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Johannes Gutenberg-Universität Mainz

Romanisches Seminar
Seminar: PS1 KW Francisco de Goya: Ästhetik und Gesellschaft an der Schwelle zur
Moderne
Leitung: Bastian Piejko
Seminar besucht im WS 2021/2022
Modulprüfung im WS 2021/2022
Im Modul M.05.150.1005e Hispanistische Kulturwissenschaft 1 BF

Der Zusammenhang von Groteske und Antiklerikalismus in den


Werken von Francisco de Goya

Yehor Kyselov
Lucy-Hillebrand-Straße 14
55128 Mainz
ykyselov@students.uni-mainz.de

Matrikelnummer: 2737899
Studiengang: Bachelor of Arts
Politikwissenschaft, Spanisch/5. Fachsemester
2

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung ........................................................................................................................... 3
2. Die Theorie der grotesken Körperlichkeit und der Lachkultur .......................................... 3
3. Katholische Kirche in Spanien im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert ........................ 5
4. Analyse der Merkmale der Kirchenmalerei am Beispiel von Goyas Gemälden ................ 6
4.1 San Agustín .................................................................................................................. 7
4.2 San Gregorio Magno .................................................................................................... 7
5. Antiklerikalismus in Goyas Radierungen .......................................................................... 8
5.1 Capricho 46 .................................................................................................................. 8
5.2 Capricho 30 .................................................................................................................. 9
6. Fazit .................................................................................................................................. 10
7. Anhang ............................................................................................................................. 12
8. Bibliografie....................................................................................................................... 17
3

1. Einleitung
Das Groteske ist ein wesentlicher Bestandteil des Werks von Francisco de Goya, ins-
besondere in Bezug auf die satirische Kritik an bestimmten Phänomenen in der Gesellschaft,
deren Zeuge er war. Das Thema Geistlichkeitskritik ist eines der zentralen in seiner Serie
„Caprichos“. Diese Arbeit untersucht die Beziehung zwischen der Groteske und Goyas anti-
klerikalen Radierungen durch Interpretation und Vergleich mit Goyas traditioneller kirchli-
cher Malerei. Goyas antiklerikale Werke lassen sich in zwei Teile unterteilen: Kritik am Kle-
rus und Kritik an der eigentlichen Institution der Kirche. In „Caprichos“ ist vor allem die Kri-
tik am Klerus zu sehen, da die explizite öffentliche Kritik an der Institution Kirche zu Goyas
Zeit in Spanien sehr gefährlich war. Diese Akte des Körperdramas sind die Grundlage von
Goyas antiklerikaler Arbeit. Durch diese Akte des körperlichen Dramas verspottet der Künst-
ler ihre Gier, Trunkenheit, Faulheit, Völlerei auf menschlicher Ebene vor dem Hintergrund
des geschaffenen Bildes des moralischen Ideals. Vor dem Hintergrund ihrer Nutzlosigkeit
wird die Kirche unter anderem auf Kosten der gesamten Bevölkerung unterstützt. Und es ist
offensichtlich, dass Goya in seinen Radierungen den Klerus so sündig, ungerecht und faul wie
den Rest der Gesellschaft darstellen wollte. faul wie den Rest der Gesellschaft darstellen
wollte.

2. Die Theorie der grotesken Körperlichkeit und der Lachkultur


Für eine allgemeine Erklärung, was groteske Kunst ist, gibt Michail M. Bachtin (1895-
1975) (russischer Philosoph, Kulturwissenschaftler, Theoretiker der europäischen Kultur und
Kunst) ein Beispiel dafür, wie Schneegans eine Reihe von Karikaturen von Napoleon III ana-
lysiert. Das groteske Bild eines Monarchen basierte auf der Größe seiner Nase. Im wirklichen
Leben hatte Napoleon eine ziemlich große Nase, aber auf der Karikatur war seine Nase völlig
riesig, unverhältnismäßig groß oder nimmt Tierformen an. Das weckt komische Emotionen
beim Publikum. Dies ist die Essenz der mittelalterlichen Groteske.1

Das Groteske in der bildenden Kunst (vom italienischen Grottesco - "skurril") ist eine
Art bildhaftes oder skulpturales Dekor, das sich durch eine Kombination aus Realem und Fik-
tionalem, Schönem und Hässlichem sowie komischen und tragischen Bildern auszeichnet. Gro-
teske ist ein besonderer Stil in Kunst und Literatur, der allgemein anerkannte Normen verzerrt

1
Vgl. Bachtin, M. (1969), S.15
4

und mit Humor gefüllt ist. Die Groteske beginnt dort wo die Übertreibung phantastische Aus-
maße annimmt, wo aus der menschlichen eine tierische Nase wird.2

Laut Bachtin von allen Merkmalen des menschlichen Gesichts im grotesken Körperbild
spielen nur Mund und Nase eine wesentliche Rolle, letztere zudem als Ersatz für den Phallus.3
Die Formen des Kopfes, der Ohren und derselben Nase bekommen erst dann einen grotesken
Charakter, wenn sie in Tierformen oder in die Formen der Dinge übergehen. Die Augen spielen
jedoch bei dem grotesken Bild des Gesichts überhaupt keine Rolle. 4 Die Augen drücken ein
rein individuelles und sozusagen autarkes Innenleben eines Menschen aus, das für das Groteske
nicht wesentlich ist. Das Groteske beschäftigt sich nur mit hervortretenden Augen (zum Bei-
spiel in der grotesken Szene mit dem Stottern und dem von uns zerlegten Harlekin), da ihn alles
interessiert, was aus dem Körper herauskriecht, herausragt und herausragt.5 Im Grotesken
kommt allen möglichen Gliedmaßen eine besondere Bedeutung zu, alles, was den Körper fort-
setzt und ihn mit anderen Körpern oder mit der außerkörperlichen Welt verbindet. Außerdem
sind hervortretende Augen für das Groteske interessant, weil sie reine Körperspannung anzei-
gen. Aber das Wichtigste am Gesicht für den Grotesken ist der Mund. Er dominiert. Das gro-
teske Gesicht läuft im Grunde auf einen aufgerissenen Mund hinaus. Alles andere ist bloß die
Umrahmung dieses Mundes, dieses klaffenden und verschlingenden leiblichen Abgrunds.6 Die
Hypertrophie in Größe, Stärke, Dynamik usw. der Organe des grotesken Körpers und ihre Aus-
tauschbarkeit macht diesen Körper keineswegs pervers und verletzt in keiner Weise seine bio-
logischen und genetischen Funktionen. Im Gegenteil, es stärkt sie nur, verstärkt, intensiviert,
aber verzerrt sie auf keinen Fall bis zur perversen Anatomie des Körpers. Die wesentlichen
Ereignisse im Leben des grotesken Leibes, Bachtin nennt es die zentralen Akte des Körper-
Dramas, Essen, Trinken, Ausscheidungen, Begattung, Schwangerschaft, Niederkunft, Körper-
wuchs, Altern, Krankheiten, Tod, Zerfetzung, Zerteilung, Verschlingung durch einen anderen
Leib – alles das vollzieht sich an den Grenzen von Leib und Welt, an der Grenze des alten und
des neuen Leibes. 7
Bachtin führt das Konzept der Lachkultur des Volkes ein. Wenn wir den Begriff „Lach-
kultur“ definieren, dann ist es eine Methode der Produktion, Verbreitung und des Konsums des
Witzigen als emotionale Reaktion auf die Aufdeckung von Absurditäten, Stereotypen,

2
Vgl. Bachtin, M. (1969), S.15
3
Vgl. Bachtin, M. (1969), S.16-17
4
Vgl. Bachtin, M. (1969), S.16
5
Vgl. Bachtin, M. (1969), S.16-17
6
Bachtin, M. (1969), S.15-16
7
Vgl. Bachtin, M. (1969), S.17
5

Illusionen, Lebensphänomenen und Situationen. Die gesamte reiche Lachkultur des Mittelalters
lebte und entwickelte sich außerhalb der offiziellen Sphäre der Hochideologie und Literatur.
Aber gerade wegen dieser inoffiziellen Existenz zeichnete sich die Kultur des Lachens durch
ihre außergewöhnliche Radikalität, Freiheit und gnadenlose Nüchternheit aus.
Der Alltag eines Menschen im Mittelalter war ernst und geordnet, begleitet von einer
Fülle kirchlicher und staatlicher Verbote. Liberalisierungsmechanismen waren bereits in der
Sattelzeit auf den Weg gebracht worden, aber die Positionen der Kirche blieben ebenso ein-
flussreich. So waren Misstrauen gegenüber einem ernsten Ton und der Glaube an die Wahrheit
des Lachens weit verbreitet. Sie haben verstanden, dass Lachen niemals Gewalt verbirgt, dass
Lachen kein Feuer entzündet, dass Heuchelei und Täuschung niemals lachen, sondern eine
ernste Maske aufsetzen, dass Lachen keine Dogmen schafft und nicht autoritär sein kann, dass
Lachen keine Angst bedeutet, sondern das Bewusstsein der Kraft, dass das Lachen mit einem
produktiven Akt, Geburt, Erneuerung, Fruchtbarkeit, Überfluss, Essen und Trinken verbunden
ist, mit der irdischen Unsterblichkeit der Menschen, dass das Lachen endlich mit der Zukunft
verbunden ist, mit dem Neuen, mit der Zukunft, klärt der Weg dazu. Daher trauten sie dem
Ernst spontan nicht und glaubten an festliches Lachen.8
War die Kunst des Grotesken im Mittelalter eher darauf ausgerichtet, etwas Komisches
zu demonstrieren, so wurde die Kunst bereits in der Sattelzeit zum Mittel oder Medium der
Erkenntnis, Analyse und Politik. Offensichtliche körperliche Übertreibung ist nicht mehr der
eigentliche Zweck grotesker Kunst. Der Fokus für die Themen der Kunst hat sich in Richtung
Moral in Gesellschaft, Politik und möglicherweise einigen aktuellen Ereignissen verschoben.
Die Hässlichkeit um die Geburt der Komik zuliebe verlor ihr Interesse und blieb im Mittelalter
bestehen.9

3. Katholische Kirche in Spanien im späten 18. und frühen 19. Jahrhun-


dert
Die katholische Kirche in Spanien war im 18. Jahrhundert eine sehr starke Institution, die im
Wesentlichen die Autorität im Land war. In Spanien wurde die königliche Macht vom Klerus
unterstützt und umgekehrt.10
Zu dieser Zeit gewann die Kirche auch an wirtschaftlicher Macht. Die katholische Kir-
che hatte viele Einnahmequellen: Einkünfte aus der Landwirtschaft, aus städtischen Besitztü-
mern, Darlehenszinsen, Viehhandel, Kirchengebühren und sogar Industrieproduktion. Die

8
Vgl. Bachtin, M. (1969), S.32-35
9
Von Brinken, J. (2006) S.21
10
Vgl. Callahan, W. J. (1984) 15-19
6

Kirche besaß auch Ländereien in ganz Spanien. In jeder Provinz Spaniens befanden sich zwi-
schen 5 % und 27 % des Landes im Besitz der Kirche. Die Kirche kombiniert also wie ein
Oligarch Elemente von Macht und wirtschaftlichem Reichtum. Mit anderen Worten, es war
ein Staat im Staat. 11
Eine der wichtigsten kirchlichen Organisationen dieser Zeit war die Heilige Inquisi-
tion. Die Inquisition in Spanien wurde zu einer separaten Justiz- und Strafbehörde im Staat.
Die Inquisition wurde ursprünglich geschaffen, um konvertierte Juden (Conversos) zu kon-
trollieren und zu bestrafen, die verdächtigt wurden, heimlich jüdische Riten durchzuführen,
und es wurden auch Anklagen wegen Hexerei, Homosexualität und allem, was aus Sicht der
Inquisition unanständig erschien, erhoben. Im Laufe der Zeit hat sich diese Liste erweitert.
Die Iquisition schuf bei den Spaniern eine Psychologie der Angst, sie erlebten Angst im All-
tag. So versuchte die Heilige Inquisition, das Bild eines Wächters der Rechtschaffenheit und
Moral zu schaffen, verwendete jedoch die Methoden des Terrors und der Folter, wenn sie
nach Beweisen suchte, um sie anzuklagen. Und obwohl die Aktivität und Grausamkeit der In-
quisition im Laufe der Zeit nachließ, wuchs die Unzufriedenheit mit der Inquisition in der Ge-
sellschaft nur und es gab immer mehr Gegner dieser Institution.12

4.Analyse der Merkmale der Kirchenmalerei am Beispiel von Goyas Ge-


mälden
Um die Essenz der grotesken Kirchenkritik in Goyas Caprichos besser zu verstehen,
lohnt es sich, Beispiele einer traditionelleren Darstellung des Klerus und der Malerei zu kirch-
lichen Themen im Allgemeinen zu betrachten, um ihre Züge zu verstehen und Caprichos bereits
vor ihrem Hintergrund zu betrachten.
Dazu eignet sich eine Gemäldeserie „Padres de la Iglesia (pintura, ca. 1796-1799)“ von
Goya, die den vier lateinischen Kirchenvätern gewidmet ist: Hieronymus, Ambrosius, Agustin
und Gregor. Goyas Serie der Kirchenväter steht im Kontext der Reformbestrebungen seit der
Verbannung der Jesuiten 1767 durch Karl III., die sowohl die spanische Monarchie als auch die
aufklärerischen Intellektuellen, allen voran Goyas Freund Gaspar Melchor Jovellanos, an Schu-
len und Universitäten umzusetzen versuchten.13

11
Vgl. Callahan, W. J. (1984) 39-41
12
Vgl. Callahan, W. J. (1984) 31-33
13
Schuster, P., Seipel, W., Marquès, M. (2005), S.172
7

4.1 San Agustín


Goya stellte Augustin (354-430), seit 395 Bischof von Hippo Regius, frontal in weißer
Tunika und in schwerem, golddurchwirktem, an der Brust geschlossenem Pluviale dar. Seine
Kontur wiederholt die Rautenform der Mitra, des Sinnbildes für eine höhere Wirklichkeit. Der
bärtige alte Bischof, Apostelnachfolger Christi, richtet seinen Blick hingebungsvoll nach
oben, die göttliche Eingebung erwartend, worauf auch die erhobene linke Hand verweist, be-
reit, diese Erfahrung in das Buch auf seinen Knien niederzuschreiben. 14
Die komplizierte Drapierung des pluviales scheint die wesentlichen, das lateinisch-
westliche Christentum seither prägenden Prinzipien des heiligen Augustin zu reflektieren, der
nach langjährigem Studium der Philosophie im Jahr 387 zum Christentum fand. Seine
Zweinaturenlehre – „duae naturae, una persona“, die Lehre von Geist und Materie in Analogie
zu Leib und Seele, vom Kampf zwischen irdischem und Gottesstaat, von der freiwilligen
Wahl des Menschen zwischen Annahme und Zurückweisung des Gnadenangebotes Gottes –
könnte in den zwei Hälften des aufgeschlagenen Mantels zum Ausdruck gebracht sein. Die
aufgefächerten Mantelfalten links, deren Stege sich im Knie bündeln, wissen demzufolge auf
die augustinische Wissenschaftspyramide hin, an deren Spitze die über die artes zu vermit-
telnder Bildung rangiert. Wer diese Spitze erlangt hat, ist in der Lage, das in allen Disziplinen
Verstreute zu bündeln und auf seine Einheit zurückzuführen, die Bedeutung für den Aufstieg
vom Körperlichen zum Geistigen, zum Göttlichen.15

4.2 San Gregorio Magno


Papst Gregor I., genannt der Große (um 540-604), der erste Mönchspapst, der den
künftig offiziellen Titel »Diener der Diener Gottes« einführte, begründete durch die Zentrali-
sierung des päpstlichen Besitzes die weltliche Macht des Papsttums in Italien, erwirkte die ka-
tholische Bekehrung der Angelsachsen und prägte die abendländische Liturgie nachhaltig
durch die Vereinfachung der Lehre Augustins und die Etablierung der römischen Messzere-
monien. 16
Im Vergleich zu Goyas Heiligen Augustin Haltung sind Gestus und insbesondere der
Faltenwurf beruhigt, die Figur in sich geschlossen, der Schreibakt betont. Goya, der auch hier
die Persönlichkeit des Heiligen durch Form und Physiognomie würdigt und charakterisiert,
zeigt Gregor in weißer Tunika, unter der die Schuhspitze als Zeichen der irdischen

14
Schuster, P., Seipel, W., Marquès, M. (2005), S.174
15
Schuster, P., Seipel, W., Marquès, M. (2005), S.174
16
Schuster, P., Seipel, W., Marquès, M. (2005), S.172
8

Verbundenheit hervorragt, in weißgoldenem, in langen Bahnen herabfließendem Pluviale und


mit Tiara. Im Dreiviertelprofil porträtiert, hält er den Kopf gesenkt, um in ein Buch zu schrei-
ben, das auf seinem hell beleuchteten, wie eine Säule wirkenden Bein liegt.17 Nur die weiße
Taubenfeder spielt auf die Taube des Heiligen Geistes an, die in Darstellungen Gregors die
göttliche Inspiration zu symbolisieren pflegt. Der Heilige schreibt vermutlich das Sakramen-
tar, das Buch mit den vom Priester gesprochenen Gebeten der Messfeier, die er zugleich zu
diktieren scheint. 18
Nachdem wir diese Beispiele klassischer Malerei auf Kirchenmotiven betrachtet ha-
ben, können wir einige Gemeinsamkeiten feststellen, die der Künstler verwendet: Fast immer
wird ein bestimmter Vertreter des Klerus dargestellt. Die Position des Körpers und die von
ihm auf dem Bild ausgeführte Handlung spiegeln seine Aktivitäten und seinen Beitrag zur
Entwicklung der Religion wider, und es scheint auch, dass es im Klerus mehr Geistiges und
Göttliches als Körperliches gibt.

5. Antiklerikalismus in Goyas Radierungen

5.1 Capricho 46
Diese Radierung ist verwirrend. Es ist sehr schwer zu verstehen, was in diesem Bild
passiert. Im unteren Teil des Bildes sehen wir Menschen in Gewändern und im oberen Teil
befinden sich die fantastischen Wesen, die größtenteils Tieren ähnlich sind, aber einige von
ihnen haben auch menschliche Gesichter. Im Vordergrund stehen zwei Personen, die zu lesen
oder zu beten scheinen. Die dritte Figur mit Tiergesicht versteckt seine verschränkten Arme in
den Ärmeln seines Gewandes.19
Auch die Bildlegende, die „Corrección.“ lautet und mit Züchtigung oder Bestrafung,
aber auch mit Zurechtweisung oder Tadel übersetzt werden kann, liefert keinen Hinweis auf
das Thema der Radierung.20
Von einigen Kommentatoren wird die dargestellte Szene als Inquisitionstribunal gedeutet.
Dazu folgt eine philosophische Reflexion darüber, dass der Mensch über das Prinzip der
Nachahmung lerne und dabei Vorbilder gut oder schlecht sein können. Ein Inquisitionstribu-
nal entscheidet darüber, ob ein Mensch im Sinne der katholischen Kirche schuldig oder nicht
schuldig ist, was hier in den Kategorien gut' und, böse zum Ausdruck gebracht wird. Kritisiert

17
Schuster, P., Seipel, W., Marquès, M. (2005), S.172
18
Schuster, P., Seipel, W., Marquès, M. (2005), S.172
19
Jacobs, H. C., Preyer N. (2019), S. 105
20
Jacobs, H. C., Preyer N. (2019), S. 105
9

wird hier möglicherweise, dass die Inquisition zwar bestrafe, nicht aber die Wurzel des Übels
bekämpfe. 21
Zwei Figuren sind in weiße Mäntel gekleidet, die sich durch den Lichteinfall besonders
hell von den anderen abheben. Vermutlich sind dies die Richter der Inquisition, die über das
Schicksal der Sünder entscheiden. Die Lichtfigur in der Mitte hat offensichtlich tierische
Züge. Es ist schwer zu sagen, zu welchem Tier dieses Gesicht gehört. Es könnte eine Ratte,
ein Affe oder ein Schaf sein. Auf jeden Fall sind dies keine "edlen" Tiere. Daraus folgt, dass
der Richter dumm ist und weder eine objektive Entscheidung treffen noch zur Korrektur bei-
tragen kann. Vielmehr nur neue Mängel und Laster entwickeln.
Tierische Gesichter sind ein leicht identifizierbares Merkmal des Grotesken. Goya ver-
wendete in diesem Fall das Groteske, um die Wirkung der Übertreibung zu verstärken. Er
konnte das dumme, aber menschliche Gesicht des Inquisitors gut darstellen. Und die Bedeu-
tung würde dieselbe bleiben. Aber mit Hilfe des Grotesken erreicht eine solche Analyse den
Effekt der Komik, der den traditionellen Merkmalen der Kirchenmalerei, in der der Kleriker
als Ideal dargestellt wird, direkt widerspricht.

5.2 Capricho 30

Ein alter Mann umklammert zwei Geldsäcke. Es sieht so aus, aus würden die Umste-
henden den alten Mann verspotten und verlachen. Aber warum tun sie das? Die Bildlegende
lautet: ,, Porque esconderlos?" (Warum sie verstecken?) und bezieht sich offensichtlich auf
die Geldsäcke. Doch die Bildlegende liefert erstmal keine Antwort auf die Frage nach dem
Sinn und dem Kontext der Radierung.22
Im Vordergrund versucht ein alter Geizhals mit hässlichem Gesicht mit seinem ge-
beugten Körper zwei Säcke mit Münzen zu verstecken, fast zu beschützen. Neben ihm, etwas
im Hintergrund, steht ein Mann in Frack und Zylinder, der mit der Hand nach links zeigt. Et-
was weiter tauchen drei weitere Gestalten auf, die über die Haltung des alten Mannes lachen.
Goya versucht, die körperliche Hinfälligkeit des alten Geizhalses einzufangen, da dies gleich-
zeitig eine Möglichkeit ist, ihn moralisch zu charakterisieren23. Der alte Geizhals wird als Bi-
schof identifiziert, der vergeblich versucht, sein Geld zu verstecken.
Die Charakterisierung des Bischofs als geizig scheint befremdlich, da Geiz (avaritia)
eine der sieben Todsünden ist und ihm damit eine wesentliche Tugend, die einen guten Christ

21
Jacobs, H. C., Preyer N. (2019), S. 105
22
Jacobs, H. C., Preyer N. (2019), S. 73
23
https://fundaciongoyaenaragon.es
10

ausmacht, fehlen würde. Wie es der Bischof überhaupt zu so viel Reichtum gebracht hat,
bleibt offen.24
Zudem werden Neffen und Kirchendiener genannt, die es auf das Geld des Bischofs
abgesehen haben. Demnach sind Neid und Missgunst (invidia), die eine weitere Todsünde
darstellen, unter Klerikern weit verbreitet. Dass des Weiteren die Neffen des Bischofs er-
wähnt werden, lässt darauf schließen, dass er sich während seiner Amtszeit des Nepotismus
(Vetternwirtschaft) schuldig gemacht hat.25
Es gibt auch eine andere Interpretation, dass dieser Bischof ein unnötig geiziges Leben
führte und versuchte, so viel Geld wie möglich zu sparen. Er sieht jetzt ziemlich alt aus, viel-
leicht nicht lange bevor er stirbt, aber er weigert sich immer noch, das Geld auszugeben. Auch
das ist ein Beweis für Geiz, der eine Todsünde ist, und eine irrationale Einschätzung der Rea-
lität, die die Menschen in der Nähe zum Lachen bringt.26
Die grotesk erfreuten Gesichter der Menschen in der Nähe von Bischoff zeigen, dass
sie seine Lebensweise eindeutig nicht unterstützen. Die Zylinderfigur hat ein zu breites Ge-
sicht, was auf Völlerei hindeuten könnte, und das Bischofsgesicht ist durch Falten übermäßig
deformiert. Am Ende entsteht so ein starker Kontrast: Oben amüsieren sich alle, unten leidet
oder schämt sich der Bischof.

6. Fazit
Im 18. Jahrhundert war die Kirche eine äußerst einflussreiche Institution im Staat.
Diese Institution wollte als Ideal der Moral, Geistlichkeit, Gottesnähe erscheinen. Doch leider
entsprach dies in vielerlei Hinsicht nicht der Realität, was wiederum Anlass zur Kritik gab.
Kritik an der Institution Kirche war immer noch gefährlich und nur wenige Künstler in der ka-
tholischen Welt konnten es wagen. Goya kritisiert in Caprichos hauptsächlich den Klerus.
Es gibt eine offizielle Kirchenmalerei, die voller Pathos ist. Clerus in diesen Gemälden sieht
erhaben, geistlich, fleißig aus, fast trennt er sich von seiner materiellen Existenz. Aber in
Wirklichkeit bestand und besteht der Klerus aus den gleichen Leuten, die er zu richten, zu be-
strafen und zu belehren versucht.
Aus Goyas Radierungen können wir schließen, dass das Groteske zu einem lebhaften
Werkzeug für die Schaffung antiklerikaler Kritik geworden ist. Durch Tiergesichter sieht
man, dass Richter oft dümmer sind als Angeklagte, wenn es um das Gericht der Heiligen In-
quisition geht. Durch übertrieben hässliche Gesichter, die ein Licht auf die wahren Laster der

24
Jacobs, H. C., Preyer N. (2019), S. 73
25
Jacobs, H. C., Preyer N. (2019), S. 73
26
Vgl. Jacobs, H. C., Preyer N. (2019), S. 73
11

Menschen werfen, sehen wir, dass alle Mitglieder des Klerus die gleichen Laster haben wie
die gewöhnliche Bevölkerung des Landes. Sie sind genauso gierig, genauso faul, lüstern oder
neidisch.
Das Groteske ist zu einem unverwechselbaren Merkmal geworden, auch weil es einen
starken Kontrast zur traditionellen Kirchenmalerei heraufbeschwört. Eine Ästhetik wie in der
Serie „Padres de la Iglesia“ fehlt in Goyas Caprichos völlig. Ein Versuch, das Klerusideal
zum Zerbröckeln zu bringen. Ihre Perfektion ist nicht mehr so unfehlbar.
Die Groteske in den Werken von Goya ist eine Satire auf den Klerus. Diese Satire
funktioniert, und dies führte unter anderem dazu, dass die Kirche nach einiger Zeit ihren heili-
gen Status im Land verlor und die Inquisition vollständig aufhörte zu existieren.
12

7. Anhang
Abbildung 1: Goya, Francisco de: “San Agustín” “, Serie: “Padres de la Iglesia” (pintura, ca.
1796-1799) (4/4), Colección particular
13

Abbildung 2: Goya, Francisco de: “San Gregorio Magno“, Serie: “Padres de la Iglesia” (pin-
tura, ca. 1796-1799) (4/4), Museo del Romanticismo, Madrid, España
14

Abbildung 3: Goya, Francisco de: “Corrección”, Serie: “Los Caprichos (46/85)”, (1797 -
1798)
15

Abbildung 4 Goya, Francisco de: “Corrección”, Serie: “Los Caprichos (46/85)”, (1797 -
1798)
16

Abbildung 5: Goya, Francisco de: “Porque esconderlos”, Serie: “Los Caprichos (30/85)”,
(1797 - 1798)
17

8. Bibliografie
Bachtin, Michail: „Die groteske Gestalt des Leibes“, in: Literatur und Karneval. Zur Roman-
theorie und Lachkultur, München: Hanser, 1969,

Callahan, William James: Church, Politics, and Society in Spain, 1750-1874. Cambridge,
Massachusetts: Harvard University Press, 1984.

Schuster, Peter-Klaus, Seipel, Wilfred; Marquez, Manuela B. Mena: Goya - Prophet der Mo-
derne. (Germany), Museo Nacional del Prado, Madrid ; Alte Nationalgalerie Berlin, Dumont,
2005.

Jacobs, Helmut C. ; Preyer, Nina: Goya für alle : Einführung in die "Caprichos". Würzburg:
Königshausen & Neumann, 2019.

Schuster, Peter-Klaus, Seipel, Wilfred; Marquez, Manuela B. Mena: Goya - Prophet der Mo-
derne. (Germany), Museo Nacional del Prado, Madrid ; Alte Nationalgalerie Berlin, Dumont,
2005.

von Brincken, Jörg: Tours de force – die Ästhetik des Grotesken in der französischen Panto-
mime des 19.Jahrhunderts, Tübingen: Niemeyer, 2006

https://fundaciongoyaenaragon.es/

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