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Hans, Herbert von Arnim

Ist die Kritik an den politischen Parteien b,er,echtigt1'

zialwissen, wi~ man politische Gegner bekämpft .. "


I. Antworten auf die Kritik (So der ,.,Spiegel" in einer Titelgesehichte mit der' .
des Bundespräsidenten Überschrift "Der Ab-Kanzler"). Im übrigen sei die
Kritik nicht neu (Blüm), und Weizsäckers "thera:~
peutisc~e Schlußfolgerungen" seien "ausg,espro..
ehen dünn" (Schäuble). .'
Die aktuelle Kritik an den politischen Parteien .
kommt von 'ganz unten und von ganz oben zu- Immerhin gab es auch Zustimmung oder zumin."
gleich. Eine Fülle von Umfrage ergebnissen , die destargumentative Offenheit, etwa bei Glo,tz" nie-
abnehmende Beteiligung der Bürger an Parla- stel,. Geissler, Biedenkopf, Däubler-Gmelin und
mentswahlen und die schwindenden Stimmenan-. Lüder; auch Hans-Jochen Vogel warnte vor einer,
teile der heiden gr.oßen Parteien, die. die Hauptre- ·vorschneHen Verurteilung der Kritik; selbst' Kohl
gierungsverantwortung in Deutschland tragen, si-- und. Schäubl,e räumten, obwohl sie die Kritik. zu..
gnalisieren eine verbreitete Unzufriedenheit mit rückwiesen, Mißstände .,in .allen Parteien" ein,
den Partden, die weit über die üblichen Part,eien- "auch ,FHz', ,Verbonzung' und so manche V,erkm-
ressentiments hinausgeht. . stung" (Ko,hl); die Parteien s.ollten sich "etwas zu~.
rucknehmen" und .,auf dil~ wIchtigsten Dinge" be.;
Diese Unzufriedenheit hat Bundespräsident schränken (Schäublel. -
Richard von Weizsäckerin einem im Juni 1992 er-
Eines hat die bemerkenswerte lnitiativ,e des
schienenen und in der Wochenze,tung "Die Zeit"
Bundespräsidenten jedenfalls bewirkt: Sie. hat das
vorveröffentlichten "Gesprächsbuch" in Worte ge-
,Thema "politische Parteien", von deren Punk-
faßt und damit. wie etwa die Heidelberger Rhein-
tionsgerechtigkeit unser aller Wohl und Wehe ab,-
Neckar-Zeitung schrieb, .,Millionen Bürgern aus
hängt, dahin geruckt, wohin es gehört - von einem
dem Herzen" gesprochen. Nicht s.o allerdings vie-
bisherigen Randthema in den Mittelpunkt der
len betroffenen Politikern. Ihre vorherrschende
innenpolitischen DiskussIon.
Reaktion war Unverständrus und ZufÜ.ckweisung.
Überwiegend werteten. sie die Kritik als "undiffe~ Nun bin ich nicht so vermessen,. hier eine Patent.;.
renziert,e Parteienschelte" ab und beantworteten lösung für alle Probleme offerieren zu wollen. Ich
sie mit Gegenattacken. warfen dem Bundespräsi~ mochte aber zWeierlei versuchen: einige praktische
denten "Haschen nach billiger Popularität" (so der FäHe nennen,. über die ich gearbeitet habe,. und em
Chefredakteur des "Bayern-Kurier"Scharnagl, Konzept im Ansatz skizzieren, das die scheinbar
ähnlich auch Kohl und Klose) und "Maßlosigkeit" auseinanderlautenden' Teilprobleme ,rusamm'en-
(Rau) v.or. Die Parteien benötigten in ihrer derzeit hält.' Bei allem geht es selbstverständlich Jiicht um
schwierigen Lage .,eher eine Ermutigung" (Rau, die Abschaffung der Parteien, die im bundesr,epu~
Schäuble) ~ Weizsäck,er ignoriere das Engagement blikanischen System unverzichtbar sind" sondern
der vielen Bürger, die ehrenamtliche Aufgaben auf um die. Diagnos,e von Mängeln und mögHche Ve:r~
Ortscbene vornehmen (Kohl). Zugleich bestehe besserungen.
die Gefahr des Beifalls von der falschen Seite.
Schönhuber müsse. sich vor Freude über Weiz-
säckers Worte auf die Schenkel geklopft l1aben.
schrieb Norbert Blüll.. Parteienkritik sei im übri-
gen auch in anderen Ländern zu beobachten,. etwa 11. Vier Kritikpunkte
in Italien und Frankreich. Mancher wollte in der
. Kritik Weizsäckersgar mir eine persönliche Ab~
rechnung mit Helmut Kohl sehen, besonders in Die Kritik an den politischen Parteien läßt sich .auf
Weizsäckers zugespitztem Satz "Bei uns, ist ein Be- vier Hauptpunkte zurUckführ,en:
rufspolitiker im allgemeinen weder ein Fachmann 1. Das Volk komme ni,cbt zu Wort, sondern werde.'
noch ein Dilettant, sondern ein Generalist mit Spe" durch die politischen Part'eien ersetzt, di,e aber
ihr,erseits ihrer Funktion als Spra.chrohr· des,
Der Beitrag ist das überarbeitete Manuskript eines Vor-
trages, den <J.er Verfasser am 10. Dezember 1992 im der ead Volkes nicht gere,cht würden. Frage also: "Ent~'
FJtiedrich von Siemens· Stiftung in München hielt. mündigen die Parteien das Volk?"

Bll
_._~-......:

2.. Die Parteien versagten vor der Lösung dringen- Volk hat ein Gespür für Qualität: Gewählt wird
der Oemeins,chaftsaufgaben. Frage also: .tHa- r,egelmäßig eine geglückte Mischung aus Verwal-
ben die Parteien ein Defizit an Problemlösungs- tungserfahrung und politi.scher Ausstrahlung.
kompetenz oder besteht g.ar parteilich beding-
Auf der Ebene der Verfassungsgebung des Bundes
tes ,Staatsversagen'?41
ist das demokratische Defizit fast noch größer. Die
3. Die Parteien höhlten den vetfassungsre,cht- Verfassung als normativ,e Grundlage des Staates
lichen Grundsatz der Gewaltenteilung aus; das erhält in der Demokratie ihre Legitimation im an-
habe schädliche Rückwirkungen auf dIe Funk- gemeinen dadurch, daß das Volk zunächst eine
ti,onsfähigkeit des ganzen Systems. Frage a[so: . "verfassunggebende Versammlung" wähH und
."Stellen sich die Parteien als Monopolmächte später über deren Verfassungs,imtwurf durch
dar?" Volksabstimmung entscheidet. So sind di,e 1946
4. In den Parteien dominiere das Eigeninteress,e und 1947 erlassenen Verfassungen der Länder der
an Macht, Posten und Geld. Frage also: ."Beu- späteren Bundesrepublik regelmäßig von Ver~
ten die Parteien den Staat aus?" sammlungen beschlossen worden, die zu diesem
Zweck direkt vom Volk gewählt worden waren,.
Ich möchte im folgenden di,e vier Kritikpunkte
und vor ihrem Inkrafttreten wurden sie Volksab~
überprüfen und dabei zeigen, daß sie l,etztlichalle
stimmungen unterzogen.
zusammenhängen und sich in der staatlichen Poli-
I tikfinanzierung besonders zuspitz,en. Demgegenüber war der Parlamentarische Rat, der
das Grundgesetz 1948/49 untererhebHcher Ein-
1. Oelllokratie ohne Volk? flußnahmeder westlich.en BesatzUngsmächte aus-
arbeitete, weder direkt vom Volk gewählt worden,
D!ieZurückdrängung des Volkes ist be~sonders aus~ noch wurde das Grundgesetz einer Volk~abstim­
geprägt auf der besonders wichtigen Bundesebene. mung unterworfen. Die These, dieses demokrati-
V,olksabstimmungen sind hier nicht vorgesehen - sche Legitimationsdefizit sei später durch die hohe
im Unte,rschied zu den meisten Bundesländern,. wo Wahlbet,eiligung bei Bundestagswahlen geheilt
V:olksbegehren und Volksentscheid möglich sind, worden,· entspringt einer etwas fraglichen Logik.
,iui. Unterschied auch zu den Gemeinden in man a
B'ei den· Bundestagswahlen steht die Entscheidung
. ethen Bundesländern,. wo Bürgerentscheide ange- zwischen .bestimmten Parteien,. nicht aber für oder
strengt werden können . gegen das Grundgesetz zur Debatte.
Selbst bei der Wahl der Abgeordneten für den Auch der:'" jetzt ganz aktuell- in derBundesrepu~
Bundestag entscheidet der Wähler nicht mehr über
bUk eingesetzte 64köpfige .,Verfassungsausschuß",
Kandidaten, sondern nur noch über die Gr:öß,e der
der Vonichläge für eventuelle Änderungen des
verschiedenen Fraktionen und damit nur noch
Grundgesetzes machen soU, ist nicht etwa vom
über die Herrschaftsanteile der Parteien. Wer von Volk für diese Aufgabe eingesetzt, sondern je zur
tieiner Partei auf einen "sicheren" Listenplatz oder Hälfte vom Bundestag und Bundesrat gewählt..
:in einem "sicheren" Wahlkr,eis nominiert worden Das wirft seine Schatten voraus - gerade wenn es
I

ist, dem kann der Wähler nichts mehr anhaben.


um die Begrenzung der Macht der Parteien und
Selbst wer im Wahlk.reis nrucht die Mehrheit der·
der ,.;politischen K!lasse" geht. Denn der Verfas~
Burger erlangt, ist auf der Landesliste oft abge~ sungsausschuß ist voll von ihnen. Mögen auch viele
sichert und kommt auf diesem Weg'doch noch ins nachdenkliche, problembewußte und reformbe~
Parlament. Der Wähler wird also selbst bei Aus~
reit,e Männer und Frauen darunter sein - die Be-
übung seines demokratischen Königsrecbts von
gr,enzung der politischen Klasse durch sich selbst
den Parteien bevormundet, und zwar weitaus gerät doch leicht zum: Münchhausen~Problem: sich
mehr, als nach den Gegebenheiten der Massen~
am 'eigenen Schopf aus dem Sumpfe zu ziehen.
demokratie unvermeidlich wäre:. Einfluß auf die
Auswahl der Volksvertreter - etwa durch Häufeln Der große amerikanische Verfassungsphilosoph
der Stimmen auf bestimmte Kandidaten. oder John 'Rawls betont, Verfassungsfragen'- also Fra~
I durch Ankreuzen von Kandidaten verschiedener gen der Grundordnung unserer staatHchen Ge~
:Listen - hat der Wähler selbst bei Komm.unalwah~ ineinschaft - sollten Leute beraten undentschei-
]en nur in wenigen Bundesländern. Die Wahl des den, die unter' dem Schlei,er des Nichtwissens der
Biirg,ermeisters di~ekt durch das Volk gibt ,es bis~ Kome,quenzen ihrer Entscheidungen für die ,eige a

her .nur in Süddeu~schland, und dies, nkht etwa, nen persönlicben Interessen ständen. Anders aus-
w!i!il die Volkswahl Demagogen und Kandidaten gedrückt: Wer Verfassungsfragen berät, muß un-
minderer Qualität ins Amt brächte. Wie die ba~ befangen sein, Gerade daran fehlt es aber , wenn
deil~württembergischen Erfahrungen zeigen, ist in die politische Kl.asse im Verfassungsausschuß über
Wahrheit das Gegenteil der Fall. Der hohe Status ihre eigene verfassungsrechtliche Begrenzung be-
des Amtes .zi'eht die besten B,ewerber an, und das .finden soU und das Volk völlig draußen vor bleibt.

15 Bll . ,
".;oa5 Volk ist frei gebor,en,ist frei und liegt doch Die Personalrekr:utierung durch die Parteien ist'
·überall in KeUen. ,. Dieses Wort Rouss,eaus, mit eine z,entral,e Zielscheibe der Kritik.. Die K,ern-
dem er 1762 sein berühmtes Buch"Contrat soeial" these des im vorigen Jahr erschienenen Buches von
einleitete, stand an der Wiege der demokratischen ErWin und Ute Scheuch mit dem Titel "Cliquen,
Revolution Igegen die absolute Monarchie. Heute Klüngel und.Karrier,en" geht geradezu dahin. daß
sind die "Ketten" raffinierter, zumal sie dem Volk in den Parteien kleine Cliquen klüngeln und Wei-
von Organisationen angelegt sind,. die erst das chen für politische Karrieren stellen, wobei die
Aufkommen der sozialen Demokratie ermöglicht sachliche und persönliche Qualität der Kandidaten
haben und die natürlich niemand beseitigen will. durchaus nicht das Hauptkriterium sein mÜss1e. .
In Anlehnung an das berühmte Wort von Abbe Hier zeigt sich übrigens: Auch innerhalb ,einer Par~
Sieyes könnte man fragen: Was ist das Volk? Al- tei muß unterschieden werden, zumindest zwi~
les! Was hat es zu sagen? Nichts! . sehen politischen' Führungskräften ("politische
Klass,e") und der Masse der Parteimitglieder. Da.s
In Deutschland scheinen bei der Zurüekdrängung entschärft die Problematik allerdings nicht.. D,er
des Volkes überkommene ohrigkeitsstaatliche Allmacht der Führungsgruppen stände dann nicht
Denkweisen,. die dem beschränkten bürgerlichen nur die Ohnmacht des Volk,es, sondern au,ch. di,e
Untertanenverstand nichts zutrauen, mit dem A11~ der Masse der Parteimitglieder geg.enüber.'
machtinteresse der Führungsgruppen der Parteien
eine unheilige Allianz eingeg,\ngen zu sein. Die Di,eFrage der Qualität des Personals scheint :hJir
Folgen sind Bürgerferne . der Part,eien und auch der eigentliche Grund zu sein, warum die Be;..
'Partei,enverdtossenheit der Bürger. zahlung der Politiker in der Öffentlichkeit .ein
solch gewichtiges Thema darstellt. Es ist weni,get
Es gibt gute Gründe,. die Diskussion um mehr di~ die Höhe ihrer Bezüge, als vielmehr das Miß:yer-
rekten Einfluß des Volkes heute erneut aufzugrei~ hältnis zu ihren Leistungen, das auf Kritik. stößt.
fen: Der extrem antiplebiszitäre Affekt des bun... Am Beispiel der Parlamentarischen Staatssekre-
desrepublikanischen Staatsrechts war durch eine täre in Bonn wird das deutlich. Sie haben praktis'J;h
Überreaktion auf Weimar geprägt. Neue Unter- kaum Aufgaben; die ganze Institution dient der
suchungen zeigen, daß die damaligen Erfahrungen Regierung vornehmlich als Instrument der Di$zi~
- entgegen verbreiteten Behauptungen - durchaus pHnierung ihrer Bundestagsfraktionen, deren Mit,..
nicht negativ waren. Die Väter des Grundgesetzes glieder durch Aussicht auf duen solchen Posten
sind einem historis,chen Mißverständnis aufgeses- bei Laune gehalten werden sollen. Das Volk halt
sen. Jüngste deutsche Erfahrungen sind gleichfalls ein recht gesundes Urteil darüber, daß dj,eseAIrits-
ermutigend. Die friedliche Revolution in der inhaber überwiegend nicht wirklich verdienen, was
DDR, diese historische Tat der Befreiung von sie verdienen.
. ,
einem diktatorischen Regime,. war ein direkter Auch hinsichtlich der sachlichen Entscheidun:gs-
Akt des Volkes und hat dies,er Äußerungsform kompetenz der Parteien hat die Skepsis in letzter
einen stark,en Schub an Legitimation vermittelt. Zeit sprunghaft zugenommen. Das Asyl-Problem.
Damit stellt sich heute die Frage um so dringender: die Finanzierung der deutschen Einheit un,d der
SoU der Bürger eines einheitlichen Deutschlands 'Vertrag von Maastricht scheinen seit·kurzem·geia;::.
auch in Zukunft so weit entmündigt werden, wie dezu zu Symbol,en für dieeingeschränkt,e H~rid..
dies in der Bundesrepublik bisher der Fall war? lungskompetenz der ParteipoHtik trotz größter
sachlicher Herausforderungen geworden zu sie in•. '. '
2. Probleml,ösuugsdetizit Ein anderes Beispiel ist der Kampf um die Vcilks-
wahl der Bürgermeister auch in Gemeinden auß,et-
Der ,extremen Zuruckdrängung des Volkes,. die
halb Süddeutschlands. Sie würde beides zugl,eich .
weit über die Erfordernisse d.er Massendemokratie
ermöglichen: den Einfluß der Bürger vergrößeni
hinausgeht, entspricht das Hervortreten und Sich-
und die Chance für inhaltlich stimmige Politik vet...
immer-breitet-Macheri der politischen Parteien ..
bessern, also ein Mehr an Entscheidung durch u!1.d
Diese Verkehrung ließ,e sich allenfalls rechtferti-
für das Volk versprechen. Dieses Beispiel ist lehr,.
gen, wenn sie im Interesse einer möglichst hohen
r,eich, weil es nicht nur zeigt, wie Partei,en notwen-
Qualität des politischen P·ersonals und zur Siche~
dige Entscheidungen blockieren, sondern auch~
rung der nötigen Entscheidungsfähigkeit unseres
wie solche Blockaden überwunden werden k:ö,n~
politischen Systems unerläßlich wäre. Oenau diese
neo..
höhere Qualität der parteilichen Willensbildung "

wird aber immer mehr in Frag.e gestellt. Unser Par· . In Nordrhein-Westfalen hat vor einem Jahr ein
teistaat wird an diesem ~ für den Repräsentations- Parteitag der dortigen Regierungspartei die von alt
gedanken lebenswichtigen - Nerv immer skepti- len Saclikennern und auch von der Regierurig
scher beurteilt. selbst dringend befürwortete Refom der Kommu~
. I

Bll
, na[verfassung abgeschmettert, und die Landesre- Auswirkungen auf Parlament: und Regierung. Da
gieru,ng hat sich dem widerspruchslüsgefügt. Hin- Parteienpülitik ,praktisch durch Regierung und·
ter dem Nein des Partdtages standen Vürbehalte Parlament umgesetzt wird, kann der Wähler nur
gegen eine Zusammenlegung. der kommunalen dann auswählen,. wenn die Aktivitäten jeweils be-
Spitze und gegen ihre Wahl direkt durch das Volk, stimmten Parteien zuzurechnen sind; das setzt eine
was beides den Einfluß vür allem der mächtigen Strukturierung des Parlaments in Regierungs- und
städtischen Fraktiünsvürsitzenden zurückgedrängt Oppositionsfraktiünen voraus. So wird der k1assi~
hätte. Gerade vün diesen wirkten aber vide als sehe Gegensatz zwischen Regierung und Parla-:-
Delegierte an dem unseligen Parteitagsbeschluß ment immer. mehr· überlagert vom Gegensatz zwi-
mit. Hier zeigen' sich Machtversessenheit bei schen Regierungs- und Oppositiünsparteien. Die~
gleichzeitiger Machtvergessenheit der pülitischen ser Verfassungswandel und der damit einherge~
. Klasse in geradezu klinischer Reinheit. Natürlich hend,e Einfluß der Parteien auf Parlament und Re-
gibt ,es auch viele andere Barrieren rur pülitische _ gierung 'erscheint grundsätzlich syst,emkünform
Entscheidungen: rechtliche (wie z. B. die zuneh- und wird durch Art. 21 GG, durch die Grundsätz·e
menden ~ompetenzen der Europäischen Gemein- der parlamentarischen Demokratie, wie sie' in
schaft üder das Mitspracherecht anderer Gremien) Art. 68 GG zum Ausdruck kommen, und die Zu-
und faktische (wie den Druck der mächtigen Parti- lassung des Verhältruswahlrechts durch Art.. 38
kuIarinteressen und Medien). Darauf berufen sich GG legitimiert.
die Parteien und Politiker teilw,eis,e zu Recht, um
.ihre eingeschränkte Prüblemlösungskümpetenz zu Die Parteien bleiben dabei aber nicht, stehen, son-
erklären. Um so wichtiger war es, mit dem vorste~. dern suchen auch die Verwaltung, die Rundfunk-
henden Fall ein Beispiel herauszupräparieren,. wü anstalten, die Rechtsprechung, di~e' Wissenschaft
keinerlei äußere Barrieren bestanden und trotz- und andere vom Grundgesetz als partei frei konzi-
de~ die nordrheinmwestfälische Regierungspartei pierte Einrichtungen mit ihren Leuten zu besetzen;
unfähig war, eine vernünftige Entscheidung zu dies mit unterschiedlichem Erfülg zwar - es gelingt
treffen. ihnen zum Glück noch nicht immer und überall -
aber leider immer öfter. In diesem Punkt ist die
Das Beispiel der Direktwahl von Bürgermeistern Kritik voll bere,chtigt. Derart'ige Ämterpatrünage
zdgt aber auch,. wie eigensüchtige Blockaden auf- zur Erhöhung des Einflusses und zur Versorgung,
gebrochen werden können, und zwar in Hessen. die der Parteizugehörigkeit der Bewerber Einfluß
'Am 20.Januar 1991 wurde durch Volksentscheid auf die Stellenbesetzung gibt, ist nicht nur verfas-
die Direktwahl der Bürgermeister und Landräte in sungswidrig, weil sie gegen Art. 3 III, 33 II und V
die hessische Verfassung geschrieben - mit einer GG verstößt, sie ist auch ,ein schleichendes Gift im
, Mehrheit v()n über 80 Prüzent. Kaum jemand demokratischen Rechtsstaat, dessen Schädlichkeit
scheint bisher dieses direktdemokratische Signal auf Dauer gar nicht überschätzt werden kann.
bemerkt zu haben. Ähnlich könnte auch die Blük-
kade in Nordrhein-W,estfalen aufgebrochen wer- In welche Verstrickungen die Verwaltung geraten
den, wenn auch die Zahl der für ein Volksbegeh- kann, wenn die Loyalität zu einer Partei in Kün-
ren in Nürdrhein-Westfalen erfürderlichen Unter- kurrenz tritt zur Loyalität zu .Gemeinwohl und
schriften mit 20 Prozent der. Stimmberechtigten, Recht, habeQ der Fall Uwe Barschel und die Par~
sehr hoch ist. Di~ eDU Nürdrhein-Westfalens teispendenaffäre einer breiteren Öffentlichkeit
hatte eine solche Initiative ursprünglich vür.. Doch deutlich gemacht. Die Verkehrung kann so weit .
scheint sich jetzt herauszustellen, daß sie' ähnliche gehen. daß, diejenigen, di,e die Bindung der Ver-
parteiinterne Prüblememit dem Thema hat wie die waltung an Gemeillliwühl und Recht auch dann
SPD. ,ernst nehmen,. wenn Parteiint.eressen entgegenste-
hen, zu unliebsamen Außenseit,ern werden. Ein
3. Uotedaufen der Gewaltenteilung ud Beispiel war der Leiter d,er Bünner Steuerfahn-
Ausbeutung der ö,f'f:entJi,chen 'Institutionen dung Klaus Förster t der durch Zufall einen Zipfel
der Parteisp,endenaffäre zu fassen bekam, dann
Der dritte große StrukturmangelunseresParteien- nicht mehr lüsließ und so die Lawine des Flick~
staates besteht in· der Auflösung der Gewaltentei- Skandals auslöste, dafür aber in seinem Amt nicht
iung. Die' Gewalten und Institutionen, die sich etwa Anerkennung und Unterstützung,. sündern
"nach dem Grundsatz der Gewalt.enteilung gegen- unverhühlene Zurücksetzung emtet,e, so daß d
seitig in Schach halten und zu .ausgewügenen Ent- schließlich s,einen Dienstquitti,erte.
scheidungen auspendeln sollen, werden zuneh~
mend gleichgeschaltet und paralysiert. Hi,er muß Die Ausbeutung der staaltlichen Gemeinschaft
manaUerdings differenzieren. Der Parteienwett- durch Parteipatrünage war nach frühen kritischen
bewerbals zentrales politisches Steuerungsmittel Beiträg,en Theüdür Eschenburgs in. späteren Jah-
der parlamentarischen Demokratie hat nütwendig ren weitgehend tabuisiert. Bezeichnend ist, daß

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. . J - - - - - - . - - - - - -...... .

sich weder im Bericht der StudienkQmmission zur die Notwendigk,eit eines Umdenkens akzeptiie.
Reßorm des öffientlichen Dienstrechts von 1973,; wird, zeigen ·di,e Veröffentlichungen des Padame:s.io
nQch in den Referaten von Walter Rudolf und tarischen Oeschäftsführe·rs der Bundesta.gsfraktion
Friedo Wagener auf der Staatsrechtslehrertagung der CDU/CSU, Jürgen RUttgeliS, der seit ku~:m
1978,. die dem Tbema .,Der 6ffentliche Dienst im die Gefahren parteipolitischel' Ämterpatl'OIuigC·
Staat der Gegenwart" gewidmet' waren, auch nur entschlossen kritisiert und. di,e parteipolitische
ein Wort zum Thema "Parteipolitisierung des 6f- . Ausrichtung von SchuUeiterstellen,. DirektO:fien
fentliehen Dienstes" fand .. von öffentlichen Unternehmen einschließlich,: der
Sparbsslen und des Personals im Rundfunk öffebt.. ·
Das hat .sicherst seit meiner kleinen Schrift über lieh geißelt. . .' .
".Ämterpatronage durch pIOntische Parteien" von
1980 geändert. In jüngerer Zeit sind zahlreiche ein- Von besonderer B·risanz ist die zunehmende Par~·'
schlägige Veröffentlichungen erschienen. Die teipolitisierung des öffentlicherechtlichen RlIlnd-
Staatsrechtslehrer,vereinigung hat das Thema "Par- funks (einschließlich des Fernsehens). DadlU"cla'
teienstaatlichkeit - Kriseosymptome des demokra- wird seine Informations.~. Kritik- und Kontro,Jj~
tischen Verfassungsstaats?" 1985 ausführlich be- funktion gemindert, ja möglicherweise allmählich
handelt. Ein weiteres Beispiel sind die kritischen lahmgelegt. Dies 'geht an den Nerv des demokrau..:
Bem~rkungen von Helmut Lecheier,. der im Hand- sehen Rechtsstaats, wen unabhängige In~onnam)tl'
buch des Staatsrechts von 1~88 das Kapitel "Öf- und ~ritische. Kontrolle dur~h den ~undfurik:ge~
fentlicher Dienst" bearbeitet hat. Der Umschwung rade Im Partelenstaatunverzlchtbar smd. Denn die
wird daran besonders deutlich,. denn Lecheier Opposition ist defini,tionsgemäß regehn.!U3,igin der'
hatte in sei.ner Habilitationsschrift über ,.,Die Minderheit .und kann nur mit Hilfe einer fun.ktio,:,'
Personalgewalt öffentlicher Dienstherren" (1977) nietenden Öffentlichkeit die Regierungsmehrbelt
da,s Thema "Ämterpatronage" nOlch ignoriert. von Fe~lern abbringen und zu mÖ,glichst gut.d
Entscheidungen drängen . Die vom Bundesverlaill-
Noch immer größte Probleme mit dem Thema hat sungsgericht unterstrichene St.aatsfreiheit . d~s;
allerdings eine Hauptrichtung der Politikwissen- Rundfunks ~ed~ng! - ange~ichts der BeherrSChung'
schaft. Das hängt mit ihrer FiXierung auf die affir- des Staates durcb die ParteIen - heute vornehmlidh
mative D<irstellung der Macht und dem F,ehIen Parteienfreme:it deS Rundfunks. Davon kemD iaber
eines normativen, gemeinwohlorientierten Kon~ immer weniger die Rede sein~
. zepts zusammen. Sie bekommt deshalb das Thema.
gar nicht in ihr,eO"wissenschaftHchen Gesichtskreis,
. Auch di,e· Unabhängigkeit der Wissenschaft ist "er-
fassungsrechtlich nicht zu~etzt deshalb gewähr•.
so daß die Diskussion an ihr vorbeigeht. Manchem
leistet, um furie Sachlichkeit und Kritikfähig~eit
Vertreter paßt die Ri,chtung der aktuellen Diskus~
gegenüber den Mächtigen in Staat und Gesen-
sion so we.nig, daß er wie die Politihr statt der
schaft zu erhalten. Darum ist esscWecht bes,tellt
sachlichen Auseinandersetzung, der er methodisch
wenn viele der Wissenschaftler, die sich inten$l~
nicht gewa.chsen ist, in persönlicher' Diffamierung
mit den Part,eien hefass.en,. diesen. aufgrundvieIfa_
der Exponenten der Kritik seine Zuflucht sucht.
cher Zusammenarbeit s,onahestehen, daß \Sie
_. . i
Es durfte indes nicht ausreichen, daß sich der eine kaum mehr unbefangen Kritik äußern können.
Qder andere Wiss,enschafHer gelegentlich dem Umgek,ehrt ist so~che Kritik oft eine undankbare
Thema ,.Parteipolitisierung der öffentlichen Ver- Sache, und' sie ist um so. undankbarer, je genauer
waltung" widmet. Erforderlich sind organisierte sie den Nerv trifft. Wer Defizite des Parteinstaates \
Forschungsanstrlengungen. Leider haben die In- diagnostiziert und sich dabei mit (fast) allen P·a:r: I

nenministerien, die für die Ausgestaltung des Be- . teien zugleiCh anlegen muß, wird kaum erwarien: .
amtenr,echts z.uständig sind, das Problem bisher können, VQn den Verantwortlichen ans Merzge..:
abgetan. Auf Anfrage der Bundestags,fraktion der drückt zu werden - oder aber vielleicht so :sehr
Grünen nacll den Wirkungen der Ämterpatronage daß ihm der Atem wegbleibt. Er wird sich .\ii~l:
und den Möglichkeiten, etwas dagegen zu tun, ant~ mehr auf massivste Diffamierungen, auch pers,t>nH..
worte te die Bundesregierung im Jahre 1987 eher Art" gefaßt machen müssen.. Das h8itaDf
lapidar: Da es das Problem der Ämterpatronage höchster Ebene der Bun~espräsident gerade erfah-
nicht gebe, seien die gest,ellten Fragen gegen~ ren . Wer Mä~geI ·der Parteipotitik kritisientlUlIil$.
standslos; auch bestehe kein. Grund, das Phäno~ gewärtigen. daß sich das Spezialwiss,en der Politi~ ..
men systematisch wissenschaftlich zu erforschen - ker im Bekämpfen PQlitis,cher Gegner glebündelt .
also eine AntWort mich der Devise,das nicht slein gegen ihn kehrt, ,ebenso wie der·lngrimm. ihrer ;ge~'
kann, was nicht sein darf. flissen*opporturustischen wissenslchaftlichen B,ers,;.
tel, über deren beschwichtjgende Tbesen die öf;;"
Immerhin: Daß die öffentliche Diskussion sich in.. fendiebe Diskussion· mittlerweile hinweggegangeR::
zwischen gewandelt hat und .auch aus P'arteienSiicht ist - und er muß bereit sein, dies auszubalten.. ~. .

EH
Die größte Gefahr der versuchten. parteipoliti- ausgegangen, die Parteien finanzierten sich allein
schen Gleichschaltung' aller Institutionen" die vom aus privaten Quellen. Deshalb enthielt das Grund-
Grundgesetz als parteifrei konzipiert sind, läuft, so gesetz nur eine Bestimmung, die die Parteien ver-
befürchte ich, auf eine Änderung der Denkweise pflichtete, Über die Herkunft ihrer Mittel öffent-
hinaus. Die Macht- und Interessenorientierung der lich Rechenschaft zu legen. Es soUte für den Wäh-
Parteien steht im Gegensatz zum rein sachlichen ler transparent werden, welche Geldgeber hinter
und gemeinwohlorientierten De,nkstil, der das Ge- d.en Parteien stehen. Doch wurde die Konkretisie-
meinsame für ansousten so verschiedene Einrich- rung dieses Gebots 18 Jahre lang verschleppt, So-
tungen wie die öffentliche Verwaltung"die Medien lange dauerte es, bis es schliemichzum Erlaß des
und auch die Wissenschaft ist (oder doch sein Parteiengesetzes von 1967 kam. Statt dessen wurde
sollte). Der parteipolitische Einfluß verändert auch 1955 eine hohe Steuerbegtinstigung von Spenden
9ann, wenn ,er nicht von einer Partei allein aus- und 1959 di,e direkte Finanzierung der Part·eien aus
geht. die Motivations- und, Denkweise, und damit dem Bundeshaushalt eingeführt, die sich rasch ver-
auch die Art der Willensbildung insgesamt., Wem vielfachte. Dies war eine europäische Premiere
es primä.r auf Mehrheiten, Bündnisse, Macht, und wäre eine Weltpremiere gewesen, hätten nicht
Positionen und Versorgung ankommt, der ist in- schon vorher Argentinien und Costa Rica eine
nerlich anders eingestellt und gelangt oft auch zu· staatliche Parteienfinanzierung eingeführt.
anderen Ergebnissen als der, dem es um sachliche
Richtigkeit geht. Ein Redakteur, der die p,arteipo~ Die Explosion der Subventionen an die Parteien
lUische Schere im Kopf hat, verliert aufgrund des veranlaßte das Bundesverfassungsgericht 1966,
vorauseilenden Gehorsams gegenüber den Macht~ Grenzen zu ziehen und nur noch die Erstattung
habern leicht jede Produktivität. Wer immer nur von Wahlkampfkosten zu erlauben, was allerdings
besorgt ist, ob den Mächtigen genehm ist, was er nur aufgrundeines Gesetzes geschehen durfte. So
. geistig produziert, dem droht allmählich sein sach- blieb den Parteien nichts übrig, als das 18 Jahre
l~ng verschleppte Part,eiengesetz endlich zu erlas-
orientierter Denkstil ,abhanden zu kommen. Ge:'
rade der aber ist die Basis für die rational,e Bewäl- sen, wenn sie weiterhin Steuermittel erhalten woH-
ten,
tigung unserer Gemeinschaftsprobleme. In der
.,Verbonzung" und ,.,Verkrustung". (Helmut Kohl) Das Parteien gesetz ist :in Wahrheit ,ein »Parteien-
, und der dadurch bewirkten Abnahme der sachbe- fintmzierungsgesetz«. Auch bei vielen Vorschrif-
zogcm::n Reaktions- und Überlebensfähigkeit der ten, dJe scheinbar ,mit Geld nichts zu tun haben,
Gemeinschaft als Ganzes liegt vtelleicht. di,e größ,te stehen in Wirkllchk,eit die Finanz,en dahinter. Ein
Gefahr der zunehmenden parteipolitischen Durch- Beispiel sind die Aufg,aben der Patteien: § 1 PartG,
patronierung aUer Bereiche, bei dem clie P'arteien offensiChtlich die Feder des
Gesetzgebers geführt haben,enthält einen denk-
4. Politikfmanzierulll bar umfassenden Katalog. Danach bündeln und in-
,
Die Ausbeutung der staatlichen Institutionen tegrieren ,die Parteien nicht nur die politischen
durch die Parteien findet teilweise ihre Entspr,e- Auffassungen, steUen Kandidaten für Wahlen auf
chung in einer Ausbeutung der staatlichen Finan- und führen Wahlkämpfe, sondern wirken auch an
zen. Bei der &egelung der Politikfinanzierung wird der Bildung des politischen Willens des Volkes
der Bürger vollends entmachtet, weil Regierung "auf allen Gebieten des öffentlichen Lebens" mit,.
und Opposition in eigener Sache entscheiden und in dem sie z.B. auch "auf die Gestaltung d,er öf-
sich regelmäßig fraktions übergreifend ,einig sind. fentlichen Meinung Einfluß nehmen" und "die
Der W,ettbewerb :v,;vischen den Parteien soU bewir- politische Bildung anregen und vertiefen", Der
ken, daß die Regierungsparteieri ihre Macht, nicht Regierungsentwurf eines Parteiengesetz,es von
mißbrauchen, sondern an den Interessen der All- 1959 hatte noch einen moderaten Aufgabenkata-
~

gemeinheit ausrichten, die ~ber .ihre Wiederwahl log für die Parteien enthalten, der sich daim aber
entscheidet. Das funktioniert allerdings nur, so von Gesetzentwurf zu Gesetzentwurf ausweite.te -
lange wirklich Wettbewerb besteht. Politische Kar- im Gleichschritt mit. der 1959 einsetzenden und
telle zwischen Regierung und Opposition machen darauf explodierenden Sta~tsfinanzierung -, bis
dagegen die Allgemeinheit der Sta.atsbürger und der Aufgabenkatalog im Parteiengesetz von 1967
St,euerzahler wehrlos; aus Gewaltenteilung wird sein extensives Maximum erreichte.
faktisch ein Gewaltenmonismus, der leicht Miß-
Dadurch sollte die auch nach' dem Parteiengesetz
brauch· und Ausbeutung Vorschub lei8:lI:,et: Hier
von 1967 noch hohe und durch Abschlagszahlun-
kommen als Gegengewichte nur noch das Verfas-
gen auf die ganze Legislaturperiode verteilte
sungsgericht und die ÖfieJ;ltlichkeit in Betracht.
Staatsfinanzierung in den Augen der Öffentlich-
Ein Beispiel ist die staatliche 'Parteienfinanzierung. keit legitimiert werden, was da~ Bundesverfas:~
Die Väter des Grundgesetzes, wanen. noch davon sungsgericht dann 1968 auch - im gewissen Wider-

19 Bll
spruch zu seinem Urteil von 1966 - verlassungs~ neten. Als der Bund der St,euerzahler diesen Saell...
rechtlich absegnete. Normalerweise richtet, sich verhalt einige Monate sJPäter·durch ein Gutacht~u
der öffentliche Finanzbedarf nach den Aufgaben. aus meiner Feder publik machte, mußt,e dasGe~
Den Partden aber war es aufgrund ihrer Schlüssel.\ setz nach vierwöchiger öffentlicher Kritik .zurüCk-
stellung am den Hebeln der Gesetz~ und Haushalts",: ' genommen werden; der Präsident und der Vize-
gebung möglich, dieses Verhältnis umzukehren präsident des Landtages nahmen ihren Hut.. ' .
und die Aufgaben nach dem von ihnen gewünsch-
Der Hamburger Diätenfall von 1991 verlief ähn-
ten öffentlichen Finanzvolumen auszurichten.
!lieh. Nach einem von aUen etablierten Fraktionen"
ImmeJ;hln hat das Bundesverfassungsgericht seit. eingebrachten neuen Diätengesetz sollten de:r Pri-
1966 der staatlichen Parteienfinanzierung Grenzen sident der Bürgerschaft - so heißt das Parlament In
gezogen. Das Gericht hat dabei aber die wichtig- Hamburg - und die Frakionsvorsitzenden di,e fünf-
sten Hilfsorganisadonen der Parteien - die Frak- fache Entschädigung der normalen Abgeordneten.
tionen und die Parteistift:ungen - völlig außer acht nämlich fast 20000 DM monatlich, erhalten. Der
gelassen. Für sie gelten bisher regelmäßig keinerlei in einem unleserlichen Gesetz gut v,erpackte Clou
.Gr,enzen oder ÖffentHchkeitsanforderungen. Die bestand darin, daß die genannten Spitzenparla_
Folge war ein explosions artiges Wachstum der mentarier schon nach dreieinhaUlb Jahren Amtszeit
Staatszuwendungen. So haben sich die Zahlunge,n einen dynamisierten Anspruch auf eine Versor..
an die Bundestagsfraktionen seit 1966 verzweiund.. gung von 10500 DM monatlich, zahlbar ab dem
dreiß,igfacht; die Zahlungen an die Parteistiftungen 55. Lebensjahr, erlangen sollten (wenn sie nur vor.!.
- eine deutsche Erfindung, die inzwischen im Aus~ her fünf Jahre Abgeordnete waren). Begründet
land aber Nachahmer gefunden hat - haben sich wurde dies mit der Altersversorgung von Senato~
v1ersiebenundvierzigfacht. Diese schlaraffenländi- ren, also der Hamburger Minister, die in dier Titt '
sehen .Wachstumsraten haben eine merkwürdig1e ähnlich üppig ausgestaltet war. Die Nachprüfu~g
Schie:t;lage begründet. Di,e Staatsfinanzierung der ergab, daß die Versorgung von S,enatoren auf
Fraktf,onen und Stiftungen, die noch 1966 weit hin- einem Gesetz beruhte, das 1987 unmittelbar vor
ter der der Parteien [ag, hat diese inzwiscben um d~r Au~ösung des Parl~ments - unter yedetzuug
ein Vielfaches überflügelt, ohne daß die Öffernt- emer Vldzahl von ~estlmmungen der Hamburger'
lichk,eit aber bisher die Gewichtsvedagerung er- Verfassung- an einem einzigen Tag durch das PaJr-'~
kannt hätte und ohne daß sich dIe Re,chtspre,chung larnent und seine Ausschüsse gepeitscht worden
und große T,eile der Wissenschaft bewußt gemacht war. Das Gesetz wa~ in Wahrheit gar nicht "einge';/
hätten, daß dadurch die inzwischen sorgfältig be- bracht'" worden, weil es - von niemandem unter;.
hauene rechtliche Ordnung der staat!lichen Partei- schrieben, sondern als Anlage eines Ausschußbe-
enfinanzierung faktisch zu einem beträchtlichen .' richts - den Parlamentariern als Tischvorlage Will..
Teil unterlaufen werden kann. mittelbar vo,r den Abstimmungen untergeschoben
worden war. So wurde das Vorhaben ,camouftiellil:
Überhaupt kommt die Rechtsprechung oft zu spät und die Öffentlichkeit unt,edaufen. bei deren Ein:
oder mangels antr.agsbefugter Kläger gar nicht zu beziehung das Gesetz nicht die 'geringste Chanc1e
einer Entscheidung. Dann ist die Öffentlichkeit die gehabt hätte. Initiatoren waren eine Handv~,u
einzige wirksame Kontriolle, In solchem Fall kann SpitzenpoHtik,er - im wesentlichen di,esdben,. dhi'
der Machtmißbrauch durch die politische .I\lasse dann 1991 von der Pensionsregelung für Präsident
offenbar nur eingedämmt werden, wenn es gelingt, und Fraktionsvorsit.zende profitieren sollten, die',
der PQUtik ein Thema öffentlich .aufzuzwingen. nach dem Vorbild der Senatorenversorgunggestall-: . .
Dafür dr,ei Beispiele, die i,ch selbst bearbeit,et und t,et war. Als ich im Nov,ember 1991 diese Zusam~'
miterlebt habe: menhänge in einer Stellungnahme für den Bund .
der Steuerzahler aufgedeckt und den Camouflage- \
Ein Lehrbeispiel, daß Macht erfinderisch macht,
Charakter des Gesetzes von 1987 publik gemacht
war der sogenannte hessische DiätenfaIl. Im Fe-
hatte, war nicht nur das Diätengesetz zum Schei~
bruar 1988 hatte sich der Wiesbadener Landtag mit .
tern verurteilt; auph das Gesetz über die Erhöhu~g
den Stimmen aller etablierten Fraktionen im
der Senatorenpension von 1987 mußte schließlich
Schnellverfahre.n kräftige Diätenerböhungen,
ersatzlos gestrichen werden,. mochten die Betroffe. . .
hohe steuerfreie Zusatzleistungen und unhaltbarie
nen anfangs auch noch s.o wild' verbal um sich
Doppelbezüge bewilligt. Die Initiatoren hatten
schlagen.
dies damit begründet, hessische Abgeordnete bil-
deten im Vergleich mit anderen deutschen Parla-. Die Hamburger Diskussion hat den Blick auf die .
menten das finanzielle S,chlußlicbt. In Wahrheit finanziellen Bezüge und V'ersorgungen von Mini-
waren sie' bereits in der Spitzengruppe und über- stern in Deutschland insgesamt gele~t. Eine Uu...·
nahmen nach der Qesetzesänderung. die ,alleinige tersuchung ergab, daß es in anderen Ländern tell~.,~
Spitze" teilweise noch vor den Bundest,agsabgeord-· weise noch unhaltbarere Privilegien gibt als bl\ ,: .

BH
Hamburg. Das Saarland ragt hervor. was ange- stenen. So erhalten bayerische Minister, wenn sie
sichts der dortig,en großen Haushaltsprobleme be- zugleich Abgeordnete sind, neben ihren steuer-
sonders prekär erscheint. Dort kann ein. Minister pflichtigen monatlichen Bezügen als Minister und
sogar schon nach einem eiIU:i:gen Amtstag die dem halben Abgeordnetengehalt noch steuerfreie
Höchstversorgung von zur Zeit knapp 13000 DM Kostenpauschalen von fast 6000 DM monatlich zu-
monatlich, zahlbar ab dem 55. Lebensjahr, erwer- sätzlidl,. Solche Pauschalen sind verfassungsrecht-
ben, wenn er nur vorher lang genug (131/3Jahre) lich nur zulässig, wenn sie sich am amtsbedingten
im Parlament war. Das kommt daher" daß die er- Aufwand orientieren, Das ist aber sicher nicht der
sten Amtsjahre doppelt zählen und vorangehende Fall •. wie sich schon daran zeigt, daß die st,euer-
Parlamentsjahre wie Ministerjahre gerechnet wer- freien Beträge bayerischer Minist,er höher sind als
den. Für Bundesminister gibt es nichts derglei- im Bund und fast viermal so hoch wie in Nieder-
chen; sie benötigen 23 Amtsjahre. um eine volle sachsen.
Altersversorgung zu erwerben. .
Auch in Rheinland-Pfalz bestehen für Minister
Die saarländische Regelung ist schon vor Jahren z.B. sehr viel günstigere VersorglLngsregelungen
zustande gekommen, und zwar noch unter einer als im Bund. Ein. rheinland-pfälzischer Minister
enU-Regierung. Aber auch die s,einerzeitige kann schon nach einem Tag Amtszeit eine Pension
SPD-Opposition trägt Mitv~rantwortung, weil sie von 55 Prozent und nach fünf Jahren Amtszeit von
sich in keiner der drei Lesungen des' Gesetzent- 70 Prozent seiner Aktivenberuge erwerben, wenn
wuifs im Parlament zu Wort meldete, von Kritik zehn Parlamentsjahre vorangehen. Die Regelung
ganz zu schweigen. Grund war wohl die Verdoppe- wurde - auch insoweit ähnlich wie im Sl!larland -
lung der Zahlungen an die Fraktionen, die durch schon vor langen Jahren eingeführt, damals noch
,eine Ä.nderung des Vert,eilungsmodus überwie- unter der Regi,erung von Helmut Kohl.
gend der Opposition zugutekam, und die Erhö- .
Die Oppositionsfraktionen der SPD und FOP kri..
hung der AbgeordnetencHäten; beides m.ußte of~
,! fenbar als eine Art politisches Schmiermittel zur
tisierten den Regierungsentwurfauch in Rhein-
land-Pfalz nicht, sondern hielten sich durch mas-
Herstellung der "Einigkeit der Demokraten" her..
sive Anhebungen der Frakdonsmittel (die durch
halten. Der heutige Ministerpräsident Lafontaine
Ä.nderung des V,erteilungsmodus vornehmlich der
war damals Mitglied des zuständigenParlaments~
Opposition zugutekamen) und der Abgeordneten-
ausschusses und stellvertretender Vorsitzender der
diäten schadlos. Einmal mehr erfolgte ein Hoch..
SPD~Fraktion. Er hat, als die Angelegenheit durch
schaukeln zu Lasten der Steuerzahler ohne. Rück-
,ein. Gutachten aus meiner Fed,er (aus dem der
sicht auf die Unangemessenheit der Regelungen •
..Spi,egel" eine Titelgeschichtemachte) am 11. Mai
D~mit wird auch klar •.warum Lafontaines Gegen-
.199Z veröffentlicht wurde, zunächst zwar - ganz
attacke gegen die Kritiker der saarländischen Re-
ähnlich wie vor ihm die Hamburger - versucht, das
gelungen ausgerechnet bei Kohl öffentlichen Bei-
Gesetz "ohne Einschränkung"~ zu verteidigen, die
fall f~md. Ende 1992 hat auch die rheinland..pfälzi-
Kritiker persönlich zu beschimpfen und die Me-
sehe Landesregi,eI1lng Eckdaten beschlossen,. die
dien mit der Nazi-Presse auf eine Stufe zu stellen.
die Versorgungsprivilegien beseitig,en sollen.
Wenn es, aber noch eines Bew~ises bedurft hätte,
wie· unangemessen die silIlarländische Regelung Ist, Die Versorgung westdeutscher Minister wurde vor
so haben ihn jetzt clie niedersächsische und die hes- kurzem im. Wege der "Amtshilfe" durch westliche
sis,che LandesregIerung erbracht, Sie. legten im Berater auch auf die neuen Länder übertragen . So
Herbst 1992 Gesetzentwürfe vör,. die die ebenfans sind z.B. nach dem Thüringer Ministergesetz vom
unhaltbare Überversorgung des niedersächsischen 14. Mai 1991 - wie 1n Rheinland-Pfalz, das die ß,e~
und des hess,ischen Millistergesetzes für die Zu- treuung Thüringens übernommen. hatte - bis zu
kunft beseitigten und insoweit zugleicll Maßstäbe zehn vorangehende Jahre in einem Parlament auf
für das Saarland setzten, die Altersversorgung anzurechnen, selbst dann,
wemi sie arißerhalb Thüringen~ und lange vor 4er
Auch die Ministergesetze anderer Bunde'sUinder
Entstehung dieses Landes abgeleistet wurden. Ein
,enthalten nicht zu rechtfertigende Privi]egien und
Nutzmeßer ist Jochen Leng,emann, der frühere
müssen geändert werden. Dabei liegen die Pro~
Präsident des Hessischen L.andtags, der nach dem
bleme nicht in den offen ausgewiesenen Gehältern
, der Minister, sondern in den kleingedruckten, aber dortigen Diätenfall seinen Hut nehmen mußte. Er
war nach Gründung des Landes für kur)l;e Z,eit
ökonomisch gewichtigen Zusatzleistungen, die ge~ 'I
Thüringer Minister ;.•für besondere Aufgaben" und
radezu durch eine Flucht aus der Öffentlichkeit. ge~
vergoldete dadurch seine früheren Jahrea[s hessi~
kennzeichnet sind. Neben den erwähnten Aus~
scher Landtagsabgeordneter .
wüchsen der,Versorgung sind hier z.B. überhÖhte
Aufwandsentschädigungen zu nennen, die in Inzwischen ist di,e Berechtigung der Kritik an der
Wahrheit ein steuerfrei,es Zusatzeinkommen dar~ staatlichen Politikfinanzierung in Deutschland und

21
ihre Reformbedüiftigkeit weithin anerkannt. Das oder bei· der Durchsetzung eines der Parteipotit'•.
Bundesverfassungsgericht hat die staatliche Par- entzogenen Verfahr,ens der Besetzung der S~eneD
teienfinanzierung in einem Urteil vom 9. April imöffenHichen Dienst - bleibt die Materie lUnge-.
1992 in weiten Bereichen für verfassungswidrig er- ordnet. Die ProblemlösungskompeteD2; der Par:-
klärt. Der Bundespräsident hat darauf eine teien ist hier besonders gering . Auch die Entmön..
Kommission zur Reform der Finanzierung der Par- digung des Volkes geht bei der PolitikfiriaDZi,erung
teien und ihrer. Hilfsorganisationen,. die Bundes- besonders weit: Durch KarteUabsprachen der Pa~
tagspräsidentin eine weitere Kommission zur Re- teien wird der Bürger entmachtet. Wen inunerer
form ~er Bezüge und Versorgungen von Abgeord@ wählt - aUe sind in das Kartell eingebunden.· \ C

neten und Ministern berufen. Die erstgenannte Wo dem. Volk seine Rechte nicht vorenthalte.
Kommission hat ihre Empfehlung im Februar 1993 werden, ist das Niveau der Poiitikfinanziernng Weit
vorgelegt. Auch die Landesparlamente haben niedriger ~ z.B. in der Schweiz, wo jedes Gese~:
Kommissionen, allerdings mit zum Teil merkwür- J
unter Vorbehalt des Volksentscheids steht. odern\"
diger Besetzung, berufen, so daß die Gesamt~ den USA und England,. wo das Direktwahll'echt.;
the~atik von zwei plus bis zu sechz,ehn Kommis-
das Element der personalen Verantwortung-d~1
sionen behandelt wird und dabei die Zusammen- Abgeordneten in viel stärkerer Weise hervorl\ehii·
hänge und der Überblick zu leiden ~rohen. als bei uns. Auch in Frankreich ist der Zusamumea..
hang zwischen Wahlsystem und staatlicher Poliitik-
finanzierung deutlich. Eine ausgeprägte .Staats-
IH. Ausblick finanZierung der Parteien wurde in der kurzen
Periode von 1986 bis 1988 eingefühlt, als in Frant~ c

reich vorübergehend ein Verhältniswahlrecht be'!'


So gut und richtig der Gedanke wirklich unabhän- stand.
giger und sachverständiger Kommissionen zur Be- Di,e . Erfahrungen in Hessen, Hamburg und im
ratung der Parlamente ist - gerade wenn diese in Saarland bestätigen den geringen politiscbenStlel:
eigener Sache entscheiden -, so sehr wär,ees ein lenwert von Sachargument,en,also den Kern des.:
Irrweg, wenn die Entscheidung selbst auf die sen, was Bundespräsident von Weizsäcker mit,
Kommissionen übertragen würde. Ganz abgese- .,Machtversessenheit'· und .,Machtvergess.enheit,~~
hen von den hier bestehenden verfassungsrechtli~ meint. In Hessen wurde Walhnann, im .SaadaBid
ehen Schranken,. bestehen auch große praktische Lafontaine Monate 'Vor Veröffentlichung derV!e~
Gefahren: Gelänge es nämlich· der politischen ruchtenden Gutachten schriftlich gewarnt und uril
Klasse, die Kommission organisatqnsch, prozedu- der Sache willen um Reforminitiativen gebeten. :JEtS ~
ral und besonders personeU in den Griff zu bekom- geschah nichts. Erst nach Verö,ffentlichung'd~'J
men und zu einer "Hofkommission" zu degradie- Gutachten wurde unter massivstemöffentlicblll!ft.;
ren, wären Gefälligkeüsgutachten zu erwarten, die Druck schließlich .eingelenkt, und auch die B~..;.;
den Bürger und Steuerzahler vollends schutzlos gründung dafür beI.egt den gering,en Stellenwert,
machen und alle Bremsen gegen die AUSbeutung von Sachfragen:. Ni,cht wegen der groben Unange...
des Staates durch seine Diener beseitigen 'WÜrden. messenbeit wurden in Hessen und Hamburg :d:i~·l
Dann würde das Parlament auch berechtigte Kritik Gesetze wieder aufgehoben., sondern weil man die
von sich weisen und die Zuständigkeit der Wucht der öffent]ichen Kritik unterschätzt habe.. -
K~mmjssion _vorschieben; diese aber wäre dem Der große Rechtsdenker und Justizminis,ter in dei'·
Volk nicht verantwortHch -.: eine mit unserem de- Weimarer Republik, Gust8lV Radbrucb, hat klulo
mokratischen System. unvereinbare KonstellatioD •. sichtig betont, gegen Übermacht und Machtm.iS~/
Der politische Druck zur Gleichschaltung der brauch der Parteien gebe es l,etztlich nur ein witk;'
Kommission wäre gewaltig; viel größer noch als sames. Gegenmittel: die Aktivierung des Voll:es.
bei lediglichber/:ltenden Kommis~ionen - ang,e- selbst. Die Forderung, das Volk behutsam aus de.t
sichts dessen, was materien für· die . politische Entmündigung zu ,entlassen, ist alS() nicht nur oe,..
Klasse auf dem Spiel stände. mokratischer Selbstzweck, weil mehr El11bscllei:
Die skizzierten Fälle weisen alle vier .genannten .dung durch das Volk in einer Demokratie e~n
l'robl,empiunkte auf: Es ist qer Politik nicht g:elun- Eigenwert darstellt, sondern zugleich auch JM:i,t~,
gen, die Parteienfinanzierung und die Ministerver- zur Eindämmung parteilicher Ausbeutungstenc:f;e:a......
sorgung in den Ländern befriedigend zu mdnen. zen. Sie wird zum Element. einer erneuerten Ga-.:
~~ 'IF'\ ' , '
Das Bundesverfassungsg,ericht ist bei der Parteien- waltenteilung gegen eine Uber~ und Allmacht d~J··
finanzierung immer wieder, mehr.schlecht als Parteien. Ein Beleg ist der Volks,entschei4, .mit
re,cht, als Ersatzgesetzgeber in die Bresche ge- dem·die Direktwahl der BÜfgermeister·und Lantl~"
sprungen. Wo es di,es. bisher nicht tat - wie bei der räte in Hessen eingeführt wurde und mit..· dem /
Finanzierung der Fraktionen und Parteistiftungen auch: die parteipolitische Blockierung diesler Fr.;se;,:'

Bll
in Nordrhein-Westfalen aufgebrochen werden menten zur Rück:nahme ·mißbräuchlicherOesetze
könnte. in eigener Sache gezwungen werden konnten. Dies
Aktivierung des Volkes heißt aber nicht in erster bleibt allerdings nur ein Ersatz. Gäbe es in Ham-
Linie Selbstentscheidung in Sa.chfragen,. sondern burg Volksbegehren und Volksentscheid, hätte der
vor allem Verstärkung seines Einflusses auf die . Kampf nicht vier Monate gedauert.
PersonalauswaW. Sie ist geeignet, gleich mehreren Es geht aber nicht um einzelne spektakuläre FäHe,
.parteilichen Fehlentwicklungen entgegenzuwir- sondern darum, die. Grundlagen der politischen
. ken, auch den Defiziten der Personalrekrutierung Willensbildung zu verbessern. Die Stellung der.
und der Entscheidungskompetenz. Dies läßt sich politischen Parteien ist heute die Verfassungsfrage
an der Eiririchtung des direktgewählten Burger- in Deutschland oder sollte. es doch sein. Das
meisters in· Baden-Württemberg zeigen: Der Bür- Grundgesetz beschränkte sich 1949· darauf,. die
ger kommt in der Direktwahl zu Wort, die Par~ Parteien anzuerkennen, .ohne ihnen aber zugleich
teien werden .zuruckgedrängt. In Baden-Württem- Grenzen zu setzen.. Das reicht heute nicht mehr.
berg sind über 50 Prozent der Bürgermeister - V'Of- Nach dem Wort Lord Actons, daß Macht korrum-
nehmlich in kleineren Gemeinden - ohne Part~i­ piert und absolute Macht absolut korrumpiert, be-
buch, und. auch in Städten sind die Bürgermeister dürfen heute vor allem die politischen Parteien der,
.aIles andere als hörige Parteisoldaten . Spezialstu- verfassungsrechtlichen Disziplinierung. Eine staat~
dhin zeigen, daß parteiliche Posterikungelei hie.r liehe Ordnung, die dem parteilichen Egoismus auf
deutlich geringer ist" weil der DirektgewäWte es Kosten des Gemeinwohls freien Lauf läßt, hat auf
sich leisten kann, Personalwünsche der Fraktionen Dauer kehle Zukunft - vor allem nicht in einer
zurückzuweisen, ohne seine Wiederwahl zu ge- Zeit, in der die Herausforderungen des Parteien-
fährden; denn dafür ist das Vol~ zuständig, das staates schlagartig wachsen.
korrekte Amtsführung honoriert. Die Attraktivität
des direktgewählten Amtes lockt di,e besten Be- Hinsichdich der Politikfinanzierung, in der sich die
werber an. Der Direktgewählte kann das Strukturmängel des Parteienstaates wie durch eine
Gemeindewohl zu seiner Sache machen,. hat hohe Lupe vergrößert zeigen, sind .die Probleme inzwi-
Entscheidungskompetenz und braucht eine Über- s,chen erkannt und zu ihrer Bewältigung immerhin
Wucherung durch gutorgamsierte Partikularinter- zwei Kommissionen berufen... Es fehlt aber noch
,essen weniger :zu fürchten... Der baden-wllrttem- völlig ein Ansetzen an den Wurzeln der Probleme,
bergische Bürgermeister ist als.o geeignet, aUe vier für die die Finanzierung ja nur ein Symptom dar-
d~L ..
,oben genannten Problempunkte der Parteienherr-
schaft zugleich einzudämmen. Bei ihm gibt es dann Mitte d,e! siebzig,er Jahre gab es eine Enquete-
auch keine öffentliche Kritik der Bezüge. Wer sei- Kommission Verfassungsreform. Sie drang jedoch
nen Bürgermeister selbst auswählen kann,. ist eher nicht zum Kern der Problematik vor;. die Rolle der
davon überzeugt, daß der das, was er verdient, politischen Parteien wurde noch nicht in den Blick:
auch verdient. genommen. Heute ist es an der Zeit. diese Pro-
Auf der Ebene der parlamentarischen Demokratie. bleme gezieJt zu thematisi,eren. Ihrener.~isches
kommen· - mangels-direktdemokratischer Einrich~ Anpacken könme sich am Ende sogar als Uberle-
tungen - als EI,ememe der Gewalt,enteilung gegen bensfrage für unsere. rechts~ und sozialstaadi.che·
Fehlentwicklungen des Parteienstaates, nur. di,e Demokratie erw,eisen. Der Bundespräsident soUte
Verfassungsgerichte, die öft:entUche Meinung und sich nun vielleich~ beim W<?rt nehmen lass,en und
die Wissenschaft in Betracht. Wehe aber, wenn es ein Gremium von unabhängigen und erfahre.nen
den Parteien gelänge,. auch diese allmählich völlig Persönlichkeiten berufen mit dem Auftrag, tiber
gleichzuschalten. Dann wäre das Volk vollends eine mögliche Neuordnung nachzudenken. .
hilf· und wehrlos gegen alle Ausbeutungstenden- Daß es auch darauf ankommt, die institutionelle
zen. Ordnung zu r,eformi,er,en, hat der Staatsphilosoph

I Sind die Parteien sich einig, bleibt - mangels aUer


direktdemokratischen EJ.ement,e - als Kontrolle
nur noch die öffentliche Diskussion, das "plebis-
Karl Raimund Popper folgendermaßen formuHert,
und mit dies,em Zitat will ich schließen:. "Die
Rechtsordnung kann zu einem mächtigen Instru-
t dtede tous les jour". Die öffentliche Kritik in Hes-
sen, Hamburg und im Saadand war wohl au.ch des·
ment für ihre eigene Verteidigung werden. Zudem
können wir die öffentliche Meinung beeinflussen
halb so durchschlagend.,. weil sich hjer im Zusam· und auf einem viel strengeren moralischen Kodex
. menwirken von wiss,enschaftHchen Expertisen., die bes~ehen. AU dies können wir tun; es setzt aber die
der Bund der Steuerzahler v,orlegte. und den Me- Erkenntnis voraus, daß ,es ... unsere Aufgabe ist
dien ,ein Ventil; eine Art ErsatzkontroUe für die und wir nicht darauf warten dürfen, daß auf wun-
fehlende direkte Mitwirkung der BÜTgerergab, mit derbare Weise von selbst eine neue Welt geschaf~
der selbst 90-Prozent-Mehrheiten in den ParIa· fen werde."

Bll

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