Abb. 16.6 ist schematisch dargestellt, wie die Dichtigkeit einer Kanalisa-
tion geprüft werden kann. Allgemein gilt, dass wir bis heute der Dichtigkeit zu-
16.1 Technische Elemente der Siedlungsentwässerung 243
Entlüftung
fI :; Absenkung
- -
Prüf-
druck
I
]! ,, "., T
Entleerung
Abb. 16.6. Dichtigkeitsprüfung eines Leitungsabschnitts mit mehreren Schächten (nach SIA V
190, 1993)
16.1.4 Kontrollschächte
Kontrollschächte dienen dem Zugang, der Überwachung, dem Unterhalt (Reini-
gung) und der Lüftung des Kanalnetzes. Sie werden angeordnet:
- an allen Anfangs- und Endpunkten,
244 16 Technik der Siedlungsentwässerung
16.1.5 Kanalvereinigungen
In einem Vereinigungsschacht (Abb. 16.8) werden Kanäle mit vergleichbarer
Bedeutung aber häufig mit unterschiedlichen Aiessgeschwindigkeiten zusam-
mengeführt. Die hydraulische Berechnung geschieht unter Berücksichtigung des
Impulssatzes (Stützkraft) und soll gewährleisten, dass sich durch die seitliche
16.1 Technische Elemente der Siedlungsentwässerung 245
-
diger und b) sohlenbündi-
ger Profilwechsel in einer
Kanalisation
Zuführung kein Rückstau in die Zulaufkanäle ergibt. Dazu sind dann je nach den
lokalen Verhältnissen unterschiedliche Sohlabstürze erforderlich, um zusätzliche
kinetische Energie zu gewinnen.
16.1.6 Profilwechsel
Durch seitliche Zuflüsse vergrössert sich der erforderliche Kanalquerschnitt
fortlaufend. Wenn genug Gefalle zur Verfügung steht, werden die Rohre mit
Vorteil scheitelbündig verlegt. Bei geringem Gefalle werden die Rohre jedoch
zweckmässiger sohlenbündig verlegt, um ein grösseres Sohlengefälle und damit
bei Trockenwetter eine grössere Aiessgeschwindigkeit zu erzielen (Abb. 16.9).
Bei Profilwechseln von grossem zu kleinem Durchmesser, als Folge der Zu-
nahme der Aiessgeschwindigkeit nach einem Gefallswechsel von flach zu steil,
gelten spezielle Überlegungen (s. dazu Abschn. 16.2.4).
16.1.7 Absturzbauwerke
Oft muss in der Kanalisationstechnik ein hochliegender Kanalisationsstrang über
kurze Distanz mit einem tiefer liegenden verbunden werden. Wenn eine teilge-
füllte Steilleitung (Abschn. 16.2.3) als direkte Verbindung nicht möglich ist,
wird ein Absturzbauwerke erforderlich, in dem die Energie gezielt umgewandelt
werden kann.
Absturzschacht
Der Absturzschacht (Abb. 16.1 0) kommt bis zu Fallhöhen von max. 10 m zur
Anwendung. Für seine hydraulische Berechnung ist von Bedeutung, ob die
Energielinie im Zufluss über dem Terrain liegt: Hier muss ein allenfalls nach
oben umgelenkter Abwasserstrahl so gelenkt werden, dass der Schachtdeckel
nicht abgehoben werden kann.
Um Geräusche zu vermindern und den Absturzschacht zugänglich zu ma-
chen, wird eine Prallwand oder Umleitung so angeordnet, dass z.B. bis zur kriti-
schen Regenintensität (rkri,) der Abwasserstrahl umgelenkt wird und nur bei sehr
intensiven Regen diese Prallwand überschiessen kann (Abb. 16.1 0). Für die Be-
rechnung der Strahlgeometrie sind empirische Gleichungen, in Abhängigkeit der
Froude-Zahl im Zulauf verfügbar (SIA Dokumentation 40).
Damit im Unterlauf die hydraulischen Bedingungen möglichst gut definiert
sind, ist nach einem Absturzschacht in der Regel eine Entlüftung der nachfol-
genden Kanalhaltung vorzusehen.
246 16 Technik der Siedlungsentwässerung
Um Ienkung
nach oben
Abb. 16.10. Beispiel eines Absturzschachts für Rohrdurchmesser von D =0.3 - 0.6 m und
Fallhöhen bis ca. 5 m
Wirbelfallschacht
Im Wirbelfallschacht wird das Abwasser zentrifugal, in einem grossen Wirbel,
entlang der Wand eines Fallschachts nach unten geleitet. Das hat gegenüber dem
Absturzschacht den Vorteil, dass ein grosser Teil der Energie durch Reibung an
der Schachtwand verloren geht, sodass im Schachtfuss nur noch wenig kinetische
Energie umgewandelt werden muss, und dass auch bei grossen Höhendifferenzen
keine übermässigen Geräusche entstehen.
Eine Einlaufspirale in den Schacht gewährleistet, dass bei unterschiedlicher
hydraulischer Belastung ein stabiler Luftkern im Wirbel erhalten bleibt. Die
Bemessung der Einlaufspirale ist abhängig von den Strömungsbedingungen im
Zulauf (strömend oder schiessend). Es wird daher darauf geachtet, dass diese
Bedingungen über grosse Bereiche der Zuflusswassermenge stabil sind.
Die Details der Bemessung und Gestaltung eines Wirbelfallschachts können
der Fachliteratur entnommen werden.
16.1.8 Düker
Freispiegelleitungen können Hindernisse wie Flüsse, tiefliegende Bahn- und
Strassentrasses etc. nur mit grossem Verlust an Höhe überwinden. Düker über-
winden solche Hindernisse, indem sie als Druckleitungen gestaltet werden und
die Hindernisse unterfahren.
Um die Sedimentation von Feststoffen in den Druckleitungen zu vermeiden,
werden meistens zwei, besser drei Leitungen parallel angeordnet und mit Hilfe
eines Einlaufbauwerkes mit zunehmender Wassermenge in Serie beschickt. Da-
durch gelingt es, minimale Fliessgeschwindigkeiten aufrecht zu erhalten und
Sedimentation zu vermeiden. In Abb. 16.11 ist das Beispiel eines Dükers unter
einem Fluss dargestellt.
16.1 Technische Elemente der Siedlungsentwässerung 247
Längsschnitt
Einlautbauwer1<
Düker, Druckleitungen Entleerungs-
schacht
Grundriss
Querschnitt
16.1.9 Entlastungsbauwerke
Kanalentlastungen haben die Aufgabe, eine grosse Zulaufwassermenge auf eine
geringere Ablaufwassermenge zu reduzieren. Dabei wird das abgetrennte Ab-
wasser entweder einem Regenbecken oder direkt der Vorflut zugeleitet. Typi-
sche Entlastungsbauwerke sind in Abb. 16.12 und Abb. 16.13 dargestellt. Die
Entlastung mit hochgezogener Überlaufschwelle springt an, nachdem Wasser
von unten in den Kanal zurückstaut; sie entlastet seitlich. Beim Sprungwehr wird
das entlastete Abwasser auf der oberen Seite eines Wurfstrahles abgeschält.
Wir unterscheiden zwischen (s.a. Abb. 15.1):
- Hochwasserentlastungen, die nur selten anspringen (bei Regenintensitäten
die über rkr)iegen). Sie entlasten direkt in die Vorflut,
- Kanalentlastungen, die häufig anspringen und die Mischabwassermenge auf
die Wassermenge reduzieren, die der Kläranlage zugeführt werden kann. Ka-
nalentlastungen werden meistens zusammen mit Regenüberlaufbecken ange-
ordnet, in denen das entlastete Wasser einer einfachen Reinigung unterzogen
wird.
Entlastungen sollen eine gute Trennschärfe haben, d.h., dass unabhängig vom
Zufluss zum Entlastungsbauwerk die abtliessende Wassermenge möglichst ge-
nau der erwarteten Wassermenge entspricht. Rein hydraulische Massnahmen
resultieren in grösseren Variationen der abtliessenden Wassermenge (je nach
Wasserstand in der Entlastung), es werden daher gelegentlich Regelorgane (ge-
regelte Schieber etc.) vorgesehen oder Sonderformen von Entlastungen gebaut,
die die abtliessende Wassermenge genauer einhalten können.
248 16 Technik der Siedlungsentwässerung
:;::"'::.~
':__§:;:c:·~~~---~ ··-·-···-·-··-·-·-·-··-··-·-·-··---...
• • • • • • • • • • Ablaufzur ARA
Abb. 16.12. Beispiel eines Entlastungsbauwerkes mit hochgezogener Überlaufschwelle
(Streichwehr). Solche Überläufe kommen bei strömender oder schwach schiessender Strömung
zur Anwendung
Schnitt
Überlauf
zur Vorflut ..
Ablauf ~~~:i;:;:
zur ARA
Grundriss
- Zulauf
Abb. 16.13. Regenüberlauf
mit Bodenöffnung (Sprung-
wehr, Leaping Weir). Solche
Wehre kommen im stark
Ablauf schiessenden Bereich zur
zur ARA Anwendung
Für die hydraulische Berechnung von Entlastungen stehen uns keine genauen
mathematischen Modelle zur Verfügung, sondern es besteht eine Reihe von
Gleichungen und Berechnungsgängen, die mit empirischen Modellparametern
das Problem annähernd beschreibt. Für die Praxis steht meist nicht die genaue
Berechnung im Vordergrund, sondern die Konstruktion der Entlastung soll ge-
währleisten, dass die Entlastungswirkung den lokalen Anforderungen gerecht
wird, und dass die Entlastung den sich im Laufe der Zeit ändernden W assermen-
gen angepasst werden kann.
Für seitliche Entlastungen (Abb. 16.12) muss die Höhenlage und die Länge
des Wehrs festgelegt werden. Die Höhenlage hängt ab vom verfügbaren Gefälle,
von der Lage der Drucklinie, die zu Überschwemmungen führt, und vom Spei-
cherraum, der durch eine hohe Lage des Überfalls in der Kanalisation gewonnen
werden kann und soll. Der Ablauf der Entlastung in Richtung zur Kläranlage
wird vorteilhaft als Drosselstrecke ausgebildet. Die Länge des Überfalls wird mit
Hilfe von Näherungsformeln berechnet, die je nach lokalen Verhältnissen den
16.1 Technische Elemente der Siedlungsentwässerung 249
I Regenüberlauf I Regenbecken
Sammelbegriff
I
I I
Regenrückhaltebecker Regenklärbecken Regenüberlaufbecken Schmutzwasser-
Hydraulische Klären von Speichern und Klären speieher
Abflussdrosselung Regenwasser im von Mischwasser Speichern von
Nur Meteorwasser Trennsystem Schmutzwasser
16.1.1 0 Drosselstrecken
Drosselstrecken sind Kanalrohre, die teilweise unter Druck betrieben werden und
die Aufgabe haben den Durchfluss nach oben zu begrenzen. Sie kommen zur
Anwendung, um den Ablauf von Entlastungs- und Rückhaltebauwerken zu kon-
trollieren. Ihre Bemessung folgt den Regeln für Leitungen unter Druck, wobei
allerdings die Einlaufverluste ausgewiesen werden sollen. Es ist wenig sinnvoll,
für Drosselstrecken Leistungsreserven (Sicherheitszuschläge) vorzuhalten, wie
das für Kanalrohre vorgesehen ist.
Ist im Betrieb ein Übergang von Teilfüllung zu Vollfüllung vorgesehen, so
können Pulsationen entstehen (Zuschlagen der Leitung), die z.B. mit Entlüftun-
gen entschärft werden können. Drosselstrecken müssen die minimalen Kanal-
durchmesser von D ~ 0.25 m bei Mischwasserleitungen einhalten.
16.1.11 Regenbecken
Der Begriff Regenbecken ist ein Sammelbegriff für verschiedene Sonderbau-
werke, denen allen gemeinsam ist, dass sie bei Regenwetter Speichervolumen für
Regen- oder Mischwasser zur Verfügung stellen. Dadurch wird der Abfluss des
gespeicherten Wassers verzögert. In einigen Beckentypen wird zusätzlich eine
Reinigung, insbesondere durch Sedimentation erzielt.
250 16 Technik der Siedlungsentwässerung
In Abb. 16.14 ist die Systematik der Bezeichnung der verschiedenen Regen-
beckentypen zusammen mit der wichtigsten Aufgabe der einzelnen Typen zu-
sammengestellt.
Regenrückhaltebecken
Regenrückhaltebecken werden angeordnet, wenn z.B. in einem neuen Quartier
mehr Regenwasser anfällt als abgeleitet werden kann (oder soll). Sie werden so
ausgelegt, dass sie nur selten überlaufen (z.B. alle 5 Jahre) und haben entspre-
chend grosse Volumen. Gelegentlich werden diese Volumen mit Biotopen kom-
biniert und entsprechend in die Landschaft eingepasst, oder es werden grosse
Parkflächen temporär eingestaut Beispiel 16.4 zeigt eine Methode, nach der
einfachere Becken dimensioniert werden können. Grössere Becken müssen an-
band von detaillierten Untersuchungen und häufig mit Langzeitsimulationen, die
auch Serien von Regen beachten, dimensioniert werden.
Für die Situation im Raume Zürich kann Abb. 16.15 Anhaltspunkte für das
erforderliche Volumen von Regenrückhaltebecken geben. Die Volumen sipd
analog zu Beispiel16.4 berechnet worden. Basierend auf den Regenanalysen von
Hörler und Rhein (Kapitel 13.3, Gl. (13.3)) ergibt sich dafür die folgende analy-
tische Gleichung:
VRct =
Erforderliches Retentionsvolumen (m3)
Frec~ = Angeschlossene reduzierte Fläche (m2)
Qab = Abgeleitete Wassermenge (m3 s" 1)
T = Dauer des massgebenden Regenabschnitts (s)
K(z) = Ortskonstante für die Jährlichkeit z (m) [Muss aus den Angaben
von Hörler und Rhein umgerechnet werden auf die Einheit m]
B = Ortskonstante (s) [Muss aus den Angaben von Hörler und Rhein
umgerechnet werden auf die Einheits]
Regenrückhaltebecken werden ca. 10 mal grösser als Regenüberlaufbecken.
200 40
150 30
100 20
50 10
0 0
0 50 100 150
Regenintensität, die abgeleitet wird, rAb in f. s-1 ha·1
Abb. 16.15. Spezifisches erforderliches Retentionsvolumen für Regenwasser in Abhängigkeit
der abfliessenden Wassermenge. z = 1- 10a: Erwartete Jährlichkeil der Überflutung des gege-
benen Volumens. Basis: Regen im Raume Zürich. Nur gültig für kleine Anlagen. Diese Dar-
stellung wird auch genutzt, um Versickerungsanlagen zu dimensionieren (berechnet mit
GI. (16.1), s.a. Beispiel16.4)
Fangbecken
Beckenüber1auf
über höchstem WSp.
im Zulauf
r Zur Kläranlage
Kanalüber1auf
niedrig ---- ~ vBeckenüber1auf
II!"
Mischwas.,s.e:r-~~====:JlL~Du~r~ch:la~uf~-u~nd-~
zufluss - Klärbecken
!
Vorflut
Abb. 16.16. Vergleich eines Fangbeckens und eines Durchlaufbeckens. Beide Becken sind hier
im Nebenschluss dargestellt, d.h. bei Trockenwetter fliesst das Abwasser nicht durch die Bek-
ken, sondern wird ohne Gefällsverlust zur Kläranlage geleitet
Regenüberlaufbecken
Regenüberlautbecken (oder häufig einfach Regenbecken) werden bei Entlas-
tungen von Mischwasserkanälen angeordnet. Sie sollen die Häufigkeit und den
Umfang der Belastung der Vorflut verringern und werden je nach Vorflut z.B.
nach Abb. 15.3 dimensioniert. Typische Volumen sind im Bereich von 15-
25 m3 ha..,/. Wir unterscheiden zwischen Fangbecken und Durchlauf- oder
Klärbecken (Abb. 16.14):
Beide Becken sind vor dem Regen leer und haben eine Speicherfunktion
entsprechend ihrem Volumen.
Das Fangbecken (Abb. 16.16) speichert den ersten Teil des Regenabflusses,
der häufig besonders stark mit Schmutzstoffen belastet ist (Abb. 16.19), die
z.B. aus Sedimenten auf der Oberfläche und in der Kanalisation sowie aus
Strasseneinlaufschächten abgeschwemmt werden. Am Schluss des Regens
verbleibt der erste Teil des Regenabflusses im Becken und wird zur Kläran-
lage gefördert.
16.1 Technische Elemente der Siedlungsentwässerung 253
Beckenüberlauf
Klärbecken
Gefällsverlust
Fangbecken
Trockenwetterabfluss
Trockenwetterabfluss
Abb. 16.18. Beispiele von Kanalstauraum: Oben der Fangkanal, unten der oft weniger wirksa-
me reine Speicherkanal
- Beim Durchlaufbecken (Abb. 16.16) fliesst das Wasser durch das Becken.
Dabei sedimentieren spezifisch schwere Feststoffe auf den Boden aus und das
teilweise geklärte Wasser fliesst zur Vorflut. Am Schluss des Regens ver-
bleibt das letzte Wasser im Speicher und wird dann zusammen mit den Se-
dimenten zur Kläranlage gepumpt.
- Das Verbundbecken (Abb. 16.17) vereinigt die Funktionen Fangen und Klä-
ren. Zuerst wird ein Fangteil gefüllt. Zusätzlich überlaufendes Wasser wird
dann durch den Klärteil geleitet.
Regenüberlaufbecken können unterschiedlich in die Kanalisation eingeordnet
werden:
- Im Hauptschluss erfolgt der Abfluss zur ARA nach dem Becken, d.h. dass
alles Abwasser, das zur Kläranlage weitergeleitet wird (auch bei Trocken-
wetter), vorerst durch das Becken fliesst. Diese Anordnung führt zu einem
grossen Gefällsverlust; sie wird gewählt, wenn trotzdem kein Pumpwerk er-
forderlich ist (Abb. 16.17). Das durchfliessende Abwasser kann nach der
254 16 Technik der Siedlungsentwässerung
500 100
400 80
300 60
200 40
100 20
0
0 20 40 60 80 100 120
Dauer des Regenereignis in Minuten
Abb. 16.19. Ganglinie der Wassermenge, der CSB Konzentration im Mischwasser und der
Schmutzstofffracht während eines Regenereignisses in einer Mischkanalisation. Als Folge der
Ausspülung der Kanalisation tritt hier zu Beginn des Abflussereignisses ein Schmutzstoss auf
Der Schmutzstoss
Mit zunehmender Wasserführung, als Folge eines Regenereignis, werden Sedi-
mente auf Dächern und Strassen, in Einlaufschächten und Kanalisationen aufge-
wirbelt und im Mischwasser abtransportiert. Das führt zu stark erhöhten
Schmutzstoffkonzentrationen im Mischwasser (Abb. 16.19). In Abb. 16.20 ist
die kumulative Schmutzstofffracht gegen die kumulative Menge des abgeflosse-
nen Mischwassers aufgetragen. Von einem Schmutzstoss sprechen wir, wenn die
gemessene Beziehung über der Diagonalen liegt, die sich auf der Basis einer
konstanten mittleren Schmutzstoffkonzentration ergibt. Je ausgeprägter der
Schmutzstoss ist, desto eher ist der Einsatz eines Fangbeckens im Vergleich zu
16.1 Technische Elemente der Siedlungsentwässerung 255
80
60
40
20
konstanter
Konzentration
0
0 100 200 300 400 500 600 700
Kumulative Wasserfracht in m3
Abb. 16.20. Kumulative Darstellung des Regenereignis in Abb. 16.19. Horizontal ist das auf-
summierte Volumen des abgeflossenen Mischwassers, vertikal die aufsummierte CSB Fracht im
Mischwasser
einem Durchlaufbecken sinnvoll. Im Beispiel von Abb. 16.20 wäre ein Fangbek-
kenvolumen von ca. 200 m 3 geeignet, um den Schmutzstoss aufzufangen.
Ob in einer spezifischen Situation ein Fangbecken oder ein Durchlaufbecken
zur Anwendung kommen soll, ist abhängig vom erwarteten Schmutzstoss:
Eine lange Fliesszeit in der Kanalisation bis zum Becken resultiert in einem
langen und daher wenig ausgeprägten Schmutzstoss. Fangbecken werden nur
realisiert, wenn die Fliesszeit weniger als 15 min beträgt.
Geringe Fliessgeschwindigkeiten bei Trockenwetter und Sedimente in der
Kanalisation, die bei Regen ausgeschwemmt werden, können zu ausgepräg-
ten Schmutzstössen führen, die mit Vorteil gefangen werden.
Zusätzlich soll überlegt werden, wie der gefangene Schmutzstoss zur Klär-
anlage weitergeleitet wird und welchen zusätzlichen Entlastungen er allenfalls
unterworfen ist. Die Wirkung eines Fangbeckens im Hauptschluss, das in einen
Kanal einleitet, der vor der Kläranlage noch einmal entlastet wird, ist häufig sehr
gering: Der Schmutzstoss wird hier nur teilweise der Kläranlage zugeführt.
Regenklärbecken
Regenklärbecken (Abb. 16.14) werden eingesetzt, um das Regenwasser im Me-
teorwasserkanal eines Trennsystems zu klären. Sie kommen zum Einsatz, wenn
die Vorflut dieses Schutzes bedarf und im Einzugsgebiet Schmutzstoffe mit ho-
her Konzentration ins Meteorwasser gelangen können (Industriegebiete, Arbeits-
flächen, Nationalstrassen) oder wenn mit Havarien (Unfällen) gerechnet werden
muss (Havariebecken).
In der Schweiz werden solche Becken nur an wichtigeren Strassen als soge-
nannte Ölabscheider gebaut, wenn das Abwasser direkt in die Vorflut eingeleitet
werden soll. Das Nutzen I Kosten Verhältnis von solchen Becken ist umstritten.
Havariebecken werden zur Verminderung von Risiken zunehmend realisiert.
Sie werden in Entwässerungssystemen von Industrie- und Gewerbebauten ange-
ordnet, insbesondere, wenn wassergefährdende Stoffe umgeschlagen werden
oder wenn ein erhöhtes Brandrisiko besteht und Löschflüssigkeiten zurückge-
halten werden sollen.
Schmutzwasserspeicher
Mischwasser ist häufig durch Regenwasser stark verdünnt. Hingegen behält das
Schmutzwasser z.B. aus einem Industriebetrieb oder aus einem Schmutzwasser-
kanal, der in einen Mischwasserkanal mündet, seine hohe Konzentration bei. In
solchen Situationen ist es sinnvoll, das Schmutzwasser während Regen-
ereignissen zu speichern und erst bei anschliessendem Trockenwetter wieder
über die Kanalisation abzuleiten. Die Steuerung eines solchen Schmutz-
wasserspeichers kann über die Abfluss- oder Niveaumessung im untenliegenden
Kanal oder ev. über einen Regenfühler erfolgen. Schmutzwasserspeicher haben
oft im Vergleich zu Regenüberlaufbecken ein günstiges Nutzen I Kosten Ver-
hältnis, weil das gespeicherte Wasser eine hohe Schmutzstoffkonzentration hat.
16.1 Technische Elemente der Siedlungsentwässerung 257
16.1.13 Abwasserpumpwerke
Pumpwerke werden in der Kanalisationstechnik nur zurückhaltend eingesetzt.
Sie erlauben bei ungünstigem Gefälle die erforderliche Bautiefe der Kanalisatio-
nen zu vermindern und dadurch Baukosten einzusparen. Sie müssen einen ver-
stopfungsfreien und zuverlässigen Betrieb gewährleisten und bei Stromausfall
entlasten können oder mit Notstrom ausgerüstet sein. Der verstopfungsfreie Be-
trieb bedingt, dass die Pumpen einen freien Kugeldurchgang von mindestens 100
mm haben. Der minimale Durchmesser der Druckleitung wird damit 100 mm
besser 150 mm. Bei Kreiselpumpen soll ein ausreichend dimensionierter Pum-
pensumpf eine genügend kleine Schaltfrequenz ergeben. Die Förderwassermenge
soll auf die verschiedenen Situationen bei Trockenwetter und Regenwetter abge-
stimmt sein und sie soll gewährleisten, dass die Kläranlage bei Trockenwetter
nicht schwallweise beschickt wird. Pumpwerke werden meistens mit mindestens
zwei Pumpen ausgerüstet.
In Druckleitungen nach Pumpwerken darf die Aufenthaltszeit des Abwassers
nicht zu gross werden, sonst beginnt i:las Abwasser anzufaulen; es kann sich
Schwefelwasserstoff bilden, dadurch entstehen Geruchsprobleme. Dies muss
insbesondere beachtet werden, wenn grosse Förderstrecken überwunden werden
sollen oder bei kleinen Pumpen in der Nacht lange Schaltzeiten resultieren.
In der Abwassertechnik hat sich die Schneckenpumpe (Archimedes Spirale),
wie sie in Abb. 16.21 dargestellt ist, besonders bewährt. Sie fördert das Wasser
258 16 Technik der Siedlungsentwässerung
Wirbel- Längsschnitt
drossel
Grundriss
16.1.14 Drosselorgane
Nach Regenüberlaufbecken, Retentionsbecken und Kanalentlastungen muss
häufig die Abwassermenge, die zur Kläranlage weiterfliesst, gedrosselt werden.
Dazu kommen unterschiedlichste Einrichtungen zur Anwendung, häufig werden
Wirbeldrosseln realisiert (Abb. 16.22). Diese haben die Eigenschaft, dass sie
unabhängig vom Überstau eine gleichmässige Wassermenge weiterleiten, dass
sie einen grossen Durchgang haben (also wenig verstopfungsanfällig sind) und
selbstgängig, auf Grund von hydromechanischen Phönomenen funktionieren.
16.1.15 Einleitbauwerke
Die Einleitung von Abwasser in eine Vorflut erfordert den Bau eines Einleit-
bauwerks mit einer Uferbefestigung, die gewährleistet, dass das Gewässerbett
stabil bleibt und die Einleitung nicht unterspült wird. Einleitungen in Gewässer
sollen durch ihre Gestaltung gegen unbefugtes Betreten der Kanalisation gesi-
chert sein und die Ziele des naturnahen Wasserbaus berücksichtigen.
16.1.16 Versickerungsanlagen
Heute wird in der Siedlungsentwässerung die Versickerung von unverschmutztem
Abwasser gefordert. Damit soll erreicht werden, dass die Abflussspitzen in der
Vorflut verringert werden, den Abwasserreinigungsanlagen ein grösserer Anteil
des Mischwassers zugeleitet und die Grundwasserneubildung unterstützt wird.
16.1 Technische Elemente der Siedlungsentwässerung 259
0 Niederschlag, Luftverschmutzung
~ Abfluss, Oberflächenverschmutzung,
Trockendeposition
0 Versickerungsanlage,
Retention,
Leistung
Abb. 16.24. Elemente einer Versickerungsanlage mit Kieskörper und Versickerung in die
Deckschicht
Versickerungsverfahren
Um die Ableitung von Regenwasser und damit die Belastung der Gewässer mit
grossen Wassermengen und entlastetem Mischwasser zu verringern sowie die
Neubildung von Grundwasser zu unterstützen, werden immer häufiger Versicke-
rungsanlagen gefordert und realisiert. Dabei wird angestrebt, dass das Wasser
über unverletzte Humus- oder Deckschichten versickert wird, in denen eine
weitgehende Selbstreinigung und ein Rückhalt von Schadstoffen stattfindet. Eine
Versickerung unterhalb der belebten Bodenschicht, in einer eigentlichen Versik-
kerungsanlage wird nur in zweiter Priorität zugelassen. Versickerungsanlagen
werden häufig zentral, d.h. für ein ganzes Quartier oder eine neue Überbauung,
erstellt.
Für den Bau von Versickerungsanlagen bieten sich, in Abhängigkeit der je-
weiligen geologischen und hydrologischen Verhältnisse, der Beschaffenheit des
zu versickernden Wassers und des Grundwasserschutzes, verschiedene Möglich-
keiten an:
Diffuse, flächenförmige Versickerung über der belebten Bodenschicht (Hu-
mus). Entwässerung über die Strassenschulter, fehlende Dachrinnen (Traufe),
durchlässig gestaltete, humusierte Parkplätze etc.
260 16 Technik der Siedlungsentwässerung
Bahn
Hauptstrasse
Quartierstrasse
Parkplatz
Dachwasser
Brunnen
c B A s
Gewässerschutzbereiche C, B, A und Grundwasserschutzzonen S
Zunehmende Anforderungen an den Schutz des Grundwassers
Abb. 16.25. Schematische Darstellung der Anforderungen an Versickerungsanlagen in Funkti-
on der Belastung des Abwassers und des erwünschten Schutzes des Grundwassers
TabeHe 16.1. Beispiele von Sickerleistungen gewachsener Böden, abgeleitet aus Angaben des
AGW des Kt. Zürich, 1996
Bodenart spezifische Sickerleistung in Imin· m
Grobkies > 100
Feinkies, sandig >10
Sand, kiesig 5- 10
Sand 0.5- 5
Moräne, lehmiger Kies 0.5-2
Moräne, kiesiger Lehm <1
Silt, Ton <0.01
Humus, unverdichtet 2-3
Nun plant die Gemeinde im Zuge von Erneuerungen einen grossenTeil des Dachwassers
in diesem Gebiet zu versickern, der Abflussbeiwert wird dadurch auf 'II = 0.3 reduziert.
Welche Belastung verbleibt nach Realisierung der Versickerung während Regenwetter
für die Vorflut?
16.2 Hydraulische Berechnungen 263
16.1.17 Sanierungsleitungen
Nicht immer müssen Kanalisationen den höchsten technischen Anforderungen
genügen. In ländlichen Verhältnissen können technisch einfach gestaltete Anla-
gen wirtschaftlich sein. Ein gelegentliches Versagen dieser Anlagen hat nicht die
gleiche Bedeutung wie in einer dicht bewohnten Siedlung.
Sanierungsleitungen sind Kanalisationen, die für die abwassertechnische Sanie-
rung von kleinen Weilern, Höfen, abgelegenen Häusergruppen etc. zur Anwen-
dung kommen. Sie führen häufig durch land- oder alpwirtschaftlich genutztes
Gebiet, in dem keine zusätzlichen Anschlüsse an die Kanalisation erfolgen. Die
kleinen Abwassermengen (es wird im Trennsystem entwässert) erfordern nur
=
kleine Kanaldurchmesser (D... 0.15 m), die meist geringer sind als die mini-
malen Durchmesser von normalen Kanälen (D;;:: 0.2 m). Ein allfälliges Versagen
solcher Leitungen führt nicht zu einer hygienischen Katastrophe.
Um Kosten zu sparen, werden Sanierungsleitungen sehr einfach realisiert, es
werden z.B. Verbindungen von Schächten zugelassen, die nicht geradlinig sind,
die Kontrollschächte werden in grösseren Abständen gebaut und sehr einfach
gestaltet. Es wird auf ein minimales Gefälle von J5 > 1% geachtet. Bei Gefallen
über 3% werden die Rohre nur noch einfach gebettet, weil Setzungen kaum mehr
zu Problemen führen.
Im steilen Gelände soll die Rohrweite für ein maximales Gefalle von J5 :!>: 5%
berechnet werden und damit die Bildung eines Wasser- I Luftgemisches in steile-
ren Leitungen berücksichtigen.
Die Schweizerische Norm SN 592 000 (Liegenschaftentwässerung) enthält
Hinweise zur Gestaltung von Sanierungsleitungen.
Das Sanitärabwasser von abgelegenen Einzelliegenschaften kann auch über
Druckschläuche entwässert werden. Dabei fördert z.B. eine Pumpe, die mit einer
Schneidevorrichtung ausgerüstet ist, in einen PE-Schlauch mit Durchmesser 50 -
65 mm. Der Schlauch wird direkt ab Rolle, ohne offene Gräben, nur mit einem
Pflug in den Boden eingelegt und über Distanzen bis zu 1000 m an die nächste
Kanalisation geführt.
16.2.2 Freispiegelleitungen
Die Dimensionierung von Rohrleitungen erfolgt in der Kanalisationstechnik in
der Regel unter der Annahme, dass Normalabfluss herrscht (Prismatisches Ge-
rinne, Energielinie parallel zur Sohle des Gerinnes oder Energiegefälle
JE= Sohlgefälle J5). Je nach hydraulischen Bedingungen erfolgt der Abfluss
schiessend oder strömend, bei Gefallen über 0.5% herrscht Schiessen vor.
Bei gleichem Energiegefälle JE haben Freispiegelleitungen eine grössere
Transportkapazität als volllaufende Kanäle (s. z.B. das Teilfüllungsdiagramm für
Kreisrohre in Abb. 16.27 über ca. 85% Teilfüllung). Das kann dazu führen, dass
der Abfluss bei hydraulischer Überlastung instabil wird und das Kanalrohr zu-
schlägt: Um Pulsationen und das Zuschlagen von Leitungen zu vermeiden, soll
bei freiem Abfluss der maximale Füllungsgrad 85% des Innendurchmessers bei
Kreisrohren und 85% der Querschnittsfläche bei anderen Profilen nicht über-
schreiten (SIA V 190). Für Kreisrohre heisst das, dass die maximal abzuleitende
Wassermenge nicht grösser sein soll als die Wassermenge bei Vollfüllung der
Leitung ist (Q..;1 I Qvon < 1).
Hydraulische Berechnungen von Rohrleitungen werden mit unterschiedlichen
Zielen unternommen:
16.2 Hydraulische Berechnungen 265
V = Mittlere Fliessgeschwindigkeit [L T]
ks, = Hydraulischer Widerstandsbeiwert nach Strickler [m 113 s· 1]
R = Hydraulischer Radius (z.B. IA des Kreisrohrdurchmessers) [L]
JE = Gefälle der Energielinie, bei Normalabfluss Sohlgefälle [-]
Rechteckkanäle ~75
in m3 s·1
D=2.0 1.8 1.6 1.4 1.2 m
Ovoll
10
0.1 ~V
I-""
~ '.... ~ ...............
~
~
I( I--' L> ......... r... 0.2 m
3ms·1 1
2 ms-1
....... ,.;oc
,.......,......
'\. I-" 1 ms·1 1
0.01
,.......,...... V ...,...........
o.sms·1 II
0.0001 0.001 0.01 0.1
Energiegefälle JE
Abb. 16.26. Bemessungsdiagramm für Kreisprofile. Die Berechnungen basieren auf der Glei-
chung (11.4) von Prandtl Colebrook, mit einer Wandrauhigkeit von k" = 1 mm. Die Durchfluss-
geschwindigkeit entspricht der mittleren Fliessgeschwindigkeit bei voller Füllung des Kreispro-
fils (die Pfeile beziehen sich auf Beispiel 16.1 0)
Temüllungsgrad h,-ei1I D
)'
V
'
I I I
0.8 Durchfluss Q 1 /
i_ /
y J
0.6 __.....
~ V
0.4
/
~
/
-
/ /
0.2
V /
...... 1 Fliessgeschwindigkeit v I
-
/ ,._ ~
f.---
0
0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.2
Abb. 16.27. Teilfüllungsdiagramme für Kreisrohre, theoretisch berechnet (die Pfeile beziehen
sich auf Beispiel 16.1 0)
Diese Fliessgeschwindigkeit ist geringer als das zulässige Minimum nach Tabelle 16.3.
Entweder muss das Gefälle erhöht werden, oder es kann ein Eiprofil eingesetzt werden,
das bei Niedrigwasser etwas grössere Fliessgeschwindigkeiten ergibt (Beispiel16.11).
Eine interessante Darstellung ergibt sich, wenn bei Teilfüllung die Fliessge-
schwindigkeit in Funktion der Abflussmenge dargestellt wird (Abb. 16.28).
Deutlich zeigt sich der Vorteil des Freispiegelgerinnes: Bei geringer Wasserfüh-
rung ist die Fliessgeschwindigkeit das Mehrfache der Fliessgeschwindigkeit im
vollen Kreisprofil (Druckleitung). Das ist insbesondere in Kanalisationen von
Bedeutung, wenn es gilt, die Ablagerung von Sedimenten zu vermeiden.
Für die hydraulische Berechnung von Kanalisationen, Sonderbauwerken etc.,
ist es wichtig zu wissen, ob ein Abfluss strömend oder schiessend erfolgt: Je nach
Situation pflanzen sich Störungen (Wellen, Rückstau) nach oben oder nur nach
16.2 Hydraulische Berechnungen 269
0.8
0.6 /
./
.........
-- ......
,...-'
_.,../
1/
0.4 II .....
_.."./
0.2 Abb. 16.28. Fliessgeschwindigkeit bei
0 / Teilfüllung in Funktion der abfliessen-
den Wasserrnenge. Ausgezogene Linie:
0 0.2 0.4 0.6 0.8 1 1.2 Kreisprofil mit Teilfüllung. Gestrichelte
Oten/ Ovo11 Linie: Druckleitung
Kanaldurchmesser
0.1
unten fort, oder wir müssen Wassersprünge erwarten oder Bauwerke nach ande-
ren Kriterien auswählen und dimensionieren etc. Querschnittsform und Dimen-
sion, Rauhigkeit, Gefälle und Wassermenge entscheiden bei Normalabfluss, ob
der Abfluss strömend oder schiessend ist. Die entsprechenden Modelle werden
mit den Grundlagen der Hydraulik vermittelt. Mit Hilfe von Abb. 16.29 kann für
eine bestimmte Abflusssituation bestimmt werden, ob Schiessen oder Strömen
vorliegt: Ist die Abflusstiefe geringer als die kritische Tiefe, so schiesst der Ab-
fluss.
_j
Grenzschicht
16.2.3 Steilleitungen
Unter Steilleitungen verstehen wir teilgefüllte Leitungen mit Kreisquerschnitt, in
denen das Wasser wegen der hohen Fliessgeschwindigkeit und den Turbulenzen
an der Wasser-Luftgrenzfläche Luft aufnimmt. Es bildet sich ein Wasser-Luft-
Gemisch. Die Luft wird in Form von Luftblasen eingetragen, die sich wegen
ihres Auftriebes vor allem nahe des freien Wasserspiegels ansammeln. Das Luft-
Wasser-Gemisch beansprucht in der Steilleitung im Vergleich zum Wasser allein
mehr Querschnittsfläche, entsprechend müssen die Leitungsdurchmesser vergrö-
ssert werden.
Ein Lufteintrag muss erst bei grossem Gefälle erwartet werden. Je nach
Durchmesser der Leitung im Bereiche von J 5 > 12% für D = 0.2 m, J 5 > 10% für
=
D 0.5 m und J5 > 7% bei D =2m.
In Abb. 16.30 ist ein schematischer Längsschnitt einer Steilleitung darge-
stellt. Nach einem anfänglichen Gefällswechsel ist eine Vergrösserung der stei-
len Kanalisation erforderlich, um eine genügende Fliessstrecke für die Beschleu-
nigung des Wassers zu gewährleisten. Nachdem die turbulente Grenzschicht bis
zum freien Wasserspiegel aufgebaut worden ist, beginnt eine Luftaufnahme, die
später ein Gleichgewicht erreicht; der erforderliche Fliessquerschnitt ist grösser
geworden. Im Auslauf der Steilstrecke wird mit Vorteil ein einfaches Bauwerk
zur Umwandlung der Energie angeordnet, in dem auch die aufgenommene Luft
wieder ausgeschieden wird.
Die SIA Empfehlung V 190 (1993) gibt Anhaltspunkte für die Dimensionie-
rung von Steilleitungen. Die Dokumentation SIA D 0100 gibt zusätzlich An-
haltspunkte zu Berechnungen von Teilfüllungen von steilen Leitungen.
16.2.4 Gefällswechsel
In hügeligen Regionen und im Alpengebiet sind Gefällswechsel zwischen Kanal-
strecken mit schwachem Gefälle und steilen Strecken recht häufig. Damit hier
kein Rückstau entsteht, muss diese Situation sorgfältig, auf der Grundlage von
hydraulischen Berechnungen gestaltet werden.
In Abb. 16.31 sind verschiedene Ausbildungen des Überganges einer Flach-
strecke in eine Steilstrecke dargestellt:
16.2 Hydraulische Berechnungen 271
Abb. 16.31. Verschiedene Ausbildungen des Übergangs einer Flachstrecke in eine Steilstrecke.
Die Energielinien E.L. sind schematisch für Normalabfluss gezeichnet (nach Hörler 1967)
klein Listenrechnung
von Hand
1
Grösse des Netzes Fliesszeit-
Einfache
Simulation
z.B. basierend
Detaillierte
hydro-
dynamische
Anzahl der Varianten Methode Simulation
auf
basierend auf
kinematischer
St. Venant
Welle
Gleichungen
J
gross
Programmierte
Listen
Abb. 16.33. Typische Modelle, die für die Dimensionierung und die Analyse von Problemen in
der Siedlungsentwässerung angewendet werden (GEP Richtlinie des VSA, 1989)
ln welcher Situation (z = 2 a, flach oder z = 5 a, steil) sind die Reserven in der Transport-
kapazität der Kanalisationen grlJsser?
Fallbeispiel: Gegeben ist ein Einzugsgebiet mit einer Fläche F = 4 ha, einem mittleren
Abflussbeiwert 'I'= 0.33, einer massgebenden Regendauer to von 10 min, mit der Re-
genintensität, die typisch ist für Bern. Beurteilt werden soll ein Sammelkanal mit einer
länge l = 300 m, der das Regenwasser aus diesem Einzugsgebiet ableiten kann.
QR = 'lf · F · r(t0,z) r(t0,z) für Bern (Tabelle 13.1)
' ·1 ·1 3 -1
z= 2a r(10, 2a) = 2271 s ha QR = 0.300 m s
z= 5a r(10', 5a) = 295 I s· ha·
1 1 QR = 0.389 m s·1
3
-1 -1 3 ·1
z = 10 a r(10', 10a) = 3541 s ha QR = 0.467 m s
Fall 1: Das Einzugsgebiet ist flach, der Sammelkanal hat ein Sohlgefälle von J5 = 0.6%,
die Kanalisation wird mit dem massgebenden Regen für z = 2 a dimensioniert.
z = 2 a QR = 0.300 m3 s·1 J5 = 0.6%
-+ D = 0.5 m .iH5 = 1.8 m (.iH 5 = ~nal • J5 )
Wie reagiert dieser Kanal auf einen Regen mit einer Jährlichkeif von z = 10 a?
(JE = Energiegefälle nach Abb. 16.26)
z = 10 a QR = 0.467 m3s·1 D = 0.5 m JE= 1.3% .iHE = 3.9 m
.iH = .iHE - .iH5 = 2.1 m
Damit der Regen mit einer Jährlichkeil von z = 10 a durch diese Kanalisation abgeleitet
werden kann, ist im oberen Schacht ein Überdruck (Überstau) von mindestens
.iH = 2.1 m erforderlich, d.h. der Wasserstand im oberen Schacht muss mindestens
2.1 m über dem Scheitel der Kanalisation stehen.
Fal/2: Das Einzugsgebiet ist .steil", der Sammelkanal hat ein Sohlengefälle von J5 = 3%,
die Kanalisation wird mit dem massgebenden Regen für z = 5 a dimensioniert.
Wie reagiert dieser Kanal auf einen Regen mit einer Jährlichkeif von z = 10 a?
3 -1
z= 5a QR = 0.389 m s D = 0.4 m J5 = 3.0% .iH5 = 9.0 m
3 -1
z = 10 a QR = 0.467 m s D = 0.4 m JE = 4.5% .iHE = 13.5 m
.iH = .iHE - .iH5 = 4.5 m
274 16 Technik der Siedlungsentwässerung
Damit der Regen mit einer Jährlichkeit von z = 10 a durch diese Kanalisation abgeleitet
werden kann, ist im oberen Schacht ein Überdruck von mindestens äH = 4.5 m erforder-
lich.
Schlussfolgerung: Der steile Kanal wird voraussichtlich Oberschwemmen, denn er ist
kaum 4.5 m Oberdeckt Der flache Kanal kann das Ereignis mit z = 1o a gerade noch
ableiten, denn 2.1 m sind eine typische Überdeckung fOr eine Kanalisation. Trotz geringe-
rer Häufigkeit des Dimensionierungsregens, hat der flache Kanal eine grössere Lei-
stungsreserve.
und Abfluss (in grossen Städten auch Wetterradar) und möglicherweise Ab-
flussmodelle.
Die Abflusssteuerung ist besonders vielversprechend in flachen Kanalnetzen.
In steilen Kanälen sind Rückstaustrecken von Wehren kurz und haben ein gerin-
ges Volumen. Hier ist es entsprechend aufwendig, in den Abflussprozess einzu-
greifen. Der Betrieb von Regenüberlaufbecken wird häufig durch lokale Regel-
kreise unterstützt. Es ist absehbar, dass in grossen Einzugsgebieten in Zukunft
vermehrt Entwässerungsanlagen regional, von zentralen Warten aus, gesteuert
werden. Die bessere Ausnützung der bestehenden Speichervolumen ist hier oft
billiger als der Bau von neuem, schlecht und selten genutztem Retentions-
Volumen.
Siehe auch Schilling 1990.
16.6 Messtechnik
Heute werden in der Siedlungsentwässerung noch überraschend wenig Messge-
räte eingesetzt: Teure Bauwerke wie Regenüberlaufbecken werden im Betrieb
noch kaum überwacht, entsprechend fehlen uns immer wieder gute Grundlagen,
um eine zuverlässige Erfolgskontrolle durchzuführen. Die Hauptschwierigkeit
bei der Messung von Grössen, die für die Siedlungsentwässerung von Bedeutung
sind, liegt in ihrer grossen Variabilität, sowohl in quantitativer als auch in quali-
tativer Hinsicht. Zudem müssen diese Grössen im rohen Mischwasser gemessen
werden, das Grobstoffe aller Art enthält. Die Messgeräte müssen meist dezentral
aufgestellt werden, automatisch betrieben werden können und Messwerte mit
grosser zeitlicher Auflösung liefern. Es ist empfehlenswert, vor der Aufstellung
von Messinstrumenten erfahrene Praktiker zu konsultieren.
Niederschlagsmessung, Wasserstandsmessung (Füllstände, Niveaumessung)
und gelegentlich Durchflussmessung kommen zur Anwendung. Die Messung
von Stoffkonzentrationen ist nur im Rahmen von Forschungsprojekten, mit gro-
ssem personellem Aufwand möglich. Eine zuverlässige Durchflussmessung ist
bis heute noch kaum verfügbar.
Richtlinien des VSA eingeführt. Das traditionelle GKP ist nur noch ein Teilplan
desGEP.
net werden. Ansebliessend soll der Plan dauernd aktuell gehalten werden. Heute
schrecken die Kommunen noch vor diesen "unproduktiven" Kosten zurück, in
Zukunft wird der GEP aber zum zentralen strategischen und operationeilen Ma-
nagmentwerkzeug. In der Praxis besteht heute das Bedürfnis, den GEP nicht nur
für einzelne Kommunen zu erarbeiten, sondern auf ganze Einzugsgebiete auszu-
dehnen: Es entsteht der regionale GEP.
Moderne Siedlungsentwässerung kann nur betrieben werden, wenn ein leis-
tungsfähiges Informationssystem die Grundlagedaten der Entwässerungsplanung
mit Daten über den Zustand, den Betrieb, Kosten, administrative Abläufe etc.
verbindet, in geeigneter Form als Information zur Verfügung stellt und verwaltet.
Die Erarbeitung von solchen Informationssystemen ist heute in vollem Gange
und stellt eine der grossen Herausforderungen der Siedlungswasserwirtschaft dar.
Daten sind die strategische Ressource für die Zukunft dieses Arbeitsgebietes.
Die Abwasserreinigung ist heute eine sehr anspruchsvolle Aufgabe, die ein ver-
tieftes Verständnis von Grundlagen aus den unterschiedlichsten Disziplinen be-
darf: Chemie, Mikrobiologie, Verfahrenstechnik, Biotechnologie, Steuer- und
Regelungstechnik, etc. Hier wird nur ein Überblick über die einfacheren Verfah-
ren vermittelt.
TSS), dann biologisch abbaubare organische Stoffe (BSB 5), dann Ammonium
(NH4•), Phosphor (P), Nitrat (NOJ etc.
- Die Aufbereitung der eliminierten Schmutzstoffe geschieht im Rahmen der
Schlammbehandlung. Die produzierten Schlämme sollen gefahrlos (Hygiene,
Akkumulation von Schadstoffen, Abschwemmung in die Gewässer und Ver-
sickerung ins Grundwasser) und ohne übermässige Geruchsentwicklung in
die Landwirtschaft ausgebracht werden können oder in geeigneter Form de-
poniert werden (heute meist als Asche eines Verbrennungsprozesses).
Die Aufgabe der Abwasserreinigung ist im Verlauf der Zeit stark ausgedehnt
worden, insbesondere weil mit zunehmendem Wohlstand in den Industrieländern
die Belastung der Gewässer gestiegen ist (v.a. mit dem Ausbau der Schwemm-
kanalisation) und gleichzeitig immer höhere, anspruchsvollere Anforderungen an
den Zustand und die Nutzung der Gewässer gestellt werden. In Zukunft wird es
darum gehen, die Prinzipien der Nachhaltigkeil und der Ressourceneffizienz
auch in der Abwasserreinigung zu berücksichtigen.
Abwasserreinigung ist eine Aufgabe im Bereiche des Gewässerschutzes: Die
Gewässer werden genutzt um Abwasser abzuleiten. Da Abwasser mit Schmutz-
stoffen belastet ist, die in den Gewässern unerwünschte Folgen haben, soll die
Abwasserreinigung dazu beitragen, diese Folgen so weit als möglich (und wirt-
schaftlich tragbar) zu vermindern. Die Zielsetzung der Abwasserreinigung ist nie
eine absolute (z.B. die Abwassereinleitung darf keine Schäden verursachen),
sondern, im Rahmen von politischen Diskussionen um die Ziele des Gewässer-
schutzes, nur eine relative. Was den westlichen Industrieländern als schützens-
wert erscheint, ist häufig in Entwicklungsländern kaum von Belang (was in An-
betracht der akuten lokalen Probleme mehr als verständlich ist).
d.h. eine Reduktion der Nitratfracht, gefordert. Die Reduktion der Stickstoff-
belastung der Gewässer soll hier v .a. bei der Landwirtschaft ansetzen.
Phosphat (P043) und seit 1976 totaler Phosphor werden begrenzt, um die
Überdüngung (Eutrophierung) unserer Seen möglichst gering zu halten. Tra-
ditionell sind v.a. chemische Verfahren (Fällung) für die Elimination von
Phosphor eingesetzt worden. Die Verringerung des Grenzwerts nach 1980
von 1.0 auf 0.8 g P101 m·3 widerspiegelt die Massnahmen an der Quelle (Ver-
bot von Polyphosphaten in Textilwaschmitteln, 1986). Der Grenzwert von 0.2
g P101 m·3 bedingt den Einsatz von weitergehenden Reinigungsverfahren
(Flockungsfiltration). Heute ist absehbar, dass in Zukunft auch rein biologi-
sche Verfahren grössere Mengen Phosphor aus dem Abwasser werden entfer-
nen können.
Zusammenfassend ergibt sich das Bild, dass für immer mehr verschiedene
Stoffe immer strengere Anforderungen an das gereinigte Abwasser gestellt wer-
den. Verschärfungen der Einleitbedingungen werden hauptsächlich als Folge der
zunehmenden technischen Möglichkeiten der Abwasserreinigung eingeführt. In
der Schweiz ist es üblich, Einleitbedingungen gegenüber den Minimalanforder-
ungen nur dort zu verschärfen, wo das aus der Sicht der Gewässer erforderlich
ist. Internationale Verpflichtungen führen aber auch hier je länger je mehr dazu,
dass was technisch machbar ist, auch gefordert wird. Ob damit über das Ganze
betrachtet der Umwelt immer gedient ist, ist fraglich.
Grundwasser) der Fliessgewässer beträgt also ca. 50% des Niederschlages oder
500'000 m3 km·2 a·1 .
Das Verhältnis des Niedrigwassers 0 347 (Wassermenge, die an 95% der Tage über-
schritten wird) zur mittleren Wasserführung, die an ca. 50% der Tage überschritten wird,
beträgt typisch ca. 0 347 I 0 182 = 1 I 3. Daraus ergibt sich die Niedrigwasserführun~ im
"typischen" Fliessgewässer zu ca. 500'000 I 3 = 170'000 m3 km·2 a·1 oder 5.41 s·1 km·.
Die Verdünnung des Abwassers beträgt also bei Niedrigwasser im schweizerischen Mit-
telland, wenn kein Wasser aus den schwachbesiedelten Voralpen als Verdünnungs-
wasser zur Verfügung steht: OAbwasser I (0347 Fluss +0Abwasser) = 1 I 4.4.
Um eine Ammoniumkonzentration von < O.S g N m·3 einzuhalten, muss daher die Einleit-
bedingung auf ca. 2 g NH4·-N m·3 lauten (die Fliessgewässer sind kaum mit Ammonium
vorbelastet!).
Die Nitratkonzentration in vielen Bächen beträgt ca. 2 gN03--N m·3 (Vorbelastung aus der
Landwirtschaft). Der Grenzwert in den Fliessgewässern der Schweiz liegt bei 6 g N03--N
m·3. Die Nitratkonzentration im Abwasser SN03 muss deshalb auf den folgenden Wert
begrenzt werden:
. ·3
SN03 = ((0Abw+0Fiuss)·6- 0Fiuss2) I OAbw = 20 g N03 -Nm .
ln den meisten gereinigten kommunalen Abwässern der Schweiz wird diese Konzentrati-
on auch ohne Stickstoffelimination eingehalten.
Rechengut
Rücklaut
"'
Abtransport
Sekundärschlamm
Überschussschi amm
Gasometer
Zur Nutzung
Frischschlamm (Landwirtschaft)
ev. Entwässerung.
Trocknung,
Verbrennung,
Faulraum Schlammstapel Deponie
35' C
+-- - - -- - -- Schlammbehandlung - - - - - - - - -
19.1.1 Rechen
Rechen werden in verschiedensten Bauformen hergestellt, gelegentlich werden
sie mit abnehmendem Stababstand hintereinander gebaut. Typisch sind Stabab-
stände von 30 - 60 mm für Grobrechen, die ansebliessend von Feinrechen mit 6 -
30 mm Stababstand gefolgt werden. Heute ist ein Trend zu immer feineren Re-
chen zu beobachten, dadurch nimmt einerseits die Menge des zurückgehaltenen
Rechenguts zu (unerwünscht), andererseits wird die ganze Anlage und insbeson-
dere auch die Schlammbehandlung und damit der zum Schluss ev. in die Land-
wirtschaft ausgetragene Schlamm geschützt. Ein Beispiel einer Rechenanlage ist
in Abb. 19.1 dargestellt.
290 19 Mechanische Abwasserreinigung
Reinigungsmaschine
I
Abb. 19.1. Typische, automatisch gerei-
nigte Rechenanlage einer grösseren Klär-
anlage
TabeHe 19.1. Anfall von Sieb- oder Rechengut auf kommunalen Kläranlagen in Funktion des
Stababstandes (s. a. Schüssler 1995). Der organische Anteil wird mit 85% der Feststoffe angege-
ben. Durch Pressen kann das Volumen stark reduziert werden. Je nach Siedlung und Gewerbe-
einleitungen ist ein Schwankungsbereich von -50% bis +100% möglich
Zufluss Ablauf
Grundriss
, Staublech
~ v=30cms·1 II~
Schnitt
- = =
Abb. 19.2. Typische Bauformen von Sandfangen: Links der Längssandfang, rechts der Rund-
sandfang
Fetten und Ölen verhindert, dass sich diese Stoffe später auf freien Oberflächen
ansammeln, verkleben und zu Geruchsproblemen führen.
Viele Sandfänge werden so ausgelegt, dass Sandkörner mit einem Durchmes-
ser von ca. 0.1 - 0.2 mm noch abgetrennt werden. Solche Sandkörner haben eine
Sinkgeschwindigkeit von ca. 1 cm sec·1•
Typische Bauformen von Sandfängen sind in Abb. 19.2 und Abb. 19.3 darge-
stellt. Im Längssandfang kann der Sand auf die Sohle des Bauwerkes absinken
und ansebliessend vom Abwasser abgetrennt werden. Die horizontale Fliessge-
schwindigkeit von 0.3 m s·' führt zu einer genügenden Schleppkraft, sodass Pa-
pier und andere organische Grobstoffe in Suspension gehalten werden. Im Rund-
sandfang wird durch die kinetische Energie im Zulauf eine Strömung angeregt,
die zur Abscheidung des Sandes führt und diesen dem Rand des Bauwerkes zu-
führt, wo er in einen Trichter fällt.
Heute werden häufig belüftete Sandfänge gebaut, in denen mit Hilfe von zu-
geführten Luftblasen die Strömung angeregt wird (Abb. 19.3). Gleichzeitig mit
der Abtrennung von Sand wird hier das Abwasser auch aufgefrischt (mit Sauer-
stoff angereichert). Der Eintrag von Sauerstoff im Sandfang hat allerdings zur
Folge, dass bereits in diesem Bauwerk erste gelöste organische Verbindungen
biologisch abgebaut werden; das ist insbesondere dann unerwünscht, wenn an-
schliessend das Abwasser denitrifiziert werden soll (Denitrifikation s. später). In
belüfteten Sandfängen kann auch seitlich eine hydraulisch beruhigte Zone ange-
ordnet werden, in der spezifisch leichte Stoffe nach oben flotieren können.
292 19 Mechanische Abwasserreinigung
lt-:o:-:-o---}!!!!!!!!!!!!!!!~ Fett
flotierend
TabeHe 19.2. Anfall von Sand in Sandfängen. Diese Angaben streuen stark, weil die Art des
Einzugsgebietes, der Strassenunterhalt und die Verhältnisse bei Regen eine zentrale Rolle spielen
v=_g_ (19.1)
B·H
Die Zeit t5 , die erforderlich ist, damit ein Partikel mit der Sedimentationsge-
schwindigkeit v5 von der Oberfläche auf den Boden der Rinne absinkt, beträgt:
294 19 Mechanische Abwasserreinigung
Oberfläche AS!!d = L · B
__..
ZuflussQ
Länge L
v =Fliessgeschwindigkeh v5 =Sedimentationsgeschwindigkeit
Abb. 19.4. Absetzvorgang und Definition der geometrischen Grössen in einem Rechteckgerinne
mit laminarer und gleichmässiger Fliessgeschwindigkeit v
H
ts=-
Vs
Alle Partikel, die den Boden erreichen, bevor das Wasser das Sedimentati-
onsbecken wieder verlässt, gelten als zurückgehalten. Die Durchflusszeit eb (hy-
draulische Aufenthaltszeit, V I Q) durch das Becken beträgt:
eh =-LV
Es werden also alle Partikel abgeschieden für die gilt:
H L L·B·H V
ts <8h oder - < - = =-
Vs V Q Q
Umgeformt und mit der Oberfläche des Sedimentationsbeckens Asrx~ =L ·B
ergibt sich für Partikel, die sicher die Bodenfläche erreichen:
Q Q
Vs >--=--=vo (19.2)
L·B Ased
v0 hat die Dimension einer Geschwindigkeit, sie heisst Oberflächenbelastung
und ist in GI. (19.2) definiert. Theoretisch werden alle Partikel, deren Sedimen-
tationsgeschwindigkeit grösser als die Oberflächenbelastung v0 ist, abgeschie-
den. Alle Partikel mit v5 < v0 werden nur teilweise abgeschieden (der Anteil der
abgeschiedenen Partikel ist v5 I v0 ). Auffallend ist, dass die Tiefe des Beckens H
oder die hydraulische Aufenthaltszeit eb keine Rolle spielen. Es kann gezeigt
werden, dass GI. (19.2) unabhängig von der Form des Sedimentationsbeckens
(rund, rechteckig etc.) gilt, sofern die Strömung laminar ist und alle Wasserteil-
eben die gleich lange Aufenthaltszeit eb im Becken haben. Damit wird die hy-
draulische Oberflächenbelastung v0 zur wichtigsten Dimensionierungsgrösse von
Sedimentationsbecken. Abweichungen von der theoretischen Voraussage erge-
ben sich, weil die Strömungsbedingungen nie ideal sind.
19.2 Dimensionierungsmodell für die Sedimentation 295
19.3 Vorklärung
Die Vorklärung geht historisch auf die ersten Abwasserreinigungsverfahren zu-
rück, die ausschliesslich mechanisch/physikalische Reinigungsprozesse zur An-
wendung brachten. Aus der Beobachtung heraus, dass die Sedimentation von
Grobstoffen aus dem Abwasser zu einer massiven Verschlammung der Fliessge-
wässer führte, wurde die Sedimentation in ein technisches Bauwerk verlegt, in
dem die Sedimente als Klärschlamm abgetrennt werden können.
Elimination in %
100
v-- ~
80 1 TSS
fo-
/
60
40
/ 1.---- ~
V
20
0
0 2 3 4 5
Hydraulische Aufenthaltszeit eh
im Vorklärbecken in hrs
abzugzur
Schlammbehandlung
Abb. 19.6. Längsschnitt und Funktionsschema eines rechteckigen, längsdurchströmten Vor-
klärbeckens mit Sammlung des Schlammes durch Kettenräumer. Meist können auch Schwimm-
stoffe von der Oberfläche gesammelt werden. Eine Tauchwand vermindert den Verlust von
aufschwimmenden Stoffen im Ablauf
NH/-N 20 20 g N m·3
N02• -N 0 0 g N m·3
N03• -N 1 1 g N m·3
P total 5 4.5 g Pm·3
Alkalinität 6 6 Mol HC03• m·3
Nur die TSS sind vollumfänglich partikulär. BSB5 , CSB, TKN und TP enthalten sowohl
partikuläre als auch gelöste Anteile, entsprechend ist der Wirkungsgrad für den Rückhalt
dieser Stoffe geringer als 50%.
Grundriss
Schnitt
Abb. 19.7. Grundriss und Querschnitt durch ein rundes Vorklärbecken. Die Räumerbrücke ist
im Schnitt nicht eingezeichnet, sie transportiert die Sedimente zur Mitte des Bauwerks
mein, direkt in den Ablauf gelangen; Vorklärbecken sind entsprechend mit Vor-
kehrungen ausgerüstet, die solche Schwimmstoffe einsammeln und z.B. der
Schlammbehandlung zuführen. Das Sediment wird hier mit einem Kettenräumer
(zwei Ketten, an denen Querbretter befestigt sind) zusammengetragen, in einem
Schlammtrichter eingedickt und wird ansebliessend z.B. einmal pro Tag in die
Schlammbehandlung gefördert. Die Sohle des Vorklärbeckens ist leicht geneigt
(1 - 2% ), damit das Becken bei Reinigung leerlaufen kann.
In Abb. 19.7 ist ein rundes Vorklärbecken dargestellt. Das Wasser fliesst vom
Zentrum zur Peripherie. Das Sediment wird durch eine Räumerbrücke ins Zen-
trum gefördert.
In Tabelle 19.5 sind einige Richtwerte für die Dimensionierung von Vorklär-
hecken zusammengestellt. Von Bedeutung sind die hydraulische Oberflächen-
belastung bei Trocken- und bei Regenwetter sowie die minimale Tiefe der Be-
cken. Diese wird meist HyKB ~ 2 m gewählt. In einzelnen Anlagen geht die mitt-
lere Aufenthaltszeit bei Regen auf 15- 20 min zurück (9H =HyKB I v0). Es stellt
sich die Frage, ob eine solche Sedimentation nicht durch feine Rechen oder Sie-
be ersetzt werden könnte?
19.3.3 Emscherbrunnen
Der Emscherbrunnen ist ein einfaches kombiniertes Bauwerk, das Sedimentation
und Schlammstabilisierung (s. später) miteinander verbindet. Er hat v.a. histo-
risch Bedeutung und kam in kleinen Anlagen häufig zur Anwendung. Ein Sche-
ma eines Emscherbrunnens ist in Abb. 19.8 dargestellt. Heute werden Emscher-
brunnen kaum mehr gebaut, hingegen kommen Fertigbauteile in ähnlicher Funk-
tion für Kleiostanlagen noch zur Anwendung.
19.4 Chemische Abwassereinigung 301
Querschnitt Grundriss
Vorklärung
Schlammstabilisierung
ka l~ ev. mit Gasproduktion
Abb. 19.8. Querschnitt und Grundriss eines rechteckigen Emscherbrunnens: Der Sedimentati-
onsraum ist zweigeteilt, das Wasser fliesst senkrecht zum Schnitt, der Schlammraum reicht tief
in den Boden und erreicht Grundwassertemperatur. Die Verbindungsschlitze zwischen Sedi-
mentation und Schlammraum sind so gestaltet, dass Gasblasen (Biogas) aus dem Schlammraum
die Sedimentation nicht stören können
TabeHe 19.6. Abwassercharakteristik auf einer schwedischen Kläranlage. Die Zahlen sind Mit-
telwerte über ein Betriebsjahr. Der Zufluss schliesst Rückläufe aus der Schlammbehandlung mit
ein
Parameter Einheit Zulauf Ablauf
Vorklärung Vorflillung
-3
TSS gm 210 62 40
BSB 7 total gm-3 02 140 68 39
-3
gelöst gm 0 2 28 24 17
P total total gm-3 P 7.7 6.3 2.9
gelöst gm-3 P 4.8 4.8 1.5
Kjeldahl-N total gm-3 N 33 29 28
gelöst gm-3 N 25 25 25
Die Metallsalze verbinden sich auch mit dem Phosphat (P043") im Wasser und
bilden schwerlösliche Salze, z.B. Eisenphosphat FeP04 • Diese können zusammen
mit den Hydroxiden abgetrennt werden, sodass in der Vorfällung auch Phosphor
aus dem Wasser abgeschieden werden kann. Die Dosierung von Metallsalzen
muss aber genügen, um alles Phosphat zu fällen und einen Überschuss von Hy-
droxiden zu bilden, um die Flockung zu unterstützen (s. Beispiel 19.9).
In Abb. 19.9 ist ein einfaches Fliessschema einer chemischen Abwasser-
reinigungsanlage dargestellt. Die Chemikalien werden bei hoher Turbulenz
schnell ins Abwasser eingemischt, ansebliessend wird durch geringe Turbulenz
die Flockenbildung unterstützt und zum Schluss werden in einem Sedimentati-
19.4 Chemische Abwassereinigung 303
IChemikalien Zugabe I
Schlammabzug
Abb. 19.9. Schematische Darstellung einer chemischen Abwasserreinigungsanlage: Einmischen
der Chemikalien mit hoher Turbulenz, Flockungsbecken mit geringerer Turbulenz und Sedi-
mentation mit ruhiger Strömung
wasser zu entfernen; immer verbleibt eine Restbelastung, die von der Prozess-
führung und dem gewählten Verfahren abhängig ist.
20.2.1 Wachstum
Das Wachstum von Mikroorganismen beschreibt den Prozess der Vermehrung
der Zellen und der Masse der Organismen. Da die Bakterien für ihre Vermeh-
rung Substrate (Nährstoffe) aufnehmen müssen, die sie in der Abwasserreinigung
dem Abwasser entziehen, ist das Wachstum der eigentliche Reinigungsprozess.
Je rascher sich die Biomasse vermehrt, desto mehr Schmutzstoffe werden dem
Abwasser entzogen und desto rascher verläuft die Reinigung. Durch das Wachs-
tum wird z.B. ein Teil der gelösten organischen Verbindungen zu mineralischen
Stoffen (C02 , ~0) abgebaut um Energie zu gewinnen; ein Teil wird in die Bio-
masse eingebaut und kann nun in der Form von Feststoffen aus dem Abwasser
abgeschieden werden.
In der Natur ist das Wachstum, das die Schmutzstoffe auslösen, unerwünscht.
Die Produktion der Biomasse und der damit einhergehende Sauerstoffverbrauch
wirken sich nachteilig auf die Umwelt aus. In der Abwasserreinigung sollen
daher diese Prozesse in technischen Bauwerken zurückbehalten werden.
Die Bakterien vermehren sich exponentiell (Abb. 20.1). Da wir nicht die An-
zahl der einzelnen Organismen, sondern nur global ihre Masse (oder Konzentra-
tion) verfolgen, wird diese Vermehrung mit der Wachstumsgeschwindigkeit ~
charakterisiert: mit Hilfe der Wachstumsgeschwindigkeit können wir in einem
geschlossenen System (einem Chargenreaktor) die Zunahme der Masse oder der
Konzentration dieser Bakterien mit der Zeit beschreiben. Die Bakterien vermeh-
ren sich proportional zu ihrer Anzahl oder Masse, die Proportionalitätskonstante
heisst Wachstumsgeschwindigkeit Eine Bilanz um einen Chargenreaktor ergibt:
dX
dt=~·X (20.1)
2' 2"
Abb. 20.1. Exponentielles Wachstum der Bakterien: Die einzelnen Generationen sind um die
Verdoppelungszeit t. verschoben. Die Anzahl der Bakterien nimmt in einer geometrischen
Reihe zu
ln 5 h können sich die Bakterien 10 mal verdoppeln, es wären also 210 = 1024 Bakterien
vorhanden und der Faden wäre bereits 1 Millimeter lang, und wir könnten ihn von blo-
ssem Auge sehen.
Wie lang wäre der Faden nach einem Tag, also 24 h nach Beginn des Experimentes,
sofern sich die Bakterien unbeschränkt weiter vermehren könnten?
t
Nach 24 hergäben sich 8 = 2.8 · 1014 Bakterien, mit einer Fadenlänge von 280'000 km.
Diese Bakterien hätten ein Gewicht von ca. 300 g. Es ist offensichtlich nicht möglich,
dass sich Bakterien in einem Versuch ohne Nachschub von Nährstoffen während 24 h
ungehindert vermehren können.
ln der Abwasserreinigung beschränkt meistens der Nachschub von Schmutzstoffen das
rasche Wachstum der Bakterien.
20.2.3 Hydrolyse
Viele organische Stoffe im Abwasser liegen in Form von Partikeln, Kolloiden
oder hochmolekularen Verbindungen vor, die von Bakterien nicht direkt aufge-
nommen und abgebaut werden können. Bakterien scheiden deshalb Enzyme
(Fermente) aus, die diese Stoffe in ihre einzelnen, wasserlöslichen Bausteine
(Zucker, Aminosäuren, Fettsäuren) zerlegen und sie damit für den Abbau ver-
fügbar machen. Dieser Prozess heisst Hydrolyse, er nimmt Zeit in Anspruch und
verzögert den Abbau der oben beschriebenen Stoffe.
c~o + 0 2 ~ C02 + ~o
Der Rest der organischen Stoffe wird in die Mikroorganismen eingebaut, die
sich dabei vermehren: Der Abbau von organischen Stoffen ist also ein Wachs-
tumsprozess. Es gibt eine grosse Zahl von unterschiedlichen heterotrophen Bak-
terien, die organische Stoffe abbauen können. Sie vermehren sich schnell, ent-
sprechend werden die zugehörigen Bauwerke eher klein.
20.2.5 Nitrifikation
Unter Nitrifikation verstehen wir einen mikrobiologischen Prozess, in dem spe-
zialisierte Bakterien Ammonium NH4• zu Nitrat N03• oxidieren:
NH4• + 2 0 2 ~ N03• + ~0 + 21-f
Dieser Prozess läuft nur sehr langsam ab, entsprechend gross werden die
Bauwerke, die diesen Prozess ermöglichen. Die Nitrifikation verbraucht grosse
Mengen von gelöstem Sauerstoff 0 2 • Die Bakterien, die die organischen Stoffe
abbauen, können nicht nitrifizieren.
20.2.6 Denitrifikation
Unter der Denitrifikation verstehen wir einen mikrobiologischen Prozess, in dem
für die Oxidation von organischen Stoffen an Stelle von Sauerstoff 0 2 Nitrat
N03• reduziert wird. Das Produkt der Denitrifikation ist elementarer Stickstoff
N2 , der problemlos in die Atmosphäre abgegeben werden kann.
5 c~o + 4 No3• + 41-f ~ 2 N2 + 5 C02 + 1 ~o
Die Denitrifikation ist also ein Prozess, mit dem Stickstoff aus dem Abwasser
entfernt werden kann. Er bedingt, dass organische Stoffe verfügbar sind. Die
meisten heterotrophen Bakterien, die organische Stoffe aerob abbauen, können
auch denitrifizieren.
TabeHe 20.2. Nährstoftbedarf von Mikroorganismen: Proportional zur Konzentration der abge-
bauten organischen Stoffe bauen die Mikroorganismen Nährstoffe in ihre Biomasse ein
Stickstoffbedarf iN= 0.04- 0.05 g Ng· BSB 5
Phosphorbedarf ir = 0.01 - 0.02 g P g·1 BSB5
20.4 Belebtschlammverfahren
Das Belebtschlammverfahren ist ab 1914 in England entwickelt und anseblie-
ssend rasch in die grosstechnische Anwendung eingeführt worden. Bereits in den
20.4 Belebtschlammverfahren 311
Belebungsbecken Nachklärbecken
Sedimentation
Luft
Rücklaufschlamm
frühen 20er Jahren haben in den USA grosse Anlagen mit diesem Verfahren im
Betrieb gestanden. Es erhielt seinen Namen (Activated Sludge Process), weil im
Verfahren ein Schlamm (eine Suspension) gebildet wird, der aktive Mikroorga-
nismen enthält (Belebtschlamm), die das Abwasser aerob (in Gegenwart von
gelöstem Sauerstoff 0 2) reinigen können.
Heute stellt das Belebtschlammverfahren in den Industrieländern das wich-
tigste biologische Abwasserreinigungsverfahren dar. Es wird in den verschieden-
sten Varianten eingesetzt. Im Laufe der Zeit ist es gelungen, eine Vielzahl von
verschiedenen mikrobiologischen, chemischen und physikalischen Prozessen in
das Verfahren zu integrieren und gleichzeitig zu optimieren:
- Abbau von organischen Stoffen (BSB 5 , CSB)
- Flockung und teilweiser Abbau von partikulären Stoffen (TSS)
Oxidation von Ammonium NH/ zu Nitrat N03• (Nitrifikation)
- Reduktion von Nitrat N03·, zu Stickstoff N2 (Denitrifikation)
- Chemische Phosphorelimination (Simultanfällung)
- Biologische Phosphorelimination
- Elimination von spezifischen organischen Verbindungen (NTA, ... )
Die Vielfalt der Verfahren drückt sich v.a. in der Gestaltung der Reaktoren
und in der Vielfalt der Umweltbedingungen aus, die den Mikroorganismen ange-
boten werden. Diese Vielfalt, zusammen mit seiner Leistungsfähigkeit, der Wirt-
schaftlichkeit und der möglichen Betriebsstabilität, sind die Gründe für die häu-
fige Anwendung des Verfahrens.
und daraus Sauerstoff im Abwasser gelöst. Die Belüftung hat zusätzlich die
Aufgabe, das Abwasser und den belebten Schlamm zu durchmischen und die
Mikroorganismen in Schwebe zu halten. Durch das Zusammentreffen von
Schmutzstoffen (=Nährstoffe), Mikroorganismen und Sauerstoff können sich
die Mikroorganismen vermehren und dadurch das Abwasser reinigen.
Durch hydraulische Verdrängung gelangt das Belebtschlamm - Abwasser
Gemisch (engl. Mixed Liquor) ins nachfolgende Nachklärbecken, wo der
Schlamm als Folge der Gravitation nach unten aussedimentiert und einge-
dickt wird. Das überstehende, gereinigte Abwasser wird dekantiert; es enthält
noch die nicht eliminierbaren gelösten Stoffe sowie eine geringe Restkon-
zentration von suspendierten Stoffen.
Das Sediment aus dem Nachklärbecken wird als Rücklaufschlamm ins Bele-
bungsbecken zurückgeführt, sodass dort die gewünschte Schlamm-
konzentration eingehalten werden kann. In der kommunalen Reinigung wird
der Belebtschlamm ca. 20 - 50 mal im Kreise geführt, sodass die Konzentra-
tion der Bakterien im Belebtschlammbecken gegenüber Verfahren ohne
Rücklauf um diesen Faktor erhöht ist; damit wird auch die Abbauleistung des
Reaktors um den gleichen Faktor erhöht.
In jedem Kreislauf des Belebtschlammes durch das Belüftungsbecken wird
durch das Wachstum der Organismen der Schlamm etwas vermehrt. Dieser
Zuwachs wird in Form von Überschussschlamm vom Sediment des Nachklär-
beckens abgetrennt und der Schlammbehandlung zugeführt.
Das Belebtschlammverfahren beruht also auf dem Zusammenspiel von zwei
getrennten Reaktoren, dem Belebungsbecken und dem Nachklärbecken, die bei-
de erforderlich sind und aufeinander abgestimmt werden müssen. Neben der
eigentlichen Reinigung des Abwassers im Belebungsbecken muss die Biomasse
im Nachklärbecken effizient abgetrennt und aufkonzentriert (eingedickt) werden
können.
Tabelle 20.3. Typische Werte ftir den Schlammvolumen-Index (SVI). Abweichungen von diesen
Werten sind häufig, bei zu hohen SVI sollten Massnahmen ergriffen werden um bessere Eindick-
eigenschaften des Schlammes zu erreichen
B _ Q·BSB5
TS- (20.4)
VBB ·TSBB
316 20 Biologische Abwasserreinigung
-
9 x- VBB ·TSBB
(20.5)
Q·TSe +Qos ·TSos
9x = Schlammalter in Tagen. Typische Werte liegen im Bereich von
3- 15 Tagen.
TSe = Konzentration der Schwebestoffe im Ablauf des Nachklärbeckens,
typisch sind Werte< 20 gTss m· 3•
Qos = Menge des abgezogenen Überschussschlammes [m3 d' 1]
TSos = Konzentration des abgezogenen Überschussschlammes
Typisch sind ca. 2 · TS 88 =6- 10 kgTss m·3 . Diegenaue
Konzentration muss mit Hilfe einer Stoffbilanz um das
Nachklärbecken berechnet werden.
318 20 Biologische Abwasserreinigung
TabeHe 20.6. Richtwerte für das erforderliche Schlammalter 9x in Tagen in Abhängigkeit der
Reinigungsleistung und der zu erwartenden mittleren Schlammproduktion ÜSB (ohne Phosphor-
fliUung). Gültig für Temperaturen> 10 °C. Arbeitsblatt A131 der Abwassertechnischen Vereini-
gung, Februar 1991
Grösse der Anlage: Spez. Produktion von
Reinigungsziel angeschlossene Schlamm
.. b)
Einwohner USB
-I
<20'000 > 100'000 kg!SS kg BSB5
Ohne Nitrifikation 5 4 0.9- 1.2
Mit Nitrifikation bei Temperatur > 10 oc 10 8 0.8- 1.1
Mit Denitrifikation 12- 18 10- 16 0.7- 1.0
Mit Schlammstabilisierung•> 25 0.6- 1.0
a)
Dieses Verfahren wird ausschliesslich ohne Vorklärung betrieben und kommt nur in kleinen
Anlagen zur Anwendung. Es schliesst die Schlammbehandlung in der Anlage mit ein.
bl Der Bereich gibt die Schlammproduktion mit grosser bis kleiner Vorklärung an. Zusätzlich
müssen bei Phosphorelimination noch die dabei entstehenden Flillungsprodukte berück-
sichtigt werden (ca. 6.8 kgTSS kg- 1 P), s.a. Abschn. 20.4.10, Seite 341, GI. (20.14).
In der Berechnung des Schlammalters nach GI. (20.5) wird nicht berücksich-
tigt, dass der Ablauf des Nachklärbeckens um die Menge des Überschuss-
schlammes verringert wird. Daraus ergibt sich für die Reinigung von kommuna-
lem Abwasser ein vernachlässigbar kleiner Fehler.
Mit GI. (20.5) kann das Schlammalter mit den Erfahrungszahlen aus dem
Betrieb einer bestehenden Anlage berechnet werden, da alle Grössen einfach
gemessen werden können. Um eine Anlage zu dimensionieren, müssen die er-
warteten Schlammverluste (Q·TS. + Q05 ·TS 05 ) vorerst aus der Schlamm-
produktion berechnet werden (im Gleichgewicht wird gleichviel Schlamm pro-
duziert wie verlorengeht). Dies geschieht durch Abschätzung der spezifischen
Schlammproduktion ÜS 8 , die angibt, wieviel Trockensubstanz in Form von Be-
lebtschlamm produziert wird pro Masse BSB 5, die in die Anlage geleitet wird.
Die Schlammproduktion ergibt sich zu:
SP =ÜS 8 • Q · BSB5 in kgTssd. 1 (20.6)
Mit diesen Überlegungen wird das Schlammalter zu:
Luft
0 0 0 0 0
0 0 0
0
c:,o/~ ~~
0 00
00 ~ 0
0 0 2 0
0 0 0
=
Abb. 20.4. Schematische Darstellung von verschiedenen Systemen für den Sauerstoffeintrag in
Belebungsanlagen. Links: Oberflächenbelüftung. Rechts: Feinblasige Tiefenbelüftung
Sauerstoff 0 2, für den aeroben Abbau von organischen Stoffen und die Nitrifika-
tion), anoxisch (ohne Sauerstoff, aber mit Nitrat N03·, für die Denitrifikation)
oder anaerob (ohne Sauerstoff und ohne Nitrat) im Zusammenhang mit der bio-
logischen Phosphorelimination.
Damit die Biomasse (der Belebtschlamm) in den Belebungsbecken in Sus-
pension gehalten werden kann (und nicht aussedimentiert), muss in diesen Bek-
ken eine genügende Turbulenz oder Strömungsgeschwindigkeit aufrechterhalten
werden. Mit einer Sohlenströmung von > 0.15 (besser 0.3) m s·1 können Sedi-
mente zuverlässig vermieden werden. Unter Sohlenströmung verstehen wir die
Strömungsgeschwindigkeiten unmittelbar über der Beckensohle.
In aeroben Beckenteilen (Belüftungsbecken) wird durch den Eintrag von
Sauerstoff (Belüftung) meist genügend Turbulenz erzeugt, um die Biomasse in
Suspension zu halten. Gelegentlich werden Belüftung und Strömung durch un-
terschiedliche Apparate gewährleistet. In anoxischen und anaeroben Becken
muss die erforderliche Strömung durch spezielle, meist langsamlaufende Pro-
peller erzeugt werden. Bei guter Wahl des Apparates genügen 2 - 5 W m·3 spezi-
fische Leistung für die erforderliche Durchmischung. (Mit der Belüftung tragen
wir ca. 10 - 20 W m· 3 kinetischer Energie ein, die in Turbulenz umgewandelt
wird.)
Für den aeroben Abbau von organischen Stoffen und die Nitrifikation ver-
brauchen die Mikroorganismen Sauerstoff, der durch die Belüftung nachgeliefert
werden muss. Wir unterscheiden zwei Prinzipien des Sauerstoffeintrages (s.
Abb. 20.4):
- Oberflächenbelüftung: Der Belebtschlamm wird durch Walzen, Schaufel-
oder Pumpenräder durch die Luft geworfen, dabei wird Sauerstoff aus der
Luft im Belebtschlamm gelöst.
- Blasenbelüftung: Komprimierte Luft wird in der Tiefe des Belebungsbeckens
feinblasig (1 - 4 mm Blasendurchmesser) eingetragen. Aus den aufsteigenden
Luftblasen geht Sauerstoff im Belebtschlamm in Lösung.
Für den Eintrag von Sauerstoff ist der grösste Anteil von elektrischer Energie
auf Kläranlagen erforderlich. Für den Abbau von 1 kg BSB 5 ist ca. 1 kg Sauer-
stoff erforderlich, für dessen Eintrag 0.5 - 1 kWh Energie benötigt werden. Die
detaillierte Berechnung des Sauerstoffverbrauchs bei verschiedensten Bela-
322 20 Biologische Abwasserreinigung
stungssituationen und die Dimensionierung der Apparate zum Eintrag des Sauer-
stoffs muss der weiterführenden Literatur entnommen werden.
Zulauf
einfache
Zwischenwände
Zulauf
Abb. 20.5. Beispiele von Belebungsbecken
im Grundriss. Oben: Ais Kaskade von
Ablauf längsdurchströmten, in Serie geschalteten
Becken. Unten: Als Umlaufbecken gestal-
Umwälzung tet
Speicherzone
Eindick- und Räumzone
- Eine Klarwasserzone, die über der Trennzone liegt und aus der das gereinigte
Abwasser abgeleitet wird.
- Die Trennzone, in der das Abwasser von den Feststoffen getrennt wird und
Turbulenzen abgebaut werden.
- Eine Speicherzone, in der Belebtschlamm bei hoher hydraulischer Belastung
der Anlage (z.B. Regen) gespeichert und ansebliessend wieder rezirkuliert
wird.
- EineEindick-und Räumzone, in der der Schlamm auf die Rücklaufschlamm-
konzentration eindickt und als Rücklaufschlamm ausgetragen wird.
Diese fünf Zonen können im realen Betrieb kaum scharf unterschieden wer-
den, sie zeigen aber die einzelnen Aufgaben des Nachklärbeckens auf. Besonde-
re Aufmerksamkeit muss der Räumung des Schlammes zukommen: Wenn Be-
lebtschlamm unter Ausschluss von Sauerstoff im Nachklärbecken lange liegen
bleibt, so kann durch Denitrifikation N2-Gas freigesetzt werden, das zu einer
Flotation (Aufschwimmen) des Schlammes führt. Es ist heute erforderlich, eine
oberflächliche Räumung von Schwimmschlamm vorzusehen. Der eingedickte
Belebtschlamm wird entweder durch Kettenräumer mit kontinuierlicher Räum-
wirkung oder durch fahrende Saugräumer periodisch zum Rücklaufschlamm
geführt (Abb. 20. 7).
Nach dem Arbeitsblatt A 131 (1991) werden Nachklärbecken für die maxi-
male hydraulische Belastung bei Regenwetter bemessen. Dabei werden die Ein-
dickeigenschaften des Belebtschlammes (Schlammvolumenindex SVI), die Kon-
zentration des Belebtschlammes im Belebungsbecken (TS88 ), das Rücklaufver-
hältnis RV =QRllddautschJamm I Oz.~aurzurAnlas• und hydraulische Störungen im Einlaufbe-
reich berücksichtigt. Die Oberfläche von horizontal durchströmten Nachklärbek-
ken wird deutlich grösser als bei vertikal (von unten nach oben) durchströmten
Becken. Richtwerte für die ungefähre Dimensionierung von Nachklärbecken sind
in Tabelle 20.8 zusammengestellt. Das Rücklaufverhältnis RV bei Trockenwetter
wird meist zu ca. 1 gewählt.
In der Schweiz wird bei Regen deutlich mehr Mischwasser über die Kläran-
lagen geleitet als in Deutschland und für die Überwachung werden v.a. bei Trok-
kenwetter Proben genommen. Daher werden in der Schweiz für die Dimensio-
nierung von Nachklärbecken eher die oberen Grenzwerte gewählt.
20.4 Belebtschlammverfahren 325
Rücklaufschlamm
TabeHe 20.8. Typische Dimensionierungswerte ftir Nachklärbecken. Berechnet mit Angaben aus
dem Arbeitsblatt A 131 (1991). Angegeben werden nur Bereiche der wichtigsten Grössen, diese
genügen nicht ftir eine detaillierte Dimensionierung. Hydraulische Grössen beziehen sich auf die
maximale Belastung bei Regenwetter
Fliessrichtung des Wassers horizontal vertikal
Hydraulische Oberflächenbelastung Q I ANKB < l.6mh· <2.0mh·
typische Werte l.O- 1.6 m h. 1 1.2- 2.0 m h. 1
Beckentiefe >3m
typische Werte 3.0-4.5 m 5-7 m
Hydraulische Aufenthaltszeit > 2 .5 h
typische Werte (VNKB I QRe ..,) 2.5- 3.5 h 2.5- 4 h
80 ... I >13·c ~
V
.... .... ....... ....
60
....... ......
u ... c
40 t-- 0 < n·c I <11·c ~
20 • > 13•c
0
0.1 0.2 0.4 0.6 0.8 1 2 4 6 8 10
Schlammbelastung Brs in kg BSB5 kg·1 TSS d·1
Abb. 20.8. Zusammenhang zwischen Wirkungsgrad, Abwassertemperatur und Schlammbela-
stung in Belebungsanlagen. Experimentelle Angaben aus Pilotversuchen von Wuhrmann 1964
mit Abwasser der Stadt Zürich. Jeder Datenpunkt ist der Mittelwert für eine längere Betriebspe-
riode. Historisch hatte diese Darstellung v .a. in der Schweiz eine grosse Bedeutung, heute wird
nicht mehr auf dieser Basis dimensioniert
im Ablauf nicht grösser als 20 g m.s sein. Als Basis für diese Dimensionierung diente
Abb. 20.8.
Wie gross ist der erforderliche Wirkungsgrad bei einer BSB5 Konzentration im Zulauf von
150 gBSB5 m.s?
Tlasa = (BSBzu- BSBab) I BSBzu = (150- 20) 1150 = 87%.
Also ist die strengere Anforderung das Einhalten einer Ablaufkonzentration von BSB5 <
20 g m-s.
Welche Schlammbelastung war damals maximal zulässig?
Nach Abb. 20.8 ergibt sich bei 10 oc und 87% Wirkungsgrad eine Schlammbelastung B,-8
·1 ·1
< 0.6 kg 8885 kQ,-8 d .
Heute würden solche Anlagen mit einem Schlammalter von 4 - 5 Tagen dimensioniert,
unabhängig vom erforderlichen Wirkungsgrad. Das ergibt ohne Phosphorelimination eine
zulässige Schlammbelastung von Brs "' 0.2 - 0.25 kg8885 kg,.5 •1 d·1 , also weniger als halb
so gross wie früher und daher mit doppeltem Volumen des Belebungsbeckens. Dies
wiederspiegelt die Tatsache, dass wir heute grössere Anforderungen an die Zuverlässig-
keit der Anlagen stellen.
Verantwortlich für die Elimination der organischen Stoffe sind aerobe he-
terotrophe Bakterien, welche in Gegenwart von Sauerstoff organische Verbin-
dungen mineralisieren oder abbauen. Ein Teil der organischen Verbindungen
dient dem Aufbau der Biomasse und dem Wachstum (ca. 60%), der Rest wird
veratmet, z.B. zu Kohlendioxid (C02) und Wasser (~0). Durch das Wachstum
328 20 Biologische Abwasserreinigung
Für den CSB gilt ein Erhaltungssatz, CSB kann nicht einfach verschwinden.
Den abgebauten CSB finden wir entweder im produzierten Schlamm wieder oder
wir müssen die entsprechende Menge Sauerstoff 0 2 in das Belebungsbecken
nachliefern, damit der CSB veratmet werden kann (Abb. 20.9). Wir können also,
wenn wir den Ausnützungskoeffizienten für CSB kennen, daraus einerseits die
Menge des anfallenden Schlammes und andererseits den erforderlichen Sauer-
stoffeintrag berechnen.
20.4 Belebtschlammverfahren 329
abgebauter
CSB Abb. 20.9. Aufteilung des abgebau-
1.00 ten CSB in den veratmeten Anteil
CSB in Biomasse (1- Yr<H = O, Verbrauch) und den
inkorporiert Ycse Anteil, der in die Biomasse inkorpo-
riert wird (YcsB)
20.4.8 Nitrifikation
Die Abwasserreinigung, die auf den Abbau der organischen Stoffe ausgelegt ist,
hat sich in vielen Situationen als ungenügend erwiesen: In diesen hochbelasteten
Anlagen werden langsam abbaubare, organische Verbindungen kaum abgebaut
(ein prominentes Beispiel ist NTA, ein Komplexbildner und Zusatzstoff zu vielen
Waschmitteln). Ammonium NH4 +, das in den Fliessgewässem einerseits einen
grossen Sauerstoffverbrauch auslöst und andererseits zum fischgiftigen Ammoni-
ak NH3 dissoziiert, wird in diesen Anlagen nicht abgebaut.
Nitrifizierende Anlagen kennen diese Probleme weniger: Sie bedingen grö-
ssere, schwachbelastete Becken; langsam abbaubare organische Verbindungen
werden darin vermehrt abgebaut und Ammonium wird zum weniger bedenklichen
Nitrat aufoxidiert.
330 20 Biologische Abwasserreinigung
4 6 8 10 12 14 16
Temperatur •c
Die Nitrifikation verläuft nach GI. (20.11) in zwei Stufen: Vorerst wird durch
Bakterien der Gruppe Nitrosomonas Ammonium NH4• zu Nitrit N02• oxidiert und
wieder ins Abwasser ausgeschieden. Ansebliessend wird durch Bakterien der
Gruppe Nitrobakter Nitrit aufgenommen und zum Endprodukt Nitrat (N03") oxi-
diert. Da sich Nitrobakter meist rascher vermehren als Nitrosomonas, erscheint
das Zwischenprodukt Nitrit meist nur in geringen Konzentrationen. Beide Grup-
pen von nitrifizierenden Bakterien (die Nitrifikanten) sind obligat aerob, d.h.,
dass sie ohne Sauerstoff nicht nitrifizieren können.
Die Nitrifikanten sind langsamwachsende Bakterien: Als autotrophe Orga-
nismen müssen sie aus mineralischen Stoffen, insbesondere Kohlendioxid C02 ,
Biomasse aufbauen, was eine grosse Syntheseleistung erfordert. In Abb. 20.10 ist
die Abhängigkeit der maximalen Wachstumsgeschwindigkeit von Nitrosomonas
von der Temperatur dargestellt: Diese nimmt pro 1 °C um 11% zu. Ihre Wachs-
tumsgeschwindigkeit ist im Vergleich zu derjenigen der heterotrophen Bakteri-
en, die die organischen Stoffe abbauen, viel geringer (Tabelle 20.1).
Insgesamt sind nach GI. (20.11) für die Nitrifikation 2 Mol 0 2 pro Mol NH4•
erforderlich oder 2 · 32 g 0 2 pro 1 · 14 g N=4.57 g 0 2 g·' N. Zusätzlich werden
20.4 Belebtschlammverfahren 331
Protonen H+ freigesetzt, was zur Folge hat, dass der pH-Wert des gereinigten
Abwassers abnimmt.
Durch die Nitrifikation wird Säure (Protonen, H+) freigesetzt (s. GI. (20.11 ))
die mit Bikarbonat HC0 3- reagiert entsprechend:
(20.12)
Kohlendioxid C02 (in der Form von H2C03 auch als Kohlensäure bekannt)
wird durch die Belüftung z.T. in die Atmosphäre ausgetragen, trotzdem sinkt
332 20 Biologische Abwasserreinigung
Abb. 20.11. Einfaches Fliessschema einer nitrifizierenden Belebungsanlage. Unten sind für ein
längsdurchströmtes Becken die Konzentrationsprofile für vier Abwasserinhaltsstoffe gezeich-
net. Deutlich sichbar sind die Konzentrationssprünge als Folge der Verdünnung (Rücklauf-
schlamm)
durch diese Reaktion der pH-Wert des Abwassers. Ist nicht genügend Bikarbonat
(Alkalinität) verfügbar, so sinkt der pH-Wert soweit ab, dass das Wachstum der
Nitrifikanten gehemmt wird. Pro 1 Mol Ammonium NH4•-N (14 g N) werden 2
Mol Bikarbonat verbraucht oder pro 7 g NH4·-N m· 3 sind 1 Mol HC0 3• m· 3 oder
5 °f Alkalinität erforderlich.
Zusammenfassung
Nitrifikation bedingt, dass die folgenden 4 Bedingungen gleichzeitig erfüllt sind:
1. Ammonium muss vorhanden sein
2. Gelöster Sauerstoff muss vorhanden sein
3. Genügend Bikarbonat muss vorhanden sein
4. Biomasse, die Nitrifikanten enthält, muss vorhanden sein.
Ergibt sich für den Betrieb ein SF8 etrieb < 1.0, so muss damit gerechnet werden,
dass keine Nitrifikation stattfinden kann.
20 10
10 5
0 0
0 12 24 12 24 12 24 12
Uhrzeit
Abb. 20.12. Ganglinie der Ammoniumkonzentration im Zulauf und im Ablauf des Belebungs-
beckens einer nitrifizierenden Belebungsanlage. Das Belebungsbecken entspricht einem voll-
durchmischten Reaktor. Deutlich sichbar sind die Durchbrüche des Ammoniums unmittelbar
=
nach dem Anstieg der Belastung. (Sicherheitsfaktor im Betrieb der Anlage SFR.m.., 2.0 nach
GI. (20.13), SFcrfordcrlim = 2.2 nach GI. (20.15))
FNH4max
SFerforderlich = ' (20.15)
FNH4,mittel
20.4.9 Denitrifikation
Mit der Nitrifikation wird dem Abwasser kein Stickstoff entzogen; das häufig
kritische Ammonium NH4 + wird nur in das weniger bedenkliche Nitrat N01•
überführt. Zum Schutze der Nordsee, deren Primärproduktion teilweise durch
Stickstoff limitiert wird, haben diejenigen Staaten, die in die Nordsee entwäs-
sern, beschlossen, die eingeleitete Nitratfracht um 50% zu verringern (Basis
1990, 3. lnt. Konferenz zum Schutze der Nordsee). In der Schweiz tragen die
Abwasserreinigungsanlagen ca. 35% oder 42'000 t a·1 Stickstoff zur Belastung
der Gewässer bei. Es ist geplant, dass alle grösseren Abwasserreinigungsanla-
gen einen Teil ihrer Stickstoffbelastung mit Hilfe der mikrobiellen Denitrifikati-
on reduzieren sollen, zusätzlich soll durch betriebliche Massnahmen die Denitri-
fikation in allen Anlagen möglichst gefördert werden.
336 20 Biologische Abwasserreinigung
Die Denitrifikation verbraucht nach GI. (20.16) Säure (Protonen lt), diese
wird z.B. durch die Dissoziation von Kohlensäure freigesetzt, dabei entsteht die
Base Bikarbonat HC03·, entsprechend:
(20.17)
Pro Molekül Nitrat wird ein Proton verbraucht, dadurch steigt der pH-Wert
des Abwassers und es wird entsprechend GI. (20.17) Bikarbonat frei. Durch die
Denitrifikation kann also die Hälfte der Alkalinität (Bikarbonat), die in der Nitri-
fikation verloren gegangen ist (s. Gln.(20.11) und ((20.12)), wieder zurückge-
wonnen werden.
338 20 Biologische Abwasserreinigung
Zusammenfassung
Denitrifikation bedingt, dass die folgenden 4 Bedingungen gleichzeitig eifüllt
sind:
1. Organische, biologisch abbaubare Verbindungen müssen vorhanden sein
2. Gelöster Sauerstoff darf nicht vorhanden sein
3. Nitrat muss vorhanden sein
4. Heterotrophe Biomasse muss vorhanden sein.
Zulauf
Abb. 20.14. Schematische Darstellung eines Verfahrens mit Vordenitrifikation. Dargestellt sind
die Konzentrationsprofile entlang der Fliessrichtung ltir vier relevante Wasserinhaltsstoffe.
Deutlich sind die Verdünnungen durch die Rückläufe und die Abstufung der Konzentration des
Sauerstoffes zu sehen
Tabelle 20.9. Richtwerte für die Bemessung der Denitrifikation bei Trockenwetter und durch-
schnittlichen Verhältnissen. Die Angaben beziehen sich auf 'YD· die Masse des Nitrat-Stickstoffes,
die in einer vorgeschalteten Denitrifikation bei 10°C pro Masse zugeführten BSB5 denitrifiziert
werden kann, den Anteil Vo des vorgeschalteten Denitriftkationsbeckens am ganzen Belebungs-
becken Vss und das erforderliche Schlammalter e. (kleine Werte für grosse Anlagen > 100'000
EG, grosse Werte für Anlagen< 20'000 EG). Nach Arbeitsblatt A 131 (1991).
Da die Nitrifikation im Winter, bei einer Temperatur um 10 oc, ein sehr gro-
sses Schlammalter und damit auch ein grosses Belebungsbecken bedingt, ist es
heute üblich, im Sommer bei erhöhten Temperaturen und damit grossen Lei-
20.4 Belebtschlammverfahren 341
stungsreserven der Nitrifikation einen Teil des Beckens abzutrennen und mit
Denitrifikation zu betreiben. Noch einfacher ist eine sogenannte alternierende
Denitrifikation, hier wird zeitlich hintereinander, im gleichen Becken, eine Pha-
se belüftet (Nitrifikation) und eine Phase unbelüftet (Denitrifikation) betrieben.
Mit zunehmender Temperatur können die unbelüfteten Phasen laufend verlängert
werden. Von simultaner Denitrifikation sprechen wir, wenn im gleichen Becken
gleichzeitig beide Prozesse ablaufen. Das ist z.B. in Umlaufbecken der Fall
(Abb. 20.5), wenn unmittelbar nach der Belüftung Sauerstoff vorhanden ist, aber
nach einiger Fliessstrecke dieser wieder auf null abfällt und damit die Denitrifi-
kation einsetzen kann.
Simultanfällung
Abzug des
Schlammes
Vorfällung
Abb. 20.16. Ein einfaches biochemisches Modell für die biologische Phosphorelimination.
Dargestellt ist ein Phosphor-akkumulierendes Bakterium. Links die anaeroben Prozesse; rechts
die aeroben und anoxischen Prozesse
je nach Umweltbedingungen bis zu 15% betragen (normal sind ca. 1- 2%). Ge-
lingt es, diese Bakterien in der biologischen Reinigungsanlage zu züchten und
sie aus dem Abwasser abzutrennen, wenn sie grosse Mengen von Phosphor ge-
speichert haben, so ist damit gleichzeitig eine biologische Phosphorelimination
erreicht worden.
Die Anforderungen dieser Bakterien sind komplex, eine einfache Modell-
vorstellung ist die folgende (Abb. 20.16):
In einer anaeroben Umgebung (kein Sauerstoff) können die Phosphor-
akkumulierenden Organismen unter Verbrauch von Polyphosphat organische
Stoffe aufnehmen und als organische Speicherstoffe (Polysubstrat) innerhalb
der Zellen einlagern. Dabei wird Polyphosphat im Inneren der Zellen abge-
baut und als Phosphat ins Abwasser abgegeben. Diese Reaktion liefert die er-
forderliche Energie.
- In einem nachfolgenden aeroben (mit Sauerstoff) oder anoxischen (mit Ni-
trat, ohne Sauerstoff) Reaktor werden die organischen Speicherstoffe abge-
baut (veratmet), die daraus gewonnene Energie dient dazu, die Biomasse zu
vermehren und wieder mehr Polyphosphate aufzubauen. Durch den Aufbau
der Polyphosphate wird dem Abwasser nun Phosphat entzogen und in den
Zellen eingelagert.
- Die nun phosphorreichen Organismen können teilweise als Überschuss-
schlamm dem Abwasser entzogen werden (Phosphorelimination), grössten-
teils werden sie zurück in die anaerobe Umwelt gebracht (Rücklaufschlamm),
wo der Zyklus erneut beginnt.
Die Phosphor-akkumulierenden Organismen haben gegenüber den hetero-
trophen Organismen den Vorteil, dass sie unter anaeroben Umweltbedingungen
organische Stoffe speichern können, die ihnen ansebliessend im aeroben Reaktor
für ihr Wachsturn zur Verfügung stehen. Wir müssen daher dafür sorgen, dass
20.4 Belebtschlammverfahren 347
dieser Vorteil zum Tragen kommt. Nur so ist gewährleistet, dass diese Organis-
men sich in einem Verfahren auch effektiv ansiedeln.
Die Prozesse der biologischen Phosphorelimination werden heute noch inten-
siv erforscht, für viele Fragestellungen der Ingenieure sind sie aber genügend
bekannt. Die ersten Anlagen mit biologischer Phosphorelimination (1970- 1980)
wurden, basierend auf empirischen Grundlagen, betrieben. Die mikrobiologi-
schen Prozesse waren damals noch kaum bekannt.
Zusammenfassung
Biologische Phosphorelimination bedingt, dass die folgenden 4 Bedingungen
gleichzeitig erfüllt sind:
1. In einem anaeroben Reaktorteil müssen gelöste organische, biologisch ab-
haubare Verbindungen (mit Vorteil flüchtige Säuren, Essigsäure) angeboten
werden, dabei darf kein Nitrat (N03") und kein Sauerstoff (0 2) vorhanden
sein.
2. Es muss ein nachfolgender aerober oder anoxischer Reaktorteil mit genügen-
der Reaktionszeit angeboten werden.
3. Die Biomasse muss an das Verfahren adaptiert sein (Wochen).
4. Der phosphorreiche Schlamm soll aus einem aeroben Teilstrom als Über-
schussschlamm abgezogen werden.
Zulauf
Abb. 20.17. Fliessschema einer Anlage mit biologischer Phosphorelimination. Das Verfahren
wurde ursprünglich von einer Arbeitsgruppe an der University of Cape Town (UCT) vorge-
schlagen und heisst in der Literatur UCT Verfahren (oder modifiziertes UCT Verfahren). Unten
sind die Konzentrationsprofile einiger Stoffe aufgetragen, die für das Verfahren von Bedeutung
sind (s. Text)
cherten organischen Stoffe ab und nehmen dabei das Phosphat wieder auf,
um es als Speicherstoff innerhalb der Biomasse festzulegen.
Anlagen mit biologischer Phosphorelimination können ev. so dimensioniert
werden, die sie im Winter mit chemischer und im Sommer mit biologischer
Phosphorelimination betrieben werden können. Da mit der biologischen Phos-
phor-elimination weniger Schlamm produziert wird (es fällt kein chemischer
Schlamm an), kann das Schlammalter im Sommer erhöht werden. Das erlaubt,
einen Teil des Beckens für die zusätzliche anaerobe Reaktionsstufe abzutrennen.
Da neue Anlagen mit Leistungsreserven ausgestattet werden, kann dann in den
ersten Jahren meist ganzjährig mit biologischer Phosphor-Elimination gefahren
werden.
trägt, wird angenähert der Phosphoranfall von 15 Tagen freigesetzt. Phosphor wird nun
während Stunden mit sehr hoher Konzentration ins Gewässer geleitet, pro Stunde unge-
fähr soviel wie normalerweise während einemTag entfernt wird, da das gelöste Phosphat
mit dem Wasser verdrängt wird und nicht mit dem Schlamm ins Sediment des Nachklär-
beckens gelangt. Nach dem Wiedereinsetzen der Belüftung muss mit Stunden bis Tagen
gerechnet werden, bis das alte Gleichgewicht wieder eingestellt ist. Im ungünstigsten Fall
wird also die Vorflut mit zusätzlichen 5- 15 Zulauf-Tagesfrachten des Phosphors bela-
stet. Wenn die Anlage insgesamt z.B. zusammen mit einer Flockungsfiltration 95% des
zufliessenden Phosphors entfernt, so nimmt die restliche Jahresfracht durch dieses Er-
eignis um ca. 30- 80% zu (5- 15 cl/365 d = 1.4- 4%, Restfracht = 100%- 95% =5%,
(1.4 - 4%)/5% = 30 - 80%).
Ev. könnte hier die Belastung der Vorflut während diesem Ereignis verringert werden,
wenn das Wasser nach der Vorklärung entlastet würde, statt es durch die nicht funktio-
nierende Anlage zu leiten.
Abb. 20.18. Schematische Darstellung eines Tropfkörpers mit Vergrösserung eines bewachse-
nen Steines
20.5 Tropfkörperverfahren
Die Tropfkörperverfahren sind älter als das Belebungsverfahren - bereits im
I9. Jh. sind in England die ersten biologischen Filter oder "Trickling Filters"
gebaut worden. In Europa wurden bis ca. I960 viele Tropfkörper gebaut. Der
Trend, Abwasser von mehreren Kommunen in grossen und leistungsfähigen Ver-
bandskläranlagen zu reinigen, hat dann zunehmend dazu geführt, dass das Bele-
bungsverfahren dem Tropfkörper vorgezogen wurde. Heute kommen Tropfkörper
v.a. noch in kleinen Abwasserreinigungsanlagen zur Anwendung.
Tropfkörper sind biologische Reaktoren mit festsitzender Biomasse. Sie werden
mit Hilfe einer spezifischen Schmutzstoffbelastung pro Reaktorvolumen oder pro
Bewuchsfläche dimensioniert. Ihr Leistungsspektrum umfasst den Abbau von
organischen Stoffen, die Nitrifikation und unter besonderen Bedingungen auch
die Denitrifikation.
Im Tropfkörperverfahren wird das vorgeklärte Abwasser über eine Schüttung
von ca. faustgrossen Steinen verregnet und rinnt als Folge der Schwerkraft über
diese Steinschüttung (Abb. 20.18). Auf den Steinen siedelt sich die aktive Bio-
masse in Form eines Biofilmes an und wird aus dem vorbeirinnenden Abwasser
mit Schmutz- und Nährstoffen versorgt. In den Zwischenräumen zwischen den
Steinen kann Luft zirkulieren, die das Abwasser mit Sauerstoff versorgt. Die sich
vermehrende Biomasse wird von Zeit zu Zeit durch das vorbeirinnende Wasser
abgeschwemmt und im Nachklärbecken abgetrennt.
20.5 Tropfkörperverfahren 351
Tropfkörper
Pumpe
Rezirkulation
Schlammrückführung
Schlammabzug
B _ Q·BSB5
R- (20.22)
VTK
BR = Raumbelastung des Tropfkörpers [g BSB5 mTK-3 d"1]
Q = Durchfluss durch den Tropfkörper ohne Rezirkulation [m3 d"1]
BSB5 = Konzentration des BSB5 im Zulauf zum Tropfkörper vor der
Verdünnung durch eine allfällige Rezirkulation [g BSB5 m·3]
VTK = Volumen der Tropfkörperschüttung [mTK31
Neuere Tropfkörper werden mit Trägermaterial für die Biomasse ausgerüstet,
das aus Paketen von Kunststofffolien besteht. Diese Folien haben eine spezifi-
sche Oberfläche von a = 100- 140 - 170m2 lllr/- Ist das Abwasser nur durch
352 20 Biologische Abwasserreinigung
B _ Q-BSB5
A- (20.23)
a-VTK
ffffft Konzentration
Abb. 20.20. Konzentrationsprofile über die Tiefe eines nitrifizierenden Tropfkörpers. Deutlich
wird die örtliche Trennung der Nitrifikation vom Abbau der organischen Stoffe
stens 12m3 m·2 d. 1 betraFen (A 135, 1989). Mit dem vorhandenen Zufluss ergeben sich
800 m3 d.1 I 130m2 = 6 m m·2 d·1 • Es ist daher erforderlich, das Abwasser durch Rezirku-
lation des Ablaufs zweimal überden Tropfkörper zu leiten.
Auffallend ist, dass bei dieser Dimensionierung die Menge des Stickstoffes, die nitrifiziert
werden muss, nicht erscheint, obwohl anzunehmen ist, dass die Nitrifikationsleistung mit
zunehmendem Tropfkörpervolumen zunimmt. Ganz offensichtlich beruht diese Dimensio-
nierung ausschliesslich auf einem Erfahrungswert mit kommunalem Abwasser und darf
nicht auf Abwasser mit deutlich abweichender Zusammensetzung übertragen werden.
Das Arbeitsblatt A 135 beschränkt die Anwendung der Belastungsrichtwerte auf Fälle, in
denen im Zulauf TKN I BSB5 < 0.3 gN I g8585. 1 ist.
20.6 Tauchkörperverfahren
Rotierende Tauchkörper sind sehr ähnlich den Tropfkörpem, sie bieten Be-
wuchsflächen in einem rotierenden Apparat an, der abwechslungsweise den Bio-
film ins Abwasser eintaucht und an die Luft bringt.
Die ersten Tauchkörperverfahren bestanden aus einer Reihe von kreisförrnigen
Scheiben, auf denen die Biomasse in Form eines Biofilmes festsitzt. Die Schei-
ben werden auf einer Achse gedreht, sodass der untere Teil dieser Scheiben in
eine Wanne mit dem zu reinigenden Abwasser eintaucht und mit den Schmutz-
stoffen in Kontakt kommt. Im oberen Teil ist der Biofilm der Luft ausgesetzt und
kann Sauerstoff aufnehmen. Diese häufig in Form von Kompakt- oder Fertigan-
lagen industriell hergestellten Apparate trugen noch den Namen Scheiben-
Tropfkörper oder Tauchtropfkörper oder kurz ITK. Heute kommen an Stelle der
flachen Scheiben unterschiedliche Trägermaterialien zur Anwendung, sodass
man häufiger von Tauchkörperverfahren spricht. In Englisch werden diese Ver-
fahren als Rotating Biological Contactors oder kurz RBC bezeichnet.
In Abb. 20.21 ist ein typisches Tauchkörperverfahren dargestellt. Der Zulauf
wird über eine Vorklärung und ansebliessend in einen mehrstufigen Tauchkör-
perreaktor geleitet. Im nachgeschalteten Nachklärbecken werden die abge-
schwemmten Feststoffe durch Sedimentation abgetrennt und zusammen mit dem
Primärschlamm im Vorklärbecken eingedickt.
20.6 Tauchkörperverfahren 355
Rotierende Tauchkörper
mit Bewuchsflächen
Vorklärung
Schlammrückführung
Schlammabzug
Abb. 20.21. Typisches Abwasserreinigungsverfahren mit Tauchkörpern
B = Q·BSB 5
(20.24)
A A
TK
Im Ablauf eines Tauchkörpers befinden sich die Feststoffe, die der Schlamm-
produktion der entsprechenden Abwassermenge entsprechen. Für kommunales
Abwasser ergeben sich z.B. 120 g TSS m·3• Diese suspendierten Stoffe können in
Nachklärbecken mit einer typischen hydraulischen Aufenthaltszeit von 6w =2.5
h bei maximalem Trockenwetteranfall, einer Obereflächenbeschickung von
Q/FNKB < 1 m h·' bei einer Mindestwassertiefe von 2 m abgetrennt werden
(A 135). Einige Lieferanten bieten auch rotierende Filtertrommeln an, die z.B.
mit Nadelfilz bespannt sind und eine entsprechende Abtrennung bei viel kleine-
rem Bauvolumen erlauben (Abschn. 21.1.2, Seite 360).
Tauchkörper können wie Tropfkörper als nitrifizierende Reinigungsstufen
hinter bestehende Anlagen gebaut werden, die nicht nitrifizieren. Für die Denitri-
fikation kommen Tauchkörper nur sehr beschränkt zum Einsatz (z.B. im Ein-
staubetrieb, sodass der Bewuchs nicht mit Luft in Kontakt kommt).
Die chemische Phosphorelimination wird auf gleiche Art in die Tauchkör-
perverfahren integriert wie in die Tropfkörperverfahren (s. dazu Abschn. 20.5.1,
Seite 353).
Es gibt eine ganze Reihe von Abwasserreinigungsveifahren, die v.a. auf physi-
kalischen Prozessen beruhen, häufig ergänzt durch chemische Prozesse: man
spricht von physikalisch-chemischer Abwasserreinigung. Viele dieser Veifahren
kommen z.B. in der Industrieabwasserreinigung zur Anwendung. Hier werden
nur diejenigen Veifahren vorgestellt, die in der kommunalen Abwasserreinigung
eine Rolle spielen.
21.1 Filtration
Filtration ist ein Verfahren zur Abtrennung von suspendierten Stoffen aus einem
Abwasser. In der Raumfiltration wird das Abwasser durch ein grobkörniges
Sandbett geleitet, dabei werden die suspendierten Stoffe verteilt über den Raum
dieses Sandbetts durch verschiedene Mechanismen (Siebung, Anlagerung, Sedi-
mentation etc.) zurückgehalten. In der Flächenfiltration werden die Feststoffe
hauptsächlich an der Oberfläche des Filters zurückgehalten. Als Filtermaterialien
dienen hier dünne, feinkörnige Sandschichten, Textilien und ähnliches. Typisch
für die Filtration ist, dass durch die Akkumulation von Feststoffen im Filtermate-
rial der Druckverlust des durchfliessenden Abwassers zunimmt, und dass die
Feststoffe, je nach Bauart des Filters, diskontinuierlich oder kontinuierlich aus
dem Filtermaterial rückgespült werden müssen.
In der Abwasserreinigung kommt die Filtration häufig als letzte Verfahrens-
stufe zur Anwendung. Es sollen die suspendierten Stoffe (TSS), die noch im
Ablauf z.B. eines Nachklärbeckens enthalten sind, auf geringste Restkonzentra-
tionen (< 5 g TSS m·3 ) reduziert werden. Eine weitere, häufige Anwendung ist
die Elimination der Restkonzentration von Phosphor nach z.B. einer Simultan-
fällung. Durch Zugabe von Fällungschemikalien können die restlichen gelösten
Phosphate in partikuläre Stoffe überführt und zusammen mit den partikulären
Phosphaten im Ablauf des Nachklärbeckens im Filter zurückgehalten werden.
Mit dieser zweistufigen Fällung (Beispiel 20.34) können sehr geringe Restkon-
zentrationen von totalem Phosphor erreicht werden (P,o, < 0.2 g P m· 3,
Tabelle 20.10).
21.1.1 Raumfiltration
Die Verfahren zur Filtration von Abwasser haben sich aus den Verfahren der
Trinkwasseraufbereitung heraus entwickelt und sind zu diesen konstruktiv sehr
ähnlich (s. Kapitel 9.3, Seite 132). In der Abwasserreinigung müssen grössere
Konzentrationen von Schwebestoffen zurückgehalten werden. Es resultieren
daraus kürzere Laufzeiten und oft werden gröbere Filtermedien, höhere Filter-
358 21 Physikalische Reinigungsverfahren
Filtration Rückspülung
Rohwasser
Filtral Luft
Spülwasser
Rohwasser-
zulauf ---1~~!'!!"-l:ll--....;il'
Zulauf
Fmrat
Abb. 21.3. Beispiel eines Flächenfilters: Eine rotierende FiltertrommeL Die Reinigung der
Filtertücher (z.B. Nadelfilz) wird eingeschaltet, wenn der Strömungswiderstand über das Tuch
zu hoch wird
21.1.2 Flächenfiltration
In kleinen Anlagen wird gelegentlich an Stelle der Raumfiltration die einfachere
(und weniger leistungsfähige) Rächenfiltration eingesetzt. Ein Beispiel eines
solchen Rächenfilters ist in Abb. 21.3 dargestellt: Auf einer rotierenden Filter-
trommel ist ein Filtergewebe aus Nadelfilz aufgezogen, in dem sich Partikel
verfangen. Eine Rückspülvorrichtung reinigt das Gewebe, sodass der Riesswi-
derstand nicht zu gross wird. Gelegentlich werden an Stelle der Filtergewebe
Mikrosiebe eingesetzt. Das sind Apparate, ähnlich den Tuchfiltern, die allerdings
mit Metallgeweben mit Porenöffnungen im Bereich von 16- 60 Jlm ausgerüstet
sind (S.a. Kapitel 0, Seite 138).
Schlammräumung
Abb. 21.4. Flotationsverfahren mit gelöster Luft. In einem Teilstrom des gereinigten Abwassers
wird unter Druck Luft angereichert, in der Flotationszelle wird dieses Wasser entspannt, von
der Oberfläche wird das konzentrierte Flotat weggetragen
Beispiel21.3. Mineralwasserflasche
Eine geschlossene Mineralwasserflasche steht unter einem gewissen Überdruck von
Kohlendioxid C02 • Beim Öffnen der Flasche wird dieser Druck reduziert und das Mine-
ralwasser steht jetzt nur noch unter dem atmosphärischen Druck, es ist übersättigt und
aus dem gelösten C02 entstehen kleine Gasblasen bis zum Schluss das Mineralwasser
nicht mehr mit Gas übersättigt ist.
Die Gasblasen in der Mineralwasserflasche sind um ein Vielfaches grösser als im Flota-
tionsverfahren, weil C02 im Wasser um ein Vielfaches (> Faktor 30) löslicher ist als Luft
und daher die entstehenden Blasen rascher wachsen können.
sungsreaktor kann aber nur ca. 50 - 80% des Gleichgewichtes, d.h. der theore-
tisch möglichen Menge, erreicht werden.
Neben der Druckflotation kommt in der Industrie auch die Vakuumflotation
zum Einsatz. Hier wird das Wasser übersättigt, indem es unter Vakuum gesetzt
wird. Einige Verfahren benutzen auch die Elektrolyse: An Elektroden entstehen
Wasserstoff-ll:z und Sauerstoffblasen 0 2 aus der Elektrolyse von Wasser H:zO.
Heute werden Kläranlagen kaum mehr vollständig neu gebaut, sondern es beste-
hen bereits ältere Anlagen und Bauwerke, deren Durchsatz erhöht werden oder
deren Leistung ergänzt werden muss. Im Vergleich zu früher kann daher von den
Erfahrungen mit den bestehenden Anlagen profitiert und das zu behandelnde
Abwasser viel besser charakterisiert werden.
22.1 Projektbearbeitung
Die folgenden Aufgaben müssen vor Beginn der eigentlichen Projektierung einer
Anlagenerweiterung oder -emeuerung bearbeitet werden. Dabei soll insbesonde-
re das Umfeld der Kläranlage abgesteckt werden (Abb. 22.1): Abwasseranfall,
gereinigtes Abwasser, Vorflut und Klärschlamm. Diese vier Bereiche können
und sollen parallel bearbeitet werden. Sie bedingen, dass sowohl die politischen
Behörden (Planung der Siedlungsentwicklung) als auch die Aufsichtsbehörden
(Gewässerschutz) Stellung beziehen.
1. Es müssen die Wassermengen und Stofffrachten festgelegt werden, für die das
neue Verfahren ausgelegt werden soll:
Abwassermenge bei Trockenwetter und Regenwetter sowie deren Tages-
gang, je mit statistischer Verteilung.
Schmutzstofffrachten (CSB total und gelöst, BSB 5 , TSS, TKN total und
gelöst, NH4+-N, N02• und N03--N, P total und gelöst, Säurebindungsver-
mögen etc.) und Tagesganglinien je mit statistischer Verteilung.
Ev. sind saisonale und Wochenganglinien zu erarbeiten.
Eine Temperaturganglinie im Jahresverlauf, Extremwerte.
Häufig bedingt das Erarbeiten dieser Grundlagen die Auswertung von beste-
henden Messungen und meist umfangreiche zusätzliche Untersuchungen. Da-
bei ist darauf zu achten, dass historische Messungen, die für den Betrieb der
Anlage gemacht wurden, sich nur beschränkt als Basis für den Ausbau einer
Anlage eignen, die Millionen kosten wird. Messwerte, die auf Kläranlagen
routinemässig erhoben werden, sind grundsätzlich mit systematischen Feh-
lern behaftet.
2. Die Betriebserfahrungen mit der bestehenden Anlage sollen systematisch
ausgewertet werden. Daraus ergeben sich wichtig Hinweise für die Gestal-
tung des neuen Verfahrens.
3. Es sollen die EinZeitbedingungen für das gereinigte Abwasser in die Vorflut
festgelegt werden. Dazu sind je nach Vorflut ev. umfangreiche Untersuchun-
gen erforderlich. Sinnvoll sind Unterscheidungen nach Trocken- und Regen-
wetter sowie nach saisonalen Gegebenheiten (z.B. nach Abwassertemperatur
364 22 Umfeld der Abwasserreinigung
t
Ernmissionen
L" I
G::ch, ... Vorflut
''
sHuationen,
I
Planung,
etc. Klärschlamm
+ Unterbringung
Stapelung
Anforderungen
TabeHe 22.1. Spezifische Kosten von Investitionen und Betrieb von Kläranlagen. Diese Werte
sind nur als ganz grobe Richtwerte zu verstehen, die ein Bild der Grössenordnung vermitteln, aber
nie als Entscheidungsunterlagen dienen können. Insbesondere die Entsorgung des Klärschlammes
kann in grossen Anlagen grosse zusätzliche Kosten verursachen (z.B. kann Entwässerung,
Trocknung und Verbrennung die Betriebskosten um Fr. 30 E" 1 a· 1 erhöhen und die Investitionen
nehmen entsprechend zu).
Angeschlossene Einwohner 1000 10'000 100'000 E
Investitionen bei Neubau (ohne Land, Zuleitung) 2500 2000 1500 FrE·
Betriebskosten pro Einwohner 100 50 30 Fra·'
-I
Jahreskosten pro Einwohnera> 300 210 150 Fra
Kosten pro m3 Abwasser 3 2 1.5 Frm-3
Angestellte 0.5 I -2 6-8
•> Betrieb, Verzinsung und Amortisation (8% a· 1)
23 Kleinkläranlagen
Untergrundverrieselung
BodenfiHeranlage
Abb. 23.3. Schematische Darstellung von Abwasserteichen: Eine einfache Vorreinigung gefolgt
von einer Kette von drei flachen Teichen. Teiche werden häufig ins Gelände eingepasst
23.3 Abwasserteiche
Teiche können Sauerstoff durch ihre Oberfläche aufnehmen oder im Sommer
kann Sauerstoff durch Photosynthese freigesetzt werden. Dieser Sauerstoff kann
für eine einfache aerobe Abwasserreinigung genutzt werden.
In Abwasserteichen fliesst das Abwasser nach einer einfachen Vorreinigung
(z.B. ein Emscherbrunnen, s. Abschn. 19.3.3, Seite 300) verteilt über mehrere
Tage durch eine Kette von 2 - 4 Teichen, dabei werden die organischen Stoffe
abgebaut und Partikel können aussedimentieren. Abb. 23.3 zeigt schematisch
eine solche Anlage. Die Teiche sind ca. 1 - 1.5 mtief und haben eine totale
Oberfläche von bis zu 10m2 E-1• Damit ergibt sich eine hydraulische Aufent-
haltszeit bei Trockenwetter von ca. 30 d. Gelegentlich wird auch Meteorwasser
über solche Anlagen geleitet.
Abwasserteiche können auch bei höherer Belastung (2 - 3 m 2 E" 1) und mit
Belüftung betrieben werden, diese haben allerdings den Nachteil, dass sie Ener-
gie brauchen. Gelegentlich werden auch beide Arten von Teichen miteinander
kombiniert.
23.4 Pflanzenanlagen
Pflanzenanlagen werden in unterschiedlichen Varianten gebaut. Typisch wird
das Abwasser durch einen Boden geleitet, der mit Sumpfpflanzen besetzt ist. Im
Bodenkörper und auf den Wurzeln können sich Mikroorganismen ansiedeln, die
das langsam vorbeiströmende Abwasser reinigen. Gleichzeitig wirkt das Boden-
material als Filter und hält partikuläre Stoffe zurück, die ansebliessend minerali-
siert werden.
370 23 Kleinkläranlagen
60
40
20
Abb. 23.4. Erforderliche Abwas-
0 ~----------~~----------~ serreinigungstechnik in kleinen
10 100 Anlagen im Vergleich zum
Verdunnung des gereinigten Abwassers Verdünnungsverhältnis des Ab-
(Fiusswasser I Abwasser) wassers in der Vorflut
des Abwassers mit Bachwasser und den Gehalt des typischen kommunalen Ab-
wassers an organischen Stoffen BSB 5 , suspendierten Stoffen TSS und Ammoni-
um NH4•. Bei anorganischen Reinigungsverfahren muss zusätzlich die Produkti-
on von Schwefelwasserstoff ~S beachtet werden.
Der Klärschlamm ist ein Spiegel unserer Aktivitäten. Wir finden darin die
harmlosen und bedenklichen Stoffe wieder, die in der Abwasserreinigung dem
Abwasser entzogen wurden: Biomasse, Nährstoffe, Schwermetalle, naturfremde
organische Verbindungen, etc. Diese Schlämme in einen Zustand zu bringen,
sodass entweder die Inhaltsstoffe in der Landwirtschaft genutzt oder in einer
Deponie endgelagert werden können, ist die Aufgabe der Schlammbehandlung.
Dazu steht uns heute ein breites Spektrum von mechanischen, physikalischen,
biologischen und thermischen Verfahren zur Verfügung.
Abwasserreinigungsanlage
Kanalisation
System-
Abb. 24.1. Überblick über die Stoffströme in der Abwasserreinigung: Die zufliessenden Stoffe
gehen entweder in die Vorflut verloren oder sie werden in die Atmosphäre, die Landwirtschaft
oder eine Deponie verfrachtet
. . . . .
g Zink II TS g Cadmium II TS
I
2000 ~------------------------~ 20
1500 . . ~
15
1000 10
500 I -. 5
0 L __ __ ._ _ _ _. __ _~----~--~
0
1980 1982 1984 1986 1988 1990
Jahr
Zusammenfassung
Es ist nicht das Ziel der Schlammbehandlung, aus einem bedenklichen, mit
Schwermetallen belasteten Klärschlamm ein Produkt herzustellen, das wir be-
denkenlos deponieren können. Dazu kommen nur Massnahmen an der Quelle in
Frage.
Die Verfahren der Schlammbehandlung konzentrieren sich darauf, die Eigen-
schaften des Schlammes zu verändern (Geruch, Volumen, Hygiene etc.) aber
nicht, den Schadstoffgehalt der Schlämme zu reduzieren.
24.1 Ziel und Aufgabe der Schlammbehandlung 375
I Mineraldünger 73
Klärschlamm 4.1
~ Kompost 0.84
I Hofdünger 167
I Einsatz total 245
I Gesamtentzug 1n
l
0 100 200 300 400
Stickstoff in 1000 t a·1
I Mineraldünger 17
,J Klärschlamm 2.4
Kompost0.2
I Hofdünger 26.6
J Einsatz total46.2
I Gesamtentzug 27
I I I I I I
0 10 20 30 40 50 60
Phosphor in 1000 t a·1
Abb. 24.4. Stickstoff und Phosphorbilanz für die Schweizerische Landwirtschaft im Jahre 1990
nach Angaben der Eidg. Forschungsanstalt für Agrochemie. Deutlich wird der verschwindende
Anteil des Klärschlammes am totalen Einsatz und die Tatsache, dass viel mehr Nährstoffe ein-
gesetzt werden als in den Produkten entzogen wird
t _t
I Rückbelastung I l Schlarnmanfall: primär, sekundär, tertiär I
r4 ··---......__ A
X ·······--·---······-·-····--······--···-········--,
Eindickung I
I Hyglenisierung Energie I
I I Stabilisierung
_ ...
Biogas t-
Elndickung, Stapelung t--
_L r---······---·-···-·············- ~
Entwässerung _t--
I Trocknung ..i.
1
ILandwirtschaft I
I I Verbrennung
I
Deponie I
I I
...........___,.,............,..,_______............,_J
Atmosphäre ~
Systemgrenze
Abb. 24.5. Überblick über die Verfahrensstufen einer umfassenden Schlammbehandlung. Kaum
je sind alle diese Stufen auf einer Abwasserreinigungsanlage realisiert. Kreise identifizieren den
Eintrag und den Austrag von Stoffen aus dem System
24.4 Klärschlammkonzepte
Die Entsorgung des Klärschlammes ist heute aufwendig und teuer. Die Lösung
der dabei anfallenden Probleme wird daher häufig im regionalen Verbund ange-
gangen. Klärschlammkonzepte weisen z.B. in den einzelnen Kantonen der
Schweiz den Weg zu einer rationellen Nutzung und Entsorgung.
24.4 Klärschlammkonzepte 379
Tabelle 24.1. Übersicht über die Stoff- und Volumenströme in der Schlammbehandlung in kom-
munalen Kläranlagen. Die Angaben beziehen sich auf einen Einwohnergleichwert (d.h. pro Ein-
wohner)
Stoffstrom Volumenstrom TSS TSS vss TKN TP
IE"1 d·l gm
·3 gE.1 d. 1 gE.1 d. 1 gE.1 d. 1 gE.1d. 1
Rohabwasser 350 200 70 50 II 2.2
Primärschlamm 35 25 I 0.2
Sekundärschlamm 45 35 2 0.6
Tertiärschlamm 10 0 0 1.2
Frischschlamm 2.5 36'000 90 60 3 2.0
eingedickt 1.8 50'000 90 60 3 2.0
Faulschlamm (stabilisiert) 1.8 33'000 60 30 3 2.0
eingedickt 0.8 75'000 60 30 2.2 1.9
Entwässert 0.24 250'000 60 30 1.6 1:8 .
Getrocknet 0.07 950'000 60 30 1.4 1.8
Verbrannt 0.03 > 106 30 0 0.0 1.8
Die Verfahrensketten für die Behandlung von Klärschlamm sind in den letzten
Jahren immer anspruchsvoller geworden. Abb. 24.5 gibt einen Überblick über
die verschiedenen Verfahrensstufen die zur Anwendung kommen. Hier werden
diese Stufen detaillierter diskutiert.
25.1 Eindickung
Eindicker sollen dem Schlamm (Primärschlamm, Belebtschlamm oder ausge-
faulter Schlamm, etc.) Schlammwasser soweit als möglich entziehen, um das
Volumen des Schlammes zu verringern. Dabei soll das abgetrennte Schlammwas-
ser möglichst frei von Trübstoffen (TSS) sein.
Der Eindicker ist einem Absetzbecken ähnlich (Abb. 25.1). Ein langsam rotie-
rendes Krälwerk (vertikale, rechenähnliche Stäbe) erzeugt Wirbel im Schlamm,
welche die Flockung unterstützen und Möglichkeiten zur Ableitung des
Schlammwassers nach oben geben. Am Boden wird der eingedickte Schlamm
mit dem Schlammräumschild in den zentralen Sumpf geräumt. Auf der Oberflä-
che wird der Schwimmschlamm beseitigt. Das Schlammwasser wird unterhalb
der Oberfläche seitlich abgezogen.
Zulauf
Schlammwasser-
abzug
Krälwerk
Schlammabzug
Abb. 25.1. Schlammeindicker mit Krälwerk. Der Innendurchmesser reicht von 5 - 30 m, typi-
sche Tiefen sind > 3 m
Der Eindicker hätte einen Durchmesser von ca. 10 m und eine typische Tiefe von H = 3
m. Damit ergibt sich ein Volumen des Eindickars von Ve = 240 m3 • Wenn der rohe
Schlamm mit 33 k9r5 m·3 anfällt, so ergibt sich eine mittlere Aufenthaltszeit 9e von 2 Ta-
gen (O,u = 4000133 = 121 m3 d" 1, eE =VE I a.u>. Das ist typisch.
25.2 Hygienisierung
Im Klärschlamm werden pathogene Keime (Krankheitserreger), Wurmeier, etc.
aufkonzentriert. Durch die landwirtschaftliche Nutzung des Schlammes entsteht
die Gefahr, dass solche Krankheitserreger in einem Kreislauf Mensch und Vieh
gefährden. Die Hygienisierung hat die Aufgabe, diesen Kreislauf zu unterbre-
chen.
25.2 Hygienisierung 383
In der Schweiz wurde bis 1980 eine Reihe von sogenannten Nachpasteurisie-
rungsanlagen betrieben, die den bereits ausgefaulten Schlamm vor dem Aus-
bringen in die Landwirtschaft hygienisieren sollten (eine naheliegende Anord-
nung der Hygienisierungsanlage). Es hat sich gezeigt, dass diese Anordnung zu
einer Wiederverkeimung des Schlammes führen kann, d.h. dass sich die Krank-
heitskeime im Schlamm wieder vermehren können. In der thermischen Behand-
lung werden gelöste, organische Nährstoffe freigesetzt, die eine reiche Nahrung
für das Aufwachsen (die Vermehrung) solcher Keime darstellen. In der Hygieni-
sierung werden auch erwünschte, konkurrierende Keime abgetötet, die diese
gelösten Stoffe nutzen und abbauen könnten. Alle diese Anlagen mussten ausser
Betrieb genommen werden. Heute werden nur noch Vorpasteurisierungsanlagen
gebaut, die den rohen Schlamm hygienisieren und ansebliessend im Faulturm
stabilisieren. Da im Faulturm grosse Mengen von konkurrierenden, erwünschten
Mikroorganismen gezüchtet werden, die die entstehenden, gelösten organischen
Verbindungen abbauen, wird eine Wiederverkeimung weniger wahrscheinlich.
Die Tatsache, dass der Klärschlamm vor der Stabilisierung hygienisiert werden
muss, hat den Nachteil, dass aller Schlamm, unabhängig von der Art der Weiter-
behandlung, hygienisiert werden muss.
Ablauf
zum
Faulturm
L.. . . . . . . . . . . . Temperatur
Regelung
Abb. 25.2. Typisches Fliessschema eines aerob thermophilen Verfahrens für die Hygienisierung
von Klärschlamm. Der Wärmetauscher wird chargenweise betrieben, indem pro Charge ca. 20%
des Reaktorvolumens in den Wärmetauscher geleitet werden. Die Luftzufuhr wird so geregelt,
dass die Reaktortemperatur von ca. 65 •c eingehalten werden kann
dem ein entsprechender Teil (z.B. 116 des Reaktorvolumens) des behandelten
Schlammes in den Wärmetauscher geleitet wurde. Dadurch gelangen Krank-
heitskeime nicht im Kurzschluss durch die Anlage.
Aus einem Vorlagebehälter wird der zufliessende Frischschlamm mit gerin-
ger Temperatur (z.B. 10-20 oq vorerst in einem Wärmetauscher mit der
letzten Charge von behandeltem Schlamm in Kontakt gebracht, sodass die
Temperaturen ausgeglichen werden können. Der zufliessende Schlamm wird
von 15 auf 40 °C aufgewärmt, der abtliessende Schlamm wird von der Re-
aktortemperatur (z.B. 65 oq auf eine geeignete Temperatur für den Zufluss
in den Faulturm (z.B. 40 oq abgekühlt.
Nach dem Temperaturausgleich wird der abgekühlte Ablauf dem Faulturm
zugeführt, und neuer heisser Reaktorinhalt in den Wärmetauscher geleitet.
Nun kann der aufgewärmte Zufluss in den Reaktor gepumpt werden und an-
schliessend mit kühlem, neuen Zufluss ersetzt werden.
- Im Reaktor wird Sauerstoff eingetragen, wobei gleichzeitig der Reaktorinhalt
intensiv umgewälzt wird. Die verbrauchte Luft bei der Reaktortemperatur
von z.B. 65 °C enthält in Form von Wasserdampf sehr viel Wärme. Damit
diese nicht unnötig verlorengeht, wird die Luft mehrmals im Kreise geführt,
bevor sie als Abluft abgeführt wird; der Sauerstoff in der zugeführten Luft
wird dabei fast vollständig ausgenutzt.
Dem Reaktor wird gerade soviel Luft (Sauerstoff) zugeführt, dass die Be-
triebstemperatur nicht über das für die Hygienisierung erforderliche Mass an-
steigt, da
- Sauerstoffverbrauch und der damit verbundene Abbau von organischen Stof-
fen bedeutet immer auch auch eine Verminderung des begehrten Biogases,
das in der nachfolgenden Faulung entsteht. Dem Reaktor wird deshalb nur
soviel Sauerstoff (Luft) zugeführt, dass die erforderliche Betriebstemperatur
für die Hygienisierung gerade erreicht wird und nicht zusätzlich unnötig or-
ganische Stoffe abgebaut werden.
25.2 Hygienisierung 385
- Nach z.B. 4 h kann der Zyklus wiederholt werden, 1/6 des Reaktorinhalts
wird ausgetauscht. Das gewährleistet eine zuverlässige und genügende Hy-
gienisierung. Die zugeführte Menge von kaltem Schlamm resultiert in einer
Abkühlung von < 5 °C, die erforderliche biogene Aufheizung ist in kurzer
Zeit möglich.
Die Aufenthaltszeit im aerob-thermophilen Reaktor beträgt ca. 24 h, während
dieser Zeit wird nur ein geringer Teil (ca. 20%) der zugeführten organischen
Stoffe abgebaut (s.a. Beispiel 25.2), der Klärschlamm ist daher noch nicht fertig
stabilisiert.
Der Ablauf von aerob thermophilen Hygienisierungsreaktoren wird im All-
gemeinen auf eine Temperatur zurückgekühlt, die nur wenig über derjenigen des
nachfolgenden Faulturmes liegt. Dadurch wird dem Faulturm die erforderliche
Wärme zugeführt, die z.B. durch Abstrahlung verloren geht. In anaeroben Pro-
zessen wird der grösste Teil der chemischen Energie der abgebauten organischen
Stoffe in Form von Biogas abgeführt. Es wird darum durch die biologischen
Prozesse kaum nutzbare Wärme frei.
Reaktoren für die aerob thermophile Hygienisierung werden von Lieferanten
als Apparate verkauft und nicht als Prototyp von den Ingenieuren entworfen, wie
das in der Abwasserreinigung der Fall ist.
In wenigen Fällen wird die aerob-thermophile Behandlung soweit geführt,
dass der produzierte Schlamm stabil ist und direkt in die Landwirtschaft ausge-
tragen werden kann. Das bedingt lange Aufenthaltszeiten (z.B. 10- 20 d), mehr
Sauerstoff und geeignete Möglichkeiten zur Stapelung des Schlammes. Bei die-
ser Lösung werden die Reaktoren einfacher gestaltet, weil weniger Sauerstoff
pro Volumen und Zeit in den Reaktor eingetragen werden muss. Man spricht von
aerob-thermophiler Schlammstabilisierung.
Entsprechend der Abnahme der organischen Stoffe vermindert sich auch die Gasproduk-
tion einer allfällig nachfolgenden Schlammfaulung.
386 25 Verfahren der Schlammbehandlung
Reaktor 1: Reaktor 2:
wirdgefüllt wird entleert
Zum
Faulturm
4Q•C
Frischschlamm
1o•c
Abb. 25.3. Fliessschema für ein typisches thermisches Hygienisierungsverfahren. Die zwei
Reaktoren erlauben, die Wärme im Wärmetauscher zurückzugewinnen. Typisch sind Aufent-
haltszeiten pro Charge von 30 min bei 70 •c. Die erforderliche Prozesswärme wird von aussen
zugeführt, z.B. in Form von Dampf, der mit Biogas produziert wird.
Hygienisierung Nachfaulraum
oder Faulraum Eindicker
Wärmetauscher Stapel
Abb. 25.4. Typisches Verfahrensschema einer mesophilen Schlarrunfaulanlage
wärme des Gasmotors die erforderliche Prozesswärme für die Aufheizung des
frischen Schlammes liefert.
- Der ausgefaulte Schlamm wird dann in einen Nachfaulraum verdrängt. Durch
Verringerung der Temperatur werden die biologischen Prozesse gestoppt; da-
durch wird die Turbulenz als Folge von aufsteigenden Gasblasen verringert.
Durch Schwerkraft wird der ausgefaulte Schlamm eingedickt und das über-
stehende Faulwasser in die Kläranlage zurückgeleitet Das aufkonzentrierte
Sediment wird bis zur Nutzung oder weiteren Behandlung im Nachfaulraum
gestapelt.
Die Schlammfaulung hat den Vorteil, dass sie mit geringem Einsatz von
Fremdenergie auskommt und, nachdem sie einmal eingefahren ist, häufig zu-
verlässig und stabil betrieben werden kann.
Die Faulung hat zur Folge, dass der organische Anteil des rohen Schlammes
(dessen Glühverlust, GV oder VSS) um ca. 50% reduziert wird, dabei entsteht
Biogas, und der organisch gebundene Stickstoff aus dem Frischschlamm wird als
Ammonium NH; freigesetzt (C 5 H7N02 steht für organische Stoffe):
(25.2)
Gleichzeitig wird im Nachfaulraum durch die Eindickung die Trockensub-
stanzkonzentration auf 6- 7.5% TS angehoben, was in einer signifikanten Volu-
menreduktion resultiert. Eine typische Zusammensetzung von Faulschlamm, wie
er aus dem Nacheindicker abgezogen wird, ist in Tabelle 4.2, Seite 66, beschrie-
ben. Richtwerte für die Dimensionierung von Faultürmen gibt Tabelle 25.2.
In Abb. 25 .5 ist die Gasentwicklung in Funktion der Faulraumtemperatur
dargestellt. Es wird deutlich, dass der Grad der Stabilisierung (der Abbau der
organischen Stoffe, der proportional zur Gasproduktion ist) mit zunehmender
Temperatur immer besser wird. Es ist heute üblich, die Faulung mit 33 - 37 oc
zu betreiben.
Biogas enthält Schwefelwasserstoff H2S das in den Gasmotoren zu Schwefel-
säure H 2S04 verbrennt und die Gasmotoren beschädigt. Wenn die Abwasser-
25.3 Biologische Schlammstabilisierung 389
Gasproduktion
r-:::q=;:::======tao·c
in m3 kg·1 org. Feststoffe im Zulauf
0.5
0.4
2s•c
~------12o•c
0.1
0.0
0 20 40 60 80 100
FaulzeH in Tagen
Abb. 25.5. Gasentwicklung in Abhängigkeit der Faulzeit und der Temperatur im Faulturm. Die
Gasproduktion in m 3r... I kg."._ F""""""• bezieht sich auf die organischen Stoffe, gemessen als
Glühverlust, die dem Faulturm zugeführt werden (lmhoff 1993 adaptiert nach Fair and Moore
1937)
TabeHe 25.2. Dimensionierungsrichtwerte für die mesophile Faulung von Klärschlamm auf kom-
munalen Anlagen
Die häufige Lösung, dass ein zweiter Faulturm (der Nachfaulraum, Stapel) das gleiche
Volumen hat wie der Faulraum selbst, genügt im Normalfall nicht für die Stapelung!
25.3.2 Langzeitbelüftung
Wird ein Belebtschlammverfahren ohne Vorklärung und mit grossem Schlamm-
alter (9x > 20 - 25 d, s. Tabelle 20.6) betrieben, so fällt auf dieser Anlage nur der
Überschussschlamm aus diesem Verfahren an. Es entsteht insbesondere kein
Primärschlamm. Die biologische Aktivität dieses Schlammes (der Sauerstoffver-
brauch) ist sehr gering, weil alle schnellabbaubaren organischen Stoffe bereits
abgebaut wurden. Der Schlamm ist also bereits stabil.
In kleinen Anlagen (< 5'000 E) kommt dieses Verfahren zur Anwendung,
weil es im Betrieb sehr einfach ist (es gibt nur eine Verfahrensstufe) und es eine
gute Reinigungsleistung erbringt. Diese Anlagen werden mit einem hohen
Schlammalter betrieben und haben entsprechend ein grosses Belebungsbecken.
Sie nitrifizieren und können wegen des grossen Volumens häufig auch mit De-
nitrifikation betrieben werden. Die grosse Aufenthaltszeit hat dem Verfahren den
Namen Langzeitbelüftung gegeben.
Der anfallende Klärschlamm kann z.B. in eine grössere Nachbaranlage ge-
bracht werden, wo er weiter aufbereitet wird. Im Sommer kann der Schlamm
lokal eingedickt und direkt an die Landwirtschaft abgegeben werden, allerdings
ohne Hygienisierung.
Beispiel25.10. Langzeitbelüftung
Wie gross wird das Belebungsbecken einer Langzeitbelüftung ohne Vorklärung für eine
Gemeinde mit 1000 Einwohnern? Es soll keine Phosphorelimination betrieben werden.
Mittlerer Zufluss Q =300m3 d'1
BSB5 im Rohabwasser = 220 g m·3
ln Tabelle 20.6 wird im Belebungsverfahren mit Schlammstabilisierung das Schlammalter
ex mit 25 Tagen angegeben. (Das Arbeitsblatt A 131 gilt allerdings nur für Anlagen für
mehr als 5000 Einwohner.) Die spezifische Schlammproduktion ÜS8 beträgt ca. 1.0
kgr5 kg- 18585 • Nach Tabelle 20.7 ist eine typische zulässige Belebtschlammkonzentration
TS88 z.B. 4.5 kgr5 m·3 .
Das erforderliche Volumen des Belebungsbeckens V88 wird damit zu:
Vee = ex. Q. BSBs- ÜSB I TSBB =367m3
Die mittlere Aufenthaltszeit des Abwassers, eh= V8 ef0 = 1.2 d, wird sehr gross, daher
der Name des Verfahrens.
Da der Schlamm in den Becken des Verfahrens nur für kurze Zeit gestapelt werden kann,
ist zusätzlich ein Schlammstapel erforderlich, der z.B. als Eindicker gestaltet wird oder es
könnten z.B. Trockenbeete (s. Abschn. 0) gebaut werden, in denen der Schlamm ent-
wässert wird.
die Sauerstoffzehrung recht gross werden. Der rohe Schlamm (Primär- und Se-
kundärschlamm) wird daher nur mit ca. 2.5 - 3.5% TS (25 - 35 kg TSS m·3) in
den Reaktor eingeführt.
Da in diesem einfachen Verfahren die eingetragene Luft direkt in die Atmo-
sphäre verloren geht, kann die Abwärme der biologischen Prozesse (s. aerob
thermophile Schlamrnhygienisierung, Abschn. 25.2.1) nicht für die Aufwärmung
des Schlammes genutzt werden. Die resultierende geringe Prozesstemperatur
liegt im mesophilen Bereich, 15- 25 °C.
25.4 Stapelung
Klärschlamm soll (darf) nur während der Vegetationsperiode in die Land-
wirtschaft ausgebracht werden, d.h. wenn die Nährstoffe durch das Pflanzen-
wachstum genutzt werden können. Das bedingt, dass der anfallende Schlamm im
Winter gelagert werden muss.
Die Gefahr, dass nicht genutzte Nährstoffe aus dem Boden ins Grundwasser
oder bei gefrorenem Boden in die nahen Gewässer ausgeschwemmt werden, ist
gross. Eine Lagerdauer von 3 - 4 Monaten, je nach Höhenlage der Anlage, ist
erforderlich, um die Wintermonate zu überbrücken. Die entsprechenden Stapel-
volumen werden v.a. bei flüssiger Schlammstapelung sehr beträchtlich und über-
steigen die Volumen der Schlammfaulung um ein Mehrfaches (s. dazu
Beispiel25.7 und Beispiel25.13). Konsequente Eindickung und ev. mobile Ent-
wässerungsanlagen können mithelfen, die entsprechenden Stapelvolumen zu
vermindern.
394 25 Verfahren der Schlammbehandlung
25.5 Entwässerung
Ziel der Schlammentwässerung ist die Verminderung des Volumens des anfallen-
den Schlammes durch Verminderung des Wasseranteils. Dieser Prozess wird in
Apparaten durchgeführt und wird durch die Zugabe von Flockungshilfsmitteln
unterstützt.
Durch mechanische Entwässerungsverfahren kann ein Schlamm mit 18-40%
TS und entsprechend 82-60% Wasser erhalten werden. Dabei entsteht ein
Schlammkuchen, der anfänglich meist pastös bis stichfest ist, der aber schon
bald wieder Flüssigkeit abgibt, verklebt und in dieser Form nicht gelagert wer-
den kann.
Schlammentwässerung ist also meist nur ein Zwischenschritt, der zu weiter-
gehenden Massnahmen führt: Trocknung, Verbrennung oder (mechanische) Sta-
bilisierung mit Kalk als Notlösung (Zugabe von gelöschtem Kalk, Ca(OH)2 , der
sich zu CaC03 verfestigt). Ev. kann entwässerter Schlamm direkt mit Miststreu-
ern in die Landwirtschaft ausgebracht werden.
25.5.1 Konditionierung
Die Schlammkonditionierung bereitet den Schlamm mit Hilfe von Chemikalien
auf die Entwässerung vor: Gut konditionierter Schlamm gibt das Wasser leichter
ab.
Im ausgefaulten Klärschlamm ist das Wasser (meist mit >96% Volumenanteil)
mit den Feststoffen so verbunden, dass die Abtrennung kaum möglich ist. Es
werden daher organische Flockungshilfsmittel (meist Polyelektrolyten, langketti-
ge Moleküle) zugegeben, die zur Flockung der Feststoffe beitragen und die Ab-
trennung des Wassers erleichtern. Die Wahl und die Dosierung von Flockungs-
hilfsmitteln basiert meist auf Versuchen und Optimierungen, die anlagenspezi-
fisch sind. Typische Dosierungen von Flockungshilfsmitteln sind im Bereich von
4- 10 g kg-1 TS. Bei einem Preis von 5- 10 Fr kg-1 machen diese Chemikalien
einen grossen Teil der Kosten der Schlammbehandlung aus.
25.5.2 Dekanter
Dekanterzentrifugen sind Maschinen, die die Zentrifugalkraft für die Entwässe-
rung von Klärschlamm nutzen.
Zentrifugen werden heute v.a. in Form von Dekantern zur Entwässerung von
Faulschlamm eingesetzt (Abb. 25.6). Die Feststoffe sedimentieren unter der
Einwirkung der Zentrifugalkraft an der Aussenwand aus und werden mit einer
langsamlaufenden Schnecke ausgetragen. Die Flüssigkeit akkumuliert gegen das
Zentrum des Dekanters und kann über ein Wehr dekantiert werden. Dekanter
25.5 Entwässerung 395
Feststoffaustrag Zentratablauf
25.5.3 Filterpressen
In Filterpressen wird der Schlamm durch Druck über Filtertücher entwässert.
Filterpressen (Abb. 25.7) werden chargenweise betrieben. Der konditionierte
Schlamm wird in die Filterkammern der Presse unter Druck eingepumpt. Über
die grossen, mit Filtertüchern bespannten Filterflächen entweicht das Filtrat.
Gegen Ende eines Filterzyklus wird das Wasser noch weiter ausgepresst, indem
die Filterpresse (z.B. mit hydraulischen Pressen) langsam geschlossen wird. Zum
Schluss wird die Presse geöffnet und der entwässerte Kuchen fällt heraus.
Mit Filterpressen kann bei geeigneter Konditionierung und genügender Fil-
terzeit ein hoher Feststoffgehalt von > 30% TS erreicht werden. Filterpressen
sind grosse Apparate und kommen v.a. in grossenAnlagen zur Anwendung.
25.5.4 Bandfilterpressen
Bandfilterpressen (Abb. 25.8) sind eine kontinuierliche Variante der oben disku-
tierten Filterpressen. Der konditionierte Schlamm wird vorerst in einer dünnen
Schicht auf die Filterfläche aufgebracht und mit Schwerkraft oder Unterdruck
entwässert. Ansebliessend wird der Filterdruck erhöht und in Umlenkrollen wird
der Schlamm "geknetet" um die Entwässerung zu unterstützen. Bandfilterpressen
sind kleine Apparate und können entsprechend auch in kleineren Kläranlagen
zum Einsatz gelangen. Die erreichten Feststoffkonzentrationen sind geringer als
diejenigen von Filterpressen.
396 25 Verfahren der Schlammbehandlung
Presskolben
FiHerplatte
Finertuch mtt
Drainage-Membran
als Untertage
Abb. 25.7. Schemaskizze einer Filterpresse: Oben Filterpresse mit einer Serie von Filterplatten.
Unten: Funktionsschema während des Füllens der Filterkammern. Nach dem Füllen wird ge-
presst (Hydraulischer Zylinder) und ansebliessend werden die Filterkammern geöffnet, sodass
die Filterkuchen herausfallen können
Faulschlamm flüssig
z.B. 20 cm
für Drainage
25.5.5 Trockenbeete
Trockenbeete nutzen die natürliche Drainage und Trocknung an der Luft. Sie
eignen sich v.a. in kleinen Anlagen.
In Schlammtrockenbeeten wird stabilisierter Schlamm auf einer Filterschicht aus
Sand ausgebracht, die unten drainiert ist. Der Schlamm gibt grosse Teile seines
Wassergehalts in die Drainage ab und trocknet nachher an der Luft aus. Ein Bei-
spiel eines Schlammtrockenbeets ist in Abb. 25.9 dargestellt. Der getrocknete
Schlamm wird zusammen mit einer dünnen Sandschicht ausgetragen und kann
landwirtschaftlich genutzt werden.
Trockenbeete eignen sich auf kleinen und einfachen Kläranlagen, wo sie
meist "von Hand" betrieben werden und dort das Problem der Volumenverringe-
rung des Klärschlammes auf effiziente Art lösen. Mit Trockenbeeten ergibt sich
auch die Möglichkeit der Stapelung von Schlamm vom Winter in die Vegetati-
onsperiode.
Nach Irnhoff (1990) kann in grösseren Anlagen der folgende Flächenbedarf
angenommen werden:
Nur mechanische Reinigung: 13 Einwohner m·2
- Anlage mit Tropfkörper: 6 Einwohner m-2
Belebungsanlage: 4 Einwohner m-2
In kleinen Anlagen sollte noch ein Zuschlag gemacht werden.
heiss beheizt
Gegenhaken
fest
Mantelrohr
beheizt Mischbarren
Trockenschlamm bewegt
Abb. 25.10. Querschnitt durch einen Klärschlammtrockner. Grosse beheizte Oberflächen und
Einbauten, die die dauernde Erneuerung der Oberflächen erwirken, führen zu einer effizienten
Trocknung. Durch drehen der Einbauten wird der Klärschlamm gefördert
25.6 Trocknung
In der thermischen Trocknung wird der Wassergehalt von entwässertem
Schlamm durch Verdampfung weiter vermindert.
Es kommen unterschiedlichste Bauformen von Trocknem zur Anwendung, wo-
bei insbesondere die verfügbare Prozesswärme eine Rolle spielt. Ein Bei-
spiel eines Trockners ist stark vereinfacht in Abb. 25.10 dargestellt. Das Produkt,
der getrocknete Klärschlamm, enthält meist ca. 75-95% TS (d.h. < 25% Was-
ser).
Für die Beheizung kommen Dampf, heisse Abgase oder ev. Trägeröl zur
Anwendung. Bei der Brüdenkompression werden die Abgase (die Brüden) in
.Kompressoren komprimiert, dadurch wird Wasser ausgeschieden und die Ver-
dampfungswärme kann wieder genutzt werden. Diese Art der Beheizung beruht
auf der Nutzung von elektrischer Energie und kommt mit weniger, dafür hoch-
wertiger Fremdenergie aus. Die Beheizung kann sowohl direkt, als Gaseintrag,
als auch indirekt, über Oberflächen erreicht werden. Als Energiequelle kommen
die Abwärme einer nachfolgenden Schlammverbrennung oder allenfalls Biogas
und Fremdenergie in Frage.
25.7 Verbrennung 399
Verbren·
nungsraum
800 · 900' C
Zusatzbrenner
- - Schlammzufuhr
Wirbelschicht getrocknet
(Sandwirbelbett)
Düsenboden
Wirbelluft - - - Anfahrbrenner
---.:::_____r-
Abb. 25.11. Schematische Darstellung eines Wirbelschichtofens. Die Verbrennung der getrock-
neten Schlammpartikel findet in einem aufgewirbelten Sandbett statt. Die Asche wird mit den
Abgasen ausgetragen
25.7 Verbrennung
Mit der Verbrennung wird der Energieinhalt des Klärschlammes genutzt, eine
Nutzung der Nährstoffe ist nicht mehr möglich.
Heute werden zwei Arten der Verbrennung von Klärschlamm angewendet:
- Klärschlamm kann in Industrieöfen, insbesondere in Zementwerken, als Zu-
satzbrennstoff verbrannt und die Asche ins Produkt eingebunden werden. Mit
solchen Lösungen könnte in der Schweiz der Klärschlamm weitgehend ent-
sorgt werden. Probleme ergeben sich, weil der Klärschlamm die Rauchgase
belastet (z.B. entweicht ein Teil des im Klärschlamm vorhandenen Quecksil-
bers Hg). Das hat zu grossen politischen Widerständen gegen diese Lösung
geführt. Heute wird die Möglichkeit genutzt, zu Lasten des Klärschlammes
eine zusätzliche Rauchgasreinigung in den Zementwerken zu realisieren, so-
dass insgesamt die Umwelt entlastet wird.
- Klärschlamm kann allein, z.B. in Wirbelschichtöfen (Abb. 25.11) verbrannt
werden. Hier wird im Verbrennungsraum der Schlamm durch Luft in einem
Sandbett in Schwebe gehalten. Der zugeführte Klärschlamm muss soviel
Wasser enthalten, dass durch Verdampfen die Wirbelschicht auf der er-
wünschten Temperatur von 800 - 950 °C (geruchsfreie Verbrennung) gehal-
ten werden kann. Die Abwärme kann hier für die Trocknung des Klär-
schlammes genutzt werden (s. Abb. 25.12).
400 25 Verfahren der Schlammbehandlung
Klärschlamm Waschwasser
~ Kamin
Rauchgas
und Asche
Wäscher
Stinkluft
aus ARA
1Q•C
Asche zur Waschwasser
I Deponie zur Vorflut
TabeHe 25.3. Kosten der Klärschlammverbrennung im Wirbelschichtofen bei einer Leistung von
6000 t TS a· 1 , die mit 25%TS angeliefert werden (150'000- 250'000 EG) nach Obrist (1989)
Minimale Kapitalkosten 290 Fr t" TS
Zusatzbrennstoff 50 Fr t.\s
Elektrische Energie t"\
54 Fr 5
Personal t"\
40 Fr 5
Aschedeponierung 50 Fr t"\5
·I
Instandhaltung, Rest 80 Frt IS
Total
das entspricht ca. 20 Fr E.1 a·•
26 Literatur
26.3 Einführung
- ATV (1998) Geschichte der Abwasserentsorgung, Serie von Beiträgen in
Korrespondenz Abwasser anlässlich des 50. Jubiläumsjahres der Abwasser-
technischen Vereinigung
- ATV-Handbuch (1996) Betriebstechnik, Kosten und Rechtsgrundlagen der
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- Berliner Wasser-Betriebe (1993) Wasserwerk Friedrichshagen 1893- 1993,
Verlag für Bauwesen
- Illi M (1987) Von der Schissgruob zur modernen Stadtentwässerung, Verlag
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- Kummert R, Stumm W (1992) Gewässer als Ökosysteme, 3 Aufl.,
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Zitiert
- Candinas T, Chassot G, Besson J-M, Lischer P (1991) Nutz- und Schadstoffe im Klär-
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- Lebmann M ( 1994) Volkswirtschaftliche Bedeutung der Siedlungswasserwirtschaft, GWA,
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- Whippie and Horwood zitiert in Fair, Geyer and Okun, Waterand Wastewater Engineering,
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26.4 Grundlagen
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- Levenspiel 0 (1972) Chemical Reaction Engineering, 2.Edn., Wiley Interna-
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- Sigg L, Stumm W (1994) Aquatische Chemie, 3. Aufl, vdf I Teuber
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1998. American Public Health Association, 1015 Fifteenth Street, NW, Wa-
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- Zobrist J (1998) Persönliche Mitteilung.
26.5 Wasserversorgung 403
26.5 Wasserversorgung
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- DVGW, Lehr- und Handbuch Wasserversorgung, Oldenbourg
Bd.1: Wassergewinnung und Wasserwirtschaft ( 1996)
Bd.3: Maschinelle und elektrische Anlagen (1995)
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- Gebr. SulzerAG (1990) Kreiselpumpen Handbuch, 3.Aufl, Vulkanverlag
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- Boiler M (1998) Persönliche Mitteilung
- BUWAL(1989)NAQUA
- Joukowsky (1898) Die Originalarbeit stand dem Autor nicht zur Verfügung
- SVGW (1989) Richtlinien für Projektierung, Ausführung und Betrieb von Quellfassungen.
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- HagerAH (1994) Abwasserhydraulik, Springer-Verlag
- Hosang/Bischof W ( 1989) Abwassertechnik, 9.Aufl, Teuber
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- SIA (1982) Sonderbauwerke der Kanalisationstechnik II, Schweiz. Ingenieur
und Architektenverein, Dokumentation 53
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fentlichen Bauten des Kantons Zürich, Amt für Gewässerschutz und Wasserbau. Viele
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- BUWAL (1984) Wirkung von Regenbecken, Schriftenreihe Umweltschutz Nr. 29
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