Sie sind auf Seite 1von 4

BERTHA

Charakterisierung/ Lebensgefühl der Romantik

Einl. über die Romantik

Der Ritter Eckbert lebt mit seiner Frau Bertha zurückgezogen in einem kleinen Schloss im Harz.
Es geht ihnen gut, aber sie sind unglücklich über ihre Kinderlosigkeit. Philipp Walther ist über
Jahre ein häufiger Gast und der einzige und beste Freund Eckberts. Er verbringt seine Zeit mit
Umherwandern und dem Sammeln von Kräutern und Steinen und liebt die Natur.

In einer Nacht, als Walther zu Besuch ist, erzählt Bertha auf Wunsch ihres Mannes von ihrer
Kindheit. Die Erzählperspektive ändert sich und Bertha wird das Zentrum der Binnenhandlung
sein.

Sie ist in einem kleinen Dorf als Kind armer Hirten aufgewachsen. Sie stellt sich im Haushalt
sehr ungeschickt an und wird deshalb von ihrem Vater gepeinigt und gehasst. In ihrer Kindheit
sehnt sie sich deswegen oft nach dem Tod.

Mit acht Jahren möchte sie sich von den Eltern ablösen. Sie läuft weg und irrt durch die ihr
fremde "Einsamkeit des Gebirges". Das Motiv der Freiheit kommt vor, die ihr die Tür in die
fremde Natur und in ein neues Leben öffnet. Überall ist dichter Nebel, Bertha muss über Hügel
klettern, doch ihre Angst treibt sie vorwärts. Als sie ungefähr 4 Tage gewandert ist, beginnt sich
die Natur zu verändern und die Felsen bekommen eine „seltsame Gestalt“, sie werden immer
furchtbarer, was sie in einen Angstzustand versetzt. Sie spürt einen peinigenden Hunger und
große Sehnsucht. Letztlich verliert sie ihre Hoffnung.

Kurz vor dem Hungertod vollzieht sich eine Neugeburt und ein Wendepunkt, denn Augenblicke
später ergreift sie die „Lust zu leben“ Sie scheint wie neu geboren, die Mühle, ein romantisches
Symbol steht für den Antrieb in ihrem Leben. Die Natureibung wird auch positiver, vor ihr liegt
die Ebene.

Gleich nachher wird sie von einer alten Frau gefunden und aufgenommen. Diese hat in ihrer
Hütte einen singenden Vogel und einen kleinen Hund. Die Waldeinsamkeit, in der jetzt Bertha
lebt ist ein Ort des absoluten Friedens, ein Paradies. Nur weit von der kapitalistischen
Gesellschaft, in einem abgegrenzten Raum findet Bertha ihre Ruhe.

Vier Jahre lebt Bertha bei der Alten und arbeitet an deren Spinnrad. Sie ist glücklich, denn alles
was sie nicht in der Kindheit konnte, lernt sie jetzt, die alte Frau liebt sie und verhält sich wie eine
Mutter ihr gegenüber. Doch als ihr die alte Frau erzählt, dass der Vogel täglich ein Ei mit
Edelsteinen oder Perlen legt, erwacht in ihr der alte Traum vom Reichtum und der Möglichkeit,
ihren "Hirten"-Eltern damit zu helfen. Die Alte warnt sie noch davor, von der 'rechten Bahn'
abzuweichen, da man dafür bestraft wird. Doch der Wunsch, sich innerhalb seiner Gesellschaft
einzugliedern siegt. Die Motive des schönen Ritters und der Liebe kommen in diesem Teil vor.
Als die Alte wieder mal auf Wanderschaft ist, bindet Bertha den Hund fest und geht mit dem
Vogel und einigen Juwelen in ihr Dorf zu ihren Hirteneltern zurück. Sie macht sich also des
Diebstahls der Edelsteine und des Vogels schuldig. Der Wert der Edelsteine ist ihr aus ihrer
ersten Sozialisation bewusst, da sie aus den ärmlichen Verhältnissen durch plötzlichen Reichtum
fliehen möchte.
In der Zivilisation ist aber nichts, wie sie es erträumte und sie erkennt, dass die Realität mit der
Unberührtheit der Waldidylle kaum etwas gemeinsam hat. Ihre Eltern sind schon tot und
damit ihr Kindheitstraum, sie mit Reichtum zu erfreuen, unmöglich.

Sie mietet sich ein Haus in einer Stadt. Etwas später fängt der Vogel an, sein Lied (in veränderter
Form) von seiner Sehnsucht nach Waldeinsamkeit zu singen . Bertha wird dadurch an ihren
Diebstahl erinnert . Erschrocken erwürgt sie den Vogel. Dann heiratet sie den Ritter Eckbert.

Nach dieser Lebenserzählung erwähnt Walther so nebenbei, dass der Hund der Alten 'Strohmian'
heiße (obwohl er das eigentlich nicht wissen konnte). Bertha hat sich bis zu dem Zeitpunkt nicht
an diesen Namen erinnern können. Sie ist beunruhigt darüber, daß Walther das weiß. An dieser
sie quälenden Beunruhigung erkrankt sie schließlich. Dann verlässt Walther Eckbert und Bertha.

Weil Walther jetzt von dieser Geschichte weiß, misstraut Eckbert seinem Freund immer mehr.
Bertha wird immer kränker und erzählt Eckbert, dass Walther den Hund 'Strohmian' gekannt
habe. Da packt Eckbert seine Armbrust, geht jagen und erschießt den Kräuter sammelnden
Walther. Zu Hause stirbt Bertha inzwischen. Ihre letzten Worte handeln von Walther und der
Alten.

Bertha erfährt niemals, dass ihr Vater nur ihr Pflegevater gewesen sei und dass sie mit
Eckbert Inzest begangen habe. Ihr Reisemärchen ist eine Geschichte über einen unerfüllten
Kindheitstraum.

In diesem Kunstmärchen wird betont, dass man bestraft wird, wenn man vom rechten
Weg abweicht. Die Gewissensbisse für die Schuld, die sie auf sich geladen hat, verfolgen Bertha
und führen sie zum Wahnsinn und schließlich zum Tod.

Die Angst, dass die anderen Leute Berthas Geheimnis aufdecken könnten, macht Bertha
und Eckbert zu Opfer. Wegen dieses Bedrohungsgefühls mögen Bertha und Eckbert die
Einsamkeit: „Sein Weib liebte die Einsamkeit ebenso sehr [usf.].“ Bertha mag die Einsamkeit
schon als Kind, weil sie von ihren Eltern verwiesen wird: „Oft saß ich dann im Winkel und füllte
meine Vorstellungen damit an, wie ich ihnen helfen wollte, wenn ich plötzlich reich würde“.
Auch in der Hütte ist sie lieber allein, als mit der Alten. „Es war mir jetzt lieber, wenn ich allein
war, denn alsdann war ich selbst die Gebieterin im Hause.“

Sowohl Bertha, als auch Eckbert sind aber auch Schuldige. Bertha tötet den Vogel und
verlässt den Hund mit dem Gewissen, dass diese Tiere etwas Wunderbares verkörpern („...an dem
Vogel etwas Außerordentliches sei“)

Bertha hat die Möglichkeit, die wunderbare Welt kennen zu lernen. Diese Welt nimmt
Bertha an: „...ich war zufrieden und arbeitete mich von einem Tage zum andern hinüber. - Der
Mensch wäre vielleicht recht glücklich, wenn er so ungestört sein Leben bis ans Ende
fortfahren könnte.“ Trotzdem läuft sie weg und verlässt die wunderbare märchenhafte Welt,
ihr Paradies, wo sie ewig glücklich und ungestört leben könnte. Das Schlimme ist, dass
Bertha keine Schuld für ihre Taten fühlt. Als Bertha ihre Geschichte erzählt, sagt sie nie „ich
fühlte mich schuldig“, ganz im Gegenteil, sie sagt: „...aber ich vergaß die Alte und meinen
ehemaligen Aufenthalt etwas mehr, und so lebt ich im ganzen recht zufrieden.“
Die alltägliche Welt und die wunderbare Welt beeinflussen einander, am Ende
verschmelzen sie sogar. Die wunderbare Welt greift in die alltägliche Welt ein, indem die Alte
in der Gestalt von Walther und Hugo zu Bertha und Eckbert kommt, um sie an sich zu erinnern.

Bertha verdrängt den Gedanken an die wunderbare Welt. Die einzige Sache, die sie an das
Wunderbare erinnern könnte, den Vogel, hat sie ermordet. Dann lebt sie mit Eckbert zusammen
zufrieden, bis sie den Namen des Hundes von Walther hört. Der Name wirkt so stark auf sie, dass
ihre unterdrückten Schuldgefühle wieder aufgewacht sind. Ihr Tod ist nicht physisch, sondern
psychisch, es geht um keine körperliche Krankheit, sondern um Wahnsinn.

Im Kunstmärchen „Der blonde Eckbert“ werden die Kräfte -die Natur und das
Schicksal – dargestellt. Bertha wird von der Alten – von der Naturkraft oder vom Schicksal aus
der schweren Kindheit gerettet: sie bekommt eine Chance, ein besseres Leben zu führen, sie
versagt aber wegen der Sehnsucht, zurück in ihre ursprüngliche Welt zu kommen. Die
Schuldgefühle oder das Schicksal, das von der Alten verkörpert wird, werden ihr keine Ruhe
lassen, so dass sie wegen sich selbst zugrunde geht.

Andere romantische Elemente

Gattung: Kunstmärchen, an der Grenze zwischen Wirklichkeit und Phantasie

Universalpoesie: die Romantiker wollen die Gattungen vereinen (Lied des Vogels
kommt 3x vor)

Inspirationsquelle: das Mittelalter

Waldeinsamkeit: Schlagwort der Romantik. Für die Frühromantiker ist es ein idealer
Ort, außerhalb dieses idyllischen Ortes ist der Mensch einsam und scheitert.

Andere romantische Motive:

Hauptmotiv: Aufbruch in die weite Welt, Sehnsucht nach der Ferne, dem
Unendlichen, Traum vom großen Glück

- Doppelgänger: Frage nach der Identität, die Einsamkeit der Protagonisten wird betont-

- Einsamkeit – Wahnsinn - Tod ...

Die Alte stellt etwas Übernatürliches dar, sie liebt das Kind und die Tiere. Sie stellt auch
die geistliche Ebene, das Göttliche dar, sie lehrt Bertha über die Schönheit der Natur, sie
betet, singt religiöse Lieder. Die Welt der Alten ist wunderbar, es gibt keine Leute, nur
Natur und Tiere. Sie zeigt Bertha, dass man nur in der Waldeinsamkeit das wahre Glück
finden kann. Die Frau wirkt geheimnisvoll, ist streng aber gerecht. Wir können sagen,
dass sie eine geistige Naturkraft ist, die nicht jeder sehen kann, aber man kann sie spüren.
Wenn man mit dieser Kraft in Harmonie lebt, ist alles in Ordnung, falls man aber diese
Kraft betrügt, kommt Rache. Die alte Frau kann auch das Schicksal darstellen. Berthas
Schicksal wird besser, sie muss aber auf die Probe gestellt werden und scheitert.
Andere Elemente der Romantik die im Kunstmärchen vorkommen:

- Idealisierung der Natur/ des Waldes. Die Natur widerspiegelt den Gemütszustand der
Protagonisten.

- Zweifel an der Realität, Angst vor unbekannten Mächten, Unsicherheit

- Gefühl der Zerrissenheit

- Gegenüberstellung der Innen- und Außenwelt

- gestörte Harmonie des Menschen mit seiner Umwelt

- Lust am Geheimnisvollen und Wunderbaren/ Interesse an den dunklen Seiten des Menschen

- Gefallen am Rätselhaften, es kommen Brüche in der Handlung vor (z.B. Walther kennt den
Namen des Hundes, die alte Frau ist Walther, Hugo, der Bauer, am Ende singt der Vogel das
Lied, obwohl er getötet wurde)

- die Tiefe des Lebens, seine Nachtseiten werden erfasst (Wahnsinn der Protagonisten)

- die Verschmelzung zwischen Wirklichkeit und Phantasie.

Es ist auffällig, wie unterschiedlich die beiden Protagonisten mit diesem Hin und Her über die
Grenze zwischen den Welten umgehen. Bertha, die gleichsam von einem Traum in den anderen
fällt, kann sich durch die märchenhafte Umgebung selbst wie eine Märchenheldin bewegen; nicht
umsonst trägt sie entsprechende typologische Züge – als missratenes Kind, das von den Eltern
vertrieben wird, als folgsame Ziehtochter in der Welt der Alten. Für Eckbert sind solche
Grenzgänge nur im Register einer psychotischen Erfahrung möglich, wie sich an seinem Gang ins
Gebirge zeigt – seine Psychose ist ein Zusammenbruch der symbolischen Ordnung, so dass alle
vorher geschiedenen Identitäten sich vereinen: die Alte, die Freunde Philipp Walther und Hugo,
ja sogar Eckbert und Bertha selbst, die sich als inzestuöse Geschwister entpuppen. Sogar die
Grenze von Tod und Leben löst sich auf, wenn der Vogel am Ende sein Lied wiederholt

- Das Dasein beider Protagonisten ist geprägt durch Melancholie, Unfruchtbarkeit, Destruktivität
und Isolation. Der einzige Versuch der Öffnung nach außen, nämlich das Erzählen von Berthas
Geheimnis, endet mit ihrem Tod und der Ermordung des ins Vertrauen gezogenen Freundes. So
bewegen sich Eckbert und Bertha, die sich „von Herzen“ zu lieben „schienen“ (S. 3), in einer
Spirale der Beziehungslosigkeit.

- die Namen Eckber und Bertha weisen auf die Verwandtschaft der Protagonisten hin,

- der Name des Hundes „Strohmian“ ist das Schlüsselwort des Textes und ein Anagramm des
Wortes „romantisch“. Der Begriff stellt eine Lücke in der Binnenhandlung dar, die mithilfe der
Rahmenhandlung gefüllt wird. Das Wort wird nur zweimal im Kunstmärchen ausgesprochen, es
stellt aber die Verbindung und Trennung zwischen den zwei Welten, den Grund für das Scheitern
der Protagonisten dar.

Das könnte Ihnen auch gefallen