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Ein Fenster der Bibliothek weist auf der Au- Betty Bailey ist die schon
ßenseite die Spuren eines Brecheisens auf. ältere Haushälterin der
Von dort führen Schuhabdrücke zum Burg- Reynolds. Sie ist nicht
graben, die ein Stückchen davor enden. We- nur schwerhörig, son-
nige Schritte weiter können die Detektive im dern auch geradezu
feuchten Lehm am Ufer die Abdrücke nack- griesgrämig, wie man
ter Füße entdecken, ein Hinweis darauf, dass beides leicht durch
der Einbrecher den Graben barfuß durchwatet ein Gespräch mit ihr
und sich dann anschließend die Schuhe über- herausfinden kann. Im
gestreift hat. Dorf wird gemunkelt,
dass Betty nur aufgrund
ihrer hervorragenden Koch-
Zeugen, Angehörige künste ihre Stelle behalten darf. Sie hörte wie
Joseph ebenfalls keinen Schuss, da sie sich in
und ihre Aussagen ihrem Quartier am anderen Ende des Hauses
aufhielt und bereits schlief. Die Dienstboten-
Mr. Joseph Milner, der glocke in ihrem Zimmer weckte sie jedoch aus
Butler, ist zwar schon in ihrem tiefen Schlaf auf, so dass sie mit dem
die Jahre gekom- Butler zusammen am Tatort eintraf, dessen
men, hat jedoch Tür Mr. Bowler gerade verschloss, da gerade
ein sehr genaues auch die Hausherrin die Treppe heruntereilte
Auge für Details. und wohl das Blutbad nicht sehen sollte. Ihre
So ist ihm aufge- Herrin neige sowieso schon zu einem hitzigen
fallen, dass der Temperament, wenn es um ihren Mann ginge,
Ehering von wie ihr schon länger aufgefallen war. Denn
Mr. Reynolds an immer, wenn ihr Mann einmal besonders spät
der Leiche fehlt. Jo- heimkehrte, verfiel Mrs. Reynolds in nervöse
seph ist von Natur her ein recht stei- Unruhe und machte ihrem Mann bei seiner
fer Mensch, allerdings ist er auch sehr Heimkehr heftige Vorwürfe.
tüchtig bei dem, was er tut. Joseph
hörte in der Nacht keinen Schuss,
da er sich im hinteren Teil des Hau-
ses befand, wo er gerade Schuhe
putzte. Er bemerkte jedoch die
Mr. David Bowler ist ein ten verdient zu haben. Doch geizig war er kei-
sehr guter Freund der nesfalls, sondern zeigte sich stets großzügig.
Familie. Er ist der ein- Allerdings war er auch sehr mutig – gerade-
zige Freund aus Mr. zu waghalsig, wie einige der Dorfbewohner
Reynoldsʼ unbekann- meinen –, da er bei Ausritten und Fuchsjag-
ter Vergangenheit und den stets gefährliche und tollkühne Manöver
wohnt derzeit für ein wagte. Als im Dorf ein Feuer ausbrach und die
paar Wochen eben- örtliche Feuerbrigade das Haus längst aufge-
falls im Herrenhaus von geben hatte, eilte er sogar noch hinein, um ein
Birlstone. Dies pflegt er Kind zu retten, und half der Familie danach
regelmäßig jedes Jahr zu tun, finanziell auf die Sprünge, damit sie ihr Heim
um sich etwas Landluft anstelle seines Londo- wieder aufbauen konnten. So kam es, dass
ner Hauses zu gönnen. Obwohl Bowler selbst Reynolds sich innerhalb weniger Jahren einen
Engländer ist, hat er George Reynolds in Ame- ausgezeichneten Ruf in Birlstone erworben
rika kennengelernt. Bowler ist ein sehr vermö- hatte und sogar Vorstand des örtlichen Schüt-
gender Mann, aber mit vierzig Jahren immer zenvereins wurde.
noch Junggeselle, und das trotz seines sehr Bei den Mitbewohnern des Herrenhauses war
einnehmenden Wesens und guten Aussehens. er dafür bekannt, dass er jeden Abend vor dem
Mr. Bowler hörte seiner Aussage nach den Zubettgehen im Haus herumging, um zu kon-
Schuss um 23.30 Uhr und eilte danach so- trollieren, dass wirklich alle Fenster geschlos-
fort vom Gästezimmer im ersten Stock in die sen waren und keine Lampen mehr brannten.
Bibliothek. Außerdem läutete er nach den So war es nichts Ungewöhnliches, dass er sich
Dienstboten. Kurz darauf hörte er hinter sich im Morgenrock zu später Stunde in der Bi-
Mrs. Reynolds die Treppe herunterkommen, bliothek aufhielt.
welcher er den Anblick ihres toten Gatten zu
ersparen versuchte. Mrs. Emily Reynolds
ist bzw. war die Ehe-
Mr. George Reynolds war frau von Mr. Rey-
ein bemerkenswerter nolds. Sie ist bei de-
Mann. Er galt mit sei- nen beliebt, die be-
nen gerade mal fünf- reits ihre Bekannt-
undvierzig Jahren schaft gemacht
als ein sehr heiterer haben. Doch
Mensch. Bei anderen dies sind bis-
Gutsbesitzerfamilien her nicht viele,
in Sussex hatte er den da es nach engli-
Eindruck hinterlassen, scher Sitte unüblich
kein Blatt vor den Mund ist, Leute zu be-
zu nehmen – gerade so, suchen, die sich als
als würde er dem einfachen Fremde in der Grafschaft niederge-
Volke angehören. Dennoch war er aufgrund lassen haben, ohne jemandem vorge-
seiner Auslandserfahrungen recht beliebt, da stellt worden zu sein. Auch wenn sie
ihn dadurch ein Schein des Mysteriösen um- Jahre jünger ist als ihr Mann, scheint
gab, was sicherlich auch damit zusammen- sie das zurückgezogene Leben kei-
hing, dass er kaum jemals über seine Zeit in neswegs zu stören. Über die Ver-
Amerika sprach. Nur so viel ist für seine Be- gangenheit ihres Gatten, den sie
kannten gewiss: Er scheint ziemlich viel Geld vor Jahren in London kennenge-
durch seine Zeit als Goldgräber in den Staa- lernt hat, spricht sie kaum mit
jemand anderem. Und obwohl sich die beiden
tatsächlich innig zu lieben scheinen, munkelt Die Auflösung
manch einer im Dorf, dass er ihr wohl nicht
vollständig vertraue und sie deswegen kaum Sobald die Anschuldigungen – welche nach
etwas über seine Vergangenheit wüsste. Ande- Möglichkeit in der Bibliothek oder im Salon
re tun dies allerdings mit einem verächtlichen erhoben werden sollten – zu massiv gegen
Blick ab und bezeichnen sie als Neider, da die Mrs. Reynolds und/oder Mr. Bowler werden
feine Dame wirklich hübsch anzusehen ist und bzw. eine Verhaftung unmittelbar bevorsteht,
wohl einfach nur sittlich schweigen könne. wird Mr. Reynolds aus der Tür des Geheim-
Ihrer Aussage nach hörte sie um 23.30 Uhr ganges herauskommen und den Fall aufklä-
einen dumpfen Schuss von unten sowie Hil- ren, um die beiden nicht weiter in Gefahr zu
ferufe von Bowler und eilte etwas verspätet, bringen. Es ist natürlich auch möglich, dass
da sie noch recht schlaftrunken war, ins Erd- die Detektive den Geheimgang bzw. den ver-
geschoss. steckten Raum mit Mr. Reynolds darin selbst
entdecken. In beiden Fällen wird dieser ihnen
Sergeant John Robertson den tatsächlichen Tathergang und die Hinter-
ist von der Sussex-Polizei gründe aufdecken.
und erst fünf Jahre im
Dienst. Er ist der ein- Er wird den Detektiven erklären, dass ein
zige Polizist von Birl- paar Männer einen guten Grund haben, ihn zu
stone und hat fast sein hassen und selbst ihr letztes Geld dafür aus-
ganzes Leben – ausge- geben würden, um seiner habhaft zu werden.
nommen von einigen Mr. Reynolds wurde von ihnen quer durch
Lehrgängen bei der die Staaten gejagt, weswegen er dann auch
Polizei – im Dorf ver- schließlich aus Amerika nach England geflo-
bracht. Er hat leider keine hen ist.
Erfahrung mit Mordfällen Er war früher bei der Pinkerton Agentur als
und kann sich auch nicht daran entsinnen, dass Detektiv in Amerika tätig gewesen und lern-
es jemals in der Gegend einen Mord gegeben te im Zuge eines sehr gefährlichen Falles sei-
haben soll. Daher ist er mit dem vorliegenden ne jetzige Frau kennen. Sie ist zugleich die
Fall ein wenig überfordert und froh über jede Schwester von Mr. Bowler, welcher gerade
Hilfe. dabei war, sein Glück als Goldschürfer zu ma-
chen. Als Detektiv musste Mr. Reynolds sich
Dr. Arthur Lumber ist in eine Verbrecherorganisation einschleusen,
der alte Landarzt aus welche eine Goldgräbersiedlung terrorisier-
dem Dorf, dem die- te. Als er sich zum Schein den Verbrechern
ser Fall jedoch zu anschloss, bekam er bei einer Prüfung über-
viel ist und der raschenderweise ein Brandeisen aufgedrückt,
ihn daher ger- welches ihn bis zum Tod als ein Mitglied aus-
ne an Spezia- wies. Daher besaß der Tote als Mitglied der
listen abgibt. Verbrecherorganisation ebenfalls solch ein
Die Rolle von Brandzeichen. Zwar konnte Mr. Reynolds
Dr. Lumber eig- den Fall lösen und die Organisation vor Ge-
net sich auch für richt bringen, wofür er mit mehr Geld entlohnt
einen Spielercha- wurde, als er ausgeben konnte, doch einige der
rakter, der allerdings auf Hilfe an- Mitglieder konnten untertauchen und schwo-
gewiesen ist, da er alleine in dem ren ewige Rache.
Fall nicht weiterkommt.
Mr. Reynolds war am Tag des Verbrechens in Doch als er bemerkte, dass sein Gegenüber tot
Tunbridge Wells und hatte dort flüchtig einen war und ihm vom Äußeren sehr ähnelte, fass-
Mann, Pauly Bennett, wiedergesehen, den er te er zusammen mit Bowler und seiner Frau
sofort als ein Mitglied der Männer erkannte, den Plan, seinen Tod vorzutäuschen, um ein
die ihn töten wollen. Daher eilte er schnellst- neues Leben anfangen zu können. Dabei half,
möglich in sein Haus zurück und gab Anwei- dass erstaunlicherweise niemand vom Per-
sung, sofort die Brücke hochzuziehen, obwohl sonal kam, um nach dem Rechten zu sehen.
es noch nicht Abend war. Joseph hatte sich Der Grund dafür sind zum einen die dicken
zwar darüber gewundert, aber er war bereits Mauern des Herrenhauses, welches ja einst-
daran gewöhnt, dass sein Herr sehr auf Sicher- mals eine Burg war, und zum anderen wur-
heit bedacht war. Zwar fühlte dieser sich dann de der Schuss auf eine sehr kurze Entfernung
schon wieder etwas sicherer, doch als er in der abgegeben, so dass der Körper des Toten ihn
Nacht bei seinem Rundgang Stiefel unter dem ebenfalls dämpfte. Zudem war die schwere
Fenstervorhang hervorschauen sah, war ihm Eichentür der Bibliothek geschlossen, so dass
die Situation sofort klar. In einer handgreifli- der Knall des Schusses nur dumpf die direkt
chen Auseinandersetzung mit seinem Verfol- darüber liegenden Räume erreichte.
ger zog Bennett das Gewehr aus seinem Man- Zusammen zogen die drei der Leiche Rey-
tel, doch Mr. Reynolds bekam es zu fassen nolds Sachen an, beförderten die anderen
und sie rangen beide um die Oberhand, wobei Kleidungsstücke in den Burggraben (wie sie
sich ein Schuss löste. Mr. Reynolds schwört, meinten, doch sie blieben unbeabsichtigt im
dass er den Anderen nicht töten wollte und Gebüsch liegen) und legten eine falsche Fähr-
auch nicht bewusst abgedrückt habe, sondern te auf dem Fensterbrett, damit es so aussah,
lediglich in Notwehr handelte. als ob der Täter vom Ort des Verbrechens ent-
flohen wäre. Pauly Bennett, als Mitglied einer
Verbrecherorganisation durchaus bewandert
in der Kunst des Einbrechens, schien durch
das im Erdgeschoss liegende Fenster gekom-
men zu sein, indem er es einfach mittels eines
Brecheisens aufgehebelt und sich dann direkt
hinter einem der flankierenden Vorhänge ver-
steckt hatte. Mr. Bowler entdeckte außerdem
ein Seil mitsamt einem Wurfhaken vor der
Hausmauer, das er zusammen mit dem
Seil und dem Brecheisen in den Burggra-
ben warf. Nur der Ehering war an Rey-
nolds Finger festgewachsen, so dass er
diesen dem falschen Reynolds nicht unter-
jubeln konnte. Mr. Reynolds tauchte in
dem Geheimversteck unter – nur mit
dem Nötigsten versorgt, da die Be-
diensteten nicht bemerken sollten,
dass etwas fehlte. Erst danach wurde
die Dienerschaft zusammengeläutet
und um Hilfe gerufen und so getan,
als ob gerade erst der Mord stattge-
funden habe.