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FALSCH VERBUNDEN

(nach Günter Spranger)


Beim dritten Mal verlor ich die Geduld. „Sie haben falsch gewahlt, meine

Dame, begreifen Sie doch „Haben Sie denn nicht die Sechs-vier-drei-acht-sieben-

null?“

„Nein, hier ist die Sechs-vier-drei-acht-sieben-neun!“ „Aber ich wollte doch

mit dem Frisiersalon Wonigkeit sprechen. Sind Sie nicht Herr Wonigkeit? „Nein,

und auch nicht der Weihnachtsmann!" Wütend warf ich den Hörer auf die Gabel.

„Du benimmst dich wirklich nicht sehr kultiviert“ - tadelte mich meine Frau Leni.

Das kann doch jedem passieren, dass er eine falsche Nummer wählt. Wenn man

dich nun so anbrüllen wurde!“ „Ich habe es satt, den dummern Weibern zu

erklären, dass sie sich bei mir nicht frisieren lassen können“ - sagte ich mürrisch -

„Ich bin nicht Herr Wonigkeit.“ „Herr Wonigkeit ist ein sehr höflicher Mann“ -

sagte Leni vorwurfsvoll. „Der wurde sich nie so benehmen. Der ist zu seinen

Kundinnen ganz anders als du.“ „Es sind ja auch seine Kundinnen und nicht

meine“ - erwiderte ich.

„Trotzdem“ - entgegnete Leni. „Du musst zu den Leuten höflicher sein.

Vielleicht wählst du auch einmal eine falsche Nummer.“ Das Telefon klingelte

wieder, und die vierte Dame wollte sich zu Dauerwellen anmelden. Leni warf mir
einen warnenden Blick zu, ich achtete nicht darauf und antwortete voll Ironie: „Sie

haben falsch gewählt, meine Dame. Hier ist das Bestattungsinstitut „Ruhe sanft“.

Vielleicht darf ich für Sie einen Sarg reservieren lassen? Wir haben ganz neue

Modelle.“ Ich hörte am anderen Ende der Leitung ein Knacken und legte

triumphierend auf.

„Du bist ein Ekel“ - sagte Leni streng. „Wenn du dich nicht änderst, sind wir

geschiedene Leute. Ich muss jetzt gehen - zum Friseur. Ich bin bei Herrn

Wonigkeit angemeldet. „Schönen Gruβ von mir! Und sag ihm: die Damen, die bei

ihm anrufen wollen, sollen die Scheibe richtig drehen.“ Sie war kaum fünf

Minuten fort, als ich wieder angerufen wurde. Und wieder war es eine Kundin von

Heim Wonigkeit. Ich dachte daran, was mir Leni gesagt hatte: ich sollte mich

ändern. Ich beschloss, gleich damit anzufangen und mich von meiner

liebenswürdigsten Seite zu zeigen. „Gnädige Frau wollen gleich kommen?“ - sang

ich ins Telefon. „Aber bitte sehr! Farben? Selbstverständlich. Wünschen Sie

Brünett oder Rot? Vertrauen Sie sich ruhig meinen Händen an. Ich habe zärtliche

Hände, gnädige Frau. Ich bin Spezialist in Zärtlichkeiten.“ Ich machte noch mehr

solche diskreten Andeutungen, dann legte ich auf. War ich höflich gewesen? Ich

war es. So höflich konnte nicht einmal selbst Herr Wonigkeit sein. Nach zwei
Stunden kam Leni zurück und betrachtete sich im Spiegel. „Na, wie gefalle ich dir?

Herr Wonigkeit sagte: „Gnädiges Fräulein sehen aus wie der junge Frühling. Sind

gnädiges Fräulein zufrieden?“ Von dem konntest du noch lernen. Ich habe es ihm

übrigens gesagt...“ „Was hast du ihm gesagt?“

„Dass man immer seine Telefonnummer verwechselt. Er wird seine

Kundinnen darauf aufmerksam machen.“ „Lieb von ihm“ - sagte ich gerührt. „Das

meinten auch die anwesenden Damen. Eine, die etwas später kam, erkundigte sich

nach deiner Adresse.An der Wohnungstür klingelte es. Ich ging hinaus und öffnete.

Drauβen stand ein Mann, gut 1,90 Meter gross, breit wie ein Kleiderschrank. „Sind

Sie der Spezialist mit den zärtlichen Händen?“ - fragte er. „Allzuviel Höflichkeit

ist natürlich auch ungesund“ - sagte Leni, als sie mich später im Krankenhaus

besuchte.

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