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Psychologie und Soziologie:

Einer der ersten, der die Bedeutung der Psychologie für die Katechetik, Homiletik und Seelsorge entdeckte war C.I.
Nitzsch (aus der Erweckung: aus Gemeinde - für Gemeinde). Im Anschluß an Schleiermacher betonte er v.a. die
ethischen Aspekte und die praktische Umsetzung und Bedeutung des Christentums. Drews, Niebergall (versteht PT als
kirchliche Gemeindeerziehung, Umkehr, Glaubensweckung) und Baumgarten bezogen dann in ihren theologischen
Ansätzen bereits die Erfahrungswissenschaften mit ein. Besondere Betonung auf die Psychologie legte Pfister, der mit
seinem Verständnis von Seelsorge und Homiletik als Austeilung des göttlichen Wortes eine wichtige Grundrichtung für
die Entwicklung der dialektischen Theologie gab. Diese lehnte jedoch unter Anschluß an die Dialogphilosophie Bubers
die Einbeziehung von außertheologischen Wissenschaften vollständig ab (Asmussen), oder wiesen ihnen nur die Position
einer Hilfswissenschaft zu (Thurneysen).
V.a. durch die amerikanische Pastoral Counseling Bewegung gelang der psychologische Empirismus auch nach
Deutschland. Dabei wurde zwischen der empirischen Psychologie (Kognitivismus, Behaviourismus) und der
Pastoralpsychologie unterschieden. Durch Boisen, Dicks, Hiltner, Clinebell wurden nach der Übertragung nach
Deutschland durch Stollberg und Riess (...) die Erkenntnisse der Pastoraltheologie fruchtbar gemacht.
Einige Schlaglichter sollen nun kurz genannt werden: Zentrum sind Begriffe wie Annahme, Emphatie, Ehrlichkeit und
nondirektive Seelsorge und Gesprächsführung.
Nach Adler ist die finale menschliche Natur der Machttrieb als Reaktion auf Minderwertigkeitsgefühle zur
Kompensation (Triebunterdrückung). Dabei geht er vom ganzheitlichen In-dividuum des Menschen aus. Erikson sieht,
daß in der Entwicklung des Menschen zur Identitätsfindung verschiedene Konflikte erfolgreich bearbeitet werden
müssen. Zusammen mit Freud kennt er die Unterscheidung des Es - Ich - Überich in der menschlichen Grundstruktur
und geht von einem starken sexuellen Antrieb des Menschen aus. Über Freud hinaus verknüpft er dies aber mit weiteren
sozialen Erfahrungen, die nicht nur die Kindheit, sondern das ganze Leben andauern.
Einen weiteren Beitrag zur Differenzierung eines anthropologischen Entwicklungsschemas liefert die kognitive
Entwicklungspychologie Piagets und die Moralentwicklung nach Kohlberg (vorkonventionell, konventionell,
nachkonventionell).
Für unser Thema ist aber noch v.a. die These von Jung von Bedeutung, daß die Kirche Defizite in der Kenntnis der
Menschenbehandlung hat. Selbsterkenntnis und das Erleben von Glaube, Hoffnung und Liebe ist ebenso wichtig zur
Menschwerdung, wie die Annahme der eigenen Schwächen (Achetypen).
Bereits in die Soziologie weist die für die Theologie wichtige rel. Entwicklungspsychologie, die aus Zeitgründen hier nur
stichpunktartig am Beispiel des Konzeptes von Towler dargestellt werden soll: 0-2 Jahre Vertrauen, 3-7 Jahre
projizierter Glaube, 8-12 Jahre Erzählungen, 13-16 Jahre konventioneller Glaube, 17-30 Jahre individueller Glaube,
danach folgt ein konsolidierter und ein universeller Glaube.
Mit all diesen Konzepten wird - bei allen Problemen - ein wichtiger Beitrag zum Verständnis des Menschen geleistet,
was auch der Theologie wieder neue Anknüpfungsmöglichkeiten an die Realität der Menschen ermöglicht. Begegnen
kann die Theologie diesen Ansätzen mit Ablehnung, Abgrenzung, Aufnahme und/oder Vermischung.
Die Motive der Ablehnung sind meist das Mysterium des Psychischen, ein Widerstand wegen des Gegenstandes
(Tabuthemen), sachliche Gegensätze, zeit- und theologiegeschichtliche Hintergründe, die Ausbildungsangst der
Pfarrer/innen, oder auch ganz andere Zielsetzungen in der Arbeit. Auch wenn die Psychologie einen neuen Rahmen,
Methoden und erweiterte Handlungsfelder ermöglicht, müssen auch diese Bedenken ernst genommen werden
(Dialektische Theologie, Tendenzwende ...). Es muß der Gefahr begegnet werden, daß die Methode den Inhalt bestimmt,
die Kirche ihre Identität verliert und die Professionalisierung so forciert wird, daß ein Theologe ohne Psychologie kein
guter Pfarrer, Seelsorger oder Prediger mehr sein kann.
Fazit: Unaufgebbar sind in diesem Thema für mich drei Grundlagen: Es muß eine Eröffnung der religiösen Perspektive
möglich sein, die Anthropologie ist vom lutherischen simul iustus et peccator bestimmt und die Psychologie hat für eine
menschennahe Arbeit einen enorm wichtigen Stellenwert.

Die Soziologe untersucht Aufbau, Funktion und Wandel einer gesellschaftlichen Struktur und fragt nach ihren Systemen.
Fendt geht dabei von einer Dreiteilung aus: Sozialisierung (Normen/Werte), Enkulturation (Kultur, Sprache) und
Erziehung (intentionale Sozialmachung). Andere Theorien gehen stärker von Persönlichkeitsdimensionen (kognitiv,
emotional ...) oder Instanzen (Familie ...) aus. Aus Zeitgründen kann dies hier aber leider nicht weiter ausgeführt werden.
Ziel ist ein besseres Verstehen des Menschen in seinen jeweiligen Lebensgestaltungen und Hintergründen, um eine
größere Kompetenz für die Lebensdeutung in christlichem Rahmen zu erhalten.
Fazit: Die für unser Thema grundlegenden Fragen sind neben einem Bewußtsein des bisher genannten das Problem der
Unfreiheit durch Triebe, Freiheit durch Vernunft, Subjekt-Objkekt-Frage, Mensch als Geschöpf und Sünder, Leben im
Vorletzten, rel. Erziehung ...

Kommunikation:
Der grundlegende Ausgangspunkt aller Überlegungen ist ein Wort von Gadamer: Alle menschliche Welt und
Selbsterfahrung ist sprachlich verfaßt. D.h. die grundlegende Kommunikationsform ist Sprache in ihren verschiedenen
Ausformungen. Nach Watzlawick geschieht dies in fünf Axiomen: 1) Man kann nicht nicht kommunizieren, 2) Es gibt
einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt, wobei letzterer den ersten bestimmt, 3) Beziehung hängt von der
Interpretation der Kommunikationsabläufe ab, 4) Kommunikation ist analog oder digital und 5) die Abläufe sind
symmetrisch oder komplementär.
Wichtig ist also: Wer sagt was zu wem wann mit welchen Mitteln in welcher Absicht und mit welcher Wirkung. Das
eingleisige Sender-Empfänger-Modell wird dabei heute meist aufbebrochen und erweitert (vgl.Lange). Kommunikation
wird gesehen als Geschehen in einem Regelkreissystem, verbal-nonverbal, durch Empathie und Sympathie, sowie auf
Inhalts- und Bezugsebene.
Für unser Thema ist nun wichtig, in welchem Verhältnis diese allgemeinen Sprechakte zu den religiösen stehen: Gibt es
eigene rel. Sprechakte, oder sind sie nur eine besondere Verwendung der allgemeinen? Ich schließe mich hier Daiber an,
der den Mittelweg geht und von für rel. Sprechakte von religiös überformter Sprache spricht. Nach Habermas sind diese
Sprechakte entweder konstitutiv, regulativ, kommunikativ und/oder representativ.
Grundlegende Kommunikationsformen sind heute Symbol und Ritual:

Symbol:
Ein Symbol ist ein Zeichen, das als Sinnbild für etwas steht, ein Zeichen für etwas das hinter der wahrnehmbaren
Erscheinung liegt (z.B. Hutabnehmen, symbolischer Interaktionalismus, Ricoeur). In der Religion wird das Verhältnis
zum Unbedingten symbolisiert (systematisch v.a. bei Tillich). Symbole bestehen aus Sprache, Bildern, Gesten,
Gegenständen (...) wo in symbolischer Kommunikation eine rel. Vergewisserung stattfindet.

Ritual:
Ein Ritual ist eine darstellende symbolische Handlung mit einem festen Ablauf, einer Funktion, Zeit unabhängig und
wiederholbar. Die Gefahr ist, daß die Interpretationskraft und der Bezug zum Alltag verloren geht. Rituale dienen der
Kommunikation des Evangeliums (Jetter).
Nach Freud zeigt sich die Nähe zum Zwangsneurotiker (Schuldgefühle) und ist nötige Durchgangsstufe in der
Entwicklung des Menschen (Privattick). Auch nach Erikson ist es notwendig zur Entwicklung (Urvertrauen), aber
normal als Triebbindung, Integration, Identifikation und Identitätsfindung in einer sozialen Umwelt.
Für Josuttis ist das Ritual ein System interaktionaler Vollzüge. Positiv ist es durch Identität, Integration, Kontinuität,
Emotionskanalisierung und Entlastungsfunktion. Es umfängt mit festen Formen, stellt eine individuelles Schicksal als
allgemein dar und macht extreme Erfahrungen sprachbar (Passageriten). Negativ wirkt es durch seine schwerfällige
Veränderbarkeit, Verdrängungsmechanismen und der Vermischung von Identität und Gesellschaft.
Grundlegende Erkenntnisse zum Symbol und Ritual sind v.a. Y. Spiegel zu verdanken, der v.a. in der Seelsorge und den
Kasualien (Trauerphasen) ihre Bedeutung herausarbeitete.

Rolle und Identität der PfarrerInnen:


Auch dies wäre ein wichtiges Thema, das aus Zeitgründen hier aber nicht weiter ausgeführt werden kann. Daher verweise
ich nur auf die allgemeine Bedeutung des Themas und beschränke ich mich hier auf die Nennung der verschiedenen
Typen nach Riemann: Schizoid (Erkenntnis, Ungeborgenheit, Distanz, Inhalt schafft Beziehung), hysterisch (Freiheit,
Veränderung, Beziehung schafft Inhalt), zwanghaft (Ordnung, Verantwortung, Inhalt verschlingt Beziehung) und
depressiv (Liebe, Verlustangst, Seelsorger, Beziehung verschlingt Inhalt).

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