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Anwendung. Man benutzt die beiden Malven ähnlich wie Althaea als
Aufguß oder Beisatz zu Species (Spec. emollientes, Spec. pectoral., Spec.
ad gargarisma, Spec. althaeae, Spec. puerperarum), auch als Ptisana de
floribus malvae. Als Schleimmittel sind sie auch seit langem schon in
Indien, Arabien und Persien in Benutzung (DYMOCK).
Malvaceenblattpulver ist als Verfälschung des Pulvers der Fol. digitalis
beobachtet worden (1907).
HIPPOKRATES verwendete Malven neben anderen schleimhaltigen Mitteln. Die Früchte von
M. silv., die noch jetzt viel in Indien benutzt und dahin aus Persien gebracht werden (DYMOCK),
galten schon den Griechen als Aphrodisiacum, auch PLINIUS hält sie dafür, ebenso die
Mohammedaner Indiens; MACER FLORIDUS verwendete sie bei Frauenkrankheiten. Der
schleimige Brei dient noch heute beim Volke, um die verhärtete Gebärmutter zu erweichen. «Die
Malve, die unter dem Zeichen der Venus steht, macht die brünstige Katze, die sich an ihr reibt,
fruchtbar auch ohne Kater» — sagt der Volksmund.
Geschichte. Die μαλάχη ἀγρία des THEOPHRAST ist (nach SPRENGEL) Malva silvestris. Die
μαλάχη des THEOPHRAST, die baumförmig wird und als Gemüse dient, ist vielleicht auch Malva
silvestris oder die ebenso benutzte Lavatera arborea (FISCHER-BENZON). Ebenso erwähnt HESIOD
das Malvengemüse, PALLADIUS gibt eine Anleitung zum Anbau und HORAZ singt: «me pascunt
olivae, me cicorea levesque malvae» — und auch noch später dienten auch im Norden
Malvenblätter als Gemüse. Bei HANS SACHS steht: «wir essen pappeln, kraut und grasz». M.
silvestris wurde im Mittelalter von den Angelsachsen als Gemüse gebaut (HOOPS). PLINIUS, der
Malva sativa (Gartenmalve) und M. silvestris (wilde Malve) unterscheidet, erwähnt, daß von den
Gartenmalven zwei Arten unterschieden werden, die Malope (Lavatera arborea und Althaea
rosea?) und die Malache (Malva silvestris und rotundifolia); die wilde Malve mit großen Blättern
ist Althaea (s. d.). Im Edict DIOCLETIANS (I, S. 570) stehen Malvae maximae et sequentes.
PROSPER A LPIN beschreibt und bildet unter dem Namen melochia Corchorus olitorius ab. Bei den
Alten standen die Malven auch als diätetische Abführmittel in Gebrauch. SCRIBONIUS LARGUS
benutzte die Samen, CAELIUS AURELIANUS Samen und Wurzeln, die HILDEGARD ein aus dem
«slimechten» Kraute bereitetes Mus. ALBERTUS MAGNUS erwähnt beide: Malva neglecta (=
malva) und M. silvestris (= arbor malvae, hier n i c h t die Stockrose, FISCHER-BENZON). Die
Chubbâza des IBN BAITHAR ist jedenfalls eine Malve (wohl M. rotundifolia oder silvestris). Bei
ARUCH und RASCHI steht: Eine Pflanze, deren Blätter sich nach der Sonne wenden und die malva
heißt (LÖW). Malva silvestr. und nicaeensis steht auch in dem Botan. Lexikon Kitâb aš-šaǧar
(NAGELBERG, Diss. Zürich 1909). In der Alphita (in der Tabulae und bei SERAPION) steht: Malva
hortensis (melochia) et agrestis (minor), Succus et sem. malvae — chubeze. Malven stehen bei
MACER FLORIDUS (I, S. 626) und in der Flos medicinae scholae Salerni (I, S. 629). Im Regimen
sanitatis beginnt Malva den speziellen Teil. Die erste Abbildung von Malva silvestris finden wir
bei BRUNFELS (I, S. 320, Fig. 310). FUCHS bildet Malva hortensis (Althaea rosea), M. silvestris
pumila (M. neglecta) und M. sylvestris elatior (M. silvestr.) ab. Daß die Blüten der M. silvestris,
die CORDUS als M. s. recta abbildete, größer sind als die der M. neglecta («vulgaris»), wußte
schon BOCK. Flor. malv. commun. s. vulgaris finden sich in dem Catalogus von Straßburg 1685
(I, S. 827), der Taxe von Leipzig 1689 u. and.
Lit. BERG-SCHMIDT, Atlas 2. Aufl. t. 104 und 105 (dort die systemat. Liter.). — PABST-
KOEHLER, Medizinalpflanzen t. 59. — NEES V. ESENBECK, Pl. med. t. 415. — LUERSSEN, Med.
pharm. Bot. S. 664 (dort die botan. Lit. der Familie). — ARTHUR MEYER, Drogenkunde. —
KARSTEN-OLTMANNS, Pharmakogn. Fig. 315–318. — ENGLER-PRANTL, Pflanzenfam. II, 1, Fig.
99 E und III, 6, Fig. 17. — RAUTER, Denkschr. Wien. Akad. 31 (1872) 23, t. 7 (Entwickl. d.
Haare). — DUMONT, Ann. sc. nat. bot. VI (1887) 138. t. 4. — KUNTZE, Bot. Centralbl. 1891. —
SOLEREDER, System. Anat. der Dikotylen (dort weit. Lit.). — ADOLF MEYER, Anat. Char. offiz.
Blätter, Halle 1882. — LEMAIRE, Déterm. histol. d. feuilles médicin. Paris 1882. — TSCHIRCH,
Anatomie und TSCHIRCH-OESTERLE, Anatom. Atlas (dort das anatom. Detail). — L OHDE,
Entwicklungsgesch. u. Bau einiger Samensch. Diss. Leipzig 1874. — HARZ, Landwirtsch.
Samenkunde 1885, II. 749. — HOLFERT (Nährschicht). Flora 1890. — Entwicklungsgesch. d.
Samens in BOCHMANN, Beitr. z. Entwicklungsgesch. offizin. Samen u. Früchte. Dissert. Bern
1901. — GRASSMANN, Pflanzennamen. — KLUGE, Etymol. Wörterb. — FLÜCKIGER, Pharmak. —
HAUKE, Aschengehalte 1902.
Flos Malvae arboreae.
Syn. Stockrose, Stockmalve, Winterrose, Pappelrose, Schwarze Malve — passe rose, rose
trémière, rose d’outremer, bâton de Saint-Jacques (franz.) — garden mallow (engl.) — english
hollyhock (in Indien) — stokroos (hol.) — vörösmályvarirag (ung.) — ἄνθη μαλάχης τῆς
δενδροειδοῖς (n.-gr.) — fu-sang (chin.). — Bei MEGENBERG: Weizpappel — im Ortus sanitatis:
felris — Soll das chatmi des QUTSÂMÎ und and. pers.-arab. Autoren sein, das auch Schahm-el-
marah genannt wird (DRAGENDORFF).
Stammpflanze Althaea rosea (L.) CAVANILLES (Alcea rosea L.).
M a l v a c e a e — Malveae — Malvinae.
Etym. Alcea, αλκέα (von αλκέειν = heilen) in der Orphischen Argonautika und bei
DIOSKURIDES, bei letzterem «eine Art wilder Malve», d. h. die in Griechenland häufige Malope
malacoides.
Beschreibung und Kultur. Die zwei- oder mehrjährige, einen prächtigen Gartenschmuck
bildende Pflanze besitzt eine innen weiße, schleimige Wurzel (vgl. S. 354) und treibt im zweiten
Jahre einen geraden, bis 3 m hohen, runden, einfachen oder wenig verästelten, blütentragenden
Stengel. Die gestielten, runzeligen, rundlich-herzförmigen, gekerbten, steifhaarig-filzigen Blätter
sind unten 5–7lappig, oben 3lappig und kürzer gestielt. Auch die Blattstiele sind stark behaart.
Die Nebenblätter sind ziemlich breit und in mehrere Zipfel gespalten. Die großen Blüten, die
bisweilen einen Durchmesser von 7,5 cm erreichen, sitzen einzeln oder zu mehreren in den
Achseln der Blätter. Das Hochblattinvolukrum (der Außenkelch) ist 6–9spaltig, halb so lang als
der Kelch, stark behaart. Der Kelch ist unten verwachsen, oben in 5 Zipfel gespalten. Die Farbe
der Korolle wechselt nach den Varietäten von weiß zu gelb, braun, blau, purpurn bis schwarz.
Die 5 Kronenblätter sind geschweift oder ausgefressen gekerbt, breit-herzförmig oder rundlich-
dreieckig, etwas wellig verbogen, an der Basis genagelt. Bei den gefüllten Varietäten ist ihre Zahl
durch Umbildung der äußeren Stamina oft stark vermehrt. Die Staubfadenröhre geht oben in
zahlreiche Filamente über, die monothecische Antheren tragen. Der vielfächerige Fruchtknoten
ist zusammengedrückt, gefurcht und behaart. Die Griffel sind kürzer als die Staubfäden. Die
Frucht ist von dem Kelche behüllt, in der Mitte genabelt. Sie besteht aus 20–40 rinnenförmigen,
am Rücken tiefrinnenförmigen einsamigen, nicht aufspringenden Früchtchen.
Althaea rosea wächst wild im Orient. Sie findet sich (wohl verwildert?) auf den Bergen
Italiens, Griechenlands, Syriens und der benachbarten Länder. Sie wird im größten Teile von
Europa bis nach Norwegen (Throndhjem) hinauf als Gartenpflanze gezogen, in einigen Mengen
bei Nürnberg (stark zurückgegangen, SCHWARZ 1910) und in Württemberg; dann auch in Ungarn,
z. B. in der Versuchsstation in Klausenburg (PATER), im Komitat Neutra (AGNELLI), in Eger u.
and. Orten (vgl. MITLACHER 1909). Mittelfranken soll jährlich 50000 kg ausführen, besonders
nach Frankreich, England und der Türkei (GLAN 1892). In Griechenland sammelt man auch von
der wildwachsenden Pflanze (HELDREICH). MORISON erwähnt Alth. rosea unter den
Arzneipflanzen der südlichen Mandschurei. Die Stockrose wird in allen Farben — blau, purpurn,
fast schwarz, gelb, braun, weiß — gezogen. Sie findet sich fast regelmäßig in den Bauerngärten
Deutschlands und der Schweiz, wird aber auch anderwärts, z. B. in Vorderindien kultiviert.
Arzneilich und als Farbstoff liefernd wird nur die blauschwarze Varietät und vorwiegend die mit
gefüllten Blüten benutzt. Sie findet sich im Handel cum calyce und sine calyce.
Pathologie. Puccinia Malvacearum MONT. und die verschiedenen Imperfekten, welche die
Blätter von Althaea rosea schädigen, können auch auf dem Außenkelch und auf dem Kelche der
Blüten zur Entwicklung kommen (ED. FISCHER).
Anatomie. Der etwa 2,5 mm dicke B l ü t e n s t i e l zeigt ein großes Mark, einen schmalen
Gefäßbündelzylinder, einen ununterbrochenen peripherischen, etwa 10 Zellen breiten
Collenchymring und an der Grenze desselben nach Innen einen Kreis von meist isolierten
Schleimzellen. Die letzteren sind 13–35 mik breit, besitzen ein sehr enges Lumen und breite,
treffliche Schichtung zeigende sekundäre Membranverdickungsschichten. Der Epidermis der
Blütenstiele sitzen zahlreiche einfache oder Büschelhaare auf. Die Blätter des
A u ß e n k e l c h e s sind innen (oben) glatt und dort größtenteils unbehaart. Die Epidermiszellen
sind hier sehr stark verdickt. Nur an den Blatträndern, sehr selten auch auf der Blattfläche, treten
einzelne Haare auf. Dieselben sind stets einfach, entweder gerade oder vielfach gewunden,
gekrümmt und durcheinandergeschlungen. Die Blatt-Außen-(Unter)-Seite ist dicht filzig behaart.
Die Haare sind hier nur selten einfach, meist sind es Büschelhaare (Sternhaare). Dieselben sind
mit ihrem breiten Fuße entweder der Epidermis direkt oder einem flachen Gewebshöcker
eingefügt und besitzen meist 8 Strahlen. Ihre Größe variiert sehr, sie kommt in der Länge der
Strahlen zum Ausdruck, die bis zu mehreren Millimetern steigen und bis auf 50 mik herabgehen
kann. Diese Sternhaare sind für die Droge sehr charakteristisch. Eingestreut in das reich
durchlüftete Mesophyll der Hochblätter finden sich zahlreiche Schleimzellen und
Schleimzellgruppen und Gefäßbündel (Nerven). Die Blätter des Kelches sind ähnlich wie die
Hochblätter des Außenkelches gebaut, d. h. sie sind außen sehr stark behaart — fast noch stärker
als die Außenkelchblätter und innen kahl oder doch nur an den Rändern behaart. Ihr Mesophyll
ist dichter, Schleimzellen sind seltener und meist isoliert. Kalkoxalatdrusen finden sich im
Mesophyll häufig, besonders in den Schichten unter der Epidermis der Blattoberseite. Die Blätter
der K o r o l l e zeigen beiderseits eine Epidermis, die an den unteren Teilen des Blattes aus
gestreckten, geradwandigen, an den oberen aus Zellen mit wellig verbogenen Seitenwandungen
besteht. Die Zellen, beiderseits gleichgestaltet und nicht sehr hoch, enthalten ein Plasmanetz,
deutlichen Zellkern und eine intensiv blaue Farbstofflösung. Das Mesophyll ist nur im basalen
Teile des Blattes viele (10) Zellschichten dick, in dem überwiegenden Teile desselben besteht es
nur aus wenigen Reihen und ist fast vollständig verschleimt. Die Verschleimung ist eine so
starke, daß oft der gesamte Zwischenraum zwischen den Gefäßbündeln (Nerven) eine einzige
große Schleimhöhle bildet. Diese Schleimhöhlen kommen dadurch zu stande, daß eine Gruppe
benachbarter Zellen ihre Membranen verdickt, also jede Zelle auf der primären Membran
sekundäre, aus Schleim bestehende Membranverdickungsschichten ablagert. Dies geschieht in so
ausgiebigem Maße, daß das Lumen auf einen kleinen Raum reduziert wird. Läßt man zu einer
solchen Gruppe Wasser hinzutreten, so tritt zunächst an jeder einzelnen Zelle die Schichtung
deutlich hervor. Die Zellen dehnen sich dann stark aus, sprengen die primären
Zellulosemembranen, die Schleimschichten der einzelnen Zellen fließen zusammen und es
entsteht so eine große, oft 400–550 mik weite, oft von Bündel zu Bündel reichende mächtige
Schleimhöhle. Auch in der lebenden Pflanze findet ein solches Aufquellen der Zellen und ein
Zusammenfließen der Schleimzellen statt und tritt hier (wie bei den Tiliaceen) bisweilen noch
eine nachträgliche Auflösung der primären Membranen ein. Die fertigen Höhlen lassen bisweilen
(freilich selten) noch eine ganze Anzahl nebeneinanderliegender geschichteter Schleimklumpen
erkennen, meistens ist jedoch das Ganze zu einer homogenen Schleimmasse zusammengeflossen.
An der Basis sind besonders am Rande die Blumenblätter mit einem Haarbesatz bekleidet. Die
Haare desselben sind sehr lang.
Chemie. Die Blüten enthalten viel S c h l e i m , einen eisengrünenden G e r b s t o f f und
F a r b s t o f f . Der wässrige Auszug der Stockrosenblüten ist stark schleimig.
Die Blumenblätter geben mit verdünntem Alkohol (1=10) einen violettroten Auszug, der
noch in 1 cm dicker Schicht undurchsichtig ist (FLÜCKIGER). Mit Ätzkalk liefert dieser Auszug
einen grünen Bodensatz und ein (fast) farbloses Filtrat. Alaun färbt violett, schüttelt man darauf
mit Calciumkarbonat, so wird die Farbe der Lösung bleibend blau. Brechweinstein färbt violett.
Rotweinfarbstoff verhält sich ganz anders. Bei Gemischen beider werden aber die Reaktionen
undeutlich. Die Lösung des Farbstoffes von Alth. ros. rubr. wird mit Ammoniak, Natronhydrat
und Soda grün, durch Salzsäure und Salpetersäure rot, durch Essigsäure rotviolett, durch
Eisenchlorid braunrot, durch Zinnchlorür violett, durch Alaun und Soda entsteht ein grüner
Niederschlag, das Filtrat ist farblos; ebenso durch Bleiazetat und Bleiessig. Der Farbstoff der
Flos alcaeae verhält sich ähnlich, doch ist bei den Bleifällungen das Filtrat grün (VAN DER
DRIESSEN). Konzentrierte Kupfersulfatlösung färbt die Farbstofflösung violett (Rotwein wird
dadurch entfärbt, BÖTTGER). Der Malvenfarbstoff gibt in Lösung in sehr verdünntem Alkohol ein
breites Band zwischen F und D FRAUNHOFER, das nach Zusatz von Ammoniak nach dem roten
Spektrumsende rückt und dann zwischen D und C liegt, nach Zusatz von Alaun liegt das Band
auf D und ist gegen Rot scharf begrenzt, gegen Grün verwaschen (PHIPSON, H. W. VOGEL). Das
Malvenband kommt nach Zutröpfeln von Alaun bei noch schwach saurer Reaktion, das Ammon-
Rotweinband erst bei völliger Neutralisation zum Vorschein. Aus sauer reagierendem Wein
nimmt Amylalkohol zuerst den Malvenfarbstoff auf, dann erst den Rotweinfarbstoff.
Malvenwein färbt sich mit Kupfersulfat schön violett, Bleiessig fällt grün. Gärung verändert den
Farbstoff nicht wesentlich. Ein Zusatz von Malvenfarbstoff beeinträchtigt die Haltbarkeit des
Weines. Der Malvenfarbstoff ist unbeständig. Er bildet mit dem des Flieders eine Gruppe, die
bestimmt von der der Kirsche und der Heidelbeere verschieden ist (H. W. VOGEL). Der Farbstoff
läßt sich in einen wasserlöslichen und einen in Wasser unlöslichen, alkohollöslichen trennen, die
sich durch Farbe und Reaktion unterscheiden. Der letztere, der bei der Kalischmelze
Hydrochinon und Brenzkatechin liefert, hat die Formel C14H16O6 (mit 2 OH-Gruppen), der
erstere ist ein Glykosid (GRAFE). Man hat den Malvenfarbstoff auch zur Herstellung von
Reagenspapier empfohlen (Vorschrift in FISCHER-HARTWICH, Pharm. Praxis II, 346). Das Papier
wird durch Säuren rot, durch Alkalien grün. Die Empfindlichkeit gegen HCl ist 1 : 13000, die zu
NH3 1 : 20000. Der Farbstoff ist nicht nur ein spezielles Codeinreagens (BENEZECH), sondern
reagiert auch mit einigen anderen Alkaloiden (z. B. Atropin, Brucin, Nikotin) mit grüner, mit
Chininsulfat mit Purpurfarbe. Er ist aber indifferent gegenüber Morphin, Cocain, Kaffein und
Cinchonin (WOOLSEY).
Anwendung. Man benutzt die Flor. malv. arbor. zur Herstellung schleimiger Dekokte und
Gurgelwässer, z. B. bei Angina. Der Farbstoff wird jetzt nur noch wenig zum Auffärben von
Rotweinen benutzt, da sich hierfür haltbarere Pflanzenfarben besser eignen (Kermesbeeren,
Liguster, Orseille, Cochenille).
Geschichte. Die Stockrose scheint im Altertum und Mittelalter nicht bekannt gewesen zu
sein, die Malven des THEOPHRAST, DIOSKURIDES und ALBERTUS MAGNUS sind andere Pflanzen
(vgl. oben S. 363). GALENS Baummalve (δενδρομαλάκη nach FRAAS die μαλάκη δενδρώδης des
THEOPHRAST) ist wohl Lavatera arborea L. Erst im XVI. Jahrh. begegnen wir ihr sicher, bei
BOCK (sowie TABERNAEMONTANUS, MATTHIOLI) heißt sie Herbst- oder Ernrose, weil sie erst zur
Erntezeit blüht, oder römische Pappeln, Malva romana, auch Rosa ultra marina. BOCK und
GESNER beschreiben sie und bilden sie ab. Sie war schon damals in zahlreichen Farbenvarietäten
bekannt (vgl. J. D. HOST, Malva arborescens lutea Gissae 1654). FISCHER-BENZON ist der
Ansicht, daß sie durch die Türken nach Europa kam. Auch der sich bei BOCK und GESNER
findende Beisatz romana deutet ihren fremden Ursprung an. Sie war wohl im XVI. Jahrh.
diesseits der Alpen noch selten (FLÜCKIGER). Doch finden wir bei den patres botanices
Abbildungen und Beschreibungen von ihr. Der Vergleich mit einer (geruchlosen) Rose findet sich
bereits bei PORTA (Villae), BOCK («nobilem hunc rosam») und MATTHIOLI, der Ausdruck Malva
rosea bei LOBELIUS (Adversaria 293); später finden sich dann auch noch die Bezeichnungen
Malva rosacea hortensis, Rose di Francia (bei Neapel). Möglicherweise bezieht sich auch der
Ausdruck Rosa syriaca auf die Stockrose (?) und ihre Herkunft aus der Türkei. Die Bezeichnung
ros syriacus (Flos malvae vel orni id est querci) in der Alphita (I, S. 657), an anderer Stelle (I, S.
648): flos syriacus, flos malvae, ros syriacus = flos orni ist unklar, bezieht sich aber wohl nicht
auf die Stockrose. In der Alphita oxoniensis (I, S. 652) steht Malua siriaca (molochia, malua
domestica siue ortulana). In den mittelengl. Medizinbüchern (I, S. 683) flos siriacus, malew,
malowys (HENSLOW deutet dies als M. silvestris). Nach dem Pinax BAUHINS, in dem sich auch
eine Alcea arborescens Syriaca befindet, ist die syrische Malve eine von A. rosea verschiedene
Art (?). In der Reformatio von Worms von 1582 (I, S. 817) finden sich: Flos malvae arb. =
Finrosen, Halsrosen oder Brennrosen. A. ros. steht auch im Pen tsʿao kang mu (I, S. 518).
Lit. Abbild. in PABST-KÖHLER, Medizinalpfl. t. 19, NEES VON ESENBECK, Pl. med. t. 416 und
BERG-SCHMIDT, Atlas (I. Aufl.) t. 21. — MORISON, Jahresber. d. Pharm. 1885, 12. —
MITLACHER, Arzneipflanzenkultur. Pharm. Post 1909. — F LÜCKIGER, Pharmakogn. —
Nährschicht: HOLFERT, a. a. O.
Farbstoff: H. W. VOGEL, Absorptionsspektra. Ber. d. d. chem. Ges. 1875, 1246 u. 1876, 1906
und Spektralanalyse. — PHIPSON, Chem. News 20, 229 (Zeitschr. anal. Chem. 9, 121). —
BÖTTGER, Zeitschr. anal. Chem. 15, 102. — VAN DER DRIESSEN, Ned. Tijdskr. 1900. — GRAFE,
Stud. über d. Anthokyan. Anz. d. Wien. Akad. 1909. — BENEZECH, Pharm. Zeit. 1892, 547. —
WOOLSEY, Althaea rosea. Bulletin of pharm. 1897, 342. — GLAN, Über d. Farbstoff d. schw.
Malve. Dissertat. Erlangen 1892 (Beih. z. Bot. Zentralbl. 1893, 292). — WEIGERT, Jahrb. d.
önolog.-pomolog. Lehranst. Klosterneuburg 1894. — Empfindlichkeit des Malvenpapiers:
Pharm. Post 1895, Nr. 1. — HASTERLIK, Mitt. aus d. pharm. Instit. Erlangen 1890. — Vgl. auch
LINSBAUER in WIESNER, Rohstoffe II, 656. Spektralanalyt. Verhalten verschieden behandelter
Lösungen des Farbstoffes in KÖNIG, Nahr.- u. Genußm. III. B. (1910), 584.
Flos Tiliae.
Beschreibung. Die Linde wird bis 50 m hoch und bis 600 und mehr
Jahre alt. Sie trägt eine dichte, gerundete Krone mit weit ausladenden
Ästen. «Die jüngsten Zweigchen sind deutlich zweizeilig wie eine
Steigeleiter angeordnet» (SCHUMANN). Die leicht abziehbare Rinde ist reich
an Bastfasern. Das helle Holz ist sehr gleichmäßig gebaut. In Mark und
Rinde liegen Schleimzellen. Die deutlich zweizeilig, abwechselnd
dorsiventral angeordneten Blätter sind gestielt, schief herzförmig,
zugespitzt, ungleich gesägt bei T. ulmifolia, oberseits kahl und dunkelgrün,
unterseits blaugrün, bei T. platyphyllos ist die Farbe der beiden Blattseiten
fast gleich. In den Achseln der Nerven sitzen bei T. ulmifolia rotgelbe, bei
T. platyphyllos weißliche Haarbüschel. Diese Haarbüschel sind Domatien
für Milben. Die Milben halten als «Dank» für die Unterkunft, die ihnen das
Blatt gewährt, bei ihren Exkursionen während der Nacht — am Tage
bleiben sie im «Milbenhäuschen» — das Blatt von Pilzsporen u. and.
Schädlingen frei (Symbiose). T. ulmifolia hat meist kleinere Blätter als T.
platyphyllos, auch sind die Blätter kahl, während sie bei der anderen Art
weichhaarig zu sein pflegen. Die Nebenblätter werden beim Austriebe
abgeworfen, nachdem sie als Knospenschuppen gedient haben.
Die bei T. ulmifolia vorgestreckte, bei T. platyphyllos hängende
I n f l o r e s z e n z zeigt folgenden Bau. Das Laubblatt der blühenden Zweige (l,
Fig. 129) trägt in seiner Achsel auf der einen Seite eine gestielte
Infloreszenz mit einem, dem Stiele halb angewachsenen flügelförmigen
Blatte (a, Fig. 129), auf der anderen eine kleine Knospe (b). Die
Infloreszenz ist als der Achselsproß des Laubblattes l aufzufassen, das Blatt
a ist das eine, das Deckblatt der Knospe (b) das andere Vorblatt dieses
Achselsprosses. Das Blatt a bleibt steril, in der Achsel von b entsteht eine
(überwinternde) Knospe. Diese Knospe (b, Fig. 129) ist eine
Laubblattknospe, nicht eine Blütenstandknospe wie bei FLÜCKIGER u. and.
steht (vgl. den Querschnitt Fig. 129). Die Blütenstände entstehen erst an
den Jahrestrieben, daher blüht die Linde so spät. Die Infloreszenz selbst
schließt mit einer Gipfelblüte (t), der drei zarte Hochblättchen c, d und e
vorangehen, die in einer Spirale angeordnet sind Fig. 129), c bleibt steril,
die beiden anderen d und e entwickeln in ihren Achseln Blüten, deren
Stielen sie eine Strecke weit angewachsen sind. Diese Blüten haben zwei
sehr zarte, ungleich hoch inserierte, hinfällige Vorblättchen. Aus diesen
kann sich die Verzweigung fortsetzen. Bei T. platyphyllos b e t r ä g t d i e Z a h l
d e r B l ü t e n 3–7, b e i T. ulmifolia b i s 13 (o d e r g a r 15). Die sekundäre
Verzweigung der Infloreszenz ist dichasialwickelig. Die etwa 6–8 cm lange
Infloreszenz ist besonders ausgezeichnet durch das der
I n f l o r e s z e n z a c h s e e i n S t ü c k w e i t — meist etwa bis zur Mitte —
angewachsene große, lineal-längliche, zungenförmige, stumpfe,
ganzrandige, häutige, netzadrige, bleich-grüngelbliche D e c k b l a t t (sog.
Bractee — es ist aber ein Hochblatt). Die proterandrische B l ü t e ist
fünfzählig. K 5, C 5, A 30–40 5
G. (5). Die zahlreichen Stamina sind als aus
fünf epipetalen Primordien entstanden zu denken.
Fig. 129.
Tilia platyphyllos. 1. Infloreszenz in der Aufsicht. 2.
Dasselbe im Grundriß. Die Buchstaben bezeichnen die
korrespondierenden Teile. 3. Blüte im Längsschnitt.
[Ts c h i r c h - O e s t e r l e , Atlas.]
Fig. 130.
Tilia platyphyllos. Epidermis
der Ober- (Innen-)Seite des
Kelchblattes.
[Ts c h i r c h - O e s t e r l e ,
Atlas.]
Fig. 131.
Tilia platyphyllos. 1. Querschnitt durch den Rand des
Kronenblattes. 2. Querschnitt durch ein Kelchblatt.
[Ts c h i r c h - O e s t e r l e , Atlas.]
Lit. Weitere Details in A. MEYER, Drogenkunde und TSCHIRCH-OESTERLE, Atlas t. 11. —
KARSTEN-OLTMANNS, Pharmakogn., Fig. 308–314. — VOGL, Kommentar 1908, S. 149. —
TRÉCUL, Mucilages. Adansonia VII (1866). — F RANK, Beitr. z. Pflanzenphys. Leipzig 1868. —
DUMONT, Ann. sc. nat. bot. 5 (1887), 135. t. VI. — MATTIROLO, Sviluppo e natura dei tegumenti
seminal. nel gen. Tilia Nuov. Giorn. bot. 1885. — HOLFERT, Nährschicht. Flora 1890. —
SCHWARZ und WAHSARG, Pringsh. Jahrb. 1884, t. III. — WITTLIN, Kalkoxalattaschen. Bot.
Centralbl. 1896. — SOLEREDER, System. Anat. d. Dikotylen. S. 176 (dort weit. Lit.). — Über
Lindenbast und Lindenholz vgl. WIESNER, Rohstoffe 2. Aufl.
Tuber Salep.