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Nachdruck eines Heftes von 1932
vom Verlag der St.-Johannis-Druckerei, Dinglingen
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Sehet die Vögel
unter dem Himmel an!
Der Rabe.
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Von einer besondern Ehre, die dem Ge-
schlecht der Raben widerfuhr, lesen wir im
1. Buch der Könige: Das Wort des Herrn
erging an den Propheten Elia: ,,Geh weg
von hier und wende dich ostwärts und ver-
birg dich am Bach Krith, der gegen den Jor-
dan fließt. Aus dem Bach sollst du trinken,
und den Raben habe Ich geboten, dich dort
mit Nahrung zu versorgen.“
Da ging er hin und tat „nach dem Befehl
des Herrn und blieb am Bach Krith; und die
Raben brachten ihm Brot und Fleisch am
Morgen und ebenso am Abend, und er trank
aus dem Bach“. Elia glaubte dem Herrn,
und sein Glaube wurde nicht zuschanden.
Das ganze Land litt unter furchtbarer Dürre,
alle Quellen versiegten, die Bäche vertrock-
neten; doch der Bach Krith spendete noch
das köstliche Naß. Auch die Raben taten ihr
Amt! Wie wunderbar! Diese gefräßigen,
raubgierigen und unersättlichen Vögel, un-
rein nach dem Gesetz, begegnen uns hier in
Geschäften der uneigennützigsten Liebe.
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Sie scheinen ihrer Natur und Art ganz abge-
storben zu sein; das eigene verleugnend,
kommen und gehen sie auf Gottes Wink.
Wenn der Morgen über der Felsschlucht
graut, da ist schon ihr Geschrei über den
Wipfeln der Bäume, und wenn Elia er-
wacht, sieht er schon den Mundvorrat für
den Tag zu seinen Füßen liegen; und wenn
es Abend wird, sind sie wieder da, die
schwarzen Boten, reichlich mit Fleisch und
Brot beladen.
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Der Herr Jesus selbst macht auf sie auf-
merksam, indem Er spricht: ,,Nehmet wahr
der Raben! Sie säen nicht, sie ernten auch
nicht, sie haben auch keinen Keller noch
Scheune; und Gott nährt sie doch. Wieviel
aber seid ihr besser denn die Vögel!“
Die meisten Raben bauen ihre Nester auf
Bäume oder Felsen; sie nähren sich von
Pflanzenstoffen und Tieren. Der Rabe ist im
wahren Sinn ein Allesfresser; nichts Ge-
nießbares verschmäht er und leistet darin
für seine Größe und Kraft Unglaubliches.
Er ist aber nicht nur ein Vielfraß, sondern
auch ein Gewohnheitsdieb und verdiente als
solcher den ersten Platz unter den Raubvö-
geln. »Stehlen wie ein Rabe!« ist eine
sprichwörtliche Redensart geworden. Seine
Vorliebe für glänzende Dinge hat ihn oft
Kostbarkeiten von großem Wert verschlep-
pen lassen.
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Im folgenden wollen wir noch von andern
Vögeln etwas berichten.
Der Schneidervogel.
Der Schneidervogel ist
wegen seines überaus kunst-
vollen Nestbaus berühmt ge-
worden.
Er kommt zwar bei uns nicht vor;
in Asien ist er jedoch in manchen
Gegenden zahlreich vertreten. Sein Nest ist
geradezu ein kleines Kunstwerk, denn es
sieht aus wie ein zusammengenähter Pa-
piersack, wie das Bild es uns zeigt. Aber wo
nimmt denn dieser Vogel den Stoff zu sei-
nem Sack, Nadel und Faden her, um den
Schneidern von Beruf so geschickt ins
Handwerk zu pfuschen? Das geht alles sehr
natürlich und einfach zu. Wenn er den Bau
seines Nestes in Angriff nimmt, sucht er
sich in den Zweigen eines Baumes zwei
oder drei große Baumblätter aus. Eine Na-
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del braucht er nicht, denn die Löcher bohrt
er ohne Mühe mit dem Schnabel in die
Blattränder. Den selbstgesponnenen starken
Faden zieht er nun so geschickt durch die
Löcher, daß die Blätter buchstäblich zu-
sammengenäht werden. Diesen zurechtge-
schneiderten Sack polstert er mit allerlei
weichen Stoffen, wie Wollfäden, Pferdehaa-
ren und dergleichen aus, so daß die kleinen
Eier dann wie in einer Hängematte liegen,
die so fest und dauerhaft ist, daß das Weib-
chen getrost darin brüten kann. Der Eingang
zum Nest befindet sich in der Nähe der
Blattstiele. Wahrlich, die Geschicklichkeit
dieses Vogels setzt uns in großes Erstaunen!
Der Nachtvogel.
Die Eule ist unter den
Vögeln, was die Katze
unter den vierfüßigen
Tieren. Ihre Augen
sind so beschaffen, daß
sie im Dunkeln sehen
und ihren Raub während der Nacht ergrei-
fen kann. Die gemeine Nachteule ist von
der Größe einer Henne. Ihr dicker Kopf
steckt in wolligen Federn wie in einer Pe-
rücke. Der Landmann sieht sie gern in sei-
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nen Scheunen, weil sie sich von Ratten und
Mäusen nährt, von denen sie eine unglaub-
lich große Zahl wegfängt.
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Die Krammetsvögel.
Bischof Sailer war ein Mann
Gottes, der vielen Menschen
den Weg zum ewigen Leben gewie-
sen hat. Er ist im Jahr 1832, also gerade vor
100 Jahren, in Regensburg gestorben. In
sein Wappen hatte er zwei Krammets- vögel
aufgenommen mit der Überschrift: Mat-
thäus 13. Das hat folgende Bewandtnis: Sai-
lers Eltern lebten in sehr dürftigen Verhält-
nissen unweit des bayrischen Bezirksstädt-
chens Dillingen. Der Vater, ein biederer
Tagelöhner, konnte seinem Büblein nur eine
geringe Schulbildung zukommen lassen,
und der kleine Michael hätte doch gar zu
gern recht viel gelernt. Aber er konnte sich
keine Bücher kaufen, und es fand sich keine
Gelegenheit, sein Wissen zu bereichern.
Schon mit zehn Jahren mußte er mit verdie-
nen helfen. Er sammelte in den umliegen-
den Wäldern Wacholderholz und Wachol-
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derbeeren. Beides trug er dann in die Stadt,
um es dort zu verkaufen.
Oft führte ihn sein Weg an dem stattlichen
Seminargebäude vorbei. Sehnsüchtig blick-
te er jedesmal zu den hohen Fenstern hin-
auf. ,,Ach,“ seufzte er dann, ,,daß ich doch
auch zu diesen Glücklichen gehörte, die
hier täglich unterrichtet werden!“
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