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Die Schrecken

Gott suchen und finden

Ute Piechotta

geschrieben von 2006-2010

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erste Version veröffentlich 2011

2.Version 2021

3. Version 07/2023

Copyright © 2021 Ute Piechotta

All rights reserved.

ISBN: 9781461043652

Titelbild, Layout und Umschlaggestaltung: Ute Piechotta

Verlag: Ute Piechotta Eigenverlag, Wien

Druck: Amazon/KDP, Leipzig

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1 Dieses Buch hat mir lange schwer auf dem Herzen gelegen. Gott hat mir
die Gnade gegeben ihn zu finden. Doch ich habe viele Jahre mit Irrungen,
Wirrungen und kleinen Schritten verbracht und obwohl ich gefunden habe,
hört das Suchen nicht auf. In mir liegt der Gedanke, drängend und schwer,
eine Art Rechenschaftsbericht über jene Jahre des Suchens zu schreiben.
Zu beschreiben, was mich dazu bringt diese oft seltsamen Wege zu gehen,
auf denen ich mich gefunden habe. Nun ist dies aber keine Biographie im
Sinne einer Lebensbeschreibung und doch ist es eine Biographie der
geistigen Wege. -

Ich bin ein Spieler. Ich gebe es zu. Ich bin froh darum. Ich spiele um meine
Seele, um meine Zukunft bei Gott. Es sind oft gefährliche Spiele, die mich
an den Rand meiner Möglichkeiten bringen. Und obwohl ich manchmal
das Gefühl habe, über meine Grenzen zu gehen, so habe ich doch auch
manchen getroffen, der auf seine Art wesentlich entschiedener wesentlich
weitergeht. Manchmal wusste ich nicht, dass man so weit gehen kann.
Ohne moralische Bedenken so weit gehen kann. Vielleicht ohne eine
allgemeingültige Vorstellung von Moral zu haben. Aber davon verstehe ich
nicht genug, Deshalb kann ich es so schlecht einordnen. Es war mehr als
ein Abenteuer für mich alleine nur bis hierher zu gelangen.

Der alte Kampf - gut gegen böse. Der Kampf, der heute so aktuell ist wie
vor Zeiten, der jeden Tag neu stattfindet, in meiner Seele und in der Seele
eines jeden Menschen, der versucht gut zu sein, der versucht, Gott zu
folgen.

Satan ist in der Bibel, jenem Buch das von den Werken Gottes in dieser
Welt berichtet, zunächst der schönste Engel Gottes, Luzifer, an der Seite
seines Herrn. Doch dann wendet er sich von seinem Herrn ab, will selbst
Gott sein und verliert so alles, die Schönheit, das Aufenthalts-recht, die
Freundschaft Gottes. Es scheint, als sei ihm ein Drittel der Engel gefolgt.

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Engel sind soweit ich es weiß, mächtige Wesen, die keinen physischen
Körper haben, aber annehmen können, doch über große Kraft verfügen. Sie
alle leben in einer Welt, die dem Auge gewöhnlich unsichtbar ist. Die aber
dennoch erfahren werden kann. Satan mit seinen nun Dämonen genannten
Gefolgsleuten lebt in dieser Ebene. Er hat unzählige Diener. Geister,
Untote, Menschen, seltsame Tierwesen, seine Gefolgschaft ist vielfältig.
Das ist die Gottes auch, nur scheint das noch weniger bekannt als die
Wesen, die den Menschen feindlich gesinnt sind.

2 Es gibt in der Wissenschaft neuere Aufsätze zu dem Thema, ob


Computer auch ein Bewusstsein haben, in ihrer Art scheinen sie tatsächlich
so etwas zu haben. Je komplexer, desto eher. Wahrscheinlich hat es jeder,
der viel Computer spielt schon immer so gedacht.

3 So klein fühle ich mich, wie ein Mensch vor Gott sein kann, wenn er
Einlass begehrt in das Reich des Himmels. Vielleicht ist er dann, wenn er
sieht, noch einmal ein gutes Stück kleiner. Wenn er begreift, wie groß Gott
ist. Wie mächtig. Wie auch jener Feind der aufrechten Seele sehr viel
Macht hat. Obwohl, heute sind sich viele nicht mehr sicher sind ob es ihn
gibt, den Bösen, das Böse. Doch selbst in seiner verstoßenen Gestalt muss
man annehmen, dass Luzifer noch über sehr, sehr viel Macht verfügt und
über Schönheit und Anziehungskraft. Schließlich ist er auch intelligent, nur
so ist er zum Herrscher dieser Welt geworden.

Es scheint, als sei Luzifer einst der schönste und begabteste Engel,
vollkommene Kreatur unter Gottes Kreaturen gewesen. Bis er anfing, sich
selbst schön zu finden und zu denken, was der kann, kann ich auch.
Augustinus hat es, soweit ich mich erinnere, so beschrieben. Da es in dem

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Sinn keine Schuld gab, bevor Eva von dem Apfel der Erkenntnis aß,
(Geschichte folgt später) konnte Luzifer sich nur um sich selbst zu drehen,
denken, dass er derjenige sei, der Anbetung und Lob verdiente. Da begann
sein Fall. Da begann sein Abstieg. Er fing an, um sich selbst zu kreisen
statt um Gott, der ihn doch geschaffen hatte und der ihn begabt hatte und
überhäuft hatte mit Gaben und Talenten und Schönheit und Weisheit und
ihm einen solch hohen Platz gegeben hatte. Doch Luzifer verlor durch
seine Rebellion den Zugang zu Gott, den Zugang zum Paradies, zu all der
Herrlichkeit, die Gott umgibt. Ich glaube, das hatte er sich so nicht
vorgestellt und hasst seither jene, die diesen Zugang haben, der ihm auf
immer verwehrt ist. Gott hat in den Menschen neue Freunde gefunden und
dementsprechend hasst Luzifer sie mit verzehrender Eifersucht, mit Neid,
und versucht, zwischen sie und Gott zu kommen. Was ihm leider nur zu
gut gelungen ist. Seitdem hören die Seelen der Menschen auf Luzifer,
außer jenen, die gerettet sind vor seiner Macht. Er zerbricht diese Seelen
und zerstört wo er nur kann, immer bemüht, Unfrieden zu säen zwischen
Gott und den Menschen. Den Menschen gilt sein besonderer Hass, nicht
den Engeln, die treu Gott dienen. Die Engel, die ihm damals gefolgt sind,
helfen ihm seither die Menschen fortzuziehen von Gott. Auch jene
Menschen, die sich von Gott abgewandt haben, helfen ihm. Manchmal
scheint es wie eine riesige Armee, gegen die der Gläubige sehr alleine
steht. Doch da auf dieser Erde fast 1/3 der Menschen angeben zu Gott zu
gehören, ist dieses Gefühl wohl unberechtigt.

4 Vielleicht mag ich gerne spielen, weil ich selbst früh beschlossen habe,
zu suchen. Zu suchen, wie das Gute siegen kann, wie man das Böse in
dieser Welt bekämpfen kann. Es steht wie ein Motto über meinem ganzen
Leben. Die Tatsache, dass ich dadurch öfters in Schwierigkeiten geraten
bin und nicht wirklich geschafft habe, mich mit der Lebensart dieser Welt

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zu befreunden, legt vielleicht und hoffentlich eines Tages eher ein gutes
Zeugnis für mich ab. Ich glaube nämlich, dass man nach diesem Leben
nicht friedlich im Grab liegen bleibt, sondern weitergeht und dass das, was
man hier in den 60 oder 80 Jahren getan hat, die 6000 oder 8000 Jahre, die
danach kommen, entscheidend beeinflusst. Man kann sich halt recht
bequem für die Zeit hier einrichten oder sich Mühe geben an die große
Zukunft zu denken und dafür etwas zu tun. Das Böse sehe ich auch nicht
so sehr in diesem oder jenem, da draußen, obwohl natürlich jeden Tag viel
Böses geschieht. Das Übel sitzt in der menschlichen Seele und eigentlich
alle großen Religionen, die mir bekannt sind, versuchen auf ihre Art das
Übel zu lösen, zu klären. Es ist ein seltsames Gefühl, dass ausgerechnet
wir in der westlichen Welt anscheinend jeden Maßstab dazu verloren
haben, dass es außer dem Kampf um das tägliche Brot, den jährlichen
Urlaub und mehr, auch einen täglichen Kampf um das Wohl der Seele gibt.

5 Es ist viel schwieriger zu tun, was getan werden muss, wenn es viel
Ablenkung gibt, viele Dinge, an denen das Herz hängen kann.

Einer meiner Lehrer sagte, der einzige Weg, diese Welt dauerhaft zu
verändern sei, sich selbst zu verändern, sein eigenes Herz zu erkennen und
frei zu machen von dem, was darin an Bösem schlummert. Ich glaube, es
ist das Schwierigste überhaupt, sich selbst realistisch zu sehen, zu
begreifen, wozu man selbst fähig ist. Man kann es lernen, doch es braucht
immer wieder erfahrene Lehrer, die weiterhelfen. Ich habe viel lernen
dürfen und bin den vielen Menschen, die mich gelehrt haben zu Dank
verpflichtet, sei es durch die Bücher, die sie geschrieben haben, sei es
durch das, was sie lehrten, oft auch wie sie es lehrten.

Dieser Weg des Erkennens und natürlich daran anschließend der Versuch,
aus der Erkenntnis etwas Gutes zu gewinnen, ist nicht leicht. Vielleicht hat

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er die Form eines Kreuzes, dieser Weg, der lange Weg nach innen, der
kurze Weg, wie ausgebreitete Arme, um für andere da zu sein. Denn es
muss verstanden sein, dass dies zwei grundverschiedene Dinge sind, die
Erkenntnis mag für Gut und Böse nahezu die Gleiche sein, doch die daraus
folgende Konsequenz zeigt erst, was im Herzen des Menschen ist. Das,
was man dann daraus macht, ist das vielleicht noch Wichtigere gegenüber
der Erkenntnis an sich, auch wenn diese natürlich zu Grunde liegt.

6 Ich überlege, wie viele Menschen heute hier noch an einen großen
Schatten glauben. So, dass es einen Unterschied macht, wie sie ihr Leben
leben. Genauso wie Engel oder Dämonen, Gott oder Teufel, der mit dem
großen Schatten gemeint ist. Gibt es sie in dieser Welt? Haben sie Einfluss
auf das tägliche Leben eines jeden hier? Gibt es diese Mächte jenseits
dessen, was man berühren, festhalten, kaufen kann? Ich glaube schon.
Und, wie oben, wenn man es denn weiß, auf welche Seite schlage ich
mich? Wieder muss der Erkenntnis eine angemessene Reaktion folgen.

Bei den Griechen, im antiken Griechenland, so was im 6. Jahrhundert vor


Christus, da gab es einen Mann namens Platon, der hat gesagt, die
unsichtbaren Dinge seien die wesentlichen Dinge. Die in dieser Welt, im
Greifbaren, Materiellen nachgebildet wären, unvollkommen. In seinem
Höhlengleichnis hat Platon davon geschrieben, dass wir diese Welt nur wie
einen Schatten wahrnehmen und nicht fähig sind, die realen, wirklichen
Dinge wahrzunehmen. Wie der Mensch unfähig ist, direkt in die Sonne zu
schauen. Doch es bedeutet nicht, dass es keine Sonne gibt.

Das Leben dient dazu fähig zu machen, dem Herrn des Schreckens
gegenüber zu treten und zu siegen. Wer wünscht sich nicht, das Böse in
dieser Welt könne besiegt werden, wenn sich nur jemand fände, der tapfer
genug, klug genug, stark genug wäre es zu tun. Wie viele würden sich

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nicht über eine Welt freuen, die frei wäre vom Bösen. Und würden sie,
würden wir das wirklich oder würden wir uns dann langweilen, wenn der
Kick, den der Hauch der Verderbtheit zu verleihen scheint, in den Augen
mancher zumindest, nicht mehr ist? Aber wie viele würden in den Kampf
ziehen, würden ihr Leben dafür geben zu versuchen, zumindest das Böse in
sich selbst zu besiegen, zumindest das eigene Leben aus seiner
Umklammerung zu lösen. Wenn jemandem überhaupt bewusst ist, dass
sein Leben in einer solchen Umklammerung sein könnte?

Allein der Gedanke an ein personifiziertes Böses ist in vielen Gegenden


abhanden gekommen, eingeschlafen. Kaum jemand vermag sich
vorzustellen, dass es Wesen gibt, die Freude an der Qual anderer haben,
die sich weiden an Zerstörung, an Tränen, an Schmerz. Doch es gibt diese
Wesen, es gibt sie sichtbar, unter Menschen, doch es gibt noch mehr davon
im unsichtbaren Bereich dieses Lebens. Und es gibt wenige Möglichkeiten
ihnen zu entkommen. Auch wenn sie hier in unseren westlichen Ländern
nicht so sehr mit Folter, Blut, Tod regieren, es gibt Schlimmeres als den
Tod hat jemand anderes gesagt und es gibt namenlose Qual, ohne einen
Spritzer Blut oder Schweiß. Aufzustehen gegen dieses Böse ist die
wahrscheinlich mutigste Tat die ein Mensch je vollbringen kann, auch die
Gefährlichste und Schwierigste und am wenigsten verstandene.

Wir richten uns ein, in diesem Leben, würgen die Qual hinunter oder
ertränken sie und lassen die Gewissensbisse verstummen, bis wir selbst
glauben, dass wir gerecht und gut sind, bis wir die stinkenden
Elendshaufen, die wir sind, unter Mänteln begraben haben. Bis wir auch
die Großartigkeit des Menschseins unter Mänteln begraben haben, es ist
schwer, das nicht zu tun, es ist schwer, es nicht gut sein zu lassen. Es ist
schwer sich aufzumachen, gegen etwas Unsichtbares, Ungreifbares
aufzustehen, etwas, das den Quell allen Lebens langsam vergiftet.

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7 Ich bilde mir ein aufgebrochen zu sein, doch ich merke jeden Tag, wie
selbst meine anscheinend edelste Anstrengung gut und freundlich zu sein
verfärbt ist, von Stolz und von Unsicherheiten, von Ängsten und von all
den anderen Dämonen, die da noch immer in meiner Seele hausen. Meine
Jagd gilt hauptsächlich diesem inneren Übel, meine Sehnsucht gilt dem
beglückenden Licht, den berauschenden Farben, die dieses Leben so reich
machen, ungreifbare Bilder von Dingen, die sein könnten, die gegen die
Nacht aufstehen, gegen das Vergessen. Manchmal scheinen sie wie ein
Vorgeschmack auf ein Paradies. Mit dem Frust, dass es nicht zu halten ist,
dass die Kraft nie ausreicht, dass es nie gut genug scheint um die Schatten
beiseite zu drücken, um wirklich ein bisschen mehr Licht zu schaffen in
diesem Leben. Lebenskraft zu geben für Momente, in denen es ein
bisschen sichtbar wird, magische Momente die einen Hunger erwecken,
eine tiefe Sehnsucht. Ein steiniger Weg mit vielen Missverständnissen und
dunklen Geheimnissen, ich suche ihn mit all der Kraft, dem Wissen, dass
mir dafür zur Verfügung steht. Doch zu sagen, dass dieser Weg mich sucht
und mit aller Kraft an mir zieht wäre ebenso richtig. Dieser Weg, diesen
Gott, zu dem er führt, ihn zu suchen und gleichzeitig mit ihm unterwegs zu
sein, vielleicht eher zu stolpern, zu humpeln, oft frustriert, weil ich so
wenig Kraft habe, so wenig Möglichkeit seine Geheimnisse zu ergründen,
festzuhalten, weiter zu geben. Oft frustriert, weil nichts zu geschehen
scheint, niemand zu bemerken scheint, keiner je ein Wort darüber sagt.
Doch fest entschlossen, wie verwöhnt von Speisen, die mancher nicht
kennt. Getränke, gegen die Champagner schaler Aufguss ist. Weinend,
klagend, einsam, und doch geborgen in der Unendlichkeit, in der Fülle,
nichts oder kaum etwas besitzend und doch teilhabend an allem. Mehr zu
haben als mancher, der große Reichtümer sein eigen nennt. Das Gefühl,
manchmal der reichste Mensch dieser Welt zu sein, in der
Bedürfnislosigkeit eines Mönches, eines Pilgers, der vom ewigen Wasser

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gekostet hat und den Geschmack an irdischem Wasser mehr und mehr
verliert.

Manchmal scheint das Suchen nach Gott gegen die Tabus der Welt zu
laufen. Zu zerbrechen, was ist, auch das, was gefangen hält. Manchem mag
die Gefängnismauer der Welt Schutz scheinen. Der Wahnsinn ist immer
nah. Das Suchen bringt Schrecken der vielfältigsten Art, Ängste,
Verzweiflung, Not. Die Angst, sich dem zu stellen, sich der Welt zu
widersetzen. Doch genau dies scheint der edelste Zweig des Mensch-Seins.
Die noble Natur eines Menschen, sich immer bewusst bleibend, wie
unzulänglich jeder Versuch einer Annäherung an Gott ist und wie
notwendig. Wie schmerzhaft und wie befreiend, voller Schrecken und doch
auch bereichernd auf seltsame Arten ist es Gott zu finden. Es warten
unbekannte Qualen auf den, der diesen Weg beschreitet, doch ebenso
unerwartetes Glück, Segen, Fülle.

8 Ich habe einmal zugeschaut, wie eine Hündin zehn Junge bekommen hat,
die alle groß zu werden versprachen. Der Besitzer hat sieben davon gleich
eingeschläfert, solange sie noch wie Ratten aussahen ging es relativ leicht.
Wenn sie erst flauschig trocken und süß aussehen, ist es viel schwerer.
Schönheit schützt das Leben unter Umständen, außer natürlich gerade
diese Schönheit weckt Hass und Neid. Feinde sehen fast immer ekelig aus,
während Verbündete recht gut aussehen. Das Hässliche zu verachten oder
zu vernichten scheint leicht.

Mancher meint, heutzutage das Wort Feind abgeschafft zu haben. Es ist


eben eine Herausforderung oder eine Aufgabe, die es zu bewältigen gilt. Es
gibt einen Konsens, nach dem das Alte oder Hässliche nicht einmal
Lebensrecht hat. Als die Krone der Schöpfung sieht sich eine junge,
gutaussehende Elite. Hauptsächlich junge Männer, die meinen, einen

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Anspruch darauf zu haben, zu dieser Elite zu gehören. Manchmal haben sie
sogar recht. Aber es ist eine arme Welt in der sie leben, trotz aller
Annehmlichkeiten. Alles, was ihrem Wohlsein entgegensteht, scheint ein
Feind. Und habe ich nicht auch schon so gedacht? Gemeint, dass jeder, ein
Feind ist. Dabei ist man sich manchmal selbst der ärgste Feind. Trotzdem
darf man nicht außer Acht lassen, dass es Menschen gibt, oder Umstände,
die feindselig sind. Wiederum ist es natürlich eine Aufgabe des Lebens, zu
lernen, damit zu leben.

Wenn ich neben einem Tiger aufwache, ist klar, dass ich anders reagiere,
als wenn es ein Kaninchen ist. Und manchmal muss man neben vielen
Tigern aufwachen, bevor man gelernt hat, dass sie nicht sicher sind. Ich
meine es jetzt auch auf Menschen übertragen. Es ist wichtig, die
Unterscheidung zu lernen, wichtig zu lernen, wer will mir wohl und wer
will mein Wohl (haben). Da liegt ein feiner Unterschied. Manchmal frage
ich mich, ob das im Leben so ist, ob wir uns so grundsätzlich feindlich
gegenüber-stehen, da ja jeder auf das eigene Leben bedacht ist. Da scheint
es manchmal eine sehr zerbrechliche Konvention, das menschliche Leben,
das Zusammenleben überhaupt.

Von Isaac Asimov gibt es ein Buch, in dem der beste Computer der Welt,
hergestellt und gezüchtet um eine Kriegsmaschine zu sein, überkippt,
sozusagen, und um Frieden bittet. Wenn wir alles haben, bleibt die Frage
nach Gott immer noch unbeantwortet. Besser also, zu versuchen, sie gleich
zu beantworten, ehe es nicht mehr anders geht. Doch oft muss es so weit
kommen, oft braucht es eine Situation, in der nichts mehr geht, bevor eine
ernsthafte Suche nach Gott beginnt, nach dem, der eigentlich am Anfang
allen Fragens stehen sollte.

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9 Jeder hat eigene Wege, auf denen er seine Lebenskraft, Lebensfreude
wiederherstellen kann. Es ist wichtig, dies nicht zu vernachlässigen, doch
es ist auch wichtig, diese Energie für Dinge zu verbrauchen, die sinnvoll
sind, die Bestand haben werden. Damit meine ich, dass sie vor der ewige,
majestätischen, unveränderbaren Welt Gottes Bestand haben müssen.

10 Ich frage mich, wie es für einen Soldaten wohl sein mag, auf einmal vor
so einem Ausmaß an Realität zu stehen, wie es ein Krieg bringt. Dass es
Menschen gibt, die Vergnügen daran empfinden, andere zu foltern, zu
quälen, auf viele Arten, ist schwer zu verstehen. Die körperliche Folter ist
die Sichtbarste und vielleicht darum so erschreckend, doch es gibt
genügend raffinierte Methoden unter Menschen einander zu quälen, die
keine oder keine sichtbaren Spuren hinterlassen.

Für einen Menschen, der relativ harmlos sein Leben lebt, sind manche
Bilder erschreckend, erschreckender noch das Wissen, das solches jetzt an
anderen Stellen dieser Erde geschieht. Der dringende Wunsch etwas
bewirken zu können, zumindest in mir selbst die Wurzeln auszureißen, zu
vernichten was dort in irgendeiner Form ruhen mag, das Schmerz zufügt.
Dann denke ich an Gott, an diesen Gott der Christenheit, der seinen
einzigen Sohn gegeben hat um zu leiden, ihn ganz bewusst in den Schmerz
gegeben hat. Ist das grausam gewesen? Macht es einen Unterschied, dass
er zugestimmt hat, dass Jesus dieses Leid freiwillig getragen hat? War es
Liebe für uns seltsame Wesen Mensch, die Gott veranlasst hat, so etwas zu
tun? Und was ist dann mit seinen Kindern, Dienern, zu denen wir werden
können, wenn wir zu ihm gehören? Jesus hat einmal gesagt, im besten Fall
wäre der Diener nicht mehr als der Herr. Kein Wunder, dass so wenig von
diesem Christengott wissen wollen? Wer lebt so? Wer möchte so leben?
Und wer hat den Mut, dem eigenen Anteil daran ins Auge zu sehen? Zu

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begreifen, zu was ein Mensch fähig sein mag, manchmal nicht einmal
durch seine eigene Schuld, denn es gibt Mittel und Wege, einen Menschen
das Zivilisierte vergessen zu lassen.

Wer nur alleine erlebt hat, wie ein ständig tropfender Wasserhahn alle im
Umkreis gereizt macht, der mag sich ausdenken, was Schlaflosigkeit,
Hunger, Trommeln und ähnliches mit einem Menschen machen kann. Die
Psychologie hat da ein ganzes Arsenal an bewusstseinsverändernden
Möglichkeiten. Brot und Spiele, das haben schon die Römer postuliert,
halten die Menschen ruhig. Härtere Maßnahmen zerbrechen das Gefüge
eines Menschen. Zerbrechen, was er ist oder sein könnte, lassen ihn
verletzlich sein für bewusstseinsverändernde Methoden. Unsicher, was wir
hier wären, gäbe es nicht genug zu Essen und kein Dach über dem Kopf
und keinen Fernseher, noch ohne an Krieg oder Schlimmeres zu denken.
Erschreckend, wozu Menschen imstande sind um des Vorteils willen,
selbst da, wo keine materielle Not offensichtlich ist. Doch sind die
immateriellen Nöte oft die Größeren, vielleicht Tieferen, auch, weil sie so
schwer zu entdecken sind. Wer weiß schon, dass die inneren Nöte und
Zwänge durch den Zugewinn an Materiellem wahrscheinlich nur größer
werden. Viele Menschen geben ein Stückchen ihrer Seele ab für den
ersehnten Wohlstand und leben in sehr engen Grenzen, um das zu
bewahren. Könnte man dies an Länder weitergeben als Warnung. Dieses
Westeuropa als Schlaraffenland zu betrachten ist zu kurz gedacht. Wie
viele hier ihre Seele auf das grausamste misshandeln oder misshandeln
lassen müssen ist völlig unbekannt. Auch die Auswirkungen nicht nur auf
das Ich, sondern auch auf zwischenmenschliche Beziehungen. Manchmal
scheint es, als wären wir hier fast alle nur noch „Dummies“. Dumb.
Verwöhnt in materieller Hinsicht, verhungernd nicht nur in emotionaler,
sondern mehr noch in spiritueller Hinsicht. Wenn die vielen Reize
wegfallen würden, die uns am Funktionieren halten, wird dann die Leere

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sichtbar? Eine ganze Gesellschaft von krabbelnden Wesen, die vergessen
hat, wer sie ist. Manchmal frage ich mich sogar ob Menschen in
Krisengebieten, in Notstands-gebieten, deshalb zufriedener wirken, weil
sie näher an der Realität sind und auch, weil sie vielleicht das Gefühl
haben, dies ist vor Gott, was sie verdienen. Das macht zufrieden, wenn ich
das Gefühl habe, mir geschieht Recht. Auch, wenn dies ein schrecklicher
Gedanke ist. Auch, wenn Schreckliches geschieht.

Das wir hier so oft unglücklich und depressiv sind, lässt nachdenklich
werden. Eigentlich hätten praktisch alle, die hier leben, Grund genug jeden
Tag zu feiern, wenn man nur die materiellen Umstände bedenkt. Das kann
durchaus freundlich sein, Kaffee und Kuchen oder so, es muss nichts mit
Alkohol oder ähnlichen zu tun haben. Da scheint schon wieder
Verzweiflung durch und der Wunsch, alles zu betäuben. Schon seltsam,
wie viele gerade junge Menschen so Wege suchen, einer Wirklichkeit zu
entfliehen, die in anderen Teilen der Welt das Nonplusultra scheint. Ich
war auch so. „Jeder“ hätte beneidet, was ich hatte. Nicht unbedingt
Reichtum, aber genug. Erfolg in der Schule. Die Möglichkeit zu studieren,
ein ganzes Studium, an einer guten Universität. What's not to like? Nur,
dass ich das Gefühl hatte, jemand schnürt mir die Luft ab. Dass ich ein
riesiges Loch in mir habe. Wie ein Eimer mit Loch im Boden. Mein
Bedürfnis diesen Eimer zu flicken schien die dringendste Aufgabe. Zur
großen Enttäuschung meiner Familie.

Fausts Drama von Mephisto bleibt von immerwährender Aktualität.


Solange der Mensch begehrt, was ihm nicht bestimmt ist und was er nicht
haben kann, ist er leicht angreifbar. Das Wissen um solche Abhängigkeiten
schwindet anscheinend zusehends. Wieso auch, scheint mancher zu fragen,
da es keine sichtbaren Auswirkungen hat. Doch der eigenen Seele verlustig
zu gehen ist für einen Menschen vielleicht das Schrecklichste, was einem
Menschen passieren kann, weil er damit sein Mensch-Sein aufgibt und

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mehr und mehr zu einem Tier wird, das sich um die Befriedigung seiner
Instinkte kümmert. Wobei durchaus auch Tiere eine Seele haben und dem
Menschen überlegen sein können.

Wen kümmert es, solange man drei Urlaube im Jahr macht und keinen
Hunger leidet und ein schickes Auto fährt? Doch ist dies ein neuer Zwang
geworden, ist das Privileg jetzt eine Falle? Ein „Du musst besser, größer,
schöner sein“? Diese Gesellschaft hat es geschafft, selbst aus dem „Spaß
haben“ noch einen Zwang zu machen, denn wir sind alle so entspannt und
cool und relaxt. Der, der das nicht sein kann, ist schon gehandikapt im
sozialen Leben, in der Jagd nach Anerkennung und im Kampf um sein
Leben. Wer lebt schon noch „sein Leben“? Wer traut sich? Und ist es
überhaupt erstrebenswert sein Inneres zu verwirklichen? Wie der Jaguar
sein Fell nicht wechseln kann, es wird immer dunkle Flecken haben, so hat
jeder Mensch dunkle Stellen in der Seele. Man kann auch durchaus
argumentieren, dass der Untergrund dunkel ist, mit hellen Flecken. Der
umgekehrte Jaguar.

Ich denke, dass ein Gutteil der Unzufriedenheit hier daher rührt. Die tiefe
Gier nach einem Mehr an Leben, die eher noch größer wird, je länger das
Leben dauert. Immer schwieriger, sie auszudrücken. Ich habe in der
Jugend von Siddharta gelesen, Hermann Hesse hat ein Buch darüber
geschrieben. Wenn auch nicht alle an einem Fluss sitzen können um
Menschen hin und her zu fahren, so denke ich, dass diese Grundhaltung
des inneren Friedens genau das ist, was uns hier fehlt. Zufriedenheit kann
man, denke ich, nur innen finden und nicht außen in den Umständen, sowie
natürlich ein bisschen Überlebensmöglichkeit gegeben ist. Doch wenn ich
Bilder sehe von Menschen, die echte Gräuel überlebt haben, so scheinen
sie um vieles dankbarer als Menschen, denen solches erspart geblieben ist,
obwohl diese doch eigentlich zutiefst dankbar sein müssten, dass sie
solches nicht erleben müssen. Und manchmal frage ich mich, ob es nicht

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besser wäre zu sterben, bevor man seine Seele aufgibt, denn die Seele ist
es, die den Menschen ausmacht, der Körper ist ihr Haus. Wir Menschen
sind Seelen, die in Körpern leben. Obwohl es natürlich Verbindungen
zwischen dem materiellen Teil und dem immateriellen Teil.

Im Alten Testament ist die Gier, der Wunsch besser zu sein, mehr zu
haben, die Ursache aller Übel, vom Fall Luzifers, über den Augustinus
schreibt, dass er begann, sich selbst als ebenso schön wie Gott zu
empfinden. Der, indem er so um sich selbst kreiste, den Abgrund öffnete.
Den, des „Ich bin besser als...“ Abgrund des Neides und des Hasses.

Ich denke an Adam und Eva, die so sein wollten wie Gott, auch sie
scheinen gedacht zu haben, warum nicht auch wir, warum kann ich nicht
Gott sein, warum kann ich nicht sein wie Gott. Vielleicht waren sie
aufgestachelt, doch die Wurzeln dieser Unzufriedenheit gehen tief. Sie
auszurotten und zufrieden in sein Schicksal einzuwilligen, wer hat die
Größe dies zu ertragen? Wer hat die Größe gegen die eigene Gier
aufzustehen und zu sagen: Das reicht jetzt? Es gibt immer wieder
Menschen, die es tun, die es versuchen. Heutzutage landen viele von ihnen
in der Psychiatrie, weil sie an dieses Leben hier völlig unangepasst sind.
Dann kann es selbst Gier sein, die Gier zu besiegen, Stolz, den Stolz zu
besiegen. Stolz darauf gut zu sein oder zumindest zu versuchen gut zu sein.
Das menschliche Herz ist zu höchstem Gut fähig, aber auch zu gemeinster
Niedertracht. Dies nicht nur anderswo, sondern gleich hier, bei mir, in mir
drin. Diese Dämonen in mir zu bekämpfen, zumindest in mir für Frieden
zu sorgen ist eine Aufgabe, der ich oft nicht gewachsen bin, so viel scheint
nach zu quellen, wann immer ein winziger Teil geschafft wurde. Wie
Unkraut, das diesen Garten als den Seinen betrachtet und alle Blumen oder
Kohlköpfe, die da wachsen mögen, als unerwünschte Eindringlinge
betrachtet. Das Geflecht ist so dick, dass es unmöglich scheint selbst von
Gutem zu sagen, es sei je gut genug. Jeder Gedanke, der die Möglichkeit

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eines Besser Seins enthält, enthält nach innen ebensolche Abgründe wie
nach außen. Im Römerbrief steht, dass wen immer man verurteilt, man sei
fähig das Gleiche zu tun. Man wird Teil dieser Tat, indem man sie so
verfolgt und betrachtet. Im eigenen Herzen sind die gleichen Wurzeln
dessen, was wir aufs Tiefste verdammen, aktiv. Zudem steht es einem
Menschen nicht gut an, Richter zu sein. Doch ist es wieder auch ein
Auftrag für Ordnung zu sorgen, dem Guten so weit wie möglich zum Sieg
zu verhelfen. Was für ein schier unentwirrbares Geflecht von Schuld und
Verstrickung um unsere Seelen engmaschig geflochten ist, durch sie
hindurch, aus ihnen heraus quillt, es ist zutiefst traurig.

Ich habe schon ein bisschen über das Gut-Sein geschrieben. Welches Gut-
Sein, fragt man sich vielleicht sofort. Doch das Gewissen weiß es schon.
Im Menschen selbst wohnt eine Art Richtschnur, die anzeigt wo es lang
geht. Und so sehr mancher auch nichts anerkennt, was als Maßstab dienen
könnte, wenn er selbst betroffen ist, weiß er es sofort wieder, keine Frage.
Die Grenzen von Mein und Dein mögen verschwimmen, doch da, wo
jemand mein Geld stiehlt, mein Kind schlägt, meine Freunde tötet, da weiß
ich es sofort wieder. „Dein“ mag ein wischi-waschi Begriff sein, „Mein“
ist stark und klar und Richter über alles, was geschieht. Es gibt
anscheinend in allen Zeiten, in allen Gesellschaften Grundlagen, die sich
sehr, sehr ähnlich sehen. Dass es etwas Gutes gibt, scheint unbenommen,
doch damit muss es auch einen höchsten Maßstab geben, ein höchstes Gut,
von dem alles Gute seinen Maßstab herleitet. Von dem jeder, der sich
darum bemüht, seinen Maßstab herleitet. Schon allein zu denken, dass
Frieden besser ist als Krieg impliziert einen solchen Maßstab, es scheint ja
lächerlich, eine solche Frage überhaupt zu stellen.

Es gibt genügend Menschen, die vom Krieg profitieren. Doch selbst diese
würden lieber selbst im Frieden leben, den Krieg, der sie reich macht,
betrachten sie eher von weitem. Sie wissen genau, was besser ist, besser

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für sie jedenfalls. So ist es für fast jeden. Doch zu entdecken, dass das
Beste für einen Menschen sein mag, vor dem ewig Guten unfehlbar
dazustehen, oder gereinigt dazustehen, das ist ein schwerer Weg. Ich
denke, jeder weiß irgendwie, dass er dorthin unterwegs sein sollte. Jeder
weiß irgend-wie, dass es das einzig Richtige ist, doch wie schon Adam Eva
beschuldigte, als das Übel dann getan war, so findet jeder seine Ausrede,
warum gerade er diesen Weg nicht gehen kann oder warum gerade er so
gestolpert ist. Auch wenn es unzeitgemäß erscheint, zu versuchen gut zu
sein und mit den Konsequenzen dessen zu leben, es ist das, was in diesem
Leben wirklich zählt. Jedes Scheitern, jeder Fehler, der tagtäglich passiert,
soll nicht entmutigen zu sagen, sondern noch mehr dazu drängen sich
gegen den zu werfen, in dessen Hand es liegt, das Gute, und die Fähigkeit
es zu erkennen und zu tun.

Doch dazu braucht es Demut. Demut und tiefe Liebe zu lernen ist
vielleicht das Schwerste überhaupt, das ein Mensch je vollbringen kann.
Wobei Demut nicht gerade zu den angesagten Tugenden zu gehört in
diesen Zeiten. Doch Jesus hat gesagt im Ende werden die Demütigen die
Erde besitzen. Die, die das eigentlich nie gewollt haben. Sich vor ihm zu
verneigen ist wahrlich eine edle und große Tat. Es fehlt daran, es fehlt aber
selbst an Menschen, die genügend darüber wissen. Wenn sie endlich
genügend darüber wissen, sind sie von sich selbst so angeekelt, nehme ich
jedenfalls an, dass sie nicht mehr lehren mögen. Das ist, glaube ich, eines
der großen Probleme damit. Ich denke jedoch, dass es manchmal ganze
Schübe von Aufbrüchen gibt. Menschen, die sich neu darauf besinnen zu
suchen, zu fragen, nicht unbedingt laut, nicht unbedingt in Zeitungen
gedruckt, sondern in aller Stille. Das Beste, was ich dazu sagen kann, ist,
dass es einen Weg gibt, heraus aus der Unzufriedenheit. Er ist nicht
besonders einfach, wie alles, was man wirklich von Herzen zu lernen
versucht, doch es gibt ihn. Dass es ihn gibt ist eine gute Neuigkeit für alle,

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die schier verzweifeln wollen an diesem Leben oder an sich selbst.
Allerdings würde ich wahrscheinlich meinem größten Feind, so ich denn
einen hätte, zwar wünschen dort unterwegs zu sein, nicht aber auf die
Schwierigkeiten zu treffen, die da so herum lauern. Die Gefahren, auf die
man trifft, sind um vieles größer als alles, was man sich ausdenken kann,
es ist ganz leicht, dabei wahnsinnig zu werden, vor Schmerz, vor
Enttäuschung, vor Qual, vor Einsamkeit. Nein, so habe ich es mir nicht
vorgestellt, als ich in meiner Jugend aufbrach um diesen Weg zu finden.
Andererseits habe ich mir auch nicht vorgestellt, jemals so viel Frieden
oder innere Ruhe zu finden. Nein, auch das war nicht einmal ansatzweise
denkbar. Nicht einmal, dass es so etwas gibt konnte ich denken. Ich bin bei
weitem nicht weit auf diesem Weg, habe nicht das Gefühl, wirklich schon
etwas erreicht zu haben in dieser Hinsicht. Erst die Gegenüberstellung
bringt an den Tag, wie viel mehr Gelassenheit ich inzwischen habe. Aber
die Aufgaben scheinen schwerer zu werden, je weiter man kommt.

11 Das ist, glaube ich, oft eine Verlockung, eine Gefahr, wenn man etwas
sehr bekämpft, bekommt es Macht über einen, man lernt es so gut kennen,
dass es anfängt Faszination zu versprühen, auch das Böse kann eine ganz
eigene Faszination entwickeln. Oft sogar weit schneller als das Gute, das
dagegen langweilig scheint und gegen den schnellen Ruhm und Erfolg
langsames Wachsen von Frieden und Gnade verspricht. Mit der Zeit saugt
das, was man bekämpft die Kraft aus einem heraus, so dass man ihm am
Ende unter Umständen näher steht als dem, wofür man gekämpft hat. So
verfallen Menschen den Dämonen, die sie bekämpft haben. Zusätzlich
habe Dämonen natürlich eigene Mittel um sich Menschen, Geist und Seele
eines Menschen untertan zu machen, andere in ihren Bann zu ziehen, zu
verderben, zu zerstören. Es ist schwierig, ihre Ränke zu durchschauen, sich
dem subtilen Einfluss zu widersetzen, da, wo man ihn bemerkt, wenn man
ihn bemerkt und wenn man sich widersetzen will, denn oft warten dort

19
recht interessante Verlockungen, Verlockungen, die hier und jetzt
ansprechend sind.

12 Seelische Schäden, innere Kämpfe sieht man nicht. Innere Schäden sind
mindestens so verheerend wie Äußere, vor allem, was das
Zwischenmenschliche angeht. Dies soll keine Entschuldigung gegenüber
armen Ländern sein, denen es oft am Notdürftigsten zum Leben fehlt. Nur
ein Hinweis, dass es in diesen westlichen Ländern der Seele oft an Essen
fehlt. Der Hunger ist so groß, die Gier scheint schier unermesslich, wenn
sie einmal geweckt ist. Wenn einmal ein erster Tropfen, ein Vorgeschmack
dessen, was sein könnte, den Menschen auf den Geschmack gebracht hat.
Doch alleine schon die Erkenntnis, dass die Seele Hunger und Durst hat
fehlt vielen, wie auch das Wissen um die tägliche Pflege ihrer. Als dürfe,
wo der Körper Ansprüche hat, die Seele keine haben. Doch da wir den
Körper abgeben, nach einer relativ kleinen Anzahl von Jahren, die Seele
aber behalten bis über die Grenzen der Ewigkeit hinaus, ist deren Pflege
eigentlich vordringlich, wichtiger als alles, was man sonst tun könnte.

Wie bin ich so weit gekommen, wie bin ich dahin gekommen, wo ich jetzt
bin? Die Wurzeln reichen weit zurück. Ich war fast noch ein Kind, da starb
jemand, der für mich sehr, sehr wichtig war. Bis dahin hatte ich den
vielleicht stolzen Plan, Ärztin zu werden, doch der Traum zerbrach an
dem, was da geschah. Denn selbst Ärzte konnten nicht helfen, konnten
nicht retten, konnten vor allem nicht das Weltbild voller Vertrauen retten,
das ich noch hatte, angesichts dessen, wie andere auf das reagierten, was
da geschah. Damit wuchs ganz langsam die Überzeugung, dass etwas
Grundsätzliches falsch war, etwas, das auch Ärzte nicht heilen können. Die
Wurzel des Übels liegt tiefer. Also habe ich mich daran gemacht nach

20
dieser Wurzel zu forschen. Und auch danach, wie man dies wohl heilen
könnte.

Ich bin aufgebrochen, innerlich zunächst, suchend geworden, fragend,


immer versuchend, das Zugrunde liegende zu sehen. Habe gesucht nach
etwas, das hält was es verspricht, etwas, worauf man sein Leben bauen
kann. Habe auch selbst versucht jemand zu sein, auf den man bauen kann.
Und seitdem lebe ich wie auf Wanderschaft in praktisch jeder Beziehung.

13 Manchmal muss auch warten bis die geistige Energie nachgeflossen ist.
Wir erschöpfen uns auch geistig und emotional. Dann müssen die Batterien
wieder aufgeladen werden, das kennt jeder. Besser auch, man konzentriert
sich auf eines, höchstens zwei Dinge. Schwerlich gelingt es, alle
vorhandenen Fähigkeiten auszubauen, man beschränkt sich frühzeitig auf
das, was am Brauchbarsten oder Wichtigsten scheint und vernachlässigt
darüber das andere, notwendigerweise. Zumindest sollte es so sein, es gibt
eine Tendenz, gerade das, was man nicht kann zu verlangen, zu fördern um
in allem ein gutes Grundgerüst zu haben. Bis zu einem gewissen Grad mag
das nützlich sein, doch danach gilt es, spezielle Talente zu entdecken und
zu fördern um das zu tun, worin man am besten ist, wozu man auf dieser
Welt ist. Ein Wal wird selten ein guter Baumkletterer, ein Eichhörnchen
kein guter Schwimmer. Ein Hund frisst kein Heu und ein Esel keinen
Knochen. Bei aller Diskussion um Chancengleichheit in der Diversität
wird das schnell vergessen.

Vielleicht stellt mancher später fest, dass er sich auf das Falsche
konzentriert hat. Manches kann man ausbessern, doch anderes ist vorbei,
die Gelegenheit kommt nie wieder. Das Risiko trägt jeder mit sich, jeder
trifft Entscheidungen, die sich später als falsch heraus stellen können, oder
als richtig und erfolgreich. Man muss trotzdem entscheiden, so gut man

21
kann. Stehen zu bleiben und alles abzuwägen verhindert das Fehler
machen leider nicht. Je nachdem kann es ein Fehler sein abzuwägen oder
nicht nachzudenken, schnell zu handeln oder lange zu warten. Es gibt
leider keine gültige Regel für alle, außer vielleicht der, zu versuchen
niemanden zu verletzten oder Dinge zu tun, denen man sich selbst nicht
gerne ausgesetzt sehen möchte. (Hat Kant als Kantischen Imperativ
formuliert, bleibt das Problem was passiert, wenn der Esel dem Hund sein
Heu anbietet oder wenn der Hund aus lauter Liebe dem Esel seinen
Knochen anbietet. Weisheit, oh, Weisheit. Schließlich kann der Hund von
Heu nicht essen oder satt werden, da stirbt er dran. Wie viele Kriege
mögen so schon entstanden sein oder Streitigkeiten zwischen Eheleuten.
Aus lauter Liebe.)

14 Es scheint so banal heutzutage. Feuer und Feuerwaffen gehören zum


täglichen Leben. Doch bevor die Menschen sich das Feuer untertan
gemacht hatten, war es eine wirklich große Sache. Feuer war eine
Urgewalt, die durch Blitze große Brände verursachte. Zusätzlich zu dem
direkten Schaden durch einen Blitz getroffen zu sein. Heutige Waldbrände
sind eine Erinnerung an die fürchterliche Macht des Feuers. An die
Hilflosigkeit des Menschen gegen eine Feuersbrunst. Wenn das Feuer dann
aus war, war es fort. Feuer, aus aneinander geriebenen Steinen zu
entwickeln, Feuer, als den Göttern von Prometheus gestohlen, oder ein
Geschenk derselben an die Menschen. Damit die Menschen es auch hätten.
Feuer gibt Licht und Wärme und war Jahrhunderte lang die einzige Quelle
für beides. Damit hat es die Möglichkeiten des Menschen sich zu
entwickeln stark beeinflusst. Die ganze Geschichte der Menschheit wäre
anders verlaufen, gäbe es kein von Menschen beherrschtes Feuer. Es gibt
viele Geschichten und Mythen, wie es schließlich dazu kam, dass der
Mensch lernte das Feuer zu beherrschen.

22
Alleine nur Prometheus Geschichte, von den Göttern grausam bestraft, an
einen Felsen gekettet, zeigt, dass auch den damaligen Göttern klar war, das
der, der das Feuer beherrscht, Macht hat. Feuer zu nutzen um Essen zu
kochen, eine Höhle, eine Behausung zu wärmen, Tiere zu jagen, zu
erschrecken zum Beispiel. Die Menschheit ist durch das domestizierte
Feuer weiter gekommen. Bis zur Erfindung der Nutzbarmachung der
Elektrizität waren alle Lampen eine Form von Feuer, alle Heizung mit
Feuer verbunden, jeder Herd. Der doppelte Nutzen von Licht und Wärme
war wesentlich um den Menschen zu schützen. Ihn zu zivilisieren. Ob die
damaligen Götter eifersüchtig über das Feuer wachten aus Missgunst, ob
sie Dämonen waren, oder eine Personifizierung von Naturgewalt waren,
immer bleibt Feuer ein wichtiger Bestandteil des Lebens.

Leider hat der Mensch schnell begriffen, dass man damit auch sehr gut
Krieg führen kann. Explodierendes Dynamit, Feuerpfeile, brennendes
Pech, Gewehre, sind Beispiele. Während Eis und Blitz weiterhin
weitestgehend Naturgewalten sind, wobei die Elektrizität auch das Eis und
Blitz (ist ja eine Form von Elektrizität) nutzbar gemacht hat, so hat doch
Feuer einen ganz besonderen Stellenwert in der Entwicklung des
Menschen, vielleicht auch gefühlsmäßig. Jeder, der schon einmal um ein
Lagerfeuer gesessen hat, weiß um die Anziehungskraft des Feuers in der
Dunkelheit, die Schutz und Geborgenheit und Wärme verspricht. Das
Lagerfeuer mit einer Gruppe von Freunden, die Gitarre, einige Lieder, es
hat eine große Anziehungskraft. Dass man leicht vorne halb gegrillt ist,
während es im Rücken zieht ist eine andere Geschichte. Doch ist diese
Wärme immer Anziehungspunkt gewesen, Versprechen von Sicherheit vor
den Gefahren der Nacht. Selbst jetzt hat das Licht der Glühlampe eine
ähnliche Wellenlänge wie die des Feuers, obwohl man es auch ganz anders
herstellen kann, doch ist dieses Licht immer noch weit verbreitet. Das

23
Bedürfnis des Menschen nach Sicherheit ist groß, es ist eine der größten
Triebkräfte die Menschen haben, sich selbst und die Seinen abzusichern.

Vielleicht hängt das mit Urängsten des Menschen zusammen, mit der
Veranlagung, den Genen sozusagen, auch mit dem Willen zu überleben. Es
ist erstaunlich was ein Mensch schaffen kann um zu überleben, um
Sicherheit zu finden für sich und die Seinen, auch, wie grausam Menschen
sein können, wenn sie anderen dies versagen. Oder wenn es ihnen versagt
wird.

Götter sind oft als Beherrscher des Feuers aufgetreten. Eine der ersten
Offenbarungen des Gottes der Bibel geschah in einem brennenden
Dornbusch. Moses war entsprechend erschrocken. Er wusste um die Macht
des Feuers. Natürlich verwendeten die Menschen schon Feuer, aber ein
wildes Feuer war und ist gefährlich. Bei Gott ist Sicherheit zu finden,
Wärme, Schutz, Licht. Dass dies manchmal auf Kosten des äußeren
Lebens gegangen ist und geht, ist schon früh überliefert. Noch immer sind
Christen in manchen Ländern verfolgt und verhaftet, nur alleine für diesen
Glauben. Auch in den westlichen Breitengraden ist der Gott, auf dessen
Offenbarung dieses ganze System beruht, nicht sonderlich populär.
Zumindest scheint es so, wenn Menschen danach gefragt werden. Viele
glauben vage, doch eine ernsthafte Bekanntschaft mit Gott scheint
unerwünscht. Wie einst Adam und Eva mit Gott durch das Leben zu
wandern, dafür auch die Konsequenzen zu tragen, das geschieht meist
nicht wahrnehmbar, unhörbar. Weshalb? Weil es nicht besonders angesagt
ist, religiös oder gläubig zu sein? Mit Gott im Verbund zu sein wird
manchmal sogar als arrogant oder unmöglich oder krank belächelt. Die
tiefen Erkenntnisse des Mystizismus, der Versenkung in Gott, scheinen
selbst als Möglichkeit unbekannt und unerwünscht. Von dem Wagnis, sich
auf diesen ganz anderen Weg einzulassen einmal ganz zu schweigen. Das
Feuer ist unpopulärer geworden, man braucht es nicht mehr zum

24
Überleben. Der Gott des Lichtes scheint mit ihm verschwunden zu sein, als
könnte der Mensch das jetzt selber schaffen, als wäre er jetzt selbst Gott.
Es werde Licht, sprach Gott ziemlich am Anfang. Was damals in Chaos
und ewiger Nacht etwas ganz Ungeheuerliches war, heute kann das jeder,
zumindest empfindet man es vielleicht so, man braucht ja nur auf den
Lichtschalter zu drücken und es wird Licht.

Das ist nicht mehr spannend, das ist Alltäglichkeit, Selbstverständlichkeit


geworden. Es ist, als würden die Menschen sich ihrer eigenen Wurzeln
berauben. Das Wissen um die Macht des Feuers bringt auch die Angst vor
seiner zerstörerischen Macht. Gott kann im Leben eines Menschen auch
ein all-verzehrendes Feuer sein, auch da, wo Menschen auf Schutz
angewiesen sind. Vielleicht erträgt jener Mensch die Abhängigkeit von
Gott nur sehr schwer, zu groß ist der Stolz es selbst zu können, es selbst zu
machen, es zu beherrschen. Gott zu beherrschen. Doch wie eine wütende
Feuersbrunst nicht zu beherrschen ist, so ist Gott nicht zu beherrschen. Er
ist Schutz und Wärme und Licht und eine dem Ich zerstörerische Macht.
Wer ihn braucht, wird Zuflucht finden. Doch seine Macht mag den
überwältigen oder vernichten, der mit solcher Macht zu spielen vermeint.

15 Maeterlinck hat geschrieben, dass die Seele vielleicht das schönste


Verlangen der Intelligenz ist, während Gott das schönste Verlangen der
Seele ist. Das ist sehr poetisch ausgedrückt, von der Sehnsucht nach Gott
sprechend.

Nach Gott zu verlangen ist die beste Regung der menschlichen Seele, und
ein jeder glaubt, ein jeder denkt in Wahrscheinlichkeiten, d.h. im Glauben.
Alleine nur sein Auto auf einem Parkplatz wieder zu finden beruht auf
dermaßen viel Glauben, sei es der spezielle Platz, sei es die Tatsache, dass
dies mein Auto ist, sei es die Tatsache, dass dies überhaupt ein Auto ist

25
und ich es besitze, alles Annahmen, die als selbstverständlich gelten.
Müsste man es jedes Mal neu belegen, wäre der Wahnsinn nicht weit und
das normale Leben kaum zu bewältigen. Doch ist es gut innezuhalten und
zuzugeben, dass es alles auf Glauben beruht. Auf Annahmen, die ich mit
anderen teile. Je mehr Annahmen ich mit anderen teile, desto sicherer fühle
ich mich, desto sicherer finde ich meinen Platz in dieser Welt. Die größte
Sicherheit liegt natürlich in Übereinstimmung mit dem Schöpfer dieser
Welt, mit dem Einstimmen in die Gesetze dieses Universums. Aber, wie es
für Jesus den Tod bedeutet hat, so kann das auch für andere gelten.

Man mag jene Welt verleugnen, jene unsichtbare Welt, abschaffen kann
man sie damit nicht. Wenn ich der Kaffeekanne den Rücken zukehre ist sie
noch da. Wenn ich zehn Mal sage: Ich sehe keine Kaffeekanne. Sie ist da.
Solange jemand sie als Kaffeekanne definiert. Vielleicht ist der Erfolg
eines Buches, wie es Harry Potter war, auch ein Stück Sehnsucht nach der
unsichtbaren Welt. Nach einer nicht so sehr im Materiellen verhafteten
Welt. Es gibt genügend Aufsätze darüber, es gibt genügend Sehnsucht in
der Seele. Hunger nach dem, was der unsichtbaren Welt entspringt und
was mit den alltäglichen Gewissheiten nichts zu tun hat. Doch ist es
handlich in Bücher verpackt abends am Kamin zu lesen, so beunruhigt es
nicht allzu sehr, was da geschrieben steht.

Vieles beruht nicht einmal so sehr auf Hexerei, sondern auf einem Wissen,
das nicht jedem zugänglich ist, das sich nicht jeder zugänglich macht. Zum
Beispiel scheint Pharmazie recht viel mit der Mischung von Zaubertränken
zu tun zu haben. Ich las, dass es ein neues Medikament geben mag, das aus
einer Substanz gewonnen wird, die im Speichel von einer seltenen
Echsenart vorkommt. Ob es dieses Medikament geben wird weiß ich nicht,
doch alleine die Zubereitung und Auffindung solcher seltener Substanzen,
hat viel mit diesem Wissen zu tun. Es hört sich sehr nach Zaubertrank an.

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Die Suche nach seltenen Zutaten aus der Pflanzen- oder Tierwelt ist ein
gefährliches, aber gut bezahltes Geschäft.

16 Menschen können Dämonen verfallen, ihnen Untertan sein, sie in sich


wohnen lassen, ihnen dienen und nach dem Tod natürlich in deren Reich
eine Position haben. Genauso kann man Gottes Geist in sich wohnen
lassen, ihm dienen, ihm Untertan sein, wenn man ihn darum bittet. Es sind
ganz verschiedene Welten, Weltordnungen. Da Luzifer sein wollte wie
Gott sind seine Mittel und Wege, auch seine Hierarchien immer ein
Abglanz von denen, die in Gottes Reich herrschen, wenn die Seinen
natürlich auch von Fall gezeichnet sind und niemals die Würde und
Schönheit von Gottes Dienern erreichen, dafür erreichen sie oft eine
schnelllebige Schönheit, leichtes Glück, Verlockung für viele. Dem Guten
dienen zu dürfen ist eine echte Ehre, mag es auch mühsamer oder weniger
glanzvoll sein. Viele sind darüber gestrauchelt, über den Wunsch vor der
Welt gut dazustehen.

Ob es Untote gibt? Ob sie ins Leben zurückkommen müssen oder können,


oder ob es Dämonen sind, die die Gestalt eines vertrauten Menschen
annehmen? Vampire, da ist es noch relativ einfach, Parallelen zu ziehen,
Menschen, die einem schier das Blut aussaugen, nach deren Gesellschaft
man wie ausgepumpt, erschöpft zurück bleibt. Menschen, die auch noch
das Mark aus den Knochen zu saugen scheinen, die alle Freude in sich zu
verschlucken scheinen und die doch einen unheilvollen Sog, eine düstere
Faszination ausüben. Es gibt genügend davon. Menschen, die alles an sich
reißen, dabei noch glücklich und beliebt scheinen, die nicht über
wortwörtlich Tote gehen, doch über die ausgesaugten Hüllen von vielen.
Es gibt genügend Beispiele dafür. Graf Dracula, ein bekanntes Beispiel
eines Vampirs, legendärer Graf aus Transsylvanien, das liegt hinter

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Rumänien oder ist Teil von Rumänien heutzutage, er braucht Blut, die
Lebenskraft eines Anderen, um sich zu erhalten, sich zu verjüngen. Seine
Opfer jedoch erliegen auch einer Faszination, die sie bereitwillig zu Opfern
macht. Darin liegt ein Verlangen nach Ewigkeit und Unsterblichkeit. Wie
ein Gott zu sein, ewiges Leben zu verleihen, auch eine Gier, dem anderen
sein Leben zu nehmen unter der Versprechung einer ewigen Existenz. Wer
will schon ewig auf dieser Erde leben, wenn man ins Paradies kann, bei
Gott leben kann? Nur so am Rande, dieses Leben hier ist doch nur müder
Abklatsch eines Lebens, das unvorstellbare Schönheiten bringt für den, der
es erlangt. Doch zurück zum Vampir, die Gier nach Leben, vielleicht nach
mehr Leben als einem zustände, ist weit verbreitet. Die Formen einem
anderen Leben auszusaugen gleichfalls. Fast jede Form von Missbrauch ist
ein Versuch dem anderen Leben ab-zunehmen. Neid, Missgunst, Macht
haben wollen über den anderen. Es scheint weitgehende Meinung, dass
Missbrauch mit Wille zur Macht, zur Beherrschung, zum Unterdrücken zu
tun hat. Damit saugt derjenige dem anderen sein Leben aus und setzt ihn
darauf an, es bei anderen genauso zu machen. Man missbraucht nicht
jenen, den man nicht leiden kann, sondern jenen, den man liebt oder
beneidet. Blut, die Flüssigkeit die in unseren Adern rinnt, ist ein wertvolles
Gut. Es enthält Bausteine, die auch Kräfte sind. Oft war Blut ein wichtiger
Bestandteil von Ritualen und Opfern, ein Zeichen der gegenseitigen
Verbundenheit. Dem anderen Blut abzunehmen ist beinahe schon etwas
wie ein höherer Akt, mit dem Blut fließt Leben in denjenigen, der dieses
Blut bekommt.

Daher vielleicht auch Draculas Sehnsucht nach der reinen Braut, die seine
eigene Reinheit wieder herzustellen vermag. Erst im Ende erkennt er, dass
sich Reinheit so nicht gewinnen lässt, man kann sie nicht stehlen. Nur
Reue hat die entsprechende Wirkung, Reue, ein unmodernes Wort, doch
ein geistig höchst wirkungsvolles Kampf-mittel. Vampire, zumindest in

28
einer symbolischen Form, gibt es zu Hunderten. Ob es sie tatsächlich als
reale Wesen gibt, entzieht sich meiner Kenntnis. Vielleicht haben die
Dämonen eine Abteilung Vampire in ihren Reihen, Geister die vom Blut
anderer leben, davon, andere auszusaugen. Solange sie so leben entziehen
sie sich dem, was nach dem Tod auf jeden wartet: Vor Gott zu stehen. Es
gibt Wesen, die sich fürchten und mit Recht. Denn nur zu wissen, dass
Gott ist reicht nicht aus, Jesus sagt, auch die Dämonen wissen es und
fürchten sich, der Erkenntnis muss die Entscheidung folgen, wem ich
angehören will.

Das Böse braucht immer eine Art williges Opfer. Das ist schockierend und
viele Opfer sind alles andere als willig, doch braucht es eine Art
Unterwürfigkeit in die das Böse zielen kann. Ein Opfer muss einstimmen
in das, was ihm geschieht. Sein Wille mag durch den stärkeren Willen des
anderen gebrochen werden. Manchmal sind auch Drogen im Spiel um den
Willen das Richtige zu tun auszuschalten. Vielleicht ist deshalb zum
Beispiel sexueller Missbrauch verdeckt. Weil sich das Opfer schuldig
fühlt. Weil sein Wille nachgegeben hat. Manchmal hat man sich durch
Schuld offen gemacht dafür, derartig behandelt zu werden. Manchmal ist
so ein ausgetretener Pfad von Missbrauch im Leben, dass man es gar nichts
mehr anderes kennt und denkt. Etwas stimmt nicht, wenn sich jemand
anders benimmt. Der Kreislauf des Gräuels. Wer misshandelt wurde,
missbraucht wurde, setzt leicht alles aufs Spiel, indem er andere wiederum
missbraucht. Man kennt nichts anderes. Ist normal geworden. Wenn einmal
eine gewisse Grenze überschritten wurde, gibt es kein zurück, kann es nur
schlimmer werden. Mancher, der einen anderen solcherart behandelt, mag
selbst mit existentiellen Nöten kämpfen. Es mag sein, dass man genau den
am meisten misshandelt, den man am meisten braucht. Aus Angst, dass
dieser, wie die Zwerge im Märchen, einmal wohlgenährt und bezahlt,
schnell das Weite sucht. Also lieber klein halten, damit derjenige zur

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Verfügung bleibt und nicht auf die Idee kommt, Ansprüche zu stellen. So
baut man ein Leben auf die Kraft eines anderen. Logisch, wo man selbst so
behandelt worden ist bleibt keine Kraft, ein eigenes Leben zu bauen. Der
Gedankengang lautet dann vielleicht: Man hat mir mein Leben genommen,
also nehme ich das eines anderen. Eltern, die nie gewagt haben, sich selbst
zu finden, zu tun, was ihnen gemäß ist, verlangen von den Kindern ihr
Leben aufzugeben um das zu leben, was die Eltern gerne getan hätten. Die
Kinder, ihrerseits des Lebens beraubt, halten sich an ihren Kindern
schadlos, eine endlos Spirale bis jemand den Mut hat hinab zu steigen,
auszusteigen, zuzugeben, dass er kein eigenes Leben hat. Ganz klein von
vorne anzufangen. Dann kann Gott auch gnädig sein und seine Kraft
entfalten. Es ist bitter und es tut weh so hinab zu steigen, während „alle“
anderen scheinbar glücklich dahinleben. Es bricht viel Stolz und kostet
harte Arbeit, ist mühsam und erntet auch noch wenig Anerkennung. Doch
es bricht die Spirale. Es ist ein Weg, den jeder für sich gehen kann, um
eine bessere Welt zu bauen. Man sehnt sich nach weniger Gewalt im
Leben, weniger Krieg und Unfrieden? Die Spirale zu zerbrechen in der
man lebt. Sauge nicht dein Leben aus anderen, sondern lebe mit dem, was
eben Deines ist, auch wenn es vielleicht nicht so großartig sein mag, wie
man es im Anfang dachte oder wünschte.

Im Ende findet man so zu tiefen Frieden und dort findet man auch Gott.
Aufzuhören andere auszusaugen ist schwer. Es ist wie ein
gesellschaftliches Spiel, jenes „Ich nehme von dir, du nimmst von dem“,
und so fort. Wo jede Handtasche, jeder Lippenstift, jeder Schreibstift und
jedes Auto zur Waffe werden kann. Zum Mittel, dem anderen die
Lebenskraft auszusaugen. Da kaum noch jemandem erlaubt ist, sein
eigenes Leben zu leben, lebt jeder ein bisschen Seins, oft im Geheimem,
und ein bisschen mehr das eines anderen. Entfremdung hat man das auch
genannt, Picasso hat es schon Anfang des Jahrhunderts als Zerstückelung

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des Menschen in seiner kubistischen Zeit gemalt. Menschen, die wie
verdreht wirken, zwei Augen im Profil, eckige Formen, die die Natur so im
Gesicht nicht kennt. Farben, die fremd wirken und doch eine tiefer
liegende Wahrheit enthalten. Sie wird stärker, diese Zerstückelung, diese
Fremdheit des Menschen sich selbst gegenüber. Jeder Mensch scheint
heute aus einer Schicht unzähliger Leben, vieler Wesen und Wesenszüge
zu bestehen. Da, wo nämlich das Eigene zur Deckung nicht reicht, nehme
ich mir vom Nachbarn. Vielleicht daher das Bedürfnis, immer gleichziehen
zu müssen, mit dem Urlaub, den Kindern, dem Haus, etc. Es geht hier um
ganz grundlegende Bedürfnisse, existentielle Ängste, die leise schleichend
das Leben durchziehen. Es ist auch eine Geschichte davon, dass mancher
sein Opfer, wenn es dann blutleer und ausgelaugt ist, links liegen lässt und
sich ein Neues sucht. Ich denke manchmal, es ist, was in vielen Ehen
passiert - unter anderem natürlich. Der eine ist ausgesaugt, dann lässt der
andere ihn fallen und sucht sich ein neues Opfer. Zwangsweise, denn sein
Hunger kann nicht mehr gestillt werden. Oder der andere ist aufgewacht
und hat gemerkt, was passiert und stellt seine Reserven nicht mehr so
völlig unmittelbar zur Verfügung, das passiert auch. Dann wird der eine
sauer, weil er gewohnt ist, so viel zu bekommen und nun ist alles fort, oder
vieles, und er muss entweder auf „Diät“ leben oder sich eben jemand
anderen suchen. (Ist natürlich eine starke Vereinfachung.) In uns allen
steckt das, glaube ich, steckt auch das Bedürfnis danach. Und in manchem
wohnt zusätzlich ein Bedürfnis weh zu tun, die Freude, jemanden verbluten
zu sehen ist durchaus weit verbreitet. Der Neid macht es. Wenn dieser und
jener so toll ist, und es gelingt mir, den fertig zu machen, wow, was für ein
toller Kerl bin ich dann. Das ist eine traurige Realität. Sehr viel
Selbstwertgefühl scheint darauf zu bauen, wie viele Menschen ich
erfolgreich fertig machen kann, über den Tisch ziehen kann und ähnliches.
Statt jemanden aufzubauen und zu denken: Cool ich habe an dessen Leben

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mitgebaut, das gibt ja auch einen Kick, den Erfolg des Anderen teilen zu
dürfen, die Ehre, an so etwas Großem wie einem menschlichen Leben
beteiligt zu sein, dessen Entfaltung durch jeden, der ihm begegnet
beeinflusst wird, mit positiver, kraftvoller zu gestalten. Der Versuch, den
Weg zu weisen, den Weg der Weisen, statt davon zu profitieren jemanden
herunter zu machen, zu demoralisieren, auszusaugen.

Manchmal gibt jemand eine Energiespritze, und niemand weiß recht, was
geschehen ist. Man kann freiwillig Energie in ein anderes Leben
investieren. Idealerweise machen Eltern das natürlich für ihre Kinder, wo
diese nicht dazu dienen, das eigene Energieniveau aufrecht zu halten, doch
man kann ganz gezielt beschließen, etwas von seinem Leben aufzugeben
um es in das Leben eines anderen zu stecken. Wenn derjenige allerdings
nur den Energieschub spürt und nicht recht weiß, woher er kommt, so ist
die Gefahr groß, dass er sich umwendet und genau nach dem Menschen
„schlägt“, der ihm die Energiespritze verpasst hat, denn dieser ist jetzt
geschwächt und zu nah, so nah, so kraftlos, dass man ihn herabwürdigt. Es
ist auch wie eine Droge diese Zuneigung zu spüren, die Zuwendung, und
verlangt nach mehr und mehr und man kann diese Kraft vielleicht nicht
unbegrenzt geben. Dann kann es eben passieren, dass der andere böse wird.
Wer also beschließt, in das Leben eines anderen wirklich Kraft zu
investieren, muss sich darauf gefasst machen, dass derjenige sich umdreht
und genau auf ihn zielt. Vielleicht läuft es deshalb manchmal so schief mit
Kindern, mit Adoptivkindern auch. Sich umzudrehen und genau diesem
Menschen „danke“ zu sagen scheint das, was am weitesten fort ist von den
Gedanken dessen, dem diese Kraft zufloss. Dabei wäre es so einfach. Dann
kann er diese Kraft behalten und darauf bauen. Denn wenn sie freiwillig
gegeben wurde, braucht es nur die Akzeptanz, während gestohlene Kraft
den besagten Kreislauf fördert und zwingt, ständig nach neuen „Opfern“
Ausschau zu halten. Was fast jeder tut. Der Bedarf an Energie in dieser

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Gesellschaft ist ungeheuerlich. Nicht, dass es nicht schon immer so
gewesen wäre. Die gewachsene Öffentlichkeit verhindert vielleicht
manchen groben Missbrauch, dafür wachsen die subtilen Mittel, die Not
macht eben erfinderisch. Manchmal allerdings frage ich mich, ob all die,
die ihr Gewissen zum Schweigen gebracht haben, in die Reihen der
Untoten gehören. Geistig oder geistlich gesehen. Die Überlegung ist
manchmal eine Nützliche, wenn es gerade schwierig ist, mit jemandem
klar zu kommen. Es ist hilfreich zu begreifen, dass jemand vielleicht nicht
mehr anders kann. Und gleich darauf die Frage, ob ich nicht auch zu ihnen
gehöre, ob es nicht bequeme Ausrede ist, diese meine Suche, um von
anderem abzulenken. Ob ich denn fähig bin auf mein Gewissen zu hören,
auch wenn es unbequem ist? Es ist eine schreckliche Vision, schlimmer als
jeder Alptraum, der Gedanke, dass so viele geliebte Menschen wenig mehr
sind als wandelnde Tote. Weil ihr Geist nicht lebendig ist, weil ihre Seele
erstickt, so sehr sie auch auf anderen Gebieten ihre Erfolge feiern mögen.
Auch dies trägt viel zum Krieg und zum Unfrieden dieser Welt bei. Doch
dies ist ein Ding, das jeder für sich klären muss, nur für sich klären kann.

17 Ich stand vorhin im Theater und neben mir führte sich ein junges
Pärchen etwas peinlich auf, das hat mich zu ähnlichen Überlegungen
veranlasst, auch dazu, dass manchmal eben nur tiefes Leid auf die Suche
treibt, auf die Suche nach dem Grund des Seins. C. S. Lewis hat
geschrieben, dass Leid der einzige Motor ist, der den Menschen dazu
bringt, aus diesem Leben fortzulaufen um nach dem ewigen Leben zu
suchen. Und das ist jetzt keine Entschuldigung für Leid, oder gar für jene,
die Leid verursachen und dann sagen - ich hab es gut gemeint oder so.
Denn Jesus hat ganz klar gesagt, dass der, durch den es kommt, vielleicht
mit einem Mühlstein um den Hals in einem tiefen Weiher besser gedient
wäre. Auch hier muss jeder selbst vor seinem Richter stehen. Unter einer

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oft nur hauchdünnen Oberfläche von Zivilisation lauern ungezählte
Begierden und Bedürfnisse. Nur Gottes Herz auszuloten ist noch
schwieriger, als das eigene Herz auszuloten. Dafür ist jedoch in die Tiefe
Gottes Herzens vorzudringen Licht auf das eigene Herz. So sehr Seines
wunderschön ist, so zeigt sein Licht Erschreckendes in der eigenen Seele.
Nur alleine davon schreiben zu dürfen erfüllt mich mit Ehrfurcht. Gottes
Herz auch nur zu berühren ist so groß, dass man es niemals recht verstehen
kann. Vielleicht gibt es deshalb andere, die es verachten, weil es so
unverständlich scheint, dass er so etwas unvorstellbar Schönes mit so
gewöhnlichen Menschen wie uns teilen will. Oder das erschreckende Licht
auf die eigene Seele ist so unangenehm, dass man den Kontakt lieber
abbricht oder auf den Austausch von Formalitäten beschränkt. Doch Gott
will geliebt werden und verdient tiefste Liebe und Verehrung.

18 Das gibt es im Alltag. Sehen, ob man etwas schaffen kann oder ob das,
was dagegen steht stärker ist. Da heißt es oft mit Vorsicht zu Werke gehen.
Mir hat es manches Mal an der nötigen Vorsicht gefehlt und ich knabbere
an den Konsequenzen wie an altem Brot. Doch jung seiend und irgendwie
wie vor den Kopf geschlagen, habe ich Offensichtliches nicht begriffen.
Entsprechend den Preis dafür bezahlt. Daher – besser ist es, solange es
noch geht, abklären, was da passiert. Hinterher mag es bitter sein und die
Konsequenzen unausweichlich.

19 Ernsthaftes Beten ist fürchterlich anstrengend. Es gibt den ein bisschen


albernen Witz des „oh, du hast grad' nichts zu tun, du betest nur, das kannst
du ja auch später tun, komm mal eben helfen“. Mit dem Bild eines
Mannes, der hinter der Tür kniet und betet. Eine Karikatur, doch eine
Vorstellung, die vielleicht von manchem geteilt wird. Doch kostet es Kraft.

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Es ist eine sehr wichtige Handlung. Für einen anderen oder ein eigenes
Anliegen eintreten bei Gott. Vielleicht sind manchmal die wichtigsten
Handlungen die, die fast unsichtbar bleiben und doch viel Kraft kosten,
denen man es nicht wirklich ansieht.

Also warten, Ruhe finden, Energie tanken. Das ist wichtig, nicht nur die
körperliche Gesundheit ist wichtig. Wenn die fort ist nützt natürlich die
geistige Energie nicht mehr so sehr viel, im Grab braucht man sie nicht
mehr, doch ansonsten braucht man ziemlich viel davon. Man braucht
Mittel und Wege diese zu erhalten, zu steigern, zu beschützen. Auch hier
gilt, dass es sich trainiert. Wer zum Beispiel regelmäßig betet, meditiert,
wird es zwar anstrengend finden, doch es übt sich und die Kraft wächst
durch das Training. Durch die Betätigung wächst der geistige Muskel,
ähnlich wie ein trainierter Muskel wesentlich besser funktioniert. Das Hirn
ist auch ein Muskel, der sich trainieren lässt, für seelische Kraft gilt das
Gleiche. Hier gibt es Lebensbedingungen, die fördern und es gibt
Lebensbedingungen, die die Entwicklung dieser Kraft eher behindern.
Auch spielen Veranlagung, Gene, Biologie, biochemische Prozesse eine
Rolle. Doch wie praktisch jeder joggen kann, mancher auf Marathon
Niveau, mancher nur bis zur nächsten Ecke, so kann praktisch jeder fast
unabhängig von der körperlichen Gesundheit geistige Kräfte entwickeln.
Mancher kann so ein Kämpfer werden. Prayer Warrior. Ich habe manches
Mal überlegt, ob nicht Worte einen gewissen Zauber beinhalten, sie
können heilen oder verwunden. Es gibt kaum etwas, das grausamer ist als
Worte und es gibt kaum etwas, das mehr aufbaut als Worte. Das richtige
Wort zur richtigen Zeit zu finden ist eine Kunst, und nicht alles Reden
kostet Kraft. Mancher scheint den anderen mit seinem Redeschwall
vielleicht eher leer zu saugen. Den Worten wohnt tiefe Kraft inne, es ist
wichtig sich das im Umgang mit anderen Menschen vor Augen zu halten.

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Wer einem anderen immer und immer sagt, er sei ein Versager, wird ihn
am Ende wahrscheinlich dazu gemacht haben.

Es gibt eine Regel, die zu besagen scheint, wer den Schaden hat, braucht
für den Spott nicht zu sorgen. Heißt, wenn jemand immer und immer
wieder unter solchen missbräuchlichen Worten gelitten hat - mancher fühlt
sie so stark wie Folter, so hat dieser später echte Schwierigkeiten im
Leben. Jener, der die unglückseligen Worte sprach, lebt meist gut damit
und bemerkt nicht, dass etwas nicht in Ordnung ist. Der Schaden ist auf der
einen Seite doppelt und auf der anderen liegt nur Gewinn, zumindest
solange, bis man vor Gott steht und sich für jedes Wort rechtfertigen muss.
Doch daran denken die wenigsten, wenn sie reden. Vielleicht wird der
andere, der Sprecher, unglücklicher im Herzen, weil etwas in ihm sagt,
dass er Unrecht tat, doch auch da würde er sich höchstens an jenem
schadlos halten, der sowieso schon gelitten hat und so Kränkung auf
Kränkung häufen, bevor er je das eigene Herz befragt, das eine ziemlich
Mördergrube ist.

Wer einem anderen ehrlichen Herzens Mut macht wird vielleicht dazu
beitragen, dass dieser ein Stück weiter gehen kann, als er es ursprünglich
gekonnt hätte. Es gibt viele Möglichkeiten, jemandem Kraft zu geben, Mut
zu machen seinen Weg zu gehen. Jeder Gedanke, jedes Gefühl, dass wir
haben oder auslösen hinterlässt Spuren. Was ich über jemanden denke wird
das Leben, dass dieser führt beeinflussen. Wen die Gedanken verurteilen,
der mag eines Tages wirklich verurteilt werden. Hier ist nicht unbedingt
die flüchtige Bekanntschaft gemeint, sondern Menschen, mit denen man
dauerhafte Beziehungen hat. Familie, Freunde, Kollegen, gerade in der
ursprünglichen Familie mag dies für manches Kind verhängnisvoll sein.
Darauf zu achten nicht allzu viele negativ Botschaften auszusenden ist ein
wichtiger Bestandteil, einem Kind das Leben lebenswert zu machen. Gutes
über das Kind zu denken und zu sagen, jedes Kind hat gute Seiten, es mag

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für ein Kind den Unterschied machen zwischen einem Leben voller
Zuneigung und Liebe und einem Leben, das von Ablehnung und
Feindschaft geprägt ist. Manchmal glaube ich, viele Eltern hassen ihre
Kinder heimlich. Sie verübeln diesen da zu sein, den Spaß des
Erwachsenen einzuschränken, die materiellen Einschränkungen, das
geschützt werden müssen, das Spielen, das zur Schule gehen, es mag für
die Kinder gar nicht lustig sein, doch scheint es, als würden manche Eltern
ihre Kinder darum beneiden und ihnen damit das Leben noch zusätzlich
erschweren.

Manchmal scheint es, als würden Eltern sogar verübeln, dass ein Kind da
ist, als habe das Kind selbst gewählt. Das Kind hat nicht gewählt, es hat
keine Wahl. Ist es ein großes Geschenk, das Leben? Es ist ein bisschen wie
der Vorwurf, die Frau sei schuld wenn sie keinen Buben bekommt. Die
Biologie hat mittlerweile hinreichend bewiesen, dass Frauen xx -
Chromosomen haben, während die Männer über xy - Chromosomen
verfügen. Soll es ein Bub sein, so liegt es, zumindest biologisch, zu 100%
beim Mann. Ähnlich mit dem Geboren-Werden, es liegt zu 100% in der
Hand der Eltern, dass da ein Kind ist. Mag es auch 10-mal ungewollt sein,
das trägt dann dem Verhalten der Eltern Rechnung, doch nicht dem des
Kindes. Schwer manchmal, das auseinander zu halten, vielleicht auch
schwer, sich selbst dies einzugestehen, zu sagen, dies ist in meiner
Verantwortung geschehen. Es scheint geradezu einfach, jemand anderem
diese Verantwortung in die Schuhe zu schieben, den Eltern, dem Partner,
dem Kind, sogar dem lieben Gott, der manchmal kaum noch mehr ist, als
eine Karikatur des Schreckens, zumindest wenn man dem glaubt, was
landläufig von ihm erzählt wird. Ihm zu vertrauen, ihn auch nur zu kennen,
seine eigene Schuld einzugestehen und zu sagen, das habe ich verbockt,
vergib, das ist für Menschen wirklich schwer. Wenn es ernst gemeint ist.

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Zu sagen, das habe ich getan, gewollt, es ist geworden, weil ich bin, was
ich bin und damit zu leben, versuchen, dem Kind seine Unschuld zu lassen.
Ich halte Kinder nicht für grundsätzlich unschuldig und rein doch in
diesem Fall schon. Das Kind zu bestärken, das Beste, was immer das dann
sein mag, aus seinem Leben zu machen. Es gibt wohl eine Untersuchen in
den USA; wonach viele Kinder, wenn sie nur noch drei Tage zu leben
hätten, ihren Eltern übel mitspielen würden. Fragt sich, warum wohl, was
liegt hinter dieser Haltung verborgen an verborgenem Groll, mangelndem
Respekt, an Schmerz und Bitterkeit gegenüber denen, die sie weitgehend

geformt haben, soweit sich Gene und biologische Eigenheiten dem


soziologischen Einfluss unterordnen natürlich.

Ist es das zu verwöhnte Kind, das grollt, weil es nicht noch mehr gibt?
Weil es nicht strenger erzogen ist, sondern mit Hamburgern und
Computerspielen still gehalten wird? Ich weiß es nicht, es ist eine
beängstigende Studie. Wenn für den Besitz einer schicken Jacke Messer
gezückt werden, so ist es ganz grundsätzlich problematisch. Die Wurzel
liegt da, im Begehren, in der Gesellschaft, die solches lobt und belohnt,
vielleicht sogar in der Gemeinheit des Jackenbesitzers sich wichtig zu
machen. Da, wo Beliebtheit an der Kleiderordnung fest gemacht ist, folgen
viele Übel ganz automatisch nach. Ich will es gleich anschließen, in vielen
Kirchen und Gemeinden ist es nicht besser, eher noch schlimmer.

Es mag als ein Zeichen der Ehrerbietung gemeint sein, doch es darf nicht
dazu führen, die Kleiderordnung mit der Ordnung der Ältesten oder
Weisesten gleich zu setzen. Ich will eine persönliche Geschichte dazu
erzählen, ich war in einer Gemeinde und es war ein Abend, an dem ich
gerne teilnehmen wollte, doch kam ich, zugegebenermaßen mit
angeschmutzter Kleidung hin, voller Freude es doch noch geschafft zu
haben. Nur sagte mir die Pastorin recht süffisant, Sauberkeit sei doch

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gleich das Nächste nach Gottesliebe. Es war wie ein Schlag in die
Magengrube. Es hat mir viel verleidet, solche und ähnliche Bemerkungen.
Vielleicht hat sie sogar recht, meine Gottesliebe siegte über den Willen zur
Sauberkeit? Vielleicht macht es ihren Abend weniger angenehm mich so
zu sehen? Es geht nicht ums absichtlich andere belästigen mit den
Gerüchen und so, doch wenn selbst Kirchen zu Laufstegen und Kleider-
Vorführstunden werden, ist das nicht der Sinn, den es ursprünglich haben
sollte. Von Gottes Liebe und seinen Wegen bleibt dann nicht viel übrig
und ich glaube, immer mehr Menschen merken dies. Sie haben Hunger,
Hunger nach echter Begegnung mit Gott.

Es braucht Kraft, Kraft aufzustehen und zu glauben, dass es mehr gibt,


mehr geben muss, es braucht Geisteskraft. (Oder große Verzweiflung.)
Diese Geisteskraft zu erhalten, zu beschützen, zu steigern ist vielfach
anscheinend in Vergessenheit geraten, doch um dem Guten zu dienen
braucht es gerade hiervon eine ordentliche Portion. Es ist nicht sehr „in“
als Grund für eine Handlung Gott anzugeben, zwischen Wahnsinn und
Angeberei und möglicher Anmaßung steht es dann da, kaum je gewagt und
wenn, kann es zweifelhaft sein. Doch dass Ethik sich so oft der Ästhetik
beugen muss ist zum Nachteil von allen. Es braucht mehr geistige Kraft als
körperliche Kraft dem Guten zu dienen und wer will heute noch dienen,
bitte schön. Zu oft versteckt sich das, was richtig und gut wäre. Es ist
schwer zu erkennen, zwischen gut und besser zu unterscheiden noch
einmal schwieriger. Es wäre schön, wenn das, was falsch oder böse ist
immer wie eine stinkende Leiche ausschauen würde oder wie eine
Kakerlake oder eine besonders dicke Spinne. Entschuldigung denen
gegenüber, die Spinnen possierlich finden, ähnlich Ratten. Es kann das
Gute schön aussehen, das Schlechte schöner, es kann durchaus sein, dass
gerade etwas Gutes nicht besonders schön aussieht, weil schon alle Kraft
ins Gutsein geflossen ist.

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Allzu oft ist es die Halbwahrheit, etwas fast Richtiges, geschickt gepaart
mit etwas sehr Schönem, der kleine üble Nachgeschmack scheint
unwichtig, verschwindend, oft sieht etwas zunächst so gut aus, bevor es
sich erweist, dass es vielleicht ganz anders war. Wieder muss jeder vor
seinem eigenen Gewissen bestehen können. Dieses zu kennen und mit ihm
auf freundschaftlichem Fuß zu verkehren ist enorm wichtig. Das ist nicht
esoterische Schönrednerei. Entschuldigung, nichts gegen die Esoterik, es
ist kein Blabla, sondern es geht um grundsätzliche Gesundheit einer
Gesellschaftsform, die allzu leicht ins Nicht-Sein versinken könnte.
Wachsam bleiben. Ist im Alltag schwer. Man kann ja nicht jedes Mal,
wenn man Brot oder Milch kauft, eine Gewissensbefragung starten, ob dies
jetzt angemessen ist oder so, nicht jedes Mal, wenn man abwäscht,
staubsaugt, Auto fährt, kann man eine solche Frage dazu stellen, so muss
das Gewissen gut trainiert sein, damit es bei zweifelhaften Entscheidungen
sofort Alarm schlägt, von ganz alleine. Dazu braucht es jedoch
entsprechende Nahrung, Futter, wie schon gesagt: Training. Nicht jeder
Weg im Leben ist gleich gut, nicht alles, was so gut aussieht, sich vielleicht
sogar gut anfühlt, ist es auch. Und durchaus nicht alles, was so unschön
scheint, ist es auch. Gerade das Schöne braucht das Gute als Richtwert.

Es gab im Altgriechischen ein Wort, das beides auf einmal bezeichnet,


schön und gut. Das Denken hat viel davon, zu glauben was schön ist, sei
auch gut. Im Alten Testament war es so, was von Gott gesegnet war, war
schön und gut zugleich. Obwohl die Helden dort nicht durchweg schön
sind, galt es immer als ein Zeichen von Segen und von Gefallen finden vor
Gott, der das Fehlerlose liebt. Erst Jesus hat aufgezeigt, dass die äußerliche
Vollkommenheit von der Inneren getragen sein muss, wenn man vor Gott
bestehen will. Dass im Zweifelsfall die innere Wirklichkeit die Wichtigere
ist.

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So muss jeder vor seinem eigenen Herzen bestehen. Später vor Gott zu
stehen wird dies deutlich machen. Die Motive des Herzens, des Geistes,
die Taten, ob die im Licht besehen Stand halten. Wer kann von sich
behaupten, selbst im besten Fall ganz uneigennützig zu sein? Auch da
bleibt ein fast unbeschreibbarer Rest. Schließlich fühlt es sich gut an, gut
zu sein oder zumindest zu versuchen gut zu sein. Ich habe mich mal
gefragt, ob für Gott - und seine Engel - Menschen wie untote
Computerfiguren sind. Im Alten Testament scheint es fast so. Es sterben so
viele von ihnen, weil sie sind, weil sie nach Gottes Aussage böse sind,
alle. Eine nahe liegende Vermutung. Es scheint, als würden Menschen erst
mit der Gegenwart Gottes, dem Geist Gottes auf oder in ihnen wertvoll und
lebendig. Das Alte Testament ist voller Kriege, grausamst zum Teil, viele
Tote. David, Lieblingskönig von Gottes Gnaden, hat so viele Kriege
geführt wie sonst kaum eine Gestalt in der Bibel. Er hat an die 100 Frauen
gehabt. Plus die Frau seines besten Generals, der sein Freund war, Den hat
er ermorden lassen, um die Frau heiraten zu können. Vom Propheten
Nathan ermahnt hat er bereut und Gnade gefunden, vielleicht ist er deshalb
der eine König, der vor Gottes Angesicht Bestand hat. Er war voller Eifer
für Gott und konnte Fehler eingestehen und zutiefst bereuen. Der erste
Sohn starb, doch der zweite Sohn dieser Frau, Bathseba, ist nach David
König geworden. Einer der größten und weisesten Könige, die Israel je
hatte: Salomon. König David hat oft mit Not und Verfolgung gerungen und
Gottes Angesicht gesucht. David ist ein Mann nach Gottes Herzen. Er
schreibt Verse, die wir heute als Psalmen kennen. Er spielt Musik für den
erkrankten König Saul, seinen Vorgänger. Er hat in Höhlen gelebt und war
geächtet, bevor er König wurde. Doch sein Name hat Glanz und seine
Schriften sind unangefochtener Teil der Bibel. Was ist dies für ein Gott?
Ein Gott, der Menschenopfer verschmäht. Das war bei den nichtjüdischen
Völkern damals durchaus Sitte, ein paar Menschen zu opfern um ihre

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Götter gnädig zu stimmen. Gehorsam und Liebe verlangt Davids Gott.
Manchmal hat er auch die Ausrottung ganzer Volksstämme befohlen.
Historiker nehmen zum Teil an, dass diese Völker Krankheiten mit sich
herumtrugen, vor denen Gott sein Volk schützen wollte. Dennoch wäre es
heutzutage politisch unkorrekt, um es mal milde auszudrücken, gleich das
ganze Volk auszurotten, mit Stumpf und Stiel, mit Lamm und Kleinkind.

Bernhard von Clairvaux, Gründer des Benediktiner Ordens, hat


geschrieben, dass Gott zu lieben das einzig Vernünftige und Angemessene
für einen Menschen ist. Gott ist unermesslich, ihn verstehen zu wollen
vermessen. Wieder die Frage, ob Menschen vor Gott mehr sind als
computergenerierte Figuren. Da macht es nichts, wenn ein paar Tausend
sterben, in einem Spiel macht es auch nichts aus, wenn ein paar tausend
Monster sterben. Doch wenn ein Guter stirbt ist das schlimm - hat Gott
ähnliche Sicht auf uns Menschen? Was ist es für ein Gott, dem Gehorsam
oft wichtiger war als Ansehen oder Aussehen? Es ist wichtig das zu
wissen, so wichtig, wie mit der Schwerkraft zu rechnen oder mit einem
Löwen, den man zufällig freilaufend auf der Wiese trifft.

Normalerweise liegen diese Toten in ihren Gräbern in der Hoffnung auf


ewigen Frieden. Ein irriger Ansatz doch ein weit verbreiteter Glaube.
Keine Religion die ich kenne hat je gelehrt, dass man im Grab letzte Ruhe
fände. Alle scheinen sich einig, dass man weitergeht, dass die Seele, dass
der Tod ein dunkles Tor ist. Die Körper bleiben in den Gräbern, sie laufen
nicht herum um jemanden, der vorbeikommt, anzugreifen. Doch die Seele
oder der Geist lebt fort.

In einem Zen buddhistischen Text habe ich gelesen, dass das, was wir
üblicherweise als Wirklichkeit bezeichnen, nichts davon ist. Dass es
Ebenen gibt, auf denen ein Fels, den ich doch anfassen und fühlen kann,
erst einmal nicht da ist, weil er kein Wesen hat. Dass ich ein Stück weit

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zum Felsen werde, wenn ich ihn wahrnehme. Erst wenn ich den Felsen
durchdrungen habe, ihm Wesen gegeben habe, ist er. Und ich auch.
Gedankengänge, die hier unvertraut scheinen, doch im mystischen
Glaubensbild betont werden. Auch im christlichen Glauben. Erst das, was
ich erkannt und durchdrungen habe, kann wirklich mir gehören. Auch die
vielleicht modernste Form des heutigen Glaubens, die
Wissenschaftsgläubigkeit, stellt in der Quantenphysik ähnliche
Überlegungen an.

In dieser Welt gibt es viele Tabus oder Grenzen, die als Zwänge auf einem
Menschen liegen, sei es zum Guten oder zum Bösen. Es scheint, als wäre
jede Entscheidung davon beeinflusst, was ich für Grenzen empfinde, was
ich überhaupt als Möglichkeit denken kann. Die meisten Grenzen
verlaufen unbewusst, so dass es schwer merkbar ist, wann man an eine
solche innere Grenze stößt. Wie begrenzt das Leben scheint in reihenweise
solcher unausgesprochenen Verbote. Gebote, die das menschliche
Zusammenleben regeln, die jedem Menschen einen Platz zuweisen oder
zuweisen wollen. Ob er diesem immer gemäß ist, mag das Glück oder
Unglück eines Menschen ausmachen. Auch das Umfeld bestimmt mit, es
ist beinahe ein Ding der Unmöglichkeit, eine wirklich freie Entscheidung
zu treffen. Freiheit hat einen hohen Preis, wenn es möglich ist sie zu
finden. Auch die Freiheit Gott zu folgen.

Auch der beste Kämpfer, der für das Gute unterwegs ist, muss schlafen,
muss essen, braucht trockene Kleidung und ähnliche Trivialitäten. Ein
Mindestmaß davon braucht ein Mensch um überleben zu können. Um
seine Kraft zu erhalten oder zu steigern. Manchmal vergesse ich es leicht
im Eifer des Gefechts. Alles ist auf Überleben ausgerichtet. Zu wenig
schwächt Körper und Geist. Zu viel zu besitzen mag aber jemanden
vorsichtig machen. Wer viele Güter besitzt, kann sie verlieren und mag den
Willen aufzustehen für das, was recht ist, überdenken. Ähnliches gilt

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allerdings auch für geistige Güter. Wer Gottes Gnade gekostet hat, wird sie
nicht verlieren wollen und sein Leben so gut es geht danach ausrichten.

20 Der Tod. Heutzutage ist er anscheinend ziemlich unpopulär, der Tod. Es


gab Zeiten, da war der Tod ein süßer Tod. Jetzt scheint jeder versucht, ihn
von sich fort zu schieben so gut es nur geht. Zählt nur Jugend, nur das
Lebendige? Ist es die Angst? Das Nicht-Wissen vor dem, was danach sein
mag? Es scheint als wäre es fast vergessen, dass der Tod auch eine große
Chance ist. Ein Tor zu einem neuen Lebensabschnitt. Ein Maßstab für das,
was man mit dem eigenen Leben angefangen hat. Da, wo der
vorherrschende Gedanke ist, dass mit dem Tod alles aus ist, ist man
vielleicht versucht, dieses Leben, wenn man es denn als angenehm
empfindet, zu verlängern so gut es geht. Vielleicht weiß jedoch auch das
Unbewusste, dass es einen Tag geben wird, an dem es sich entscheidet,
welche Seite man in diesem Leben gewählt hat. Dass es danach auf jeden
Fall weitergeht, für alle. Das ist manchem nicht eine wirklich
willkommene Botschaft. Vielleicht zögert man deshalb das Ende hinaus.
Oder es ist wie ein Versuch hier schon ewiges Leben zu erlangen, da es
doch manchem recht gut geht. Ich kann es nicht entscheiden. Ich denke
und glaube, dass dieses Leben wie ein Windhauch sein wird, der vorüber
geht. Jemand hat es als eine Brücke über einen reißenden Fluss geschildert.
Danach fängt erst das richtige Leben an. Eigentlich alle großen Religionen
lehren, dass es eine Form des Fortbestandes gibt. Im hinduistischen
Glauben ist es Reinkarnation, wie auch im buddhistischen Pfad der
Vervollkommnung. Moslems, Juden und Christen glauben, dass sie eines
Tages vor Gott stehen werden.

Es scheint wichtig. Es scheint fast wie eine Dummheit, nur auf dieses
Leben zu zählen, darauf, dass es mir hier gut geht. Erstaunlich, wie viele es

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dennoch nicht zu kümmern scheint, was in einem späteren Leben mit ihnen
geschieht. Viele scheinen zu denken, dass, wenn sie eines Tages im Grab
liegen, alles aus ist. Die Christen lehren, dass Gott richten wird. Vielleicht
wird eher der Mensch sich selbst richten, wenn er Gottes Herrlichkeit
gegenübersteht. In allen Glaubensformen scheint es so etwas zu geben,
selbst die Wiedergeburt entscheidet sich, soweit ich weiß, am Karma.
Daran, was man in diesem Leben Gutes bewirkt haben mag. Bleibt die
Frage, wer das dann beurteilt. Da bin ich wieder bei Gott. Nur, wenn es
etwas gibt, das die Grenze zwischen Gut und Böse aufzeigt, kann ich
sozusagen Punkte für das eine oder andere vergeben.

Der Tod ist eben jenes Tor, durch das alle eines Tages schreiten werden,
denn noch immer liegt die Sterblichkeit der Menschen bei 100%. Auch,
wenn mancher das gar nicht gerne hören mag. Auch, wenn es
Bestrebungen gibt diesen Tod solange wie möglich hinauszuzögern.
Vielleicht gibt es solche, die ewig leben. Wer weiß.

Im Angesicht des Todes lebt es sich fast besser, lebt es sich zufriedener.
Die Gegenwart Gottes ist wie eine friedensstiftende, segnende Hand. Sein
Atem gibt dem Leben ungewöhnliche Kraft und Schönheit. Menschen
haben viel verloren in den so genannten modernen Zeiten, an Tiefe und
Kraft und Schönheit. Vielleicht auch an Liebe, an Respekt, an Ehrfurcht.
Gottes Wort sagt, dass wahre Liebe aus Respekt und Ehrfurcht, fast schon
aus Angst geboren wird. Dass man nur lieben lernt, was man zuvor
gefürchtet hat. Vielleicht lernen wir dann eines Tages den Tod wieder zu
lieben. Nicht, dass man ihn freiwillig sucht. Auch da endet man vor genau
der gleichen Tür eines Richters. Wer je denkt im Tod Frieden zu finden
ohne den Frieden mit Gott in dieser Welt gemacht zu haben, mag bitter
enttäuscht sein. Doch wie kann man angesichts von Gottes Majestät schon
enttäuscht sein. Die vielleicht größte Enttäuschung ist dann eher ihm hier
nicht gedient und gehorcht zu haben. Dann ist der Tod kein zu fürchtender

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Feind mehr, sondern ein lieber Weggenosse, der das Tor zu einem besseren
Leben bewacht. Dieses Leben hier kann nur ein minimaler Vorgeschmack
auf das Jenseitige sein.

Vielleicht hat auch der Gedanke, dass Gott sowieso alles verzeiht und dass
man sowieso nicht weiß, wen er am Ende akzeptieren wird, dazu geführt,
dass mancher sich nicht darum zu kümmern scheint. Wenn eines Tages
jeder vor seinem tiefsten Gewissen stehen wird um ihm zu antworten, jeder
sich selbst im Licht Gottes sehen wird, dann wird offenbar werden, wem
die Gedanken dieses Menschen galten. Dann braucht der ewige Richter
nichts mehr zu sagen, dann wird der Mensch sich selbst verdammen, wenn
er schuldig ist. Wenn man Gott denn nicht lieben kann, und er verdient
nichts außer absolute Liebe und Hingabe, so sollte man ihn zumindest ein
wenig fürchten, das wäre klug.

Manchmal stehe ich am Grab meiner Großmutter. Ich pflanze Blumen auf
ihr Grab. Nicht, um sie zurück zu holen, sondern um an sie zu denken. Zu
hoffen, dass sie Gnade und Frieden bei Gott gefunden hat. Es ist, als
könnte ich ihr so die Ehrerbietung zeigen, für die ich damals zu jung war.
Ihr jetzt sagen, dass ich sie lieb habe, auch wenn ihr Ohr es nicht mehr
hört. Sie ist vorangegangen. Obwohl sie in diesem Leben nicht zu glauben
schien, dass es einen Gott gibt, so hat sie doch vor ihrem Tod von und mit
Heiligen gesprochen.

Manche Sichtweise mag sich verändern, wenn der Tod nah heran
gekommen ist. Er verändert das Leben, seine Gegenwart gibt diesem
Leben den Hauch des Vergänglichen und des Flüchtigen. Was sind 80,
selbst 100 Jahre angesichts der Ewigkeit, die vor jedem liegt. In denen
jeder die Macht hat zu entscheiden, wo er diese Ewigkeit verbringen wird,
wie er diese Ewigkeit verbringen wird.

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21 König David hat so viele getötet. Doch war er ein Mann nach Gottes
Herzen. Die Anordnung Gottes alle auszurotten, die sich gegen ihn
versündigt hatten, ist schwer zu verstehen. Völkermord, auf Gottes Befehl?
Es gibt da manchen Erklärungsversuch, aber auf den ersten Blick harter
Tobak. Die Frage ist nicht immer, ob es einem so gefällt, was Gott da alles
von sich gibt. An manchem habe ich ganz schön hart zu knabbern. Die
Frage ist zuerst, ob es Gott wirklich gibt. Wenn diese Frage mit einem Ja
beantwortet wird, dann muss man damit umgehen lernen, damit
klarkommen. Wenn es draußen einen Schneesturm gibt, kann ich nicht im
Bikini raus, jedenfalls nicht ohne größeren Schaden. Das gebietet die
Vernunft und kaum einer würde es lange aushalten. Außer nach der Sauna
oder so, doch das zähle ich jetzt mal nicht dazu. Ob einem der
Schneesturm gefällt ist gar nicht die Frage. Ob es einem gefällt, dass es
Gott gibt, ist nicht die Frage. Wenn es ihn als eine vom Menschen
unabhängige Macht gibt, wie den Schneesturm, dann erfordert es die
Vernunft zu lernen mit der Wirklichkeit umzugehen.

Ein Physiker namens Feynman, er hat 1965 einen Nobelpreis bekommen,


hat mal geschrieben, dass es nicht darauf ankommt, ob uns eine Theorie
passt oder nicht. Sondern darauf, ob die Theorie Vorhersagen erlaubt, die
mit dem Experiment übereinstimmen. Die Natur, schreibt Feynman, wie
sie die Quanten-Elektrodynamik beschreibt, erscheint dem gesunden
Menschenverstand absurd. Dennoch decken sich Theorie und Experiment.
Er hofft, dass die Menschen fähig sind die Natur so zu akzeptieren, wie sie
ist, absurd. Da nun der Bibel nach Gott die Natur schuf stellt sich hier
sofort die Frage, ob Gott vielleicht in einem ähnlichen Gedankengang dem
gesunden Menschen-verstand absurd vorkommt. Wäre es wichtig zu
wissen, ob es ihn gibt oder nicht? Gibt es ihn nicht, so hat Blaise Pascal,
ein Philosoph, es formuliert, hat man nicht viel verloren, gibt es ihn aber,
so wäre es weise und vernünftig seinen Lebensstil an die Gebote des

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ungleich Mächtigeren anzupassen. Das wiederum gebietet der gesunde
Menschenverstand. Jeder, der arbeitet, nimmt Rücksicht auf den Chef. Sich
dem Chef anzupassen, heraus zu finden, was er mag oder nicht und ob er
überhaupt da ist und Interesse hat, im Arbeitsleben ist es
überlebenswichtig. Es mag für den Menschen, für die Menschheit,
überlebenswichtig sein, diese Fragestellung auf Gott zu beziehen. Dass
Gott unter Umständen durchaus vom „Common Sense“ abweichende
Vorstellungen hat, nun, darüber haben schon viele gescheite Menschen
gerätselt.

Es kommt eben nicht so sehr darauf an, ob es mir passt, dass er da ist,
sondern ob es ihn gibt, ob er eine einzurechnende Größe ist. Nicht das, was
ich dann über ihn denke ist das Entscheidende, sondern was er über mich
denkt. Ihn kennen zu lernen ist wieder ein Kapitel für sich. Wenn er denn
„a supreme being“ wäre, „putting forth claims of obedience“? Ein Wesen,
das allem überlegen ist und das den Anspruch auf Gefolgschaft und auf
Gehorsam erhebt, erheben darf?

So viele Fragen, die durch mein Gehirn ziehen. Darf man dann hässlichen
Kreaturen umbringen, so ohne weiteres? Bahnt es den Weg einer
Philosophie, in der man „unwertes“ Leben einfach so abschreiben darf?
Wie im Nationalsozialismus und vielen, vielen anderen Regimes
geschehen? Muss man sich dieser Ungeheuer entledigen? Im Leben kann
ich nicht jede Spinne hegen und pflegen, jede Mücke willkommen heißen.
Wo liegt die Grenze? Wer setzt sie fest?

Ich frage mich, ob man Soldaten ans Töten gewöhnen kann. Ich habe mal
gelesen, dass die Musik, die Gemeinschaft, das Training und weitere
Methoden die Grenzen durchbrechen, die einen Menschen sonst davon
abhalten zu töten. Erst dann, wenn die Tabus, die Grenzen fallen, ist der
Soldat ein Soldat und fähig als solcher zu überleben und zu töten. Bin kein

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Experte, weiß nicht, wie weit das stimmt. Vielleicht gibt es da eine ganz
besondere Art der Ethik. Es galt jahrhundertelang als ausgesprochen
ehrenvoll für das Vaterland zu kämpfen, zu siegen, zu töten. Soldaten,
Offiziere, Generäle waren oft die Helden der Nation. Erst durch die
„Wertsteigerung“ des Menschen ist Krieg verpönt geworden. Erst durch
die mediale Darstellung der Grausamkeit ist bewusstgeworden, was da
wirklich passiert. Erst durch den Glauben an den Wert des einzelnen
Menschen, wie er aus dem christlichen Glauben erwächst, ist der Krieg zu
etwas Teuflischem geworden. Ist der Schutz des menschlichen Lebens, der
Würde, der Gedankenfreiheit zu einer Grundlage vieler Gesetze geworden.
Es ist aus dem Glauben an einen Gott erwachsen, den kümmert, was hier
geschieht. Wir ver-lassen uns dermaßen darauf, dass die Rückbesinnung
oft schwerfällt.

Augustinus war es, glaube ich, der die Herkunft des Bösen so erklärt hat:
In Gottes Reich gab es nichts Böses und auch die Engel waren ohne
Bosheit geschaffen. Gott hatte all seine Schönheit an Luzifer gegeben, der
wunderbarste Engel, den man sich denken kann. Er war mit Rubinen und
Brillanten bedeckt und seine Schönheit und sein Gesang waren so, dass die
anderen Engel ihm andächtig lauschten. Doch jeder, der einmal ein Bild
gemacht hat oder ein paar Verse geschrieben hat wird wissen, dass,
gleichgültig wie schön und perfekt diese Verse sind, sie niemals der Maler
oder Schreiber sein werden. Wenn das Bild zu seinem Maler sagt, ich bin
besser als du, kann der Maler es im Zweifelsfall immer noch zerreißen und
zerstören. So ist es Luzifer gegangen. Es scheint, als hätten Engel mehr
Einsicht in Gottes Wesen als wir Menschen. Als würden sie, weil sie seine
vollkommene Güte und Weisheit sehen, alles Tun von seinem Tun
ableiten, sein Wille ist ihr Wille. Doch Luzifer hat sich abgewandt. Er ist
seitdem vor Gott der Ankläger der Menschheit geworden. Er bringt jede
kleine Verfehlung eines Menschen sofort vor Gott. Fordert dafür ihre

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Seele. Wie konnte es so weit kommen? Manchmal, wenn ich viele
Gedanken in etwas lege, scheint es am Ende, als wäre dieses Geschriebene
oder Gemalte mehr als ich, schöner als ich, wichtiger und mächtiger als
ich. Vielleicht ist es so gegangen. Vielleicht ist so viel von Gottes Weisheit
und Schönheit in Luzifer geflossen, dass es schien, als wäre er wichtiger,
größer und schöner als sein Schöpfer. Vielleicht schien es sogar, als wäre
er Gott, weil eben so viel von Gottes Wesen in ihn geflossen ist. Anders
kann ich es mir nicht denken, dass ihm ein Drittel der Engel gefolgt sind.
Heute haben wir fast vergessen, dass es ihn gibt, Luzifer. Es scheint ein
Aberglaube, wie ihn Hexen oder dunkle Magier im Mittelalter pflegten.
Wir moderne Menschen wissen es weit besser. Wissen wir das wirklich?
Ist es sein größter Triumph, dass ihn kaum noch jemand ernst nimmt?
Vielleicht daher niemals richtig auf den Grund des Problems des Bösen
gehen kann?

22 Komplexe Computerspiele sind fast das Höchste, was ein menschlicher


Geist an Begrifflichkeit kennt. Über das reine Sehen, da wäre ja nur ein
paar Farbflecken, zum Wahrnehmen, dass diese Flecken sich zu Formen
fügen, zum verständnisvollen Erkennen, das soll eine Frau sein, dies ein
Stier, über die Verfremdung, ein blaugrüner, schleimiger Stier, trotzdem
als Stier zu erkennen, zur Deutung eines das ist ein meiner Figur feindlich
gesinntes Wesen, zu einem diese rote Farbe bedeutet Blut und wenn er
umkippt bedeutet es Tod. Darüber hinaus zu begreifen, dies bin ich, das da
ist eine Spielfigur mit der ich mich identifizieren kann, über die
Überlegung, dass dieses Spiel dazu anhält, das Böse in jener Welt zu
bekämpfen. Die Implikationen, das, was vorausgesetzt wird um dieses
Spiel zu spielen, ist mehr als mancher meinen mag. Alleine die
Erkenntnisfähigkeit und die Deutung verlangen vom Gehirn viele
Fähigkeiten, abgesehen von den motorischen Fähigkeiten der Bewegung,

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und dem Verständnis eines: Wenn ich dies tue geschieht das. Für mich, wie
auch für meine Figur, ist es das Beste dies zu tun. Dann noch eine
moralische Wertung treffen zu können wie ein - das ist ekelig - fordert
viele Fähigkeiten des Gehirns ein. Vom physischen Augapfel, der das reine
Sehen ermöglicht, über die physischen und chemischen Prozesse, die
Wahrnehmen ermöglichen, zu den komplexen Prozessen des Gehirns, es
ist eine unglaubliche Zahl an Entwicklungsmöglichkeiten nötig um einem
komplexen Spiel gerecht zu werden. Wo der Mensch nicht mehr fähig ist,
eine angemessene Deutung zu geben, kann er nicht mehr gewinnen, kann
seine Seele nicht beschützt werden.

Manchmal ist in einem Kampf dem Gegner auszuweichen geschickter, als


einen aussichtslosen Kampf zu beginnen. Manchmal aber muss man den
aussichtslosen Kampf wagen. Auch, wenn man merkt, dass man den
Gegner nicht besiegen kann. Manchmal ist das Ausweichen weise.
Manchmal muss man wegen, auch gegen jede Vernunft. Abschätzen zu
können, ob es ein Kampf ist, der notwendig ist, aus den verschiedensten
Gründen heraus. Ob man Leben und Gut nicht riskieren kann, mag, weil
das zu gefährlich wäre. Es gibt Situationen, in denen fühlt sich etwas, das
anderen nichts ausmacht, an wie eine lebensgefährliche Handlung,
vielleicht weil ein inneres Tabu, eine Grenze übertreten wird. Etwas innen
drin sträubt sich. Man kann diesen inneren Schweinehund bekämpfen,
muss ihn bekämpfen, wenn er zwischen mir und einer wichtigen Aufgabe
steht, doch wenn es lebensbedrohlich wird, wenn Panik hoch steigt, wenn
alle Fähigkeiten die man je hatte wie vergessen scheinen, so muss man
versuchen, den gescheitesten Weg zu finden um damit umzugehen.
Manchmal ist es gut so seine Grenzen zu erfahren. Ich lerne viel über mich
in einer solchen Situation. Dass es anderen weh tun kann, weil sie es
vielleicht nicht verstehen, ist leider oft der Fall. Zu lernen Muster zu
durchschauen und fähig zu werden, wenn schon nicht in der Tat, so doch

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zumindest im Schauen auf den Anderen zu begreifen, dass dieser vielleicht
auch keine andere Wahl hat. Ich denke, viele Konflikte rühren daher. Es ist
sehr, sehr schwierig an der Stelle nicht aufzugeben, sondern weiter zu
gehen. Und es fühlt sich gefährlich und unsicher an. Es gibt einen Moment,
an dem ein Rückzug nicht mehr so ohne weiteres möglich ist. Da muss ich
dann entscheiden, ob es das wert ist, so weit zu gehen. Wenn ich kann.

23 Die Stille des Regens. Die Stille, die ich fast körperlich spüren kann,
wenn ich mit dem Hund am Fluss spazieren gehe und es regnet. Als wäre
die ganze Welt gedämpft, bestände aus silbergrauen Tropfen und zart
gewebten Nebeln. Wunderschöne, zarte Feenwelt. Natürlich ist es zu
solchen Zeiten wichtig nach Hause gehen zu können, eine Dusche oder ein
warmes Bad zu nehmen, die Kleidung zum Trocknen an die Heizung zu
hängen. Das macht den halben Spaß aus, zu wissen, dass man zurück kann.

24 Viele Menschen kaufen Dinge um sich ein Stück Geborgenheit zu


erhandeln. Mancher Mann, manche Frau ist beliebt, weil der Geldbeutel
groß genug ist. Wie groß ist ein Mensch, was bleibt, wenn man ihm alles
fort nimmt? Wenn er, wie einst Hiob, alles verliert, Geld. Freunde, Gut,
Gesundheit. Wer ist man dann? Habe ich in mir eine Sicherheit auch dann
noch Mensch zu sein? Viel mehr Menschen als man denken sollte scheinen
abhängig in ihrem Selbstwertgefühl von der Größe des Autos, das sie
fahren, von den Freunden, die sie haben, sogar die Frau, der Mann, an ihrer
Seite ist nicht unbedingt der Liebenswerteste sondern der, der es
ermöglicht das Selbstbild aufrecht zu erhalten. In dem Moment ist alles,
was dieses Selbstbild bedroht gefährlich. Sehr gefährlich. Es ist schon
merkwürdig, wie zum Beispiel manche Frau über ihre Haare definiert ist.
Sie abzuschneiden wäre wie der Verlust der Persönlichkeit, als wären die

52
Haare der eigentliche Mensch und der Träger dieser Haare die Puppe
darunter. Das ist natürlich grundverkehrt, doch scheint es gerade hier, in
der so genannten westlichen Welt, sehr oft so zu sein. Es ist, glaube ich,
das Schwierigste überhaupt, Grund unter die Füße zu bekommen, die Füße
auf so festen Boden zu bekommen, dass nichts davon zerstören kann wer
oder was ich bin. Wer bin ich, wenn ich Hunger habe, wenn mich jemand
anschreit, wenn ich kein Dach über dem Kopf habe, keine angemessene
Kleidung? Wer bin ich, wenn ich ein schickes Auto fahre, die schönsten
und klügsten Menschen um mich schare, Erfolg habe in allem was ich
anfasse, wer bin ich unter meiner Haut? Ich glaube, das ist die schwerste
Frage, vor der ein Mensch stehen kann. Es führt an den Rand des
Wahnsinns zu versuchen zu ergründen was bleibt. Was von mir übrig
bleibt. Wer bin ich, wenn niemand hinschaut, wenn es keine Anerkennung
gibt? Kann ein Mensch das überleben? Auch bin ich nicht sicher, ob es für
den Menschen immer so eine große Wohltat ist, erfolgreich zu sein.
Jemand hat einmal geschrieben, dass kein Vermögen völlig ohne je gemein
gewesen zu sein gewonnen wird. Ob der Preis, den die Seele zahlt, nicht
hoch ist? Ist das wichtig? Ich glaube schon, weil echte Zufriedenheit mehr
darauf zu beruhen scheint, mit sich selbst ins Reine zu kommen, als über
große Erfolge zu verfügen. Was nichts gegen große Erfolge heißt.
Vielleicht begreift man gerade dort nach einer Weile, dass es nicht
ausreicht. Dass die Anerkennung den Hunger der Seele nicht sättigt. Von
den wenigen äußerst erfolgreichen Menschen, die meinen Weg gekreuzt
haben, waren kaum je welche wirklich glücklich oder auch nur zufrieden,
selten habe ich so viel Traurigkeit, Einsamkeit und Bitterkeit getroffen als
dort, wo mancher vor lauter Neid gerne hin möchte.

25 Es gibt einen Artikel darüber, dass Computer eine Grundform von


Bewusstheit entwickeln, also ähnlich wie Pflanzen vielleicht auch auf

53
Zusprachen reagieren. Was im Zuge der Quantenphysik nicht alles denkbar
ist!

Hier müsste jetzt ein Abschnitt über Quantenphysik stehen. Es ist


faszinierend, auch wenn ich nicht viel davon verstehe. Herr Feynman, der
wesentlich mehr davon versteht, schreibt, dass es niemanden gibt, der es
wirklich versteht. Vielleicht ändert es sich noch mal, vielleicht hat er
unrecht, doch zu versuchen zu begreifen, wie diese Welt ganz physisch,
materiell gestrickt ist, ist schon eine Herausforderung. Darüber zu
schreiben wäre vermessen. Ich werde es sicherlich trotzdem tun, doch
später, ich muss das erst verdauen, was ich so lese. Es scheint, als gäbe es
etwas, das man Verschränkung nennt. Wenn auch niemand zu wissen
scheint, wie es funktioniert, so erweisen Experimente, dass zwei Würfel,
die verschränkt sind, stets die gleiche Augenzahl zeigen, auch wenn sie
tausende von Kilometern entfernt sind. Das gibt es auch für größere
Objekte, ob Menschen miteinander verschränkt sein können weiß ich nicht.
Alleine der Gedanke ist ziemlich beängstigend, denn dann bleibt von der
freien Welt und dem freien Willen überhaupt nichts mehr übrig.

Habe ich in meinen Aktionen mehr Spielraum? Bin ich durch das, was
mein Leben ausmacht festgelegt in meinen Handlungen. Gibt es einen
Puppenspieler, der mich bewegt? Jemanden, den ich bewege? Darüber
gibt es wieder massig theologische Abhandlungen, die ungefähr darauf
hinauslaufen, dass Vorherbestimmung und freier Wille zwei Seiten der
gleichen Münze sind. Dass ein ewiger Gott natürlich schon weiß, wie ich
mich entscheiden würde und dementsprechende Weichen gestellt hat. Es
scheint, als wäre die einzige Freiheit des Menschen jene Luzifers: Sich
Gott mit jeder noch so kleinen Handlung zuzuwenden oder abzuwenden.
Das geht mit Abwaschen und Staubsaugen los und hat längst nicht nur mit
beten und Bibel lesen oder ähnlichem zu tun. Ich denke manchmal, dass
das verloren geht. Das Wissen, dass selbst Zähne putzen mit Gott zu tun

54
hat, dass es ihn interessiert und dass es einen Menschen näher zu ihm
bringen kann oder von ihm entfernen kann.

Das sind natürlich sehr frustrierende Ansichten in Zeiten, in denen das


Wort Freiheit, auch Freiheit Fehler zu machen so groß geschrieben wird.
Es ist schon manchmal beschämend jede Sekunde mit jemandem zu leben,
der zwar unsichtbar ist, dem aber nichts entgeht, der jede noch so kleine
Regung des Fingers oder des Herzens wahrnimmt.

26 Ich glaube, es lebt sich einfacher, wenn man weiß, wohin man geht,
wenn dieses Lebe vorüber ist. Wenn man, ähnlich einer Reisekasse,
Provisionen zurück gelegt hat. Solange 100% der Bevölkerung sterblich
sind, ist es Wahnsinn, diesem Ereignis unvorbereitet entgegen zu treten.
Jede auch nur kleinere Reise wird auf das Sorgfältigste vorbereitet, doch
diese endgültige Reise bleibt davon oft unberührt. Das scheint nicht sehr
vernünftig, obwohl es gerade die oft so vernünftigen Menschen sind, die
für diesen Fall keine Versicherung abgeschlossen haben, die diesem so
wichtigen Ereignis hilflos gegenüber stehen. Wenn jede Geburt eines
Kindes viele Vorbereitungsmaßnahmen erfordert. Wenn viele Kurse
besucht werden, um sich Wissen anzueignen. Wenn es als einschneidendes
Ereignis gilt. Warum nicht auch jene letzte Reise vorbereiten? Warum
nicht auch für dieses endgültige Stück des Weges eines Menschen lernen?
Es scheint nicht sehr vernünftig sich darauf zu verlassen, dass es vorbei ist,
wenn es vorbei ist. Dass da nichts ist, nichts kommt. Das ist bestenfalls
eine launige Hypothese. Nichts vergeht endgültig, warum sollte die Seele
endgültig vergehen? Ja, es scheint ein Leichtsinn, ein Hochmut, diesem so
sicheren Gefährten des Lebens gegenüber. Ihn nicht rechtzeitig
einzuschließen ins Leben. Zu versuchen, herauszufinden, wohin diese
letzte Reise geht und zu versuchen, die „richtige Versicherung“ für dieses

55
letzte Erlebnis zu haben. Sicher zu sein, dass es nicht schief geht. In einer
Gesellschaft, in der man für alles und jedes bisweilen eine Versicherung
abschließt, scheint es mehr als leichtsinnig. Unverständlich. Beinahe schon
dumm. Ein so wichtiges, mit solcher Sicherheit eintretendes Ereignis nicht
zu bedenken! Nicht zu fürchten!

27 Ein Musical, das ich gesehen habe. Es heißt „Les Miserables“ nach
Viktor Hugos Roman. Ich will hier nicht die ganze Geschichte erzählen.
Nur das, was mir gerade durch den Sinn schießt. Der Gastwirt, bei dem
Cosette von ihrer Mutter Fantine zur Pflege gelassen wurde, nützt diese
sehr aus. Als während der französischen Revolution viele der Kämpfer auf
der Seite der Aufständischen fallen, geht dieser ehemalige Gastwirt herum
und stiehlt von ihnen Wertgegenstände. Ich sage stiehlt, er nimmt sie den
Leichen ab, man nennt es ja auch Leichenfledderei. Es sieht widerlich aus,
wie er in den unterirdischen Gängen unter Paris einem Toten die Zähne
ausbricht und ihn auch sonst durchsucht. Natürlich nützen diese Dinge
niemandem mehr und doch scheint es zutiefst verwerflich, als wäre hier
das wirklich böse, das noch am Tod der seinen Gewinn macht, erst
wirklich zu Hause. Er wird reich dabei, auch reich an Information und
mischt sich damit später unter den übrig gebliebenen Adel. Eine
Schreckensgestalt, der viele nichts entgegen zu setzen haben, weil er zu
viel über sie weiß. Weil es über fast jeden Menschen Dinge zu wissen gibt,
die dieser lieber nicht an die breite Öffentlichkeit gelangen lassen möchte.
Die Zuschauer mussten lachen, als er einem der Helden die Uhr stiehlt
macht er dabei noch einen Witz daraus, einen auf Gottes Kosten. Wenn es
keinen Gott gibt, so kann man den Toten nehmen, was sie nicht mehr
brauchen. Nur der Mond habe ihm geantwortet, als er zu Gott geschrien
habe. Er rechtfertigt sein Verhalten damit. Er hat insoweit recht. Wenn es
keinen Gott gibt, so gibt es kein gut oder böse. Niemanden, vor dem man

56
sein Tun eines Tages verantwortet. Seltsamerweise wissen die Menschen,
die Gott leugnen, oft zumindest auf den ersten Anschein hin am Sichersten,
was wohl gut wäre und was alle anderen tun sollten. Woher nehmen sie
den Maßstab dafür? Woher nehmen sie ihre Sicherheit? Was nützt es?
Wenn es Gott nicht gibt braucht es niemanden zu interessieren, was gut
bedeutet. Sie interessiert es auch nur, solange es ihre ureigenen Interessen
wahrt. Wenn es jedoch Gott gibt, wie ich es glaube, so bestimmt er den
Maßstab. Es ist wichtig zu wissen, wie er ihn gestaltet, den Maßstab.
Komisch, in der Mathematik denkt sich ja auch nicht jeder, heute ist ein
Meter so und so lang. Wenn auf dem Markt ein Händler für ein Kilogramm
einen beliebigen Wert annimmt, protestieren alle. Warum? Weil es
Grundsätze und Gesetze gibt, die das menschliche Zusammenleben regeln.
Festgelegte menschliche Maßstäbe, die reflektieren auf ewige Maßstäbe.
Wir Menschen brauchen das. Brauchen es als Halt in einem völlig sich
unserer Kontrolle entziehenden Kosmos. Seltsam, wie wir, die wir so
vernünftig um jeden Cent ringen, uns nicht scheren um das, was die
Vernunft von Gott sagt. Was, wenn nur der Mond antwortete?

Ist es Verzweiflung, wenn Gott nicht antwortet? Überlässt er uns solange


unserem eigenen Gutdünken, bis wir begreifen, zu was wir fähig sind,
wenn Gott uns nicht vor uns selbst beschützt? Ich habe auch einmal nach
Gott geschrien, aus der Tiefe eines verzweifelten Herzens. Er hat nicht
direkt geantwortet. In den drei Wochen habe ich ziemlich viel Mist
gemacht, noch nichts wirklich Kriminelles, doch es waren keine
erbaulichen drei Wochen. Es zeigt, was da so alles in mir steckt. Gott ist
doch keine Marionette, oder ein Diener, der antworten muss, sowie er
gerufen wird. Nein, er ist der Herr der ganzen Schöpfung, auch wenn er
nicht immer so auftritt. Er hat meinen Schrei dann doch beantwortet. In
einem Moment, in dem ich es total abgeschrieben hatte. Es war, als hätte
ich die Stimme schon immer gekannt, als wäre mein Leben vorher Qual

57
und Irrtum gewesen, bevor ich seine Nähe so gespürt habe. Es ist und war
einer der merkwürdigsten Momente meines Lebens. Und doch werde ich
es - hoffentlich - nie vergessen. Bin wie süchtig nach Spuren seiner
Gegenwart, nach seinem Geist und weiß doch, dass es nicht das ist, was en
Glauben ausmacht. Obwohl da ein Gefühl von Geborgenheit, von großer
Nähe, von Licht, von Blau war. Wie eine Stimme, die ich schon immer
gekannt habe. Doch Zeit hat gezeigt, dass es nicht die Tiefe von Gottes
Herzen ist.

Mein Leben war danach nie mehr das Gleiche. Ich bin aufgebrochen, weil
ich mehr wissen wollte, lernen wollte über diesen Gott. Er hat mich
seltsame Wege geführt. Manchmal sind sie so seltsam, dass es schwer ist
zu erklären. Selbst jetzt, 20 Jahre später, habe ich gerade mal den Saum
gestreift, gerade mal angefangen ein klein wenig die Umgebung zu
erkunden. Unermesslich ist das, was es da zu finden gäbe, ich empfinde
mich als klein, als beschränkt, unfähig, viel darüber zu sagen, selbst zu
denken. Es entzieht sich in weiten Teilen dem Darüber-sprechen-können.
So falle ich manches Mal zurück auf alte Plattitüden, die so nicht wahr
scheinen. Doch gibt es nichts in meinem Wissen, was es besser zu erklären
scheint.

58
Ich lerne, dass die gleichen Worte leere Hülsen sein können oder tiefstes
Geheimnis. Plattitüden eben, oder Wahrheit, die so groß ist, dass sie nicht
anders erklärbar ist. Manchmal schimpfe ich voller Ungeduld mit meinem
Hirn, das so wenig zu begreifen scheint, mit meinem Mund, dem die Worte
fehlen, mit meinem Herzen, dem die Umsetzung so oft misslingt. Wenn sie
gelingt, so scheint es niemals rein, sondern immer ein Gemisch mit zum
guten Teil selbstsüchtigen Motiven. Ich habe einmal hinter mir gelassen,
was ich in dem Leben mit Gott aufgebaut hatte. Zumindest dem Gedanken
nach, um für jemanden da zu sein. Paulus hat geschrieben Gott und Gottes
Willen hinter sich zu lassen. Begründung und Rechtfertigung fallen mir
schwer. Es bräuchte viel Zeit und kluge Worte. Verständnis. Schwierig.
Um Gottes willen, um dieses Menschen, dieser Menschen willen, war ich
zu Dingen fähig, die ich mir niemals zugetraut hätte, nicht besonders
erstrebenswert - à vrai dire - und mit den Resultaten kämpfe ich noch jetzt.
War es hochmütig? Ich bin nicht sicher. Mein müdes Hirn hat ein paar
weitere Wahrheiten begriffen, die sich wie Plattitüden anhören, mein Stolz
hat ein bisschen nachgegeben. Doch da ist sofort aus der Tiefe wie aus
einem Brunnen mehr gesprudelt. Ich weiß nicht einmal, ob es erfolgreich
gewesen ist. Die Frage steht noch immer im Raum. Es hat viel Porzellan
zerschlagen. Es hat mir gezeigt, dass ich fähig bin zu vielem. Wenn es
anscheinend nötig ist. Dieses Mal meine ich es positiver als es in meinem
Schrei nach Gott gewesen ist. Vor allem aber klammere ich mich mehr an
Gott, wissend, wie unfähig ich bin, mich ein wenig besser erkennend.
Weiter versuchend, das Gute zu tun, das Richtige. Ich frage mich, ob dies
seine, Gottes, Taktik ist, mich zu der Frau zu machen, die er in mir sehen
kann. Paulus schreibt es anders, er schreibt, dass aus den Fehlern Gutes
erwachsen kann. Meine Schwester hat es einmal „aus Scheiße Butter
machen“ genannt. Es ist wenig vornehm, doch eine im Leben oft
wiederkehrende Angelegenheit. Es ist gut, sich darin zu üben wo man

59
kann. Ich habe es gelesen, dass wir wohl kaum mehr von Gott wissen als
diese einsame Fliege, die dort das Fenster entlang krabbelt. Endless
devotion, tiefste Verehrung verdient Gott. Je mehr ich ihn kenne, desto
einfacher ist es. Desto mehr kann er es aus mir heraus ziehen. Selbst mit all
diesen Worten würde ich den geneigten Leser und auch Gott am liebsten
um Verzeihung bitten, weil mein Reden von ihm so schwammig scheint,
so unvollkommen, so dürr. Vielleicht kann der eine oder andere verstehen,
wie ich’s meine, deshalb steht es trotzdem hier. Ich versuche zu lernen, für
alles dankbar zu sein, auch für den Schmerz. Wenn es denn diesen Gott
gibt, so muss man ihm für alles danken, da er alles so arrangiert, dass es
zum Besten wird für die Seele des betreffenden Menschen. Wer weiß, was
für eine Art Mensch ich wäre, ohne Gottes Eingriff, ohne sein liebevolles
Zurechtstutzen meiner Natur. Ohne Zulassen des manchmal doch recht
grausamen Zurechtstutzens durch Umstände. Natürlich tut es weh
zurechtgestutzt zu werden und natürlich ist das nicht angenehm. Doch
seine Nähe wiegt so manches auf. Ich will lieber um seinetwillen die
größten Qualen erleiden als in einer Welt zu leben, in der ich ihn nicht
finden kann. (Große Worte vielleicht, ich würde es nicht darauf anlegen
wollen, diese Worte auf die letzte Probe gestellt zu sehen.) So betrachte ich
es noch als Gnade, dass er mir den Schmerz zufügt, der mich fähig macht
ihn zu finden. Der mich immer wieder aufs Neue anstachelt zu fragen, zu
suchen, versuchen zu begreifen. Versuchen zu tun. Das ist wichtig, wenn
ich etwas begreife, dass ich versuche, mein Tun danach auszurichten, sonst
vertrocknet der kleine Ast sofort wieder. Die kleine Knospe wird sonst
niemals blühen. Knospe. Plattitüde. Ich weiß nicht anders von den ewigen
Geheimnissen zu reden oder zu denken. Außer dass das, was ich davon
kosten durfte unaussprechlich süß ist und mehr zu Kopf steigt als
Champagner oder Austern. Beides gab es eine Zeit lang in recht hoher
Qualität. Abende in Bordeaux…, ich weiß zumindest ein bisschen, wovon

60
ich schreibe. Rimbaud hat geschrieben „... die Süße dieser Stunde war
dann verloren, so viel Süße verloren für die ganze Welt“. Aber diese Süße
verliert sich nicht, sie frisst sich in die Gedärme und in die Gedanken und
wird zur Messlatte alles dessen, was passiert. Er wird es vollenden. Er wird
mich zu der Frau machen, die er vor Augen hat, was immer auch
geschehen mag. Bevor ich zu den Toten gehöre möchte ich den guten
Kampf gekämpft haben. Gelebt haben um seines Namens willens.

28 Steinkreise sind Überreste früherer Zivilisationen. Ein ungefähres


Datum für die Einordnung wäre 2000 vor Christus. Diese Zeit wird
passend zur Steinzeit gerechnet. Es war eine Zeit, in der der Jäger zum
Schäfer geworden war, der Schäfer zum Bauern. In jedem Ding, jedem
Tier, jedem Baum oder Bach schien ein Geist zu wohnen. Das nennt man
heute Animismus. Es fasziniert heute noch viele Menschen, viele, die auf
einer spirituellen Suche sind. Damals war es nicht möglich auf den Grund
eines jeden Sees zu schauen, auf die Spitze eines jeden Berges zu klettern
oder in die Tiefe eines jeden Waldes vorzudringen. Diese Plätze schienen
mit Untieren und Geistern aller Art bewohnt. Solche Steinkreise jedenfalls
finden sich noch in Britannien. Es wird vielerorts noch immer gerätselt was
der eigentliche Zweck war. Ob sie ein Tor in eine andere Ebene der
Wirklichkeit öffnen konnten, und sei es dem Geist eine Ebene der
Wirklichkeit zu öffnen, ist nicht sicher. Von einer Zeit kommend, in der
die Vorherrschaft des Menschen über die Tiere, indem die Überlegenheit
der menschlichen Rasse keineswegs so gesichert war wie wir es heute
annehmen, bleiben sie doch Zeugen für Dinge, die Menschen auch ohne
unser technisches Hilfsgerät schaffen konnten. Und dafür, dass es wichtig
war, in Kontakt mit einer jenseitigen Welt zu kommen.

61
29 Ich habe die Oper Norma gehört, wunderschöne Musik ganz nebenbei,
in der eine druidische Priesterin einem römischen Offizier erliegt. Da dies
ein Frevel gegenüber ihren Gelübden ist opfert sie sich nach einigen
Auseinandersetzungen selbst. Auch hier die Idee, dass es das Richtige, das
Gute gibt und dass man, sofern man es kennt eigentlich verpflichtet ist es
auch zu tun.

30 Manchmal habe ich angefangen, mich zu fragen, ob diese Gesellschaft


es nicht aufgegeben hat, gegen die Übel der Welt zu kämpfen. Eine bessere
Welt für die Kinder? Unter dem Stichwort Klimawandel haben sich einige
aufgemacht. Aber manchmal scheint es, als hätte so mancher resigniert.
Heutzutage braucht man die Kinder nicht mehr, da der Staat die Rente
bezahlt. So kann man es sich leisten die Kinder nicht zu erziehen oder zu
versorgen. Irgendwie scheint das neu. Es war immer ein Instinkt des
Menschen die Rasse zu verbessern. Die Jungen zu erziehen, zu fördern,
anzuleiten. Doch obwohl es scheint, als wollten alle ewig jung sein,
braucht die, die wirklich jung sind kaum noch jemand. Außer vielleicht um
menschliche Wärme zu bekommen. Die Kinder sind damit nicht mehr
Investition in eine sichere Zukunft, sondern Lieferanten für eine bessere
Gegenwart. Es erschreckt mich. Ich empfinde es als erschreckend zu
sehen, wie Kinder, auch erwachsene Kinder, abgeschrieben werden, weil
man sie nicht mehr braucht. Irgendwie gibt es jetzt eine Generation, die so
gut versorgt ist, dass sie es sich leistet, nicht mehr für die Nachkommen
vorzusorgen. Das kommt mir wie eine gefährliche Wende vor. Das eigene
Blut war durch alle Jahrhunderte wertvoll, doch scheint diese Verbindung
an Kraft zu verlieren. Es scheint nicht mehr so wichtig dieser
Verantwortung gerecht zu werden. Vielleicht liegt es auch an den Kindern
und erwachsenen Kindern, dass sie nicht mehr das Gefühl haben, den
Eltern ihr Leben zu schulden. Der Respekt vor der Leistung, Kinder

62
aufzuziehen scheint geringer denn je und Kinder zu haben ist fast ein
Luxus der Reichen geworden. Ich habe mich sogar schon gefragt, ob für
einen Chef Angestellte ähnlich wie Kinder mehr Ärger machen, als dass
sie Nutzen bringen. Ob es nicht einfacher wäre, wenn alle eine
Grundsicherung bekommen, dann braucht niemand mehr jemanden.
Vielleicht. Vielleicht werden uns auch nur andere Bedürfnisse bewusst.
Bedürfnisse, die schlafen, solange die Zeiten schlechter sind. Solange eben
der Magen nicht gefüllt ist. Vielleicht haben all diese Fragen lange
unterdrückt gelegen und drängen jetzt an vielen Stellen zugleich ans Licht.
Wenn der Mensch nicht mehr unmittelbar ums Überleben kämpft, um sein
rein physisches Sein, so beginnt er vielleicht den Kampf um seine Seele.
Außer natürlich, dass unter Brot und Spielen alles verloren geht. Die
Römer wussten schon was sie taten. Vielleicht war es in schwierigen
Zeiten viel wichtiger, viel dringender Gott nah zu sein? Heute scheint es
fast alles überflüssig. Wir leben, wir leben nicht schlecht. Vom Materiellen
her gesehen geht es den meisten von uns sehr, sehr gut. Doch scheint es
eben, als gingen Tiefe und Zusammenhalt verloren. Ähnlich dem, was
viele Menschen in Ostdeutschland empfunden haben, als die DDR
zerbrach. Der Zusammenhalt zerbrach, der Halt, den viele Menschen dort
gefunden hatten. Die materiell so reiche Welt Westdeutschlands hat sich
keineswegs als das gelobte Land entpuppt. Mancher schien, als er seinen
Fernseher, das Auto und die Waschmaschine hatte, die Mauer wieder
zumachen zu wollen.

Wir verlieren sozusagen unsere „tierischen“ Instinkte und müssen sie


durch den Willen, die Einsicht ersetzen. Vielleicht wird der Mensch erst da
zum Menschen, wo die Notwendigkeit des Zusammenhalts nicht mehr
zwingend ist. Wo eine tiefere Form des Zusammenlebens gefunden werden
muss, oder eine Höhere. Wo der Instinkt der Erhaltung der Nachkommen
nicht mehr zieht, weil man sie nicht mehr braucht, da muss eine neue

63
Ordnung gefunden werden. Eine, die den Schwachen schützt und dem
Starken trotzdem ermöglicht, stark zu sein. Wo der Instinkt einschläft,
muss es einen Willen geben, eine Einsicht, eine Vernunft. Die Bibel, vor
allem das Neue Testament nennt es Liebe und sie meint damit nicht den
instinktgesteuerten Trieb der Paarung, auch wenn Gott den Menschen
daraufhin angelegt hat, auch nicht das romantische Blümchengefühl des
kuscheligen Selig-Seins, sondern eine Liebe, die das Beste im anderen
sieht oder sehen will. Vielleicht lernen wir eines Tages, dass Liebe eine
Entscheidung ist, sein muss, sonst verliert man sie irgendwann, wie die
Handschuhe oder den Regenschirm, auf einmal ist sie fort. Doch Liebe will
das Beste im anderen schaffen. Hat die Perfektion des eigenen und des
anderen Ichs vor Augen. Perfektion im Sinne des Mensch - Seins. Sich
taumelnd über die Abgründe des getriebenen Verhaltens zu erheben um
frei zu werden dem höchsten Gebot zu folgen. Dem Gebot zu lieben. Dem
Gebot Gott zu gehorchen, auch gegen den Trieb. Dem Ruf zu dienen zu
folgen. Vielleicht lernen wir erst jetzt was Menschlichkeit sein kann. Im
Angesicht dessen, dass kein Wesen so grausam ist wie der Mensch. Kein
Tier jedenfalls hat gelernt, was für raffinierte Formen von Hass und
Vernichtung es gibt. Formen, die ganz ohne Waffengewalt auskommen. In
einem der Harry Potter Bücher sagt Madame Pomfrey, dass Gedanken
manchmal die tiefsten Narben hinterlassen. Das, was wir über uns und
andere denken prägt uns und diese zutiefst. Ist das auch eine Form von
Mord? Von Vernichtung? Was könnte ein Herz, eine Seele je so rein
machen, dass solche Gedanken nicht mehr aufkommen?

Nur der Kontakt mit Gott macht wirklich bewusst, wie viele unschöne
Gedanken und Regungen im Menschen versteckt sind. George MacDonald
schreibt in einem seiner zahlreichen und oft sehr weisen Bücher, dass alles
wächst. Die Blumen wachsen, die der Gärtner gepflanzt oder gesät hat. Sie
kennen den Gärtner nicht. Sagt es etwas über die Existenz des Gärtners

64
aus, wenn die Pflanzen ihn nicht kennen? Würde es nicht solche Pflanzen
auf eine höhere Ebene heben, wenn sie sich bewusst wären, dass es einen
Gärtner gibt? Muss ein verantwortungsvoller Gärtner nicht manche
beschneiden, sogar weit zurückschneiden, damit sie Frucht tragen oder
blühen? Ob sie es wissen oder nicht? Wie viel mehr mag ein Mensch erst
dann zu einem Menschen werden, wenn er seinen Schöpfer anerkennen
kann und mit ihm in Kontakt tritt? So kann er sein, was dieser ihm
zugedacht hat. Darauf vertrauend, dass, was immer dieser ihm zugedacht
hat, das Bestmögliche ist für diesen Menschen und für die gesamte
Menschheit. Wie ein Gärtner auch immer für seinen Garten das
Bestmögliche tun würde. Doch gibt es dieses Vertrauen noch? Gibt es das
Bestreben noch, solch ein Mensch zu sein? Was ist der Maßstab für
Erfolg?

Der Wunsch nach Schönheit? In dieser Gesellschaft wird großer Druck


produziert. Druck, unter dem viele zerbrechen. Manche werden unfähig,
ihm angemessen zu begegnen. Gibt es die Möglichkeit dem zu entgehen?
Der Forderung nach dem Mithalten im Wettrennen um die materielle
Sicherheit belastet oder spornt an. Die Errungenschaften der Zivilisation
haben den sie schaffenden Menschen gleichsam versklavt und angekettet.
Selbst unter Christen ist der Maßstab für Geistlichkeit, für Gottesnähe, im
Bankkonto angesiedelt. Die Spendenfreudigkeit und – Fähigkeit wird
gemessen und bewertet. Zumindest bei manchem. Wo bleibt Platz zu
wachsen, spirituell und geistig und seelisch. Platz zu fragen, ohne zugleich
zutiefst abgestempelt zu sein oder gar vernichtet. Wie tief sitzt es nicht in
den Knochen, in den Gedanken, im Kopf und im Herz, auch in Meinem.
Diese Art des Werturteils ist mir ja keineswegs fremd, sondern ich schreibe
über Dinge, die mich manchmal an mir selbst zur Verzweiflung bringen.
Gibt es so etwas wie eine Schuldigkeit gegenüber dem Mitmenschen?
Gegenüber den eigenen Nachkommen oder den Vorangegangenen? Könnte

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dies auch ein Maßstab für Erfolg sein? Seine Schuldigkeit getan zu haben.
Dem Anspruch an Menschlichkeit gerecht zu werden? Dem tiefen Hunger
des Herzens und der Seele nachgegangen zu sein? Jemand sagte, das wäre
zu schön um wahr zu sein. Es wäre zu schön um wahr zu sein, wenn es
solch einen Gott gäbe. Wenn es ihn denn gäbe, wäre es nicht höchste
Pflicht und höchstes Vergnügen ihn zu finden, ihm zu dienen? Und wäre es
nicht von höchster Bedeutung, dies sicher zu wissen? Wäre dies ein neuer
Maßstab für Erfolg? Vielleicht nicht gar so neu, sondern uralt? Wäre es
dem Menschen vielleicht angemessener? Wäre es menschlicher? Wenn es
einen solchen Gärtner Gott gibt, so muss es höchster Anspruch eines
Menschen sein, ihm zu begegnen und ihn zu finden. Dies mag sein
höchstes Recht sein, es scheint auch seine höchste Pflicht. Die höchste
Pflicht eines Menschen, muss sie nicht sein, dass, was ihn von anderen
Kreaturen zu unterscheidet zu kultivieren? Aufgabe wäre, die höchste
Entwicklungsstufe anzustreben. Wie alles Sein danach zu streben scheint,
sich selbst vervollkommnen zu wollen. Obwohl es eher wie Luxus
scheinen mag, angesichts der wirtschaftlichen Nöte, so ist es doch in
Wirklichkeit die Pflicht eines jeden Menschen. Diese Gesellschaft bietet
Möglichkeiten dazu, wenn es auch nicht einfach sein ist.

Manchmal frage ich mich, ob es noch Menschen gibt, die etwas davon
wissen, wie es ist, Gottes Gegenwart zu kosten. Verbergen sie es aus Angst
vor Neid? Vielleicht gäbe es mehr Menschen, die danach verlangen
würden, oder die wüssten, dass sie danach verlangen, wenn das Wissen
darum verbreiteter wäre. Schließlich hat schon Meister Eckhardt davon
geschrieben. Augustinus auch. Von Paulus, der es schon in seinen Briefen
des Neuen Testamentes beschreibt, einmal abgesehen. Der Weg in die
Begegnung mit Gott geht in die Tiefe. Ähnlich wie ein Kreuz muss er erst
ziemlich weit in die Tiefe gehen, bevor er die Arme ausbreiten kann und in
die Breite geht, auf den anderen zugeht. Das Verhältnis scheint immer zu

66
Gunsten der Tiefe zu sein. Nur, wenn ich mich verändere, kann ich auch
die Welt um mich her verändern. Nur, wenn ich in mir Hass und Wut und
Neid und ähnliche unschöne Pflänzchen ausrotte, bin ich fähig, liebevoll
auch dem Nächsten zu begegnen. Mit allen Fehlern, die wir Menschen so
an uns haben. Sowohl das Ich wie auch das Du oder Wir.

31 Manchmal mögen die scheußlichsten Kreaturen in ausgemachter


Schönheit hausen. Das ist erst christliches Gedankengut. Zunächst
schienen böse Menschen hässlich zu sein. Obwohl das Alte Testament
lehrt, dass Luzifer der schönste aller Engel war. Der, der fiel. Gerade weil
er so schön war. Doch Menschen haben immer das Hässliche mit dem
Bösen verbunden, das Schöne mit dem Guten. Vielleicht aus dem
griechischen Gedankengut heraus? Selbst die Jünger fragen, als sie den
kranken Mann sehen, wer gesündigt hat. Krankheit als Schuld. Als
Ausdruck von Gottesferne. Es hat viel von dieser Bedeutung behalten in
der heutigen Gesellschaft. Mit ein Grund, warum das Kranke in seinen
vielen Formen ausgegrenzt wird und warum Menschen tausende und
zehntausende von Dollar oder Euro ausgeben, um möglichst schön zu sein.

Menschen, die nur in Zerstörung oder Krieg gewohnt haben, sind zunächst
unfähig, Schönes und Gutes so zu akzeptieren, damit zu leben. Gleich, ob
es ein seelischer, emotionaler oder physischer Konflikt war. Die Wunden
im Inneren eines Menschen sind sich sehr ähnlich. Trauma bleibt Traum,
egal, welche Situation für das Entstehen verantwortlich ist. Es heißt nicht,
dass die Menschen, die in traurigen äußeren Umständen leben, auch
schlecht sind. Oft sind sie die Opfer eines anderen. Nur, dass sie gelitten
haben und immer noch leiden. Das kann außen sein, es kann aber auch
innerlich sein. Es kann sein, dass Wut und Hass, denen man begegnet,
innen Spuren hinterlassen, die von außen kaum zu sehen sind. Im Ende

67
wird jeder für sein eigenes Herz Rechenschaft ablegen müssen und das ist
auch schon mehr als genug. Zu verurteilen ist gefährlich, selbst zu urteilen
waghalsig. Außer wenn etwas so klar ist, so wirklich unmenschlich und
zerstörerisch. Dann muss etwas gesagt oder getan werden, etwas, dass den
Hass durch Liebe besiegt. Das Böse durch das Gute überwinden. Das ist
das Ziel. Es geschieht viel zu schnell, dass jener, dem Böses widerfuhr,
dann selbst solches weitergibt. Auch, weil er nie gelernt hat, wie man es
anders machen könnte. Da braucht es Befreiung. Umlernen. Verzeihung.
Wahrheit. Vielleicht sogar die unbequeme Wahrheit, dass man es nicht
besser verdient hat. Man hat sich so oft von Gott abgewendet. Dass Böse,
das da tief im eigenen Herzen wohnt, es ist so stark, dass man kein Anrecht
auf all das Gute und Schöne hat. Nicht einmal Anrecht auf Gottes
Barmherzigkeit. Es ist eine unbequeme Wahrheit, aber sie macht frei. Frei
auch, nicht unzufrieden herum zu schimpfen, wenn die äußeren Umstände
mal nicht so sind, wie man es gerne hätte. Verdient, das Unglück, das
Unrecht, unverdient das Gute, das Glück, der Segen Gottes.

Es gibt ein Buch von Isaac Asimov, darin wird ein Computer für Krieg
gebaut. Als der schlaueste und fähigste und größte Kriegscomputer aller
Zeiten fertig ist, will er nur Frieden. Ich habe es mich oft gefragt, ob Macht
und Reichtum bis zu einer gewissen Grenze wachsen und danach kehrt
eine Einfachheit, Schlichtheit ein, die fast an klösterliche Bescheidenheit
erinnert. Es erinnert dann fast an Bettelmönche und ähnliches in der
völligen Unaufdringlichkeit. Als gäbe es ab einem gewissen Punkt nichts
mehr, womit man Macht symbolisieren könne oder als wäre nichts mehr
davon wichtig. Als käme dann die Erkenntnis auf, dass man so die Seele
nicht retten kann. Dass es Dinge gibt, über die weltliche Macht und
Reichtum keinen Einfluss haben. Dann kommt die Suche nach den Dingen,
die Bestand haben, die den Tod überdauern und die wirklich Frieden
bringen. In einem Märchen der Gebrüder Grimm wünscht sich ein Fischer

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immer mehr und mehr und mehr, er lebt schließlich im Palast eines
Königs. Als er wie Gott sein will, findet er sich in seiner kleinen
Fischerhütte in äußerster Armut wieder. Es scheint diesen Punkt oft zu
geben, auch Hermann Hesse schreibt darüber in „Siddharta“, über den
Punkt, an dem einem Menschen diese Welt zerbricht. Auffordert, nach der
nächsten Welt zu suchen. Doch manchmal muss viel geschehen, bis einem
Menschen diese Welt zerbricht und er sich aufmacht, nach jener Welt zu
suchen. Manchmal frage ich mich, ob das Böse hier nicht sogar so etwas
wie die Aufgabe hat, die Welten zu zerbrechen, die mit ihren Banden die
Menschen umfangen und von Gott fortziehen. Im Buch Hiob im Alten
Testament wird Hiobs gesamte Welt vernichtet. Hiob ist ein
gottesfürchtiger Mann. Satan klagt ihn an, er diene Gott nur aus Vorsicht,
aus Gewitztheit, damit es ihm gut gehe. Er erhält die Erlaubnis Hiob alles
zu nehmen außer seinem Leben. So geht alles dahin, seine Kinder, sein
Vieh, seine Güter, alles wird zerstört. Auch seine Gesundheit. Als letztes
sagt ihm obendrein seine Frau er solle doch Gott fluchen und ihn
vergessen. Hiob sitzt in der Asche, sie lindert den Schmerz in seinen
Wunden und hadert mit Gott. Gott seinerseits greift zunächst nicht ein.
Freunde kommen und denken, es sei alles Hiobs Schuld. Das Unglück als
Ergebnis einer bösen Tat oder Gesinnung. Sie wollen wissen was er getan
habe um Gottes Zorn heraus zu fordern, doch da ist nichts. Nichts außer
der Unkenntnis. Erst am Ende erfährt Hiob, dass Gott groß ist, größer als er
es geglaubt hat. Er sagt, vorher wusste ich und ich habe geglaubt, doch
jetzt habe ich es erfahren, ich neige mein Haupt und schweige, denn wer ist
wie du. Gott hat mit ihm gerechtet. Hat ihn gefragt, wo denn wohl Hiob
war, im Anfang dieser Welt, hat ihn nach seiner Anmaßung gefragt mit
Gott rechten zu wollen. Selbst die Physiker heute, die doch mit ihrer
Quantenphysik die Welt fast vollständig erklären, scheuen sich Aussagen
zum Warum und Wieso dieser Welt zu machen. Zumindest habe ich es so

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gelesen. Vielleicht werden wir weiser als Menschheit. Begreifen, dass
unser Teil ist, diese Welt zu erkennen und zu verwalten, doch das Warum,
das Wohin liegt in Gottes Hand. Hiob erfährt das und er beugt sein Haupt.
Er entschuldigt sich. Einer, der nach allem Dafürhalten nichts getan hat.
Der ein besonders frommer Mann war. Gott gibt ihm zurück, was ihm
genommen worden ist. Nachdem es nicht mehr so wichtig ist. Nachdem
Hiob Frieden mit allem geschlossen hat. Gott muss sich vor uns für nichts
entschuldigen. Selbst nicht für das größte Unglück. Es ist einer der ältesten
Teile der Bibel und ein sehr aufschlussreicher Teil dazu. Ich denke, dass
vieles davon heute genauso zutrifft wie damals. Es steht dem Menschen am
besten, sein Haupt zu neigen in Ehrfurcht.

32 Fast jeder Tag bringt einen neuen Kampf. An allen Ecken und Enden
lungern „Monster“ herum und man scheint nie fertig zu werden. Jeder hat
einen Kommentar oder eine Meinung zu dem, was man tut. Manchmal
unfreundlicher Art. Das alles kostet Kraft. Jemand hat es verglichen mit
einem Garten, in dem man Unkraut jätet um ihn voller Blumen und
Gemüse und Rasen zu haben. Es ist eine Arbeit ohne Ende. Für jedes
gezupfte Unkraut scheint eines oder gar zwei nachzuwachsen.
Unermüdlicher Eifer und die Mühe die Seele rein zu halten ist dem sehr
wohl vergleichbar. Wer weiß denn schon wozu man fähig wäre, wenn man
die Mittel dazu hätte. Die Möglichkeiten zu tun, was man sich jetzt nicht
träumen lassen würde. Wenn es niemanden gäbe, der zuschaut oder richtet.
Ich weiß zum Beispiel nicht, wozu ich nicht vielleicht fähig wäre, wenn
Not und Sorge mich nicht ständig in Schach halten würden. Wenn da
niemand wäre, der schaut auf das, was ich da gerade so tue. Selbst so ist es
schon schwierig. Nichts, dass ich etwas wirklich Böses tun möchte, aber
die Miete oder den Einkauf unbezahlt zu lassen wären sehr wohl
Verlockungen für jemanden, der mit jedem Euro rechnen muss.

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Gerade die Beobachtung oder die Kommentare durch Mitmenschen mögen
ein Hemmnis sein, sich auf den Weg zu Gott zu wagen. Es ist nicht
unbedingt populär, zumindest nicht in seinen ernsthafteren Formen. Allzu
schnell gleicht ein Leben dann einem notdürftigen Ort des nackten
Überlebens, in dem schwer festzustellen ist, wer Freund und Feind ist.

Das alles mag sich jetzt fürchterlich anhören, doch mancher würde
vielleicht alles geben, was er hat, um nur einen Augenblick den Frieden zu
spüren, wenn Gott sagt recht getan, du guter, du treuer Knecht. Wenn seine
Nähe alles andere zweitrangig werden lässt. Wenn in seiner Gegenwart
selbst Unerfreuliches doch noch einen Sinn haben kann, indem es mich
näher zu ihm bringen kann. Im Lied der Lieder steht: Du bist süßer als
Honig und lieblicher als alles, was ich je gekostet habe. Süße Worte für
eine schwer zu beschreibende Wirklichkeit. Doch es gibt keine Abkürzung,
zumindest wüsste ich keine. Alleine der sanfte Wind seiner Gegenwart
macht aus dieser Welt einen lieblichen Ort. Es bleibt schwer zu
beschreiben, weil es nichts entspricht, was man sonst beschreiben könnte.
Champagner? Prickelnd und aufregend und leicht wie Gottes Geist, doch
nie gut genug. Ein wunderschöner Sonnenuntergang? Er erzählt von Gottes
Schönheit ohne an sie heran zu reichen. Ein geliebter Mensch? Vielleicht
das beste Abbild Gottes und doch immer noch so voller Fehler. Die
Zärtlichkeit eines Liebenden ist ein Abbild von Gottes Zärtlichkeit für uns.
Da, wo sie echt ist, ist sie glücklicher Moment voll unvergesslicher
Schönheit. Wo sie imitiert wird ist sie ein schlimmstes Abbild des Bösen,
Alptraum für lange Jahre. So könnte ich vieles beschreiben, dass von Gott
erzählt ohne seine Gegenwart je beschreiben zu können. Selbst dem, was
ich davon erfahren durfte, wird mein Reden oder Schreiben nicht gerecht.
Es bleibt immer ein unaussprechlicher Teil. Immer ein Hunger nach mehr.
Hunger, den nichts sonst zu stillen vermag. Ich glaube, kein Junkie oder
Alkoholiker kann sich den Drang vorstellen, die absolute Abhängigkeit,

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den fast schon Zwang, selbst nur Krumen von Gottes Tisch zu finden. So
gut man es eben vermag. Den unstillbaren Hunger zumindest ansatzweise
zu befriedigen. Ich war nie von Substanzen abhängig, kann den Vergleich
also nur denken, nicht fühlen. Ich schaue manchmal Zeitungen durch,
Illustrierten und sehe, wie mancher prominente Mensch, ein Mensch für
dessen Tun und Lassen sich fast die ganze Welt interessiert, mit
Abhängigkeiten kämpft. Von Drogen, von Alkohol, von Menschen, und
ich denke, dass man darüber liest, weil es diese Sucht nach Gottes Dingen
gibt. Weil sich vielleicht jeder ein wenig danach sehnt. Manche geben der
Sucht auf vielleicht ungesunde Art nach, erkennbar ist der Zwang, das
Unausweichliche, das Ausgeliefertsein. Die Sucht nach Gottes Dingen ist
mindestens so schlimm, glaube ich, wenn auch ihre Formen anders
ausgeprägt sind. Akzeptabler scheinen, weil in ihrer Folge eher Ordnung
und Frieden in ein Leben einkehren. Eher, denn Gottes Wege mögen schon
recht ungewöhnlich anmuten. Viele haben gekämpft mit der Sucht. Im
Wechsel von menschlicher Sucht nach ungesunden Dingen oder göttlicher
Sucht nach seiner Nähe. Wenn jemand näher hinschaut scheint dem, der
Gottes Wege sucht, auf einmal eine ganze Welle von Hass und Neid
entgegen zu schlagen. Es scheint, als wäre es fast unerträglich für andere,
wenn jemand diesen Weg gefunden hat. In seiner Art mehr Zufriedenheit
entwickelt als selbst der Angesehenste unter den Menschen, mag er in
einem Loch hausen oder in einem Schloss.

33 Bücher sind etwas absolut Faszinierendes. Ich bin damit groß


geworden. Meine Mutter war Bibliothekarin. Ich habe ihr, wenn die Schule
es erlaubte, geholfen oder dort gelesen. Mehr noch war ich in der örtlichen
Bibliothek, von der manche - vielleicht etwas boshafter weise - behauptet
haben, ich hätte sie doch schon durchgelesen. Dazu noch ein paar eigene
Bücher und natürlich die Schulbücher. Lesen war so ziemlich das einzige,

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was ich zur Zufriedenheit aller beitragen konnte. Es kam meiner Neigung
vortrefflich zustatten. Bücher sind ganz eigene Wesen. Sie sind wie gute
Freunde. Jemand hat einmal geschrieben, sie seien die besseren Freunde,
weil man sich aussuchen kann, mit wem man sich umgibt. Man kann
Gedanken austauschen mit Menschen, die schon lange tot sind. Auch hier
gibt es gute und weniger gute Freunde. Solche, die die richtige Richtung
weisen und solche, die davon ablenken. Die Wahl ist groß, wenn man erst
einmal weiß, in welche Richtung man denn gerne gehen möchte. Es
scheint geradezu unmodern daran zu glauben, dass es eine Richtung gibt.
Dass der Mensch eine Richtung braucht. Ein Zug braucht Schienen, sonst
kommt er nicht vom Fleck und steht orientierungslos auf einer großen
Wiese ganz allein. Oder hinter einem Lokschuppen. Er hat eine Richtung
und die Schienen, die dorthin führen, machen ihn erst interessant. So ist es
auch mit dem Menschen. Er braucht eine Richtung, sonst geht er im Kreis
wie jemand, der sich im Wald verirrt. Nicht, dass nicht viele verirrt wären.
Heute geht das Lesen natürlich auch übers Internet. Damals gab es kaum
etwas Schöneres für mich als einen ganzen Stapel Bücher neben mir zu
haben und eines nach dem anderen durchzulesen. Es waren durchaus nicht
nur gelehrte Bücher. Ich habe sehr viel Romane und ähnliches gelesen.
Alles, was mir so unter die Hände fiel in einer kleineren Stadtbibliothek.
Ich habe einmal völlig verregnete Ferien an der Nordsee in der dortigen
Bücherei verbracht. Es war wundervoll. So viel Regen. Gemütlich mit
einem Buch an der Heizung sitzend. Wundervolle Ferien. Dies ist eine
Liebeserklärung an das Buch ganz allgemein. Ich mochte lange am liebsten
neue Bücher, wie eine neue Zeitung hatte es etwas, das Gefühl, sie als
Erster aufzuschlagen, in ihnen zu lesen. Doch ein Freund sammelte
antiquarische Ausgaben und nachdem er ziemlich viele davon hatte, war es
wirklich wie in einem Buchladen zu sitzen. Da habe ich auch die schon
gelesenen Bücher schätzen gelernt. Meine Bücher habe ich immer auch

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gelesen. Habe sie danach gekauft, ob ich sie lesen möchte. Es war, als hätte
ich den ganzen Schrank voller Freunde. Sie sprachen zu mir. Verstanden,
was passierte. Hatten oft weit besseren Rat bereit als ein Mensch je geben
kann. Normal, schließlich enthält so ein Buch die gesammelten Gedanken
oder Erfahrungen eines anderen. Ich habe mich, obwohl ich viel alleine
war, niemals einsam mit ihnen gefühlt, weil immer jemand da war, der
verstand. Manches Mal habe ich sie menschlicher Gesellschaft
vorgezogen. Die menschliche Gesellschaft hat das nicht gut aufgenommen.
Mich spüren lassen, dass es ihr missfiel. Auf der Suche nach Weisheit,
nach Worten war und bin darüber hinweggegangen. Ich habe vielleicht aus
jedem Buch nur einen oder zwei Sätze für mein Leben mitgenommen. Bei
der Anzahl Bücher kommt ganz schön was zusammen. Ich habe nicht für
die Schule gelernt oder studiert. Ich war mehr ein Bücherwurm, ich habe es
alles eingesogen. Alles was da so kam. Vielleicht geht es deshalb in
meinem Kopf manchmal kreuz und quer. Gandalf - aus „Der Herr der
Ringe“ von Tolkien - er redet am liebsten mit der weisesten anwesenden
Person - ihm selbst. Für mich sind das die Bücher gewesen. Zwischen
Berte Bratts Teenie Liebesromanen und Platos Höhlengleichnis, von
hirnchirurgischen Abhandlungen zu Hermann Hesse und Ringelnatz, von
Karl Mays Amerika mit Winnetou und Old Shatterhand - und es hat mich
völlig fasziniert wie Winnetou in einer Kirche in Leipzig kniet und zum
christlichen Gott beten, ihn in sein Herz lässt - zu Carlos Castanedas
Büchern über Mexiko und Pilze, es ging alles durcheinander. Doch hat sich
daraus ein Pfad geformt. Alle, die etwas zu sagen hatten, schienen einig,
dass es wichtiger ist, Weisheit zu finden, den unsichtbaren Dingen
nachzuspüren. Ob es nun Liebe ist, auch sie ist in ihrer Form nicht sichtbar,
nur in ihren Auswirkungen, oder Glauben. Gott ist an sich nicht sichtbar.
Ob Weisheit oder Wissen, ob Worten nachzuspüren oder Gedanken, wie
Siddharta an einem Fluss sitzend zu enden, voller Frieden mit den

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Gegebenheiten des Lebens. Wie der kleine Prinz nach etwas zu suchen, das
es nicht zu geben scheint. Bereit zu sein zu sterben um nach Hause gehen
zu können. Wo ist zu Hause? Irgendwo da oben, im Himmel. Selbst Berte
Bratts Mädchen, auch Hanni und Nanni oder

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Georgette Heyers Damen des ausgehenden 19. Jahrhunderts suchten nach
Liebe, nach Zuneigung, nach sich selbst, nach Freundschaft. Danach, gut
und gerecht zu sein. Auch Old Shatterhand und Winnetou waren ganz
Gentlemen, die nur im Notfall angriffen, sonst Leben verschonten um
Freunde zu gewinnen. Sie waren eben gut. In diesen Büchern schien es
immer darum zu gehen gut zu sein. Wenn man es nicht war drohten
fieseste Qualen. Vielleicht habe ich es dort gelernt, das Gut-sein-wollen.
Das Suchen danach, wie ich als Mensch gut sein kann, Gutes wirken kann.
Nicht im Sinne von Gutmenschentum, das bisweilen schon fast einen
negativen Anstrich bekommen hat, sondern von ganz tief unten. Wie eine
Quelle, wie ein Apfelbaum, der gar nicht anders kann als Äpfel zu tragen,
gut zu sein. Aus einer Kraft zu leben, die nicht mehr verlangt jedes Mal
neu nachzudenken, sondern mich so tief in den Urgrund des Guten zu
versenken, dass es wie durch mich hindurchfließt. Um meine eigene
Unfähigkeit Gutes zu wirken habe ich dabei gelernt. Auch darum, wie
durchsetzt selbst die Besten aller edlen Motive sind. Es war und ist meine
tiefste Sehnsucht, diesem zu entsprechen und Bücher schienen wie die
Stufen der Leiter dorthin, wohin ich sonst niemals gekommen wäre. Es
brauchte viele Stufen für mich. Ich war nie zufrieden mit dem Erreichten,
habe immer noch tiefer gespürt wie es gärt und unrein ist. Mich manchmal
vor mir selbst geekelt, weil aus mir heraus so viel Unreines zu kommen
scheint. Nichts Ungewöhnliches, ich bin praktisch immer ein braves
Mädchen gewesen, doch gerade darin schien wiederum Gefahr zu liegen,
zu zufrieden zu sein. Bücher waren meine treusten Weggefährten. Wenn
„alle“ sagten, du spinnst, fand sich immer noch ein Buch, das ich zitieren
konnte, das mir recht zu geben schien. Wenn ich manchmal eines der
Bücher, die mich in jenen Jahren begleitet haben zur Hand nehme, habe ich
Tränen in den Augen. Es ist, als würde ich einen wirklich lieben Freund
sehen. Ihm die Hand geben. Jemanden finden, der mich versteht, der mir

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Ausblicke in jene Welt eröffnet, die sich manchmal für Momente ahnen
lässt. Ich will eines davon zitieren aus „Die Chroniken von Narnia“ von C.
S. Lewis. Vier Kinder sind auf Abenteuer in einem Land, dass nur wenigen
zugänglich ist, Narnia. Es ist ein Land in dem Tiere reden können, Bäume
tanzen und wo Naiaden in Quellen wohnen. Oder wohnten, weil es sich
alles ganz fürchterlich verändert hat und fast so ist, wie in dieser Welt, in
der die Bäume sichtlich weder reden noch tanzen. Lucy, die Jüngste der
Vier, kann nicht schlafen.

Jeder außer Lucy ging schlafen. Durch einen Spalt zwischen Ästen und
Blättern konnte sie die Sterne Narnias sehen. Sie leuchten viel heller als
hiesige Stere und Lucy erinnerte sich, sie besser gekannt zu haben als die
Sterne dieser Welt. Von dort wo sie lag, konnte sie zumindest drei
Sternenbilder sehen. Das Schiff, den Hammer und den Leoparden. Lieber
alter Leopard wisperte sie sich glücklich zu.

Anstatt müder zu werden wurde sie immer wacher, mit einer seltsamen,
nächtlich-träumerischen Wachheit. Sie hatte das Gefühl, der ganze Wald
um sie her beginne zu leben, beginne aufzuwachen wie sie selbst. Ohne
recht zu wissen warum, stand sie schnell auf und ging ein bisschen vom
Lager fort.

Dies ist wunderschön, sagte Lucy sich. Es war angenehm kühl und Frische
lag in der Luft, der Wald roch nach all den wunderbaren Waldgerüchen,
die es gibt, sie schienen überall sanft umher zu schweben. In der Nähe
hörte sie eine Nachtigall, sie sang ein wenig, hörte auf, dann begann sie
wieder zu singen. Vor ihr wurde der Wald etwas lichter und heller. Sie
ging auf das Licht zu und kam zu einer kleinen Lichtung, dort standen
weniger Bäume, dort lagen ganz silbrige Seen aus Mondlicht, doch das
Mondlicht und der Schatten vermischten sich so sehr, dass man kaum
erkennen konnte, wo etwas stand oder was dort genau stand. Genau in

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diesem Moment begann die Nachtigall ihr schönstes Lied lauthals zu
singen. Lucys Augen gewöhnten sich langsam an die Dämmerung und sie
konnte die Bäume, die ihr am nächsten standen, klar erkennen. Eine große
Sehnsucht nach den alten Tagen ergriff sie, als die Bäume in Narnia noch
reden konnten. Sie wusste ganz genau, wie jeder dieser Bäume reden
würde, wenn sie sie nur aufwecken könnte. Und sie wusste, welcher
menschlichen Form dieser Baum dann ähnlich sehen würde. Sie schaute
auf eine silbrige Birke, sie würde eine sanfte, rieselnde Stimme haben und
wie ein schlankes Mädchen aussehen, ihr Haar würde über ihr Gesicht
wehen und sie würde es lieben zu tanzen. Sie schaute auf eine alte Eiche,
er wäre ein kauziger doch herzlicher alter Mann mit einem welligen Bart
und Warzen auf Gesicht und Händen, aus den Warzen würden Haare
wachsen. Sie schaute auf die Birke, unter der sie stand. Oh! Bäume,
Bäume, Bäume, sagte Lucy. (Obwohl sie eigentlich nicht vorhatte zu
reden.) Oh, Bäume, wacht auf. Wacht auf. Wacht doch auf. Könnt ihr euch
nicht erinnern wie es war? Könnt ihr euch nicht an mich erinnern? Dryaden
und Hamadryaden, kommt, kommt doch bitte raus zu mir.

Obwohl kein Wind wehte, bewegten sich Äste und Blätter leicht. Das
Rauschen der Blätter hörte sich fast an wie Worte. Die Nachtigall hörte auf
zu singen, auch sie schien zu lauschen. Lucy hatte das Gefühl, dass sie
jetzt, jetzt diesen einen Moment anfangen würde zu verstehen, was die
Bäume versuchten zu sagen. Doch der Moment kam nicht. Das Rascheln
erstarb, die Nachtigall sang eines ihrer Lieder. Selbst im Mondlicht sah der
Wald wieder wie ein sehr gewöhnlicher Wald aus. Doch Lucy hatte das
Gefühl, dass sie genau diesen Moment verpasst hatte: Als hätte sie eine
Sekunde zu früh zu den Bäumen gesprochen oder den Bruchteil einer
Sekunde zu spät, als habe sie die richtigen Worte gewusst außer jenem
einem, oder ein Wort eingefügt, eines nur, dass falsch klang.

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Und dann wurde sie sehr, sehr müde, sie ging zurück ins Lager, kuschelte
sich zwischen Susan und Peter und war in wenigen Minuten eingeschlafen.

So ist mir oft und oft gegangen, als wäre es den Bruchteil einer Sekunde zu
früh, zu spät, als wäre ein einziges Wort unglücklich gewählt, unglücklich
gefallen vielleicht nur. Und manchmal, manchmal kommt eine Ahnung
auf, was wohl wäre wenn.... wenn die Bäume tanzen würden. Hier tun sie
es später, sie tanzen als ständen sie mit den Füßen im Wasser, so bewegen
sie sich durch die Erde.

Der Ausschnitt ist aus „Prinz Caspian“ von C. S. Lewis. Ein Abenteuer,
das Böse in der Welt zu besiegen und doch scheint es kaum je etwas
Böseres zu geben, als das, was man da so gerade in sich trägt. Manchmal
kommt es mir wie ein seltsamer, verschlungener Tanz vor, verwunschene
Wege auf denen lange niemand gegangen scheint. Oder schließen sie sich
geräuschlos, spurlos hinter mir? Vor mir? Ich suche weiter. Es ist jetzt
anders als damals und doch manchmal genau gleich, als gäbe es eine Welt,
die erwachte wenn ich sie nur sehen könnte. Und ich denke, es gibt im
Menschen Dinge, Welten, Gefühle, die erwachen können, wenn man nur
die richtigen Worte findet, wenn man nur richtig schauen kann. Ich denke
manchmal, jeder wäre gerne gut, wenn es nicht zuzeiten so sehr
anstrengend oder unbequem wäre. Vielleicht tragen viele diesen Ekel,
‚disgust‘ sagt man im Englischen, mit sich herum, ohne zu wissen, dass es
Wege gibt ihm zu entkommen, so tief er auch sitzen mag. Es gibt Dinge,
die stärker sind als er. Nicht viele Menschen wagen es, davon zu reden, ich
weiß nicht, wie viele davon wissen. So bleiben die Bücher, die sehr viel
davon erzählen und die Schritt für Schritt Wege weisen. Mit sich selbst
Frieden schließen zu können – nicht, weil ich jetzt plötzlich so ein toller
Hecht wäre, sondern weil ich die Quelle finde, die durch mich hindurch
sprudeln kann, weil ich mich dann nur noch beiseite nehmen muss, um die
Quelle ungehindert fließen zu lassen. Es geht. Man kann es finden. Ich

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sterbe jeden Tag ein kleines bisschen dabei. Das hört sich jetzt dramatisch
an, man sieht es nicht unbedingt, nicht wirklich, dazu ist es auch nicht da.
Und es gibt Glücksmomente, wo jemand zu verstehen scheint, wo
silberhelles klares Wasser zu fließen scheint. Na ja, es ist selten. Doch
beginne ich jeden Tag von vorne, mal mehr mal weniger entschieden, weiß
gar nicht, wie anders ich leben könnte, nicht mal, ob und wie man anders
leben könnte. Es füllt mich ganz aus, dieses Verlangen, und Bücher sind
wie die Leiter, die mich dem näher bringen. Sie sind treue, treue Freunde
voller unvermuteter Tiefen und auch voller Gefahren, denn es ist nicht
ungefährlich solchen Gedanken nachzugehen und bisweilen kostet es
seinen Preis. Dann muss ich mich manchmal kneifen um noch zu wissen,
wohin ich eigentlich gehe, was das Ziel ist. Doch lohnt es sich, es ist
aufregend und lohnend und faszinierend und es hilft, den eigenen Horizont
zu übersteigen „.... um wie einst mit Ikarus aus Gefangenschaft zu fliehn“.
Reinhard May hat das gesungen, manchmal bleibt solch eine einzige Zeile
Text wie mit einer Nachricht aus anderen Gefilden. So sitze ich also, von
Büchern umgeben, wenigen nur noch jetzt.

Diesem Weg zu folgen schien manchmal wie das sprichwörtliche Opium,


das Marx in der Religion anprangerte. Der Weg fort von Materiellen als
Erziehungsversuch, als Beschwichtigung für jene, die wenig habe. Als
Aufruf zum Gehorsam gegen die, die diesen Regeln nicht folgen und doch
die, die es tun beherrschen. Unterordnung lehren unter jene, die es nicht
nötig haben? Passiver Widerstand gegen die Macht des Geldes?

34 Manchmal möchte ich die Stufen der Erkenntnis schneller erklimmen,


besser werden, lernen. Möchte das Böse bekämpfen. Wobei ich immer
mehr das Gefühl habe, das dieses Land, in dem es zu kämpfen gilt, innen
liegt. Die eigenen Dämonen, die innen herrschen, zu besiegen.

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35 Es ist ein seltsames Weltbild, das in dieser Zeit wächst. Es ist so klar
aufgeteilt in Freund und Feind, wie es das Leben selten ist. Eine Welt, in
der jeder, der nicht 100% ja sagt und Begeisterung zeigt ein Feind ist. Eine
Welt, in der ein Freund nicht mehr die Wahrheit sagt, sondern sozusagen
ein Fan, ein fanatischer Anhänger ist. Es scheint, als wäre dies wirklich ein
Trend, als wäre jedes kritische Wort eine Kriegserklärung. Statt zu
versuchen Dinge zu klären verunsichern solche Worte bis in die tiefsten
Tiefen. Ich weiß es nur zu gut. Jemand, der mein Schreiben kritisiert oder
nicht beachtet scheint kein Freund sein zu können. Was dies über die
Wurzeln dieser Gesellschaft sagt, aber auch über persönliche
Unsicherheiten, darüber, ob wir uns geliebt, geborgen, sicher fühlen und
darum auch ein kritisches Wort zu ertragen, ja annehmen zu können ohne
zu zerbrechen oder das Leben grundsätzlich in Frage zu stellen ist nicht
unbedingt schön. Es geht mir schnell so, dass ein kritisches Wort oder eine
lieblose Geste ein ganzes Unternehmen in Frage stellt. Wenn derjenige, mit
dem ich da unterwegs bin, so lieblos oder gleichgültig etwas dahinsagen
kann, was mich Schweiß und Tränen gekostet hat, wie weit kann man dann
zusammen einen Weg gehen? Wie oft habe ich, vielleicht sogar
unwissentlich, solch ein Wort gesagt? Manchmal, wenn man sich Mühe
gegeben hat, so kann ein liebloses Wort wie ein Messer sein, eines, das alle
Freude verdirbt und den Glanz erlöschen lässt. Ein liebes, wahres,
ermutigendes Wort kann das Liebste sein, was man jemandem geben kann.
Das Leben scheint oft schon streng genug. Mit Weisheit entscheiden zu
können ist wahrlich Größe. Eine Gesellschaft, in der der, der am lautesten
spricht auch Recht hat, eine solche Gesellschaft verliert ihre
Menschlichkeit. Es sagt viel über den Menschen aus, der seine Gedanken
so sicher vortragen kann, doch es sagt nicht unbedingt etwas über die
Richtigkeit des Gesagten. Gerade die, die nicht so durchsetzungsstark sind,

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sind oft stark auf anderen Gebieten. Wie in der Tierwelt überlebt oft der
Stärkste am besten. In dieser Gesellschaft scheint es auch so, auch wenn
nicht mehr unbedingt die körperliche Stärke entscheidend ist. In der
Tierwelt müssen entsprechend Stärken eingesetzt werden. Wir sind
vielleicht komplizierter, aber nicht sehr viel anders. Den Schwächeren zu
schützen ohne ihn herabzusetzen ist eines der Dinge, die Menschlichkeit
ausmachen, jemanden zu lehren zu fliegen, ohne sich dafür selbst die
Pluspunkte gut zu schreiben ist wohl das Beste, was man einem Menschen
tun kann. Jeder braucht diesen Freiraum, auch den, Fehler zu machen und
nicht so perfekt zu sein. Bevor jemand, nur weil er lauter spricht, eher recht
zu haben scheint. Weil er oder sie hübscher, jünger, charismatischer oder
reicher ist oder alles zusammen. Es ist nicht leicht sich in einer
Gesellschaft, in der Introvertiertheit als Schwäche zählt, durchzusetzen.
Mir wird manchmal körperlich schlecht, richtig schlecht, wenn jemand
schreit. Ob er recht hat oder nicht, ob er ein Prediger ist oder ein Hooligan,
es hat nichts damit zu tun. Mir wird richtig übel. Ich weiß nichts dagegen
zu tun, es beraubt mich aller meiner Fähigkeiten klar zu denken oder gar
etwas dazu zu sagen. Bin ich deshalb dümmer als andere? Nein, sicher
nicht. Aber diese Stärke fehlt. Ich habe Menschen lange bewundert, die so
sicher auftreten. Ich dachte, die wissen schon alles, was mich noch fragen
lässt. Dann habe ich gelernt, dass sie oft noch viel weniger Wissen, dies
aber für wahr halten und entsprechend überzeugt und überzeugend reden.
Aber selbst zu wissen, dass es so ist, ändert nichts an der Übelkeit, die
mich ergreift. Es macht mich klein, hilflos, machtlos. Wer ist schon ganz
frei davon, dem, der da so betörend reden kann, der so cool aussieht, recht
zu geben? Es ist auch einfacher. Selbst Wahlkämpfe scheinen immer mehr
darauf hinaus zu laufen, zu zeigen wie cool jemand ist, nicht wie weise
oder wie fähig. Jemand der so cool aussieht muss weise und gut sein. Muss
er? Oder hat er so viel Zeit damit verbracht, cool auszusehen, dass für

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Weisheit nichts übrigbleibt? Sehen wir als Menschen immer nur die
Außenseite und beurteilen diese? Wie eine Frucht, eine Banane vielleicht
oder eine Paprika, von denen ich nur das Äußere sehen kann. Wenn ich
gelernt habe, das Äußere richtig zu lesen, so kann ich Rückschlüsse auf das
Innere ziehen. Nur Erfahrung lehrt, dass die Paprika hohl ist oder die
Banane weich. Das Anschauen alleine kann so etwas nicht lehren.
Vielleicht ist es ein uralter Instinkt im Menschen, schnell beurteilen zu
müssen. Oft in Bruchteilen von Sekunden zu entscheiden. Für das
Überleben war es wichtig. Im Bruchteil einer Sekunde geht die Sonne auf,
bevor mir einfällt, sie geht gar nicht auf. Die Erde tanzt wieder.

36 Ist der soziale Druck so stark geworden ist, dass man sich nicht mehr
leisten kann, den zunächst schwächer Scheinenden einen Platz zu geben?
Den Bedächtigen, die oft so viel mehr Wissen angesammelt haben? Selbst
die, die gesund und stark sind scheinen Lasten tragen müssen, unter denen
sie fast zusammenbrechen. Der Schöne und Starke für seine Stärke, der
Müde für die Müdigkeit. Gnade gibt es keine. Der Neid treibt alle weiter.
Wenn nicht der Eigene, so der der anderen. Vielleicht scheint es, als wäre
der andere dann der Feind. Während dieser doch meist im eigenen Herzen
sitzt. Doch Jesus hatte nichts verbrochen und sie haben ihn trotzdem
verurteilt und hingerichtet.

Es scheint so vieles verdreht, so vieles verworren, so vieles, das auf der


Strecke bleibt, weil alle Menschen fehlerhaft sind. Kaum einer, der das
eingesteht, eingestehen darf. Die Botschaft dieser Welt ist, dass alle gut
sind oder zumindest gut wären, wenn man sie nur ließe. Kaum noch
jemand fühlt das Bedürfnis nach innerer Rettung, das mich so lange
umgetrieben hat. Kaum jemand scheint zu verstehen. Kaum jemand schreit
danach, dass ihm jemand diese Lasten tragen hilft. Wie Jesus es

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versprochen hat. Wie Jesus es tut. Jemand zu sein, der Demut und
Gehorsam liebt, dessen Stolz zerbricht, der gut und gütig ist. Doch diese
Welt scheint sich schneller zu drehen. Fort von manchen vielleicht
unerfreulichen Wahrheiten über das Selbst. Erkenne dich selbst?
Selbstverwirklichung? Für mich bitte nicht. Denn aus dem Inneren dieses
Selbst kommen die bösen Dinge. Weil jenes Innere böse ist. Unbequeme
Wahrheit. Ungeliebte Wahrheit. Doch es ist eine Wahrheit, die letztlich
frei macht. Die das Übel an der Wurzel auszurotten sucht.

Wird der Hunger der Seele größer, wird ersichtlich, dass das menschliche
Herz wie ein löcheriges Fass ist. Wie jener löcherige Eimer im Märchen,
mit dem jemand versucht Wasser zu holen. Was immer er holt, gleich wie
viel, es zerrinnt, bevor noch wenige Schritte getan sind. Das menschliche
Herz, in seiner emotionalen Wirklichkeit, ist so ein Organ. Was immer es
erhält, es ist nie genug. Damit wird der Nächste zu jemandem, der einem
das Wenige fortnehmen könnte, das man so mühsam gefunden hat. Er wird
zu einem Feind, oder beinahe. Nur eine gesättigte Seele, oder zumindest
eine, die weiß wo sie regelmäßig Nahrung findet, ist fähig zu teilen, zu
lieben. Leider belastet das auch die zwischenmenschlichen Beziehungen.
Denn jeder ist auf der Suche danach, seine Bedürfnisse befriedigt zu
bekommen. Möglichst zu einem geringen Preis. Während man den, der
diese Bedürfnisse stillt, dann heimlich verachtet. Weil er so dumm ist, zu
helfen? Oder fürchtet man ihn? Den Entzug der lebenswichtigen
Ernährung? Hasst er ihn gar für jene Macht, die er über das eigene Herz
ausübt? Ich habe schon überlegt, ob man nicht den heiratet, den man am
meisten hasst oder fürchtet. Den, den auch andere am meisten hassen oder
fürchten. statt zu dem zu halten, den man als lieb und gut kennt. Wenn man
es denn erkennen kann. Es scheint, als wäre lieb und gut zu sein, sein zu
wollen, fast etwas Strafbares. Vielleicht wieder aus der Not heraus, aus der
Angst, dass nicht genug übrig bleibt, wenn dieser auch zu einem anderen

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freundlich ist. Wie viel Rücksicht nehme ich auf diese Gefühle anderer in
dem, was ich tue? Wie viel Rücksicht kann einer nehmen, ohne dass sein
Leben darunter leidet?

Wie kann ich es schaffen, so zu reden, so zu schreiben, dass ich es hören


und fühlen, wie es beim anderen ankommt. Dass es dem anderen hilft,
seine Löcher zu stopfen? Wie kann ein anderer verstehen, was ich sage,
denke, tue? Macht die Freundlichkeit Angst? Jemand hat geschrieben,
wenn Freundlichkeit Angst macht, so ist, weil man sie nicht erwidern will
oder kann. Dann wird die Zuneigung eines anderen zur Bedrohung. Oder
wird als bedrohlich empfunden. Muss man dann aufhören freundlich zu
sein? Wird ausgegrenzt, wer freundlich ist und gut ist? Schafft das Böse
den Kit zwischen den Menschen? Sind jene, die zusammen etwas
Unrechtes planen oder tun in jenem Unrecht vereint? Gleichzeitig die
Entdeckung fürchtend? Den Freundlichen nah heran kommen zu lassen
verunsichert dann. Er wird der, gegen den Übles geplant wird. Nicht
einmal aus Bosheit, sondern einfach, weil es so einfach ist. Weil er so
leicht zu betrügen ist. Selber schuld? Ist man abhängig von jemandem, der
selbst nicht so abhängig ist, weil er weiß, wo seine Seele Nahrung
herbekommt? Deshalb verärgert? Wird der ausgegrenzt, dass es fast wie
ein Todesurteil scheint, der dann nicht freiwillig aufgibt, was ihn selbst
nährt um sich der Masse der Haltlosen anzuschließen? Es ist kein Wunder,
dass im Mittelalter gerade die Weisen oft verbrannt wurden. Gerade die,
die etwas mehr zu wissen schienen, scheinen oft unheimlich oder
gefährlich. Sie wurden und werden denunziert und verbrannt. Da das
Verbrennen aber seit ca. 200 Jahren abgeschafft ist, hat man subtilere
Arten gefunden, sie zum Schweigen zu bringen, sie zu diskreditieren.

Fast jedes Mittel ist recht, um das fragile Selbst, die geschundene Seele zu
schützen vor all diesen Menschen, Wesen, die so leicht Feinde sein
könnten. Ob sie vielleicht gute Freunde wären, Liebende? Es ist zu

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gefährlich. Nicht den, den meine Seele liebt lasse ich heran, sondern den,
der mir nicht gefährlich wird. Den, der mein Ich, mein Weltbild stützt und
stärkt. Der mich gut aussehen lässt in den Augen der Anderen. Jener, die
vielleicht Feinde, auf jeden Fall aber bedrohlich sind. Deshalb ist der Wille
das größere Auto zu haben als der Nachbar, die bessere Stelle als der da,
die klügeren Kinder als jene zu haben, nichts anderes als eine Form von
Krieg. Kleinkrieg. Privatkrieg. Meist endet er erst, wenn der andere
geschlagen oder vernichtet ist. Immer besser, schöner, schneller sein zu
wollen oder zu müssen, um nicht unterzugehen. Um nicht als Versager
dazustehen vor sich, vor den Menschen, in der Hoffnung damit letztendlich
vor Gott gut dazustehen? Wie steht man dann vor Gott da?

Vor dem Gott, der gesagt hat, halte die andere Wange hin, wenn man dich
auf die eine schlägt? Unpopuläre, schwierige Worte, noch schwieriger zu
tun. Denn es tut weh, sie zu leben. Selbst dann, wenn die Einsicht
vorhanden ist, dass es der Seele tiefen Frieden bringt. Ich glaube, es ist der
einzige Weg, auf dem der Krieg beendet werden kann. Auf dem
gleichzeitig jeder Hunger der Seele gesättigt werden kann. Auf dem man
tiefe Zufriedenheit finden kann. Um den Krieg, der in dieser Welt ist, zu
verringern. Ich scheitere immer wieder daran, das zumindest ist
frustrierend. Die andere Wange hinzuhalten ist etwas, das man anderen rät,
selbst aber sehr ungern anwendet. Aus der Angst heraus, als Schwächling
oder Feigling abgestempelt zu werden? Der Versuch, sich zu wehren
verbreitert den Konflikt. Ist Unterordnung immer die richtige Wahl? Heißt,
die andere Wange hinzuhalten immer dem Stärkeren nachzugeben? Ist es
„Opium“ für die Vielen, um die Vielen ruhig zu halten? Wann ist
Widerstand erlaubt oder nötig? Wenn schon Mobbing der Versuch ist, ein
für mich grausiges Geschöpf loszuwerden? Was, wenn man der ist, den
alle loswerden wollen? Jesus hat die Geschichte vom barmherzigen
Samariter erzählt. Ja, er lobt den Mann, der hilft. Jener wiederum gibt aber

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keineswegs sein ganzes Leben auf, um dem Verletzten zu helfen. Er nimmt
ihn nicht mit, gibt ihm keinen Zugriff auf sein Leben. Oft wird diese
Geschichte von jenem erzählt, der gerne Teile eines anderen Lebens haben
möchte. Ein „Gib mir!“ oder „Ich bin so verletzt, du schuldest mir…“ . In
unserem Eifer gut zu sein, sind wir damit vielleicht über das Ziel
hinausgeschossen. In dem Versuch Gott zu gefallen hat sich mancher
verausgabt. Der helfende Samariter hat den Verletzten in ein Hotel
gebracht und dem Hotelier Geld gegeben um den Mann gesund zu pflegen.
Dann ist er weitergereist. Ist seinen eigenen Geschäften nachgegangen.
Das Maß zu finden, auch im Helfen. Letztlich ist niemandem geholfen,
wenn bei dem Versuch einen Ertrinkenden zu retten beide untergehen oder
zu großem Schaden kommen. So edel es sich anhört, zu lernen sich
abzugrenzen kann eine wichtige Aufgabe sein. Das eigene Leben nicht
definieren durch ein „Ich habe jenem geholfen“. Das sind wechselseitige
Abhängigkeiten, die fatal sein können. Zu sagen: Herr, ich bin dein Diener
und habe getan, was recht war. Gehorsam vor Gott, nicht den Menschen.
Das ist die große Aufgabe. Die größte Freiheit. Um im Ende sagen zu
können: Herr, ich bin nur ein nutzloser Diener, vergib.

37 Dabei denke ich, dass diese Gesellschaft, so unmenschlich sie in


manchen ihrer Auswirkungen sein mag, so verrottet sie irgendwo an der
Basis ist, noch immer eine gute Gesellschaftsform ist. Sie erlaubt vielen zu
leben. So zu leben, wie es ihnen gefällt, oder wie sie denken leben zu
müssen, zu können. Ich will die „Kuh“, die mich nährt, keineswegs
schlachten. Sie ein wenig besser zu machen. Versuchen, ihre Milch süßer,
den Käse cremiger werden zu lassen, das wäre viel wert. Doch wie sagt
einer meiner Lehrer: Die beste Art die Welt zu verändern ist sich selbst zu
verändern. In dieser Gesellschaft überleben immerhin viele, die in anderen
Gesellschaftsformen keinen Platz hätten. Diese Welt gibt die Möglichkeit,

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überhaupt über andere Wege des Lebens nachzudenken. Zu versuchen mit
den Ergebnissen des Denkens zu leben. Man mag fast dabei sterben, aber
eben nur fast. Ein großer Vorteil der von christlichen Zügen geprägten
westlichen Welt ist, dass man nachdenken und den Verstand nutzen darf.
Fragen stellen darf und sie aufschreiben darf. Soweit man denken kann,
soweit man der Gesellschaft nicht grundlegend schadet. Soweit man bereit
ist, mit den Konsequenzen zu leben. Dies ist jedoch ein Privileg, dass es so
durchaus nicht in allen Teilen dieser Welt gibt. Es ist für einen Großteil der
Menschheit undenkbar, schon gar für eine Frau, die manchmal noch
hinterm Vieh kommt - na ja oder hinterm Auto, selbst denken zu wollen.
Schon der Versuch wird mit einem Lächeln abgetan.

Es scheint, als wären die inneren Grenzen, die einen Menschen vom
anderen abgrenzen sollen, oft defekt. Wo diese defekt sind, da vermischt
sich das eigene Sein mit fremdem Sein. Da fühlt sich das andere Sein,
wenn es neue Wege gehen will, bedrohlich an. Oft ist nicht einmal
erkenntlich, was eigenes Sein ist. Es geht völlig verloren in den anderen.
Er ist wie wenn in der Mathematik die Umrandungslinien der
geometrischen Körper nicht mehr klar gezeichnet sind. Wo hört dann dies
auf und fängt jenes an? Vor allem, wenn sich zwei sehr nah stehen, so
können solche Grenzen leicht verwischt werden, durchbrochen werden.
Jeder Akt des Missbrauchs, der Unfreundlichkeit, trägt dazu bei, solche
Grenzen zu zerbrechen. Dann mag tatsächlich das Auto für die Frau
herhalten, der Hund für das Kind, Die Zeitung für den Sohn, der Teppich
für den Ehemann. Und so weiter natürlich. Es kann dann sogar sein, dass
jene Menschen, die mir auf der Arbeit, beim Sport, auf der Party begegnen,
viel mehr wie mein Mann, wie meine Frau wirken als meine eigene Frau,
mein eigener Mann dies tut. Denn die eigene Frau ist halb Teppich, halb
Einbauküche, mit einem Teil Auto geworden über die Jahre. Der Mann ist
zum Teil Garten oder Bettwäsche oder Kind geworden. Dort steht dann

88
unversehrt, was durch die eigene Schuld im eigenen Leben nicht mehr so
klar erkennbar ist. Das ist dann natürlich verlockend. Ich frage mich, ob
nicht viele Scheidungen,

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Trennungen dadurch zustande kommen, dass man den einen Partner
„aufgebraucht“ hat und sich jetzt den alten Partner wieder sucht.
Jemanden, der dem, was der Partner im Anfang war, sehr nahekommt. Was
würde helfen? Freundlichkeit. Die Grenzen wieder zusammenfügen.
Zwischen Ich und Du unterscheiden. Dem Du einen eigenen Lebensraum
lassen. Zu versuchen die eigenen Grenzen einzuhalten. Ohne Anleihen
beim Partner oder bei den Kindern zu machen. Da das Auto aus Metall ist,
ist es vielleicht am nicht so anfällig dafür, selbst verloren zu gehen.
Menschliche Geschöpfe, vor allem Kinder, sind überaus anfällig dafür.
Mancher Mann, manche Frau lebt kräftemäßig über ihre Verhältnisse.
Saugt diese aus den sie umgebenden Menschen. Vielleicht bekommt man
nur dafür Arbeit, solche Kraft zu liefern. Vielleicht wählt man nur einen
solchen Partner, der solche Kraft zur Verfügung stellt. Vielleicht wird der
groß in dieser Welt, der fähig ist die Grenzen anderer mit Leichtigkeit zu
durchbrechen und ihr Leben in sich aufzunehmen. Da das alles natürlich
nicht unbedingt bewusst stattfindet, ist es sehr, sehr schwer dem entgegen
zu steuern. Nur zu bemerken, was da eigentlich passiert, ist schwer. Es ist
eine seltsame Überlegung, die da durch mein Hirn zieht, doch manchmal
wirkt jemand so riesig für mich, in meinem Leben, dass er wie ein Gebirge
erscheint, oder wie ein Wesen aus einer anderen Welt oder wie ein
Ungeheuer oder wie ein Lastwagen oder eben ein Wolkenkratzer.
Vielleicht kann die Seele eines Menschen so groß werden. Ich weiß nicht,
warum mancher so wirkt. Auf mich so wirkt. Doch stellt es dann die Frage,
ob das Suchen nach zu besteigenden Bergen, immer größeren
Wolkenkratzern und ähnlichem nicht der Versuch steckt, diese Menschen
auszuschalten oder zu ersetzen. Als bräuchte der Mensch, der darauf
angelegt ist, eine Art Ersatzbefriedigung, wenn er das Echte nicht finden,
nicht haben kann. Wenn ihm die Mühe zu groß, der Preis zu hoch ist. So

90
wie Drogen ein Abbild des Bösen sind für die Sehnsucht nach Gottes
Dingen, für die Farbenpracht und die friedvollen

Gefühle und ähnliches, die bei Gott von ganz alleine mit der Zeit kommen.
So kann es auch durchaus sein, dass diese materiellen, kaufbaren Dinge
Gottes ersetzen sollen. Nach einem immer mehr schreien, weil die Seele
letztlich unbefriedigt scheint. Weil das Geld und seine Errungenschaften
die Seele nicht zufriedenstellend sättigen. Gott stillt den Hunger, löst auch
Sehnsucht nach mehr aus. Es lässt den Menschen friedlicher werden lässt,
mehr mit sich im Reinen. Entschuldigung, ich versuche Gedanken zu
beschreiben noch bevor ich selbst begriffen habe.

38 Ich schreibe dies auch, weil mir viele Menschen begegnen, die alles
hätten um glücklich zu sein und die doch nur missmutig und unzufrieden
durch die Weltgeschichte stapfen. Zumindest nach durchschnittlichen
Lebenskriterien. Doch ich bin auch in einem diesen Kriterien
entsprechenden Umfeld aufgewachsen und konnte so nicht leben. Manche
Menschenscheinen Lasten zu tragen, die zu schwer sind gerade seelisches
Leid. So viel Hunger, gerade seelischer, geistiger, emotionaler Hunger. In
einer Gesellschaft, die eigentlich alles zur Verfügung stellt, was diesen
Hunger befriedigen könnte, verhungert die Seele des Einzelnen. Der
materielle Reichtum macht die Menschen nicht glücklicher, stabiler,
liebevoller. Vielleicht auch, weil sie mit dem Neid ihrer Mitmenschen
zurechtkommen müssen. Mit der dunklen Seite ihrer Seelen, die im
Scheinwerferlicht oft noch gnadenloser aufleuchten als im üblichen Leben.
Ich würde gerne deutlich machen, was weisere Menschen als ich seit
Jahrhunderten sagen und schreiben. Dass der Schlüssel zu Glück und
Zufriedenheit nicht in der Jagd nach Geld und seinen Annehmlichkeiten
liegt. Dass selbst Anerkennung nicht den Hunger des Herzens stillt.

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Obwohl es natürlich nett tröstet. Beides, Anerkennung und Geld. Zu lieben
ist mehr wert als geliebt zu werden. Es macht zufriedener, auch
glücklicher. Letztendlich kann nur Gott den Hunger der Seele stillen. Den
Wunsch entfacht, mehr von ihm zu finden. Zu erfahren, dass es
Möglichkeiten gibt die Ketten, die so vielen die Luft abzuschnüren
scheinen, zu zerbrechen. Auch, wenn es etwas im Inneren gibt, das
widerstrebt und sich sträubt und alle Kniffe anwendet, dem zu entgehen.
Die Möglichkeiten der Seele sich vor Gottes Gegenwart zu schützen sind
leider überaus erfinderisch. Die lebendige Gegenwart Gottes ist
beängstigend und Furcht einflößend und Ehrfurcht gebietend. Ich glaube,
und viele andere haben ähnliches geschrieben, dass die erste Begegnung
mit Gott Angst auslöst. Ein ganz tiefes Unbehagen, ein tiefes Gefühl der
Unbehaglichkeit, weil er so ganz anders ist, so ganz andere Dinge sieht und
wertet. Weil seine Gegenwart abhängiger macht als jede Droge es je
könnte. Weil nur er der Schlüssel ist zu einem Leben, das Sinn macht und
das hin führt zu Frieden und Segen. Es hat so wenig mit den äußerlichen
Merkmalen zu tun. Gott zu begegnen findet tief innen statt, unter vielen
Schichten von Gedanken und Werken. Fähig zu werden ihm zu dienen, zu
vertrauen in seine immerwährende Güte ist nicht leicht. Auf diesem Weg
weiter zu stapfen, auch wenn alles sich sträubt und wenn vieles zerbricht,
immer die Augen auf Gott, auf Jesus gerichtet, das ist schwer und doch
leicht, und doch das Leichteste was es gibt. Es ist ein seltsames Ding
darum, so schwer darüber zu reden, zu schreiben, so, dass etwas von der
Bedeutung, von dem, was gemeint ist übrig bleibt.

Es kostet seinen Preis, kostet den Stolz, der Preis Gott zu folgen scheint an
manchen Tagen wie eine große Last.

Dennoch scheint es der einzige Weg, der in diesem Leben vernünftig ist.
Ein Weg, der Sinn macht, sofern man sich nicht darin erschöpft, im Leben
um des Lebens willen Sinn zu sehen. Gestern bin ich im Internet Café

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zufällig von einer Porno-Seite empfangen worden. Es hat deutlich
gemacht, wie selbst die schönsten Dinge Gottes in den schmutzig werden
können. (Vielleicht kann ich hier einen Dank einfügen. Diese Welt ist ein
sicherer Ort, weil Männer oder Frauen mit ihren Bedürfnissen
angenommen werden können. Zudem scheint die Umgebung manchen zu
beflügeln und auch große Dichter wie Baudelaire oder Rimbaud haben dort
gelebt.) Es zeigt, wie groß die Sehnsucht ist, geliebt zu werden. So
angenommen zu sein, wie man eben ist. Die Suche nach Formen der
Zuneigung und Anerkennung sind wie ein müder Abglanz von dem, was
ein Engel sein könnte, was Frieden sein könnte, was Liebe sein könnte.
Was Gott sein könnte. Jemand, der liebt. Akzeptiert. Die Suche nach
Erfüllung außerhalb von Gott, scheint vieles zu versprechen und lässt den
Menschen doch hungriger zurück. So viele sind ihr heutzutage verfallen.
Manchmal denke ich es liegt ein Fluch auf dieser Gesellschaft, denn es ist
eine große Unfähigkeit, dem zu widerstehen. Die Versuche, an die
Anerkennung zu kommen haben viele Gestalten. Mancher möchte
Schwierigkeiten umgehen. Wie Gottes Gegenwart zum Beispiel. Oder
möchte versuchen, die Anerkennung zu stehlen. Einem anderen zu
nehmen, wofür dieser gearbeitet hat. Um dessen Anerkennung zu haben.
Zu lügen, zu stehlen, zu morden. Es ist, als müsste man das Übermaß an
Güte in Gott irgendwie zerrütten. Gott austricksen, damit er Lohn gibt für
Mühe, die ein anderer hatte. Das, was als Freude des Lebens proklamiert
wird, zu haben und sich trotzdem gut zu fühlen.

Auch Missbrauch schafft Bande, wenn auch Bande des Hasses und der
Angst und nicht Bande der Liebe und des Vertrauens. Der, der zuschaut
wird kaum weniger schuldig als jener andere. Der, der richtet ist so
schuldig wie der, der tut. Kaum jemand der dem widerstehen kann. Dem
Gefühl der Macht. Dem Gefühl, so einem „Unterling“ noch einen Gefallen
zu tun. Dass der, der den Missbrauch empfängt, noch dankbar sein müsste

93
für die empfangene Aufmerksamkeit. Wie sehr wir Menschen dem Übel
verfallen sind. Um Gnade flehen. Gnade für diese Welt.

39 Der, der glaubt mit dem Tod komme Frieden, mit dem Ende des Lebens
sei alles aus, der mag sich vorsehen. Schon in der Physik und den anderen
Naturwissenschaften gibt es so etwas nicht. Energie vergeht nicht. Nichts
vergeht wirklich. Es ändert die Form, aber etwas bleibt immer. Wie es
dann wohl sein wird, vor jemandem zu stehen, der fragt was man mit
diesen Jahren so gemacht hat. Der nicht nur fragt, sondern weiß. Dem man
keine Lügen erzählen kann. Wenn nichts von dem, was getan wurde
vergeht, wie sieht die Bilanz am Ende aus? Es ist eine Illusion, zu denken
man könne dem entgehen. Jeder wird eines Tages Rechenschaft ablegen
und es mag manchem unbehaglich sein, im Angesicht Gottes, mich
einbegriffen. Vor seinem Glanz verstummt jedes Wollen. Jeder andere
Weg scheint fast krank oder abartig. Nichts ist, dass ein Entgleisen
entschuldigen könnte.

Diogenes, ein Philosoph, der im altertümlichen Griechenland lebte, ca. 600


v. Chr., soll, als der Kaiser ihm einen Wunsch gewähren wollte, mit dem er
was immer er haben wolle erlangen könne, gesagt haben: Bitte geh mir aus
der Sonne. Dabei soll er sehr arm gewesen sein und in einem Fass gehaust
haben. Er saß vor seinem Fass in der Sonne. Der Kaiser hätte ihm
Reichtum oder Ehre ohne Ende geben können. Dann hätte Diogenes
vielleicht vor irgendeinem Palast in der Sonne gesessen. Frieden des
Herzens konnte ihm der Kaiser nicht geben. Vielleicht hätte es Diogenes
ein Stück seiner Seele gekostet, etwas vom Kaiser anzunehmen. Vielleicht
wollte er ihm eine Lehre erteilen. Wusste, dass der Kaiser nichts besaß,
was er hätte haben wollen. Vielleicht wusste er, dass er auf seine Art
reicher war als der Kaiser. Dieser konnte nichts geben, was das Leben

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lebenswert macht. Vielleicht wusste Diogenes das. Das, was er hatte, war
mehr wert war als irgendetwas, das ihm jemand hätte geben können.

Man kann immer nur eine Hose, einen Rock tragen. Zwei Strümpfe an
zwei Füßen. Vielleicht vier, wenn es wirklich kalt ist. Man kann nicht
mehr als einen oder zwei Pullover oder Jacken oder Kleider tragen.
Braucht man so viel mehr? Diogenes scheint es gewusst zu haben.
Zufrieden gewesen zu sein mit dem, was er hatte. Das ist eine seltene Gabe
des Herzens. Ich weiß nicht, ob ich Gleiches könnte, oder genügend
eigenes Fragen hätte.

40 Manche Menschen sind nicht so sicher, dass sie eine Seele haben. Oder
dass sie sich darum kümmern sollten. Wenn jemandem klar wird, dass
diese Seele mindestens so viel Aufmerksamkeit braucht wie die üblichen
irdischen Belange des körperlichen Menschen, dann beginnt die Arbeit
erst. Fast jeder sorgt gut für sich, für seinen Körper. doch nur wenige
sorgen sich um ihre Seele oder tun ihr Gutes. Viele wissen überhaupt nicht,
was dieser gut täte. Dabei ist die der Geist bei weitem der edlere,
wertvollere Teil des Menschen. Das bisschen Schlamm, der Körper des
Menschen mit all seinen Ausscheidungen, aus Dreck gebaut, zu Dreck
zerfallend. Gott hat es so eingerichtet, Vielleicht, damit Menschen nicht
hochmütig werden? Selber schuld, sagt die bissige Stimme in meinem
Inneren. Lernen, was wirklich zählt. Der Geist, die Seele. Wie ernähre ich
eine Seele? Was tut meinem Geist gut? Ich kann nicht für alle sprechen,
doch ein paar Dinge sind, glaube ich, relativ allgemein.

Zunächst gibt es eine ganze Reihe von Dingen, die besser unterbleiben.
Dazu gehört alles, was irgendwie auf anderer Menschen kosten geht. Auch

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Späße, Bosheiten, Geschwätz, Hass, Neid. Nur ein Ausschnitt
menschlicher Untugenden. Da stolpert der neugierige Anfänger gleich das
erste Problem. Wie macht man das? Wie wird man das los? Zumindest
teilweise und altmodischer Weise mit Übung. Mit dem richtigen,
achtsamen Umgang. Damit, sich mit Menschen zu umgeben, die dem
förderlich sind. Das kann jeder für sich tun. Er wird merken, dass es ein
Anfang ist. Damit kann man beginnen, kommt aber nicht weit. Da kommt
der zweite Schritt. Andere Menschen um Hilfe bitten. Gott um Beistand
bitten. Bücher, Filme, Gutes zu tun, jemanden zu lieben, (das ist nicht
gleichbedeutend mit Sex), zu jemandem freundlich zu sein ohne
Gegenleistung zu erwarten. Manchem nutzt die Stille. Das ist ein sehr weit
verbreitetes Mittel. Wenn man dies nicht gewohnt ist, kommt erst einmal
alles hoch, was da an Unschönem in der Seele hockt. Es gibt Tagungen
und Schulungen, die weiterhelfen. Klöster und Kirchen bieten Workshops
oder Unterricht an. Nicht alles hilft allen, man muss es wie eine Ernährung
für sich testen. Herausfinden, wohin man will und wie man dahin kommt.
Mancher hat gesagt, er brauche den halben Tag mindestens dafür. Auch
dafür, mit Gott zu reden. Für andere zu beten. Der Rest des Tages gehört
dann den üblichen Pflichten. Es gibt die Ansicht, dass jede Tasse Tee oder
Kaffee, jeder Abwasch, jedes Gespräch, jede noch so banale Arbeit oder
jedes Vergnügen entweder förderlich ist oder hinderlich. Als nicht nur
körperliche, sondern auch geistliche Übung gesehen werden kann. Es wird
vielleicht besser verständlich, wenn man sich einen Spitzensportler
vorstellt. Dem Ziel einmal zu siegen gehört praktisch sein gesamtes Leben.
Jede bewusste Regung wird daraufhin überprüft, ob es dem Ziel nützt oder
nicht. Wie viel mehr gehörte eine solche Haltung den seelischen oder
geistigen Dingen. Sie haben so viel weiterreichende Konsequenzen. Sie
entscheiden über das eigene Sein. Über das Sein anderer. Wie will ich
Frieden stiften, wenn in mir Zank und Wut, Ärger und Neid wohne? Da

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geht es dann darum, anderen Dinge aufzuladen, um die ich mich nicht
bereit bin zu bemühen. Die Seele zu nähren ist mühsam, und oft vor allem
im Anfang schmerzhaft. Der Vergleich mit dem Sportler trägt weiter. Wie
jener gegen die eigene Lethargie, das eigene Unvermögen kämpft, so auch
der Gläubige. Bei ihm geht es um mehr als selbst der ehrgeizigste Sportler
zu erträumen vermag. Ewiges Leben in Gottes Gegenwart. Wer Gott hier
nicht begegnen will, wie kann er auf solches hoffen? Er wäre wie der
Sportler, der ohne Training bei den olympischen Spielen antreten will.
Man wird ihn auslachen. Er hat nicht trainiert. Wenn menschliche
Ehrungen so viel Einsatz wert sind, wie will der Untrainierte bestehen?
Wie will jener, den Gottes Dinge hier nicht kümmern, dort, vor ihm,
bestehen?

Bis Gemüse im Garten wächst muss man den Boden umgraben, düngen,
pflanzen. Unkraut zupfen. Bis zur Ernte mag es dem, der gerade erst
anfängt, fast unerträglich lang scheinen. Doch ohne einen solchen inneren,
gut gepflegten Garten ist ein Mensch kein Mensch. Er ist ein Bündel
instinktgetriebener Dreck, einem Tier ähnlicher als einem Menschen. Sich
dieses Zustandes erst einmal bewusst zu werden ist schon in sich qualvoll
oder peinlich. Zum Glück gibt es Dinge wie Erbarmen, Gnade und
Zuneigung in Gottes Arsenal. Ohne sie wäre das Unterfangen
hoffnungslos. Es ist wichtig, woher man dies bezieht. Nur eine reine
Quelle kann nützen. Es wäre niemand so dumm, einen schmutzigen Bach
in eine saubere Quelle zu leiten, dann ist das Trinkwasser verdorben.
Schon sehr wenig Dreck kann eine Quelle soweit verderben, dass das
Wasser ungenießbar wird. Wer eine reine Quelle findet, oder in seinem
Inneren hat, sollte sie so gut schützen als gälte es sein Leben, denn es gilt
sein Leben. Der Seele, dem Geist, zumindest Wasser und Brot zur
Verfügung zu stellen ist Minimalerfordernis für jemanden, der einfach nur
vernünftig genug ist, die ewigen Teile des Menschen zu pflegen. Sie sind

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nicht sichtbar, zumindest nicht auf den ersten Blick. Natürlich leider hat
jeder Tag trotzdem nur vierundzwanzig Stunden und so ist zu wählen, wem
diese Zeit gehört, mit wem man diese Zeit verbringen will. Man kann es
nicht sorgfältig genug wählen. Fehler sind unvermeidlich, natürlich,
niemand ist jenes perfekte Wesen, nach dem wir uns alle sehnen, außer
Gott. Aber es gibt doch Abhilfe, mag sie den Stolz manches kosten.

Gott zieht Menschen zu sich. Er hat Sehnsucht nach Gemeinschaft, ist froh
über Zeit, die ein Mensch damit verbringt ihn zu suchen. Zeit, in der sich
ein Mensch Zeit nimmt für Gott. Sie ist nicht verloren, diese Zeit, und
Gottes Gegenwart entschädigt für vieles, das man sonst mit dieser Zeit
anfangen würde.

41 Einiges ist als Allegorie geschrieben. Es fällt mir nicht leicht zu


erklären. Jemand, der vertraut ist mit meinen Gedanken, es sind ja nicht
etwas Gedanken, die ich erfunden hätte, der wird wissen, wie ich es meine.
Doch braucht er diesen Text dann nicht. Die anderen können es vielleicht
in sich verborgen finden, wenn sie genau lesen, oder versuchen zu
verstehen. Wenn ich die Worte finden kann, die verständlich sind.
Zwischen dem, wie ich es meine, was die gewählten Worte sind und wie es
verstanden wird mögen Abgründe liegen.

Mit der Zeit können Dinge, die der Seele schaden, richtig zur Qual werden.
Sie stoßen ab, weil sie abstoßend sind. Weil sie der Seele nicht zuträglich
sind. Ähnlich wie ein Körper Blut abstößt, das er nicht verträgt oder der
Magen Essen nicht verdaut, dass eben ungenießbar ist. Je weiter man ist,
desto feiner wird das Gespür, desto wichtiger auch die Zeit, die man dafür
benötigt. Doch desto mehr kann man auch von den Früchten kosten, die da
liegen tief im Inneren liegen. Innerer Frieden, Zufriedenheit,
Freundlichkeit, lieben zu können. Freude empfinden zu können. Auch

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Freude an kleinen Dingen. Sich nicht mehr so sehr an anderen zu messen,
sondern in sich zu ruhen, ganz gleich was geschieht. Die Abhängigkeit des
Wertes von dem, was ich habe schwindet. Die alte Frage eines – was bin
ich – wenn alles, was ich besitze fort ist. Das haben andere schon viel
ausführlicher beschrieben. Dass nicht das Haben, sondern das Sein letztlich
zählt ist keineswegs eine neue Erkenntnis. Der Schlüssel dazu liegt in der
eigenen Seele, im Geist. In dem kleinen Fünkchen, das jeder Mensch
besitzt. Das davon spricht was sein könnte, was Gott sein könnte, wenn es
denn wahr wäre. Wenn Gott denn jenes verehrungswürdige Wesen ist, das
die tiefste Sehnsucht meiner Seele ist. Zu finden, dass er es ist, befriedigt
manchen Hunger weit besser als die vielen Surrogate, mit denen der
Mensch gelernt hat sich zu umgeben. Er hat gelernt zufrieden zu sein.
Vielleicht auch, weil er nicht willens ist, den Preis zu bezahlen. Jeder, der
einen Garten hat, weiß wie viel Zeit und Mühe es kostet, ihn zu pflegen.
Oder einen Gärtner zu bezahlen. Jede Topfpflanze kann davon erzählen,
kann bezeugen, dass sie unter guter Pflege aufblüht. Eine Seele ist allemal
mehr wert als jede beliebige Topfpflanze und bei guter Pflege gedeiht sie.
Vielleicht gäbe es weniger psychische Krankheiten, wenn man Zeit haben
könnte und dürfte die Seele zu pflegen.

Naaman, ein sehr, sehr kranker Mann, hat den Propheten gefragt, wie er
gesund werden könne. Er war sehr weit gereist um diesen besonderen
Propheten zu finden. Der hat dann nur gesagt: Geh im Fluss baden.
Ungefähr so etwas wie: Geh duschen. Dieser Naaman, der ein sehr
wichtiger und mächtiger und reicher Mensch war, fühlte sich veralbert und
wollte wütend abreisen. Doch ein Diener, vielleicht war er weiser als sein
Herr, sprach zu ihm. Wenn man von ihm verlangt hätte bis ans Ende der
Welt zu reisen, seltene Tinkturen drei Jahre lang zu nehmen, haufenweise
Geld für eine bestimmte Ernährung auszugeben, so hätte er es getan. Aber
dies sei ihm zu einfach. Er solle es doch zumindest bitte versuchen, sagt

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der Diener seinem Herrn. Siehe da, das Einfache half, der Gehorsam
machte ihn gesund. Der Prophet wollte nicht einmal Lohn dafür haben.
Helfen zu können war ihm Lohn genug. Gottes Willen zu tun und Gottes
Wort weiter zu geben war schon Lohn in sich. Dem konnte Naaman nichts
hinzufügen.

So ist es oft, glaube ich, Gott scheint zu einfach, zu schön, zu nah. Sich um
die Seele zu kümmern scheint etwas für Träumer oder Spinner zu sein.
Liegt es daran, dass viele vergessen haben, dass mit dem Tod nicht alles
aus ist? Wenn ich nicht weiter sehe, als bis in mein sicheres Grab, so muss
ich hier Vergnügungen suchen, so gut ich kann. Das scheint ein logischer
Schluss. Ob es sich nicht trotzdem auszahlen würde, die Seele vernünftig
zu ernähren sei dahin gestellt. Wenn jemand jung ist, scheint das alles
vielleicht weiter fort als die Rente. Aber die Seele zu versorgen ist wie
duschen. Eine tägliche Pflege merkt man ziemlich schnell. Das
Unterlassene merkt man noch schneller. Es stinkt. Genau wie der Körper
ohne Pflege anfängt zu stinken. Wir haben oft sehr viel Gefühl dafür, was
wir alles tun müssen, um akzeptiert zu sein in dieser sichtbaren Welt, an
Kleidung, an Autos, an Arbeit, an Freunden oder Partnern. Aber was
braucht es um in der unsichtbaren Welt akzeptiert zu sein? Das ist oft
unbekannt, oder unbedacht. Es ist erstaunlich, wie weit das Konzept einer
unsichtbaren Welt an sich schon unbekannt ist, obwohl doch selbst die
Wissenschaft davon schreibt. Ich nenne nur die Physik. Die Biologie. Der
Körper mit seinen Blutbahnen, die dem physischen Wohlbefinden dienen
und seinen Nervenbahnen, die dem emotionalen oder seelischen
Wohlbefinden dienen, sprechen eine deutliche Sprache. Auch Worte sind
unsichtbar. Trotzdem haben sie viel Macht. Es ist erstaunlich, wie
selbstsicher mancher die Existenz solcher Welten zu leugnen vermag.
Wenn jemand keinen Zugang zu dem findet, so kann es sein, dass diese
Welt ihm keinen Zugang gewähren will. Wer noch keinen Engel gesehen

100
hat, kann durchaus nicht die Art Persönlichkeit sein, mit der ein Engel
gerne reden würde. Wer keinen Zugang zu einer unsichtbaren Welt findet,
ist dort unerwünscht. Nicht ich bin der Richter, ich schreibe von Dingen,
von denen ich selbst nur sehr wenig verstehe.

Aber ich weiß, dass es das wert ist. Den Versuch zu starten über Dinge zu
reden, die schwer zu beschreiben sind. Die schwer zu erleben sind. Dass es
die Mühe eines ganzen Lebens wert ist, sich mit diesen Dingen und Wesen
zu umgeben. Oder umgeben zu werden. Es gibt Moment so großen Glücks,
so großer Schönheit, dass alles daneben verblasst Es wird unwichtig, oder
zumindest zweitrangig. Jeder weiß für sich, was die absolut glücklichsten,
schönsten und befriedigendsten Momente seines Lebens sind. Dies ist nur
trocken Brot im Vergleich mit dem, was dort auf den wartet, der sich die
Mühe macht es zu finden. Es ist sogar durchaus möglich, aus lauter
Begeisterung über die - nicht zeig- oder zählbaren - Schätze jener Welt
diese Welt zu vernachlässigen, bis man ein Fremder in ihr wird. Bis die
Sitten und Gebräuche fremd geworden, die in dieser Welt zählen. Das ist
durchaus verständlich. Wie Dagobert Duck, der in seinem Gold
schwimmen kann. So kann man in jenen Reichtümern schwimmen. Und
untergehen. Was die Faszination ausmacht ist nicht leicht zu sagen, und
wenn, so endet man schnell wieder bei Banalitäten, die jeder schon zehn
Mal gehört hat. Doch alleine schon der Versuch, zu tun was recht ist,
gerecht zu sein, wiegt viel. Birgt in sich viel mehr Lohn, als auf den ersten
Blick scheinen möchte. Kant, auch ein Philosoph, hat einmal formuliert,
was populäre Maxime geworden ist. Was du nicht willst, das man dir tu,
das füg auch keinem andern zu. Da beginnt es. Was, wenn der Hund voller
Hingabe den Esel seinen Knochen anbiete - manière à parler - und der Esel
ganz hingerissen sein Heu retourniert? Da gibt es ein deutliches Problem.
Im Falle des Esels und des Hundes wird keiner von beiden körperlich satt.
Unter Umständen fangen sie noch an zu streiten, weil sie doch das Liebste

101
schon gegeben haben. Da ist Köpfchen gefragt, oder Empathie, Einfühlung
in das, was der andere wirklich braucht. Solange der andere genau das ist,
anders, wird er auch andere Dinge brauchen um glücklich zu sein. Wer nur
in Euro oder Dollar rechnet kann recht haben, kann, doch wer weiter denkt
als dies,

102
weiter denken kann als dies, der wird finden, dass es das Leben reicher
macht, farbiger, vielfältiger. Die innere Welt. Die unsichtbare Welt. Ich
rede nicht von Religion, die kann so trocken sein, dass die Wüste dagegen
wie ein Schlaraffenland aussieht. Das Interesse gilt lebendigen
Beziehungen, Freundschaften. Es gilt dem Wachsen und Gedeihen, der
Schönheit und der Größe, dem Frieden und einer Glückseligkeit, die vielen
fremd ist. In der Seele eine ganze Welt vorzufinden, eine Welt die ziemlich
unabhängig ist von äußeren Gegebenheiten, die umso schöner blühen mag,
je trockener es außen ist. Einen Gott zu finden, der gütiger und weiser und
freundlicher ist, manchmal auch strenger, auf jeden Fall aber lebendiger als
man es sich je vorgestellt hat, alleine diese Erfahrungen in sich bereichern
das Leben unendlich. Gott zu lieben um seinetwillen. Weil er ist, was er
ist. Weil das höchste Ziel eines Menschenlebens darin besteht, ihn zu
sehen, ihm nah zu sein. Was wäre das für ein Gott. Was wäre das für ein
lohnenswertes Ziel für ein Leben. Ein ziemlich ehrgeiziges Ziel. Ihm
gehört nicht weniger Aufmerksamkeit, als jedem anderen ehrgeizigen Plan
auch. Zum Glück liegt die Entscheidung in Gottes Hand. Jemandem, dem
hundert Jahre schneller vergehen wie ein Tag uns, der hat andere
Vorstellungen von Zeiträumen und auch von Zahlen und von
Möglichkeiten, Menschen zuzulassen. Jeder Server speist andere
Computer, die Sonne bestrahlt mit Wärme und Licht diese Welt, wie
könnte ein Gott da kleiner sein und nicht für alle Raum haben. Alle, die bei
ihm Raum finden wollen. Die, die so ehrgeizig sind, dass es ihnen eben
nicht reicht, wie ein Tier seine Jahre abzubuckeln, meine Entschuldigung
gilt den Tieren, die oft besser zu wissen scheinen was Recht ist. Jene, die
Wissen, dass nicht dies den Menschen ausmacht, sondern dass erst die
unsichtbaren Qualitäten wie Vernunft, Geist, Seele, ein Lachen den
Menschen zu einem Menschen machen. Schlaft und fresst, denn morgen
seid ihr tot? Manchem wäre das nur zu recht, doch der vorsichtige, weise

103
Mann, oder Frau natürlich, wird sich nicht darauf verlassen. Der Träumer
wird sich nicht darauf verlassen wollen. Wenn ich schrieb, dass ich noch
nicht sehr viel davon verstehe, so steht dies im Verhältnis zu der Größe
und Vielfalt jener Welt. So liegt es an meinem Gefühl, noch immer viel zu
wenig zu wissen, viel zu wenig zu begreifen, viel zu wenig Worte zu
finden, viel zu wenig von jener Gegenwart zu finden, die das Herz weit
und den Verstand klar macht. Die das ganze Leben in ein Licht taucht, das
nicht selbstverständlich scheint.

Gerade einen Menschen zu beobachten, der anscheinend alles hat, wovon


man denkt oder dachte, dass es das Leben lebenswert macht, und der dann
durchaus weder glücklich noch zufrieden aussieht, der bezeugt mehr als
alles andere, dass der materielle Erfolg nicht die ganze Wahrheit im Leben
eines Menschen ist. Obwohl es sicherlich einen Großteil ausmacht, sich
abzusichern. Zu viel Ungesagtes bleibt genau das, ungesagt. Dass es sich
lohnt, zu suchen und zu fragen, bis die Grenzen dieser Welt nachgeben und
jene zum Vorschein kommt. Diese Suche kann der Sehnsucht nach
materiellem Abgesichert-Sein großen Schaden zufügen. Mancher, der viele
Güter besitzt, ist nicht glücklicher als ein anderer, aber, ganz ohne
materielle Grundlage wird das Leben sehr mühsam und oft auch
schmerzhaft.

Trotzdem, hier kommt die beste Verteidigung der Suche nach jener Welt,
die ich je gelesen habe. Sie stammt aus C. S. Lewis Buch: Der silberne
Stuhl. Puddleglum, ein Marshwiggle, sagt zur Königin der Unterwelt: „Ein
Wort noch, gnädige Frau. Nur Eines. Alles, was Sie bisher gesagt haben,
scheint richtig und es würde mich nicht wundern, wenn es so wäre. Ich bin
ein Typ, der gerne das Schlimmste annimmt und dann das Beste daraus
macht. Deshalb kann ich ihnen nicht widersprechen. Doch es gibt eines,
das ich sagen möchte, trotz alledem. Nehmen wir einmal an, wir hätten nur
geträumt, oder uns das alles ausgedacht, die ganzen Dinge. Bäume, Gras,

104
die Sonne, sogar Aslan selbst. Nehmen wir an dem wäre so. Dann möchte
ich dazu sagen, dass die ausgedachten Dinge sehr viel wichtiger aussehen
als die, die hier unten wirklich sind. Nehmen wir an, dieses dunkle Loch
unter der Erde, dass Sie ihr Königreich nennen, wäre die einzig
existierende Welt. Dann scheint es mir eine recht armselige Welt zu sein.
Und das ist fast schon wieder lustig, wenn man genauer darüber nachdenkt.
Wir sind nur Kinder, die sich ein Spiel ausgedacht haben, wenn Sie recht
haben. Aber vier Kinder, können sich nur so zum Spaß eine Welt
ausdenken, die ihre ach so wirkliche Welt noch kümmerlicher aussehen
lässt. Deshalb stelle ich mich auf die Seite unserer Spielzeug-Welt. Ich bin
auf Aslans Seite, selbst wenn es keinen Aslan gibt, um uns anzuführen. Ich
werde, soweit wie es mir möglich ist, wie ein Narnier leben, selbst wenn es
kein Narnia gibt. Deshalb danke ich ihnen herzlich für unser Abendessen
und wenn diese beiden jungen Herren und die junge Dame soweit sind,
verlassen wir Ihren Hof sofort, wir werden ins Dunkel hinausgehen um
unser Leben damit zu verbringen, nach dem Land, das auf der Erde liegt zu
suchen. Wir werden wahrscheinlich nicht sehr lange leben, jedenfalls
würde es mich nicht wundern, doch ist das nur ein geringer Verlust, wenn
die Welt solch ein langweiliger, trüber Ort ist, wie ihr es sagt“. Soweit C.
S. Lewis.

Was würden Sie tun, wenn jemand behauptet, es gäbe keine Sonne, keinen
Himmel, kein Gras; wenn es schiene, als wäre alles verloren in einer
düsteren Tunnelwelt. War dann die Sonne nur ein Traum? Auch wenn ich
es nicht erklären kann, wie sie funktioniert und wie sie am Himmel
festgemacht ist? Bin ich fähig gegenüber dem, was ich sehe, das was ich
weiß festzuhalten, auch wenn es nur noch ein unwahrscheinlicher
wunderschöner Traum scheint? Kann ich so leben, als sei es wahr?
Umgeben mit Menschen, mit Wesen, die nicht daran glauben, dass es so
etwas wie einen Himmel geben könnte? Wie kann ich es erklären, wie

105
glaubhaft machen? Nur, indem ich so lebe, als gäbe es dies alles, indem ich
so lebe, dass mein Leben von der Suche danach erzählt. Das ist nicht leicht
im Angesicht von sehr vielen - das gibt es nicht - du vertust deine Zeit -
und das bringt doch nichts. Ganz zu schweigen von der manchmal
frustrierenden Suche, die so lange kein Licht zu bringen scheint. Dann fest
zu stehen ist eines der schwierigsten Dinge, denke ich, denen sich ein
Mensch gegenüber sehen kann.

Aslan ist ein Löwe. Der König jenes Narnias. Sinnbild für Jesus, der Löwe
aus dem Hause Juda, das Lamm Gottes, der Herr der Heerscharen, der
Herr. Der König. In Narnia ist es ein ehrenvolles Verdienst, Aslan dienen
zu dürfen. Nur die Besten und Edelsten sind dazu berufen. Was nicht
immer mit unseren Vorstellung von gut oder edel zu tun hat. Es gibt da
Kriterien, die hier fremd sind, eher barbarisch anmuten. Ähnlich wie hier
jemand, der in in meinem Rollenspiel gegen das Böse kämpft, ein bisschen
lächerlich, vielleicht pathetisch aussehen würde.

42 Manches böse Wort mag einen Menschen wie Magie bannen, ihn
verbannen, wo ein gutes Wort befreit und beglückt. Manche Seele sehnt
sich nach Raum und ist doch gefangen. Sie ist nicht fähig die Fesseln des
Augenblicks zu durchbrechen. Wer kann uns aus dieser misslichen Lage
befreien? Gott hat einen Ausweg geschaffen. Er gibt uns die Möglichkeit,
als Menschen menschenwürdig zu leben. Er öffnet die Tore einer neuen
Welt.

43 Ich überlege, wie weit es gerecht und gut sein kann mit zwielichtigen
Charakteren Geschäfte zu machen. Um des Geldes wegen übertritt
mancher seine moralischen Prinzipien. Manche aber haben kein oder

106
solche, die dem eigenen Nutzen dienen. Selbst ein Dieb will ein guter Dieb
sein und hat damit Prinzipien. Erstaunlich, wie viele wissen, was gut ist
und was der andere tun sollte, solange es nutzt. Jeder will einen
verlässlichen Mitarbeiter, selbst wenn dieser morden soll. So muss selbst
das Böse dem Guten dienen, wenn es erfolgreich sein will. Dies dient nicht
dem Wohl der Allgemeinheit, vielleicht ist hier das
Unterscheidungsmerkmal. Jeder folgt einem Sinn für Ethik, einer Moral.
Wenn man es erkennt, darf oder soll der Gläubige sich an solchen
Geschäften beteiligen? Die Frage ist komplizierter als sie zunächst
aussieht. Sie bringt oft Konsequenzen, mit denen man schlechter leben
kann.

Ein Beispiel, das schwierig zu beurteilen ist, ist zum Beispiel der Geiz.
Wann ist es lobenswerte Sparsamkeit, wann ist eine Ausgabe angemessen,
ab wann ist es Geiz? Es ist sehr, sehr schwer hier eine gültige
Unterscheidung zu finden, was dem einen eine angemessene Ausgabe sein
kann, kann den anderen fast unerträglicher Geiz sein und dem Dritten
ungeheuerliche Verschwendung. Mit dem „schnöden Mammon“ gerecht
umzugehen gehört meiner Meinung nach auch zu den schwierigeren
Dingen in Gottes Reich. Nur ein sehr starker Halt in Gott kann davor
bewahren, mit Geld eher Unrecht zu tun, als es sinnvoll zu verwenden. Es
ist so leicht, Geld um des Geldes willen zu dienen oder um der
Annehmlichkeit willen, die es sicherlich mit sich bringt. Es gibt Menschen,
die sind bereit sehr, sehr weit zu gehen um sich dies zu sichern. Auch die
gesellschaftliche Anerkennung, die eine gut gefüllte Geldbörse mit sich
bringt. Es scheint das gültige Entscheidungskriterium zu sein, ob jemand
ein wertvoller Mensch ist. Wertvoll eben im wahrsten Sinne des Wortes.
Vielleicht ist es in dieser schnelllebigen Zeit, schnelllebig, weil man kaum
mehr Zeit hat, zu genießen was man wirklich braucht und hat, das
einfachste Merkmal zu unterscheiden. Vielleicht ersetzt es langsam die

107
Stände und den Adel, zumindest in weiteren Teilen der Bevölkerung. Es
scheint, ist erst einmal Geld vorhanden, auch kaum noch wichtig, wie
dieses Geld verdient wurde oder woher es kommt. Vielleicht kann sich
diese Frage kaum noch jemand leisten. Eines Tages Gott ins Angesicht zu
schauen wird dann zeigen, wo der Wert wirklich lag. Wenn dieses Leben
wie eine schimmernde Brücke zwischen zwei Formen der Existenz ist, so
wäre man vielleicht manches Mal besser beraten, in jene Welt zu
investieren anstatt in diese. Zusätzlich bringt es der Seele Frieden, das ist
nicht zu verachten. Aber Anerkennung geht verloren.

Manchmal schaue ich auf die wohl-gesättigten, sauberen, wohl-gekleideten


Bürger dieser Welt und frage mich, was ich ihnen von Gott sagen kann,
außer, dass er ihnen erst die Möglichkeit zu all dem gegeben hat. Brauchen
sie Gott? Sie brauchen ihn vielleicht mehr als jeder andere, unter all den
Dingen stecken doch oft Menschen, die nicht einmal wissen, was Glück
wohl sein mag. Genau sie scheinen oft die Ärmsten der Armen in ihrem
verzweifelten Versuch, ein bisschen Zufriedenheit zu finden. Sie streben
und arbeiten hart und versuchen ständig, Schritt zu halten mit den
Ansprüchen, die man an sie stellt, oder die sie an sich selbst haben.
Mancher von ihnen wäre vielleicht dankbar das Joch der Sklaverei, das
diese Gesellschaft ihm auferlegt, einzutauschen gegen ein friedliches,
frohes, dankbares Herz. Solange er genug hat um in Ruhe frühstücken zu
können. Doch dazwischen stehen viele Tabus und viele Schranken und
viel, viel Stolz auf das, was man selbst schaffen kann. Immer
vorausgesetzt, dass Gott die Gesundheit erhält und das Wetter.

Die Abhängigkeit von den äußeren Umständen. Ist es eine Schwäche oder
eine Stärke? Wer ist ganz frei davon? Sie zu besiegen scheint manchmal
ein Ziel, das Freiheit verspricht. Aber wer ist schon ganz frei von
Reaktionen auf das, was im Umfeld geschieht.

108
Frei sein zu wollen von allem, von jeder Verpflichtung zur Dankbarkeit,
von jeder Abhängigkeit von anderen, von dem, was jemanden hält.
Aufrecht hält oder fest hält. Der Machtkampf eines „wer hält wen und
warum“, der manchmal auf Leben und Tod geführt wird, bindet den
Menschen in sein Umfeld. Hackordnungen sind hier an der Tagesordnung,
gehören untrennbar zum Zusammenleben. Nicht nur zu sein, sondern etwas

109
darzustellen im Zusammenhang gibt einem Menschen das Gefühl von
Bedeutung und Macht, letztlich von Anerkennung. Ein Geschöpf, das von
vielen verschiedenen Begierden getrieben wird. Diese Begierden wollen
befriedigt sein und sollen möglichst im Gleichgewicht zueinander stehen,
damit ein Leben erfüllt ist. Die meisten Begierden treiben einen Menschen
fort von Gott. Fort von den Wurzeln des Mensch-Seins. Fort von dem,
wozu ein Mensch eigentlich bestimmt ist. Fort von den wundervollsten
Dingen der Welt, wie zum Beispiel Zwiesprache zu halten mit seinem
Schöpfer. Nur Gott kennt die Herzen, nur er weiß, wer zu ihm gehört, wer
zu ihm gehören will. Wer hält es für ein wunderbares Anrecht, zu Gottes
Volk gerechnet zu werden? Wer schämt sich seines Glaubens oder
verbirgt, was auf viel Unkenntnis und Unverständnis stößt? Sich zu
schützen, den Glauben zu schützen scheint vernünftig, geschieht instinktiv.
Dabei ist dies ein wahrhaft ehrgeiziges Ziel für ein Menschenleben.
Ehrgeiziger als die Verwirklichung der kühnsten Träume. Der Traum,
eines Tages ganz ruhig und froh Gott gegenübertreten zu können ist
wahrhaft groß und mächtig. Vielleicht strebt sogar deshalb mancher nach
Reichtümern, weil es ein gesegnetes Leben zu versprechen scheint. Der
Weg des Herzens ist kein Leichter oder Freudiger und obwohl er große
Freuden bringt, bringt er auch viel Schmerz mit sich. Dennoch scheint es
das Einzige, was einem Menschen wirklich gemäß ist. Die Wurzeln
stecken in all den Unreinlichkeiten der menschlichen Existenz. Geboren
aus schleimigen Flüssigkeiten. Trotzdem den Kopf zu erheben zu Ewigkeit
und Majestät. Es bedarf, glaube ich, beides, um zu Gott zu finden. Das
tiefe Bewusstsein um die eigene Herkunft, sowie der tiefe Glauben, an die
eigene Berufung. Wer sagt nicht, wenn man Gott dann gefunden hat, dass
der Weg genau dahin führt, wo man meint herzukommen? Mit einer ganz
neuen Bedeutung versehen, ein ganz neues Ziel vor Augen. Eine ganz neue
Chance. Es ist so schwer, dies zu erklären. Viele haben versucht, den Weg

110
zu beschreiben. Viele haben zugegeben, dass von den unsichtbaren
wertvollen Dingen zu reden oder zu schreiben fast nur in Allegorie oder
Vergleich möglich ist. Im Ende benützt man Worte, die vielerlei Sinn
haben mögen. Ob sie genau den Sinn transportieren, den der Schreiber
mitteilen möchte, ist unwahrscheinlich. Verständnis verlangt einen Hörer,
der zumindest teilweise einer Meinung oder eines Wissens ist mit dem
Schreiber oder Redner, sonst geht das Meiste verloren. Was nicht bedeutet,
dass es ungesagt bleiben sollte. Doch Verständnis setzt Verstand voraus
und auch ein Grundwissen. Wenn ich über Quantenphysik reden möchte,
so muss es jemand hören, der bereits ein Grundwissen hat, sonst kann er es
nicht verstehen, keine Chance. Ob es trotzdem sinnvoll ist zu reden,
hoffend, dass es zu einem späteren Zeitpunkt demjenigen einleuchten mag
oder dass es dazu beiträgt, jenes Wissen aufzubauen, das muss in der
einzelnen Situation jeweils neu entschieden werden.

Jemand, der mit Dämonen handeln mag oder nicht, er wird vielleicht in
diesem Leben Reichtümer erlangen. Vielleicht, weil die Dämonen es meist
lieber so halten, dass alles bei ihnen landet. Wen es nicht kümmert, was
Gott eines Tages dazu zu sagen hat, dem mag dies eine interessante
Variante sein. Jedem, der ehrlich um sein eigenes Wohl besorgt ist, ganz
eigensüchtig, und jedem, dem das wohl dieser Welt am Herzen liegt, der
wird davon absehen. Das sind Dinge, mit denen man besser weder spielen
noch experimentieren sollte, auch nicht, um einen Kick zu bekommen,
womit ich wieder bei der Ausgangsfrage bin, ob es rechtens ist, mit jedem
Geschäfte zu machen. Ich weiß es nicht.

Was ist die Aufgabe des Lebens? Wozu das alles? Manchmal scheint mir,
dass ich diesen Weg gewählt habe, oder hat er mich gewählt? Nach
Wahrheit nicht zu suchen, nach Gott nicht zu suchen, wäre etwas wie
Pflichtvergessenheit. Obwohl vor dem Ewigen das einzig Sinnvolle,
scheint es, als würde ich meine Pflichten als Mensch nicht erfüllen. Ich

111
habe versucht, mein Bestes zu tun. Nach bestem Wissen und Gewissen. Da
waren dennoch auch Sachen bei, die vor dem Ewigen keinen Bestand zu
haben scheinen. Die schlichte Fehlentscheidungen waren. Oder Versuche,
etwas zu finden. Blind tastend. Wo mein Suchen vom Weg zu Gott
abgewichen ist, da habe ich mir oft und oft sehr wehgetan, innen wie
außen. Nicht, dass mir auf anderen Wegen Schmerz erspart geblieben
wäre, doch konnte ich anders damit umgehen. Wen Gott liebt, den erzieht
er eher streng, den zieht er zu sich und reinigt ihn dabei. Denn ob letztlich
ich diesen Weg gewählt habe oder dieser Weg mich, bleibt wie zwei Seiten
der gleichen Münze. Meine Suche, die Wanderschaft macht es mir
manchmal schwer, mit anderen Menschen umzugehen. Ich habe für mein
Leben das für mich Faszinierendste gewählt, das ich mir denken kann.
Obwohl, wenn ich den Preis damals hätte abschätzen können, auch den
Preis, den dies von anderen verlangt, zum Beispiel von meinen Eltern, die
sicherlich andere Hoffnungen für mich hatten, hätte ich dies entschieden?
Manchmal ist es gut, wenn man jung Entscheidungen trifft, deren
Tragweite man erst sehr viel später begreift. Wer weiß, ob man sonst den
Mut hätte. Aber was für höhere Hoffnungen kann man für sein Kind haben,
als es sicher in Gottes Reich zu bringen? Ich weiß es nicht. Dafür, dass sie
diesen Weg wählten, sind Menschen schon gequält und gefoltert worden,
dagegen geht es mir noch richtig gut. Vor der Gesellschaft habe ich die
scheinbare Pflicht des materiellen Erfolges nicht erfüllt. Nicht erfüllt, einen
Menschen zu finden, der es damit aushält, meine Fragen, mein Suchen,
meine Empfindlichkeit darin. Der Wille, jeden Tag ein bisschen anders zu
sein, hoffentlich ein bisschen besser. Oft bin ich daran gescheitert, dass mir
alles andere hohl und leer vorkommt. Ich habe mir dann erlaubt, dem den
Rücken zu kehren. Heute bin ich praktisch ein gesellschaftliches Nichts.
Eine Minimum Hülle an äußerem Leben. Ich fühle mich unermesslich
reich und oft auch unermesslich geborgen. Alleine nur hier zu sitzen und

112
schreiben zu können, schreiben von dem, was mir wichtig ist, betrachte ich
als Privileg. Habe ich das eigentliche Leben versäumt? Versäumen die, die
andere Wege wählen, etwas? Wie so oft muss jeder seinem eigenen
Gewissen antworten, vor seinem Gott stehen. Es ist eine meiner ältesten
Fragen. Viele Genies haben sehr dunkle Seiten gehabt. Ist es gerechtfertigt,
für den sehr hellen Schein dieses Dunkel in Kauf zu nehmen? Muss die
Moral, die Ethik so hoch ansetzen, dass es dem Genie keinen Raum lässt?
Gibt es deshalb kaum Genies in den heutigen Kirchen? Verkümmert unter
dem Druck der Mehrheit? Aber rechtfertigt Genie das Dunkle? Braucht es
das Dunkle als Ausgleich? Wird die Menschheit ärmer, wenn um der
Moral willen das Genie unterdrückt und zerbrochen wird? Manchmal sind
gerade jene, die für sich keine Regeln anerkennen, jene, die von anderen
strikteste Befolgung solcher Regeln fordern. Haben sie recht? Muss man
darüber hinweg gehen, um Gott zu finden?

44 Die Grausamkeit mancher Menschen, ihre Bestialität, ist erschreckend.


Es ist noch erschreckender wie viele Menschen daran Gefallen finden. Am
Bösen. In einer Gesellschaft, die den Begriff des Bösen praktisch
abgeschafft hat, ist es schon politisch unkorrekt, auch nur die Frage danach
zu stellen. Dennoch weiß jeder sofort, wenn ihm etwas geschieht, dass er
als böse bezeichnen würde. Beispiel: Jemand stiehlt das schöne neue
Fahrrad. Gerade jene, die behaupten es gäbe kein Böses, wissen sofort,
dass es falsch ist und verlangen nach der Polizei. Dass es nichts Böses gibt,
betrifft eine Art Freispruch für alles, was sie tun. Das würde auch
beinhalten, das Fahrrad eines anderen zu stehlen. Sich selbst für gut und
gerecht zu erklären ist eine große Verlockung, der viele erliegen. Leider ist
es nicht wahr. Aber der geltende Anspruch gilt einem „du solltest dies oder
das tun“, nicht aber einem „ich sollte dies oder das tun“. Den anderen zu

113
richten, sich selbst aber Freisprüche zu gewähren ist üblich. Gut zu sein
solange

alles gut läuft ist relativ einfach. Erst in der Not, unter den schwierigsten
Umständen kann man ein Herz, auch sein eigenes Herz, wirklich
einschätzen. Das, was man unter Umständen tun würde. Es ist leicht,
dazustehen und zu sagen – ih, bäh - doch es gibt vielleicht kaum jemanden,
der in ähnlichen Situationen anders handeln würde. Es ist wie ein
Kreislauf, niemand schafft es aus eigener Kraft auszubrechen aus dem Rad
der Zeit, aus dem Druck, den Einflüssen, aus dem, was er geworden ist.
Wer – oh, wer - kann uns erlösen von der eigenen Bosheit, wer kann die
Fäden durchtrennen, die uns daran binden? Doch es gibt auch den Fall,
dass sich jemand unter fortgesetzter Qual ändert. Das, was war stirbt, um
neuem Platz zu machen. Mancher mag ein Lied davon zu singen wissen,
wie fortgesetztes Nerv tötendes Verhalten den Charakter verändert, bis
man sich fast selbst nicht mehr kennt. Auch hier wieder braucht es die
Kraft, die Gnade zu bestehen, vor Gott trotzdem bestehen zu können.

In einem Film wird ein Junge entführt und mit Alkohol, guten Worten und
Druck dazu gebracht, ein Killer zu werden. Zunächst mit verbundenen
Augen erschießt er einen Mann, später wird er ein kleiner Anführer und
der Junge, von dem sein Vater wollte, dass er Arzt wird, tötet viele
Menschen. Wer wäre frei davon? Wer wäre fähig, in einer solchen
Situation zu sagen - ich nicht? Bis zum Ende wird nicht klar, ob er es hasst,
das Töten, ob er nicht auch an seiner Machtposition gefallen findet.
Gefallen findet daran, Herr über Leben und Tod zu sein. Ob er versucht,
das Beste aus einer schlimmen Situation zu machen, um seinen Eltern
später helfen zu können. Gut? Böse? Wer kann sagen, was wirklich tief
unten in ihm steckt, unter all den Schichten von Zivilisation und Erziehung
und Gesetz. Wer weiß schon, wozu er alles fähig wäre, gäbe es keine
Angst vor Strafe. Sei es nach unseren Gesetzen, sei es nach anderen

114
Gesetzen oder nach Gottes Gesetz. Wer kann mit ehrlichem Gewissen
behaupten, nichts Unrechtes zu tun, gäbe es keine Strafe dafür? Wer liebt
es wirklich Gutes zu tun? Schwer abzuschätzen, was alles in mir steckt,
was aus mir heraus kommen könnte. Wenn ich lernen kann, lernen darf,
schon in diesem Leben vor Gott zu stehen und ihm zu vertrauen, dass er
mich rein macht, so ist das gewiss mehr als ich verdiene. Dank sei Gott,
der diesen Weg geschaffen hat. Wenn ewiges Leben bereits hier beginnt,
ist es angebracht, zu wissen, dass ich Gottes Nähe hier schon ertragen
kann. Mich daran erfreuen kann. Sonst steht es schlecht um mich in der
anderen Welt, in der ich keine Wahl mehr habe.

Gott zu lieben, nur um Gottes willen. Nur weil er ist, nur weil er ist was er
ist, so sehr er es verdient, so sehr ich mir wünsche meine Seele möchte
fähig sein zu solch uneigennütziger Betrachtung und Liebe, so sehr fürchte
ich, dass ich dazu nicht fähig bin. Doch vielleicht wird seine Gnade mich
dazu fähig machen. Darauf hoffe, vertraue ich. Der nächste Punkt wäre,
Gott zu lieben, auch wenn alles dagegen steht. Wenn es denn Gott nicht
gäbe, wenn ich niemals zu ihm gelangen könnte, so wäre er dennoch aller
Verehrung würdig, die ich geben kann. Ohne Ziel zu verehren. Ohne
Gewissheit in einem kommenden Leben Lohn für die Mühe zu erhalten.
Ohne Gewissheit, dass Gott ist und dass man einst vor ihm steht. Dann
trotzdem zu dienen. Im tiefen Zweifel.

45 Ob sich Engel auch wärmen müssen? Ob ihnen kalt werden kann?


Soweit ich wagen darf über die Natur von Engeln nachzudenken, es kommt
mir sehr anmaßend vor. Es kommt mir bisweilen auch anmaßend vor, so
viel über Gott zu schreiben. Was weiß ich schon? Was kann ein Mensch
schon wirklich über ihn wissen und sagen? Aber manchmal fühle ich,

115
jemand sollte etwas sagen, etwas über ihn erzählen und so versuche ich
mein Bestes.

Es gab Zeiten, da hat die Kirche im Namen Gottes Menschen verbrannt.


Menschen, die über Fähigkeiten verfügten, die die Kirche für dämonische
Fähigkeiten hielt. Mancher mag dabei gewesen sein, der mehr von Gott
wusste, als es seinem Priester lieb war und der dafür brennen musste.
Selbst heute sind solche Fähigkeiten nicht geschätzt, sondern geleugnet
oder verachtet. Im üblichen Leben scheint es keinen Platz zu geben für
Menschen, die Stimmen hören, Visionen haben, und ähnliches.

Vielleicht macht es Angst, wie alles, was nicht der Norm entspricht Angst
macht. Wer den Rahmen sprengt, in welche Richtung auch immer, muss
mit entsprechenden Reaktionen rechnen. Solche Gegebenheiten, ich mag
nicht von Phänomenen sprechen, werden erstickt, mit Medikamenten unter
Kontrolle gebracht und als Krankheitszustände des Hirns eingestuft. Es
macht Angst, sowohl dem, der damit in sich umgehen lernen muss, wie
auch dem, der davon hört oder liest. Doch scheint es solche Phänomene zu
geben, mehr vielleicht, als sich der eher normale Mensch dies denken
würde. Da gibt es Menschen, die fast nur solcherart kommunizieren oder
bei denen beides gleichwertig nebeneinander steht. Es scheint, wenn
einmal die Grenzen durchbrochen sind, die ein Ich von einem Du trennen,
als wäre es ein Leichtes, durch diese durchbrochenen Grenzen Gedanken
fließen zu lassen, die der andere so sicher erhält, wie einen Telefonanruf.
Gott gehört in diese Welt der unsichtbaren Wesen. Mit ihm in Kontakt zu
kommen macht deshalb oft Angst. Oder man hält sich starr an den
Vorschriften fest und ignoriert das Lebendige.

Manchmal frage ich mich, ob dies nicht wirklich die Art ist diese Welt zu
beherrschen, indem die Gedanken solcherart befähigter Menschen in
Menschen transportiert werden, die davon nichts wissen, nichts wissen

116
wollen. Ich habe einen Menschen kennen gelernt, der fähig war einen
anderen in Ohnmacht fallen zu lassen, nur mit der Kraft seiner Gedanken.
Das ist ein sonderbares, beängstigendes Phänomen, aber ich habe es
gesehen und kann es nicht leugnen, so wahr ich hier sitze und schreibe. Ich
will mich mit solchen Dingen auseinandersetzen, da es sie gibt. Wie ich
mich mit Gott auseinandersetze, weil es ihn gibt. Auch das Leben nach
dem körperlichen Tod. Jeder halbwegs verständige Mensch würde und
wird ein Gleiches tun.

Es gibt einen Ausdruck, er heißt Eidetik, es bedeutet, dass eine Vorstellung


so stark wird, dass ein anderer sie wahrnehmen kann. Oder zumindest die
Gegenwart dieser Vorstellung spüren kann. Es bedeutet, dass der, der stark
genug ist, Bilder entwerfen kann, die ein anderer wahrnehmen kann. Ob
diese Bilder gut oder schlecht sind, ob sie dienen, einen Menschen
aufzubauen oder einzureißen, das ist eine noch weiter gehende Frage. Wie
so oft, es gibt solche und solche. Die Frage ist, ob manche Visionen so
erklärt werden können, ob manche Träume so erklärt werden können.
Niemals ausschließend, dass es echte Visionen gibt. Dass es Wesen aus der
unsichtbaren Welt gibt, die mit dieser Welt Kontakt aufnehmen. Auch hier,
ob ich in meiner Seele, meinem Geist für Jesus, für Gott Platz mache oder
für einen anderen Geist, jeder muss für sich entscheiden wem er dient. Die
Bibel ist voll von Warnungen, jeder Mensch kommt damit in Berührung.
Wenn er nicht zu Gott gehört, kommt er unter den Einfluss des Prinzen
dieser Welt. Es gibt im Esoterischen den Begriff „channeling“, ich weiß
nicht sehr viel davon, doch scheint es, als würde man einen Geist einladen,
in seiner Seele zu wohnen. Frieden und Freiheit und Glück bringen sie
selten. Glück hier nicht im Sinne einer flüchtigen Regung, sondern einer
tiefen Zufriedenheit. Des Gefühls, an seinem eigenen Platz in dieser Welt
zu sein. Sein Bestes zu tun. Vor Gott einen Platz zu haben und einen Sinn
für sein Leben. Wer sehnt sich nicht nach Sinn für sein Leben. Danach,

117
nicht umsonst gelebt zu haben, sondern Spuren zu hinterlassen. Spuren auf
denen vielleicht auch andere später einen Weg durch die Zeit finden
können. Bei einigen gibt es die Überzeugung, Zeit und Raum seien
Dimensionen in Gott. Diese Welt sei wie ein Gedicht Gottes und bestehe
nur in ihm. Uns Raum lassend seine Wege zu suchen und zu gehen. Wenn
Raum und Zeit Dimensionen von Gottes Geist sind, so ist die Erkenntnis
von Gottes Geist das vordringlichste Anrecht, ja die wichtigste Pflicht
eines jeden Menschen. Ich glaube, ich wiederhole mich.

Ob es sich dabei findet, dass dieses Leben und dieser Körper das
Vorübergehende oder das Vergängliche sind, oder ob Geist und Körper,
Seele und Leib gleichberechtigt nebeneinander stehen, es gilt, in beiden
Dimensionen des Lebens zu Hause zu sein oder unterzugehen. Wenn nicht
jetzt so spätestens vor Gott. Gottes Gericht wird vielleicht nicht wie ein
großer Gerichtshof daher kommen, mit einem Richter und Beisitzern und
vielen, die drum herum stehen. Trotzdem kann es ein, dass die Seele sich
eines Tages selbst verdammt. Sie wird sich schmutzig vor ihm fühlen.
Wenn auch die kleinste Regung veröffentlicht wird, wie ein Film, der alle
Stationen des Lebens zeigt. Nicht, dass man Gott dies erst zeigen müsste,
er weiß es sowieso. Er weiß jeden Schritt, jedes Haar, jeden Atemzug,
ohne von Beruf und Freunden und weiterem zu reden. Aber ihn
anzuschauen wird die Sichtweise verändern. Dinge in neuem, anderem
Licht erscheinen lassen. Wer hier Gottes Gegenwart scheut, wird sich dort
erst recht unwohl und unbehaglich fühlen. Wird die Gegenwart des
heiligen Lichts schon als Qual an sich empfinden. Dann ist es Leid, zu
wissen, dass es ihn gibt. Man hätte ihn hier finden können, mit ihm hier ein
Leben aufbauen können. Nicht erst dort erfahren, wer Gott ist. Es ist dies
die vornehmste Pflicht des Menschen, Gott zu erkennen und zu lieben.
Dann überlege ich, ob es nicht schon Hölle sein wird, ihm gegenüber zu
stehen, zu begreifen, dass nicht der dunkle Prinz triumphieren wird in

118
solcher Stunde. Einer Stunde in der er, aus den heiligsten Hallen
vertrieben, in Dunkelheit gedrängt, jenen beneidet, der das Licht sucht und
findet. Er versucht, ihn mit sich hinab zu ziehen in das dunkle Reich seiner
Herrschaft. Er wird dann erst offen triumphieren, wenn sein treuester
Anhänger bemerken muss, dass er betrogen ist. Um sein ewiges Heil, sein
größtes Glück betrogen ist. Ob dieser einst so stattliche, herrschaftliche
Prinz vor Gottes Gnaden je damit gerechnet hat, den Zugang zu den
Himmeln des Herrn der Herrlichkeit zu verlieren? Dass er jenen Zugang
verloren hat. Aber er ist für solche raubtierartigen, seltsamen Kreaturen
wie wir Menschen es sind, geöffnet. In seiner Größe, die er sicher im Fall
nicht verloren hat, die sein getrennt sein von Gott vielleicht sogar noch
verstärkt hat, muss er wohl hassen und verderben, was dieser Gnade so
unwürdig scheint. Wo selbst Engel erzittern, treten Menschen anscheinend
frech und selbstsicher vor ihren Schöpfer. Ob sie das noch sein werden vor
ihm bleibt abzuwarten. Der kleinste Anschein einer Welt des Jenseits
scheint alles hier auszulachen an Größe, Erhabenheit und Schönheit. Selbst
in Verfall und Verderbtheit noch Größe zeigend. Die Anstrengungen
Gottes Wege zu finden, Wege, die wie riesige Treppenstufen scheinen. Zu
groß für menschlichen Gebrauch. Wie eine zu steile Leiter, die man
unbedingt erklettern will. So oft fallend, und doch immer wieder neu
anzufangen.

Von Gott aufgefordert worden ihn Vater zu nennen. Gott schien Gefallen
daran zu haben, mit den ersten Menschen im Garten zu gehen. Mit ihnen
zu reden, sich ihrer Gesellschaft zu erfreuen. Es scheint, als hätte dies auch
die Menschen erfreut, bis sie sich vor ihm versteckten, weil sie seinen
Worten nicht geglaubt haben. Weil sie sein wollten wie er. Wie muss sich
der Betrüger, der die Menschen in diese Bahn lenkte, gefreut haben. Jeder
würde so handeln, heimlich Gott verachtend, der Gefallen an solchen
Kreaturen findet wie wir es sind. Aber in der Stille des Abends oder des

119
Morgens mit Gott wandeln zu dürfen ist noch immer das größte Vorrecht
seiner geliebten Kinder. Seiner heiligen Menschen, die alles stehen lassen,
um ihn zu finden. Die dann manchmal so aussehen, als würden sie nichts
tun. Weil sie unter Kastanienbäumen spazieren gehen. Im Rosengarten Tee
trinken. Im Abendrot übers Meer schauen. Gott ein Lied singend. Zum
Missfallen des Fürsten der Finsternis und seiner Gefolgschaft natürlich. Es
ist ein Bruch in seiner Herrschaft das zu tun. Das sogar gerne zu tun. Glück
ist immer eine höchst suspekte Angelegenheit in diesen Dingen. Es scheint
auch, als habe der Dunkle noch immer das Recht die Menschen vor Gott zu
verklagen. Sich ihrer zu bedienen, sie zu beherrschen. Solange sie nicht
unter dem Schutz des Blutes Jesu stehen.

Ich habe angefangen Milton zu lesen (Paradise Lost), er schreibt davon.


Nicht, dass der geneigte Leser denken würde, alles dies stamme aus meiner
eigenen Quelle, es ist das, was aus ungezählten Stunden des Lesen heraus
fließt, das, was ich in mir an Gedanken finde. Durch das Studium von
Menschen und ihren Schriften, die vielleicht weit tiefer in diese Materie
vorgedrungen waren, habe ich viel gelernt. Bücher sind wahrlich oft gute
Freunde, auch wenn sie schwierige Gedanken bringen. (Paradise Lost liegt
unvollendet, teil-gelesen, auf dem Stapel jener Bücher, die noch zu lesen
beenden wären.)

46 König David hat sich durch Horden von Feinden gekämpft. Trotzdem
war er ein Mann nach Gottes Herzen. Er hat in Erdhöhlen geschlafen und
am Königshof; bei Schafen und bei schönen Frauen; ist fast ermordet
worden und hat im Luxus gelebt. auch der Blutsbruder des Sohnes des
vorherigen Königs gewesen, er hat eine Frau begehrt, die ihm nicht gehört
hat, hat dafür einen Mord in Auftrag gegeben, und doch auf das Wort eines
Propheten hin eingesehen und bereut, immer nach Wegen gesucht, Gott zu

120
dienen und zu gefallen. Er hat großartige Lieder geschrieben, doch sein
Brüder konnten ihn nicht leiden und fanden ihn vorwitzig, sein ältester
Sohn hat versucht ihn umzubringen um selbst König zu werden und als
dieser starb, er blieb mit seinen schönen langen Haaren in einem Baum
hängen, hat David so geweint, das alles um ihn her unwillig wurde, waren
sie nicht treu und der Sohn untreu gewesen? Manchmal denke ich, dass
Gott so um Menschen weint wie David um Absalom, so viel Schönheit
verloren, verloren für immer.

Doch Gott hat nicht David den Tempel bauen lassen, den David für die
heilige Lade, für die „Wohnung“ Gottes bauen wollte. Seine Hände waren
zu blutig. Salomon, Davids Sohn hat den Tempel gebaut, der Sohn jener
Frau, für die David einen Mord hat begehen lassen. Doch Gott sucht sich
seine Wohnung, jene, die ihm eine Wohnung bauen können, nach der
Reinheit ihres Herzens und nicht nach der Herkunft, obwohl das
anscheinend auch wichtig war. Salomon ist sogar einer der Könige, in
deren Linie Jesus geboren wurde. Ist es Gott egal? Ist es gleichgültig was
ein Mensch tut? Oder ist er ein großer Gott der verzeihen kann und der
auch aus selbstsüchtigen Taten noch Großes bewirken kann? Vielleicht
führt das zu der moralischen Unbekümmertheit unserer Zeit, wenn solche
Menschen in Jesu Stammbaum sind, kann es nicht ganz schlecht sein, kann
Gott es nicht ganz verdammen. Ich weiß nicht, wie Gott es sieht. Ich weiß,
dass ihm Reinheit des Herzen das Höchste ist. Die Menschen des alten
Testaments sind alle sehr, sehr menschlich, mit großen Schwächen und
Fehlern, doch Gott baut sein Reich anscheinend oft genau auf solche
Menschen, die wissen, wie sehr sie seine Gnade brauchen. Ob Abraham
oder Issak, ob Moses oder Aaron, ob Eva oder Sara, ich kann nicht die
Geschichte aller hier aufschreiben, doch sie waren durch und durch
menschlich, zeitweilig voller Angst und Versagen, und doch hat Gott durch
jeden Großes geschaffen. Oft hat er sich dazu Menschen ausgewählt, von

121
denen andere sagten - seltsam -, oft haben diese Menschen seltsame Dinge
getan um Gott zu gefallen. Es ist seine Weisheit, die gerecht spricht oder
verdammt, eine Weisheit, die oftmals den Narren der Welt liebt und den
ach so Weisen stehen lässt.

Zumindest die Schrift sagt heute, dass Gott sich seine Wohnung in jedem
reinen Herzen sucht, und es sagt auch, dass die Reichen dieser Welt es
schwerer haben, weil sie so viel haben und so viel Verantwortung tragen
für sich und diese Welt. Das ist nicht gut für die Reichen. Und es lässt
fragend auf die blicken, die so gerne Teil haben wollen an den materiellen
Gütern, die auf dieser Seite der Welt in solchen Ausmaß vorhanden sind.
Doch wäre es heuchlerisch von jemandem, der mit all diesen Gütern groß
geworden ist und viele der Annehmlichkeiten genossen hat, zu behaupten,
dass es nicht äußerst angenehm ist, nicht rechnen zu müssen, sich Dinge
leisten zu können, und sei es auch nur besseres Essen, Bildung, Bücher,
Wärme, es ist noch nicht so lange her, da waren diese Dinge auch hier ein
Privileg. Doch auf denen, die wissen, ruht umso mehr Verantwortung, es
scheint, als wäre wohl ein jeder für sich verantwortlich bis zu einem
gewissen Maß, doch als sei jemand, der eine leitende Funktion hat, der
Macht hat, für die verantwortlich, die in seinem Umkreis leben. So mag
jemand, der sich in der Öffentlichkeit seines Bildes erfreut, nicht erfreuen,
wenn er feststellt, dass er für all jene, die sein Bild sehen Verantwortung
trägt. Nicht umsonst wird gewarnt davor, sich in solch einer Position zu
befinden, als wäre es nicht manchmal schon so schwer genug.

47 Es stellt sich natürlich wie so oft dir Frage, ob ein Mensch, der
versucht ein guter Mensch zu sein, das Recht hat, einen so genannten
bösen Menschen zu beseitigen. Es hat viele kluge Überlegungen dazu
gegeben, ob vor Gott zu rechtfertigen ist, was ich ja genau in diesem

122
Menschen verurteile. Ob ich das Recht, die Pflicht habe um der Menschen
will, die leiden werden, die zu entmachten, die das leiden mancher
Menschen sich zur Aufgabe gemacht zu haben scheinen. Es gibt viele
Gedanken darüber, zum Beispiel als das Attentat auf Hitler geplant wurde.
Gibt es ein Recht, eine Pflicht solch einen Menschen zu besiegen? Gerade
für einen Menschen, der Gott dienen will? Oder bete ich und überlasse ich
es Gott zu handeln? Ist die Berliner Mauer gefallen, weil so viele dafür
gebetet haben? Ist die Annäherung von Südkorea und Nordkorea möglich
geworden, weil es in Südkorea eine solch starke geistliche, christliche
Bewegung gibt, die gebetet hat und noch betet? Es gibt eine Untersuchung,
die besagt, dass Menschen für die gebetet wird schneller gesund werden im
Krankheitsfall, zumindest im Durchschnitt. Humbug? Einbildung? Dafür
gibt es mittlerweile zu viele wissenschaftliche Studien, und noch vor nicht
allzu langer Zeit wäre niemandem die Idee gekommen, solches als
Humbug zu denken. Vielleicht werden die Menschen nicht nur gescheiter
durch die so genannte Zivilisation sondern verlieren ihre eigenen Wurzeln.
Und ob das gut oder schlecht ist, das müssen spätere Zeiten entscheiden,
das liegt in einer Hand, an der niemand vorbeigehen kann.

48 Jeder kennt jemanden, der einem die geistige oder emotionale Kraft
absaugt. Wahrscheinlich beruhen viele Geschichten von Vampiren darauf.
Wesen, die einem auch die letzte Energie rauben und einen in so einer Art
Zwischenzustand lassen, nicht richtig tot, aber auch nicht richtig lebendig.
Voller beißendem Hunger selbst Leben zu stehlen. Es ist dies ein Problem,
mit Menschen, die missbraucht worden sind. Es gibt viele Arten von
Missbrauch. Verbaler Missbrauch fängt schon damit an, jemanden eine
Schlampe oder einen Vollidioten zu nennen. Das ist nicht lustig. Bei
nächster Gelegenheit wird dieser Mensch sich vielleicht anfangen so zu
benehmen. Außer er findet in sich genug Halt um dem entgegen zu wirken,

123
vielleicht das Gegenteil zu tun. Worte sind mächtig. Sie können binden, so
sicher wie ein Kettenhund, der nicht fort kann, an seine Kette gebunden ist.
Sie können auch frei machen und Flügel verleihen. In sich selbst Halt zu
haben ist rar. Halt in Gott zu finden kann einiges heilen. Wenn es auch oft
Zeit braucht und nicht sofort geschieht. Sexueller Missbrauch, oft
verharmlost und herunter gespielt, ist ein Auslöser dafür, andere später
selbst zu missbrauchen. Der Missbrauch beginnt damit, die Intimsphäre
nicht zu respektieren. Direkte sexuelle Aktionen wirken noch stärker. Man
sagt, dass der stärkste Grund für sexuellen Missbrauch keineswegs die Lust
ist, sondern der Machtgewinn. Wenn ich dem etwas tun kann, dem weh tun
kann, dann bin ich wer. Das kann zum Teil sehr, sehr subtil sein und doch
eine tödliche Wirkung ausstrahlen. Viele Töchter sind Ersatzfrauen oder
Ersatzmütter, viele Jungen Ersatzmänner oder Väter. Das ist nicht neu,
vielleicht, und doch verstärkt es sich, weil der Abstand zu den Kindern
schwindet. Zumindest scheint es so. Die Kinder sättigen ein Bedürfnis, das
ein Erwachsener hat. Voller Vertrauen tun sie es meist auch noch gerne.
Sie fühlen sich gebraucht und angenommen und würden alles tun, um den
Eltern Schmerz zu ersparen. Bloß werden sie später selbst solche
hungrigen Erwachsenen. Menschen, die nicht wissen wo sie den Hunger
ihrer Seele stillen können. Den emotionalen Hunger nach Anerkennung,
Wärme und Zuneigung. Also greifen sie auf das zurück, was sie von ihren
Eltern gelernt haben. Solch ein Kreislauf ist eine fast immer abwärts
laufende Spirale. Es ist schwer, sie zu durchbrechen, sich ihrer überhaupt
bewusst zu werden. Doch durchdringt sie diese ganze Gesellschaft. Schafft
Fäden, die Menschen aneinander binden, die sich sonst vielleicht nichts zu
sagen haben. Ermöglichen jedoch auch das Überleben von Menschen, die
sonst vielleicht tot wären, an mangelnder Zuneigung gestorben. Das ist ein
wichtiges Thema. Vom Missbrauch in Kirchen und Klöstern wurde immer
wieder berichtet. Besonders schockierend, weil dies Orte des Friedens sein

124
sollten? In anderen Gebieten ist es normaler Alltag. In Gebieten der Kunst,
sei es Musik oder Tanz, ist es ganz alltäglich. Große Künstler haben immer
auch aus anderen Kraft gesogen. Oft konnte die Kunst nur so entstehen.
Als geballte Kraft in einem Einzelnen, auf den Vielen beruhend. Um zu
einem Ziel zu gelangen sind viele Opfer gebracht worden. Meist ist dies
sogar geplant. Nur jener, der hier überlebt, ist stark genug selbst ein
Künstler zu werden. Nur der, der fähig ist den Vielen eine Stimme zu
verleihen, indem er Kraft aus den Vielen zieht, ist fähig sich auszudrücken.
Um ein Meister seines Faches zu werden, geht man durch viele Stufen.
Einige sind mit Schmerz verbunden. Wie Laufen lernen für ein kleines
Kind mit dem Schmerz des Fallens verbunden ist, bis es Meisterschaft
erreicht, wird es unzählige Male fallen und scheitern, so auch die
Meisterschaft in anderen Gebieten. Das Leid dient dazu zu formen. In dem
Sinn ist Missbrauch fest in die Gesellschaft eingewebt. Auch in den
Glauben eingewebt. Das Ich muss sterben. Das ist schmerzhaft. Hiobs
unverschuldetes Leid war Vorstufe zu größerer Erkenntnis. Hat Gott um
seinen Diener gespielt? Hoch gepokert? Den Schmerz hingenommen? War
das schon eine Form von Missbrauch? Hiob war völlig unschuldig,
dennoch brauchte er das Leid um eine höhere Stufe der Erkenntnis zu
erlangen. Schmerz hat das oft bewirkt. Beim Sänger, beim Tänzer, beim
Glaubenden. In dem Sinn ist Missbrauch oft ein Diener gewesen und ist als
mehr oder minder notwendiges Schritt betrachtet worden. Große Männer
sind oft unverstanden gewesen oder sind auf sehr viel Widerstand
gestoßen. Die Größe erstreckt sich auch darauf, durch den Schmerz
hindurch zu gehen. Oft ist Missbrauch ein Preis, der gezahlt wird. Wenn
man sich in einer Position befindet, die ein anderer als unangemessen
empfindet, so ist der Preis für diesen Platz oft den Missbrauch zu ertragen.
Sexuelle Gefälligkeiten zum Beispiel waren für Frauen eine Möglichkeit,
in dieser Welt einen Platz zu erobern. Eine Art Bezahlung dafür, als

125
Wissenschaftlerin anerkannt zu sein, als Bildhauerin einen Namen zu
bekommen. Da, wo Männer die Macht haben, ist Sex ein guter Weg etwas
zu bekommen, das einem sonst vielleicht nicht zugestanden hätte. Frauen
sind manchmal nicht so direkt, lassen sich aber von den Männer genauso
„bezahlen“, wenn sie eine Position der Macht haben. Durch diese
Verflechtungen hindurch geht der Weg zu Erfolg und Ruhm. Wer diesen
Weg so nicht gehen kann, der stößt sehr schnell auf Grenzen, egal wie
begabt oder fähig er auf seinem Gebiet ist. Das Umfeld will an dem
beteiligt sein, was da geschieht. Will eigenen Profit sehen, bevor es den
anderen ziehen lässt. In vielen Gebieten der Lebens ist das
selbstverständlich und wird nicht diskutiert. Man tut es oder geht heim.
Man steht es durch, wie der Balletttänzer vielleicht viele Stunden des
Trainings und der Qual durchsteht, bevor er strahlend auf der Bühne steht
und andere Teil haben lassen kann an dem, was seine Gabe ist. Dazu
gehört immer mehr als Talent als Tänzer. Charakter, soziale Komponenten,
Herkunft, Aussehen, Charme, alles spielt eine Rolle. Nur der, der willens
ist alles zu geben, schafft es bis an die Spitze. Viele Stationen, die wie
Missbrauch aussehen, sind solche Tests. Wie viel ist derjenige bereit zu
geben um zu seinem Ziel zu gelangen? Gerne zu geben, freudestrahlend zu
geben. Wie die Tänzerin im Moment des Tanzens den Schmerz der Füße
vergessen kann, so kann jener, der ein Ziel hat, den mühsamen Weg in
freudiger Erwartung gehen. Die Spitze des Berges ist nur nach einem
langen Aufstieg zu erreichen. Je höher der Berg, je mühsamer der Aufstieg.
Plattitüde, und doch wahr. Gleichnis für viele Weg des Lebens und des
Glaubens.

Zu lernen oder zu wissen, wie man seine Seele, sein Herz und seinen Geist
ernähren kann, ist deshalb eine wichtige Aufgabe. Auf einem langen Weg
braucht man gute Nahrung und Ausrüstung um für alles gewappnet zu sein.

126
49 Manchmal werden Kinder, die in der Kindheit gerne alles gegeben
haben, ihre Eltern später dafür hassen. Wie viele Eltern hassen ihre Kinder
heimlich, weil sie so abhängig von ihnen sind? Verachten sie, weil sie den
Eltern so viel geben? Wollen sie nicht verlieren oder loslassen, weil sie
von der Kraft der Kinder leben? Sich in den Kindern verwirklichen
wollen? Ihre Träume und Erwartungen auf die Kinder übertragen, die dem
auch bei bestem Willen nicht gerecht werden können.? Die Kinder
entwickeln ihre eigenen Träume, ihr eigenes Leben und stoßen damit diese
Eltern vor den Kopf. Aber jeder Mensch hat seine eigene Aufgabe und
muss dieser gerecht werden, nicht der Aufgabe der Eltern. Den Kreislauf
zu durchbrechen, frei zu werden von den Zwängen, die einen jeden in diese
Bahnen ziehen, ist ein erster Schritt um die eigene Aufgabe im Leben zu
bewältigen.

50 Ich glaube, die meisten Menschen wünschen sich andere zu lieben. Es


fühlt sich gut an, jemanden zu lieben. Geliebt zu werden, Anerkennung zu
bekommen ist wie eine Droge, von der man immer mehr haben möchte. Es
ist gut, dem Raum zu geben. Sich und anderen die Möglichkeit zu geben
zu lieben und geliebt zu werden. Damit meine ich keinen leichten Sex. Das
älteste Gewerbe der Welt ist ein Wichtiges, es schützt Unschuldige und
verhindert sehr viel Missbrauch, auch Kriminalität. Obwohl es auch
Kriminalität hervor bringt. Außerhalb dessen geben sich viele junge
Mädchen und Frauen hin, weil sie zu sehr lieben, weil sie den anderen
nicht enttäuschen wollen. Die Zuwendung des Anderen zu verlieren fühlt
sich bedrohlich an. Was sie wären, wären sie ruhig und sicher, sicher
geliebt zu werden, ist eine ganz andere Geschichte. Liebe würde versuchen
auch den anderen rein zu halten. Seinen „Bruder“, seine „Schwester“ als
Menschen an sich zu schützen. Die Lust wird überschätzt. Vielleicht nicht
für Männer, das kann ich nicht beurteilen. Der gesellschaftliche Druck

127
gerade in der Beziehung ist enorm. Die Frage, wer ich sein will, sein kann,
sein darf einem anderen gegenüber und wen ich einen anderen sein lassen
darf, ist komplex. Schön, wenn da Lust ist. Paulus nannte es den einzigen
Grund um zu heiraten. Meist scheint es ein Gemisch aus Macht, Nicht-
weh-tun-wollen, den anderen nicht verlieren wollen. Dinge, die alle ihren
Bereich haben, ihre Legitimität. Wahre, tiefe Liebe wäre eifersüchtig auf
die Perfektion des geliebten Menschen bedacht. Reinheit hat seit je zu
einem der wichtigsten und wertvollsten Teile der menschlichen Seele
gehört. Gottes Gesetze waren nicht da um zu verbieten, schließlich hat er
die Möglichkeit, Sex zu haben überhaupt erst geschaffen. Sie sind dazu da
zu schützen und den rechtmäßigen Gebrauch von etwas zu zeigen, das
mächtig und gefährlich sein kann. Schließlich wird jeder Billigst-Föhn mit
Gebrauchsanweisung ausgeliefert. Seltsamerweise würde es kaum einem
einfallen, diese Regeln grob zu missachten. Doch die Gebrauchsanweisung
für sicheren Sex beachten leider nur wenige. Der Mensch nimmt Schaden
dadurch. Die meisten merken es und lernen, den anderen dafür zu hassen,
dass er sie nicht stoppt, nicht selber stoppt.

Es mag einen momentanen Lustgewinn geben, ein momentanes


Hochgefühl, aber es ist wie eine Droge. Der Rausch verfliegt schnell und
man bleibt ernüchtert und verbittert zurück. Entschlossen, beim nächsten
Mal mehr von der Droge zu nehmen, sich zu nehmen, was man zu
brauchen meint, weil man sich für Momente gut fühlt. Es gibt Bereiche der
Beziehung zu Gott, die viel tiefer gehen und viel weiter gehend sättigen,
die satt machen und zugleich hungrig nach mehr. Die Bedürfnisse werden
in einer der Beziehung zu Gott zuträglichen Weise befriedigt. Selbst
langjährigen Gläubigen gelingt das nicht immer. Aber es braucht einen
Aufbruch. Den Mut, zumindest zu versuchen ein dem Glauben gerecht
werdendes Leben zu führen. Scheitern kommt immer wieder vor.
Trotzdem. Oder gerade deswegen. Schon alleine gedanklich aus dem

128
bestehenden Muster auszubrechen ist nicht leicht. Überall wird es als Ideal
hingestellt. Als wäre leichte Erwerblichkeit ein Luxusmerkmal. Nein,
wirklich gute und wertvolle Sachen sind wertvoll und teuer und nicht so
leicht zu bekommen, das weiß jeder, der mal einkaufen war, der sich gerne
diese tolle Hose, jenes Kleid oder solch ein Auto gekauft hätte. Warum
sollte Sex also gut sein, wo er so billig geworden ist? So überall erhältlich.
Mädchen, Frauen, es ist kein Gefallen, einem Mann nachzugeben. Männer,
es ist kein Zeichen von Stärke oder Cleverness eine Frau schnell
herumkriegen zu wollen. Jemanden sich durch Drogen gefällig oder willig
zu machen ist da die ganz falsche Richtung. Wir sind Hüter unserer Brüder
und Schwester. Es wird verlangt werden, dass wir Rechenschaft ablegen
für die Menschen, die um uns her waren. Das ist keine Warnung, sondern
ein Hinweisschild, wie das Hinweisschild im Supermarkt, das
Ladendiebstahl verfolgt wird. Warum scheint das, was auf so vielen
Ebenen selbstverständlich ist, gerade auf dieser so wichtigen Ebene nicht
zu greifen?

Immer mehr Menschen leben alleine. Wollen alleine leben. Wollen sie
diesen Kreislauf nicht mitmachen? Ein Tausch der Zärtlichkeit, der tiefen
Zuneigung, gegen oft billig wirkende Effekthascherei. Es tut mir
manchmal in der tiefsten Seele weh, wie wenig ein Mädchen auf sich hält,
dass seine Reize so freizügig allen zur Schau stellt. Jede kleine Geste der
Zuwendung muss mit Küsschen bedient werden, wenn sie es nicht tut, wird
es eine andere tun. Das ist der Druck, unter dem viele stehen. Wenn ein
Mädchen aus diesen Landen nicht mitmacht, gibt es genügend Mädchen
aus Ländern, denen es schlechter geht, Mädchen, die den Mann dafür
verachten, ihm aber geben, was sein Instinkt vielleicht will. Frauen, die so
viel Not haben, dass sie nicht einmal annähernd darüber nachdenken, was
es bedeutet. Dazu gibt es Religionen, die diesen Schutz des Menschen
durchaus nicht vorgeben. Manche Männer haben sich an die leichte

129
Zugänglichkeit zu dieser Ware Sex gewöhnt. Auf den Ebenen des Erfolgs
wird vorgeführt, dass die Regeln eher noch strenger und die Grenzen enger
gezogen sind. Ein Mädchen, das einen Freund sucht, einen Mann
bekommen möchte, hat keine andere Wahl als mitzumachen. So viel
nackte Haut, die im Sommer am Strand etwas Wunderschönes ist, die zu
Hause im Ehebett sogar etwas Heiliges ist, ist auf großformatigen
Werbeflächen bestenfalls ein Abklatsch einer der wertvollsten Dinge, die
es auf dieser Welt gibt. Sie formt das Bewusstsein. Bereitet auf das vor,
was an Erwartungen an einen Menschen gestellt wird. Die Medien wollen
nicht nur informieren oder unterhalten, sie wollen auch erziehen und
formen. Die Möglichkeiten anders zu denken werden kleiner. Gottes Wort
sagt, dass im Körper eines zu werden die tiefste Vertrautheit ist, das größte
Geheimnis, der größte Schatz eines Menschen ist. Sinnbild für die Einheit
mit Gott. Menschen haben Hunger nach tiefer Vertrautheit und in der
körperlichen Vereinigung scheint sich ein leichter Weg aufzutun
Vertrautheit ohne Mühe zu erreichen. In dieser Gesellschaft verschleudern
wir manche Schätze, in dieser Hinsicht, ohne wirklich Ersatz dafür zu
haben. Alles im Namen der Liebe, die diesen Namen nicht verdient, die
doch nicht befriedigt, sondern nur noch hungriger werden lässt. Es gibt ein
inneres Gesetz, das besagt, dass man schnell jemanden so verliert, wie man
ihn bekommen hat. Sich daran entsprechend schnell wehtun kann. Der
Schmerz, den wir uns auf diese Art selbst zufügen, sitzt tief, solchen
Wunden schmerzen mehr als jeder andere Verrat, weil sie im eigenen
Körper sind. Wer die Warntafeln nicht beachtet, muss hinterher mit dem
Schaden leben. In sich und in denen, die er liebt. Gibt es einen Ausweg? Es
scheint, als würde zumindest mancher aufwachen. Andere die Augen
verschließen. Noch andere jeden verdammen, der glaubt. Vielleicht ist es
zu viel zu hoffen. Vielleicht ist es auch eine Zeit in der mehr Menschen
begreifen, dass die Feindseligkeiten der Welt in der Seele beginnen.

130
Vielleicht ist es eine Zeit in der Menschen die Möglichkeiten haben ohne
Glauben zu überleben. Wir brauchen nicht mehr unbedingt, wie es in
Jahrhunderten oft war, einen Mann, eine Frau, um zu überleben. Menschen
scheinen keinen Gott mehr zu brauchen. Aber wie rechtfertigt man Moral,
die immer mehr gefordert wird, wenn es kein absolutes Gutes gibt? Im
Wohlergehen eines Menschen? Im Glück? Es war normal, dass eine Frau
verkauft oder eingekauft wurde, je nachdem, was man sich eben leisten
kann an Frau. Zum Teil ist das das Bild, das in den Medien immer noch
umläuft. Zum Teil ist es immer noch wahr. Wer sich diese oder jene Frau
leisten kann, der ist schon ziemlich gut. Mancher stellt sich so in aller
Pracht ein Armutszeugnis aus. In einer Welt, in der nur noch geachtet
scheint, wer Geld hat, in der Geld der einzige Maßstab für Reichtum ist. In
gewissen Schichten spielt Rang eine Rolle. Das ist vielleicht noch weiter
verbreitet, tiefer sitzend als angenommen. Selbst unter Christen gilt jemand
als gesegnet, der reich und mächtig ist. Nicht, dass sich das im neuen
Testament fände, doch es gibt durchaus viele solcher Gedanken. Jesu Wort
dazu war, dass der beste Diener wie sein Herr wäre. Doch immer scheint es
ein „Tu du, was man dir sagt“ zu sein, kein „Ich werde es tun“. Viele
haben das in der Religion angeprangert. Nicht zu Unrecht. Was darüber
vergessen ist, ist, dass es einen Gott gibt. Dass er Rechte an uns hat. Dass
Gott ein Recht auf Anbetung hat. Wie war das vom kleinen Kind im Stroh
der Krippe, dem armen Verkünder, der vom Geld seiner Freunde lebte,
zum Tod am Kreuz. Wer möchte da ein guter Diener sein? Das Maß des
Segens Gottes am Wohlstand zu messen ist nicht fremd. Es kommt aus
dem alten Testament, wo der von Gott geliebte zum König oder zum
reichen Mann wurde. Es gibt Stellen, die besagen, dass Gott mit irdischen
Gütern segnet, leider sind sie nicht so häufig wie mancher gerne annimmt.
Gottes Standard für Reichtum bezieht sich auch auf andere Maßstäbe als
das, was diese Welt weitestgehend lehrt. Geld sättigt die verschiedenen

131
Bedürfnisse des Lebens leichter als andere Wege. Viele Menschen
kommen um des materiellen Vorteils willen in die westlichen, so
genannten Industrieländer. Das ist nicht verwerflich. Armut ist
fürchterlich. Echte Armut. In jedem Sinn. Viele leben konformer nach den
Normen ihres neuen Heimatlandes als dessen Bewohner es selbst tun.
Nach zwei oder drei Generationen, wenn sich der Reiz der Waschmaschine
und des Kühlschranken, des Fernsehers und des Sommerurlaubes vielleicht
gelegt hat, stehen sie unter Umständen ärmer da als vorher. Beraubt
nämlich des Zusammenhaltes der Familie, der Freunde, beraubt auch zum
Teil der inneren Kraft. Es gibt Völker, dort ist es vielleicht die einzige
Chance, aus Armut und Not herauszukommen, indem man als Sportler
oder Künstler Erfolge feiert, die sonst nicht nötig wären. Wie große
Entbehrungen und Anstrengungen nimmt mancher auf sich, um so heraus
zu kommen aus der Not. Damit ist vor allem materielle Not gemeint, doch
ist sofort auch eine Sehnsucht nach Bildung, Hunger nach den geistigen
Dingen zu spüren, wenn der Hunger nach Essen erst einmal gesättigt ist.
Als im Osten Deutschlands die Mauer aufging, da gab es manchen, der,
nachdem der erste Reiz vorbei war, sie gerne wieder hin gebaut hätte. In
wenigen Jahren ist dort das Bewusstsein gewachsen viel verloren,
aufgegeben zu haben für den materiellen Wohlstand, der aus der Ferne so
verlockend aussah. Aber das Paradies hat nicht gehalten, was es versprach,
das Schlaraffenland war keines. Das mussten manche erst selbst feststellen,
bevor sie es glauben konnten. Es ist nicht leicht, das, was aus der Ferne
verlockend aussieht realistisch einzuschätzen. Die Schmerzen und die
Gefahren hier werden von kaum einer Quelle erwähnt. Werden von dem,
der in Not lebt, für nebensächlich gehalten.

51 Ein schönes Bild. Wenn alles glitzert und funkelt, ein Diamant, ein
kleiner Bergsee, das Meer, das Leuchten in den Augen eines Kindes. Die

132
Verlockung der Augen. Hier könnte ich einen ganzen Absatz einschieben
über die Verlockung, die das Sehen mit sich bringt. Auch über die Qualen
und Nöte die darin liegen. Die Schönheit und Erhabenheit des Schauens.
Wir sind, laut Wissenschaftlern, zu siebzig Prozent auf die Augen
angewiesen um Information aufzunehmen. Selbst um dies zu lesen braucht
man sie. Die Verbindung von dem, was uns schön scheint mit dem, was
uns gut scheint, kannten schon die Griechen vor mehr als zweieinhalb
Jahrtausenden. Es macht Spaß, es macht glücklich etwas Schönes zu sehen.
Man braucht vielleicht Größe um es nicht unbedingt haben zu wollen oder,
wenn man es nicht haben kann, es dann zu zerstören. Wie ein unberührtes
Schneefeld, durch das man hindurch stapft. Es ist nie wieder so schön. Wie
ein junges Mädchen, dass die Jungfräulichkeit verliert. Es wird nie wieder
so sein. Unschuld, Schnee von gestern. Plus Schmerz, in vielen Fällen.
Schönheit anzuschauen macht glücklich, bisweilen, und befriedigt wieder
tiefe Bedürfnisse. Nicht um sonst verlangten Kaiser und Könige nach der
schönsten Jungfrau. Manchmal, um sie anschließend brutal zu
vergewaltigen. Unschuld macht manche wild. Sie können es nicht dulden.
Die Zerstörung beflügelt, gibt dem „Sieger“ die Kraft des „Besiegten. Wen
schert es, wenn ein unglückliches Mädchen in der Ecke sitzt und weint?
Niemanden. Dem Sieger die Ehre, dem Verlierer Scham und Schande. Er
war zu allen Zeiten stark, der Lockruf. Wenn jenes Mädchen dann stark ist
wird sie lachen und einen Witz darüber machen. So kann sie Anteil haben
an des Siegers Ruhm. Aber der Sieger teilt nicht gern.

52 Ich habe über Schönheit geschrieben, frage mich, ob sie niemand mehr
kennt, die Schönheiten Gottes. darüber, wie er Dinge in ganz neuem Licht
erscheinen lassen kann, wenn man ihm näher kommt. Jemand hat es mit
dem Unterschied von schwarz-weiß Fernsehen zu Farbfernsehen
beschrieben. (Was zeigt, wie alt ich schon bin, ich kann mich an schwarz-

133
weiß Fernseher erinnern.) Solange man nur schwarz-weiße Bilder kennt,
vermisst man nichts. Man kann sich kaum vorstellen, dass es farbige Bilder
gibt. Die farbigen Bilder, zunehmend brillant und farbecht, stillen den
Hunger nach Schönheit und Bedeutung und Anerkennung. Sicher ein Teil
der Antwort darauf, warum Fernsehen, Filme und Smartphones so relativ
schnell Verbreitung gefunden haben. Aus dem täglichen Leben nicht mehr
wegzudenken sind. Das, was Gott schenkt, reicht so viel weiter als jene, als
das, was man sich vorstellen kann. Gott schenkt ohne Wenn und Aber. Der
Pferdefuß, der unschöne Haken an der Sache ist, dass ich mich
unqualifiziert fühle. Von den Schönheiten der Welt Gottes, vom
Königreich Gottes zu berichten, scheint nach mehr zu verlangen als nach
meinen Worten. Habe doch höchstens hier und da einen kurzen Blick
darauf erhascht, genug, um zu wissen, es ist. Genug um Hunger nach
dieser Art von Schätzen zu haben, die mir mehr wert scheinen als alle
Vermögen der Welt zusammen. Wobei ich nicht viel davon weiß,
schließlich habe ich keines. Mehr Bildung, ein Doktorat oder gar eine
Professur würde meiner Ansicht nach nichts ändern. Vielleicht wäre mein
Schreiben akzeptierter, aber die Tiefe von Gottes Reich entzieht sich der
Theorie, sonst hätte ich diesen Weg weiter verfolgt. Die Frage bleibt, ob
die Schönheit, die man sich dann kauft, so etwas wie eine
Ersatzbefriedigung ist für die tieferen, unaussprechlichen Schätze.

Die heiligen drei Könige, ob sie Gelehrte oder Weise oder Könige waren,
ließen ihr ganzes Leben hinter sich um einem Stern zu folgen. Manche
Propheten wurden dafür zerstückelt, zerhackt oder verbrannt. ließen, Die
ersten Christen sangen vor Löwen und Schlächtern Loblieder auf die
Herrlichkeit Gottes. Sie wussten von der Größe und Schönheit und nahmen
dafür alles in Kauf. Es hat immer Märtyrer gegeben und Märtyrer zu sein
heißt nicht auch die Sache gut, für die gelitten oder gestorben wird. Leid in
sich macht nicht gerechter, obwohl es manchen gerechter machen kann.

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Auch haben viele Christen andere Christen gequält. Sie streiten auch heute
um Worte, Bilder, Gedanken, Übersetzungen und Glaubensinhalte. Viele
Menschen leiden, manche von ihnen um der Gerechtigkeit Gottes willen.
Er wird sie erkennen. Nicht, dass ich ihnen unbedingt gleichtun will im
Leiden. Aber ich habe genug gesehen um ein bisschen verstehen zu
können. Zu verstehen, wenn es meiner Wege kommt. Verstehen, dass
Franziskus das Vermögen seines Vaters einfach so liegen ließ, nackt in ein
neues Leben ging. Dafür, dass Petrus der Überlieferung zufolge verkehrt
herum gekreuzigt werden wollte, weil er sich nicht wert fand, wie sein
Herr und Heiland zu sterben. Ich vergesse viele, viele, dies sind nur
Bruchstücke, die in meinem Hirn nebelhaft haften geblieben sind. Ich
wünschte, ich wüsste mehr darüber, gleichzeitig scheint es, als ginge dieses
Wissen leider oft mit Schmerz einher. Ich bin nicht so sicher, ob ich davon
noch mehr möchte. Vielleicht wird der Hunger so stark werden, dass es
nichts mehr ausmacht, oder nicht mehr so viel. Wenn man weiß, wo es
etwas besonders Gutes gibt, hat man die Neigung sich erneut dorthin zu
wenden. Jeden Tag ein bisschen mehr. Zumindest wünsche ich mir das für
mich. Gott zu lieben, nur um seinetwillen, selbst ohne Anteil an seinem
Reich und an der Schönheit und alles. Selbst wenn es im Ende keinen Gott
gäbe und keinen Himmel, so wäre es jeden Tag wert. Der Gedanke daran
ist um so vieles reicher als die mir trüben Wasser des Atheismus oder
Agnostizismus. Es ist schwer an manchen Tagen, selbst wissend, dass er es
verdient. Was für ein wertloses kleines Ding, ihm mein Leben anzubieten.
Trotzdem das Schönste, was ich mit meinem Leben machen kann.
Manchmal habe ich Angst, doch vor allem tiefe Ehrfurcht und tiefes
Vertrauen, dass er jedem Menschen das Beste geben will, dass es für ihn
gibt. Ihn zum besten Menschen machen will, der er sein könnte. Denn Gott
ist anscheinend eifersüchtig auf die Perfektion seiner Schöpfung bedacht,
heißt eines jeden Menschen. Es will manchmal scheinen, als könnte ich aus

135
Sachen, die für andere mittelmäßig interessant sind, Dinge heraus sehen,
lieben, Dinge darin sehen, die sonst verborgen liegen. Dann denke ich, wie
viel Glück ich gehabt habe durch diese Schule zu gehen. So viel zu lernen,
auch wenn nur Weniges unter dem verbucht werden kann, was
üblicherweise als Bildung gilt. Es fällt mir schwer Worte zu finden,
darüber zu reden oder zu schreiben. Obwohl ich so viel geschrieben habe,
habe ich nicht das Gefühl, wirklich etwas gesagt zu haben. Von dem, was
zu sagen wäre, wenn ich es sagen könnte. Manchmal versuche ich,
Gedichte zu schreiben, nur um etwas von der Stimmung einzufangen. Es
ist, wie etwas zu beschreiben, dass ein anderer nicht kennt. Wie jemandem,
der noch nie eine Erdbeere gegessen hat, diesen Geschmack zu
beschreiben. Als würde man im Dunkel einen Elefanten beschreiben, für
jemanden, der niemals einen Elefanten gesehen hat. Mancher mag ein Bein
beschreiben, einen Rüssel, die Haut, den Schwanz. Es sieht durchaus nicht
alles gleich aus, obwohl es zum gleichen Tier gehört. Daher die
Schwierigkeit des darüber Redens. Da jeder das, was er fühlt beschreibt,
hat jeder das Gefühl, die Wahrheit zu „haben“, zu fühlen. So kann man nur
den Weg weisen und sagen es gibt dies. Dann kann der, den es nicht los
lässt, sich selbst auf die Suche machen, sich selbst auf den Weg machen.
Im Gegensatz zu manchen anderen Dingen stehen Gottes Schätze für jeden
zur Verfügung, den ernstlich danach verlangt, der sich ernsthaft danach auf
die Suche macht. Warnung natürlich - es ist vielleicht nicht der wirklich
bequemste Weg und er mag manchmal durch unwegsames, einsames
Gebiet führen. Bitte vor Gebrauch die Gebrauchsanleitung studieren! Oder
zumindest währenddessen. Manchen führt die Suche nach Gottes Reich zu
durchaus materiellen Reichtümern oder spirituellen Erlebnissen. Nicht
jeder findet alles oder alles gleich.

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53 Es ist etwas Schönes, heim gehen zu können. Es ist wie ein Wunder
oder eine Gnade, wenn man einen Platz hat, an dem man auftanken kann,
neue Kräfte schöpfen. Ich bin heute morgen durch den leichten Schnee
durch klirrende Kälte gegangen und habe mich daran gefreut. Es sieht
schön aus, die Sträucher voll Reif, die Wege wie mit Puderzucker bestreut,
hoheitsvoll sieht die Welt so aus. Der Park, die hohen Gebäude, alles liegt
still und friedlich da. Dann bin ich beinahe ausgerutscht und mir ist zu
Bewusstsein gekommen, dass ich es nur genießen kann, weil ich nach
Hause gehen kann. Weil es einen Platz gibt, an dem ich mich aufwärmen
kann, Tee trinken oder Suppe essen kann. Ohne dies wäre ein solches
Wetter schnell tödlich. Die Bedrohung ist heute und hier nicht mehr
allgegenwärtig. Ein solches Wetter konnte und kann schnell Krankheit,
Schmerz und Tod mit sich bringen. Das hat das Majestätische anscheinend
so an sich. Ich kann es immer nur eine Weile ertragen, dann muss ich
zurück in die Wärme. Schifahren ist ein majestätisches Vergnügen. Es ist
wirklich ein Vergnügen, aber der Reiz liegt auch darin, später im Warmen
zu sitzen und sich wieder aufzuheizen. Ich glaube, selbst ein begeisterter
Skiläufer würde, wenn er eine Woche lang Tag und Nacht draußen wäre,
die Begeisterung verlieren. Wir ertragen so viel überwältigende Pracht nur
sehr begrenzt. Seltsamerweise scheint es die Menschen, die dem viel
ausgesetzt sind, nicht grandioser zu machen, sondern sie beginnen es zu
kritisieren und allerlei Fehler zu finden und sich sehr seltsam aufzuführen.
Es macht etwas mit dem Menschen auf Dauer so viel Majestät ausgesetzt
zu sein. Es scheint nicht unbedingt die edleren Triebe im Menschen zum
Wachsen zu bringen. Wie ein Reichtum, der selbstverständlich scheint und
nach einer Weile nicht mehr genügt. Gleichgültig, wie viel man hat, man
möchte mehr und Besseres. Genug zu haben ist eine schwierige
Angelegenheit. Die Schönheit kann man nur ertragen, sie macht den
Menschen nur schöner, wenn er genügend Dankbarkeit im Herzen hat.

137
Wenn man zu seinem Schöpfer aufschauen kann und aus tiefsten Herzen
„Danke“ sagen kann, wenn man merkt, wie gut es einem geht. Nie genug
zu haben, nie zufrieden zu sein bringt manchen voran, er strampelt und
strampelt und ist am Ende doch unzufrieden. Es ist wie ein Fluch. Die
Seele verkümmert dann unter dem Einfluss solcher Großartigkeit. Sie wird
unfähig wahr zu nehmen was einem Fremden die Tränen in die Augen
treibt. Die Schönheit kann auch aufreizend erscheinen, wenn das Kind
hungert, die Kleidung längst vergraut und löcherig ist, die Miete unbezahlt
bleibt.

54 Heimat, ein Heim, vielleicht kann man es besser schätzen, wenn man
einmal alles verloren hat. Ich denke an Abraham, ich wollte sowieso von
ihm erzählen. Abraham ist der Schrift nach der Erste, den Gott so
auswählt. Der einer komplizierten Zivilisation angehört. Noah hat
fünfhundert Jahre lang im Bergland ein Schiff gebaut. Wer lange genug in
den Bergen war, der kann vielleicht die sarkastischen Kritiken der Umwelt
verstehen. Was für ein Spinner, oder? Noah vertraute Gott, dass eine Flut
kommen werde, wie Gott es gesagt hat. Das mach mal einer nach. Damals
lebten Menschen viel länger, aber 500 Jahre Spott und Hohne sind sicher
mit 50 Jahren Verachtung hier zu vergleichen. Nach jener Flut, die Noah
und seine Söhne (und Töchter und Schwiegertöchter) überleben, ist es also
Abraham, an den sich Gott wendet. Soweit ich es weiß, lag Ur, lag Chaldäa
im Zweistromland, am Ufer des Persischen Golfes, südlich vom prächtigen
Babylon. Es ist eine Streitfrage, weil es ein Ur gibt, das in den Bergen
nicht weit vom Berg Ararat liegt. Nachdem Noah dort gelandet war,
könnte man Abraham, wie es einige Forscher tun, in der Nähe vermuten.
Vom dortigen Bergland ins fruchtbare Kanaan zu ziehen, macht natürlich
auch Sinn. Von den riesigen Tempeln des südbabylonischen Reiches, der
„alten Zivilisation“, dem fruchtbaren Zweistromland in eine relative

138
„Wildnis“ zu ziehen ist eine große Anforderung. Babylon und die es
umgebenden Städte verfügten über hoch entwickelte Systeme, z.B. mit
Kanälen, die das Wasser zu den Feldern brachten, mit Stadtplanung und
ähnlichem. Das Zweistromland war fruchtbares, reiches Land und es
scheint, als sei Abraham kein armer Mann gewesen. Sein Name in der
alten Form bedeutet „Fürst“. Das kann Name sein, kann aber auch Titel
sein. Das würde Abraham zu einem wichtigen Mann im Staat machen. Er
war mit einer Cousine verheiratet, Sara, deren Name Fürstin oder auch
Prinzessin bedeutet. Wieder der Hinweis auf eine hohe soziale Stellung am
Hof. Gott sprach zu Abraham und forderte ihn auf fortzugehen. Dorthin,
wohin Gott ihn weisen würde.

Da ist er wieder, der Wahnsinn. Versuchen Sie das mal zu Hause.


Natürlich sollte es besser wahr sein. Übrigens, Schätzchen, Gott hat mir
gesagt wir sollen von hier fort gehen. Wohin? Dorthin, wo er es uns zeigt.
Er wird uns während des Weges Anweisung geben. Na klasse. Doch sie
zogen fort, ließen ihre Heimat hinter sich. Es zogen natürlich nicht nur
Abraham und Sara fort, sondern viele Menschen, die für Abraham
arbeiteten. Der Junge, der einmal sein Erbe sein würde, weil Abraham
keine eigenen Kinder hatte. Ziemlich viele Menschen, die da fort zogen in
eine ungewisse Zukunft. Plus alle möglichen Herden von Tieren. Schafe,
Ziegen, Kamele, vielleicht Pferde, Sänften und Sänftenträger, Esel die
Ladungen tragen. Arbeiter und Hirten. Mit ihnen ihre Frauen und Kinder.
Hunderte, mindestens. Abraham hat in seinem Leben keine Heimat mehr
gekannt. Er hat in Zelten gelebt und Viehzucht betrieben, erfolgreiche
Viehzucht. Sie zogen hinauf, dem Flusslauf entgegen, scheinen eine Zeit
lang dort gewohnt zu haben. Haran liegt am oberen Ende des Euphrat.
Heute ist der Euphrat durch viele Talsperren, die der
Trinkwassergewinnung, der Stromerzeugung und der Bewässerung von
Feldern dienen zu einem relativ ruhigen Fluss geworden. Er zieht sich in

139
vielen Windungen durch das irakische Flachland. Im Süden eine
Sumpflandschaft. Schon die Babylonier haben das Wasser des Euphrat in
Kanäle umgeleitet um Ackerbau zu ermöglichen, da in der Gegend wenig
Regen fällt. Abrahams Karawane mit seinen vielen Tieren und Menschen
wird am Ufer des Euphrat entlang gezogen sein. Das war ein großer
Karawanenweg, da dort die Trinkwasserversorgung gesichert war. Von Ur
nach Haran war eine lange Reise, über 1000 km, durch die vielen
Windungen des Euphrat noch verlängert. Abraham ließ die Tempel der
Götter von Sumers hochzivilisierter Zivilisation hinter sich um in der
Wildnis den einen Gott zu finden, der ihn gerufen hatte. Es scheint, als
wollte Gott Abraham isolieren, damit in seinem Herzen Raum für den
einen Gott wäre. Zu jenen Zeiten herrschten relativ blutige Religionen vor.
Es gab viele Götter und viele Tempel, in denen Menschen dienten und
starben. Doch abseits der Tempel konnte Gott Abraham von sich erzählen.
Es ist erst ca. 1000 Jahre, dass Salomon seinem Gott einen Tempel baut. Es
heißt dabei, es sei nur wegen der Hartherzigkeit der Menschen so. Weil die
Menschen es nicht anders verstehen. Wenn andere Götter ein nobles Haus
haben, soll ihr Gott erst recht ein solches haben. Doch Gott hat sich das
feudalste Haus erwählt, das ein Gott nur haben kann. Er hat das
menschliche Herz als Behausung gewählt, und es ist eine besondere Ehre,
ihn dort als Herrn begrüßen zu dürfen. Es ist der Platz, den Gott sich im
Menschen erschaffen hat. Und es erhebt den Menschen aus seiner
instinkthaften, den Tieren so nah verwandten Art zu einer Art der
besonderen Schönheit und Größe. Wie weit Tiere fähig sind Gottes
Stimme zu hören bliebe zu diskutieren. Immerhin gibt es in der Heiligen
Schrift einige. Balaams Esel ist einer der Berühmtesten. Wie elendig mein
eigenes Selbst sein mag, Gottes Gegenwart adelt es und verwandelt es in
eine Schatzkammer. Eine Lade, die der Mensch innen trägt. Deshalb wollte
Gott so lange keine Tempel. Selbst jetzt noch, so schön die großen Kirchen

140
sind, so sehr sie auch Zeugnis geben von der Liebe zu Gott, von dem
Wunsch ihm zu gefallen, von der Kunstfertigkeit der Erbauer, von den
vielen Gedanken über Licht und Raum und den Menschen, der so klein
darin ist, wie er es vor Gott ist. So schön sie alle sind, Gott wohnt
anscheinend nicht in ihnen. Der Mensch, der hineingeht, bringt ihn mit
oder nicht. Dass diese Plätze trotzdem oft besonders sind, liegt vielleicht
an den vielen Gebeten, die von dort aufsteigen, an den vielen Menschen,
die dort ihren Glauben gelebt haben. Und natürlich an der Größe und
Schönheit dieser Bauwerke. Abraham jedenfalls hat Gott gefunden. Gott
hat Abraham gefunden.

55 Ich glaube, wenn man Gott kennen lernt, kann man nicht anders, als ihn
lieben. Vielleicht kennen ihn nicht viele Menschen so sehr nah? Die
Meisten scheinen eher zufrieden, ihn aus der Ferne zu betrachten. Seine
Worte zu hören, doch nicht zu tun, was mit ihnen einhergeht. Das muss
jeder in seinem Herzen wissen, wie weit er Gottes Weg gehen kann und
darf. Ich habe gefunden, dass es hilft zu tun, was ich weiß.

Für Abraham war es bestimmt nicht immer leicht Gott zu folgen. Trotzdem
ist es ein besonderes Vorrecht, so von Gott beiseite genommen zu werden,
so in das Vertrauen genommen zu werden, in die Gegenwart des
Allerhöchsten. Nur eben, es sind viele Dinge passiert in der Geschichte der
Christenheit, die ein seltsames Licht auf diesen Gott zu werfen scheinen.
Viele haben sich deshalb von ihm abgewendet.

Gott ist ein Gott der seltsamen Wege. David, König David hat in einem
Psalm von der Schwierigkeit geschrieben, Gottes Wege auch nur
annähernd zu verstehen. Man kann nur gehen und vertrauen. Den, der jedes
Verständnis übersteigt, kann man nicht verstehen, wenn man auch
manches lernen kann, das hilft auf den Wegen. Abraham war ein Mann,
der wahrscheinlich in keiner christlichen Kirche Priester, Pastor oder

141
Ältester wäre, zumindest scheint es so. Trotzdem, oder gerade deswegen,
war genau er ein Mann, den Gott liebte. Mit dem er viel Gemeinschaft
hatte, dem er seine Freundschaft schenkte. Wie anderen auch.

56 Es ist gerade sehr kalt draußen. Ich überlege, ob Gott wie diese Kälte
ist, eine Kälte in der niemand überleben kann, wenn er ihr schutzlos
ausgesetzt ist. Nicht, weil die Kälte böse wäre oder einen Menschen nicht
leiden kann, sondern einfach weil viel Kälte und Mensch sein nicht gut
zusammen passt. Vielleicht ist Jesus wie die warme Stube, die warme
Kleidung, die die Kälte erträglich macht. Manchmal denke ich, dass Gott
so ist.

Als Mensch bin ich so klein, so hilflos, so niedrig, dass es nichts gibt, das
ich tun könnte. Wenn ich lange genug dort draußen alleine wäre, würde ich
sterben. Ganz sicher. Ich frage mich dann, ob Gottes Gericht so sein wird.
Ich werde meine Unzulänglichkeit sehen und aufgeben. Gleichzeitig hat
diese Kälte etwas sehr Majestätisches, gerade in ihrer Unerbittlichkeit.
Man sagt, Polarforscher werden süchtig danach, nach der Weite, dem
Licht, der Größe. Die alles auf einmal zu haben scheint. Und auch das ist ja
mit Gott nicht anders. Selbst noch ohne den Spott der Mitmenschen oder
ihre Feindseligkeit kann Gottes Gegenwart den Menschen wie erschlagen,
zu groß, zu mächtig, zu gewaltig. In einer großen Kirche, auch wenn Gott
dort nicht unbedingt wohnt, bekommt man manchmal eine Ahnung von so
viel Größe, wird ganz andächtig. Wenn man es spürt. Es gibt Menschen,
die haben jeden Tag damit zu tun und spüren nichts mehr. Die gibt es.
Auch, wenn es weh tut und eine traurige Tatsache ist. Mancher hat so viel
Glück und Gut, dass er nur noch meckern kann. Und dass es nie genug ist.

142
57 Früher habe ich die ungestüme Art mancher Menschen sehr bewundert.
Ich denke an die Jahre der frühen Kindheit, als ich voller Bewunderung
dafür war, dass man so auf etwas oder jemanden loslaufen kann. Ich dachte
nämlich all die Zweifel und Gedanken, die mich so oft bremsen, wären von
diesen Menschen überwunden. Es hat viele, viele Jahre gedauert bis ich
gemerkt habe, dass diese ganzen Zweifel gar nicht vorhanden waren, dass
sie nicht sehen konnten, was ich sah oder denken konnte, was ich dachte.
Einfach drauflos liefen. Das ist ein Stück weit erfolgreich. Viel
Nachdenken bremst ganz ungemein. Andererseits ist es eine Art innerer
Reichtum über so vieles nachdenken zu können. So vieles genau zu
betrachten und zu lernen, vieles zu lieben, an dem ich sonst achtlos vorbei
gegangen wäre. Es hat mir manchen Streich gespielt, das Nachdenkliche,
doch es hat mein Leben auch bereichert über erklärbare Maßen hinaus. Ich
habe

gelernt, Dinge zu sehen oder zu denken, anscheinend, die nicht jedem


einfallen, die das Leben reich machen und schön. Es ist nichts anderes, als
dass, was jeder sieht, doch es tun sich neue Ebenen auf mit der Zeit.
Ähnlich wie bei der Bekanntschaft mit Gott tun sich für altbekannte
Begriffe auf einmal neue Ebenen auf. Tauchen Bilder auf, die vertraut sind
und doch eine ganz neue Bedeutung bekommen. Ich habe dies schon ein
paar Mal erleben dürfen, es macht die ganze Welt neu und schön und reich.
Manchmal schlafe ich danach sehr, sehr viel. Es kostet mich Kraft und geht
meist mit viel Schmerz oder Qual einher. Das will dann alles erst einmal
verarbeitet sein. Aber solch eine neue Tür ist ein ganz großartiges
Geschenk. Wenn die erste Tür Unterschiede schafft wie jene, vom
schwarz-weiß Fernseher auf den Farbfernseher ist, so gibt es danach weit
mehr, spannendere Ebenen, als ich es beschreiben könnte.

143
58 Ich habe die Tage vor einer Krippe gestanden und mich an den alten
Figuren ganz neu erfreut, mir sind Gedanken gekommen, was dieser wohl
sagen, jener wohl denken könnte, es war alles ganz neu und sehr lebendig.
Nur eine Krippe, doch meine Möglichkeiten, etwas darin zu sehen, zu
erkennen, waren ganz neu. Alleine nur den Engel anzuschauen war schön.
Ich habe gelesen, dass die Seraphim sechs Flügel hatten, das steht bei
Jesaja, davon habe ich noch nie ein Bild gesehen. Schon mit den zwei
Flügeln und den Gesichtern, den Ausdrücken, jede dieser Figuren scheint
wie eine kleine Geschichte. Besonders das Gesicht eines der drei heiligen
Könige hat mich berührt, es schien so traurig und weise zugleich. Er sah so
aus, wie ich mir königlich vorstelle. Nicht, dass es noch viel davon zu
geben scheint, oder dass ich viel davon sähe. Vielleicht sind genau die
Könige, die so aussehen, nicht so viel in der Öffentlichkeit. Der Ausdruck
ist wunderschön. Als sähe er das Schönste auf der Welt und sei zugleich

unendlich traurig. Traurig und berührt, vielleicht ahnend, dass es kein


leichtes Leben wird für dieses kleine Kind da. Viele Menschen haben es
nicht gut gemeint mit Jesus. Er ist gejagt worden ist und gesteinigt. Viele
haben ihm zugehört, aber viele haben auch dafür gestimmt ihn zu
kreuzigen. Es ist, als läge diese unendlich weise sanfte Traurigkeit im
Gesicht des Königs. Manchmal denke ich, dass Gott uns so betrachtet,
unendlich gütig, weise, sanft, traurig über das, was wir fähig sind zu tun in
unseren schlimmsten Momenten.

Mein Vater hatte lange Jahre einen geschnitzten Engel an der Wand
hängen. Ich konnte es nicht verstehen. Der Engel war hübsch , aber mehr
konnte ich nicht darin erkennen. Jetzt frage ich mich, ob mein Vater mehr
sehen konnte. Ob es ihm etwas bedeuten konnte in der Falte eines
Gewandes Schönheit zu entdecken. Im Ausdruck des Gesichtes Gedanken
über Gott zu finden.

144
59 Maria, Jesu Mutter, hatte dreißig Jahre später vieles vergessen von dem,
was der Engel ihr gesagt hatte. Vielleicht hatten dreißig Jahre
Alltäglichkeit vieles erstickt, von dem, was passierte. Aber es ist Maria, die
loszieht ihren Jungen zurück nach Hause zu holen, als es Schwierigkeiten
gibt. Jesus sagt, wer den Willen meines Vaters tut, der ist mir Mutter und
Bruder.

Es ist auch Maria, die später am Kreuz steht und weinend ihren Sohn
sterben sieht. Wie viel hat sie, die ihn trocken legte und fütterte und lehrte,
sehen können von seiner Schönheit? Von seinem Wesen? Wie viel vergeht
im Alltäglichen, gerade von den Dingen, die eigentlich wertvoll wären?
Ein Sterbender hat gesagt, er würde mehr Gänseblümchen pflücken, wenn
er etwas in seinem Leben besser machen könnte. Ein Bild für das Kleine,
Nahe liegende. Zu oft für selbstverständlich genommene. Ein Bild des
Bedauerns?

145
60 Die tiefe Bewunderung für das ungestüme Wesen mancher ist
gewichen. Manchmal hat es leid und weh getan, aus diesen Illusionen zu
erwachen. Und nicht nur mir. Ich glaube fast, diese Bewunderung war Teil
eines Paktes zwischen mir und anderen Menschen. Es schien
selbstverständlich zu sein. Ich bewunderte, sie benahmen sich ungestüm.
Mein Erwachen, oder die Tatsache, dass ich mich verändere, Dinge anders
sehe, verursacht Angst. Es zwingt andere, sich auch zu verändern. Einer
meiner Lehrer hat gesagt, das sicherste Mittel die Welt zu verändern ist,
sich selbst zu verändern. Denn Andere müssen reagieren. Zumindest etwas.
Damit verändert sich etwas. Hoffentlich natürlich zum Besseren. Meiner
Schwester hat dieses veränderte Verhalten so viel Angst gemacht, dass sie
das Türschloss hat auswechseln lassen, damit ich nicht mehr so einfach
hinein kann. Das hat dann natürlich mir wieder wehgetan. Es zeigt, wie tief
die Angst vor Veränderung sitzt, wie groß die Angst auch ist, dass es eine
Veränderung zum Schlechteren ist. Den Status Quo zu erhalten ist ein
wichtiger Teil der Gesellschaft. Er bindet viele Energien.

Es sind ja alles nur meine Gedanken, die mehr über mich erzählen als über
sie. Doch es ist traurig, so eine Entmythisierung zu sehen, auch wenn ich
es selbst schuld bin. Ich glaube, es ist schwer zu verstehen. Es gibt Tage,
da bin ich ganz fürchterlich stolz, am Leben zu sein. Einfach nur zu atmen,
zu essen, zu schlafen. Als hätte ich einen Krieg oder einen riesigen Sturm
überstanden.

61 Ich frage mich mehr und mehr, ob man einen Menschen wirklich
verstehen kann oder muss. Vielleicht reicht es zu versuchen ihn zu lieben,
so, wie ich ihn sehe und erlebe. Zu versuchen, ihm die Liebe zu geben, die
Gott ihm geben würde.

146
Es scheint ein Ausweg für mich, die ich oft und oft herumgerätselt habe,
warum ein Mensch jetzt wohl dieses oder jenes tut. Ich versuche zu lernen,
es Gott zu überlassen, das Verstehen, das Richten. Versuche, damit
umzugehen, so gut oder schlecht ich es eben vermag. Manchmal fehlt mir
das Gefühl, jemanden so zu bewundern wie früher. Es war ein schönes
Gefühl, es war schön, ein solches Gefühl zu haben. Aber es war nicht
standsicher genug und so ist vieles davon unter die Räder der Zeit
gekommen. Ich frage mich, wie weit wir wie gefangen sind in solchen
Mustern, unfähig uns zu wehren oder sie zu durchschauen, gleichgültig,
auf welcher Seite ich gerade bin. Was bleibt ist Hoffen auf Gott Gottes
Gebot der Liebe, des Glaubens, des Hoffens. Es scheint, je weiter ich voran
gehe, desto mehr ist es das, was bleibt. Alles andere zerbricht. Je mehr ich
begreife, wie wenig ich noch gelernt habe, wie viel mehr es noch zu wissen
gäbe, zu fühlen gäbe, zu können gäbe, zu verstehen gäbe, desto mehr
empfinde ich mich als unfähig, durch diese Geflechte durchzublicken oder
sie so zu zerschneiden, dass es gerecht wird. 27.06.23

147
Manchmal komme ich mir dann unerträglich grob vor. Gerade die
weisesten Gelehrten scheinen jedoch sehr viel eher daran zu denken, wie
viel sie noch nicht können, als daran, was sie schon alles können. Ich bete
manchmal, dass ich ein besserer Mensch sein kann, dass ich lerne und
werde. Es entbindet es mich nicht von der Pflicht zu lieben, dem Recht zu
lieben, so gut mein Herz dies vermag. Manchmal frage ich mich, ob es für
mich eine Art Idol war, Gottersatz also. Ob Gott es zerbrechen ließ, um
mich zu lehren, dass alle Götzen nur von Menschen gemacht sind und
zerbrechlich sind. Es heißt auch, er sei ein eifersüchtiger Gott. Vielleicht
benutzt er dies um mich näher an sich zu binden. Idole gibt es ja viele, sie
nehmen oft den Platz Gottes ein. Das geht schneller, als man es sich
vorstellen kann. Idole sind gemacht von Menschenhand und halten nicht,
was für Hoffnungen man in sie setzt. Ob es das Haus oder das Auto, der
Partner oder die Kinder sind. und so weiter und so fort. Vielleicht ist
manchem Gott abhanden gekommen, wie ein ein Hut oder ein Buch, das
man verlegt, weil man nicht aufgepasst hat. Vielleicht ist er abhanden
gekommen wie ein Gefühl, das man ablegt, aus dem man heraus
gewachsen ist. Und dann ist der Mensch, der noch vor einem Jahr der
liebste Mensch der Welt war kaum mehr als ein Bekannter. Ich denke mir
dann, dass Gott sich das irgendwie anders gedacht haben muss, doch ich
habe noch keinen Zugang dazu gefunden. Ich suche weiter.

Von der Gotik haben Kirchen die hohen Spitzbögen, die Gottes Licht
einlassen sollen. Die Erkenntnis, dass Gott

selbst Licht ist.

Die dicken Mauern der Kirchen der Romanik. Gott ist meine Burg. Mir
kann nichts geschehen. Hinter diesen

148
dicken Mauern konnten man gesenkten Hauptes Gott nachsinnen. Beides
Erkenntnisstufen der Menschen, beides

vielleicht Erkenntnisstufen, durch die jeder hin wandert, wenn sie auch
nicht immer chronologisch vorkommen

mögen.

Nicht nur die Worte als solche zu verstehen, sondern fähig zu sein, die
Inhalte ins Leben einzubeziehen ist echte

Kunst, echte Schwierigkeit und gelingt anscheinend nur mit sehr viel
Gnade.

Beides auf jeden Fall, Romanik und Gotik, sind weit zurück liegende
Zeitalter, in denen viele Menschen nicht lesen

oder schreiben konnten. Bildung war ein absolutes Privileg. Die Klöster
mit ihren Bibliotheken waren Horte des

Wissens und des Denkens, in denen die Mönche Zeit hatten zu schreiben.
Bücher wurden von Hand abgeschrieben,

sie sind zum Teil verziert.

Hatten die Mönche Zeit, Gelehrsamkeit zu genießen? Manchen Mönchen


schien es höchstes Ziel Gott zu dienen

indem sie Wissen anhäufen. Ein Kloster erinnert an diese Zeit. Vielleicht
nicht einmal wehmütig. Es war sicherlich

keine einfachere Zeit, von den Lebensumständen her. Es war eine Zeit, in
der alles Wissen von Gott in der Hand des

Klerus zu liegen schien, in der die Architektur das Verlangen der Seele
nach Gott wieder spiegelte. Die Klöster

149
waren auch politische Zentren, deren Mitglieder bisweilen wenig genug
mit Gott zu tun hatten. Es gab Zeiten, vor

der Reformation, da war glaube ich ein heutiges Bordell noch recht
anständig im Vergleich zu dem, was damals ein

Kloster war.

Es gab aber auch Hochzeiten des Glaubens. In jener Zeit war oder erschien
Gott voller Majestät und Größe in den

Schriften, die von ihm wissen. Davon ist etwas verloren gegangen, scheint
mir. Ehrfurcht vor dem Geheimnisvollen

ist eine angemessene Haltung. Ein Mysterium abzulehnen, weil man es


nicht versteht, ist, als lehne man die heutige

Physik, die Quantenphysik ab, weil sie so schwer zu verstehen ist. Aber
angemerkt sei: Hat Gott an Ehrfurcht

eingebüßt, so ist er ein guter Freund für viele geworden. Gedanke, der
damals unvorstellbar war, anmaßend schien.

Zumindest den Meisten. Das Geheimnisvolle verdeckt eben alles. Es zu


ergründen bietet die Möglichkeit sich ein

Bild zu machen.

Dass Gott der ganz andere ist, der, der verdient aus tiefstem Herzen geliebt
zu werden, dem man, wenn man ihn

kennt, aus tiefster Seele Gefolgschaft und Gehorsam schwören würde oder
möchte, vieles davon ist verloren

150
gegangen. Wenn es je existiert hat. Das Vertrauen, dass eine Autorität
recht hat ist auch verloren gegangen, da so

mancher seinen Status ausgenützt hat um seine eigenen Interessen zu


vertreten. Mit dem Vertrauen ist auch der

Wille zum Gehorsam verloren gegangen. Gehorsam gegen Gott ist einer
der größten Privilegien des Menschen.

Nicht Gehorsam aus Angst vor Strafe.

Es ist noch nicht so sehr lange her, da wurden Eltern von ihren Kindern
gesiezt. Gehorsam war Teil eines Pakets,

das auf Angst vor Strafe beruhte. Wer sich nicht benahm, wurde aus der
Gesellschaft ausgeschlossen. Auch heute

geht es leicht so. Viele befolgen gesellschaftliche Regeln aus Angst nicht
dazu zu gehören. Auch der wirtschaftliche

Erfolg gelingt dem, der dazu gehört.

Der Erfolg vor Gott beruht auf einem anderen Prinzip. Wenn auch die
Kirche viele Regeln der Gesellschaft

übernommen hat, so gilt vor Gott ein anderes Prinzip. Gehorsam wird aus
Vertrauen und Liebe geboren. Gott zu

kennen erzeugt diese Liebe und das Vertrauen. Zu vertrauen, dass er es gut
meint, selbst dann, wenn die Situation

nicht verständlich ist. Zu wissen, dass Gott immer auf meiner Seite ist,
auch und gerade da, wo ich es nicht

verstehe. Dies erzeugt den Wunsch ihm Gehorsam zu sein. Zu tun, was
ihm recht dünkt. Es ist auch die einzige

151
Möglichkeit des Menschen gut zu sein.

Jesus wurde in neueren Zeiten vielen als Bruder gewonnen, als lieber
Freund, auch als gütiger Vater. Nicht mehr als

der strenge Richter, der er in der Vergangenheit oft war. Er ist dies alles,
ohne jenes weniger zu sein.

Manche alten Gebäude künden noch von der Großartigkeit Gottes. Von der
Tiefe der Bewunderung. Ob die

Bewunderung immer zu recht besteht muss sorgfältig geprüft werden.


Sicher hatte der Klerus, wie alle Menschen,

den Respekt nicht immer verdient und das Erwachen aus solch einer
Haltung ist schmerzhaft.

Aber Gott hat ihn verdient, den Respekt. Es heißt, das Kind mit dem Bade
auszuschütten, wenn man beides über

einen Kamm schert. Nicht jeder Herr ist unbedingt am Benehmen seiner
Diener zu messen, wie auch nicht jeder

Diener am Benehmen seines Herrn zu messen ist.

Es scheint, dass die Tiefe der Beziehung zu Gott verloren geht. Wie
Meister Eckhard die Vereinigung mit Gott in

mystische Tiefen zu ergründen oder mit Bernhard von Clairvaux zu


sinnieren, warum Gott verdient geliebt zu

werden, ist nicht selbstverständlich. Vielleicht ist uns Gottes Liebe zu


selbstverständlich geworden. Vielleicht sind

wir verwöhnte Kinder, die nach denen treten, die sie dorthin gebracht
haben. Es scheint heute, als fehlte vielen

152
Menschen die Tiefe, auch vielleicht das Zulassen der Tiefe. Zulassen auch
der Schmerzen, denn untereinander sind

wir uns seitdem nicht bessere Freunde geworden, denke ich. Trotzdem
scheint es, als hätte so mancher Sehnsucht

nach der Tiefe. Falls er nicht zurück schreckt vor dem, was ihm da aus der
eigenen Tiefe höhnisch entgegen grinsen

mag. Schreckliche, grausige Gestalten, die da in der eigenen Tiefe walten,


da braucht man nicht mal einen anderen

zu bemühen. Der Frieden vor solchen Gestalten muss mühsam erarbeitet


werden. Je heller das Licht, dass in diese

Tiefen scheint, desto grässlicher die Kreaturen, die im Bodengrund der


menschlichen Seele überleben, ja, prächtig

gedeihen. Licht darauf zu werfen empfindet mancher als Schmerz, sich


selbst zu begegnen kann fast unerträglichen

Schmerz hervorrufen. Da bleibt von dem ach so gepflegten und guten


Selbstbild oft wenig genug übrig. Und doch

sind wir Gott ähnlich in manchem. Ich frage mich manchmal, ob es das ist,
was die heutige Architektur so großartig

zeigt, sie spiegelt in ihren Fassaden Himmel wieder. Schon früh haben
Denker überlegt, ob so ein Mensch

beschaffen sei. Am schönsten ist ein Mensch, wenn er auf möglichst


großen Flächen Gott widerspiegelt, wie ein

Pfütze das Himmelslicht. So spiegeln die Hochhäuser den Himmel, die


Sonne, wie ein Mensch nur hoffen kann, je

153
Gott wieder zu spiegeln. Sie sind aus weniger edlen Materialien gebaut, als
es früher üblich war, der Marmor ist

nach innen verschwunden. Vielleicht erzählt auch dies eine Geschichte.


Großartige Gebäude sind es, damals wie

heute und ich glaube schon, dass es eine Sicht der Welt, eine Sicht auf
unsere Beziehung zu Gott wirft, wie wir

bauen.

10

Ich lerne gerade einiges über Macht. Darüber, wie Menschen Macht über
andere zu gewinnen versuchen, Momente,

in denen es nicht mehr zählt, was du getan hast, sondern ob du clever


genug bist so auszusehen als könntest du es

tun. Wer es wirklich getan hat, scheint gar nicht mehr zu zählen. Vielleicht
wird man so erfolgreich, indem man so

aussieht, als habe man dieses oder jenes getan, auch wenn es gar nicht
wahr ist. Gleichgültig, ob man es vielleicht

gerne hätte tun wollen. Das ist etwas ganz anderes. Zu sehen, wie
Menschen um den Besitz von anderen Menschen

kämpfen, ich kann es kaum anders ausdrücken, macht mich unendlich


traurig. Es tut weh. Es hat nichts mehr mit

Liebe zu tun, scheint es, sondern nur noch damit, eine Waffe zum
Überleben zu finden. Der Partner, der eine Waffe

154
in meiner Hand wird, die Freundin, die dazu dient mich selbst schöner zu
machen, die Frau, neben der ein Mann

besser aussieht.

Es sind Idole. Gott hat dies Idole genannt. So ungut es auch ist, ein solches
Wort zu benutzen. Alles im Leben, was

nicht auf Gottes Kraft baut, ist ein Idol. Als solches kann es sich leicht als
Stolperstein erweisen, als der Sand, auf

dem das Gebäude des Seins und des Lebens nicht besonders fest steht.

Wenn man bemerkt, wie abhängig man von solch einem Idol ist, kann man
sich davon abwenden. Das gelingt

allerdings den Wenigsten. Meistens wird nach mehr Nähe zum Idol
gesucht, wächst der Einfluss des Idols und die

Angst dieses zu verlassen.

Jeder mag Idol für den einen sein, während ein anderer sein Idol ist. Und
wer das Idol ist, formt uns vielleicht mehr,

als viele Erziehungsversuche und wohlmeinende Ratschläge. Dem, was wir


verehren, versuchen wir ähnlicher zu

werden. Oder werden es automatisch. Assimilation. Vielleicht auch ein


Gefühl von - so wäre ich gerne. Doch alles,

was nicht auf Gott gebaut ist, wird nicht halten. Leider, traurig, doch es
wird nicht.

Das Klügste ist, nach Gottes Bauregeln für ein Leben zu schauen und sich
daran zu halten. Es hält sich ja auch -

155
beinahe - jeder an die Benutzungshinweise des Herstellers für das Auto,
das er gerade gekauft hat. Und beherzigt

selbstverständlich die Regeln.

Bloß im Umgang mit Gott scheint es schwer die Regeln zu befolgen,


vielleicht, weil sie so viel zu verlangen

scheinen. Sie verlangen eigentlich nicht viel, sie versprechen noch mehr.
Es mag ein wanderndes, pilgerndes Leben

sein, doch es ruht geborgen in Gott. Es mag Kämpfe geben und Stürme
und Feinde. Manches mag weh tun,

worüber andere den Kopf schütteln, anderes dagegen, worüber andere


klagen, mag nur Kopfschütteln verursachen.

Es ist ein Leben, dass den Menschen in Gefilde bringt, in die er sonst nicht
vordringen könnte. Nur wen Gott zieht,

der vermag auch Gottes Wege zu suchen. Ein Paradox? Ein Versuch den
Menschen von Verantwortung zu

entbinden? Jeder Mensch ist aufgefordert, nach bestem Wissen und


Gewissen nach Gott zu suchen. Betend, dass

Gott die Türen öffnet, die in sein Reich führen. Das ist nämlich so eine
ganz eigene Sache, sein Reich. Wenn ich je

nur ein Eckchen darin ergattern kann, so will ich dafür Meile um Meile
gehen und vieles ertragen. Schon der

Geruch, Duft, der süßeste Duft der je in meine Nase kam, lässt mich alle
Sorgen und Nöte vergessen. Lässt mich

156
weiter gehen, da wo es keinen Weg mehr zu geben scheint, durch dichtes
Gestrüpp oder durch unwegsam steiniges

Gebiet oder durch ödeste Täler. Seine Nähe tröstet und muntert auf. Sie
heilt manche Wunden und weist einen Weg

zu Orten, die kein Mensch je gesehen hat, oder wenige. Wer je das Gefühl
hatte von - noch diese eine Kurve, noch

über jenen Berg schauen, der weiß vielleicht was ich meine.

Jedenfalls scheint dieses Leben, von dem wir meinen es in voller Freiheit
zu leben, nur wenig davon zu haben.

Eingebunden in soziale, gesellschaftliche Zwänge. Gesteuert von Dingen,


die oft so tief im Unterbewusstsein

liegen, dass es kaum je auffällt. Von politischen Mächten und ähnlichem


gelenkt. Davon mag ich nicht schreiben,

ich verstehe zu wenig davon. Das Leben, das hier geführt wird, scheint
mehr ein waghalsiger Tanz auf zweifelhaft

schlummernden Vulkanen zu sein. Der Kampf hier, das, was wir uns
antun, mag bei weitem härter sein als

vermutet. Wir kämpfen mit harten Bandagen um unser Leben. Es gibt


genügend Menschen, deren Leben so traurig

scheint, dass sie es nur aufpeppen können, indem sie etwas Verbotenes tun.
Etwas Unschickliches. Etwas, das

einem anderen weh tut. Sie erfreuen sich daran und es scheint ihrem Leben
Würze zu geben. Manchmal kann man

157
solch ein Lächeln beobachten. Jemand, der etwas Unschönes tut und weiß,
dass ihn niemand hier und jetzt zur

Rechenschaft ziehen wird. Manchmal habe ich dann auch ein feines
Lächeln, weil ich an den denke, der am Ende

alle zur Rechenschaft zieht.Ich würde sie gerne warnen. Manchmal


kommen sie mir dumm vor. Sie wissen eben

nicht, wie viel mehr auf der ganz anderen Seite, der Seite Gottes zu finden
ist. Es ist mit ein Grund dieses Buch zu

schreiben. Eine Warnung und auch ein Aufschrei. Gott verdient alle Liebe
und Mühe und Anstrengung, die ein

Leben nur hergibt.

11

Dies schreibend frage ich mich, wie weit meine Gefühle davon manipuliert
werden, dass ich ein warmes Bett und

eine funktionierende Heizung habe. So seltsam es scheint, vielleicht


fliegen deshalb so viele in den Süden, damit

ihnen endlich mal warm ist. Die Tatsache, dass es Zentralheizung gibt
heißt noch lange nicht, dass die Wohnungen

warm sind. Ganz im Gegenteil. Wenn der Thermostat aus Sparsamkeit


zweifellos auf gerade noch erträglichen

Temperaturen steht, bleibt es in vielen Wohnungen kälter als gesund ist.


Als in mancher nicht so gut ausgestatteten,

kleinen Wohnung. Was das jedoch mit den Gedanken macht, die in einem
ständig überanstrengten, weil

158
unterkühlten Körper hausen, darüber müsste es wirklich eine Untersuchung
geben. Ich kann nur mutmaßen.

Es hängt jedoch so viel Tugend viel weniger vom Charakter ab als von
einer guten Verdauung. Von einem

ausreichenden Maß an wohlschmeckenden Speisen. Von dem Lärm, der


uns umgibt, von den Worten, mit denen wir

„gefüttert“ werden. Wer als Kind Namen tragen muss, wird diese später
ausfüllen. Sei es Schlampe, sei es

Arschloch oder Struppi und Liebling. Worte haben diese Macht, sie
machen den Menschen zu etwas, zu dem, was

man ihm sagt.

Das heißt nicht, dass man nicht auch mal schimpfen dürfte, doch sollte
man manches Wort, das vielleicht nur halb

scherzhaft gemeint ist, überlegen. Es wird die Zukunft dessen formen, den
ich so betitele. Auch, was ich über ihn

denke, kann formen. Aber wenig formt so sehr, wie die Worte, die uns
gesagt werden. Gegen alle Intelligenz,

Fähigkeit, Tugend, machen die Worte den Menschen zu einem Wesen. Er


hat selbst kaum Einfluss darauf, außer zu

versuchen sich nur Worten auszusetzen, die wohl bekömmlich sind. Dies
ist oft erst relativ spät im Leben der Fall.

Sehr viele Menschen leben das, was ihre Eltern und Großeltern, ihre
Geschwister und Freunde und Lehrer in der

159
Kindheit über sie und mehr noch zu ihnen gesagt haben. Die Macht, die
solche Worte und Gedanken haben, kann

nicht hoch genug eingeschätzt werden. Wenn ich ernstlich denke, jemand
wäre ein sehr besonderer Mensch mit

großen Begabungen, so wird das meistens auch aus ihm werden. Leider
kann genau so gut, wenn über jemanden

immer nur gesagt wird er sei ein Strolch, solches ins Leben umschlagen.
Worte haben diese Macht. All unsere

Gesten und Blicke und auch Gedanken formen die Menschen um uns her.

Es gibt die Behauptung, dass man nur sich selbst ändern könnte und nicht
andere. In einem gewissen Maß stimmt

das, doch in einem anderen Maß ändern wir andere ständig durch das, was
passiert im Zusammenleben mit ihnen.

Und wenn ich mich ändere, muss das Gegenüber sich zwangsläufig auch
ändern. Wenn auch widerwillig.

Aber das bleibt im äußeren Rahmen, die unterschwelligen Strömungen, die


Menschen, die ungefragt in unsere

Leben eingreifen, das, was sie über uns denken, das wird die Zukunft sein,
das wird das Leben bringen. Es heißt

nicht unbedingt, dass es genau so eintreffen wird, denn nur das, was aus
einem ehrlichen Herzen kommt, hat auch

diese Kraft Gutes zu wirken, oder eben Schlechtes. Wenn ich von einem
Menschen nur schlecht denke, so hat er

160
kaum eine andere Chance als auch schlecht zu werden, zumindest diesem
einen Menschen gegenüber. Und sei es

auch nur aus Selbstschutz. Es scheint, als wäre nur wenigen solches
bewusst, und es ist natürlich sehr schwer,

solches in sein tägliches Leben einzubauen. Daher das Gewicht, dass ein
reines Herz hat, die Notwendigkeit, dafür

zu sorgen, dass das Herz ein möglichst unbefleckter Ort ist. Wenn wirklich
Kriege aufhören sollen, im Kleinen wie

im Großen, dann ist das der Weg dazu.

12

Wir werden alles Mögliche gelehrt, doch eine Hygiene für die Seele wird
nicht gelehrt. Der Umgang mit

Computern und Büchern und Chemikalien wird gelehrt, der Umgang mit
sich selbst oder mit Menschen wird nicht

gelehrt. Schade. Gerade angesichts der wachsenden Wichtigkeit der


Kommunikation wäre es wichtig, dies zu

lernen. Diese jetzige Welle scheint jene nach oben zu spülen, die auf
gerade jenem Gebiet gut sind, auf dem‚ Gebiet

der Kommunikation. Das sind Talente, die wichtig sind.

Es ist aber verhängnisvoll, alles auf dieses Leben auszurichten. Jenes


Leben, der immaterielle Teil des Lebens, wird

dadurch nur fürchterlicher, unheimlicher, fremder. Zum Glück scheint es


angesichts überfüllter Mägen und

161
drückender Leere oder Unzufriedenheit auch einen Trend zu geben, nach
dem Leben der Seele zu suchen. Die

riesige Anzahl von Selbstfindungskursen aller Art kündet davon. Das


wachsende Bedürfnis nach Religion in dieser

Welt, die Fragen nach Gott die laut werden. Es scheint, als würde mancher
das Gefühl haben, wie betrogen zu

werden, betrogen um das Heil seiner Seele. Die Suche in anderen


Religionen als der Christlichen, die viele

betreiben, scheint doch nur wieder eine Suche nach der Wahrheit Gottes,
da, wo Menschen nicht fähig waren, diese

zu vermitteln.

13

Im Scheitern ein guter Mensch, ein guter Christ, Prediger, Bruder zu sein,
mag ein anderer seinen Grund finden,

Gott, abzulehnen. Sie mögen den Herrn nach seinen Dienern beurteilen,
ohne sich die Mühe zu machen nach dem

Herrn selbst zu fragen. Da wir alle fehlbar sind, ist dafür nicht wirklich
Besserung in Sicht. Niemand ist frei davon

und gerade Kinder Gottes stehen oft so unter Druck, dass sie kaum wissen,
was sie zuerst tun können, dürfen,

sollen. Folglich sieht es merkwürdig aus, was immer dabei heraus kommt.
Natürlich gibt es auch jene, denen

stromlinienförmig alles gelingt, aber diese sind, glaube ich, in der


Minderheit. Manchmal denke ich, dass es

162
stiefmütterlich ist, wenn Menschen es gar zu einfach haben. Nur an
Schwierigkeiten wächst ein Mensch. So sehr

sich das auch wie ein Klischee anhört.

Ich wünsche niemandem durch harte Zeiten zu gehen. Jesus hat einmal
sehr hart gesagt, es kommen Gelegenheiten,

zu fallen, doch wehe jenem, der sie verursacht, es wäre besser, man hängt
einen Stein an seinen Hals und ertränkte

ihn. So ähnlich. Es ist, glaube ich, fast einer der härtesten Sätze. Wehe
jenen, die seinen Kindern wehtun. Es gibt

genug Mühen und Schwierigkeiten auf dem Weg zu Gott, ohne dass sich
jemand anmaßt selbst Gott zu spielen um

dem noch ein bisschen nachzuhelfen. Das ist nur eine Warnung. Jeder ist
für sein eigenes Herz letztlich dann doch

verantwortlich, mögen noch so viele mit daran geformt haben.

14

Manchmal scheint es fast, als wäre es ein Privileg nach Gott zu fragen.
Etwas, dem sich junge Menschen gar nicht

widmen dürfen. Fast scheint es, als müsse man sich erst Merite erwerben,
bevor man sich um Gottes Dinge

kümmern darf, oder als wäre es Zeitvertreib für Menschen, die sonst nichts
mehr zu tun haben.

In diesem Leben geschieht es aber sehr oft, dass Kräfte wirksam werden,
die dem Guten abgeneigt sind. Es gibt

163
Kräfte, Wesen, die alles versuchen, die Menschen von ihrem guten und
gerechten Weg abzubringen. Wesen, die es

freut, wenn sie es schaffen, Freundschaften oder Beziehungen zu zerstören,


jemanden traurig zu machen, ihn seiner

Fähigkeiten zu berauben, ihn in Depression oder Sorge oder Einsamkeit


zugrunde gehen zu sehen.

Satans Hass auf die Menschen ist riesig. Sein Neid auf die Dinge, die
Menschen haben und tun können und er nicht.

Also versucht er ihnen den Spaß zu verderben, sie zu verderben, sie auf
seine Seite zu ziehen. Ihm gehört jede

Seele, die einmal seinen Einflüsterungen erlegen ist.

Danach gibt es keinen natürlichen Weg zu Gott mehr. Der Weg dorthin
zurück geht dann über das Kreuz, über

Jesus. Da es außer Jesus keinen Menschen gibt, soweit ich weiß, der es
geschafft hat niemals den Einflüsterungen

zu lauschen, gibt es in dieser Welt zunächst keinen Menschen, der nicht


Satans Untertan wäre. (Ich will hier nicht

über andere Religionen urteilen, jeder steht vor seinem Gott allein. Dies
erzählt von meinem Gott.)

Der Versuch den Ketten des Bösen zu entkommen hat schon für viele
Menschen tödlich geendet Trotzdem ist es

besser so zu sterben, als in die ewige Verdammnis zu gelangen. Denn diese


fängt schon hier an. So mancher lebt

164
schon hier, auf dieser Welt, seine ganz persönliche Hölle. Die schlechte
Nachricht ist, dass es nur schlimmer wird,

wenn jemand den Ausweg nicht sucht, nicht findet. Den Weg zu Gott.
Jeder, der einmal unglücklich war, braucht

sich diesen Zustand nur in den Händen eines ihm übel wollenden Wesens
vorstellen und weiß dann, was ihn

erwartet.

15

In C.S. Lewis Buch „Reise auf der Morgenröte“ gibt es eine Insel, auf der
Träume wahr werden. Zunächst sind alle

begeistert. Dann erkennen sie, dass die tiefsten Träume und Alpträume
gemeint sind und alle verstummen voller

Angst vor der Qual. Fliehen. So wird es unter Satans Herrschaft gehen, so
geht es ja jetzt schon. Alle Träume

werden sich erfüllen und dann werden zum Teil die schlimmsten
Alpträume wahr. Nicht hinhören, fliehen. Nicht

der Verlockung erliegen, dass es vielleicht nur die schönen, sanften


Träume sein werden, die sich erfüllen. Fliehen.

In Bunyans Pilgerreise flieht der Held mit den Finger in beide Ohren
gesteckt. Nur fort, nicht mehr hinhören. Ich

weiß selbst, wie schwer das ist. Wie süß manche Verlockung klingt. Dem
den Rücken zuzukehren und zu fliehen,

solange man kann, solange man die Gnade hat fliehen zu können, zu
dürfen, sollte dies nicht ungenutzt

165
verstreichen. Auch in jenem Buch gelingt die Flucht nur, weil ein
hilfreicher Bote den Weg weist, den Weg ins

Licht. Das ist es, was Jesus ist, der Bote, der den Weg aus der Dunkelheit
ins Licht zeigt.

Es ist ja nicht so, dass die dunklen Zeiten unfruchtbar wären, manchmal
wächst gerade aus dem größten Leid die

schönste Blume des Lebens. Unter Menschen, die schwere Verfolgung


oder Not erlitten haben, gibt es manchmal

besonders große Freude. Die Freude noch zu leben, die Freude noch da zu
sein.

Gott kann dieses ganze Leid nutzen um Türen zu öffnen. Türen, die zu ihm
führen. Türen, die in seine Welt führen.

Nicht, dass dieses Leben dadurch nun einfacher wäre, denn man zieht sich
durch solche Flucht natürlich den Hass

des Herrn dieser Welt zu. Und seiner Untertanen zum Teil auch. Nein, das
Leben wird vielleicht froher, bunter,

heller, leichter wird es nicht unbedingt.

16

Manchmal ist man ein bisschen ein Kämpfer auf dem verlorensten
Außenposten, den es zu geben scheint, diese

Welt. Mit dem Versuch, ein bisschen von dem Licht weiter zu geben das
man findet. Das eigene Licht für andere

leuchten zu lassen. So findet man mehr davon. Jeder gläubige Mensch


scheint sich manchmal durch ganze

166
Schlachtenreihen von Bösem zu kämpfen. Wenn es auch nicht so offen
geschieht. Die Wesen verbergen sich gut,

sind nicht so offensichtlich böse oder feindselig. Das macht sie natürlich
umso gefährlicher. Und immer wieder übt

es auch eine Faszination aus. Der Verlockung der Macht und des Bösen
erliegen viele.

Jeder muss in sein eigenes Herz schauen, sich an seine schlimmsten


Befürchtungen und Alpträume erinnern und

wissen, dass er genau dahin unterwegs ist, wenn es ihm nicht gelingt zu
fliehen. Sich frei zu kämpfen, Satans

Herrschaft über das eigene Herz zu brechen.

Vielleicht ist es schlimm das Leben zu verlieren, aber die eigene Seele zu
verlieren ist schlimmer. Den

verlockenden Träumen von Macht und Schönheit zu erliegen ist leicht.


Träume, die alles entweihen, zerstören und

vernichten, was heilig ist.

All das vergossenen Blut, all die zerstörten Häuser und Menschen -
gleichzeitig die Faszination der Macht, die

Verlockung Teil zu haben am Sieg, am Erfolg, trotz des Entsetzens, es


beherrscht viele. Das, was anderen heilig,

wichtig, schön, wertvoll ist zu beschmutzen oder zu zerstören, manche


halten das noch für witzig, für cool oder für

stark. Doch das Böse bleibt banal. Es kann eben nur zerstören, arbeitet
immer mit Bezug auf, niemals aus sich

167
selbst. Wenn dieser etwas hat, möchte ich es auch haben, oder es ihm
wegnehmen. So ungefähr.

Wenn der andere etwas Gutes hat, und ich kann es auf gutem Weg
bekommen, so ist es an und für sich nichts

Unrechtes, aber mancher Versuch, witzig zu sein, manche Ironie, mancher


Spott, geht nur darauf aus, dem anderen

die Freude, die jener nicht fühlen kann, zu zerstören oder zumindest zu
beschädigen. Das, was diesem wertvoll

erscheint, ins Lächerliche zu ziehen. Ihn schlecht zu machen. Das, was ein
anderer hat, nutzen, um sich selbst groß

und stark und schön dastehen zu lassen.

Ich kannte jemanden, der hat sich gebrüstet, am Meer Löcher zu graben,
Quallen hineinzulegen und ahnungslose

Spaziergänger hinein stolpern zu lassen. Er fand dies einen kapitalen Spaß.


Es ist mir nicht gelungen, die Bosheit

des Vorgehens, die nur darauf aus ist dem anderen etwas wegzunehmen, zu
zerstören, was man selbst nicht hat, klar

zu machen. Es hat mir sehr, sehr weh getan, zu hören, wie mit solchen
Taten noch geprotzt wird.

Dies ist nur ein kleines Beispiel, das, wenn auch unangenehm, nicht
lebensgefährlich ist.

Aber die Grundhaltung zu zerstören und glücklich zu sein über die


Zerstörung ist weit verbreitet. Keine Fähigkeit

168
zu haben, das Glück des anderen zu erhöhen, zu vergrößern oder eben als
dessen Glück zu genießen, zu teilen.

Manchmal ist jedes Wort Ironie ein solcher Versuch, jeder Spott fast wie
ein Totschlag. Das ist vielleicht ein hartes

Wort sein. Schon manches gute Projekt ist unter spöttischen Worten
zerbrochen, nur so, nur um des Zerbrechens

wegen, oder aus vielleicht noch tieferen, ungeklärt liegenden Motiven.

Ein solches Projekt dürfe nicht gelingen, wenn schon Spott es entmutigt?
Manches Mal braucht es alle Kraft, um an

etwas zu arbeiten, etwas aufzubauen. Der Spott untergräbt und stiehlt


genau dies. Die Fähigkeit, mit voller Kraft

und Freude an etwas zu arbeiten, dass man als gut erkannt hat. Wie viel
Schaden all die ironischen Bezeichnungen

in Kinderseelen hinterlassen, die hier so üblich sind, das soll sich jeder
einzelne ausmalen, es ist grauenhaft. Grauen

erregend.

17

Ich habe angefangen, einen anderen Text von John Bunyan zu lesen, er
heißt „Der heilige Krieg“. Es geht genau

darum, dass Satan eine Stadt erobert hat. Der Name der Stadt ist Mansoul,
Man für Mensch und Soul für Seele. Er

steht für das, was Satan stets zerstört, wenn er kann. Die menschliche
Seele. Vielleicht kann sie dann befreit,

169
gerettet werden, so, wie Mansoul befreit worden ist, wenn ich auch noch
nicht weiß wie.

John Bunyan bekanntestes Buch, ist das Buch „Die Pilgerreise“. Christian,
Held des Buches, bricht aus seinem

Leben aus, weil er es nicht mehr erträgt, in diesem Leben gefangen zu sein.
Er will Gott finden. Will dem Zorn, der

da kommen wird, entrinnen. Er hat ständig das Gefühl, an einem Ort der
Zerstörung und der Verdammnis zu leben.

Um dem zu entkommen, stopft er sich beide Finger in die Ohren, um all


die mehr oder minder wohlmeinenden

Ratschläge nicht zu hören, und läuft los. Es ist ein schwieriger Weg. Er
trifft auf die verschiedensten Menschen,

manche sehr hilfreich. Einer weist ihm den Weg zu der schmalen Pforte,
die ihn in das Land der Erlösung einlassen

wird. Er muss auch durch den Sumpf der Verzagtheit. Wie gut kenne ich
den. Wie oft muss nicht ein jeder durch

einen solchen Sumpf waten. Dort, mitten im Sumpf, verlässt ihn ein
Kamerad, er erträgt den Weg nicht. Ein Berg

von Moral erschlägt ihn beinahe als er vom rechten Weg abweicht und es
ist schon ein weiter Weg bevor er

überhaupt erst einmal an die Tür des gelobten Landes klopfen kann. Es ist
eine Geschichte darüber wie

beschwerlich der Weg ist. Wie schwer es ist die Seele zu reinigen, wenn
sie erst einmal verloren geht. Wie schwer

170
es ist sie zu retten. Wie schwer schon der Aufbruch aus der
Bequemlichkeit ist und wie schwer es ist, sich dem zu

stellen, was einen unterwegs verunsichert und verletzt. Es erzählt auch von
den Freuden, die auf dem Weg liegen,

nur so nebenbei.

Da ich selbst auf diesem Weg unterwegs bin, hat mir das Buch gut getan.
Es ist so ganz anders als das „immer

schön fröhlich sein“ und das Siegreich-Scheinende. Oder auch als das -
was willst du eigentlich, ist doch alles klar.

Beides trifft nicht mein Sehnen, meine Verzweiflung, mein Suchen. Dieses
Buch tut es. Vielleicht kann es nur

verstehen, wer selbst jene abgrundtiefe Verzweiflung im Herzen gespürt


hat. Da das Buch seit Jahrhunderten beliebt

ist, nehme ich an, dass es genügend Menschen gibt, die ähnliches
empfinden. Mit Verlockungen und

Versprechungen. Wenn man doch nur vom Weg abweichen, ja innehalten


würde, wenn man eigentlich weiter gehen

sollte. Natürlich findet man die entsprechend verlockend geschilderten


Dinge nie. Das wird dann noch als eigene

Schuld dargestellt. Wenn du noch dies und jenes tätest - und ehe man es
sich versieht ist man weit, weit fort von

dem Weg, ohne zu wissen wo man statt dessen gelandet ist.

Der Rückweg auf den schmalen Pfad ist dann schwer. Das Buch erzählt
von dem langen, oft mühsamen Weg zu

171
Gott. Von dem täglichen Kampf um den Bestand der Seele. Ihre Reinheit
und die Reinheit des Herzens. Es erzählt

auch davon, dass Gott es sieht. Dass er die Mühe sieht und den zu sich
zieht, der diesen Weg nicht scheut. Er steht

den solcherart Wandernden in den schweren Zeiten bei, auch in den


glücklichen Stunden. Ohne ihn wäre es eine

hoffnungslose Reise. Niemand vermag sie aus eigener Kraft zu bestehen.

Glaube, Liebe, Hoffnung heißen auch hier die Zauberworte. Dass der Weg
zu Gott mühsam ist hat Jesus nie

verschwiegen. In den Evangelien hat er wieder und wieder davon


gesprochen, dass man alles hinter sich lässt. Er

hat gesagt, in den besten Fällen ist der Schüler wie der Lehrer. Und was sie
ihm angetan haben, darüber gibt es ja

genügend Berichte. „Fröhliche Aussichten“! Wirklich, glückliche


Aussichten.

Es gibt manche Bewegung, die verspricht Jesus zu folgen würde reich


machen, man würde in der Familie Frieden

haben und beruflichen Erfolg und ähnliches. Manchem gelingt es auch so


zu leben. Aber Jesus hat sehr wenig über

solches gesagt. Er hat sogar einen Mann, der nur um sein ihm zustehendes
Recht in einem Erbschaftsprozess bat,

schroff zurecht gewiesen. Gesagt, dass es besser sei, Unrecht zu ertragen,


als zu kämpfen. Nicht, dass es einfach ist

172
oder immer gelingt, dass Wort von dem - halte die andere Wange hin –
anzuwenden. Es ist eines der schwierigsten

Dinge, die es in dem ganzen Buch gibt, für mich jedenfalls. Wenn mich
jemand kränkt oder ähnliches, na gut, ich

mag vielleicht nicht gleich mit einer Gegenkränkung antworten, aber ihm
Gelegenheit zu geben, mehr davon

loszuwerden ist schwer. Da geht es nur um ganz normale Kränkung, ohne


von Geld leihen oder nicht gehaltenen

Versprechungen oder noch Gröberem zu schreiben.

Sanftmut und dies - es braucht wirklich Gottes Gnade um das umsetzen zu


können. Ich habe gerade gelernt, dass

man es manchmal mit 80% gut sein lassen soll, das würde ich ja nur zu
gerne tun, meinetwegen manchmal auch nur

60%. Wenn ich eben nicht mehr Kraft habe. Aber ich habe einen Herrn,
der weiß was 100% sind und der weiß, wie

viel ich kann. Wie kann ich es da rechtfertigen, weniger zu geben, weniger
zu tun? Zumal er denen, die brav

arbeiten, hohen Lohn versprochen hat. Aber alleine nur für ein Lächeln in
seinem Gesicht, für ein „gut gemacht“,

für einen Moment in seiner Gegenwart, würde ich so weit gehen, wie
meine Füße eben fähig sind mich zutragen.

Den Lohn überlasse ich ihm, er hat mich noch nie enttäuscht.

Reich geworden bin ich dabei nicht. Die, die mir diesen Weg wiesen
anscheinend auch nicht. Das heißt jetzt nichts

173
gegen das reich sein, doch bitte, diese Erwartung muss sich nicht erfüllen.
Außerdem habe ich immer das Gefühl,

dass „die“ sich mit echt wenig zufrieden geben. Wer will schon Geld und
Gold, wenn Gott so viel Schöneres zu

vergeben hat. Irgendwie kam mir das schon immer billig vor. Das hört sich
jetzt vielleicht anmaßend an, aber nur

die allerhöchsten Ansprüche werden unserem Herrn gerecht. Natürlich


braucht man Essen, Kleidung, ein Bett, aber

es gibt Wichtigeres. Leider scheinen nicht mehr sehr viele Menschen selbst
unter Christen oder allgemein gläubigen

Menschen zu dieser Art Schatzsucher zu gehören. Mancher scheint fast


vergessen zu haben, dass es diese Art

Schätze überhaupt gibt.

Ich tue mich schwer, davon zu reden. Als wäre es ein Geheimnis, das sich
in Luft auflöst, wenn man es erwähnt.

Nur dass es solche Schätze gibt kann ich sagen. Der Reichtum, der
erfahren werden kann, die immer tiefer

liegenden Schichten an Wahrheit und Schönheit und Klarheit, die oft unter
ach so banalen Dingen liegen, sie darf

nicht unterschätzt werden.

Aber es ist auch gefährlich. Ehrlicherweise will ich sagen, dass es


lebensgefährlich sein kann. Viele haben das

Suchen nach den ewigen Dingen mit ihrem Leben bezahlt. Vielleicht ist es
dann gut, bei Geld oder Gut Halt zu

174
machen. Es braucht viel Mut, oder viel Verzweiflung, um weiter zu gehen,
tiefer zu graben und sich nicht zufrieden

zu geben.

Oder sehr viel Liebe. Liebe wie Jesus sie hatte. Sich freiwillig anspucken,
auspeitschen, steinigen, verleumden,

verachten, verraten, auslachen und schließlich kreuzigen zu lassen, dazu


braucht es eine unendliche Liebe für uns

Menschen. Gleiches oder ähnliches zu tun ist schwer. Das Herz, das
menschliche Herz, es kann so viel geben und

ist doch niemals ganz rein. Es braucht viel Mut, sich auf diesen Weg zu
wagen, Wagemut eben. Der Weg ist nicht

leicht und allzu viele versuchen, dazwischen zu gehen. Versuchen, zu


stoppen, für sich zu beanspruchen, was man

sich da erjagen möchte.

Den Gral zu finden ist ein Ding, ihn dann auch wohlbehalten zurück zu
bringen, noch einmal ein ganz anderes. Am

Erfolgreichsten ist er entweder geschützt von einer großen Armee oder


heimlich in einer schmuddeligen

Satteltasche fortgetragen. Ich habe oft heimlich gesucht, hatte nicht genug
Kraft beides zu tun, offen zu suchen nach

etwas fast Unnennbarem und noch der Verachtung der Menschen ins
Gesicht zu schauen. Nicht verlogen, aber wie

verkleidet. Habe meine Suche schön gekleidet um als vernünftige


Handlung so gerade eben noch durchzugehen.

175
Ein Teil von mir schämt sich dafür, aber wie kann ich sagen, dass ich
etwas suche, wenn ich nicht einmal die Frage

sicher weiß, wenn es mich hinaustreibt, weil ich eben gehen muss. Suchen
muss, weil es mich zieht. Gott mich zu

sich zieht. Ob es dann wirklich Gott ist, kann man am besten an seinen
Schriften überprüfen. Je weiter es daneben

liegt, desto weniger wahrscheinlich ist es Gott gewesen, denn natürlich


ziehen oft viele Dinge an einem Menschen.

Bunyan hat von dem Aufbruch geschrieben. Das hat mir gut getan. Der
Kampf gegen Verlockungen oder

Zerstörungen ist manchmal fast nicht mehr zu gewinnen. Alles tut weh,
müde. Die Sehnsucht Frieden zu machen

mit allen, die da draußen drum herum leben, ist manchmal fast
übermächtig. Ich habe dem auch öfters schon

nachgegeben, allerdings meist zu meinem Nachteil. Ohne Gott ist es


unmöglich zu Gott zu gelangen. Meine Kraft

würde niemals so weit reichen. Bunyan schreibt davon und macht Mut.

Denn das eigene Herz zu erkennen tut weh. Zu sehen, was unter all den
Schichten von Zivilisation und Erziehung

und sozialen Gegebenheiten vergraben liegt, wie es sich heimlich die Bahn
bricht um Auswege zu finden, sich Luft

zu machen, durch so viele Schichten hindurch, das hat etwas Grausames.


Unsere raffiniertesten Zwängen sind

176
schlimmer als je die Korsetts der Frauenkleidung, die diese halb
umbrachten und zu einem Leben des Nichttuns

verdammten. Jede Tätigkeit verursachte Schmerz. Die heutigen


Gesellschaftsregeln engen so ein und machen

hilflos. Wehrlos. Aber andererseits bleibt ein Tiger immer ein Tiger. Auch
an der Leine und im Kleidchen. So bricht

es sich die Bahn, das, was innen schlummert, wenn es nur durch die
Regelungen gefesselt ist und nicht durch

Gottes Gnade ausradiert wurde.

Jesaja schreibt, der Mensch sei wie ein Jaguar, er kann sich nicht selbst die
Flecken aus dem Fell machen, so sehr er

es sich auch wünschen mag. Nur Gott kann das. Nur er kann die Natur eine
Menschen dauerhaft ändern, zum Guten

ändern. Es ist frustrierend, auf mich zu sehen, manchmal auch auf die
Mitmenschen. So manches grobe Wort fährt

durch meine Gedanken. Ich habe wahrscheinlich kein Recht so zu denken.


Wie jeder, dem man unhöflich begegnet,

kommt es manchmal sauer an. Aber erst dann erweist sich ja, ob die
Tugend wirklich Tugend ist. Erst dann, wenn

es eng wird, sieht man, was wirklich im Menschen steckt und woraus er
gemacht ist. Kann er selbst dann noch

liebevoll und freundlich reagieren, so ist er wirklich gut. Erst unter


extremem Druck sieht man, wozu Menschen

177
fähig sind, im Guten wie im Schlechten. Wer sind wir, wenn alle äußeren
Etiketten fort fallen? Ohne Familie, Haus,

Wohnung, Beruf, Bankkonto, Auto, etc.? Was bleibt von mir, wenn das
alles fort fällt? Wer bin ich noch, nackt und

arm und bloß? Weiß ich es? Weiß es jemand? Sokrates hat es schon
geschrieben, das „Erkenne dich selbst“ als

höchste Kunst, als tiefstes Verstehen der Menschheit und ihrer Stärken und
Schwächen.

Den Mut daraus auszubrechen, den Mut der Verzweiflung, vielleicht


aufbrechen zu müssen, weil es alles nicht zu

ertragen ist, den Mut, nicht aufzugeben, auch sich nicht aufgeben, den Weg
zu suchen, den kaum jemand gegangen

zu sein scheint, das Tor zu finden, dass zu Gott führt, zu klopfen bis es
aufgetan wird. Es kostet wirklich Mut, viel

Mut, Wagemut an manches Stellen, denn es ist ein wirklich einsamer und
gefährlicher Weg. Für Leib und Leben

gefährlich. Es gibt Wege einem Menschen zu schaden über die


anscheinend niemand etwas sagt oder schreibt.

Vielleicht weiß. Man nennt es in der Literatur Energievampire oder


ähnliches. Menschen, die versuchen zwischen

mich und das angestrebte Ziel zu kommen. Nicht, weil sie selbst dieses
Ziel erreichen wollen sondern weil sie die

Energie abfangen, die zum Erreichen des Zieles aufgewendet wird. Um die
Kraft zu berechnen, die man für den

178
Weg braucht, reicht also nicht die normale Kraft des - wie viel brauche ich
um das zu schaffen - zu berechnen,

sondern zusätzlich muss der Widerstand eingerechnet werden. Wie in der


Physik Strom nicht ungehindert fließen

kann, sondern der ohmsche Widerstand immer mit berechnet werden muss.
Ich habe dies oft nicht vorhergesehen,

bin vielleicht deshalb an manchem gescheitert, weil die Kraft eben zu kurz
berechnet war um diesen Widerstand.

Wenn ich dachte, das schaffe ich so gerade, dann war es eben oft ohne den
Widerstand gerechnet, der aus dem „das

schaffe ich so gerade“ entweder eine anstrengende Tortur machte oder


eben ein Scheitern. Was in der Physik gilt,

gilt eben überall. Die Naturgesetze zu vernachlässigen kann leicht tödlich


ausgehen. Dann nämlich, wenn ein

Energievampir genau die Energiemenge abzieht, die als Gesamtmenge


vorhanden war. Manchmal frage ich mich,

ob dadurch so viele oft frühe Herzinfarkte zustande kommen, dass man den
Energievampir unterschätzt hat. Wenn

ganz plötzlich die Energie auf Null geht, weil mal eben jemand den
Stecker gezogen hat, dann war es das. Wie viele

so auf Abruf leben, denen ein Stärkerer jederzeit den „Stecker“, die
Verbindung zum Leben kappen könnte, weiß

ich nicht. Das Leben ist ein sehr zerbrechliches Gut. Sobald es jemanden
gibt, dem es lieber wäre, das Leben eines

179
anderen zu zerbrechen. Vielleicht haben wir uns zu sehr daran gewöhnt,
habe ich mich zu sehr daran gewöhnt, dass

es normal ist, gesund zu sein, genügend Kraft zu haben. Zu lernen, dass


vieles nur davon abhängt, dass der

entsprechende Energievampir mich nicht wahrnimmt, dass gerade niemand


kommt, der gerne stören möchte, ist

ernüchternd. Wie viel Kraft bleibt, Dinge zu tun, wenn ständig jemand
dazwischen funkt? Nur mit Gottes Schutz

kann es gelingen Gottes Willen zu tun, seine Wege zu gehen.

Viele Mütter mit kleinen Kindern können sicherlich ein Lied davon singen.
Aber auch davon, dass man sich daran

gewöhnt. Dass man sein Leben vielleicht so einbaut, dass man wiederum
dadurch Energie bekommt, schließlich,

wo so viele versuchen zu profitieren, muss es etwas Wertvolles geben.


Sonst würde sich kaum jemand so viel Mühe

machen zu stören, die Kraft abzuziehen.

Manchmal sitzt der größte Drache auf den dicksten Schätzen. Das
bedeutet, dass genau da, wo der Widerstand am

Größten ist, auch der meiste Gewinn zu machen ist. Aber ich verstehe
Gewinn immer in einem nicht-materiellen

Sinn. Ich empfinde den materiellen Gewinn als die Billigversion der
wirklich wertvollen Dinge. Bin immer wieder

erstaunt, wie viele Menschen sich damit abfinden, damit zufrieden geben.
Sicher, Geld zu haben ist sehr, sehr nett,

180
ich will das gar nicht bestreiten, ich bin kein überzeugter Asket oder
ähnliches. Auch Sex und die dazugehörigen

Formen des miteinander Umgehens empfinde ich als Billigvariante eines


größeren Guts. Als Form der Not, eine

Notration sozusagen, wo das Echte nicht zur Hand ist. Wo vielleicht die
Notwendigkeit oder die Einsicht fehlt, nach

dem wirklich Wichtigen aufzubrechen. Aber ich bin immer wieder


erstaunt, wie viele Menschen mit eben jenen

Billigvarianten des Lebens zufrieden sind. Schon ein winziger Blick in die
anderen Regionen, schon ein kleiner

Vorgeschmack von dem, was es heißt, das tiefere Leben, verleidet den
Zustand ganz und gar.

Ich bin nicht selbst ausgesprochen reich gewesen, aber ich habe das
Vergnügen genossen, ein halbes Jahr bei einer

echt wohlhabenden Familie zu leben. Habe mit ihr in Paris im Hilton


gesessen und auf den Eiffelturm geschaut und

dabei rosa Champagner getrunken. In kleinen Schlucken natürlich. Aber


ich habe selten so anscheinend zutiefst

unzufriedene oder unglückliche Menschen erlebt. Es hat deutlich gemacht,


dass man, so viel man auch haben mag,

doch unglücklich sein wird, wenn man den Frieden im Herzen nicht hat.
Vielleicht hatten sie so viel, dass sie es

181
nicht mehr zu schätzen wussten. Sie sind sehr großzügig zu mir gewesen
und sehr freundlich. Ich habe ihnen

manche Lehre zu verdanken, die ich anders nur schwerlich hätte lernen
können. Ich habe es genossen, muss ich

dazu sagen, ich habe es genossen. Ich, ICH sitze im Pariser Hilton und
trinke rosa Champagner. Ich muss auch

zugeben, dass ich die Gesellschaft nicht so genossen habe. Es hat die
Freude, den Glanz sogar etwas getrübt. So

undankbar ich mir jetzt auch vorkomme dies zu schreiben. Der innere
Unfrieden dieser Menschen hat sich auf mich

übertragen. Es hat deutlich gemacht, dass dort nicht das liegt, was ich
suche, dass es eben nicht mit Geld zu

erwerben ist.

Selbst wenn ich das Geld hätte, bräuchte ich zusätzlich noch die Fähigkeit
zu genießen, was ich da ansammle.

Diese Fähigkeit ist noch einmal etwas ganz Eigenes. Lieber ein bisschen,
dass ich in Frieden genießen kann, als

Überfluss, der mich kalt lässt. Nach dem suchen, was bleibt, was mir mein
Herz erfreut, auf Dauer, ist ein Privileg.

Denn da gibt es vieles. Es war eine einflussreiche Lehrstunde, jener Abend


im Pariser Hilton, wenn auch wohl

anders, als von den großzügigen Gastgebern geplant.

Es hat Mut gekostet von dort wieder aufzubrechen, die Unwegsamkeit, die
Armut, die Einsamkeit. Manchmal habe

182
ich mich nirgendwo einsamer gefühlt als gerade dort, wo andere vergnügt
feiern.

Bunyan schreibt davon. Von der Einsamkeit, von dem Glück, eine Zeit
lang einen Gefährten zu haben. Einen

Gefährten zu finden, der das gleiche Ziel hat oder zumindest eine Weile zu
haben scheint.

Ich bin schon gespannt wie sein heiliger Krieg, der Krieg um die Seele des
Menschen, um die Stadt Mansoul

ausgeht. Denn es gibt ihn, diesen Krieg. Und wie Bunyan es schreibt, kann
die Festung nur eingenommen werden,

wenn die Festung von innen geöffnet wird. Leider gibt es in jeder Stadt die
verräterischen Lüste. Kapitän

Widerstand, der die Seele schützen will, ist leicht besiegt und fällt als
erstes. Zu leicht, zu angenehm scheint es, den

Verlockungen zuzuhören und nachzugeben. Der gerade Weg ist ein


schwieriger. Nur durch Gnade kann man fähig

werden ihn zu gehen. Sonst kann die Kraft, der man dort begegnet, töten.
Vorsicht also. Schon der Versuch,

eingetretene Pfade zu verlassen, kann wirklich gefährlich sein. Ich muss


zugeben, dass ich mich nie getraut habe,

offen von meiner tiefen Sehnsucht nach Gott zu reden, aus eben jener
Angst heraus. Nur jetzt, wo ich schon so

lange auf dem Weg bin, wage ich davon zu schreiben, so weit meine Kraft
eben reicht. Selbst jetzt ist oft jeder Tag

183
ein neues Abschätzen. Wie weit wird die Kraft reichen? Ich habe genug
gelernt, um damit umzugehen. Um damit

fertig zu werden was jeder Tag bringt. Es scheint nämlich, als würde die
Umwelt spüren auf was für Wegen man

sich da bewegt und dies nicht wirklich zu begrüßen. Ich kann, wie gesagt,
nur warnen und gleichzeitig Mut

machen. Es ist der vielleicht gefährlichste Weg, auch der faszinierendste,


farbenreichste, erlebnisreichste Weg.

Auch der, dessen Bemühungen im Ende den höchsten Gewinn bringen,


wenn dieser auch nicht in Euro oder Dollar

ausgezahlt wird. Wer je auf diesen Wegen unterwegs war, wird wissen,
was ich meine.

Wenn Menschen wüssten, wie wertvoll ihre Seele ist, würden sie sich dann
nicht mehr mit Stan verbünden, wie die

Stadt Mansoul es getan hat? Ich weiß es nicht. Es scheint, als schlummere
in jedem Menschen ein Traum von der

ewigen Welt, von den himmlischen Gütern, aber anscheinend möchten


viele sie erlangen ohne sich dafür der Mühe

zu unterziehen nach ihnen zu suchen. Selbst dieses Buch ist nur ein
Wegweiser, nichts kann den eigenen Weg

ersetzen. Nichts.

Ein bisschen, wie das Kaffee-trinken nicht ersetzt werden kann, egal wie
viele Bücher über Kaffee ich gelesen

184
haben mag. Ein einziger Schluck wird mir mehr darüber verraten als noch
so viele Bücher. Aber mir werden mit der

Zeit die Bücher helfen, bessere Geschmacksrichtungen zu finden.


Wohlschmeckendere Zubereitungsarten zu

kennen. Das, was ich habe, mehr zu genießen oder neu zu finden. Das ist,
was ich hier tue. Ich möchte ein paar

Wege, Möglichkeiten zeigen, den „Kaffee“ zu genießen. Den Weg zu Gott


zu finden, zu weisen, falls das nicht

schon wieder zu hochmütig klingt. Auch zu sagen, dass es ihn gibt, den
Weg. Er wartet geradezu auf Wanderer, die

ihn gerne gehen möchten. Das will ich hier erzählen.

Es ist ein bisschen wie gehen lernen oder sprechen lernen für ein kleines
Kind. Es ist nicht leicht. Es unterlaufen

viele Fehler. Mir unterlaufen viele Fehler. Aber niemand wird deshalb
sagen, tu das nicht, geh nicht, lerne nicht

sprechen, das ist zu mühsam.

Für mich ist dieses Buch wie sprechen lernen, sprechen von Gott. Ich bitte
um Nachsicht für Ungereimtheiten oder

Fehler. Ich übe noch. Das Sprechen von Gott ist eine der größten Gnaden.
Aber da man seine Tiefen nie wirklich

ergründen kann, ist, was immer man von ihm sagt, bestenfalls Bruchstück
einer größeren Wahrheit. Das ist dies

bestenfalls, Bruchstück einer größeren Wahrheit.

185
Vielleicht ist es zu hart. Vielleicht sind manchem die Verlockungen dieses
Lebens zu süß. Ist die Angst zu groß. Der

Druck sich zu benehmen fast unerträglich. Denn wenn der Freund


aufbricht, was bin dann ich? Wenn der Feind

aufbricht, stellt sich erst recht die Frage. Also wird der Aufbruch
vermieden. Denn wenn ich aufbreche, die anderen

aber nicht, so stellt sich auch wieder diese Frage. Wer bin ich? Das will
niemand wissen oder hören. Also will ich es

auch nicht, denn damit würde ich zum Außenseiter. Das sind oft gehörte
und gedachte Argumente.

Auch davon, erzählt Bunyan. Wie selbst wohlmeinende Freunde


entmutigen können. Vielleicht auch nur, weil sie

Angst um einen haben. Doch Frieden, tiefen inneren Frieden kann man nur
dort finden, auf dem Weg zu Gott.

Zumindest habe ich nirgends sonst etwas Ähnliches gefunden. Es ist mir
nicht leicht gefallen, weiter zu gehen,

wenn alle die ich liebte, andere Wege zu gehen scheinen oder sich gar
abwenden. Aber eine Stunde, ein Tag in

Gesellschaft meines Herrn gleicht das reichlich aus. Versöhnt mich mit
diesen Seiten des Weges.

Manchem habe ich unterwegs wohl auch weh getan mit meinem
unverständlichen Verhalten. Das tut fast weher, als

186
alles andere, jemanden zu verletzen um diesen Weg zu gehen. Kann ich
denn Gott derart verletzen, dass ich seine

Wege meide? Das macht dem nichts? Doch, es macht ihm viel aus. Er hat
sich unendlich gedemütigt, indem er

Jesus in die Welt gab. Gleichzeitig hat er sich mit solcher Liebe unendlich
erhöht. Hat gezeigt, wozu ein liebendes

Herz fähig ist. Ohne jede Anerkennung bis in Tod und Schande zu gehen.

Zumindest hat Jesus zu Lebzeiten recht wenig Anerkennung gefunden.


Viele seiner Lehren werden auch unter

Christen - oder gerade unter Christen - nicht besonders gerne gehört. Das,
was mich weiter gehen ließ und lässt, oft

durch Gefahr und Schmach hinweg, ist die Sucht, das Gezogen werden.
Die Sucht nach dieser anderen Seite des

Lebens. Ich habe sie an den unterschiedlichsten, oft unvermuteten Stellen


gefunden. Ich bin mir manchmal wie ein

gieriges kleines Kind im Bonbonladen vorgekommen. Alles haben, alles


haben und noch mehr, Bauchweh –

abwarten, bis es vergeht, dann mehr davon. Das Entzücken ist riesig, der
Hunger, die Gier, das Verlangen in mir fast

unermesslich. Die Süße von Gottes Gegenwart. Wie ein Fass ohne Boden,
denn ich verbrauche es auch wieder.

Brauche dann Nachschub. Aber in den Momenten, in denen sich selbst


gute Freunde abwenden, in denen man von

187
Selbstzweifeln geplagt in Trübsinn versinkt weil, - was wenn der Freund
recht hat und ich nur Hirngespinste jage -

nicht eher konnte ich dies schreiben, als bis ich zumindest dies mit
Sicherheit behaupten kann, dass es eben keine

Hirngespinste sind.

Der Zweifel sitzt trotzdem tief, auch der Selbstzweifel. Dann genau zählt
es. Glaube ich wirklich? Ist es so wichtig?

So wichtig, schon in diesem Leben, dass ich nicht warten will, bis im
Angesicht des Todes alles sowieso ganz

anders aussieht? Gott nimmt auch die auf, die erst im letzten Moment
sozusagen begreifen. Das darf keine

Entschuldigung sein, solange damit zu warten, wenn ich ihn doch schon
früher finden kann. Wer weiß schon, ob

und wann und wie dieser letzte Moment kommen wird. Die Furcht des
Herrn ist der Anfang der Weisheit, das sagt

einer der Sprüche. Es macht mir Angst, wenn ich sehe, wie so viele
liebenswerte Menschen auf so seltsamen Pfaden

unterwegs sind, dass Gott weit, weit fort scheint. Natürlich kenne ich nicht
die Herzen und zugegebenermaßen hat

Gott oft seltsame Pfade, Menschen an sich zu ziehen.

So stolpere ich dermaßen durch die Weltgeschichte, dass ich nicht wirklich
Maßstab bin, sein kann. Dass sich

mancher fragt, was wohl mein Weg sein mag. Ich muss, darf, vor Gott
stehen, eines Tages, und ich möchte mich

188
darauf freuen. Wer denkt im Grab Frieden zu finden mag enttäuscht sein,
wenn er sich statt dessen vor einem

Haufen Leute findet, die laut über das Reden, was er so alles getan hat. Die
alles, alles wissen, bis in die hinterste

und dunkelste Ecke des Lebens. Es wunderschön breit treten. Sich selbst
dann so zu erkennen, wie Gott einen sieht.

Da könnte mancher überrascht sein. So oder so. Ich für mich will gehen
und so leben, dass ich mich darauf freuen

kann, trotz aller Verzweiflung. Verzweiflung lässt mich weiter gehen.


Auch Gelegenheit, manchmal Mut, vor allem

aber immer wieder ein tüchtiger Schubs in die richtige, vor Gott richtige
Richtung. Ich bin zutiefst dankbar, dass

dieser Gott Erbarmen mit meinen stolpernden, schwankenden Schritten hat


und bei mir bleibt. Das ist wie ein

Wunder und es ist mir echt viel wert. Ihn zu fürchten, zu respektieren ist
nur der Anfang der Reise.

Wenn es einen ewigen Chef gibt, stelle ich mich logischerweise gut mit
ihm. Da wäre keiner so blöd sich auf der

Arbeit mit dem obersten Boss anzulegen. Bloß scheint es, als wollten oder
könnten es viele nicht wahrhaben, dass

Gott der oberste Boss jener Welt ist.

Manchmal denke ich, frage mich ob andere es wissen, dass da unter


Umständen Verderben lauert. Ob sie es wissen

189
wollen? Ob sie nicht jetzt und hier schon in einer Art Hölle leben? Ob sie
wissen, dass man da heraus kann? Dass es

ein Draußen gibt? Ich will lernen, Gott zu lieben, ihm zu vertrauen, zu
gehorchen, ihm zu dienen jeden Tag, jede

Minute, jede Sekunde meines Lebens. Alles andere ist Zeitverschwendung,


denke ich. Bunyan beschreibt es besser

als ich es kann.

Ich lerne davon. Denn obwohl alles ungewöhnlich und seltsam scheint, ist
dort, bei Gott, absolute Sicherheit zu

finden. Er ist es wert, der Herr und Gott von dem die Bibel erzählt, zutiefst
verehrt zu werden. Meine schwachen

Worte können nicht sagen wie sehr. Selbst das tut mir oft weh. Meine
Unfähigkeit mitzuteilen, zu reden. Die

Begeisterung Liebe weiter zu reichen. Ich bin mir vielleicht zu sehr meiner
Schwächen bewusst, meiner Müdigkeit,

meiner unmodernen und etwas lumpigen Kleidung, meine Zurückhaltung,


Schüchternheit, Wortlosigkeit,

Nervosität. Ich kann nicht von dem reden, wovon mein Herz doch so voll
ist. Ich würde gerne noch ehrlicher, tiefer,

aufrichtiger lieben. Sowohl Gott, wie auch die Menschen um mich her. Das
ist das Schönste überhaupt.

Nicht das Romantische, das mir manchmal eher billig oder kitschig
vorkommt, sondern ganz tiefe, eifersüchtige

190
Liebe, die will, dass der andere so ist, wie er sein könnte. Der Traum, nicht
zu ruhen, bis der Mensch so wird wie

ein Edelstein, der erst poliert und/oder geschliffen sein muss bis er glänzen
kann. Im normalen Zustand ist ein

Edelstein kaum von einem Kieselstein zu unterscheiden. Leider. Wie auch


das Schleifen eines Edelsteines mit

Splittern und Feilen verbunden ist, so ist auch das „Polieren“ von
Menschen meist mit Leid verbunden. Das Leben

mit seinen Ecken und Kanten macht uns glänzend. Poliert uns, bringt
manchmal ganz unerwarteten Glanz und

Schönheit zum Vorschein. Manchmal zerbricht es auch. Das Leid kann


einen Menschen durchaus zerbrechen. Es ist

traurig dies zuzugeben, doch wie gehen lernen und die ersten
Schulaufgaben ist alles, was wertvoll ist, immer mit

Mühe und manchmal mit Leid verbunden. Wenn man sich gleich genug
Mühe gibt, kann man das Leid manchmal

verhindern, manchmal.

Ich weiß, dass Gott uns so liebt. Wieso weiß ich nicht genau. Vielleicht,
weil er uns erdacht hat. Vielleicht, weil wir

vor ihm so hilflos sind. Er gibt keinen Menschen einfach so auf. Ich bin
zutiefst dankbar ihn kennen zu dürfen, in

solchen Situationen gewesen zu sein, dass ich nur noch nach ihm schreie,
dass nichts anderes mehr genügt. Zu tun

was Recht ist, ist das größte Vergnügen das es gibt.

191
Ich habe Tänzerinnen beim Üben zugeschaut, manchmal tut ihnen alles
weh, nur für den Traum, vielleicht berühmt

zu sein, zu werden? Ist der Traum, ganz Gott zu gehören so viel weniger
wert? Ist nicht eher der Wunsch im Licht

der Bühnen zu stehen der Abglanz von dem Wunsch, im Licht Gottes zu
stehen?

18

Ich denke daran, wie oft meine Seele vor Qual schreit. Wie oft ich meine,
wir hier im Westen quälen vielleicht nicht

mehr die Körper, doch wir quälen Geist und Seele manchmal auf die
übelste Art und Weise. Die Menschen, die für

das Gute kämpfen, scheinen immer und immer verfolgt und gequält zu
sein. Oft auf grausamste Art. Es gibt

grausame Arten den Körper zu quälen, ganz sichtbar zu misshandeln und


zu brandmarken. Es gibt auch andere

Arten den Körper zu quälen, ebenso den Geist und die Seele. Man kann
einem Menschen so zusetzen, dass er jeden

Lärm körperlich spürt, jedes Lachen eine Berührung ist, jedes laute Wort
ein Hieb, jeder fallende Wassertropfen

unerträgliche Qual.

Aber jede weiche Stimme mag eine Liebkosung sein. Vieles, dass man auf
der einen Seite für Missbrauch

verwendet, mag in Maßen angewandt Ent- und Verzücken. Die Grenzen


sind manchmal fließend und leider von

192
Mensch zu Mensch verschieden. Die Fähigkeit dessen, was ein Mensch
ertragen kann oder will variiert nach den

Möglichkeiten, aber auch nach dem Willen und der gegebenen Kraft. Zu
denken, nur weil ich dies oder jenes kann,

kann es doch jeder, oder weil eben jener etwas kann, können es alle, oder
zumindest doch ich, erweist sich oft bei

näherer Betrachtung als Irrtum. Rosen tragen wunderschöne Blüten, sie


erfreuen das Auge und den Verstand, den

Magen nicht. Kohlköpfe erfreuen das Auge vielleicht nicht so unbedingt,


doch richtig zubereitet erfreut sich der

Magen einer guten Mahlzeit. So ist es mit jedem von uns. Dieser ist gut für
jenes, ein anderer für anderes. Einer ist

wie ein Auge und ein anderer wie ein Fuß (Zitat). Und es geht gar nicht um
besser oder schlechter, sondern darum,

dass man versucht aus dem, was die eigenen Möglichkeiten und
Fähigkeiten sind, das Beste zu machen Andere zu

suchen, die einen ergänzen, wie die Kartoffel den Kohl. Wir brauchen
einander. Nicht unbedingt viele, aber obwohl

jeder mit einigen Dingen völlig alleine steht, gibt es andere, in denen er die
Menschen um ihn her braucht. Diese

brauchen ihn. Es gibt auf dieser Welt keinen Menschen, den nicht
irgendjemand braucht oder liebt. So sind wir, so

ist unsere Bestimmung, so sind wir programmiert. Wir erschaffen uns nicht
selbst. Höchstens die jeweils nach uns

193
Kommenden. Diese auch höchstens in Ansätzen, wachsen tun sie
geheimnisvoll und von alleine. Jeder hat

Verantwortung zu tragen. Für sich und für den Anderen, der sich auch
nicht selbst erschaffen hat. Sondern so ist,

wie er eben sein kann. Das soll jetzt nicht Missetäter entschuldigen, aber es
soll heißen, dass wir es nur miteinander

schaffen, nicht gegeneinander.

Zum Glück habe ich von den grausamsten Arten der Behandlung mancher
Menschen bisher wenig mitbekommen.

Musste nur wenig körperliche Entbehrungen leiden. Aber das, was mir
passiert ist, geht an die Grenze dessen, was

ich ertragen kann und darüber hinaus. Schmerz wird durch die persönliche
Schmerzgrenze bestimmt, es ist kein

absoluter Wert. Was den einen zutiefst kränkt, mag dem anderen ein
Scherz sein. Was der eine tragen kann,

erschlägt den anderen fast. Damit müssen und dürfen wir leben. Damit,
dass der andere so anders ist, dass ich

dadurch reicher werden kann, dass ich schaue wie es ihm damit geht. Aber
auch verlieren kann, wenn ich nicht

vorsichtig bin. Es muss gesagt werden, finde ich, dass es das Leben auch
komplizierter macht. Dass wir keine

Autos aus der gleichen Baureihe sind.

Da möchte ich mich so manches Mal nur noch verkriechen und weinen,
vor Trauer, Qual, Schmerz, wenn meine

194
eigenen Grenzen eben weit überschritten sind. Nicht der kleinste Teil
meiner Trauer liegt darin, zu sehen, wozu

mancher fähig ist, der schön und stolz seiner Wege fegt. Wie weh es tut
dann Niedertracht zu sehen oder

Gleichgültigkeit dem Schmerz anderer gegenüber. Oder, oder, oder.

Manches Mal beobachte ich, wie ein solch Stolzer einen von ihm als
Niederen eingeschätzten zu demütigen

versucht. Oft gelingt es ihm auch. Aber was dann die Demütigung des
einen scheint, ist für mich Demütigung des

Stolzen, der sich unendlich erniedrigt indem er so boshaft ist. Bosheit


empfinde ich immer als erniedrigend. Wenn

sie benutzt wird das Gegenüber zu demütigen oder Macht über ihn zu
erlangen. Beide sind nach so einem

Zwischenspiel anders. Wer wirklich gedemütigt wurde bleibt die Frage.

Frage auch des Betrachters. Zum Beispiel empfinde ich es als demütigend,
wenn ich sehe, wie ein guter Mann seine

Frau betrügt. Oder umgekehrt natürlich. Das, was zunächst die Ehefrau
demütigt, die Betrogene, demütigt im

Endeffekt den, der betrügt. Wie er es mit seiner Ehre vereinbaren kann, der
ach so Stolze, Unrecht zu tun, bleibt mir

ein Rätsel. Vielleicht zwingt ihn eine unsichtbare Gesetzmäßigkeit in


diesen Weg. Es ist mir passiert, betrogen zu

195
werden, aber statt Zorn habe ich Mitleid empfunden. Mitleid mit dem, der
sich so unendlich erniedrigt, indem er

tatsächlich eine ganz offensichtliche Gemeinheit beging. Es hat mir in der


Seele wehgetan zu sehen, wie ein

schöner Mensch in sich so Hässliches trug. Es hat mir in der Seele weh
getan zu sehen, dass er seine Möglichkeit

gut zu sein nicht nutzen mochte. Sie scheinbar zu seinem eigenen Vorteil
nutzte. Er schien wie blind gegenüber den

ewigen Gesetzen. Denen nämlich, nach denen er einst Rechenschaft dafür


ablegen muss, nicht das Beste gewesen

zu sein, was er hätte sein können.

Vieles ist mir in dem Moment durch den Kopf gezogen. Der Schock und
die Trauer, dass ein Mensch dem ich

vertraut hatte, dieses Vertrauen ganz offen missbrauchte, stellte sich erst
viel später ein. Ich war nur fassungslos,

zunächst, dass dieser Mensch fähig war zu solch niedriger Handlung. Es


hat viel weher getan, ihn so zu sehen, als

der eigene Schmerz des Betrogen Seins. Der Betrug, ihn zu so etwas fähig
zu sehen, war größer als es der sexuelle

Betrug war. Es hat mich viel gelehrt, wenn auch erst nach und nach.

Natürlich macht jeder Fehler. Niemand ist ganz gut, das ist kein Thema.
Viele sind auch gefangen in Süchten

verschiedenster Art. Was so weh tut ist die bewusst begangene


Gemeinheit. Einen Menschen zu sehen, der sich

196
daran erfreut einen anderen zu verletzen.

Gerade war ich einkaufen, wieder so ein Beispiel, und ein Mann hat mich
beschimpft, weil mein Hund sich

losgerissen hat. Statt den Hund zu halten, hat er mich beschimpft. Ich habe
ihn angeschaut und war traurig. Ich habe

es auch gesagt. Sieht so cool aus und beschimpft jemanden, der gerade in
Schwierigkeiten ist. Er ist sehr beleidigt

auf einem Tretroller fort gerollt.

Schade, wieder ein Mensch, der nicht ist, was er sein könnte. Aus was für
Gründen auch immer. Vielleicht hatte er

seine ganz eigenen Gründe, aber sympathisch war sein Tun nicht. Es zeigt,
was ich versuche zu erklären. Auf

englisch sagt man „disgrace“ dazu, „he ́s been disgracing himself“. Er hat
sich selbst in ein ungünstiges Licht

gesetzt.

Vielleicht hatte ich den Hund nicht fest genug angebunden. Ich weiß es
nicht genau. Er hätte nicht fortlaufen sollen.

Es war einer dieser Morgende, kaum noch Geld, der Hund reißt sich los,
jemand schreit, die Wohnung ist nicht

geputzt, ich bin mit dem Schreiben nicht zufrieden, müde. Es gibt solche
Morgende, da kommt eines zum anderen.

Dann noch so ein unangenehmer Mensch, der es nicht weiß, dass dies eh
nicht mein Tag ist. Traurig eben. Eine

197
kleine Geschichte, die doch zeigt, dass der Unterschied zwischen dem
einen und dem anderen manchmal in einer

ausgestreckten Hand liegt.

Es könnte auch manchem weh tun, mich so zu sehen, wie ich jetzt gerade
am Schreibtisch sitze. Nichts in dem, was

ich mir vom Leben erwartete als ich jünger war, hat mich auf dies hier
vorbereitet. Nichts. Ich weiß, dass es

Menschen gibt denen das weh tut. Die Rolle des armen Schreiberlings, des
armen Künstlers ist für die, die zusehen

oft noch schwerer zu ertragen als für denjenigen selbst.

Manchmal ist eben zuzusehen wie jemand misshandelt wird, wie es


jemandem schlecht geht, noch viel schwieriger,

tut noch einmal so weh, wie es demjenigen tut. Zu sehen, wie ein geliebter
Mensch im Unglück versinkt, ist auch

für die, die es betrachten ein Unglück. Das habe ich allerdings erst spät
gelernt. Man kann nicht immer alle

glücklich halten. Manchmal muss man es wagen. Ich habe erst jetzt
gelernt, was immer man tut, man lädt ein

gewisses Maß an Schuld auf sich. Niemand kann leben und schuldlos
bleiben. Es geht nicht. Irgendjemand wird

immer leiden, was ich auch tue. Zu leben heißt schuldig zu werden, an
diesem oder jenem, an sich, an Gott. Ich

schaue zu ihm und bitte um Gnade. Gnade für diesen Mann und für mich.
Immerhin hat er gerade meine

198
Überlegungen um eine Facette bereichert.

Wenn ich das Gefühl habe dieser oder jener rennt direkt in sein Verderben
würde ich manchmal am liebsten

schreien. Vor Schmerz, vor Qual, vor Trauer. Ich traue mich nicht. Ziehe
mich mehr und mehr zurück.

Es kostet manchmal mehr Kraft als ich habe, das zu sehen und zu wissen,
dass der Rückweg hart ist, wenn nicht

unmöglich. In mir sind ungeweinte Tränen, wenn ich sehe, wie dieser oder
jener seine eigene Seele zu verstümmeln

scheint und die der Menschen um ihn her. Viel, viel weher als mein
eigener Schmerz tut, zu sehen wie jemand, den

ich liebe, zu Schaden kommt. Schlimmer noch, einen anderen schädigt.


Das ist eine echt tiefe Qual für mich. Je

besser ich Gott kenne, desto weher tut es mir, wenn sich ein anderer
Mensch dem nicht angemessen benimmt.

Obwohl ich so viel über Gott schreibe, kenne ich ihn so wenig, dass es mir
immer noch wie Hochmut vorkommt

dies alles zu schreiben. Mehr noch, als würde ich sagen: Ah ja, die Queen
von England, ich war mal in ihrem

Palast. Gott ist weit höher und mächtiger und prächtiger, je besser ich also
ihn kenne, je näher ich ihm komme,

desto größer wird die Qual.

199
Mich berührt die Qual, die über dem ganzen Leben zu liegen scheint. Es
scheint die Qual, die die Anwesenheit des

Bösen immer verursacht. All das Blut, das Menschen vergießen um ihre
eigene Qual zu lindern. Oder im

rechtschaffenen Bewusstsein, wie in der Inquisition, in der die Gläubigen


die Gläubigen aufs Rad banden und

ähnliches. Qual über Qual, im Namen Gottes, beide Seiten im vollsten


Bewusstsein recht zu handeln, mehr noch

recht zu glauben. Heute denken wir, die Gequälten sind im Recht, schon
deshalb, weil sie gequält wurden. Während

wir heute die damals gequälten Rechtsprechen, während wir in den


Krisengebieten dieser Welt helfen und

versuchen Frieden zu stiften, quälen wir hier in der Nachbarschaft


manchen mehr, als es die damals oder die weit

entfernt sind je taten. Es ist so viel leichter, die, die weit fort sind, sei es im
Ort oder in der Zeit zu rechtfertigen,

während ich mir damit das gute Gewissen, ein guter Mensch zu sein,
versuche zu erkaufen. Gehe ich gerade in

diesem Moment neben mir über Leichen? In der Zukunft werden sie die
Leichen gerecht sprechen? Bis dahin sind

diese tot. Vielleicht ist es das, was die Bibel meinte, als Jesus sagte: Indem
ihr die Vorväter verurteilt tut ihr das

Gleiche, zeigt, dass ihr ihre Brut, ihre Nachkommen seid. Er sagte, dass
diese Generation eine Verlorene ist. Vor

200
Gott verloren. Indem ich die Schlächter von damals verurteile, mache ich
mich vielleicht selbst zum Schlächter.

Das ist ein schwieriger Gedankengang, Aber so scheint es zu


funktionieren, mehr noch, so scheint Gott es zu sehen.

Mein Herz zu bewahren vor Urteilen aller Art ist also wichtig. Das stellt
wiederum das Problem des Handelns, vor

dem Bonhoeffer stand: Darf ich, soll ich, muss ich mich wehren? Mich
verteidigen? Oder zusehen, beten, vertrauen

dass Gott es tun wird, in seiner Zeit? Wie weit bin ich verpflichtet
einzugreifen? Wie weit mache ich mich auf

welcher Seite auch immer schuldig? Wo liegt das Gute? Ist dieses Buch zu
schreiben gut? Weil es von Gott redet?

Es redet auch vom Gegenüber Gottes. Es redet auch von seiner Macht über
die Menschen und von seinen

Rechtsansprüchen auf jeden von uns. Manchmal kommt es mir vor, als
würde ich unaussprechliches ans Licht

zerren. Dinge, die besser in der Seele verborgen bleiben. Nicht, weil sie
schlecht sind, sondern weil sie eben im

Verborgenen liegen. Als wäre es eine Art Nacktaufnahme. Playboy


Niveau. Aber das ist meist noch hübsch. Als

würde ich Verborgenes enthüllen. Habe ich das Recht dazu? Vielleicht die
Pflicht? Ich weiß es nicht. Ich tue es,

weil es angemessen scheint, weil es zu tun ist.

201
Ich denke daran wie ich eine Bekannte im Gefängnis besucht habe. Ich
kannte sie vorher gar nicht und habe sie auf

Bitten eines Pastors besucht. Selbst dort auf Besuch zu sein, war
bedrückend. Viel Polizei war dort, ich musste alles

abgeben. Da merkt man erst, wie sehr meine Dinge mich ausmachen. Bei
Flughafen Kontrollen ist es ähnlich.

Wenn ich alles abgebe, wer bin ich dann noch?

Durch die Schleuse, die nach Verborgenem sucht, eine enge Kammer, sehr
hoch, aus hellgrauem Beton, fensterlos,

bedrückend. Aus Dummheit war ich dort, würde ich heute sagen, Naivität.
Wieder einmal. Ich fühle mich heute, als

habe mich jemand herein gelegt. Es war eine merkwürdige Erfahrung und
ich war nicht sehr oft dort. Die junge

Frau, die ich besuchte, war wegen Prostitution und bewaffnetem Überfall
dort. Beschaffungskriminalität hieß es

damals. Sie war drogenabhängig. Ich habe ihr 50 Euro gegeben, im


Gefängnis muss man auch Kleinigkeiten

bezahlen und sie hatte sonst niemanden dort, der freiwillig hin gegangen
wäre. Für mich war es damals nicht viel

Geld, aber es zählte. Ich war noch nie reich. In ihren Augen war nur
Verachtung und sie fragte nach mehr. Das hat

mich ziemlich umgehauen, bis mir jemand erzählt hat, wie viel es kostet,
drogenabhängig zu sein. Wie viel Geld

202
man am Tag braucht, jeden Tag, um der Sucht nachzugehen. Es ist
erschreckend. Für einen der für seinen

Lebensunterhalt praktisch immer gearbeitet hat, eine erschreckende


Summe. Manchmal habe ich davon einen

ganzen Monat gelebt und mehr. Von dem, was ein Drogensüchtiger am
Tag verbraucht. Kommt darauf an, wovon

man abhängig ist und wie viel man davon braucht. Erschreckend.
Erschreckend auch, wie viel Geld dort in

Drogenkreisen im Umlauf ist. Frage mich manchmal, wie viel von dem,
was hier passiert auf dieses Geld aufgebaut

ist.

Ich war vorher noch nicht so eng im Kontakt mit diesem Milieu, wusste
nur wenig, wenn auch vielleicht etwas

mehr als die Meisten. Das hat mich echt umgehauen. Es haut mich auch
um, auf wie viel Verständnis oder

Nachgiebigkeit diese Sucht trifft. Manchmal denke ich, statt jemanden, der
betrunken etwas verbrochen hat, frei zu

sprechen, sollte man ihn doppelt verurteilen, denn er war erstens betrunken
und hat zweitens eine Straftat begangen.

Dieses hat im „Suff ein bisschen Dummheiten gemacht“ scheint mir sehr
nachlässig. Und es geht auf Kosten derer,

die weder trinken, noch Dummheiten begehen. Vielleicht ist es ungerecht,


denn es ist schon Sucht, und damit nicht

203
völlig beliebig abstellbar: Aber es gesellschaftlich zu tolerieren oder zu
akzeptieren scheint wie ein Freibrief.

Es ist erschreckend, wie viel Macht die Droge hat. Jede Droge. Wie viel
wir Menschen von diesen Drogen unseres

Lebens bestimmt werden ist erschreckend. Da ist mir die Droge der Nähe
zu Gott noch am liebsten. Wenn es denn

für niemanden ohne Droge geht, der einen oder anderen Art. Jeder
Computer hat das Potenzial zur Droge zu

werden, so will ich doch lieber bei Gott leben als in jeder anderen Droge.
Er hat versprochen, dass dies frei setzt.

Frei setzt von allen anderen Mächten, die versuchen mein Leben zu
bestimmten. Dort, im Gefängnis, war auch

Angst in mir, Angst, für immer dort bleiben zu müssen. Alles, was hier
wichtig schien, verblasste, verlor an Kontur,

an Wichtigkeit. Eine ganz seltsame Erfahrung. Es ist alles wirklich sehr,


sehr relativ, alles, worauf dieses Leben

aufgebaut ist. Nur, wer sein Leben auf festen Stein baut, der wird sich im
Sturm geschützt finden. Es kommen

immer Stürme. Immer. Ich glaube nicht, dass es ein Leben gibt, dass ganz
davon verschont ist. Wenn es so wäre, so

wäre es für denjenigen gar nicht gut, denn er würde keine Chance haben zu
merken, dass er eigentlich einen Felsen

204
braucht, statt des weichen Bodens auf dem er da sein Leben baut. Was
zählt wirklich? Ich war nicht lange genug in

diesem Gefängnis um es heraus zu finden, was dort zählt. Schon alleine


das Gefühl, nicht gehen zu können ist

schrecklich. Ich weiß nicht, was es mit jemandem macht, der lange damit
leben muss.

Ich möchte noch etwas zu dem, was ich als meine Naivität bezeichne,
sagen. Ich meine damit, dass ich Dinge tue,

die mir hier, im Gefüge dieser Welt, schaden. Ob sie mir in der anderen
Welt als Bonus gerechnet werden, wird sich

zeigen, wenn ich dort bin. Auf jeden Fall macht es, dass ich mich auf jene
Welt freue. Nach den Prinzipien der

dortigen Welt hier zu leben kann, kann wirklich in fast unheilbare Naivität
ausarten. Es gibt viele Menschen, die

sich dies zu Nutze machen, um den Naiven zu schädigen, auf Grund seiner
Naivität. Vielleicht haben sie sogar

Recht. Sie sammeln Bonuspunkte für ihre Welt. Ich sammle Bonuspunkte
für meine Welt. Wer Recht hat wird sich

am Ende zeigen. Falls nicht jeder auf seine Art recht hat.

Gehen wir alle am Ende in eine dunkle Gruft ohne Morgendämmerung,


dann haben sie vielleicht recht. Stehen wir

einst vor Gott, so muss es sich erweisen, ob es gelungen ist. Zu versucht


haben nach seinen Regeln zu leben. Ob es

Gelungen ist kann nur er beurteilen.

205
Jesu Maßstab war streng. Viel strenger noch als die Gesetze des alten
Testaments. Je mehr ich weiß und verstehe,

desto verantwortlicher bin ich für das, was ich weiß. In meinen Augen ist
dann jeder, der gegen diese Gesetzte

aufsteht, naiv. Im Grunde hat jene Frau, die mich der Naivität
beschuldigte, sich als naiv geäußert. Meist sagt ein

Urteil viel mehr über den aus, der urteilt, als über andere.

Wenn ich über jenen Mann schimpfe, sagt es vielleicht auch mehr über
mich, als über jenen Mann. Es kommt alles

auf den Maßstab an, mit dem man dieses Leben misst. Ich habe gefunden,
dass ich in diesem Leben eine größere

Zufriedenheit gefunden habe, selbst inmitten von Kümmernissen und


Sorgen, als jene, die nach ihren eigenen

Maßstäben leben. Jeder muss im Ende vor seinem eigenen Gott bestehen.
Wenn dich dein Gewissen nicht

verurteilt..... .Meines verurteilt mich oft, aber das tut es ziemlich


gleichgültig was ich tue. Ich versuche also ihm so

gut ich kann gerecht zu werden. Was im Ende Naivität ist, wird sich eben
im Ende zeigen. In dem, was nach dem

Ende kommt. In gewisser Weise bin ich vielleicht sogar berechnender als
viele, denn ich rechne auf ewigen Lohn.

Rechne darauf vor Gott bestehen zu wollen. Fürchte Gott zu sehr um zu


beliebigen Handlungen fähig zu sein. Ich

206
habe in diesem Leben oft Angst, weil ich ihm nicht genüge, weil es nie gut
genug scheint. Weil der Maßstab, nach

dem ich dieses Leben lebe, immer fremder wird. Immer mehr von ihr
abgewandt ist. Ich hoffe auf jene Welt, in der

ich sehr, sehr viel mehr Zeit verbringen werde als in dieser. Daher meine
Berechnung. Lieber zu versuchen, so gut

ich es kann, nach den Gesetzen jener Welt zu leben, als nach denen dieser.
Jeder neue Schritt ist ein Stolpern und

ein Wieder Aufstehen. Ob es naiv ist kann erst der entscheiden, auf dessen
Maßstab ich versuche dieses Leben zu

bauen. Wenn es auf Fels gebaut ist, wird es nicht untergehen.

19

Ich frage mich was wohl die Übel dieser Welt bannen kann. Erfolgreich
bannen kann. Wie es ist für einen anderen

Menschen in den Kampf zu ziehen. Ein Mensch, der vielleicht nie wissen
wird, dass jemand für ihn in den Kampf

gezogen ist.

Es erinnert mich an den „Herrn der Ringe“, wo „Streicher“, eigentlich


König, sein Leben damit verbringt,

Menschen zu schützen, die ihn verachten und ihm misstrauen. Doch wenn
sie ein gutes und langes Leben führen

können, so ist das viel wert.

Es ist unschön was Menschen Menschen antun, sich untereinander antun


können. Unschön ist noch ein mildes

207
Wort. Immer klarer scheint, dass Folter, sei sie physisch, oder psychisch,
aus den Tiefen der Seele entspringt. Das

Bedürfnis einem anderen weh zu tun scheint tief zu sitzen. Befriedigung


und Machtgewinn zu versprechen. Der

Wunsch Macht zu haben, denn jemandem Schmerz zuzufügen heißt Macht


zu haben über ihn, sitzt tiefer verankert

als gut ist für jeden von uns.

Ich meine hier nicht die unabsichtlichen Verletzungen, die jeder Tag mit
sich bringt. Das Bedürfnis jemandem weh

zu tun oder, schlimmer noch, das gewisse Lächeln, mit dem mancher
registriert, dass es ihm gelungen ist, zu

verletzten, die diabolische Freude einem anderen weh zu tun, die mancher
zeigt.

Freude daran einem anderen Schaden zuzufügen ist rein menschlich. Tiere
mögen sich gegenseitig töten, doch sie

tun es ohne Freude. Die Freude jemanden zu quälen ist eine menschliche
Eigenschaft und wirklich keine Schöne.

Zudem gibt es sie in vielen Varianten. Von den Kindern im Sandkasten,


die einander die Kuchen oder Schlösser

zerstören, über die Jugendbanden, die einen wehrlosen Menschen


angreifen, über Männer, die Frauen oder Kinder

schlagen, oder Frauen die fiese kleine Intrigen aushecken um ihren Willen
durchzusetzen.

208
Vielleicht ist es der Versuch, den eigenen Schmerz zu betäuben. Indem ich
einem anderen Schmerz zufüge, scheint

das Ich zu gewinnen. Es gibt Menschen, die dem Frosch die Beine
herausreißen und sich dann wundern, dass er

nicht mehr springt. Heißt übersetzt, manchmal mag diese Form der
Missachtung sogar ein Zeichen von Interesse

sein. Ein Mächtiger misshandelt oft nicht den armen Wurm, von dem er
sich nichts erwartet. Er wählt den

Günstling. Den Schönen. Den, der ihm interessant erscheint. Vielleicht


den, den er als von Schicksal zu begünstigt

betrachtet.

Im anderen rumzupieksen um heraus zu bekommen, wie er tickt. Oft geht


Erfolg diesen Weg. Den Weg, auf dem

der besonders Begabte besonders bezahlen muss. Für seine Begabung,


seine Privilegien. Der Weg nach dem

angestrebten „Oben“, meist ein materielles Oben, führt durch die


Schattenseiten des Gefallen-Müssen. Nur der, der

das Übersteht, hat eine Chance die angestrebte Position zu erreichen. Man
denkt, mit dem Geld, mit dem

materiellen Wohlstand habe ein Mensch mehr Sicherheit. Weniger zu


fürchten. Aber das Gegenteil ist der Fall.

Gesellschaftlicher Erfolg ist nur für den, der eigene Ideale aufgibt.

Mancher tickt nach einer Weile unter Umständen überhaupt nicht mehr.
Kann nicht Schritt halten. Nicht den Mund

209
halten. Nicht genug einstecken. Sie sind das Abfallprodukt der
Erfolgsleiter.

So wie ich, zum Beispiel. Gottes Wege schienen mir ab einen bestimmten
Punkt in meinem Leben erstrebenswerter

als der berufliche Erfolg. Es hätte mehr gekostet als ich bereit war zu
geben. Die Konsequenz ließ nicht auf sich

warten. Durch finanziell schwierige Jahre hat Gott mich zu dem Platz
geführt, an dem ich jetzt relativ ruhig leben

kann. Aber es war ein Kampf bis hierher zu gelangen und manchmal ist es
das immer noch.

Es gibt, anderes Beispiel, Eltern, die beschimpfen ihre Kinder fast


unaufhörlich und wundern sich am Ende, wenn

diese Kinder auf eine schiefe oder zumindest nicht genehme Bahn geraten.
Der Frosch kann nicht so springen, wie

er soll. Oder nicht so, wie sie es gerne hätten. Damit müssen dann alle
leben. Das ist ein weiteres Handicap für den

Suchenden, denn das - war doch nur ein Spaß – kann sehr grausam sein.
Für den Einen mag es wirklich nur Spaß

sein, oder als Spaß getarnte Grausamkeit, für den anderen kann es ein
seriöses Handicap bedeuten.

Der erwähnte Frosch wird sein Leben ohne Beine wenig erfreulich finden,
so sehr ihn der Junge, der sie ausriss

auch beschwören mag. Selbst bitterste Tränen der Reue helfen dann nicht
mehr weiter. Denn kaputt ist manchmal

210
unheilbar kaputt. Manches ist im Menschen zerbrechlich, wie feines
Porzellan. Ist es hingefallen, ist es kaputt und

wird nie wieder sein, was es war. Für alle Seiten nicht. Denn auch der, der
es fallen ließ, muss damit leben, dass

dieses Ding jetzt kaputt ist. Das, was er für so stark und schön gehalten
hatte, liegt in einem miserablen kleinen

Häufchen zu seinen Füßen.

Wie schon gesagt, vieles passiert im Laufe des Lebens. Auch ohne jede
Absicht kann man es nicht verhindern

jemandem weh zu tun. Selbst Gottes Wege zu wählen kann den verletzten,
der sich anderes erwartet hat vom

geliebten oder zumindest nahe stehenden Menschen.

Da, wo es unschön wird, ist, wenn eine Verletzung mit Absicht geschieht.
Mit der Absicht dem anderen zu schaden.

Mit der Freude dem anderen weh tun zu können. Das sagt jeweils leider
sehr viel über den Menschen aus. Es sagt

viel über beide, den, der misshandelt genau so wie den, der erleidet.

Ich habe gelesen, dass sexueller Missbrauch nicht so sehr mit Sex zu tun
hat, sondern mit Macht. Mit dem Wunsch

jemanden zu beherrschen. Diese Art von Missbrauch ist so weit verbreitet,


dass man es schon nicht mehr zählen

kann. Zumindest in seiner weiteren Definition, die nämlich jede Berührung


beinhaltet, die dem, der sie bekommt

211
unangenehm ist oder aufgezwungen. Sexueller Missbrauch fängt bei jeder
Berührung an, die dem anderen nicht

gefällt. Die ich um meinetwillen ausführe, nicht um seinetwillen. Die Übel


der Seele zeigen ihr hässliches Gesicht.

Als würde man ihnen dienen müssen, unentrinnbar.

Hier kommt wieder der Glaube an einen guten und gütigen Gott zum
Tragen. Es scheint, als könne nur er davon

befreien, den Übeln meiner Seele zu dienen. Als hätte ich sowieso keine
freie Wahl, entweder ich diene ihm, diesem

Herrn und Gott, oder ich diene den Übeln meiner Seele, den Kräften, die
meine Seele beherrschen und mein Herz

auf ihre Wege zwingen.

Loszubrechen mag das Leben kosten. Doch mag es zuzeiten besser sein
dieses Leben zu verlieren als Jenes. Es

scheint wie ein Tabu, das zu brechen Angst macht, ganz tiefe Todesangst.
Manchmal frage ich mich, wer der

Gequälte ist, der, der misshandelt oder der, der missbraucht wird. So
schockierend das scheint. Wenn man die

Geschichten dse Täters verfolgt, so sind oft gerade die Grausamsten selbst
Opfer von fast unerträglicher

Grausamkeit gewesen. Bevor sie angefangen haben, sich selbst auf diese
Art Luft zu machen. So um ihr eigenes

Leben zu kämpfen.

212
Auf der anderen Seite lauert oft genug der Wahnsinn. Kaum jemand würde
von sich selbst sagen, dass er grausam

wäre oder ungerecht. Alle möchten gerne das Gute, das sie nicht schaffen,
für sich beanspruchen. Täter wie Opfer.

Nicht zu urteilen, nicht zu verurteilen ist schwer. Paulus schreibt dass der,
der urteilt, das Gleiche tut oder tun

würde wie das, das er verurteilt.

Unsere Seele lässt uns immer wieder schuldig sein. Wir brauchen
jemanden, der uns von uns selbst erlöst, anders

geht es nicht. Bis dahin ist jede falsche Zuneigung eine Form von
Missbrauch. Dem Wunsch nach Sex

nachzugeben, selbst zwischen übereinstimmenden Partnern, mag ein


Machtkampf sein, mag von Hass bestimmt

sein, und dem Wunsch, dem anderen etwas weg zu nehmen, ihm meinen
Müll überzustülpen um mich seiner Kraft

zu bedienen. Wenn es nicht innerhalb von Gottes Gnade statt findet, so


kann es kein Ausdruck von Liebe sein.

Allerdings scheint es, als liefe das Gefühl geliebt zu werden manchmal
über Sex. Mit Lust scheint das nicht

besonders viel zu tun zu haben. Vielleicht bin ich auch nur altmodisch.Aus
der Zeit, in der ich am Theater

gearbeitet habe weiß ich, dass Sex manchmal wie das weniger Intime
schien. Mehr wie eine Verlängerung von

213
Arbeit, gemeinsamer Arbeit, gemeinsamem Schlafen.

Aber wo Gottes Gesetze übertreten werden folgt Lieblosigkeit, Hass, Wut,


Neid. Manches Paar hält dies besser

zusammen als Liebe. Der Nutzen oder das Ansehen, das es bringt, mit
diesem Partner zusammen zu sein treibt

viele. Mich selbst gut zu fühlen, mich nett und großherzig zu fühlen, weil
ich bei ihm/ihr bin. Über jemanden, den

ich bewundere Macht zu haben. Es gibt auch ein paar Instinkt-getriebene


Gründe, Fortpflanzung, der Wunsch nach

Nähe, das Bedürfnis, berührt zu werden. Es gibt ein bisschen Chemie.


Natürlich gibt es auch echte Zärtlichkeit oder

Zuneigung oder Liebe. Doch diese ist eine Entscheidung. Eine


Entscheidung, die täglich neu getroffen wird. Sie ist

kein flüchtiges Begehren, sondern tiefes Übereinstimmen mit dem, was der
andere mitbringt. Eifersüchtiges

Wachen über die besonderen Wege eines besonderen Menschen. Das, was
im Körper passiert, wenn ich auf jemand

anderen treffe, ist mächtig genug. Wie oft geht es dabei um mich mehr als
um den anderen. Selbst wo es mir

äußerlich um den anderen zu gehen scheint, mag es immer noch helfen


mich gut zu fühlen, wenn ich einem

Schwächeren helfe.

Es ist hier in der westlichen Gesellschaft nicht anders als überall auf der
Welt, eher noch grausamer. Der Mensch

214
von heute ist nicht wesentlich anders als der Mensch seit jeher. Ich habe
ein Bild von Jeff Koons gesehen, es heißt

Geisha. Es hat mich daran erinnert, wie Menschen heute vielleicht


aussehen. Im Bild sind ein paar Zeichentrick-

artige Figuren in Drohgebärde. Stark, Comicstrip-ähnlich, ein paar schwer


deutbare, weil durch weiße Farbe

verwischte Figuren, ein paar Affengesichter. Alles verkleckert und wieder


und wieder übermalt, fast wie eine

Leinwand, auf der der Maler bereits mehrere Bilder angefangen hat, bevor
er es für eine letzte Zeichnung nutzt.

Den Akt einer Geisha. Lang hingestreckt liegt sei, das Gesicht in der Mitte
in Orange. Als wären wir so. Als wären

unsere Seelen so explodiert. Ein paar Lebensentwürfe, nicht ganz klar,


nicht ganz ausgeführt. Alles überpinselt in

dem Versuch, die Unschuld wieder herzustellen. Mit feinem Strich ein
attraktives Gesicht gezeichnet und ein

attraktiver Körper. Als erschüfen wir uns selbst aus der Vielzahl unserer
Leben. Hätten beschlossen welche Fassade

die für den Betrachter Gültige sein soll. Stets fähig zurück zu greifen auf
frühere Entwürfe.

Seit Picasso Anfang des Jahrhunderts darzustellen schien, wie der Mensch
verschroben ist, verschoben ist, in sich

215
geteilt, keine Einheit mehr, so scheint der moderne Mensch nur noch aus
Stereotypen und etwas Farbe zu bestehen.

Aus lauter Angst vor sich selbst malt er schnell ein hübsches Bild darüber.
Aber das ändert den Zustand nicht. Ganz

im Gegenteil, es betoniert ihn geradezu fest.

Das Bild von Jeff Koons ist auf dem eisernen Vorhang der Staatsoper
Wien im Jahre 2008 und so ist es auch. Stahl.

Der Mensch in der heutigen Zeit. In der er am meisten sich selbst flieht.
Das, was da aus seinen eignen Tiefen

steigt. Schnell drüber malen, es verbergen. Es ist wie in diesem Bild


ziemlich Furcht erregend, was da aus der Seele

empor steigt. Ich habe nicht die geringste Ahnung, ob Koons es so gemeint
hat.

Man nennt es Rezeptionsästhetik. Es sind meine Gedanken angesichts


eines Bildes. Es lässt mich erschrecken vor

dem, was wir sind und ich glaube auch vor dem, wozu wir fähig sind, um
das, was wir haben, zu verteidigen. Wenn

die hübsche Zeichnung von mir selbst, das, was ich möchte was der andere
von mir sieht und denkt, verblasst oder

droht aufzufliegen, dann werden mörderische Energien frei. Denn wer bin
ich dann noch? Was bleibt, wenn ich -

vielleicht sogar ahnungslos - einen anderen gequält habe bis an den Rand
der Vernichtung oder darüber hinaus? Wer

216
bin ich dann? Was bleibt von mir, wenn ich zugebe, dass ich das getan
habe, fähig bin das zu tun? Selbst

ahnungslos müsste ich vor mir zugeben, den Schmerz des anderen
entweder nicht gesehen oder nicht ernst

genommen zu haben. Was macht das aus mir? Da werden unglaubliche


Energien frei.

Trotzdem, oder vielleicht gerade deshalb, zur Balance, sind wir Menschen
in den größten Momenten des Daseins

fähig Dinge von fast unerträglicher Schönheit und Bravour und Größe zu
schaffen und zu tun. Große Hingabe,

Zärtlichkeit, Treue, Aufopferung, Freundschaft, Kreativität,


Erfindungsgeist, Glauben, Sehnsucht und vieles mehr.

Ob mit oder ohne Gott, der Mensch kann sich in manchen Momenten
erheben über das Mensch Sein. Momente, in

denen er Gott ähnlich ist. E

Ein Mensch kann ein gutes, ordentliches Leben führen ohne viel über Gott
nachzudenken. Trotzdem sein Ziel

verfehlen. Seltsam, dass oft die Zerrissenen als Erste den Weg zu Gott
suchen und finden. Vielleicht braucht ein

Mensch, dessen Leben in ordentlichen, vorgezeichneten Bahnen läuft, ihn


nicht. Spürt den Hunger der Seele nicht,

weil er meint genügend Dinge zu haben, die diesen Hunger stillen können.
Im Zweifelsfall ernährt er sich wie ein

217
Kannibale von seinen Kindern und sieht doch so brav und ordentlich aus.
Man steckt eben nie drin in der Haut

dessen, den man da gerade sieht.

Die Seele jedoch hat geradezu unerträglichen Hunger, Sehnsucht nach


jenen Gefilden, die Frieden versprechen und

Glück. Vor allem aber die Anwesenheit des geliebten und ersehnten
Wesens. Wir alle stecken mit den Füßen tief im

Schlamm und mit dem Kopf hoch in den Wolken. Diesen Spagat zu
bewältigen führt manchen an den Rand des

Abgrunds des Wahnsinns. Manchen führt es auch dazu seinen


Rettungsanker nach dem auszuwerfen, der als

Einziger ein Fixpunkt ist in diesem Universum. Jener, der einst alles schuf
und auf den alles hinläuft. Der Anfang

und Ende ist. Der einzig uns herausziehen kann aus dem Schlamm, der uns
die Füße waschen kann, wie Jesus die

Füße seiner Apostel wusch. Er wusste und machte es deutlich, jeder


Mensch braucht es, jeder.

Wer sonst kann mich erlösen von mir selbst? Wer kann der Qual meiner
Seele Frieden schaffen? Auch, dass ich es

nicht mehr nötig habe andere zu quälen? Nur ein starker gnädiger Gott
kann diese Fesseln zerreißen und aus mir

etwas machen, dass mehr ist als ein wildes Tier, mehr als ein aufgemaltes
schönes Bild. Aber es ist zum Teil auch

218
Zwang. Der gesellschaftlicher Konsens verlangt, dass ich mir ein solches
Bild, eine solche Oberfläche aufdrucke,

um für andere erträglich zu sein. Um mir selbst erträglich zu sein.


Schließlich funktioniert es nur, wenn ich auch

glaube, dass ich jenes Wesen auf dem Bild bin. Wo dieser Glaube zerbricht
und die Untiefen an die Oberfläche

kommen, ist Wahnsinn nah. Oder die Qual wird so groß, dass ich es an
anderen auslasse. Auslassen muss. Oft fehlt

Zeit, Kraft, Wissen um in die Tiefen hinab zu steigen und in sich selbst
aufzuräumen. Das ist wirklich der einzige

Weg diese Welt nachhaltig zu verbessern. Die eigenen Dämonen zu


besiegen bedeutet diese Welt ein Stück besser

zu machen. Vielleicht mehr, als wenn ich eine Millionen Euro für einen
guten Zweck spende. Was man natürlich

tun sollte, wenn man es kann. Es ist kein ruhmreicher Kampf, der, den man
gegen die eigene Dunkelheit führt.

Heutzutage ist es äußerst unattraktiv Zeit und Geld darauf zu verwenden,


sich damit auseinanderzusetzen böse zu

sein. Die Gesellschaft hat das Böse scheinbar abgeschafft. Schon das Wort
ist anstößig. Bestehende Kurse scheinen

fast alle lehren zu wollen wie man erfolgreicher wird in dieser Welt. Wie
man mehr Geld verdient. Es gibt viele

Selbsthilfe Kurse, wie man seine Seele reinigt und pflegt lehren die
Wenigsten. Vielleicht wissen es nur Wenige? Es

219
hat anscheinend noch nie so viele Kurse gegeben, die es praktisch jedem
ermöglichen, irgendwo anzufangen.Ob

solch ein Kurs dann in die richtige Richtung führt kann erst die Zeit
erweisen. Leider gilt das auch für manche

religiösen Kurse.

20

Wenn ich mir vorstelle, dass meine Seele viele Ebenen hat, auf denen die
verschiedensten Ungeheuer hausen,

macht es sogar Spaß sie zu besiegen. Die Ungetüme lauern überall.


Manchem, dem es um das Gute geht, dienen sie

als Rechtfertigung, zu foltern oder zu töten, wie es auch im Krieg immer


wieder geschieht. Die Frage ist nicht, ob

gefoltert wird und gemordet wird, sondern die Frage ist in wessen Namen
es geschieht und ob es Möglichkeiten für

Menschen gibt, zu lernen das nicht zu tun. Lieber zu erleiden, wie Jesus
und seine Apostel. Sich zu gut zu sein

Böses mit Bösem zu erwidern.

Die bösen Geister loszuwerden ist jedenfalls ein echtes Vergnügen. Wie
weit reicht der Wille gut zu sein? Wie weit

reicht die Furcht vor Gesetzen? Solange es keine Mühe kostet ist es einfach
gut zu sein. Erst da, wo es anstrengend

ist, oder da, wo ich mich gar bedroht fühle, da wird es spannend.

21

220
Ich habe vorher schon davon erzählt, in dem Film „Schwarze Diamanten“
bekommt ein Junge ein Gewehr, Alkohol

und sehr viel Anerkennung und Macht. Es ist etwas, das er vorher so nicht
hatte. So lernt er zu morden. Mit

verbundenen Augen schießt er auf Menschen, dann auch ohne Binde. Auf
einmal scheint er jemand zu sein. Jemand

Wichtiges. Jemand, vor dem andere Angst haben. Ein großer Unterschied
zu dem Schuljungen, der er vorher war.

Es zeigt genau, dass er nicht fähig ist, mehr als ein Schuljunge zu sein,
denn er kann der Versuchung nicht

widerstehen. Doch er überlebt. Vielleicht wäre er später ein Rebell


geworden. Einer, der auch Gnade kennt. Aber

zunächst mordet er auf Befehl, wahllos. Die, die gut zu ihm sind, sind die
Mörder. So lernt er für sein Leben denen

zu vertrauen, die ihn benutzen. Ihm dafür aber Bedeutung geben.

Im Ende werden die Rebellen besiegt und er geht zurück zur Schule.
Allerdings scheint er nicht sehr erfreut, er hat

etwas gekostet, dass ihm nicht, oder noch nicht bestimmt war. Das hat ihn
trunken gemacht, vielleicht war es auch

wie eine Droge. Er sieht nicht glücklich aus zurück in die Zivilisation zu
kehren. Dass hier oder dort Dinge lauern

die ihm noch mehr Befriedigung geben können, wer wird es ihm sagen?
Wer vermag es zu lehren? Wird er es

221
finden oder die Kriegszeit als glücklichste Zeit seines Lebens in
Erinnerung behalten?

Ich denke an meinen Großvater, der voller Begeisterung in den ersten


Weltkrieg zog. Er war fest überzeugt für eine

gute und gerechte Sache zu kämpfen. Er hat viel mitgemacht. Verdun,


Kriegsgefangenschaft in Frankreich,

jahrelanger Krieg. Er hat selten darüber gesprochen. Was macht das mit
einem Menschen?

Wer würde in der Situation, in der dieser Junge steht sagen: Das mach ich
nicht? Auch um den Preis seines Lebens?

Hatte er, mit Alkohol und Drogen voll gestopft, überhaupt eine Wahl?
Gerade Kinder haben oft keine andere Wahl

als die grausamen Spiele mitzumachen, die um sie herum geschehen. Bis
sie selbst schließlich andere in den

schaurigen Reigen zwingen. Wer durchbricht eine solche Kette? Wer hat
die Macht aus diesen Zusammenhängen zu

fliehen? Wissend, dass Tod die Strafe für solche Ausbrecher ist? Auch
heute ist das noch so sicher wie in jenem

Rebellenlager.

Zu lernen, dass es nicht cool ist mit dem Gewehr und dem Alkohol stark zu
sein ist schwer. Zu groß ist der Druck

der Anerkennung. Anerkennung um jeden Preis. Aber cool ist der, der
aufstehen kann um zu sagen: Das mach ich

222
nicht mit. Ich quäle keine wehrlosen Menschen. Auch um den Preis
persönlicher Opfer.

Zwischen Rebellen und Soldaten besteht nicht viel Unterschied. Beide


benutzen Gewalt um das, was sie wollen, zu

erreichen.

Mahatma Ghandi hat einen ganz anderen Weg gezeigt. So etwas wie
Zivilcourage. Zivilen Ungehorsam, sozusagen.

Ohne Gewalt und doch mächtig. Wer hat den Mut?

Selbst wenn man den Widerstand zu denken wagt oder denken kann, genug
gelernt hat um ansatzweise zu

durchschauen, „wie der Hase läuft“, dann bleibt doch, dass es hunderte von
Arten gibt jemanden zu morden.

Jemandem weh zu tun ist leicht. Die Zerstörung geht so viel schneller und
müheloser als etwas zu bauen. Etwas zu

stehlen scheint so viel einfacher als dafür zu arbeiten. Aber wer hat schon
die Kraft sich dem zu entziehen, wenn

nur das Haben, nicht aber der Weg des Erreichens eine Rolle spielt. Da
weiter zu gehen wo das eigene Leben, der

eigene Verstand bedroht wird. Wo Menschen sehr grausam reagieren auf


jemanden, der nicht dazu gehört. Trotz

aller guten Predigten, aller Aufklärung ist es eher schlimmer geworden in


dieser Welt.

Diese Welt ist manchmal wunderschön, aber manchmal scheint es, als
würde das Grauen oder die Angst Menschen

223
besser zusammenhalten.

Adam und Eva beschuldigten sich gegenseitig, als sie Gottes Gebot klar
übertreten hatten. Adam schob Eva die

Schuld zu und Eva schob es auf die Schlange. Trotzdem waren beide
schuldig vor Gott. Beide waren verantwortlich

für das, was sie getan hatten.

Die Konsequenzen ertragen wir noch immer. Noch immer schaut der Mann
auf seine Arbeit, die ihm meistens, so

sehr er sich auch bemüht, nur Dornen und Steine, sprich Ärger,
einzubringen scheint. Noch immer sehnt sich die

Frau nach der Zuwendung des Mannes, der darüber hinweg geht. Noch
immer baden die Kinder das aus.

Obwohl, Adam und Eva hatten im Paradies keine Kinder. Vielleicht war es
deshalb dort so friedlich.

Gottes Gebote zu übertreten trägt immer Konsequenzen. Manchmal sieht


man das sofort. Oft dauert es Jahre bis

offensichtlich wird, dass etwas vielleicht verkehrt läuft. Auch wenn Gott
gnädig vergibt, so vergibt er die Schuld,

die ihm gegenüber besteht. Von den Konsequenzen befreit er meines


Wissens nicht.

Dadurch entsteht das ständige Bedürfnis in seiner Nähe zu bleiben. Am


lebendigen Quell zu trinken. Durst zu

haben, am Tisch des lebendigen Brotes zu essen. Um nicht auf Abwege zu


geraten. Der Hunger nach guter Nahrung

224
für den Geist treibt den, der einmal davon gekostet hat.

Für jedes winzige Stückchen solcher spiritueller Nahrung spürt er den


mörderischen Hass derer, die selbst nicht

aufbrechen. Sei es aus Mangel an Mut, Mangel an Gelegenheit, Mangel an


Wissen.

Aber was sind sie, wenn jene, die aufbrechen, recht haben? Was, wenn sich
heraus stellt dass der, der gewagt hat

nach Gott zu suchen, der Weisere war? Das kann gesellschaftlich nicht
stehen bleiben und wird massiv bedroht.

Ich habe manchmal solche Bedrohung gespürt. Sie ist nicht greifbar, nicht
fassbar, und löst trotzdem Todesangst

aus.

Ich habe Gott heimlich gesucht, ohne Wissen der Umgebung. Habe hinter
Bildern und Büchern und in Menschen

nach ihm gesucht. Bin auf allen Vieren durch die Bücherei gekrochen um
an interessante Bücher zu kommen. Habe

jetzt zumindest so viel gesehen, dass ich einen Anflug verspüre, meine
Seele ab und an zu klingen scheint. Ich fühle

mich wie eine Schnecke, weil ich über 30 Jahre dafür gebraucht habe.
Manchmal scheint es so offensichtlich. Das,

was ich so lange nicht gefunden habe.

Trotzdem fühle ich mich manchmal bedroht, bedroht als bringe schon
dieses leise Klingen etwas ins Wanken, dass

225
um jeden Preis erhalten werden muss. Es hat mich niemand je offen
bedroht. Allerdings habe ich mich oft gejagt

gefühlt. Auf Parkbänken, in Cafés, beim Einkaufen, selbst im geliebten


Theater.

Das Gefühl stellt sich leicht ein, vor allem da, wo ich versuche Gott, oder
seiner Liebe, ein Stück näher zu kommen.

Das Suchen macht mich empfindlich. Verletzlich. Mancher geht vielleicht


weit auf dem Weg zu Gott ohne so etwas

je zu erleben oder zu fühlen. Andere werden vielleicht bei dem leisesten


Hauch dieser Gefühle zurück schrecken.

Wer kann sie dafür tadeln. Es ist erschreckend mit all dem fertig zu werden
was da aus der eigenen Seele steigt und

aus der des Gegenübers.

Adam und Eva waren damals so etwas wie Prototypen. Wie


Repräsentanten der gesamten Menschheit. Es ist wie

Bananen in Belgien zu pflanzen. Es geht eben nicht, weil es in Belgien viel


regnet und selten warm genug wird.

Jeder grinst schon bei der Erwähnung, weil es etwas Lächerliches hat,
alleine schon der Versuch. Bananen wachsen

eben nicht im eher kühl feuchten Klima. So sind sie eben. Außer vielleicht
in Gewächshäusern. Große Plantagen

bräuchten Sonne. Bananenstauden brauchen sehr viel Wärme und Sonne.


Ähnlich waren die Menschen im Paradies.

226
Sie konnten dort nicht bleiben.

Kein Mensch, der vielleicht nicht gerne ein Bisschen wäre wie Gott, wenn
er könnte. Die Meisten denken, sie

wüssten es sowieso besser. Das ist auch schon der ursprüngliche


Sündenfall. Gott nicht zu vertrauen, sondern zu

denken, ich weiß es besser.

Neid, Gier, Unglauben. Immer daran denkend, was man selbst gerne täte.
Selbst jemand, dem bewusst ist, dass er

selbst nicht immer vertrauenswürdig ist, denkt er weiß es besser als Gott.
Ist er dann Gott? Wäre ein Mensch gerne

selbst Gott um zu entscheiden was in dieser Welt geschieht? Wenn er es


wäre, kommt dann gleich als Nächstes der

Hass, weil Gott so vollkommen ist und der Mensch nicht? Weil Gott uns so
gemacht hat? So matschig, so den

niedrigeren Bedürfnissen verbunden?

Es ist der Stolperstein der Menschheit. Nicht Hass war der erste Fehler,
Hass und Angst erwuchsen erst aus dem

fehlgeschlagenen Versuch Gott ähnlicher zu sein. Dem Neid auf die


Privilegien, die Gott zu haben scheint. Ein

Erkennen Gottes kann tiefe Liebe hervor bringen oder mörderischen Neid.

„Ich wär' so gern wie du“, sagt der Orang Utan König zu Mowgli und
bringt ihn halb um dafür. Er weiß nicht, was

es alles beinhaltet Mensch zu sein. Er sieht nur das Feuer, dass er nicht
beherrscht. Das ihm nicht dient. Also will er

227
es haben.

Ich wäre ein besseres Du als Du es bist scheint es zu sagen. Mangelndes


Vertrauen, mangelndes Wissen, mangelnde

Demut haben uns hinein stolpern lassen in das Getrennt-Sein von Gott.
Schwups, schon passiert der erste Mord.

Auch dieser geschieht aus Neid. Kain beneidet Abel um die Vertrautheit
mit Gott. Weil der Gott, der uns so fremd

geworden ist, den einen Bruder zu bevorzugen scheint.

Bevor ich meine eigene Nase anfasse und überlege, ob es in mir Gründe
dafür gibt, schlage ich den anderen tot.

Dabei hatte Gott Kain gewarnt und gesagt, wenn du gerecht bist, ist es kein
Problem. Aber pass auf, die Schuld

lauert vor deiner Tür. Wenn du recht tust, sagte Gott, wirst du nicht
grollen. Im rechten Tun liegt schon Lohn. Der

Lohn des Friedens. Kain wollte das nicht. Er wollte, dass sein Bruder nicht
hat, was er für sein fehlendes Bemühen

nicht hatte.

Gott fragt Kain nach dem Bruder. Dieser hätte stolz auf den Bruder sein
können. Sich mit ihm freuen über dessen

Nähe zu Gott. Aber so sind wir Menschen eben leider nicht. Leider. Es
scheint nur einen Weg zu geben dem zu

entkommen. Nämlich erlöst zu werden. Jemand muss die Fessel, die mich
knechtet, beherrscht, fest hält,

228
aufschließen. Demütig muss und kann und darf ich darum bitten. Wissend,
dass es auch heute noch mein Leben

kosten mag, wenn ich das ernst meine.

Um in Platos Höhlengleichnis zu denken: Der eine, der die Sonne schaut


und zurück geht, es den anderen zu sagen,

er muss fort gehen oder sie würden ihn töten. Sie ertragen das Wissen, den
Wissenden nicht. Viele sind zu zufrieden

mit den Schatten des Lebens um den Aufbruch zu wagen in ein


ungewisses, wenn möglicherweise auch

wirklicheres Leben. Solange die Sonne scheint für Gerechte und


Ungerechte, solange Gott für alle sorgt, so gut man

ihn eben lässt, so gut er es kann in einer Welt, die sich dem Prinzen der
Unterwelt untergeordnet hat, solange wagen

nur wenige den wirklichen Weg. Selbst unter denen, die sich seine Kinder
nennen und es auch meinen.

Denn der Weg ist gefährlich und einsam. Wie der wirklich Sehende in
Platos Gleichnis einsam bleibt. Er schaut die

Schönheit. Wissend bleibt er doch allein.

Verletzt wird man auf diesem Weg, wie auch auf fast jedem anderen, durch
die Welt, die man eben durchquert. Eine

unordentliche, „messy“ Angelegenheit ist das Leben. Wenn ich es als


Kampf um meine Seele betrachte, so bleibt

auch dort manches in Unordnung. Befleckt von den Verfehlungen, die


dieser Kampf mit sich bringt. Kein Mensch

229
ist ein sauberes Heiligtum für Gott. Alle sind befleckt. Jesaja hat es schon
geschrieben. Wir sind wie Leoparden, die

versuchen, sich die Flecke aus dem Fell zu lecken. Sie können das Fell
nicht wechseln. So wie ihre Flecken

eingewachsen sind, so können wir selbst uns nicht rein halten. Vielleicht
wäre das der größte Stolz, den ein Mensch

haben kann. Der, zu sagen: Ich halte mein Heiligtum rein. Ich bin Gottes
würdig. Aber kein Mensch ist dazu fähig,

keinen Tag seines Lebens.

27.06.23

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Oft im Leben sind die wertvollsten Dinge am stärksten umkämpft. Die


größten „Monster“ bergen die größten

Schätze. Das Größte, der Drache, liegt unter Umständen auf einem großen
Schatz an Drachengold. Aber ein

gewisses Maß an Vorsicht ist geboten. Die Gier nach Drachengold kann
jemanden selbst zum Drachen machen.

Gier, geboren aus Neid auf das, was ein anderer hat, ist ein weit
fürchterlicherer Feind als jeder Drache. Aber wer

wäre fähig liegen zu lassen, läge solch ein Drachenschatz gänzlich


unbewacht. Oder nur zu nehmen, was gefahrlos

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für Leib und Seele behalten werden kann. Das, was man wirklich braucht.
Und wer weiß den Unterschied? Wer

weiß, was echtes Gold ist was „Leprechaun-Gold“, das nach einer Weile
verschwindet? Wer wüsste, was zu

nehmen ist? Was wirklich wichtig wäre? Es vielleicht allen zugänglich zu


machen und das, was besser unberührt

verborgen bliebe im Verborgenen zu belassen?

Es ist eine trickreiche Sache, manches mag sich als eine Pandoras Box
entpuppen. Voller Übel, aber mit einem

großen Haufen Hoffnung auf dem Boden. Sie darf nicht übersehen werden,
in all den Kalamitäten, die den befallen

der es wagt das Gold, das von den Sternen fällt, das Drachengold oder
ähnliches zu suchen.

Für diese Dinge Leben und Verstand zu riskieren ist immer gewagt. Wer
den Gral sucht, den Heiligen, geht weite

Wege, macht Umwege. Wenn er endlich in der Gegenwart des Gralsträgers


ist, fällt ihm nichts ein. Gähnende

Leere im Verstand. Eingefroren jede Regung. Zu viel Gefühl? Zu viel


Respekt? Ich weiß es nicht. Die Bücher sind

voll davon. Von solchen Geschichten. Vielleicht hat jeder im Herzen die
Sehnsucht danach.

Ob es Pflicht eines Wesens sein könnte aufzubrechen und nach dem


Heiligen zu suchen? Wer weiß davon. Und

wüsste er es, würde er es dann tun?

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Eine Kathedrale ist wunderschön anzuschauen, mit ihren hohen farbigen
Fenstern und gotischen Bögen, den

Statuen und Lichtern. Seltsam wie gerade die heiligsten Ort Menschen
anziehen, die diese Heiligkeit entweihen

oder zerbrechen und vernichten wollen.

Ich habe manchmal überlegt, ob es das ist, was wir heutzutage mit Sex
machen, denn das sind von der Schöpfung

her, soweit ich es begriffen habe, die heiligsten und empfindlichsten Teile
des Menschen. Trotzdem werden sie

leicht entweiht. Da Gott Sex „erfunden“ hat, nach dem Sündenfall, der
eigentlich nichts damit zu tun hatte, hat er

die Menschen dazu fähig gemacht. Die Fähigkeit damit Genuss zu


verbinden hat er auch gegeben. So ist es als

wunderschöne Sache geschaffen, dazu da, einem anderen nahe zu


kommen, wie es sonst nicht möglich ist.

Das zu missbrauchen ist eines der zerstörerischsten Dinge, die ein Mensch
einem Menschen antun kann. Es zerstört

die Schutzwände, die jeder Mensch hat. Zerstört die Trennwand zum
Nächsten. Es zerstört die Würde. Es demütigt

beide, den Täter wie das Opfer, macht aber auch beide stolz. Das Opfer ist
stolz zu überleben und einigermaßen

normal weiter zu leben. Der Täter ist stolz auf die Macht diesem speziellen
Menschen weh tun zu können.

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Manchmal geschieht es auch aus Not, aber oft schädigt man gerade
jemanden, der einem sehr, sehr geholfen hat.

Wir Menschen sind seltsame Wesen. Es ist, als ob wir es übel nehmen
würden, dass dieser Mensch die Macht hatte

uns zu helfen. Diese Macht nun zurück erobert werden muss indem wir
ihm wehtun. Ein tödlicher Kreislauf.

Nun glaube ich keineswegs, dass Gott mehr in einer Kathedrale wohnt als
in irgendeinem anderen Haus, wie groß

und schön solch eine Kathedrale auch ist. Der heiligste, schönste Platz an
dem Gott wohnt ist das menschliche

Herz. Entweder wohnt Gott in ihm, oder er ist nicht da.

Trotzdem liebe ich solche Gebäude. Sie fördern meine Andacht, helfen
mir, die Gedanken auf Gott zu

konzentrieren. An ihn zu denken, nach ihm zu suchen, sich ihm nah zu


fühlen. Ein Gefühl für Gottes Größe und

meine Winzigkeit zu bekommen. Auch die Liebe, die viele durch die
Jahrhunderte in solche Gebäude gesteckt

haben, inspiriert mich. Mancher scheint in einem Treppenhaus ein


Lebenswerk gesehen zu haben, so liebevoll und

genau und auch kreativ ist es gestaltet. Bewundernswert, wie ich ehrliche
gute Arbeit bewundere. Wenn sie dann

noch solche Früchte hervor bringt, ist es fast ein Wunder, ja, es ist ein
Wunder, zu welch schönen Dinge sich

Menschen hinreißen lassen.

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Was fühlt ein Dämon wenn er verletzt wird? Das ist eine interessante
Frage, ein Gedanke, der mich beschäftigt.

Natürlich auch die Frage, was wohl ein Engel fühlt, wenn er in Gottes
Kampf verletzt ist. Weil sie Trost in Glanz

des Herrn haben, denke ich manchmal, es ist schwerer und einfacher
zugleich. Sie wissen wenigstens, wo sie

hingehören und wofür sie kämpfen. Immer nur dagegen sein zu müssen
stelle ich mir fürchterlich anstrengend vor

auf die Dauer. Auch ziemlich langweilig, gebe ich zu, vor allem aber,
nichts kann sie erlösen aus ihrem Sein. Kein

Himmel wartet auf sie am Ende der Reise. Sie wissen es und fürchten sich.
Wie fühlt man sich da? Empfinden sie

es?

Milton schreibt in „Paradise Lost“ von der Wut Luzifers als er begreift,
dass ihm das Paradies für immer verloren

ist. Er ist gegen Gott aufgestanden. In dem Gedanken des geliebten Kindes,
das besser sein will als sein Schöpfer.

Er hat alles verloren. Die Schönheit, das Paradies, den Glanz. Er hat sich
gerächt und die Herrschaft über diese Erde

gewonnen, das stimmt. Er rächt sich an den Menschen, die sich ihm
widersetzen. Aber es gibt keine Erlösung für

ihn, außer Gott hätte da noch etwas im Verborgenen. Aber es gehen so


viele Gräueltaten auf sein Konto, dass ich es

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bezweifle.

Was nun fühlt ein Dämon, wissend, dass es keine Rettung gibt? Dass in
seinem eigenen Lager für eine Niederlage

nur Hohn und Spott auf ihn warten? Vielleicht Wut? Hass? Neid?
Eifersucht auf den, der den Weg des Herrn gehen

darf? Der Wunsch jenen zu vernichten? Ich weiß es nicht.

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Vertrauen ins Leben zu finden. In die Zukunft, in Gott. Es ist wichtig, dass
man ihm vertrauen kann. Man kann es

lernen. Auch und gerade in schweren Zeiten. Wenn alles bricht, kann
genau dort nur noch Gott halten. Manchmal

muss vielleicht alles brechen, bevor man fähig ist sich ihm sozusagen an
den Hals zu werfen.

Wenn Gott der letzte Anker geworden ist, wenn alles andere zerbrochen
ist, dann erst wird klar, dass er der erste

und überhaupt der beste und sicherste Anker von allen ist. In Gott fest
verankert zu sein gibt dem Leben Halt. In der

eigenen Seele siegreich ein Reich Gottes zu errichten ist ein großes und
wundervolles Werk. Der Kampf um

Vorherrschaft in der eigenen Seele endet nicht. Ihn zu gewinnen bringt


Frieden. Die Gewissheit, dass Gottes

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