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»Oho«, meinte Kallistratos, »das ist zuviel gesagt.

Ich sage euch, ich


habe an den letzten Kalenden einen Wahnsinn gehabt für ein germanisch
Weib, die war nicht langweilig.«
»Wie, du, Kallistratos von Korinth, der Aspasia, der Helena
Landsmann, erglühst für ein Barbarenweib? O arger Eros,
Sinnenverwirrer, Männerbeschämer«, schalt der Präfekt.
»Ja, wenn du willst, war’s eine Sinnesverwirrung: ich habe nie
dergleichen erfahren.«
»Erzähle, erzähle«, drängten die andern.

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ELFTES KAPITEL

mmerhin«, sagte der Hausherr, die Polster glättend, »obwohl ich


»I keine glänzende Rolle dabei spiele.
Also an den vorigen Kalenden etwa kam ich zur achten Stunde
aus den Bädern des Abaskantos nach Hause.
Da steht auf der Straße niedergelassen eine Frauensänfte, vier
Sklaven dabei, ich glaube, gefangene Gepiden. Unmittelbar aber vor der
Türe meines Hauses stehen zwei verhüllte Frauen, die Calantica über den
Kopf gezogen. Die eine trug sklavisches Gewand, aber die andre war
sehr reich und geschmackvoll gekleidet, und das wenige, was von Wuchs
und Gestalt zu sehen, war göttlich. Welch schwebender Schritt, welch
feiner Knöchel, welch hochgewölbter Fuß! Als ich näher herankam,
ließen sich beide rasch in die Sänfte heben, und fort waren sie. Ich aber
— ihr wißt, es steckt des Bildhauers Blut in allen Hellenen —, ich
träumte des Nachts von dem feinen Knöchel und dem wogenden Schritt.
Mittags drauf, da ich die Türe öffne, aufs Forum zu gehn zu den
Bibliographen, wie ich pflege, seh’ ich dieselbe Sänfte rasch von dannen
eilen.
Ich gestehe, ohne sonst besonders eitel zu sein, diesmal hoffte ich
eine Eroberung gemacht zu haben — ich wünschte es so sehr. Und ich
zweifelte gar nicht mehr, als ich, um die achte Stunde nach Hause
kommend, wieder meine Fremde, diesmal unbegleitet, an mir
vorüberschlüpfen sah und nach ihrer Sänfte eilen. Folgen konnt’ ich den
raschen Sklaven nicht, so trat ich in mein Haus, froher Gedanken voll.
Da sagte Ostiarius: Herr, eine verhüllte Sklavin wartet dein in der
Bibliothek.’
Pochenden Herzens eile ich in das Gemach. Richtig, es war die
Sklavin, die ich gestern gesehen. Sie schlug den faltigen Mantel zurück:
eine hübsche, verschlagne Maurin oder Katthagerin — ich kenne den
Schlag — sah mich mit schlauen Augen an.
‘Ich bitte um Botenlohn’, sagte sie, ‘Kallistratos, ich bringe dir gute
Kunde.’
Ich faßte ihre Hand und wollte ihr die dunkle Wange streicheln —
denn wer die Herrin begehrt, der küsse die Sklavin —, aber sie lachte
und sprach: ‘Nein, nicht Eros, Hermes sendet mich.’

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‘Meine Herrin’ — hoch horchte ich auf —, ‘meine Herrin ist — eine
leidenschaftliche Freundin der Kunst. Sie bietet dir dreitausend Solidi für
die Aresbüste, die in der Nische neben der Tür deines Hauses steht.’
Laut lachten die jungen Leute, Cethegus mit ihnen.
»Ja, lacht nur«, fuhr der Hausherr selbst einstimmend fort, »ich aber
lachte damals nicht. Aus all meinen Träumen heruntergefallen, sprach
ich verdrießlich: ‘Mir ist das Werk nicht feil.’ Die Sklavin bot
fünftausend, bot zehntausend Solidi; ich wandte ihr den Rücken und griff
nach der Tür.
Da sagte die Schlange: ‘Ich weiß, Kallistratos von Korinth ist
unwillig, weil er ein Abenteuer gehofft und fand ein Geldgeschäft.
Er ist Hellene, er liebt die Schönheit, er brennt vor Neugier, meine
Herrin zu sehn.’ Das war so richtig, daß ich nur lächeln konnte.
‘Wohlan’, sprach sie, du sollst sie sehn. Und dann erneuere ich mein
letzt Gebot. Schlägst du’s dann dennoch aus, hast du immerhin den
Vorteil, deine Neugier gestillt zu haben. Morgen um die achte Stunde
kommt die Sänfte wieder. Dann halte dich bereit mit deinem Ares.’
Und sie schlüpfte hinweg. Unruhig blieb ich zurück.
Ich konnte nicht leugnen, meine Neugier war sehr gespannt. Fest
entschlossen, meinen Ares nicht herzulassen und die Kunstnärrin doch zu
sehen, erwartete ich gierig die bestimmte Stunde. Die Stunde kam, und
die Sänfte kam. Ich stand lauschend an meiner offnen Tür. Die Sklavin
stieg heraus.
‘Komm’, rief sie mir zu, ‘du sollst sie sehn.’
Bebend vor Aufregung trat ich heran, der Purpurvorhang der Sänfte
fiel halb zurück, und ich sah —«
»Nun«, rief Marcus, sich vorbeugend, den Becher in der Hand.
»Was ich nie wieder vergessen werde. Ein Gesicht, Freunde, von
ungeahnter Schönheit. Kypris und Artemis in einer Person. Ich war wie
geblendet. Ich kann sie nicht schildern. Der Vorhang fiel zu. Ich aber
sprang zurück, hob den Ares aus der Nische, reichte ihn der Punierin,
wies ihr Gold zurück und taumelte in meine Tür, betäubt, als hätt’ ich
eine Waldnymphe gesehn.«
»Nun, das ist stark«, lachte Massurius. »Bist doch sonst kein Neuling
in den Werken des Eros.«
»Aber«, fragte Cethegus, »woher weißt du, daß diese Zauberin eine
Gotin war?«

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»Sie hatte dunkelrotes Haar und milchweiße Haut und schwarze
Augenbrauen.«
»Alle guten Götter!« dachte Cethegus. Aber er schwieg und wartete.
Keiner der Anwesenden sprach den Namen aus.
»Sie kennen sie nicht«, sagte Cethegus zu sich. — »Und wann war
das?« fragte der Wirt.
»An den vorigen Kalenden.«
»Ganz richtig«, rechnete Cethegus; »da kam sie von Tarentum durch
Rom nach Ravenna. Sie ruhte hier drei Tage.«
»Und so hast du«, lachte Piso, »deinen Ares eingebüßt für einen
Blick. Schlechter Handel! Diesmal waren Merkur und Venus im Bunde.
Armer Kallistratos.«
»Ach«, sagte dieser, »die Büste war gar nicht so viel wert. Es war
moderne Arbeit. Jon in Neapolis hat sie vor drei Jahren gemacht. Aber
ich sag’ euch, einen Pheidias hätt’ ich hingegeben um jenen Anblick.«
»Ein Idealkopf?« fragte Cethegus, wie gleichgültig, und hob den
ehernen Mischkrug, der vor ihm stand, scheinbar bewundernd, auf
»Nein, das Modell war ein Barbar — irgendein Gotengraf —
Watichis oder Witichas — wer kann sich die hyperboreischen Namen
merken!« sagte Kallistratos seinen Bericht schließend und einem Pfirsich
die Haut abziehend.
Nachdenklich schlürfte Cethegus aus seiner Schale von Bernstein.

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ZWÖLFTES KAPITEL

a, die Barbarinnen könnte man sich gefallen lassen«, rief Marcus


»J Licinius, »aber der Orkus verschlinge ihre Brüder!« Und er riß
den welken Rosenkranz vom Haupt —, die Blumen ertrugen den
Dunst des Gelages schlecht — und ersetzte ihn durch einen frischen.
»Nicht nur die Freiheit haben sie uns genommen — sie schlagen uns bei
den Töchtern Hesperiens in der Liebe sogar aus dem Felde. Erst neulich
hat die schöne Lavinia meinem Bruder die Türe verschlossen und den
fuchsroten Aligern eingelassen.«
»Barbarischer Geschmack!« meinte der Verschmähte achselzuckend
und wie zum Trost nach seinem Isiswein langend. »Du kennst sie auch,
Furius — ist es nicht Geschmacksverirrung?« — »Ich kenne deine
Nebenbuhler nicht«, sagte der Korse. »Aber es gibt schon Burschen
unter diesen Goten, die einem Weib gefährlich werden mögen.
Und da fällt mir ein Abenteuer ein, das ich jüngst entdeckt, das aber
freilich noch ohne Spitze ist.« — »Erzähle nur«, mahnte Kallistratos, die
Hände in das laue Waschwasser steckend, das jetzt in korinthischen
Erzschüsseln herumgereicht wurde, »vielleicht finden wir die Spitze
dazu.«
»Der Held meiner Geschichte«, hob Furius an, »ist der schönste der
Goten.« — »Ah, Totila der junge«, unterbrach Piso und ließ sich den
kameengeschmückten Becher mit Isiswein füllen. »Derselbe. Ich kenne
ihn seit Jahren und bin ihm sehr gut, wie alle müssen, die je sein sonnig
Angesicht geschaut, abgesehen davon« — und hier überflog des Korsen
Züge ein Schatten ernsten Erinnerns, und er stockte —, »daß ich ihm
sonst verbunden bin.«
»Du bist, scheint’s, verliebt in den Blondkopf«, spottete Massurius,
dem Sklaven, den er mitgebracht, ein Tuch voll pizentinischen
Zwiebacks zuwerfend, um es mit nach Hause zu nehmen. »Nein, aber er
hat mir, wie allen, mit denen er zu tun hat, viel Freundliches erwiesen,
und gar oft hatte er die Hafenwache in den italischen Seestädten, wo ich
landete.«
»Ja, er hat große Verdienste um das Seewesen der Barbaren«, sagte
Lucius Licinius. — »Wie um ihre Reiterei«, stimmte Marcus bei, »der
schlanke Bursche ist der beste Reiter seines Volks.«

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