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‘Wem gehört er?’ fragte ich.

‘Calpurnius ist unser Herr’, antwortete


der Sklave neben mir. ‘Dann wehe ihm’, sprach Massurius zu mir, ‘er
hängt seine Strafsklaven bis an den Hals gebunden in seinen Fischweiher
und läßt sie lebendig auffressen von seinen Muränen und Hechten’. —
‘Ja’, sagte der Sklave, ‘Syphax hat ihn niedergeschlagen, und der Herr
rief im Aufstehen: Zu den Muränen den Hund! Wer ihn einbringt, ist
frei.’
Ich blickte den Platz hinab auf den Mauren, der jetzt gleich heran
war. ‘Der ist zu gut für die Fische’, sagte ich, ‘welch herrlicher Wuchs!
Und sieh, er kommt durch, ich wette.’
Denn eben hatte der Flüchtling die erste Kette der Sklaven, die sich
ihm an der Mündung der Via julia entgegenwarf, durchbrochen und flog
jetzt auf uns zu.
‘Und ich wette tausend Solidi, er kommt nicht durch: sieh’ dort die
Lanzen’, sprach Massurius. — Gerade vor uns standen fünf Sklaven mit
Lanzen und Wurfspeeren. ‘Es gilt!’ rief ich, ‘tausend Solidi.’
Da war er heran.
Drei Speere sausten zugleich: aber wie ein Panther duckte der Flinke
unter ihnen weg und, plötzlich aufschnellend, sprang er in hohem Satz
über die Lanzen der beiden übrigen. Atemlos kam er dicht vor mir zu
Boden: er blutete von Steinen und Pfeilen, und schon kam jetzt vom
Forum julium heran das ganze Rudel. Verzweifelnd sah er um sich und
wollte nach rechts in die Friedens-Tempel-Straße, die ihn gerade nach
seines Herrn Hause zurückgeführt hätte. Da sah ich vor uns das Portal
der kleinen Basilika von Sankt Laurentius offen stehen. ‘Dorthin,’ rief
ich ihm zu.«
»In meiner Sprache! Er kennt meine Sprache«, rief Syphax.
»Er kennt, glaub’ ich, alle Sprachen«, meinte Marcus Licinius.
»’Dorthin’, wiederholte ich, ‘dort ist Asyl.’ Wie der Blitz war er die
Stufen hinan, schon auf der letzten, da traf ihn ein Stein, daß er stürzte,
und sein nächster Verfolger war oben und packte ihn. Aber glatt wie ein
Aal rang er sich aus seinem Griff, stieß ihn die Stufen hinab und sprang
in die Türe der Kirche.«
»Da hattest du gewonnen«, sagte Kallistratos.
»Ich wohl, aber er nicht. Denn die Priester von St. Laurentius, so
eifersüchtig sie ihre Asylrechte wahren, so wenig haben sie Mitleid mit
einem Heiden. Einen Tag lang bargen sie ihn: als sie aber erfuhren, daß
er um der Schlange willen seinen Herrn niedergeschlagen, da stellten sie

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ihm die Wahl, Christ zu werden und den Götzen aufzugeben, oder
Calpurnius und die Muränen.
Syphax wählte den Tod. Ich erfuhr es und kaufte dem Zornigen seine
Rache ab und das Leben dieses schlanken Burschen, des schönsten
Sklaven in Rom.«
»Kein schlechtes Geschäft«, meinte Marcus, »der Maure ist dir treu.«
»Ich glaube«, sagte Cethegus, »tritt zurück, Syphax. Da bringt der
Koch sein Meisterstück, so scheint’s.«

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ZEHNTES KAPITEL

E s war eine sechspfündige Steinbutte, seit Jahren im


Meerwasserweiher des Kallistratos mit Gänselebern gemästet. Der
vielgepriesene »Rhombus« kam auf silberner Schüssel, ein goldenes
Krönchen auf dem Kopf.
»Alle guten Götter und du, Prophete Jonas!« lallte Balbus
zurücksinkend in die Polster, »der Fisch ist mehr wert als ich selber.« —
»Still, Freund«, warnte Piso, »daß uns nicht Cato höre, der gesagt: wehe
der Stadt, wo ein Fisch mehr wert als ein Rind.« Schallendes Gelächter
und der laute Ruf: Euge belle! übertönte den Zornruf des
Halbberauschten.
Der Fisch ward zerschnitten und köstlich erfunden.
»Jetzt, ihr Sklaven, fort mit dem matten Massiker. Der edle Fisch will
schwimmen in edlem Naß. Auf, Syphax, jetzt paßt, was ich zu dem
Gelage beigesteuert. Geh und laß die Amphora hereinbringen, welche die
Sklaven draußen in Schnee gestellt. Dazu die Phialen von gelbem
Bernstein.«
»Was bringst du Seltenes, aus welchem Land?« fragte Kallistratos.
»Frag’, aus welchem Weltteil? bei diesem vielgereisten Odysseus«, sagte
Piso.
»Ihr müßt raten. Und wer errät, wer diesen Wein schon gekostet hat,
dem schenk’ ich eine Amphora, so hoch wie diese.«
Zwei Sklaven, eppichbekränzt, schleppten den mächtigen, dunkeln
Krug herein: von schwarzbraunem Porphyr und fremdartiger Gestalt, mit
hieroglyphischen Zeichen geschmückt und wohlvergipst oben an der
Mündung.
»Beim Styx! Kommt er aus dem Tartarus? Das ist ein schwarzer
Gesell«, lachte Marcus.
»Aber er hat eine weiße Seele — zeige sie, Syphax.« Der Nubier
schlug mit dem Hammer aus Ebenholz, den ihm Ganymedes reichte,
sorgfältig den Gips herunter, hob mit silberner Zange den Verschluß von
Palmenrinde heraus, schüttete die Schicht Öl hinweg, die oben
schwamm, und füllte die Pokale. Ein starker berauschender Geruch
entstieg der weißen, klebrigen Flüssigkeit. Alle tranken mit forschender
Miene.

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»Ein Göttertrank!« rief Balbus absetzend. — »Aber stark wie
flüssiges Feuer«, sagte Kallistratos.
»Nein, den kenn’ ich nicht!« sprach Lucius Licinius.
»Ich auch nicht«, beteuerte Marcus Licinius. — »Aber ich freue
mich, ihn kennen zu lernen«, rief Piso und hielt Syphax die leere Schale
hin.
»Nun«, fragte der Wirt, zu dem letzten, bisher fast ganz stummen
Gast zu seiner Rechten gewendet, »nun, Furius, großer Seefahrer,
Abenteurer, Indiensucher, Weltumsegler, wird deine Weisheit auch
zuschanden?«
Der Gefragte erhob sich leicht von den Kissen, ein schöner
athletischer Mann von einigen dreißig Jahren, von bronzener,
wettergebräunter Gesichtsfarbe, kohlschwarzen, tiefliegenden Augen,
blendend weißen Zähnen und vollem Rundbart nach orientalischem
Schnitt.
Aber ehe er noch sprechen konnte, fiel Kallistratos rasch ein: »Doch,
beim Zeus Xenius, ich glaube, ihr kennt euch gar nicht?« Cethegus maß
die fesselnde Erscheinung mit scharfem Blick. »Ich kenne den Präfekten
von Rom«, sagte der Schweigsame. — »Nun, Cethegus, und dies ist
mein vulkanischer Freund, Furius Ahalla, aus Korsika, der reichste
Schiffsherr des Abendlands, tief wie die Nacht und heiß wie das Feuer.
Er hat fünfzig Häuser, Villen und Paläste an allen Küsten von Europa,
Asien und Afrika, zwanzig Galeeren, ein paar tausend Sklaven und
Matrosen und —«
»Und einen sehr geschwätzigen Freund«, schloß der Korse. »Präfekt,
mir ist es leid um dich, aber die Amphora ist mein. Ich kenne den Wein.«
— Und er nahm ein Kibitzei und zerschlug es mit goldenem Löffel.
»Schwerlich«, lächelte Cethegus spöttisch.
»Doch. Es ist Isiswein. Aus Ägypten. Aus Memphis.« Und ruhig
schlürfte er das goldrötliche Ei.
Erstaunt sah ihn Cethegus an. »Erraten«, sagte er dann. »Wo hast du
ihn gekostet?« — »Notwendig da, wo du. Er fließt ja nur aus einer
Quelle«, lächelte der Korse. — »Genug mit euren Geheimnissen! Keine
Rätsel unter den Rosen!« rief Piso. — »Wo habt ihr beiden Marder
dasselbe Nest gefunden?« fragte Kallistratos.
»Nun«, rief Cethegus, »wisset es immerhin. Im alten Ägypten, im
heil’gen Memphis voraus, haben sich immer noch, dicht neben den
christlichen Einsiedlern und Mönchen in der Wüste, glaubenszähe

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Männer und namentlich Frauen erhalten, die nicht lassen wollen von
Apis und Osiris und besonders treu den süßen Dienst der Isis pflegen.
Sie flüchten von der Oberfläche, wo die Kirche das Kreuz der Askese
siegreich aufgepflanzt, in die Tiefen, in den geheimen Schoß der großen
Mutter Erde mit ihrem heiligen teuren Wahn. In einem Labyrinth unter
den Pyramiden des Cheops haben sie noch einige hundert Krüge
geborgen des mächtigen Weines, welcher dereinst die Eingeweihten zu
den Orgien der Freude, der Liebe berauschte. Die Kunde geht
geheimgehalten von Geschlecht zu Geschlecht, immer nur eine Priesterin
kennt den Keller und bewahrt den Schlüssel.
Ich küßte die Priesterin, und sie führte mich ein: — sie war eine
wilde Katze, aber ihr Wein war gut: — und sie gab mir zum Abschied
fünf Krüge mit aufs Schiff. ‘
»So weit hab’ ich es mit Smerda nicht gebracht«, sagte der Korse;
»sie ließ mich trinken im Keller, aber als Andenken gab sie mir nur das
mit« — und er entblößte den braunen Hals. — »Einen Dolchstich der
Eifersucht«, lachte Cethegus. »Nun, mich freut, daß die Tochter nicht aus
der Art schlägt. Zu meiner Zeit, das heißt, als mich die Mutter trinken
ließ, lief die kleine Smerda noch im Kinderröckchen. Wohlan, es lebe der
heil’ge Nil und die süße Isis.« Und die beiden tranken sich zu.
Aber es verdroß sie, ein Geheimnis teilen zu sollen, das jeder allein
zu besitzen geglaubt.
Doch die andern waren bezaubert von der Laune des eisigen
Präfekten, der jugendlich wie ein Jüngling mit ihnen plauderte und jetzt,
da das beliebteste Thema für junge Herren unter den Bechern angeregt
war — Liebesabenteuer und Mädchengeschichten —, unerschöpflich
übersprudelte von Streichen und Schwänken, die er meistens selbst
erlebt. Alle hingen mit Fragen an seinen Lippen. Nur der Korse blieb
stumm und kalt.
»Sage«, rief der Wirt und winkte dem Schenken, als gerade das
Gelächter über eine solche Geschichte verhallt war, »sag’ an, du Mann
buntscheckiger Erfahrung: ägyptische Isismädchen, gallische
Druidinnen, nachtlockige Töchter Syriens und meine plastischen
Schwestern von Hellas —, alle kennst du und weißt du zu schätzen, aber
sprich, hast du je ein germanisch Weib geliebt?«
»Nein«, sagte Cethegus, seinen Isiswein schlürfend, »sie waren mir
immer zu langweilig.«

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