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WIRTSCHAFT VORBILD JAPAN

Sind Roboter die Alternative zur ausländischen Fachkraft?


Stand: 14:27 Uhr | Lesedauer: 7 Minuten

Von Jan Klauth


Redakteur Wirtschaft und Finanzen

Quelle: wulingyun/Moment RF/Getty Images; Montage: Infografik WELT

Die Arbeitskräfte-Lücke wird in den kommenden Jahren noch größer. Während die Ampel
vor allem auf Einwanderung setzt, spielen Roboter eine immer wichtigere Rolle. Doch die
Automatisierungs-Pläne haben mehr als einen Haken – und Deutschland gewaltige
Standortnachteile.

„Fortschritt macht arbeitslos“. Das Roboter-Titelblatt von Deutschlands größtem Magazin


hatte sich bei vielen eingebrannt – 45 Jahre ist das nun her. Doch die Debatte um den Einsatz
von Robotern blieb lange mit Verunsicherung verbunden. Selbst 2016 war auf der Titelseite
des „Spiegels“ noch zu lesen: „Sie sind entlassen – wie uns Computer und Roboter die Arbeit
wegnehmen.“

Es kam anders. Der Arbeitsmarkt hat sich grundlegend gewandelt: Branchenübergreifend


fehlt es heute an Personal. (/wirtschaft/plus244898088/KI-In-diesen-Berufen-koennen-

Roboter-die-Luecke-am-Arbeitsmarkt-fuellen.html) Die Fachkräfteeinwanderung ist

nicht ansatzweise so erfolgreich, wie Unternehmen es gerne hätten. Und bis 2035 werden
rund sieben Millionen Menschen in Rente gehen.
Längst ist deshalb klar: Auch abseits von der Auto- und Metallindustrie, die ein Teilen bereits
hochautomatisiert ist, werden in Zukunft die Digitalisierung, Künstliche Intelligenz (KI) und
Roboter menschliche Arbeit verändern und ersetzen.

Auch die AfD hat das Thema KI und Robotik für sich entdeckt – allerdings um gegen
Einwanderung Stimmung zu machen. Würde man nur genügend Arbeitsprozesse
automatisieren, wäre die deutsche Wirtschaft nicht mehr so stark auf Migranten angewiesen,
so die Idee. Nach japanischem Vorbild soll die Arbeitskräftelücke durch Automatisierung
beziehungsweise Substitution von Beschäftigten durch Roboter geschlossen werden.

Doch in welchem Umfang könnten Roboter und Co. das tatsächlich leisten? Katharina
Grienberger vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hat eine klare
Antwort: Es könnten nicht in dem Maß Arbeitskräfte eingespart werden, wie sie aufgrund des
demografischen Wandels nicht mehr zur Verfügung stehen. „Insofern braucht es
Zuwanderung, um den Rückgang des Erwerbspersonenpotenzials aufgrund der Alterung der
Bevölkerung abzuschwächen.“

„Dass die AfD ausgerechnet Japan als Vorbild benennt, ist amüsant“, sagt Franz Kühmayer
gegenüber WELT. Der Österreicher ist Unternehmensberater und Trendforscher am
Frankfurter Zukunftsinstitut.

„Der japanische Arbeitsmarkt ist leergefegt. Mit 2,6 Prozent liegt Arbeitslosigkeit in Japan auf
der Hälfte des deutschen Wertes“, so der Roboter-Experte. „Konsequenterweise benennen
mehr als 80 Prozent der dortigen Unternehmen die Rekrutierung von gut ausgebildetem
Personal als größte Herausforderung und Wachstumshemmnis.“

Südkorea hat die dichteste Roboterflotte

Tatsächlich liegen Japan und Deutschland beinahe auf demselben Level, was die
Automatisierung in der Industrie angeht. Werden hierzulande 397 Roboter pro 10.000
Beschäftigten eingesetzt, sind es in Japan 399, wie eine Studie des Instituts der deutschen
Wirtschaft (IW) zeigt.

Generell ist die Zahl der Industrieroboter in den vergangenen Jahren angestiegen. Gemessen
an der Zahl der Arbeitnehmer betreibt Südkorea die größte Roboterflotte: Auf jeden zehnten
Beschäftigten kommt ein Roboter. Und rein mengenmäßig ist China mittlerweile zum
Roboter-Weltmeister aufgestiegen.

Den Einfluss von Industrierobotern auf den deutschen Arbeitsmarkt hat der Ökonom Jens
Südekum bereits vor fünf Jahren untersucht und dafür Daten der Jahre 1994 bis 2014 zurate
gezogen. Sein Fazit: Zwar beschleunigten Roboter den Strukturwandel hin zu den
Dienstleistungen, doch die These, wonach Roboter zu Massenarbeitslosigkeit
(/wirtschaft/webwelt/plus247209928/Kreative-versus-KI-Abwehrschlacht-der-

Kreativ-Branche-gegen-Kuenstliche-Intelligenz.html) führen, sei empirisch nicht

belegt. „Der Gesamteinfluss war praktisch null.“

Andere Studienergebnisse sind alarmierender. Beispielsweise die von IAB-Forscherin


Grienberger. Die Arbeit etwa jedes dritten sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmers
könne zumindest im Grundsatz auch von Computern oder Robotern übernommen werden,
schrieb sie 2019.

Bei einfachen Helfertätigkeiten liege der Anteil der Betroffenen mit „hohem
Substituierbarkeitspotential“ gar bei 58 Prozent. „Dies bedeutet aber nicht, dass wir
Beschäftigungsverluste in derselben Höhe erwarten“, sagt Grienberger nun. Eher sei es so,
dass Berufe nicht komplett verschwinden, sondern sich verändern und neue Tätigkeiten
hinzukämen.

Nichtsdestotrotz ist die Automatisierung auf dem Vormarsch. Länderübergreifend gingen im


Jahr 2021 am meisten Industrieroboter in der Elektrotechnik (137.000) und der Autoindustrie
(119.000) in Betrieb. In Deutschland bleibt dabei die Autoindustrie der Treiber: Von
insgesamt 24.000 Industrierobotern, die 2021 hierzulande installiert wurden, kamen mehr als
6500 bei Autobauern zum Einsatz, 3700 weitere rechnet das IW den Zulieferern zu.

„Deutschland liegt weltweit an vierter Stelle in der Roboterdichte, damit ist die deutsche
Industrie mit großem Abstand die roboterintensivste in der EU“
(/wissenschaft/plus247760802/KI-Kuenstliche-Intelligenz-entwickelt-Wirkstoffe-

fuer-neue-Medikamente.html), sagt Experte Kühmayer. Beim IW wiederum geht man davon

aus, dass sich der Roboter-Boom nicht auf die Industrie beschränken wird – allein schon
wegen des branchenübergreifenden Arbeitskräftemangels.
Dass der Einsatz weiter steigt, zeigt eine Statistik des Internationalen Robotikverbands:
25.600 Industrieroboter wurden letztes Jahr in Deutschland installiert, immerhin 1600 mehr
als im Jahr zuvor. Zum Vergleich: Spitzenreiter China nahm zehnmal so viele in Betrieb.

Weltmarktführer in der Robotik

„Deutschland läuft Gefahr, in der Robotik vom globalen Innovationszug abgehängt zu


werden“, warnt Kühmayer. Denn mit dem Augsburger Maschinenbauer Kuka zähle nur ein
einziger Hersteller aus Deutschland zu wichtigsten globalen Produzenten.

Der Haken: Kuka ist seit mehreren Jahren in chinesischem Mehrheitsbesitz. Dass die
„spannendsten Roboter-Entwicklungen“ aus den USA oder aus Fernost kämen, und nicht aus
Deutschland, sei ein Warnsignal, meint Kühmayer. „Damit steigen die Abhängigkeiten von
anderen Ländern, und auf Dauer besteht das Risiko, vom Export-Weltmeister zur
verlängerten Werkbank zu werden.“

Weltmarktführer in der Robotik ist nach eigenen Angaben der japanische Hersteller Fanuc
(https://automationspraxis.industrie.de/cobot/fanuc-cobots-helfen-bei-

digitaler-ice-wartung/). Mehr als eine Million Roboter wurden seit der Gründung in den

1970er Jahren ausgeliefert – vermehrt auch nach Deutschland. Neben den klassischen
Industriesektoren werden die Fanuc-Roboter hierzulande nunmehr auch in Bäckereien,
Wäschereien, in der Schweißtechnik oder bei der Wartung von Deutsche Bahn-Zügen zum
Einsatz.

Die Automatisierung, zu der auch die Robotik zählt, könne in etwa ein Viertel der bis 2040
entstehenden Lücke an Arbeitskräften schließen, glaubt Ralf Winkelmann, Geschäftsführer
der Deutschland-Tochter des japanischen Herstellers.

Das ist eine optimistische Prognose. Die „Spiegel“-Titelblätter kennt auch Winkelmann. „Bei
neuen Entwicklungen sind Viele erst einmal kritisch – da sind wir Deutschen leider
Vorreiter“, sagt er im Gespräch mit WELT. Dabei ist seiner Ansicht nach im Zuge des
Arbeitskräftemangels klar: Roboter würden keine Jobs vernichten, sondern sie vielmehr
erhalten. „Im Zweifel können sie dazu beitragen, Unternehmen vor dem Tod zu bewahren.“
Um dem Thema den Schrecken zu nehmen, ist das Unternehmen um positive PR bemüht:
Meist sei die Rede von „Cobots“ – also „collaborative robots“, die dank eingebauter Sensoren
„Hand in Hand“ mit Menschen arbeiten können. Unternehmen würden zudem langfristig
nicht nur Personalkosten sparen, so Winkelmann. Die Beschäftigten könnten ihre
Arbeitskraft auch sinnvoller einsetzen als für körperlich schwere Tätigkeiten und damit auch
ihre Gesundheit schonen.

Retten die technischen Helfer also bald die Existenz tausender Betriebe? Ganz so einfach ist
es nicht. Am Anfang müssen Unternehmen erst einmal viel Geld in die Umrüstung
investieren. Um welche Summen es dabei geht, bleibt jedoch unklar. Auch auf Nachfrage will
Fanuc keine Zahlen dazu kommunizieren, wie viel genau die Roboter im Einkauf kosten.

Eine Studie unter anderem von der Unternehmensberatung BCG nennt Preise zwischen
30.000 und 250.000 Dollar für einen Industrieroboter. Der Preis sei abhängig von Größe,
Ausstattung und Einsatzgebiet.

Dazu kommen Kosten für Wartung und Umrüstung, denn die Roboter müssen nicht nur mit
dem Personal, sondern auch mit anderen Maschinen zusammenarbeiten. „Ein Roboter allein
wird nicht allein den kompletten Backprozess übernehmen“, sagt Winkelmann zum Beispiel
Backstube.

Vielmehr agierten die „Cobots“ als ergänzende Technik mit anderen Anwendungen.
Winkelmann spricht von „einem Element der Lösung“. „Roboter sind keine eierlegende
Wollmilchsau, sie werden ein Werkzeug von vielen sein“, so der Geschäftsführer.

„Klar ist – das Ganze muss sich rechnen.“ Doch auch hier bleibt Winkelmann unkonkret.
Nach welcher Zeit sich die Anschaffung eines Fanuc-Roboters amortisiere, hänge stark vom
Betrieb und den Arbeitsabläufen ab. Ein Positivbeispiel sei das Unternehmen Blocz aus
Chemnitz, das Kletter-Elemente für Boulderhallen herstellt. Dort sind zwei Fanuc-Roboter
für das Schleifen und Schneiden im Einsatz – wodurch sich die Produktionskapazität in etwa
verdoppelt habe.
Neben den hohen Kosten steht dem Aufstieg der Roboter noch etwas im Weg: die Bürokratie.
„Hierzulande gibt es sehr viele Regeln, wie beispielsweise Daten im industriellen Umfeld
verwendet und dokumentiert werden müssen. In den USA etwa läuft das ganz anders“, sagt
Winkelmann. „Manchmal wäre weniger mehr“, findet er.

Immerhin: Das vermeintlich größte Hindernis für sein Geschäftsmodell wurde vor Kurzem
abgewendet. Die Pläne, eine Roboter-Steuer in der EU einzuführen, sind vom Tisch – vorerst.

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