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Party-People, einsame Seelen,


Selbstoptimierer: Welcher
Silvestertyp sind Sie?
Die letzte Nacht des Jahres steht bevor. Manche macht das
euphorisch. Andere werden unerträglich. Zehn Kategorien lassen sich
unterscheiden.

Silke Wichert (Text), Charlotte


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Eckstein (Illustrationen)
30.12.2023, 05.30 Uhr 5 min

Die Partynudeln

Silvester ist nicht nur die letzte Nacht des Jahres. Für Partynudeln ist es
die wichtigste. Mit Abstand! Alle ziehen sich glamourös an, trinken
Champagner statt Prosecco. Um Mitternacht herzt man sich kurz – und
dann wird bis sechs Uhr morgens durchgefeiert. Mindestens!
Sie wissen genau, was ihnen vorschwebt. Deshalb tagt ein fünfköpfiges,
ausschliesslich weibliches Komitee bereits seit Mitte August, um die
Riesenfete vorzubereiten. Updates der Vorbereitungen werden
regelmässig in der «Lass krachen»-Whatsapp-Gruppe gepostet. Motto:
ES MUSS GUT WERDEN!

Die Playlist: KI-optimiert. Sie reicht von Abba über The Weather Girls bis
Blurs «Song 2». Madonna soll die Stimmungskurve tragen. Richtung:
steil nach oben. Und wehe, irgendwer verlässt die Tanzfläche frühzeitig.
Als Dresscode steht auf der Einladung: «Be fabulous»** (** Let’s
sparkle!!!). Zu Beginn der Festtage decken sich Partynudeln mit
Paillettenkleidern und Glitzer-Make-up ein. Eine hat sogar Gold-Spray
für die Haare entdeckt. Kinder, ist das alles aufregend!

Dass sämtliche Mitfeiernden von diesem ES-MUSS-GUT-WERDEN-Hype


total genervt sind, merken die Feierfanatikerinnen nicht. Und dass die
totorganisierte Party deshalb am Ende ÜBERHAUPT NICHT GUT WIRD,
leider auch nicht.

Die Unentschiedenen

Immer das Gleiche. In manchen Jahren passiert gar nichts – und dann
bekommt man plötzlich zig Einladungen auf einmal. Für Pärchen, die
sich eh schon schwer entscheiden können, ist das der Endjahres-GAU.
Diagnose: Fomo («fear of missing out»). Sie haben Angst, etwas zu
verpassen.
Also melden sie sich erst mal überall an, legen eine Plus-Minus-Tabelle
für diediversen Optionen an und spielen den Abend mehrmals
exemplarisch durch:

Abendessen bei Annette und Markus.


Fondue bei Beat (oder doch nicht?).

Hausparty bei den Nachbarn (Migräne vortäuschen, damit wir


nach Mitternacht schnell wieder gehen können).
Danach mit Schmids und/oder Eggers in diesen neuen Klub.
Oder doch bei den Nachbarn bleiben (dann wären wir schneller
daheim)?

So oder so müssen die Unentschiedenen unbedingt auf der Hut sein,


dass sie in keiner Instagram-Story auftauchen, damit die Geprellten
nichts vom Party-Hopping mitbekommen. Klappt natürlich nicht,
weshalb die Schmids und/oder Eggers und all die anderen im neuen Jahr
erst mal kein Wort mehr mit ihnen reden.

Die Spassbremsen

Für sie ist Silvester nichts anderes als kollektiver Wahnsinn. Als könne
man auf Kommando die Sau rauslassen. Spassbremsen, die sich selbst
nie als solche bezeichnen würden, lesen lieber ein gutes Buch und gehen
dann früh ins Bett, weil sie am nächsten Morgen die Skipiste ganz für
sich allein haben wollen. Das ist der wahre Luxus unserer Zeit. So fängt
das Jahr gut an!

Dummerweise gibt es immer mehr Menschen, die anscheinend


überhaupt keinen Schlaf mehr brauchen und um 8 Uhr ebenfalls an der
Gondel stehen. Und das erst noch guter Laune. Und weil Spassbremsen
Spassbremsen sind, machen sie bei diesem Anblick kehrt und
verkriechen sich beleidigt zu Hause.

Die Alleingebliebenen

Ausgerechnet kurz vor Weihnachten ist der/die Liebste ausgezogen, die


besten Freunde sind verreist, die anderen machen Pärchen-Fondue,
Horror. Dann lieber allein zu Haus. Mit «Dinner for One» und
Partyhütchen im Einzelpack. Alleingebliebene wissen sich zu helfen.

Trübsal blasen? Von wegen! Man kann das auch positiv sehen: Das neue
Jahr startet mit einer Eins-a-Me-Time. Nur ich und niemand sonst, der
stört. Spätestens ab Mitternacht läuft der Jahreshit «Flowers» von Miley
Cyrus in Dauerschleife:

(. . can buy myself flowers


.) I

Write my name in the sand


Talk to myself for hours
Say things you don’t understand
I can take myself dancing

And I can hold my own hand


Yeah, I can love me better than you can (. . .)

Yeah, yeah, yeah, nimm das, 2024!

Der Sturzbetrunkene

Das neue Jahr beginnt für ihn mit vielen Fragen: Wie bin ich ins Bett
gekommen? Wer liegt da neben mir? Was bedeuten die Buchstaben CR
auf meinem linken Arm?

Erst im Laufe des Nachmittags wird sich der Nebel lichten, und alle
Peinlichkeiten des Silvesterabends kommen hoch: Wodka-Wetttrinken
mit irgendwelchen Niederländern an der Schneebar, Liebesschwüre
unterm Sternenhimmel, gemeinsames Do-it-yourself-Tätowieren, vor
laufender Überwachungskamera in den Garten des Nachbarn pinkeln.
Das Video davon haben die Nachbarskinder natürlich längst auf Social
Media geteilt.

Immerhin hat die neue Bekanntschaft, die schon wieder über alle Berge
ist, einen nicht im Schnee erfrieren lassen. CR? Clara .? Christine
. ..?? . .

Chantal .??? Ach, egal. Sagen wir Costa Rica! Da könnte man 2024
. .

wirklich mal hinreisen.

Die Selbstoptimierer

Ihre Devise lautet: New Year, New Me. Und um möglichst viel Druck
aufzubauen, teilen sie ihre guten Vorsätze ungefragt mit jedem, der sie
nicht hören will.

Endlich (wieder) Sport machen. Deshalb gleich zwei Fitness-Abos


gekauft: eins in einem Studio bei der Arbeit, eins in jenem um die
Ecke von zu Hause.
Detoxen und fleischlos ernähren. Darum zu Weihnachten einen
Thermomix gekauft.
Einen Life-Coach engagieren, für die Persönlichkeitsentwicklung.
Netflix abbestellen.
Mehr lesen, dieses Mal aber wirklich.

Durchhalten tun die selbsterklärten Selbstoptimierer das Ganze vier


Wochen lang. Immerhin eine mehr als im Vorjahr.

Die Böllerer

Eigentlich hätten sie nur ein paar Raketen und Knallfrösche für die
Kinder besorgen sollen. Aber dann entdeckten sie im Baumarkt diese
Super-Familienpackung zum Sparpreis, Knallteufelchen und
Frauenfürze inklusive. Die zweite Packung kostete sogar nur die Hälfte.
Wer kann da widerstehen?
Silvesterfeuerwerk ist das Waffenarsenal des kleinen Mannes. Lärm?
Rauch? Umweltverschmutzung? Pff. Für irgendwas zahlt man Steuern:
Die Stadtreinigung soll das bitte schön sauber machen am Neujahrstag.
Und alle anderen profitieren schliesslich auch davon. Sie lassen zwar
keine Raketen steigen, aber um zwölf stehen sie trotzdem auf dem
Balkon und bewundern das Feuerwerk, das die Böllerer in den Himmel
zaubern.

Die Bleigiesser

Nichts darf man mehr! Nicht mal mehr Blei giessen! In der Schweiz und
in der EU ist dieser Silvesterbrauch seit 2018 verboten. Die Chemikalien-
Risikoreduktions- beziehungsweise die Chemikalien-Verbotsverordnung
hatte etwas dagegen. Klar, man kann auf Zinn oder Wachs umsteigen,
aber damit werden die Figuren nie so ausdrucksstark wie mit dem guten
alten Schwermetall.

Zum Glück haben leidenschaftliche Bleigiesser (wie ich) vom


Hamsterkauf vor dem Verbot noch eine Packung übrig. Vergangenes Jahr
zeichnete sich ganz klar ein Elefant ab, das Symbol für schwere Zeiten.
Und ja, mein 2023 war sehr anstrengend. Das nächste Jahr muss bitte
besser werden. Vielleicht mit einem Vogel. Laut Bleigiessen.de bedeutet
das: «Ausbruch aus dem Käfig: eine Veränderung ist unausweichlich.»
Oder mit einem Hund: «Feste Freundschaft.»

Was bloss könnte mehr Sex bedeuten?


Oder wie wäre es mit einem Fisch? Der kündigt auch was Schönes an:
einen Geldsegen.

Das glückliche Kind

Seit derDämmerung wartet die oder der Fünfjährige aufgeregt darauf,


dass die Tischbombe endlich angezündet wird. Aber die Erwachsenen
müssen zuerst kochen, streiten oder den Hund in den schallsicheren
Zwinger bringen. Die Zwischenzeit vertreibt sich der Nachwuchs damit,
die Erdbeeren aus dieser perlenden Suppe zu stibitzen (Wie hatte Mama
die noch gleich genannt: Bohne? Buhle? Bohle? .). . .

Später schwört das Kind, zwei Bomben auf dem Tisch gesehen zu haben.
Obwohl es mit Papa doch definitiv nur eine gekauft hatte. Der erste
Schwips des Lebens!

Egal.Die Funken, die plötzlich fliegen! Die Flammen am Vorhang! Die


Wasserschlacht mit Mama, Papa und Oma mitten im Wohnzimmer! Ach,
wäre dieses Silvester doch bloss jede Woche.

Das glückliche Kind schläft zufrieden ein, weit vor Mitternacht.


Beneidenswert.

Der Apokalyptiker

Partynudeln feiern, als gäbe es kein Morgen mehr. Der Apokalyptiker


meint das wirklich so. Die Welt geht eindeutig den Bach runter, die
Menschheit wird auch im Kant-Jubiläumsjahr 2024 nicht zur Vernunft
kommen, und wahrscheinlich arbeiten russische Hacker längst an einem
Super-Bug, gegen den der «I love you»-Computerwurm damals ein
harmloses Ungeziefer war.
Mit seinen Untergangsszenarien vermiest der Apokalyptiker allen
Anwesenden die Laune, bis sie ihn mit Luftschlangen fesseln und
knebeln. Seine «unbequemen Wahrheiten» will niemand hören.

Na dann, frohes neues Jahr!

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