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Hans Domininghaus
Die Kunststoffe
und ihre Eigenschaften
6., neu bearbeitete und erweiterte Auflage
Herausgegeben von
Peter Eyerer, Peter Elsner
und Thomas Hirth
Auf dem Einband ist ein Metallozen abgebildet. (Quelle: Klein R. Metallocenes:
The plastics turbo from the est tube, nach Future the Hoechst Magazine For the
Future IV/1995, S. 51)
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mungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils
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© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2005
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Einbandgestaltung: Struve & Partner, Heidelberg
Herstellung: Reinhold Schöberl, Würzburg
Satzherstellung und Reproduktion der Abbildungen: Fotosatz-Service Köhler GmbH, Würzburg
Gedruckt auf säurefreiem Papier 68/3020 – 5 4 3 2 1 0
Vorwort zur 6. Auflage
Als uns im Sommer 2003 der Springer Verlag die Überarbeitung der 5. Auflage
des „Domininghaus“ mit Erscheinen zur K 2004 anbot, sahen wir uns einer
schwierigen Entscheidung gegenüber.
Der fachliche, ideelle Nutzen war angesichts des hohen Bekanntheitsgrades
des publizistischen Lebenswerkes von Hans Domininghaus spontan positiv zu
beurteilen, denn dieses Buch dient bereits einigen Generationen von Ingenieu-
ren, Chemikern und Physikern, Studierenden, Anwendungstechnikern und
Fachkaufleuten als wertvolles Nachschlagwerk und geschätzte Hilfe bei der Aus-
und Weiterbildung.
Die Zeit zur Überarbeitung stellte sich hingegen als schwierigster Faktor dar.
Erst als wir die Zusage von vielen unserer Mitarbeiter zur Überarbeitung von
Teilkapiteln hatten, sagten wir dem Verlag zu. Dabei haben wir Einigkeit darü-
ber erzielt, dass wir in dem verbleibenden Jahr nur maximal die Hälfte der 5.Auf-
lage neu gestalten und überarbeiten können. Die Gesamtüberarbeitung und
Neustrukturierung wird dann in drei Jahren in die 7. Auflage einfließen, sofern
Sie, unsere Leser, unser Konzept für kaufenswert halten.
Dieses Konzept unterscheidet sich doch erheblich von der bisherigen Denk-
weise.
Für Hans Domininghaus stand der Werkstoff im Vordergrund. Unserer Mei-
nung nach dominiert in der heutigen Zeit aber mehr die Betrachtung der Werk-
stoffe aus der Sicht des Produkts, was wir auch mit dem Begriff „Polymer-
Engineering“ zum Ausdruck bringen wollen.
Dementsprechend wurde vor allem Kapitel 1 erweitert. In den überarbeiteten
Teilen des Kapitel 2 ist die Verarbeitung und die Anwendung mehr in den Vor-
dergrund gerückt.
Die 6. Auflage ist also notgedrungen, insbesondere aus Zeitgründen, eine
Mischung aus „altem und neuem Domininghaus“. Erst die 7. Auflage wird dann
durchgängig die neue Konzeption des „Eyerer, Elsner, Hirth“ darstellen.
Aus dieser Übergangssituation heraus bitten wir unsere Leser um Nachsicht
für manche Inkonsistenz und sicher auch handwerkliche Fehler.
Bitte helfen Sie mit, die 7. Auflage zur K 2007 so zu gestalten, dass wir Ihren
Wünschen und Bedarfen möglichst umfangreich gerecht werden. Schreiben Sie
uns Ihre Meinung.
VI Vorwort zur 6. Auflage
Unser besonderer Dank gilt den Autoren für die fachliche Ausarbeitung der
Kapitel sowie Katharina Wörsing, Martina Mandt, Melanie Pfitzer und Ale-
xandra Wolf für die Erstellung und Korrektur des Manuskripts. Dem Springer
Verlag, insbesondere Frau Schlegel, danken wir für die Unterstützung bei der
Umsetzung unseres Konzepts.
3 Spezialkunststoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1443
4 Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1495
4.1 Kurzzeichen für Kunststoffe, Tabellenverzeichnis . . . . . . . . . . 1496
4.2 Kunststoffkennwerte, Tabellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . 1523
5 Datenbanken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1549
6 Handelsnamenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1551
7 Kunststoffverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1563
8 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1567
Autorenverzeichnis
Vinylpolymere
Polyvinylchlorid (PVC), Polyvinylchlorid-Modifikationen, Blends aus PVC und chloriertem PE-HD (PE-HD-C),
Blends aus PVC und EVA Copolymeren bzw. EVA/VC-Pfropfcopolymeren, Blends aus PVC und Acrylpolymeren,
Copolymere aus Vinylchlorid und Vinylidenchlorid/Acrylnitril-Copolymer,Vinylchlorid/Maleinimid-Copolymere,
Vinylchlorid/Acrylimid-Copolymere
Styrolpolymere
mere (SB), Styrol/Butadien/Styrol-Blockcopolymere (SBS), Styrol/a-Methylstyrolcopolymere (S/MS), Styrol/Acryl-
nitrilcopolymere (SAN), SAN-Modifikationen, Acrylnitril/Polybutadien/Styrolpfropfpolymere (ABS), Pfropf-
(PS)
copolymere aus MMA, SB, ABS (MABS), Polymerblends aus (ABS+PC), Acrylnitril/Styrol/Acrylester, Pfropf-
copolymere (ASA), Polymerblends aus ASA und Polycarbonat (ASA+PC), Thermoplastische Styrol/Butadien-
Elastomere (SBS-TE), Nicht auf Olefinen basierende verträglich und schlagzähmachende Copolymere und Poly-
merblends
Polyacrylate
Polyacrylnitril (PAN), Acrylnitril-Copolymere mit geringer Gasdurchlässigkeit (Barrierekunststoffe), Polymethyl-
methacrylat (PMMA), Polymethacryl/Imid (PM/I)
Polyacetal (POM)
Polyacetal
Polytetrafluorethylen (PTFE), Tetrafluorethylen/Hexafluorpropylen Copolymere (FEP), Tetrafluorethylen/Ethylen-
(POM)
copolymer (E/TFE), Polytrifluorchlorethylen (PCTFE), Polyvinylfluorid (PVF), Polyvinylidenfluorid (PVDF), Ther-
moplastische Fluorelastomere
Polyamide (PA), Aliphatische Polyamide, Partiell aromatische Amide, Modifizierte Polyamide, Thermoplastische
Fluorkunststoffe
Polyamidelastomere (PA-TE), Guss-Polyamide und Polyamid RIM-Systeme, Polymermodifizierte Polyamide, Ther-
moplastische Polyester, Polycarbonat (PC), PC-Cokondensate, Bisphenol A-Copolycarbonate, Blockpolymerisation,
Entwicklungstrends bei aromatischen Polycarbonaten, Polycarbonate für laseroptische Datenspeicherung, Polycar-
bonate für Lichtwellenleiter, Erhöht wärmebeständige PC-Cokondensate (PEC), Erhöht schlagzähe PC-Cokonden-
sate, Polycarbonatblends, Polycarbonat + Styrolcopolymerblends (PC+ABS)-, (PC+ASA)- und (PC+SEBS)-Blends,
Polycarbonat + Polybutylenterephthalat-Blends (PC + PBT),Polyalkylenterephthalate,Polyethylenterephthalat (PET),
Polybutylenterephthalat (PBT), Thermoplastische Polyesterelastomere (TPE-E), Polyethylenterephthalat als Barri-
erekunststoff, Polyarylate (Polyarylester), Eigenverstärkende teilkristalline Polymere (LCP), LCP’s und Technische
Kunststoffe – ein Vergleich, (Polyarylether, Polyphenylenether (PPmod) (substituiert, modifiziert), (PPmod+Polymer)-
Thermoplastische
Polykondensate
Blends, Polyarylsulfon und -sulfid, Polysulfon (PSU), Polyarylethersulfon (PES), Polyphenylensulfid (PPS), Poly-
etherketone, Aromatische Polyaryletherketone (PEK, PEEK), Aliphatische Polyetherketone (PEK), Hoch wärmebe-
ständige duro- und thermoplastische Polykondensate und Polyaddukte, Polyimide (PI), Klassisches Polyimid (PI),
Copolyimide, Poly-oxydiazo-benzimidazol, Polybenzimidazol (PBI), Gemischt ein- und zweibindige Polymere, Poly-
bismaleinimid, Polyamidimid (PAI), Polyetherimid (PEI), Polyesterimid
Duroplastische Polyaddukte, Epoxidharze (EP), Technische Epoxidharze, Prepregs, Duroplaste als Hochleistungs-
Polyaddukte
1.1
Einteilungen
Der Name Kunststoffe stammt aus den 1940er Jahren und bedeutet Ersatzstoff
für damalig knapp werdende Naturrohstoffe für Dichtungen, Reifen, Isolier-
stoffe, Bindemittel u. v. m.
Nach dem 2. Weltkrieg spalteten sich die Polymere, das ist der wissenschaftli-
che Überbegriff griechischen Ursprungs (poly – viel, meros – das Teil, also viel-
teilig) in Kunststoffe (Thermoplaste, Duroplaste) und Elastomere (Gummi). Der
heute angeführte Grund, Natur- und Synthesegummi seien chemisch völlig an-
ders und was die Naturbasis betrifft, einmalig, ist falsch. Lignin, das Biopolymer,
das die holzbildenden Pflanzen aufbaut und deren Cellulosefasern räumlich fi-
xiert, ist mengenmäßig weit häufiger vertreten und kann sowohl thermo- also
auch duroplastisch vorliegen.
Aus diesem Grund werden gegen den landläufigen Trend in diesem Buch die
Begriffe Kunststoffe und Polymere gleichgesetzt und zwar übergeordnet.
1.1.1
Einteilung der Werkstoffe
Die Einteilung der Werkstoffe kann in Metalle und Nichtmetalle erfolgen. Einge-
rahmt wird diese Einteilung von den Verbundwerkstoffen. Die Kunststoffe fin-
den sich unter den organischen Werkstoffen, entweder bei den natürlichen
Werkstoffen wie beispielsweise Lignin (Holz) oder Latex, oder bei den syntheti-
schen Werkstoffen einschließlich deren Umwandlungen von natürlichen Aus-
gangsrohstoffen.
1.1.2
Einteilung der Kunststoffe
Kunststoffe lassen sich nach Bild 1-1 in Thermoplaste, Elastomere und Duro-
plaste einteilen. Die jeweiligen Unterteilungen erfolgen in der Praxis nach unter-
4 1 Einführung in Polymer Engineering
Bild 1-1. Einteilung der Kunststoffe [1]. TPE … thermoplastische Elastomere; UHMW PE …
höchstmolekulares Polyethylen
1.1.3
Einteilung der Verbundwerkstoffe
Verbundwerkstoffe lassen sich wie folgt definieren:
• sie bestehen aus zwei oder mehreren Komponenten (Phasen),
• die nicht ineinander löslich sind,
• mit optimal gezüchteten Eigenschaften für spezifische Anwendungen;
• sie sind makroskopisch quasihomogen.
Voraussetzungen für ein Verbundkonzept sind:
• die Eigenschaften der Phasen sind um den Faktor > 3 unterschiedlich und
• der Anteil einer Phase ist größer 10 Masse-Prozent.
1.1 Einteilungen 5
1.1.4
Hauptmerkmale von Kunststoffen (in Anlehnung an DIN 7724) [2]
Thermoplaste sind bis zur Zersetzungstemperatur nicht vernetzte Kunststoffe.
Oberhalb der Erweichung der amorphen Struktur bei amorphen Thermoplas-
ten bzw. oberhalb der Schmelztemperatur bei teilkristallinen Thermoplasten
tritt Fließen bzw. Schmelzen ein, Bild 1-2. Bei diesem thermoplastischen Zustand
kann die viskose Flüssigkeit verarbeitet werden. Durch Abkühlung wird Gestalt-
festigkeit erreicht. Das Aufschmelzen und Erstarren bzw. Kristallisieren ist be-
liebig oft wiederholbar.
6 1 Einführung in Polymer Engineering
Tabelle 1-2. Beispiel für eine Reifenrezeptur (nach Goodyear Forschungszentrum) in Masse-
prozent:
Bild 1-5. Einteilung der Elastomere nach ihrer chemischen Struktur [1] (Vertiefung siehe Ta-
belle 1-3)
Bild 1-6. Modell der Struktur eines räumlich weitmaschig, chemisch vernetzten Elastomers mit
Vernetzungsstellen
1.1 Einteilungen 11
Thermoplastische Elastomere
(z.B. Polyolefinblends TPO)
쐌 Verbessertes 쐌 Niedrigere
Rückstellvermögen Verarbeitsungskosten
쐌 Höhere Einsatztemperaturen 쐌 Höhere Produktivität,
쐌 Weichmacherfreiheit reduzierte Energiekosten
쐌 Verbesserte 쐌 Rezyklierbarkeit von
Abriebbeständigkeit Produktionsabfällen und
쐌 Erhöhte Kälteflexibilität Altteilen
쐌 Schweißbarkeit und
unproblematische Einfärbbarkeit
1.1.5
Wirtschaftliche Bedeutung der Kunststoffe
1.1.5.1
Wirtschaftsdaten zu Thermoplasten [6]
Die Bilder 1-10 bis 1-13 geben Auskunft über aktuelle Wirtschaftsdaten zu Ther-
moplasten.
Die folgenden Bilder und umfangreiche weitere Daten findet man auf der
Homepage des Plastics Europe Deutschland (http://www.vke.de unter Informa-
tionsmaterial; Downloadfiles; Aktuelle Wirtschaftsdaten und Grafiken):
• Menge der wichtigsten verarbeiteten Kunststoffe
• Produktion von Rohstahl und Kunststoffen 1950 – 2002
• Weltproduktion von Kunststoffen aufgegliedert nach Kunststoffarten 2002
(Tonnage in Prozent)
• Verbrauch von Kunststoff-Werkstoffen – Prognose 2010
• Pro-Kopf-Verbrauch von Kunststoff-Werkstoffen
• Ausgewählte Hersteller von Kunststoffen in Deutschland 2002
• Beispiel eines globalen Kunststoffherstellers
1.1 Einteilungen 15
Bild 1-11. Einsatzgebiete von Kunststoffen in Deutschland, Menge der verarbeiteten Kunststoffe
2001 [6]
16 1 Einführung in Polymer Engineering
1.1.5.2
Wirtschaftsdaten zu Duroplasten [7]
Aktuelle Wirtschaftsdaten zu Duroplasten und weitere Zahlen und Informatio-
nen finden Sie unter www.avk-tv.de.
1.1.5.3
Wirtschaftsdaten zu Elastomeren [8]
Aktuelle Wirtschaftsdaten zu Elastomeren und weitere Zahlen und Informatio-
nen finden Sie unter www.vdk.de.
1.1.5.4
Preisspanne für Kunststoffe
Tabelle 1-6 nennt für ein ausgewähltes Spektrum an Kunststoffen und Metallen
Preisspannen.
Tabelle 1-6. Preisspanne pro Kilogramm Granulat Kunststoff (Auswahl) in € für 2003 (Größen-
ordnung)
1.2
Synthese (Herstellung, Erzeugung) von Kunststoffen
1.2.1
Übersicht Polymerisation
Das Kapitel 1.2 ist für den Ingenieur-Gebrauch dieses Buches bewusst knapp ge-
halten. Es wurde weitgehend der Foliensammlung des Verbandes der Kunststoff-
erzeugenden Industrie VKE entnommen [1].
Je nach Bildungsreaktion unterscheidet man folgende Polymerisate
• synthetische Kunststoffe
– Additionspolymerisate
+ Kettenreaktion (im deutschen Sprachraum früher Polymerisation)
+ Stufenreaktion (im deutschen Sprachraum früher Polyaddition)
– Kondensationspolymerisate
• abgewandelte Naturstoffe
Jede dieser Gruppen umfasst sowohl lineare, d. h. thermoplastische als auch ver-
netzte Kunststoffe. Je nach Vernetzungsgrad können
• hochdehnfähige (Elastomere) Kunststoffe
oder
• hochsteife (Duroplaste) Kunststoffe
entstehen.
Bild 1-14 ordnet ausgewählte Beispiele den einzelnen Polymerisationsarten zu und
fügt wichtige Merkmale, die Bezug zu späteren Eigenschaften haben können, an.
1.2.2
Zuordnung von Kunststoffen zu Polymerisationsarten
Bild 1-15 ordnet verschiedene Kunststoffe den Bildungsmechanismen (Poly-
merisationsarten) und Kunststoffgruppen zu.
Diese chemische Unterscheidung verliert sich beim Verarbeiter. Für ihn ist es
ausschließlich entscheidend, ob die Polymerisation beim Rohstoffhersteller ab-
läuft, was bei nahezu allen Thermoplasten der Fall ist, oder ob die Vernetzung im
Bauteil-Werkzeug stattfindet (siehe Tabelle 1-7).
Tabelle 1-7 gibt beispielhaft Auskunft über Polymerisationsreaktionen bei
Rohstoffherstellern bzw. bei Verarbeitern des Kunststoffes zu Bauteilen.
1.2 Synthese (Herstellung, Erzeugung) von Kunststoffen 19
Tabelle 1-8 nennt Beispiele für Kunststoffe, die während der Verarbeitung im
Bauteil-Werkzeug vernetzen. In diesen Fällen ist, sofern es sich nicht um kalt-
härtende Duroplaste handelt, das Werkzeug beheizt (i. d. R. ca. 150 bis 200 °C). Im
Gegensatz dazu muss es bei der Verarbeitung (Urformen) von Thermoplasten
i. d. R. gekühlt werden.
22 1 Einführung in Polymer Engineering
1.2.3
Polymerisationen
1.2.3.1
Additionspolymerisation
Dabei gibt der Index n (Polymerisationsgrad) am Fuß der eckigen Klammer an,
wie viel monomere Bausteine jeweils zum Makromolekül vereinigt wurden.
Der Polymerisationsgrad von Kunststoffen liegt im Bereich 100 bis 1 Million.
Naturgemäß weisen die einzelnen Makromoleküle eine unterschiedliche Anzahl
Bausteine auf, sodass man nur von einem mittleren (durchschnittlichen) Poly-
merisationsgrad sprechen kann.
1.2 Synthese (Herstellung, Erzeugung) von Kunststoffen 23
Der zurzeit technisch bedeutendste Materialtyp ist das nach dem Eingangs-
verfahren mit stereospezifischen Katalysatoren nach Ziegler/Natta gewonnene
isotaktische Polypropylen. Es ist hochkristallin, weil sich die regelmäßig gebau-
ten Ketten leicht ordnen können. Infolgedessen beträgt der Erweichungspunkt
165 °C (Kristallitschmelzpunkt) gegenüber 128 °C bei ataktischem Polypropylen.
Die große Familie der Polyolefine gewährleistet heute und in Zukunft mit ei-
ner Jahresproduktion von mehr als 40 Mio. t weltweit eine unbegrenzte Verfüg-
barkeit vieler Gegenstände des täglichen Bedarfs.
Die große anwendungstechnische und damit auch wirtschaftliche Bedeutung
der Polyolefine sollte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Eigen-
schaftsbild des Ziegler-Polyethylens und des Ziegler/Natta (Z/N)-Polypropylens
die Anforderungen des Verarbeiters und des Verbrauchers trotz aller Verbesse-
rungen, die im Laufe von mehr als 40 Jahren erzielt wurden, nicht breit befrie-
digten. Ein wesentliches Merkmal bestand darin, dass die Molmassenverteilung
sehr breit und die Taktizität nicht einheitlich war, was Eigenschaftsbild und Ver-
arbeitbarkeit beeinträchtigten und die Anwendbarkeit einengten. Die Ursache
dieser Merkmale bestand darin, dass die Z/N-Katalysatoren aus Festkörpern be-
standen, an deren Oberfläche eine Vielzahl von Ketten mit verschiedener Ge-
schwindigkeit wuchs. Das Ergebnis war eine breite Molmassenverteilung.
Eine entscheidende Verbesserung der Polymereigenschaften und eine we-
sentlich vielseitigere Anwendbarkeit brachten erst die seit den 80er-Jahren be-
kannten Metallocen-Katalysatoren.
Durch Metallocen-Katalysatoren wie beispielsweise Dicyclopentadienylzir-
koniumdichlorid in Verbindung mit Methylalumoxan als Cokatalysator wurde
ein Weg zu einem steuerbaren Eigenschaftsbild gefunden, und Molmasse, Mol-
massenverteilung, Taktizität, Wärmebeständigkeit, Steifigkeit, Härte, Kälte-
schlagzähigkeit und Transparenz konnten gleichsam maßgeschneidert werden.
Zu diesen vorteilhaften physikalischen Eigenschaften kommt die Reaktivität
dieser Katalysatorkombination, d. h. mit Hilfe von einem einzigen Gramm Zir-
konium können 100 kg Ethylen zu PE polymerisiert werden. Ein Vorteil dieser
Metallocen-Katalysatoren ist die hohe Reaktionsgeschwindigkeit, die das 10- bis
100-fache der bisher benutzten Katalysatoren beträgt. Weiter und wesentlich
1.2 Synthese (Herstellung, Erzeugung) von Kunststoffen 25
muss die an sich geringe Katalysatormenge nicht mehr aus dem Polymer ent-
fernt werden (siehe auch Kap. 2.1.1.2.1.1 und Bild 2-68).
Die typische Struktur von Metallocen-Katalysatormolekülen erinnert an die
Struktur von Enzymmolekülen, denn ebenso wie diese die einheitliche Synthese
eines Biopolymermoleküls katalysieren, sind auch die Metallocene in der Lage,
Polymerisationsreaktionen mit einer bestimmten Taktizität und Kettenlänge ge-
zielt zu steuern, beispielsweise die Synthese von isotaktischem Polypropylen mit
einheitlicher Molmasse [3, 4].
Ein Meilenstein war 1993 die Insite® Technologie der Dow, die zu den Polyo-
lefin-Elastomeren Affinity® und drei Jahre später zu Engage® führte.
Ein breites Anwendungsgebiet bieten ebenfalls die mPP-Fasern und Folien.
Diese Produkte, Engage® Polyolefinelastomere und neue Typen von Nordel®
EPDM-Kautschuk, werden hinsichtlich ihrer Verarbeitbarkeit und ihrer Leis-
tungsmerkmale noch kundenspezifischer herzustellen sein als bisherige Synthe-
sekautschuke und damit den Kunden eine breite Palette hochwertiger Polyole-
fine anbieten können.
■ Copolymerisation
Bei den bisher betrachteten Polymeren handelte es sich stets um die Anei-
nanderreihung gleichartiger Monomere. Voraussetzung für die Polymerisation
war das Vorhandensein von mindestens zwei Verknüpfungsstellen.
Je tiefer die Wissenschaft in den Feinbau der Hochpolymeren eindringt, desto
zielsicherer handhabt sie die Mittel, die Eigenschaften der Homopolymeren
durch Copolymerisation mit einem oder mehreren Monomeren in gewünschter
Weise zu beeinflussen. Obwohl auch andere – vorwiegend physikalisch wirkende
– Verfahren zur Abwandlung der Stoffeigenschaften bekannt sind, z. B. Mischen,
Weichmachen,Vernetzen und Recken, wird die Copolymerisation stets dann be-
vorzugt, wenn es auf eine Veränderung der molekularen Eigenschaften des Po-
lymeren ankommt.
Dabei sind je nach Reaktionspartnern und Reaktionsbedingungen folgende
Anordnungen möglich:
Statistische
Eine Copolymerisation liegt auch dann vor, wenn lineare Polymerisate oder
Polykondensate, die noch über eine reaktionsfähige Komponente verfügen (tri-
funktionelle Monomere), mit einem polymerisationsfähigen (bifunktionellen)
Monomeren vereinigt werden. Das Ergebnis ist ein vernetzter Kunststoff, z. B.:
Ungesättigter Polyester + Styrol Æ vernetztes Polyesterharz.
deutet. Für hochgradig halogenierte Kunststoffe werden Monomere mit mehr als
einer Substitution eingesetzt (z. B. Polytetrafluorethylen).
Die radikalische Polymerisation ist eine Gleichgewichtsreaktion, bei der das
Gleichgewicht meist weit auf der Seite des Polymers liegt. Hoher Druck ver-
schiebt das Gleichgewicht noch weiter zu Gunsten des Polymers. Erhöhte Tem-
peratur beschleunigt die Radikalbildung. Druck und Temperatur haben aber
auch Einfluss auf die Molmasse (Kettenlänge), die Molmassenverteilung und
den Verzweigungsgrad. Die Polymerisation von Ethen bei 100 – 200 °C und
28 1 Einführung in Polymer Engineering
1500 bar gelang erstmalig 1933 den Chemikern E. W. Fawcett, R. O. Gibson und
M.W. Perrin. In ihrem Reaktor wurde die Polymerisation durch Spuren von Sauer-
stoff radikalisch gestartet, die aus Versehen durch Undichtigkeiten eingedrun-
gen waren. Seit 1939 wird Polyethylen so großtechnisch hergestellt (ICI-Verfah-
ren). Das Polyethylen wird als Low-Density-Polyethylen (LD-PE) bezeichnet.
Radikalisch hergestelltes Polyethylen ist nicht, wie in Bild 1-17 dargestellt, rein
linear aufgebaut. Trifft ein Kettenende mit einem einsamen Elektron auf den
inneren Teil einer anderen Kette, so kann ein H-Atom entfernt und gegen eine
Seitenkette ausgetauscht werden. Hochdruck-Polyethylen hat daher eine ver-
zweigte Molekülstruktur und damit eine niedrige Dichte von 0,915 bis 0,94 g/cm3
(siehe Tabelle 1-10).
Neben der radikalischen gibt es noch die ionische Polymerisation. Sie wird
durch Ionen (Kationen oder Anionen) ausgelöst, deren Dissoziation natur-
gemäß stark von elektrostatischen Effekten abhängt, besonders von der Solvata-
tion durch das Lösemittel. Wie die radikalische läuft auch die ionische Polyme-
risation als Kettenreaktion ab. Bei der Startreaktion lagert sich eine Lewis-Säure
oder eine Lewis-Base an ein C-Atom der Doppelbindung eines Monomers an.
Bild 1-17. Reaktionen – radikalische Polymerisation [1], / ein Strich symbolisiert eine chemi-
sche Bindung mit zwei Elektronen
1.2 Synthese (Herstellung, Erzeugung) von Kunststoffen 29
Am anderen C-Atom entsteht dabei eine Ladung. Je nach Art der Ladung, wird
zwischen anionischer und kationischer Polymerisation unterschieden. Beim
Kettenwachstum erfolgt wiederholt eine Anlagerung an eine Doppelbindung,
wobei die Ladung jeweils um zwei C-Atome „weiterspringt“. Bei der ionischen
Polymerisation gibt es keinen Kettenabbruch durch Rekombination. Dieser wird
durch Zugabe von Wasser, Alkoholen, Säuren oder Aminen erzwungen. Erfolgt
dies nicht, dann kommt die Reaktion zum Stillstand, wenn alles Monomer ver-
braucht ist, wobei die Reaktionsfähigkeit längere Zeit erhalten bleibt. Man
spricht dann von „lebenden Polymeren“. Ionische Polymerisationen können oft
bei sehr tiefen Temperaturen mit hoher Geschwindigkeit ablaufen. Ein Beispiel
ist die Polymerisation von Isobutylen mit Bortrifluorid als Katalysator. Sie wird
bei – 100 °C in flüssigem Propan durchgeführt.
1
Das Aluminium reduziert die Metallverbindung, es nimmt an der Polymerisationsreaktion
nicht teil.
30 1 Einführung in Polymer Engineering
Bild 1-19. Monomere für Stufenreaktionen (Polyaddition) [1]. Strukturen in Bild 1-19: 1 = Dihy-
droxyverbindung (Bisphenol A); 2 = Epichlorhydrin; 3 = mehrfunktionelles Isocyanat; 4 =
mehrfunktionelle Hydroxyverbindung
1.2.3.2
Kondensationspolymerisation
Historisch gesehen folgte nach der Entwicklung der ersten abgewandelten poly-
meren Naturstoffe zunächst ein durch Polykondensation hergestelltes Hochpo-
lymer. Es war das duromere Phenol-Formaldehydharz.
Ist die Polymerisation eine Additionsreaktion chemisch gleichartiger und
auch nach der Reaktion – bis auf die Aufhebung der Doppelbindung – unverän-
34 1 Einführung in Polymer Engineering
Bild 1-21. Monomere für Kondensationspolymerisationen. Strukturen auf Bild 1-21: 1 = Diol
(Ethandiol = Ethylenglykol); 2 = Dicarbonsäure (Terephthalsäure); 3 = e-Caprolactam; 4 = Di-
carbonsäure (Adipinsäure); 5 = Diamin (Hexamethylendiamin); 6 = Dihydroxyverbindung
(Bisphenol A); 7 = Dicarbonsäurechlorid (Phosgen)
36 1 Einführung in Polymer Engineering
zu einem extrem reißfesten Beutel. Beim Unfall strömt explosionsartig Gas in den
Airbag, was ihn in Sekundenbruchteilen zu einem Polster werden lässt, das Ver-
letzungen bei Verkehrsunfällen verhindert oder reduziert.
Polycarbonat besitzt für ein Polymer eine relativ große Zähigkeit (Arbeits-
aufnahmevermögen). Aus ihm lassen sich schlagzähe Gegenstände fertigen.
Darüber hinaus ist seine Transparenz außerordentlich hoch, sodass es wie Acryl-
glas für Verglasungen verwendet wird. Schließlich ist Polycarbonat sterilisierbar
und hat daher Eingang in Mehrwegsysteme für Milch und Milchprodukte ge-
funden. Bei Heißwasser-Reinigung kann jedoch Bisphenol A abgespalten wer-
den und in die Nahrung permeieren, z. B. bei Babyflaschen. Daher wird für diese
Anwendung Polyamid empfohlen.
Ein elegantes Beispiel für ein bifunktionales Monomer stellt Caprolactam dar.
Der Ring dieses cyclischen inneren Amids kann durch Katalysatoren, z. B. Was-
ser, geöffnet werden. Erst dadurch wird das Monomer für die Polykondensation
gebildet und dann zu einem Polyamid umgesetzt. Dazu ist nur ein sehr geringer
Zusatz an Wasser erforderlich. Für jedes Monomer, das in das wachsende Ma-
kromolekül eingebaut werden soll, wird zur Ringöffnung theoretisch zuerst ein
Wassermolekül verbraucht und bei der Polykondensationsreaktion wieder frei-
gesetzt. Tatsächlich schreitet die Reaktion, nachdem sie einmal eingeleitet ist,
ohne weitere Beteiligung von Wasser fort. Nylon und Perlon sind die bekann-
testen Markennamen von Polyamiden. Fasern aus diesen Kunststoffen stellen
den Rohstoff für Damenstrümpfe dar. Darüber hinaus werden hoch belastbare
Seile aus ihnen hergestellt.
den in der Praxis dadurch erreicht, dass die Monomere ohne Lösemittel zur Re-
aktion gebracht werden.
Die niedermolekularen Reaktionsprodukte von Kondensationsreaktionen
müssen ständig entfernt werden. Dadurch wird eine Verschiebung des Gleichge-
wichts in Richtung des Polykondensats erreicht. Ist Wasser zu entfernen, so wird
es abdestilliert. Dazu werden die Monomere in Anwesenheit von Katalysatoren
erhitzt. Als Produkt wird eine Polymerschmelze erhalten, die bei Polyestern und
Polyamiden zu Granulaten geformt oder, durch feine Düsen gepresst, zu Fasern
verarbeitet werden kann.
Beispiele für Polykondensate sind Polyester, Polyamide, Polycarbonate oder
Polysiloxane (Silikone).
Werden Monomere mit mehr als zwei funktionellen Gruppen beigemischt, so
entsteht Quervernetzung, was die Härte der entsprechenden Polykondensate er-
höht. Dreidimensionale Vernetzung ist auch bei den Polyesterharzen möglich,
bei denen Monomere mit Doppelbindungen wie Maleinsäure eingesetzt werden.
Der gebildete Polyester kann nachträglich mit Peroxiden vernetzt werden. Es
entsteht ein Duroplast. Neben Polykondensaten mit einheitlicher Kettenstruktur
38 1 Einführung in Polymer Engineering
1.2.4
Einflüsse der Polymerisation auf Werkstoffeigenschaften
Tabelle 1-9 stellt, getrennt für unvernetzte (Thermoplaste) und vernetzte (Elas-
tomere/Duroplaste) Kunststoffe, einige wichtige Einflussfaktoren stichwortartig
zusammen.
■ Thermoplaste
Die Molmasse beeinflusst zum einen die Schmelzviskosität, also die Verarbeit-
barkeit. Eine niedrige Molmasse bedingt eine niedrige Schmelztemperatur und
eine niedrige Schmelzeviskosität; erfordert also geringere Verarbeitungsdrücke
und damit niedrigere Werkzeugzuhaltedrücke. Die Formfüllung geschieht ten-
denziell schneller und vollständiger. Andererseits verstärkt sich die Tendenz zu
Austrieb und Nacharbeit, so dass doch wieder höhere Zuhaltekräfte gewählt
werden müssen.
Die Eigenschaften von niedermolekularen Thermoplasten sind wiederum
tendenziell eine
• geringere Festig- und Steifigkeit
• geringere Arbeitsaufnahme
• größere Kriechneigung bei Langzeitbelastung.
Ketten-Verzweigungen können diese Aussagen in die eine oder andere Richtung,
beispielsweise je nach Kristallisationsneigung, verändern.
Durch eine sehr hohe Molmasse, beispielsweise beim ultrahochmolekularen
Polyethylen, steigt die
• Verschleißfestigkeit
• Schlagzähigkeit
• Formstabilität
signifikant.
Die Molmassenverteilung hat bei breiter Verteilung (Dispersität) prinzipiell
eine ähnliche Auswirkung: Hohe niedermolekulare Anteile wirken weich ma-
chend und gleiten bei höheren Temperaturen gut aneinander ab: Gute Verar-
beitbarkeit, schlechtere Langzeiteigenschaften. Eine enge Verteilung mit hohen
langkettigen Anteilen dagegen hat eine schlechtere Verarbeitung bei besseren
mechanischen Langzeiteigenschaften zur Folge.
Der Verzweigungsgrad hat großen Einfluss auf die Kristallinität von Molekül-
strukturen und verändert die mechanischen und transportbedingten (Permea-
tion) Eigenschaften von Kunststoffen stark. Hohe Schlagzähigkeit bei großem
Verzweigungsgrad kann eine Folge sein. Dagegen sinken die Schmelztemperatur
und die Glastemperatur (Kältezähigkeit) deutlich.
Der Einfluss der Taktizität insbesondere beim Polypropylen ist in Tabelle
1-9 erwähnt. 95 Prozent isotaktisches Polypropylen durch Metallocen-Kataly-
1.2 Synthese (Herstellung, Erzeugung) von Kunststoffen 39
Thermoplaste Elastomerer/Duroplaste
쐌 Molmasse 쐌 Vernetzungsgrad
Molmassenverteilung Steifigkeit, Festigkeit,
쐌 Verzweigungsgrad chemische Beständigkeit,
쐌 Taktizität Erweichungstemperatur, …
쐌 Restmonomere 쐌 Copolymerisation
z.B.: Styrol, VC (Sequenzlänge etc.)
쐌 Rückstände, z.B.: 쐌 niedermolekulare
Emulgatoren, Löse- Bestandteile, z.B.:
und Fällmittel Isocyanate, Amine,
(bei UHMW PEa Dieselöl) Phenole, Formaldehyde
a
ultra high molecular weight polyethylene.
■ Elastomere/Duroplaste
Der Vernetzungsgrad beeinflusst wesentlich die Lage der Glastemperatur und
den Abfall der Eigenschaften im Haupterweichungsbereich. Festigkeit und Stei-
figkeit nehmen dabei mit steigendem Vernetzungsgrad zu, während die Deh-
nungsfähigkeit abnimmt.
So werden beispielsweise Scheibenbremsbeläge mit Phenolharz und elasto-
merem Binder in aufwendigen Aushärteprozessen über ca. 20 Stunden schritt-
weise bis zu Temperaturen von 250 °C vernetzt.
Die Weite der molekularen Netzwerkmaschen (Sequenzlänge) spielt bei der
Copolymerisation (Thermoplaste und Elastomere/Duroplaste) eine zentrale
Rolle und bestimmt die Eigenschaften bei der gummielastischen Deformation.
Niedermolekulare Bestandteile sind vor allem bei Langzeitanwendungen in
Innenräumen (Automobile, Wohnungen) kritisch, da sie i. d. R. emittieren.
Schwindung/Schrumpfung
In der Praxis ist meistens von Schrumpfung die Rede. Gemeint ist jedoch die
Schwindung. Unter Schwindung versteht man die Verkleinerung des Volumens
durch beispielsweise höhere Packungsdichte der Makromoleküle infolge Kris-
tallisation oder Vernetzung.
Bei der Schwindung verkleinert sich also das Volumen eines Bauteiles, die
Maßhaltigkeit verändert sich ebenfalls, die Gestalt bleibt erhalten (v ≠ const).
40 1 Einführung in Polymer Engineering
2
ungesättiger Polyester.
1.2 Synthese (Herstellung, Erzeugung) von Kunststoffen 41
1.2.5
Duroplaste (technische Harze) [2]
Die chargenweise technische Kondensation von Phenol, Kresol und Xylenol bzw.
deren Gemische mit Formaldehyd (HCHO) führt je nach dem molaren Verhält-
nis der Komponenten, den angewandten Katalysatoren und der Art der Abschei-
dung von niedermolekularen Zwischenprodukten (Entwässerung) zu einer Viel-
zahl von hochmolekularen Produkten, so genannten „technischen Harzen“.
Deren Hauptgruppen lassen sich unterscheiden in:
Anwendungen
1.2.6
Abgewandelte Naturstoffe
Naturstoffe wie Holz, Kautschuk,Wolle und Zellstoff, veredelte bzw. abgewandelte
Naturstoffe wie Celluloseester und Celluloseether sowie synthetische Werkstoffe
3
Prepreg: Abkürzung für preimpregnated = vorimprägniert.
4
SMC: sheet molding compound.
5
Durch Einwirken von heißem Wasser erfolgt ein Abbau der polymeren Einheiten in umge-
kehrter Richtung der Reaktionsgleichung; erhöhter Druck wirkt beschleunigend.
1.2 Synthese (Herstellung, Erzeugung) von Kunststoffen 43
1.2.6.1
Kunststoffe auf Cellulosebasis
Die Cellulose bildet als Gerüstsubstanz den Hauptbestandteil der pflanzlichen
Zellwände. Sie ist das am häufigsten vorkommende Kohlehydrat. Pflanzenfasern
wie Baumwolle, Jute, Flachs und Hanf sind nahezu reine Cellulose. Das Holz der
Nadel- und Laubbäume besteht zu 40 bis 50 % aus Cellulose neben Hemicellu-
lose und Lignin. Das Stroh enthält etwa 30 % Cellulose.
Die Cellulose bildet durch die wechselnde räumliche Anordnung der
Sauerstoffbrücken lange Ketten, die zu Bündeln vereinigt sind. Cellulose ist eine
farblose, in Wasser und den meisten organischen Lösemitteln unlösliche Subs-
tanz. Der „Zellstoff“ wird vorwiegend aus Holz oder Stroh gewonnen. Reine Cel-
lulose wird aus entfetteter Baumwolle hergestellt.
Die Cellulose wird zunächst in sauren oder alkalischen Verfahren zu Zellstoff
aufgeschlossen und dann zu Papier, Schießbaumwolle, Celluloid, Nitrolacken,
halbsynthetischen Fasern (Viscose-Reyon), Kupfer-Reyon, Acetat-Reyon (Zell-
wolle), Vulkanfiber, Cellophan, Alkylcellulose, Celluloseacetat und Cellulose-
Mischestern verarbeitet. Als formbare Kunststoffe interessieren die Cellulose-
ester und die Cellulose-Mischester.
Die Cellulose ist aus linearen Molekülen aufgebaut, die Kristallite bilden. Die
Kristallitbildung wird durch die starken zwischenmolekularen Kräfte der Was-
serstoffbrücken (OH-Gruppen) hervorgerufen. Diese Sekundärkräfte sind so
groß, dass die Cellulose nicht in der Wärme formbar ist.
44 1 Einführung in Polymer Engineering
Die chemische Abwandlung der Cellulose ist mit einem Abbau der Makro-
moleküle verbunden. Das dargestellte Glucose-Molekül enthält drei reaktions-
fähige OH-Gruppen (Hydroxylgruppen). Das H-Atom kann durch verschiedene
Substituenten ersetzt werden. Man unterscheidet dabei zwischen einer Vereste-
rung und einer Veretherung. Die Celluloseester werden durch Behandeln von
Cellulose mit Säuren oder Säuregemischen, die Celluloseether durch Alkalisie-
ren von hochreiner Cellulose mit Natronlauge und anschließendem Verethern
hergestellt. Veretherungsmittel für die drei wichtigsten wasserlöslichen Cellulo-
seether Na-Carboxymethylcellulose, Methylcellulose und Hydroxyethylcellulose
sind Monochloracetat oder Monochloressigsäure, Monochlormethan und Ethy-
lenoxid. Nicht wasserlösliche Celluloseether werden z. B. mit Monochlorethan
verethert. Die technologischen Eigenschaften der Cellulose-Derivate hängen
nicht nur von der Art der Substituenten, sondern auch vom Grad der Umsetzung
der OH-Gruppen ab. Optimale Eigenschaften ergeben sich nur dann, wenn ein
bestimmter – für jeden Typ jedoch verschiedener – Bruchteil der Hydroxyl-
gruppen substituiert wird.
1.2.6.2
Kunststoffe auf Proteinbasis
Von den technisch genutzten tierischen Eiweißkörpern – Milcheiweiß, Fisch-
eiweiß und Seidenfibroin – wird das Milcheiweiß (Casein) bevorzugt. Den
Grundbaustein der Eiweißstoffe (Proteine) bilden die a-Aminosäuren.
Das Casein gehört zu den konjugierten Proteinen, die außer dem Eiweißanteil
noch eine so genannte prosthetische Gruppe enthalten. Hierzu zählen z. B.
Phosphorsäure, Farbstoffe oder Kohlehydrate. Das Casein gehört zu den Phos-
phorproteinen. Die Phosphorsäure wird durch das Labferment des Kälber-
magens abgespalten. Es verbleibt das Milcheiweiß.
Die Proteine werden durch die Vernetzungsreaktion in ein Polymer umge-
wandelt. Die freie Aminogruppe reagiert bevorzugt mit dem sehr reaktionsfähi-
gen Formaldehyd HCHO. In der Wasserabspaltung liegt der Vernetzung der Pro-
teinketten der gleiche Reaktionsmechanismus zugrunde wie bei der Polykon-
densation.
1.2 Synthese (Herstellung, Erzeugung) von Kunststoffen 45
1.2.6.3
Kunststoffe auf Ligninbasis
Ausgangspunkt für eine neue thermoplastische Werkstoffgruppe aus ausschließ-
lich nachwachsenden Rohstoffen ist das Naturpolymer Lignin, welches zu etwa
30 % in jedem Baum und jeder verholzenden Pflanze durch die Photosynthese ge-
bildet wird. Lignin ist nach der Cellulose das am häufigsten vorkommende Na-
turpolymer und bildet z. B. im Baumstamm aus unten abgebildeten Monomeren
eine dreidimensional vernetzte Gerüststruktur um die Cellulosefasern.
Monomere des Lignins; v. l n. r.: p-Coumaryl Alkohol, Coniferyl Alkohol, Sinapryl Alkohol
1.2.7
Kunststofferzeugung (verfahrenstechnische Prozesse) [1]
homogen Initiator L in M PS, UP, kompakt Reines Polymerisat, Formenguss mit extrem hoher Molmasse und
in Substanz Polymer L in M PMMA, Formteilfestigkeit möglich; Schmelzverarbeitung unmöglich
= Substanz- das Monomer PA6 (Guß-PA), (Schiffschrauben u. Seilrollen aus PA 6, Panzerglas aus PMMA),
polymerisa- ist Reaktions- EP, PCYA große Uneinheitlichkeit derMolmasse. Hoher Polymerisations-
tion medium, s. schwund. Überhitzungsgefahr groß, deshalb langsam polymeni-
3. Spalte sieren!
Weitere Verarbeitungshinweise bei den angegebenen Stoffen
homogen in Monomer L in M PVAC (Lack), Lösung Besonders gute Abfuhr der Polymerisationswärme. Bei der Her-
Lösung = Initiator D oder L in M PIB, stellung von Lacken und Klebstoffen aus PVAC entsteht die Kunst-
Lösungspoly- Polymer D in M S/B, ABS, stofflösung gebrauchsfertig, teure und energieaufwändige Tren-
merisation PE-HD nung von Polymer und Lösemittel entfällt. PE-HD kann bei über
100°C z.B. in Cyclohexanlösung polymerisiert werden, fällt bei
Abkühlung aus.
1.2 Synthese (Herstellung, Erzeugung) von Kunststoffen
Fällung aus Monomer L in M PE-HD, PP Pulver Bei allen diesen Polymerisa- Wichtiges Beispiel: Nieder-
Lösung = Initiator D oder L in M PMMA, PS, tionsmethoden entsteht das druck-Polymerisation von PE-P
in Fällungs- Polymer D in M PVC, SAN, Polymer fein zerteilt heterogen. HD oder in Kohlenwasserstoff-
polymerisation Die Viskosität bleibt niedrig, (KW)-Lösemittel. Auch PMA,
PAN, PMA eine gute Wärmeabfuhr und PMMA in KW, PS in Methanol,
damit schnelle Polymerisation PAN in Wasser
Fällung aus Initiator L in M PVC, PAN aus Pulver ist möglich. Die Trennung des
Substanz Polymer D in M flüssigem Polymers vom Reaktions- PE-LD wird durch Hochdruck-
das Mono- PE-LD, medium ist auch bei hoher Polymerisation aus dem Ethylen-
mer ist Reak- PE-LD aus Molmasse problemlos. gas gefällt. -PAN ist unschmelz-
tionsmedium gasförmigem bar, wird in Dimethylformamid
s. 3. Spalte Monomer gelöst und zu Fäden versponnen.
47
Tabelle 1-11 (Fortsetzung)
48
Wasser muss mit einem deutlich höheren Verbrauch an Energie und Trenn-
technik aus dem Reaktionsgemisch entfernt werden. Durch die Umesterung des
Methanolesters mit Glykol kann das Methanol mit geringerem Aufwand abge-
trennt werden.
1.3
Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen
Wie bei allen Werkstoffen interessieren den Anwender meist die Eigenschaften
eines Werkstoffes im nutzbaren Bauteil, also nach der Konstruktion, Verarbei-
tung, Fertigung und Oberflächenbehandlung.
Neben den werkstofflichen Faktoren wie chemischer, physikalischer und
technischer Aufbau sowie die Faktoren aus der Erzeugung (bei Kunststoffen die
Synthese), verändern die Art der Verarbeitung einschließlich der Werkzeug-
technik und der Gestaltung die im Bauteil resultierenden Eigenschaften oft ganz
wesentlich und richtungsabhängig. Bild 1-63 veranschaulicht diesen Sachverhalt
und ergänzt weitere äußere, auf das Bauteil einwirkende Faktoren, die wiederum
seine Eigenschaften entscheidend beeinflussen können.
Bei den Auswahlbetrachtungen für vorwiegend mechanisch beanspruchte
Teile muss man also stets in Rechnung stellen, dass eine als Auswahlkriterium
dienende mechanische Eigenschaft, etwa die für die Bauteildimensionierung
maßgebliche Bruchfestigkeit sB, von einer Reihe wichtiger Faktoren [1] abhän-
gen kann.
So etwa von
a) der Beanspruchungsdauer, der Beanspruchungsfrequenz, der zeitlichen
Dauer von Belastungs- und Entlastungsphasen,
b) der Beanspruchungshöhe und Beanspruchungsart (Zug-, Druck-, Biege-,
Scherbeanspruchung; mehrachsige Beanspruchung),
c) der Betriebstemperatur,
d) den Umwelteinflüssen: Einwirkung der Witterung (Sonnenlicht,Wind, Regen,
Feuchtigkeit, Temperaturschwankungen); Einwirkung flüssiger, gasförmiger,
dampfförmiger Chemikalien; Einwirkung energiereicher Strahlung; Einwir-
kung von Mikroorganismen, etc.,
e) der Verarbeitung: dem thermischen oder mechanischen Abbau, etwa beim
Spritzgießen und Strangpressen; chemischen Reaktionen wie Oxidation,
HCl-Abspaltung, etc.; Orientierung der Makromoleküle beim Spritzgießen,
Strangpressen, Blasformen; Schädigung bei mechanischer Bearbeitung (Sä-
gen, Fräsen, Bohren),
f) der Morphologie: Größe, Verteilung, Anteil der kristallinen Bereiche; unter-
schiedliches spezifisches oder freies Volumen aufgrund der thermischen Vor-
geschichte der Werkstoffe; unterschiedliche Molekülorientierungen in ver-
schiedenen Bereichen des Werkstoffes bzw. Formteiles; Molmasse, Mol-
massenverteilung, chemische Einheitlichkeit,
g) der Formgebung: Kerbwirkung durch Formgebung oder Bearbeitung,
h) den dem Kunststoff-Werkstoff beigegebenen Zusätzen: Additive wie: Farb-
stoffe, Pigmente, Stabilisatoren, verstärkende Stoffe, Haftvermittler, Form-
trennmittel, Flammschutzmittel u. v. a.
Diese Überlegungen gelten grundsätzlich für alle Werkstoffe. Im Folgenden sei
jedoch auf Kunststoffe fokussiert, wobei Metalle öfter vergleichsweise mit be-
schrieben werden.
52 1 Einführung in Polymer Engineering
1.3.1
Aufbau der Kunststoffe
Der Ingenieur oder Kunststoffanwender hat meistens im Umgang mit Metallen
ein fundiertes Wissen. Daher sind vereinzelt Metalle und Kunststoffe zur Veran-
schaulichung der Unterschiede gegenüber gestellt.
Während das Gefüge bei den Metallen aus Atomen aufgebaut ist, sind es bei
Kunststoffen Moleküle.
Das Metallgitter besteht aus positiven Ionen, während die Valenzelektronen,
ähnlich einem Gas („Elektronengas“), frei darin beweglich sind. Die dadurch er-
zeugte negative Raumladung führt zu einer Kraft (Metallische Bindung), die
größer ist als die Abstoßung zwischen den Ionen. Die Bindungsenergie bei-
spielsweise zwischen Eisenatomen liegt bei 395 kJ/mol.
Im Gegensatz zur Metallischen Bindung zwischen Atomen (man spricht vom
Metallgitter oder Metallkristall) bestimmen bei Kunststoffen die Kovalente Bin-
dung (oder primäre Bindung oder Hauptvalenzbindung) und die Zwischen-
molekulare Bindung (oder sekundäre Bindung oder Nebenvalenzbindung (ver-
altet)) die Eigenschaften.
Die Kovalente Atombindung wird durch Elektronenpaarbildung erreicht, d. h.
für bestimmte Elektronen besteht die gleiche Aufenthaltswahrscheinlichkeit bei
mehreren Atomen.
Der Kohlenstoff C, auch das Silizium Si, können über gemeinsame Valenz-
elektronen Kristallgitter aufbauen. Diamant oder Quarz sind Beispiele.
Durch Absättigung zwei der vier Valenzarme von Kohlenstoff und Silizium
können aber auch Molekülketten entstehen, die das Grundgerüst der Kunststoffe
bilden. Dies kann kettenförmig (aliphatisch) oder auch ringförmig (aromatisch)
geschehen.
* Ionomere sind Polymere, bei denen nicht nur herkömmliche zwischenmolekulare Kräfte,
sondern auch Ionenbindungen wirksam sind.
Beispiele sind Copolymere aus Ethen und Acrylsäure, bei denen das Carboxylat-Anion des
Acrylsäure-Comonomeren als Anion wirkt.
1.3.1.1
Chemische Ordnungszustände
Die chemische und physikalische Struktur der Kunststoffe und daraus resultie-
rend ihre Eigenschaften kann mit den Begriffen Konstitution, Konformation
und Konfiguration beschrieben werden.
Das chemische Aufbauprinzip eines Moleküls aus den Atomen (Konstitution)
kann durch folgende Arten beschrieben werden:
1.3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen 55
Kristallitbil-
dung/Gefüge
Bild 1-25. Taktizität (Konfiguration) der CH3-Gruppen beim Polypropylen (s. a. Kap. 2.1.1.2)
PA 11
10 + 1 = 11
58 1 Einführung in Polymer Engineering
b) aliphatische Diamin-Dicarbonsäuretypen:
PA 6.6 6 und (4 + 2) = 6.6
Das ist weniger häufig der Fall als beim punktsymmetrischen PA 6.6, deshalb
zeigt PA 6 einen niedrigeren Kristallisationsgrad und geringeren E-Modul als
PA 6.6.
Als weiteres Beispiel für den Einfluss der Molekülkettenstruktur (Konfirma-
tion) auf die Kunststoff-Eigenschaften gilt das Polyamid PA 4.6. Als Polymer hat
es einen unregelmäßigeren Aufbau als beispielsweise PA 6. Diese „inhomogene-
ren“ Molekülketten ergeben einen niedrigeren Kristallisationsgrad, damit aber
eine höhere Schlagzähigkeit. Ähnlich wirkt auch die Molmasse: Je höher die
Molmasse, umso besser die Schlagzähigkeit ak.
z. B.: PA 6 normal ak = 65 kJ/m2
PA 6 höhermolekular ak = 100 kJ/m2
Den Einfluss des Aufbaus der Makromolekülkette veranschaulicht die folgende
Darstellung (Tabelle 1-16) anhand aromatischer Polyamide, Kohlenstofffasern
und Graphit.
Je mehr Ringstrukturen in die Molekülkette eingebaut werden, beim Graphit ist
es nur noch die Ringstruktur, umso höher liegt die Glasübergangstemperatur Tg.
Oder mit anderen Worten: Je unbeweglicher (sperriger) die Molekülketten werden,
umso hochtemperaturbeständiger wird der Werkstoff (siehe auch Tabelle 1-17).
zum Vergleich:
Kohlenstofffaser kaum Tg
Graphitstruktur kein Tg
Eine sehr ähnliche Struktur wie Polyamide haben die linearen Polyurethane
(TPU)
Tabelle 1-18. Beispiele für Atome oder Atomgruppen als Substituenten [1]
Aus den bisherigen Zusammenhängen lassen sich die folgenden drei Fragen be-
antworten:
a) Warum sind Polysiloxane hochtemperaturbeständig?
b) Warum liegt die Glastemperatur bei Polysiloxanen sehr tief, nämlich bei
– 100 °C?
c) Warum ist die mechanische Festigkeit der Polysiloxane gering?
Antworten:
a) Si-O Bindungsenergie ist hoch (Konstitution)
b) Si-O gut drehbar (Konformation)
c) keine Kristallisation (CH3 Gruppen) (Konfiguration)
Eine weitere Eigenart der Polysiloxanöle kann anhand des obigen Struktursche-
mas veranschaulicht werden: Auf Metallen oder auf Wasser gespreitet, ordnen
sich die Sauerstoffatome zur polaren Oberfläche hin, d. h. auf Wasser wirkt Poly-
siloxanöl entschäumend, es schafft eine unpolare organische Oberfläche und
wirkt als Trennmittel. Als Reinsubstanz wandelt sich die Si-O-Kette, sodass
alle Sauerstoffatome von den CH3-Gruppen eingehüllt sind. Dadurch hat das
Polysiloxanmolekül ebenfalls einen unpolaren Charakter.
64 1 Einführung in Polymer Engineering
Verzweigungen (Konstitutionen)
Je nach Polymerisationsverfahren entstehen bei linearen Kettenmolekülen,
beispielsweise Polyethylen, mehr oder weniger Verzweigungen (Seitenäste) un-
terschiedlicher Länge an der Hauptkette, siehe Tabelle 1-19.
Durch die Ausbildung von Verzweigungen an der Hauptkette wird der struk-
turelle Aufbau des Polyethylens verändert.Verzweigungen wirken wie Abstands-
halter zwischen den Makromolekülketten und bedingen mehr Fehlstellen im
Molekülverbund.
Der Kristallisationsgrad wird geringer, viele Eigenschaften verändern sich.
Tabelle 1-19 gibt qualitativ Auskunft über die Tendenzen der Eigenschafts-
änderungen. Beispielsweise sinkt die Schmelztemperatur mit zunehmendem
Verzweigungsgrad. Die zwischenmolekularen Bindekräfte nehmen wegen der
Abstandsvergrößerung infolge Verzweigungen ab, Fehlstellen wachsen, Ketten-
abgleitprozesse bei höherer Temperatur werden erleichtert. Die Gasdurchlässig-
keit oder die Quellneigung bei einwirkenden Flüssigkeiten steigt aus gleichen
Gründen.
Eigenschaften lassen sich somit qualitativ wenigstens in der Richtung der zu
erwartenden Änderung abschätzen, wenn diese einfachen kunststoffkundlichen
molekularen Zusammenhänge bekannt sind.
1.3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen 65
Tabelle 1-19. Auswirkung des Verzweigungsgrades auf die Eigenschaften von Polyethylen [1]
(s. a. Kap. 2.1.1.1)
Isomerie (Konfiguration)
Hierunter versteht man die unterschiedliche räumliche Anordnung der Atome
oder Atomgruppen (Substituenten R) in Molekülen von gleicher Zusammen-
setzung und gleichem Aufbau (in der Regel Kohlenstoffkette).
Man unterscheidet:
Strukturisometrie
und
Stereoisomerie (Taktizität)
Die Substituenten können räumlich unterschiedlich an der Kette angeordnet
sein. Je nach Polymerisationsablauf (gewähltes Verfahren, Wahl der Katalysato-
ren) ergeben sich Kunststoffe mit „sterischer Konfiguration“, siehe Bild 1-25.
In der Regel enthalten technische Kunststoffe ataktische, isotaktische und
syndiotaktische Anteile. Für die Eigenschaften entscheidend ist das Verhältnis
der Anteile zueinander. Beim Polypropylen beispielsweise ist der ataktische An-
teil nur 2 bis 5 %. Dies bedeutet, dass der Kristallisationsgrad beim Polypropylen
sehr hoch sein kann. Je regelmäßiger die Anordnung der Substituenten ist, umso
größer ist die Möglichkeit, kristalline Strukturen zu bilden.
Mw, Polymer
n = 98 = Zahl der Grundbausteine in einem Makromolekül
MMonomer
Die Molmasse einer Monomereinheit eines Kunststoffes errechnet sich aus der
Summe der Einzel-Atommassen, multipliziert mit dem Polymerisationsgrad n.
Bild 1-28. Einfluss der Molmasse auf Eigenschaften von Polyethylen (jeweils bei 23 °C gemessen)
(s. a. Kap. 2.1.1.1)
68 1 Einführung in Polymer Engineering
teilkristalline Thermoplaste, z. B. PE
Mit zunehmender Molmasse (wachsende Kettenlänge) nimmt die Zahl an Ket-
tenverschlaufungen („physikalische Vernetzungsstellen“) der einzelnen Makro-
moleküle zu. Die Viskosität der Schmelze steigt, die Beweglichkeit der
Makromoleküle in der Schmelze (Abgleitprozesse) sinkt. Dadurch wird einer-
seits die Spritzgussverarbeitung erschwert, andererseits verringert sich beim
Erstarren ab sehr hohen Molmassen das Kristallisationsvermögen, was wieder-
um eine abnehmende Dichte (Packungsdichte) zur Folge hat.
Entsprechend lässt sich der Verlauf des E-Moduls über der Molmasse, Bild
1-28, mit zunächst vermehrt wirksamen zwischenmolekularen Kräften infolge
zunehmender Kristallisation, und ab einer bestimmten Kettenlänge mit einem
geringeren Ordnungsgrad, erklären. Mit steigender Kettenlänge können über
die Sekundärbindungen höhere Kräfte in die Ketten eingeleitet werden, wo-
durch die Festigkeit der einzelnen Ketten besser genutzt werden kann. Das Ab-
gleiten der Ketten aneinander wird behindert. Sind die wirksamen zwi-
schenmolekularen Kräfte so groß, um den Bruch einer Primärbindung inner-
halb einer Kette herbeizuführen, kann eine größere Kettenlänge keine
Festigkeitssteigerung mehr erzeugen. Die verminderte Zunahme der Zugfestig-
keit oberhalb von Mw = 105 macht deutlich, dass trotz zunehmenden Anteils
verschlaufter langer Ketten eine Festigkeitssteigerung durch Erhöhung der Ket-
tenlänge nicht mehr möglich ist.
Die Abnahme der Reißdehnung bei PE mit steigender Molmasse in Bild 1-28
ist ebenfalls auf eine Zunahme „physikalischer Vernetzungsstellen“ zurück-
zuführen. Aufgrund der um zwei Zehnerpotenzen geringeren Reißdehnung des
PMMA wirkt sich dies dort nicht aus.
Molmassenverteilung
Synthetische Polymerisate sind polydispers, d.h. es liegt eine kontinuierliche Ver-
teilung an Molekülketten mit verschiedenen Molmassen vor.Ein bekanntes Beispiel
für ein „monodisperses Polymerisat“ ist das in der Natur vorkommende Insulin.
Der Kurvenverlauf und/oder die Definition verschiedener mittlerer Molmas-
sen, Bild 1-29, charakterisieren die Fließeigenschaften von (thermoplastischen)
Kunststoffschmelzen oder auch das Verhalten (z. B. die Langzeiteigenschaften)
der festen Kunststoffe. Beispielsweise erhöht ein hochmolekularer Anteil bei ei-
nem relativ niedrigen Polymerisationsgrad die Viskosität der Schmelze und ver-
bessert die mechanischen Eigenschaften des Fertigteils. Umgekehrt kann ein
niedermolekularer Anteil die Verarbeitbarkeit einer Schmelze erleichtern, wobei
sich dadurch die mechanischen Eigenschaften verschlechtern können.
Unpolare Kunststoffe haben meist eine relativ hohe Molmasse. Damit gleicht
man geringere zwischenmolekulare Kräfte (keine Dipolkräfte) aus (hohe Kris-
tallisationsneigung, Kettenverhakungen). Polare Kunststoffe haben dagegen
häufig eine relativ niedrige Molmasse.
Bei den vernetzenden Kunststoffen ist die Angabe einer mittleren Molmasse
nicht sinnvoll, da die Makromoleküle zu einem einzigen Molekül sehr großer
Molmasse zusammengeschlossen sind. Bei Duroplasten und Elastomeren ist es
daher zweckmäßiger, die mittlere Vernetzungsdichte – sozusagen die Maschen-
1.3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen 69
冧
Mn … Zahlenmittel
Mh … Viskositätsmittel der Molmasse
Mw … Massenmittel
Tabelle 1-21. Zusammenstellung des Polymerisationsgrades und der mittleren Molmasse eini-
ger Thermoplaste
Polymerisationsgrad n 3w
mittl. Molmasse M
6
Schlagzähigkeit an (Kerbschlagzähigkeit ak) ist die vom ungekerbten (gekerbten) Probekörper
verbrauchte Schlagarbeit, bezogen auf den kleinsten Querschnitt des Probekörpers vor dem
Versuch.
1.3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen 71
Bild 1-33. Temperaturabhängigkeit des E-Moduls bei einer Polymermischung (Polyblend) aus
PS und 30/70 Butadien-Styrol-Copolymer [5] (s. a. Kap. 2.1.3.2)
Weichmachung
Der Elastizitätsmodul E von ungefüllten Thermoplasten und Duroplasten liegt
etwa zwischen 600 und 4000 N/mm2, von Elastomeren etwa zwischen 50 und
600 N/mm2. Da Elastomere wegen der bei der Verarbeitung ablaufenden chemi-
schen Reaktionen eine aufwändigere Verarbeitungstechnik erfordern, verän-
derte man die Eigenschaften von Thermoplasten in Richtung der Elastomere, in
der Absicht, die wirtschaftliche Verarbeitung der Thermoplaste auszunützen.
Durch „Weichmacher“ wird die Zähigkeit und die Verformbarkeit eines Kunst-
stoffes erhöht, während beispielsweise die Festigkeit, der E-Modul, die Schmelz-
viskosität erniedrigt werden. Man unterscheidet zwischen innerer und äußerer
Weichmachung.
Die innere Weichmachung erfolgt durch das Einpolymerisieren (Statistische
Copolymerisation) einer zweiten „weichmachenden“ Komponente. Dadurch
kann man einerseits die Beweglichkeit von Molekülketten und andererseits die
zwischen den Ketten wirkenden Bindekräfte beeinflussen (Tabelle 1-22).
Während Polymethylacrylat (PMA) dank der größeren Beweglichkeit der
Molekülketten bei Raumtemperatur schon im Haupterweichungsbereich ist,
(Tg bei 5 °C) befindet sich Polymethylmethacrylat (PMMA) dort noch im Glas-
zustand (Tg bei 105 °C). Struktur von PMA und PMMA: s. Tabelle 1-18. Durch die
statistische Copolymerisation von MMA mit MA verschiebt sich die Glas-
76 1 Einführung in Polymer Engineering
Äußere Weichmachung
Ähnlich wie bei der Herstellung von Polymermischungen (Polyblends) werden
auch bei der äußeren Weichmachung die Makromoleküle mit einem anderen
Stoff physikalisch vermischt. Im Gegensatz zu Polymermischungen verwendet
man bei der äußeren Weichmachung niedermolekulare Stoffe (Monomerweich-
macher mit Molmassen 350 bis 600 g/mol) oder auch Oligomere (sog. Polymer-
Weichmacher mit Molmassen 2000 bis 4000 g/mol).
Je kleiner die Weichmachermoleküle sind, umso besser ist die weichma-
chende Wirkung; allerdings neigen diese kurzkettigen Weichmacher infolge ih-
res höheren Dampfdrucks zu größerer Flüchtigkeit (Weichmacherwanderung
oder Migration). Der Hauptvorteil der oligomeren oder polymeren Weichma-
cher liegt in ihrer geringeren Neigung zum Ausschwitzen. Als Polymer-Weich-
macher werden zunehmend Polyester, Nitril-Butadien-Elastomere oder bei-
spielsweise Ethylen-Vinylacetat-Terpolymere (EVA) mit Molmassen bis 150 000
g/mol verwendet (s. a. Kap. 2.1.2.2).
Am häufigsten wird Polyvinylchlorid (PVC) äußerlich weich gemacht. Durch
Einlagerung von Weichmachermolekülen (aromatische Weichmacher, z. B. Tri-
kresylphosphat (TKP) und aliphatische Weichmacher, z. B. Dioctylphthalat
(DOP) oder Dioctylsebazat (DOS)) wird der Abstand zwischen den Makromole-
külen des Kunststoffs vergrößert, die Sekundär-Bindekräfte nehmen ab, und die
Beweglichkeit von Kettensegmenten nimmt zu. Ähnlich wie Weichmacher kön-
nen auch Lösungsmittel (auch Wasser in Polyamiden) durch Eindiffundieren
wirken.
„Weichmacher sind flüssige oder feste, indifferente organische Substanzen
mit geringem Dampfdruck, überwiegend solche esterartiger Natur (Definition
für Weichmacher nach DIN 55 945). Sie können ohne chemische Reaktion, vor-
zugsweise durch ihr Löse- bzw. Quellvermögen, unter Umständen aber auch
ohne ein solches mit hochpolymeren Stoffen in physikalische Wechselwirkung
treten und ein homogenes System mit diesen bilden.Weichmacher verleihen den
mit ihnen hergestellten Gebilden bzw. Überzügen bestimmte angestrebte physi-
kalische Eigenschaften, wie z. B. erniedrigte Einfriertemperatur, erhöhtes Form-
änderungsvermögen, erhöhte elastische Eigenschaften, verringerte Härte und
gegebenenfalls gesteigertes Haftvermögen.“
Polyamid (PA) mit unterschiedlicher Menge an Wasser (siehe auch Bild 1-34).
Wasser wirkt im PA als Weichmacher. Der Wassergehalt des PA hängt u. a. von
der Umgebungsfeuchte ab. Trockenes PA ist bei Raumtemperatur spröde. Bei
höheren Temperaturen trocknet PA aus, ebenso in wasserfreier Atmosphäre
(T < 0 °C) oder in wasserfreien Flüssigkeiten (Öle und dergl.). Damit bei länger
dauerndem Einsatz von PA-Teilen in kalter trockener Atmosphäre kein Ver-
spröden eintritt, werden derartige Teile manchmal aus monomerhaltigem PA 6
hergestellt.
Monomere wirken als Weichmacher. Sie diffundieren wesentlich langsamer
als die Wassermoleküle. Ein ähnlich weichmachender Einfluss des Wassers ist
1.3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen 77
Bild 1-34. Schubmodul von Polyamid 6 in Abhängigkeit von der Temperatur bei verschiedenen
Feuchtzuständen [1]
1.3.1.2
Physikalische Ordnungszustände
■ Amorpher Zustand bei Thermoplasten
Sind die Makromoleküle ohne regelmäßige Anordnung und Orientierung, d. h.
ohne gleich bleibenden Abstand, völlig statistisch angeordnet, so nennt man die-
sen Zustand amorph. Es fehlt jede Art von Fernordnung7. Die gültige Modellvor-
stellung ist das statistische Knäuel. Es ist bei den synthetischen Polymeren und
bei Polymerlösungen die dominierende Sekundärstruktur. Seine bestimmende
Kenngröße ist die Knäueldichte.
Diese räumliche Knäuelstruktur ist entropisch betrachtet der günstigste Zu-
stand; stets will ihn das Makromolekül einnehmen, sofern es die äußeren Be-
dingungen (Beweglichkeit) zulassen. Mit steigender Temperatur oder bei der
Eindiffusion von Lösungsmitteln nimmt die Beweglichkeit von Kettensegmen-
ten und Seitenketten zu; Rotationen und Umlagerungen finden vermehrt statt
(Mikro-Brown’sche Molekularbewegung).
Dem zweiten Hauptsatz der Thermodynamik folgend wird ein Makromo-
lekül den Zustand größter Entropie anstreben und sich daher verknäueln.
Ursachen für die amorphe Struktur:
• Kettenaufbau, Seitengruppen
• Abkühlgeschwindigkeit
Homogene, amorphe Kunststoffe ohne Farb- und Füllstoffe sind durchsich-
tig. Auf strukturelle Abmessungen bezogen bedeutet dies, dass keine Fernord-
nung in der Größenordnung der sichtbaren Lichtwellen (Wellenlänge 0,4 bis
0,75 µm) vorliegt. Ein einfallender Lichtstrahl wird daher nicht gebeugt, da
der Brechungsindex im amorphen Kunststoff unverändert bleibt. Im Gegen-
satz dazu ändert sich der Brechungsindex für einen einfallenden Lichtstrahl in
teilkristallinen Kunststoffen in den ungeordneten, amorphen und geordneten,
kristallinen Bereichen laufend, sodass hier an den Grenzflächen diffuse Streu-
ung auftritt, was zu Undurchsichtigkeit führt. Theoretische Überlegungen führ-
ten bei Zugrundelegen einer Filzstruktur für den vollständig amorphen Zustand
zu einer Dichte von ca. 65 % der Dichte im kristallinen Zustand. Gemessen wur-
den aber 83 bis 95 %. Daraus schließt man, dass amorphe Kunststoffe inner-
halb der unregelmäßigen Filz- oder Knäuelstruktur nahgeordnete Bereiche7
aufweisen.
7
Unter Fernordnung versteht man eine über die nächsten Nachbarn hinausgehende Ordnung
der Makromoleküle bezüglich ihres Abstandes voneinander, ihrer Anordnung und Orientie-
rung. Der Begriff Nahordnung bezeichnet derartige Ordnungszustände, wenn sie sich nur auf
die unmittelbaren Nachbarn erstrecken, wobei man davon ausgeht, dass diese Ordnungszu-
stände durch die Wärmebewegung ständig abgebaut und wieder erneuert werden.
1.3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen 79
kristallinen Thermoplasten bereits in der Schmelze auf und leiten bei der weite-
ren Abkühlung als Keime die Kristallisation ein.
Lineare Makromoleküle ohne oder mit regelmäßig angeordneten, nicht zu
großen Substituenten können sich in mikroskopischen Bereichen gleichmäßig
parallel zueinander lagern und Kristalle bilden. Kunststoffe mit kristallinen Be-
reichen enthalten immer – mehr oder weniger – auch amorphe, ungeordnete Be-
reiche, weshalb man sie teilkristallin nennt. Diese Anordnung der Makromo-
leküle kann nun durch eine Reihe von Einflüssen verändert werden.
Kristalline Strukturen ergeben sich, wenn die Makromoleküle
• einen gleichmäßigen chemischen Aufbau (Konstitution) haben und
• eine regelmäßige Anordnung der Substituenten (Konfiguration) besitzen.
• Zeit zum Ordnen beim Abkühlen haben oder
• beispielsweise die Makromoleküle bei der Verarbeitung (starke Scherung in
der Schmelze oder zu hohe Schmelzetemperatur) oder während des Gebrau-
ches gekürzt (abgebaut, degradiert) werden
• unter hohem Druck erstarren
• ordnende Flächen (Keimbildner) angeboten bekommen.
Am Beispiel des Polyethylen und Polypropylen zeigen Bild 1-35 und Bild 1-36 den
strukturellen Aufbau von der Molekülkette bis zum Formteil (s. a. Kap. 2.1.1.2.1.2).
Die in der Ebene zickzackförmigen PE-Ketten ordnen sich so, dass jede belie-
bige Kette von vier gleich weit entfernten Ketten umgeben ist, die ihrerseits um
die Längsachse um 82° gegen die zentrale Kette gedreht sind. Die Größe der
Kristallblöcke hängt stark von der Abkühlgeschwindigkeit der Schmelze ab.
In teilkristallinen Thermoplasten können diese Kristallblöcke geordnete
Überstrukturen wie Sphärolithe bilden. Die Eigenschaften der Kunststoffe hän-
Bild 1-35. Modellzeichnung des Querschnittes durch eine Lamellenstruktur. Die kristallinen
Lamellen sind durch amorphe Bereiche voneinander getrennt, in deren die Moleküle teils en-
den, teils zurückfallen und teils von der Lamelle in die darüber oder darunter liegende Lamelle
übergehen (tie-molecules) [4]
80 1 Einführung in Polymer Engineering
Bild 1-36. Struktureller Aufbau teilkristalliner Polymere am Beispiel von Polyethylen (gering-
fügig geändert nach [7])
gen meist stärker vom Gesamtverhalten, der Größe und dem Anteil dieser Über-
strukturen ab, als von dem der Kristallblöcke.
Der Zusammenhalt der amorphen Grenzschichten verschiedener Kristall-
blöcke wird durch die Anzahl der durchlaufenden Ketten (tie-molecules) und
die wechselseitigen Kettenverschlaufungen bestimmt. Die tie-Moleküle er-
strecken sich über bis zu 15 Blöcke und bestimmen daher die Eigenschaften mit,
1.3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen 81
Bild 1-37. Elementarzelle (PE): Komplex aufgebaute Grundbausteine der Polymerkette, wie
bei PE, können je nach Kristallisationsbedingung verschiedene Kristallgittertypen bilden
(nach [7])
Bild 1-35. Häufig gilt die amorphe Grenzschicht als Schwachstelle hinsichtlich
Festigkeit und Steifigkeit. Ohne amorphe Grenzschichten wären teilkristalline
Thermoplaste allerdings spröd und unbrauchbar.
Kristallisationsgrad
Der zeitliche Verlauf der Kristallisation lässt sich schematisch wie folgt dar-
stellen, Bild 1-38:
Die Kristallisation ist mit Abschluss der Fertigung eines Formteils in der Re-
gel nicht abgeschlossen. Es erfolgt eine wochen- und monatelange Nachkristal-
lisation. In der Praxis werden daher Formteile, von denen eine hohe Maßhaltig-
keit gefordert wird, in Werkzeugen mit erhöhter Temperatur gespritzt, um den
Ketten die Möglichkeit zur schnellen und möglichst vollständigen Kristallisa-
tion zu geben. Bei erhöhter Masse- und Werkzeugtemperatur und größerer Ent-
fernung von der Werkzeugoberfläche sind die Umordnungsmöglichkeiten der
Moleküle über einen längeren Zeitraum gegeben.
Der Kristallisationsgrad, Tabelle 1-24, hängt stark von der Kristallisationsge-
schwindigkeit ab. Man erhält daher bei spritzgegossenen Formteilen zwangs-
läufig eine ortsabhängige Kristallinität im Wandquerschnitt. Die nahe an der
Formwand liegenden Schichten erstarren rasch. Die Zeit zur Kristallisation ist
82 1 Einführung in Polymer Engineering
Bild 1-38. Kristallisationsgrad a als Funktion der Kristallisationszeit während einer isother-
men Kristallisation. Schwindung v = const. / Schrumpfung v = const.
• Kristallisationsgrad
• Größe und Verteilung der Sphärolithe,
wobei der Kristallisationsgrad die bedeutendere Einflussgröße ist, auch im Hin-
blick auf Eigenspannungen.
1.3.2
Mechanische Eigenschaften
Hochpolymere zeigen bei mechanischer Beanspruchung im normalen Gebrauch
ein im Vergleich zu den meisten anderen Werkstoffen besonders stark ausge-
prägtes viskoelastisches und viskoses (plastisches) Verhalten, das heißt, die auf-
tretenden Deformationen sind teils elastischer (reversibler), teils viskoser und
damit plastischer (irreversibler) Natur. Dies hat zur Folge, dass Werkstoff-Kenn-
größen wie E-Modul, Schubmodul und damit andere wichtige mechanische Ei-
genschaften von Hochpolymeren nicht nur von der Temperatur, sondern – un-
ter anderem – auch von der Beanspruchungszeit und der -geschwindigkeit ab-
hängen.
1.3.2.1
Temperaturabhängigkeit der mechanischen Eigenschaften
Zur Untersuchung des viskoelastischen Verhaltens in Abhängigkeit von der
Temperatur dient der Torsionsschwingungsversuch nach DIN 53445. Dabei han-
delt es sich um einen Kurzzeitversuch. Der Zeitstandversuch nach DIN 53444 er-
fasst den Einfluss der Beanspruchungsdauer, der Beanspruchungsart und der
Temperatur. Der Torsionsschwingungsversuch gibt zusätzlich Aufschluss über
das Dämpfungsverhalten des untersuchten Kunststoffs (mechanischer Verlust-
oder Dämpfungsfaktor d), Bild 1-41.
Den Schlüssel zum Verständnis der mechanischen Eigenschaften der Kunst-
stoffe bei verschiedenen Temperaturen bildet die Kenntnis der Vorgänge im
Übergangsbereich zwischen den definierten Zuständen:
Glasübergangstemperatur Tg und Schmelzbereich Ts.
Unterhalb der Glastemperatur liegt der energieelastische (hartelastische)
Zustand, der meist durch hohe Sprödigkeit gekennzeichnet ist. Die bis zur
Glastemperatur noch mögliche so genannte Mikro-Brown’sche Bewegung – von
höheren Temperaturen kommend – ist zur Ruhe gekommen. Die Lage
des Einfrierbereichs wird von der Stärke der Sekundärbindung beeinflusst,
das heißt, je wirksamer diese Kräfte sind, desto höher liegt die Glastempe-
ratur.
Durch Mischen von Kunststoffen mit höherer Glastemperatur mit solchen
von niedrigerer Glastemperatur kann die Schlagzähigkeit angehoben werden.
Das gleiche gilt für die Polymerisation mit geeigneten Comonomeren, siehe Ka-
pitel 1.3.1.1.
86 1 Einführung in Polymer Engineering
Auf den energieelastischen Bereich und die Glastemperatur folgt bei weiterer
Erwärmung der entropieelastische (weich- oder zähelastische) Bereich, das ist
bei den Polyolefinen der Anwendungsbereich.
Im Vergleich zu den Schubmodulkurven aus Bild 1-41 für Kunststoffe zeigt
Bild 1-42 die Temperaturabhängigkeit des Elastizitätsmoduls einiger metalli-
scher und keramischer Werkstoffe. Auch dort ändern sich die Eigenschaften
über der Temperatur ausgeprägt, doch innerhalb 1000 bis 1500 °C. Für Eisen (Fe)
zeigt sich die bekannte Tatsache, dass bis 250 °C der E-Modul nur um ca. 10 Pro-
zent abfällt, weshalb man in diesem Temperaturbereich bei Stahl mit konstanten
Eigenschaftswerten rechnet.
Bis ca. 250 °C ist das Deformationsverhalten bei den Metallen weitgehend
elastisch, es gilt das Hook’sche Gesetz, wonach Spannung und Dehnung linear
verknüpft sind.
Wie bei vielen Feststoffen werden auch Kunststoffe mit steigender Tempera-
tur bei gleicher Dehnung immer weniger in Spannung versetzt. Anders ausge-
drückt können sie mit immer geringerem Kraftaufwand gedehnt werden, Bild
1-43. Diese Abnahme der Elastizität verläuft jedoch nicht gleichmäßig. Anderer-
seits zeigen sich auch keine sprunghaften Zustandsänderungen, die mit dem
Wechsel niedermolekularer Stoffe zwischen verschiedenen Aggregatzuständen
vergleichbar wären.
Nur spröde Kunststoffe zeigen alle Stufen in der Temperatur-Elastizitäts-
Kurve. Einige Zustände bei Kunststoffen werden durch die Kristallite verursacht,
andere durch die amorphen Bereiche. Die Eigenschaften der beiden Phasen ad-
dieren sich.
In den Bildern 1-51 und 1-43 sind Charakteristiken des Zusammenhangs zwi-
schen Dehnung und Spannung für die verschiedenen Temperaturbereiche dar-
gestellt. Im spröden Zustand verhalten Kunststoffe sich ähnlich wie Metalle. Sie
lassen sich nur wenig dehnen bevor sie brechen. Elastische Dehnungen sind re-
versibel. Zähe Kunststoffe zeigen einen Bereich, in dem sie sich wie spröde
Kunststoffe reversibel dehnen lassen. Dazu ist etwas weniger Kraft erforderlich
als bei den spröden Kunststoffen. Oberhalb der Streckdehnung (vergleiche Bild
1-48) folgt bei zähen Kunststoffen ein Bereich, in dem sie plastisch verformbar
sind. Elastische und – noch ausgeprägter – gummielastische Kunststoffe lassen
sich schon bei sehr geringen Spannungen stark dehnen und kehren, so lange die
Streckdehnung nicht überschritten wird, wieder in ihren Ausgangszustand
zurück.
Wie bei allen anderen Stoffen sind auch bei den Polymeren die physikalischen
Eigenschaften abhängig von der Temperatur. Werden Eigenschaften von Poly-
meren (z. B. der Elastizitätsmodul) gegen die Temperatur aufgetragen, so erge-
ben sich im Allgemeinen keine linearen oder einfach gekrümmten Kurven wie
dies bei niedermolekularen Stoffen der Fall ist. Bei niedermolekularen Stoffen
zeigen sprunghafte Veränderungen Übergänge zwischen den Aggregatzustän-
den auf. Der Elastizitätsmodul von Stahl nimmt bei Temperaturerhöhung
zunächst stetig ab. Am Schmelzpunkt fällt er jedoch auf Null. Flüssiger Stahl ist
beliebig verformbar. Sprunghafte Änderungen anderer physikalischer Größen
zeigen den Übergang vom flüssigen in den gasförmigen Zustand. Zum Beispiel
verschwindet an diesem Punkt die Viskosität. Stahl zeigt auch im festen Zustand
bei bestimmten Temperaturen sprunghafte Veränderungen der Elastizität. Da-
bei wechselt Eisen zwischen verschiedenen Kristallformen.
Bei Kunststoffen ergeben sich bemerkenswerte Eigenarten im Temperatur-
verhalten. Sprunghafte Übergänge zwischen verschiedenen Aggregatzuständen
können nicht beobachtet werden. Zustandsänderungen erfolgen über einen
mehr oder weniger breiten Temperaturbereich. Neben dem Übergang vom Fest-
stoff zur Flüssigkeit treten weitere Zustandsänderungen auf. Bild 1-41 zeigt dies
sehr deutlich für den Schubmodul. Dabei ist z. B. der Übergang vom zähen in den
elastischen Zustand gleichbedeutend mit dem „Schmelzen“ der kristallinen Be-
reiche. Bei höherer Temperatur liegen alle Polymere nur noch in geknäuelter
Form vor. Im gummielastischen Zustand lassen diese Knäuel sich bei relativ ge-
ringen Kräften mehr und mehr strecken. Entspannung führt dann zum
Zusammenziehen des Werkstücks. Bei großer Dehnung verschieben sich die
Moleküle gegeneinander. Das Werkstück kehrt nicht mehr in seine Ausgangs-
form zurück. Ein Übergang in den gasförmigen Zustand existiert bei Kunststof-
fen erst im Bereich der Zersetzung.
1.3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen 89
1.3.2.2
Verformungsverhalten von Kunststoffen
Den Metallen gegenüber ist das Verformungsverhalten der Kunststoffe, wie oben
beschrieben, viskoelastisch und viskos. Temperatur-Zeit-Abhängigkeit der Ei-
genschaften für Kunststoffe (und auch für Metalle jedoch bei hohen Temperatu-
ren) lassen sich hinsichtlich des Zeiteinflusses durch folgende vereinfachte Mo-
delle beschreiben:
■ Voigt-Kelvin-Modell
Feder und Dämpfer sind parallel geschaltet, siehe Bild 1-45.
Aus der parallel geschalteten Überlagerung von Feder- und Dämpferverformung
folgt die viskoelastische Deformation: die Dehnung stellt sich zeitverzögert ein,
ist aber bei Entlastung voll reversibel. Man spricht hier von Entropie- oder Gum-
mielastizität.
■ Maxwell-Modell
Feder und Dämpfer sind hintereinander geschaltet, siehe Bild 1-46.
Aus der hintereinander geschalteten Überlagerung von Feder- und Dämpferver-
formung folgen spontanelastische Verformungen bei Be- und Entlastung und in-
folge des Dämpfers eine bleibende Verformung.
Die Feder 1 hat spontane elastische Be- und Entlastungsdehnung zur Folge,
1 + 2 als Parallelschaltung verursachen Kriechen während der Belastung und
Rückkriechen (viskoelastische zeitverzögerte Rückdeformation) nach Entlas-
tung, Dämpfer 2 hat eine bleibende Dehnung zur Folge.
1.3.2.3
Verhalten bei Zugbelastung
Technisch spielt das Verhalten eines Werkstoffs bei Zugbelastung eine heraus-
ragende Rolle. Daher wurde es schon früh experimentell und theoretisch ein-
1.3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen 91
Bild 1-46. Vereinfachtes Modell mit Deh- Bild 1-47. Erweitertes, realeres Modell (Vier-
nungs-Zeit-Verhalten (Maxwell-Modell) Parameter- oder Burger-Modell) und sein
Dehnungs-Zeit-Verhalten
s(e)
Außerhalb des linearelastischen Bereiches wählt man ES = 6 als Sekanten-
d(s) e
modul oder Et = 6 als Tangentenmodul.
de
Da, im Gegensatz zu den Metallen, beim Spannungs-Dehnungs-Diagramm
bei Kunststoffen der linearelastische Hooke’sche Bereich weitgehend fehlt,
werden Tangenten an bestimmte Punkte der Spannungs-Dehnungs-Kurve
definiert, wie Ursprung (also Dehnung 0) oder bei einer bestimmten Deh-
nung eT bzw. die Steigung einer Sekante zwischen Ursprung und Deh-
nung eS, Bild 1-49. Bei faserverstärkten Kunststoffen und Duroplasten ist ein
Hooke’scher Bereich noch annähernd ausgeprägt – bei tiefen Temperatu-
ren mehr als bei hohen – bei Thermoplasten weniger, bei Elastomeren fehlt
jeglicher linearelastische Bereich in Form einer Ursprungsgeraden im s-e-Dia-
gramm.
92 1 Einführung in Polymer Engineering
Bild 1-48. Definition des Elastizitätsmoduls E (Ursprungsmodul) (e nahe 0% entspricht der Ur-
sprungssteigung) [1]
Energieelastizität
Rein energieelastische Körper verformen sich unter Einwirkung einer Kraft
ohne jede zeitliche Verzögerung um einen bestimmten Betrag, der unabhängig
von der Einwirkungsdauer der Kraft ist. Bei Entlastung ist diese Verformung
vollständig reversibel.
Die Verformungsarbeit wird dergestalt als potenzielle Energie gespeichert,
indem die Abstände der Atome und die Bindungswinkel durch die Verformung
verändert werden. Der Zusammenhang zwischen Kraft (bzw. Spannung) und
Verformung (bzw. Dehnung) lässt sich bei kleinen Dehnungen bei vielen Stoffen
in guter Näherung durch das Hooke’sche Gesetz beschreiben.
Entropieelastizität
Unter der Einwirkung einer Kraft nimmt die Verformung rein entropieelastischer
Körper zeitverzögert zu. Diese Zeitverzögerung kann jedoch verschwindend klein
sein (im µs-Bereich). Auch diese Verformung ist vollständig reversibel.
Durch die Einwirkung der Kraft werden die Moleküle (bzw. Atome) aus ihrer
Gleichgewichtslage entfernt (wofür eine gewisse Zeit benötigt wird) und in
94 1 Einführung in Polymer Engineering
Bild 1-50. Spannungs-Dehnungs-Diagramm verschiedener Werkstoffe bei RT; siehe auch Bild
1-51 [1] oder beispielsweise Bild 2-76
Hyperelastizität
Zur Beschreibung des Deformationsverhaltens von Elastomeren bestehen ver-
schiedene Werkstoffmodelle, wie beispielsweise Neo-Hooke, Mooney-Rivlin u. a.
1.3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen 95
Dehnungs-Kurve und ist von der Höhe der Vorbelastung abhängig. Bei Ent-
lastung besteht eine bleibende Verformung. Bei dynamischen Belastungen ist
der Schubmodul von der Belastungsamplitude abhängig [13, 14].
Dabei ist zu beachten, dass das Arbeitsaufnahmevermögen der Kunststoffe –
aber auch das der Metalle – im Laufe der Zeit infolge Alterung und Versprödung
kleiner wird.
1.3.2.4
Mechanische Dämpfung
Werden viskoelastische Stoffe durch erzwungene Schwingungen dynamisch be-
ansprucht, tritt zwischen Spannung s und Dehnung e eine Phasenverschiebung
um den Phasenwinkel d auf, der Tangens von d wird als mechanischer Verlust-
faktor d oder als mechanische Dämpfung bezeichnet. Die Dämpfung ist somit
ein Maß für die bei dynamischer Beanspruchung infolge „innerer Reibung“
(Dissipation) erzeugte Wärme.
Die gedankliche Überlagerung der beiden „ideal“-Dämpfungskurven zu der
realen Kurve bei einem teilkristallinen Kunststoff zeigt anschaulich die Zwei-
phasigkeit teilkristalliner Thermoplaste.
Je höher die amorphen Anteile, umso größer ist der Dämpfungspeak bei der
Glasübergangstemperatur Tgtk und analog für die kristallinen Anteile bei der
Schmelztemperatur Tm.
Zum besseren Verständnis der molekularen Vorgänge im Bereich der
Haupterweichung gibt Tabelle 1-25 und das dazugehörige Bild 1-53 eine Hilfe-
stellung.
Bild 1-52. Mechanischer Verlustfaktor d in Abhängigkeit von der Temperatur [1]. a … amorph;
tk … teilkristallin; k … kristallin
1.3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen 97
1.3.2.5
Zeitabhängigkeit der mechanischen Eigenschaften
Alle thermoplastischen Kunststoffe fließen bereits bei Raumtemperatur bei
Beanspruchungen, die weit unterhalb der Streckgrenze liegen, vernetzte Kunst-
stoffe bei höheren Temperaturen. Daraus erkennt man, dass die Zug- und Reiß-
festigkeiten sowie die Moduln für Zug-, Biege-, Druck- oder Schubbeanspru-
chung im Sinne von Einpunktwerten, die üblicherweise in den Werkstofftabellen
der Rohstoffhersteller enthalten sind, für das Berechnen von Bauteilen nach den
Formeln der Festigkeitslehre nicht benutzt werden dürfen. Vielmehr muss jede
Beschreibung der Werkstoffeigenschaften auch die Zeit als Parameter enthalten.
Der Kurzzeitzerreißversuch genügt dafür nicht. An die Stelle der bei den metal-
lischen Werkstoffen üblichen Tabelleneinzelwerte muss bei den Thermoplasten
die Darstellung der kontinuierlichen Abhängigkeit der mechanischen Eigen-
schaften von der Zeit (unter Berücksichtigung der Temperatur) treten.
Das Langzeitverhalten der Kunststoffe muss demgemäß nach statischen Me-
thoden untersucht werden. Das bekannteste Verfahren ist der Zeitstand- oder
Kriechversuch. Dabei wird eine Probe zur Zeit t = 0 einer Spannung s0 unter-
98 1 Einführung in Polymer Engineering
Dehnung
Metalle Thermoplast
Bild 1-54. Einfluss der Zeit auf Dehnung und Spannung bei Metallen und Thermoplasten [1]
worfen, die während der ganzen Versuchsdauer konstant gehalten wird. Man
misst die zeitabhängige Deformation, Bild 1-54. Hält man die Dehnung konstant,
nimmt die Spannung über der Zeit bei Kunststoffen ab. Das nennt man Relaxa-
tion. Anwendungsbeispiele hierfür sind Schraubenverbindungen (Kunststoff-
schraube und/oder Kunststoffdichtung) oder Radialwellendichtringe, bei denen
die Dichtkraft im Gummi über der Zeit nachlässt.
Kriechkurven oder Zeitdehnlinien werden im so genannten Zeitstand-Zug-
versuch bei großen Verformungen, das heißt weit über den Bereich der Linea-
rität hinaus, durchgeführt. An die Stelle der konstant gehaltenen Spannung tritt
im Versuch meist die einfacher realisierbare Belastung, nämlich eine konstant
gehaltene Anfangspannung, Bild 1-55.
Die aus einem derartigen Versuch beispielsweise mit Probestäben aus PE-HD
bei verschiedenen Belastungen und gleich bleibender Temperatur resultieren-
den Zeitdehnlinien zeigt Bild 1-56.
Die Durchführung des Zeitstand-Zugversuchs für Kunststoffe ist in DIN
53444 beschrieben. Als Probekörper verwendet man dieselben, wie sie für den
Zugversuch nach DIN 53455 üblich sind.
Die Zugproben werden stoßfrei mit Massen belastet und die Dehnungen in
bestimmten Zeitabständen gemessen. Man erhält eine sog. Zeitdehnlinie, auch
Kriechkurve genannt. In den Versuch gehen also drei Veränderliche ein: Die
durch Belastungsmasse und Probekörperquerschnitt definierte Spannung, die
Dehnung und die Beanspruchungsdauer. Je nach Kombination dieser Größen als
Veränderliche in zweidimensionaler Darstellung mit einem Kurvenparameter
erhält man die in Bild 1-58 schematisch dargestellten Kurvenscharen.
Aufschlussreicher sind für den Konstrukteur Schaubilder mit konstanter
Dehnung, so genannte Dehngrenzlinien als Parameter. Sie können durch Hori-
1.3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen 99
zontalschnitte aus Diagrammen gemäß Bild 1-56 für eine bestimmte Ver-
suchstemperatur ermittelt werden. Die obere Begrenzung dieser Diagramme
bildet die Bruchlinie, Bild 1-57.
Anstelle des Zeitspannungslinien-Diagramms schätzt der Konstrukteur das
Diagramm der sog. isochronen Spannungsdehnungslinien mit der Beanspru-
chungsdauer als Parameter, der Dehnung als Abszisse und der Spannung als Or-
dinate, Bild 1-59.
Aus einer Schar von Zeitdehnlinien mit der Spannung als Parameter erhält
man durch Umrechnung (für die jeweilige Prüftemperatur) den Kriechmodul
Ec(t), der als Funktion der Zeit aufgetragen wird, siehe Bild 1-60.
s
Ec (t) = 6
e (t)
Diesen Dehngrenzlinien-Diagrammen können für jedes Material zum Beispiel
die (bei der den Berechnungen häufig zugrunde gelegten Dehnung von 1 %)
theoretisch zulässigen Spannungen entnommen werden. Die bei der Dimensio-
nierung tatsächlich einsetzbare zulässige Spannung ergibt sich durch Division
100 1 Einführung in Polymer Engineering
Bild 1-58. Herleitung der Dehngrenzlinien und Isochronen aus den im Zeitstandzugversuch ge-
wonnenen Zeitdehnlinien
mit dem Sicherheitsfaktor. Will man jedoch die bei einer ausgeführten Kons-
truktion zu erwartende Deformation berechnen, dann legt man das Kurvenma-
terial unmittelbar zugrunde.
Von gleicher Bedeutung wie die an Probestäben im einachsigen Spannungs-
zustand ermittelten Dehngrenzlinien ist für den Konstrukteur zylindrischer
1.3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen 101
s (t)
Er (t) = 7
e
Nur bei kleinen Werten von s0 und e0 und nach einer nicht zu langer Bean-
spruchungsdauer ist der Relaxationsmodul Ec = Er. Nach längerer Dauer und
höherer Beanspruchung kehrt sich das Verhältnis um, Bilder 1-62 und 1-63.
102 1 Einführung in Polymer Engineering
1.3.2.6
Wechselfestigkeit
Der Dimensionierung eines Bauteils, das periodisch hin- und hergebogen, ge-
zogen, gedrückt oder verdreht wird, muss die Dauerwechselfestigkeit zugrunde
gelegt werden. Darunter versteht man den im Dauerschwingversuch ermittelten,
um eine gegebene Mittelspannung schwingenden größten Spannungsausschlag,
den ein Probekörper bei großer Lastspielzahl (bei Kunststoffen 107 Lastspiele)
ohne Bruch aushält. Unter den Begriff Dauerschwingfestigkeit fallen Zug-,
Druck-, Biege- und Torsions-Wechselfestigkeit. Die Versuchsergebnisse werden
in Form von Wöhler-Kurven aufgetragen. Dabei werden der Spannungsaus-
1.3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen 103
Bild 1-64. Biegewechselfestigkeit einiger Thermoplaste (20 °C, 10 Hz) (s. beispielsweise auch
Bild 2-83)
Eingezeichnet sind:
a isochrone
Spannungs-Dehnungskurve
b Kriechkurche
c Relaxationskurve
d Spannungs-Dehnungslinie aus
dem Zugversuch
schlag und die Lastspielzahl, bei der die Probe zu Bruch geht, in ein Schaubild
mit logarithmisch geteilter Abszisse und linear geteilter Ordinate eingetragen.
Für die meisten Kunststoffe beträgt die Dauerwechselfestigkeit – häufig auch als
Ermüdungsfestigkeit bezeichnet – etwa 20 bis 30 % der im Kurzzeit-Zugversuch
ermittelten Reißfestigkeit. Sie sinkt mit der Temperatur und der Lastwechselfre-
quenz sowie bei Vorhandensein von Spannungsspitzen an gekerbten Bauteilen.
In Bild 1-64 ist die Biegewechselfestigkeit von PE-HD, PVC-U und PP wieder-
gegeben. Um zu zeigen, welche hohen Werte die Biegewechselfestigkeit von ther-
moplastischen Kunststoffen erreichen kann, wurde auch die Kurve für ein Ace-
tal-Copolymerisat aufgenommen, das vor allem im Maschinenbau und in der
Feinwerktechnik eine wichtige Rolle spielt.
1.3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen 105
Bild 1-66. Speichermodul (Realteil des Elastizitätsmoduls) E¢ von PVC als Funktion der Mess-
frequenz n und der Temperatur T [16, 17]. Messergebnisse von W. Sommer [15].
Von links unten nach rechts oben: Isothermen (T = const.). Steigender E-Modul bei steigender
Frequenz (Belastungsgeschwindigkeit).
Von links oben nach rechts unten: Isochronen (n = const.). Fallender E-Modul bei steigender
Temperatur. ---- Verbindungslinie der dynamischen Glasübergänge nahe E = 102 N/mm2. 앪 Stei-
gende Glasübergangstemperatur bei steigender Frequenz. („statischer“) Glasübergang mit den
Koordinaten Tg = 352 K (79 °C), Eg = 102 mm, ug = 2,5 ¥ 10–3 Hz beim Wendepunkt der ge-
strichelten Linie. X Glastemperatur Tg bei der 1 Hz-Isochrone des Torsionsschwingungs-
versuchs. Eh > 103 N/mm2 im oberen Bildbereich: hartelastischer (energieelastischer) Bereich.
EW < 10 N/mm2 in unteren Bereich: weichelastischer (gummielastischer, entropieelastischer)
Bereich
1.3.2.7
Sicherheitsbeiwerte
Es ist bekannt, dass die Verarbeitungsbedingungen, zum Beispiel Spritzgießen,
Extrudieren, Pressen, Orientierungserscheinungen und Abkühlbedingungen die
mechanischen Eigenschaften von Kunststoffteilen erheblich beeinflussen. Dazu
kommen häufig die Auswirkungen des Technoklimas, z. B. Feuchtigkeit, Alte-
rung und Spannungsrissbildung. Weil diese Faktoren im Einzelnen dem Kon-
strukteur von Maschinen- und Apparateteilen unbekannt bleiben, muss er –
ähnlich wie bei den metallischen Werkstoffen – in jedem Einzelfall Sicherheits-
werte berücksichtigen, um aus den an Prüfkörpern unter genormten Bedingun-
gen gemessenen Daten die für die Dimensionierung zulässigen Spannungen zu
erhalten.
In nachstehender Tabelle 1-26 sind die für verschiedene Beanspruchungen
empfohlenen Sicherheitsbeiwerte zusammengestellt. Die zulässige Spannung
errechnet sich damit – auch unter Berücksichtigung von Spannungskonzentra-
tionszahlen – zu:
K
szul. = 9 N/mm2
S · aK
K Beanspruchungshöhe N/mm2
S Sicherheitsbeiwert
aK Formziffer
Im Übrigen ist die Wahl der Sicherheitsbeiwerte nicht allein von Beanspru-
chungsart, Gestalt und Verarbeitungsbedingungen abhängig, sondern auch vom
Kunststoff selbst. Ein kerbempfindlicher, sprödharter Kunststoff erfordert
höhere Sicherheitsbeiwerte als ein zähharter. Mithin verhalten sich die teilkris-
tallinen Thermoplaste grundsätzlich günstiger als die amorphen.
1.3.3
Weitere physikalische Eigenschaften
Neben den mechanischen Eigenschaften und ihrer Temperatur- und Zeit-
abhängigkeit spielen thermische Eigenschaften (Isolierschäume für Kühl-
schränke, Gebäude, Fensterrahmen, Schutzschilder in der Raumfahrt, Schutzan-
züge für Feuerwehr usw.), nicht zu vergessen der thermische Längenausdeh-
nungskoeffizient, optische Eigenschaften (Schweinwerferspiegel und -gläser,
Autoscheiben, Schutzhelmklappen, Linsen, Gewächshäuser, Verpackungen,
Oberflächen-Effektfolien usw.), elektrische Eigenschaften (Kabelisolierungen,
Leiterplatten, Abschirmgehäuse, Sicherheitsbauteile im Bergbau, Bipolarplatten
und Membranen in Brennstoffzellen usw.), akustische Eigenschaften (Klang-
körper für Musikinstrumente, Lautsprecherboxen, Motorraumisolierungen,
Schallschutzwände, Schwingungsdämpfer usw.), Stofftransport Eigenschaften
(Diffusion, Permeation) (Barriereeigenschaften bei Verpackungen, Kraft-
stofftanks, Deponiedichtfolien, medizinische Membranen, atmungsaktive Be-
kleidungen usw.) je nach Anwendung eine entscheidende Rolle.
Tabelle 1-27 vergleicht für einige der beschriebenen Eigenschaften Richtwerte
für Metalle und Kunststoffe.
Die folgenden Bilder ergänzen und vertiefen die Tabelle 1-27 [18].
■ Thermische Eigenschaften
Kunststoffe dehnen sich bei Erwärmung deutlich stärker aus als andere Mate-
rialien. Dies liegt daran, dass sich die Gebrauchstemperatur von Kunststoffen
nicht weit unterhalb der Schmelztemperatur befindet.
Um diesen Nachteil von Kunststoffen auszugleichen, können sie mit z. B. Fa-
sern o. a. gefüllt werden.
Die Wärmeausdehnung wird charakterisiert durch den Wärmeausdehnungs-
koeffizienten a.
Tabelle 1-27. Richtwerte-Vergleich einiger Eigenschaften von Metallen und Kunststoffen (T:
Thermoplaste, D: Duroplaste, E: Elastomere, K: Kunststoffe) [1]
Bild 1-67. Wärmeausdehnung verschiedener Kunststoffe und Metalle (IKV, Aachen) [18]
Tabelle 1-28. Wärmeleitfähigkeit verschiedener Kunststoffe und Metalle (IKV, Aachen) [18]
Wie alle Isolatoren, so leiten auch Kunststoffe die Wärme nur schlecht. Bei
Metallen sorgen die frei beweglichen Elektronen nicht nur für eine hohe elektri-
sche Leitfähigkeit des Materials, sondern auch für eine gute Wärmeleitfähigkeit.
Bei Kunststoffen, die zu den elektrischen Nichtleitern oder Isolatoren gehören,
fehlen jedoch diese frei beweglichen Elektronen im Material.
Vorteile:
Kunststoffe besitzen gute Isolationseigenschaften (gegen Elektrizität und Wärme)
Nachteile:
Die Wärme wird beim Verarbeitungsprozess nur mühsam eingebracht, bzw. bei
der thermoplastischen Verarbeitung wieder herausgeholt.
■ Optische Eigenschaften
Je nach chemischem Aufbau der Makromoleküle erstarren Thermoplaste amorph
oder teilkristallin (s. o.). Optisch unterscheiden sich amorphe und teilkristalline
1.3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen 109
Bild 1-69. Transmission in Abhängigkeit von der Wellenlänge (IKV, Aachen) [18]
110 1 Einführung in Polymer Engineering
Bild 1-73. Einordnung der Eigenschaften von Kunststoffen (IKV, Aachen) [18]
spielsweise aus PA und EVOH oder EVAC, während PE und PP als unpolare Me-
dien nur wenig durchlässig sind. Die O2- und H2O-Durchlässigkeit von 24-mm-
Folien aus verschiedenen Polymeren ist in Bild 1-71 wiedergegeben, siehe auch
Bild 1-72.
Das sorgfältige Abstimmen auf die von Packgut zu Packgut unterschiedlichen
Anforderungen an die Gas- und Wasserdampfpermeabilität ist häufig nur mit
Hilfe von Mehrlagenfolien oder -behältern möglich. Hierüber liegen in der ein-
schlägigen Industrie bereits große Erfahrungen vor.
Bild 1-73 ordnet einige physikalische Eigenschaften von Kunststoffen und
Metallen zueinander ein und bezieht sie auf Stahl (Stahl = 1).
1.3.4
Chemische Eigenschaften
1.3.4.1
Beständigkeit gegen Chemikalien/Medien
Werden die physikalischen Eigenschaften der Kunststoffe vor allem von ihrem
morphologischen Aufbau bestimmt, so hängt das chemische Verhalten wesent-
lich von der chemischen Struktur der Makromoleküle ab. Die Thermoplaste sind
überwiegend gegen Säuren und Laugen beständig, die Duroplaste vor allem ge-
gen organische Lösemittel. Die Beständigkeit gegen Chemikalien entscheidet bei
allen Anwendungen z. B. in der Verpackungsindustrie, der Medizin und im Au-
1.3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen 113
Metalle Kunststoffe
Molekül nicht in den Kunststoff eindringen kann, so findet neben der rein phy-
sikalischen Anlagerung an die Oberfläche kein weiterer Stofftransport statt
und die Materialkennwerte des Kunststoffs bleiben nahezu unverändert [20].
Findet jedoch eine nachfolgende Diffusion durch das Polymer statt (Schritt 2),
so ist mit deutlichen Änderungen der Kunststoffeigenschaften zu rechnen.
Die Diffusionsgeschwindigkeit kann hierbei als der entscheidende Faktor be-
trachtet werden und hängt von der Temperatur, der Polymerstruktur und der
Größe des diffundierenden Moleküls ab. Nachdem der Kunststoff vollständig
durchwandert wurde, gelangt das Molekül wiederum an eine Oberfläche des
Kunststoffs und löst sich letztendlich wieder von diesem ab (Schritt 3: Desorp-
tion).
Medien
Halogene trocken
Aliphatische KW
Laugen schwach
Säuren schwach
Chlorierte KW
Laugen stark
Säuren stark
Wasser heiß
Wasser kalt
Flußsäure
Alkohole
Kunst-
stoffe
PE-LD + + b – b + + + – + – b
PE-HD + + + + – b + + + – + b +
PP + + + b – b + + + b + – +
PVC hart + b + + b b + + + b + – +
PVC weich + b + – – – + – + – – – –
PS + + + b – b + + + – – – +
ABS + + + b – b + + + – + – +
POM + + b – – – + + + – + + +
PTFE + + + + + + + + + + + + +
PA 6 + b – – – – + b + – + b +
PC + b + b b b – – b + + – b
PET + – + b b + b – + + b +
PBT + – b – b + + + + + b +
Medien
Ungesättigte chlor. KW
Organische Säuren
Aromatische KW
Mineralköl
Kraftstoffe
Terpentin
Aldehyde
Fette, Öle
Ketone
Amine
Ether
Ester
Kunst-
stoffe
PE-LD b b – + – – b b – –
PE-HD + + b b + + b b + + – –
PP b b – + + b b b + + – –
PVC hart – – – – b b – – + + – –
PVC weich – – – + + b – – b b – –
PS – – – – + b – – b + – –
ABS – – – – + + – + + + – –
POM – b + b b + b + + + + +
PTFE + + + + + + + + + + + +
PA 6 + + + b + b + + + – b b
PC b b – – – b – b + + – +
PET + + + + + + + + b b
PBT b – + b b + + + b b
SBR,BR,ABS,S/B, S/B/R,
B/S, S/I/S, IR=NR, NBR,
IIR ist besser beständig;
C=C- Doppelbindung b b b (u) u CR ist gegen Bewitte-
(ungesättigt) rung besser, gegen
in der Hauptkette Hydrolyse weniger
beständig
POM, (Polyether-PUR),
(u) u (b) b (b) PPE, EP, PVB; PFA
–C–O besser beständig
Ether-Sauerstoff in der
Seitengruppe oder Hauptkette
Bild 1-76. Spannungsrissbildung bei der Einwirkung von Aceton auf Polycarbonat [1]
8
DOP … Dioctylphthalat.
120 1 Einführung in Polymer Engineering
1.3.4.2
Alterung und Beständigkeit von Kunststoffen
Gabriele Twardon und Thomas Wagner
• Orientierungsspannungen
• Begrenzte Mischbarkeit von Zusätzen und Polymermaterial
Dagegen beruhen die äußeren Alterungsursachen auf chemischen und physika-
lischen Einwirkungen der Umgebung auf das Material:
• Korrosion
• Nachpolykondensation
• Nachpolymerisation
• Abbaureaktionen oder Cyclisierung
• Autooxidation
Physikalische Alterungsvorgänge basieren auf der Veränderung des Gefüges
bzw. des molekularen Ordnungszustands:
• Relaxation, Spannungsabbau
• Nachkristallisation
• Entmischung
• Weichmacherverlust
• Weichmacherwanderung
• Weichmacherextraktion
• Agglomeration
Folglich sind Alterungserscheinungen als sichtbare oder messbare Wirkungen
von Alterungsursachen aufzufassen. Hierzu gehören:
(z. B. Radikale) ab. Deshalb besteht die photochemische Reaktion aus Primär-
(UV-Strahlung führt zur Bildung von Zwischenprodukten) und Sekundärvor-
gängen (Zwischenprodukte reagieren zu stabilen Endprodukten) [27].
1.3.4.3
Schutzmaßnahmen gegen Alterungsvorgänge
Geeignete Alterungsschutzmittel (Stabilisatoren) werden zum Schutz von
Kunststoffen gegen die Einwirkung von Luftsauerstoff, Wärme und Sonnenlicht
eingesetzt. Die Stabilisatoren greifen dabei hemmend in den Alterungsprozess
ein [9]. Dadurch wird die Gebrauchstauglichkeit des Werkstoffs bzw. Bauteils
wesentlich verbessert und eine Verlängerung der Produktlebensdauer erzielt.
Stabilisatoren gehören zur Gruppe der Additive, die den Polymeren bei der
Herstellung bzw. bei der Bauteilproduktion zugesetzt werden, um die Verarbei-
tungs- bzw. Gebrauchseigenschaften einzustellen. Grundlegend können Stabili-
satoren in die folgenden Gruppen eingeteilt werden:
Lichtschutzmittel
Diese Stabilisatoren werden zur Erhöhung der Lichtbeständigkeit von Kunst-
stoffen eingesetzt, um die Verwendung des Kunststoffprodukts bei natürlicher
Bewitterung im Freien zu ermöglichen. Dabei sind zwei Typen von Lichtschutz-
mitteln zu unterscheiden: UV-Absorber und Quencher.
UV-Absorber wandeln energiereiche UV-Strahlung in vergleichsweise harm-
lose Wärme um. Beispiele für UV-Absorber sind Hydroxybenzophenone, Hy-
droxybenzotriazole und Zimtsäureester.
Quencher (Löscher) können die Photonenenergie, die bereits vom Makromo-
lekül aufgenommen wurde, durch Energietransfer aufnehmen und in Wärme
umwandeln. Die Energie des Photons spaltet somit keine Bindungen im Poly-
mer. Häufig werden metallorganische Nickelverbindungen als Quencher einge-
setzt [27].
Sowohl UV-Absorber als auch Quencher werden durch die Lichteinwirkung
nicht zerstört, d. h. ihre Funktion bleibt während der gesamten Anwendungs-
dauer erhalten.
1.3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen 125
Weiterführende Literatur
Chatain M, Ind. Plastiques Modernes; Bd. 10, 45, Mai 1958 Bd. 10, 37, Juni 1958
Gächter R, Müller H, Kunststoffadditive; C. Hanser Verlag, München, Wien, 1989, 3. Aufl.
Grassis N, Developments in Polymer Degradation; Applied Science Publishers LTD.; 1977
Grellmann W, Seidler S, Deformation und Bruchverhalten von Kunststoffen, 1998, 495 S.VDI Buch
Kaiser M, Reichert T, Herrmann W, Studie zur UV-Stabilität von Kunststoffen in Photovoltaik
Modulen; (im Auftrag der TÜV Immissionsschutz und Energiesysteme GmbH); Fraunhofer
ICT, 2000
Saechtling H, Oberbach K, Kunststofftaschenbuch, 28. Ausgabe, C. Hanser Verlag, München
Wien, 2002
Wilke K Photokatalyse an Titandioxid, Grundlagen und Anwendungen, Dissertation Universität
des Saarlandes, Saarbrücken 1997
1.3.5
Zusatzstoffe für Kunststoffe
(Dieses Kapitel übernehmen wir überarbeitet und punktuell um Elastomere An-
wendungen und Fasern erweitert von der 5.Auflage. Die Literaturzitate, die weit-
gehend veraltet sind, ergänzten wir durch einige neuere Standardwerke oder
Verarbeitungsadditive
Gleitmittel 앫 앫 앫
Trennmittel
Nukleierungsmittel 앫 앫
Gebrausadditive
Stabilisatoren
Antioxidantien 앫 앫 앫 앫 앫 앫 앫 앫
Lichtschutzmittel 앫 앫 앫 앫 앫 앫 앫 앫 앫 앫
Wärmestabilisatoren 앫 앫 앫 앫 앫 앫 앫 앫
Flammschutzmittel 앫 앫 앫 앫 앫 앫 앫 앫 앫 앫
Biozide 앫 앫
Modifikatoren für die
Masse
Fasern
Haftvermittler 앫 앫 앫 앫 앫 앫 앫 앫 앫 앫
Benetzungsmittel 앫 앫 앫
Weichmacher 앫 앫 앫 앫 앫 앫 앫 앫 앫
Schlagzähmacher 앫 앫 앫 앫
Blähmittel 앫 앫 앫 앫 앫 앫 앫 앫 앫 앫
Vernetzungsmittel 앫
Modifikatoren für die
Oberfläche
Antistatika 앫 앫 앫 앫 앫 앫 앫 앫 앫 앫
Antiblockiermittel 앫 앫 앫
1.3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen 127
Verarbeitungsadditive
Gleitmittel
Trennmittel
Antischaummittel 앫 앫 앫
Schrumpfverhinderer 앫
Gebrauchsadditive
Stabilisatoren
Antioxidantien 앫 앫 앫
Lichtschutzmittel 앫 앫 앫
Wärmestabilisatoren 앫 앫 앫
Flammschutzmittel 앫 앫 앫 앫
Biozide 앫
Modifikatoren für die Masse
Fasern 앫
Haftvermittler 앫 앫 앫 앫
Benetzungsmittel 앫 앫 앫 앫
Weichmacher 앫 앫 앫 앫
Verdicker 앫
Schlagzähmacher 앫 앫 앫
Blähmittel 앫
Vernetzungsmittel 앫 앫
Modifikatoren für die Oberfläche
Antistatika 앫 앫 앫
Antiblockiermittel
128 1 Einführung in Polymer Engineering
Tabelle 1-34. Übersicht über Produkte und entsprechende Firmen (Auswahl) [3]
1.3.5.1
Funktionszusatzstoffe (Additive)
Eine jährliche Übersicht zum aktuellen Stand der Additive gibt W. Hohenberger
[3] in der Zeitschrift Kunststoffe.
Zunächst einige Verbrauchszahlen aus 2001:
Tabelle 1-35. Weltweiter Verbrauch einiger Additive in Mio. t [3]
Wärmestabilisatoren
Weichmacher
Wiederum eine Auswahl hiervon wird im Folgenden detailliert behandelt.
Antioxidantien
Die Antioxidantien (AO) [4, 5] verlängern oder erhalten die Lebensdauer eines
Kunststoffteiles, indem sie den oxidativen Abbau verlangsamen oder gar unter-
binden. Wärme, UV-Strahlung, Scherbeanspruchung bei der plastischen Verar-
beitung, metallische Verunreinigungen oder aus der Synthese stammende Spu-
ren von Hydroperoxiden können durch die Bildung freier Radikale und/oder
peroxidische Oxidation den Abbau des Polymeren einleiten. Die anschließenden
komplexen chemischen Reaktionen verändern die molare Masse des Polymeren
durch Spalten oder Vernetzen. Die Oxidationsempfindlichkeit der einzelnen
Kunststoffe ist sehr unterschiedlich. PTFE und PMMA sind sehr stabil, während
die Polyolefine sowie grundsätzlich alle ungesättigten Polymeren ohne den
Schutz durch AO nur eine kurze Lebensdauer aufweisen würden.
Unterschiede in der Wirksamkeit der AO beruhen auf dem jeweiligen Poly-
meren, der Verarbeitungs- und Gebrauchstemperatur, dem Verwendungszweck
sowie auf den chemischen und physikalischen Eigenschaften der AO selbst. Eine
hohe molare Masse verringert die Flüchtigkeit und die Extrahierbarkeit. Die AO
dürfen zu keiner Zeit die Polymeren verfärben oder mit anderen Zusatzstoffen
reagieren. Bei Berührung mit Nahrungs- und Genussmitteln müssen die Anfor-
derungen des Lebensmittelgesetzes erfüllt werden.
Die AO werden in zwei Gruppen eingeteilt: Primäre AO (Endgruppenbildner),
die durch Reagieren mit kettenbildenden Radikalen die Oxidation hemmen
(z. B. substituierte Phenole und aromatische Amine) sowie die sekundären AO
(Peroxidzersetzer), die die Peroxide und Hydroperoxide in nicht radikalische,
stabile Verbindungen umwandeln. Zu diesen präventiv wirkenden AO gehören
die Phosphite, Phosphonate und Thio-Verbindungen. Die metallkatalysierte
thermische Oxidation von Polyolefinen, insbesondere von Polypropylen, kann
durch den Zusatz von sterisch gehinderten Phenolen und aromatischen Diami-
nen nur unzureichend verzögert werden. Das Ummanteln von Kupferleitungen
und der Kontakt mit kupferhaltigen Legierungen erfordern den Zusatz von Me-
talldesaktivatoren (MD) wie Hydrazide oder Hydrazone. Dabei bildet der MD
mit der katalytisch aktiven Metallverbindung einen Komplex, der nur noch eine
geringe katalytische Wirkung besitzt. Die Zusatzmengen betragen 0,05 bis 0,5 %.
Auch füllende oder verstärkende Zusatzstoffe wie Schiefermehl, Kreide oder Tal-
kum können wegen der darin enthaltenen Metallanteile, beispielsweise von Ei-
sen oder Mangan den Zusatz von MD erforderlich machen [8].
Sehr viele Polymeren sind durch die gleichzeitige Verwendung von zwei oder
mehreren AO besser stabilisierbar als mit einem einzigen. Die wirksamsten Mi-
schungen von AO sind solche, in denen eine Komponente als Radikalfänger und
die andere als Peroxidzersetzer wirkt. Wenn beide Komponenten sich wechsel-
seitig regenerieren spricht man von Synergismus. Wenn auch bei nahezu allen
Polymeren die AO zu den unentbehrlichen Rezeptbestandteilen gehören, so ent-
fallen dennoch etwa 85 % des Verbrauchs auf ABS, PP, PE-LD, PE-HD und PS.
1.3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen 131
Die ABS- und SB-Polymeren erfordern den Zusatz von AO wegen der in der
Kautschukphase vorhandenen ungesättigten Doppelbindungen. Wärme und
UV-Strahlung beschleunigen die Oxidation. Wegen der hohen Verarbeitungs-
temperatur werden meistens Kombinationssysteme (gehinderte Phenole und
Phosphite) bevorzugt. Die Zusatzmenge beträgt 0,25 bis 2,5 %. Die tertiären C-
Atome des Polypropylen und der Propylen-Copolymerisate sowie die verhält-
nismäßig hohen Verarbeitungstemperaturen erfordern die Verwendung hö-
hermolekularer Phenole und Phosphite sowie von synergistisch wirkenden
Thioestern. Die Zusatzmengen betragen insgesamt 0,25 bis 1,5 %. Produkte in
staubfreier Form sind Stand der Technik [9].
PE-LD erhält eine geringere Zusatzmenge an AO als PE-HD und zwar vor al-
lem deshalb, weil die vorwiegend aus PE-LD hergestellten Folien als Produkt
kurzlebig sind. Bevorzugt werden niedermolekulare Phenole oder Phosphit-
kombinationen in Konzentrationen von 50 bis 500 ppm. PE-HD erfordert höhere
Konzentrationen höher molekularer Polyphenole. Thioester dienen häufig als
Synergist. Phosphite vermeiden die durch Katalysatorreste möglichen Verfär-
bungen. Bei den für das Ummanteln von Drähten und Kabeln verwendeten Ty-
pen dienen Metalldesaktivatoren als Schutz gegen die Wirkung von Kupfer.
PS weist natürliche Thermostabilität auf. Antioxidantien werden nur dann
zugegeben, wenn es auf geringere Schädigung bei der Verwendung von Rück-
führmaterial ankommt. Vorwiegend werden Phosphite und Polyphenole mittle-
rer Molmasse in Zusatzmengen von 0,1 bis 0,4 % gewählt. PS ist gegen Photooxi-
dation empfindlich. Das Vergilben und Verspröden kann nur durch eine UV-Sta-
bilisierung verhindert werden.
Bei Polyacetalen (POM) ist ein thermischer und ein oxidativer Abbau mög-
lich. Der thermische Abbau wird durch Stabilisieren der Endgruppen mit Hilfe
von Aminen und Amiden oder durch Copolymerisieren mit Methylengruppen
in der Hauptkette verhindert. Als AO bewähren sich substituierte Phenole. PA,
PC, UP und PUR neigen nicht zu raschem oxidativen Abbau. Sie vergilben und
verändern ihre Eigenschaften nur wenig. Als Thermostabilisatoren eignen sich
vor allem die Phosphitester; häufig in Verbindung mit substituierten Phenolen.
Der thermische Abbau von PVC wird durch Wärmestabilisatoren (Stearate,
Laurate, Rizinolate von Calcium, Barium und Strontium) sowie organische Zinn-
verbindungen verzögert. Außerdem nutzt man die synergistische Wirkung von
Metallverbindungen, beispielsweise Ba/Zn.
Die Entwicklungen der vergangenen Jahre der AO erstreckte sich auf das
Verbessern der Wirksamkeit bei höherer Temperatur, geringere Flüchtigkeit und
Extrahierbarkeit sowie bessere Handhab- und Verarbeitbarkeit. Die neueren AO
sind höher molekular und enthalten zusätzlich multifunktionelle Gruppen, die
den synergistischen Effekt verstärken. (Antioxidantien: siehe auch bei Stabilisa-
toren).
Antistatika
Die Kunststoffe verdanken ihre Entwicklung und ihre rasche Einführung in die
Technik vor allem ihren vorzüglichen elektrischen Isoliereigenschaften. Doch
der hohe Oberflächenwiderstand von bis zu 1017 W ist zwangsläufig die Ursache
132 1 Einführung in Polymer Engineering
Tabelle 1-36. Elektrische Leitfähigkeiten einiger Polymere nahe Raumtemperatur [10] und ei-
niger Füllstoffe (Ruße komprimiert, nach [13]; Zinnoxid-Pulver bei 2 kbar) [11, 12]
für die statische Aufladbarkeit der Kunststoffe bei der Verarbeitung und bei der
Verwendung.
Statisch aufgeladene Flächen ziehen den Staub an, sie behindern das Trennen
von Folienlagen und können durch Funkenbildung zu Feuer und Explosionen
führen. Elektronik-Bauteile werden in Behältern gelagert, bei denen die statische
Elektrizität zu einer erschwerten Handhabung und beeinträchtigten Leistung
führen kann. Auch Video- und Audiobänder können durch statische Aufladung
gestört oder gar gelöscht werden. Die elektronische Technik wirft das Problem
der elektromagnetischen Abschirmung (EMV) auf. Die Ladungsdichte ist auf
den Oberflächen ungleichmäßig verteilt [12].
Die Wirkung der Antistatika besteht darin, diese Ladungen über die gesamte
Oberfläche gleichmäßig auszubreiten und abzuleiten. Hinsichtlich ihrer Wir-
kung kann man drei Arten von Antistatika unterscheiden: äußerlich aufzubrin-
gende, inkorporierte mit der Fähigkeit, an der Oberfläche auszublühen und in-
korporierte ohne Migration zur Oberfläche.
Die Antistatika erfüllen die Aufgabe, je nach der Dauer ihrer Wirksamkeit ent-
weder vorübergehend oder ständig die vorhandene Ladung an die in der umge-
benden Luft enthaltene Feuchtigkeit abzugeben [4, 14].
■ Äußere Antistatika
Die äußerlichen Antistatika werden durch Sprühen oder Tauchen aufgetragen.
Diese Flüssigkeiten enthalten meist 0,1 bis 0,2 % einer oberflächenaktiven Sub-
stanz wie quaternäre Ammoniumsalze von Fettsäuren oder ethoxylierte Glycol-
ester von Fettsäuren. Die verdunstende Flüssigkeit hinterlässt eine hydrophile
Substanz, die aus der umgebenden Luft so lange Feuchtigkeit aufnimmt, bis der
Gleichgewichtszustand erreicht ist. Das Ergebnis ist eine leitfähige Oberfläche,
auf der sich die Ladung gleichmäßig verteilen kann. Die Wirkung des Antistati-
kums ist mithin abhängig von der Temperatur, der relativen Feuchtigkeit und
dem hydrophilen Charakter des Antistatikums. Diese Substanzen wirken nur so
lange, wie sie auf der Oberfläche verbleiben. Nach jedem Hantieren, vor allem
Waschen und Spülen, ist erneutes Auftragen erforderlich.
1.3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen 133
kugeln. Sie werden im Hochvakuum mit einem Überzug von 0,25 mm Dicke ver-
sehen.
Generell ist auch bei den Antistatika eine zunehmende Verwendung von Kon-
zentraten zu beobachten.
Beschleuniger, Aktivatoren
Wenn beispielsweise beim Härten von UP-Harzen der Peroxidzerfall nicht durch
Wärme geschehen kann, dann müssen Beschleuniger bzw. zu deren weiterer Un-
terstützung Aktivatoren (Promotoren) verwendet werden. Die Beschleuniger
setzen die für den Peroxidzerfall erforderliche Energie herab. Dadurch ist es
möglich, entweder bei niedriger Temperatur, z. B. Raumtemperatur, oder bei
höherer Temperatur einen rascheren Peroxidzerfall zu bewirken. Bei UP-Harzen
werden vorwiegend Kobalt-,Vanadium- und Aminbeschleuniger verwendet. Die
Vanadiumbeschleuniger sind nur begrenzt lagerfähig und oxidationsempfind-
lich, was ihren Einsatz hemmt [17].
Die Wirkung von Peroxidbeschleunigern [5] kann durch so genannte Aktiva-
toren (Promotoren) unterstützt werden. Allein angewendet sind sie keine Be-
schleuniger.
So wirkt beispielsweise Dimethylanilin nicht beschleunigend auf Methyl-
ethylketonperoxid, es kann jedoch als System MEK-Peroxid/Kobaltbeschleu-
niger wesentlich beeinflussen, was verarbeitungstechnisch häufig genutzt
wird.
Bei der Vulkanisation von Elastomeren wirken Metalloxide in Verbindung mit
Fettsäuren aktivierend auf Schwefel-Beschleuniger-Systeme.
Zinkoxid, aber auch Bleioxide und Magnesiumoxide werden verwendet. Blei-
oxide aktivieren dabei wasserfeste Vulkanisate, während Magnesiumoxide saure
Reaktionsprodukte bei halogenhaltigen Kautschuken neutralisieren.
Die Wirkung von Zinkoxid, Fettsäuren und Peroxide wird in Röthemeyer/
Sommer [5] vertieft.
Brandschutzausrüstung
Volker Gettwert und Peter Eyerer
Als Brandschutzausrüstung werden Kunststoffe mit Flammschutzmittel (FSM)
ausgestattet. Diese Additive dienen dazu, die Zersetzung, Brenngeschwindigkeit,
Flammenausbreitung und Rauchentwicklung zu verringern bzw. selbstverlö-
schend zu wirken und das Abtropfen zu verhindern.
■ Flammschutzmittel
Als organische Flammschutzmittel dienen chlorierte oder bromierte Kohlen-
wasserstoffverbindungen. Phosphorhaltige Flammschutzmittel können sowohl
organisch als auch rein anorganisch aufgebaut sein und sind heutzutage – bis auf
einige Ausnahmen – halogenfrei. Anorganische Flammschutzmittel sind Hydro-
xide und Borverbindungen von verschiedenen Metallen, vor allem Aluminium,
Magnesium und Zink. Antimonoxid dient vor allem als Synergist bei halogen-
1.3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen 135
■ Rauchdichteverminderer
Wie viele Brandkatastrophen, an denen auch Kunststoffe beteiligt waren, ge-
zeigt haben, ist nicht allein die Brennbarkeit der daraus hergestellten Produkte
für das Brandverhalten dieser Werkstoffe ausschlaggebend. Es kommt ebenso
sehr auf die Rauchgasentwicklung, d. h. ihre Dichte, Toxizität und Korrosions-
1.3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen 137
Emulgatoren
Eine Emulsion ist ein heterogenes System, das aus mindestens einer sich nicht
vermischenden Komponente besteht, die homogen in einer zweiten flüssigen
Phase dispergiert ist. Die Tröpfchengröße der emulgierten Substanz ist meistens
> 0,1 mm. Eine beständige Emulsion wird jedoch nur durch die Zugabe einer
dritten Komponente, dem Emulgator, erhalten. Die Wirkung beruht darin, dass
die Oberflächenspannung zwischen den beiden Phasen verringert wird. Emul-
gatoren sind oberflächenaktive Stoffe, die trotz ihrer geringen Konzentration ei-
138 1 Einführung in Polymer Engineering
Farbmittel
Von den in Europa verbrauchten ca. 750 000 t Farbmitteln machen Titandioxid
und Ruße den größten Anteil aus.
Entwicklungstrends sind [3]:
• verbesserte und umweltfreundliche Herstellmethoden
• erleichterte Handhabung und Dispergierung
• Ersatz von Schwermetallen, insbesondere cadmiumhaltige Pigmente bei
niedrigen Kosten
• verminderte Migrations- und Verzugsneigung
• besondere Effekte bei Farbmittel
Die Farbmittel [25] werden nach Pigmenten und Farbstoffen [13] unterschieden.
Die Farbstoffe sind in Kunststoffen löslich, während die Pigmente nahezu unlös-
lich sind. Der Begriff Pigment ist an einen Teilchengrößenbereich von etwa 0,01
bis 1 mm gebunden. Im Aufbau der Partikel wird nach Primärteilchen, Aggrega-
ten und Agglomeraten unterschieden. Die bei der Herstellung entstehenden
Primärteilchen weisen eine betonte Tendenz zur Aggregatbildung, d. h. zur Zu-
sammenlagerung auf. Diese Überstrukturen werden beim Eintragen der Farb-
mittel in den Kunststoff meistens zerteilt, so dass für die koloristischen Eigen-
schaften des jeweiligen Pigmentes vor allem die Korngröße und die Korn-
größenverteilung maßgebend sind. Das Zerteilen, Verteilen und Benetzen der
Pigmente wird als Dispergieren bezeichnet, während die Farbstoffe im Kunst-
stoff gelöst werden. Die Farbmittel [4] können anorganischer oder organischer
Natur sein. Während die anorganischen Pigmente unlöslich sind, können sich
insbesondere niedermolekulare organische Pigmente lösen.
Naturgemäß beeinflusst der chemische Aufbau des Binders und die
Verarbeitungstemperatur ihre Löslichkeit. Pigmente der gleichen chemischen
1.3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen 139
Pharmazie und
Druckfarben
Kunststoffe
Kautschuk
Kosmetik
Baustoffe
Fasern
Papier
쎲
䊋
䊋 䊋
䊋 䊋 䊋
䊋 䊋
Titanoxide
Eisenoxide 쎲 – 쎲 – – 쑗
쎲 쎲 쑗
䊋
Pigmentruße –
Chromgelb- 쎲 쑗 쑗 – – – – –
䊋
Pigmente
Molybdatrot- 쎲 쎲 – – – – – – –
Pigmente
쎲 쑗
䊋
䊋 䊋
Zinkpigmente – – – –
Cadmium- 쑗 – 쎲 – – – – –
Pigmente
쎲 쎲
䊋
Chromoxid- – – – – – –
Pigmente
쎲
䊋 䊋
Ultramarinblau – – – – – –
Eisenblau 쎲 – – – 쑗 – – –
쎲 쑗
䊋
Effektpigmente – – – –
Druckfarben
Pigmente
Kunststoffe
Lacke
Azo- 쎲 쎲 쑗
verlackte Azo- 쎲 – 쑗
䊋
䊋 䊋
®Naphtol AS- –
Phthalocyanin- 쎲 쎲
쎲 쎲
䊋
Chinacridon-
Perylen- – 䊋 쎲
쎲
䊋
Anthrachinon- –
Hersteller PE PP PS technische
Kunststoffe
BASF Ludwishafen ¥ ¥ ¥
Clariant Muttenz/Schweiz ¥ ¥ ¥
Eastern Chemicals Palau de Plegamans, ¥ ¥ ¥
A.S. Barcelona/Spanien
Kunststoff – Nylobirg Mors/ ¥ ¥ ¥
Kemi A.S. Dänemark
Monocon ApS Ribe/Dänemark ¥ ¥ ¥ ¥
142 1 Einführung in Polymer Engineering
Bild 1-80. Abhängigkeit der Verarbeitungskosten von der Losgröße und vom Extrudertyp (ES:
Einschneckenextruder, DS: Doppelschneckenextruder) [29]
Anorganische Pigmente
Die anorganischen Pigmente können nach Oxiden, Sulfiden, Chromaten und
Kohlenstoff unterschieden werden. Die Oxide sind – mit Ausnahme der Tempe-
raturbeständigkeit einzelner Pigmente – grundsätzlich die beständigsten Pig-
mente, beispielsweise TiO2, Eisenoxidschwarz und Kobaltblau. Zink- und
Cadmiumsulfid sind nicht wetterbeständig, Ultramarin zerfällt bei Säureeinwir-
kung. Chromatpigmente sind nicht alkalibeständig. Die Wärmebeständigkeit
überschreitet kaum 180 °C. Die Kohlenstoffpigmente sind beständig bis 300 °C,
Tabelle 1-38.
Anorganische Weißpigmente
In der breiten Palette der organischen Farbmittel gibt es kein Weißpigment. Die
Natur bietet jedoch eine Reihe von Mineralien an, aus denen anorganische
Weißpigmente synthetisch herstellbar sind. Bei der Einteilung der weißen anor-
ganischen Verbindungen kommt es auf die Brechzahl bei einer bestimmten Teil-
chengröße an. Ist diese < 1,7, dann handelt es sich um einen Füllstoff, ist sie > 1,7,
dann liegt ein Weißpigment vor. Zu diesen Weißpigmenten gehören u. a. Titan-
dioxid (TiO2), Zinkweiß (ZnO) und Zinksulfid (ZnS), Lithopone [Zinksulfid +
Bariumsulfat (BaSO4)] und Bleiweiß (basisches Bleicarbonat). Zinksulfid und
Bleiweiß sind als Pigmente für Kunststoffe ohne Bedeutung.
Titandioxid
TiO2 ist das wichtigste Weißpigment in der Kunststoffindustrie. Von den beiden
Kristallmodifikationen Anatas (Brechzahl 2,55, Mohs-Härte 5,5) und Rutil
(Brechzahl 2,75, Mohs-Härte 6,5 bis 7) hat für Kunststoff nur die Rutilform Be-
1.3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen 143
Anorganische Gelbpigmente
Pigmentgelb 53
Nickeltitangelb (Ti, Ni, Sb)O2 8 300 allgemein verwendbar
Pigmentgelb 118
Chromatitangelb (Ti, Cr, Sb)O2 8 300 allgemein verwendbar
Pigmentgelb 119
Zinkeisenpigment 8 300 allgemein verwendbar
Pigmentgelb 34
Chromgelb Pb(Cr, S)O4 6 bis 7 240 PVC, PE-LD
Organische Gelbpigmente
Pigmentgelb 97
Monoazopigment 8 260 PE-LD, PS
Pigmentgelb 151
Monoazo-Benzimidazolonpigment 8 260 PVC, PE-LD
Pigmentgelb 128
Disazokondensationspigment 8 260 PVC, PE-LD, PE-HD, PS
Gelb-Farbstoffe
Solventgelb 93
Pyrazolonderivat 8 300 PMMA, PVC-U, PS
fluoreszierend, polycyclisch 7 300 PMMA, PVC-U, PS
Anorganische Rotpigmente
Pigmentrot 101
Eisenoxid Fe2O3 8 300 allgemein, PVC-U bedingt
Pigmentrot 104
Blei-Chromat-Molybdat 8 220 PVC, PE-LD
Pb(Cr,MO,S)O4
Organische Rotpigmente
Pigmentrot 176
Monoazo-Naphthol AS-Pigmente 7 280 PVC, PS, PE-LD
Pigmentrot 194
Naphthalintetracarbonsäure-Derivat 8 260 PVC, PS, PE-LD
Rot-Farbstoffe
Solventrot 1
Azofarbstoff 5 260 PMMA, PVC-U, PS
Solventrot 138 8 300 PMMA, PVC-U, PS
fluoreszierender
Benzopyran-Farbstoff 7 300 PMMA, PS
Azofarbstoff (Thermoplast rot) 8 300 PMMA, PS, PVC-U
Orange-Pigmente
Pigmentorange 43 7 bis 8 260 PVC, PS, PE-LD
Orange-Farbstoffe
Solventrot 14
Azofarbstoff 5 bis 6 270 PMMA, PS, PVC-U
fluoreszierender
Parylen-Farbstoff 7 300 PMMA, PS, PVC-U
144 1 Einführung in Polymer Engineering
Violette Pigmente
Pigmentviolett 19 7 280 PVC, PS, PE-LD
Chinacridon
Blaue anorganische Pigmente
Pigmentblau 29 (Ultramarin)
Na-Al-Silikat, sulfidhaltig 8 300 PVC, PS, PE-LD, PE-HD
Blaue organische Pigmente
Pigmentblau 16
Phthalocyanin, stab. metallfrei 8 240 PVC, PS, PE-LD
Pigmentblau 60 (Indanthrenblau) 8 250 PVC, PS, PE-LD
Antrachionpigment
Blaue Farbstoffe
Solventblau 35 7 280 PMMA, PVVC, PS
fettlöslicher Antrachinonfarbstoff
Grüne anorganische Pigmente
Pigmentgrün 17
Chromoxid (Cr2O3) 8 300 allgemein verwendbar
Grüne organische Pigmente
Pigmentgrün 36
halogeniertes Phthalocyanin 8 300 PS, PVC, PE-LD
Braune Pigmente
Pigmentbraun 29
Chromeisenbraun (Fe, Cr)2O3 6 300 allgemein verwendbar
Zinksulfidpigmente
Das Zinksulfid Sachtolith enthält etwa 97 % ZnS, der Rest entfällt auf BaSO4 und
ZnO. Die Brechzahl beträgt 2,34, die Mohs-Härte 3,5. Die Lithopone-Typen wer-
den nach ihrem Gehalt an ZnS bzw. BaSO4 unterschieden. Der Zinksulfidanteil
beträgt 30 bis 60 %. Das Aufhell- und Deckvermögen nimmt mit dem ZnS-Ge-
halt zu. Die Brechzahl beträgt 1,84 bzw. 2,09 (bei 60 %), die Mohs-Härte aller Ty-
pen 3,0. Die ZnS- bzw. ZnS/BaSO4-Mischpigmente weisen einen hohen Weißgrad
und hohe Lichtechtheit auf. Vor allem die mikronisierten Typen sind leicht ho-
mogen dispergierbar. In Abmischung mit Buntpigmenten werden brillante,
leuchtende Farbtöne erzielt. Sie ermöglichen eine besonders hohe Wirksamkeit
von optischen Aufhellern und Tagesleuchtpigmenten, weil sie selbst kaum UV-
Strahlung absorbieren. Die optische Leistung hängt ab vom ZnS-Gehalt. Wegen
der niedrigen Härte verursachen sie im Unterschied zu TiO2 nahezu keinen
Werkzeugverschleiß und keine Beeinträchtigung der mechanischen Eigenschaf-
ten faserverstärkter Kunststoffe. Der ZnS-Anteil wirkt als Trockenschmierstoff.
Anorganische Schwarzpigmente
Unter den in der Kunststoffindustrie verwendeten Schwarzpigmenten spielt der
Ruß die wichtigste Rolle, während das Eisenoxidschwarz oder gar das helioecht-
schwarz IR anwendungstechnisch unbedeutend sind.
Ruß
Ruße bilden sich durch unvollständige Verbrennung sowie durch thermische
Spaltung kohlenwasserstoffhaltiger Stoffe. Die dabei entstehenden feinen Parti-
kel sind angenähert kugelförmig. Der Kohlenstoff ist jedoch nicht amorph, son-
dern mikrokristallin. Die wichtigsten Herstellverfahren sind das Channel-, Gas-
ruß-, Furnace- und das Flammrußverfahren. Channel- und Gasruß sind feintei-
146 1 Einführung in Polymer Engineering
lig (10 bis 30 nm). Der Flammruß ist gröber (50 bis 120 nm), der Furnaceruß
kann sowohl grob (bis 80 nm) als auch feinteilig (20 nm) hergestellt werden. Die
Farbtiefe hängt bei gegebenem Herstellverfahren von der Teilchengröße ab. Sie
nimmt mit abnehmender Größe zu, ebenso die Farbstärke. Eine große Farbtiefe,
d. h. eine geringere Lichtreflexion kann nur durch gutes Dispergieren des Rußes
erzielt werden. Als große Hilfe erweist sich dabei die Verwendung von Konzen-
traten oder von Pasten, wie sie beispielsweise beim Einfärben von UP-Harzen
verwendet werden. Dabei ist jedoch zu beachten, dass Farbruße die peroxidische
Reaktion bei einer Beschleunigung durch Kobaltverbindungen generell verzö-
gern und bei tertiären Aminen beschleunigen. Durch Erhöhen der Peroxid-
und/oder der Beschleunigermenge, bzw. durch Verwenden weniger stark be-
schleunigter Amine, kann die Verarbeitungs- und Gesamtreaktionszeit in weiten
Grenzen eingestellt werden.
Pigmentruße stehen als Pulver, in geperlter Form sowie als Ruß/Bindemittel-
Präparation zur Verfügung. Für die Qualität eines eingefärbten Erzeugnisses ist
der erzielbare Verteilungszustand des Rußes mitbestimmend. Geperlte Ruße las-
sen sich besser silieren und dosieren als Pulverruße. Sie erfordern jedoch Verar-
beitungsmaschinen, die hohe Scher- und Dispergierkräfte entwickeln. Verfah-
renstechnisch kommt den Rußpräparationen besondere Bedeutung zu. Die
zwischen 15 % und 50 % Ruß enthaltenden Präparationen gewährleisten ein
staubfreies Handhaben und vereinfachen das Dosieren. Sie enthalten den Ruß in
bereits dispergierter Form, sodass der aufwändige Dispergierprozess beim Ver-
arbeiter nicht erforderlich ist. Je nach Bindemittelgrundlage gibt es unter-
schiedliche Lieferformen, wie Dispersionen, Pasten, Schuppen- bis pulvrige Sub-
stanzen und Granulate.
Zur Erzielung deckender Einfärbungen sind meistens Rußzugabemengen von
0,5 bis 1 % ausreichend. Kunststoffe mit Eigenfärbung erfordern 1 bis 2 %. Mitt-
lere Furnace-Farbruße dienen außer zur Schwarzfärbung auch als Hilfsmittel
zur Verbesserung der UV-Stabilität und der elektrischen Leitfähigkeit [12, 13].
Ruß wirkt bei Polyethylen ebenfalls als Wärmestabilisator, d. h. als Antioxidans.
Hierbei bewährt sich vor allem der Gasruß mit seinem hohen Gehalt an flüchti-
gen Bestandteilen sowie Phenol- und chinoiden Gruppen.
Für die Schwarzeinfärbung technischer Kunststoffe bietet Cabot, B. einen ge-
kapselten Ruß (Typ: Black Pearls 4890) mit einfacher Verarbeitung, guten Teile-
oberflächen und mechanischen Eigenschaften [3, 31].
Anorganische Buntpigmente
Die anorganischen Pigmente besitzen im Vergleich zu den organischen Pigmen-
ten eine hohe Deckfähigkeit, jedoch nur eine geringe Farbstärke. Die
Dispergierbarkeit ist gut. Wenn die Metalle in ihrer höchsten Wertigkeitsstufe
vorliegen, sind sie thermisch sehr beständig. Die anorganischen Pigmente sind
generell unlöslich.
■ Eisenoxidpigmente
Die breite Farbskala der Eisenoxidpigmente von Gelb, Rot und Braun bis
Schwarz, fördert die zunehmende Verwendung dieser lichtechten und preiswer-
1.3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen 147
ten Pigmente. Das Eisenoxidrot ist bis 1200 °C, das Gelb, Braun und Schwarz da-
gegen nur bis 180 °C beständig. Bei Teilchengrößen < 0,01 mm verlieren die
Eisenoxide ihre Streueigenschaften, d. h. das Licht wird nicht mehr reflektiert,
sondern nur absorbiert. Der dabei gewonnene reine Farbton verschwindet in
Kombinationen mit anderen streuenden Pigmenten, wie TiO2. Eisenoxidpig-
mente können je nach Typ den Härtungsverlauf von UP-Harzen beeinflussen.
Sie bewähren sich bei PVC nur so lange, wie die Stabilisierung ausreicht. Sobald
der Stabilisator verbraucht ist, bildet sich Eisenchlorid, das dann die weitere Zer-
setzung von PVC beschleunigt. Das Eisenoxidschwarz wird häufig bei der Ein-
färbung heller Grautöne in PE und PP verwendet.
Mit der 2002 neu vorgestellten Variocrom-Reihe der BASF ändern Ober-
flächen (Folien) den Farbton je nach Betrachtungswinkel von grün nach rot
(Typ: Magic Green K 9811). Dies wird durch ein Zusammenspiel von Brechung
und Interferenz des Lichtes an Eisenoxid- und Siliziumdioxidschichten auf
Eisenglimmerplättchen (MIOX) erreicht [3].
■ Chromoxidpigmente
Chromoxidgrün ist ein universell einsetzbares Produkt für das Einfärben von
Kunststoffen. Die kugelförmigen Teilchen sind etwa 0,3 mm groß. Die Tempera-
turbeständigkeit dieses sehr licht- und wetterbeständigen Pigmentes erreicht
1000 °C. Säuren und Laugen greifen nicht an. Der Farbton ist wenig rein und von
geringer Brillanz.
■ Oxidische Mischphasenpigmente
Dazu gehören Pigmente, die in einem Oxidgitter kristallisieren und ihre Farbe
dem Einbau von farbgebenden Kationen in diese Gitter verdanken. Die Bedeu-
tung dieser Pigmente nimmt ständig zu. Es handelt sich vorwiegend um Spinell-
und Rutilstrukturen. Zu den Spinell-Mischphasenpigmenten gehört das rotsti-
chige Kobaltblau, das vor allem für das Einfärben von PE-HD große Bedeutung
erlangt hat und bei PVC für helle Töne (für mittlere und volle Töne Phthalocya-
nin). Bei UP-Harzen ist die katalytische Beeinflussung des Härtungsprozesses zu
überprüfen [32]. Andere Spinelltypen sind das Kobaltgrün (reiner als Chrom-
oxidgrün), Zinkeisenbraun und das Spinellschwarz.
Eine große Variationsbreite bietet auch das Rutil-Gitter. Die bekanntesten
Vertreter dieser Pigmentgruppe sind das helle, zitronengelbe Nickeltitangelb
und das ockerfarbene Chromtitangelb, das anstelle von Nickel Chrom enthält.
Die Titanmischoxide verändern sich nicht beim Aufhellen mit Weiß. Unter
Berücksichtigung der Chemikalienbeständigkeit gehören sie zu den echtesten
Kunststoffpigmenten.
Rezepte einer sorgfältigen Prüfung. Cd-Pgimente sind schwer löslich und des-
halb in ihrer Toxizität nicht mit den löslichen Cd-Verbindungen vergleichbar. Es
ist gelungen, die löslichen Anteile auf ein Minimum zu reduzieren und damit die
Bedenken gegen Cadmiumpigmente zu verringern. Eine Ausnahme bildet z. Z.
noch die Verwendung bei PA 6 [33].
■ Chromat-Pigmente
Zu dieser Gruppe gehören die Bleichromate, Chromgelb und Chromorange,
die Bleichromat/Bleimolybdatpigmente (Molybdatrot und -orange) sowie die
Mischgrünpigmente Chromgrün, Chromechtgrün, Zinkgrün und Zinkechtgrün.
Das Nachdunkeln der Chromgelbe konnte durch den Einbau von Titan, Cer-,An-
timon- und Aluminiumverbindungen sowie von Silikaten ständig verbessert
werden. Diese Stoffe dienen vor allem zum Umhüllen des nadelförmigen mono-
klinen Chromgelb [Pb(Cr, S)O4]-Kristalls. Diese Pigmente sind bei Verweilzeiten
von 10 min bis 260 °C beständig. Für den Einsatz sprechen wirtschaftliche Über-
legungen. Die wichtigsten Einsatzgebiete sind PVC, PE-HD und UP.
Chromorange ist nicht so bedeutend wie Chromgelb. Durch Substitution des
Sulfidions durch Selen können Nuancen von Orange über Rot bis Bordeaux er-
halten werden. Die Chromechtgrüne sind Kombinationspigmente aus Chrom-
gelb und Eisencyanblau. Das Berliner Blau ist allerdings reduktionsempfindlich
und weniger alkalibeständig. Durch Kombinieren von Chromgelb mit Phthalo-
cyaninblau bzw. Phthaloxyaningrün werden die wesentlich beständigeren
Chromechtgrüne erhalten. Durch Einstellen des Mengenverhältnisses ergibt
sich eine große coloristische Bandbreite.
Wie Chromgelb, so gehören auch das Molybdatrot und das -orange zu den Blei-
chromaten. Der Einbau des farblosen Bleimolybdats in das gelbe Bleichromat
führt zu orangefarbenen bis roten Pigmenten. Die bleichromathaltigen Pig-
mente dürfen aus Gründen des Gesundheitsschutzes nicht für Gefäße und
Schutzabdeckungen von Nahrungs- und Genussmitteln verwendet werden [34].
■ Ultramarin-Pigmente
Diese Pigmente gehören zu den Aluminiumsilicaten. Die Farbtöne reichen
von Blau und Grün bis zu Violett und Rot. Für das Einfärben von Kunststof-
fen kommt vor allem das Ultramarinblau in Betracht. Dieses gilt vor allem für
PVC, PE und UP. Für PE-HD hat es die gleiche Bedeutung wie das Kobaltblau,
denn es vermeidet das beim Einsatz von Phthalocyaninblau beobachtete Ver-
spröden der Formteile. Die Lichtechtheit und die Alkalibeständigkeit sind gut,
säurebeständig sind nur Sondertypen (siehe auch bei organischen Buntpig-
menten).
Organische Buntpigmente
Die organischen Buntpigmente unterscheiden sich von den anorganischen
durch eine hohe Lichtabsorption und geringes Streuvermögen. Sie werden des-
halb häufig mit lichtstreuenden Weiß- oder Buntpigmenten kombiniert. Bei la-
sierenden (transparenten) Pigmenten übernimmt der Untergrund (weißes Pa-
pier, Metallfolie) die Lichtstreuung. Farbtonreinheit, Brillanz und Farbtöne
1.3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen 149
■ Azopigmente
Auf die Azopigmente entfallen 80 % des Gesamtverbrauchs an Pigmenten. Die
Phthaloxyanine weisen demgegenüber die größte Tonnage auf [35]. Für die Azo-
pigmente ist die chromophore Gruppe (–N.N–) charakteristisch. Je nach Anzahl
der Azogruppen wird nach Mono-, Di- und Triazopigmenten unterschieden.
Anwendungstechnisch sind nur die beiden ersten Gruppen von Bedeutung. Sie
liefern gelbe, orangefarbene, rote und blaue Farbtöne. Blaue und grüne Azopig-
mente sind anwendungstechnisch unbedeutend.
■ Monoazopigmente
Dabei handelt es sich um gelbe, orange und rote Farbmittel. Die Gelbpigmente
sind licht- und wetterbeständig. Die Lösemittelbeständigkeit und die Migra-
tionsechtheit sind mäßig. Die meisten der bei Kunststoffen verwendeten Gelbty-
pen gehören zur Diazoreihe.
Metallkomplex-Pigmente
Die gelbstichig-grünen Azometall-, die gelben Azomethin- sowie die gelben und
roten Isoindolin-Metall-Komplex-Pigmente werden in ihrer Bedeutung von den
Phthalocyanin-Pigmenten weit übertroffen.
150 1 Einführung in Polymer Engineering
■ Diazopigmente
Diese Pigmente enthalten als Chromophor zwei Azogruppen. Auch sie liegen in
Gelb und Orange vor. Licht- und Migrationsbeständigkeit genügen in der Kunst-
stoffindustrie nur geringen Ansprüchen. Die Migrations- und Lösemittelbe-
ständigkeit wurde durch Erhöhen der molaren Masse etwas verbessert.
■ Naphthol AS-Pigmente
Diese Pigmente zeichnen sich durch Farbstärke, Lichtechtheit und Chemikalien-
beständigkeit aus. Die Lösemittelbeständigkeit befriedigt jedoch bis heute noch
nicht die Anforderungen der Kunststoffindustrie.
■ Benzimidazolon-Pigmente
Die Farbskala dieser Pigmente reicht vom grünstichigen Gelb über Orange, Rot,
Carmin, Bordeaux und Violett bis zum Braun. Sie sind in ihrer Echtheit den Mo-
noazo- und Naphthol AS-Pigmenten deutlich überlegen.
■ Diazokondensations-Pigmente
Das Molekül der Monoazopigmente kann durch den Einsatz bifunktioneller Ver-
bindungen in der Gelb- und Rotreihe vergrößert werden. Die Diazokonden-
sations-Pigmente reichen von Gelb über Rot bis Braun. Lösemittel- und Migra-
tionsechtheit, Temperaturbeständigkeit und Farbstärke sind recht gut. Die Licht-
und Wetterechtheit ist der der Monoazopigmente überlegen. Sie eignen sich ge-
nerell für das Einfärben von Kunststoffen.
Phthalocyanin-Pigmente
Diese Pigmente enthalten meistens komplex gebundenes Kupfer; sie sind jedoch
auch metallfrei herstellbar. Durch Chlorieren wird das Phthalocyaningrün ge-
wonnen; die Substitution durch Chlor und/oder Brom führt zu gelbstichigen
Grüntönen. Das Phthalocyaninblau existiert in mehreren Kristallmodifikatio-
nen, von denen die stabilisierten (anchlorierten) a- und b-Modifikationen be-
sonders wichtig sind. Die nichtstabilisierten a-Kristalle schlagen bei höheren
Temperaturen in die grünliche b-Kristallform um.
Für UP-Harze kommt nur die in Styrol unlösliche b-Modifikation in Betracht.
Außerdem ist dabei auf eine Beständigkeit gegen die beim Härten verwendeten
Peroxide zu achten. Die Phthalocyanine können bei PE-HD zum Verzug und zur
Bildung von Spannungsrissen führen. Auch die nicht gegen Kupfereinwirkung
stabilisierten PP-Typen sind gefährdet. Im Übrigen weist das Phthalocyaninblau
die höchste Echtheit auf.
Bezüglich der Formstabilität (Verzug) bietet die BASF mit dem neuen Blau-
pigment (Typ: Heligon Blau K6915) Verzugsfreiheit bei PE an, z. B. für Fla-
schenkästen.
Polycyclische Pigmente
Zu den organischen Pigmenten mit einer höheren Migrations- und Wärmebe-
ständigkeit als die der Azopigmente, gehören die so genannten polycyclischen
1.3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen 151
Pigmente. Zu dieser Gruppe zählen mehrere Klassen, u. a. die aus den so ge-
nannten Küpenfarbstoffen entwickelten Küpenpigmente.
■ Küpenpigmente
Bekannte Küpenfarbstoffe sind das Indanthrenblau und die Antrachinon-Farb-
stoffe. Diese in unlöslicher Form anfallenden Produkte werden mit Hilfe einer
speziellen Reaktion, der Verküpung, in eine wässrige Farbstofflösung, die Küpe,
überführt. Nachdem es gelang, die unlöslichen Schmelzen durch Mahlen in den
koloristisch optimalen Korngrößenbereich von 0,1 bis 1 mm zu vermahlen, ge-
wannen die damit zu Küpenpigmenten gewordenen Produkte auch für das Ein-
färben von Kunststoffen an Bedeutung.
Die Küpenpigmente umfassen die Untergruppen: Thioindigo, Anthrachi-
none, Perylene und Perinone. Sie bereichern die Palette der gelben bis roten Pig-
mente von hoher Echtheit.
■ Nichtverküpbare Pigmente
Zu dieser Reihe gehören die Chinacrodine und die Dioxazine. Die Chinacrodine
umfassen rotstichig gelbe, gelbstichig rote, blaustichig rote bis violette Nuancen
von hoher Echtheit. Sie werden häufig zum Abtönen von Phthalocyaninen ver-
wendet. Nicht verküpbar sind auch die Isoindolinone in den Farbtönen Gelb und
Rot. Die Farbstärke ist begrenzt, die Echtheit hoch [35].
Lösliche Farbstoffe
Die löslichen Farbstoffe [25] begründeten die organische Chemie als Natur-
wissenschaft. Sie sind leicht dispergierbar und führen zu den brillantesten Ein-
färbungen. Die allgemeine Echtheit ist jedoch derjenigen der organischen Pig-
mente weit unterlegen. Zur hohen Brillanz kommt eine hohe Lichtabsorption;
sie weisen jedoch keine Streuung und kein Deckungsvermögen auf. Ein Unter-
grund muss für die Rückstreuung sorgen. Die Unterscheidung kann nach der
chemischen Konstitution geschehen [36]: Azo (Mono- und Diazo)-Farbstoffe,
Anthrachinon-, Komplex (hauptsächlich Chromkomplex)-Farbstoffen sowie In-
dulin- und Nigrosinbasen (vor allem spritlösliches Schwarz). Bei allen löslichen
Farbstoffen ist auf das mögliche Ausblühen und Ausbluten zu achten. Die Licht-
und Wärmebeständigkeit ist je nach Konstitution und Medium verschieden. Die
Anthrachinon-Farbstoffe sind echter als die Azokörper. Für den Anwender ist
die Löslichkeit der Farbstoffe von Bedeutung. Antrachinon- und Azo-Farbstoffe
sind fett- bzw. aromatenlöslich. Alkohol-, ester- und ketonlöslich sind Anthra-
chinone, Komplexfarbstoffe und die spritlöslichen Nigrosine. Die schwarzen
Nigrosin- und Indulinbasen sind säureaufschließbar. Wasserlöslich sind saure
und basische Farbstoffe.
Die aromatenlöslichen Azo-Farbstoffe eignen sich für das transparente Ein-
färben von PS und PMMA. Die fettlöslichen Anthrachinon-Farbstoffe werden
für das Einfärben von SAN und PS verwendet. Die für ABS häufig eingesetzten
anorganischen und echten organischen Pigmente können zur Erzielung tiefer
Farbtöne mit löslichen Farbstoffen überfärbt werden. Für CA, CAB und CP wer-
den die sprit- und esterlöslichen Anthrachinone bevorzugt. Zum Einfärben von
152 1 Einführung in Polymer Engineering
Phenoplasten dienen Nigrosin- und Indulinbasen, denn sie lassen sich durch or-
ganische Säuren umsetzen. Bei Aminoplasten werden basische und fettlösliche
Farbstoffe zum Schönen und Überfärben verwendet.
Lange Zeit ging man davon aus, dass Cadmium in Pigmenten lösliche Ver-
bindungen eingeht. Neuere Studien [3] belegen jedoch die Unlöslichkeit und da-
mit keine signifikante Gesundheits- und Umweltgefährdung durch Cadmium-
pigmente.
Spezielle Farbmittel
Zu diesen Produkten [25] gehören Stoffe, die dem Anwendungsmedium beson-
dere, vor allem optische Effekte verleihen.
■ Metalleffekt-Pigmente
Diese Produkte werden aus Nichteisenmetallen in Form von hochglänzenden
Schuppen oder pulverförmigen Partikeln hergestellt. Die Flitter sind einige Mil-
limeter, die Partikel einige Mikrometer groß. Das Verhältnis von Längen zu
Dicke beträgt 1:50 bis 1:250. „Silberbronze“ wird aus Reinaluminium, „Gold-
bronze“ aus Reinkupfer oder Messing hergestellt.
■ Perlglanz-Pigmente
Der Glanz dieser Pigmente beruht, wie bei den Metalleffekt-Pigmenten, auf der
Blättchenform. Die ebenflächigen, dünnen (< 10 mm) Blättchen führen zu einem
matten Glanz, während die dickeren (> 30 mm) körnig und glitzernd wirken. Im
Unterschied zu den Metallblättchen sind diese Stoffe stark lichtbrechend und
durchscheinend. Die einfallenden Lichtstrahlen werden mehrfach partiell re-
flektiert, was bewirkt, dass der Glanz aus der Tiefe zu kommen scheint. Dem
Perlglanz kommt eine einheitliche Partikelgröße von 15 bis 25 mm Durchmesser
am nächsten. Ein natürliches Perlglanz-Pigment ist das in der Haut von Walen
vorkommende Fischsilber.
■ Perlglanzpigmente-Titandioxid
Am vielseitigsten und häufigsten werden die TiO2-Perlglanzpigmente verwen-
det. Dabei dient blättchenförmiger Glimmer als Träger, auf dem beiderseits
durch Hydrolyse von Titan(IV)sulfat oder Titanchloriden zunächst Titanoxid-
hydrat (Schichtdicke etwa 50 nm) niedergeschlagen wird, das sich in einem
anschließenden Glühprozess in eine fest haftende, hochtransparente Oxid-
schicht umwandelt. Die farblosen Glimmerblättchen müssen etwa 200 bis 500 nm
dick sein. Die TiO2-Perlglanzpigmente sind ungiftig, mechanisch, thermisch und
chemisch sehr stabil. Gießharze, Thermoplaste, Lacke, Druckfarben und Kosme-
tika sind bekannte Anwendungsgebiete. Dickenabweichungen der TiO2 Perl-
glanzpigmente von nur wenigen nm erkennt das Auge bereits als Farbverschie-
bung. Bei paralleler Orientierung in farblosen Medien zeigen sich deshalb in der
Auf- und Durchsicht komplementäre Farben, die mit dem Betrachtungswinkel
variieren. Dieser Effekt wird vor allem bei künstlichen Perlmuttknöpfen aus UP-
Harz genutzt.
1.3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen 153
■ Tagesleucht-Farbmittel
Diese Farbmittel besitzen die Fähigkeit, einen bestimmten Anteil des Tageslicht-
Farbspektrums zu absorbieren und diese Energie als Licht von größerer Wellen-
länge wieder zu emittieren. Man nennt dieses Phänomen Fluoreszenz. Die bei
Tageslicht fluoreszierenden Farbmittel weisen die größte Wirksamkeit im lang-
welligen, d. h. Rot- und Gelbbereich auf. Die Brillanz lässt nach, je näher der
kurzwellige, d. h. der Grün- und Blaubereich rückt. Die Tagesleucht-Farbmittel
sind verhältnismäßig teuer. Ihre Wärme- und Lichtstabilität ist begrenzt. Es ist
jedoch gelungen, diese Nachteile durch Einkapseln zu überwinden, sodass sie
bei den Verarbeitungstemperaturen, z. B. 30 Minuten bei 190 °C, und gegen den
UV-Anteil des Tageslichts ausreichend beständig sind. Eine optimale Wirkung
dieser Substanzen ist jedoch nur dann gewährleistet, wenn sie nicht mit den üb-
lichen Pigmenten vermischt werden; auch ein gefülltes Matrixmaterial würde
die Fluoreszenz beeinträchtigen. Bis auf wenige Ausnahmen gibt es keine
fluoreszierenden Pigmente. Es handelt sich meistens um Lösungen von fluores-
zierenden Farbstoffen in spröden Harzen, die auf die Größe von Pigmentteilchen
feingemahlen werden.
■ Phosphoreszenz-Farbmittel
Sie vermögen die Energie des einwirkenden Lichtes zu speichern und als Licht
wieder zu emittieren, das selbst in der Dunkelheit wahrnehmbar ist. Die Nach-
wirkung ist bei Gelb und Blau am hellsten, bei Blau außerdem am längsten.
Während die Fluoreszenz-Farbstoffe auf organischen Pigmenten basieren, sind
die Phosphoreszenz-Farbmittel anorganischer Herkunft. Sie enthalten meistens
Zn/Cd-Sulfid oder Calcium/Strontium-Sulfid. Die Wärmestabilität ist gut. Bei
Tageslicht sind die nur mit Phosphoreszenz-Farbmitteln versehenen Formstoffe
schlicht elfenbeinfarben. Dieser Nachteil kann durch die Zugabe farbstarker be-
kannter Pigmente oder Farbstoffe behoben werden. Es muss jedoch darauf ge-
achtet werden, dass – wie bei den fluoreszierenden Farbmitteln – diese zusätz-
liche Pigmente nicht im Wellenlängenbereich der Phosphoreszenz-Farbmittel
absorbieren. Im Allgemeinen ist die Nachwirkungsdauer der Dauer der Tages-
lichteinwirkung proportional. Bei sorgfältiger Rezeptgestaltung können sehr
originelle Effekte erzielt werden, insbesondere dann, wenn die Gegenstände ei-
nem dunklen UV-Licht ausgesetzt werden [37].
■ Optische Aufheller
Sie oder Weißtöner werden dort eingesetzt, wo durch Absorption von kurz-
welligem sichtbarem Licht ein ästhetisch störender Gelbstich verursacht wird.
Die charakteristische Eigenschaft der Weißtöner besteht darin, dass sie UV-
Strahlung in sichtbares Licht umzuwandeln vermögen. Im Unterschied dazu er-
zeugen die Fluoreszenz-Farbmittel das langwelligere gelbe, orangefarbene oder
rote Licht. Absorption und Emission folgen mit einer Zeitdifferenz von 10–9 bis
10–7 Sekunden. Bei längerem Nachleuchten liegt die bereits beschriebene Phos-
phoreszenz vor. Mit wenigen Ausnahmen handelt es sich bei den optischen Auf-
hellern [4] um fluoreszierende Farbstoffe, die in die Kunststoffe eingebettet sind.
Als Farbstoffe dienen beispielsweise Naphtholimide und Rhodamine. Nicht alle
Aufheller enthalten Trägerharze. Bei gedeckten Einfärbungen werden diese
154 1 Einführung in Polymer Engineering
transparenten Farbstoffe mit TiO2 von hohem Weißgrad kombiniert. Die opti-
male Zusatzmenge beträgt jedoch weniger als 0,1 %. Bei Leuchtpigmenten
führen höhere Zusatzmengen zu optimalen Eigenschaften.
Festschmierstoffe
Für Festschmierstoffe [4] ist charakteristisch, dass sie auch unter erschwerten
Bedingungen auf allen Arten von Metalloberflächen eine Schmierwirkung auf-
weisen. Sie erleichtern das Einlaufen von Maschinenteilen, schützen vor Fressen
und Verschleiß, unterbinden das Kaltverschweißen bei hohem statischem Druck
in Wälz- und Gleitlagern, sie wirken bei hohen Flächenpressungen und niedri-
gen Gleitgeschwindigkeiten, in staubiger Atmosphäre und im Vakuum. Auch bei
Kunststoff- und Sintermetallteilen wird die Reibung verringert. Die feinkörni-
gen Pulver werden den Kunststoffen beigemischt oder auf die Gleitpaarungs-
flächen gesprüht.
■ Molybdändisulfid
Das unter dem Handelsnamen Molykote [38] bekannte Trockenschmiermittel ist
ein chemisch reines MoS2, mit der niedrigen Mohs-Härte 1,0 bis 1,5 und einer
Korngröße, je nach Typ, von 0,5 bis 10 mm. Der strukturelle Aufbau zeigt eine
Molybdänebene zwischen zwei Schwefelmolekülen. Die Schichten sind leicht ge-
geneinander verschiebbar. Sie haften jedoch fest auf dem Trägermaterial. Moly-
kote ist sehr alterungs- und oxidationsbeständig. Ein anderer Materialtyp be-
steht aus der synergistischen Kombination fester Schmierstoffe. Das Molykote
7365 wurde speziell für die Verbesserung des Gleit- und Verschleißverhaltens von
Kunststoffen entwickelt. Die Zugabemenge beträgt 3 bis 6 %.
■ Graphit
Graphit ist ein gebräuchlicher Zusatz, um Formstoffen aus Thermoplasten –
ähnlich wie mit MoS2 – Selbstschmiereigenschaften zu verleihen. Die Reibwerte
liegen zwischen den mit MoS2 bzw. PTFE erreichbaren. Das Selbstschmier-
verhalten wird vor allem dort verlangt, wo Wasser einwirken kann. Häufig wird
Graphit mit mineralischen Füllstoffen gepaart, um nicht nur verschleißgefähr-
dete, sondern auch schwindungsarme, d. h. maßgetreue Formteile zu erhalten.
Durch den Zusatz von Graphit kann die elektrische Leitfähigkeit von Phenol-
harz-Formmassen so hoch eingestellt werden, dass daraus hergestellt Formteile
galvanisiert werden können.
1.3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen 155
■ Polytetrafluorethylen/AF-Coatings
Die PTFE-Wachse beispielsweise Hostaflon TF können wie MoS2 oder Graphit
allen Kunststoffen zugemischt werden. Das Einbringen geschieht meistens auf
Mischwerken. Der PTFE-Anteil beträgt 10 bis 30 Masse-%.
Festschmierstoffe können als AF-Coatings (Anti-Friction-Coatings), Pasten
oder Trockenpulver eingesetzt werden, kommen aber auch als Zusätze in Fetten
und Ölen zur Verbesserung der Schmierwirksamkeit, des Einlaufs oder auch für
Notlaufeigenschaften zum Einsatz [38].
AF-Coatings (Anti-Friction-Coatings) sind Suspensionen von Festschmier-
stoffen sehr kleiner Teilchengröße, wie z. B. MoS2, Grafit oder PTFE, in anorga-
nischen oder organischen Bindemitteln. Voraussetzung für eine hohe AF-Coa-
ting-Lebensdauer ist die Oberflächenvorbehandlung und Applikationstechnik.
Bei Beachtung der Vorbehandlungs- und Beschichtungshinweise ist ein AF-Coa-
ting dauerfest einsetzbar. Druckbelastbarkeiten oberhalb der meisten metalli-
schen Werkstoffe werden dann in Abhängigkeit vom AF-Coating erreicht.
AF-Coatings bestehen aus Festschmierstoffen (als Pigment), Harzen (als
Bindemittel) und Lösemitteln.
Die sorgfältige Auswahl geeigneter Additive und Lösemittel lässt die Herstel-
lung maßgeschneiderter AF-Coatings für industrielle Anwendungsverfahren zu.
Unter Berücksichtigung von Energieeinsparung und Umweltschutzvorschriften
können auch wasserverdünnbare, lösemittelarme sowie unbrennbare oder elek-
trostatisch verspritzbare AF-Coatings verwendet werden [38].
Fließhilfsmittel
Unter Fließhilfsmitteln sollen an dieser Stelle nur jene Zusatzstoffe verstanden
werden, die die Viskosität gießfähiger Polymeren erniedrigen oder erhöhen.
■ Viskositätserniedrigende Zusätze
Das wichtigste Anwendungsgebiet dieser Hilfsmittel sind die PVC-Plastisole. Sie
erfüllen dort die Aufgabe, die Viskosität der Pasten zu senken, ohne den Weich-
macheranteil erhöhen zu müssen. Sie wirken dabei gleichsam als Netzmittel und
Dispergierhilfe für die Polymer/Weichmacherkombination. Als Viskositätsreg-
ler werden epoxilierte Fettsäuren bevorzugt. Ihr chemischer Aufbau kann der je-
weiligen Paste optimal angepasst werden. Eine Technik, die es ermöglicht, bei-
spielsweise einen höheren Anteil an Füllstoffen oder Brandschutzmittel ohne
Viskositätserhöhung zu wählen, besteht darin, diese partikelförmigen Stoffe mit
Silanen oder Titanaten zu beschichten.
■ Viskositätserhöhende Zusätze
Die Aufgabe dieser Stoffe besteht darin, mit geringen Zusatzmengen die Viskosi-
tät von Hause aus niedrigviskoser Reaktionsharze wie UP- und EP-Harze oder
PVC-Pasten auf ein für die Verarbeitung optimales Niveau anzuheben und ihnen
außerdem ein ausgeprägt thixotropes Verhalten zu verleihen. Bekannte Viskosi-
tätsregulierer sind Magnesiumoxid und synthetische Kieselsäure.
156 1 Einführung in Polymer Engineering
■ Magnesiumoxid
Das aus Magnesit, Meerwasser oder Sole gewonnene MgO bewährt sich in der
Kunststoffindustrie als Eindickungsmittel der für das Verarbeiten in Form von
Harzmatten (SMC) oder Formmassen (BMC) bestimmten Harze. Die Zugabe
der staubenden Pulver wird heute dadurch erleichtert, dass das MgO – in
monomerfreiem UP dispergiert – als Paste zur Verfügung steht. Diese Pasten
enthalten 20 bis 30 % Magnesiumoxid in Korngrößen < 30 mm.
■ Synthetische Kieselsäure
Die pyrogene, hochdisperse Kieselsäure wird durch Hydrolyse von Chlorsilan in
einer Knallgasflamme hergestellt. Die dabei außer Chlorwasserstoff entstehen-
den porenfreien Kieselsäurekugeln von sehr enger Korngrößenverteilung (65 bis
30 mm) lagern sich zu Aggregaten und flockigen Agglomeraten zusammen. Teil-
chengröße und Struktur der Oberfläche bestimmen die anwendungstech-
nischen Eigenschaften. Beim Dispergieren dieser Pulver in einer Flüssigkeit, bei-
spielsweise in einem Plastisol oder einem Gießharz, treten die an der Oberfläche
der SiO2-Partikel befindlichen Silanolgruppen (SiOH) über Wasserstoffbrücken
miteinander und mit anderen Stoffen in Wechselwirkung. Die dabei entstehende
Gerüststruktur bewirkt das Eindicken der Flüssigkeit. Dieses Netzwerk wird
beim Einwirken von Scherkräften – beispielsweise beim Rühren, Gießen oder
Streichen – je nach Dauer der Scherung mehr oder weniger zerstört. Das ver-
dickte System wird niedrigviskoser. Im Ruhezustand stellt sich jedoch der hohe
Anfangswert wieder ein. Dieser reversible, zeitabhängige Effekt wird als
Thixotropie bezeichnet. Die Verdickungswirkung nimmt mit abnehmender Teil-
chengröße zu. Ein strukturviskoses Verhalten ist bei der Verarbeitung von Plas-
tisolen und Gießharzen in den Fällen erwünscht, in denen während des Auftra-
gens eine gewisse Dünnflüssigkeit erforderlich ist, anschließend jedoch ein Weg-
laufen oder Abfließen verhindert werden soll. Das ist z. B. bei PVC-Plastisolen
der Fall, beim Beschichten von Geweben (Verhindern des Durchschlagens),
beim Kalttauchen, Airless-Spritzen oder beim Auftragen von Fugen-Dichtungs-
massen. Synthetische Kieselsäure verzögert dank der Viskositätserhöhung das
Sedimentieren dispergierter Feststoffe im Ruhestand. Sie erhöht die Fließfähig-
keit von Pulvern und überführt sogar Flüssigkeiten in rieselfähige Pulver.
Härter
Härter – auch Initiatoren genannt – sind Stoffe, die den Vernetzungsvorgang von
Harzen (oder linearen Polymeren) katalytisch auslösen. Der Härtungsvorgang
vollzieht sich meist in der Wärme. Die so genannte Kalthärtung ist jedoch bereits
bei Raumtemperatur möglich. Bei den Pheno- und Aminoplasten sowie den Fu-
ranharzen lösen Säurehärter das Vernetzen beim Formungsvorgang in der
Wärme aus. Die Polymerisation der ungesättigten Polyester- und Methacrylat-
harze hingegen wird durch Peroxide eingeleitet. Ihre Wirkung kann durch Be-
schleuniger gesteigert werden. Die für UP-Harze bevorzugten Peroxidhärter
sind die Hydro-, Alkyl-, Acryl-, Acetylbenzoyl-, Ketal- und die Ketonperoxide so-
wie die Perester [17].
Um bestimmte Charakteristiken bei der Härtung, insbesondere bei der
Reaktionsgeschwindigkeit zu erzielen, kann auch mit Peroxidkombinationen ge-
arbeitet werden. Die Peroxide [4] werden in flüssiger, pastöser und in fester
Form angeboten. Die verhältnismäßig geringe Stabilität der Peroxide erfordert
den Zusatz so genannter Phlegmatisierungsmittel, das heißt träge machender
Substanzen. Zu den Härtern zählen auch die Stoffe, die bei Reaktionsharzen,
zum Beispiel PUR und EP, eine Härtung durch Polyaddition bewirken. Sie rea-
gieren im eigentlichen Sinn nicht katalytisch, sondern als bi- oder polyfunktio-
nelle Verbindungen, gleichsam als vernetzende Elemente [40]. Zu diesen
gehören die Polyisocyanate (PUR) sowie die Polycarbonsäuren und -anhydride,
Polyamine, Polyamide und Polyaminoamide (EP).
Vernetzungsreaktionen bei Elastomeren bezeichnet man als Vulkanisation.
Gemeint ist dabei die Herstellung von Elastomeren aus Kautschuk durch weit-
maschige chemische Vernetzung.
Die kovalente Brückenbildung zwischen den Kautschukketten kann durch
verschiedene chemische Reaktionen erfolgen. Tabelle 1-39 [5] fasst die wichtigs-
ten Vernetzungsreaktionen und -systeme für Kautschuk zusammen.
Tabelle 1-40 beleuchtet den Einfluss des Vernetzungssystems auf ausgewählte
Eigenschaften von Elastomeren und Duroplasten.
1.3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen 159
Reaktion von Schwefel mit Schwefel-Beschleuniger- NR, BR, SBR, NBR, CR, IIR,
Kautschuk Systeme CIIR, BIIR, EPDM, ETER, PNR,
Schwefelspender-Systeme TOR
Reaktion von Radikalen mit Peroxide EPM, EPDM, EAM,
Kautschuk energiereiche Strahlung HNBR, CM, CSM, Q, MVQ, AV,
PE und alle Dien-Kautschuke.
Nicht geeignet für IIR, CIIR,
CO, ECO
Reaktion von bifunktionel- Polyvalente Metalloxide CR, BIIR, CIIR, CM, CSM
len Verbindungen mit reak- Diisocyanate AU, EV
tiven Gruppen des Phenol-Formaldehyd-Harze IIR, BIIR, CIIR
Kautschuks Dioxime IIR
Bisphenole FPM
Diamine CO, ECO, AEM, BIIR, CIIR,
ACM, FPM
Reaktion von bifunktionel- Diisocyanate Dienkautschuke
len Verbindungen mit Phenol-Formaldehyd-Harze Dienkautschuke
Dien-Kautschuk
Silanvernetzung multifunktionelle Silane Silikonkautschuke, PE
Reaktionskinetik Induktionszeit
Aktivierungsenergie
Vernetzungsgeschwindigkeit
Netzstellen Vernetzungsdichte
Chemische Struktur
physikalische Eigenschaften Spannungs-Verformungsverhalten
bleibende Verformung
dynamische Eigenschaften
chemische Eigenschaften thermische Stabilität
chemische Beständigkeit
Haftvermittler
Zu den Haftvermittlern zählen die Substanzen, die zwischen zwei Substraten
eine enge physikalische und/oder chemische Bindung herstellen. Bei den mit-
einander zu verbindenden Trägermaterialien handelt es sich um faserförmige
Verstärkungs- oder partikelförmige Füllstoffe auf der einen und um Kunststoffe
oder Metalle auf der anderen Seite. Die Haftvermittler bilden in jedem Falle
Brücken zwischen den Grenzflächen beider Komponenten. Haftvermittler-
Harze auf der Basis von Styrol/Butadien-Legierungen dienen zum Beispiel als
160 1 Einführung in Polymer Engineering
Stoffklasse Bemerkungen
Stoffklasse Bemerkungen
Stoffklasse Bemerkungen
Anwendung Haftsystem
Allen Systemen gemeinsam ist, dass das Haftmittel eine chemische Bindung
mit dem Substrat eingeht und auch mit dem Kautschuk chemisch reagiert. Für
die Haftung zwischen textilen Fasern und Kautschuk werden wässrige Systeme
bevorzugt.
Bekannt hierfür ist das RFL-Dip; Resorcin wird in einem alkalischen Medium
vorkondensiert, es bilden sich Mono-, Di- und Trimethylolresorcine.
Die Fasern werden mit dem Reaktionsprodukt ergänzt, mit Naturkautschuk
oder SBR- und Vinylpyridin-Latex beschichtet. Während der folgenden Trock-
nung bei 150 °C bis 230 °C reagiert die Methylol-Gruppe sowohl mit der Faser-
oberfläche als auch mit den aktiven Molekülgruppen des Kautschuks. Über die
anschließende Vulkanisation vernetzt auch der an die Faser gebundene Kaut-
schuk.
Aktive Wasserstoffatome bei Resorcin-Methylos-Systemen (Rayon oder Po-
lyamiden), Epoxid-Pre-Dips oder Isocyanate bei Polyester- und Aramid-Fasern,
sowie Silane bei Glasfasern bewirken die Vernetzung.
Haftvermittler, die in die Mischung zugegeben werden (so genannte
Direkthaftsysteme wie z. B. Resorcin-Formaldehyd-Silica), sind vorteilhaft, weil
der Dip-Prozess entfällt. Nachteilig ist dagegen ein höherer Harzverbrauch und
ähnlich wie bei den Formtrennmitteln in der Mischung auch, kann es Eigen-
schaftsänderungen im Elastomer geben [5].
Zur besseren Adhäsion von Kautschuk auf Stahl wird dieser mit a-Messing
beschichtet. Es reagiert mit Schwefel zu Zinksulfid und dem Kautschuk.
Organische Kobaltverbindungen katalysieren die Reaktion und erfordern
eine hohe Schwefeldosierung. Alternativ dazu bieten sich Resorcin-Formalde-
hyd-Silica-Systeme an.
Bei Isocyanaten als Haftvermittler kann die Messingschicht entfallen, aller-
dings sind hierbei Lösemittel einzusetzen.
Wässrige Dispersionen chlorierter oder sulfurchlorierter Polyethylene, die
mit Polynitrosoverbindungen vernetzt werden, bilden einen Ausweg [5].
Von großer Bedeutung für das Füllen und Verstärken von Kunststoffen sind
die im englischen Sprachgebrauch als coupling agents (Kuppelagenzien) be-
zeichneten Haftvermittler. Zu diesen gehören in erster Linie die Silane, gefolgt
von den Titanaten.
162 1 Einführung in Polymer Engineering
■ Silan-Haftvermittler
Dabei handelt es sich um monomere Verbindungen der allgemeinen Form
(RO)3SiR¢X. X repräsentiert eine organofunktionelle Gruppe, beispielsweise
Amine, Methacrylate, Epoxid und andere. Diese Gruppen sind durch eine stabile
Kohlenstoffbindung R¢, meistens eine –(CH2)-Gruppe, mit dem Silicium ver-
bunden. An dem organischen Ende des Moleküls befinden sich hydrolisierbare
Alkoxy- oder Acetoxy-Gruppen (RO). Diese Gruppen hydrolisieren in wässriger
Lösung oder bei Einwirkung von Luftfeuchtigkeit zu der reaktiven Silanol-
Gruppe-Si(OH)3. Die Silanol-Gruppe kondensiert mit Hydroxid-Gruppen an der
Oberfläche siliciumhaltiger Materialien (Glas und andere Mineralien) und bil-
det eine kovalente Bindung. Die organische Gruppe R¢X reagiert mit der Matrix
und führt zu einer besseren Haftung zwischen dieser und dem anorganischen
Zusatzstoff wie Glasfasern oder Glaskugeln.
Beim Füllstoffcoating, beispielsweise von synthetischer Kieselsäure oder
ATH, vollzieht sich zwischen den reaktiven Hydroxylgruppen in der Füllstoff-
oberfläche und den Gruppen (RO)3Si eine Kondensationsreaktion. Durch steri-
sche Behinderung der Hauptreaktion sind auch Quervernetzungen der
Haftvermittlermoleküle möglich. Die dabei entstehenden Si–OH-Gruppen kön-
nen bei H2O-Molekülen zusätzlich Wasserstoffbrücken zum Substrat bilden. Bei
siliciumfreien Substanzen reagieren die Silane mit Oxiden oder Oberflächen-
feuchtigkeit. Eine davon abgeleitete Variante ist die peroxidisch initiierte Pfrop-
fung von Vinyl-Siloxanen auf Polyethylen und die nachfolgende Vernetzung
durch Einwirkung von Wasser. Rohre, Behälter und Kabelisolationen sind
Anwendungsgebiete.
■ Titanate
Die mit Titanat behandelten anorganischen Stoffe sind hydrophob, organophil
und organofunktionell. In Verbindung mit Polymeren verbessern sie die
Schlagzähigkeit, führen nicht zum Verspröden und bewirken selbst bei Füllstoff-
anteilen von mehr als 50 Masse-% eine Schmelzviskosität, die niedriger ist als die
des nicht gefüllten Polymeren [42]. Die Titanate reagieren mit Kreide, Schwer-
spat, Ruß, Cellulose, Peroxiden, C- und Aramid-Fasern sowie mit den Kunststof-
fen. Die Zusatzmengen betragen 0,1 bis 0,5 %. Die Titanat-Haftvermittler erfül-
len insgesamt sechs Aufgaben, von denen eine die chemische Bindung von Füll-
oder Verstärkungsstoffen an die Kunststoffmatrix darstellt. Außer der Verbesse-
rung der mechanischen Eigenschaften der Formstoffe, der Abkürzung der Zyk-
luszeiten beim Spritzgießen, der Reduzierung des Spritzdrucks und dem mögli-
chen höheren Füllstoffanteil reduziert sich der Energieverbrauch bei höherer
Durchsatzleistung.
Inhibitoren
Dazu gehören Stoffe, die einen Polymerisations- oder Vernetzungsvorgang ver-
hindern oder verzögern, dieses im Gegensatz zu den Aktivatoren oder Pro-
motoren. Beispielsweise kann bei UP-Harzen die Härtungsreaktion erst dann
beginnen, wenn der Inhibitor verbraucht ist. Er verlängert die Gelierzeit, ohne
die Entformungszeit in gleichem Maße zu verringern. Bekannte Inhibitoren sind
1.3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen 163
alkylierte Phenole, Kresole und Chinone. Die Chinone sind zwar sehr wirksam,
jedoch wenig stabil [17]. Inhibitoren erhöhen ebenfalls die Lagerungsstabilität
der Ausgangsprodukte.
Keimbildner
Die Keimbildner (Nukleierungsmittel) [4] erfüllen den Zweck, bei teilkristalli-
nen Thermoplasten den Kristallinitätsgrad zu erhöhen. Die Kristallisationstem-
peratur ist bei konstanter Abkühlgeschwindigkeit umso höher, je höher die
Keimdichte ist. Daraus folgt unmittelbar eine Verkürzung der Zykluszeit beim
Spritzgießen nukleierter Formmassen [43]. Häufig kann wegen der höheren Kris-
tallisationstendenz (höherer Kristallinitätsgrad) eine mögliche Nachkristallisa-
tion mit ihren negativen Folgen für die mechanischen Eigenschaften und die
Maßhaltigkeit vorweggenommen werden. Keimbildner sollen durch das Poly-
mere benetzt und in diesem unlöslich und feinkörnig (1 bis 10 mm) sein und ei-
nen höheren Schmelzpunkt als das Polymere aufweisen. Als Keimbildner be-
währen sich: Anorganische Stoffe (Talkum, synthetische Kieselsäure, Kaolin), or-
ganische Stoffe (Salze von Mono- und Polycarbonsäuren und Pigmente sowie
Polymere (Ethylen/Acrylester-Copolymerisate, PA 6.6 und PET-Pulver).
Kicker
Bei der Herstellung von Schaumstoffen aus Hart- und Weich-PVC mit chemi-
schen Treibmitteln, beispielsweise Azodicarbonamid, werden als Starter zur Re-
duzierung der Zersetzungstemperatur, Regelung der Gasabspaltung und der Po-
renstruktur Polyole und Harnstoff verwendet. Auch einige Füllstoffe und Pig-
mente bewähren sich als Regelsubstanz. Als Ersatz cadmiumhaltiger Substanzen
gibt es flüssige Zink-alkalihaltige Produkte und ebenfalls flüssige Zn/K-Salz-
Komplexe [9]. Als Porenregler beim Schäumen von Extrudaten (Tafeln, Folien,
Profile) mit Hilfe physikalischer Treibmittel bewährt sich Zitronensäure. Auch
das bei der Herstellung peroxidisch vernetzter Schaumstoffe am häufigsten ver-
wendete ADC wird in Kombinationen mit einem Kicker eingesetzt. Dieser Akti-
vator ermöglicht das Reduzieren der Zersetzungstemperatur sowie das Feinab-
stimmen der Treibmittel- und Peroxidzugabe. Zu homogenen Schaumstoffen
mit feinen, geschlossenen Zellen führt beispielsweise eine Kombination von
Zinkoxid und Stearinsäure [44].
Harze bei Raumtemperatur, dann schwinden die Formteile normal, das heißt
6 % bis 9 %. Beim Aushärten in der Wärme geht jedoch die Schwindung mit stei-
gender Temperatur zurück. In einem offenen Werkzeug vergrößert sich sogar
das Volumen. Die Ursache dieses Phänomens liegt in der thermisch bedingten
Ausdehnung der dispergierten Partikel (PS und Copolymerisate, Polyolefine,
PMMA, PVAC). Die kohärente Phase besteht aus der styrolischen Lösung des UP,
die zweite Phase aus den in Styrol dispergierten Thermoplasten. Dieses Zwei-
phasensystem ist auch in der Wärme beständig. Die Polymerisation des Styrols
in der zweiten Phase verläuft langsamer, als die Copolymerisation des Styrols
mit dem ungesättigten Polyesterharz der kohärenten Phase. Bei hohen Härtungs-
temperaturen kommt es sogar zum Verdampfen von Styrol, was bei dem, der
herrschenden Temperatur entsprechenden, Dampfdruck zu einer Volumenver-
größerung führt. Erst wenn die äußere Phase sich verfestigt hat, polymerisiert
auch das in den dispergierten Teilchen noch verbliebene Styrol. Die schwin-
dungsarmen UP-Harze sollten sehr reaktiv sein, d. h. mehr Doppelbindungen
enthalten, um eine Härtungstemperatur von 120 °C bis 140 °C zu erreichen. Härt-
bare Formmassen (BMC) und Harzmatten (SMC) sind die prädestinierten Pro-
dukte für die Herstellung von Formteilen mit schwindungsarmer, glatter, kontu-
rengenauer und nachbearbeitungsfreier Oberfläche, wie sie vor allem von der
Automobilindustrie verlangt werden [45] und heute Stand der Technik sind.
Mikrobentötende Zusätze
Während die Kunststoffe als solche kaum von Mikroorganismen wie Bakterien,
Pilzen, Hefen und Algen angegriffen werden, können jedoch einige Zusatzstoffe,
vor allem die darin enthaltenen Weichmacher, als Nahrungsquelle dienen. Des-
halb gilt das Verhindern des biologischen Abbaus vor allem dem Weich-PVC. Al-
lerdings können auch einige Pigmente, Füllstoffe, Verarbeitungshilfen und Sta-
bilisatoren von diesen Kleinlebewesen befallen werden. Sie erzeugen Stoffwech-
selprodukte, die ätzend oder fleckenbildend wirken oder auch die mechanischen
Eigenschaften des Werkstoffes beeinträchtigen. Zu den mehr oder weniger an-
greifbaren Weichmachern zählen die Abkömmlinge der Milch- und Adipin-
1.3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen 165
Phlegmatisierungsmittel
Die begrenzte Stabilität der vor allem bei der Verarbeitung ungesättigter Poly-
esterharze verwendeten Peroxide erfordert das Verdünnen mit phlegmatisieren-
den Substanzen. Dabei handelt es sich um inerte mineralische Füllstoffe, (die we-
der angreifen noch angegriffen werden), um Wasser oder Weichmacher auf der
Basis von Phthalaten. Die phlegmatisierten Peroxide weisen in der handelsübli-
chen Form meistens eine Konzentration von 50 % auf [17].
Photoinitiatoren
Die Entwicklung von Initiatoren, die das Härten von UP-Harzen mit Licht im
langwelligen und damit ungefährlichen UV-A-Bereich mit Hilfe von Leucht-
stofflampen oder Quecksilberdampf-Hochdruckstrahlern ermöglichen, führt
zu Einkomponentensystemen bei Lacken, Spachtelmassen, vorimprägnierten
Glasfasermatten und Rovings. Als Initiatoren dienen Benzoin sowie Benzil und
deren Abkömmlinge. Sie werden durch die UV-Strahlung in Radikale gespalten,
die die Polymerisationsreaktion auslösen. Die Spachtelmassen werden hand-
werklich verarbeitet, während flächige Halbzeuge wie Thermoplaste in Thermo-
formanlagen und strangförmiges Material auf numerisch gesteuerten Hochge-
schwindigkeitsanlagen verarbeitet werden können [47].
Die Wechselwirkung von Licht (UV oder sichtbarer Bereich) mit chromophoren
Gruppen löst photochemische Reaktionen aus. Die lichtabsorbierenden Gruppen
sind entweder im Polymer eingebaut (z.B. Vinyl-Cinnamat, Naphtyl-Vinylacetat)
oder werden als Photoinitiatoren (z.B. Diphenyldisulfid) zugesetzt [5].
166 1 Einführung in Polymer Engineering
Schlagzähigkeitsverbesserer
Die Schlagzähigkeitsverbesserer (engl. impact modifier) sind Homo- oder Co-
polymere, die dank ihrer niedrigen Glasübergangstemperatur spröde Polymere
so zu modifizieren vermögen, dass diese auch in der Kälte schlagzäh bleiben.
Voraussetzung für das Eigenschaftsbild dieser Polymer-Blends ist die Tatsache,
dass die beiden Liganden nur eine bedingte Verträglichkeit aufweisen. Es han-
delt sich somit im physikalischen Sinne nicht um eine Mischung, sondern viel-
mehr um ein Gemenge, denn nur so kann die eingebettete, elastifizierende Kom-
ponente als Stoß- und Schlagabsorber wirken. Der Anteil dieser Komponente be-
trägt meistens mehr als 10 Masse-%.
Außer dem Mischen von verschiedenen Polymeren gibt es naturgemäß noch
andere Wege, um zu schlagzähen Kunststoffen zu gelangen, beispielsweise die
Co- und Pfropfpolymerisation oder das Ausrüsten spröder Polymeren mit
Weichmacher. Diese Produkte bleiben jedoch in diesem Abschnitt außer Be-
tracht. Bei PVC-U erweist sich der Zusatz von feinstem, gefälltem Calciumcar-
bonat (Korngröße 75 nm) als ein vorzüglicher Verbesserer der Schlagzähigkeit
und zugleich der Oberflächengüte.
Zu den anwendungstechnisch wichtigsten PP-Blends gehören die mit EPM
oder EPDM (Polyolefinelastomere) modifizierten Propylen-Homo- und Copoly-
merisate. Eine Langzeit-UV-Stabilisierung ermöglicht den Einsatz im Freien.
Auch die Lackierbarkeit dieser Typen wurde verbessert. Zu den seit Jahren be-
kannten Zähigkeitsverbesserern von PA, dem Ethylen/Vinylacetat (EVAC)-Co-
polymerisat sowie PE-HD, kommen die thermoplastischen PO- und PA-Elasto-
mere. Die mit diesen Elastomeren ausgerüsteten Formmassen erhalten durch
Füllen und Verstärken wieder die Steifigkeit des Grundwerkstoffs, ohne an
Schlagzähigkeit zu verlieren (s. a. Kap. 2.1.1.2, Tab. 2-12 und 2-13).
Außer ABS, mit Polybutadien als elastifizierender Komponente, gibt es noch
einen Vorläufer unter den kälteschlagzäh ausgerüsteten Polymeren, das PVC-U.
Zu den elastifizierenden Liganden gehören: EVAC, EVAC/VC-Pfropfpolymerisat,
PAE/VC (Polyacrylsäureester/Vinylchlorid-Copolymerisat), ACE (Acrylester/
MMA-Pfropfpolymerisat) sowie das in mehr als 35jähriger Bewährung bekannte
chlorierte Niederdruckpolyethylen PE-C. Alle genannten Polymer-Blends eig-
nen sich für den Außeneinsatz, denn sie enthalten keine ungesättigte Kompo-
nente. Für die Innenanwendung hingegen kommen Polybutadien-modifizierte
Produkte in Betracht, zum Beispiel MBS, ein Methylmethacrylat/Butadien/Sty-
rol-Pfropfpolymerisat [48].
Witterungsbeständige AXS-Polymere enthalten anstelle des UV-gefährdeten
Polybutadiens ein dienarmes Acrylesterelastomer, was eine hohe Wetterfestigkeit
aufweist. Auch mit dienarmen EPDM elastifiziertes Polystyrol bleibt im Außen-
einsatz schlagzäh. Transparentes, schlagfestes Polystyrol (SB) wird dann ge-
wonnen, wenn die normalerweise opakizierende Kautschukkomponente nicht
in Form von kugelförmigen Partikeln, sondern von feinsten Lamellen in die
kohärente PS-Phase eingebettet wird. Aus dem gleichen Brechungsindex ergibt
sich die Transparenz.
Als elastifizierende Komponente für Phenoplaste kommt vor allem der form-
aldehydbeständige Nitril/Butadien-Kautschuk (NBR) in Betracht. Beim Härten
1.3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen 167
Treibmittel
Schaumstoffe können nach drei Verfahren hergestellt werden: dem Latex-
Schäumverfahren (bei dem die Zellstruktur durch Einschlagen von Luft in
das zu schäumende Produkt erhalten wird), dem chemischen und dem phy-
sikalischen Treibverfahren. Unter den physikalisch wirkenden Treibmitteln
spielen die von löslichen Feststoffen abgegebenen keine Rolle. Von den ver-
dichteten Inertgasen kommt nur der Stickstoff (in den USA) in Betracht.
Leicht siedende Flüssigkeiten sind bis zu einem Siedepunkt von 110 °C von tech-
nischer Bedeutung [47]. Pentan wird vom Markt nur zögernd aufgenommen.
Beim Extrudieren von PS-Schaumstoff dient Methylenchlorid als Treibmittel.
Die fluorierten, aliphatischen Kohlenwasserstoffe (R 11, R 12, R 113 und R 114)
kommen den an physikalische Treibmittel gestellten Anforderungen am nächs-
ten, denn sie sind nicht brennbar, gesundheitlich unbedenklich und thermisch
stabil.
Wegen nachhaltiger Schädigung der die lebende Natur auf der Erde schüt-
zenden Ozonschicht dürfen die FCKW ab Mitte der neunziger Jahre nicht mehr
als Treib- und Kältemittel verwendet werden. An ihre Stelle treten bis auf weite-
res die weniger schädlichen HF(C)KW und/oder die Kohlenwasserstoffe (Pen-
tan, Cyclopentan).
Das bekannteste chemische Treibmittel [4] für Thermoplaste und EP-Harze
ist Azodicarbonamid (ADC). Mit einer Gasausbeute von 220 g/ml ist es das wirt-
schaftlichste aller handelsüblichen Treibmittel. Es entspricht den Empfehlungen
des BGA und der FDA. Die an sich sehr hohe Zersetzungstemperatur von 205 bis
215 °C kann durch Zusatzstoffe, so genannte Kicker, reduziert werden. Als
Kicker dienen: Polyole, Harnstoff, Amine sowie Zinkoxid, Zinkstearat, Calcium-
stearat und andere. Zu den chemisch wirkenden Treibmitteln gehören auch die
Hydrazin-Derivate, die Semicarbazide, die Tetrazole und die Benzoaxine, Tabelle
1-45 [49]. Zu erwähnen ist aber auch CO2, das bei Wasser-Anwesenheit im Polyol
bei der Synthese von Polyurethan mit Isocyanat freigesetzt wird und zu PUR-
Schaum führt.
Stabilisatoren
Im Jahre 2001 wurden weltweit 850 000 t/a Stabilisatoren verbraucht. 70 Prozent
davon werden in PVC eingesetzt [3].
Restriktionen gegen schwermetallhaltige Stabilisatoren erzeugen einen Trend
hin zu organischen Verbindungen. Zusammen mit Co-Stabilisatoren und/oder
Synergisten entstehen so genannte Multifunktionsadditive, wie beispielsweise
Verarbeitungshilfen mit integriertem Licht- und Oxidationsschutz.
168 1 Einführung in Polymer Engineering
■ UV-Stabilisatoren
Bei im Freien befindlichen oder in geschlossenen Räumen fluoreszierendem
Licht ausgesetzten Kunststoffen werden durch den energiereichen UV-Anteil der
Strahlung physikalisch-chemische Vorgänge ausgelöst, die sich in einer Ver-
schlechterung der mechanischen Eigenschaften, in Glanzverlust und Verfärbung
äußern können. Der Grad der Schädigung hängt ab von: Lichtempfindlichkeit
des jeweiligen Kunststoffs, Art der Zusatzstoffe, Wanddicke der Erzeugnisse so-
170 1 Einführung in Polymer Engineering
Tabelle 1-47. Vergleich der Wirksamkeit der Alterungsschutzmittel gegen verschiedene Ein-
flüsse in Naturkautschuk: 1 = sehr gut, 5 = schlecht (keine Schutzwirkung) [50]
■ Wärmestabilisatoren
Während die meisten Polymere bereits durch die Anwesenheit von Antioxidan-
tien und Lichtschutzmitteln gegen die schädigende Wirkung von Wärme bei der
Verarbeitung und beim Einsatz hinreichend geschützt sind, bedarf vor allem das
PVC einer zusätzlichen Wärmestabilisierung. Bestünde das PVC-Makromolekül
nur aus Methylen- und CHCl-Gruppen, dann wäre es unter den gewöhnlichen
Verarbeitungsbedingungen sehr stabil. Die Instabilität rührt jedoch von be-
stimmten Elementgruppen her, die die Kette an jedem Ende abschließen. Es ist
auch möglich, dass sich tertiäre Cl-Atome in der Polymerkette befinden, die
Schwachstellen bilden.
Angesichts der geringen Thermostabilität des PVC ist es nicht verwunderlich,
dass seit dem ständig zunehmenden Verbrauch von weltweit 14 Mio. t/a mehr als
250 000 t/a an Stabilisatoren für nur diese eine Kunststoffsorte und ihre Modifi-
kationen benötigt werden. Die Auswahl der Stabilisatoren geschieht heute nicht
nur nach anwendungsspezifischen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten, son-
dern ebenso nach ihrer toxikologischen Beurteilung, die von Land zu Land
unterschiedlich sein kann. Die USA und Frankreich lassen beispielsweise für
Trinkwasserrohre keine Bleiverbindungen zu; an ihre Stelle treten Zinnstabilisa-
toren. In Europa ist der Verbrauch von Cadmiumstabilisatoren wegen gesund-
heitlicher Bedenken nicht mehr zugelassen.
Die Aufgabe der Wärmestabilisatoren besteht bei PVC darin, den bei der
Zersetzung freiwerdenden Chlorwasserstoff zu binden, Initialstellen durch
Substitution auszuschalten und die Autooxidation durch antioxidative Eigen-
schaften des Stabilisators, gegebenenfalls unter Mitwirkung von phenolischen
Antioxidantien oder Phosphiten zu verhindern.
Die schwefelhaltigen Zinnverbindungen eignen sich zum Stabilisieren von E-,
S- und M-PVC, von Co- und Pfropfpolymerisaten sowie vom PVC-Polymer-
blends. Bei allen Zinnstabilisatoren wird die damit erreichbare glasklare Trans-
parenz der Erzeugnisse besonders geschätzt. Die schwefelhaltigen Verbindun-
gen erfordern zur Erhaltung der Transparenz allerdings die Anwesenheit von
UV-Stabilisatoren [51]. Die Organozinn-Stabilisatoren sind sehr migrationsbe-
ständig. Die Butylzinnmercaptide werden in zunehmendem Maße zur Substitu-
172 1 Einführung in Polymer Engineering
Einen erfolgreichen Weg bietet auch das Aufbereiten von gewöhnlicher Stärke
in Doppelschnecken-Compoundiermaschinen unter Zugabe von Wasser und
chemischen Additiven verbunden mit intensiver mechanischer Scherung und
thermischer Beanspruchung. Das Endprodukt ist thermoplastisch verarbeitbare
Stärke. Das auf den technisch ausgereiften Anlagen hergestellte Granulat kann
auf herkömmlichen Extrudern zu Folien und auf Spritzgießmaschinen zu einfa-
chen Formteilen verarbeitet werden.
Weichmacher
Weichmacher dienen dazu, die Härte und die Sprödigkeit von Polymeren
herabzusetzen. Sie vergrößern den Abstand der Molekülketten, verringern so die
Nebenvalenzkräfte und verschieben den Einfrierbereich zu tieferen Temperatu-
ren, siehe auch Kapitel 1.3.1.1. Zum Erreichen dieses Zieles bieten sich zwei Mög-
lichkeiten: die innere und die äußere Weichmachung.
■ Weichmacheraufnahme
Korngröße und Kornstruktur bestimmen das Vermögen der PVC-Körper,
Weichmacher aufzunehmen, was besonders bei der Weichverarbeitung wichtig
ist. Das gleichmäßig hochporöse Korn der für die Weichverarbeitung bestimm-
ten Typen wirkt sich sehr günstig aus, besonders auch im Hinblick auf die Ge-
schwindigkeit der Weichmacheraufnahme beim Mischen (Dryblend-Bildung).
Die Bestimmungsmethode für die Weichmacheraufnahme bei Raumtempe-
ratur (DIN 53417 T.1) gibt hauptsächlich einen Hinweis auf die Porosität der
PVC-Marken, die Bestimmung der Geschwindigkeit der Weichmacheraufnahme
bei höheren Temperaturen (DIN 54802) erlaubt Rückschlüsse auf die Dryblend-
Bildung mit hohen Weichmachermengen [46].
Weiterführende Literatur
Farbstoffe und Pigmente Textheft 15. Frankfurt: Fonds der Chemischen Industrie, 1993
Troitzsch J (1984) Kunststoffe, 74, S. 627
Bäumer W (1983) Perlglanz-Pigmente, in (14), Bd 18, S. 629
Witt W (1984) Kunststoffe, 74, S. 592
Peter W (1984) Moderne Rezeptgestaltung, in: „Kostenoptimiertes Extrudieren von Rohren und
Profilen“, Düsseldorf, VDI-Verlag, S. 85
1.3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen 177
1.3.5.2
Organische und anorganische Füllstoffe
Die Füllstoffe sind partikelförmige, organische oder vorwiegend anorganische
Substanzen in fester Form. Die grundsätzliche Unverträglichkeit mit dem
Grundmaterial (Matrix) führt zu einem Mehrphasensystem, dessen Verträglich-
keit jedoch durch haftvermittelnde Zusatzstoffe (coating) – ähnlich wie bei den
verstärkenden Fasern – erhöht werden kann, sodass es zumindest zu einer
Brückenbildung kommt.
Die Füllstoffe unterscheiden sich voneinander durch ihren chemischen Auf-
bau, ihre Kornform, -größe und -verteilung. Bei der Kornform spielt das Ver-
hältnis von Länge zu Dicke (l/d) eine wichtige Rolle. Es hat bei der Kugel und
beim Würfel den Wert 1. Bei Quadern erreicht dieses, in der englischsprachigen
Fachliteratur als „aspect ratio“ bezeichnete Verhältnis Werte von 4 : 1, bei Plätt-
chen von 5 bis 100 : 1 und bei Fasern > 4 : 1. Füllstoffteilchen mit Werten von 4 : 1
wirken normalerweise als ausgesprochene Extender, d. h. sie verbessern außer
der Steifheit nicht die mechanischen Eigenschaften; ganz anders verhalten sich
die Plättchen (Glimmer, Talkum, Graphit, ATH) und erst recht die Verstärkungs-
fasern [1]. Ebenso wichtig wie das l/d-Verhältnis ist die Kornverteilung. Der
obere Schnitt, gleichsam das Grobkorn, beeinflusst – je nach Anteil selbst bei
mittleren Korngrößen von nur wenigen mm – vor allem die Schlagzähigkeit so-
wie das Gleit- und Verschleißverhalten der Formstoffe. In kritischen Fällen ist es
deshalb sehr wichtig, diesen „top cut“ durch Sichten abzutrennen. Grundsätzlich
ist eine große Füllstoffoberfläche erwünscht; ist diese zu groß, kann sie jedoch
zu Agglomeratbildung führen und wirkt dann wie ein Grobkorn.
Auch eine hohe Oberflächenenergie des Füllstoffs ist grundsätzlich zu be-
grüßen. Wird auch sie zu groß, dann wird das Dispergieren schwierig. Abhilfe
schafft nur eine Beschichtung (coating). Die um ein Vielfaches höhere spezifi-
sche Wärmekapazität und die wesentlich höhere Wärmeleitfähigkeit wirken sich
günstig auf die Plastifizier- und Abkühlzeit der Formmassen aus, was zu einer
Durchsatzsteigerung beim Verarbeiten führt. Die Mohs-Härte ist – wenn auch
nicht ausschließlich – maßgebend für die Verschleißwirkung eines Füllstoffs.
Die verschiedenen Arten der optimalen Oberflächenbeschichtung (Silane, Tita-
nate, Chromkomplexe, Fettsäuren, Gleitmittel) weisen auf das in dieser Hinsicht
unterschiedliche Verhalten der einzelnen Füllstoffe und ihrer Darbietungsform
hin. Auch in Gegenwart von faserförmigen Verstärkungsstoffen erweisen sich
die Füllstoffe als vorteilhaft, denn sie erhöhen die Steifheit des Formstoffs und
passen so deren E-Modul demjenigen der verstärkenden Faser an. Das ist ein
entscheidender Vorteil der so genannten Hydridverstärkung [2]. Die große
anwendungstechnische Bedeutung spiegelt sich in den großen Verbrauchsmen-
gen wider. Beträgt doch der Verbrauch an Füllstoffen plus Verstärkungsstoffen
weltweit etwa 25 Mio. t/a. Bei den wichtigsten Zusatzstoffen erreicht die jährliche
Wachstumsrate etwa 10 %.
Halten wir fest: Die Füllstoffe erhöhen Dichte, E-Modul, Druck- und Biege-
festigkeit, Härte, Formbeständigkeit in der Wärme, Oberflächengüte und – je
nach Füllstoffsorte – das antistatische Verhalten oder die Brandschutzwirkung.
Die Schwindung und die Reißdehnung werden verringert. Die Zug- und
178 1 Einführung in Polymer Engineering
Organische Füllstoffe
Von den partikelförmigen organischen Füllstoffen hat für Thermoplaste, insbe-
sondere PP, das Holzmehl die größte Bedeutung erlangt. Bei den härtbaren
Formmassen kommt die pulverförmige Cellulose hinzu. Bei diesen feinpulveri-
gen Stoffen handelt es sich in Wirklichkeit um faserförmige, feingemahlene und
speziell konditionierte Produkte auf der Basis von Fichten- oder Buchenholz so-
wie Baumwolle. Zu erwähnen sind außerdem Holzgranulat, Sägemehl, Schalen-
und Kernmehl sowie der bereits bei den Schlagzähigkeitsverbesserern erwähnte
Kautschuk.
■ Holzmehl
Die aus Fichten- oder Buchenholz hergestellten Holzmehle enthalten vergleich-
bare Bestandteile an Alpha-Cellulose, Hemicellulose und Lignin. Der Anteil von
Begleitstoffen wie Harze, Fette,Wachse und Mineralsalze beträgt bei Fichtenholz
etwa 1,5 % und bei Buchenholz nur 0,5 bis 1 %, der Feuchtigkeitsgehalt 6 %. Die
Harzanteile werden mit Hilfe einer Wärme- und Sauerstoffbehandlung bis auf
die genannten Restmengen abgebaut. Die Korngrößenverteilung von Holzmehl
ist stetig. Die obere Faserlänge beträgt 200 mm. Der Holzmehlgehalt der Pheno-
und Aminoplaste beträgt je nach Typ 40 bis 65 Masse-%. Bei Thermoplasten (PP,
PVC) liegt der Füllstoffanteil in der gleichen Größenordnung. Auch UP wird mit
Holzmehl gefüllt. Holzmehle sind unlöslich in Wasser und nahezu allen orga-
nischen Lösemitteln, sie sind jedoch hydro- und lipophil.
Die Fichtenholz-Faserstoffe sind wesentlich faseriger als die vergleichbaren
Buchenholz-Faserstoffe. Im Unterschied zu den Cellulosefasern, die als Einzel-
fasern (Zellen) vorliegen, enthalten die Holzfaserstoffe eine hohe Anzahl zu-
sammenhängender Fasern. Durch Verdichten kann der Lumenanteil (Zellhohl-
raum) speziell behandelter Fichtenholzfasern wesentlich verringert werden, was
sich bei härtbaren Formmassen günstig auswirkt: die Harzaufnahme ist gerin-
ger, der Füllstoffanteil kann ohne nachteiliges Beeinträchtigen der Fließfähigkeit
erhöht werden, der Sauerstoffanteil ist geringer, das Schüttgewicht wird erhöht
und dadurch die Rieselfähigkeit der Formmasse verbessert. Während die Fich-
tenholz-Faserstoffe normalerweise einen pH-Wert von etwa 5 mit starker Puf-
ferwirkung aufweisen, stehen auch Fichtenholz-Faserstoffe mit pH-Werten zwi-
schen 7 und 8 zur Verfügung, was bei MF-Formmassen die unerwünschte „Oran-
genhautbildung“ verhindert.
■ Cellulosepulver
Während bei härtbaren Formmassen bis zum Farbton weinrot vorwiegend Fich-
ten- und Buchenholzmehle verwendet werden, kommt für die Pastelltöne der
Aminoplaste nur die weiße Buchen- und Baumwollcellulose in Betracht.
Während die Holzfaserstoffe zum großen Teil aus Zellverbänden bestehen, han-
1.3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen 179
Anorganische Füllstoffe
Im Jahre 2000 wurden, dominiert von einigen großen Herstellern wie beispiels-
weise Omya, Luzenac, Imerys, DAM, Quarzwerke, ca. 10 Mio. t anorganische Füll-
stoffe produziert. Tabelle 1-48 nennt einige Details.
Das Preis-Leistungs-Verhältnis, die Reinheit, Konstanz der Produktqualität
und die Verfügbarkeit bestimmen die Akzeptanz eines Füllstoffes, wobei das
mittlere Aspektverhältnis weitgehend seine Eigenschaften charakterisiert.
Der Trend geht hin zu mikronisierten Typen (Nanoverbunde, Nanocomposi-
tes) mit hohem Aspektverhältnis von bis zu 1000. Damit lassen sich mit 5 % Füll-
grad ähnliche Eigenschaften züchten wie mit 30 % konventionellen Füllstoffen,
anorganische Füllstoffe
Aluminiumverbindungen
■ Aluminiumtrihydrat
Das Aluminiumtrihydrat (ATH) erfüllt außer der bereits bei den Funktions-Zu-
satzstoffen beschriebenen Aufgabe als Brandschutzmittel auch die eines hoch-
wertigen Füllstoffs. Außer der versteifenden Wirkung führt es wegen seiner
plättchenförmigen Struktur zu hoher Oberflächengüte der Erzeugnisse sowie zu
einer verbesserten Durchschlag- und Kriechstromfestigkeit.
■ Elektrokorund
Als Ausgangsmineral dient Bauxit, das Al2O3 ziemlich reiner Form enthält. Der
Rohstoff wird calciniert, dann mit gemahlenem Koks und Eisenspänen bei
2000 °C im Lichtbogenofen geschmolzen. Die Schmelze kristallisiert zu einer
sehr harten, jedoch zähen Masse. Der braune Normalkorund mit etwa 95 % Al2O3
dient in Begleitung von Füllstoffen, beispielsweise Kryolith, zur Herstellung von
Schleifscheiben und Schleifmitteln auf Unterlage für das Bearbeiten lang-
spanender Werkstoffe. Der rosafarbene Edelkorund mit etwa 99 % Aluminium-
oxid ist spröder und härter. Er dient zum Bearbeiten von hochlegierten metalli-
schen Werkstoffen und Holz. Der Schwarzkorund mit 70 bis 85 % Al2O3 wird in
der optischen Industrie verwendet.
■ Kryolith
Nach Erschöpfung der natürlich vorkommenden Lagerstätten in Grönland wird
Kryolith (Na3AlF6) synthetisch hergestellt. Kryolith erhöht die Standzeit von
Schleifscheiben. Als weitere Füllstoffe für vorwiegend phenolharzgebundene
Schleifmittel dienen Pyrit, Zinksulfid, Lithopone, Kaliumfluorborat, -sulfat- und
-chlorid, Antimontrisulfid, Bleichlorid, Aluminium- und Eisenoxid, Silicate und
Kreidemehl.
Bariumverbindungen
■ Schwerspat
Schwerspat (BaSO4) ist heute das wichtigste Ausgangsmaterial für die Her-
stellung von Bariumverbindungen. Die als Pigment dienenden weißen Sorten
entstammen entweder natürlichen Vorkommen oder sie werden durch zusätzli-
ches Bleichen gewonnen. Die Mohs-Härte beträgt 2,5 bis 3,5, die Dichte ist mit 4,3
bis 4,6 g/cm3 hoch. Die Schwerspatmehle dienen als Füllstoff hoher Rohdichte,
1.3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen 181
■ Blanc fixe
Das Blanc fixe besteht zu 99 % aus BaSO4 ; es wird vor allem in härtbaren Form-
massen und Reaktionsharzen als inerter, farbneutraler Füllstoff und vor allem
zum Einstellen von Farbrezepten dann verwendet, wenn der ursprüngliche
Farbton und dessen Brillanz erhalten bleiben sollen. Blanc fixe verbessert das
Fließverhalten der Formmassen und verursacht keinen Metallabrieb. In thermo-
plastischen Kunststoffen erhöht es Härte und Verschleißfestigkeit.
■ Bariumferrit
Mit bis zu 80 % Bariumferrit gefülltes Polyamid wird zur Herstellung von Klein-
magneten verwendet. Auch in den magnetischen Dichtprofilen an Kühl- und
Gefrierschränken aus PVC-P oder PE-LD bewirkt es das dabei erforderliche fer-
romagnetische Verhalten.
■ Calciumcarbonat
Die Carbonate erreichen einen Anteil von nahezu 70 % am Verbrauch von Füll-
und Verstärkungsstoffen insgesamt. Zu den in der Natur vorkommenden Carbo-
naten gehören Kreide, Kalkstein und Marmor. Die Mohs-Härte beträgt 3, die
Dichte bis 2,7 g/cm3. Obwohl diese Mineralien vor allem nach ihren Kosten beur-
teilt werden, ist zu beachten, dass es hinsichtlich ihrer Reinheit, der Aufbe-
reitungsverfahren und der Oberflächenbehandlung wesentliche Unterschiede
gibt. Hochwertige Carbonat-Füllstoffe zeichnen sich aus durch: Chemische Rein-
heit (vor allem keine Schwermetallionen), geringe Absorptionsfähigkeit für
Weichmacher und andere flüssige Additive, hohen Weißgrad, geringe Verschleiß-
wirkung, gute Rieselfähigkeit, gute Dispergierbarkeit (insbesondere die gecoate-
ten Typen), günstige Beeinflussung der mechanischen Eigenschaften (wiederum
vor allem die gecoateten Typen), geringes Plateout, hohe Wärmebeständigkeit
(bis 600 °C) und vor allem einen günstigen Preis. Die PVC-U-Verarbeiter schät-
zen die verfügbaren sehr feinteiligen, oberflächenbehandelten Typen, auch wenn
diese nicht die hohen Kerbschlagzähigkeitswerte der herstellbedingt teureren
synthetischen gefällten Calciumcarbonate erreichen. Je nach Verwendungszweck
beträgt der Anteil 3% (Druckrohre) bis 50% (Kabelrohre) [3].
Bei PE beschränkt sich der Einsatz vorwiegend auf Folien, um das An-
tiblocking-Verhalten zu verbessern. Bei einem Anteil von 10 Masse-% feinteili-
ger gecoateter Kreide bleiben die mechanischen Eigenschaften der Folien un-
verändert. Zusätze von 5 bis 15 Masse-% zu Hohlkörpern aus PE-HD erhöhen die
Steifigkeit und die Bedruckbarkeit. Bei PP wird feinstkörnige Kreide vor allem
bei Folienstreifen eingesetzt. Der beschichtete Füllstoff verhindert das unge-
wollte Fibrillieren. Die Kombination von Glasfasern mit feinteiligem CaCO3 er-
möglicht es, mit Preisvorteil die Steifigkeit der Erzeugnisse zu erhöhen, ohne die
Zugfestigkeit und die Schlagzähigkeit durch diese Hybridverstärkung wesent-
lich zu beeinträchtigen. Die günstigeren thermischen Eigenschaften führen
beim Spritzgießen zu um 20 % kürzeren Zykluszeiten [4].
182 1 Einführung in Polymer Engineering
■ Dolomit
Dabei handelt es sich um ein Doppelcarbonat aus Calcium und Magnesium. Der
CaMg (CO3)2-Gehalt beträgt etwa 99 %, die Mohs-Härte 3 (wie bei Kreide). Die
bei EP- und UP-gebräuchlichen Füllgrade betragen 20 bis 40 Tle. beim Handauf-
legeverfahren, 100 bis 130 Tle. bei SMC und 100 bis 160 Tle. bei BMC. Es sind auch
Kombinationen mit Talkum möglich [6]. Die elektrischen Eigenschaften sind
bei Dolomit-Füllung besonders günstig. Der Wärmeausdehnungskoeffizient er-
reicht den des Aluminiums.
Kohle, Graphit
Aufbereitete Füllstoffe wie Kohle, Graphit oder Schwerspat mit einem Binde-
mittel auf der Basis von Cresol- oder modifizierten Phenolharzen erweisen sich
als säure-, alkali- und lösemittelbeständige Werkstoffe für den Oberflächen-
schutz im Apparatebau der Chemischen Industrie. Daraus werden Überzugmas-
sen und massive tragende Elemente hergestellt. Phenolharze dienen ferner als
Bindemittel für die Herstellung von Kunstkohle, aus der Kohlebürsten, Kontakt-
rollen, Schleifbügel und Graphitanoden hergestellt werden. Die Formkörper
werden gebrannt; das Bindemittel verkokt und wird durch Nachbrennen in elek-
trisch gut leitenden Graphit übergeführt. Für die Herstellung von Glaskohlen-
stoff (CFC = C-Faser verstärkter Kohlenstoff) und Schaumkohlenstoff werden
Phenol- und Furanharze eingesetzt. CFC bewährt sich bis zu Temperaturen von
3000 °C bei Triebwerkteilen, Spitzen von Großraketen und Flugzeug-Brems-
scheiben. Die gute Körperverträglichkeit begünstigt die Verwendung in der me-
dizinischen Technik für Prothesen und Elektroden von Herzschrittmachern.
Siliciumverbindungen
Zu den natürliche Silicaten gehört eine Reihe unentbehrlicher Rohstoffe: Kaolin,
Talkum, Feldspat, Glimmer u. a.; in den meisten Verbindungen ist das Silicium
tetraedrisch von vier Sauerstoffatomen umgeben. Diese Tetraeder können zu
Ringen, Ketten, Schichten oder Gerüsten kondensieren. Die Mannigfaltigkeit der
Silicate wird noch dadurch gesteigert, dass Al, B und Be bis zu einem bestimm-
ten Prozentsatz an die Stelle von Si treten und in die Tetraederverbände einge-
baut werden können. Hier die wichtigsten Verbindungen wiederum in alphabe-
tischer Reihenfolge.
■ Andalusit
Bei diesem Mineral werden die [SiO4]-Tetraeder durch Al2O3 zusammengehalten.
Diese Verbände sind jedoch nicht trennbar. Die Mohs-Härte beträgt 7,5. Das wich-
tigste Anwendungsgebiet sind phenolharzgebundene, feuerfeste Steine. Feinkör-
niges Mahlgut dient als Füllstoff bei der Herstellung mechanisch und chemisch
hoch beanspruchbarer Beschichtungen und harzgebundener Formstoffe.
■ Feldspat
Von technischer Bedeutung ist vor allem der Kalifeldspat K[AlSi3O8]. Die Mohs-
Härte beträgt 6 bis 6,5. Wichtigstes Einsatzgebiet sind die Glas- und Keramik-
industrie. Feldspatmehle werden wegen ihrer Härte und der vorwiegend plätt-
chenförmigen Struktur als mildes Schleifmittel verwendet. Feinsande und Grob-
mehle dienen als Gleitschutzmittel bei befahr- und begehbaren Beschichtungen
und bei Anstrichen. Pigmente, Klebstoffe und Gummi werden mit feinst-
gemahlenem Material gefüllt. Die Brechzahl von Feldspat (1,53) stimmt mit der
vieler Harze, Weichmacher und Kunststoffe überein, so dass damit selbst bei
höheren Konzentrationen nahezu transparente Überzüge oder Formteile herge-
stellt werden können. Feldspat ist gröber als Kaolin oder Talkum. In silanisierter
Form dient Feldspat als Füllstoff für PVC.
184 1 Einführung in Polymer Engineering
■ Glimmer
Glimmer gehört wie Talkum, Kaolin, Schiefermehl, MoS2 und Graphit zu den
plättchenförmigen Zusatzstoffen für Kunststoffe. Die Summenformel (K2Al4
(Al2Si2O20)) des Muskovit zeigt, dass es sich beim Glimmer um ein komplexes
Kalium/Aluminiumsilicat handelt. Muskovit glänzt perlmuttartig und ist farblos
bis gelblich grünlich, zuweilen auch rötlich gefärbt. Das Material ist vorzüglich
spaltbar. Die Mohs-Härte beträgt 2 bis 2,5. Die Glimmer sind beständig gegen Al-
kali, Säuren und oxidierende Medien. Die Grundflächen sind leicht benetzbar.
Als Ausgangsprodukt der als Füllstoff verwendeten so genannten Mica-Typen
dienen Produktionsrückstände aus der Plattenfertigung oder durch Flotation
glimmerhaltiger Mineralgemenge gewonnene angereicherte Schuppen. Glim-
mer erschwert die Verarbeitbarkeit von Pheno- und Aminoplast-Formmassen,
deren elektrische Eigenschaften sind allerdings vorzüglich (z. B. Typ 13). Fließ-
technisch günstiger verhalten sich Gemische aus Glimmer und silicatischen
oder carbonatischen Füllstoffen. In den USA wird Glimmer häufig als verstär-
kender Füllstoff für PP verwendet. Dies ist weniger auf das im Vergleich mit Tal-
kum nur unwesentlich verbesserte Eigenschaftsbild als auf die dort verfügbaren
und wirtschaftlich abbaubaren Vorkommen zurückzuführen [7].
■ Kaolin
Kaolin mit einer Mohs-Härte von 2,5 und einer Dichte von 2,6 g/m3 ist ein Ver-
witterungsprodukt aus sauren, kristallinen Gesteinen, in denen Feldspat, Quarz
und Glimmer vorkommen. Davon wird vor allem der Feldspat in Kaolinit
[Al4(OH)8Si4O10], dem in Kaolin vorherrschenden Mineral, übergeführt. Kaoli-
nit bestimmt das Eigenschaftsbild, wenn auch die nur untergeordnet anwesen-
den Mineralien (Feldspat, Quarz, Illit, Eisen- und Titanminerale) häufig einen
nicht zu vernachlässigenden Einfluss ausüben.
Der größte Verbraucher ist die Papierindustrie mit einem Anteil von etwa
70 %. In der Kunststoffindustrie werden calcinierte und silanisierte Produkte
verwendet. Bei PVC wird die Zersetzungstemperatur erhöht, PE-HD kann flexi-
bilisiert werden.Aus einem mit 50 Masse-% gecoatetem Kaolin gefüllten PP kön-
nen papierähnliche Folien hergestellt werden. Durch Schmelzspinnen erhält
man daraus opake Monofile. Bekannte Anwendungsgebiete sind auch UP (SMC,
BMC), EP und Phenoplaste, Typen von hohem Weißgrad werden für das Press-
formen von SMC zu großflächigen Automobilteilen und Bootskörpern mit ho-
her Oberflächengüte eingesetzt.
In Low-profile-Harzen (LP-Harze) bewirken Zusatzmengen von 20 % bei 45 %
Kaolinit eine bleibend homogene Verteilung der Komponenten während des
Formvorgangs.
■ Kieselgur
Kieselgur besteht aus in Jahrtausenden abgelagerten Kieselpanzern einzelliger
Kieselalgen. Viele tausend Diatomeenarten unterscheiden sich in Form, Ober-
flächenbeschaffenheit und Größe voneinander. Die Abmessungen betragen 5 mm
bis 400 mm. Den Hauptanteil bildet amorphes SiO2 außer Aluminium-, Eisen- und
Calciumoxid. Der überwiegende Teil der Weltproduktion von 2 Mio. t entfällt auf
Filterhilfsmittel. Mit Hilfe von Kieselgur können die rheologischen Eigenschaf-
1.3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen 185
ten von flüssigen Harzen und von Schmelzen eingestellt werden. Kieselgur ver-
bessert die Wärmestand- und Verschleißfestigkeit sowie die Alterungsbestän-
digkeit duroplastischer Formstoffe. Höhere Zusätze bewirken Mattierung und
führen bei Kunstharzböden zu rutschfesten Oberflächen.
Eisenoxid. Die Fillite SG-Kugeln enthalten eine Gasfüllung aus 10 % CO2 und
30 % N2. In freistehenden und in Strukturschaumstoffen aus PUR wirken diese
Kugeln als Keimbildner.
■ Nephelin
Nephelin, ein Alkalialuminosilikat KNa3 [AlSiO4]4, gehört zu den Feldspat-
mineralien. Auf diesem Rohstoff basiert die Produktion der B-Glasfasern. Als
Feinmehl gewinnt Nephelin ebenso wie Feldspat an Bedeutung als Füllstoff für
UP-Harze, Kautschuk, Klebstoffe, Farben und Lacke. Die guten elektrischen Ei-
genschaften begünstigen den Einsatz dieses Füllstoffs bei Vergussmassen und
Lacken.
■ Talkum
Das natürliche Magnesiumsilikat 3MgO · 4SiO2 · H2O gehört zur Gruppe der Si-
likate mit Plättchenstruktur. Es kommt außerdem in Form von Fasern und Na-
deln vor. Als Füllstoff kommt nur die Plättchenstruktur in Betracht. Dabei be-
findet sich das Magnesiumoxid als Schicht zwischen zwei Siliciumoxid-Deck-
schichten. Dieser Aufbau ist maßgebend für die guten Gleiteigenschaften und
für die geringe Härte (H = 1 nach Mohs). Die Dichte beträgt 2,9 g/cm3.Angesichts
des Einflusses auf die mechanischen Eigenschaften kann bei Talkum schon fast
von einer verstärkenden Wirkung gesprochen werden. Der spezifische Durch-
gangswiderstand und der Oberflächenwiderstand sind hoch, ebenso die UV-Ab-
sorption, die Beständigkeit gegen Säuren und Alkali sowie die Barrierewirkung
gegen die Diffusion von Gasen und Kapillarwasser [6].
Im Sortiment der Thermoplaste spielt bereits seit mehr als 35 Jahren das
talkumverstärkte PP eine wichtige Rolle unter den preiswerten technischen
Kunststoffen. Talkum erhöht Steifheit, Härte, Biege- und Schubmodul bei aller-
dings niedriger Zugfestigkeit, Reißdehnung und Kerbschlagzähigkeit; Eigen-
schaften, die sich jedoch im Rahmen einer Hybridverstärkung zum Beispiel mit
Glasfasern wieder verbessern lassen. Sehr aufschlussreich ist der Vergleich zwi-
schen Talkum und Kreide, beides Füllstoffe für PP [7]. Die Vorteile von Talkum
bestehen in einer bei gleichem Füllstoffanteil höheren Steifigkeit der Formstoffe,
in der geringeren Dichte und Gesamtschwindung. Ein mit Kreide gefülltes PP
weist eine höhere Zähigkeit und Bindenahtfestigkeit auf. Bei härtbaren Form-
1.3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen 187
massen und Reaktionsharzen überwiegt bei Talkum die Aufgabe als Extender.
Dabei ist zu beachten, dass es, wie alle mineralischen Füllstoffe, den Härtungs-
verlauf der Harze beeinflusst.
■ Schiefermehl
Dabei handelt es sich um ein aus zahlreichen Oxiden auf der Basis von Si, Al, Fe,
Ca, Mg, K und Ti bestehendes Mineral, das außerdem noch geringe Anteile von
S, P, CO2 und Na2O enthält. Die Korngröße beträgt je nach Mahlgrad 10 mm bis
100 mm. Auf dem Kunststoffgebiet ist das Schiefermehl bekannt als Füllstoff für
wärmestandfeste PF-Formmassen und verschleißfeste Einstellungen von UP-
Harzen.
In der Dichtungstechnik ist es bei Weichstoff-Flachdichtungen Substituent
für Asbestfasern. Standfeste, nachziehfreie siliconharz- oder phenolharzgebun-
dene Dichtungsmassen für Flachdichtungen, sofern sie heute nicht Metallbleche
mit Polysiloxanbeschichtungen (siebgedruckt) sind, erfüllen mittlere Anforde-
rungsprofile im Motorenbau.
■ Siliciumcarbid
Siliciumcarbid, SiC, wird im Elektroofen aus einem Gemisch von 60 % Sand und
40 % Petrolkoks bei Temperaturen um 2000 °C hergestellt. Die Kristallisation ist
nach 36 Stunden beendet. SiC steht mit einer Härte von 9,5 bis 9,75 dem Borcar-
bid (9,9) und dem Korund (9,0) sowie dem Diamant (10) sehr nahe. Zur Her-
stellung von Schleifmitteln auf Unterlage wird das zähere schwarze und für phe-
nolharzgebundene Schleifscheiben das weniger zähe SiC verwendet.
188 1 Einführung in Polymer Engineering
■ Wollastonit
Das Calciummetasilicat Wollastonit, CaSiO3, kommt in der Natur als einziges
reinweißes, nadelförmiges Mineral vor. Der aspect ratio beträgt 3 : 1 bis 20 : 1, die
Mohs-Härte 4,5 bis 5,0, die Dichte 2,9 g/cm3. Es kann je nach seiner Form als Füll-
stoff oder als Verstärkungsstoff eingestuft werden. Entsprechend ist sein Ein-
fluss auf die mechanischen Eigenschaften des Matrixmaterials. Zu den Vorzügen
zählen der niedrige Preis, die gleichmäßige Korngröße, die hohe Reinheit und
Leuchtkraft, die gute Verträglichkeit, die hohe Chemikalienbeständigkeit sowie
die damit erreichbare Verbesserung der mechanischen, elektrischen und ther-
mischen Eigenschaften. Bei EP-Harzen kann die Dielektrizitätszahl auf 2,3 bis
2,8 verbessert werden. Bei Polyolefinen wird die Schlagzähigkeit mehr verbes-
sert als mit irgendeinem anderen Füllstoff. Auch bei Fluorkunststoffen, UP-Har-
zen, Pheno- und Aminoplasten bewährt sich dieser vielseitig verwendbare Füll-
stoff. Die meisten Eigenschaften werden durch gecoatetes Material zusätzlich
verbessert. Wollastonit wird ebenfalls als Austauschmaterial für Asbest und an-
dere gesundheitsgefährdende Füllstoffe verwandt. Mit abgestuften Mischungen
aus nadelförmigem Wollastonit mit blättchenartigen Füllstoffen können dicht
verfilzte Teilchenpackungen eingestellt und dadurch auch die rheologischen
Verarbeitungseigenschaften von Reaktionsharzen gesteuert werden.
Neuentwicklungen bei Füllstoffen finden nicht nur im nanoskaligen Bereich
statt. Standardprodukte werden ebenfalls laufend verbessert [10].
Beispiele sind:
• mit Silan behandelte, calzinierte Kaoline (Hersteller: Dorfner; Typ: Dorkafil
602; Hersteller: Imerys; Typ Polarite 402) eignen sich bestens zur Verbesse-
rung der Kratzfestigkeit von PA, PP und PBT.
• für PE-Folien gibt es ein extrem feines, agglomeratfreies Calciumcarbonat
(Hersteller: Provencale; Typ: Mikhart MU08)
• für atmungsaktive Folien kommt von Imerys Filmlink 450 zum Einsatz
• als Verstärkungsmittel für PUR-RRIM eignet sich ein im Sublimationsprozess
hergestelltes Silica Produkt (Hersteller: Quarzwerke; Typ: Tremin 939)
• als selbstverstärkender Füllstoff dient unterschiedlich eingefärbtes UP-Gra-
nulat (Hersteller: Dorfner) eingesetzt in UP-Gussmassen für Spülbecken, Ar-
beitsplatten u. a.
Einen zusammenfassenden Bericht über organische und anorganische Füllstoffe
geben [8] und [10] sowie [11], [30] und [31] am Ende von Kap. 1.3.5.3.
Weiterführende Literatur
Pfaender R Additive für Rezyklate. Kunststoffe 7/1999, S. 76 – 79
Zweifel H (Hrsg) Plastics Additives Handbook. München: Hanser, 2002 (5. Aufl.)
Hund CM; Gores F Qualitätssicherung: Additive – ein Buch mit sieben Siegeln? Kunststoffe
2/2003, S. 72–74
Hohenberger W Additive – Maßgeschneiderte Lösungen liegen im Trend. Kunststoffe 9/2001,
S. 268–271
1.3.5.3
Verstärkungsstoffe
Mineralische organische und metallische Fasern bzw. die daraus hergestellten
flächenförmigen Gebilde wie Vliese, Gewebe und Gewirke ermöglichen es nicht
nur, aus Standard-Kunststoffen und technischen Formmassen auf wirtschaft-
liche Weise Wirkstoffe mit gezielt verbesserten physikalischen Eigenschaften
herzustellen, sondern ebenfalls den häufig richtungsabhängigen oder örtlich
unterschiedlich hohen mechanischen Beanspruchungen durch einen anisotro-
pen Aufbau der Verbundwerkstoffe oder der Werkstoffverbunde gerecht zu wer-
den.
Angesichts der Tatsache, dass in den kommenden Jahren kaum mit einer
bahnbrechenden Neuentwicklung wirtschaftlich und/oder technisch bedeutsa-
mer Kunststoffe zu rechnen ist, kommt den Maßnahmen zur Verbesserung be-
kannter Kunststoffe unverändert eine entscheidende Bedeutung zu [1, 2]. Das
Verstärken, das Füllen und das Legieren von Standard-Kunststoffen und techni-
schen Formmassen zur Verbesserung des Eigenschaftsbildes hat jedoch darüber
hinaus einen nicht zu unterschätzenden wirtschaftlichen Effekt: Der in den ver-
gangenen Jahrzehnten auf diesem Gebiet gewonnene Erfahrungsschatz sichert
den großen Rohstoffherstellern der Industrieländer einen Vorsprung vor den
vorwiegend mit Standard-Kunststoffen auf den Markt drängenden Ländern des
Nahen und Fernen Ostens. Die aus mehreren Phasen mit meist sehr verschiede-
nen Eigenschaften bestehenden Verbundwerkstoffe (engl. composites) erhalten
durch ihre Kombination ein völlig neues Eigenschaftsbild. Beim Aufbau der Ver-
bundwerkstoffe und der Werkstoffverbunde bietet die Natur Vorbilder höchster
Perfektion und Präzision. Auch die Geschichte der Menschheit weist bereits seit
Jahrtausenden eine vielfältige Anwendung der Verstärkungstechnik auf, bei-
spielsweise bei den strohverstärkten Lehmziegeln in biblischer Zeit.
Das Verstärken synthetischer Kunststoffe begann mit der technischen Pro-
duktion von Phenol/Formaldehydharzen durch L. H. Baekeland im Jahre 1907.
Die begrenzte Schlagzähigkeit des nach ihm benannten Bakelite behob er durch
die Zugabe von Holz- und Asbestfasern, Textilschnitzel, Woll- und Asbestge-
webe; selbst an Drahtgewebe wurde gedacht. Es zeugt von großer Erfindungs-
gabe und technischem Weitblick, wenn er 1911 in seinem Bericht über neue
Entwicklungsarbeiten schreibt: „I found we can enormously increase the prac-
tical uses of Bakelite by incorporating it with structural fillers, like fibrous or cel-
lular bodies“ [3]. Die Bezeichnung „strukturelle Füllstoffe“ trifft die Aufgabe der
Verstärkungsstoffe.
190 1 Einführung in Polymer Engineering
Verbundwerkstoffe
Als Verbundwerkstoffe werden Materialien bezeichnet, die aus einer Polymer-
matrix als kontinuierlicher Phase und Verstärkungsfasern bzw. Füllstoffen als
eingelagerter diskontinuierlicher Phase bestehen. Der Übergang zwischen den
faser- und füllstoffverstärkten Verbundwerkstoffen ist fließend. Der Binder – die
Matrix – kann duroplastisch (beispielsweise PF-, MF-, UF-, UP- und EP-Harze)
oder thermoplastischer (beispielsweise PA, PC, POM; PET, PBT, PP und ABS) Na-
tur sein. Als Verstärkung dienen natürliche und synthetische, organische sowie
anorganische, Fasern in Form von Kurz-, Lang- und Endlosfasern sowie den da-
raus hergestellten Folgeprodukten wie Vliesstoffe, Matten, Gewebe, Gewirke,
Bänder. Die Verstärkungsstoffe können in der Matrix ein- oder mehrachsig ge-
richtet oder ungerichtet sein. Die Verstärkungswirkung ist umso besser, je mehr
der E-Modul des Harzes sich dem der verstärkenden Faser nähert. C-Fasern wir-
ken deshalb in EP-Harz besser als in PP.
Durch das Einbetten der Verstärkungsmaterialien in die Polymermatrix wer-
den vor allem die mechanischen und thermischen Eigenschaften des Grundma-
terials verbessert, beispielsweise die Zug- und Bruchfestigkeit, der E-Modul, die
Wärmefestigkeit und die Maßbeständigkeit, während die Schlag- und Kerb-
schlagzähigkeit in den meisten Fällen niedriger ist als die des unveränderten
Grundmaterials. Sie kann jedoch durch die Zugabe elastifizierender Komponen-
ten, beispielsweise Elastomere, wieder angehoben werden. Die sich beim Verar-
beiten orientierenden Fasern erhöhen den Schwindungsunterschied zwischen
Längs- und Querrichtung, der jedoch durch die Zugabe von Füllstoffen, bei-
spielsweise Glaskugeln, wieder ausgeglichen werden kann.
Der jeweils erzielbare Grad der Verbesserung der Eigenschaften hängt von
der Härtung zwischen der Matrix und dem Zusatzmaterial, d. h. von den Vor-
gängen in der Grenzschicht ab. Die elastische Komponente (Glasfasern, C-, Ara-
mid-, Natur- oder Chemiefaser) ist in eine viskoelastische Komponente (Harz
oder Thermoplast) eingebettet. Bei Beanspruchung auf Zug wird der Verbund-
werkstoff gedehnt. Bei uniaxial verstärkten Formstoffen übernehmen die Fasern
in Faserrichtung die Kräfte bis zum Bruch. Dagegen kommt es in Querrichtung
wesentlich früher zum Versagen. Die kritische Dehnung liegt beispielsweise bei
einachsig GF-verstärkten UP-Laminaten bei 0,9 %, in Querrichtung bei 0,1 %. Bei
mehrachsig beanspruchten Gießharz-Formstoffen sind deshalb mehrlagige Ver-
stärkungen im Sinne der Beanspruchungsrichtung vorzusehen.
Die Haftvermittler sind für jede Zusatzstoff/Matrixkombination zu optimie-
ren. Die in der Grenzfläche wirksamen Kräfte beeinflussen von den mechani-
schen Eigenschaften nicht nur die Festigkeit und die Steifheit, sondern auch die
Schlagzähigkeit. Die meisten Netzmittel sind hydrophil, polar und wasser-
empfindlich. Benötigt wird jedoch ein hydrophobes Haftmittel, das mit dem Ver-
stärkungsstoff (oder mit dem jeweiligen Füllstoff) reagiert sowie dessen Ober-
fläche luft- und wasserfrei macht, d. h. mit einem dünnen hydrophoben Film
überzieht. Bei Glasfasern haben sich die funktionellen Filme als wirksamster
Haftvermittler erwiesen. Sie behaupten unverändert ihre führende Stellung ge-
gen einige konkurrierende Stoffe. Die Silan-Haftvermittler sind durch die Struk-
tur R–Si–X3 gekennzeichnet. R wird durch einen organischen Rest und X3 durch
1.3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen 191
Bild 1-82. Wettstreit im Einsatz von Werkstoffen und Verfahren in der Metall-Bauweise und Fa-
serverbundwerkstoffe-Bauweise in Airbus Flugzeugen [6]
nenten Verbundwerkstoffe Einzug gehalten haben [6]. Bild 1-82 zeigt dabei ein-
drucksvoll, wie Metalle und Faserverbundwerkstoffe sich gegenseitig im Wettbe-
werb gefordert und vorwärts getrieben haben [6]. Bild 1-83 unterstreicht diese
Aussage zugunsten der Verbundwerkstoffe in anderer Darstellungsform [6].
Möglich geworden ist diese Entwicklung ganz wesentlich infolge Preisredu-
zierung bei den Kohlenstofffaser-Prepregs um 50 % seit 1990.
■ Metallfasern
Für die textile Verarbeitung eignen sich nur flexible Metallfäden mit Durchmes-
ser von 10 mm. Metallfasern werden vorwiegend nach dem Düsenziehverfahren
hergestellt.
Andere Methoden sind das Sintern von Pulvermetallen oder das Metallisieren
anderer Fasern.Als besondere Eigenschaften sind hervorzuheben die hohe elek-
trische und thermische Leitfähigkeit im Vergleich mit den mineralischen Fasern
sowie der hohe E-Modul und die hohe Zugfestigkeit. Wegen der hohen Dichte
sind sie jedoch nur in besonderen Fällen für das Verstärken von Kunststoffen ge-
eignet. Im Hinblick auf die spezifische Festigkeit und den spezifischen E-Modul
sind ihnen bereits die Glasfasern und mit weitem Abstand die C- und A-Fasern
überlegen. Die für die Herstellung in Betracht kommenden Metalle und Legie-
rungen sind Stahl, Messing, Bronze, Kupfer, Aluminium, Silber, Gold, Platin, ver-
zinkte und vermessingte Stahldrähte sowie versilberte Kupfer- oder vergoldete
Silberdrähte.
194 1 Einführung in Polymer Engineering
Bild 1-83. Entwicklung der Werkstoffverteilung in der Struktur eines Passagierflugzeugs [6]
■ Borfasern
Das bei Glas- und Mineralfasern übliche Verfahren des Schmelzspinnens ist bei
polykristallinen anorganischen Fasern nicht anwendbar, denn die betreffenden
Metalle weisen scharfe Schmelzpunkte auf. Die dabei entstehenden niedrig-
viskosen Flüssigkeiten besitzen kein Fadenziehvermögen. Ein häufig beschritte-
ner Ausweg ist das sog. Aufwachsverfahren, nach dem seit 1959 vor allem Borfa-
sern hergestellt werden. Als Substrat dient die Wolframfaser. Auf diesem elek-
trisch aufgeheizten dünnen Filament (12 mm) scheidet sich aus der Gasphase das
Bor ab [7].
■ Metalloxidfasern
Nach dem Tränkverfahren der UCC werden Fasern aus Zirkonium-, Aluminium-,
Titan-, Tantaloxid und Bornitrid hergestellt [8]. Dabei werden Cellulosefasern in
Form von Garnen, Geweben oder Filzen als Substrat mit den entsprechenden
wasserlöslichen Salzen getränkt. Bei der Trocknung scheiden sich die Salze in
feinster Verteilung zwischen den Fibrillen der Cellulose ab und werden bei höhe-
ren Temperaturen in Oxide übergeführt. Die dabei entstandenen Gebilde wer-
den pyrolysiert und schließlich durch Glühen in Luft von Kohlenstoff befreit.
■ Whisker
Unter dieser Bezeichnung sind synthetische, einkristalline anorganische Fasern
zu verstehen, die entweder durch Abscheiden aus der Gasphase oder durch ein
1.3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen 195
■ Siliciumcarbidfasern
Auch diese Verstärkungsfaser wird nach dem Aufwachsverfahren hergestellt. Als
Substrat dient eine C-Faser. Sie dient gleichzeitig als Widerstandsheizung.
Im ersten Schritt dieses zweistufigen Verfahrens wird eine etwa 1 mm dicke
Schicht pyrolytischen Graphits aufgedampft, um die Oberfläche zu glätten und
die elektrische Leitfähigkeit zu erhöhen. Das Silan verwandelt sich bei einer
Temperatur von etwa 1300 °C in Siliciumcarbid. Die erreichbare Festigkeit be-
trägt 3500 N/mm2, der Zug-E-Modul 413000 N/mm2, die Dichte 3 g/cm3, der
Durchmesser 140 mm [9]. Während die Borfasern vorwiegend zum Verstärken
von EP-Harz und Aluminiumfolien-Verbundwerkstoffen (Sport, Luft- und
Raumfahrt) verwendet werden, dienen die Siliciumcarbidfasern vorwiegend
zum Aufbau von Metall- und Keramik-Verbundwerkstoffen.
■ Nanocomposites [10]
„Neue Familien von Nanofüllstoffen und Nanocomposites erschließen brachlie-
gende Leistungsreserven von Kunststoffen, Kautschuken und Dispersionen. Be-
reits geringe prozentuale Nanofüllstoff-Gehalte reichen aus, die Eigenschafts-
profile von polymeren Werk- und Effektstoffen massiv zu verändern. Das An-
wendungsspektrum reicht von neuen Konstruktionswerkstoffen bis hin zu
diversifizierten Funktionspolymeren“ [10].
Sind Nanopartikel oder Nanofasern homogen im Kunststoff dispergiert –
und hierin liegt eines der noch zu lösenden Probleme – ergeben gleiche
Volumengehalte an Nanopartikel im Vergleich zu Mikropartikel eine signifikant
höhere Zahl an Partikel (107 bei 1 µm Partikel zu 1 nm Partikel) und damit ein
Polymer, das nur noch aus Grenzflächenwechselwirkungen besteht. Mülhaupt et
al. [10] nennen es „Grenzflächenpolymer“. Dies eröffnet völlig neue Chancen be-
reits mit geringen Nano-Verstärkungsstoff-Gehalten die Eigenschaften von alt-
bekannten Kunststoffen zu modifizieren.
Nun gibt es schon seit Jahrzehnten (bis zu über 100 Jahre) Nanofüllstoffe:
Ruße, Pigmente, gefällte Kieselsäure (Ultrasil, Degussa-Hüls), pyrogene Kiesel-
säuren (Aerosile, Degussa-Hüls), Schichtsilikate, Nukleierungsmittel, reaktive
Silikon-Nanopartikel für Epoxidharze, Keramikmaterialien und anorganisch-
organische Hybridpartikel nach dem Sol-Gel-Verfahren, z. B. synthetische, dis-
pergierbare Aluminat-(Böhmit)-Pulver.
Neu in den vergangenen Jahren wurden anorganische und organische Mo-
leküle mit Nano-Dimensionen und frei variablen Oberflächenfunktionalitäten
entwickelt, die sich in der Kunststoffmatrix lösen und sich dort zu komplexen
Nanoarchitekturen verknüpfen lassen [10]. Dadurch lässt sich auch das Problem
der homogenen feinsten Verteilung der Nanopartikel in der Kunststoffmatrix
196 1 Einführung in Polymer Engineering
Tabelle 1-50. Nanofil Füllstoffe auf Basis von unmodifizierten säureaktivierten Calcium-Bento-
nit (Süd Chemie AG)
Zusammenfassung
Einen zusammenfassenden Überblick über die Wirkung bekannter Füll- und
Verstärkungsstoffe auf das Eigenschaftsbild von Kunststoffen vermittelt Ta-
belle 1-51.
Angesichts der großen Bedeutung, die Funktions-, Füll- und Verstärkungs-
stoffe bei modifizierten technischen Kunststoffen erlangt haben, bieten spezielle
Compoundierbetriebe bis zu hundert Sondertypen an. Sie enthalten je nach Ver-
wendungszweck hochwirksame Wärmestabilisatoren, verschiedenartige Gleit-
mittel und Verstärkungsfasern, die vor allem den wirtschaftlich verarbeitbaren
thermoplastischen Formmassen neue Anwendungsbereiche in der Büro- und
Kommunikationstechnik, im Automobil- und Textilmaschinenbau erschlossen
haben. (Als Beispiel sei das LUVOCOM-Sortiment von Lehmann & Voss, Ham-
burg, erwähnt.)
Tabelle 1-51. Einfluss von Füll- und Verstärkungsstoffen auf das Eigenschaftsbild von Kunststoffen
198
Glasfasern
Wollastonit
C-Fasern
Whiskers
Synthesefasern
Cellulose
Glimmer
Talkum
Graphit
Sand-/Quarzpulver
Silica
Kaolin
Glaskugeln
Calciumcarbonat
Metalloxide
Ruß
Zugfestigkeit ++ + +– + 0 +
Druckfestigkeit + + + + +
E-Modul ++ ++ ++ + ++ + + + + + + +
Schlagzähigkeit –+ – – – ++ + –+ – – – – – –+ – +
reduzierte thermische Ausdehnung + + + + + + + +
reduzierte Schwindung + + + + + + + + + + + + +
bessere Wärmeleitfähigkeit + + + + + + + +
bessere Wärmestandfestigkeit ++ + ++ + + + + +
elektrische Leitfähigkeit + + +
elektrischer Widerstand + ++ + + ++ +
Wärmebeständigkeit + + + + + + + +
chemische Beständigkeit + + 0 + + +
besseres Abriebverhalten + + + + +
Extrusionsgeschwindigkeit –+ + + +
Abrasion in Maschinen – 0 0 0 0 0 – 0 0 0
Verbilligung + + + + + + ++ + + + ++
Anorganische Verstärkungsfasern
Die einzigen in der Natur vorkommenden anorganischen Fasern sind der ein-
bis polykristallin aufgebaute Asbest und der Wollastonit. Der Wollastonit gehört
mit einem Länge/Durchmesserverhältnis von 3 : 1 bis 10 : 1 zu den Füllstoffen, mit
Werten von 10 : 1 bis 20 : 1 zu den Verstärkungsfasern. Zu den amorphen, aus der
Schmelze hergestellten synthetischen Fasern zählen die glasartigen Mineralfa-
sern aus Schlacke, Stein, Keramik, Quarz, Kieselglas und vor allem die Glasfa-
sern. Polykristalline anorganische Fasern und die Einkristall-Whiskers werden
aus Bor, Siliciumcarbid, Bornitrid, Borcarbid, Aluminium- und Zirkoniumoxid
hergestellt. Polykristalline Struktur weisen auch die Metallfasern aus Stahl, Al-
uminium und Wolfram auf, ebenso die Kohlenstoff- und Graphitfaser. Einkri-
stallin sind Fasern aus Korund, Siliciumcarbid und Kaliumhexatitanat.
eignet.Wird außerdem eine hohe Zähigkeit der Formstoffe verlangt, dann ist die
Aramid-Faser ggf. zu bevorzugen. Außerdem werden Borfasern (BFK), Berylli-
umfasern (BeFK), Siliciumcarbidfasern (SiC), jedoch auch Metallfasern (Alumi-
nium und Stahl) als Verstärkung verwendet [8].
Tabelle 1-52 gibt Anhaltswerte zu Eigenschaften von keramischen Fasern.
■ Glasfasern
Sie bestehen aus Oxiden des Siliciums, Bors und Aluminiums.
Als Glasfasern (DIN; E: glass fibers (ISO)) bezeichnet man alle handelsübli-
chen Glassorten (E-, R-, S- usw. –Glas), aus denen optische oder textile Glasfa-
sern (ISO: Textilglas; E: textile glass) ersponnen werden können oder die zu
Glaswolle (E: glass wool) oder Glaswatte (E: glass bat, wadding) verarbeitbar
sind.
Das ursprünglich für die Elektroisolation entwickelte E-Glas ist ein
Borosilikatglas. Das alkalireiche A-Glas kann mit bestimmten Haftmitteln für
Gewebe verwendet werden. Für korrosionsanfällige Anwendungen verwendet
man das chemisch resistente C-Glas.
Optische reine Glasfasern werden als Lichtleiter verwendet; Glaswatte und
Glaswolle als thermische und akustische Isolationsmaterialien. Aus Textilglas
stellt man sowohl Filamente als auch Stapelfasern her. Textilglas ist verspinnbar.
Es wird für Heimtextilien, als Verstärkungs- oder Füllmaterial für Kunststoffe
sowie für elektrische Isolierungen gebraucht.
Glasfasern für Verstärkungsmaterialien und Füllstoffzwecke bestehen in der
Regel aus E-Glas [15].
Glasfilamente (früher: Glasseiden; E: glass filaments) sind aus der Schmelze
gezogene endlose Fäden. 204 oder mehr Glasfilamente werden parallel ohne Ver-
Tabelle 1-52. Physikalische und mechanische Eigenschaften keramischer Fasern parallel zur
Faserrichtung [14]
Tabelle 1-53. Eigenschaften von Silikat- und anderen Mineralfasern bei Raumtemperatur [15],
Bayer AG
Durchmesser 65 mm 10 10 7 10 20 –
der Filamente
Dichte 65 g/cm2 2,2 2,54 2,48 2,55 3,1 3,96
Elastizitäts- 65 GPa 69 72 86 80 345 2100
modul
Zugfestigkeit 65 GPa 0,9 2,41 4,59 5,68 1,3 43
Reißdehnung 65 % 1,3 3,5 2,8 11 0,8 –
Schmelz- 0 °C 1650 1260 – 1520 2045 –
temperatur
Max. Gebrauchs- 0 °C 900 600 – 1400 – –
temperatur
Härte Mohs 6,5
Vickers 620–640
bei 0,1 kg
lin. Längenaus- 10–6 K–1 4,8
dehnungs-
koeffizient
Wärmeleitzahl kJ/hmK 3,71
Organische Verstärkungsfasern
Wenn von typischen Verstärkungsfasern für Kunststoffe gesprochen wird, dann
denkt jeder Anwendungstechniker zunächst an Glasfasern. Historisch gesehen
ist jedoch die Verwendung von organischen Fasern um einige Jahrzehnte älter.
Sie begann mit dem Verstärken von Phenolharzen durch die in der Natur
vorkommenden Fasern aus Cellulose.
1.3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen 205
Bild 1-85. Feinheitsbezogene Zugkraft verschiedener Faser-Typen als Funktion der Dehnung e
[15]
Deformationen werden bei Textilfasern aus Kraft-Dehnungs-Kurven F = f (e) ermittelt, und
nicht wie bei technischen Fäden sowie bei Kunststoffen und Gummis aus Spannungs-Deh-
nungs-Kurven s = f (e). Die Kurven F = f (e) laufen manchmal durch ein schwaches Maximum,
das durch die Höchstzugkraft Fmax (E: force at break, „breaking force“) bei der Dehnung bei
Höchstzugkraft emax (E: elongation at break) charakterisiert ist. Er wird gelegentlich von dem
etwas tieferen Wert der Bruchkraft FB (E: force at rupture) bei der Bruchdehnung eB (E: elon-
gation at rupture) gefolgt.
Fmax und FB werden aber nicht als solche angegeben, sondern als Kraft (z. B. in Newton N) pro
lineare Dichte bzw. Titer (z. B. in tex), d. h. als feinheitsbezogene Zugkraft E/m (Reiß- oder
Bruchfestigkeit; E: tenacity; kein offizielles ISO-Symbol), d. h. als spezifische (= auf die Masse
bezogene) Energie (z. B. 1 N/tex = 1 (J m–1)/(10–6 kg m–1) = 1 · 106 J/kg = 1 MJ/kg).
Diese Werte lassen sich mit der Dichte in Spannungen umrechnen, z. B. (Wert in
N/tex) ¥ (Dichte in g/cm3) = (Spannung in GPa). In älteren Arbeiten wird anstelle der Kraft in-
korrekterweise die Masse (als Maß für das „Gewicht“) verwendet und zudem der Titer in denier
ausgedrückt; die Umrechnung ist hier (Wert in N/tex) ¥ 11,33 = (Wert in gf/den oder gpd) (gf =
gram force; gpd = gram poid denier).
Die (textilen) Moduln werden nicht aus der Anfangssteigung der Kurve E/m=f(e) entnommen,
sondern als Tangentenmodul (E: tangent modulus) von Ursprung aus, als Sekantenmodul (E:
secant modulus) vom Ursprung zu einem bestimmten Wert der Dehnung e bzw. als Chordmo-
dul (E: chord modulus) zwischen zwei Dehnungen e1 und e2 [15].
Tabelle 1-54. Eigenschaften (zum Teil mittlere) einiger technischer Pflanzenfasern. Zum Ver-
gleich: Baumwolle weist einen textilen Elastizitätsmodul von 5,7 N/tex auf [15]
Eigen- RF Phys. Hanf Jute Kenaf Sisal Abaka Hene- Kapok Kokos
schaft (%) Ein- quen
heit
■ Holzfasern
Die für das Verstärken von PF, MF, MP und PP verwendeten Holzmehle sind in
Wirklichkeit zerkleinerte Holzfaserstoffe, die vorwiegend aus Fichten- und
Buchenholz hergestellt werden. Die Feinheit des Materials mit Teilchengrößen
von max. 150 mm lässt die faserförmige Struktur mit bloßem Auge nicht mehr er-
kennen. Eigenschaftsvergleich mit anderen Fasern siehe Tabelle 1-58.
■ Cellulosefasern
Baumwollfasern bestehen aus einem mehrschichtigen Kern aus Cellulosemole-
külen (Tabelle 1-55), der von einem Mantel aus Ligninen, Pektinen, Fetten und
Wachsen umgeben ist. Cellulose ist ein Polysaccharid aus in b-(1 Æ4)-Stellung
miteinander verknüpften D-Glucoseresten, d. h. eine Poly[b-(1 Æ4)-D-glucopy-
ranose] mit Cellobiose als Repetiereinheit. Native Cellulosen enthalten noch
Carboxylgruppen, die Baumwolle z. B. ca. 1 COOH-Gruppe pro 500 – 1000 Gluco-
sereste. Das Zahlenmittel des Polymerisationsgrades der unter Ausschluss von
Licht und Sauerstoff geernteten Baumwollcellulose beträgt 14000 – 18000, dasje-
nige der konventionell geernteten Baumwolle ca. 7000 und das der industriellen
Zellstoffe 300 – 2000 [15].
Die Zusammensetzung natürlicher Cellulosefasern gibt Tabelle 1-55 wieder.
1.3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen 207
■ Sisal
Die Hoffnungen, die Anfang der sechziger Jahre in die vielseitigen
Verwendungsmöglichkeiten von Sisal für PF-Formmassen und Schichtpress-
stoffe sowie in vorgemischte UP-Formmassen (DMC) gesetzt wurden, haben
sich trotz ihres im Vergleich zu Glasfasern niedrigen Preises nicht erfüllt. Ange-
sichts des überlegenen Eigenschaftsbildes der Glasfasern hat Sisal an Bedeutung
verloren. Erst in den 80/90er-Jahren wurde das Interesse an diesen Fasern bei
der Suche nach Austauschmaterial für Asbest bei Brems- und Reibbelägen sowie
208 1 Einführung in Polymer Engineering
Tabelle 1-56. Mittlere Eigenschaften von Cellulosefasern. CUP = nach dem Kupferammoniak-
Verfahren erzeugte Cellulosefasern, CV = normales Rayon nach dem Viskose-Verfahren, PN =
Polynosic-Cellulose, HWM = Rayon mit hohem Nassmodul, DA = aus Celluloseacetat rekonsti-
tuierte Cellulose [15], RH= relative Luftfeuchtigkeit.
■ Flachs, Hanf
Seit über 10 Jahren nehmen die Entwicklungen von Naturfaser-Polymer-Ver-
bunden mit Schwerpunkt auf Polypropylen zu. Ziele sind kostengünstige, leichte
Konstruktionsmaterialien im Auto, Bau und in der Elektrobranche. Verbund-
dichten um 1 g/cm3 sind realisierbar. Schwierigkeiten machten die Verarbeitung,
1.3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen 209
■ Polyacrylnitril
Die um 1950 etwa zur gleichen Zeit in den USA und in der Bundesrepublik
Deutschland aufgenommene Produktion von PAN-Fasern erreicht weltweit etwa
210 1 Einführung in Polymer Engineering
■ Polyesterfasern
Die üblichen Polyester-Fasern bestehen aus Poly(ethylenterephthalat). Fasern
aus Poly(trimethylenterephthalat), Poly(butylenterephthalat) und Poly(1,4-
cyclohexandimethylolterephthalat) werden in kleineren Mengen hergestellt.
Die Polyester-Fasern sind die universellsten aller Chemiefasern, da sie sich
durch chemische, physikalische und textile Modifikationen am Besten an Mode-
strömungen und Anwendungen anpassen lassen (Tabelle 1-59), was ihre über-
durchschnittliche Mengenentwicklung erklärt. Filamente aus Polyester-Fasern
sind seidenähnlich. Der größte Teil der Polyester wird jedoch als baumwoll- oder
wollähnliche Stapelfasern verwendet [15].
In neuerer Zeit ist es gelungen, aus Polyestern, Polyamiden und anderen Poly-
meren durch verschiedene Verfahren Superfilamente (E: superfils) herzustellen.
Diese Fasern reichen von Feinstfasern (1 dtex – 0,1 dtex) über die eigentlichen
Mikrofasern (0,3 tex – 0,1 dtex) zu Ultrafeinstfasern (10–3 dtex) und Ultrasuper-
feinstfasern (10–4 dtex). Sie sind daher wesentlich feiner als die Fäden der Natur-
seide (ca. 1,3 dtex) [15].
■ Polyamidfasern
Die technisch wichtigsten Fasern aus der Reihe der Polyamide basieren auf PA
6.6 und PA 6. Der ursprünglich geringe Anteil von PA 6 mit nur 10 % an der
Gesamterzeugung von PA-Fasern hat in den letzten Jahren erheblich zuge-
nommen. Polyamidfasern werden bei PF-Formmassen zur Verbesserung der
Elastizität und der Kriechstromfestigkeit verwendet.
„Die Polyamidfäden 6 und 6.6 besitzen hohe Reiß-, Scheuer- und Biegefestig-
keiten, in weiten Grenzen einstellbare Dehnungen, gute Texturierfähigkeiten
und ausreichende Formstabilitäten, so dass sie nunmehr für stark strapazierte
Textilien wie Strümpfe, Bodenbeläge und technische Gewebe eingesetzt werden.
Die Färbbarkeit kann durch Copolymerisation mit Monomeren mit sauren oder
basischen Gruppen, durch Variation der Endgruppen oder durch Aufpfropfen
anderer Monomerer in weiten Grenzen variiert werden. Bei Polyamidcord für
Autoreifen stört der relativ hohe Elastizitätsmodul; er kann jedoch durch
Schmelzblenden der Polyamide mit Polyestern erniedrigt werden. Dazu müssen
jedoch die Endgruppen der Polyamide blockiert werden, da diese sonst einen
Kettenabbau der Polyester katalysieren würden“ [15].
Eigenschaften von Polyamidgarnen liefert Tabelle 1-60.
Dichte g/cm3 – – –
Kristallinität % 23 37 45
Schmelztemperatur °C 221 266 290
Bügeltemperatur, maximale °C 150 180 –
Waschtemperatur, maximale °C 60 71 –
Modul, textiler a 25°C (konditioniert) cN/tex 279 360 324
120°C cN/tex 135 153 225
Reißfestigkeit, textile a cN/tex 85 85 86
Dehnbarkeit, konditioniert % 33 – –
Schwindung, 180°C % 12,0 7,8 5,3
Feuchtigkeitsaufnahme (E: regain), 65% RH % 7,5 7,5 –
a
Textile Begriffserklärungen siehe Fußnote unter Bild 1-85.
Tabelle 1-61. Mittlere Eigenschaften von Olefin- und Vinylfasern (Filamenten) [15]
Laufbänder usw.) verwendet, neuerdings auch als kurzfasrige Zusätze bei der
Herstellung von Papieren und Textilverbundstoffen“ [15].
Tabelle 1-61 gibt zum Vergleich auch Eigenschaften anderer Vinylfasern und
Olefinfasern an.
„Die Poly(olefin)-Fasern werden dank der niedrigen Gestehungskosten
der Polymeren und der einfachen Herstellung durch Schmelzspinnen in den
größten Mengen hergestellt. Die jährliche Weltproduktion an Textilproduk-
ten aus Poly(olefin)en belief sich 1985 auf ca. 1,7 · 106 t/a; davon waren ca. 90 %
isotaktisches Poly(propylen) PP und ca. 10 % Poly(ethylen) hoher Dichte PE-
HD“ [15].
1.3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen 213
■ Elastofasern
Für bestimmte Anwendungsbereiche sind elastische Textilien erwünscht, z. B.
für sportliche Oberbekleidungen oder für Strümpfe. Elastische Eigenschaften
können dabei durch verschiedene Maßnahmen erzielt werden: chemische Syn-
these von Elastofasern, chemische Nachbehandlung, spezielle Spinnprozesse,
physikalische Strukturänderungen, mechanische Nachbehandlung von Fasern
und Herstellung spezieller Textilien.
Größere Änderungen sind durch chemische Maßnahmen erhaltbar. Elastofa-
sern (E: elastic fibers) bestehen aus chemisch und/oder physikalisch vernetzten
Bild 1-86. Feinheitsbezogene Zugkraft als Funktion der Dehnung bei verschiedenen Elasto-
fasern im Vergleich zu einer normalen Polyamid-Faser und einem Gummifaden, Ultee A. J.
nach [15]
1.3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen 215
■ Gummifäden
Die klassischen Elastomer-Fäden bzw. -Bänder bestehen aus vulkanisierten
Kautschuken, hauptsächlich aus Naturkautschuk, daneben auch aus Poly-
(chloropren) oder Nitrilkautschuk. Sie werden nach zwei verschiedenen Metho-
den erzeugt. Nach dem einen Verfahren werden konventionell hergestellte
Gummimischungen zu dünnen Fellen kalandriert, vulkanisiert und dann in
Streifen geschnitten. Beim anderen Verfahren extrudiert man Latexmischungen
in Säurebäder. Die koagulierten Fäden werden dann kontinuierlich gewaschen,
getrocknet und vulkanisiert [15].
■ Elastan-Fasern
Die zweite große Gruppe von Elastofasern umfasst die Elastan-Fasern (früher:
Elasthan; USA: Spandex) aus Blockcopolymeren mit Urethan- und Ether-
segmenten. Sie werden durch Reaktion von Diisocyanaten mit linearen oligo-
meren Polymeren mit Hydroxyl-Endgruppen (Makroglycolen) und mit Ketten-
verlängerern (Diamine oder Glycole) hergestellt. Diese Polymeren werden durch
Schmelz- oder Lösungsspinnen verarbeitet. Bei Elastan-Fasern dienen die „har-
ten“ Polyurethan-Segmente als physikalische Vernetzungsbereiche für die gum-
miartige Matrix aus „weichen“ Polyether-Segementen. Elastomere Bikomponen-
tenfasern enthalten harte Komponenten aus Polyamiden oder Polyestern und
weiche Komponenten aus segmentierten Polymeren mit harten Polyurethan-
oder Polyester-Segmenten [15].
Die feinheitsbezogene Zugkraft in Abhängigkeit von der Dehnung zeigt Bild
1-86.
Nicht unter die Definition der FTC fallen die in Tabelle 1-62 ebenfalls aufgenom-
menen sog. Polyamidhydrazide X-500 und das Poly(2,2¢-m-phenylen-5,5¢-biben-
zimidazol) (PBI).
Die Polybenzimidazol-Faser PBI wurde ursprünglich als flammwidrige
Textilfaser für das Raumfahrt-Programm der USA entwickelt, da sie wegen ihres
recht hohen Sauerstoffindex nicht brennt, nicht schmilzt und zudem bei Tempe-
raturen unterhalb 550 °C wenige oder keine toxischen Gase und keinen Rauch
abgibt. Sie eignet sich jedoch auch für andere Anwendungen, z. B. anstelle von
Asbest für Schutzhandschuhe und Arbeitsanzüge von Arbeitern an Schmelzöfen
für Metalle oder für Rauchgasfilter.
Poly(m-phenylenisophthalamid) bildet lyotrope Flüssigkristalle. Fasern kön-
nen daher bei tieferen Konzentrationen aus isotropen Lösungen, bei höheren
dagegen aus nematischen ersponnen werden. Die aus nematischen Lösungen er-
sponnenen Fasern weisen wegen der höheren Orientierung der Kettensegmente
erwartungsgemäß größere Elastizitätsmoduln und Zugfestigkeiten sowie nied-
rigere Reißdehnungen als diejenigen aus isotropen Lösungen auf (Tabelle 1-62).
Wie aus den Konstitutionsformeln hervorgeht, sind die Kettensegmente des
Poly(p-phenylenterephthalamid) wesentlich gestreckter als diejenigen des
Poly(m-phenylenisophthalamid)s. Das Verspinnen von Poly(p-phenylentereph-
thalamid) aus nematischen Lösungen in z. B. Schwefelsäure liefert daher bereits
unter regulären Spinn- und Verstreckungsbedingungen bessere Moduln und
Zugfestigkeiten (Kevlar 29), die unter speziellen Bedingungen noch weiter ge-
steigert werden (Kevlar 49). Die Fasern sind jedoch schwierig zu färben, weil sie
für die Aufnahme von Farbstoffen weder genügend Gruppen noch eine „offene“
Faserstruktur bereitstellen und das Spinnfärben mit Pigmenten im Allgemeinen
zu Störungen der Kristallstruktur und damit zu schlechteren mechanischen
Eigenschaften führt.
Kevlar-Fasern sind temperaturbeständige Spezialfasern. Sie dienen u. a. für
kugelfeste Westen. Die Hauptanwendung von Kevlar ist jedoch als verstärkende
Faser für Verbundwerkstoffe. Nachteilig ist hier jedoch die schlechte Kompres-
sionsfestigkeit der Fasern, die vermutlich mindestens teilweise durch die beim
1.3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen 217
■ PBO-Fasern
P-phenylene-2.6-Benzobisoxazol (PBO) ist ein teilkristallines Polymer. Die Firma
Toyobo begann 1998 unter dem Markennamen Zylon® die Faserproduktion.
Neben den Kunststofffasern aus PPS, Polyester und PI sind Aramidfasern die
Haupt-Wettbewerbsfasern.
Es gibt zwei verschiedene Faserarten bei Zylon®
• Zylon HM (Hochmodul-Faser)
• Zylon AS (Spinnfaser)
Die Eigenschaften sind:
Vorteile
• der Elastizitätsmodul von PBO-Fasern liegt höher als der von Aramidfasern
• Zylon® weist eine höhere Hitzebeständigkeit auf als die übrigen Fasern
• hohe Widerstandsfähigkeit beim Erhitzen
• hoher Flammenwiderstand beim Arbeiten mit Trennschleifern und beim
Schweißen
• Zylon® (PBO-Faser) ist die nächste Generation einer Faser, deren Festigkeit
und Module fast doppelt so hoch sind wie die von p-Aramid-Fasern
• Zylon® hat eine 100 °C höhere Auflösung als p-Aramid-Fasern.
Nachteile
• ziemlich teuer im Vergleich zu Aramid
• Zylon® lässt sich nicht schneiden, dadurch entstehen Probleme bei der Kon-
fektion.
Einen Vergleich der Eigenschaften von PBO-Fasern (Zylon®) mit anderen Fa-
serarten gibt Tabelle 1-63.
Bisherige Anwendungen von Zylon sind
• Verstärkung von Gummi wie Reifen
• Sicherheitsausrüstungen wie Sicherheitsgurte, Handschuhe, Schuhe, Klei-
dung für Polizei, Feuerwehr
• Sportkleidung, Sportgeräte wie Segel, verschleißfeste Textilien für Rennfahrer
und Reiter, Skistöcke, Fahrradfelgen.
218 1 Einführung in Polymer Engineering
■ C-Fasern
Bis zum Anfang der sechziger Jahre bildeten Glas- und Asbestfasern die wich-
tigsten hochfesten anorganischen Verstärkungsmaterialien für Reaktionsharze
sowie duro- und thermoplastische Formmassen. GF-verstärkte Gießharze errei-
chen zwar günstigere Festigkeits-/Dichteverhältnisse (s/r) als die Metalle, das
Steifigkeits-/Dichteverhältnis (E/r) ist jedoch ungünstiger. Damit sind der tech-
nischen Anwendbarkeit von GF-Formstoffen Grenzen gesetzt. Die Entwicklung
zielte deshalb auf Verstärkungsmaterialien hin, die eine Erhöhung des Steifig-
keits-/Dichteverhältnisses ermöglichen. Zu den aussichtsreichsten Verstär-
kungsstoffen dieser Art gehören heute die C- und Aramid-Fasern. Die eine zeit-
lang in den USA propagierten Borfasern haben an Bedeutung verloren, weil
sie nicht textilverarbeitbar sind. Der noch immer hohe (aber allmählich
bröckelnde) Preis der C- und A-Fasern zwingt zur optimalen Nutzung und da-
mit den Konstrukteur zum „anisotropen“ Denken.
Die Herstellung der vorwiegend auf Polyacrylnitril (PAN)-Fasern basieren-
den C-Fasern führt verfahrenstechnisch in zwei Stufen (Pyrolysieren bei 300 °C
und Carbonisieren bei 1600 °C) zur sog. NF (niederfest)- und HF (hochfest)-Fa-
ser. Im nächsten Verfahrensschritt (Graphitieren bei 3000 °C) wird daraus die
HM (Hochmodul)- und UHM (Ultrahochmodul)-Faser, Tabelle 1-64 [17].
Tabelle 1-64. Eigenschaften von Kohlenstoff-Fasern auf Basis Pech oder Poly(acrylnitril) (PAN)
Naturgemäß werden die Fasern während der Herstellung gereckt. Die NF-
und HF-Fasern dienen als Filtermedien, Katalysatorträger und als Verstär-
kungsfaser in Verbundwerkstoffen. Sie weisen vorzügliche Ablationseigenschaf-
ten auf. Der verhältnismäßig niedrige elektrische Widerstand hat dazu geführt,
sie in flexiblen Heizelementen und überall dort anzuwenden, wo ein biegsamer,
nichtmetallischer elektrischer Leiter benötigt wird.
Die HM- und UHM-Fasern ermöglichen wegen ihres sehr hohen E-Moduls
von 400 kN/mm2 (HF-Fasern 230 kN/mm2) und des dadurch bedingten hohen
Steifigkeits-/Dichteverhältnisses die Herstellung von Verbundkonstruktionen
mit einer drei- bis neunmal so hohen Steifigkeit wie bei der Verwendung von Ti-
tan, Stahl bzw. Aluminium. Die C-Fasern werden als Roving mit 1000 bis 1500
Einzelfäden, als Stapelfasern und in der technisch wichtigsten Form, den Pre-
pregs, angeboten.
Überwogen bei der Verwendung der C-Fasern bis vor zehn Jahren noch die
Sportgeräte, so verlagerte sich inzwischen der Verbrauch überwiegend auf den
Segel-, Passagier- (siehe bei Verbundwerkstoffen) und Kampfflugzeugbau sowie
Bauwesen, Raumfahrt, Rennsport und Verteidigung. Große Hoffnung wird auf
den Automobilbau gesetzt (Triebwerk und Karosserie). Die Verwendung im
Serienbau setzt jedoch eine gegenüber den bisherigen Methoden wesentlich ver-
änderte Verarbeitungstechnik voraus.
Die Weiterentwicklung der HF-Typen auf PAN-Basis zielt vor allem auf eine
Steigerung der Bruchdehnung bis 2 % (bisher 1,0 % bis 1,4 %) bei gleichzeitiger
Steigerung des E-Moduls und der Zugfestigkeit ab. Bei e = 1,7 % statt 1,2 % und
einem E-Modul von 250 kN/mm2 ergäbe sich gemäß s = e · E eine Zugfestigkeit
von 4250 N/mm2. Bei den HM-Typen wird eine weitere Steigerung des E-Moduls
bei gleichzeitiger Erhöhung der Bruchdehnung angestrebt. Von verschiedenen
Herstellern werden sog. Intermediat-Typen (IM) angeboten. Sie weisen eine er-
höhte Bruchdehnung und Festigkeit bei einem verhältnismäßig hohen E-Modul
auf. Bei der Weiterentwicklung der C-Fasern muss jedoch beachtet werden, dass
der Matrixwerkstoff eine Bruchdehnung von höchstens 2 % bis 3 % aufweist. Bei
einer ebenso hohen Bruchdehnung der Fasern würden diese keine Last mehr
aufnehmen können.
Neuere Entwicklungen, die bereits kurz vor dem automobilen Großserienein-
satz stehen, erlauben Kosten sparend örtliche Bauteilverstärkungen mit C-Fa-
serbündeln einzulegen und über Prozesstechnik mit thermoplastischer Matrix
(PP, PA, PET, PC) im 30 Sek.-Takt herzustellen (siehe auch bei Verarbeitung von
thermoplastischen Faserverbundwerkstoffen im LFT-D-Verfahren).
Alle diese Fasern werden als Verstärkungsmaterialien verwendet. Die steifen
Kohlenstoff-Fasern bilden jedoch schlecht Schlingen. Garne können daher nur
schwierig gewirkt werden. Man stellt daher zunächst Gewirke aus Precursor-
Garnen her (z. B. Poly(acrylnitril)), die anschließend carbonisiert werden (CCPF
= chemical conversion of a precursor fiber) [15].
220 1 Einführung in Polymer Engineering
Kunststoffpapiere [15]
Kunststoffpapiere sind extrudierte und zumindest oberflächlich poröse Folien
aus synthetischen Polymeren. Eine Porenstruktur ist für die gewünschte Opa-
zität, Farbstoffaufnahme und niedrige Dichte unbedingt erforderlich. Normal
extrudierte Folien besitzen keine derartige Porenstruktur. Die Poren müssen da-
her durch Verstrecken, Schäumen, Beschichten,Anquellen oder ähnliche Metho-
den erzeugt werden. Am wichtigsten ist das Verstrecken. Es muss biaxial erfol-
gen, da sonst die Folie beim Bedrucken aufgespleißt wird. Wichtig ist auch die
Höhe der Proportionalitätsgrenze im Spannungs-Dehnungs-Diagramm, da das
Kunststoffpapier die beim Bedrucken auftretenden Druck- und Zugbeanspru-
chungen ohne bleibende Dehnung auffangen muss. Die Folien können ferner vor
oder nach dem Recken der Folien beschichtet werden.
[11] Hohenberger W Submikron und Nano – Revolution bei Füllstoffen und Compounds.
Kunststoffe 8/2000, S. 96 – 99
[12] Kamper P (1984) VDI-Nachrichten Nr. 48, 30. Nov. 1984, S. 19
[13] Steinau P (1984) Gummi, Fasern, Kunststoffe 37, S. 567
[14] Weber A Neue Werkstoffe. Düsseldorf: VDI, 1989
[15] Elias H-G Makromoleküle. Band 4: Anwendungen von Polymeren (6.Aufl.) Weinheim: Wi-
ley-VCH, 2003 ISBN 3-527-29962-9
[16] Bosshard AW et al. (1989) Haftvermittler, in Gächter R et al. Kunststoff-Additive, 3. Aus-
gabe, S. 569–571, Hanser, München
[17] Wolitz K (1984) Technologische Eigenschaften von Faserverstärkten Kunststoffen unter
Normal- und Klimabedingungen am Beispiel von GFK und CFK. Vortrag im Rahmen des
Seminars: „Anwendung und Praxis der Faserverbundwerkstoffe GFK/AFK/CFK“ an der
Techn. Akademie Wuppertal
[18] NN (1996) Hochfeste Glasfasern, Kunststoffe 86, S. 1316
[19] Gruber E et al. (1983) Cellulose, in Klose D et al. Ullmanns Enzyklopädie der techn. Che-
mie, 4. Aufl., Bd. 21, S. 657, Verlag Chemie, Weinheim
[20] Weigel P, Ganster J, Fink H-P et al. Polypropylen-Cellulose-Compounds. Kunststoffe
5/2002, S. 95–97
[21] Schwarz U, Pflug G, Reinemann S Polypropylen-Flachs-Compounds. Kunststoffe 5/2002 S.
93–94
[22] Schilling B Expandierbarer Grafit. Kunststoffe 8/1997, S. 1004-1006
[23] Wielage B, Köhler E, Odenwald S et al. Flachsfaserverstärktes Polypropylen. Kunststoffe
8/1999, S. 60–62
[24] Mitteilung der Hoechst AG, Werk Kehlheim/Donau
[25] Petermann I (1982) Eigenverstärkung von Kunststoffen, in [4], S. 83
[26] Braches E (1996) Verschleißfeste Thermoplaste, Kunststoffe 86, S. 1720–1724
[27] Van den Bos AL (1996) Segelboote aus Aramidfaser-Laminaten
[28] Böhme D (1996) FVK für Olympia-Kanu
[29] Knöpfle K Aramidfaser Kevlar® und Zylon®. Facharbeit an der Staatlichen Textilfach-
schule Münchberg, 2000 weitere Informationen zu Zylon: www.toyobo.co.jp; www.frenze-
lit.com
[30] Hohenberger W Füllstoffe und Verstärkungsmittel. Kunststoffe 7/1999, S. 101–104
[31] Große-Aschhoff M Kreide erhöht den Glanzgrad – Wirkung verschiedener Produkte bei
PVC-Fensterprofilen. Kunststoffe 8/1999, S. 52–53
Weiterführende Literatur
NN (1960) PLASTverarbeiter 11, S. 409
NN (1985) Plastverarbeiter, Heft 10, S. 46–58
Heißler GH (1982) Hochleistungsfaser/Kunststoffverbunden im Fahrzeugbau, in [4], S. 167
Hörsch F (1984) Glas-, Armid- und Carbonfaser in [17]
Noisternig JF et al. (1996) Kohlenstoffaser-Kunststoffverbunde, Kunststoffe 86, S. 822–829
Neue Gestaltungsmöglichkeiten in der Magnettechnik: Spritzgegossene Dauermagnete in 2K-
Technik. Kunststoffe 7/2003, S. 54–56
Metten M, Cremer, M Langfaserverstärkte Thermoplaste spritzgießen – Verfahrensparameter
beeinflussen die Faserlänge. Kunststoffe 1/2000, S. 80–83
222 1 Einführung in Polymer Engineering
1.4
Verarbeitung (Urformen) von Kunststoffen zu Bauteilen
Für die meisten Kunststoffe folgt der Synthese bei den Rohstoffherstellern die
davon völlig getrennte Verarbeitung. Dies bedeutet, dass Abkühlung und erneute
Aufheizung sowie Transport, manchmal mehrfach, dazwischen liegen. Ausnah-
men bilden bisher Polyurethan RIM, RRIM und SRIM und Nischenanwen-
dungen wie die Caprolactam-Synthese im Verarbeitungswerkzeug zu Polyamid,
sog. Guss-PA. Dagegen ist die Halbzeugherstellung bei glasmattenverstärkten
Thermoplasten (GMT) meist mit PP-Matrix, Stäbchengranulate mit Langglas-
fasern oder SMC heute noch Stand der Technik. Für die Zukunft zeichnet sich
allerdings ein Wandel für manche Verarbeitungstechnologien ab. Aufwändige
Zwischenschritte werden entfallen, der Verarbeiter wird mehr zum Werkstoff-
Designer (Compoundeur), Rohstoffhersteller liefern ihm Vorprodukte. Für
Standard-Spritzgieß- oder Extrusionsprozesse werden sich allerdings in abseh-
barer Zeit keine grundsätzlichen Änderungen im Verfahrensablauf ergeben.
Tabelle 1-65 zeigt anhand von Prinzipskizzen einige gängige Verarbeitungs-
verfahren auf, ordnet sie den Kunststoffhauptgruppen Thermoplaste, Duro-
plaste, Elastomere zu und deutet die Prozessschrittfolge von der Synthese zum
Bauteil an.
Tabelle 1-66 gibt eine Übersicht mit Prinzipskizzen zu den häufig angewand-
ten Kunststoff-Verarbeitungsverfahren.
1.4.1
Aufbereitung und Zusatzstoffe (Additive)
Unter Aufbereitung versteht man in der Kunststofftechnik diejenigen Verfahren,
durch die ein Kunststoffrohstoff zu einer verarbeitbaren Kunststoff-Formmasse
wird. In der Regel sind verschiedenste Zusatzstoffe nötig [4], um einen Kunst-
stoff nach der Synthese verarbeiten (urformen) zu können, z. B.:
Weichmacher
Haftvermittler
Verdünner
Gleitmittel
Verstärkungsstoffe
Thixotropierungsmittel
(z. B. Farbe streichfähig, jedoch kein Laufen: Eine Flüssigkeit verhält sich thixo-
trop, wenn ihre Viskosität bei abnehmender Schergeschwindigkeit größer wird,
siehe Bild 1.87).
Durch die Aufbereitung [5, 6, 7] sollen diese Zusatzstoffe (in Massenanteilen von
0,01 bis 60 %) in der Masse homogen verteilt werden.
1.4 Verarbeitung (Urformen) von Kunststoffen zu Bauteilen 223
Monomer und Initiator werden in die PMMA Tafeln, Blöcke, Zwischen Glasplatten erhält man gute Oberflächen;
Form gefüllt. Durch Zu- und Abfuhr Rohre, opt. Linsen, Volumenschwindung kann durch elastische Dicht-
von Wärme und durch Initiatormenge Knochenzement schnüre ausgeglichen werden
in situ
wird der Polymerisationsvorgang
in Kammern
Polymerisation
Polymerisation
zeitlich und örtlich gesteuert
Form-
gießen
Synthese in situ) Blöcke, Lagerschalen
PVC-Pasten Fußbodenbeläge
Foliengießen
Tauchbeschichtung von Geweben PVC Gewebebeschichtung; [2]
oder Tauchen von Gegenständen PVAC Fingerhandschuhe aus
in Kunststofflösungen oder -disper- PVAL Gummi; Schutzstiefel;
sionen mit anschließender Gelierung korrosionsschützende
bzw. Vernetzung in Öfen Tauchpackungen
Tauchen
Tauchform: Keramik oder Metall
225
Tabelle 1-66 (Fortsetzung) 226
Ver- Verfahrenstechnik bevoerzugt verar- Anwendungen Bemerkungen
fahren beitete Kunstst.
Rotationsformen
schmolzen und anpolymerisiert anderen Kunststoffen
möglich [3]
gießen
Schleudertrommeln (UP)
Schleuder-
Diskontinuierlicher Ablauf (Stück- Nahezu alle Nachbearbeitungsfreie
prozess); Aufschmelzen; Füllung der Thermoplaste Serienformteile
Form; Kühlen der Form bei gleich- (große Stückzahlen)
zeitigem Nachdrücken von flüssiger
Schmelze; Im Fließbereich lassen
sich Thermoplaste etwa zwischen
150°C und 300°C unter Druck in
Spritzgießen
den Hohlraum eines Werkzeuges
drücken, wo sie infolge Abkühlung
erstarren
Spritzgegossener Vorformling wird PE, PO, PS, PVC, Haushalts- und Getränke-
in eigenem Werkzeug mit größerer POM, PC, PETP flaschen, Behälter
Formhöhlung in entropieelastischem
Zustand aufgeblasen. Durch biaxiale
Reckung ergeben sich gute Festig-
1 Einführung in Polymer Engineering
Spritzblasen
(Streckblasen)
keitseigenschaften
Tabelle 1-66 (Fortsetzung)
Kontinuierlicher Ablauf (Fließ- PVC, PE, PS, ABS, Tafeln, Rohre, Profile,
prozess); Verfahrensschritte; Fördern PA, PP, POM, CA Flachfolien, Schlauch-
und Verdichten; Aufschmelzen und folien, Kabelummante-
Mischen; Druckaufbau und -fördern; lungen, Beschichtungen
im Extrusionswerkzeug formen; von Trägerbahnen
Extrudieren
Kalibrieren und abkühlen
Der aus einem Extruder austretende PE, PP, PC, ABS, Behälter von 0,1 bis
Schlauch (Urformen) wird von einem PVC, PE 1000 l, bevorzugt
2-teiligen Werkzeug erfasst, abge- aus PE
trennt, verschlossen und aufgeblasen
(Urformen). Kühlung auch mit CO2
oder direktes Befüllen mit dem
Extrusionsblasen
Verpackungsgut möglich
Ausformen von thermoplastischen PVC, PE, PP, PS, Folien in der Ver-
1.4 Verarbeitung (Urformen) von Kunststoffen zu Bauteilen
Kalandrieren
Aufbereitung mit Vorplastifizierung,
Folienformung
227
Tabelle 1-66 (Fortsetzung)
228
Bevorzugt bei Duroplasten und PVC, PMMA, u.a. optische Teile (Linsen), siehe Kapitel 1.4.3.6
Elastomeren. Bei Thermoplasten PVAC Schallplatten 1.4.5.2.1
nur gut für ausgeprägte Oberflächen, PVAL 1.4.6.5
sowie Herstellung von Probekörpern PF, MF, HF 1.4.7.2.1
Pressen
zum Prüfen. NBR, ACR
neu: Langfaserverstärkte Thermo- PP, PA groß-serienfähige
plaste (LFT) Auto-Teile
Strangpressen
bei UHMW-E)
(Ramextrudieren
Profilwerkzeug gedrückt
Sintern
Kristallschmelztemperatur. Die Ab-
kühlzeit bestimmt die Kristallintensität
und damit die Werkstoffeigenschaften
1 Einführung in Polymer Engineering
Tabelle 1-66 (Fortsetzung)
Man unterscheidet nach der Struktur: PS, SB, ABS, PVC, Umschäumen z.B. Lenkrad, Auftriebskörper
a) Schaumstoffe mit gleichmäßiger PE, PP (Schwimmwesten, Surfbretter, Bojen),
Dichteverteilung PS, PP wärmedämmende Formteile, Schutzkleidung,
– Thermoplastschmelzen PUR, PF, UF, UP Prothesen, Abdichtungen, Schallschutz
(Extrudieren, Kalandrieren, Pressen)
– blähfähige Einzelteilchen, Pasten Styropor, Verpackung, Dämmstoff, Landwirtschaft
– reaktionsfähige flüssige Ausgangs-
komponenten (kontinuierliches Polsterung (PUR) (Kfz-Sitze, Möbelbau)
oder diskontinuierliches Schäumen Kfz-Außenteile
in Werkzeugen oder auf Transport- Temperaturfeste Isolierungen (PP, UF, UP)
bänder; auch Verspritzen am Ort)
Schäumen
b) Integralschaumstoffe PS, SB, ABS, PVC, Turnmatten, Schutzhelme,
(sind im Kern geschäumt, in den PE, PP, POM, PC, Konstruktionselemente (SMC-geschäumt) für
Randzonen kompakt/ungeschäumt) mod. PPO, PUR, Innen- und Außenbau
1.4 Verarbeitung (Urformen) von Kunststoffen zu Bauteilen
Schmelze
Weichmachung erhöhtes Fließvermögen (ir)reversibel
häufig mit hydrolytischem Abbau
verbunden
Verdampfung Blasen, Schlieren
(infolge Druckreduzierung)
Spritzgussteil
Feuchtigkeitsaufnahme Dimensionsänderung reversibel
(Quellung)
Weichmachung Eigenschaftsänderungen
Hydrolyse Eigenschaftsverlust irreversibel; bei RT sehr langsam;
(Molmassenabbau) bei hohen Temperaturen schnell
1.4 Verarbeitung (Urformen) von Kunststoffen zu Bauteilen 231
Feuchtigkeitsempfindlichkeit
Feuchtigkeitsaufnahme (Masse-%)
Werkstoffeigenschaften Polyamid 6
Für die Trocknung von Granulaten stehen dem Verarbeiter verschiedene Sys-
teme zur Wahl. Dabei sind die Trockner oftmals in die Materialversorgung inte-
griert. Einen Übersichtsbeitrag liefern T. Schroer und J. Wortberg [9].
Bei der Verarbeitung von technisch hochwertigen Kunststoffen hat die Roh-
stofffeuchte einen bedeutenden Einfluss auf die Prozesssicherheit und die
Produktqualität. Eine zu hohe Verarbeitungsfeuchte kann in der Verarbeitung zu
Schaumbildung, Entformungsproblemen und streuenden Prozessparametern in
Folge von Viskositätsschwankungen führen. Die Qualität der Produkte kann
durch das Auftreten von z. B. Blasen, Schlieren, Lunkern und Bindenähten be-
einflusst werden. Auch Eigenschaften wie mechanische Festigkeit oder elektri-
sche Durchschlagfestigkeit können sich durch die Feuchte verschlechtern. Bei
der Weiterverarbeitung kann es durch eine unzureichende Vortrocknung des
Granulats z. B. zu Problemen beim Galvanisieren oder Lackieren kommen. Der
nicht ausreichenden Trocknung steht das Übertrocknen des Materials gegenü-
ber, diese kann zu Verfärbungen,Viskositätserhöhung und zur Verschlechterung
der physikalischen Eigenschaften führen.Weiterführende Literatur siehe bei [9].
1.4.2
Verarbeitung von Kunststoffschmelzen
Das Urformen von Kunststoffen erfolgt ganz allgemein durch einen Fließpro-
zess. Die einzelnen Makromoleküle von Thermoplasten, Duroplasten und Elas-
tomeren müssen dazu beweglich sein und aneinander abgleiten können. Die Du-
roplaste und Elastomere vernetzen bzw. vulkanisieren erst nach der Formge-
bung und erhalten die sie kennzeichnende vernetzte Struktur.
Damit besitzen Duroplaste und Elastomere im Gegensatz zu Thermoplasten
auch bei hohen Temperaturen (oberhalb des Haupterweichungsbereiches) eine
zur Entformung ausreichende Eigensteifigkeit. Amorphe Thermoplaste können
hingegen erst unterhalb des Haupterweichungsbereiches entformt werden, teil-
kristalline Thermoplaste je nach Kunststoff ca. 50 bis 100 °C unterhalb der Kris-
tallit-Schmelztemperatur. Schematisch lässt sich das Urformen aller Kunststoffe
1.4 Verarbeitung (Urformen) von Kunststoffen zu Bauteilen 233
1.4.2.1
Fließeigenschaften von Schmelzen
Die Fließfähigkeit einer Kunststoffschmelze hängt im Wesentlichen von der Be-
weglichkeit von Molekülsegmenten ab und damit von der Temperatur, von ihrer
Gestalt, vom Verhakungs- und Verzweigungsgrad, von der Molmasse bzw. von
deren Verteilung.
A B
Die Viskosität ist ein Maß für den inneren Widerstand des Werkstoffes gegen
eine während des Fließens stetig wirkende Kraft.
Beim Fließprozess, wie er in Kunststoffverarbeitungsmaschinen auftritt, wird
die Schmelze hauptsächlich geschert (IKV, Aachen) [2].
Man unterscheidet: Scherströmung (Scherfließen) (Durchfließen einer Düse
– Urformprozesse –) und Dehnströmung (Streckfließen) (Querschnittsverände-
rungen, z. B. beim Verstrecken), wobei real meist eine Überlagerung auftritt.
Während bei der Scherströmung sich die Fließfront nur in eine Richtung be-
wegt, Bild 1-90 A, tritt bei einer zweidimensionalen Fließfrontänderung ein zu-
sätzlicher Orientierungseffekt durch Dehnströmung auf, Bild 1-90 B.
An einer Viertelkreisscheibe lässt sich zeigen, Bild 1-90 B, wie ein konzen-
trisch um den Angussbereich liegendes Volumenelement beim Fortschreiten der
Fließfront immer stärker in Querrichtung gedehnt wird. Durch die Dehnkräfte
ordnen sich die Makromoleküle und auch die Glasfasern in Richtung der Dehn-
strömung und damit senkrecht zur Fließrichtung. Dies gilt auch für beispiels-
weise zentral angespritzte Platten und für die meisten spritzgegossenen Form-
teile.
Im Folgenden werden einige Grundlagen der Fließeigenschaften von Schmel-
zen vereinfachend dargestellt.
Am Beispiel des Newton’schen Zweiplattenmodells kann das Scherfließen ei-
ner Flüssigkeit erklärt werden, Bild 1-91.
1.4 Verarbeitung (Urformen) von Kunststoffen zu Bauteilen 235
Bild 1-92. Erklärung von Schubspannung und Schergeschwindigkeit an einem Teilchen in der
Flüssigkeit [4]
236 1 Einführung in Polymer Engineering
Sie drückt damit aus, wie schnell ein zwischen verschiedenen Schichten lie-
gendes Teilchen seine Gestalt verändert, während sich die Schichten mit der
Fließgeschwindigkeit fortbewegen.
Beim so genannten Newton’schen Fließverhalten (z. B. bei Wasser und Öl)
sind Scherspannung t und Verformungsgeschwindigkeit (Schergeschwindig-
keit) ġ proportional.
t = h · ġ
Der Koeffizient h heißt Viskosität 10 (oder Zähigkeit).
Die meisten Flüssigkeiten, Kunststoffschmelzen eingeschlossen, gehorchen
bei mittleren und hohen Schergeschwindigkeiten nicht dem Newton’schen
Fließgesetz. Für die Charakterisierung solcher Flüssigkeiten genügt daher nicht
mehr eine einfache Viskositätsangabe, sondern das Fließverhalten wird durch
die Fließkurve angegeben, (Bild 1-93, Kunststoffschmelzen fließen viskos 11).
Diese nicht-Newton’sche Fließeigenschaft der Schmelzen bezeichnet man als
Strukturviskosität.
Bild 1-93 veranschaulicht unter Vernachlässigung von Erstarrung an der
Wand, den Einfluss des Fließverhaltens von Kunststoffschmelzen auf Geschwin-
digkeitsprofile bei der Rohrströmung.
Real werden sich unterschiedliche Geschwindigkeitsprofile über den Quer-
schnitt gemäß Bild 1-94 je nach fortschreitender Erstarrung an der Werkzeug-
wand einstellen.
10
genauer: dynamische Viskosität h Nsm2 B 1 Pascal Sekunde (Pa s), alte Dimension:
1 Poise (P) B 0,1 Pa s; 1 Centipoise (cP) B 1 Millipascal Sekunde (mPa s);
weiter: kinematische Viskosität
h
u = 3 : u · cm2 s–1 B Stokes (st)
r
11
Unter plastischem Fließen versteht man die bleibende Verformung, die sich bei Festkörpern
einstellt, wenn eine bestimmte Mindestspannung (Fließgrenze) überschritten wird; dagegen
ist das viskose Fließen die bleibende Verformung im entropieelastischen Bereich sowie im
Schmelz- bzw. Fließbereich von Kunststoffen.
1.4 Verarbeitung (Urformen) von Kunststoffen zu Bauteilen 237
Bild 1-94. Schema der Bewegungsvorgänge beim Füllvorgang [6]. 쎻 a Schmelzefront. 쎻b1 Rand-
schichten beginnen zu erstarren. 쎻
b2 Randschichten sind bereits erstarrt. 쎻
c Schmelzeprofil in
„plastischer Seele“
Aus Bild 1-95 wird deutlich, dass bei Kunststoffschmelzen die Scherspannung
bei höheren Schergeschwindigkeiten degressiv verläuft (strukturviskos), d. h.
mit zunehmender Schergeschwindigkeit braucht man weniger Kraft, was für die
Verarbeitung sehr vorteilhaft ist.
Tabelle 1-69 gibt qualitativ die Auswirkung verschiedener Einflüsse auf das
Fließverhalten von Kunststoffschmelzen wieder.
Die Auswirkungen der Strukturviskosität von Kunststoffschmelzen in der
Praxis der Verarbeitung wird aus dem Verlauf der Viskosität über der Scher-
geschwindigkeit von verschiedenen Polyethylenen in Bild 1-96 ersichtlich.
Abschließend werden zum Schmelzeverhalten einige Begriffe erläuternd zu-
sammengefasst [5]:
Tabelle 1-69. Qualitative Auswirkungen verschiedener Einflüsse auf die Viskosität h von Kunst-
stoffschmelzen [1]
größere Molmasse ≠
mehr langkettige Verzweigungen ≠
steigender Verarbeitungsdruck ≠
höherer Füllstoffanteil ≠
höhere Temperatur Ø
Zugabe von Weichmachern (Gleitmittel, Treibmittel u.a.) Ø
größere Schergeschwindigkeit Ø
Alterung (Kettenbrüche = kleinere Molmasse) Ø
冧
a Lupolen 1800 H
b Lupolen 1800 M PE-LD:
c Lupolen 1800 S r ≈ 0,918
(BASF)
Bild 1-96. Viskosität in Abhängigkeit von der Schergeschwindigkeit bei drei Polyethylen-Typen,
Temperatur 150 °C. Rechts oben sind die Verarbeitungsbereiche angegeben (BASF, Ludwigshafen)
1. Die Viskosität h ändert sich mit der Scherbeanspruchung, also der Schub-
spannung t oder der Schergeschwindigkeit g
a) h nimmt mit t zu: Dilatanz,
b) h nimmt mit zunehmendem t ab: Strukturviskosität (im englischen
Schrifttum als „pseudoplasticity“ bezeichnet).
2. Die Viskosität h ändert sich bei konstanter Scherbeanspruchung im Laufe der
Versuchszeit t:
a) h nimmt mit t zu: Rheopexie,
b) h nimmt mit t ab: Thixotropie.
3. Mit dem viskosen Fließen sind gummielasische Verformungen gekoppelt (die
beim Aufhören des Fließens eine elastische Rückdeformation anstreben):
1.4 Verarbeitung (Urformen) von Kunststoffen zu Bauteilen 239
Elastische Flüssigkeit. Als Folge der Elastizität treten beim Fließen neben
Schubspannungen auch noch Normalspannungen auf: Normalspannungs-
oder Weißenberg-Effekt.
1.4.2.2
Verformungsverhalten von Schmelzen (und auch Festkörpern)
Deformationsverhalten – Viskoelastizität
Verformt man eine Kunststoffschmelze 12, so nimmt sie nach Wegnahme der die
Verformung auslösenden Kraft ihre Ausgangslage zeitlich verzögert und nicht
mehr vollständig ein.
Sie bleibt teilweise irreversibel verformt. Es wirken demnach gleichzeitig
zeitunabhängige elastische und zeitabhängige viskose Eigenschaften zusam-
men. Durch verschiedene Verknüpfungen der Grundgleichungen für das elasti-
sche und viskose Verhalten der Werkstoffe lassen sich vereinfachend eine Reihe
von Erscheinungen beschreiben.
Tabelle 1-70 gibt eine Übersicht über solche Grundgleichungen zum Verfor-
mungsverhalten von Werkstoffen, Schmelzen eingeschlossen.
Durch die Verwendung von Feder- und Dämpfer-Elementen lässt sich das
Verformungsverhalten von Kunststoffschmelzen und damit von Kunststoffen
bzw. Werkstoffen allgemein vereinfachend, aber anschaulich beschreiben.
Ein praxisrelevantes beispielhaftes Phänomen, bei dem das viskoelastische
Verhalten von Kunststoffschmelzen innerhalb der Rheologie eine Rolle spielt, ist
die Strangaufweitung beim freien Ausströmen der Schmelze aus einer Düse
(Profilwerkzeug).
Molekülorientierungen, Scherkräfte, Düsenlänge, Relaxation, Massetempera-
tur, Viskosität, Molekülgestalt (Konstitution) spielen dabei eine Rolle.
Im Kapitel 1.4.7.2 wird die Strangaufweitung als Beispiel für Molekülorien-
tierungen beim Extrudieren erörtert.
12
Im weitesten Sinne ist ein amorpher Thermoplast bei jeder Temperatur eine Schmelze. Un-
terhalb der Fließtemperatur ist diese Schmelze mehr oder weniger eingefroren. Bei teilkris-
tallinen Thermoplasten betrifft dies die amorphen Bereich, sodass die obigen Überlegungen
allgemein für Thermoplaste gelten.
240 1 Einführung in Polymer Engineering
冢 冣
tEw
–5
insbesondere NR
1 h w
e=5 1–e · s0
Ew
Maxwell-Modell Kunststoff-
s 0 s0 schmelze
e=5+5·t
E h hf
冢 冣
tEw
–5
s0 1 hw s0
e=5+5 1–e s0 + 5 · t
Eh Ew hf
1.4.3
Verarbeitung von Thermoplasten
Das Urformen von amorphen und teilkristallinen Thermoplasten erfolgt im
Fließ- bzw. Schmelzbereich. Bild 1-97 zeigt erneut, dass die einzelnen Zustände
keine festen Temperaturgrenzen haben. Weiter wird für Thermoplaste die Ver-
arbeitbarkeit in Abhängigkeit von der Temperatur deutlich.
Eine zusammenfassende Übersicht der wichtigsten Verarbeitungsverfahren
von Thermoplastschmelzen gibt Tabelle 1-66. Zur Vertiefung siehe auch [2]–[5].
Die beiden wichtigsten Urformverfahren, das Spritzgießen und das Extrudie-
ren, werden etwas ausführlicher dargestellt.
Bild 1-97. Zustandsform und Verarbeitbarkeit von Thermoplasten in Abhängigkeit von der
Temperatur (in Anlehnung an Schreyer) [1]
242 1 Einführung in Polymer Engineering
Fließpressen
• Glasmattenverstärkte Thermoplaste (GMT) Basis PP
• GMT mit höherwertigen Matrices (PA, PA/PPE, PBT, PET, PC, PPS)
– Langfaserverstärkte Thermoplaste im Direktverfahren (LFT-D)
Umformen
• Prägen
• Schrumpfen
• Mechanisches Tiefziehen (Kaltumformen)
• Warmumformung
• Rotations-Tiefziehen
– Pultrusion, Pulforming
– Tiefziehpressen (TZP) von Faserverbundhalbzeugen
Zeichenerklärung:
• Stand der Technik
– Neuere Verfahren (aus den vergangenen 10 Jahren)
Kalandrieren
Pulvertechnologie
• Sintern
– Lasersintern (LS)
• Wirbelsintern (Beschichten)
• Rotationssintern
• Ram-Extrusion
• Elektrostatisches Pulverbeschichten
– Coatingtechnologie
Zeichenerklärung:
• Stand der Technik
– Neuere Verfahren (aus den vergangenen 10 Jahren)
1.4.3.1
Spritzgießen
Das Spritzgießverfahren erzeugt komplizierte Formteile (Bauteilmassen von
Milligramm bis 100 Kilogramm) in höchster Qualität und größten Stückzahlen.
Vorteilhafte Merkmale des Spritzgießens sind
• kurzer Weg vom Rohstoff zum Endprodukt
• keine oder nur geringe Nacharbeit
• integrierbares und vollautomatisierbares (diskontinuierliches) Verfahren
• hohe Reproduzierbarkeit der Fertigung
• niedriger Energieverbrauch bei der Formgebung aufgrund (im Vergleich mit
Metallen) niedriger Verarbeitungstemperaturen.
Um jedoch eine höchste Qualität bei der Produktion zu gewährleisten, bedarf es
einer Know-how-Bündelung, da die Zahl der Einflussgrößen auf die Spritzgieß-
produktion sehr groß ist.
244 1 Einführung in Polymer Engineering
Bild 1-100. Druck-, Temperatur- und Viskositätsverlauf für einen amorphen Thermoplasten im
Spritzgusswerkzeug – angussnah – in Anlehnung an [6]
Erläuterungen zu Bild 1-100:
(1) bis (2) Einspritzvorgang
(2) Werkzeug ist volumetrisch gefüllt
(2) bis (3) Aufbau des Spritzdruckes
(4) Umschalten auf niedrigeren Nachdruck
(4) bis (5) Druckabfall
(5) Nachdruckniveau ist erreicht
(6) Anguss friert ein (Siegelpunkt)
(7) Atmosphärendruck ist erreicht, jedoch Eigensteifigkeit des Formteils noch gering, da Glas-
temperatur noch nicht durchschritten ist.
(8) Glastemperatur Tg mit Haupterweichungsbereich
(9) entformen möglich, da Steifigkeit groß genug. Formteiltemperatur liegt unter Tg.
1.4 Verarbeitung (Urformen) von Kunststoffen zu Bauteilen 247
248 1 Einführung in Polymer Engineering
Bild 1-101. Druckverlauf über der Zeit an verschiedenen Orten im Spritzgießsystem [7]
1.4 Verarbeitung (Urformen) von Kunststoffen zu Bauteilen 249
PE
0,92 dünnw. 220–260 30–70 600– (+) (+) Drücke vom Fließver-
dickw. 180–220 1500 halten (Schmelzindex)
0,96 dünnw. 260–280 abhängig
dickw. 240–280
PP 200–300 30–60 800– (+) (+) niederviskos
TPX 270–300 70 1800 > 270°C
PS 200–250 5–60 600– + (+) SB, ABS
SAN 220–260 50–85 1800 möglichst hohe Temp.,
SB, ABS 200–280 60–90 aber nicht überhitzen
ASA 230–280 40–80
PVC hart 180–210 20–60 1000– – – langsam, evtl. Intru-
weich 170–200 15–50 1800 sion, Spritzeinheit
300– korrosionsfest
1500
PCTFE 200–280 80–130 ca. (+) (+) Spritzeinheit
PFA, FEP 340–360 120–180 1500 korrosionsfest
300–
700
PMMA 700– für hohe Ansprüche
VST 80 150–200 50–65 1000 (+) (+) Spritzeinheit
VST 110 180–230 60–90 800– verchromen
1200 Höchstdruck für
bzw. optisches Gerät
1800
POM 180–230 60–120 800– + (+) Kristallisieren wie PA
und COP
PA, alle 230–290 40–60 700– + (+) rasch einspritzen,
Sorten ev. 120 1200 weite Angüsse. Fein-
kristallin bei hohen
Werkzeugtemperaturen
PC 280–320 85–120 > 800 + (+) Trocknen
4 Std./120°C
PET 260–280 120–140 1200– (+) (+) bes. Sorte: mit
PBT 235–270 30–70 1400 gekühltem Werkzeug
1000– (20–40°C glasklar
1200 (+) amorph)
PPO, 250–300 80–100 1000– (+) (+) langsam
modifiziert 1400 weite Düse
CA, CAB 180–230 40–50 800 + (+) verchromte Spritz-
einheit
Mehrkomponenten Spritzgießen
Beim Mehrkomponenten-Spritzgießen gibt es eine verwirrende Vielzahl von Be-
zeichnungen. Bild 1-103 (W. Michaeli [2]) hilft zur Entwirrung. Neuere Entwick-
lungen zur Mehrkomponententechnik beschreiben Michaeli W. und Lettowsky Ch.
[23] und Jaroschek C. [22].
Zur besseren Zuordnung werden im Folgenden einige der verschiedenen Be-
zeichnungen den Teilbildern a, b, c zugeordnet.
쎻
a Zweifarben Spritzgießen (SG)
Mehrfarben SG
Two/Multi Colour Molding
Aneinanderspritzgießen
Additionsverfahren
쎻
b Sandwich-Spritzgießen
Zweikomponenten SG
2K-SG
Coinjektions-Verfahren
Ineinander-SG
Sequenzverfahren
쎻
c Gasinjektionstechnik (GIT)
Gasinnendruckverfahren (GID)
Gas-Assisted Injection Molding (GAIM)
Variante c ist sehr ähnlich Variante b, nur dass anstelle einer zweiten Schmelze
ein Gas (Stickstoff) als zweite Komponente verwendet wird.
쎻
d nicht im Bild 1-103 dargestellt
Umspritzen Zweirohstoff-SG
Overmolding Verbund-SG
쎻a 쎻
b 쎻
c
Bild 1-103. Einteilung von Mehrkomponenten-Spritzgießverfahren [2]
252 1 Einführung in Polymer Engineering
Beim Zwei- oder Mehrfarben-SG 쎻 a will man vor allem optische Effekte erzielen,
wie beispielsweise bei Heckleuchten und Bedienelementen für Automobile.
Das Sandwich- oder 2K-Spritzgießen 쎻 b erlaubt Hart-Weich-Kombinationen,
wie beispielsweise angespritzte Dichtlippen an Karosserieteilen oder schlagab-
sorbierende Außenschichten bei steifem Kern für Türverkleidungen.
Recyclingkern mit Außenhaut-Neuware ist eine weitere Anwendungsvariante.
Spritzprägen
Das Spritzprägen ist ähnlich wie die Gasinjektionstechnik (GIT) oder der
Thermoplastschaumguss (TSG) besonders für verzugsfreie, einfallstellenarme
1.4 Verarbeitung (Urformen) von Kunststoffen zu Bauteilen 253
Hinterspritztechnik
Die Kombination aus Dekorfolien (einschl. Textilien), eingelegt in ein Spritz-
gießwerkzeug und von der Rückseite das Formteil angespritzt, nennt man
254 1 Einführung in Polymer Engineering
Pressverfahren
Das Heiß-Pressen wird überwiegend bei duroplastischen Pressmassen und als
Spritzpressen (Transfer-Moulding) bei Elastomeren angewendet (siehe 1.4.5 und
1.4.6). In jüngerer Zeit findet das Heiß-Pressen bei der Verarbeitung thermoplas-
tischer Langfaser-Verbundwerkstoffe statt (siehe 1.4.3.7).
Thermoplastschaumguss (TSG)
Der Thermoplast-Schaumspritzguss, eines der ältesten Sonderverfahren des
Spritzgießens, erzeugt dickwandige, steife Großteile mit dichter Außenhaut über
einem geschäumten Kern. Gehäuse, Behälter, Paletten, Sportgeräte meist aus
schlagfestem Polystyrol oder aus Polyethylen sind beispielhafte Anwendungen.
Im „Niederdruck“-TSG wird mit Treibgas gefüllte Masse im Freistrahl an der
dicksten Stelle des Formwerkzeuges eingeschossen, sodass dieses zu 60 – 80 %
gefüllt ist. Das Werkzeug muss nur den Schäumdruck der expandierenden
Masse von 10 – 20 bar aufnehmen und kann dementsprechend leicht gebaut wer-
den. Die Kühlzeiten von TSG-Teilen sind wesentlich länger als die üblicher Kom-
pakt-Spritzgussteile. Deshalb verwendet man häufig Mehrstationenmaschinen
mit im Wechsel angesteuerten Schließeinheiten [8].
1.4.3.2
Extrudieren (Fließprozess; kontinuierlicher Prozess)
(unter Mitarbeit von Dietmar Völkle und Jan Diemert)
Der Extruder, Bild 1-105, besteht praktisch aus den gleichen Bauteilen wie die
Plastifiziereinheit einer Schneckenspritzgießmaschine, Bild 1-98. Die Schnecke
wirkt nicht als axialer Kolben, sie rotiert beim Extruder nur. Die Bedeutung des
Extrudierens liegt in der kontinuierlichen Arbeitsweise. Hergestellt werden Ta-
feln, Rohre, Profile, Folien usw.
Der Prozessablauf in einem Extruder lässt sich wie folgt unterteilen:
• Fördern und Verdichten
• Aufschmelzen, Mischen und Homogenisieren
1.4 Verarbeitung (Urformen) von Kunststoffen zu Bauteilen 255
• im Extrusionswerkzeug formen
danach kommt Kalibrierung/Abkühlung, Abzug und Absägen.
Die Bereiche im Extruder, die für die einzelnen Arbeitsprozesse vorgesehen
sind, werden mit Feststoffzone – Einzugszone, Umwandlungs- oder Plastifizier-
zone, Ausstoß-, Pump- oder Meteringzone und Formwerkzeug bezeichnet. Die
Förderung in der Feststoffzone bestimmt weitgehend den Ausstoß der Ma-
schine.
Die Schmelzenergie wird teilweise über die Zylinderwand und teilweise durch
die Friktion der Schnecke eingeleitet. Ebenso wie bei den Schneckenspritzag-
gregaten unterscheidet man zwischen polytroper und adiabatischer Arbeits-
weise.
Der Extruder ist das Kernstück jeder Extrusionsanlage. Man unterscheidet
folgende Bauarten bei Extrudern (Schneckenmaschinen):
• Einschnecke (Plastifizier- und Schmelzeextruder)
• Doppelschnecke (gleichlaufend, gegenläufig)
• Sonderbauarten (Ramextruder, Planetenwalzen-, Kaskaden-, Weissenberg-
extruder).
Eine Extrusionsanlage besteht aus Materialzufuhr, Extruder, Düse, Kalibrie-
rung, Wasserkühlung, Kühlstrecke, Raupenabzug und Säge.
In der Polymertechnik werden Extruder in erster Linie zum Fördern, Mi-
schen, Einfärben und Entgasen von Polymerschmelzen eingesetzt. Hierzu nutzt
man überwiegend die Wirkung rotierender Schnecken, wobei die konstruktiv
einfachen Maschinen mit nur einer Schnecke der Zahl nach überwiegen. Das an
den Extruder angeflanschte Werkzeug formt die Polymerschmelze zu Halbzeu-
gen, Ummantelungen oder Beschichtungen aus. Für den erweiterten Einsatz des
Extruders zur Polymermodifikation und im speziellen zur reaktiven Extrusion
bedarf es der technischen Voraussetzung, dass die Verweilzeit des Polymers im
Extruder gezielt eingestellt werden kann. Daher ist für die Polymermodifikation
256 1 Einführung in Polymer Engineering
Gleitmittel
Man unterscheidet innere und äußere Gleitmittel. Innere Gleitmittel sind mit
der Polymermatrix verträglich und reduzieren vorwiegend die Reibung im In-
neren des Materials und damit die Schererwärmung. Um die hierfür notwendige
Verträglichkeit mit dem polaren Basispolymer PVC zu erreichen, sind innere
Gleitmittel meist polare Substanzen. Äußere Gleitmittel hingegen verringern
vorwiegend die Reibung zwischen dem Polymer und der den Fließkanal be-
grenzenden Metalloberfläche. Sie sind mit dem Basispolymer weniger verträg-
lich, sodass sie überwiegend an der Grenzfläche zum Metall wirken. Diese
äußere Wirkung wird durch eine gezielt eingestellte Unverträglichkeit mit dem
polaren Basispolymer erreicht. Äußere Gleitmittel sind daher vorwiegend che-
misch unpolar. Marktgängige Gleitmittel sind in feinen Abstufungen zwischen
rein äußerer und rein innerer Wirkung und damit auch in sehr unterschiedlicher
Polarität erhältlich.
Üblicherweise kommen als Gleitmittel höhere Alkohole, höhere Fettsäuren,
gehärtete Fette und Ester zum Einsatz. Sie werden verarbeitungsfähigen Mi-
schungen in Zugabenmengen von 0,2 % bis 2 % zugesetzt.
Einen weiterführenden Überblick über verschiedene Gleitmittelsysteme bie-
tet u. a. [17] und Kapitel 1.3.5.1.
260 1 Einführung in Polymer Engineering
Säurefänger
Säurefänger haben in PVC-Mischungen die Aufgabe, die durch die unvermeid-
lich ablaufenden Abbaureaktionen im PVC frei werdenden Säuren (vorwiegend
HCl) zu binden. Hierzu werden überwiegend Metallseifen eingesetzt, die auch
eine leicht stabilisierende Wirkung aufweisen.
Blasfolienanlage [2]
Um sehr breite schlauchförmige Folien herstellen zu können, setzt man Blas-
folienanlagen (Bild 1-108) ein. Diese bestehen aus Extrudern mit Blaskopf,
normalerweise einem Wendelverteilerwerkzeug. Die senkrecht nach oben aus-
262 1 Einführung in Polymer Engineering
tretende Schlauchfolie passiert einen Kühlring, in dem sie mit Luft abgekühlt
wird. Durch Luftzuführung in das Innere der Schlauchfolie wird diese auf den
gewünschten Umfang aufgeblasen.Am oberen Ende des Turmes wird sie dann in
der Flachlegeeinrichtung zusammengefaltet und die Luft über Abquetschwalzen
zurückgehalten. Anschließend wird die Folie auf Hülsen aufgewickelt. Zwischen
Kühlring und Flachlegeeinrichtung kann ein so genannter Kalibrierkorb gesetzt
werden, der den Umfang der Blase definiert und die Folienblase stabilisiert.
Coextrusion
Um mehrschichtige und mehrfarbige Extrudate für beispielsweise Ummante-
lung von Kabeln, Verpackungsfolien mit Barriereschichten und/oder Recyc-
linglagen herzustellen, können 2 bis 7 Extruder über Mehrschicht-Blasfolien-
werkzeuge mit ebenso vielen ineinander sitzenden Wendelverteilern zur Vertei-
lung der Schmelzeströme eingesetzt werden (Bild 1-109).
Die Herstellung permeationsdichter Kunststoff-Kraftstoffbehälter kann über
Coextrusion mit Ringdüsensystemen und nachfolgendem Hohlkörperblasfor-
men erfolgen. Über Breitschlitzdüsensysteme lassen sich mehrschichtige, ebene
Folien oder Tafeln herstellen, die dann tiefgezogen werden können. Bei
Schmelzezusammenführung vor der Düse kann in den Luftstrom oxidierendes
Gas zur Haftvermittlung eingeblasen werden oder aber eigene Haftvermittler-
schichten per Coextrusion einextrudiert werden. Mit rotierendem Massevertei-
ler können spiralig gemusterte Ummantelungen von Schaltdrähten, Schläuchen
und marmorierte Profile hergestellt werden.
1.4 Verarbeitung (Urformen) von Kunststoffen zu Bauteilen 263
Extrusionsblasformen
Das Produkt (Flaschen, Kanister, Fässer, Lüftungskanäle, Surfbretter, Kofferhalb-
schalen, Dachgepäckträger, Heizöltanks, Kfz-Kraftstofftanks u. a.) entsteht beim
Extrusionsblasformen aus zwei parallel ablaufenden Prozessen (Bild 1-110)
• der kontinuierlichen Vorformlingsextrusion (Urformen) und
• der zyklischen Vorformlingübernahme und Formgebung mittels Blasluft im
Werkzeug (Umformen).
Beim Streckblasen verstreckt ein Längsdorn noch zusätzlich die Makromoleküle
in Längsrichtung. Dies führt zu zusätzlichen hohen Längsorientierungen und
entsprechenden Festigkeitssteigerungen in den Streckrichtungen (i. Allg. lassen
sich nur rotationssymmetrische Hohlkörper mit ovalem Querschnitt herstel-
len).
Der Extrusionsblasform-Prozess läuft nach Bild 1-110 wie folgt ab:
Ein Schlauch wird in das geöffnete Werkzeug extrudiert, ein Blasdorn in den
Schlauch eingeführt.
Das Formwerkzeug ist geschlossen, der Schlauch beidseitig abgequetscht und
dicht. Die Innenseite der Flascheneinfüllöffnung der Flasche ist um den Blas-
dorn geformt worden, an der Außenseite das Gewinde für den im Gebrauch be-
nutzten Schraubverschluss. Der Schlauchabschnitt ist durch Druckluft an die
wassergekühlte Wandung des Formwerkzeugs gedrückt und geformt worden.
Der überstehende Teil des Schlauches, der Butzen, muss anschließend entfernt
werden, ebenso der Butzen neben der Einfüllöffnung. Nach der Erstarrung wird
die Flasche ausgeworfen.
264 1 Einführung in Polymer Engineering
1.4.3.3
Schäumen
Axel Kauffmann
Im vorliegenden Kapitel werden die technologischen Grundlagen von Schaum-
stoffen im Allgemeinen sowie das Schäumen von thermoplastischen Schaum-
stoffen und hier insbesondere die Herstellung und Verarbeitung von Partikel-
schaumstoffen behandelt.
Tabelle 1-72. Einteilung von polymeren Schaumstoffen und Schäumverfahren [1] bis [6]
Merkmal Ausführung
Bild 1-112. Auswirkung der Vernetzung auf das zum Schäumen geeignete Temperaturintervall
1.4 Verarbeitung (Urformen) von Kunststoffen zu Bauteilen 269
pansion. Erst beim Austritt aus der Lochplatte kommt es durch den abrupten
Druckabfall zum Aufschäumen der Schmelzestränge, die durch rotierende Mes-
ser zu annähernd runden Partikeln abgelängt und im Wasserbad gekühlt wer-
den. Dabei sorgt sowohl der Temperaturabfall als auch das Entlösen des auch als
Weichmacher dienenden Treibmittels zu dem für die Stabilisierung erforderli-
chen Anstieg der Dehnungsviskosität. Es folgt eine Abtrennung agglomerierter
Partikel sowie die Trocknung und Alterung der Beads. Während der Alterung
stabilisiert sich das Zellgerüst weiterhin, das Treibmittel diffundiert aus und
wird durch Luft ersetzt. Zum Einsatz kommen in aller Regel Polyolefine und
hier im Wesentlichen Polypropylen. Ein Anlagenschema zum Schäumen zeigt
Bild 1-113.
Trotz der kontinuierlichen Prozessführung und des geringeren technischen
Aufwands ist das Verfahren mit zahlreichen Schwierigkeiten verbunden. Als be-
sonders kritisch hat sich die exakte Temperaturführung erwiesen. Bereits we-
nige Grad abseits der optimalen Schäumtemperatur können keine brauchbaren
Partikel mehr hergestellt werden.
Bild 1-113. Anlagentechnisches Schema zur Extrusion von Schaumpartikeln (geändert nach
Berstorff)
1.4 Verarbeitung (Urformen) von Kunststoffen zu Bauteilen 271
Bild 1-114. Schematischer Zyklusablauf der Formteilherstellung aus EPP nach der Druckfüll-
methode
1.4.3.4
Rotationsgießen – Rotationsformen
Marc Knoblauch-Xander
Allgemeines
Das Rotationsformen ist ein seit über 50 Jahren bekanntes Kunststoffverarbei-
tungsverfahren zur Herstellung von Hohlkörpern ([1] – [3]). Das Verfahren eignet
sich insbesondere zur Fertigung großvolumiger Bauteile in kleinen Stückzahlen.
Anfänglich konnten nur einfache Formteilgeometrien hergestellt werden. Die
eingeschränkte Palette der für diesen Prozess geeigneten Kunststoffe und die
verfahrensbedingt langen Zykluszeiten verhinderten zunächst eine größere Ver-
breitung der Rotationstechnik. Inzwischen stehen zahlreiche speziell auf den
Rotationsprozess zugeschnittene Werkstoffe und eine fortschrittliche Prozess-
technologie zur Verfügung, sodass inzwischen technisch anspruchsvolle Teile
wie komplex geformte Kraftstofftanks, Gehäuseteile für Kehrmaschinen, Luft-
ansaugkanäle für Fahrzeuge, Kanus, kleine Lagerhallen, etc. wirtschaftlich im
Rotationsformen gefertigt werden.
Verfahrensbeschreibung
Beim Rotationsformen wird pulverförmiges oder flüssiges Ausgangsmaterial in
einem Werkzeug mehrachsig in einer Heizkammer rotiert. Nach der gleich-
mäßigen Verteilung des Formwerkstoffs an der Werkzeugwandung erfolgt die
Abkühlung in einer Kühlstation und die Entformung des Bauteils.
Materialien
Pulverförmige Kunststoffe
In erster Linie werden für den Rotationsprozess pulverförmige Materialien ver-
wendet. Im Gegensatz zu Granulaten gewährleisten Pulver oder Mikrogranulate
bereits vor dem Aufschmelzen eine gute Verteilung des Materials an der Werk-
276 1 Einführung in Polymer Engineering
Kapitel 2.2.1.1.6
Nachteile
• hoher Zykluszeitbedarf (ca. 10-30 min.) im Vergleich zu Blasformen, Tiefzie-
hen und Spritzgießen
• aufgrund der langen Zykluszeit nur für Kleinserien wirtschaftlich
• Palette der Formteilwerkstoffe begrenzt (Hitzestabilität,Viskosität, pulverför-
mig oder pastös)
• je nach Verfügbarkeit des Rohstoffs muss dieser vorab gemahlen werden
• lange Verweilzeit der Materialien bei hohen Temperaturen (gute Stabilisie-
rung notwendig)
• Aufheizen und Abkühlen in einer Einheit/Werkzeug
– hoher Energiebedarf der Heizstation
– träges Aufheizverhalten
– lange Abkühlzeit
Weiterführende Literatur
Fendler JH Nanoparticles and Nanostructured Films, Wiley-VCH, 1998; Crawford RJ Rotational
Moulding of Plastics, Second Edition. The Queen’s University of Belfast, UK (1996);
http://www.research-studies-press.co.uk/crawf
SKZ-Tagungshandbuch „Rotationsformen – eine wirtschaftliche Alternative“ (2001)
Beall B Rotational Moulding. Hanser Gardner Publications 1998
Crawford RJ, James L Throne: Rotational Molding Technology. Plastic Design Library 2001
Crawford RJ: Practical Guide to Rotational Moulding. Rapra Technology 2003
Rotational Molding Newletter Society of Plastics Engineers, Devision of Rotational Molding
1.4.3.5
Reaktionsgießen – Herstellung von thermoplastischen Werkstoffen
durch in-situ Polymerisation im Formgebungswerkzeug
Dieter Gittel
Begriffsbestimmungen
Polymerisationsverfahren
Guss-PA 6 (siehe Kapitel 2.2.1.1 PA)
280 1 Einführung in Polymer Engineering
Vorteile
• Niedrige Schmelzeviskosität
• Verarbeitung ohne zyklisches Temperieren (Heizen/Kühlen) im Werkzeug
• Kurze (einstellbare) Reaktionszeit
• Keine Exothermie während der Polymerisation
• Keine Emission während der Verarbeitung
• Eigenschaftsprofil eines Technischen Thermoplasten
• Recycling-Fähigkeit
1.4 Verarbeitung (Urformen) von Kunststoffen zu Bauteilen 281
Mögliche Verarbeitung
• RTM/SRIM • Prepreg
• Pultrusion • Reaktiv-Guss
• Heiß-Pressen • Rotationsguss
• Compoundieren • Pulverbeschichtung
• Filament wickeln • Reaktiv-Spritzguss
• Direkt Inline Moulding
Es sind dabei geeignete Technologien zu entwickeln.
1.4.3.6
Verarbeitungstechniken thermoplastischer
Faserverbundwerkstoffe
Stefan Tröster [1]
schonend und vollständig mit Schmelze getränkt. Ein separater Antrieb der Wal-
zen der Benetzungseinheit sorgt für eine kontinuierliche Zuführung der benetzten
Rovings zum Extruder. Bild 1-128 zeigt den Prozessaufbau.
Im Vergleich zu GMT zeigt das STC-Verfahren etwas geringere Materialkenn-
werte hinsichtlich der Steifigkeit und Festigkeit, die Schlagzähigkeit liegt bei ca.
60% zu GMT. Vorteile des Verfahrens sind vor allem die Vermeidung der Halb-
zeugherstellungskosten sowie die Möglichkeit des einfachen Start-/Stop-Betriebs.
Zwei Verfahrensvarianten des STC-Verfahrens sind in der Produktion umge-
setzt. In einer Anlage ist ein Zweischneckenextruder mit einem Schnecken-
durchmesser von 60 mm und einer Verfahrenslänge von 42 D im Einsatz. Poly-
mer und Additive werden in den Extruder dosiert. Die Plastifizier- und Com-
poundierzone dient dem Aufschmelzen und optionalen Entgasen des Materials.
Über einen Bypass wird ein Teilstrom der Schmelze auf die Walzen der Impräg-
niereinheit geleitet. Die Glasfasern werden in der Imprägniereinheit zugeführt
und durch die Thermoplastschmelze benetzt. Eine Breitschlitzdüse trägt das
mittels Vakuum entgaste Material flächig aus. Diese speziell optimierte Aus-
tragsdüse erzielt eine minimierte Faserorientierung.
Die zweite Anlage wird bereits mit einer mittels Zweischneckenextruder auf-
bereiteten, dispergierten und entgasten Schmelze beschickt.
Stäbchengranulate (LFT-G)
Eine Alternative zu GMT beziehungsweise STC stellen die Stäbchengranulate
LFT-G dar.
Die Stäbchengranulate werden als mit Kunststoffschmelze vorimprägnierte Fa-
serbündel zur faserschonenden Verarbeitung in einem Einwellenextruder bereit-
gestellt. Die erzeugte Pressmasse wird im Fließpressprozess zum Bauteil geformt.
Die Herstellung von Stäbchengranulaten erfolgt durch Pultrusion. Bei einer
Variante des Pultrudierens werden Endlosfasern durch eine Thermoplast-
schmelze gezogen, mittels eines Werkzeugs imprägniert und je nach Herstel-
1.4 Verarbeitung (Urformen) von Kunststoffen zu Bauteilen 285
Bild 1-131. Zusammenfassung des Halbzeug- und Verarbeitungsschritts bei Direktverfahren [2]
siehe Bild 1-131. Dabei wird aus den Rohstoffen, z. B. Glasfasern und PP, in einem
Schritt ein Faserverbundwerkstoff und nachfolgend ein Bauteil hergestellt.
Diese Verfahren bieten gegenüber den halbzeugverarbeitenden Verfahren die im
Folgenden aufgeführten Vorteile:
• Vermeidung des teuren Halbzeugherstellungsschritts,
• Verringerung des thermischen und thermisch-oxidativen Abbaus der Poly-
mermatrix,
• Größere Flexibilität hinsichtlich Materialauswahl, Materialanpassung und
Logistik beim Vorarbeiter,
• mehr Wettbewerb und geringere Abhängigkeit von Rohstoffherstellern.
So lassen sich z. B. unterschiedliche Glasfasergehalte einstellen, die Viskosität des
Matrixpolymers in bestimmten Bereichen variieren, Zusätze zur Modifizierung
(Schlagzähigkeit), zur Stabilisierung und Faser-Matrix-Kopplung sowie zur Ein-
färbung des Materials sind zudem spezifisch einsetzbar. Da das Material direkt
bei der Verarbeitung erzeugt wird, ist die Lagerhaltung unterschiedlicher, in ei-
nem vorhergehenden Schritt aufbereiteter Materialien nicht erforderlich, wo-
raus sich auch hinsichtlich der Materiallogistik ein Vorteil ergibt.
und mittels Schneideinheit auf die Bauteilmasse abgelängt. Ein mit Nadelgrei-
fern versehener Handhabungsroboter legt das zugeschnittene Plastifikat in das
Presswerkzeug ab, wo es durch einen Fließpressvorgang zum Bauteil geformt
wird. Die Endkontur des Pressteils wird durch Stanzen, durch Wasserstrahl-
schneiden oder durch eine Kombination dieser Verfahren erzeugt. Der entste-
hende Randbeschnitt kann dem Prozess direkt als Rezyklatware zugeführt wer-
den. Der durch den Hersteller freigegebene Rezyklatanteil bei der Fertigung des
ersten Serienteils, dem Frontend-Montageträger für den Passat B5, betrug 30 %.
Die Freigabe von Rezyklatzusätzen führt zu weiteren Kosteneinsparungen ge-
genüber der konkurrierenden GMT-Verarbeitung.
Der Nachteil der Einmaschinentechnologie des LFT-D-Verfahrens liegt an der
Notwendigkeit Polymercompounds einzusetzen, welche für zwei Verarbeitungs-
schritte sowie die Gebrauchsphase stabilisiert werden müssen. Weiterhin wer-
den geringe Drehzahlen der Verarbeitungsmaschine eingestellt, um möglichst
lange Fasern im Prozess zu erhalten. Dies wirkt sich nachteilig auf die Durch-
satzleistung aus. Eine Erhöhung der Durchsatzleistung führt zu Faserlängenver-
kürzung oder zu mangelnden Homogenisierungsqualitäten.
DIF-Verfahren (DIF-process)
Eine weitere Technologie bei den Direktverfahren stellt das DIF-Verfahren dar
(DIF: direct incorporation of fibers), welches an der Universität Stuttgart ent-
wickelt wurde. Der im Rahmen einer Forschungsarbeit entwickelte DIF-Extru-
der ist ein modular aufgebauter Einschneckenextruder mit einem Längen zu
Durchmesserverhältnis der Schnecke (L/D) von 32,5, bei einem Schnecken-
durchmesser von 60 mm.
Die als sogenannter „Dry-Blend“ vorliegende Polymerabmischung, beste-
hend aus PP, Haftvermittler und Thermostabilisator, wird dem Schnecke/Zylin-
dersystem volumenkontrolliert zugeführt.
Die unverstärkte Polymerrezeptur wird vorgewärmt, aufgeschmolzen und
homogenisiert. Bedingt durch den Materialabzug nach der Drosselstelle, erfolgt
eine Entspannung der Schmelze am Fasereinzugsmodul (Bild 1-134).
Die mittels IR-Strahlung vorgewärmten Glasfaserstränge werden über einen
Zylinderschluss der drucklosen Schmelze zugeführt. Durch Überschreiten der
maximal erträglichen Biegespannung im Bereich scharfkantiger Schnecken-
stege werden die Endlosfasern zu Langfasern zerteilt. Nach dem Einziehen und
Ablängen der Rovings werden die Stränge von der Schmelze benetzt. Die dabei
entstehende Roh-Mischung aus Fasern und Matrix wird von tiefgeschnittenen
Schneckenabschnitten weiter gefördert. Flachgeschnittene Schneckensequenzen
bauen nachfolgend den zum Durchströmen der nachgeschalteten Scher- und
Mischteile sowie den zur Überwindung des Düsenwiderstands erforderlichen
Druck auf. Das Plastifikat wird über eine Breitschlitzdüse kontinuierlich ausge-
tragen und einem Pressprozess zugeführt.
Bild 1-134. Schematische Darstellung der DIF-Extrusionslinie (Sigl, K.-P.; 2001) [6]
1.4 Verarbeitung (Urformen) von Kunststoffen zu Bauteilen 291
XRETM-Verfahren (XRE-process)
Zur Fertigung von Frontendsystemen wurde durch die Firma Faurecia das soge-
nannte XRETM-Verfahren entwickelt. Gravimetrisch zudosierte Polymergranu-
late werden in einem gleichlaufenden Doppelschneckenextruder aufgeschmol-
zen. In dasselbe Aggregat werden entweder geschnittene Glasfasern der Länge
12 mm gravimetrisch zudosiert oder Endlosrovings eingezogen. Die Fasereinar-
beitung im Einmaschinenkonzept erfordert, wie bereits erläutert, einen Kom-
promiss hinsichtlich resultierender Faserlängen und der Qualität der Faserdis-
pergierung im Verbund.
Der Materialaustrag erfolgt direkt in ein mobiles Einspritzaggregat am Extru-
derausgang. Das gefüllte Einspritzaggregat wird an das Presswerkzeug transfe-
riert und das Material mittels Kolben in die Werkzeugkavität gedrückt. Unter-
dessen füllt der kontinuierlich arbeitende Extruder einen Pufferbehälter. Die
mobile Einspritzeinheit fährt zurück an den Extruder und das im Puffer gespei-
cherte Material wird übergeben. Eine schematische Darstellung des Prozesses
zeigt Bild 1-135. Vorteil dieses Verfahrens ist die Möglichkeit in das geschlossene
Werkzeug zu injizieren. Diese Variante wird als XRITM-Verfahren bezeichnet.
Fibropress
Beim von der Firma Johnson Controls entwickelten Fibropress-Verfahren wer-
den Schnittglasfasern der Länge 5 mm gravimetrisch in einen Einschnecken-
extruder zudosiert und mit pulverförmigen PP vermischt. Der ausgetragene
Strang wird zur Bauteilmasse abgelängt, mittels Handhabungsroboter ins Press-
werkzeug positioniert und durch Fließpressen zum Bauteil geformt.
In-Line-Compoundieren im Spritzgießverfahren
Neben den beschriebenen Verfahren, bei welchen die Formgebung des Faserver-
bundwerkstoffs im Pressverfahren erfolgt, bilden Direktverfahren nach dem
Prinzip des Spritzgießverfahrens eine bedeutende Alternative. Sie bieten die Vor-
teile eines geschlossenen Spritzgießprozesses, welcher Bauteile komplexer Geo-
metrie ohne Nachbearbeitungsschritte erzeugt. Die Faserlänge ist jedoch durch
den Prozess limitiert und die Zykluszeit ist je nach Bauteilgeometrie deutlich
höher als bei den Pressverfahren.
Bei den bekannten Verfahren handelt es sich um eine Kombination aus einem
Compoundier- und einem Spritzgießprozess. Dabei wird auf eine Spritzgießma-
schine ein gleichsinnig drehender Zweischneckenextruder als Compoundierein-
heit aufgebaut. Derzeit sind zwei Systeme mit Serienreife erhältlich. Bild 1-136 zeigt
die Variante des Herstellers Krauss-Maffei mit kontinuierlicher Compoundierung.
Durch die kontinuierliche Compoundierung wird die Rezepturkonstanz zuverläs-
sig sichergestellt. Der zyklische Spritzgießvorgang wird durch Pufferung des lang-
faserverstärkten Plastifikats in einem Kolbenspritzaggregat ausgeglichen.
Durch die Entkopplung beider erforderlicher Prozessschritte erfolgt die Com-
poundierung unter gleichbleibenden verfahrenstechnischen Bedingungen und
wird nicht durch den Zyklus der Spritzgießmaschine beeinflusst. Bei der zweiten
Variante des Herstellers Coperion sind die Compoundierung und der diskonti-
nuierliche Spritzgießvorgang in einem intermittierenden, diskontinuierlichen
Prozess zusammengefasst. In einem Doppelschneckenextruder wird das Matrix-
material sowie gravimetrisch dosierte Additive plastifiziert. Endlosglasfasern
werden in die aufbereitete Schmelze eingezogen, von einer dicht ineinander-
greifenden, gleichsinnig drehenden Doppelschnecke geschnitten und in das
Matrixpolymer eingearbeitet. Das aufgeschmolzene faserverstärkte Polymer
wird in eine Kolbenspritzeinheit gefördert. Nachdem das vollständige Einspritz-
volumen compoundiert ist, beendet der Extruder den Plastifiziervorgang und
die Kolbendosiereinheit spritzt die Schmelze in das Werkzeug ein. Nach der für
den Spritzgießprozess üblichen Nachdruckphase beginnt der nächste Plastifi-
ziervorgang. Die Geschwindigkeit des Doppelschneckenextruders ist durch eine
Steuerung mit dem gravimetrischen Dosiersystems gekoppelt.
Zur Vertiefung von Kapitel 1.4.3.6 dient [8] bis [20].
Bild 1-136. Schematische Darstellung des kontinuierlichen Spritzgießprozesses (Wobbe, 2001) [7]
1.4 Verarbeitung (Urformen) von Kunststoffen zu Bauteilen 293
1.4.4
Verarbeitung von thermoplastischen Elastomeren
(in Anlehnung an [1])
TPE lassen sich also wie Thermoplaste verarbeiten, zeigen aber bei gemäßig-
ten Randbedingungen die typischen Eigenschaften der Elastomere, siehe Kapi-
tel 1.3.1.
Die Verarbeitung von TPE erfolgt mit den gleichen Verfahren, mit denen auch
Thermoplaste verarbeitet werden. Kapitel 1.4.3 hat demnach grundsätzlich auch
für TPE Gültigkeit. Zwei Besonderheiten weisen die vernetzenden Elastomere in
den TPE auf:
1. Die disperse vernetzte Elastomerphase verhält sich ähnlich einem polymeren
Füllstoff. Die Abhängigkeit der Viskosität von der Schergeschwindigkeit [1]
ist hoch, von der Temperatur gering [1]. Der Fließexponent liegt zwischen 3
und 5.
2. Die Strangaufweitung (nach [1]: Spritzquellung) ist mit zunehmender
Volumenkonzentration der vernetzten dispersen Elastomerphase erwar-
tungsgemäß geringer als die des Matrixmaterials. Die kann beim Extrudieren
vorteilhaft sein.
Spritzgießen
Thermoplastische Elastomere lassen sich auf üblichen Maschinen für Thermo-
plaste im Spritzgießverfahren verarbeiten. Am Beispiel eines Dreiblockpolymer
S-EB-S, dessen Molekül aus 2 Polystyrol-Endblöcken (PS), die mit einem Poly-
ethylen/Polybutylen-Mittelblock chemisch verbunden sind (PS:PEB ca. 30:70)
besteht, werden dessen Verarbeitungsparameter in Tabelle 1-76 gezeigt.
Sonderverfahren wie Gasinnendrucktechnik (GIT) oder Mehrkomponenten-
Spritzgießen sind mit TPE grundsätzlich auf den gleichen Maschinen möglich,
auf denen Thermoplaste verarbeitet werden.
TC 4A AA TC 6A AA TC 9A AA
Härte in Shore A 42 58 94
Maschine 90-Tonnen-Maschine
Werkzeug je 1 Platte 100 ¥ 100 ¥ 2 mm, 80 ¥ 50 ¥ 3 mm
Schussgewicht jeweils ca. 50 Gramm
Zylindertemperatur in °C 180 – 200 – 220 200 – 220 – 240 200 – 220 – 240
Trichter – Düse
Werkzeugtemperatur in °C 45 45 45
Spritzdruck in kg/cm2 400 450 450
Spritzzeit in s 0,8 0,8 0,8
Spritzgeschwindigkeit hoch hoch hoch
Nachdruck in kg/cm2 300 300 400
Nachdruckzeit in s 5 5 6
Kühlzeit in s 20 20 20
Staudruck in kg/cm2 18 20 22
296 1 Einführung in Polymer Engineering
Weiterverarbeitung
Schweißen, Kleben, Kaschieren sind bei TPE analog zu Thermoplasten mög-
lich. Auch die Einschränkungen bzw. Sondermaßnahmen gelten analog. So
lassen sich beispielsweise TPE-V auf Basis unpolarer Polyolefine schlecht ver-
kleben.
1.4.5
Verarbeitung von Elastomeren
Bei der Gummiverarbeitung finden viele Stoffe Verwendung. Dem Kautschuk
werden Füllstoffe, Weichmacher und Verarbeitungshilfen beigemischt. Je
nach geforderter Spezifikation des Gummis ist eine Vielzahl unterschiedli-
cher Chemikalien bei einem modernen Industrieunternehmen im Einsatz (Bild
1-137).
Die Bestandteile der Kautschukmischung (Bild 1-137) können in unterschied-
lichen Lieferformen vorliegen:
1.4.5.1
Wiegen und Mischen
Die Mischherstellung erfolgt batchweise; alle Zuschlagsstoffe (Bild 1-137) werden
vor dem Mischvorgang abgewogen bereitgestellt oder während des Mischpro-
zesses automatisch zudosiert.
Tabelle 1-77 informiert am Beispiel einer LKW-Laufflächenmischung über
eine Rezeptur.
Mischungsherstellung
• Vormischen
nur für extrem hohe Füllgrade und/oder das Verschneiden schlecht verträg-
licher Polymere
Tabelle 1-77. Rezeptur und Mischvorschrift für eine LKW Laufflächenmischung [3]
• Mastifizieren
wird bei Naturkautschukhaltigen (NR) Mischungen häufig dem Grund-
mischen vorgeschaltet
• Grundmischen
Hier wird durch das Einarbeiten der Hauptkomponenten eine Wechsel-
wirkung mit den Polymeren erzeugt. Dies gilt besonders für verstärkende Zu-
satzstoffe. Das Grundmischen ist ein dispersiver Mischvorgang.
• Nachzwicken
Bei hochgefüllten sehr harten/zähen Mischungen (insbesondere für Reifen)
werden durch einen oder mehrere zusätzliche Arbeitsgänge nach dem
Grundmischen (Nachzwicken) die Viskosität und Elastizität für die Weiter-
verarbeitung erniedrigt.
• Fertigmischen
In die hochviskose Grundmischung werden die verformungs- und fließfähi-
gen Vernetzungschemikalien laminar eingemischt. Das distributive Mischen
muss dem laminaren Mischen überlagert werden.
Die zur Mischungsherstellung in einem kautschukverarbeitenden Betrieb einge-
setzten Mischverfahren lassen sich in
• diskontinuierliche, batchweise arbeitende Verfahren in Innenmischern (Kne-
ter) und auf Walzwerken sowie in
• kontinuierliche Verfahren in Mischextrudern
unterteilen.
Innenmischer (Kneter)
In einer temperierten Knetkammer, Bild 1-139 werden die Zuschlagstoffe mit
Hilfe des Stempels in den Arbeitsbereich der Knetschaufeln gepresst und ver-
mischt. Zur Zerteilung der Füllstoffe und zur Mischung mit dem hochviskosen
Kautschuk werden hohe Scherkräfte und daher große Antriebsleistungen
1.4 Verarbeitung (Urformen) von Kunststoffen zu Bauteilen 299
benötigt. Durch die intensive Knetarbeit wird Wärme erzeugt, die durch die
Manteltemperierung abgeführt werden muss.
Vorteile der Mischungsherstellung im Innenmischer (Kneter), Bild 1-140,
sind:
• kurze Mischzyklen (2 bis 6 min) durch intensive Erfassung und Bearbeitung
des Materials
• wegen der geschlossenen Kammer geringe Staub- und Dampfbelastung der
Umgebung.
300 1 Einführung in Polymer Engineering
Walzwerk
Obwohl Mischungsherstellung auch allein auf Walzwerken möglich ist, arbeitet
man in der Regel zweistufig: Zunächst wird im Kneter mit hohem Energie-
eintrag in kurzer Zeit die Grundmischung ohne Vernetzungschemikalien her-
gestellt. Hierbei wird ein starker Temperaturanstieg in Kauf genommen. An-
schließend wird die Mischung auf einem Walzwerk fertig gemischt: Zunächst
wird die heiße Mischung auf den relativ großflächigen Walzen abgekühlt und
dann werden die Vernetzungschemikalien zugegeben.
Zur Erzeugung einer homogenen Mischung kann mit einem so genannten
Stockblender, Bild 1-141, das Mischungsfell kontinuierlich von der Walze abge-
nommen, zusammengerafft und oszillierend wieder auf den Walzenspalt aufge-
geben werden.
Die Handhabung von Mischungsansätzen auf Walzwerken wird oberhalb von
Batchmassen von 60 kg zunehmend schwieriger, so dass dann andere Techniken
angewandt werden müssen, z. B. Stopfextruder.
Mischextruder
Hohe Investitionskosten für große Innenmischerlinien zur Mischungsherstel-
lung aus kompakten Kautschukballen führten zum Einsatz pulver- und krümel-
förmiger Polymere in Mischextrudern.
Zwei Systeme werden bevorzugt in der Praxis eingesetzt:
• MVX-Anlagen (M-Mixing, V-Venting, X-Extruding) von Fa. Farrel
und
• Doppelschneckenextruder (z. B. Leistriz, Coperion W&P).
Vertiefungen siehe Röthemeyer/Sommer [3].
Halbzeug (Rohlings)herstellung
Die fertige Mischung muss zur Abkühlung und zur weiteren Handhabung zer-
teilt, abgekühlt und zwischengelagert werden. Hierbei kann z. B. durch Extru-
sion eine spezielle Formgebung (Rohling) erfolgen.
1.4.5.2
Formgebung (Rohlingsverarbeitung) und Vernetzung
(Vulkanisation)
Vor der Vulkanisation muss die Kautschukmischung in die gewünschte Form ge-
bracht werden. Die Formen sind in der Regel beheizt, um im gleichen Schritt die
Vulkanisation durchzuführen.
Hierbei gibt es eine Vielfalt von Methoden, u. a.:
• Pressverfahren (Kompressionsverfahren)
Der mit Volumenüberschuss hergestellte Rohling wird in eine Form mit
Klappdeckel eingelegt und zwischen zwei Heizplatten verpresst.
• Transferpressverfahren
Die Mischung wird in einer oberen Kammer des Presswerkzeuges wie durch
einen Presskolben durch ein Angusssystem in den unteren Teil des Werkzeu-
ges (Kavität) transferiert.
• Spritzgießverfahren
Die Mischung wird durch einen Kolben in eine auf Vulkanisationstemperatur
geheizte Form eingespritzt. Die Form muss dann bis zur Erreichung des ge-
wünschten Vulkanisationsgrades geschlossen gehalten werden. Um die Ma-
schinen optimal auszunutzen, werden hierbei extrem schnelle Vulkanisa-
tionssysteme eingesetzt.
• Kontinuierliche Vulkanisation
Ein Extruder erzeugt einen Profilstrang, der mit einem Förderband durch ei-
nen Temperierkanal geführt wird. Zur schnellen Aufheizung kann die Mikro-
wellenerwärmung, ein Heißluftkanal, Dampfkanal oder Salzschmelzebad ein-
gesetzt werden. Nach der erforderlichen Haltezeit wird der Strang in der Re-
gel durch ein Wasserbad abgekühlt und aufgewickelt oder abgelängt.
• Tauchen
Neben den drei genannten Verfahrensgruppen für die Herstellung von Elasto-
merformteilen, Bild 1-142, seien weitere Herstellungsarten wenigstens aufge-
zählt. Sie können bei Röthemeyer/Sommer [3] vertieft werden.
• Verfahren zur Herstellung von Gummilösungen
• Kalandrieren von Bahnen und gummierten Geweben
• Verfahren zur Herstellung von Gummihalbzeugen durch Streichen
• Verfahren zur Herstellung von Gummi-Verbundkörpern wie Festigkeitsträ-
ger (Garne, Cord, Fasern, Fäden) und Gummi-Metall-Verbunde
Bild 1-142 [3] gibt eine Übersicht und Grobbewertung der verschiedenen Verfah-
ren zur Herstellung von Elastomerformteilen.
302 1 Einführung in Polymer Engineering
Bild 1-142. Verfahren zur Herstellung von Elastomerformteilen. 앩 neutrale Aussage; + Haupt-
vorteile; – Hauptnachteile [3]
1.4 Verarbeitung (Urformen) von Kunststoffen zu Bauteilen 303
1.4.5.2.1
Pressverfahren (Kompressionsverfahren)
(CM Compression Molding)
Beim Pressverfahren (CM) werden durch Extrusion mit anschließendem Stan-
zen oder Zerschneiden aus der unvulkanisierten Kautschukmischung Rohlinge
hergestellt. Diese werden in die Kavitäten des auf Vulkanisationstemperatur ge-
heizten Werkzeugs eingelegt und unter Anwendung von Druck und Wärme in
die gewünschte Formteilgeometrie ausgeformt. Nach der Formgebung setzt
mehr oder weniger schnell die Vulkanisation ein, Bild 1-143 [3].
Der Fließprozess setzt sich nach vollständigem Schließen des Werkzeugs fort,
da das spezifische Volumen der Mischung durch Erwärmen ansteigt und da-
durch ein Druckausgleich herbeigeführt wird. Im pnT-Diagramm einer Kaut-
schukmischung ist dieser Vorgang darstellbar [3].
Spritzprägeverfahren
Mittels einer Spritzgießmaschine, deren Schließeinheit als Presse genutzt wird
und deren Einspritzeinheit die Vorplastifizierung übernimmt, lassen sich durch
wesentlich genauere Dosierung der vorplastifizierten Mischung geringere
Formteiltoleranzen einhalten.
Beim Spritzprägen wird die dosierte, vorplastifizierte Masse ins geöffnete
Werkzeug eingespritzt. Durch Zufahren des Werkzeuges füllt die fließende
Masse die Formnester. Für das Spritzprägen eignen sich vor allem „flächige“ Prä-
zisionsteile wie Flachdichtungen, Membranen, flache Warenträge.
1.4.5.2.2
Transferpressen (TM Transfer Molding)
Ein Transfer-Presswerkzeug ist dreiteilig, Bild 1-144. Der Rohling wird zwischen
die beheizten Ober- und Mittelteile gelegt. Beim Schließen des Werkzeuges fließt
die Kautschukmischung durch die Einspritzkanäle in die im Unterteil befindli-
chen Formnester. Nach der Vulkanisation öffnet die Presse das Werkzeug, die
Formnester werden entleert, der Restkuchen im Oberteil und in den Einspritz-
zylindern ist Abfall.
Hält man jedoch die Werkzeugoberplatte und den oberen Teil des Mittelstückes
auf Temperaturen deutlich unter dem Vernetzungsbeginn, lässt sich der Rest-
kuchen beim nächsten Zyklus mitverarbeiten (Transferpressen mit Kaltkanal).
1.4.5.2.3
Transferspritzpressen
Eine Weiterentwicklung des Transferpressverfahrens besteht darin, die Kaut-
schukmischung in einem fest mit der Presse verbundenen Schneckenextruder
zu plastifizieren, aufzuwärmen und in den Transferzylinder einzuspritzen.
Durch Zufahren der Schließeinheit werden dann die Formnester wie beim nor-
malen TM gefüllt, Bild 1-145 [3].
Auch hierbei ist die projizierte Artikelfläche stets größer als die Kolbenfläche
des Transferzylinders, sodass ein druckbedingtes Überspritzen der Formnester
nicht möglich ist [3].
1.4 Verarbeitung (Urformen) von Kunststoffen zu Bauteilen 305
1.4.5.2.4
Spritzgießverfahren
Das Spritzgießverfahren bietet gegenüber dem Press- und auch dem Transfer-
pressverfahren deutlich kürzere Vulkanisations- und Zykluszeiten sowie eine
bessere Automatisierung. Die Werkzeugkosten sind dagegen so hoch, dass nur
größere Serien in Frage kommen.
Bild 1-146. Prinzip des Spritzgießverfahrens mit dem Schneckenkolbenprinzip [3]. a Werk-
zeugträgerplatten, b Heizplatten, c Werkzeugplatten, d Formnest, e Angusskanal, f variables Vo-
lumen für plastifizierte Mischung, g Zylinder, h Schnecke
306 1 Einführung in Polymer Engineering
Bild 1-146 [3] zeigt das Prinzip des Spritzgießverfahrens für Elastomere, das
dem des Spritzgießens von Thermoplasten grundsätzlich identisch ist. Lediglich
die Prozessparameter (Einspritzzeit, Nachdruckzeit, Plastifizierzeit, Zykluszeit,
Einspritzdruck, Nachdruck, Standdruck, Schneckendrehzahl, Einspritzge-
schwindigkeit, Zylinder-, Düsen-, Werkzeugtemperatur, Schließkraft, Auftreib-
kraft, Zuhaltekraft, Restschließkraft, Einspritzweg, Nachdruckweg, Resthub,
Dosierweg) sind unterschiedlich. Gänzlich anders sind die benötigte Vulkanisa-
tionszeit und das Beheizen des Werkzeuges zum Ablauf der Vernetzungsreak-
tion.
Der Einspritztemperatur kommt beim Spritzgießen von Elastomeren eine
hohe Bedeutung für die Zykluszeit insbesondere bei dickwandigen Teilen zu.
Dabei gilt die Faustformel
DT = 4 bis 5 K pro 100 bar.
Die Temperaturerhöhung DT steigt also je 100 bar Einspritzdruck um 4 bis 5 Kel-
vin. Bei 1000 bar lässt sich somit eine Temperaturerhöhung von ca. 45 K erzielen.
Bild 1-147 [3] zeigt den enormen Einfluss der Einspritztemperatur auf die
Zykluszeit beim Pressen, Transferpressen und Spritzgießen von 12 mm dicken
Scheiben.
1.4 Verarbeitung (Urformen) von Kunststoffen zu Bauteilen 307
1.4.6
Verarbeitung von Duroplasten
1.4.6.1
Verarbeitungsprinzip
Duroplastische Formmassen bestehen aus einem Reaktionsharz (beispielsweise
Phenolharz, Harnstoff-Formaldehydharz, Melaminharz, Polyesterharz, Epoxid-
harz), einem Reaktionsmittel (Härter), Füll- bzw. Verstärkungsstoffen sowie ei-
ner Vielzahl weiterer Zusatzstoffe. In der Regel sind die Harze vorpolymerisiert,
bestehen also bereits aus Makromolekülen mittlerer Molmasse, der Vernet-
zungsgrad ist aber noch sehr gering. Die Harze sind urformbar. Das Urformen
erfolgt im meist heißen Formwerkzeug über Pressen, Spritzpressen oder Spritz-
gießen. Die Formmasse polymerisiert im Werkzeug, sie vernetzt zum un-
schmelzbaren und unlöslichen Duroplast. Wegen der hohen Eigensteifigkeit von
endvernetzten Duroplasten wird aus der meist um 150 bis 180 °C heißen Form
ohne Abkühlen entformt. Es gibt auch kalthärtende, exotherm vernetzende Du-
roplaste, wie z. B. manche Epoxidharze.
Aus Bild 1-148 geht hervor, dass nur eine beschränkte Zeit zur Verarbeitung
zur Verfügung steht, die durch die Viskositätssenkung infolge Erwärmung einer-
seits und die Viskositätssteigerung infolge Vernetzung andererseits bestimmt
wird. Ab einem bestimmten Vernetzungsgrad lässt sich der Werkstoff nicht
mehr verformen. Je nach dem Grad der Vorkondensation lässt sich eine Form-
masse mehr oder weniger schnell härtend einstellen. Dies kann aber auch che-
misch über die Art bzw. Menge des Härters erfolgen.
Den Einfluss des Vernetzungsgrades auf die Eigenschaften, Bild 1-149, zeigt
dies für den Schubmodul, verdeutlicht prinzipiell für die A-, B- und C-Zustände
Bild 1-149. Die Lage der Glastemperatur verschiebt sich für höhere Vernetzungs-
grade zu höheren Temperaturen. Der Abfall der Eigenschaften im Haupterwei-
chungsbereich nimmt mit steigender Vernetzung deutlich ab, Bild 1-149.
Die Viskosität der härtbaren Formmassen (vor der Aushärtung) ist meist sehr
niedrig (bei 70 bis 120 °C). Sie liegt im Bereich von 1 bis 50 Pa s. Thermoplast-
schmelzen liegen zwischen 200 und 800 Pa s (siehe Tabelle 1-75, Kap. 1.4.4 TPE).
308 1 Einführung in Polymer Engineering
1.4.6.2
Typisierung von Duroplasten (härtbare Formmassen)
Die wichtigsten zur Herstellung härtbarer Formmassen verwendeten Harzarten
sind Phenol-, Harnstoff-, Melamin-, ungesättigte Polyester-, Epoxid- und Diallyl-
phthalat-Harze. Härtbare Formmassen, die mit diesen Bindemitteln aufgebaut
sind, beschreiben DIN 7708 13 (Phenoplaste und Aminoplaste), DIN 1691114 und
169132 11 (Polyester-Pressmassen und Polyester-Harzmatten) sowie DIN 16912 15
(Epoxidharz-Pressmassen). Für Diallylphthalat-Massen besteht noch keine
Norm, Prüfmethode siehe ISO 1385 – 1.02.1977.
Die Normung bestimmter härtbarer Formmassen hat den Zweck, in die Viel-
falt Ordnung zu bringen und dem Verarbeiter den Bezug definierter Materialien
13
Demnächst DIN EN ISO 14527.
14
Demnächst DIN EN ISO 14530.
15
Demnächst DIN EN ISO 15252.
310 1 Einführung in Polymer Engineering
Tabelle 1-78. Für den Verarbeiter wichtige Vernetzungsreaktionen und deren Nebenprodukte
(in Anlehnung an [3])
konstant variiert
gehalten
1.4.6.3
Einteilung der Verarbeitungsverfahren
Tabelle 1-80 zeigt eine mögliche Einteilung der Verarbeitungsverfahren für Du-
roplaste auf. Einige der Verfahren werden im Folgenden kurz beschrieben.
16
Harnstoffharz (UF).
17
Melaminharz (MF).
18
Phenolharz (PF).
Tabelle 1-80. Einteilung der Duroplastverarbeitung [4]
312
1.4.6.4
Verarbeitungsfehler und ihre Ursachen
Für den Verarbeiter von duroplastischen Formmassen (Pressen bzw. Spritz-
gießen), wie für jeden anderen Kunststoffverarbeiter auch, ist die Zuordnung
von Bauteilfehlern zu Verarbeitungsparametern von großem Wert. Eine er-
kannte Fehlerursache lässt sich meist auch beheben. Kapitel 1.4.7.4 gibt hierzu
Auskunft, siehe vor allem Tabelle 1-92.
1.4.6.5
Verarbeitungsverfahren
Pressformen
Zur Durchführung dieses Verfahrens dienen mechanische oder hydraulische
Pressen sowie zwei- oder mehrteilige Werkzeuge. Diese können für das Kalt-
pressverfahren aus GF-verstärkten UP-Harzen hergestellt werden. Mittelgroße
Serien stellt man nach dem Kaltpressverfahren her, große nach dem Warmpress-
verfahren. Beim Warmpressen kann man im Nassverfahren oder mit vorimpräg-
niertem Verstärkungsmaterial (SMC) arbeiten.
Für das Aufheizen und Plastifizieren der Formmassen rechnet man je nach
Typ der Formmasse und Verarbeitungstemperatur mit Grundzeiten von 1 min
und 15 bis 60 s/mm Wanddicke für das Aushärten.
Hieraus resultieren mit der Wanddicke zunehmende Härtezeiten von mehre-
ren Minuten.
Die Härtezeiten können allerdings durch Vorwärmung der Formmasse deut-
lich verkürzt werden.
In Frage kommen:
• Hochfrequenz-, Mikrowelle-, Infrarot-Vorwärmen, insbesondere für tablet-
tierte Formmassen außerhalb des Werkzeuges
• Wärmeleitung von den heißen Werkzeugwänden in die Formmasse (zeitin-
tensiv)
• im Ofen bei Temperaturen, die nicht zum Verkleben der Partikel führen
• durch Friktion (nur beim Spritzgießen und Spritzprägen möglich oder in
Schneckenaggregaten, die den Pressautomaten vorgeschaltet sind).
Bei Schneckenaggregaten wird die Formmasse, wie beim Spritzgießen, mit der ro-
tierenden Schnecke plastifiziert und anschließend mit der als Kolben wirkenden
Schnecke in das Presswerkzeug ausgestoßen (Dosieren). Neueste Entwicklungen
benutzen dafür auch einen oder mehrere Doppelschneckenextruder, deren Plasti-
fikat mittels Handhabungstechnik in das Presswerkzeug eingelegt werden.
Der Pressvorgang (Formgebung) erfolgt je nach Variante der Schmelzwärme-
zufuhr gleichzeitig oder während der Verdichtung beim Schließen des Werkzeu-
ges. Ein Einspritzen aus dem Schneckenzylinder ist, wie beschrieben, auch mög-
lich. Die Presswerkzeuge sind, wie in 1.4.6.1 geschildert, im Unterschied zum
Thermoplast-Spritzgießen beheizt.
314 1 Einführung in Polymer Engineering
Die Pressdrücke in der Form liegen bei Feuchtmassen um die 50 bar, bei
vorgewärmten Massen um 150 bar, maximal bis 400 bar. Jetzt vernetzt die Form-
masse im Formnest durch chemische Reaktion (Aushärten): Die Härtezeit be-
stimmt maßgeblich die Zykluszeit.
Übliche Werkzeugbauarten zeigt Bild 1-151.
Tauchkantenwerkzeuge sind um 10 bis 15 Prozent teuerer als Abquetschwerk-
zeuge. Dafür ist die Nacharbeit durch Entgraten bei Tauchkantenwerkzeugen ge-
ringer. Werden sie nicht präzise mit Formmasse zudosiert, entstehen Lunker
oder Poren bei Unterdosierung und Eigenspannungen bei Überdosierung. Füll-
raumwerkzeuge werden daher besonders bei großen Teilen verwendet, da hier
die Dosierung über Masse einfacher ist. Dagegen fährt man Überlaufwerkzeuge
mit Überschuss bei kleinen Teilen und besonders für Pressautomaten.
Danach werden die Formteile, wie beim Spritzgießen, durch Auswerfersys-
teme entformt und das Werkzeug mittels Blasvorrichtungen gereinigt. Da
beispielsweise bei Phenolharz- und Aminoplastmassen während der Härtung
flüchtige Bestandteile entstehen, ist ein Lüften des Werkzeuges unter Absaugung
durch kurzes Anheben des Stempels zweckmäßig.
Wie oben beschrieben, müssen die heiß entnommenen Formteile entgratet
und „Schwimmhäute“ über Bohrungen eventuell mittels Wasserstrahlschneiden
entfernt werden.
Als Oberflächenbeschichtungen bietet sich für manche Pressformteile das In-
Mould-Pulver-Lackieren oder In-Mould-Painting an. Pulverlack wird elektro-
statisch in das heiße, um 100 bis 200 µm geöffnete Werkzeug eingetragen und
bildet beim erneuten Schließen der Form eine integrale Schicht mit dem Press-
teil, bevorzugt aus UP-Harz.
einem zusätzlichen Hohlraum (Bild 1-152). Ähnlich wie beim Spritzgießen wird
die plastifizierte Masse über einen Anguss in die Werkzeughöhlung gespritzt.
Möglich ist aber auch die Erwärmung von Masse-Tabletten vor dem Einlegen in
den Zylinder, z. B. mittels Hochfrequenz [1].
Spritzgießen
Die Technologie des Spritzgießens von Duroplasten ist grundsätzlich gleich der
Thermoplastverarbeitung, Bild 1-153. Um vorzeitiges Anvernetzen im Plastifi-
zierzylinder zu vermeiden, dürfen die Temperaturen 80 bis 120 °C nicht über-
steigen. Wie bei der Elastomerverarbeitung muss die Friktionswärme abgeführt
werden, weswegen die Aggregate auch beim Duroplast-Spritzgießen flüssig-
Gießen
Die Reaktionsharze werden zähflüssig in Styrol gelöst angeliefert. Die Lagerzeit
beträgt unter günstigen Bedingungen (kühl, dunkel) bis zu sechs Monate. Nach
Verarbeitungsvorschrift wird ein Teil des Harzes mit Härter (Peroxid), der Rest
mit Beschleuniger gemischt. Dann werden diese Vormischungen zusammenge-
geben und gemischt. Danach verbleibt eine begrenzte Zeit zur Verarbeitung des
Ansatzes. Unmittelbares Mischen von Härter und Beschleuniger führt zur Ex-
plosion.
Kalthärter vernetzen bei Raumtemperatur. Sie werden 4 bis 5 h bei 80 °C oder
einige Wochen bei Raumtemperatur nachgehärtet. Warmhärter vernetzen bei
Temperaturen von 80 bis 120 °C schnell und gleichmäßig. Sie erfordern keine
Nachhärtung.
Die unverstärkten Gießharze dienen zur Herstellung einphasiger Formteile,
ggf. mit eingebetteten Präparaten.
Wickelverfahren
Rohre, Druckbehälter, Kardanwellen und andere zylindrische Körper können in
rationeller Weise durch Wickeln hergestellt werden. Endlosfasern, Glasfaserge-
webe oder Rovingstränge, die vorher ein Tränkbad mit Abquetschvorrichtung
Bild 1-156. Rohrherstellung nach dem Wickelverfahren (schematisch) (Werkbild Bayer [5])
Faserspritzen
Statt Textilglasmatten aufzulegen, werden Rovings kontinuierlich in einem
Schneidwerk auf Faserlängen von 20 bis 50 mm geschnitten und auf die mit
Trennmittel versehene Formoberfläche aufgeblasen oder aber auf die zum Be-
schichten vorbereitete Fläche aufgetragen. Gleichzeitig erfolgt der Harzauftrag.
Das vorbeschleunigte Harz wird mit Peroxid innerhalb bzw. außerhalb der Pis-
tole vermischt und verspritzt. Der Spritzvorgang erfolgt von Hand oder man
verwendet entsprechend konstruierte automatische Spritzanlagen. Die Benet-
zung der Faser erfolgt entweder schon während oder aber beim Auftreffen des
aufeinander abgestimmten Glas- und Harzgemenges auf die Form oder auf die
zu beschichtende Fläche.
Beim Faserspritzverfahren, Bild 1-157, unterscheidet man zwischen Nieder-
druck- und Hochdruckverfahren. Damit sind auch die Anforderungen an den
Roving vorgegeben.
Vakuumformen
Kleinserien von Formteilen mit beidseitig glatten Sichtflächen werden nach dem
Vakuumformen, Bild 1-158, diesem Verfahren hergestellt. Es sind zwei Werk-
zeughälften erforderlich. Eine Hälfte kann auch aus einem flexiblen Tuch beste-
hen. In die feste untere Werkzeughälfte werden die Faserbahnen eingelegt, mit
1.4 Verarbeitung (Urformen) von Kunststoffen zu Bauteilen 319
Harz getränkt und mit dem Gummituch oder der oberen Werkzeughälfte abge-
schlossen. Durch Anschluss des Formnestes an eine Vakuumpumpe wird das
Harz verteilt. Überschüssiges Harz und Luftblasen werden abgesaugt.
Injektionsformen
Dieses Verfahren eignet sich für die Herstellung kleiner und mittlerer Serien. Es
wird mit zwei Werkzeughälften gearbeitet. Vor dem Schließen wird das Ver-
stärkungsmaterial meist in Form eines Vorformlings (Bild 1-159) eingelegt. Dann
320 1 Einführung in Polymer Engineering
Bild 1-159. Vorformling-Herstellung und Verpressung (schematisch) (z. B. Kotflügel für Motor-
rad) (Bayer, Leverkusen [5])
Schleuderverfahren
Die formgebenden Werkzeuge werden mit nicht getränkten Verstärkungs-
materialien ausgelegt, die unter Ausnutzung der Zentrifugalkraft mit Reaktions-
harzmasse durchtränkt werden, Bild 1-161. Das Einbringen von Matten und Ge-
weben muss vor Rotationsbeginn erfolgen, während die Aufgabe von Schnittglas
und Harz über eine Lanze während der Rotation ablaufen kann.
Durch die Zentrifugalkraft wird das eingelegte Material an die Außenwand
der Rotationskokille gepresst und mit Harz getränkt. Die Härtung wird durch
Einblasen von Heißluft induziert. Die Drehzahlen richten sich nach den Durch-
messern und bewegen sich im Bereich von 500-3000 Upm.
Die nach dem Schleuderverfahren hergestellten Rohre weisen eine glatte
Außenoberfläche auf.
Bild 1-161. Rohrherstellung nach dem Schleuderverfahren (schematisch) (Werkbild Bayer [5])
322 1 Einführung in Polymer Engineering
Type Standard LS LP
Bestandteile Masse % Masse % Masse %
der Harzmasse. Tabelle 1-81 zeigt drei typische Rezepturen. Bei den LS-(Low-
Shrink) und LP-(Low-Profile) Rezepturen handelt es sich um Formmassen, die
durch den Zusatz von Thermoplastpartikeln modifiziert wurden, um bessere
Oberflächenqualitäten der Bauteile (z. B. Welligkeiten oder Einfallstellen) zu er-
zielen. Die Thermoplastkomponente kann teilweise die Schwindung der Harz-
masse während der Härtung kompensieren [1], siehe auch Kap. 1.4.7.2.3.
Bei einer SMC-Anlage werden auf einem Breitschneidwerk z.B. 40 Roving-
stränge geschnitten. Das auf ca. 20–50 mm geschnittene Glas fällt auf eine mit
Harz-Füllstoff-Paste berakelte Folie und wird anschließend auf der Oberseite mit
einer zweiten ebenso berakelten Folie abgedeckt und zur eigentlichen Harzmatte
zusammengepresst. Nach Durchlaufen einer leicht komprimierenden Laminier-
strecke wird das Laminat als Harzmatte aufgerollt. Dieses kontinuierlich arbeiten-
de Verfahren erzeugt Harzmatten unterschiedlicher Breite. Nach Erreichen des op-
timalen Reifegrades wird die Harzmatte zugeschnitten und verpresst. Durch die
1.4.7
Verarbeitungseinflüsse auf Bauteileigenschaften
Jede Art von Be- und Verarbeitung von Werkstoffen beeinflusst die Eigenschaf-
ten des entstandenen Produktes.
Bei Kunststoffen ist der Einfluss der Verarbeitung auf die Fertigteileigen-
schaften besonders groß. Daher muss der Konstrukteur eines Bauteiles die in
Bild 1-163 [1] aufgeführten Faktoren für die Bauteildimensionierung beachten.
Wie riesig die Zahl der Einflussgrößen ist, lassen die Bilder 1-164 [2] und 1-165 [3]
erahnen, die für die Morphologie und den Einspritzvorgang beim Spritzgießen
die Einflüsse auf Formteileigenschaften aufspreizen.
Angesichts dieser Vielfalt und vielschichtigen Verflechtungen kann dieses Ka-
pitel nur eine Kurzfassung sein und nur die wesentlichen Zusammenhänge an-
sprechen.
1.4.7.1
Bauteileigenschaften
Einige wenige allgemeine Bauteileigenschaften sind in Bild 1-163 genannt. Jedes
Bauteil hat spezifische Eigenschaften, sodass es praktisch unmöglich ist, Eigen-
schaften für alle Bauteile umfassend zu beschreiben. Sie lassen sich in Gruppen
zusammenfassen, wie beispielsweise Karosserieaußenteile, Dichtungen, Spielsa-
chen, Elektronikteile usw.
Aber auch innerhalb der Gruppe hat beispielsweise ein Schukostecker im
Hausgebrauch völlig andere Eigenschaften zu erfüllen als eine Steckverbindung
im Motorraum eines LKW.
Jedes Bauteil ist also separat zu betrachten und zwar entlang der gesamten
Produkt-Engineering-Kette, wie sie in Bild 1-166 dargestellt ist. Meistens erfolgt
der Produkt-Entwicklungs- und -Herstellprozess verzahnt, um am Ende das
richtige Produkt für den Markt zum richtigen Zeitpunkt bereitstellen zu kön-
nen.
Tabelle 1-83 nennt einige Bauteile aus Kunststoff. Wie sich später noch zeigen
wird, beeinflussen die verschiedenen Verarbeitungsverfahren die Bauteileigen-
schaften enorm.
Zunächst werden folgende drei Bauteile aus Tabelle 1-83 ausgewählt und bei-
spielhaft deren Bauteileigenschaften, die die Benutzer fordern, dargestellt:
• Bohrmaschinengehäuse (BMG)
• Radialwellendichtring (RWDR)
• Scheibenbremsbelag (SBB).
Die Aktionen und Reaktionen zu diesen drei Beispielen sollen die Breite und
Tiefe der geforderten Eigenschaften von technischen Produkten des täglichen
Lebens zeigen. Die Bauteileigenschaften eines jeden Produktes richten sich nach
den Anforderungen aus seiner Einbauumgebung. Die Beispiele unterteilen sich
daher in die Umgebung (Aktionen), die auf das Produkt (Bauteil) wirken und
seine Reaktionen, die die Bauteileigenschaften ausmachen.
1.4 Verarbeitung (Urformen) von Kunststoffen zu Bauteilen 325
Bild 1-164. Einflüsse bei der Kunststoffverarbeitung auf das Gefüge und damit auf die Eigen-
schaften der Erzeugnisse (nach Woebcken [2])
Beispiel 1
Bauteileigenschaften eines Bohrmaschinengehäuses (BMG)
(Beispiel: Handwerker-Ausführung)
a Umgebung (Aktionen)
• Temperatur: – 30 bis + 90 °C
• Bestrahlung: UV, IR, Ozon
• Medien: Wasser, Reinigungsmittel, Lösemittel, Öle, Staub, Schmutz
• Schläge: Kurz- und langzeitige hohe Belastungen, z. B. 6 m Fallhöhe
• Betrieb: Schwingungen, Schlagbohren, Betriebsstunden, Stillstands-
zeiten, Überlastungen (elektrisch, mechanisch, thermisch)
• Missbrauch: z. B. als Hammer oder Spaltgerät mit entsprechendem Ein-
satz
– Morphologie (Kristallisation)
– Schwindung/Schrumpfung
– Verzug
– Kratzfestigkeit
• Konstruktion
– Ergonomie
– Rippen-Wanddicken-Verhältnis
– Lage Bindenähte
– Radien
– Lage Anguss
– Lage Orientierungen
– Gebrauchssicherheit
– Kreislauffähigkeit (Recycling)
– Integration von Zusatzfunktionen
– Füllsimulation
1.4 Verarbeitung (Urformen) von Kunststoffen zu Bauteilen 329
Beispiel 2
Bauteileigenschaften eines Radialwellendichtringes (RWDR)
(Beispiel: Antriebsstrang und Nebenaggregate)
a Umgebung (Aktionen)
• Öl auf der Innenseite
Temperatur –40 bis + 150 °C; Druck 0 bis 0,3 (max. 6) MPa; Ölart (Viskosität);
Additive im Öl; Abbauprodukte im Öl (feste Verkokungen, Späne aus der Ag-
gregatefertigung)
• Welle: Durchmesser; Drehzahl ≈ 0 bis 12000 min–1; Oberflächenbeschaf-
fenheit; Exzentrizität; Wellenschlag (zul. 0,1 bis 0,3 mm); Polygoneffekt; Ver-
satz (zul. 0,2 bis 0,5 mm); axiale Bewegung; Werkstoff (z. B. Korrosion, Ver-
schleiß);
330 1 Einführung in Polymer Engineering
– Oberflächenbeschaffenheit
– Werkzeugtechnik
– Morphologie
– Kosten
– Qualitätsmerkmale
Beispiel 3:
Bauteileigenschaften eines PKW-Scheibenbremsbelages (SBB)
a Umgebung (Aktionen)
• Temperatur: Betrieb bis 1000 °C; Umgebung – 40 bis + 80 °C
• Bremsdruck: 90 bar
• Medien: Wasser, Bremsflüssigkeit, Öle, Reinigungsmittel, Staub,
Schmutz
• Bremsscheibe: Werkstoff, Oberflächenbeschaffenheit,
• Fahrweise/ Stadt (Taxi, Polizei), Autobahn, Gebirge, mit Anhänger,
Betrieb: Betriebsstunden; Stillstandszeiten;
• Befestigung Niet, Kleben, Formschluss
auf Träger:
1.4.7.2
Einflüsse des Verfahrens und des Kunststoffes
auf die Bauteileigenschaften
Die Prozessparameter der verschiedenen Verfahren und die Materialkenn-
größen bestimmen entscheidend die Eigenschaften von Bauteilen mit.
Die verarbeitungstechnischen Materialeigenschaften sind
• Fließen (Orientierungen, Formfüllung)
• Erstarren
冧
(Kristallisation, Eigenspannungen,
• Schwinden Maßhaltigkeit, Verzug …)
Die wesentlichen Prozessparameter für die Formteilbildung am Beispiel Spritz-
gießen sind
• Massetemperatur
• Werkzeugoberflächentemperatur
• Einspritzgeschwindigkeit
• Nachdruck (bzw. Werkzeuginnendruck)
• Nachdruckzeit
• Kühlzeit (Zykluszeit)
• Angusssystem, Angusslage
Für andere Verfahren wie Extrudieren, Pressen, Umformen gelten die Parameter
analog bzw. verändert.
z. B. Pressen von unvernetzten oder vernetzenden Kunststoffen
• Temperatur von Vorformling bzw. Formmasse
• Werkzeugoberflächentemperatur
• Fließgeschwindigkeit
• Werkzeuginnendruck
• Kühl- bzw. Vernetzungszeit
Viele der im Folgenden meist für das Spritzgießen von Thermoplasten ausführ-
lich dargestellten Zusammenhänge zwischen den Verfahrensparametern und
den Bauteileigenschaften lassen sich modifiziert auch auf andere Verarbei-
tungsverfahren übertragen.
1.4 Verarbeitung (Urformen) von Kunststoffen zu Bauteilen 333
1.4.7.2.1
Thermoplaste und thermoplastische Elastomere:
Molekül-Orientierungen
Spritzgießen
■ Entstehung der Molekül-Orientierungen beim Urformen
Besonders beim Spritzgießen,wo hohe Schergeschwindigkeiten auftreten,ergeben
sich Molekülorientierungen, die durch schnelles Abkühlen an der kalten Form-
wand eingefroren werden. Orientierungszustände beim Extrudieren und Kalan-
drieren sind weniger stark ausgeprägt. Beim Spritzgießen von Thermoplasten be-
netzt die Schmelze bei richtigem Anschnitt die Wand und bleibt an der Formwand
in dünner Schicht haften. Die nachfließende Schmelze strömt über diese Schicht
hinweg. Die Form wird in der Regel nicht wie beim Metallguss durch Freistrahl,
sondern durch Quellfluss gefüllt, d.h. die Strömungsfront in geometrisch einfa-
chen Teilen lässt sich in jedem Zeitpunkt der Formfüllung durch Kreisbogen be-
schreiben, deren Mittelpunkt bzw. Mittelpunkte im Anschnitt liegen.
Die in einem Spritzgussteil auftretende Orientierung ist abhängig von
•
冧
Konstitution der Makromoleküle
beeinflussen Viskosität und
• Molmasse
Elastizität der Schmelze
• Verschlaufungsgrad
• Verarbeitungsparameter, wie Temperatur von Masse und Werkzeug, Dicke
des Teiles, Formfüllgeschwindigkeit, Nachdruckhöhe und -zeit.
Durch die Scherung – insbesondere an der Formwand – werden die Makromo-
leküle ausgerichtet und beim Erstarren eingefroren, Bild 1-168.
Bild 1-170. Viskositätsfunktion für den amorphen Thermoplast ABS (Terluran 967 K), BASF [6]
Der Werkstoff verhält sich anisotrop. Wie stark sich die Festigkeitswerte än-
dern können, zeigt das Spannungs-Dehnungs-Diagramm an verschieden ge-
recktem PMMA bzw. der E-Modul bei verstrecktem PVC, Bilder 1-171 und 1-172.
Definition:
Zunahme der Probenlänge infolge Recken
Reckgrad = 00000002 ¥ 100%
Probenlänge vor dem Recken
In der Literatur [8] kann man weitere Korrelationen z. B. der Festigkeit zum
Orientierungsgrad finden. Ergebnisse hierzu sind für Polypropylen und Poly-
styrol in den Bildern 1-173 und 1-174 [9] dargestellt. (Als mittlere Orientierung
definiert Backhaus das Integral der aus der Polarisationsoptik ermittelten Ori-
entierungsverteilung über dem Querschnitt.)
Sofern möglich, sollte man die Richtung der größten Orientierung mit der
Hauptbeanspruchungsrichtung zusammenfallen lassen. So kann der Formstoff
(Werkstoff) im Bauteil optimal genutzt werden.
Bild 1-172. Dynamischer Elastizitätsmodul von verstrecktem PVC in Abhängigkeit vom Streck-
verhältnis (T = 22 °C, f = 320 Hz) [10]
Umformen
■ Entstehung der Molekül-Orientierungen beim Umformen
Kaltumformen
Kaltumformen bei amorphen Thermoplasten wird praktisch nicht angewandt
(hohe Formkräfte; Gefahr der Werkstoffschädigung; beim Wiedererwärmen
Rückstellung). Bei teilkristallinen Thermoplasten ist Kaltumformen zum Teil
möglich; z. B. lässt sich Polypropylen nageln.
338 1 Einführung in Polymer Engineering
Warmumformen
Erfolgt bei amorphen Thermoplasten im thermoelastischen (entropieelasti-
schen) Bereich oberhalb Tg bzw. bei teilkristallinen Thermoplasten ca. 30 °C un-
ter Tm (siehe Versuch mit einem Becher weiter unten).
Verstrecken
Man unterscheidet Warm- und Kaltverstrecken, wobei infolge Dissipation (in-
nere Reibung) auch beim Kaltverstrecken Temperaturen innerhalb der Fließ-
zone bis zu ca. 120 °C zu beobachten sind.
Extrudieren
Wie oben schon erwähnt, sind die Orientierungen beim Extrudieren infolge ge-
ringerer Scherkräfte auf die Thermoplastschmelze geringer, aber vorhanden.
Die Strangaufweitung beim Extrudieren oder das Schwellenverhalten beim
Extrusionsblasformen sowie beim Textilfadenspinnen aus der Schmelze steht
mit den Molekülorientierungen, die sich infolge Scherkräfte beim Düsendurch-
tritt bilden, in Verbindung, Bild 1-175.
Beim freien Ausströmen einer viskoelastischen Kunststoffschmelze aus einer
Düse wird der Strang dicker als der Düsendurchmesser. Diese Erscheinung ist
umso ausgeprägter, je kürzer die Düse ist.
Bild 1-177. Aus einem isotropen Molekülknäuel werden infolge Scherung beim Urformen oder
Umformen anisotrope Molekülorientierungen [1]
Bild 1-178. Orts- und Richtungsabhängigkeit der mechanischen Eigenschaften eines Spritz-
gussteiles (U. Delpy, IKP) [13]
Je näher der Messort am Anguss liegt (Abszisse), umso ausgeprägter ist bei
der Reißfestigkeit und der Streckspannung der Einfluss der Orientierungen.
Molekülorientierungen, als Folge der Scherkräfte beim Verarbeiten, sind ver-
fahrensspezifisch stark unterschiedlich. Beim Spritzgießen von Thermoplasten
und thermoplastischen Elastomeren haben Molekül- und Faserorientierungen
einen dominierenden Einfluss auf die Bauteileigenschaften.
Wie der Versuch mit dem Kunststoffbecher zeigt, sind auch beim Warm-
umformen die Orientierungen sehr ausgeprägt. Dies ist, wie schon erwähnt,
342 1 Einführung in Polymer Engineering
beim Extrudieren geringer und, je niedriger die Viskosität oder je geringer die
Schergeschwindigkeit und je kürzer die Fließwege sind, umso weniger ausge-
prägt.
Pressen
Beim Pressen, beispielsweise von Glasmatten verstärkten Thermoplasten (GMT)
oder von langfaserverstärkten Thermoplasten im Direktverfahren (LFT-D) oder
auch von duroplastischem SMC, hängt die Orientierung von Makromolekülen
und Fasern von der Größe der Scherkräfte ab.
Zuschnitte, die die Kavität weitgehend ausfüllen, also in der Regel einfache
Formteilgeometrien, weisen kaum Orientierungen auf.
Zuschnitte, die beim Pressen lange Fließwege vor sich haben, ergeben für
Moleküle und Fasern ausgeprägte Orientierungen.
Dies gilt nach neueren Erkenntnissen auch für Langglasfasern, die
unerwarteterweise bis zu 40 mm hohe Rippen beispielsweise eines Frontends
eines PKW durch eingelegte versteifende Glasfasergewebe hindurch ausfüllen
[14, 15].
Der Einfluss von Molekül- und Faserorientierungen auf die Bauteileigen-
schaften ist gewichtig.
Eigenspannungen in Bauteilen als Folge der Verarbeitung sind eine weitere
bedeutende Einflussgröße.
■ Merkmal
Die aus Eigenspannungen resultierenden Kräfte F und Momente M sind gleich
Null; d. h. es existiert statisches Gleichgewicht (SF = 0; SM = 0).
■ Entstehung
Eigenspannungen entstehen durch behinderte Volumenänderung in festen
Körpern (E-Modul > 0).
冧
Krisallisation*
Polyreaktion bzw. Polymerisation strukturelle Änderungen
einschl. Vernetzen
* gilt beispielsweise auch für Metalle und Keramiken
Für den Konstrukteur (Bauteil und Werkzeug) und vor allem für den Verarbei-
ter sind derartige Zusammenhänge für die Bauteileigenschaften von grundle-
gender Bedeutung.
Das p, v, T-Diagramm, Bilder 1-180 und 1-181, BASF AG [6] verdeutlicht die
thermodynamischen Zusammenhänge zwischen Druck (p), spezifischem Volu-
men (v) und der Temperatur (T). Kompressibilität und Schwindung einer
Kunststoffschmelze und eines Bauteils lassen sich damit vorhersagen.
Das spezifische Volumen und damit die Schwindung des Kunststoffes – hie-
raus entnimmt der Werkzeugmacher die erforderlichen Übermaße für seine
Konstruktion, um die geforderten Bauteilabmessungen zu erreichen – sind den
Werkzeuginnendrücken und den entsprechenden Massetemperaturen zuzuord-
nen.
Aus örtlich schwankenden Prozessparametern ergeben sich örtlich unter-
schiedliche Schwindungen.
Bild 1-179. Spezifisches Volumen eines amorphen Polymeren links und eines teilkristallinen
Polymeren rechts in Abhängigkeit von der Temperatur
344 1 Einführung in Polymer Engineering
Abkühlung
Beispiel für Abkühleigenspannungen:
Während des beidseitigen Abkühlens einer warmen Tafel aus amorphem Kunst-
stoff ergeben sich parabelförmige Temperaturprofile über die Tafeldicke, Bild
1-182. Sofern die Ausgangstemperatur oberhalb der Glastemperatur liegt und die
1.4 Verarbeitung (Urformen) von Kunststoffen zu Bauteilen 345
Für die höchste Temperatur im Scheitel der Parabel wird die Glastemperatur Tg
gesetzt, da sich erst unterhalb von Tg merkliche Spannungen ausbilden können.
d
冢
Aus vorheriger Gleichung folgt für die an der Oberfläche x = 3 auftreten-
den Druckeigenspannungen 2 冣
2
sDE = 3 a · E · (Tg – Ts) (2)
3
In Bild 1-183 stellt die ausgezogene Gerade die nach Gleichung (2) angegebene li-
neare Relation dar, wobei der Elastitätsmodul E im Glaszustand gleich
3000 N/mm2 und der lineare Ausdehnungskoeffizient a im Glaszustand mit
80 ¥ 10–6 grd–1 eingesetzt wurde. Der Einfachheit halber ist mit konstantem E
und a gerechnet.
Bild 1-184. Überlagerung von abkühl- und strömungsbedingten Eigenspannungen [6] (nach
Wübken [7])
1.4 Verarbeitung (Urformen) von Kunststoffen zu Bauteilen 347
Bild 1-185. Überlagerung der Abkühl-, Strömungs- und Expansionseffekte bei der Entformung
unter Restdruck [6] (nach Wübken [7])
s << d:
Bei dünner Wanddicke s im Vergleich zum Durchmesser des metallischen Ein-
legeteils schwindet der Kunststoffring auf das Metall. Die Temperatur im Kunst-
stoffring ist praktisch konstant; damit ist auch die Schwindung über dem Radius
r konstant und es entsteht eine gleichmäßige Zugspannung.
s ≥ d, Bild 1-188:
Ist die Kunststoffschicht s im Vergleich zum Metall-Einlegeteil groß, wird zwar
der anliegende Kunststoff in einer dünnen Schicht schnell erstarren, doch die
plastische Seele (siehe Bild) braucht lange zum Abkühlen und erstarrt zuletzt19.
19
Die Temperatur der Kunststoffschicht über dem Radius r ist hier nicht konstant, sie ist in der
Mitte am größten und damit erstarrt der Kunststoff dort zuletzt, wodurch sich starke Zug-
spannungen ausbilden, die bis zu Lunker in der Mitte der Kunststoffschicht führen können.
1.4 Verarbeitung (Urformen) von Kunststoffen zu Bauteilen 349
Der erstarrende Kunststoff schwindet in radialer Richtung zur Mitte der plas-
tischen Seele, wodurch die radiale Pressung vermindert, d. h. die Gefahr der
Lockerung des metallischen Einlegeteils besteht. Formschluss durch Nute oder
Zacken im Einlegeteil sind eine mögliche Lösung.
■ Gegenmaßnahmen
Die Größe der Eigenspannungen beim Formungsprozess kann durch Verminde-
rung der Temperaturunterschiede verkleinert werden, d. h. die Schmelzetem-
peratur sollte möglichst niedrig sein und die Formwandtemperatur möglichst
hoch. Es wird eine geringe Abkühlgeschwindigkeit und damit geringe
Temperaturgradienten im Wandquerschnitt angestrebt. Die genannten Maßnah-
men können nur bis zu bestimmten Grenzen verwirklicht werden, die durch an-
dere Formteileigenschaften und die Wirtschaftlichkeit des Herstellungsverfah-
rens gegeben sind. Eine andere Maßnahme wäre das frühzeitige Entformen, be-
vor die Temperaturunterschiede im Wandquerschnitt ausgeglichen sind. Der
Temperaturgradient und damit die Spannungshöhe werden verringert. Die noch
heiße Werkstoff-Seele kann die Oberfläche sogar nochmals aufwärmen. Diese
Methode ist jedoch häufig durch die mangelnde Stabilität in diesem Zustand
nicht durchführbar.
• Langsamer abkühlen (Werkzeug + Einlegeteil heizen)
• Masse des Einlegeteiles verringern
• Kunststoff-Wanddicke um Einlegeteil größer wählen
• Belastbarkeit
• Maßhaltigkeit
Druckeigenspannungen in der Oberfläche erhöhen die Festigkeit bei Biegung.
Zugeigenspannungen an der Oberfläche können ohne Einwirkung äußerer
Kräfte zu Spannungsrissen führen, insbesondere bei zusätzlicher Einwirkung
von Medien kann es zur Spannungsrissbildung kommen.
(Selbstverständlich führen auch äußere Zugspannungen bei Medieneinwir-
kung zu Spannungsrissbildung).
Besonders empfindlich hierfür sind:
Insbesondere sind amorphe Thermoplaste, aber nicht nur diese, spannungs-
rissempfindlich, Tabelle 1-84. Daher empfiehlt es sich, vor Anwendung beim
Rohstoffhersteller anzufragen oder betriebsnahe Versuche durchzuführen.
Kristallisation
Spritzgießen
Bei teilkristallinen Thermoplasten ergeben örtlich unterschiedliche Temperatu-
ren beim Abkühlen Kristallisationsgrad-Unterschiede über der Wanddicke eines
Bauteiles (siehe Kap. 1.3.1). An den Bauteiloberflächen herrscht infolge schneller
Abkühlung an der „kalten“ Werkzeugwand, beispielsweise beim Spritzgießen,
350 1 Einführung in Polymer Engineering
Bild 1-189. Gefüge eines teilkristallinen Spritzgussteils (PP) [6] (nach Backhaus [8])
1.4 Verarbeitung (Urformen) von Kunststoffen zu Bauteilen 351
Extrudieren
Am Beispiel der Rohrextrusion zeigt Bild 1-190 den Einfluss der Abkühlung auf
den Dichteverlauf über der Rohrwanddicke. Man erkennt, dass es sich um eine
außen mit Wasser gekühlte und innen mit Druckluft gefüllte Rohrfertigung han-
delt. Dies ergibt außen eine geringe Dichte (niedriger Kristallisationsgrad), in
der mittleren Wanddicke, zum Innendurchmesser etwas verschoben ein Dichte-
maximum (höchster Kristallisationsgrad) und an der Rohrinnenseite eine ab-
sinkende Dichte, die jedoch aufgrund der gegenüber Wasser geringeren Wärme-
leitung der Luft deutlich höher liegt, als an der Rohraußenseite.
Dichte und Kristallisationsgrad hängen direkt proportional (linear) mitein-
ander zusammen.
Bild 1-191 zeigt an laborgefertigten PE-HD-Plättchen den Zusammenhang
zwischen Dichte und Abkühlgeschwindigkeit.
Tabelle 1-24 gibt für einige teilkristalline Thermoplaste Kristallisationsgrade
und Dichten an [17], Kap. 1.3.1.
352 1 Einführung in Polymer Engineering
Maßhaltigkeit
Die Maßhaltigkeit von Kunststoffbauteilen, vor allem im Zusammenbau mit an-
deren Teilen zu Komponenten oder Systemen, insbesondere bei der Kombi-
nation mit verschiedenen Werkstoffen (Stahl,Aluminium, Magnesium, Keramik,
Faserverbundwerkstoffen) spielt bei technischen Anwendungen oft eine zent-
rale Rolle.
Einflussgrößen auf die Maßhaltigkeit von Kunststoffteilen sind (Auswahl):
Masseanhäufungen, Gefügestruktur, Verstärkungsstoffe, Verarbeitungsbedin-
gungen, Feuchtigkeitsgehalt (Quellung), Temperaturschwankungen im Betrieb.
Qualitativ zeigt Bild 1-193 die Vielzahl an Einflussgrößen auf die Maß-
abweichungen von spritzgegossenen Formteilen auf.
Eine andere Darstellung gibt Bild 1-194 nach VDI 2006 wieder.
Schwindung
„Die genaue Vorherbestimmung der Schwindung ist bis heute nicht möglich, der
Konstrukteur muss auf Basis der verschiedensten Quellen (Rohstoffhersteller,
Erfahrungswerte, Vergleichsmessungen) den Maßunterschied zwischen Werk-
zeug und Formteil abschätzen. Da die so ermittelten Werte häufig von den rea-
len Zuständen abweichen, versucht man, die Schwindung noch in relativ weiten
Bereichen über den Prozessverlauf zu beeinflussen“ [6].
Qualitativ zeigt Bild 1-195 die Abhängigkeit der Verarbeitungsschwindung
von den Prozessparametern.
354 1 Einführung in Polymer Engineering
Zusätzlich ist die Schwindung noch stark von der Lage, Art und Größe des An-
schnittes abhängig. Scherkräfte bewirken bei zu kleinen Anschnitten hohe Längs-
orientierung der Makromoleküle und damit eine ausgeprägte Längsschwindung
im Vergleich zur Querschwindung: Die Folge ist Verzug des Bauteiles.
„Amorphe Materialien liegen im Schwindungsniveau bei ca. 0,3 – 0,9 %, Ta-
belle 1-85, die Beeinflussungsmöglichkeit durch die Prozessbedingungen ist
Ungefüllt:
Amorphe Thermoplaste Teilkristalline Thermoplaste
PS 0,2–0,6% PE 1,2–2,8%
PC 0,4–0,8% PP 1,2–2,5%
PVC 0,4–0,8% POM 1,8–3,0%
PSU 0,6–0,8% PBT 1,2– 2,8%
PPO 0,7–1,0X% PA 6 1,0%
PA 6.6 1,3%
Glasfaserverstärkt:
Amorphe Thermoplaste Teilkristalline Thermoplaste
PC 0,2–0,5% PP 0,5–1,2%
PSU 0,2–0,5% POM 0,2–0,6%
PBT 0,2–1,5%
PA 6.6 0,1–0,4%
1.4 Verarbeitung (Urformen) von Kunststoffen zu Bauteilen
Bild 1-194. Einflüsse auf die Maßhaltigkeit von Spritzgussteilen (Bayer AG: Makrolon)
355
356 1 Einführung in Polymer Engineering
dementsprechend gering. Für ABS z. B. sinkt mit einem Anstieg der Massetem-
peratur von 10 °C die Schwindung um 0,01 %. Die Werkzeugoberflächentempe-
ratur hat kaum Einfluss. Über den Nachdruck kann die Schwindung um 0,01 %
je 10 bar reduziert werden (ABS).
Wesentlich größer ist die Bandbreite der Schwindungswerte bei teilkristalli-
nen Kunststoffen (0,4 – 3 %), Tabelle 1-85. Dadurch können auch die verschiede-
nen Prozessbedingungen stärkeren Einfluss auf das Schwindungsniveau neh-
men“ [6].
„Bild 1-196 zeigt für Ultramid B3S die Abhängigkeit der Schwindung von der
Werkzeugoberflächentemperatur. Die Schwindung steigt pro 10 °C um 0,1 %. Die
Massetemperaturabhängigkeit für das Material ist sehr gering, der Nachdruck-
einfluss liegt bei 0,02 % pro 10 bar. In Bild 1-196 sind Zahlen für gebundene Maße
aufgezeigt, bei freien Maßen steigt die Beeinflussbarkeit an“ [6].
Auch die Dicke des Formteiles beeinflusst die Schwindung, Bild 1-197.
„Bei glasfaserverstärkten Materialien werden die Schwindungswerte stärker
durch die Orientierungsrichtung als durch die Prozessbedingungen verändert,
Bild 1-198. Die Schwindung senkrecht zur Glasfaserorientierung ist im Gegensatz
zur Schwindung in Orientierungsrichtung zwar beeinflussbar, die Variations-
möglichkeiten sind jedoch geringer als beim unverstärkten Material, Bild 1-199.
Interpretiert werden kann dies mit dem Füllgrad des Matrixwerkstoffes durch
die Fasern selbst. Diese Zusammenhänge gelten für amorphe und teilkristalline
Materialien gleichermaßen.
Die Schwindungserhöhung von 0,1 % pro 10 °C Werkzeugtemperaturanstieg
in Bild 1-196 zeigt auf, warum teilkristalline Produkte eine stärkere Verzugs-
neigung besitzen. Ebenso wird das Problem der Einhaltung von Toleranzen
deutlich“ [6].
Zur Vertiefung sei hier auch auf [2] verwiesen.
■ Nachschwindung
Besonders bei teilkristallinen Thermoplasten kommt es vor allem bei höheren
Lager- oder Anwendungstemperaturen oder bei Wasseraufnahme (Erhöhung
der Beweglichkeit der Makromoleküle) zu einer Nachschwindung. Folge: Maß-
änderungen und Verzug. Die Nachschwindung wird durch die Abkühlgeschwin-
digkeit, Werkzeugtemperatur und Wanddicke bestimmt. Mit Werkzeugtempera-
358 1 Einführung in Polymer Engineering
turen von über 90 °C (lange Zykluszeiten) kann die Nachschwindung sehr gering
gehalten werden. Außerdem verringert sie sich mit steigender Wanddicke (ge-
ringere Abkühlgeschwindigkeit).
Verzug
Die maßlichen Abweichungen, die bei Kunststoffteilen auftreten, resultieren
meist nicht aus einer falschen Werkzeugauslegung oder Schwindungsfestlegung,
sondern beruhen auf der Tatsache, dass sich die Spritzgussteile verbiegen und
verformen.
1.4 Verarbeitung (Urformen) von Kunststoffen zu Bauteilen 359
1.4.7.2.2
Elastomere
Orientierungen
Molekülorientierung treten beim Einwirken von Scherkräften in Kautschuk-
mischungen in gleicher Weise auf, wie beim Verarbeiten von Thermoplast-
schmelzen. Strangaufweitung und Relaxation bei langen Düsen ist auch grund-
sätzlich vergleichbar.
Extrudierte Profile aus Kautschuk (unvernetzt) zeigen ähnliches Verhalten in
ihrer Relaxation der Orientierungen und damit in Maßänderungen wie
Thermoplastschmelzen [19].
Entscheidende Unterschiede bei Elastomeren (vernetzt) sind jedoch
• die Vulkanisation im Werkzeug und
• die Lage der Glasübergangstemperatur Tg bei tiefen Temperaturen.
Ersteres fixiert Orientierungen durch ein weitmaschiges Netzwerk.
Letzteres erlaubt auch noch bei Raumtemperatur ablaufende Relaxationspro-
zesse.
• Bei dünnwandigen Formteilen und kurzen Zykluszeiten könnten Orientie-
rungen durch Vernetzung fixiert werden. In der Buchliteratur ist davon je-
doch nicht die Rede. Folglich relaxieren Orientierungen auch bei dünnwandi-
gen Bauteilen während der Verarbeitung ohne Anisotropie.
• Bei dickwandigen Formteilen liegt die Vulkanisationszeit selbst beim Spritz-
gießen im ≥ 3 Minuten-Bereich, beim Pressen ≥ 6 Minuten. Die Relaxation der
Orientierungen kann vollständig erfolgen (sie benötigt ohnehin nur Sekun-
den bei hohen Temperaturen).
Als Verstärkungsstoffe werden für Elastomer-Formteile selten Fasern einge-
setzt, sodass diese Art Orientierungen bei den verwendeten Partikeln keine
Rolle spielt.
Eigenspannungen
Allgemein gilt auch für Eigenspannungen die Vorbemerkung zu Orientierun-
gen. Entscheidend für Anisotropien in bevorzugt dickwandigen Formteilen sind
Vernetzungsgradunterschiede zwischen Innen und Außen. Genauere Angaben
finden sich in Röthemeyer/Sommer [19].
Durch Nachvulkanisation im Inneren (Temperaturgradient beim Abkühlen)
kann die Differenz jedoch nicht ausgeglichen werden. Bei einem Gummi-Metall-
Dämpfungselement betrug der Vernetzungsgrad Innen ca. Dreiviertel dessen
von Außen [Röthemeyer/Sommer 19]. Eigenspannungen resultieren daraus
nicht, weil das weitmaschige Netzwerk Verformungen zulässt. Unterschiede in
den Eigenschaften bestehen aber zwischen Innen und Außen.
Beim Abkühlen auf Raumtemperatur nach dem Entformen wird es bei den
Elastomeren, deren Glastemperatur unter Null Grad liegt, keinen Verzug geben,
1.4 Verarbeitung (Urformen) von Kunststoffen zu Bauteilen 361
Maßhaltigkeit
Die Maßhaltigkeit von elastomeren Bauteilen, insbesondere bei Präzision-
steilen wie RWDR oder O-Ringe, ist häufig ein Problem. Hierzu ist sehr wenig
veröffentlicht.Vieles ist firmeninternes Know-how im Elastomer-Engingeering.
So ist beispielsweise die Schwankungsbreite bei den Mischungsbestandteilen
der Elastomer-Rezeptur ein Einflussparameter auf die Maßhaltigkeit von
Dichtringen.
Schwindung
Die Schwindung bei (elastomeren) Bauteilen ist die Abweichung zwischen Werk-
zeug- und Formteilabmessungen. Bezugsgrößen sind die normierten Werk-
zeugabmessungen.
Messverfahren am Beispiel O-Ringe sind optische CNC-Messmaschinen, me-
chanische Tastsysteme oder Messdorne.
Bei Elastomer-Formteilen treten als Schwindungsursachen auf
Oberflächenmerkmale
Oberflächenfehler sind bei elastomeren Bauteilen durch Fließfehler, Luftein-
schlüsse, Stippen im Werkstoff und viele andere (siehe Kap. 1.4.7.3.2) gekenn-
zeichnet.
In der Regel wird die Oberfläche des Werkzeuges vollständig abgebildet. Die
Rauhigkeit der Werkzeugoberfläche entspricht der Rauhigkeit im Elastomer-
bauteil. Bei bestimmten Materialzusammensetzungen kann es infolge Ober-
flächenspannungen auch leichte Veränderungen geben [20].
1.4.7.2.3
Duroplaste
Orientierungen
Beim Verarbeiten (Pressen, Spritzgießen, Extrudieren, Spritzprägen u. a.) von
unvernetzten (A-Zustand) oder vernetzten (B-Zustand) duroplastischen Form-
massen bewirken die Scherkräfte beim Einspritzen durch Düsen Orientierun-
gen der Makromoleküle und, sofern vorhanden, der Verstärkungsfasern.
Aufgrund der niedrigen Viskositäten der unvernetzten Massen wie Phenol-, Me-
lamin-, UP-, Epoxidharze und der heißen Werkzeugwand relaxieren die Mole-
külorientierungen schnell. In der Regel sind Duroplaste molekülorientierungs-
arm bis -frei. Die Vernetzung fixiert diesen Zustand.
Anders bei Verstärkungsfasern: Diese bleiben orientiert und führen zu den
bei Thermoplasten bekannten Vor- und Nachteilen: Verstärkung in Belastungs-
richtung, Schwächen senkrecht dazu, Bindenahtschwächen, Verzug.
Beispielsweise treten bei direktem Spritzgießen deckelartiger, dünnwandiger
Bauteile (z. B. Scheinwerfer-Reflektoren) starke kreisförmige Orientierungen
der Kurzglasfasern in BMC (bulk molding compound)-UP-Harzen (Sauerkraut-
masse) um den Anguss auf. Abhilfe erfolgt meist durch Spritzprägen oder Ge-
gentakt-Spritzgießen.
Eigenspannungen
Örtliche Vernetzungsgradunterschiede, beispielsweise bei dickwandigen Form-
teilen Innen-Außen, führen zu Schwindungsänderungen und damit zu inneren
Spannungen, die bei Unterschreiten der Glastemperatur – bei Duroplasten
i. d. R. um oder über 100 °C – fixiert werden.
Allerdings besteht bis dahin viel Zeit zum Abbau dieser Spannungen.
Eine weitere gezielt eingesetzte Gegenmaßnahme ist das stufenweise Härten,
wie es bei Scheibenbremsbelägen oder Schleifscheiben beispielsweise seit lan-
gem praktiziert wird.
Bisher war von endotherm vernetzenden Systemen die Rede, bei denen Ener-
gie zum Vernetzen zugeführt werden muss. Bei exotherm reagierenden Syste-
men wie beispielsweise Epoxidharze, UP-Harze und Polyurethane, kann eine
ungünstige Wanddickenverteilung infolge Vernetzungsgradunterschieden zu
1.4 Verarbeitung (Urformen) von Kunststoffen zu Bauteilen 363
Maßhaltigkeit, Toleranzen
Unter Toleranzen versteht man den Unterschied zwischen zugelassenem Größt-
und Kleinstwert eines Maßes.
Bei der Herstellung von Teilen aus härtbaren Formmassen werden Abwei-
chungen vor allem von den folgenden vier Faktoren beeinflusst [2]:
• dem Aufbau des Werkzeugs und dessen Herstelltoleranzen,
• der Wahl des Verarbeitungsverfahrens und der exakten Reproduzierbarkeit
der einmal festgelegten Herstellbedingungen,
• dem Werkzeug-Verschleiß sowie
• der Art der verwendeten Formmasse und deren Gleichmäßigkeit von Charge
zu Charge.
Von der Formmasse her gesehen sind folgende Kriterien für die einhaltbare
Maßgenauigkeit der Formteile von entscheidender Bedeutung [2]:
• Verarbeitungsschwindung (DIN 53464),
• gegebenenfalls auftretende Anisotropie,
• Nachschwindung (DIN 53464),
• Quellung der Formteile.
In DIN 16901 sind die Kunststoff-Formmassen nach ihren Schwindungskenn-
werten in vier Gruppen eingeteilt. Unterschieden werden die Gruppen 0–1, 1–2,
2–3 und 3–4, wobei die Gruppe 0-1 die feinsten Toleranzen gestattet, die Gruppe
3–4 die ungünstigsten Werte bringt, Tabelle 1-86.
■ Schwindung
DIN 53464 unterscheidet zwischen Verarbeitungsschwindung (oft nur Schwin-
dung genannt) und Nachschwindung. Beim Gebrauch der Formteile muss auch
364 1 Einführung in Polymer Engineering
0 bis 1 11 ABS
12 PC
13 PMMA
155, 156 PS
1 bis 2 31, 51, 71, CA
74, 83 CAB
131, 150, 152, 157 PA ungefüllt
154, 180, 181, 157, 180, 183, PP gefüllt
801–804
2 bis 3 – PE, PP
3 bis 4 – Polybuten und PVC z.T.
a
Die Schwindungskennwerte errechnen sich aus der Summe der radialen Verarbeitungs-
schwindung und der Verarbeitungsschwindungs-Differenz (in % insgesamt).
150 0,5 bis 0,9 1,3 bis 1,9 1,0 bis 1,9
152 0,5 bis 0,8 1,3 bis 1,7 0,8 bis 1,5
156 0,2 bis 0,5 0,9 bis 1,2 0,8 bis 1,3
157 0,4 bis 0,6 1,0 bis 1,3 0,8 bis 1,3
180 0,5 bis 0,8 1,3 bis 1,7 0,8 bis 1,2
181 0,5 bis 0,8 1,3 bis 1,7 0,8 bis 1,2
182 0,5 bis 0,8 1,1 bis 1,5 0,8 bis 1,4
183 0,5 bis 0,8 1,1 bis 1,5 0,8 bis 1,3
■ Verzug
Verzug oder Verwölbung von meist plattenförmigen Bauteilen hängt natürlich
eng mit der Schwindung zusammen. Immer dann, wenn Schwindung asymme-
trisch, also anisotrop erfolgt, gibt es in Formteilen mit eingefrorenen inneren
Spannungen Verzug.
366 1 Einführung in Polymer Engineering
Tabelle 1-88. Einteilung der SMC-Qualitäten nach der Härtungsschwindung (kaltes Werkzeug/
kaltes Formteil) [2]
Die Art des Verfahrens hat Einfluss auf den Verzug. Pressen beispielsweise lie-
fert Formteile mit homogenen mechanischen Eigenschaften (wenig Anisotro-
pie) und geringem Verzug, selbst bei langglasfaserverstärkten Teilen (kurze
Fließwege, geringe Faserschädigung wegen geringer Schergeschwindigkeiten).
Spritzgegossene, insbesondere ebene Bauteile, sind im Hinblick auf Verzug oft
nur schwer zu lösende Fälle.
Der Verzug von Bauteilen aus Low Profile SMC (LP-SMC), Tabelle 1-88 ist ver-
gleichsweise zu den anderen SMC-Qualitäten mit höherer Schwindung am ge-
ringsten.
Beim Zuschneiden der in das Presswerkzeug einzulegenden SMC-Platinen,
die dieses je nach den gewünschten Fließvorgängen mit 30 bis 70 % belegen,
kann der Verzug des späteren Bauteils über die Glasfaserorientierungen beein-
flusst werden. Die Berechnung der Fließfront ist hierbei wichtig.
Die bei der Schwindung schon angesprochenen Leiterplatten (Platinen) ver-
ziehen sich manchmal. Glasgewebe-Epoxidharz-Schichtpressstoffe sind dabei
unkritischer als Papier-Phenolharz-Laminate. Die Härtungsschwindung ist bei
PF-Harzen größer. Einseitig kupferkaschierte Laminate verziehen sich erwar-
tungsgemäß stärker (unterschiedliche Längenausdehnungen). Bei weichge-
machten PF-Harzen kann man gewaltsam mit dem Kalander gegenbiegen (Lage
von Tg beachten). Bei Glasgewebe-Schichtpressstoffen kann auch die Fadenlage
des Gewebes Grund zu Tafelverzügen sein. Man kann leider kein Gewebe mit ge-
nau rechtwinkeliger Fadenlage herstellen. Manchmal verläuft der Schussfaden
auch bogenförmig [2].
Oberflächenmerkmale
Duroplastische Bauteile werden, wie Formteile aus Thermoplasten auch, in vie-
len Fällen oberflächenbehandelt. Beispiele sind:
Einpressen bedruckter Folien, Lackieren, Bedrucken, Metallisieren, Prägen
[2]. Die Verarbeitungsparameter beim Pressen, Spritzprägen, Spritzgießen, Ex-
trudieren, Wickeln, Faserspritzen, Pulltrudieren u. a.
1.4 Verarbeitung (Urformen) von Kunststoffen zu Bauteilen 367
Wie oben beschrieben, stehen sie jedoch einer guten Lackhaftung entgegen.
SMC- oder RRIM-Formteile werden beim Rohteilhersteller grundiert. Dazu
muss er das Formtrennmittel entfernen. Bei diesem Primerlackieren können ne-
ben Haftungsproblemen vor allem Lufteinschlüsse (Poren) oder Krater im SMC-
Teil sichtbar werden, die zu hohen Nacharbeiten führen [2].
Zur Reduzierung von Fehlstellen in der decklackierten Oberfläche wird das
In-Mold-Coating (IMC)-Verfahren angewendet [2].
Zur Erkennung von Unregelmäßigkeiten auf der Oberfläche an Formteilen
hilft im Labor das chemische Abscheiden einer Silberschicht (Verspiegeln der
Oberfläche).
Zur Veredelung der Oberfläche von BMC-Formteilen kommen prinzipiell die
gleichen Verfahren in Betracht, wie bei der SMC-Fertigung.
Das Lackieren und Metallisieren (für Reflektoren von Autoscheinwerfern)
dominieren als Oberflächenveredelung bei BMC-Bauteilen.
Bei trocken aufbereiteten Polyesterharz-Formmassen und daraus hergestell-
ten Formteilen ergibt eine Modifizierung mit Melaminharzen eine ähnlich ge-
ringe Verarbeitungsgeschwindigkeit wie bei Pheno- und Aminoplasten. Die
Oberflächengüte kann verbessert werden [2].
Verschleißfeste Oberflächen lassen sich durch hohe Füllung mit Mikroglas-
kugeln erzielen. Die Schwindung des UP-Harzes während der Härtung lässt die
Kugeln aus der Oberfläche heraustreten.
Dekorative Laminate und beschichtete Holzwerkstoffe (Spanplatten) werden
ausführlich bei Woebcken [2] behandelt.
1.4.7.3
Verarbeitungsfehler
Die Erkennung der Verarbeitungsfehler und die richtige Entscheidung zu ih-
rer Beseitigung interessieren jeden Entwickler, Konstrukteur, Verarbeiter, Ver-
käufer und Einkäufer.
Entsprechend groß ist zu diesem Thema die verfügbare Literatur; meist fin-
den sich in den Materialinformationen der Rohstoffhersteller umfangreiche Er-
fahrungswerte dazu. Einige sind in der für dieses Kapitel eigens angefertigten Li-
teraturliste zusammengefasst.
In den folgenden Übersichten kann aus Raumgründen wiederum nur bei-
spielhaft je Kunststoffgruppe eine Tabelle abgedruckt werden.
Aus den vorigen Teilkapiteln wird dem Leser bewusst, welch enorme Vielzahl
an Parametern beim Entwickeln und Produzieren eines Kunststoff-Bauteiles zu
beachten ist.
1.4.7.3.1
Thermoplaste
Beim Spritzgießen von Thermoplasten treten die folgenden Verarbeitungsfehler
auf [22]:
1.4 Verarbeitung (Urformen) von Kunststoffen zu Bauteilen 369
Prinzipiell gelten diese auch für Elastomere und Duroplaste, nur, dass dort die
Randbedingung Vernetzen hinzukommt.
Tabelle 1-89 nennt zu den genannten Verarbeitungsfehlern die Ursachen und
Maßnahmen zu deren Beseitigung [22].
Verunrei- Graue Fremdpartikel, Abrieb von Be- Keine Rohre, Behälter und Fülltrich-
nigung des die je nach Lichtein- schickungsroh- ter aus Aluminium oder Weißblech,
Granulats fall reflektieren ren, Behältern sondern Stahl- oder VA-Rohre (innen
und Fülltrichtern gereinigt) bzw. Stahl-VA-Bleche ver-
wenden. Förderwege sollten wenig
Umlenkungen aufweisen
dunkle Stippen, Staub oder Trockner sauberhalten und regel-
Verfärbungsschlieren Schmutzpartikel mäßig Luftfilter reinigen, angebro-
chene Säcke und Behälter sorgfältig
schließen
Farbschlieren, Ab- Vermischung Verschiedene Kunststoffe trennen,
lösen von Hautpar- mit anderen niemals verschiedene Kunststoffe
tien im Anguss- Kunststoffen gemeinsam trocknen, Plastifizier-
bereich einheit reinigen, nachfolgendes Mate-
rial auf Reinheit prüfen
Verunreini- Wie bei Granulat Mühlenabrieb Mühlen regelmäßig auf Abrieb oder
gung des (s.o.) Beschädigungen kontrollieren und
Regenerats instand halten
Staub oder Abfälle staubfrei aufbewahren, ver-
Schmutzpartikel schmutzte Formteile vor dem Mahlen
säubern, Formteile aus Feuchteverar-
beitung (PC, PBT) sowie thermisch
geschädigte Formteile verwerfen
370 1 Einführung in Polymer Engineering
1.4.7.3.2
Elastomere
Im Verlauf der Elastomeraufbereitung gibt es zahlreiche Einflussparameter, die
zunächst die Eigenschaften der Kautschukmischung und somit zuletzt auch die
der spritzgegossenen Formteile beeinflussen (Bild 1-201 [3]). So wird die Mi-
schungsqualität nicht nur von den Rohmaterialeigenschaften und der Mi-
schungszusammensetzung, sondern maßgeblich von den Prozessparametern im
Innenmischer und auf dem Walzwerk beeinflusst. Auch die Lagerungsbedin-
rauhe Oberfl./„Orangenhaut“
Problem
Überkneifer „back-rinding“
Æ
Anvulkanisation/Knoten
Untervulkanisation
Schwamm Brenner
Artikel unterfüllt
Kleben im Nest
Verformungen
Fließnähte
Porosität
Blasen
mögliche
Grat
Ursachen
Einspritzge- 1fl 2› 2› 2› 3fl 2fl 4›
schwindigkeit
Nachdruckhöhe 1› 3fl 2› 2fl 2fl
Nachdruckzeit 4› 3› 3fl
Umschaltpunkt
Geschwindigkeits-/
Drucksteuerung 3› 2fl 1› 1› 1fl
Maschine
Dosierhub 2› 4fl
Schneckendrehzahl 4› 2fl
Staudruck 1› 3› 1fl
Zylindertemperatur 3› 4fl 5›
Vulkanisationszeit 1› 5› 1›
Düsendurchmesser 5›
Fütterung 2¥
unterbrochen
Verteilerkanäle/ 6fl 6›
Anschnitte
Balancierung 4› 5¥
Werkzeug
Werkzeugtemp. 4› 1fl 3fl 1› 1fl 3fl
Vakuum 5› 4› 3›
Trennmittel 2›
Werkzeugver- 5¥ 4¥
schmutzung
Viskosität 7fl 3fl
Mischung
Anvulkanisation 5› 8› 4› 5fl
flüssige Bestandteile 7fl 4fl 5fl
Mindestlagerzeit 6› 3
Höchstlagerzeit 4fl
2. Vakuumzone wird 2.1 Ausstoßleistung der Vor- 2.1.1 Leistung der Vorzone drosseln
„überfahren“ zone zu groß durch Anheben der Zylinder-
temperatur
2.1.2 Leistung der Austragszone er-
höhen durch Erhöhen der
Schneckentemperatur und Ab-
senken der Zylindertemperatur
2.1.3 Drosselwiderstand am Ende der
Vorzone erhöhen
2.2 Ausstoßleistung der 2.2.1 Werkzeugwiderstand erniedri-
Austragszone erhöhen gen (Bügellängen, Lochplatten,
Vorzonen)
378 1 Einführung in Polymer Engineering
3. Knoten im Profil 3.1 Knoten in der Mischung 3.1 siehe Abschnitt 4.6
3.2 Anvulkanisation im Ex- 3.2.1 Mischungstemperatur absenken
truder durch Erniedrigen der
Schneckendrehzahl
3.2.2 Werkzeugwiderstand erniedri-
gen
3.2.3 Werkzeugtemperatur herab-
setzen
3.2.4 Mischungsviskosität erniedri-
gen durch Mischtechnologie
oder „Nachzwicken“
3.2.5 ggf. Rücklaufmischung elimi-
nieren
8. Profil verwirft sich, 8.1 Fehlender Flussausgleich 8.1 Flussausgleich nach rheologi-
läuft schief, ist schen Gesichtspunkten
nicht maßhaltig (Abschnitt 10.2.2)
8.2 Werkzeugtemperierung 8.2 Temperierung optimieren
ungleichmäßig
8.3 Ablagerungen im 8.3 Werkzeug reinigen
Fließkanal
1.4.7.3.3
Duroplaste
■ Pressen und Spritzgießen von Duroplasten
Über Fehlermöglichkeiten beim Verarbeiten von duroplastischen Formmassen
gibt es eine Reihe von Zusammenstellungen [23]. Die zitierte Arbeit befasst sich
ausführlich mit den Fehlermöglichkeiten beim Pressen. Sie soll daher ergänzt
werden durch eine kurze Zusammenstellung von Fehlermöglichkeiten bei der
Spritzgieß-Verarbeitung von duroplastischen Formmassen, Tabelle 1-92 [2].
Außerdem sind von fast jedem Hersteller duroplastischer Formmassen solche
Fehlertabellen zu erhalten [2].
Weitere Literatur zu Verarbeitungsfehlern bieten [24] bis [36].
verformt
1.2 Porosität
Fehlerortung
Teile glatt
Fehler-Ursache
1.Materialfehler
1.1 Entmischung
zu feucht
bei
gene
Masse
zuviel Gleitmittel
grobem
Füllstoff
inhomo-
Formmasse
zu hart
Fließein-
+
+
+
+
zu weich stellung
zu hoch
Härtungs-
geschwindigkeit
+
zu niedrig
+
+
+
zu hoch
Masse-
Tabelle 1-92. Fehler beim Verarbeiten duroplastischer Formmassen [5]
+
+
+
zu niedrig Temperatur
Spritz- bzw.
zu hoch
Press-Einheit
Dosierung
+
zu niedrig
+
+
+
zu hoch
Spritz-
+
zu niedrig geschwindigkeit
+
+
+
zu hoch
Spritz- bzw.
Press-Einheit
Spritzdruck
+
zu niedrig
+
Nachdruck zu wenig
+
+
+
Fließwege zu eng
Werkzeug
+
sonst ungünstig
Konstruktion
Auswerfer nicht richtig
+
Entlüftung ungenügend
+
+
zu hoch
Werkzeug
+
zu niedrig Temperatur
+
zu lang
Werkzeug und Schließeinheit
Härtezeit
+
zu kurz
+
Schließdruck zu niedrig
1 Einführung in Polymer Engineering 380
Tabelle 1-92 (Fortsetzung)
2. Oberflächenfehler
2.1 Unruhig (Orangenhaut) + + + +
2.2 Zu geringer Glanz + + + + + +
2.3 Matte Stellen + + + + +
2.4 Helle Flecken z. T. + + + + + + + + +
2.5 Brandflecken über- + + + + + +
2.6 Klebrig härtet + + +
wärme-
emp-
pfindlich
3. Gestaltfehler
3.1 Einfallstellen + + + + + +
3.2 Lunker + + + + + + + + +
3.3 Teile nicht voll + + + + + + + + +
3.4 Fließmarkierungen + + + + + +
3.5 Rippen durchmarkiert + + + + +
3.6 Kleben an der Form + + + + + +
3.7 Klemmen in der Form + + + + + +
3.8 Übermäßiger Grat + + + +
1.4 Verarbeitung (Urformen) von Kunststoffen zu Bauteilen
4. Strukturfehler
4.1 Teile verzogen + + + + + + + +
4.2 Teile gerissen + + + + + + + + +
4.3 Metalleinlagen beschädigt
oder verbogen + + + +
4.4 Masse in Metalleinlagen + + +
381
382 1 Einführung in Polymer Engineering
Tabelle 1-93. Fehlererscheinungen, ihre Ursachen und ihre Beseitigung beim Spritzgießen von
härtbaren Formmassen [2]
1.4.8
Mikrowellentechnologie in der Polymerverarbeitung
Rudolf Emmerich, Mathias Kaiser
1.4.8.1
Oberflächenbehandlung von Polymeren durch Plasma
Ein Plasma stellt den ionisierten Zustand eines Gases dar, die Atome oder Mo-
leküle befinden sich in angeregtem und ionisiertem Zustand. Die Anregungs-
energie wird in Form nieder- bis höchstfrequenter elektromagnetischer Felder
zugeführt (z. B. Mikrowellen-Plasmen). Zur Aufrechterhaltung von Nieder-
druck-Plasmen (Druckbereich 10 bis 0,01 mbar) wird ein Rezipient benötigt, in
den das Arbeitsgasgemisch eingeleitet wird. Atmosphärische Plasmaanlagen bei
Drücken bis Umgebungsluftdruck können auf einen geschlossenen Aufbau ver-
zichten (z. B. Korona-Entladungen, Beflammung), sind aber im Einsatz der un-
terschiedlichen Arbeitsgase eingeschränkt.
■ Modifizieren
Polymere können im Plasma eine Veränderung der Oberflächeneigenschaften
erfahren. Die Plasma-Modifikation verändert die chemischen Eigenschaften der
Oberfläche durch Angliederung funktionaler Gruppen (z. B. Hydroxyl-, Car-
boxyl- und Carbonyl-Gruppen). Dies bewirkt u. a. eine Einstellung des polaren
Charakters der Oberfläche. Typische Anwendungen sind die Verbesserung der
Klebeeigenschaften oder der Lackierbarkeit von Polymeren.
■ Beschichten
Aus der Gasphase lässt sich ein Stoffniederschlag erzielen, beispielsweise die
Gasphasen-Polymerisation, die für Kunststoffbeschichtungen wichtig ist.
Die Eigenschaften der mittels Plasma abgeschiedenen Schichten lassen sich in
weiten Bereichen einstellen, wobei hier die Gaszusammensetzung, Gasdruck
und Leistungseintrag die maßgeblichen Parameter sind.
Durch Änderung der Gaszusammensetzung während des Beschichtungsvor-
ganges können die Schichteigenschaften innerhalb einer Schicht verändert wer-
den. Damit ist z. B. eine optimale Anpassung an die Substratoberfläche möglich.
Die wichtigsten Anwendungen der Plasmabeschichtung sind:
• Funktionale Schutzschichten
• Barriereschichten
• Antikratz-Beschichtungen
• Wasserabweisende Beschichtungen
• Tribologische Schichten
• Diamantbeschichtungen
1.4 Verarbeitung (Urformen) von Kunststoffen zu Bauteilen 385
■ Reinigen
Die chemische Reaktionsfähigkeit des Plasmas kann so eingestellt werden, dass
ein gewünschter stoffspezifischer Abtrag stattfindet, z. B. der Abbau von Kohlen-
wasserstoffverbindungen im Sauerstoffplasma. Der Beschuss durch Elektronen
und hochangeregte Ionen bewirkt eine zusätzliche physikalische Reinigungs-
wirkung.
Anwendungen ergeben sich in der Medizintechnik (Plasmasterilisation) und
z. B. bei der Entfernung von kohlenstoffhaltigen Verunreinigungen bei gleich-
zeitig guter Spaltgängigkeit.
Die Reinigungswirkung von Plasmen ist ohne nasschemischen Aufwand bei
vergleichsweise sehr geringem Stoffumsatz möglich (Gas). Für sehr grobe Ver-
unreinigungen, z. B. dicke Ölfilme, muss eine Vorreinigung erfolgen (z. B. me-
chanisch). Die Plasmareinigung eignet sich für die Feinreinigung.
1.5
Umformen von Kunststoffen zu Bauteilen – Warmformen
Bernhard Hegemann
Unter Warmformen versteht man das Umformen von erwärmten thermo-
plastischen Halbzeugen zu Formteilen. Es hat seinen Ursprung im Tiefziehen
von Metall, unterscheidet sich jedoch neben den Verfahrensparametern (Tem-
peratur, Druck) wesentlich darin, dass beim Metalltiefziehen das Material nach-
geführt wird und beim Thermoformen das Material keine Möglichkeit zum
Nachrutschen hat. Dies führt dazu, dass thermogeformte Teile selten eine kon-
stante Wanddickenverteilung besitzen und dies somit ein wichtiges Qualitäts-
kriterium darstellt. Der Thermoformprozess [1] beinhaltet neben der Formge-
bung zusätzliche Arbeitsschritte.
Im Folgenden sind die Verfahrenschritte, verwendbare Halbzeuge, Verfahren
und Vor- bzw. Nachteile beschrieben. Da das Thermoformen ein sehr komplexer
Prozess ist, wird für weitreichendere Erklärungen im Anhang auf entsprechende
Literatur verwiesen. Dort ist der gesamte Prozess detailliert erläutert und die
einzelnen Verfahrenschritte beschrieben.
Thermoformen – Verfahrensschritte
Das Thermoformen ist ein Umformverfahren, das durch mehrere verschiedene
Verfahrensschritte die Herstellung eines formstabilen Kunststoffteils ermög-
licht. Im Wesentlichen wird der Werkstoff durch Erwärmen in einen zähweichen
Zustand versetzt und mit relativ geringem Kraftaufwand verformt. Im Werkzeug
kühlt das Teil ab und wird anschließend entformt. Durch die Abkühlung frieren
die Orientierungen der Molekülketten ein und behalten ihre gestreckte Lage bei.
Ein erneutes Erwärmen bedeutet eine Rückverformung in den ursprünglichen
Plattenzustand (Versuch: Kunststoffbecher über die Glasübergangstemperatur
(Tg) erwärmen, siehe Kapitel 1.4.7).
Die Verfahrensschritte gliedern sich wie folgt:
• Erwärmen des Halbzeuges:
Das Kunststoffhalbzeug (z. B. Folie) wird mittels Heizstrahlern auf Umform-
temperatur gebracht. Hierzu sind Keramik-, Infrarot- oder Halogenstrahler
im Einsatz. In einigen Fällen werden auch Kontaktheizungen, teilweise kon-
vektionsunterstützt, verwendet.
• Verformen des Halbzeuges:
Die Umformung kann durch zwei grundlegende Verfahren stattfinden. Ent-
weder wird über eine Druckdifferenz und/oder mechanisch mit ent-
sprechenden Formhelfern wie Vorstreckstempel oder Werkzeug geformt.
Hier wird wesentlich Einfluss auf die Kontur des Fertigteils genommen, da
sich die konturgebende Form entsprechend negativ (auf der Außenseite) oder
positiv (auf der Innenseite des Formteils) abbildet.
• Ausformen des Formteils:
Nachdem das Formteil entsprechend abgekühlt wurde, um eine Rückver-
formung zu vermeiden, wird es ausgeformt. Dies kann ebenfalls durch Druck-
388 1 Einführung in Polymer Engineering
PC ~ 145 – 150–180
PS ~ 105 – 120–150
PP ~0 ~ 165 150–165
HD-PE ~ –80 ~ 135 140–170
PET ~ 75 ~ 245 100–120
Thermoformen – Kunststoffe
Zum Thermoformen eignen sich fast alle amorphen und teilkristallinen
Thermoplaste. Anwendungsbezogen wird dabei in Kunststoffe für technische
Teile und für Verpackungsteile unterschieden.
Als technische Halbzeuge zählen PC, PMMA, PA und ABS sowie faserver-
stärkte Verbundwerkstoffe und eigenverstärkte Werkstoffe. Im Automobilbe-
reich sind oft thermoplastische Elastomere sowie thermoplastische Polyolefine
aufzufinden.
Als Verpackungshalbzeuge sind oftmals PET, PS, PP, PVC und PE zu finden.
Diese sind mit entsprechenden Additiven zur Eigenschaftsmodifizierung ver-
sehen. Modifikatoren sind zum Erreichen der Lebensmittelverträglichkeit und Be-
ständigkeit oder z.B. zur Verbesserung der Permeationseigenschaften notwendig.
Der Thermoformbereich oder das Verformungsfenster ist bei amorphen
Kunststoffen oberhalb der Glasüberganstemperatur und bei teilkristallinen
knapp unterhalb der Schmelztemperatur. Eine Übersicht über die Temperatur-
bereiche beim Umformen ist in Tabelle 1-94 dargestellt.
Thermoformverfahren
Die Thermoformung findet bei den meisten Verfahren nur in einer Werkzeug-
hälfte statt. Dies bedeutet zum einen, dass nur eine einseitige Konturgebung
möglich ist, zum andern allerdings auch als Vorteil, dass nur eine Werkzeug-
hälfte ausgelegt, bemaßt und hergestellt werden muss.
Unterschieden werden die Formgebungsverfahren in folgende Untergruppen:
• positiv
• negativ
• Druckluft
• Vakuum
• Plattenautomaten (Verarbeitung zu technischen Teilen)
• Rollenautomaten (Verarbeitung zu Verpackungsteilen)
• Kaschieren
Im Folgenden sind zwei jeweils kombinierte Verfahren detaillierter dargestellt:
1.5 Umformen von Kunststoffen zu Bauteilen – Warmformen 389
Negativ-Druckluftformung
Die Negativformung findet ihre Hauptanwendung in der Becherherstellung. Bild
1-205 zeigt dazu die Verfahrensschritte. Nach Einfahren der erwärmten Folie
390 1 Einführung in Polymer Engineering
schließt das Werkzeug und der Formhelfer (Oberstempel) taucht ein, gleichzei-
tig muss die Abluft aus der unteren Werkzeughälfte austreten können. Danach
wird die Formluft aufgegeben, damit die Folie vom Stempel gelöst und gegen die
Werkzeugwand gedrückt (Oberflächengebung) wird. Nach Abkühlen des Kunst-
stoffes kann (ohne Gefahr der Rückstellung) entformt werden.
In der Anwendung unterscheidet man hauptsächlich zwei Bereiche:
a) Becher zur Lebensmittelaufbewahrung
Saftbecher sind meist ein Mehrschichtverbund. Üblich sind hierbei drei
Schichten, eine Innenschicht, die lebensmittelverträglich ist, eine Zwischen-
schicht zum Schutz vor UV-Einstrahlung oder auch zur Verwendung von
Recyclingmaterial und eine Deckschicht mit aufgedrucktem Label.
b) Becher zum sofortigen Gebrauch
Becher zum sofortigen Gebrauch wie Trinkbecher o. ä. sind einfach
thermogeformte Billigartikel, wie sie in jedem Kaffeeautomat vorkommen.
Sie werden aus einer einzelnen Folie geformt und mit entsprechenden For-
men (Sicke, Riffelung, etc.) stabilisiert.
Bild 1-206 zeigt einen thermogeformten Becher im Vergleich zu einem spritzge-
gossenen Becher. Beim thermogeformten Becher sind die Stapelsicke eindeutig
zu sehen, während im Spritzguss diese mit Hinterschnitten in Form von hohlen
Becherböden realisiert werden können.
Tabelle 1-95. Tabelle für den Thermoformer Blatt 1/3 (Fa. Illig, Heilbronn) [2]
Lineare Wärmeausdehnung
Tabelle für den Kurz- Dauer-
Thermoformer zeichen gebrauchs-
(unverbindliche Angaben) temperatur
Optische Transparenz
Stand 07.2003
Spezifische Wärme
Fa. Illig, Heilbronn min. max.
Zugfestigkeit
E-Modul
Dichte
Thermoplast – g N N + ja 10–6 kJ °C C
63
cm 7 72 –nein °C
mm2 mm 6 8
kg°K
Umformtemperatur
Umformtemperatur
Kristallitschmelzbereich
Erweichungstemperatur
(Folienoberfläche)
(Folienoberfläche)
Vakuum- Druckluft-
formung formung
1,5–2 h/mm
Bohrung
Bohrung
Schlitz
Schlitz
Druckluft Vakuum
– °C °C °C °C °C – – mm mm mm mm
Tabelle 1-95. Tabelle für den Thermoformer Blatt 3/3 (Fortsetzung) (Fa. Illig, Heilbronn) [2]
– °C °C °C °C °C – – – – – %
Nachteile:
• Wenig Gestaltungsmöglichkeit (Hinterschnitte),
• Keine gleichmäßige Wanddickenverteilung,
• Schwierige Temperaturführung,
• Vorgegebenes Halbzeug; keine Einflußnahme des Verarbeiters auf die Rezep-
tur der Folie möglich.
Tabelle 1-95 gibt für den Thermoformer viele in der Praxis sehr wertvolle Infor-
mationen. (Für die Genehmigung zur Veröffentlichung danken wir der Fa. Illig,
Heilbronn) [2].
Das Thermoformen ist ein Umformverfahren, das sehr einfach aussieht, in
der Prozessführung allerdings sehr schwer handzuhaben ist. Gerade der große
Einsatz von Verpackungsmitteln und Trinkbecher, die in aller Regel als Billig-
und Massenware auf dem Markt sind, erlauben keine aufwendigen und kosten-
intensiven Arbeiten und erwartet ein Produkt zu günstigem Preis und hoher
Funktionalität.
Auf wissenschaftlichem Gebiet haben sich bisher nur Wenige in der Lage ge-
sehen, den gesamten Prozess zu verstehen und erklären zu können. Im Gegen-
satz zum Spritzguss, auf dem schon Jahrzehnte geforscht wird, ist bei der Ther-
moformung nur ansatzweise Prozessführung erklärbar und simulierbar.
Auf diesem Gebiet ist das IKP tätig, indem durch einen speziell entwickelten
Messaufbau die notwendigen Parameter und Kenngrößen der eingesetzten
Halbzeuge für die Simulation ermittelt werden. Mit diesen Kennwerten ist es
dann möglich, den Thermoformprozess gesamt im Voraus zu berechnen und
z. B. die Wanddickenverteilung oder Spannungsverteilung aufzuzeigen. Somit
können aufwendige Werkzeuge im Voraus berechnet sowie ausgelegt und Zeit
bzw. Kosten eingespart werden.
Weitere Literatur zur Vertiefung bieten [3] bis [5].
1.6
EDV-unterstützte Konstruktion und Auslegung von Kunststoffbauteilen
Otto Altmann
1.6.1
Einführung
Die Gesamtkosen für Bauteile, auch diejenigen aus Kunststoffen, werden wesent-
lich – in der Regel zu 90 Prozent – in der Entwicklungsphase bestimmt. Bauteil-
änderungen zu späteren Zeitpunkten kosten umso mehr, je fortgeschrittener der
Konstruktions- und Auslegungsprozess ist, Bild 1-207.
Wegen der hohen Werkzeugkosten für die Bauteilverarbeitung muss der Ent-
wicklungsprozess spätestens bis zur Werkzeugkonstruktion abgeschlossen sein.
Es kommt dennoch immer wieder vor, dass Werkzeugänderungen notwendig
werden. Diese können jedoch höhere Kosten verursachen, als ein von vornherein
qualifiziert festgelegter durchaus aufwändiger Entwicklungsprozess mit all sei-
nen Einzelschritten.
Änderungen nach dem Serienanlauf oder gar Rückrufaktionen, wie sie im-
mer wieder bekannt werden (Nahrungsmittel, Automobile u. a.), sind extrem
teuer und kosten Zeit, vom Imageschaden ganz abgesehen.
Die EDV-Unterstützung bei der Konstruktion von Kunststoffbauteilen bietet
bei konsequenter Anwendung die Chance der Fehlervermeidung, mindestens
aber deren Reduzierung und damit langfristig gesehen Kostenreduzierung.
Allerdings ist CAX (Sammelbegriff für alle computerunterstützten Me-
thoden) bei Kunststoffbauteilen aufwändiger als beispielsweise bei vergleichba-
ren metallischen Strukturen. Dies hängt u. a. mit den zeit- und temperaturab-
hängigen Eigenschaften von Kunststoffen im Anwendungsbereich von – 30 bis
200 °C und mit deren Verarbeitung zusammen bei i. d. R. zwischen 200 °C und
300 °C.
Dieser Mehraufwand in der Entwicklung von Kunststoffbauteilen lässt sich je-
doch durch Vorteile bei der Verarbeitung (Integration von Funktionen) und in
der Nutzungsphase (Masse, Geräusche u. v. a.) häufig überkompensieren.
Wegen der meist hohen Werkzeugkosten sind bei Kunststoffbauteilen große
Stückzahlen wirtschaftlich erforderlich. Sonderverfahren machen aber auch
Kleinserien möglich.
Der kalkulatorische Entwicklungsaufwand (als Teil der Overheadkosten) liegt
bei Kunststoffbauteilen zwischen 4 Prozent und 9 Prozent (bei hoher Komple-
xität und Funktionalität) der proportionalen Herstellkosten (HKprop).
Bei tragenden Faserverbundstrukturen in der Luft- und Raumfahrt können
HKprop bis 14 Prozent steigen.
Die CAX-Methoden für Konstruktion (CAD Computer Aided Design) und
Auslegung (CAE Computer Aided Engineering) von Kunststoff-Bauteilen haben
das Polymer Engineering in den vergangenen Jahrzehnten enorm verändert.
Bild 1-208 zeigt Hard- und Software für einen kunststofftechnischen Arbeits-
platz eines Konstrukteurs. Allerdings blieb die Generierung der erforderlichen
1.6 EDV-unterstützte Konstruktion und Auslegung von Kunststoffbauteilen 397
Bild 1-207. Kosteneinfluss von Änderungen und Modifikationen während der zeitlichen Ent-
wicklungsphasen von Kunststoffbauteilen
CAE
1.6.2
Kunststoff
Aus den Vorgaben des Lastenheftes zum Bauteil leitet sich die Wahl des geeigne-
ten Werkstoffes/Kunststoffes ab.
Über Werkstoff-Vergleichsgrößen sind Bemessungskennwerte für die Be-
rechnungen (mechanisch, chemisch, physikalisch) zu ermitteln.
Dies stellt häufig den kritischsten und auch aufwändigsten Schritt in der Ent-
wicklungs-Prozesskette eines Bauteiles dar. Fehler werden hier oft gemacht.
Weiter sind die Auswahl von Toleranzen für geforderte Maße nach Norm- und
Standardvorgaben ein wichtiges Kriterium beim Eintrag in die Bauunterlagen,
die Kosten und Qualität von Kunststoffbauteilen mitbestimmen, [1] bis [5].
Dazu ist die Kenntnis kunststoffspezifischer Toleranzen unabdingbar [2].
Das Versagen von Kunststoffbauteilen hat meistens seine Ursache in un-
sachgemäßen Konstruktionen, viel weniger im Werkstoff/Kunststoff. Ein-
flüsse der Verarbeitung und Werkzeugtechnik, auch der Oberflächentechnik
beispielsweise werden ignoriert. Die Folge ist ein schlechtes Image der Werk-
stoffgruppe Kunststoff, obwohl die Verantwortung dafür beim Konstrukteur
liegt.
So sollten Kunststoffbauteile, beispielsweise für die Fahrzeugtechnik, bereits
beim Beginn einer Entwicklung, also in der Konzept- und Vorauslegungsphase,
in Primär- und Sekundärstrukturen eingeteilt werden. Bei konsequenter Einhal-
tung dieser Festlegung während der gesamten Entwicklung lassen sich damit
Engpasssituationen besser vorhersehen und auch zeitlich und wirtschaftlich be-
herrschen.
400 1 Einführung in Polymer Engineering
1.6.3
Struktur-/Bauweisen-Konzepte und Auslegungsphilosophien
Folgende Struktur-/Bauweisen-Konzepte lassen sich unterscheiden (Auswahl):
• Monolytische Strukturen, auch Mono-Konzepte genannt
(Strukturbauteile aus einem Werkstoff, durchaus jedoch in verschiedenen
Herstellformen: beispielsweise eine Mono-Instrumententafel aus glasfaser-
verstärktem Polypropylen, aus PP-Schaum und PP-Integralhaut).
• Differenzierte Strukturen oder auch gradierte Strukturen
(tragende Strukturen mit örtlichen Funktionselementen: beispielsweise ein
PKW-Frontend mit oben eingelegtem, örtlich begrenztem Verstärkungs-
gewebe).
• Hybrid-Strukturen
(Kombination von Bauweisen aus verschiedenen Werkstoffen: beispielsweise
ein Tragrahmen einer Pkw-Fahrgastzelle mit Faserverbund-Vorderwagen,
Stahl- oder Aluminium-Rahmen und Faserverbund-Hinterwagen).
• Sandwich-Struktur
(Deckschichten aus Metallblechen oder polymeren Faserlaminaten mit Wa-
ben oder Schaumstoffen als Kernschichten: beispielsweise Surfbretter oder
Leichtbau in der Luft- und Raumfahrt).
• Verbund-Strukturen, so genannte Verbundwerkstoffe
(Zugabe von teilchenförmigen oder faserförmigen – geschnittene oder end-
lose Fasern – Verstärkungsstoffen bzw. -konstruktionen, wie Gewebe, Ge-
stricke, Gewirke, Gewirre u. a.: beispielsweise Sportartikel wie Tennisschläger,
Speere, Segel u. v. a. Formel 1-Rennwagen, Sicherheitsgurte, -anzüge usw.).
Diese Hauptgruppen lassen sich nun wieder untergliedern, in beispielsweise
– selbsttragende Strukturen
– Ausbaustrukturen
– Rohrrahmen-Bauweisen
– Gitterrohrrahmen-Bauweisen
– Leichtbaustrukturen
– Faserverbund-Laminatstrukturen
– Faserverbund-Wickelstrukturen
– Schaumstrukturen (weich/hart, offenzellig, geschlossenzellig …)
Jede dieser Bauweisen kann nun nach unterschiedlichen Auslegungsphiloso-
phien dimensioniert werden:
• maximal zulässige Dehnungen, Spannungen oder Verformungen
• zulässige Verformungen, im linear elastischen Bereich
• zulässige Verformung, im nicht linearen Bereich (aufwändige Berechnung)
• maximal zulässiger Sekanten-Modul (Spannungen, Dehnungen)
• zulässige Spannungen, als % Anteil der Bruch-Spannung/Dehnung
• „fail safe“ (sicher ertragene Lasten, gegen das Bauteil-Versagen)
1.6 EDV-unterstützte Konstruktion und Auslegung von Kunststoffbauteilen 401
Bild 1-210. Abrieb für einige gefüllte und ungefüllte PTFE-Compounds (Optimierungsbeispiel
für das Verschleißverhalten)
402 1 Einführung in Polymer Engineering
1
a) PPS 50 % + PAI 50 % 1 MPa/1m/s
b) PPS+PAJ+C-Fasern 1 MPa/3m/s
0,8
3 MPa/1m/s
Reibungskoeffizient µ
c) PPS+PTFE+C-Pulver
T = 23°C
0,4
0,2
0
PPS 50%+PAI 50% PPS+PAI+C-Faser PPS+TFE+C-Pulver PPS mod.
Material
Bild 1-211. Abrieb für einige modifizierte PPS-Compounds (Optimierungsbeispiel für das Ver-
schleißverhalten)
1.6.4
Werkstoffkennwerte als Konstruktions- und Auslegungsbasis
Die Werkstoffkennwerte, die von den Polymerwerkstoffherstellern an Proben
ermittelt werden, sind die Basis für eine vergleichende Werkstoffauswahl. Diese
Kennwerte können auf keinen Fall als Bemessungskennwerte (z. B. elastische
Konstanten) für die Auslegung eingesetzt werden.
Über das Lastenheft oder die Spezifikationen sind die Einsatzbedingungen
der Bauteile meistens bekannt. Bereits in der Konzept- und Vorkonstruktions-
phase muss der Kunststoffbauteileentwickler (als Bauteileverantwortlicher), un-
ter Berücksichtigung der wirtschaftlichen und technischen Parameter, eine
Werkstoffvorauswahl treffen und damit auch einen Großteil, für die möglichen
Werkzeug-, Verfahrens- sowie Prozesstechnologien, definieren.
In den Bildern 1-213 und 1-214 bis 1-218 sind einige vergleichende Eigenschaf-
ten für Polymerwerkstoffe aus Probenkennwerten dargestellt, die man in einem
Bauteil jedoch so nicht wieder vorfindet. Bild 1-219 weist den Weg von den Ei-
genschaften in einer Normprobe hin zu denen im Bauteil, [6] bis [10].
Thermoplastische Polymere
Bild 1-215. Beständigkeit gegen energetische Strahlung, Kennwerte des Herstellers, dargestellt
als wirksame Strahlendosis, welche die Dehnung um 25 % reduziert (mögliche Auslegungskri-
teriengrenze)
1.5 Umformen von Kunststoffen zu Bauteilen – Warmformen 405
Bild 1-217. Zusammenhänge zwischen Reibdruck (P) und Reibgeschwindigkeit (V) für Gleit-
körper aus Kunststoffen
1.6.5
Vor-Auslegung von Kunststoff-Strukturen
Jeder Industriezweig hat, dem hergestellten Produkt entsprechend und den Folgen
bei Bauteileversagen, andere Primärkriterien in der Vorauslegung und Entwick-
lung, die unterschiedlich eingeordnet und bewertet werden, wie z.B. folgende
• Luft- und Raumfahrt: Sicherheit, Leichtbau und Lebensdauer
• Automobilbau Kosten, Sicherheit, Gewicht, Qualität
• Maschinenbau Lebensdauer, Verschleiß und Kosten.
406 1 Einführung in Polymer Engineering
Bild 1-218. Einflussfaktoren für den Verschleißfaktor bei hohen Reibgeschwindigkeiten für
Gleitkörper (Dark Plastics)
Bild 1-219. Der Weg vom Probenkennwert zum Bemessungskennwert bis zur Freigabe
1.6 EDV-unterstützte Konstruktion und Auslegung von Kunststoffbauteilen 407
Diese Einstufung hängt vor allem mit der geplanten, herzustellenden Stückzahl
über die gesamte Projektlaufzeit (Multiplikationsfaktor, bei der Kostenein-
sparung) und damit den Herstellkosten sowie den entstehenden Kosten oder
Auswirkungen, bei einem möglichen Bauteileversagen, zusammen.
Der einfachste Vorauslegungsfall liegt vor, wenn man z. B. nur nach zwei Fak-
toren, z. B. der Steifigkeit und der Masse, Vorauslegungen und optimieren muss,
siehe Bild 1-220.
In der Regel sind eine größere Anzahl von Vorgaben vorhanden, die man im
Rahmen der Bauteile Vorauslegung, mit z. B. vergleichenden Polardiagrammen,
zumindest qualitativ vergleichend darstellen kann, siehe Bild 1-221.
Einige Werkstoffdatenbanken, wie z.B. CAMPUS von M-Base [24], ermöglichen
zumindest die Probenwerkstoffkennwerte-Vorauswahl nach Polardiagrammen.
Andere EDV Hilfsmittel für die Werkstoffvorauswahl, wie RALPH von der Firma
BAYER [25], siehe Bild 1-222, sind sehr hilfreich. In einem derartigen Polardia-
gramm können eine große Anzahl von Vergleichsachsen für verschiedene Vor-
auslegungskennwerte aufgebaut und Varianten miteinander verglichen werden.
Das ergibt jedoch noch keine Aussage oder nur eine relativ vergleichende Aus-
sage über die Bauteilkennwerte. Wobei es selbstverständlich auch möglich ist,
über ermittelte Kennwerte unter verschiedensten Bedingungen, Bauteile Polar-
diagramme zu generieren, die dann über die ermittelten Bauteile Versuchs- und
Testkennwerte eine sehr hohe Aussagekraft, über das Bauteileverhalten unter
Einsatzbedingungen haben.
Eine weitere Vorauslegungsmethode sind Matrixanalysen.
Erst der Vergleich von technischen, auslegungsrelevanten und wirtschaftli-
chen Kriterien ermöglicht es nach der Vorentwicklungsphase, die Serien Ausle-
gungs- und Entwicklungsphase zu starten, siehe Formel in Bild 1-223.
Häufig wird ein zu geringer Aufwand für die Vorauslegung betrieben, was in
der Serienauslegung-, der Fertigungs- und der Nutzungsphase, z. B. über auf-
408 1 Einführung in Polymer Engineering
1.6.6
Einteilung von Kunststoffstrukturen
Die Einteilung der Kunststoffbauteile in Primär- und Sekundärstrukturen er-
leichtert die Festlegung der durchzuführenden Entwicklungsschritte innerhalb
der Entwicklungs- und Fertigungsprozesskette.
Die Erstellung einer Primär- und Sekundärbauteileliste, mit einer Gruppie-
rung und festgelegten Abläufen, hat sich in der Vergangenheit bewährt.
Dabei kann sich die Sekundär- und Primärbauteilegruppierung nicht nur
nach den rein funktionalen und mechanischen Anforderungen richten, sondern
auch an Kriterien wie z. B.
• hohen optischen und Oberflächenanforderungen
• hohe Toleranzanforderungen, vor allem bei Monategruppen (Gruppenmaße)
• hohe Rundheits- und Ebenheitsanforderungen sowie das Spannungs-
verhalten
• hohe Anforderungen an die Wuchtgüte, bei hoch beschleunigten Bauteilen.
Es ist bis heute, werkstoff- und prozessbedingt, z. B. kaum möglich, „absolut“
runde und ebene Kunststoffbauteile herzustellen.
1.6.7
Gestaltungs-Richtlinien für Kunststoffstrukturen
Es gibt eine relativ große Anzahl von Fachliteratur und Firmenunterlagen, [11] bis
[23], die auf die Konstruktionsproblematik von Kunststoffbauteilen eingehen.
Bezüglich der Bemessungskennwerte findet man jedoch kaum aussagekräf-
tige, allgemein gültige Literaturstellen, was auch relativ schwierig ist, wenn man
das Bauteil nicht kennt.
Für die Gestaltung von Polymerstrukturen ist eine ganze Reihe von grund-
sätzlichen Richtlinien einzuhalten, die bei anderen Werkstoffgruppen nur eine
geringe oder gar keine entscheidende Rolle für die Strukturauslegung spielen,
wie z. B.
410 1 Einführung in Polymer Engineering
1 2 3 4
Torsionsarm-
querschnitt/ a
a
Cross-section for
a
torsion arm
a a b
Wp
1,57 0,05 0,208
a3
b
1 1,5 2 3 4 6 8
a
K 84,8 67,0 61,9 58,4 57,8 57,5 57,3 57,3
Wp
0,208 0,354 0,494 0,808 1,130 1,179 2,460 3,120
a3
1.6.8
Die kunststofftechnische Entwicklungsprozesskette
Jede Entwicklung von Kunststoffbauteilen startet mit einer Konzeptidee oder
mit dem Digitalisieren vorhandener Bauteile, zur Erfassung der EDV-Geo-
metriedaten, als erster Schritt der EDV-unterstützten Entwicklung.
412 1 Einführung in Polymer Engineering
Im Rahmen der Design und Vorentwicklungsphase wird die äußere und opti-
sche Gestalt eines Bauteiles über Hardware (Design Modelle)- oder Software-
Modelle (Shading-Modelle) festgelegt. Diese Modelle dienen zunächst nur zur
Orientierung und Strukturoptimierung.
Erst nach dieser Phase beginnt die eigentliche Entwicklung von Kunststoff-
bauteilen, unter Berücksichtigung der optimalen Werkstoff- und Prozessbedin-
gungen, wie z. B.
1.6.9
Koppelung der CAX-Systeme – Kunststofftechnischer
EDV-Ingenieursarbeitsplatz
Zahlreiche EDV-Software-CAX-Systeme werden aus egoistischen wirtschaft-
lichen Interessen heraus, ohne Berücksichtigung der Nutzerprobleme, als „EDV-
Entwicklungsinsel“ projektiert.
Fachspezifische EDV-Ingenieurentwicklungsarbeitsplätze [26] werden kaum
auf dem EDV-Software- und Hardware-Markt angeboten.
Der bauteileverantwortliche Konstrukteur muss jedoch in der Lage sein,
• EDV-Daten-Files ohne ständige Schnittstellenprobleme auszutauschen,
• das Pre- und Post-Processing durchzuführen,
• Programme miteinander zu koppeln,
• nicht ständig zwischen 2D-Flächen und 3D-Volumenmodellen unterscheiden
zu müssen, siehe 3D-CAD und 2D-CAE-Software-Programme und
1.6 EDV-unterstützte Konstruktion und Auslegung von Kunststoffbauteilen 415
1.6.10
Auslegungskriterien und Bemessungskennwerte
Vom Werkstoffkennwert, aus den Datenblättern der Chemiewerkstoffhersteller
oder aus Werkstoffdatenbanken wie z. B. CAMPUS [24, 25], POLYMAT [27] und
andere, bis zum Bemessungskennwert für die Auslegung, werden die meisten In-
terpretationsfehler innerhalb der Entwicklung und Auslegung von Kunststoff-
bauteilen gemacht.
Hinzu kommt, dass zahlreiche Polymerwerkstoffhersteller andere, dem
Nicht-Kunststofffachmann kaum geläufige Ausdrücke wie z. B. „spritzfrisch“
oder „konditioniert“ verwenden, die einen erheblichen Einfluss auf die mecha-
nischen Kennwerte von Kunststoffen haben können.
416 1 Einführung in Polymer Engineering
Man muss sich darüber im Klaren sein, dass die Kennwerte der Chemiewerk-
stoffhersteller über Probekörper ermittelt werden, die nach einem bestimmten,
meist optimierten Prozess und manchmal auch Lagerungs- und Prüfbedingun-
gen hergestellt und geprüft wurden. Das hat zur Folge, dass diese Kennwerte
meistens überhöhte Lastniveaus angeben, die auf keinen Fall bauteileausle-
gungsgerecht sind, siehe Bild 1-219.
Diese, vorzugsweise an Proben ermittelten Kennwerte, findet man in einem
komplexen Bauteil an keiner Strukturstelle (oder nur statistisch) wieder, da
wichtige Faktoren, wie die Anisotropie, Bindenahtfestigkeitswerte, große örtli-
che Scherraten und Temperaturen sowie damit verbundene Werkstoffschäden,
lange Anspritz- und Fließwege, unsymmetrische Schmelzefrontverteilungen
und Druckverläufe, eingeschlossene Luft- und Fehlstellen sowie Fertigungspro-
zess bedingte Abminderungsfaktoren nicht zu berücksichtigen sind.
Grundsätzlich kann man zwischen folgenden Abminderungsfaktorengrup-
pen unterscheiden:
• werkstoffbedingten Faktoren
• lastarten-, lastniveau- und lastgeschwindigkeitsbedingten Faktoren,
• fertigungs- und prozessbedingten Faktoren,
• umwelt- und einsatzbedingten Faktoren, siehe Bilder 1-214 bis 1-216
• alterungs- und verschleißbedingten Faktoren, siehe Bilder 1-210, 1-211, 1-217,
1-218.
Die große Gefahr bei der Bewertung der Abminderungsfaktoren besteht darin,
dass man durch die Addition der einzelnen Faktoren überlagerte Belastungen
nicht berücksichtigt bzw. den Gesamtabminderungsfaktor zu hoch bewertet,
siehe Formeln in den Bildern 1-223, 1-224, 1-227 und 1-228.
Dividiert man diesen Gesamtabminderungsfaktor, siehe Bilder 1-223 und
1-224, dann noch durch einen zu hohen Sicherheitsbeiwert, werden die Bemes-
sungskennwerte für die Auslegung und Berechnung zum Teil entschieden zu
klein angesetzt.
Es empfiehlt sich also, bei den Abminderungsfaktoren einen zusätzlichen
„Gewichtungsausgleichsfaktor“ einzusetzen, der eventuelle Überlagerungen
berücksichtigt.
Bild 1-227. Bemessungskennwert, unter Berücksichtigung des Strukturgewichtes bzw. des spe-
zifischen Werkstoffgewichtes als Leichtbaufaktor
1.6 EDV-unterstützte Konstruktion und Auslegung von Kunststoffbauteilen 417
h1:h0 = 1:1
1 b b1:b0 = 1:1
b0 e · l2 a+b✩ e · l2 e · l2 1 e · l2
h f = 0,67 · 7 f=0·7 f = C✩✩ 7 f=3·7
h0 2a+b h0 r2 3 e✩
l h
(permissible) Deflection
zulässige Auslenkung
h1:h0 = 1:2,5
2 b1:b0 = 1:1,0
b
b0 e · l2 a+b✩ e · l2 e · l2 e · l2
h f = 1,20 · 7 f = 1,79 0 · 7 f = 1,79 · C✩✩ 7 f = 0,60 · 7
l
h0 2a+b h0 r2 e✩
h0
h1:h0 = 1:1
3 b1:b0 = 1:4
b
b0 e · l2 a+b✩ e · l2 e · l2 e · l2
h f = 0,82 · 7 f = 1,22 92 · 7 f = 1,22 · C✩✩ 7 f = 0,41 · 7
h0 2a+b h r2 e✩
l h
W✩ W✩
Auslenk-Kraft
Deflec. force
2 2
bh0 Es · e h0 a2 +4ab+b2 Es · e
Q = W✩ · 9
Es · e
Q = W✩ · 9
Q = 7 · 63 Q = 5 · 09 l l
6 l 12 2a+b
Es · e
·8
l
Bild 1-229. Auslegung für z. B. kurzzeitige, einmalige hohe zulässige Dehnungen über den li-
near-elastischen Bereich hinaus, für spezielle Auslegungskonstruktionsvarianten wie Schnapp-
verbindungen (Schnapphaken-Varianten)
1.6 EDV-unterstützte Konstruktion und Auslegung von Kunststoffbauteilen 419
1.6.11
Zukünftige Entwicklungstendenzen
Die Zukunft fängt immer mit der Gegenwart an, so auch bei der CAX-unter-
stützten Kunststoffbauteileentwicklung und -fertigung.
Derzeit gibt es nur relativ umfangreiche Werkstoffdatenbanken, die einen re-
lativen Vergleich der Werkstoffkennwerte untereinander ermöglichen. Selbst
dieser CAMPUS-Schritt hat viele Jahre gedauert, da vorher jeder Chemiewerk-
stoffhersteller nach eigenen Vorgaben die Proben gefertigt und geprüft hat.
Die Angabe von Bemessungskennwerten für derzeit ca. bis zu 20.000
Polymerwerkstofftypen, wie z. B. einen „Kunststoffschlüssel“, abgleitet vom z. B.
bestens bewährten „Stahlschlüssel“ für metallische Werkstoffe, findet man für
die Polymerwerkstoffe nicht.
Das hat mehrere Gründe:
• Die Ermittelung derartiger Kennwerte für Polymerwerkstoffe ist erheblich
aufwändiger wie z. B. für relativ isotrope, z. B. metallische, Werkstoffe. Zudem
wirken sich zahlreiche mögliche andere Einflussfaktoren auf die im Bauteil zu
realisierenden Kennwerte aus.
• Die Chemiewerkstoffhersteller würden mit derartigen Angaben auch eine
Garantieleistung für die angegebenen Kennwerte übernehmen, wie bei den
Angaben für metallische Werkstoffe („Stahlschlüssel“)
• Da den Chemiewerkstoffherstellern das mögliche Einsatzspektrum der
Kunststoffe meistens nicht bekannt ist, kann eine derartige Garantie auch nur
schwer übernommen werden.
• Es bleibt also auch in Zukunft kein anderer Weg wie die Ausbildung von
Kunststoffspezialisten, die in der Lage sind, das Tragverhalten dieser Werk-
stoffe korrekt zu bewerten und zu beurteilen.
Diese und andere Faktoren, wie z. B. die starke Qualitätsabhängigkeit von den
Prozessbedingungen, führen dazu, dass sich die Polymerwerkstoffe nach wie vor
sehr schwer tun, als „Konstruktionswerkstoffe“ anerkannt zu werden.
Einige CAX-Softwarehersteller, wie z. B. für „solid works“, haben bereits damit
begonnen, kundenspezifische Anwendersoftwarepakete zu entwickeln.
Was hauptsächlich fehlt, sind anwenderspezifische und möglichst interaktiv
arbeitende Datenbank- und Auslegungssysteme, die bei Bedarf gekoppelt wer-
den können oder ohne Aufforderungen die erforderlichen Informationen inter-
aktiv in die CAX-Systeme einfügen.
[5] DIN 7715-T1 – Gummi Zulässige Maßanweichungen für Artikel aus Hartgummi. Ausgabe
1077, Beuth Verlag, Berlin
[6] ASTM 1418 Kurzeichen für Elastomere
[7] DIN ISO 1629 Kurzzeichen für Elastomere. Beuth Verlag Berlin
[8] DIN 7728, Teil 1 Kurzeichen für Homopolymere und Naturstoffe. Beuth Verlag, Berlin
[9] DIN 7726 Schaumstoffe. Ausgabe 1985-05, Beuth Verlag, Berlin
[10] DIN 7724 Polymere Werkstoff- Gruppierung. Ausgabe 1993-04; Beuth Verlag, Berlin
[11] Bayer Kunststoffe – Verarbeitung und Konstruktion – Konstruktion. Information 2003-
09-18, KU21154-0309de, 2003, 12 Seiten. https://plastics.bayer.de/AG/DE/technology
1013/59/ index.jsp
[12] Erhard G Konstruieren mit Kunststoffen – 3. Auflage und CD-Rom. Springer Verlag, ISBN:
3446210164, 1999
[13] Pahl G Beitz W Konstruktionslehre. Methoden und Anwendung- Lehrbuch. Springer Ver-
lag, ISBN: 3-540-61974-7, 1997
[14] Kunststoff- Bauteile werkstoffgerecht konstruieren. Springer Verlag, ISBN: 3-446-17535-0,
1995
[15] Ehrenstein GW Mit Kunststoffen konstruieren – Eine Einführung. Springer Verlag, ISBN:
3-446-21295-7, 2001
[16] Hellrich, Harsch, Haenle Werkstoffführer Kunststoffe – Eigenschaften – Prüfung – Kenn-
werte 8. Aufl., Carl Hanser Verlag, München
[17] Klein B Statistische Tolerierung. Bauteil- und Montageoptimierung. Springer Verlag, ISBN:
3-446-22117-4, 2002
[18] Trumpold H, Beck C, Richter G Toleranzsysteme und Toleranzdesign – Qualität im Aus-
tauschbau Carl Hanser Verlag, München, 1997, ISBN: 3-446-17757-4
[19] Roos E Maile K Werkstoffkunde für Ingenieure. Grundlagen, Anwendungen, Prüfungen
Springer Verlag, ISBN: 3540435999, 2002
[20] Gohl W, Spies KH Elastomere – Dicht- und Konstruktionswerkstoffe. Springer Verlag,
ISBN: 3-816-91882-4, 2002
[21] Röthemeyer F, Sommer F Kautschuktechnologie. München: Hanser, 2001, ISBN 3-446-
16169-4
[22] Decker Kabus K Maschinenelemente – Funktion, Gestaltung und Berechnung. 15. Aufl.,
Carl Hanser Verlag, München, ISBN 3-446-21525-5, 2002
[23] Geschke HW, Goetke W, Grode HP, Orth K et al. Einführung in die DIN- Normen. 12. Aufl.,
Beuth Verlag, Berlin, Wien, Zürich, 1997
[24] Bauer E, Thiel C CAMPUS, M-Base Engineering + Software GmbHvhttp://www.campus-
plastics.com
[25] Oberbach K, Schmachtenberg E Bayer Kunststoffe – Verarbeitung und Konstruktion –
Konstruktion Konstruktionsgerechte Kennwerte – Voraussetzung für eine werkstoffge-
rechte Konstruktion von Präzisionsteilen aus Kunststoff. Information KU 48.860/1723B63,
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[26] Altmann O Systemkonzept Kunststoff-technischer Ingenieurs-Arbeitsplast (KTA) Interne
Entwicklung der Firma ASK, 1998 – 2004
[27] POLYMAT PC Kunststoff-Auswahl Datenbank Deutsches Kunststoff-Institut (DKI-Darm-
stadt), 2004 www.tut.fi/plastics/kumi-instituutti
[28] Häusler O, Hohmann G, Weiß R Erweiterte Materialmodelle zur Beschreibung von nicht-
elastischen Effekten polymerer Werkstoffe. FFD im Dialog, spezial Ausgabe 1/2004, S 4 – 12
[29] Chaboche JL Cyclic Viscoplastic Constitutive Equations, Part 1: A Thermodynamically
Consistent Formulation, Transaction of the ASME, J Appl Mech 60, S 813 – 821, 1993
[30] Tsakmakis Ch Kinematic Hardening Rules in Finite Plasticity, Part 1: A Constitutive Ap-
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[31] Kasper K, Hornberger K, Guth W User Defined Material Models for an Accurate Simula-
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[32] Ogden RW, Rosxburgh DG A Pseudo-Elastic Model for the Mullins Effect in Filled Rubber,
Proc R Soc London A 485, S2861 – 2877, 1998
[33] Huber N, Tsakmakis Ch Determination of Constitutive Properties from Spherical Inden-
tation Data using Neural Networks. J Mech Phys Sol S 1569 – 1607, 1999
[34] Häusler O, Sckuhr MA, Weiß R Enhancement of the Freudenberg Model for Elastomers to
Account for the Mullins Effect, ABAQUS Users’ Conference 2000 Newport, RI S 421 – 434,
2000
[35] Hartmann S, Haupt P, Tschöpe T Parameter Identification with a Direct Search Method
using Finite Elements. Constitutive Models for Rubber II: Besdo, Schuster, Ihlemann (eds)
S 249 – 256, 2001
1.7
Kunststoffe und Bauteile – Umwelt und Recycling
1.7.1
Kreislaufwirtschaft und Recycling
Jörg Woidasky
1.7.1.1
Bauteil-Wiederverwendung
Die erneute Verwendung von Bauteilen schließt einen kleinen Kreislauf, bei dem
im Vergleich zur Herstellung neuer Bauteile wenige Prozessschritte durchlaufen
werden. Somit liegt die Bauteil-Verwendung auf einer hohen Stufe in der öko-
logischen Rangfolge der Kreislaufverfahren. Kunststoff-Bauteile werden jedoch
oft als Gehäuse- oder Aussenbauteile verschiedener Produkte eingesetzt und tra-
gen durch ihre Variationsmöglichkeiten maßgeblich zur stilistischen Differen-
zierung der Produktgenerationen bei, sodass sie in den seltensten Fällen für an-
dere Generationen eingesetzt werden können. Eine Wiederverwendung von
Kunststoffbauteilen kann jedoch bei solchen Produkten sinnvoll sein, für die
eine Endbevorratung von Ersatzteilen durchgeführt wird, deren Umfang durch
Wiederverwendung von Produkt-Rückläufern ergänzt werden kann. Dennoch
bleibt der Umfang der Wiederverwendung begrenzt, betrachtet man das Beispiel
Alt-Pkw: Bei 10 – 20 % der abgemeldeten Fahrzeuge wird derzeit eine Altteile-
verwertung durchgeführt, die Demontagehäufigkeit von Kunststoffteilen liegt in
der gleichen Größenordnung, jedoch nur etwa knapp 3 Masse-% der Alt-Pkw
werden im Teilekreislauf rezykliert.
1.7 Kunststoffe und Bauteile – Umwelt und Recycling 425
1.7.1.2
Möglichkeiten der werkstofflichen Kreislaufführung
Die Möglichkeiten der werkstofflichen Kreislaufführung von Polymeren werden
in Tabelle 1-96 dargestellt.
Die Wiederverwertung von Produktionsabfällen (Angüsse, Butzen) ist Stand
der Technik, um den Werkstoffverbrauch zu minimieren. Hierfür werden
Mühlen verschiedenster Größe eingesetzt und das Mahlgut direkt in den Pro-
duktionsprozess zurückgeführt.
Für die werkstoffliche Kreislaufführung von Altteilen wird eine möglichst
hohe und gleichbleibende Rezyklatqualität angestrebt. Eine wichtige Einfluss-
größe bei Altteilen mit thermoplastischer Polymermatrix ist dabei die Ketten-
länge. Durch Alterungs- und Verarbeitungsprozesse wird die Kettenlänge der
Polymere beeinflusst, sodass bei mehrfach verarbeiteten und gealterten ther-
moplastischen Polymeren eine Verschlechterung der Werkstoff-Kennwerte ein-
tritt. Der Einfluss der Alterung von duroplastischen Matrixwerkstoffen auf die
Rezyklatqualität scheint dagegen vernachlässigbar zu sein.
In den wenigsten Fällen werden gebrauchte Materialien ohne Modifikation
wieder verarbeitet. Der Regelfall ist zum einen die Zumischung von Neuware,
zum anderen die gezielte Eigenschaftseinstellung durch Additivierung/Compo-
undierung. Bewährt haben sich dort, wo neuwaregleiche Werte für rezyklathal-
tige Polymere angestrebt werden, Rezyklatanteile von etwa bis 30 Masse-%.
1.7.1.2.1
Werkstoffrecycling von Duroplasten – Partikelrecycling
Die Nicht-Umformbarkeit der Duroplaste erfordert die Anwendung anderer
werkstofflicher Verwertungsverfahren als bei Thermoplasten. So ist z. B. das
Grundprinzip der werkstofflichen SMC-Verwertung die Zerkleinerung für das
Partikelrecycling. Eine Übersicht über die Verwertungsmöglichkeiten für SMC-
Mahlgutfraktionen gibt Tabelle 1-97.
Als Partikelrecycling wird das Einbinden von zerkleinerten, chemisch unver-
änderten Duroplastpartikeln oder -fasern in eine Duroplastmatrix aus Primär-
material bezeichnet. Das Ziel des Partikelrecycling ist entweder die Wiederge-
winnung der Glasfasern zur weiteren Nutzung ihrer Verstärkungseigenschaften
oder die Verwendung des gesamten Matrix- und Verstärkungsmaterials in Form
eines feinen Pulvers als Füllstoff-Substitut. Partikelrecycling besteht aus folgen-
den Schritten:
1. Zerkleinerung,
2. Aufbereitung und Fraktionieren,
3. Herstellung der rezyklathaltigen Formmasse,
4. Formgebung und Pressen [3].
1.7 Kunststoffe und Bauteile – Umwelt und Recycling 427
Partikelgröße Einsatzmöglichkeiten
Die Fa. ERCOM (Rastatt) betreibt in Deutschland die einzige Anlage zum werk-
stofflichen Recycling von SMC-Bauteilen.
1.7.1.3
Biologisch abbaubare Polymere (biologisch abbaubare Werkstoffe
BAW)
Biologisch abbaubare Polymere werden oft (fälschlicherweise) mit aus nach-
wachsenden Rohstoffen hergestellten Polymeren gleichgesetzt. Beide Eigen-
schaften sind jedoch nicht zwangsläufig miteinander gekoppelt. Biologisch ab-
baubare Werkstoffe sind geeignet, unter bestimmten Umgebungsbedingungen
(Temperatur, Feuchte,Vorhandensein von Mikroorganismen) aerob durch Kom-
postierung oder anaerob durch Vergärung abgebaut zur werden. Dies kann z. B.
durch Tests, wie in EN 13432 beschrieben, überprüft werden [4].
Bei den synthetisch erzeugten Polymeren wird durch eine Verminderung des
Stabilisatorgehalts oder/und den Zusatz von Initiatoren, die den biologischen
Abbau beschleunigen, der biologische Abbau erreicht. Zu dieser Gruppe gehören
zum Beispiel PHB (Polyhydroxybutyrat) oder PLA (Polymilchsäure) [5]. Andere
Polymere nutzen ein Blend beider Typen wie z. B. bei Polyethylen/Stärkekombi-
nation.
BAW haben sich bisher nur in Nischenmärkten, wie z. B. als Geschirr oder Be-
steck bei der Verpflegung im Rahmen von Großveranstaltungen oder im land-
wirtschaftlichen Bereich (als Töpfe oder Mulchfolien) etablieren können. Hier
sind technische und wirtschaftliche Rahmenbedingungen anzutreffen, die Vor-
teile für BAW versprechen. Solche Vorteile konnten bisher z. B. bei der Substitu-
tion von Massenkunststoffen durch BAW jedoch nicht realisiert werden, zumal
sie auch aus abfallwirtschaftlicher Sicht nicht nur Vorteile bieten. So ist insbe-
sondere die Vermischung von BAW mit Massenkunststoffen aufgrund der man-
gelnden Verträglichkeit als problematisch einzustufen.
1.7.1.4
Verträglichkeit von Polymeren
Oft ist es technisch nicht oder nur mit unverhältnismässig hohem Aufwand
möglich, sortenreine Kunststoffe für eine Wiederverwertung zu erhalten. In die-
428 1 Einführung in Polymer Engineering
PET 4 4 4 4 1 1 3–4 4
PC 4 4 2–4 4 1 1 3–4 1
PA 4 4 3–4 4 3 4 1 3
1 = gut verträglich; 2 = mischbar bis ca. 20%; 3 = mischbar bis ca. 5%; 4 = unverträglich.
sem Fall ist ein werkstoffliches Recycling nicht prinzipiell ausgeschlossen, wenn
die Polymere im Gemisch verträglich, mischbar und daher gemeinsam verar-
beitbar sind. Ein Hilfsmittel zur Beurteilung der Werkstoffverträglichkeit von
Kunststoffen in Gemischen sind Verträglichkeitsmatrizes (Tabelle 1-98).
1.7.1.5
Rohstoffliche Kreislaufführung
Die rohstoffliche Kreislaufführung führt die Polymere auf chemische Grund-
bausteine zurück, die dann erneut z. B. zur Polymersynthese, für die Herstellung
von anderen Chemieprodukten wie Farben oder Klebstoffe oder zur Substitu-
tion von Erdöl oder seinen Derivaten genutzt werden können.
1.7.1.5.1
Inlösungnahme
Bei der Inlösungnahme werden Polymere nicht zu Monomeren zerlegt, sondern
die Makromoleküle unter Strukturerhalt in einem Lösemittel aufgelöst, sodass
feste Füllstoffe und Additive abfiltriert werden können. Die Polymere und das Lö-
semittel werden anschließend durch Verdampfung und Destillation oder Fällung
getrennt [7]. Der gesamte Energiebedarf des Verfahrens liegt je nach Lösemittel-
beladung zwischen 1,5 und 3 kWh/kg freigesetztem Polymer. Thermoplaste sind in
Abhängigkeit von ihrer Polarität in entsprechenden Lösungsmitteln löslich,wovon
z.B. bei der Lackherstellung Gebrauch gemacht wird. So löst sich z. B. PP unter an-
derem in Xylol,Aceton und Tetrachlorethen [8].Die Lösung findet vor allem in den
amorphen Bereichen des Polymers statt, kristalline Bereich sind sehr unempfind-
lich. Problematisch sind Toxizität und Handhabung (Explosionsgefahr) mancher
Lösemittel sowie der hohe Energieaufwand zur Lösemittel-Regenerierung.
1.7 Kunststoffe und Bauteile – Umwelt und Recycling 429
1.7.1.5.2
Solvolyse
Die Solvolyseverfahren Hydrolyse, Alkoholyse, Glykolyse sowie Aminolyse sind
für die Kreislaufführung von Produkten der Polykondensation und -addition ge-
eignet [9]. Da es sich bei diesen Reaktionen um Gleichgewichtsprozesse handelt,
kann das Ausgangsmaterial bei hoher Temperatur und Zugabe entsprechender
Substanzen in die Monomere zerlegt werden. Man unterscheidet dabei summa-
tive und selektive Löseverfahren.
1.7.1.5.3
Verfahren zur Einspeisung in Prozesse der Erdölverarbeitung
Zum Einsatz in Verfahren der Erdölverarbeitung müssen die Kunststoffe durch
eine Vorbehandlung pumpfähig gemacht werden. Die Pumpfähigkeit von Ther-
moplasten wird durch eine Verringerung der Molmasse auf 1.000 bis 15.000 g/
mol (Kettenverkürzung) sichergestellt. Duroplaste können durch mechanische
Zerkleinerung auf unter 100 µm und Anmaischen mit einer geringen Menge von
Erdöl-Zwischenprodukten über den klassischen „Kohleweg“ als Slurry (Suspen-
sion) eingeführt werden [10]. Daher ist das vollständige Schließen des Stoff-
kreislaufs von Polymeren durch die Zerlegung in niedermolekulare Produkte,
die in Raffinerien eingespeist werden und wiederum als Ausgangsstoffe für
Polymersynthesen dienen, möglich. Der Chloranteil des Produkts darf jedoch
bei der Abgabe an eine Raffinerie 1 ppm nicht übersteigen.
Großanlagen für die Spaltung und Aufbereitung hochsiedender, langkettiger
Rückstands-Fraktionen aus der Erdölverarbeitung stehen zur Verfügung. Die
Verfahren zur Einspeisung in Prozesse der Erdölverarbeitung lassen sich unter-
teilen in thermische und katalytische Spaltverfahren sowie hydrierende Verfah-
ren (Tabelle 1-99). Eine Anlage zur Vorbehandlung von Polymeren vor einer Raf-
finerie war die aus wirtschaftlichen Gründen inzwischen stillgelegte Kohleöl-
anlage Bottrop. Neben diesem Hydrierverfahren existieren noch zahlreiche
weitere technische Optionen für die Umsetzung von Polymeren, die jedoch bis-
her höchstens in Pilotversuchen und ausschließlich mit unverstärkten Polyme-
ren untersucht wurden.
1.7.1.5.4
Pyrolyse
Pyrolyse ist die drucklose thermische Zersetzung von Stoffen unter Ausschluss
eines Vergasungsmittels. Die Ausgangsstoffe werden radikalisch zu wasserstoff-
reicheren flüchtigen Pyrolysegasen und -ölen, Wasser und wasserstoffärmerem
festem Pyrolysekoks umgewandelt. Nach den Behandlungstemperaturen unter-
scheidet man Niedertemperatur- (bis 500 °C), Mitteltemperatur- (500 – 800 °C)
und Hochtemperaturpyrolyse (über 800 °C). Durch die Erhöhung der Pyrolyse-
temperatur kann die Produktaufteilung von Öl zu Gas verschoben werden [11].
Besonders vorteilhaft im Vergleich zur Verbrennung ist bei der Pyrolyse der ge-
430 1 Einführung in Polymer Engineering
Tabelle 1-99. Übersicht über für Polymere geeignete Verfahren zur Einspeisung in Verfahren
der Erdölverarbeitung
Thermische Spaltverfahren
Visbreaking Vakuumrückstand a Mitteldestillat- druckloses Verfahren zur
komponenten Molmassenreduzierung bei
Temperaturen von 350–
480°C in Röhrenöfen bei
1,4–1,8 MPa
Delayed atmosphärischer Petrolkoks, Gasöl, diskontinuierliche Behand-
coking Rückstand, Benzin, Crackgase lung durch Aufheizen auf ca.
Schweröl a 490°C und Verkokung in
Kokskammern bei 2 MPa,
460°C
Fluid coking Vakuumrückstand a Petrolkoks, Gasöl, kontinuierliche Behandlung
Benzin, Crackgase im Wirbelbett bei 480–560°C
Steamcracking niedrigsiedende Ethen, Propen, weitere Umsetzung bei ca. 600–
Fraktionen (Ethan, Olefine 900°C, 2–3,3 MPa unter Zu-
Leichtbenzin), Naphta a setzung von Wasserdampf
zur Erhöhung der Olefinaus-
beute
Katalytische Spaltverfahren
Catcracking Destillatfraktionen, liquefied petroleum katalytische Behandlung in
metall-/hetero- gas (LPG), Benzin, Wirbelschicht- oder Fließ-
atomarme Rück- Gasöl bettreaktoren bei
standsfraktionen a 0,6–0,9 MPa, 450–510°C
Hydrierverfahren
Hydro- Rückstandsprodukte leichtes Heizöl, katalytische Behandlung bei
cracking (Vakuumrückstand), Benzin, synthetisches hohen Drücken (7–25 MPa)
Naphta a Rohöl aus Rückstands- und Temperaturen (250–
produkten, LPG 450°C) zum Aufspalten der
aus Naphta C-Ketten
Degradative Extrusion
Degradative thermoplastische öl-/wachsartige, Kettenabbau der Polymere in
Extrusion Polymere mit ge- verdüsbare Schmelze modifiziertem Extruder bei
ringem unschmelz- Temperaturen bis ca. 400°C
baren Anteil Optional Zugabe von Verga-
sungsmitteln oder Katalysa-
toren c
Anmerkungen:
a
Beim Einsatz von Kunststoffen wird dem Ausgangsmaterial nur ein kleiner Polymer-Teil-
strom zugesetzt.
b
Siedebereiche (Richtwerte): bis 100°C Leichtbenzin,
bis 200°C Schwerbenzin/Naphta,
bis 250°C Kerosin/Petroleum,
bis 350°C Gasöl
c
Da keine eindeutige Zuordnung dieses Verfahrens zu thermischen oder katalytischen Spalt-
verfahren möglich ist, erfolgt die gesonderte Aufführung des Verfahrens in dieser Tabelle.
1.7 Kunststoffe und Bauteile – Umwelt und Recycling 431
1.7.1.5.5
Vergasung
Bei der Vergasung wird Kohlenstoff durch unterstöchiometrische Oxidation in
gasförmige Produkte umgesetzt. Der Prozess kann in die idealisierten Teil-
schritte der Trocknung, Entgasung und Vergasung aufgeteilt werden. Die teil-
weise Oxidation von Entgasungsprodukten setzt Wärme frei, die die endother-
men Prozesse der Trocknung und Entgasung fördert. Die Einstellung der Verga-
sungstemperatur erfolgt über die Sauerstoffzufuhr.
Kohlenwasserstoffe werden in Gegenwart von Vergasungsmitteln (Sauerstoff,
Luft, Wasserdampf) bei 1.350 bis 1.600 °C und bis 15 MPa Druck zu Synthesegas
umgesetzt, das je nach Verfahrensbedingungen unterschiedliche Zusammen-
setzungen aufweist und unter anderem für die Ammoniak- oder Methanol-
synthese, Fischer-Tropsch-Synthese von Kohlenwasserstoffen, zur Wasserstoff-
erzeugung oder Energiegewinnung eingesetzt werden kann [11]. Durch hohe
Drücke und Temperaturen werden alle höheren Molekülstrukturen auf CO und
H2 zurückgeführt. Anorganische Schadstoffe (Chlorwasserstoff, Ammoniak,
Schwefel-Verbindungen, Staub) können durch die Gasbehandlung abgetrennt
und teilweise verwertet werden.
Ein Vergasungsverfahren für verschiedene Abfallfraktionen wird in Deutsch-
land vom Sekundärrohstoffverwertungszentrum Schwarze Pumpe betrieben.
432 1 Einführung in Polymer Engineering
1.7.1.5.6
Hochofen-Einblasung
Heizwertreiche Fraktionen können im Kupolofen oder Hochofen zur Eisenher-
stellung bzw. -verarbeitung genutzt werden. Der Kupolofen dient vor allem dem
Aufschmelzen von Schrott mit Koks, beim Hochofen wird durch Reduktion von
Eisenerz metallisches Eisen erschmolzen. Dazu werden sowohl Koks als Möller-
gut eingefüllt als auch schwefelreiches Schweröl oder Kohle eingeblasen und mit
dem Heißwind vergast. Ein Teil des Schweröls kann durch Kunststoff substitu-
iert werden [15]. Der Hochofeneinsatz von Kunststoffen erfordert deren Vorzer-
kleinerung auf einen Durchmesser bis zu 5 mm, da dieses Granulat aus einem
Druckgefäß mit 0,4 – 0,5 MPa über eine Lanze in den unteren Hochofenteil ein-
gebracht wird.
1.7.1.5.7
Einsatz im Zement-Drehrohr
Im Drehrohr eines Zementwerkes werden Ton und Kalk zu Zementklinker ge-
sintert bzw. gebrannt. Der Reaktor wird im Gegenstrom betrieben: Die Primär-
feuerung erhitzt das Material auf ca. 1.400 °C, die Sekundärfeuerung im Aufgabe-
bereich stellt die Calcinierung bei ca. 900 °C sicher. Für die Herstellung von 1 Mg
Zement werden ungefähr 3,3 GJ Energie benötigt [16]. Um die Energiekosten zu
reduzieren, die ca. 50 % der Produktionskosten ausmachen, werden Ersatz-
brennstoffe wie z. B. Altreifen, Altöl, Lackschlämme, Holzmehl oder Brennstoff
aus Müll (BRAM) eingesetzt. Bis zu 30 % des Gesamt-Wärmebedarfs einer An-
lage konnten bereits durch Ersatzbrennstoffe gedeckt werden [17], deren feste
Rückstände in das Produkt eingebunden werden [15].
1.7.1.6
Verbrennung
Bei der Verbrennung geht der stoffliche Charakter des eingesetzten Materials
verloren. Daher kann sie nicht zum Recycling im Sinne der stofflichen Kreis-
laufführung gezählt werden.
Der Verbrennungsvorgang kann in die Teilprozesse Trocknung, Entgasung,
Vergasung und vollständige Oxidation aufgeteilt werden (Bild 1-232) [13]. Diese
idealisierten Prozesse können sich zeitlich und räumlich überlagern und wech-
selseitig beeinflussen. Pyrolyse- und Vergasungsverfahren nutzen die Möglich-
keit, durch Einstellung von Randbedingungen nur einen Teil der Prozesse zu be-
günstigen.
1.7 Kunststoffe und Bauteile – Umwelt und Recycling 433
1.7.1.6.1
Verbrennungskonzepte und -aggregate
Als Verbrennungskonzepte kommen in Frage
• Mono-Verbrennungssysteme ausschließlich für Kunststoffe
• Co-Verbrennungssysteme mit einer gemeinsamen Verbrennung von mindes-
tens einer weiteren Fraktion außer Kunststoff [18].
Die Mono-Verbrennung von Kunststoffen in Spezialfeuerungen ist derzeit noch
nicht Stand der Technik. Die relevanten Verbrennungsaggregate für Feststoffe
sind
• Roste (vor allem Stab- und Walzenroste),
• Drehrohre (mit Gleich- oder Gegenstrom-Luftführung),
• Wirbelschichten (mit stationärem, rotierendem oder zirkulierendem Wirbel-
bett)
• Staubfeuerungen.
434 1 Einführung in Polymer Engineering
1.7.1.6.2
Verbrennung in Kraftwerken
Bei der Verbrennung heizwertreicher Fraktionen in Kraftwerken kommen
Wirbelschichtfeuerungen oder Staubfeuerungen zum Einsatz [15]. Bei der Staub-
feuerung wird das Ausgangsmaterial aufgemahlen und durch einen Brenner
staubförmig in den Brennraum eingetragen, wo es in der Schwebe verbrennt.
Für die Vorbehandlung der Kunststoffe zum Zerstäuben in den Brennraum ist
entweder das Aufschmelzen oder das Aufmahlen zu Partikeln für den pneuma-
tischen Brennraum-Eintrag nötig. Kohle wird vor der Verbrennung in Staub-
feuerungen auf Korngrößen unter 100 µm aufgemahlen, um den vollständigen
Ausbrand sicherzustellen. Insbesondere bei Thermoplasten ist eine solche Fein-
zerkleinerung wegen der Erwärmung der Polymere durch mechanische Bean-
spruchungen problematisch. Beim Einsatz von Zyklonbrennkammern sind
größere Korngrößen bis zu mehreren Millimetern möglich, da durch die Brenn-
kammergeometrie eine erheblich längere Verweilzeit erzwungen wird [11].
1.7.1.6.3
Verbrennung in Müllverbrennungsanlagen
Ungefüllte und unverstärkte Kunststoffe weisen einen hohen Heizwert und ge-
ringe Feuchtegehalte auf, sodass sie bei geringen Temperaturen vergasen, schnell
zünden und verbrennen [18]. Der Heizwert der verstärkten Kunststoffe ist neben
der chemischen Zusammensetzung vom Anteil der mineralischen Füll- und Ver-
stärkungsstoffe abhängig. Eine Übersicht der Heizwerte verschiedener Materia-
lien gibt Tabelle 1-100.
Für die selbstgängige Verbrennung in Müllverbrennungsanlagen (MVA) ist
neben dem Heizwert der Feuchte- und Aschegehalt eines Materials maßgeblich,
sodass ab ca. 3,4 MJ/kg, einem Wassergehalt unter 50 % und einem Aschegehalt
unter 60 % mit selbstgängiger Brennbarkeit gerechnet werden kann [13].
Material Heizwert Hu
[MJ/kg]
PP (unverstärkt) 44
PE (unverstärkt) 43,3
PS 40
PVC 18–26
Glasmattenverstärkte Thermoplaste 30
Duroplaste (allgemein) 20
SMC/BMC (UP-GF) 10–12
Erd-/Heizöl 42
Steinkohle 29–30
Holz 15–17
Papier 13–15
Hausmüll 8,5
1.7 Kunststoffe und Bauteile – Umwelt und Recycling 435
1.7.1.7
Ausblick
Für die Kreislaufführung von Kunststoffen und kunststoffhaltigen Produkten ste-
hen eine Vielzahl technischer Optionen zur Verfügung, von denen jedoch ver-
gleichsweise wenige in Pilot- bzw. Produktionsanlagen umgesetzt wurden. Neben
der technischen Eignung von Verfahren sind vor allem die wirtschaftlichen und
politischen Rahmenbedingungen entscheidend für den Aufbau und Betrieb eines
Verfahrens der Kreislaufwirtschaft. In Bereichen, die von vorneherein direkte (vor
allem wirtschaftliche) Vorteile generieren, wie dies z.B. beim werkstofflichen Pro-
duktionsabfallrecycling meist der Fall ist, wurden und werden solche Verfahren
schnell umgesetzt und dauerhaft betrieben. Zusätzliche Schritte zur Kreislauf-
schließung wurden lange Zeit unter Betonung der ökologischen Dimension der
Nachhaltigkeit politisch gefördert. Hier zeichnet sich derzeit ab, dass eine Neube-
wertung der Aspekte der Nachhaltigkeit stattfinden könnte: Insbesondere der öko-
nomische Nachhaltigkeitsaspekt gewinnt in der politischen Diskussion zuneh-
mend an Bedeutung. Es kann erwartet werden, dass „Insellösungen“ für kleine
Materialströme aus einzelnen Anwendungen zukünftig kaum noch realisiert wer-
den, sofern kein ausreichendes gesellschaftliches Interesse daran besteht. Stattdes-
sen werden große, gleichartige Materialströme aus verschiedensten Anwendungs-
bereichen zusammengefasst und durch kostengünstige Verfahren (z.B. Hochöfen,
Vergasungs- oder Verbrennungsanlagen) mit hinreichender Kapazität und unter
Einhaltung ökologischer Rahmenbedingungen verwertet oder beseitigt werden.
[12] Kaminsky, W.: Pyrolyse von Kunststoffen in der Wirbelschicht. In: Sutter, H. (Hrsg.): Er-
fassung und Verwertung von Kunststoffen. EF-Verlag, Berlin, 1993, S. 187 – 201
[13] Thomé-Kozmiensky, K. J. (Hrsg.): Thermische Abfallbehandlung. EF-Verlag, Berlin, 1994
[14] Kaminsky, W., Sinn, H.: Verwertung von polymeren Abfallstoffen durch Pyrolyse. In:
Nachr. Chem. Tech. Lab. (Zeitschrift) 38 (1990), Nr. 3, S. 333 – 338
[15] Ministerium für Wirtschaft, Mittelstand und Technologie NRW, Initiativkreis Ruhrgebiet
(Hrsg.): ARiV III: Automobil-Recycling im Verbund. Bericht, Vertrieb durch Fa. OrgCon-
sult, Essen. 22.11.1994
[16] Pickering, S., Benson, M.: Recovery of Material and Energy from Thermosetting Plastics.
In: Neitzel, M., Lambert, J. C., Menges, G., Kelly, A. (Hrsg.): ECCM Recycling Concepts and
Procedures. Tagungsband, European Association for Composite Materials, September 22. –
23, 1993, Bordeaux/France, Cambridge, 1993, S. 41 – 46
[17] Forschungsvereinigung Automobiltechnik (FAT), Umweltbundesamt (UBA), Verband
kunststofferzeugende Industrie (VKE) (Hrsg.): Müller, H., Haberstroh, E.: Verwendung
von Kunststoff im Automobil und Wiederverwertungsmöglichkeiten. FAT-Schriftenreihe
Nr. 52.Frankfurt/Main, 1986
[18] Christmann, A., Keldenich, K.: Verbrennung. In: Tiltmann, K. O. (Hrsg.): Recyclingpraxis
Kunststoffe. Loseblattsammlung, Verlag TÜV Rheinland, Köln
1.7.2
Umweltbewertung und -bilanzierung von Kunststoffen
Marc-Andree Wolf
Im Zusammenhang mit dem Begriff „Bilanz“ wird man zuerst an die Betriebs-
wirtschaftslehre und z. B. das Gegenüberstellen von Einnahmen und Ausgaben,
Soll und Ist oder von Kosten und Nutzen denken. Bilanzen dienen so als
Entscheidungsgrundlage und Steuerungsinstrument und sind in der Regel auf-
wands- bzw. kostenorientiert.Werkstoff-, Prozess- und Produkt-Entscheidungen
wurden in der Vergangenheit vornehmlich unter technischen und wirtschaftli-
chen Aspekten getroffen. Die ökologischen Gesichtspunkte konnten nur punk-
tuell integriert werden. In dem Instrument der Ökobilanzierung (auch Lebens-
wegbilanzierung; engl. Life Cycle Assessment (LCA)) und ihrer Erweiterung zur
Ganzheitlichen Bilanzierung (engl. Life Cycle Engineering (LCE)) liegen inzwi-
schen leistungsstarke und praxiserprobte sowie in der ISO 14040ff normierte
Werkzeuge für diese Aufgabe vor. Ein weiterer Vorteil ist, dass diese Methode un-
abhängig von bestimmten Werkstoffen oder Produkten angewendet werden
kann und damit Vergleiche und Produktverbesserungen auch konkurrierender
Werkstoffe (z. B. Kunststoffe vs. Metalle; nachwachsende Rohstoffe vs. fossile
usw.) oder Technologien erlaubt. Professionelle Software-Werkzeuge mit um-
fangreichen Hintergrunddatenbanken sind in den letzten 15 Jahren immer wei-
ter entwickelt worden und erlauben die effiziente Durchführung von Studien
auch in der Produkt- und Verfahrensentwicklung im industriellen Kontext
ebenso wie Detailanalysen in der wissenschaftlichen Forschung.
1.7 Kunststoffe und Bauteile – Umwelt und Recycling 437
1.7.2.1
Ganzheitliche Bilanzierung
Für ein nachhaltiges Wirtschaften (sustainable development) ist es wichtig, u. a.
auch ökologische Entscheidungen zu treffen, ohne dabei die Wertschöpfung
oder die Anforderungen an das Erwirtschaftete zu vernachlässigen. Die Anfor-
derungen an das erwirtschaftete Gut können dabei technischer oder auch sozio-
ökonomischer Natur sein.
Ein ganzheitlicher Ansatz hat demnach das Ziel, Entscheidungen zu unter-
stützen bzw. Lösungswege aufzuzeigen, die technisch realisierbar, ökologisch
und gesellschaftlich vertretbar und ökonomisch sinnvoll sind. Bei der Identifi-
kation eines Gesamt-Optimums muss man sich der Wechselwirkungen zwi-
schen Ökologie, Ökonomie und Technik ständig bewusst sein. Eine ökologische
Optimierung darf beispielsweise nicht dazu führen, dass technische Mindestan-
forderungen nicht eingehalten werden oder das Gesamtobjekt nicht mehr finan-
zierbar ist.
Die Ganzheitliche Bilanzierung (GaBi) ist als Verknüpfung der drei Dimen-
sionen Technik,Wirtschaft und Umwelt zu sehen, Bild 1-233. Sie ist eine Methode
zur Erhebung, Dokumentation und Aufbereitung umweltlicher Parameter von
Produkten,Verfahren, Systemen oder Dienstleistungen auf der Basis technischer
und wirtschaftlicher Pflichtenhefte.
Die ökologischen Betrachtungen innerhalb dieses Spannungsfeldes entspre-
chen der Ökobilanz, die daher als Teilbereich der Ganzheitlichen Bilanzierung
betrachtet werden kann. Prinzipiell beruht das Konzept einer Ökobilanz auf fol-
genden Grundgedanken:
• Betrachtung des gesamten Lebenszyklus von der Rohstoffgewinnung und
Aufarbeitung, der Herstellung und Nutzung bis hin zu Recycling und Ent-
sorgung.
1.7.2.2
Aufbau von Ökobilanzen
Die Ökobilanz muss, wie auch in Bild 1-234 dargestellt, die Festlegung des Zieles
und des Untersuchungsrahmens, die Sachbilanz (Datenerhebung), die Wir-
kungsabschätzung (Wirkung der erhobenen Sachbilanzdaten auf die Umwelt)
und die Auswertung der Ergebnisse enthalten. Anwendungen von Ökobilanzen
wie die in Bild 1-234 angegebenen Beispiele liegen außerhalb des Anwendungs-
bereiches der internationalen Normung.
1.7.2.3
Zieldefinition und Untersuchungsrahmen
Der erste Schritt, der gleichzeitig auch die Weichen für den weiteren Verlauf der
Bilanz stellt, ist die Zieldefinition und Festlegung des Untersuchungsrahmens.
Bestimmte Randbedingungen werden erst transparent, wenn Erkenntnisinter-
esse und Aufgabe klar formuliert sind. Inhalt der Zieldefinition ist es, folgende
Punkte zu dokumentieren:
• Erkenntnisinteresse
• Gründe für die Durchführung
• Zielgruppe
Die Festlegung des Untersuchungsrahmens beinhaltet folgende Teile:
1.7.2.3.1
Funktionelle Einheit
Die funktionelle Einheit kennzeichnet die Funktion des betrachteten Produkts
und dessen Leistungsfähigkeit. Gleichzeitig dient die funktionelle Einheit als
Bezugseinheit für die ermittelten Umwelteinwirkungen. Sie soll die Vergleich-
barkeit unterschiedlicher Bilanzen gewährleisten. Neben Produkten kann die
funktionelle Einheit auch Dienstleistungen charakterisieren.
1.7.2.3.2
Systemgrenzen
Zur Herstellung von Produkten werden in der Regel eine Vielzahl von Stoffen be-
nötigt. Dies können Ressourcen, Vorprodukte, Betriebsstoffe, Energieträger etc.
sein. All diese Stoffe oder Produkte mussten in Vorstufen aufbereitet und herge-
stellt werden, wobei auch zu deren Aufbereitung und Herstellung wiederum
Stoffe und Energien benötigt wurden. Alle Glieder dieser Kette verursachen Ein-
wirkungen auf die Umwelt, die mit in Betracht gezogen werden müssen. Sicher
ist, dass bestimmte Inputströme keinen Einfluss auf das Ergebnis der Bilanz
mehr haben. Um die Bilanz nicht mit unwichtigen Daten zu überfrachten, die die
Qualität der Studie nicht weiter erhöhen, aber für einen erhöhten Bilanzie-
rungsaufwand sorgen, müssen Abschneidekriterien formuliert werden. Diese
Kriterien müssen so festgelegt sein, dass keine wichtigen Anteile der Umweltbe-
einflussung vernachlässigt werden.
440 1 Einführung in Polymer Engineering
1.7.2.3.3
Datenqualität
Für alle untersuchten Module muss die Datenqualität sichergestellt werden. An-
hand der Eingangsstoffe in einen Prozess und der speziellen Prozessart kann
eine Überprüfung von Vollständigkeit und Plausibilität erfolgen, z. B. durch
stöchiometrische Rechnungen oder durch den Vergleich der Daten mit
veröffentlichten Statistiken. Werden Ersatzwerte oder Schätzungen verwendet,
sind diese Werte als solche auszuweisen und zu begründen. Getroffene Annah-
men sind zu erläutern.
1.7.2.4
Sachbilanz
Vor der eigentlichen Datenaufnahme sind die notwendigen Regeln zur Daten-
verrechnung und Bilanzerstellung festzulegen und zu dokumentieren. Wichtige
Punkte, die einen großen Einfluss auf das Ergebnis haben können und auf unter-
schiedliche Weise in eine Bilanz einfließen können, sind z. B. die Behandlung von
Sekundärrohstoffen, die Betrachtung von Koppel- und Nebenprodukten sowie
die Anwendung von Verteilungsregeln.
Die Hauptaufgabe einer Sachbilanz besteht in der Quantifizierung von Input-
und Outputströmen über den gesamten Lebenszyklus eines Produktes. In Bild
1-235 ist eine Auswahl oft wichtiger Input- und Outputströme dargestellt. Es wird
zwischen verknüpften und unverknüpften Strömen unterschieden:
Bild 1-235. Beispiele für Input- und Outputströme entlang des Produktlebenszyklus
1.7 Kunststoffe und Bauteile – Umwelt und Recycling 441
Unverknüpfte Ströme (Elementarströme) stellen die Flüsse dar, die aus der
Quelle „Erdkruste“ entnommen werden oder in die Senke „Umwelt“ abgegeben
werden.
Verknüpfte Ströme sind solange mit vorgelagerten Prozessen der Herstellung
bzw. mit noch folgenden Prozessen zur Weiterverarbeitung in Beziehung zu set-
zen, bis nur noch unverknüpfte Ströme die Bilanzgrenze überschreiten.
Die modulare Untergliederung ermöglicht es, diese Ströme und somit Um-
welteinwirkungen konkret einzelnen Prozessschritten zuzuordnen und den Ver-
ursacher zu identifizieren. Erst auf dieser Basis ist eine Analyse von Schwach-
stellen und das Erkennen von Verbesserungspotenzialen möglich. In manchen
Fällen lassen sich schon aus den Sachbilanzdaten unter Berücksichtigung der
Zieldefinition erste Schlüsse ziehen.
1.7.2.4.1
Verteilung (Allokation)
Die Frage der Verteilung, auch als Allokation bezeichnet, stellt sich immer dann,
wenn in einer Produktion oder einem Prozessschritt mehrere Produkte erzeugt
oder neben dem Hauptprodukt Nebenprodukte oder Abfälle zur Verwertung an-
fallen. Es gilt nun, die durch die Produktion entstandenen Aufwendungen und so-
mit auch die Auswirkungen auf die Umwelt auf die einzelnen Produkte oder Ne-
benprodukte zu verteilen. Wichtig bei der Auswahl des Verteilungsverfahrens ist,
dass die Art der Verteilung die Prozessintention oder den Prozesszweck wider-
spiegelt. Das heißt, dass dem Hauptprodukt auch die Hauptlasten zugeschrieben
werden. Die Wahl des Verteilungsverfahrens ist in jedem Fall zu dokumentieren.
Können einzelne Produktlinien aus einem Produktsystem modular ausge-
gliedert werden, so wird keine Verteilung durchgeführt. Dies setzt allerdings
voraus, dass sämtliche Input- und Outputströme eindeutig den Einzelprozessen
zugeordnet werden können.
Verteilung stellt immer eine Form der Bewertung dar. Je nach Verteilung kön-
nen unterschiedliche Bilanzergebnisse entstehen. Falls es nicht augenfällig ist,
welches Verteilverfahren das Geeignete ist, sind die in Frage kommenden anzu-
wenden und die Auswirkungen anhand einer Sensitivitätsanalyse darzustellen.
1.7.2.4.2
Recycling
Die Behandlung von Recyclingströmen in der Ökobilanz stellt im Grunde eine
Frage der Verteilung dar, da durch einen Recyclingprozess beeinflusst wird, ob
und in welchem Maße Belastungen aus der Primärherstellung eines Stoffes dem
Rezyklat zugewiesen werden können und so ein Teil der primären Aufwendun-
gen an einen weiteren Lebenszyklus „weitergegeben“ werden können. Es gilt all-
gemein, dass alle Materialströme, die die Systemgrenze überschreiten, berück-
sichtigt werden müssen.
Eine oftmals angewendete Methode, um den Systemraum von weiteren
Lebenszyklen der Sekundärrohstoffe freischneiden zu können, ist die Vergabe
442 1 Einführung in Polymer Engineering
von Gutschriften für alle Stoffe und Energien, die aufgearbeitet in einen neuen
Lebenszyklus eintreten. Die Sekundärrohstoffe aus dem Recycling substituieren
Stoffe und Energien, die ansonsten aus Primärrohstoffen hergestellt worden
wären. Die Herstellung aus den Primärrohstoffen wird also vermieden und kann
dem betrachteten System gutgeschrieben werden. Dieses Vorgehen entspricht ei-
ner Systemraumerweiterung.
1.7.2.5
Wirkungsabschätzung
In der Wirkungsabschätzung werden die Daten der Sachbilanz auf Umwelt-
wirkungen abgebildet, um Aussagen über die Gesamtwirkung treffen zu können.
Die in der Sachbilanz erhobenen Daten stellen daher die Grundlage für die
Wirkungsabschätzung dar. Untersucht wird hierbei die potentielle Umweltbe-
einflussung (wie z. B. Klimaveränderung, Ozonabbau, saurer Regen), die von den
über den gesamten Lebenszyklus auftretenden Input- und Outputströmen ver-
ursacht wird.
Innerhalb der Wirkungsabschätzung werden die Schritte Klassifizierung,
Charakterisierung und Gewichtung unterschieden. Die Klassifizierung und
Charakterisierung stellen den objektiven Teil der Wirkungsabschätzung dar, der
auf naturwissenschaftlichen Grundlagen beruht. Im Rahmen der Klassifizie-
rung werden die auf die Umwelt einwirkenden Stoffe entsprechend ihrer poten-
tiellen Wirkung in Wirkkategorien zusammengefasst. Innerhalb der Wirkungs-
kategorien werden die Sachbilanzdaten derart weiter modelliert, dass das cha-
rakteristische Wirkpotential des berechneten Stoffes ermittelt und den jeweili-
gen Wirkkategorien angerechnet wird. Dieser Schritt wird als Charakterisierung
bezeichnet.
Im Zuge der Gewichtung können in besonderen Fällen die Ergebnisse in Be-
zug auf die Priorisierung der Umweltwirkungen zusammengefasst werden, um
leichter mit anderen Ergebnissen verglichen werden zu können. Dies stellt eine
subjektive Bewertung dar.
1.7.2.5.1
Auswahl der Wirkkategorien
In der Norm ISO 14042 werden keine Wirkkategorien zur Verwendung vorge-
schrieben. Es werden vielmehr Anforderungen an deren Auswahl gestellt. Die
Auswahl der Wirkkategorien sollte sich generell an den Schutzzielen der Nach-
haltigkeit und der Ressourcenschonung, dem globalen Schutz der Ökosphäre,
dem Schutz der menschlichen Gesundheit und der Stabilität der Ökosysteme
orientieren.
Die Methodik zur Wirkungsabschätzung befindet sich wie erwähnt für einige
Umweltwirkungen noch in der Phase der Entwicklung. Dies gilt insbesondere
für die Toxizitätspotentiale (Humantoxizität HTP, Aquatische Ökotoxizität
AETP, Terrestrische Ökotoxizität TETP) und Naturrauminanspruchnahme bzw.
Flächeninanspruchnahme.
1.7 Kunststoffe und Bauteile – Umwelt und Recycling 443
1.7.2.6
Auswertung und Interpretation
Im Rahmen der Auswertung werden die Ergebnisse der Wirkungsanalyse und
Sachbilanz analysiert und daraus Schlussfolgerungen und Empfehlungen abge-
leitet. Ein weiterer Aspekt ist die transparente Darstellung der Resultate der Öko-
bilanz. Die Norm ISO 14043 gliedert die Interpretationsphase in drei Abschnitte:
• Ermittlung der Kernaussagen
• Bewertung
• Ergebnisdarstellung
Um die Kernaussagen zu erhalten, sind die Hauptbeiträge je Wirkungskategorie
(welche Prozesse und welche Emissionen sind je Kategorie dominant?) zu er-
mitteln. Relevante Sachbilanzdaten, die nicht über Wirkkategorien erfasst wer-
den, sind in die Betrachtung zu integrieren. Anhand der Ergebnisse lassen sich
nun die Kernaussagen formulieren, da erkannt werden kann, welche Prozesse
oder Lebensphasen dominant sind.
Zur Bewertung ist nach Norm eine Überprüfung der Vollständigkeit, der
Sensitivität und der Konsistenz der erkannten Prozesse oder Lebensphasen
durchzuführen. Die Vollständigkeit kann durch Massen- der Energiebilanzen
überprüft werden. Die Sensitivität kann durch Szenarienbildung unterschied-
licher Prozesse oder Parameterwahl ermittelt werden. Die Auswirkungen der
unterschiedlichen Annahmen auf das Endergebnis stellt die Sensitivität dar.
Es ist sicherzustellen, dass die zur Interpretation notwendigen Informationen
und Daten vollständig vorhanden sind. Ebenso ist zu überprüfen, inwieweit
444 1 Einführung in Polymer Engineering
Unsicherheiten, etwa durch das Abschätzen von Daten bei Datenlücken, das Er-
gebnis beeinflussen können. Diese Unsicherheiten können durch Berechnung
eines Minimal-Maximal-Intervalls, das die möglichen Extremfälle berücksich-
tigt, und dessen Auswirkungen auf das Endergebnis ermittelt werden.
Die Überprüfung der Konsistenz in der Vorgehensweise soll zum einen die
Übereinstimmung mit der Zieldefinition gewährleisten und zum anderen si-
cherstellen, dass Methodik und Regeln konsequent angewandt wurden.
Im Anschluss findet sich einige Literatur zum Vertiefen.
1.8
Ausblick zu Polymer Engineering
1.8.1
Werkstoffherstellung, Synthese
Die Tendenz der vergangenen Jahrzehnte setzt sich angesichts der Auflösungser-
scheinungen der Kunststoffchemie in Zukunft fort: Neue Kunststoffe werden
kaum noch synthetisiert. Sofern große Absatzmengen locken, wird es höchstens
Mischungen aus bekannten Polymeren (Copolymerisationen, Blending) geben.
Neue Katalysatorsysteme, wie etwa die Metallocen-Technologie, auch deren
Weiterentwicklung, sind zu erwarten. Mittelfristig wird es mehr Polymerisatio-
nen in Wasser und in Masse oder längerfristig auch in supercritical fluids (SCF)
anstelle in Lösemittel geben. Eine Reduktion von Rückständen des Monomeren,
Lösemittels und Zusätzen wie Emulgatoren wird das Ziel sein, sofern die Syn-
thesekosten dabei auch gesenkt werden. Dies geschieht ohnehin permanent
durch Verfahrensanalysen.
Insgesamt wird die Reduktion von Nebenprodukten (100 Prozent Umsatz)
oder deren Verwertung ein Entwicklungsthema sein. So werden Rezepturen für
Polymere angestrebt, die migrationsfreie, halogenfreie und wieder verwertbare
Produkte (schwermetallfreie Additive) liefern.
Ein absehbarer großer Schritt in Richtung der Synthese von biobasierten Po-
lymeren – weg vom Erdöl, hin zu Zucker, Cellulose, Stärke, Ölen und Fetten oder
Lignin als Rohstoff – wird die Polymerchemie verändern.
1.8 Ausblick zu Polymer Engineering 445
1.8.2
Werkstoffeigenschaften
Die Vision der variabel, im Betrieb über Sensoren einstellbaren Eigenschaften
von Kunststoffen wird mittel- bis langfristig Realität werden.
Funktions-, Struktur- und Gradientenwerkstoffe im Polymer Engineering
verbreitern ihre Anwendungen. Weitere Entwicklungen, insbesondere im auto-
mobilen Umfeld, zielen auf
• höheres Energieaufnahmevermögen in der Kälte
• schadenstolerante Werkstoffe
• verbessertes Brandverhalten (Toxizität, Rauchgase)
• umweltgerechtere Schäumsysteme
• Kombination von Werkstoffen (Hybridsysteme)
• hohe örtliche elektrische Leitfähigkeit
• emissionsfreie Kunststoffe
• kratzfest beschichtete Kunststoffscheiben
• Polymere LED
• flächige Leuchtdioden zur Illumination
• Flüssigkristall-Bildschirm-Anwendungen
• Eigenschaftsverbesserungen durch Nanopartikel und Nanocomposites
1.8.3
Verarbeitung, Verfahrenstechnik
Der Trend zur Kombination von verschiedenen Verarbeitungstechniken mit In-
tegration von Funktionen in Kunststoff- oder Hybridbauteile wird sich dyna-
misch aus Kostengründen fortsetzen. Die grossserienfähige Verarbeitung von
thermoplastischen langfaserverstärkten Verbundwerkstoffen mit örtlicher Ge-
webe- oder Kohlenstofffaserverstärkung wird sich kurzfristig auch in laufende
Serien eindrängen. Eine kostengünstigere, qualitätssicherere Duroplastverar-
beitung (SMC) ist in drei Jahren zu erwarten. Andere reaktive Verarbeitungen
wie Polyamid aus Caprolactam, PUR-RIM/RRIM und SRIM 20, RTM und TRTM 21
sowie Extrusion lassen deutliche Fortschritte erwarten.
Darüber hinaus werden integrierte Prozesse (Reaktion + Compoundierung +
Formgebung), die auf der Kombination verschiedener Verfahrensschritte basie-
20
PUR-RIM/RRIM … Polyurethan-Reaction Injection Molding/Reinforced RIM; SRIM … Po-
lyurethan-Reaction Injection Molding/Structural RIM.
21
RTM … Resin Transfer Molding (mit Duroplasten); TRTM … Thermoplastic RTM.
446 1 Einführung in Polymer Engineering
1.8.4
Werkzeugtechnik
Werkzeugfallende Produkte und Komponenten (Integration von Produktions-
folgeschritten in das Ur- oder Umformwerkzeug) wie Instrumententafel, Schein-
werfer, Türkonzepte, Stoßfänger u. a. werden von der Vision zur Kleinserie und
später zur Großserie gelangen. Dazu gehören nacharbeitsfreie Werkzeugsysteme
einschließlich der praxisnahen Vorhersage des Formfüllvorganges für neu ent-
wickelte (kombinierte) Verarbeitungstechniken.
1.8.5
Konstruktion, Berechnung
Dimensionier- und Konstruktionsmethoden innerhalb des Simultaneous En-
gineering werden weiter verfeinert.
Beispielsweise wird die Berechnung von Schwindung und Verzug bei
(lang)faserverstärkten Kunststoffen erarbeitet und dem Verarbeiter und Bautei-
lentwickler angeboten werden. Das Gleiche gilt für die bessere Berücksichti-
gung des anisotropen und viskoelastischen Werkstoffverhaltens. Die Erstellung
und Erweiterung von FE-Modellen für die Berechnung (mit rationellem Über-
gang von CAD zu FE-Modellen) werden die Folge sein, einschließlich computer-
unterstützter Suche nach masseoptimierten Konstruktionen bei Vorgabe von
Konstruktionsvariablen. Die Miniaturisierung und Modulbauweise von Kompo-
nenten schreitet voran bei Wanddickenreduktion, Geräuschdämmung und lös-
baren Verbindungen. Die Vorausberechnung des akustischen Verhaltens von
Formteilen und Komponenten wird Standard werden. Kostengünstige Montage
und Verbindungstechnik bleibt eine Dauerforderung.
Rapid Prototyping (seriengleich Funktionsteile) und Rapid Tooling gewin-
nen weiter an Bedeutung.
Folgende Forderungen des Kunden bestimmen beim Automobil die kom-
menden Jahre:
• Leichtbau (Verbrauch geht in Richtung 3 l/100 km)
dadurch
– mehr Kunststoffanwendungen im Motorbereich,Antriebsstrang, Fahrwerk
– Dachmodule
– Unterbodenmodule mit thermischem Schutz
– Kabelbäume durch Bordnetze ersetzen (drive by wire)
– Hybridbauweisen aus Metallen und Kunststoffen/Faserverbundwerkstof-
fen
1.8 Ausblick zu Polymer Engineering 447
1.8.6
Oberflächentechnik
Wirtschaftlichere und umweltgerechtere Oberflächentechniken wie beispiels-
weise durchgefärbte Produkte, hinterspritzte bzw. -prägte Folien (polierbar im
Außenbereich) werden in die Großserie einziehen.
Die überzogenen Ansprüche an Class-A-Oberflächen wird der Kunde nicht
mehr bezahlen wollen. Die Integration des Lackierprozesses in das Werkzeug-
system trifft das Kostenbewusstsein vieler Verbraucher.
Visionen bleiben:
• Folien ersetzen lackierte Flächen
• selbst reinigende Oberflächen
• über Sensoren gesteuerte variable Farbanpassung der Außenhaut an die Um-
gebung (helle Farben in der Dämmerung, reflektierende Folien in der Nacht,
grelle Elemente bei drohendem Unfall)
• selbst heilende Oberflächen
1.8.7
Qualitätsmanagement
In-line-Prüftechniken (bevorzugt zerstörungsfrei) während der Synthese und
vor allem der Verarbeitung werden eine Null-Fehler-Qualität garantieren und
Serienstreuungen extrem einengen (durch noch intelligentere Steuer- und Re-
gelsysteme während des Verarbeitungs- und Montageprozesses).
Vor allem werden dadurch teuere Rückrufaktionen deutlich minimiert und
Reparaturkosten gedrückt. Die Lebensdauer von Produkten wird besser vorher-
sagbar.
Der Einsatz von Faserverbundstrukturen in der tragenden Struktur von Au-
tomobilen (Leichtbau) bedingt einfache, praxistaugliche zerstörungsfreie Prüf-
methodiken für Reparaturbetriebe. Hier besteht noch großer Forschungs-
bedarf.
1.8.8
Serienfertigung
Serienanläufe sind seit Jahrzehnten schon immer die Stunde der Wahrheit. Zeit
und Kosten sind jedoch in jüngster Vergangenheit wettbewerbsentscheidene
448 1 Einführung in Polymer Engineering
1.8.9
Umweltaspekte, Recycling, Entsorgung
Als Schwachstellenanalyse während der Produktentwicklung hat sich die Ganz-
heitliche Bilanzierung (technisch, wirtschaftlich, umweltlich) in Konzernen
durchgesetzt. Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sind noch zu gewinnen.
Kosten und Handhabbarkeit des Instrumentariums Ganzheitliche Bilanzierung
sind dazu weiter zu senken und zu verbessern. Risikomanagement, wirtschaft-
liche Fragestellungen, vor allem Kosten, sowie soziale Aspekte werden inte-
griert.
Produktentwicklung muss sich noch mehr um die Reduktion von Logistik
und damit von Mengenströmen kümmern.
Ein wirtschaftliches Stoff-Recycling ist bei hohem Rohölpreis vorstellbar. Die
Beherrschung kritischer Schadstoffe insbesondere bei der energetischen Ver-
wertung und Beseitigung (Additive, Stäube, Emissionen) ist weiter zu optimie-
ren.
Werkstoffe und Verfahren sind zukünftig stärker im Zusammenhang mit ei-
ner weltweiten nachhaltigen Entwicklung zu sehen.
1.8.10
Ausbildung
Ein Ausblick über Polymer Engineering wäre ohne Reflexionen zur Ausbildung
höchst unvollständig. Daher hierzu einige knappe Informationen. Eine Studie
der Technischen Akademie Baden-Württemberg [8, 9] ergab verkürzt bei einer
Umfrage unter Ingenieuren im Beruf als Antworten auf die Frage „Wie beurtei-
len Sie rückblickend die Qualität Ihrer Ausbildung?“:
Die Ausbildung an deutschen Schulen und Hochschulen ist
• praxis- und berufsfern
• zu abstrakt und theoretisch
• nicht teamorientiert.
Um diesen Nachteilen entgegenzuwirken integriert TheoPrax [10, 11] seit 1996
Projekte aus der Wirtschaft in die Lehre an Schulen und Hochschulen und be-
treibt Lehrerfortbildungen [12].
1.8 Ausblick zu Polymer Engineering 449
Synthetische Kunststoffe
2.1
Thermoplastische Polymere
Polyolefine (PO)
2.1.1
Polyolefine (PO)
Die Geschichte der Polyolefine begann am 27. März 1933 in den Laboratorien der
ICI, als R. O. Gibson bei einer mit Ethylen und Benzaldehyd durchgeführten
Reaktion (170 °C, 1400 bar) auf der Innenwandung des Autoklaven einen
weißen, wachsartigen Belag entdeckte, der sich als Polyethylen erwies. Nach
vielen Fehlschlägen führte erst im Dezember 1935 ein Versuch – und zwar nur
dank eines undicht gewordenen Autoklaven – zur Gewinnung von 8 g Polyethy-
len. Die entwichene Ethylenmenge wurde durch frisches Ethylen ersetzt, das
zufällig die zur Auslösung der Polymerisation richtige Sauerstoffmenge enthielt.
Am 3. September 1939 lief eine 200-t/a-Anlage an. Dieser verlustarme Isola-
tionswerkstoff spielte in der Radartechnik der Alliierten im Zweiten Weltkrieg
eine entscheidende Rolle. Mit der Umstellung der amerikanischen Kriegs-
produktion auf den zivilen Bedarf begann der einmalige Siegeszug des sog.
Hochdruckpolyethylens.
Wenige Jahre danach erzielte die inzwischen weltweit betriebene Polyolefin-
chemie neue bahnbrechende Erfolge. Der Phillips Petroleum Comp., die Stan-
dard Oil of Indiana und K. Ziegler vom Max-Planck-Institut für Kohleforschung
in Essen-Mühlheim gelang 1953 in kurzem zeitlichen Abstand die Niederdruck-
polymerisation von Ethylen. G. Natta, Mailand, fand auf der Grundlage der
Zieglerschen Arbeiten Wege, auch die höheren a-Olefine zu polymerisieren
und durch die Wahl spezifisch wirkender Katalysatoren und entsprechender
Prozessführung die sog. stereoregulierte Polymerisation von Propylen und
Buten-1 durchzuführen. ICI ergänzte im Jahre 1967 das Sortiment durch das
transparente Poly-4-methylpenten-1 (PMP), das heute nur noch in Japan her-
gestellt wird.
Im Jahre 1977 berichtete die Union Carbide Corp. (UCC), dass es ihr gelungen
sei, nach ihrem für PE-HD entwickelten Gasphasen-Verfahren auch ein lineares
Niederdruckpolyethylen (PE-LLD) niedriger Dichte herstellen zu können.
Damit gewann eine bereits seit Mitte der 60er-Jahre – Du Pont Canada
(Sclair) und 1970 (Phillips) – bekannte, jedoch wenig beachtete neue PE-Familie
weltweit das Interesse von Forschung und Entwicklung.
Polyolefine (PO)
2.1.1.1 Polyethylen (PE) 455
2.1.1.1
Polyethylen (PE)
Wie gezeigt, ist bei den Polyolefinen, insbesondere bei Polyethylen, die Vielfalt
der Typen, je nach Herstellverfahren, strukturellem Aufbau und den dadurch
bedingten Eigenschaften so groß, dass vor der eingehenden Behandlung
zunächst ein Gesamtüberblick die Orientierung erleichtern möge.
Bild 2-1 zeigt die wichtigsten Gruppen der Polyethylenreihe. Sie unterschei-
den sich u. a. durch Anzahl und Länge ihrer Seitenverzweigungen. Diese wirken
sich auf den möglichen Abstand der einzelnen Makromolekülketten voneinan-
der und damit auf Kristallinität und Dichte des PE-Typs aus, Bild 2-2. Nicht alle
Makromoleküle ordnen sich beim Erkalten aus der Schmelze streng linear. Zwi-
schen den kristallinen Bereichen befinden sich „gestaltlose“ amorphe Zonen,
wie Bild 2-3 zeigt [1].
■ Herstellverfahren: PE-LD
Das PE niederer Dichte (PE-LD) wird nach zwei Verfahren, dem Autoklaven (ICI) –
und dem Röhrenreaktorverfahren (BASF) hergestellt. Diese Hochdruckverfah-
ren arbeiten mit Drücken von 1000 bis 3000 bar und Temperaturen von 80 bis
300 °C. Als Katalysator dienen Sauerstoff oder Peroxid. Unter den gegebenen
Reaktionsbedingungen entstehen verzweigte Polyethylenmoleküle mit Seiten-
ketten unterschiedlicher Länge. Daraus resultieren Kristallinitätsgrade von 40
bis 50 % und Dichten von 0,915 bis 0,935 g/cm3.
Bild 2-1. Schematische Darstellung der unterschiedlichen Strukturen und Verzweigungen bei
Polyethylen (s. a. Kapitel 1.3.1)
Polyolefine (PO)
456 2 Synthetische Kunststoffe: 2.1 Thermoplastische Polymere
PE-LLD
Zur Herstellung von PE-LLD haben sich vier Verfahren durchgesetzt [2].
Um Produkte im Dichtebereich des PE-LD und PE-MD (0,917 bis 0,939 g/cm3)
herzustellen, sind höhere a-Olefine als Comonomere erforderlich. Bevorzugt
werden a-Olefine von C4 bis C8 bzw. deren Isomere (z. B. 4-Methylpenten-1)
sowie Mischungen davon verwendet. Die Anteile betragen 5 bis 10 %.
PE-HD
Im Hinblick auf das Katalysatorsystem wird PE-HD bis heute vorwiegend nach
zwei Verfahren hergestellt:
• Beim Ziegler-Verfahren dienen Titanhalogenide, Titanester und Aluminium-
alkyle als Katalysator (z. B. Titantetrachlorid mit Aluminiumtriethyl als Coka-
talysator).
• Das Phillips-Verfahren arbeitet mit einem Chromoxidkatalysator.
In allen Fällen wird – verglichen mit dem Hochdruckverfahren – bei niedrigen
Drücken gearbeitet. Das Ziegler-Verfahren arbeitet bei Drücken von 1 bis 50 bar
und Temperaturen von 20 bis 150 °C, das Phillips-Verfahren bei Drücken von 30
bis 40 bar und Temperaturen von 85 bis 180 °C. Verfahrenstechnisch wird nach
dem Suspensions-, Lösungs-, Gasphasen- und Masseverfahren mit jeweils unter-
schiedlichen Drücken und Temperaturen gearbeitet.
Unter diesen Bedingungen werden die Ethylenmoleküle in einer anionischen
Polymerisation zu weitgehend linearen, d. h. wenig verzweigten Makromo-
lekülen verbunden.
Der niedrige Verzweigungsgrad des PE-HD führt zu einem höheren Kris-
tallinitätsgrad (60 bis 80 %) und demgemäß zur höheren Dichte von 0,942 bis
0,965 g/cm3.
PE-MD
Das PE mittlerer Dichte (0,925 – 0,935 g/cm3) kann durch Mischen von PE-LD
und PE-HD oder unmittelbar als ein copolymeres PE-LLD hergestellt werden
(siehe oben).
PE-HD-HMW
Das Niederdruckpolyethylen hoher Dichte und hoher molaren Masse wird nach
dem Ziegler-, Phillips- oder dem Gasphasenverfahren hergestellt. Bei den Typen
hoher Dichte handelt es sich um Homopolymere, bei mittlerer Dichte (0,942 –
0,954 g/cm3) um Copolymere mit Buten, Hexen oder Octen.
PE-HD-UHMW
Dieses mit modifizierten Ziegler-Katalysatoren hergestellte PE-HD weist im
Unterschied zum PE-HD-HMW (MW 200 000 bis 500 000) eine molare Masse
von 3 · 106 bis 6 · 106 (g/mol) auf (Dichte 0,93 – 0,94 g/cm3). Das bisher nur durch
Preßsintern verarbeitbare Material wurde 1986 durch einen spritzgießbaren Typ
(Hostalen GUR 812) ergänzt.
dungsgebiete sind in Bild 2-4 hervorgehoben. Die enge Verteilung und die feh-
lenden Langkettenverzweigungen bei PE-LLD erschweren die Verarbeitbarkeit,
wie die Viskositätsfunktionen in Bild 2-5 zeigt. Während sich die Entwicklung
bei PE-LD vorwiegend auf das Optimieren der Wirtschaftlichkeit der Herstel-
lung, das Anheben der Dichte sowie das Erhöhen der Kälteschlagzähigkeit durch
Copolymerisieren mit Vinylacetat (EVA) erstreckt, wird bei PE-LLD; wie im
Übrigen auch bei PE-HD, die Herstellung sogenannter bimodaler Typen, d. h. PE-
Species mit zwei gegeneinander versetzten Molmasseverteilungskurven aktuell,
Bild 2-6. Diese Produkte führen bei PE-LLD zu gut verarbeitbaren, hochzähen
Folien und bei PE-HD zu den besten der bisher hergestellten Rohrtypen (z. B.
Hostalen GM 5010 T 3). Das hierfür bevorzugte Herstellverfahren arbeitet mit
Zweistufenreaktoren (Montell, UCC; Hoechst [4], BASF, Borealis [5]).
Die bisher auf Octen als Comonomer basierenden PE-LLD Folien wurden von
Mobil, UCC und Novacar auf Hexen umgestellt, was eine Reduzierung der Wand-
dicke bei gleichbleibender Festigkeit ermöglichte.
Inzwischen eröffnen die in langjähriger Forschungsarbeit entwickelten Metallo-
cen-Katalysatoren neue Perspektiven für Polyethylen (und nicht minder auch für
Polypropylen). Die neuen Produkte können in vorhandenen Anlagen hergestellt
werden. Die wichtigsten Metallocen-Katalysatoren für Polyolefine sind in Bild 2-7
zusammengestellt. Sie besitzen nur ein einziges aktives Zentrum – ein wesentlicher
Unterschied zu den Z/N-Katalysatoren, Bild 2-8. Der gebräuchlichste Katalysator
für Ethylen besteht aus einem zwischen zwei Cyclopentadienylringen gelagerten
Zirkon-Atom, das zunächst zwei Chloratome als Liganden bindet. Durch Reaktion
mit dem Cokatalysator Methylalumoxan (MAO) entstehen hocheffiziente, stereose-
lektive Katalysatorsysteme. Die verbrückten Systeme (Mitte) werden für die stereo-
selektive Polymerisation von Propen eingesetzt.Das System rechts mit dem unteren
Katalysator führt zur „Insite“ Technologie der Dow Chemical [6].
Die Wirkungsweise der Z/N- und der Metallocen-Katalysatoren zeigt Bild 2-9
am Beispiel zweier PE-LLD (Hexen-)-Copolymere.
Inzwischen eröffnen einige auf Metallocen-Katalysatoren (siehe auch Kapitel
1.2.3.1) basierende Polymerisationsverfahren für Ethylen (BASF, Dow, Exxon,
Bild 2-9. Verteilung von Molmasse und Verzweigungsgrad mit Z/N- bzw. Metallocen-Katalysa-
toren hergestellter PE-LLD-Typen (s. a. Kapitel 1.3.1.1)
Polyolefine (PO)
2.1.1.1 Polyethylen (PE) 461
Mitsui) und Propylen (Hoechst, BASF, Mitsui, Toatsu und Fina) neue Wege zur
Steigerung der Kapazität vorhandener Polymerisationsanlagen und Herstellung
neuartiger PE- und PP-Typen, die dank ihres Eigenschaftsbildes sowohl an die
Stelle von PVC-P, EVAC, EPDM und sogar einiger technischer Kunststoffe treten
können. Damit kündigen sich für die kommenden Jahre am Polyolefinmarkt
große Veränderungen an [7].
2.1.1.1.1
PE-LD und PE-HD
■ Allgemeine Stoffbeschreibung
Die nach den genannten Verfahren als Homo- und Copolymere niederer (LD),
mittlerer (MD) und höherer (HD) Dichte mit niederer, mittlerer, hoher (HMW)
oder sehr hoher (UHMW) molaren Masse (MW), einer engen oder breiten
Verteilung der molaren Masse herstellbaren Polyethylene beschränken sich
keineswegs auf diese Typen allein. Es kommen hinzu die Polymermischun-
gen (Polymerblends), die gefüllten, verstärkten, vernetzten, UV-beständigen,
schäumbaren, antistatisch, flammwidrig, mit Antiblock- und Gleitmittel verse-
henen, die elektrisch leitfähigen sowie nicht zuletzt die eingefärbten Typen. Das
ergibt eine nahezu unüberschaubare Vielfalt, die näher zu beschreiben ist. Zur
Orientierung seien die kennzeichnenden Eigenschaften eines Standardpoly-
ethylens vorangeschickt:
• niedrige Dichte im Vergleich mit anderen Kunststoffen,
• hohe Zähigkeit und Reißdehnung,
• sehr gute elektrische und dielektrische Eigenschaften,
• sehr geringe Wasseraufnahme,
• geringe Wasserdampfdurchlässigkeit,
• hohe Beständigkeit gegen den Angriff durch Chemikalien,
• die Beständigkeit gegen Spannungsrissbildung nimmt mit der molaren Mas-
se zu, Copolymere sind beständiger als Homopolymere,
• gute Ver- und Bearbeitbarkeit.
Demgegenüber weist das PE-HD (Linear-PE, Hart-PE) nach Ziegler oder Phil-
lips nur 3 bis 5 Verzweigungen je 1000 C-Atome auf. Das PE-LLD (Linearpoly-
ethylen niederer Dichte) ist demgegenüber ohne Verzweigungen.
Der Verzweigungsgrad (und damit die Dichte) der Polyethylene kann gesteu-
ert werden. Beim PE-LD geschieht dieses durch Variation der Reaktionsbedin-
gungen. Beim PE-HD werden Verzweigungen durch Zufügen geringer Anteile
von Comonomeren, beispielsweise C4 bis C8-Olefinen bewirkt.
Einen zusammenfassenden Überblick über die Abhängigkeit der kennzeich-
nenden Eigenschaften vom molekularen Aufbau vermittelt Tabelle 2-1 [3].
■ Zusatzstoffe
Funktions-Zusatzstoffe: Antioxidantien, UV-Stabilisatoren, Antiblockmittel,
Antislipmittel, Antistatika, Brandschutzmittel, Farbmittel, Treibmittel (siehe
Abschn. 1.3.5.1).
Füllstoffe: Kreide, Talkum, Glimmer, Kaolin, Kieselsäure, Wollastonit, Alumini-
umtrihydrat, Holzmehl, Schwermetallpulver, Bariumferrit (siehe Abschn. 1.3.5.2).
Verstärkungsstoffe: Glasfasern, Wollastonit (siehe Abschn. 1.3.5.3 und Tabelle 2-2.
Tabelle 2-2 vermittelt einen Überblick über den Einfluss des Füllens und Verstär-
kens von Polyethylen niedriger und hoher Dichte sowie von Polypropylen [8]).
■ Sortiment
Für die vielseitigen Anwendungsmöglichkeiten dieses bedeutendsten Standard-
kunststoffs steht ein reichhaltiges Sortiment zur Verfügung, dessen Typen sich
nach Eigenschaften und Verarbeitbarkeit voneinander unterscheiden. Dabei
führt die konsequente Nutzung der erwähnten Zusatzstoffe, das Copolymerisie-
ren von Ethylen mit anderen Monomeren oder das Mischen von Polyethylen mit
meist bedingt verträglichen anderen Polymeren zu sog. Polymerblends und
nicht zuletzt das Kombinieren mit anderen Werkstoffen zu leistungsfähigen
Werkstoffverbunden, häufig zu neuen, bis dahin nicht genutzten oder sogar
gänzlich neuen Anwendungen (Polymergemische nach DIN 16780, T. 1 (01.88)).
■ Lieferformen
Polyethylen wird vorwiegend in Form von naturfarbenem oder farbigem Gra-
nulat, PE-HD seit Ende der sechziger Jahre auch als Pulver für das Extrusions-
Blasformen und das Spritzgießen geliefert. Für das Pulverschmelzen werden
gemahlene PE-LD- und Copolymer-Typen angeboten.
■ Kennzeichnung
Die PE-Formmassen werden – wie die meisten Standard- und technischen
Kunststoffsorten – international nach dem Datenblocksystem gekennzeichnet.
Tabelle 2-1. Molekularer Aufbau und Eigenschaften von PE [3]
Grenzwerte 0,915 0,97 stark und linear, ohne niedrig hoch eng weit
vielfach oder kurze
– – – –
verzweigt Seitenketten 20000–60000 200000–400 000 Mw/ Mn Mw/ Mn
2.1.1.1 Polyethylen (PE)
Kristallisationsgrad –/+ ++ –– ++ – + + –
Schmelzindex 쏔 쏔 ++ –– 쏔
Verarbeitbarkeit + – + – + – – +
Kristallit-Schmelzbereich u.
Wärmeformbeständigkeit
Kältebruch-Temperatur
Transparenz 쏔 쏔
+ –: hohe bzw. niedrige Werte; in Pfeilrichtung zunehmender günstiger Einfluss; 쏔 ohne wesentlichen Einfluss.
463
Polyolefine (PO)
Polyolefine (PO)
Polyethylen
niedriger Dichte – 10 500 210 1,7 35 16 0,92
Kreide 40 16 220 900 0,2 – – 1,26
Glasfasern 30 24 65 1200 1,6 – 33 1,11
Talkum 30 16 40 600 1,1 – 30 1,14
Glimmer 30 13 46 440 1,2 – 27 1,16
Glaskugeln < 50 µm 30 10 73 290 2,6 – 19 1,11
Quarzpulver 30 12 77 400 2,5 – 23 1,14
Polyethylen
hoher Dichte – 27 >550 1400 22 50 46 0,95
Glasfasern 30 60 2 7800 6 108 68 1,16
Kreide 75 20 2,5 1200 15 – 51 1,31
Holzmehl 30 28 6 2100 – – – –
Kaolin 40 26 11 2000 2,5 – – 1,24
Polypropylen
normal – 31 620 1600 1,0 62 75 0,90
Kurzglasfasern 30 49 5 7500 6,0 120 100 1,20
Talkum 40 30 11 3100 3,0 95 83 1,21
Glimmer 30 30 – 6900 – – – –
Kreide 40 25 180 3400 2,5 73 63 1,23
Holzmehl 40 20 8 2200 – – – –
Wollastonit 40 23 7 7000 – 85 88 1,24
2 Synthetische Kunststoffe: 2.1 Thermoplastische Polymere
Polyolefine (PO)
2.1.1.1 Polyethylen (PE) 465
Als Hauptmerkmal gelten dabei für Polyethylen die „Dichte“ und die „Schmelze-
Fließrate MFR“, die im Fließprüfgerät bei einer Schmelzetemperatur von 190 °C
und einer Gewichtsbelastung von 2,16 kg ermittelt wird (MFR 190/2,16; nach
DIN 16776, ISO 1872).
■ Physikalische Eigenschaften
Die Wertebereiche kennzeichnender physikalischer Eigenschaften von Polyethy-
len-Homo- und Copolymeren einschließlich einiger Sonderausrüstungen gibt
die Tabelle 2-3 wieder, s. a. Tabelle 4-28 im Anhang (s. a. Kapitel 1.3.1.2, 1.3.3).
thermische
Gebrauchstemperatur ohne
mechan. Beanspruchung in Luft
kurzzeitig °C 80–90 90–115 90–120
dauernd °C 60–75 70–95 70–80
Formbeständigkeit i.d. Wärme
nach Vicat, Methode B °C 40 115 (A) 60–65
nach ISO/R75, Methode A °C ≈ 35 – 50
Methode B °C ≈ 45 – 75
linearer Ausdehnungskoeffizient
(zwischen 20 °C und 80°C) K–1 1,7 · 10–4 2 · 10–4 2 · 10–4
Wärmeleitfähigkeit W/mK ≈ 0,35 – ≈ 0,43
elektrische
spezif. Durchgangswiderstand W cm >1016 >1016 >1016
Oberflächenwiderstand W 1013 1013 1013
Dielektrizitätszahl (50 bis 1016 Hz) 2,3 2,4 2,4
dielektr. Verlustfaktor tan d
(50 bis 1016 Hz) 2 · 104 3 · 104 3 · 10–4
Durchschlagfestigkeit kV/mm 20–40 20 20–60
Kriechwegbildung CTI 600 600 600
Wasseraufnahme (96 h) mg <0,5 – < 0,5
Wasseraufnahme
n. ASTM D 570 (24 h) % – 0,01 –
Polyolefine (PO)
PE-HD PE-HD PE-HD EVA EEA vernetztes PE (PE-X)
GF 20 HWM UHMW (Ethylen/ (Ethylen/
Vinylacetat- Ethylacrylat- Spritz- Draht- u.
Copolymer) Copolymer) guss Kabel-
umman-
telung
77 – – – – – –
121 – 43–49 – – 40–62 38–80
130 66–68 67–82 – – 54–106 –
0,35–0,6 · 10–4 2 · 10–4 2 · 10–4 ≈ 25 · 10–4 ≈ 2 · 10–4 1,0 · 10–4 1,0 · 10–4
≈ 0,50 0,26–0,32 0,42
Bild 2-11. Abhängigkeit der Zugfestigkeit einiger Thermoplaste von der Temperatur bei ein-
achsiger Beanspruchung
a PMMA f ABS
b SAN g CA
c PS h PE-HD
d SB i PE-LD
e PVC-U k PE-LD
Bild 2-15. Zugzeitstandfestigkeit von PE-LD bei verschiedenen Temperaturen (Lupolen 1810 H)
Polyolefine (PO)
472 2 Synthetische Kunststoffe: 2.1 Thermoplastische Polymere
Bild 2-16. Isochrone Spannungsdehnungslinien von Lupolen 6021 D, 5261 Z und 4261 A bei
23 °C, 40 °C und 80 °C (gemessen nach DIN 53 444 an gepreßten Probekörpern, Dicke: 4 mm)
schlag von K. Richard und Mitarbeitern [9] wird das Langzeitverhalten von Roh-
ren aus PE-HD in Form von Zeitstandkurven dargestellt, die sich durch Auf-
tragen des Logarithmus der Vergleichsspannung in Abhängigkeit von der Be-
anspruchungsdauer ergeben.
Sie haben sich in dieser Form bewährt, Bild 2-19. Diese Darstellungsweise
wurde auch für Rohre aus anderen Thermoplasten übernommen. Mitte der 70er-
Jahre kamen verbesserte PE-HD-Rohrwerkstoffe auf den Markt, die es erlaub-
ten, in DIN 8075, Typ 2 mit erhöhten Zeitstandanforderungen zu normen [10].
Polyolefine (PO)
2.1.1.1 Polyethylen (PE) 475
Im Bild 2-20 sind die Kurven der DIN 8075, Typ 2, und die auf dem damaligen
Kenntnisstand beruhenden Kurven eines kommerziellen PE-HD-Rohrtyps dar-
gestellt. Inzwischen zeigten Messungen, dass die tatsächlichen Standzeiten zu
günstigeren Werten verschoben sind, denn der flache Kurvenast erstreckt sich
bis zu längeren Zeiten und fällt dann steiler ab.
Die bereits in diesem Kapitel (siehe Bild 2-6) erwähnten, auf modifizierten
Ziegler-Katalysatoren beruhenden, nach der sogenannten bimodalen, linearen
Technologie hergestellten neuen PE-HD Typen bewähren sich als Rohr- und
Folienwerkstoffe mit hohem Leistungsniveau [4].
Hoechst stellte auf der K ’95 den Rohrtyp Hostalen 5010 T3 [11] vor, der im Ver-
gleich mit dem Vorgängertyp T2 auf modernen Extrusionsanlagen bei verbes-
serter Qualität Leistungssteigerungen bis zu 13 % ermöglicht. Der neue Rohr-
werkstoff ist in die Leistungsstufe PE 80 eingestuft, Bild 2-21 und 2-22.
Auch für die Leistungsstufe PE 100, d. h. für Rohre mit erhöhter Spannungs-
rissbeständigkeit und Druckfestigkeit, wurde der neue Typ Hostalen CRP 100
entwickelt. Das Material eignet sich für die Herstellung von Großrohren von 500
bis 1600 mm Dmr. Diese Rohre sind gut schweißbar (Langzeit-Schweißfaktor
> 0,8 nach DVS 2203, Teil 4). Eine Besonderheit bildet die hohe Sicherheit gegen
schnelle Rissfortpflanzung, Bild 2-23.
Für das Bemessen von auf Biegung beanspruchten Bauelementen werden
Ergebnisse aus Biege-Kriechversuchen benötigt. Im Bild 2-24 und 2-25 ist die
Zeitabhängigkeit des Biege-Kriechmoduls von PE-HD wiedergeben.
Bild 2-23. Die Prüfung der schnellen Rissfortpflanzung zeigt die hervorragende Beständigkeit
von Hostalen CRP 100, Prüfungen: Gastec/Apeldoorn, Niederlande
Bild 2-24. Biegekriechmodul von Hostalen verschiedener Dichte bei 23 °C; s b = 1 N/mm2, DIN
54 852-Z 4,Vierpunktbelastung, Probekörper 120 mm ¥ 20 mm ¥ 12 mm aus gepressten Platten,
hochkant eingespannt
Polyolefine (PO)
2.1.1.1 Polyethylen (PE) 477
Bild 2-25. Biegekriechmodul von Hostalen verschiedener Dichte bei 40 °C; s b = 1 N/mm2, DIN
54 852-Z 4,Vierpunktbelastung, Probekörper 120 mm ¥ 20 mm ¥ 12 mm aus gepressten Platten,
hochkant eingespannt
■ Härte
Die Härte von Polyethylen wird maßgebend durch die Kristallinität und damit
durch die Dichte sowie durch die Temperatur bestimmt. Ein Einfluss der mola-
ren Masse ist nicht erkennbar. Im Bild 2-28 und 2-29 wird die Abhängigkeit der
Kugeldruckhärte einiger Thermoplaste von der Temperatur bzw. der Dichte
wiedergegeben.
Halbzeug wird auf eine Temperatur von 30 °C vorgewärmt und einem mit Hart-
gussstand (Körnung 0,6 bis 1 mm) beladenen Luftstrom ausgesetzt. Bild 2-31
zeigt das stündlich abgetragene Volumen von Lupolen 5261 Z in Abhängigkeit
von Strahlgeschwindigkeit und Aufprallwinkel [1].
Wärmeleitfähigkeit
Die Wärmeleitfähigkeit von Polyethylen nimmt mit steigender Temperatur bis
zum Kristallitschmelzpunkt ab. Die Wärmeleitfähigkeit der Schmelze ist nahezu
unabhängig von der Temperatur; sie ist bei Raumtemperatur um so höher, je
höher der kristalline Anteil ist.
Polyolefine (PO)
482 2 Synthetische Kunststoffe: 2.1 Thermoplastische Polymere
Bild 2-33 zeigt die Wärmeleitfähigkeit von PE-HD und PE-LD in Abhängig-
keit von der Temperatur. Über die bei den verschiedenen Polyethylentypen
zulässigen kurz- und langzeitigen Gebrauchstemperaturen informiert die Ta-
belle 2-3.
Oberflächenwiderstand
Der Oberflächenwiderstand ist wie bei allen Isolierstoffen von Verunreinigun-
gen der Oberfläche und dadurch in geringem Maße auch von der Luftfeuchtig-
keit abhängig.
Über das antistatische Ausrüsten von Polyethylen siehe Abschn. 1.3.5.1.
Polyolefine (PO)
484 2 Synthetische Kunststoffe: 2.1 Thermoplastische Polymere
Spezifischer Durchgangswiderstand
Der Kristallinitätsgrad beeinflusst den Durchgangswiderstand nicht merklich.
Durch die Zugabe von Füllstoffen, beispielsweise Aluminiumpulver, kann der
Wert von z. B. 1016 W cm auf 102 W cm gesenkt werden (siehe Abschn. 1.3.5.1).
Dielektrische Eigenschaften
Die Verluste in einem Dielektrikum beruhen in erster Linie auf der Leitfähigkeit
des Stoffes und der Möglichkeit, dass sich die molekularen Dipole in der Rich-
tung eines Wechselfeldes orientieren. Polaren Molekülen wohnt eine elektrische
Asymmetrie inne. Das führt zu einem permanenten Dipolmoment und damit zu
höheren dielektrischen Verlusten, die beispielsweise in der Hochfrequenz-
Schweißtechnik für das Erwärmen der zu verbindenden Teile genutzt werden.
Während die elektrischen Eigenschaften von unpolaren Polymeren nur wenig
durch die Temperatur beeinflusst werden, gilt dies nicht mehr für die polaren
Kunststoffe, Bild 2-35. Der Beitrag der Dipolorientierung nimmt mit sinkender
Temperatur ab. Die Verzögerungszeit bei der Reorientierung im Wechselfeld
nimmt zu. Unpolare Polymeren – wie die Olefin-Homopolymeren – weisen in
weiten Frequenzbereichen eine nahezu konstante Dielektrizitätszahl auf, wie
Bild 2-36 zeigt.
Bild 2-35. Temperaturabhängigkeit des dielektrischen Verlustfaktors tan d (links) und der
Dielektrizitätszahl e (rechts) von PE und anderen Kunststoffen bei 50 Hz
PE-HD Polyethylen, Dichte 0,96 g/cm3 PMMA Polymethylmethacrylat
PS Polystyrol PVC Polyvinylchlorid
PTFE Polytetrafluorethylen TCP Tricresylphosphat
B-Glas Borsilikatglas PFHp Phenolharzhartpapier, trocken
PC Polycarbonat PF 31,5 Phenolharz-Formstoff FS 31,5 DIN 7708
PI Polyimid PA 66 Polyamid 66
PSU Polysulfon PF Phenol-Gießharz
PET Polyethylenterephthalat PCTFE Polychlortrifluorethylen
Polyolefine (PO)
2.1.1.1 Polyethylen (PE) 485
Bild 2-36. Frequenzabhängigkeit des dielektrischen Verlustfaktors tan d (links) und der Dielek-
trizitätszahl e (rechts) von Polyethylen und anderen Kunststoffen bei 20 °C (Abkürzungen sie-
he Bild 2-35)
■ Optische Eigenschaften
Im Ausgangszustand sind die Polyethylene, je nach Dichte des betreffenden Typs
und der Wanddicke des Erzeugnisses, schwach transparent bis opak. Der Glanz
spritzgegossener Formteile hängt ab von der Oberflächengüte und der Tempe-
ratur der Formnestwandung.
An dieser Stelle sei die von der BASF anlässlich der K ’95 gezeigte Luflexen
Folie erwähnt, die sich als PE-Copolymer-Folie durch glasklare Transparenz,
außergewöhnliche Schockzähigkeit, niedrige Schweiß- und Siegeltemperatur
und wenig extrahierbare Bestandteile auszeichnet.
Die Herstellung basiert auf Metallocen-Katalysatoren, ein Verfahren, das zu
enger Molmasseverteilung und gleichmäßigem Einbau von Copolymeren führt.
■ Witterungsbeständigkeit
Bei längerer Lagerung oder Verwendung im Freien wird Polyethylen wie die
meisten Natur- und Kunststoffe vor allem durch die kurzwelligen UV-Anteile
der Sonnenstrahlung unter Beteiligung des Luftsauerstoffs (Photooxidation)
geschädigt. Mechanische Eigenschaften und Farbton der Gegenstände werden
beeinträchtigt. Die Wirkung der Witterungsbedingungen wird verstärkt durch
Formteilgestalt, Orientierung und Spannungszustände. Pigmente können die
Witterungsbeständigkeit erhöhen, jedoch, je nach Typ des Farbmittels, auch
beeinträchtigen. Einen Schutz gegen die Photooxidation bietet die Kombination
aus Antioxidantien und UV-Stabilisatoren. Wo es anhängig ist, z. B. bei Rohren
und technischen Formteilen wird Aktivruß (2 bis 2,5 %) als wirksamster UV-
Schutz verwendet.
■ Strahlenbeständigkeit
PE wird unter Ausschluss von Sauerstoff durch die Wirkung energiereicher ioni-
sierender Strahlung vernetzt. Der Vernetzungsgrad ist allein von der Bestrah-
lungsdosis abhängig, d. h. b-, g- und Röntgenstrahlen haben die gleiche Wir-
kung. Durch Vernetzen wird der Widerstand gegen Spannungsrissbildung
erhöht, bei entsprechender Dosis werden jedoch Reißdehnung und Zähigkeit
beeinträchtigt. Messbare Veränderungen ergeben sich bei einer Dosis von mehr
als 0,1 MJ/kg. 1 MJ/kg mindert die Reißdehnung auf wenige Prozent des Aus-
gangswertes. Bei gleichzeitigem Einwirken von Sauerstoff hängt die schädigen-
de Wirkung von Dosis und Dosisleistung sowie von der Wanddicke des PE-
Erzeugnisses ab.
Polyolefine (PO)
488 2 Synthetische Kunststoffe: 2.1 Thermoplastische Polymere
■ Gesundheitliche Beurteilung
Das Bundesgesundheitsamt (BGA) regelt in seiner Empfehlung III „Polyethylen“
die Verwendung von Polyethylen bei der Herstellung von Bedarfsgegenständen
im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 1 des Lebensmittel- und Bedarfsgegenstände-Gesetzes
(LMBG).
Die Empfehlungen des Bundesgesundheitsamtes geben dem Verarbeiter Hin-
weise für die Einhaltung der Bestimmungen des § 31 Abs. 1 des LMBG, der es ver-
bietet, „Gegenstände als Bedarfsgegenstände im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 1 des
LMBG gewerbsmäßig so zu verwenden oder für solche Verwendungszwecke in
den Verkehr zu bringen, dass von ihnen Stoffe auf Lebensmittel oder deren
Oberfläche übergehen, ausgenommen gesundheitlich, geruchlich und ge-
schmacklich unbedenkliche Anteile, die technisch unvermeidbar sind“.
Die lebensmittelrechtlich zulässigen PE-Typen erfüllen auch die Forderungen
der Monographie VI. 2.2.1 der Europäischen Pharmakopoe sowie analoger Texte
der nationalen Arzneibücher, zum Beispiel Monographie VI. 2.2.1 „Kunststoffe,
Behältnisse und Verschlüsse“ des Deutschen Arzneibuches, 10. Ausgabe (DAB
10).
Für Einfärbungen gilt zusätzlich die Empfehlung IX des Bundesgesundheits-
amtes „Farbmittel zum Einfärben von Kunststoffen und anderen Polymeren für
Polyolefine (PO)
2.1.1.1 Polyethylen (PE) 489
■ Sterilisieren
Gegenstände aus Polyethylen können mit Hilfe von gespanntem Dampf, Ethy-
lenoxid oder ionisierenden Strahlen sterilisiert werden. In PE-Folien verpackte
Lebensmittel müssen trocken gelagert werden.Wie stets, so geben auch bei PE in
Polyolefine (PO)
490 2 Synthetische Kunststoffe: 2.1 Thermoplastische Polymere
Spanloses Trennen
Wesentlich kürzere Arbeitszeiten als bei herkömmlichen Trennverfahren kön-
nen beim Trennen mit Laserstrahlen erzielt werden. Die Rüstzeiten sind kürzer,
und mehrere Arbeitsgänge entfallen: Anreißen, Nachbearbeiten der Trenn-
flächen, Reinigen von Staub und Spänen, antistatische Nachbehandlung. Wei-
tere Vorteile sind: hohe Trenngeschwindigkeit, glatte Trennflächen und
schmale Trennfugen. Tabelle 2-7 enthält Richtwerte der Trenngeschwindigkeit
bei unterschiedlicher Werkstoffdicke und Laser-Leistung für PE-HD und einige
andere Thermoplaste. Ein herkömmliches Trennverfahren für PE ist das Form-
stanzen.
Fügeverfahren
Als Fügeverfahren eignen sich das Nageln, Schrauben, Schweißen und Kleben.
Tabelle 2-5. Verarbeitungsbedingungen von PE-LD und PE-HD
Spritzgießen 160 bis 260 200 bis 300 30 bis 70 10 bis 90 400 bis 800 600 bis 1200
Blasfolien-Extrusion 140 bis 210 180 bis 250 140 180 bis 250 100 bis 200 150 bis 200
Flachfolien-Extrusion 200 220 200 220 100 bis 250 150 bis 250
Tafeln – 170 – 170 – 100 bis 200
Rohre 150 180 bis 200 150 180 bis 200 100 bis 150 150 bis 250
Monofile – 290 bis 300 – 290 bis 300 – 250 bis 400
Drahtummantelung 230 250 230 250 250 bis 350 250 bis 400
Beschichten 350 – 350 – 250 bis 300 –
Hohlkörperblasen 140 160 bis 190 140 160 bis 190 100 bis 150 100 bis 200
Warmformen 140 170 – – – –
Pressformen 105 bis 115 125 bis 140 – – – –
Polyolefine (PO)
Polyolefine (PO)
Tabelle 2-6. Richtwerte für Schnittbedingungen und Schneidenformen für das spanende Bearbeiten von Kunststoffen
492
Sägen
Tabelle 2-7. Richtwerte für das Trennen einiger Thermoplaste mit Hilfe von CO2-Laser
PP 4 2000 0,4 – –
10 450 0,5 – –
15 250 1,0 – –
20 120 1,2 – –
PP-TV 20 4 1300 0,4 – 3000
PP-TV 40 4 1100 0,3 – 2500
PP-GF 20 4 1250 0,3 – 2500
PP-GF 30 4 950 0,3 – 2000
PS 4 1600 0,5 – –
PS + EPDM 4 1700 0,5 – –
Schweißen
Geschweißt wird mit Hilfe von Warmgas und Zusatzdraht (aus dem gleichen
Werkstofftyp), Tabelle 2-8 oder am Heizelement. Die in Tabelle 2-9 für das
Heizelement-Stumpfschweißen angegebenen Anwärmzeiten wurden an 4 mm
dicken Tafeln ermittelt, dickere Werkstücke erfordern längere Anwärmzeiten.
Außerdem sind bei Tafeln von mehr als 10 mm Dicke Anpressdrücke > 5 N/mm2
erforderlich.
Polyolefine (PO)
494 2 Synthetische Kunststoffe: 2.1 Thermoplastische Polymere
Kleben
Bei den Polyolefinen ist das Kleben von PE am schwierigsten. In jedem Fall ist
eine Oberflächenbehandlung erforderlich.Weil das Diffusionskleben nicht mög-
lich ist, verbleibt nur das Adhäsionskleben. Es eignen sich Haft- und Schmelz-
klebstoffe, Polychlorbutadien mit Vernetzer, Siliconharz, Polysulfid/Epoxidharz,
Nitrilkautschuk/Phenolharz und PUR-Klebstoffe mit Vernetzer. Die Langzeit-
festigkeit und die dynamische Festigkeit der Klebungen sind gering
Das Vorbehandeln der Fügeflächen mit Chromschwefelsäure bringt zwar die
günstigsten Festigkeitswerte, erfordert jedoch ein umsichtiges Arbeiten. Die
übrigen Verfahren gleichen den bei der Druckvorbehandlung erwähnten (elek-
trische Entladung, Gasflamme). Wenn sie dem Herstellprozess unmittelbar
nachgeschaltet werden, ergeben sich die günstigsten Effekte für das Kleben
[näheres siehe VDI-Richtlinie 3821 Kunststoffkleben (09.78)].
Kaltformen
Auch das Kaltformen von PE-Halbzeug bei Umgebungstemperatur oder einer
Temperatur unterhalb des Schmelzpunktes ist möglich.
Anwendungen
Polyethylen weist von allen Thermoplasten den breitesten Anwendungsbe-
reich auf. Nach nahezu allen für das Ur- und Umformen von Kunststoffen
entwickelten Verfahren werden zahllose Produkte als Fertigteile oder als
Halbzeug hergestellt. Hier einige Beispiele:
PE-LD
Das wichtigste Anwendungsgebiet sind mit einem Anteil von 73 % in West-
europa die Folien. Je nach Verwendungszweck wird unterschieden in: Ver-
packungs-, Schwergutsack-, Schrumpf-, Tragtaschen-, Landwirtschafts-
und Dünnfolien (Automatenfolie). Bei Mehrschichtfolien (Kaschier- und
Coextrusionsfolien) dient PE im Verbund als Siegelschicht und Wasser-
dampfsperre. Einige PE-LD-Copolymere (EVA, EAA, EEA) und Ionomere
dienen als Haftvermittler zwischen den Lagen der Verbundfolie.
Das Spritzgießen und das Beschichten halten seit Jahren ihren Anteil
von je 7 %. Bei Nachrichtenkabeln ist PE-LD geschäumt oder ungeschäumt
unverändert das wichtigste Produkt. Bei der Isolierung von Energiekabeln
setzt sich vernetzbares PE-LD immer mehr durch. PE-LD spielt auch für
das Beschichten von Stahlrohren eine wichtige Rolle. Der Verbrauchsanteil
für flexible Hohlkörper beträgt etwa 3 %. Für das Rotationsgießen wird mit
einem Vordringen von PE-LLD gerechnet.
PE-HD
Seit dem Beginn der Produktion Mitte der fünfziger Jahre ist PE-HD
unverändert der bevorzugte Werkstoff für das Spritzgießen von Haushalts-
waren sowie Lager- und Transportbehältern. Bekannte Anwendungen wur-
den weiterentwickelt. Müllgroßbehälter erreichen heute ein Volumen von
660 bis 1100 l. Die auf dem bundesdeutschen Markt vorhandenen 150 Mio.
Flaschentransportkästen sind größtenteils bereits mehr als 15 Jahre im Ver-
kehr. Daraus resultiert ein großer Ersatzbedarf.
Polyolefine (PO)
496 2 Synthetische Kunststoffe: 2.1 Thermoplastische Polymere
Handelsnamen
Eltex (Solvay/BE)
Eraclene (Enichem Deutschland/DE)
Escorene (Deutsche Exxon Chem./DE)
Finathene (Fina Deutschland/DE)
Fortiflex (Solvay Deutschland/DE)
Hi-Fax (Montell Polyolefins/BE)
Hostalen (Hostalen Polyethylen GmbH/DE)
Lacqtène (E/F Atochem Deutschland/DE)
Laylene (SABIC/Saudi Arabien)
Lupolen (BASF AG/DE)
Marlex (Phillips Petroleum Chem./US)
Microthene (Quantum Chem. Corp./US)
Mirason (Mitsui Polychemicals Co./JP)
Neo – Zex (Mitsui Petrochemical Ind./JP)
Nipolon (Toyo Soda Mfg. Co./JP)
Polyolefine (PO)
2.1.1.1 Polyethylen (PE) 497
2.1.1.1.2
PE-LLD
Bereits bei der kurzen Vorstellung des breiten Sortiments der heute verfügbaren
Polyethylene wurden die Wege aufgezeigt, die in den vergangenen zwanzig Jah-
ren beschritten wurden, um das seit den dreißiger Jahren bekannte – und pro-
duzierte – PE-LD sowie das Mitte der fünfziger Jahre am Weltmarkt vordringen-
de PE-HD durch Copolymerisation mit höheren C4 - und C8-Olefinen in seinen
anwendungstechnischen Eigenschaften zu verbessern. Das Ergebnis waren die
Typen des heutigen PE-LLD-Sortimentes. Wie Bild 2-40 zeigt, nimmt die Dichte
mit steigendem Anteil von C4 - bis C8-Olefinen bei 0 bis 8 Masse-% von 0,96 auf
0,92 g/cm3 ab. Die Abhängigkeit der Schmelztemperatur von der jeweiligen
Dichte zeigt Bild 2-41. Auch die Molmasseverteilung verändert sich wesentlich,
Bild 2-42. Auf die sich daraus für Verarbeitung und Anwendung ergebenden
Vor- und Nachteile sei nachstehend hingewiesen:
• höhere Steifigkeit und Zugfestigkeit bei gleicher Dichte,
• höhere Zähigkeit (Durchstoßfestigkeit, Dart-drop Schlagzugzähigkeit in der
Kälte, Bild 2-43, 2-44, 2-45),
• bei der Folienextrusion keine Abrisse durch Stippen,
• Ausziehfähigkeit bis 5 µm,
• vorteilhafte Siegelfähigkeit (Feuchtigkeit stört nicht),
• höhere Beständigkeit gegen Spannungsrißbildung, Bild 2-46.
Die nachteiligen Eigenschaften sind in Verbindung mit der schwierigeren Ver-
arbeitbarkeit im Vergleich mit PE-LD zu sehen:
• ungünstige Schrumpfeigenschaften,
• Lappigkeit der Folie trotz des höheren Sekantenmoduls [13],
• zu hohes Dehnvermögen (begrenzte Anwendungsmöglichkeit für Schwergut-
säcke, Tragtaschen u. a.),
• geringere Transparenz,
Polyolefine (PO)
2.1.1.1 Polyethylen (PE) 499
MFR (190/2, 16) g/10 min 0,24 0,28 1 0,9 1 0,3 1 (PE-LLD)
2.1.1.1 Polyethylen (PE)
Polyolefine (PO)
Polyolefine (PO)
502 2 Synthetische Kunststoffe: 2.1 Thermoplastische Polymere
Bild 2-47. Molmasseverteilung bei Z/N- und mPE-LLD (Hexen-Copolymer, MFR = 10/10 min)
a Molmasseverteilung
b Molmasseverteilungen Mw/Mn und Mz/Mn
schen Markt versorgen soll. Anlässlich der K ’95 stellte die BASF mit Luflexen
ebenfalls ein mPE-LLD vor, das mit steigender Dichte (0,903 bis 0,917 g/cm3) für
die Herstellung von Schlauchfolien, Breitschlitzfolien und Spritzgussartikeln
sowie für das Extrudieren vernetzbarer Kabelummantelungen dient. Bild 2-47
zeigt die enge Molmasseverteilung des mPE-LLD Exact der Exxon im Vergleich
zum Z/N-Copolymer mit Hexen (beide Produkte mit MFR 190/10 min). Die
mPE-LLD-Polymere weisen im Unterschied zu Z/N-Polymeren kurze hoch-
und niedermolekulare Kurvenenden auf, was zu geringer richtungsabhängiger
Orientierung und zäheren Folien führt.
Wie gleichmäßig das Comonomere Hexen (Dichte = 0,918 g/cm3) in der Poly-
merkette verteilt ist, verdeutlicht Bild 2-48. Die homogene Verteilung führt zu
Bild 2-50. Ausgewogene Zugfestigkeit der Exeed-Folien (Dichte = 0,918 g/cm3, Foliendicke:
25 mm)
Polyolefine (PO)
504 2 Synthetische Kunststoffe: 2.1 Thermoplastische Polymere
Anwendungen
Die wichtigsten Erzeugnisse der aus den erst seit der K ’95 bekannter gewor-
denen mPE-LLD sind extrudierte Schlauch- und Breitschlitzfolien für viele
Anwendungsbereiche. Dazu gehören auch Mehrlagenfolien, bei denen
mPE-LLD die zähigkeitserhöhende Schicht oder auch die Siegelschicht
bildet, sowie verzugfreie Spritzgußteile, Ampullen und Katheder für die
Medizintechnik. Die leichte Vernetzbarkeit begünstigt die Verwendung für
das Extrudieren von vernetzbaren Kabelmänteln.
Polyolefine (PO)
2.1.1.1 Polyethylen (PE) 505
Handelsnamen
Alathon (Oxychem Vinyls Div./US) [PE-LD, LLD, VLD,
HD]
Bapolene (Bamberger Polymers Inc./US) [PE-MD, LLD]
Brigling (BCL/GB) [PE-LD, LLD]
Brithene (Brilen SA/ES) [PE-LD, LLD]
Coathylene (Plast Labor/CH) [PE-LD, LLD,
MD, HD]
Dowlex (Dow Europe/CH) [PE-LLD]
Eltex (Solvay, Deutschland GmbH/DE) [PE-LLD, HD]
Polyolefine (PO)
506 2 Synthetische Kunststoffe: 2.1 Thermoplastische Polymere
2.1.1.1.3
PE-HD-UHMW
Das ultra-hochmolekulare Polyethylen wird mit Hilfe modifizierter Ziegler-
–
Katalysatoren hergestellt. Die auf das Massemittel bezogene molare Masse M w
erreicht Werte von 3 bis 6 Mio. im Unterschied zum normalen PE-HD mit
200 000 bis 500 000. Obwohl die meisten physikalischen und chemischen Eigen-
schaften mit denen des PE-HD übereinstimmen, unterscheidet es sich grund-
legend von diesen durch eine für Kunststoffe ungewöhnlich hohe Schlag- und
Polyolefine (PO)
2.1.1.1 Polyethylen (PE) 507
■ Lieferform
PE-HD-UHMW wird als pulverförmiger Rohstoff, als Grieß sowie in Form von
Blöcken, Tafeln, Folien, Profilen, Rohren als Halbzeug geliefert.
■ Eigenschaften
Das Eigenschaftsbild von unvorbehandeltem Material gibt Tabelle 2-3 wieder.
In Tabelle 2-11 wird das nach der „sand-slurry“-Methode ermittelte Ver-
schleißverhalten von PE-HD-UHMW mit demjenigen anderer Polyolefine und
anderer Werkstoffe verglichen. Der Verschleiß von Hostalen GUR wird darin
gleich 100 gesetzt.
Zum besseren Verständnis seien einige Verschleißarten kurz beschrieben:
• Reibungsverschleiß herrscht vor beim Gleiten von Kunststoff gegen andere
Werkstoffe, z. B. gegen Metall,
• Strahlverschleiß tritt auf beim Blasen von körnigem Material auf Kunststoff-
Flächen, z. B. bei der pneumatischen oder hydraulischen Förderung von Fest-
stoffen in Kunststoff-Rohrleitungen,
• Verschleiß durch körniges Gut, z. B. auf Rutschen und in Silos,
• Verschleiß bei Stoßbeanspruchung durch Flüssigkeitstropfen von hoher
Geschwindigkeit, z. B. Radarnasen an Flugzeugen, die sog. Regenerosion.
Die mit einigen erhöht verschleißfesten Lupolen-Typen nach der schmierungs-
frei arbeitenden Stift/Scheibe-Methode (bei der ein Prüfstift aus Lupolen unter
definierten Bedingungen auf einer rotierenden gehärteten und geschliffenen
Scheibe aus legiertem Werkzeugstahl gleitet), ermittelten Gleitreibungszahlen
und Gleitverschleißraten zeigt Bild 2-55.
Über die bei Lagern abzuführende Wärmemenge und die dabei auftretende
Längenänderungen informiert Bild 2-56.
Die Wärmeleitfähigkeit als Funktion der Materialtemperatur ist im Bild 2-57
wiedergegeben. Die bei Temperaturänderungen zu erwartenden Änderungen der
Abmessungen sind beim Berechnen des Lagerspiels zu berücksichtigen, Bild 2-58.
Von ebenso großer Bedeutung wie für den Wärmehaushalt bei Lagern, d. h.
die in Bild 2-56 wiedergegebene Wärmekapazität und in Bild 2-57 dargestellte
Wärmeleitfähigkeit, ist beim Presssintern von Halbzeug die Kenntnis von Heiz-
Bild 2-55. Gleitreibungszahl und Gleitverschleißrate von Lupolen UHM im Vergleich zu Lupo-
len 5261 ZS
Polyolefine (PO)
2.1.1.1 Polyethylen (PE) 509
Halbzeug bei der Schmelztemperatur von 135 bis 138 °C. Periodisch, mit kurzem
Hub und Drücken von 2000 bis 3000 bar arbeitende Kolbenstrangpressen, wie
sie bereits vor dem Zweiten Weltkrieg für das Strangpressen von PF-Formmas-
sen verwendet wurden, sowie langsam laufende Doppelschneckenextruder
ermöglichen die Herstellung von Profilen, Stäben und Rohren. Für das Herstel-
len von Formteilen bis zu einigen hundert Gramm Gewicht wurden spezielle, mit
Hochdruckspeicher arbeitende Spritzgießmaschinen entwickelt.
Mit Hilfe des „Lam-N-Hard“-Verfahrens können kontinuierlich Tafeln herge-
stellt werden. Durch Pressen werden Fertigteile unmittelbar aus dem Pulver her-
gestellt [17].
Die Hoechst AG erweiterte ihr Hostalen GUR-Sortiment um einen gut
fließfähigen Typ für das Spritzgießen komplizierter Formteile.
Anwendungen
PE-HD-UHMW wird vor allem in Anlagen für die Handhabung von
Massengütern verwendet. Die hohe Verschleißfestigkeit bewährt sich bei
Auskleidungen von Trichtern, Rutschen für Kohle, Erz, Getreide, Papier
und vieles andere. Extrudierte Profile und Formteile werden im Textil- und
im allgemeinen Maschinenbau verwendet. Die Verfahrenstechnik der Che-
mischen Industrie schätzt das Material für die Herstellung von Pumpen-
teilen, Dichtungen, Filtern, Speiseschnecken, Gleitschienen, Rollen, Zahn-
rädern und Buchsen. Es wird ferner für chirurgische Implantate, Prothesen
und Stützapparate, Skibeläge, Schneepflugkanten, Kegelbahnen und Kegel
sowie Hackblöcke in Fleischereien verwendet.
Handelsnamen
Hostalen GUR (Ticona GmbH/DE)
Lupolen UHM (BASF AG/DE)
Polyolefine (PO)
512 2 Synthetische Kunststoffe: 2.1 Thermoplastische Polymere
2.1.1.1.4
Polyethylen-Modifikationen
Je umfassender die wissenschaftlichen Erkenntnisse auf dem Gebiet der Poly-
olefine wurden, desto mehr Möglichkeiten eröffneten sich, die Eigenschaften der
Polymeren im gewünschten Sinne zu verbessern oder gar zu neuartigen Pro-
dukten zu gelangen. Die Wege sind physikalischer (Füllen, Verstärken, Ver-
strecken,Verschäumen) oder chemischer (Nukleieren,Vernetzen,Verschäumen,
Substituieren, Copolymerisieren) Natur. Dabei können einige Eigenschafts-
änderungen sowohl in physikalischer als auch in chemischer Hinsicht bewirkt
werden.
Substituiert wird bevorzugt an Verzweigungsstellen, d. h. das am tertiären C-
Atom vorhandene Wasserstoffatom wird substituiert. Dabei beeinflussen polare
Atome oder Atomgruppen die zwischenmolekularen Kräfte und die Kristalli-
nität. Der amorphe Anteil wird erhöht, die kautschukelastischen Eigenschaften
werden verbessert. Es können auch vernetzungsfähige Substituenten eingeführt
werden. Über einige physikalische Modifikationsmöglichkeiten bei PE wurde
bereits berichtet, es verbleiben noch das Vernetzen, Substituieren und das Co-
polymerisieren.
2.1.1.1.4.1
Vernetztes Polyethylen (PEX)
Der lineare Aufbau der thermoplastischen Polyethylene (PE-LD, PE-LLD, PE-
HD) kann durch räumliches Vernetzen (z. B. 5 Vernetzungen auf 1000 C-Atome)
verändert werden [3]. Die Zeitstandfestigkeit, die Schlagzähigkeit in der Kälte,
die Abriebfestigkeit und die Beständigkeit gegen Spannungsrissbildung werden
wesentlich erhöht. PEX schmilzt nicht mehr, sondern erweicht ähnlich wie ein
Elastomer. Deshalb kann es thermisch kurzzeitig bis 200 °C und dauernd hoch
beansprucht werden.
Das Vernetzen kann auf verschiedene Weise geschehen [18].
Große Bedeutung hat bis heute das Vernetzen mit Hilfe von Peroxiden (z. B.
Dicumylperoxid). Beim Engel-Verfahren wird das mit Peroxid und Stabilisato-
ren gemischte PE-HD mit Hilfe eines unter hohem Druck arbeitenden Kolben-
extruders zum Rohr geformt und bereits im Werkzeug vernetzt.
Die französische Firma Pont-à Mousson modifizierte das Engel-Verfahren.
Dabei wird das aus PEX herzustellende Rohr mit größerem Durchmesser und
größerer Wanddicke extrudierte Rohr nach Verlassen der Düse auf das verlang-
te Maß gezogen und anschließend in einem Salzbad vernetzt und kalibriert.
Beim Labonyl-Verfahren dienen Azoverbindungen als Netzmittel in Verbin-
dung mit Stabilisatoren, die bereits vor der Materialaufgabe zugemischt wurden.
Das Vernetzen geschieht im Anschluss an die Extrusion in einem Salzbad.
Beim Silan-Verfahren werden in einer oder mehreren Stufen Silanverbindun-
gen, Peroxid, Katalysator und Stabilisator zunächst als reaktionsfähige Gruppen
auf die PE-Moleküle aufgepfropft. Das extrudierte Rohr wird zum Abschluss in
einem Wasserbad bei erhöhter Temperatur vernetzt.
Polyolefine (PO)
2.1.1.1 Polyethylen (PE) 513
Bild 2-61. Schubmodul in Abhängigkeit von der Temperatur für unvernetztes und unterschied-
lich vernetztes PE-HD
Polyolefine (PO)
514 2 Synthetische Kunststoffe: 2.1 Thermoplastische Polymere
Bild 2-62 gibt das Zeitstandverhalten von Rohren aus unvernetztem PE-HD
und Bild 2-63 die Ergebnisse aus Zeitstandinnendruckversuchen an Rohren aus
vernetztem PEX hoher Dichte wieder. Der zu erwartende extrapolierbare lineare
Verlauf der Zeitstandfestigkeit dieser Rohre über eine Beanspruchungsdauer
von 50 Jahren hinaus – selbst bei Dauertemperaturen von mehr als 50 °C – macht
dieses Material zu einem wertvollen Technischen Werkstoff.
PE-HDX wird durch Spritzgießen bei Temperaturen bis 160 °C verarbeitet
und im Werkzeug bei Temperaturen bis 230 °C vernetzt. Die Formteile werden in
der Elektrotechnik, dem Automobilbau und in der Verfahrenstechnik eingesetzt.
PE-LDX wird vorwiegend durch Extrudieren zu Mittel- und Hochspannungs-
kabeln (10 kV – 110 kV) verarbeitet. Das Vernetzen geschieht kontinuierlich
unmittelbar im Anschluss an das Extrudieren.
Handelsnamen
ACS (Showa Denko K.K./JP)
Alveolit, Alvecolux (Alveo GmbH/DE)
Elapor (EMW Betrieb/DE)
FF-therm (Fränkische Rohrwerke GmbH/DE)
Friatherm (Friatec AG/DE)
Nucrel (Du Pont Deutschland GmbH/DE)
Polyolefine (PO)
2.1.1.1 Polyethylen (PE) 515
Handelsnamen
Alathon (Oxychem Vanyls Div./US)
Dutralene (Montell Polyolefins/BE)
Dutral (Montell Polyolefins/BE)
Scona (Buna AG/DE)
Statoil TPE (Statoil Den norske stats/NO)
Sumica Flex (Sumitono Chemical Co./JP)
Tafmer (Mitsui Chemical Europe/DE)
Polyolefine (PO)
516 2 Synthetische Kunststoffe: 2.1 Thermoplastische Polymere
2.1.1.1.4.2
Chlorierte Polyolefine
2.1.1.1.4.2.1
Chloriertes Polyethylen (PE-C) (thermoplastisches Elastomer)
Unter den chemischen Verfahren für das Modifizieren von Polyethylen durch
Substitution hatte das Chlorieren große Bedeutung. Die Arbeiten begannen 1934
bei Polyisobutylen und wurden bereits 1936 durch die ICI bei Polyethylen fort-
gesetzt. Im Zuge dieser Arbeiten entstand – wenn auch erst in den fünfziger Jah-
ren – das chlorsulfonierte PE (Hypalon). Das Chlorieren der Polyolefine ge-
schieht in Lösemitteln, Dispersionen oder durch unmittelbares Einwirken von
gasförmigem Chlor. Hoechst brachte im Jahre 1957 ein chloriertes Niederdruck-
polyethylen auf den Markt, das seitdem als Schlagzähkomponente in Mischun-
gen mit PVC-U als (PVC + PE-C)-Blend für die Herstellung von Fensterprofilen,
Dachrinnen und Rohrleitungen große Bedeutung erlangte (Handelsname
Hostalit Z). Hohe Witterungsbeständigkeit und im Vergleich zu PVC-U erhöhte
Schlagzähigkeit in der Kälte zeichnen die aus diesen Blends hergestellten Form-
stoffe aus (siehe Kapitel 2.1.2.1.1).
In den vergangenen Jahren wurden weitere Eigenschaften des Chlorpolyethy-
lens verbessert bzw. optimiert:
• Die Verarbeitbarkeit der für das Kalandrieren von weichmacherfreien Weich-
folien und das Extrudieren von Weichfolien und -profilen, Blends
• Das Eigenschaftsbild als thermoplastisches (vernetzbares) Elastomer.
Molare Masse und Verteilung der molaren Masse unterschiedlicher Polyethylen-
typen hoher Dichte bestimmen das Fließverhalten und die mechanischen Eigen-
schaften des jeweiligen PE-C-Typs.
Reaktionstemperatur, Reaktionszeit und Chlorumsatz beeinflussen Restkris-
tallinität und amorphe Bereiche. Der Chlorgehalt wird zwischen 34 und 44 %
variiert.
Durch Variation der Prozessparameter ist es ferner möglich, bei Einsatz von
PE-Typen mit einem Kristallinitätsgrad von 70 % bis 80 % eine Reihe von Pro-
dukten mit alternierenden Sequenzen aus weichen amorphen und harten
Kristallitsegmenten (typisch für thermoplastische Elastomere) bis hin zu völlig
amorphen, weichen Polymeren hoher Elastizität geringer Härte und verhältnis-
mäßig tiefer Glasumwandlungstemperatur (– 15 °C) herzustellen. Eine schemati-
sche Darstellung dieser Strukturen ist sehr aufschlußreich.
Bedingt durch die ausgeprägte Kautschukelastizität, kombiniert mit der
geringen Oberflächenhärte können vor allem die PE-C-Typen in den Anwen-
dungsgebieten:
• Schlagzähmodifizierung,
• migrationsfreie Weichfolien und Weichprofile
• und Elastomere
eingesetzt werden.
Polyolefine (PO)
2.1.1.1 Polyethylen (PE) 517
■ Schlagzähmodifizierung
PE-C ist einer der gebräuchlichsten Schlagzäh-Modifikatoren für PVC, mit über
35jähriger Bewährung im Außeneinsatz. Der Schlagzähmechanismus beruht
darauf, dass während der Verarbeitung das weiche, kautschukartige Chlorpoly-
ethylen innerhalb der PVC-Matrix ein schlagzähes Netzwerk bildet.
Die Schlagzähigkeit steigt gegenüber Normal-PC mit zunehmendem Modifi-
katorgehalt an und nähert sich ab etwa 8 phr einem Maximum.
Bei niedriger Modifizierkonzentration lässt sich durch Kombination mit
Kreide die Schlagzähigkeit des Fertigartikels noch verbessern.
Bei alleiniger Verwendung von Kreide werden diese Zähigkeitswerte nicht
erreicht.
Bei der Herstellung von Halbzeug wie Profilen, Platten, Rohren, Dränrohren,
Folien u. a. werden geringe Modifizierermengen von 3 bis 6 Teilen eingesetzt, um
die Nacharbeit durch z. B. Sägen, Schneiden, Nageln, Bohren u. ä. zu verbessern,
wobei die Sprödbruchempfindlichkeit von Normal-PVC weitgehend ausgeschal-
tet wird.
PE-C ist ein hochwirksamer Schlagzähmacher von ausgesprochener Wirt-
schaftlichkeit (siehe auch Kapitel 2.1.2.1.2).
Polyolefine (PO)
518 2 Synthetische Kunststoffe: 2.1 Thermoplastische Polymere
■ Elastomerbereich
PE-C kann nach verschiedenen Methoden – bevorzugt peroxidisch – vernetzt
werden. Das sehr günstige Preis/Leistungsverhältnis erschließt zunehmend brei-
te Anwendungsbereiche in der Kabel- und Gummiindustrie.
Die Eigenschaften dieses Kautschuks überschneiden sich teilweise mit CSM
(chlorsulfoniertes Polyethylen), CR (Polychloropren), EPDM (Ethylen-Propylen-
Dien-Terpolymer) sowie NBR (Acrylnitril-Butadien-Kautschuk).
Polyolefine (PO)
2.1.1.1 Polyethylen (PE) 519
Handelsnamen
ACS (Showa Denko K.K./JP)
Daisolac (Osaka Soda Co. Ltd./JP)
Elaslen (Showa Denko K.K./JP)
Fortiflex (Solvay Deutschland/DE)
Haloflex (ICI PLC/GB)
Hypalon (Du Pont Deutschland GmbH/DE)
Kelrinal (DSM Polymers & Hydrocarbon/NL)
Solarflex (Pantasote Inc./US)
Polyolefine (PO)
520 2 Synthetische Kunststoffe: 2.1 Thermoplastische Polymere
2.1.1.1.4.2.2
Vernetzte chlorierte Polyolefine (PE-CX)
2.1.1.1.4.3
Sulfochloriertes Polyethylen
冤 冷 冷
––––CH2––CH––––CH2––CH2––––CH––CH2––––
| | n
冥
Cl SO2
Chlorethylen Ethylen Chlorsulfonyl-
ethylen
Sulfochlorierte Polyolefine dienen vorwiegend zur Herstellung von Elastomeren
(CSM).Von den Polyolefinen wird vorwiegend PE-LD sulfochloriert. Die Elasto-
mereigenschaften von Ethylen/Propylen-Copolymeren sind jedoch wesentlich
besser. Als Vulkanisationsmittel dienen vor allem MgO und PBO plus-Beschleu-
niger.
Anwendungsbeispiele
Sulfochlorierte Polyolefine mit einem Chlor-Massegehalt bis zu 30 % die-
nen als Auskleidungsmaterial für Transportbehälter sowie im Apparatebau
der chemischen Industrie. Die hohe Ozon- und Oxidationsbeständigkeit
führte zur Verwendung für Kabelisolationen. Verschnitte mit anderen
Kautschuken dienen als Beschichtungsmaterial.
Handelsnamen
Hypalon (Du Pont/US)
2.1.1.1.4.4
Phosphorylierung, Sulfophosphorylierung, Sulfierung, Oxidation
2.1.1.1.4.5
Copolymere des Ethylens (s. a. Kapitel 1.3.1)
Das Copolymerisieren des Ethylens mit Propylen, Buten-1, Vinylacetat, Acryl-
säureester, Kohlenmonoxid u. a. stört die Methylenkettenstruktur des PE und
führt zu Segmenten begrenzter Kristallinität. Daraus folgt eine niedrigere
Schmelztemperatur.Art und Polarität des Comonomeren beeinflussen die inter-
molekularen Kräfte und die Glasübergangstemperatur. Zwar üben kleine Seiten-
gruppen darauf nur eine geringe Wirkung aus, Carbonylgruppen führen jedoch
wegen ihrer Polarität zu verringerter Kettenbewegung und damit zu einer höhe-
ren Glasübergangstemperatur. Methylgruppen und Chloratome vergrößern den
Abstand und verringern so die Dispersionskräfte sowie die Kristallinität. Härte,
Steifheit und Zähigkeit sind durch Kristallinitätsgrad, Schmelzpunkt und Glas-
übergangstemperatur gegeben. Das dielektrische Verhalten und die Chemikalien-
beständigkeit werden jedoch durch das Comonomere mitbestimmt. Durch die
statistische Copolymerisation von Ethylen mit geringen Mengen Propylen oder
Buten-1 werden dem PE ähnliche Produkte gewonnen. Die Eigenschaften glei-
chen in mancher Hinsicht denen von verzweigtem PE, d. h. PE-LD.
2.1.1.1.4.5.1
Ethylen/Vinylacetat-Copolymere (EVAC)
Allgemeine Stoffbeschreibung
Einen stärkeren Einfluss auf das Eigenschaftsbild von PE – vor allem PE-HD –
als das Zumischen von Polyisobutylen und Kautschuk oder auch von PE-LD
sowie das Copolymerisieren mit geringen Mengen von Buten-1 gewinnt die
Copolymerisation mit Vinylacetat.
Mit zunehmendem Anteil des polaren Comonomeren VAC wandeln sich die ent-
stehenden Produkte vom modifizierten PE über wachsverträgliche Schmelz-
klebstoffe oder kautschukartige Produkte bis hin zu den plastifizierten Pro-
dukten des Comonomeren, die beispielsweise als Dispersionen technische Be-
deutung erlangten.
einem VAC-Anteil von 10 % wegen des gestörten kristallinen Aufbaus ab. Bei
höheren Gehalten strebt sie der des Polyvinylacetats von 1,17 g/cm3 zu.
Bei konstantem Schmelzindex ergibt sich mit zunehmendem VAC-Gehalt fol-
gender Zusammenhang:
es steigen: es fallen:
Zähigkeit in der Kälte Härte
Schockfestigkeit Steifheit
Flexibilität Schmelztemperatur
Spannungsrissbeständigkeit Chemikalienbeständigkeit
Transparenz Streckspannung
Dichte Sperreigenschaften
Witterungsstabilität Formbeständigkeit in der Wärme
Klebrigkeit
Füllstoffaufnahmevermögen
Heißsiegelfähigkeit
Schweißbarkeit
Strahlenvernetzbarkeit
Wechselbiegefestigkeit
Während üblicherweise höhere Dichten höhere Steifheit und eine höhere Glas-
übergangtemperatur bewirken, ist im Falle der EVA-Copolymeren das Gegenteil
der Fall. Bis zu einem Methylengehalt von 30 % enthalten diese Copolymeren
noch kristallin geordnete Methylensegmente. Mit steigendem VAC-Gehalt
nimmt dementsprechend die Transparenz zu. Das Produkt wird gummielas-
tisch. Auch die Reißfestigkeit durchläuft ein Maximum.
Produkte bis zu 10 Masse-% VAC-Anteil sind im Vergleich mit PE-LD trans-
parenter, flexibler und zäher, was bei Schwersackfolien und Tiefkühlverpackun-
gen erwünscht ist. Sie sind leichter siegelbar, eine Eigenschaft, die bei Beuteln
und Verbundfolien geschätzt wird. Die hohe Beständigkeit gegen die Bildung
von Spannungsrissen wird vor allem bei Kabelummantelungen geschätzt.
Schrumpffolien weisen bei niedriger Temperatur einen hohen Schrumpf auf
und Streckfolien relaxieren weniger.
Masseanteile von 15 bis 30 % sind dem PVC-P vergleichbar. Sie sind sehr weich
und flexibel. Aus dem noch thermoplastisch verarbeitbaren Material werden
Verschlüsse, Dichtungen, Keder und rußgefüllte Kabelisolationen hergestellt.
Compounds mit VAC-Anteilen von 30 bis 40 % sind elastisch dehnbar,
weich und hoch füllbar. Festigkeit und Haftfähigkeit sind hoch, schätzenswerte
Eigenschaften von Beschichtungen und Klebstoffen. Bei Anteilen von 40 bis
50 Masse-% treten die Kautschuk-Eigenschaften hervor. Diese Produkte sind bei
Kabelisolationen peroxidisch oder strahlentechnisch vernetzbar. Durch Propf-
reaktion kann hochschlagfestes PVC mit guter Witterungsbeständigkeit erzeugt
werden (siehe auch Kap. 2.1.2 PVC). Hydrolyse-Polymere eignen sich für die
Herstellung von Beschichtungsmaterial, Schmelzklebstoffen sowie zur Herstel-
lung von Formteilen und Folien hoher Festigkeit und Zähigkeit. Copolymere mit
VAC-Anteilen von 70 bis 95 % dienen zur Herstellung von Emulsionsfarben,
Klebstoffen und Folienbeschichtungen.
Polyolefine (PO)
524 2 Synthetische Kunststoffe: 2.1 Thermoplastische Polymere
■ Sortiment, Lieferformen
Naturfarbene, d. h. glasklare sowie gefärbte und gefüllte Formmassen sind als
Granulat und als rotationsformbares Pulver lieferbar. Bei einem Kreideanteil von
50 % entstehen lederähnliche Erzeugnisse mit trockenem Griff.
Eine Rußfüllung von 30 % ergibt halbleitende Erzeugnisse (10 bis 101 W cm).
Ein Bariumferritgehalt bis zu 90 % wird für magnetisierbare flexible Produkte
wie Dichtleisten von Kühlschränken verwendet. Mischungen mit Kollophonium
und Füllstoffen sind als Schmelzklebstoffe bekannt. Mischungen mit Paraffinen
dienen als Schmelzbeschichtungen in der Papierveredelung.
■ Physikalische Eigenschaften
Die wichtigsten Eigenschaften von Copolymerisaten im Dichtebereich 0,934 bis
0,936 (VAC-Gehalt 13 bis 16 %) sind in Tabelle 2-3 wiedergegeben. Bild 2-65 zeigt
die kennzeichnenden mechanischen Eigenschaften in Abhängigkeit vom VAC-
Gehalt. Der Zusammenhang zwischen mechanischen Eigenschaften, Fließver-
halten, Spannungsrissbeständigkeit und Schmelzindex gleicht dem der Ethylen-
Homopolymeren.
■ Chemikalienbeständigkeit
beständig gegen: Verdünnte Mineralsäuren, Laugen, Alkohole, Fette, Öle,
Detergenzien
nicht beständig gegen: Konzentrierte Mineralsäuren, Ketone, aromatische und
chlorierte KW
Bild 2-66. Abhängigkeit der Durchlässigkeit von E/VA für Wasserdampf und Gase in Abhängig-
keit vom VAC-Gehalt
■ Witterungsbeständigkeit
Bei Lagerung im Freien werden Polyethylen und Copolymere des Ethylens (wie
die meisten Natur- oder Kunststoffe) unter der Einwirkung von Witterungsein-
flüssen, insbesondere durch UV-Anteile des Sonnenlichts unter Beteiligung des
Luftsauerstoffs, geschädigt. Durch den Abfall verschiedener Eigenschaftswerte,
beispielsweise Zähigkeit und Reißdehnung, und mögliche Verfärbungen wird
ihr Gebrauchswert beeinträchtigt. Bei gleitmittelhaltigen Typen kann es darüber
Polyolefine (PO)
526 2 Synthetische Kunststoffe: 2.1 Thermoplastische Polymere
■ Gesundheitliche Beurteilung
Copolymere des Ethylens mit einem Vinylacetatgehalt > 10 % fallen unter die
BGA-Empfehlung XXXV, betreffend „Mischpolymerisate aus Ethylen, Vinyl-
ester ... etc. Gegen ihre Verwendung von Bedarfsgegenständen im Sinne des
§ 5 Abs. 1 Nr. 1 des LMBG bestehen keine Bedenken (Stand vom 01.04.1990 des
BGA (1985. Mitteilung Bundesgesundheitsblatt 33 (1990), S. 269). Das gleiche
gilt auch für § 5 Abs. 1, Nr. 5 (Spielwaren).
Der Kontakt mit Lebensmitteln ist zulässig, ausgenommen sind Fette, fetthal-
tige Lebensmittel und Öle. Diese Ausnahme gilt auch bei Verschnitten mit PE
(und anderen Stoffen), bei denen der Gesamtgehalt wieder unter 10 % liegt.“
Einzugzone Austragzone
°C °C
Übrige Verarbeitungsverfahren
Die übrigen für EVA in Betracht kommenden Verarbeitungsverfahren gleichen
denen des PE-LD. Wegen seiner polaren Struktur ist EVA besser bedruck- und
lackierbar, obwohl es in den meisten Fällen, beispielsweise durch Coronaentla-
dung, vorbehandelt wird. Auch das Kleben wird günstig beeinflusst.
Polyolefine (PO)
2.1.1.1 Polyethylen (PE) 527
Anwendungsgebiete
Flexible Extrudate wie Schläuche, Folienbeutel, Profile, Draht- und Kabel-
ummantelungen. Dazu kommen Verschlüsse, Dichtungen, Staub- und Nar-
kosemasken, Wegwerfhandschuhe, Kistenauskleidungen, Verpackungs-
(Schrumpf-, Skin-, Stretch-) und Gewächshausfolien, Eiswürfelbehälter,
Skistockteller, Faltenbälge, aufblasbares Spielzeug, Quietschtiere mit Stim-
me, Beschichtungen auf Aluminium, Stahl, Glas, Papier, Karton, Verbund-
flaschen für Kosmetika, Pharmazeutika, Chemikalien und die Nahrungs-
mittelindustrie, Verbundfolien für Lebensmittelverpackungen (PA, E/VA,
PE-LD) und Skinfolien, Basismaterial für Compounds, beispielsweise
Schalldämmmassen.
Handelsnamen
Aclyn (Allied Color Ind./US)
Araldon (Bayer AG/DE)
Cabalec (Cabot Corp./US)
Capolene (Asahi Chemical Ind./JP)
Elvax (Du Pont Deutschland GmbH/DE)
Evaflex (Du Pont-Mitsui Polychemical Comp./JP)
Evatane (Elf Atochem Deutschland GmbH/DE)
Levapren (Bayer AG/DE)
Levasint (Bayer AG/DE)
Nipoflex (Toyo Soda Mfg. Co./JP)
Nucrel (Du Pont Deutschland GmbH/DE)
Plexar (Quantum Chemical Corp./US)
Roxene (Roxene Products Co./US)
Soarblen (Nippon Gohsei Chemical Ind./JP)
Soarlex (Nippon Gohsei Chemical Ind./JP)
Softlex (Nippon Petrochemical Co./JP)
Sumikathene (Sumitomo Chemical Co./JP)
Ultrathene (Quantum Chemical Corp./US)
Vinnapas (Wacker Chemie GmbH/DE)
Visqueen (ICI PLC/GB)
Vistalon (Advanced Elastomer Systems/US)
Zimek (Du Pont Deutschland GmbH/DE)
2.1.1.1.4.5.2
Ethylen/Vinylalkohol-Copolymere (EVOH)
Ethylen/Vinylalkohol-Copolymere
EVOH-Folien sind hydrophil. Die Durchlässigkeit hängt somit von der Tempe-
ratur und vom Feuchtigkeitsgehalt ab. Diese Folien bedürfen keiner besonderen
antistatischen Ausrüstung. Sie sind glasklar und glänzend. Während gewöhnli-
che EVOH-Folien für die Verpackung von Textilien verwendet werden, weisen
Verbundfolien mit PE-LD, PP, PA und PET besonders günstige Sperreigenschaf-
ten für Gase und Aromastoffe auf. Dabei bildet die EVOH-Folie die Kernschicht.
Seit mehr als 15 Jahren liegen gute Erfahrungen mit einem EVOH-Wirbel-
sinterpulver in den Bereichen: Anlagen der chemischen Industrie, Hoch- und
Stahlbau, Straßen und Offshorebau sowie im Verkehrswesen vor.
Die Überzüge sind porenfrei, chemikalien- und witterungsbeständig, flexibel,
gut haftend und schwerentflammbar. Die zähelastischen Überzüge sind abra-
sionsbeständig, glatt und inkrustationshemmend. Sie schützen gegen die Wir-
kung vagabundierender Ströme. Der Einsatztemperaturbereich beträgt + 70 °C
bis – 40 °C. Diese Beschichtungen werden durch Wirbel-, Schütt- oder Rota-
tionssintern sowie durch Pulversprühen oder Flammspritzen aufgebraucht. Die
Schichtdicke beträgt 300 bis 800 µm.
Handelsnamen
Clarene (Deutsche Solvay Werke/DE)
Eval (Eval Corp. of America/US)
Levasint (Bayer/DE)
Selar (Du Pont de Nemours/US)
Soarnol (Nippon Gohsei Chem./JP)
2.1.1.1.4.5.3
Ethylen/Ethylacrylat-Copolymere (EEAK)
■ Allgemeine Stoffbeschreibung
EEAK-Copolymere ähneln dem PE-LD in ihrem Aussehen. Sie sind flexibel wie
PVC-P, ohne jedoch die thermische Instabilität und die Weichmacherwanderung
desselben aufzuweisen.
Die Herstellung dieses Copolymer geschieht nach dem Hochdruckverfahren.
Der Ethylenacrylat-Anteil und die molare Masse der einzelnen Typen sind
unterschiedlich.
Durch Einführen der Ethylacrylatgruppe in die PE-Kette wird der Kristalli-
nitätsgrad verringert, was zu größerer Flexibilität und niedrigerer Schmelztem-
peratur führt. Mit dem Acrylatgehalt nimmt auch die Polarität des Polymeren
zu, die größere intermolekulare Kräfte bewirkt. Durch Erhöhen der molaren
Masse können einige physikalische Eigenschaften verbessert werden, während
die Verarbeitbarkeit abnimmt.
Polyolefine (PO)
2.1.1.1 Polyethylen (PE) 529
■ Physikalische Eigenschaften
Die wichtigsten physikalischen Eigenschaften gibt Tabelle 2-3 wieder. Das Mate-
rial ist durchscheinend. Die Wasseraufnahme beträgt weniger als 0,1 %. Die Sau-
erstoffdurchlässigkeit ist geringer als bei PE-LD, die Wasserdampfpermeabilität
dagegen höher.
■ Chemikalienbeständigkeit
Beständig gegen: Schwache Säuren, Laugen, Alkohole, Fette, Öle, Detergenzien;
nicht beständig gegen: Oxidierende Säuren, Ketone, aromatische und chlorierte
KW, (EEA ist beständiger gegen Spannungsrissbildung als EVA) und Witte-
rungseinflüsse (nicht stabilisiertes Material vergilbt).
■ Brennbarkeit
Brennt langsam mit leuchtender Flamme, fruchtartiger Geruch.
■ Gesundheitliche Beurteilung
Gemäß FDA-Beurteilung sind nur Produkte mit einem Ethylacrylatgehalt bis
8 % lebensmittelrechtlich unbedenklich [21].
■ Verarbeitung
Wie PE-LD und EVA, jedoch mit etwas höherer Temperatur als EVA.
Anwendungsbeispiele
Saugschläuche für Staubsauger und Schwimmbeckensauger, Dichtungen,
Absaugleitungen, Laufrollen, Stoßleisten, Rohrkappen, Keder, Einweg-
handschuhe, Krankenhausfolien. Leitfähige Folien und Rohre dienen zur
Herstellung von Folienbeuteln für den Transport von Sprengstoff oder von
Hospitalbedarf für Anwendungen, bei denen aus Sicherheitsgründen kei-
ne elektrostatische Aufladung erfolgen darf.
Handelsname
Primacor (Dow Chemical/US)
2.1.1.1.4.5.4
Ethylen/Methylacrylat-Copolymere (EMA)
■ Allgemeine Stoffbeschreibung
Ethylen/Methylacrylat ist eines der thermostabilsten Olefin-Copolymere. Es
wird für die Herstellung von Folien und Tafeln, für das Spritzgießen, das Extru-
sionsbeschichten und das Coextrudieren verwendet. Bei der Herstellung von
Masterbatch dient es als Basismaterial. Es ist bis zu mehr als 60 % füllbar, ohne
dass seine elastomerischen Eigenschaften beeinträchtigt werden [22].
Polymerisiert wird nach dem üblichen Hochdruckverfahren. Dem Reaktor
wird Ethylen und Methylacrylat zugeführt. Der Acrylatanteil beträgt meistens
20 %.
■ Eigenschaften
Einige der nachhaltigsten Wirkungen bei der Zugabe von EMA bestehen in der
Erniedrigung der Vicat-Temperatur, beispielsweise von 90 °C auf 58 °C, der
Reduktion des Biege-E-Moduls, einer wesentlichen Verbesserung der Beständig-
keit gegen Spannungskorrosion und einer Verbesserung der dielektrischen
Eigenschaften. Die Thermostabilität des Materials ist so hoch, dass beim Extru-
sionsbeschichten Temperaturen von 315 °C bis 330 °C gewählt werden können.
■ Verarbeitung
Bei einer Schmelztemperatur von 150 °C kann EMA auf normalen PE-LD-Anla-
gen zu Schlauchfolien verarbeitet werden. Die dart-drop-Festigkeit ist hoch.
Es kann bei niedriger Temperatur, niedrigerem Anpressdruck und kürzerer
Anpresszeit heißgesiegelt werden. Die optischen Eigenschaften sind nicht so gut
wie die des PE-LD. EMA eignet sich vorzüglich für das Extrusionsbeschichten.
Die Haftung auf gereckten Folien ist vorzüglich, wenn diese mit PVDC-Lösung
vorbehandelt werden.
Aluminiumfolien müssen mit einem Primer versehen werden. EMA dient bei
Verbundfolien als siegelfähige Schicht oder als Haftschicht zwischen den Lagen
coextrudierter Folien, beispielsweise bei Polyolefinen, Ionomeren, PET, EVA und
EEA.
Polyolefine (PO)
2.1.1.1 Polyethylen (PE) 531
Handelsnamen
Paxon (Allied Corp./US)
Zetafin (Dow Chemical/US)
2.1.1.1.4.5.5
Ethylen/Acrylsäure-Copolymer (EAA)
Eine Berührung der Erzeugnisse aus Lucalen mit Fetten, Ölen und fetthalti-
gen Lebensmitteln ist nicht zulässig.
Mit Rücksicht auf die Permeabilität von Lucalen-Verpackungen für Gase,
Dämpfe und Geruchsstoffe sind vor der Verwendung Lagerungsversuche unter
Praxisbedingungen durchzuführen.
■ Anwendungen
Die Anwesenheit polarer Gruppen in allen Lucalen-Typen gewährleistet eine
vorzügliche Haftung auf Papier, Karton, Metall, Glas und Kunststoffen.
Stahlrohre für den Transport von Erdöl, Gas, Wasser und andere Medien wer-
den durch Beschichten mit Polyethylen geschützt. Die Haftung von PE auf Stahl
bzw. dem EP-Primer gewährleistet Lucalen.
Pulverbeschichtungen von Glas bieten einen wirksamen Oberflächen- und
Splitterschutz.
Aluminiumfolien verhindern als Diffusionssperre das Eindringen von Feuch-
tigkeit. Lucalen verbindet die Folie mit dem Kabelmantel; ebenso Verbund-
blechlaminate aus Stahl, Aluminium und Polyethylen im Bauwesen und Appara-
tebau sowie die Sperrschicht aus Aluminium mit Polyethylen auf Papier.
Bei Polyolefinen und Polymerblends sowie bei Füllstoffen sorgt Lucalen als
Phasenvermittler für eine sichere Anbindung.
Profile aus E/AA sind auch bei tiefen Temperaturen elastisch, Anwendungs-
beispiele sind Abdichtungen bei Kühlschränken, Schutz- und Zierleisten im
Automobilbau sowie Verbundprofile.
Das Verbinden von Aluminium, Stahl, Holz und Kunststoff ermöglicht es, das
Produkt beispielsweise bei Wohnwagen und Tischtennisplatten zu verwenden.
Spritzgegossen werden Verschlüsse für Hohlkörper, Dichtungen und Kleinteile.
Handelsnamen
Lucalen A (BASF AG/DE)
Nucrel (Du Pont Deutschland GmbH/DE)
2.1.1.1.4.5.6
Ethylen/Butylacrylat-Copolymere (EBA)
ECB, das Lucobit® der BASF AG, unterscheidet sich von zahlreichen PE-Copoly-
merisaten, die vorwiegend mit Paraffinen zu Poliermitteln, Schmelzklebstoffen,
Beschichtungsmassen und Wachsen verarbeitet und teilweise vernetzt werden,
dadurch, dass es thermoplastisch verarbeitet ist. Die anwendungstechnisch
wichtigsten Produkte sind extrudierte Folienbahnen vorwiegend für Flachdach-
abdeckungen, den Tiefbau zum Schutz gegen das Eindringen von Feuchtigkeit
oder das Versickern von Gewässern in Gräben, Kanälen, Böschungen, Wasser-
rückhaltebecken und Teichen [25].
Diese vielseitigen Anwendungen erfordern eine Stabilisierung gegen die Ein-
wirkung von Wärme und den UV-Anteil der Sonnenstrahlung als Alterungs-
schutz. Alle Lucobit-Typen sind unempfindlich gegen Spannungsrissbildung
und Kerbwirkung.
Polyolefine (PO)
2.1.1.1 Polyethylen (PE) 533
Wie Bild 2-67 zeigt, unterscheiden sich die drei Typen des Lucobit-Sorti-
mentes durch ihre Reißfestigkeit, -dehnung, Steifigkeit, Kälteschlagzähigkeit
und Formbeständigkeit in der Wärme.
Die als schwarzes Granulat gelieferten Spritzguss-Formmassen werden auf
Schneckenkolbenmaschinen bei Massetemperaturen zwischen 160 und 220 °C,
je nach Typ, verarbeitet.
Lucobit ist beständig gegen Wasser und wässrige Lösungen, Salze, verdünnte
Säuren und Laugen. Aliphatische, aromatische und halogen substituierte Koh-
lenwasserstoffe quellen ECB an bzw. lösen es. Das Material wird im geschmolze-
nen Zustand selbst bei 260°C nach mehrstündiger Dauer nicht geschädigt.
Handelsname
Lucobit (BASF AG/DE)
2.1.1.1.4.6
Abbaubare Polyethylene und andere Kunststoffe (s. a. Kapitel 1.2.6)
Umweltdiskussionen über den Verbleib von Kunststoffen nach ihrem Gebrauch
beschäftigen seit Anfang der siebziger Jahre die Rohstoffhersteller. Dabei wur-
den und werden anstelle des Deponierens zwei Wege eingeschlagen, und zwar
das Recycling in Form stofflicher bzw. energetischer Zweitnutzung oder als
Alternative die Entwicklung abbaubarer Polymere, die nur während einer vor-
gebbaren Zeit bei gezielter Anwendung ihren eigentlichen Zweck erfüllen,
Polyolefine (PO)
534 2 Synthetische Kunststoffe: 2.1 Thermoplastische Polymere
danach abgebaut werden und zerbröseln, um die Umwelt nicht länger zu belas-
ten. Der Abbau kann ebenfalls auf zwei Wegen vor sich gehen [24].
Beim biologischen Abbau werden die Polymeren durch Enzyme zersetzt, die
von Mikroorganismen ausgeschieden werden, vorausgesetzt, dass das Polymer
mikrobenfreundlich ist.
Beim photochemischen Abbau wird das entsprechend sensibilisierte Polymer
bei Einwirkung des UV-Anteils der Sonnenstrahlung abgebaut, d. h. die Ketten-
moleküle werden gespalten, der Formstoff zerfällt in kleine Partikel. Selbstver-
ständlich dürfen die Abbaureaktionen nicht beim vorgesehenen Gebrauch der
Kunststofferzeugnisse ausgelöst werden. Zu den Einsatzgebieten, bei denen ein
gezielter Abbau erwartet wird, gehören in der Medizintechnik beispielsweise
Nahtmaterial und resorbierbare Implantate. Ein biologischer bzw. photochemi-
scher Abbau wird auch bei Abdeck- und Frühbeetfolien in der Landwirtschaft
erwartet. Dort sollen sie nur das Wachstum fördern, ohne später bei der Ernte zu
behindern. Der Gartenbau schätzt diese Entsorgungsmöglichkeit bei Folien und
Blumentöpfen.Auf dem vielseitigen Gebiet der Verpackungen geht es um Folien,
Flaschen, Schaumstoffen, Boxen und vieles mehr.
Auf Initiative der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM)
gründeten am 10. 09. 1991 in Braunschweig Vertreter einer Reihe deutscher
Werkstoffprüfinstitute eine „Nationale Initiative zur Erstellung von Testverfah-
ren“. Im Oktober 1992 wurde unter Beteiligung dieser Initiative vom FNK im
DIN der Arbeitskreis „Bioabbaubare Kunststoffe“ gegründet, der inzwischen
Vorschläge auf europäischer Basis erarbeitete [25].
Der biologische Abbau von Kunststoffen ist auf drei Wegen zugänglich:
• durch Biosynthese (Stärke und Cellulose),
• durch biotechnische Verfahren (z. B. Polyhydroxyfettsäuren),
• durch chemische Synthese (z. B. Polyester, Polyamide, Polvinylalkohol).
Stärke und Cellulose liefert die Syntheseleistung der Natur. Polymerblends aus
PE und ca. 6 % Masseanteil Stärke verarbeiten Pf. Lawrence Starch Comp.,Areter
Daniels Midland Co. und Epron Ind. Ltd. vor allem für Verpackungen. Ein spezi-
elles Verfahren erarbeitete Monteshell mit ihrem „Mater-Bi“, das bis zu 80 %
Masseanteil Stärke und einen nichtolefinischen Thermoplasten enthält [26].
L.J.L. Griffin erreicht die biologische Abbaubarkeit von Mulchfolien durch
Zugabe von 30 % Masseanteil vorbehandelter Stärke als Füllstoff von aliphati-
schen Polyestern, die durch Bodenenzyme abgebaut werden. Hydroxycar-
bonsäurebutyrat und -valeriat (z. B. beim Biopol der ICI), Polymilchsäuren und
Polycaprolakton bilden spezielle Bakterienstämme.
In wässriger Lösung sind Verpackungen aus PVAL (z. B. Aicello der Aquafilm
Ltd.) vor allem für das Verpacken von Hospitalwäsche abbaubar.
2.1.1.1.5
Literatur – Kapitel 2.1.1.1
[1] Lupolen PE-HD, PE-MD, Stoffbroschüre 578 d 1.93
[2] Bork S (1984) Lineares Polyethylen niedriger Dichte (PE-LLD), Eigenschaften, Verarbei-
tung und Anwendung, Kunststoffe 74, S 474–486
Polyolefine (PO)
2.1.1.2 Polypropylen (PP) 535
2.1.1.2
Polypropylen (PP)
Martin Keuerleber
Mit einem weltweiten Verbrauch von ca. 29 Mio. t/a im Jahr 2000 [1] hat sich
Polypropylen (PP) unter den Standardkunststoffen hinter Polyethylen (PE) auf
den zweiten Platz vorgeschoben. Mittelfristig wird mit einer Zuwachsrate von
5 % pro Jahr gerechnet [2]. Die Haupteinsatzbereiche von PP liegen mit insge-
samt 38 % im Verpackungsbereich (21 % starre Verpackungen, 17 % flexible Ver-
packungen bzw. Folien) sowie mit 26 % im Faserbereich (Textilindustrie). Neben
diesen beiden Hauptanwendungsgebieten wird PP verstärkt im Automobil-
(10 %) und Konsumerbereich (16 %) eingesetzt.
Trotz der Verwandtschaft mit dem bedeutendsten polyolefinischen Kunst-
stoff, dem PE, ist PP durch folgende Unterschiede gekennzeichnet:
• niedrigere Dichte
• höhere Glasübergangstemperatur
Polyolefine (PO)
536 2 Synthetische Kunststoffe: 2.1 Thermoplastische Polymere
2.1.1.2.1
Synthese und Compoundierung
2.1.1.2.1.1
Synthese
Christian Ulrich
Polymere des Propylens sind bereits mehr als hundert Jahre bekannt. Dabei han-
delt es sich um amorphe, ölige und wachsartige Substanzen. Im Jahre 1953 erhielt
G. NATTA, Mailand, über die Firma Montecatini Kenntnis von den metallorga-
nischen Mischkatalysatoren, die K. ZIEGLER und Mitarbeiter im Max-Planck-
Institut für Kohleforschung in Essen-Mühlheim zur Darstellung von sehr
hochmolekularem, linearen PE gefunden hatten. Natta gelang die Herstellung
stereospezifisch wirkender Mischkatalysatoren, mit denen es möglich war, PP
von sehr regelmäßiger Struktur, das sog. isotaktische PP (iPP), zu erzeugen.
Dieses Polymer weist einen hohen Ordnungsgrad und damit eine hohe Kristal-
linität auf.
Seit den fünfziger Jahren wurden die Ziegler/Natta-Katalysatorsysteme (Z/N-
Katalysatorsysteme) und die Herstellverfahren (Gas- und/oder Flüssigphase) im
Hinblick auf qualitativ höherwertige Produkte und höhere Wirtschaftlichkeit
wesentlich verbessert. Das Ergebnis dieser Entwicklungsarbeiten sind hochiso-
taktische Polymere, die nur geringe ataktische Anteile innerhalb einer hochkris-
tallinen Matrix aufweisen.
Z/N–Katalysatoren der vierten Generation, die derzeit in den meisten indus-
triellen Verfahren verwendet werden [3], ermöglichen die Kontrolle der Poly-
mermorphologie. Die kugelförmigen Katalysatoren produzieren kugelförmige
Polymerpartikel, die durch Abdampfen der Monomeren leicht abgetrennt wer-
den können. Die Einsparung von Extrusion und Granulierung macht diese Art
der Herstellung zu einem äußerst umweltfreundlichen Verfahren [4].
Die in den letzten Jahren weltweit für die Olefinpolymerisation entwickelten
Metallocen-Katalysatorsysteme führen bei Ethylen (s. Kap. 2.1.1.1) zu Produkten
mit sehr günstigen Eigenschaften und wirtschaftlichen Polymerisationsverfah-
ren. Die dabei gesammelten Erfahrungen wurden folgerichtig auch auf PP über-
tragen. Die Metallocen-Katalysatoren bieten dank ihrer katalytisch einheitlich
wirksamen Zentren (single-site Katalysatoren) durch Variation ihrer Strukturen
die Möglichkeit, zahlreiche kennzeichnende Eigenschaften der Polymeren
gleichsam nach Maß vorgeben zu können, s. Bild 2-68 [5].
Polyolefine (PO)
2.1.1.2 Polypropylen (PP) 537
Polypropylen-Modifikationen
Mit Glasübergangstemperaturen Tg um 0 °C verspröden alle PP-Homopolymere
in der Kälte. Durch Einführung einer elastomeren Phase kann dieser Nachteil
kompensiert werden [7].
Als Comonomere zum Propylen kommen Ethylen, Buten-1 und höhere a-Ole-
fine in Betracht. Sie wirken wie bei PE als Störelement in der Molekülkette.
Durch Copolymerisation zweier oder dreier Monomertypen können Produkte
vom reinen Thermoplasten über thermoplastische Elastomere bis zu chemisch
vernetzten Elastomeren hergestellt werden. Zur Synthese werden sowohl Z/N-
Katalysatoren als auch Metallocene verwendet. Konventionelle Z/N-Katalysato-
ren sind „multi-site“-Katalysatoren, bei denen verschiedenartige katalytische
Zentren vorliegen, welche sehr uneinheitliche Polymere bilden können. Der Ein-
bau von Comonomeren erfolgt unterschiedlich. Neben Copolymeren mit relativ
hohem Comonomergehalt und niedriger Molmasse werden solche mit deutlich
höherer Molmasse aber geringem Comonomergehalt gebildet. Mit Metalloce-
nen, deren katalytische Zentren sehr einheitlich sind, lassen sich eine relativ
enge Molmassenverteilung und ein statistischer Comonomereinbau erreichen
[8]. Das führt zu Produkten mit deutlich homogeneren und reproduzierbareren
Eigenschaften.
Statistische (Random) und Blockcopolymere gehören heute ohne Ausnahme
zum Sortiment aller PP-Hersteller (ohne dass hierfür noch spezielle Handelsna-
men gebräuchlich sind). Das Mengenverhältnis von Homo- zu Copolymeren
verschiebt sich ständig zugunsten der Copolymeren. Diese Entwicklung ist in
Japan am weitesten fortgeschritten; dort beträgt das Verhältnis bereits 1:1 [9].
2.1.1.2.1.2
Struktur und Morphologie
Wolfgang Lutz
Die Eigenschaften von PP hängen stark von der molekularen Struktur, der Vor-
geschichte des Polymers und der Herstellung ab. Unter Vorgeschichte versteht
man die thermischen und mechanischen Beanspruchungen, denen das PP
ausgesetzt war. Die Struktur wird durch Katalysatoren, Polymerisation und
Compoundierung beeinflusst. Vielfältige Anwendungen zeigen die Eigen-
schaftsbreite von PP auf. Die Brücke zwischen Polymerstruktur, Verarbeitung,
thermo-mechanischer Vorgeschichte und Produkteigenschaften bildet die Mor-
phologie (s. a. Kapitel 1.3.1).
PP ist ein teilkristalliner Werkstoff, dessen Kristallisationsfähigkeit und Kri-
stallinitätsgrad wesentlich durch die Taktizität der molekularen Kette bestimmt
wird. Die Methyl-Gruppen (CH3) des Makromoleküls können bei gleicher Kon-
stitution relativ zum Rückgrat der Polymerkette unterschiedlich angeordnet
Polyolefine (PO)
2.1.1.2 Polypropylen (PP) 539
isotaktisches PP (iPP)
Der morphologische Aufbau von PP ist komplex. So kann iPP in den kristallinen
Bereichen in verschiedenen kristallinen Modifikationen vorliegen. Diese unter-
scheiden sich durch Ausbildung des Kristallgitters und Anordnung der moleku-
laren Ketten. Bei iPP treten je nach Verarbeitungsbedingungen Kristallmodifi-
kationen der a-, b- und g-Modifikation sowie mesomorphe (smectic) Formen
auf [13]:
a -Modifikation
Die a-Form stellt für iPP die vorherrschende Kristallmodifikation dar. Generell
bilden sich bei der Kristallisation von teilkristallinen Homopolymeren aus
ruhender Schmelze die Lamellen in Form gefalteter Ketten. iPP in der a-Modifi-
kation zeigt das einzigartige Phänomen, dass sich Lamellen in einer sogenann-
ten „cross-hatched“-Struktur anordnen [14]. Tangentiale Lamellen wachsen
nahezu senkrecht („cross-hatched“) auf den hauptsächlich vorkommenden
radialen Lamellen auf, s. Bild 2-69. Bei isothermer Kristallisation treten cross-
hatched-Lamellen bevorzugt bei niedrigen Kristallisationstemperaturen auf.
Die lamellare Morphologie wird zur optischen Klassifizierung von Sphäro-
lithen verwendet, was die starken Zusammenhänge zwischen lamellarer und
sphärolithischer Morphologie aufzeigt. Eingeteilt werden die Sphärolithe der a-
Modifikation in Typ aI, Typ aII und gemischte Formen. Die Einteilung erfolgt
nach dem optischen Erscheinen der Sphärolithe im Polarisationsmikroskop, s.
Bild 2-70. Sphärolithe, die in polarisiertem Licht ein deutlich sichtbares „Mal-
teserkreuz“ und eine positive Doppelbrechung aufweisen, werden als Typ aI
bezeichnet. Sphärolithe des Typs aII zeigen ebenfalls ein Malteserkreuz, aller-
Polyolefine (PO)
540 2 Synthetische Kunststoffe: 2.1 Thermoplastische Polymere
dings mit negativer Doppelbrechung. Gemischte Formen lassen kein klares Mal-
teserkreuz erkennen. Das unterschiedliche optische Erscheinen der Sphärolithe
wird auf die lamellare Morphologie zurückgeführt.
Sphärolithe des Typs aII werden bei höheren (> 138 °C) und die des Typs aI bei
niedrigeren Temperaturen (< 136 °C) gebildet [15]. Der jeweilige Temperaturbe-
reich in der Praxis ist stark von der thermischen Vorgeschichte und dem einge-
setzten PP abhängig. Die Größe der Sphärolithe beträgt 1 – 50 µm (unter
bestimmten Voraussetzungen bis zu 1000 µm) je nach thermischer Vorgeschich-
te, Verarbeitungsverfahren und eingesetztem PP [16].
Wie die Kristallinität ist der Schmelzpunkt der a-Modifikation von iPP stark
von der Taktizität [11, 12, 17, 18] und der thermischen Vorgeschichte abhängig
[18 – 20]. Der jeweils ermittelte Schmelzpunkt kann stark von angegebenen Wer-
ten abweichen, abhängig u. a. von molarer Masse, Orientierungen und verschie-
denen morphologischen Effekten (z. B. Defekte im kristallinen Gitter). Die
Schmelztemperaturen der kristallinen Bereiche liegen bei in der Literatur ver-
öffentlichten Werten zwischen 185 °C [21, 22] und 220 °C [21, 23]. Die Dichte der
a-Modifikation von iPP variiert zwischen 0,850 g/cm3 (100 % amorph) und
0,936 g/cm3 – 0,946 g/cm3 (100 % kristallin) [17, 24, 25].
b -Modifikation
Die b-Modifikation weist im kristallinen Zustand einen niedrigeren Ordnungs-
grad im Vergleich zur a-Modifikation auf, was sich u. a. in einer höheren Kris-
tallisationsrate [26, 27] und einem niedrigerem Schmelzpunkt [23, 28] zeigt.
Der kristalline Schmelzpunkt der b-Modifikation wird in der Literatur zwi-
schen 170 und 200 °C angegeben [21, 28, 29]. Gemeinhin wird für die kristallinen
Bereiche der b-Modifikation ein etwas niedrigerer Schmelzpunkt im Vergleich
zur a-Modifikation (185 – 220 °C) ermittelt. Dies spielt für den industriellen
Formgebungsprozess eine wichtige Rolle. Die Bildung der kristallinen Bereiche
der b-Modifikation kann durch Zugabe von Nukleierungsmitteln, Kristallisation
Polyolefine (PO)
2.1.1.2 Polypropylen (PP) 541
Bild 2-70. Sphärolithstruktur von PP, unterschiedliche Sphärolithtypen (Typ aI, Typ bIII),
Lichtmikroskopieaufnahme: IKP [14]
g -Modifikation
Die Bildung von Kristalliten der g-Modifikation tritt bei industriell hergestellten
Bauteilen relativ selten auf und wenn, dann in Anteilen < 10 %. Kristallite, lamel-
lare Morphologie, Schmelzverhalten und Kristallisationskinetik sind bisher
noch wenig untersucht worden, da die Bildung kristalliner Bereiche der g-Modi-
fikation nur unter speziellen Voraussetzungen auftritt.
Polyolefine (PO)
542 2 Synthetische Kunststoffe: 2.1 Thermoplastische Polymere
syndiotaktisches PP (sPP)
ataktisches PP (aPP)
Bei Raumtemperatur liegt aPP als weißer oder gelblicher wachsartiger und
leicht klebriger Festkörper vor und wird als Elastomerkomponente eingesetzt
[10]. Die Qualität von aPP als Nebenprodukt von iPP streute in der Vergangen-
heit relativ breit, da die Herstellungsprozesse hauptsächlich an den Eigenschaf-
ten von iPP ausgerichtet waren. aPP ist nicht völlig amorph, da abhängig von der
Polymerisation und aPP/iPP-Trenntechniken der kristalline Anteil 15 Gew.-%
erreichen kann. Neben der Kristallinität beeinflussen Verunreinigungen wie z. B.
Reste von Lösungsmitteln oder Katalysatoren sowie Zusatzstoffe wie z. B. Addi-
tive die thermo-mechanischen und optischen Eigenschaften von aPP. Die
Schmelzviskosität nimmt bei steigender Molmasse zu und hängt stark von der
jeweiligen Scherrate ab. Der Erweichungspunkt ist je nach kristallinem Anteil
stark unterschiedlich. Die Zugfestigkeit (0,2 – 0,7 N/mm2) wird von Molmasse
und Kristallinität beeinflusst.
2.1.1.2.1.3
Compound und Blend
Wolfgang Lutz, Johannes Eschl
Zusatzstoffe
Als inaktive Füllstoffe werden bei PP, EPDM und PP-EPDM-Compounds häufig
Mineralien wie Kreide oder Talkum (s. Kap. 1.3.5.2) eingesetzt, um den Material-
preis zu senken.
Zur Erhöhung der Steifigkeit, der Festigkeit und der Kriechfestigkeit des ver-
gleichbar weichen Polypropylens werden Mineralien, Glasfasern, Glaskugeln
sowie für großflächige Bauteile auch Glasmatten eingesetzt, s. Kap. 1.3.5.3.
Während in Westeuropa die glasfaserverstärkten Polyamide an erster Stelle ste-
hen, nimmt in den USA das glasfaserverstärkte PP den führenden Platz ein. Auf-
grund des geringeren Preises werden für die gleichen Zwecke auch Naturfasern
eingesetzt. Dies gilt insbesondere bei der Herstellung von großen Bauteilen mit-
tels der Verfahren GMT (Glasmattenverstärkte Thermoplaste, dabei werden mit
Kunststoff imprägnierte Matten gepresst), SMC (Sheet Moulding Compound),
BMC (Bulk Moulding Compound), s. Kap. 1.4.6.
Die Polyolefine sind als unpolare Polymere nur wenig mischbar und durch
ein geringes Haftvermögen gekennzeichnet. Mit Hilfe von polaren und/oder
reaktiven Gruppen wie Estern und Säuren können sie jedoch modifiziert wer-
den. Dieses Ziel wird auf zwei Wegen erreicht: Zum Einen durch die Copolyme-
risation mit Monomeren, die polare, reaktive oder verträgliche (kompatible)
Gruppen enthalten. Beispiele sind Ethylen/Ester- und Ethylen/Säure-Copolyme-
re mit polaren Gruppen sowie z. B. Ethlyen/Ester/Maleinsäureanhydrid-Terpoly-
mere mit polaren und reaktiven Gruppen, s. Tabelle 2-12.
Ein zweiter Weg zu Verträglichmachern und Modifikatoren zu gelangen,
besteht darin, PP mit Säure- oder Maleinsäureanhydrid (MAH) im Schmelzzu-
stand zu pfropfen [41]. Mit Acryl- oder Itaconsäure gepfropftes PP dient als Kup-
pelagenz zwischen Füllstoffen (Glimmer und Glasfasern) auf der einen und PP
auf der anderen Seite. Die polaren und reaktiven Funktionen des gepfropften PP
verbessern die Haftfähigkeit auf Füll- und anderen Zusatzstoffen.
Polyolefine (PO)
2.1.1.2 Polypropylen (PP) 545
Tabelle 2-12. Olefin-Co- und Terpolymere, die für das Modifizieren von Polymeren, als Ver-
träglichmacher und Kuppelagenzien verwendet werden [10] (s. a. Kapitel 1.3.5.1)
Typ Mengen-
anteil
mol-%
Tabelle 2-13. Gepfropfte Polyolefine und elastomere Polyolefincompounds, die für das Modi-
fizieren von Polymeren, als Verträglichmacher und Kuppelagenzien verwendet werden [10]
Typ Mengen-
anteil
mol-%
Gepfropfte Polyolefine
Acrlysäure-gepfropftes PP polar: AA 6 Kuppelagens zwischen Talkum,
Glimmer, Glasfasern und PP
Verträglichmacher für
PP/Acrylnitril/Butadien-
Kautschuk
Verträglichmacher für
reaktivem PSa für PP/PS.
Additiv für PP zum Verbessern
von Haftfähigkeit und
Lackierbarkeit
Methylenbernsteinsäure- polar: MSA <1 Kuppelagens zwischen
gepfropftes PP GF und PP
Maleinsäureanhydrid- reaktiv: MAH < 1 Kuppelagens zwischen
gepfropftes PP GF und PP
Verträglichmacher zwischen
PA/PP und PP/Nitrilkautschuk
mit Aminendgruppen
styrolgepfropftes PP 10 –15 Verträglichmacher für PP/PS
styrolgepfropftes 10 –15 Verträglichmacher für PE/PS
EVA-Copolymer
Elastomeres Polyolefin- Schlagzähmodifizierer für PP,
Compound Verträglichmacher für
PP/PS, PP/PE
a
Reaktives PS: PS-Makromolekülkette mit Oxazolin-Funktionalität.
Elastomer-modifiziertes Polypropylen
Aufgrund der guten Verträglichkeit von PP, EPDM und PE lassen sich physikali-
sche und chemische Compounds in unterschiedlichsten Mischungsverhältnis-
sen herstellen. Dabei verhält sich ein mit 10 % EPDM ausgerüsteter Blend wie
schlagzähes PP mit nur wenig erniedrigtem Modul und Erweichungstempera-
tur, ein Blend mit 60 % EPDM wie ein typischer thermoplastischer Kautschuk
(TPR), s. Bild 2-71.
Besonders ausgeprägt ist die Produktentwicklung bei PP-Elastomerblends.
Die breite Typenpalette reicht von sehr weichen, elastischen bis zu verhältnis-
mäßig steifen Einstellungen. Die Schlagzähigkeit bei tiefen Temperaturen ist
erhöht. Der Steifigkeitsverlust kann durch Füllstoffe wie Talkum oder Verstär-
kungsstoffe wie Glasfasern kompensiert werden.
Zur Schlagzäh-Modifizierung von PP wird oft ein Ethylen-Propylen-Elasto-
mer (EPR) eingesetzt. Die Elastomerkomponente wird während der Polymerisa-
tion oder Compoundierung hinzugefügt. Sie unterscheidet sich erheblich vom
Polyolefine (PO)
2.1.1.2 Polypropylen (PP) 547
PP/EPDM-Elastomerblends
Infolge der unterschiedlichen Sequenz-Längen ist die Kristallinität in der Poly-
merstruktur nur teilweise ausgebildet und deshalb sehr temperaturabhängig.
Bereits bei Temperaturen zwischen 50 und 80 °C nehmen die mechanischen
Werte wesentlich ab. Erwünscht ist eine Blockstruktur aus beweglichen amor-
phen Ethylen- und Propylensequenzen in statistischer Folge und starren PP-
Blöcken. Die angestrebte physikalische Vernetzung erfolgt mit Hilfe der PP-
Blöcke. Ein thermoplastisches Elastomer muss eine starre, kristalline oder
glasartige und eine bewegliche Polymerstruktur enthalten. Es genügt, wenn bei-
de Strukturen (Thermoplast, Elastomer) unabhängig voneinander als Mischung
in einem Compound vorliegen. Unter den Polyolefinen bieten sich Compounds
aus EPDM (mit MAH gepfropftes Ethylen-Propylen-Dien-Copolymer) und PP
mit seinen kennzeichnenden Eigenschaften wie hohe Steifigkeit, hohe Erwei-
chungstemperatur, Beeinflussbarkeit der Kristallinität der starren Komponen-
ten durch Copolymerisieren des Propylens mit Ethylen, günstiger Rohstoffpreis
und Verträglichkeit mit EPDM an [10].
Amorphes EPDM
EPDM mit etwa 50% Masseanteil von Ethylen hat sich in vielen Bereichen, die bis-
her von der Kautschukindustrie beliefert wurden, durchgesetzt, z.B. im Fahrzeug-
bau, in der Bau- und Kabelindustrie. Es sei besonders betont, dass diese Copoly-
meren nicht zu den sogenannten thermoplastischen Kautschuken gehören, denn
sie sind – wie die normalen Kautschuke – nur chemisch vernetzbar.
Teilkristallines EPDM
Für diese Sequenz-Polymeren gibt es zahlreiche Anwendungen auch im nicht
vulkanisierten Zustand, z. B. thermoplastische Folien für Dach- und Tiefbauab-
Polyolefine (PO)
2.1.1.2 Polypropylen (PP) 549
2.1.1.2.2
Eigenschaften
Die wichtigsten Eigenschaften von PP sind in Tabelle 2-14 dargestellt.
2.1.1.2.2.1
Thermo-Mechanische Eigenschaften
Nina Woicke
Thermische Eigenschaften
Die Eigenschaften teilkristalliner Polymeren sind eine Funktion der Tempera-
tur. Durch Erwärmen werden die bei sehr tiefer Temperatur unbeweglichen
Makromoleküle beweglicher. Dieser Übergang vollzieht sich bei den sogenann-
ten Umwandlungstemperaturen. In Tabelle 2-15 sind die Umwandlungstempera-
turen von PP zusammengestellt.
Bild 2-72. Abhängigkeit des Schubmoduls einiger Polypropylen-Typen von der Temperatur
– – – Homopolymer; ææ Copolymer; ............ Elastomer-Blend [10]
Polyolefine (PO)
Tabelle 2-14. Eigenschafts-Richtwerte für Formmassen aus Propylen-Homo- und Copolymeren
mechanische
Streckspannung N/mm2 30 33 25 25
Dehnung bei Streckspannung % – 20 10 17
Reißfestigkeit N/mm2 30 41 – 30
Reißdehnung % – 800 – 900
3,5%-Biegespannung N/mm2 – 29 30 22
Torsionssteifheit N/mm2 480 380 310 300
Biege-Kriechmodul 1-min-Wert N/mm2 1650 1100 1150 900
Kugeldruckhärte 30-s-Wert N/mm2 85 64 58 50
Shore-Härte D 74 72 – 67
Schlagzähigkeit ml/mm2 20 o. Br. o. Br. o. Br.
Kerbschlagzähigkeit bei 23 °C mJ/mm2 4 12 9 15
bei 0 °C mJ/mm2 2 4 6 15
bei –20 °C mJ/mm2 – 3 4,5 7
Abrieb n.d. Reibradverfahren mm3/100 U – 15 – 15
thermische
Gebrauchstemperatur ohne
mechan. Beanspruchung
in Luft kurzzeitig °C 140 140 140 140
dauernd °C 100 100 100 100
Formbeständigkeit i.d. Wärme
n. ISO/R 75 Methode A °C 70 60 55 56
Methode B °C 130 110 105 110
linearer Ausdehnungs-
koeffizient (zw. 20°C u. 90°C) K-1 · 106 100–200 100–200 100–200 100–200
Wärmeleitfähigkeit W/mk 0,22 0,22 0,22 0,22
spezifische Wärme-
kapazität bei 20°C kJ/kgK 1,7 1,7 1,7 1,7
elektrische
spezif. Durchgangswiderstand W cm >1016 >1016 >1016 >1016
Oberflächenwiderstand W >1013 >1013 >1013 >1013
Dielektrizitätszahl (106 Hz) 2,25 2,25 2,25 2,25
dielektr. Verlustfaktor tan d
50 Hz 2,4 · 10–4 2,4 · 10–4 2,4 · 10–4 2,4 · 10–4
103 Hz 2,6 · 10–4 2,6 · 10–4 2,6 · 10–4 2,6 · 10–4
104 Hz 3,1 · 10–4 3,1 · 10–4 3,1 · 10–4 3,1 · 10–4
105 Hz 3,8 · 10–4 3,8 · 10–4 3,8 · 10–4 3,8 · 10–4
Durchschlagfestigkeit kV/mm 140 140 140 140
Kriechstromfestigkeit (Stufe) KA 3c 3c 3c 3c
vergleichbare Kriechweg-
bildung CTI >600 >600 >600 >600
Elastomer-Blend Homopolymer
22 23 33 – – 28
– – – – – –
18 17 29 42 71 20
500 500 8 5 5 170
22 21 – 62 80 –
– – 630 620 690 370
800 900 3300 5400 5500 1500
46 48 85 100 110 70
62 64 – – – –
o. Br. o. Br. 18 15 15 36
35 35 4 6 6 4
22 24 – – – –
12 11 – – – –
– 20 25 18 16 –
– 55 85 87 120 65
– 105 137 127 155 110
stärktes PP wesentlich höher als für ein gefülltes oder verstärktes. Dabei wirken
sich jedoch Art und Mengenanteil unterschiedlich aus, s. Bild 2-74. Bei gefülltem
PP ist darauf zu achten, dass der Ausdehnungskoeffizient richtungsabhängig ist.
Er muss also längs und quer zur Fließrichtung gemessen werden, s. Bild 2-75.
Kurzzeitverhalten
Die mechanischen Eigenschaften von PP sind, von der Temperaturabhängigkeit
abgesehen, eine Funktion der molaren Masse und der Morphologie. Dies muss bei
allen nachfolgenden Betrachtungen beachtet werden.Grundsätzliche Einflüsse der
Morphologie auf die Eigenschaften werden in Kap. 2.1.1.2.1.2 diskutiert.
Das Bild 2-76 zeigt das Spannungs-Dehnungs-Diagramm im Zugversuch.
Zunächst gibt es eine zunehmende Zugkraft bis zur Streckgrenze, dann ein Ein-
schnüren des Probestabes bei weiterem Dehnen und schließlich ein erneuter
Anstieg der Zugkraft infolge teilweiser Orientierung und damit Verfestigung des
Werkstoffs bis zum Erreichen der Bruchdehnung.
Diese Endverfestigung kann beim Recken von Monofilen und Folienstreifen
(Bändchen) sowie beim biaxialen Recken von Folien genutzt werden.Je nach Reck-
verhältnis wird dabei die Reißfestigkeit bis zum Mehrfachen der ursprünglichen
erhöht, s. Tabelle 2-16. Die Reißdehnung wird allerdings wesentlich verringert.
Bild 2-78. Schlagzähigkeit von Hostacom in Abhängigkeit von der Temperatur (n. ISO 179).
a Hostacom M2 NO2 (20 Masse-% Mineral); b Hostacom M2 NO1 (20 Masse-% Mineral);
c Hostacom M4 NO1 (40 Masse-% Mineral); d Hostacom G2 NO1 (20 Masse-% GF); e Hostacom
G3 NO1 (30 Masse-% GF); f Hostacom G2 NO3 (20 Masse-% Mikroglaskörper); g Hostacom M1
UO1 (10 Masse-% Mineral); h Hostacom M4 UO1 (40 Masse-% Mineral) [10]
Der Zusatz von Glasfasern hat eine ähnliche Wirkung. Er erhöht ebenfalls die
Reißfestigkeit gegenüber dem unverstärkten PP, s. Bild 2-77. Dabei sei besonders
auf die Wirkung der chemischen Kupplung zwischen Glasfaser und Haftver-
mittler auf der einen sowie zwischen Haftvermittler und PP auf der anderen Sei-
te hingewiesen. Die Kupplung führt zu einer wesentlichen Erhöhung der Festig-
keit über einen weiten Temperaturbereich.
In der Anwendung verstärkter oder gefüllter PP Typen muss allerdings
berücksichtigt werden, dass deren Zähigkeit bei schlagartiger Beanspruchung
abnimmt, Bild 2-78. Das ungefüllte PP ist deulich schlagzäher, bei Temperaturen
Polyolefine (PO)
2.1.1.2 Polypropylen (PP) 557
unterhalb von 0 °C nimmt die Schlagzähigkeit allerdings deutlich ab. Will man
hier einen PP Werkstoff schlagartig beanspruchen, sind Copolymere oder Elas-
tomer-Blends besser geeignet, Bild 2-79.
Bild 2-81. Biegekriechmodul gefüllter und verstärkter PP-Typen (unverstärkter Typ a zum Ver-
gleich) bei 20 °C. a unverstärkt; b 20 Masse-% Talkum; c 40 Masse-% Talkum; d 40 Masse-%
Asbestfasern; e 20 Masse-% Glasfasern (kurz); f 30 Masse-% Glasfasern (lang); g 30 Masse-%
Glasfasern (lang, gekuppelt) [10]
Polyolefine (PO)
2.1.1.2 Polypropylen (PP) 559
2.1.1.2.2.2
Beständigkeit und Sperrfähigkeit (s. a. Kapitel 1.3.4)
Christian Ulrich
2.1.1.2.2.3
Elektrische, optische, akustische Eigenschaften (s. a. Kapitel 1.3.3)
Martin Keuerleber
Elektrische Eigenschaften
Die wichtigsten elektrischen Eigenschaften enthält Tabelle 2-14. Die dielektri-
schen Werte ähneln denen von Polyethylen. Die Dielektrizitätszahl e und der
Verlustfaktor tan d sind von der Temperatur und von der Frequenz nahezu unab-
hängig, Bild 2-84.
Elektrisch leitfähiges PP mit sehr hohen Füllgraden an Ruß oder Graphit wird
in der Brennstoffzellentechnik zur Herstellung von Bipolarplatten verwendet.
Optische Eigenschaften
Formteile aus naturfarbenem Homopolymer sind transluzent. Prinzipiell ist die
Transparenz von ataktischem PP höher als die von isotaktischem und kann
durch Verstrecken unterhalb der Kristallitschmelztemperatur weiter verbessert
werden. Blockcopolymere und Blends ergeben trübe bis opake Produkte. Durch
den Kontakt mit anderen Medien kann die sogenannte Kontakttransparenz
soweit verbessert werden, dass beispielsweise der Füllstand flüssigkeitsgefüllter
Behälter von außen erkennbar ist.
Akustische Eigenschaften
Der Torsionsschwingungsversuch, s. Bild 2-72, zeigt, dass PP bei normalen
Gebrauchstemperaturen eine hohe akustische Dämpfung mit hoher Steifheit
verbindet. Der mechanische Verlustfaktor d beträgt etwa 0,1 und ist gegenüber
Kunststoffen wie PE-HD, PS und ASA etwa um den Faktor 5 höher. Deshalb nei-
gen Formteile aus diesen Werkstoffen (insbesondere aus PS) zum Klirren und
„Scheppern“. Bauteile aus PP sind dagegen nahezu schalltot. In erster Linie wer-
den jedoch nur die Eigenschwingungen der Bauteile stark gedämpft. Deshalb ist
die Luftschall-Absorption wegen der Steifheit des Werkstoffs nicht gegeben. Der
wirksame Lärmschutz erfordert daher auch bei PP weitere Maßnahmen wie
Auskleidung, Kapselung oder federnde Lagerung der Lärmquelle.
2.1.1.2.3
Verarbeitung und Anwendung (s. a. Kapitel 1.4)
Guntmar Rüb
PP wurde in den vergangenen Jahren aufgrund seines günstigen Preises und sei-
ner vorzüglichen Eigenschaften ungewöhnlich vielseitig eingesetzt. Zahlreiche
PP-Typen sind auf dem Markt erhältlich, deren Eigenschaftsprofile speziell für
die entsprechenden Anwendungen „gezüchtet“ wurden. Das Eigenschaftsspek-
trum reicht von robusten steifen Varianten für Gartenmöbel und Kfz-Kompo-
nenten bis hin zu weichen flexiblen Fasern für Baby-Windeln.
Neben der Steifigkeit können aber auch andere Parameter gezielt verändert
werden, so wurden auf der einen Seite hitzebeständige PP-Typen entwickelt,
die sich für Mikrowellen-Lebensmittelbehälter eignen und andererseits leicht
schmelzende Sorten, die für hitzeversiegelte Lebensmittelverpackungen ver-
wendet werden können [52].
Polyolefine (PO)
2.1.1.2 Polypropylen (PP) 563
Die Trends gehen zum Einsatz von PP für großvolumige Bauteile wie Wasch-
maschinengehäusen [53] oder Kfz-Stoßstangen, aber auch verstärkt als Kunst-
stoff in technisch anspruchsvollen Bauteilen wie beispielsweise Bipolarplatten
für Brennstoffzellenanwendungen (mit Ruß hochgefülltes und elektrisch leit-
fähiges PP) bis hin zu langglasfaserverstärkten Bauteilen für tragende Crash-
Elemente im Kraftfahrzeug [54].
2.1.1.2.3.1
Urformen (s. a. Kapitel 1.4.2)
Typische Urformverfahren und deren Prinzipien sind in Kapitel 1.4 zu finden.
Auf das Spritzgießen von Formteilen entfällt ein sehr großer Anteil des PP-
Verbrauchs. Bei der Wahl des geeignetsten Materialtyps für die jeweilige Anwen-
dung spielt die Fließfähigkeit der Schmelze neben qualitativen und wirtschaftli-
chen Gesichtspunkten eine sehr wichtige Rolle.
Zur Charakterisierung der Fließfähigkeit der PP-Typen unter Verarbeitungs-
bedingungen stellt der Schmelzindex eine wenig geeignete Messgröße dar, da
hier mit sehr kleinen Schergeschwindigkeiten gemessen wird. Besser geeignet
ist die Bestimmung der Fließfähigkeit mit einem Kapillarrheometer, welches bei
hohen Schwergeschwindigkeiten misst, wie sie beim Spritzgießen auftreten [55].
Mit PP lassen sich lange Fließwege realisieren. Das Fließweglängen/Wand-
dickenverhältnis für füllstoff- und verstärkungsfreie PP-Typen zeigt das Bild
2-85. Auch aufgrund der unterschiedlichen Fließfähigkeit verschiedener PP-
Typen können die Verarbeitungsbedingungen, wie z. B. Massetemperaturen,
stark variieren.
Da sich PP nicht hygroskopisch verhält, kann in den meisten Fällen auf ein
Trocknen des Granulats vor dem Verarbeiten verzichtet werden.
Spritzgießen 185 bis 260 20 bis 50 >100 1/2 bis 1,0 bis 0,1 bis
1/1 psp 2,5 1,0
2.1.1.2 Polypropylen (PP)
Extrudieren
Blasfolien 220 bis 240 220 bis 240 200 bis 300
Flachfolien 265 265 200 bis 200
Tafeln 235 235 150 bis 200
Rohre 235 235 150 bis 200
Monofile 250 bis 270 250 bis 270 300 bis 400
Hohlkörperblasen 235 235 (Kopf) 150 bis 200
40 (Werkzeug)
Pressformen 250 – 20 bis 50
Warmformen 160 bis 165 °C 40 –
565
Polyolefine (PO)
Polyolefine (PO)
566 2 Synthetische Kunststoffe: 2.1 Thermoplastische Polymere
2.1.1.2.3.2
Umformen (s. a. Kapitel 1.5)
Thermoformen
Das Thermoformen wird in Kapitel 1.5 ausführlich beschrieben.
Thermogeformte Produkte aus PP sind typischerweise Verpackungen aller
Art, Transporthilfen (sogenannte Trays), Becher (z. B. Trinkbecher, Joghurtbe-
cher), aber auch Luftführungskanäle im Automobilbau. Angaben über typische
Verarbeitungstemperaturen beim Thermoformen (Warmformen) von PP-Halb-
zeug enthält Tabelle 2-17.
Bearbeiten
Hinweise für das spanende Bearbeiten, das spanlose Trennen und das Schwei-
ßen von Formstoffen aus PP können den entsprechenden Abschnitten bzw.
Tabellen aus dem Kap. 2.1.1.1 entnommen werden.
Umformverfahren
Neben dem Thermoformen ist auch das Kaltformen von Halbzeug bei Raum-
temperatur (Rollen) bzw. bei Temperaturen unterhalb des Kristallitschmelzbe-
reichs (150 bis 160 °C) durch Schlagpressen, Drücken, Rollen und Prägen bei PP
möglich.
2.1.1.2.3.3
Fügen
Polypropylen ist besser klebbar als PE. Beim Kleben mit anderen Werkstoffen ist
der hohe lineare Ausdehnungskoeffizient von 60 bis 200 · 10–6 1/K im Tempera-
turbereich von 20 bis 90 °C zu beachten, s. Bild 2-74 und Bild 2-75.
Die einzige Klebemöglichkeit bietet das Adhäsionskleben. Als Klebstoffe
kommen in Betracht: Kontakt-Klebstoffe aus Naturkautschuk oder Polychlor-
butadien, Silicon-, Epoxid- und PUR-Klebstoffe. Ein Diffusionskleben ist nicht
möglich. Die üblichen Vorbehandlungsverfahren sind das Chromschwefel-
säureverfahren und vor allem die elektrische Entladung (s. auch Richtlinie VDI
3821 (09.78) „Kunststoffkleben“). Bessere Klebergebnisse werden erzielt, wenn
die unpolare Oberfläche von Polypropylen zuvor aktiviert wird. Diese Aktivie-
rung kann beispielsweise durch eine Plasmabehandlung oder Beflammen erfol-
gen.
Polyolefine (PO)
2.1.1.2 Polypropylen (PP) 567
2.1.1.2.3.4
Veredelung
Die Veredelung der Oberfläche von Bauteilen aus PP ist aufgrund der ungenü-
genden Kratzfestigkeit von PP weit verbreitet. Formteile im täglichen Gebrauch,
die häufig berührt, bewegt oder gereinigt werden, können zumindest an den
Kanten mit dem Fingernagel geritzt werden. Basell besitzt spezielle PP-Typen,
die sich vor allem bei Formteilen im Automobil bezüglich einer verbesserten
Kratzfestigkeit bewährt haben [56]. Auch andere Hersteller haben Granulate, die
durch Füllstoffe, beispielsweise Nanoclays [57] oder spezielle, gecoatete Füllstof-
fe in Verbindung mit anderen Additiven und mineralischen Füllstoffen die
Kratzfestigkeit erhöhen.
Beim Spritzgießen ist das In-Mold Coating Stand der Technik, sowie das In-
Mold Decorating (IMD) als neueres Veredelungsverfahren bekannt. Das IMD
kann z. B. für Telefonoberschalen eingesetzt werden. Hier wird eine bedruckte,
tiefgezogene und gestanzte Dekorfolie in das Werkzeug eingelegt und ansch-
ließend hinterspritzt [58].
Die für das Veredeln von PP erforderlichen Vorbehandlungsverfahren sind
die gleichen wie für PE, s. Kap. 2.1.1.1.1 PP kann nicht nur – wie alle Kunststoffe –
im Hochvakuum metallisiert werden, sondern spezielle Typen ermöglichen
auch das galvanische Metallisieren nach einer entsprechenden Vorbehandlung
im Ätzbad und der Aktivierung der Oberfläche mit Hilfe von Edelmetallsalzen.
Auf die vorbehandelte Oberfläche wird eine Metallschicht (meist Nickel) nie-
dergeschlagen, auf die schließlich ein Überzug aus Nickel oder Chrom galva-
nisch aufgetragen werden kann.
Für das Lackieren sind spezielle auf PP abgestimmte Lacksysteme erhältlich
(z. B. für Kfz-Stoßstangen). Teilweise können hierfür ähnliche Vorbehandlungen
wie beim Kleben erforderlich sein.
2.1.1.2.4
Gesundheit und Umwelt
Christian Ulrich
Umwelteigenschaften
Synthese:
Für die Synthese von PP existieren sehr emissionsarme Verfahren, so können im
Gasphasenverfahren mit 1 g Katalysator rund 40 t PP ohne zu deponierende
Nebenprodukte und Lösungsmittelemissionen hergestellt werden [8].
Recycling:
Jörg Woidasky, Andreas Stolzenberg
Polyolefine (PO)
Polyolefine (PO)
570 2 Synthetische Kunststoffe: 2.1 Thermoplastische Polymere
PP/EPDM T lack ¥ ¥ ¥ ¥
PP/EPDM T unlack. ¥ ¥ ¥ ¥
PP/EPDM lack ¥ ¥ ¥ ¥
PP/EPDM unlack. ¥ ¥ ¥ ¥
PP/EPDM T lack/ ¥ ¥ ¥ –
unlack. m. Schaum
PP/EPDM T20 ¥ ¥ ¥ –
Zug-E-Modul [N/mm2] (ISO 527) 900 1300 1000 860 1000-1300 1300 k. A.
Schlagzähigkeit –20° mit Kerb 23°: o. Br. 52 38 56 bei –40°C bei 0°C 35 bei 23°C > 25
[kJ/mm2] (Charpy ISO R 179) –30°C: 4 nach ISO bei -30°C >3
R 180: 10
MFR [g/10 min] (ISO 1133 k. A. 7 7 7 8–13 10–15 4
(230°C, 2,16 kg)
MFR [g/10 min] (ISO 1133 k. A. 30 30 30 50–60 50–60 k. A.
(230°C, 5 kg)
MVR 230/5 [cm2/10 min] (ISO 1133 8 k. A. k. A. k. A. k. A. 7
Dichte [g/cm3] (DIN 53479) 0,92 (ISO 1183) 0,981 0,942 0,91 0,99 0,992 0,9
Restfeuchte [%] <0,08 k. A.
VICAT A [°C] (ISO 306) 135 128 131 131 115–125 115–120 VST A: 140
VST B: 68
Shore D (DIN 53505-D) 61 52 55 55 k. A. 55 62
Inhaltsstoffe Stoßfänger, schlagzähmod. schlagzähmod. schlagzähmod. Stoßfänger- Stoßfänger-
Flaschendeckel, Stoßfänger- Stoßfänger- Stoßfänger- rezyklat rezyklat
Additive, rezyklat rezyklat rezyklat aus unlackier- lackierter S.
Masterbatch, unlackierten ter S.
Talkum Stoßfängern
weitere Informationen Form: Granulat Aschegehalt Aschegehalt Form: Mahlgut Aschegehalt Aschegehalt Glührückstand
Anwendung: < 8% 3-6% 12–15%, 10%, bei 550°C (DIN
Radhausschalen Form: Mahlgut Form: Mahlgut Anwendung: Form: 53568-1): <3%,
z. B. Radhaus- Mahlgut Form: Granulat
schalen, Form:
Mahlgut
571
Polyolefine (PO)
Polyolefine (PO)
572 2 Synthetische Kunststoffe: 2.1 Thermoplastische Polymere
2.1.1.2.5
Handelsnamen
Martin Keuerleber
Granulate
Acclear BP Chemicals/UK
Accpro BP Chemicals/UK
Acctuf BP Chemicals/UK
Achieve Exxonmobil Chemical/US
Adell Adell Plastics Inc./US
Adflex Basell Polyolefine/DE
Adstif Basell Polyolefine/DE
Akrolen AKRO-PLASTIC GmbH/DE
Alcom Albis Plastic GmbH/DE
Astryn Basell Polyolefine/DE
Azdel Azdel B. V./NL
Borclean Borealis/DK
Borcoat Borealis/DK
BorECO Borealis/DK
Borflow Borealis/DK
Bormod Borealis/DK
Borsoft Borealis/DK
Borstar Borealis/DK
Carlona Basell Polyolefine/DE
Catalloy Basell Polyolefine/DE
Celstran Ticona GmbH/DE
Clyrell Basell Polyolefine/DE
Daplen Borealis/DK
Daploy Borealis/DK
Dexflex Solvay Deutschland GmbH/DE
Polyolefine (PO)
2.1.1.2 Polypropylen (PP) 573
Dow PP Dow/US
Eastoflex Eastman Chemical Intern./US
Epolene Eastman Chemical Intern./US
ExxonMobil PP Exxonmobil Chemical/US
Exxtral Exxonmobil Chemical/US
Fortilene BP Chemicals/UK
Hifax Basell Polyolefine/DE
Higlas Basell Polyolefine/DE
Hostacom Basell Polyolefine/DE
Hostalen Basell Polyolefine/DE
Isplen Repsol/ES
Koylene Indian Petrochemicals Corp./IN
Latene Lati Industria Termoplastici/IT
Metocene Basell Polyolefine/DE
Moplen Basell Polyolefine/DE
Multiflex Multibase/US
Multipro Multibase/US
Mytex Exxonmobil Chemical/US
Nepol Borealis/DK
Noblen Sumitomo Chemical/JP
Novolen Basell Polyolefine/DE
Orevac Atofina
Polycom Polyplast Müller GmbH/DE
POLYfill Polykemi AB/SE
Polyflam A. Schulman GmbH/DE
Polyfort A. Schulman GmbH/DE
Pro-fax Basell Polyolefine/DE
Sasolen Sasol Polymers/SA
Stamylan P Sabic (Saudi Basic Industries Corporation)/SA
Stat-Kon LNP Plastics Nederland BV/NL
Topas Ticona GmbH/DE
Torayfan Toray Plastics America/US
Treax Toray Plastics America/US
Typar Du Pont Deutschland GmbH/DE
Verton LNP Plastics Nederland BV/NL
Vestolen P Sabic (Saudi Basic Industries Corporation)/SA
Vistalon Exxonmobil Chemical/US
Xmod Borealis/DK
Halbzeuge
Akylux Kayserberg Plastics/UK
Akyplen Kayserberg Plastics/UK
Alveolen Alveo GmbH/DE
Alveolit Alveo GmbH/DE
Astra Drake (fibres) Ltd./GB
Bekaplast Steuler Industriewerke GmbH/DE
Coroplast Coroplast Inc./US
Polyolefine (PO)
574 2 Synthetische Kunststoffe: 2.1 Thermoplastische Polymere
EPDM
Alfater Alfagomma Industrial/IT
Buna EP Bayer Buna GmbH /DE
Dutral Polimerieuropa/IT
Epsyn DSM Copolymer Inc./NL
Esprene Sumitomo Chemical/JP
Intolan International Syntetic Rubber Co., Ltd./GB
Invision A. Schulman GmbH/DE
Keltan DSM Copolymer Inc./NL
Mitsui EPT Mitsui Chemical/JP
Nitriflex EP Nitryflex S.A. Industria e Comercio/BR
Nordel Dupont Dow Elastomer/CH
Royaledge Uniroyal Chemical Co. Inc./US
Royalene Uniroyal Chemical Co. Inc./US
Royaltherm Uniroyal Chemical Co. Inc./US
Saxene ECW Eilenburger Compound Werk GmbH/DE
Sure-Seal Carlisl Syntec Inc./US
Trilene Uniroyal Chemical Co. Inc./US
Vistalon Exxonmobil Chemical/US
2.1.1.2.6
Literatur – Kapitel 2.1.1.2
[1] Bonte Y, Schweda R (2001) Polypropylen (PP). Kunststoffe 91:262-266
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Polyolefine (PO)
2.1.1.3 Polybuten-1 (PB) 577
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[67] BSB Recycling GmbH (2000) Produktinformation Seculene. Braubach
2.1.1.3
Polybuten-1 (PB)
■ Herstellverfahren
Polybuten-1 wurde erstmals im Jahre 1954 synthetisiert. Die großtechnische Pro-
duktion begann jedoch erst 1964 (Vestolen BT der Hüls AG), 1968 folgte Mobiloil
in den USA. Die Mitsui (Japan) betreibt eine Anlage geringer Kapazität. Die
Shell-Kapazität betrug 30 000 t/a. Sie wurde stillgelegt.
Buten-1 wird mit Hilfe stereospezifischer Ziegler/Natta-Katalysatoren zu
weitgehend isotaktischen teilkristallinen und sehr hochmolekularen (MW =
770 000 bis 3 000 000, MFI 190/2,16 = 0,4 – 20 g/10 min) Produkten polyme-
risiert.
Polybuten-1
■ Allgemeine Stoffbeschreibung
Das mit einer Dichte von 0,91 g/cm3 sehr leichte Material weist folgende kenn-
zeichnenden Eigenschaften auf:
Schmelzbereich für die Copolymeren bei 102 °C (der Dichtebereich beträgt 0,895
bis 0,910 g/cm3).
■ Sortiment, Lieferformen
Das Sortiment umfasst Materialtypen für das Extrudieren (Rohe, Tafeln, Folien),
das Extrusions-Blasformen und das Spritzgießen, darunter auch mit Flamm-
schutzmittel ausgerüstete. Geliefert wird naturfarbenes, farbiges und schwarzes
Granulat.
■ Physikalische Eigenschaften
Die wichtigsten physikalischen Eigenschaften enthält Tabelle 4-28, sowie Tabel-
le 2-22. Obwohl das Gesamtniveau der mechanischen Eigenschaften etwa dem
des PE-LD vergleichbar ist (Bild 2-88), ist PB wegen der hohen Glasübergang-
stemperatur durch eine hohe Formbeständigkeit in der Wärme gekennzeichnet.
Bild 2-89 zeigt die Temperaturfunktion des Schubmoduls. Das Zeitstandverhal-
ten bei einachsiger Zugbeanspruchung geht aus Bild 2-90 hervor, während Bild
2-91 das Zeitstandverhalten bei mehrachsiger Beanspruchung von Rohren durch
Innendruck wiedergibt. Einen eindrucksvollen Vergleich der Zeitstandfestigkeit
durch Innendruck beanspruchter Fußbodenheizungs-Rohre, die aus verschiede-
nen, für diesen Zweck verwendeten Polyolefinen hergestellt wurden, bringt Bild
2-92 [1].
In das Verhalten von PB bei hoher Verformungsgeschwindigkeit gewährt die
Kerbschlagzähigkeit bei verschiedenen Temperaturen einen Einblick, Bild 2-93.
■ Witterungsbeständigkeit
Beständigkeit ist – wie bei allen Polyolefinen – nur bei entsprechender Stabili-
sierung gewährleistet, z. B. durch Ruß oder HALS-Stabilisatoren.
Bild 2-92. Vergleich der Zeitstandfestigkeit (bis 95 °C) von Fußbodenheizungs-Rohren, ausge-
legt für Betriebstemperaturen bis 60 °C
A statistisches Propylen-Copolymer
B vernetztes PE-weich (PE-LD-X)
C Polybuten-1
■ Gesundheitliche Beurteilung
Die Berührung mit Lebensmittel ist zulässig im Rahmen der Empfehlungen des
BGA; PB ist physiologisch inert.
Berührung von PB-Schmelze mit der Haut ist unbedingt zu vermeiden, eben-
so das Einatmen von Dämpfen. Hohe Buten-1-Konzentrationen wirken narkoti-
sierend, deshalb sind die Arbeitsplätze gut zu belüften.
Anwendungsbeispiele
Warmwasserleitungen, Fußbodenheizungen, Fittings, Apparate für die
chemische Industrie, Behälterauskleidungen, geblasene Hohlkörper, Tele-
fonkabel, Aufreißverpackungen, Transportsäcke.
Handelsnamen
Acorn (Hepworth Water Systems/DE)
Crestomer (Scott Bader Ltd./GB)
Gabotherm (Thyssen Polymer GmbH/DE)
Hakathen (Haka/CH)
Pekevic (Neste Oy Chemicals/FI)
Polyolefine (PO)
584 2 Synthetische Kunststoffe: 2.1 Thermoplastische Polymere
2.1.1.4
Polyisobutylen (PIB)
■ Allgemeine Stoffbeschreibung
Polyisobutylen ist das älteste großtechnisch hergestellte Olefin-Polymere. Es
wurde 1935 von der ehemaligen IG-Farbenindustrie auf den Markt gebracht. Je
nach Polymerisationsgrad gewinnt man viskose Öle, plastische klebrige Massen
oder rohgummiartige Polymeren. Demgemäß sind diese Produkte als Öle,
Klebemassen oder meist mit Ruß und Graphit gefüllte Folien am Markt. Am
bekanntesten sind die als Korrosionsschutz dienenden Auskleidungsfolien und
die Folien für den Grundwasserschutz von Gebäuden.
Polyisobutylen
■ Physikalische Eigenschaften
Eine Übersicht über kennzeichnende physikalische Eigenschaften von PIB-
Folien enthält Tabelle 2-21. Den Schubmodul in Abhängigkeit von der Tempera-
tur gibt Bild 2-94 wieder.
■ Chemikalienbeständigkeit
Beständig gegen: Säuren, Laugen, Salze, bedingt beständig gegen Salpeter- und
Nitriersäure;
nicht beständig gegen: Chlor, Bor, Chlorsulfonsäure
■ Löslichkeit
Löslich bis stark quellbar: aliphatische, aromatische und Chlor-KW
quellbar: Ether, Butylacetat, Öle und Fette
unlöslich: niedere Alkohole, Ester, Ketone
■ Witterungsbeständigkeit
PIB ist bei Anwesenheit von Sauerstoff im Sonnenlicht und gegen UV-Strahlung
nicht beständig. Ruß wirkt als UV-Stabilisator.
Polyolefine (PO)
2.1.1.4 Polyisobutylen (PIB) 585
■ Brennbarkeit
PIB brennt ähnlich wie Kautschuk.
■ Gesundheitliche Beurteilung
Die lebensmittelrechtliche Unbedenklichkeit hängt vom jeweiligen Material-
rezept ab. PIB ist grundsätzlich gesundheitlich unbedenklich und physiologisch
inert, vgl. Empfehlung XX.„Polyisobutylen und Isobutylen-Copolymere“, Stand
1. 1. 72 (86. Mitt. Bundesgesundheitsblatt 14, 392 (1972)). Für Mischungen mit
Paraffin oder mikrokristallinen Wachsen ist die Empfehlung XXV „Hartparaf-
fin, mikrokristalline Wachse und deren Mischungen“, Stand 1. 2. 1970 (57. Mitt.
Bundesgesundheitsblatt 13, 85 (1970)) zu beachten.
Anwendungsbeispiele
Hier die Reihe der wichtigsten Anwendungsgebiete:
Haftvermittler beim Trocknen,
Einfärben von Kunststoffgranulat,
Dichtungsmassen,
Wachsabmischungen zum Kaschieren und Beschichten,
Abmischungen mit Polyolefinen zum Verbessern der Verarbeitbarkeit,
Folien für das Abdichten und Auskleiden von Behältern.
Polyolefine (PO)
2.1.1.5 Poly-4-methylpenten-1 (PMP) 587
Handelsnamen
Crestomer (Scott Bader Ltd./GB)
Hyvis (BP Chemicals Intern./GB)
Oppanol-B (BASF AG/DE)
Rhepanol (Braas Flachdrucksysteme/DE)
Vistanex (Advanced Elastomer Systems L.P./US)
2.1.1.5
Poly-4-methylpenten-1 (PMP)
■ Allgemeine Stoffbeschreibung
Von den zahlreichen verzweigten aliphatischen Polyolefinen, höher als Polybu-
ten-1, die seit Mitte der fünfziger Jahre in den Forschungslaboratorien entwickelt
wurden, hat außer dem im Jahre 1965 von der ICI (England) eingeführten Poly-4-
methylpenten-1 kein Produkt Marktbedeutung erlangt. Als Rohstoffbasis dient in
zunehmendem Maße Propylen, das zu 4-Methylpenten-1 dimerisiert wird.
■ Sortiment
Das in den letzten Jahren reichhaltiger gewordene Sortiment umfasst Typen für
das Spritzgießen, Extrudieren, Blasformen und Papierbeschichten.
■ Lieferformen
Vorzugsweise glasklares und opakes Granulat. Halbzeug ist in Form von Rohren,
Profilen, Stäben, Tafeln und Folien am Markt.
■ Typisierung
Formmassen aus PMP sind nicht typisiert.
■ Physikalische Eigenschaften
Die wichtigsten Eigenschaften enthält Tabelle 2-22, sowie Tabelle 4-28 im
Anhang.
■ Mechanische Eigenschaften
Die Abhängigkeit der Streckspannung von der Temperatur zeigt Bild 2-95. In
Bild 2-96 wird das Kriechverhalten von PMP mit dem einiger anderer Polyole-
fine verglichen.
Das Zeitstandverhalten PMP ist an Hand des Zug-Kriech-Moduls in Tabelle
4-29 im Anhang wiedergegeben.
■ Optische Eigenschaften
Die Abhängigkeit des Brechungsindex’ von der Wellenlänge zeigt Bild 2-97.
■ Elektrische Eigenschaften
Die dielektrischen Eigenschaften von PMP entsprechen denen von PE-LD oder
PTFE. Bild 2-98 und 2-99 geben darüber Aufschluss.
■ Chemikalienbeständigkeit
Beständig gegen Mineralsäuren (schwacher Angriff bei oxidierenden Säuren),
Laugen, Alkohole, Detergenzien, Öle, Fette, kochendes Wasser; nicht beständig
gegen Ketone, aromatische und chlorierte KW.
■ Spannungsrissbildung
Neigt zur Bildung von Spannungsrissen.
■ Witterungsbeständigkeit
Wegen tertiärer C-Atome nur bei entsprechender Stabilisierung bedingt witte-
rungsbeständig. Das Material vergilbt und verliert seine guten mechanischen
Eigenschaften.
■ Brennbarkeit
Brennt langsam mit leuchtender Flamme auch im Tropfen weiter, Geruch paraf-
finartig stechend.
■ Gesundheitliche Beurteilung
Die Berührung mit Lebensmitteln ist zulässig, sterilisierbar, physiologisch inert.
Umformen
Tafelförmiges Halbzeug bis zu Dicken von 1 bis 6 mm kann in der üblichen Weise
warmgeformt werden. Bei größeren Wanddicken ist ein Vorwärmen im Umluft-
ofen bei 200 °C während einer Dauer von 2 bis 3 min erforderlich.
Fügen
PMP ist schweißbar und wie alle Polyolefine bedingt klebbar. Die zu klebenden
Flächen sollten vorher mit Glaspapier aufgerauht, jedoch besser im Chrom-
schwefelsäurebad geätzt werden. Als Klebestoffe eignen sich die bei Polyethylen
genannten Produkte.
Anwendungsbeispiele
Transparente Gehäuse, Abdeckungen, Lampenabdeckungen, medizinische
Geräte, Folien für kochfeste Gerichte, Speisetabletts, Geschirr, durchsich-
tige Rohre.
Handelsnamen
TPX (Mitsui Petrochem. Ind. Ltd./JP)
2.1.1.6
Andere aliphatische Polyolefine
Polymere aus höheren a-Olefinen sind bereits seit Anfang der dreißiger Jahre
bekannt, beispielsweise das Polyisobutylen. In Bild 2-100 ist die Wirkung der
wachsenden Länge der Seitengruppen von Polyolefinen (–CHR–CH2–)n mit R
als gerader Seitenkette wiedergegeben. Daraus geht hervor, dass die Schmelz-
temperatur von PP höher ist als diejenige von PE-HD. Dieser Effekt wird noch
sichtbarer bei Polybuten-1 und Polypenten-1. Der Tiefpunkt ist bei Polyocten-1
und Polynonen-1 erreicht. Danach beginnen die Seitenketten zu kristallisieren,
Poly-3-methylbuten-1 Poly-4,4-Dimethylpenten-1
Polyvinylcyclohexan Poly-4-methylpenten-1
2.1.1.7
Ionomere
■ Allgemeine Stoffbeschreibung
Zu den bemerkenswerten Entwicklungen auf dem Gebiet ethylenhaltiger Co-
polymerisate gehören die im September 1964 von Du Pont auf den Markt ge-
brachten Ionomere.
Im Unterschied zu den herkömmlichen Thermoplasten sind in diesen Stoffen
als Sekundärkräfte sowohl Nebenvalenzen als auch Ionenbindungen wirksam. Die
starken ionischen, d.h. elektrostatischen Kräfte, die zwischen den Kettenmo-
lekülen wirken, sind für das einzigartige Eigenschaftsbild verantwortlich, das ins-
besondere bei den aus diesem Material hergestellten Folien zum Ausdruck kommt:
• hohe Schlagzähigkeit bei tiefen Temperaturen,
• Durchstoß- und Abriebfestigkeit,
• hohe Schmelzenfestigkeit,
• gutes Tiefziehverhalten,
• Haften ohne Vorbehandlung auf Aluminiumfolie und Papier beim Extru-
sionsbeschichten, im Verbund mit Folien aus PA und anderen Polymeren bei
der Coextrusion,
• niedrige Siegeltemperaturen, hohe Siegelnahtfestigkeit und außergewöhn-
liche Heißklebefestigkeit,
• Fett-, Öl- und Lösemittelbeständigkeit,
• Transparenz mit geringer Schleierbildung.
Polyolefine (PO)
2.1.1.7 Ionomere 593
■ Physikalische Eigenschaften
Die kennzeichnenden physikalischen Eigenschaften von Surlyn sind in Tabelle
4-28 im Anhang zusammengestellt (siehe auch Tabelle 2-22).
■ Mechanische Eigenschaften
Unter den mechanischen Eigenschaften ist vor allem die hohe Schlag- und Kerb-
schlagzähigkeit zu erwähnen. Folien sind so zäh, dass man z. B. einen Zuschnitt
über einer senkrecht stehenden Stricknadel warmformen kann, ohne dass die
Folie durchstoßen wird.
Polyolefine (PO)
mechanische
Streckspannung N/mm2 – 35,2 längs 12–17 –
Reißfestigkeit N/mm2 20–35 27–38 längs 37–31 25–28
Streckdehnung % – 350 längs 24 –
Reißdehnung % 350–520 – 300–380 10–50
Zugmodul N/mm2 140–420 – 210–260 1100–2000
Grenzbiegespannung N/mm2 – – 14–16 28–42
Biege-E-Modul N/mm2 260–380 160–370 310–350 770–1800
Izod-Kerbschlagzähigkeit J/m 320–800 – o.Br. 16–64
Shore-Härte – D 56–68 D 56–68 D 55–65 Rockwell L 67–74
thermische
linearer Ausdehnungskoeffizient K–1 110 · 10-6 110 · 10–6 130 · 10–6 120 · 10–6
Formbeständigkeit i.d. Wärme
1,8 N/mm2 °C – – 54–60 41
0,45 N/mm2 °C 38–50 38 91–112 100
Vicat-Erweichungstemperatur °C 57–72 71 108–113 179
Wärmeleitfähigkeit W/mk 0,24 0,24 0,22 0,17
elektrische
spezifischer Durchgangswiderstand W cm 5 · 1015 –10–18 5 · 1015 >1016 >1016
Durchschlagfestigkeit kv/mm 40 44 18–40 –
Dielektrizitätszahl – 2,4 (106 Hz) 2,4 2,52 (106 Hz) 2,12
dielektrischer Verlustfaktor tan d – ≈ 0,003 (50 · 106 Hz) – 0,002–0,005 (106Hz) 0,0015 (107Hz)
2 Synthetische Kunststoffe: 2.1 Thermoplastische Polymere
■ Chemikalienbeständigkeit
Beständig gegen: schwache Säuren, Laugen, Fette, Öle, Lösemittel;
nichtbeständig gegen: oxidierende Säuren, Alkohole, Ketone, aromatische und
chlorierte KW.
■ Spannungsrissbildung
Surlyn neigt kaum zu Spannungsrissbildung.
■ Witterungsbeständigkeit
Die Witterungsbeständigkeit gleicht derjenigen der Polyolefine. Durch Stabili-
sieren ist eine graduelle Verbesserung erzielbar.
O2 H2O
cm3/m2d bar g/m2d
9300 25
■ Brennbarkeit
Surlyn brennt langsam mit leuchtender Flamme.
■ Gesundheitliche Beurteilung
Entsprechende Typen sind zugelassen für dauernde Berührung mit Lebensmit-
teln und physiologisch inert.
Anwendungsbeispiele
Glasklare Getränkeleitungen, Wein- und Fruchtsaftverpackungen, Klar-
sichtfolien für fetthaltige Lebensmittel, Laborzubehör und medizinisches
Zubehör, beschichtetes Trägermaterial, Haftschicht bei koextrudierten
Mehrlagenfolien, Flaschen für Pflanzenöle, Hautpackungen, Fleischver-
packungen, Schuhsohlen, -absätze, Einlagen, Werkzeugstiele, Hammer-
köpfe. Es handelt sich somit vor allem um Anwendungsgebiete, bei denen
bisher PVC-P – mit allen seinen Nachteilen – vorherrscht.
Handelsnamen
Aclyn (Allied Color Ind. Inc./US)
Coathylen (Alast Labor SA/CH)
Capolene (Asahi Chemical Ind./JP)
Escor (Deutsche Exxon Chemical GmbH/DE)
Himiran (Du Pont-Mitsui Polychemical Co./JP)
Surlyn A (Du Pont Deutschland GmbH/DE)
2.1.1.8
Cycloolefincopolymere (COC)
Die schon einige Male bei den Polymerisationsverfahren für Polyethylen und
Polypropylen sowie deren Copolymeren erwähnten Metallocen-Katalysatoren
ermöglichen auch Polymere herzustellen, die nicht nur C-Atome in der Haupt-
kette enthalten, sondern auch heterocyclische Seitengruppen, wie die Struktur-
formel zeigt [2].
Die Ausgangsstoffe dieser Polymeren bilden, wie die Formel zeigt, Ethylen, Nor-
bornen und Tetracyclododecen. Diese Polymere sind unpolar. Das von Hoechst
angewandte Polymerisationsverfahren führt zu einem amorphen und mithin
transparenten Kunststoff.Dieser Tatsache trägt der gewählte Handelsname Topas®
(Thermoplastic Olefin Polymers of Amorphous Structure) Rechnung.Topas ist ein
technischer Kunststoff mit folgenden kennzeichnenden Eigenschaften:
• in weiten Grenzen einstellbare Formbeständigkeit in der Wärme (0 bis 170 °C),
• wertvolle optische und elektrische Eigenschaften,
• geringe Durchlässigkeit von Wasserdampf und Wasser.
Tabelle 2-23. Physikalische Eigenschaften des verfügbaren Topas-Sortimentes
Verarbeitungsschwindung % 0,6 bis 0.7 0,6 bis 0,7 0,6 bis 0,7 0,6 bis 0,7
Mechanische Eigenschaften, gemessen im Normklima bei 23 °C, 50 % rel. Feuchte
Zugfestigkeit N/mm2 ISO 527 Teil 1 und 2 66 66 66 66
Bruchdehnung % ISO 527 Teil 1 und 2 10 3 4 4
Zug-E-Modul N/mm2 ISO 527 Teil 1 und 2 2600 3100 3200 3200
Schlagzähigkeit (Charpy) kJ/m2 ISO 179/1eU 20 13 15 15
Kerbschlagzähigkeit (Charpy) kJ/m2 ISO 179/1eA 2,6 1,7 2,0 2,0
Kugeldruckhärte, 30-s-Wert N/mm2 DIN ISO 2039 Teil 1, 130 184 184 190
Prüfkraft 961 N
Thermische Eigenschaften
Wärmeformbeständigkeit HDT/B °C ISO 75 Teil 1 und 2 75 130 150 170
(0,46 N/mm2)
Linearer Ausdehnungskoeffizient K–1 DIN 53 752 0,7 · 10–4 0,6 · 10–4 0,6 · 10–4 0,6 · 10–4
597
Polyolefine (PO)
Polyolefine (PO)
Elektrische Eigenschaften
Dielektrizitätszahl bei 1 bis 10 kHz – IEC 250 2,35 2,35 2,35 2,35
Vergleichende Kriechwegbildung CTI – DIN IEC 112 > 600 > 600 > 600 > 600
Spezifischer Durchgangswiderstand W · cm DIN IEC 93 > 1016 > 1016 > 1016 > 1016
Brandverhalten
Brennbarkeit Klasse UL94 HB HB HB HB
(1,6 mm) (1,6 mm) (1,6 mm) (1,6 mm)
Optische Eigenschaften
Lichttransmissionsgrad % ASTM D 1003 92 93 92 92
Brechzahl – – 1,53 –
Abbé-Zahl – – 58 – –
2 Synthetische Kunststoffe: 2.1 Thermoplastische Polymere
Polyolefine (PO)
2.1.1.8 Cycloolefincopolymere (COC) 599
Tabelle 2-24. Richtwerte für die Schmelze- und Werkzeugtemperaturen beim Spritzgießen von
Topas
Tabelle 2-25. Übersicht über charakteristische Eigenschaften und typische Anwendungen der
verfügbaren Topas-Typen
Verstreckungsfaktor – 3¥3
Elastizititätsmodul N/mm2 2100 bis 2200 2700 bis 3500
Zugfestigkeit N/mm2 60 bis 70 90 bis 140
Bruchdehnung % 3 bis 4 50 bis 90
Schrumpf (bis 20 K unter Tg) % – <1
Polyolefine (PO)
602 2 Synthetische Kunststoffe: 2.1 Thermoplastische Polymere
2.1.1.9
Verbundwerkstoffe auf Basis Kohlenstoff-Polyolefin
Zu den zahlreichen Füllstoffen für Kunststoffe zählt nach sorgfältiger Auswahl
und nach optimaler Aufbereitung auch die Kohle, speziell der Anthrazit, auch
wenn die praktische Einführung z. Zt. noch auf sich warten lässt. Kasa-Karbon,
so lautet seine Markenbezeichnung, wird in Anteilen zwischen 40 und 75 %
Masseanteil zugesetzt und führt im Vergleich zum talkumgefüllten PP oder
leichtrußgefülltem PE zu beachtenswertem Erfolg bei der Erhöhung des
E-Moduls, der Oberflächenhärte und der antistatischen Ausrüstung, Bild 2-104
und Bild 2-105. Dazu kommt eine hohe Beständigkeit gegen den Angriff durch
Chemikalien, gute Schweißbarkeit und vor allem ein günstiges Preis/Leistungs-
verhältnis [4].
Kennzeichnende physikalische Eigenschaften gibt die Tabelle 2-27 wieder.
Handelsname
Kasa-Karbon (Kasa-Gruppe, Frankfurt/DE)
Bild 2-104. Der Anthrazit-gefüllte Polyolefincompound vereinigt die Vorteile von talkumge-
fülltem PP und leitrußgefüllten Polyolefinen
A hinsichtlich Steifigkeit
B hinsichtlich Formbeständigkeit in der Wärme (PEel bzw. PPel mit Leitruß gefülltes Poly-
ethylen bzw. Polypropylen, PPTV10-TV40 mit 10 bis 40 % Talkum gefülltes Polypropylen,
KK(PP) mit Anthrazit gefülltes Polyethylen bzw. Polypropylen, KK 40 – 60, Füllgrad an
Anthrazit 40 – 60 %
Polyolefine (PO)
2.1.1.9 Verbundwerkstoffe auf Basis Kohlenstoff-Polyolefine 603
2.1.2
Vinylpolymere
Vinylpolymere
2.1.2.1 Polyvinylchlorid (PVC) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 606
2.1.2.1.1 Synthese und Compoundierung . . . . . . . . . . . . . . . . 606
2.1.2.1.1.1 Synthese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 606
2.1.2.1.1.2 Struktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 608
2.1.2.1.1.3 Rohstoffeigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 608
2.1.2.1.1.4 Additive und Zuschlagstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . 610
2.1.2.1.1.5 Compound und Blend . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 616
2.1.2.1.2 Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 617
2.1.2.1.2.1 Thermo-Mechanische Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . 617
2.1.2.1.2.2 Beständigkeiten und Sperrfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . 629
2.1.2.1.2.3 Elektrische und optische Eigenschaften . . . . . . . . . . . . 632
2.1.2.1.2.4 Sonstige Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 636
2.1.2.1.3 Verarbeitung und Anwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . 636
2.1.2.1.3.1 Urformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 639
2.1.2.1.3.2 Pastenverarbeitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 640
2.1.2.1.3.3 Schäumen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 641
2.1.2.1.3.4 Bearbeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 641
2.1.2.1.3.5 Fügen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 641
2.1.2.1.3.6 Veredelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 644
2.1.2.1.3.7 Anwendungsbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 644
2.1.2.1.4 Sicherheit, Umwelt und Recycling . . . . . . . . . . . . . . . 646
2.1.2.1.4.1 Sicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 646
2.1.2.1.4.2 Recycling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 647
2.1.2.1.5 Sortiment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 651
2.1.2.1.5.1 Lieferformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 651
2.1.2.1.5.2 Typisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 651
2.1.2.1.5.3 Handelsnamen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 651
2.1.2.1.6 Literatur – Kapitel 2.1.2.1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 652
2.1.2.2 Polyvinylchlorid-Modifikationen . . . . . . . . . . . . . . . 653
2.1.2.2.1 Blends aus PVC und chloriertem PE-HD (PE-HD-C) . . . . . 655
2.1.2.2.2 Blends aus PVC- und EVA-Copolymeren bzw. EVA/
VC-Pfropfcopolymeren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 664
2.1.2.2.3 Vergleich mit anderen elastifizierenden Hochpolymeren . . . 668
2.1.2.2.4 Blends aus PVC und Acrylpolymeren . . . . . . . . . . . . . 670
2.1.2.2.5 Copolymere aus Vinylchlorid und Vinylidenchlorid/
Acrylnitril-Copolymeren (VC/VDC/AN) . . . . . . . . . . . 670
606 2 Synthetische Kunststoffe: 2.1 Thermoplastische Polymere
2.1.2.1
Polyvinylchlorid (PVC)
J. Diemert, J. Hauk, A. Stieneker, J.Woidasky
2.1.2.1.1
Synthese und Compoundierung
2.1.2.1.1.1
Synthese (s. a. Kapitel 1.2.3.1.1)
Mit einem Verbrauch von 27 Mio t/a steht PVC von allen Kunststoffen an dritter
Stelle [1] und wird derzeit nur von PE-LD und PP übertroffen. PVC verfügt über
das breiteste Verarbeitungs- und Anwendungsspektrum sämtlicher Thermo-
plaste. Dies ist vor allem dem Umstand zu verdanken, dass eine Vielzahl von
Funktions-Zusatzstoffen entwickelt wurden, die es ermöglichen, verarbeitungs-
und anwendungstechnisch sehr leistungsfähige Compounds herzustellen.
Vinylpolymere
der Reaktionstemperatur gesteuert.
Die Rohstoffe von PVC werden ressourcenschonend zu 43 % aus Erdöl und zu
57 % aus Steinsalz gewonnen. PVC wird großtechnisch nach drei Polymerisa-
tionsverfahren hergestellt [7]:
■ Emulsionspolymerisation (E-PVC)
Das System Wasser/Vinylchlorid wird durch Zusatz von grenzflächenaktiven
Substanzen, den Emulgatoren, unter Rühren in eine stabile Emulsion überführt.
Die Polymerisation wird durch wasserlösliche peroxidische Initiatoren akti-
viert und das feindispergierte Polymerisat (Teilchengröße 0,1 bis einige mm)
durch Sprühtrocknen zu feinen, verpastbaren (ca. 10 mm) oder zu groben, riesel-
fähigen Typen (60 bis 300 mm) aufgearbeitet. Das Emulsionspolymerisations-
verfahren kann sowohl kontinuierlich als auch diskontinuierlich durchgeführt
werden.
■ Suspensionspolymerisation (S-PVC)
Vinylchlorid wird durch intensives Rühren im Wasser eines Autoklaven in
feinste Tröpfchen zerteilt. Schutzkolloide verhindern das Zusammenfließen der
Tröpfchen. Vinyllösliche Initiatoren lösen die Polymerisation aus. Aus den Mo-
nomer-Tröpfchen werden feste Polymerteilchen (60 bis 250 mm Durchmesser),
die durch Zentrifugieren von der wässrigen Phase getrennt werden. Danach
wird das Produkt gewaschen und getrocknet.
Bei diesem Verfahren werden salz- und emulgatorfreie Polymere gewonnen;
sie enthalten jedoch noch geringe Mengen an Schutzkolloid. Die elektrischen
Werte sind gut, daraus hergestellte Folien und Flaschen sind glasklar.
■ Massepolymerisation (M-PVC)
Als Weiterentwicklung der von Péchiney-Saint Gobain Ende der fünfziger
Jahre erstellten ersten großtechnischen Anlagen zur Massepolymerisation
von Vinylchlorid folgte 1963 das sogenannte „Zweistufenverfahren“. Als Ini-
tiatoren dienen monomerlösliche Peroxide. Im Vor-Polymerisator wird in einer
ersten Stufe ein VC-Umsatz von 5 bis 10 % bei sehr hoher Rührgeschwindigkeit
erreicht. Diese Suspension wird einem zweiten Haupt-Polymerisator mit weite-
rem VC und Initiatorzusatz bis zu einem Endumsatz von 60 – 80 % polyme-
risiert. Das monomerfeuchte Polymere wird ausgegast, gesiebt und den Silos zu-
geführt.
M-PVC ist sehr rein, die Korngröße ca. 100 mm und die Kornverteilung eng.
Bei sehr hohen Anforderungen an die Transparenz (dicke glasklare Platten) oder
im Bereich der Sterilisationsfolien ist M-PVC dem S-PVC vorzuziehen.
■ VC-Copolymere
Die VC-Copolymere werden nach dem Suspensions- und dem Emulsionsverfah-
ren hergestellt. Weiterführende Informationen über diese Materialtypen sind in
Kapitel 2.1.2.2 zu finden.
608 2 Synthetische Kunststoffe: 2.1 Thermoplastische Polymere
2.1.2.1.1.2
Struktur (s. a. Kapitel 1.3.1)
Vinylpolymere
isotaktisch syndiotaktisch
ataktisch
Kopf-Schwanz-Stellung Kopf-Kopf-Stellung
2.1.2.1.1.3
Rohstoffeigenschaften
Wie Polymere allgemein, so unterscheiden sich auch die einzelnen PVC-Typen
durch ihre molare Masse, deren Verteilung sowie äußerlich gesehen durch ihre
Teilchengröße und -form, die Kornstruktur (glatt oder porös) und die Korn-
größenverteilung. Für diese Eigenschaften können nach DIN/ISO Kennzahlen
ermittelt werden, die wiederum Rückschlüsse auf das Verarbeitungsverhalten
der Formmassen und die Gebrauchseigenschaften hieraus hergestellter Halb-
zeuge und Fertigteile zulassen.
Über die Kornbeschaffenheit entscheidet das Polymerisationsverfahren, bei-
spielsweise durch Suspensionsmittel, Emulgator, Rührart und Aufbereitungs-
technik.
2.1.2 Vinylpolymere 609
Vinylpolymere
Schüttdichte ist die Kennzahl für eine lose Schüttung, die Stopfdichte gibt das
Masse/Volumenverhältnis von gestampftem PVC-Pulver wieder. Hohe Schütt-
dichten erbringen höhere Durchsatzleistungen bei der Verarbeitung.
■ Korngrößenverteilung, DIN EN ISO 4610, DIN EN ISO 1624 oder DIN 53195
Die Korngrößenverteilung beeinflusst die Rieselfähigkeit und die Mischungs-
schüttdichte und damit das Verarbeitungsverhalten von PVC.
Tabelle 2-28. Spezifische Anwendungsbereiche von E-, S- und M-PVC verschiedener K-Werte in
Anlehnung an [8]
Verarbeitung E S M E S M
Kalander, (Schmelz-
walzenmaschinen,
Plattenpressen) (60–65) 57–65 57–65 70–80 65–70 70
thermisch vergütete
Folien 75–80 – – – – –
Fußbodenbeläge – – – 60–70 60–70 –
Extruderverarbeitung
PVC-U
Rohre 70 65–68 67–68
Fensterprofile – 65–68 –
Möbel- u. Bauprofile 60–68 60–68 60–68
Tafeln und
Flachfolien 60–65 60 60
Blasfolien 60 57–60 60
Extruderverarbeitung
PVC-P
allgemein 65–70 65–70 65–70
Kabelmassen – 65–70 –
vorzugsweise – 70 70
Hohlkörperblasen – 57–60 58–60 – 65–80 60–65
Spritzgießen – 55–60 56–60 – 65–70 55–60
Pastenverarbeitung – – – 70–80 (70–80)
a
) Nach DIN 52726: 0,25 PVC in 60 ml Cyclohexanon.
610 2 Synthetische Kunststoffe: 2.1 Thermoplastische Polymere
der mittleren molaren Masse M 3 w und ergibt sich aus der Viskositätszahl, die aus
der Lösungsviskosität bestimmt wird.
Die K-Werte von PVC für thermoplastische Verarbeitung betragen 55 bis 80.
Vinylpolymere
■ Flüchtige Bestandteile, DIN ISO 1269, DIN EN ISO 787-2 und Wassergehalt
nach Fischer DIN 53715
Allgemein führt eine erhöhte Restfeuchte in PVC zu Problemen in der Verarbei-
tung auf Extrudern ohne Entgasungssystem. Beispielsweise können Bläschen-
und Kraterbildung im Formteil auftreten. Für S- und M-PVC werden meist
Werte von < 0,3 % und für E-PVC Werte < 0,8 % erreicht [7].
Die Restmonomergehalte an Vinylchlorid liegen heute im Bereich < 1 ppm.
2.1.2.1.1.4
Additive und Zuschlagstoffe (s. a. Kapitel 1.3.5)
Die große Verbreitung von PVC und die Vielseitigkeit im Vergleich zu anderen
Standardkunststoffen beruht darauf, dass dieser Thermoplast wie kein anderer
mit Hilfe von Zusatzstoffen ein breit gefächertes Eigenschaftsbild erlangen
kann, das ihm eine Vielfalt von Anwendungen erschließt.
Wegen dieser grundsätzlichen Bedeutung für die Eigenschaften und die An-
wendung von PVC werden diese Zuschlagstoffe ergänzend zur grundsätzlichen
Beschreibung in Kapitel 1.3.5 im folgenden Abschnitt detaillierter dargestellt.
Hierbei wird insbesondere auf die Bedeutung der jeweiligen Stoffklasse in der
Formulierung einer PVC-Mischung eingegangen.
Vinylpolymere
durch schwermetallfreie Alternativen ersetzt werden.
Stabilisatoren haben einen wesentlichen Einfluss auf die Verarbeitungseigen-
schaften der PVC-Mischung und die Gebrauchseigenschaften eines Produktes.
Es ist daher entscheidend, das Stabilisator-System auf die jeweilige Verarbeitung
und Anwendung anzupassen.
Typische Lieferformen sind vorgemischte Stabilisator-Compounds (auch als
One-Packs bezeichnet) in Pulver- oder Granulatform, die bei der Herstellung des
PVC-Dryblends zwischen 2 und 6 Prozent dem PVC zugesetzt werden.
Eine nicht ausreichende Stabilisierung von PVC macht sich in einer Verfär-
bung des Materials und der Abspaltung von Chlorwasserstoff bemerkbar.
Die Wirksamkeit eines Stabilisators kann beispielsweise durch einen HCl-Test
oder Mathis-Test nachgewiesen werden. Entsprechende Prüfnormen sind in
Tabelle 2-31 enthalten.
■ Costabilisatoren
Costabilisatoren nehmen in modernen komplexen Stabilisatorsystemen eine
wichtige Rolle ein. Costabilisatoren wirken häufig synergetisch mit dem Stabili-
sator, indem sie gezielt bestimmte Ketten von Abbaureaktionen unterbrechen,
Defektstellen inertisieren oder auf die Zersetzung katalytisch wirkende Zwi-
schenprodukte der Stabilisierungsreaktionen oder Abbaureaktionen auffangen.
Costabilisatoren sind meist organische Substanzen wie Organo-Phosphite, Po-
lyole, 1,3-Diketone, Epoxyverbindungen, Antioxidantien oder UV-Stabilisatoren.
■ Säurefänger
Der bei der Zersetzung von PVC entstehende Chlorwasserstoff wird durch den
Zusatz von anorganischen Säurefängern gebunden. Zu der Gruppe der Säure-
fänger zählen mineralische Stoffe wie Hydrotalcid und Hydrocalumit, Zeolithe
und sonstige anorganische basische Verbindungen.
innerlich
Dicarbonsäureester C14–18
COO–COO–
Glycerinester C14–18 OOC–
Glycerinester ––––OH
Glycerinester OH
Fettsäureester C15–18 –COO–
Fettsäureester
Hydroxifettsäure C14–18 –OH, –COOH
Fettsäure C14–18 –COOH
Metallseifen C16–18 –COO–Me
Metallseifen
Metallseifen
Fettsäureamid C16–18 –CO–NH–CO–
Esterwachse, C6–18 –COO–
teilverseift –COO–Me
Oxidiertes PE C125–600 diverse
Paraffin, flüssig verzw. Ketten –
Paraffin, fest gerade Ketten –
äußerlich
Paraffin, fest
Paraffin, fest
Polyethylenwachs C125–700 –
wie ihre Verarbeitung zu verbessern siehe Abschn. 1.3.5.2 , sowie dort Schrifttum
[10–15]).
Vinylpolymere
614 2 Synthetische Kunststoffe: 2.1 Thermoplastische Polymere
gecoateter Form verwendet. Von den Mineralien wird vor allem eine gute Dis-
pergierbarkeit, eine geringe Weichmacher- und Additivabsorption (vor allem
bei gecoateter Kreide), eine hohe chemische Reinheit (Schwermetalle beein-
Vinylpolymere
Vinylpolymere
■ Weichmacher und Weichmachung (s. a. Kapitel 1.3.5.1)
Die Aufgabe der Weichmacher besteht darin, die zwischen den Makromolekülen
wegen der polaren Struktur des PVC-U wirksamen Dipolkräfte zu lockern be-
Tabelle 2-31. Eigenschaften und Prüfnormen für PVC nach DIN EN ISO
2.1.2.1.1.5
Compound und Blend (s. a. Kapitel 1.4.3.2)
PVC wird im Extrusionsprozess überwiegend als Dryblend verarbeitet. Dieses
wird in sogenannten Heiz-/Kühlmischern hergestellt. In einem ersten beheizten
Mischer wird unter überwiegend mechanischer Energiezufuhr das PVC-Pulver
2.1.2 Vinylpolymere 617
Vinylpolymere
zenden Mischungsbestandteile an der Kornoberfläche. Die erhaltene Mischung
wird unter weiterem Rühren im Kühlmischer abgekühlt um eine Verkleben der
Körner zu vermeiden.
Insbesondere für Spritzgießanwendungen werden auch PVC-Mischungen
durch Aufschmelzen des Compounds hergestellt, sodass die Materialmischung
in Granulatform anfällt.
2.1.2.1.2
Eigenschaften (s. a. Kapitel 1.3)
Kennzeichnende Eigenschaften für Hart-PVC (PVC-U) sind:
• hohe mechanische Festigkeit, Steifheit und Härte,
• in nicht modifizierter Form schlagempfindlich in der Kälte,
• ungefüllt durchscheinend bis transparent (je nach Herstellverfahren),
• gute elektrische Eigenschaften im Niederspannungs- und Niederfrequenzbe-
reich,
• hohe Beständigkeit gegen den Angriff durch Chemikalien,
• selbstverlöschend nach Entfernen der Zündquelle.
Weich-PVC zeichnet sich vor allem durch folgende Eigenschaften aus:
• in weiten Grenzen einstellbare Flexibilität,
• Zähigkeit je nach Weichmacherart, sehr temperaturabhängig,
• durchscheinend bis transparent,
• gute elektrische Eigenschaften im Niederspannungs- und Niederfrequenzbe-
reich,
• die Beständigkeit gegen Chemikalien ist rezept- und sehr temperaturabhängig.
2.1.2.1.2.1
Thermo-Mechanische Eigenschaften (s. a. Kapitel 1.3.2)
Mechanische Eigenschaften
Verhalten bei geringer Verformungsgeschwindigkeit
Die Daten in Tabelle 2-32 weisen unmodifiziertes PVC-U als einen harten und ei-
nem im Vergleich zu anderen Kunststoffen wie Polystyrol steifen und schlag-
zähen Werkstoff aus. Wie die meisten harten Kunststoffe ist auch PVC-U kerb-
empfindlich und weist mithin eine geringe Kerbschlagzähigkeit auf.
Die Viskoelastizität des Werkstoffs äußert sich zunächst in der Temperatur-
und Zeitabhängigkeit der mechanischen Eigenschaften, wie die Bilder 2-107 bis
2-109 am Beispiel von PVC-U zeigen.
Polymerisate Einheit E-PVC b S-PVC b PVC 100 c HT-PVC e Copoly- erhöht hoch
PVC-C e mere a schlagzäh c
Eigenschaften aK 5 bis 10 aK 30 bis 50
Dichte g/cm3 1,38 bis 1,39 1,39 bis 1,40 1,40 1,55 1,35 1,38 bis 1,36 1,38 bis 1,34
mechanische
Zugfestigkeit N/mm2 50 bis 60 50 bis 60 > 50 75 50 bis 60 55 bis 45 50 bis 35
Reißdehnung % 10 bis 50 10 bis 20 > 40 10 15 bis 50 20 bis 70 30 bis 100
Grenzbiegespannung N/mm2 70 bis 100 80 bis 110 – 120 < 100 ≈ 80 80 bis 55
E-Modul kN/mm2 2 bis 3 2 bis 3 >3 3,4 3 2,6 bis 2,2 2,4 bis 1,9
Kugeldruckhärte 10-s-Wert N/mm2 100 bis 120 110 bis 130 – 150 < 130 ≈ 100 100 bis 75
Shore-Härte D – 83 bis 84 83 bis 84 – – – 81 81 bis 75
Schlagzähigkeit kJ/m2 ohne Bruch ohne Bruch – 20 – ohne Bruch ohne Bruch
Kerbschlagzähigkeit bei 20 °C kJ/m2 2 bis 5 2 bis 4 >2 2 3 5 bis 10 30 bis 50
0 °C kJ/m2 2 bis 3 2 bis 3 2 – – 3 bis 7 7 bis 16
thermische
Gebrauchstemperatur ohne
mech. Beanspruchung in Luft
kurzzeitig °C 75 75 75 100 65 70 70
dauernd °C 65 65 65 85 55 60 60
Glasübergangstemperatur °C 80 80 80 110 80 80 80
Formbeständigkeit in der °C 70 bis 80 70 bis 80 78 100 60 bis 75 f 80 80 bis 75
Wärme nach Vicat B > 75 > 75
Kältebruchtemperatur g °C 0 bis – 5 0 – – – < – 40 < – 40
Wärmeleitfähigkeit W/mK 0,17 0,17 0,17 0,14 0,17 0,17 0,14
linearer Wärmeausdehnungs-
koeffizient K–1 · 106 70 bis 80 70 bis 80 70 60 ≈ 70 70 bis 80 80
spezifische Wärmekapazität kJ/kgK 0,85 0,85 0,85 0,85 0,85 0,90 0,90
2 Synthetische Kunststoffe: 2.1 Thermoplastische Polymere
Tabelle 2-32 (Fortsetzung)
Polymerisate Einheit E-PVC b S-PVC b PVC 100 c HT-PVC e Copoly- erhöht hoch
PVC-C e mere a schlagzäh c
Eigenschaften aK 5 bis 10 aK 30 bis 50
Dichte g/cm3 1,38 bis 1,39 1,39 bis 1,40 1,40 1,55 1,35 1,38 bis 1,36 1,38 bis 1,34
2.1.2 Vinylpolymere
elektrische
spezif. Durchgangswiderstand W cm > 1015 > 1015 > 1015 > 1015 > 1015 > 1015 > 1015
Durchschlagfestigkeit kV/mm 20 bis 40 20 bis 40 115 d 12 20 40 40
Dielektrizitätszahl
800 bis 106 Hz zwischen 3,5 und 2,7
dielektr. Verlustfaktor tand
800 bis 106 Hz opak zwischen 0,003 und 0,02 transparent 0,015 und 0,013
Kriechwegbildung CTI > 600 > 600 > 600 > 600 > 600 > 600 > 600
Vinylpolymere
620 2 Synthetische Kunststoffe: 2.1 Thermoplastische Polymere
Vinylpolymere
werden jedoch höhere Anforderungen an die Zähigkeit von PVC-U gestellt, denn
nur dann können die insgesamt sehr guten mechanischen Eigenschaften dieses
Werkstoffes genutzt werden. Die Kerbschlagzähigkeit von PVC-U kann durch
Vinylpolymere
Zugabe von Acrylat-Elastomeren, Ethylen/Vinylacetat-Co-polymeren, MBS-
oder ABS-Elastomeren und nicht zuletzt mit Hilfe von chloriertem Polyethylen
(CPE) wesentlich verbessert werden. Diese Komponenten werden je nach Typ
entweder im Compoundierprozess zugemischt oder aber bereits in das PVC ein-
polymerisiert (siehe auch Kapitel 2.1.2.2).
Vinylpolymere
Bild 2-113. Abhängigkeit der
Shore-Härte A und D nach
DIN EN ISO 868 von der
Weichmachermenge für ver-
schiedene Weichmacher. Basis:
S-PVC, K-Wert = 71
Bild 2-114. Einfluss der Weichmachermenge und der Weichmacherart auf die Reißfestigkeit sR
und Reißdehnung eR, gemessen nach DIN EN ISO 527
624 2 Synthetische Kunststoffe: 2.1 Thermoplastische Polymere
Vinylpolymere
Tabelle 2-33. Eigenschaften von PVC-P (auf Basis von Vinoflex S 7114) im Vergleich zu PVC-U
(Vinoflex S 6815)
Vinylpolymere
Vinoflex Vinoflex S 7114
S 6815
PVC 100 75 75 60 60
Weichmacher DOP (Palatinol® AH) – 25 – 40 –
Weichmacher DOA (Plastomol® DOA) – – 25 – 40
Shore-Härte A (DIN EN ISO 868) 100 94 92 74 70
Kältebruchtemperatur °C (DIN EN 1876-2) + 80* – 10 – 43 – 37 – 69
Reißfestigkeit MPa (DIN EN ISO 527) 60 26 23 16 13
Reißdehnung % (DIN EN ISO 527) 30 280 270 370 350
spez. Durchgangswiderstand 10000 500 2 1 0,02
1012 · W · cm (DIN ICE 60093)
DOP = Di-2-ethylhexylphthalat.
DOA = Di-2-ethylhexyladipat.
* Einfriertemperatur.
Spezifische Wärmekapazität
Bild 2-121 gibt die Temperaturabhängigkeit der spezifischen Wärmekapazität
und der Enthalpie von PVC-U wieder.
Die Abhängigkeit der spezifischen Wärmekapazität vom Weichmachergehalt
zeigt Bild 2-122 [7].
2.1.2 Vinylpolymere 627
Vinylpolymere
Bild 2-120. Abhängigkeit
der Glasübergangstempe-
ratur (Einfriertemperatur-
bereich) vom Weichma-
cher (DOP)-Gehalt
kg · K
Spezifische Wärmekapazität
Bild 2-122. Abhängigkeit der spezifischen Wärmekapazität von PVC in Abhängigkeit vom
Weichmachergehalt (DPO) und der Materialtemperatur [7]
Wärmeleitfähigkeit
Eine wichtige Kenngröße für die Berechnung des zeitlichen Ablaufs auf Wärme-
leitung beruhender Austauschvorgänge ist die Temperaturleitfähigkeit a. Sie
wird gebildet als Quotient aus Wärmeleitfähigkeit und Wärmekapazität je
Raumeinheit.
Die Änderung der Wärmeleitfähigkeit und der Dichte mit der Temperatur ist
gering im Vergleich zu der spezifischen Wärme.
Die Temperaturleitfähigkeit von PVC im Vergleich zu anderen wichtigen
Kunststoffen ist in Tabelle 2-34 dargestellt.
Die Temperaturleitfähigkeit von Stahl beträgt mehr als das Hundertfache die-
ser Werte.
Materialtyp Temperaturleitfähigkeit a
Vinylpolymere
2-124.
Weitere Daten für thermische Stoffgrößen von PVC enthält Tabelle 2-32.
2.1.2.1.2.2
Beständigkeiten und Sperrfähigkeit (s. a. Kapitel 1.3.4)
Beständigkeit gegen den Angriff durch Chemikalien
Bei Temperaturen bis 60 °C ist PVC-U beständig gegen die meisten anorgani-
schen Säuren, Laugen und Salzlösungen, Gase und viele organische Verbindun-
gen wie Fette, Öle, aliphatische Kohlenwasserstoffe (KW), Benzin (nur PVC-U)
oder Waschmittel.
PVC-U ist nicht beständig gegen aromatische KW, chlorierte KW, Ketone,
Ester oder Fleckenreinigungsmittel.
Die Chemikalienbeständigkeit von PVC-P hängt sehr von der Weichmacher-
art und dem Gehalt ab. Spezialweichmacher können die Beständigkeit gegen-
über einzelnen chemischen Verbindungen sogar erhöhen.
Angaben zur Beständigkeit von PVC finden sich auch in DIN 8061 „Rohre aus
weichmacherfreiem PVC – Allgemeine Qualitätsanforderungen“.
Die Chemikalienbeständigkeit von PVC und anderen Kunststoffen ist auch in
Tabelle 4-32 im Anhang dargestellt.
Spannungsrissbildung
PVC ist weitgehend beständig gegen die Bildung von Spannungsrissen.
Witterungsbeständigkeit, Wetterechtheit
Bei sachgemäßer Stabilisierung und Additivierung weisen Formteile aus PVC-U
eine vergleichsweise gute Witterungsbeständigkeit auf. Das gute Alterungsver-
halten begünstigt die Verwendung für Fensterprofile, Dachrinnen, Fassadenta-
feln und viele andere Anwendungen im Außenbereich.
PVC-P ist weniger witterungsbeständig als PVC-U. Der Einfluss der Sonnen-
strahlung und der Witterung verstärken eine eventuelle Flüchtigkeit und Migra-
tion der Weichmacher.
Gasdurchlässigkeit
Die Durchlässigkeit q, ermittelt an 40 mm dicken PVC-Folien verschiedener Ein-
stellung (bei 20 °C), ist in Tabelle 4-30 im Anhang wiedergegeben. Bild 2-125 und
2-126 geben zusätzliche Informationen über die Durchlässigkeit für Wasser-
dampf und Gase in Abhängigkeit von der Foliendicke.
2.1.2 Vinylpolymere 631
Vinylpolymere
Bild 2-125. Wasserdampfdurchläs-
sigkeit verschiedener PVC-Sorten
in Abhängigkeit von der Folien-
dicke für (a) E-PVC-U, (b) M-PVC-
U, (c) S-PVC-U
2.1.2.1.2.3
Elektrische und optische Eigenschaften (s. a. Kapitel 1.3.3)
Elektrische Eigenschaften
Isolationseigenschaften
Mit geeigneten Stabilisatoren und Hilfsstoffen sind PVC-Formmassen mit sehr
guten elektrischen Eigenschaften herstellbar. PVC-Isolierstoffe werden im Nie-
derfrequenzbereich bis etwa 10 kV eingesetzt. Bei höheren Frequenzen wirkt
sich der verhältnismäßig hohe dielektrische Verlustfaktor tan d nachteilig aus.
Die Abhängigkeit des spezifischen Durchgangswiderstandes vom Weichma-
chergehalt zeigt Bild 2-127.
Den Einfluss von leitfähigem Ruß auf den spezifischen Durchgangswider-
stand und den Oberflächenwiderstand zeigt Bild 2-128.
Prüfnormen für die elektrischen Eigenschaften von PVC enthält Tabelle 2-31.
Vinylpolymere
Bild 2-128. Elektrische Eigenschaften von PVC-P in Abhängigkeit vom Gehalt an leitfähigem Ruß
Bild 2-129. Dielektrischer Verlust von Hart-PVC nach [17, 18] in Abhängigkeit von Frequenz und
Temperatur
634 2 Synthetische Kunststoffe: 2.1 Thermoplastische Polymere
Bild 2-130. Dielektrischer Verlust von Weich-PVC nach [17, 18] in Abhängigkeit von Frequenz
und Temperatur
Vinylpolymere
Bild 2-132. Lichtdurchläs-
sigkeit (Gesamtlicht) von
Folien aus M-PVC-U in
Abhängigkeit von der Wel-
lenlänge (gemessen im
Beckmann-Spektralphoto-
meter); Bezeichnungen:
a weiß
b braun
c grün
d gelb
e natur
Optische Eigenschaften
Der Brechungsindex beträgt n20 D = 1,52 bis 1,55. Die Lichtdurchlässigkeit von
600 mm-Folien aus hartem Masse-PVC in Abhängigkeit von der Wellenlänge
Vinylpolymere
2.1.2.1.2.4
Sonstige Eigenschaften
PVC wird häufig in Form von Weich-PVC für die Herstellung von medizintech-
nischen Artikeln wie beispielsweise Kathetern oder Blutbeuteln eingesetzt.
Speziell formulierte Weich-PVC-Mischungen zeigen eine hohe Biokompatibi-
lität und sind mit Heißdampf (121 bis 134 °C), Gammastrahlung und Ethylen-
oxid-Gas sterilisierbar.
Die hohe Knick- und Walkfestigkeit von Schlauchsystemen aus Weich-PVC
sind wie die hohe Elastizität weitere für medizintechnische Anwendungen wich-
tige Eigenschaften von Weich-PVC.
2.1.2.1.3
Verarbeitung und Anwendung (s. a. Kapitel 1.4)
Die bekannten Verarbeitungs-, Füge-, und Weiterverarbeitungsverfahren von ther-
moplastischen Kunststoffen sind in Kapitel 1 dargestellt. Für PVC kommen diese
Vinylpolymere
Vinylpolymere
Spritzgießen a, b 180–210 170–200 170–200 165–195 > 30 50 >15 50 1000 bis 800 400 bis 1200
Extrudieren
Rohre, Schläuche 185 180 160 160 185 180 160 160 100 bis 200 75 bis 150
Schlauchfolien 175–205 175–195 – – 185 185 – – 100 bis 200 –
Flachfolien – – 160 160 – – 160 160 160 bis 200 100 bis 200
Tafeln 185 180 160 160 185 180 160 160 160 bis 200 75 bis 150
Rohre und Profile 185 180 160 160 185 180 160 160 160 bis 200 75 bis 150
Drahtummantelungen – – 190 190 – – 190 190 100 – 150 bis 250
Borsten und Monofile 185 180 – – 185 180 – – 100 bis 200 –
Hohlkörperblasen 180–210 175–200 160 160 185 180 160 160 160 bis 200 75 bis 150
Spritzblasen a 185 180 – – – 80–160 – – – 1500 –
Pressen a, b 180 175 160 160 – – – – 100 bis 100 50 bis 50
Vinylpolymere
das Extrudieren und das Kalandrieren. Eine mengenmäßig von Land zu Land un-
terschiedliche Bedeutung haben das Spritzgießen, Blasformen, das Streck-Blasfor-
men, das Pressen und das Sintern. Eine Übersicht über die für PVC-U bzw. PVC-P
gebräuchlichen Verarbeitungsverfahren geben die Bilder 2-134 bzw. 2-135 [8].
Richtwerte für die bei der Verarbeitung einzustellenden Verarbeitungspara-
meter sind in Tabelle 2-35 für die gängigsten Verarbeitungsverfahren getrennt
für PVC-U und PVC-P dargestellt.
2.1.2.1.3.1
Urformen (s. a. Kapitel 1.4.3.1)
Spritzgießen
Für die Verarbeitung von PVC im Spritzgießverfahren werden spezielle korro-
sionsgeschützte Plastifizieraggregate mit geringer Kompression und meist ohne
Rückstromsperre eingesetzt. Typische Produkte sind Rohrleitungs-Fittings,
Gehäuse, WC-Spülkästen und Gartenmöbel.
Anlagentechnik
Mengenmäßig wird der überwiegende Teil des PVC als pulverförmiges Dryblend
in gegenläufigen Doppelschneckenextrudern verarbeitet. Die kammerartige För-
derung dieser Extruderbauform führt zu einem engen Verweilzeitspektrum, wie
es für die Verarbeitung des thermisch empfindlichen PVC erforderlich ist, und er-
laubt einen hohen Druckaufbau von mehreren 100 bar. Der weit überwiegende
Anteil der zur Plastifizierung notwendigen Energie wird dabei über den mecha-
nischen Antrieb in das Produkt eingebracht. Die Entgasung ist ein wesentlicher
Bestandteil in der Produktion hochwertiger lunkerfreier Extrudate.
Vorcompoundierte PVC-Granulate werden häufig auch auf Einschneckenex-
trudern verarbeitet.
Coextrusion
PVC wird auch coextrudiert. Typische Produkte sind hier Profile oder Rohre mit
Rezyklatkern, anextrudierte Dichtlippen an Profilen, PVC-Schaumkernrohre
und PVC-Profile mit coextrudierter PMMA-Deckschicht.
Blasformen
Der Herstellungsprozess entspricht weitgehend dem von anderen Thermoplas-
ten her bekannten Prozess. Allerdings kommen bei der Material-Plastifzierung
ebenfalls spezielle an PVC angepasste Extruder zum Einsatz.
640 2 Synthetische Kunststoffe: 2.1 Thermoplastische Polymere
Kalandrieren
Kalandrieren hat bei PVC eine hohe Bedeutung. Typische Produkte sind Schwer-
folien, Platten, Fußböden und Kunstleder.
Vinylpolymere
2.1.2.1.3.2
Pastenverarbeitung
PVC-Pasten, auch Plastisole genannt, sind Dispersionen von feinteiligen PVC-
Partikeln in flüssigen Weichmachern. Sie nehmen im Bereich der Verarbeitung
von PVC eine Sonderstellung ein. Ihre Formgebung erfolgt in flüssiger bzw.
pastöser Phase und nicht im thermoplastischen Zustandsbereich wie bei her-
kömmlichen Verarbeitungsverfahren (Extrusion, Kalandrieren, Spritzgießen).
Die Verfestigung, das sogenannte Gelieren, wird erst im Anschluss an die Form-
gebung durch Wärmebehandlung im Bereich von 120–200°C vorgenommen.
Die Verarbeitung der Pasten kann durch zahlreiche Methoden wie Rakeln,
Drucken, Tauchen und Gießen erfolgen. Die Hauptanwendungen sind kontinuier-
liche Beschichtungsverfahren, wie sie bei der Herstellung von Fußbodenbelägen,
Kunstledern und Gewebebeschichtungen angewendet werden.
Bei der Verarbeitung kommen dem Fließverhalten und der Rheologie große Be-
deutung zu.PVC-Pasten weisen in der Regel nicht newton’sches Fließverhalten auf,
d.h. die Viskosität ist von der Schergeschwindigkeit und -dauer abhängig.
Die Viskosität ist dabei u.a.abhängig von der Teilchenverteilung in dem System.
Durch Einsatz zwickelfüllender kleiner Partikel kann die Viskosität einer Paste mit
gleichgroßen Teilchen reduziert werden. Durch Verwendung von Füller-Polyme-
ren (Extender-/Blend-PVC) kann die Viskosität bei gleich bleibendem Weichma-
cheranteil deutlich reduziert werden. Diese durch Suspensions-Polymerisation er-
zeugten PVC-Typen haben eine Teilchengröße von 20–35 µm und absorbieren
durch ihre möglichst runde Struktur nur äußerst wenig Weichmacher.
Verarbeitungsverfahren für Plastisole sind im Folgenden dargestellt.
Tabelle 2-31 enthält Prüfnormen für wichtige Rohstoffeigenschaften von Pas-
ten-PVC.
Sprühauftrag
Das zähflüssige Plastisol lässt sich im Sprühverfahren verarbeiten. Eine Anwen-
dung ist beispielsweise der PVC-Unterbodenschutz für PKW.
2.1.2 Vinylpolymere 641
Tauchverfahren
Das Tauchverfahren wird überwiegend in der Beschichtung eingesetzt. Hierbei
wird der zu beschichtende Artikel kurzzeitig in das Plastisol getaucht und an-
Vinylpolymere
schließend ausgeliert.
Streichverarbeitung
Hierbei wird über ein Rakelsystem eine dünne Plastisolschicht auf eine konti-
nuierlich unter dem Rakelsystem durchgezogene Bahn aufgetragen. So können
beispielsweise Tischdecken oder andere beschichtete Stoffe hergestellt werden.
2.1.2.1.3.3
Schäumen (s. a. Kapitel 1.4.3.3)
PVC wird überwiegend durch den Zusatz von chemischen Treibmitteln, d. h.
Treibmitteln, die sich bei den hohen Temperaturen der Verarbeitungsprozesse
unter Gasbildung chemisch zersetzen, verschäumt.
Die Eigenschaften von Hart-Schaumstoffen aus PVC-U und anderen Polyme-
ren gibt Tabelle 2-36 wieder. Einen Überblick über die Eigenschaften weicher
und halbharter Schaumstoffe gibt Tabelle 2-37.
2.1.2.1.3.4
Bearbeiten
Spanende Bearbeitung
Hinweise für das Bearbeiten von PVC-Formstoffen geben die Tabelle 2-6 und 2-7.
Trennen
Hinweise für das Trennen von PVC-Formstoffen gibt Tabelle 2-7.
2.1.2.1.3.5
Fügen
Fügeverfahren
Die Tabellen 2-8 und 2-9 in Kapitel 2.1.1 geben Hinweise über mögliche Fügever-
fahren.
Kleben
Diffusionsklebung ist besonders geeignet für das Verkleben von PVC. Dazu die-
nen Lösungen von nachchloriertem PVC in Chlor oder Kohlenwasserstoffen
(PC-Klebstoff) oder von PVC-Copolymerisaten in Tetrahydrofuran (THF-Kleb-
stoffe). Mit THF-Klebstoffen können Fügeteilabstände von 0,6 bis 1,2 mm (je
nach Anforderungen an die Dichtheit) überbrückt werden. Die Klebeflächen
werden mit chlorierten Kohlenwasserstoffen vorbehandelt. Einen anderen Weg
zur Vorbehandlung von Fügeflächen, beispielsweise bei Fensterprofilen, bietet
die Koronabehandlung [19]. Dabei werden Verarbeitungshilfsmittel entfernt und
die Oberfläche modifiziert; außer Fensterrahmen eignen sich Rohre großen
Vinylpolymere
Eigenschaften Einheit
Gebrauchstemperatur-
bereich kurzzeitig °C 100 100 100 80 > 150 > 250 > 100
dauernd °C 70–80 80–85 80–85 60 80 130 90
Wärmeleitfähigkeit W/mK 0,03–0,035 0,03–0,035 0,03–0,035 0,036–0,04 0,018– 0,024 0,02–0,03 0,03
Wasserdampfdiffusions-
Widerstandszahl m – 30–70 100–130 150–300 200–300 30–130 30–300 4–10
nach DIN V 4108-4
Wasseraufnahme
(Lagerung 7 Tage Vol. % 2–3 2 1,5 1 1–4 7–10 > 20
in Wasser)
2 Synthetische Kunststoffe: 2.1 Thermoplastische Polymere
Tabelle 2-37. Eigenschaften von weichen und halbharten Schaumstoffen
Typen
Vinylpolymere
644 2 Synthetische Kunststoffe: 2.1 Thermoplastische Polymere
Durchmessers aus PVC für diese Behandlung. Für Profile mit gekrümmter Ober-
fläche sind Formelektroden erforderlich.
PVC-P lässt wegen der Anteile an unterschiedlichen Weichmachern keine ein-
Vinylpolymere
2.1.2.1.3.6
Veredelung
Lackierung
Das Veredeln der Oberfläche von PVC-U- und PVC-P-Formstoffen erfordert
keine Vorbehandlung. Lackiert wird mit Speziallacken. Die Druckfarben enthal-
ten ein anquellendes Lösemittel. Das Siebdruck- und das Tiefdruckverfahren
werden bevorzugt.
Folierung
Insbesondere in der Herstellung von Fensterprofilen wird PVC mit farbgeben-
den und/oder bedruckten Folien überzogen.
2.1.2.1.3.7
Anwendungsbeispiele
PVC verfügt über ein sehr großes Eigenschaftsspektrum, sodass es für eine Viel-
zahl von verschiedenen Anwendungen als Material in Frage kommt. Im Folgen-
den sind daher nur repräsentative Anwendungen von Hart-PVC (PVC-U) und
Weich-PVC (PVC-P) dargestellt.
Marktverteilung
Die Aufteilung des PVC-Verbrauchs auf die verschiedenen Anwendungsgebiete
enthält Tabelle 2-38.
2.1.2 Vinylpolymere 645
Vinylpolymere
Rohre 21,9
Profile 18,5
Fußbodenbeläge 10,1
Kabel und Drähte 10,7
Andere Hart-PVC-Anwendungen 5,4
Hartfolien 7,0
Plastisole 4,9
Beschichtungen 5,2
Schläuche und Profile 4,1
Weichfolien 7
Andere Weich-PVC-Anwendungen 5,2
2.1.2.1.4
Sicherheit, Umwelt und Recycling (s. a. Kapitel 1.7)
Vinylpolymere
2.1.2.1.4.1
Sicherheit
Verarbeitung
Bei sachgemäßer Verarbeitung von PVC und ausreichender Belüftung der Be-
triebsräume wurden bisher keine nachteiligen Auswirkungen auf die Gesund-
heit des Personals festgestellt. Dazu kommt, dass PVC-Polymere mit hohem
Reinheitsgrad hergestellt werden. Die Konzentration des Restmonomers
Vinylchlorid ist meist kleiner 1 ppm.
Die Technische Richtkonzentration (TRK) für das monomere Vinylchlorid
wird in der PVC-verarbeitenden Industrie so weit unterschritten, dass in der Re-
gel auf Konzentrationsmessungen verzichtet werden kann. Die biologische/toxi-
kologische Wirkung von Hilfsstoffen muss allerdings beachtet werden. So kön-
nen Stäube bei unsachgemäßer Verarbeitung von schwermetallhaltigen
Dryblends zu erhöhten Blutwerten führen.
PVC-Produkte
Die PVC-U-Mischungen erfüllen in der Regel in ihrer Zusammensetzung die
Empfehlung II „Weichmacherfreies PVC“, Stand 01.06.94 des Bundesgesund-
heitsamtes (190. Mitteilung: Bundesgesundheitsblatt 37 (1994), Seite 363).
Diese Empfehlungen des Bundesgesundheitsamtes geben dem Verarbeiter
Hinweise für die Einhaltung der Bestimmungen des § 31 Abs. 1 des neuen Le-
bensmittelgesetzes, das verbietet, „Gegenstände als Bedarfsgegenstände im
Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 1 des neuen Lebensmittelgesetzes gewerbsmäßig so zu
verwenden oder für solche Verwendungszwecke in den Verkehr zu bringen, dass
von ihnen Stoffe auf Lebensmittel oder deren Oberfläche übergehen, ausgenom-
men gesundheitlich, geruchlich und geschmacklich unbedenkliche Anteile, die
technisch unvermeidbar sind“. Bei sachgemäßer Verarbeitung können aus PVC
Bedarfsgegenstände hergestellt werden, die die Anforderungen der Vinylchlo-
rid-Bedarfsgegenstände-Verordnung von 10.04.92 (BGBl. 1992, Teil 1 Seite 866)
erfüllen.
Die gesundheitliche Beurteilung von Kunststoffen in der Lebensmittelgesetz-
gebung außerhalb der Bundesrepublik Deutschland ist selbstverständlich je
nach Land unterschiedlich, wenn auch ähnliche Prinzipien gelten.
Weichmacher sind chemisch niedermolekulare Verbindungen, die unter
ungünstigen Bedingungen unter Verwendung eines Lösungsmittels aus einem
Weich-PVC-Produkt extrahiert werden können.
In Bezug auf den Einsatz von Stabilisatoren hat sich die PVC-verarbeitende
Industrie in Europa in einer freiwilligen Selbstverpflichtung zum Verzicht auf
Cadmium-Stabilisatoren bis 2001 und zum Verzicht auf Bleistabilisatoren bis
2015 ausgesprochen.
2.1.2 Vinylpolymere 647
2.1.2.1.4.2
Recycling (s. a. Kapitel 1.7.1)
Vinylpolymere
Für die Kreislaufführung von PVC stehen sowohl werkstoffliche, rohstoffliche als
auch energetische Optionen zur Verfügung. Hochwertige sortenreine, vorsor-
tierte Sekundärrohstoffe sind vorrangig für ein werkstoffliches Recycling geeig-
net, wie es bei Produktionsabfällen Stand der Technik ist. Daneben existieren Lö-
severfahren, die robuster gegenüber den Ausgangsmaterialien als das einfache
Regranulieren oder Recompoundieren sind. Materialverbunde, verunreinigte
Produkte oder Produktgemische können außer durch Löseverfahren auch durch
rohstoffliche oder energetische Verfahren verwertet werden. Bei den rohstoffli-
chen Verfahren kommen Pyrolyse- oder Vergasungsverfahren zum Einsatz [23].
Entsprechend den Anwendungsfeldern für PVC (siehe Tabelle 2-38) existieren
seit einigen Jahren branchenspezifische Lösungen für die werkstoffliche Ver-
wertung von Rohren, Fensterprofilen, Dachbahnen und Bodenbelägen in tech-
nischem Maßstab. Daneben sind Löse- und Pyrolyseanlagen für PVC in Betrieb.
Generell schwierig stellt sich neben der Wirtschaftlichkeit die Getrennter-
fassung bzw. die Getrennthaltung von PVC-Altprodukten dar, sodass in West-
europa von den verbrauchten 5,8 Mio Tonnen PVC (2002; [24]) nur etwa
100.000 bis 200.000 Tonnen nach der Nutzung („Post-consumer-Material“) re-
zykliert wurden. Dabei muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass etwa zwei
Drittel der PVC-Produkte sehr langlebig sind, da sie z. B. im Baubereich einge-
setzt werden.
Für PVC-Rohre, PVC-Fensterprofile, PVC-Bodenbeläge, PVC-Dachbahnen
und andere typische PVC-Produkte wie Kabel oder Kreditkarten, die in größe-
ren Mengen oder sortenrein als Sekundärrohstoff anfallen, existieren Recycling-
verfahren und Rücknahmewege, die für Altprodukte meist von den jeweiligen
Branchenverbänden eingerichtet wurden und heute bereits die Wiederverwer-
tung ermöglichen [25].
Löseverfahren
Das erste großtechnisch umgesetzte Löseverfahren wurde von Fa. Delphi und Fa.
Wietek in Nohfelden zur Entfernung von PVC-Kabelummantelungen aus Kfz-
Kabelbäumen eingesetzt, fand jedoch keine weitere Anwendung. Daneben exis-
tieren verschiedene andere Lösungsverfahren, die mit Tetrahydrofuran, Methyl-
ethylketon (MEK) oder Dichlormethan arbeiten, in der Regel aber noch nicht
großtechnisch umgesetzt wurden [23]. Ausnahmen bilden das Poly-Tec-Verfah-
ren [29], das mit einem organischen Quellmittel v. a. PVC-Kabelummantelungen
am Standort Eppingen bei Heilbronn rezykliert, sowie das Vinyloop-Verfahren.
In Ferrara (Italien) wurde eine bestehende Anlage so modifiziert, dass dort
etwa 10.000 t/a Alt-PVC mit dem „Vinyloop“-Prozess verwertet werden können.
Bei diesem Prozess (siehe Abbildung 2-136) handelt es sich um einen Batch-
Löseprozess, der unter Druck vorzerkleinerte PVC-Produkte in MEK oder MEK-
Mischungen innerhalb von 10 Minuten löst. Zum Einsatz kommt hier ein 27-m3-
Lösereaktor. Nach der Abtrennung von Feststoffen (Verunreinigungen, Metall-
reste, Verstärkungsfasern) aus der PVC-Lösung durch Filtration oder Zentrifu-
gation wird in einem Fällungsreaktor Dampf zugeführt, so dass das PVC aus
der Lösung durch Bildung von im Mittel 0,4 mm großen Partikeln ausfällt. Da-
2.1.2 Vinylpolymere 649
Vinylpolymere
Bild 2-136. Verfahrensschema des Vinyloop-Löseprozesses [23]
Vinylpolymere
2.1.2.1.5
Sortiment
2.1.2.1.5.1
Lieferformen
PVC-Rohmaterialien
PVC wird überwiegend als pulverförmiges Dryblend verarbeitet. Diese Mi-
schungen werden meist erst beim Verarbeiter kurz vor der Verarbeitung aufbe-
reitet. Für die Herstellung der Mischungen steht ein überaus reichhaltiges Sorti-
ment an Rohstofftypen, Additiven und Füllstoffen zur Verfügung.
Darüber hinaus können auch verarbeitungsfertige Dryblends am Markt
ebenso bezogen werden wie granulatförmige Compounds.
Über die Vorteile der einen oder anderen Bezugsform entscheiden von Fall zu
Fall wirtschaftliche und technische Überlegungen.
PVC-Halbzeuge
PVC-U-Halbzeuge werden u. a. in Form von Rohren, Profilen, Blöcken, Folien
und Tafeln angeboten. Sie sind Ausgangsmaterialien für die Weiterverarbeitung
durch mechanische, trennende oder fügende Fertigungsverfahren.
PVC-P-Halbzeug liegt vorwiegend in Form von Schläuchen, Folien und Bo-
denbelägen vor.
2.1.2.1.5.2
Typisierung
Die Typisierung von PVC-Polymerisaten ist in DIN EN ISO 1060-1/2 geregelt.
Die Typisierung von PVC-U-Formassen ist in DIN EN ISO 1163 1/2, von PVC-
P-Formmassen in DIN EN ISO 2898-1/2 geregelt.
2.1.2.1.5.3
Handelsnamen
Benvic (Solvay)
Carina (Shell)
Corvic (AVC, Orica)
Evipol (EVC)
Geon (Geon)
Induvil (Solvay)
Lacovyl (Atofina)
Norvinyl (Hydro Polymers)
Oltvil (A.C. Chemicals SLR)
652 2 Synthetische Kunststoffe: 2.1 Thermoplastische Polymere
Vestolit (Vestolit)
Vinnolit (Vinnolit Kunststoff GmbH)
Viplast (Montecatini)
2.1.2.1.6
Literatur – Kapitel 2.1.2.1
[1] Verband Kunststofferzeugender Industrie,VKE, WiDat August 2003
[2] Regnault V, Liebigs Ann. Chem. 14 (1835) 28, 34
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München, 1963
[5] DE-PS 278 249 (1912)
[6] DE-PS 288 584 (1913)
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München, Wien (1985)
[8] Saechtling HJ (2001) „Polyvinylchlorid (PVC)“ in Kunststoff-Taschenbuch, 28. Ausgabe S.
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[10] Schlumpf H P, Mineralstoffe für die Kunststoffindustrie – eine Kurzfassung, Technische
Dokumentation Nr. 184, OMYA GmbH Köln (1995)
[11] Schlumpf H P, Füllstoffte und Verstärkungsmittel in Kunststoffen – physiko-chemische
Aspekte für den Verarbeiter, Technische Dokumentation Nr. 172, OMYA GmbH Köln, 1994
[12] Schlumpf H P, PVC-hart-Extrusion mit hohen Calciumcarbonat-Füllgraden für Kabel-
kanäle oder Rolladenprofile, Technische Dokumentation Nr. 177, OMYA GmbH Köln, 1994
[13] Peter W (1984) „Moderne Rezeptgestaltung in: Kostenoptimiertes Extrudieren von Rohren
und Profilen“, Düsseldorf, VDI-Verlag S. 85
[14] Troitzsch, H-H (1996) „Flame Retardants“ in Gächter/Müller: Plastics Additives 4th Edi-
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im Brandfall“, Gummi, Fasern, Kunststoffe 49 S. 554 – 558 (mit 37 Lit.-Zitaten)
[15] Pfister H-J u. a. (1980) „Kombinierter Einsatz von chloriertem Polyethylen und Calzium-
Carbonat in Hart-PVC-Mischungen“, Kunststoffe 70 S. 556 – 557
[16] BASF AG (1995): Druckschrift Vinoflex®, Vinidur®, Vinuran®, B 572 d 9.95, S. 20 – 27
[17] Bergmann K, Dielektrische Eigenschaften von elektrotechnisch wichtigen Kunststoffen in
einem weiten Frequenzbereich, Kunststoffe, 61 (1971) 4, S. 226 – 231
[18] Bergmann K., Dielektrische Messungen an festen Kunststoffen im Frequenzbereich von
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[19] Gerstenberg,KW (1994) „PVC-Profile,leichter kleben und bedrucken“,Kunststoff 84 S.869–871
[20] Engelmann M (1996) „Polyvinylchlorid“ in Tagungshandbuch: Internationaler Kongreß –
Kunststoffe ’96 des SKZ, Würzburg am 17. u. 18., S. E1 bis 9
[21] Barth E u. G Hundertmark (1995) „Kunststoff-Fenster und Profile“, Kunststoffe 85 S. 100–103
[22] Symietz D (1994) „Unterbodenschutz und Abdichtungen beim Auto“, Kunststoffe 84 S.
1611 – 1613
[23] Yernaux J, Saffert R, PVC-Kreislauf geschlossen, Kunststoffe 91 (2001) 8, S. 118 – 121
[24] Consumption data by plastics type; Consumption of thermoplastics in Western Europe in
2000–2002, http://www.apme.org, 2004
[25] PVCplus (Hrsg.), PVC - Produktinformation Nr. 1, Bonn, 2000
[26] Prof. Schoepe: Persönliche Mitteilung. 12.09.2003
[27] Dr. J. Zimmermann: Persönliche Mitteilung. 18.08.2003
2.1.2 Vinylpolymere 653
[28] Richter H, Fa. VEKA, Technischen Datenblättern für Produkte Nr. 11 (Granulat weiß), 34
(Granulat bunt), 70 (Mahlgut bunt), 74 (Mahlgut weiß), 2003.
[29] NN, Patentiertes Verfahren, Sekundärrohstoffe (2003) 1, S. 16 – 17
Vinylpolymere
[30] Solvay/Vinyloop Ferrara S.p.A. (Hrsg.), Precipitated PVC Compound, Vinyloop FC004,
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[31] AGPU (Hrsg.), Rohstoffliches Recycling, Informationsschrift, Bonn
[32] Vinyl 2010 (Hrsg.),Vinyl 2010 – Die Freiwillige Selbstverpflichtung der PVC-Industrie zur
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[33] NN, PVC-Recyclinganlage in Stigsnæs nimmt Material an, EUWID Recycling und Entsor-
gung, Nr. 45, S. 29, 2004
[34] Vinyl 2010 (Hrsg.),Vinyl 2010 – Die Freiwillige Selbstverpflichtung der PVC-Industrie zur
nachhaltigen Entwicklung – Fortschrittsbericht 2002, www.vinyl2010.org, Brüssel, 2002
2.1.2.2
Polyvinylchlorid-Modifikationen
Das vielfältige Typensortiment und die Möglichkeiten der Rezeptgestaltung mit
Hilfe zahlreicher Zusatzstoffe erschöpfen nicht alle Möglichkeiten, die Eigen-
schaften von PVC-Erzeugnissen gleichsam nach Maß zu schneidern. Es kommen
noch andere hinzu.
Zur Verbesserung der Schlagzähigkeit in der Kälte dienen:
• Mischungen von PVC mit bestimmten Kautschuksorten,
• Mischungen mit weichelastischen Copolymeren aus VC und Butadien oder
aus VC und Ethylen oder Acrylester,
• Mischungen von PVC mit Pfropfpolymeren von VC auf Ethylen/Vinylacetat-
Copolymeren,
• Mischungen von PVC mit chloriertem Polyethylen.
Zur Verbesserung der Verarbeitbarkeit und zur gezielten Beeinflussung be-
stimmter Eigenschaften dienen:
• Copolymerisation mit geringen Mengen Propylen oder Vinylethern (ergibt
glasklare, gut verarbeitbare Produkte),
• Zumischen von modifizierten Acrylaten oder Methylmethacrylat/Butadien/
Styrol-Copolymeren für die Herstellung stoßfester PVC-U-Kalanderfolien,
• Mischungen von PVC mit ABS-Copolymeren für die Herstellung warm- oder
kaltformbarer Teile für die Automobilindustrie.
Verbessern der Verarbeitbarkeit bei niedrigen Temperaturen ist möglich durch:
• Copolymerisation mit geringen Anteilen (5 bis 20 %) an Vinylacetat oder
Maleinsäure für die Herstellung warmformbarer Tafeln und das Pressformen
von Schallplatten.
Erhöhen der Formbeständigkeit in der Wärme und der Wärmestandfestigkeit
ist durch folgendes zu erreichen:
• Copolymerisation mit Vinylidenchlorid und Acrylnitril, was außerdem zu
Formstoffen mit sehr geringer Durchlässigkeit führt (Saran-Folien, Diofan-
Dispersionen). Diese Formmassen sind wegen erhöhter Neigung zur Cl-Ab-
spaltung schwierig verarbeitbar,
654 2 Synthetische Kunststoffe: 2.1 Thermoplastische Polymere
Vinylpolymere
oder Pfropfpolymerisation verschiedener Monomere wie Acrylate, Acrylnitril
und Styrol in wässriger Emulsion gewonnen.
Die Copolymere zur Erhöhung der Schlagzähigkeit basieren auf Acrylaten. Sie
sind vor allem für den Außeneinsatz bestimmt. Es können opake bzw. transpa-
rente Fertigteile daraus hergestellt werden. Zum Verbessern der Verarbeitbarkeit
dienen Copolymerisate auf Basis MMA oder S/SAN/Acrylat.
Das Vinuran Sortiment zeigt Tabelle 2-42.
Von den zahlreichen aufgezeigten und großtechnisch genutzten Möglichkei-
ten sollen einige näher behandelt werden:
• Mischungen von PVC mit chloriertem PE-HD (PE-HD-C),
• Mischungen von PVC mit EVA-Copolymeren bzw. EVA/VC-Pfropfpolymeren,
• Mischungen mit Acryl-Polymeren,
• Copolymere mit Vinylidenchlorid/Acrylnitril,
• Copolymere mit Maleinimid.
2.1.2.2.1
Blends aus PVC und chloriertem PE-HD (PE-HD-C)
■ Allgemeine Stoffbeschreibung
Chloriertes Niederdruckpolyethylen wurde im Jahre 1957 auf den Markt ge-
bracht.Abmischungen von PVC-U mit chloriertem Polyethylen dienen vor allem
dazu, einen speziell für die Verwendung im Freien ausgerüsteten Werkstoff her-
zustellen. Demnach muss dieser folgende Anforderungen erfüllen:
• schlagzäh im gesamten, am jeweiligen Verwendungsort herrschenden Tem-
peraturbereich,
• alterungs-, UV- und witterungsbeständig während der voraussehbaren Ver-
wendungsdauer.
Bei chloriertem Polyethylen kann der Chlorgehalt nach Bedarf eingestellt wer-
den. Er ist in jedem Falle kleiner als der des PVC. Wegen der unterschiedlichen
Besetzung der C-Atome mit Chlor verbleibt den chlorierten PE-Ketten in vielen
Segmenten noch die ursprüngliche Beweglichkeit und mithin auch die Zähigkeit
des Polyethylens. Werden beide Polymere miteinander gemischt, so erhält man
ein Polymerblend, dessen Zähigkeit je nach Mischungsverhältnis der des PVC
oder des chlorierten PE nahekommt. Die verwandte chemische Natur der Mi-
schungsbestandteile führt dazu, dass
• die Wärmestandfestigkeit nahezu unverändert bleibt,
• das Verhalten gegenüber Außenbewitterung ähnlich und durch entspre-
chende Stabilisierung beherrschbar ist,
• die Stabilisierung gegen thermischen Abbau bei der Verarbeitung möglich ist,
• Chemikalienbeständigkeit und elektrische Eigenschaften denjenigen von
PVC-U gleichen,
• das Brandverhalten dem des von Hause aus flammwidrigen PVC-U ähnelt
(siehe Kapitel 1.3.5.1).
■ Zusatzstoffe
Bei den Funktions-, Füll- und Verstärkungsstoffen wurde auch über die bei
(PVC + PE-C)-Blends verwendeten Zusatzstoffe berichtet. An dieser Stelle sei
das Ergebnis von Versuchen mit Calciumcarbonat als Füllstoff erwähnt [1].
PE-C und CaCO3 ergänzen sich in ihrer Wirkungsweise.
Die durch PE-C verlängerte Plastifizierzeit wird durch feinteiliges Calcium-
carbonat wieder reduziert. Ohne Änderung der Stabilisator- oder Gleitmittel-
Kombinationen können die Eigenschaften der ungefüllten PVC-Mischung er-
reicht werden. Der durch die Zugabe von PE-C erniedrigte E-Modul wird mit
Hilfe der feinteiligen natürlichen, oberflächenbehandelten Kreide wieder an-
gehoben. Die zähigkeitssteigernde Wirkung der Kombination von CaCO3 mit
Vinylpolymere
PE-C in PVC-U-Mischungen zeigt Bild 2-137 für verschiedene Temperaturen.
■ Sortiment
Das Sortiment der am Markt angebotenen Polymerblends enthält Typen für die
Extrusions- und Spritzgussverarbeitung. Sie unterscheiden sich vor allem durch
den K-Wert. Die Reihe der transparenten Typen wird durch acrylatmodifiziertes
PVC ergänzt.
■ Lieferformen
Polymerblends aus PVC und PE-HD-C werden als Granulat, unstabilisiertes
Pulver und verarbeitungsfertige Pulvermischung geliefert. Transluzente Farb-
einstellungen sind in natur, rot, gelb, grün und blau lieferbar, gedeckte Einstel-
lungen in weiß und grau. Der Verarbeiter muss sich bei der Einstellung ande-
rer Farbtöne von der Witterungsbeständigkeit der Formstoffe durch Versuche
von der Eignung überzeugen. Die durch Sonneneinstrahlung verursachte
Oberflächentemperatur kann bei dunklen Farbtönen um 15 bis 20 K höher lie-
gen als bei hellfarbigen Einstellungen. Dies beeinträchtigt die Stabilitätsre-
serve. Als Halbzeuge sind Rohre, ebene und gewellte Tafeln, Profile und Blöcke
lieferbar.
■ Typisierung
Die Kennzeichnung der Eigenschaften von Vinylchlorid-Homo- und Copolyme-
risat-Formmassen enthält die 1986 verabschiedete DIN 7748, T.1: Datenblock 1
Kurzzeichen, Polymerisationsverfahren und Zusammensetzung, Datenblock 2
hauptsächliche Anwendungen und wesentliche Additive, Datenblock 3 kenn-
zeichnende Eigenschaften von PVC-U und PVC-P und Datenblock 4 Massenan-
teile der Komponenten. Als Beispiel seien Angaben des Datenblocks 3 wiederge-
geben, nach dem auch die erhöht kerbschlagzähen PVC-U-Typen eingeordnet
werden können.
■ Physikalische Eigenschaften
Die wichtigsten Eigenschaften hochschlagzäher PVC-U-Typen enthält Ta-
belle 2-43. Bei PE-HD-C und acrylatmodifiziertem PVC-U entfallen die bei
Vinylpolymere
Vinylpolymere
gusstyps sind im Bild 2-138 wiedergegeben.
Umwandlungstemperaturen
Der Torsionsschwingungsversuch bestätigt, dass der Erweichungsbereich hoch-
schlagzäh eingestellter Typen für Rohre und Profile dem des PVC-U entspricht.
Bild 2-139 verdeutlicht diesen Zusammenhang anhand des aus dem Versuch nach
DIN 53445 umgerechneten dynamischen Elastizitätsmoduls E und des Verlustfaktors
d. Daraus ergibt sich eine vergleichbare obere Gebrauchstemperatur von 60 bis 65 °C.
Vinylpolymere
Vergleich der entsprechenden Werte (Kerbschlagzähigkeit bei 23 °C = 4 kJ/m2,
Schlagzähigkeit bei – 40 °C Bruch) verdeutlicht dieses. Im Bild 2-142 ist die Kerb-
schlagzähigkeit von drei Materialtypen wiedergegeben. Die Kerbschlagszähig-
keit eines hochschlagzähen Types zeigt Bild 2-143.
■ Härte
Die mit steigender Temperatur zunehmende Erweichung ist Bild 2-145 zu ent-
nehmen, die in den vorangehenden Schaubildern erwähnten Typen Vinnolit 2057
und 2270 verhalten sich analog.
Die übrigen physikalischen und die chemischen Eigenschaften, Witterungs-
und Strahlenbeständigkeit, die Brennbarkeit (in vielen Fällen Anerkennung der
Klasse B 1 nach DIN 4102) T.1–4; durch das Institut für Bautechnik, Berlin, bzw.
die Anerkennung nach ISO 1182, 3008, 6944 und 9239, sowie die Durchlässigkeit
für Gase und Dämpfe entsprechen denen von PVC-U.
■ Gesundheitliche Beurteilung
Die (PVC + PE-C)-Blends entsprechen nach Art ihrer Ausgangsstoffe und ihrer
polymeren Bestandteile der BGA-Empfehlung II „Weichmacherfreies Poly-
Vinylpolymere
vinylchlorid“. Bei der Herstellung von Bedarfsgegenständen im Sinne von § 5
Abs. 1 Nr. 1 des Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes sind im Hinblick
auf die zugesetzten Additive und Stabilisatoren die in der BGA-Empfehlung II
genannten Richtlinien zu beachten. Produkte und Stabilisatoren, die nicht in der
BGA-Empfehlung II genannt sind, dürfen nicht zur Herstellung von Lebensmit-
tel-Bedarfsgegenständen verwendet werden.
Der Gehalt an monomerem Vinylchlorid liegt in der Regel weit unter den
europäischen Normen.
Anwendungsbeispiele
Es sei zuvor darauf hingewiesen, dass den Anwendungsmöglichkeiten von
Vinylpolymere
Handelsname
Vinnolit Z (Vinnolit Kunststoff GmbH/DE)
2.1.2.2.2
Blends aus PVC- und EVA-Copolymeren bzw. EVA/
VC-Pfropfcopolymeren
■ Allgemeine Stoffbeschreibung
Auf die Möglichkeit, die Schlagzähigkeit von PVC-U in der Kälte zu erhöhen,
wurde bereits hingewiesen. Der Zusatz von EVA-Copolymeren verbessert außer-
dem die Verarbeitbarkeit. Bei der Herstellung dieser Mischungen ist von Bedeu-
tung, dass die guten Eigenschaften des PVC-U, nämlich:
• hohe Härte,
• Steifheit,
• ausreichende Wärmestandfestigkeit,
• Flammwidrigkeit,
• Chemikalienbeständigkeit
möglichst unverändert erhalten bleiben, so wie sie bei den (PVC + PE-C)-Blends
erreicht wurden.
2.1.2 Vinylpolymere 665
Vinylpolymere
• Fähigkeit, Energie zu absorbieren,
• niedrige Glasübergangstemperatur,
• optimale Teilchengröße,
• homogene Verteilung der zugemischten Komponenten,
• Beibehalten einer separaten Phase.
Vollverträglichkeit, d. h. letztlich ein Einphasensystem bildende Zusätze haben
nur eine geringe elastifizierende Wirkung. Die Unverträglichkeit des in separa-
ter Phase vorliegenden Elastifizierungsmittels verhindert andererseits den Zu-
sammenhang mit der durchgehenden Phase (Matrix), die die Grundeigenschaf-
ten der Mischung bestimmt. Dieses Ziel kann am einfachsten und optimalsten
mit Co- und Pfropfpolymeren erreicht werden, die beispielsweise aus unpolaren
Olefinen und polare Gruppen tragenden Comonomeren bestehen. In Abschnitt
2.1.2.2.1 wurde über das chlorierte Polyethylen (PE-C) berichtet. Andere Copoly-
mere bestehen aus Butadien/Acrylnitril ggf. mit Zusätzen von Styrol, Malein-,
Fumar-, Acryl- oder Methacrylsäureester. Auch an die Verwendung von Poly-
chloropren ist zu denken.
Seit den siebziger Jahren werden z. B. Copolymere aus Ethylen/Vinylacetat
bzw. Pfropfpolymere aus EVA und Vinylchlorid zur Verbesserung der Schlag-
zähigkeit von PVC-U verwendet. Elastifizierende Wirkung zeigt sich sogar bei
den hochwärmebeständigen kalt polymerisierten oder nachchlorierten PVC-
Typen. Die Verträglichkeit der EVA-Copolymeren mit PVC hängt vom Verhältnis
Ethylen zu Vinylacetat ab. Höchste Schlagzähigkeit wird bei einem VAC-Anteil
von 45 % erzielt. Härtere Typen mit nur 10 bis 30 % VAC sind mit PVC unver-
träglich, die elastifizierende Wirkung ist gering, wie Bild 2-146 am Beispiel der
nach DIN 53 453 bei Raumtemperatur (A) und bei 0 °C (B) gemessenen Kerb-
schlagzähigkeit zeigt. Copolymere mit 50 bis 70 % EVA wirken bei zunehmender
Verträglichkeit wie primäre Weichmacher. Für das Abmischen mit PVC wurde
deshalb ein Copolymer mit 45 % VAC entwickelt, das in Anteilen von 7 bis 10 %
dem PVC zugemischt wird, um vor allem eine hohe Schlagzähigkeit in der Kälte
zu erzielen. Für die Herstellung dieser Mischungen bestehen drei Möglichkeiten:
• mechanisches Mischen von EVA-Copolymeren (einem etwas klebrigen Lin-
sengranulat) mit pulverförmigem PVC auf einem Mischwalzwerk,
• Herstellen eines elastifizierten PVC-Typs durch Pfropfen von VC auf das Poly-
mere, Bild 2-147 (nur im Rohstoffbetrieb möglich). Auf diesem Wege kann
beispielsweise ein pulverförmiges Polymer mit 8 % EVA-Copolymer herge-
stellt werden, das unmittelbar zu Halbzeug verarbeitbar ist,
• Mischen eines Pfropfpolymeren-Konzentrates mit PVC. Auch dieses, z. B.
50% EVA-Copolymere enthaltende Pfropfpolymere ist pulverförmig und
rieselfähig. Es kann mit allen handelsüblichen PVC-Typen gemischt werden,
so dass der Gehalt an EVA im Bereich von 4 bis 10 % liegt.
Die Pfropfpolymeren sind Suspensionstypen. Sie können deshalb wie S-PVC sta-
bilisiert werden. Geeignet sind Organozinnverbindungen, Ba/Cd-Seifen in Verbin-
666 2 Synthetische Kunststoffe: 2.1 Thermoplastische Polymere
Vinylpolymere
Bild 2-146. Kerbschlagzähigkeit von Mischungen aus PVC und EVA-Copolymeren bei verschie-
denen EVA-Copolymer-Anteilen und verschiedenen VAC-Anteilen der Copolymeren
A bei Raumtemperatur
B bei 0 °C
Vinylpolymere
Bild 2-147. Schematische Darstel-
lung eines mit VC gepfropften EVA-
Copolymeren
2.1.2.2.3
Vergleich mit anderen elastifizierenden Hochpolymeren
Butadienhaltige Modifikationen wie Butadien/Acrylnitril, ABS- und MBS-
Polymere altern im Freien nach. Sie werden spröde. Es ist mit den genannten Po-
lymeren allerdings möglich, durch Anpassen der Brechungsindices transparente
Formstoffe herzustellen, die denen aus PVC ähneln.
Polymethylmethacrylat muss in Anteilen von 20 bis 25 % zugegeben werden,
um Schlagzähigkeit zu erzielen. Weil diese Formmassen teurer sind als der
Grundwerkstoff PVC, werden sie meistens nur mit Anteilen von 1 bis 2 % zuge-
geben und dienen dann nur zum Verbessern der Verarbeitbarkeit. Aufschluss-
reich ist auch ein Vergleich mit ABS als elastifizierende Komponente, Bilder
2-150 und 2-151.
Anwendungsbeispiele
Fensterprofile, Dachrinnen, Regenfallrohre, Profile für Sitzbänke und
Zäune, Lärmschutzwände, Lichtwände, Straßenleitpfosten, Tafeln für Fas-
sadenverkleidungen, Abzug- und Belüftungssysteme, Apparatebau der
chemischen Industrie, Abwasser-, Gas-, Dränage- und Kabelschutzrohre,
Tiefziehfolien, Fittings, Abdeckungen, Flaschen und Behälter.
2.1.2 Vinylpolymere 669
Vinylpolymere
Bild 2-150. Kerbschlagzähigkeit von
elastifizierten (PVC + Polymer)-
Blends in Abhängigkeit vom Anteil
des Zusatzes
a VC/EVA Pfropfpolymer
b EVA-Copolymer
c ABS-Pfropfpolymer
A Raumtemperatur
B –20 °C
Handelsnamen
Denkavinyl (Denki Kagaku Kogyo/JP)
Ethyl (Ethyl Corp; Polymer Div/US)
Vinylpolymere
2.1.2.2.4
Blends aus PVC und Acrylpolymeren
Diese, im englisch-amerikanischen Schrifttum als Acrylic/PVC alloy bezeichne-
ten Mischungen haben in Europa wegen ihres höheren Preises nur bei erfolgrei-
chem Wettbewerb mit anderen schlagzähen Thermoplasten Bedeutung erlangt.
Das Eigenschaftsbild geht aus Tabelle 2-43 hervor. Das Material wird als Granu-
lat für das Spritzgießen und Extrudieren geliefert.
Anwendungsbeispiele
Elektrowerkzeuggehäuse,. Gehäuse von Rasierapparaten, Staubsaugerteile,
Schutzhelme, Lenkräder, Schallplatten, Spielzeug, Sportartikel, Bürogeräte,
Computer-Formteile, Rechenmaschinen- und Diktiergeräte-Formteile.
Handelsnamen
Kydene (Rohm & Haas Co./US)
Krene (Union Carbide Corp./US)
Vinidur (BASF AG/DE)
Vinnolit (Vinnolit Kunststoff GmbH/DE)
2.1.2.2.5
Copolymere aus Vinylchlorid und Vinylidenchlorid/
Acrylnitril-Copolymeren (VC/VDC/AN)
■ Allgemeine Stoffbeschreibung
Polyvinylidenchlorid (PVDC) wurde Ende der dreißiger Jahre entwickelt. Die-
ser Thermoplast ist nicht als Homopolymerisat am Markt. Die Handelstypen
sind Copolymerisate mit 15 bis 20 % Vinylchlorid oder mit 13 % VC und 2 %
Acrylnitril. Der symmetrische Aufbau der Moleküle führt zu hoher Kristal-
Tabelle 2-44. Permeations-Richtwerte für Verpackungsfolien
Vinylpolymere
672 2 Synthetische Kunststoffe: 2.1 Thermoplastische Polymere
linität. Daraus folgen je nach Aufbau des Copolymeren hohe Härte und Abrieb-
festigkeit.
Vinylpolymere
Vinylidenchlorid
Handelsnamen
Diofan (BASF, DE)
Ixan (Deutsche Solvay Werke, DE)
Saran (Dow Chemical, US)
2.1.2.2.6
Vinylchlorid/Maleinimid-Copolymere
■ Allgemeine Stoffbeschreibung
Copolymere des Vinylchlorids mit N-substituierten Maleinimiden sind in Ab-
hängigkeit vom Maleinimidgehalt wesentlich wärmestandfester als VC-Homo-
polymere. Wird bei tiefer Temperatur polymerisiert, dann steigt die Glasüber-
gangstemperatur abermals an.
Es gelang, mit N-substituierten Maleinimiden der allgemeinen Formel
(mit R als verzweigtem Alkyl oder Cycloalkyl (DBP 1570590)) Copolymere des
Vinylchlorids herzustellen, die in ihrer Wärmestandfestigkeit wesentlich über die-
jenige von VC-Homopolymeren hinausragen.Hohe Imidgehalte erschweren jedoch
die Verarbeitbarkeit.Einen brauchbaren Kompromiss zwischen Formbeständigkeit
in der Wärme, Warmformbarkeit, Extrudier- und Kalandrierbarkeit bildet ein Ge-
2.1.2 Vinylpolymere 673
Vinylpolymere
Bild 2-152. Wasserdampfdurchlässigkeit von Kunststofffolien (gemessen an 100-mm-Folien,
25 °C, Feuchtigkeitsgefälle 90 % gegen 0 % rel. Feuchtigkeit
2.1.2.2.7
Vinylchlorid/Acrylimid-Copolymere
Vinylpolymere
2.1.2.2.8
Literatur – Kapitel 2.1.2.2
[1] Pfister H-J u. a. (1980) „Kombinierter Einsatz von chloriertem Polyethylen und Calzium-
Carbonat in Hart-PVC-Mischungen“, Kunststoffe 70 S. 556 – 557
2.1.3 Styrolpolymere (PS) 675
2.1.3
Styrolpolymere (PS)
Styrolpolymere
(PS)
2.1.3.1 Styrol-Homopolymere (PS) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 677
2.1.3.2 Styrol-Copolymere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 696
2.1.3.2.1 Schlagzähmodifizierte Polystyrole . . . . . . . . . . . . . . . 698
2.1.3.2.1.1 Styrol/Butadien-Pfropfcopolymere (SB) . . . . . . . . . . . . 701
2.1.3.2.1.2 Styrol/Butadien/Styrol-Blockcopolymere (SBS) . . . . . . . . 711
2.1.3.2.1.3 Styrol/a-Methylstyrolcopolymere (S/MS) . . . . . . . . . . . 723
2.1.3.2.2 Styrol/Acrylnitrilcopolymere (SAN) . . . . . . . . . . . . . . 725
2.1.3.2.2.1 SAN-Modifikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 739
2.1.3.2.2.1.1 Acrylnitril/Polybutadien/Styrolpfropfpolymere (ABS) . . . . 739
2.1.3.2.2.1.2 Propfcopolymere aus MMA, SB und ABS (MABS) . . . . . . . 751
2.1.3.2.3.1 Polymerblends aus (ABS + PC) . . . . . . . . . . . . . . . . 756
2.1.3.2.3.2 Acrylnitril/Styrol/Acrylester-Pfropfcopolymere (ASA) . . . . 764
2.1.3.2.3.3 Polymerblends aus ASA und Polycarbonat (ASA + PC) . . . . 776
2.1.3.2.4 Thermoplastische Styrol/Butadien-Elastomere (SBS-TE) . . . 782
2.1.3.3 Nicht auf Polyolefinen basierende verträglich- und schlagzäh-
machende Copolymere und Polymerblends . . . . . . . . . . 786
2.1.3.4 Literatur – Kapitel 2.1.3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 788
676 2 Synthetische Kunststoffe: 2.1 Thermoplastische Polymere
Der Berliner Apotheker Simon gab im Jahre 1839 einem etherischen Öl, das er
aus flüssigem Storax gewonnen hatte, den Namen Styrol. Er beobachtete ein all-
mähliches Verfestigen zu einer durchsichtigen zähen Masse. Auf Veranlassung
Liebigs polymerisierten Blith und Hofmann 1845 Styrol bei 200 °C zu glasar-
tigen Blöcken.
Matthew nahm 1911 zwei Patente auf die Anwendung von Polystyrol zur
Herstellung von Lacken sowie „Artikeln, die gewöhnlich aus Hartgummi, Cellu-
loid, Vulcanit, Ebonit, Glas, Holz und ähnlichen Stoffen hergestellt werden“. Die
ersten Versuche zur technischen Darstellung von Polystyrol unternahm im Jahre
Styrolpolymere
fen hatte, nahm das Werk Ludwigshafen der IG-Farbenindustrie 1930 die konti-
nuierliche Polymerisation von Styrol auf. Auch die bereits 1868 von Bertholt
beobachtete Dehydrierung von Ethylbenzol zu Styrol (Vinylbenzol) wurde dort
zum großtechnischen Verfahren entwickelt.
Ausgangsprodukte sind heute die aus Erdöl gewonnenen Primärchemikalien
Benzol und Ethylen. Sie werden in Gegenwart von Aluminiumchlorid zu Ethyl-
benzol aneinandergelagert.
von 13 kg/m3 und darüber, nach dem zweiten von 30 bis 40 kg/m3 erzielt. In den
siebziger Jahren folgten die spritzgießbaren Strukturschaumstoffe aus norma-
lem und schlagzähem Polystyrol.
Die Entwicklung des Polystyrols ist bis heute nicht zum Stillstand gekommen.
Das amorphe Polystyrol (aPS) wurde vor mehr als hundert Jahren als erste syn-
thetische makromolekulare Substanz entdeckt. Mit Hilfe von Z/N-Katalysatoren
gelang bereits 1955 die stereospezifische Polymerisation von isotaktischem Poly-
styrol. Idemitsu-Kosan/Japan entdeckte, dass mit Hilfe von Methylaluminoxan
(MAO) aktivierte Titancomplexe vorzügliche Katalysatoren für die Herstellung
Styrolpolymere
syndiotaktischen Polystyrols (SPS) sind, während Trialkylaluminium als Coka-
talysator zu aPS führte. Von den Übergangsmetall-Complexen führte Zr zu
(PS)
einem geringen, Ti jedoch zu einem hohen Anteil an SPS. Der Precurser 1,3 di-
phenylindenyl-TiCl3 erwies sich jedoch als sehr aktiv und dazu sehr stabil in Luft
[1]. Über sPS später Näheres.
2.1.3.1
Styrol-Homopolymere (PS)
■ Herstellverfahren (s. a. Kapitel 1.2.7)
Die wirtschaftlich bedeutenden Herstellverfahren für Polystyrol sind heute:
Polystyrol
■ Sortiment
Obwohl erst die Vielfalt der Co- und Pfropfpolymere den Polystyrol-Kunststof-
fen einen ungewöhnlichen breiten Anwendungsbereich erschlossen hat (siehe
2.1.3 Styrolpolymere (PS) 679
auch Kapitel 2.1.3.2), bietet nichtsdestoweniger auch die Reihe der Homopoly-
meren eine nach Fließfähigkeit, Formbeständigkeit in der Wärme, Härte, Steif-
heit und Zähigkeit breit gefächerte Palette, vor allem für das Spritzgießen und
das Extrudieren. Auch für das Spritzblasen erlangte Normal-Polystyrol große
Bedeutung.
Zu den Grundtypen kommen antistatisch ausgerüstete, UV-stabilisierte,
spannungsrissbeständige oder durch den Zusatz von chemisch oder physi-
kalisch wirkenden Treibmitteln spritzgieß-, extrudier- und extrusionsblas-
bare Typen. Die für viele Anwendungsbereiche prohibitiv wirkende Brennbar-
Styrolpolymere
keit von Polystyrol kann durch den Zusatz von Flammschutzmitteln verringert
werden.
(PS)
■ Lieferformen
PS wird als naturfarbenes, d. h. wasserhelles, transparentes Granulat oder auch
in transparenter bzw. opaker Einfärbung geliefert. Halbzeug steht in Form von
ungereckten und biaxial gereckten Folien sowie als Tafeln zur Verfügung.
Schäumfähiger Rohstoff wird in Form von Perlen verschiedener Korngröße an-
geboten. Daraus hergestelltes Halbzeug ist als Tafel- und Blockmaterial sowie als
Formteile bekannt.
■ Typisierung
Die Kurzbezeichnung für Polystyrol und seine Modifikationen wurden genormt.
Auch diese Norm entspricht in Aufbau und Inhalt der seit 1982 eingeführten Um-
stellung in Datenblöcke, die das Erfassen in der elektronischen Datenverarbei-
tung erleichtern.
Tabelle 2-45. Mechanische und thermische Eigenschaften von Polystyrol und PS-Modifikationen
K-Wert – 70 66 60 64 –
mechanische
Schubmodul N/mm2 1250 1220 1200 1350 2000
Elastizitätsmodul N/mm2 3350 3300 3200 3600 10000
Streckspannung N/mm2 – – – – –
Reißfestigkeit N/mm2 65 50 45 75 120
Reißdehnung % 4 3 3 5 2,7
Biegefestigkeitc N/mm2 100 100 90 135 160
Schlagzähigkeitd
bei 20 °C kJ/m2 5/20 5/16 5/13 8/20 10 bis 18
bei – 40 °C kJ/m2 – – – – –
Kerbschlagzähigkeit d
bei 20 °C kJ/m2 2,5 2 2 2/3 4 bis 5
bei – 40 °C kJ/m2 – – – – –
Kugeldruckhärte
60-s-Wert N/mm2 1150 1100 1100 – 2500
thermische
Gebrauchstemp. ohne
mech. Beanspruchung
in Luft kurzzeitig °C 85 bis 90 80 bis 85 75 bis 80 95 100
dauernd °C 70 bis 80 65 bis 75 60 bis 70 85 90
Formbeständigkeit
nach Vicat/B °C 99 88 78 – 105
nach ISO/R 75 (A) °C 85 bis 95 72 bis 84 66 bis 73 90 100
nach Martens °C 96 85 74 72 –
Glasübergangstemp. °C 100 90 80 106 106
linearer Ausdeh-
nungskoeffizient K–1 7 · 10–5 7 · 10–5 7 · 10–5 8 · 10–5 0,5 · 10–5
Verarbeitungsschwdg. % 0,6 0,6 0,6 0,5 0,18
Wärmeleitfähigkeit W/mK 0,18 0,18 0,18 0,18 –
spez. Wärmekapazität kJ/kgK 1,3 1,3 1,3 1,3 –
Brechungsindex n 20D – 1,59 1,59 1,59 1,57 –
Wasseraufn. n. 96 h %-Masse- 0,1 0,1 0,1 0,2 0,15
Rundsch. 60 mm/l mm gehalt
a
An normgemäßen Probekörpern nach den entsprechenden DIN-Normen gemessene Werte.
b
Formmassen und Werte nach DIN 7741.
c
s bB für Polystyrol und SAN-Cop. Grenzbiegespannung s bG nach DIN 53452 für schlagfeste Massen.
d
Erster Wert für gepressten, zweiter Wert für spritzgegossenen Probekörper.
2.1.3 Styrolpolymere (PS) 681
Styrolpolymere
1,5 6 1,5 1,5 8 1,5
– – – – – –
(PS)
– – – – – –
95 77 110 95 92 112
84 64 106 82 – 102
66 58 78 66 64 –
90 80 100 85 100 –
Styrolpolymere
(PS)
Bild 2-153. Reißfestigkeit (sR) und Reißdehnung (eR) von zwei Normalpolystyroltypen in Ab-
hängigkeit von der Temperatur
a PS (MFI 200/5 = 9 g/10 min), b PS (MFI 200/5 = 26 g/10 min)
Styrolpolymere
a PS (MFI 200/5 = 1,5 g/10 min)
hochwärmestandfest
(PS)
b PS (MFI 200/5 = 3,0 g/10 min)
wärmestandfest
c PS (MFI 200/5 = 9,0 g/10 min)
leichtfließend
d PS (MFI 200/5 = 26 g/10 min)
sehr leichtfließend
teil, dass der Anriss in der ursprünglichen, zuvor nicht durchtrennten Randzone
beginnen kann. Bild 2-157 zeigt die Lochschlagzähigkeit von Standard- und
schlagfestem Polystyrol in Abhängigkeit von der Prüftemperatur. Bei der Bean-
spruchung von Formstoffen ist in Wirklichkeit mit einer mehrachsigen Bean-
spruchung ohne Vorzugsrichtung zu rechnen. Darauf bezieht sich der Fallbol-
zentest gemäß DIN 53 443 T.1 (01. 84), bei dem mit einem zentralen Stoß auf eine
ebene Fläche (z. B. Rundscheiben) gearbeitet wird.
Härte
Die Kugeldruckhärte von PS in Abhängigkeit von der Temperatur gibt Bild 2-159
wieder.
■ Thermische Eigenschaften
Wie bereits Bild 2-154 zeigte, befindet sich Normal-Polystyrol bis zu Temperaturen
um 90 °C im Glaszustand mit einem dementsprechend hohen und nahezu kon-
stanten E-Modul. Über die Fließfähigkeit einiger PS-Typen unterrichtet Bild 2-159.
Styrolpolymere
(MFI 200/5 = 4 g/10 min)
b Polystyrol 168 N (PS)
(PS)
(MFI 200/5 = 1,2 g/10
min)
(Quelle: BASF AG)
■ Elektrische Eigenschaften
Die Polystyrolketten enthalten nahezu keine polar wirksamen Molekülgruppen.
Daraus resultieren sehr gute elektrische und dielektrische Eigenschaften, Tabelle
2-47.
Oberflächenwiderstand
Wegen der sehr guten elektrischen Isoliereigenschaften werden Fertigteile aus
Polystyrol häufig bereits bei der Herstellung elektrisch aufgeladen. Die dadurch
bedingte Staubanziehung führt vor allem bei trockener Luft zu störenden Ver-
schmutzungen unter Bildung von Staubfiguren. Antielektrostatisch ausgerüste-
tes Polystyrol zeigt diesen Nachteil nicht, Bild 2-163. Die Dielektrizitätszahl und
688 2 Synthetische Kunststoffe: 2.1 Thermoplastische Polymere
Styrolpolymere
(PS)
spezifischer Durchgangs-
widerstand W cm 1018 1016 1016 1012 1015 1015
Oberflächenwiderstand W 1015 1014 1014 109 1013 1013
dielektrischer Verlust-
faktor tan d (106 Hz) · 104 – 1 80 4 120 200 250
Dielektrizitätszahl (106 Hz) – 2,5 2,9 2,6 2,7 3,2 3,4
Durchschlagfestigkeit kV/mm 200 150 200 – 150 80
Vergleichszahl der
Kriechwegbildung CTI/A 160 < 240 200 – > 600 > 600
a
Richtwerte nach DIN-Prüfnormen und VDE 0303.
b
SB „Y“ ist antielektrostatisch ausgerüstetes SB.
■ Optische Eigenschaften
Das glasklare Normal-Polystyrol weist im Bereich des sichtbaren Lichtes (400
bis 800 nm) eine Lichtdurchlässigkeit von etwa 90 % auf, im UV-Bereich
(< 400 nm) nimmt die Absorption stark zu, Bild 2-164.
2.1.3 Styrolpolymere (PS) 689
Styrolpolymere
(PS)
Bild 2-163. Oberflächenwiderstand von Normal-Polystyrol ohne und mit elektrostatischer Aus-
rüstung (gemessen an spritzgegossenen Rundscheiben)
(Quelle: BASF AG)
Styrolpolymere
(PS)
Bild 2-166. Zeitstand-Zugversuch mit Polystyrol in Olivenöl/Ölsäure 1 : 1 (Werkstoff: Polystyrol
K 475 der BASF AG)
Bruchlinien als Funktion von Betrag und Zeitdauer der angelegten Spannung bei konstanter
Last. Orientierungsgrad der Probekörper durch Verarbeitungstemperaturen verändert, dabei
mit fallender Massetemperatur zunehmend
der Oberfläche – als auch durch eine Abnahme der mechanischen Festigkeit
bemerkbar. Dunkle Einfärbungen verhalten sich günstiger als helle oder trans-
parente Einstellungen. Aus den genannten Gründen ist Polystyrol für Teile mit
längerem Einsatz im Freien nicht zu empfehlen.
■ Strahlenbeständigkeit
Die Wirkung energiereicher Strahlen (schnelle Elektronen, Protonen, g-Teil-
chen, Neutronen, Röntgen- und a-Strahlen) auf Polystyrol ist von der Strahlen-
dosis, der Dosisleistung, der Bestrahlungstemperatur, der Geometrie der be-
strahlten Probe sowie vom umgebenden Medium abhängig. Normal-Polystyrol
gehört bei Ausschluss von Luftsauerstoff zu den strahlenbeständigsten Kunst-
stoffen überhaupt. Bei Bestrahlung in Luft liegt die Schädigungsdosis wesentlich
niedriger, siehe Tabelle 4-31 im Anhang. Die Strahlenbeständigkeit von schlag-
festem Polystyrol liegt wegen des Butadienanteils deutlich unter der von Nor-
mal-Polystyrol.
Die im Vergleich zu anderen Thermoplasten günstige Strahlenbeständigkeit
von Polystyrol veranschaulicht Bild 2-167.
a SAN (Luran)
b Normal-Polystyrol
c PVC-U (Vinoflex hart)
d PVC-P (Vinoflex weich)
e PE-LD (Lupolen)
f PP (Novolen)
1 = Bestrahlung im Vakuum
mit 500 Mrad/h
2 = Bestrahlung in Luft mit
1 Mrad/h
Bild 2-167. Strahlendosis, bei der die Reißfestigkeit s R bzw. die Reißdehnung eR von Kunststof-
fen unter den angegebenen Bestrahlungsbedingungen um 25 % abnimmt. a SAN (Luran)
■ Gesundheitliche Beurteilung
Bei Verwendung von Polystyrol für Gegenstände, die mit Lebensmitteln in
Berührung kommen, müssen die Rezepte den Empfehlungen des BGA, z. B. der
Empfehlung V „Polystyrol“ bzw. VI „Styrol-Misch- und Pfropfpolymerisate“,
Stand vom 1. 02. 1995 entsprechen. Für die Herstellung von Bedarfsgütern im
Sinne des Lebensmittelgesetzes 1 des Lebensmittel- und Bedarfsgegenständege-
setzes muss eine technische Eignung gewährleistet sein. Außerdem ist vom Ver-
packer zu prüfen, dass keine geschmackliche oder geruchliche Veränderung des
Füllgutes eintritt.
Styrolpolymere
Bei hochwertigen Polystyrolmarken ist die Menge an flüchtigen Bestandtei-
len – bestimmt nach der vom BGA empfohlenen Methode – deutlich geringer als
(PS)
die zugestandene Höchstgrenze von 15 mg/dm3. Dabei ist jedoch zu beachten,
dass sich die Menge an flüchtigen Bestandteilen bei zu hoher Verarbeitungstem-
peratur und zu langer Verweilzeit des Materials im geheizten Massezylinder
durch Bildung thermischer Abbauprodukte erhöhen kann. Kritisch können da-
bei insbesondere Verarbeitungstemperaturen über 280 °C sein.
Nach der Empfehlung IX „Farbmittel zum Einfärben von Kunststoffen und
anderen Polymeren für Bedarfsgegenstände“, Stand 01.06.1994 (190. Mitteilung,
Bundesgesundheitsblatt 8/94, S. 363), darf bei Einfärbungen der Farbstoff auch
nicht in Spuren auf die Lebensmittel übergehen. Die Methode der Untersuchung
von Kunststoffen auf Farblässigkeit ist nach dem Stand vom 1. 7. 72 in der 24. Mit-
teilung festgelegt (Bundesgesundheitsblatt 15, 1972, S. 285). Bei einigen Einfär-
bungen kann Farblässigkeit nur bei einigen mit L gekennzeichneten nicht aus-
geschlossen werden, da diese lösliche Farbmittel enthalten.
Bei höherer Konzentration können derartige Farbmittel unter Umständen,
insbesondere bei Berührung mit fetthaltigen Füllgütern, in die Füllgüter über-
gehen, weshalb eine Prüfung für den jeweiligen Verwendungszweck notwendig
ist. Die gekennzeichneten Einfärbungen dürfen grundsätzlich nicht für die Her-
stellung von Bedarfsgegenständen im Sinne des Lebensmittelgesetzes verwendet
werden.
Eine Veränderung im Geschmack oder Geruch des Füllgutes kann dadurch
eintreten, dass Aromastoffe durch die Behälterwand diffundieren. Auch oxida-
tive Veränderungen durch Luftsauerstoff sind dabei zu berücksichtigen, ebenso
die Möglichkeit einer Beeinflussung des Füllgutes durch Licht. Daher muss der
Verpacker bei jeder Neuanwendung durch Praxisversuche ermitteln, ob die ge-
nannten Voraussetzungen erfüllt sind und gegebenenfalls durch Variation von
Verarbeitung, Wanddicke und Einfärbung die optimalen Bedingungen ausar-
beiten.
Ausländische Vorschriften können von den deutschen abweichen.
Bedrucken
Für das Bedrucken kommen verschiedene Druckverfahren in Betracht: Sieb-
druck, Trocken-Offset und indirekter Tiefdruck. Die geeignete Druckfarbe emp-
fiehlt der Druckfarbenhersteller (Richtlinie VDI/VDE 2421 Bl. 4 (02.80) „Be-
drucken und Heißprägen“.
Heißprägen
Es können die handelsüblichen Prägefolien verwendet werden. Prägedruck,
-temperatur und Verweilzeit des Metallstempels auf dem Formteil müssen genau
aufeinander abgestimmt werden.
Bearbeitung
Spanendes Bearbeiten und spanloses Trennen siehe Tabelle 2-6 und 2-7, sowie
die Richtlinie 2003 (01. 76) „Spanende Bearbeitung von Kunststoffen“.
Fügen/Schweißen
Halbzeug und Formteile aus Polystyrol können durch Schweißen und Kleben ge-
fügt werden.
2.1.3 Styrolpolymere (PS) 695
Styrolpolymere
Runddüse 240 °C ± 10 K 15 bis 25 cm/min
(PS)
Schnellschweißdüse 290 °C ± 10 K 50 bis 70 cm/min
Wegen des niedrigen dielektrischen Verlustfaktors ist PS nicht mit Hilfe von
Hochfrequenz schweißbar. Die hohe Steifigkeit von Formteilen aus PS ermög-
licht jedoch das Verbinden durch Ultraschall.
Kleben
Die Löslichkeit von Polystyrol in Aromaten und Halogen-KW ermöglicht das
Fügen von Teilen gleichen Typs durch Kleben. Für das Verkleben mit andersar-
tigen Werkstoffen können Haftklebstoffe verwendet werden (s. a. Richtlinie VDI
3821 (09. 78) „Kunststoffkleben“).
Das Diffusionskleben besteht im schwachen Anlösen der Klebeflächen durch
ein Lösemittel,Verflüchtigung desselben und Aneinanderpressen der Teile. Man
wählt große Klebeflächen und vermeidet Stumpfnahtstellen.
Als Lösemittel eignen sich Toluol, Methylenchlorid, Chloroform, Methyl-
ethylketon, Butylacetat und andere. Durch Absaugvorrichtungen muss dafür ge-
sorgt werden, dass in der Raumluft die zulässigen MAK-Werte für die betreffen-
den Lösemittel nicht überschritten werden (MAK = Maximale Arbeitsplatz-
Konzentration).
Anwendungsbeispiele
Haushalt, Sanitärbereich, Spielzeug, Elektro-, Elektronik- und Fotoindus-
trie sowie die heute an erster Stelle rangierende Verpackungsindustrie sind
die wichtigsten Anwendungsbereiche. Hier einige Beispiele [3]:
Verpackungen für Molkereiprodukte, Becher mit antistatischer Glanz-
schicht, transparente Kaltgetränkebecher, Trays für Fleischverpackungen
aus geschäumtem Polystyrol, hochtransparente thermogeformte Ver-
packungen (modifiziert mit Styrolux), Dessertverpackungen, Blister, Ein-
weg- und Partygeschirr, Flaschenummantelungen (Sleeves) aus geschäum-
tem Polystyrol, hochtransparente Schmucketuis, Eiscremeverpackungen,
Deckel für Verpackungsbehälter.
Artikel für Haushalt und Sanitärbereich wie:
Schalen für Kühlschränke, Blumentöpfe, Kleiderbügel, Kleinmöbel, Hal-
terungen für Elektrogeräte im Haushalt, Papierspendergehäuse, Wäsche-
leinenhalter, Wäscheklammern, Badezimmerschränke, Ablagen, WC-Was-
serbehälter, Handschuhhalter, Duschkabinenwände.
696 2 Synthetische Kunststoffe: 2.1 Thermoplastische Polymere
Handelsnamen
Diarex (Mitsubishi Monsanto Chem./JP)
Dokipel (INA – Organsko Kemijska Ind./YU)
Dylene (Arco Chem., Co/US)
Edistir (Montapolimeri/IT)
Esbrite (Sumitomo Chemical/JP)
Extir (Montepolimeri/IT)
Fy Rid (Borg Warner Chem./US)
Hitanol (Hitachi Chem. Co./JP)
Isomat (Chemie Linz/AT)
Kanelite (Kanegafuchi Chem. Ind./JP)
Kardel (Union Carbide Corp./US)
Krasten (Chemapol/CS)
Okiral (INA Organsko Kemijska Ind./YU)
Opticite (Dow Chemical Cor./US)
Pelaspan (Dow Chemical Cor./US)
Polyrex (Polychem Co. Chi Mei Ind./Taiwan)
Pyro-Chek (Ferro Corp./US)
Rigipore (BP Chemicals Int./GB)
Santoclear (Mitsubishi Monsanto Chem./JP)
Sircel (Montedison/IT)
Stylex (Mitsubishi Kasei Corp./JP)
Styrodur (BASF AG/DE)
Styropor (BASF AG/DE)
Styron (Dow Chemical Corp./US)
Toporex (Mitsui Toatsu Chem./JP)
Vestyron (Hüls AG/DE)
2.1.3.2
Styrol-Copolymere
Die Anzahl durch Co- bzw. Pfropfpolymerisation hergestellter Modifikationen
des Styrol-Homopolymer ist sehr groß. Große Bedeutung haben die Copolyme-
ren mit Butadien, a-Methylstyrol,Acrylnitril,Vinylcarbazol sowie mit Estern der
Acryl-, Methacryl- und Itanconsäure erlangt. Aufbau und Wirkung der Como-
nomeren gehen aus Tabelle 2-49 hervor [4].
2.1.3 Styrolpolymere (PS) 697
MS a-Methylstyrol wärmestandfester
Styrolpolymere
(PS)
AN Acrylnitril fester, zäher, chem. beständi-
ger, geringere el. Eigensch.,
höhere Wasseraufnahme,
gelbstichig
Paramethylstyrol
Elastomere
MA Maleinsäure wärmestandfester
2.1.3.2.1
Schlagzähmodifizierte Polystyrole
■ Herstellung
Für viele Anwendungen genügen die Eigenschaften der besprochenen Polysty-
rol-Modifikationen nicht. Nachteilig ist vor allem die verhältnismäßig geringe
Schlagzähigkeit. Die Möglichkeit, auch diese Eigenschaft nach Maß verbessern
zu können, hat wesentlich zum Anwachsen der Polystyrole zu einem Massen-
kunststoff beigetragen. Die Rohstoffhersteller haben im Laufe der Jahre eine
große Anzahl von Möglichkeiten untersucht, um dieses Ziel in technischer und
wirtschaftlicher Hinsicht optimal zu erreichen.
Folgende Wege boten sich an:
• Verwenden hochmolekularer Typen (mit der molaren Masse nehmen Zähig-
keit und Festigkeit zu),
• Verwenden von Weichmachern.
• Zusatz von Füllstoffen wie Glasfasern, Holzmehl u. a.,
• ein- oder mehrachsiges Orientieren,
• Copolymerisieren,
• Zusatz von Elastomeren.
Die erste Möglichkeit bringt nur eine graduelle Verbesserung. Die zweite senkt
die Glasübergangstemperatur zu sehr. Der Zusatz von Füllstoffen hat in den USA
einige Bedeutung erlangt, jedoch nicht in Europa. Das Orientieren bleibt auf
Monofile und Folien beschränkt.
Durch Copolymerisieren von Styrol – beispielsweise mit Butadien im Ver-
hältnis 70 : 30 – erhält man zwar ein zähes, lederartiges Produkt, die Glasüber-
gangstemperatur sinkt jedoch wesentlich unter diejenige der Homopolymeren.
Als einzig sinnvoller Weg verbleibt der Zusatz von Elastomeren.Von dieser Mög-
lichkeit wird weltweit in größtem Ausmaß Gebrauch gemacht, sodass die schlag-
2.1.3 Styrolpolymere (PS) 699
Styrolpolymere
suchung des Eigenschaftsbildes dieser Mischung stellt man fest, dass die Schlag-
zähigkeit von Polystyrol nur graduell verbessert wird. Zum gleichen Ergebnis
(PS)
führt auch der Weg, SBR- und Polystyrollatex miteinander zu mischen, zu koa-
gulieren und schließlich zu trocknen.
Der heute beschrittene Weg besteht darin, den Kautschuk – meist Polybuta-
dien – im Styrol-Monomeren zu lösen und dann das Styrol in herkömmlicher
Weise zu polymerisieren. Auf diese Weise enthält das Endprodukt nicht nur SBR
und Polystyrol, sondern auch ein Pfropfpolymer, bei dem kurze Styrol-Seiten-
ketten auf die SBR-Moleküle aufgepfropft werden [5]. Dieses Material weist ge-
genüber dem Styrol-Homopolymeren und auch den Polymerblends eine
wesentlich verbesserte Schlagzähigkeit auf.
Die Elastomerkomponente für ABS wird analog durch Aufpfropfen von Sty-
rol/Acrylnitril auf Polybutadien oder Nitrilkautschuk hergestellt. Die für die
Verträglichkeit der beiden Phasen entscheidende Pfropfpolymerisation führte
zu der Bezeichnung ABS-Pfropfpolymere, was eigentlich nur für die tatsächlich
gepfropfte dispergierte Phase zutrifft.
Die auf den beschriebenen Wegen erzielten Produkte weisen einen unter-
schiedlichen morphologischen Aufbau auf. Reine Polymerblends zeigen in
Dünnschicht zwei einander regellos durchdringende Phasen. Die Grundsubs-
tanz (Matrix) aus thermoplastischem Polystyrol bildet ein kohärentes Gerüst, in
das die Kautschukkomponente in Form von Partikeln von gezielt beeinflusster
Größe und Gestalt gelagert ist.
Beim Pfropfen entsteht eine Grenzschicht, die das Koagulieren der Kaut-
schukteilchen verhindert, anderseits jedoch die Verträglichkeit mit dem Gerüst-
polymeren herbeiführt.
Ausschlaggebend für die Verwendung der modifizierten Produkte ist vor
allem ihre höhere Schlagzähigkeit bzw. die höhere Aufnahmefähigkeit für Form-
änderungsarbeit. Die Kraft/Verformungsdiagramme für nicht modifiziertes und
schlagfest ausgerüstetes Polystyrol weisen bei kleinen Dehnungen einen ähnli-
chen Verlauf auf, Bild 2-168. Beim Normal-Polystyrol fallen Streckspannung und
Zugspannung beim Bruch zusammen. Das modifizierte Material fließt nach
Überschreiten der Streckspannung und verfestigt sich bis zur Reißfestigkeit. Der
Bruch tritt erst bei sehr viel größerer Dehnung ein.
Bild 2-169 bildet die Grundlage der heutigen Vorstellung vom Verformungs-
mechanismus. Sie geht grundsätzlich davon aus, dass eine so große Dehnbarkeit
nicht durch die Eigenschaften der elastischen Phase allein erklärt werden kann.
Die dispergierte Phase verhält sich zunächst wie ein Füllstoff. Bei Zugbeanspru-
chung konzentrieren sich Spannungen an den eingelagerten Partikeln. Es bilden
700 2 Synthetische Kunststoffe: 2.1 Thermoplastische Polymere
Styrolpolymere
sich Mikrorisse (engl. crazes). Der sich ausbreitende Riss kann seine Energie auf
Kautschukteilchen übertragen, die auf seinem Wege liegen. Andererseits ent-
steht durch zahlreiche andere, gleichzeitig gebildete Risse aus dem ursprünglich
starren Gerüst eine lamellierte Struktur, die an ein räumliches Streckmaterial
erinnert. Jede Lamelle trägt durch Deformation zur Erhöhung der Reißdehnung
und zum Verbrauch an Energie bei. Die entropieelastischen Kautschukpartikel
wirken wie Stoßdämpfer in einem gekoppelten energie- und entropieelastischen
Verbundsystem, d. h. am gesteigerten Energieaufnahmevermögen der schlagfest
modifizierten Polystyrole sind beide, die elastische und die kohärente Kompo-
Styrolpolymere
nente beteiligt.
Aus dem bisher Gesagten kann man im Hinblick auf die geeignete Elasto-
(PS)
merkomponente folgendes entnehmen:
• Kautschuk und Polystyrol dürfen nicht voll verträglich miteinander sein. Sind
sie es, dann vermischen sie sich molekular. Das Endprodukt wird zwar zäh, je-
doch auch weich.
• Die Kautschukkomponente darf nicht zu unverträglich sein, denn es muss
eine gute Haftung zwischen Kautschuk und Matrix gewährleistet sein. Diese
Voraussetzung wird durch Aufpfropfen von Styrol (SB) bzw. von Styrol und
Acrylnitril (ABS) auf Kautschuk in idealer Weise erfüllt.
Die Zugabe einer elastomeren Komponente zum Thermoplasten bewirkt natur-
gemäß eine wesentliche Veränderung des Fließverhaltens. Der „Füllstoff“ wird
gezwungen, die Lageveränderungen der umgebenden Schmelze mitzumachen.
Die Schmelze wird deshalb mit zunehmendem Kautschukgehalt höherviskos
und außerdem strukturviskoser. Schmelzbruch tritt bei Pfropfpolymeren weni-
ger auf als bei Polymerblends.
In gleicher Weise wie bei den nicht modifizierten Produkten werden die
Verarbeitungseigenschaften von schlagfestem Polystyrol und ABS durch
Gleitmittelzusätze den jeweiligen Erfordernissen angepasst. Wird der elastifi-
zierende Anteil in einem schlagfesten Polystyrol immer weiter gesteigert,
dann tritt ein Grenzfall ein, bei dem sich die beiden Phasen und damit ihre Wir-
kung umkehren. Produkte dieser Art können z. B. durch Block-Copolymerisa-
tion von Butadien und Styrol hergestellt werden. Diese Produkte weisen die Ei-
genschaften von Elastomeren auf, können jedoch wie Thermoplaste verarbeitet
werden. Die sich mit diesen Thermoplasten bietenden Möglichkeiten wurden
zwar früh erkannt, jedoch erst in den letzten Jahren anwendungstechnisch aus-
geschöpft.
2.1.3.2.1.1
Styrol/Butadien-Pfropfcopolymere (SB)
■ Allgemeine Stoffbeschreibung
Die Gruppe der schlagfesten Polystyrole (SB) umfasst elastomerhaltige Polymere
vorwiegend aus Styrol und einfachen Alkylderivaten des Styrols. Die modi-
fizierenden Elastomere bestehen meistens aus Polybutadien oder Copolymeren
des Butadien mit Styrol bzw. Estern der Fumar- oder Acrylsäure, Tabelle 2-48.
702 2 Synthetische Kunststoffe: 2.1 Thermoplastische Polymere
■ Zusatzstoffe
Auch beim schlagfesten Polystyrol kommen als Zusatzstoffe vor allem die Funk-
tions-Zusatzstoffe in Betracht.
2.1.3 Styrolpolymere (PS) 703
Funktions-Zusatzstoffe
Schlagfestes Polystyrol wird bei Temperaturen von 200 bis 260 °C verarbeitet. Im
Vergleich mit PS ist SB wegen der im Polybutadien enthaltenden singulären
Doppelbindungen oxidationsempfindlicher. Oxidativ geschädigtes SB verfärbt
sich und verliert an Schlagzähigkeit und Dehnung, vor allem beim Wiederverar-
beiten von Produktionsrückständen. Häufig verwendete Antioxidantien sind
2,6-Ditert.-butyl-p-cresol (BHT) und Octadecyl-3-(3,5 ditert.-Butyl-4-hydroxy-
phenyl)-propionat [5].
Bei polybutadienhaltigen Styrol-Copolymeren werden die thermisch gebilde-
Styrolpolymere
ten Hydroperoxide für den photooxidativen Abbau verantwortlich gemacht.
Kombinationen von UV-Stabilisatoren bieten häufig einen wirksamen Schutz
(PS)
gegen die Schädigung der Oberfläche der Formstoffe und der tieferliegenden
Bereiche, z. B. sterisch gehinderte Amine (HALS) u. 2-2¢-Hydroxy-5¢-methyl-
phenyl)-benzotriazol [6].
Als innere Gleitmittel bewähren sich Butylstearat, Paraffinöl und flüssiges Po-
lybuten, als äußere Amidwachs und Zinkstearat [7].
Zur Brandschutzausrüstung dient u. a. Octabromdiphenyl. Ein beim Verarbei-
ten auftretender Gelbstich kann mit Hilfe optischer Aufheller wie Bisbenzixa-
zole und Phenylcumarine – ähnlich wie bei PVC – kompensiert werden [8]. An-
tistatika siehe „Funktions-Zusatzstoffe“ in Abschn. 1.3.5.1.
■ Sortiment
Das reichhaltige Sortiment an Styrol/Butadien-Copolymeren, wie in einfacher
Sprechweise die in der Überschrift treffender als Pfropfpolymeren bezeichneten
Produkte genannt werden, enthält Typen mit unterschiedlicher Schlagzähigkeit,
Formbeständigkeit in der Wärme und Fließfähigkeit vorwiegend für die Spritz-
guss- und die Extrusionsverarbeitung. Dazu kommen Sondereinstellungen für
Lebensmittelverpackungen und für witterungsbeständige Verwendung, mit
antielektronischer Ausrüstung, treibmittelhaltige und glasfaserverstärkte,
hochglänzende und sogar glasklare, hochschlagzähe Typen.
■ Lieferformen
Opak eingefärbte und transparente Sondertypen als Granulate und Halbzeug in
Form von Folien und Tafeln sowie coextrudiert mit ABS, ASA, PVDC und PA.
■ Typisierung
DIN 16771 entspricht im Aufbau und Inhalt der seit 1982 eingeführten Umstel-
lung in Datenblöcke, die die Übernahme in EDV-Anlagen erleichtern.
■ Physikalische Eigenschaften
Die wichtigsten physikalischen Eigenschaften wurden in den Tabellen 2-45 und
2-46 zusammengestellt, siehe auch Tabelle 4-28 im Anhang.
704 2 Synthetische Kunststoffe: 2.1 Thermoplastische Polymere
■ Mechanische Eigenschaften
Kurzzeitverhalten bei geringer Verformungsgeschwindigkeit, Reißfestigkeit und
Reißdehnung hoch- und höchstschlagzäher SB-Typen sind in Bild 2-170 wieder-
gegeben.
Umwandlungstemperaturen
Den Schubmodul G und den mechanischen Verlustfaktor d einiger SB-Typen un-
terschiedlicher Schlagzähigkeit zeigt das Bild 2-171. Der mechanische Verlustfak-
tor d weist einen aufgeprägten Spitzenwert im Bereich der Glasübergangstempe-
Styrolpolymere
ratur des anionisch polymerisierten Butadiens (– 81 °C, s. Tabelle 2-48) auf. Auch
der Verlauf der Schubmodulkurve weist auf diese markante Temperatur hin.
(PS)
Langzeitverhalten
Bild 2-172 veranschaulicht die bei Raumtemperatur ermittelte Zug-Zeitstand-
festigkeit von zwei mittelschlagzähen SB-Typen.
Den Biege-Kriechmodul einiger mittel-, normal- und hochschlagzäher SB-
Typen zeigt Bild 2-173. Den Zug-Kriechmodul von SB für 23 °C und 38 °C enthält
Tabelle 4-29 im Anhang.
Styrolpolymere
(PS)
Bild 2-171. Schubmodul G und mechanischer Verlustfaktor d einiger SB-Typen unterschied-
licher Schlagzähigkeit
a SB mittelschlagzäh, hochwärmebeständig, hochglänzend
b SB schlagzäh, hochwärmebeständig, hochglänzend
c SB höchstschlagzäh, hochwärmebeständig, seitenmatt
Fließverhalten
Das strukturviskose Fließverhalten einiger SB-Typen geht aus Bild 2.175 hervor.
■ Elektrische Eigenschaften
Die kennzeichnenden elektrischen Daten enthält Tabelle 2-47, ebenso Werte für
antielektrostatisch ausgerüstetes Material (SB „Y“).
■ Chemikalienbeständigkeit
Beständigkeit gegen: Mineralsäuren (außer oxidierenden), Laugen und Wasser.
Nicht beständig gegen: Alkohole, Ester, Ketone, Ether, aromatische und chlo-
rierte KW, Waschmittel (nicht beständig bis beständig), Öle und Fette (nicht be-
ständig bis beständig).
2.1.3 Styrolpolymere (PS) 707
Styrolpolymere
(PS)
Bild 2-174. Wöhler-Kurve eines hochschlagzähen, hochwärmebeständigen SB-Typs, ermittelt
bei Biegewechselbeanspruchung (Mittelspannung sm = 0, Prüftemperatur 20 °C)
Butter 0,15 %
Mayonnaise 0,21 %
Schmalz 0,20 %
Orangensaft 0,14 %
Senf 0,25 %
■ Witterungsbeständigkeit
SB ist wegen der im Polybutadien enthaltenden singulären Doppelbindungen
weniger alterungsbeständig als Normal-Polystyrol und deshalb nicht im Freien
einsetzbar (s. auch den Abschnitt Zusatzstoffe, siehe Abschn. 1.3.5.1).
■ Strahlenbeständigkeit
Auch bei Luftausschluss ist die Strahlenbeständigkeit der schlagzähen Polymere
wesentlich geringer als die der Homopolymere. Die Reißfestigkeit steigt zwar bei
Dosen oberhalb 107 J/kg erheblich an, doch beträgt die Reißdehnung schon bei
2 · 104 J/kg nur noch die Hälfte des Ausgangswertes. Ähnliches gilt für die Schlag-
zähigkeit.
708 2 Synthetische Kunststoffe: 2.1 Thermoplastische Polymere
Styrolpolymere
(PS)
Styrolpolymere
spielraum und eine problemlose Wiederverwendbarkeit charakterisiert.
(PS)
■ Durchlässigkeit für Wasserdampf und Gase (s. a. Kapitel 1.3.3)
Wie alle Kunststoffe weisen Normal- und schlagfestes Polystyrol eine gewisse
Durchlässigkeit auf. Sie nimmt mit steigernder Temperatur zu. Richtwerte siehe
Tabelle 2-50.
Die Gasdurchlässigkeit von Polystyrol muss vor allem bei Packstoffen und
Packmitteln für Füllgüter mit ausgeprägtem Geschmack oder Geruch berück-
sichtigt werden, weil es sowohl zum Entweichen von Aromastoffen, als auch zum
Eindringen von Gasen und Dämpfen von außen kommen kann. Das Auswan-
dern von Aromastoffen führt vor allem dann zu einer Geschmacksveränderung,
wenn die einzelnen Geschmackskomponenten unterschiedlich stark diffun-
dieren.
Die Gefahr von Veränderungen durch eindringende Gase ist vor allem durch
den Luftsauerstoff gegeben, der zu einem oxidativen Abbau von Bestandteilen
führen oder mikrobiologische Prozesse in Gang setzen kann.
■ Gesundheitliche Beurteilung
Die entsprechend gekennzeichneten Blockcopolymere aus Styrol/Butadien er-
füllen die Anforderungen der Empfehlung VI, „Styrol-Misch- und Pfropfpoly-
merisate“, Stand vom 01. 02. 95 des Bundesgesundheitsamtes. Sie erfüllen zu-
gleich die bisherige FDA-Vorschrift 21: CFR 177.1810 styrene block copolymers.
Nach Maßgabe der Empfehlungen und der anderen im europäischen Bereich
geltenden Verordnungen bestehen für die Verwendung der Handelsmarken aus
Tabelle 2-50. Richtwerte der Wasserdampf- und Gasdurchlässigkeit von Polystyrol bei 23 °C,
gemessen an Folien von 100 mm Dicke
Normal-Polystyrol
168 N 12 1000 2500 5200
schlagfestes Polystyrol
476 L 13 1600 4000 10000
Handelsnamen
Ancorene (Anchor Plastics Inc./US)
Andres (Anderson Development Co./US)
Buna SL, VSL (Bayer AG/DE)
Butofan (BASF AG/DE)
Emu-Pulver (BASF AG/DE)
Gilco (Gilman Brothers Co./US)
K-Resin (Phillips Petroleum Chemicals NV/BE)
Koblend (Enichem Deutschland GmbH/DE)
Krylene (Bayer AG/DE)
Krynol (Bayer AG/DE)
Litex (Hüls AG/DE)
Osstyrol (R. Hagedorn & Co. AG/DE)
Paraloid (Rohm & Haas Co./US)
Polyflam (A. Schulman GmbH, DE)
Polystyrol (BASF AG/DE)
Rhodopas (Rhone Pulenc S.A./FR)
Styrafil (Akzo Engng. Plastics Inc./US)
Styroblend (BASF AG/DE)
2.1.3 Styrolpolymere (PS) 711
2.1.3.2.1.2
Styrol/Butadien/Styrol-Blockcopolymere (SBS)
Im vorangehenden Kapitel wurde auf die Möglichkeit hingewiesen, die nach-
teilige Sprödigkeit des homopolymeren PS und die Opakheit des mit Poly-
butadien elastifizierten SB zu überwinden. Mit Styrolux® bietet die BASF AG
ein Material an, das universell für das Spritzgießen, Extrudieren und Warm-
formen verarbeitbar ist [9]. Styrolux wird durch Copolymerisation von Styrol
und Butadien in Form zusammenhängender Blöcke gewonnen, die sich da-
Styrolpolymere
nach getrennt zu Phasen von Polystyrol und Polybutadien in Form einer
(PS)
Lamellenstruktur zusammenschließen, wie bereits in Bild 2-169 (rechts un-
ten) gezeigt.
Durch eine neuartige Verknüpfung der Monomeren Styrol und Butadien in ei-
nem anionischen Block-Copolymerisationsprozess ist es gelungen, die Vorteile
transparenter schlagfester Styrolpolymerisate (z.B.Typ: Styrolux,Hersteller: BASF
AG) mit denen kommerzieller thermoplastischer Elastomere zu verbinden. Das
Resultat ist ein Material, welches sich durch Eigenschaften auszeichnet wie:
• sehr hohe Reißdehnung,
• hoher Memory-Effekt,
• gute Transparenz,
• gute Verarbeitbarkeit,
• hohe Sauerstoff- und Wasserdampfdurchlässigkeit sowie
• Teilverträglichkeit mit Polystyrol.
Mit diesem Eigenschaftsprofil eignet sich das TPE von Styroflex® unter der Viel-
zahl möglicher Verpackungsanwendungen selektiv für den Markt der Frisch-
fleisch-Verpackungen. Somit gestattet das SB-TPE als Basismaterial für Folien,
die Eigenschaften der bislang dominierenden Verpackungsmaterialien nach-
zustellen. Ökologisch wertvoll ist erstmals die werkstofflich einheitliche Wie-
derverwertung der Frischfleisch-Verpackung in Verbindung mit Trays aus ge-
schäumten Polystyrol möglich.
Thermoplastische Elastomere (TPE) weisen eine Blockstruktur mit der
Blockfolge hart-weich-hart auf, wobei der innere Block, der mindestens 2/3 Volu-
menanteil hat, die kontinuierliche weiche Kautschukphase bildet. Die Elasto-
merblöcke werden durch die endständigen Blöcke mit hoher Glastemperatur,
üblicherweise Polystyrol, in isolierten Hartphasen-Domänen verankert, die als
physikalische Vernetzungsstellen wirken. Unterhalb der Glastemperatur der
Hartphase zeigen solche TPE Eigenschaften eines vernetzten Kautschuks. Bei
ausreichend hohen Temperaturen lassen sie sich jedoch, anders als vulkanisier-
ter Gummi, thermoplastisch verarbeiten.
Klassische Styrol-Butadien-Styrol-TPE sind allerdings vernetzungsanfällig
und auch wegen ihrer Schmelzefließeigenschaften nicht zu dünnen Folien ver-
arbeitbar. Die genannten TPE-Strukturen mussten daher derart modifiziert
werden, dass ein statistisches Styrol-Butadien-Copolymer mit einer Glasüber-
gangstemperatur Tg zwischen – 15 und – 20 °C die Weichphase bildet.
Weil der statistische SB-Block überwiegend Styrol enthält, konnte der Ge-
samtbutadiengehalt des TPE auf ein Niveau abgesenkt werden, wie es bei kom-
712 2 Synthetische Kunststoffe: 2.1 Thermoplastische Polymere
und SB sind weit weniger unverträglich als etwa Polystyrol und Polybutadien.
Als Konsequenz zeigt das flexible SB-TPE anders als Styrol/Butadien-Block-
(PS)
copolymere keine Thixotropie, die Schmelze klebt nicht an Oberflächen fest und
lässt sich problemlos extrudieren.
■ Sortiment
Das Sortiment umfasst bisher vier nach Zähigkeit, Wärmeformbeständigkeit
und Fließfähigkeit differenzierte Typen sowie vier Verarbeitungshilfsmittel ge-
gen Blockneigung, Kratzempfindlichkeit zum Verbessern der Entformbarkeit
und zur Reinigung von Plastifizierzylindern.
Das Produkt wird nur ungefärbt geliefert. Transparente und gedeckte Einfär-
bungen sind möglich. Geeignet sind Farbbatches oder Farbkonzentrate, die sich
bei Polystyrol bewährt haben. Andere Farbmittel sind zu überprüfen, denn sie
können gegebenenfalls Transparenz und Glanz beeinflussen.
■ Lieferform
Styrolux und Styroflex wird als zylindrisches Granulat (2,5 mm lang, 2 mm
Dmr.) geliefert. Die Schüttdichte beträgt etwa 0,63 g/cm3. Bei ungünstigen Lage-
rungsbedingungen muss das Produkt vorgetrocknet werden.
2.1.3 Styrolpolymere (PS) 713
■ Physikalische Eigenschaften
Eine Übersicht über die physikalischen Eigenschaften gibt Tabelle 2-51 [9].
Innerhalb des Produktsortiments nimmt die Steifigkeit naturgemäß mit der
Zähigkeit ab, wie Bild 2-177 zeigt. Zwischenstufen können durch Mischen der Ty-
pen ohne Verlust an Klarheit eingestellt werden [10, 10 a].
Die überlegene Zähigkeit von Styrolux geht aus dem Vergleich der Bruch-
arbeit, d. h. der Flächen unter den Kurven für ein schlagzähes Polystyrol und
Styrolux 684 D, ein schlagzähes, wärmeformbeständiges und gut fließfähiges
Breitschlitzfolienmaterial hervor, Bild 2-178.
Styrolpolymere
An dieser Stelle sei auf ein anderes Entwicklungsprodukt der BASF AG aus der
Reihe der SBS-Blockpolymeren, das Styroflex®, hingewiesen, das in Form von
(PS)
(PS + SBS) Blends vorzügliche Eigenschaften als Verpackungsfolie zu bieten
verspricht. Der hohe Polystyrolanteil bietet in Verbindung mit einem hohen
Kautschukanteil den Vorteil eines thermoplastischen Elastomeren (Zähigkeit,
Rückstelleffekte) [11], Bild 2-179.
Über die Zeitstandfestigkeit bzw. das Kriechverhalten informieren die Bilder
2-180 bis 2-182.
Über das elastische Verhalten und den mechanischen Verlustfaktor d gibt Bild
2-183 Auskunft. Das Dämpfungsnebenmaximum im Bereich von – 80 °C ent-
spricht der Glasübergangstemperatur des Kautschukanteils. Die Wärmeformbe-
ständigkeit ist mit derjenigen von schlagfestem Polystyrol mittlerer Beständig-
keit vergleichbar, d. h. ohne äußere Beanspruchung kurzzeitig zwischen 70 °C
und 80 °C.
Die elektrischen und dielektrischen Eigenschaften gleichen denjenigen von
Standard-Polystyrol.
Die Lichtdurchlässigkeit beträgt in dem Bereich des sichtbaren Lichts
(400 – 800 nm) etwa 90 %. Der Glanzgrad liegt höher als bei allen anderen Sty-
rol-Pfropf- und Copolymerisaten.
Richtwerte für ungefärbte Produkte bei 23°C Einheit Prüfvorschrift Probekörper 656 C 684 C 683 D 692 D
DIN/ ISO/ (mm)
VDE* IEC*
Mechanische Eigenschaften
Zug-E-Modul MPa 53457 527 nach ISO 3167 1800 1550 1300 1100
Streckspannung (v = 50 mm/min) MPa 53455 527 nach ISO 3167 35 28 22 17
Streckdehnung/Bruchdehnung (v = 50 mm/min) % 53455 527 nach ISO 3167 2.4/40 2.3/>50 2.2/>50 1.9/>50
Zug-Kriechmodul, 100 h, Dehnung ≤ 0.5%, + 23 °C MPa 53444 899 nach ISO 3167 1050 790 490 490
Charpy-Schlagzähigkeit + 23 °C kJ/m2 – 179/1eU 80 · 10 · 4 30 100 NB NB
Charpy-Schlagzähigkeit – 30 °C kJ/m2 – 179/1eU 80 · 10 · 4 30 30 30 35
Charpy-Kerbschlagzähigkeit + 23 °C kJ/m2 – 179/1eA 80 · 10 · 4 4 4 5 5
Charpy-Kerbschlagzähigkeit – 30 °C kJ/m2 – 179/1eA 80 · 10 · 4 3 3 3 3
Shore-D-Härte – 53505 868 ≥20 · ≥20 · 4 72 68 64 56
Thermische Eigenschaften
Biegetemp. unter Last 1.8 MPa (HDT A) °C 7552) 75 110 · 10 · 4 67 65 59 60
Biegetemp. unter Last 0,45 MPa (HDT B) °C 7552) 75 110 · 10 · 4 77 75 72 70
Biegetemp. unter Last 5.0 MPa (HDT C) °C 7552) 75 110 · 10 · 4 58 56 51 50
Vicat-Erweichungstemperatur VST/A/50 °C 30652) 306 ≥10 · ≥10 · 4 87 83 76 65
Vicat-Erweichungstemperatur VST/B/50 °C 30652) 306 ≥10 · ≥10 · 4 65 59 48 45
Max. Gebrauchstemperatur, bis zu einigen Stunden °C – – Formteile 60 60 60 60
Therm. Längenausdehnungskoeff. längs (23–80) °C 10–5/K 53752 – ≥10 · ≥10 · 4 6–9 6–9 6–9 6–9
Elektrische Eigenschaften
Dielektrizitätszahl bei 100 Hz–1 MHz – 0303-4* 250* 80 · 80 · 1 2.5 2.5 2.5 2.5
Dielektr. Verlustfaktor bei 100 Hz/1 MHz – 0303-4* 250* 80 · 80 · 1 0.0003/ 0.0003/ 0.0003/ 0.0003/
0.0008 0.0008 0.0008 0.0008
2 Synthetische Kunststoffe: 2.1 Thermoplastische Polymere
Tabelle 2-51 (Fortsetzung)
Richtwerte für ungefärbte Produkte bei 23°C Einheit Prüfvorschrift Probekörper 656 C 684 C 683 D 692 D
DIN/ ISO/ (mm)
VDE* IEC*
Vergleichszahl der Kriechwegbildung CTI, – 0303-1* 112/A* ≥15 · ≥15 · 4 CTI 600-0 CTI 600-0 CTI 600-0 CTI 600-0
Prüflösung A
Vergleichszahl der Kriechwegbildung CTI M, – 0303-1* 112/A* ≥15 · ≥15 · 4 CTI 150 CTI 200 CTI 175 CTI 275
Prüflösung B M-1.6 M-1.7 M-0.1 M-1.3
Optische Eigenschaften
Brechzahl – – 489 d=1 1.574 1.573 1.57 1.565
Lichtdurchlässigkeit % – – d = 2/0.5 89/91 89/90 86/89 87/89
715
Styrolpolymere
(PS)
716 2 Synthetische Kunststoffe: 2.1 Thermoplastische Polymere
Styrolpolymere
(PS)
Styrolpolymere
(PS)
Bild 2-180. Zeit-Dehnungsli-
nien (Kriechkurven) von Sty-
rolux 684 D bei 23 °C, 50 % r. F.
692 DS auf. Auch eine coextrudierte Schicht bietet Schutz gegen Öle und Fette,
wie die Prüfung nach dem Stifteindruckverfahren ISO 4600 ergab.
Die Wasserdampf- und Gasdurchlässigkeit von Styrolux gegen die Bilder
2-187 und 2-188 im Vergleich mit anderen Thermoplasten wieder.
Spannungsrissbeständigkeit, Globalmigration, Aromasperre sowie die Gas-
und Wasserdampfpermeabilität generell werden durch Coextrusion mit einer
20-mm-Folie aus dem Copolyester PETG meist ausreichend vermindert.
2.1.3 Styrolpolymere (PS) 719
Styrolpolymere
(PS)
Bild 2-184. Stabilitätsverhalten von
Styrolux 684 D
Die Transparenz einer Folie aus Styrolux PS hängt entscheidend von den je-
weiligen Materialtypen, dem Mischungsverhältnis der beiden Komponenten
und der Homogenität des Blends ab. Grundsätzlich sollten schmiermittelfreie
PS-Typen gewählt werden. Die Auswirkung der jeweiligen Anteile der Kompo-
nenten auf die Transparenz zeigt Bild 2-189. Durch Zumischen von PS wird die
Zähigkeit von Styrolux vermindert, wie Bild 2-190 anhand der im Zugversuch
ermittelten Brucharbeit zeigt.
720 2 Synthetische Kunststoffe: 2.1 Thermoplastische Polymere
Styrolpolymere
(PS)
Bild 2-191 zeigt das Fließverhalten von Styrolux in Abhängigkeit von der Mas-
setemperatur bei Wanddicken der Fließspirale von 1 mm bzw. 2 mm. Die Ab-
hängigkeit ist nahezu linear. Bei Temperaturen > 250 °C nimmt die Fließfähig-
keit wieder ab. Beginnende Vernetzung wird durch Trübung angezeigt.
Richtwerte zur Verarbeitung und das Brandverhalten von Styrolux enthält
Tabelle 2-52.
2.1.3 Styrolpolymere (PS) 721
Styrolpolymere
(PS)
Bild 2-188. Sauerstoff-Permeabilität verschiedener Kunststoffe
Produktmerkmale
Kurzzeichen – 7728 1043 –
Dichte g/cm3 53479 1183
Wasseraufnahme, Sättigung in Wasser bei 23°C % 53495/1L – 80 ∆ · 1
Verarbeitung
Styrolpolymere
Verarbeitungsverfahren:
Spritzgießen (M), Folienextrusion (F),
(PS)
Anwendungsbeispiele
Spritzguss: Verschlüsse, Schraubkappe, Schnappdeckel, Kosmetikdosen,
Becher, Behälter mit Filmscharnier, Gehäuseabdeckungen, Lampenbefes-
tigungen, Kühlschrankinnenteile, Sichtscheiben, Kabelvergussgehäuse,
Aquarienfilter, Wasserstandanzeiger, Ultrafilter, Mundstücke, Messgefäße,
Lineale, Zeichenschablonen, Sortier- und Lagerkästen, Schilder, Lampen-
schirme, Blumentöpfe, Etuis, Koffereinsätze, Verkaufsständer, Badezim-
mersets, Fenster für Spielfahrzeuge.
Extrusion: Breitschlitzfolien für Snap-Packs, Salat- und Fleischver-
packungen, Lunchboxen, Mehrschicht-Coextrusionsverbunde mit Sperrei-
genschaften für Lebensmittelverpackungen. Tafeln für Duschkabinen,
Schlauchfolien als Schrumpf- und Etikettierfolien.
Blasformartikel sind vorwiegend Flaschen mit guter Standfestigkeit.
2.1.3 Styrolpolymere (PS) 723
Styrolpolymere
(PS)
M F, M, B, K F, M, B, K F, M
16 11 14 12
180–250 180–250 180–250 180–250
30–50 30–50
0.3–1 0.3–1 0.3–1 0.3–1
190–230 190–230
190–230 190–230 190–230
180–210 180–210 180–210
Handelsnamen
Styrolux (BASF AG/DE)
2.1.3.2.1.3
Styrol/ a -Methylstyrolcopolymere (S/MS)
Der am häufigsten eingeschlagene Weg, die Wärmeformbeständigkeit von Nor-
mal-Polystyrol zu erhöhen, besteht im teilweisen Austausch von Styrol durch
a-Methylstyrol.
a-Methylstyrol
724 2 Synthetische Kunststoffe: 2.1 Thermoplastische Polymere
Styrolpolymere
(PS)
Styrolpolymere
(PS)
2.1.3.2.2
Styrol/Acrylnitrilcopolymere (SAN)
■ Herstellung
Die SAN-Formmassen weisen üblicherweise einen Acrylnitrilgehalt von 24 %
auf. Diese Zusammensetzung wird bevorzugt, weil das Verhältnis 76/24 von Sty-
rol/Acrylnitril ein azeotropes Gemisch bildet, bei dem die Konzentrationen in
der Lösungsphase und im Copolymeren gleich sind. Dabei sind 38,3 Mol-%
Acrylnitril statistisch über die Molekülkette verteilt.
Anders gesagt, von fünf Styrol-Bausteinen werden zwei durch Acrylnitril er-
setzt.
Styrol/Acrylnitrilcopolymer
■ Allgemeine Stoffbeschreibung
Den Herstellern von Polystyrol gelang schon bald die Verbesserung des Eigen-
schaftsbildes des Homopolymeren, das nur eine begrenzte Verwendung zuließ.
Statistische Copolymere aus Styrol und Acrylnitril zeichnen sich im Vergleich zu
Normal-Polystyrol durch folgende Eigenschaften aus:
■ Füllstoffe
Die mit Hilfe von Elastomeren ligandenschlagzäh ausgerüsteten modifizierten
Polystyrole eignen sich als Matrixmaterial eher für eine Füll- und Verstärkungs-
stoffzugabe, denn bei diesen ist die negative Eigenschaft der Polystyrole – die
geringe Schlagzähigkeit – überwunden (siehe auch Abschn. 1.3.5.2).
■ Verstärkungsstoffe
SAN-Copolymere werden mit Glasfaserverstärkung angeboten. Hin und wieder
kommen Glaskugeln als Hybridverstärkungsmaterial hinzu. Mit Hilfe dieser Zu-
satzstoffe werden die Kurz- und Langzeitfestigkeit erhöht. Die Bruchdehnung
nimmt naturgemäß ab (siehe auch Tabelle 2-46 und Abschn. 1.3.5.3).
■ Sortiment
Das SAN-Sortiment enthält außer den Typen aus einem azeotropen Gemisch der
Comonomeren Typen mit 45 % AN-Massengehalt vorwiegend für technische
Formteile, mit 15 % Massegehalt für Werbeteile und Packmittel sowie mit 20 %
Massegehalt für Konsumwaren und vielfältige andere Anwendungen. Verstärkte
Typen enthalten meistens 35 Masse-% Glasfasern.
■ Lieferformen
SAN-Formmassen stehen als geschöntes naturfarbenes, d. h. blaustichig, glas-
klares, transparent und opak eingefärbtes sowie als verstärktes Granulat – vor-
wiegend für die Spritzgussverarbeitung – zur Verfügung.
■ Typisierung
DIN 16775 entspricht im Aufbau und Inhalt der seit 1982 eingeführten Umstel-
lungen in Datenblöcke.
2.1.3 Styrolpolymere (PS) 727
■ Physikalische Eigenschaften
Die wichtigsten mechanischen und thermischen Eigenschaften sind in Tabelle
2-45, die elektrischen in Tabelle 2-47 zusammengestellt.
■ Mechanische Eigenschaften
Bei der Beurteilung von Tabellenwerten ist stets zu beachten, dass sie von Prüf-
temperatur, Beanspruchungsart und -geschwindigkeit sowie der Gestalt und der
Vorgeschichte der Probekörper abhängen.
Styrolpolymere
■ Kurzzeitverhalten bei geringer Verformungsgeschwindigkeit
Das Spannungdehnungs-Diagramm von SAN für verschiedene Temperaturen
(PS)
zeigt Bild 2-192. Die Temperaturabhängigkeit der Streckspannung ist im Bild
2-193 wiedergegeben.
■ Umwandlungstemperaturen
Das im Vergleich zu PS verbesserte Verhalten von SAN in der Wärme geht aus
(PS)
Styrolpolymere
(PS)
Bild 2-196. Schubmodul einiger Thermoplaste in Abhängigkeit von der Temperatur
■ Härte
Angaben über die Härte von SAN enthält die Tabelle 4.28 im Anhang.
■ Thermische Eigenschaften
Die Abhängigkeit der spezifischen Wärmekapazität ist im Bild 2-200 wiederge-
ben. Bei manchen Anwendungen ist nicht nur die Temperaturbeständigkeit son-
dern auch die Temperaturwechselbeständigkeit zu beachten. Bei häufigen und
schroffen Temperaturwechseln können an den Fertigteilen zunächst winzige
Haarrisse entstehen, die sich mit der Zeit ausweiten und das Teil unbrauchbar
machen. SAN ist gegen solche Temperaturwechsel erheblich beständiger als
Normal-Polystyrol; deshalb wird es auch für hochwertige Haushaltwaren ver-
730 2 Synthetische Kunststoffe: 2.1 Thermoplastische Polymere
Styrolpolymere
(PS)
wendet. SAN mit hohem Acrylnitrilanteil und großer molarer Masse weist eine
besonders gute Temperaturwechselbeständigkeit auf.
■ Elektrische Eigenschaften
Die größten Unterschiede zwischen PS und SAN ergeben sich beim dielektri-
schen Verlustfaktor tan d. Er ist je nach Frequenz bzw. Temperatur bei SAN um
zwei Größenordnungen höher als bei PS. Auch die Dielektritätszahl ist höher.
2.1.3 Styrolpolymere (PS) 731
Styrolpolymere
(PS)
Bild 2-199. Biege-Wechsel-
festigkeit von SAN
(Werkstoff: Luran 368 R der
BASF AG)
Die Bilder 2-201 und 2-202 zeigen diese Zusammenhänge für PS und seine tech-
nisch wichtigsten Modifikationen [13].
■ Optische Eigenschaften
SAN erreicht eine Lichtdurchlässigkeit von mehr als 90 %. Es absorbiert im UV-
Bereich. Wegen der etwas helleren Eigenfarbe fällt die Lichtdurchlässigkeit der
der Kurve a zugrundeliegenden Typen etwas später ab.
An dieser Stelle sei der Transparenz amorpher thermoplastischer Kunststoffe
eine nachträgliche Betrachtung gewidmet, auch deshalb, weil die Transparenz –
732 2 Synthetische Kunststoffe: 2.1 Thermoplastische Polymere
Styrolpolymere
(PS)
Bild 2-201. Dielektrischer Verlustfaktor tan d von PS1 , PS2 , SB, SAN, ABS und AXS in Abhän-
gigkeit von der Frequenz (A) bei 30 °C und der Temperatur (B) bei 106 Hz
PS1 = Polystyrol wärmebeständig; PS2 = Polystyrol leichtfließend
2.1.3 Styrolpolymere (PS) 733
Styrolpolymere
(PS)
Bild 2-202. Dielektrizitätszahl von PS1 , PS2 , SB, SAN,ABS und AXS in Abhängigkeit von der Fre-
quenz (A) bei 30 °C und der Temperatur (B) bei 106 Hz
PS1 = Polystyrol wärmebeständig; PS2 = Polystyrol leichtfließend
Styrolpolymere
(PS)
Bild 2-205. Wärmeform-
beständigkeit (Vicat-Erwei-
chungstemperatur VST/B)
transparenter Werkstoffe
■ Witterungsbeständigkeit
Das mechanische Niveau von SAN-Probekörpern fällt nach ein bis zwei Jahren
Freibewitterung ab. Als wesentlich beständiger erweisen sich speziell UV-stabi-
lisierte SAN-Typen, wie Bild 2-207 zeigt.
■ Strahlenbeständigkeit
Über die Beständigkeit von SAN gegen die Einwirkung energiereiche Strahlung
gibt das Bild 2-167 Auskunft.
■ Brennbarkeit
Formstoffe aus SAN brennen mit leuchtender, rußender Flamme; sie tropfen
nicht, süßlicher Geruch.
■ Gesundheitliche Beurteilung
Die entsprechend gekennzeichneten Typen der SAN-Sortimente erfüllen die An-
forderungen der Empfehlungen VI „Styrol-Misch und Pfropfpolymeren“ Stand
vom 10. 04. 92 Bundesgesetzblatt 1992, Teil 1, S. 86 Anlage 3, Abschnitt A sowie
BGA-Empfehlung VI Stand vom 15. 01. 93 (189. Mitteilung Bundesgesundheits-
blatt 36 (1993) S. 114).
Bei sachgerechter Verarbeitung bestehen gegen die Verwendung der ausge-
wiesenen Typen bei der Herstellung von Bedarfsgegenständen im Sinne des Le-
bensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes 5 Abs. 1 Nr. 1 (Lebensmittelbe-
darfsgegenständen) und Nr. 5 (Spielwaren) keine Bedenken. Die Eignung der
Bedarfsgegenstände ist im Einzelfall vom Hersteller bzw. Verwender zu prüfen.
Vor der Verwendung anderer Marken für diese Zwecke ist beim jeweiligen Roh-
2.1.3 Styrolpolymere (PS) 737
Styrolpolymere
zu beachten.
(PS)
■ Verarbeitung (s. a. Kapitel 1.4.3 und 1.4.7)
SAN wird durch Spritzgießen, Extrudieren und Blasformen sowie durch Warm-
formen verarbeitet.
■ Verarbeitungsbedingungen
Spritzgießen 180 bis 270 °C
Vortrocknen des Granulates 70 bis 80 °C
Werkzeugtemperatur 65 bis 75 °C
Schwindung 0,5 bis 0,7 %
Extrudieren 180 bis 230 °C
Bild 2-208 zeigt das Fließverhalten von zwei Luran® Spritzgusstypen in Abhän-
gigkeit von der Massetemperatur. Obwohl dieser Test nicht genormt ist, wird er
in sehr vielen Verarbeitungsbetrieben und Produktionsstätten seit vielen Jahr-
zehnten mit Erfolg praktiziert. Er erlaubt vor allem einen Vergleich zwischen
Produkten gleichen Typs. Halbzeuge und Formteile können geklebt und ge-
schweißt werden, s. Polystyrol. Bedrucken und Prägen ist einwandfrei durch-
führbar wie bei PS.
Anwendungsbereiche
In der Elektrotechnik im umfassenden Sinne dient SAN zur Herstellung
von: Klarsichtteilen, wie Behälter, Rührschüsseln und Mixbecher für
Küchengeräte, Gehäuseteile für Kühlschränke, Phono-Abdeckhauben, Ab-
deckungen für Drucker, Skalen, Batteriegefäße, Chassis, z. B. für Phono-
und Fernsehgeräte, Kassetten und Kassettenschachteln, Wickelkerne, Tele-
fonwählscheiben, Lampenabdeckungen, Zähler- und Instrumentenab-
deckungen, Mosaikbausteine.
Im Fahrzeug-, Maschinen- und Apparatebau ist SAN ein geschätzter Werk-
Styrolpolymere
Handelsnamen
Acrylafil (Akzo Engineering Plastics Inc./US)
Aqualoy (A. Schulman GmbH/DE)
Ardylux (Industrias Petrochimicas Argentinas, Koppers S.A.)
Cebian (Daicel Chemical Ind. Ltd./JP)
Cole (Montell Polyolefins/BE)
Comshield (A. Schulman GmbH/DE)
Comtuf (A. Schulman GmbH/DE)
Excalloy (A. Schulman GmbH/DE)
Foamspan (A. Schulman GmbH/DE)
Geloy (GE Plastics Euorpe B.V./NL)
Hiloy (A. Schulman GmbH/DE)
Kibisan (Chi Mei Industrial Co. Ltd./Taiwan)
Litac (Mitsui Toatsu Chemicals Inc./JP)
Lupan (Standard Polymers/US)
Luran (BASF AG/DE)
Lustran (Monsanto Chemical Co. Plast. Div./US)
Osstyrol (A. Hagedorn & Co. AG/DE)
Polyfort (A. Schulman GmbH/DE)
Polyman (A. Schulman GmbH/DE)
Restil (Montedison S.p.A./IT)
Sansex (Mitsubishi Monsanto Chem. Co./JP)
Starglas (Ferro Eurostar/FR)
Toyolac (Toray Industries Inc./JP)
Tyril (Dow Europe/CH)
Vestyron (Hüls AG/DE)
2.1.3 Styrolpolymere (PS) 739
2.1.3.2.2.1
SAN-Modifikationen
Ähnlich wie beim Styrol-Homopolymeren ein teilweiser Austausch von Styrol
durch a-Methylstyrol zu Produkten mit höherer Formbeständigkeit in der
Wärme führt, so können auch die SAN-Copolymere in gleicher Weise abgewan-
delt werden. Diese modifizierten Produkte haben vor allem als kohärente Phase
in hochwärmebeständigen ABS-Polymeren Bedeutung erlangt. Formteile mit ei-
ner Vicat-Erweichungstemperatur von 110 °C sind kochfest.
Styrolpolymere
Auch Copolymere mit Vinylcarbazol führen zu sehr wärmestandfesten Form-
stoffen. Diese Produkte sind jedoch wegen der Giftigkeit des Vinylcarbazols ge-
(PS)
sundheitlich nicht unbedenklich.
Vinylcarbazol
Verbesserte Formbeständigkeit in der Wärme sowie eine höhere Chemikalien-
und UV-Beständigkeit weisen auch die Copolymeren mit Itaconsäuredimethyl-
ester auf.
Itaconsäuredimethylester
2.1.3.2.2.1.1
Acrylnitril/Polybutadien/Styrolpfropfpolymere (ABS)
■ Herstellung
Die beiden wichtigsten Herstellverfahren für ABS sind die folgenden [5]:
• Pfropfpolymerisation von Styrol und Acrylnitril auf einen vorgelegten Poly-
butadienlatex; das erhaltene Pfropfpolymerisat wird mit einem getrennt her-
gestellten SAN-Latex abgemischt, koaguliert und getrocknet.
740 2 Synthetische Kunststoffe: 2.1 Thermoplastische Polymere
■ Allgemeine Stoffbeschreibung
Copolymere des Styrols mit Acrylnitril oder anderen Vinylen unterscheiden sich
so vorteilhaft von Styrol-Homopolymeren, dass es nahe lag, diese Produkte
durch schlagfestes Modifizieren in ähnlicher Weise abzuwandeln wie das Homo-
polymere. Unter den zahlreichen Modifikationen haben die ABS-Pfropfpoly-
mere die größte technische Bedeutung erlangt.Wie beim SB sind durch die Wahl
Styrolpolymere
rol durch a-Methylstyrol und damit der Formbeständigkeit in der Wärme mög-
lich. Bei ABS darf allerdings nur ein Butadien-Kautschuk verwandt werden, um
der Kurzbezeichnung gerecht zu werden. Unter den Copolymeren des Butadiens
wird Nitrilkautschuk bevorzugt. Nicht mit Butadienkautschuken elastifizierte
Produkte werden als AXS-Produkte bezeichnet.
Dabei steht X als Symbol für die Elastomerkomponente, die im Einzelfall
näher zu beschreiben ist.
Kennzeichnende Eigenschaften von ABS-Kunststoffen sind je nach Typ:
• hohe mechanische Festigkeit und Steifigkeit,
• hohe Härte und Kratzfestigkeit,
• hohe Schlagzähigkeit in der Kälte,
• hohe Formbeständigkeit in der Wärme,
• hohe Temperaturwechselfestigkeit,
• verhältnismäßig geringe Wasseraufnahme,
• hohe Maßbeständigkeit,
• hohe Chemikalienbeständigkeit,
• etwas höhere Beständigkeit gegen Spannungsrissbildung als PS,
• nicht witterungsbeständig (wegen des Gehaltes an Polybutadien).
■ Zusatzstoffe
Siehe Kap. 1.3.5 insbes. 1.3.5.1 und Tabelle 2-46.
■ Sortiment
Die Sortimente der meisten Rohstoffhersteller enthalten in der Kälte schlagzähe
und andererseits Typen mit hoher Formbeständigkeit in der Wärme. Sonderty-
pen sind antistatisch ausgerüstet, galvanisch metallisierbar, glasfaserverstärkt,
mit Flammschutzmittel oder mit Treibmittel für das Spritzgießen von Formtei-
len aus Strukturschaumstoffen versehen. Das Sortiment enthält ferner für das
Styrolpolymere
Extrudieren, Extrusionsblasen und das Kalandrieren geeignete Typen; dazu
kommen Abmischungen mit PVC, PC und PUR.
(PS)
■ Lieferformen
Naturfarbenes (gelblich opakes) und in vielen Farbtönen eingestelltes Granulat;
Halbzeug ist in Form von Rohren, Profilen, Folien, Tafeln und Blöcken lieferbar.
Bei längerem Lagern kann bei empfindlichen Farbmitteln eine gewisse Än-
derung des Farbtons auftreten. Unter ungünstigen Bedingungen gelagertes
Material nimmt Feuchtigkeit auf, die vor dem Verarbeiten durch Trocknen (2 bis
4 Std. bei 85 °C) wieder entfernt werden muss.
■ Typisierung
Auch die Norm 16772 entspricht in Form und Inhalt der 1982 eingeführten EDV-
gerechten Umstellung in Datenblöcke.
■ Physikalische Eigenschaften
Die wichtigsten Eigenschaften von ABS-Pfropfpolymeren und Polymerblends
sind in Tabelle 2-45 (mechanische und thermische) sowie Tabelle 2-47 (elektri-
sche) zusammengestellt.
■ Umwandlungstemperaturen
Die Kurven des Schubmoduls (G) und des logarithmischen Dämpfungsdekre-
mentes (l) gewähren einen Einblick in das mechanische Verhalten von Form-
stoffen bei verschiedenen Temperaturen, Bild 2-211. Die Kurve a zeigt wegen der
höheren Einfriertemperatur der Elastomerphase ein Dämpfungsmaximum bei
– 50 °C, bei Kurve b liegt dieses Maximum noch etwa 30 K niedriger.
Die Wirksamkeit der Elastomerkomponente hängt außer von der Temperatur
noch von der Beanspruchungsgeschwindigkeit ab. Bei sehr schnellen, schockar-
tigen Belastungen verschiebt sich das Dämpfungsmaximum zu höheren und bei
langsamen Beanspruchungen zu tieferen Temperaturen.
Mit steigender Temperatur bewirken die Dämpfungsmechanismen der Elas-
tomerphase eine zunächst stetig zunehmende Zähigkeit.
742 2 Synthetische Kunststoffe: 2.1 Thermoplastische Polymere
Styrolpolymere
(PS)
Styrolpolymere
(PS)
Bild 2-211. Schubmodul (G)
und logarithmisches
Dämpfungsdekrement (l)
a Terluran 877 T
b Terluran 967 K
Styrolpolymere
(PS)
gen Werte auch durch eine Reihe nicht werkstoffspezifischer Faktoren beein-
flusst werden. Dazu gehört z. B. die Wirkung von Querschnittsübergängen, Ker-
ben, Bindenähten und nicht zuletzt das gesamte Technoklima, das das Formteil
beim Einsatz umgibt.
■ Chemikalienbeständigkeit
Beständig gegen: schwache Säuren, Laugen, Alkohole, Fette, Öle, Wasser; nicht
beständig gegen: konzentrierte Säuren, Ketone, Ester, Ether, aromatische und
chlorierte KW.
■ Strahlenbeständigkeit
Siehe Ausführungen für SB in „Strahlenbeständigkeit“.
■ Witterungsbeständigkeit
Die aus Butadienkautschuk bestehende Elastomerphase ist empfindlich gegen
Sauerstoff und UV-Strahlung. Im Freien verwendete Formstoffe vergilben und
verspröden. Einen Schutz bieten Lackieren, Galvanisieren und Beschichten mit
wetterbeständigen Folien.
■ Brennbarkeit
Styrolpolymere
ABS-Kunststoffe brennen mit leuchtender Flamme unter Rußentwicklung. Ver-
(PS)
brennungsprodukte riechen süßlich und nach verbranntem Gummi. Mit
Flammschutzmittel versehene Typen sind verfügbar. Als Flammschutzmittel
dienen vor allem aromatische Bromverbindungen in Kombination mit Anti-
montrioxid. Bei diesen dürfen jedoch bei der Verarbeitung bestimmte Höchst-
grenzen der Massetemperatur und der Verweilzeit im Plastifizierzylinder nicht
überschritten werden [8].
■ Durchlässigkeit für Wasserdampf und Gase
Die an 100-mm-Folien ermittelten Richtwerte betragen:
für Wasserdampf 27 – 33 g/m2d, für Sauerstoff 400 – 900, für Stickstoff 100 – 200
und für CO2 1500 – 3500 cm3/m2d bar (je nach Typ).
■ Gesundheitliche Beurteilung
Alle ungefärbten AS-Typen erfüllen in ihrer Zusammensetzung die Anforderun-
gen der Empfehlung VI „Styrol-Misch- und Pfropfpolymerisate“, Stand vom
15. 1. 93 (189. Mitteilung, Bundesgesundheitsblatt 36 (1993), S. 114). Unter der Vo-
raussetzung sachgerechter Verarbeitung bestehen gegen die Verwendung dieser
Typen bei der Herstellung von Bedarfsgegenständen im Sinne des Lebensmittel-
und Bedarfsgegenständegesetzes § 5 Absatz 1 Nr. 1 (Lebensmittelbedarfsgegen-
stände) und Nr. 5 (Spielwaren) keine Bedenken; die Eignung der Bedarfsgegen-
stände ist im Einzelfall vom Hersteller bzw. Verwender zu prüfen.
Vor der Verwendung eingefärbter Typen ist zu prüfen, ob deren Zusammen-
setzung die Anforderungen der Empfehlung VI erfüllt. Das gleiche gilt auch für
Marken mit Sonderausrüstungen, z. B. mit UV-Stabilisierung oder mit Brand-
schutzausrüstung.
Gemäß Empfehlung VI darf Acrylnitril auf Lebensmittel nicht in Mengen
übergehen, die mit einer festgelegten Methode erfassbar sind. Die Migrations-
prüfungen sind dabei unter Berücksichtigung der bestimmungsgemäßen und
vorgesehenen Verwendung der Bedarfsgegenstände durchzuführen.
Für Einfärbungen sind die Forderungen der Empfehlung IX „Farbmittel zum
Einfärben von Kunststoffen und anderen Polymeren für Bedarfsgegenstände“
zu beachten.
■ Verarbeiten: Verarbeitungsbedingungen (s. a. Kapitel 1.4.3 und 1.4.7)
ABS-Formmassen können durch Spritzgießen, Extrudieren, Kalandrieren und
Blasformen verarbeitet werden. Folien- und tafelförmiges Halbzeug werden
warmgeformt.
748 2 Synthetische Kunststoffe: 2.1 Thermoplastische Polymere
teilen spritzgegossen. Die Massetemperatur beträgt 230 bis 260 °C, die Werk-
zeugtemperatur 50 bis 70 °C.
Man wählt Massetemperaturen von:
190 bis 210 °C beim Extrudieren,
200 bis 215 °C beim Blasformen,
160 bis 180 °C beim Warmformen von Halbzeug.
Auch bei Raumtemperatur kann ABS-Folienhalbzeug geformt werden. Diese
Materialtypen müssen steif und zäh sein. Als Schmiermittel werden Öl- und
Wachsemulsionen, Seifenwasser oder Mineralöl verwandt. Beim Verarbeiten von
ABS ist zu beachten, dass es sich dabei um ein hygroskopisches Material handelt,
d. h. es muss vor dem Spritzgießen, Extrudieren oder Blasformen vorgetrocknet
werden. Über den Gleichgewichts-Feuchtigkeitsgehalt in Abhängigkeit von der
jeweiligen Luftfeuchtigkeit informiert Bild 2-216. Die Restfeuchtigkeit sollte
etwa 0,1 %, in kritischen Fällen jedoch weniger betragen.
Fügen
Schweißen mit Zusatzdraht und mit Hilfe des Heizelementes ist möglich, ebenso
Reib-, Ultraschall- und HF-Schweißen. Für das Kleben gelten die Hinweise für
Polystyrol, s. „Fügen“ Seite 694.
Bild 2-216. Sättigungsgehalt in Abhängigkeit von der relativen Luftfeuchtigkeit (Quelle: Borg
Warner Chemicals)
2.1.3 Styrolpolymere (PS) 749
■ Oberflächenveredelung
Formteile aus ABS können ohne Vorbehandlung lackiert, bemalt, bedruckt und
im Hochvakuum metallisiert werden. Sondertypen sind galvanisch metallisier-
bar. Grundsätzlich sind die meisten ABS-Typen galvanisierbar. Voraussetzung
für ein gutes Ergebnis sind spannungs- und orientierungsarme Formteile, d. h.
ein galvanogerechtes Spritzgießen.
Anwendungsbeispiele
Spritzgegossen werden Transportbehälter, Textilspulen, Formteile für
Styrolpolymere
Büro- und Haushaltmaschinen, Gehäuse von Fernseh-, Rundfunk- und
(PS)
Phonogeräten, Tür- und Koffergriffe, Haartrockenhauben, Sicherheits-
helme, Ausstattungsteile für Automobile und Flugzeuge sowie Spielzeug.
Aus extrudierten Folien und Tafeln werden Transportbehälter, Kofferscha-
len, Verkleidungen, Abdeckungen, Portionsteller u. a. hergestellt. Kalan-
driertes Folienmaterial wird warm und kalt umgeformt. Galvanisierte
Formteile dienen als Möbel- und Baubeschläge, Bedienungsknöpfe für
Rundfunk- und Fernsehgeräte, als Armaturen, Brillengestelle, Spielzeug
und Schreibmaschinentasten, Telefonkarten.
Aus schäumfähigen ABS-Formmassen werden Wandplatten, Bilderrah-
men, Schirmgriffe, Schuhleisten, Handgriffe, Eiskübel, Schubladen, Tisch-
platten und Sitzmöbelgestelle spritzgegossen.
Handelsnamen
Absafil (Akzo Engn. Platics Inc./US)
Abselex (Courtaulds PLC/GB)
Aqualoy (A. Schulmann GmbH/DE)
Arcoblend (Resinmec Spa/IT)
Bayblend (Bayer AG/DE)
Baymod (Bayer AG/DE)
Beneron (J. A. Benecke GmbH/DE)
Blendex (GE. Speciality Chemicals/US)
Cole (Montell Polyolefins/BE)
Comshield (A. Schulman GmbH/(DE)
Comtuf (A. Schulman GmbH/DE)
Cycolac (GE Plastics Europe B.V./NL)
Cycoloy (GE Plastics Europe B.V./NL)
Cycovin (GE Plastics Europe B.V./NL)
Diapet (Mitsubishi Rayon Co. Ltd./JP)
Editel (Enichem Deutschland GmbH/DE)
Elcalite (Elkaplast/BE)
Enplex (Kanegafuchi Chem. Ind. Co. Ltd./JP)
Escalloy (A. Schulman GmbH/DE)
Fiberod (Polymer Composites Inc./US)
Hiloy (A. Schulman GmbH/DE)
Isopak (Great Eastern Resins/Taiwan)
Kane Ace (Kanegafuchi Chem. Ind. Co. Ltd./JP)
750 2 Synthetische Kunststoffe: 2.1 Thermoplastische Polymere
2.1.3.2.2.1.2
Pfropfcopolymere aus MMA, SB und ABS (MABS)
Styrolpolymere
nenten zeigt Bild 2-217.
Auf ähnliche Weise werden auch SB-Polymere transparent eingestellt und als
(PS)
MBS bezeichnet.
Der unterschiedliche Brechungsindex zwischen der kohärenten und der
dispergierten Phase ist die Ursache der Opazität. In den bisher bekannt gewor-
denen Formmassen dieser Art sind wichtige Bausteine wie Styrol, Acryl-, bzw.
■ Allgemeine Stoffbeschreibung
MABS-Polymere vereinigen:
hoher Schlagzähigkeit,
• hoher Festigkeit und Steifigkeit,
(PS)
■ Physikalische Eigenschaften
Die wichtigsten physikalischen Eigenschaften enthält Tabelle 2-53.
Styrolpolymere
arbeit) von Terlux 2802 TR nach
DIN 53 443 (Durchstoßversuch an
(PS)
2 mm Rundscheiben in Abhängigkeit
von der Verarbeitungstemperatur)
Mechanische Eigenschaften
Zug-E-Modul MPa 53547 527 nach ISO 3167 2000 1900
Streckspannung (v = 50 mm/min) MPa 53455 527 nach ISO 3167 48 42
Streckdehnung/Bruchdehnung (v = 50 mm/min) % 53455 527 nach ISO 3167 4/12 4/20
Zug-Kriechmodul, 100 h, Dehnung ≤0.5%, +23°C MPa 53444 899 nach ISO 3167 1250
Biegespannung bei Höchstkraft MPa 53452 178 80 · 10 · 4 70 60
Schubmodul MPa 53445 537 60 · 10 · 1 800 800
Charpy-Schlagzähigkeit + 23 °C kJ/m2 – 179/1eU 80 · 10 · 4 150 90
Charpy-Schlagzähigkeit – 30 °C kJ/m2 – 179/1eU 80 · 10 · 4 80 55
Charpy-Kerbschlagzähigkeit + 23 °C kJ/m2 – 179/1eA 80 · 10 · 4 5 6
Charpy-Kerbschlagzähigkeit – 30 °C kJ/m2 – 179/1eA 80 · 10 · 4 2 2
Izod-Kerbschlagzähigkeit, Methode Aa + 23 °C J/m – D 256 63.5 · 12.7 · 3.2 100 60
Kugeldruckhärte H 358/30 MPa 2039-1a ≥ 10 · ≥ 10 · 4 70 75
Thermische Eigenschaften
Biegetemp. unter Last 1.8 Mpa (HDT A) °C 75 b 75 110 · 10 · 4 90 87
Biegetemp. unter Last 0.45 Mpa (HDT B) °C 75 b 75 110 · 10 · 4 94 93
Vicat-Erweichungstemperatur VST/A/50 °C 306 b 306 ≥ 10 · ≥ 10 · 105
Vicat-Erweichungstemperatur VST/B/50 °C 306 b 306 ≥ 10 · ≥ 10 · 4 91 87
Max. Gebrauchstemperatur, bis zu einigen Stunden °C – – Formteile 75 75
Therm. Längenausdehnungskoeff., längs (23–80) °C 10-5/K 53752 – ≥ 10 · ≥ 10 · 4 8–11 8–11
Wärmeleitfähigkeit W(m · K) 52612 – 260 · 260 · 10 0.17 0.17
Elektrische Eigenschaften
Dielektrizitätszahl bei 100 Hz/1 MHz – 0303-4 250 80 · 80 · 1 2.9/2.8 3/2.8
Dielektr. Verlustfaktor bei 100 Hz/1 MHz – 0303-4 250 80 · 80 · 1 0.016/0.014 0.016/0.013
Spez. Durchgangswiderstand W · cm 0303-30 93 80 · 80 · 1 1015 1016
Oberflächenwiderstand W 0303-30 93 80 · 80 · 1 1013 1014
Elektr. Durchschlagfestigkeit K20/P50 kV/mm 0303-21 243/1 d = (0.6–0.8) 85 77
Vergleichszahl der Kriechwegbildung CTI, Prüflösung A – 0303-1 112/A ≥ 15 · ≥ 15 · 4 CTI 600 CTI 600
Vergleichszahl der Kriechwegbildung CTI M, Prüflösung B – 0303-1 112/A ≥ 15 · ≥ 15 · 4 CTI 600 M CTI 600 M
2 Synthetische Kunststoffe: 2.1 Thermoplastische Polymere
a
Prüfvorschrift nach ASTM.
b
Prüfvorschrift nach DIN/ISO.
2.1.3 Styrolpolymere (PS) 755
Styrolpolymere
faktor (d) (Torsions-
schwingungsversuch
(PS)
DIN 53 445) von
Terlux 2802 TR in
Abhängigkeit von
der Prüftemperatur
■ Gesundheitliche Beurteilung
Die ungefärbten MABS-Typen erfüllen die Empfehlung VI „Styrol-Misch-
Pfropfpolymeren“, Stand vom 15. 4. 1991 (187. Mitteilung Bundesgesundheitsblatt
34 (1991) Seite 296). Bei eingefärbten Typen ist zu prüfen, ob die Empfehlung VI
bzw. die Empfehlung IX „Farbmittel zum Einfärben von Kunststoffen“ erfüllt
werden. Acrylnitril darf auf Lebensmittel nicht in Mengen übergehen, die mit
der festgelegten Methode erfassbar sind, d. h. geringer sind als die Grenzmenge.
■ Verarbeitung
Um bei der Spritzgussverarbeitung ein durch Feuchtigkeit bedingtes Eintrüben
zu vermeiden, ist Vortrocknen ratsam (2 Std. bei 70 °C). Trübung tritt auch ein,
wenn andere – auch transparente – Thermoplaste zugemischt werden. Die Mas-
setemperatur beträgt 230 °C bis 260 °C, die Verarbeitungsschwindung 0,4 bis
0,8 %. Die Abhängigkeit der Fließweglänge in Abhängigkeit von Massetempera-
Styrolpolymere
Anwendungsbeispiele
In der Kosmetik sind es: Etuis, Zahnbürsten, Kosmetikkoffereinsätze; im
Haushalt: Gefriergutkörbe, Gemüseschalen für Kühlschränke und Sanitär-
papierspender. Im Büro sind: Zeichen- und Schreibgeräte begehrt, Ab-
deckungen und Führungen für Büromaschinen und Tonerbehälter für
Kopiergeräte zu finden. Die Medizintechnik schätzt MABS für Dialysegerä-
tegehäuse, Teile für Infusionsgeräte wie Schlauchverbinder und Konnekto-
ren, Mundrohr für Inhalationsflaschen und Behälter für Wundgarn.
Gehäuse für Armbanduhren und transparente Teile für Spielzeuge sind
weitere Beispiele.
Handelsname
Terlux (BASF AG/DE)
2.1.3.2.3.1
Polymerblends aus (ABS + PC)
■ Allgemeine Stoffbeschreibung
Diese Stoffklasse hat in den vergangenen zehn Jahren zunehmend an Bedeutung
gewonnen, weil sie in ihren Eigenschaften zwischen ABS und PC liegt. Durch Va-
riieren des Typs der jeweiligen Komponenten, d. h. in ihrer Zusammensetzung
sowie im Mengenverhältnis im Blend ist es möglich, die Produkte gezielt den An-
forderungen des Marktes anzupassen.
• hohe Maßgenauigkeit,
• geringe Verzugsneigung,
• geringe Gesamtschwindung,
• geringe Feuchtigkeitsaufnahme.
2.1.3 Styrolpolymere (PS) 757
• hohe Formbeständigkeit in der Wärme (nach Vicat B 112 °C bis 134 °C, mit dem
PC-Anteil zunehmend) – hohe Steifigkeit und Härte (vergleichbar mit PC),
• hohe Kerbschlagzähigkeit bis – 50 °C,
• gute elektrische Eigenschaften im Schwachstrom- und Niederspannungsbe-
reich.
Wegen des ABS-Anteils sind nur gedeckte Einfärbungen möglich. Die Ober-
fläche der aus diesen Blends hergestellten Formstoffe ist hochglänzend.
Styrolpolymere
■ Zusatzstoffe (s. a. Kapitel 1.3.5)
(PS)
Im Sortiment dieser Blends befinden sich flammwidrig ausgerüstete und glasfa-
serverstärkte Typen. Durch den Zusatz von Glaskugeln und mineralischen Füll-
stoffen bieten sich zahlreiche Möglichkeiten zur Modifikation.
■ Sortiment
Das Sortiment enthält Typen, die außer den genannten Ausrüstungen auch die
Möglichkeit des chemogalvanischen Metallisierens bieten.
■ Lieferform
Die Blends werden als Granulat geliefert.
■ Typisierung
Eine in Arbeit befindliche Norm des DIN über Polymer-Gemische wurde inzwi-
schen veröffentlicht.
■ Physikalische Eigenschaften
Richtwerte der physikalischen Eigenschaften enthält Tabelle 2-54.
■ Mechanische Eigenschaften
Kurz- und Zeitstandverhalten bei einachsigem Spannungszustand. Über diese
Eigenschaften geben die Bilder 2-223 bis 2-225 Auskunft.
mechanische
Rohdichte g/cm3 1,35 1,35 1,1 – 1,2 1,07 1,1 – 1,15
Zugfestigkeit N/mm2 38 – 49 18 – 23 53 – 58 42 – 56 56 – 110
Reißdehnung % 5 – 20 250 10 – 150 20 – 60 3,5 – 15
Zug-E-Modul N/mm2 2100 – 2700 – 2100 – 2700 2300 – 2900 3500 – 4800
Biege-E-Modul N/mm2 2100 – 2500 – 2100 – 3000 2300 – 2600 3000 – 4500
ft.lb
Kerbschlagzähigkeit 3 – 15 – 8 – 13 6–8 1,0 – 3,5
inch of notch
Härte – R102 – 113 75 – 95 R106 – 120 R102 – 108 M80 – 101
thermische
Formbeständigkeit in der Wärme
1,85 N/mm2 °C 68 – 77 – 104 – 127 102 – 108 88 – 93
0,46 N/mm2 °C 77 – 82 – 112 – 130 108 – 110 75 – 103
Dauergebrauchstemperatur °C – – 105 – 120 71 – 93 –
elektrisch
Durchschlagfestigkeit V/25 mm 600 – 350 – 500 350 – 500 220 – 243
Dielektrizitätszahl (103 Hz) – – – 2,4 – 4,5 3,0 – 3,8 4,55
dielektrischer Verlustfaktor (103 Hz) – – – 0,003 – 0,006 0,2 – 0,4 0,032
Brennbarkeit – selbsterlösch. brennbar brennbar brennbar brennbar
vergilbt vergilbt vergilbt vergilbt
Sonneneinwirkung beständig
versprödet versprödet versprödet versprödet
schwache Säuren – beständig beständig beständig beständig beständig
starke Säuren – beständig beständig – bei oxid. s. – oxid s. nicht beständig
schwache Säuren – beständig beständig beständig beständig beständig
starke Laugen – beständig beständig leicht unbest. beständig nicht beständig
2 Synthetische Kunststoffe: 2.1 Thermoplastische Polymere
Tabelle 2-54 (Fortsetzung)
Chlor-KW Chlor-KW
Verarbeitbarkeit – gut gut gut gut gut
Pressform-Temperatur °C 150 – 177 150 – 177 – 200 – 260 150 – 190
Spritzgießtemperatur °C 190 190 255 – 280 230 – 260 215
Schwindung (gesamt) % 0,4 – 0,6 0,4 – 0,6 0,5 – 0,7 0,4 – 0,8 0,3 – 0,5
Klarheit – opak – – opak transparent
Brechungsindex n 23
D – – – – – 1,51 – 1,53
Wasseraufnahme 24 h %-Masseanteil 0,2 – 0,20 – 0,35 0,5 –
759
Styrolpolymere
(PS)
760 2 Synthetische Kunststoffe: 2.1 Thermoplastische Polymere
b Bayblend T 65 MN
c Bayblend T 45 MN
(PS)
Umwandlungstemperaturen
Wie der Verlauf der Schubmodulkurven, Bild 2-226 zeigt, ist die Steifigkeit der
Blends über einen weiten Bereich nahezu unabhängig von der Temperatur.
Styrolpolymere
(PS)
Bild 2-226. Schubmodul G und mechanischer Verlustfaktor d einiger (ABS + PC)-Blends
a Bayblend T 85 MN
b Bayblend T 45 MN
(Quelle: Bayer AG)
■ Witterungsbeständigkeit
(ABS + PC)-Blends weisen bei Bewitterung einen Abfall der Zähigkeit auf. Die
Ergebnisse von künstlicher und Freibewitterung zeigt Bild 2-228. Die Lichtecht-
heit ist mit derjenigen von ABS vergleichbar. Höhere Ansprüche an das Witte-
rungsverhalten sind mit Hilfe spezieller Stabilisierungssysteme oder zusätzli-
cher Lackierung bzw. Metallisierung erfüllbar.
Angesichts der vorzüglichen Witterungsbeständigkeit des mit Hilfe von
Acrylesterelastomeren modifizierten SAN liegt es nahe, auch dieses Pfropfpoly-
mere zur Modifizierung von PC zu verwenden (siehe Abschnitt AXS).
■ Gesundheitliche Beurteilung
Die (ABS + PC)-Blends entsprechen bei speziellen Einstellungen und sach-
gemäßer Verarbeitung den Empfehlungen VI „Styrol-Misch- und Pfropfpolyme-
risate“ Stand vom 15. 4. 1991 (187. Mitteilung Bundesgesundheitsblatt 34 (1991),
Seite 296) und können zur Herstellung von Bedarfsgegenständen im Sinne des
Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes verwendet werden.
Für den Polycarbonatanteil sind die Empfehlungen XI „Polycarbonate“ Stand
15. 01. 93 des Bundesgesundheitsamtes (189. Mitteilung, Bundesgesundheitsblatt
36 (1993), Seite 114) zu erfüllen.
Styrolpolymere
tifizieren bis zu einer Restfeuchtigkeit < 0,1 % vorgetrocknet werden. Die Trock-
nungstemperaturen betragen je nach Typ 100 bis 120 °C, die Zeitdauer 3 bis 4
(PS)
Stunden im Umluft- und 2 bis 3 Stunden im Schnelltrockner.
Die Massetemperaturen betragen beim Spritzgießen 230 °C bis 250 °C (je nach
Typ), die Werkzeugtemperaturen 80 °C bis 100 °C. Extrudiert wird mit Masse-
temperaturen von 220 bis 250 °C. Die Temperaturführung muss in jedem Falle so
gewählt werden, dass die Maximaltemperatur 280 °C nicht überschritten wird.
Tafelförmiges Halbzeug wird bei Temperaturen von 180 bis 210 °C warmge-
formt. Um eine hohe Oberflächengüte zu erreichen, müssen die Tafelzuschnitte
mindestens 2 Std. bei 100 °C vorgetrocknet werden. Die Temperatur der Werk-
zeuge beträgt 80 bis 100 °C.
■ Bearbeitung
Formteile und Halbzeug aus (ABS + PC)-Blends sind handwerklich und ma-
schinell gut bearbeitbar. Das Fügen kann duch Ultraschall-, Vibrations- Reib-
und Heizelementschweißen oder durch Kleben mit 1- oder 2-Komponenten-
Klebstoffen geschehen. Für das Bedrucken und Lackieren werden geeignete Pro-
dukte angeboten. Das Galvanisieren ist nach den für ABS bekannten Verfahren
möglich. Dabei liefern naturgemäß die Typen mit hohem ABS-Anteil die besten
Ergebnisse.
Anwendungsbeispiele
Kraftfahrzeugindustrie, Elektroindustrie, Hausinstallationen, Lichttech-
nik, Haushaltgeräte, Sport- und Freizeitgeräte sind die bevorzugten An-
wendungsbereiche. Hier einige Beispiele:
Armaturentafeln, Außenspiegel, Belüftungssysteme, Dachhimmel,
Embleme, Profilleisten, Flankenschutz, Grills, Handschuhkastenklappen,
Hutablagen, Innenspiegel, Instrumentenrahmen, Lautsprecherabdeckun-
gen, Mittelkonsolen, Naben- und Radkappen, Säulenverkleidungen,
Spoiler, Verbandskästen, Schreibmaschinenabdeckungen, Stromvertei-
lungskästen, Sicherungsschaltergehäuse, Stecker, Wandsteckdosen, Unter-
putzdosen, Schalter, Schaltuhrengehäuse, Büroleuchten, Industrieleuchten,
Staubsauger, Thermokannen, Thermostatventile, Bügeleisengriffe, Raum-
befeuchter.
764 2 Synthetische Kunststoffe: 2.1 Thermoplastische Polymere
Handelsnamen
Bayblend (Bayer AG/DE)
Cycoloy (General Electric Platics/US)
Lastilac (Lati Industria Thermoplastici Deutschland GmbH/DE)
Pulse (Dow Europe/CH)
Ryulex (Dainippon Ink & Chemicals Inc./JP)
2.1.3.2.3.2
Styrolpolymere
Acrylnitril/Styrol/Acrylester-Pfropfcopolymere (ASA)
(PS)
■ Herstellung
Die ASA-Pfropfcopolymere werden durch Copolymerisieren von Styrol und
Acrylnitril unter Beifügung einer gepfropften Elastomerkomponente auf
Acrylesterbasis hergestellt. Die Elastomerkomponente ist in Form sehr kleiner
Partikel gleichmäßig im SAN-Gerüst verteilt und durch aufgepfropfte SAN-Ket-
ten damit verbunden.
■ Allgemeine Stoffbeschreibung
Die ASA-Pfropfpolymere werden wegen ihrer butadienfreien Elastomerkompo-
nente vor allem zur Herstellung von Funktions- und Fertigteilen für Außenan-
wendungen verwendet. Ihre hervorragenden Eigenschaften sind:
• hohe Zähigkeit und Steifheit,
• hohe Thermostabilität,
• hoher Glanz,
• günstiges antielektrostatisches Verhalten,
• hohe Beständigkeit gegen Witterungseinflüsse, Alterung und Vergilben,
• hohe Chemikalienresistenz,
• problemlos verarbeitbar in einem breiten Temperaturbereich.
■ Sortiment
Das heutige Luran S-Sortiment enthält sechs Typen für das Spritzgießen,vier für das
Extrudieren und einen Sondertyp für das Spritzgießen und Extrudieren, der sich
durch besonders hohe Schlagzähigkeit (Typ 799 S/SE, 120 kJ/m2 n. Izod bei – 30 °C)
auszeichnet. Dieser Typ ist jedoch nur in ausgewählten Einfärbungen lieferbar.
■ Lieferform
Naturfarbenes (gelblich-weißes) und farbiges Granulat. Unter ungünstigen Bedin-
gungen aufgenommene Feuchtigkeit muss durch Vortrocknen entfernt werden.
■ Typisierung
DIN 16777.
2.1.3 Styrolpolymere (PS) 765
■ Physikalische Eigenschaften
(siehe Tabellen 2-55 und 2-56 [16])
Styrolpolymere
Umwandlungstemperaturen
(PS)
Einen weiteren Einblick in das mechanische Verhalten der ASA-Pfropfpolymere
gewährt der Verlauf des Schubmoduls G und des mechanischen Verlustfaktors d
Mechanische Eigenschaften
Zug-E-Modul MPa 53457 527 2600 2200 2400 2000 2500 6600
Streckspannung (V = 50 mm/min) MPa 53455 527 56 47 53 40 54
Streckdehnung/Bruchdehnung % 53455 527 3,1/15 3,3/20 3,2/20 4,3/25 3,2/15 /2,5
Zug-Kriechmodul, 100 h, Dehnung ≤ 0,5%, + 23 °C MPa 53444 899 1400 1200 1250 1100 1350
Biegespannung bei Höchstkraft MPa 53452 178 80 65 80 60 80 140
Schubmodul MPa 53445 537 900 800 900 730 1000
Charpy-Schlagzähigkeit a + 23 °C kJ/m2 – 179/1eU 180 270 280 NB 230 22
Charpy-Schlagzähigkeit + 30 °C kJ/m2 – 179/1eU 60 125 125 185 110 17
Izod-Schlagzähigkeit 1C a + 23 °C kJ/m2 53453 – NB NB NB NB NB 22
Izod-Schlagzähigkeit 1C – 30 °C kJ/m2 – 180/1C 30 80 65 120 60
Charpy-Kebschlagzähigkeit a + 23 °C kJ/m2 – 179/1eA 11 25 22 45 14 5
Charpy-Kerbschlagzähigkeit – 30 °C kJ/m2 – 179/1eA 3 3 4 9 5 5
Izod-Kerbschlagzähigkeit 1Aa + 23 °C kJ/m2 – 180/1A 10 30 20 45 15
Izod-Kerbschlagzähigkeit 1A – 30 °C kJ/m2 – 180/1A 3 4 4 10 4
Charpy-Kerbschlagzähigkeit a + 23 °C mJ/m2 53453 – 6 12 14 20 8
Izod-Kerbschlagzähigkeit, Methode Aa + 23 °C J/m – D 256 a 110 450 320 600 180
Kugeldruckhärte H 358/30 MPa 2039-1 2039-1 100 70 85 65 100
Thermische Eigenschaften
Biegetemp. unter Last 1,8 Mpa (HDT A) °C 75 75 97 96 103 95 104
Biegetemp. unter Last 0,45 Mpa (HDT B) °C 75 75 101 101 106 100 108
Vicat-Erweichungstemperatur VST/A/50 °C 306 306 105 104 113 104 114
Vicat-Erweichungstemperatur VST/B/50 °C 306 306 98 92 104 92 106 114
Max. Gebrauchstemperatur, bis zu einigen Stunden b °C – – 85 80 90 80 95
Therm. Längenausdehnungskoeff., längs (23–80) °C 10–5/K 53752 – 8–11 8–11 8–11 8–11 8–11 3.0
Wärmeleitfähigkeit W/(m · K) 52612 – 0,17 0,17 0,17 0,17 0,17
2 Synthetische Kunststoffe: 2.1 Thermoplastische Polymere
Tabelle 2-55 (Fortsetzung)
Elektrische Eigenschaften
Dielektrizitätszahl bei 100 Hz/1 MH – 0303-4 250 3,7/3,4 3,8/3,4 3,9/3,5 3,8/3.3 3,9/3,6
Dielektr. Verlustfaktor bei 100 Hz/1 MHz – 0303-4 250 0,009/ 0,009/ 0,009/ 0,009/ 0,009/
0,025 0,034 0,033 0,026 0,033
2.1.3 Styrolpolymere (PS)
Styrolpolymere
(PS)
768 2 Synthetische Kunststoffe: 2.1 Thermoplastische Polymere
Produktmerkmale
Kurzzeichen – 7728 1043 ASA
Dichte g/cm3 53479 1183 1,07
Einfärbung: natur (n), gefärbt (c), – – – n, c, bk, sp
Styrolpolymere
bei 23 °C
Wasseraufnahme, 24 h bei 23 °C % 53495/1 – 0,45
Feuchtigkeitsaufnahme, Sättigung % – – 0,35
bei Normalklima 23 °C/50% r.F.
Verarbeitung
Verarbeitungsverfahren: Spritzgießen (M), – – – M/E
Extrusion (E), Blasformen (F)
Schmelze-Volumenrate MVR 200/21,6 ml/10 min 11335 1133 8
Schmelze-Volumenrate MVR 220/10 ml/10 min 11335 1133 14
Vortrocknung: Temperatur/Zeit °C/h – – 80/2-4
Massetemperaturbereich, Spritzgießen °C – – 240–280
Werkzeugtemperaturbereich °C – – 40–80
Verarbeitungsschwindung, frei % – – 0,4–0,7
Massetemperaturbereich, Rohr-Extrusion °C – – 200–240
Massetemperaturbereich, Platten-Extrusion °C – – 230–270
Massetemperaturbereich, Blasformen °C – –
Werkzeugtemperatur, Blasformen °C – –
Werkstoffkennwerte zum Brennverhalten
Prüfung nach UL-Standard
bei d = 1,6 mm Dicke Klasse – UL94 94HB
Prüfung von Elektro-Isolierstoffen
Verfahren BH Stufe – 707 BH3–20 mm/min
Verfahren FH Stufe – 707 FH3–30 mm/min
Anwendungen Gutfließender Stan-
dard-Spritzguss- und
Extrusionstyp
mit hoher Steifig-
keit, Härte und
Wärmeformbestän-
digkeit, z. B. für Gar-
tenmöbel und
Haushaltsgeräte
2.1.3 Styrolpolymere (PS) 769
Styrolpolymere
1,65 1,65 1,65 1,65
(PS)
0,45 0,45 0,45 0,45 0,45
0,35 0,35 0,35 0,35 0,35
M/E, B M M/E, B E M
4 4 4 5 4
8 6 7 7
80/2-4 80/2-4 80/2-4 80/2-4 80/2-4
240–280 240–280 240–280 240–280 240–280
40–80 40–80 40–80 40–80 80–95
0,4–0,7 0,4–0,7 0,4–0,7 0.4–0.7 0,4
200–240 200–270 230–270
230–270 230–270 230–270
210–230 210–230
< 60 < 60
Styrolpolymere
(PS)
Bild 2-232. Isochrone Span-
nungsdehnungslinien von Luran
S 776 bei 23 °C (A) und 70 °C (B)
(Quelle: BASF AG)
Pfropfpolymere ist wesentlich höher. Bei der Prüfung differenziert ein Schlag auf
die unbelichtete Seite wesentlich stärker als ein Schlag auf die versprödete be-
lichtete Seite. Sie würde erst nach längerer Bewitterungsdauer einen Zähigkeits-
abfall anzeigen. Bei eingefärbten Produkten vermindert sich die Zähigkeit in der
Regel später als bei uneingefärbten. Besonders günstig verhalten sich schwarze
Einfärbungen. Bei Schlagzähigkeitswerten von mehr als 60 kJ/m2 reißen die Pro-
bekörper meistens nur noch an. Die günstige Wirkung der UV-Ausrüstung auf
die Schlagzähigkeit zeigt Bild 2-235B.
Styrolpolymere
(PS)
Bild 2-235. Schlagzähigkeit von ABS- und ASA-Pfropfpolymeren nach Bewitterung im Wea-
ther-O-Meter (A) und im Xenotest-Gerät Typ 1200 (B)
a ABS d Luran S 797 SE
b ABS-UV e Luran S 776 UV
c Luran S 776 S f Luran S 797 SE UV
(Quelle: BASF AG)
(Lastwechselfrequenz 19 Hz)
a Luran S 776 S
(PS)
b Luran S 757 R
(Quelle: BASF AG)
■ Brennbarkeit
Die thermische Zersetzung der Formmasse beginnt bei Temperaturen > 350 °C,
deren Selbstentzündung bei Temperaturen > 450 °C. Die ASA-Formmassen und
Formstoffe sind nach DIN EC 707/VDE 0304, in die Stufen FH3 und BH3 einzu-
ordnen (siehe auch Tabelle 2-56).
Styrolpolymere
Wasserdampf 30 – 34 g/m2d (n. DIN 53 122, T.2, ISO 1195)
(PS)
H2 50 cm3/m2d bar
N2 60 – 70 cm3/m2d bar
O2 150 – 180 cm3/m2d bar (n. DIN 53 380) ISO 2556
CO2 6000 – 8000 cm3/m2d bar
CH4 100 – 110 cm3/m2d bar
■ Gesundheitliche Beurteilung
Die entsprechend gekennzeichneten Typen erfüllen in ihrer Zusammensetzung
die Anforderungen der Empfehlung VI „Styrol-Misch- und Pfropfpolymerisa-
te“, Stand vom 15. 01. 93 (189. Mitteilung, Bundesgesundheitsblatt 36 (1993),
Seite 114).
Unter der Voraussetzung sachgerechter Verarbeitung bestehen gegen die Ver-
wendung dieser Typen bei der Herstellung von Bedarfsgegenständen im Sinne des
Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes §5, Absatz 1, Nr. 1 (Lebensmittel-
bedarfsgegenstände) und Nr. 5 (Spielwaren) keine Bedenken; die Eignung der Be-
darfsgegenstände ist im Einzelfall vom Hersteller bzw.Verwender zu prüfen.
Gemäß Empfehlung VI darf Acrylnitril auf Lebensmittel nicht in Mengen
übergehen, die mit einer festgelegten Methode erfassbar sind; die Migrations-
prüfungen sind dabei unter Berücksichtigung der bestimmungsgemäßen oder
vorhersehbaren Verwendung der Bedarfsgegenstände durchzuführen.
Für Einfärbungen sind die Forderungen der Empfehlung IX „Farbmittel zum
Einfärben von Kunststoffen und anderen Polymeren für Bedarfsgegenstände“
zu beachten.
Anwendungsbeispiele
Die UV-beständig elastifizierten Pfropfcopolymere werden überall dort
angewandt, wo es auf das mechanische Niveau eines SAN- bzw. SB-Mate-
Styrolpolymere
Handelsnamen
Centrex (Monsanto Chem. Plast, Div./US)
Luran S (BASF AG/DE)
Rhodapas (Rhône Poulenc S.A./FR)
Terblend (BASF AG/DE)
2.1.3.2.3.3
Polymerblends aus ASA und Polycarbonat (ASA + PC)
Eine im Vergleich mit ABS erhöhte Formbeständigkeit in der Wärme, hohe
Zähigkeit und Festigkeit, vorzügliche Witterungs- und Alterungsbeständigkeit
sowie eine hohe Farbstabilität kennzeichnen die ASA-Blends. Dieses technisch
geschätzte Eigenschaftsbild gewährleistet die Substitution der ABS-Komponente
durch das witterungsbeständige ASA. Der im ASA enthaltene Polyacrylatkaut-
2.1.3 Styrolpolymere (PS) 777
Styrolpolymere
Bild 2-239. E-Modul nach ISO 527
(Zugversuch) von Terblend S KR
(PS)
2861/1 in Abhängigkeit von der Prüf-
temperatur
■ Sortiment
Zum Terblend® S-Sortiment der BASF gehören beispielsweise Standard- und
leichtfließende Typen für die Spritzgussverarbeitung, Typen mit Brand-
schutzausrüstung und hoher Formbeständigkeit in der Wärme sowie leicht-
fließende Typen mit chlor- und bromfreier Brandschutzausrüstung.
■ Physikalische Eigenschaften
Tabelle 2-57 [18] ermöglicht einen Vergleich der physikalischen Eigenschaften
von (ASA + PC) Blends mit (ABS + PC) Blends sowie den ursprünglichen Ter-
polymeren.
In Bild 2-239 ist der im Kurzzeit-Zugversuch ermittelte E-Modul in Abhän-
gigkeit von der Prüftemperatur wiedergeben, während die Bilder 2-240 und
2-241 das Langzeitverhalten eines Blendtyps bei Temperaturen von 23 °C bzw.
80 °C zeigen.
Über die Umwandlungstemperaturen gibt Bild 2-242 Auskunft. Das Verhalten
der Zähigkeit einiger (ABS + PC)- und (ASA + PC)-Blends und der Vergilbung
nach Wärmelagerung bei 90 °C und 110 °C zeigen die Bilder 2-243 bzw. 2-244 [19].
■ Chemikalienbeständigkeit
(ASA + PC)-Blends sind bei Raumtemperatur beständig gegen Wasser, wässrige
Salzlösungen, verdünnte Säuren, gesättigte Kohlenwasserstoffe, Alkohole, Gly-
cole, Öle und Fette. Dagegen greifen aromatische Kohlenwasserstoffe, Ester,
Styrolpolymere
(PS)
Tabelle 2-57. Eigenschaftsvergleich der Acryl/Styrol-Copolymerisate und deren Blends mit Polycarbonat (PC)
778
Styrolpolymere
(PS)
Bild 2-240. Isochrone Spannungsdeh- Bild 2-241. Isochrone Spannungsdeh-
nungslinien für Terblend S KR 2861/1 nungslinien für Terblend S KR 2861/1
bei 23 °C (gemessen nach ISO 899) bei 80 °C (gemessen nach ISO 899)
Ether und Ketone an. Sie quellen oder lösen. Konzentrierte Säuren, Amine, Am-
moniaklösungen, Ammoniakgas und Laugen wirken zerstörend [20].
■ Brennverhalten
Durch Brandschutzausrüstung können Entzündbarkeit und Flammenausbrei-
tungsgeschwindigkeit verringert werden. Die für den Fahrzeugbau geltende
Norm FMVSS 302 bzw. DIN 75 200 wird im Allgemeinen von Formteilen mit
Wanddicken > 1 mm erfüllt.
780 2 Synthetische Kunststoffe: 2.1 Thermoplastische Polymere
Styrolpolymere
(PS)
■ Gesundheitliche Beurteilung
Die (ASA + PC)-Sortimente bieten Einstellungen, die die Anforderungen der Be-
darfsgegenständeverordnung vom 10. 04. 92 (Bundesgesetzblatt 1 1992 S. 806)
und die Empfehlung VI Styrol- Misch- und Pfropfpolymerisate, Stand 15. 01. 1993
des Bundesgesundheitsamtes (189. Mitteilung, Bundesgesundheitsblatt 36 (1993)
Seite 114) bzw. Empfehlung XI „Polycarbonate“ Stand 15. 01. 93 des Bundesge-
sundheitsamtes (189. Mitteilung, Bundesgesundheitsblatt 36 (1993) S. 114) erfül-
len.
2.1.3 Styrolpolymere (PS) 781
Styrolpolymere
temperatur (Spiraltest)
Werkzeug: Testspirale 2 mm · 10 mm,
(PS)
Spritzdruck 1100 bar, Werkzeugober-
flächentemperatur 80 °C
Anwendungsbeispiele
Typische Anwendungen im Automobilbau sind: Außenspiegel, Rückleuch-
tengehäuse, Instrumentenrahmen, Lautsprecherabdeckungen, Armaturen-
tafeln, Luftverteilersysteme, Ausströmergehäuse, Kühlergrills, Radkappen,
Säulenverkleidungen und Spoiler [17].
Die Elektrotechnik bevorzugt (ASA + PC)-Blends bei Schalterab-
deckungen, Leuchtenteilen, Bedienungsknöpfen und Konsolen von Elek-
troherden, Dunstabzügen, Haartrocknern, Bügeleisen-, Staubsauger- und
Messgerätegehäusen, bei Kaffeemaschinenzubehör, Mobiltelefonen, Com-
puter-, Bildschirm-, PC-Monitor- und Druckergehäusen, Ladestationen für
schnurlose Telefone.
Handelsname
Bayblend A (Bayer AG/DE)
Terblend S (BASF AG/DE)
782 2 Synthetische Kunststoffe: 2.1 Thermoplastische Polymere
2.1.3.2.4
Thermoplastische Styrol/Butadien-Elastomere (SBS-TE)
■ Allgemeine Stoffbeschreibung
Die thermoplastischen Elastomere (TPE) weisen im Festzustand die Eigenschaf-
ten von Elastomeren auf. In der Wärme sind sie jedoch schmelzbar wie Ther-
moplaste und nach allen für diese gebräuchlichen Methoden formbar. Dazu
kommt der Vorteil, dass ihre Produktionsrückstände – im Unterschied zum
Gummi – wieder verwendbar sind. Die TPE erfordern keine Vernetzungszeit,
Styrolpolymere
geringer, Bild 2-246. Als Elastomere sind sie durch Flexibilität, elastische Erho-
lung, Rückfederung und Dehnfähigkeit gekennzeichnet. Zur hohen Zähigkeit in
der Kälte kommt die hohe Abriebfestigkeit. Die Witterungsbeständigkeit ist bei
entsprechender Stabilisierung hoch. Die aus TPE hergestellten Formteile kön-
nen lackiert werden; sie sind bunt einfärbbar. Durch Mischen mit Thermopla-
sten können bestimmte Zähigkeitseigenschaften gezielt eingestellt werden. Die
am Markt befindlichen TPE unterscheiden sich voneinander durch ihren struk-
turellen Aufbau. Die wesentliche Grundlage bildet dabei die Blockpolymerisa-
tionstechnik. Die Block-Copolymeren bestehen aus Blöcken bzw. Segmenten
von Thermoplasten und Kautschuken. Der thermoplastische Anteil kann kris-
talliner oder amorpher Natur sein. Die thermoplastischen Bereiche bilden eine
reversible „physikalische Vernetzung“, d. h. sie erweichen nach Überschreiten
der Glasübergangstemperatur. Damit werden auch die Kautschukblöcke form-
bar, sodass die Formmasse wie ein Thermoplast verarbeitet werden kann. So-
bald beim Abkühlen die Glasübergangstemperatur unterschritten wird, bildet
sich das Elastomere (ohne Vulkanisation) wieder zurück.Von den vier technisch
wichtigen TPE wurden die polyolefinischen Elastomere bereits im Abschnitt
2.1.1.2.1 vorgestellt. Dazu kommen die Polyester-, Polyurethan-, Polyamid und
die nun zu beschreibenden TPE auf Basis Styrol/Butadien.
■ Herstellung
Metallorganische Katalysatoren und Co-Katalysatoren sowie in Zukunft auch
die neuartigen Metallocene ermöglichen es, in Verbindung mit geeigneten Löse-
mitteln viele Molekularparameter, beispielsweise die molare Masse, die Vertei-
lung der molaren Masse, den Verzweigungsgrad, die Mikrostruktur und die
Verteilung der monomeren Bausteine entlang der Makromolekülkette zu kon-
trollieren.
Die Styrol/Butadien-Coplymeren sind leicht mit Polystyrol-Endblöcken ver-
netzbar. Die Polybutadiene können dabei linear in sog. Dreiblock-Copolymeren
Styrolpolymere
des Typs A-B-A oder in einer Radialstruktur verzweigt vorkommen. Bei den
Dreiblock-Copolymeren weisen die äußeren Blöcke (A) der Polymerkette mit-
(PS)
einander identische Polystryolsegmente glasartiger, thermoplastischer Beschaf-
fenheit auf, deren Glasübergangstemperatur beträchtlich über der Raumtem-
peratur liegt. Der kautschukartige Mittelblock (B) ist elastisch und besteht
meistens aus Polybutadien (seltener aus Polyisopren), deren Glasumwand-
lungstemperatur in beiden Fällen beträchtlich unter der Raumtemperatur liegt.
Bei den radialen Dreierketten gehen drei, bei den Tetraketten vier Ketten von
einem gemeinsamen Verknüpfungspunkt aus, Bild 2-247.
Diese Dreiblock-Copolymeren bestehen aus zwei grundsätzlich miteinander
unverträglichen Phasen. Die Natur dieses Zweiphasensystems geht deutlich aus
dem im Torsionschwingungsversuch ermittelbaren Verlauf des Schubmoduls
und des mechanischen Verlustfaktors in Abhängigkeit von der Temperatur her-
vor, Bild 2-248. Ein statistisch copolymerisiertes Elastomer, das aus denselben
beiden Monomeren aufgebaut ist, beispielsweise Styrol/Butadien-Kautschuk
(SBR), weist nur ein Dämpfungsmaximum auf. Getrennt vorkommende Maxima
in Blockpolymeren zeigen, dass die segmentäre Bewegung in den Blöcken etwa
genau so stattfindet wie in den Homopolymeren, was im übrigen mit der Un-
verträglichkeit der Komponenten übereinstimmt.
Tabelle 2-59. Verbessern von schlagfestem Polystyrol durch Zumischen von SBS
Polystyrolanteil 100 90 80
SBS-Kautschukanteil 10 20
Styrolpolymere
(PS)
Bild 2-249. Struktur der thermoplastischen Styrol/Butadien-Elastomeren
A bei Linearstruktur der Copolymeren
B bei Radialstruktur der Copolymeren
Anwendungsbereiche
Die wirtschaftlich bedeutenden Einsatzgebiete: Heißschmelz-, Lösungs-
und Kontaktklebstoffe, Schuhwerk und Bitumenmischungen sind für den
Kunststoffverarbeiter nicht von unmittelbarer Bedeutung.Wichtiger ist die
Möglichkeit, mit Hilfe von SBS Thermoplaste wie Polystyrol und Polyethy-
len modifizieren zu können. Als TPE eignet sich am besten ein ungestreck-
ter SBS-Typ von hoher molarer Masse, Tabelle 2-58 und 2-59.
Das Hinzufügen von SBS zu Polystyrol hoher Schlagfestigkeit führt zu
einem superschlagfesten Produkt mit immer noch guten Verarbeitungs-
Styrolpolymere
Handelsnamen
Cariflex (Deutsche Shell Chemie GmbH/DE)
Collimate (Mistubishi Monsanto Chem./JP)
Sconater (Bunga AG/DE)
Thermolast (Gummiwerk Kraiburg/DE)
Vitacom TPE (British Vita Co. Ltd./GB)
2.1.3.3
Nicht auf Polyolefinen basierende verträglich- und schlagzäh-
machende Copolymere und Polymerblends
Im Kapitel 2.1.1.8 wurde eine Reihe von kompatibilisierenden und elastifizieren-
den modifizierten Polyolefinen vorgestellt, die in diesem Kapitel durch einige
nicht-polyolefinische Polymere ergänzt werden sollen, die vor allem die Mög-
lichkeit bieten, auch den Technischen Kunststoffen durch Anwenden der Blend-
2.1.3 Styrolpolymere (PS) 787
Tabelle 2-60. Nicht auf Polyolefinen basierende Elstomere, die als Eigenschaftsverbesserer
und/oder Verträglichmacher für Polyolefine dienen
Styrolpolymere
Idemitsu – Schlagzähigkeitsverbesserer von
glasfaserverstärktem PC
(PS)
– Verträglichmacher für (PA + PC),
(PA + ABS) und (PA + PS)
SMA
– Verträglichmacher für (PA + PS)
PCL Union Carbide – Verträglichmacher für (PVC + PS)
und (PC + SAN)
Phenoxy-Polymere Union Carbide – Verbesserer der Nahtfestigkeit von
(PC + HI.SMA)-Blends
SBS Shell/Cariflex – Schlagzähigkeitsverbesserer
Enichem/Europrene für PS und Polyolefine
SEBS Shell/Kraton – Schlagzähigkeitsverbesserer
für PPE, PC
– Verträglichmacher für PET + HDPE
und PS + PE
SEBSgMAH Shell/Kraton – Schlagzähigkeitsverbesserer
für PA 6, PA 66, PBT und PET
– Verträglichmacher für (PA 66 + PP)
und (PPE + PA 66)
SEP Shell/Kraton – Verträglichmacher für (PPE + PP),
(PPE + PE) und (PP + PS)
EPDMgSAN Uniroyal – Schlagzähigkeitsverbesserer
für PVC, PC, PBT
Gebrauchte Flaschen aus PET,
PE–HD und PC können mit MAH
gepfropftem EPDM verträglich
gemacht werden
2.1.3.4
Literatur – Kapitel 2.1.3
Styrolpolymere
(PS)
2.1.4
Polyacrylate
Polyacrylate
2.1.4.4 Literatur – Kapitel 2.1.4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 812
Unter der Bezeichnung Acrylate fasst man heute die Vielzahl von Polymeren auf
der Grundlage von Acrylsäure und Methacrylsäure sowie vor allem deren Ester
zusammen. Für feste organische Gläser hat sich die Bezeichnung Acrylglas und
für synthetische Fasern die Bezeichnung Acrylfasern eingebürgert. Die Acryl-
säure ist schon über 100 Jahre bekannt.
Polymethylmethacrylat Polyacrylnitril
2.1.4.1
Polyacrylnitril (PAN)
■ Allgemeine Stoffbeschreibung
Polyacrylnitril ist in erster Linie ein Rohstoff für die Herstellung synthetischer
Fasern. H. Rein schuf im Jahre 1942 im damaligen IG-Werk Bitterfeld, die Vo-
raussetzungen für die großtechnische Herstellung von Spinnfasern. Dimethyl-
formamid (DMF) diente als Lösemittel des Polymeren. Der Zweite Weltkrieg ver-
hinderte eine industrielle Nutzung dieses Verfahren in Deutschland. So kam es,
dass Du Pont/USA bereits Anfang der vierziger Jahre mit Orlon® die erste groß-
technisch hergestellte PAN-Faser auf den Markt bringen konnte.
790 2 Synthetische Kunststoffe: 2.1 Thermoplastische Polymere
Die Arbeiten von Rein wurden nach dem Kriege von der Bayer AG wieder
aufgenommen. So erschien bald das Dralon® auf dem Markt, dem die Hoechst
AG das Dolan® folgen ließ.
Arcylnitril, eine bei 77 °C siedende farblose, giftige Flüssigkeit, kann nur nach
Zugabe von Polymerisationsinhibitoren gelagert werden. Es wird aus Acetylen
bzw. Ethylenoxid und Cyanwasserstoff hergestellt.
Polyacrylnitril
Die PAN-Faser ähnelt in Griff und Verformungsverhalten der Wolle und der Na-
turseide.
Die allen Acrylpolymeren eigene Licht- und Wetterbeständigkeit gilt auch für
PAN.
Polyacrylate
Polyvinylidencyanid
An dieser Stelle kommt es auf die Bedeutung von Polyacrylnitril und seinen Mo-
difikationen als formbarer thermoplastischer Kunststoff an. Der Blick auf das
Gebiet der synthetischen Fasern sollte jedoch dazu beitragen, das Bild dieses
Polymeren abzurunden. Acrylnitril spielt als Comonomer bei der Herstellung
von SAN und ABS eine große Rolle. Acrylnitril/Styrol in Verbindung mit einem
Acrylesterelastomeren führen zum ASA, gleichsam einem witterungsbeständi-
gen ABS. Auch in Verbindung mit Vinylchlorid, Vinylidenchlorid und Vinyl-
acetat hat dieses Monomere Bedeutung erlangt für die Herstellung von Poly-
meren mit maßgeschneiderten Eigenschaften. In Verbindung mit Butadien führt
es zum Nitrilkautschuk.
2.1.4.1.1
Acrylnitril-Copolymere mit geringer Gasdurchlässigkeit
(Barriere-Kunststoffe)
■ Allgemeine Stoffbeschreibung
Seit Anfang der siebziger Jahre gewinnen Copolymere mit hohem Acrylnitrilge-
halt und 10 bis 25 % Acrylat oder Styrol wegen ihrer hohen Gas- und Aroma-
dichtheit sowie den guten Sperreigenschaften für Geschmackstoffe als Rohstoffe
für die Herstellung extrusions- oder spritzgeblasener Verpackungshohlkörper
an Bedeutung.
Lopac® der Monsanto und Barex® der Vistron Corp. machten in den USA den
Anfang. Es folgte das Cycopac® der Borg Warner. Einige andere Barriere-Kunst-
2.1.4 Polyacrylate 791
stoffe sind inzwischen wieder vom Markt verschwunden. Alle diese Polymeren
sind glasklar, obwohl einige zur Verbesserung der Zähigkeit 10 bis 15 % Latex-
Kautschuk als Zweitphase enthalten. Diese gehören zu den Mehrphasensyste-
men.
Die submikroskopischen Kautschukpartikel sind im Brechungsindex an den
der Matrix angepasst.
In der Reihe der thermoplastisch verarbeitbaren Formmassen gehören zu
den sog. Barriere-Kunststoffen das Copolymerisat aus VC und VDC, Saran®, das
PVDC, PA 6 und die genannten Nitril-Kunststoffe. Bei etwas geringeren An-
sprüchen an die Sperreigenschaften können auch Polyethylenterephthalat, PVC-
U und Polyacetal dazu gezählt werden. Zu den hohen Sperreigenschaften gegen
Gase und Dämpfe kommt die hohe Chemikalienbeständigkeit.
Polyacrylate
Molare Massen von 75 000 bis 100 000 führen in beiden Fällen zu guten Produkt-
eigenschaften und guter Verarbeitbarkeit.
■ Sortiment, Lieferform
Die Rohstoffhersteller liefern mehrere Typen, die sich in ihrer Steifheit und
Zähigkeit voneinander unterscheiden.
Die genannten Thermoplaste mit verbesserten Sperreigenschaften, im engli-
schen Sprachgebrauch als „nitrile barrier resins“ bezeichnet, werden als glaskla-
res, wasserhelles Granulat geliefert. Dieses ist transparent, transluzent oder opak
einfärbbar.
■ Thermische Eigenschaften
Gebrauchstemperatur ohne mechanische Beanspruchung, in Luft:
dauernd 65 °C bis 75 °C
kurzzeitig 75 °C bis 85 °C
■ Witterungsbeständigkeit
Einige Monate im Freien liegende Formteile verspröden und zerbröckeln.
■ Brennbarkeit
Brennt mit leuchtender Flamme, tropft nicht, Verbrennungsgase riechen frucht-
artig, ggf. nach verbranntem Kautschuk. Die Verbrennungswärme beträgt
30 610 kJ/kg, diejenige von PE 46 090 kJ/kg.
■ Permeabilität
Die z. B. gegenüber PVC und PE-HD wesentlich besseren Sperreigenschaften
sind außer der umweltfreundlicheren Beseitigung gebrauchter Packmittel in
den USA der wichtigste Grund für die Einführung der Barriere-Kunststoffe
außer den bereits bekannten Rohstoffen. Eine Übersicht der Permeabilität von
Nitrilkunststoffen gibt Tabelle 2-61 [1]. Zum Vergleich sind einige nitrilfreie
792 2 Synthetische Kunststoffe: 2.1 Thermoplastische Polymere
Tabelle 2-61. Durchlässigkeit nitrilhaltiger und einiger nitrilfreier Kunststoffe bei 23 °C (Fo-
liendicke 25 mm)
Das einzige Zugeständnis, das die FDA bisher machte, ist die Zulassung
für Mehrlagen-Packmittel, bei denen das Nitril-Polymere nicht in unmit-
telbare Berührung mit den Getränken kommt.
Handelsnamen
Barex BP (Chemicals International Ltd./GB)
2.1.4.2
Polymethylmethacrylat (PMMA)
Polyacrylate
Kunststoffprodukten, die von der 1907 gegründeten Fa. Röhm & Haas, Darm-
stadt, industriell hergestellt wurden, gehören klebrige Filme für Sicherheitsglä-
ser, die später von Polyvinylbutyral verdrängt wurden.
Das Interesse galt bald vorwiegend den Methylestern der Methacrylsäure, die
zu harten, glasartigen Blöcken polymerisiert werden konnten und seit 1933 un-
ter dem Handelsnamen Plexiglas® weltbekannt wurden. Später griff auch die ICI
das Methacrylgebiet auf.
Ausgangsprodukte sind heute das aus Erdöl über Propylen gewonnene Aceton
und die durch Verbrennen eines Gemisches aus Erdgas und Ammoniak am Pla-
tinkontakt hergestellte Blausäure. Dieses Verfahren wurde 1932 von Crawford
(ICI) entwickelt und hat auch heute noch weltweite Bedeutung.
Das süßlich riechende Monomere hat eine Dichte von 0,936 bis 0,940 g/cm3,
einen Siedepunkt von 100,5 °C und einen Brechungsindex von n20 D = 1,413 bis
1,416.
Die Methacrylsäuren können nach allen Methoden, die bei der radikalischen
Polymerisation angewandt werden (Masse-, Emulsions- und Suspensionspoly-
merisation), zu hochmolekularen Produkten umgesetzt werden. Die Massepoly-
merisation führt zum sog. gegossenen Halbzeug (Tafeln, Profile und in rotieren-
den Röhren sogar zu Rohren). Das Gusspolymere zeichnet sich wegen des dabei
erreichbaren höheren Polymerisationsgrades durch bessere mechanische Ei-
genschaften und hohe Oberflächengüte aus.
Die Formmassen werden – ausgehend von der entsprechenden Polymer-
lösung – in speziellen wasser- und monomerundurchlässigen Kunststoff-Folien,
die in einem Rahmen zu großen flachen Taschen gefaltet werden, bei Tempera-
turen > 50 °C in großen Wasserbädern anpolymerisiert. Danach wird die Poly-
merisation durch Temperaturen in Wärmeschränken bei etwa 115 °C zu Ende ge-
führt.
Die entstandenen, bis zu 50 mm dicken Blöcke werden meistens auf Ham-
mermühlen zu Splittergranulat von 1 bis 4 mm Korngröße zerkleinert und als
Mahlgut verarbeitet, oder es wird daraus durch Extrudieren ein Gleichkorngra-
nulat mit einer Schüttdichte von 0,7 g/cm3 hergestellt.
794 2 Synthetische Kunststoffe: 2.1 Thermoplastische Polymere
■ Allgemeine Stoffbeschreibung
Kennzeichnende Eigenschaften der Polymethylmethacrylate sind folgende:
Wärmeeinwirkung
Polyacrylate
Sicherheit verlangt wird (Dach im Münchener Olympiastadion) oder leichte
Warmformbarkeit und hohe Steifigkeit angebracht sind (orthopädische Ein-
lagen). Die Naturfarbe dieser Produkte ist schwach gelblich. Teilvernetztes
Material ist nur begrenzt warmformbar.
■ Sortiment
Die Sortimente der Rohstoffhersteller umfassen eine große Vielfalt an Typen, die
sich nach Homo- und Copolymeren, Polymerisationsart, Fließfähigkeit, Einfär-
bung, Lichtdurchlässigkeit und Brandverhalten unterscheiden. Auch glasfaser-
verstärkte Typen sind bekannt.
■ Lieferformen
Glasklares und in vielen Farbtönen eingestelltes transparentes, transluzentes
und opakes Granulat oder Mahlkorn. Halbzeug steht in Form von Blöcken,
Polyacrylate
■ Typisierung
DIN 7745 T.1 (06. 86) Auch diese Norm entspricht in ihrem Aufbau und Inhalt der
seit 1982 eingeführten Umstellung auf EDV-freundliche Datenblöcke.
Wertvolle Hinweise geben auch die Richtlinien VDI/VDE 2476, Bl. 1 Werk-
stoffe der Feinwerktechnik: Polymethylmethacrylat-Formstoffe (11. 69) und
2476, Bl. 2 Werkstoffe der Feinwerktechnik: Halbzeuge aus hochmolekularem
Polymethylmethacrylat und seinen Co-Polymeren (11. 74).
Umwandlungstemperaturen
Wie Bild 2-251 anhand des Schubmoduls zeigt, ändert sich das mechanische Ver-
halten im Temperaturbereich von – 40 bis + 80 °C nur wenig. AMMA ist dem ge-
gossenen PMMA im Bereich von 80 bis 100 °C im Kurzzeitversuch überlegen,
Tabelle 2-62. Richtwerte für Formmassen und gegossenes Halbzeug (PMMA und AMMA)
Polyacrylate
Polyacrylate
elektrische
spezif. Durchgangswiderstand W cm > 1015 2 · 1014 > 1015 1015 1015
Oberflächenwiderstand W 5 · 1013 > 1014 > 1013 5 · 1013 5 · 1013
Dielektrizitätszahl (0,1 MHz) 2,8–2,7 – 2,0–2,7 2,7 3,5
dielektr. Verlustfaktor dan d
50 Hz – 0,06 0,06 0,06 0,06 0,06
0,1 MHz – 0,03 0,03 0,03 0,02 0,03
Durchschlagfestigkeit kV/mm 30 > 30 30 30 30
Vergleichszahl der
Kriechwegbildung CTI/A 600 600 600 600 600
Wasseraufnahme nach 24 h mg 30 42–30 30 30 30
Optische Eigenschaften
Brechzahl n20D – 1,491 1,492 1,491 1,492 1,508
Abbésche Zahl g – 59 – 59 44,8 59,5
Transmissionsgrad
(Mittelwert im sichtbaren
Bereich 380 bis 780 nm) % 92 85–91 92 92 88
2 Synthetische Kunststoffe: 2.1 Thermoplastische Polymere
Polyacrylate
Bild 2-250. Temperaturabhängigkeit der Zugfestigkeit von PMMA und einiger anderer Werk-
stoffe von der Temperatur
St. Stahl PSU Polysulfon
UP 50 % Polyester + 50 % Glasgewebe POM Polyacetal
Cu Kupfer PS Polystyrol
Al Aluminium PMMA Polymethylmethacrylat
K Kiefernholz PF31 Phenolharz-Formstoff FS31 (DIN 7708)
PC Polycarbonat ABS Acrylnitril/Butadien/Styrol-Copolymer
PVC Polyvinylchlorid PP Polypropylen
SAN Styrol/Acrylnitril-Copolymere NR Naturkautschuk
PI Polyimid
Polyacrylate
Eine sehr übersichtliche Darstellungsart des Langzeitverhaltens vermitteln
die sog. isochronen Spannungsdehnungslinien, Bild 2-255.
An die Stelle der normalerweise für jede Prüftemperatur zu zeichnenden Kur-
venscharen treten in dieser Darstellung die für jede Temperatur getrennt bezif-
ferten Zugspannungs-Ordinaten. In Tabelle 4-29 im Anhang ist der Zug-Kriech-
modul von Guss-PMMA für verschiedene Temperaturen und Prüfspannungen
wiedergegeben.
Härte
Die Kugeldruckhärte kann der Tabelle 2-62 entnommen werden.
Polyacrylate
Bild 2-256. Abhängigkeit der Schlag- und Kerbschlagzähigkeit von PMMA und verschiedener
anderer Werkstoffe von der Temperatur (Prüfung nach DIN 53 453)
______ Schlagzähigkeit
--------- Kerbschlagzähigkeit
bei höheren Temperaturen kein Bruch, Probe wird durchgezogen
PS Polystyrol
PF 31 Phenolharz-Formstoff FS 31 (DIN 7708)++
PVC Polyvinylchlorid+
PMMA Polymethylmethacrylat+
PP Polypropylen
SB Styrol/Butadien-Copolymer
CN Cellulosenitrat+ (Celluloid)
PE 0,92 Polyethylen, Dichte 0,92 g/cm3
ABS Acrylnitril/Butadien/Styrol-Copolymer
+
Normkleinstab 4 · 6 · 50 mm, aus Platten gefräst
++
Normstäbe 10 · 15 · 20 mm, gepresst
ohne Bezeichnung Normstäbe 4 · 6 · 50 mm, spritzgegossen
Bild 2-259. Spezifische Wärmekapazität von PMMA in Abhängigkeit von der Temperatur
2.1.4 Polyacrylate 805
Polyacrylate
Bild 2-260. Temperatur- und
Frequenzabhängigkeit der
Dielektrizitätszahl von PMMA
Bild 2-261. Spektraler Transmissionsgrad von glasklarem (a) und IR-durchlässig schwarz ein-
gefärbtem (b) PMMA (Probendicke: 3 mm)
(Quelle: Röhm GmbH, Darmstadt)
806 2 Synthetische Kunststoffe: 2.1 Thermoplastische Polymere
■ Chemikalienbeständigkeit
PMMA ist bei Raumtemperatur beständig gegen: schwache Säuren, schwache
Laugen, Salzlösungen, aliphatische KW, unpolare Lösemittel, Fette, Öle, Wasser,
Detergenzien.
Unbeständig gegen: starke Säuren und Laugen, Benzol, polare Lösemittel, Ke-
tone, Ester, Ether, aromatische und chlorierte KW.
AMMA ist beständig gegen: Chlorkohlenwasserstoffe, Ether und Ester, nicht
beständig gegen: Anilin, Phenole, Brom- und Chlordämpfe.
■ Witterungsbeständigkeit
Die Witterungsbeständigkeit ist hoch. Jahrzehntelanges Bewittern in allen Tei-
len der Erde führte nicht zum Vergilben oder zu Trübung, zu matter Ober-
fläche oder zum raschen Abbau der mechanischen Eigenschaften, wie Bild
2-262 zeigt.
■ Strahlenbeständigkeit
Bereits kleine Dosen von 1 · 10–2 J/kg führen zu Gelbfärbung. Die mechanischen
und elektrischen Eigenschaften ändern sich dabei jedoch nicht. Dosen von
105 J/kg führen zum Abbau. Die Gelbfärbung ist jedoch umkehrbar.
Polyacrylate
ASA Acrylesterelastomer/Styrol/Acrylnitril
ABS Acrylnitril/Butadien/Styrol
a Plexiglas zk 50
b Plexiglas zk 40
c Plexiglas zk 30
d Plexiglas zk 20
e Plexiglas 8 H
(Quelle: Röhm GmbH, Darmstadt)
■ Gesundheitliche Beurteilung
Als Beispiel seien die für das Lucryl-Sortiment der BASF AG geltenden lebens-
mittelrechtlichen Bestimmungen genannt:
Die zur Herstellung des derzeitigen Lucryl-Sortimentes (Standard- und
schlagzäh modifizierte Acrylformmassen) verwendeten „Monomere und sons-
tigen Ausgangsstoffe“ sind in der Bedarfsgegenständeverordnung vom
14. 04. 1992 (und deren Ergänzung vom 11. 4. 94) in der Anlage 3 in den Ab-
schnitten A und B ohne spezifische Begrenzung aufgeführt. Die zur Herstellung
außerdem verwendeten Stoffe sind in der Empfehlung XXII des Bundesge-
sundheitsamtes, „Acryl- und Methacrylsäureesterpolymerisate und deren
Mischpolymerisate sowie Mischungen mit Polymerisaten“, Stand 15. April 1991
(187. Mitteilung, Bundesgesundheitsblatt 34 (1991), S. 296) in den gegebenen
Mengen genannt.
Sterilisieren
Wegen ungenügender Formbeständigkeit in der Wärme und zu großer Wasser-
aufnahme bei 100 °C können Formteile aus PMMA nicht im Dampf, beispiels-
weise bei 120 °C, sterilisiert werden, jedoch ist das Sterilisieren mit verschiede-
nen handelsüblichen Mitteln möglich.
808 2 Synthetische Kunststoffe: 2.1 Thermoplastische Polymere
Spritzgießen 210 bis 240 50 bis 70 500 bis 1200 0,1 bis 0,8
Extrudieren 200 bis 230
Pressformen 160 bis 180 50 bis 100
Warmformen 150 bis 170 bei Guss-PMMA
140 bis 160 bei extrudierten
Tafeln
Polyacrylate
Hinweis gilt auch für das Lackieren mit den besonders geeigneten benzin- oder
toluollöslichen Lacken.
Das Warmprägen wird zum Aufbringen von Schriftzügen, Emblemen und an-
deren Dekorationen häufig angewendet. Beim Metallisieren im Hochvakuum
wird die empfindliche Metallschicht auf die Rückseite des Formteils aufgetra-
gen, um sie vor Beschädigung zu schützen. Das Metallisieren ist mit und ohne
vorheriges Lackieren möglich.
Fügeverfahren
Formteile aus PMMA können durch Nieten, Schrauben, Warmluft-, Hochfre-
quenz- und Ultraschallschweißen oder durch Spritzgießen miteinander verbun-
den werden. Bei diesen Verfahren kommt es stets zur Bildung mehr oder weni-
ger hoher Eigenspannungen. Falls nicht warmgelagert werden kann oder soll,
muss das Einwirken von Lösemitteln vermieden werden.
Polyacrylate
Schweißen
Tafeln bis 2 mm Wanddicke können mit Hilfe von HF, Ultraschall- oder durch
Heißluftschweißen mit Draht aus PVC oder PMMA verbunden werden. Bei ei-
nem Durchmesser des Zusatzdrahtes von 2 bis 4 mm beträgt die Schweißtempe-
ratur 170 bis 180 °C (PVC-Draht) bzw. 170 bis 200 °C (PMMA-Draht). Formstoffe
aus AMMA-Copolymeren sind nicht schweißbar.
Kleben
Die Fügeflächen werden mit netzmittelhaltigem, warmem Wasser oder Was-
ser/Isopropanolgemischen vorbehandelt. Vernetztes PMMA wird mit Hilfe von
Schleifpapier K 240 aufgerauht. AMMA muss zusätzlich mit einem haftverbes-
sernden Vorstrich versehen werden.
Adhäsionskleben ist möglich mit Polymerisations-Klebstoffen auf Basis Me-
thacrylat. Es gibt Ein- und Zweikomponenten-Klebstoffe. Die Schrumpfung ist
gering. Die Klebnahtfestigkeit erreicht 80 % der Festigkeit des Grundwerkstoffs.
Stumpfkleben ist möglich.
Diffusionskleben gelingt nur bei unvernetztem PMMA. Verwendet werden
Methylenchlorid oder Gemische, bei denen bis zu 20 % PMMA im Chlor-KW
gelöst sind. Diese eignen sich besonders für Formstoffe aus niedermolekularem
PMMA [3, 4].
Warmformen, Pressformen
Siehe: Verarbeitungsbedingungen (s. a. Kapitel 1.5).
Anwendungsbeispiele
Beschläge, Rückstrahler, Gehäuse, Abdeckglocken, Schalen, Vasen, Schilder,
Transparente, Skalen, Zeichengeräte, Uhrgläser, optische Linsen, Lichtkup-
peln, Flugzeugkanzeln, gläserne Modelle, Lichtleitdrähte, Beleuchtungskör-
810 2 Synthetische Kunststoffe: 2.1 Thermoplastische Polymere
Auf dem Gebiet der Lichtleitfasern aus PMMA laufen in Japan und
in den USA aufwändige Entwicklungen. Erwähnt seien auch die hoch-
molekularen Suspensions- und Emulsionspolymeren (Basis PMMA), die
in geringen Mengen dem PVC-U zugesetzt werden. Sie verkürzen die Plas-
tifizierzeit, verbessern das rheologische und das Schäumverhalten bei der
PVC-Schaumextrusion. PMMA-Granulat bildet eine wirksame Hilfe beim
Reinigen von Plastifizierzylindern bei Farb- und Materialwechsel.
Handelsnamen
Acrifix (Röhm/DE)
Acrylite (Cy/Ro Industries/US)
Acrypanel (Mitsubishi Rayon Co/JP)
Altuglas (Altulaor, Orkem/FR)
Asterite (ICI/GB)
Casoglas (Casolith/NL)
Corian (Du Pont de Nemours/US)
Crofon (Du Pont de Nemours/US)
Delmer, Delpet (Asahi Chem. Ind./JP)
Diakon (ICI/GB)
Electroglas (Glasflex Corp./US)
Eska (Mitsubishi Rayon/JP)
Exolite (Cyro Industries/US)
Garolglas (American Filtrona Corp./US)
Lucite (Du Pont de Nemours/US)
Lucryl (BASF/DE)
Oroglas (Rohm & Haas, Co./US)
Palpet (Kyowa Gas Chem./JP)
Paraglas (Degussa/DE)
Perspex (ICI/GB)
2.1.4 Polyacrylate 811
2.1.4.3
Polymethacryl/Imid (PM/I)
Obwohl die Schaumstoffe in diesem Buch nicht im Einzelnen behandelt werden,
bietet jedoch das Polymethacrylimid wegen seiner besonderen physikalischen
und chemischen Eigenschaften die Gelegenheit, die meisten der am Markt be-
findlichen Grundtypen der aus anderen Thermo- und Duroplasten hergestellten
Hartschaumstoffe anhand einiger Graphiken miteinander zu vergleichen [5].
PMI ist ein geschlossenzelliger Hartschaumstoff für den Konstruktions-
Polyacrylate
Leichtbau. Er zeichnet sich aus durch:
Hohe mechanische Festigkeit,Wärmeform- und Lösemittelbeständigkeit und
vor allem durch eine niedrige Wärmeleitfähigkeit bei tiefen Temperaturen. Elas-
tizitäts- und Schubmodul werden von keinem anderen Schaumstoff gleicher
Rohdichte übertroffen. Wie die nachstehende Strukturformel zeigt, handelt es
sich bei PM/I um ein während des Schäumvorgangs aus Metharcylsäure und
Methacrylnitril umgesetztes Copolymerisat, Bild 2-264.
PM/I brennt mit geringer Rauchentwicklung. Die Rauchgase enthalten keine
korrodierenden Zersetzungsprodukte.
Gegenüber den Zersetzungsprodukten von Kiefernholz erweisen sich die Zer-
setzungsprodukte von Rohacell®, im Temperaturbereich bis 600 °C, als weniger
2.1.4.4
Literatur – Kapitel 2.1.4
[1] Saechtling HJ (1995) „Polymethacrylate,Acrylglas“, in Kunststoff-Taschenbuch 26.Ausgabe,
C Hanser, München, S 422 – 429 und: Schuber MTH u. a. (1973) „Permeabilität von Nitril-
Kunststoffen“ Kunststoff-Plastics 21, Nr 3, S 15 – 18
[2] Dupp G (1968) pvt-Diagramme von Hochpolymeren für die Berechnung von Plastifizie-
rungsaggregaten, Kunststofftechnik, Nr 8
[3] VDI/VDE-Richtlinie 2476: „Halbzeug aus hochmolekularem PMMA und seinen Copoly-
meren“
[4] VDI-Richtlinie 3821: „Kunststoffkleben“
[5] Röhm GmbH: Rohacel® Druckschrift 50/787/100035
2.1.5 Polyacetal (POM) 813
2.1.5
Polyacetal (POM)
■ Herstellung
Die Entwicklung des Polyacetals reicht zurück bis in die zwanziger Jahre. Der
Durchbruch zur Herstellung eines hochmolekularen, thermisch stabilen und
thermoplastisch verarbeitbaren Polymeren gelang erst den Chemikern von
Du Pont de Nemours im Jahre 1956 in den USA. Seit 1959 ist das homopolymere
Delrin® auf dem Markt. Die einzigen Bausteine dieses Polymeren sind bei-
spielsweise Formaldehyd oder Trioxan [1].
Polyacetal
(POM)
Formaledehyd Trioxan
Die Celanese Corp. und die Hoechst AG entwickelten in Europa aus Trioxan und
geringen Mengen von cyclischen Ethern oder Formalen [1] Block-Copolymere,
die auch bei thermischer Beanspruchung eine hohe Kettenstabilität bei aller-
dings etwas niedrigerer Kristallinität und damit eine um 10 K niedrigere
Schmelztemperatur aufweisen. Dieses Copolymer ist seit 1964 unter dem Han-
delsnamen Hostaform® am Markt.
Trioxan Dioxolan
In den folgenden Jahren nahmen die BASF AG mit dem Comonomeren Ultra-
form® und mehrere japanische Firmen die Produktion auf.
■ Allgemeine Stoffbeschreibung
Der lineare Aufbau und der hohe Kristallinitätsgrad bestimmen das Eigen-
schaftsbild dieses Thermoplasten. Die Polyacetale zeichnen sich aus durch:
• hohe Zähigkeit (bis – 40 °C),
• hohe Härte und Steifheit,
814 2 Synthetische Kunststoffe: 2.1 Thermoplastische Polymere
Comonomere. Trotz der dichten Packung führt die hohe Beweglichkeit der Kette
(POM)
■ Zusatzstoffe
Bei den Polyacetalen spielen die Funktionszusatzstoffe eine wichtige Rolle. Das
Füllen und Verstärken erstreckt sich meist auf gezielte Eigenschaften, beispiels-
weise das Verbessern des Gleit- und Verschleißverhaltens durch spezielle Füll-
stoffe, bzw. auf das Verstärken mit Glasfasern.
■ Funktionszusatzstoffe
Polyacetale neigen zur Depolymerisation unter Abspaltung von Formaldehyd.
Strukturelles Modifizieren des Polymeren ist die wichtigste Stabilisierungsmög-
lichkeit. Zu diesen Maßnamen gehören das Copolymerisieren mit cyclischen
Ethern und das Blockieren der Endgruppen. Die beim Abspalten von Formalde-
hyd durch Oxidation entstehende Ameisensäure katalysiert die Depolymerisa-
tion. Stabilisiert wird durch Kombinieren eines sterisch gehinderten Phenols
mit einem Costabilisator. Als solche kommen Stickstoffverbindungen und Salze
von Carbonsäuren (z. B. Calciumstearat) in Betracht [2].
Die Polyacetale sind nicht UV-stabil. Wellenlängen bis zu 365 nm initiieren
den Abbau. Die bei der Depolymerisation entstehende Ameisensäure katalysiert
Polyacetal
den hydrolytischen Abbau [3]. POM neigt ohne UV-Stabilisierung im Freien
(POM)
nach kurzer Bewitterungsdauer zur Bildung von Oberflächenrissen und zum
Kreiden. Falls ein schwarzer Farbton nicht stört, ist mit Hilfe von Ruß eine vor-
zügliche UV-Stabilisierung erreichbar. Für helle Farbtöne bewährt sich die Kom-
bination aus sterisch gehinderten Aminen (HALS) und UV-Absorber, beispiels-
weise 2-(2¢Hydroxy-5¢-methylphenyl)benzotriazol.
■ Farbmittel
Bei der Selbstherstellung von farbigen Formstoffen aus naturfarbenem POM
dürfen nur Pigmente verwendet werden, die den Verarbeitungstemperaturen
ohne Zersetzung oder Farbumschlag standhalten können. Außerdem dürfen sie
die Thermostabilität von POM nicht beeinträchtigen. Erste Hinweise gibt die Ta-
belle 1-38. Es ist jedoch zu empfehlen, die Auskunft der Farbmittelhersteller ein-
zuholen. Farbkonzentrate werden als Granulat geliefert.
■ Füllstoffe
Die Verwendung von Füllstoffen zielt bei POM weniger darauf ab, die mechani-
schen Eigenschaften wie Steifigkeit und Oberflächenhärte zu beeinflussen, son-
dern bestimmte Anwendungsmöglichkeiten zu erschließen. Ein mit Molybdändi-
sulfid gefülltes Acetal-Copolymer zeichnet sich bei hohen Flächenpressungen und
sehr niedrigen Gleitgeschwindigkeiten durch ein günstiges Gleitverhalten im Ver-
gleich zum ungefüllten Material aus. Durch das Füllen mit MoS2 wird der Unter-
schied zwischen statischer und dynamischer Reibungszahl und damit die Neigung
zum Ruckgleiten (stick-slip) geringer. Die mechanischen Eigenschaften des Com-
pounds werden im Vergleich zum Grundmaterial nur unwesentlich verändert.
Durch den Zusatz von Kreide wird die Abriebfestigkeit bei Trockenlauf ver-
bessert, eine Eigenschaft, die auf eine Eignung für Zahnräder, Lager und Gleit-
elemente hinweist.Außerdem wird die Biegewechselfestigkeit wesentlich erhöht.
Durch den Zusatz von PTFE werden die guten Gleiteigenschaften dieses Mate-
rials mit der hohen mechanischen Festigkeit von POM vereinigt. Wartungsfreie
Polyacetal
Das Gleitverhalten normaler POM-Typen kann durch den Zusatz von Ölkon-
zentraten verbessert werden. Abgemischt wird im Verhältnis 1 : 10. Mit Hilfe von
Metallpulvern (Aluminium, Bronze) kann die Formbeständigkeit in der Wärme
und die elektrische Leitfähigkeit erhöht werden.
■ Verstärkungsstoffe
Die durch Verstärkungsstoffe erreichbare hohe Formbeständigkeit in der
Wärme kann bei POM nur für kurze Zeit ausgenutzt werden. Die maximale
Gebrauchstemperatur liegt auch bei glasfaserverstärkten Typen nur knapp
über 100 °C. Es werden Lang- und Kurzfasern mit Masseanteilen von 20 bis
30 % verwendet. Dadurch kann die Zugfestigkeit verdoppelt und der Biege-
E-Modul verdreifacht werden, auch das Kriechverhalten bei höheren Tem-
peraturen wird günstig beeinflusst. Eine niedrigere Kerbschlagzähigkeit und
ein höherer Volumenpreis müssen allerdings in Kauf genommen werden.
Glaskugeln können bis zu 80 % Masseanteil zugesetzt werden, ohne dass sich
die Verarbeitungsbedingungen gegenüber ungefülltem Material wesentlich
ändern.
■ Sortiment
In dem Maße, in dem sich die Polyacetale wegen ihres ungewöhnlich vielseitigen
Eigenschaftsbildes bei zahlreichen Anwendungen als der ideale Technische
Werkstoff erwiesen, wuchsen bei allen Herstellern die Typensortimente; so weist
beispielsweise die Hostaform-Palette allein 35 Typen auf.
2.1.5 Polyacetal (POM) 817
Die angebotenen POM-Typen unterscheiden sich vor allem durch ihre molare
Masse, d. h. durch ihre Fließfähigkeit. Hochmolekulare Typen, d. h. schwer-
fließende, werden vorwiegend extrudiert oder für das Spritzgießen dickwandi-
ger Formteile verwendet. Dadurch wird die Lunkerbildung verringert. Leichter
fließende Typen kommen generell für das Spritzgießen in Betracht. Das Sorti-
ment enthält ferner mit Glasfasern verstärkte sowie mit PTFE, MoS2 und mit
Mineralien gefüllte Typen für das Spritzgießen.
■ Lieferformen
POM wird als opakweißes, naturfarbenes oder als Farbgranulat von etwa 3 mm
Korngröße geliefert, Halbzeug in Form von Blöcken, Tafeln, Stäben oder Rohren.
■ Typisierung
DIN 16781, Tl. 1 (01. 88).
■ Physikalische Eigenschaften
Richtwerte der physikalischen Eigenschaften der Acetal-Homo- und Copoly-
mere sowie eines glasfaserverstärkten Typs enthält Tabelle 2-63. Siehe auch
Richtlinie VDI/VDE 2477 (Nov. 74).
Polyacetal
jenigen einiger metallischer Werkstoffe verglichen, an deren Stelle es bei zahl-
(POM)
reichen Anwendungen im Bereich der Feinwerktechnik tritt. Bild 2-268 zeigt,
mechanisch
Streckspannung N/mm2 65 bis 70 67 bis 72 140
Reißdehnung % 25 bis 70 25 bis 70 3
E-Modul (Zug) N/mm2 2800 3200 10000
Grenzbiegespannung N/mm2 120 120 180
Biegekriechmodul (1-min-Wert) N/mm2 – 3300 9000
Biegekriechmodul (6-Tage-Wert) N/mm2 – 1800 7000
Kugeldruckhärte (30-s-Wert) N/mm2 145 160 180
Kerbschlagzähigkeit bei 23 °C mJ/mm2 o.B. o.B. 30
Kerbschlagzähigkeit bei – 40 °C mJ/mm2 4,5 bis 6,5 6 bis 8,5 –
Gebrauchstemperatur ohne
mechanische Beanspruchung
in Luft kurzzeitig °C 110 bis 140 110 bis 140 110 bis 150
dauernd °C 90 bis 110 90 bis 110 90 bis 110
thermische
Kristallit-Schmelzbereich °C 175 164 bis 167 164 bis 167
Vicat-Erweichungspunkt VSP/B °C 173 160 bis 163 171
Wärmeformbeständigkeit
ISO R 75/A °C 124 110 bis 125 160
Polyacetal
linearer Ausdehnungskoeffizient
(POM)
dass die mechanische Festigkeit von POM derjenigen zahlreicher anderer Ther-
moplaste überlegen ist. Auch die Streckspannung von Polyacetal verläuft güns-
tig, Bild 2-269.
Die Temperaturabhängigkeit des im Kurzzeitversuchs ermittelten Biege-E-Mo-
duls zeigt Bild 2-270. Man erkennt, wie sehr sich die bei Raumtemperatur noch na-
hezu steifen Kunststoffe mit zunehmender Temperatur voneinander unterscheiden.
■ Umwandlungstemperaturen
In Bild 2-271 erkennt man innerhalb des Temperaturbereiches von – 150 °C bis
zum Schmelzbereich von etwa 164 bis 167 °C drei kennzeichnende Umwand-
2.1.5 Polyacetal (POM) 819
Polyacetal
(POM)
AG)
Polyacetal
stärktem und verstärktem Acetal-Homo- und Copolymer für verschiedene
(POM)
Beanspruchungen und Temperaturen.
Polyacetal
Bild 2-275. Biege-Kriechmodul (POM)
von unverstärktem und glasfa-
serverstärktem Acetal-Copoly-
mer bei verschiedenen Tempe-
raturen
a Polyacetal + 26 Masse-%
Glasfasern
b Polyacetal unverstärkt
(Werkstoff: Hostaform C 9021
der Hoechst AG)
824 2 Synthetische Kunststoffe: 2.1 Thermoplastische Polymere
dm
s v = p · 5 N/mm2
2s
mit p = Innendruck N/mm2
dm = mittlerer Durchmesser mm
s = Wanddicke mm
Das Ergebnis der sich über eine Dauer von mehr als 30 Jahren erstreckenden
Zeitstandversuche mit Rohren aus Acetal-Copolymer ist in Bild 2-278 wiederge-
geben.
2.1.5 Polyacetal (POM) 825
Polyacetal
(POM)
Verhalten bei hoher Verformungsgeschwindigkeit
Das Zähigkeitsverhalten von Formteilen aus viskoelastischen Werkstoffen ist –
abgesehen von Einflüssen wie Temperatur, Gestalt und Herstellbedingungen –
abhängig von der Verformungsgeschwindigkeit. Ein im herkömmlichen Zugver-
such sich zäh verhaltender Werkstoff kann im Schlagzugversuch ohne Bruch-
dehnung zerreißen und somit als spröder Werkstoff erscheinen.
Die Einfriertemperatur von Polyacetal liegt im Bereich von – 60 bis – 65 °C.
Das ist im Vergleich zu anderen Kunststoffen tief. Daraus erklärt sich die selbst
bei tiefen Temperaturen noch bemerkenswert hohe Schlag- und Kerbschlag-
zähigkeit, Bilder 2-279 und 2-280.
Der Einfluss einer elastifizierenden Komponente auf die Kerbschlagzähigkeit
der S-Typen des Hostaform-Sortimentes im Vergleich mit dem normalen Hosta-
form Typ C 9021 geht aus den Bildern 2-281 und 2-282 hervor. Die Spannweite
der Zähigkeit (Bruchdehnung), die bei der jeweiligen Steifigkeit (E-Modul) mit
den heute verfügbaren POM-Sortimenten überbrückbar ist, zeigt eindrucksvoll
das Bild 2-283.
Die Kerbempfindlichkeit wird – wie bei allen Kunststoffen – u. a. von der
Kerbform, den Beanspruchungsbedingungen und der Temperatur beeinflusst.
Querschnittübergänge, scharfkantige Ecken und Kerben müssen vermieden
werden. Alle Übergänge werden abgerundet, Rippen erhalten Hohlkehlen von
0,2 mm, um bei Stoß- und Schlagbeanspruchung örtliche Spannungsspitzen zu
vermeiden.
826 2 Synthetische Kunststoffe: 2.1 Thermoplastische Polymere
Bild 2-282. Kerbschlagzähigkeit (Charpy) nach ISO 179 1eA von Hostaform S in Abhängigkeit
von der Temperatur
Polyacetal
(POM)
Bild 2-283. Kombination von Steifigkeit und Zähigkeit: DELRIN im Vergleich zu Acetal-Co-
polymer
왏 Standard Acetal-Copolymere
앩 Schlagzäh-modifizierte Acetal-Copolymere
쐍 Standard DELRIN
앫 Schlagzäh-modifiziertes DELRIN
828 2 Synthetische Kunststoffe: 2.1 Thermoplastische Polymere
Polyacetal
(POM)
Bild 2-287. Wöhler-Kurven für
Hostaform C 9021 GV 1/30 (a), C 9021
(b), S 9244 (c) und S 9064 (d), ermit-
telt im Biege-Wechselbereich (Kurve
b gilt mit guter Näherung auch für
die übrigen, nicht modifizierten
Hostaform-Typen)
■ Sicherheitsbeiwerte
Für die Berechnung von Konstruktionsteilen müssen die – vorwiegend in me-
chanischen Langzeitprüfungen zu ermittelnden – Werkstoffkennwerte noch
durch einen Sicherheitsbeiwert dividiert werden. Gründe für die Berücksichti-
gung von Sicherheitsbeiwerten sind beispielsweise:
• verarbeitungsbedingte Anisotropie der mechanischen Eigenschaften,
• versuchsbedingte Streuung der Einzelwerte bei der Ermittlung der Werk-
stoffkennwerte,
• Abweichung der Praxisbeanspruchung von der angenommenen Beanspru-
chung,
• Abweichung der wirklichen Spannungen von den berechneten.
Die nachstehende Übersicht enthält für verschiedene Beanspruchungen emp-
fohlene Sicherheitsbeiwerte.
Unzulässige
Formänderung 1,2 1,2 1,2
Instabilität >3 >3 >3
Die zulässige Spannung errechnet sich damit – auch unter Berücksichtigung von
Spannungskonzentrationszahlen – zu:
K
szul = 9 N/mm2
S · aK
K Beanspruchungshöhe N/mm2
S Sicherheitsbeiwert
aK Formziffer
Die Formziffer aK berücksichtigt die an einem beanspruchten Bauteil u. U. auf-
tretende Kerbwirkung. Unter Kerben versteht man mehr oder minder schroffe
Querschnittsänderungen oder solche Stellen, an denen Richtungsänderungen
des Kraftflusses infolge der geometrischen Gestalt des Bauteils vorliegen. Die
Formziffer aK ist definiert als:
s max
aK = 8
sS
smax max. Spannung N/mm2
ss Nennspannung N/mm2
2.1.5 Polyacetal (POM) 831
Polyacetal
(POM)
Die Formziffer wird wesentlich von der Schärfe der Kerbe beeinflusst, d. h. je
spitzer die Kerbe, desto größer a K .
Härte
Die Härte von Polyacetal wird unter den Kunststoffen nur von wenigen Ther-
moplasten und duroplastischen Formstoffen übertroffen. Nachfolgend sind ei-
nige Zahlenwerte für einen Polyacetal-Spritzgusstyp aufgeführt. Die unter-
schiedlichen Werte für Vickers-, Brinell- und Kugeldruckhärte ergeben sich aus
den grundsätzlich verschiedenen Prüfverfahren.
Kugeldruckhärte (nach DIN 53 456, Prüfkraft 358 N)
KH (30-s-Wert 160 N/mm2)
Brinell-Härte (DIN 50351)
HB 2,5 205 N/mm2
Vickers-Härte (nach DIN 50133)
HV 0,1 185 N/mm2
Rockwell-Härte (ASTM D 785-62)
HRR 117
Die Änderung der Kugeldruckhärte eines Spritzgussmaterials in Abhängigkeit
von der Temperatur zeigt Bild 2-290.
832 2 Synthetische Kunststoffe: 2.1 Thermoplastische Polymere
Polyacetal
Wegen der im voraus meist nicht vorhersehbaren Lagererwärmung seien in je-
(POM)
dem Einzelfalle Versuche unter Betriebsbedingungen empfohlen.
Ein sicherer Dauerbetrieb wurde zum Beispiel mit einem geschmierten Lager
von 25 mm Bohrungsdurchmesser bei einer Umfangsgeschwindigkeit von
60 m/min und einem pv-Wert von 30 N/mm2 · m/min erzielt.
Zu beachten ist, dass die Kurve in Bild 2-292 keine allgemeingültige Kenn-
funktion darstellt, sondern dass die angegebenen pv-Werte als Richtwerte auf-
zufassen sind. Die im Einzelfall erreichbaren pv-Werte sind von einer Vielzahl
konstruktions- und umweltbedingter Faktoren abhängig; sie können daher tie-
fer, jedoch auch höher als die angegebenen Werte liegen.
Bei Umgebungstemperaturen oberhalb 20 °C sind die angegebenen pv-Richt-
werte mit Sicherheitsbeiwerten zu versehen. Bei Temperaturen oberhalb 80 bis
100 °C in der Gleitzone der Lager ist mit einer starken Zunahme des Verschleißes
zu rechnen. Die Umgebungstemperaturen sollen daher 50 bis 60 °C möglichst
nicht überschreiten.
Der Bemessung des Lagerspiels:
s = die – dwe mm
mit
die effektiver Innendurchmesser der Lagerschale in mm.
dwe effektiver Durchmesser der Welle in mm,
das wegen des hohen linearen Ausdehnungskoeffizienten größer als bei Metall-
lagern zu wählen ist, kann das in Bild 2-293 angegebene Diagramm zugrunde ge-
834 2 Synthetische Kunststoffe: 2.1 Thermoplastische Polymere
legt werden, das auf eine mittlere Lagertemperatur von 60 °C bezogen ist. Die
obere Begrenzungslinie gilt für ein Durchmesserverhältnis.
da
a = 4 ≈ 1,5
d1
mit
da Außendurchmesser der Lagerschale mm.
Bei kleineren Durchmesserverhältnissen und zu erwartender niedriger Lager-
Polyacetal
werden. Bei kleinerem Spiel besteht die Gefahr des Klemmens der Lager. Lager-
schalen aus Polyacetal sollten mit Rücksicht auf die Wärmeabführung als Kurz-
gleitlager mit l/d = 1 und möglichst geringer Wanddicke ausgeführt werden. Die
Lageschalen können in der Gehäusebohrung durch Einpressen fixiert werden.
Dabei hat sich ein Einpressübermaß von b = 0,8 bis 1 % bewährt. Die durch
das Einpressen bedingte Lagerspaltverringerung ist durch eine etwa dem
Einpressübermaß entsprechende Vergrößerung des Lagerspiels zu kompensie-
ren. Der Lagerzapfen sollte vorzugsweise aus Stahl (mit einer Oberflächenhärte
HRc > 40) bestehen. Obwohl Gleitelemente aus Polyacetal für den Trockenlauf
geeignet sind, ist dennoch Schmierung vorteilhaft. Tempern in Öl verbessert das
Gleitverhalten. Dauerschmierung bewährt sich am besten.
Der Verschleiß von Polyacetallagern wird durch Modifizieren (unter ver-
gleichbaren Laufbedingungen) auf etwa ein Drittel verringert. Durch Pigmen-
tieren kann das Verschleißverhalten beeinflusst werden.
■ Thermische Eigenschaften
Die aus der spezifischen Wärmekapazität berechnete Enthalpie eines Polyacetal-
Spritzgusstyps ist in Bild 2-294 wiedergegeben.
Den Längenausdehnungskoeffizient von unverstärktem und glasfaserver-
stärktem Acetal-Copolymer zeigt Bild 2-295.
An Stelle des üblichen pvt-Diagrammes ist in Bild 2-296 die relative Volu-
menänderung in Abhängigkeit vom Druck bei verschiedenen Temperaturen
wiedergegeben.
2.1.5 Polyacetal (POM) 835
Polyacetal
(POM)
Bild 2-295. Längenausdehnungskoeffizient von Acetal-Copolymeren in Abhängigkeit von der
Temperatur
a Acetal-Copolymer, unverstärkt
b Acetal-Copolymer, 20 % Massegehalt Glasfasern (quer)
c Acetal-Copolymer, 30 % Massegehalt Glasfasern (längs)
■ Elektrische Eigenschaften
Die elektrischen Eigenschaften der Polyacetale sind gut, wenn auch nicht über-
ragend. In dieser Hinsicht gibt es preiswerte Alternativen. Kommt es jedoch auf
das Gesamtbild der mechanischen und elektrischen Eigenschaften an, dann leis-
ten die Polyacetale vorzügliche Dienste. Die Abhängigkeit der Dielektrizitätszahl
einiger Thermoplaste von Temperatur (A) und Frequenz (B) gibt Bild 2-297 wie-
der. Die Abhängigkeit des dielektrischen Verlustfaktors verschiedener Thermo-
plaste von der Temperatur ist in Bild 2-298 wiedergegeben. Die Abhängigkeit des
tan d verschiedener Thermoplaste von der Frequenz zeigt Bild 2-299.
Die Neigung von Polyacetal zu elektrostatischer Aufladung ist gering. Wenn
ein Verstauben ausgeschlossen werden soll, dann ist die Formmasse antista-
tisch auszurüsten. Dadurch wird beispielsweise der Oberflächenwiderstand
von 1014 W auf 1013 W und die Halbwertzeit der Entladung von etwa 60 s auf 10
bis 25 s gesenkt, d. h. die Feldstärke eines Kondensators mit dem Probekörper
als Dielektrikum sinkt nach dem Aufladen mit 1000 Volt auf 50 % des An-
fangswertes.
■ Optische Eigenschaften
Formteile aus Polyacetal sind durchscheinend bis weiß. Die Lichtdurchlässigkeit
von 2 mm dicken spritzgegossenen Platten beträgt 50 %, der Brechungsindex
n20
D = 1,48. Der Glanz der Formteile hängt von der Oberflächengüte der Werk-
zeugwandungen ab.
Polyacetal
(POM)
Polyacetal
(POM)
Bild 2-299. Abhängigkeit des
dielektrischen Verlustfaktors
tan d verschiedener Thermo-
plaste von der Frequenz (ge-
messen bei 25 °C)
■ Chemikalienbeständigkeit
Beständig gegen: schwache Säuren, schwache Laugen (starke Laugen nur bei Co-
polymeren), Benzin, Benzol, Alkohole, Öle, Fette, halogenierte KW, Wasser, De-
tergenzien; nicht beständig gegen: starke Säuren, Oxidationsmittel.
■ Wasseraufnahme
Die Wasseraufnahme von Polyacetal ist gering. Sie beträgt nach DIN 53 495 bei
20 °C nach 24 Std. 15 mg und nach 96 Std. 30 mg. In Bild 2-300 (A) ist die Zeit-
838 2 Synthetische Kunststoffe: 2.1 Thermoplastische Polymere
■ Spannungsrissverhalten
Die Polyacetale neigen grundsätzlich nicht zur Bildung von Spannungsrissen
(Richtlinie VDI/VDE 2477).
■ Witterungsbeständigkeit
Polyacetale werden insbesondere durch UV-Strahlung geschädigt. Dadurch her-
vorgerufene Eigenschaftsänderungen treten um so schneller ein, je geringer die
Wanddicke ist. Durch Zusatz von Lichtstabilisatoren lässt sich der Abbau verzö-
gern. Als wirksamster Stabilisator erweist sich Aktivruß. Eine geringere Wirk-
samkeit haben organische Lichtstabilisatoren, die für naturfarbenes oder farbi-
ges Material verwendet werden können. Außerdem haben einige pigmentierte
Typen ohne UV-Absorber-Zusatz eine gute Witterungsbeständigkeit.
■ Strahlenbeständigkeit
Formteile aus Polyacetal sollten nicht an Stellen verwendet werden, an denen die
Gesamt-Strahlungsdosis etwa 3 · 104 J/kg überschreitet. Bei höherer Dosis ver-
färben sich die Teile und verspröden.
2.1.5 Polyacetal (POM) 839
■ Brennbarkeit
Polyacetale sind als Polymerisationsprodukte des Formaldehyds brennbar. Sie
brennen mit schwach bläulicher Flamme und tropfen ab. Nach dem Verlöschen
bzw. bei unvollständiger Verbrennung tritt stechend riechender Formaldehyd
auf. Gemäß der Brennbarkeitsprüfung UL 94 wird Polyacetal als HB eingestuft.
Die Klassifizierung V-O ist nicht möglich.
Polyacetal
(POM)
Die Durchlässigkeit von Behältern aus Polyacetal ist, verglichen mit anderen
Thermoplasten, sehr niedrig. Diese Feststellung gilt auch für aliphatische und
halogenierte KW. Eine Übersicht gibt Tabelle 2-64. Polyacetal ist gegen Brenn-
Tabelle 2-64. Dampf- und Gasdurchlässigkeit von Polyacetal (Werte gemessen an 80 mm dicken
Folien)
Medium Durchlässigkeit
Wasserdampf 0,15
Sauerstoff 3,6 · 10–2
Stickstoff 0,7 · 10–2
Wasserstoff 32 · 10–2
Kohlendioxid 72 · 10–2
Kohlenmonoxid 2 · 10–2
Luft 1,2 · 10–2
Leuchtgas 2,1 · 10–2
Ethylen 2,9 · 10–2
Methan 1,8 · 10–2
Propan undurchlässig
Butan undurchlässig
Fluor-KW R 12 9,9 · 10–2
Fluor-KW R 114 14 · 10–2
Fluor-KW R 11 0,73
840 2 Synthetische Kunststoffe: 2.1 Thermoplastische Polymere
gase beständig und eignet sich deshalb für die Verwendung in Gasarmaturen
und Aerosolbehältern.
■ Gesundheitliche Beurteilung
Die bei den Standardtypen eingesetzten Monomeren sind in der Bedarfsgegen-
ständeverordnung vom 10. 04. 1992 und deren Ergänzung vom 11. 04. 1994, An-
lage 3 Abschnitt B ohne eine spezifische Begrenzung aufgeführt.
Die zur Herstellung der Produkte außerdem verwendeten Stoffe sind in der
BGA-Empfehlung XXXII.Acetalharze, Stand: 15. 01. 1993 (189. Mitteilung Bundes-
Polyacetal
Polyacetal
(POM)
Bild 2-304. Kraftstoffaufnahme
der Hostaform-Grundtypen in
Abhängigkeit von der Lagerungs-
dauer bei Raumtemperatur
■ Sterilisieren
Bei der Sterilisation von Geräten und Behältern aus Kunststoffen wird in der Re-
gel eine Dosis von 2,5 · 104 J/kg verwendet. Dabei tritt ein gewisser Abbau ein, der
mit einer Verminderung der Zähigkeit verbunden ist.
842 2 Synthetische Kunststoffe: 2.1 Thermoplastische Polymere
■ Verarbeitung
Das wichtigste Verarbeitungsverfahren ist das Spritzgießen, höhermolekulare
Typen werden extrudiert, schwach vernetzte durch Blasformen zu Hohlkörpern
verarbeitet. Vortrocknen ist empfehlenswert. Die Verarbeitungstemperaturen
sind:
Verarbeitungsbedingungen
Verarbei- Masse- Werk- Spritz- Nach- Schwin-
tungsart temp. zeug- druck psp druck PN dung
temp.
°C °C bar bar %
Spritzgießen 200 – 210 > 90 800 – 1200 800 – 1200 1,9 – 2,3
Extrudieren 180 – 190 100 – 200
Hohlkörper-
blasen 180 90 – 100
Pressformen 180 25 – 50
■ Toleranzen
Im Hinblick auf die vielseitige Verwendung von Polyacetal für spritzgegossene
technische Präszions-Formteile sei an dieser Stelle eine Bemerkung über Tole-
ranzen eingefügt:
Toleranzen sind zugestandene Maßabweichungen. Aussagen über Toleranzen
Polyacetal
(POM)
Polyacetal
(POM)
Oberfläche muss sauber sein. Zu achten ist auf gleichmäßige Auflage des Präge-
stempels. Geprägt wird im Temperaturbereich von 100 bis 165 °C.
Metallisieren
Durch Metallisieren im Hochvakuum kann den Formteilen aus Polyacetal eine
spiegelnde Metalloberfläche verliehen werden.
beitet ohne Farb- und Lösemittel. Zum Behandeln eignen sich zwei Verfahren:
die Maskenpulsiertechnik und die Laserstrahlablenkung. Die Wahl hängt ab von
der jeweiligen Aufgabe und dem gewünschten Ergebnis [4].
Bei der Masken-Pulsiertechnik löst der Laserstrahl eine photochemische Re-
aktion der Pigmente oder Additive an der Kunststoffoberfläche aus. Dabei ergibt
sich je nach Grundfarbe eine dunkle oder helle Markierung. Jede Markierung
hat ihre eigene Schablone. Mit Hilfe des CO2- oder des sog. Excimer Lasers
(351 nm) ergibt sich auf rotem Grund eine weiße, auf gelb eine graue, auf elfen-
bein und weiß eine schwarze Markierung.
Die Vektortechnik arbeitet mit Hilfe des Nd : YAG (1064 nm) Laser. Die Mar-
kierung entsteht durch Aufschäumen oder Verbrennen einer sehr dünnen
Schicht bzw. durch Ausbleichen von Pigmenten. Dabei wird der Laserstrahl über
ein Spiegelsystem entsprechend der Markierung geführt. Der Vorteil dieses Ver-
fahrens besteht in der großen Flexibilität. Die Vorgaben werden von einem an-
geschlossenen PC übertragen. Folgende Farbtöne der Markierungen sind mit
diesem System erzielbar. Auf schwarzem Grund erscheint weiß, ebenso auf dun-
kelblau und grau. Auf blauem Grund ergibt sich hellblau, auf violett hellviolett,
auf dunkelbraun weiß, auf purpurrot rosa und auf grün hellgrün.
■ Bearbeitung
Spanendes und spanloses Trennen siehe Tabelle 2-6 und 2-7.
2.1.5 Polyacetal (POM) 845
Fügeverfahren
Alle Fügeverfahren – bis auf das Hochfrequenzschweißen – eignen sich für das
Verbinden von Formteilen aus POM.
Es sind dies
Schweißen: Heizelement-, Reib- und Ultraschallschweißen.
Kleben: Haft- und Lösemittelklebstoffe. Die Schälfestigkeit von Klebver-
bindungen ist selbst bei nicht vorbehandelten Flächen überra-
schend hoch, z. B. bei Schmelzklebstoffen, auf Basis Vinyl-Copoly-
meren, Cyanacrylat-Einkomponenten-Polymerisations-Klebstoffe,
EP-Harze, PUR-Klebstoffe. Seit einigen Jahren steht auch Hexa-
fluoraceton-Sesquihydrat als Klebstoff zur Verfügung.
Schrauben: selbstschneidende, Gewindeeinsätze.
Nieten: Kalt- und Warmnieten.
Ferner: Schnapp- und Pressverbindungen.
Anwendungsbeispiele
Beschläge, Kraftfahrzeugteile, Büro- und Haushaltmaschinen, Zahnräder,
Federelemente, Reißverschlüsse, Lager, Schrauben, Leitungshalter, Bauteile
der Feinwerktechnik, Spulenkörper, Gehäuse, Pumpen, Armaturen, Teile
für Textilmaschinen, Reißverschlüsse, Telefonapparate, Radio-, Phono-
und Fernsehgeräte, Aerosolbehälter. Die Anwendung von Polyacetal in der
Feinwerktechnik erfuhr eine wesentliche Ausweitung durch die besonders
Polyacetal
vielseitige Outsert-Technik.
(POM)
Handelsnamen
Homopolymere
Delrin (Du Pont Deutschland GmbH/DE)
Tenac (Asahi Chemical In./JP)
Copolymere
Celcon (Ticona/DE)
Duracon (Daicel Polyplastic Co./JP)
Hostaform (Ticona/DE)
Jupital (Mitsui Gas Chemichal Comp./JP)
Kematal (Ticona/DE)
Ultraform (BASF AG/DE)
2.1.6
Fluorkunststoffe
Der französische Chemiker H. Moissan isolierte im Jahre 1886 Fluor zum ersten
Mal. Er stellte auch den gasförmigen Tetrafluorkohlenstoff her, der ähnlich auf-
gebaut ist wie das Heizgas Methan oder der als Fleckenreinigungsmittel be-
kannte Tetrachlorkohlenstoff.
In den dreißiger Jahren wurden vor allem in den USA zahlreiche gasförmige
Fluorverbindungen auf der Basis von Methan oder Ethylen hergestellt. Sie dien-
ten als Sicherheits-Kältemittel für Kühlkompressoren oder als Treibgas für
Sprühdosen. Die IG-Farbenindustrie nahm im Jahre 1934 ein Patent auf Poly-
Fluorkunststoffe
trifluorchlorethylen (PCTFE). Die technische Herstellung wurde jedoch erst 1950
von einem der Nachfolgewerke, der Hoechst AG, aufgenommen.*
Die Fluorkunststoffe sind Werkstoffe mit außergewöhnlichen Eigenschaften.
Bis zu ihrer Entwicklung gab es keine hochpolymere Substanz, die sowohl Was-
ser als auch Öl widerstand. Sobald sich das reaktionsfreudige Fluor mit einem
anderen Atom verbunden hat, ist es nahezu außerstande, neue Verbindungen
einzugehen.
Zur überragenden Beständigkeit gegen den Angriff durch Chemikalien kom-
men die guten elektrischen Eigenschaften, die Unbrennbarkeit sowie vor allem
bei Polytetrafluorethylen (PTFE) die vorzüglichen tribologischen Eigenschaf-
ten, d. h. das günstige Gleit- und Verschleißverhalten. Das im Laufe der vergan-
* In den letzten Jahrzehnten ist der Verbrauch an fluorhaltigen synthesischen Produkten – ge-
meint sind die als Kältemittel oder Treibgas dienenden – weltweit so stark angestiegen, dass
durch die in die Erdatmosphäre entweichenden flüchtigen Fluorkohlenwasserstoffe (FCKW),
die den Menschen vor einer schädigenden Wirkung des in der Sonnenstrahlung enthalten-
den UV-Anteils schützende Ozonschicht zerstört wird. Daraus folgt weltweit eine nur noch
befristete Verwendung flüchtiger FCKW. Demgegenüber sind die fluorhaltigen Kunststoffe
naturgemäß physiologisch unbedenklich.
848 2 Synthetische Kunststoffe: 2.1 Thermoplastische Polymere
2.1.6.1
Polytetrafluorethylen (PTFE)
Mit fluorhaltigen Substanzen arbeitete R. J. Plunkett in einer Forschungs-
gruppe von Du Pont de Nemours (Wilmington/Del.). Bei einer Versuchsreihe
füllte er an einem Tag des Jahres 1941 mehrere kleine Gefäße mit Tetrafluorethy-
len, verschloss sie und ließ sie über Nacht stehen. Am nächsten Morgen zeigten
die Druckmessgeräte keinen Überdruck mehr an. Demnach hätte der Inhalt ent-
wichen sein müssen. Eine Wägung zeigte jedoch noch das gleiche Gewicht wie
am Vortage. Plunkett öffnete die Autoklaven und fand ein wachsartiges, weißes
Pulver, das Polytetrafluorethylen. PTFE ist wesentlich reaktionsträger als das
ihm verwandte Polyethylen. Die Fluoratome sind größer als die Wasserstoff-
atome. Sie umgeben die Kohlenstoffkette des Makromoleküls wie eine schüt-
zende Hülle. Die Bindung zum Kohlenstoff ist so fest, dass sie fast nicht gelöst
werden kann. Daraus resultieren hohe Beständigkeit gegen den Angriff durch
Chemikalien sowie hohe physikalische und chemische Beständigkeit in der
Wärme. Dieser Kunststoff wurde zum ersten Male im Zweiten Weltkrieg ver-
wendet. Kurz nach der Entdeckung wurde er zu einem entscheidenden Werkstoff
im sog. Manhattan-Projekt, das zur Entwicklung der ersten Atombombe führte.
Fluorkunststoffe
■ Allgemeine Stoffbeschreibung
Die Vorzüge dieses hochwertigen Produktes liegen – abgesehen von dem günsti-
gen Gleit- und Verschleißverhalten – weniger in den mechanischen als vielmehr
in den thermischen, elektrischen und chemischen Eigenschaften.
Kennzeichnend sind:
• nahezu universelle Chemikalienbeständigkeit,
• Unlöslichkeit in allen bekannten Lösemitteln unterhalb 300 °C,
• hohe Thermostabilität, dauernd verwendbar im Bereich von – 270 bis +260 °C,
• geringes Adhäsionsvermögen, niedrige Reibungszahl,
• vorzügliche elektrische und dielektrische Eigenschaften,
• Beständigkeit gegen Spannungsrissbildung und Witterungseinflüsse,
• wegen des niedrigen E-Moduls nur bedingt für tragende Teile einsetzbar.
Dieses Eigenschaftsbild kann durch Compoundieren mit Zusatzstoffen verstär-
kender oder verschleißmindernder Art noch vielfältig modifiziert werden.
Fluorkunststoffe
Polytetrafluorethylen
■ Zusatzstoffe
Im Unterschied zu allen anderen Kunststoffen erfordert PTFE keine Funktions-
zusatzstoffe nach Art von Stabilisatoren jeglicher Art. Anders verhält es sich je-
doch mit jenen Substanzen, die den aus diesem Werkstoff hergestellten Formtei-
len gezielt bestimmte Eigenschaften, beispielsweise die Wartungsfreiheit bei La-
gern, verleihen sollen. Die Rohstoffhersteller bieten ein reichhaltiges Sortiment,
sog. Compounds, an. Aus der Vielzahl der Möglichkeiten haben sich folgende
anorganische Füll- und Verstärkungsstoffe als besonders geeignet erwiesen:
Graphit in Form von unregelmäßig geformten Plättchen bis 60 mm Teil-
chengröße. Graphit erhöht den Abriebwiderstand und bewährt
sich vor allem dort, wo bei Wassereinwirkung die Selbstschmier-
eigenschaften erhalten werden sollen, beispielsweise bei PTFE-
Gleitlagern.
Fluorkunststoffe
■ Sortiment
Die Rohstoffhersteller bieten – wie bereits eingangs gesagt wurde – ein reich-
haltiges Sortiment von Fluor-Homo- und -Copolymeren an. Dabei weist wie-
derum jede Sorte eine mehr oder weniger große Vielfalt an Typen auf, die vor al-
lem bei technischen Anwendungen zum Erfolg führen. Gemeint sind die Unter-
schiede beispielsweise nach Korngröße und Rieselfähigkeit entsprechend der
jeweiligen Verarbeitungsart, wie Pressformen, Stangpressen oder Pastenextru-
sion. Ferner stehen zahlreiche Sondercompounds zur Verfügung, die als Zusatz-
stoffe Graphit, Bronze, Blei, MoS2 , Glasfasern u. a. enthalten. Für das Beschichten
sind Dispersionen lieferbar.
■ Lieferformen
Pulverförmige Formmassen für die Press- und Stangpressverarbeitung, Disper-
sionen, für die Herstellung abweisender Überzüge auf Substraten aller Art, Halb-
zeug in Form von Blöcken, Stäben, Profilen, Rohren, Schläuchen und Folien.
■ Typisierung
Eine Zusammenfassung und Beschreibung der TFE-Polymeren im Sinne der
neuen DIN-Bearbeitung wurde bisher noch nicht in Angriff genommen. Wert-
volle Hinweise zum Eigenschaftsbild und zur Verarbeitung gibt die Richtlinie
VDI/VDE 2480 Bl. 1 (12. 73) Polytetrafluorethylen [3].
■ Physikalische Eigenschaften
Tabelle 2-65 enthält eine Übersicht über die wichtigsten physikalischen Eigen-
schaften von TFE- und CTFE-Homo- und Copolymeren.
Umwandlungstemperaturen
Ein für die bekannten Kunststoffe ungewohntes Phänomen ist die Phasenum-
wandlung, d. h. die räumliche Anordnung der Molekülketten in Abhängigkeit
von der Temperatur. Eine verwandte, jedoch zeitabhängige Umwandlung zeigt
der polyolefinische Kunststoff Polybuten-1. Bild 2-311 gibt einen Überblick über
die Umwandlungstemperaturen. Es wurde bereits auf die für die Verarbeitung
wichtige Umwandlung des kristallinen Gefüges bei 19 °C hingewiesen. Hierbei
geht die Trikline in eine weniger geordnete hexagonale Packung über. Das Volu-
men der Kristallite vergrößert sich dabei um 0,0058 cm3/g bzw. etwa 1,2 Volu-
men-%. Mit steigendem Druck nimmt die Übergangstemperatur um etwa
Tabelle 2-65. Physikalische Eigenschaften von Fluor-Kunststoffen
mechanische
Dichte g/cm3 2,15 bis 2,20 2,12 bis 2,17 1,7 1,86 2,10 bis 2,12 1,68 bis 1,70
Zugfestigkeit N/mm2 25 bis 36 22 bis 28 30 bis 54 83 32 bis 40 49
Reißdehnung % 350 bis 550 250 bis 330 400 bis 500 8 128 bis 175 150 bis 450
2.1.6 Fluorkunststoffe
Zug-E-Modul N/mm2 408 350 1100 8250 1050 bis 2110 1690
Biege-E-Modul N/mm2 – – 1410 6520 – 1690
Biegefestigkeit N/mm2 – – – – – 1690
Druckfestigkeit N/mm2 12 16 – 69 32 bis 52 –
Härte Rockwell – – – – R74 R 75 bis R 95 R 95
Härte Shore – D 50 bis 65 D 55 D 75 – D 76 bis 80 –
ft.lb.
Izod Kerbschlagzähigkeit 23 °C 3,0 kein Bruch kein Bruch 9,0 2,5 bis 2,7 kein Bruch
in.o.n.
thermische
Gebrauchstemperatur ohne
mechanische Beanspruchung,
in Luft kurzzeitig °C 300 250 200 220 180 170
dauernd °C 250 205 155 200 150 140
Glasübergangstemperatur °C 127 – – – 45 –
Kristallitschmelztemperatur °C 327 290 270 270 216 190
HDT (1,85 N/mm2) °C – – 71 265 – 77
(0,46 N/mm2) °C 121 70 104 210 126 116
linearer
Ausdehnungskoeffizient K–1 · 106 100 80 40 25 60 80
Wärmeleitfähigkeit W/mK 0,25 0,25 0,23 0,21 0,22 0,15
spezifische Wärmekapazität kJ/kgK 1,0 0,12 0,9 1,95 0,9 1,0
853
Fluorkunststoffe
Fluorkunststoffe
elektrische
Spezif. Durchgangswiderstand W cm > 1018 > 2 · 1018 > 1016 1016 > 1,2 · 1018 > 1015
Oberflächenwiderstand W 1017 1017 1013 1015 1016 1012
Durchschlagfestigkeit kV/cm 600 bis 800 800 800 – – –
Durchschlagfestigkeit
(stufenweise 3,2 mm Dicke) V/25 mm 430 – – – 450 bis 550 –
(kurzzeitig, 3,2 mm Dicke) V/25 mm 480 500 bis 600 400 – 500 bis 600 490
Dielektrizitätszahl (103 Hz) – < 2,1 2,1 2,6 3,4 2,3 bis 2,7 2,3
dielektrischer Verlustfaktor
tan d (103 Hz) – 0,0002 0,0002 0,0008 0,002 0,023 bis 0,027 0,0015
Vergleichszahl der
Kriechwegbildung CTI/A 600 600 600 600 600 600
Wasseraufnahme %-Masse-
(24 h, 3,2 mm Dicke) gehalt 0,00 0,01 0,1 0,08 0,00 0,01
Brennbarkeit (ASTM D 635) brennt nicht brennt nicht brennt nicht brennt nicht brennt nicht brennt nicht
Klarheit opak transparent transparent opak transluzent transparent
bis transluzent (dünn) bis opak bis transluzent
Verarbeitbarkeit sehr gut sehr gut sehr gut sehr gut sehr gut sehr gut
2 Synthetische Kunststoffe: 2.1 Thermoplastische Polymere
2.1.6 Fluorkunststoffe 855
Bild 2-310. Reißfestigkeit s R und Reißdehnung e R von PTFE in Abhängigkeit von Probekörper-
dicke und Prüfnorm
a Prüfnorm DIN 53 455 b Prüfnorm ASTM D 1457-62 T
Probekörper: Breite 10 mm, Länge 150 mm Probekörper: Breite 0,187≤, Länge 1,5≤
Prüftemperatur 23 °C Prüftemperatur 23 °C
Prüfgeschwindigkeit 100 mm/min Prüfgeschwindigkeit 50 mm/min
Fluorkunststoffe
0,013 K/bar zu; die Umwandlungswärme liegt bei 13,4 kJ/kg. Weil die 19-°C-Um-
wandlung nur die kristallinen Bereiche umfasst und die hier genannten Daten
sich nur auf letztere beziehen, verändern sich die angegebenen Volumenzunah-
men und die Umwandlungswärme nach Maßgabe des amorphen Anteils. Eine
zweite Umwandlung der kristallinen Struktur geschieht bei 30 °C, jedoch beträgt
die dabei zu beobachtende Volumenänderung nur etwa den zehnten Teil derje-
nigen bei 19 °C. Bei genügend hohen Drücken kann schließlich eine dritte Kris-
tallphase mit einem Tripelpunkt bei 70 °C und 4500 bar entstehen. Außer den
bisher erwähnten Kristallumwandlungen gibt es bei PTFE noch Übergänge, die
unstetigen Beweglichkeitsänderungen von Molekülsegmenten in den amorphen
Bereichen zugeschrieben werden. Hierbei sind die auftretenden Effekte um so
größer, je niedriger der Kristallinitätsgrad der Probekörper ist. Amorphes PTFE
weist oberhalb – 269 °C Umwandlungspunkte bei – 97 °C (Glasübergangstempe-
ratur des amorphen Anteils) und + 127 °C (Übergang des amorphen Festkörpers
in eine unterkühlte Flüssigkeit) auf.
Zur Untersuchung des temperaturabhängigen viskoelastischen Verhaltens
von PTFE dient der Torsionsschwingungsversuch nach DIN 53 445. Dabei wird
der Bereich kurzer Relaxationszeiten bei Meßfrequenzen von 0,1 bis 20 Hz er-
fasst. Der Biegeschwingungsversuch nach DIN 53 440 dient zur Messung des
komplexen Elastizitätsmoduls E sowie seiner Komponenten E¢ (dynamischer
Elastizitätsmodul), E≤ (Verlustmodul) und d (Verlustfaktor d = E≤/E¢), Bild
2-312. Man erkennt deutlich die erwähnten Umwandlungstemperaturen an den
Maxima der Kurve des mechanischen Verlustfaktors bei – 97 °C, + 19 °C und
+ 127 °C.
Langzeitverhalten
PTFE verformt sich bei länger dauernder mechanischer Beanspruchung wie an-
dere Thermoplaste. Als maßgebende Parameter kommen dabei Temperatur, Be-
anspruchungsdauer sowie Art und Höhe der Beanspruchung in Betracht. Der
Fluorkunststoffe
Fluorkunststoffe
Druckbeanspruchung
Bild 2-315 vermittelt einen Einblick in das Verhalten von PTFE bei länger anhal-
tender Druckbeanspruchung und anschließender Entlastung. Eine digitale Aus-
Fluorkunststoffe
Härte
PTFE ist verhältnismäßig weich. Die Härte kann durch die Zugabe von Füllstof-
fen wesentlich erhöht werden.Auch die Verarbeitungsbedingungen beeinflussen
die Härte.
2.1.6 Fluorkunststoffe 859
Fluorkunststoffe
Bild 2-316. Kerbschlagzähigkeit
von PTFE in Abhängigkeit von der
Temperatur
von PTFE bei verschiedenen Werkstoffpaarungen gibt das Bild 2-319 mit den da-
zugehörenden Erläuterungen [3].
Die Abriebfestigkeit von PTFE wird von einigen anderen Werkstoffen über-
troffen. Dies erklärt sich aus den schwachen intermolekularen Kräften und dem
durch Sintern und nicht durch Schmelzen hergestellten Formstoff. Der
Verschleiß ist jedoch bei gefüllten Compounds wesentlich geringer. Bei Ver-
schleißversuchen mit verschiedenen PTFE-Typen ergab sich mit v = 2 m/s und
p = 1 N/mm2 bei St. 50 bzw. Perlitguss als Gegenlaufpartner folgende Staffelung
des Verschleißes (in Pfeilrichtung günstiger werdend).
Schmelzverhalten
Bei Temperaturen von 325 bis 340 °C verwandelt sich das weiß-kristalline PTFE in
eine amorphe transparente Substanz. Dabei geht eine reversible Volumenver-
größerung von 30% vor sich. Formteile behalten bei dieser Temperatur ihre Form,
wenn auch bei wesentlich geringerer Festigkeit. Wegen dieses Verhaltens scheiden
die üblichen Verfahren für das Urformen von PTFE aus. Es musste eine den Me-
thoden der Sintermetallurgie ähnliche Verarbeitungstechnik entwickelt werden.
Enthalpie, Längenausdehnungskoeffizient
An weiteren wichtigen thermischen Eigenschaften ist außer den Angaben in Ta-
Fluorkunststoffe
belle 2-65 in den Bildern 2-320 und 2-321 die Enthalpie und der Längenausdeh-
nungskoeffizient von PTFE wiedergegeben.
Dielektrische Eigenschaften
PTFE hat die niedrigste Dielektrizitätszahl und den niedrigsten dielektrischen
Verlustfaktor aller Kunststoffe. Das ist eine Folge der symmetrischen Struktur
dieses Polymeren. Die Bilder 2-322 und 2-323 vermitteln einen Einblick in die
Temperatur- und Frequenzabhängigkeit dieser für die Hochfrequenztechnik
wichtigen Eigenschaften.
862 2 Synthetische Kunststoffe: 2.1 Thermoplastische Polymere
Fluorkunststoffe
Bild 2-323. Dielektrischer Verlustfaktor tan d von PTFE in Abhängigkeit von Frequenz (A) und
Temperatur (B)
Optische Eigenschaften
Fluorkunststoffe
■ Chemikalienbeständigkeit
Die Stärke der Fluor/Kohlenstoffbindung sowie die nahezu völlige Abschirmung
der Kohlenstoffketten durch Fluoratome führen zu einer universellen Chemika-
lienresistenz von PTFE.
Beständig gegen: fast alle Chemikalien; nicht beständig gegen: elementares
Fluor, Chlortrifluorid, geschmolzene Alkalimetalle.
Bisher ist noch keine Verbindung bekannt geworden, die PTFE bei Tempera-
turen < 300 °C löst. Bei Raumtemperatur quellen chemisch verwandte fluorhal-
tige KW PTFE in reversibler Weise an.
■ Witterungsbeständigkeit
PTFE zeichnet sich durch hohe UV- und Witterungsbeständigkeit aus und kann
ohne Vorbehalt für die Verwendung im Freien empfohlen werden, dies gilt auch
für mehrjährige Bewitterung unter extremen klimatischen Bedingungen. PTFE
erfordert keine stabilisierenden Zusatzstoffe.
■ Strahlenbeständigkeit
PTFE zählt nicht zu den strahlenbeständigen Kunststoffen. Die Strahlenbestän-
digkeit nimmt in folgender Reihenfolge zu:
Butylkautschuk, Polymethylmethacrylat, PTFE, Cellulose, Polyamid, Polystyrol.
Im Gegensatz zu denjenigen Kunststoffen, die bei Einwirkung ionisiserender
Strahlen zunächst vernetzen, herrscht bei PTFE, besonders in Gegenwart von
Sauerstoff, der Kettenabbau vor. Der Abbau wird durch die Anwesenheit von
Sauerstoff wesentlich beschleunigt. Als Spaltprodukt entsteht bei der strahlen-
bedingten Zersetzung von PTFE Tetrafluorethylen. Unter bestimmten Bedin-
gungen (höhere Strahlendosis) bilden sich wachsartige Substanzen mit einem
Erweichungspunkt von etwa 200 °C.
Untersuchungen verschiedener Forscher haben gezeigt, dass bei der Zerset-
Fluorkunststoffe
zung kein elementares Fluor entsteht, jedoch u. U. mit der Bildung korrodierend
wirkender Folgeprodukte gerechnet werden muss.
Erreicht die aufgenommene Strahlendosis 102 J/kg, so beginnen sich die Poly-
mereigenschaften zu verändern. In welchem Maße PTFE beeinflusst wird, hängt
davon ab, ob im Vakuum oder unter Luftzutritt gearbeitet wird. Bei Gegenwart
von Sauerstoff vermindern sich z. B. Festigkeit und Dehnung schon nach einer
Strahlendosis von weniger als 104 J/kg spürbar, während unter Vakuum eine be-
deutend höhere Dosis nicht schadet.
Die Erniedrigung der molaren Masse macht sich in einer verringerten
Schmelzviskosität sowie einer Erhöhung der Dichte bemerkbar. Eine weitere
Folge ist das Ansteigen der elektrischen Leitfähigkeit. Die dielektrischen Eigen-
schaften werden dagegen kaum beeinträchtigt. Für die PTFE-Verarbeitung ist
bemerkenswert, dass die Oberfläche des Kunststoffs durch Bestrahlen kleb- und
druckbar wird. Außerdem können mit Hilfe energiereicher Strahlen Comono-
mere auf das Polymere gepfropft werden.
866 2 Synthetische Kunststoffe: 2.1 Thermoplastische Polymere
■ Brennbarkeit
PTFE ist selbsterlöschend, es wird nach UL 94 in die Stufe SE-0 eingereiht. Der
Sauerstoffindex LOI beträgt 95 %.
Medium Durchlässigkeit
cm3/m2d · bar g/m2d
Luft 80 – 100
O2 160 – 250
N2 60 – 80
CO2 450 – 700
He 1700 – 2100
Wasserdampf 0,03
■ Gesundheitliche Beurteilung
Gegen die Verwendung von PTFE bestehen im Sinne des Lebensmittelgesetzes
keine Bedenken. Der thermische Abbau beginnt bei Temperaturen über 200 °C.
Beispielsweise ist bei PTFE-beschichtetem Küchengeschirr beim Gebrauch
keine gesundheitliche Schädigung zu befürchten. Noch vor Erreichen der Zer-
setzungstemperatur von PTFE verkohlen die Speisen und sondern selbst in
größerem Umfang toxische Dämpfe (Acrolein) ab. Werden PTFE-beschichtete
Küchengeräte im leeren Zustand überhitzt, so kann zwar örtlich ein thermischer
Zerfall des Kunststoffs stattfinden, die zersetzte Polymermenge ist jedoch so
klein, dass in der Umgebung keine bedenkliche Konzentration schädlicher
Spaltprodukte entstehen kann (die übliche Dicke von Beschichtungen beträgt
nur 20 bis 40 mm).
Um einer unsachgemäßen Behandlung vorzubeugen, werden in der Bundes-
republik PTFE-beschichtete Küchengeräte nach einer Empfehlung des Bundes-
gesundheitsamtes mit entsprechenden Gebrauchshinweisen versehen (Bun-
desgesundheitsbl. Nr. 21 v. 13. 10. 1967, S. 331 bis 333). Während der Sinterverar-
beitung von PTFE wird mit größeren Polymermengen gearbeitet. Hier sollte für
ausreichende Belüftung gesorgt werden. Dasselbe gilt auch für alle anderen Ver-
2.1.6 Fluorkunststoffe 867
■ Verarbeitung
Wegen seiner physikalischen Eigenschaften ist PTFE nur nach speziellen Me-
thoden verarbeitbar:
• Pressverarbeitung mit anschließendem Freiform- oder Drucksintern,
• Ramextrusion (Kolbenstrangpressen),
• Pastenextrusion (Kolbenstrangpressen),
• Beschichten mit anschließendem Sintern,
• Tränken.
Bei der Verarbeitung durch Pressen und Extrudieren sind drei Phasen zu unter-
scheiden:
Verdichten, Sintern, Abkühlen.
Die verschiedenen PTFE-Typen sind auf die genannten Verarbeitungsmetho-
Fluorkunststoffe
den abgestimmt.
Als Press- und Ramextrusionspulver eignen sich nur die Suspensions-
polymere, denn sie sind grobkörnig. Die Pastenextrusion ist hingegen nur mit
Pulvern möglich, die durch Koagulieren von PTFE-Dispersionen gewonnen wer-
den (Emulsionspolymere). In Form wässriger Dispersionen wird PTFE beim Be-
schichten und Tränken verschiedener Substrate eingesetzt. PTFE unterscheidet
sich im Schmelzverhalten wesentlich von anderen Thermoplasten (mit Aus-
nahme des sehr hochmolekularen Ziegler-Polyethylens PE-UHMW, Abschnitt
2.1.1.1). Die Schmelzviskosität bei Temperaturen oberhalb 330 °C ± 15 K beträgt
104 Pa · s. Deshalb bewahren gepresste Formteile auch bei Sintertemperaturen
von 400 °C ihre Form (bei verminderter Festigkeit). Leichtrieselnde Formmas-
sen werden bei schwierig zu füllenden Werkzeugen und automatischen Pressen,
weniger gut rieselnde zur Herstellung hochwertiger Formteile verwendet.
Das Pressen der Formkörper geschieht bei Raumtemperatur mit Drücken von
10 bis 35 bar. Bei Compounds wird mit Drücken von 30 bis 100 bar gearbeitet (je
nach Füllstoffmenge und -art).
Die Formteile werden anschließend durch langsames Erwärmen von 300°C ±
15 K auf 370 bis 400 °C gesintert. Freigesinterte Formteile sind nicht porenfrei.
868 2 Synthetische Kunststoffe: 2.1 Thermoplastische Polymere
Beim Drucksintern bzw. beim Sintern mit Nachdruck kühlt das Werkstück im
Werkzeug unter Druck ab. Es ist auch üblich, vorgesinterte Rohlinge durch
Schlagpressen zu formen. Die unter Druck abkühlenden Formteile sind poren-
frei und erreichen die höchste Dichte und Festigkeit. Die Ramextrusion dient
zur Herstellung von Stäben und dickwandigen Rohren. Das im Eingangsteil des
Kolbenextruders diskontinuierlich tablettierte Material wird in dem auf 380 °C
geheizten anschließenden Werkzeugteil unter Gegendruck gesintert.
Dünnwandige Schläuche bis 250 mm Dmr. und Wanddicken von 0,1 bis 4 mm
sowie Draht- und Kabelummantelungen werden aus Emulsionspolymer im
„Pasten“-Extrusionsverfahren hergestellt. Das Material wird mit 18 bis 25 % Test-
benzin zu einer knetbaren Masse angeteigt dem Kolbenextruder zugeführt. Im
auf 380 °C geheizten Sinterabschnitt verdampft zunächst das Gleitmittel. Porös
bleibende Gewinde-Dichtbänder werden nicht gesintert, sondern nur gewalzt
und getrocknet.
PTFE-Folien werden entweder vom gesinterten Rundblock geschält oder aus
Dispersionen gegossen. PTFE-Dispersionen dienen ebenfalls zum Imprägnieren
von Asbest- oder Glasfasergewebe.
Halbzeug kann bei Temperaturen um den Kristallit-Schmelzpunkt (330 °C ±
15 K) unter Druck umgeformt werden.
■ Bearbeiten
Spanende Bearbeitung siehe Tabelle 2-6.
Fügeverfahren: Schweißen
PTFE kann nicht im klassischen Sinne durch Aufschmelzen der Fügeflächen
ohne oder mit Zusatz von Schweißdraht verbunden werden, denn im Verarbei-
tungsbereich bildet sich keine Schmelze.
Schälfolien können jedoch nach Erwärmen auf 380 – 390 °C unter Druck (2 bis
3 bar) verschweißt werden.
Fluorkunststoffe
Mit Hilfe dünner Folien aus Hostaflon® TFA in Dicken von 50 bis 100 mm ist
es jedoch möglich, bei niedrigen Drücken von 0,02 bis 0,03 bar und Temperatu-
ren von 360 bis 380 °C geschweißte Verbindungen mit einem Gütefaktor von 0,1
bis 1,0 ohne Vorbehandlung herzustellen.
Kleben
Die einzige Möglichkeit, Fluor-Kunststoffe durch Kleben zu verbinden, ist das
Adhäsionskleben. Geeignet sind Zweikomponenten-Reaktionsklebstoffe auf
Epoxidharzbasis und Cyanacrylat-Klebstoffe. Die Fügeflächen müssen jedoch
vorbehandelt werden mit Natrium in flüssigem Ammoniak oder Naphthyl-
natrium in Tetrahydrofuran.
Klebverbindungen mit Elastomeren müssen in der gleichen Weise vorbehan-
delt werden. Der anschließend auf die PTFE-Fügefläche aufzutragende Haftver-
mittler richtet sich nach dem jeweiligen Elastomer, mit dem das PTFE
verbunden werden soll.
Dekorieren
Das Dekorieren mit fluorhaltigen Druckfarben ist üblich.
2.1.6 Fluorkunststoffe 869
Anwendungsbeispiele
Packungen, statische und dynamische Dichtungen, Dehnungselemente,
Faltenbälge, Kolbenringe, plattenförmige Auflager, Rohre, Schläuche, Ar-
maturen, Drahtisolationen, Isolierfolien, Tiegel, wartungsfreie Lager
(Folien-, Mehrschichtverbund- und Gewebelager sowie Wälzlagerkäfige),
Beschichtungen mit abweisender Oberfläche, ferner Substrate für ge-
druckte Schaltungen und imprägnierte Gewebe aus Asbest, Glas- oder
Aramidfasern.
Handelsnamen
Algoflon (Ausimont (Deutschland) GmbH/DE)
Dyneon PTFE (Dyneon GmbH/DE)
Ferrotron (Polymer Cor./US)
Fluon (ICI PLC/GB)
Fluoroloy (Fluorocarbon/US)
Fluorosint (Polypenco GmbH/DE)
Foraflon (ATOCHEM/FR)
Gaflon (Plastic Omnium/FR)
Halon (Ausimont (Deutschland) GmbH/DE)
Neoflon (Daikin Ind./JP)
Pamflon (Norton Pampus/DE)
Polyflon (Daikin Kogyo Co./JP)
Rulon (Dixon Ind. Corp./US)
Teflon (Du Pont Deutschland GmbH/DE)
Tygaflor (American Cyanamid Aerospace/US)
Xylan (Whitford Corp./US)
Fluorkunststoffe
2.1.6.2
Tetrafluorethylen/Hexafluorpropylencopolymer (FEP)
Das Copolymer FEP wurde bereits im Jahre 1960 von Du Pont auf den Markt ge-
bracht.
Der anwendungstechnische Erfolg dieses Produktes war zunächst nicht so
groß wie man erwartet hatte. Der Grund bestand darin, dass die Verarbeiter
von PTFE über spezielle Technologien und Maschinen verfügten und keine
Spritzgießmaschinen betrieben. Die mit Spritzgießmaschinen ausgerüsteten
Betriebe waren mit den Fluorpolymeren nicht vertraut und zögerten mit dem
Umrüsten. Dennoch ist inzwischen ein ständig zunehmender Verbrauch zu
beobachten.
■ Allgemeine Stoffbeschreibung
Die hohe molare Masse von PTFE, die damit verbundene hohe Schmelzviskosität
und spezielle Verarbeitungstechnik legten es nahe, Fluor-Kunststoffe zu ent-
wickeln, die wie gewöhnliche Thermoplaste, d. h. im Schmelzzustand durch
Spritzgießen und Extrudieren verarbeitet werden können. Zu diesen Copolyme-
870 2 Synthetische Kunststoffe: 2.1 Thermoplastische Polymere
ren gehört FEP. Trotz der nahen Verwandtschaft zu PTFE ist es diesem gegenüber
durch folgende Eigenschaften gekennzeichnet:
• thermoplastisch ur- und umformbar,
• schlagzäher als PTFE,
• niedrigere Gebrauchstemperatur als PTFE,
• elektrische Eigenschaften, Chemikalienbeständigkeit und Witterungsbestän-
digkeit sind mit denjenigen von PTFE vergleichbar.
Hexafluorpropylen Tetrafluorethylen
Copolymer
■ Zusatzstoffe
Entsprechend dem strukturellen Aufbau dieses Copolymeren aus perfluorier-
tem Propylen und Ethylen spielen unter den Zusatzstoffen vor allem die Füll-
und Verstärkungsstoffe eine wichtige Rolle. Als Funktions-Zusatzstoffe werden
den Dispersionen außer Farbmittel bevorzugt nichtionische Benetzungsmittel
Fluorkunststoffe
zugegeben. Als Füllstoff dient vor allem Graphit und als Verstärkungsstoff ge-
mahlene Glasfasern. Art und Menge der Füllstoffe sind in erster Linie durch die
Verarbeitbarkeit begrenzt.
■ Sortiment
Das heutige FEP-Sortiment umfasst drei Typen, die sich für das Spritzgießen
und das Extrudieren eignen, sowie eine wässrige Dispersion für das Aufbringen
von Schutzschichten mit schmierenden oder haftabweisenden Eigenschaften für
das Imprägnieren von Garnen und Filzen sowie als Schmelzklebstoff.
■ Lieferformen
FEP wird als Granulat, als Pulver für das Beschichten im Fließbett und das elek-
trostatische Beschichten sowie als Dispersion geliefert; Halbzeug in Form von
Folien, Rohren, Profilen und Folien.
■ Typisierung
Die Bearbeitung von FEP im Sinne der seit 1982 vom DIN eingeführten techni-
schen Regeln wurde noch nicht in Angriff genommen.
2.1.6 Fluorkunststoffe 871
Hingewiesen sei auf die Richtlinie VDI/VDE 2480 Bl. 2 (03. 80) Werkstoffe der
Feinwerktechnik, Perfluorethylenpropylen-Formstoffe.
■ Physikalische Eigenschaften
Richtwerte der wichtigsten physikalischen Eigenschaften enthält Tabelle 2-65.
Härte Fluorkunststoffe
Angaben über die Härte enthält die Tabelle 2-65.
Mit steigender Gleitgeschwindigkeit bis etwa 200 m/min ist ein schnelles An-
steigen der Gleitreibungszahl zu beobachten, Bild 2-328 B. Bei Gleitgeschwindig-
keiten > 20 m/min ist die Gleitreibungszahl nur noch in geringem Maße von der
Gleitgeschwindigkeit abhängig. FEP eignet sich für Gleitflächen bei niedrigen
Flächenpressungen und niedrigen Gleitgeschwindigkeiten.
■ Thermische Eigenschaften
Die relative Längenänderung (bezogen auf 23 °C) ist in Bild 2-329 wiedergege-
ben. Man erkennt, dass FEP die sprunghafte Volumenänderung von PTFE im Be-
reich von 19 °C nicht aufweist. Weitere Werte thermischer Eigenschaften enthält
Tabelle 2-65.
■ Elektrische Eigenschaften
Die elektrischen Eigenschaften von FEP sind nahezu identisch mit denen von
PTFE: niedrigste Dielektrizitätszahl und niedrigster Verlustfaktor aller Kunst-
stoffe sowie ein hoher spezifischer Durchgangswiderstand und hoher Ober-
flächenwiderstand. Diese Eigenschaften sind von Temperatur und Frequenz
weitgehend unabhängig.
2.1.6 Fluorkunststoffe
873
Bild 2-327. Zeitdehnlinien von FEP bei verschiedenen Beanspruchungshöhen und Temperaturen
Fluorkunststoffe
874 2 Synthetische Kunststoffe: 2.1 Thermoplastische Polymere
Weil FEP nahezu kein Wasser aufnimmt, bleibt der spezifische Widerstand
auch nach längerer Wasserlagerung unverändert.
Die Dielektrizitätszahl von FEP ist niedrig und ändert sich nur wenig über ei-
nen großen Frequenzbereich, Bild 2-330. Sie bleibt nahezu konstant von 102 bis
109 Hz. Mit zunehmender Temperatur fällt sie leicht ab. Bei 200 °C und 8,5 · 109 Hz
beträgt die Dielektrizitätszahl für FEP 1,95. An während sechs Monaten bei
200 °C gealterten Mustern wurde keine Veränderung der Dielektrizitätszahl be-
obachtet. Die Bilder 2-330 (A) und (B) zeigen den dielektrischen Verlustfaktor
tan d in Abhängigkeit von Temperatur und Frequenz. Er bleibt bis 104 Hz unter
1,9 · 10–4, nimmt dann zu und erreicht bei Raumtemperatur sein Maximum bei
3 · 109 Hz. Der Verlustfaktor wird von der relativen Luftfeuchte nicht beeinflusst.
2.1.6 Fluorkunststoffe 875
Die Dielektrizitätszahl in Abhängigkeit von der Frequenz ist in Bild 2-330 (C)
wiedergegeben.
■ Optische Eigenschaften
Brechungsindex n20D = 1,338.
Dünnwandige Formteile aus ungefülltem und ungefärbtem FEP sind durch-
scheinend und haben einen bläulichen Schimmer.
FEP-Folien (0,05 mm dick) sind im Wellenlängenbereich von 8 bis 9 mm (In-
frarotbereich) nahezu strahlungsundurchlässig, d. h. dort absorbieren sie die
eingestrahlte Energie.
Die Lichtdurchlässigkeit nimmt im UV-Bereich von 200 bis 400 nm rasch von
0 auf 90 % zu.
■ Chemikalienbeständigkeit
Fluorkunststoffe
Beständig gegen: Säuren, Laugen, alle Lösemittel, Detergenzien, Fette, Öle, Was-
ser.
■ Spannungsrissverhalten
Die Beständigkeit gegen Spannungsrissbildung ist grundsätzlich hoch. Sie ist bei
Formmassen hoher molarer Masse am besten, z. B. Teflon FEP 160 N für Aus-
kleidungen, Ausdehnungsmanschetten und Ventile im Apparatebau der chemi-
schen Industrie.
■ Witterungsbeständigkeit
FEP hat eine sehr gute Licht- und Witterungsbeständigkeit. Bewitterungsversu-
che an der Küste von Florida (USA) lassen für FEP eine Lebensdauer von über
20 Jahren ohne messbare Veränderung der ursprünglichen Eigenschaften er-
warten.
■ Strahlenbeständigkeit
Die Beständigkeit von FEP gegenüber ionisierender Strahlung in Gegenwart
von Sauerstoff ist gering. Der Grenzwert der Schädigung beträgt 4 · 103 bis
876 2 Synthetische Kunststoffe: 2.1 Thermoplastische Polymere
Fluorkunststoffe
Bild 2-330. Dielektrischer Verlustfaktor tan d von FEP in Abhängigkeit von Temperatur (A)
und Frequenz (B); Dielektrizitätszahl in Abhängigkeit von der Frequenz (C)
2.1.6 Fluorkunststoffe 877
6,5 · 103 J/kg. Die Änderung der Dielektrizitätszahl und des Verlustfaktors ist bis
103 J/kg vernachlässigbar. Die Strahlenbeständigkeit ist im Vakuum und in
inerter Atmosphäre etwas besser (siehe auch PTFE Abschn. 2.1.6.1).
■ Verhalten im Vakuum
Beim Evakuieren nicht auf 10–5 bar tritt keine Depolymerisation und kein Aus-
gasen des FEP ein. Der bei 10–5 bar und 100 °C auftretende Gewichtsverlust be-
trägt 0,08 %.
■ Brennbarkeit
FEP brennt sich gemäß VDE 0303, Teil 3. Nach UL 94 gehört es zur Stufe SE-O.
Der Sauerstoffindex des ungefüllten Materials beträgt 95 %.
■ Gesundheitliche Beurteilung
FEP (alle Typen) entspricht den Anforderungen der Food and Drug Administra-
tion (FDA)-Verordnung 21. CFR 121.2555 und kann deshalb gemäß dieser Ver-
ordnung ohne gesundheitliche Bedenken zur Herstellung von Bedarfsgegen-
ständen oder Teilen von Bedarfsgegenständen, die mit Lebensmitteln in
Berührung kommen (Verarbeitung, Verpackung, Transport und Aufbewahrung
von Lebensmitteln), angewendet werden.
■ Verarbeitungshinweise
Spritzgießen
Massetemperatur 320 bis 360 °C
Spritzdruck 350 bis 1000 bar
Fluorkunststoffe
Werkzeugtemperaturen 200 bis 230 °C
Schwindung 3,5 bis 6,0 %
Extrudieren,
Massetemperatur 315 bis 410°C (gilt auch für die Kabelei)
Ausrüstung der eisenfreie Legierungen
Plastifizierzylinder: (Hastelloy, Xaloy, Reiloy, Monel)
FEP kann durch Extrusionsblasen zu Hohlkörpern verarbeitet werden. Das Um-
formen von Halbzeug geschieht bei Temperaturen oberhalb 280 °C. Im thermo-
elastischen Bereich geformte Teile nehmen bei Erwärmung die ursprüngliche
Form wieder an (plastic memory).
Halbzeug und Formteile können leicht spanend bearbeitet werden. Kleben ist
nach Vorbehandlung der Fügeflächen mit Ätzmitteln möglich (EP- und SI-Harz-
Klebstoffe, Reibungsschweißen ist möglich, US-Schweißen dagegen nicht (siehe
auch PTFE Abschn. 2.1.6.1).
878 2 Synthetische Kunststoffe: 2.1 Thermoplastische Polymere
Anwendungsbeispiele
Drahtisolationen (elektrische Bodenheizung), Beschichtungen, Behälter-
auskleidungen, flexible, gedruckte Schaltungen, Spritzgussteile für den
elektrischen, elektronischen und chemischen Einsatz, Verpackungsfolien,
Imprägnieren von Stoffen, Garnen, Filzen, Schmelzklebstoff.
Handelsnamen
Dyneon FEP (Dyneon GmbH/DE)
Teflon FEP (Du Pont Deutschland GmbH/DE)
Neoflon (Daiki Industries/JP)
2.1.6.3
Tetrafluorethylen/Ethylencopolymer (E/TFE)
■ Allgemeine Stoffbeschreibung
Dieser wärmebeständige Thermoplast wurde im Jahre 1972 erstmals von Du
Pont de Nemours unter dem Handelsnamen Tefzel® auf den Markt gebracht. Die
Hoechst AG folgte zwei Jahre später mit Hostaflon® ET. Kennzeichnende Eigen-
schaften sind:
• breiter Gebrauchstemperaturbereich (– 190 bis + 150 °C),
• gute mechanische und elektrische Eigenschaften,
• hohe Chemikalienbeständigkeit,
• Unbrennbarkeit,
• hohe Alterungs- und Wetterbeständigkeit.
■ Struktur und allgemeine Eigenschaften
Der Tetrafluorethylenanteil beträgt 75 %. Deshalb nähern sich die physikalischen
und chemischen Eigenschaften denen von PTFE. Hervorzuheben ist, dass es sich
Fluorkunststoffe
Tetrafluorethylen/Ethylen-Copolymer
■ Zusatzstoffe: Funktions-Zusatzstoffe
Bekanntlich erfordert PTFE keine stabilisierenden Zusatzstoffe. Es kommen nur
Farbmittel in Betracht. Das Copolymere enthält jedoch einen Ethylenanteil von
25 %, der auf übliche Weise gegen den thermischen und photochemischen Abbau
geschützt werden muss.
An weiteren Zusätzen kommen in der Regel nur gemahlene Glasfasern als
Verstärkungsstoff in Betracht (siehe Tabelle 2-65).
Profilen, Rohren, Blöcken und Folien, Spritzguss- und Extrusionstypen sind un-
ter ASTM-D 3159-72 genormt.
■ Physikalische Eigenschaften
Die wichtigsten physikalischen Eigenschaften sind in Tabelle 2-65 zusammenge-
stellt.
Fluorkunststoffe
Bild 2-332. Biegefestigkeit von E/TFE in Bild 2-333. Zug-E-Modul von E/TFE in Abhän-
Abhängigkeit von der Temperatur. Kenn- gigkeit von der Temperatur
zeichnung der Kurven: siehe Bild 2-331
Fluorkunststoffe
Bild 2-334. Scherfestigkeit von E/TFE Bild 2-335. Biege-E-Modul von E/TFE in Abhän-
in Abhängigkeit von Temperatur gigkeit von der Temperatur. Kennzeichnung der
Kurven: siehe Bild 2-331
2.1.6 Fluorkunststoffe 881
Bild 2-336. Bruchdehnung von Tefzel 200 in Bild 2-337. Kraft/Verformungsverhalten von
Abhängigkeit von der Temperatur E/TFE bei Biegebeanspruchung (Prüftem-
(Probekörper: gepresste Folie 250 mm dick) peratur: 23 °C)
Fluorkunststoffe
23 °C und 100 °C
Härte
Härteangaben enthält Tabelle 2-65.
882 2 Synthetische Kunststoffe: 2.1 Thermoplastische Polymere
GF33.
Bild 2-340 zeigt die Abhängigkeit der Reibungszahl von pv-Wert. Die Wärme-
entwicklung beginnt bei einem pv-Wert von etwa 36 N/ms. Ein starker Tempe-
raturanstieg setzt bei pv-Werten um 70 N/ms ein. Die sich einstellenden Lager-
temperaturen sind in Bild 2-340 als Funktion von pv in der oberen Hälfte rechts
dargestellt. Eine hohe Abnutzungsgeschwindigkeit beginnt bei einem pv-Wert
von 53 N/ms. Schmierung, harte Oberflächen der Welle und geringe Rautiefe ver-
zögern die Abnutzung. Für Gleitlager wird ein Spiel von mindestens 0,3 bis 0,5 %
des Durchmessers empfohlen.
■ Optische Eigenschaften
Der Brechungsindex n20D beträgt 1,40; transparent in dünnen Schichten.
Die Durchlässigkeit von 25-mm-Folien beträgt im UV-Bereich (200 bis
400 nm) 50 bis 90 %, im sichtbaren Bereich (400 bis 700 nm) 90 bis 98 % und im
nahen Infrarot-Bereich (800 bis 2400 nm) 95 – 91 % (abnehmend).
■ Chemikalienbeständigkeit
Beständig gegen: Säuren, Laugen, Lösemittel, hydrolysebeständig; bedingt be-
ständig gegen: Öle, Fette, oxidierende Säuren.
■ Brennbarkeit
E/TFE brennt nicht.
■ Verarbeitung: Verarbeitungsbedingungen
Das wichtigste Verarbeitungsverfahren ist das Spritzgießen. Es wird mit Masse-
Fluorkunststoffe
temperaturen von 300 bis 340 °C gearbeitet. Alle von Schmelze berührten Teile
der Plastifiziereinheit müssen aus korrosionsbeständigen Werkstoffen herge-
stellt sein.
Fügeverfahren
Zu den lösbaren Verbindungen gehören das Schrauben, zu den bedingt lösbaren
die Schnapp- und Pressverbindung. Nicht lösbare Verbindungen werden durch
Schweißen (Reibschweißen, Heizelementschweißen) und Kleben hergestellt.
Anwendungsgebiete
Zahnräder, Befestigungsklemmen, Pumpenteile, Füllkörper, Automobil-
teile, Packungen, Laborbedarf, Armaturenauskleidungen, Verbindungs-
klemmen, Spulenkörper, Drahtisolationen für Lokomotiven, Automobile,
Stahlwerke, Militärbedarf.
In den letzten Jahren gelang es, Schlauchfolien in Dicken von 25 bis
150 mm und Breiten bis zu 1200 mm (doppelt flach) herzustellen. Diese
Folien eignen sich für das Herstellen transparenter Überdachungen (Ge-
wächshäuser, Sportzentren). Die Lichtdurchlässigkeit beträgt 96 %. Diese
Folien weisen nach zehnjähriger Freibewitterung keine optischen und me-
chanischen Veränderungen auf (Hostaflon ET).
Handelsnamen
Dyneon ETFE (Dyneon GmbH/DE)
Tefzel (Du Pont Deutschland GmbH/DE)
2.1.6.4
Polytrifluorchlorethylen (PCTFE)
■ Herstellung
In den Anfängen der Markomolekularchemie herrschte die Meinung vor, dass
fluorhaltige Vinylverbindungen aus stereochemischen Gründen nicht polymeri-
sierbar seien. Überraschenderweise gelang es im Jahre 1934 O. Scherer und
Fluorkunststoffe
■ Allgemeine Stoffbeschreibung
Kennzeichnende Eigenschaften sind:
• hart, steif, kratzfest, unzerbrechlich,
• transparent bis opak,
• geruch- und geschmacklos,
• witterungsbeständig,
2.1.6 Fluorkunststoffe 885
• gesundheitlich unbedenklich,
• thermoplastisch verarbeitbar, auch in dünnen Schichten porenfrei,
• schweiß- und klebbar, leicht spanbar.
Polytrifluormonochlorethylen
■ Sortiment
PCTFE ist ein thermoplastischer Kunststoff. Es wird vorwiegend als Homopoly-
mer für die Spritzguss- und die Extrusionsverarbeitung geliefert. Die Sortimente
der Hersteller enthalten jedoch auch Copolymere mit Vinylidenfluorid und an-
Fluorkunststoffe
deren Monomeren. Für die Herstellung von Dispersionen werden Pulvertypen
geliefert.
■ Lieferformen
PCTFE wird als Granulat oder Pulver geliefert. Es ist mit temperaturbeständigen
Pigmenten einfärbbar. Halbzeug ist in Form von Profilen, Rohren, Stäben,
Blöcken und Folien verfügbar.
■ Physikalische Eigenschaften
Eine Übersicht über die wichtigsten physikalischen Eigenschaften enthält Ta-
belle 2-65.
■ Thermische Eigenschaften
Die obere Grenze der Gebrauchstemperatur von 150 °C ist nicht nur durch die
nachlassende mechanische Festigkeit, sondern auch durch das Verspröden bei
längerer Einwirkung von Wärme bedingt. Das Polymere schmilzt bei 216 °C. Die
Glasübergangstemperatur beträgt + 45 °C.
■ Elektrische Eigenschaften
Fluorkunststoffe
Das Isolationsvermögen von PCTFE ist sehr gut, denn es nimmt kein Wasser auf.
Es ist wegen seines thermoplastischen Charakters im Gegensatz zu PTFE auch in
dünnen Schichten porenfrei. Die dielektrischen Eigenschaften werden durch das
mit den Chloratomen eingebrachte Dipolmoment negativ beeinflusst, wie Bild
2-342 am Beispiel der Dielektrizitätszahl und des dielektrischen Verlustfaktors
tan d zeigt. Im Übrigen sind die elektrischen Eigenschaften mit denen der per-
fluorierten Polymeren vergleichbar.
■ Optische Eigenschaften
Brechungsindex n20D = 1,425.
Schnelles Abschrecken von Folien und Formteilen führt bei geringen Wand-
dicken zu glasklarer Transparenz.
■ Chemikalienbeständigkeit
Beständig gegen: Säuren, Laugen, viele Lösemittel bei Raumtemperatur, aroma-
tische und chlorierte KW, Ester, Ether und Ketone quellen PCTFE bei höherer
Temperatur reversibel an; nicht beständig gegen: Chlorsulfonsäure, geschmol-
zene Alkalimetalle.
2.1.6 Fluorkunststoffe 887
Fluorkunststoffe
Bild 2-342. Dielektrizitätszahl (A) von PCTFE in Abhängigkeit von der Temperatur (a) und der
Frequenz (b) sowie dielektrischer Verlustfaktor tan d (B) in Abhängigkeit von der Temperatur
(a) und der Frequenz (b)
888 2 Synthetische Kunststoffe: 2.1 Thermoplastische Polymere
■ Witterungsbeständigkeit
PCTFE ist witterungsbeständig.
■ Strahlenbeständigkeit
Energiereiche Strahlen schädigen PCTFE bereits in kleinen Dosen, ähnlich wie
PTFE. Wegen der Abspaltung von Chlor besteht bei längerer Einwirkung der
Strahlung für benachbarte Metallteile Korrosionsgefahr.
■ Brennbarkeit
PTFE brennt nicht.
■ Gesundheitliche Beurteilung
PCTFE ist in Berührung mit Lebensmitteln unbedenklich.Physiologisch ist es inert.
Diese Eigenschaft führte zu verbreiteter Anwendung in der medizinischen Technik.
■ Verarbeitung
Bevorzugte Verarbeitungsverfahren sind Pressformen, Extrudieren und Spritz-
gießen. Dazu kommt das Beschichten der Oberfläche metallischer Substrate mit
Hilfe von Dispersionen.
■ Verarbeitungsbedingungen
Spritzgießen
Massetemperatur 270 bis 280 °C
Werkzeugtemperatur 80 bis 130 °C
Fluorkunststoffe
Schwindung 1 bis 2 %
Extrudieren
Massetemperatur 290 bis 300 °C
auch für Drahtummantelung
Pressformen
Massetemperatur 270 bis 280 °C
Kupferdrähte müssen vor dem Ummanteln vernickelt oder versilbert werden,
weil Cu- und Fe-haltige Legierungen den Abbau von PCTFE katalysieren. Hoch-
frequenz- und US-Schweißen ist möglich. Kleben nach Vorbehandlung. Folien
können laminiert, warmgeformt, heißgesiegelt, bedruckt und im Hochvakuum
mit Metall bedampft werden.
Anwendungsbeispiele
Tiegel, Fittings, Armaturen, Rohre, Schaugläser, Membranen, Drahtisola-
tionen, gedruckte Schaltungen, Spulenkörper, Röhrensockel, Isolations-
folien und Verpackungen für Pharmazeutika. Die Verwendung in der
Hochfrequenztechnik ist nur bedingt möglich.
2.1.6 Fluorkunststoffe 889
Handelsnamen
Aclon (Allied Signal Engng. Plastics/US)
Bytac (Norton Chemplast/US)
Daiflon (Daikin Kogyo Co./JP)
Kel-F (3 M Co./US)
Voltalef (Elf Atochem Deutschland/DE)
2.1.6.5
Polyvinylfluorid (PVF)
Polyvinylfluorid wurde Anfang der sechziger Jahre von Du Pont de Nemours als
Tedlar-Folie auf dem Markt eingeführt. Ein gebräuchlicher Weg für die Her-
stellung des Monomeren führt über die Anlagerung von Fluorwasserstoff an
Acetylen.
Die Kristallitschmelztemperatur beträgt 198 °C, die molare Masse 50 000 bis
200 000.
Polyvinylfluorid
Viele Eigenschaften von PVF ähneln denjenigen von PVC (geringe Wasserauf-
nahme, Hydrolysebeständigkeit, Abspaltung von HF bei höherer Temperatur).
Die kleineren F-Atome bewirken jedoch im Gegensatz zu den großen Cl-Atomen
einen höheren Kristallinitätsgrad. Die Flammwidrigkeit ist ungünstiger als die
von PVC; es brennt nach dem Entzünden langsam weiter.
Fluorkunststoffe
■ Sortiment, Lieferformen
PVF wird bisher ausschließlich als folienförmiges Halbzeug geliefert. Es sind
schwach orientierte und biaxial gereckte Folien verfügbar.
■ Physikalische Eigenschaften
Die wichtigsten Eigenschaften dieser Folien-Formstoffe sind in Tabelle 2-65 wie-
dergegeben.
Umwandlungstemperaturen
Die Glasübergangstemperatur beträgt – 20 °C, die Kristallit-Schmelztemperatur
200 °C.
■ Elektrische Eigenschaften
In Bild 2-343 sind Frequenz- und Temperaturabhängigkeit von Dielektrizitäts-
zahl und dielektrischem Verlustfaktor tan d wiedergegeben.
Der Verlustfaktor weist bei 80 °C ein Minimum auf.
890 2 Synthetische Kunststoffe: 2.1 Thermoplastische Polymere
Fluorkunststoffe
■ Optische Eigenschaften
PVF-Folien sind für sichtbares Licht und UV-Strahlung durchlässig. Im Infra-
rotbereich wird die Strahlung vor allem bei Wellenlängen von 7 bis 12 mm ab-
sorbiert. Der Brechungsindex beträgt n20
D = 1,45. Für orientierte Folien müssen
drei optische Achsen unterschieden werden.
■ Chemikalienbeständigkeit
Beständig gegen: Säuren, Laugen, viele Lösemittel bei Raumtemperatur; Kochen
in Tetrachlorkohlenstoff, Benzol, Aceton und MEK schädigt nicht. Die Bestän-
digkeit liegt zwischen derjenigen von PTFE und PCTFE.
■ Brennbarkeit
Langsam brennend, d. h. Brandverhalten etwas ungünstiger als PVC-U.
■ Gesundheitliche Beurteilung
Lebensmittelrechtlich und physiologisch unbedenklich.
■ Verarbeitungshinweise
Vom Hersteller wird bisher nur folienförmiges Halbzeug geliefert. PVF kann ge-
presst werden. Einfacher ist die Herstellung von Gießfolien aus einem Gemisch
von 25 bis 40 % PVF mit 75 bis 60 % Dimethylsulfoxid auf einer Platte und kurz-
zeitiges Erhitzen auf 130 °C. Das breiartige Gemisch kann auch in heißes Öl von
160 °C extrudiert werden.
Auch Organosole (g-Butyrolacton) können in ein Wasserbad extrudiert wer-
den. Hochtransparente Folien entstehen durch kurzzeitiges Erhitzen der Folien
auf 250 °C und schnelles Abschrecken. Biaxial gereckt wird in warmen Lösemit-
Fluorkunststoffe
teln (g-Butyrolacton, Dimethylacetamid).
PVF-Folien sind wärmeimpuls- und hochfrequenzschweißbar.
Anwendungsbeispiele
Die hohe Witterungsbeständigkeit von PVF drängt zur Außenanwendung
im Bauwesen als Dachbelag, Verkleidungen, Rohrisolierungen, Gewächs-
häuser, Solarkollektoren (UV-durchlässig); Korrosionsschutz von Metall-
tafeln, Sperrholz und Isolierpappe, Straßenschilder, Verpackungsfolien,
Schrumpfschläuche.
Handelsnamen
Kel-F (3 M Co./US)
KF Piezo Film (Kureha Chem. Ind./JP)
Tedlar (Du Pont Deutschland GmbH/DE)
892 2 Synthetische Kunststoffe: 2.1 Thermoplastische Polymere
2.1.6.6
Polyvinylidenfluorid (PVDF)
■ Allgemeine Stoffbeschreibung
Das von der Pennwalt Corp. im Jahre 1961 unter dem Handelsnamen Kynar auf
den Markt gebrachte (PVF2 oder PVDF) ist ein hochmolekulares Homopolyme-
risat.
Das Monomere kann aus Trichlorethylen durch Umsetzen mit Flusssäure und
Einwirken von metallischem Zink auf das dabei gebildete Difluordichlorethan
gebildet werden [5].
Das partiell kristalline Polymere enthält über 57 % Fluor-Massegehalt. Als be-
sondere Vorteile werden herausgestellt:
■ Sortiment, Lieferformen
Granulat für die Spritzguss- und Extrusionsverarbeitung, als Pulver sowie als 45
bis 50-prozentige Dispersion in organischen Lösemitteln (Dimethylphthalat und
Disobutylketon). Der Hersteller bietet die oben beschriebenen Typen für die ver-
Fluorkunststoffe
■ Physikalische Eigenschaften
Die wichtigsten Eigenschaften von PVDF-Formstoffen sind in Tabelle 2-66 zu-
sammengestellt.
Umwandlungstemperaturen
Wie Bild 2-346 zeigt, weist PVDF eine Glasübergangstemperatur Tg von 40 °C
und eine Kristallisationstemperatur von 140 °C sowie eine Schmelztemperatur
von 171 °C auf.
2.1.6 Fluorkunststoffe 893
■ Thermische Eigenschaften
(siehe Tabelle 2-66).
PVDF kann im Bereich von – 60 bis + 150 °C angewandt werden. Ohne nen-
nenswerten Abbau werden folgende Temperaturen überdauert:
150 °C über ein Jahr,
260 °C bis zu 12 h,
Fluorkunststoffe
340 °C bis zu 30 min,
(480 °C Zersetzung in wenigen Minuten).
Kupfer, Aluminium und Eisen katalysieren die Zersetzung.
b teilkristallin
mechanische
Dichte g/cm3 1,7 1,38 bis 1,57
Zugfestigkeit N/mm2 46 49 bis 127
Reißdehnung % 100 bis 400 115 bis 250
Zug-E-Modul N/mm2 840 1800
Biege-E-Modul N/mm2 1400 –
Härte – D75 –
Kerbschlagzähigkeit ft.lb/in. of notch o.Br. –
thermische
obere Dauergebrauchstemperatur °C 150 100 bis 120
Längenausdehnungskoeffizient 106 K–1 85 20
Brechungsindex – 1,42 1,45
Klarheit – transparent transparent
bis transluzent bis transluzent
elektrische
spezifischer Durchgangswiderstand W cm 2 · 1014 3 · 1013
Durchschlagfestigkeit V/25 mm 260 3500
Dielektrizitätszahl
60 Hz 8,40 –
103 Hz 7,72 8,5
106 Hz 6,43 7,4
dielektrischer Verlustfaktor tan d
60 Hz 0,049 0,008
103 Hz 0,018 0,015
106 Hz 0,17 0,08
Wasseraufnahme (23 °C, 24 h) %-Massegehalt 0,04 0,5
Witterungsbeständigkeit – bedingt beständig
Fluorkunststoffe
Chemikalienbeständigkeit beständig
schwache Säuren – beständig beständig
starke Säuren – rauch. H2SO4 beständig
schwache Laugen – beständig beständig
starke Laugen – beständig beständig
organische Lösemittel – meist beständig beständig
Brennbarkeit – selbsterlöschend langs. brennend
Verarbeitbarkeit – sehr gut sehr gut
Massetemperaturen
Pressformen °C 205 bis 290 –
Spritzgießen °C 2130 bis 270 –
Werkzeugtemperatur °C 60 bis 90 –
Extrudieren °C 230 bis 270 –
Schwindung % 2 bis > 3 –
896 2 Synthetische Kunststoffe: 2.1 Thermoplastische Polymere
■ Elektrische Eigenschafen
PVDF ist wie PVF wegen seiner polaren Natur – im Übrigen wie auch PVC und
PVDC – nicht für den Einsatz in der Hochfrequenztechnik geeignet, Bilder 2-350
und 2-351. Dagegen lässt der spezifische Durchgangswiderstand > 1015 W cm bei
einer Temperatur von 30 °C, Bild 2-352, auf eine vorzügliche Verwendbarkeit im
Fluorkunststoffe
Netzfrequenzbereich schließen.
Die Durchschlagfestigkeit (1-mm-Folie) beträgt 22 kV/mm, der Oberflächen-
widerstand > 1013 W und die Kriechstromfestigkeit Stufe C 300 bis 350.
■ Chemikalienbeständigkeit
Beständig gegen: Säuren (außer rauchende Salpetersäure), Laugen, Lösemittel,
aromatische, aliphatische, chlorierte KW, Öle, Fette, Kühlmittel; nicht beständig
gegen: primäre Amine bei höherer Temperatur, heißes Aceton (dünne Folien),
starke polare organische Verbindungen, z. B. Dimethylformamid, Diethylacet-
amid, Cyclohexanon, Ketone, Ester.
■ Witterungsbeständigkeit
PVDF wird im Freien geringfügig geschädigt.
■ Strahlenbeständigkeit
UV-Beständigkeit: geringer Abbau im Bereich 200 bis 400 nm, energiereiche
Strahlung: anderen Fluorkunststoffen überlegen.
2.1.6 Fluorkunststoffe 897
Fluorkunststoffe
■ Brennbarkeit
PVDF wird gemäß UL 94 nach V-O eingestuft.Der Sauerstoffindex LOI beträgt 44%.
Sauerstoff 94
Stickstoff 28
Wasserstoff 345 Wasserdampf 2,4 g/m2 d
Helium 975
Ammoniak 83
Chlor 28
Fluorkunststoffe
■ Gesundheitliche Beurteilung
Gegen die Verwendung in Kontakt mit Lebensmitteln bestehen keine Bedenken.
PVDF ist physiologisch nicht toxisch. Während der Verarbeitung müssen die
freiwerdenden Gase abgesaugt werden.
■ Verarbeitung
Spritzgießen, Extrudieren und Beschichten sind die wichtigsten Urformverfah-
ren für PVDF.
Verarbeitungsbedingungen
Spritzgießen 230 bis 270 °C
Werkzeugtemperatur 60 bis 90 °C
Schwindung 2 bis > 3 % (Nachschwinden kann durch
Tempern beschleunigt werden)
Spritzdruck 1000 bis 1500 bar
Extrudieren 230 bis 270 °C
Warmformen bei Überdruck 175 °C
Warmformen bei Vakuum 180 bis 190 °C
2.1.6 Fluorkunststoffe 899
Spanendes Bearbeiten
Siehe Tabelle 2-6 sowie VDI-Richtlinie 2003 (01. 76)
Fügeverfahren
Schweißen mit Runddüse 345 ± 10 K
Schweißen mit Schnellschweißdüse 350 ± 10 K
Heizelementschweißen 230 °C
Anschmelzdruck 0,5 bar
Schweißdruck 2 0bar
HF-Schweißen bis zu Wanddicken von 2 mm
Ultraschallschweißen: Nah- und Fernfeldverfahren.
Kleben
PVDF mit PVDF: Lösemittel-Klebstoff wie bei PVC-U
PVDF mit PVDF oder Zweikomponenten-Klebstoff
anderen Werkstoffen: auf Basis EP-Harz
Klebeflächen aufrauhen mit: Schmirgelleinen 240.
Anwendungsbeispiele
Fluorkunststoffe
Dichtungen, Ventil- und Pumpenteile, Membranen, transparente, steife
Rohre (für HF und HCl), Fittings, Auskleidungen für Rohre, Behälter und
Autoklaven, Folien für das Verpacken von Pharmazeutika, medizinische
Instrumente, Schrumpfschläuche; Kaschierungen von Holz, Metall zum
Schutz gegen Witterungseinflüsse und Korrosion; Draht- und Kabelum-
mantelungen, Monofile für die Filtertuchherstellung sowie die vielseitig
einsetzbaren piezo- und pyroelektrischen Folien für die Herstellung von
Hydrophonen, Infrarotdetektoren,Atemmonitoren, Muskelbewegungssen-
soren, Sicherheitselementen und quantitativen Sensoren.
Es gelang, das verhältnismäßig steife Homopolymer PVDF durch Modi-
fizieren flexibler einzustellen und damit neue Einsatzgebiete, beispiels-
weise das Ummanteln von Drähten und Kabeln, zu erschließen. Der
Schmelzbereich des modifizierten Materials beträgt 162 bis 165 °C.
Handelsnamen
Chemfluor (Norton Performance Plastics/US)
Dyflor (Hüls AG/DE)
900 2 Synthetische Kunststoffe: 2.1 Thermoplastische Polymere
2.1.6.7
Thermoplastische Fluorelastomere
Zu den in den letzten Jahren auf dem Gebiet der vernetzten Fluorelastomere er-
zielten Fortschritten kommt eine vielversprechende Neuentwicklung. Daikin In-
dustrie Ltd., Osaka/Japan, brachte unter dem Handelsnamen Dai-EL Thermo-
plastics thermoplastisch verarbeitbare, physikalisch vernetzte Fluorelastomere
auf den Markt, die mit Schmelztemperaturen von 160 °C bzw. 220 °C anwen-
dungstechnisch wertvolle Produkte werden können.
■ Entwicklungstrends
Ein Überblick über die Vielzahl an Fluor-Homo- und Copolymeren zeigt, dass
ihr struktureller Aufbau folgendes bewirkt:
2.1.6.8
Literatur – Kapitel 2.1.6
[1] Nieratschker J (1995) Fluorkunststoffe, Kunststoffe 85, S 1590 – 1600
[2] Schobesberger M (1994) High Tech für High Performance. Kunststoffe 84, S 759 – 761
[3] VDI/VDE-Richtlinie 2480 Bl. 1 Werkstoffe der Feinwerktechnik: „Polytetrafluorethylen“
(12. 93)
[4] Jonas F u. a. (1995) Polymere übernehmen Funktionen. Kunststoffe 85, S 1079 – 1086
[5] Fleischer (1991) Entwicklungstendenzen polymerer Werkstoffe. 5. Fachtagung „Polymere
Hochleistungswerkstoffe in der technischen Anwendung“ des SKZ Würzburg am 4. und 5.
Juni 1991, S 7 – 23
Fluorkunststoffe
2.2
Polykondensate
Thermoplastische
Polykondensate
2.2.1 Thermoplastische Polykondensate 905
2.2.1
Thermoplastische Polykondensate
2.2.1.1
Polyamide (PA)
Peter Elsner
2.2.1.1.1
Allgemeine Stoffbeschreibung
Unabhängig von ihrem strukturellen Aufbau sind die Polyamide durch folgende
Eigenschaften gekennzeichnet:
• hohe Festigkeit, Steifheit und Härte,
• hohe Formbeständigkeit in der Wärme,
• sehr gutes elektrisches Isoliervermögen,
• hoher Verschleißwiderstand, gute Gleit- und Notlaufeigenschaften,
• hohes Dämpfungsvermögen,
• hohe Beständigkeit gegen Lösemittel, Kraftstoffe und Schmiermittel,
• gesundheitliche Unbedenklichkeit,
• wirtschaftliche Verarbeitbarkeit,
• aromatische Polyamide sind von wasserheller Transparenz,
• aliphatische Polyamide sind teilkristallin und deshalb opak,
• zu den negativen Eigenschaften zählt, dass vor allem die mechanischen Ei-
genschaften vom jeweiligen Feuchtigkeitsgehalt des Formteils abhängen und
Thermoplastische
Polykondensate
2.2.1.1.1.1
Nomenklatur
Um sich in diesem großen und noch immer zunehmenden Sortiment der Poly-
amid-Typen zurechtzufinden, sei zunächst ein Überblick über die Nomenklatur
gegeben. Generell wird der Definition aller Polyamidsorten die Abkürzung PA
vorangestellt. Ihr folgt eine Zahlenangabe über die Anzahl der Kohlenstoffatome
910 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
PA 6 Epsilon-Caprolactam
PA 11 Aminoundecansäure
PA 12 Laurinlactam
PA 46 1,4-Diaminobutan/Adipinsäure
PA 66 Hexamethylendiamin/Adipinsäure
PA 69 Hexamethylendiamin/Azelainsäure
PA 610 Hexamethylendiamin/Sebazinsäure
PA 612 Hexamethylendiamin/Dodecandisäure
T Terephthalsäure
I Isophthalsäure
IND 1,6-Diamino-2,4,4-trimethylhexan (Isononyldiamin)
IPD Isophorondiamin
N 2,6-Naphthalindicarbonsäure
ND 1,6-Diamino-2,2,4-trimethylhexan(Nonyldiamin)
MXD (A) m-Xylylendiamin
MACM 3,3¢-Dimethyl-4,4¢-diaminocyclohexylmethan
PBGD Polybutylenglycoldiamin
des oder der jeweiligen Monomeren. Bei zwei Zahlen steht die erste Ziffer für die
C-Atomanzahl des Diamins und die zweite für die Anzahl der Kohlenstoffatome
aus der Dicarbonsäure. Somit besteht beispielsweise PA 66 aus Hexamethylen-
diamin und Adipinsäure.
Diese Nomenklatur gilt nur für aliphatische Polyamide, d.h. keine Monomer-
komponente enthält ringförmige Gruppen im Molekül. Werden dagegen cycli-
sche Monomere eingesetzt, dann werden spezifische Kurzzeichen zur Kenn-
zeichnung verwendet. Tabelle 2-67 gibt die Symbole für die wichtigsten poly-
amidbildenden Monomere wieder [1].
Bei den aromatischen Molekülen handelt es sich um Modifikationen des Ben-
zols. Wenn sowohl aliphatische als auch aromatische Monomere zur Polyamid-
bildung eingesetzt werden, dann sind das Ergebnis die sog. partiell aromati-
schen Polyamide. Ein Beispiel ist das aus Hexamethylendiamin und Isophthal-
säure hergestellte PA 6 I oder das auf Meta-Xylylendiamin und Adipinsäure
basierende PA MXD 6.
Thermoplastische
Polykondensate
PA 6 Sehr zäh (auch in der Kälte), hart. Einige Typen dieser Gruppe sind
gut geeignet für die Folienherstellung.
PA 69 Zähhart und abriebfest, geringe Feuchtigkeitsaufnahme, daher
maßhaltige Formteile, geeignet zur Folienherstellung.
PA 610, 612 Geringere Wasseraufnahme, daher geeignet für Formteile, bei de-
nen auf größere Maßbeständigkeit Wert gelegt wird.
PA 11 Sehr geringe Wasseraufnahme, daher sehr maßbeständig im Ver-
gleich zu anderen Polyamiden (mit Ausnahme von PA 12), gerin-
gere Härte und Steifheit als die PA 6-Reihe, PA 11 weist das beste
Schlagverhalten aller Polyamide auf.
PA 12 Noch etwas geringere Wasseraufnahme als PA 11. Besseres Schlag-
verhalten als die PA 6-Reihe, aber nicht so gut wie PA 11. Beständi-
ger gegen Spannungskorrosion als andere Polyamide.
Guss- Monomeres Caprolactam wird in Werkzeugen durch „aktivierte
polyamid anionische Polymerisation“ zu einfach geformten Teilen polyme-
risiert. Eigenschaften ähnlich wie PA 6.
Copoly- Entstehen aus mehreren PA-bildenden Monomeren, z. B. PA 6/12
amide (Grilon® C), andere Copolyamide sind löslich in Alkohol-Wasser-
Gemischen, Verarbeitung über die Lösung (Folien, Drahtlackie-
rung).
PA-6-3-T Amorph, glasklar hergestellt durch Kondensation von Terephthal-
säure und alkylsubstituiertes Hexamethylendiamin. Maßbestän-
dig und zäh bei hoher Härte; geringe Schwindung [2].
PA 6I Hergestellt aus Isophthalsäure und alkylsubstituiertem Hexame-
thylendiamin; amorph, glasklar, maßbeständig, zäh, geringe
Schwindung.
PA 46 Ist ein Cokondensat aus 1,4-Diaminobutan und Adipinsäure. Es ist
steif, wärmeformbeständig, schlagzäh, abriebfest und weist ein
günstiges Langzeitverhalten auf.
PA MXD 6 Ein Cokondensat aus m-Xylylendiamin und Adipinsäure, d. h. ein
Poly-m-Xylylenadipamid. Die mechanischen, thermischen und
elektrischen Eigenschaften sind vorzüglich. Dazu trägt vor allem
das im Baustein vorhandene aromatische Glied bei.
Thermoplastische
Polykondensate
Man kann festhalten, dass sich die am Markt angebotenen PA-Typen eher durch
die jeweiligen Ausgangsprodukte als im grundsätzlichen Eigenschaftsbild von-
einander unterscheiden.
2.2.1.1.2
Aliphatische Polyamide
■ Synthese
Kurz nachdem sich die ehemalige IG-Farbenindustrie im Jahre 1927 entschlos-
sen hatte, auf dem Gebiet der Hochpolymeren die Grundlagenforschung aufzu-
nehmen, stellte Du Pont de Nemours – der größte Chemiekonzern der USA –
eine ähnliche Forschergruppe zusammen. Ihr Leiter war Wallace H. Carothers.
Das erste Ziel der Arbeitsgruppe bestand darin, die Zusammenhänge verschie-
dener Polymerisationsreaktionen zu untersuchen.
Während J. Hill, ein Mitarbeiter Carothers, an einem Tage des Jahres 1930 in
einem Becherglas eine Kondensationsreaktion beobachtete, entstand ein dicker
Sirup. Am gläsernen Rührstab haftete beim Herausziehen Schmelze als langer
Faden. Dieser Faden war die erste synthetische Faser im Unterschied zu der aus
Cellulose hergestellten Kunstseide und dem Reyon.
Es dauerte fünf Jahre, bis Carothers aus Hexamethylendiamin und Adi-
pinsäure die ersten verwendbaren PA 66-Fäden erhielt. Die Patente wurden im
Jahre 1937 erteilt, in diesem auch die technische Produktion auf eine Menge zur
Herstellung von vier Millionen Paar Nylon®-Strümpfe angehoben. Sie wurden
binnen vier Tagen verkauft. Die vorzüglichen Eigenschaften dieses Fasermate-
rials trugen wesentlich dazu bei, dass vor allem die Hausfrau in den Kunststof-
fen wertvolle Werkstoffe erkannte. Die Bemühungen, auf anderen Wegen zu
Thermoplastische
Polykondensate
2.2.1.1.2.1
Struktur und allgemeine Eigenschaften
Nach den Ausführungen zum grundsätzlichen Aufbau der Polyamide seien in
Tabelle 2-68 die Kenndaten einiger teilkristalliner Polyamidsorten wiederge-
geben.
Wie bereits eingangs hervorgehoben, wird das Eigenschaftsbild der Poly-
amide wesentlich durch die Carbonamidgruppe CO–NH bestimmt.
Carbonamidgruppe
Man findet sie in der Strukturformel aller Polyamide wieder. Sie verbindet die
Reste der beiden Komponenten bzw. Anfang und Ende eines aufgesprengten
Ringes.
• Der Abstand der Carbonamidgruppen wirkt sich auf die intermolekularen
Thermoplastische
Polykondensate
Kräfte aus. Wie Tabelle 2-68 zeigt, ist er bei PA 11 doppelt so groß wie bei PA 6.
Deshalb sind bei PA 11 wesentlich geringere Kohäsionskräfte wirksam. Es ist
weicher, die Schmelztemperatur ist niedriger. Die Wasseraufnahme ist jedoch
wegen des „polyethylenähnlichen“ Aufbaus geringer, wie Bild 2-355 zeigt.
• Die Anzahl der Methylengruppen zwischen den Carbonamidgruppen wirkt
sich ebenfalls auf die Schmelztemperatur aus. Polymere mit gerader Anzahl
von CH2-Gruppen schmelzen bei höherer Temperatur als die mit ungerader
Anzahl. Zum Beispiel schmilzt PA 11 bei 180 °C, PA 12 bei 175 °C. Die Ursache
bilden die sich jeweils gegenüberliegenden Molekülgruppen. Zwischen NH-
und CO-Gruppen bilden sich Wasserstoffbrücken von sehr kurzer Länge.
• Die molare Masse beeinflusst vor allem die Viskosität der Schmelze.
2.2.1 Thermoplastische Polykondensate 915
Thermoplastische
Polykondensate
■ Zusatzstoffe
Für die Polyamide als dem im Verbrauch und in seiner nahezu unbegrenzten
Vielfalt von Anwendungsmöglichkeiten bedeutendsten technischen Kunststoff–
ohne jedoch dabei an den Verbrauch der Standard-Kunststoffe heranzureichen
– sind die Zusatzstoffe von großer Bedeutung. Diese Festlegung trifft für alle drei
Gruppen von Zusatzstoffen zu: Funktions-, Füll- und Verstärkungsstoffe.
Thermoplastische
Polykondensate
■ Funktions-Zusatzstoffe
Wie die meisten synthetischen Polymeren sind auch die Polyamide gegen die
Einwirkung des Luftsauerstoffs zu schützen. Bei den Polyamiden geht die Oxi-
dation, d. h. der Abbau sowohl unter dem Einfluss von Wärme als auch unter dem
Einfluss des UV-Anteils der Sonnenstrahlung vor sich. Mit Phosphiten kann das
mit der Oxidation fortschreitende Vergilben bis zu einem gewissen Grad unter-
drückt werden. Zum Verfärben neigen die Kupfersalze. Von größter technischer
Bedeutung sind die aromatischen Amine. Sie sind sehr wirksam, verfärben je-
doch das Material. Deshalb ist ihre Verwendung vorwiegend auf technische Ar-
tikel beschränkt, bei denen das Verfärben nicht stört.
Ohne diesen Nachteil sind die gehinderten Phenole. Sie gewährleisten Oxida-
tions- und Farbstabilität, auch sind sie lebensmittelrechtlich unbedenklich. Zu
dieser Gruppe gehört das BHT (2,6-Ditertiärbutyl-p-cresol). Mit Hilfe wirksamer
Wärmestabilisatoren gelingt es, glasfaserverstärktes PA 6 und PA 66 gegen bis zu
100 °C heiße Wasser/Glycolgemische zu stabilisieren. Ein Beispiel bilden die Was-
serkästen für Automobilkühler. Die Photooxidation von Polyamiden wird durch
Einwirken von Feuchtigkeit sowie der Verunreinigung der Luft durch Ozon und
Stickstoffdioxid beschleunigt. Auch bei den Polyamiden beweisen heute die ste-
risch gehinderten Amine (HALS) bei einigen PA-Sorten ihre Überlegenheit ge-
genüber phenolischen Antioxidantien, kombiniert mit Phosphiten. Durch Stabi-
lisieren mit Ruß wird auch bei den Polyamiden eine hohe Lebensdauer bei Frei-
bewitterung erzielt. Die Polyamide sind hydrophil. Das setzt ein Vortrocknen bzw.
den trockenen Zustand – auch aller Zusatzstoffe, beispielsweise der Farbmittel –
voraus. Für Polyamide sind alle anorganischen Pigmente mit einer Temperatur-
beständigkeit > 300 °C geeignet. Die Auswahl an organischen Pigmenten ist we-
gen des reduzierenden Einflusses der PA-Schmelzen eingeschränkt. Auch Cad-
mium-Pigmente eignen sich nicht für das Einfärben von PA 6, weil sie mit sauren
Füllgütern reagieren und diese anfärben. Daraus ergibt sich, dass in jedem Fall
eine gezielte Rückfrage beim Farbmittelhersteller angeraten ist.
Als Brandschutzausrüstung für PA eignen sich vor allem bromhaltige, cyclo-
aliphatische Verbindungen in Kombination mit Antimontrioxid. Die Halogen-
träger mit Synergisten weisen den Nachteil auf, dass sie die elektrischen Eigen-
schaften beeinträchtigen und bei Überhitzung bzw. im Brandfall korrodierend
wirken. Der rote Phosphor führt in Verbindung mit Schwermetall zu dunklen
Farbtönen. Gesucht werden halogen- und phosphorfreie Einstellungen. Zur Zeit
werden derartige Produkte auf Basis Melamin- und Melamincyanurat herge-
Thermoplastische
Polykondensate
stellt [6]. Nachteilig sind dabei die Belagbildung bzw. die begrenzte Thermosta-
bilität. Diese Nachteile überwindet die BASF AG mit dem neuentwickelten Typ
Ultramid KR 4205. Dabei handelt es sich um ein mit einem Melamin-Derivat
ausgerüstetes flammgeschütztes unverstärktes Copolyamid 66/6.
Der Schmelzpunkt dieses Produktes ist mit 240 °C naturgemäß niedriger als
der der Komponente PA 66 allein mit 255 °C. Deshalb kann dieses Produkt bei
Temperaturen von 260 °C bis 280 °C verarbeitet werden, wodurch die Problema-
tik des Formbelags behoben wird. Die V-O Einstufung ist bis zu Wanddicken von
0,4 mm gewährleistet [7].
Der Zusatz spezieller Melamin-Derivate versagt bei verstärkten Polyamiden.
Mit Hilfe speziell vorbehandeltem Magnesiumhydroxid, das im Brandfall Wasser
918 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
abspaltet und dabei große Wärmemengen verbraucht, gelang es, hell einfärbbare
Polyamide mit halogenfreiem Brandschutz zu entwickeln. Außerdem sind die
Rauchgasdichte und die -toxizität sehr gering. Die Vergleichszahl der
Kriechwegbildung CTI A ist mit einem Wert von 600 hoch. Trotz des hohen Füll-
grades ist die Fließfähigkeit gut, die Verfärbungsneigung gering, die Wasserauf-
nahme gegenüber PA 6 um ca. 60 % niedriger und die Wärmeleitfähigkeit um
den Faktor 4 höher [6].
Die Kristallisation von Polymeren setzt voraus, dass der Molekülaufbau die
Beweglichkeit der Hauptkette nicht behindert, die Kristallisationstemperatur
unter dem Schmelzpunkt des Polymeren liegt, Kristallisationskeime vorhanden
sind, die Kristallite und deren Überstruktur, die Sphärolithe, zu bilden ermögli-
chen und die Kristallisationsgeschwindigkeit im Rahmen der üblichen Taktzei-
ten hoch genug ist. Die Kristallisationsgeschwindigkeit ergibt sich aus der Keim-
dichte und der Wachstumsgeschwindigkeit der Sphärolithe.
Das Nukleieren der Polyamide führt zu einer höheren Kristallisationsge-
schwindigkeit, höherer Härte, Dehnungsspannung, Formbeständigkeit in der
Wärme, Abriebfestigkeit und höherem E-Modul. Reißdehnung, Schlagzähigkeit
und Wasseraufnahme nehmen ab. Aus nukleiertem Material können keine
Formteile mit größeren Wanddicken hergestellt werden (Sphärolith-Dmr.
> 5 µm). Der Spritzzyklus kann um 3 bis 30 % verkürzt werden. Für PA eignen
sich als Keimbildner hochdisperse Kieselsäure, MoS2, TiO2, Talkum, Eisensul-
fid und Natrium-Phenylphosphinat. Bei PA 6 werden auch PA 66 oder PET
als Keimbildner zugesetzt. Ein neues Produkt der Fa. BrüggemannChemical
BRÜGGOLEN® P22 ist chemisch gesehen ein PA 22 und kann für alle Polyamide
eingesetzt werden [8].
Die hochkristallinen Produkte wie PA 6 und PA 66 sind nicht sehr flexibel. Bei
PA 6 wirken jedoch Anteile des Restmonomeren (Caprolactam) als wirkungs-
voller Weichmacher. Bei Polymeren mit geringerem Kristallisationsgrad (PA 11
und PA 12) sowie den Copolyamiden wirken 10 % bis 20 % aliphatische Glykole
oder aromatische Sulfonamide als vorzügliche Weichmacher. Durch Schmieren
der PA-Rohstoffe mit Calcium- oder Aluminiumstearaten, die in der Schmelze
unlöslich sind, kann das Einzugs- und Entformungsverhalten der Polyamide
verbessert werden.
Als Verbesserer der Schlagzähigkeit von PA eignen sich vor allem Zusätze von
Elastomeren, z. B. EPDM, EVA und ein mit MAH gepfropftes SEBS; die auch zu
trocken hoch-schlagzähen Polymerblends führen. Der Zäh/Spröd-Übergang
Thermoplastische
Polykondensate
liegt beispielsweise für ein Blend mit 20 Masse-% gepfropftem SEBS bei – 5 °C bis
–10 °C (siehe Tabelle 2-60).
■ Füllstoffe
PA 6 ist zäh, PA 66 hart, steif, abriebfest und formbeständig in der Wärme. PA 69
und 610 nehmen wenig Wasser auf und sind deshalb maßbeständig. PA 11 ist die
schlagzäheste PA-Sorte; sie ist schlagzäher als PA 12. Das Gusspolyamid auf Ba-
sis PA 6 ist zäh und hart. Die genannten Eigenschaften können durch Zusatz von
Füll- und Verstärkungsstoffen noch verbessert werden.
Als Füllstoffe eignen sich, wie Tabelle 2-69 zeigt: Siliciumoxid (höhere Reiß-
festigkeit, besser extrudierbar, glatte Oberfläche).
Tabelle 2-69. Eigenschaften gefüllter und verstärkter Polyamide
Thermoplastische
Polykondensate
920 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
■ Verstärkungsstoffe
An der Spitze der bei PA verwendeten Verstärkungsstoffe rangieren die Glasfa-
sern. Es werden bei PA 6, PA 66 und PA 46 bis zu 50 % Massenanteil zugesetzt.
Bei PA 69, 610, 11 und 12 sind es bis zu 30 % Masseanteil. Verbessert werden Zug-
festigkeit, Steifigkeit, Härte, Wärmeformbeständigkeit, Kriechstromfestigkeit,
Chemikalien- und Hydrolysebeständigkeit [11]. Die Wärmekapazität (kürzere
Zykluszeiten), die Wasseraufnahme und der Längenausdehnungskoeffizient
werden geringer. Den als Hybridverstärkungsstoff zusätzlich hinzuzugebenden
Glaskugeln fällt die Aufgabe zu, das anisotrope Schwinden zu verringern. Im
Übrigen üben sie eine ähnliche – wenn auch geringere – Verstärkungswirkung
aus wie Glasfasern. Die durch Glasfasern und Glaskugeln beeinträchtigte
Schlagzähigkeit kann – wie bei den mineralischen Füllstoffen – durch die Zu-
gabe von Elastomeren kompensiert werden [9].
Thermoplastische
Polykondensate
C-Fasern erhöhen den E-Modul wesentlich stärker als Glasfasern; sie verbes-
sern die Gleiteigenschaft sowie die Wärme- und elektrische Leitfähigkeit.
2.2.1.1.2.2
Eigenschaften
■ Thermo-Mechanische Eigenschaften
Die mechanischen Eigenschaften der Polyamide hängen ab von molarer Masse,
Kristallinitätsgrad und Feuchtigkeitsgehalt. Der Einfluss der Formteilauslegung
und der Verarbeitung kann beträchtlich sein.
2.2.1 Thermoplastische Polykondensate 921
■ Umwandlungstemperaturen
Das dynamisch-mechanische Verhalten unter oszillierenden Spannungen und
Verformungen vermittelt der Torsionsschwingungsversuch nach DIN 53445. In
Thermoplastische
Polykondensate
den Bildern 2-361 und 2-362 sind der Schubmodul bzw. der mechanische Ver-
Thermoplastische
Polykondensate
Thermoplastische
Polykondensate
Bild 2-367. Zugkriechmodul von PA 6-3-T bei verschiedenen Beanspruchungen und Tempera-
turen
Thermoplastische
Polykondensate
Bild 2-379 zeigt, wie eine durch plötzlich auftretende Dehnung entstehende
einachsige Spannung infolge molekularer Relaxation im Laufe der Zeit abklingt,
wenn die Dehnung langzeitig konstant bleibt. Die Relaxation nimmt mit der
Temperatur und dem Feuchtigkeitsgehalt rasch zu.
Thermoplastische
Polykondensate
Bild 2-380. Biegewechselfestigkeit von PA 6, PA 66 und PA 6-3-T in Abhängigkeit von der Last-
spielzahl (Prüftemperatur 20 °C, f = 15 Hz)
wegen innerer Reibung stark erwärmen können. In diesen Fällen ist ebenso wie
bei höherer Gebrauchstemperatur mit niedrigeren Werten für die jeweilige
Wechselfestigkeit zu rechnen.
■ Zyklische Beanspruchung
Über das Verhalten von unverstärktem PA 66 bei kurz- und langzeitiger zykli-
scher Beanspruchung und Entlastung geben die Bilder 2-384 und 2-385 Aus-
kunft. Dabei handelt es sich um die am Ende eines einseitig eingespannten Pro-
bekörpers (95,2 · 12,7 · 3,2 mm) gemessene Durchbiegung (Mittelwert aus 8 Ver-
suchen).
■ Glasfaserverstärkung
Thermoplastische
Polykondensate
Bild 2-387. Zeitbruchlinien von PA 6-GF 30 bei verschiedenen Temperaturen (Werkstoff: Du-
rethan BKV 30, Bayer AG)
Bild 2-388. Zeitbruchlinien von PA 66-GF 30 bei verschiedenen Temperaturen (Werkstoff: Du-
rethan AKV 30, Bayer AG)
Thermoplastische
Polykondensate
stoffen bestehende Lücke reduziert und eine neue Möglichkeit zur Substitution
von Metallen geboten [11]. In den letzten Jahren wurde das Verstärken mit Lang-
fasern auch auf andere Thermoplaste, beispielsweise PP und PUR, übertragen.
Thermoplastische
Polykondensate
■ Wasseraufnahme, Konditionieren
Die Polyamide nehmen – wie die Cellulosederivate – im Vergleich mit anderen
Kunststoffen je nach PA-Sorte verhältnismäßig viel Wasser auf, Bild 2-394. Die
damit verbundene Volumenzunahme beeinflusst die Abmessungen des Form-
teils. Deshalb bildet das sog. Konditionieren, d. h. das beschleunigte und defi-
nierte Anreichern mit Wasser, einen wichtigen Abschluss der Verarbeitung. Für
den Gebrauch der Formteile werden dadurch annähernd konstante Eigenschaf-
ten und Abmessungen erreicht. Wesentlich ist ferner, dass durch das Konditio-
nieren die Zähigkeit erhöht wird, allerdings bei gleichzeitiger Einbuße an Härte
2.2.1 Thermoplastische Polykondensate 937
und Steifigkeit. Die Wasseraufnahme wird durch Erhöhen der Temperatur be-
schleunigt. Deshalb werden die Formteile am zweckmäßigsten in heißem Was-
ser, feucht-warmem Klima oder Sattdampf konditioniert.
Die einfachste Art, ohne apparativen Aufwand zu konditionieren, besteht darin,
die Formteile in Polyethylensäcken mit einer Wanddicke >100 mm warmzulagern.
In diese Säcke wird 5 bis 10% Wasser (bezogen auf die Masse der Formteile) gege-
ben. Die richtige Konditionierzeit kann anhand des Nomogramms, Bild 2-395 er-
mittelt werden. Von den vier Veränderlichen des Diffusionsgesetzes: Sättigungs-
grad, d.h. Wassergehalt zur Zeit t = cs, Wassergehalt bei Sättigung = ct, Schicht-
938 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
■ Härte
Siehe Tabelle 2-70.
Thermoplastische
Polykondensate
Bild 2-395. Nomogramm zur einfachen graphischen Ermittlung von Wassergehalt, Lagerungs-
dauer, Eindringtiefe und Sättigungszeit bei Wasserlagerung in Abhängigkeit von Wanddicke (s)
und Temperatur (Quelle: BASF AG)
940 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
冧
PA 6 14 N/mm2, PA 610
PA 6-GV 16 N/mm2, PA 11 12 N/mm2.
PA 66 15 N/mm2, PA 12
Thermoplastische
Polykondensate
Für den Bereich der Gleitgeschwindigkeit von 0,1 bis 3,0 m/s und Temperaturen
bis 30 °C ergaben sich für die verschiedenen PA-Typen und Schmierungsarten
folgende pv-Richtwerte in N/mm2 · m/s [14].
Bei der Verschleißbeanspruchung durch Tropfenschlag und Kavitation, die
beispielsweise bei Wasserpumpenteilen eine Rolle spielt, ist Polyamid dem Alu-
minium überlegen.
Werk- Wanddicke
stoff
■ Physikalische Eigenschaften
Das Eigenschaftsbild der verschiedenen Polyamide weist graduelle bis größere
Unterschiede auf. Die in Tabelle 2-70 zusammengestellten physikalischen Kurz-
zeiteigenschaften werden an Probekörpern ermittelt, die im Normklima 23/50
bis zur Sättigung gelagert wurden. Im spritzfrischen, d. h. trockenen Zustand er- Thermoplastische
Polykondensate
50 – 45 100 – – – –
170 – 165 145 – – – –
95 55 50 130 135 228 231 229
195 150 140 140 145 – – –
1015 1015 1015 1015 1015 1,3 · 1016 1,3 · 1016 1,3 · 1016
1013 1013 1013 1013 1013 – – –
Thermoplastische
Polykondensate
peratur; Radiallager-
Prüfstand 10 bis 5 mm
Dmr., trocken; Gleitpart-
ner 54 bis 56 HRC,
p = 0,1 N/mm2,
Rautiefe für PA; Poly-
imid RZ = 1,5 bis 3 µm
POM RZ = 1 bis 2 µm
PET, PE RZ < 0,5 µm
PTFE RZ < 0,2 µm und
Tt < 0,5 µm (Quelle: ICI,
GB)
2.2.1 Thermoplastische Polykondensate 945
reichen Festigkeit und Steifheit bis zu doppelt so hohe Werte, naturgemäß bei ei-
ner um etwa die Hälfte verringerten Dehnung. Die in Tabelle 2-70 wiedergebe-
nen Zahlen stellen Richtwerte dar.
■ Längenausdehnungskoeffizient
Der mittlere Längenausdehnungskoeffizient der Polyamide ist mit 60 · 10–6 K–1
(PA 6-3-T) bis 100 · 10–6 K–1 (PA 12) verhältnismäßig niedrig.Wie Bild 2-400 zeigt,
ist die thermische Ausdehnung betont von der Temperatur abhängig. Die Ver-
ringerung der Längenausdehnung durch eine Glasfaserverstärkung (bei aller-
dings betonter Anisotropie) zeigt Bild 2-401.
■ Enthalpie
Bild 2-402 gibt die Temperaturabhängigkeit des Wärmeinhalts von PA 6, PA 66
und PA 12 wieder.
■ pvt-Diagramm
Von den thermischen Eigenschaften ist für die Beurteilung und Steuerung von
Spritzgießvorgängen die Kenntnis des spezifischen Volumens in Abhängigkeit
Thermoplastische
Polykondensate
von Temperatur und Druck von Bedeutung. Die Bilder 2-403 und 2-404 zeigen
diesen Zusammenhang am Beispiel von PA 6, PA 66, PA 66-GF 35 und PA 610.
Chemikalienbeständigkeit
Beständig gegen: Lösemittel, Öle, Fette, Benzin, Benzol, schwache Laugen, Ester,
Ketone, Wasser; nicht beständig gegen: Säuren und starke Laugen.
Natürliche Farbstoffe können PA-Formteile verfärben, z. B. Tee, Kaffee und
Fruchtsäfte.
■ Spannungsrissverhalten
Die Polyamide neigen weniger zur Bildung von Spannungsrissen als zahlreiche
andere Thermoplaste. Durch Konditionieren im Normalklima 20/65 kann die
Empfindlichkeit gemildert werden. PA 11 und PA 12 verhalten sich günstiger als
die 6er-Reihe.
2.2.1 Thermoplastische Polykondensate 947
■ Witterungsbeständigkeit
Formteile, die langandauernder Wärmeeinwirkung widerstehen sollen, müssen
aus speziell stabilisierten PA-Formmassen hergestellt werden.
Hochstabilisierte PA-Formmassen zeigen selbst nach mehrmonatiger Lage-
rung bis etwa 140 °C in Luft keine durchgreifende Schädigung oder Versprödung.
PA ist mit Ausnahme der klar durchsichtigen Sonderprodukte kochfest und ste-
rilisierbar. Erst nach monatelanger Einwirkung von heißem Wasser, vor allem
wenn es reichlich Sauerstoff oder oxidierende Stoffe enthält, ist mit Schädigun-
gen zu rechnen. Die für die Anwendung im Freien bestimmten stabilisierten PA-
948 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
■ Sterilisieren
Bei g-Strahlensterilisation von 25 kJ/kg (2,5 Mrad) werden die mechanischen Ei-
genschaften von PA nicht beeinträchtigt. Ungefärbte oder weißpigmentierte
Teile bekommen einen leichten Gelbstich.
■ Strahlenbeständigkeit
Im Vergleich zu anderen thermoplastischen Werkstoffen zeigt unverstärktes Poly-
amid eine mittlere Strahlenbeständigkeit. Die Eigenschaften der unverstärkten
Typen ändern sich bei Einwirkung von energiereicher Strahlung in unterschied-
lichem Maße:
Einige Eigenschaften ändern sich schon bei mittlerer Dosis, andere selbst bei
hoher Dosis kaum. Bei 2 MeV-Elektronenstrahlung (hoher Dosisleistung) erge-
ben sich beispielsweise bei PA 66 die in Bild 2-405 in Abhängigkeit von der En-
ergiedosis dargestellten Eigenschaftsänderungen (siehe auch Tabelle 4-31 im
Anhang). Die elektrischen Eigenschaften (Dielektrizitätszahl, dielektrischer
Verlustfaktor, Kriechstromfestigkeit) werden im Bereich bis 10000 kJ/kg
Thermoplastische
Polykondensate
■ Brennbarkeit
Die Polyamide beginnen bei Temperaturen > 300 °C sich langsam zu zersetzen.
Im Temperaturbereich von 450 bis 500 °C bilden sich brennbare Gase, die nach
der Zündung weiterbrennen. Die Polyamide brennen mit gelborangefarbener
Flamme mit blauem Rand. Sie schmelzen, tropfen und brennen nach Entfernen
2.2.1 Thermoplastische Polykondensate 949
Optische Eigenschaften
Formteile aus kristallisierenden Polyamiden sind je nach Schichtdicke, Herstell-
bedingungen und verwendeter Formmasse hell-durchscheinend bis opak. Beim
Spritzgießen mit niedriger Werkzeugtemperatur können aus bestimmten Typen
bis 1,5 mm Wanddicke transparente Formteile hergestellt werden, Bild 2-410.
Sonderpolyamide ermöglichen auch bei hoher Werkzeugtemperatur die Her-
Thermoplastische
Polykondensate
Bild 2-408. Dielektrizitätszahl von Polyamid in Abhängigkeit von der Temperatur (A) und vom
Feuchtigkeitsgehalt (B) (Frequenz 100 Hz)
a PA 66 Zytel 101, Du Pont Deutschland GmbH
b PA 612 Zytel 151, Du Pont Deutschland GmbH
Thermoplastische
Polykondensate
Bild 2-409. Dielektrischer Verlustfaktor tand von Polyamid in Abhängigkeit von der Tempera-
tur (A) und vom Feuchtigkeitsgehalt (B) (Frequenz 100 Hz)
a PA 66 Zytel 101, Du Pont Deutschland GmbH
b PA 612 Zytel 151, Du Pont Deutschland GmbH
2.2.1 Thermoplastische Polykondensate 953
2.2.1.1.2.3
Verarbeitung
Bei der Verarbeitung im üblichen Temperaturbereich bis ca. 310 °C sind PA-
Schmelzen thermisch stabil und bringen keine Gefährdung durch molekularen
Abbau oder Entwicklung von Gasen und Dämpfen. Wie alle thermoplastischen
Polymeren, so zersetzt sich auch Polyamid bei übermäßiger thermischer Bean-
spruchung, z. B. bei Überhitzung, beim Reinigen durch Abbrennen, wobei sich
gasförmige Zersetzungsprodukte bilden. Oberhalb etwa 310 °C beschleunigt sich
die Zersetzung, wobei zunächst vor allem Kohlenmonoxid, Ammoniak und bei
PA 6 auch Caprolactam gebildet werden. Oberhalb etwa 350 °C entstehen auch
geringe Mengen von stechend riechenden Dämpfen von Aldehyden, Aminen
und anderen stickstoffhaltigen Abbauprodukten.
Bei sachgemäßer Verarbeitung von PA treten im Bereich der Verarbeitungs-
maschinen keine schädlichen Dämpfe auf.
Die Polyamide werden als Rohstoffe für die Herstellung synthetischer Fasern
nach dem Trocken-, Nass- und Schmelzspinnverfahren verarbeitet. Formteile
werden spritzgegossen, Halbzeug wie Röhren, Folien oder Vollstäbe extrudiert.
Die anionische Polymerisation von e-Caprolactam ermöglicht die Herstellung
Thermoplastische
Polykondensate
Spritzgießen
Massetemperatur °C 230 bis 280 260 bis 320 230 bis 280 210 bis 250 260 bis 290
Spritzdruck bar 700 bis 1200 700 bis 1200 700 bis 1200 700 bis 1250 700 bis 1200
Werkzeugtemperatur °C 80 bis 90 in besonderen Fällen 120 °C 40 bis 80 70 bis 90
Schwindung % 0,5 bis 2,2 0,5 bis 2,5 0,5 bis 2,8 0,5 bis 1,54 0,4 bis 0,6
Extrudieren
Massetemperatur °C 240 bis 300 250 bis 300 230 bis 290 230 bis 290 250 bis 280
Massedruck bar 150 bis 300 150 bis 300 150 bis 300 150 bis 300 150 bis 300
Extrusionsblasen
Massetemperatur °C 250 bis 260 270 bis 290 230 bis 250 200 bis 230 240 bis 255
Werkzeugtemperatur °C 80 90 80 70 < 40
2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
2.2.1 Thermoplastische Polykondensate 955
Bild 2-411. Scheinbare Viskosität von Ultramid B und A (unverstärkt) in Abhängigkeit von der
Schergeschwindigkeit bei 250 bzw. 280 °C
■ Tempern
Bei dickwandigen Formteilen aus Materialtypen mit hohem E-Modul können
innere Spannungen auftreten. Diese Eigenspannungen sind durch Lagern (10 bis
20 Stunden) in heißem Spezialöl (140 bis 170 °C) beseitigbar. Nicht auskristalli-
sierte Spritzgussteile kristallisieren dabei nach und schwinden entsprechend
der zunehmenden Dichte, wodurch Oberflächenhärte,Verschleißfestigkeit, Stei-
figkeit und Maßhaltigkeit erhöht werden.
956 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
■ Fügeverfahren
Das Verbinden von Teilen aus PA mit Hilfe normaler oder selbstschneidender
Schrauben und Nieten ist eine gebräuchliche Methode; auch Schnappverbin-
dungen bewähren sich.
■ Schweißen
Zum Schweißen von Polyamid eignen sich alle für Thermoplaste entwickelten
Verfahren. Bevorzugt werden das Ultraschall-, Reibungs- und Heizelement-
schweißen (Wärmekontakt- und Strahlungsschweißen). Das Hochfrequenz-
und Wärmeimpulsschweißen dient hauptsächlich zum Verbinden von Folien.
Die Ultraschallfügetechnik bietet durch ihre Variationsbreite die Möglichkeit,
vor allem spritzgegossene Serienteile rationell und synchron in automatische
Thermoplastische
Polykondensate
Fertigungsabläufe zu integrieren.
Die Bayer AG hat einen strukturviskosen, glasfaserverstärkten Durethan®-
Typ (PA 6 GF) entwickelt, der speziell auf moderne Fügetechniken wie das Vib-
rations- und das Heizelementschweißen in Kombination mit der Mehrschalen-
Spritzgießtechnik (Ansaugkrümmer für die Automobilindustrie) zugeschnitten
ist.
Die Voraussetzung für ein einwandfreies technisches Gelingen bildet das Vis-
kositätsverhalten der glasfaserverstärkten Schmelze. Die Viskosität ist nahezu
normal niedrig bei hohen Schergeschwindigkeiten (Spritzgießvorgang)
während sie bei den beim Schweißen auftretenden niedrigen Schergeschwindig-
keiten etwa um den Faktor zehn höher ist als bei PA 6 GF-Standardtypen. Einen
2.2.1 Thermoplastische Polykondensate 957
■ Kleben
Zum Kleben von Polyamiden eignen sich zahlreiche Klebstoffe auf der Basis von
Lösemitteln oder Lacken. Schnell zubereitet ist ein Klebstoff (15-minütiges
Schütteln) aus einem Lösemittelgemisch von Resorcin und Ethylalkohol (1:1).
Außerdem sind geeignet konzentrierte Ameisensäure, Dimethylformamid und
wässriges Phenol (12 % Wasser). Polyamidhaltiger Calciumchlorid/Ethanol
Lösemittelklebstoff kann in Verbindung mit Nahrungsmitteln oder in der Trink-
wasserversorgung verwendet werden. Er ist beständig, ungiftig und geruchfrei.
Außerdem eignen sich Festklebstoffe mit oder ohne chemische Vernetzung (Re-
aktions- und Zweikomponentenklebstoffe), z. B. zum Einkleben von Lagerbuch-
sen in Metallkonstruktionen. Schließlich werden auch Polymerisationskleb-
stoffe sowie Haft- und Kontaktklebstoffe verwendet.
Anwendungsgebiete
Thermoplastische
Polykondensate
Extrusion
spezielle Monofile (z. B. für Reißverschlussspiralen), Borsten und
Folien, Halbzeug, Profile, Tafeln, Rohre.
PA 69 Spritzguss
PA 610 Technische Formteile (wie bei anderen Polyamiden), bei denen
PA 612 höhere Ansprüche an die Maßhaltigkeit bei Feuchtigkeitseinwir-
kung gestellt werden; Präzisionsteile in der Feinwerktechnik;
Extrusion
einfache Profile wie Drähte, Stäbe, Rohre, Tafeln und Bänder,
Reißverschlusswendel, spezielle Monofile, z. B. für Borsten.
2.2.1 Thermoplastische Polykondensate 959
PA 11 Spritzguss
Wasserarmaturen, Unterwasserlager, Dichtungen, Gehäuse, Venti-
latoren, Isolierteile, Teile für Textilmaschinen und Haushaltgeräte,
Zahnräder, Gleitstücke, Führungen;
Extrusion
Halbzeug (Rundstäbe, Tafeln), Treibriemen, Hohlkörper, Rohre [14]
für flexible Pneumatikleitungen und aus Spezialtypen für die Arz-
neimittel- und Nahrungsmittelindustrie.
PA 12 Spritzguss
Wartungsfreie Lager und Getriebeteile unter Wasser, Isolierteile,
Dichtungen, Zahnräder; Teile für Pumpen und Haushaltgeräte, An-
wendung in der Elektrotechnik;
Extrusion
Ummanteln von Kabeln, aromadichte Folien, Isolierfolien, öl- und
benzinfeste Schläuche; Halbzeug (Rundstäbe, Tafeln, Rohre);
außerdem Pulver für die Metallbeschichtung.
Guss- dickwandige Formteile, Halbzeuge mit hohen Stückgewichten (bis
poly- zu 1000 kg). Umgießen von Einlegeteilen (Walzenkernen); große
amid Formteile aller Art, z. B. Heizölbehälter bis 10 000 l Inhalt.
2.2.1.1.2.4
Sicherheit, Umwelt und Recycling
Sämtliche PA-Typen sind geruchlos. In geschmacklicher Hinsicht konnten die
vor allem bei den Polykondensaten des Caprolactam beobachteten Nachteile in
den letzten Jahren behoben werden. Dennoch sollen in Gefäßen aus Polyamid
Lebens- und Genussmittel in wässriger Phase nicht lange höheren Temperaturen
unterworfen werden.
Betriebsräume, in denen PA verarbeitet wird, sollten gut belüftet sein. Viele
PA-Formmassen entsprechen den Empfehlungen X Polyamide, Stand vom
1.6.1994 (Bundesgesundheitsblatt 37/1994, S. 36). Im Einzelfall sollten die Liefe-
ranten der Formmassen nach der lebensmittelrechtlichen Beurteilung gefragt
werden.
Thermoplastische
Polykondensate
2.2.1.1.3
Partiell aromatische Polyamide
2.2.1.1.3.1
Polyarylamide: Arylamid PA MXD 6
2.2.1.1.3.1.1
Allgemeine Stoffbeschreibung, Synthese und Struktur
Als Ergänzung zu den bisher behandelten Polyamiden sei ein ebenfalls in den
achtziger Jahren entwickelter Polyamidtyp vorgestellt, der zur Gruppe der Po-
lyarylamide gehört. Genauer gesagt handelt es sich um ein Polyxylylenadip-
amid, das durch Polykondensation von m-Xylylendiamin und Adipinsäure her-
gestellt wird.
m-Xylylendiamin
Adipinsäure
Analog zu der für Polyamide verwendeten Nomenklatur steht für dieses Poly-
mere Poly-m-Xylylenadipamid das Kurzzeichen PA MXD 6.
Poly-m-Xylylenadipamid
2.2.1.1.3.1.2
Eigenschaften
Thermo-Mechanische Eigenschaften
Bild 2-414. Schubmodul G und mechanischer Verlustfaktor eines glasfaserverstärkten und ei-
nes schlagzähmodifizierten PA MXD 6
__________ IXEF 9130 (GF 30)
_ _ _ _ _ _ _ IXEF 13/3 (schlagzäh modifiziert)
■ Wasseraufnahme
Die Wasseraufnahme von Polyamiden, durch Wasserstoffbrücken zwischen be-
nachbarten Amidgruppen (–NHCO–) bedingt, kann nicht völlig vermieden wer-
den.
Wegen des aromatischen Gliedes in der Polymerkette ist die Wasseraufnahme
von PA MXD 6 nicht nur geringer als die von PA 6 und PA 66, Bild 2-416, sondern
sie geht im Unterschied zu allen bekannten Polyamiden vor allem langsamer vor
sich; eine Voraussetzung dafür, dass die meisten mechanischen Eigenschaften
gegenüber wechselnden Umgebungsbedingungen ziemlich unempfindlich sind.
Die Wasseraufnahme und ihre Geschwindigkeit hängen von der Wanddicke des
Formteils ab, Bild 2-417. Ein wesentlicher zweiter Parameter, der die Kinetik der
2.2.1 Thermoplastische Polykondensate 963
Beständigkeit
■ Chemikalienbeständigkeit
Thermoplastische
Polykondensate
Die chemische Beständigkeit von Formstoffen ist grundsätzlich anhand von La-
borprüfungen schwierig zu ermitteln. Sie ist nicht nur abhängig von der Tempe-
ratur des umgebenden Mediums, sondern auch von den Herstellbedingungen
(Spritzbedingungen, Kristallinitätsgrad, innere Spannungen und nicht zuletzt
Lage des Anschnitts). Im Vergleich mit PA 6, PA 11, PBT, PC oder PPE schneidet
PA MXD 6 gut ab. Es ist im Unterschied zu diesen selbst bei einer Temperatur
von 60 °C beständig gegen Propanol, Benzylalkohol, Toluol, Dichlormethan, Te-
trachlorethylen, Aceton, MEK, Tetrachlorethylen und THF.
Bei 20 °C ist es im Unterschied zu PA 6 und PA 66 beständig gegen die Kraft-
stoffe M 10 und M 20 (die Ziffern bedeuten den Volumenanteil von Methanol im
Gemisch mit Otto-Kraftstoff).
964 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
■ Brennbarkeit
Mit einem Sauerstoffindex LOI von 27,5 % nimmt PA MXD 6 unter den techni-
schen Kunststoffen einen günstigen Platz ein. Die flammwidrig ausgerüsteten
Typen werden zumindest bis zu Wanddicken der Formteile von 3,17 mm gemäß
UL 94 nach V-O eingestuft. Diese Flammwidrigkeit wird ohne wesentliche Ver-
änderung anderer Eigenschaften erreicht.
■ Elektrische Eigenschaften
Siehe Tabelle 2-70.
Die elektrischen Eigenschaften werden durch wechselnde Umgebungsein-
flüsse kaum verändert. Hervorgehoben sei auch bei PA MXD 6 die den Polyami-
den allgemein eigene hohe Kriechstromfestigkeit.
2.2.1.1.3.1.3
Verarbeitung
Verarbeitungsbedingungen
Massetemperatur 250 bis 280 °C
Werkzeugtemperatur 100 bis 140 °C
Anwendungsbeispiele
Thermoplastische
Polykondensate
2.2.1.1.3.2
Polyamid 6/6T
2.2.1.1.3.2.1
Allgemeine Stoffbeschreibung, Struktur und allgemeine Eigenschaften
Eigenschaften PA 6/6T PA 66 PA 46
Glasübergangs-
temperatur °C 115/40 a 70/0 a 85/0 a
Zug-E-Modul N/mm2 3500/3600 a 3200/1600 a 3000/1000 a
Streckspannung N/mm2 110/110 a 85/60 a 95/55a
Wasseraufnahme bei
23 °C (Sättigung) % 6,0 8,5 15
a
Nach Feuchtigkeitsaufnahme bei 23 °C, 50% rel. F. (Sättigung).
0 220 9,5 6
– 0,3 295 6,0 6/6T
0,5 371a 5,5 6T
1 500a 4,0 PDAb-T
a
nicht thermoplastisch verarbeitbar.
b
PDA = p-Phenylendiamin.
Der BASF AG gelang in den achtziger Jahren mit Ultramid T erstmals die Her-
stellung eines teilkristallinen, teilaromatischen PA 6/6T Copolyamids von hoher
Verarbeitungsstabilität [18]. Den Aufbau eines aliphatischen und eines aromati-
schen Bausteins zeigt im Prinzip Bild 2-419. Die Ausgangsprodukte von Ultra-
mid T sind Caprolactam, Hexamethylendiamin und Terephthalsäure.
2.2.1.1.3.2.2
Eigenschaften
Thermoplastische
Polykondensate
■ Thermo-Mechanische Eigenschaften
Die Schmelztemperatur von 295 °C ist für ein Polyamid ungewöhnlich hoch.
Darüber hinaus bewirkt der teilkristalline Aufbau – insbesondere bei ver-
stärkten Typen – eine hohe Formbeständigkeit in der Wärme (250 °C bis 255 °C),
Bild 2-420.
Der Vergleich mit anderen thermischen Eigenschaften der Polyamide zeigt,
dass beispielsweise der Längenausdehnungskoeffizient, Bild 2-421, sich in den
Bereich verstärkter PA 66-Typen einreiht.
Der im Torsionsschwingungsversuch ermittelte Schubmodul G¢ in Abhängig-
keit von der Prüftemperatur zeigt beim Vergleich je eines mit 35 %-Glasfaserver-
stärkung ausgerüsteten A- und T-Typs die zu erwartende Überlegenheit von Ul-
2.2.1 Thermoplastische Polykondensate 967
Bild 2-421. Längenausdehnung von Ultramid in Abhängigkeit von der Temperatur, trocken
Thermoplastische
Polykondensate
tramid T, Bild 2-422. Für das Verhalten bei länger dauernder Wärmeeinwirkung
gibt die nach IEC 216 durchgeführte Wärmealterungsbeständigkeit wertvolle
Hinweise für die maximal anwendbaren Temperaturbereiche, die vor allem im
Automobilbau bekannt sein müssen, Bild 2-423. Das gilt vor allem bei Einwir-
kung von heißen Schmierstoffen oder Kühlflüssigkeiten. Die Bilder 2-424 und
2-425 geben dazu – gemessen an der nach längerer Einwirkungsdauer ausge-
wählter Medien – einen wertvollen Einblick.
Einen Vergleich zwischen einigen technischen Polyamiden im trockenen bzw.
leicht feuchten Zustand vermittelt das Balkendiagramm 2-426. Bild 2-427 zeigt
968 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
Bild 2-426. Festigkeit einiger Polyamidsorten bei verschiedenen Temperaturen bzw. Prüfge-
schwindigkeiten
Thermoplastische
Polykondensate
Thermoplastische
Polykondensate
Bild 2-433. Gleitreibungszahl und Verschleißintensität von Ultramid T und Ultramid A. Tribo-
system: Prüfapparatur Stift/Scheibe, p = 1 N/mm2, v = 0,5 m/s
■ Wasseraufnahme
Der Konstrukteur schätzt die im Vergleich zu PA 66 und PA 6 geringere Wasser-
aufnahme, wie Bild 2-434 sehr eindrucksvoll zeigt. Maße und Gewicht von Form-
teilen sind weniger veränderlich.
■ Physikalische Eigenschaften
Eine Übersicht über kennzeichnende physikalische Eigenschaften einiger Ultra-
mid T-Typen gibt Tabelle 2-74.
974 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
Mechanische Eigenschaften
Zug-E-Modul MPa 53457 527 tr/lf
Streckspannung, Bruchspannung*, MPa 53455 527 tr/lf
v = 50 mm/min, V = 5 mm/min*
Bruchdehnung % 53455 527 tr/lf
Zug-Kriechmodul, 100 h, Dehnung ≤ 0,5 % 23°C/120°C MPa 43444 899 tr/lf
Charpy-Schlagzähigkeit + 23 °C kJ/m2 53453 – tr/lf
Charpy-Schlagzähigkeit – 40 °C kJ/m2 53453 – tr/lf
Izod-Kerbschlagzähigkeit 4Ab + 23 °C kJ/m2 – 180/4A tr/lf
Izod-Kerbschlagzähigkeit 4Ab – 40 °C kJ/m2 – 180/4A tr/lf
Schädigungsarbeit W50, Gehäuse + 23 °C J 53443 T1 6603/1 tr/lf
Schädigungsarbeit W50, Gehäuse – 30 °C J 53443 T1 6603/1 tr/lf
Kugeldruckhärte H 961/30 MPa – 2039/1 tr
Thermische Eigenschaften
Biegetemp. unter Last 1,8 MPa (HDT A) °C – 75 tr
Vicat-Erweichungstemperatur VST/B/50 °C – 306 tr
Max. Gebrauchstemperatur, bis zu einigen h c °C – – –
Temperaturgrenze bzw. auf 50% Zugfestigkeits- °C – 2578 nach ISO 3167
abfall nach 20000 h/5000 h d
Therm. Längenausdehnungskoeff., 10–5 K 53752 – tr
längs/quer (23–80 °C)
Wärmeleitfähigkeit W/(m · K) 52612 – tr
Spezifische Wärmekapazität J/(g · K) – 1006* tr
Elektrische Eigenschaften
Dielektrizitätszahl bei 1 MHz – 0303-T4 250 tr/lf
Dielektr. Verlustfaktor bei 1 MHz – 0303-T4 250 tr/lf
Spez. Durchgangswiderstand W · cm 0303-T30 93 tr/lf
Spez. Oberflächenwiderstand W 0303-T30 93 tr/lf
Elektr. Durchschlagfestigkeit K20/P50 kV/mm 0303-T21 243/1 tr/lf
Vergleichszahl der Kriechwegbildung CTI. – 0303-T1 112/A tr/lf
Prüflösung A
Vergleichszahl der Kriechwegbildung CTI M – 0303-T1 112/A tr/lf
Prüflösung B
Thermoplastische
Polykondensate
CTI 600 M CTI 600 M CTI 375 M CTI 275 M CTI 450 M CTI 525 M CTI<100 M CTI 375 M
Thermoplastische
Polykondensate
A1 A1 A1 A1 A1 A1 A1 A1
976 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
2.2.1.1.3.2.3
Beständigkeit
■ Brennbarkeit
PA 6/6T zersetzt sich bei Temperaturen von mehr als 350 °C. Brennbare Gase bil-
Thermoplastische
Polykondensate
den sich zwischen 400 °C und 500 °C, die nach Überschreiten der Zündtempera-
tur weiterbrennen. Der Spezialtyp Ultramid TKR 4365 G5, ein mit 25 Masse-%
glasfaserverstärktes Material, ist flammfest ausgerüstet, sodass bis zu einer
Dicke von 0,8 mm UL 94-Klassifizierung V-O erreicht wird; ein besonderer Vor-
teil für die Elektro- und Automobilindustrie.
2.2.1.1.3.2.4
Elektrische Eigenschaften
Die guten Isoliereigenschaften von 6/6T erkennt man am Beispiel des spezifi-
schen Durchgangswiderstandes in Abhängigkeit von der Temperatur, Bild 2-435,
2.2.1 Thermoplastische Polykondensate 977
2.2.1.1.3.2.5
Verarbeitung
Siehe PA 6 und PA 66. Einige spezifische Angaben enthält darüber hinaus Tabelle
2-75. Den Spritzgießer interessiert das Fließverhalten der PA 6/6T-Formmas-
sen. Die Bilder 2-436 und 2-437 zeigen die mit vergleichbaren PA 66 und Ultra-
mid T-Typen bei verschiedenen Wanddicken der Fließspirale erzielbaren Ergeb-
Thermoplastische
Polykondensate
nisse.
Anwendungsbeispiele
Fahrzeugbau: Zylinderkopfhaube, Ölwanne, Wasserkästen, Kraftstoffpum-
penteile, Lagerkäfige, Pedale, Bremsscheibenabdeckungen, Befestigungs-
elemente, Kupplungsdruckscheiben, Kabelabdeckungen.
Elektrotechnik: Schalterteile, Gehäuse, Steckvorrichtungen, Schaltele-
mente, Kontaktstücke, Leiterplatten, Spulenkörper.
Maschinen- und Apparatebau: Lager, Gehäuse, Verbindungselemente.
Sport und Freizeit: Tennis- und Golfschläger, Skibindungen.
978 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
Produktmerkmale
Kurzzeichen – 7728 1043 –
Dichte g/cm3 53479 1183 tr
Verstärkung/Füllstoffgehalt:
Glasfaser (GF), Mineral (M), Kohlenst.-Faser (CF) % – – –
Stabilisierung – – – –
Brandschutzausrüstung (B), Zähmodifizierung (Z) – – – –
Viskositätszahl (Lösung 0,005 g/ml Schwefelsäure) ml/g 53727 307 –
Einfärbung: natur (n), schwarz (sw), Sonderfarben (so) – – – –
Wasseraufnahme, Sättigung in Wasser bei 23°C % 53495/1L – –
Feuchtigkeitsaufnahme, Sättigung bei Normalklima
23°C/50% r. F. % – – –
Verarbeitung
Verarbeitungsverfahren: Spritzgießen (M), Extrusion (E) – – – –
Schmelztemperatur, DSC °C – 3146 –
Schmelz-Volumenrate MVR 325/5 ml/10 min – 1133 –
Massetemperaturbereich, Spritzgießen °C – – –
Werkzeugtemperaturbereich °C – – –
Verarbeitungsschwindung, frei, längs/quer a % – – tr
Verarbeitungsschwindung, behindert, längs/quer c, d % – – tr
Werkstoffkennwerte zum Brennverhalten
Prüfung nach UL-Standard, horizontal/vertikal*
bei 1,6 mm Dicke Klasse – UL94 –
Prüfung von Werkstoffen der Kfz-Innenausstattung
bestanden = (+) – – FMVSS 302 lf
40
(+)
295
130
1,18
ringe Wasseraufnahme, hoher Schmelzpunkt (295 °C). Mechanische Eigen-
M, E
0,7/1
1/1,2
94HB
1,6–2
schaften bleiben nach Festigkeitsaufnahme bis 60 °C konstant.
60–100
6,5–7,5
PA 6/6T
n, sw, so
KR 4350
310–340
unverstärkt
10
Für Extrusion, im Übrigen wie KR 4350.
(+)
295
210
1,18
0,7/1
1/1,2
1,6–2
94V-2*
60–100
6,5–7,5
PA 6/6T
KR 4352
310–340
앫
Glasfaserverstärktes Produkt für Spritzguss; hohe Zähigkeit. Festigkeit u. Stei-
30
G5
(+)
295
130
figkeit, geringe Wasseraufnahme, hoher Schmelzpunkt (295 °C). Mechanische
5–6
1,36
94HB
Eigenschaften bleiben nach Feuchtigkeitsaufnahme bis 60 °C konstant.
GF 25
0,4/0,6
0,4/0,7
1,1–1,5
70–100
PA 6/6T
n, sw, so
KR 4355
320–350
verstärkt
앫
Siehe KR 4355 G5.
25
G7
(+)
295
130
1,44
94HB
GF 35
0,4/0,6
70–100
0,8–1,2
4,3–5,3
2.2.1 Thermoplastische Polykondensate
0,3/08,8
PA 6/6T
n, sw, so
KR 4355
320–350
Z
앫
M
Siehe KR 4355 G5, jedoch schlagzähmodifiziert.
20
G6
(+)
295
130
4–5
1,39
94HB
0,6–1
GF 30
0,4/0,7
0,3/0,8
70–100
PA 6/6T
n, sw, so
KR 4357
320–350
B
앫
25
G5
(+)
295
130
n, sw
GF 25
0,4/0,6
0,4/0,7
70–100
1,1–1,5
94V-O*
PA 6/6T
lötbadbeständig, galvanisierbar.
KR 4365
310–330
앫
15
sw
C6
(+)
295
130
94HB
CF 30
1–1,4
0,2/0,5
70–100
4,5–5,5
PA 6/6T
KR 4370
320–350
앫
(+)
295
130
1,41
94HB
Schwindung, geringer Verzug. Mechanische Eigenschaften bleiben nach
0,8/0,5
1,4/1,2
70–100
0,8–1,2
4,2–5,2
PA 6/6T
n, sw, so
320–350
979
Thermoplastische
Polykondensate
980 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
2.2.1.1.3.3
Polyphthalamid PPA
Amoco Performance Products kündigte 1990 einen neuentwickelten, hoch-wär-
mebeständigen, teilkristallinen, teilaromatischen Thermoplasten, das Amodel®,
an. PPA basiert u. a. auf Terephthal- und/oder Isophthalsäure. Das Ziel bestand
darin, die im Hinblick auf das Preis/Leistungsverhältnis zwischen den klassi-
schen Technischen Kunststoffen und den teueren Hochleistungskunststoffen,
wie den schwefel- und imidhaltigen Polymeren, bestehende Lücke zu schließen.
2.2.1.1.3.3.1
Allgemeine Stoffbeschreibung, Struktur und allgemeine Eigenschaften
Wärmeformbest.
1,8 MPa D-648 °C 285 224 260 249 210 207 163
Zugfestig- D-638 MPa 220 160 110 186 170 120 128
keit, 23°C
Biegemodul, D-790 MPa 11,400 9,000 9,700 9,000 9,000 7,600 7,300
Thermoplastische
Polykondensate
23°C
Izod-Kerb- D-256 J/m 128 101 54 107 107 85 85
schlagzä-
higkeit
Dichte D-792 g/cm3 1,43 1,56 1,57 1,38 1,51 1,53 1,61
Wasserauf- D-570 % 0,21 0,05 0,06 0,7 0,18 0,08 0,29
nahme,
23°C,
24 Std.
982 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
2.2.1.1.3.3.2
Thermo-Mechanische Eigenschaften
■ Thermo-Mechanische Eigenschaften
Die Staffelung der Zugfestigkeit des Typensortimentes zeigt Bild 2-438 (Typen-
übersicht siehe oben). Der Vergleich von PPA mit PA 66 und PPS wird in Bild
2-439 gezogen. PPA-Formstoffe bleiben selbst bei einer Einsatztemperatur von
180 °C bis zu 10000 h in ungeschädigtem Zustand, wie Bild 2-440 überzeugend
zeigt.Auch im Hinblick auf die spezifische Zugfestigkeit s/g schneidet PPA beim
Vergleich von mit 25 bis 33 Masse-% Glasfasern verstärkten Technischen Poly-
meren gut ab, Bild 2-441. Für den Konstrukteur hochbeanspruchter, zugfester,
steifer und dennoch leichter Bauteile ist ebenso die Kenntnis des Verhältnisses
von Zugfestigkeit zu Steifigkeit (s/E) von Interesse.
Bild 2-442 A zeigt diesen Zusammenhang für spritztrockene und Bild 2-442 B
für konditionierte Formstoffe.
Den Vergleich der im Biegeschwingungsversuch ermittelten E-Moduli von
Thermoplastische
Polykondensate
PPA, PPS und PA 66 zeigt Bild 2-443. Den Biege-Kriechmodul von GF 33 % glas-
faserverstärktem PPA und PA 66 vergleicht Bild 2-444.
Über das Ermüdungsverhalten von PPA und einiger vergleichbarer Thermo-
plaste informiert Bild 2-445 am Beispiel der Biegewechselfestigkeit.
■ Thermische Eigenschaften
Im Hinblick auf die thermische Ausdehnung in Längs- und Querrichtung ver-
halten sich die mineralgefüllten PPA-Typen naturgemäß am günstigsten. Sie nei-
gen weniger zum Verzug als die GF-verstärkten. Bild 2-446 gibt den linearen
Wärmeausdehnungskoeffizienten einiger PPA-Typen in Längs- und Querrich-
tung wieder.
984 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
■ Wasseraufnahme
PPA gehört zur Familie der Polyamide. Daraus folgt, dass es beim Einsatz in
feuchter Umgebung Wasser aufnimmt. Bild 2-449 zeigt, dass Polyphthalamid we-
sentlich weniger Feuchtigkeit aufnimmt als vergleichbare glasfaserverstärkte
Polyamide, dementsprechend sind auch die bei Wasserlagerung auftretenden
Maßänderungen gering, Bild 2-450. Auch die mechanischen Eigenschaften ver-
ändern sich im Vergleich zu PA 66 wesentlich weniger, Bild 2-451.
Thermoplastische
Polykondensate
Allgemeine
Dichte 53479A g/cm3 1,46
Wasseraufnahme, 24 h 53495 % 0,21
mechanische
Zugfestigkeit 53455 MPa 193
Bruchdehnung 53455 % 2,1
Biegefestigkeit 53452 MPa 254
Biegemodul 53457 MPa 11400
Scherfestigkeit D-732 MPa 89
Druckfestigkeit 53454 MPa 247
Izod-Kerbschlagzähigkeit D-256 J/m 101
Charpy-Kerbschlagzähigkeit ISO 179/1A kJ/m2 9,1
Charpy-Schlagzähigkeit ISO 179/1D kJ/m2 34
Rockwell Härte D-785 R 125
Thermische
Wärmeformbeständigkeit, 1,8 MPa 53461 °C 285
0,45 MPa °C 297
Dauergebrauchstemp. 5000 Std. D-3045 °C 185
20000 Std. °C 165
100000 Std. UL °C
Brandverhalten, 3,2 mm, getestet nach UL 94 HB
Linearer Wärmeausdehnungs-
koeffizient (· 10–5), I/q 53752
0–100 °C 1/°C 2,4/6,0
160–250 °C 1/°C 1,5/13,0
Elektrische
Durchschlagfestigkeit, 3,2 mm D-149 kV/mm 21,6
Kriechstromfestigkeit IEC112 V 550
Glühdrahtprüfung bei 960°C VDE 0471/2 2,5 mm
Thermoplastische
Polykondensate
1,5/5,2 3,4/4,0
1,0/10,2 7,9/9,2
23 18 > 22 25
550 550 550 500
2,5 mm 1,6 mm
Thermoplastische
Polykondensate
■ Physikalische Eigenschaften
Einen Überblick über die kennzeichnenden physikalischen Eigenschaften eini-
ger ausgerüsteter Typen des Amodel Sortimentes gibt Tabelle 2-76.
2.2.1.1.3.3.3
Beständigkeit
■ Chemikalienbeständigkeit
Abgesehen vom chemischen Aufbau des jeweiligen Polymeren ist die Beständig-
keit gegen in Kontakt mit dem Formstoff befindliche Medien abhängig vom ge-
samten umgebenden Technoklima. Tabelle 2-77 gibt die Beständigkeit von PPA
und einiger vergleichbarer Polymeren bei Einwirkung organischer Lösemittel
wieder, während in Tabelle 2-78 das Verhalten bei Einwirkung von Medien wie-
dergeben wird, die für den Einsatz in Automobilen üblich sind [19].
Tabelle 2-77. Beständigkeit einiger glasfaserverstärkter Polymeren gegen den Angriff durch
organische Lösemittel
Temperatur Material ZF L G
°C % % %
Tabelle 2-78. Beständigkeit einiger glasfaserverstärkter Polymeren gegen den Angriff durch
Kraftstoffe und verwandte Medien im Automobilbau
KFZ-Flüssigkeit Kraftfahrzeugflüssigkeiten
Ergebnisse nach 30 Tagen Einlagerungszeit
Temperatur Material ZF L G
°C % % %
PPA –1 0 0,4
Bremsflüssigkeit 49 PA 6,6 +5 – 0,1 0,2
PET –3 0 1,0
PPA –2 0 0,1
Dieselkraftstoff 23 PA 6,6 0 0 0,3
PET 0 – 0,1 0
PPA – 14 0 1,4
Gasohol (10% Ethanol) 23 PA 6,6 – 35 0,1 3,5
PET –7 – 0,1 0,7
PPA –8 0 0,3
Hydraulikflüssigkeit 49 PA 6,6 +3 0 0,3
PET +5 – 0,1 0,1
PPA –5 0 0,4
Düsenkraftstoff (JP-4) 23 PA 6,6 0 0 0,3
PET 0 0 0,1
PPA 0 0 0,1
Motoröl 110 PA 6,6 +6 0 – 0,2
PET –9 – 0,1 – 0,6
PPA –3 0 0,1
Lenkhilfeflüssigkeit 49 PA 6,6 +6 0 0,2
PET +8 0 0
PPA –3 0 0,1
Getriebeöl 110 PA 6,6 +5 – 0,1 – 0,2
PET – 36 0,1 – 0,6
PPA –4 0,1 0
Bleifreier Kraftstoff 23 PA 6,6 –1 0,1 0,1
PET –1 0 0,1
2.2.1.1.3.3.4
Verarbeitung
Anwendungsbeispiele
Automobilbau: Lagerkäfige, Befestigungselemente, Ventildeckel, Pumpen,
Ladeluftkühler, Wasserkästen, Drosselklappen-Stellglieder, Zündanlagen-
Bauteile, Multiplexergehäuse und Scheinwerferreflektoren.
Elektrotechnik und Elektronik: Steckverbinder, Elektromotorenkompo-
nenten, Sensoren, IC-Gehäuse, Spulenkörper, Lampenfassungen, Leuchten-
gehäuse.
Sanitätsbereich: Armaturen, Sport- und Freizeitartikel sowie Reib- und
Gleitkomponenten im Maschinenbau.
2.2.1 Thermoplastische Polykondensate 993
2.2.1.1.3.4
Weitere partiell aromatische Polyamide
Die bisher vorgestellten partiell aromatischen Polyamide wie PA 6/6 T und Po-
lyphthalamid gehören zur Gruppe der teilkristallinen Hochleistungspolymeren.
Ebenso wie die BASF AG und Amoco Performance Products hat auch die EMS
Chemie AG (Domat/EMS/CH) ihr sehr reichhaltiges PA-Sortiment, das u. a. PA
12/ MACM I sowie die PA-Elastomere Grilamid ELY und Grilon ELX umfasst, so-
wohl durch amorphe partiell aromatische Polyamide (Grilamid TR und Grivory
G21) als auch durch teilkristalline partiell-aromatische Polyamide (Grivory HT)
auf Basis Copolyamid 6T/X ergänzt.
Das TROGAMID T, ein PA 6-3-T der Degussa AG, umfasst Basispolymere und
Formmassen, die sich vor allem durch eine dauerhafte Transparenz und hohe
Chemikalienbeständigkeit auszeichnen.
2.2.1.1.3.4.1
Eigenschaften
Bei den partiell aromatischen Polyamiden ist z. T. deutlich unterschiedliches
thermisches und mechanisches Verhalten gegenüber den Standard-PA-Typen zu
beobachten. Dies betrifft sowohl den Schmelzpunkt, die Glastemperatur, die
Wasseraufnahme, chemische Beständigkeiten, elektrische und optische Eigen-
schaften, das mechanische Verhalten als auch die generellen Verarbeitungsei-
genschaften. Da sich die verschiedenen Typen untereinander ebenfalls sehr
deutlich unterscheiden, zudem noch eine Vielzahl von Blends angeboten wird,
auf der anderen Seite aber der Marktdurchsatz dieser Spezialitäten doch eher ge-
ring ist, sei hier an dieser Stelle auf die allgemein auch im Internet angebotenen
Datenblätter verwiesen.
Thermoplastische
Polykondensate
2.2.1.1.4
Modifizierte Polyamide
Die Reihe der heute am Markt angebotenen Polyamidtypen eröffnete vor sech-
zig Jahren das PA 66 (Nylon) und das PA 6 (Perlon). Beide erlangten zunächst als
Rohstoffe für die Herstellung synthetischer Textilfasern ihre größte Bedeutung.
Erst in den fünfziger Jahren wurden sie als technische Werkstoffe auf vielen
Anwendungsgebieten zu Konkurrenten der bis dahin in der Technik fast aus-
schließlich verwendeten Duroplaste. Dieses um so mehr, als ihr Eigenschaftsbild
durch den Zusatz von mineralischen Füllstoffen und/oder Glasfasern noch
näher an das der härtbaren Formmassen heranrückte. Die die Polyamide kenn-
994 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
PA 11 PA 12
tr. 40 kond. 65 – – 20 22
– – – – 45 28
70 40 75 14–32 30 29–33
75 200 8 200 300 500–700
2600 1100 4300 80–360 250 20–200
o.B. o.B. o.B. o.B. o.B. o.B.
o.B. o.B. 90 o.B. o.B. o.B.
16–20 o.B. 70 o.B. o.B. o.B.
– – 40 8–o.B. 10 o.B.
115 70 175 – – –
– – – 40–62 50 55–80
2.2.1.1.4.1
Flexible Polyamide
Wie bereits im Abschnitt über Funktions-Zusatzstoffe berichtet, ist es möglich,
mit Hilfe von Weichmachern ähnlicher polarer Struktur (z. B. Cetamol, BASF
AG) die Basispolymeren des Sortiments zu flexibilisieren. Die höhere Dehnung
und Kerbschlagzähigkeit bei Raumtemperatur rückt diese Materialtypen in die
Nähe der thermoplastischen PA-Elastomeren gleicher Härte, wie Tabelle 2-79
996 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
2.2.1.1.4.1.1
Verarbeitung
(siehe Abschnitt Polyamide, Tabelle 2-72)
2.2.1.1.4.1.2
Anwendungsbeispiele
Anwendungsbeispiele sind: Sportartikel, Luft- und Schlauchleitungen, Laufrol-
len, Dichtungen und Kabelummantelungen. Das Angebot nahezu aller Herstel-
ler von Polyamiden enthält flexible PA-Sorten.
2.2.1.1.4.2
Co-Polyamide
Einen anderen Weg, der jedoch zu Polyamiden mit hoher Festigkeit bei gleich-
zeitiger hoher Schlagzähigkeit – allerdings nicht in der Kälte – führt, bietet die
Block-Copolymerisation. Die am Markt vorhandenen Copolyamide sind vor-
wiegend aus den Monomeren Caprolactam, Hexamethylendiamin und Laurin-
lactam aufgebaut. Als Schmelzklebstoffe – der wichtigsten Anwendungsform –
werden die Produkte vorwiegend im Pulverschmelzverfahren – mit anschlie-
ßendem Sintern – auf textile Einlagestoffe aufgetragen. Sie versteifen das Ge-
webe und sind beständig gegen Reinigungsmittel und Waschlaugen.
Eine Anwendung für Copolyamide, bei denen der PA 6-Anteil überwiegt, ist
das Coextrudieren mit PE-LD nach dem Schlauchfolienverfahren. Produkte mit
überwiegendem PA 66-Anteil werden wegen ihrer hohen Zähigkeit durch
Spritzgießen verarbeitet [20]. Man kann somit diese Materialien im Einzelfall als
PA 66/6- bzw. PA 6/66-Copolyamide bezeichnen. Es gehört zu den hervorste-
chenden Eigenschaften dieser Cokondensate, dass die elastischen Eigenschaften
– im Unterschied zu den flexibilisierten Basistypen – zeitlich unverändert blei-
ben. Eine Weichmacherwanderung findet nicht statt.
Richtwerte der Eigenschaften eines mit je 30 % Masseanteil GF und minerali-
Thermoplastische
Materialtyp weist eine höhere Zähigkeit und Biegewechselfestigkeit auf, als ana-
loge PA 66-Einstellungen. Die Glasfaserverstärkung bewirkt eine hohe Wärme-
standfestigkeit, was den Einsatz daraus hergestellter Formteile im Motorraum
von Kraftfahrzeugen zulässt.
2.2.1.1.4.2.1
Verarbeitung
Die Bedingungen für das Ur- und Umformen von Formteilen und Halbzeug aus
PA-Cokondensaten lehnen sich an die der Basispolymeren (d. h. vorwiegend von
PA 6, PA 66 und PA 11, PA 12) an.
2.2.1 Thermoplastische Polykondensate 997
2.2.1.1.5
Thermoplastische Polyamid-Elastomere
Die Überlegung, die typischen Elastomereigenschaften vulkanisierter Kaut-
schuke mit der leichten Verarbeitbarkeit der Thermoplaste zu verbinden, führte
auch bei den Polyamiden zur Entwicklung thermoplastischer Elastomere.
Als Konstruktionswerkstoffe erfüllen sie die Forderung an eine leichte Verar-
beitbarkeit des Produktes als Schmelze sowie diejenige an das Fertigteil im Hin-
blick auf niedrige Glasübergangs (Tg)- und hohe Schmelztemperatur (Ts), mit an-
deren Worten nach einem breiten Temperaturintervall zwischen Tg und Ts. Diese
Bedingungen können weder die Homopolymeren noch die statistischen Copoly-
meren, sondern nur Block-Copolymeren erfüllen, wie Bild 2-454 zeigt. Die Block-
polymeren bestehen innerhalb einer Kette aus alternierenden und ausreichend
langen „harten“ und „weichen“ Segmenten, Bild 2-455. Die Elastomereigenschaf-
ten kommen dadurch zustande, Bild 2-456, dass diese Ketten untereinander in
Thermoplastische
Polykondensate
Wechselwirkung treten, und zwar so, dass die harten Segmente aggregierte Berei-
che bilden und in der amorphen Matrix als physikalische Vernetzungspunkte wir-
ken (im Falle der PA-Elastomeren durch Wasserstoffbrücken-Kräfte intermoleku-
lar eng gebunden). Die physikalische Vernetzung ermöglicht die thermoplastische
Verarbeitbarkeit und nach dem Erstarren das Verhalten als Elastomer. Die Eigen-
schaft als elastomerer Werkstoff mit hoher Zugfestigkeit ist nur dann erreichbar,
wenn mehr als zwei Hartsegmente pro Block-Copolymer-Baustein vorhanden
sind.Zwei- und Dreiblock-Copolymere mit einem Hartsegment pro Blockmolekül
weisen keine Elastomereigenschaft auf.
2.2.1.1.5.1
PA 12-Elastomere
Das erste thermoplastische PA-Elastomer wurde von der Hüls AG entwickelt und
anlässlich der K’79 in Düsseldorf als Vestamid E der Fachwelt vorgestellt. Bild
2-457 zeigt den Aufbau dieser sehr flexiblen, kälteeschlagzähen, teilkristallinen
Elastomeren.
2.2.1.1.5.1.1
Allgemeine Stoffbeschreibung, Synthese und Struktur
Hartsegment Weichsegment
Durch Wahl der Masseanteile der Komponenten sowie durch Variation der PA
12- und der PTHF-Sequenzlängen können die Eigenschaften der einzelnen Ty-
2.2.1 Thermoplastische Polykondensate 999
2.2.1.1.5.1.2
Thermo-Mechanische Eigenschaften
2.2.1.1.5.1.3
Verarbeitung
Verarbeitungsbedingungen
Die optimalen Verarbeitungstemperaturen liegen tiefer als bei PA 12. Sie nehmen
Thermoplastische
Polykondensate
mit zunehmendem Masseanteil von PTHF von 210 – 230 °C auf 170 – 190 °C ab.
Beim weichmacherhaltigen Typ Vestamid E 33 LW beträgt sie nur 150 – 170 °C.
Anwendungsbeispiele
Skischuhe, Sohlen, Bälle, Fahrradsättel, Schläuche, Dichtungen, Pumpen-
membranen, Armaturen, Dämpfungselemente, Katheter und Tankver-
schlusskappen. Die flammwidrig ausgerüsteten Typen eignen sich für Ka-
belummantelungen und sonstige Anwendungen in der Elektrotechnik. Die
dauerantielektrostatisch ausgerüsteten Typen werden in Sicherheitsberei-
chen eingesetzt.
1000 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
Trotz des im Vergleich mit Kautschuk höheren Preises sind die daraus
hergestellten Formteile um 10 bis 20 % billiger, weil die Dichte um 25 %
niedriger ist, die Wanddicken um 50 % dünner gewählt und die Spritzzy-
klen um 30 s kürzer eingestellt werden können.
2.2.1.1.5.2
PA 11-Elastomer
2.2.1.1.5.2.1
Allgemeine Stoffbeschreibung, Synthese und Struktur
Der Handelsname des 1981 von der Elf Atochem eingeführten Pebax ist vom
Wort Poly-Ether-Block-Amid abgeleitet.
Es handelt sich um Copoly(ether-ester-amide), die durch Polykondensation
von carbonylendgruppen-haltigen Polyamiden mit linearen oder verzweigten
Dihydroxy-Polyethern hergestellt werden.
Die Strukturformel dieses Polyetheramids besagt: Die Art des Polyamid-
blocks (bei Pebax meist PA 11) bestimmt die Schmelztemperatur und die chemi-
schen Eigenschaften. Die Länge des PA-Blocks beeinflusst ebenfalls die Schmelz-
temperatur.
PA = Polyamidsegment PE = Polyethersegment
hohe Chemikalienbeständigkeit,
• leicht einfärbbar,
• für alle Fertigungsverfahren geeignet,
• enge Fertigungstoleranzen,
• hoch füllbar,
• keine Weichmacher,
• Shore-Härten zwischen 63 D und 60 A,
• gesundheitlich einwandfrei,
• physiologisch unbedenklich.
Richtwerte der wichtigsten Eigenschaften enthält Tabelle 2-79.
2.2.1 Thermoplastische Polykondensate 1001
■ Zusatzstoffe
An Funktions-Zusatzstoffen kommen Antioxidantien, UV-Stabilisatoren, Brand-
schutzausrüstung, Schmiermittel und Antielektrostatika in Betracht.
An mineralischen Füllstoffen werden bis zu 50 % Masseanteil hinzugegeben.
Als Verstärkungsstoffe dienen Glas- und C-Fasern.
■ Beständigkeit
Lösemittel wirken quellend, nicht beständig gegen: Säuren und Laugen, bestän-
dig gegen: Wasser.
Anwendungsbeispiele
Siehe PA 12-Elastomer.
■ Sortiment
Das Pebax-Sortiment ist sehr reichhaltig. Der Flexibilitätsbereich beträgt Shore
63 D bis 60 A. Die Schmelzpunkte variieren entsprechend mit dem Verhältnis der
Komponenten zwischen 120 °C bis 210 °C. Die Typen mit niedriger Wasserauf-
nahme nehmen bei Raumtemperatur deutlich unter 1 % Wasser auf. Dagegen
bringen es hydrophile Typen auf 1,2 %. Dazu kommt die Vielfalt an mineralischen
Füllstoffen (TiO2, CaCO3, BaSO4, ZnO). Durch die Zugabe von MoS2 oder PTFE
kann das Gleit- und Abriebverhalten wesentlich verbessert werden. Ein pulver-
förmiger Materialtyp für Beschichtungen ergänzt das Sortiment.
2.2.1.1.6
Guss-Polyamide und Polyamid-RIM-Systeme
Dieter Gittel, Peter Elsner
2.2.1.1.6.1
Allgemeine Eigenschaften
2.2.1.1.6.1.1
Allgemeine Stoffbeschreibung, Synthese und Struktur
Thermoplastische
Polykondensate
PA 6-G
Energieeinsatz herzustellen. Aus Bild 2-458 wird der grundsätzliche Vorteil der
anionischen Polymerisation leicht ersichtlich.
2.2.1.1.6.1.2
Verarbeitung
■ Schmelzeaufbereitung
Zur Verarbeitung werden Schmelzeaufbereitungs- und Dosieranlagen verwen-
det, welche in ihrer Ausführung dem zu verwendeten Monomer und dem an-
Thermoplastische
Polykondensate
2.2.1.1.6.2
Gusspolyamid 6
2.2.1.1.6.2.1
Allgemeine Stoffbeschreibung
2.2.1.1.6.2.2
Verarbeitung von e -Caprolactam zu PA 6-G
• Schmelzpunkt e-Caprolactam: 69 °C
• Lagertemperatur langzeitig flüssig: 85 °C
• Mögliche Schmelzetemperaturen: 90 bis 140 °C
110 bis 140 °C Entformung < 10 min
• Mögliche Werkzeugtemperaturen: 130 bis 170 °C
• Anteil Aktivator: 0,5 bis 2,5 Gew.- %
• Anteil Katalysator: 1,0 bis 3,0 Gew.-%
• Feuchtigkeitsgehalt: < 0,02 % (N2-Überlagerung
der Schmelze erforderlich)
• Dichte Caprolactam bei 100 °C: ca. 1,0 g/cm3
• Dichte Gusspolyamid 6: 1,14 – 1,15 g/cm3
• Volumenschwindung: 15 %
Thermoplastische
Polykondensate
2.2.1.1.6.3
Gusspolyamid 6/12 (Copolymerisation)
2.2.1.1.6.3.1
Allgemeine Stoffbeschreibung
2.2.1.1.6.4
Elastomermodifiziertes Gusspolyamid 6 (Nyrim™)
2.2.1.1.6.4.1
Allgemeine Stoffbeschreibung
H–(–O–R–O)x–[–CO–(CH2)5–NH–]y–H
Nyrim‘ (NBC)
Thermoplastische
Polykondensate
2.2.1.1.6.4.2
Verarbeitung
Die Herstellung wie auch die möglichen Fertigungsverfahren ähneln der be-
schriebenen anionischen Polymerisation von e-Caprolactam zu PA 6-G.
2.2.1.1.6.4.3
Anwendungsbeispiele
2.2.1.1.6.5
Gusspolyamid 12
2.2.1.1.6.5.1
Allgemeine Stoffbeschreibung
Elastomeranteil – – – 10 15+25GF/GK 40 –
Mechanische Eigenschaften
Streckspannung (ISO 527) MPa 85/60 75–90 80/60 58/49 55/28 26/22 54–60
Reißdehnung (ISO 527) % 3–5/50 5–40/30–60 1 /50 40/250 7/30 420/420 ≥100
Zug-E-Modul (ISO 527) GPa 4,0/3,3 2,8–3,5 / 0 3, /2,1 2,45/1,2 3,75/1,82 0,45/0,23 2,0
Biegefestigkeit (ISO 178) MPa 140*/70* 140*/70* 140*/70* – – – 90
Biege-Elastizitätsmodul (ISO 178) MPa 3,3/2,5 3,4/2,5 3,4/2,5 2,5/1,16 3,85/1,95 0,5/0,24 2,0
Kugeldruckhärte (ISO 2039-1) MPa 160/125 160/130 160/90 79/74 82/76 59/52 100
2.2.1 Thermoplastische Polykondensate
Schlagzähigkeit (ISO 180/1C) kJ/m2 ohne Br. ohne Br. ohne Br. 16/31 9/9 – 110
Kerbschlagzähigkeit (ISO 180/1A) kJ/m2 >3,5/>15 >2,7/>12 2,7/>12 13 9 >10 >10
ThermischeEigenschaften
Formbeständigkeit:
HDT; Verfahren A (ISO-R 75) °C 95 95 – 110 – – –
HDT; Verfahren B (ISO-R 75) °C 195 195 185 – – – 122
Maximale Anwendungstemperatur:
kurzzeitig °C 180 170-180 170–180 160 170 – 155
dauernd °C 100 100 115–120 95–100 95–100 95 110
Wärmeleitzahl (23°C, 52612) W/(K*m) 0,24 0,24 0,24 0,3 – – 0,23
Ausdehn.-koeff. (23–55°C; DIN 53752) 10–5/K 6–8 8,5–9,5 8 7–8 6 7–8 2,9
Spez. Wärmekapazität (RT; IEC 1006) J/g*K 1,7 1,67 1,67 – - – 2,5
Sonstige Eigenschaften
Dichte (DIN 53479) g/cm3 1,15 1,15 1,15 1,13/1,16 1,23/1,25 1,09/1,11 1,02
Feuchteaufnahme (NK) (ISO-R 62) % 2,5 2,5 2,5 3,1 2,3 1,6 0,9
Wasseraufnahme (Sättigung, ISO-R 62) % 6– 7 6–7 7 – – – 1,4
Brennbarkeit (UL Standard 94) - HB HB HB HB HB HB HB
* = 3,5%-Biegespannung.
1009
Thermoplastische
Polykondensate
1010 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
2.2.1.1.6.5.2
Verarbeitung von Laurinlactam zu PA 12-G
2.2.1.1.7
Polymermodifizierte Polyamide
2.2.1.1.7.1
Allgemeine Stoffbeschreibung
War der Fortschritt auf dem Gebiet der Polyamide in den fünfziger Jahren durch
die Entwicklung leicht fließender nukleierter Spritzgussmassen gekennzeichnet,
2.2.1 Thermoplastische Polykondensate 1011
träglich. Sie können allenfalls durch feinstes Dispergieren mit der PA-Kompo-
nente lose verbunden werden. Eine wesentliche Verbesserung erbrachten
Copolymere aus Ethylen und polaren Monomeren, beispielsweise Vinylacetat.
Polymerblends aus PA und EVA in fein verteilter Form bewähren sich seit vielen
Jahren als trocken-schlagzähe Compounds. Das Eigenschaftsbild dieser Poly-
merblends kann darüber hinaus noch dadurch verbessert werden, dass als PA 6-
Ligand ein höhermolekularer Typ gewählt wird, Tabelle 2-79.
Eine Vorstellung vom mechanischen und thermischen Verhalten PO-modifi-
zierter Polyamide vermitteln die Bilder 2-461 und 2-462. Die Weichkomponente
führt außer einem 10- bis 20-prozentigen Abnehmen des E-Moduls nicht zu ei-
ner wesentlichen Beeinträchtigung des mechanisch thermischen Verhaltens.
1012 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
Wie die Schubmodulkurven, Bild 2-461 zeigen, ist die für normales PA charakte-
ristische treppenförmige Temperaturfunktion erhalten geblieben. Bei Tempera-
turen bis zu +40 °C sind die (PA 6 + PO)-Blends sogar etwas steifer als das PA
66/Elastomerblend.
Die als Haftvermittler bei PA/PE-Verbundfolien bekannten Ionomere (s. Ab-
schn. 2.1.1.7) eignen sich wegen ihrer Verträglichkeit mit PA ebenfalls zum
Verbessern der genannten negativen Eigenschaften von PA 6 und PA 66. Die Io-
nomere sind Na- oder Zn-Salze carboxylierter Polyolefine. Die Wirksamkeit der
Legierungen wird jedoch durch eine Maximalkonzentration von 10 bis 15 % be-
grenzt [12]. Eine wesentlich größere Bedeutung haben als PA-Liganden jedoch
die Co- und Pfropfpolymere des Ethylens mit ethylenisch ungesättigten Mono-
und Dicarbonsäuren erlangt. Derartige Polymerblends sind in den Sortimenten
vieler PA-Hersteller enthalten, ohne dass sie im Einzelnen näher bezeichnet sind.
Sie bilden die Grundstufe der mit Hilfe von Olefin-Polymeren erreichbaren
Modifizierung von Polyamid.
Thermoplastische
Polykondensate
2.2.1.1.7.2
Verarbeitung
Die extrem schlagzähen Polyamide werden ausschließlich durch Spritzgießen
verarbeitet. Sie erfordern keine Vortrocknung. Die Massetemperaturen liegen im
Bereich von 260 bis 290 °C.
■ Anwendungen
Skibindungen, Skistiefel, Stollensohlen, Rollschuhe, Surfboard-Mastschuhe,
Fahrradfelgen und -räder, Gardinengleiter, Gehäuseteile, Griffe, Elektroteile,
Zahnräder, Schutzhelme, Dichtungen, Manschetten, flexible Kupplungen, Kabel-
1014 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
2.2.1.1.8
Sortiment
Das Sortiment der heute lieferbaren Polyamide wurde bereits in den vorange-
henden Abschnitten mit den wichtigsten Sorten und Typen vorgestellt. Zu jeder
dieser Sorten, beispielsweise PA 6, PA 66 usw., gehören Typen mit Sondereinstel-
lungen: gefüllte, verstärkte, speziell stabilisierte, z. B. hydrolysestabilisierte, u. a.
Das seit mehr als zwanzig Jahren bekannte transparente Trogamid der Hüls
AG wurde durch den neuen glasklaren, transparenten Typ Trogamid X7323 er-
gänzt. Kennzeichnende Eigenschaften sind: hohe Schlagzähigkeit in der Kälte,
Bruchsicherheit und Lichtdurchlässigkeit (unabhängig von der Wanddicke
> 90 %). Wärmestabile, UV- und witterungsbeständige Sondertypen sind liefer-
bar [21].
Verbessert wurde auch die Transparenz der Grilamid®-Typen TR55, 70 und 90
der EMS Chemie [22].
Zu den Copolyamiden mit niedrigem Schmelzpunkt gehört auch das
Capron® HPN CA 73TP und 95TP der Allied Signal Europe/BE.
Zu den vielbeachteten Entwicklungen der EMS Chemie anlässlich der K’95
gehörten auch die fünf Typen des partiell-aromatischen Copolyamid 6T/X [21]:
Grivory HTV mit Glasfaser- und Grivory HTM mit Mineralverstärkung.
Der mit 50 Masse-% verstärkte Typ Grivory GV-5H ist so steif und schlagzäh,
dass daraus beispielsweise Nägel für das Befestigen von Rohrschellen auf Poren-
beton hergestellt werden können [23].
Zu den erwähnenswerten Entwicklungen der letzten Zeit gehören auch die
beiden Copolyamidtypen auf Basis PA 6/6I: Durethan CI 31F und der zusätzlich
mit Keimbildner und Schmiermittel ausgerüstete Typ Durethan CI 31F KS [24].
Beide Copolyamide werden in Verbund mit Polyethylen und anderen Polymeren
für die Herstellung flexibler, gut tiefziehfähiger Mehrschicht-Coextensionsfolien
verwendet. Die Permeation von Sauerstoff, Kohlendioxid, Stickstoff und Aroma-
stoffen liegt auf dem Niveau des Homopolyamids PA 6.
Die EniChem, Mailand/Italien, entwickelte neuartige Acrylat-Elastomere, die
es ermöglichen, mit diesen bisher nur in der Kautschukindustrie eingesetzten
Thermoplastische
Polykondensate
Acrylaten auch im Kunststoffbereich Fuß zu fassen [25]: dabei wird das Acryl-
elastomer Europrene® AR auf Polyamidketten (PA 6) aufgepfropft und bei ei-
nem Anteil von 17 Masse-% Acrylatelastomer ein hochschlagzähes PA 6 herge-
stellt, das auch in thermischer und chemischer Hinsicht die bisher elastomer-
modifizierten PA 6-Blends übertrifft. Die Polarität des Acrylat-Kautschuks
ermöglicht Verarbeitungs- und Nachbehandlungsmethoden, die bisher bei ela-
stifiziertem PA 6 nicht möglich waren.
Verpackungen und Einwegprodukte werden auch heute noch vorwiegend aus
langlebigen Kunststoffen hergestellt, weil biologisch abbaubare Kunststoffe die
Qualitätsanforderungen nicht immer erfüllen. Neuere Entwicklungen zielen
darauf ab, verbrauchte Packmittel nicht nur in großtechnischen Kompostieran-
2.2.1 Thermoplastische Polykondensate 1015
40 Masse-% 60 Masse-%
Chemische Struktur von Polyesteramiden
■ Lieferform
Die übliche Lieferform ist wasserfreies Granulat in luftdichter Verpackung für
das Spritzgießen und Extrudieren. PA 11 und PA 12 sind auch pulverförmig für
die Verarbeitung nach dem Pulverschmelzverfahren im Handel. Dazu kommt
PA-Halbzeug in Form von Rohren kleinen Durchmessers (z. B. Kraftstoffleitun-
gen in Automobilen), Stäben, Folien, Monofilen.
Die Abmessungen zahlreicher PA-Halbzeuge wurden genormt:
Thermoplastische
Polykondensate
■ Typisierung
Gemäß der auf den neuen Richtlinien aufgebauten Norm PA Homopolymere
DIN 16773 T.1 (02.85) u. T.2 (12.87).
Wertvolle Hinweise über unverstärkte und verstärkte Polyamide gibt die
Richtlinie VDI/VDE 2479 Bl. 1 und 2: Werkstoffe der Feinwerktechnik, Polyamid-
1016 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
Handelsnamen Polyamide
Handelsnamen PA 6
Akulon (DSM/NL)
Amilan, Amilon (Toray Ind./JP)
Capran, Capron (Allied Signal Europe N.V./BE)
Durethan B (Bayer/DE)
Fabelnyl (Tubize Plastics S.A./BE)
Grilon, Grivory (EMS Chemie/CH)
Kelon, Latamid (L.A.T.I./IT)
Maranyl (Du Pont/US)
Nivionplast (EniChem/IT)
Orgamide (Atofina/US)
Plaskon (Plaskon Moldings Div./US)
Renyl (Snia Technopolimeri/IT)
Schulamid (Schulmann/DE)
Silon (Silon-Werk/CS)
Sniamid (Snia Technopolimeri/IT)
Torayxa (Toray Ind./JP)
Trogamid B (Degussa AG/DE)
Ultramid B (BASF AG/DE)
Vestamid (Degussa AG/DE)
Zytel (Du Pont/US)
Handelsnamen PA 66
Akulon (DSM/NL)
Durethan A (Bayer AG/DE)
Grilon (EMS Chemie/CH)
Leona (Asahi Chemical Ind./JP)
Maranyl A (ICI PLC/GB)
Minlon (Du Pont/US)
Schulamid (Schulmann/DE)
Stanyl (DSM/NL)
Thermoplastische
Polykondensate
Handelsnamen PA 11
Rilsan B (Atofina, US)
Handelsnamen PA 12
Grilamid (EMS Chemie/(CH)
Rilsan A (Atofina, US)
Vestamid (Degussa AG/DE)
2.2.1 Thermoplastische Polykondensate 1017
Transparente Polyamide
Trogamid (Degussa AG/DE)
Ultramid (BASF AG/DE)
Vidyne R (Monsanto/US)
Handelsnamen PA 46
Stanyl (DSM, NL)
Nylatron 46 (Polymer Corporation/US)
Handelsnamen Co-PA
Durethan (Bayer AG/DE)
Grilamid, Grivory (EMS Chemie CH)
Novamid (Mitsubishi Chemical/Jp)
Siramide (Siolite Srl/IT)
Technora (Teijih Ltd./JP)
Versamid (Henkel Corp./US)
Vestamid, Vestoson (Degussa AG/DE)
Zytel (Du Pont/US)
Handelsnamen PA MXD 6
IXEF (Solvay Deutschland GmbH/DE)
Reny (Mitsubishi Geochem. Comp Inc./JP)
Selar (Du Pont Deutschland GmbH/DE)
Handelsnamen PA 6/6T
Ultramid T (BASF AG/DE)
Handelsnamen PPA
Amodel (Solvay Plastics/BE)
Grivory HT (EMS Chemie CH)
Handelsnamen PA 11, PA 12-Elastomere
Dynyl (Rhône Poulenc/FR)
Grilamid (EMS Chemie/CH)
Keltaflex (DSM/NL)
Pebax (Atofina, US)
Vestamid E (Degussa AG/DE)
Thermoplastische
Polykondensate
Handelsnamen PA 6-3-T
Trogamid T (Degussa AG/DE)
Handelsnamen PA-RIM
Nyrim (DSM RIM Nylon/NL)
Elastamid-GM (BASF/DE)
Handelsnamen Polymermodifizierte Polyamide
Siehe PA 6 und PA 66
Bexloy (Du Pont/US)
Noryl GTX (GE Plastics Europe B.V./NL)
1018 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
2.2.1.1.9
Literatur – Kapitel 2.2.1.1 bis 2.2.1.1.4.2
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3. Ausgabe, C. Hanser Verlag, München, S 525–548
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[12] VDI/VDE: Richtlinie 2479, Bl. 1,Werkstoffe der Feinwerktechnik, Polyamid-Formstoffe un-
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[13] Satyo H (1994) „Lebensdauer von Polyamid 11-Rohren“. Kunststoffe 84, S 1182–1183
[14] VDI-Richtlinie 2541 (10.75) „Gleitlager aus thermoplastischen Kunststoffen ohne Zusatz-
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[15] Bayer AG (1996) „Neuer Poyamidtyp für die Fügetechnologie, Druckschrift (96-09-635)
[16] Quelle: VKE, http://www.vke.de
[17] Kalsch H (1982) „Polyamide“, Plastverarbeiter 33, 1065–1069
[18] Blinne G (1989) „Neue teilaromatische Polyamide“ in „Polymere Hochleistungswerk-
stoffe“ (s 25–34), Tagungshandbuch des SKZ Würzburg vom 31.05. und 1.06.1989
[19] Schmeer HP (1993) „Polyphthalamid“. „KGH Kautschuk,Gummit,Kunststoffe“ 10,S 799–804
[20] Hessenbruch R (1985) „Coextrusion von Schlauchfolien“ in: Extrudieren von Schlauchfo-
lien“, Düsseldorf VDI-Verlag, S 115–134
[21] NN (1994) „Transparentes Polyamid“. Kunststoffe 84, S 130
[22] Krüger G (1995) „Hochleistungskunststoffe und Technische Thermoplaste“. Kunststoffe 85,
S 2172–2174
[23] NN (1995) „Hart wie Metall“. Kunststoffe 85, S 103
[24] NN (1995) „Copolyamide für den Verpackungssektor“. Kunststoffe 85, S 794
[25] NN (1995) „Elastomer modifiziertes PA 6“. Kunststoffe 85, S 919
Thermoplastische
[26] Jonas F et al. (1995) „Polymere übernehmen Funktionen“. Kunststoffe 85, S 1079–1086
Polykondensate
2.2.1.2
Thermoplastische Polyester
enthalten. Die bekanntesten sind das Polycarbonat (PC) und die Polyalkylen-
terephthalate: Polyethylenterephthalat (PET) und Polybutylenterephthalat (PBT).
Auch die aus Bispenol A und Terephthalsäure aufgebauten Polyarylate gehören
zu den Thermoplasten mit der typischen Estergruppe. Sie enthalten jedoch im
Unterschied zu PC, PET und PBT keine aliphatisch/aromatischen, sondern aus-
schließlich aromatische Gruppen.
2.2.1.2.1
Polycarbonat (PC)
Obwohl aromatische Polycarbonate bereits im Jahre 1898 Einhorn und vier Jahre
später auch Bischoff und Hedenström zu ähnlichen Produkten gelangten, ver-
hinderte die Tatsache,dass sie in üblichen Lösemitteln unlöslich waren und sowohl
Carothers als auch Notta mit den von ihnen entwickelten niedermolekularen
aliphatischen Polycarbonaten zu keinen praktisch verwertbaren Kunststoffen ge-
langten, blieb es Schnell und seinen Mitarbeitern (Bayer AG) vorbehalten, als
Erste zu technisch brauchbaren aromatischen Polycarbonaten zu gelangen.
Unabhängig von den deutschen Arbeiten entdeckte D.W. Fox (General Elec-
tric) bei der Untersuchung von Polyesterharzen durch Zufall, dass sich in einer
Vorratsflasche eine durchsichtige Masse gebildet hatte, aus der der Rührer nicht
mehr herausgezogen werden konnte. Der durch Zertrümmern der Flasche be-
freite massive Körper erwies sich als so zäh, dass er durch Hammerschläge nicht
zerkleinert werden konnte.
Bayer begann 1958 mit der großtechnischen Produktion von Makrolon®, dem
1973 General Electric mit Lexan® folgte. Anic, Italien und AtoChem, Frankreich
nahmen 1978 bzw. 1979 die Produktion von PC auf. Inzwischen sind weitere Fir-
men in den USA und in Japan hinzugekommen.
■ Chemischer Aufbau
Polycarbonate sind im Allgemeinen lineare, thermoplastische Polyester der
Kohlensäure mit aliphatischen oder aromatischen Dihydroxy-Verbindungen:
R = aliphatische oder
aromatische Struktureinheit
Thermoplastische
Polykondensate
■ Herstellung
Die Basis der als technische Kunststoffe bekanntesten Polycarbonatgruppe bil-
det das aus Phenol und Aceton (daher der Buchstabe A) hergestellte Bisphenol
A. Aus diesem Produkt wird durch Umestern mit Diphenylcarbonat bei hohen
1020 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
■ Allgemeine Stoffbeschreibung
Aus der Vielzahl der möglichen Polycarbonate zeigt Bisphenyl-A-Polycarbonat
eine ausgewogene Kombination anwendungstechnisch wertvoller Eigenschaf-
ten, durch die es mengenmäßig in der Reihe der Technischen Kunststoffe – nach
Polyamid – an zweiter Stelle steht.
Polycarbonat
■ Zusatzstoffe
Die vielseitige technische Verwendung dieses zu den Konstruktionswerkstoffen
gehörenden Kunststoffs lässt erwarten, dass die Eigenschaften des Basispolyme-
ren durch eine Reihe von Zusatzstoffen den jeweiligen Erfordernissen nach Maß
angepasst werden.
Funktions-Zusatzstoffe
Die thermooxidative Schädigung von PC zeigt sich sichtbar in der Vergilbung
der Formstoffe. Das Vergilben wird vor allem durch den Zusatz von Phosphiten
oder Phosphoniten gehemmt. Die nur auf ein einwandfreies Verarbeiten im
Schmelzzustand begrenzte Wirksamkeit reicht für die Langzeitstabilisierung
nicht aus. Diese Aufgabe übernehmen sterisch gehinderte Phenole, beispiels-
weise Octadecyl-3-(3,5-ditert.butyl-4-hydroxyphenyl)-propionat. Auch die
Photooxidaton führt zum Vergilben von PC. Die Strahlungsabsorption beginnt
bereits bei 360 nm und nimmt bei Wellenlängen < 300 nm stark zu. Als UV-
Schutzmittel haben sich bisher nur UV-Absorber bewährt. Sie müssen wegen der
Thermoplastische
Polykondensate
Die Farbmittelpalette ist durch die Forderung nach hoher thermischer Be-
ständigkeit bis zu Temperaturen > 300 °C eingeengt. Geeignet sind einige orga-
nische und nahezu alle anorganischen Pigmente. Dazu kommen einige organi-
sche Farbstoffe für Transparenteinfärbungen.
Weil Polycarbonate nur eingeschränkt einfärbbar sind, bieten sich auch opa-
lisierende Farbmittel an [5]. Opale Produkte sind meistens weiß eingefärbt. Ein
Teil des von der Lichtquelle ausgesandten Lichtes wird reflektiert, ein anderer
Teil durchdringt das Objekt. Die opalisierende Funktion übernehmen meist
weiße anorganische Pigmente wie Bariumsulfat, Kalziumcarbonat, Titandioxid
und deren Kombinationen. Entscheidend ist dabei die Differenz des Brechungs-
indices (PC mit 1,59, Bariumsulfat mit 1,64). Die optimale Größe der Pigment-
teilchen beträgt etwa 9 mm.
Ein Additivsystem auf Basis organischer Lichtdiffuser für PC, beispielsweise
vom Typ Calibre® der Dow, weist eine bessere Farbstabilität, der physikalischen
Eigenschaften und der Oberflächenqualität auf. Diese seit langem bekannten
Diffuser bestehen aus kringelförmigen, vernetzten Polymermatrices. Kürzlich
zum Patent angemeldete lichtstreuende Polyacrylatpartikel (2 µm bis 15 mm
Dmr) weisen eine Kern (Polybutylacrylat)/Schale (Polymethylmethacrylat)-
Morphologie auf. Bei einer Dosierung bis 10 % Masseanteil können Lichttrans-
missionwerte von 80 % bis 25 % eingestellt werden. Die Dosierung dieser Diffu-
ser kann wesentlich reduziert werden, wenn sie mit geringen Mengen eines an-
organischen Pigmentes mit einem Brechungsindex zwischen 1,9 und 3,1 wie
MgTiO3 , TiO2 oder ZnS kombiniert werden. Wirtschaftliche Vorteile bringt der
Austausch von Bariumsulfat (Dichte = 4,4 g/cm3) gegenüber 1,1 g/cm3 der neuen
Licht-Diffuser. Dazu kommt bei PC eine verbesserte UV-Beständigkeit in Ver-
bindung mit verbesserter Schlagzähigkeit.
Die Polycarbonate enthielten bisher als Flammschutz bevorzugt einkon-
densiertes Tetrabrombisphenol A. Für das nachträgliche Ausrüsten eignet sich
beispielsweise Decabromdiphenylether in Verbindung mit Antimontrioxid.
Den Bemühungen der Rohstoffhersteller ist es gelungen, auch halogenfreie,
schwerentflammbare Produkte zu entwickeln, um vor allem den Einsatz von PC
in der Büromaschinenindustrie und im Flugzeugbau zu sichern, die bei Brän-
den vor allem die von Halogenen hervorgerufenen Folgeschäden zu fürchten
haben.
Bromfreie flammgeschützte Polycarbonate können durch den Zusatz be-
stimmter salzartiger Verbindungen hergestellt werden. Selbst bei Anteilen
Thermoplastische
Polykondensate
von weniger als 1 % Masseanteil ist bereits eine Schutzwirkung deutlich er-
kennbar. Salze mit ausreichender Löslichkeit in Polycarbonat ermöglichen die
Klassifizierung UL 94 V-O bei 3,2 mm Wanddicke unter Beibehaltung der
Transparenz.
Die Wirkung von Alkalimetallsalzen kann durch den Zusatz abtropfhemmen-
der Substanzen (vor allem PTFE) weiter optimiert werden, sodass UL 94 V-O bei
0,8 mm Wanddicke erreicht werden kann [1].
Als Brandschutzprüfungen dienen bei elektrischen Bauelementen die Glüh-
draht-, -dorn- und Glühstabprüfung. Im Fahrzeugbau gilt die US-Sicherheits-
norm MVSS 302 bzw. die FKT-Richtlinie DIN 75200. In der Bundesrepublik
Deutschland geschieht die Einteilung nach DIN 4102.
2.2.1 Thermoplastische Polykondensate 1023
■ Füllstoffe
Als Füllstoffe bewähren sich bei PC MoS2 , Graphit und PTFE, um bei Formteilen
einen minimalen Abrieb und geringen Verschleiß zu erreichen [2].
Aluminiumpulver wird zum Erhöhen der thermischen und elektrischen Leit-
fähigkeit eingesetzt. Dadurch wird z. B. bei Datenverarbeitungsanlagen ein
Schutz gegen die störende elektromagnetische Interferenz (EMI) erreicht.
■ Verstärkungsstoffe
Die bevorzugte Verstärkungsfaser für PC ist – wie bei vielen anderen Kunststof-
fen – die Glasfaser. Unter den GF-verstärkten Thermoplasten steht PC nach PA
und PP an dritter Stelle. Der Glasanteil beträgt zwischen 10 und 40 %. Bevorzugt
werden Kurzfasern aus dem bekannten alkalifreien E-Glas, deren Haftung durch
eine Silanbehandlung verbessert wird. Die Auswirkung der GF-Verstärkung auf
das Eigenschaftsbild entspricht dem bei den bekannten Thermoplasten erreich-
baren. Ein mit 30 % Masseanteil glasfaserverstärktes PC kann in mechanischer
Hinsicht an die Stelle von Buntmetallen oder Duroplasten treten. Das nur selten
verwendete Wollastonit erhöht vor allem die Steifigkeit der Formteile. Die ver-
stärkende Wirkung der Fasern auf das Eigenschaftsbild von PC zeigt Tabelle
2-83.
■ Sortiment
Alle am Markt befindlichen Polycarbonate sind – mit Ausnahme einiger jün-
gerer Spezialtypen und Polymerblends – chemisch gleich aufgebaut. Es gibt
nicht jene Unterscheidung in verschiedene Sorten wie beispielsweise bei den
Polyamiden. Zu den Spritzguss- und Extrusionstypen, Blasform- und Spritz-
blastypen – teilweise mit besonderem UV-Schutz und Hydrolysebeständig-
keit, speziellen, gesundheitlich unbedenklichen und sog. strukturviskosen Ty-
pen – kommen GF- und zu Strukturschaumstoffen-Formteilen spritzgießbare
Produkte. Das ganze Sortiment ist naturfarben und in bunten Einstellungen
erhältlich.
Thermoplastische
■ Lieferformen
Polykondensate
■ Typisierung
Die PC-Formmassen sind in Form der seit 1982 üblichen Datenblöcke typisiert.
Für den Formteilkonstrukteur enthält die Richtlinie VDI/VDE 22475 (08.67)
Thermoplastische
Polykondensate
■ Physikalische Eigenschaften
Richtwerte der physikalischen Eigenschaften von PC-Formstoffen enthält Ta-
belle 2-84.
■ Mechanische Eigenschaften
Kurzzeitverhalten bei geringer Verformungsgeschwindigkeit
Während die unverstärkten PC-Typen ein Kraft/Verformungsverhalten mit aus-
geprägter Streckgrenze aufweisen, fehlt dieser Bereich bei den GF-verstärkten.
Die Reißdehnung geht bei den technisch üblichen Glasanteilen auf weniger als
10 % zurück. Die Zugfestigkeit unverstärkter PC-Standardtypen (in Abhängig-
keit von der Temperatur) gibt Bild 2-463 wieder.
Umwandlungstemperaturen
Über die in Tabelle 2-84 wiedergegebenen, im Kurzzeitversuch ermittelten Ei-
genschaften hinaus ist für die Vorauswahl eines Materials die Kenntnis des im
Torsionsschwingungsversuch nach DIN 53 445 ermittelten Schubmoduls, Bild
2-464 aufschlussreich. Mit einer Glasübergangstemperatur von 150 °C erweist
sich PC über einen sehr breiten Temperaturbereich als ein steifer, formbeständi-
ger Werkstoff. Die Versprödung beginnt erst unter – 100 °C. Der stetige Verlauf
der Schubmodulkurve lässt auch in diesem Bereich auf keine plötzliche Verän-
derung der Eigenschaften schließen.
linearer Ausdehnungskoeffizient K–1 65 · 10–6 27 · 10–6 95 · 10–6 75–80 · 10–6 40–45 · 10–6
spezifische Wärmekapazität kJ/kgK 1,17 1,09 – – –
Wärmeleitfähigkeit W/mK 0,21 0,24 – 0,2 0,2
elektrische
Oberflächenwiderstand W > 1015 > 1014 – > 1014 > 1014
spezifischer Durchgangswiderstand W cm > 1016 > 1016 – 1016 1016
Dielektrizitätszahl 50 Hz 3,0 3,3 – 2,9 3,2
1 MHz 2,9 3,3 – 2,9 3,1
dielektrischer Verlustfaktor tan d, 50 Hz 0,9 1 – 4 · 10–3 2 · 10–3
2.2.1 Thermoplastische Polykondensate
Thermoplastische
Polykondensate
1028 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
Bild 2-464. Schubmodul G und mechanischer Verlustfaktor d eines PC-Standard- und eines
glasfaserverstärkten Typs (PC-GF 30)
a Makrolon 2800, Bayer AG
b Makrolon 8030, Bayer AG
Thermoplastische
Polykondensate
Bild 2-465. Isochrone Spannungsdehnungslinien von Makrolon 2800 der Bayer AG (unver-
stärkt)
2.2.1 Thermoplastische Polykondensate 1029
Bild 2-466. Isochrone Spannungsdehnungslinien von unverstärktem (a) und mit 20 % Masse-
anteil GF-verstärktem Polycarbonat (Prüftemperatur: 23 °C)
a Lexan 140, General Electric Plastics B.V./NL
b Lexan 3412 R, General Electric Plastics B.V./NL
über PC-GF nur 0,30 und Hartstahl 0,25. PA (ruhend) gegenüber PC + MoS2 er-
reicht 0,17 und PC gegenüber Hartstahl (geschmiert) sogar nur 0,02. Die dyna-
mische Reibungszahl von PC gegenüber PC beträgt 0,52, bei Stahl 0,42, bei Mes-
sing 0,50. Umwelteinflüsse, Verschmutzungen und Oberflächengüte können
Thermoplastische
Polykondensate
■ Thermische Eigenschaften
PC zeichnet sich durch eine hohe Formbeständigkeit in der Wärme aus. Sie be-
trägt 135 °C bei unverstärkten und 145 °C bei verstärkten Typen. Bei 240 bis
260 °C wird die für das thermoplastische Verarbeiten erforderliche Fließfähig-
keit erreicht. Bei Temperaturen > 320 °C beginnt die thermische Zersetzung un-
ter CO2-Abspaltung und Verfärbung. Einige thermische Daten geben die Bilder
2-469 und 2-470 wieder (siehe auch Tabelle 2-84). Bild 2-471 zeigt die relative Vo-
lumenänderung DV/V25°C von unverstärktem PC in Abhängigkeit von Druck
und Temperatur.
2.2.1 Thermoplastische Polykondensate 1031
Bild 2-469. Enthalpie von glasfaserverstärk- Bild 2-470. Wärmeleitfähigkeit von GF-ver-
tem PC in Abhängigkeit von der Temperatur stärktem PC in Abhängigkeit von der Tem-
(20 °C willkürlich gleich Null gesetzt) peratur
Thermoplastische
Polykondensate
■ Elektrische Eigenschaften
Die Isolationseigenschaften von PC sind nahezu unabhängig von der Tempera-
tur und der Feuchtigkeit. Der spezifische Durchgangswiderstand von 1016 W cm
bei 23 °C nimmt bei einer 24stündigen Wasserlagerung nur auf 5 · 1015 W cm ab.
Die Temperatur- und Frequenzabhängigkeit der Dielektrizitätszahl und des di-
elektrischen Verlustfaktors ist in den Bildern 2-472 und 2-473 wiedergegeben.
Der tan d nimmt erst im Schmelzbereich mit der Temperatur zu und überschrei-
tet bei 170 °C ein Maximum. Die Frequenzabhängigkeit weist bei 107 Hz mit
tan d = 0,01 ein Maximum auf. Bei einem Oberflächenwiderstand von 1015 W sind
Formteile aus PC elektrostatisch aufladbar. Die dadurch bedingte Staubanzie-
hung kann jedoch durch Behandeln der Formteile mit einem Antistatikum ver-
mindert werden.
Obwohl die elektrischen Eigenschaften von PC im Vergleich mit Polyethy-
len nicht besonders günstig sind, ergibt dennoch das Gesamtbild der Eigen-
schaften (Wärmestandfestigkeit, Transparenz, Zähigkeit, Flammwidrigkeit)
einen hochwertigen Werkstoff, der in der Elektrotechnik weite Verbreitung ge-
funden hat.
■ Optische Eigenschaften
Die Brechungsindizes für die bisher untersuchten Polycarbonate liegen im Be-
reich von 1,56 bis 1,65 und sind damit hoch für transparente Kunststoffe. Für PC
aus Bisphenol A fällt der Brechungsindex von 1,59 bei – 20 °C auf 1,56 bei 200 °C.
Im Bereich der Einfriertempertur von etwa 145 °C zeigt sich ein scharfer Knick.
Die Abhängigkeit des Brechnungsindex’ von Molmasse und Umgebungstempe-
ratur zeigt Bild 2-474. Im Bereich des sichtbaren Lichtes wird eine Durchlässig-
keit von 85 bis 90 % erreicht.
Die Lichtdurchlässigkeit im ultravioletten, sichtbaren und infraroten Bereich
ist in Bild 2-475 dargestellt. Im UV-Bereich bis zu Wellenlängen von 275 nm wird
das Licht völlig absortiert. Danach steigt die Durchlässigkeit steil an, wie Bild
2-474 bereits zeigte, und bleibt nahezu bis in den Infrarotbereich konstant. Wie
Bild 2-474 ebenfalls zeigt, beeinflusst die Wanddicke die Durchlässigkeit nur we-
nig, was gemäß Bild 2-476 auch für Signalfarben gilt.
Thermoplastische
Polykondensate
■ Wasseraufnahme
Die Wasseraufnahme von PC aus Bisphenol A beträgt bei 23 °C und 65 % relati-
ver Feuchte etwa 0,2 %, bei direkter Wasserlagerung 0,36 %. Die physikalischen
Eigenschaften werden davon nicht berührt. Ein Wassergehalt über 0,01 % stört
jedoch bei der Verarbeitung durch Blasenbildung. Die physikalischen Eigen-
schaften werden durch Verseifen des PC verschlechtert.
Günstiger verhält sich PC bei wiederholtem jedoch kurzzeitigen Kontakt –
selbst mit heißem Wasser. Spannungsarme Geschirrteile können mehr als tau-
sendmal ohne Schädigung in Spülautomaten gespült werden. Ebenso können
Formteile aus PC mehrmals mit Wasserdampf sterilisiert werden.
1034 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
■ Chemikalienbeständigkeit
Beständig gegen: Wasser, Alkohol (außer Methanol), Fette, Öle, Milch, Glycol,
Obstsäfte, verdünnte Säuren und Laugen;
nicht beständig gegen: Benzol, Toluol, Xylol, chlorierte KW, Methanol, zahl-
reiche Lösemittel, starke Säuren und Laugen, dauernde Einwirkung von heißem
Wasser.
Thermoplastische
Polykondensate
■ Spannungsrissverhalten
Nach der Formgebung und dem Abkühlvorgang im Spritzgießwerkzeug können
Spritzgussteile aus PC infolge ungleichmäßiger Wandungstemperatur oder be-
hinderter Schwindung innere Spannungen aufweisen. Diese Eigenspannungen
können so groß werden, dass sie bei Einwirken lösender und quellender Medien
zur Bildung von Rissen führen. Andererseits können mit Hilfe derartiger Mittel
etwa vorhandene Eigenspannungen erkannt werden.
Über spannungsrissauslösende Medien gibt für eine Auswahl thermoplasti-
scher Kunststoffe Tabelle 2-85 Auskunft. Eine gezielte Auswahl erleichtert Tabelle
2-86 [3].
2.2.1 Thermoplastische Polykondensate 1035
Aceton • • • • • •
Ethanol • • • • • •
Ether • • • • •
Alkohole •
Anilin • •
Benzin • • • • • •
Erdöl •
Essigsäure • •
Ester •
Glyzerin • •
Heizöl •
Heptan • • • •
Hexan • • • •
Isopropanol • • • •
Kaliumhydroxid •
Ketone • •
Kohlenwasserstoffe, •
aromat.
Metallhaologenide •
Methanol • • • • •
Natriumhydroxid • • •
Natriumhypochlorid • •
Paraffinöl • •
Pflanzenöl • • • •
Quellmittel, •
chlorhaltig
Salpetersäure • •
Silikonsäure •
Schwefelsäure •
Tenside •
Terpentin • •
Tetrachlorkohlenstoff • • •
Wasser • • •
Thermoplastische
Polykondensate
■ Witterungsbeständigkeit
Bild 2-475 zeigt, dass Polycarbonat die UV-Strahlung nahezu vollständig absor-
biert, was bei fortschreitender Einwirkungsdauer zum Vergilben der Oberfläche
führt. Trotz der Bewährung von UV-stabilisiertem PC, die dennoch das Vergil-
ben einer bis zu 200 mm dicken Oberflächenschicht auf die Dauer nicht verhin-
dern kann, erhalten beispielsweise PC-Stegplatten eine zusätzliche UV-Schutz-
schicht von 20 bis 30 mm Dicke in Form von Acryllacken mit hohem UV-Schutz
oder als kontinuierlich bei der Herstellung coextrudierte Deckschicht, Bild
2-477.
1036 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
Tabelle 2-86. Empfehlung für rissauslösende Medien bei Prüfung der Spannungsrissneigung
verschiedener Kunststoffe
PBT ln-Natronlauge
PA6 Zinkchloridlösung (35%) 20 min
PA 66 Zinkchloridlösung (50%) 1h
PA 6-3-T Methanol
Aceton 1 min
PSU Ethylenglykolmonoethylether 1 min
Essigsäure-Ethylester
1,1,1-Trichlorethan: n-Heptan (7:3)
Methylglykolacetat
Tetrachlorkohlenstoff
1,1,2-Trichlorethan 1 min
Aceton 1 min
2.2.1 Thermoplastische Polykondensate 1037
Hersteller: Diegel)
■ Brennbarkeit
Polycarbonat brennt rußend mit leuchtender Flamme; nach Entfernen der
Zündquelle verlöscht es. Es wurden halogenhaltige und halogenfreie flamm-
widrige Typen entwickelt (s. Abschnitt Funktions-Zusatzstoffe Kapitel 1.3.5.1).
Die Verbrennungsgase riechen phenolartig.
Die Nachbrennzeit ist kurz, ebenso der Brennweg. Die Ergebnisse der Brand-
prüfungen hängen jedoch häufig von der Wanddicke und den Zusatzstoffen ab.
1038 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
Wasserstoff 7800
Stickstoff 190
Thermoplastische
Sauerstoff 1100
Polykondensate
Kohlendioxid 6700
Helium 7200
Argon 520
Methan 190
Ethan < 30
Ethylen 60
Ethylenoxid 5000
Propan < 10
Butan < 10
Butylen < 20
Schwefelwasserstoff 120
Schwefeldioxid 6200
2.2.1 Thermoplastische Polykondensate 1039
■ Gesundheitliche Beurteilung
Aus Bisphenol A hergestelltes PC ist geschmacks- und geruchsfrei.Weichmacher
werden bei der Herstellung nicht verwendet. Die entsprechend gekennzeichne-
ten Typen der PC-Sortimente entsprechen in ihrer stofflichen Zusammenset-
zung den Empfehlungen des Deutschen Bundesgesundheitsamtes (Empfehlung
XI „Polycarbonat“ Stand 1. 1. 1983) und können zur Herstellung von Bedarfsge-
genständen im Sinne des Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes ver-
wendet werden. Zahlreiche Typen genügen ebenso den Spezifikationen der
American Food and Drug Administration (FDA) sowie der französischen Posi-
tivliste. Bei der Zulassung von Farbeinstellungen bestehen noch Unterschiede.
Darüber informieren die Rohstoffhersteller.
■ Verarbeitung
PC kann nach allen für Thermoplaste üblichen Methoden ur- und umgeformt
werden. Auch das dekorative Ausrüsten bereitet keine Schwierigkeiten.
Verarbeitungsbedingungen
Vorbedingung für einwandfreies Verarbeiten ist ein Feuchtigkeitsgehalt
< 0,02 %. Demgemäß sind Formmassen und umzuformendes Halbzeug 4 bis
24 h bei Temperaturen um 120 °C vorzutrocknen.
Spritzgießen 280 bis 320 85 bis 120 800 bis 1200 0.7 bis 0,8
Nachdruck GV 0,15 bis 0,55
Extrudieren 240 bis 280 niedrig
Rohre, Tafeln
Folien, Hohlkörper
Warmformen 180 bis 210
Warmbiegen 145 bis 160
Kaltformen ist bedingt möglich
Kratzfestbeschichten
Das Kratzfestbeschichten gewann in letzter Zeit eine besondere Bedeutung da-
durch, dass es gelang, damit einen besonderen UV-Schutz zu erzielen. Dieser
Fortschritt kommt der Verwendung von PC für Kraftfahrzeug-Streuscheiben,
Helmvisire, Brillenscheiben und industrielle Verscheibungen zugute.
Thermoplastische
Polykondensate
■ Bearbeitung
Halbzeug kann Abkühlspannungen enthalten, deshalb kann es erforderlich sein,
den Werkstoff vor der weiteren Verarbeitung zu entspannen (tempern). Das ge-
schieht bei Temperaturen von 130 bis 150 °C (30 min je 5 mm Wanddicke).
Spannendes Bearbeiten
Siehe Tabelle 2-6.
Fügeverfahren: Schweissen
Formteile und Halbzeug können durch Vibrations-, Reib-, Heizelement- oder
Warmgasschweißen gefügt werden. In den letzten Jahren wird bei Formteilen
das Schweißen und Nieten mit Ultraschall bevorzugt. Das Heizelement-
schweißen ist günstiger als das Warmgasschweißen. Die Spiegeltemperatur be-
trägt 400 °C, während beim Warmgasschweißen Lufttemperaturen von 450 bis
500 °C (5 mm vor der Düse) gemessen werden.
Bei hohen Anforderungen an die Sauberkeit des Fertigteils z. B. für die Medi-
zintechnik kann PC erfolgreich nach der Methode des Widerstandschweißens
gefügt werden.
Kleben
Als Klebstoffe eignen sich Lösemittel wie Methylenchlorid, mit dem die Kon-
taktflächen der zu verbindenden Teile vor dem Fügen angelöst werden. Reak-
tionsklebstoffe auf der Basis von Epoxid- und Siliconharzen (mit aminfreien
Härtern) sowie Polyurethan-Klebstoffe eignen sich zum Verbinden von PC mit
PC sowie mit anderen Werkstoffen. Die Klebstoffe müssen jedoch frei sein von
PC unverträglichen Bestandteilen. Cyanacrylat-Klebstoffe eignen sich für
schnelle Verklebungen. Die Teile müssen spannungsarm sein und dürfen nicht
hydrolytisch beansprucht werden.
Anwendungsbeispiele
Spritzguss-Formteile
Elektrotechnik und Elektronik: Spulenkörper, Relaiskappen, Teile für Re-
chenanlagen, Ablenkeinheiten, Gehäuse für Zeilentrafos, Telefongehäuse
für den Bergbau, Wählscheiben, Klemm- und Kontaktleisten, Schaltkästen,
Zählergehäuse, Leuchtstoffröhrensockel und -halterungen, Stecker, Kupp-
Thermoplastische
Polykondensate
Handelsnamen
Calibre (Dow Europe/CH)
Durolon (Policarbonatos do Brasil S. A./BR)
Ekonol (Sumitomo Chemical Co. Ltd./JP)
Thermoplastische
Polykondensate
2.2.1.2.1.1
PC-Cokondensate
Wie bei allen Kunststoffen des breiten Sortiments an Thermoplasten stand und
steht auch bei Polycarbonat die Entwicklung nicht still. Dabei kann einerseits auf
die teilweise schon viele Jahre zurückliegenden Erkenntnisse über die chemi-
sche Abwandlung des Basiswerkstoffs als auch auf die Erfahrungen beim Legie-
ren von Polymeren zurückgegriffen werden [6].
Welches sind die Ziele beim Abwandeln des Eigenschaftsbildes von Polycar-
bonat?
Die Arbeiten konzentrieren sich auf das Verbessern der Kerbschlagzähigkeit
für dickwandige Formteile, das Erhöhen der Schlagzähigkeit in der Kälte und
der Formbeständigkeit in der Wärme, das Verbessern der Flammwidrigkeit und
das Erhöhen der Beständigkeit gegen die Bildung von Spannungsrissen.
Die Bemühungen führten schon bald zu einer Reihe von Co-Kondensaten, die
einige dieser Forderungen erfüllten. Angesichts der mit der vielseitigen Verwen-
dung von Kunststoffen, insbesondere der Technischen Polymeren, bestand und
besteht fortlaufend ein Bedarf an maßgeschneiderten Formmassen für spezielle
Anwendungen.
2.2.1.2.1.1.1
Bisphenol A-Copolycarbonate
Im Unterschied zu Tetrachlorbisphenol A verändert Tetrabrombisphenol A die
Flammwidrigkeit von PC nachhaltig, ohne dabei die ausgewogenen Eigenschaf-
ten wesentlich zu verändern. Inzwischen verlieren die halogenhaltigen Flamm-
schutzmittel wegen der beim Brand entstehenden gesundheitsschädlichen
Rauchgase an Bedeutung (siehe Abschnitt: Funktions-Zusatzstoffe Kapitel 1.3.5.1).
Bisphenol A-Copolycarbonate mit Phenolphthalein oder geringen Mengen
Homoalkyl-bis (hydroxy-4-phenyl) alkylphosphonatmonoalkalisalz sind erhöht
flammfest. Thermoplastische
Polykondensate
2.2.1.2.1.1.2
Blockcopolymerisation
Durch den Einbau von Anteilen chemisch verschiedener Segmente, seien es fle-
xible oder hydrophile Blöcke, kann das Eigenschaftsbild aromatischer Polycar-
bonate in weiten Grenzen verändert werden [1]. Die Blockcopolycarbonate wur-
den vor allem als ölbeständige Elastomere und biocompatible Membranwerk-
stoffe entwickelt. Diese sind den üblichen Cellulosehydratmembranen weit
überlegen zum Trennen polarer von unpolaren Gasen, zur Mikrofiltration,
Ultrafiltration, Elektrophorese, Dialyse und Umkehrosmose (Meerwasserent-
salzung).
2.2.1.2.1.2
Entwicklungstrends bei aromatischen Polycarbonaten
Polycarbonate mit sehr niedriger Schmelzviskosität bewähren sich seit Jahren
als Trägerwerkstoff für Audio-Compact-Disks. Eine hohe Fließfähigkeit ist die
Voraussetzung für eine sehr genaue Abbildung der Matrizenstruktur. Geringe
Eigenspannungen bedeuten ein Minimum an Doppelbrechung.
2.2.1.2.1.2.1
Polycarbonate für laseroptische Datenspeicherung
Polycarbonate mit sehr niedrigem Schmelzindex bewähren sich seit einigen
Jahrzehnten für das Spritzgießen von Audio-Compact-Disks. Die Matrizen-
struktur wird mit höchster Präzision abgebildet, die Eigenspannungen und da-
mit auch die störende Orientierungs-Doppelbrechung werden auf ein Minimum
reduziert. Für die laseroptische Datenspeicherung ist diese Leistungsfähigkeit
jedoch meistens nicht ausreichend.
Durch Mischen von PC bzw. strukturmodifiziertem PC wie Tetramethylbis-
phenol A-Polycarbonat mit Blendkomponenten z. B. bestimmten PS-Copolyme-
ren von entgegengesetzter Doppelbrechung kann die störende unterschiedliche
Orientierungs-Doppelbrechung vermieden werden.
Um optimale mechanische und thermische Eigenschaften, Beständigkeit ge-
gen Spannungsrissbildung und Sprödbruch bei PC-Formstoffen sowie eine pra-
xisübliche Verarbeitbarkeit zu gewährleisten, werden PC-Typen im Molmasse-
Thermoplastische
Polykondensate
bereich Mw = 22000 – 35000 gewählt. Einen Hinweis auf die Molmasse und damit
die Verarbeitbarkeit gibt Bild 2-479.
Wie bereits erwähnt, ist es in letzter Zeit gelungen, das Bisphenol A-Polycar-
bonat durch Modifizieren mit Polymeren auch Materialtypen im Molmassebe-
reich Mw = 18000 bis 25000 mit ausreichender Kerbschlagzähigkeit und deutlich
besserem Fließverhalten herzustellen, wie Bild 2-480 zeigt. Einen Vergleich mo-
difizierter und polymermodifizierter Typen bringt Tabelle 2-88 [2].
Diese Modifikation vereinfacht das Füllen komplizierter Formnester – selbst
bei dünnwandigen Spritzlingen – in kurzen Zykluszeiten.
Polycarbonate sind jedoch auch bei Polymermodifizierung bei mittleren
Molmassen M2 < 22 000 spröde und spannungsrissgefährdet. Bei laseroptisch
2.2.1 Thermoplastische Polykondensate 1045
Bild 2-479. Abhängigkeit der scheinbaren Viskosität ha bei 300 °C von Polycarbonat von der
Schergeschwindigkeit g· am Beispiel einiger ®Makrolon-Typen.
a: niedermolekularer Spritztyp (24 000), b bis d: Produkttypen mit von b nach d steigenden
Molmassen (26 000, 28 000 und 31 000), e: Extrusionstyp mit angehobener Molmasse (32 000)
2.2.1.2.1.2.2
Polycarbonate für Lichtwellenleiter
Lichtwellenleiter aus Glas zeichnen sich durch sehr geringe Lichtverluste aus,
nachteilig ist ihre Sprödigkeit und die Notwendigkeit, mit größeren Krüm-
mungsradien verlegt werden zu müssen. Geeignete Polymerfasern wie PMMA
1046 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
(Tg = 105 °C), Polystyrol (Tg = 100 °C) und PC (Tg = 150 °C) sind duktiler. Dieser
Vorteil lässt vor allem bei PC kleinere Krümmungsradien zu und prädestiniert
dieses Material für den Einsatz im Automobil, vor allem im Bereich von Moto-
ren. Die Lichtdämpfung ist allerdings höher als die des PMMA und des PS. Durch
geeignetes Umhüllungsmaterial wie PMMA, Poly-4-methylpenten-1 und Co-
polycarbonate kann der Lichtverlust verringert werden.
2.2.1.2.1.2.3
Erhöht wärmebeständige PC-Cokondensate (PEC)
Bei Vergleich der Daten für die Vicat-Erweichungstemperatur (nach DIN 53 460,
Methode B/120) von PC fällt auf, dass die Obergrenze selbst bei den verstärkten
PC-Standardtypen bereits mit 150 °C erreicht ist (Tabelle 2-84). Bis zu den
Schwefelpolymeren, beginnend bei Polysulfon, mit VSP/B/120 = 184 °C, besteht
eine Lücke, die mit Hilfe modifizierter Polycarbonate geschlossen werden kann.
Diese Lücke schließt eine neue Gruppe modifizierter Polycarbonate: die Poly-
ester-Cocarbonate. Wie die Bezeichnung sagt, erhalten diese Makromolekülket-
ten sowohl Polycarbonat- als auch Polyesterstrukturen [7].
Thermoplastische
Polykondensate
Polyester-Cocarbonat
Bei der Herstellung dieser Produkte kann durch Variieren der relativen Mengen
von Phosgen und Iso- bzw. Terephthalsäuredichlorid die Formbeständigkeit in der
Wärme mit steigendem Anteil an aromatischen Dicarbonsäuren erhöht werden.
Mit steigenden Anteilen von 30, 50 bis 80% ergeben sich Vicat-Temperaturen von
159, 170 bis 182 °C (Tabelle 2-84), im Vergleich zum unverstärkten PC mit 148 °C.
2.2.1 Thermoplastische Polykondensate 1047
Die mechanischen Eigenschaften gleichen denen des normalen PC. Die Kerb-
schlagzähigkeit bei – 40 °C übertrifft die des PC. Das hohe Niveau wirkt sich vor-
teilhaft aus bei Formteilen mit Durchbrüchen und großen Wanddickenunter-
schieden sowie bei Schnappverbindungen.
Die hohe Formbeständigkeit in der Wärme ist die hervorstechende Eigen-
schaft dieses Materials. Der Längenausdehnungskoeffizient unterscheidet sich
nur wenig von dem des PC.
Die elektrischen Eigenschaften gleichen ebenfalls denjenigen von PC, nur der
dielektrische Verlustfaktor nimmt mit wachsendem Esteranteil zu und die
Kriechstromfestigkeit ab.
Die Beständigkeit gegen den Angriff durch Chemikalien sowie gegen die Bil-
dung von Spannungsrissen gleicht dem Verhalten von Polycarbonat. Dement-
sprechend muss beim Spritzgießen mit niedriger Einspritzgeschwindigkeit und
niedrigem Nachdruck gearbeitet werden.
Beim Spritzgießen wird mit Massetemperaturen zwischen 320 und 370 °C und
beim Extrudieren zwischen 270 und 290 °C gearbeitet. Eine unerlässliche Vo-
raussetzung für die Herstellung einwandfreier Formteile ist das Vortrocknen des
Granulates bei mindestens 130 °C. Die Trocknungsdauer kann je nach Leistung
des Gerätes bis zu 8 Stunden dauern.
Beim transparenten Material eröffnen sich Anwendungsmöglichkeiten bei
Leuchtenabdeckungen, Linsen und Scheinwerferstreuscheiben, in der Elektro-
technik für Schalter, Kontrolleuchten-Abdeckungen, Lötleisten, Lampensockel
und Leuchtröhrenhalterungen.
Unter dem Handelsnamen Lexan PPC bietet General Electric Plastics ebenfalls
ein wasserhelles Polyterephthalatcarbonat an, das sich durch eine hohe Formbe-
ständigkeit in der Wärme auszeichnet. Lexan PPC 4704 erreicht eine Vicat Tempe-
ratur von 185 °C und PPC 4504 von 175 °C. Beide Typen erfüllen die Anforderungen
der FDA und des USP Class VI Standard. Bei diesem Produkt wird besonders die
wiederholte Sterilisierbarkeit im Autoklaven bei 130 °C hervorgehoben. Die UV-
Beständigkeit dieses sowie des Bayer-Produktes kann durch Auftragen einer
Schutzschicht wesentlich erhöht werden. Das Apec HT (Bayer AG) weist verbes-
serte Fließfähigkeit und Formbeständigkeit in der Wärme auf.
2.2.1.2.1.2.4
Erhöht schlagzähe PC-Cokondensate
Thermoplastische
Polykondensate
Seit 1980 bietet Mobay Chemical Co. (US) unter dem Handelsnamen Merlon
(T 4610, T 4530 und T 4340) ein PC-Cokondensat an, das sich vor allem durch
eine hohe Kerbschlagzähigkeit auszeichnet (0,87 kJ/m bei 23 °C). Die Kerb-
schlagzähigkeit steigt mit zunehmendem Anteil der Bisphenol S-Komponente
an. Dieses Cokondensat basiert auf Bisphenol A, Phosgen und vor allem
Di-p-hydroxydiphenylsulfid.
Di-p-hydroxydiphenylsufid (Bisphenol S)
1048 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
Handelsnamen
Apec HT (Bayer AG/DE)
Lexan PPC (GE Plastics Europe B.V./NL)
Makrolon (Röhm GmbH/DE)
Merlon T (Mobay Chemical Co./US)
2.2.1.2.1.3
Polycarbonatblends
Wegen der großen Bedeutung, die die Blend-Technologie heute allgemein für
den Einsatz technischer Thermoplaste gefunden hat, seien an dieser Stelle die
wesentlichen Gründe für ihre Entwicklung zusammengefasst:
• charakteristische Eigenschaftsprofile, die jeweils von dem ungemischten Aus-
gangspolymeren nicht erreicht werden können,
• die Eigenschaften von Polymerblends liegen mitunter sogar über den Aus-
gangsniveaus der Basispolymere,
• mit Hilfe von Polymerblends können häufig gezielt ganz bestimmte Anwen-
dungen bzw. Einsatzbereiche erschlossen werden,
• die Entwicklungsdauer von Polymerblends beträgt durchschnittlich 3 bis
5 Jahre, die allgemeine Marktaufnahme von neu entwickelten Polymeren 8 bis
10 Jahre,
• günstiges Preis/Leistungsverhältnis.
Die Thermoplastblends schließen viele Lücken im Rohstoffangebot, wie Bild
2-481 zeigt [9]. Im Sockel der heute naturgemäß noch abgestumpften Pyra-
Thermoplastische
Polykondensate
2.2.1.2.1.4
Polycarbonat + Styrolcopolymerblends
(PC + ABS)-, (PC + ASA)- und (PC + SEBS)-Blends
Im Vorgriff auf das eigentliche Kapitel Polycarbonat-Blends wurden bereits im
Kapitel 2.1.3.2.3. ABS und ASA als elastifizierende Mischkomponenten in den
Polymerblends (ABS + PC) und ASA + PC) beschrieben. Dabei kommt es für
ABS auf das Erhöhen der Formbeständigkeit in der Wärme (durch die Zugabe
von PC) und für PC auf das Erhöhen der Schlagzähigkeit in der Kälte an, Bild
2-482.
Angesichts der begrenzten UV-Beständigkeit der Butadienkomponente im
ABS bietet ASA, mit einem Acrylester als elastifizierender Komponente, auch bei
Freibewitterung beides:
für die ASA-Komponente eine Erhöhung der Formbeständigkeit in der
Wärme und für PC eine Erhöhung der Schlagzähigkeit in der Kälte [6].
Die Formbeständigkeit der styrolhaltigen Blendkomponenten in der Wärme
kann auch durch den Einsatz von SMA eines methylstyrolhaltigen ABS oder spe-
zieller PC-Typen erhöht werden.
PC-Blends mit PMMA erhöhen die UV-Beständigkeit.
Blends aus PC und TPU eignen sich wegen ihrer hohen Zähigkeit und Kraft-
stoffbeständigkeit für zahlreiche Anwendungen im Kraftfahrzeugbau. Gegebe-
nenfalls kann diesen Blends außerdem noch Pfropfkautschuk zur Verbesserung
der Tieftemperaturzähigkeit zugesetzt werden [1].
PC-Formteile mit geringer Wanddicke weisen eine hohe Schlagzähigkeit
auf, bei größerer Wanddicke ist dieser Thermoplast jedoch bereits bei Raum-
temperatur und erst recht in der Kälte spröde. Außerdem büßt PC durch
Wärmealterung bei hohen Temperaturen sehr viel von seinen mechanischen
Eigenschaften ein. Durch den Zusatz von weniger als 10 Masse-% eines hoch-
molekularen SEBS zum PC wird die Schlagzähigkeit auch bei dickwandigen
Thermoplastische
Polykondensate
Teilen erhöht. Außerdem ist die Schlagzähigkeit eines in der Wärme gealter-
ten (PC + SEBS) wesentlich höher als die eines nicht-modifizierten PC, Bild
2-483.
2.2.1.2.1.5
Polycarbonat + Polybutylenterephthalat-Blends (PC + PBT)
■ Allgemeine Stoffbeschreibung
Zeichneten sich (PC + ABS)-Blends durch die erreichbare hohe Formbeständig-
keit in der Wärme und eine hohe Schlagzähigkeit in der Kälte aus, so kommt es
durch das Legieren mit PBT zunächst auf das Erhöhen der Steifigkeit der Form-
stoffe sowie eine bessere Chemikalien- und Kraftstoffresistenz an. Dabei geht je-
doch die hohe Schlagzähigkeit des PC verloren (zähspröd-Übergang 10 °C), so-
dass es notwendig war, als dritte Komponente einen Elastifikator, d. h. ein Elas-
tomer, hinzuzufügen. Das nunmehr aus drei Komponenten bestehende Blend ist
ein Beispiel für das Entstehen eines thermoplastischen Werkstoffs mit einem
vorher bei den einzelnen Basispolymeren nicht gekannten Eigenschaftsprofil.
Bild 2-484 zeigt die kennzeichnenden Eigenschaften, die jeder Ausgangsstoff
zum Gesamtprofil beiträgt.
Thermoplastische
Polykondensate
■ Mechanische Eigenschaften
Bild 2-485 gibt das Zeitstandverhalten eines Polymerblends (mittlerer Kälte-
schlagzähigkeit) bei – 50 °C wieder. Diese Werte sind bei dem in der Tabelle auf-
genommenen Typ Makroblend KL 1-1197 noch wesentlich günstiger. Die Form-
beständigkeit in der Wärme entspricht derjenigen von Standard-PC.
■ Umwandlungstemperaturen
Bild 2-486 gibt den Schubmodul von Makroblend PR 51 wieder. Die Steifheit
von PC bleibt bis etwa 50 °C erhalten; dann nimmt sie bis 150 °C allmählich
ab und liegt bis zur Schmelztemperatur von 225 °C über der des Basispolymeren
PC.
2.2.1 Thermoplastische Polykondensate 1051
■ Chemikalienbeständigkeit
Der Vorteil gegenüber normalem PC besteht vor allem in der geringeren Span-
nungsrissempfindlichkeit bei Berührung mit Kraftstoffen (Super-Kraftstoffe
und M 15).
■ Verarbeitung
Die als zylindrisches Granulat gelieferte Formmasse darf bei der Verarbeitung –
wie alle Polycarbonate – einen Feuchtigkeitsgehalt von höchstens 0,02 % aufwei-
sen. Sie ist etwa 5 Std. bei 120 °C im Schnelltrockner zu trocknen. Die optimale
Verarbeitungstemperatur beträgt 265 bis 280 °C. Temperaturen > 310 °C sind zu
vermeiden, ebenso lange Verweilzeiten im Plastifizierzylinder. Die Schwindung
beträgt 0,8 bis 1,0 %.
Formteile und Halbzeug aus den (PC + PBT)- sowie den (PC + PBT)-Modifi-
katorblends können durch Vibrations- und Ultraschallschweissen gefügt wer-
den. Das Ein- und Mehrschichtlackieren bereitet keine Schwierigkeiten.
Handelsnamen
Um angesichts der großen Vielfalt an PC-Blends und der zugehörigen Han-
delsnamen einen Überblick zu gewinnen, seien nachstehend die gebräuch-
lichsten Handelsnamen wiedergegeben:
(PC + ABS)
Bayblend T/FR (Bayer AG/DE)
Cycoloy (GE Plastics Europe/NL)
Koblend (Enichem Deutschland GmbH/DE)
Lastilac (Lati Industria Thermoplastici Deutschland GmbH/DE)
Pulse (Dow Europe/CH)
Ryulex (Dainippon Ink & Chemicals Inc./JP)
Terblend B (BASF AG/DE)
Transparene (Neste Oy Chemicals/FI)
(PC + ASA)
Bayblend A (Bayer AG/DE)
Terblend S (BASF AG/DE)
(PC + SMA)
Arloy (Arco Chemical Co./US)
Exolite (Cyro Industries/US)
(PC + PBT)
Lexan (GE Plastics Europe B.V./NL)
Thermoplastische
Polykondensate
2.2.1.2.1.6
Literatur – Kapitel 2.2.1.2 – 2.2.1.2.1.5
[1] Grigo U et al. (1992) „Polycarbonate“ in Kunststoff-Handbuch Bd. 3/1 (Herausgeber: L. Bot-
tenbruch) C. Hanser Verlag, München, S 117–159
[2] Müller PR (1984) „Polycarbonat“, Kunststoffe 74, S 569–572
[3] Saechtling, Hj „Kunststoff-Taschenbuch“ 26. Ausgabe (Herausgeber K. Oberbach) S 710 u. 711
[4] Gerling F (1994) „Metallisierte Kunststoffgehäuse“, Kunststoffe 84, S 899–903
[5] Eiffler J et al. (1995) „Opaleszierende Polycarbonate“, Kunststoffe 85, S 799–802
[6] Elias H-G, Vowinkel F (1983) „Neue Werkstoffe für die industrielle Anwendung“, München
C. Hanser Verlag, S 125–134
[7] Rathmann D (1984) „Polycarbonat – ein wärmebeständiger Thermoplast“, synthetic 15
Nr. 6, S 50–52
[8] Freitag D et al. (1988) „Polycarbonate“ in Encyclopedia of Polymer Science and Engineer-
ing 2. Aufl Vol 11, Wiley, New York, S 648–718
[9] Witt W (1985) „Polymerblends und ihre Bedeutung als Konstruktionswerkstoffe“, Gummi,
Fasern, Kunststoffe 38, S 155–161
2.2.1.2.2
Polyalkylenterephthalate
Zu den Polyalkylenterephtalaten gehören die Werkstoffe Polyethylenterephtalat
(PET) und Polybutylenterephtalat (PBT).
2.2.1.2.2.1
Polyethylenterephthalat (PET)
Frank Henning; Jan Diemert; Benjamin Sandoz
Im Jahre 1928 begann W. H. Carothers mit seinen Arbeiten über lineare Poly-
kondensate für die Herstellung von Polyestern. Ihm gelang die Herstellung von
verspinnbaren Polyestern aus Diolen und Alkylendicarbonsäuren. Jedoch erst
die Arbeiten von I. R. Whinfield und J. T. Dickson führten zu technisch nutzba-
ren Faserrohstoffen. Die Firmen ICI und DuPont erwarben die Schutzrechte der
Fa. Calico Printers’ Assoc. Accrington, UK, und gelangten Anfang der fünfziger
Jahre zur Großproduktion der ersten Polyesterfasern mit den Produktnamen
Terylen® und Dacron® für die Verarbeitung in der Textilindustrie. Nach dem Er-
Thermoplastische
Polykondensate
werb der ICI-Lizenz folgten die Firmen Hoechst AG mit einem Faserprodukt na-
mens Trevira® und die Enka-Glanzstoff AG mit dem Produkt Diolen®.
Nach Ablauf der Patente im Jahre 1966 nahmen zahlreiche Firmen in der
ganzen Welt die Produktion der Polyesterfasern auf.
Außer der Gewinnung von Spinnfasern erlangte bereits Mitte der fünfziger
Jahre die Herstellung von Folien große Bedeutung (Mylar® der Fa. DuPont,
Hostaphan® der Fa. Hoechst AG). Sie waren jahrelang ein wichtiges Isolations-
material für die Elektrotechnik.
Als Konstruktionswerkstoff gewann Polyethylenterephthalat (PET) im Jahre
1966 erstmals an Bedeutung, als die Firma AKU, Niederlande, ihr Produkt Arnite®
vorstellte. Später kamen die Produkte zahlreicher weiterer Hersteller auf den Markt.
1054 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
[2]. Durch die steigende Massenproduktion des Werkstoffs für die Verpackungs-
industrie entstand ein signifikanter Preisverfall, der diesem Werkstoff neue An-
wendungsgebiete eröffnet.
Im Jahr 2002 belief sich die Weltproduktion von PET/Polyesterpolymeren auf
31,3 Mio. t. Bild 2-487 zeigt die Verteilung auf die Anwendungsgebiete. Zu den
Spezialitäten gehören auch die technischen PBT/PET-Werkstoffe, speziell für
Spritzgießanwendungen [3].
2.2.1.2.2.1.1
Synthese und Compoundierung
2.2.1.2.2.1.1.1
Synthese
2.2.1.2.2.1.1.1.1
Herstellverfahren
Ethylenglykol
lat. Die Veresterung mit Ethylenglycol führt bei einer Temperatur von 190 bis
200 °C in Stickstoffatmosphäre zum Glycolterephthalat. Unter Verwendung von
Antimon- und Germanium-Katalysatoren entsteht bei vermindertem Druck bei
290 °C durch Schmelzepolykondensation ein Polyalkylenterephthalat als Kon-
densationsmasse. Das dabei freiwerdende überschüssige Glykol destilliert ab.
Die zähflüssige Kondensationsmasse wird nach 3 bis 5 Stunden abgepresst, in
Wasser gekühlt und in Granulate zerkleinert.
1056 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
2.2.1.2.2.1.1.2
Rohstoffeigenschaften
2.2.1.2.2.1.1.2.1
Bestimmung der intrinsischen Viskosität
2.2.1.2.2.1.1.2.2
Feuchtegehaltmessung
Auf die Wasseraufnahme von PET sei anhand Bild 2-488 hingewiesen. Um einen
hydrolytischen Abbau zu verhindern sind PET Granulate zu trocknen. Für die
Feuchtigkeitsmessung eignet sich besonders die Karl-Fischer-Methode. Für den
industriellen Einsatz eignen sich Verfahren wie das Aquatrac und der Aboni
Hydrotracer.
2.2.1.2.2.1.1.2.3
Thermoplastische
Polykondensate
Normen
2.2.1.2.2.1.1.3
Struktur und Morphologie
Die Eigenfarbe von PET reicht von amorph-transparent über kristallin-opak bis
hin zu weiß.
Bei teilkristallinen Thermoplasten werden die physikalischen Eigenschaften
maßgebend durch den Kristallinitätsgrad bestimmt. Beim teilkristallinen PET
wird je nach Verarbeitungsbedingungen ein Kristallinitätsgrad von 30 bis 40 %
erreicht. Die sich bildenden Überstrukturen (Sphärolithe) unterscheiden sich
zwar nicht von denen anderer teilkristalliner Thermoplaste, jedoch ist die Kris-
tallisationsgeschwindigkeit wesentlich geringer. Die Wachstumsgeschwindigkeit
der Sphärolithe beträgt nur 10 mm/min im Vergleich zu 400 mm/min bei POM
und 5000 mm/min bei PE-HD. Die Wachstumsgeschwindigkeit der Sphärolithe
ist im Temperaturbereich von 200 bis 230 °C am größten, Bild 2-489. Deshalb
Thermoplastische
Polykondensate
2.2.1.2.2.1.1.4
Additive und Zuschlagstoffe
2.2.1.2.2.1.1.4.1
Additive
Trotz einer verhältnismäßig hohen Stabilität gegen oxidativen Abbau ist den-
noch eine Stabilisierung bei Langzeiteinsatz der Produkte erforderlich. Ziel der
Stabilisierung ist die Verhinderung der Abnahme der Molmasse und der gleich-
zeitigen Zunahme von Carboxylengruppen nach der Polykondensation und bei
der Verarbeitung. Hierfür kommen vor allem Phosphite und Phosphate, wie z. B.
Triphenylphosphat, Trimethylphosphat und Triphenylenphosphit zum Einsatz.
Die Schmelzestabilisierung wird durch die Komplexierung/Chelatisierung der
als Umesterungs- und Polykondensationskatalysatoren eingesetzten Metallver-
bindungen (z. B. Manganacetat, Antimontrioxid) ermöglicht [4].
Als Stabilisatoren bei der Langzeitbeanspruchung von PET unterhalb 200 °C
dienen auch phenolische Antioxidantien wie beispielsweise Pentaerythritylte-
trakis-3 (3,5-ditert.butyl-4-hydroxyphenyl)-propionat. Das in PET enthaltene
Diethylenglykol, das in einer Nebenreaktion aus Ethylenglykol gebildet wird, ist
aufgrund der sich in alpha-Stellung zu den Ethersauerstoffatomen befindlichen
Methylengruppen besonders oxidationsanfällig. Phenolische Antioxidantien
verhindern oder schränken einen solchen Abbau erheblich ein.
Die thermoplastischen Polyester-Elastomere enthalten leicht oxidierbare Po-
Thermoplastische
Polykondensate
2.2.1.2.2.1.1.4.2
Flammschutz
2.2.1.2.2.1.1.4.3
Thermoplastische
Polykondensate
2.2.1.2.2.1.2
Thermoplastische
Eigenschaften
Polykondensate
• hohe Kriechstromfestigkeit,
• geringe Wasseraufnahme,
• witterungs- und heißluftbeständig,
• brennbar bei rußender Flamme und süßlich aromatischem Duft,
• harte und polierfähige Oberfläche,
• physiologisch unbedenklich
Amorphe PET-Typen zeichnen sich zudem vor allem durch folgende Eigen-
schaften aus: [7] [11]
• hohe Transparenz,
• hohe Zähigkeit,
• günstiges Zeitstandverhalten,
• günstiges Gleit- und Verschleißverhalten,
• Beständigkeit gegen Spannungsrissbildung,
• geringe Schwindung und hohe Maßbeständigkeit.
2.2.1.2.2.1.2.1
Thermische und Mechanische Eigenschaften
2.2.1.2.2.1.2.1.1
Mechanische Eigenschaften
2.2.1.2.2.1.2.1.2
Verhalten bei kurzzeitiger Beanspruchung
Thermoplastische
Polykondensate
Teilkristallines und amorphes PET weist bis zum Erreichen der mittleren Glasü-
bergangstemperatur von ca. 75 °C einen hohen Modul (Steifheit) auf, wie der Ver-
lauf des Schubmoduls und des mechanischen Verlustfaktors in Bild 2-490 zeigt.
Glasfaserverstärkte Materialtypen erreichen bei 30 % Glasanteil bereits E-
Modul-Werte von 9300 MPa, wie Bild 2-491 zeigt, bei Bruchdehnungen im Be-
reich von 2,5 %. Die Zugabe von Flammschutzmittel verringert die Bruchdeh-
nung und erhöht den E-Modul nochmals.
1062 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
Tabelle 2-89. Richtwerte der physikalischen Eigenschaften von unverstärktem und verstärktem
PET und PBT sowie zusätzlich von elastifiziertem PET-GF 35 und thermoplastischen Polyester
Elastomeren
2.2.1.2.2.1.2.1.3
Verhalten bei Langzeitbelastung
55 – 52 – 17 –
3,5 – 4 – – –
38 220 50 135 27 21
300 110 200 3 480 700
2200 4500 2600 9000 185 100
o.Br. – o.Br. 45 o.Br. o.Br.
2,5 – 3,5 9,5 o.Br. o.Br.
– – – – o.Br. o.Br.
97 – 120 170 55 (Shore D) 45 (Shore D)
Thermoplastische
Polykondensate
Bild 2-491. Darstellung des Zug-E-Moduls unterschiedlicher Rynite Typen, DuPont mit zu-
gehöriger Bruchdehnung [12]
1064 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
Eine Vorstellung von der hohen Zeitstandfestigkeit des PET vermittelt der
Vergleich mit dem ebenfalls zu den technischen Kunststoffen zählenden Poly-
acetal, Bild 2-496.
2.2.1.2.2.1.2.1.4
Verhalten bei hoher Verformungsgeschwindigkeit
Thermoplastische
Polykondensate
2.2.1.2.2.1.2.1.5
Biege-Wechselfestigkeit
2.2.1.2.2.1.2.1.6
Härte
Beanspruchungsart Biege-Wechselfestigkeit
Polykondensate
sm su
N/mm2 N/mm2
Biegewechsel 0 ± 30
Biegewechsel 26 ± 26
Zug-/Druck-Wechsel 0 ± 24
Zugschwell 20 ± 20
Druckschwell 26 ± 26
Torsionswechsel 0 ± 19.5
Torsionsschwell 14 ± 14
2.2.1 Thermoplastische Polykondensate 1069
2.2.1.2.2.1.2.1.7
Thermische Eigenschaften
Thermoplastische
Polykondensate
Tabelle 2-91. Richtwerte der thermischen Eigenschaften von unverstärktem und verstärktem
PET und PBT sowie zusätzlich von elastifiziertem PET-GF 35 und thermoplastischen Polyester-
Elastomeren
thermische
Gebrauchstemperatur
kurzzeitig °C 200 220 220
dauernd °C 100 100 100
Glastemperatur DTA °C 73 bis 79 73–79 73–79
Glasüberganstemperatur °C 98 98 98
Schmelzbereich °C 255 255 250
Vicat-Erweichungstemperatur °C
VST/B/120 °C 185 225 –
Formbeständigkeit i.d. Wärme
Methode A °C 80 230 220
Methode B °C 115 > 250 –
linearer Ausdehnungskoeffizient K–1 70 · 10–6 20 · 10–6 30 · 10–6
spezif. Wärmekapazität kJ/kgK 1,2 0,9 –
Wärmeleitfähigkeit W/mK 0,29 0,33 0,29
2.2.1.2.2.1.2.2
Beständigkeiten
2.2.1.2.2.1.2.2.1
Beständigkeit gegen den Angriff durch Chemikalien
PET gilt im Vergleich zu vielen anderen Polymeren als chemisch sehr beständig.
Beständigkeit besteht unter anderem gegen:
• schwache Säuren und Laugen,
• Öle und Fette,
• perchlorierte, aliphatische und aromatische Kohlenwasserstoffe,
• Tetrachlorkohlenstoff,
• Neutrale und saure Salze,
Thermoplastische
Polykondensate
• Alkohole,
• Ether,
• Wasser bei Raumtemperatur.
Beständigkeit besteht nicht gegen:
• starke Säuren und Laugen,
• Phenolen
• längere Einwirkung von heißem Wasser (Hydrolyse).
Aufgrund der Reversibilität der Polykondensationsreaktion ist PET hydroly-
seempfindlich, was den dauernden Einsatz in wässrigen Lösungen bei Tempera-
turen > 70 °C oder in Dampf ausschließt.
2.2.1 Thermoplastische Polykondensate 1071
70 – 65 205 49 –
72 – 170 275 110 –
80 · 10–6 17 · 10–6 70 · 10–6 45 · 10–6 150 · 10–6 160 · 10–6
1,3 1,32 1,35 1,15 1,40 –
0,24 0,38 0,21 0,24 – –
2.2.1.2.2.1.2.2.2
Spannungsrissbildung
2.2.1.2.2.1.2.2.3
Wasseraufnahme
Die Sättigung von Polyestern bei Lagerung in Wasser wird erst nach langer Zeit
(ca. 6 Monate) erreicht und beträgt ca. 0,6 %. Die Prüfung nach DIN 53 472 ergibt
einen Feuchtegehalt von ca. 0,1 – 0,2 %, bei glasfaserverstärkten Polyestern sogar
deutlich darunter.
Thermoplastische
Polykondensate
Auf die ebenfalls sehr eingeschränkte Wasseraufnahme von PET bei erhöhten
Temperaturen sei in Bild 2-504 hingewiesen.
2.2.1.2.2.1.2.2.4
Witterungsbeständigkeit, Wetterechtheit
2.2.1.2.2.1.2.2.5
Gasdurchlässigkeit
PET zeichnet sich durch eine gute Barrierewirkung aus. Es ist beispielsweise un-
durchlässiger als PVC-U. Tabelle 2-92 zeigt die Durchlässigkeit von 40 mm-Fo-
lien für verschiedene Medien.
Die Wasserdampfdurchlässigkeit von PET ist höher als die der Polyolefine, je-
doch geringer als bei PC, PA und POM. PET-Folien sind in hohem Maße aroma-
dicht. Die gewünschte Kombination von Wasserdampfundurchlässigkeit und
Aromadichtigkeit führt bei der Entwicklung von Packstoffen für Lebensmittel
häufig zum Einsatz coextrudierter PE/PET-Folien.
g/m2d
Sauerstoff 30 40 99
Luft 12 16 35
Wasserstoff 850 950 1800
Kohlendioxid 140 180 –
Schwefelwasserstoff 320 – –
Schwefeldioxid 625 – –
Ammoniak 2500 – –
Argon 16 – –
Helium 1170 – –
Leuchtgas 280 – –
Methan 8 – –
2.2.1 Thermoplastische Polykondensate 1073
Die Barrierewirkung von PET ist vom verwendeten Material, der Kristalli-
nität, dem Orientierungszustand (besonders bei Folien), sowie der Wanddicke
und der Größe der Oberfläche abhängig.
Da für manche Anwendungen die sehr guten Barriereeigenschaften von PET
nicht ausreichen (bsp. Bier und Fruchtsäfte), werden mehrschichtige oder plas-
mabeschichtete Systeme zur Verbesserung der Eigenschaften eingesetzt. Bei den
mehrschichtigen Systemen für Flaschen und nicht verstreckten Folien werden
Barrierepolymere wie EVOH oder PA eingesetzt. Bei verstreckten Folien kann
das Permeationsverhalten durch Metallisierung verbessert werden, wobei hier
meist Aluminiumoxid zum Einsatz kommt.
Durch Tauch-, Sprüh oder Vakuumbeschichtung kann die Barrierewirkung
des PETs ebenfalls verbessert werden. Für die Tauchbeschichtung verwendet
man vorwiegend PVDC. Bei der Sprühbeschichtung werden meist Epoxy-Harz-
Systeme außen auf den PET-Behälter aufgetragen und gehärtet. Die Vakuumbe-
schichtung unterscheidet man nach Innen- oder Außenbeschichtung und nach
dem Abscheideprozess physikalisch (PVD) oder chemisch (CVD).
Die beschriebenen Verfahren weisen heute noch technische Probleme auf
oder führen zu hohen Halbzeugpreisen.
Heute sind drei Verfahren am Markt. Bei dem BestPET-Verfahren (PVD-Ver-
fahren) (Fa. Krones) wird eine Außenbeschichtung aus SiO2 aufgebracht. Die
CVD-Verfahren Actis (Fa. Sidel) und Glaskin (Fa. TetraPak) bedienen sich einer
Innenbeschichtung, indem man bei Actis Acetylen und bei Glaskin Si-haltige
Monomere auf die Oberfläche aufträgt.
2.2.1.2.2.1.2.2.6
Beständigkeit gegen energiereiche Strahlung
2.2.1.2.2.1.2.3
Elektrische, optische und akustische Eigenschaften
Thermoplastische
Polykondensate
2.2.1.2.2.1.2.3.1
Elektrische Eigenschaften
Die wichtigsten Kennwerte für die elektrischen Eigenschaften von PET sind in
Tabelle 2-93 wiedergegeben. PET zeigt im Vergleich eine hohe Durchschlag-
festigkeit und einen hohen spezifischen Durchgangswiderstand und eignet sich
damit gut für Anwendungen in der Elektrotechnik.
1074 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
Tabelle 2-93. Richtwerte der elektrischen Eigenschaften von unverstärktem und verstärktem
PET und PBT sowie zusätzlich von elastifiziertem PET-GF 35 und thermoplastischen Polyester-
Elastomeren
elektrische
Oberflächenwiderstand W 6 · 1014 8 · 1014 –
spezif. Durchgangswiderstand W cm 2 · 1014 2 · 1014 –
Dielektrizitätszahl 50 Hz 3,4 4,0 –
1 MHz 3,2 3,8 –
dielektr. Verlustfaktor 50 Hz 0,002 0,002 –
1 MHz 0,021 0,015 –
Durchschlagfestigkeit kV/mm 60 45 21
Vergleichszahl der Kriech-
wegbildung CTI Prüflösung A 350 225 175 (KB)
2.2.1.2.2.1.2.3.2
Dielektrische Eigenschaften
Bild 2-505. Einfluss von Temperatur und Frequenz auf die Dielektrizitätszahl von PET-Folien
(A) Mylar, Typ C
a) 12 µm, 1000 Hz (DuPont Deutschland GmbH/DE)
b) 25 µm, 1000 Hz (DuPont Deutschland GmbH/DE)
(B) Mylar, Typ C
2.2.1 Thermoplastische Polykondensate 1075
2.2.1.2.2.1.2.3.3
Optische Eigenschaften
Wie Bild 2-507 am Beispiel von zwei Mylar® Folientypen zeigt, kann die Licht-
durchlässigkeit des transparenten PET je nach chemischem Aufbau sehr unter-
schiedlich sein. Der stark streuende Folientyp A lässt im gesamten Bereich weni-
ger Strahlung durchtreten als Typ B und Fensterglas, die sich in ihrem Absorpti-
Thermoplastische
Polykondensate
Bild 2-506. Einfluss der Temperatur und der Frequenz auf den dielektrischen Verlustfaktor von
PET-Folien
(A) Mylar, Typ C, 12 µm (DuPont Deutschland GmbH/DE)
(B) Mylar, Typ C, 12 µm (DuPont Deutschland GmbH/DE)
1076 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
Bild 2-507. Absorptionsspektrum von Fensterglas und PET-Folien im UV-, sichtbaren und In-
frarot-Bereich
a Fensterglas
b Mylar, Typ B, 25 µm (DuPont Deutschland GmbH/DE)
c Mylar, Typ B, 125 µm (DuPont Deutschland GmbH/DE)
d Mylar, Typ A, 125 µm (DuPont Deutschland GmbH/DE)
2.2.1.2.2.1.2.4
Sonstige Eigenschaften mit besonderer Bedeutung vor dem Hintergrund
der Anwendung
2.2.1.2.2.1.2.4.1
Polymer-Abbau
Der Abbau von PET spiegelt sich in einer Abnahme der Molmasse, Verringerung
der Viskosität, Zunahme der Endgruppen,Verfärbung des Materials und letztend-
Thermoplastische
Polykondensate
2.2.1.2.2.1.2.4.1.1
Thermischer und oxidativer Abbau
PET baut unter dem Einfluss hoher Temperaturen und insbesondere in der Ge-
genwart von Sauerstoff ab. Die Geschwindigkeit des thermo-oxidativen Abbaus
ist dabei 10 mal schneller als der reine Einfluss der Temperatur.
Thermo-oxidativer Abbau resultiert vor allem in einer Verfärbung des Materials.
2.2.1 Thermoplastische Polykondensate 1077
2.2.1.2.2.1.2.4.1.2
Hydrolyse
2.2.1.2.2.1.2.4.1.3
Scherung
2.2.1.2.2.1.2.4.1.4
Bildung von Acetaldehyd
Acetaldehyd (AA) bildet sich bei der Verarbeitung von PET als niedermolekula-
res Spaltprodukt. Der in der Natur vorkommende Stoff findet sich z. B. in Zit-
rusfrüchten und wird durch seinen intensiven Geschmack wahrgenommen. In
den meisten Fällen ist die Konzentration in der im Behältnis eingefüllten aro-
matisierten Flüssigkeit so gering, dass AA nur sehr schwierig zu messen ist und
kaum wahrgenommen wird. Der Geschmack reinen Wassers ist jedoch nicht im-
mer in der Lage den Geschmack von AA zu überdecken. Kleinste Geschmacks-
Thermoplastische
Polykondensate
Einzige Möglichkeit zur Senkung von AA über die Optimierung der Prozess-
parameter hinausgehend besteht in der Zugabe von AA Blockern, die mit AA
reagieren und es in der Matrix über die Produktlebenszeit gebunden halten.
Blocker sind in der Lage bis zu 80 % des AA Anteils zu binden.
Es ist jedoch zu beachten, dass eine Ausgewogenheit zwischen reduziertem
AA Gehalt und hohen mechanischen Eigenschaften bei der Auswahl des geeig-
neten Polyesters erzielt wird.
2.2.1.2.2.1.2.4.2
Sterilisation
PET ist wegen der Hydrolyseanfälligkeit nur für das Sterilisieren in einer Ethy-
lenoxidatmosphäre oder durch Bestrahlen geeignet.
2.2.1.2.2.1.3
Verarbeitung und Anwendung
2.2.1.2.2.1.3.1
Trocknung
Obwohl die Wasseraufnahme mit 0,3 – 0,5 % sehr gering ist, reagiert PET
während der thermoplastischen Verarbeitung sehr empfindlich auf im Material
gebundene Feuchtigkeit. Eine Vortrocknung ist daher in den meisten Verarbei-
tungsprozessen unumgänglich. Je nach Materialtyp ist hierbei eine Restfeuchte
von 0,01 – 0,02 % vor der Verarbeitung zu erzielen, da andernfalls die Viskosität
der Schmelze und die mechanischen Eigenschaften der Bauteile abnehmen.
In der Herstellung von Preforms müssen diese Feuchtegehalte nochmals
deutlich unterschritten werden. Für die Trocknung kommen daher vorwiegend
Trockenlufttrockner mit Taupunkten von < – 50 °C zum Einsatz.
Die schnelle Wiederaufnahme von Feuchtigkeit ist beim Materialhandling zu
beachten. Bei der Trocknung von amorphen Granulaten ist die beim Übergang
in den kristallinen Zustand auftretende Klebrigkeit des Materials zu beachten,
sodass diese Materialien entweder unterhalb der Glasübergangstemperatur von
76 °C getrocknet werden oder vor der Trocknung rekristallisiert werden müssen.
Hierzu kommen Behälter mit integriertem Rührwerk zum Einsatz, die ein Ver-
kleben des Materials beim Übergang in den kristallinen Zustand verhindern. Im
Thermoplastische
Polykondensate
kristallinen Zustand kann PET ohne Verkleben auch bei höheren Temperaturen
von bis zu 160 °C getrocknet werden.
Bei der Trocknung amorpher und glykolmodifizierter Typen ist auf eine genaue
Einhaltung der Temperaturen zu achten, um ein Verkleben zu vermeiden.
2.2.1 Thermoplastische Polykondensate 1079
2.2.1.2.2.1.3.2
Thermoplastische Verarbeitung von PET
Spritzgießen 260 bis 290 140 800 bis 1200 1,2 bis 2,0
( 60 amorphe
Formteile, wenn
s 4 bis 5 mm)
amorph 260 bis 270 60 800 bis 1200 0,2
(s 4 mm)
Extrudieren 260 bis 280 260 bis 270
2.2.1.2.2.1.3.3
Urformen
2.2.1.2.2.1.3.3.1
Extrusion von PET-Folien
2.2.1.2.2.1.3.3.2
Faserherstellung
Die traditionelle Anwendung von PET ist die Herstellung von Synthesefasern im
Schmelze-Spinnprozess. Hierbei werden vorwiegend dünnflüssige PET-Typen
mit IV-Werten von 0,58 bis 0,64 dl/g eingesetzt. Die Einstellung der IV-Werte
kann dabei in gewissen Grenzen über die Vortrocknung des Materials und die
Beimengung von Regeneraten erfolgen.
Das aus der Spinndüse senkrecht nach unten austretende schmelzeflüssige
Material wird durch einen Kühlluftstrom, Schwerkraft und Abzugswalzen be-
schleunigt und hierdurch verstreckt. Hierbei werden Abzugsgeschwindigkeiten
der Faser von 200 bis 8000 m/min erreicht. Je nach Abzugsgeschwindigkeit un-
terscheidet man in verschieden orientierte PET-Fasern.
LOY Low Oriented Yarn ca. 1000 m/min
POY Partially Oriented Yarn ca. 3000 m/min
HOY High Oriented Yarn 4000 – 5000 m/min
FOY (nicht kommerzialisiert) Fully Oriented Yarn 6000 – 8000 m/min
In einem nachgeschalteten Schritt werden die Fasern weiter verstreckt und er-
halten hierdurch ihre endgültigen mechanischen Eigenschaften.
2.2.1.2.2.1.3.3.3
Spritzgießen
Das Spritzgießen von PET hat durch den zunehmenden Einsatz von PET Fla-
schen im Getränkemarkt stark an Bedeutung gewonnen, da die für das Streck-
blasen benötigten Preforms im Spritzgießprozess hergestellt werden. Im Gegen-
satz zur Extrusion kommen hier jedoch ausschließlich vorgetrocknete Materia-
lien zum Einsatz. Der sehr hohe wirtschaftliche Druck erfordert hier den Einsatz
spezialisierter Spritzgießmaschinen mit schnellen Maschinenbewegungen, opti-
mierten Plastifizier- und Spritzaggregaten und exakt abgestimmten Handling-
systemen und Werkzeugen mit hoher Formnestanzahl (heute bis zu 144 Form-
nester).
Zur Vermeidung hoher Acetaldehydkonzentrationen in den spritzgegossenen
Preforms ist eine exakte Kontrolle der Schmelzetemperatur und ein enges Ver-
weilzeitspektrum notwendig, da sich der Abbau ab einer Schmelzetemperatur
Thermoplastische
Polykondensate
Amorphe Bauteile
2.2.1.2.2.1.3.3.4
Blasformen
Wichtigstes Einsatzgebiet für PET bei Packmitteln sind seit Jahren die blasge-
formten Behälter, vor allem in Form von Getränkeflaschen. Dieses Marktseg-
ment ist verantwortlich für das ausgeprägte Wachstum der Polyester.
Dabei ist die Eigenschaftskombination: hohe Transparenz, geringes Gewicht,
mechanische Stabilität, hohe Gasdichte, hohe Designfreiheit, hohe Widerstands-
fähigkeit und Geschmacksneutralität entscheidend. Wirtschaftliche Rezyklier-
barkeit und niedrige Material- und Verarbeitungskosten sind weitere positive
Gesichtspunkte für die Bevorzugung von PET.
Neue Entwicklungen im Bereich der Barrieretechnologien ermöglichen eine
zunehmende Lagerfähigkeit bei gashaltigen Getränken.
Kunststoffflaschen aus PE, PP oder PVC werden ursprünglich im Extrusions-
Blasverfahren hergestellt. Aufgrund der geringen Schmelzeviskosität benötigt
PET einen alternativen Verarbeitungsprozess. Grundsätzlich unterscheidet man
zwei unterschiedliche Herstellungsrouten, einen Einstufenprozess unter direkter
Weiterverarbeitung eines spritzgegossenen Vorformlings im Blasformen und ei-
nen Zweistufenprozess, bei dem die Massenherstellung von Preforms von der ei-
gentlichen Blasformgebung zur Flasche örtlich und zeitlich getrennt erfolgt.
Beim einstufigen Verfahren erfolgt die Flaschenherstellung direkt vom Gra-
nulat über den Vorformling direkt zur Flasche. Die einzelnen Prozessschritte
sind hierbei in einer Anlage zusammengefasst. Verfahrenstechnisch bedeutet
dies, dass der spritzgegossene Vorformling bei einer Massentemperatur aus dem
Thermoplastische
Polykondensate
auf eine Temperatur von 95 – 120 °C, also oberhalb der Glasübergangstemperatur
und deutlich unterhalb der Schmelztemperatur. Hierbei ist besonderes Augen-
merk auf das für das Blasformen geeignete Temperaturprofil zu richten. Ein
Streckblassystem besitzt in der Regel zwischen einer und 32 Kavitäten und stellt
bei einer Zykluszeit von 2,5 s ca. 40.000 Flaschen pro Stunde her. Der Zweistu-
fenprozess, der in Form von Linearmaschinen (< 6.000 Flaschen/h) oder Rund-
läufermaschinen (> 6.000 Flaschen/h) betrieben werden kann, besitzt eine ge-
ringere thermische Effizienz als der Einstufenprozess. Das Verfahren eignet sich
besonders für mittlere bis große Serien.
Der heiße Vorformling wird beim Blasformen biaxial verstreckt und in einem
Negativwerkzeug abgeformt. Das Polyester besitzt die Eigenschaft, dass beim
Verstrecken des erwärmten Materials die Orientierung durch Kettengleitvor-
gänge zunimmt und gleichzeitig eine dehnungsinduzierte Kristallisation erfolgt.
Der Effekt der Streckverfestigung tritt bei PET oberhalb der Glastemperatur bei
konstanter Spannung im Material während des Blasvorgangs bei einem Streck-
verhältnis von 5:1 auf. Neben der Steigerung der mechanischen Eigenschaften
um ein Vielfaches verbessern sich auch die Barriereeigenschaften und die che-
mische Beständigkeit signifikant, sodass eine Reduktion der Wandstärke ohne
Kompromisse möglich ist [14].
2.2.1.2.2.1.3.4
Umformen, Fügen und Trennen
2.2.1.2.2.1.3.4.1
Tiefziehen
2.2.1.2.2.1.3.4.2
Trennen
Für das Trennen von PET-Profilen und Halbzeugen sind die in Tabelle 2-6 ge-
nannten Verfahren geeignet.
Thermoplastische
Polykondensate
2.2.1.2.2.1.3.4.3
Kleben
2.2.1.2.2.1.3.4.4
Schweißen
Bauteile aus unverstärktem PET lassen sich gewöhnlich gut mittels Ultraschall-,
Heizelement-, Warmgas- und Reibungsschweißen zusammenfügen. Flamm-
schutzmittel, mineralische Füllstoffe und Glasfasern reduzieren die Festigkeit
der Schweißverbindung jedoch deutlich.
HF-Schweißen ist aufgrund des geringen dielektrischen Verlustes bei Raum-
temperatur nicht möglich.
Die Bedingungen für das Heizelementschweißen sind folgende:
Heizelementtemperatur 260 ± 10 °C
Anpressdruck bei Anwärmbeginn 0,5 bar
Anpressdruck bei Schweißbeginn 0,5 bar
Anwärmdauer (je nach Wanddicke) 10 – 30 s
2.2.1.2.2.1.3.5
Spanende Verarbeitung
Halbzeuge aus PET lassen sich meist gut mechanisch durch Drehen, Fräsen,
Bohren und andere spanende Bearbeitungsverfahren weiterverarbeiten. Der
hohe Schmelzpunkt verhindert ein vorzeitiges Verschmieren.
Typische Schnittgeschwindigkeiten sind [7]:
Bohren bis 60 m/min
Fräsen 250 – 500 m/min
Drehen bis 400 m/min
Sägen bis 2500 m/min
2.2.1.2.2.1.3.6
Veredelung
2.2.1.2.2.1.3.6.1
Lackierung
kann durch Vorbehandlung der Bauteiloberfläche oder durch den Einsatz von
Primern verbessert werden. Die hohe Warmformbeständigkeit glasverstärkter
PET-Typen erlaubt die Lackierung mit den in der KFZ-Industrie üblichen Lack-
systemen.
2.2.1.2.2.1.3.6.2
Metallisieren
2.2.1.2.2.1.3.6.3
Sonstige Oberflächenveredelungsverfahren
2.2.1.2.2.1.3.7
Verschäumen von PET
2.2.1.2.2.1.3.8
Anwendungsbeispiele
erwarten.
2.2.1.2.2.1.3.8.1
Fasern
2.2.1.2.2.1.3.8.2
Verpackung
2.2.1.2.2.1.3.8.3
Spritzgießteile
2.2.1.2.2.1.3.8.4
Folien
2.2.1.2.2.1.4
Sicherheit, Umwelt und Recycling
2.2.1.2.2.1.4.1
Verarbeitung, Arbeitsplatz
Bei der Verarbeitung flammgeschützter Typen wird eine Absaugung über dem
Plastifizieraggregat, insbesondere über dem Werkzeugaustritt, bzw. der Maschi-
Thermoplastische
Polykondensate
nendüse, empfohlen.
Bei der thermischen Reinigung von Maschinenbauteilen ist in jedem Fall eine
Absaugung erforderlich.
2.2.1.2.2.1.4.2
Brandverhalten
Der überwiegende Teil der PET-Typen ist nach der UL 94 Prüfung in die Brand-
klasse HB einzuordnen. Für die Anwendung in der Elektroindustrie und andere
Anwendungen mit hohen Anforderungen an die Flammwidrigkeit der Materia-
lien werden speziell flammgeschützte Typen, meist in Form glasfaserverstärkter
1086 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
Compounds eingesetzt, die auch die UL 94 V-0 erfüllen. Die hier verwandten
Flammschutzmittel basieren zur Zeit allerdings überwiegend auf Brom-Verbin-
dungen.
Die Selbstentzündung von PET setzt bei Temperaturen von 450 – 500 °C ein.
2.2.1.2.2.1.4.3
Produkte
Gegen die Verwendung von PET bei der Herstellung von Bedarfsgegenständen
im Sinne des Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes (LMBG) 5 Absatz 1
Nr. 1 (Lebensmittelbedarfsgegenstände) und Nr. 5 (Spielwaren) bestehen keine
Bedenken. Ungefüllte und unverstärkte PET-Typen erfüllen die an die einge-
setzten Monomere vorgegebenen Anforderungen der Bedarfsgegenständever-
ordnung vom 10.4.1992 und deren Ergänzung vom 11.4.1994, Anlage 3, Abschnitt
A und B ohne spezifische Beschränkung.
Die bei den Produkten außerdem verwendeten Stoffe sind gemäß BGA-Emp-
fehlung XVII, Polyterephthalsäurediolester, Stand 15.1.1993 (189. Mitteilung Bun-
desgesundheitsblatt 36 (1993), Seite 114, zugelassen.
Für gefärbtes PET gelten in den einzelnen Ländern stark voneinander abwei-
chende Vorschriften, die gegebenenfalls zu beachten sind.
2.2.1.2.2.1.4.4
Recycling
2.2.1.2.2.1.4.4.1
Werkstoffliches Recycling
2.2.1.2.2.1.4.4.1.1
Produktionsreststoffe
2.2.1.2.2.1.4.4.1.2
Verbraucherabfälle aus Flaschen
Thermoplastische
Polykondensate
Beim werkstofflichen Recycling bleibt das ursprüngliche Polymer über den ge-
samten Aufbereitungsprozess erhalten. In den heute üblichen Prozessen werden
die farblich vorsortierten, sortenreinen PET-Abfälle zuerst zu sog. Flakes zer-
kleinert. Dabei ist für die spätere Materialqualität von entscheidender Bedeu-
tung, evtl. enthaltene PVC-Anteile zu entfernen, da sonst bei der Aufbereitung
durch freiwerdenden Chlorwasserstoff eine Schädigung des Polymers eintritt.
Die Flakes werden gewaschen und mit dem Sink-Steig-Trennverfahren (Dichte-
unterschiede) von Deckel- und Papierresten getrennt. Es folgt eine weitere Rei-
nigung in wässriger Lösung, die weitere Verunreinigungen von den Flakes ab-
löst. In den meisten Verfahren folgt nach der Trocknung eine Regranulierung im
Extrusionsprozess mit Schmelzefilterung. Das erzeugte Granulat enthält Anteile
2.2.1 Thermoplastische Polykondensate 1087
nigt. Das gereinigte Rezyklat wird mit 75 % Neuware gemischt und kann für tech-
nische Anwendungen oder für Multilayerflaschen eingesetzt werden.
2.2.1.2.2.1.4.4.2
Rohstoffliches Recycling
Beim rohstofflichen Recycling bedient man sich der bei PET ohne weiteres mög-
lichen Umkehrung der Synthese. Die dabei entstehenden Oligo- oder Monomere
können chemisch durch Destillation gereinigt und anschließend erneut zu PET
kondensiert werden.Anschließend folgt eine Kristallisation und Nachkondensa-
tion durch SSP. Das dabei entstehende PET-Rezyklat entspricht praktisch einer
Neuware. Nachteilig an diesem Verfahren sind jedoch die noch relativ hohen
Prozesskosten.
2.2.1.2.2.1.4.4.3
Energetisches Recycling
Thermoplastische
Polykondensate
Verfahren Produkte
2.2.1.2.2.1.5
Handelsnamen
Neben den in großen Mengen produzierten unverstärkten Typen für die Faser-
herstellung und das Blasformen von Flaschen existieren in den Sortimenten der
PET-Hersteller eine Reihe von Spritzgießtypen unterschiedlicher Fließfähigkeit
in unverstärkter, glasfaser- und/oder glaskugelverstärkter und auch flammwid-
riger Form. Außerdem werden Typen für das Extrudieren von Rohren und Pro-
filen sowie für das Spritzblasen von Hohlkörpern und die Flach- und Schlauch-
folienextrusion angeboten.
Transparente PET-Typen erfüllen hohe optische Anforderungen. Spezialsor-
timente enthalten Typen mit bis zu 55 Masse-% Glasfasern und auch schlag-
zähmodifiziertes Material.
Die zehn größten PET Lieferanten decken etwa zwei Drittel des weltweiten
PET Marktes ab.
Elegante, Voridian, AmberGuard, Heatwave, VersaTray Æ (Voridian, USA)
Thermoplastische
Polykondensate
2.2.1.2.2.1.5.1
Typisierung
Die Norm DIN 16779 Tl. 1 (01.88) PET und PBT Tl. 2-E (12.80) gibt die Typisie-
Thermoplastische
Polykondensate
rung.
2.2.1.2.2.1.5.2
Lieferformen
2.2.1.2.2.1.6
Literatur – Kapitel 2.2.1.2.2.1
[1] Kunststoff-Märkte Westeuropa, APME Jahresbericht 2001 und Statistiken
[2] Polyethylenterephtalat für Verpackungen, Kunststoffe, Jahrgang 92 (2002) 10, Seite 111 – 113
[3] www.kiweb.de, KI20885/27.10.2003
[4] Zimmermann, H.: Plaste, Kautschuk 28 (1981), S. 433
[5] Bartel W.: Kunststoffe 77 (1987), S. 348
[6] Falkai B von: Synthesefasern, Verlag Chemie, Weinheim 1981, S. 171
[7] Becker/Braun; Kunststoffhandbuch Band 3/1; Hanser-Verlag; 1992
[8] Stepek J; Jaoust H: Additives for Plastics, Springer, New York 1983, S. 83
[9] DE-OS 27 19 429, 1977, Bayer AG
[10] Keuerleber R H; Schütt, K.P.: Kunststoffe 76, 1986, S. 912
[11] Celanex Impet Vandar – Technische Polyester; Technische Informationen der Ticona
GmbH; 2001
[12] CAMPUS-Datenbank
[13] Kricheldorf H R, u.a.: Makromolekulare Chemie, 179, 1978, S. 2133
[14] Stoyko Kakirov, Handbook of Thermoplastic Polyesters Volume 1, Wiley-VCH Verlag
GmbH, Weinheim, 2002
[15] Lee S T; Foam Extrusion, Principles and Practice, aTECHOMICpublication; Technomic
Publishing Company, Inc.; 2000
[16] Technische Kunststoffe: „Polyethylen-terephthalat (PET)...für Verpackungen“, S. 111, Carl
Hanser Verlag, München, Jahrg. 92 (2002)
[17] Technische Kunststoffe: „Polyethylen-terephthalat (PET)...für Verpackungen“, S. 111, Carl
Hanser Verlag, München, Jahrg. 92 (2002)
2.2.1.2.2.2
Polybutylenterephthalat (PBT)
■ Herstellung
Die Herstellung von Polybutylenterephthalat (PBT) erfolgt ähnlich wie die von
PET, jedoch mit Butandiol-1,4 anstelle von Ethylenglykol.
■ Allgemeine Stoffbeschreibung
PBT wird im angloamerikanischen Sprachgebrauch auch als Polytetramethylen-
terephthalat (PTMT) bezeichnet. Dieser teilkristalline Thermoplast weist zahl-
reiche, dem PET verwandte Eigenschaften auf, dazu gehören vor allem:
• hohe Festigkeit, Steifheit und Härte,
• hohe Zähigkeit bei tiefen Temperaturen,
• hohe Formbeständigkeit in der Wärme,
Thermoplastische
Polykondensate
Polybutylenterephthalat
1092 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
■ Zusatzstoffe
siehe PET.
■ Sortiment
Vielseitige Einsatzmöglichkeiten dieses Technischen Kunststoffs konnten im
Laufe der letzten Jahre durch die ständig zunehmenden Angebote der Rohstoff-
hersteller an maßgeschneiderten Materialtypen erschlossen werden. Diese
umfassen unverstärkte Formmassen (z. B. leichtfließende, zähmodifizierte, ther-
moplastmodifizierte Blends wie PBT + PC), flammwidrig ausgerüstete (selbst
Standardtypen V-O), sowie verwandte jedoch glasfaser- und glaskugelverstärkte
oder mineralgefüllte homopolymere Formmassen und Polymerblends. Die
reichhaltigen Spritzgusssortimente werden ergänzt durch Typen für das Extru-
dieren und Beschichten.
■ Typisierung
siehe PET.
■ Physikalische Eigenschaften
Thermoplastische
Polykondensate
■ Mechanische Eigenschaften
Kurzzeitverhalten bei geringer Verformungsgeschwindigkeit
Das im Kurzzeitversuch nach DIN 53455 ermittelte Kraftverformungsdia-
gramm je eines unverstärkten und verstärkten PBT-Spritzgusstyps zeigen die
Bilder 2-511 und 2-512. Die normalerweise mit einem Masseanteil der Glasfa-
sern von 30 % verbundene Verdoppelung der Zugfestigkeit wird in diesem Bei-
spiel vor allem bei Temperaturen > 60 °C weit übertroffen. Dieses überraschende
Ergebnis ist auf die Entwicklung sehr wirksamer Haftvermittler zurückzu-
führen.
2.2.1 Thermoplastische Polykondensate 1093
Umwandlungstemperaturen
Zur Charakterisierung eines Kunststoffs dient in besonderem Maße die Abhän-
gigkeit des im Torsionsschwingungsversuch nach DIN 53 445 in Abhängigkeit
von der Temperatur gemessenen Schubmoduls G und des mechanischen
Verlustfaktors d. Bild 2-513 gibt diese Kennwerte für drei Celanex®-Typen der Ti-
cona GmbH wieder.
Wegen der im Vergleich zu PET (Tg = 98 °C) niedrigeren Glasübergangstempe-
ratur von PBT (Tg = 60 °C) kann das Niveau der mechanischen Eigenschaften na-
turgemäß trotz GF-Verstärkung nicht erreicht werden. Beanspruchungen können
bei unverstärktem Material bereits im Temperaturbereich von 60 bis 70 °C Verfor-
mungen verursachen. Die um etwa 40 K tiefer liegende Glasübergangstemperatur
bringt jedoch andererseits eine problemlose Verarbeitbarkeit mit sich.
Das ausgeprägte Maximum des mechanischen Verlustfaktors d bei + 60 °C
kennzeichnet den Erweichungsbereich des amorphen Anteils, während die kris-
tallinen Bereiche erst bei Temperaturen um 220 °C erweichen. Dadurch sind
Festigkeit und Formbeständigkeit in einem breiten Temperaturbereich gewähr-
leistet.
Thermoplastische
Polykondensate
Bild 2-513. Schubmodul G und mechanischer Verlustfaktor d von verstärktem und unverstärk-
tem Celanex, gemessen im Torsionsschwingungsversuch nach DIN 53 445
Damit eine ausreichende Sicherheit gegen Bruch gegeben ist, wird bei Kons-
truktionen üblicherweise mit Dehnungen von 0,5 bis 1 % gerechnet.
Die Verformung eines Kunststoff-Formteils ist nicht nur zeit- und tempera-
turabhängig, sondern darüber hinaus auch eine Funktion der Beanspruchungs-
art. Streng genommen wären für jede Beanspruchungsart eigene Werkstoff-
Kennwerte zu ermitteln. Bei Verformungen von 2 % sind die Abweichungen der
Werkstoff-Kennwerte jedoch vernachlässigbar, so dass z. B. der Zeitverlauf der
Stauchung eines druckbeanspruchten Bauteils auch mit dem bei Biegebean-
spruchung ermittelten Biege-Kriechmodul ausreichend genau zu berechnen ist.
Die Schlagzähigkeit von PBT verbessert ein Zusatz von SEBSg + MAH (Malein-
säureanhydrid).
Bild 2-515. Isochrone Spannungsdehnungslinien von unverstärktem PBT bei verschiedenen Temperaturen
2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
2.2.1 Thermoplastische Polykondensate
Bild 2-516. Isochrone Spannungsdehnungslinien von verstärktem PBT-GF 30 bei verschiedenen Temperaturen
1097
Thermoplastische
Polykondensate
1098 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
terial gegen Stahl (v = 500 mm/s) 140 N/mm2 · mm/s, beim glasfaserverstärkten
unter den gleichen Bedingungen 700 N/mm2 · mm/s. Demgemäß erweist sich
PBT als ein vielversprechender Lagerwerkstoff.
■ Thermische Eigenschaften
Während die kristallinen Bereiche von PET bei 255 °C schmelzen, beträgt die
entsprechende Temperatur bei PBT 225 °C. Diese Werte besagen, dass eine kurz-
zeitige thermische Beanspruchung (ohne mechanische) bis etwa 225 °C bzw.
200 °C möglich ist. Außer den thermischen Daten für PBT in Tabelle 2-91 ist in
Bild 2-523 die Enthalpie des Produktes bei verschiedenen Glasanteilen wieder-
gegeben.
2.2.1 Thermoplastische Polykondensate 1099
Thermoplastische
Polykondensate
■ pvt-Diagramm
Das für das Auslegen und Steuern von Spritzgießmaschinen wichtige pvt-Dia-
gramm für PBT-GF 30 gibt Bild 2-524 wieder.
■ Wasseraufnahme
An dieser Stelle sei Bild 2-525 über die Wasseraufnahme von unverstärktem und
GF-verstärktem PBT eingefügt.
1100 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
Bild 2-522. Biegewechsel- und Biegeschwellfestigkeit von unverstärktem PBT und PBT-GF 30
(Frequenz 10 Hz)
a Mittelspannung sm = 0 N/mm2
b Unterspannung su = 0 N/mm2
■ Elektrische Eigenschaften
Thermoplastische
Polykondensate
Die elektrischen Isolationseigenschaften von PBT sind gut. Sie werden durch
Feuchtigkeitsaufnahme kaum beeinflusst. Mit elektrolytischer Korrosion oder
kontaktschädigenden Ausscheidungen ist nicht zu rechnen.Wie Bild 2-526 zeigt,
sind die Dielektrizitätszahl und der dielektrische Verlustfaktor nahezu unab-
hängig von Temperatur und Frequenz. Auch die Durchschlagfestigkeit erweist
sich als temperaturunabhängig, Bild 2-527.
■ Chemikalienbeständigkeit
Beständig gegen: Wasser, wässrige Lösungen (bei Raumtemperatur), schwache
Säuren, viele organische Lösemittel, Öle, Fette, Bremsflüssigkeit, Tetrachlorkoh-
lenstoff;
2.2.1 Thermoplastische Polykondensate 1101
Bild 2-523. Enthalpie von PBT bei verschie- Bild 2-524. pvt-Diagramm eines mit 30 %
denen Glasfaseranteilen (H = 0 für 20 °C) Masseanteil glasfaserverstärkten PBT
Thermoplastische
Polykondensate
■ Spannungsrissverhalten
PBT ist spannungsrissbeständig.
1102 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
■ Witterungsbeständigkeit, Strahlenbeständigkeit
siehe PET.
■ Brennbarkeit
Das Brandverhalten von unverstärktem PBT kann mit langsam brennend be-
zeichnet werden. Die Flamme ist orangefarben und rußt. Die Schmelze tropft ab;
Thermoplastische
eine höhere Brenngeschwindigkeit, weil die Abtropfneigung geringer ist und die
Flammenfront sich dadurch stärker aufbaut.
Die angebotenen Sortimente enthalten flammwidrig ausgerüstete Typen.
■ Durchlässigkeit für Wasserdampf und Gase
Die Permeabilität ähnelt derjenigen der PET-Folien, d. h. sie ist günstig im Ver-
gleich zu anderen Polymeren.
■ Gesundheitliche Beurteilung
Gegen die Verwendung von Artikeln aus PBT bestehen keine Bedenken im Sinne
des Lebensmittelgesetzes. Die Reinheitsanforderungen sind in der Empfehlung
2.2.1 Thermoplastische Polykondensate 1103
XVII der Kommision des BGA, 01. 07. 1984 (147. Mitteilung Bundesgesundheits-
blatt 27, 289, 1984), PBT ist physiologisch inert. (Vergleich PET).
■ Verarbeitung
Das Spritzgießen ist das bis heute bevorzugte Verarbeitungsverfahren. Die Bil-
Thermoplastische
Polykondensate
der 2-528 und 2-529 zeigen die Fließfähigkeit eines leichtfließenden und eines
mit 50 % Glasfaseranteil verstärkten Typs des Celanex-Sortimentes der Hoechst
AG. Obwohl häufig mit Werkzeugtemperaturen von weniger als 60 °C gearbeitet
wird, wird die höchste Oberflächengüte doch erst bei Temperaturen von 110 °C
erzielt. Durch Extrudieren werden Flachfolien, Tafeln und Profilstäbe herge-
stellt.
Flachfolien aus PBT sind transparent und glänzend. Sie können durch biaxia-
les Recken verfestigt werden.
Verarbeitungsbedingungen
siehe nachstehende Übersicht.
1104 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
Spritzgießen
unverstärkt 230 – 260 50 – 80 800 – 1200 1–2 10 h bei 130°C
Glasfaser- 250 – 270 60 – 100 800 – 1200 0,5 – 1,3 im Umluft-
verstärkt ofen
Extrudieren 250 – 280 – 100 – 200 – 10 h bei 130°C
im Umluft-
ofen
Warmformen Zuschnitt-Temperatur 230°C bis 240 °C
von Folien bei
150 µm
Anwendungsbeispiele
Gleitlager, -elemente, Ventil-Formteile, Laufrollen, Zahnräder, Kurven-
scheiben, Pumpengehäuse und -laufräder, Kupplungen, Schrauben,
Gehäuse für Zündkerzenstecker, Trägerplatten für Schrittschaltwerke, Spu-
lenkörper, Klemmen, Verteiler, Steckerleisten, LCD-Displays, Tastentele-
fonteile, Miniaturschalter.
Bei den Haushaltgeräten sind es: Kaffeemaschinen, Eierkocher, Toaster-
teile, Haarföndüsen, Bügeleisengehäuse, Staubsaugerteile, Fritteusen und
Fonduegeräte, Haarpflegegeräte, Elektro-Kochtopfgehäuse, Herdgriffleis-
ten, Herdknöpfe.
Handelsnamen
Arnite (Akzo Engng. Plastics/NL)
Thermoplastische
Polykondensate
2.2.1.2.2.3
Thermoplastische Polyesterelastomere (TPE-E)
Die Reihe der thermoplastischen Elastomere, beginnend in den fünfziger Jahren
mit den thermoplastischen Polyurethanen,erweitert in den Sechzigern durch ther-
moplastische Polyolefin- und Styrol-Elastomere, erhielt in den siebziger Jahren
neuen Zugang durch die thermoplastischen Polyamid- und Polyester-Elastomere.
Zu dem im Jahre 1972 von Du Pont (US) auf den Markt gebrachten Hytrel®
kamen kurz danach das Pelpren der Toyobo Co. (JP), 1977 das Arnitel der Akzo
(NL) und 1985 das Lomod der General Electric Plastics (US).
■ Herstellung
Die Rohstoffbasis bilden 1,4-Butandiol, Terephthalsäure und Polytetrahydro-
furan. Demnach handelt es sich um Copolyetherester mit harten kristallinen
Tetramethylenglycolterephthalat-Blöcken und weichen, amorphen Polyalkylen-
etherterephthal-Blöcken.
Die Herstellung der elastomeren Copolyetherester erfolgt in der Schmelze
durch Umesterungsreaktionen zwischen einem Terephthalatester, einem Poly-
alkylenetherglycol und einem kurzkettigen Diol, beispielsweise 1,4-Butandiol.
Bei der Untersuchung verschiedener Polyalkylenetherglycole, wie Polytetrame-
thylenetherglycol (PO4), Polyethylenoxidglycol (PO2) und Polypropylenoxidgly-
col (PO3) mit 4 GT-Hartsegmenten ergab sich mit PTMEG die höchste Zug- und
Einreißfestigkeit. In diesen Copolymeren kann in den Hartsegmenten der Te-
repthalsäureester zum Teil durch Ester der Isophtal- oder Sebazinsäure ersetzt
werden. Zug- und Einreissfestigkeit steigen an, ohne die Härte, den Modul oder
die Tieftemperaturflexibilität nennenswert zu beeinflussen.
■ Allgemeine Stoffbeschreibung
Die thermoplastischen Polyetherester-Elastomere zeichnen sich aus durch:
• hohe mechanische Festigkeit,
• hohe Flexibilität und Schlagzähigkeit in der Kälte,
• hohe Verschleißfestigkeit,
• hohe Chemikalien- und Alterungsbeständigkeit,
• gute Erholung von Druck- und Zugverformungen,
• leichte und wirtschaftliche Verarbeitbarkeit.
Thermoplastische
Polykondensate
■ Zusatzstoffe: Funktions-Zusatzstoffe
Die wichtigsten Zusatzstoffe für Polyetherester-Elastomere sind die Funktions-
Zusatzstoffe. Sie stehen meistens in Form von Konzentraten auf der Basis eines
universell verarbeitbaren Grundtyps zur Verfügung. So beispielsweise zur Ver-
besserung der UV-Beständigkeit, der Wärmestabilität bei Anwendungen über
120 °C, zur Erhöhung der Hydrolysebeständigkeit oder der Flammwidrigkeit.
Rußkonzentrate dienen zum Schwarzeinfärben bzw. in höherer Konzentration
zum Verbessern der UV-Beständigkeit.
■ Sortiment
Die Sortimente der Hersteller umfassen Typen verschiedener Härtegrade, bei-
spielsweise Shore D Härten von 46 bis 63 für das Spritzgießen und das Extrudie-
ren, hochviskose Typen für das Extrusions-Blasformen sowie Typen für das
Rotationsformen.
■ Lieferform
Die Grundtypen sowie die Konzentrate werden als getrocknetes Granulat gelie-
fert, dessen Feuchtigkeitsgehalt 0,1 % beträgt.
■ Physikalische Eigenschaften
Richtwerte der wichtigsten Eigenschaften thermoplastischer Polyester-Elasto-
mere enthält Tabelle 2-89.
lig erholen. Deshalb sollte beim Entwurf der Teile eine Verformung von ≤ 10 %
gewählt werden.
■ Umwandlungstemperaturen
Die Glasübergangstemperaturen der TPE-E-Elastomeren richten sich natur-
gemäß nach dem jeweiligen Härtegrad. Liegt Tg bei den in Bild 2-532 wiederge-
gebenen beiden Typen mit Shore D Härten von 63 bzw. 55 bei – 30 °C bzw. bei
0 °C, so liegt Tg bei Härten von 40 bzw. 46 bei – 60 °C bzw. – 50 °C. Dementspre-
chend nehmen mit abnehmender Härte die Kerbschlagzähigkeit und die Flexi-
bilität zu, eine Eigenschaft, die auch diesen Elastomeren als modifizierende
Komponente bei weniger kälteschlagzähen Thermoplasten, insbesondere linea-
ren Polyestern, zugute kommt. Typen mit Shore D Härten von 60 bis 75 sind al-
lerdings kerbempfindlich und zum Flexibilisieren nicht geeignet.
Thermoplastische
Polykondensate
Härte
Wie Bild 2-535 am Beispiel zweier TPE-E-Elastomertypen zeigt, bleibt die Härte
je nach Typ über einen breiten Temperaturbereich konstant. Dabei schneiden
die flexiblen Typen naturgemäß am günstigsten ab.
■ Thermische Eigenschaften
Kennzeichnende Daten enthält Tabelle 2-91. Verallgemeinernd ist festzustellen,
dass bei entsprechender Wärmestabilisierung die Lebensdauer von TPE-E-Elas-
tomeren um das fünf- bis achtfache erhöht werden kann. Beträgt die Lebens-
dauer von nicht stabilisiertem Material beispielsweise bei Betriebstemperaturen
von 100 °C mehr als drei Jahre, so fällt sie bei 150 °C auf wenige Tage ab. Durch
Stabilisieren werden unter den gleichen Bedingungen 60 Tage ereicht. Wärme-
stabilisierung empfiehlt sich stets bei dauernder Beanspruchung bei Tempera-
turen von mehr als 120 °C.
■ Elektrische Eigenschaften
Die elektrischen Eigenschaften der TPE-E-Elastomeren ermöglichen eine Ver-
wendung im Netzspannungsbereich bis zu 600 Volt.
■ Chemikalienbeständigkeit
PEE-E-Elastomere sind je nach Härtegrad und Betriebstemperatur beständig
gegen: Öle, Kraftstoffe, Lösemittel, Ozon, verdünnte Säuren und Basen.
Sie sind nicht beständig gegen: starke Säuren und Laugen, Alkohole, Glycole
und Wasser von Temperaturen > 65 °C.
■ Sterilisieren
Formteile aus TPE-E-Elastomeren können mit Hilfe von Dampf oder g-Strahlen
sterilisiert werden.
■ Gesundheitliche Beurteilung
Thermoplastische
Kontakt mit trockenen Nahrungsmitteln (FDA) sowie für das Verpacken von
Fleisch und Geflügel (VSDA) und Trinkwassereinrichtungen (NSF). In der Bun-
desrepublik wird beispielsweise Hytrel in der Produktion und Verteilung von
Bier verwendet.
■ Verarbeitung: Verarbeitungsbedingungen
Die Verarbeitungstemperaturen betragen beim
Spritzgießen ca. 220 °C
(Abbau bei Temp. > 230 °C und
Verweilzeiten > 20 min)
1110 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
Anwendungsbeispiele
Dichtungen, Dichtungsstopfen, flexible Kupplungen, Zahnräder, Isolier-
kappen für elektrische Anschlüsse, Keilriemen, Druckluft- und Hydraulik-
schläuche, Kabelummantelungen, Stecker, Innenbeschichtungen von
Feuerwehrschläuchen, Sohlen für Langlauf-Skischuhe, Fußballstiefel, Fuß-
ballblasen, Sicherungsklammern für Skistöcke und im Automobilbau;
Faltenbälge, Bedienungsknöpfe, Lager für Fensterheber, Stützringe, Rück-
spulautomatik in Sicherheitsgurten, Türfallen und Befestigungselemente.
Es ist naheliegend, dass sich die thermoplastischen Polyester-Elastomere
als Schlagzähigkeitsverbesserer bei den linearen Polyestern PET und PBT
bewähren.
Handelsnamen
Anitel E (Akzo Engng. Plastics/NL)
Bexloy V (Du Pont de Nemours/US)
Ecdel (Eastman Chemical International/US)
Hytrel (Du Pont Deutschland GmbH/DE)
Lomod (General Electric Plastics Europe/NL)
Riteflex BP (Ticona GmbH/DE)
2.2.1.2.2.4
Polyethylenterephthalat als Barrierekunststoff
Im Abschnitt 2.1.4.1.1 wurden die als erste in den sechziger Jahren entwickelten
Barriere-Kunststoffe auf Basis Acrylnitril vorgestellt.
Nach dem teilweisen Verbot dieser Produkte durch die US-Gesundheitsbehörde
(FDA) haben die thermoplastischen Polyester deren Platz eingenommen.
Die ersten streckgeblasenen biaxial-orientierten Getränkeflaschen aus PET
Thermoplastische
Polykondensate
kamen 1976 in den USA auf den Markt, in der Bundesrepublik erst 1980. Für Ge-
tränkeflaschen ist ein Spezialtyp, der sog.„bottle grade“ erforderlich.
■ Herstellung
Die Herstellung dieses Sondertyps geschieht bei einigen Produzenten nach
bekannten Verfahren aus Dimethylenterephthalat oder Terephthalsäure und
Ethylenglycol mit Antimon-, Germanium oder Titandioxid als Katalysator. Im
glasklaren Produkt der Celanese verhindert der Einbau von Isophthalsäuren,
Cyclohexandimethylol oder Neopentylglycol die Bildung unerwünschter kristal-
liner Bereiche. Die kontinuierliche Polymerisation in der Schmelze liefert höher-
wertige Produkte (hohe thermische und thermooxidative Beständigkeit). In al-
2.2.1 Thermoplastische Polykondensate 1111
len Fällen wird anschließend eine Polykondensation in fester Phase bei Tempe-
raturen zwischen 180 °C und 240 °C durchgeführt. Dabei entweichen durch
Überleiten von Stickstoff oder Anlegen von Vakuum die flüchtigen Verbindun-
gen weitgehend [1].
Vom qualitativ hochwertigen Produkt wird ein niedriger Gehalt von Acetal-
dehyd, Oligomeren und Carboxylgruppen verlangt.
Die PET-Flaschentypen müssen eine niedrige Kristallisationsgeschwindig-
keit (dieses im Gegensatz zum Spritzgussmaterial) aufweisen, um glasklar zu
bleiben. Sie wird durch eine hohe molare Masse (≥ 23 600), einen höheren Anteil
an Diethylenglycol und geringe Nukleierung (niedrige Katalysatorkonzentra-
tion) erreicht.
■ Allgemeine Stoffbeschreibung
Das PET wird mit einem Feuchtigkeitsgehalt < 0,01% angeliefert. Damit wirkt es
wie ein Trockenmittel. Der hydrolytische Abbau beginnt bereits bei 150 °C, der ther-
mooxidative bei 200 und der rein thermische bei 260 °C. Es ist unerlässlich, die
Formmasse vor dem Verarbeiten auf einen Wassergehalt von 20 bis 30 ppm zu
trocknen. Getrocknet wird bei 150 bis 175 °C mit trockener Luft während 3 h (bei
175 °C). Bereits bei einem Wassergehalt von 50 ppm wird das Verarbeiten erschwert.
■ Sortiment
Die Sortimente der Rohstoffhersteller enthalten mehrere Typen, die sich in
der Grenzviskosität voneinander unterscheiden, beispielsweise von 72 ± 2 über
80 ± 2 bis 85 ± 2 ml/g.
■ Lieferform
Die Lieferform ist glasklares Granulat in vakuumverschlossenen Behältern.
■ Physikalische Eigenschaften
Richtwerte der kennzeichnenden Eigenschaften enthält Tabelle 2-97. Zum Ver-
gleich wurden die Werte eines Nitril-Polymeren aufgenommen.
■ Durchlässigkeit für Wasserdampf und Gase
Eine aufschlussreiche Gegenüberstellung der Gasdurchlässigkeit von Barriere-
Kunststoffen bringt Tabelle 2-98. Daraus geht hervor, dass die Permeabilität von
PET und PVC-U im Vergleich zu PP nur geringfügig voneinander abweicht. Die
Nitril-Polymeren sind den genannten Polymeren weit überlegen. PET ist jedoch
Thermoplastische
Polykondensate
■ Verarbeitung
Die Herstellung der PET-Flaschen geht in zwei Stufen vor sich. Zunächst wird ein
Vorformling spritzgegossen, der dann in ein Blaswerkzeug geschwenkt und
durch Streckblasen biaxial gereckt wird. Bei dieser Verarbeitungsmethode ent-
steht erneut Acetaldehyd. Deshalb darf die Schmelztemperatur den Bereich von
260 bis 290 °C nicht überschreiten. Die Verweilzeit im Plastifizierzylinder muss
kurz und die Scherbeanspruchung beim Plastifizieren gering sein. Die Poly-
merhersteller sind bemüht, modifizierte Materialtypen mit niedrigeren Ver-
arbeitungstemperaturen zu entwickeln.
1112 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
Anwendungen
PET hat als Rohstoff für die Herstellung von Flaschen inzwischen weltweit
eine Produktionsmenge von 500 000 t erreicht. In den USA wurden nahezu
alle Glasflaschen für Erfrischungsgetränke > 1 l Inhalt durch PET ersetzt.
Andere Getränke wie Bier, Wein und Whisky folgen.
Große und zugleich dickwandige PET-Flaschen weisen nur eine geringe
Gasdurchlässigkeit auf.
In Großbritannien, Italien, Spanien, Frankreich und Benelux werden
PET-Flaschen für kohlensäurehaltige Erfrischungsgetränke, Mineral-
wasser, Apfelmost und Bier verwendet. Dazu kommen Kosmetika, Phar-
mazeutika, Haushaltchemikalien u. a. Der Markterfolg der 1-l-Flasche ist
wesentlich geringer und die 0,5-l-Flasche kann sich offenbar gegen die
Glasflasche und die Metall-Getränkedose nicht durchsetzen.
Bei Bierflaschen erhält die Außenseite eine Beschichtung mit PVDC. In
England ist die Umstellung bei Bier abgeschlossen.
Thermoplastische
Polykondensate
Handelsnamen
Arnite (Akzo Engng. Plastics, NL)
Cleartuf (Goodyear Tire and Rubber Co., US)
Kodar, Kodapak (Eastman Chem. Int., US)
Polyclear (Kalle Pentaplast/DE)
Tabelle 2-98. Gasdurchlässigkeit von Kunststoffen mit Barriere-Eigenschaften
cm3 mm
Sauerstoff 0,3–0,4 0,15–0,25 4–4,5 1,8–3,5 80–90 35–45 6–7 3–3,5
m2 d bar
cm3 mm
Kohlendioxid 0,6–0,8 0,4–0,5 10–11 5–8 300–320 170–180 10–11 7,5–9
m2 d bar
Wasserdampf g · mm
0,5–0,8 0,3–0,5 3 0,9–2 0,10–0,15 0,04–0,07 0,8 0,6
2.2.1 Thermoplastische Polykondensate
20°C/85% rel. F. m2 d
1113
Thermoplastische
Polykondensate
1114 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
2.2.1.2.3
Polyarylate (Polyarylester)
Die Bezeichnung „Polyarylate“ ist ein Sammelbegriff für aromatische Polyester
(APE) und Polyestercarbonate (PEC). Sie sind ausschließlich aus aromatischen
Komponenten aufgebaut, d. h. aus: aromatischen mehrfunktionellen Carbonsäu-
ren, mehrfunktionellen Phenolen und/oder aromatischen Hydroxycarbonsäu-
ren; auch Kohlensäure kann noch hinzukommen.
Beispielhaft gilt folgende Strukturformel [2].
■ Herstellung
Das U-Polymer enthält Terephthalsäure, Isophthalsäure und Bisphenol-A-Ein-
heiten im Molverhältnis 1 : 1 : 2.
Thermoplastische
Polykondensate
■ Allgemeine Stoffbeschreibung
Wegen iher Zugehörigkeit zur Gruppe der thermoplastischen Polyester sind die
Polyarylate mit den Polycarbonaten verwandt. Sie sind jedoch in der Wärme
formbeständiger. Generell sind die folgenden kennzeichnenden Eigenschaften
hervorzuheben:
• hohe Festigkeit, Steifheit und Härte,
• hohe Schlagzähigkeit,
• hohe Formbeständigkeit in der Wärme (175 °C),
• hohe Maßbeständigkeit,
• gute elektrische und dielektrische Eigenschaften,
• hohe Transparenz,
• hohe Flammwidrigkeit (UL 94 V-O),
• hohe Witterungs- und UV-Beständigkeit.
■ Sortiment
Die von verschiedenen Herstellern in Lizenz der Fa. Unitika Ltd. (JP) und der Fa.
Hooker Chemical (US) angebotenen Sortimente enthalten außer den Basispoly-
meren sowohl gefüllte und GF-verstärkte oder Polymerblends mit geringen An-
teilen von Polyethylen als auch von PA 6, um vor allem die Verarbeitbarkeit zu
verbessern.
■ Lieferform
Die Polyarylate werden als glasklares und farbiges Granulat geliefert. Halbzeug
ist in Form von Rohren, Profilen, Tafeln und Folien lieferbar.
■ Physikalische Eigenschaften
Eine umfassende Übersicht über das Eigenschaftsbild der Polyarylate (und da-
mit vergleichbarer Schwefelpolymere) gibt Tabelle 2-99.
Langzeitverhalten
Ebenso günstig verhält sich die Zeitstand- bzw. Kriechfestigkeit, wie das Zeit-
verformungsdiagramm bei Zugbeanspruchung und einer Prüftemperatur von
100 °C zeigt, Bild 2-536.
Die hohe Kriechfestigkeit erlaubt es, Ardel Polyarylat D-100 in Luft wie folgt
dauernd zu beanspruchen;
bei 23 °C mit 10 N/mm2 und
bei 100 °C mit 7 N/mm2.
Diese Beanspruchungen führen innerhalb der Lebensdauer eines Bauteils nur zu
einer geringfügigen Verformung. Ein ebenso günstiges Verhalten zeigt der Zug-
kriechmodul bei verschiedenen Belastungen, Bild 2-537.
■ Thermische Eigenschaften
Hervorstechend ist die hohe Formbeständigkeit in der Wärme. Sie ist derjenigen
von Polysulfon vergleichbar.
Thermoplastische
Polykondensate
Bild 2-537. Zug-Kriechmodul von Ardel D-100 bei verschiedenen Belastungen und Temperatu-
ren (Quelle: Amoco Performance Products/CH)
Bild 2-538. Hystereseschleife einiger technischer Kunststoffe bei Biegebeanspruchung (10 Zyk-
len) (Quelle: Amoco Performance Products/CH)
■ Elektrische Eigenschaften
Bei der Beurteilung und vor allem bei der Nutzung der elektrischen Eigenschaf-
ten von Polyarylat ist es wichtig zu wissen, dass alle elektrischen und dielektri-
schen Eigenschaften bis 150 °C nahezu konstant bleiben. Sie werden durch hohe
Luftfeuchtigkeit nicht beeinträchtigt. Auch die Unabhängigkeit der dielektri-
schen Eigenschaften von der Frequenz, z. B. im Bereich von 50 Hz bis 1 MHz, ist
für viele Anwendungen von großem Nutzen.
■ Chemikalienbeständigkeit
Formstoffe aus Polyarylaten sind beständig gegen: Alkohol, Fette, Öle, Milch,
Glycol, verdünnte Säuren, Laugen, Obstsäfte, Wasser (bis 60 °C);
unbeständig gegen: aromatische und chlorierte Kohlenwasserstoffe, starke
Säuren und Laugen sowie gegen dauernde Einwirkung von heißem Wasser.
■ Spannungsrissverhalten
Die Anfälligkeit des Materials gegen die Bildung von Spannungsrissen kann
durch Nachbehandeln (Tempern) der Formstoffe bei Temperaturen um 160 °C
wesentlich verringert werden.
■ Brennbarkeit
Die Polyarylate gehören ohne flammwidrige Ausrüstung zu den schwerent-
flammbaren Kunststoffen. Sie brennen rußend mit leuchtender Flamme. Die
Verbrennungsgase sind gesundheitlich und physiologisch unbedenklich. Die
Rauchgasdichte ist gering. Hier der Sauerstoffindex einiger Thermoplaste:
Polyvinylchlorid 44 % Polycarbonat 28 %
Polyarylate, Polysulfon 34 % POM 16 %
PPE und PA 29 %
1120 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
■ Gesundheitliche Beurteilung
Die Polyarylate sind gesundheitlich unbedenklich. Sie sind ohne Eigengeruch
und Geschmack. Die Formteile sind sterilisierbar.
■ Verarbeitung
Wie die meisten Polyaromate, so müssen auch die Polyarylate vor dem Ver-
arbeiten getrocknet werden. Feuchtes Material wird beim Plastifiziervorgang
hydrolysiert; es verliert dadurch seine guten mechanischen Eigenschaften und
das entsprechende Aussehen. Die Restfeuchte sollte < 0,2 % betragen.
Getrocknet wird im Wärmeschrank mit Frischluftbetrieb bei Schichtdicken
des Granulates von 3 bis 4 cm. Es ist ratsam – wie bei allen hygroskopischen Pro-
dukten – die Maschinen mit einem beheizbaren Speisetrichter zu versehen.
Verarbeitungsbedingungen
Massetemperatur beim Spritzgießen 350 bis 390 °C
Werkzeugtemperatur 120 bis 150 °C
Spritzdruck 1300 bis 1400 bar
Extrusionstemperatur 340 bis 400 °C
■ Bearbeitung
siehe Polycarbonat
Anwendungsbeispiele
In ihren Anwendungen stehen die Polyarylate im Wettbewerb mit PC und
Polysulfon (PSU). In den Fällen, in denen die Formbeständigkeit von PC in
der Wärme nicht mehr ausreicht, können die Polyarylate mit Preisvorteil
gegenüber PSU eingesetzt werden. Die Preisrelation beträgt in der Reihen-
folge PC, Polyarylate, PSU etwa 1 : 2 : 3.
Bedienungspulte von Küchenherden, Schutzgitter, Haatrocknerkämme,
Gehäuse, Unterbrecher, Stecker, Spulen, Fassungen, Schalterelemente,
Buchsen, Isolierplatten, Kontrolltasten, Sichtscheiben, Lampenabdeckun-
gen (hohe Kratzfestigkeit), Befestigungsclipse, Schnappverbindungen,
Formteile für Mikrowellenherde, Elektrowerkzeuge, Büromaschinen,
Drahtummantelungen, Sonnenkollektoren, Scheinwerferreflektoren,
Zahnräder, Rollen, Spindeln, Stellringe, Lager, Muffen, Schrauben, Arznei-
Thermoplastische
Polykondensate
mittelflaschen, Prothesen.
Handelsnamen
PAR
Ardel (Amoco Performance Products/US)
Arylon (Du Pont Deutschland GmbH/DE)
Aryphan (Lonza-Folien/DE)
Carodel (ICI America Inc./US)
U-Polymer (Unitika Ltd./JP)
PEC
2.2.1 Thermoplastische Polykondensate 1121
2.2.1.2.4
Eigenverstärkende teilkristalline Polymere (LCP)
Obwohl selbstverstärkende Stoffe seit langem bekannt waren, führten For-
schungsarbeiten von Du Pont erst im Jahre 1965 zu lyotropen (d. h. in gelöster
Form makromolekular geordneten) Polymeren, der heute vielseitig verwende-
ten Verstärkungsfaser® Kevlar 49, ein aromatisches Polyamid. Diesem folgte
1972 das Thermotrop (d. h. in der Schmelze verarbeitbare) Ekcel I-2000 der Car-
borundum.
■ Herstellung
Bei den seit dem Jahre 1975 weltweit aufgenommenen Forschungs- und Ent-
wicklungsarbeiten war die Celanese Ltd., Summit N.J./USA, mit ihrer Vectra®-
Faser besonders erfolgreich. Als Ausgangsmaterialien dieser, in ihrem Eigen-
schaftsbild zwischen PET und Kevlar 49 rangierenden Faser, dienten ther-
motrope Polyester wie 2,6-Naphthalen-dicarboxylsäure (NDA), 2,6-Dihy-
droxynaphthalen (DHA)- und 6-Hydroxy-2-Naphthalamide (HNA).
stärkten Typen Vectra K 130 und K 140 auf. Sie erfüllen viele der an das Ori-
ginalmaterial gestellten Anforderungen [6].
■ Physikalische Eigenschaften
Einen Gesamtüberblick über die physikalischen Eigenschaften ausgewählter ty-
pischer Formmassen vermittelt Tabelle 2-100.
■ Mechanische Eigenschaften
Das anisotrope Verhalten einiger glasfaserverstärkten Vectra-Typen im Ver-
gleich zu PBT-GF 30 bei spritzgegossenen 3,2 mm dicken Platten zeigt Bild
2-543. Eine Zunahme des Biege-E-Moduls und der Biegefestigkeit mit abneh-
1124 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
Bild 2-543. Anisotropie der Biegefestigkeit und des Biege-E-Moduls von Vectra im Vergleich zu
glasfaserverstärktem PBT. Wanddicke s = 3,2 mm
Kurzzeitverhalten
Die Ergebnisse von Kurzzeit-Zugversuchen zeigen, dass durch die Zugabe von
Verstärkungsstoffen die Dehnung nur wenig verändert wird. Mit steigender
Temperatur nehmen Steifigkeit und Festigkeit der Formstoffe ab, wie die Schau-
bilder 3-546 bis 2-548 zeigen. Bild 2-549 gibt die Temperaturabhängigkeit des
Thermoplastische
Polykondensate
verstärkte Typen (A 130 und 130) wieder. Die thermische Überlegenheit des
leichtfließenden Copolyesters (C 130) tritt deutlich hervor (siehe auch Tabelle
2-100). Der mechanische Verlustfaktor d ist etwas niedriger als der des Grund-
typs A 130. Zu beachten ist ferner die hohe Glastemperatur beider Typen.
Langzeitverhalten
Das Verhalten bei Langzeitbeanspruchung geht aus Bild 2-550 hervor. Im Ver-
gleich zu anderen Hochleistungsthermoplasten ist die hohe Zeitstandfestigkeit
bei Temperaturen von mehr als 200 °C hervorzuheben. Im Zeitstandversuch
(1000 Std. bei 23 °C) weisen die mit 50 Masse-% glasfaserverstärkten Vectra-Ty-
pen naturgemäß die geringste Kriechneigung auf.
1126 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
Vectra
– – 30 50 30 50 30 50
1,40 1,40 1,60 1,80 1,60 1,80 1,60 1,80
0,02 0,03 0,02 0,01 0,02 0,01 0,02 0,01
0,03 0,10 0,04 – 0,08 – 0,03 –
0,0/0,6 0,0/0,6 0,1/4 0,1/0,3 0,0/0,2 – 0,1/0,4 0,1/0,3
Vectra
30 30 55 25 36 55 30 50 25
1,50 1,50 1,90 1,50 1,62 1,89 1,65 1,80 1,50
0,03 0,03 0,02 – – – – 0,02 0,03
0,06 – – – – – 0,06 – 0,03
0,0/0,3 0,0/0,4 0,1/0,4 0,0/0,08 – – 0,1/0,4 0,1/0,4 0,1/0,4
Bild 2-551. Dynamische Reibungszahl m von Vectra bei Gleiten gegen Stahl im Vergleich zu
POM (Stahlkugel ∆ 13 mm, Last FN = 6 N, Gleitgeschwindigkeit v = 60 cm/min)
■ Thermische Eigenschaften
Über die Wärmeformbeständigkeit ausgewählter Vectra-Typen gibt Tabelle
2-100 Auskunft. Der UL-Temperaturindex von Vectra liegt zwischen 220 und
240 °C, je nach Ausrüstung.
Naturgemäß ist der lineare Ausdehnungskoeffizient von Vectra sehr niedrig
im Vergleich zu anderen Thermoplasten. Für die meisten Typen gleicht er mit
≈ 10 · 10–6 K–1 (in Fließrichtung) dem Koeffizienten von Stahl, Bild 2-552.
Formteile aus Vectra sind sehr maßhaltig, ein Vorteil, der sie für das Dampf-
phasen-, Infrarot- und Schwallöten prädestiniert. Nachschwindung, Maßände-
rungen und Verzug treten nicht auf.
Einen Vergleich der spezifischen Wärmekapazität und der Enthalpie von Vec-
tra mit den Werten von Polyacetal (POM) zeigen die Bilder 2-553 und 2-554. Der
Verlauf der Kurven von Vectra ähnelt in beiden Bildern nahezu demjenigen von
amorphen Thermoplasten, was auf die verhältnismäßig geringe Änderung des
Ordnungszustandes beim Schmelzvorgang der LCP’s zurückzuführen ist. Auch
die Schmelze bleibt geordnet. Beim C-Polymeren ist nahezu kein Schmelzpeak
Thermoplastische
Polykondensate
zu erkennen.
Die beim Schmelzen und Kühlen des Polymeren im Plastifizierzylinder bzw.
im formgebenden Werkzeug mit der Formmasse auszutauschende Wärme-
menge beeinflusst die Auslegung der Verarbeitungsmaschine und vor allem
die Kalkulation der Formteile. Die auszutauschenden Wärmemengen können
Bild 2-554 entnommen werden. Die geringe Abnahme der Enthalpie führt bei
Vectra zu kurzen Zykluszeiten und damit zur wirtschaftlichen Fertigung.
Für das Auslegen der formgebenden Werkzeuge ist die Kenntnis der Wärme-
und der Temperaturleitfähigkeit der Formmasse erforderlich. Bild 2-555 gibt
darüber Auskunft.
2.2.1 Thermoplastische Polykondensate 1133
tur
Brandverhalten
Vectra ist inhärent, d. h. ohne Zusätze schwerentflammbar und selbstverlö-
schend. Der LOI beträgt je nach Typ zwischen 35 und 50 % (siehe Tabelle 2-100).
Dort ist auch die Einstufung der Brennbarkeit nach UL 94 wiedergegeben. Die
Selbstentzündungstemperatur von Vectra beträgt 540 °C. Bei mehr als 350 °C be-
ginnt an Luft die thermische Zersetzung.
1134 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
■ Elektrische Eigenschaften
Tabelle 2-100 enthält die für das Auslegen elektrisch beanspruchter Konstruk-
tionsteile benötigten elektrischen und dielektrischen Daten.
lien erstreckt sich vor allem auf organische Lösemittel, beispielsweise Reini-
gungsmittel für Elektronikteile – auch bei hohen Temperaturen. Weniger be-
ständig ist Vectra gegen konzentrierte Laugen und Säuren bei erhöhter Tempe-
ratur. Bei ständigem Kontakt mit Methanol und methanolhaltigen Kraftstoffen
sollten 70 °C nicht überschritten werden. Beständigkeit besteht bei ausgewähl-
ten Vectra-Typen, beispielsweise gegen Aceton (180 d/50 °C), Bremsflüssigkeit
(30 d/23 °C), Dimethylformamid (180 d/66 °C), Diphenylamin, Eisessig, Ethanol,
Ethylacetat, H-FCKW, Hydraulikflüssigkeit, Benzin (bleifrei), Monochlores-
sigsäure, Motorenöl, Nitrobenzol, Nitroglycerin, Salpetersäure (60 d/70 °C),
Schwefelsäure 50 %ig, Siliconöl, Toluol und Trichlorethylen. Selbstverständlich
sollten in jedem Anwendungsfall Eignungsversuche durchgeführt werden.
■ Verarbeitung
Das am meisten praktizierte Verarbeitungsverfahren ist das Spritzgießen. Hohe
Thermoplastische
Polykondensate
■ Schwindung
Analog zur niedrigen Schmelzwärme und damit des bei teilkristallinen Poly-
meren normalerweise üblichen sprunghaften Anstiegs der spezifischen Wärme-
kapazität im Kristallitschmelzbereich ist bei einem LCP mit einer wesentlich ge-
ringeren Schwindung zu rechnen. Sie kann in Orientierungsrichtung sogar
negative Werte erreichen. Anders verhält es sich in Querrichtung. Die Schwin-
dungsanisotropie kann jedoch durch die Wahl der Füll- und Verstärkungsstoffe
oder auch durch Mischen mit kompatiblen Thermoplasten zu Polymerblends
mehr oder weniger gemildert werden. Die geringe Schwindung erfordert eine
größere Entformungsschräge und polierte Formnestoberflächen. Über das
Schwindungsverhalten von Vectra informiert Bild 2-558.
■ Bearbeiten
Die LCP können mit den üblichen Werkzeugen und Maschinen bearbeitet und
nach den bekannten Methoden getrennt oder gefügt werden, d. h. sie sind mit
den für Polyester gebräuchlichen Klebstoffen klebbar und mit Hilfe von Ultra-
schall vorzüglich schweißbar. Das Metallisieren ist durch Besprühen oder auf
galvanischem Wege möglich.
■ Wiederverwendung
Thermoplastische
Polykondensate
Anwendungsbeispiele
Klemmleisten, Träger für Chips und gedruckte Schaltungen, Spulenkörper,
Sockel, Einkapselungen, miniaturisierte Formteile – vor allem in aggressiver
Umgebung [8] – ferner Pufferschichten, Kupplungen und Verbinder in der
Faseroptik, Keilriemenscheiben, Kraftübertragungselemente, Buchsen, La-
1138 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
Handelsnamen
Polyterephthalate:
Vectra (Ticona GmbH/DE)
Ecoul (Sumitomo Chemical Europe, DE)
Novadur (Mitsubishi Chemical Europe, DE)
Polyarylate:
Xydar (Amoco Performance Products, Genf)
Polyester:
Rodrun (Unitika Ltd., JP)
Granlar (Montedison S.p.A., IT)
Zenite (Du Pont Deutschland GmbH, DE)
2.2.1.2.4.1
LCP’s und Technische Kunststoffe – ein Vergleich
Die LCP’s sind den meisten Konstrukteuren und technischen Entwicklungsfach-
leuten dem Namen nach bekannt. Die Kenntnis über das tatsächliche Eigen-
schaftsbild ist jedoch noch nicht sehr verbreitet, insbesondere nicht über jene
Eigenschaften, die einen echten werkstofftechnischen Fortschritt bedeuten. Wie
bei kaum einem anderen Werkstoff müssen die wichtigen vier Parameter: Mate-
rial, Konstruktion,Verarbeitung und Anwendung in all ihren Zusammenhängen
sorgfältig beachtet werden. So wird die einfache Substitution gegen einen ande-
ren Werkstoff oder die Verwendung eines auf das vorangehende Material zuge-
schnittenen Werkzeugs nur selten zum angestrebten Ziele führen.
Tabelle 2-100 enthält Richtwertbereiche der physikalischen Eigenschaften ei-
genverstärkender Thermoplaste, während in Tabelle 2-101 u. a. glasfaserver-
Thermoplastische
Polykondensate
Streckspannung N/mm2 207 6,5 10 156 2,5 10 160 4,5 10 156 4,2 10 179 2,3 10 163 2,0 10
Dehnung % 2,0 0,14 10 6,0 0,28 10 2,0 0,13 10 1,9 0,09 10 3,2 0,15 10 3,1 0,14 10
bei Strecksp.
Schlagzähigkeit mJ/mm2 16,9 1,5 20 32,1 3,8 20 37,5 1,5 20 34,1 1,3 20 37,4 3,7 20 37,4 3,3 20
Biegefestigkeit N/mm2 235 5,7 5 145 0,3 5 231 2,5 5 233 3,5 5 259 1,3 5 246 0,8 5
2.2.1 Thermoplastische Polykondensate
Randfaserdehnung % 2,9 0,09 5 5,6 0,20 5 3,0 0,03 5 2,9 0,06 5 4,7 0,07 5 4,6 0,06 5
bei Höchstkraft
Biege-E-Modul N/mm2 12211 131 5 10121 106 5 8784 168 5 8704 149 5 6835 107 5 6789 34 5
1139
Thermoplastische
Polykondensate
1140 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
2.2.1.2.5
Polyarylether
Man kann erwarten, dass einbindige aromatische Polymere, bei denen die in der
Hauptkette befindlichen Benzolringe durch Sauerstoffatome verbunden sind,
hohe Thermostabilität, hohe Formbeständigkeit in der Wärme und hohe Zähig-
keit aufweisen.
Polyphenylenether (PPE) (substituiert, nicht modifiziert)
Obwohl das bis vor etwa fünfzehn Jahren noch im PPE-Sortiment der General
Electric Plastics aufgeführte reine PPE heute nicht mehr produziert wird, sei
zum Verständnis der Weiterentwicklung zum modifizierten PPE die Eigenschaf-
ten des nicht modifizierten Materials kurz beschrieben.
■ Herstellung
Im Jahre 1965 wurde Poly(2,6-dimethyl-1,4-phenylenether) von General Electric
in den USA und von AKU in den Niederlanden unter der irreführenden Be-
zeichnung Polyphenylenoxid (PPE) eingeführt, denn in Wirklichkeit handelte es
sich um disubstituierte Phenylenether.
Polyarylether
rials beträgt 25 000 bis 30 000. Das Polymere ist nur wenig verzweigt. Aus Bild
2-563 erkennt man, dass die Schubmoduli von PPE und Polysulfon einander glei-
chen. Das modifizierte Material, ursprünglich ein Polyblend aus PPE und PS,
hingegen weist eine viel niedrigere Glasübergangstemperatur auf. Bild 2-563
enthält u. a. auch die Schubmoduli von PET und PBT zum Vergleich.
■ Allgemeine Stoffbeschreibung
Die hervorstechenden Eigenschaften von PPE sind:
• niedrige Dichte,
• hohe Steifheit und Härte,
• hohe Formbeständigkeit in der Wärme,
1142 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
• geringe Wasseraufnahme,
• niedriger Längenausdehnungskoeffizient,
• hohe Chemikalienbeständigkeit,
• hohe Hydrolysebeständigkeit,
• flammwidriges Verhalten,
• Fließverhalten ähnlich demjenigen newtonscher Flüssigkeiten.
Nachteilig ist ein
• bei Temperaturen über 100 °C beschleunigter Abbau in Luft.
2.2.1.2.5.1
Polyphenylenether (PPEmod) (substituiert, modifiziert) =
Thermoplastische
Polykondensate
Polyphenylenetherblends
Trotz der vorzüglichen physikalischen und chemischen Eigenschaften hat das
amorphe Homopolykondensat in Europa keine Verbreitung gefunden. Nachtei-
lig ist vor allem der bei Temperaturen über 100 °C sich beschleunigende oxida-
tive Abbau. Die Hydrolysebeständigkeit ist demgegenüber sehr gut.
Die General Electric erkannte bald nach der Einführung die Nachteile und
schuf als Übergangslösung in dem im Verhältnis 1 : 1 aus PPE und Polystyrol
hergestellten Polymerblend Noryl® eine amorphe, vorwiegend durch Spritz-
gießen verarbeitete Formmasse mit vorzüglichen technischen Eigenschaften.
Inzwischen wird modifiziertes PPE auch von japanisch-amerikanischen Ge-
2.2.1 Thermoplastische Polykondensate 1143
■ Herstellung
Bei dem am Markt angebotenen modifizierten Polyphenylenether handelt es
sich heute nicht mehr um das ursprüngliche Polymerblend, sondern um ein
Polyoxy-2,6-dimethyl-1,4-phenylen/Styrol-Pfropfpolymer, das in einem zwei-
stufigen Verfahren hergestellt wird. Durch oxidative Kupplung wird aus 2,6-Di-
methylphenol zunächst das PPE hergestellt, auf das anschließend Styrol ge-
pfropft wird.
Die Polykondensation von disubstituierten Phenolen gelingt – wie bereits er-
wähnt – nur bei kleinen Seitengruppen, z. B. CH3 . PPE ist nur wenig verzweigt.
Einen anderen Weg zu PPE höherer Schlagzähigkeit bieten die mit der Matrix
verträglichen SBS- und SEBS-thermoplastischen Elastomere. Die volle Verträg-
lichkeit beruht auf der gebildeten aromatischen Bindung. SEBS mit hoher mola-
rer Masse führt zu hochsteifen Formstoffen. Bei einer Temperatur von – 40 °C
beträgt die Kerbschlagzähigkeit eines (PPE + SEBS)-Blends 320 J/m im Ver-
gleich mit 130 J/m beim nichtmodifizierten Material.
■ Allgemeine Stoffbeschreibung
Die kennzeichnenden Eigenschaften von PPEmod sind:
• niedrige Dichte,
• hohe Festigkeit, Steifheit und Maßbeständigkeit über einen breiten Tempera-
turbereich,
• geringe Wasseraufnahme,
• gute elektrische Eigenschaften,
• höhere Oxidationsbeständigkeit als PPE,
• hohe Hydrolysebeständigkeit,
• geringe Verarbeitungsschwindung,
• selbsterlöschend, nicht tropfend (bei flammwidriger Einstellung),
• gute Verarbeitbarkeit.
Thermoplastische
Polykondensate
■ Zusatzstoffe
Die unzureichende Oxidationsbeständigkeit von PPE führte zur Entwicklung
von (PPE + PS)-Blends bzw. von PPE/Styrol-Pfropfpolymeren. Als Antioxidans
für Polystyrol bewährt sich Octadecyl-3-(3,5-ditert, butyl-4-hydroxyphenyl)-
propionat – ggf. in Verbindung mit Phosphiten oder Phosphoniten zur Verbes-
serung der Substratfarbe.
PPE absorbiert UV-Strahlung schon bei Wellenlängen von 380 nm. Für
die Absorption kommen vor allem die im PPE enthaltenen Hydroperoxide in Be-
tracht. Als wirksame Hydroperoxidzersetzer erweisen sich Metallkomplexe
schwefelhaltiger Verbindungen. Stabilisierende Reaktionen ergeben sich auch
aus dem Zusammenwirken von Hydroperoxiden und sterisch gehinderten Ami-
nen (HALS). Als Flammschutzmittel bewähren sich bei PPE – wie bei PVC-P –
alkylsubstituierte Arylphosphate. Sie werden in großem Umfang eingesetzt. Für
die übrigen Thermoplaste sind sie von geringer Bedeutung [11].
Die verhältnismäßig hohe Formbeständigkeit von PPE in der Wärme sowie
die einen Konstruktionswerkstoff kennzeichnenden physikalischen Eigen-
schaften (Zugfestigkeit, E-Modul, Biege- und Scherfestigkeit) können durch Ver-
stärken der Basistypen mit Glasfasern nach Maßgabe des Glasanteils (10, 20 und
30 % Masseanteil) noch verbessert werden. Die mechanischen Eigenschaften des
verstärkten PPE gleichen denen von Polycarbonat, wie Tabelle 2-102 zeigt. Das
Noryl-Sortiment enthält entsprechende Typen, die auch in flammwidriger Ein-
stellung nicht tropfend (gemäß UL 94 V-1) lieferbar sind.
■ Sortiment
Seit der Einführung des modifizierten PPE Noryl im Jahre 1964 wurde ein brei-
tes Produktsortiment entwickelt, das heute mehr als 50 verschiedene Typen um-
faßt. Dazu gehören Spritzguss- und Extrusionstypen mit unterschiedlicher
Formbeständigkeit in der Wärme, flammwidrig ausgerüstete und GF-verstärkte
sowie Typen für das Spritzgießen von Strukturschaumstoffteilen. Zu den Spe-
Thermoplastische
Polykondensate
■ Lieferform
PPE wird als opak, farbiges und schwarzes Granulat geliefert.
■ Typisierung
Eine Typisierung gemäß DIN ist bis jetzt nicht vorgesehen.
■ Physikalische Eigenschaften
Eine Übersicht über typische Eigenschaften des PPEmod-Sortiments gibt Ta-
belle 2-102.
Tabelle 2-102. Richtwerte der physikalischen Eigenschaften von Polyarylethern
Thermoplastische
Polykondensate
Thermoplastische
Polykondensate
■ Mechanische Eigenschaften
Kurzzeitverhalten bei geringer Verformungsgeschwindigkeit
Die verstärkten Noryl-Typen weisen eine ausgeprägte Streckgrenze auf. Die
Reißdehnung ist mit 50 bis 55 % verhältnismäßig hoch. Die Abhängigkeit der
Zugfestigkeit unverstärkter und verstärkter Typen von der Temperatur zeigt
Bild 2-564. Das unverstärkte Material weist bei einer Temperatur von 82 °C noch
85 % der Festigkeit bei Raumtemperatur auf.
Umwandlungstemperaturen
Die Schubmodulkurven des nicht modifizierten und des ursprünglichen Poly-
merblends zeigt Bild 2-563 in der sehr differenzierenden linearen Darstellung im
Vergleich mit bekannten anderen Polymeren. Auch der Kurvenverlauf bestätigt
die hohe Steifigkeit von PPEmod . Sie ist bis 120 °C dem PC überlegen. Die Glas-
übergangstemperatur beträgt etwa 140 °C.
Langzeitverhalten: Zeitzustandverhalten bei einachsigem Spannungszustand
Über das Zeitstandverhalten von unverstärktem und einem mit 30 % Massean-
teil glasfaserverstärkten PPEmod informieren die Bilder 2-565 und 2-566, wobei
mit Rücksicht auf die Forderung der Feinwerktechnik der Bereich geringer Ver-
formung berücksichtigt wird. Je nach Betriebstemperatur werden (in Luft) fol-
gende Höchstspannungen empfohlen:
Noryl 731 Noryl GF 30
°C N/mm2 N/mm2
23 28 45
50 21 42
100 14 28
120 2 21
Bild 2-565. Isochrone Spannungsdehnungslinien von Noryl 731 (PPEmod unverstärkt) bei 23 °C
und 65 °C
Bild 2-566. Isochrone Spannungsdehnungslinien von Noryl GFN 3 (PPEmod-GF 30) bei 23 °C,
65 °C, 80 °C und 100 °C
Härte
Werte für Kugeldruck- und Rockwell-Härte enthält Tabelle 2-102.
■ Thermische Eigenschaften
siehe Tabelle 2-102.
■ Elektrische Eigenschaften
Die elektrischen und dielektrischen Eigenschaften von PPEmod sind sehr gut und
von Temperatur und Frequenz, Bild 2-569, nahezu unabhängig. Hier zeigen sich
die typischen Eigenschaften der Polystyrolkomponente.
■ Chemikalienbeständigkeit
Beständig gegen: verdünnte Säuren, starke Laugen, Alkohol, Detergenzien, Fette
Thermoplastische
Polykondensate
■ Spannungsrissverhalten
PPEmod neigt wegen des Styrolanteils zur Spannungsrissbildung.
1150 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
■ Witterungsbeständigkeit
PPEmod weist zwar eine geringere Beständigkeit als das nicht modifizierte Mate-
rial auf; sie ist jedoch verhältnismäßig hoch.
■ Brennbarkeit
Flammwidrig ausgerüstete Typen sind selbsterlöschend und nicht tropfend.
■ Gesundheitliche Beurteilung
Entsprechend gekennzeichnete Typen sind gesundheitlich unbedenklich. FDA-,
NSF- und BGA-Zulassungen liegen vor. Auch die mit Entformungshilfe, UV-Sta-
bilisator und GF ausgerüsteten Typen sind zugelassen. Einschränkungen beste-
hen nur für die Einfärbung (cadmiumhaltige Pigmente). Als nicht-toxische
Farbmittel kommen Ruß, TiO2 , Ultramarinblau und Eisenoxid in Betracht.
Rückfragen beim Hersteller sind zu empfehlen.
■ Sterilisieren
Formteile aus PPE sind sterilisierbar.
■ Verarbeitung: Verarbeitungsbedingungen
PPEmod wird vorwiegend durch Spritzgießen verarbeitet. Das Extrudieren ist
Thermoplastische
Polykondensate
ebenfalls möglich. Das als Granulat gelieferte Material ist 1 bis 2 Std. bei 110 °C
vorzutrocknen. Die Verarbeitungstemperatur beträgt je nach Typ 260 bis 300 °C,
die Werkzeugtemperatur 110 bis 120 °C, der Spritzdruck > 1000 bar. Die Schwin-
dung liegt mit 0,5 bis 0,7 % im Rahmen der bei amorphen Thermoplasten übli-
chen Werte. Spritzgegossene Formteile schwinden nicht nach.
Fügen: Schweißen
Beim Heizelementschweißen werden Oberflächentemperaturen von 260 bis
290 °C gewählt. Das Reibschweißen geschieht bei Drehzahlen von 1200/min und
Anpressdrücken um 20 N/mm2. Außerdem wird das Ultraschall- und Wider-
standsdrahtschweißen praktiziert.
Kleben
PPEmod kann mit Hilfe von Lösemitteln wie Dichlorethylen, Toluol, Chloroform
oder 95 % Dichlorethylen + 5 % Tetrachlorkohlenstoff geklebt werden. Mit Kaut-
schuk-, Epoxidharz-, Silicon-, Cyanacrylat- und PUR-Klebstoffen werden hohe
Zug- und Scherfestigkeit erreicht.
Anwendungsbeispiele
Zubehör zu Rundfunk- und Fernsehgeräten, Röhrensockel, Schalter-
gehäuse, Spulenkörper, Elektro-Wasserkocher, Formteile für Geschirrspül-
maschinen, Waschmaschinen, Haartrockner, Armaturen, Wassermesser-
gehäuse, Bauteile für Büromaschinen, Kameras und Projektoren, metalli-
sierte Formteile für den Automobilbau, Luftführungssysteme, Grills,
Radkappen, Armaturenbretter, Instrumenten- und Lampengehäuse,
Schlossteile.
Handelsnamen
Iupiace (Mitsubishi Gas Chem. Comp. Inc./JP)
Luranyl (BASF AG/DE)
Necofene (Ashland Chemical Corp./US)
Noryl (GE Plastics Europe/NL)
Prerex (GE Plastics Europe/NL)
Tarnoform (Stickstoffwerke Tarno/PL)
Vestoran (Hüls AG/DE)
Xyron (Amoco Performance Products/US)
Thermoplastische
Polykondensate
2.2.1.2.5.2
Blend aus Polyamid und Polyphenylenether (mod.) (PA + PPEmod)
■ Allgemeine Stoffbeschreibung
Die aus Polyamid und modifiziertem Polyphenylenether hergestellten Polymer-
blends vereinen optimal die Vorteile der beiden Komponenten. Daraus ergibt
sich das folgende Eigenschaftsbild:
• hohe Wärmeformbeständigkeit,
• hohe Chemikalien- und Lösemittelbeständigkeit,
• leichte, unproblematische Verarbeitbarkeit,
• hohe Zähigkeit bei guter Steifigkeit,
1152 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
■ Sortiment
Die Sortimente der zahlreicher werdenden Hersteller umfassen bis zu einem
Dutzend verschiedener Typen (unverstärkt und verstärkt, gefüllt oder schlagzäh
modifiziert).
■ Physikalische Eigenschaften
Richtwerte eines Standardtyps (Ultranyl KR 4510) und eines GF 30 verstärkten
Typs enthält die Tabelle 2-102. Einen Überblick über die physikalischen Eigen-
schaften einiger Polymertypen vermitteln die Bilder 2-570 und 2-571 (mecha-
nisch) und 2-572 (thermisch).
Beim Einsatz von (PA + PPEmod)-Blends gewinnt das on-line Lackieren an Be-
deutung. Voraussetzung ist eine hohe Wärmeformbeständigkeit und Thermo-
stabilität des Polymerblends. Bei Einbrenntemperaturen von mehr als 160 °C
sind diese (PA + PPEmod)-Blends die einzigen Thermoplaste, die den Anforde-
rungen an den Werkstoff gerecht werden.
■ Gesundheitliche Beurteilung
Die Lebensmittelindustrie ist ein Beispiel für die ausschließliche Verwendung
zugelassener Produkte mit hoher Verbrauchssicherheit. Dies betrifft alle Mate-
rialien, die in direkten oder indirekten Kontakt mit Lebensmitteln kommen.
In den USA werden diese Anforderungen beispielsweise durch die Food und
Drug Administration (FDA) geregelt.Angesichts der großen Vielfalt von PPEmod-
Blends als Ausgangsmaterial sowie der zusätzlich gezielten Ausrüstung mit
Funktions-, Füll- und Verstärkungsstoffen (darunter häufig auch Farbmittel)
werden heute alle Typen der PPmod-Blends, die für diese speziellen Anwendun-
gen vorgesehen sind, einzeln geprüft und freigegeben. Es ist deshalb ratsam, in
jedem Fall den Rohstoffhersteller nach gesundheitlich unbedenklichen Mate-
rialtypen zu befragen [12].
Anwendungsbeispiele
Kotflügel, Kühlergrill, Spoiler, Radblenden, Tankverschlüsse, Außenspie-
gel, Funktionsteile im Motorbereich, Maschinenbau und in der Elektro-
technik. Dazu kommt der Sport- und Freizeitbereich.
Handelsnamen
Gemax (GE Plastics Europe/NL)
Noryl GTX (GE Plastics Europe/NL)
Ultranyl (BASF AG/DE)
Thermoplastische
Polykondensate
2.2.1.2.6
Polyarylsulfon und -sulfid
Einige der in den letzten zwanzig Jahren hinsichtlich ihrer Anzahl ständig wach-
senden thermoplastischen Polykondensate enthalten in der Hauptkette ihres
Bausteins Schwefelatome in Form des Sulfids (S) oder des Sulfons (SO2). Für
diese Thermoplaste ist außerdem kennzeichnend, dass das Schwefelatom stets
an ebenfalls in der Hauptkette befindliche Aromaten in Form der Diphenylsul-
fon- oder -sulfidgruppe gebunden ist.
1154 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
Diphenylsulfon Diphenylsulfid
Die Bedeutung dieser Gruppe für das Eigenschaftsbild eines Thermoplasten
wurde seit Anfang der sechziger Jahre intensiv in den Laboratorien der UCC er-
forscht, während die Phillips Petroleum Comp. zur gleichen Zeit sich mit der Un-
tersuchung der Polyphenylensulfide beschäftigte. Im Laufe der letzten zwanzig
Jahre kamen einige Schwefelpolymere hinzu. Alle Polysulfone enthalten außer
Schwefel als zweites kennzeichnendes Glied ein Sauerstoffatom; sie können des-
halb als Polyethersulfone bezeichnet werden. Die für einige Polymere dieser Pro-
duktfamilie gewählte Bezeichnung Polysulfon, Polyarylsulfon oder Polyphenyl-
sulfon ist von der chemischen Struktur her nicht gerechtfertigt, denn alle Pro-
dukte enthalten SO2-, Ether- und Phenylgruppen. Auch ein Blick auf den
historischen Werdegang dieser von großen Erwartungen begleiteten hochwär-
mebeständigen Kunststoffe (häufig auch Hochleistungs-Kunststoffe – engl. ad-
vanced plastics – genannt) möge zum Entwirren dieses Begriffsknäuels nützlich
sein.
Die UCC brachte nach dem bereits 1965 eingeführten Polysulfon Udel® im
Jahre 1976 ihr neues Produkt Radel® auf den Markt. Die Firma 3 M stellt die Pro-
duktion ihres Astrel® ein, nachdem in den USA ein Streit zwischen den Firmen
UCC und ICI über die Polysulfonpatente anhängig wurde, der zugunsten von ICI
(mit ihrem Victrex Polyethersulfon) entschieden wurde. Die Firma Carborun-
dum wurde Lizenznehmer von ICI und erwarb die Produktionsrechte für Astrel.
Heute halten ICI und UCC in den USA jeweils eigene Patentrechte für ihre Poly-
ethersulfone. Die UCC erwarb von Uniroyal die Rechte für ein (PSU + ABS)-
Polymerblend, das unter dem Handelsnahmen Mindel® LA auf den Markt kam.
Im Jahre 1989 übernahm die Amoco Performance Products sämtliche Arylsul-
fonprodukte der UCC und verkauft sie unter den ursprünglichen Markennamen:
Mindel® (Polymerblend), Radel A (Polyarylsulfon), Radel R (Polyphenylsulfon)
und Udel (Polysulfon).Außerdem umfasst das Lieferprogramm Torlon® (Polyamid-
imid), Xydar® (LCP), und als jüngstes Produkt Amodel® (Polyphthalamid).
Wie das am Schluss des Kapitels Polyarylsulfone befindliche Handelsnamen-
verzeichnis aufzeigt, hat die Anzahl der Hersteller der Polyarylsulfone in den
letzten Jahren zugenommen.
Thermoplastische
Polykondensate
2.2.1.2.6.1
Polysulfon (PSU)
Die außer dem seit 1965 eingeführten Udel der UCC am Markt angebotenen
Polysulfone gehören wie Polycarbone und lineare Polyester zu den sog. einbin-
digen Polyaromaten.
■ Herstellung
Polysulfon wird durch eine Mehrstufen-Kondensationsreaktion aus Bisphenol A
und 4,4-Dichlorsulfonylsulfon hergestellt.
2.2.1 Thermoplastische Polykondensate 1155
Polysulfon
■ Allgemeine Stoffbeschreibung
Kennzeichnende Eigenschaften sind [13]:
• hohe Festigkeit, Steifheit und Härte über den großen Temperaturbereich von
– 100 bis + 150 °C, kurzzeitig bis 180 °C,
• hohe Thermostabilität und Formbeständigkeit in der Wärme,
• glasklare (schwach gelbliche) Transparenz,
• hohe Verarbeitungstemperaturen,
• hohe Schmelzviskosität,
• hohe Hydrolysebeständigkeit,
• hohe Chemikalienbeständigkeit,
• bei bestimmten Lösemitteln Neigung zur Bildung von Spannungsrissen,
• hohe Beständigkeit gegen b-, g-, Röntgen- und Infrarotstrahlen,
• hohe Durchlässigkeit für Mikrowellen,
• hohe Flammwidrigkeit und geringe Rauchgasentwicklung.
■ Zusatzstoffe
Die Polysulfone werden nur durch UV-Strahlung mit Wellenlängen < 320 nm ab-
gebaut. Die Photooxidation wird vorwiegend durch die Sulfongruppe (SO2) und
weniger durch Verunreinigungen hervorgerufen. Wegen der vorwiegend gebil-
deten Hydroxylgruppen kommen als UV-Absorber vor allem die Hydroperoxid-
zersetzer und Radikalfänger (sterisch gehinderte Amine HALS) in Betracht.
Thermoplastische
Polykondensate
■ Sortiment
Die PSU-Sortimente enthalten glasklare und farbig transparente oder opak ein-
gefärbte, sowie mineralgefüllte und GF-verstärkte Typen, PTFE- und graphitge-
füllte werden von Compoundierbetrieben geliefert. Halbzeug ist in Form von
Rohren, Tafeln und Folien lieferbar.
1156 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
mechanische
Streckspannung N/mm2 70 – 83
Dehnung an der Streckgrenze % 6 – 6,5
Zugfestigkeit N/mm2 – 108 91
Reißdehnung % 50–100 2 13–40
Zug-E-Modul N/mm2 2500 7400 2650
Schlagzähigkeit (Izod) J/m o.Br. 96 –
Schlagzähigkeit (Charpy) kJ/m2 o.Br. – –
Kerbschlagzähigkeit J/m 69 75 85
Kerbschlagzähigkeit kJ/m2 5 – –
Kugeldruckhärte (30-s-Wert) – 140 – –
Härte Rockwell Skala M 69 M 92 M 110
thermische
Gebrauchstemperatur ohne
mech. Beanspruchung in Luft
kurzzeitig °C 170 180 –
dauernd °C 160 160 180–190
Glasübergangstemperatur °C 190 190 –
Formbeständigkeit i.d. Wärme
nach Vicat Methode B °C 188 – –
nach ISO Methode A °C 174 185 204
Methode B °C – – –
linearer Ausdehnungskoeff. K–1 56 · 10–6 19 · 10–6 49 · 10–6
spezifische Wärmekapazität kJ/kg K – – –
Wärmeleitfähigkeit W/m K 0,26 0,32 –
elektrische
spezif. Durchgangswiderstand Wcm 5 · 1016 > 1016 7,7 · 1016
Oberflächenwiderstand W 3 · 1016 – –
Dielektrizitätszahl 50 Hz 3,15 3,5 3,51
1 MHz 3,10 3,7 3,54
dielektr. Verlustfaktor 50 Hz 0,001, 0,001 0,002
Thermoplastische
Polykondensate
Polyethersulfon Polyphenylsulfid
50 – – – – –
4 – – – – –
43 103 84 140 116 83
75 2,5 40–80 3 0,9 0,5
2120 6200 2600 8400 11700 12400
– – o.Br. 540 175 132
– – – – 12,8 6,1
374 53 84 80 58 53
– – – – 6,6 4,2
– – – – – –
– M 80 M 88 M 98 R 123 R 120
■ Typisierung
Eine Typisierung nach DIN wurde bis jetzt nicht vorgenommen.
■ Physikalische Eigenschaften
Eine Übersicht über Richtwerte der physikalischen Eigenschaften eines unver-
stärkten und GF-verstärkten Typs enthält Tabelle 2-104.
Umwandlungstemperaturen
Das handelsübliche Polysulfon ist von amorpher Struktur und deshalb glasklar.
Die in der Molekülkette vorherrschenden Benzolringe führen zur hohen Glas-
übergangstemperatur von + 190 °C, wie Bild 2-577 zeigt. Ein Nebenmaximum be-
findet sich bei – 100 °C. In diesem breiten Temperaturbereich von nahezu
300 K ist PSU hart, steif und zäh, ähnlich PC. Der starre Aufbau bewirkt eine
hohe Wärmestandfestigkeit, jedoch ebenso die hohe Wärmestandfestigkeit und
die hohe Verarbeitungstemperatur von 300 bis 400 °C.
Thermoplastische
Polykondensate
■ Thermische Eigenschaften
Die wichtigsten Stoffdaten enthält Tabelle 2-103. Bild 2-588 zeigt die Abhängig-
keit der spezifischen Wärmekapazität von der Temperatur.
Das spezifische Volumen von PSU nimmt im Bereich von 20 bis 170 °C linear
von 0,8038 auf 0,8253 cm3/g und von 170 °C bis 400 °C mit größerem Gradienten
auf 0,94 cm3/g zu. PSU eignet sich für Anwendungen im Temperaturbereich bis
150 °C (dauernd) und 170 °C (kurzzeitig) in Luft als Umgebung. Der Tempera-
turindex (nach UL) beträgt 160 °C für elektrische und für mechanische Anwen-
dungen, bei denen die Schlagfestigkeit nicht ausschlaggebend ist, nach Poly-
ethersulfon mit 180 °C, jedoch vor PBT (140 °C), PC (130 °C) und PA (120 °C).
Thermoplastische
Polykondensate
■ Elektrische Eigenschaften
Polysulfon weist für Anwendungen in der Elektrotechnik eine günstige Kombi-
nation von Eigenschaften auf: Hoher Durchgangs- und Oberflächenwiderstand,
hohe Durchschlagfestigkeit, günstige dielektrische Werte und mechanische Ei-
genschaften (auch bei erhöhten Temperaturen), hohe Dauergebrauchstempera-
turen und günstiges Brandverhalten. Die Kriechstromfestigkeit ist – wie bei den
meisten Polyaromaten – verhältnismäßig niedrig. Feuchtigkeit beeinträchtigt
das Eigenschaftsbild nur geringfügig. Die Dielektrizitätszahl von PSU ist in ei-
nem breiten Frequenzbereich sowie bei Temperaturen von – 50 °C bis in die Nähe
der Glasübergangstemperatur nahezu konstant, Bild 2-589.
2.2.1 Thermoplastische Polykondensate 1165
Auch der dielektrische Verlustfaktor tan d zeigt nur eine geringe Abhängigkeit
von Frequenz und Temperatur und ist für einen polaren Kunststoff bemerkens-
wert niedrig, Bild 2-590.
Die Abhängigkeit des spezifischen Durchgangswiderstandes von der Tempe-
ratur zeigt Bild 2-591.
Thermoplastische
Polykondensate
■ Chemikalienbeständigkeit
Beständig gegen: wässrige anorganische Säuren, Alkalien, Salzlösungen, alipha-
tische Kohlenwasserstoffe, Reinigungsmittel und Paraffinöl, bedingt beständig
gegen: Kraftstoffe;
nicht beständig gegen: Ketone, Aromaten, chlorierte KW, polare organische
Lösemittel, Wasser bei höherer Temperatur (Spannungsrissbildung).
■ Spannungsrissbildung
Polysulfon neigt in bestimmten Lösemitteln zur Bildung von Spannungsrissen.
Daraus ergeben sich unterschiedliche kritische Spannungsniveaus (Eigenspan-
1166 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
Tabelle 2-105. Lösemittel zur Abschätzung des Spannungsniveaus von Formteilen aus PSU und
Thermoplastische
PES
Polykondensate
■ Wärmealterung
Die Wärmealterungsbeständigkeit von PSU beträgt nach UL 746 160 °C, entspre-
chend einer Lagerungszeit von 10 000 h, in der die Festigkeit auf 50 % ihres Aus-
gangswertes abgefallen ist. Diesem Wert entspricht in vielen Fällen die Dauerge-
brauchstemperatur. Bei Schlagbeanspruchung ist dieser Wert um 10 K tiefer an-
zusetzen.
Das Verhalten von glasfaserverstärktem PSU in einem zweijährigen Zugzeit-
standversuch bei verschiedenen Temperaturen zeigt Bild 2-592. Das Zeitstand-
verhalten von Rohren aus PSU (schwarz) bei Innenbeaufschlagung durch Was-
ser (95 °C) vermittelt Bild 2-593.
Von anwendungstechnischer Bedeutung ist das Verhalten von PSU in heißem
Motoröl (160°C), Bild 2-594 und Glycol-Wassergemisch von 130°C, Bild 2-595. In
den drei gezeigten Beispielen verhält sich Polyethylensulfon (PES) günstiger als
PSU. Diese Beobachtung trifft auch für vergleichbare glasfaserverstärkte Typen zu.
Thermoplastische
Polykondensate
■ Wasseraufnahme
Formteile aus Polysulfon nehmen in Wasser oder an Luft, abhängig von Feuchte,
Zeit, Temperatur und Wanddicke, eine bestimmte, vom jeweiligen Materialtyp
abhängige Menge Wasser auf. Der zeitliche Verlauf der Wasseraufnahme folgt
dem Diffusionsgesetz. Bild 2-596 zeigt den zeitlichen Verlauf der Wasserauf-
nahme bei verschiedenen Versuchsbedingungen.
Feuchtigkeitsaufnahme erhöht die Reißdehnung und insbesondere die
Schlagzähigkeit vor allem bei den ungefüllten PES-Typen.
Festigkeit und Zug-E-Modul werden nur geringfügig beeinflusst. Die Maß-
änderung durch Wasseraufnahme ist gering.
■ Witterungsbeständigkeit
PSU ist wegen seiner aromatischen Bindungen bei Freibewitterung einem chemi-
schen Abbau unterworfen, gegen den auf die Dauer nur das Stabilisieren mit Ak-
tivruß, Lackieren oder Metallisieren (galvanisch oder im Hochvakuum) schützen.
■ Strahlenbeständigkeit
Der hohen Beständigkeit gegenüber b-, g-Röntgen- und Infrarotstrahlen steht
die Schädigung durch den UV-Anteil der Sonnenstrahlung gegenüber. PSU ist
sehr beständig gegen Strahlung im Bereich der Mikrowellen (2,45 GHz) – auch
im Bereich höherer Temperaturen. Daraus resultiert die Eignung dieses Ther-
moplasten zu einem Werkstoff für die Herstellung von Kochgeschirr für Mikro-
wellenherde, eine in den USA und Großbritannien weit verbreitete Anwendung.
■ Brennbarkeit
Polysulfon ist schwerentflammbar, es brennt nicht tropfend mit leuchtender,
rußender Flamme und erlischt nach Entfernen der Zündquelle. Der Brandge-
ruch ist stechend. Die Einstufung der einzelnen Typen ist sehr unterschiedlich.
Sie reicht von V-2 bis V-0 ab 1,02 mm.
Thermoplastische
Polykondensate
Die Selbstentzündungstemperatur beträgt 621 °C. Beim Brennen wird nur we-
nig Rauch entwickelt.
■ Gesundheitliche Beurteilung
Die militärische Spezifikation MIL-P-46210 (MR) befasst sich mit PSU für das
Spritzgießen und das Extrudieren. PSU besitzt die Billigung der Food und
Drug Administration (FDA) zur wiederholten Berührung mit Lebensmitteln
sowie die Genehmigung der National Sanitation Foundation (NSF) für Rohr-
armaturen und andere Zubehörteile für Trinkwasserleitungen. PSU ist laut
„3-A Sanitary Standards“ für Anwendungen in Molkereiausrüstungen freige-
geben. In Frankreich wurde PSU vom Gesundheitsministerium für Anwen-
dungen im Lebensmittelbereich, insbesondere Rohre zum Milchtransport,
zugelassen.
■ Sterilisieren
Transparenz, Geruch- und Geschmackfreiheit sowie die Sterilisierbarkeit
prädestinieren diesen Werkstoff für die Herstellung von medizinischen Gerä-
ten. Den Einfluss der Sterilisationszyklen (jeweils 30 min bei 121 °C) auf wich-
tige mechanische Eigenschaften zeigt Bild 2-597. Außer der Reißdehnung
bleiben Zugfestigkeit und Zug-E-Modul auch nach 10 000 Zyklen nahezu un-
verändert.
■ Verarbeitung
PSU ist nach allen für Thermoplaste üblichen Verfahren verarbeitbar.
Verarbeitungsbedingungen
Spritzgießen 350 bis 400 °C, Werkzeugtemperatur bis zu 150 °C
Extrudieren von Blasfolien 410 °C
Extrusions-Blasformen 275 bis 300 °C
Warmformen 200 bis 220 °C, bei Foliendicken
> 375 mm Vortrocknen bei 375 °C,
Werkzeugtemperatur 150 bis 165 °C
Thermoplastische
Polykondensate
Fügeverfahren: Schweißen
Formteile und Halbzeug aus PSU können nach dem Heizelement-Schweißver-
fahren, mit Hilfe von Warmgas, Ultraschall oder Induktion nach dem Emabond-
Verfahren gefügt werden. Beim Heizelementschweißen beträgt die Temperatur
der Elementoberfläche 370 °C, die Anpresszeit 10 s. Das Fügen der Partner-
flächen geschieht unter zunehmendem Anpressdruck. Die PSU-Formstoffe ent-
halten meist etwas Feuchtigkeit. Deshalb sollten sie etwa 3 bis 6 Std. bei 130 °C in
einem Umluftofen getrocknet werden.
Thermoplastische
Polykondensate
Kleben
Für das Kleben von PSU eignet sich beispielsweise eine 5 %ige Lösung von PSU
in Methylenchlorid. Die Fügeteile werden 5 min lang mit einem Druck von
35 N/mm2 aufeinandergepresst.
Elastomere Kontakt-Klebstoffe eignen sich für das Verbinden von PSU mit
Gummi, Textilien und Filz. Zum Herstellen mechanisch hochbeanspruchbarer
Klebverbindungen eignen sich 2-Komponenten-EP-Klebstoffe und PUR-Kleb-
stoffe am besten.
Anwendungsbeispiele
Elektrotechnik und Elektronik
Spulenkörper; Steckverbinder; Kohlebürstenhalter; spritzgegossene Lei-
terplatten (in Entwicklung); Teile für Leitungsschutzschalter; Teile für
Schaltschütze; Sichtscheiben für Signalleuchten und Schalttafeln; Lampen-
sockel und -abdeckungen; Hitzeschutzschilder.
Allgemeiner Apparatebau
Ölstandanzeiger; Teile für Getränkeautomaten; Teile für Melkmaschinen;
Teile für Wärmetauscher, Füllkörper für Absorptions- und Destillations-
kolonnen; Dichtungen; Transportbandrollen; Membranfilter.
Haushalt
Küchenherdteile; Griffe; Teile für Haar- und Händetrockner, Kaffeema-
schinen, Luftbefeuchter.
Medizintechnik
Teile für Dialysegeräte; Instrumente; Teile von Instrumenten; Abdeckun-
gen.
Fahrzeugbau
Nadellagerkäfige; Schalterelemente; Scheinwerferreflektoren-Halterah-
men; Teile in der Motorperipherie und -elektrik.
Innenausstattung von Transportmitteln (u.a. Flugzeugen)
Deckenelemente; Gepäckablage; Luftführungskanäle, Teile der Bord-
kücheneinrichtung.
Handelsnamen
Stabar (ICI PLC/UK)
Sumilik FST (Sumitomo Chem. Co./JP)
Thermoplastische
Polykondensate
2.2.1.2.6.2
Polyarylethersulfone (PES)
Dem im Jahre 1965 von der Firma UCC auf den Markt gebrachten Udel, einem
teilaromatischen Polyethersulfon mit methylhaltigen Bindegliedern folgte 1967
das von der 3 M Comp. entwickelte und später von der Carborundum herge-
stellte Astrel, ein ganz aromatisches Copolymerisat, das anstelle der aliphati-
1174 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
■ Herstellung
Die Polyarylsulfone werden technisch nach zwei Verfahren, und zwar durch eine
Polysulfonylierung oder über eine Polyethersynthese hergestellt. Die Struktur-
formeln der Polyethersulfone sind folgende:
Radel A
(Amoco Performance Plastics/CH)
Die Polyethersulfone sind in der Herstellung allesamt wesentlich teurer als die
bekannten, jedoch weniger wärmebeständigen Thermoplaste Polyamid oder
Polycarbonat.
■ Allgemeine Stoffbeschreibung
Die Polyethersulfone sind durch folgende Eigenschaften gekennzeichnet:
• hohe Festigkeit über einen großen Temperaturbereich von – 100 bis + 200 °C,
kurzzeitig bis + 260 °C,
• hohe Steifheit und Härte,
• hohe Thermostabilität und Formbeständigkeit in der Wärme,
• hohe Wärmestandfestigkeit,
• günstiges Gleit- und Verschleißverhalten, das durch den Zusatz von PTFE und
Graphit noch verbessert werden kann,
• gute elektrische und dielektrische Eigenschaften,
Thermoplastische
Polykondensate
• Transparenz,
• hohe Beständigkeit gegen den Angriff durch Chemikalien,
• hohe Beständigkeit gegen energiereiche Strahlung,
• hohe Flammwidrigkeit und geringe Rauchentwicklung,
• geringe Ausgangsverluste im Hochvakuum,
• gute Verarbeitbarkeit.
Zu den negativen Eigenschaften zählen – in Übereinstimmung mit zahlreichen
Thermoplasten, insbesondere den amorphen – die:
• hohe Kerbempfindlichkeit,
• Anfälligkeit gegen die Bildung von Spannungsrissen,
2.2.1 Thermoplastische Polykondensate 1175
■ Zusatzstoffe
siehe Abschnitt 2.2.1.2.6.1 Polyarylsulfon.
■ Sortiment
Das Sortiment des größten deutschen PES-Herstellers, der BASF, enthält acht un-
verstärkte und sieben mit Glasfasern verstärkte Typen [14].
■ Lieferform
Die normale Lieferform ist das Granulat. Das in Säcken verpackte Material kann
bis zu 1,4 % Feuchtigkeit aufnehmen, deshalb ist vor der Verarbeitung Trocknen
erforderlich.
■ Typisierung
Die Typisierung nach DIN wurde noch nicht durchgeführt.
■ Physikalische Eigenschaften
Richtwerte der physikalischen Eigenschaften einiger PES-Typen enthält Tabelle 2-103.
■ Mechanische Eigenschaften
Kurzzeitverhalten bei geringer Verformungsgeschwindigkeit
Bild 2-599 zeigt die Abhängigkeit der Zugfestigkeit einiger unverstärkter und
Thermoplastische
Polykondensate
Umwandlungstemperaturen
Die Glasübergangstemperatur von Victrex beträgt 230 °C im Vergleich zu 288
bzw. 290 °C bei Astrel bzw. Radel, was angesichts der aus zwei ohne Zwi-
schenglied aneinander gekuppelten Benzolringen in ihrem Polymerbaustein
nicht verwunderlich ist. Daraus resultiert naturgemäß auch eine höhere Ge-
brauchstemperatur (siehe Tabelle 2-103). Das sekundäre Dämpfungsmaximum
von PES bei – 100 °C ist verantwortlich für die hohe Zähigkeit in einem großen
Temperaturbereich [14], siehe auch Bild 2-577.
1176 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
Zusatz von Glasfasern werden diese Eigenschaften noch verbessert (während die
Dehnbarkeit abnimmt). Bild 2-606 zeigt die Schlag- und Kerbschlagzähigkeit
eines mit 20 % Masseanteil glasfaserverstärkten PES. Polyethersulfon ist jedoch –
wie fast alle Thermoplaste – ein kerbempfindlicher Kunststoff, Bild 2-607. Quer-
schnittübergänge setzen deshalb entsprechend große Übergangsradien voraus.
Innenkanten und Durchbrüche müssen abgerundet werden. PES ist selbst bei
hoher Spannungskonzentration noch ein verhältnismäßig zähes Material.
Härte
siehe Tabelle 2-103.
Thermoplastische
Polykondensate
■ Thermische Eigenschaften
Kennzeichnende thermische Eigenschaften der Polyethersulfone enthält Ta-
belle 2-103.
Im Hinblick auf die erreichbaren Toleranzen ist die Abhängigkeit der Län-
genänderung von der Temperatur von Bedeutung. Bild 2-609 zeigt diesen Zu-
sammenhang am Beispiel eines unverstärkten PES.
2.2.1 Thermoplastische Polykondensate 1181
Das höhere Eigenschaftsniveau von Ultrason E zeigt sich deutlich bei Lage-
rung in heißen Schmierstoffen. Ebenso ist die positive Auswirkung der Glasfa-
Thermoplastische
Polykondensate
■ Elektrische Eigenschaften
siehe Tabelle 2-103.
Die Abhängigkeit des spezifischen Durchgangswiderstandes von PES von der
Temperatur (bei einer Polarisationszeit von 1000 s) zeigt Bild 2-613. Die Dielek-
2.2.1 Thermoplastische Polykondensate 1183
trizitätszahl beträgt bei trockenem PES bei einer Temperatur von 20 °C im Fre-
quenzbereich von 50 bis 1 MHz gleichbleibend 3,7; sie verändert sich im Tempe-
raturbereich von 20 bis 210 °C nur um 1,1 %, Bild 2-614. Auch der dielektrische
Verlustfaktor ist im Unterschied zu den genannten Kunststoffen (außer Poly-
Thermoplastische
Polykondensate
■ Optische Eigenschaften
Polyethersulfon ist transparent. Der Brechungsindex n20
D beträgt 1,65, die Licht-
durchlässigkeit bei Wanddicken von 1,5 mm 80 %, bei 3 mm 69 %.
■ Chemikalienbeständigkeit
Beständig gegen: verdünnte Säuren, Laugen, Alkohole und andere Aliphaten,
Öle, Reinigungsmittel;
1184 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
nicht beständig gegen: Ketone, Ester, chlorierte KW, heißes Wasser, Aromaten,
hochpolare Lösemittel.
PES ist löslich in hochpolaren Lösemitteln wie Dimethylsulfoxid, Pyridin,
Quinolin, Anilin sowie in Methylenchlorid und Chloroform.
■ Spannungsrissverhalten
In Übereinstimmung mit allen amorphen Polymeren ist PES bei Berührung mit
einigen organischen Lösemitteln durch die Bildung von Spannungsrissen ge-
fährdet (Ketone, Ester, chlorierte KW) [15]. Sofern die Formteile nicht unter
hohen Spannungen stehen, können sie jedoch mit den meisten dieser Lösemit-
Thermoplastische
Polykondensate
■ Witterungsbeständigkeit
Ähnlich wie bei PSU wirkt auch bei PES die SO2-Gruppe als UV-Absorber. Da-
raus ergibt sich eine begrenzte Witterungsbeständigkeit. Im Freien vergilben na-
turfarbene Formteile, sie verlieren an Festigkeit und verspröden. Um die nach-
teilige Wirkung des UV-Anteils in der Sonnenstrahlung zu bannen, empfiehlt
sich das Einfärben des Materials mit Aktivruß – wie bei den Polyolefinen – oder
das Lackieren bzw. Metallisieren der Oberfläche (als Lacksysteme eignen sich
Desmophen 650 und Desmodur N 75 – Handelsnamen der Bayer AG – mit 0,5 %
UV-Absorber Bayer 340).
■ Strahlenbeständigkeit
Im gesamten nutzbaren Temperaturbereich ist PES gegen b-, g- und Röntgen-
strahlen sehr beständig. Erst bei hoher Strahlungsdosis (> 2 · 106 J/kg) ist bei den
unverstärkten Materialtypen ein merklicher Abfall der Streckgrenze und der
Reißdehnung feststellbar. Die Gasabgabe ist dabei gering.
■ Brennbarkeit
PES ist ohne die Zugabe von Flammschutzmitteln schwer entflammbar und selbst
erlöschend, wie die Einstufung V-O (nach UL 94) bei Wanddicken von nur 0,5 mm
zeigt. Der LOI beträgt je nach Typ und Probekörperabmessungen 41 bis 45%.
■ Wasseraufnahme
Formstoffe aus PES nehmen Feuchtigkeit auf. Die Auswirkungen sind verhält-
nismäßig gering. Ein 3 mm dicker Prüfkörper erreicht selbst beim Eintauchen in
Wasser von 100°C seinen Gleichgewichtszustand erst nach einer Woche und da-
mit nimmt sein Gewicht um 2,3 % zu. Bei einer Temperatur von 23 °C ist der
Gleichgewichtszustand nach zwei Wochen erreicht. Die Gewichtszunahme be-
trägt dann 2,1 %. Ein spritzfrischer Prüfkörper vergrößert seine Abmessungen
nach viermonatiger Lagerung in Luft von 20 °C und 56 % rel. Feuchtigkeit im
dann erreichten Gleichgewichtszustand nur um 0,15 %.
Aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang auch die Wärmealterungsbe-
ständigkeit, die Bild 2-615 wiedergibt. Die Versuche wurden bei statischer Bean-
spruchung in Wasser von 23 °C, 60 °C und 95 °C durchgeführt. Gemessen wurde
nach DIN 53 444 die Zeit bis zum Bruch der mit konstanter Zugspannung bean-
spruchten Probekörper [16].
Thermoplastische
Polykondensate
■ Gesundheitliche Beurteilung
Bei Befolgung der vom Hersteller empfohlenen Verfahrensweisen sind beim Um-
gang mit PES und bei seiner Verarbeitung keine Toxizitätsprobleme zu erwarten.
Die Thermogravimetrische Analyse (TGA) zeigt, dass bei Temperaturen bis
460 °C keine thermische Zersetzung eintritt. Das ist 60 bis 100 K höher als die
empfohlene Verarbeitungstemperatur. Bei der Zersetzung entstehen gesundheits-
schädliche Dämpfe, darunter – wie beim Verbrennen – SO2 . Dieses Gas ist jedoch
bereits bei einer Konzentration von 5 ppm am Geruch erkennbar.
Die Polyethersulfone sind grundsätzlich gesundheitlich unbedenklich. Die
nicht den Anforderungen der FDA, NSF oder den BGA entsprechenden Einstel-
lungen werden von den Herstellern ggf. gekennzeichnet.
1186 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
■ Sterilisieren
Formteile aus PES sind nach allen gebräuchlichen Methoden sterilisierbar; die-
ser Hinweis gilt auch für Sterilisierlösungen und Anästhetika bei den jeweils
empfohlenen Konzentrationen.
■ Verarbeitung
PES kann nach den allgemein für Thermoplaste gebräuchlichen Methoden ver-
arbeitet werden. Das Spritzgießen steht dabei an erster Stelle, gefolgt vom Ex-
trudieren. Halbzeug kann warmgeformt werden.
Verarbeitungsbedingungen
Die empfohlenen Verarbeitungstemperaturen sind folgende:
Verarbeitung Ultrason E Radel A-400 Astrel 360
Anwendungsbeispiele
Spulenkörper, Buchsen, Rahmen, Gehäuse, Kohlebürstenhalter, gedruckte
und integrierte Schaltungen, Verbindungsklemmen, Kondensatorfolien,
Lagerkäfige, Zündkerzenentstörstecker, Vergaser-Bauteile, Lagerkäfige,
optische und feinwerktechnische Bauteile wie Reflektoren, Lampenfassun-
gen, Spotlight-Bauteile, Linsen, Rahmen.
Medizinische Geräte [17], Apparatebau der Chemischen Industrie [18],
Heißwasserinstallationen, Ultrafiltrationsanlagen und -membranen,
Haushaltsgeräte, Instrumentengehäuse, Fittings, Verbinder, Flugzeug-
nasen, Radome, Luftführungskanäle.
1188 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
Handelsnamen
Radel A (Amoco Performance Plastics/CH)
Ultrason E (BASF (AG)
Victrex (Victrex Deutschland GmbH/DE)
2.2.1.2.6.3
Polyphenylensulfid (PPS)
Gegen Ende des Jahres 1968 kündigte die Phillips Petroleum Company an, dass
ein zur Gruppe der Phenylensulfide gehörendes lineares Polymere, mit dem Han-
delsnamen Ryton® in Versuchsmengen zur Verfügung stünde. Anfang 1973 lief in
Borger, Texas, eine 3000-t/a-Produktion an. Seit der K’ 83 bot auch die Bayer AG
(DE) zwei PPS-Typen (Tedur®) an. Dazu kam das Forton® der Hoechst AG.
■ Herstellung
Als Ausgangsstoffe dienen p-Dichlorbenzol, Natriumsulfid und eine polare or-
ganische Substanz. PPS steht als vernetzbarer duroplastischer und als thermo-
plastischer Kunststoff zur Verfügung. Die Bedeutung als Thermoplast überwiegt
jedoch bei weitem.
■ Allgemeine Stoffbeschreibung
Benzolringe und Schwefelatome bilden das Rückgrat des symmetrisch aufge-
bauten Makromoleküls und kennzeichnen das Eigenschaftsbild:
Polyphenylensulfid
Die Zähigkeit des spröden Basismaterials wird durch den Zusatz von Glas-
fasern und anderen mineralischen Fasern verbessert.
■ Zusatzstoffe
Unter den für hochwärmebeständige Thermoplasten gebräuchlichen Zusatz-
stoffen sind vor allem verstärkende Glasfasern, C-Fasern und mineralische Füll-
stoffe wie Kreide, Eisenoxid und andere – in den Stoffbroschüren nicht näher be-
zeichnete – Füllstoffe von Bedeutung. Durch Verstärken mit C-Fasern wird der
Oberflächenwiderstand gesenkt und eine in Sonderfällen erforderliche elektri-
sche Leitfähigkeit erzielt. Mineralische Füllstoffe verbessern die Verarbeitbar-
keit, verringern die Schwindung (vor allem das anisotrope Schwinden) und ver-
bessern den Oberflächenglanz. Graphit erhöht die Steifigkeit der Formstoffe,
PTFE begünstigt das Reibungs- und Verschleissverhalten.
Tabelle 2-103 enthält Angaben über die Eigenschaften von verstärktem PPS.
■ Sortiment
Zu dem zunächst allein lieferbaren Typ R-4 (mit 40 % Masseanteil Glasfasern)
kamen Ende der sechziger Jahre die Typen R-8 und R-10 mit einer Kombination
von Glasfasern und speziellen mineralischen Füllstoffen. Die R-10 Typen sind in
den Farbtönen braun, blau, grün, beigebraun und schwarz lieferbar.
Thermoplastische
Polykondensate
In den letzten Jahren kamen R-7 (vor allem als Austauschmaterial für Duro-
plaste bestimmt), Ryton A-100, ein Material für das Spritzgießen isotrop schwin-
dender und damit rissbeständiger, dickwandiger Formteile (bis 12 mm dick) so-
wie R-9 und die BR-Reihe, die u. a. hohe Kriechstromfestigkeit und vor allem
eine vorzügliche Eignung für das Einkapseln elektronischer Bauteile durch
Spritzgießen aufweist, hinzu.
Wie das Verzeichnis der Handelsnamen am Schluss des Kapitels zeigt, nahm
die Anzahl der PPS-Hersteller im Laufe der letzten Jahre wesentlich zu. Hoechst
bietet in seinem Forton® Sortiment neunzehn und Bayer mit Tedur sechzehn Ty-
pen an (heute unter dem selben Handelsnamen verkauft durch: Albis Plastic
GmbH, Hamburg). Dabei handelt es sich um mineralgefüllte und/oder glas-
1190 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
■ Lieferform
PPS wird vorwiegend als Granulat für die Spritzgussverarbeitung geliefert.
Außerdem werden einige Typen als feinkörniges Pulver angeboten.
■ Typisierung
Die Polyphenylensulfid-Formmassen wurden bisher nicht nach DIN typisiert.
■ Physikalische Eigenschaften
Richtwerte kennzeichnender physikalischer Eigenschaften enthält Tabelle 2-103.
Um angesichts der Neigung von PPS zur Rekristallisation bei höheren Tempera-
turen – insbesondere wenn mit einer zu niedrigen Werkzeugtemperatur gear-
beitet wurde – Prüfergebnisse miteinander vergleichen zu können, ist die An-
gabe der Herstellbedingungen der Probekörper unerlässlich.
■ Mechanische Eigenschaften
Kurzzeitverhalten bei geringer Verformungsgeschwindigkeit
Formteile aus PPS zeichnen sich aus durch hohe Härte und Steifigkeit. Die Zu-
sammenhänge zwischen Reißfestigkeit und Dehnung für ausgewählte Typen
sind in Bild 2-618 dargestellt. Bild 2-619 zeigt am Beispiel von Fortron 1140 L4
die Abhängigkeit dieser beiden Größen von der Temperatur.
Den Einfluss der Temperatur auf die mechanische Festigkeit und den für die
Steifigkeit eines Formteils maßgebenden E-Modul zeigen die Bilder 2-620 und
2-621.
Umwandlungstemperaturen
Über den charakteristischen Verlauf des Energieinhalts eines Thermoplasten
gibt die Differential-Thermoanalyse (DTA) Auskunft. Sie zeigt die für die Verar-
beitung und die Verwendung wichtigen Temperaturen wie Glasübergangstem-
peratur Tg , Rekristallisationstemperatur Tr (wichtig für das Tempern) und die
Thermoplastische
Polykondensate
liefert ebenfalls der bereits bei vielen Polymeren erwähnte Verlauf des im Tor-
sions- oder Biegeschwingungsversuch ermittelte Schubmodul. Bild 2-623 zeigt
die Wirkung einer niedrigen und einer hohen Werkzeugtemperatur bzw. einer
Nachbehandlung in der Wärme am Beispiel von Ryton R-4.
Bild 2-622. Differenzial-Thermoanalyse (DTA) von Ryton ® PPS (Quelle: Phillips Petroleum
Comp.)
Thermoplastische
Polykondensate
bei Temperaturen um 170 °C ihr Maximum und nimmt bei steigendem Kristalli-
nitätsgrad ab. Zur Schlag- und Kerbschlagzähigkeit von Ryton ist grundsätzlich
zu sagen, dass in diesem Falle die Verstärkung mit Glasfasern (bei R-4 immerhin
40 % Massegehalt Glasfasern) überraschenderweise zur Erhöhung der Schlag-
zähigkeit des an sich noch spröderen Grundmaterials beiträgt.
Bild 2-627. Kerbschlagzähigkeit (n. Izod) von Ryton R-4 in Abhängigkeit von der Temperatur
Härte
siehe Tabelle 2-103.
■ Thermische Eigenschaften
Die spezifische Wärmekapazität von Ryton R-4 beträgt 0,9 kJ/kg bei 0 °C; 1,18 bei
Thermoplastische
Polykondensate
80 °C; 13,8 bei 160 °C, 1,49 bei 240 °C und 2,08 kJ/kg bei 320 °C.
Der Längenausdehnungskoeffizient ist mit demjenigen von Aluminium
vergleichbar. Die Wasseraufnahme von PPS ist gering. Nach einer Lagerungs-
dauer von 31 Tagen in Wasser von 100 °C betrug die Gewichtszunahme nur
1,01 %.
Die Eigenschaften von Formteilen aus PPS hängen weitgehend vom Grad der
bei der Verarbeitung erreichten Kristallinität ab, ähnlich wie von PET (Polyethy-
lenterephthalat) bekannt. Die Kristallinität wird wesentlich durch die Werkzeug-
wandtemperatur bestimmt. Bild 2-629 zeigt am Beispiel der Wärmeformbestän-
digkeit HDT/A diesen Einfluss. Erst mit Werkzeugwandtemperaturen von
≥ 140 °C wird das hohe Niveau der mechanischen Festigkeit erreicht.
1196 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
Bild 2-630. Wärmeformbeständigkeit HDT/A (°C) für einige Kunststoffe (U: unverstärkte Poly-
mere; GF und Zahl: Menge an Glasfasern; Tr: spritzfrisch im Falle von Polyamiden; LCP-A,
LCP-C: Vectra-A, Vectra-C, Hoechst)
■ Elektrische Eigenschaften
siehe Tabelle 2-103.
Die Kriechstromfestigkeit von R-4 mit KC = 180 ist mit derjenigen von PE, PS
oder PA mit KC = 600 nicht vergleichbar. Es ist dennoch zu beachten, dass einige
Modifikationen des Tpys R-10 Werte von KC = 280 erreichen.
Bei zahlreichen Anwendungen in der Elektronik spielt die Dielektrizitätszahl
und der dielektrische Verlustfaktor tan d eine wichtige Rolle. In Bild 2-631 ist die
Dielektrizitätszahl in Abhängigkeit von der Frequenz und von der Temperatur
wiedergegeben. Während Bild 2-632 die Abhängigkeit des dielektrischen Ver-
lustfaktors von Temperatur und Frequenz zeigt.
Der spezifische Durchgangswiderstand beträgt beispielsweise für alle Fort-
ron-Typen > 1015 W cm, nimmt jedoch mit der Temperatur ab, Bild 2-633. Die
Sortimente einiger Rohstoffhersteller enthalten ebenfalls Typen mit Durch-
gangswiderständen ≤ 500 W cm, die sich vor allem für die Anwendungen in der
Elektronik eignen.
■ Chemikalienbeständigkeit
PPS weist bei Raumtemperatur folgende Beständigkeit auf:
Beständig gegen: verdünnte Mineralsäuren, Laugen, aliphatische und aroma-
tische KW, Ketone, Alkohole und chlorierte KW, Öle und Fette, Wasser, hydro-
lysebeständig:
nicht beständig gegen: Chlorsulfonsäure.
Die ständige Berührung mit heißem Wasser oder heißen wässrigen Lösungen
kann zu einer Beeinträchtigung der physikalischen Eigenschaften durch Hydro-
lyse führen. Dabei wird vor allem die Haltung zwischen Matrix und Glasfaser
gelockert.
■ Spannungsrissbildung
Bei Anwendung von Trichlor- und Perchlorethylen als Entfettungsmittel besteht
keine Gefahr der Spannungsrissbildung.
Bei Temperaturen von 70 bis 120 °C treten keine kontaktschädigenden Aus-
scheidungen auf.
Thermoplastische
Polykondensate
■ Witterungsbeständigkeit
Mit nicht stabilisierten Probekörpern im Weather-O-Meter durchgeführte be-
schleunigte Bewitterungsversuche ergaben, dass die Zugfestigkeit von R-4-Pro-
bekörpern von 115 N/mm2 nach 8000 Stunden auf 99 N/mm2 abnahm, während
die Reißdehnung von 1,1 % auf 1,23 % anstieg. Nach 10 000 Std. tritt jedoch eine
beschleunigte Alterung auf.
PPS wird von Ozon auch bei hoher Temperatur nur wenig angegriffen.
1200 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
■ Strahlenbeständigkeit
Untersuchungen brachten folgende Beständigkeitsergebnisse:
Strahlenart Dosis Biegefestigkeit Biege-E-Modul
104 J/kg N/mm2 N/mm2
■ Brennbarkeit
Einer Flamme ausgesetzte Formstoffe aus PPS brennen bis zum Entfernen der
Zündquelle, danach verkohlen sie. Andere kennzeichnende Brenneigenschaften
sind: gelblich-orange farbene Flamme, grauer Rauch mit schwarzen Spuren, Ge-
ruch von faulen Eiern, schwarze, glänzende Kruste, leichtes Aufblähen, keine
Tropfenbildung.
Der Sauerstoffindex (LOI) von PPS ist demjenigen vieler Thermoplaste über-
legen:
Ryton R-8 53
Ryton R-4 46,6
PVC 47
Polyimid 44
Polyarylsulfon 36
aromat. Polyester 36
Polycarbonat (flammwidrig) 32,5
Polysulfon (flammwidrig) 32
Polyphenylenether (flammwidrig) 30
PA 66 (flammwidrig) 28
Polyolefine 18–20
Der Flammpunkt von Ryton R-4 liegt bei 500 °C, die untere Zündgrenze beträgt
540 °C.
Thermoplastische
Gemäß einer NASA-Studie ergibt sich für einige flammwidrig bekannte Ther-
Polykondensate
■ Gesundheitliche Beurteilung
Obwohl Tierversuche ergaben, dass das Einatmen von staubförmigem PPS keine
Schädigungen hervorruft, ist dennoch zu empfehlen, beim Spritzgießen für aus-
reichende Belüftung der Werkräume zu sorgen. Als gasförmige Zersetzungspro-
dukte können sich Schwefeldioxid und Carbonylsulfid bilden, die beide die
Schleimhaut reizen. Beim Verarbeiten sollten Schmelztemperaturen > 370 °C
vermieden werden.
Entsprechend gekennzeichnete Produkte sind physiologisch unbedenklich.
■ Verarbeitung
PPS wird durch Spritzgießen, Pressen zu Formteilen, durch Fließbettauchen
oder elektrostatisches Sprühen zum Auftragen haftabweisender Überzüge auf
metallische Substrate verarbeitet. Beim Pressen und noch mehr beim Spritz-
gießen ist auf gutes Entlüften der Formnester zu achten. Lufteinschlüsse führen
zu schwachen Bindenähten.
Für den Spritzgießer geben die Bilder 2-634 bis Bild 2-635 wertvolle Hinweise zur
optimalen Nachdruckzeit und die zu erwartende Fließweglänge in Abhängigkeit
Thermoplastische
Polykondensate
von der Wanddicke sowie die Typwahl aus dem Fortron-Sortiment als Beispiel.
Verarbeitungsbedingungen: Vortrocknen
Während die glasfaserverstärkten Typen meist nur bei ungünstigen Lagerungs-
bedingungen vorgetrocknet werden müssen, empfiehlt es sich jedoch, die mine-
ralgefüllten vorzutrocknen (6 Std. bei 160 °C).
Rückführmaterial sollte in jedem Fall vorgetrocknet werden. Die vorzügliche
Thermostabilität des Materials ermöglicht es, den Anteil an Rückführmaterial
bis zu 35 % zu bemessen.
Die Massetemperatur beträgt 340 bis 370 °C, die Werkzeugtemperatur 25 bis
200 °C. Bei 120 °C wird die Oberfläche der Formteile glatt und glänzend, bei 25 bis
1202 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
Für das Kleben von PPS mit sich selbst kommen Klebstoffe auf der Basis von
Epoxidharz, Cyanacrylat und reaktive monomere Acrylatsysteme in Betracht.
Diese Klebstoffe eignen sich ebenfalls für das Kleben mit den meisten anderen
Werkstoffen und mit Metallen.
■ Laserstrahlbeschriften
Das berührungslose Beschriften von PPS-Formstoffen mit Hilfe von Laserstrahl-
energie ist möglich. In Betracht kommt der Nd : YAG-Laser (1064 nm). Der Strahl
erzeugt dunkle, matte Schriftbilder.
Anwendungsbeispiele
Pumpengehäuse, Laufräder, Lagerbuchsen, Ventilkugeln, Steckerleisten,
Kontaktträger, Spulenkörper, Kohlebürstenhalter, Polklemmen, Platinen
für Digital-Armbanduhren, Einbetten von Kontakten und Verbindungs-
stücken, Deckenleuchten, Halogenlampengehäuse, Adaptoren für Halo-
gen-Spotlight, Gehäuse für Kamingas-Absaugmotoren.
Handelsnamen
Fortron (Ticona GmbH/DE)
Lastron (Lati Industria Thermoplastici Deutschland GmbH/DE)
Primef (Solvay Deutschland GmbH/DE)
Ryton (Phillips Petroleum Chemicals NV/BE)
Supec (GE Plastics Europe B.V./NL)
Tedur (Albis Plastic GmbH/DE)
Toraylina (Toray Plastics America/IR)
2.2.1.2.7
Polyetherketone
2.2.1.2.7.1
Aromatische Polyetherketone (PEK, PEEK)
Die Synthese von Polyaryletherketonen der allgemeinen Struktur:
Thermoplastische
Polykondensate
Polyaryletherketon
gelang bereits im Jahre 1962 Mitarbeitern der Firma Du Pont und zwei Jahre spä-
ter ICI. ICI stellte 1979 ein sog. Polyetheretherketon (PEEK) der Strukturformel
Polyaryletheretherketon
1204 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
vor, das mit einer Glasübergangstemperatur von Tg = 143 °C und einer Schmelz-
temperatur Tm = 334 °C heute zu den fortschrittlichen Hochleistungskunststof-
fen gehört.
■ Zusatzstoffe
Die wichtigsten Zusatzstoffe für die Polyaryletherketone sind verstärkende Glas-
fasern, mineralische Füllstoffe und C-Fasern. ICI stellte bereits anlässlich der
K’83 einen C-Faser-Verbundstoff unter der Bezeichnung „APC1“ (aromatic poly-
mer composite) vor.
Die besonderen Vorteile der zu 20 bzw. 30 % mineralverstärkten Produkte ge-
genüber den glasfaserverstärkten Typen liegen in der besseren Verarbeitbarkeit,
der besseren Oberflächenqualität der Fertigteile und vor allem im isotropen
Schwindungsverhalten, das die Herstellung von verzugfreien Spritzgussteilen
Thermoplastische
Polykondensate
erlaubt. Die mineralverstärkten PEK-Typen eignen sich daher für die Herstel-
lung von mechanisch und thermisch hochbelasteten Formteilen hoher Maßhal-
tigkeit.
Allgemeine Eigenschaften
Form – – Granulat Granulat Granulat Granulat
Farbe – – Grau Braun Schwarz Schwarz
Dichte (kristallin) ISO R1183 – 1,32 1,49 1,44 1,48
(amorph) ISO R1183 – 1,26 – – –
Füllstoffgehalt % 0 30 30 30
Typischer Kristallinitätsgrad – % 35 35 35 35
Schwindmaß quer zur Fließrichtung/
in Fließrichtung – % 1,2/0,7 1,1/0,2 0,3/+ 0,03 0,9/0,3
Wasseraufnahme 24 Std. bei 23°C ISO R62A % 0,5 0,11 0,06 –
Gleichgewichtszustand bei 23°C ISO R262A % 0,5 – – –
Mechanische Eigenschaften
Zugfestigkeit bei 23°C (Bruch/Strecken) ISO R527 (5 mm/min) MPA 96,9(y) 156(b) 233(b) 142(b)
bei 250 °C (Bruch/Strecken) ISO R527 (5 mm/min) MPA 12(y) 34(b) 43(b) 25(b)n
Bruchdehnung bei 23°C ISO R257 (5 mm/min) % > 50 2,0 1,5 1,6
Streckspannung bei 23°C ISO R257 (5 mm/min) % 4,9 – – –
Zug-E-Modul 1% Sekantenmodul bei 23°C ISO R527 GPa 3,6 9,7 13 –
Biege E-Modul bei 23°C ISO R178 GPA 4,1 10,0 20,2 9,8
bei 120°C ISO R178 GPA 4,0 9,2 18,6 8,0
bei 250°C ISO R178 GPA 0,3 3,0 5,1 3,0
Biegefestigkeit bei 23°C ISO R178 MPA 170 233 355 210
bei 120°C ISO R178 MPA 100 175 260 –
bei 250°C ISO R178 MPA 12,5 70 105 36
Scherfestigkeit (Endfestigkeit) ASTM D3846 MPa 53 97 97 –
Schubmodul bei 23°C GPa 1,30 2,4 – –
2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
Tabelle 2-107 (Fortsetzung)
Thermoplastische
Polykondensate
Thermoplastische
Polykondensate
Ds (4 min),
3,2 mm Probe : flammend – 1 – 0 –
: nicht flammend – 0 – 0 –
Toxizitätsindex: : CO NES713 – 0,74 – 0,051 –
(10-g-Probe) : CO2 NES713 – 0,146 – 0,123 –
: insgesamt für alle Gase NES713 – 0,22 – 0,17 –
Elektrische Eigenschaften
Durchschlagfestigkeit IEC243
(50-µm-Folie) ASTM D149 kVcm–1 175 – –
2.2.1 Thermoplastische Polykondensate
Kriechstromfestigkeit
bei 23 °C ICE112 V 150 – – –
Verlusttangens bei 23°C, 1 MHz IEC112 – 0,003
Dielektrizitätskonstante: 50 Hz–10 kHz
0–150 °C IEC250 – 3,2–3,3 – – –
50 Hz, 200 °C IEC250 – 4,5 – – –
Spezifischer Durchgangswiderstand IEC93 Ohm-cm 4,9 · 1016 – 1,4 · 105 –
(y) = Wert beim Fließen, (b) = Wert bei Bruch, N = geschätzter Wert
Die aufgeführten Daten sind Kurzzeit-Testdaten, die nach ISO,ASTM, BS, DIN Standardmethoden gemessen wurden. Die meisten Ergebnisse sollten nicht
für die Konstruktion lasttragender Teile verwendet werden, da die Eigenschaften von ,Victrex’ PEEK wie die aller thermoplastischen Werkstoffe von Tem-
peratur und Belastungsdauer abhängen. Überdies weisen faserverstärkte Typen infolge der Faserorientierung weitere Eigenschaftsvariationen auf.
Sofern nicht anders angegeben, wurden alle Daten mit ungetemperten Proben, die in Luft geprüft wurden, erzielt.
1209
Thermoplastische
Polykondensate
1210 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
■ Physikalische Eigenschaften
Richtwerte kennzeichnender Eigenschaften von PEEK (unverstärkt und ver-
stärkt) enthält Tabelle 2-107.
■ Mechanische Eigenschaften
Kurzzeitverhalten bei geringer Verformungsgeschwindigkeit
Die Spannungsdehnungsdiagramme eines unverstärkten sowie eines mit 20
bzw. 30 Masse-% Glasfasern verstärkten PEKEKK (dem nicht mehr am Markt
befindlichen Copolymer Ultrapek der BASF AG) zeigen die Bilder 2-638 und
2-639.
Umwandlungstemperaturen
Der Übergang von Polyaryletherketon vom thermostatischen (Glastemperatur)
in den thermoplastischen Bereich sei hier anstelle des Schubmoduls durch die
Abhängigkeit des Biege-E-Moduls von der Temperatur wiedergegeben, Bild
2-640. Eine Verstärkung von Victrex durch beispielsweise 30 Masse-% C-Fasern
(Victrex PEEK 450 CA 30) führt zu der Steifigkeit von 5000 N/mm2.
Bild 2-641. Zug-Zeitstandverhalten von Victrex PEEK 450 G (A) und Victrex PEEK 450 GL 30
(B) bei verschiedenen Beanspruchungen und Temperaturen (Quelle: Victrex Europa GmbH)
Thermoplastische
Polykondensate
schen Kunststoffen zeigt Bild 2-643.Wie sich ein Kerbradius von 0,25 mm auf die
Schlagzähigkeit auswirkt, gibt Bild 2-644 wieder. Das Ergebnis von Fallbolzen-
tests bringt Bild 2-645.
Härte
Angaben über die Oberflächenhärte enthält Tabelle 2-107.
deren bereits versagen (PA und POM bei 100 °C, Sinterbronze bei 70 °C). Diese
Überlegungen führten zur Entwicklung des Hochleistungstyps Victrex PEEK
KX3, der bei 200 °C und einer Prüfgeschwindigkeit von 183 m/min noch einen
zuverlässigen pv-Wert von 610 N/mm2 · m/min aufweist (PA 90), Polyimid 670,
CF-Prepeg 750 und graphitierte Sinterbronze 400 N/mm2 · m/min.
Die Gleitreibungszahl und die Gleitverschleißrate hängen sowohl von der
Flächenpressung und der Gleitflächentemperatur als auch von der Oberflächen-
rauigkeit und -härte des Gleitpartners ab. Dabei sind die Gleiteigenschaften un-
verfälscht nur an völlig schmierungsfreien, entfetteten Gleitpartnern festzustel-
len (Trockenlauf).
2.2.1 Thermoplastische Polykondensate 1215
■ Thermische Eigenschaften
Die Wärmeformbeständigkeit HDT nach den genormten Prüfmethoden gibt
dem Konstrukteur Hinweise zur Vergleichbarkeit und zur Vorauswahl im Hin-
blick auf die thermische Belastbarkeit eines Polymer. Das unverstärkte Victrex
weist einen HDT/A-Wert von 152 °C auf. Mit 30 %iger Glasfaserverstärkung liegt
er bei über 315 °C.
Der lineare Ausdehnungskoeffizient ist mit ≈ 40 · 10–6 · K–1 niedrig. Bei mit
30 Masse-% Glasfasern verstärkten Materialtypen beträgt er nur noch ≈ 20 · 10–6
· K–1 und kommt damit dem Wert für Stahl von 12 · 10–6 · K–1 bereits sehr nahe.
Thermoplastische
Polykondensate
■ Elektrische Eigenschaften
Das ausgewogene Eigenschaftsbild der Polyaryletherketone ist besonders bei
elektrischen und dielektrischen Eigenschaften selbst bei Temperaturen um
200 °C noch ausgeprägt. Bild 2-649 zeigt die Temperaturabhängigkeit des spezi-
fischen Durchgangswiderstandes von Victrex PEEK 450 G. Ein Wert von
1010 W cm bei 205 °C prädestiniert das Material für die Herstellung von Draht-
und Kabelisolationen, Kondensator- und Isolierfolien, Steckverbindern, Kohle-
bürsten und Spulenkörpern.
2.2.1 Thermoplastische Polykondensate 1217
Das Bild 2-650 zeigt die Abhängigkeit des dielektrischen Verlustfaktors tan d
von
a Temperatur und
b Frequenz
von Victrex Kunststoffen. Das Bild 2-651 rundet den Werteüberblick ab mit der
Abhängigkeit der Dielektrizitätszahl von der Temperatur (Prüffrequenz
9,368 GHz).
Die geringe Wasseraufnahme wirkt sich vorteilhaft beim Einsatz ausge-
wählter Materialtypen für die Herstellung von Leiterplatten aus. Hier ist es
selbst dem Polyimid (PI) überlegen. Selbst Wasserlagerungen von mehreren
tausend Stunden schaden nicht und verändern auch nicht die mechanischen
Werte.
■ Chemikalienbeständigkeit
Wie umfangreiche Beständigkeitsversuche zeigen, sind die Polyaryletherke-
tone gegen die meisten Chemikalien beständig. Nur konzentrierte Schwefel-
säure löst das Produkt auf. Salpetersäure und einige Halogen-Kohlenwasser-
stoffe bauen es ab. Sie sind auch in Wasser von 280 °C (18 bar) noch hydrolyse-
beständig.
Thermoplastische
Polykondensate
■ Spannungsrissbildung
Die Beständigkeit gegen die Bildung von Spannungsrissen ist hoch, nur in Ace-
ton bilden sich Haarrisse. Durch hohe mechanische Beanspruchungen kann die
Lebensdauer naturgemäß verkürzt werden.
■ Witterungsbeständigkeit
Wie alle einbindigen Polyaromaten, so werden auch die Polyaryletherketone bei
Außenbewitterung vom UV-Anteil der Sonnenstrahlung beeinflusst. Unter ex-
tremen Witterungsbedingungen empfiehlt sich deshalb das Pigmentieren oder
Lackieren der Formstoffe. Als Pigmente bewähren sich bunte Farbtöne ebenso
sehr wie Ruß.
1218 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
■ Strahlenbeständigkeit
Bild 2-652 zeigt die überlegene Strahlenbeständigkeit von PEEK. Es widersteht
Thermoplastische
Polykondensate
einer g-Strahlendosis von 107 Joule/kg. Bei den GF-verstärkten Typen kann mit
einer noch höheren Beständigkeit gerechnet werden.
■ Witterungsbeständigkeit
Wie die meisten Polyaromate werden die Polyaryletherketone bei Bewitterung
im Freien nur geringfügig geschädigt. Einfärben in der Masse oder Lackieren
bieten meist einen ausreichenden Schutz.
Bild 2-653 wird die Bewährung von Victrex PEEK 450 G bei einer Regenein-
wirkungsgeschwindigkeit von 223 m/s gezeigt. Besser bewährten sich nur
Metalle und hochwertige Keramikwerkstoffe.
Thermoplastische
Polykondensate
■ Brennbarkeit
PEEK ist auch ohne den Zusatz von Flammschutzmitteln schwer entflamm-
bar. Der Typ PEEK 450 G wird nach UL 94 mit V-O (2 mm dick) eingestuft. Der
Sauerstoffindex beträgt 35 und ist damit höher als derjenige von Polysulfon
und Polyimid, jedoch niedriger als der LOI von Polyamidimid und PPS,
Bild 2-654. Die Rauchentwicklung ist die niedrigste von allen Thermoplasten.
PEEK entwickelt bei der Verbrennung nur geringe Mengen an toxischen Ga-
sen. Die Hauptverbrennungsprodukte sind Kohlendioxid und Kohlenmonoxid.
Der NES 713 Test (Britisches Verteidigungsministerium) ergab beispielsweise für
die Toxizität der Verbrennungsprodukte von Victrex PEEK 450 G den extrem
niedrigen Wert von 0,22. Saure Gase wurden nicht festgestellt. Die Entwicklung
1220 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
toxischer Gase bei der Verbrennung von faserverstärktem PEEK ist sogar noch
geringer. Halogengase werden nicht freigesetzt.
■ Verarbeiten: Verarbeitungsbedingungen
Die Polyaryletherketone werden durch Spritzgießen verarbeitet. Vorgetrocknet
wird mindestens drei Stunden bei 150 °C. Die Massetemperatur beträgt 350 bis
2.2.1 Thermoplastische Polykondensate 1221
380 °C beim unverstärkten und 370 bis 400 °C beim verstärkten Material. Als
Werkzeugtemperatur sind 150 bis 180 °C zu empfehlen.
Aus spritzgegossenem Halbzeug können Schälfolien bis zu 20 mm hergestellt
werden, für die sich Anwendungsmöglichkeiten im Austausch gegen biaxial
orientierte technische Folien bieten.
Fügeverfahren: Schweißen
Formstoffe aus PEK und PEEK können mit Hilfe von Ultraschall- und Reibungs-
schweißen gefügt werden. Dabei muss die hohe Schmelztemperatur (334 °C) und
ein hoher Anpressdruck während des Schweißens beachtet werden.
Kleben
Die Fügeflächen müssen sauber, trocken und fettfrei sein. Durch Aufrauen,
Flammbehandlung oder Ätzen mit Chromschwefelsäure kann die Festigkeit der
Klebnaht wesentlich erhöht werden.
Als Klebstoffe eignen sich: Epoxidharz, Cyanacrylat, anaerobische und Sili-
con-Klebstoffe. Die höchste Festigkeit wird jedoch mit EP-Harz erzielt. Die Bil-
dung von Spannungsrissen ist nicht bekannt.
Anwendungsgebiete
Automobil- [23], Luftfahrt-, Elektro-, Maschinenbau- [24], und die chemi-
sche Industrie [25, 26] in Form von Spritzgussteilen, Draht- und Kabel-
ummantelungen, Monofile und Folien. Metallteile werden elektrostatisch
oder nach dem Wirbelsinterverfahren beschichtet. In Erprobung befinden
sich Hüftgelenkprothesen im Wettbewerb mit Titan- und Kobaltlegierun-
gen.
dern und Platten geliefert. Das günstige Eigenschaftsbild wird durch eine spe-
ziell entwickelte Vorbehandlung der C-Fasern erreicht.
Als Vorteile werden genannt:
Handelsnamen
Arotone (Du Pont Deutschland GmbH/DE)
Declar (Du Pont Deutschland GmbH/DE)
Kadel (Amoco Performance Products/CH)
Santolite (Advanced Elastomer Systems L.P./US)
Stabar (ICI PLC/GB)
Victrex (Victrex Europa GmbH/DE)
Zyex (ICI PLC/GB)
2.2.1.2.7.2
Aliphatische Polyetherketone (PEK)
In den vergangenen vier Jahrzehnten entwickelte die Kunststoff-Rohstoffindu-
strie eine große Anzahl von thermoplastischen Polymeren, die als Homo- oder
Copolymere aliphatischer oder aromatischer Natur, als gefüllte und/oder ver-
stärkte Formmassen und Polymerblends dank ihrer stetig zunehmenden me-
chanischen, thermischen und chemischen Beanspruchbarkeit sowie ihrer wirt-
schaftlichen Verarbeitbarkeit und anderer spezieller Vorzüge immer häufiger
die bis dahin gebräuchlichen metallischen Werkstoffe ersetzten.
Unter den Technischen Hochleistungspolymeren traten in den vergangenen
Jahren – wie die K ’95 in Düsseldorf zeigte – die Polyaryletherketone immer häu-
figer hervor. Die Tatsache, dass von der ursprünglich großen Anzahl der Her-
steller nur noch wenige verblieben sind, zeigt, dass trotz der hervorragenden Ei-
genschaften bei vielen Anwendungsmöglichkeiten, der recht hohe Materialpreis
von einer breiten Verwendung abhält. Den noch verbliebenen Herstellern bieten
sich umso günstigere Marktchancen.
Zu den aromatischen Polyetherketonen stieß anlässlich der K ’95 in Düssel-
dorf überraschend das aliphatische Polyketon Carilon® der Monteshell.
■ Herstellung
Das von BP und Shell hergestellte Carilon ist ein Copolymer aus Ethylen und
Kohlenmonoxid bzw. Polypropylen und Kohlenmonoxid. Das im Shell Re-
search Labor Amsterdam entwickelte Katalysatorsystem (siehe Organomat
Chemistry 417 (1991)), bestimmte den streng alternierenden Aufbau der Poly-
merstruktur
Thermoplastische
Polykondensate
aliphatische Polyketone
■ Allgemeine Stoffbeschreibung
Carilon ist teilkristallin. Der Kristallinitätsgrad beträgt durchschnittlich 30
Masse-%. Die aliphatischen Polyketone reihen sich in ihrem Eigenschaftsniveau
2.2.1 Thermoplastische Polykondensate 1223
zwischen den Polyamiden und den Polyacetalen ein [27]. Daraus resultiert auch
das für diesen Werkstoff typische Eigenschaftsbild:
• hohes Rückstellvermögen,
• Hydrolysebeständigkeit,
• Schlagzähigkeit in der Kälte,
• günstiges Gleit- und Verschleißverhalten,
• Flammschutz ohne Halogene und roten Phosphor,
• günstiges Fließverhalten, damit kurze Spritzzyklen und hohe Abbildegenau-
igkeit.
■ Sortiment
Das Basismaterial für die Spritzgussverarbeitung ist der Entwicklungstyp DP
P1000. DP R1130 (GF 30) ist mit 30 Masse-% Glasfasern verstärkt. Die beiden
Typen RDP1 (FR) und RDP2 (GF, FR) sind mit Flammschutz ausgerüstet bzw.
zusätzlich mit 30 Masse-% Glasfasern verstärkt. Die FR-Typen sind vor allem für
Formstoffe in den Bereichen Elektrotechnik und Elektronik bestimmt.
■ Physikalische Eigenschaften
Richtwerte für die kennzeichnenden mechanischen, thermischen und elektri-
schen Eigenschaften enthält die Tabelle 2-109.
■ Mechanische Eigenschaften
Der Carilon Grundtyp weist die Technische Kunststoffe kennzeichnende hohe Zug-
Streckspannung von 60 N/mm2 bei einer Dehnung von 25% und einer Reißdeh-
nung von 350% auf, Bild 2-655. Daraus resultiert eine hohe Rückstellfähigkeit, die
in ähnlicher Form höchstens von konditioniertem PA 66 erreicht wird. Die hohe
Elastizität prädestiniert Polyketon für den Einsatz bei Schnappverbindungen. Bei
einer Anfangsverformung bis zu 10% tritt keine bleibende Deformation auf.
Thermoplastische
Polykondensate
Tabelle 2-109. Richtwerte der physikalischen Eigenschaften einiger Carilon® Typen (Prüfbedingungen: 23°C, 50% rel. Feuchte)
1224
Allgemeine Kennwerte
Dichte ISO 1183 g/cm3 1,24 1,48 1,4 1,6
Schmelztemperatur – °C 220 220 220 220
Glasübergangstemperatur – °C 15 15 15 15
Schmelzindex IS= 1133 (240°C; 2,16 kg) g/10 min 6 5 – –
Wasseraufnahme ASTM D570 (23°C, 50% rel. F.) % 0,5 0,3 – –
Mechanisch
Streckspannung im Zugversuch ISO/R 527 N/mm2 60 – – –
Dehnung bei der Streckspannung im ISO/R 527 % 25 – – –
Zugversuch
Reißfestigkeit im Zugversuch ISO/R 527 N/mm2 55 120 55 > 90
Reißdehnung im Zugversuch ISO/R 527 % 350 3 9 2,5
Zug-E-Modul ISO/R 527 N/mm2 1400 7300 2500 > 6000
Biege-E-Modul ISO/R 527 N/mm2 1400 7000 2500 –
Kriechmodul ISO 899
1 h, 0,5% Dehnung N/mm2 1300 – – –
1000 h, 0,5% Dehnung N/mm2 900 – – –
Izod-Kerbschlagzähigkeit ISO 180/1A kJ/m 15 8 – –
Charpy-Schlagzähigkeit ISO 179/fU (flach, ungekerbt) kJ/m2 – – 70 > 30
2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
Tabelle 2-109 (Fortsetzung)
Thermisch
Formbeständigkeit in der Wärme (Heat ISO 75/A (1,84 N/mm2) °C 100 215 100 215
distortion temperature)
Vicat-Erweichungspunkt ISO 306/B (5 kg) °C 205 215 – –
Relativer Temperatur-Index (ohne UL 746 B °C 90 120 – –
Schlag)
Elektrisch
Kriechstromfestigkeit (CTI) IEC 112 V 600 600 550 > 400
Glühdrahttemperatur IEC 695.2.1 (2 mm) °C 750 650 960 960
2.2.1 Thermoplastische Polykondensate
Sonstige Kennwerte
Entflammbarkeit UL 94 (1,6 mm) – HB HB V-0 V-1
Sauerstoffindex ISO 4589 % 21 20 30 30
Verarbeitungsschwindung – % ~2 0,3/0,7 – –
1225
Thermoplastische
Polykondensate
1226 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
■ Tribologische Eigenschaften
Untersuchungen zeigten gemäß Tabelle 2-110, dass bei der Paarung von Polyke-
ton und Platte DP P1000 bei Anwendung von Schmierfett die Werte von nicht ge-
schmiertem Carilon mit nicht geschmiertem POM das DP P1000 überlegen ist.
Die Paarung PA 66 mit POM führt zu höherem Verschleiß. Man kann allge-
mein davon ausgehen, dass bei Kunststoffpaarungen günstige Ergebnisse erzielt
werden, wenn mindestens eines der Teile aus einem Polyketon besteht. Diese
Feststellung gilt auch für Zahnräder. Damit bieten sich Vorteile bei Druckern,
Kopiermaschinen, Haushaltgeräten, Förderanlagen und beim Warentransport.
■ Brennbarkeit
Außer einigen aromatischen Thermoplasten erfordern die meisten Technischen
Kunststoffe flammhemmende Zusätze, vor allem bei Formstoffen für die Elek-
trotechnik und Elektronik. Den aliphatischen Polyketonen bieten bereits mine-
Thermoplastische
Polykondensate
Tabelle 2-110. Reibung und Verschleiß von Carilon, Polyacetal (POM) und Polyamid 66 (PA 66)
beim Stift/Platte Versuch
Polyketon
DP P1000 0,3 17 0,25 0,3
DP P1000 mit Schmierfett 0,15 0,2 – –
POM 0,15–0,2 5–10 >1 > 1000
PA 66 0,5–0,6 40–50 0,3 4,3
■ Chemikalienbeständigkeit
Die aliphatischen Polyketone bestehen zu etwa 50 Masse-% aus Kohlenmonoxid;
d. h. es lässt sich kaum eine gebräuchliche Chemikalie oder ein verwandtes Lö-
semittel finden. Daraus resultiert eine hohe Beständigkeit gegen den Angriff von
Chemikalien, siehe Tabelle 2-111.
■ Hydrolysebeständigkeit
Polykondensate wie Polyamide und Polyester können unter bestimmten Bedin-
gungen gegen Hydrolyse instabil sein oder bei Verarbeitungsprozessen und An-
wendungen in Berührung mit Wasser abbauen. Carilon wird trotz geringer Was-
seraufnahme nicht hydrolytisch abgebaut (selbst bei Lagerung in Wasser von
100 °C).
Thermoplastische
Polykondensate
■ Permeabilität
Die chemische Resistenz und die hohe Hydrolysebeständigkeit bewirken gute
Basiseigenschaften. Daraus resultiert ein vielversprechender Einsatz im Behäl-
terbau der chemischen Industrie und bei Behältern für methanolfreie Kraft-
stoffe, bei denen das bisher übliche Modifizieren der Oberfläche oder die Mehr-
lagentechnik entfallen kann, Tabelle 2-112.
■ Verarbeitungseigenschaften [29]
Die lineare Kettenstruktur und die enge Molmasseverteilung führen zu einem
durch Temperatur und Scherbeanspruchung nur wenig beeinflussbaren
1228 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
Tabelle 2-111. Beständigkeit von Carilon DP P1000 gegen den Angriff durch Chemikalien
Kraftstoffe
Vergaserkraftstoff 23 2 Jahre 0 0
Vergaserkraftstoff 45 1 Jahr 0 1
Vergaserkraftstoff, 15% Methanol 23 1 Jahr – 11* 5*
MTBE 23 1 Jahr 0 1
Flugkraftstoff 23 2 Jahre 0 0
Schmiermittel
Motoröl 23 2 Jahre 0 0
Motoröl 120 6 Monate +6 0
Bremsflüssigkeit 23 2 Jahre +6 0
Bremsflüssigkeit 120 6 Monate + 10 5
Hydraulikflüssigkeit 23 2 Jahre 0 0
Lösemittel
Aceton 80 1 Jahr 0 5
Butylacetat 80 1 Jahr + 10 2
Dichlorethan 23 1 Jahr – 12 0
Dimethylformamid 23 1 Jahr – 10 5
Heptan 23 1 Jahr 0 0
Methanol 23 1 Jahr – 11 2
Ethanol 23 1 Jahr –8 2
Methylethylketon 23 6 Monate –4 2
Toluol 80 1 Jahr + 10 4
Trichlorethan 80 1 Jahr 0 5
Wässrige Lösungen
Wasser 23 2 Jahre –3 2
Ethylenglykol, 50% 45 1 Jahr +8 1
Zinkchlorid, 10% 23 1 Jahr –4 2
Natriumchlorid, 10% 23 1 Jahr 0 0
Essigsäure, 5% 23 1 Jahr 0 3
Salzsäure, 10% 23 1 Jahr 0 2
Natronlauge, 1% 23 1 Jahr 0 1
Natriumhypochlorid, 5% 80 6 Moante +6 –2
Thermoplastische
Polykondensate
Terpentin 0,03
Butylacetat 0,1
Xylol 0,15
Trichlorethan 0,4
Ethanol 1,5
Methylethylketon 5
Die Carilon-Schmelze kristallisiert bzw. erstarrt in sehr kurzer Zeit. Das führt zu
kurzen Nachdruck- und Restkühlzeiten. Im Bild 2-659 werden die Zykluszeiten
von aliphatischen Ketonen mit denjenigen anderer Technischer Kunststoffe mit-
einander verglichen. Dabei zeigt sich überzeugend das günstige Verhalten von
Polyketon (PK). Kurze Kühlzeiten begünstigen die Verzugfreiheit der Form-
Thermoplastische
Polykondensate
teile.
Anwendungsbeispiele
Kraftstoffleitungen und Kühlsysteme für Automobile, Bauteile in gewerb-
lichen und privaten Wasseranlagen, Waschmaschinen, Schnappverbindun-
gen, Zahnräder für Büromaschinen und Haushaltgeräte, Schalter, Relais
und Steckbinder [30].
Handelsnamen
Carilon (Deutsche Shell Chemie GmbH/DE)
1230 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
Bild 2-659. Vergleich der Zykluszeiten von aliphatischen Polyketonen mit anderen Technischen
Thermoplasten (Angaben in %)
2.2.1 Thermoplastische Polykondensate 1231
2.2.1.2.8
Hochwärmebeständige duro- und thermoplastische
Polykondensate und Polyaddukte
Wegen der Bedeutung wärmebeständiger Kunststoffe seien diesem Abschnitt ei-
nige grundsätzliche Bemerkungen vorangeschickt. Die Gebrauchstemperatur
der thermoplastischen Massekunststoffe liegt bei Temperaturen unter 100 °C, bei
1232 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
e PE-LD
–O–
O O
|| ||
–C– –O–C–O–
H O
| ||
–C– –O–C–
|
Thermoplastische
Polykondensate
H
|
–S– –N–
O O
|| ||
–, S – –N–C–
|| |
O H
unterbrochen werden, beträgt zwischen 400 und 500 °C, einfache, nur aus Rin-
gen bestehende Verbindungen erreichen bis zu 600 °C.
2.2.1 Thermoplastische Polykondensate 1235
Die Ringverbindungen bestehen jedoch nicht nur aus C-Atomen und Substi-
tuenten, sondern es sind ebenso zahlreiche heterocyclische Ringverbindungen –
außer Kohlenstoff vornehmlich auf Stickstoff und Sauerstoff aufbauend – vor-
handen. Sie führen zu den sog. Halbleiter- und den Leiterpolymeren. Den
Unterschied im Aufbau der linearen Halbleiter- und Leiterpolymeren zeigt
nachstehende Übersicht. Die Halbleiterpolymeren sind gemischt ein- und zwei-
bindig, die Leiterpolymeren nur zweibindig aufgebaut und daher in besonderem
Maße thermisch stabil und wärmestandfest.
2.2.1.2.8.1
Polyimide (PI)
Gemessen an der Produktionsmenge sind die Polyimide die wichtigste Grup-
pe der hochwärmebeständigen Kunststoffe (im englischen Schrifttum häufig
als „exotics“ bezeichnet). Alle Polyimide sind durch die charakteristische
Gruppe
* D = Duroplast
Th = Thermoplast
1236 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
gekennzeichnet.
Polyimide können durch Polykondensation oder durch Polyaddition herge-
stellt werden. Die Polykondensate beruhen auf der Reaktion eines aromatischen
Diamins mit einem aromatischen Dianhydrid. Es entsteht ein schmelzbares Zwi-
schenprodukt, das durch Wärmezufuhr unter Abgabe von Reaktions-Nebenpro-
dukten in ein unlösliches und nicht schmelzbares Polyimid übergeführt wird.
Die Polykondensate weisen häufig große Hohlräume auf, die vom erzeugten
Wasserdampf herrühren. Dadurch werden die mechanischen Eigenschaften be-
einträchtigt.
Die Polyadditionsprodukte basieren auf kurzkettigen Vorpolymeren. Diese
weisen ungesättigte aliphatische Endgruppen auf, die durch thermisch polyme-
risierende Gruppen gesättigt werden, ohne dass flüchtige Bestandteile entwei-
chen. Die Polyadditionsreaktion führt zu Produkten, die eine etwas geringere
Wärmestandfestigkeit aufweisen als die Polykondensate.
Die Polykondensationstypen sind als Duro- und Thermoplaste verfügbar, die
Polyaddukte nur als Duroplaste. Wenn auch einige Polykondensattypen als Ther-
moplaste bezeichnet werden können, so bedeutet dies nicht, dass sie als Schmelze
formbar sind.Die Polyimide von DuPont wie Vespel-Formstoffe,Pyrolin-Laminate
und Kapton-Folien weisen Schmelztemperaturen auf, die weit oberhalb der Zer-
setzungstemperatur liegen. Zu den thermoplastischen Polyimiden gehören bei-
spielsweise das Torlon der Amoco und das Polyimid 2080 von Upjohn.
Einige Polyimide erfordern spezielle Verarbeitungsverfahren. Deshalb sind
sie am Markt nicht als Rohstoffe, sondern nur als vorgefertigtes Halbzeug er-
hältlich. Das Halbzeug wird nach Art der Pulver-Sintertechnik hergestellt.
Außerdem gibt es Polyimidtypen, die durch Pressformen verarbeitbar sind. Im
Vergleich zu den bekannten Formmassen sind wesentlich höhere Verarbeitungs-
temperaturen erforderlich. Die Zykluszeiten ähneln jedoch denen der üblichen
Massen (1,5 bis 2 min/mm Wanddicke). Meist wird eine Wärmenachbehandlung
bei 250 °C empfohlen, um die bestmögliche Wärmestandfestigkeit zu erzielen.
Einige Polyimidtypen können spritzgegossen werden. Die Massetemperatur
Thermoplastische
Polykondensate
beträgt 350 °C, die Spritzdrücke sind sehr hoch. Die Zykluszeiten sind lang we-
gen der großen Temperaturspanne während des Abkühlens. Die spritzgießbaren
Polyimide könne auch extrudiert werden.
Mehrschichtstoffe werden in beheizten Pressen, mit Hilfe des Vakuumsack-
verfahrens oder im Niederdruckautoklaven hergestellt. Auch das Filamentwin-
ding ist üblich. Diese Verfahren erfordern das Einhalten eines Heiz-, Härte- und
Abkühlprogramms. Wenn es sich um Kondensationsharze handelt, werden Pau-
sen für das Entweichen der flüchtigen Reaktionsprodukte eingelegt. Dadurch
werden die Erzeugnisse weitgehend frei von Vakuolen. Bei den flüchtigen Ne-
benprodukten der Polykondensationsreaktion handelt es sich um aromatische
Säuren, aromatische Stickstoffverbindungen auf Lösemitteldämpfe.
2.2.1 Thermoplastische Polykondensate 1237
2.2.1.2.8.1.1
Klassisches Polyimid (PI)
Die aromatischen Polyimide, beispielsweise Vespel der Firma DuPont de Ne-
mours (US) gehören zu den Produkten mit in-situ durch Polykondensation ge-
bildeten Imidgruppen.
■ Herstellung
Ausgangsstoffe sind z. B. ein Tetracarbonsäureanhydrid und ein aromatisches
Diamin. Das Diamin wird bei Temperaturen von 20 bis 40 °C in DMF (Dimethyl-
formamid), N,N-Dimethylpyrrolidon oder Dimethylsulfidoxid (DMSO) gelöst.
Die Polykondensationsreaktion verläuft stark exotherm.
Thermoplastische
Polykondensate
Wasser wird abgespalten, und es bildet sich die Amidcarbonsäure als Präpoly-
mer. Sie ist in den genannten Lösemitteln löslich.
Amidcarbonsäure
1238 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
Die Lösung wird als Lack oder zur Herstellung von Folien oder Formmasse ver-
wendet. Man gibt z. B. die Lösung auf Glasplatten und trocknet 20 min bei 80 °C
im Stickstoffstrom. Eine genaue Reaktionsführung muß verhindern, dass sich
die hydrolyseempfindliche Amidcarbonsäure bei der Cyclisierungsreaktion im
eigenen Reaktionswasser spaltet. Dann wird bei langsam auf 300 °C gesteigerter
Temperatur im Vakuum getrocknet. Festes Pulver erhält man durch Sprühtrock-
nung. Daraus werden nach den Methoden der Pulvermetallurgie bei Temperatu-
ren von 800 °C und hohen Drücken Festkörper hergestellt.
Amidcarbonsäure
Polyimid
■ Allgemeine Stoffbeschreibung
Häufig können diese Vorteile nicht genutzt werden, weil bis jetzt nur eine be-
grenzte Auswahl von Formteilen und Halbzeug herstellbar ist. Es ist bis heute
nicht üblich, Pressmassen oder Prepregs im Kunststoffverarbeitungsbetrieb zu
formen. Die Rohstoffhersteller ziehen es vor, die komplizierte Verarbeitung
selbst durchzuführen und Formteile nach Zeichnung und Angaben des Auftrag-
gebers zu fertigen. So ergibt sich das Kuriosum, dass mehrere Hersteller am
Markt u. a. auch Fertigkeile anbieten.
•
Thermoplastische
Polykondensate
■ Zusatzstoffe
Von Bedeutung sind Funktions- und Verstärkungsstoffe. Zu den bevorzugten
Funktions-Zusatzstoffen gehören im Hinblick auf die Anwendung der Produk-
tion als Lagerwerkstoffe: Molybdändisulfid (MoS2), Graphit und PTFE.
Als Verstärkungsstoffe kommen außer Glasfasern, C- und Aramidfasern so-
wie daraus hergestellte flächenförmige Erzeugnisse in Betracht.
■ Sortiment
Das Sortiment der Imid-Polykondensate ist angesichts einer Reihe von Herstel-
lern und deren Produkttypen sehr zahlreich. Es umfasst duro- und thermoplas-
tische Produkte mit den genannten Funktions- und Verstärkungsstoffen.
■ Lieferformen
Die Polyimide sind grundsätzlich als Harze und Compounds in Form von
trockenen Pulvern oder in Lösemitteln gelöst lieferbar. Dazu kommen gepresste
und spanend hergestellte Formteile, im B-Zustand vorpolymerisierte Prepregs,
Honigwaben, Folien, Schichtstoffe, Schaumstoffe, Beschichtungsmaterial, Draht-
lacke und Klebstoffe.
Bei den in diesem Abschnitt zu besprechenden Polyimiden, Vespel Form-
stoffe und Kapton Folien, handelt es sich ausschließlich um Erzeugnisse der
Firma DuPont de Nemours (US), die nur als fertige Präzisions-Formteile bzw.
Folien von DuPont unmittelbar geliefert werden. Halbzeug steht in begrenzten
Mengen in Form von Stäben, Rohren, Platten, Ringen und Scheiben zur Ver-
fügung.
■ Physikalische Eigenschaften
Richtwerte kennzeichnender Eigenschaften bearbeiteter Vespel Polyimid-Form-
stoffe enthält Tabelle 2-113.
■ Mechanische Eigenschaften:
Kurzzeitverhalten bei geringer Verformungsgeschwindigkeit
Bild 2-663 zeigt das Kraft/Verformungsdiagramm des direkt geformten, unge-
füllten Vespel SP-1 bei verschiedenen Temperaturen und Entnahmerichtungen
der Probekörper. In Bild 2-664 ist der Bereich geringer Dehnung für SP-1 wie-
dergegeben. Das Polyimid Vespel SP schmilzt nicht und zeigt keine mit übli-
chen Verfahren messbaren Phasenübergänge. Deshalb nehmen Zugfestigkeit
Thermoplastische
Polykondensate
und E-Modul nahezu linear mit der Temperatur ab, wie die Bilder 2-665 und
2-666 zeigen.
Ein Vergleich des Spannungsdehnungsverhaltens spanend aus Vollmaterial
und durch direktes Formen hergestellter Formstoffe zeigt, dass die spanend ge-
formten Teile bei gleicher Zugspannung je nach Typ eine bis zu 100 % höhere
Dehnung aufweisen als die unmittelbar geformten.
Umwandlungstemperaturen
Wie bereits erwähnt, sind bei Vespel SP keine messbaren Phasenübergänge fest-
stellbar.
Thermoplastische
Polykondensate
mechanische
Dichte g/cm3 D 792 1,43 1,51 1,75
Zugfestigkeit (23°C) N/mm2 D 1708 75 bis 100 45 bis 80 25 bis 50
(300°C) 33 bis 44 30 bis 41 –
Biegefestigkeit (23°C) N/mm2 D 790 105 bis 130 80 bis 125 40 bis 80
(300°C) N/mm2 60 bis 73 45 bis 70 –
Biege-E-Modul (23°C) N/mm2 D 790 3000 bis 3200 3500 bis 4000 4300 bis 7000
(300°C) N/mm2 1800 bis 1900 2100 bis 2500 –
Druckfestigkeit (23°C) N/mm2 D 695 250 bis 310 200 bis 235 –
(300°C) N/mm2 130 bis 133 64 bis 68 –
Scherfestigkeit N/mm2 D 732 85 bis 95 75 bis 80 –
Kerbschlagzähigkeit (Izod) kJ/m2 D 256 3,8 bis 7,6 2,7 bis 3,3 –
Poissonzahl – – 0,41 0,41 –
Biegewechselfestigkeit (107 Lastwechsel) N/mm2 – 35 35 –
Verformung unter Last (13,8 N/mm2 bei 60°C) % D 621 0,14 0,10 –
Abrieb (mm/1000 h) in N2 mm – 250 100 –
in Luft mm – 6 bis 30 2,5 –
Reibungskoeffizient (ungeschmiert)
statisch in Luft 0,35 0,30 –
dynamisch in Luft (p · v = 500) 0,29 0,24 –
dynamisch in Stickstoff (p · v = 500) 0,04 bis 0,09 0,06 bis 0,08 –
Härte (Rockwell) D 785 48 bis 58 E 32 bis 44 E
2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
Tabelle 2-113 (Fortsetzung)
thermische
Gebrauchstemperatur ohne mechanische
Beanspruchung, in Luft
kurzzeitig °C – 400 400 400
dauernd °C 260 260 260
Formbeständigkeit in der Wärme
(HDT 185 N/mm2 °C D 648 280 bis 360 360 360
linearer Ausdehnungskoeffizient K–1 · 10–6 D 696 50 bis 63 41 bis 65 18 bis 38
2.2.1 Thermoplastische Polykondensate
Wärmeleitfähigkeit W/mK C 177 0,29 bis 0,35 0,47 bis 0,87 0,35 bis 0,41
elektrische
spezifischer Durchgangswiderstand W cm D 257 1016 bis 1017 1,5 · 1015 –
Oberflächenwiderstand W D 257 1015 bis 1016 – –
Dielektrizitätszahl (105 Hz) (23°C) – D 150 3,41 7,60 –
(263°C) – – 3,01 – –
dielektrischer Verlustfaktor tan d, (23°C) – – 0,0052 0,0040 –
105 Hz (263°C) – – 0,0011 – –
Durchschlagfestigkeit (2-mm-Probe) kV/mm D 149 22 10 –
Vergleichszahl der
Kriechwegbildung CTI/A > 380 240 240
Lichtbogenfestigkeit s D 495 230 – –
Wasseraufnahme (24 h) % D 570 0,32 0,6 0,4
(Sättigung) % 3,0 – –
1241
Thermoplastische
Polykondensate
1242 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
Bei etwa 150 °C weist der Reibungswert einen Übergangsbereich auf. Unterhalb
von 150 °C ähnelt das Reibungsverhalten demjenigen von PA 66, bei höheren
Temperaturen fallen die Reibungswerte jedoch ab und bei 200 bis 540 °C bleiben
sie nahezu unbeeinflusst von der Temperatur. Die niedrigen Werte hängen mit
dem höheren Druck zusammen. Daraus resultiert für den Konstrukteur, dass die
hohen Reibungswerte während des Anlaufvorgangs zu berücksichtigen sind.
Beim Wiederanlaufen muss zwar keine neue Schmierschicht gebildet werden,
der Temperatureinfluss bleibt jedoch bestehen.
Vespel Lager bewähren sich gut mit und ohne Schmierung unter Bedingun-
gen, bei denen andere Kunststoffe zerstört und viele Metalle hohen Abrieb auf-
weisen. Ein breiter Temperatur- und Lastbereich sowie eine hohe Beständigkeit
gegen den Angriff durch Chemikalien, Schmiermittel und hydraulische Flüssig-
keiten bewirken, dass sich diese Lager bewähren in:
• Luft und inerter Umgebung bis 370°C,
• radioaktiver Strahlung,
• hohem Vakuum (10–10 Torr),
• hydraulischen Flüssigkeiten und flüssigem Wasserstoff.
Die Gegenlaufflächen sollen hart und glatt sein. Bei hydrodynamischer Schmie-
rung (dicker Film) entsteht kein Abrieb, im Grenzschmierbereich (dünner
Schmierfilm) ändern sich die Eigenschaften von Vespel je nach Schmiermittel.
Es ist jedoch Bronze und Weißmetall überlegen. Die gleiche Feststellung gilt
auch für das Notlaufverhalten.
Thermoplastische
Polykondensate
Zeitstand-Zugfestigkeit von
Polyimid-Formstoffen bei
Lagerung in verschiedenen
Medien
a in Stickstoff von 300 °C
b in Luft von 250 °C
c in Luft von 300 °C
2.2.1 Thermoplastische Polykondensate 1245
■ Thermische Eigenschaften
siehe Tabelle 2-113.
Die relative Längenänderung von Formstoffen aus Vespel SP-1 in Abhängig-
keit von der Temperatur ist in Bild 2-670 wiedergegeben. Die Absolutwerte in
1 · 106 K–1 sind für die jeweiligen Bereiche angegeben.
Der lineare Ausdehnungskoeffizient unverstärkter Formstoffe liegt zwischen
dem der Metalle und bekannter Thermoplaste. Durch Verstärken und Füllen
können diese Werte wesentlich reduziert werden.
(Polyimid-Drahtlacke lassen hohe Überlastung von Wicklungen zu. Dauernd
sind Betriebstemperaturen von 225 °C möglich, sogar Spitzentemperaturen bis
400 °C. Die Überzüge umschließen vorzüglich auch rechteckige oder profilierte
Leiterquerschnitte).
■ Elektrische Eigenschaften
Hohe Festigkeit, Wärmestandfestigkeit und Strahlenbeständigkeit begünstigen
die Verwendung von Polyimid in der Elektrotechnik. Dazu kommt das günstige
Verhalten bei hohen Temperaturen, wie die Bilder 2-671 und 2-672 zeigen. Auffal-
lend ist auch hier die lineare Abnahme des Oberflächenwiderstandes und des spe-
zifischen Durchgangswiderstandes. Die Abhängigkeit der Durchschlagfestigkeit
von der Temperatur gibt Bild 2-673 wider. Dielektrizitätszahl und dielektrischen
Verlustfaktor als Funktion der Temperatur zeigen die Bilder 2-674 und 2-675.
■ Chemikalienbeständigkeit
Beständig gegen: Lösemittel, Kraftstoffe, Fette, Öle, Detergenzien, verdünnte
Säuren und Laugen;
nicht beständig gegen: starke Säuren und Laugen sowie Oxidationsmittel,
nicht dauernd gegen kochendes Wasser und Dampf (Abnahme der Festigkeit ist
reversibel);
beständig gegen Spannungsrissbildung außer in alkalischen Medien.
Thermoplastische
Polykondensate
Bild 2-670. Relative Längenänderung von Formstoff aus Vespel SP-1 in Abhängigkeit von der
Temperatur (eingeklammerte Ziffern sind die Absolutwerte des linearen Ausdehnungskoeffi-
zienten (K– 1) im jeweiligen Bereich, zu multiplizieren mit 10–6)
■ Witterungsbeständigkeit
Formteile und Formstoffe büßen nach längerem Aufenthalt im Freien an Festig-
keit und Bruchdehnung ein. Sie sollten deshalb dort nicht angewendet werden.
Sie widerstehen jedoch der Schimmelbildung.
■ Strahlenbeständigkeit
Formteile und Formstoffe aus Polyimiden sind bis zu einer absorbierten Dosis
von 107 J/kg beständig, d. h. höher als die der meisten anderen Kunststoffe.
■ Brennbarkeit
Polyimide erlöschen nach Entfernen der Zündquelle. Es bildet sich rasch eine
verkohlte Kruste. Die Rauchgasentwicklung ist gering.
Stickstoff 96
Sauerstoff 400
Kohlendioxid 670
■ Wasseraufnahme
Obwohl der Feuchtigkeitsgehalt von Vespel SP im Gleichgewichtszustand unter
normalen Umgebungsbedingungen (23 °C, 50 % rel. Feuchtigkeit) 1,25 % beträgt,
2.2.1 Thermoplastische Polykondensate 1247
■ Gesundheitliche Beurteilung
Polyimide geben bei Temperaturen über 400 °C CO ab. Die Verarbeitung sollte
deshalb in gut belüfteten Räumen stattfinden.
Bei Tierversuchen wurden keine schädlichen Einflüsse von pulverförmig in-
haliertem Polyimid festgestellt.
■ Verarbeitung: Verarbeitungsbedingungen
Vespel Polyimide erfordern spezielle Verarbeitungsverfahren. Deshalb sind sie
generell nicht als Rohstoffe und Halbzeug, sondern nur als von Firma DuPont
hergestellte Fertigteile erhältlich. Lediglich für Versuchszwecke und zur Prüfung
von Prototypen wird Halbzeug in einigen Normabmessungen angeboten.
1248 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
Bild 2-674. Abhängigkeit der Dielektrizitätszahl von Vespel SP-1 von Temperatur und Frequenz
Thermoplastische
Polykondensate
Bild 2-675. Abhängigkeit des dielektrischen Verlustfaktors tan d von Temperatur und Frequenz
2.2.1 Thermoplastische Polykondensate 1249
Spanendes Bearbeiten
Das Bearbeiten geschieht mit Standard-Metallwerkzeugen. In der Produktion
sollten Stähle mit Carbidschneiden verwendet werden. Die Werkstücke dürfen
nicht so heiß werden, dass man sie mit bloßer Hand nicht mehr anfassen kann.
Richtwerte für Schnittbedingungen und Schneidenformen siehe Tabelle 2-6.
Fügen
Das bevorzugte Fügeverfahren ist das Kleben. Polyimid-Formteile können mit-
einander und mit anderen Werkstoffen geklebt werden. Die Auswahl des Kleb-
stoffs richtet sich nach der jeweiligen Betriebstemperatur. Bei Gebrauchstempe-
raturen < 150 °C bewähren sich EP-Harze. Phenolharz-Klebstoffe sind etwas
wärmebeständiger.
Anwendungsbeispiele
Als Formkörper und spanend geformte Werkstücke werden die Polyimide
verwendet für: Kolbenringe, Ventilsitze, Lager, Dichtungen, Schweißbren-
ner-Handgriffe, Strahltriebwerk-Zubehör, elektronische Verbindungsele-
mente, Spulenkörper,Abdeckungen für Messgeber und Automobilzubehör.
Das größte und bedeutendste Anwendungsgebiet für Formteile aus Poly-
imid sind bis heute die Strahltriebwerke, beispielsweise in der Boeing 747
für Dichtungen in den verschiedenen Kompressorstufen.
Neuerdings werden Polyimid-Formteile auch für Büromaschinen und
Computer als Lager, Rollen, Gleit- und Führungsschienen verwendet. Da-
bei kommt es vor allem auf günstiges Gleit- und Abriebverhalten bei
schmiermittelfreiem Betrieb an. Polyimide werden auch als Ventilschäfte
in Absperrorganen verwendet. Hohe Thermostabilität und Wärmestand-
festigkeit sind entscheidend für die Verwendung bei Löt- und Schweiß-
verbindungen.
Kapton Folien werden heute in den verschiedensten Anwendungsberei-
chen von – 269 °C bis + 400 °C erfolgreich eingesetzt. Diese Folien sind
schwer entflammbar, schmelzen nicht, sind lösemittelbeständig und be-
ständig gegen energiereiche Strahlung. PI-Folien dienen als Nutisolierun-
gen, Kabel- und Drahtmäntel sowie als Träger gedruckter Schaltungen. Mit
FEP ein- oder beidseitig beschichtete Folien sind heisssiegelfähig und die-
nen als Feuchtigkeitssperre.
Thermoplastische
Polykondensate
Handelsnamen
Avimid (DuPont de Nemours/US)
Denka Malecca (Denki Kogaku/JP)
Hot-Hard (Midland Div., Dexter Corp./US)
Hy-Comp (Hysol Div. Dexter Corp./US)
1250 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
2.2.1.2.8.1.2
Copolyimide
Poly-oxadiazo-benzimidazol
2.2.1.2.8.1.2.1
Poly-oxadiazo-benzimidazol
Dieses Produkt schmilzt bei 525 °C und zersetzt sich bei 550 °C.
2.2.1.2.8.1.2.2
Polybenzimidazol (PBI)
■ Allgemeine Stoffbeschreibung
Das seit dem Jahre 1961 bekannte PBI diente, wie viele PI-ähnliche langkettige
Leiterpolymere mit heterozyklischen Bausteinen, viele Jahre als Kleb- und
Tränkharz für Träger gedruckter Schaltungen in der Mikroelektronik und als
Thermoplastische
Polykondensate
Polybenzimidazol
2.2.1 Thermoplastische Polykondensate 1251
■ Physikalische Eigenschaften
Richtwerte der physikalischen Eigenschaften enthält Tabelle 2-114.
Das Druck/Verformungsdiagramm zeigt eine hohe Druckfestigkeit von PBI.
Sie übertrifft die aller marktgängigen Kunststoffe. Bei Temperaturen zwischen
– 75 °C und + 100 °C verhält sich das Material elastisch, d. h. nach Entlastung stel-
len sich die ursprünglichen Abmessungen wieder ein.
Die Zugfestigkeit von PBI ist selbst bei Temperaturen bis 375 °C mit 70 N/mm2
noch sehr hoch. PBI zeigt bei 315 °C eine höhere Festigkeit auf als Polyimid (PI)
bei Raumtemperatur. Die Zugfestigkeit von Polyamidimid ist zwar bei Raum-
temperatur höher, jedoch bereits bei 100 °C niedriger.
Versuche zeigten, dass selbst bei Temperaturen von – 75 °C Formstoffe aus PBI
nicht verspröden und brüchig werden. PBI-Fasern behalten selbst bei der Tem-
peratur des flüssigen Stickstoffs (– 196 °C) ihre Duktilität.
Auch bei höheren Temperaturen weisen Formstoffe aus PBI kaum Gewichts-
verluste auf.Wie Bild 2-676 zeigt, bleibt bei Temperaturen von 260 und 315 °C das
Gewicht auch nach einer Lagerungsdauer von 100 h unverändert. Selbst bei
760 °C zeigten sich nach 3 min noch keine wesentlichen Veränderungen in den
Abmessungen und den Eigenschaften.
■ Chemikalienbeständigkeit
Beständig gegen: Kohlenwasserstoffe, (Xylol, Toluol, Kerosin, Benzin, Methyl-
ethylketon, Chlorkohlenwasserstoffe), Organische Säuren, Alkohole, schwache
Laugen, schwache Säuren, Wasser.
Thermoplastische
Polykondensate
Tabelle 2-114. Richtwerte der physikalischen Eigenschaften von Polybenzimidazol (PBI) (unge-
füllt, unverstärkt)
Sonstige
Dichte g/cm3 1,3
Härte
Rockwell K D 785 115
Rockwell M D 785 > 125
Shore D D 2240 99
Wasseraufnahme, 24 Stunden bei 23°C D 570 % 0,4
Tribologische Eigenschaft D 308
Statischer Reibungswert C1018 Stahl 0,27
Dynamischer Reibungswert C1018 Stahl 0,19
Verschleißfaktor (K) (100-h-Test) p · v = 119 29
p = 0 N/mm2, v = 17 m/min
Gesamter Verschleiß (100-h-Test) 14,4
2.2.1 Thermoplastische Polykondensate 1253
Nicht beständig gegen: Polare Lösemittel, starke Basen und Säuren, wässrige
Oxidationsmittel, Wasserdampf von 340°C (15 bar).
Anwendungsbereiche:
• Luft- und Raumfahrt: beispielsweise Raketenkanten und Nasenkegel,
• Apparatebau der chemischen Industrie: Dichtungen,Ventile,Armaturen.
• Elektronik: Steckerleisten und Verbindungselemente, Schalter und Bau-
teile.
• Erdölgewinnung: bei Herstellung und Nachbearbeitung von Bohr-
löchern, Rostschutzmittel.
• Maschinenbau: Lager, Buchsen, Walzen, Führungen und anderen An-
wendungen, bei denen es auf einen Werkstoff mit günstigem Gleit- und
Verschleißverhalten ankommt.
Wie die beschriebenen Imide, so gehört auch das PBI zu den sog. Halblei-
terpolymeren. Die Polybenzimidazole sind nur unter Luftausschluss wär-
mebeständig. Unterhalb 500 °C zeigen sie nur geringen Gewichtsverlust. In
Luft werden sie jedoch bei Temperaturen über 300 °C schnell abgebaut.
Verantwortlich dafür ist die labile NH-Bindung. Substituiert man diesen
Wasserstoff durch Phenyl, so wird eine wesentliche Verbesserung erzielt.
Wegen ihrer vorzüglichen Haftung auf Metalloberflächen werden sie trotz
der verhältnismäßig geringen oxidativen Wärmebeständigkeit als wärmebe-
ständige Metallklebstoffe verwendet. In der zwischen den Metallkörpern
befindlichen Klebstoffschicht sind sie dem Sauerstoffangriff weitgehend ent-
zogen. Wegen der Beständigkeit gegenüber allen Lösemitteln, Ölen, Säuren
und Alkalien werden sie im Einzelfall als Lacke und Überzüge geschätzt.
Handelsnamen
Celazole (Hoechst-Celanese Corp./US)
Ensinger, PBI (TKG Ensinger GmbH & Co./Nufringen)
2.2.1.2.8.1.3
Gemischt ein- und zweibindige Polymere
2.2.1.2.8.1.3.1
Polybismaleinimid
Thermoplastische
Polykondensate
Das Sortiment der auf Imidgruppen basierenden Kunststoffe erhielt für den
Konstrukteur und nicht zuletzt für den Verarbeiter eine wesentliche Ergänzung,
als es gelang, die bis dahin nur auf dem Wege über sehr aufwendige Sonderver-
fahren verarbeitbaren Formmassen durch Polyadditionsreaktionen (z. B. Kinel
der Rhône-Poulenc) oder durch den Einbau aliphatischer Segmente (z. B. Ester-
oder Amidgruppen) langkettig polykondensierte Produkte zu schaffen, die ther-
moplastisch d. h. nach den bei den bekannten härtbaren Formmassen üblichen
Verfahren verarbeitet werden konnten und die dennoch in ihrem Eigenschafts-
bild den „reinen“ Polyimiden nicht zu sehr unterlegen waren. Einige dieser Pro-
dukte seien näher beschrieben.
1254 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
Wasserstofffreie Polyimide
Die Oxidationsbeständigkeit und damit die Thermostabilität der Polyimide
kann wesentlich gesteigert werden, wenn es gelingt, wasserstofffreie Polymeren
herzustellen.
Die Chemstrand verwendet statt des Pyrromellitsäurenanhydrids Pyrrazin-
tetracarbonsäureanhydrid und statt des Diarylamins Diaminothiodiazol.
Dieses Polyimid ist bis 600 °C in Luft beständig.
Die durch Polykondensationsreaktionen hergestellten Polyimide können we-
gen der bei diesen Reaktionen entstehenden und abzuführenden flüchtigen
Nebenprodukte nur durch spezielle Verfahren in die endgültigen Formstoffe
übergeführt werden.
■ Herstellung
Es bedeutete deshalb einen großen verarbeitungs- und anwendungstechnischen
Fortschritt, als es der Firma Rhône-Poulenc gelang, durch Umsetzen von Male-
insäureanhydrid mit geeigneten Diaminen verschiedene Präkondensate mit in
situ gebildeten Imidgruppen herzustellen, die anschließend in Wärme durch
eine Polyadditionsreaktion, d. h. ohne die Bildung von Nebenprodukten poly-
merisieren, die das Gefüge des Formstoffs stören könnten.
Polybismaleinimid
Neuere Produkte zeichnen sich durch besonders hohe Thermostabilität aus. Die
Synthese erfolgt aus einem Bismaleinimid durch Kettenverlängerung mit einem
aromatischen Amino-maleinimid.
■ Allgemeine Stoffbeschreibung
Die Polybismaleinimide sind durch folgende Eigenschaften gekennzeichnet:
• es ist zu beachten, dass Formteile nach dem Urformen noch 8 Std. bei 250 °C
nachgehärtet werden müssen.
■ Zusatzstoffe
Der durch Pressen verarbeitbare Typ ist mit 50 % Masseanteil und der spritz-
gießbare Typ mit 40 % Massegehalt GF-verstärkt. Spritzgießbare Typen enthal-
ten 20 % GF bzw. eine Kombination von Graphit mit Asbest bzw. synthetischen
Fasern für die Herstellung von Lager- und Gleitelementen – auch für Trocken-
lauf (Kinel 74012).
Entsprechend der Vielfalt der geforderten Eigenschaften und der großen An-
zahl der möglichen Anwendungen zur Lösung von Sonderaufgaben in vielen Be-
reichen der Industrie ist das Sortiment der angebotenen Kinel-Typen groß.
Grundsätzlich gibt es für die Herstellung von Konstruktionselementen einer-
seits sowie von Lagern und Gleitelementen andererseits spezielle Typen.
■ Lieferformen
Die Lieferform richtet sich nach dem zu wählenden Verarbeitungsverfahren. So
gibt es pulverförmige Formmassen mit auffallend niedrigem Schüttgewicht für
das Pressen und das Spritzpressen sowie compoundierte Granulate für das
Spritzgießen.
Außer Kinel-Formmassen gibt es noch die Kerimid-Harze als Bindemittel für
die Herstellung von Schichtpressstoffen, Mehrschicht-Leiterplatten und für das
Verarbeiten nach dem Filament-Windingverfahren.
■ Physikalische Eigenschaften
Eine Übersicht der physikalischen Eigenschaften häufig verwendeter Kinel-
Typen enthält Tabelle 2-115.
Umwandlungstemperaturen
Der formgebenden Verarbeitung des heute bevorzugten Kinel Polyaminobis-
maleinimid (Pressen bei 250 – 260 °C, Spritzpressen bei 185 bis 195 °C und Spritz-
gießen bei 220 – 240 °C Werkzeugtemperatur) folgt das Aushärten (Vernetzen) in
einer Zeitspanne von etwa 8 Std. bei Temperaturen von 200 bis 250 °C.
Zusatzstoffe GF 40 GF 65 GF 50
9 mm 6 mm 3 mm
Rohdichte ASTM D 792 g/cm3 1,55 1,90 1,50
mechanische
Zugfestigkeit 25°C ASTM D 638 N/mm2 98 157 44
250°C N/mm2 88 118 39
Reißdehnung 25°C ASTM D 638 % 1,1 – –
Druckfestigkeit 25°C ASTM D 595 N/mm2 177 226 235
250°C N/mm2 – 128 137
Biegefestigkeit 25°C ASTM D 790 N/mm2 128 343 147
250°C N/mm2 118 245 123
Biege-E-Modul 25°C ASTM D 790 N/mm2 8300 20500 13700
250°C N/mm2 6200 16700 10300
Kerbschlagzähigkeit 25°C ASTM D 256 J/m 69 780 294
ft-lb/inch – – –
250°C J/m 69 – –
Härte Rockwell 25°C ASTM D 785 M 115 M 120 M 118
thermische
Gebr.-Temp. ohne mech.
Beanspruchung in Luft
kurzzeitig °C 250 250 250
dauernd °C 190 190 190
Formbeständigkeit in der
Wärme ISO Methode A ASTM D 548 °C 330 330 320
linearer Ausdehnungs-
koeffizient zwischen
0 und 300°C ASTM D 690 K–1 · 10–6 40 14 15–30
Wärmeleitfähigkeit W/mK 0,25 0,37 0,26
Wasseraufnahme
(n. 24 h bei 25°C) ASTM D 570 Masse-% 0,6 0,5 0,5
elektrische
spez. Durchgangswider- UTE 26-215 W cm
stand, trocken 3 · 1015 5 · 1015 1 · 1016
1,2 · 1015 1,5 · 1014 2 · 1014
Thermoplastische
n. 24 h Wasserlagerung
Polykondensate
49 49 – – 40 – 30
44 45 – – 30 – –
– 0,45 – – <1 – –
176 100 140 110 110 155 140
98 80 – – 70 – –
80–100 70–90 90 80 100–120 90 45–60
70–90 60–80 65 55 80–90 55 35–45
5800 10500 6300 7400 12500 5300 2800
7600 8500 5300 7000 11000 4500 2300
79 30 – – 0,25 0,25
– – 0,25 0,4 0,8–1 – –
– – – – – – –
M 115 M 107 M 112 M 95 M 111 M 110 M 115
> 300 > 300 > 300 > 300 > 300 > 300 > 300
15–30 25 19 15 12 18 66
0,23 0,62 0,46 0,42 0,24 0,30 0,63
3 · 1016 2 · 1016
8 · 1014 3,5 · 1015
Thermoplastische
Polykondensate
10 15
10 15
Bild 2-677. Vom Ausgangswert verbliebener Restwert der Biegefestigkeit (A) und des Biege-E-
Moduls (B) einiger wärmebeständiger Kunststoffe in Abhängigkeit von der Temperatur
a Kinel 5504 der Rhône-Poulenc
b Phenolharz
c Epoxidharz
Bild 2-678. Vom Ausgangswert verbliebener Restwert der Biegefestigkeit von Kinel 5504 nach
Lagerung bei 200 °C und 250 °C in Luft
(A) Prüftemperatur: 25 °C
(B) Prüftemperatur: 200 °C
Thermoplastische
Polykondensate
■ Thermische Eigenschaften
Bei den in Tabelle 2-115 wiedergegebenen Werten sei vor allem auf die niedrigen
linearen Ausdehnungskoeffizienten einiger Typen von 12 bis 19 · 10–6 K–1 hinge-
wiesen, die bei hohen Temperaturen zu einer den metallischen Werkstoffen ver-
gleichbaren Maßbeständigkeit führen.
Thermoplastische
Polykondensate
■ Elektrische Eigenschaften
Die elektrischen Eigenschaften von Kinel bleiben in einem breiten Frequenz-
und Temperaturbereich nahezu konstant, was ihre Verwendung in der Elektro-
technik und Elektronik begünstigt.
Die folgende Übersicht ergänzt die dielektrischen Kennwerte in Tabelle 2-115.
■ Chemikalienbeständigkeit
In der Zusammenstellung wird die Beeinflussung einiger mechanischer Eigen-
schaften durch eine 60-tägige Alterung von Kinel 5504 in verschiedenen Medien
aufgezeigt.
Essigsäure 93 90
Schwefelsäure 50 88 88
Aceton 10 100 98
Tetrachlorkohlenstoff 100 92 76
Natronlauge 100 93 82
Salpetersäure 10 94 80
Ammoniumhydroxid 10 81 77
Thermoplastische
Polykondensate
■ Witterungsbeständigkeit
siehe Abschnitt 2.2.1.2.8.1 Polyimide
■ Strahlenbeständigkeit
Formteile aus Kinel werden selbst durch eine Strahlendosis von 108 J/kg nicht ge-
schädigt, was ihre Verwendung auf dem Gebiet der Nukleartechnik sehr begüns-
tigt.
2.2.1 Thermoplastische Polykondensate 1261
■ Brennbarkeit
Kinel 5504 erfüllt die Normen AIR 0978/A und F. A. A., part 25. Die hohe Flamm-
widrigkeit und die hohe Wärmestandfestigkeit begünstigen die Anwendungen
in der Luft-, Raumfahrt- und Wehrtechnik. Die Strahltriebwerke und die In-
nenausrüstungen von Flugzeugen sind bekannte Anwendungsbereiche.
■ Verarbeitung
Für das Verarbeiten von Kinel kommt je nach Typ das Pressen, das Spritzpressen
oder das Spritzgießen in Frage.Hier die verschiedenen Verarbeitungsbedingungen:
Pressformen
Die angelieferte Formmasse wird zunächst tablettiert. Die Temperatur des Ta-
blettierwerkzeugs beträgt etwa 120 °C, der Tablettierdruck 20 N/mm2 und die
Mindestdauer 2 min. Die Presszeit richtet sich nach der Wanddicke der Tablet-
ten. Dem eigentlichen Pressvorgang geht meist das Vorwärmen der Tabletten
voraus. Dazu dient ein HF-Gerät (40 MHz). Die Verweilzeit beträgt 1 bis 2 min,
dagegen erfordert ein Umluft-Wärmeschrank bei einer Temperatur von 130 °C
eine Verweilzeit von 20 bis 40 min.
Während der Pressdruck bei den durch Pressformen verarbeitbaren Typen
etwa 20 N/mm2 und die Werkzeugtemperaturen 200 bis 260 °C betragen, wird
für Kinel 5515 ein Pressdruck von 5 N/mm2 und eine Werkzeugtemperatur von
190 bis 200 °C empfohlen. Die durchschnittliche Aushärtungszeit beträgt für alle
drei Formmassen 1 bis 2 min/mm (bei einer Werkzeugtemperatur von 240 °C).
Die Formmassen werden anschließend bei 250 °C 24 h nachgehärtet (Schwin-
dung siehe Tabelle 2-115).
Spritzpressen
Der für das Spritzpressen in Frage kommende Typ 3315 wird nach dem gleichen
Programm vorbehandelt wie die pressformbaren Typen (außer Typ 5515). Der
Spritzpressdruck ist mit 20 bis 60 N/mm2 naturgemäß höher. Die Werkzeug-
temperatur beträgt wegen der zusätzlichen Schererwärmung nur 185 bis 195 °C.
Nachgehärtet wird wie beim Pressformen.
Presssintern
Der Typ 5517 eignet sich für das Presssintern. Die Verarbeitung verläuft wie folgt:
•
Thermoplastische
Spritzgießen
Das Spritzgießen der Typen 4511 und 4515 kann auf Maschinen mit der für das
Verarbeiten von härtbaren Formmassen üblichen Ausrüstung durchgeführt
werden. Werkzeugtemperaturen zwischen 220 und 240 °C, Zykluszeiten 10 bis
20 s/mm Wanddicke, Nachhärtung 24 h bei 200 bis 250 °C.
Handelsnamen
-
Kerimel (Harze)
Kinel (gefüllte und verstärkte Formmassen) (Rhône-Poulenc/FR)
Nolimid (Klebstoffe)
2.2.1.2.8.1.3.2
Polyamidimid (PAI)
Thermoplastische
Polykondensate
Die Polyamidimide (PAI) sind seit dem Jahre 1964 am Markt. Das derzeitige
Angebot umfasst Formmassen, Elektroisolier- und Einbrennlacke, Folien und
Fasern. Der alleinige Hersteller der für den Konstrukteur bedeutsamen Form-
massen ist die Firma Amoco Chemical Corp. mit ihrer Torlon-Typenserie. Den
Verkauf übernahm 1986 die Amoco (Performance Products/CH).
■ Herstellung
Bei dieser Produktgruppe handelt es sich um Polyimide, die durch Polykonden-
sation von Imidketten mit aromatischen Diaminen gebildet werden. Torlon wird
durch Phosgenierung von Trimellitsäureanhydrid und Umsetzung des Säure-
chlorids mit 4,4¢-Diaminophenylmethan in N-Methylpyrrolidon bei Raumtem-
2.2.1 Thermoplastische Polykondensate 1263
Polyamidimid
■ Allgemeine Stoffbeschreibung
Die Amidimid-Polymere hätten bei der ihrem Eigenschaftsbild entsprechenden
molaren Masse eine so hohe Schmelzviskosität, dass sie auf Spritzgießmaschinen
und Extrudern nicht mehr verarbeitbar wären. Um jedoch diese Verarbeitungs-
methoden anwendbar zu machen, wird das Material mit reduzierter Molmasse ge-
liefert. Die Schmelzviskosität von Torlon ist im Anlieferungszustand so niedrig,
dass daraus auch schwierige, dünnwandige Formteile spritzgegossen werden kön-
nen.Weil die Formteile auch nach dem Spritzgießen, d.h. vor der Nachbehandlung
in Wärme, noch thermoplastisch sind, können auch Produktionsrückstände wie
Angüsse, Angussverteiler oder Ausschussteile nach dem Aufbereiten wieder ver-
wendet werden – ein nicht zu unterschätzender wirtschaftlicher Vorteil.
Die Torlon-Schmelze polymerisiert weiter bei Temperaturen von mehr als
246 °C. Weil diese Formmassen jedoch bei Temperaturen um 350 °C verarbeitet
werden, führt diese Bedingung bereits zur Nachpolymerisation. Wenn auch die
Verarbeitbarkeit dadurch normalerweise nicht beeinträchtigt wird, begrenzt sie
doch die Verweilzeit der Schmelze im Plastifizierzylinder und damit die Wie-
derverwendbarkeit von Produktionsrückständen.
Auch das anschließend in der Wärme nachbehandelte Torlon besitzt noch
eine gewisse Thermoplastizität. Die Schmelzviskosität ist jedoch so hoch, dass
nicht nochmals plastifiziert werden kann.
• hohe Festigkeit über den breiten Temperaturbereich von – 190 bis + 260 °C,
• hohe Schlagzähigkeit,
• hohe Maßbeständigkeit (amorpher Thermoplast),
• hohe Wechselfestigkeit s Bw = 56 N/mm2,
• hohe Formbeständigkeit in der Wärme (265 bis 280 °C),
• niedriger linearer Ausdehnungskoeffizient (6 · 10–6 bis 20 · 10–6 K–1),
• sehr gute dielektrische Eigenschaften,
• hohe Beständigkeit gegen den Angriff durch Chemikalien (ausgenommen
sind starke Laugen, oxidierende Säuren, stickstoffhaltige Lösemittel, Heiß-
dampf über 160 °C),
1264 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
■ Sortiment
Das heutige Torlon-Sortiment umfasst außer den Anfang der 70er-Jahre aus-
schließlich verfügbaren, nicht mit Zusatzstoffen modifizierten Typen 2000 und
4000 elf mit Füll- und/oder Verstärkungsstoffen ausgerüstete Compounds für
das Spritzgießen und Extrudieren.
Nachstehend die wichtigsten dieser Typen einschließlich ihrer jeweils kenn-
zeichnenden Eigenschaften und bevorzugten Anwendungsgebiete.
■ Lieferform
Torlon wird für das Spritzgießen als Granulat geliefert.
■ Physikalische Eigenschaften
Richtwerte kennzeichnender physikalischer Eigenschaften enthält Tabelle 2-116.
■ Mechanische Eigenschaften
Kurzzeitverhalten bei geringer Verformungsgeschwindigkeit
Die Polyamidimide weisen bei Raumtemperatur keine Streckgrenze auf. Die in
Tabelle 2-116 angegebenen Dehnungen entsprechen somit der Dehnung beim
Bruch. Die Bilder 2-681 und 2-682 zeigen das Spannungsdehnungsverhalten ei-
niger Torlon Spritzgusstypen bei 23 °C bzw. 135 °C. Wie Bild 2-683 veranschau-
licht, ist die Biegefestigkeit der gewählten Torlon Typen selbst bei einer Tempe-
ratur von 204 °C derjenigen bekannter hochwärmebeständiger Thermoplaste
und sogar den Polyimiden überlegen. Gemäß Bild 2-684 bewahren die Poly-
amidimide auch nach langdauernder Wärmealterung bei 250 °C das hohe Niveau
ihrer mechanischen Eigenschaften.
Umwandlungstemperaturen
Die Glasübergangstemperatur der Polyamidimide beträgt 275 °C. Dieser Wert
wird nur von den Polyimiden mit 350 bis 365 °C übertroffen. Bis zum Erreichen
dieser Temperaturen sind die Formstoffe fest und steif.
Thermoplastische
Polykondensate
elektrische
Oberflächenwiderstand D 257 W 5 · 1018 8 · 1017 4 · 1017 1 · 1018 –
Durchgangswiderstand D 257 W cm 2 · 1015 8 · 1013 8 · 1013 2 · 1015 –
Durchschlagfestigkeit D 149 kV/mm 23 – – 33 –
Dielektrizitätszahl 103 bis 1 MHz D 150 – 4,2–3,9 6,0–5,4 7,3–6,6 4,4–6,5 –
dielektr. Verlustfaktor 103 bis 1 MHz D 150 – 0,026–0,031 0,037–0,042 0,059–0,063 0,022–0,023 –
Wasseraufnahme 24 h, 23°C D 570 % 0,33 0,28 0,33 0,24 0,26
2.2.1 Thermoplastische Polykondensate
1267
Thermoplastische
Polykondensate
1268 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
Die häufige und gezielte Verwendung von Torlon, insbesondere der mit Graphit
und PTFE gefüllten Typen 4301 und 4275 für die Herstellung von Lager- und
Gleitelementen beruht auf dem geringen Verschleiß dieses Materials auch beim
Trockenlauf.
Zahlreiche Verarbeiter und Compoundierbetriebe haben eigene Rezepte ent-
wickelt. Dies ist auf der Grundlage des in Pulverform vorliegenden Typs 4000 T
leicht möglich.
Alle Formteile aus Torlon müssen nach dem Urformen in der Wärme nach-
behandelt werden. Der Verschleißfaktor K wird durch diese Nachbehandlung
wesentlich beeinflusst. Der höchste Verschleißwiderstand wird erst nach mehr
als acht Tagen bei einer Lagertemperatur von 260 °C erreicht.
1270 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
■ Thermische Eigenschaften
siehe Tabelle 2-116.
■ Elektrische Eigenschaften
siehe Tabelle 2-116.
Bei den meisten Anwendungen von PAI in der Elektrotechnik spielen die vor-
züglichen elektrischen und dielektrischen Eigenschaften eine entscheidende
Rolle. Durch den Zusatz von Graphit kann – wie bei den Kunststoffen allgemein
– die Leitfähigkeit von Torlon wesentlich erhöht werden. Insbesondere das mit
30 % Masseanteil C-Fasern verstärkte Material schirmt die Einbauteile gegen die
Wirkung elektromagnetischer Interferenz (EMI) ab.
■ Chemikalienbeständigkeit
Beständig gegen: Säuren, Lösemittel, schwache Laugen (bedingt);
nicht beständig gegen: starke Laugen.
■ Witterungsbeständigkeit
Im Unterschied zu vielen hochwärmebeständigen Kunststoffen weist Torlon
eine vorzügliche UV-, d. h. Witterungsbeständigkeit auf.
■ Strahlenbeständigkeit
PAI ist sehr strahlenbeständig. Eine g-Strahlen-Dosis von 107 J/kg führt zur Ab-
nahme der Zugfestigkeit um nur 5 %.
Thermoplastische
Polykondensate
■ Brennbarkeit
PAI zeichnet sich im Brandfall durch eine sehr geringe Rauchentwicklung aus.
Die Flammtemperatur beträgt 570 °C, die Selbstentzündungstemperatur
620 °C. Der Sauerstoffindex der Torlon Typen erreicht Werte zwischen 44 und
52 %.
■ Wasseraufnahme
In feuchter Atmosphäre oder beim Eintauchen in Wasser nimmt Torlon eine ge-
ringe Feuchtigkeitsmenge auf. Die maximale Menge von 5 % Massegehalt wird
nach etwa drei Monaten Lagerungsdauer in Wasser von 90 °C erreicht. Die auf-
genommene Wassermenge wird jedoch beim Erwärmen der Formteile auf Tem-
2.2.1 Thermoplastische Polykondensate 1271
peraturen von 120 bis 175 °C rasch wieder abgegeben. Bei Wasseraufnahme ver-
ändern sich die Abmessungen des Formteils; auch die Formbeständigkeit in der
Wärme nimmt mit zunehmendem Feuchtigkeitsgehalt ab.
■ Verarbeitung
Grundsätzlich gilt, dass Torlon vor dem Urformen durch Spritzgießen, Pressen
oder Spritzpressen etwa 16 h bei einer Temperatur von 150 °C bzw. im Fall des
Spritzgussgranulates etwa 8 h bei 180 °C getrocknet werden muss.
Bei niedrigen Schergeschwindigkeiten ist die Viskosität der Torlon-Schmelze
sehr hoch, bei höheren nähert sie sich derjenigen von Polycarbonat und ABS.
Deshalb können beim Spritzgießen mit hohen Einspritzgeschwindigkeiten auch
komplizierte Formnester mit verhältnismäßig niedrigem Spritzdruck gefüllt
werden. Die Temperaturabhängigkeit der Viskosität ist im Verarbeitungsbereich
von 315 bis 360 °C nicht besonders betont.
Verarbeitungsbedingungen
Spritzgießen: Schmelztemperatur: 336 bis 360 °C
Werkzeugtemperatur: 230 °C
Pressformen: Pressdruck: 35 N/mm2
Werkzeugtemperatur: 345 °C
Vorheizen ist erforderlich.
Formteile aus PAI werden in der Wärme nachbehandelt. Nach Erreichen einer
Temperatur von 245 °C wird diese 24 Std. aufrechterhalten und anschließend
24 Std. auf 260 °C gesteigert. Auf dieser Temperatur sollten die auf Verschleiß
beanspruchten Formteile fünf Tage gehalten werden, um den Verschleißwider-
stand der Formteile zu erhöhen.
Fügeverfahren: Kleben
Formteile aus Torlon können mit Klebstoffen auf der Grundlage von Amidimid
geklebt werden. Diese Verbindungen sind mechanisch beanspruchbar sowie
wärme- und chemikalienbeständig. Geeignete Klebstoffe können z. B. durch Lö-
sen von Torlon 4000 in n-Methylpyrrolidon (35 %ige Lösung) hergestellt werden.
Die miteinander zu verbindenden Flächen müssen fettfrei und sauber sein.
1272 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
Außerdem müssen sie dicht aufeinander passen. Aufrauen erhöht die Klebnaht-
festigkeit. Die nach dem Auftragen des Klebstoffs fest aneinandergefügten Teile
werden 30 min auf einer Temperatur von 175 bis 190 °C gehalten. Die bei Wand-
dicken > 10 mm gewählten höheren Härtetemperaturen dürfen die Grenze von
230 bis 245 °C nicht überschreiten. Von den übrigen Klebstoffen kommen noch
EP-Harze und Cyanacrylate in Betracht. Dabei sind allerdings die physikalischen
und chemischen Grenzen dieser Produkte zu beachten.
Anwendungsbeispiele
Torlon Polyamidimid wird erfolgreich für tragende Bauteile bis zu Tempe-
raturen von 260 °C angewendet. Die Beanspruchungen sind vor allem
mechanischer und/oder elektrischer Natur. Häufig ist auch das günstige
Verschleißverhalten dieses Materials entscheidend. Zu den elektrisch/di-
elektrisch beanspruchten Formteilen gehören beispielsweise:
Handelsname
Torlon (Amoco Performance Products/CH)
2.2.1.2.8.1.3.3
Thermoplastische
Polykondensate
Polyetherimid (PEI)
■ Herstellung
Ausgangsprodukte des Polyetherimids sind das N-Phenyl-4-nitrophthalimid
und das Dinatriumsalz des Bisphenol A:
2.2.1 Thermoplastische Polykondensate 1273
Polyetherimid
Die Polykondensation wird durch NaCl oder Fe2(SO4)3 katalytisch beschleunigt [2].
■ Allgemeine Stoffbeschreibung
Polyetherimid (PEI) ist durch folgende Eigenschaften gekennzeichnet:
• sehr hohe Festigkeit (auch im unverstärkten Zustand),
• hohe Steifigkeit und Härte,
• hohe Formbeständigkeit in der Wärme (>200°C),
• hohe Gebrauchstemperatur (dauernd 170°C),
• hohe Durchschlagfestigkeit,
• in einem breiten Temperatur- und Frequenzbereich nahezu gleichbleibende
dielektrische Eigenschaften,
• bernsteinfarbene Transparenz,
• niedriger thermischer Ausdehnungskoeffizient,
• hohe Chemikalien- und Hydrolysebeständigkeit,
• hohe Witterungsbeständigkeit,
• hohe Beständigkeit gegen g-Strahlen,
• hohe Flammwidrigkeit (V-O bei 0,76 mm Probedicke),
• geringe Rauchentwicklung,
• gute und wirtschaftliche Ver- und Bearbeitbarkeit.
Thermoplastische
Polykondensate
■ Zusatzstoffe
Unter den Zusatzstoffen ist bei dem bisher verfügbaren Sortiment vor allem die
Glasfaser als Verstärkungsstoff zu erwähnen.
1274 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
■ Sortiment
Das Sortiment befindet sich seit seiner Vorstellung im Jahre 1982 in einer stän-
digen Weiterentwicklung. Zum Standardtyp (Ultem 100) und den mit 10, 20 und
30 % Massegehalt glasfaserverstärkten Typen kamen inzwischen (s. Tabelle
2-117) der mit 40 % glasfaserverstärkte (Ultem 2400), der mit 15 % C-Faser ver-
stärkte (Ultem 7700), die Entwicklungsserie D 6000, die sich vor allem durch
eine erhöhte Formbeständigkeit in der Wärme auszeichnet (dazu gehören na-
turgemäß auch einige glasfaserverstärkte Typen) und schließlich Sondertypen
für die Herstellung auf Verschleiß beanspruchter Formteile sowie die Herstel-
lung von Leiterplatten.
■ Lieferformen
Ultem wird als Granulat geliefert.
■ Physikalische Eigenschaften
Richtwerte der physikalischen Eigenschaften enthält Tabelle 2-117.
■ Mechanische Eigenschaften
Kurzzeitverhalten bei geringer Verformungsgeschwindigkeit
Der strukturelle Aufbau der Polyetherimide bewirkt eine sehr hohe Festigkeit
und Steifigkeit dieser Werkstoffe. Das unverstärkte Material erreicht eine Zug-
festigkeit von über 100 N/mm2 und einen Biegemodul von 3300 N/mm2. Beide
Werte liegen weit über dem Eigenschaftsniveau sonstiger thermoplastischer
Kunststoffe. Die Bilder 2-687 und 2-688 verdeutlichen, dass das hohe Eigen-
schaftsniveau auch bei höheren Temperaturen erhalten bleibt.
Einen Vergleich kennzeichnender mechanischer Eigenschaften einiger Tech-
nischer Thermoplaste zeigt die folgende Übersicht.
N/mm2
Polykondensate
Polycarbonat D 368 66
Zugfestigkeit, glasfaserverstärkt bei 23°C
Ultem 2200 D 368 N/mm2 140
Polyphenylensulfid 40 Masse-% GF D 368 N/mm2 135
Polyethersulfon 20 Masse-% GF D 368 N/mm2 122
Polycarbonat 20 Masse-% GF D 368 N/mm2 108
Polysulfon 20 Masse-% GF D 368 N/mm2 103
Biege-E-Modul, unverstärkt bei 23°C
Ultem 100 D 790 N/mm2 3300
Polysulfon D 790 N/mm2 2650
Polyethersulfon D 790 N/mm2 2550
Polycarbonat D 790 N/mm2 2300
2.2.1 Thermoplastische Polykondensate 1275
Umwandlungstemperaturen
Die hohe Steifheit und Formbeständigkeit in der Wärme sind angesichts der ho-
hen Glasübergangstemperatur der ursprünglichen Typen von 217 °C und derje-
nigen der Entwicklungstypen (6000er-Reihe) von 230 °C nicht verwunderlich.
Die zulässige Dauerbeanspruchung (in h) einiger Ultem-Typen bei verschiede-
nen Temperaturen zeigt die nachstehende Übersicht:
Ultem-Typ Temperatur
– 20 °C 0 °C 23 °C 94 °C 177 °C
1000 32 29 26 14 7
2100 37 33 31 21 10
2200 44 43 35 26 14
2300 55 49 43 32 20
■ Thermische Eigenschaften
Die wichtigsten thermischen Eigenschaften von Polyetherimid enthält Tabelle
2-117. Der niedrige lineare Ausdehnungskoeffizient – insbesondere der glasfaser-
2.2.1 Thermoplastische Polykondensate 1277
Die Formbeständigkeit in der Wärme (bei 1,82 N/mm2) von Polyetherimid ist
mit 200 °C gleichrangig mit derjenigen von Polyethersulfon, während Polysulfon
170 °C und PC 135 °C erreichen.
■ Elektrische Eigenschaften
Die günstigen dielektrischen Eigenschaften sowie der hohe Durchgangswider-
stand von Polyetherimiden bleiben über einen breiten Temperaturbereich kons-
tant und werden auch von den Umgebungseinflüssen kaum beeinträchtigt. Der
Verlustfaktor ist niedrig und verbleibt auf diesem niedrigen Niveau über einen
breiten Frequenzbereich, insbesondere im Kilo- (103 Hz) und Gigahertz (109 Hz)-
Thermoplastische
Polykondensate
Bereich (s. Bilder 2-692 bis 2-694). Diese Eigenschaft ist für Anwendungen wie
Schaltelemente in der Computerelektronik oder Komponenten für Mikrowel-
lenanwendungen von Bedeutung, denn hier kommt es darauf an, dass der Werk-
stoff möglichst wenig elektrische Energie in Form von Wärme absorbiert.
■ Chemikalienbeständigkeit
• hohe Beständigkeit gegen: mineralische Säuren und Salzlösungen, wässrige
Laugen (pH < 9), Frostschutzmittel, im Automobil- und Flugzeugbau ge-
bräuchliche Öle, Kraftstoffe und Reinigungsmittel, Alkohole, Tetrachlorkoh-
lenstoff und Ether,
• bedingt beständig gegen: Ketone,
Thermoplastische
Polykondensate
mechanische
Zugfestigkeit an der Streckgrenze D 638 N/mm2 105 120 160 185 145 145
Zug-E-Modul (1-%-Sekante) D 638 N/mm2 3000 4500 9000 – – –
Dehnung an der Streckgrenze D 638 % 7–8 5 – – – –
Reißdehnung D 638 % 60 6 3 2,5 3,5 4
Biegefestigkeit D 790 N/mm2 145 200 230 250 – 210
Biege-E-Modul (Tangente) D 790 N/mm2 3300 4500 8300 11700 8000 6550
Druckfestigkeit D 695 N/mm2 140 160 160 200 – 170
Druck-E-Modul D 695 N/mm2 2900 3100 3800 – – –
Kerbschlagzähigkeit
(3,2-mm-Probekörper) D 256 J/m 50 60 100 110 50 80
Schlagzähigkeit
(3,2-mm-Probekörper) D 256 J/m 1300 480 430 105 – 400
Scherfestigkeit – N/mm2 100 90 100 430 – –
Rockwell Härte D 785 – M 199 M 114 M 125 – – –
Taber Abrieb D 1044 mg/ 10 – – – – –
(CS 17,1 kg) 1000 Umdr.
pv-Wert – N/mm2 · s 315 455 1225 – – –
thermische
Formbeständigkeit in der Wärme
(ungetempert) D 648
ISO Methode A °C 200 207 210 213 210 223
ISO Methode B °C 210 210 212 216 – 225
Vicat-Erweichungstemp., Methode B °C 219 223 228 234 – 225
Dauergebrauchstemperatur,
Index, nach UL Bulletin 746 B – °C 170 170 170 – – –
linearer Ausdehnungskoeffizient
(– 18°C bis + 150°C) in Spritzrichtung D 696 K–1 62 · 10–6 32 · 10–1 20 · 10–6 14 · 10–6 – 25 · 10–6
2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
elektrische
Durchschlagfestigkeit
(1,6-mm-Probekörper) D 149
in Öl kV/mm 24 – – 240 – 23
in Luft kV/mm 33 – 30 – – –
Dielektrizitätszahl (1 kHz, 50% r.F.) D 150 – 3,15 3,5 – 3,7 – 3,1
dielektrischer Verlustfaktor tan d
1 kHz, 50% r.F., 23°C – 0,0013 0,0014 0,0015 0,002 – 0,001
2450 kHz, 50% r.F. 23°C – 0,0025 – – – – –
2.2.1 Thermoplastische Polykondensate
spez. Durchgangswiderstand
(1,6-mm-Probekörper) D 257 Wm 6,7 · 1015 1,0 · 1015 3 · 1015 – – 1 · 1015
Lichtbogenbeständigkeit D 495 s 128 – 85 – – –
Brennbarkeit
Sauerstoffindex
(1,5-mm-Probekörper) D 2863 % 47 47 47 50 54 44
Brennbarkeit nach UL – – V-O bei V-O bei V-O bei V-O bei – V-O bei
Bulletin 94 0,76 mm 1,6 mm 1,6 mm 1,6 mm 1,6 mm
NBS Rauchkammer E 662 5 V bei – – – – –
(1,5-mm-Probekörper) 1,9 mm
Ds nach 4 min – 0,7 – – 1 – 4
Dmax nach 20 min – 30 – – 20 – 70
andere:
Dichte D 792 g/ml 1,27 1,34 1,51 1,61 1,33 1,43
Verarbeitungsschwindung – % 0,5–0,7 0,4 0,2 0,2 0,3 0,3
Wasseraufnahme nach 24 h bei 23°C D 570 % 0,25 0,28 0,18 0,12 – 0,22
im Sättigungszustand bei 23°C % 1,25 1,0 0,9 – – –
1279
Thermoplastische
Polykondensate
1280 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
■ Strahlenbeständigkeit
Auch die Beständigkeit gegen energiereiche Strahlung (g-Strahlen einer Co60-
Quelle) ist bemerkenswert hoch. Selbst eine Bestrahlungsdosis von 5000 kJ/kg
bewirkt eine Minderung der Zugfestigkeit von nur 6 %.
■ Brennbarkeit
Das Brandverhalten von Polyetherimid ist günstig. Die Einstufung dieses Werk-
Thermoplastische
Polykondensate
Sauerstoffindex
Rauchdichte (NBS-Test)
■ Wasseraufnahme
Unverstärkte Polyetherimide nehmen bei einer relativen Luftfeuchtigkeit von
60 % bis zum Sättigungszustand 1,3 % Wasser auf. Zulässig sind jedoch höchs-
tens 0,5 %.
■ Verarbeitung: Verarbeitungsbedingungen
Das bevorzugte Verarbeitungsverfahren ist bis heute das Spritzgießen. Die
Ultem Formmassen dürfen nur im trockenen Zustand verarbeitet werden. Die
Polyetherimide nehmen auch bei Lagerung in Luft soviel Wasser auf, dass ange-
sichts des Limits von 0,05 % ein Vortrocknen unerlässlich ist. Die empfehlens-
Thermoplastische
Polykondensate
messer gebohrt werden und das an Stellen, die für das normale Bohren unzu-
gänglich sind. Die erzielbare Schnittgeschwindigkeit hängt von der installierten
Leistung ab. Es besteht der folgende Zusammenhang:
150 W – 90 cm/min
300 W – 180 cm/min
500 W – 340 cm/min.
Fügeverfahren
Schraubverbindungen können mit Hilfe vorgeformter Gewinde oder selbst-
schneidender Schrauben hergestellt werden. Inserts werden eingerüttelt oder
vor dem Spritzgießen vorgewärmt eingesetzt.
Schnappverbindungen nutzen das elastische Rückfedern dieses steifen
Werkstoffs innerhalb des Proportionalitätsbereichs.
Für Klebverbindungen eignen sich das Adhäsions- und das Diffusions-
kleben. Als Lösemittel für das Diffusionskleben eignet sich Methylenchlorid.
Die PEI-Konzentration beträgt 1 bis 5 %. Die Oberflächen werden vor dem Auf-
tragen des Klebstoffs mit Hilfe von Isopropylalkohol von Fett, Öl und Staub
befreit.
Während das Diffusionskleben nur für Verbindungen mit sich selbst in Be-
tracht kommt, eigenen sich Adhäsionsklebstoffe für Verbindungen von PEI mit
sich selbst oder anderen Werkstoffen. Die Adhäsionsklebstoffe basieren auf
Polymethan, Silicon, nichtaminischen Epoxidharzen, Polyamidschmelzkleb-
stoffen und Ultem 1000 Kupferlaminatfolien.
Thermoplastische
Polykondensate
Anwendungsbeispiele
Hochspannungsschutzschaltergehäuse, Steckanschlüsse, Bauteile von Mik-
rowellenherden, schwallötbeständige Klemmleisten, Träger integrierter
Schaltungen; Getriebeteile, Kolben- und Bremszylindermäntel, Vergaser-
gehäuse, Ventildeckel, Kugelventile [4], Scheinwerfer; Flugzeug-Sitzscha-
len, Sicherheitsgurtschlösser, Verkabelungen, Flugzeugsitze, Kabinenver-
kleidungen [5], Lager, Lagerkäfige, Zahnräder, Flügel für Flügelzellenpum-
pen [6, 7].
Handelsname
Ultem (GE Plastics Europe B.V./NL)
1284 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
2.2.1.2.8.1.3.4
Polyesterimid
Die Polyesterimide sind seit 1966 am Markt. Die Herstellung geschieht durch
Polykondensation von Trimellitsäureanhydrid mit Diphenolestern oder dem
Ethylenglycolester der Terephthalsäure [3]. Das Ergebnis des erstgenannten
Weges zeigt nachstehende Strukturformel:
Polyesterimid
Handelsname
Imidex (GE Plastics Europe B.V./NL)
2.2.1.2.8.2
Literatur – Kapitel 2.2.1.2.8
[1] Behr E (1969) „Hochwärmebeständige Kunststoffe“, C. Hanser Verlag, München
[2] von Hoewe PW (1983) „Polyetherimide“, Kunststoffe 73, S 266 – 269
[3] Elias HG u.Vowinkel F (1983) „Neue polymere Werkstoffe für die industrielle Anwendung“,
C. Hanser Verlag, München, S 125 – 134
[4] NN (1995) „Polyimid zuverlässig“, S 323
[5] Stahl PO (1995) „Polyetherimid“, Kunststoffe 85, S 1611 – 1612
[6] NN (1996) „Mehrweggeschirr aus Polyetherimid“, 86, S 100
Thermoplastische
Polykondensate
[7] Schobesberger M (1994) „High-Tech für High-Performance“, Kunststoffe 84, S 759 – 761
2.2.2 Duroplastische Polykondensate 1285
2.2.2
Duroplastische Polykondensate
2.2.2.1
Phenol/Formaldehyd-Kunststoffe (Phenoplaste) (PF)
Obwohl die Entwicklung von härtbaren Phenolharzen fast gleichzeitig mit der
Erzeugung von abgewandelten Naturstoffen (Celluloid 1869) begann, dauerte es
noch nahezu vier Jahrzehnte, bis die durch A. v. Baeyer bereits im Jahre 1872 be-
obachtete Härtbarkeit von Phenol/Formaldehyd-Gemischen (durch Zugabe von
Säure) im Jahre 1909 durch L.H. Baekeland in den USA Grundlage eines
betriebsreifen Verfahrens zur Herstellung des bekannten Bakelite® wurde. Die
Polykondensate
Duroplastische
Von den drei isomeren Kresolen o-, m- und p-Kresol sowie den sechs isomeren
Xylenolen wurden nur die für die Phenoplastherstellung wichtigen trifunktio-
nellen Isomeren wiedergegeben. Nur die Stellen im Ringmolekül können zur
Verknüpfung beitragen, die sich in Nachbarlage oder Gegenüberstellung zur Hy-
droxylgruppe befinden. Daraus ergeben sich mono-, bi- und trifunktionelle
Phenole.
Von den Aldehyden ist Formaldehyd (Siedepunkt – 21 °C) der wichtigste. Er
wird meist in wässriger Lösung verarbeitet.
Novolake
Novolake werden aus Phenol und Formaldehyd (molares Verhältnis etwa 1 :0,8)
bei saurer Reaktionsführung gebildet:
Polykondensate
Duroplastische
Drei isomere DPM können sich bilden. Der jeweilige Anteil hängt vom pH-Wert
des Reaktionsmediums ab. Üblicherweise überwiegen die 2,4¢- und die 4,4¢-Iso-
meren.
Novolak
Diese Novolake enthalten keine Methylolgruppe. Sie vernetzen auch beim Erhit-
zen nicht. Gibt man jedoch Komponenten hinzu, die Methylbrücken bilden kön-
nen, z. B. Hexamethylendiamin oder Paraformaldehyd, dann vernetzen sie in der
Wärme zum nicht mehr lös- und schmelzbaren Duroplast.
Resole
Wird die Reaktion alkalisch so durchgeführt, dass der Aldehydanteil den
Phenolanteil überwiegt, dann werden die sog. Resole gebildet. Die Phenolalko-
hole bilden sich rasch, die nachfolgende Kondensationsreaktion dagegen ver-
läuft langsam. Es bilden sich Polyalkohole.
Es sind wenige Benzolringe im Molekül enthalten.
Polykondensate
Duroplastische
Resol
2.2.2 Duroplastische Polykondensate 1289
Werden die Resole erhitzt, dann härten sie auf dem Wege über die nicht kon-
densierten Methylolgruppen. Sie sind selbsthärtend.
Novolake und Resole sind lösliche und schmelzbare Substanzen von niedriger
molarer Masse. Baekeland bezeichnete sie als Harze im A-Zustand. Bei Wärme-
zufuhr gehen sie durch einen kautschukähnlichen Zustand, der von vielen
Lösemitteln zwar quellbar, aber nicht lösbar ist. Die Harze befinden sich im
B-Zustand. Bei weiterer Wärmezufuhr bildet sich der nicht quell- und lösbare
C-Zustand. Die Härtungstemperatur beträgt 160 bis 180 °C.
Der B-Zustand wird bei den Resolen auch als Resitol- und der C-Zustand als
Resitstufe bezeichnet. Von A-, B- und C-Stufen spricht man auch bei anderen
härtbaren Harzen.
Für die Verarbeitung dieser Harze ist entscheidend, dass sich die Zusammen-
lagerung der Ausgangskomponenten, insbesondere der Übergang vom B-Zu-
stand in den C-Zustand, in zeitlich voneinander getrennten Schritten durch-
führen lässt.
Bild 2-697 zeigt den Verlauf der Polykondensation am Beispiel des eigenhär-
tenden Resoles. Das Harz wird im Bereich 0 bis A hergestellt. Ein niedermoleku-
lares wäre bei A1 ein höhermolekulares bei A2 erreicht.
Bei der Herstellung härtbarer Formmassen wird beispielsweise das Harz mit
Hilfe von Füll- und Verstärkungsstoffen im Bereich A bis B konfektioniert. Bei
den dabei üblichen Temperaturen von 120°C schreitet die Kondensation des
Harzes fort. Im Punkt B1 liegt eine leicht fließende, bei B2 eine schwer fließende
Formmasse vor. Im Bereich B bis C wird die Formmasse verarbeitet. Bei C1 ist die
Aushärtung noch nicht vollständig, bei C2 ist sie beendet. Sterische Behinderung
und statistische Gründe lassen einen Kondensationsgrad von 100 % nicht zu.
Da die duroplastischen Harze nur mit wenigen Ausnahmen als solche ver-
wendet werden und meist von Füll- und Verstärkungsstoffen und Substraten
verschiedener Art begleitet sind, kann das Eigenschaftsbild nur in Verbindung
mit diesen beschrieben werden, Tabelle 2-118.
Das vorliegende Buch beschäftigt sich in Anlehnung an die behandelten ther-
moplastischen Kunststoffe in erster Linie mit den formbaren Massen. Deshalb
kommen diesen auch bei den Duroplasten die größere Bedeutung zu. Polykondensate
Duroplastische
2.2.2.1.1
Härtbare PF-Formmassen
■ Herstellung
Über die Herstellung der Phenolharze und der PF-Formmassen wurde bereits
im Abschnitt 2.2.2.1 berichtet.
■ Allgemeine Stoffbeschreibung
Der hohe Vernetzungsgrad der PF-Formstoffe und die Zugabe von Verstär-
kungsstoffen führen zu folgenden Eigenschaften:
• hohe Festigkeit, Steifheit und Härte,
• geringe Kriechneigung,
• je nach Verstärkungsstoff hohe Zähigkeit; auch in der Kälte,
• hohe Formbeständigkeit in der Wärme,
• niedriger linearer Ausdehnungskoeffizient,
• hohe Glutbeständigkeit,
• hohe Beständigkeit gegen organische Lösemittel, neutrale Chemikalien,
schwache Säuren und Laugen,
• unbeständig gegen starke Säuren und Laugen,
• beständig gegen die Bildung von Spannungsrissen,
• schwer entflammbar,
Tabelle 2-118. Einfluss von Harzsorte, Füll- und Verstärkungsstoffen auf die Eigenschaften der
Formstoffe
Harzbasis:
PF 䊊 + + – – – +
UF 䊊 – – + 䊊 + +
MF, MP 䊊 – – + + + –
UP 䊊 + + + + + –
EP 䊊 + + + + + –
DAP 䊊 + + + + – –
Verstärkerart:
Asbest + + + – + – +
Glimmer – + + + + – –
Glas + + + + + + –
Holz – – – – – – +
Cellulose + – – – – + –
Verstärkerform:
Pulver – 䊊 䊊 䊊 䊊 䊊 +
Polykondensate
Duroplastische
Faser,
Schnitzel + 䊊 䊊 䊊 䊊 䊊 –
Bahn, Matte + 䊊 + 䊊 䊊 䊊 –
■ Zusatzstoffe
Auch bei den duroplastischen Formmassen können die Zusatzstoffe nach Funk-
tions-, Füll- und Verstärkungsstoffen unterschieden werden.
Funktions-Zusatzstoffe
Die PF-Formmassen enthalten nur geringe Mengen an Funktions-Zusatzstoffen.
Am wichtigsten sind die Gleitmittel, die beim Formungsvorgang zwischen
Formteil und Werkzeugwandung einen dünnen Film bilden. Sie verbessern die
Fließfähigkeit und das Entformen. Gebräuchliche Gleitmittel sind Wachse,
Fettsäuren und Metallstearate.
Metalloxide, vor allem Magnesium-, Calcium- und Zinkoxid beschleunigen
den Härtungsvorgang.
Als Farbmittel eignen sich nur Produkte mit hoher Alkalibeständigkeit (Am-
moniak) und Unempfindlichkeit gegen Formaldehyd. Die gelbliche Eigenfarbe
der Phenolharze engt die Reihe der möglichen helleren Farbtöne ein. Zum Ein-
färben werden vorwiegend fettlösliche Anilin-Farbstoffe verwendet. Hellbunte
Farbtöne werden mit Hilfe von Lithopone oder Titanweiß aufgehellt. Die anor-
ganischen Pigmente sind farbschwach und wirken stumpf.
Als aktive Flammschutzmittel werden Phenoplasten außer dem bekannten Te-
trabrombisphenol A und organischen Phosphorverbindungen speziell haloge-
nierte Phenole und Aldehyde zugesetzt. Als additive Komponenten wirken Chlor-
paraffin, aromatische Bromverbindungen und als Synergist Antimontrioxid [1, 2].
Polykondensate
Duroplastische
Füllstoffe
Zu den organischen Füllstoffen zählen: Holzmehl, pulverförmige Cellulose auf
der Basis von Fichten- und Buchenholz (dabei handelt es sich um zerkleinerte
1292 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
Verstärkungsstoffe
Das Verstärken synthetischer Kunststoffe begann mit der technischen Produk-
tion von PF-Harzen durch L.H. Baekeland im Jahre 1907. Die begrenzte Schlag-
zähigkeit des Bakelit behob er durch die Zugabe von Holz- und Asbestfasern,
Textilschnitzel, Woll- und Asbestgewebe. Selbst an Drahtgewebe wurde bereits
gedacht. Es zeugt von großer Erfindungsgabe und technischem Weitblick, wenn
er 1911 in einem Bericht über neue Entwicklungsarbeiten schreibt: „I found we
can enormously increase the practical uses of Bakelite by incorporating it with
structural fillers, like fibrous or cellular bodies“.
Die Bezeichnung „strukturelle Füllstoffe“ trifft den Kern der eigentlichen
Aufgabe der Verstärkungsstoffe.
Zu den natürlichen organischen Verstärkungsfasern der PF-Formmassen
zählen die Holzfasern. Zu den an Bedeutung gewinnenden synthetischen, orga-
nischen Fasern gehören die Polyacrylfasern (vor allem Spezialtypen im Aus-
tausch gegen Asbest), Polyester (PET)- und Polyamidfasern zum Erhöhen der
Schlagzähigkeit.Verstärkend wirkende Fasern werden auch in Form von Papier-
und Textilschnitzeln verwandt. Auch sie dienen vor allem zum Erhöhen der
Schlagzähigkeit der an sich spröden Harze. Zu den natürlichen Verstärkungs-
fasern zählen heute – nachdem der Zusatz von Asbest aus gesundheitlichen
Gründen verboten wurde – nur noch Wollastonit und die aus der Schmelze her-
gestellten Glasfasern. Zunehmende Bedeutung gewinnen die vorwiegend aus
Polyacrylnitril hergestellten C-Fasern sowie die Aramid-, Metall- und Borfasern.
Reibbeläge, die Kunstharze als Bindemittel enthalten, werden als Brems- und
Kupplungsbeläge vorwiegend in der Kraftfahrzeugindustrie verwendet, außer-
dem in steigendem Maße in Schienenfahrzeugen und diversen Maschinen-Aus-
rüstungen.
Reibbelagmassen sind Vielkomponentensysteme, die vorwiegend aus Faser-
material, Füllstoffen, Metallanteilen, diversen Zusatzstoffen und Bindemitteln
bestehen (s. Kap. 1).
Die laufende Entwicklung führte beispielsweise zu einer reichhaltigen Palette
von Bakelite Produkten, die für die Herstellung von Reibbelägen zugeschnitten
sind und in Pulverform, in Lösung oder als wässrige Harze geliefert werden.
Polykondensate
Duroplastische
■ Sortiment
Das Sortiment der härtbaren PF-Formmassen ist so vielfältig, dass für zahlrei-
che Anwendungsfälle der bestgeeignete Werkstoff gewählt werden kann. Dabei
spielen Eigenschaften der Formstoffe,Verarbeitbarkeit der Formmasse und Ver-
2.2.2 Duroplastische Polykondensate 1293
■ Lieferformen
Die PF-Formmassen mit feinkörnigen Füllstoffen werden als Pulver, staubarmes
Automatenkorn von 1 bis 3 mm ∆, oder als Granulat für das Pressen, Spritzpres-
sen und Spritzgießen geliefert. Außerdem stehen faserige und schnitzelige
Formmassen zur Verfügung. Halbzeug wird in Form von Tafeln, Rohren, Profi-
len und Blöcken angeboten.
■ Typisierung
PF-Formmassen sind nach DIN 7708 T.2 (10. 75) und 70 a (DIN/ISO) typisiert,
Tabelle 2-119 s. a. Richtlinie VDI/VDE 2478 Bl. 1 (07. 73) Phenoplast-Formstoffe
mit Holzmehl. Der Zweck der Typisierung besteht darin, die Vielzahl der mögli-
chen Harz- und Füllstoffkombinationen zu ordnen und dem Verarbeiter den Be-
zug definierter Formmassen zu ermöglichen.
Die Gütesicherung geschieht auf der Grundlage freiwilliger Überwachungs-
verträge durch die Bundesanstalt für Materialprüfung, Berlin, sowie die Staatli-
che Materialprüfungsanstalt, Darmstadt. Den in DIN 7708 T 2 festgelegten Be-
dingungen entsprechende Formmassen können durch das Überwachungszei-
chen nach DIN 7702 (10. 79), Bild 2-698, gekennzeichnet werden.
Die Typen werden unterschieden nach Art des Füllstoffs, Tabelle 2.2-3 DIN
7708, T 2 (10.75), sowie auf Grund von Mindestanforderungen an einige typische
Eigenschaften, ermittelt an Probekörpern, die unter definierten Bedingungen
aus der Formmasse hergestellt werden.
Polykondensate
Duroplastische
PF-Formmassen Formstoffe
■ Physikalische Eigenschaften
Die sehr große Anzahl typisierter Formassen und die noch größere Anzahl nicht
typisierter Sondermassen erschwert die Wiedergabe typischer Eigenschaftsbil-
der. Es ist deshalb zweckmäßig, die Grundeigenschaften einiger (an genormten
Prüfstäben ermittelter) Massetypen wiederzugeben, Tabelle 2-120 (nach DIN
7708, T2 (10.75).
■ Mechanische Eigenschaften
Kurzzeitverhalten bei geringer Verformungsgeschwindigkeit
Obwohl es bei den PF-Formstoffen wie auch bei den noch zu besprechenden aus
UF-, MF-, MP- und UP-Formmassen herstellbaren Formstoffen vor allem auf eine
hohe Wärmestandfestigkeit ankommt, sei in Bild 2-699 u.a. die im Kurzzeitversuch
ermittelte Biegefestigkeit in Abhängigkeit von der Temperatur wiedergegeben.
Nach einem Abfall im Temperaturbereich bis 80 °C bleibt sie z. B. bei PF über
einen Bereich von 100 K, d. h. bis in den Zersetzungsbereich der normalen Mas-
sen, konstant.
Bei der Beurteilung der mechanischen Eigenschaften spritzgegossener und
spritzgepresster verstärkter duroplastischer Formstoffe ist zu beachten, dass die
Vorzugsrichtung senkrecht zur Fließrichtung liegt. Hier sind die höchsten
Festigkeitswerte zu erwarten.
Umwandlungstemperaturen
Wie Bild 2-700 zeigt, ändert sich der im Torsionsschwingungssversuch nach
DIN 63 445 ermittelte Schubmodul der duroplastischen Formstoffe nur wenig
Polykondensate
Duroplastische
Bild 2-699. Biegefestigkeit einiger duroplastischer Formstoffe in Abhängigkeit von der Tempe-
ratur
2.2.2 Duroplastische Polykondensate 1297
mit der Temperatur. Auffallend sind die hohen Moduli der einstigen asbestfa-
serverstärkten PF- und MF-Formstoffe [4].
Anstelle der aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr zulässigen Asbestfa-
ser wurden für die Gruppe III andere Fasern und Füllstoffe gewählt [5].
Die Kurve des hier nicht wiedergegebenen mechanischen Verlustfaktors
des Typs 31 ist im Temperaturbereich von – 60 °C bis + 40 °C nahezu konstant,
sie steigt bis 80°C an und erreicht nach steilem Anstieg bei 170 °C ihr Maxi-
mum.
Gruppe II Sonder-
Form
85 51 83 71 84 74 75 masse*)
– – – – – – – 175
15 – 30 15 – 30 15 – 30 15 – 30 15 – 30 15 – 30 15 – 30 15 – 30
0,3 0,4 0,4 0,4 0,4 0,4 0,4 0,7
1,3 1,3 1,3 1,3 1,3 1,3 1,3 1,1
3 3 3 2 3 2 3 4
2a 2b 2b 2b 2b 2b 2b 1
200 300 180 250 150 300 300 10 – 25
P, SP, SG P, SP, SG P, SP, (SG) P, SP, (SG) P, SP, (SG) P, SP P, SP, SG P, SP, SG
r. r .... sch. r ... v.H. sch ... v.H. sch ... v.H. v.H. sch. r.
gut gut ... bed gut ... bed bed ...n.aut. bed .... n.aut. n.aut. bed. gut
4 4–6 5–7 6 6–7 10 4 2,5
aut. aut. aut. ... v.H. aut. ... v.H v.H. v.H. v.H aut.
0,4 – 0,6 0,3 – 0,6 0,2 – 0,6 0,3 – 0,6 0,2 – 0,6 0,2 – 0,5 0,7 0,2 – 0,4
0,1 – 0,4 0,1 – 0,4 0,1 – 0,4 0,1 – 0,4 0,1 – 0,5 0,1 – 0,5 0,9 0 – 0,1
Polykondensate
Duroplastische
1300 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
15 – 30 15 – 30 15 – 30 15 – 30 30 – 50 30 – 50 15 – 30 15 – 30
0,8 0,5 0,7 0,7 0,3 0,3 0,4 0,7
1,1 1,1 1,1 1,1 1,3 1,3 1,3 1,1
4 4 4 4 2 3 3 4
1 2a 1 1 2a 2a 2b 1
90 45 20 20 200 150 300 10 – 25
P, SP P, SP P, SP, SG P, SP, SG P, SP, SG P, SP, SG P, SP P, SP, SG
v.H r r. r. r. r. sch. r.
n. aut. gut gut gut gut gut b. ... n. aut. gut
10 2 3 3 2,5 2,5 6 2,5
v. H. aut. aut. aut. aut. aut. aut. aut.
0 – 0,2 0,2 – 0,5 0,2 – 0,5 0,2 – 0,5 0,4 – 0,8 0,5 – 0,8 0,3 – 0,6 0,2 – 0,4
0 – 0,2 0,0 – 0,1 0,0 – 0,1 0,0 – 0,1 0,1 – 0,3 0,1 – 0,5 0,2 – 0,4 0 – 0,1
Polykondensate
Duroplastische
1302 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
Gruppe V Sonder-
Form
13,9 31,9 32 51,9 52 52,9 masse*)
175 – – – – – 175
15 – 30 30 – 50 30 – 50 15 – 30 15 – 30 15 – 30 15 – 30
0,7 0,4 0,4 0,4 0,4 0,4 0,7
1,1 1,3 1,3 1,3 1,3 1,3 1,1
4 3 3 3 3 3 4
1 2a 2a 2b 2a 2a 1
20 150 150 300 100 100 10 – 25
P, SP P, SP, SG P, SP, SG P, SP P, SP P, SP P, SP, SG
r. r. r, sch. r. r. r.
gut gut gut b ...n.aut. bed . bed. gut
3 2,5 2,5 6 3,5 3,5 2,5
aut. aut. aut. aut. aut. aut. aut.
0,2 – 0,5 0,7 –1,0 0,5 – 0,8 0,3 – 0,6 0,4 – 0,6 0,4 – 0,6 0,2 – 0,4
0,0 – 0,1 0,4 – 0,8 0,4 – 0,6 0,3 – 0,2 0,2 – 0,3 0,2 – 0,3 0 – 0,1
Polykondensate
Duroplastische
1304 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
■ Thermische Eigenschaften
Siehe Tabelle 2-120.
Zur Beurteilung der Wärmebeständigkeit eines Formstoffs sind Angaben er-
forderlich über:
■ Elektrische Eigenschaften
Der Oberflächenwiderstand durch Wärmealterung behandelter duroplastischer
Formstoffe verändert sich meist nur wenig. Das Verhalten nach anschließender
Polykondensate
Duroplastische
■ Chemikalienbeständigkeit
Beständig gegen: schwache Säuren, schwache Laugen, Alkohole, Ester, Ketone,
Ether, Chlor-KW, Benzol, Mineralöl, tierische und pflanzliche Öle und Fette;
nicht beständig gegen: starke Säuren, starke Laugen, kochendes Wasser (je
Polykondensate
Duroplastische
nach Typ).
■ Wasseraufnahme
Siehe Tabelle 2-120.
2.2.2 Duroplastische Polykondensate 1307
■ Witterungsbeständigkeit
Im Freien oder in feuchten Räumen verwendete PF-Formmassen nehmen
Feuchtigkeit auf. Die Oberfläche wird mit der Dauer der Wettereinwirkung rau
und matt. Die elektrischen Eigenschaften verschlechtern sich je nach Füllstoff-
art. Hoher Harzgehalt und Formstoffe mit anorganischen Füllstoffen nehmen
Polykondensate
Duroplastische
Die gelbbraune Eigenfarbe der PF-Formstoffe dunkelt bei Wärme- und Licht-
einwirkung nach. Gedeckte dunkle sowie gelbe und rote Farbtöne herrschen vor.
Farblich kritische Anwendungen bleiben den lichtechten MF-, PM- und UF-
Formmassen vorbehalten.
■ Strahlenbeständigkeit
PF-Harz ist sehr strahlenbeständig. PF-Formstoffe sind je nach Füllstoff mehr
oder weniger beständig. Am günstigsten verhielten sich die inzwischen nicht
mehr zugelassenen asbestfaserverstärkten Formmassen.
■ Brennbarkeit
Die Brennbarkeit von PF-Formstoffen ist wie die aller übrigen duroplastischen
(und thermoplastischen) abhängig von der Grundsubstanz und den jeweiligen
Zusatzstoffen. Für die Untersuchung von Flammwidrigkeit, Brennbarkeit, Zünd-
temperatur und Entflammbarkeit – um einige der vieldeutigen Bezeichnungen
zu nennen – gibt es zahlreiche Prüfmethoden. Die bei duroplastischen Form-
stoffen nach verschiedenen Methoden ermittelten Ergebnisse enthält Ta-
belle 2-121. In Einzelfällen sind naturgemäß Abweichungen möglich.
Mit entsprechenden Füllstoffen bzw. Flammschutzmitteln nicht ausgerüstete
PF-Formstoffe brennen mit heller, rußender Flamme, die nach Entfernen der
Zündquelle erlöscht. Die Formstoffe blähen sich auf. Die Rauchgase riechen
nach Phenol und ggf. nach Ammoniak [6].
■ Durchlässigkeit für Wasserdampf
Siehe Tabelle 2-122.
■ Gesundheitliche Beurteilung
Gute Entlüftung und Entstaubung vorausgesetzt, treten bei Herstellung und Ver-
arbeitung von PF-Formmassen keine gesundheitlichen Schädigungen auf.
Kommt es dennoch zu allergisch bedingten Hautekzemen, dann ist ein Arbeits-
platzwechsel erforderlich.
Geruchfrei sind nur die ammoniakfreien Formmassen, z. B. Typ 39.9. Be-
darfsgegenstände aus PF-Formmassen, die in irgendeiner Form mit Lebens- und
Genussmitteln in Berührung kommen, sind nach dem deutschen Lebensmittel-
gesetz nicht zulässig.
■ Hinweise zur Typauswahl
Die am meisten verwendete härtbare Formmasse ist die PF-Holzmehl-Form-
masse, Typ 31. Sie ist leicht verarbeitbar. Die Oberfläche der Formteile ist glatt
und glänzend. Die Formstoffe sind fest, steif, wärmebeständig und elektrisch gut
isolierend. Bei erhöhten Anforderungen an das Isoliervermögen wird Typ 31.5
oder der mit feinem Glimmer gefüllte Typ 13.5 gewählt. Höchste Anforderungen
erfüllt der UP-Typ 802.
PF-Formstoffe weisen nur eine begrenzte Kriechstromfestigkeit auf (s. Tabelle
Polykondensate
Duroplastische
2-120). In dieser Hinsicht sind die MF-, MP- und die UP-Formmassen überlegen
(s. Tabelle 4-28). Formstoffe aus Typ 31 sind kerbempfindlich. Höheren An-
sprüchen wird der mit Zellstoff verstärkte Typ 51 sowie der mit Baumwollfaser
und Holzmehl verstärkte Typ 83 gerecht. Noch wesentlich schlagzäher ist der mit
Tabelle 2-121. Flammwidrigkeit einiger duroplastischer Formstoffe
*) Harzbasis: Harnstoff-Formaldehyd.
+ bestanden
– teilweise bestanden.
a)
etwas abweichendes Verfahren, jedoch ebenfalls bestanden: CEE-Empfehlung 4 (960°C).
b)
n.B. = non burning by this test; s.e. 0 = self-extinguishing by this test.
c)
ähnliches Verfahren: DIN 53459 (09.81).
1309
Duroplastische
Polykondensate
1310 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
Wasserdampfdurchlässigkeit q
g/m2 d
PF-Harz 43
PF, Typ 31 (50%ig) 300
PF, Typ 31 (45%ig) 390
PF, Typ 31 (35%ig) 560
MF, Typ 152 400
Paraffin 0,7
Polystyrol (ungereckt) 25
Buna 110
PMMA 270
Cellophan 4500
Baumwollfaser verstärkte Typ 71, der mit Baumwollschnitzel und Zellstoff ver-
stärkte Typ 84 sowie vor allem der als lose Schnitzelmasse lieferbare Typ 74.
Zu den schlagzähen Formmassen mit anorganischen Verstärkungsstoffen
gehören vor allem die mit Glasfasern und Mineralmehl verstärkten Typen PF
6537 und PF 6540 (nach ISO 179/1eV).
Je gröber die Struktur des Harzträgers, desto besser sind die mechanischen
Eigenschaften des Formstoffs; um so stärker wird jedoch auch die Oberfläche
des Formteils durch die Struktur des Harzträgers geprägt. Deshalb werden die
Massen ab Typ 51 vorwiegend für technische Formteile weniger für Sichtteile
verwendet.
PF-Formmassen mit Gewebeschnitzeln und Zellstoff sind gute Lagerwerk-
stoffe. Sie eignen sich ferner für die Herstellung von Zahnrädern. Die Schlag-
zähigkeit von PF-Formstoffen kann nicht nur durch den Harzträger, sondern
ebenfalls durch die Zugabe von Kautschuk erhöht werden. Diese Formteile wei-
sen glatte Sichtflächen auf.
Die meisten PF-Formmassen enthalten Novolakharz als Binder und Hexa-
methylentetramin als Härtungsmittel.Aus Hexa wird beim Härten Formaldehyd
und Ammoniak gebildet. CH2O wird in den Formstoff eingebaut, NH3 bleibt
darin eingeschlossen. Geringe Mengen entweichen dauernd aus dem Formstoff.
Sofern dadurch Geruch oder Geschmack von Füllgütern z. B. durch Schraubkap-
pen aus PF, beeinträchtigt werden oder Messingteile korrodieren, wählt man die
durch .9 gekennzeichneten Formmassen, z. B. Typ 31.9.
Eine Sonderstellung unter den wärmebeständigen PF-Formmassen nehmen
die modifizierten GF- und Mineralmehl verstärkten PF-Formmassen ein. Da-
raus hergestellte Formteile können Stunden bis Tage bei Temperaturen bis
280 °C beansprucht werden, z. B. als wärme- und spülmaschinenbeständige Ge-
schirrbeschläge, Lampenfassungen, Warmluftkanäle in Fahrzeugen, Schweiß-
gerätegriffe, Kollektoren.
Polykondensate
Duroplastische
■ Verarbeitung
PF-Formmassen werden wie die meisten duroplastischen Formmassen durch
Pressen, Spritzpressen, Spritzgießen [8] und Stangpressen unter Einwirkung von
Wärme und Druck verarbeitet. Dabei überlagert sich dem physikalischen
Schmelzvorgang im beheizten Werkzeug die chemische Härtungsreaktion. Der
Bereich minimaler Viskosität gibt Hinweise auf die Formbarkeit (Druckbedarf,
Zeit, Fließweg). Der Anstieg nach dem Minimum ist ein Maß für die Härtege-
schwindigkeit und die erforderliche Stehzeit bis zum möglichen Entformen des
Formteils. Das Fließ- und Härtungsverhalten von thermoplastischen und härt-
baren Formmassen zeigt auch Bild 2-708. Dabei wurde die Formmasse unter
konstantem Druck in einen beheizten Kanal gespritzt. Der Härtungsvorgang
bremst bei Duroplasten das Fließen ab.
Die Zeit bis zur Entformung – Härte- oder Stehzeit genannt – ist von der
Formmasse und den Verarbeitungsbedingungen abhängig. Höhere Werkzeug-
temperatur verkürzt die Härtezeit.
■ Verarbeitungshinweise
Die Verarbeitungsbedingungen für die bekannten härtbaren Formmassen fin-
den sich in Kap. 1. Formteile müssen meist entgratet werden [9]. Bei Formstoffen Polykondensate
Duroplastische
mit feinen Füll- und Verstärkungsstoffen geschieht dies durch Trommeln oder
Strahlen. Die Oberfläche der Formteile ist je nach Füllstoffart und Ober-
flächengüte des Formnestes matt bis glänzend.
Um die Faserorientierung möglichst niedrig zu halten, wird am zweckmäßig-
sten nach dem Spritzprägeverfahren gearbeitet. Die Kombination des Spritzprä-
gens mit der Kaltkanaltechnik hat einen entscheidenden Fortschritt in der
Duroplastverarbeitung gebracht. Dieses sog. RIC (Runnerless Injection Com-
pression)-Verfahren ermöglicht die Verwendung verhältnismäßig strenger Ein-
stellungen und bringt dadurch wirtschaftliche Zykluszeiten; außerdem wird die
Bildung von Abfall durch Anguß und Gratbildung wesentlich verringert.
Fügeverfahren
Lösbare Verbindungen können durch Schrauben hergestellt werden. Meist wer-
den zu diesem Zweck beim Urformen Gewindebuchsen eingelegt. Es können
auch selbstschneidende Schrauben verwendet werden. Für das Direktverschrau-
ben bewähren sich z. B. die EJOT-Schrauben. Unlösbare Verbindungen sind
durch Nieten und Kleben herstellbar. Höchste Festigkeiten werden mit Hilfe von
UP- und EP-Klebstoffen erreicht.
■ Lötbadbeständigkeit
In der Feinwerktechnik wird häufig im Lötbad durch Eintauchen gelötet. PF-
Formstoffe sind lötbadbeständig (nach DIN 40802, T 1 und T 2 (02.86) 250°C, 5 s).
Anwendungsbeispiele
Schaltergehäuse und -einbauten,Verteilerkästen, Klemmbretter, Röhrenfas-
sungen, Spulenkörper, lötbadfeste Anschlussleisten, Bedienungsknöpfe,
Schraubfüße, Pumpenteile, Luftführungskanäle, Keilriemenscheiben und
Bremskolben [10] in Kraftfahrzeugen, Bügeleisengriffe, Pfannenstiele,
Aschenbecher, Deckenknöpfe, Herdleisten, Filmleuchten, Schweißzangen-
griffe, Schraubkappen, Zahnräder.
Polykondensate
Duroplastische
Handelsnamen
Bakelite (Bakelite/DE)
Durax (Isola Werke/DE)
Durex (Occidental Chemical Corp./US)
Tabelle 2-123. Spanende Bearbeitung von härtbaren Formmassen
Duroplastische
Polykondensate
1314 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
2.2.2.1.2
Technische Phenolharze
In den folgenden Abschnitten wird in gedrängter Form die außer den PF-Form-
massen noch bestehende ungewöhnlich große Vielfalt der Darbietungsformen
und Anwendungsmöglichkeiten der Phenol/Formaldehydharze aufgezeigt.
Technische Phenolharze stehen als Rein- und Cokondensate sowie durch den
Einbau weiterer Komponenten modifizierte Harze zur Verfügung.
Resole werden als wässrige Flüssigharze, als Lösungen, in stückig fester Form
oder pulverförmig gemahlen geliefert. Novolake sind meist fest ggf. bereits mit
eingewalztem Hexamethylentetramin versehen.
Novolake sind unbegrenzt haltbar. Resole sind in wässriger Form nur vier
Wochen haltbar, in fester Form müssen sie innerhalb eines Jahres verarbeitet
werden, weil die Härtung auch bei Raumtemperatur langsam fortschreitet.
Gießharze
PF-Gießharze werden in offene Werkzeuge gegossen und anschließend durch
Wärmeeinwirkung oder durch Zusatz eines Härtungskatalysators bei Raum-
temperatur drucklos gehärtet. Im Ansatz überwiegt die Formaldehydkompo-
nente. In Abhängigkeit vom molaren Verhältnis Formaldehyd/Phenol ergeben
sich folgende mechanische Eigenschaften.
3,5:1 7,0 17 85
Ein hoher Formaldehydanteil vermeidet Spuren von freiem Phenol und gewähr-
leistet so eine hohe Lichtechtheit des Harzes.
2.2.2 Duroplastische Polykondensate 1315
PF-Edelkunstharze
Edelkunstharze stehen in Form von Blöcken, Platten, Stangen, Rohren und
Profilen zur Verfügung. Gehärtet wird bei Temperaturen von 60 bis 80 °C. Der
Härtungsvorgang dauert 2 bis 5 Tage.
Schmuckwaren, Möbelbeschläge sowie technische Formteile sind bekannte
Anwendungsgebiete. Durch das Aufkommen neuer Gießharze ist die Bedeutung
rückläufig.
Mit PF-Gießharzen können nach dem Reproduktionsverfahren auch Gegen-
stände mit geringer Stückzahl sowie Prototypen hergestellt werden.
Schaumstoffe
Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass aus flüssigen Phenol-
resolen fest, sprödharte Schaumstoffe mit gemischtzelliger Struktur hergestellt
werden können. Das Verschäumen wird durch verdampfendes Kondensations-
wasser, durch Schaumigschlagen des Harzes mit oder durch den Zusatz ver-
dampfender Treibmittel bewerkstelligt. Es sind bei Temperaturen von 50 bis
60 °C schäumende sowie sog. kaltschäumende Phenolharztypen verfügbar.
PF-Schaumstoffe zeichnen sich durch niedrige Wärmeleitfähigkeit und hohe
Formbeständigkeit in der Wärme aus. Sie sind schwer entflammbar und nach
Entfernen der Zündquelle selbsterlöschend.
Schichtpressstoffe
Schichtpressstoffe für technische und dekorative Zwecke werden durch
Lackieren oder Imprägnieren von Papierbahnen und Geweben aus Textilien
oder Glasfasern mit verdünnten oder gelösten Phenol- und Kresolharzen her-
gestellt. Die Bahnen werden bei mäßigen Temperaturen getrocknet und vor-
gehärtet. Danach wird die erforderliche Anzahl von Bahnen übereinanderge-
schichtet und bei einem Druck von 120 bar und Temperaturen von 140 bis
170 °C gepresst. Rohre werden auf einem Dorn gewickelt und drehend zwi-
schen beheizten Walzen gepresst.
Laminate aus PF-Harzen zeichnen sich durch hohe Festigkeit, gute elektrische
Eigenschaften und geringe Wasseraufnahme aus. Spezialharze sind für die Her-
stellung von kaltstanzbaren und flammhemmend eingestellten Typen entspre-
chend den NEMA und UL-Spezifikationen verfügbar. Modifizierte Harze wer-
den als Klebestoffe zum Beschichten von Kupferfolien eingesetzt.
Zu den technischen Laminaten gehören: Elektrolaminate, Formteile und
Rohre aus Hartpapier und Hartgewebe, Dekorlaminate, Filter und Batteriesepa-
ratoren. Die Kombination von PF- und EP-Harz, d. h. eine Co-Härtung führt zu
zähelastischen und zugleich flammwidrigen Formstoffen, die im Fahrzeugbau
zunehmend an Bedeutung gewinnen (Beispiel: Airbus) [11].
Handelsnamen
Hartpapier
Polykondensate
Duroplastische
Hartgewebe
Biratex (Norplex Div., UOP Inc./US)
Harex (Resopal Werk H. Römmler GmbH/DE)
Trolitax (Hüls AG/DE)
Glasfaser-Hartgewebe
Birakrit (Norplex Div., UOP Inc./US)
Diverrit (Felten & Guilleaume Carlswerk AG/DE)
Durapol, Duraver (Isola Werke AG/DE)
Glasotext (AEG Isolier- und Kunststoff GmbH/DE)
Trolitax (Hüls AG/DE)
Veredelte Holzwerkstoffe
Phenol- und Harnstoffharze werden in großem Umfang zur Herstellung von
Hartfaser- und Spanholztafeln, d. h. zur Verwertung von forstlichem und ge-
werblichem Abfallholz eingesetzt.
Kunstharz-Pressholz wird aus Buchenholzfurnieren hergestellt, die mit
Phenolharz beleimt oder imprägniert und dann getrocknet werden. Die Dicke
der Lagen beträgt 0,3 bis 3 mm. Nach dem Trocknen wird der Schichtstoff bei
Drücken bis zu 200 bar und Temperaturen von 145 bis 180 °C gepresst. Der
Harzgehalt beträgt 8 bis 30 %. Typen und Aufbau von Kunstharz-Pressholz
werden in DIN 7702 (10. 79) beschrieben. Die Eigenschaften gibt DIN 7707
(01. 79) wieder.
Polykondensate
Duroplastische
zu einer plastischen Masse angeteigt, die durch Pressen oder Strangpressen ge-
formt wird. Das Aushärten geschieht bei Temperaturen von 95 bis 150 °C. Pulver-
förmige Mischungen werden kalt bei Temperaturen von 90 bis 150 °C und
Drücken bis 250 bar oder warm bei Temperaturen von 140 bis 150 °C in wenigen
Minuten geformt.
Die Formkörper werden nach dem Härten gebrannt, um das isolierende
Bindemittel leitfähig zu machen. Nach längerer Brenndauer entsteht Hartbrand-
kohle, die sich beim Nachbrennen bei höherer Temperatur in thermisch und
elektrisch gut leitenden Graphit verwandelt.
Phenolharze dienen in Verbindung mit Kohle ebenfalls zur Herstellung von
Festwiderständen.
PF-Harze werden außerdem verwendet als:
Blumensteckschaumstoffe,
Sockelkitte,
Kitte für Pinsel und Bürsten,
Photolacke,
Stichloch-Stampfmassen.
An dieser Stelle seien auch die Phenolharze für die Herstellung von Kaltpress-
massen erwähnt. Durch Mischen flüssiger Kresol-Resole mit Asbest, Schiefer-
mehl, Kaolin oder Quarzmehl und Zusatz von Erdfarben werden vom Verarbei-
ter Formmassen hergestellt, die bei Raumtemperatur und Drücken von 100 bis
500 bar zu Formkörpern gepresst werden. Daran schließt sich das Aushärten
nach einem Temperaturprogramm zwischen 80 und 140 °C an, mit Nachhärtung
bei 170 °C. Flammwidrigkeit und andere günstige physikalische Eigenschaften
sind der Grund für den Einsatz von Wärmedämmstoffen aus Glas- und Mineral-
wollfasern aus Diabas, Basalt, Kalkmergel und Dolomit (seltener Hochofen-
schlacke und andere Schlackenmaterialien) sowie von Phenolharz-Schaumstof-
fen und Glasfaservliesen zur Schalldämmung.
Große Bedeutung erlangten die PF-Harze in der Gießereitechnik als Binde-
mittel für Form- und Kernsande (Hot-box, No-bake-Verfahren). Beim Croning-
Verfahren werden dünnschalige Formmasken und Hohlkerne verwendet, die
eine hohe Gasdurchlässigkeit aufweisen und nach dem Gießprozess zerfallen.
Das Formmaskenverfahren hat vor allem in der Automobilindustrie große Be-
deutung erlangt. Phenol- und Kresolharze ermöglichen in Brems- und Kupp-
lungsbelägen optimale Reibungswerte, Wärmebeständigkeit, Elastizität, gerin-
gen Abrieb sowie Beständigkeit gegenüber hydraulischen Flüssigkeiten, Benzin
und Wasser. Durch die Verwendung modifizierter Harze werden besondere An-
forderungen erfüllt bei der Herstellung von Scheibenbremsen, Trommelbrem-
sen und Kupplungsbelägen. Schleif- und Trennscheiben werden aus Elektro-
korund und Siliciumcarbid aufgebaut. Als Bindemittel behaupten sich außer ke-
ramischen Massen die PF-Harze. Die harzgebundenen Scheiben sind weniger
druckempfindlich und lassen wegen höherer Festigkeit höhere Scheibenge-
Polykondensate
Duroplastische
schwindigkeit zu. PF-Harze dienen als Bindemittel bei der Herstellung hochtou-
riger flexibler Schleifscheiben mit Einlagen aus Papier, Glas- und Textilgewebe
sowie aus Vulkanfiber.
1318 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
Bekannte Handelsnamen
Bakelite GmbH/DE)
Haveg (Dr. C. Otto & Comp. GmbH/DE)
Keraphen (Keramchemie GmbH/DE)
2.2.2.2
Harnstoff/Formaldehyd-Kunststoffe (Aminoplaste) (UF)
Bis zum Jahre 1920 waren von den technisch verwendbaren synthetischen Duro-
plasten nur die Phenol/Formaldehyd-Harze bekannt.Sie waren wegen der bei Licht-
einwirkung nachdunkelnden Eigenfarbe nur in gedeckten Farbtönen von geringer
Brillanz im Handel; es überwogen die braunen und schwarzen Einstellungen.
E. Pollak und K. Ripper bemühten sich seit Anfang der zwanziger Jahre um
die Herstellung eines organischen Glases aus Harnstoff/Formaldehydharz. Es er-
wies sich jedoch als sehr spröde. Größere Erfolge waren diesem Produkt bei
einer den PF-Formmassen analogen Verwendung beschieden. Etwa bis zum
Jahre 1930 waren die Harnstoff-Formaldehyd-Formmassen zur Produktionsreife
gediehen. Die wasserhellen Harze ergaben mit hochgebleichter Cellulose als
Füllstoff in allen beliebigen, lichtechten Farbtönen von durchscheinend bis ge-
deckt einfärbbare Formmassen.
Polykondensate
Duroplastische
■ Herstellung
Aus dem wasserlöslichen, bei 132,6 °C schmelzenden kristallinen Harnstoff, der
in Formalin gelöst wird, entsteht in neutraler Lösung durch stufenweise Reak-
tion von Formaldehyd mit den Amminogruppen ein lineares Vorkondensat.
2.2.2 Duroplastische Polykondensate 1319
lineares Vorkondensat
2.2.2.2.1
Härtbare UF-Formmassen
■ Allgemeine Stoffbeschreibung
UF-Formmassen sind die gebräuchlichsten härtbaren Formmassen für die Her-
stellung von Formstoffen in weißen und hellen Farbtönen. Außerdem sind sie
durch folgende Eigenschaften gekennzeichnet:
■ Zusatzstoffe: Funktionszusatzstoffe
Beim Härten der UF-Formmassen bedient man sich sog. latenter Härtungskata-
lysatoren, die erst bei Presstemperaturen Säure bilden oder abspalten bzw. wirk-
sam werden. In Betracht kommen Harnstoffnitrat und als Beschleuniger Alkyl-
oder Arylhalogenide u. a. Als schwache Säuren dienen Carbon- und Dicar-
bonsäuren. Die Fließfähigkeit wird durch den Zusatz von Stearinsäure, Zink-
und Aluminium- oder Magnesiumstearat verbessert.
Ein für Aminoplast-Formmassen unentbehrlicher Weichmacher ist das Was-
ser. Einschließlich des bei der Härtungsreaktion frei werdenden Wassers beträgt
der Anteil insgesamt 5 bis 9 %. Weichmacher ersetzen einen Teil der Feuchtigkeit
ohne deren nachteilige Wirkung. Außerdem verringern sie die Sprödigkeit der
Formstoffe. Als Weichmacher dienen aliphatische ein- und mehrwertige Alko-
hole.
Von den anorganischen Pigmenten haben die Weißpigmente Lithopone und
Titandioxid große Bedeutung. Die gängigen TiO2-Typen weisen eine höhere
Deckkraft als die Lithopone auf. Ihre UV-Beständigkeit ist jedoch nicht so gut.
An bunten anorganischen Pigmenten kommen Cadmium-Farbmittel (gelb,
orange, rot und violettrot), Chromgelb, Chromoxidhydratgrün, Ultramarinblau
und -grün, Ruß und Eisenoxidsorten in Betracht. Ein nachleuchtendes Pigment
ist aktiviertes Zinksulfid.
Die Reihe der für Aminoplast verwendbaren organischen Pigmente ist be-
grenzt. Mit ihnen können jedoch alle Farbtöne erzielt werden.
Optische Aufheller werden den Aminoplast-Formmassen in Mengen von 0,01
bis 0,05 % zugesetzt. Sie bringen die dem menschlichen Auge unsichtbare UV-
Strahlung zur Fluoreszenz und strahlen dabei sichtbares Licht aus. Leichtgelb-
liche Weißtöne erscheinen wieder absolut weiß.
Füllstoffe
Zu den für Aminoplast verwendeten Füllstoffen gehören: native Cellulose, Holz-
und Sägemehl, Furnierschnitzel, Stein- und Kokosnussmehl. Bei den hellen
Formmassen überwiegt die Cellulose.
Anorganische Füllstoffe verleihen den Formstoffen hohe Wärmebeständig-
Polykondensate
Duroplastische
keit und Glutfestigkeit, geringe Schwindung und Nachschwindung sowie ein ge-
ringeres Feuchtigkeitsaufnahmevermögen. In Betracht kommen Gesteinsmehl
und Glimmer.
2.2.2 Duroplastische Polykondensate 1321
Verstärkungsstoffe
Unter den organischen Verstärkungsfasern überwiegt ebenfalls die Cellulose.
Die Nadelholzzellstoffe sind langfaseriger als die Buchenholzzellstoffe. Sisal-
fasern werden selten verwendet. Zunehmende Bedeutung erlangen die syntheti-
schen organischen Fasern, beispielsweise die Polyamid- und die Polyesterfasern.
Hohe Festigkeit und Schlagzähigkeit werden mit anorganischen Glas- und mit
Asbestfasern erreicht. Die Bedeutung der Asbestfasern geht jedoch wegen der
bekannten gesundheitlichen Bedenken zurück.
■ Sortiment
Das Sortiment an UF-Formmassen ist nicht groß. Bevorzugt werden die mit ge-
bleichter Cellulose verstärkten Typen für die Herstellung hellfarbiger Formteile.
■ Lieferformen
Die UF-Formmassen werden feinpulvrig, überwiegend jedoch gekörnt geliefert.
■ Typisierung
Von den UF-Formmassen sind die Typen 131 und 131.5 (Zellstoff als Füll-
stoff) genormt. DIN 7708 T 3 (10.75) enthält außer den Typen 131 und 131.5 eine
Anzahl typisierter UF- und MF-Formmassen. Der holzmehlgefüllte Typ 130
hat in Deutschland keine Bedeutung mehr. Als Typen nach DIN 7708 T 3 gel-
ten warmhärtbare Aminoplast-Formmassen, die den Anforderungen nach Ta-
belle 2-100 und 2-101 entsprechen. Die Typen werden in vier Gruppen einge-
teilt:
Gruppe I: Typen für allgemeine Verwendung,
Gruppe II: Typen mit erhöhter Kerbschlagzähigkeit,
Gruppe III: Typen mit erhöhter Formbeständigkeit in der Wärme,
Gruppe IV: Typen mit erhöhten elektrischen Eigenschaften,
Gruppe V: Typen mit sonstigen zusätzlichen Eigenschaften.
Zur Gütesicherung und Überwachung vgl. PF-Formmassen.
(Siehe auch Tabelle 4-37 im Anhang).
■ Physikalische Eigenschaften
Die Mindestanforderungen nach DIN 7708 T 3 an die Typen 131 und 131.5 enthält
Tabelle 2-124.
■ Mechanische Eigenschaften
Die Abhängigkeit der Biegefestigkeit einiger UF-Formstoffe und anderer duro-
plastischer Formstoffe zeigt Bild 2-699.
Den Vergleich der Wechselfestigkeit einiger aus typisierten Formmassen her-
gestellten Formstoffe bei 2 · 107 Lastspielen bringt die folgende Übersicht auf
Polykondensate
Duroplastische
S. 1324 oben.
mechanische
Rohdichte g/cm3 53479 1,5 1,5 1,5 1,55 1,5
Biegefestigkeit N/mm2 53452 80 70 80 60 60
Schlagzähigkeit kJ/m2 53453 6,5 6 6 5 6
Kerbschlagzähigkeit kJ/m2 53453 1,5 1,5 1,5 3,5 6
Druckfestigkeit N/mm2 53454 200 170 200 190 190
Zugfestigkeit N/mm2 53455 30 30 30 30 30
Biege-E-Modul kN/mm2 53457 6 bis 11 6 bis 9 7 bis 10 8 bis 10 8 bis 10
Kugeldruckhärte N/mm2 · 102 53456 2,16–3,5 2,3–3,2 2,3–2,9 2,5–3,0 2,5–3,1
thermische
Gebrauchstemperatur ohne
mechan. Beanspruchung
in Luft kurzzeitig °C 100 120 120 120 120
dauernd °C 70 80 80 80 80
Formbeständigk. n. Martens °C 53458 100 120 120 125 125
linearer Ausdehnungs-
koeffizient K-1 · 10–6 – 40–60 40–60 15–50 30–60 30–60
Wärmeleitfähigkeit W/mK 52612 0,4 0,4 0,4 0,5 0,5
spezifische Wärme kJ/kgK – 1,3 1,2 1,2 1,1 1,1
Glutbeständigkeit Gütegrad 53459 alt 3 3 3 3 3
Stufe 53459 neu 2a 2a 2a 2a 2a
elektrische
Oberflächenwiderstand Vergl.-
zahl (VZ) 53482 10 10 10 9 9
spez. Durchgangswiderstand W cm 53482 1011 1010 109 109 108
2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
Tabelle 2-124 (Fortsetzung)
Es bedeuten: v.H. = von Hand; aut. = automatisch; n.aut. = nicht automatisch; r. = rieselfähig; bed. = bedingt; sch. = schüttbar; P = Pressen;
SP = Spritzpressen; SG = Spritzgießen
1323
Duroplastische
Polykondensate
1324 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
■ Chemikalienbeständigkeit
Beständig gegen: Lösemittel, Öle, Fette, schwache Säuren und Laugen;
nicht beständig gegen: starke Säuren und Laugen, kochendes Wasser, oxidierend
und reduzierend wirkende Stoffe.
■ Witterungsbeständigkeit
UF-Formstoffe nehmen bei Kaltwasserlagerung mehr Wasser auf als MF-Form-
stoffe (s. Tabelle 2-124). Weichmacher unterstützen die Wasseraufnahme. Die
Natur der Harzträger wirkt sich ebenfalls auf die Wasseraufnahme aus. Minera-
lische Träger verhalten sich in der Reihenfolge Gesteinsmehl, Glasfasern, Glim-
mer günstiger.
Holzmehlgefüllte UF-Formstoffe verhalten sich ungünstiger als cellulosehal-
tige. Die Oberflächen verwittern und bleichen, die Oberfläche vergraut durch
eindringenden Schmutz. Feuchtigkeit dringt ein.
■ Strahlenbeständigkeit
Die Strahlenbeständigkeit der UF-Harze ist hoch, bei den Formmassen ent-
scheidet die Natur des Verstärkungsstoffs. Cellulose verhält sich ungünstiger als
Asbest (s. Tabelle 4-31).
■ Brennbarkeit
MF-Formstoffe brennen mit gelblicher Flamme. Nach Entfernen der Zündquelle
erlischt sie. Die Verbrennungsprodukte riechen stechend nach Aminen (fischar-
tig) und Formaldehyd.
■ Gesundheitliche Beurteilung
Formstoffe aus den Typen 130, 131 und 131,5 sind für den Kontakt mit Lebens-
mitteln nicht zugelassen.
Verarbeitung
Durch Pressen, Spritzpressen und Spritzgießen. Höhere Schwindung als PF-
Formmassen, deshalb Neigung zur Spannungsrissbildung. UF-Formstoffe sind
spanend bearbeitbar und gut klebbar (u. a.Verarbeitungshinweise für PF-Form-
massen und Formstoffe.
Polykondensate
Duroplastische
Anwendungsbeispiele
Schaltergehäuse, Steckdosen,Anschlussklemmen, Stecker, Leuchten, Schub-
laden, Beschläge, Schraubverschlüsse in der Kosmetik, Bildwerfergehäuse,
Bedienungsknöpfe, Toilettensitze, Haartrocknerhauben.
2.2.2 Duroplastische Polykondensate 1325
Handelsnamen
Bakelite (Bakelite/DE)
Beetle (American Cyanamid Co./US)
Carbaicar (AICA/ES)
Cibamin (Ciba AG/CH)
Gabrite (Montedison/IT)
Pollopas (Perstorp/SE)
Scarab (BIP Chemicals/GB)
Sirit (S. I. R./IT)
Urochem (Chemiplasta/IT)
Uroplas (AMC-Sprea S.p.A./IT)
2.2.2.2.2
Technische Harnstoffharze
Die Harnstoff/Formaldehydharze und die eng dazu gehörenden Melamin/Form-
aldehydharze haben außer den besprochenen Formmassen große Bedeutung er-
langt als Lackharze, Leim- und Klebstoffe, Bindemittel, Textilhilfsmittel, Isolier-
stoffe, Schichtpressstoffe und Schaumstoffe.
Leime, Bindemittel
Duroplastleime binden entweder unter Mitwirkung von Katalysatoren bei
Zimmertemperatur oder bei Temperaturen von 90 bis 150 °C ab. Die UF-Harze
gehören zu den sog. Kaltleimen, bei denen Kalthärter wirksam werden müssen
(auch mit PF-Harzen sind Kaltverleimungen möglich).
Lösungen von Harnstoffharzen sind meist unbegrenzt verdünnbar und
streckfähig mit Hilfe von Stärke oder Getreidemehl. Die Verleimungen sind ge-
gen kaltes Wasser beständig. Die Leimfilme sind farblos. Diese preiswerten
Harze werden für die Herstellung von Sperrholz und als Bindemittel für Span-
platten in großen Mengen verwendet.
Handelsname
Kaurit (BASF AG/DE)
Schaumstoffe
UF-Schaumstoffe können nach dem Latexschäumverfahren sowie mit Hilfe
chemisch und physikalisch wirkender Treibmittel hergestellt werden. Das La-
texschäumverfahren hat sich hierbei am besten bewährt. Als Ausgangsprodukt
dient eine wässrige, nicht ganz auskondensierte UF-Lösung sowie die wässrige
Lösung eines synthetischen Schäummittels (oberflächenaktive Substanz), dem
vor dem Schäumvorgang katalytisch wirkende Mengen einer anorganischen
oder organischen Säure beigemischt werden.
Polykondensate
Duroplastische
Schichtpressstoffe
UF- und MF-Harze werden vorwiegend für das Imprägnieren der farbgebenden
Schichten von Dekortafeln verwendet, während die Innenlagen mit PF-Harzen
imprägniert werden.
Handelsnamen
Duropal (Duropal-Werk/DE)
Formica (Formica Vertriebs GmbH/DE)
Getalit (Westag & Getalit AG/DE)
Homapal (Homapal Plattenwerk GmbH & Co./DE)
Hornit (Hornitex-Werke Gebr. Künnemeyer/DE)
Max-Platte (Isovolta/AT)
Perstorp (Compounds, Perstorp AB/SE)
Resopal (Rethmann Plano GmbH/DE)
Ricolor (Holztechnik GmbH-Ricolor/DE)
2.2.2.3
Melamin/Formaldehyd-Kunststoffe (MF)
Melamin wurde bereits im Jahre 1834 erstmals durch Justus von Liebig aus ei-
ner Kaliumrhodamid-Ammoniumchlorid-Schmelze isoliert. Er nannte diese
Verbindung Melamin. A.W. v. Hoffmann schlug 1885 die noch heute gültige
Strukturformel vor:
Melamin
Im Jahre 1935 erkannten die Firmen Henkel & Cie., IG Mainkur und Ciba, dass
aus Melamin und Formaldehyd härtbare Harze herstellbar waren. Melamin wird
heute ausschließlich aus Harnstoff hergestellt.
Aus Melamin und Formaldehyd entstehen stufenweise durch Anlagerung
(Addition) und Polykondensation die Melaminharze. Zunächst werden dabei
wasserlösliche Zwischenverbindungen gebildet. Jede der drei Aminogruppen
des Melamin kann eine bzw. zwei Formaldehydmoleküle anlagern. Es entstehen
Trimethylol- bis Hexamethylolmelamin.
Polykondensate
Duroplastische
Formaldehyd
Melamin Hexamethylolmelamin
2.2.2 Duroplastische Polykondensate 1327
2.2.2.3.1
Härtbare MF-Formmassen
■ Allgemeine Stoffbeschreibung
In MF-Formmassen dienen organische und anorganische Stoffe als Harzträger.
Wie bei den UF-Formmassen werden daraus Formstoffe in weißen und Pastell-
farbtönen hergestellt. Sie sind durch folgende Eigenschaften gekennzeichnet:
■ Zusatzstoffe
Siehe Abschnitt 2.2.2.2.1.
Polykondensate
Duroplastische
■ Sortiment
Das Sortiment der MF-Formmassen umfasst vor allem jene Anwendungsge-
biete, die durch die billigeren UF-Formmassen nicht abgedeckt werden können.
Dieses ist in der Elektrotechnik dann der Fall, wenn höhere Kriechstromfestig-
1328 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
keit sowie höhere Beständigkeit gegen Feuchtigkeit und Wärme verlangt wer-
den. Kriechstromfest ist Typ 150, schlagfest Typ 153 und warmfest sind die Typen
156, 157 und 158. Für Sichtflächen eignet sich der mit feingemahlenem Zellstoff
verstärkte Typ 152.
Die Typen 150, 152 und 157 schwinden stark nach, der mit langfaserigem As-
best verstärkte Typ hingegen am wenigsten.
Typ 152.7 ist für die Herstellung von Bedarfsgegenständen nach dem Lebens-
mittelgesetz zugelassen. Die besonderen Anforderungen sind nachstehend zu-
sammengestellt.
Verhalten beim Kochversuch Kein Becher darf Risse oder sonstige äußer-
liche Veränderungen zeigen. Das Kochwasser
darf weder gefärbt noch getrübt sein.
Verschmutzbarkeit Kein Becher darf angefärbt sein oder Risse
aufweisen.
Geschmack- und Geruchfreiheit Geschmack und Geruch des Brühwassers
dürfen bei keinem Becher von dem des
Vergleichswassers abweichen.
Formaldehyd-Abgabe Kein Becher darf mehr als 3 ppm (3 mg/ml)
Formaldehyd abgeben.
■ Lieferformen
MF-Formmassen werden pulverförmig, faserig und schnitzelig oder als Granu-
lat geliefert. Sie enthalten wie bei den Harnstoffharzen z. B.
30 bis 40 % gebleichte Cellulose,
30 bis 50 % Harz,
5 bis 8 % Feuchtigkeit
(einschl. des bei der Polykondensation gebildeten Wassers),
0,5 bis 1 % wachsartige Gleitmittel (z. B. Zinkstearat),
0 bis 5 % Farbmittel,
0,5 bis 3 % Härtungskatalysatoren,
0 bis 10 % Weichmacher.
■ Typisierung
Zahlreiche MF-Formmassen sind gemäß DIN 7708 T 3 (10.75) typisiert.
Zur Gütesicherung und Überwachung vgl. PF-Formmassen.
■ Physikalische Eigenschaften
Richtwerte kennzeichnender Eigenschaften typisierter MF-Formmassen enthält
Tabelle 2-124.
Die Abhängigkeit der Biegefestigkeit des holzmehlgefüllten Typs 150 von der
Polykondensate
Duroplastische
Temperatur zeigt Bild 2-699. Die bereits von der Beschreibung der PF-Form-
stoffe her bekannten Bilder 2-703 und 2-707 zeigen auch das temperaturabhän-
gige Verhalten wichtiger mechanischer, thermischer und elektrischer Eigen-
schaften des Typensortimentes der MF-Formmassen. Man erkennt, dass die Ge-
2.2.2 Duroplastische Polykondensate 1329
■ Chemikalienbeständigkeit
Beständig gegen: Lösemittel, Öle, Fette, schwache Säuren und Laugen (grund-
sätzlich chemikalienbeständiger als UF-Formstoffe), erhöht heißwasserbeständig;
nicht beständig gegen: starke Säuren und Laugen, oxidierend und reduzierend
wirkende Stoffe.
■ Witterungsbeständigkeit
(Siehe UF-Formmassen, Abschn. 2.2.2.2.1)
■ Strahlenbeständigkeit
Die Strahlenbeständigkeit celluloseverstärkter MF-Formmassen gleicht derjeni-
gen von PF-Harz und UF-Typ 131, d.h. bei einer Strahlendosis von 106 J/kg (in Luft)
fallen Zugfestigkeit und Reißdehnung um 20% ab, s. Tabelle 4-31 im Anhang.
■ Brennbarkeit
Siehe UF-Formmassen.
■ Gesundheitliche Beurteilung
Nur der Typ 152.7 ist für den Kontakt mit Lebensmitteln zugelassen (s. a. Ab-
schnitt Sortiment).
■ Verarbeitung
Siehe Abschnitt PF-Formmassen.
Durch Pressen, Spritzpressen und Spritzgießen. Höhere Schwindung als bei
PF-Formmassen, deshalb Neigung zur Spannungsrissbildung. MF-Formstoffe
sind spanend bearbeitbar und gut klebbar (s. a. Verarbeitungshinweise für PF-
Formmassen und PF-Formstoffe).
Anwendungsbeispiele
Elektroinstallationsmaterial, Verschraubungen, Beschläge, Haus- und
Küchengeräte, Gehäuse, Essgeschirr, Programmsteuerscheiben u. a.
Handelsnamen
Bakelite (Bakelite/DE)
Cymel (American Cyanamid Corp./US)
Polykondensate
Duroplastische
Isomin (Perstorp/SE)
Malaform (Chromos-Ro Polimeri/Croatia)
Melaicar (AICAR/ES)
Melbrite (Montedison/IT)
1330 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
2.2.2.3.2
Modifizierte MF-Formmassen
2.2.2.3.2.1
Härtbare Melamin/Phenol/Formaldehyd-Formmassen
Das Eigenschaftsbild der PF-, UF- und MF-Formmassen ist unterschiedlich. Es
liegt deshalb nahe, ähnlich wie bei den thermoplastischen Copolymeren, auch
bei diesen Kunststoffen die Eigenschaften durch Cokondensation auszugleichen
und zu verbessern. Ein erfolgreiches Beispiel sind die MF/PF-Formmassen. Sie
sind seit 1957 am deutschen Markt.
■ Allgemeine Stoffbeschreibung
Die kennzeichnenden Eigenschaften dieser MF-Formstoffe sind gegenüber den
PF-Formstoffen:
■ Sortiment
Das Sortiment enthält organisch und anorganisch gefüllte Typen. Typ 180 (holz-
mehlgefüllt) und Typ 181 (zellstoffgefüllt) werden für die Herstellung von Sicht-
teilen verwendet. Typ 181.5 ist elektrisch hochwertig. Für Elektroinstallations-
material werden ebenso die Typen 182 (Holzmehl und anorganisch), 183 (Zell-
stoff und anorganisch) verwendet.
■ Lieferformen
Diese Formmassen stehen als Granulat und als Pulver zur Verfügung.
■ Typisierung
Diese Formmassen sind z. T. typisiert (Typ 180 bis 183). Zur Gütesicherung und
Überwachung s. PF-Formmassen (siehe auch Tab. 4-37 im Anhang).
Polykondensate
Duroplastische
■ Physikalische Eigenschaften
Die wichtigsten Eigenschaften der MF-Formmassen sind in Tabelle 2-124 zu-
sammengestellt. Das zeit- und temperaturabhängige Verhalten einiger mechani-
2.2.2 Duroplastische Polykondensate 1331
scher, thermischer und elektrischer Eigenschaften geben die Bilder 2-699 und
2-703 bis 2-707 wieder.
■ Chemikalienbeständigkeit
Beständig gegen: Wasser (kalt und kochend), schwache Laugen, Alkohole, Ester,
Ether, Benzol, Benzin, Mineralöl, Fette.
Bedingt beständig gegen: schwache Säuren (wie PF, UF und MF).
Nicht beständig gegen: starke Säuren und starke Laugen.
■ Gesundheitliche Beurteilung
MP-Formaldehyd-Formstoffe sind für den Kontakt mit Lebensmitteln nicht zu-
gelassen.
■ Verarbeitung
(Siehe PF-Formmassen)
Anwendungsgebiete
Gehäuse, Schalen, Griffe, Schraubverschlüsse, Installationsmaterial, Schal-
ter, Schütze, Funkenlöschkammern.
Handelsnamen
Bakelite (Bakelite/DE)
Melaicar (AICAR/ES)
Melopas (Ciby-Geigy/CH)
Resimene (Monsanto Co./US)
Resart (Resart/DE)
Vyncolite (Vynckier/BE)
2.2.2.3.2.2
Technische Melaminharze
Die Bedeutung der MF-Harze erstreckt sich nicht allein auf die besprochenen
Formmassen, sondern ähnlich wie bei den UF-Harzen auf Lacke, Leime, Binde-
mittel, Textilhilfsmittel, und vor allem Imprägniermittel für dekorative Schicht-
pressstoffe.
Leime, Bindemittel
Vorkondensationsprodukte von Melamin und Formaldehyd werden durch Sprü-
hen oder auf der Walze getrocknet und kurz vor dem Verbrauch als Pulver in
Polykondensate
Duroplastische
die Beständigkeit der PF-Harze, sind jedoch diesen gegenüber durch ihre helle
Farbe im Vorteil.
Wegen des hohen Preises der MF-Harze werden im Hinblick auf eine höhere
Beständigkeit gegen warmes Wasser Gemische aus MF- und UF-Harzen verwen-
det. MF-Harzleime sind einfach anzurühren, sie ergeben ohne Härterzusatz ei-
nen sofort gebrauchsfertigen Leim, der vor allem in der Furnier- und Möbel-
industrie Bedeutung erlangte.
PF/MF-Harz-Schichtpressstoffe
Der Kern dekorativer Schichtpressstoffe besteht üblicherweise aus mehreren La-
gen Natronkraftpapier, das mit 30 bis 35 % Phenol- oder Kresolformaldehydharz
imprägniert wird. Auf diesen Kern wird ein einfarbiges oder bedrucktes Blatt
a-Cellulosepapier gelegt, das mit einer MF-Harzlösung bestrichen wurde.
Bedruckte Papiere sind weiß und hoch gefüllt, weil der braune Kern verdeckt
werden muss. Häufig wird über das Dekorpapier ein dünner Überpresser (over-
lay) aus ungefülltem, sehr saugfähigem, MF-Harz imprägniertem Papier gelegt.
Die Schichtstoffe werden in Mehretagenpressen (bis zu 40 Etagen, z. B. 10 bis 14
Tafeln 1,3 mm dick je Etage) bei Drücken von 70 bis 120 bar gepresst.
In den letzten Jahren haben die sog. Nachformqualitäten an Bedeutung ge-
wonnen. Sie enthalten modifizierte PF-Harze im Kern und plastifizierte MF-
Harze in der Dekorschicht, die ein nachträgliches Warmformen, z. B. mit Radien
von 10 mm, zulassen.
Flammschutzmittel können in das Papier oder in das Harz eingebracht wer-
den. Dekorative Schichtpressstoffe spielen eine große Rolle beim Bau von Hotels,
Krankenhäusern, Schulen und Büros sowie bei der Herstellung von Möbeln,
Türen und Wandverkleidungen.
Die Anforderungen an dekorative Schichtpressstofftafeln enthält DIN 16926 E
(03. 84), die Prüfung geschieht nach DIN 53 799 E (03. 84).
Handelsnamen
Duropal (Duropal Werk-E/DE)
Formica (Formica Vertriebs GmbH/DE)
Getalit (Westag und Getalite/DE)
Homapal (Homapal Plattenwerk/DE)
Hornit (Hornitex Werke/DE)
Max-Platte (Isovolta/AT)
Perstorp Platten (Compounds Perstorp AB/SE)
Resopal (Rethmann Plano GmbH/DE)
Ricolor (Holztechnik GmbH Ricolor/DE)
2.2.2.4
Ungesättigte Polyesterharze (UP)
Die weltweite Produktion von ungesättigten Polyesterharzen betrug im Jahre
2002 ca. 2,4 Mio. t. Dies entsprach rund 9 % der im gleichen Jahr produzierten
27 Mio. t Duroplaste, die wiederum etwa 25 % der weltweiten Kunststoffproduk-
tion betrugen [1].
Vernetzungsreaktionen von Polyestern wurden 1934 erstmalig von H. Stau-
dinger untersucht. Ellis und Forster erhielten 1936 das erste Patent für die Poly-
merisation ungesättigter Polyester in formgebenden Werkzeugen. Die United
States Rubber Company fand 1942, dass die mechanischen Eigenschaften von
Polyesterharzen durch Verstärken mit Glasfasern wesentlich verbessert werden
können (siehe auch Kapitel Verstärkungsfasern 1.3.5.3). Die ungesättigten Poly-
esterharze werden meistens unter Weglassen des Adjektivs genannt. Man ver-
steht darunter durch Polykondensation hergestellte polyfunktionelle, d. h. unge-
sättigte Produkte, die mit ungesättigten Monomeren zu duroplastischen Ender-
zeugnissen verarbeitet werden. Dabei findet eine Copolymerisation zwischen
den ungesättigten Polyestermolekülen und den Monomeren statt. Da diese
Harze erst bei der Verarbeitung – besser noch erst bei der Herstellung – durch
eine Reaktion in situ zu Formstoffen werden, zählen sie zu den so genannten Re-
aktionsharzen.
Die UP sind nicht zu verwechseln mit den linearen, gesättigten Polyestern
(z. B. Polyethylenterephthalat PET), die aus Terephthalsäure und Alkylenglykol
polykondensiert werden. Polyethylenterephthalat ist z. B. seit 1941 ein wichtiger
Faserrohstoff. Es dient außerdem zur Herstellung hochwertiger Folien und seit
Mitte der sechziger Jahre auch zur Herstellung technischer Spritzgussartikel.
UP-Reaktionsharze gibt es in zahlreichen Rezepturen und für vielfältige An-
wendungen. Am bekanntesten sind:
Polykondensate
Duroplastische
• Versiegelungen,
• Beschichtungsmassen für den Korrosionsschutz von Bauwerken, Behältern
und Rohrleitungen,
• Estrichmassen,
• Gieß-, Tränk- und Einbettharze für die Elektrotechnik,
• geschleuderte, dekorativ gefüllte Knopfplatten,
• Einbettmassen für die Konservierung von Sammelobjekten aller Art,
• Lacke und Klebstoffe.
Die unverstärkten, unmodifizierten Gießharze sind
• hart,
• spröde,
• transparent.
Zur Verbesserung ihrer Eigenschaften werden sie meist in Verbindung mit
Verstärkungsmaterialien und Füllstoffen verarbeitetet. Die wichtigste Produkt-
form der UP-Harze sind die für die Herstellung von Formteilen und Halbzeugen
bestimmten Gießharze. Das bevorzugte Verstärkungsmaterial sind Glasfasern
(E-Glas). Diese UP-GF-Formstoffe zeichnen sich durch folgende grundlegende
Eigenschaften aus:
• hohe Festigkeit, Steifigkeit und Härte,
• hohe Formbeständigkeit in der Wärme,
• durchscheinend,
• elektrisch und dielektrisch hochwertig, kriechstromfest,
• Formstoffe aus UP-Harzen laden sich wegen ihres hohen Oberflächenwider-
standes von >1013 W elektrostatisch auf,
• maßhaltiger als anorganisch verstärkte Phenoplaste,
• nahezu nachschwindungsfrei,
• frei von Spannungsrissen,
• geringe Wasseraufnahme,
• hohe Witterungsbeständigkeit.
Außer den „klassischen“ Duroplasten (Pheno- und Aminoplaste) werden seit
Ende der fünfziger Jahre – vorzugsweise in der Elektrotechnik, der Elektronik,
dem Automobil-, Nutzfahrzeug- und Haushaltsgerätebau – in zunehmendem
Maße Formmassen aus ungesättigten Polyesterharzen (UP-Formmassen) ver-
wendet.
Die Anzahl der technisch bedeutungsvollen verstärkten Reaktionsharze, zu
denen außer den UP- und Epoxid- (EP-) auch die Polydiallylphthalat- (DAP-)
Harze gehören, ist so groß, dass es begrüßenswert ist, in DIN 16913 diese Harze
geordnet vorzufinden. Tabelle 2-125 gibt einen Überblick am Beispiel von UP-
Harz-Glasfasern [2].
Unabhängig von der Darbietungsform: Faser- oder Stäbchen-Formmasse, li-
nien- oder flächenförmiges Prepreg, handelt es sich in jedem Falle um vorim-
Polykondensate
Duroplastische
prägnierte Formmassen. Für Formmassen auf anderer Harzbasis ist statt des
Kurzzeichens UP die jeweilige Harzart EP (Epoxidharz), VE (Vinylesterharz)
oder DAP (Polydiallylphthalat) einzusetzen. An die Stelle des Buchstabens G
(Glasfaser) tritt gegebenenfalls das Zeichen C = Kohlenstoff-, B = Bor-, M = Me-
Tabelle 2-125. Verstärkte Reaktionsharz-Formstoffe aus UP und Glasfasern nach DIN 16 913, T. 1 (04. 81)
Duroplastische
Polykondensate
Duroplastische
Polykondensate
tall- oder S = synthetische Faser. Auf dem Weg zur wirtschaftlichen Herstellung
von Formteilen im Nasspressverfahren war man bald gezwungen,Verstärkungs-
fasern mit dem UP-Harz vorzuimprägnieren, um die erhaltenen Formmassen
wie Pheno- oder Aminoplaste im Warmpressverfahren verarbeiten zu können.
Die schwierige Handhabung derartiger Massen zwang ferner dazu, die Klebrig-
keit mit Hilfe feingemahlener Mineralien wie Kreide, Dolomit, Talkum und
Kaolin zu überwinden (siehe auch Kapitel Füllstoffe 1.3.5.2) [3].
Die Typisierung umfasst die UP-Formmassen 801 bis 804 nach DIN 16911
(01.78) sowie die Polyester-Harzmatten 830,5, 831,2 und 833,5 nach DIN 16913 T3
(04.81), welche wie folgt erhältlich sind:
• In flüssiger, vorgemischter, stabilisierter Form,
• als kittähnliche Formmasse,
• als rieselfähige kleinstückige Masse (englisch: bulk molding compound,
BMC),
• als mattenförmige (vorimprägnierte) Prepregs (englisch: sheet molding
compound, SMC),
• als Halbzeug in Form glasfaserverstärkter Tafeln, Rohre und Profile, gepress-
ter oder spritzgegossener Formteile,
• als Lackharze, Vergussmassen und Gießharze für Betonbeschichtungen und
Gießharzbeton.
Die relevanten Normen sind in der folgenden Tabelle 2-126 dargestellt:
(Schüttdichte)
Duroplastische
ISO 61 (06/76) Kunststoffe – Bestimmung der Stopfdichte von Formmassen, die nicht
durch einen genormten Trichter abfließen können
ISO 7808 (12/92) Kunststoffe; Bestimmung des Fließvermögens härtbarer Formmassen
2.2.2 Duroplastische Polykondensate 1339
2.2.2.4.1
Synthese und Compoundierung
2.2.2.4.1.1
Synthese
Polykondensate
Duroplastische
Die für die UP-Herstellung als eine der Reaktionskomponenten dienenden Ester
werden aus Alkoholen und Säuren gewonnen. Als Ausgangsstoffe für hoch-
molekulare Ester müssen bi- oder polyfunktionelle Edukte gewählt werden. Es
1340 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
Maleinsäure Ethylenglykol
1,2-Propylenglykol 1,3-Butandiol
o-Phthalsäurenanhydrid Terephthalsäure
Harze führt. Diese Harze eignen sich vorzüglich für die Herstellung von Deck-
schichten bei Glasfaserverstärkten Kunststoff- (GFK-) Formteilen, d. h. als so ge-
nanntes Gelcoat.
2.2.2 Duroplastische Polykondensate 1341
2.2.2.4.1.2
Struktur und Morphologie
Die UP-Reaktionsharz-Formmassen härten durch radikalische Polymerisation.
Sie werden im angloamerikanischen Sprachgebrauch häufig auch als Alkydharz-
Formmassen bezeichnet. Die Mischung polymerisiert erst dann, wenn ein Kata-
lysator, z. B. Peroxid, zugegeben wird. Das Harz geht vom ungesättigten in den
gesättigten, räumlich vernetzten Zustand über.
2.2.2.4.1.3
Compound und Blend
Die ungesättigten Polyesterharze erfordern bei der Weiterverarbeitung als
Reaktionsharze zahlreiche Zusatzstoffe, zu denen die bereits im Kapitel Funk-
Polykondensate
Duroplastische
Masseanteil %
UP-Harz 35,0
Härter (z. B. tert. Butylperbenzoat, 95 %ig) 0,3
Eindickungsmittel (z. B. Magnesiumoxid) 0,5
Interne Trennmittel (z. B. Zinkstearat) 1,2
Füllstoff (z. B. Kreide) 35,0
Geschnittene Filamente (BMC) 28,0
100,0
Harz, Funktionszusatzstoffe und Füllstoffe werden in einem Kneter homogen
gemischt und dabei die verstärkenden Glasfasern eingestreut, wobei die Faser
nicht zerkleinert werden darf. Die Verarbeitungsverfahren dieser teig- bis stroh-
artigen Formmassen sind das Pressformen, Spritzpressen und das Spritzgießen.
Die Verarbeitung auf rationell arbeitenden Spritzgießautomaten erfordert – wie
bei den Pheno- und Aminoplasten – die Entwicklung riesel- bis schüttfähiger
Formmassen.
Die übliche Zusammensetzung eines UP-Formmassegranulates ist folgende:
Masseanteil %
UP-Harz 24,0
Härter (z. B. Dicumylperoxid) 0,3
Interne Trennmittel (z. B. Zinkstearat) 0,7
Füllstoff (z. B. Kreide) 65,0
Glasfasern 10,0
100,0
Bei der Herstellung von Stranggranulat werden die Faserstränge durch ein
Imprägnierbad geführt und anschließend getrocknet. Stranggranulate können
nur mit hohem Glasfaseranteil hergestellt werden. Vielseitiger einsetzbar sind
die Zylindergranulate, bei deren Fertigung die faserverstärkte Masse auf Spezial-
granulatoren im gewünschten Durchmesser extrudiert und gleichzeitig zu Gra-
nulat bestimmter Länge geschnitten wird.
Das Sortiment umfasst durch Pressformen, Spritzpressen und Spritzgießen
verarbeitbare Typen mit unterschiedlichen Füll- und Verstärkungsstoffen und
unterschiedlicher Dosierbarkeit. Daraus resultieren unterschiedliche mechani-
sche Eigenschaften, vor allem im Hinblick auf Schlagzähigkeit, Druckfestigkeit
und Wasseraufnahme. Schrumpfarme UP-Formmassen siehe Kapitel Funktions-
Zusatzstoffe LP-Additiv 1.3.5.1.
Die längere Fasern und anorganische Füllstoffe enthaltenden Typen 801 und
802 nach DIN 16911 (01.78) werden als kittartige Teigpressmassen und schütt-
bare Stäbchen oder Schnitzelmassen geliefert.
Kittartige Massen sind schwierig zu dosieren, sie weisen jedoch den Vorteil
größerer Glasfaserlänge und damit verbunden guter mechanischer Eigenschaften
auf. Styrolfeuchte „Sauerkrautmassen“ erfordern spezielle Speisevorrichtungen.
Polykondensate
Duroplastische
2.2.2.4.2
Eigenschaften
2.2.2.4.2.1
Thermo-Mechanische Eigenschaften
Richtwerte kennzeichnender Eigenschaften aus normal und erhöht wärme-
beständigen und biegefesten Formmassen hergestellter Probekörper enthält
Tabelle 2-127. Die Angaben stellen jeweils die zu erreichenden Mindestwerte
dar.
Richtwerte der kennzeichnenden Eigenschaften der rieselfähigen Formmas-
sen und Harzmatten enthält Tabelle 2-128.
Hinsichtlich ihrer physikalischen Eigenschaften sowie ihrer Veränderung
durch Feuchtigkeits- und Witterungseinflüsse stehen die UP-Formmassen zwi-
schen den Phenol- und Epoxidharz-Formmassen.
Über die insgesamt gesehen guten physikalischen Eigenschaften der UP-
Formmassen ragen diejenigen einiger Sonderformmassen hinaus. Zu nennen
sind die höhere Schlagzähigkeit, der höhere Elastizitätsmodul, die höhere Kugel-
druckhärte, die höhere Formbeständigkeit in der Wärme sowie der niedrigere li-
neare Ausdehnungskoeffizient. Andere Sondertypen weisen erhöhte Flamm-
widrigkeit auf.
Im Hinblick auf die technische Verwendung von Formteilen aus UP-Form-
massen ist vor allem die Zeit- und Temperaturabhängigkeit wichtiger mechani-
scher Eigenschaften von Bedeutung. Hierüber geben Bild 2-701 und Bild 2-703
(siehe Kapitel Härtbare PF-Formmassen 2.2.2.1.1) Auskunft.
Bild 2-710.
Spannungsdehnungsdiagramm
verschiedener unverstärkter
UP-Harzformstoffe (nach DIN
16946)
a Normalharz, Typ 1110
b besonders zähes Harz, Typ
1120
c wärmeformbeständiges Harz,
Typ 1130
d Weichharz, Typ 1100
b 60 % Glasfasergewebe 181 –
Massegehalt
2.2.2 Duroplastische Polykondensate 1347
mechanische
Rohdichte g/cm3 53479 1,2 1,2
Biegefestigkeit N/mm2 53542 65 110
Zugfestigkeit N/mm2 53455 30 55
Reißdehnung % 53455 2 2
Biege-E-Modul N/mm2 53457 3500 3500
Druckfestigkeit N/mm2 53454 150 150
Schlagzähigkeit kJ/m2 53453 10 10
Kerbschlagzähigkeit kJ/m2 53453 1,5 2,5
thermische
Gebrauchstemperatur ohne
mechanische Beanspruchung
in Luft kurzzeitig °C – 160 180
dauernd °C – 120 140
Glasübergangstemperatur °C – 70 120
Formbeständigkeit
ISO/R 75 °C – 50 80
nach Martens °C 53458 55 90
linearer Ausdehnungskoeffizient K–1 · 106 – 60 bis 80 60 bis 80
elektrische
Oberflächenwiderstand W 53482 1015 1015
spezif. Durchgangswiderstand W cm 53482 1013 1013
dielektrischer Verlustfaktor tan d – 53483
(trocken) 50 Hz – – 0,02 0,01
1 kHz – – 0,02 0,02
1 MHz – – 0,03 0,02
Dielektrizitätszahl (trocken)
50 Hz bis 1 MHz – 53483 4,5 bis 4 4
Kriechstromfestigkeit – 53480
Vergleichszahl der
Kriechwegbildung CTI – > 400 > 500
Wasseraufnahme (24 h) mg/4 d 53472 40 40
■ Umwandlungstemperaturen
Über die Abhängigkeit der Steifheit eines Kunststoffes von der Temperatur gibt
der im Kurzzeitversuch ermittelbare Schubmodul Auskunft. Bild 2-712 zeigt den
Verlauf des Schubmoduls einer rieselfähigen faserverstärkten UP-Formmasse.
Dabei zeigt sich augenfällig der Unterschied in der versteifenden Wirkung ver-
Polykondensate
Duroplastische
schiedener Fasersorten.
Der Verlauf des Schubmoduls von vier UP-Harzformstoffen verschiedener
Einstellung in Abhängigkeit von der Temperatur ist in Bild 2-713 wiedergegeben.
Mit abnehmender Temperatur steigen Zug-, Druck- und Biegefestigkeit stark an.
1348 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
mechanische
Rohdichte g/cm3 53479 1,8 bis 2,0 2,0 bis 2,1
Biegefestigkeit N/mm2 53452 60 55
Schlagzähigkeit kJ/m2 53453 22 4,5
Kerbschlagzähigkeit kJ/m2 53453 22 3
Druckfestigkeit N/mm2 53454 120 230
Zugfestigkeit N/mm2 53455 25 30
Biege-E-Modul kN/mm2 53457 12 bis 15 10 bis 15
Kugeldruckhärte N/mm2 · 10–2 53456 1,6 bis 2,4 2 bis 3
thermische
Gebrauchstemperatur ohne
mechanische Beanspruchung
in Luft kurzzeitig °C – 200 200
dauernd °C – 150 160
Formbeständigkeit
nach Martens °C 53458 125 140
linearer Ausdehnungskoeffizient K–1 · 106 – 10 bis 40 20 bis 50
Wärmeleitfähigkeit W/mK 52612 – 0,4
spezifische Wärme kJ/kgK – 0,9 0,9
Glutbeständigkeit Gütegrad 53459 neu 3a 2c
elektrische
Oberflächenwiderstand Vergleichs- 53482 10 12
zahl (V)
spezifisch. Durchgangswiderstand W cm 53482 1012 1012
dielektrischer Verlustfaktor tan d – 53483
50 Hz – – 0,06 0,04
1 kHz – – 0,1 0,03
1 MHz – – 0,02 0,01
Dielektrizitätszahl
50 Hz bis 1 MHz – 53483 4 bis 6 4 bis 6
Vergleichszahl der
Kriechwegbildung CTI/A – > 600 >600
Verarbeitungsverfahren – – P, SP P, SP, SG
Dosierbarkeit – – v.H. r
Tablettierbarkeit – – n.aut. gut
Füllfaktor – 53466 4 bis 10 3
Entgratung – – v.H. aut.
Verarbeitungsschwindung % 53464 0,1 bis 0,4 0,5 bis 0,7
Nachschwindung % 53464 0 bis 0,1 0 bis 0,1
Polykondensate
Duroplastische
Es bedeuten: v.H. = von Hand; aut. = automatisch; n.aut. = nicht automatisch; r. = rieselfähig;
bed. = bedingt; sch. = schüttbar; P = Pressen; SP = Spritzpressen; SG = Spritzgießen;
*) bei den „5-Typen“ Mindestanforderung nach DIN 16913 T3 (04.81)
2.2.2 Duroplastische Polykondensate 1349
Typ 803 Typ 804 Typ 830 Typ 831 Typ 832 Typ 833 Typ 834
830.5 831.5 832.5 833.5
1,8 bis 2,0 2,0 bis 2,1 1,8 1,8 1,8 1,8 1,8
60 55 120 120 160 160 140
22 4,5 40 40 50 50 50
22 3 – – – – –
120 230 150 150 150 150 150
25 30 40 40 80 80 70
12 bis 15 10 bis 15 9 9 12 12 10
1,6 bis 2,4 2 bis 3 1,6 1,6 1,8 1,8 1,8
125 140 – – – – –
10 bis 40 20 bis 50 10 bis 40 10 bis 40 110 bis 40 10 bis 40 10 bis 40
0,8 0,4 0,8 0,5 0,5 0,5 0,5
0,9 0,9 0,9 0,9 0,9 0,9 0,9
2a 2a 3a 2b 3a 2b 2a
> 600 > 600 > 600 > 600 > 600 > 600 > 600
P, SP P, SP, SG P, SP P, SP P, SP P, SP P, SP
v.H. r v.H. v.H. v.H. v.H. v.H.
n.aut. gut – – – – –
4 bis 10 3 – – – – –
v.H. aut. v.H. v.H. v.H. v.H. v.H.
0,1 bis 0,4 0,5 bis 0,7 0 bis 0,2 0 bis 0,2 0 bis 0,2 0 bis 0,2 0 bis 0,2
0 bis 0,1 0 bis 0,1 0 bis 0,1 0 bis 0,1 0 bis 0,1 0 bis 0,1
Polykondensate
Duroplastische
1350 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
■ Thermisches Verhalten
Den Vergleich des Schubmodulverlaufs verschiedener Formstoffe aus härtbaren
Formmassen zeigt Bild 2-712. Die Gebrauchstemperaturen der UP-Formstoffe
betragen 150 °C dauernd und 200 °C kurzzeitig (siehe auch Tabellen 2-125, 2-127
Polykondensate
Duroplastische
und 2-128).
2.2.2 Duroplastische Polykondensate 1353
Polykondensate
Duroplastische
Duroplastische
Polykondensate
1356 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
2.2.2.4.2.2
Beständigkeit und Sperrfähigkeit
■ Chemikalienbeständigkeit
Die chemische Beanspruchung von UP-Formstoffen kann in etwa drei Gruppen
gegliedert werden:
• Hydrolyse oder Verseifung durch Alkalien, Säuren und heißes Wasser,
• Quellen durch organische Lösemittel,
• Oxidation z. B. durch Chromschwefelsäure.
UP-Normalharze sind gegen Salz-, Akku-, Milch- und Phosphorsäure, schwache
Polykondensate
Duroplastische
■ Witterungsbeständigkeit
UV-stabilisierte, unverstärkte UP-Gießharzformstoffe und GF-verstärkte Form-
stoffe werden durch Bewitterung nur wenig geschädigt. Im Industrie-, Alpen-
und Seeklima fällt beispielsweise die Biegefestigkeit nach achtjähriger Bewitte-
rung um 30 % ab. Dabei kommt es entscheidend auf die Güte der Laminate an.
Die Oberflächengüte verstärkter Formstoffe bleibt dann lange Zeit erhalten,
wenn die Glasfasern nicht aus der Oberfläche herausragen. Der unterschiedliche
lineare Ausdehnungskoeffizient von Harz und Glas lockert den Verbund; Feuch-
tigkeit dringt ein (Gelcoat erforderlich). Nicht UV-stabilisierte und unvollstän-
dig ausgerüstete Harze vergilben rasch.
■ Strahlenbeständigkeit
Bei unverstärktem UP-Gießharz können bereits bei einer Strahlendosis von
105 J/kg Zugfestigkeit und Reißdehnung um 20 % abnehmen, während ein Ring-
verbindungen enthaltender, mineralgefüllter Formstoff noch bis 107 J/kg unver-
ändert bleibt, s. a. Tabelle 4-33 im Anhang.
■ Brennbarkeit
Nicht mit Flammschutzmittel ausgerüstete UP-Harze sind leicht entflammbar.
Sie brennen mit leuchtender, rußender Flamme. Dabei verbreiten sie meist einen
süßlichen Geruch nach Styrol.
Als Flammschutzmittel dient z. B. Antimontrioxid (7 bis 10 % Massegehalt).
Transparente Einstellungen werden mit speziellem Flammschutzmittel aus-
gerüstet. Derartige UP-Laminate erfüllten die Anforderungen der Klasse B 1
(schwer brennbare Baustoffe) gemäß DIN 4102 T 1 (05.81) ASTM E84, ASTM E
119, NF P 92-501.
■ Wasseraufnahme
Wassereinwirkung schädigt vor allem die GF-verstärkten UP-Harze. Der Abfall
ist bei Mattenlaminaten meist größer als bei Gewebelaminaten. Die Festigkeits-
minderung ist bei Dauereinwirkung von Wasser bei Raumtemperatur nach etwa
einem Monat abgeschlossen. Die Vorgänge in der Grenzfläche Faser/Harz sowie
die Oberflächenbehandlung des Glases bestimmen dieses Verhalten. Ein hydro-
lytischer Abbau des Harzes tritt nicht ein.
Bei höherer Temperatur werden nicht nur die Vorgänge in der Grenzfläche,
sondern auch der Einfluss auf das Harz wirksam. Die Schädigung äußert sich in
Polykondensate
Duroplastische
Rissbildung und hydrolytischem Abbau. Naturgemäß spielt die Art des Harzes
dabei eine entscheidende Rolle.
1358 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
2.2.2.4.2.3
Elektrische, optische, akustische Eigenschaften
■ Elektrische Eigenschaften
UP-Formstoffe zeichnen sich durch gute elektrische Eigenschaften aus:
• hoher Oberflächenwiderstand,
• hoher spezifischer Durchgangswiderstand,
• hohe Durchschlagfestigkeit,
• hohe Kriechstromfestigkeit (ausgenommen sind Spezialharze),
• günstige dielektrische Eigenschaften.
Die Überlegenheit der UP-Formstoffe hinsichtlich ihrer elektrischen Eigenschaften
wird besonders deutlich im Vergleich mit anderen duroplastischen Formstoffen.
Bild 2-719. Kriechstromfestigkeit (nach DIN) und Lichtbogenfestigkeit (nach ASTM) einiger
duroplastischer Formstoffe
Bild 2-721. Abhängigkeit des dielektrischen Verlustfaktors tan d und der Dielektrizitätszahl des
UP-Formstoffs Typ 801 von Frequenz und Temperatur
Polykondensate
Duroplastische
Bild 2-722. Abhängigkeit des dielektrischen Verlustfaktors tan d und der Dielektrizitätszahl des
UP-Formstoffs Typ 802 von Frequenz und Temperatur
Duroplastische
Polykondensate
1360
2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
Bild 2-723. Abhängigkeit einiger elektrischer Eigenschaften von UP-Weichharzformstoff von Temperatur und Frequenz
2.2.2 Duroplastische Polykondensate 1361
■ Akustische Eigenschaften
Im Vergleich zu Stahl sind die akustischen Eigenschaften speziell der glasfaser-
verstärkten Formmassen (SMC/BMC) deutlich besser, weshalb SMC immer häu-
figer, beispielsweise als Ölwanne, im Motorraum eingesetzt wird. Dies ist auf eine
gute Dämpfung des Körper- und Luftschalls zurück zu führen.
2.2.2.4.3
Verarbeitung und Anwendung
Die Reaktionsharze werden zähflüssig in Styrol gelöst angeliefert. Die Lagerzeit
beträgt unter günstigen Bedingungen (kühl, dunkel) bis zu sechs Monate. Nach
Verarbeitungsvorschrift wird ein Teil des Harzes mit Härter (Peroxid), der Rest
mit Beschleuniger gemischt. Dann werden diese Vormischungen zusammen-
gegeben und gemischt. Danach verbleibt eine begrenzte Zeit zur Verarbeitung
Polykondensate
Duroplastische
des Ansatzes. Unmittelbares Mischen von Härter und Beschleuniger führt zur
Explosion.
Kalthärter vernetzen bei Raumtemperatur. Sie werden 4 bis 5 h bei 80 °C oder
einige Wochen bei Raumtemperatur nachgehärtet. Warmhärter vernetzen bei
Duroplastische
Polykondensate
1362
Bild 2-724. Abhängigkeit einiger elektrischer Eigenschaften von UP-Normalharzformstoff von Temperatur und Frequenz
2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
2.2.2 Duroplastische Polykondensate
Bild 2-725. Abhängigkeit einiger elektrischer Eigenschaften von wärmebeständigen UP-Harzformen von Temperatur und Frequenz
1363
Duroplastische
Polykondensate
Duroplastische
Polykondensate
1364
2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
Bild 2-726. Abhängigkeit dielektrischer Eigenschaften von UP-Normalharzformstoffen von Frequenz und Temperatur bei verschiedenen Glasfaser-
gehalten. A Normalharz, unverstärkt; B 40 % Endlosfasermatte-Massegehalt;
2.2.2 Duroplastische Polykondensate
Duroplastische
Polykondensate
1366 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
Temperaturen von 80 bis 120 °C schnell und gleichmäßig. Sie erfordern keine
Nachhärtung.
Die unverstärkten Gießharze dienen zur Herstellung einphasiger Formteile,
ggf. mit eingebetteten Präparaten.
2.2.2.4.3.1
Urformen
■ Handlaminieren
Für die Verarbeitung von Reaktionsharzgemischen wurden im Laufe der Zeit
Polykondensate
Duroplastische
■ Faserspritzen
Reaktionsharz und geschnittene Endlosfasern (Stapelfasern) werden zusammen
auf das Werkzeug gesprüht. Die vorbereiteten Reaktionskomponenten werden
in einer Mischanlage zusammengeführt. Die Rovingstränge werden in einem
Schneidwerk zu 30 bis 50 mm langen Stapelfasern geschnitten und in den Harz-
strahl geblasen. Mit diesem gelangen sie auf das Werkzeug. Die aufgesprühte
Harz/Faserschicht wird von Hand entlüftet und eingewalzt.
■ Vakuumformen
Kleinserien von Formteilen mit beidseitig glatten Sichtflächen werden nach die-
sem Verfahren hergestellt. Es sind zwei Werkzeughälften erforderlich. Eine
Hälfte kann auch aus einem flexiblen Tuch bestehen. In die feste untere Werk-
zeughälfte werden die Faserbahnen eingelegt, mit Harz getränkt und mit dem
Gummituch oder der oberen Werkzeughälfte abgeschlossen. Durch Anschluss
des Formnestes an eine Vakuumpumpe wird das Harz verteilt. Überschüssiges
Harz und Luftblasen werden abgesaugt.
■ Injektionsformen
Dieses Verfahren eignet sich für die Herstellung kleiner und mittlerer Serien. Es
wird mit zwei Werkzeughälften gearbeitet. Vor dem Schließen wird das Ver-
stärkungsmaterial eingelegt. Dann wird Reaktionsharz in die Werkzeughöhlung
injiziert. Es können komplizierte Formteile mit glatter, geschlossener Oberfläche
hergestellt werden.
■ Schleuderverfahren
Die formgebenden Werkzeuge werden mit nicht getränkten Verstärkungs-
materialien ausgelegt, die unter Ausnutzung der Zentrifugalkraft mit der
Reaktionsharzmasse durchtränkt werden.
■ Kontinuierliche Verarbeitungsverfahren
Von den drei für die Herstellung von UP-GF-Formteilen bekannten kontinuier-
lichen Verfahren, kontinuierliches Imprägnieren (Herstellen von Tafeln),
Wickelverfahren und Profilziehen, wurde in den letzten Jahren vor allem das
Profilziehen technisch weiterentwickelt.
■ Wickelverfahren
Rohre, Druckbehälter und andere zylindrische Körper können in rationeller Weise
durch Wickeln hergestellt werden. Endlosfasern, Glasfasergewebe oder Roving-
Polykondensate
Duroplastische
■ Profilziehen
Das unter der Bezeichnung Pultrusion bekannte Verfahren zum Herstellen von
GF-verstärkten Profilen aus UP- und EP-Harzen liefert Formstoffe mit Biege-
festigkeiten bis zu 700 N/mm2. Es werden Abzuggeschwindigkeiten bis zu
1 m/min erreicht.
Eine Weiterentwicklung dieses Verfahrens stellt das zuerst in den USA vorge-
stellte kombinierte Profilzieh- und Pressformen (pulforming) dar. Die ver-
stärkenden Glasfaser-Rovings werden nach dem Passieren des Imprägnierbades
durch Presswerkzeuge gezogen und zu komplexen Teilen wie GFK-Federn oder
Stoßfängerträgern geformt.
2.2.2.4.3.2
Umformen
■ Pressformen
Zur Durchführung dieses Verfahrens dienen mechanische oder hydraulische
Pressen sowie zwei- oder mehrteilige Werkzeuge. Diese können für das Kalt-
pressverfahren aus GF-verstärkten UP-Harzen hergestellt werden. Mittelgroße
Serien stellt man nach dem Kaltpressverfahren her, große nach dem Warmpress-
verfahren. Beim Warmpressen kann man im Nassverfahren oder mit vorimpräg-
niertem Verstärkungsmaterial (SMC) arbeiten.
Von den Automobilherstellern wird für Karosserieteile aus GFK wegen Über-
einstimmung des Farbtones und aus Kostengründen das „on-line“-Lackieren
mit Serienlacken gefordert. Die dabei auftretenden Temperaturen und Verweil-
zeiten schädigen die SMC-Formteile zwar nicht, jedoch können dicht unter der
Oberfläche befindliche Poren und Lunker in der Wärme Krater bilden. Zwar ha-
ben die low-profile Harze (siehe auch Kapitel Funktionszusatzstoffe 1.3.5.1) zu
deutlichen Fortschritten geführt; das vollständige Vermeiden von Lunkern und
Poren gelang jedoch noch nicht.
Als brauchbare – wenn auch aufwendige – Zwischenlösung bewährt sich das
aus den USA übernommene Beschichten der Formteile im Presswerkzeug (In
Mold Coating, IMC). Der Überzug verhindert das Aufbrechen der Poren. Mit Hilfe
dieser Methode kann auch die Oberfläche leitfähig gemacht werden, um sie für
das Elektrotauchlackieren bzw. elektrostatische Spritzlackieren vorzubereiten.
■ Spritzgießen
Der Spritzgießprozess duroplastischer Formmassen, bei dem sauerkrautähnli-
che Halbzeuge (BMC) verarbeitet werden, ähnelt dem Spritzgussprozess der
Thermoplaste, jedoch ist der notwendige Druck auf Grund der geringeren Vis-
kosität deutlich niedriger. Verglichen mit SMC resultieren hauptsächlich durch
kürzere Faserlängen im Bauteil zumeist niedrigere mechanische Eigenschaften,
weshalb dieses Verfahren vorwiegend für kleinere Anwendungen, beispiels-
Polykondensate
Duroplastische
2.2.2.4.3.3
Bearbeiten
Bei der spanenden Bearbeitung führt der mehr oder weniger hohe Anteil an
Glasfasern und Füllstoffen zu einem hohen Verschleiß an den spanenden Werk-
zeugen. Deshalb werden grundsätzlich hartmetall- oder diamantbestückte und
keramische Werkzeuge verwendet. Die große Staubentwicklung zwingt zum
nassen Arbeiten.
Das Schneiden beschränkt sich auf Wanddicken von 4 mm, das Stanzen auf
Laminate von nur 2 mm Wanddicke.
Zum Sägen dienen Trennscheiben mit Siliziumcarbid- bzw. Diamantbestü-
ckung (Schnittgeschwindigkeit 3 bzw. 6 m/min sowie mit Diamant versehene
Stich- und Vibrationssägen).
Zum Bohren, Fräsen und Drehen werden ausschließlich diamantbestückte
Werkzeuge verwendet.
Das Schleifen mit Band-, Scheiben- und Vibrationsschleifmaschinen dient vor
allem zum Vorbereiten von Klebflächen, zum Entgraten, Brechen von Kanten,
Glätten von Klebfugen und Vorbereiten von Oberflächenveredelungen.
2.2.2.4.3.4
Fügen
Lösbare Verbindungen sind mit Hilfe eingebetteter Muttern beziehungsweise
Buchsen, so genannten Inserts, oder durchgehender Schrauben mit großen Un-
terlegscheiben herstellbar. Sehr gut bewähren sich auch die vor einigen Jahren
eingeführten gewindeschneidenden EJOT-Schrauben für das Direktverbinden.
Festverbindungen werden meist geklebt. Diffusionskleben ist nicht möglich,
dagegen bewährt sich das Adhäsionskleben mit Klebstoffen auf Basis von EP-
und Vinylphenolharz, Acrylnitrilkautschuk/Phenolharz, UP-Harz und PUR so-
wie Cyanacrylat. Die Oberflächen werden vor dem Auftragen des Klebstoffs
durch Schleifen/Köpfen aufgerauht, mit ionisierter Luft abgeblasen und mittels
Auftrag eines Primers für das Kleben vorbereitet.
2.2.2.4.3.5
Veredeln
Grundsätzlich können alle UP-Formstoffe lackiert werden. Auf die beim Ein-
brennlackieren zu beachtende Oberflächenbeschaffenheit wurde bereits im Ab-
Polykondensate
Duroplastische
2.2.2.4.3.6
Anwendungsbeispiele
Behälter, Rohrleitungen, Profile, Bootskörper, Lichtdächer, Fahrzeugkarosserien,
Maschinengehäuse, Abdeckungen, Seezeichen, Silos, Badewannen, Briefkästen,
Rückkühltürme, Lüfter, Kanäle, Lagerbehälter, Vergussmassen, korrosions-
beständige Überzüge, Gießharzbeton, Betonbeschichtungen, Lacke, Stecker,
Röhrensockel, Sicherungsschalter und -automaten, Abdeckringe und Schraub-
kappen für Sicherungen, Installationsmaterial, Isolierscheiben für Paketschalter,
Isolierwände für NH-Sicherungsunterteile, Klemm- und Lötleisten, Spulenkör-
per (häufig im Austausch gegen Niederspannungsporzellan), Langfeldleuchten,
Elektrowerkzeuggehäuse, Zündspulen,Verteilerkappen, Zündkerzenstecker. Die
Anwendungen im Bauwesen wurden durch die Entwicklung flammwidrig aus-
gerüsteter Harze vergrößert.
2.2.2.4.4
Sicherheit, Umwelt und Recycling
■ Sicherheit und Umwelt
Die zum Härten von UP- und VE-Harzen benötigten organischen Peroxide kön-
nen Haut und Augen des Menschen ätzen. Beim Umgang mit diesen Stoffen sind
die Hinweise im Merkblatt „Organische Peroxide“ der Berufsgenossenschaft der
Chemischen Industrie zu beachten.
Auch das in den meisten UP- und VE-Rezepten verwendete Monostyrol reizt
Haut und Schleimhaut. Deshalb sind auch hierbei Schutzmaßnahmen zu beachten.
Nur bestimmte UP- und VE-Harzrezepte entsprechen der Empfehlung XII,
ungesättigte Polyesterharze, Stand 1.11.72 (85. Mitt., Bundesgesundheitsbl. 15, 393
(1972)). Die europäischen Gesetzgeber sind bestrebt, akzeptable Maximalwerte
für Styrol am Arbeitsplatz zu definieren, die sich auf den Tagesdurchschnitt
(TWA: Time Weighted Average over an 8 hour working day) und die kurzfristige
Exposition (STEL: Short Term Exposure Limit) beziehen. Die derzeit von Land
zu Land noch unterschiedlichen Werte schwanken bei TWA zwischen 20 und
100 ppm (Tendenz: 50 ppm und darunter) als vorgeschriebene Maximalwerte.
In Deutschland beträgt der MAK-Wert 20 ppm. Die Spitzenbegrenzung liegt da-
bei bei 40 ppm als 30-Minuten-Mittelwert. Dies zwingt die Hersteller von glas-
faserverstärkten Werkstoffen zum Einsatz von styrolemissionsreduzierten Har-
zen, kombiniert mit verbesserten Abluftsystemen [6].
Polykondensate
Duroplastische
■ Recycling
Für die Kreislaufführung von SMC steht das Partikelrecycling zur Verfügung.
Andere Verfahren der Kreislaufführung, wie z. B. Pyrolyse oder Löseverfahren,
sind in der Regel schlechter oder nicht für die Verwertung von SMC geeignet.
2.2.2 Duroplastische Polykondensate 1371
Polykondensate
Duroplastische
2.2.2.4.5
Sortiment
■ Lieferformen
Die wichtigste Lieferform der UP-Harze sind die für die Herstellung von Form-
teilen und Halbzeugen bestimmten Gießharze. Eine Übersicht über die Form-
massen aus ungesättigten Polyesterharzen (UP-Formmassen in Form von Faser-
oder Stäbchen-Formmassen, linien- oder flächenförmigen Prepregs) geben die
DIN 16913 sowie die Tabelle 2-125.
■ Typisierung
Die Typisierung umfasst die UP-Formmassen 801 bis 804 nach DIN 16911 (01.78)
sowie die Polyester-Harzmatten 830,5, 831,2 und 833,5 nach DIN 16913 T3 (04.81).
Handelsnamen
AdvancedSMC Menzolit-Fibron GmbH/D
Altac DSM Composite Resins AG/CH
Altek AOC Inc./USA
AMC Raschig GmbH/D
AME Ashland Specialty Chemical Company/USA
Ampal Raschig GmbH/D
Armorcast Cook Composites and Polymers/USA
Armorcote Cook Composites and Polymers/USA
Armorflex Cook Composites and Polymers/USA
Armorstar Cook Composites and Polymers/USA
Aropol Ashland Specialty Chemical Company/USA
Arotran Ashland Specialty Chemical Company/USA
Polykondensate
Duroplastische
2.2.2.4.6
Literatur – Kapitel 2.2.2.4
[1] Forsdyke Ken L Thermoset resins : a Rapra market report/by Ken L. Forsdyke and Trevor
F. Starr. – Shawbury: Rapra Technology, 2002
[2] NN (1994) „UP- und VE-Harze mit verringerter Styrolverdunstung“, Kunststoffe 84, S 275
[3] Schwarz O (1975) „Glasfaserverstärkte Kunststoffe“, Vogel Verlag, Würzburg
[4] Köhler G et al. (1996) „FKV in der U-Bahn“, Kunststoffe 86, S 1872–1874
[5] Schrempf C et al. (1995) „Harz-Härter Beschleuniger“, Kunststoffe 85, S 380–383
[6] NN (1994) „Styrolemission halbiert“, Kunststoffe 84, S 593–594
[7] Haas P et al. (1993) „Hilfs- und Zusatzstoffe für Polyurethane“ in [Schauerte K (1993) „Ab-
wandlungsprodukte der Rohstoffe“, Kunststoffhandbuch Bd. 7, „Polyurethane“, C. Hanser
Verlag, München, S 88–103], S 104–138
[8] Gilfrich HP (1974) „Neue härtbare UP-Harz-Formmassen für die Elektrotechnik“, Kunst-
stoffe 64, S 341–345
[9] NN Mitteilung der Ercom Composite Recycling GmbH, Rastatt, 2004
[10] Woidasky J Kreislaufführung von Verbundwerkstoffen aus dem Automobilbau am Beispiel
von Stoßfängern und Karosseriebauteilen. Diplomarbeit. TU Berlin. Pfinztal/Berlin, 1995
[11] Braunmiller U, Eyerer P, Hirth T, Woidasky J (Hrsg.) Kreislaufgerechte Verbundwerkstoff-
bauteile. Pfinztal, 1998
2.2.2.5
Verwandte Reaktionsharz-Formmassen
2.2.2.5.1
Alkydharz-Formmassen
■ Allgemeine Stoffbeschreibung
Im englisch-amerikanischen Sprachgebrauch werden die UP-Harzformmassen
häufig als „alkyd resin“ bezeichnet und auch als solche angeboten. Grundsätz-
lich besteht zwischen diesen und den im Abschn. 2.2.2.4.1 besprochenen Form-
massen kein Unterschied. Der Vollständigkeit halber sind in Tabelle 2-129 die
wichtigsten Eigenschaften einiger amerikanischer Alkydharz-Formmassen wie-
dergegeben. Daraus geht die Übereinstimmung hervor. Die guten elektrischen
Eigenschaften sind verbunden mit Härte, Festigkeit und Wärmebeständigkeit.
Helle Farbtöne können eingestellt werden.
■ Verarbeitung
Alkydharze können durch Pressen, Spritzpressen und Spritzgießen bei Masse-
temperaturen von 130 bis 160 °C verarbeitet werden. Die rasche exotherme Poly-
merisation führt zu schnellem Aushärten, die Bildung niedermolekularer Be-
standteile wird vermieden. Daraus resultieren gute elektrische Eigenschaften.
Polykondensate
Duroplastische
Anwendungsbeispiele
Wie bei UP-Reaktionsharz-Formstoffen.
2.2.2 Duroplastische Polykondensate 1375
Handelsnamen
Bakelite (Bakelite UK Ltd./GB)
Durez (Occidental Chemical Deutschland GmbH/DE)
2.2.2.5.2
Polydiallylphthalat-Formmassen (PDAP)
■ Herstellung
DAP kann im Gegensatz zu anderen Monomeren mit Peroxiden in indifferenten
Lösemitteln in reaktionsfähige Präpolymere umgewandelt werden. Diese kön-
nen einerseits mit ungesättigen Polyestern zu rieselfähigen Formmassen verar-
beitet oder dank der im Präpolymeren noch enthaltenen, reaktionsfähigen, un-
gesättigten Gruppen mit Hilfe von Peroxiden zu hochvernetzten Produkten, dem
Polydiallylphthalat, ausgehärtet werden. Bei dieser Reaktion entstehen keine
niedermolekularen Nebenprodukte.
■ Allgemeine Stoffbeschreibung
Diallylphthalat gehört außer Styrol zu den gebräuchlichsten Monomeren, die
mit ungesättigten Polyesterharzen vernetzen, d. h. zu duroplastischen Formstof-
fen polymerisieren.
Diallylphthalat
• hohe Maßhaltigkeit,
• gute Isolationseigenschaften,
• hohe Witterungsbeständigkeit,
• hohe Lichtbeständigkeit – auch in hellen Farbtönen –,
• geringere Haftfähigkeit auf Metallen als EP-Harze; sie sind deshalb für den
wasserdichten Abschluss elektrischer Bauelemente nicht geeignet.
■ Sortiment
Das verfügbare PDAP-Sortiment umfasst Formmassen mit kurzen bis lan-
gen Glasfasern, mit Gesteinsmehl plus Glasfasern sowie mit PAN- sowie PET-
Fasern.
Duroplastische
Polykondensate
mechanische
Rohdichte g/cm3 1,6 – 2,3 1,65 – 2,2 2,0 – 2,3 1,65 – 1,68 1,51 – 1,78 1,34 – 1,39 1,8 – 1,9
Zugfestigkeit N/mm2 20 – 60 30 – 60 30 – 65 35 – 60 40 – 75 40 – 50 28 – 46
Dehnung % – – – – – – –
Zug-E-Modul kN/mm2 3,5 – 20 14 – 20 14 – 20 8,4 – 15,5 9,8 – 15,5 4,2 –
Biege-E-Modul kN/mm2 14 14 – 20 14 8,4 – 10,5 – – –
Biegefestigkeit N/mm2 40 – 120 55 – 70 60 – 180 60 – 77 77 – 245 180 – 210 70 – 105
Druckfestigkeit N/mm2 85 – 270 160 105 – 255 140 – 225 175 – 245 180 – 210 70 – 105
Härte Rockwell – 98 (E-Skala) M99 95 (E-Skala) 61 (E-Skala) 80–87 (E-Sk.) M 108– 115 M 80– 90
ft.-lb.
Kerbschlagzähigkeit
inchof notch 0,3 – 0,5 0,45 – 0,5 0,5 – 16 0,3 – 0,45 0,4 – 15,0 0,6 – 8,0 0,3 – 8
thermische
Gebrauchstemperatur ohne
mechan. Beanspruchung
in Luft kurzzeitig °C 200 200 200 190 – 250 190 – 250 160 – 220 250
dauernd °C 150 150 150 150 – 180 150 – 180 120 – 175 170 – 180
HDT (1,85 N/mm2) °C 150 – 260 155 200 – 260 160 – 280 165 – 230 160 – 200 480
linearer Ausdehnungs-
koeffizient K–1 · 106 20 – 50 – 15 – 30 10 – 40 10 – 35 55 – 60 20 – 50
Wärmeleitfähigkeit W/mK 0,5 – 1,05 – 0,6 – 1,05 0,3 – 1,05 0,2 – 0,6 0,2 – 0,25 0,3 – 0,4
spezifische Wärme kJ/kgK 1,05 – 1,05 – – – 0,8 – 0,9
elektrische
spez. Durchgangswiderstand W cm 1013 – 1015 6,5$P108 1012 – 1015 1013 1013 – 1016 1013 – 1016 1014
Durchschlagfestigkeit kV/25 mm 350 – 450 380 250 – 530 395 – 420 395 – 450 390 – 400 200 – 400
Vergleichszahl der
Kriechwegbildung CTI > 600 > 600 > 600 > 600 >6 00 > 600 440
2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
Tabelle 2-129 (Fortsetzung)
Dielektrizitätszahl (103 Hz) – 5 – 6,4 5,2 5,4 – 7,4 4,8 – 5,3 4,1 – 4,5 3,3 – 3,9 3,2 – 4,5
dielektrischer Verlust-
faktor tan d l(103 Hz) – 0,007 – 0,04 0,11 0,007 – 0,04 0,03 – 0,1 0,004 – 0,009 0,004 – 0,025 0,0035 – 0,02
Wasseraufnahme %/24 h 0,05 – 0,5 0,14 0,03 – 0,5 0,2 – 0,5 0,12 – 0,35 0,2 0,2
(n. ASTM D 550)
2.2.2 Duroplastische Polykondensate
1377
Duroplastische
Polykondensate
1378 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
■ Lieferform
PDAP-Formmassen werden als Pulver oder als Granulat geliefert.
■ Typisierung
PDAP-Formmassen sind noch nicht nach DIN typisiert. In den USA enthält die
militärische Spezifikation MIL-M 1430 Typen wärmebeständiger Formmassen
und Formstoffe. Darunter befinden sich fünf PDAP-Typen. Die Luftfahrt ist der
wichtigste Verbraucher dieser Formstoffe. Eine deutsche Luftfahrt-Norm LN
29 820 (08. 77) über PDAP-Formmassen mit Glasfasern als Verstärkungsstoff
wurde inzwischen herausgegeben.
■ Physikalische Eigenschaften
Eine Übersicht der wichtigsten physikalischen Eigenschaften enthält Tabelle
2-129. Über das Zeitstandverhalten einiger duroplastischer Formmassen unter-
richtet Tabelle 4-29.
■ Chemikalienbeständigkeit
Beständig gegen: wasserverdünnte Mineralsäuren, Laugen, Alkohole, Ketone,
Aromaten, chlorierte Kohlenwasserstoffe, Fette, Öle, Detergenzien.
Nicht beständig gegen: konzentrierte Mineralsäuren.
■ Verarbeitungshinweise
Durch Pressen, Spritzpressen und Spritzgießen verarbeitbar. Die Massetempera-
turen betragen 135 bis 165 °C, die Schwindung 0,1 bis 1,1 %; gut spanbar und kleb-
bar.
Anwendungsbeispiele
Klemmleisten, Verbinder, elektronisches Zubehör (vor allem in Satelliten
und Raketen, Automobilen, wenn gleichzeitig hohe mechanische, thermi-
sche, elektrische und chemische Ansprüche gestellt werden).
Handelsnamen
Daiso (Osaka Soda Co. Ltd./JP)
Daiso DAP (Doskia Kogyo Co. Ltd./JP)
Durez (Occidental Chemical Deutschland GmbH/DE)
Fudowlite (Fudow Chemical Co./JP)
Glaskyd (American Cyanamid Corp./US)
Polykondensate
Duroplastische
Neonit (Ciba-Geigy/CH)
Plaskon (Plaskon Elektronic Inc./US)
Polychem (Budd Co. Polychem Div./US)
Supraplast (Süd-West-Chemie GmbH/DE)
2.2.2 Duroplastische Polykondensate 1379
2.2.2.6
Silicone (SI)
Die Zwischenprodukte für die Herstellung von Siliconen sind seit fast einem
Jahrhundert bekannt. Es ist kein Zufall, dass die ersten Arbeiten über die Ent-
wicklung eines technischen Herstellungsverfahrens für Silicon in einer Glasfa-
brik durchgeführt wurden; ist doch das Silicium ein wesentlicher Bestandteil
beider Werkstoffe. Die im Jahre 1931 von J.F. Hyde in der Versuchsabteilung der
Corning Glass-Works, N.Y./USA, begonnenen Arbeiten führten 1933 zu den er-
sten für das Imprägnieren von Glasgeweben geeigneten Produkten, die sich
durch eine bis dahin für einen Kunststoff ungewöhnliche Temperaturbeständig-
keit auszeichneten. Die von den Corning Glass Works in Verbindung mit der
Dow Chemicals Comp. gegründete Dow Corning nahm 1943 in Midland, Michi-
gan, die großtechnische Produktion auf. Die General Electric begann 1946 mit
der Erzeugung, die Union Carbide Corp. kam 1956 hinzu. Die Imperial Chemical
Industries (ICI, GB) begannen ihre Produktion 1955, die ehemalige UdSSR er-
zeugte 1957 bereits 2200 Tonnen. In der Bundesrepublik Deutschland nahmen
nach dem Zweiten Weltkrieg die Wacker-Chemie, die Bayer AG und Th. Gold-
schmidt die Produktion einer breiten Silicon-Palette, die von Imprägnierungs-
mitteln bis zu den Silicon-Kautschuken führte, auf.
■ Herstellung
Die Silicone unterscheiden sich von den bisher beschriebenen und den meisten
der noch zu behandelnden Kunststoffe dadurch, dass nicht Kohlenstoffatome,
sondern die ebenfalls vierwertigen Silicium-Atome, häufig in Verbindung mit
Sauerstoff – neuerdings auch mit Aluminium, Titan und Phosphor – das Rück-
grat der Molekülkette bilden. Silicium und Sauerstoff verleihen diesem Hoch-
polymeren Flexibilität [1].
Zwischenprodukte der Silicone sind die Chlorsilane, bei denen die vier Valen-
zen des Siliciums durch Alkylgruppen (R, R1 …) beispielsweise CH3-Gruppen
(Methylgruppen) und Chloratome gesättigt sind. Je nach Anzahl der Chloratome
entstehen mono-, bi-, tri- oder tetrafunktionelle Hydroxylverbindungen (Silan-
ole), die bei der Polykondensationsreaktion unter Wasseraustritt lineare Ketten-
moleküle oder flächenförmige sowie räumlich vernetzte Produkte ergeben.
Polykondensation Wasser
lineares Silicon
1380 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
■ Allgemeine Stoffbeschreibung
Die Eigenschaften der Silicone weichen wegen ihres vorwiegend anorganischen
Charakters wesentlich von denen der herkömmlichen Kunststoffe ab. Die Vielfalt
des Aufbaues der Chlorsilane, die außer Chloratomen entweder Methyl-, Ethyl-
oder Phenylgruppen enthalten, führt zu einer großen Anzahl von Siliconen un-
terschiedlicher Eigenschaften und Anwendungsmöglichkeiten. Methylgruppen
machen wasserabweisend und schwer entflammbar, Phenylgruppen erhöhen die
Formbeständigkeit in der Wärme, Fluorgruppen erhöhen die Beständigkeit ge-
gen Kohlenwasserstoffe und Ester. Den vielfältigen Möglichkeiten der Polykon-
densation der Silicone entsprechend werden die Silicone als Flüssigkeiten,
Wachse oder Feststoffe geliefert.
Werfen wir vor Behandlung der in diesem Buch im Vordergrund stehenden
härtbaren Silicon-Formmassen einen Blick auf die wichtigsten Siliconerzeug-
nisse.
Harze
Polykondensate
Duroplastische
Elastomere
Hochmolekulare, mit Kieselsäure gefüllte Polysiloxane können mit Hilfe von
Peroxiden zu Elastomeren vernetzt werden. Diese Silicon-Kautschuke zeichnen
sich durch hohe Formbeständigkeit in der Wärme und hohe Zähigkeit bei tiefen
Temperaturen aus. Dazu kommt die Beständigkeit gegen zahlreiche Chemika-
lien – außer Lösemittel und Ozon. Dichtungsringe und Dichtungsmanschetten
aus SI-Kautschuk sind im Maschinenbau unentbehrliche Hilfsmaterialien ge-
worden.
2.2.2.6.1
Härtbare Siliconharz-Formmassen
■ Allgemeine Stoffbeschreibung
Siliconharz-Formmassen werden ausschließlich in der Elektrotechnik verwen-
det. Sie sind stets dann am Platze, wenn die Wärmestandfestigkeit der Pheno-
und Aminoplaste sowie der UP- und PDAP-Formmassen nicht mehr ausreicht.
Bei Temperaturen unter 150 °C sind die übrigen Massen, vor allem die UP-Reak-
tionsharz-Formstoffe, überlegen.
Die Silicon-Formstoffe sind durch folgende Eigenschaften gekennzeichnet:
• hohe Wärmebeständigkeit,
• gute elektrische und dielektrische Eigenschaften über einen breiten Fre-
quenz- und Temperaturbereich,
Polykondensate
Duroplastische
• geringe Wasseraufnahme,
• ohne Zusatzstoffe flammwidrig, selbsterlöschend,
• gute Fließeigenschaften,
• lange Aushärtezeit im Vergleich zu anderen Formmassen,
1382 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
• begrenzte Lagerbarkeit,
• mittleres Niveau der mechanischen Eigenschaften,
• mäßiges Wärmeschockverhalten,
• hoher Preis.
■ Zusatzstoffe
Als Härtungskatalysatoren werden beispielsweise Ethanolamin, Triphenoxy-
oder Tributoxysilan verwendet.
Als Füllstoffe dienen Glimmer und Kieselgur, als Verstärkgungsstoffe Glas-
und (Asbestfasern).
■ Physikalische Eigenschaften
Richtwerte kennzeichnender Eigenschaften von SI-Formstoffen enthält Tabelle
2-129.
Langzeitverhalten
Den Einfluss der Wärmealterung bei verschiedenen Temperaturen auf die Bie-
gefestigkeit zeigt Bild 2-730.Auch hier zeigt sich ein wesentlich geringerer Abfall
als bei den duroplastischen Formstoffen.
■ Chemikalienbeständigkeit
Beständig gegen: verdünnte Mineralsäuren und Laugen, Meerwasser, Methanol,
Glycol, Ameisensäure.
Nicht beständig gegen: aromatische Kohlenwasserstoffe und zahlreiche Löse-
mittel, konzentrierte Säuren, Laugen.
■ Witterungsbeständigkeit
Die Witterungsbeständigkeit von Silicon-Formstoffen ist derjenigen von EP-,
PF- und UP/Styrolharz-Formstoffen vergleichbar.
■ Strahlenbeständigkeit
SI-Formstoffe vernetzen zunächst bei Einwirkung energiereicher Strahlung und
zersetzen sich dann. Es fehlen die schützenden Phenylringe, wie bei den Poly-
aromaten. Bei Strahlungsdosen von 15 kJ/kg fallen die Werte der mechanischen
Eigenschaften bereits um die Hälfte. Bei Temperaturen um 200 °C tritt der Abfall
bereits bei Strahlungsdosen von 5 · 10 J/kg ein [1].
■ Brennbarkeit
Silicon weist wegen seiner thermischen Beständigkeit eine höhere Entzündungs-
Polykondensate
Duroplastische
temperatur als andere Kunststoffe auf. Es brennt – solange eine Zündquelle vor-
handen ist – unter Einwirkung eines charakteristischen Kieselsäurerauchs. Ge-
ringe Zusätze von Kupferoxid setzen die Entflammbarkeit herab. Es verbleibt ein
zerklüfteter Rückstand (SiO2).
1384 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
■ Gesundheitliche Beurteilung
Siliconharz-Formstoffe werden üblicherweise nicht für Gegenstände verwendet,
die mit Lebensmitteln in Berührung kommen. Die Silicone sind grundsätzlich
physiologisch unbedenklich.
■ Verarbeitung
Dielektrisch vorgewärmte Vorformlinge werden vorwiegend durch Spritzpres-
sen für das Einkapseln elektrischer Bauteile verarbeitet. Die Formzeit beträgt
1 bis 5 min bei 150 bis 180 °C und Drücken von 300 bis 700 N/mm2. Die Ver-
arbeitungsschwindung ist mit 0,2 bis 0,9 % gering.
Anwendungsbeispiele
Einbetten elektronischer Bauteile, Spulenkörper, als Füllstoffe dienen Glas-
(und Asbestfasern) sowie Glimmer; Siliconöle sind im Temperaturbereich
von – 60 bis + 300 °C beständig.
Handelsnamen
Baysilon (Bayer AG/DE)
Blu-Sil (The Perma Flex Mold Co.Inc./US)
Commex (Tecknit/US)
Forrozell (Ferrozell GmbH/DE)
Lamitex (Franklin Fibre Lamitex Corp./US)
Rimplast (LNP Plastics Nederland BV/NL)
Silbione (Rhône-Poulenc Silicones/FR)
Silipact (Lonza-Werke/DE)
Siltem (GE Plastics Europe BV/NL)
Wacker Silicone (Wacker Chemie GmbH/DE)
Textolite (GE Plastics Europe BV/NL)
Wacker Silicone (Wacker Chemie GmbH/DE)
2.2.2.6.2
Literatur – Kapitel 2.2.2.5 – 2.2.2.6
[1] Andres, K-H (1971) „Silicone“, Kunstsstoffhandbuch Bd. XI, C. Hanser Verlag, München, S
432 – 508
Polykondensate
Duroplastische
2.2.3 Polyaddukte 1387
2.2.3
Polyaddukte
Im Verlauf der vergangen vier Jahrzehnte kam zu den beiden seit langem be-
kannten Arten des Aufbaus von Polymeren, der Polykondensation und der Poly-
merisation die Polyaddition. Beispielsweise sind Diisocyanate in der Lage, mit
Verbindungen, die Hydroxyl- oder Aminogruppen enthalten, durch Austausch
von Wasserstoffatomen der reagierenden Endgruppen lineare oder vernetzte
Hochpolymere zu bilden. Diese Reaktion kann in Stufen ablaufen wie die Poly-
kondensation. Kennzeichnend ist, dass dabei im Gegensatz zur Polykondensa-
tion keine niedermolekularen Reaktionsprodukte frei werden. Weisen die rea-
gierenden Produkte mehrere reaktionsfähige Gruppen auf, dann entstehen im
Verlauf der Stufenreaktion entweder schwach vernetzte (Elastomere) oder stark
vernetzte (duroplastische) Produkte.
2.2.3.1
Duroplastische Polyaddukte
2.2.3.1.1
Epoxidharze (EP)
Als erster beschrieb P. Schlack (IG-Farbenindustrie AG) im Jahre 1934 Darstel-
lung und Identifizierung verschiedener phenolischer Polyglycidether. Die ent-
scheidende Idee, die große Reaktionsfähigkeit der Ethylenoxidgruppe dieser
Harze zunächst mit Säureanhydriden und später mit Polyaminen technisch zu
verwenden, stammt von P. Castan (De Trey AG, Zürich). Er ließ 1938 Kunstharze
patentieren, die ohne Abspalten flüchtiger Bestandteile aushärten und bei über-
raschend geringem Schwund Endprodukte mit vorzüglichen mechanischen Ei-
genschaften ergeben. Die Firma de Trey verwendete als erste derartige Harze für
zahntechnische Zwecke. Diese Grundlagen führten in der CIBA AG, Basel, im
Jahre 1946 zur Herstellung von EP-Metallklebstoffen, Gieß- und Lackharzen.We-
nige Jahre später begannen auch einige amerikanische Unternehmen und Werke
in der Bundesrepublik Deutschland mit Forschungsarbeiten auf diesem Gebiet.
2.2.3.1.2
Technische Epoxidharze
Bei den Epoxidharzen handelt es sich um Verbindungen, die eine oder mehrere
sehr reaktionsfähige endständige Epoxidgruppen und Hydroxylgruppen
Epoxidgruppe
enthalten. Die Epoxidharze werden häufig auch als Epoxy- oder Ethoxylinharze
bezeichnet.
Bisphenol A Epichlorhydrin
Polyaddukte
2.2.3 Polyaddukte 1389
Ausgangsprodukte für die Herstellung von Bisphenol A sind Phenol und Aceton
(daher der Buchstabe A). Bei der Herstellung von EP-Harzen kommt es wegen
der nicht kritischen gelblichen Tönung nicht so sehr auf die höchste Reinheit des
Bisphenol A an wie beispielsweise bei der Herstellung von Polycarbonat. Bisphe-
nol A schmilzt bei 153 °C.
Epichlorhydrin ist der teurere der beiden Ausgangsstoffe für EP-Harze. Pro-
pylen und Chlor sind dessen Ausgangsprodukte. Eine Folgereaktion führt zum
Epichlorhydrin.
Epichlorhydrin ist eine farblose leichtbewegliche Flüssigkeit mit einem Rein-
heitsgrad von 98 %. Epichlorhydrin und Bisphenol A reagieren in Anwesenheit
von Alkalihydroxid unter Bildung einer Chlorhydrinverbindung, die durch Na-
tronlauge rasch in die Glycidyletherverbindung übergeführt wird.
Diglycidylether
linearer Polyether
Mit n = 0 wird das Produkt zu Diglycidylether, die molare Masse beträgt 340, mit
n = 10 wird es etwa 3000. Weil die handelsüblichen Diglycidylether die molare
Masse 4000 kaum übersteigen, liegt meistens nur ein niedriger Polymerisa-
tionsgrad vor. Produkte mit n < 1 sind bei Raumtemperatur flüssig, Produkte mit
n ≥ 1 dagegen fest.
Polyaddukte
1390 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
Bisphenol-F-Harze
In neuerer Zeit kamen auch Epoxidharze auf Basis von Bisphenol F in den Han-
del. Bei der Herstellung von Bisphenol F entsteht ein Isomergemisch, bestehend
aus einer Mischung von o,o-, o,p und p,p¢-Bisglycidyloxyphenylmethan. Im Ver-
gleich zu den unmodifizierten flüssigen Bisphenol-A-Harzen weisen Bisphenol-
F-Harze vor allem eine niedrigere Viskosität und eine geringere Neigung zur
Kristallisation auf [1].
Aliphatische Epoxidverbindungen
Als Verdünnungsmittel bzw. reaktive Flexibilisatoren für lösemittelfreie Epoxid-
harzsysteme sind niederviskose Glycidylether aliphatischer Polyole, z. B. der Bu-
tyldiglycidylether, auf dem Markt.
Cycloaliphatische EP-Harze
Während sich die Bisphenol AEP-Harze für Hochspannungsbauteile von Innen-
raumanlagen gegenüber Porzellan rasch durchsetzen konnten, machte sich bei der
Freiluftanwendung dieser aromatenhaltigen Harze die geringere Kriechstrom-
festigkeit störend bemerkbar. Aromatenfreie Polyepoxidverbindungen bilden bei
der Oberflächenzerstörung der Formstoffe deutlich weniger Rückstände. Daraus
resultiert ein besseres Freiluftverhalten in Industrieatmosphäre, nämlich:
• hohe Kriechstromfestigkeit,
• hohe Lichtbogenbeständigkeit,
• hohe Witterungsbeständigkeit.
Verglichen mit den Diglycidylether-Harzen zeichneten sich die cycloaliphati-
schen EP-Harze aus durch:
• helle Farbe,
• niedrige Viskosität,
• geringe Reaktionsgeschwindigkeit mit Aminhärtern,
• hohen Vernetzunsgrad,
• die an sich spröden Harze können durch Verwendung wenig vernetzender
langkettiger aliphatischer Härter flexibilisiert werden,
• hohe Formbeständigkeit in der Wärme,
• hohe Kriechstrom- und Lichtbogenfestigkeit.
Cycloaliphatische EP-Reaktionsharze werden vorwiegend für die Herstellung
von Freiluftisolatoren, Löschkammern von Lasttrennschaltern, GF-verstärkten
Polyaddukte
2.2.3 Polyaddukte 1391
3,4 Epoxy-6-methyl-cyclohexyl-methyl
Vinlycyclohexandioxid Dicyclopentadiendioxid
Heterocyclische EP-Harze
Die cycloaliphatischen Epoxidharze erlangten auf dem Gebiet des Oberflächen-
schutzes bisher keine Bedeutung. Durch Glycidylierung von Cyanursäure mit
Hilfe von Epichlorhydrin kann das technisch bedeutsame Triglycidylisocyanurat
hergestellt werden.
Thermoplastische Epoxidharze
Lineare, hochmolekulare Polykondensate aus Bisphenol A und Epichlorhydrin
(Molmassebereich 50 000) werden als thermoplastische Lackharze verwendet.
linearer Polyether
■ Allgemeine Stoffbeschreibung
EP-Harze sind durch folgende Eigenschaften gekennzeichnet [3 – 5].
• die Reaktions-Formmasse kann in einem großen Viskositäsbereich zwischen
fest und flüssig eingestellt werden. Reaktive verdünnte Weichmacher und
Füllstoffe ermöglichen die Wahl des jeweils günstigsten Rezeptes;
• die Wahl des Härtungsmittels ermöglicht das Beschleunigen oder das Verzö-
gern des Härtungsverlaufs bei verschiedenen Temperaturen [6].
Die spezifischen Vorteile der aus EP-Reaktionsharzen hergestellten Formstoffe
und Formteile geht am deutlichsten aus einem Vergleich mit den in vielen Fällen
damit in Wettbewerb stehenden Formstoffen aus UP-Reaktionsharzen hervor [5].
Gießharzformstoffe aus EP-Harz und UP-Harz haben folgende Eigenschaften:
EP-Harz
• luftrocknende Härtung,
• hohe Füllbarkeit,
• geringe Schwindung,
• geringe Neigung zu Spannungsrissbildung,
• gute Haftung auf nahezu allen Werkstoffen,
• keine Abspaltung niedermolekularer Reaktionsprodukte, deshalb geringe
Mikroporosität,
• hohe Beständigkeit gegen den Angriff durch Chemikalien (vor allem gegen
Alkalien),
• hohe Festigkeit bei zügiger und schwingender Beanspruchung,
• gutes Dämpfungsvermögen (bei höherer Temperatur),
• hohe Formbeständigkeit in der Wärme und Wärmestandfestigkeit,
• günstiges Alterungsverhalten,
• gute elektrische und dielektrische Eigenschaften – auch nach Alterung,
• geringe Brennbarkeit der Standard-Reaktionsharze,
• Geruch- und Geschmackfreiheit,
• Systeme nach Maß einstellbar.
UP-Harze
• kurze Härtungszeiten,
• leichte Handhabung,
• weniger Fehlermöglichkeiten bei der Dosierung der Härter,
• leichte Entformbarkeit,
• Herstellung glasklarer Formkörper möglich,
• geringe Vergilbung,
• höhere Beständigkeit gegenüber organischen Säuren,
• geringere Toxizität bei der Verarbeitung,
• niedrigerer Preis.
Polyaddukte
2.2.3 Polyaddukte 1393
Warmhärter (Säureanhydride)
Phthalsäureanhydrid Härtezeit 54 bis 8 h bei 150 °C,
HDT des Formstoffs nur 110 °C,
Hexahydrophthalsäureanhydrid schmilzt bei 35 bis 36 °C, löst sich bei Raum-
temperatur im EP-Harz, HDT des Formstoffs
120 °C, teuer als Phthalsäure.
Das Beispiel einer Säureanhydrid-Heiß- bzw. Warmhärtung gibt Bild 2-734 wie-
der. Die genannten Harzsysteme werden vorwiegend als Gieß-, Laminier- und
Imprägnierharze in der Elektrotechnik verwendet.
Für die Herstellung schwer entflammbarer EP-Formstoffe stehen chlorierte
Polycarbonsäureanhydride zur Verfügung.
Verdünner
Für manche Anwendungszwecke ist die Viskosität der Epoxidharze zu hoch. Bla-
sige Formstoffe und nicht benetzte Armierungen sind die Folge. Lösemittel müs-
sen vor der Härtung wieder entfernt werden, Weichmacher beeinträchtigen die
Formbeständigkeit in der Wärme. Am besten eignen sich die sog. reaktiven Ver-
Flexibilisatoren
Nicht modifizierte EP-Harze sind meistens hart und spröde. In Verbindung mit
verstärkenden Glasfasern macht sich die Sprödigkeit kaum bemerkbar. Von
Tränk-, Gieß- und Klebharzen wird jedoch eine höhere Zähigkeit und Schlag-
festigkeit verlangt.
Die bei der PVC-Verarbeitung üblichen Weichmacher eignen sich auch zum
Elastifizieren von EP-Harzen. Es muss jedoch eine Einbuße bei Festigkeit, di-
elektrischen Eigenschaften und Beständigkeit gegen den Angriff durch Chemi-
kalien in Kauf genommen werden.
Polysulfide und Polyaminoamide erfüllen weitgehend die technischen Anfor-
derungen.
Polysulfide (z. B. Thiokole) sind leichtbewegliche Flüssigkeiten. Sie beeinflus-
sen den Härtungsvorgang nur geringfügig.
Die Polyaminoamide sind bei kalt- und warmhärtenden Harzen anwendbar.
Viskosität der Harzmischungen, Schwindung und Wärmetönung werden er-
niedrigt. Gute mechanische und elektrische Eigenschaften werden beibehalten.
Die Gefahr, dass Dermatosen ausgelöst werden, ist gering.
Farbmittel
Vergussmassen für die Elektroindustrie werden in Weiß oder Braun mit TiO2
bzw. Eisenoxidbraun oder den entsprechenden Farbpasten eingefärbt. Beschich-
tungsharze erhalten in Füllstoffen wie Kreide, Kaolin, Kieselerde u. a. als Farb-
mittelzusatz Eisenoxidpigmente, Chromoxidgrün oder Titandioxid. Im Boot-
und Flugzeugbau werden hochwertige Farbmittel eingesetzt, beispielsweise
Cadmium- oder Phthalocyaninpigmente, häufig in Abmischung mit TiO2. Farb-
pasten gewährleisten grundsätzlich die beste Dispergierung der Farbmittel.
Füllstoffe
EP-Harze eignen sich für die Aufnahme inerter Füllstoffe. Diese können anorga-
nischer, organischer oder metallischer Natur sein.
Füllstoffe verringern Wärmetönung, Härtungsschwindung und thermische
Ausdehnung. Sie verbessern die Wärmeleitfähigkeit. Auch die Fließfähigkeit
kann beeinflusst werden. Bestimmte Füllstoffe verleihen den Harzen z. B. Thi-
xotropie.
Eine umfassende Übersicht gibt Tabelle 2-130.
Verstärkungsstoffe
Siehe Abschnitt 2.2.2.4 Ungesättigte Polyesterharze.
■ Sortiment
EP-Reaktionsharze stehen als Gieß-, Träufel- und Imprägnier- sowie als Lack-
und Beschichtungsharze in großer Vielfalt zur Verfügung.
Polyaddukte
2.2.3 Polyaddukte 1397
■ Lieferform
EP-Rekationsharze werden in fester und flüssiger (unverdünnt und mit Lösemittel
verdünnt) Form sowie als Glasfaser-Prepregs geliefert.Dazu kommen press-,spritz-
press- und spritzgießbare Formmassen. Halbzeug wird in Form von Rohren, Profi-
len und Schichtpressstoffen angeboten. Die Lagerfähigkeit der ungehärteten Harze
dauert je nach Lagerungstemperatur und Rezept Stunden bis Jahre.
■ Typisierung
DIN 16 945 (04.76) Reaktionsharze, Reaktionsmittel, Reaktionsharzmassen,
Prüfverfahren
DIN 16 946 T1 (04.76) Reaktionsharzformstoffe, Gießharzformstoffe,
Prüfverfahren
DIN 16 946 T2 (04.76) Reaktionsharzformstoffe, Gießharzformstoffe, Typen
VDI-Richtlinie 2010, Faserverstärkte Reaktionsharzformstoffe;
Bl. 3 (01.80) Epoxidharze
Außerdem liefern die Hersteller eine große Anzahl nicht typisierter Harze, die
den jeweiligen Anforderungen entsprechen.
■ Physikalische Eigenschaften
Die physikalischen Eigenschaften von EP-Formstoffen sind wegen ihrer Abhängig-
keit von dem jeweiligen Rezept (Harz-, Härter- und gegebenenfalls Beschleuniger-
typ) nur im Einzelfall angebbar. Dazu kommt die betonte Abhängigkeit von anderen
Parametern wie Temperatur, Beanspruchungsdauer und -art sowie der Frequenz.
Sofern EP-Harze nicht flexibilisiert, gefüllt oder verstärkt wurden, weichen
ihre physikalischen Eigenschaften bei Raumtemperatur nicht sehr voneinander
ab. Das Bild ändert sich jedoch mit zunehmender Temperatur grundlegend.
■ Mechanische Eigenschaften
Kurzzeitverhalten bei geringer Verformungsgeschwindigkeit
Das typische Verhalten von EP-Formstoffen bei Zugbeanspruchung zeigt Bild
2-736. Die Ergebnisse der nach DIN 53452 ISO 527, ASTM D 638 durchgeführten
Biegeversuche gibt Bild 2-737 wieder.
Umwandlungstemperaturen
Die Umwandlungstemperatur von EP-Formstoffen und damit auch die Formbe-
ständigkeit in der Wärme werden – wie viele andere physikalische Eigenschaf-
ten – durch die Härtungsbedingungen wesentlich beeinflusst, wie nachstehende
Übersicht am Beispiel des heißhärtenden Laminierharzsystems Araldit LY-556
und Härter HT 972 zeigt:
Härtungsbedingungen Umwandlungstemperatur Tg
Die Abhängigkeit des Schubmoduls dieses Formstoffs von der Temperatur ist in
Bild 2-738 wiedergegeben.
■ Thermische Eigenschaften
Die EP-Formstoffe weisen sehr unterschiedliche thermische Eigenschaften auf.
So beträgt z. B. die Glasübergangstemperatur eines Kalthärtersystems 70 °C, die
eines Warmhärters 140 °C. Darauf beruht die sehr unterschiedliche Formbestän-
digkeit in der Wärme.
■ Elektrische Eigenschaften
Auch die elektrischen und die dielektrischen Eigenschaften von EP-Harzen wer-
den maßgebend vom Aufbau des Rezeptes, d. h. vom Härtersystem, und den
Zusatzstoffen bestimmt. Bild 2-740 gibt die Temperaturabhängigkeit der Dielek-
Polyaddukte
1402 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
■ Chemikalienbeständigkeit
Betonte Abhängigkeit vom Harzsystem. Grundsätzlich trifft etwa folgende Ein-
stufung zu:
beständig gegen: schwache Säuren, schwache Laugen, Alkohol, Benzol, Ben-
zin, Öle, Fette, Lösemittel;
bedingt beständig gegen: heißes Wasser;
nicht beständig gegen: starke Säuren, starke Laugen, Ammoniak, Aceton,
Ester, Ketone.
Polyaddukte
1404 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
■ Witterungsbeständigkeit
Während EP-Harzformstoffe auf der Grundlage von Bisphenol A im Freien ver-
gilben und Füllstoffe wegen des Abbaus organischer Substanzen auskreiden,
verhalten sich die cycloaliphatischen EP-Harzformstoffe wesentlich günstiger.
Sie absorbieren nur einen geringfügigen Anteil des in der Sonnenstrahlung ent-
haltenen UV-Anteils.
■ Strahlenbeständigkeit
EP-Harzformstoffe sind wie PF- und UP-Formstoffe sehr strahlenbeständig. Je
nach Harzsystem beginnt die Schädigung bei Strahlendosen von 106 J/kg und er-
reicht z. B. bei 107 J/kg eine 50 %ige Schädigung der Biegefestigkeit.
Polyaddukte
2.2.3 Polyaddukte 1405
■ Brennbarkeit
Während die ungefüllten und unverstärkten EP-Reaktionsharzformstoffe auch
nach Entfernen der Zündquelle mit leuchtender Flamme brennen, verleihen, die
an Stelle von Bisphenol A verwendeten, von Tetrachlorbisphenol A bzw. Te-
trabrombisphenol A abgeleiteten Härtungsprodukte den Formstoffen eine hohe
Flammwidrigkeit, die durch mineralische Füllstoffe wesentlich gesteigert wer-
den kann. Brennende EP-Formstoffe (ausgenommen die cycloaliphatischen)
riechen nach Phenol.
■ Gesundheitliche Beurteilung
Bei unsachgemäßem Umgang mit EP-Reaktionsharzen und Reaktionsmitteln
wie Säureanhydride, Polyamide und Beschleuniger können Haut- und Schleim-
hautreizungen auftreten.
Die ausgehärteten Formstoffe sind dagegen gesundheitlich unbedenklich und
nicht toxisch.
Um Gesundheitsschädigungen zu vermeiden, müssen die von den Rohstoff-
herstellern und der Berufsgenossenschaft der Chemischen Industrie herausge-
gebenen Merkblätter beachtet werden.
Oberstes Gebot ist peinliche Sauberkeit am Arbeitsplatz und beim Hantieren.
Es darf dort nicht geraucht und nicht gegessen werden.
solange bis schließlich das Harz auch im Eingießkanal (als letztes) geliert. Die-
ses Verfahren führt zu einer geringeren Verarbeitungsschwindung [9]. Im Ge-
gensatz zum konventionellen Härtungsvorgang beginnt das Gelieren von der
heißen Werkzeugwandung aus. Ihre Temperatur ist bis zu 70 K höher als die Ge-
mischtemperatur. Dadurch verringert sich der Schwindungsdruck auf Einbett-
teile und damit die Neigung zur Rissbildung.
Schwindung
Die Schwindungsvorgänge in einem gelierenden und härtenden EP-Reaktions-
harz seien an Hand von Bild 2-742 erklärt [10]. Die Darstellung berücksichtigt
nur die Dichte und die Temperatur, nicht die Zeit.
Die ungehärtete Mischung aus EP-Harz und PA (Phthalsäureanhydrid) weist
auf 20 °C extrapoliert eine Dichte von 1,229 g/cm3 (Punkt A) auf. Die Dichte der
Mischung verliefe bei Temperatursteigerung ohne Reaktion entlang der Geraden
A-H. Würde bei 120 °C isotherm gehärtet, dann nähme die Dichte entlang der
Geraden B-D bis zum Ende der Härtung zu. Im Festzustand folgt die Dichte bis
zur Glasübergangstemperatur (Punkt E) der Geraden D-E und unterhalb 105 °C
der Geraden E-F.
Wie das Schaubild zeigt, sind die Dichten der ungehärteten und der gehärte-
ten Massen nahezu gleich. Die Differenz entspricht im vorliegenden Fall der
Bild 2-742. Verlauf der Dichte von Epoxidharzen während der Härtung
Polyaddukte
2.2.3 Polyaddukte 1407
Strecke A-F. Wird bei 180 °C gehärtet, dann entspricht die Schwindung in der
festen Phase der Strecke I-L.
Die Schwindung setzt sich zusammen aus einer Schwindung in der flüssigen
Phase und in der gelatinierten oder festen Phase. In der flüssigen Phase bilden
sich keine Spannungen, jedoch in der festen. Dieser Vorgang ist zu beachten im
Hinblick auf das Verhalten des Formstoffs bei Einbettungen mit anderen Wär-
meausdehnungskoeffizienten.
Bei der vorliegenden Harzmischung verteilt sich die Schwindung je zur Hälfte
auf die flüssige und die feste Phase. Dieser Festellung entspricht die eingezeich-
nete „Gelierlinie“.
Nur bei kleinen Gießharzmengen verläuft die Härtung isotherm. Größere
Mengen reagieren schon beim Aufheizvorgang und außerdem infolge der bei
der exothermen Reaktion in der Mischung entwickelten Wärme.
Der Dichteverlauf führt somit nicht zum Punkt B, sondern zum Punkt M. Ist
die Reaktionswärme groß, dann folgt der Dichteverlauf der Linie M-N. Die
Schwindung im Festzustand entspricht der Strecke N-O.
Ist die Reaktionswärme gering, dann verläuft die Dichte entlang der Linie
M-P. Die Schwindung wird in diesem Fall nicht von der maximalen Temperatur
(Punkt Q), sondern von der Temperatur an der Gelierlinie (Punkt P) bestimmt.
Sie entspricht der Strecke P-R.
Im Hinblick auf eine erwünschte geringe Schwindung ist deshalb die Reak-
tion wie folgt zu führen:
• Durchlaufen der Gelierlinie bei möglichst niedriger Temperatur (z.B. Punkt P),
• nach Durchlaufen der Gelierlinie langsame exotherme Reaktion, sodass die
chemisch bedingte Schwindung stets größer ist als die durch Temperatur-
erhöhung verursachte Wärmedehnung.
GFK-Formteile
Faserverstärkte Formteile werden nach dem Handauflege- oder dem Wickelverfah-
ren hergestellt. Die Techniken ähneln den bei den UP-Reaktionsharzen üblichen.
Auch das Schleudern von Rohren ist üblich [11]. Die Aushärtungszeit nach dem
Handauflegeverfahren hergestellter Formteile beträgt bei Raumtemperatur 6 bis
24 h.Gewickelte Behälter und Rohre härten im Wärmeschrank in 15 min bis 3 h aus.
Schichtpressstoffe
Harz, Härter und Beschleuniger werden z. B. in Aceton gelöst. Die zu imprägnie-
rende Bahnenware (meist Glasfaserglasgewebe) wird durch das Tränkbad gezo-
gen. Im Trockenkanal verdunstet das Lösemittel und eine Vorreaktion setzt ein.
Die Prepregs werden getrocknet und aufgewickelt. Später werden Zuschnitte in
einer Mehretagenpresse bei Drücken von 40 bar und Temperaturen von 170 °C –
ähnlich wie MF-Schichtpressstoffe – gepresst.
Pulverlackierungen
EP-Pulverlackierungen übernehmen beim sog. passiven Korrosionsschutz erd-
verlegter Rohre allmählich die Aufgaben der bisher üblichen Bitumen, PE-Um-
mantelungen und Teer-Polyurethanbeschichtungen. Dank der geringen Durch-
lässigkeit für Sauerstoff – EP : PVC : PE verhalten sich wie 1 : 8,4 : 42 – reichen
Polyaddukte
1408 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
Formmassen
Siehe Abschnitt 2.2.3.1.3.
Anwendungsbeispiele
Lasttragende Bauteile Stütz- und Hängeisolatoren,
Formstoffteile Stangen, Halterungen, Kammern,
Schalterteile
Isolieren und Einbetten Messwandler, Transformatoren, Kabel-
garnituren, Kondensatoren,
Schaltungen
Zusatzdielektrikum in Verbindung Spulen im Wandler- und Trafobau,
mit Papier, Folien, Glimmer Motorwicklungen, Großmaschinen-
bau, Kondensatorenbau
Trägermaterial für gedruckte Computerbau, Radar- und Fernseh-
Schaltungen (DIN 7735 (09.75) technik
Hgw 2372)
Schichtpressstoffe-Glashartgewebe Elektromaschinenbau, Nutenkeile,
(DIN 7735 (08.75) HGW 2372.4) Löschkammerrohre
Flugzeug- und Segelflugzeugbau Höhenruder
Sportgeräte Skier, Hochsprungstäbe, Angelruten,
Hockeyschläger, Trommelstöcke
Modellbau Flug- und Segelflugmodelle
Bootsbau Schiffmodelle
Werkzeugbau Tiefziehwerkzeuge, Streckziehwerk-
zeuge, Fallhammerwerkzeuge, Kopier-
modelle, Touchierrahmen, Werkzeuge
für PUR-Strukturschaumstoffe
Handelsnamen
Acme (Acme Chemical Div./US)
Aerolam, Aerolite, Aracast, Araldite (Ciba AG/CH)
Conapoxy (Conap Div. of WFI/US)
Corlar (DuPont Deutschland GmbH/DE)
Polyaddukte
2.2.3 Polyaddukte 1409
2.2.3.1.3
Prepregs
Für die Herstellung verstärkter EP-Formteile stehen seit einigen Jahren Glas-
fasergewebe-Prepregs mit Epoxidharzen zur Verfügung. Der Glasgehalt beträgt
37 bis 60 %, die Rollenbreite 1000 mm. Die Lagerfähigkeit dieser Prepregs be-
trägt sechs Monate bei – 18 °C und 10 Tage bei Raumtemperatur.
Die bei Temperaturen von 120 bis 160 °C und Drücken von 0,7 bis 7,0 bar ge-
pressten Prepregs erreichen Biegefestigkeiten von 560 N/mm2. Die formgepress-
ten Prepregs erreichen Biegefestigkeiten von 560 N/mm2. Die Formgebung kann
auch im Autoklaven unter Vakuum geschehen.
Die Chemikalienbeständigkeit erstreckt sich vor allem auf Flugzeugtreib-
stoffe und Hydrauliköle. In der Luftfahrtindustrie dienen sie zur Herstellung von
Laminaten und leichten, steifen Verbundwerkstoffen.
Es sind auch mit C-Fasern verstärkte EP-Prepregs am Markt.
Handelsname
Elitrex (AEG Isolier- und Kunststoff GmbH/DE)
Polyaddukte
1410 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
2.2.3.2
Duroplaste als Hochleistungswerkstoffe mit günstigem
Preis/Leistungsverhältnis
Vorstufe angepasst werden. Beim Härtungsvorgang trennen sich die beiden Pha-
sen wieder. Dieser Weg führt allerdings zur Beeinträchtigung der ursprüngli-
chen Matrixeigenschaften, denn es verbleiben gewisse Anteile des Elastomeren
im Netzwerk des Harzes zurück. Demnach wäre es günstiger, die Elastomerteil-
chen im unvernetzten Reaktionsharz bereits vor der Härtung in Form einer Dis-
persion vorzubilden. Die sich dabei ergebenden Probleme können gelöst wer-
den, wenn als Elastomerkomponente Silicone verwendet werden. Der Aufbau der
Siliconteilchen ist dergestalt, dass sie noch von einer Hülle umgeben sind, die
ambivalente Eigenschaften, d. h. Bindung zum Silicon besitzt und eine Bindung
zum vernetzenden Harz eingehen kann. Das Hüllmaterial muss naturgemäß
dem Harz angepasst werden. Dadurch wird es möglich, auf diese Weise UP-, VE-,
EP-, MF-, PE, PUR- und Arylharze zu elastifizieren [14].
Silicon bringt folgende vorzügliche Eigenschaften mit:
• verbesserte Schlagzähigkeit,
• höhere Biegefestigkeit,
• niedrigere Glasübergangstemperatur (– 100 °C),
• thermische Beständigkeit in Luft bis 200 °C,
• gute elektrische Werte,
• hohe Witterungsbeständigkeit.
Der wirksame Elastomergehalt beträgt meist nur 3 bis 5 %, d. h. bedeutend weni-
ger als bei Thermoplasten. Die Glasübergangstemperatur des elastifizierten
Harzes wird vor allem durch das Härtersystem bestimmt. Sie nimmt mit höhe-
Polyaddukte
1412 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
rem Siliconanteil naturgemäß ab. Dieser ist jedoch nicht erforderlich. Auch die
Verbesserung der dielektrischen Werte durch den SI-Anteil wird in vielen An-
wendungsfällen geschätzt. Ein entscheidender Vorteil besteht ferner in einer
wesentlichen Verbesserung der Oberflächengüte des ausgehärteten Harzes.
Auch das Elastifizieren von PUR mit Hilfe von SI-Elastomeren führt insgesamt
zu verbesserten Eigenschaften.
2.2.3.2.1
Vernetzte Polyurethane (PUR)
Das Prinzip, hochmolekulare Stoffe durch Additionsreaktionen, d. h. ohne Ab-
spaltung anderer Komponenten über Heteroatome (z. B. Sauerstoff) miteinan-
der zu verknüpfen, führte zu den in Abschnitt 2.2.3.1.1 behandelten Epoxidhar-
zen. Auf diesem Wege können ebenso einfach Pfropfpolymere hergestellt wer-
den. Dabei werden auf Heteroatome, die noch ein Wasserstoffatom tragen, durch
Polyadditionsreaktionen Seitenzweige aufgepfropft. Dieses Grundrezept wurde
seit 1937 von O. Bayer und seinen Mitarbeitern im IG-Werk Leverkusen in den
Diisocyanat-Polyadditionsverfahren, der sog. Polyurethanchemie, verwirklicht.
Jedoch spielen auch andere Isocyanat-Polyaddukte eine wichtige Rolle, z. B. die
Polyharnstoffe und für Vernetzungsaktionen die Allophanat- und die Biuret-
gruppen, die durch Addition von Isocyanatgruppen und bereits gebildete Ur-
ethan- bzw. Harnstoffgruppen erzeugt werden.
Die Grundlagen dieses Verfahrens sind in dem 1937 erteilten DRP 728 891 be-
schrieben. Mit den aus Dicarbonsäuren und Diisocyanaten hergestellten line-
aren Polyurethanen beschäftigt sich das 1938 erteilte italienische Patent 367 704.
Im Jahre 1938 nahm auch DuPont, USA, die Forschungsarbeiten auf. Der deut-
sche Vorsprung wurde jedoch erst nach Bekanntwerden der Leverkusener
Arbeiten in den nach dem Zweiten Weltkrieg von den damaligen Besatzungs-
mächten verfassten BIOS- und FIAT-Berichten eingeholt.
Die außerordentliche Vielfalt der möglichen Isocyanatsysteme, insbesondere
der Polyurethane, hat zu zahlreichen Anwendungen geführt, allen voran die
PUR-Schaumstoffe. Im Einzelnen sind dies:
2.2.3.2.1.1
Isocyanatharze
Als Isocyanatharze werden monomere bzw. dimere Di- oder Tri-Isocyanate be-
zeichnet. Sie sind durch die Isocyanatgruppe gekennzeichnet:
–N=C=O
Isocyanatgruppe
Polyurethane
Als Beispiel sei das aus Diol und Diisocyanat hergestellte lineare Polyurethan er-
wähnt.
Verzweigte Polyole lassen bei ihrer Rekation mit Diisocyanaten sofort vernetzte
Produkte entstehen, ebenso wie Isocyanate mit mehr als zwei NCO-Gruppen im
Molekül. Je nach Reaktionsbedingungen reagiert das Polyurethan mit Isocyanat
weiter zu einem Allophanat. Dabei vernetzt es.
Polyaddukte
1414 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
Harnstoffgruppe
Reagieren die Amide weiter mit Isocyanat, dann bilden sich Acylharnstoffe.
Für die PUR-Chemie sind die Diisocyanate von großer Bedeutung geworden. Es
sind niedermolekulare Substanzen, die im Verlauf ihrer Herstellung durch Des-
Polyaddukte
2.2.3 Polyaddukte 1415
1,2,4-Diisocyanat-toluol 1,2,6-Diisocyanat-toluol
■ Gesundheitliche Beurteilung
Die Dämpfe aller Isocyanate reizen Augen und Schleimhäute sehr. Lungen-
emphysem und asthmatische Sensibilisierung können die Folgeerscheinungen
sein [15].
Flüssige und feste Isocyanate, die mit der Haut in Berührung kommen, hin-
terlassen dann keine Schäden, wenn sie sofort beseitigt werden. Augen und Au-
genlider sind durch Spritzer besonders gefährdet. Sie müssen durch Brillen ge-
schützt werden.
Polyaddukte
1416 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
Polyester
Die Polyester weisen in ihrem Molekül mehrfach die Estergruppierung auf.
Estergruppierung
■ Gesundheitliche Beurteilung
Polyester
Polyester sind höhermolekulare Substanzen mit niedrigem Dampfdruck. Ge-
sundheitlich sind sie unbedenklich; ebenso die Ausgangsmaterialien und die
hydrolytischen Spaltstücke. Die menschliche Haut wird üblicherweise nicht ge-
zeigt.
Polyether
Die Polyether sind Polymerisationsprodukte von Epoxiden. Sie werden entwe-
der aus Propylenoxid oder Gemischen von Ethylen- und Propylenoxid aufge-
baut. Die Epoxide weisen die typische Ringstruktur auf.
Für die PUR-Chemie sind die Umsetzungsprodukte des 1,2-Propylenoxids am
wichtigsten. Mit Wasser als Startsubstanz entstehen zwei endständige OH-Grup-
pen, somit ein Diol.
Wird an Stelle eines Produktes mit zwei eines mit drei oder mehr aktiven H-
Atomen als Startmolekül benutzt, dann entstehen verzweigte Polyether analog
den Polyestern.
Polyether sind hochmolekulare Verbindungen und nicht flüchtig. Deshalb
sind sie physiologisch unbedenklich zu handhaben. Gegenüber der menschli-
chen Haut verhalten sie sich inaktiv [16, 17].
Starter mit drei oder mehr aktiven Wasserstoffatomen sind beispielsweise
Trimethylolpropan, Ethylendiamin oder Pentaerythrit und Amine. Ein anderes
wichtiges Ausgangsmaterial für die Herstellung von Polyethern ist das Tetrahy-
drofuran, eine 5-Ring-Verbindung aus vier C-Atomen und einem O-Atom. Die-
ses Produkt wird in Europa durch Anlagerung von Formaldehyd an Acethylen
gewonnen.
Als Katalysatoren für die Polymerisation von Propylen- und Ethylenoxid die-
nen wasserfreies NaOH2, KOH u. a.; Polyether aus Propylenoxid enthalten se-
kundäre und damit weniger reaktionsfreudige Hydroxylgruppen. Die Reakti-
vität kann durch Mitverwendung von Ethylenoxid erhöht werden. Ethylenoxid
kann entweder in Blöcken oder durch Pfropfen in bzw. an die Propylenoxidkette
gebunden werden. Die in der PUR-Chemie verwendeten Polyether weisen mo-
lare Massen von 300 bis 6000 auf. Die Funktionalität beträgt 2 bis 8. Da Polyether
keine intermolekularen Bindungen aufweisen, überschreitet die Viskosität selten
1 Pa s.
Durch Aufpfropfen von Styrol oder Acrylnitril auf normale Polyether können
PUR-Spezialschaumstoffe hergestellt werden.
■ Zusatzstoffe: Funktions-Zusatzstoffe
Die Herstellung der Polyurethanerzeugnisse erfordert eine Reihe von Zusatz-
stoffen, sei es zur Regelung der Reaktionsgeschwindigkeit, zum Alterungsschutz,
zum Erhöhen der Flammwidrigkeit, zum Schäumen, zur Farbgebung, zum Fül-
len, zum Verstärken und vielem anderen [18].
Außer der Struktur und Temperatur der Rohstoffe beeinflussen Katalysatoren
u. a. die Geschwindigkeit der Polyurethanbildung, die Fließfähigkeit und die
physikalischen Eigenschaften des Fertigproduktes. Häufig sind Katalysatorkom-
binationen erforderlich. Reaktive Katalysatoren leiten zu den Vernetzern über.
Polyaddukte
1418 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
Zu der Vielzahl der Katalysatoren zählen tertiäre Amine, Salze schwacher Säu-
ren, organische Metallverbindungen, Phosphorverbindungen. Die Beschreibung
der Reaktionskinetik wird vom makroskopischen Erscheinungsbild abgeleitet,
d. h. von Misch-, Liege-, Steig-, Abbinde-, Formstand- und Reifezeit.
Weniger bekannt sind die Inhibitoren der Isocyanat-Reaktion. Zu diesen
gehören Salzsäure, Benzoylchlorid und p-Toluolsulfonsäure.
Vernetzer und Kettenverlängerer beeinflussen die Endeigenschaften des
Polyurethans über die Hartsegment/Weichsegment-Reaktion. Ihre Anwen-
dungsgebiete sind die Kalt-, Hart- und Integral-Schaumstoffe. Große Bedeutung
haben die OH- und NH-funktionellen Vernetzer und Kettenverlängerer. Diole
und Amine sind die wichtigsten Hilfsstoffe dieser Art.
Tenside bewirken durch ihre Emulgierwirkung ein gutes Vermischen der Re-
aktionskomponenten.
Emulgatoren sorgen dafür, dass bei der Herstellung von PUR-Schaumstoffen
die Wasser/Polyisocyanatumsetzung zu einer gleichmäßigen Treibreaktion führt.
Als Schaumstabilisatoren kommen hauptsächlich wasserlösliche Polyether-
siloxane in Betracht.
Zellregler beeinflussen die Oberflächenspannungsverhältnisse der Schaum-
stoffmischung. Sie wirken vor allem als Entschäumer. Die technisch wichtigen
Produkte basieren auf Methylpolysiloxanen.
Zum Aufschäumen der Polyurethane sind zusätzliche Treibmittel erforder-
lich. Dabei können verschiedene Methoden angewendet werden.
• durch die Reaktion von Isocyanat mit Wasser wird CO2 gebildet, das als che-
misch erzeugtes Treibgas dient;
• durch den Zusatz niedrig siedender Flüssigkeiten (z. B. Chlorfluoralkane)
wird das exotherm reagierende Gemisch unter Verdampfen des Treibmittels
physikalisch aufgeschäumt;
• durch Einblasen oder Einschlagen von Luft wird mechanisch ein Schaum er-
zeugt.
Der erstgenannte Weg wird bei der Herstellung von Weichschaumstoffen bevor-
zugt [17]; der zweite Weg wird bei Hartschaumstoffen und der dritte bei ge-
schäumten Beschichtungen gewählt.
Als physikalische Treibmittel dienten bisher die Chlorfluoralkane R-11, R-12,
R-21 und R-113 (FCKW), dazu kommt Methlyenchlorid (CHCl2). Die ökologisch
bedenklichen FCKW (Ozonloch) wurden ab dem Jahre 1995 durch klimatisch
nicht schädigende Substanzen ersetzt.
Flammschutzmittel beeinflussen bei den Polyurethanen die Entflammbarkeit
und die Flammausbreitung. Bevorzugt werden Halogen- und Phosphorverbin-
dungen. Die Wirkung kann durch Synergisten gesteigert werden. Ein wichtiges
Flammschutzmittel ist auch das Aluminiumhydroxid, das sich zwischen 180 und
200 °C unter Wasserabspaltung in Aluminiumoxid umwandelt [19].
Alterungsschutzmittel wie Antioxidantien verzögern die Thermooxidation
der Polyurethane. Sie werden bereits bei der Herstellung der Ausgangsstoffe zu-
gegeben. Als Hydroperoxidzersetzer dienen sterisch gehinderte Phenole und se-
kundäre aromatische Amine. Als Synergisten wirken Thioether, Phosphite oder
Phosphine.
Polyaddukte
2.2.3 Polyaddukte 1419
Als Schutz gegen die Wirkung des UV-Anteils der Sonnenstrahlung dienen
Bisbenzooxazole, Cumarinderivate oder Bis(steryl)bisphenyle.
Der hydrolytische Abbau von Polyester-Polyurethanen wird durch den Zusatz
von Polcarbodiimiden gehemmt.
Das vorzügliche Haften von Polyurethanen auf anderen Werkstoffen führte
zu ihrer breiten Anwendung als Klebstoff. Das Adhäsionsvermögen wirkt sich je-
doch bei der Herstellung von Formstoffen nachteilig aus. Deshalb werden in das
geöffnete Werkzeug Trennmittel auf der Basis von Wachs, Seifen oder Ölen ge-
sprüht. Die auf der Oberfläche der Formteile haftenden Trennmittel müssen vor
einer Nachbehandlung, etwa dem Lackieren, entfernt werden. Neuere Entwick-
lungen zielen auf „innere“ Trennmittel, die das häufige und zeitraubende Ein-
sprühen des Formnestes erübrigen.
Die photochemische Oxidation der aus aromatischen Polyisocyanaten er-
zeugten Urethanverbindungen ist die Ursache des Vergilbens der Formstoffe bei
Einwirkung von UV-Strahlung. Die Vergilbungstendenz wird mit Hilfe der er-
wähnten UV-Stabilisatoren wesentlich verringert. Lichtstabile Polyurethane
können mit Hilfe aliphatischer Isocyanate hergestellt werden. Das Vergilben
zwingt häufig zum Einfärben oder zum Lackieren der Formteile.
Als Farbmittel dienen anorganische Pigmente wie Titandioxid, Eisenoxide,
Chromoxide, Cadmiumsulfid, Mischoxide, Spinelle, Farbruß u. v. a. Organische
Pigmente stammen aus den Reihen der Azo- und Diazoverbindungen, der
Phthalocyanine und Dioxazine. Polyol oder wasserlösliche Farbstoffe werden
wegen des Ausblutens nicht verwendet.
Polyurethane werden von Mikroorganismen nicht angegriffen. Unter tropi-
schen Bedingungen sind jedoch die Polyesterpolyurethane dagegen empfind-
lich. Deshalb werden diesen bereits bei der Herstellung Biozide gegen den An-
griff durch Pilze, Bakterien oder Hefe zugesetzt. In Betracht kommen Kupfer-7-
hydroxy-chinolin sowie Tributylzinn und seine Derivate.
Die Anwendung von Polyurethanen für Sicherheitsschuhe, Packmittel für
elektronische Güter und Plattenspielerauflagen erfordert eine nachhaltige Ver-
ringerung des Oberflächenwiderstandes.
Durch den Zusatz von Antistatika, beispielsweise Tetraalkylammoniumalkyl-
sulfat, zur Polyolkomponente kann der Oberflächenwiderstand auf etwa 108 W
gesenkt werden. Eine zusätzliche Behandlung mit Ruß-Dispersion vermag die-
sen sogar auf einige hundert W herabzudrücken.
Füllstoffe
Unter den Füllstoffen für Polyurethane stehen die Carbonate (Kreidetypen) an
erster Stelle. Ihr Anteil beträgt etwa die Hälfte des gesamten für PUR in Betracht
kommenden Füllstoffverbrauchs. Kreide gewinnt auch für Integralschaumstoffe
(RIM) an Bedeutung. Verschiedene Kreide- und Baryttypen werden in Weich-
schaumstoffen für Teppichunterlagen und in elastischen Materialien für Sport-
stätten und Teppichrückenbeschichtungen verwendet.
An organischen Füllstoffen kommen als Streckmittel zur Verbilligung der
Produkte Holz, Stroh, Schalen und einjährige Pflanzen in Betracht.
Polyaddukte
1420 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
Verstärkungsstoffe
Glasfasern gewinnen für Polyurethane im Hinblick auf die angestrebten „High
Modulus“ RIM-Produkte an Bedeutung [20]. Außer den kontinuierlich einge-
schäumten Rovings werden geschnittene und gemahlene Fasern eingesetzt.
Glas-(Hohl)kugeln von 5 bis 300 mm Durchmesser verbessern die Eigenschaften
sog. syntaktischer Hartschaumstoffe. Dem gleichen Zweck dienen auch größere
Kugeln aus geschäumtem Glas oder aus Ton.
2.2.3.2.1.2
Polyurethan-Gießharz
■ Allgemeine Stoffbeschreibung
Die Anwendungsmöglichkeiten der Isocyanat-Reaktionsharze wurden durch
die Entwicklung von Gießharzsystemen wesentlich erweitert. Die flüssigen Di-
isocynate (Reaktionsharze) härten nach dem Mischen mit Polyolen (Reaktions-
mittel) zu PUR-Formstoffen unterschiedlicher physikalischer Eigenschaften.
Die verarbeitungsfertige Gießharzmasse enthält ferner Füllstoffe, Weichmacher
und Farbmittel, wie im vorangehenden Abschnitt beschrieben.
Kennzeichnende Eigenschaften der Harze sind:
• kalt verarbeitbar bis zu Temperaturen von 0 °C,
• geringe Selbsterwärmung bei der Härtung,
• gleiches Gießharzrezept für kleine und große Formteile,
• Schnellhärtung durch Katalysatoren,
• geringe Schwindung,
• geringer Schwindungsdruck auf Einlegeteile,
• gute Haftung auf allen Werkstoffen,
• hohe Beständigkeit gegen den Angriff durch Chemikalien,
• geringe Wasseraufnahme und Wasserdampfdurchlässigkeit,
• gefahrlose Handhabung,
• niedrige Materialkosten.
■ Sortiment
Die Sortimente der Hersteller enthalten eine breite Typenauswahl an sog. Ver-
kapselungsharzen für Massivstoffe als auch Elastomer-Gießharze, d. h. Dreikom-
ponentensysteme, die wegen des im Formstoff verbleibenden Gasgehaltes ein
günstiges Dämpfungs- und Rückprallverhalten aufweisen (Puffer, Maschinen-
gründungen, Eisenbahnbrücken, U-Bahn-Linien).
■ Lieferform
Die Gießharzkomponeten werden in flüssiger Form geliefert. Das Isocyanatharz
ist stets unvermischt. Polyol- und Isocyanatvorräte sind stets vor Feuchtigkeits-
einwirkung zu schützen.
■ Typisierung
Die Isocyanat-Gießharze sind nicht typisiert.
■ Physikalische Eigenschaften
Eine Vorstellung des bei der möglichen Rezeptvielfalt der Gießharze erzielbaren
Eigenschaftsbildes vermittelt Tabelle 2-131.
■ Chemikalienbeständigkeit
Beständig gegen: schwache Säuren, Laugen, mineralische Fette, Öle, aliphatische
KW;
nicht beständig gegen: starke Säuren und Laugen, Aromaten, Alkohole, heißes
Wasser.
■ Strahlenbeständigkeit
Bei einer Dosis von 1012 J/kg nehmen Zugfestigkeit und Reißdehnung um 20 %
ab.
■ Witterungsbeständigkeit
PUR-Gießharzformstoffe sind witterungsbeständig. Vergilben schadet nicht.
■ Brennbarkeit
PUR-Gießharzformstoffe sind brennbar. Chlorhaltige Reaktanten und Zusatz-
stoffe wie Aluminiumtrihydrat (ATH) wirken als Flammschutzmittel.
■ Gesundheitliche Beurteilung
Ausgehärtete PUR-Formstoffe sind gesundheitlich unbedenklich und nicht
toxisch.
Polyaddukte
Polyaddukte
Polyether-Polyol 100 50 50 50
Polyether/Polyester-Polyol 100
Rinzinusöl 100
linearer Polyester 100
kombiniert linearer Polyester/Polyole 50
verzweigtes Polyetherpolyol 50
verzweigtes Polyesterpolyol 50
wasserentziehender Zusatz verhütet Schaumbildung 10 10 10 10 10 10 10
aromatisches Diisocyanat
niederviskos 100 42 44 15 57 60 57
Härtungsbeschleuniger 0,2 0,5 0,8
mechanische
Zugfestigkeit N/mm2 53455 60 20 4,5 4,8 10,9 24 1,5
Reißdehnung % 53455 6 90 75 200 80 70 80
Schlagzähigkeit kJ/m2 53454 40 – – – – – –
Biegefestigkeit N/mm2 54452 110 5 – – – – –
Druckfestigkeit N/mm2 53454 88 3,8 – – – – –
Shore-Härte A – 53505 99 96 70 71 92 99 98
Shore-Härte D – 53505 84 61 20 21 39 69 58
thermische
Gebrauchstemperatur ohne
mechanische Beanspruchung
in Luft kurzzeitig °C – 100 90 80 70 90 90 80
dauernd °C – 80 70 60 50 70 70 60
2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
Tabelle 2-131 (Fortsetzung)
Glasübergangstemperatur °C 53445 90 47 15 21 32 52 40
2.2.3 Polyaddukte
Polyaddukte
1424 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
■ Verarbeitungshinweise
Polyol, wasserentziehende Komponenten und alle andern Zusatzstoffe werden
im Rührwerk bei Temperaturen von 100 bis 120 °C und im Vakuum bei 1 bis
10 mbar Absolutdruck gerührt, bis keine Blasen mehr aufsteigen.
Die Isocyanatkomponente erhält vorher keine Zusätze, sondern wird stets in
der Lieferform verwendet. Die Mischung wird 3 min lang gerührt und auf Um-
gebungstemperatur abgekühlt. Dann ist sie gießfertig. Unterschuss an Isocyanat
führt zu weichen Formstoffen. Überdosierung zu größerer Härte.
Isocyanat-Gießharze werden meist durch Formgießen verarbeitet. Die Verar-
beitungs(Gebrauchs-)dauer der fertigen Harzmischungen beträgt 30 bis 50 min.
Rasch vernetzend eingestellte Mischungen können mit Zweikomponenten
Misch- und Dosieraggregaten verarbeitet werden [22].
Die Härtungszeit beträgt bei Raumtemperatur 8 bis 10 h, die Durchhärtung
weitere 8 Tage. Durch Erhöhen der Temperatur kann die Härtungszeit z. B. bei
40 °C auf 90 min, bei 80 °C auf 10 min verkürzt werden.
Durch die Zugabe von Beschleunigern, z. B. Desmorapid DB oder Dibutyl-
zinnlaurat kann die Gelierzeit von 30 min auf 8 min bei Zugabe von 1,0 % Des-
morapid DB oder auf 4 min bei Zugabe von 0,1 % Dibutylzinnlaurat gesenkt
werden.
Anwendungsbeispiele
Vergießen von Kabelgarnituren (Muffen und Endverschlüsse), Kleben und
Abdichten von Batteriekästen, Implosionsschutz für Fernsehröhren, Ver-
gießen von Transformatoren. Wandlern, Spulenteilen, Zündspulen, Be-
cherkondensator-Deckeln. Bindemittel für Formsande, Kohleverfestigung
im Steinkohlenbergbau (Verhindern des Auslaufens von Flözen), Bodenbe-
schichtungen gegen Verschleiß.
Handelsnamen
Baybond, Baydur, Bayfill, Baymer, Baynat, Baypreg, Baysport,
Baytec, Baytherm (Bayer AG/DE)
Conathane (Conap Div. of WFI/US)
Cyanaprene (American Cyanamid Corp./US)
Elastopan (Elastogran GmbH/DE)
Monothane (Sinair Corp./US)
Vibrathane (Uniroyal/US)
2.2.3.2.1.3
PUR-Integralschaumstoffe
Das bei vielen Anwendungen erforderliche zeitaufwändige Kombinieren von
PUR-Schaumstoffen mit anderen Werkstoffen, beispielsweise mit Folien aus ABS,
Polyaddukte
2.2.3 Polyaddukte 1425
PVC oder Metallblech, kann durch das vor fünfundzwanzig Jahren eingeführte
RIM (reaction injection moulding) vorteilhaft umgangen werden. Die PUR-
Schaumbildung kann in den Werkzeugen so gesteuert werden, dass Formteile mit
zelligem Kern und weitgehend zellfreier Randzone erzeugt werden. Die Formteile
entstehen in einem Arbeitsgang und die beim Schäumen sich bildende Haut ist
ein integraler Bestandteil des Formteils. Daher die Bezeichnung „Integral-
schaumstoff“ gemäß DIN 7726 (05. 82) [23 – 25]. Das RIM-Verfahren setzt ein ge-
naues Abstimmen der bei der Schaumbildung nebeneinander ablaufenden che-
mischen Reaktionen mit Werkzeugtemperatur, Treibmittelart und -menge sowie
der Verdichtung, die die schäumende Mischung erfährt, voraus. Die Rohdichte
muss über den Querschnitt gesehen von innen nach außen nicht sprunghaft, son-
dern allmählich zunehmen, denn nur dann ist – den Beispielen aus der Natur fol-
gend – bei niedrigem Gesamtgewicht eine hohe mechanische Festigkeit erreich-
bar. Die Dichteverteilung gleicht im Idealfall einer Parabel. Die Randzone erreicht
die Dichte der polymeren Gerüstsubstanz. Zur Mitte hin nimmt sie allmählich ab
und erreicht in Querschnittmitte ihr Minimum. Es wird mehr Reaktiongemisch
in das Formnest gefüllt, als zum freien Aufschäumen und Ausfüllen erforderlich
wäre. Die Werkzeugtemperatur muss die maximale Reaktionstemperatur um
mindestens 60 K unterschreiten. Bei Verwendung des Halogen-KW R-11, gegebe-
nenfalls in Kombination mit Methylenchlorid, wird das Werkzeug auf 50 bis 70° C
temperiert. Dort, wo kein Treibmittel verdampft, härtet der Formkörper porenfrei
aus. Bei einer Isocyanat/Wasser-Reaktion würde das entstehende CO2 an der
Wandung nicht kondensieren und kein Integralschaumstoff sich bilden können.
Die Integralschaumstoffe (in Anlehnung an die thermoplastischen Form-
stoffe mit vergleichbarem Querschnittaufbau wäre aus Gründen der sprachli-
chen Vereinheitlichung die Bezeichnung „Strukturschaumstoffe“ wohl wün-
schenswerter gewesen) werden meist aus Polyetherpolyolen mit Butandiol,
Ethylenglykol, Aminopolyolen oder Diaminen als Vernetzer hergestellt. Als Ka-
talysator dienen tertiäre Amine und zinnorganische Verbindungen.
Das Gemisch aus Polyolen, Vernetzern, Katalysatoren, Treibmittel, Emulgato-
ren und ggf. Farbpasten u. a. bildet die A-Komponente des Integralschaumstoff-
Systems. Ihr wird häufig eine geringe Luftmenge beigegeben. Die B-Komponente
besteht meist aus modifiziertem Diphenylmethandiisocyanat. Lichtstabile Inte-
gralschaumstoffe basieren auf aliphatischen und araliphatischen Diisocyanaten.
Zum Optimieren der Formstoffeigenschaften werden Füll- und Verstärkungs-
stoffe zugesetzt. Das entsprechend modifizierte Herstellverfahren wird als RRIM
(reinforced reaction injection moulding) bezeichnet [26].
Integralschaumstoffe bieten folgende Vorteile:
• Variationsbreite der mechanischen Eigenschaften,
• vielfältige Oberflächenexturierung,
• Freiheit in Konstruktion und Formgebung,
• niedriges Gewicht,
• wirtschaftliche Fertigung.
Diese Vorteile nutzt vor allem die Automobilindustrie im Interesse der inneren
und äußeren Sicherheit [27]. Schuhsohlen aus diesem Werkstoff haben bereits
einen beträchtlichen Marktanteil. Harte PUR-Integralschaumstoffe werden zur
Polyaddukte
1426 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
Polyester-Schaumstoffe
Flexible PUR-Integralschaumstoffe für Schuhsohlen werden vorwiegend aus li-
nearen Polyethern aufgebaut. Die Estersysteme enthalten außer Glycolen als Ver-
netzer auch Wasser. Der Glycolanteil bestimmt die Härte, die Wasserkonzentra-
tion die Formteildichte. Diese Polyesterformulierungen werden bei der Verar-
beitung mit der äquivalenten Menge Prepolymer umgesetzt. Die vorzügliche
Abriebfestigkeit führte dazu, dass Polyesterpolyurethane bevorzugt für hochbe-
anspruchbare Sohlen, beispielsweise Sportschuhe, eingesetzt werden. Der Ab-
rieb beträgt nur ein Drittel der vergleichbaren Gummisohlen. Besonders be-
währt haben sich Mehrlagen-Kombinationen aus einer dichten Lauf- und einer
etwa halb so dichten (450 kg/m3) Zwischensohle.
Harte PUR-Integralschaumstoffe
■ Herstellung
Für die Herstellung dieser anwendungstechnisch ebenso bedeutenden PUR-
Schaumstoffe werden vorwiegend 4,4¢-Diphenylmethan-Diisocyanat (MDI) und
auf der Polyolseite Polyether verwendet. Aufgeschäumt wird mit R-11 bzw. Mi-
schungen mit Trichlorfluorethan oder Methylenchlorid (in Zukunft treten fluor-
freie Treibmittel an die Stelle der klimagefährdenden FCKW). An Zusatzstoffen
können noch Flammschutzmittel, dunkle Pigmente, Bariumsulfat und nicht zu-
letzt Glasfasern in Betracht kommen.
■ Physikalische Eigenschaften
Die Produkteigenschaften sind in weiten Grenzen variierbar; sie werden deshalb
häufig durch ein Eigenschaftsspektrum beschrieben, das die Eigenschaften als
Polyaddukte
2.2.3 Polyaddukte 1427
■ Mechanische Eigenschaften
Kurzzeitverhalten bei geringer Verformungsgeschwindigkeit
Richtwerte der wichtigsten mechanischen Eigenschaften von PUR-Integral-Hart-
schaumstoffen bei Rohdichten von 400 und 600 kg/m3 enthält Tabelle 2-132.
Umwandlungstemperaturen
Sehr aufschlussreich über das Verhalten dieses Materials in der Wärme und in
der Kälte ist die Abhängigkeit des Schubmoduls, Bild 2-745. Dabei darf nicht
außer Acht gelassen werden, dass es sich bei diesen Schaumstoffen um vernetzte,
d. h. duroplastische Formstoffe handelt.
Das System a erweicht bereits bei etwa 100 °C, während das System b mit vor-
wiegend Polyisocyanurat-Strukturen bis 200 °C keinen ausgeprägten Erwei-
chungspunkt aufweist.
400 600
mechanische
Zugfestigkeit N/mm2 8 18
Reißdehnung % 7 7
Zug-E-Modul N/mm2 350 600
Biegefestigkeit N/mm2 25 45
Durchbiegung mm 10 12
Biege-E-Modul N/mm2 600 1050
Schlagzähigkeit kJ/m2 – 20 bis 60
Kugelfalltest (1,37 kg) cm – 40 bis 200
elektrische
Oberflächenwiderstand W 1 · 1013
Spezif. Durchgangswiderstand W cm 1 · 1014
Durchschlagfestigkeit kV/cm 123
Dielektrizitätszahl – 2,6
50 bis 1 MHz
dielektr. Verlustfaktor tan d – 0,023
50 bis 1 MHz
Vergleichszahl der Kriechwegbildung CTI/A 600
Polyaddukte
1428 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
■ Thermische Eigenschaften
Bei einer Rohdichte von 600 kg/m3 beträgt der mittlere lineare Ausdehnungs-
koeffizient 80 · 10–6 K–1. Eine Abhängigkeit von der Rohdichte ist nur bei Roh-
dichten < 100 kg/m3 feststellbar. Bei der ersten Aufheizperiode überlagern sich
bei Temperaturen > 60 °C nicht reversible Vorgänge durch Zellgasverluste.
■ Elektrische Eigenschaften
Siehe Tabelle 2-132.
■ Akustische Eigenschaften
Vor allem bei Tonmöbeln ist das akustische Verhalten der Werkstoffe von großer
Bedeutung. PUR-Integral-Hartschaumstoffe sind in dieser Hinsicht dem Holz
vergleichbar, teilweise sogar überlegen, wie Bild 2-748 zeigt.
■ Chemikalienbeständigkeit
Siehe Abschnitt 2.2.3.2.1.2 Gießharze. PUR-Integral-Hartschaumstoffe sind wie die
meisten PUR-Produkte gegen viele aggressive Lösemittel wenig empfindlich.
■ Witterungsbeständigkeit
Harte PUR-Integralschaumstoffe absorbieren im UV-Bereich. Der Farbton der
Formstoffe verändert sich, die Oberfläche von bewittertem Material zeigt mik-
roskopisch feine Risse, die Zugfestigkeit nimmt ab.
■ Wasseraufnahme
Feuchtigkeit wirkt im PUR-Gerüst als Weichmacher. Dieses Verhalten wirkt sich
vor allem auf die Zeitstandfestigkeit aus. Zwar lässt die Geschlossenzelligkeit der
Hartschaumstoffe eine geringe Wasseraufnahme zu. Sie vergrößert sich jedoch
mit steigender Temperatur, Bild 2-749.
■ Gesundheitliche Beurteilung
Siehe Abschnitt 2.2.3.2.1.2 PUR-Gießharze.
Trennen
Siehe Tabelle 2-6.
Fügen
PUR-Integralschaumstoffe werden mit Hilfe von Reaktionsklebstoffen auf Basis
PUR-, EP- und UP-Harz geklebt. Das Haften geschieht durch Adhäsion und che-
mische Bindung. Beim Verbinden mit anderen Werkstoffen müssen die Kleb-
stoffe jeweils auf beide Substrate abgestimmt werden.
Die hohe Scher- und Zugfestigkeit der PUR-Integral-Schaumstoffe lässt na-
turgemäß auch Schraubverbindungen zu.
Anwendungsbeispiele
Fenster- und Lichtkuppelrahmen, Musiktruhen, Sockel und Gehäuse von
TV-Standgeräten, Lautsprecher-, Radio- und Tonbandgerätegehäuse,
Waschbecken-Bidet-Kombinationen, Paddel-, Alpin-, Langlaufski- und
Tennisschläger-Verbundkonstruktionen, Kabelmuffen, Konsolen und
Gehäuse für Fernschreiber, Kopier- und Rechengeräte, Schreibmaschinen-
gehäuse, Sesselschalen, Liegen, Betten, Tische, Stühle, Schul- und
Kinderschreibtische, Labormöbel und Ladeneinrichtungen.
Handelsnamen
Bayflex, Baydur, Bayfill, Bayfit, Baymer, Baynat, Baytherm (Bayer AG/DE)
Clocel (Baxenden Chemical Co. Ltd./GB)
Daltocel (ICI Polyurethanes/BE)
Polyaddukte
2.2.3 Polyaddukte 1431
2.2.3.2.2
Thermoplastische Polyurethan-Elastomere (TPE-U)
Die thermoplastischen Polyurethan-Elastomere (TPE-U) sind die ältesten in der
Gruppe der thermoplastischen Elastomere (TPE). TPE-U wurden erstmals in
den fünfziger Jahren von Forschern der heutigen Bayer AG beschrieben, 1959
nahmen US-Firmen, Patente auf derartige Produkte. Anfang der sechziger Jahre
brachten außer der Bayer AG auch die Elastogran PUR-Chemie sowie US-Fir-
men TPE-U-Typen auf den Markt.
■ Herstellung
Die thermoplastischen Polyurethane sind wie alle Kunststoffe dieser Familie
Polyaddukte aus Polyisocyanaten und Polyolen. Das gummiähnliche Verhalten
resultiert aus dem segmentartigen Aufbau der Makromoleküle. Das Hartseg-
ment wird aus Diisocyanat und einem Kettenverlängerer, beispielsweise MDI +
Butandiol 1,4 gebildet. Als Weichsegment dienen langkettige Polyole. Sie bilden
eine Art chemisch gebundener Weichmacher.
Außer MDI (4,4-Diisocyanat-diphenylmethan) als dem am häufigsten ver-
wendeten Diisocyanat können auch HDI (Hexamethylen-diisocynat) und IPDI
(Isopren-Diisocyanat) als Hartsegmentkomponente verwendet werden.
Kurzkettige Diole, vorwiegend Butandiol 1,4, seltener Ethandiol 1,2 oder Hex-
andiol 1,6 dienen als Ausgangsprodukte für die Herstellung der Polyesterpolyole
(Butandiol 1,4-Polyadipat oder Ethandiol-butandiol 1,4-Polyadipat [29].
■ Allgemeine Stoffbeschreibung
Die thermoplastischen Polyurethane zeichnen sich durch folgende Eigenschaf-
ten aus:
• hohe Zugfestigkeit und Reißdehnung,
• hohe Flexibilität – auch bei tiefen Temperaturen,
• hohe Dauergebrauchstemperatur,
• geringe bleibende Verformung bei statischer und dynamischer Beanspruchung,
• günstiges Reibungs- und Verschleißverhalten,
• hohe Weiterreißfestigkeit,
• hohes Dämpfungsvermögen,
• hohe Beständigkeit gegen Öle, Fette und viele Lösemittel,
Polyaddukte
1432 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
■ Sortiment
Das Sortiment umfasst Typen verschiedener Härte sowie verschiedener oberer
und unterer Gebrauchstemperatur. Die Sortimente einiger Hersteller enthalten
Polymerblends mit TPE-U als elastifizierende Komponente, beispielsweise mit
den polaren Thermoplasten PVC, ABS und PC. Spröde Thermoplaste wie POM
werden schlagzäher bei allerdings reduzierter Steifigkeit. Weiche TPE-U-Typen
dienen vor allem bei PVC-U als nicht migrierender Weichmacher.
■ Lieferform
Granulat für das Spritzgießen, Extrudieren, Blasformen, Kalandrieren und
Pressformen. Die Formmassen sind hygroskopisch. In Orginalgebinden dicht
verpackt sind sie sechs Monate lagerfähig.
Polyaddukte
2.2.3 Polyaddukte 1433
■ Typisierung
Die thermoplastischen TPE-U-Elastomere sind nicht typisiert. Die Hersteller
klassifizieren die Formmassen meist nach der Härte.
■ Physikalische Eigenschaften
Eine Übersicht kennzeichnender Eigenschaften der thermoplastischen TPE-U-
Elastomere gibt Tabelle 2-133.
■ Mechanische Eigenschaften
Das Spannungsdehnungsverhalten einiger TPE-U-Typen bei Raumtemperatur
zeigt Bild 2-750. Die letzten beiden Ziffern der Kurvenbezeichnungen geben
Umwandlungstemperaturen
Das Verhalten eines Kunststoffs über einen breiten Temperaturbereich kann
sehr gut anhand des Schubmodulverlaufs in Abhängigkeit von der Temperatur
beschrieben werden. Bei der Messung des Schubmoduls im Torsionsschwin-
gungsversuch nach DIN 53 445 wird gleichzeitig der mechanische Verlustfaktor,
ein Maß für das Dämpfungsvermögen, ermittelt. Bild 2-752 A zeigt die Abhän-
gigkeit des Schubmoduls von drei Desmopan Typen und Bild 2-752 B den Verlauf
des mechanischen Verlustfaktors in Abhängigkeit von der Temperatur.
Das Hartsegment entscheidet über die Gebrauchstüchtigkeit bei hohen Tem-
peraturen. Bei TPE-U mit MDI als Basis steigt die Wärmestandfestigkeit bei
Variation der Kettenverlängerer in dieser Reihenfolge:
Hexandiol 1,6 < Butandiol 1,4 < Ethandiol. Weiche Typen mit Shore A 80 bis
90 sind je nach Rezept und Beanspruchung wärmestandfest im Bereich 60 bis
Polyaddukte
2.2.3 Polyaddukte 1435
■ Chemikalienbeständigkeit
Beständig gegen: mineralische Fette, Öle, Benzin (Additive können schädigen),
schwache Säuren, schwache Laugen, Ozon, O2 ;
Nicht beständig gegen: starke Säuren, starke Laugen,Aromaten,Alkohole, heißes
Wasser, heiße feuchte Luft, Sattdampf.
Polyaddukte
1436 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
Bild 2-752. Temperaturabhängigkeit des Schubmoduls (A) und des mechanischen Verlustfak-
tors (B) von drei TPE-U-Typen
a Desmopan 460
b Desmopan 790
c Desmopan 385
Polyaddukte
2.2.3 Polyaddukte 1437
■ Witterungsbeständigkeit
Hohe Witterungsbeständigkeit, Vergilben beeinträchtigt die Eigenschaften
nicht.
■ Strahlenbeständigkeit
Beständig bis zu Strahlendosen von 1011 J/kg. Bei 1013 J/kg werden Zugfestigkeit
und Dehnung um 50 % vermindert.
■ Brennbarkeit
Brennt mit leuchtender Flamme und stechendem Geruch. Flammwidriges Aus-
rüsten ist mit Hilfe chlorhaltiger Reaktanten und Antimontrioxid möglich.
■ Wasseraufnahme
TPE-U Granulat nimmt bei Lagerung in Luft mit 50 % rel. Feuchtigkeit in fünf
Tagen 0,4 % und bei 95 % rel. Feuchtigkeit 1,2 % Wasser auf.
■ Gesundheitliche Beurteilung
TPE-U sind gesundheitlich unbedenklich. In der Medizin wird vor allem die
hohe Blutverträglichkeit geschätzt.
■ Verarbeitung
Alle TPE-U-Typen sind auf Schneckenkolbenmaschinen spritzgießbar.Die Masse-
temperatur ist wie folgt zu wählen:
Härtebereich Shore A/D Massetemperatur
75 bis 90/28 bis 40 180 bis 210 °C
95/ 55 210 bis 245 °C
Die Werkzeugtemperatur beträgt normalerweise 20 °C, bei dicken Formteilwan-
dungen 5 °C und bei dünnen (< 2,5 mm) 40 bis 50 °C.
Beim Extrudieren von Folien und Halbzeug sind Massetemperaturen von 170
bis 190 °C und bei Draht- und Kabelummantelungen bis zu 22 °C zu wählen.
Für das Extrusions-Blasformen stehen Sondertypen zur Verfügung. Form-
teile aus TPE-U sollten in der Wärme nachbehandelt werden. Die Typen Shore A
Härte < 90 werden 20 h bei 80 bis 90 °C, die härteren, die nicht nachbehandelt
werden können, erreichen das Eigenschaftsniveau nach einigen Wochen. Form-
teile und Halbzeug sind kleb- und schweißbar.
Kleine Fügeflächen können mit Hilfe von N-Methylpyrrolidon oder Dime-
thylformamid (DMF) geklebt werden. Zweikomponenten-Klebstoffe auf Basis
modifizierter Polyester mit Härtern auf Diisocyanatbasis eignen sich für das
Verkleben von TPE-U untereinander, mit anderen Kunststoffen und Metallen.
Geeignet sind auch Reaktions-Klebstoffe auf der Basis von EP-Harzen.
Für das Schweißen kommen
Heißluft- und Stickstoffschweißen (Gastemperatur 290 bis 330 °C)
Heizelementschweißen (Oberflächentemperatur 270 bis 320 °C)
Hochfrequenzschweißen (Wanddicken < 2 mm)
Reibungsschweißen (Umfangsgeschwindigkeit 4,5 bis 8 m/s) in Betracht.
Anwendungsbeispiele
Automobilbau: Lager, Buchsen, Türschloßdichtungen, Dämpfungsele-
mente, Membranen, Manschetten, Seilzuführungen,
Schlauchummantelungen, Stoßdämpferzubehör;
Maschinenbau: Zahnräder zur Übertragung geringer Kräfte, Dichtun-
gen, Manschetten, Abstreifer, Kupplungselemente,
Zahnriemen, Schläuche, Rollen, Picker, Rollschuhrol-
len, Auskleidungen von Gewebe- und Druckschläuchen;
Werkzeuge: Hammerköpfe, Schleifteller, Abstreifer;
Schuhindustrie: Sportschuhsohlen, Stollen, Absätze, Skischuhe;
Polyaddukte
1440 2 Synthetische Kunststoffe: 2.2 Polykondensate
Handelsnamen
Desmopan (Bayer AG/DE)
Durelast (Kemira Polymers Ltd./GB)
Elastolen, Elastolan (Elastogran GmbH/DE)
Estaloc, Estane (B.F. Goodrich Chemical Co./US)
Europolymers (Avalon Chemical Group /US)
Fabeltan (Tubize Plastics S.A./BE)
Irogran (Morton International Inc./US)
Oldopren (Büsing u. Fasch GmbH & Co./DE)
Pelprene (Toyobo Co. Ltd./JP)
Plastothane (Morton Thiokol/US)
Polyathane (Morton International Inc./US)
Roylar (B.F. Goodrich Chemical Group/US)
Urafil (Akzo-Engineering Plastics Inc./US)
Uthane (Urethanes India Ltd./IN)
2.2.3.2.2.1
Thermoplastische Polyaddukte
Zur Herstellung thermoplastischer Polyaddukte werden bifunktionelle Aus-
gangskomponenten benötigt. Die Anzahl dieser Polyaddukte ist ziemlich groß,
jedoch gehören nur wenige zu den formbaren Kunststoffen. Zu den bekanntes-
ten zählen die linearen Polyurethane.
2.2.3.2.2.1.1
Lineare Polyurethane
Lineare Polyurethane werden seit dem Jahre 1940 großtechnisch hergestellt. Die
Produktion begann mit dem Faserrohstoff Perlon U im Werk Leverkusen der IG
Farbenindustrie. Obwohl die Bayer AG im Jahre 1976 die Produktion ihres line-
aren PUR Durethan U aus wirtschaftlichen Gründen einstellte, sei dennoch das
Eigenschaftsbild dieser dem PA 66 verwandten linearen Polyurethane in ge-
drängter Form wiedergegeben. Dies erscheint um so gerechtfertigter, als vor
etwa zwei Jahren die Firma Upjohn Co. (US) die Markterschließung mit ihrem
auf Diphenylmethan-4,4¢-Diisocyanat (MDI) basierenden Isoplast ankündigte.
Polyaddukte
2.2.3 Polyaddukte 1441
Die bevorzugten Ausgangskomponenten von Durethan U waren als Diol das 1,4-
Butylenglycol und als Diisocyanat das 1,6-Diisocyanat-hexan.
1,4-Butandiol 1,6-Diisocyanat-hexan
Allgemein kann man für diese Reaktion schreiben:
Diol Diisocyanat
Bei der Polyadditionsreaktion wandert der Wasserstoff zum Stickstoff des Di-
isocyanats und es entsteht:
lineares Polyurethan
Durethan U
2.2.3.3
Literatur – Kapitel 2.2.3
[1] Ciba-Geigy (1980) „Epoxidharze und deren Härtungsmechanismen“, Druckschrift 2430/d
780.615/70
[2] Kubeus K (1971) „Cycloaliphatische Epoxidharze“, Kunststoff-Handbuch Bd. XI, C. Hanser
Verlag, München, S 247 – 269
[3] Meyerhaus K (1971) „Epoxidharz auf der Basis von Epichlorhydrin und Bisphenol A“ in
[22], S 99 – 246
[4] Fuhrmann U (1995) „Epoxidharze (EP)“, Kunststoffe 85, S 1630 – 1632
[5] Schik J-P (1968) „Reaktionsharz und Reaktionsmittelsysteme und Verstärkungsfaser“,
VDI-Bildungswerk BW 1126
[6] Schrempf C et al. (1995) „Harz-Härter Beschleuniger“, Kunststoffe 85, S 380 – 383
[7] Berger St et al. (1996) „Spülen mit einer Komponente“, Kunststoffe 86, S 186 – 190
[8] Oberbach K (1980)“Kunststoff-Kennwerte für Konstrukteure“, C. Hanser Verlag, Mün-
chen, S 101
[9] Ciba-Geigy „Das automatische Druckgelieren“, Druckschrift Nr. 28160/d 841, 121/30
[10] Fisch W et al. (1961) „Chemischer Aufbau von gehärteten Epoxidharzen“ in „Die Makro-
molekulare Chemie“ Bd. XL IV XL VI, S 8 – 23
[11] Liebold R (1995) „SMC, BMC, GMT, Stand der Technik und Trends in der GFK-Verarbei-
tung“, Kunststoffe 85, S 1743 – 1750
[12] Müller K et al. (1985) „Kunststoffeinsatz bei erhöhter Wärmebeanspruchung“, Maschinen-
baunachrichten 10, S 12ff
[13] Ehrentraut P (1989) „Duroplaste – hochwärmebeständige, vielseitige Verbundwerkstoffe“
in Tagungshandbuch: „Polymere Hochleistungswerkstoffe in der technischen Anwen-
dung, SKZ Würzburg, S 37 – 57
[14] Pyrlik M (1981) „Eigenschaften Silicon-Kautschuk modifizierter Reaktionsharze“ in [1], S
183 – 196
[15] Schauerte K (1993) „Abwandlungsprodukte der Rohstoffe“, Kunststoffhandbuch Bd. 7,
„Polyurethane“, C. Hanser Verlag, München, S 88 – 103
[16] Abele L et al. (1993) „Polyurethane und Umwelt in [15], S 695 – 716
[17] Tintelnot D (1995) „Wasser – eine ökologische Alternative für FCKW“, Kunststoffe 85, S 509–516
[18] Haas P et al. (1993) „Hilfs- und Zusatzstoffe für Polyurethane“ in [15], S 104 – 138
[19] Walz R et al (1996) „Halogenfreies Flammschutzmittel“, Kunststoffe 86, S 230 – 235
[20] Lorch O (1996) „Kostengünstig verstärken“, Kunststoffe 86, S 1860 – 1863
[21] Dieterich D et al. (1993) „Grundlagen der Polyurethanchemie und Sondergebiete“ in [35],
S 11 – 50
[22] Berger St et al. (1996) „Spülen mit einer Komponente“, Kunststoffe 86, S 186 – 190
[23] Avar, G et al. (1993) „Integral-Schaumstoffe und RIM-Werkstoffe“ in [35], S 355 – 415
[24] Uhlig K (1995) „Polyurethane: Rohstoffe und Anwendungen“, Kunststoffe 85, S 2176 – 2178
[25] Lüdke H (1995) „PUR-Verarbeitung“, Kunststoffe 85, S 2146 – 2148
[26] Meiners H-J et al. (1996) „Dünnwandige PUR-Bauteile“, Kunststoffe 86, S 1855 – 1859
[27] Sattlecker B (1995) „Glasmattenvorformtechnik“, Kunststoffe 85, S 1332 – 1336
[28] Mawbey J (1996) „Leichte PUR-Schaumstoffe“, Kunststoffe 86, S 1713 – 1714
[29] Awater A et al. (1993) „Massive PUR-Werkstoffe“ in [35], S 417 – 514
Polyaddukte
KAPITEL 3
Spezialkunststoffe
3.1
Abgewandelte Naturstoffe
Emilia R. inone-kauffmann
Über lange Zeiträume hinweg waren nachwachsende Rohstoffe die einzigen En-
ergieträger und Rohstoffquellen für chemische Produkte. Als vor etwa hundert
Jahren die intensive Suche nach neuen Werkstoffen begann, lag es nahe, einige
der in der Natur vorkommenden Hochpolymere – auch wenn diese erst viel spä-
ter als solche erkannt wurden – als Ausgangsstoffe zu verwenden. Einige wich-
tige und sich ständig erneuernde Rohstoffvorräte der Natur sind: Cellulose,
Zucker, Stärke, Lignin, Fette und Öle.
Die Begriffe abgewandelte Naturstoffe, natürliche Polymere oder Biopoly-
mere werden in der Literatur unterschiedlich verwendet.
Häufig stehen Biopolymere für biologische Abbaubarkeit, unabhängig von
den Ausgangsmonomeren oder einfach für Polymere, die in der Natur vorkom-
men.
1444 3 Spezialkunststoffe
3.1.1
Stärke und Derivate
Rainer Schweppe
■ Synthese/Vorkommen
Wann immer eine Pflanze Traubenzucker nicht benötigt, speichert sie ihn in
Form von Stärkekörnern in Wurzeln, Knollen, Mark oder Samen. Stärke ist ein
Reservekohlenhydrat, das von vielen Pflanzen in Form von 1 – 200 mm großen
Stärkekörnern in verschiedenen Pflanzenteilen gespeichert wird, z. B. in Knollen
oder Wurzeln [z. B. Kartoffeln, Maranta (Arrowroot), Maniok (Tapioka), Batate],
in Getreide-Samen (z. B. Weizen, Mais, Roggen, Reis, Gerste, Hirse, Hafer, Sorg-
hum), in Früchten (z. B. Kastanien, Eicheln, Erbsen, Bohnen, Hülsenfrüchte, Ba-
nanen) sowie im Mark (z. B. Sagopalme).
Nach Cellulose ist Stärke der bedeutendste nachwachsende Rohstoff. Der
überwiegende Anteil der weltweiten Stärkeerzeugung entfällt auf die Rohstoffe
Mais, Kartoffeln, Tapioka (Maniok) und Weizen. Weltweit werden heute jährlich
über 45 Millionen Tonnen Stärke industriell erzeugt, davon knapp 10 Mio. Ton-
nen in Europa und 2 Mio. Tonnen teilweise durch Importe in Deutschland [1].
Etwa 1 Mio. Tonnen fließen jährlich in Deutschland in technische Anwendungen.
Tabelle 3-1 zeigt die Anbaufläche für Stärke in Deutschland.
■ Eigenschaften
Physikalische, chemische und mechanische Eigenschaften
Chemisch gesehen besteht die Stärke der allgemeinen Zusammensetzung
(C6H10O5)n aus drei verschiedenen D-Glucopyranose-Polymeren, der Amylose,
dem Amylopektin und einer sogenannten Zwischenfraktion, die auch als „anor-
males Amylopektin“ bezeichnet wird.
Weitere Bestandteile der Stärke sind: Wasser (ca. 20 %, je nach Sorte und La-
gerungsbedingungen), Eiweiß, Fette und esterartig gebundene Phosphorsäure.
Korndurchmesser mm 3,5–4
Dichte g/cm3 1,1
Schüttdichte kg/m3 760
MFR (150 °C, 10 kg) g/10 min 9,5 ± 1
Wassergehalt % 3,5 ± 0,5
Vicat-Enweichungstemperatur (VST A/50) °C 64
a
Hersteller: Firma Biotec Biologische Naturverpackungen GmbH, Emmerich.
Foliendicke mm 20–100
Dichte g/cm3 1,1
Zugfestigkeit, längs N/mm2 34
Zugfestigkeit, quer N/mm2 26
Dehnung bei Höchstzugkraft, längs % 900
Dehnung bei Höchstzugkraft, quer % 750
a
Hersteller: Firma Biotec Biologische Naturverpackungen GmbH, Emmerich
■ Marktübersicht
Handelsnamen
Bioplast (Biotec/DE)
Mater-Bi (Novamont SpA/IT)
Eco-Foam (National Starch and Chemical GmbH/DE)
Paragon (Avebe B.A./NL)
Storopack (Storopack Deutschland GmbH + Co. KG/DE)
Evercorn (Ever Corn, Inc./JP)
Earth Shell (Earth Shell Corporation/US)
Biopar (BIOP Biopolymer Technologies AG/DE)
Novon (Novon International Inc./US)
3.1.2
Polymilchsäure (PLA)
Emilia R. inone-kauffmann
Polymilchsäure, auch Polylactid genannt, ist ein aliphatischer Polyester, der aus
Milchsäure oder Polyglykolsäure hergestellt wird. Milchsäure wurde 1780 vom
schwedischen Chemiker Scheele entdeckt und 1881 mit der industrielle Herstel-
lung begonnen. [1]
Heute wird Milchsäure u. a. durch Fermentation von Traubenzucker, Zucker,
Mais, Stärke oder anderen Rohstoffen hergestellt.
■ Synthese/Vorkommen [2–5]
Polymilchsäure kann durch Polykondensation aus Milchsäure oder Ringöff-
nungspolymerisation aus dem entsprechenden Lactid hergestellt werden.
Mit der Ringöffnungspolymerisation wird über die Ringöffnung der Dil-
actide und Verkettung der Milchsäuremoleküle ein hohes Molekulargewicht er-
zielt.
Die direkte Kondensation führt zu niedermolekularen Oligomeren. Eine ge-
zielte Prozesssteuerung, bei der sich niedermolekulare Moleküle miteinander
verketten und verzweigen führt so zu größerem Molekulargewicht.
■ Eigenschaften [2, 3, 8]
Physikalische, chemische und mechanische Eigenschaften
PLA zeichnet sich durch folgende Eigenschaften aus.
• Teilkristallines thermoplastisches Material
• Hohe Widerstandsfähigkeit gegen Fette, Feuchte und Alkohol
• Steif bis flexibel je nach Modifizierung
• Glänzende Oberfläche und transparent
• Mischung mit Füllstoffen sowie Copolymerisation möglich
• Einfärbbar
Die Eigenschaften einiger PLA-Typen sind in Tabelle 3-7 zusammengestellt.
■ Anwendungsbeispiele
Einwegprodukte wie Teller, Trinkbecher und Besteck
Verpackungsmaterial für Tiefkühlkost, Salat und Margarinenbecher, Kosmetik,
Flaschen und Flaschenverschlüsse, Chirurgisches Nahtmaterial, Implantate.
■ Umwelt [2, 8]
Nach ASTM D 5338 (58°C) verläuft der Abbau einer PLA-Folie in 60 Tagen zu 90 %.
■ Marktübersicht
Handelsnamen
Medizin [9]
PLA hat eine erste kommerzielle Anwendung in der Medizintechnik für Im-
plantate und Nahtmaterial gefunden.
BioScrew (Linvatec Corporation/US)
Biofix (Bioscience, Ltd./UK)
PL-Fix (Bristol-Myers Squibb Company/US)
Phusiline (Phusis/FR)
Lactel (Birminghan Polymer Inc/UK)
Purac (Purac Biochem/NL)
Biomer L (Biomer/DE)
Verpackung
Mittlerweile gibt es auch Anwendungen in der Verpackungsindustrie.
NatureWorks (Cargill Dow LLC/US)
Ecoloju (Mitsubishi Plastics, Inc./JP)
3.1.3
Polyhydroxyfettsäuren (PHF)
Emilia R. inone-kauffmann
■ Synthese/Vorkommen
PHAs (Polyhydroxyalkanoate) oder PHFs (Polyhydroxyfettsäuren) sind lineare
Polyester, die in der Natur durch bakterielle Gärung des Zuckers oder der Lipide
hergestellt werden. Der Energiespeicherstoff wird in den Bakterien-Körpern
in Form von Fettsäuren (Polyhydroxyfettsäuren) eingelagert. Am Ende des
Gärungsprozesses besteht 80 % des Gewichts der Bakterien aus dem Polyester,
der dann extrahiert und gereinigt wird. Heute sind über 70 Bakterienarten be-
kannt, die in den Zellen Energiespeicherstoff einlagern [2–6].
Die Nutzung genetisch modifizierter Pflanzen ist ein relativ neuer Weg um
PHB herzustellen. Die Gene einiger Pflanzen werden so modifiziert, dass PHB in
den pflanzlichen Geweben synthetisiert werden kann. Nach Extraktion von PHB
können die pflanzlichen Reste verbrannt werden, um Energie zu gewinnen [7, 8].
■ Eigenschaften
Physikalische, chemische und mechanische Eigenschaften [6, 7]
Richtwerte der kennzeichnenden physikalischen Eigenschaften enthält Tabelle
3-8.
PHB hat Eigenschaften, die denen von Polypropylen ähnlich sind. Allerdings
ist PHB etwas steifer und spröder.
3.1 Abgewandelte Naturstoffe 1453
Anwendungsbeispiele
Verpackungsbereich: Lebensmittel, Flaschen, Dosen, Deckel, Wegwerf-
artikel.
Medizintechnik: Chirurgische Nahtmaterialien, künstliche Knochen, Im-
plantate.
■ Umwelt
Die bakteriellen PHAs sind im Boden, Schlamm und Seewasser biologisch ab-
baubar. Die Abbauzeit ist abhängig von den Wandstärken der Bauteile.
Das Material Biocycle ist nach DIN 53739 (ASTM G21/G22-90) nach 29 Tagen
biologisch abbaubar. Im Boden erfolgen der Abbau zu 75 % in 180 Tagen.
■ Marktübersicht
Handelsnamen
Metabolix (Metabolix, Inc./US)
Biomer P (Biomer/DE)
Biocycle (PHB Industrial S.A./BR)
Tabelle 3-8. Physikalische Eigenschaften von PHB – Biocycle a
1454
Eigenschaften Einheit Biocycle Biocycle Biocycle Biocycle Biocycle Biocycle Biocycle Biocycle Biocycle
1000 1011 1021 1022 1041 1042 1043 1071 1081
Dichte g/cm3 1,24 1,23 1,33 1,32 1,17 1,18 1,19 1,28 1,32
Schmelzindex g/10 min 5,5 15,0 44,0 37,0 13,0 10,0 14,0 – 15,3
Mechanische Eigenschaften
Bruchfestigkeit N/mm2 30,1 27,8 14,8 22,4 – - 30,2 25,1 25,1
Zugdehnung % 3,8 1,6 1,3 1,5 > 350,0 >350,0 7,0 1,7 1,2
Zug-E-Modul N/mm2 2400 4200 2800 3200 600 1100 1800 4800 4600
Izod-Kerbschlagzähigkeit J/m 26,3 23,2 16,7 20,4 535,7 356,9 25,7 49,0 20,6
Kristalinität % 51,0 50,5 52,5 49,5 55,3 51,8 53,6 52,1 56,8
a
Alle Werte von der Firma PHB Industrial S.A.
3 Spezialkunststoffe
3.1 Abgewandelte Naturstoffe 1455
3.1.4
Cellulose und Cellulosederivate
Einen sich ständig erneuernden Rohstoffvorrat bietet die Natur im Baustoff der
Pflanzen, der Cellulose. Mit dem im Jahre 1859 dem englischen Chemiker
Th. Taylor erteilten britischen Patent Nr. 787, das eine „Erfindung zur Steige-
rung der Festigkeit von Pergamentpapier und Vulkanfiber betraf“, war der An-
stoß zu der bedeutsamen Entwicklung abgewandelter Naturstoffe, auf der
Grundlage von Cellulose gegeben. Cellulose, ein Polysaccharid, findet man in der
Natur vor allem als Gerüstsubstanz des Holzes, in Bast und Baumwollfasern und
in allen verholzten Pflanzenteilen. Cellulose, mit der Summenformel (C6H10O5)n
enthält drei Hydroxylgruppen, die beispielsweise mit einem Gemisch aus Sal-
petersäure, Schwefelsäure und Wasser nitriert werden können. Die Struktur-
formel der Cellulose zeigt, dass die Traubenzuckerreste durch Sauerstoffatome
miteinander verbunden werden.
Cellulose
1456 3 Spezialkunststoffe
3.1.4.1
Vulkanfiber (VF)
■ Allgemeine Stoffbeschreibung
Die 1859 von Taylor vorgeschlagene Behandlung von ungeleimtem Papier mit
Zinkchloridlösung macht die ursprünglich weichen Cellulosefasern wieder hart
und hornartig. Sie verkleben miteinander. Die allerdings nur scheinbare Pa-
rallele zum Vulkanisationsvorgang des Kautschuks führt zu der englischen Be-
zeichnung „vulcanized fibre“ bzw.Vulkanfiber. Im Unterschied zu dem sehr ver-
wandten Pergamentpapier besteht Vulkanfiber aus mehreren, unter Anwendung
von Druck und Wärme fest miteinander verbundenen Schichten aus Hydrat-
cellulose [1].
Durch Pressen dünner, getränkter Vulkanfiberlagen mit härtbaren Harzen
können hohe Festigkeitswerte erzielt werden. Die verschiedenen Vulkanfiberty-
pen sind durch folgende gemeinsame Eigenschaften gekennzeichnet:
■ Sortiment
Das in Form von Halbzeug angebotene Sortiment umfasst Erzeugnisse für all-
gemeine Zwecke sowie spezielle Typen für die Elektrotechnik und für die Her-
stellung von Koffern und Behältern.
■ Lieferform
Tafeln 0,1 bis 50 mm dick
Rollenware 0,1 bis 1,5 mm dick
Rundstäbe 2 bis 50 mm Durchmesser
Rohre 4 bis 90 mm Nennweite.
3.1 Abgewandelte Naturstoffe 1457
■ Formstücke
Das angebotene Halbzeug und die Formstücke sind in den Farben grau, rot,
weiß, schwarz und lederähnlich lieferbar.
■ Typisierung
Die Typbezeichnung, z. B.
Vf 3110 (Vulkanfiber für allgemeine technische Zwecke),
Vf 3120 (Elektro-Vulkanfiber),
Vf 3160 (Vulkanfiber für Koffer und Behälter),
geschieht nach DIN 7737 (09. 59). Die Eigenschaftswerte waren früher in der
heute nicht mehr bestehenden DIN 2237 festgelegt.
■ Physikalische Eigenschaften
Die Spanne der für die genannten Typen gültigen Eigenschaftswerte ist in Ta-
belle 3-9 wiedergegeben.
■ Chemikalienbeständigkeit
Beständig gegen: organische Lösemittel, Treibstoffe, Öle;
weichmachend wirken: Glycol, Glycerin, Calciumchlorid u. a.;
nicht beständig gegen: Säuren und Laugen.
■ Brennbarkeit
Mit heller Flamme brennend, Geruch nach verbranntem Papier.
■ Gesundheitliche Beurteilung
Ohne Eigengeruch und Geschmack,Verwendung in Berührung mit Lebens- und
Genussmittel nicht üblich.
■ Verarbeitung
Umformen nach Erwärmen auf Temperaturen von 80 bis 100 °C in Werkzeugen
mit Temperaturen von 100 bis 120 °C. Gut spanbar, schraub- und klebbar.
Anwendungsbeispiele
Koffer, Transportbehälter, Knöpfe, elektrotechnische Artikel, Halbzeug für
die Möbel- und Textilindustrie, den Maschinen- und Fahrzeugbau, Schleif-
scheiben und -bänder, Dichtungen, Schutzhelme, Mützenschirme, Bürobe-
darf sowie Halbzeug für Sportartikel und Schuhwerk.
Bekannte Handelsnamen
Dynos (HT Troplast AG/DE)
Hornex (Vulkanfiberfabrik E. Krüger/DE)
3.1.4.2
Kunststoffe aus abgewandelter Cellulose
Durch Einwirken von einem Gemisch aus Schwefelsäure und Salpetersäure auf
Cellulose gewinnt man Cellulosenitrat.Der Baseler Chemieprofessor Chr.Schön-
bein machte im Jahre 1846 durch Zufall diese Beobachtung. Dadurch war der An-
stoß gegeben zu einer Palette neuer Substanzen, zu denen nicht nur Sprengstoffe
(Nitrocellulose), sondern auch Celluloid, Reyon, Zellglas und Lacke gehören.
3.1.4.2.1
Celluloseester aus anorganischen Säuren
3.1.4.2.1.1
Cellulosenitrat (CN)
Cellulosenitrat – fälschlich of Nitrocellulose genannt – ist der älteste formbare
Kunststoff, der wirtschaftliche Bedeutung erlangte. Wenn auch Parkes bereits
1865 ein englisches Patent (Nr. 1313) für die von ihm entwickelte nitrierte Cellu-
lose erhielt, so war es doch J. W. Hyatt, der 1869 dieses Produkt erstmalig im
technischen Maßstab herstellte. Vor allem verwendete er größere Mengen von
Campher als Weichmacher als seine Vorgänger. Hyatt wurde zu seinen Arbeiten
durch ein Preisausschreiben angeregt, das für die Entwicklung eines Ersatzstof-
3.1 Abgewandelte Naturstoffe 1459
Cellulose Cellulosenitrat
■ Allgemeine Stoffbeschreibung
Cellulosenitrat ist durch folgende Eigenschaften gekennzeichnet:
■ Lieferform
Tafeln 0,125 bis 15 mm, dick, poliert, matt, geprägt
Rundstäbe 2 bis 30 mm Durchmesser
Drähte 1,5 bis 6 mm Durchmesser
glasklar, einfarbig bunt, Nachstellungen von Schildpatt, Horn, Achat, Perlmutt
u. a.
■ Physikalische Eigenschaften
Die für Celluloid üblichen Wertebereiche sind in Tabelle 3-10 wiedergeben.
■ Chemikalienbeständigkeit
Beständig gegen: Wasser, Salzlösungen, verdünnte Säuren, schwache Alkalien
(Seife), Benzin, Schmieröl;
1460 3 Spezialkunststoffe
nicht beständig gegen: konzentrierte Säuren, starke Laugen, viele organische Lö-
semittel (Ketone, Ester niedere Alkohole).
■ Witterungsbeständigkeit
nur bei entsprechender Stabilisierung.
■ Brennbarkeit
Brennt heftig mit heller Flamme, entwickelt braune Dämpfe, Geruch nach Stick-
oxid und Campher.
■ Gesundheitliche Beurteilung
Ohne Eigengeruch und Geschmack. Die Verwendung in Berührung mit Lebens-
mittel ist nicht üblich.
■ Verarbeitung
Umformen von Halbzeug durch Pressen, Blasformen von Folien und Tafeln in
der Wärme; spanbar, polierfähig, klebbar mit Aceton und Ester-Lösemitteln, die
schon gelöstes CN enthalten.
Anwendungsbeispiele
Kämme, Haarschmuck, Brillengestelle, Toilettenartikel, Musikinstrumente,
Tischtennisbälle, Griffe und Beschläge. Die wirtschaftliche Entwicklung
dieses Kunststoffs ist rückläufig. Er wurde wegen der leichten Entflamm-
barkeit und der verhältnismäßig hohen Herstellkosten von anderen Kunst-
stoffen verdrängt.
Handelsnamen
Die frühere Wortmarke Celluloid wurde wie viele andere zur Sammelbe-
zeichnung.
Hagedorn (Hagedorn AG/DE)
3.1.4.2.2
Celluloseester aus aliphatischen Carbonsäuren
Die Feuergefährlichkeit des Celluloids war seit der Erfindung für viele Forscher
Anlass, sich mit der Acetylierung von Cellulose zu beschäftigen. P. Schützen-
berger gelang zwar bereits 1865 die Herstellung von Celluloseacetat aus Cellu-
lose und Essigsäure und 1909 entwickelte A. Eichengrün die erste Acetat-
Kunstseide nach Patenten der Farbenfabriken Bayer, es dauerte jedoch noch bis
zum Jahre 1919, bis Eichengrün gemäß DRP Nr. 441 023 das Spritzgießen von
CA-Spritzgussmassen geschützt wurde.
Der Aufschwung der Produktion von Celluloseestern setzte ein, als es ge-
lang, durch teilweise Abspaltung von Essigsäure, das beschränkt lösliche Tri-
acetat (Primäracetat) in ein Sekundäracetat überzuführen, das in zahlrei-
chen Lösemitteln löslich ist. Damit war ein thermoplastischer Celluloseester ge-
schaffen.
Auch das Acetylcelloid ist ein thermoplastischer Kunststoff, der aus Acetyl-
cellulose (Celluloseacetat) und Weichmachern jedoch nach dem Celluloid-
Block-Verfahren hergestellt wird. Celluloseester-Formmassen werden heute in
Form von Granulat für das Spritzgießen und Extrudieren bevorzugt [2].
Die Veresterung der Cellulose mit organischen Säuren wird mit den Säure-
chloriden oder Säureanhydriden in Gegenwart eines Katalysators durchgeführt
wie die Nitrierung.
Wird statt mit Essigsäure mit Propionsäure verestert, dann tritt an die Stelle
von COCH3 die Gruppe CO–CH2–CH3 entsprechend Cellulosepropionat (CP),
mit Buttersäure erhält man CO–CH2–CH2–CH3 entsprechend Cellulosebutyrat
(CB). Außerdem sind Mischester herstellbar.
Die vollständige Acetylierung führt zu einem Produkt mit 44,8 % Acetyl, d. h.
drei Acetylgruppen je Glucoseeinheit. Durch partielle Hydrolyse des Triacetats
erhält man CA mit einem niedrigen Acetylgehalt. Üblicherweise werden nur 2,2
bis 2,8 Hydroxylgruppen des Glucoseanhydrids verestert.
Triacetat wird nur für photographische Filme, elektrische Isolierfolien und
Triacetatfasern verwendet. Triacetat löst sich u. a. in chlorierten Kohlenwasser-
stoffen und beschränkt in Aceton.
1462 3 Spezialkunststoffe
3.1.4.2.2.1
Celluloseacetat (CA)
■ Herstellung
Durch Verestern von Cellulose mit Essigsäure entsteht Celluloseacetat.
■ Allgemeine Stoffbeschreibung
Celluloseacetat ist durch folgende Eigenschaften gekennzeichnet:
■ Zusatzstoffe
Für die Celluloseester-Formmassen kommen etwa die gleichen Funktions- und
Verstärkungsstoffe in Betracht, wenn auch bis heute in den Typenreihen der ein-
zelnen Sorten noch längst nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft wurden. Füll-
stoffhaltige Typen werden bis jetzt nicht angeboten.
1464 3 Spezialkunststoffe
Die Sondertypen der einzelnen Sorten (CA, CP und CAB) enthalten als Funk-
tions-Zusatzstoffe spezielle Thermo-, Witterungs-, UV- und IR-Stabilisatoren
bzw. deren Kombinationen. Dazu kommen glasfaserverstärkte Typen (insbeson-
dere bei CA).
■ Sortiment
Das Sortiment der CA-Kunststoffe umfasst außer den Typen auf der Grundlage
von 11/2-Celluloseacetat höher veresterte Typen, die sich durch erhöhte Festig-
keit, Oberflächenhärte und Wärmestandfestigkeit sowie verringerte Feuchtig-
keitsaufnahme auszeichnen. Dazu kommen schwerentflammbare Typen. Außer
den schwerentflammbaren Typen werden die übrigen durch Verändern des
Weichmachergehaltes (17 bis 32 %) in verschiedenen Härtestufen und unter-
schiedlicher Fließfähigkeit hergestellt.
■ Lieferformen
Staubfreies Granulat für das Spritzgießen, Extrudieren und Blasformen. Für das
Spritzgießen stehen glasfaserverstärkte Typen zur Verfügung; wasserhell sowie
in fast allen Farbtönen transparent, transluzent oder gedeckt eingefärbt. Halb-
zeug ist in Form von Tafeln, Folien, Rohren und Profilen erhältlich.
■ Typisierung
Die CA-Formmassen sind genormt: DIN 7742 T.1 (01.81).
■ Physikalische Eigenschaften
Das Eigenschaftsbild einiger CA-Formmassen ist in Tabelle 3-11 wiederge-
ben. Die Temperaturabhängigkeit des Schubmoduls einiger CA-Typen zeigt
Bild 3-2.
Das spezifische Volumen und die spezifische Enthalpie von CA sind in den
Bildern 3-3 und 3-4 wiedergegeben.
In Ergänzung der in Tabelle 3-11 enthaltenden Daten sei in Bild 3-5 auf das
vorzügliche antistatische Verhalten von CA-Formstoffen hingewiesen.
■ Chemikalienbeständigkeit
Beständig gegen: Wasser, Tetrachlorkohlenstoff, Ether, Trichlorethylen, Benzol,
Xylol, Terpentin, Benzin, Superkraftstoffe, Mineralöl, Leinöl, Fette;
nicht beständig gegen: Alkohol, Ethylacetat, chlorierte Kohlenwasserstoffe,
Formalin, anorganische Säuren, Laugen, Spannungsrissbildung wurde nicht
beobachtet.
■ Witterungsbeständigkeit
Nicht dauernd witterungsbeständig. Bisher stehen noch keine Zusätze für eine
wirksame Stabilisierung zur Verfügung.
■ Brennbarkeit
Brennt mit gelbgrüner Flamme, tropft, riecht stechend nach Papier und Es-
sigsäure; mit Flammschutzmittel ausgerüstete Typen sind lieferbar.
3.1 Abgewandelte Naturstoffe 1465
Bild 3-3. pvt-Diagramm von CA-Formmas- Bild 3-4. Spezifische Enthalpie von CA- und
sen (Quelle: IKV, Aachen) CP-Formmassen (Quelle: IKV, Aachen)
Tabelle 3-11. Physikalische Eigenschaften von Formstoffen aus Celluloseestern a
1466
Alle Werte nach Druckschrift D 239-892/850252, Ausgabe 07.82 der Bayer AG (DE)
Tabelle 3-11 (Fortsetzung)
■ Gesundheitliche Beurteilung
Die Basistypen des CA-Sortiments mit bis zu 22 % Weichmacher (bei CP und
CAB liegt die Grenze bei 12 %) entsprechen in ihrer stofflichen Zusammenset-
zung den Empfehlungen des Deutschen Bundesgesundheitsamtes (Empfehlung
XXVI „Celluloseacetat und -propionat“, Stand 1. 1. 1976, Neufassung). Sie können
unter Berücksichtigung der folgenden Ausnahmen zur Herstellung von Bedarfs-
gegenständen im Sinne des Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes ver-
wendet werden.
Es gelten folgende Ausnahmen:
Bedarfsgegenstände aus den genannten Typen sind nicht geeignet für „Le-
bensmittel von grieß- und mehlartiger Beschaffenheit, fetthaltige Lebensmittel,
in denen Fett in solcher Form enthalten ist, dass es mit den Bedarfsgegenstän-
den in unmittelbare Berührung kommt, gewachste oder paraffinierte Lebens-
mittel, Milch und Milcherzeugnisse einschließlich Käse und Lebensmittel, die
Alkohol oder ätherische Öle enthalten“.
■ Verarbeitung
Die bevorzugten Verarbeitungsverfahren sind Spritzgießen, Extrudieren, Extru-
sionsblasen, Warmformen und Pulverschmelzen.
■ Verarbeitungsbedingungen: Spritzgießen
Bei der Spritzgussverarbeitung kann ein Vortrocknen des hydrophilen Granu-
lates (3 h bei 80 °C) erforderlich sein. Die Verarbeitungstemperaturen betra-
gen:
Massetemperatur 180 bis 230 °C je nach Typ und Formteil
Werkzeugtemperatur 40 bis 50 °C
Spritzdruck 800 bar
Einspritzgeschwindigkeit hoch niedriger bei dickwandigen Formteilen
Die Schwindung beträgt 0,5%.
3.1 Abgewandelte Naturstoffe 1469
Extrudieren
Die Zylindertemperaturen betragen von der Einfüllöffnung bis zum Schnecken-
ende bei:
Folien 180 bis 210 °C,
Tafeln 165 bis 195 °C,
Rohren 165 bis 195 °C,
geblasenen Hohlkörpern 15 bis 195 °C,
(Werkzeugtemperatur) 50 bis 60 °C.
Warmformen
Folien und Tafeln aus Celluloseestern werden im plastischen Bereich, d. h. bei
180 bis 200 °C geformt, um optisch klare und spannungsfreie Formteile zu er-
halten.
■ Bearbeiten
Formteile und Halbzeug aus Celluloseestern sind gut spanbar, schraub- und
schweißbar. Sie können miteinander – sofern sie demselben Estertyp angehören
– mit Klebelösungen geklebt werden. Das Kleben von Formteilen aus unter-
schiedlichen Celluloseestern oder aus anderen Werkstoffen geschieht mit Zwei-
komponentenklebstoffen auf der Basis von Polyurethan oder -Epoxidharzen.
Das Kleben wird meistens dem Schweißen vorgezogen. Das Ultraschall-
schweißen ist im Vordringen.
Anwendungsbeispiele
Werkzeuggriffe, Hammerköpfe, Ölkannen, Staubsaugerteile, Lenkräder,
Zierleisten, Lampenschirme, Schirmgriffe, Bedienungsknöpfe, Magnetton-
träger, Brillengestelle und -gläser, Bürstenrücken, Zahnbürstenstiele, Ku-
gelschreiber; Drehbleistifte, Puppen, Spielzeug, Spielfiguren, Kämme,
Stricknadeln, Packmittel für Feuerzeugbenzin, Bohnerwachs, Farbmittel,
Pulver.
Bekannte Handelsnamen
Bioceta, Plastiloid (Mazzucchelli 1849 SPA (IT)
Dexel (Acordis Acetate Chemical Ltd./Uk
Setilithe (Tubize Plastics S.A./BE)
Tenite (Eastman Chemical Intern./US)
3.1.4.2.2.2
Cellulosepropionat (CP)
■ Allgemeine Stoffbeschreibung
Mit größer werdender Länge der Estergruppen weisen die Celluloseester höhere
mechanische Festigkeit sowohl bei tiefen als auch bei höheren Temperaturen
(sie sind sogar bedingt kochfest) auf.
1470 3 Spezialkunststoffe
■ Typisierung
Die Typisierung von CP-Formmassen wurde noch nicht in Angriff genommen.
■ Physikalische Eigenschaften
Richtwerte der kennzeichnenden physikalischen Eigenschaften enthält Ta-
belle 3-11.
3.1 Abgewandelte Naturstoffe 1471
■ Mechanische Eigenschaften
Sehr aufschlussreich ist die Gegenüberstellung von zwei CP-Typen, davon einer
mit herkömmlichem Weichmacher (härteste Einstellung) und einer mit poly-
mermodifiziertem EVA (ebenfalls härteste Einstellung).
Umwandlungstemperaturen
Den Schubmodul und den mechanischen Verlustfaktor von CP-Formmassen
verschiedener Dichte gibt Bild 3-8 wieder. In der härtesten Einstellung mit ei-
Bild 3-6. Abhängigkeit von Reißfestigkeit und Reißdehnung (A), Biegefestigkeit (B) und Span-
nungsdehnungsverhalten (C) vom Anteil an Normal-Weichmacher (CP) bzw. pfropfpolymer-
modifiziertem EVA-Weichmacher (CP)
1472 3 Spezialkunststoffe
■ Chemikalienbeständigkeit
Beständig gegen: Wasser, Benzin, Leinöl, quillt bei Tetrachlorkohlenstoff, Per-
chlorethylen, Superkraftstoff, Terpentin, Ether, Formalin;
nicht beständig gegen: Alkohole, Ethylacetat, Ketone, chlorierte Kohlenwas-
serstoffe, Benzol, Xylol, anorganische Säuren, Laugen.
■ Spannungsrissbildung
Spannungsrissbildung wurde nicht beobachtet.
■ Witterungsbeständigkeit
Dauernd witterungsbeständig.
■ Brennbarkeit
brennt mit dunkelgelber Flamme, tropft, riecht stechend nach Papier und Pro-
pionsäure.
■ Gesundheitliche Beurteilung
CP-Formmassen mit einem Weichmachergehalt < 12 % entsprechen in ihrer
stofflichen Zusammensetzung den Empfehlungen des Deutschen Bundesge-
sundheitsamtes (Empfehlung XXVI, Celluloeacetat und -propionat, Stand
1.1.1970; Neufassung).
■ Verarbeitung
Spritzgießen, Extrudieren, Warmformen, gut spanbar, klebbar, (s. Abschnitt
3.1.4.2.2.1 Celluloseacetat).
Anwendungsbeispiele
Werkzeuggriffe, Griffe und Beschläge für Möbel, Fenster, Türen, Rück-
leuchten, Stopplichter, Telephonapparate, Gehäuse für elektrische Appa-
rate, Ton- und Fernsehgeräte, Abrechnung, Brillengestelle, Einstück-Son-
nenschutzbrillen, Filmrollen, Kugelschreiber, Füllhalter, Zeichengeräte,
Spielzeug, Puppen, Zahnbürstenstiele, Toilettenartikel, Frisierhauben,
Bürsten, Massagegeräte, Schuhabsätze, Schirmgriffe, Besteckgriffe, Staub-
saugerteile, Verpackungsfolien, Fenster-, Blister-, Skinpackmittel, Rekla-
meschilder, Preisschilder.
Handelsnamen
Cellidor (Albis Plastic GmbH/DE)
Tenite (Eastman Chemical Products Inc./US)
3.1.4.2.2.3
Celluloseacetobutyrat (CAB)
■ Herstellung
In den dreißiger Jahren wurden in Deutschland und in den USA (DuPont, Cela-
nese) Cellulose-Mischester entwickelt, bei denen außer Essigsäure Buttersäure
und Propionsäure als Komponenten verwendet werden. Die CA-Massen enthal-
ten nur gebundene Essigsäure, die CAB-Massen 1/3 gebundene Essigsäure und 2/3
gebundene Buttersäure, CP-Massen 9/10 gebundene Propionsäure und 1/10 gebun-
dene Essigsäure. Die Wasserempfindlichkeit nimmt bekanntlich mit steigender
Kettenlänge der aliphatischen Säuren ab, die Härte ebenfalls.
CAB-Massen sind seit 1946 auf dem Markt.
■ Allgemeine Stoffbeschreibung
Hier sei das Eigenschaftsbild mit CA-Formmassen verglichen. (Die CP-Form-
massen nehmen eine Mittelstellung zwischen CA- und CAB-Formmassen ein,
nämlich):
• niedrigere Dichte,
• höhere Festigkeit, Härte und Zähigkeit,
• höherer Oberflächenglanz erreichbar,
3.1 Abgewandelte Naturstoffe 1475
■ Sortiment
Das CAB-Sortiment umfasst verschiedene Härteeinstellungen sowie witterungs-
stabilisierte und für das Wirbelsintern geeignete Typen. Die „neue Generation“,
d. h. die polymermodifizierten Typen weisen erhöhte Witterungs- und Wärme-
formbeständigkeit auf.
■ Lieferform
Staubfreies Granulat für das Spritzgießen und Extrudieren sowie Pulver für das
Beschichten von Substraten. Für das Spritzgießen stehen glasfaserverstärkte Ty-
pen zur Verfügung; wasserhell sowie in fast allen Farbtönen transparent, trans-
luzent oder gedeckt eingefärbt. Halbzeug ist in Form von Tafeln, Folien, Rohren
und Profilen erhältlich.
■ Typisierung
Eine Normung von CAB-Typen ist z. Z. nicht in Arbeit. Die frühere Norm
DIN 7743 besteht nicht mehr.
■ Physikalische Eigenschaften
Die kennzeichnenden physikalischen Eigenschaften sind in Tabelle 3-11 zusam-
mengestellt. In Ergänzung dazu gibt Bild 3-10 die Temperaturabhängigkeit des
Schubmoduls einiger CAB-Formmassen unterschiedlicher Dichte wieder.
Die Ergebnisse bei verschiedenen Temperaturen und Beanspruchungen
durchgeführter Zeitstand-Zugversuche sind in Bild 3-11 wiedergegeben.
■ Chemikalienbeständigkeit
Beständig gegen: Wasser, Handschweiß, Benzin, Mineralöl, Leinöl, quillt bei Tet-
rachlorkohlenstoff, Perchlorethylen, Superkraftstoff, Terpentin, Ether, Formalin;
nicht beständig gegen: Alkohole, Ethylacetat, Ketone, chlorierte Kohlenwas-
serstoffe, Benzol, Xylol, anorganische Säuren und Laugen.
■ Spannungsrissbildung
Spannungsrissbildung tritt nicht auf.
■ Witterungsbeständigkeit
Dauernd witterungsbeständig, tropenfest.
■ Brennbarkeit
Brennt mit dunkelgelber, an den Rändern leicht blauer Flamme, tropft, riecht
nach Essig- und Buttersäure sowie verbranntem Papier.
■ Gesundheitliche Beurteilung
Formteile aus CAB-Formmassen weisen einen charakteristischen Geruch auf,
der z. T. überdeckbar ist. Die Verwendung für Gegenstände, die mit Lebensmit-
teln dauernd in Berührung kommen, ist nicht üblich.
■ Verarbeitung
Spritzgießen, Extrudieren und Warmformen (s. Abschnitt 3.1.4.2.2.1 Cellulose-
acetat).
■ Pulverschmelztechnik
Das zu beschichtende Substrat, z. B. Drahtwaren aller Art, Handräder und
Türdrücker, wird auf eine Temperatur zwischen 300 und 400 °C vorgewärmt
und dann ins Pulver-Fließbett getaucht oder elektrostatisch mit Pulver be-
schichtet.
3.1 Abgewandelte Naturstoffe 1477
■ Fügen
Für das nicht lösbare Fügen werden Kleben und Ultraschallschweißen bevor-
zugt.Als Kleblösung für CAB-Formteile, die miteinander verbunden werden sol-
len, eignet sich eine Lösung, die CAB in gelöster Form enthält. Für das Verbinden
mit anderen Celluloseestern oder anderen Werkstoffen eignen sich Polyurethan-
oder Epoxidharz-Klebstoffe.
Anwendungsbeispiele
Werkzeuggriffe, Hammerköpfe, Möbel-, Fenster- und Türbeschläge, Stuhl-
sitze, Straßenleuchten, explosionssichere Scheiben, Gewächshäuser, Klar-
sichtkuppeln, Wellglas, Rolladenprofile, Lenkräder, Armaturenbretter,
Bedienungsknöpfe, Rückleuchten, Warnleuchten, polizeiliche Kennzei-
chen, Ölkannen, Fahrradleuchten, Lenksäurenverkleidungen, Telefonappa-
rate, Kabelrohre, Rohrpostleitungen und -hülsen, Weidezaunisolatoren,
Kabelmuffen, Uhrengehäuse, Ton- und Fernsehgerätegehäuse, Antennen-
zubehör, Skalenscheiben, Brillengestelle, Hörgeräte, Photozubehör, Tasten
für Büromaschinen aller Art, Maschinengehäuse, Zeichengerät, Tasten,
Musikinstrumente, Spielzeug, Puppenaugen, Spielfiguren, Zahnbürsten-
stiele, Schuhabsätze, Miederstäbe, Schirmgriffe, Ziergürtel, Knöpfe für
Wasserarmaturen, Küchengerätegehäuse, Verpackungen, Schilder, Trans-
parente, korrosionsbeständige Überzüge.
Bekannte Handelsnamen
Cellidor (Albis Plastic GmbH/DE)
Tenite (Eatman Chemical Products Inc./US)
Tenex (Teijin Chemicals Ltd./JP)
3.1.5
Thermoplaste auf Ligninbasis
Helmut Nägele, Jürgen Pfitzer
■ Synthese/Vorkommen
Lignin ist nach der Cellulose das am häufigsten vorkommende natürliche Poly-
mer und bildet z. B. im Baumstamm aus unten abgebildeten Monomeren eine
dreidimensional vernetzte Gerüststruktur um die Cellulosefasern.
Monomere des Lignins [1]: p-Cumarylalkohol (1), Coniferylalkohol (2), Sinapylalkohol (3)
■ Eigenschaften
Physikalische, chemische und mechanische Eigenschaften
Je nach der quantitativen Zusammensetzung dieser Lignincompounds können
die Festigkeit, Steifigkeit, Wärmeformbeständigkeit u. a. Materialeigenschaften
in gewissen Bereichen gezielt auf die Produktanforderungen eingestellt werden.
Generell zeichnet sich dieser Holzwerkstoff aus durch:
• Hohe Steifigkeit und Härte
• Wurzelholzähnliche Oberflächenstruktur
• Dämpfende akustische Eigenschaften
• Teilweise typischer, holzartiger Geruch
• Sehr geringer Formschwund bei der Urformung
• Gutes Rückstellvermögen
• Sehr geringes Kriechverhalten
• Sehr geringer Wärmeausdehnungskoeffizient
• Gute Formstabilität in der Wärme
• Angenehme haptische Eigenschaften
• Gute Lackierbarkeit
• Gute spanende Nachbearbeitung (MDF- oder Spanplatte)
• Deutlich bessere Wasserbeständigkeit gegenüber klassischen Holzwerkstof-
fen (MDF, Spanplatte)
3.1 Abgewandelte Naturstoffe 1479
Anwendungsbeispiele
Lautsprechergehäuse, Musikinstrumente, hochpräzise Formteile, Spielwa-
ren, Beschlagelemente, Bauteile mit wurzelholzähnlicher Oberfläche, allg.
Gebrauchsartikel, Plattenware.
Mechanische Eigenschaft
Zugfestigkeit N/mm2 10–30
Reißdehnung % 0,3–6,0
Zug-E- Modul N/mm2 300–6000
Biege-E-Modul N/mm2 300–6000
Biegespannung N/mm2 10–45
Schlagzähigkeit (Charpy) kJ/m2 2–15
Härte Shore D 30–80
Kugeldruckhärte N/mm2 50–150
Thermische Eigenschaften
Ausdehnungskoeffizient 1/°C 1 · 10–5–5 · 10–5
Vicat-Temperatur °C 80
Martens-Temperatur °C 54
Wärmeleitfähigkeit W/(m · K) 0,384
Glühdrahtprobe – 650°C bestanden
Elektrische Eigenschaften
Leitfähigkeit, Oberfläche GW 5
Leitfähigkeit, Durchgang GW 3
Sonstige Eigenschaften
Formschwund % 0,1–0,3
Dichte (im Formteil) g/cm3 1,3–1,4
Wassergehalt % 2–10
Migration versch. Elemente – bestanden
Speichel- u. Schweißechtheit – bestanden
Brandverhalten – bestanden
Fließlänge (Spiraltest,v Kanalquerschn.: 4 · 4 mm) cm bis 100
a
Je nach Rezeptur. Hersteller: Firma Tecnaro GmbH, Eisenach.
1480 3 Spezialkunststoffe
■ Umwelt
Ähnlich wie gewachsenes Holz (silbergraue Patina nach ca. 1–2 Jahren), bei
Langzeitbewitterung werden Holzschutzmittel (Öle, Lasuren, Lacke) empfohlen.
Brennt ohne abzutropfen (ähnlich gewachsenem Holz, nur langsamer).
Rauchgase riechen typisch nach Verbrennung von Holz.
Marktübersicht
ARBOFORM (Tecnaro GmbH/DE)
3.1.6
Duroplaste auf Basis nachwachsender Rohstoffe
Christoph Schrader
Pflanzliche Öle wie Soja-, Lein-, Raps- und Kokosöle sind wichtige Rohstoffe für
die Oleochemie. Für die Polyurethanindustrie sind Pflanzenöle und -proteine
schon seit vielen Jahren von wesentlicher Bedeutung. Fettchemische Polyole auf
der Basis natürlicher Öle und Fette substituieren dort petrochemische Polyole. So
verwendete Bayer bereits 1957 erstmals Polyole auf Zuckerbasis für Hartschaum-
stoffe [1]. Weitere duroplastische Polymere auf Basis nachwachsender Rohstoffe
befinden sich im Entwicklungsstadium oder im Stadium der Markteinführung.
Durch die steigenden fossilen Rohstoffpreise werden pflanzliche Öle und
Fette als Rohstoffe für die Kunststoffindustrie in Zukunft noch weiter an Bedeu-
tung gewinnen.
3.1.6.1
Polyurethane (mit Polyolen auf Basis natürlicher Öle/Fette)
■ Synthese/Vorkommen
Die Rohstoffe wie z. B. Sojaöl bestehen überwiegend aus Triglyceriden und Gly-
cerolestern.Verarbeitet und veredelt werden diese auf verschiedenen Wegen, wie
Veresterung, Umesterung, Epoxidierung und Ringöffnungsreaktion, Ethoxylie-
rung und Propoxylierung. Durch die Vielfalt der Verfahrenswege und Rohstoffe
wird eine Palette an Grundstoffen für die Polyurethanchemie gewonnen [2]. Bei-
spielhaft seien hier Elastoflex (BASF) und BIOBALANCE (Universal Textile
Technologies LLC, UTT) erwähnt. Das für BIOBALANCE verwendete Polyol aus
Sojaöl Soyoyl™, wird von der Urethane Soy Systems Company (USSC) hergestellt
[3]. Zum Polyol auf Basis nachwachsender Rohstoffe ist als zweite Komponente
in diesen Produkten ein Isocyanat aus fossilen Rohstoffen notwendig (Kapitel
2.2.3.2.1 Polyurethan).
3.1 Abgewandelte Naturstoffe 1481
■ Eigenschaften
Gegenüber petrochemischen Polyolen haben Polyole auf Basis natürlicher Öle
und Fette eine bessere Hydrophobie. Durch das Fehlen einer charakteristischen
Triglyceridstruktur sind über Fettsäureester als Grundgerüst aufgebaute Polyole
hydrololysebeständiger und ermöglichen die Herstellung säure- und laugenbe-
ständiger Polyurethane.
Marktübersicht [4]
Elastoflex (Elastogran GmbH/DE)
Biobalance (Dow Chemical Company/US)
Merginol (Hobum Oleochemicals GmbH/DE)
3.1.6.2
Epoxyacrylate auf Basis nachwachsender Rohstoffe
■ Synthese/Vorkommen
Epoxyacrylate auf Basis nachwachsender Rohstoffe befinden sich größtenteils
noch im Entwicklungsstadium, teilweise im Stadium der Markteinführung. Auf
dem Markt eingeführt werden derzeit Epoxyacrylat Oligomere auf Soja- und
Leinölbasis. Diese Oligomere werden zum überwiegenden Teil aus pflanzlichen
Ölen als Rohstoff gewonnen und benötigen zum radikalischen Aushärten noch
einen Peroxidinitiator. Die radikalische Aushärtung verläuft über die Acrylat-
gruppen der im Sojaöl enthaltenen Triglyceridmoleküle [5].
Die Vernetzung solcher Duroplaste erfolgt zum jetzigen Stand noch mit Här-
tern auf petrochemischer Basis. Entwicklungen von Epoxydharzen vollständig
aus nachwachsenden Rohstoffen sind patentiert, jedoch nicht auf dem Markt
verfügbar [6].
■ Eigenschaften
Epoxyacrylat Oligomere sind z. T. mit Reaktivverdünnern versetzt und weisen
eine niedrige Viskosität auf. Ihre Verarbeitungstemperatur liegt bei bis etwa
70 °C. Die optimalen Aushärtetemperaturen liegen im Bereich von 130 bis 150 °C
bei einer Aushärtezeit von 30–90 s. Datenblätter sind für diese Polymere derzeit
z. T. noch nicht verfügbar.
1482 3 Spezialkunststoffe
Anwendung
Epoxyacrylat Oligomere werden als 1-K-Harzsystem beispielsweise zur
Herstellung von Beschichtungsmassen und Faserverbundwerkstoffen ver-
wendet.
Marktübersicht
Handelsnamen
Tribest (Cognis Deutschland GmbH&Co.KG/DE)
Mercryl (Hobum Oleochemicals GmbH/DE)
3.1.6.3
Weitere Duroplaste und Duroplastanteile auf Basis pflanzlicher Fette
und Öle
Marktübersicht
Handelsnamen
Sovermol (Cognis Deutschland GmbH&Co.KG/DE)
Edenol (Cognis Deutschland GmbH&Co.KG/DE)
Merginamide (Hobum Oleochemicals GmbH/DE)
3.2
Elektrisch leitfähige Polymere
Axel Kauffmann, Rudolf Emmerich, Karsten Pinkwart
Grundsätzlich kann zwischen drei verschiedenen Arten elektrisch leitfähiger
Kunststoffe unterschieden werden:
• intrinsisch leitfähige Polymere
• leitfähig gefüllte Polymere
• leitfähig beschichtete Polymere
Intrinsisch leitfähige Polymere sind Polymere, die über eine Elektronenleit-
fähigkeit verfügen. Häufig steht heute noch einer technischen Anwendung
3.2 Elektrisch leitfähige Polymere 1483
3.2.1
Intrinsisch leitfähige Polymere
■ Eigenschaften
Unter intrinsisch leitfähigen Polymeren versteht man Kunststoffe, die ohne zu-
sätzliche Additive, allein aufgrund ihrer Struktur elektrisch leitfähig sind.
Die chemische Struktur intrinsisch leitender Kunststoffe unterscheidet sich
nur wenig von der konventioneller Polymeren. Sie enthalten allerdings mehr un-
gesättigte Bindungen (Doppelbindungen) als isolierende Kunststoffe. Charakte-
ristisch für alle leitenden Ketten ist die Abfolge von Einfach- und Doppelbin-
dungen (konjungierte Doppelbindungen). Durch Dotierung mit Stoffen wie Jod
oder AsF5 kann ein Konjugationsfehler eingebaut werden, um den regelmäßigen
Wechsel der Einfach- und Doppelbindungen zu unterbrechen. Da vom Dotie-
rungsmittel ein Elektron abgezogen wird, kann ein Elektron aus der Nachbar-
doppelbindung mit diesem eine neue Doppelbindung eingehen, wobei jedoch
ein neues freies Elektron entsteht. Der Konjugationsfehler hat sich somit verla-
gert, eine Elementarladung wurde transportiert. Tabelle 3-13 zeigt einige intrin-
sisch leitende Polymere.
• Computerchips,
• Millitärischer Einsatz an Stealth Flugzeugen durch Streuung eintreffender
Radar Strahlen,
• Polymerbatterien,
• Ersatz für Heißluftverzinnung bei der Leiterplattenherstellung.
3.2.2
Elektrisch leitfähige gefüllte Polymere
3.2.2.1
Eigenschaften
Entscheidend für die Funktion gefüllter leitfähiger Kunststoffe ist die Ausbil-
dung eines durchgehenden Netzwerkes sich berührender Füllstoffpartikel, über
das der Stromtransport stattfindet. Der typische Verlauf der spezifischen Leit-
fähigkeit eines gefüllten Systems in Abhängigkeit vom Gehalt des leitfähigen
Füllstoffes ist in Bild 3-12 dargestellt.
Bereich 1: Bei niedrigen Konzentrationen liegen die Füllstoffpartikel isoliert
in der Kunststoffmatrix vor. Die Leitfähigkeit entspricht im Wesentlichen der der
reinen Polymerkomponente.
Bereich 2: Ab einer kritischen Füllstoffkonzentration, die vom jeweiligen Sys-
tem abhängt, bildet sich ein durchgehendes, dreidimensionales Netzwerk von
Füllstoffteilchen. In einem schmalen Konzentrationsbereich, dem Perkolations-
bereich, steigt die Leitfähigkeit um mehrere Zehnerpotenzen an.
Bereich 3: Der Verlauf der Kurve wird zunehmender flacher, bis man ein Pla-
teau bestimmter Leitfähigkeit erreicht. Dieser Plateauwert, die maximale Leit-
fähigkeit, wird im Wesentlichen durch die Eigenschaften der Füllstoffe bestimmt
[6, 7].
Die erzielbare elektrische Leitfähigkeit hängt im Wesentlichen von der Art des
Füllstoffes ab. Zur Herstellung elektrisch leitfähiger Kunststoffe lassen sich zahl-
reiche Füllstoffe einsetzen.
Entscheidend für den benötigten Füllstoffanteil ist das Zustandekommen der
Kontakte zwischen den Füllstoffpartikeln. Diese kritische Konzentration wird
bestimmt durch:
• die Form der Füllstoffpartikel,
• die Ausrichtung der Füllstoffpartikel,
• die elektrische Leitfähigkeit der Füllstoffpartikel,
• gegebenenfalls eine Wechselwirkung zwischen Additiv und Polymermatrix
(die Form und Ausrichtung der Füllstoffpartikel beeinflussen können).
Tabelle 3-14 zeigt einige elektrisch leitfähige Füllstoffe, die für die Ausrüstung
von Kunststoffen in Betracht kommen.
Derzeit werden für den Einsatz in technischen Produkten im Wesentlichen
metallische Fasern, Ruße oder Graphite eingesetzt. Im Bereich der massiven
Füllstoffe eignen sich für gute Leitfähigkeiten besonders lange dünne metal-
lische Fasern (mit statistischer Ausrichtung), da hier eine gute Kontaktwahr-
scheinlichkeit der Fasern besteht. Nichtmassive Partikel führen zu einem nied-
rigen Wert der kritischen Konzentration, wenn sie sich wie z. B. Rußpartikel bei
kleinem Eigenvolumen in viele Richtungen erstrecken.
■ Eigenschaften elektrisch leitfähiger Füllstoffe
Metallfasern eignen sich aufgrund des gut leitenden Materials zur Herstellung
elektrisch leitfähiger Bauteile. Ideal zur Ausbildung eines Leitnetzes sind lange
(einige Millimeter) dünne (unter 50 mm Durchmesser) Fasern. Die Schwierigkeit
besteht hierbei allerdings in der Verarbeitung. Bei der Auswahl der Fasern sind
eine Reihe von Kriterien abzuwägen:
• Herstellbarkeit dünner Fasern,
• mechanische Widerstandsfähigkeit der Fasern während der Kunststoffverar-
beitung (Die Verarbeitung in der Spritzgießmaschine kann häufig zum
Knicken oder Brechen der Fasern führen),
• Verträglichkeit zwischen Fasern und Polymermatrix,
• Alterungsverhalten (Korrosion),
• Recyclingmöglichkeiten.
Aluminium-Plättchen haben den Vorteil des gut leitenden Materials, aber auch
den Nachteil der weniger langgestreckten Geometrie. Die ca. 1¥1 mm großen
Plättchen lassen sich schwer verarbeiten. Häufig besteht während des Spritz-
gießprozesses die Gefahr des Knickens oder Brechens der Teilchen. Um gute
elektrische Leitfähigkeiten zu erreichen, müssen hohe Füllgrade erzielt werden,
was Verarbeitungsprobleme sowie eine Beeinträchtigung der mechanischen Ei-
genschaften mit sich bringt.
Kohlenstoff-Fasern sind im Vergleich zu Metallfasern weniger elektrisch leitend.
Aufgrund ihrer Steifigkeit lassen sie sich auch schlechter als Metallfasern verar-
beiten. Um den Leitwert von C-Fasern zu verbessern, gibt es die Möglichkeit, me-
tallisierte C-Fasern (mit Nickeloberfläche) herzustellen. Hierdurch kann die Leit-
fähigkeit deutlich erhöht werden; die Fasern sind jedoch bislang relativ teuer.
Tabelle 3-14. Eigenschaften elektrisch leitfähiger Materialien für den Einsatz in Kunststoffen [8]
Materialkosten – Hoch Hoch Sehr hoch Mittel Sehr niedrig Sehr niedrig Hoch Mittel
Verformbarkeit – Plastisch Plastisch Plastisch Plastisch Plastisch Plastisch Spröde Spröde
Verarbeitung – – 0 ++ ++ + – –
Korrosionsbeständigkeit – + + ++ + 0 + + +
1487
1488 3 Spezialkunststoffe
Ruß wird häufig in Form von Leitruß als Füllstoff für Kunststoffe verwendet.
Aufgrund der verzweigten Struktur, die bei geringer Masse viele Poren und
Hohlräume enthält, können schon bei niedriger kritischer Konzentration gute
Leitfähigkeiten erzielt werden. Für den Einsatz in Kunststoffen ist ein breites
Sortiment an Leitfähigkeitsrußen erhältlich. Durch Auswahl geeigneter Ruß-Ty-
pen lassen sich bei allen gebräuchlichen Polymersystemen ein Widerstandsbe-
reich von kleiner 106 Wcm bis etwa 101 Wcm erreichen. Je nach verwendetem
Ruß- und Polymertyp bzw. den Einarbeitungs- und Verarbeitungsbedingungen
ist der Einsatz von 5 – 35 % eines Leitfähigkeitsrußes erforderlich.
Eigenschaften von Pigment- und Leitfähigkeitsrußen:
• Primärteilchengröße zwischen 10 und 100 nm,
• spezifische Oberfläche zwischen 80 und 1200 m3/g,
• spezifischer Widerstand bei Furnacerußen ca. 0,05 Wcm,
• Dichte von 1,8 bis 1,9 g/cm3.
Die Funktionsweise des Leitfähigkeitsrußes als leitfähiger Füllstoff basiert auf
einer vollständigen Volumenerfüllung des auszurüstenden Materials mit gerin-
gem Füllstoffanteil. Voraussetzung ist jedoch wie bei allen leitenden Füllstof-
fen, dass sich die Rußteilchen berühren (Abstand der Teilchen untereinander
< 10 nm). Im Vergleich zu Metallen hat Ruß eine deutlich geringere Eigenleit-
fähigkeit. Aufgrund der Struktur (Teilchenfeinheit und Porösität) von Leitfähig-
keitsrußen nimmt Leitfähigkeitsruß jedoch ein hohes Volumen im Bindemittel
(Kunststoff) ein, so dass zur Steigerung der Leitfähigkeit von Kunststoffen deut-
lich geringere Konzentrationen an Ruß benötigt werden.
Graphit als Füllstoff hat eine schichtförmige Struktur und in etwa die gleichen
elektrischen Eigenschaften wie Leitfähigkeitsruß. Als Folge der Struktur des
Graphits erreicht man erst bei höheren Füllgraden eine gute Leitfähigkeit, je-
doch ist die Einarbeitung in Kunststoffe bei Graphiten deutlich einfacher als bei
Ruß. Die größte Bedeutung haben graphitgefüllte Kunststoffe aufgrund ihres
Abriebverhaltens jedoch bei der Herstellung selbstschmierender Bauteile.
Weitere Füll- und Verstärkungsstoffe, die sich durch ihre elektrische Leit-
fähigkeit auszeichnen, sind auch in Kapitel 1.3.5 zu finden.
■ Elektrische Eigenschaften
Tabelle 3-15 zeigt die elektrischen Leitfähigkeitswerte, die mit verschiedenen
Füllstoffen erreicht werden können. Es zeigt sich, dass zwischen den Leitfähig-
Tabelle 3-15. Elektrische Leitfähigkeit einiger gefüllter elektrisch leitfähiger Kunststoffe [7, 9]
■ Mechanische Eigenschaften
Die Wechselwirkungen zwischen Füllstoffen und Polymeren sind sehr komplex
und rechnerisch kaum erfassbar. Die Zugabe von Additiven zur Steigerung der
elektrischen Leitfähigkeit beeinflusst in der Regel eine Reihe weiterer Eigen-
schaften des Polymers.
Die Füllung eines Polymers mit Ruß hat eine Erhöhung der Steifigkeit und des
Zugmoduls mit wachsender Zunahme der Rußkonzentration zur Folge.
Reißspannung und -dehnung sowie Schlagzähigkeit nehmen deutlich ab. Tabelle
3-16 zeigt den Einfluss von Ruß auf die mechanischen Eigenschaften von ABS.
Gravierenden Einfluss hat der Ruß auch auf die Fließfähigkeit und damit
die Verarbeitbarkeit des Compounds, die mit zunehmendem Füllstoffgehalt
schlechter wird.
Tabelle 3-16. Einfluss von Ruß auf die mechanischen Eigenschaften von ABS [10]
Tabelle 3-17. Einfluss von massiven Partikeln auf die mechanischen Eigenschaften von PP, PVC
und PA-11 [11]
bettet und zu Granulat geschnitten [13]. Das Fasergranulat kann relativ problem-
los mit ungefülltem Granulat gemischt werden und mittels Spritzgießverfahren
verarbeitet werden. Um die Gefahr des Knickens oder Brechens der Fasern zu
minimieren, ist eine schonende Verarbeitung (niedrige Drehzahl, geeignete
Schneckengeometrie) notwendig. Um eine ausreichende Durchmischung sicher-
zustellen, ist beim Einspritzen eine gewisse Scherung der Schmelze erforderlich
[14]. Bei guter Verarbeitung können so eine relativ niedrige kritische Konzen-
tration und gute Leitfähigkeiten erreicht werden.
Die Herstellung gefüllter Thermoplaste erfolgt meist mittels Extruder oder
direkt mittels Spritzgießmaschine. Der Füllstoff wird vor oder während der Ver-
arbeitung zugemischt. Je höher der Anteil des Füllstoffes im Kunststoff ist, desto
schlechter ist die Fließfähigkeit und damit die Verarbeitbarkeit der Polymermi-
schungen. Um diesen Schwierigkeiten entgegen zu wirken, gibt es Bestrebungen
Füllstoffe gezielt auszurichten oder im Kunststoff zu konzentrieren und damit
eine Steigerung der Leitfähigkeit bei gleichzeitig reduziertem Füllstoffgehalt
und verbesserten Fließeigenschaften zu erzielen [5, 15].
Die gängigsten Kunststoffbasismaterialien aus der Gruppe der Thermoplaste
sind Polymere wie ABS, EVA, PA, PC, PE, PP, PPO, PS oder PVC. Wichtigste An-
wendungen sind derzeit Bauteile zur elektromagnetischen Abschirmung oder
für die Ableitung elektrischer Ladungen (Vermeidung elektrostatischer Auf-
ladungen), wie Gehäuse, antistatische Fußbodenbeläge oder leitfähige Dich-
tungen.
Für Anwendungen, bei denen ein hoher Graphitanteil und eine hohe spezifi-
sche Leitfähigkeit erforderlich ist, wie beispielsweise für Elektrodenmaterialien,
werden derzeit häufig Duroplaste/Harze zum Binden der Graphite eingesetzt. In
letzter Zeit gewinnen aber auch hochgefüllte thermoplastische Polymere zuneh-
mend an Bedeutung für Anwendungen, für die eine hohe spezifische Leitfähig-
keit erforderlich ist, wie beispielsweise graphitgefüllte Polymere für Bipolarplat-
ten in Brennstoffzellen [5].
3.2.3
Elektrisch leitfähige beschichtete Polymere
Zur leitfähigen Beschichtung von Kunststoffen werden in der Regel PVD-Ver-
fahren (Physical Vapor Deposition) angewendet oder ein Metall direkt aufgetra-
gen.
Es wurden bereits eine Reihe von Verfahren entwickelt, um Kunststoffe elek-
trisch leitend auszustatten. Großtechnisch werden heute folgende Verfahren ein-
gesetzt:
Von der einfachen Handhabung und Komplexität als auch von den Kosten her
sind Leitlacke und metallische Folien die geeigneteste Beschichtungsmethode
zur Erzielung einer erhöhten elektrischen Leitfähigkeit an der Oberfläche.
Typische Anwendungen sind Kunststoff-Gehäuse jeglicher Art mit abschir-
menden Eigenschaften.
Handelsnamen
Tabelle 3-19. Einige kommerziell erhältliche elektrisch leitfähige Kunststoffe
Hersteller
3.2.4
Literatur – Kapitel 3.2
[1] Roth S (1989) Selbstleitende Kunststoffe. In: Mair HJ (Hrsg) Elektrisch leitende Kunststoffe
2. Auflage, Hanser Verlag, München, 569 S
[2] Symposium ‘Elektrisch leitende Kunststoffe’, Technische Akademie Esslingen, 1995
[3] Frost & Sullivan: Commercialising Conductive Polymers (Report B036),
[4] Studie im Auftrag des BMBF: Evaluation des Förderkonzeptes Mikrosystemtechnik
2000+, Berlin 2002
[5] Kauffmann A (2003) Hochgefüllte elektrisch leitfähige Thermoplaste für Bipolarplatten in
Brennstoffzellen. 7. VDI-Kunststoff-Forum Münster. Spezial- und Hochleistungskunst-
stoffe – Perspektiven und Potentiale, Münster.
[6] Brendel U, Münstedt H (1996) Permanent antielektrostatische Kunststoffe, Kunststoffe 86,
Hanser Verlag, München
[7] Münstedt H (1989) Elektrisch leitfähige Polymere, Kunststoffe 79, Hanser Verlag, München
[8] Ivers-Tiffée E (1997) Institut für Werkstoffe der Elektrotechnik IWE: Werkstoffe für die En-
ergie- und Umwelttechnik
[9] Möbius KH (1989) Füllstoffhaltige elektrisch leitfähige Kunststoffe, Kunststoffe 79, Hanser
Verlag, München
[10] Münstedt H (1989) Vergleich von gefüllten und intrinsisch leitfähigen Kunststoffen. In:
Mair HJ (Hrsg) Elektrisch leitende Kunststoffe 2. Auflage, Hanser Verlag, München, 569 S
[11] Wenderoth KL (1988) Leitfähige Polymermischungen zur Abschirmung elektromagneti-
scher Wellen, Reihe 5: Grund- und Werkstoffe, VDI-Verlag, Düsseldorf
[12] Gilg RG (1995) Ruß und andere Pigmente, 6. Technische Akademie Esslingen, Esslingen
[13] Pfeiffer B, Celstran S (1996) Konstruktionswerkstoffe mit Edelstahlfasern gefüllt für ESD-
und EMV-Anwendungen; Lehrgang Technische Akademie Esslingen ‘Elektrisch leitende
Kunststoffe’
[14] Leute U (1997) Kunststoffe und EMV, Elektromagnetische Verträglichkeit mit leitfähigen
Kunststoffen, Hanser Verlag, München Wien
[15] Fraunhofer-Institut für Chemische Technologie: Mit Kunststoffen zu neuen Produkten,
Symposium Karlsruhe, 1997
[16] Hempelmann S (1996) Oberflächentechnik und EMV, mo metalloberfläche, Hanser
Verlag
KAPITEL 4
Anhang
Normbezeichnungen, Kurzzeichen
und Eigenschaftstabellen
zur Erleichterung der Vorauswahl
1496 Anhang
4.1
Kurzzeichen für Kunststoffe
Tabellenverzeichnis
Tabelle 4-1 Normen für Einteilung und Kurzzeichen von Polymeren . 1498
Tabelle 4-2 Kennzeichnungsschema für Kunststoffe . . . . . . . . . . 1498
Tabelle 4-3 Kennzeichnung spezieller Stoffmerkmale . . . . . . . . . 1498
Tabelle 4-4 Kennzeichnung spezieller Stoffeigenschaften
(DIN ISO 1043-1.3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1499
Tabelle 4-5 Kurzzeichen für aufbereitungsbedingte Stoffeigenschaften 1499
Tabelle 4-6 Kurzzeichen für Art und Struktur von Zusatzstoffen
(DIN ISO 1043-1.3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1500
Tabelle 4-7 Kurzzeichen für Homopolymere und chemisch modifizierte
Naturstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1500
Tabelle 4-8 Kurzzeichen für Copolymere . . . . . . . . . . . . . . . . 1503
Tabelle 4-9 Kurzzeichen für Blockpolymere (Tele- und Segmentblock-
copolymere/TPE) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1504
Tabelle 4-10 Kurzzeichen für Polymerblends . . . . . . . . . . . . . . 1504
Tabelle 4-11 Kurzzeichen für verstärkte Kunststoffe (DIN 7728, Teil 2) . 1505
Tabelle 4-12 Weichmacher (in Anlehnung an DIN 7723 (12.87)
und ISO 1629) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1505
Tabelle 4-13 Normbezeichnung thermoplastischer Formmassen . . . . 1506
Tabelle 4-14 Bedeutung der Zusatzzeichen im Datenblock 1 . . . . . . . 1507
Tabelle 4-15 Bedeutung der Zusatzmerkmale im Datenblock 2 . . . . . 1508
Tabelle 4-16 Bedeutung der quantitativen Angaben im Datenblock 3 . . 1510
Tabelle 4-17 Kennzeichnung von Art und Menge der Zusatzstoffe
im Datenblock 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1511
Tabelle 4-18 Ermittlung der Werkstoffkenndaten . . . . . . . . . . . . 1511
Tabelle 4-19 Vorzugsweise zu ermittelnde Eigenschaften
von Thermoplasten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1511
Tabelle 4-20 Normen für Formmassen und Vorprodukte . . . . . . . . 1512
Tabelle 4-21 Technische Lieferbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . 1513
Tabelle 4-22 Aufbau der Harze für härtbare Formmassen und Art
der Vernetzungsreaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . 1514
Tabelle 4-23 Füllstoffe für härtbare Formmassen . . . . . . . . . . . . 1515
Tabelle 4-24 Kurzzeichen für synthetische Kautschuke (DIN ISO 1629) . 1516
Tabelle 4-25 Kurzbezeichnungen für Textilfasern
(DIN 60 001 Bl. 1 08.70) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1517
Tabelle 4-26 Herkunftsbezeichnungen von Handelsnamen . . . . . . . 1517
Tabelle 4-27 In der Fachliteratur häufig wiederkehrende Kurzzeichen . 1518
Anhang 1497
Die folgenden Tabellen enthalten die Kurzzeichen für Thermoplaste wegen der
besseren Übersicht, Zuordnung und Auffindbarkeit (ohne EDV), vorwiegend in
Anlehnung an DIN 7728 T. 1, d. h. getrennt nach Homopolymeren und chemisch
modifizierten Naturstoffen, Copolymeren sowie Polymerblends (DIN 16 980
T. 1). In alle Tabellen wurden Ergänzungen nach DIN ISO 1043-1 aufgenommen.
Die Klammerschreibweise nach den IUPAC-Regeln wurde in DIN/ISO 1043-1
nicht berücksichtigt. Im vorliegenden Buch wurde sie jedoch beibehalten, weil
sie im deutschen Fachschrifttum noch immer bevorzugt wird.
Bei den Copolymeren entfällt der Schrägstrich, wenn kein Irrtum möglich ist
(z. B. ABS).
1498 Anhang
DIN 7728 Teil 1 Kennbuchstaben und Kurzzeichen für Polymere und ihre besonderen
Eigenschaften
DIN 7728 Teil 2 Kurzzeichen für verstärkte Kunststoffe
DIN 16913 Teil 1 Verstärkte Reaktionsharz-Formmassen –
Begriffe, Einteilung, Kurzzeichen
DIN ISO 1629 Kautschuk und Latices – Einteilung, Kurzzeichen
DIN 7726 Schaumstoffe – Begriffe, Einteilung
Tabelle 4-7 bis 4-9 Tabelle 4-3 Tabelle 4-4, 4-5 Tabelle 4-6
In Verbindung mit den Kurzzeichen des Basispolymeren können bis zu vier wesentliche Stoff-
merkmale und Herstellungsarten mit Buchstaben (ohne Wertabgaben gemäß nachstehender
Übersicht gekennzeichnet werden.
B Blockcopolymer
C chloriert (z.B. PVC-C)
E Emulsionspolymer
Anhang 1499
G Gießharz
H Homopolymer
HD hohe Dichte (z.B. PE-HD)
HMW hochmolekular (z.B. PE-HD, HMW)
J Prepolymer
L Pfropfpolymer
LD niedrige Dichte (z.B. PE-LD)
LLD linear, niedrige Dichte (z.B. PE-LLD)
M Massepolymer (z.B. PVC-M)
MD mittlere Dichte (z.B. PE-MD)
N Novolak
P weichmacherhaltig (z.B. PVC-P)
R Resol, statistisches Copolymer (Randompolymer)
UHMW Ultrahochmolekular (z.B. PE-UHMW)
VLD sehr niedrige Dicht (z.B. PE-VLD)
X vernetzt bzw. vernetzbar (z.B. PE-X)
B bromiert O orientiert
C chloriert P weichgemacht
D Dichte R gebläht
E geschäumt R Resol
schaumfähig S gesättigt
Elastomer S sulfoniert
F flexibel T Temperatur
F flüssig T temperaturbeständig
H hoch T duroplastisch
I schlagzäh T thermoplastisch
L linear T zäh ausgerüstet
L niedrig U Ultra
M mittel U ohne Weichmacher
M molekular U ungesättigt
N normal V sehr
N Novolak W Gewicht
X vernetzt, vernetzbar
Tabelle 4-6. Kurzzeichen für Art und Struktur von Zusatzstoffen (DIN ISO 1043-1.3)
Stoffart Darbietungsform
CA Celluloseacetat
CAB Celluloseacetatbutyrat
CAP Celluloseacetatopropionat
CF Kresol-Formaldehyd
CMC Carboxymethylcellulose
CN Cellulosenitrat
CP Cellulosepropionat
CSF Casein-Formaldehyd
CTA Cellulosetriacetat
EC Ethylcellulose
EP Epoxid
MC Methylcellulose
MF Melamin-Formaldehyd
PA Polyamid
PA 6 Homopolykondensat aus e-Caprolactam (Polycaprolactam)
P 46 Homopolykondensat aus 1,4 Diaminobutan und Adipinsäure
Anhang 1501
PESTUR Polyesterurethan
PET Polyethylenterephthalat
PEUR Polyetherurethan
PF Phenol-Formaldehyd
PFA Perfluoralkoxylalkan Polymer
PFEP Perfluorethylen/propylen
PI Polyimid
PIB Polyisobutylen
PIR Polyisocyanurat
PMI Polymethacrylimid
PMMA Polymethylmethacrylat
PMMI Poly N-methylmethylacrylimid
PMP Poly-4-methyl-penten-1
PMS Poly-a-Methylstyrol
POM Polyoxymethylen, Polyacetal, Polyformaldehyd
PP Polypropylen
PPA Polyphthalamid
PP-C chloriertes Polypropylen
PPE Polyphenylenether
PPOX Polyphenylenoxid
PPS Polyphenylensulfid
PPSU Polyphenylensulfon
PS Polystyrol
PSU Polysulfon
PTFE Polytetrafluorethylen
PTMT Polytetramethylenterephthalat (vgl. PBT)
PUR Polyurethan
PUR-X vernetztes Polyurethan
PVAC Polyvinylacetat
PVAL Polyvinylalkohol
PVB Polyvinylbutyral
PVC Polyvinylchlorid
PVC-C chloriertes Polyvinylchlorid
PVC-P Weich-PVC
PVC-U Hart-PVC
PVDC Polyvinylidenchlorid
PVDF Polyvinylidenfluorid
PVF Polyvinylfluorid
PVFM Polyvinylformal
PVK Polyvinylcarbazol
PVP Polyvinylpyrrolidon
SI Silicon
UF Harnstoff-Formaldehyd
UP ungesättiger Polyester
VF Vulkanfiber
Anhang 1503
ABAK Acrylnitril/Butadien/Acrylat
AEPDS Acrylnitril/Ethylen-Propylen-Dien/Styrol
AMA Acrylnitril/Methacrylat
AMMA Acrylnitril/Methylmethacrylat
ACS Acrylnitril/chloriertes Polyethylen/Styrol
ABS Acrylnitril/Butadien/Styrol
ASA Acrylnitril/Styrol/Acrylester
EBA Ethylen/Butylacrylat
ECO Ethylen/Cycloolefin
ECTFE Ethylen/Chlortrifluorethylen
EEAK Ethylen/Ethylacrylat
EMA Ethylen/Methacrylat
EP Ethylen/Propylen (nicht verwechseln mit EP-Epoxidharz)
ETFE Ethylen/Tetrafluorethylen
EVAC Ethylen/Vinylacetat
EVOH Ethylen/Vinylalkohol
FEP Tetrafluorethylen/Hexafluorpropylen
PI Polyimid
LCP Flüssigkristalline Polymere
MABS Methylmethacrylat/Acrylnitril/Butadien/Styrol
MBS Methacrylat/Butadien/Styrol
MPF Melamin/Phenol-Formaldehyd
PFA Perfluoralkoxylalkan-Polymer
SAN Styrol/Acrylnitril
SB Styrol/Butadien
SEPDM Styrol/Ethylen-Propylen-Dien
SMAH Styrol/Maleinsäureanhydrid
SMAH/B Styrol/Maleinsäureanhydrid/Butadien
SMMA Styrol/Methylmethacrylat
SMS Styrol/a-Methylstyrol
SAN Styrol/Acralnitril
TFEHFPVDF Tetrafluorethylen/Hexafluorpropylen/Vinylidenfluorid
VCAK Vinylchlorid/Acrylat
VCE Vinylchlorid/Ethylen
VCEMAK Vinylchlorid/Ethylen/Methacrylat
VCEMMA Vinylchlorid/Methylmethacrylat
VCEVAC Vinylchlorid/Ethylen/Vinylacetat
VCMAK Vinylchlorid/Methacrylat
VCMAH Vinylchlorid/Maleinsäureanhydrid
VCMMA Vinylchlorid/Methylmethacrylat
VCOAK Vinylchlorid/Octylacrylat
VCVAC Vinylchlorid/Vinylacetat
VCVDC Vinylchlorid/Vinylidenchlorid
VDFHFP Vinylchlorid/Hexafluorpropylen
1504 Anhang
ISI Isopren/Styrol/Isopren
SBS Styrol/Butadien/Styrol
SEBS Styrol/Ethylen/Butadien/Styrol
SIS Styrol/Isopren/Styrol
PEBA Polyetherblockamid
PEEST Polyetheretherester
PEESTUR Polyetheresterurethan
PESTEST Polyetherester
PESTUR Polyesterurethan
PEUR Polyetherurethan
Die Kurzzeichen für Polymerblends werden aus den Kurzzeichen für die Ausgangspolymeren
zusammengesetzt, durch ein Plus(+)-Zeichen verbunden und als Ganzes in eine Klammer ge-
setzt. Die Klammer entfällt aus technischen Gründen im Falle der PC-Schreibweise. Im gesetz-
ten Druck ist sie jedoch üblich, beispielsweise: (PMMA + ABS). Die im jeweiligen Polymer-
blendtyp mit dem größten Masseanteil vorhandene Komponente sollte an erster Stelle genannt
werden.Weil jedoch je nach Anforderung an das Produkt die Anteile jeder Komponente in mehr
oder weniger weiten Grenzen sich verändern können, müsste die Reihenfolge geändert werden,
was jedoch nicht immer zuverlässig geschieht. Nun einige Beispiele aus der ständig zunehmen-
den Anzahl von Polymerblends:
Gruppenbezeichnung
Die Metall- oder Synthesefasern können durch Angaben über das jeweilige Fasermaterial er-
gänzt werden, z.B. H, Ag-MFK, PET-SFK. Die Art der Faserverstärkung (ggf. mit Ziffernangabe
über den prozentualen Anteil) folgt der Kurzbezeichnung des Kunststoffs und wird durch einen
Mittelstrich angebunden, z.B.: UP-GF 30 mit 30% Glasfaser verstärktes ungesättigtes Poly-
esterharz, PF-PET-SF 10 = 10% Polyesterfasern verstärktes Phenol-Formaldehydharz.
Tabelle 4-12. Weichmacher (in Anlehnung an DIN 7723 (12.87) und ISO 1629)
ASE Alkylsulfonsäureester
BBP Butylbenzylphthalat
BOA Benzyloctyladipat
BOP Butyloctylphthalat
DBP Dibutylphthalat
DCP Dicaprylphthalat
DDP Didecylphthalat
DEP Diethylphthalat
DHP Diheptylphthalat
DHXP Dihexylphthalat
DIPB Diisobutylphthalat
DIDA Diisodecyladipat
DIHXP Disohexylphthalat
DINA Diisononyladipat
DINP Diisononylphthalat
DIOA Diisooctyladipat
DIOP Diisooctylphthalat
DIPP Diisopentylphthalat
1506 Anhang
Seit dem Jahre 1971 stimmen die bis dahin für den Aufbau von Formmasse-Normen geltenden
Richtlinien nach DIN und ISO überein. Die technischen Regeln (Normen) enthalten im Teil 1
die „Einteilung und Bezeichnung“ und im Teil 2 die „Bestimmung der Eigenschaften“. Seit 1982
werden die bisherigen Normen nach DIN und ISO auf das neue System umgestellt. Der Eintei-
lung und Bezeichnung liegt ein computergerechtes Blocksystem zugrunde, das nur Großbuch-
staben (beginnend mit dem Basispolymeren), Ziffern, Kommas und Bindestriche enthält.
Den Aufbau einer Normbezeichnung gibt das nachstehende Schema wieder.
Norm-Bezeichnung
Benennungsblock Identifizierungs-Block
Norm-Nummern-Block Merkmale-Block
Datenblock
1 2 3 4 5
Benennungs- Identifizierungsblock
block
Norm- Merkmale-Block
nummer
Daten- Daten- Daten- Daten-
block block block block
1 2 3 4
Benennung
DIN-Nummer
Block 1 Kurzzeichen
Block 2 Anwendung nicht gekennzeichnet
Additiv (Brandschutzmittel)
Block 3 Viskositätskennzeichen
Schmelzindexkennzeichen
Block 4 Füllstoffmaterial: Glas
Füllstoff-Form: Faser
Füllstoffgehalt: 30%
A –
B Blockcopolymer
C (reserviert für „chloriert“)
D –
E Emulsionspolymer
F –
G –
H Homopolymer
J –
K –
L –
M Massepolymer
N –
P Weichmacher
Q Mischung verschiedener Polymere
R Statistisches Copolymer
S Suspensionspolymer
T –
1508 Anhang
U ohne Weichmacher
V –
W –
X ohne Angabe
Y –
Z –
Zusatzkennzeichnungen im Datenblock 1.
A Klebstoff A Verarbeitungsstabilisator
B Blasformen B Antiblockmittel
C Kalandrieren C Farbmittel
D Schallplattenherstellung D Pulver
E Extrusion von Rohren, E Treibmittel
Profilen und Platten
F Extrusion von Folien F Brandschutzmittel
G allgemeine Anwendung G Granulat
H Beschichtung H Wärmealterungsstabilisator
J – J –
K Kabel- und Drahtisolierung K –
L Monofilextrusion L Licht-und Witterungsstabilisator
M Spritzgießen M –
N – N ohne Farbzusatz (naturfarben)
P Pastenherstellung P polymerer Zusatz
Q Pressen Q –
R Rotationsformen R Entformungshilfsmittel
S Pulversintern S Gleit- und Schmiermittel
T Brandherstellung T erhöhte Temperatur
U – U –
V – V –
W – W Hydrolysestabilisator
X keine Angabe X –
Y Faserherstellung Y –
Z – Z Antistatikum
Merkmale im Datenblock 2.
Benennungs- Identifizierungsblock
block
Norm- Merkmale-Block
nummer
Daten- Daten- Daten-
block block block
1 2 3
Benennung
DIN-Nummer
Block 1 Kurzzeichen
Block 2 Anwendung (Folienherstellung)
Additiv (Gleitmittel)
Block 3 Dichtekennzeichen
Schmelzindexkennzeichen (D: MFI 190/2,16)
Tabelle 4-16. Der Datenblock 3 enthält quantitative Angaben über typische Formmasseneigen-
schaften, die in der nachstehenden Übersicht angekreuzt sind.
Eigenschaft Thermoplast-Formmasse
Schmelzindex
(MFI) X X X X X X X X
Vicat-Temp.
(VST) X X X X X X
Viskositätszahl (J) X X X X X
(Kerb-)
Schlagzähigkeit X X X
E-Modul X X X
K-Wert (X)
Dichte X
Schüttdichte X
Shore-Härte X
Isotaxie-Index X
VAC-Gehalt X
AN-Gehalt X X
Spannungswerte
s 100 X
Torsionssteifheits-
Temperatur X
Viskositätszahlbereich Zeichen
VZ [cm3/g]
VZ < 90 09
90 < VZ < 100 10
110 < VZ < 130 12
130 < VZ < 160 14
160 < VZ < 200 18
200 < VZ < 240 22
240 < VZ < 290 27
290 < VZ < 340 32
340 < VZ 34
Tabelle 4-17. Kennzeichnung von Art und Menge der Zusatzstoffe im Datenblock 4
A – A – · ·
B – B – · ·
C Kohlenstoff C – · ·
D – D – 15 > 12,5–17,5
E – E – 20 > 17,5–22,5
F – F Faser 25 > 22,5–27,5
G Glas G Mahlgut 30 > 27,5–32,5
H – H – 35 > 32,5–37,5
J – J – 40 > 37,5–42,5
K – K – 45 > 42,5–47,5
L – L – 50 > 47,5–52,5
M Mineralien M – 55 > 52,5–57,5
N – N – 60 > 57,5–62,5
P – P – 65 > 62,5–67,5
Q – Q – 70 > 67,5–72,5
S – S Kugeln · ·
T – T – · ·
U – U – · ·
V – V – · ·
W – W – · ·
X nicht spezifiziert X – · ·
Y – Y – · ·
Z – Z – · ·
1 Mechanische Eigenschaften
1.1 a) Sreckspannung s s e R bis 50%, wenn höher 53455 527
Dehnungen e s , e R nur >50%
b) Spannung bei 50% Dehnung Wenn Werte nach a nicht
bestimmbar, dann Werte nach b
c) Zugfestigkeit s B Wenn Werte nach b nicht
Reißdehnung e R bestimmbar, dann Werte nach c
Prüfgeschwindigkeit:
a, b 50, c 5 mm/min.
1512 Anhang
2 Thermische Eigenschaften
2.1 a) Schubmodul G Messwerte 23 °C und 53445 537
Temperaturfunktion
b) Log. Dekrement D – 70 °C bis zur Erweichung 4663
Probekörper
2.2 Formbeständigkeitstemperatur HDT Verf. A, bei weichen 53461 75
Kst. zus. B, harten C
2.3 Vicat-Erweichungstemperatur VST Verfahren B/50 53460 306
2.4 Ausdehnungskoeffizient Verf. B, Mittelwert 23 °C/80 °C, 53752 –
längs u. quer
3 Elektrische Eigenschaften
3.1 a) Dielektrizitätszahl er bei 50 Hz und 1 MHz, VDE 0303/ IEC 250
Pressplatte 1 mm Teil 4
b) Dielektrischer Verlustfaktor tan d
3.2 Durchschlagfestigkeit E d in Trafoöl, Prüfkörper wie 3.1 53481 IEC 243
Elektrodenanordnung K20/P50 VDE 0303/
Teil 2
3.3 Kriechwegbildung CTI u. CTI-M Prüflösungen A und B VDE 0303/ IEC 112
Teil 1
3.4 a) Spez. Durchgangswiderstand PD Prüfkörper wie 3.1 53482 IEC 93
b) Oberflächenwiderstand ROP Prüfkörper wie 3.1 VDE 0303/ IEC 163
Teil 3
3.5 Elektrolytische Korrosionswirkung s. Text 53489 IEC 426
DIN a ISO a
Thermoplastische Kunststoffe
Polyethylen 16776 1872
EVA-Copolymere 16778 4613
Polypropylen 16774 1873
Stryrolpolymere PS 7741 1622
SAN 16775 4894
SB 16771 2797
ABS 16772 2580
ASA 16777 3580
Anhang 1513
DIN a ISO a
Thermoplastische Halbzeuge
Rohre PE, PE-V, PP, PB, s. Listen S. 360 ff.
ABS, PVC, PVC-C, PA
Tafeln PE-LD, PE-HD 16925
Tafeln PP 16971
Dach- und Bau-Dichtungsbahnen ECB, PE-C, PIB 16729, 16736, 16737
16731, 16935
Tafeln und Bahnen SB, ABS, ASA 16955, 16956
Tafeln und Bahnen PVC-U 16927
Tafeln und Bahnen PVC-P 16950
Dach- und Bau-Dichtungsbahnen PVC-P bitumenbeständig,
nicht bitumen-
beständig, verstärkt
16937
15730, 16938
16734, 16735
冧
Fußbodenbeläge PVC-P, ohne und mit Träger 16950, 16951, 16952
1514 Anhang
Tabelle 4-22. Aufbau der Harze für härtbare Formmassen und Art der Vernetzungsreaktionen
Reaktionsprodukt
Bei Vernetzung
Harzbausteine
Harzbildungs-
abgespaltenes
Vernetzungs-
Kurzzeichen
reaktion
reaktion
Harztyp
AL Alginat
AR Ardein (Erdnuss-Protein)
CA Celluloseacetat
CAX Celluloseacetat, desacetyliert
CC Cupro-Faser
(Cellulose, Kupferoxid-Ammoniak-Verfahren)
CCP Spinnpapier und Cellulose
CT Cellulose-Triacetat
CV Viskose-Faser (Cellulose-Viskoseverfahren)
GL Textilglas
KA Casein
LA Gummi
MT Metallfaser
PA Polyamid
PAC Polyacryl (nitril)
PAM Modacryl
PB Elastodien
PCF Polychlortrifluorethylen
PE Polyethylen
PEE Polyesterether
PES Polyester
PO Polyolefin
PP Polypropylen
PST Polystyrol
PTF Polytetrafluorethylen
PUH Polyharnstoff
PUE Elasthan
PUR Polyurethan
PVA Vinal (mindestens 85 Masse-% Vinylalkohol)
PVA+ Vinalal (acetalisierte Vinal-Faser)
PVC Polyvinylchlorid
PVC+ nachchloriertes Polyvinylchlorid
PVD Polyvinylidenchlorid
PVM Multipolymerisat
ZE Zein (Mais-Zein)
AT Österreich IN Indien
AU Australien IT Italien
BE Belgien JP Japan
CA Kanada NL Niederlande
CH Schweiz NO Norwegen
DE Bundesrepublik Deutschland PL Polen
DK Dänemark PT Portugal
ES Spanien RO Rumänien
FI Finnland RUS Rußland
GB Großbritannien SA Saudiarabien
GR Griechenland SE Schweden
HU Ungarn SU Soviet Union
IE Island TW Taiwan
IL Israel US Vereinigte Staaten von Amerika
1518 Anhang
RFA Rasterfluoreszenzanalyse
RIM Reaktion Injection Moulding
(Reaktions-Strukturschaumgießen vorwiegend bei PUR)
R-RIM Reinforced Reaction Injection Moulding
(Reaktionsgießen verstärkter Strukturschaumstoffe, vorwiegend bei PUR)
RGS Reaktionsharz-Spritzguss
RT Raumtemperatur
RTV Room Temperature Vulcanizing
SDP Stegdoppelplatte
SEM Scanning Electron Microscopy REM
SG Spritzgießen (allgemein)
SIN Simultaneous Interpenetrating Network
SKZ Süddeutsches Kunststoffzentrum
SMC Sheet Moulding Compound (Harzmatten)
SMD Surface Mounted Devices ( OMD, deutsch)
SPC Statistical Process Control
SPE Society of Plastics Engineers
SPI Society of Plastics Industry
SPPF Solid Phase Pressure Forming
SQC Statistical Quality Control
SRP Selfreinforcing Plastics ( LCP)
STL Stereolithographie
TAR Time of Arc Resistance (UL)
TC Toxische Konzentration
TD Toxische Dosis
TGA Thermogravimetrische Analyse
TI Tracking Index (UL)
TMC Thick Moulding Compound
TQC Total Quality Control
TSB Thermoplast-Schaumblasverfahren
TSE Thermoplast-Schaumextrusion
TSG Thermoplast-Schaumspritzguss
TV Technische Vereinigung der Hersteller und Verarbeiter typisierter Kunststoff-
Formmassen, Würzburg
TWB Temperaturwechselbeständigkeit
UD Unidirektionale Fasergelege
UHF Ultrahochfrequenz
UL Underwriters’ Laboratories (USA)
UNI Ente Nazionale Italiano di Unificazione (ital. Normverband)
UWS Umweltschutz
VbF Verordnung über brennbare Flüssigkeiten
VDE Verein Deutscher Elektrotechniker
VDI Verein Deutscher Ingenieure
VDI-K VDI-Gesellschaft Kunststofftechnik
VDMA Verein deutscher Maschinenbauanstalten e.V.
VLC Visible Light Curing (UP-Härteverfahren im Wellenbereich des sichtbaren Lichtes
VST Vicat Softening Temperature/Verfahren B (Beständigkeit bei 10 N oder
50 N Belastung)
VZ Vergleichszahl
XMC Kreuzgelege (spezielles SMC)
XPS Extrudiertes EPS
ZMC Sonderverfahren für BMC (extrem lange Fasern)
ZST Zwischenschicht Hinterspritztechnik
Anhang 1523
4.2
Kunststoffkennwerte
Tabellenverzeichnis
Kunststoff- Beanspru- Prüf- Prüfspan- Kriechmodul N/mm2 nach: Kunststoff- Beanspru- Prüf- Prüfspan- Kriechmodul N/mm2 nach: Kunststoff- Beanspru- Prüf- Prüfspan- Kriechmodul N/mm2 nach: Kunststoff- Beanspru- Prüf- Prüfspan- Kriechmodul N/mm2 nach: Kunststoff- Beanspru- Prüf- Prüfspan- Kriechmodul N/mm2 nach: Kunststoff- Beanspru- Prüf- Prüfspan- Kriechmodul N/mm2 nach:
sorte chungsart tempe- nung (Rand- sorte chungsart tempe- nung (Rand- sorte chungsart tempe- nung (Rand- sorte chungsart tempe- nung (Rand- sorte chungsart tempe- nung (Rand- sorte chungsart tempe- nung (Rand-
ratur spannung ratur spannung ratur spannung ratur spannung ratur spannung ratur spannung
°C bei Biegung) °C bei Biegung) °C bei Biegung) °C bei Biegung) °C bei Biegung) °C bei Biegung)
N/mm2 1h 10 h 100 h 1000 h N/mm2 1h 10 h 100 h 1000 h N/mm2 1h 10 h 100 h 1000 h N/mm2 1h 10 h 100 h 1000 h N/mm2 1h 10 h 100 h 1000 h N/mm2 1h 10 h 100 h 1000 h
PE-HD Zug 23 1,75 – 950 760 520 Acetal-Copoly- Biegung 23 3,5 2700 2400 2200 1900 PET Spritzguß Zug 23 7,5 3100 2900 2800 2650 PA610-GF30 Biegung 23 56,0 5550 4950 4500 – ABS Tafel- Zug 23 11,2 2550 2300 2000 1650 EP-Formstoff Zug 23 28,0 10200 9500 8800 –
Spritzguß 3,50 – 580 480 380 mer-Spritzguß 35,0 2700 2400 1900 1550 15,0 3100 2900 2800 2650 nicht kondition. 38 56,0 3250 2950 2900 – extrusion 14,0 2500 2300 1950 1500 (Plaskon 121 21,0 6550 5900 5350 4800
5,25 – 480 395 295 82 3,5 700 620 540 480 25,0 3100 2900 2800 2650 82 56,0 3000 2550 2400 – 21,0 2500 2250 1800 1000 Epiall 1919) 28,0 4000 3500 3100 –
7,00 – 420 345 280 116 3,5 51 44 40 33 40 7,5 2750 2450 2200 1700 116 56,0 2650 2200 1900 – 28,0 2500 2050 – –
40 1,75 – 320 290 265 7,0 51 43 39 32 10,0 2750 2450 2200 1650 PA610-GF40 . Biegung 23 70,0 8500 7400 6700 – 71 3,5 2050 1500 750 300 PP Zug 20 3,5 1050 810 610 465
3,50 – 240 225 210 POM-Copoly- Biegung 82 3,5 3750 – 2900 2700 15,0 2750 2450 2100 1600 nicht kondition. 38 70,0 6350 6000 5750 – 7,0 2050 1350 600 – Spritzguß 7,0 880 660 505 395
5,25 – 225 205 200 mer-GF 25 22,0 3750 – 2900 2600 PET-GF 18 Zug 23 20,0 6750 6250 5900 5250 82 70,0 5250 5050 4800 – 10,5 1850 1000 – – 10,5 730 540 410 325
7,00 – 175 170 – 3,5 2300 – 1650 1300 Spritzguß 40,0 6750 6250 5900 5250 116 70,0 5150 4950 4550 – ABS/PVC Biegung 23 7,0 2100 2050 1850 1600 60 1,4 410 330 280 240
POM-GF 25 Biegung 23 3,5 8500 – 5600 4500 60,0 6750 6250 5900 5250 Spritzguß 14,0 2150 2100 1900 1600 2,8 380 310 265 225
PE-HD-GF20 Zug 23 14,0 2600 2400 2200 – PC Spritzguß Biegung 23 21,0 2450 2350 2250 2150 4,2 345 280 245 211
38 14,0 2000 1750 1600 – 7,0 6500 – 4600 3800 40 20,0 6250 5600 5250 4850 ABS/PC Spritz- Biegung 23 7,0 2550 2500 2350 2200
40,0 6050 5400 5150 4100 54 10,5 2100 1950 1750 1600
10,5 6200 – 4300 3500 guß u. Extrusion 14,0 2550 2450 2350 2200 Propylen/ Zug 20 20,4 820 680 535 395
PE-HD- Biegung 23 14,0 5900 5200 4800 – 60,0 5750 5000 4100 3350 14,0 2100 1850 1600 1400
14,0 6100 5500 4450 3450 ABS-GF20 Biegung 24 14,0 – 5700 5550 5500 Ethylen- 51,0 730 550 395 290
GF 40 38 14,0 4850 4350 4100 – 70 10,0 3450 2650 2000 1550 71 3,5 1750 1550 1400 1300
60 3,5 4800 4150 2900 2100 35,0 – 5650 5500 5400 Copolymerisat 60 10,2 330 265 225 200
60 14,0 4100 3600 3350 – 20,0 3100 2400 1850 1350 7,0 1700 1500 1350 1250
7,0 3750 3250 2450 2000 20,4 315 255 220 190
82 14,0 3500 3400 2950 – 30,0 2750 2150 1650 1250 10,5 1600 1400 1350 1200 ABS-GF40 Biegung 24 35,0 – 12000 12000 11600
14,0 2950 2250 1750 1350 35,6 240 185 140 90
121 1,7 1050 750 490 390 70,0 – 12500 11600 11200
85 3,5 2900 2400 1850 1400 PET-GF 30 Biegung 24 14,0 – 7750 5600 5050
PE-LD Zug 20 2,0 127 110 98 – 3,5 950 700 490 390 PP-GF20 Zug 23 17,5 4500 3800 3250 2750
7,0 2650 2100 1700 1350 PMMA Zug 20 10,2 2800 2550 2300 –
Spritzguß 4,1 108 87 73 – PET-GF 36 Zug 23 20,0 10900 10300 10000 9700 PC-GF20 Biegung 23 56 7200 7000 6850 – Spritzguß 35,0 3750 3400 3000 2550
10,5 2300 2100 1550 1250 Gießmasse 20,4 2700 2450 2050 –
60 5,1 52 46 42 39 17,5 2100 1600 1300 – 40,0 10800 10200 9900 9600 Spritzguß 38 56 6750 6300 5900 – 80 10,5 2950 2750 2600 2300
10,2 48 42 38 – 60,0 10600 10100 9800 9400 30,6 2350 2000 1650 – 21,0 2650 2400 2000 1700
90 14,0 2300 1750 1350 1100 93 56 5100 4450 3650 –
15,0 41 37 32 – 80,0 10300 10000 9300 8800 60 5,1 2300 2100 1750 1350
POM-GF 30 Biegung 24 14 – 8000 6000 5500 PC-GF30 Biegung 24 14 – 8400 6300 6050 15,3 2100 1850 1350 – PP-GF30 Zug 23 28,0 5750 5150 4650 4150
100,0 9700 9200 8800 7900 Spritzguß 56,0 5150 4550 3900 3150
Poly-4-methyl Zug 20 5,1 1200 850 560 – POM-GF 40 Biegung 23 28 8800 7750 6700 – 40 20,0 10600 9500 8000 7100 PC-GF40 54 21 7300 7000 7000 7000 20,4 1900 1550 – –
28 7050 6100 5300 5300 80 14,0 4350 4000 3450 2950
penten-1 60 10,2 740 460 – – 38 28 6100 6100 4700 – 40,0 10500 9400 7800 7050
35 6750 5600 5250 5250 PA 6 nicht Zug 23 14 2350 2200 1850 – 24,5 4000 3450 2950 2400
2,0 220 170 145 – 82 28 3150 2400 2100 – 60,0 10200 9100 7700 7000
71 21 7600 7050 6900 6700 kondition. 66 14 330 280 225 – PP, 40% Talkum Zug 24 7,0 8100 5600 4100 –
80,0 9400 8100 7400 6700
PTFE- Zug 18 7,0 1260 1260 1260 – 28 7400 6800 6200 6000 21 232 197 169 – Spritzguß
PVC Zug 23 3,50 1650 1600 1550 – 100,0 8100 7300 6700 6000
schlagzäh 7,00 1350 1200 1100 – Formmasse 14,0 670 625 515 – Zug 70 20,0 6700 4700 4150 3950 35 6600 6100 5800 5350 PA 6, 50% rela- Zug 23 14 430 385 335 310
PP-GF40 Zug 23 35,0 7700 6350 5200 4450
21,0 420 330 175 – 40,0 6200 4650 4100 4000 43 28 7700 6600 6100 6050 tive Feuchte
Spritzguß 10,50 1100 950 775 – Spritzguß 56,0 5900 5000 4100 –
23 3,5 420 310 225 – 60,0 6000 4550 3950 3450 35 7100 5600 5400 5300 PA 66 nicht Zug 23 10,5 2950 2750 2400 –
38 2,10 740 580 410 275 70,0 5300 4500 3700 –
7,0 125 74 44 – 80,0 5600 4150 3350 – 121 21 7500 6250 4700 2950 kondition. 21,0 2900 2700 2350 –
5,25 740 520 350 210 60 17,5 5150 4650 4400 3750
100 1,4 115 105 90 – 100,0 5150 – – – 35 7500 6250 4700 2950 42,0 2800 2650 2000 –
49 3,50 470 200 85 – 28,0 4600 4150 3750 3250
3,5 44 35 30 – 110 5,0 3900 3650 3500 3300
7,00 415 120 – – 4,1 28 22 17 – PPE modifiz. Biegung 23 7 2750 2750 2650 2350 PA 66, 50% rela- Zug 23 10,5 1100 900 800 700 32,5 4350 4000 3350 –
10,0 3800 3300 2900 2700 tive Feuchte 21,0 700 600 500 450
PVC Zug 23 14,0 1850 1750 1650 – 200 0,7 50 40 35 – Spritzguß 14 2500 2450 2350 2050
15,0 3750 3150 2800 2550 PS Spritzguß Zug 23 21,8 2950 2950 – –
schlagzäh 28,0 1700 1500 1300 – 1,4 42 32 25 – 21 2400 2300 2200 1850 PA6-GF14 Zug 23 14,0 2700 2300 2050 1750
22,0 3650 3100 2750 2400
Rohrextrusion 35,0 1550 1150 – – 2,1 18 15 13 – 60 7 2050 1950 1800 1700 30% relative 28,0 2000 1650 1400 1200 SB Spritzguß Zug 23 14,2 2100 1950 1700 –
30,0 3500 2800 2600 2250
Druck 23 3,5 35 30 26 – 14 2050 1750 1500 1250 Feuchte 16,0 1850 1500 – –
PVC-GF 25 Biegung 24 35,0 – 9500 8800 8500 7,0 28 23 20 – 21 2050 1700 1250 1000 PA6-GF30 Zug 121 28,0 1900 1750 1500 1300 17,0 1700 – – –
Polysulfon Zug 23 28,0 – 2450 2400 2300
Spritzguß 70,0 – 9200 8500 7900 12,3 15 13 – – 77 5,6 1700 1400 1200 1000 nicht kondition. 38 7,4 1800 1750 1450 900
Spritzguß 100 21,0 – 1700 1500 1350
100 1,4 18 13 11 – 7,0 1650 1400 1200 1000 10,3 1800 1750 1450 900
PVC-GF 35 Biegung 24 35,0 – 15400 11100 10600 149 7,0 – 1000 700 550 PA6-GF30
3,5 10 8,5 7,1 – 10,5 1650 1250 1050 900 14,2 1600 – – –
Spritzguß 70,0 – 12000 10800 9900 Polysulfon SE-O Biegung 60 29,5 – 2300 2250 2200 14,0 1650 1150 850 650 50% relative Zug 23 28,0 4300 3800 3350 3050
5,3 8,0 7,0 – –
Spritzguß 125 14,0 – – – – 100 21,0 1550 1250 1000 800 Feuchte PS-GF20 Biegung 23 14,0 6900 6700 6550 –
VC/Propylen- 23 27,1 3900 3200 1700 910 PTFE-GF 25- 20 1,1 140 108 84 70
Copolymere 28,0 3750 2450 1200 – 14,0 1650 1350 1000 800 PA6-GF30 Biegung 23 56,0 5850 5550 5050 – 38 14,0 6600 6050 4750 –
Formmasse 2,8 122 94 75 64 Polysulfon-GF 30 100 14,0 – 7000 5400 5200
Spritzguß und 30,2 3550 1750 1000 – 10,5 1650 1400 1100 800 nicht kondition. 38 56,0 3600 3400 3250 – 60 14,0 5550 3650 2900 –
4,2 104 85 70 60 Spritzguß 21,0 – 5600 4350 4200
Extrusion 32,3 2950 1475 – – 3,5 1750 1450 1100 800 82 56,0 3300 3150 2950 – PS-GF35 Biegung 23 56,0 9500 9000 8750 –
5,6 93 73 60 51 Polysulfon- Biegung 24 14,0 – 8450 6400 6050
34,5 2450 1150 – – PPE modifiz.- Biegung 77 24,5 4400 3700 3000 2250 116 56,0 2650 2450 2250 – 38 56,0 8800 8100 6750 –
7,0 84 63 51 43 GF 30 u. PTFE15
38,7 1300 – – – 8,4 72 54 43 36 GF20-Spritzguß 17,5 4650 3600 3200 2950 PA6-GF40 Biegung 23 70,0 7750 7000 6100 – 60 56,0 6000 3400 3000 –
9,8 64 48 37 30 Polysulfon- Biegung 24 70,0 – 11000 10200 10200 14,0 5250 4100 3300 3100 nicht kondition. 38 70,0 6700 6100 5700 –
Actal-Homo- Biegung 23 3,5 2800 2600 2050 1750 GF 30 35,0 – 12000 10600 10400 PPE modifiz.- 23 14 8000 8000 8000 7350 82 70,0 5400 5150 4800 – SAN Spritzguß Zug 23 31,0 3500 3350 3000 2300
FEP Spritzguß Zug 18 2,1 610 560 510 –
Polym.- 7,0 2800 2550 2050 1750 GF30 21 7700 7500 7400 6900 116 70,0 4650 4350 3900 – 34,5 3500 3350 3000 2200
und Extrusion 14,0 390 335 260 – Alkydharz- Zug 23 21,0 19000 17600 16200 –
Spritzguß 10,5 2750 2550 2000 1700 66 28 6800 6800 6700 6600 PA 6, Asbest40 Zug 23 28,0 11200 11200 9850 – 38,7 3450 3100 2500 –
23 3,5 470 420 370 – Formstoff 121 7,0 3650 3250 2950 –
46 3,5 1850 1500 1200 1050 35 6650 6650 6500 5550 nicht kondition. 121 14,0 3150 2550 2100 – 42,3 3350 3050 2300 –
7,0 395 330 275 – 14,0 3050 – – –
7,0 1750 1400 1200 1000 14 7800 7300 6850 6300 21,0 2300 1900 1600 1350 45,4 3300 3000 – –
10,5 210 130 65 –
10,5 1750 1400 1100 900 Diallylphthalat- Zug 23 24,5 14800 14200 13500 – 77 21 7350 7050 6800 6050 48,3 3250 – – –
100 1,4 51 42 37 – dto. 50% rela- 23 28,0 3100 2550 2050 –
14,0 1700 1350 1100 850 3,5 31 20 17 – Formstoff 121 7,0 4200 3800 3300 – 14 7050 6150 5900 5000 tive Feuchte SAN-GF20 Biegung 24 35,0 – 7750 7000 6500
60 3,5 1700 1400 1050 850 175 0,7 32 28 25 – 14,0 3750 3100 2550 – 21 6700 6150 5500 4800
21,0 1850 – – – 28 6450 6100 5100 4350 PA66-GF30 23 70,0 8800 6700 5850 – SAN-GF30 Biegung 24 35,0 – 9850 8800 8800
7,0 1600 1350 1050 850 1,4 26 21 17 –
100 35 5850 5300 4600 4000 nicht kondition. 38 70,0 5200 4700 4550 – SAN-GF35 Biegung 23 14,0 11500 11000 10500 –
14,0 1350 1000 850 700 Druck 23 3,5 34 31 29 – EP-Formstoff Zug 23 28,0 10200 9500 8800 – 82 70,0 4550 4300 4200 – 38 14,0 8000 6250 5050 –
85 3,5 1250 1050 850 650 14,0 25 22 19 – 121 21,0 6550 5900 5350 4800 Polyarylether Zug 23 14,0 2150 2100 1750 1300 116 70,0 3550 3300 3100 – 60 14,0 5800 4800 4350 –
7,0 1200 1000 750 550 17,5 16 15 13 – 28,0 4000 3500 3100 –
10,5 1150 1000 750 500 21,0 12 11 – – 21,0 1950 1700 1400 1050 PA66-GF30
PF-Formstoff, 23 21,0 30900 30200 26700 – 28,0 1900 1650 1300 950 SAN-GF40 Biegung 24 70,0 – 12700 11500 10900
14,0 1100 900 700 – 100 1,4 12 9,5 8,0 – 15% PTFE,
100 3,5 900 800 650 500 3,5 9,5 7,5 6,0 – GF-verstärkt 28,0 29900 28000 21000 – 35,0 1700 1400 1050 –
50% relative 23 14,0 – 6550 4200 3950 ABS Spritzguß Zug 23 14,0 2300 2250 2050 1700
7,0 850 700 550 400 5,25 8,0 6,2 5,4 – 121 14,0 6550 6000 5400 – Zug 82 3,5 2000 1700 1200 720
Feuchte 21,0 2300 2150 1850 1500
10,5 800 650 500 – 21,0 5700 5300 4850 – 7,0 1950 1650 1050 670
PCTFE Spritz- Zug 23 14,0 930 830 705 585 28,0 2150 1950 1600 –
dto. Glimmer Zug 25 14,2 30900 – 29500 2800 10,5 1850 1350 1000 570 PA66-GF40 Biegung 23 70,0 11500 11000 10500 –
guß und 21,0 570 470 375 275 35,0 2000 1650 – –
verstärkt 17,5 1700 1300 800 – 38 70,0 9500 9000 8500 –
Extrusion 66 7,0 470 325 255 – 71 3,5 1850 1750 1400 700
82 70,0 8000 7500 7400 –
121 1,4 120 91 63 – UP-Formstoff, 23 14,0 9600 9200 7750 6550 lineares PUR- Biegung 23 3,5 – 1100 900 875 7,0 1850 1650 1000 600
116 70,0 7500 7000 6700 –
3,5 84 56 35 – GF-verstärkt 21,0 9850 9200 7750 5550 GF40 10,5 1850 1450 950 500
Anhang 1527
sB eR sB eR sB eR
Kunststoff N/mm2 % N/mm2 % N/mm2 %
PE-HD 30 600 A C B D
PE-LD 13 380 – – A A
Polypropylen 33 70 A B B C
PVC-U 57 30 – – – –
PVC-P 19 300 – – – –
PVDC 26 200 A B B B
PS, normal 13 0,32 – – – –
PS, schlagzäh 22 20 – – – B
SAN-Copolymere 28 8,5 – – – –
PMMA 78 4,5 A – B B
Polyvinylcarbazol 130 0,32 – – – –
POM 74 70 B D C D
PTFE 34 400 C (B) D (B) C (C) D (C)
PCTFE 35 50 – – A C
PVF 62 160 – – – –
PA 66 54 62 – A – B
PC 48 75 – – – A
PET* 180 50 – – – –
PF-Formmasse (Asbest) 77 1,3 – – – –
PF-Formmasse (Cellulose) 77 4,0 – A A B
PF-Gießharz 77 4,0 – – – –
UF-Formmasse (Cellulose) 55 0,5 – – A A
MF-Formmasse (Cellulose) 64 0,65 – – A A
UP-Gießharz 14 20 – A – B
UP-Gießharz (mineralgef.) 33 0,2 – – – –
Polydiallylphthalat 47 2,4 – – – –
Silicon (Glasfasermatte) 95 – – – – –
Polyimid (Folie) 180 65 – – – –
EP-Harz (aromatische Amine) 120 – – – – –
EP-Gart (aliphatische Amine) 130 – – – – –
EP-Harz (Araldit B) 56 – – – – –
TPE-U 45 500 – – – –
Cellulosenitrat 53 30 – A A B
Celluloseacetat 37 20 – – – A
Cellulosepropionat 18 1,6 A A B B
Celluloseacetobutyrat 30 60 – – – A
A Abnahme um 20%,
B Abnahme um 20 bis 50%,
C Abnahme um 50 bis 90%,
D Abnahme > 90%,
() im Vakuum,
* gereckte Folie.
1)
Quelle: siehe Tab. 5–6
Anhang 1529
D – – – – – 0,05 1
B C(A) – – – – 0,075 1
C D D – – – 0,075 1
– – A – B A 4,3 0,2
– A A B B C 0,5 1
C C D D – – 3,3 2
– – – – A A 3,0 2
– A – D A – 2,5 2
– A – B A C 1,5 2
D C D D – – 3,3 2
– – – – – A 3,8 2
D – – – – – 0,5 2
D(D) – – – – – 1,5 1
D D – – – – 3,6 1
A C C D D – 3,0 1
– C – C A D 2,5 2
A B B C C D 0,08 1
A A C D D – 0,05 2
A A B B B B 3,0 1
B C C D D – 6,0 2
A A B B D D 4,6 2
B B D D – – 3,0 2
B B C C D D 6,0 2
– C – D D D 6,6 2
– – – – A A 3,3 1
A – B A D D 3,0 2
A – B B D D 1,8 1
– – – A C D 0,05 2
– – – – – A 3,0 3
– A A C B D 3,0 3
– – A B C C 3,0 3
B A C C D D 3,0 2
B D D D – – 3,0 2
B C D D – – 3,0 2
C C D D – – 15,7 2
B B D D – – 4,6 2
Tabelle 4-32. Chemikalienbeständigkeit einiger Kunststoffe
1530
Kunststoff Wasser-
aufnahme
ASTM
Medium
D 570
Kurzbezeich-
nung
Wasser kalt
Wasser heiß
Säuren schwach
Säuren stark
oxidierende Säuren
Flußsäure
Laugen schwach
Laugen stark
Lösungen an-
organischer Salze
Halogene (trocken)
aliphatische KW
chlorierte KW
Alkohole
Ester
Ketone
Ether
Aldehyde
Amine
organische Säuren
aromatische KW
Kraftstoffe
Mineralöl
Fette, Öle
ungesättigte
chlorierte KW
Terpentin
Polyamid 6 PA 6 + – – – – + + + + + + – 1,3–1,9
Anhang
앫 앫 – + 앫 + + 앫 + 앫 + 앫 앫
Polyamid 12 PA 12 + 앫 – – – – + 앫 + – + 앫 + + + + 앫 + 앫 + + + + 앫 앫 0,25
Polycarbonat PC + 앫 + 앫 앫 앫 – – 앫 + + – 앫 앫 앫 – – – 앫 – 앫 + + – + 0,1– 0,2
Polyethylenter- PET + – + 앫 앫 + 앫 – + + 앫 + + + + + + + + + 앫 앫 0,1
ephthalat
Polybutylenterephthalat PBT + – 앫 – 앫 + + + + + 앫 + 앫 – + 앫 앫 + + + 앫 앫 0,1
Polyphenylenether PPE + + + + + + + + 앫 0,06
Polysulfon PSU + 앫 + + + – + + + + – + – – – – – + + 0,22
härtbare Phenol/ PF + 앫 앫 – – – + – + + 앫 + 앫 + + 앫 앫 앫 + + – 앫 0,1–0,2
Formaldehyd-Harze
härtbare Harnstoff/ UF + 앫 앫 – – 앫 + 앫 + + + + + + + + 앫 + + + + 0,4–0,8
Formaldehyd-Harze
härtbare Melamin/ MF + + 앫 – – 앫 + – + – + + + + + + 앫 + + + + 0,3–0,7
Formaldehyd-Harze
unges. Polyesterharze UP + 앫 앫 – – – – – + – + – + 앫 – 앫 – + + + + – 앫 0,2–0,6
Siliconharze SI + + + – 앫 – – + + – – – – + – + – 앫 앫 + – – 0,2
Polyimide PI + – + + + 앫 – + + + + + + + + + + + + + + + 0,1–0,3
Epoxidharze EP + 앫 + – + 앫 + 앫 + + + 앫 앫 앫 앫 + + + + + + – 앫 0,1–0,5
lineare Polyurethane PUR + + 앫 – – – – – + – + – + + + + – + + + + 앫 0,7–0,9
vernetzbare Poly- PUR + 앫 앫 – 앫 – + – + – 앫 + 앫 – + 앫 + 앫 + 앫 – 앫 0,1–0,2
urethane
Urethan-Elastomere TPE-U + 앫 앫 – – – 앫 앫 + – + – + – – + – – – + – – 0,7–0,9
Celloulosenitrat CN + 앫 앫 – – – 앫 – + – + – – – – – – 앫 앫 + + – – 6
Celluloseacetat CA + 앫 + – – – 앫 – + – + – 앫 – – + – 앫 + + + – + 2–7
Cellulosepropionat CP + 앫 앫 – – – – – + – + – – – – – 앫 – + + + 1–3
Celluloseacetobutyrat CAB + 앫 + – – – + 앫 + – + – – – – – 앫 – + + + – – 1–2
Vulkanfiber VF + – 앫 – – – – – + – + + + + + + + + + + + 9
Tabelle 4-33. Gasabgabe einiger Kunststoffe bei einer Bestrahlungsdosis von 107 J/kg.
Kunststoff Gasabgabe
ml/g
Polyethylen 70
Polystyrol 1,5
Polymethylmethacrylat 35
Polyamid 66 25
Polyethylenterephthalat 3
PF-Gießharz 3
PF-Formmasse (mit Cellulose) 17
PF-Formmasse (mineralverstärkt) 2
UF-Formmasse (mit Cellulose) 17
MF-Formmasse (mit Cellulose) 10
Polyester-Gießharz 2–40
Cellulosenitrat 105
Celluloseacetat 17
Cellulosepropionat 35
Celluloseacetobutyrat 28
Nach Parkinson, W.W., u. O. Sisman: The Use of Plastics and Elastomers in Nuclear Radiation.
Nuclear Engng. and Design 17 (1971) S. 247–280.
Tabelle 4-34. Daten für das Spritzgießen und Nachbearbeiten von Thermoplasten
Verarbei- Vor- Werkzeug- Verarbei- Fließweg- Galvani- Spritz- Heiß- Be- Ultra- Spiegel Lösungs-
tungstem- trocknen temperatur beitungs- länge 4 bei sieren lackieren prägen dampfen schall schweißen kleben
peratur schwindung 2 mm und Be- schweißen
Wanddicke drucken
processing predrying mould tem- shrinkage flow path galva- lacquering hot metalliz- US butt- cement-
temperature perature after un- at 2 mm nizing and stamping ing under welding welding ing
moulding wall thick- printing vacuum
ness
°C °C/h °C %
Mechanische Prüfungen
Anhang
DIN 65378 Faserverstärkte Kunststoffe; Prüfung von unidirektionalen Zugfestigkeit szB90° N/mm2
Laminaten; Zugversuch quer zur Faserrichtung Dehnung bei 10% der Bruchkraft e10 %
Dehnung bei 50% der Bruchkraft e50 %
Dehnung beim Bruch ezB90° %
Elastizitätsmodul aus Zugversuch Ez90° kN/mm2
DIN 53504 Kautschuk und Elastomere; Bestimmung von Reiß- Reißfestigkeit sR MPa
festigkeit, Zugfestigkeit, Reißdehnung und Spannungs- Zugfestigkeit smax MPa
werten im Zugversuch Reißdehnung eR %
Spannungswert für bestimmte Dehnung s50, s100 MPa
1535
Tabelle 4-35 (Fortsetzung) 1536
Mechanische Prüfungen
DIN 53506 Kautschuk und Elastomere; Bestimmung des Nadelaus- Nadelausreißwiderstand N N/mm
reißwiderstandes
DIN 53507 Kautschuk und Elastomere; Bestimmung des Weiterreiß- Weiterreißwiderstand W N/mm
widerstandes von Elastomeren, Streifenprobe
DIN EN ISO 1798 Weichelastische polymere Schaumstoffe; Bestimmung der Zugfestigkeit – MPa
Zugfestigkeit und der Bruchdehnung Bruchdehnung _ %
Mechanische Prüfungen
Anhang
DIN EN ISO 3386-1 Weich-elastische Schaumstoffe; Bestimmung der Druck- Druckspannungs-Verformungs- CCxx kPa
spannungs-Verformungseigenschaften eigenschaft bei bestimmter
Teil 1: Materialien mit niedriger Dichte Verformung xx
Druckspannungswert bei 40% Verformung CV40 kPa
DIN EN ISO 3386-2 Weich-elastische Schaumstoffe; Bestimmung der Druck- Druckspannungs-Verformungs, CCxx kPa
spannungs-Verformungseigenschaften eigenschaft bei bestimmter
Teil 2: Materialien mit hoher Dichte Verformung xx (25, 40, 50, 65% Stauchung)
Din EN ISO 178 Kunststoffe; Bestimmung der Biegeeigenschaften Biegespannung beim Bruch sfB MPa
Biegefestigkeit sfM MPa
Norm-Biegespannung für sfC MPa
Normdurchbiegung sc = 1,5 ◊ h
Biegedehnung beim Bruch efB %
Biegedehnung bei Biegefestigkeit efM %
Biegemodul Ef MPa
DIN EN ISO 14125 Faserverstärkte Kunststoffe; Bestimmung der Biegefestigkeit sfm MPa
Biegeeigenschaften Biegespannung beim Bruch sfB MPa
Durchbiegung bei Biegefestigkeit sM mm
Durchbiegung beim Bruch sB mm
Biegemodul (Sekantenmodul) Ef MPa
1537
Tabelle 4-35 (Fortsetzung)
1538
Mechanische Prüfungen
ASTMD 4065 Standard Practice for Determination and Reporting Elastic Modulus in Shear G¢ MPa
Dynamic Mechanical Properties of Plastics Logarithmic Decrement D –
(versus temperature)
Transition temperatures of plastic – °C
DIN EN ISO 179-1 Kunststoffe; Bestimmung der Charpy- Charpy-Schlagzähigkeit acU kJ/m2
Schlageigenschaften Charpy-Kerbschlagzähigkeit acN kJ/m2
Teil 1: Nicht instrumentierte Schlagzähigkeitsprüfung
DIN EN ISO 179-2 Teil 2: Instrumentierte Schlagzähigkeitsprüfung
DIN EN ISO 180 Kunststoffe; Bestimmung der Izod-Schlagzähigkeit Izod-Schlagzähigkeit aiU kJ/m2
Izod-Kerbschlagzähigkeit aiN kJ/m2
DIN EN ISO 2039-2 Kunststoffe; Bestimmung der Härte Rockwellhärte (Härteskala R, L oder M) HR –
Teil 2: Rockwellhärte Rockwellhärte a Ra –
DIN EN ISO 868 Kunststoffe und Hartgummi; Bestimmung der Eindruck- Shore-Härte A/15 – –
härte mit einem Durometer (Shore-Härte) Shore-Härte D/15 – –
DIN EN ISO 899-1 Kunststoffe; Bestimmung des Kriechverhaltens Kriechdehnung bei Zugbeanspruchung et %
Teil 1: Zeitstand-Zugversuch Zugkriechmodul Et MPa
Kriechdehnung-Zeit-Kurven
Kriechmodul-Zeit-Kurven
Isochrone Spannungs-Dehnungs-Kurven
Bruchkennlinien
Anhang
Tabelle 4-35 (Fortsetzung)
Mechanische Prüfungen
Anhang
DIN 53758 Prüfung von Kunststoff-Fertigteilen; Kurzzeitinnen- Innendruck bei Bruch pB bar
druckversuch an Hohlkörpern Innendruck bei Undichtigkeit pU bar
Innendruck bei Überschreiten pε bar
bestimmter Deformation
DIN 53759 Prüfung von Kunststoff-Fertigteilen; Zeitstand-Innen- Innendruck bei Bruch nach z.B. 1000 h pB/1000 bar
druckversuch an Hohlkörpern Zeitstandschaubild
DIN 16887 Prüfung von Rohren aus thermoplastischen Kunststoffen; Standzeit bis zum Bruch oder Undich- t h
Bestimmung des Zeitstand-Innendruckverhaltens tigkeit für bestimmte Prüfspannung
Thermische Prüfungen
Thermische Prüfungen
DIN 53752 Prüfung von Kunststoffen; Bestimmung des thermischen Thermischer Längenausdehnungs- a(t) 10–4 ◊ K–1
Längenausdehnungskoeffizienten koeffizient
DIN EN ISO 306 Kunststoffe; Thermoplaste; Bestimmung der Vicat- Vicat-Erweichungstemperatur VST °C
Erweichungstemperatur (VST)
Anhang
a
Interne, akkreditierte Prüfvorschrift, Institut für Kunststoffprüfung und Kunststoffkunde IKP, Universität Stuttgart.
Tabelle 4-35 (Fortsetzung)
Thermische Prüfungen
Anhang
EN ISO 1210 Kunststoffe; Bestimmung des Brandverhaltens von Lineare Brenngeschwindigkeit V mm/s
waagrechten und senkrechten Probekörpern durch Nachbrennzeit tf s
eine kleinflammige Zündquelle
Elektrische Prüfungen
DIN IEC 112 Verfahren zur Bestimmung der Vergleichszahl und Vergleichszahl der Kriechwegbildung CTI V
VDE 0303 Teil 1 Prüfzahl der Kriechwegbildung auf festen isolierenden Prüfzahl der Kriechwegbildung PTI V
Werkstoffen unter feuchten Bedingungen
Elektrische Prüfungen
IKP AA PU 22a Identifizierung von Polymeren, Füllstoffen, Verstärkungs- Art des Kunststoffs – –
stoffen, Farbstoffen und Hilfsstoffen Art der Zusatzstoffe – –
durch infrarotspektrometrische Analyse (FT-IR)
DIN EN ISO 6427 Kunststoffe; Bestimmung der extrahierbaren Bestandteile Masseanteil an extrahierbaren – %
durch organische Lösemittel Bestandteilen
DIN EN ISO 1628-1 Kunststoffe; Bestimmung der Viskosität von Polymeren Viskositätszahl I cm3/g
in verdünnter Lösung durch ein Kapillarviskometer Grenzviskositätszahl [ h] cm3/g
Teil 1: Allgemeine Grundlagen (Intrinsic-Viskosität)
DIN EN ISO 1628-2 Teil 2: Vinylchlorid-Polymere K-Wert K –
DIN EN ISO 1628-3 Teil 3: Polyethylen und Polypropylen
DIN EN ISO 1628-4 Teil 4: Polycarbonat-Formmassen
DIN EN ISO 1628-6 Teil 6: Methylmethacrylat-Polymere
DIN EN ISO 307 Kunststoffe; Polyamide; Bestimmung der Viskositätszahl Viskositätszahl VN ml/g
DIN 53728-3 Kunststoffe; Bestimmung der Viskositätszahl von Poly- Viskositätszahl J cm3/g
ethylenterephthalat (PETP) oder Polybutylenterephthalat
(PBTP) in verdünnter Lösung
DIN EN ISO 1133 Kunststoffe; Bestimmung der Schmelze-Massefließrate Schmelze-Massefließrate MFR g/10 min
(MFR) und der Schmelze-Volumenfließrate (MVR) Schmelze-Volumenfließrate MVR cm3/10 min
von Thermoplasten
a
Interne, akkreditierte Prüfvorschrift, Institut für Kunststoffprüfung und Kunststoffkunde IKP, Universität Stuttgart.
1543
Tabelle 4-35 (Fortsetzung)
1544
Sonstige Prüfungen
Prüfvorschrift Titel Eigenschaft Symbol Einheit
DIN EN ISO 1183-1 Kunststoffe; Verfahren zur Bestimmung der Dichte von Dichte r g/cm3
nicht verschäumten Kunststoffen
Teil 1: Eintauchverfahren; Verfahren mit
Flüssigkeitspyknometer und Titrationsverfahren
DIN EN ISO 1183-2 Teil 2: Verfahren mit Dichtegradientensäule
DIN EN ISO 1183-3 Teil 3: Gas-Pyknometer-Verfahren
PMP Poly-4-methylpenten-1
PE Polyethylen
PP Polypropylen
SB + T Polystyrol schlagfest + Treibmittel
ABS + T Acrylnitril/Butadien/Styrol + Treibmittel
PE + F Polyethylen + Flammschutzmittel
PP + F Polypropylen + Flammschutzmittel
CAB Cellulose-Acetobutyrat
PA Polyamid
POM Polyformaldehyd
PMMA Polymethylmethacrylat
PET/PBT Polyester, thermoplastisch
CA Celluloseacetat
PS Polystyrol
SB Schlagfestges Polystyrol
SAN Styrol/Acrylnitril-Copolymer
ABS Acrylnitril/Butadien/Styrol-Copolymer
PVC-P Polyvinylchlorid weich
PSU Polysulfon
PC Polycarbonat
PPE-M Polyphenylenether modifiziert
SB + F schlagfestes Polystyrol + Flammschutzmittel
ABS + F Acrylnitril/Butadien/Styrol + Flammschutzmittel
PVC-U Polyvinylchlorid hart
PA + F Polyamid + Flammschutzmittel
Sternchen: siehe PBT*
Datenbanken
Handelsnamenverzeichnis
Kunststoffverzeichnis
(Die Eigenschaften der mit * gekennzeichneten Kunststoffe sind in
Beilage 1 näher dargestellt)
A Ethylen/Ethylacrylat-Copolymere (EEAK)
* Acrylnitril/Polybutadien/Styrol-Pfropf- 528
polymere (ABS) 739 Ethylen/Methylacrylat-Copolymere (EMA)
* Acrylnitril/Styrol/Acrylester-Pfropfpoly- 530
mere (ASA) 764 Ethylen/Propylen (Dien)-Copolymere
Acrylnitril-Copolymere 790 (EPDM) 548
Alkydharz-Formmassen 1374 * Ethylen/Vinylacetat-Copolymere (EVAC)
Amide, partiell aromatische 993 522
Ethylen/Vinylalkohol-Copolymere (EVOH)
B 527
Bisphenol A-Copolycarbonate 1043
Blend aus Polyamid und Polyphenylen- F
ether (PA + PPEmod) 1151 Fluorelastomere, thermoplastische 900
Blends aus PVC und Acrylpolymeren 668
Blends aus PVC und chloriertem PE-HD G
(PE-HD-C) 654 Gusspolyamid 12 1008
Blends aus PVC und EVA-Copolymeren Gusspolyamid 6 1006
bzw. EVA/VC-Propfcopolymeren Gusspolyamid 6, elastomermodifiziertes
663 1007
Gusspolyamid 6/12 1007
C Gusspolyamide 1001
* Celluloseacetat (CA) 1463
* Celluloseacetobutyrat (CAB) 1474 H
Cellulosenitrat (CN) 1458 * Harnstoff/Formaldehyd Kunststoffe
* Cellulosepropionat (CP) 1469 (Aminoplaste)(UF) 1318
Copolyimide 1250 Harnstoffharze, technische 1325
Copolymer aus
– Vinylchlorid und I
Vinylidenchlorid/Acrylnitril-Copoly- * Ionomere 592
meren (VC/VDC/AN) 669 Isocyanatharze 1413
Cycloolefincopolymere (COC) 596
M
D * Melamin/Formaldehyd-Kunststoffe (MF)
Duroplaste 41, 362, 379 1326
* Melamin/Phenol/Formaldehyd-Form-
E massen, härtbare (MPF) 1330
* Epoxidharze (EP) 1388 Melaminharze, technische 1331
– technische 1388 MF-Formmassen
Ethylen/Acrylsäure-Copolymer (EAA) – härtbare 1327
531 – modifizierte 1330
Ethylen/Butylacrylat-Copolymerisat
Bitumen (EBA) 532
1564 7 Kunststoffverzeichnis
Sachverzeichnis
A Metallisieren 775
2D-Flächen 414 Rotationsschweißverfahren 776
3D-Volumenmodelle 414 Schädigungsarbeit 770, 772
a-Modifikation 539 Schlagzähigkeit 764, 773
Abbaubarkeit, biologische 1443 Selbstentzündung 775
Abriebfestigkeit 519 Spannungsdehnungslinien, isochrone
ABS + PC 756 771
Bearbeitung 763 Spannungsrissbeständigkeit 73
Beurteilung, gesundheitliche 762 Trennen 775
Chemikalienbeständigkeit 762 Umwandlungstemperaturen 765
Eigenschaften 758 Verarbeitungsbedingungen 775
– elektrische 762 Verhalten bei hoher Verformungs-
– thermische 762 geschwindigkeit 770
Formbeständigkeit in der Wärme 758 Verhalten bei schwingender
Galvanisieren 763 Beanspruchung 771
Heizelementschweißen 763 Witterungsbeständigkeit 770
Kerbschlagzähigkeit 758 Wöhler-Kurven 771
mechanische 758 Acrylnitril-Copolymere 790
Metallisieren, chemogalvanisches 757 Barriere-Kunststoffe 790
Reibschweißen 763 Brechungsindex 791
thermische 758 Brennbarkeit 791
Ultraschallschweißen 763 Chemikalienbeständigkeit 791
Umwandlungstemperaturen 761 Eigenschaften, thermische 791
Verarbeitungsbedingungen 763 Latex-Kautschuk 791
Verhalten bei hoher Verformungs- Mehrphasensysteme 791
geschwindigkeit 761 Permeabilität 791
Vibrationsschweißen 763 Schmelzenfestigkeit 792
Acrylnitril/Styrol/Acrylester-Pfropf- Sperreigenschaften 791
copolymere (ASA) 764 Transparenz 792
Beurteilung, gesundheitliche 775 Witterungsbeständigkeit 791
Brennbarkeit 775 Additionspolymerisation 22
Chemikalienbeständigkeit 772 Additionspolymerisation 27
Dehngeschwindigkeit 765 Copolymerisation 25
Durchlässigkeit für Wasserdampf und Epoxidharz 31, 32
Gase 775 Polymerisation, ionische 28
Eigenschaften, elektrische 772 Polypropylen, isotaktisches 23
– thermische 772 Polymerisation, katalytische 29
Fügen 775 Katalysatoren, anionisch koordinative 23
Heizelementschweißverfahren 776 Kettenabbruch 26
Kurzzeitverhalten bei geringer Kettenreaktion 22
Verformungsgeschwindigkeit 764 Kettenwachstum 26, 29
Langzeitverhalten 770 Kondensationspolymerisation 33
1568 8 Sachverzeichnis
TPE-E 74 Kristallgittertypen 81
TPE-Klassen 74 Kristallisationsgeschwindigkeit 81
TPE-O 74 Kristallisationsgrad 81, 82
TPE-S 74 Kristallisationszeit 82
TPE-U 74 Kristall-Lamelle 80
TPE-V 74 Lamellendicke 80
Trikresylphosphat (TKP) 76 Lamellenstruktur 79
Urethangruppe 61 Langperiode 79
Verhakungen 66 Licht-Mikroskopie 80
Verknüpfungsart 56 Maßhaltigkeit 83
Vernetzung, physikalische 66 Nachkristallisation 82
Verschlaufungen 66 Nachschwindung 83, 84
Verteilung, breite 69 PE-Ketten, zickzackförmige 79
– enge 69 Polyamid (PA) 82
Verzweigungen 64 Polybutylenterephthalat (PBT) 82
Verzweigungsgrad 65 Polyethylen 79, 80
Vinylverbindungen 62 – (PE-HD) hoher Dichte 82
Wasseraufnahme 77 – (PE-LD) niedriger Dichte 82
Wassergehalt 76 Polyethylenterephthalat (PET) 82
Weichmacherwanderung 76 Polyoxymethylen (POM) 82, 84
Weichmachung 70, 75 Polypropylen (PP) 79, 82
– äußere 76 Polytetrafluorethylen (PTFE) 82
– innere 75 POM 84
Weichphase, zusammenhängende Reaktionsharze 85
(kohärente) 72 Scherung in der Schmelze 79
Wolle 57 Schlagzähigkeit 83
Zugfestigkeit 71 Schmelzetemperatur 79
Ordnungszustände, physikalische 78 Schrumpfung 82
Abkühlgeschwindigkeit 78 Schwefelbrücke 84
Brechungsindex 78 Schwindung 82, 83
Bruchdehnung 83 Seitengruppen 78
Dichte 82 Spannungsrissbildung 82, 83
Dichteerhöhung 83 Sphärolith 80, 83
Druckeigenspannung 82 Sphärolithgrenze 83
Duroplaste 85 Strukturen, kristalline 79
Elastomere 84 Systeme, orthorhombische 81
– thermoplastische 84 Thermoplaste, teilkristalline 78
Elektronen-Mikroskop 80 tie-molecules 79, 80
Elementarzellen 81 tie-Moleküle 79
Fernordnung 78 Verarbeitungsschwindung 83, 84
Formbeständigkeit 85 Vernetzungsstelle 84
Formteil 80 Werkzeugoberflächentemperatur 84
Formteil-Wandquerschnitt 82 Werkzeugtemperatur 83
Gesamtschwindung 83 Werkzeugwand 82
Hauptkristallisation 82 Zugeigenspannung 82
Kautschuk 84 Zugspannung 83
Keimbildner 79 Zustand, amorpher 78
Keimbildung 82 – teilkristalliner 78
Kettenaufbau 78 zweiter Hauptsatz der Thermodynamik
Knäueldichte 78 78
Knäuelstruktur 78 Organische und anorganische Füllstoffe
Konfiguration 79 177
Konstitution 79 Abriebfestigkeit 185
Kriechen 85 Additive 188, 189
Kristallblock 79, 80 Additive für Rezyklate 189
1596 8 Sachverzeichnis
Wirkkategorien Radialwellendichtring 98
Deponie 443 Relaxation 98
Erzaufbereitungsrückstände 443 Schraubenverbindung 98
Eutrophication Potential (EP) 443 Spannungsdehnlinie, isochrone 99
Flächeninanspruchnahme 442 Streckgrenze 97
Gesundheit 442 Tangentialspannung 101
Global Warming Potential (GWP) 443 Thermoplaste 98
Hausmüll 443 Zeitbruchlinie 102
Humantoxozität HTP 442 Zeitdehnlinie 98, 99
Müllverbrennung 443 Zeitspannungslinie 100
Nachhaltigkeit 442 Zeitspannungslinien-Diagramm 99
Naturrauminanspruchnahme 442 Zeitstandverhalten 101
Ökobilanzen 443 Zeitstandversuch 97, 99
Ökosphäre 442 Zeitstand-Zugversuch 98
Ökosysteme 442 Zement-Drehrohr 432
Ökotoxizität, Aquatische, AETP 442 Altöl 432
– Terrestrische, TETP 442 Altreifen 432
Ozonabbau, stratosphärischer 443 Brennstoff aus Müll (BRAM) 432
Ozone Depletion Potential (ODP) 443 Calcinierung 432
Photochemical Ozone Creation Potential Energiekosten 432
(POCP) 443 Ersatzbrennstoffe 432
Ressourcenschonung 442 Holzmehl 432
Ressourcenverbrauch 443 Lackschlämme 432
Sommersmog 443 Zementwerk 432
Sondermüll 443 Ziegler/Natta-Katalysatorsysteme 536
Toxizitätspotentiale 442 Zieldefinition 439
Treibhauseffekt 443 Zucker 1443
Überdüngung 443 Zugversuch 921
Versauerung 443 Zusatzstoffe 126, 916
Wirkungskategorien 443 Additive 127
Wirkungsabschätzung 442 Antiblockiermittel 126
Charakterisierung 442 Antioxidantien 126
Gewichtung 442 Antistatika 126
Klassifizierung 442 Benetzungsmittel 126
Klimaveränderung 442 Biozide 126
Ozonabbau 442 Blähmittel 126
Regen, saurer 442 Calciumcarbonat 128
Umweltwirkungen 442 Effektpigmente 128
Wirkungsabschätzung 442 Eigenschaftsverbesserer 128
Witterungsbeständigkeit 519, 947 Farbmittel 126
– für transparente Einfärbung 128
Z Fasern 126
Zeitabhängigkeit 97 Flammschutzmittel 126
Axialspannung 101 – (bromiert) 128
Dehngrenzlinie 100 Füllstoffe 126, 128
Dehngrenzlinien-Diagramm 99 Funktions-Zusatzstoffe 128
Isochron 100 Gleitmittel 126
Kriechkurve 98 Haftvermittler 126
Kriechmodul 99 Hilfsstoffe 126
Kriechversuch 97 Kaolin, kalzinierter 128
Kurzzeitzerreißversuch 97 Lichtschutzmittel 126
Langzeitverhalten 97 Modifikatoren 128
Metalle 98 Nukleierungsmittel 126
PE-HD-Rohre 102 Performance Additive 128
Radialspannung 101 Pigmente 128
8 Sachverzeichnis 1633