Sie sind auf Seite 1von 208

Richard Schaeffler

Transzendentale Theologie
Gott als Möglichkeitsgrund der Erfahrung

https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Richard Schaeffler
Transzendentale Theologie

VERLAG KARL ALBER A


https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Richard Schaeffler

Transzendentale
Theologie
Gott als
Möglichkeitsgrund
der Erfahrung

Herausgegeben und
mit einem Nachwort zur
»Transzendentalen Theologie« und
einem Nachruf auf das
wissenschaftliche Lebenswerk
Richard Schaefflers (1926–2019) versehen
von Markus Enders unter Mitarbeit
von Frank Schlesinger

Mit einer Bibliographie


Richard Schaefflers
von Bernd Irlenborn

Verlag Karl Alber Baden-Baden

https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Richard Schaeffler
Transcendental Theology
God as Precondition of the Possibility of Experience

Richard Schaeffler’s transcendental theology, as Rahner already at-


tempted, wants to indicate what is talked about when God is spoken
of in a secularised world that places all talk of God under suspicion of
meaninglessness: Not the top of the pyramid of being or the scale of
values is the primary place where God can be sought, but every object
of experience and its claim on our looking and thinking can become
the figure in which God meets man. For Schaeffler, experience is a
dialogue that can only be conducted with the reality of the world
because it deciphers the claim of the real as the present form of a free
divine address.

The Author:
Richard Schaeffler, Dr. phil., Dr. theol. h. c., Dr. phil. h. c., born 1926 in
Munich, 1968–1989 Professor for Philosophical-Theological Border
Issues at the University of Bochum. Main research interests: Philoso-
phy of religion, philosophy of history, philosophy of science of theol-
ogy. Book publications include: Philosophy of Religion (1983, 4th ed.
2010), Experience as Dialogue with Reality (1995), Philosophical Ex-
ercise in Theology (3 vol., 2004, study edition 2008), Speaking of God
Philosophically (2006), Ontology in the Post-Metaphysical Age
(2008), Recognition as Responding Design (2014), Phenomenology
of Religion (2017), The Good, the Beautiful and the Sacred (2019).

https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Richard Schaeffler
Transzendentale Theologie
Gott als Möglichkeitsgrund der Erfahrung

Richard Schaefflers Transzendentale Theologie will, wie das schon


Rahner versucht hat, in einer säkularisierten Welt, die alles Reden
von Gott unter Sinnlosigkeitsverdacht stellt, angeben, wovon die Re-
de ist, wenn von Gott gesprochen wird: Nicht die Spitze der Seins-
pyramide oder der Werte-Skala ist der primäre Ort, an dem Gott
gesucht werden kann, sondern jeder Gegenstand der Erfahrung. Des-
sen Anspruch an unser Anschauen und Denken kann zur Gestalt
werden, in der Gott dem Menschen begegnet. Erfahrung ist für
Schaeffler ein Dialog, der mit der Weltwirklichkeit nur deshalb ge-
führt werden kann, weil er den Anspruch des Wirklichen als Gegen-
wartsgestalt einer freien göttlichen Anrede entziffert.

Der Autor:
Richard Schaeffler, Dr. phil., Dr. theol. h. c., Dr. phil. h. c., 1926 in
München geboren, 1968–1989 o. Professor für Philosophisch-Theo-
logische Grenzfragen an der Universität Bochum. Forschungsschwer-
punkte: Religionsphilosophie, Geschichtsphilosophie, Wissenschafts-
theorie der Theologie. Buchpublikationen u. a.: Religionsphilosophie
(1983, 4. Aufl. 2010), Erfahrung als Dialog mit der Wirklichkeit
(1995), Philosophische Einübung in die Theologie (3 Bde., 2004, Stu-
dienausgabe 2008), Philosophisch von Gott reden (2006), Ontologie
im nachmetaphysischen Zeitalter (2008), Erkennen als antwortendes
Gestalten (2014), Phänomenologie der Religion (2017), Das Gute, das
Schöne und das Heilige (2019).

https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Originalausgabe

© VERLAG KARL ALBER


ein Verlag in der Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 2022
Alle Rechte vorbehalten
www.verlag-alber.de

Satz: SatzWeise, Bad Wünnenberg


Gesamtverantwortung für Druck und Herstellung bei der
Nomos Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG

ISBN Print 978-3-495-49122-5


ISBN E-Book(PDF) 978-3-495-82687-4

https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Inhalt

Erster Teil: Transzendentale Reflexion und Theologie –


Zukunftsmöglichkeiten ihrer Begegnung . . . . . . . . . 11

Vorbemerkungen zum Thema . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

A. Zur philosophiegeschichtlichen und


theologiegeschichtlichen Ausgangslage . . . . . . . . . . 15
1. Der Glaube nach der »Zertrümmerung« seiner onto-
theologischen Grundlage . . . . . . . . . . . . . . . . 15
2. Der Glaube angesichts eines Themenwandels der
Religionskritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20
3. Das transzendentaltheologische Argument . . . . . . . 21

B. Die Gegengründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25
1. Philosophische Gegengründe . . . . . . . . . . . . . . 25
2. Theologische Gegengründe . . . . . . . . . . . . . . . 29
3. Der erreichte Problemstand . . . . . . . . . . . . . . . 32

C. Die transzendentale Kritik als Herausforderung an die


Theologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35
1. Es gibt kein rein passives Hinnehmen, sondern nur
»verarbeitete Information« . . . . . . . . . . . . . . . 35
2. Die Welt und das eigene Ich sind uns nicht gegeben,
sondern aufgegeben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39
3. Nicht nur der transzendentalen Philosophie, sondern auch
derjenigen Vernunfttätigkeit, die sie beschreibt, liegt ein
Interesse an Freiheit zugrunde . . . . . . . . . . . . . . 45
4. Das eine Interesse der Vernunft entfaltet sich in mehrere
Vernunftinteressen, die einander widerstreiten . . . . . 51

7
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Inhalt

5. Die Dialektik der Vernunft kann nur durch einen


»postulatorischen Vernunftglauben« aufgehoben werden . 63

D. Aufgaben und erreichte Ergebnisse . . . . . . . . . . . . 77


1. Philosophische und theologische Einwände gegen die
Transzendentale Theologie und der Versuch, die trans-
zendentale Methode weiterzuentwickeln . . . . . . . . . 77
2. Zukunftsmöglichkeiten einer Begegnung . . . . . . . . 80

Zweiter Teil: Transzendentalphilosophie und Theologie . 85

A. Christliche Philosophie und neuzeitliche Subjektivität –


oder: Die späte Trauer um einen »überwundenen Feind«? 87

B. Braucht die Theologie irgendeine Art von Transzendental-


philosophie – und welche (die kantische oder eine über
Kant hinaus entwickelte Transzendentalphilosophie)? . . 105

C. Die transzendentalphilosophische Frage und die Vielfalt


der Wege zu ihrer Beantwortung . . . . . . . . . . . . 109
1. Die Transzendentalienlehre mittelalterlicher Aristoteliker 109
2. Die Transzendentalphilosophie Kants . . . . . . . . . . 110
3. Zweifel daran, daß die Theologie die kantische Gestalt der
Transzendentalphilosophie »braucht« . . . . . . . . . . 111
4. Gestalten einer Weiterentwicklung der Transzendental-
philosophie: die transzendentale Phänomenologie und
ihre »linguistische Wendung« . . . . . . . . . . . . . . 113

D. Vorschlag einer neuen Gestalt der Transzendental-


philosophie als Angebot an die Theologie –
Bausteine zu einem Programm . . . . . . . . . . . . . . 117

8
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Inhalt

Anhänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121

Markus Enders
Ein Nachwort zur »Transzendentalen Theologie« und
ein Nachruf auf das wissenschaftliche Lebenswerk
Richard Schaefflers (1926–2019) . . . . . . . . . . . . . . . 123

Bernd Irlenborn
Bibliographie Richard Schaefflers.
Zeitraum: 1952 bis 2022 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181

9
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Erster Teil:
Transzendentale Reflexion und
Theologie –
Zukunftsmöglichkeiten
ihrer Begegnung 1

1 Die folgenden Ausführungen stellen die erweiterte Fassung eines Gastvortrages dar,
den ich am 13. Januar 1997 in Tübingen gehalten habe.

https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Vorbemerkungen zum Thema

Es ist still geworden um die Transzendentale Theologie, die mehrere


Jahrzehnte lang zur »Trendspitze« der theologischen Entwicklung ge-
rechnet worden war. Sogar ihr Protagonist, Karl Rahner, fand es in
seinen späten Jahren nicht mehr so wichtig, ob man seinen metho-
dischen Ansatz »transzendental« nennen wolle oder nicht. Und gera-
de unter denen, die seine Leistung hochschätzen, gibt es solche, die
darauf hinweisen, im Zentrum seiner Theologie liege nicht die tran-
szendentale Reflexion, sondern die Mystagogie. 2
In der Rückschau stellen derartige Versuche, die Bedeutung der
transzendentalen Methode für die Theologie Rahners vergleichsweise
niedrig einzustufen, sich wie »Frontbegradigungen« dar, die durch
konzentrische Angriffe von entgegengesetzten Seiten ausgelöst wor-
den waren: Den Philosophen war und ist diese Theologie teils zu tran-
szendental, teils nicht transzendental genug. Den Theologen erschien
und erscheint sie zu geschichtsfern und zu wenig praxisnah. Dennoch
ist diese weitgehende Ausblendung der Frage, wie »transzendental«
die Theologie Karl Rahners genannt werden kann, in philosophie-
geschichtlicher und vor allem in theologiegeschichtlicher Hinsicht
zu bedauern. Denn auch wem die vorgeschlagene Lösung einer Auf-
gabe unzulänglich erscheint, hat deswegen noch keinen Grund, die
Aufgabe zu vergessen, die dadurch gelöst werden sollte. Diese Auf-
gabe aber läßt sich, zunächst im Hinblick auf die Theologie, in folgen-
der Weise charakterisieren: Es ging darum, dem christlichen Glauben
nach dem vermeintlichen oder wirklichen »Ende der Metaphysik«
eine neue rationale Grundlage zu geben. Und es ging darum, einer
säkularisierten Welt verständlich zu machen, wovon die Rede ist,

2 Vgl. dazu die in der Theologischen Quartalschrift ausgetragene Kontroverse zwi-


schen P. Eicher und K. P. Fischer: P. Eicher, »Wovon spricht die transzendentale Theo-
logie?«, in: ThQ 156 (1976) 284–295; K. P. Fischer, »Wovon erzählt die transzenden-
tale Theologie?«, in: ThQ 157 (1977) 140–142.

13
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Erster Teil: Transzendentale Reflexion und Theologie

wenn von Gott gesprochen wird. Damit aber war die philosophische
Aufgabe verbunden, die Transzendentalphilosophie so weiterzuent-
wickeln, daß von hier aus ein geschichtliches Verständnis der mensch-
lichen Vernunft möglich würde. Oder, um es in Anlehnung an Kants
eigene Worte zu sagen: Es ging darum, jene »Geschichte der reinen
Vernunft« zu schreiben, für die Kant »eine Stelle im System« offen-
halten wollte, »die künftiger Ausfüllung bedarf«. 3

3
Kritik der reinen Vernunft A 852.

14
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
A. Zur philosophiegeschichtlichen und
theologiegeschichtlichen Ausgangslage

1. Der Glaube nach der »Zertrümmerung« seiner onto-


theologischen Grundlage

Kant galt schon seinen Zeitgenossen als der »Zertrümmerer der Me-
taphysik« – unerachtet der Tatsache, daß er die Ergebnisse seiner Ver-
nunftkritik als Vorbereitung einer neuen Metaphysik verstanden
hat. 4 Dieser Eindruck wurde dadurch hervorgerufen, daß er einerseits
die bisherigen Traktate der »speziellen Metaphysik«, die philosophi-
sche Lehre von Gott, der Welt und der Seele, einer grundsätzlichen
Kritik unterzog, andererseits und vor allem die bisherige »allgemeine
Metaphysik«, die Lehre vom Seienden als einem solchen und im Gan-
zen, als die Behandlung einer falsch gestellten Frage beurteilte. Die
Frage, die er mit der Tradition für die Grundfrage der Metaphysik
hielt, wie nämlich Aussagen möglich seien, die von allen wirklichen
und möglichen Gegenständen gelten, wird seiner Überzeugung nach
mißverstanden, wenn sie als Frage nach den »passiones generales en-
tis«, also nach den Prädikaten, die von jedem Seienden als einem sol-
chen gelten, gestellt wird. Sie muß neu gestellt werden als die Frage
nach den Konstitutionsbedingungen der Gegenstände, die uns als
Maßstäbe unserer wahren und falschen Urteile, also mit »objektiver
Geltung«, gegenübertreten. Diese Konstitutionsbedingungen aber
müssen in den Formen unseres Anschauens und Denkens gesucht
werden, durch die es uns gelingt, Inhalte subjektiven Erlebens in Ob-
jekte möglicher Erfahrung zu verwandeln. Folglich muß in der ge-
suchten kommenden Metaphysik »der stolze Name einer Ontologie
[…] dem bescheidenen einer bloßen Analytik des reinen Verstandes
Platz machen«. 5

4
Vgl. den Titel seines Buches Prolegomena zu einer jeden künftigen Metaphysik, die
als Wissenschaft wird auftreten können.
5
Kritik der reinen Vernunft A 247.

15
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Erster Teil: Transzendentale Reflexion und Theologie

Wirkungsgeschichtlich jedoch ist nicht so sehr Kants Absicht,


die Metaphysik auf eine neue Grundlage zu stellen, folgenreich ge-
wesen, sondern jene Ontologiekritik, die man als »Zertrümmerung«
jeglicher Metaphysik verstand. Diese Wirkungsgeschichte reichte
nun weit über die fachimmanente Philosophiegeschichte hinaus und
führte dazu, daß alle metaphysischen Fragen, die Frage nach Gott
eingeschlossen, als Fragen ohne Sachbezug und Bedeutungsgehalt be-
urteilt wurden, sodaß Aussagen mit objektiver Geltung, wie man nun
meinte, nur von den positivistisch verstandenen Erfahrungswissen-
schaften erwartet werden konnten. Der auf solche Weise positi-
vistisch verstandene Kant galt dann, weit über den engen Kreis der
Philosophen hinaus, als der Kronzeuge dafür, daß insbesondere alle
Fragen der Religion aus dem Themenkreis rationalen Argumentie-
rens auszuscheiden seien, religiöse Überzeugungen aber als Aus-
drucksformen von Gefühlen zu begreifen seien. Gefühle aber können
nicht nach ihrer Wahrheit befragt werden, sondern nur nach ihrer
lebensfördernden oder lebenshemmenden Funktion. So wurde ein
psychologistisches Verständnis vorbereitet, das alle religiösen »Vor-
stellungen« als ein Ensemble von »Bildern« verstehen wollte, in
denen Gefühle, die im menschlichen Unterbewußtsein ihre Quelle
haben, »nach außen projiziert« und in vermeintlicher Gegenständ-
lichkeit anschaubar werden. Auch diese Bilder sind – wie die Gefühle,
aus denen sie entspringen und die sie zum Ausdruck bringen – nicht
wahr oder falsch, sondern lebensfördernd oder lebenshemmend. Und
auch die Interpretation dieser Bilder (also auch die Religionswissen-
schaft und Theologie) ist allein an diesem ihrem Nutzen oder Nach-
teil für das Leben zu messen. Diese Auffassung vom Wesen der Reli-
gion ist, das sei noch einmal hervorgehoben, nicht Kants Auffassung
gewesen. Aber sie ergab sich wirkungsgeschichtlich aus einem be-
stimmten und als einleuchtend geltenden Verständnis seiner Onto-
logiekritik.
Dieses Religionsverständnis konnte sich nun mit einer sozialdar-
winistischen Auslegung der Religionsgeschichte verbinden: Religiöse
Bilder und deren Auslegung werden von jeweils nachfolgenden Ge-
nerationen nur dann rezipiert und weitergegeben, wenn sie sich für
diese je neuen Generationen als lebensfördernd erweisen. Für eine
religiöse Überlieferungsgemeinschaft ist es daher überlebensnotwen-
dig, jene Komplexe von Bildern, die den entscheidenden Inhalt ihrer
Überlieferung ausmachen, und jene Praxisformen, die im Umgang
mit derartigen Bildern entwickelt worden sind, jeweils neu so aus-

16
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
A. Zur philosophiegeschichtlichen und theologiegeschichtlichen Ausgangslage

zulegen, daß Bilder und Auslegungen den sich ändernden Lebens-


bedürfnissen der Menschen entsprechen. Die wechselnden Auslegun-
gen, die die Theologen hervorbringen, verhalten sich dann wie die
Mutanten, die eine Spezies von Lebewesen hervorbringt. Aber der
Kampf ums Überleben (historisch bedeutet das: der Kampf konkur-
rierender Deutungsangebote um ihre Rezeption durch neue Genera-
tionen) führt dazu, daß aus der Menge dieser Mutanten jeweils die-
jenigen ausgelesen werden, die »fortpflanzungsfähig« sind, d. h. von
neuen Generationen rezipiert werden können, weil sie geeignet sind,
deren Lebensbedürfnisse zu erfüllen. Durch dieses Wechselspiel zwi-
schen dem Einfallsreichtum der Interpreten, die immer neue Muta-
tionsformen des Überlieferungsgutes hervorbringen, und dem harten
Kampf um die »Fortpflanzung« der Überlieferungsgemeinschaft (um
die Rezeption ihres Überlieferungsgutes) ergibt sich die Höherent-
wicklung der Überlieferungen und der sie tragenden Überlieferungs-
gemeinschaften, analog zu dem Vorgang, in welchem Mutationen
und Selektionsvorgänge die Höherentwicklung der Arten erzwingen.
Bezogen auf die Kirche als religiöse Überlieferungsgemeinschaft be-
sagt dies: »Sie war immer, wie sie sein mußte, bei Strafe des Nicht-
Überlebens.« Und dieses ihr Überleben war und ist notwendig, wenn
das ihr anvertraute Überlieferungsgut, also insbesondere die Bot-
schaft des Evangeliums, von jeweils neuen Generationen rezipiert
und weitergegeben werden sollte. Nur weil die Kirche immer so war,
wie sie sein mußte, um zu überleben, hat das Evangelium bis heute
Anhänger gefunden; und nur unter der gleichen Bedingung wird es
künftig Anhänger finden. »Das Evangelium hat die Kirche ebenso
nötig, wie die Kirche das Evangelium nötig hat.«
Die beiden soeben zitierten Sätze sind Kernaussagen des Buches
von Alfred Loisy »Das Evangelium und die Kirche«. 6 Sie geben, noch
einmal sei es betont, nicht Kants Auffassung von der Religion und
ihrer Geschichte wieder. Aber unter Voraussetzung der kantischen
Kritik an der Ontologie (die man mit dem »Ende der Metaphysik«
gleichsetzte) schien es zu dieser Deutung keine Alternative zu geben.
Wenn Religion und Glaube sich nicht mehr durch Argumente, ins-
besondere durch Gottesbeweise, als objektiv gültig ausweisen lassen,
müssen sie aus unabweislichen subjektiven Bedürfnissen erklärt wer-
den, welche ihrerseits Gefühle erzeugen, die sich in Bildern ausdrük-
ken. Und das einzige Kriterium, an denen solche Bilder mitsamt ihren

6
L’évangile et l’église, Paris 1902, 137; 139 (Das Evangelium und die Kirche).

17
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Erster Teil: Transzendentale Reflexion und Theologie

wechselnden Auslegungen beurteilt werden können, besteht in ihrer


lebensfördernden oder lebenshemmenden Funktion, welche ihrer-
seits darüber entscheidet, ob religiöse Überlieferungen Zustimmung
finden und so an kommende Generationen weitergegeben werden
können. Die psychologistische Deutung der Religion und die sozial-
darwinistische Deutung ihrer Geschichte erschienen unter dieser
Voraussetzung nicht nur einleuchtend, sondern ohne Alternative.
Und dieser Alternativlosigkeit entsprach es, daß die entsprechende
Auffassung von Religion, Glaube und kirchlicher Überlieferungs-
gemeinschaft eine öffentliche Plausibilität erreichte, die jeden Ver-
such, eine argumentative Glaubensbegründung zu fordern und für
religiöse Überzeugungen objektive Geltung zu beanspruchen, als
Rückfall in ein vorkritisches Bewußtsein erscheinen ließ.
Damit war jene Diskussionslage erreicht, die wir als »Modernis-
musstreit« zu bezeichnen gewohnt sind. Der in der Katholischen Tü-
binger Schule ausgebildete, aber in Freiburg lehrende Fundamental-
theologe Carl Braig, der die psychologistische Auffassung von der
Religion im Allgemeinen und von der christlichen Botschaft im Be-
sonderen leidenschaftlich bekämpfte, weil er diese Botschaft nicht nur
als lebensfördernd, sondern als wahr anerkannt wissen wollte, wurde
deshalb nicht nur zum Vorkämpfer des »Anti-Modernismus«, son-
dern auch zum entschiedenen Gegner der kantischen Philosophie.
Und Papst Pius X. griff in seiner Enzyklika Pascendi Braigs Argu-
mente auf, um dreierlei zu betonen:

1) Die Inhalte der christlichen Botschaft sind nicht nur »imagines,


quae e latebris subconscientiae erumpunt« (Bilder, die aus den
Höhlen des Unterbewußtseins hervorbrechen), sondern enthalten
Aussagen mit Anspruch auf objektive Geltung.
2) Die Überlebensfähigkeit einer religiösen Überlieferung ist kein
Wahrheitskriterium, denn sonst »wären alle Religionen wahr,
denn alle sind wirklich«.
3) Der Ursprung des psychologistischen Irrtums und all seiner Kon-
sequenzen liegt in der kantischen Kritik. »Aus der Vermählung
einer falschen [nämlich der kantischen] Philosophie mit dem
Glauben ist dieses System, überfließend an Zahl und Größe der
Irrtümer, hervorgegangen.« 7

7 Pius X., Enzyklika Pascendi Dominici gregis, in: Acta Sanctae Sedis 40 (1907), 593–
650, hier 636.

18
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
A. Zur philosophiegeschichtlichen und theologiegeschichtlichen Ausgangslage

Man muß sich diesen historischen Zusammenhang deutlich machen,


um zu ermessen, welchen Mutes es bedurfte, wenn Joseph Maréchal
den Versuch unternahm, den »Agnosticismus Kantianus« (so nannte
man die kantische Kritik an der traditionellen, ontologischen Meta-
physik) nicht a limine zurückzuweisen, sondern »von seinen eigenen
Prämissen aus zu überwinden«. 8 Und man muß sich darüber hinaus
klarmachen, daß die psychologistische Auffassung von der Religion
und die sozialdarwinistische Deutung ihrer Geschichte an Aktualität
und öffentlicher Plausibilität auch heute nichts eingebüßt haben, um
die Gegenwartsbedeutung dieses Versuches zu würdigen. Gerade die
Auffassung von der Religion als einem Ensemble von Bildern »e late-
bris subconscientiae« und von ihrer lebensfördernden Funktion als
einzigem Kriterium zu ihrer Beurteilung hat ja in jüngster Zeit eine
unvermutete Renaissance gefeiert.
Maréchals Versuch, von den Prämissen der kantischen Kritik aus
zu einer argumentativen Neubegründung des Glaubens und seines
Anspruchs auf objektive Geltung zu gelangen, bezeichnet die Ge-
burtsstunde der Transzendentalen Theologie. Gerade die Analytik
des reinen Verstandes nämlich, die Kant an die Stelle der Ontologie
setzen wollte, könne zeigen, daß diejenige Verstandesoperation,
durch die wir objektive Geltung intendieren, das Urteil ist (also jene
logische Operation, deren sprachlicher Ausdruck der Aussagesatz ist).
Jedes Urteil aber erhält seine Struktur und Funktion durch den Ge-
brauch der Copula »ist«, die den Urteilsgegenstand als ein bestimm-
tes und beschränktes Seiendes bestimmt. Diese Bestimmung aber set-
ze die Beziehung des Urteilenden auf das unbeschränkte, absolute
Sein immer schon voraus. Und da Maréchal, mit der Tradition, den
Begriff des absoluten Seins für bedeutungsgleich mit dem Gottes-
begriff hielt, gewann er auf diese Weise eine These des hl. Thomas
auf neuem Wege zurück: »Jedes erkennende Subjekt erkennt in jedem
erkannten Gegenstand implizit zugleich Gott.« 9
Dieser Feststellung ist eine zweite hinzuzufügen. Wie die Wir-
kungsgeschichte der kantischen Kritik nicht auf die fachimmanente
philosophische Diskussion beschränkt geblieben ist, sondern in einer

8 So die berühmt gewordene Notiz in seinen Aufzeichnungen zu einer Vorlesung, die


er 1914 vor belgischen Theologiestudenten gehalten hat, die sich, als Soldaten der
belgischen Armee, nach dem deutschen Einmarsch in Belgien nach England zurück-
gezogen hatten und dort in einem Militärlager auf ihren Einsatz an der belgischen
Front warteten.
9
»Omnia cognoscentia cognoscunt Deum in quolibet cognito« (De Veritate 22,2 ad 2).

19
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Erster Teil: Transzendentale Reflexion und Theologie

breiten Öffentlichkeit die Überzeugung plausibel gemacht hat, Reli-


gionsfragen seien nicht argumentativ entscheidbar, ja sie stellten
überhaupt keine »Wahrheitsfragen« dar, sondern seien Fragen des
lebensfördernden bzw. lebenshemmenden Gefühls, so blieb auch
Maréchals Programm nicht darauf beschränkt, einen Beitrag zur phi-
losophischen Fachdiskussion zu leisten. Worum es ging, war eine Ver-
söhnung von christlicher Spiritualität und kritischer Rationalität
nicht nur für Philosophen, sondern für weite Kreise der Intellektuel-
len unter den Glaubenden. Gerade im Ausgang von den Prämissen
der kantischen Kritik sollte es auf neue Weise möglich werden, dem
Menschen einen rational verantwortbaren Zugang zu jener Wirklich-
keit Gottes aufzuschließen, die sich von der Wirklichkeitsart aller
Gegenstände wissenschaftlicher Forschung prinzipiell unterscheidet.
Es ist darum kein Zufall, daß Maréchal nicht nur Transzendentalphi-
losoph, sondern zugleich ein Theoretiker der mystischen Theologie
gewesen ist, 10 und daß alle seine Nachfolger, so vor allem auch Lotz
und Rahner, gesuchte und erfolgreiche Lehrer der Meditation ge-
wesen sind. 11 Insofern geht es an der Intention dieser Autoren vorbei,
ihre transzendentale Methode zugunsten ihrer »mystagogischen«
Absicht abwerten zu wollen. Sie waren gerade als Transzendentalphi-
losophen und Transzendentaltheologen Lehrmeister einer spezi-
fischen Art von mystagogischer Meditation.

2. Der Glaube angesichts eines Themenwandels der


Religionskritik

Die theologiegeschichtliche und philosophiegeschichtliche Ausgangs-


lage hat sich vom Beginn des 20. Jahrhunderts bis zu seiner Mitte in
wichtigen Hinsichten verändert. Und diese Veränderung der Aus-
gangslage spiegelt sich in der Differenz zwischen Maréchals tran-
szendentalphilosophischer Gotteslehre und Rahners Transzenden-
taler Theologie. Man kann diese Veränderung der Lage an einem
Themenwandel der Religionskritik deutlich machen. Jahrhunderte-
lang sah die Religionskritik ihre wichtigste Aufgabe darin, die Wahr-
heit religiöser Aussagen zu bestreiten. Nun stellt sie diese Aussagen

10
Vgl. seine Études sur la psychologie des mystiques, Bd. I, Brügge und Paris 1924,
Bd. II, Brüssel 1937 (Studien zur Psychologie der Mystiker).
11
Vgl. J. B. Lotz, Kurze Anleitung zum Meditieren, Frankfurt am Main 1973.

20
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
A. Zur philosophiegeschichtlichen und theologiegeschichtlichen Ausgangslage

unter den Verdacht der Sinnlosigkeit. Die Wahrheits-Bestreitung


setzt voraus, daß religiöse Aussagen von etwas sprechen und etwas
sagen – wenn auch nach Meinung des Kritikers etwas Falsches. Der
Sinnlosigkeitsvorwurf dagegen besagt, religiöse Aussagen beziehen
sich auf nichts (sind »referenceless«) und besagen nichts (sind »mea-
ningless«); und sie verbergen diese ihre Sinnlosigkeit hinter kompli-
zierten Ausdrücken, die sich bei näherer Betrachtung als leere Wort-
hülsen erweisen. Zur herrschenden Methode der Religionskritik
wurde deshalb die Analyse der religiösen Sprache. Sie hatte zu zeigen,
daß die religiöse Sprache aus strukturellen Gründen unfähig sei, sich
auf etwas zu beziehen und etwas zu bedeuten, und daß sie zugleich in
vorzüglichem Maße dazu geeignet sei, die Gegenstandslosigkeit und
Inhaltslosigkeit ihrer Aussagen zu verschleiern, z. B. dadurch, daß sie
durch gezielten Umgang mit paradoxen Formulierungen die Grenze
zwischen Tiefsinn und Unsinn beständig verwischt.
Wie schon bei der kantischen Ontologiekritik, so muß auch bei
der sprachanalytischen Religionskritik betont werden: Ihre Wir-
kungsgeschichte reichte weit über den Kreis von Fachleuten der
Sprachphilosophie oder der empirischen Sprachforschung hinaus.
Ihre Breitenwirkung beruhte gerade darauf, daß sie auch bei denen,
die ihrer fachspezifischen Argumentation nicht zu folgen und deshalb
auch die Grenzen ihrer Argumentationskraft nicht einzuschätzen
vermochten, den Eindruck hervorrief: Wer Ausdrücken der religiösen
Sprache eine andere Bedeutung zuschreiben wolle als den Ausdruck
subjektiver Gefühle (wozu man auch gewisse Werthaltungen zu
rechnen pflegte), der befinde sich nicht mehr auf der Reflexionshöhe
zeitgenössischen Denkens.

3. Das transzendentaltheologische Argument

Nun hat sich die Theologie erst vergleichsweise spät auf die Ausein-
andersetzung mit dieser Art von sprachanalytischer Religionskritik
eingelassen. 12 Wohl aber hat Karl Rahner den dieser Art von Reli-
gionskritik zugrundeliegenden »Sinnlosigkeitsverdacht« mit einem

12Einen guten Überblick über die einschlägigen Argumentationen der Sprach-


philosophen und Theologen enthält die kommentierte Textsammlung, die Ingolf U.
Dalferth unter dem Titel Sprachlogik des Glaubens, München 1974, herausgegeben
hat.

21
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Erster Teil: Transzendentale Reflexion und Theologie

eigentümlichen Gegenangriff beantwortet. Er versuchte zu zeigen:


Nicht der Glaube an Gott ist ohne Sachbezug und Bedeutungsgehalt,
sondern die Bestreitung des Gottesglaubens entzieht allen Aussagen,
auch denen, die es nicht mit spezifisch religiösen Inhalten zu tun
haben, jeden Bezug zu möglichen Gegenständen. Denn nur der Bezug
auf das »absolute Sein« macht es möglich, irgendeine Art von Seien-
den hinsichtlich dessen, was diese Seienden sind, durch Aussagen zu
bestimmen. Dieser Gottesbezug ist darum in jeder Aussage, die auf
Seiendes zielt und dadurch Geltung beansprucht, mitgesetzt. Der
Gottesleugner bestreitet deshalb durch seine Aussageinhalte, also
»kategorial«, das, was er dadurch, daß er überhaupt Aussagen macht,
also »transzendental«, immer schon voraussetzt. Dies war die tran-
szendentalphilosophische Begründung für Rahners oft wiederholte
Behauptung: »Der Mensch« [nämlich als jenes Wesen, das, als »Geist
in Welt«, Erkenntnisse nicht im schlichten Hinblick einer geistigen
Anschauung, sondern nur in der Leistung der Verknüpfung von Sub-
jekt und Prädikat im Urteil gewinnen kann] »hat es, ob er es weiß
oder nicht, immer schon mit Gott zu tun.«
Um aber auf diesem Wege nicht nur eine philosophische Gottes-
lehre grundzulegen, sondern eine christliche Theologie, versuchte
Rahner zu zeigen, daß die Beziehung zum absoluten Sein, in der der
Mensch immer schon steht, eine Alternative offenläßt, die nur durch
Gottes Freiheit entschieden werden kann. Der Seinsbezug kann näm-
lich im Modus der »asymptotischen Ferne« vollzogen werden, als Be-
ziehung zu einer bloß regulativen Idee, an der das urteilende Subjekt
sich zwar notwendig orientiert, die aber niemals zum realen Gegen-
über dieses Subjekts werden kann, oder als Beziehung zu einem Gott,
der diesem Subjekt auf unüberbietbare Weise nahegekommen ist: in
der Fleischwerdung des göttlichen Wortes. Der Mensch hat es also
immer schon mit demjenigen Gott zu tun, in dessen Freiheit es liegt,
sich dem Menschen als der unerreichbar Ferne oder als der unüber-
bietbar Nahe zu zeigen. 13 Erst darin aber liegt die – freilich »supere-
minente« und »ungeschuldete« – Erfüllung jener Gottesbeziehung,
die mit dem Wesen des Menschen als Geist in Welt immer schon
gesetzt ist. Die Christologie als Lehre vom menschgewordenen Got-
teswort ist so verstanden zugleich die Lehre von der durch Gottes
freie Liebestat gewährten Erfüllung dessen, was der Mensch immer

13Vgl. K. Rahner, Grundkurs des Glaubens. Einführung in den Begriff des Christen-
tums, Freiburg 1976, 135; 173 f.

22
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
A. Zur philosophiegeschichtlichen und theologiegeschichtlichen Ausgangslage

schon intendiert, aber nicht herbeizwingen kann. Die so verstandene


Christologie ist die Vollendung der transzendentalen und in diesem
Sinne fundamentaltheologischen Anthropologie. 14 Weit davon ent-
fernt, gegenstandslos und bedeutungslos zu sein, macht erst die Chri-
stusbotschaft und ihre theologische Auslegung dem Menschen deut-
lich, auf welche »supereminente Erfüllung« hin er durch seine
transzendentalen, d. h. die Beziehung auf irgendwelche Gegenstände
ermöglichenden Akte des urteilenden Erkennens angelegt ist.
Nun mag man über die Schlüssigkeit dieser Argumente unter-
schiedlicher Meinung sein. Unbestreitbar ist zweierlei: Wenn, wie zu
Beginn des 20. Jahrhunderts und nach verbreiteter Auffassung bis
heute, nach dem vermeintlich oder wirklich geschehenen Wegfall
metaphysischer Begründungsmöglichkeiten die psychologistische
Religionsdeutung als die einzig mögliche erscheint und wenn dieser
Anschein zur Wirkungsgeschichte der kantischen Kritik gehört, dann
ist Maréchals Versuch, von Kants Prämissen aus gegen Kants Ergeb-
nisse und vor allem gegen deren wirkungsgeschichtliche Folgen zu
argumentieren, das Gebot der Stunde. Und wenn, wie seit der Mitte
des 20. Jahrhunderts, an der Stelle der Bestreitung religiöser Wahr-
heiten der gegen die Religion erhobene Sinnlosigkeitsverdacht zum
herrschenden Thema der Kritik an Religion und Glaube geworden ist,
dann ist Rahners Versuch, diesen Sinnlosigkeitsverdacht an die Got-
tesleugner zurückzugeben, weil diese »kategorial bestreiten, was sie
transzendental voraussetzen«, die angemessene Weise der Apologe-
tik. Und nur wenn es gelingt, auf diesem Wege nicht nur die Religion
im Allgemeinen, sondern die Christusbotschaft im Besonderen von
dem Verdacht zu befreien, sie sei ohne Sachbezug und Bedeutungs-
gehalt, kann die Theologie mit einer Auslegung dieser Christusbot-
schaft auch nur beginnen. Dies war mit der einleitenden Formulie-
rung gemeint: Wem die Lösung der Vertreter der Transzendentalen
Theologie mißfällt, hat deswegen noch keinen Grund, die Aufgabe zu
vergessen, die durch diese Art von Theologie gelöst werden sollte.
Freilich gilt auch das Umgekehrte: Wer von der Unausweichlich-
keit einer Aufgabe überzeugt ist, hat deswegen noch keinen Grund,
sich die kritische Prüfung angebotener Lösungen zu ersparen. Darum
sollen nun, in einem zweiten Teil, die philosophischen und theologi-
schen Gegengründe beschrieben werden, die gegen die Transzenden-
tale Theologie vorgebracht zu werden pflegen.

14
Vgl. Grundkurs des Glaubens, 223.

23
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
B. Die Gegengründe

1. Philosophische Gegengründe

Den philosophischen Kritikern, so wurde eingangs gesagt, ist die


Transzendentale Theologie teils zu transzendental, teils nicht tran-
szendental genug.

a) »Zu transzendental« ist sie vor allem jenen Philosophen, die an


einem »philosophischen Realismus« interessiert sind und daher das
»idealistische« Moment der Transzendentalphilosophie ablehnen.
Denn wenn es zu den Grundüberzeugungen der Transzendentalphi-
losophen gehört, daß die Gegenstände unserer Erkenntnis aus der
Tätigkeit unseres Anschauens und Denkens erst hervorgehen, dann
ist damit mitgesagt, daß wir es in unserem Erkennen jeweils mit der-
jenigen Gestalt des Wirklichen zu tun haben, die nicht unabhängig
von der Beziehung auf das Subjekt »an sich« besteht, sondern durch
diese Beziehung erst konstituiert wird, traditionell gesprochen also
mit »Erscheinungen«. Diese Konsequenz, so scheint es, ist auch dann
nicht zu vermeiden, wenn Maréchal und seine Anhänger betonen, der
Sinn der Copula »ist« bestehe gerade darin, den Gegenstand in sei-
nem »Sein«, also in seiner Unabhängigkeit von Subjekt und in seiner
Maßgeblichkeit für das Subjekt zu erfassen. Es bleibt auch dann
immer eine Unabhängigkeit und Maßgeblichkeit, die das Objekt erst
durch die »Setzung« gewinnt, die wir im Akt des Urteilens vollzie-
hen. Gewiß gehört zum Urteil jene »Affirmation«, durch die wir sa-
gen »So ist es« und dadurch den erkannten Sachverhalt von allen bloß
subjektiven Vorstellungen unterscheiden. Aber diese Unterscheidung
bleibt eine von uns vollzogene, und der Sachverhalt, auf den sie sich
bezieht, tritt uns erst im Vollzug dieses Aktes als solcher gegenüber.
Sein Ansichsein bleibt, um einen Ausdruck von Hegel zu gebrauchen,
ein Moment seines Fürunsseins; er ist »für uns an sich«, nicht außer-
halb seines Fürunsseins, sondern in ihm. Damit aber versperrt uns, so

25
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Erster Teil: Transzendentale Reflexion und Theologie

scheint es, die transzendentale Reflexion den Weg zu den Dingen,


»wie sie an sich selber sind«. Und sofern die Kritiker die aller Er-
kenntnis innewohnende Intention darin sehen, »zu den Dingen« zu
gelangen, hebt ihrer Auffassung nach die transzendentale Reflexion
diese innere Zielrichtung aller Erkenntnisbemühung von vorneher-
ein auf. (Noch das Zweite Vatikanische Konzil sieht darin einen Ver-
stoß gegen die Menschenwürde. 15 Eine Theologie, die mit einer der-
artigen transzendentalen Reflexion beginnt, kann, so scheint es, den
»Subjektivismus« nicht mehr ablegen, der mit diesem methodischen
Ansatz unlöslich verbunden ist.)
Philosophen, die an einer philosophischen Gotteslehre inter-
essiert sind, sehen in diesem Grundgedanken der Transzendentalphi-
losophie den Versuch, das menschliche Subjekt, weil es als »gegen-
stands-konstituierend« gedacht wird, an die Stelle des Schöpfergottes
zu setzen. Und alle Rede von Gott, die auf der Basis einer Transzen-
dentalphilosophie versucht wird, ist, so sagen die Kritiker, in Wahr-
heit die Rede von einem vom menschlichen Subjekt selber gesetzten
Gott. 16 Kant selbst, so fügt man dann hinzu, hat dies in einer berüch-
tigten Anmerkung zu seiner Religionsschrift hervorgehoben: »Es
klingt zwar bedenklich, ist aber keineswegs verwerflich, zu sagen:
daß ein jeder Mensch sich einen Gott mache, ja nach moralischen
Begriffen […] sich einen solchen selbst machen müsse, um an ihm
den, der ihn gemacht hat, zu verehren.« 17
Sofern diese Kritiker aus der Tradition der aristotelisch-thomi-
stischen Scholastik stammen, konnten sie freilich von Maréchal und
seinen Freunden darauf hingewiesen werden, daß die Transzenden-
talphilosophie in dieser Hinsicht nur die alte Lehre vom »intellectus
agens« aufgreife, also jene scholastische Lehre, wonach der »tätige
Verstand« aus dem Material der »phantasmata«, der anschaulichen
Vorstellungen, die »intelligibilia actu«, die wirklichen Erkenntnis-
gegenstände, erst aufbaue, die als solche »non existunt in rerum na-
tura«. 18 Aber dieser philosophiehistorische Hinweis entkräftet den
sachlichen Einwand der Kritiker nicht und bestärkt sie nur in ihrer
Abneigung gegen dieses Lehrstück ihrer eigenen Tradition. Und sie

15 Gaudium et Spes 15.


16 So das Hauptargument, das Cornelio Fabro gegen Rahner vorbringt; vgl. seine
Streitschrift La Svolta antropologica di Karl Rahner, Rom 1974 (Die anthropologi-
sche Wende Karl Rahners).
17 Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft B 257 Anm.

18
In Aristotelis librum de anima, lectio X.

26
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
B. Die Gegengründe

konnten sich in ihrer Kritik dadurch bestätigt fühlen, daß in jüngerer


Zeit Autoren aus ganz anderen philosophischen Überlieferungen der
Transzendentalphilosophie vorgeworfen haben, sie beschreibe ganz
angemessen eine bestimmte Erkenntnishaltung, aber eine solche, die
es zu überwinden gelte: jenes neuzeitliche Herrschaftswissen, das die
gesamte Gegenstandswelt der Gesetzgebung des Subjekts unter-
wirft. 19

b) Während die genannten Kritiker der Transzendentalen Theologie


vorwerfen, sie habe sich zu sehr auf die kantische Lehre von der Ge-
genstandskonstitution durch das erkennende Subjekt eingelassen,
werfen andere ihr vor, sie habe am transzendentalen Ansatz nicht
konsequent genug festgehalten. Dieser Vorwurf gründet sich vor
allem auf die Beobachtung, daß Maréchal, Lotz, Rahner und andere
Anhänger der Transzendentalen Theologie sich zwar wesentliche Tei-
le der kantischen »Transzendentalen Analytik« zu eigen gemacht ha-
ben, vor allem die Lehre von der Bedeutung des Urteils für die Gegen-
standskonstitution, aber Kants »Transzendentale Dialektik« kaum
beachtet haben. Hier hatte Kant ausgeführt, daß Ideen, darunter vor
allem die Gottesidee, von rein regulativem Gebrauche sind und daß
die Vernunft sich in Widersprüche verwickelt, wenn sie diese Ideen
mit Begriffen von vermeintlichen »höchsten Gegenständen« ver-
wechselt. Die Notwendigkeit, mit der die Vernunft sich auf diese
Ideen ausrichtet, um den Verstand zum Aufbau der Gegenstandswelt
anzuleiten, darf nicht mit der vermeintlichen Notwendigkeit der Exi-
stenz von Dingen verwechselt werden. Ideen bezeichnen die Ziel-
punkte einer unvermeidlichen Aufgabe, die die Vernunft sich stellen
muß, wenn Erfahrung möglich sein soll, nicht eine existierende Ur-
Wirklichkeit, auf die die Vernunft sich bei dieser ihrer Bemühung
beziehen könnte. Und die Dialektik der Vernunft, vor allem in ihrem
praktischen Gebrauche, ergibt sich daraus, daß die Vernunft an dieser
ihrer unvermeidlichen Aufgabe auch scheitern kann oder gar not-
wendig scheitert.
Die Meinung Maréchals aber, der »Dynamismus des Geistes«
käme gar nicht zustande, wenn das Ziel, auf das diese Dynamik sich
ausrichtet, nicht »wirklich« wäre, verkennt die Selbstgesetzgebung
der Vernunft, die sich das Ziel ihrer Bemühungen mit transzenden-
taler Notwendigkeit selber vorgibt, statt es in irgendeiner überempi-

19
So vor allem, in immer neuen Anläufen, Emmanuel Levinas.

27
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Erster Teil: Transzendentale Reflexion und Theologie

rischen Region des Wirklichen als gegeben vorzufinden. Dann mag,


mit Rahner gesprochen, der »Vorgriff auf das absolute Sein« mit tran-
szendentaler Notwendigkeit vollzogen werden, weil nur er die Er-
kenntnis des Seienden als eines solchen möglich macht. Aber diese
transzendentale, für die Gegenstandskonstitution unvermeidliche
Notwendigkeit eines Aktes, hier des »Vorgriffs«, darf nicht mit der
ontologischen Notwendigkeit der Existenz eines Gegenstands ver-
wechselt werden. Der scholastische Grundsatz: »Nur eine Tendenz,
die sich auf Wirkliches richtet, ist eine wirkliche Tendenz« (oder seine
negative Fassung »Tendentia in nihilum est nihilum tendentiae«)
setzt jenen »metaphysischen Realismus« schon voraus, den er erst
begründen will. Das nicht Gegebene, sondern rein Aufgegebene hat
seine eigene Weise der Gültigkeit, die keiner Fundierung in einer ver-
meintlich vorgegebenen Wirklichkeit bedarf. Denn wenn alles, was
uns als »gegeben« gegenübertritt, aus der konstitutiven Tätigkeit un-
seres Anschauens und Denkens hervorgeht, kann dieser Tätigkeit
nichts »vorausgehen« als die Selbstgesetzgebung der Vernunft, die
sich ihre Ziele selber setzt und die Verpflichtungskraft dieser Ziele
an keinem anderen Kriterium mißt als daran, ob diese Zielsetzung
nötig ist, wenn der Aufbau einer Erfahrungswelt möglich sein soll.
Man kann, so ist der Nerv dieses kritischen Arguments, nicht die
Lehre von der transzendentalen Gegenstandskonstitution überneh-
men und die Lehre von der rein regulativen Kraft der Ideen von dieser
Übernahme aussparen. Ist die Vernunft bei der Konstitution ihrer
Gegenstände autonom, dann ist sie es auch in der Bestimmung der
Ziele, auf die sie sich bei ihrer Tätigkeit ausrichtet. Ja, die Selbst-
gesetzgebung in der Bestimmung ihrer Ziele ist die Bedingung ihrer
Selbstbestimmung beim Aufbau ihrer Gegenstandswelt.
So läßt sich die philosophische Kritik an der Transzendentalen
Theologie auf die Kurzformel bringen: Den einen Kritikern geht diese
Theologie in der Anerkennung der Vernunftautonomie zu weit, den
anderen erscheint diese Anerkennung der Vernunftautonomie halb-
herzig, sodaß sie am entscheidenden Punkt vor ihren Konsequenzen
zurückscheut.

28
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
B. Die Gegengründe

2. Theologische Gegengründe

a) Der Vorwurf der Geschichtslosigkeit

Die biblische Botschaft ruft den Menschen in ein Gottesverhältnis


hinein, das ganz durch die berufende Freiheit Gottes und die antwor-
tende Freiheit des Menschen bestimmt wird. Darum ist dieses Ver-
hältnis von grundlegend geschichtlicher Natur. Eine Theologie wird
deswegen der Eigenart der biblischen Botschaft nur in dem Maße
gerecht, in welchem sie dieser Geschichtlichkeit Rechnung trägt. Die
transzendentale Reflexion dagegen, so lautet ein wichtiger Einwand,
bezieht eine Position jenseits aller Alternativen der Geschichte. Denn
jener Zusammenhang von Ereignissen, der die Geschichte ausmacht,
bildet ein Gefüge von Inhalten der Erfahrung; die transzendentale
Reflexion dagegen versucht, die Bedingungen zu bestimmen, die Er-
fahrung möglich machen. Gerade als vorausliegende Möglichkeits-
bedingungen jeder Erfahrung bleiben diese von der Differenz zwi-
schen den Inhalten dieser Erfahrung unbetroffen. Wird aber, im
Sinne der Transzendentalen Theologie, die Beziehung des Menschen
zu Gott zu diesen Möglichkeitsbedingungen jeglicher Erfahrung ge-
rechnet, dann folgt daraus, daß auch diese Gottesbeziehung vom
Wechsel der Erfahrungsinhalte und damit von der Geschichte nicht
berührt wird, sondern durch die »Wesensnatur« des Menschen als
»Geist in Welt« apriori gesichert ist. Eine transzendental verstandene
Rede von Gott erscheint dann ungeeignet zur Auslegung der wesent-
lich geschichtlichen biblischen Botschaft.
Nun hat Rahner versucht, diesem Einwand dadurch Rechnung
zu tragen, daß er in jenem Gottesverhältnis, in welchem der Mensch
kraft seiner Natur als Geist in Welt immer schon steht, eine offene
Alternative entdeckte, die nur durch Gottes Freiheit entschieden wer-
den kann: die Alternative von »asymptotischer Ferne«, in der Gott
dem Menschen nur als der unerreichbare Zielpunkt aller seiner Ver-
standesperspektiven erscheint, und unüberbietbarer Nähe, die er dem
Menschen in der Vereinigung seines Wortes mit der Menschennatur
Jesu geschenkt hat. Dabei verstand er die asymptotische Ferne als
Ausdruck des göttlichen Gerichts über den Sünder, die unüberbiet-
bare Nähe dagegen als Ausdruck einer freien und ungeschuldeten
göttlichen Gnade, die, wie Rahner ausdrücklich bemerkt, kein »debi-
tum naturae« ist, also kein Anspruch, den der Mensch deswegen er-

29
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Erster Teil: Transzendentale Reflexion und Theologie

heben könnte, weil Gott sein ebenso freies Schöpfungswort schon


gesprochen hat.
Damit wird freilich in der Geschichte Gottes mit dem Menschen
nur eine einzige Alternative entschieden: »ob Gott die für uns
schweigend in sich verschlossene und uns in unsere Endlichkeit hin-
ein distanzierende Unendlichkeit oder die radikale Nähe der Selbst-
mitteilung sein will«. 20 Dabei hätte die »für uns schweigend in sich
verschlossene Unendlichkeit« den Charakter des Gerichts, die »radi-
kale Nähe der Selbstmitteilung« aber den Charakter der »vergeben-
den Nähe«. 21 Weil aber in dieser Geschichte nur eine einzige Alterna-
tive entschieden wird, und zwar durch die Menschwerdung des
Wortes, darum »schrumpft« die ganze Geschichte der Menschheit,
theologisch gesehen, »zu einem kurzen Augenblick des Anhebens
des Ereignisses Christi zusammen«. 22 Es erscheint fraglich, ob eine
solche Deutung geeignet ist, der biblisch verstandenen Geschichtlich-
keit des Verhältnisses zwischen Gott und dem Menschen gerecht zu
werden; es muß im Gegenteil vermutet werden, daß dieses »Zusam-
menschrumpfen« der Geschichte auf einen einzigen Augenblick eine
der Ursachen dafür ist, daß insbesondere die Geschichtsverkündigung
des Alten Testaments in Rahners Transzendentaler Theologie keine
angemessene Stelle findet und der gesamte Alte Bund sich in seiner
Deutung von den mannigfachen Formen des »adventlichen Heiden-
tums« nicht wesentlich unterscheidet.

b) Der Vorwurf der Praxisferne

Die biblische Botschaft will, worauf in jüngerer Zeit besonders nach-


drücklich hingewiesen worden ist, den Menschen nicht nur theo-
retisch über »himmlische Sachverhalte« belehren, sondern ihn vor
allem auf einen Heilsweg weisen; und dieser Weg wird nicht in der
reinen Innerlichkeit des Individuums gegangen, sondern in konkre-
ten Formen gemeinschaftlicher Praxis. Deshalb kann eine Theologie
diesem praxisbezogenen Charakter der biblischen Botschaft nur in
dem Maße gerecht werden, in welchem sie Alternativen der Praxis,
vor allem der gesellschaftlichen, aufzeigt und als Alternativen von

20
Grundkurs des Glaubens, 173.
21 Grundkurs des Glaubens, 174.
22
Grundkurs des Glaubens, 169.

30
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
B. Die Gegengründe

Heil und Unheil deutlich macht. »Siehe, ich lege vor dich Tod und
Leben, damit du das Leben wählest« (Dtn 30,19). Die transzendentale
Reflexion aber, so wird nun eingewendet, bezieht eine Position jen-
seits aller Alternativen der Praxis, weil sie die Bedingungen benennt,
von denen jeder Bezug zur Erfahrungswirklichkeit und damit jegliche
Praxis abhängt, die heilvolle wie die unheilvolle in gleicher Weise.
Wenn aber die Gottesbeziehung des Menschen diese Bedingung sei-
ner Freiheit ist, dann wird sie in jedem Akt dieser Freiheit vollzogen
und bleibt von den Alternativen der Heils- und Unheilspraxis unbe-
troffen. Es ist vor allem diese Praxis-Neutralität, die Johann Baptist
Metz der Transzendentalen Theologie Rahners vorgeworfen hat und
zu deren Kennzeichnung er sich der Fabel vom Hasen und vom Igel
bediente: Während der »Hase« sich in den Ackerfurchen der Welt
tätig abmüht, um zuletzt zu Gott zu finden, trifft er am Ziel seiner
Mühen jeweils den transzendentalen »Igel« an, der ihm zuruft »Ich
bin allhie«, weil er immer schon in einer Gottesbeziehung zu stehen
meint, die von der Entscheidung praktischer Alternativen gar nicht
berührt wird. 23
Nun kann man gegen diesen Einwand geltend machen, erst im
Lichte eines Gottesbezugs, der mit dem Wesen des Menschen mit-
gegeben ist, könne die Gottwidrigkeit einer verfehlten Praxis als sol-
che erkannt und beurteilt werden. Die vermeintlich fehlende Praxis-
relevanz der Transzendentalen Theologie besteht gerade darin, daß
sie den Maßstab an die Hand gibt, an dem Heilspraxis und Unheil-
spraxis voneinander unterschieden werden können. 24 Aber auch dann
bleibt erhalten, daß dieses unterscheidende Urteil, so verstanden, nur
möglich wird, weil der Mensch durch sein Tun und Lassen die mit
seinem Wesen mitgesetzte Gottesbeziehung zwar pervertieren, aber
nicht verlieren kann. Und es bleibt zu fragen, ob damit die Radikalität
der »Aversio a Deo« und ihrer Folgen angemessen bestimmt werden
kann.

23 Zur Veranschaulichung dieses Einwands der »Praxis-Neutralität« von Johann Bap-


tist Metz gegen die Transzendentale Theologie Karl Rahners mit der Fabel von dem
Hasen und dem Igel vgl. J. B. Metz, Glaube in Geschichte und Gesellschaft, Mainz
1977, 143–145.
24
Dieses Argument hat mein früherer Mitarbeiter Gerd Neuhaus in Auseinander-
setzung mit Metz in seiner Untersuchung Transzendentale Erfahrung als Geschichts-
verlust?, Düsseldorf 1982, vorgetragen.

31
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Erster Teil: Transzendentale Reflexion und Theologie

3. Der erreichte Problemstand

Angesichts der vielfältigen philosophischen und theologischen Ein-


wände, die gegen die Transzendentale Theologie erhoben werden,
stellt sich die Frage: Sind die Schwächen der Transzendentalen Theo-
logie, die ihre Kritiker aufgewiesen haben, für diese Art von Theo-
logie konstitutiv? Oder läßt sich die transzendentale Reflexion mit-
samt ihrer theologischen Anwendung so weiterentwickeln, daß sie
die angegebenen Schwächen überwindet?
Im ersten Falle fällt die Theologie wieder zurück in jene Alterna-
tive, über die die Transzendentale Theologie sie hinausführen wollte.
Sie kann dann entweder die transzendentale Kritik ignorieren und
weiterhin so tun, als verstehe es sich auch nach dieser Kritik und in
einer säkularen Welt von selbst, daß man von Gott reden kann (bei-
spielsweise auf dem bewährten Wege der klassischen Metaphysik).
Oder sie kann die transzendentale Kritik akzeptieren, freilich ohne
von ihren Voraussetzungen aus einen neuen Zugang zum Sprechen
von Gott zu finden. Dann aber muß sie sich damit abfinden, daß der
Glaube zu einer Sache des subjektiven Gefühls wird oder eine bloße
Metapher für die Entschiedenheit des sittlichen Engagements dar-
stellt – eine Metapher, die sich zuletzt als entbehrlich erweist.
Die Aufgabe der Transzendentalen Theologie bestand darin,
über dieses Dilemma hinauszuführen. Und diese Aufgabe bleibt, wie
eingangs bemerkt wurde, auch dann erhalten, wenn die bisher vor-
gelegten Lösungsversuche der Transzendentalen Theologie nicht be-
friedigen. Die Frage ist also, ob die transzendentale Reflexion einer-
seits, ihre theologische Applikation andererseits so weiterentwickelt
werden können, daß, wie im Titel der hier vorgetragenen Überlegun-
gen angedeutet, neue, zukünftige Möglichkeiten ihrer Begegnung
sichtbar werden.
Um diese Möglichkeit zu prüfen, wird im folgenden, dritten Teil
der hier vorgetragenen Überlegungen von einer Vermutung aus-
gegangen werden, die im weiteren Verlauf des Gedankengangs zu
überprüfen ist: Die Schwächen der Transzendentalen Theologie, wie
sie bisher vorliegt, beruhen nicht darauf, daß sie sich zu tief auf die
transzendentale Fragestellung eingelassen hätte (das war die Mei-
nung derjenigen philosophischen Kritiker, von denen an erster Stelle
die Rede war). Sie beruhen vielmehr darauf, daß sie die Herausforde-
rung der Transzendentalphilosophie nicht hinlänglich vorbehaltlos
angenommen hat. Es wird daher zweierlei zu zeigen sein: Die Theo-

32
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
B. Die Gegengründe

logie kann neue Wege finden, ihrer eigenen Aufgabe gerecht zu wer-
den, wenn sie sich der Herausforderung der Transzendentalphiloso-
phie, auch und gerade hinsichtlich der in ihr enthaltenen Vernunft-
kritik, ungeschützt und vorbehaltlos stellt, sich freilich auch auf einen
kritischen Dialog mit ihr einläßt. Und sie wird dann sogar jenen Ein-
wendungen Rechnung tragen können, die die Gegner der Transzen-
dentalphilosophie gegen diese und deshalb auch gegen ihre theologi-
sche Anwendung vorgetragen haben. Um diese These zur Diskussion
zu stellen, ist es jedoch zunächst nötig, deutlicher anzugeben, worin
die erwähnte Herausforderung der transzendentalen Kritik besteht.

33
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
C. Die transzendentale Kritik als
Herausforderung an die Theologie

Um in Umrissen deutlich zu machen, welche Herausforderung an die


Theologie im transzendental-kritischen Verständnis des mensch-
lichen Erkennens enthalten ist, lassen sich fünf Momente dieser Art
philosophischen Denkens unterscheiden:

1) Eine Entdeckung: Es gibt kein rein passives Hinnehmen, sondern


stets nur »verarbeitete Information«.
2) Eine Folgerung: Die Welt und das eigene Ich sind uns nicht ge-
geben, sondern aufgegeben.
3) Eine Reflexion: Diesem Welt- und Selbstverständnis liegt ein
Interesse an Freiheit zugrunde.
4) Eine weitere Entdeckung: Dieses eine Vernunftinteresse faltet
sich in mehrere, divergierende Vernunftinteressen aus.
5) Eine Einsicht: Diese Divergenz der Vernunftinteressen erzeugt
eine Dialektik der Vernunft, die nur durch einen »postulatori-
schen Vernunftglauben« aufgehoben werden kann.

Jedes dieser fünf Momente der transzendentalen Reflexion ist für die
Theologie bedeutsam. Dabei drängen einige dieser Implikate der tran-
szendentalen Reflexion über diejenige Darstellung hinaus, die Kant
ihnen gegeben hat.

1. Es gibt kein rein passives Hinnehmen, sondern nur


»verarbeitete Information«

Diese Einsicht bildet den Ausgangspunkt der transzendentalen Refle-


xion und reicht, philosophiehistorisch gesehen, bis zur Lehre vom
»tätigen Verstand« zurück, die von mittelalterlichen Aristotelikern

35
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Erster Teil: Transzendentale Reflexion und Theologie

entwickelt worden ist. 25 Was uns als Gegenstand unseres Anschau-


ens, Wahrnehmens und Begreifens gegenübertritt, ist uns nicht ohne
unser eigenes Zutun gegeben, sondern schon das Produkt unserer
gestaltenden Tätigkeit. Deshalb ist stets methodische Vorsicht ge-
boten, wenn ein Autor sich darauf beruft, er »beschreibe nur, was sich
unmittelbar von der Sache her zeigt«. Nicht selten dient diese schein-
bar so demütige Versicherung dazu, die eigene, gestaltende Tätigkeit
des Rezipienten zum Vergessen zu bringen und sich damit der Pflicht
zur Rechenschaft für diese Eigentätigkeit zu entziehen. 26
Freilich ergibt sich aus dieser transzendentalphilosophischen
Grundeinsicht die Frage, wie es möglich ist, daß aus dieser Eigentätig-
keit des Anschauens und Denkens nicht nur subjektive Vorstellungen
hervorgehen, sondern Gegenstände, die uns mit Maßgeblichkeit ge-
genübertreten und den Maßstab bilden, an dem wahre von falschen
Urteilen unterschieden werden können. Und man muß fragen, ob
Kants Antwort das Problem endgültig löst, wonach die vollendete
Synthesis, die das Mannigfaltige unserer Anschauungs-Inhalte zur
Einheit bringt, das hinlängliche Kriterium dafür sei, daß wir es nun
mit Gegenständen (Objekten) und ihrer Objektivität (Maßgeblichkeit
für unser Urteil) und nicht bloß mit unseren subjektiven Meinungen
über sie zu tun haben. »Alsdann sagen wir: wir erkennen den Gegen-
stand, wenn wir in dem Mannigfaltigen der Anschauung synthe-
tische Einheit bewirkt haben.« 27 Vielleicht hat Hegel hier klarer
gesehen, wenn er die Erfahrung den »sich selbst vollbringenden
Skeptizismus« 28 genannt hat: einen »Skeptizismus«, weil in der Er-
fahrung der Gegenstand immer neu die Differenz zwischen dem, was

25 Vgl. Thomas v. Aquin, Summa Theologica, Pars I, q. 54, art. 1–5.


26 Einen Sonderfall bildet die »phänomenologische Deskription« im Sinne Husserls,
die den Gegenstand so beschreibt, wie er im intentionalen Akt des Subjekts und für
dieses sich zeigt. Damit wird die gegenstands-konstitutive Eigentätigkeit des Subjekts
nicht bestritten, sondern vorausgesetzt; und die von Husserl behauptete Unbezweifel-
barkeit solcher Deskriptionen ist ausdrücklich an die »phänomenologische Reduk-
tion« gebunden, die sich jeder Aussage darüber enthält, was der Gegenstand außer-
halb seiner Beziehung auf den intentionalen Akt »an sich« sei. Dieser Zusammenhang
wird von manchen Anhängern Husserls vergessen, die auf dem Wege einer »phäno-
menologischen Deskription« zu vermeintlich unbezweifelbaren Erkenntnissen der
Wirklichkeit in ihrem vom Subjekt unabhängigen Ansichsein zu gelangen meinen.
Vgl. dazu die Untersuchung meines früheren Mitarbeiters Tobias Trappe: Transzen-
dentale Erfahrung, Basel 1996.
27 Kritik der reinen Vernunft A 105.

28
Phänomenologie des Geistes, Ausgabe Glockner II, 2.

36
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
C. Die transzendentale Kritik als Herausforderung an die Theologie

er ist, und der Weise, wie wir ihn anschauen und begreifen, zur Gel-
tung bringt; aber einen »sich selbst vollbringenden« Skeptizismus,
weil dieser Widerstand des Gegenstands gegenüber unserem subjek-
tiven Meinen uns nicht »von außen« widerfährt, sondern in unserem
Anschauen und Denken selbst, als ein inneres Moment unserer
Selbsttätigkeit, immer neu wirksam wird. Oder in einer späteren Ter-
minologie gesprochen: Wir sehen, daß es am Gegenstand mehr zu
sehen gibt, als wir sehen; wir begreifen, daß es am Gegenstand mehr
zu begreifen gibt, als wir begreifen. Aber dieses »mehr« bliebe uns
ganz unbekannt, wenn wir die Akte des Sehens und Begreifens nicht
vollzögen, durch die uns der Gegenstand erst gegenübertritt, und
zwar so, daß er dieses Sehen und Begreifen beständig weitertreibt
und schließlich an seine Grenze führt.
Für die Theologie ist diese transzendentalphilosophische Grund-
Einsicht auf eine Weise bedeutsam, die von den Theologen nicht
immer wahrgenommen wird. Auch Propheten und Apostel haben
das Wort Gottes, das sie uns in ihren Schriften weitergeben, nicht in
einem rein passiven Hinnehmen zu Gehör bekommen. Auch sie ha-
ben dieses Wort Gottes nur in der Weise vernommen, wie sie es durch
die Akte ihres Anschauens, Vorstellens und Begreifens schon beant-
wortet haben; und für uns kommt es nur in der »Knechtsgestalt«
dieser ihrer Antwort zur Sprache. Theologisch gesprochen: Die
Schriften des Alten und Neuen Testaments enthalten das Wort Got-
tes nicht als »verbal inspiriertes« Wort, sondern nur als »Gotteswort
im Menschenwort«. Andererseits sehen die Glaubenden in den bibli-
schen Texten nicht nur die subjektiven Glaubensüberzeugungen der
menschlichen Verfasser bezeugt, sondern das Wort Gottes selbst, das
sie in der Gestalt des Menschenworts erreicht und unter seinen An-
spruch und seine Zusage stellt. Und so entsteht das theologische Pro-
blem, wie das in der Bibel dokumentierte Wort Gotteswort bleiben
kann, obgleich es nur in der Gestalt des Menschenworts vernehmbar
wird. Um diese Frage zu beantworten, bedarf die Theologie einer
Theorie, die begreiflich macht, wie das menschliche Wort einen An-
spruch und eine Zusage vernehmbar macht, die sich nicht darin er-
schöpft, Menschenwort zu sein.
Es ist leicht zu sehen, daß sich auf diese Weise innerhalb der
Theologie diejenige Frage stellt, die zugleich ein Zentralproblem der
Transzendentalphilosophie darstellt: Die speziell theologische Frage
nach dem »Gotteswort in der Gestalt des Menschenworts« erweist
sich als eine spezielle Form der allgemeinen transzendentalphiloso-

37
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Erster Teil: Transzendentale Reflexion und Theologie

phischen Frage, wie im menschlichen Anschauen und Denken und in


seiner sprachlichen Ausdrucksgestalt nicht nur subjektive Auffassun-
gen der Sprecher, sondern der Anspruch eines Wirklichen vernehm-
bar werde, der dem sprechenden wie dem hörenden menschlichen
Subjekt mit Maßgeblichkeit gegenübertritt und »stets größer« ist als
die subjektiven Meinungen, die sich Sprecher wie Hörer über diese
Wirklichkeit gebildet haben. Und wenn manche theologischen Aus-
legungen des Schriftworts nichts anderes zutage fördern als den psy-
chologisch, soziologisch oder historisch erklärbaren Ausdruck der re-
ligiösen Subjektivität der menschlichen Verfasser, dann zeigt dies an,
daß der Theologie, die die Lehre von der »Verbalinspiration« nicht
mehr vertritt, eine angemessene Theorie fehlt, die es ihr gestattete,
das menschliche Wort als die Gegenwartsgestalt eines Anspruchs zu
verstehen, der nicht abseits von dieser »Knechtsgestalt« angetroffen
werden kann und doch von ihr verschieden bleibt. Oder kurz: Ohne
Aneignung der transzendentalphilosophischen Grund-Einsicht und
ohne kritische Auseinandersetzung mit den Lösungsversuchen,
durch die die Philosophen dieses Problem zu klären versuchen, kann
auch die Theologie ein angemessenes Verständnis des »Gottesworts
im Menschenwort« nicht zustande bringen. Die Theologie kann ohne
transzendentale Methode kein angemessenes Verständnis von ihrer
Aufgabe und keine Kriterien zur Beurteilung ihrer eigenen Ergeb-
nisse gewinnen.
Das schließt nicht aus, sondern ein, daß die Theologen sich mit
der kantischen Antwort nicht zufriedengeben können, wonach die
vollendete Synthesis das zureichende Kriterium dafür sei, ob wir es
nur mit subjektiven Meinungen oder mit objektiv gültiger Wahrheit
zu tun haben. Auch ein vom Menschen selbst konstruiertes Gottes-
bild könnte daraus entstehen, daß der Mensch in der Mannigfaltig-
keit seiner subjektiven Vorstellungen »Einheit bewirkt« hat. Aber
dieses Ungenügen an der kantischen Lösung wird auch von manchen
Transzendentalphilosophen geteilt, die deswegen nach einer Weiter-
entwicklung der transzendentalen Methode verlangen, die jener
Wahrheit Rechnung trägt, die stets »je größer« ist als unsere Mei-
nungen von ihr. Was soeben über Hegels Erfahrungsverständnis ge-
sagt wurde, ist nur ein Hinweis unter anderen auf die philosophische
Bemühung um eine solche Weiterentwicklung des transzendentalen
Denkens. Das bedeutet für die Theologie: Sie erreicht ihr eigenes Ziel
nicht dadurch, daß sie, wie manche Kritiker ihr empfehlen, die tran-
szendentale Methode als ganze verwirft, sondern dadurch, daß sie an

38
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
C. Die transzendentale Kritik als Herausforderung an die Theologie

deren Weiterentwicklung aktiven Anteil nimmt. Nur eine transzen-


dentale Theologie, die auf einer solchen Weiterentwicklung beruht,
kann angeben, was an die Stelle der Lehre von der Verbalinspiration
treten soll, wenn die bleibende Aufgabe darin besteht, deutlich zu
machen, wie das Menschenwort die Stelle sein und bleiben kann, an
der das von allem Menschenwort verschiedene Gotteswort seine
menschlichen Hörer, und sogar schon seine menschlichen Sprecher,
erreicht. Es wird an späterer Stelle zu zeigen sein, daß eine Transzen-
dentalphilosophie, die zu einer Theorie der Erfahrung als eines Dia-
logs mit der Wirklichkeit weiterentwickelt wird, ein Angebot an die
Theologie enthält, diese Aufgabe zu lösen.

2. Die Welt und das eigene Ich sind uns nicht gegeben,
sondern aufgegeben

Dieser zweite Satz ist eine Folgerung aus dem ersten. 29 Denn wenn
die einzelnen Gegenstände aus der Tätigkeit unseres Anschauens und
Denkens erst hervorgehen, kann auch das Ganze aller möglichen und
wirklichen Gegenstände, die Welt, dieser unserer Tätigkeit nicht vor-
gegeben, sondern nur ihr aufgegeben sein. Aber dies gilt noch aus
einem spezielleren Grund. Jenes Ganze, das wir »Welt« nennen, kann
auch deshalb kein gegebener Gegenstand sein, weil wir niemals alle
Elemente kennen, die wir zu diesem Ganzen vereint denken. Wenn
wir dennoch behaupten, alle wirklichen und möglichen Gegenstände
gehörten zu einem derartigen Ganzen, dann können wir diese Be-
hauptung nicht durch Kenntnis dieser Elemente begründen, sondern
nur dadurch, daß wir jeweils nur dasjenige als einen Gegenstand an-
erkennen und vom bloßen Zug subjektiver Vorstellungen unterschei-
den, dem wir einen unverwechselbaren Ort in einem geordneten Zu-
sammenhang zuweisen, also beispielsweise eine Raum-Zeit-Stelle
und eine Stelle in der Kette der Bedingungen und Folgen. Wir bauen
aus den Elementen unserer subjektiven Vorstellungen die Gegen-
stände dadurch auf, daß wir sie nach Ort und Zeit und nach ihrer
kausalen Funktion bestimmen. Mit diesem Bestimmen kommen wir
zwar an kein Ende, sondern entdecken, für jeden einzelnen Gegen-
stand, immer neue raumzeitliche und kausale Beziehungen. Aber
wir wissen, daß wir diese Aufgabe des Bestimmens erst dann zu Ende

29
Siehe oben S. 35.

39
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Erster Teil: Transzendentale Reflexion und Theologie

getan hätten, wenn wir alle diese Beziehungen angeben könnten. Die
Vorstellung von dem Ganzen dieser Beziehungen ist also ein Ziel-
begriff von der Erfüllung einer Aufgabe, den wir antizipierend bilden,
um diese Aufgabe Schritt für Schritt in Angriff nehmen zu können.
»Welt« ist, wie Kant in einer frühen Schrift gesagt hat, ein »terminus,
quem mens sibi exposcit atque praesumit«, ein »Grenzbegriff, dessen
Erreichung das Bewußtsein sich selber abverlangt und vorwegneh-
mend vor Augen stellt«. Solche Begriffe nannte Kant später »Ideen«.
Sie sagen uns nicht, was uns gegeben, sondern was uns aufgegeben
ist.
Gleiches gilt von dem Begriff »Ich« – oder, wie Kant in vorsich-
tigerer Ausdrucksweise sagt, von der Einheit des Aktes »Ich denke«.
Wir können die einzelnen Gegenstände nur dann in den geordneten
Zusammenhang einer »Welt« einordnen, wenn wir die ganze Fülle
unserer Vorstellungen in die Einheit dieses Aktes aufnehmen. Auch
das ist eine Aufgabe, die nie zu Ende getan ist, an der wir uns aber
orientieren müssen, wenn wir Schritt für Schritt die unüberschau-
bare Mannigfaltigkeit unserer Vorstellungen miteinander verknüp-
fen sollen. Auch der Begriff »Einheit des Aktes ›Ich denke‹« ist die
Antizipation der Erfüllung einer Vernunftaufgabe, also eine Idee.
Daraus ist zunächst eine negative Folgerung zu ziehen, die den
Theologen stets sehr ärgerlich erschienen ist: Wenn weder »Welt«
noch »Ich« etwas Gegebenes bezeichnen, dann ist die Frage gegen-
standslos, auf welche Ursache diese Gegebenheit zurückzuführen sei.
Die Einsicht, daß Welt und Ich keine Gegenstände, sondern Ideen
sind, entzieht damit dem traditionellen »kosmologischen Gottes-
beweis« seine Grundlage. Sodann aber ist zu fragen, auf welche Weise
wir die Aufgaben, die mit diesen Begriffen bezeichnet werden, positiv
bestimmen können. Wie können wir wissen, was wir tun müssen,
wenn wir uns der Erfüllung dieser Aufgaben wenigstens schrittweise
annähern sollen, auch wenn wir mit dieser Bemühung niemals an ein
Ende gelangen?
Kant meinte, darauf eine Antwort geben zu können: Wir wissen,
was diese Aufgaben uns abverlangen, weil wir zwar nicht die unüber-
sehbare Fülle der Inhalte, wohl aber jene Form der Verknüpfung ken-
nen, durch die wir das jeweils Einzelne dem gesuchten Ganzen einer
»Welt« einfügen; wir kennen die Struktur des Raumes und der Zeit,
innerhalb derer wir alle Orts- und Zeitbestimmungen zu geben ver-
suchen, also jede einzelne Erscheinung lozieren und datieren; und wir
kennen die Struktur des Kausalnexus, der es uns gestattet, zu jeder

40
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
C. Die transzendentale Kritik als Herausforderung an die Theologie

gegebenen Erscheinung die zureichenden Gründe und die unaus-


bleiblichen Folgen zu bestimmen. Wir kennen, allgemein gesprochen,
jene Anschauungsformen und Verstandesbegriffe, die wir anwenden
müssen, um die Vernunftaufgabe, die wir mit dem Begriff »Welt«
bezeichnen, zu erfüllen. Und im gleichen Maße, in welchem es uns
gelingt, eine auf solche Weise durchgängig geordnete Welt aufzu-
bauen, gewinnen wir auch die Möglichkeit, alles, was uns begegnet,
in die widerspruchsfreie Einheit des Aktes »Ich denke« aufzunehmen.
Der Aufbau der Welt als eines allumfassenden geordneten Zusam-
menhangs der Gegenstände wird zum »Probierstein« für die Ver-
suche, die Fülle der Vorstellungen zur Einheit des Ich zu verknüpfen.
Wiederum wird man fragen müssen, ob diese kantische Antwort
endgültig befriedigen kann. Zunächst zeigt ein Blick in die Wissen-
schaftsgeschichte, daß die Vorstellung von der leeren, gleichförmig
verlaufenden Zeit und von dem ebenso leeren, homogenen Raum
nicht die einzig möglichen Formen der Raum-Zeit-Anschauung sind.
Quantenmechanik und Relativitätstheorie haben zu einer veränder-
ten Weise der Raum-Zeit-Anschauung geführt. Und im gleichen Zu-
sammenhang hat der Begriff der Kausalität sich gewandelt. Und dies
geschah nicht deshalb, weil aus subjektiven Gründen eine »Mentali-
tät« sich verändert hat, sondern weil die Phänomene uns gezwungen
haben, die Vorstellung von den Aufgaben, die wir erfüllen müssen,
wenn uns der Aufbau einer »Welt« gelingen soll, zu korrigieren.
Nicht nur die Lösungen, die wir finden, sondern schon die Aufgaben,
die wir uns stellen, erweisen sich als korrekturbedürftig – und dies
unter dem Anspruch des Wirklichen, den wir doch nur vernehmen,
indem wir schon anschauen und denken, also diesen Anspruch schon
beantworten. Inmitten unseres Anschauens und Denkens, also in-
mitten unserer Antwort auf den Anspruch des Wirklichen, bringt
dieser Anspruch sich auf solche Weise zur Geltung, daß er unsere
Antwort als überbietungsbedürftig erweist, und zwar nicht nur ihrem
Inhalt, sondern auch ihrer Form nach. Es ist also, über Kant hinaus,
ein dialogisches Verständnis der Erfahrung nötig, wenn begreiflich
werden soll, wie unser Anschauen und Denken einerseits den An-
spruch des Wirklichen erst vernehmbar macht, andererseits durch
den so vernehmbar gewordenen Anspruch zu einer Umgestaltung
genötigt wird. 30 Und ist dieser dialogische Charakter der Erfahrung

30Dies ist das Thema meines Buches Erfahrung als Dialog mit der Wirklichkeit,
Freiburg und München 1995.

41
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Erster Teil: Transzendentale Reflexion und Theologie

einmal am Beispiel der Wissenschaftsgeschichte entdeckt, dann wird


der Blick frei, um die Strukturdifferenz unterschiedlicher Erfah-
rungsarten zu erkennen, unter denen die wissenschaftliche Empirie
nur eine ist, und um die Wechselbeziehung unterschiedlicher Erfah-
rungsarten und ihnen zugeordneter Erfahrungswelten als das vor-
antreibende Moment einer Geschichte zu erfassen, von der die Wis-
senschaftsgeschichte nur einen beschränkten Ausschnitt darstellt.
Aber auch dann, wenn die Transzendentalphilosophie zu einer
Theorie der Erfahrung als Dialog weiterentwickelt wird, bleibt die
oben genannte Folgerung aus ihrer Grund-Einsicht erhalten: Die
Welt und das eigene Ich sind uns nicht gegeben, sondern aufgegeben,
nun freilich in dem speziellen Sinne, daß diese Begriffe die Zielper-
spektive des Dialogs definieren, den wir mit dem Wirklichen und sei-
nem Anspruch führen. Wir sind in den vielfältigen Weisen, wie wir in
unserem Anschauen und Denken den Anspruch des Wirklichen be-
antworten und durch diese Antwort erst für uns und andere ver-
nehmbar machen, dem einen, allumfassenden Anspruch auf der Spur,
dem wir uns mit der Ganzheit unseres Herzens, unserer Person und
unserer Kräfte hingeben können und als dessen Antizipationsgestal-
ten wir jede der vielfältigen Weisen begreifen, wie das Wirkliche uns
Möglichkeiten der Selbstfindung durch Selbsthingabe anbietet.
Für die soeben gegebene Beschreibung der Zielperspektive unse-
res Dialogs mit der Wirklichkeit ist bewußt eine Formulierung ge-
wählt worden, die auf das Grundbekenntnis des jüdischen Glaubens
anspielt: »Der Herr, unser Gott, ist ein einziger Herr. Und du sollst
lieben den Herrn, deinen Gott, mit der Ganzheit deines Herzens, mit
der Ganzheit deiner Person und mit der Ganzheit deiner Kräfte«
(Dtn 6,4.5). Was philosophisch die »Einheit des Ich« genannt wird
und biblisch die »Ganzheit von Herz, Person und allen Kräften«
heißt, ist nicht vorgegeben, sondern aufgegeben und wird nur in der
ungeteilten liebenden Hingabe an Gott als den Einen und Einzigen
erreicht. Diese Selbstfindung durch Selbsthingabe aber macht den
Inhalt der spezifisch sittlichen Erfahrung aus, die in den je konkreten
verpflichtenden Handlungsmöglichkeiten des Lebens die Gegen-
warts- und Antizipationsgestalten der einen, alles umgreifenden »Ei-
nung des Herzens« durch die liebende Selbsthingabe an Gott zu ent-
decken vermag, der in allem, was uns in Anspruch nimmt, in seiner
Einheit wiedererkannt und beim Namen gerufen werden kann. Sol-
che »Einung des Herzens durch Einung des Namens«, d. h. durch das
wiedererkennende Eintreten in die Korrelation zu Gott als dem

42
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
C. Die transzendentale Kritik als Herausforderung an die Theologie

Einen, ist ein Grundmotiv jüdischer Moraltheologie, auf das vor al-
lem Hermann Cohen hingewiesen hat. 31
Mit diesem Hinweis auf die jüdische Moralauffassung und ihre
Darstellung durch Hermann Cohen sollte angedeutet sein: Eine Tran-
szendentalphilosophie, die die geordnete Ganzheit der Welt und die
Einheit des Ich nicht als gegeben, sondern als aufgegeben begreift,
kann auch für die Theologie weiterführende Hinweise geben; und
Theologen, die es bedauern, daß diese Art von Philosophie dem kos-
mologischen Gottesbeweis seine Grundlage entzieht, mögen prüfen,
ob sie durch diese Hinweise nicht mehr als »entschädigt« werden.
Denn wenn Gott nicht in der Rückfrage nach der Erstursache alles
Gegebenen gesucht, sondern in der Zielperspektive alles Aufgegebe-
nen gefunden wird, können dadurch einige Charakteristika der bibli-
schen Verkündigung verständlich gemacht werden, darunter vor al-
lem die Sprachform hymnischer Gottesprädikationen, die nicht selten
in der Form des »Participium Causativi« (hebräisch: des »Hiphil«)
ausgesprochen werden: Gott ist derjenige, der »macht, daß wir aus
Ägypten gehen konnten und können« (gewöhnlich übersetzt: der
uns aus Ägypten geführt hat) oder, in der gleichen grammatischen
Form des gleichen Verbums gesprochen: »der macht, daß Brot aus
der Erde hervorgehen kann« (so im jüdischen Tischgebet), oder: »der
macht, daß wir sterben, und macht, daß wir leben« (1 Sam 2,6; ge-
wöhnlich übersetzt: der tötet und lebendig macht). Nicht das Factum,
das unabhängig von allem Wirken des Menschen, ja der gesamten
Kreatur schon gegeben ist, sondern das Faciendum, das dem Men-
schen und allem Geschaffenen aufgegeben ist, wird zur primären Ge-
stalt für die Selbstkundgabe Gottes. (Am Rande sei vermerkt: Es mag
den Theologen überlassen bleiben, zu prüfen, ob in dieser Perspektive
nicht manche Aporien der Verhältnisbestimmung von göttlicher
Gnade und menschlicher Freiheit aufgelöst werden könnten.)
Es liegt ganz im Sinne einer solchen transzendentalphilosophi-
schen Gotteslehre, wenn Kant die Religion als »die Erkenntnis un-
serer Pflichten als göttlicher Gebote« 32 definiert hat. Auch wenn die
Begründung dieses Religionsverständnisses erst an späterer Stelle im
hier vorgetragenen Gedankengang referiert werden kann, so kann
doch schon jetzt festgehalten werden: Hier ist mit besonderer Deut-

31
Vgl. H. Cohen, Die Religion der Vernunft aus den Quellen des Judentums, post-
hum veröffentlicht, Leipzig 1919.
32
Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft B 229.

43
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Erster Teil: Transzendentale Reflexion und Theologie

lichkeit zum Ausdruck gebracht, daß nicht das gegebene Factum, son-
dern das aufgegebene Faciendum als die primäre Gestalt für die
Selbstkundgabe Gottes verstanden werden muß. Nimmt man nun
hinzu, daß Kant die sittlichen Pflichten als die je konkreten Gestalten
der Selbstgesetzgebung der Vernunft verstanden hat, dann wird man
hinzufügen dürfen: Nicht abseits von der Selbstgesetzgebung der
Vernunft, sondern inmitten ihrer selbst und als deren Ermög-
lichungsgrund erweist Gott sich als der Gesetzgeber, der uns das Sit-
tengesetz (und nach Kants Auffassung das nicht weniger aus der
Autonomie der Vernunft entspringende Naturgesetz) gegeben hat.
So darf und muß die Autonomie der Vernunft selber als die Erschei-
nungsgestalt der göttlichen Gesetzgebung begriffen werden. In der
sittlichen Erfahrung – und sogar in der wissenschaftlichen Empirie –,
die wir nur machen können, weil unsere Vernunft den geordneten
Kontext vorzeichnet, innerhalb dessen das Wirkliche uns begegnen
und in seinen Anspruch nehmen kann, begegnen wir zugleich einer
göttlichen Gesetzgebung, die uns in ihren Anspruch nimmt.
Gewiß liegt hier der Einwand nahe, auf solche Weise werde die
Rede von Gott als dem Gesetzgeber zur bloßen Metapher; und was in
dieser Metapher ausgesagt wird, sei nur die unbedingte Verpflich-
tungskraft, mit der die Inhalte unserer Erfahrung der Vernunft in
ihrem praktischen wie ihrem theoretischen Gebrauch gegenübertre-
ten. Und weil diese Maßgeblichkeit der Objekte durch die Eigentätig-
keit unseres Anschauens und Denkens erst möglich gemacht wird,
kann der Verdacht entstehen, die zur bloßen Metapher gewordene
Rede von Gott bezeichne nichts anderes als die Gesetzgebungskraft
der Vernunft, der das Individuum sich zu unterwerfen hat: Was die
Vernunft als theoretisch wahr und moralisch gut erweist, muß vom
Individuum unter Ausschluß aller Beliebigkeit als maßgeblich aner-
kannt werden. Was in religiöser Metaphorik als Herrschaft des ge-
setzgebenden Gottes über Welt und Mensch beschrieben wird, sei in
Wahrheit die gesetzgebende Herrschaft der Vernunft über das Indivi-
duum. Diese Konsequenz hat Ludwig Feuerbach gezogen. 33 Aber
auch mancher Theologe und Prediger, der sich keineswegs als Reli-
gionskritiker versteht, spricht heute von der »Einheit von Gottes-
und Menschenliebe« auf solche Weise, daß der Hörer den Eindruck
empfängt, die Menschenliebe werde als verpflichtend herausgestellt
und die Rede von der Gottesliebe füge dieser Pflicht nichts hinzu als

33
Vgl. Das Wesen des Christentums, Einleitung, 1. Kapitel.

44
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
C. Die transzendentale Kritik als Herausforderung an die Theologie

eine Metapher, die der Verpflichtung auf die Nächstenliebe etwas von
religiösem Pathos verleiht.
Es ist daher begreiflich, daß viele Theologen und Männer der
Kirchenleitung dem Begriff der »Vernunftautonomie« mit äußerster
Skepsis gegenüberstehen und die soeben formulierte These, nicht die
Facta, sondern die Facienda seien die Primärgestalt der göttlichen
Selbstkundgabe, als einen Ausdruck der sich selbst vergottenden
menschlichen Vernunft beurteilen, da es ja die menschliche Vernunft
ist, die uns diese Facienda vor Augen stellt. Desto wichtiger ist es, zu
klären, was der Begriff der Vernunft-Autonomie im transzendental-
philosophischen Zusammenhang bedeutet und in welchem Zusam-
menhang er zu einer möglichen Transzendentalen Theologie stehen
kann.

3. Nicht nur der transzendentalen Philosophie, sondern auch


derjenigen Vernunfttätigkeit, die sie beschreibt, liegt ein
Interesse an Freiheit zugrunde

Dieser Satz ergibt sich aus der Reflexion auf den vorigen: Die Ver-
lagerung des Akzents von allem Gegebenen auf das Aufgegebene, die
von der Transzendentalphilosophie vollzogen wird, signalisiert ein
erkenntnisleitendes Interesse an Freiheit. Denn wer erkennen will,
was menschliche Freiheit vermag, muß sich weniger an abgeschlossen
vorliegenden Gegebenheiten orientieren als vielmehr an den Auf-
gaben, deren Erfüllung die freie Entscheidung verlangt. Doch handelt
es sich, nach Überzeugung der Transzendentalphilosophen, hier nicht
nur um ein erkenntnisleitendes Interesse der Philosophie, sondern
um ein »Vernunftinteresse« (der Ausdruck stammt von Kant), von
dem wir bei der Verarbeitung subjektiver Erlebnisse in Inhalte objek-
tiv gültiger Erfahrung immer schon geleitet sind. Nicht nur die phi-
losophische Reflexion, sondern ihr Gegenstand, die Tätigkeit der Ver-
nunft, aus der die Gegenstände unserer Erfahrung hervorgehen,
beruht auf einem solchen Interesse an Freiheit. Denn die menschliche
Freiheit betätigt sich nicht, wie die göttliche, dadurch, daß sie die Welt
aus dem Nichts erschafft, sondern dadurch, daß sie dem Gegebenen
Möglichkeiten abgewinnt, deren Verwirklichung sie sich selbst zur
Aufgabe setzt. Diese Verwandlung von Gegebenem in Aufgegebenes
aber geschieht auf besonders radikale Weise dort, wo wir in unserem
Anschauen und Denken aus den Eindrücken, die wir hinnehmen, die

45
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Erster Teil: Transzendentale Reflexion und Theologie

Gegenstände, die wir erfahren, nach den Gesetzen, die die Vernunft
uns gibt, selber aufbauen.
Diese Freiheit wird freilich nicht als Willkür des Individuums
verstanden, sondern als Selbstgesetzgebung der Vernunft, deren Auf-
gabe nicht darin besteht, Erfahrung durch vermeintlich apriorisches
Wissen überflüssig, sondern sie möglich zu machen. In diesem Sinne
sagt Kant: »Alle Erkenntnis von Dingen aus bloßem, reinem Verstan-
de ist nichts als lauter Schein, und nur in der Erfahrung ist Wahr-
heit.« 34 Die Vernunft ist also nicht trotz, sondern gerade wegen ihrer
Aufgabe, die Gegenstände unserer Erfahrung erst hervorzubringen,
die Sachwalterin dieser Gegenstände und ihres Anspruchs gegenüber
allen Bedürfnissen und Neigungen des Individuums. Das ausgezeich-
nete Beispiel dafür ist die Freiheit der Wissenschaft, die sich ihre Ge-
setze selber gibt, aber eben dadurch das beliebige Meinen und nei-
gungsbestimmte Wunschdenken der Individuen gerade ausschließt.
Kantisch gesprochen: Der »transzendentale Idealismus« macht »em-
pirischen Realismus« erst möglich und muß sich an ihm bewähren. 35
Oder in einer anderen Terminologie ausgedrückt: Erst in einem Kon-
text, den die Vernunft nach ihrer eigenen Gesetzgebung entwirft und
dem der Verstand durch seine Kategorien die Strukturgesetze vor-
schreibt, können die Gegenstände uns so begegnen, daß sie uns mit
einer alle Willkür ausschließenden Maßgeblichkeit gegenübertreten.
Daraus entsteht für den Transzendentalphilosophen die Frage:
Wie muß die Vernunft ihr Interesse an Freiheit wahrnehmen, wenn
die Gegenstände ihre Maßgeblichkeit gegenüber dem Subjekt geltend
machen sollen? Für Kant schien die Antwort klar: Sie muß, um ob-
jektive Geltung ihrer theoretischen und praktischen Erkenntnisse zu
erreichen, die Differenz der individuellen Subjekte gleichgültig ma-
chen. Dies ist in der Tat für die (im neuzeitlichen Sinne) verstandene
Wissenschaft das Ideal der Vernunfttätigkeit. Solange man auf eine
Behauptung noch mit der Gegenfrage antworten kann: »Wer sagt
denn das?«, gibt man zu erkennen, daß man diese Aussage nicht für
objektiv gültig und also auch nicht für wissenschaftlich erwiesen hält.
Der wissenschaftliche Beweis macht die Differenz der Individualsub-
jekte gleichgültig, sodaß z. B. der »Lehrsatz des Pythagoras«, wenn er
einmal bewiesen ist, auch dann wahr bliebe, wenn jemand nachwei-
sen sollte, daß Pythagoras nie gelebt hat. Nach diesem Paradigma hat

34 Prolegomena A 205.
35
Kritik der reinen Vernunft A 351.

46
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
C. Die transzendentale Kritik als Herausforderung an die Theologie

Kant auch das sittliche Wollen gedeutet. Während für die Wissen-
schaft gilt: »Behaupte nur, was du durch Argumente als allgemein-
gültig ausweisen kannst, sodaß der Geltungsanspruch des Gesagten
von der Individualität des Sprechers unabhängig ist«, oder kurz: »Be-
haupte nur, was du im Namen aller Vernunftsubjekte behaupten
kannst«, gilt für die Moral: »Wolle nur, was du im Namen aller wollen
kannst«, oder kantisch gesprochen: »Handle so, daß die Maxime dei-
nes Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetz-
gebung gelten könne«. 36
Nun mag man wiederum bezweifeln, ob diese kantische Lösung
der Frage zureichend sei, wie aus der Selbstgesetzgebung der Ver-
nunft die objektive Geltung des theoretisch bzw. praktisch Erkannten
hervorgehe. Man kann fragen, ob die neuzeitlich-wissenschaftliche
Erkenntnis nicht ein zu spezielles Paradigma sei und ob mit der Idee
(d. h. der Zielvorstellung), die Differenz der Individuen zu vergleich-
gültigen, die Bedingungen anderer Erfahrungsarten noch angemes-
sen beschrieben werden können. So hat man darauf hingewiesen,
daß die kantische Moralphilosophie für die sittliche Erfahrung einer
individuellen, aber verpflichtenden Berufung keinen Raum lasse, am
allerwenigsten dann, wenn diese Berufung eine nicht-universalisier-
bare Existenzform zum Inhalt hat wie ein Leben nach den »Evangeli-
schen Räten«. Aber auch abgesehen von solchen Fällen von sittlicher
Erfahrung, die man für Grenzfälle halten könnte, erscheint es frag-
lich, ob die Gewissenserfahrung auf solche Weise angemessen be-
schrieben wird. Denn in dieser Erfahrung kann der, der sie macht, sich
unter einen Anspruch gestellt wissen, den er gegenüber keinem An-
deren erheben würde (z. B. unter die Pflicht zum Martyrium), oder
sich zur Strenge einer Selbstbeurteilung verpflichtet erfahren, zu der
er sich Anderen gegenüber nicht berechtigt weiß. Und entsprechende
Fragen lassen sich mit Bezug auf die religiöse, aber auch auf die
ästhetische Erfahrung mit ihrem je spezifischen Maßgeblichkeits-
anspruch stellen. Kurz: Der an der wissenschaftlichen Empirie ab-
gelesene Erfahrungsbegriff erscheint zu speziell, als daß er als Para-
digma für den Anspruchsgehalt aller Erfahrungsarten gelten könnte.
Aber auch in diesem Falle gilt: Wer die kantische Lösung als un-
zulänglich beurteilt, gewinnt daraus noch keinen guten Grund, die
Aufgabe zu vergessen, die dadurch gelöst werden sollte. Es bleibt zu
fragen: Wie muß die Vernunft ihre Selbstgesetzgebung begreifen,

36
Kritik der praktischen Vernunft § 7.

47
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Erster Teil: Transzendentale Reflexion und Theologie

wenn sie dadurch Erfahrungen möglich machen soll, in denen die


Gegenstände ihren Maßgeblichkeitsanspruch gegenüber allen sub-
jektiven Wünschen und Neigungen der Individuen geltend machen
können? Und diese Frage ist auch dann zu stellen, wenn man speziell
die religiöse Erfahrung angemessen beschreiben will. Auch diese
kommt, wie jede Erfahrung, nicht ohne die eigengesetzliche Tätigkeit
des Anschauens und Denkens zustande. Wer nicht in eigener Tätig-
keit anschaut, bekommt nichts zu Gesicht. Wer nicht gemäß den ei-
genen Gesetzen der Vernunft über das Gesehene nachdenkt, bleibt bei
seinen bloß subjektiven Vorstellungen stehen. Aber es ist zu fragen:
Auf welche Weise muß die Vernunft tätig werden, wenn sie die Sub-
jektivität religiöser Erlebnisse und Vorstellungen in Inhalte objektiv
gültiger religiöser Erfahrungen transformieren soll, d. h. in Erschei-
nungsgestalten für den Anspruch, den das Heilige gegenüber dem
erfahrenden Subjekt geltend macht?
Aus dem Gesagten sind wiederum Folgerungen für die Theo-
logie zu ziehen. Auch die Rede von Gott muß sich dadurch ausweisen,
daß sie dem Interesse der Vernunft an Freiheit entspricht – nicht et-
wa, weil der Wille des Menschen zur Selbstbestimmung als Legitima-
tionsgrund dafür gelten könnte, gegen Gottes Gehorsamsanspruch zu
revoltieren, sondern deshalb, weil die Natur des Menschen durch die
Gabe und Aufgabe der Freiheit definiert ist und weil deshalb Gottes
Gebot und gnädige Zusage ihren Adressaten nur erreicht, wenn sie
ihn in dieser seiner Freiheit in Anspruch nimmt. Würde das Interesse
der Vernunft an ihrer freien Selbstbestimmung erlöschen oder durch
die religiöse Verkündigung zum Erlahmen gebracht werden, dann
entfiele zugleich die Möglichkeit, über die Subjektivität des frommen
Gemüts hinauszugelangen und zum Erfassen objektiv gültiger reli-
giöser Maßgeblichkeitsansprüche überzugehen. Auch in diesem Zu-
sammenhang macht erst die Freiheit der Vernunft die Erfahrung und
mit ihr die Begegnung mit dem Maßgeblichkeitsanspruch des Heili-
gen möglich.
Hier liegt für die Theologie die schärfste Provokation, die von
der Transzendentalphilosophie ausgeht. Andererseits liegt hier auch
die größte Gefahr einer Selbstverführung, der das transzendentale
Denken ausgesetzt sein kann. Es gibt – deutlicher, als dies Kant zu
seiner Zeit wissen konnte – die Gefahr, daß die Vernunft, im Bewußt-
sein ihrer Selbstgesetzgebung, sich in vermeintlich apriorischem
Wissen gegen alle Erfahrung verschließt und darum als maßgeb-
lichen Anspruch der Wirklichkeit immer nur dasjenige zuläßt, was

48
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
C. Die transzendentale Kritik als Herausforderung an die Theologie

sie sich, ohne dazu Erfahrung nötig zu haben, immer schon selber
gesagt hat. So entstehen Vernunftsysteme, die überraschungsresi-
stent, erschütterungsresistent und zur Selbstkorrektur unfähig sind.
Das jüngste Beispiel dafür scheint der Dialektische Materialismus zu
sein, dessen Vertreter alles, was sich in der Erfahrung zeigte, in ihrer
apriori festliegenden Deutung »unterbrachten«, bis sie jeden Kontakt
zur Realität verloren und zuletzt vom Zusammenbruch ihres Sy-
stems völlig überrascht wurden. (Es ist kein Zufall, daß das für die
Vertreter der »Postmoderne« charakteristische Mißtrauen gegen alle
Vernunftsysteme aus der Enttäuschung am Marxismus entstanden
ist.) Aber auch die klassische Physik, an der Kant sich orientierte,
war nicht frei von der Gefahr, durch ihre Verfahrensweisen und die
ihnen zugrundeliegenden Leitbegriffe vorweg zu definieren, was als
objektiv gültiger Inhalt einer Erfahrung zu gelten habe, was dagegen
als bloß subjektive, wenn nicht gar irreführende Vorstellung zu wer-
ten sei. Der Experimentator, wie Kant ihn beschreibt, befragt zwar die
Natur, »aber nicht in der Qualität eines Schülers, der sich alles vor-
sagen läßt, […] sondern eines bestallten Richters, der die Zeugen
nötigt, auf die Fragen zu antworten, die er ihnen vorlegt«. 37 Man
kann zweifeln, ob auf solche Weise eine Erfahrung zustande kommen
kann, in welcher die Wirklichkeit einen Anspruch geltend machen
kann, der die Vernunft über die bisher erreichte Gestalt ihres Begrei-
fens hinauszugehen nötigt, weil er sich gegenüber der Antwort, die
wir auf diesen Anspruch geben, als »je größer« erweist.
Paul Ricœur hat darauf hingewiesen, daß dasjenige Begriffspaar,
das ein angemessenes Verhältnis der Vernunft zur Wirklichkeit be-
schreibt, nicht das Begriffspaar »question et réponse« lauten muß,
sondern vielmehr »appel et réponse«, wobei die Initiative des »appel«
auf der Seite der Wirklichkeit liegt und unser Begreifen den Charak-
ter der »réponse« hat, während nach traditioneller Auffassung die
Initiative der »question« auf seiten des Subjekts liegt und die Wirk-
lichkeit nur »réponses« geben kann, die diesen von der Vernunft
apriori formulierten Fragen entsprechen. 38 Oder in der hier bevor-

37 Vorrede zur Kritik der reinen Vernunft B XIII.


38 Ricœur entwickelt diese Unterscheidung zwar im speziellen Zusammenhang einer
Untersuchung zur religiösen Sprache und der in ihr zum Ausdruck kommenden spe-
ziell religiösen Erfahrung, macht aber zugleich deutlich, daß sie für eine allgemeine
Phänomenologie der Erfahrung grundlegende Bedeutung besitzt. Vgl. P. Ricœur, »Ex-
périence et langage dans le discours religieux«, in: Jean-François Courtine (Hg.), Phé-
noménologie et Théologie, Paris 1992, 15 f.

49
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Erster Teil: Transzendentale Reflexion und Theologie

zugten Terminologie gesprochen: Nur eine Theorie, die die Erfahrung


als Dialog zwischen dem Anspruch des Wirklichen und der Antwort
begreift, die wir in unserem Anschauen und Denken auf diesen An-
spruch geben, wird dem immer wieder überraschenden, vorantrei-
benden Charakter der Erfahrung gerecht, die nicht nur unsere bis
dahin bewährten Überzeugungen, sondern schon unsere Fragestel-
lungen immer wieder als korrekturbedürftig erweist.
Dabei ist es kein Zufall, daß der Protest gegen die sich schließen-
den Vernunftsysteme immer wieder von solchen Theoretikern aus-
gegangen ist, die sich an der Eigenart der religiösen Erfahrung orien-
tiert haben, sei es Kierkegaard mit seiner Betonung der Paradoxie-
Erfahrung, sei es Ricœur an der soeben erwähnten Stelle. Doch wird
man hinzufügen müssen: Was Theologen und Religionsphilosophen
am Beispiel der religiösen Erfahrung entdeckt haben, ist nur der be-
sonders deutliche Grenzfall einer Asymmetrie von Anspruch und
Antwort, durch den jede Erfahrung, nicht nur die religiöse, gekenn-
zeichnet ist. Was von den Transzendentalphilosophen verlangt ist, ist
daher nicht in erster Linie eine Rücksichtnahme auf die speziellen
Erfordernisse einer Theorie der religiösen Erfahrung (obgleich eine
allgemeine Transzendentalphilosophie so geartet sein muß, daß sie
keine Art von Erfahrung, auch nicht die religiöse, von vorneherein
als unmöglich erscheinen läßt). Gefordert ist vielmehr vor allem,
daß die Transzendentalphilosophie für jenes Moment der »veritas
semper maior« sensibel bleibt, das in jeder Art von Erfahrung wirk-
sam ist und diese davor bewahrt, von einer überraschungsresistenten
und darum unbelehrbaren Vernunft apriori »vereinnahmt« zu wer-
den. Der theologisch motivierte Protest gegen jede Art eines sich in
sich selbst verschließenden Vernunftgebrauchs kann darum der Phi-
losophie um ihrer eigenen Aufgabe willen heilsam sein. 39 Freilich ge-
winnt auch die theologische Kritik ihre mögliche Fruchtbarkeit für
die Philosophie nur unter der Voraussetzung, daß sie das Vernunft-
interesse an Freiheit nicht für illegitim erklärt, sondern vor Selbst-
Mißverständnissen bewahrt.

39Kants Warnung vor den »Kraftgenies«, die voreilig meinen, des »Leitbandes« nicht
zu bedürfen, das der »Kirchenglaube« ihnen gewähren kann, gewinnt in diesem Zu-
sammenhang neue Aktualität (vgl. I. Kant, »Der Streit der Fakultäten«, Akademie-
ausgabe VII, 65; vgl. dazu auch meinen Vortrag »Kritik und Neubegründung der
Religion bei Kant«, gehalten auf dem Symposium der Internationalen Schelling-
Gesellschaft in Breslau 1996).

50
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
C. Die transzendentale Kritik als Herausforderung an die Theologie

4. Das eine Interesse der Vernunft entfaltet sich in mehrere


Vernunftinteressen, die einander widerstreiten

Dieser Satz bezeichnet eine weitere Entdeckung, die man macht,


wenn man einmal das Interesse der Vernunft an ihrer Selbstbestim-
mung als die treibende Kraft nicht nur der transzendentalphilosophi-
schen Theorie, sondern derjenigen Vernunfttätigkeit entdeckt hat, die
in der transzendentalen Theorie beschrieben werden soll. Kant hat
diese Erfahrung unter dem Titel »Vernunftdialektik« beschrieben
und diese Beschreibung in der Formulierung zusammengefaßt: »Die
reine Vernunft hat immer ihre Dialektik, man mag sie in ihrem spe-
kulativen oder praktischen Gebrauche betrachten.« 40 Freilich hat er
noch gemeint, die Dialektik des theoretischen Vernunftgebrauchs
durch Unterscheidungen auflösen zu können, vor allem durch die
Unterscheidung von Ideen, die von rein regulativem Gebrauche sind,
und Gegenständen möglicher Erfahrung. Nur beruht die Dialektik
des praktischen Vernunftgebrauchs seiner Auffassung nach nicht auf
derartigen korrigierbaren Verwechselungen, sondern liegt in der Na-
tur der »Zwecke«, deren Verwirklichung die Vernunft sich selbst not-
wendigerweise abverlangt.

a) Die Dialektik des praktischen Vernunftgebrauchs bei Kant

Kant hat die Dialektik des praktischen Vernunftgebrauchs in mehre-


ren seiner Werke beschrieben; dabei zeigt ein Vergleich der entspre-
chenden Textpassagen, daß seine Auffassung von dieser Dialektik
sich im Laufe seines Schaffens fortlaufend radikalisiert hat. 41
Zunächst, in der Kritik der reinen Vernunft, beschreibt Kant die
Kollision des theoretischen Vernunftinteresses mit dem praktischen:
Um ihre Aufgabe erfüllen zu können, gegebene Erscheinungen theo-
retisch zu erklären, muß die Vernunft voraussetzen dürfen, daß die
Kette der Bedingungen und Folgen keine Lücken hat; um ihre prakti-
sche Aufgabe erfüllen zu können, verpflichtende Möglichkeiten des

40 Kritik der praktischen Vernunft A 192.


41 Eine detailliertere Darstellung dieser Entwicklung des kantischen Dialektik-Ver-
ständnisses habe ich in meinem schon erwähnten Vortrag »Kritik und Neubegrün-
dung der Religion bei Kant« gegeben. Auf diesen Vortrag muß auch hinsichtlich der
Auflösung der Vernunftdialektik durch eine weiterentwickelte Postulatenlehre ver-
wiesen werden.

51
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Erster Teil: Transzendentale Reflexion und Theologie

Handelns aufzuweisen, muß sie voraussetzen dürfen, daß es möglich


sei, Neuanfänge solcher Kausalreihen zu setzen. 42 Sodann, in der Kri-
tik der praktischen Vernunft, zeigt er auf, daß die theoretische Er-
kenntnis der Welt als wirklich erweist, was in praktischer Hinsicht
unerträglich ist: Das Leiden Unschuldiger ist in der Welt, wie sie ist,
kein Ausnahmefall, sondern wird durch die Kausalzusammenhänge
dieser Welt beständig reproduziert. Deshalb ist, über die einzelne sitt-
liche Tat hinaus, die »Beförderung« einer anderen, »moralischen
Weltordnung« sittlich geboten. Das Vernunftinteresse an Freiheit äu-
ßert sich in praktischer Hinsicht in dem sittlichen Willen, die Welt
nach moralischen Grundsätzen neu zu gestalten. Dabei aber zeigt
sich, daß die Reinheit der Gesinnung die Wirksamkeit der Tat nicht
fördert, sondern hemmt, weil in der Welt, wie sie ist, die Gewissen-
losen es leichter haben, wirksam zu handeln als die Gewissenhaften. 43
Schließlich aber, in der Schrift »Der Streit der Fakultäten«, verweist
Kant auf die Erfahrung, daß immer wieder aus guten Gesinnungen
Taten hervorgehen, deren Folgen sittlich mißbilligt werden müssen.
Dies zeigt sich besonders dort, wo der Wille, anstelle der bestehenden
Welt eine neue, moralische Weltordnung heraufzuführen, auf Wider-
stände stößt, die er aus moralischer Verpflichtung brechen muß. Ge-
rade dadurch entsteht eine moralisch legitimierte Anwendung von
Gewalt, die unvermeidlich in den Terror umschlägt. Das für Kant
und seine Zeitgenossen wichtigste Beispiel dafür ist der Umschlag
der Französischen Revolution von der Moralität in den Terror. 44 Auf
solche Weise aber betrügt das sittliche Handeln, das sich aus Achtung
für das Sittengesetz die moralische Weltordnung zum Zweck ge-
macht hat, sich nicht nur beständig um seinen eigenen Erfolg; viel-
mehr wird dadurch zugleich das eigene sittliche Urteil verblendet,
sofern der Handelnde sich, im Bewußtsein seiner hohen Moralität,

42
Vgl. den Abschnitt »Von dem Interesse der Vernunft bei diesem ihrem Widerstrei-
te«, Kritik der reinen Vernunft A 462 ff.
43
»[…] weil alle praktische Verknüpfung der Ursachen mit den Wirkungen in der
Welt, als Erfolg der Willensbestimmung, sich nicht nach moralischen Gesinnungen
des Willens, sondern der Kenntnis der Naturgesetze und dem physischen Vermögen,
sie zu seinen Absichten zu gebrauchen, richtet« (Kritik der praktischen Vernunft
A 204 f.)
44 »Die Revolution eines geistreichen Volkes, die wir in unseren Tagen haben vor sich

gehen sehen«, war »mit Elend und Greueltaten dermaßen angefüllt […], daß ein
wohldenkender Mensch sie, wenn er sie zum zweitenmale unternehmend glücklich
auszuführen hoffen könnte, doch das Experiment auf solche Kosten zu machen nie
beschließen würde« (»Der Streit der Fakultäten«, Akademieausgabe VII, 85).

52
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
C. Die transzendentale Kritik als Herausforderung an die Theologie

für das Unrecht, das er begeht, blind macht. Das Vernunftinteresse an


Freiheit sieht sich so in den inneren Widerspruch verstrickt, das Ge-
genteil dessen zu bewirken, was es intendiert hat. 45 Ist aber die Gefahr
dieser Selbstverblendung einmal bemerkt, dann wird der sittliche
Wille gelähmt, weil, wie Kant schon in der Religionsschrift aus-
geführt hatte, »Trostlosigkeit im Gemüte die Folge redlicher Selbst-
beurteilung« zu sein scheint. 46
Daraus entstehen folgende Fragen: Wie ist eine Selbstgesetz-
gebung der Vernunft möglich, die uns in der Welt, wie sie ist, also in
einer keineswegs »moralisch« geordneten Welt, zum Dienst an der
»moralischen Weltordnung« verpflichtet? Und wie ist für den Men-
schen, wie er ist – nämlich für den Menschen, der schon dadurch, daß
er das Sittengesetz als »Gebot« erfährt, der Unreinheit seiner Ge-
sinnung überführt wird –, der Wille zu solchem Gehorsam möglich?
Denn um die dazu nötige »Umkehr« (Kant nennt sie »Sinnes-
wandel«) auch nur zu wollen, wäre die moralische Gesinnung schon
nötig, die durch diese Umkehr doch erst erreicht werden soll. Und der
Grundgedanke der kantischen Antwort, auf die sogleich noch näher
einzugehen sein wird, lautet: Gerade dadurch, daß sie sich in unver-
meidliche Widersprüche verwickelt, zeigt die Selbstgesetzgebung der
Vernunft an, daß sie selber die bloße Erscheinung einer anderen Ge-
setzgebung ist, die sie durch die Weise ihrer Tätigkeit bezeugt. Ange-
wandt auf den praktischen Vernunftgebrauch bedeutet dies: Durch
die Dialektik dieses Vernunftgebrauchs erweisen sich die Pflichten,
die aus dieser Selbstgesetzgebung der Vernunft hervorgehen, »als
göttliche Gebote«. Oder anders ausgedrückt: Die Dialektik des prak-
tischen Vernunftgebrauchs ist nicht anders auflösbar als durch das
Postulat der Existenz eines Gottes, der freilich nicht abseits von die-
sem Vernunftgebrauch erkannt werden kann, sondern nur als dessen
Ermöglichungsgrund.
Davon wird in einem kommenden Abschnitt des hier vorgetra-
genen Gedankengangs noch gesondert zu sprechen sein. Zunächst
aber soll zweierlei gefragt werden: welche Art von Herausforderung
die kantische Lehre von der Vernunftdialektik für die Theologie be-

45 Auf solche Weise gewinnt die Aussage des Apostels Paulus neue philosophische
Aktualität: »Ich bewirke nicht, was ich will, sondern setze ins Werk, was ich hasse«
(Röm 7,15). Von hier aus wird das philosophische Interesse Kants an der paulinischen
Rechtfertigungslehre verständlich, von dem an späterer Stelle, bei der Darstellung
seiner Postulatenlehre, noch zu handeln sein wird.
46
Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft B 93 f.

53
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Erster Teil: Transzendentale Reflexion und Theologie

deutet und wie sich die Divergenz der Vernunftinteressen und die
daraus resultierende Dialektik unter den philosophiehistorischen Be-
dingungen von heute darstellt.
Während die Theologen die Lehre von der Autonomie der Ver-
nunft oft als Ausdruck menschlicher Anmaßung bewerten, erscheint
ihnen die Lehre von der Vernunftdialektik zumeist als Ausdruck
skeptischer Verzweiflung: Eine Vernunft, die in unvermeidliche Wi-
dersprüche mit sich selber gerät, erscheint nicht nur als unfähig zur
Gotteserkenntnis, sondern auch als unfähig, die Wahrheit der inner-
weltlichen Dinge zu erfassen. Eine Grundthese der »materialen Lo-
gik« besagt: Eine Aussage, die formal mit sich selbst nicht überein-
stimmt, kann auch inhaltlich mit keinem möglichen Gegenstand
übereinstimmen. Und daraus scheint zu folgen: Wenn die Vernunft
sich selbst widerspricht, kann sie der Wahrheit der Dinge nicht ent-
sprechen. Für die Theologie aber scheint sich daraus zu ergeben: Eine
solche Vernunft wäre nicht nur zur »natürlichen Gotteserkenntnis«
unfähig, sondern zur Erfassung jeglicher Art von Wahrheit ungeeig-
net, auch zum Verständnis des wahren Gehalts der Glaubensbot-
schaft. Das Programm einer »fides quaerens intellectum« wäre unter
dieser Voraussetzung gegenstandslos. Und in der Tat ist Kants Kritik
an der Theologie in ihrem Kern eine Kritik an dem, was er die »Wis-
sens-Anmaßung« der Theologen nennt, die den Anspruch erheben,
aufgrund übernatürlicher Offenbarung nicht nur über Gott, sondern
auch über den Menschen und die Welt Kenntnisse gewonnen zu ha-
ben und weitergeben zu können. Auch die kantische Theologiekritik
ist deshalb Vernunftkritik; und die Theologen können meinen, sich
selbst gegen die kantische Kritik nur verteidigen zu können, indem
sie die Vernunft gegen ihn und speziell gegen seine Lehre von der
unvermeidlichen Vernunftdialektik in Schutz nehmen.
Von hier aus wird verständlich, daß auch die Transzendentale
Theologie, wie eingangs erwähnt wurde, Kants Lehre von der Dialek-
tik des Vernunftgebrauchs nicht rezipiert, sondern all ihre Bemühung
darauf konzentriert hat, den »Scepticismus Kantianus« von seinen
eigenen Voraussetzungen aus zu widerlegen. Und doch hat sie sich
dadurch selber die Chance entzogen, die Herausforderung der Tran-
szendentalphilosophie anzunehmen und für ihre eigene Bemühung
fruchtbar zu machen. Diese Herausforderung, deren mögliche Frucht-
barkeit für die Theologie zu prüfen wäre, besteht in dem Angebot,
Gott nicht als einen Gegenstand unserer Erkenntnis zu begreifen,
sondern als deren Ermöglichungsgrund, weil nur die Beziehung auf

54
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
C. Die transzendentale Kritik als Herausforderung an die Theologie

ihn die Vernunft vor der Selbstaufhebung in unvermeidlichen Wider-


sprüchen bewahrt. Auf solche Weise wäre einsichtig zu machen, auf
welche Weise Gott und seine Zuwendung zum Menschen in seinem
Wort »das Licht ist, das jeden Menschen erleuchtet, der in diese Welt
kommt«, d. h. die Bedingung, die jedes menschliche Erkennen, auch
das vermeintlich ganz profane, allererst möglich macht.
Für das recht verstandene Interesse an der Selbstbestimmung
der Vernunft bedeutet dies: Die Lehre von der Vernunftdialektik tritt
dem Irrtum entgegen, als sei die Vernunft aufgrund ihrer Selbst-
gesetzgebung sich selber genug, oder als sei umgekehrt der Verzicht
auf ihre Autonomie die Bedingung dafür, daß sie sich für die »je grö-
ßere« Wahrheit Gottes, aber auch der Dinge offenhält. Vielmehr
muß, wie an späterer Stelle zu zeigen sein wird, die Vernunft, wenn
sie ihre eigene unvermeidliche Dialektik erfaßt hat, die Wirklichkeit
Gottes und seine Zuwendung zum Menschen »postulieren«, wenn sie
zur Erfüllung ihrer selbstgesetzten Aufgaben fähig bleiben soll. Des-
wegen ist es möglich, am Gegenstand jeder theoretischen und prakti-
schen Erkenntnis den Widerschein dieses Lichtes, d. h. die Wirksam-
keit dieser Bedingung jeglichen Erkennens, gespiegelt zu finden. Erst
die Einsicht in die unvermeidliche Vernunftdialektik erlaubt es, das
Programm aller Transzendentalen Theologie einzulösen, das in dem
schon zitierten Satz des hl. Thomas ausgesprochen worden und von
Maréchal und Rahner auf neue Weise angeeignet worden ist: »Omnia
cognoscentia cognoscunt Deum in quolibet cognito«; »Jedes erken-
nende Subjekt erkennt in jedem erkannten Gegenstand Gott mit« –
oder biblisch gesprochen: »Alle Lande«, nicht nur die ausgesonderten
Bezirke heiliger Orte, »sind seiner Herrlichkeit voll.« 47

b) Die Dialektik der Vernunft unter den philosophiehistorischen


Bedingungen von heute

Das Gesagte wird noch deutlicher, wenn die Vernunftdialektik in der-


jenigen Gestalt betrachtet wird, wie sie sich in der philosophie-
geschichtlichen Situation von heute darstellt. Kant hat mit zwei ver-

47 Vgl. meinen Beitrag »Ein transzendentalphilosophischer Gottesbegriff«, in:


M. Kessler/W. Pannenberg/H. J. Pottmeyer (Hg.), Fides quaerens intellectum. Bei-
träge zur Fundamentaltheologie, Festschrift für Max Seckler, Tübingen und Basel
1992, 97–110.

55
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Erster Teil: Transzendentale Reflexion und Theologie

schiedenen Erfahrungsweisen gerechnet, der naturwissenschaftlichen


Empirie und der Entdeckung konkreter verpflichtender Handlungs-
möglichkeiten oder »Pflichten«, die er als Anwendungsfälle des ei-
nen, durch reine praktische Vernunft gegebenen »Sittengesetzes«
verstand. Beide Arten der Erfahrung gehen aus der Selbstgesetz-
gebung der Vernunft hervor, jedoch in verschiedenen Weisen ihres
»Gebrauchs«, und führen zum Aufbau zweier verschiedener »Wel-
ten«, der »Natur« als des Ganzen aller Gegenstände der wissenschaft-
lichen Empirie und der »Welt der Zwecke« als des Ganzen aller Ge-
genstände des sittlichen Erkennens. Heute rechnen wir nicht nur mit
einer Dualität, sondern mit einer Pluralität solcher Erfahrungsweisen
und Erfahrungswelten. So zeigen, um die beiden wichtigsten Bei-
spiele zu nennen, die ästhetische und die religiöse Erfahrung und die
ihnen entsprechenden »Welten« ihrer Gegenstände ihre je eigene
Struktur, und auch die Kategorien des Verstandes und die »Grund-
sätze« ihres Gebrauchs gewinnen für jede dieser Erfahrungsweisen
und Erfahrungswelten ihre je besondere Gestalt und Funktion. 48
Dieser Befund wird durch die jüngere Sprachphilosophie be-
stätigt: Die je spezifischen Weisen des Anschauens und Denkens, aus
denen die verschiedenen Erfahrungsweisen und die durch sie konsti-
tuierten Erfahrungswelten hervorgehen, finden ihren Ausdruck in je
spezifischen Weisen des intersubjektiv geregelten Sprachverhaltens,
also beispielsweise in der Eigenart der Wissenschaftssprache, der
Sprache des moralischen Diskurses, der Sprache, in der ästhetische
Erfahrungen und Werturteile ausgesprochen werden, oder der Spra-
che der Religion. Jede dieser Sprachen zeigt hinsichtlich der Gesetze
der Wortbildung, der Syntax und der Redewendungen eine spezi-
fische Struktur. Nach einer (mißverständlichen) Wortprägung von
Wittgenstein werden derartige intersubjektiv geregelte Weisen des
Sprachverhaltens »Sprachspiele« genannt. Und um die strukturelle
Eigentümlichkeit jeder dieser Sprachen zu bezeichnen, die nicht auf
die Gesetze anderer Sprachen zurückgeführt werden kann, spricht
man von der »Autonomie der Sprachspiele«. Diese erklärt sich, tran-
szendentalphilosophisch gesehen, daraus, daß jene Autonomie der
Vernunft, die jede Art von Erfahrung möglich macht, sich in unter-
schiedliche Weisen ihrer Selbstgesetzgebung entfaltet, die den je be-
sonderen Erfahrungsweisen und Erfahrungswelten zugrundeliegen.

48
Vgl. dazu mein Buch Erfahrung als Dialog mit der Wirklichkeit, 355–481.

56
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
C. Die transzendentale Kritik als Herausforderung an die Theologie

Oder kurz: Die sprachphilosophische Beobachtung der »Autonomie


der Sprachspiele« bestätigt die transzendentalphilosophische These
von der Pluralität eigengesetzlicher Weisen der Gegenstandskonsti-
tution durch je spezifische Formen des Anschauens und Denkens.
Umgekehrt erweist sich diese transzendentalphilosophische Theorie
als geeignet, die sprachphilosophischen Beobachtungen aus ihren
Gründen begreiflich zu machen.
Daraus ergibt sich die Frage, die die Sprachphilosophen und die
Transzendentalphilosophen gemeinsam beschäftigt: Hat die Eigen-
gesetzlichkeit oder »Autonomie« der Sprachspiele und der in ihnen
zum Ausdruck kommenden Erfahrungsweisen und Erfahrungs-
welten ihre Beziehungslosigkeit oder »Anarchie« zur Folge? Für diese
Annahme scheint zu sprechen, daß Personen und Gruppen, die in das
Sprechen je einer dieser Sprachen eingeübt sind, große Schwierigkei-
ten haben, sich mit denen zu verständigen, deren Anschauen und
Denken durch das Sprechen einer anderen Sprache geprägt ist. Wis-
senschaftler und »Fachleute des moralischen Diskurses«, Künstler
bzw. Kunstbetrachter und religiöse Menschen sprechen nicht nur
auf ihrem Sachgebiet eine je eigene Sprache, sondern finden auch
dort, wo sie über Themen des jeweils anderen Sachgebiets zu spre-
chen versuchen, nicht die Sprache, in der sie von denen verstanden
werden, die auf diesen Sachgebieten ihre Primär-Erfahrungen ge-
macht haben. Wenn Ethiker über Probleme der Wissenschaft, religiö-
se Menschen über Themen der Kunst, Wissenschaftler über Fragen
der Religion sprechen, erscheint das, was sie sagen, denen, die auf
diesen Sachgebieten ursprünglich »zu Hause« sind, eigentümlich
sachfremd und dem verhandelten Gegenstand unangemessen. Die
oft beklagten »Sprachbarrieren« zwischen den Vertretern unter-
schiedlicher »Kulturgebiete« sind nicht, wie oft anklagend unterstellt
wird, Ausdruck einer willkürlichen Abgrenzung der »Fachleute« ge-
genüber denen, die auf ihrem Gebiete »Laien« sind, sondern Folgen
davon, daß nicht über alles in jeder beliebigen Sprache gesprochen
kann, sondern jede Gegenstands-Sphäre ihre eigene Sprache ver-
langt. Was oft als »Fach-Jargon« diffamiert wird, ist, von Miß-
brauchsfällen abgesehen, der Ausdruck der Bemühung, der Eigen-
gesetzlichkeit der Sachgebiete durch die Eigengesetzlichkeit der auf
sie bezogenen Sprache Rechnung zu tragen. Aber wenn die auf solche
Weise unvermeidlichen Sprachbarrieren unüberwindlich sein sollten,
wäre dadurch erwiesen, daß die eigengesetzlichen Sprachformen un-
tereinander beziehungslos, also »anarchisch« sind und daß dieser

57
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Erster Teil: Transzendentale Reflexion und Theologie

»Anarchie der Sprachspiele« eine »Anarchie der Erfahrungsweisen


und Erfahrungswelten« entspricht.
Für die hier erörterte Frage nach der Dialektik der Vernunft be-
deutet dies: Wenn im Verständnis Kants diese Dialektik sich aus der
unterschiedlichen Struktur zweier »Welten« ergab, der »Natur« und
der »Welt der »Zwecke«, ist damit zu rechnen, daß diese Dialektik sich
aus heutiger Sicht verschärft, da an die Stelle der Dualität eine Plura-
lität strukturverschiedener »Welten« getreten ist. Andererseits ist zu
fragen, ob von einem »Selbstwiderspruch der Vernunft« überhaupt
noch die Rede sein kann, wenn die Differenz dieser Erfahrungswelten
und der ihnen zugrundeliegenden Erfahrungsweisen sich bis zur Be-
ziehungslosigkeit gesteigert zu haben scheint. Denn der Begriff des
»Selbstwiderspruchs« setzt die Identität des Subjekts voraus. Darum
kann die Frage auch so gestellt werden: Hat es überhaupt noch Sinn,
von der »einen« Vernunft zu sprechen, die in den verschiedenen Wei-
sen ihres »Gebrauchs« noch als die identische zu erkennen ist? Oder
ist der im Singular verwendete Begriff »die Vernunft« in Wahrheit
nur ein Sammelbegriff für ganz unterschiedliche Weisen der Subjek-
tivität, etwa der Subjektivität des (dem Ideal nach) universal vertret-
baren Forschers, der Subjektivität der unvertretbaren sittlichen Ent-
scheidung, der Subjektivität der künstlerischen Gestaltung oder auch
der Betrachtung von Kunstwerken, der Subjektivität des Beters und
Gliedes einer Gebetsgemeinschaft? Auch wenn diese Weisen der Sub-
jektivität von der gleichen empirischen Person vollzogen werden, so
bleibt doch zu prüfen, ob sie in ihrer transzendentalen Funktion, je
spezifische Gegenstandswelten aufzubauen, miteinander überhaupt
noch etwas zu tun haben. Sollte dies nicht der Fall sein, dann gäbe es
zwischen ihnen auch keine Kollisionen, es sei denn solche, die sich aus
ungerechtfertigten und vermeidbaren Grenzüberschreitungen er-
geben (etwa dann, wenn das wissenschaftliche Denken sich anmaßt,
über den spezifischen Maßgeblichkeitsanspruch der Inhalte religiöser
Erfahrung zu entscheiden, oder wenn im Namen der Religion ethi-
sche Werturteile gefällt werden). Die vermeintliche Vernunftdialek-
tik ließe sich dann durch klare Kompetenz-Abgrenzungen auflösen.
Für die Theologie würde aus einem solchen Lösungsvorschlag
folgen: Die Lehre von der Autonomie der Erfahrungsweisen und Er-
fahrungswelten macht die Religion und den Glauben zwar gegen alle
Einreden im Namen der Wissenschaft und der Moral immun. Aber
sie verbietet es zugleich, im Namen von Religion und Glaube Kritik
an der Wissenschaft zu üben oder Ansprüche an das moralische Ver-

58
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
C. Die transzendentale Kritik als Herausforderung an die Theologie

halten und das moralische Urteil zu erheben oder Forderungen an das


künstlerische Gestalten bzw. den Umgang mit Kunstwerken zu rich-
ten. Oder, auf das Verhältnis der »Kulturgebiete« bezogen: Die so
gewonnene Unangreifbarkeit des Glaubens würde damit erkauft,
daß er für alle anderen Bereiche des menschlichen Lebens belanglos
würde. Insbesondere müßte jeder Versuch als verfehlt gelten, den
Glauben dann ins Spiel zu bringen, wenn Wissenschaft, Moral oder
Kunst in eine Krise geraten und durch eine »religiöse Orientierung«
aus dieser Krise befreit werden sollen. Die religiöse Verkündigung, so
wird dann häufig gesagt, darf nicht zur »Lückenbüßerin« gemacht
werden, die das ersetzt, was andere Kulturgebiete nicht zustande
bringen, nämlich deren Befreiung aus ihren jeweils sachgebiets-
immanenten Schwierigkeiten.
So einleuchtend diese Folgerung zu sein scheint und so willkom-
men sie manchen friedliebenden Kulturtheoretikern sein mag, weil
sie alle Konflikte zwischen den Kulturgebieten ein für allemal aus
der Welt zu schaffen scheint, so wenig kann sie sprachphilosophisch
und transzendentalphilosophisch befriedigen. Zunächst ist sprach-
theoretisch darauf hinzuweisen, daß es die »reine« Sachgebietsspra-
che nicht gibt. Bei aller Eigengesetzlichkeit dieser Sprachen haben die
Sprachen der Wissenschaft, der Moral, der Kunst und der Religion
sich in allen Phasen ihrer Geschichte stets gegenseitig beeinflußt.
Und darin liegt ein Anzeichen dafür, daß auch die entsprechenden
Erfahrungsweisen nicht ohne Einfluß aufeinander geblieben sind. So-
dann ist transzendentalphilosophisch daran zu erinnern, daß allen
Erfahrungsweisen das mehrfach erwähnte Interesse an Freiheit zu-
grundeliegt, und zwar, um ein mögliches Mißverständnis noch ein-
mal auszuschließen, nicht ein Interesse an der Beliebigkeit der Indi-
viduen, sondern an der Selbstbestimmung der Vernunft. Denn der
Übergang von der bloßen Subjektivität des Erlebens zur objektiven
Gültigkeit von Erfahrung wird stets nur dadurch gewonnen, daß das
Subjekt kritische Distanz zu seinen Erlebnissen gewinnt und deren
Inhalte einem Kontext einfügt, der durch die Ideen (d. h. Zielbegriffe)
der Vernunft und die Kategorien und Grundsätze des Verstandes auf-
gebaut wird. Die Vernunft ist, wie an früherer Stelle gesagt wurde,
die Sachwalterin der Gegenstände und ihres Anspruchs gegenüber
allen subjektiven Neigungen und Interessen der Individuen; würde
sie ihre Selbstbestimmung verlieren, bliebe das Individuum der Über-
wältigung durch seine Eindrücke ausgesetzt und käme über die bloße
Subjektivität dieses Erlebens nicht hinaus.

59
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Erster Teil: Transzendentale Reflexion und Theologie

Das gilt auch für die ästhetische Erfahrung, unbeschadet ihrer


»Exorbitanz«, die alles bisherige Anschauen und Begreifen »aus dem
Geleise (lateinisch: orbita) wirft«. Brächte diese Erfahrung die Ver-
nunft zum Schweigen, bliebe es beim bloßen Selbstgenuß am rausch-
haften Versinken im Strom übermächtiger Erlebnisse. Und das Ge-
sagte gilt auch für die religiöse Erfahrung, unbeschadet der Tatsache,
daß gerade diese Art von Erfahrung den, der sie macht, stets an die
Grenze seiner Erfahrungsfähigkeit führt. Auch die Erfahrung dieser
Grenze ist etwas anderes als der Jubel des Untergangs, wie er ge-
legentlich dort erlebt wird, wo alles Licht in Finsternis, alles Begreifen
im Unbegreiflichen versinkt. Auch hier gilt: Wo wir auf den je größe-
ren Anspruch des Wirklichen, in diesem Fall auf den alles Anschauen
und Begreifen übersteigenden Anspruch des Heiligen, nicht mehr zu
antworten vermögen, kommt auch dieser Anspruch nicht mehr zur
Sprache. Darum mache ich mir an dieser Stelle einen Satz zu eigen,
den mein verehrter Lehrer Gerhard Krüger wie ein Leitmotiv seines
Denkens in seinen Vorlesungen oft wiederholt hat: »Jede Ergriffen-
heit, die unsere Freiheit zunichte macht, ist falsch. Jede Macht, die
uns berauscht und bannt, ist ein falscher Gott.«
Dieser in allen Erfahrungsweisen und Erfahrungswelten wieder-
kehrende, weil sie erst ermöglichende Wille zur Selbstbestimmung ist
ein wichtiger Hinweis darauf, daß es wirklich die eine Vernunft ist,
die, wenn auch auf je spezifische Weise, in all diesen Erfahrungs-
weisen und Erfahrungswelten wirksam ist. Ein weiterer, noch wichti-
gerer Hinweis liegt darin, daß nicht nur die Sachgebietssprachen,
sondern auch die Erfahrungswelten, die sie uns erschließen, sich be-
ständig gegenseitig durchdringen: Wir sollen das sittlich Gute in eben
derjenigen Welt verwirklichen, die wir theoretisch erkennen; die Ex-
orbitanz der ästhetischen Erfahrung ist geeignet, auch jenes Selbst-
verständnis zu erschüttern und zu verändern, das unser praktisch-
moralisches Handeln bestimmt (was nicht bedeutet, daß die Kunst
uns zur »moralischen Lehrmeisterin« werden könnte, wohl aber, daß
sie uns neue Weisen aufschließt, uns und die Welt so zu sehen, daß
jene Selbstfindung durch Selbsthingabe möglich wird, die den Kern
der sittlichen Erfahrung ausmacht); die religiöse Erfahrung, die uns
an die Grenzen unserer Erfahrungsfähigkeit im Ganzen führt, läßt
uns ebendadurch unsere Fähigkeit zum theoretischen Erkennen,
zum sittlichen Wollen, zum ästhetischen Gestalten als kontingent,
religiös gesprochen: als unerzwingbare Gnadengabe, begreifen; und
die Wissenschaft macht jene kritische Unterscheidung zwischen dem

60
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
C. Die transzendentale Kritik als Herausforderung an die Theologie

bloß subjektiv Erlebten und dem objektiv gültigen Erfahrenen mög-


lich, ohne die auch alle anderen Erfahrungsweisen in der Gefahr sind,
sich selber mißzuverstehen. In dieser wechselseitigen Durchdringung
oder »Interferenz« der Erfahrungsweisen aber zeigt sich jene Einheit
der Vernunft, die sich in die Vielfalt der Weisen ihres »Gebrauchs«
entfaltet.
Damit aber wird jener Konflikt der Erfahrungsweisen und Er-
fahrungswelten, den Kant am Beispiel des Konflikts zwischen theo-
retischem Erkennen und moralischem Wollen oder, von der Objekt-
seite her beschrieben, zwischen der »Natur« und der »Welt der
Zwecke« exemplarisch aufgewiesen hat, nicht etwa entschärft, son-
dern radikalisiert; denn er fällt in die Vernunft selbst. Der soeben
angedeutete Schlichtungsversuch, die verschiedenen Erfahrungs-
welten nicht nur als autonom, sondern auch als untereinander be-
ziehungslos und deswegen konfliktlos zu begreifen, erweist sich als
unzulänglich. Indem das eine Vernunftinteresse an Selbstbestim-
mung sich in die Vielfalt strukturverschiedener Weisen ausfaltet,
wie die Vernunft diese ihre Selbstbestimmung ausübt, steht je eine
Form dieser Vernunftautonomie der anderen im Wege. In der im
Sinne Kants wissenschaftlich verstandenen Welt kann man keine
freien Taten setzen, obgleich die sittliche Erfahrung gerade dies ver-
langt; in der rein moralisch verstandenen Welt der Zwecke kann man
nicht auf Gnade hoffen, obgleich die Botschaft von der Gnade nur
dem verständlich wird, der die moralische Erfahrung der Schuld ge-
macht hat; in derjenigen Welt, die nach der Eigengesetzlichkeit der
ästhetischen Erfahrung aufgebaut ist, verliert die Forderung nach
dem wissenschaftlichen Wahrheitserweis ihren Sinn, obgleich die
Wissenschaft gemäß ihrer eigenen Aufgabenstellung keinen Bereich
von Erfahrungen aus ihrem Themenfeld aussparen kann. Oder kurz:
Wegen der wechselseitigen Durchdringung (Interferenz) der Erfah-
rungsweisen und Erfahrungswelten bleiben die Ideen der einen Welt
und des einen Aktes »Ich denke« in regulativer Kraft. Wegen der
Strukturdifferenz der Erfahrungsweisen und Erfahrungswelten aber
erweisen die Vernunftaufgaben, die durch diese Ideen gestellt sind,
sich als unerfüllbar. 49
Gewiß käme uns dieser Konflikt nicht zum Bewußtsein, wenn in
diesen verschiedenen Erfahrungsweisen nicht die eine Vernunft am
Werke wäre und die verschiedenen Erfahrungswelten nicht von der

49
Vgl. dazu mein Buch Erfahrung als Dialog mit der Wirklichkeit, 482–555.

61
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Erster Teil: Transzendentale Reflexion und Theologie

einen Vernunft umfaßt würden. Aber es gilt auch das Umgekehrte.


Die Einheit der Vernunft kommt uns angesichts dieses Konflikts
nicht mehr dadurch zum Bewußtsein, daß es uns gelänge, die Allheit
dessen, was sich uns in allen Weisen der Erfahrung zeigt, zur einen,
umfassenden Ordnung der einen Welt zu verknüpfen, sondern nur
noch auf zweifache Weise: als die Möglichkeitsbedingung für die Kol-
lision der Erfahrungswelten und als die regulative Idee, diese Kolli-
sion zu überwinden – eine regulative Idee, deren Widersprüchlichkeit
darin besteht, daß sie sich als Zielvorstellung von der Erfüllung einer
ebenso unabweislichen wie unerfüllbaren Vernunftaufgabe erweist.
Fragt man auch angesichts dieser Gestalt der Vernunftdialektik,
wie sie in einer seit Kant veränderten philosophiehistorischen Situa-
tion deutlich wird, was sie für die Theologie bedeuten könne, dann
zeigt sich: Theologen, die schon die Weise, wie Kant die Dialektik
der Vernunft beschrieb, als Ausdruck eines »Skeptizismus« beurteilt
haben, werden vermutlich diesen Vorwurf in verschärfter Gestalt
auch gegen die hier vorgetragenen Überlegungen erheben. Doch auch
dann bleibt zu fragen, ob die Theologie, wenn sie sich der Herausfor-
derung einer solchen Lehre von der Vernunftdialektik stellt, nicht
neue Möglichkeiten hinzugewinnt, ihre Aufgabe zu erfüllen. Ange-
sichts dieser Dialektik nämlich erweist die menschliche Fähigkeit zur
Erfahrung sich als bedroht und folglich als kontingent. Daß trotz die-
ses beständig drohenden Selbstwiderspruchs der Vernunft überhaupt
noch Erfahrung möglich ist, ist dann ein keineswegs selbstverständli-
ches, durch die Strukturen des Anschauens und Denkens garantiertes,
sondern ein erstaunliches Faktum, das nach seinen Gründen befragt
werden kann und muß. Von Gott zu reden könnte dann bedeuten: von
jener Wirklichkeit reden, deren freie Zuwendung zum Menschen die
kontingente Fähigkeit zur Erfahrung angesichts ihrer drohenden
Selbstaufhebung wiederherzustellen vermag. Und von hier aus ließe
sich ein Weg eröffnen, um die Zeugnisse des Glaubens, vor allem
seine biblischen Zeugnisse, als Ausdrucksformen dieser Erfahrung
davon zu lesen, wie dem Menschen die Bedrohtheit und damit die
Kontingenz seiner Erfahrungsfähigkeit im Ganzen bewußt geworden
ist und wie er die wiedergeschenkte Befähigung zur Erfahrung als
freie Gabe Gottes verstehen gelernt hat. 50

50
Vgl. dazu mein Buch Fähigkeit zur Erfahrung. Zur transzendentalen Hermeneutik
des Sprechens von Gott, Freiburg 1982. Ich habe dort versucht, diese Auffassung von
der Eigenart der Glaubenszeugnisse und von der Aufgabe ihrer Auslegung an bibli-

62
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
C. Die transzendentale Kritik als Herausforderung an die Theologie

Um diese Möglichkeit aufzuzeigen, muß freilich gefragt werden,


ob nicht nur Kants Lehre von der Vernunftdialektik, sondern auch
sein Versuch, diese Dialektik durch Postulate aufzulösen, in der ver-
änderten philosophiehistorischen Situation von heute neue Aktuali-
tät gewinnen kann und was eine unter diesen Bedingungen reformu-
lierte Postulatenlehre für die Theologie bedeuten könnte.

5. Die Dialektik der Vernunft kann nur durch einen


»postulatorischen Vernunftglauben« aufgehoben werden

a) Zur Entwicklung der Postulatenlehre bei Kant

Kant hat bekanntlich die Dialektik des praktischen Vernunftgebrauchs


durch »Postulate« aufgehoben, d. h. durch Annahmen, deren Wahr-
heit zwar theoretisch nicht zu beweisen ist, die sich aber in prakti-
scher Hinsicht als notwendig erweisen. 51 Dabei ist die Funktion dieser
Annahmen, die Dialektik des praktischen Vernunftgebrauchs auf-
zuheben, zugleich ihr einziger Rechtfertigungsgrund. Bliebe nämlich
der Widerspruch, in den die Vernunft in ihrem praktischen Gebrauch
sich verwickelt, unaufgehoben, dann würde das Sittengesetz auf-
hören, ein Gesetz der Vernunft zu sein, weil Widerspruchsfreiheit
das oberste Erfordernis vernünftigen Denkens ist. Und in diesem
Sinne kann gesagt werden, daß die Postulate dem »a priori unbedingt
geltenden praktischen Gesetz unzertrennlich anhangen«. 52
Daraus wird verständlich, daß der Inhalt der Postulate davon
abhängt, wie die Dialektik, die sie aufheben sollen, beschrieben wird.
Nun hat sich, wie an früherer Stelle angedeutet wurde, Kants Be-
schreibung der Vernunftdialektik in der Abfolge seiner Schriften
fortlaufend verschärft. Folglich mußte sich auch seine Lehre von den
Vernunftpostulaten jeweils so ändern, daß diese, unter den jeweils
neuen Voraussetzungen, diese Vernunftdialektik auflösen konnten. 53

schen Texten zu bewähren. Einen ähnlichen Versuch enthält, bezogen auf das »Ma-
gnificat« aus dem Lukas-Evangelium, mein Buch Das Gebet und das Argument. Zwei
Weisen des Sprechens von Gott, Düsseldorf 1989.
51 »Diese Postulate sind nicht theoretische Dogmata, sondern Voraussetzungen in

notwendig praktischer Rücksicht« (Kritik der praktischen Vernunft A 238).


52
Kritik der praktischen Vernunft A 220.
53 Auch in dieser Hinsicht muß ich auf meinen mehrfach erwähnten Vortrag »Kritik

und Neubegründung der Religion bei Kant« verweisen (s. o. Anm. 39 und 41).

63
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Erster Teil: Transzendentale Reflexion und Theologie

Was innerhalb dieser Entwicklung konstant bleibt, ist jener Satz, der
den Zusammenhang von Moral und postulatorischem Vernunftglau-
ben beschreibt: »Religion ist die Erkenntnis unserer Pflichten als
göttlicher Gebote.« 54 Die Existenz Gottes wird deshalb postuliert,
weil das Sittengesetz, das uns unsere Pflichten vorschreibt, nur dann
nicht als widersprüchlich erscheint, wenn es als göttliches Gebot ver-
standen wird.
Die Leitfrage aller Auslegung der kantischen Postulatenlehre
wird daher lauten müssen: Was trägt diese interpretatorische An-
nahme zur Auflösung der Vernunftdialektik bei?
In der Kritik der praktischen Vernunft sieht Kant die Quelle der
Vernunftdialektik darin, daß in der Welt, wie wir sie theoretisch er-
kennen, Unschuldige leiden (bei Kant: daß solche Menschen, die sich
»der Glückseligkeit nicht unwürdig« gemacht haben, ihrer gleich-
wohl »nicht teilhaftig« sind), und daß die aus guten Gesinnungen
entsprungenen Taten an dieser »Disproportion« nichts ändern, weil
gute Gesinnungen den Erfolg der Handlung nicht garantieren. Unter
dieser Voraussetzung kann eine Lösung darin gesucht werden, das
Sittengesetz dem gleichen Gesetzgeber zuzuschreiben, der auch das
Naturgesetz gegeben hat. Dann kann man hoffen, daß ein »mora-
lischer Urheber der Natur« deren Kausalreihen so geordnet habe,
daß wenigstens am Ende aller Kausalreihen diejenigen glücklich sein
werden, die es verdient haben. 55 Da diese Übereinstimmung von
»Glückwürdigkeit« und Glückseligkeit in diesem Leben bis zu seinem
Ende offensichtlich nicht eintritt, setzt die soeben erwähnte Hoff-
nung zugleich die Annahme eines künftigen Lebens nach dem Tode,
also die Unsterblichkeit der Seele, voraus.
Zu dem gleichen Ergebnis kommt Kant, ebenfalls in der Kritik
der praktischen Vernunft, noch auf einem anderen Wege: Sieht man
nämlich den Grund der Vernunftdialektik weniger in dem Zweck, den
das Sittengesetz uns vorschreibt (dem Dienst an der »Beförderung«
der moralischen Weltordnung), sondern vielmehr in der Gesinnung,
die es uns abverlangt, dann stellt diese Dialektik sich in folgender
Weise dar: Schon die Tatsache, daß wir das Sittengesetz, obgleich es
von der Vernunft gegeben wird, als ein Gebot erfahren, das Gehorsam

54 Vgl. Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft B 229; Kritik der
praktischen Vernunft A 233.
55 So die Auflösung der Freiheits-Antinomie in der Kritik der reinen Vernunft

A 541 ff.

64
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
C. Die transzendentale Kritik als Herausforderung an die Theologie

verlangt, beweist die Unreinheit der Gesinnung; denn der wahrhaft


gut Gesonnene würde das Gute stets leicht und mit Freuden tun,
während wir uns die gute Tat oft mit Anstrengung und gegen innere
Widerstände abringen müssen. Also fordert das Sittengesetz von uns
einen »Sinneswandel«, der in diesem Leben nie zur Vollendung ge-
langt. Denn solange wir leben, gibt es den Widerstreit zwischen der
gesetzgebenden Vernunft und dem diesem Vernunftgesetz nur wider-
strebend gehorchenden Individuum. Folglich, so meint Kant, macht
das Sittengesetz einen »unendlichen Progressus« zum Besseren
nötig, der seinerseits eine unendliche Fortdauer unserer Existenz vor-
aussetzt.
Diese Lösung konnte Kant selbst auf die Dauer nicht befriedigen.
Die Lehre von einer erst nach dem Tode erreichten Übereinstimmung
zwischen dem Grad der sittlich guten Gesinnung und dem letzten
Ergebnis aller Kausalreihen der Natur trägt in den Gedanken einer
postmortalen Existenz die Vorstellung hinein, auch diese unterliege
noch dem Naturgesetz und damit der Zeit. Nur so könnte das durch
sittliche Gesinnung verdiente Glück das Ergebnis jener Kausalreihen
sein, die ein »moralischer Urheber der Natur« geordnet hat. Gleiches
gilt von der Vorstellung eines über den Tod hinaus weitergehenden
»Progressus«. Auch dieser setzt voraus, daß wir noch nach dem Tode
unter Zeitbedingungen stehen. Überdies würde selbst diese Annahme
das Problem nicht lösen. Denn die Gesinnung, aus der wir handeln,
kann uns nur dann moralisch zugerechnet werden, wenn wir sie uns
in einer freien Handlung selbst gegeben haben; diese aber muß, um
frei zu sein, außerhalb aller Zeitbedingungen erfolgt sein, weil sie nur
so, Kants Meinung nach, nicht durch vorangehende Zustände unserer
selbst und der Welt prädeterminiert sein kann. Dann aber ist nicht
eine einzelne empirische Tat, sondern nur die Gesamtreihe aller em-
pirischen Taten und Zustände die Erscheinung des einen und unver-
änderlichen »intelligiblen Charakters«, den wir uns durch eine außer-
halb aller Zeitbestimmung liegenden intelligiblen Tat selber gegeben
haben. Das aber scheint den vom Sittengesetz geforderten »Sinnes-
wandel« gerade unmöglich zu machen. Und selbst bei einem ins Un-
endliche gehenden sittlichen Progressus würde der »Ausgang vom
Bösen«, also die Tatsache, daß wir Besserung nötig haben oder auch
nur jemals nötig hatten, beweisen, daß wir, unserem intelligiblen
Charakter nach, »verurteilungswürdig« sind. 56 Das Sittengesetz

56
Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft B 94 ff.

65
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Erster Teil: Transzendentale Reflexion und Theologie

reicht, so verstanden, nur dazu aus, daß wir unsere Verurteilungs-


würdigkeit erkennen, nicht dazu, daß wir sie überwinden. 57
Kant hat daher in seinen späteren Schriften eine andere Auf-
lösung der Vernunftdialektik gesucht. Und diese wurde durch jene
Verschärfung seines Verständnisses der Vernunftdialektik vorberei-
tet, von der an früherer Stelle die Rede war. Diese Verschärfung be-
traf zunächst die Dialektik der sittlichen Subjektivität, erst an zweiter
Stelle die des sittlich gebotenen Zwecks.
Wenn nämlich das Sittengesetz eben dadurch, daß wir es als Ge-
bot erfahren, uns immer nur unserer Verurteilungswürdigkeit über-
führt, nicht zu deren Überwindung befähigt, dann erreicht es seinen
Zweck nicht durch unsere moralische Anstrengung, sondern stets nur
durch einen »Urteilsspruch aus Gnade«. 58 Und auch diesem Urteils-
spruch verdanken wir stets nur »eine Gerechtigkeit, […] die nicht die
unsrige ist«. Freilich »muß aber doch eine Zueignung […] möglich
sein«. 59 Durch Überlegungen dieser Art gelangt Kant zu einer »De-
duktion der Idee einer Rechtfertigung«, 60 d. h. zu einer philosophi-
schen Aneignung der paulinischen Lehre von der Rechtfertigung des
Sünders und ihrer reformatorischen Auslegung, aber auch zu der
Frage, wie die »Zueignung« dieser »fremden Gerechtigkeit« zu den-
ken sei, ohne daß dadurch die Autonomie der Vernunft in ihrem
praktischen Gebrauche aufgehoben wird.
Die Antwort auf diese Frage hat er nur in Ansätzen entwickelt
und in verstreuten Äußerungen über die Wirksamkeit des Heiligen
Geistes vorgetragen. 61 Der Grundgedanke dieser verstreuten Äuße-
rungen läßt sich in folgender Weise wiedergeben: Daß wir trotz der
Unreinheit unserer Gesinnung und der daraus resultierenden »Tücke
des Herzens« zum Gewissensurteil fähig sind, erweist die Einwoh-
nung des richtenden Geistes Gottes in unserm Herzen. Er ist »der

57
Die Verwandtschaft dieser kantischen Auffassung zu der reformatorischen Lehre
vom »secundus usus legis« ist offenkundig.
58
Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft B 101.
59 Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft B 83 f. Kant hat also nicht

nur die Lehre vom »secundus usus legis«, sondern auch die von der Zurechnung einer
»fremden Gerechtigkeit« zu den Bedingungen gerechnet, unter denen allein die Dia-
lektik der sittlichen Subjektivität aufgehoben werden kann.
60 Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft B 101.

61 Vgl. dazu meinen Beitrag »Die Dialektik des praktischen Vernunftgebrauchs und

die Ansätze zu einer philosophischen Pneumatologie bei Kant«, in: F. Marty/F. Ricken
(Hg.), Kant über Religion, Stuttgart 1992, 124–142, sowie mein Buch Erfahrung als
Dialog mit der Wirklichkeit, 139–162.

66
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
C. Die transzendentale Kritik als Herausforderung an die Theologie

eigentliche Richter der Menschen (vor ihrem Gewissen)«. 62 Und


ebendiesem uns einwohnenden Geist können wir uns zugleich als
dem »Parakleten« anvertrauen, »wenn uns unsere Fehltritte wegen
ihrer Beharrlichkeit besorgt machen«. 63 Die »Erkenntnis unserer
Pflichten als göttlicher Gebote« hat in der Kritik der praktischen Ver-
nunft die Hoffnung begründet, daß Gott als der gemeinsame Urheber
des Sittengesetzes und des Naturgesetzes den Lauf der Kausalreihen
so eingerichtet habe, daß die Naturkausalität zuletzt das Glück derer
bewirken werde, die sich dessen als würdig erwiesen haben. Die glei-
che »Erkenntnis unserer Pflichten als göttlicher Gebote« begründet
hier die Hoffnung, daß der richtende Gott, der uns gegen unsere
selbstsüchtigen Interessen zu unserer Selbst-Verurteilung im Ge-
wissen fähig macht, uns auch zu einer Umkehr befähigen werde, die
uns sonst unmöglich erscheint. »Denn wie kann ein böser Baum«,
d. h. ein Mensch, der die gute Gesinnung noch nicht hat, »gute Früch-
te bringen«, d. h. den Willen zur Umkehr aus eigener Kraft fassen
können? 64 Indem wir die »Erkenntnis unserer Pflichten« auf den Ur-
teilsspruch des uns einwohnenden Gottesgeistes in seiner Eigenschaft
als Richter zurückführen, dürfen wir unsere Kraft, dem Gewissensruf
zu folgen, von der Einwohnung des gleichen Gottesgeistes als unseres
Trösters (»Parakleten«) erhoffen. 65 Dabei nimmt der solchermaßen
uns einwohnende Geist uns weder das Gewissensurteil noch die Fä-
higkeit zur Umkehr ab und schränkt insofern die Selbstgesetzgebung
der Vernunft nicht ein; aber er macht uns trotz der Unreinheit unse-
rer Gesinnung, deren das Sittengesetz uns überführt, zum Gewis-
sensurteil und zur Umkehr fähig und stellt insofern die Selbstgesetz-
gebung der Vernunft wieder her, nachdem diese durch unsere eigene
Schuld in der Dialektik des praktischen Vernunftgebrauchs verloren-
zugehen drohte.
Dieser veränderten, wenn auch nur in Ansätzen und gelegent-
lichen Einzel-Äußerungen entwickelten Weise, die Dialektik der sitt-
lichen Subjektivität aufzulösen, entspricht eine neue Auflösung der
Dialektik des sittlichen »Zwecks«, der »moralischen Weltordnung«.
Auch die Darstellung dieser Dialektik hat sich, wie an früherer Stelle

62 Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft B 221 Anm. (Klammer-
zusatz von Kant).
63
Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft B 93.
64 Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft B 49 f.

65
Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft B 93.

67
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Erster Teil: Transzendentale Reflexion und Theologie

gezeigt wurde, in der Abfolge seiner Schriften verschärft. Ging es in


der Kritik der praktischen Vernunft noch darum, daß die Reinheit der
Gesinnung den Erfolg der Handlung nicht garantiert, vielleicht sogar
dem Gewissenhaften gewisse Durchsetzungs-Nachteile gegenüber
dem Gewissenlosen einbringt, weil der Erfolg des Handelnden »sich
nicht nach moralischen Gesinnungen, sondern […] dem physischen
Vermögen, sie [scil. die Naturgesetze] zu seinen Absichten zu gebrau-
chen, richtet«, 66 so hat Kant in der Schrift »Der Streit der Fakultäten«
die Französische Revolution als Beispiel dafür vor Augen, daß aus
moralischen Gesinnungen Taten hervorgehen können, die sittlich
nicht gebilligt werden können, ja daß die sittliche Absicht, der »mora-
lischen Weltordnung« zu dienen, den Kampf gegen Widerstände for-
dert, der nicht erfolgreich geführt werden kann, wenn der Kämpfende
dabei vor dem Terror zurückschreckt. Will man den Sachverhalt in
der Sprache des Apostels Paulus beschreiben, dann kann man sagen:
Kants früherer Darstellung der Vernunftdialektik liegt die Erfahrung
zugrunde: »Das Wollen steht mir zu Gebote, aber nicht das Vollbrin-
gen«, der späten Darstellung der gleichen Vernunftdialektik aber ent-
spricht die bereits zitierte Erfahrung: »Ich bewirke nicht, was ich will,
sondern setze ins Werk, was ich hasse« (beide Sätze Röm 7,15). Die
Ergebnisse der aus sittlicher Gesinnung hervorgehenden Tat bleiben
nicht nur hinter der guten Absicht zurück, sondern schlagen in deren
Gegenteil um.
Die Folgerung, die Kant daraus zieht – wenn auch nur an einer
einzigen Stelle –, besteht darin, daß er darauf verzichtet, das Ziel, auf
das das sittliche Handeln sich richtet, als »Zweck« zu bestimmen und
zu fragen, unter welcher Voraussetzung die gute Tat das dafür geeig-
nete Mittel sei. Stattdessen bestimmt er das Verhältnis der Handlung
(im vorliegenden Falle der moralisch motivierten politischen Tat) zur
intendierten moralischen Weltordnung auf eine überraschende Wei-
se, nämlich »nicht als Ursache, sondern nur hindeutend, als Ge-
schichtszeichen (signum rememorativum, demonstrativum, progno-
sticon)«. 67 Diese aus der Sprache der christlichen Sakramenten-
Theologie entnommene Terminologie läßt erkennen, daß nicht nur
die moralische Gesetzgebung der Vernunft als die Erscheinungs-
gestalt der göttlichen gedacht wird, sodaß wir unsere selbstgegebenen

66
Kritik der praktischen Vernunft A 204 f.
67»Der Streit der Fakultäten«, Akademieausgabe VII, 84 (Klammerzusätze von
Kant).

68
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
C. Die transzendentale Kritik als Herausforderung an die Theologie

Pflichten zugleich »als göttliche Gebote« verstehen dürfen, sondern


auch die sittliche Tat als das wirksame Zeichen der göttlichen begrif-
fen werden darf: Sie setzt das sakraments-ähnliche Zeichen für die
Heraufführung der moralischen Weltordnung, die allein Gottes Werk
ist und vom Menschen nicht bewirkt, sondern nur bezeugt werden
kann. Solche Zeichen zu setzen ist Pflicht, auch wenn der Erfolg nicht
erzwungen, sondern nur von Gottes Wirken erhofft werden kann.
Wenn dieser veränderte Vorschlag, die Dialektik des praktischen
Vernunftgebrauchs zu beschreiben und aufzulösen, bei Kant auch nur
in Ansätzen entwickelt worden ist und aus verstreuten Textstellen
zusammengetragen werden muß, so fügt er sich doch gut in das Ge-
samtbild seiner Religionsauffassung ein. Die »Erkenntnis unserer
Pflichten als göttlicher Gebote« ermöglicht das Verständnis unserer
Taten als solcher Zeichen, die uns rememorativ an unseren Auftrag
erinnern, demonstrativ Gottes gegenwärtiges Wirken bezeugen und
prognostisch auf das kommende Gottesreich (für Kant identisch mit
der moralischen Weltordnung) vorausweisen. Und das gleiche Ver-
ständnis unserer selbstgegebenen Pflicht macht es möglich, das Ge-
wissensurteil, das wir selber über uns sprechen, als die Erscheinungs-
gestalt eines Urteils zu begreifen, das der in uns einwohnende
Richter-Geist über uns spricht, und so auch die Fähigkeit zur Umkehr,
die das selbstgegebene Sittengesetz uns abverlangt, als Gabe des glei-
chen uns einwohnenden Geistes, nun in seiner Eigenschaft als Trö-
stergeist, zu erhoffen. Die Selbstgesetzgebung der Vernunft in ihrem
praktischen Gebrauche und die dieser Gesetzgebung entsprechende
Gesinnung und Tat verlieren ihre sonst unaufhebbare Widersprüch-
lichkeit, wenn sie als die Gegenwartsgestalten eines göttlichen Ge-
bietens, Urteilens und »Tröstens« und in alledem als Folgen eines
»Urteilsspruchs aus Gnade« verstanden werden. 68
Fragt man nach der möglichen Bedeutung, die der so weiterent-
wickelten Postulatenlehre im theologischen Kontext zukommen
könnte, dann wird man antworten dürfen: Wir haben es hier mit
einem weithin noch unausgeschöpften Angebot an die Theologie zu
tun, wichtige theologische Lehrstücke, die Rechtfertigungslehre,
Gnadenlehre, Pneumatologie mit transzendentalphilosophischen
Mitteln verständlich zu machen und dabei dem Vernunftinteresse an
Freiheit Genüge zu tun, ohne daß dadurch die Rede von Gott zu einer
bloßen Metapher für die sittliche Eigenleistung des Menschen ge-

68
Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft B 101.

69
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Erster Teil: Transzendentale Reflexion und Theologie

macht würde. Die in der Dialektik ihres praktischen Gebrauchs als


bedroht und also als kontingent erfahrene Autonomie der Vernunft
wird, so verstanden, selber zur Erscheinungsgestalt eines göttlichen
Gnadenwirkens, das der menschlichen Freiheit nicht von außen, sie
begrenzend, gegenübertritt, sondern in ihr selbst, als ihr Ermög-
lichungsgrund, wirksam ist.

b) Die Postulatenlehre im Kontext einer Theorie der


»Erfahrung als Dialog mit der Wirklichkeit«

Aus heutiger Sicht hat das Verständnis der Vernunftdialektik sich


gegenüber ihrer Darstellung durch Kant verschärft. Einerseits ist aus
der Dualität von Erfahrungsweisen und Erfahrungswelten eine Plu-
ralität geworden. Andererseits ist ihre Strukturdifferenz deutlicher
hervorgetreten. So ist es, um ein für ihn charakteristisches Beispiel
zu nennen, für Kant noch möglich gewesen, diejenige Weise der Sub-
jektivität, die der sittlichen Erfahrung zugrundeliegt, nach dem aus
der Wissenschaft entlehnten Modell der »Vergleichgültigung« aller
individuellen Differenzen zu deuten: Wie der Wissenschaftler nur
behaupten darf, was er »im Namen aller« sagen kann, so soll der sitt-
lich Handelnde nur wollen dürfen, was er »im Namen aller« wollen
kann. Selbst wenn dieses Kriterium für die Findung moralischer Nor-
men tauglich wäre (was bezweifelt werden kann), trägt es nicht dazu
bei, die spezifische Unvertretbarkeit des Handlungssubjekts an-
gemessen zu beschreiben. Und die spezifische Weise, wie das Subjekt
ästhetischer oder religiöser Erfahrung sich verhalten muß, um eine
dieser Erfahrung korrespondierende Objektwelt aufzubauen, läßt
sich auf diese Weise nicht erfassen.
Und selbst innerhalb der wissenschaftlichen Empirie treten Fälle
auf, die durch das Modell der »Anwendung« immer gleicher An-
schauungsformen und Verstandesbegriffe auf den wechselnden Stoff
des subjektiven Erlebens nicht mehr angemessen beschrieben werden
können. Es gibt Inhalte, die eine Veränderung der Formen, wie sie
angeschaut und begriffen werden, erzwingen. (Auf den Bedeutungs-
wandel der Zeitanschauung und der Kausalkategorie beim Übergang
von der klassischen Physik zur Quantenmechanik ist in diesem Zu-
sammenhang schon einmal hingewiesen worden.) An die Stelle einer
Theorie der Erfahrung, nach welcher die Formen des Anschauens und
Denkens immer nur die bestimmenden, der »Stoff« immer nur der

70
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
C. Die transzendentale Kritik als Herausforderung an die Theologie

durch diese Formen bestimmte ist, muß ein dialogisches Modell der
Erfahrung treten, nach welchem durch die Formen unseres Anschau-
ens und Denkens ein Anspruch des Wirklichen zur Sprache kommt,
der »größer« ist, als daß er innerhalb dieser Formen angemessen zur
Sprache gebracht werden könnte, und der dadurch eine Umgestaltung
dieser Formen erzwingt. Unser Anschauen und Denken ist Antwort,
durch die wir einen Anspruch zur Sprache bringen, der diese unsere
Antwort zugleich als überbietungsbedürftig erweist. Auf neue Weise
beantwortet, kommt auch dieser Anspruch auf wiederum neue Weise
zur Sprache. Diesem dialogischen Charakter der Erfahrung entspricht
es, daß auch unser Anschauen und Denken eine Geschichte hat. Erst
eine Theorie der Erfahrung, die diese als Ergebnis eines solchen Dia-
logs mit der Wirklichkeit begreift, ist daher in der Lage, jene Aufgabe
zu erfüllen, für die Kant »eine Stelle im System offenhalten« wollte:
die Aufgabe, die »Geschichte der reinen Vernunft« zu erzählen. 69
Aber dieses dialogische Zur-Sprache-Bringen des je größeren
Anspruchs hat für jede Erfahrungsweise und die ihr korrespondieren-
de Erfahrungswelt eine eigene Gestalt. Die Weise, wie der Inhalt der
wissenschaftlichen Empirie eine Veränderung der Weisen wissen-
schaftlichen Anschauens und Begreifens erzwingt, ist von anderer
Art als die »Exorbitanz«, mit der der Inhalt der ästhetischen Erfah-
rung alles bisherige Anschauen und Begreifen aus dem Geleise wirft,
oder die unbedingte Verpflichtungskraft, mit der der Inhalt der sitt-
lichen Erfahrung alles Kalkül von Zwecken und Mitteln zunichte-
macht. Und von nochmals anderer Art ist die Weise, wie der Inhalt
der religiösen Erfahrung dem, der diese Erfahrung macht, deutlich
werden läßt, daß die »Herrlichkeit«, mit der das Heilige ihm begeg-
net, zugleich der »Mantel« ist, in den es sich vor seinen Augen ver-
hüllt. Der Dialog mit dem Wirklichen wird, um im Bilde zu bleiben,
auf jedem Felde der Erfahrung in einer eigenen Sprache geführt, d. h.,
er erfordert die Ausgestaltung je spezifischer Anschauungs- und
Denkformen. Und die Differenz der »Sachgebietssprachen«, die von
den Sprachforschern empirisch beschrieben werden kann, ist nur der
Ausdruck dieser »Vielsprachigkeit« jenes transzendentalen Dialogs,
auf der die Vielfalt der Erfahrungsweisen und Erfahrungswelten be-
ruht.
Dabei gibt es kein übergeordnetes Sprachsystem, als dessen Teil-
gebiete diese unterschiedlichen Sprachen begriffen werden könnten,

69
Kritik der reinen Vernunft A 852.

71
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Erster Teil: Transzendentale Reflexion und Theologie

auch nicht die »Alltagssprache«, die manche Sprachtheoretiker für


»unhintergehbar« halten, weil sie die »Metasprache« darstelle, in
der die Regeln aller Sachgebietssprachen festgelegt werden. Bei
näherer Betrachtung nämlich erweist sich die »Alltagssprache« als
ein Gemenge von Formen und Elementen, die aus den Sprachen der
Wissenschaft und der Dichtung, der Religion und der Moral stam-
men. Und entsprechend gibt es kein übergeordnetes System der An-
schauungs- und Denkformen, als deren Derivate die verschiedenen
Weisen verstanden werden könnten, wie wir in unterschiedlichen
Weisen des Erfahrens subjektive Eindrücke in Inhalte objektiv gülti-
ger Erfahrung transformieren, auch nicht das sogenannte »vor-
wissenschaftlich-lebensweltliche« Erfassen der Wirklichkeit. Auch
dieses erweist sich bei näherer Betrachtung als Ergebnis der wechsel-
seitigen Beeinflussung unserer unterschiedlichen Erfahrungsweisen.
Wohl aber bezeugen die »lebensweltliche« Weise des Umgangs mit
der Wirklichkeit und die »Alltagssprache«, in der dieser Umgang
zum Ausdruck kommt, dasjenige, was an früherer Stelle die »Inter-
ferenz« der Erfahrungsweisen und Erfahrungswelten genannt wor-
den ist. Diese aber erzeugt kein widerspruchsfreies System aller Wei-
sen, wie wir den Anspruch des Wirklichen beantworten und zur
Sprache bringen, ebensowenig, wie die »Alltagssprache« ein wider-
spruchsfreies System sprachlicher Regeln darstellt.
Und so bleibt es bei den an früherer Stelle getroffenen Feststel-
lungen: Wegen der wechselseitigen Durchdringung (Interferenz) der
Erfahrungsweisen und Erfahrungswelten bleiben die Ideen der einen
Welt und des einen Aktes »Ich denke« in regulativer Kraft. Wegen
der Strukturdifferenz der Erfahrungsweisen und Erfahrungswelten
aber erweisen die Vernunftaufgaben, die durch diese Ideen gestellt
sind, sich als unerfüllbar. 70 Und ebendadurch, daß sie uns die Er-
füllung einer ebenso unabweislichen wie unerfüllbaren Vernunft-
Aufgabe vorwegnehmend vor Augen stellen (mit dem frühen Kant
gesprochen: »exposcunt aque praesumunt«), geraten diese Ideen in
einen Widerspruch mit sich selbst, der aufgelöst werden muß, wenn
diese Ideen nicht als »phantastisch und auf leere, eingebildete Zwecke
gestellt, mithin an sich falsch« erscheinen sollen. 71

70 Wie die Idee des »höchsten Gutes«, wenn sie nicht durch Postulate von diesem
ihrem inneren Widerspruch befreit werden kann; vgl. Kritik der praktischen Vernunft
A 205.
71
Kritik der praktischen Vernunft A 205.

72
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
C. Die transzendentale Kritik als Herausforderung an die Theologie

Wie diejenigen Postulate aussehen könnten, die geeignet sind,


diesen inneren Widerspruch der Ideen und den ihm zugrundeliegen-
den Selbstwiderspruch der Vernunft aufzuheben, dafür hat Kant
selbst einen weiterführenden Hinweis gegeben. Allen Fassungen sei-
ner Postulatenlehre lag die These zugrunde, wir dürften »unsere
Pflichten als göttliche Gebote« erkennen. Die weiterführende Frage
lautet: Warum nur unsere Pflichten? Warum also nur jenen An-
spruch des Wirklichen, den wir in der spezifisch sittlichen Erfahrung
erkennen? Warum nicht alle Weisen, wie das Wirkliche uns in den
unterschiedlichsten Formen der Erfahrung in Anspruch nimmt?
Der kantischen »Erkenntnis unserer Pflichten als göttlicher
Gebote« lag die unausgesprochene These zugrunde, daß jene Selbst-
gesetzgebung der Vernunft, die im sittlichen Imperativ zum Aus-
druck kommt, als Erscheinungsgestalt einer göttlichen Gesetzgebung
verstanden werden darf. Und die gleiche Voraussetzung war in der
Behauptung impliziert, wir dürften im göttlichen Gesetzgeber des
Sittengesetzes zugleich den Schöpfer erkennen, der der Natur ihre
Gesetze gegeben hat. Denn gemäß der kantischen Überzeugung, daß
auch die gesetzmäßige Ordnung der Natur ein Ausfluß jener Selbst-
gesetzgebung sei, mit der die Vernunft uns die Einordnung aller In-
halte der Erfahrung in die Einheit der »Welt« abverlangt, kann die
gleiche Gesetzmäßigkeit der Natur nur dann auf einen göttlichen Ge-
setzgeber zurückgeführt werden, wenn die Autonomie der Vernunft
auch in ihrem theoretischen Gebrauche als Erscheinungsgestalt einer
göttlichen Weltgesetzgebung verstanden wird. Wiederum lautet die
weiterführende Frage: Warum soll das nur für jene beiden Weisen der
Vernunftautonomie gelten, die im wissenschaftlichen Erkennen und
in der sittlichen Praxis zum Ausdruck kommen? Warum nicht für
jede Weise, in der wir, gerade durch die Eigengesetzlichkeit unserer
Vernunfttätigkeit, einen Kontext aufbauen, innerhalb dessen das
Wirkliche uns in den mannigfachsten Formen seiner Maßgeblichkeit
begegnen kann?
Schließlich hat Kant, wenigstens in einigen verstreuten Äuße-
rungen, das Gewissensurteil, das wir selbst über uns sprechen, aber
auch die Umkehr, die wir selber vollziehen müssen, zugleich als Er-
scheinungsgestalten des uns einwohnenden göttlichen Geistes ver-
standen. Wiederum ist zu fragen: Warum soll dies nur auf diejenige
spezielle Weise zutreffen, in der wir uns auf dem Gebiete der Moral
beurteilen und verhalten? Warum nicht auf jede Weise unseres
Selbstverstehens und unserer eigenverantwortlichen Lebensfüh-

73
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Erster Teil: Transzendentale Reflexion und Theologie

rung? Und wenn die politisch-moralische Tat als signum rememora-


tivum, demonstrativum et prognosticon eines göttlichen Heilswir-
kens verstanden werden darf, das die Heraufführung des »Reiches
Gottes« zum Ziele hat, warum dann nicht auch jede andere Weise,
wie wir auf den unterschiedlichsten Feldern unserer Erfahrung den
Anspruch des Wirklichen tätig beantworten?
Mit solchen Fragen kann an dieser Stelle nur eine Denkmöglich-
keit offengehalten, nicht eine Denknotwendigkeit nachgewiesen wer-
den. 72 Nur so viel sei an dieser Stelle hinzugefügt: Eine solchermaßen
weiterentwickelte Postulatenlehre fände in einer Theorie, die die Er-
fahrung als Dialog mit der Wirklichkeit versteht, einen angemesse-
neren Ort als in Kants Lehre von unveränderlichen Anschauungs-
und Denkformen, die nur auf wechselnde »Stoffe« angewandt wer-
den. Denn wenn wir in unserem Anschauen und Denken jeweils
einen Anspruch des Wirklichen beantworten und antwortend zur
Sprache bringen, der »größer« ist als diese unsere Antwort und des-
halb die Formen dieser Antwort aufsprengt und zur Veränderung nö-
tigt, dann liegt es nahe, jede dieser Weisen, wie die »je größere Wahr-
heit« uns in Anspruch nimmt, als die Erscheinungsgestalt eines
Anspruchs zu begreifen, der in absoluter Weise größer ist als unser
Anschauen und Denken, obgleich wir ihn nur in dieser unserer Ant-
wort für uns und andere vernehmbar machen. Und wenn der An-
spruch des Wirklichen uns immer wieder nötigt, von einer Erfah-
rungsart zur anderen überzugehen, etwa von der wissenschaftlichen
Empirie zur sittlichen Erfahrung oder von der ästhetischen zur reli-
giösen (aber auch umgekehrt, etwa dann, wenn die religiöse Erfah-
rung uns zur wissenschaftlich-theologischen Reflexion nötigt oder
zur künstlerischen Gestaltung herausfordert), dann liegt es nahe, in
der Mannigfaltigkeit der Weisen, wie die Weltwirklichkeit uns zur
Antwort herausfordert, die Erscheinungsgestalten eines identischen
Anspruchs zu sehen, für den uns freilich die angemessenen Anschau-
ungsformen und Begriffe fehlen.
Die wichtigsten der Vernunftpostulate, die auf solche Weise zu-
standekommen, lassen sich auf folgende Weise formulieren: Die Viel-
falt der Weisen, wie das Wirkliche uns in Anspruch nimmt und zum
Aufbau je unterschiedlicher Erfahrungswelten herausfordert, darf als
eine Vielfalt von Abbild- und Gegenwartsgestalten der einen Weise

72Zur Rechtfertigung einer solchermaßen weiterentwickelten Postulatenlehre vgl.


mein Buch Erfahrung als Dialog mit der Wirklichkeit, 650–770.

74
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
C. Die transzendentale Kritik als Herausforderung an die Theologie

verstanden werden, wie wir »in omnitudine realitatis«, d. h. in allem,


was ist und geschieht, von einer göttlichen Wirklichkeit in Anspruch
genommen und zur Antwort herausgefordert werden. Und die Viel-
falt der Subjektivitätsweisen, mit denen wir uns als Forschersubjekte,
als Subjekte der ästhetischen, der sittlichen oder der religiösen Erfah-
rung verstehen und verhalten, darf als eine Vielfalt der Abbild- und
Gegenwartsgestalten der einen Weise verstanden werden, wie Gott
den Menschen weiß und ihn in allem, was ist und geschieht, unter
seine Anrede stellt. 73
Stellt man wiederum die Frage, was die hier vorgeschlagene
Weiterentwicklung der Transzendentalphilosophie – in diesem Falle
die weiterentwickelte Postulatenlehre – für die Theologie bedeuten
könnte, so läßt sich antworten: Sie kann, wie das schon Rahner ver-
sucht hat, in einer säkularisierten Welt, die alles Reden von Gott un-
ter Sinnlosigkeitsverdacht stellt, angeben, wovon die Rede ist, wenn
von Gott gesprochen wird, freilich nun auf veränderte Weise: Nicht
die Spitze der Seinspyramide oder der Werte-Skala, das »summum
ens« und »summum bonum«, ist der primäre Ort, an dem Gott ge-
sucht werden kann, sondern jeder Gegenstand der Erfahrung und
sein Anspruch an unser Anschauen und Denken kann zur Gestalt
werden, in der Gott dem Menschen begegnet. Denn die in der Ver-
nunftdialektik bedrohte und als kontingent erwiesene Fähigkeit zur
Erfahrung wird dadurch wiederhergestellt, daß der Anspruch des
Wirklichen, den wir beantworten, als Erscheinungsgestalt der gött-
lichen Zuwendung verstanden wird. Überall dort, wo die Vernunft,
im Durchgang durch ihre radikale Selbstgefährdung, neue, un-
erzwingbare Möglichkeiten entdeckt, Kontexte aufzubauen, inner-
halb derer das Wirkliche mit seinem Maßgeblichkeitsanspruch
begegnen kann – stets fragile, immer wieder zerbrechende, in beharr-
licher Bemühung neu aufgebaute Kontexte –, kann alles, was sich auf
solche Weise zeigt, zum signum rememorativum, demonstrativum et
prognosticon der göttlichen Gegenwart werden. Damit ist zugleich
auf neue Weise erreicht, was Maréchal erstrebt hatte: vom transzen-
dentalen Ansatz aus die vermeintlich oder wirklich »agnostischen«
Folgerungen zu vermeiden, die eine populäre Kantrezeption aus die-
sem Ansatz gezogen hatte. Freilich geht es jetzt nicht mehr um eine
Restitution der Ontologie, sondern um ein Verständnis der Erfahrung

73
Erfahrung als Dialog mit der Wirklichkeit, 685.

75
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Erster Teil: Transzendentale Reflexion und Theologie

als Dialog, der mit der Weltwirklichkeit nur deshalb geführt werden
kann, weil er den Anspruch des Wirklichen als Gegenwartsgestalt
einer freien göttlichen Anrede entziffert.

76
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
D. Aufgaben und erreichte Ergebnisse

1. Philosophische und theologische Einwände gegen die


Transzendentale Theologie und der Versuch, die
transzendentale Methode weiterzuentwickeln

Einleitend wurde gesagt: Auch wem die vorgeschlagene Lösung einer


Aufgabe unzulänglich erscheint, hat deswegen noch keinen Grund,
die Aufgabe zu vergessen, die dadurch gelöst werden sollte. Soeben
ist deutlich geworden: Die hier vorgeschlagene Weiterentwicklung
der Transzendentalphilosophie zu einer Theorie der Erfahrung als
eines Dialogs mit der Wirklichkeit eröffnet Wege, die Aufgaben, die
die Transzendentale Theologie Maréchals und Rahners sich gestellt
hat, auf neue Weise in Angriff zu nehmen. An späterer Stelle der
einleitenden Überlegungen wurde hinzugefügt: Wer von der Unaus-
weichlichkeit einer Aufgabe überzeugt ist, hat deswegen noch keinen
Grund, sich die kritische Prüfung angebotener Lösungen zu ersparen.
Deshalb wurden philosophische und theologische Gegengründe ange-
führt, die gegen die Transzendentale Theologie vorgebracht werden.
Und daraus wurde die Frage abgeleitet: Läßt die transzendentale Re-
flexion mitsamt ihrer theologischen Anwendung sich so weiterent-
wickeln, daß sie die Schwächen, die ihre Kritiker aufgewiesen haben,
überwindet? Dem Versuch einer solchen Weiterentwicklung waren
die hier vorgetragenen Überlegungen gewidmet. So bleibt abschlie-
ßend zu prüfen, ob sie ihr Ziel erreicht haben.
Was zunächst die theologischen Gegengründe gegen die Tran-
szendentale Theologie betrifft, so wird man antworten können: Vom
Vorwurf der Geschichtslosigkeit wird eine Theorie der Erfahrung als
Dialog nicht betroffen. Denn in jenem Dialog, in welchem der An-
spruch des Wirklichen beantwortet und zur Sprache gebracht wird,
durchläuft die menschliche Vernunft eine krisenreiche Geschichte
mit unvorhersehbaren Wendungen. Sie droht immer wieder, sich in
ihre eigene Dialektik zu verwickeln und so sich selbst zu zerstören

77
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Erster Teil: Transzendentale Reflexion und Theologie

oder unter dem Anspruch des Wirklichen, der alle bisher bewährten
Formen des Anschauens und Denkens aufbricht, zu verstummen.
Und wenn ihr dann, in verwandelter Weise, der Aufbau neuer Er-
fahrungskontexte gelingt, so erfährt sie dies als ein kontingentes,
nicht herbeizuzwingendes Ereignis. Auf solche Weise entsteht eine
Geschichte der sich im Dialog mit dem Wirklichen herausbildenden,
immer wieder bedrohten und gefährdeten, auf überraschende Weise
wiederhergestellten menschlichen Erfahrungsfähigkeit, die nicht auf
die Entscheidung einer einzigen Alternative beschränkt ist und
deswegen auch nicht zu einem einzigen Augenblick »zusammen-
schrumpft«.
Eine Transzendentalphilosophie solcher Art könnte dazu dienen,
auch die Geschichte Gottes mit den Menschen transzendental zu deu-
ten, also etwa Ereignisse wie die Zerstörung des Tempels oder auch
die Kreuzigung Jesu nicht nur als unverständliche Stupenda zu be-
greifen, die den religiösen Menschen nur überwältigen, weil sie im
Kontext der religiösen Erfahrung keine Stelle finden, sondern zu zei-
gen, wie an derartigen Ereignissen eine ganze Erfahrungswelt zum
Einsturz kommt und wie die Entstehung eines neuen Kontextes, in-
nerhalb dessen diese Ereignisse eine neue Antwort des Menschen
hervorrufen können, als unerzwingbares Faktum (theologisch ge-
sprochen: als Folge einer freien göttlichen Gnaden-Zuwendung) er-
fahren wird.
Auf den zweiten theologischen Einwand, den Vorwurf der Ent-
fremdung gegenüber der gesellschaftlichen Praxis, konnte in den hier
vorgetragenen Überlegungen nicht eingegangen werden. Hier muß
ein Hinweis genügen: Die Geschichte des menschlichen Anschauens
und Denkens, die sich aus dem Wechselverhältnis zwischen dem An-
spruch des Wirklichen und der von uns gegebenen Antwort ergibt,
schließt die Verknüpfung unseres je gegenwärtigen Erlebens mit er-
innerter Vergangenheit ein. Denn der Kontext einer Erfahrung wird
niemals im isolierten Augenblick, sondern stets nur in der Kontinui-
tät (oder auch erfahrenen Diskontinuität) erinnerter Geschichte auf-
gebaut. Diese Erinnerung aber greift über die Lebenszeit des Indivi-
duums zurück und ist mit einer Erwartung verknüpft, die über seine
individuelle Lebenserwartung hinausgreift. Deshalb ist die Geschich-
te, auf die transzendentalphilosophisch zu reflektieren ist, stets in die
Geschichte einer Überlieferungs- und Kommunikationsgemeinschaft
verwoben. Diese Gemeinschaft aber kommt nicht im rein theoreti-
schen Austausch von Meinungen und Argumenten zustande, son-

78
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
D. Aufgaben und erreichte Ergebnisse

dern in der Gemeinsamkeit einer gesellschaftlichen Praxis. Kom-


munikationsgemeinschaften sind immer zugleich Interaktions-
gemeinschaften. Insofern ist die Entstehung, Aufrechterhaltung und
Umgestaltung derartiger Gemeinschaften stets zugleich von tran-
szendentaler, d. h. die Ermöglichung von Erfahrung betreffender Be-
deutung. Und folglich gehört die Reflexion auf die Formen und
Inhalte gesellschaftlicher Praxis mit zum Themenfeld der transzen-
dentalen Reflexion, auch wenn dieser Teil des Themenfeldes an dieser
Stelle nicht beschrieben werden konnte. 74
Was die philosophischen Einwendungen gegen die Transzenden-
tale Theologie betrifft, so kann der Vorwurf, diese Art von Theologie
spare die transzendentale Dialektik nicht nur faktisch, sondern not-
wendigerweise aus ihren Überlegungen aus, als entkräftet gelten.
Denn hier wurde eine Weiterentwicklung der transzendentalen Me-
thode vorgeschlagen, die einerseits ganz zentral auf der Beschreibung
dieser Dialektik beruht, andererseits Wege zu ihrer theologischen Re-
zeption aufgewiesen hat. So bleibt der erste der angeführten philoso-
phischen Einwände zu erörtern, die Transzendentalphilosophie mit
ihrer Lehre von der Konstituierung der Gegenstände durch unser
Anschauen und Denken schließe den Menschen in die Welt der blo-
ßen Erscheinungen ein und setze ihn, innerhalb dieser Welt, an die
Stelle des Schöpfers. Demgegenüber wurde in den hier vorgetragenen
Überlegungen zweierlei betont: Einerseits ist jene Eigentätigkeit der
Vernunft, die nach transzendentalphilosophischer Überzeugung in
der Tat die Gegenstände unserer Erfahrung konstituiert, dazu be-
stimmt, uns aus der bloßen Subjektivität unserer Erlebnisse zu be-
freien und den Gegenständen den Ort einzuräumen, an dem sie ihren
Maßgeblichkeitsanspruch geltend machen können. Andererseits wird
in jener weiterentwickelten Form der Transzendentalphilosophie, die
hier vorgeschlagen wurde, diese Gegenstandskonstitution als Ant-
wort verstanden, die zwar nötig ist, wenn der Anspruch des Wirk-
lichen zur Sprache kommen soll, die aber diesen Anspruch als den
»je größeren«, unserem Anschauen und Begreifen überlegenen zur
Geltung bringt. Darüber hinaus aber wurde diejenige Tätigkeit der
Vernunft, aus der die Welt unserer Gegenstände hervorgeht, als Aus-

74Vgl. in meinem Buch Erfahrung als Dialog mit der Wirklichkeit den Abschnitt
»Intersubjektivität als Möglichkeitsbedingung der Erfahrung« (501–517) und die
Ausführungen zum Verhältnis von gruppen-immanentem und gruppen-übergreifen-
dem Dialog, insbesondere in der Begegnung von Kulturen (518–555).

79
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Erster Teil: Transzendentale Reflexion und Theologie

druck einer Fähigkeit begriffen, die stets bedroht ist, sich dadurch als
kontingent erweist und nach ihrer »realen«, aller Tätigkeit des Sub-
jekts ermöglichend vorausgehenden Bedingung befragt werden kann,
auch wenn diese Bedingung nicht abseits von dieser unserer Tätig-
keit, sondern nur in ihr selbst wirksam wird. Es bleibt abzuwarten,
ob diese Antwort die Anhänger einer »realistischen« und deshalb der
Transzendentalphilosophie gegenüber skeptischen Philosophie be-
friedigt. 75

2. Zukunftsmöglichkeiten einer Begegnung

Doch ist im Zusammenhang der hier vorgetragenen Überlegungen


von Einwendungen gegen die Transzendentale Theologie und von
Möglichkeiten, ihnen durch Weiterentwicklung der transzendentalen
Methode zu begegnen, nicht nur in der Absicht die Rede gewesen,
eine bestimmte philosophische Methode oder eine bestimmte Rich-
tung theologischer Forschung zu verteidigen. Es ging, wie im Thema
angekündigt, um Zukunftsmöglichkeiten einer Begegnung. Darum
sollen abschließend wenigstens einige Themenfelder benannt wer-
den, auf denen eine solche Begegnung stattfinden könnte.
Ein erstes Themenfeld wurde schon angedeutet: Es kann durch
die Frage nach dem »Gotteswort im Menschenwort« charakterisiert
werden, also durch die Frage, ob die Theologen, nachdem sie die Lehre
von der »Verbalinspiration« nicht mehr vertreten, den Heiligen
Schriften nur noch Auskünfte über die subjektiven religiösen An-
sichten und Erlebnisse ihrer menschlichen Verfasser entnehmen kön-
nen oder ob und in welchem Sinne das Menschenwort dieser Autoren
als die Gegenwartsgestalt des Gottesworts gelten könne. Eine phi-
losophische Theorie, nach welcher wir den Anspruch jeder Wirklich-
keit nur in der Gestalt der Antwort vernehmen und anderen ver-
nehmbar machen, die wir in unserem Anschauen und Denken auf
diesen Anspruch gegeben haben, könnte in dieser Hinsicht ein Ge-
sprächsangebot an die Theologen sein. Und dieses Gesprächsangebot

75 Ich habe in meinem Buche zu zeigen versucht, daß angesichts einer weiterentwik-
kelten Transzendentalphilosophie die ganze Debatte zwischen »Realisten« und »Idea-
listen« an eine Grenze stößt, jenseits derer sie gegenstandslos wird (»Idealismus und
Realismus – Sinn und Grenzen einer Diskussion«, Erfahrung als Dialog mit der
Wirklichkeit, 248–297).

80
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
D. Aufgaben und erreichte Ergebnisse

könnte für die Theologen umso fruchtbarer sein, wenn diese philoso-
phische Theorie zugleich aufzeigen kann, daß der von uns beantwor-
tete Anspruch sich inmitten der Antwort, die wir geben, stets als der
»je größere« erweist und sich so von unseren bloß subjektiven Mei-
nungen unterscheidet.
Ein zweites Themenfeld kann durch die Frage nach der »Einheit
von Gottes- und Nächstenliebe« charakterisiert werden, also durch
die Frage, ob und wie die Rede von einer Liebe zu Gott, die nur in
der Liebe zum Nächsten (oder zu aller Kreatur) betätigt werden kann,
noch etwas anderes ist als eine Metapher, die der Nächstenliebe etwas
von religiöser Würde zu verschaffen versucht. Eine philosophische
Theorie, die die Möglichkeit, den Anspruch des Wirklichen zu ver-
nehmen, als kontingent und bedroht begreift und auf die postula-
torische Hoffnung gründet, die vielfältigen Weisen, wie uns das
Wirkliche in Anspruch nimmt, werden sich als Fülle von Gegen-
wartsgestalten einer göttlichen Zuwendung verstehen lassen, könnte
in dieser Hinsicht ein Gesprächsangebot an die Theologen sein. Und
dieses Gesprächsangebot könnte für die Theologen umso fruchtbarer
sein, wenn diese philosophische Theorie zugleich aufzeigen kann, daß
jene göttliche Zuwendung, die uns aus unserer Selbstverfangenheit
befreit, ein ungeschuldeter Ausdruck einer göttlichen Freiheit ist;
denn die Kontingenz unserer Erfahrungsfähigkeit kann nicht auf eine
ihrerseits notwendig wirkende, sondern nur auf eine frei handelnde
Bedingung zurückgeführt werden. (In diesem Sinne kann die hier
skizzierte Theorie sich die These Franz Rosenzweigs zu eigen ma-
chen, der Glaube an den einen Gott sei die »Schule des Zutrauens
auf die Erfahrung«, 76 weil wir sicher sein dürfen, in der verwirrenden
Vielfalt dessen, was uns in der Erfahrung begegnet und in Anspruch
nimmt, der einen Zuwendung des einen Gottes zu begegnen.)
Ein drittes Themenfeld kann durch die Frage »Glaube und Welt-
verantwortung« charakterisiert werden, also durch die Frage, ob und
wie die Glaubensbotschaft ihre Unverwechselbarkeit wahren und
gleichzeitig zeigen könne, daß sie über den engeren Rahmen »religiö-
ser« Fragen hinaus auch in »weltlichen« Zusammenhängen bedeut-
sam ist. Hier gilt es eine Alternative zu vermeiden, die heute vielfache
Diskussionen auslöst. Fragt man nämlich, was der Glaube »für das
Leben« bedeute, dann entsteht der Eindruck, er werde »funktionali-
stisch« auf diejenigen Impulse reduziert, die er anderen Gebieten des

76
F. Rosenzweig, »Das neue Denken«, in: Kleinere Schriften, Berlin 1937, 373–398.

81
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Erster Teil: Transzendentale Reflexion und Theologie

individuellen und gemeinschaftlichen Lebens vermitteln kann, also


beispielsweise ausschließlich als individuelle »Lebenshilfe« oder als
soziale, vor allem sozialethische Motivationsquelle oder Normfin-
dungsinstanz verstanden. Verzichtet man aber auf diese Frage und
will stattdessen die unverwechselbare Eigenart der Glaubensbotschaft
und ihren unbedingten Eigenwert erfassen, dann entsteht der Ver-
dacht, man beschränke diese Botschaft darauf, »rein religiöse Fragen«
zu beantworten, und raube ihr jede »Relevanz«, die über die »Kir-
chenmauern« hinausreicht. 77 Nun enthält eine philosophische Theo-
rie, die die Erfahrung als Dialog mit der Wirklichkeit beschreibt, zwei
Momente, die über diese vermeintliche Alternative hinausführen
könnten. Denn erstens kann eine solche Theorie zeigen, daß jener
Kontext, innerhalb dessen die einzelnen Inhalte »Bedeutung« besit-
zen, möge dieser Kontext nun »das Leben« oder »die Gesellschaft«
heißen, nicht unveränderlich vorgegeben ist, sondern durch die Aus-
einandersetzung mit konkreten Inhalten der Erfahrung immer neu
aufgebaut und umgestaltet wird. Insofern hat jede einzelne Er-
fahrung in ihrer konkreten Unverwechselbarkeit immer schon »Be-
deutung« für das Ganze, nicht nur als besonderer Inhalt in einem
unverändert bleibenden Zusammenhang, sondern zugleich als vor-
antreibendes Moment seiner Umgestaltung. Und zweitens kann eine
Theorie der Erfahrung als eines Dialogs mit der Wirklichkeit die spe-
zifische Bedeutung religiöser Erfahrung und des Zeugnisses von ihr
deutlich machen: Die Unverwechselbarkeit der spezifisch religiösen
Erfahrung besteht darin, daß sie den, der sie macht, einerseits an die
Grenze seiner Erfahrungsfähigkeit im Ganzen führt und ihn anderer-

77 An dieser Stelle sei die Anmerkung gestattet, daß diese Debatte für solche Men-
schen, deren Leben durch religiöse Erfahrungen geprägt ist, wunderlich erscheinen
muß. Wenn wohlmeinende Prediger und Religionspädagogen meinen, die Frage be-
antworten zu müssen, was der Glaube »mit dem Leben zu tun habe«, dann klingt das
ebenso, als wenn man Liebende davon überzeugen müßte, daß ihre Liebe »etwas mit
dem Leben zu tun« habe. Der Glaube wie die Liebe gehören zur »Mitte des Lebens«,
sodaß man gar nicht angeben kann, was »Leben« bedeutet, wenn man den Glauben
oder die Liebe zunächst vom »Leben« unterscheidet, um dann nachträglich eine Be-
ziehung zwischen beiden nachzuweisen. Und wenn andererseits die Sorge geäußert
wird, durch die Aussage, der Glaube bzw. die Liebe bestimme alle übrigen Bereiche des
»Lebens«, werde der Glaube oder die Liebe »funktionalisiert«, dann erscheint diese
Sorge dem Glaubenden wie dem Liebenden ebenso verwunderlich. Ein Glaube bzw.
eine Liebe, deren Eigenständigkeit und Unverwechselbarkeit nur um den Preis ihrer
Funktionslosigkeit zu wahren wäre, hätte ihre unverwechselbare Eigenart offensicht-
lich schon verloren.

82
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
D. Aufgaben und erreichte Ergebnisse

seits unter den Anspruch und die Zusage jener unverfügbar freien
Willensmacht stellt, deren Wirklichkeit in einer allgemeinen Theorie
der Erfahrung nur postuliert werden kann. 78 Die angemessene Ant-
wort, in der diese Begegnung vollzogen wird, ist freilich nicht der
Begriff, sondern der Name. Dessen Anrufung ist stets (im religiösen
wie im außerreligiösen Zusammenhang) diejenige Sprachhandlung,
durch die der Eintritt in eine Korrelation mit dem Angerufenen voll-
zogen wird. 79 Da es sich aber in diesem speziellen Fall um den Eintritt
in jene Korrelation handelt, die die menschliche Erfahrungsfähigkeit
im Ganzen vor ihrer sonst drohenden Selbstauflösung bewahrt, ist
damit die universelle Bedeutung dieser speziellen Sprachhandlung
erwiesen. Und wenn die Offenbarung primär als »Revelatio nominis«
verstanden werden kann (vgl. Joh 17,6.26), die dem Menschen den
Eintritt in die Gottesbeziehung möglich macht, dann hat auch das
Zeugnis von dieser Offenbarung, wie es in Schrift und Predigt ge-
geben wird, gerade um seiner unverwechselbaren Eigenart willen
universale Bedeutung für alle Bereiche menschlichen Erfahrens.
Die Beispiele mögen genügen, um deutlich zu machen: Der The-
menfelder für ein Gespräch zwischen einer weiterentwickelten Tran-
szendentalphilosophie und der Theologie gibt es genug. Das Gespräch
zwischen beiden ist daher noch nicht zu Ende. Ja, es steht zu hoffen,
daß es, in neuer Gestalt, erst noch bevorsteht.

78 Zu diesem Zusammenhang zwischen Vernunftpostulaten und religiöser Erfahrung


vgl. Erfahrung als Dialog mit der Wirklichkeit, 713–731.
79 Zur Bedeutung der Anrufung des Namens vgl. meine Aufsätze »Die Vernunft und

das Wort. Zum Religionsverständnis bei Hermann Cohen und Franz Rosenzweig«, in:
Zeitschr. f. Theologie und Kirche 78 (1981), 57–89, und »Adiutorium nostrum in
nomine Domini«, in: Lebendiges Zeugnis 43 (1988), 26–40.

83
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Zweiter Teil:
Transzendentalphilosophie und
Theologie 80

80Überarbeitete Fassung eines am 26. Februar 2016 im Rahmen der Tagung »Welche
Philosophie braucht die Theologie?« in Niederaltaich gehaltenen Vortrags.

https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
A. Christliche Philosophie und neuzeitliche
Subjektivität – oder: Die späte Trauer um
einen »überwundenen Feind«?

1. Eine traditionelle Frontstellung 81

»Christliche Philosophie«, das war lange Zeit ein Synonym für


»Scholastische Philosophie«. Diese aber ist, wie ihr Name sagt, zu-
nächst in formaler Hinsicht eine Weise des Philosophierens, die zur
Bildung einer die Generationen überdauernden »Schule« (Schola)
fähig ist.
Schon damit ist eine Differenz gegenüber dem neuzeitlichen
Philosophieren angedeutet: Mehrmals in der Neuzeit waren Philoso-
phen dazu geneigt, die Philosophie jeweils »neu zu erfinden« und sich
zu diesem Zweck aus der Tradition der »Schulen« zu befreien. Ein
Beispiel dafür bietet Descartes, der mit seinem methodischen Zweifel
alle bisher gewonnen Überzeugungen und damit die gesamte Tradi-
tion, der er diese Überzeugungen verdankte, außer Kraft setzen woll-
te, um so ein neues »Fundament« des Philosophierens zu suchen. Ein
anderes Beispiel ist Kant, der seine Leser auffordert, »alles bisher Ge-
schehene als ungeschehen anzusehen«, um eine neue Art des Phi-
losophierens »selbst allererst zu erfinden«. 82 In die gleiche Reihe von
Beispielen gehören die Vertreter des Deutschen Idealismus, die in
immer neuen Ansätzen ein »System« entwerfen, das alle bisherigen
»Systeme« ersetzen soll. Demgegenüber hat die scholastische Phi-
losophie sich stets als »Philosophia perennis« verstanden, als eine
die wechselnden Generationen überdauernde Philosophie, die den
einzelnen Philosophen dazu auffordert, sich an die empfangene Tra-
dition anzuschließen, um sie lebendig weiterzuentwickeln.
Fragt man nun nach dem Grund der Skepsis gegenüber Traditio-
nen, die in der neuzeitlichen Philosophie zum Prinzip erhoben wor-

81
Vgl. zu diesem Abschnitt und zu den beiden folgenden mein Buch Die Wechsel-
beziehungen zwischen Philosophie und katholischer Theologie, Darmstadt 1980.
82
Prolegomena A 3.

87
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Zweiter Teil: Transzendentalphilosophie und Theologie

den ist, so findet man ihn darin, daß die neuzeitliche Philosophie vom
Subjekt ausgeht; dieses wird in der Erfahrung seiner häufigen Irr-
tümer und in dem daraus resultierenden Entschluß zum metho-
dischen Zweifel auf sich selbst zurückgeworfen und erklärt in einem
zweiten Schritt das Selbstbewußtsein zum »fundamentum inconcus-
sum« allen Erkennens. Deshalb überträgt sie dem je einzelnen Phi-
losophierenden die Verantwortung für die Unterscheidung des Wah-
ren und Falschen. Freilich kann das Individuum diese Verantwortung
nur wahrnehmen, wenn es sich »auf den Standpunkt der allgemeinen
Menschenvernunft erhebt«. Diese Vernunft wirkt in jedem Indivi-
duum und unterwirft es zugleich seiner absoluten Gesetzgebung.
Traditionen dagegen unterliegen dem Verdacht, daß sie das Indivi-
duum dazu verleiten, sich freiwillig fremden Autoritäten zu unter-
werfen und so in »selbstverschuldete Unmündigkeit« zu geraten.
Aus der Sicht der »christlichen Philosophen« ergab sich dann
folgende Gegenübersetzung: Neuzeitliche Philosophie ist »Philoso-
phie der Subjektivität«, während die »Philosophia perennis« es auf
das objektiv Gültige abgesehen hat, das von der Differenz der Sub-
jekte unabhängig bleibt und sich daher als das Beständige im Wechsel
der geschichtlichen Epochen bewährt. Das ausgezeichnete Beispiel
einer solchen »Philosophia perennis« aber schien die in einer leben-
digen Tradition weiterentwickelte aristotelische Metaphysik zu sein.
Christliche Philosophie, die in formaler Hinsicht »scholastisch« sein
und dadurch zur »Philosophie perennis« werden wolle, müsse des-
wegen, inhaltlich gesehen, Fortbildung der Tradition aristotelischen
Philosophierens sein. Diese galt als die normative Gestalt »christ-
lichen Philosophierens«. Denn der Wille zur Objektivität, so argu-
mentierte man weiterhin, sei notwendig, wenn die Philosophie »Vor-
hof des Glaubens« (Praeambula Fidei) sein soll. Der Glaube nämlich
ist freie Zustimmung zur objektiven Wahrheit der Verkündigung, zu
einer Wahrheit, die nicht durch die Akte des Subjekts »konstituiert«
wird, sondern von all dieser Tätigkeit unabhängig, ihr vorgegeben
und für sie maßgebend ist.
Es ist hier nicht der Ort, um die Frage zu erörtern, ob diese Ge-
genüberstellung geeignet ist, der Eigenart neuzeitlichen Philosophie-
rens Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Ebensowenig kann an die-
ser Stelle die Frage erörtert werden, ob es andere Weisen gibt, eine
»christliche Philosophie« zustande zu bringen als die Weiterführung
der aristotelischen Tradition. Was es hier festzuhalten gilt, ist nur: Es
gab und gibt bis heute ein weit verbreitetes Verständnis, wonach

88
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
A. Christliche Philosophie und neuzeitliche Subjektivität

»christliche Philosophie« vor allem den Nachweis zu führen hat, daß


die neuzeitliche Philosophie, für die Namen wie Descartes und Kant
stellvertretend stehen, eine »Philosophie der Subjektivität« sei, daß
diese einen Abfall vom Willen zur Objektivität darstelle, und daß die
Wiedererweckung der aristotelischen Tradition und damit einer als
Aristotelismus verstandenen Scholastik das Mittel sei, um diesem
Abfall entgegenzuwirken. »Nichts zeigt deutlicher an, daß jemand
beginnt, modernistischen Lehren gewogen zu sein, als wenn er an-
fängt, die scholastische Methode zu verachten«. 83

2. »Bundesgenossen« im Kampf gegen die


»Philosophie der Subjektivität«?

Die scholastische Philosophie im Sinne eines christlichen Aristotelis-


mus, die von ihren Vertretern für die allein christliche gehalten wird,
ist niemals bloße Erforschung des Mittelalters gewesen. Manche Ver-
treter der Mediävistik bedauern das. Die scholastische Philosophie
wollte nicht »zum Mittelalter zurückkehren«, sondern im lebendigen
Anschluß an die Tradition einen Beitrag zur jeweils gegenwärtigen
philosophischen Diskussion leisten. Darum hat sie in jeder ihrer Epo-
chen ihre Gesprächspartner unter den philosophischen Zeitgenossen
gesucht.
Sofern sich freilich gezeigt hat, daß die in der Neuzeit vorherr-
schende »Philosophie der Subjektivität« ihr wichtigster Gegner sei,
suchte die christliche Philosophie ihre Gesprächspartner dort, wo sie
unter ihren Zeitgenossen Bundesgenossen im Kampf gegen diese
Subjektivitätsphilosophie zu finden meinte. Und da für diese Philoso-
phie der Subjektivität die Namen Descartes und Kant stellvertretend
stehen konnten, erwarteten die Scholastiker den gesuchten Beistand
vor allem von denjenigen Zeitgenossen, die auch ihrerseits die Kritik
an Descartes und Kant zu ihrer Aufgabe gemacht hatten.
Als ein solcher Gesprächspartner bot sich zunächst Edmund
Husserl an. In seinen »Logischen Untersuchungen« vom Jahre 1900
hatte er sich gegen eine Erkenntnistheorie abgegrenzt, die »vor dem
Schleifen des Messers nicht zum Schneiden kommt«. Und sein Pro-
grammruf »Zu den Sachen!« brachte nicht nur den Vorrang der Sach-
fragen vor den Methodenfragen zum Ausdruck, sondern auch den

83
Enzyklika Pascendi Dominici gregis, 636 f.

89
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Zweiter Teil: Transzendentalphilosophie und Theologie

Vorrang des Objektiven, dem Subjekt Vorgegebenen gegenüber aller


Tätigkeit dieses Subjekts. Dessen Tätigkeit sollte darauf gerichtet sein,
unbeeinflußt von vorgefaßten Theorien möglichst genau zu erfassen
und zu beschreiben, »was sich zeigt«. Hier schien die christliche Phi-
losophie mit ihrer Ablehnung der neuzeitlichen »Philosophie der
Subjektivität« einen Partner zu finden.
Desto größer war die Enttäuschung, als Husserl, beginnend mit
seinen »Cartesianischen Meditationen«, seinerseits eine Wendung
zum Subjekt vollzog und schließlich, in seiner »Allgemeinen Phäno-
menologie und phänomenologischen Philosophie« seine eigene phä-
nomenologische Methode mit Entschiedenheit als eine besondere Art
der Transzendentalphilosophie verstanden wissen wollte. Da diese
(vermeintliche oder wirkliche) Wende im Denken Husserls mit sei-
nem Ortswechsel von Göttingen nach Freiburg zusammenfiel, ver-
suchten christliche Philosophen, am »Göttinger Husserl« festzu-
halten und dem »Freiburger Husserl« vorzuwerfen, er habe seinen
eigenen, am Objektiven orientierten Ansatz preisgegeben. Dieser
Versuch, der auch heute noch seine Vertreter hat, mußte freilich an
der logischen Folgerichtigkeit scheitern, mit der Husserl seinen »Weg
von Göttingen nach Freiburg« gegangen war.
Ein zweiter möglicher Partner war Max Scheler. Seine Schrift
»Der Formalismus in der Ethik und die materiale Wertethik« war
eine Programmschrift der Überwindung von Kants Kritik. »Werte«
sind nicht in der Form des moralischen Urteils begründet, sondern
werden als Inhalte, die aller subjektiven Tätigkeit vorgeordnet sind,
in besonderen Akten des »Wert-Fühlens« erfaßt. Und sein zwei-
bändiges Werk »Vom Ewigen im Menschen« weckte die Hoffnung,
nun sei endgültig jene »Wendung zum Objektiven« vollzogen, die
das Kennzeichen der »katholischen Religionsphilosophie« aus-
mache. 84 Damit schien der Weg geöffnet zu sein, um, von einer aktu-
ellen Diskussionslage der gegenwärtigen Philosophie ausgehend, den
Anschluß an die große Tradition der »Philosophia perennis« wieder-
zugewinnen.
Freilich schien den katholischen Anhängern Schelers nicht deut-
lich genug bewußt zu sein, daß Scheler selbst sich die »neuzeitliche«
Kritik an der klassischen Metaphysik zu eigen machte und vor allem

84
Vgl. H. Fries, Die katholische Religionsphilosophie der Gegenwart. Der Einfluß
Max Schelers auf ihre Formen und Gestalten. Eine problemgeschichtliche Studie,
Heidelberg 1949.

90
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
A. Christliche Philosophie und neuzeitliche Subjektivität

die Möglichkeit von Gottesbeweisen bestritt. Und schließlich war die


Enttäuschung wiederum groß, als der späte Scheler eine Wendung
vollzog, die seine »katholische Phase« beendete und, durch eine Lehre
vom »werdenden Gott«, sich als ungeeignet erwies, einer christlichen
Philosophie als Grundlage zu dienen. Wer in dieser Lage den »katho-
lischen« gegen den »pantheistischen« Scheler verteidigen wollte,
mußte sich bemühen, Schelers Wendung psychologisch zu erklären
(aus seiner Beschämung über das eigene moralische Versagen). Mit
diesem Erklärungsversuch hat vor allem Dietrich v. Hildebrand viel
Zustimmung unter katholischen Philosophen und Theologen gefun-
den. Damit ließ man sich freilich auf ein Verfahren ein, das man sonst
entschieden bekämpfte: das Verfahren, die logische Prüfung eines
philosophischen Gedankens durch die versuchte psychologische Er-
klärung seines Zustandekommens zu ersetzen. Und wie schon bei
Husserl, so verkannten auch bei Scheler seine christlichen Inter-
preten die Kohärenz seines Denkweges, in diesem Falle des Weges,
der vom »frühen« über den »katholischen« zum »späten Scheler«
geführt hatte.
Ein dritter möglicher Bundesgenosse der christlichen Philoso-
phen bei ihrem Kampf gegen die neuzeitliche »Philosophie der Sub-
jektivität« war Martin Heidegger. Schon sein als »Fundamentalonto-
logie« konzipiertes Werk »Sein und Zeit« schien eine Anknüpfung an
die Tradition der klassischen Ontologie möglich zu machen. Dem car-
tesischen »Cogito«, das der Welt als einer ganzen als »archimedischer
Punkt« gegenübertrat und das Seiende nur als dessen »Gegenstand«
zuließ, stellt Heidegger das »Dasein« gegenüber, das seinem Wesen
nach endlich ist und dessen Sein immer schon ein »In-der-Welt-Sein«
ist. Und angesichts der Bedrohtheit und (im doppelten Sinne) »Frag-
Würdigkeit« dieses Daseins schien jedem Versuch der Boden ent-
zogen, das Subjekt zum »fundamentum inconcussum« zu erklären,
auf dem jede philosophische Theorie zu errichten sei. Damit schien
die »Philosophie der Subjektivität« als Ausdruck eines »Herrschafts-
willens« entlarvt, der »das Seiende zu einem Bestand macht, der dazu
bestellt ist, auf der Stelle zur Stelle zu stehen« (so in dem Vortrag
»Die Frage nach der Technik«). Und wenn Heidegger im weiteren
Verlauf seines Denkweges das Denken als menschliche Antwort auf
ein »Geheiß« verstand, das »uns zu denken heißt«, und dieses Den-
ken als »dankendes An-Denken« deutete, dann schien eine christliche
Philosophie in ihrer zentralen Absicht gerechtfertigt zu werden, die

91
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Zweiter Teil: Transzendentalphilosophie und Theologie

Herrschaft des Subjekts zu überwinden und in allem, was ist, die


»Spur des Heiligen« zu entdecken.
Wiederum war die Enttäuschung groß, als Heidegger seine Kri-
tik an der Philosophie der Subjektivität immer weiter radikalisierte
und deren Wurzeln schon in den Anfängen der europäischen Philoso-
phie zu entdecken meinte, bis er zunächst »Platons Lehre von der
Wahrheit«, schließlich Sokrates für diese Subjektivitätsphilosophie
verantwortlich machte. So gesehen erschien die gesamte Tradition
der Metaphysik als Ausdruck jener »Seinsvergessenheit«, die den
Menschen »bei sich selbst und seinen Gemächten stehen ließ«. 85

3. Ein »mutiger Alleingang«: die transzendentale Theologie

Der Versuch der »christlichen Philosophen«, sich mit zeitgenössi-


schen Kritikern der »Philosophie der Subjektivität« zu verbünden
und auf diese Weise die »Scholastik« als lebendig fortwirkende Tradi-
tion mit der zeitgenössischen Philosophie ins Gespräch zu bringen,
hat die Erwartungen nicht erfüllt, die man mit diesem Versuch ver-
bunden hatte. Desto wichtiger erschien deshalb ein anderer Weg, den
schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts Joseph Maréchal eingeschlagen
hatte. Statt sich nach neuen Bundesgenossen umzusehen, hat er die-
jenige Philosophie, die als besonders deutlicher Ausdruck der Sub-
jektivitätsphilosophie gegolten hatte, die kantische Transzendental-
philosophie, auf solche Weise weiterzuentwickeln versucht, daß sie
einen neuen »Ausgangspunkt der Metaphysik« bilden konnte (so
der Titel seines Hauptwerkes, dessen erste Entwürfe schon aus dem
Jahr 1914 stammen). Er wollte zeigen, daß jene »künftige Meta-
physik«, zu der Kant die Prolegomena hatte schreiben wollen und
die ihren Ausgang von einer kritischen Selbstreflexion des Subjekts
genommen hat, ihr Ziel nur erreicht, wenn sie auf neuem Wege die
»Transzendentalphilosophie der Alten« wiedergewinnt. (Mit diesem
Wort hatte Kant die klassische Lehre von den »Passiones generales
entis« bezeichnet.)
Es ging, nach einem Programmwort von Maréchal, darum, »den
Agnosticismus Kantianus«, vor allem also die These, unser Erkennen
sei auf Erscheinungen beschränkt, die wir selber durch unser An-

85 Vgl. den »Brief über den Humanismus« und vor allem die aus dem Nachlaß edier-
ten Vorlesungen »Metaphysik und Nihilismus«, in: Gesamtausgabe, Bd. 67.

92
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
A. Christliche Philosophie und neuzeitliche Subjektivität

schauen und Denken erst aufbauen, »von seinen eigenen Prämissen


her zu widerlegen«. Dies sollte durch den Nachweis geschehen, daß in
der Tätigkeit des Subjekts ein »Dynamismus des Geistes« am Werke
ist, der immer schon auf Gott als das »Esse subsistens« gerichtet ist.
Die Analyse der Urteilsform, bei Kant der Schlüssel zu allen tran-
szendentalphilosophischen Einsichten, wurde auf solche Weise fort-
geführt, daß deutlich wurde: Die Copula »ist«, die dem Urteil seinen
Charakter als »Affirmation« verleiht, enthält einen Vorgriff auf das
»unendliche Sein«, das sich, mit der Tradition, mit dem Gott der reli-
giösen Überlieferung identifizieren läßt.
Der Versuch galt insofern einer »Transposition des Kantismus«
in den Kontext der Tradition klassischer Metaphysik. Und was auf
diese Weise zustande kam, war »Scholastik« im besten Sinne des
Wortes: eine »Philosophia perennis«, die auch die neuen Einsichten
einer zeitgenössischen Philosophie mit der alle Generationen über-
dauernden Tradition zur Einheit verband. Mit diesem Versuch ist
Maréchal schulbildend geworden. 86 Eine Reihe weiterer philosophi-
scher Autoren, vor allem aus der Gesellschaft Jesu, haben diesen An-
satz weiterentwickelt, um eine neue, zugleich aber der Tradition ver-
pflichtete »christliche Philosophie« zustande zu bringen. (Ich nenne
in diesem Zusammenhang nur die Patres Otto Muck und Emerich
Coreth, Professoren am Institut für Christliche Philosophie der Theo-
logischen Fakultät in Innsbruck.) Karl Rahner aber hat auf eindrucks-
volle Weise gezeigt, wie eine solche neue »christliche Philosophie«
sich dazu eignet, die Theologie in der ganzen Fülle ihrer Themenstel-
lungen auf ein neues methodisches Fundament zu stellen.
Maréchals Philosophie und Karl Rahners Theologie haben unter
christlichen Philosophen und Theologen eine große Schar von An-
hängern gewonnen. Wenn dennoch hier von einem »mutigen Allein-
gang« die Rede ist, dann deswegen, weil die hier versuchte Neufas-
sung des transzendentalen Denkens kaum Zustimmung bei nicht-
katholischen Philosophen gefunden hat, während andererseits bei
vielen katholischen Theologen der Eindruck entstand, diese Art von
Philosophie und Theologie komme dem neuzeitlichen Subjektivitäts-
denken zu weit entgegen. Derartige Kritiker fanden sich zunächst vor

86
Vgl. dazu den Sammelband Kant und die Scholastik heute, mit dem die Philo-
sophische Fakultät der Jesuiten in Pullach bei München im Jahre 1955 die Reihe
Pullacher philosophische Forschungen eröffnet hat.

93
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Zweiter Teil: Transzendentalphilosophie und Theologie

allem außerhalb des deutschen Sprachraums; 87 doch fehlen auch im


deutschen Sprachraum, vor allem in jüngerer Zeit, derartige Stim-
men nicht. Die Gruppe der Transzendentaltheologen hat zwar eine
breite literarische Tätigkeit entfaltet, blieb aber weitgehend unter
sich.

4. Das »Ende der Subjektivitätsphilosophie«?

Es ist hier nicht der Ort, um Möglichkeiten einer Weiterentwicklung


der transzendentalen Methode zu erörtern und zu prüfen, ob auf die-
se Weise eine »christliche Philosophie« neuer Art konzipiert werden
könnte. (Ich selber habe in meinen Büchern »Fähigkeit zur Erfah-
rung« und »Erfahrung als Dialog mit der Wirklichkeit« eine solche
Weiterentwicklung vorgeschlagen und in meinem Buch »Philosophi-
sche Einübung in die Theologie« Proben ihrer Anwendung auf die
Fragen der Theologie gegeben.) Wichtiger für die Frage nach dem
Verhältnis von christlicher Philosophie und neuzeitlicher Subjektivi-
tät ist stattdessen die Feststellung: In den letzten Jahrzehnten hat eine
philosophiehistorische Entwicklung stattgefunden, die den Anschein
erwecken kann, als sei diese Frage obsolet geworden. Was nämlich
von sonst höchst unterschiedlicher Seite nun proklamiert wird, ist
»der Tod des Subjekts«.
War das »Ich« in seinem spannungsreichen Verhältnis zum »Es«
für die Tiefenpsychologie noch ein unersetzliches Moment des see-
lischen Lebens, so erschien für die jüngere Soziologie dieses »Ich« mit-
samt allen seinen Funktionen im bewußten wie im unbewußten
Seelenleben seinerseits eine bloße Funktion zwischenmenschlicher
Beziehungen und Interaktionen. So paradox es klingen mag: Was
nun entstand, war eine Lehre von der »Intersubjektivität ohne Sub-
jekte«. Und in jüngster Zeit haben die Ergebnisse der Gehirn-
forschung viele dieser Forscher zu der Überzeugung geführt, dasjeni-
ge, was wir das Subjekt nennen, sei eine entbehrliche und überdies
irreführende Interpretation der Weise, wie das Gehirn Bewußtseins-
zustände produziert, die keines »psychischen Trägers« mehr bedürfen.
Sofern die christliche Philosophie, um an der Tradition der Me-
taphysik festzuhalten, die Abgrenzung gegen die »Philosophie der
Subjektivität« zu ihren wichtigsten Aufgaben gezählt hatte, entstand

87
Vgl. La svolta antropologica di Karl Rahner.

94
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
A. Christliche Philosophie und neuzeitliche Subjektivität

nun der Anschein, sie habe ihren Gegner verloren. Dieser Gegner sei
zwar nicht durch die Argumente der christlichen Philosophen zum
Verschwinden gebracht worden; aber die christliche Philosophie habe
sich gegen diesen Gegner wenigstens so lange zur Wehr gesetzt, bis
dieser aus ganz anderen Gründen vom Schlachtfeld verschwand.
Denn wenn das Subjekt »tot« ist, ist auch die »Philosophie der Sub-
jektivität« ohne Gegenstand.
Doch konnte über diesen »Tod des Gegners« keine Freude auf-
kommen. Denn wenn sich wirklich der »Tod des Subjekts« feststellen
ließe, wären auch die Begriffe der Freiheit und der sittlichen Verant-
wortung gegenstandslos geworden. Dann aber wäre auch die theo-
logische Rede von einer »freien Glaubensentscheidung« und von der
»Freiheit eines Christenmenschen« ein bloßer Nachklang einer ver-
gangenen Zeit. Und so wurde unversehens, in einer Art von »verspä-
teter Trauer«, die Rehabilitierung des Subjekts und damit auch die
Wiederbegründung einer Philosophie, die dieses Subjekt zum Thema
hat, zu einer vordringlichen Aufgabe der christlichen Philosophie.
Damit wurde ein Vorgang eingeleitet, den man (um einen Ter-
minus aus der politischen Geschichte des 18. Jahrhunderts auf eine
philosophische Situation des 21. Jahrhunderts anzuwenden) als
»Changement des alliances« bezeichnen könnte: Man suchte seine
Verbündeten nun nicht mehr unter den Kritikern der neuzeitlichen
Subjektivitätsphilosophie, sondern unter ihren Vertretern. 88
Dabei entstand die Frage, wie eine christliche Philosophie in dem
neuen Streit um die Subjektivität ihre Position finden könne. Kann
man die »Rettung des Subjekts« mit der traditionellen Kritik an aller
Subjektivitätsphilosophie vereinbaren? Es ist nun diese Frage, die die
Auseinandersetzung mit den jüngeren Richtungen des »Post-Struk-
turalismus« als lohnende Aufgabe erscheinen ließ.

88Vgl. den von Theo Kobusch herausgegebenen Sammelband Selbst – Singularität –


Subjektivität. Vom Neuplatonismus zum deutschen Idealismus, Amsterdam 2002,
der die Referate einer Tagung der Arbeitsgemeinschaft von Philosophiedozenten im
Studium der Katholischen Theologie wiedergibt.

95
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Zweiter Teil: Transzendentalphilosophie und Theologie

5. »Strukturalismus«, »Post-Strukturalismus«,
»Post-Moderne«

a) »Strukturalismus«

Der Begriff »Strukturalismus« faßt eine Reihe von Entwicklungen


der Psychologie, der Soziologie und der Sprachwissenschaft unter
einem gemeinsamen Gesichtspunkt zusammen. Es sind die »Struk-
turen« (die geordneten Wechselbeziehungen), die den Elementen Be-
deutung verleihen. Eindrücke und Erlebnisse gewinnen ihre Be-
deutung im geordneten, sich freilich beständig umgestaltenden
Kontext des psychischen Lebens, Individuen im Prozeß der Gestal-
tung und Umgestaltung sozialer Wechselbeziehungen, Wörter im
Kontext von Sätzen und Redewendungen und damit im Zusammen-
hang einer Sprache, die in ihrer grammatischen Struktur der jeweils
aktuellen Rede vorgegeben ist, sich freilich durch ihren Gebrauch in
der Rede kontinuierlich verändert.
In philosophiehistorischer Hinsicht kann der Strukturalismus
als diejenige Phase betrachtet werden, in der zunächst die Transzen-
dentalphilosophie ihre empirische Bestätigung zu finden schien, um
sodann freilich ihre Grundlage zu verlieren.
Zunächst nämlich konnte die Transzendentalphilosophie sich
durch die Ergebnisse der strukturalistischen Psychologie, Soziologie
und Linguistik in ihrer grundlegenden Einsicht bestätigt sehen: Die
Möglichkeit, subjektive Erlebnisse in Inhalte objektiv gültiger Erfah-
rung zu verwandeln, hängt davon ab, ob es dem Subjekt gelingt,
einen Kontext aufzubauen; nur innerhalb eines solchen Kontextes
gewinnen die Inhalte den Charakter von Antworten auf Fragen, die
das erkennende Subjekt an sie stellt. 89 Was die strukturalistische Psy-
chologie, Soziologie und Linguistik beschreibt, die Herrschaft der
Strukturen über die Inhalte, kann der Transzendentalphilosoph aus
seinen Gründen erklären: Die Herrschaft der Strukturen über die In-
halte ist eine Folge der transzendentalen, d. h. Erfahrung ermög-
lichenden, Gesetzgebung des von der Vernunft geleiteten Verstandes
über die Erscheinungswelt.
Alsbald aber zeigte sich: Jenes Subjekt, das nach transzendental-
philosophischer Ansicht den Kontext entwirft, dessen Struktur aller

89Vgl. Kants Beschreibung des wissenschaftlichen Erkennens in Kritik der reinen


Vernunft B XII ff.

96
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
A. Christliche Philosophie und neuzeitliche Subjektivität

Erfahrung ermöglichend vorausliegt, erweist sich in der Sicht »struk-


turalistischer« Psychologie und Soziologie seinerseits als Produkt der
psychischen und sozialen Strukturen und ihres Wandels. Und selbst
die Linguistik verwandelt, wenn sie strukturalistisch betrieben wird,
den Text, den sie auslegen will, aus einer Weise, wie ein Autor seine
Intentionen ausdrückt, in eine sich selbst organisierende Struktur, die
keinen Anlaß mehr bietet, »hinter« ihr einen Verfasser und seine
»Aussage-Absicht« zu suchen. Unter dieser Voraussetzung entfällt
auch die Unterscheidung zwischen »Ausdrucksgestalt« und »Bedeu-
tungsgehalt« und die hermeneutische Frage, »wie der Bedeutungs-
gehalt aus der Ausdrucksgestalt zu erheben sei«. Wie die struktu-
ralistische Soziologie eine »Intersubjektivität ohne Subjekte« zu
beschreiben versucht, so ist die strukturalistische Psychologie eine
»Psychologie ohne Psyche«, die strukturalistische Linguistik aber be-
schreibt eine Sprachgestalt, die nicht mehr »für etwas anderes steht«,
nämlich für einen Bedeutungsgehalt, sondern sich selber genug ist.

b) »Post-Strukturalismus«

Gerade diesen Formen einer strukturalistischen Psychologie, Sozio-


logie und Linguistik entspricht ein Programmwort, das später zur
Devise des »Post-Strukturalismus« werden sollte: das Programmwort
»Überwindung des Logozentrismus«. Schon innerhalb der struktura-
listisch verstandenen Wissenschaften wird eine Erkenntnisweise be-
kämpft, die die Phänomene als Bedeutungsträger begreift und darum
ihre Erscheinungsgestalt vergessen kann, sobald die darin aus-
gedrückte Bedeutung erfaßt ist. Mit diesem Programmwort wird je-
doch zugleich jene Phase in der Geschichte der Philosophie, aber auch
der Psychologie, Soziologie und Sprachwissenschaft eingeleitet, die
man »Post-Strukturalismus« nennt und die »Dekomposition« zur
zentralen Aufgabe des Erkennens werden läßt. Die Herrschaft der
Strukturen über die Inhalte erschien nun in der Rückschau, ganz im
Sinne der Transzendentalphilosophie, als Ausdruck der Gesetzgebung
des Subjekts über die Gegenstandswelt. Aber diese Einsicht wird nun
gegen die Transzendentalphilosophie selber gewendet. Das Subjekt
nämlich übt diese Herrschaft auch dann noch aus, wenn es, auf selbst-
zerstörerische Art, zuletzt seine eigene Selbst-Auflösung betreibt.
Denn was auch in der letzten Phase dieser Herrschaft erhalten geblie-
ben war, war der Versuch, die Inhalte der Erfahrung als »Bedeutungs-

97
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Zweiter Teil: Transzendentalphilosophie und Theologie

träger« zu erfassen und so, gegenüber dem Bedeutungsgehalt, ihres


Eigengewichts zu berauben. »Dekomposition«, Auflösung der Struk-
turen zugunsten der Inhalte, wird in dieser Spätphase der Herrschaft
des Subjekts zum einzigen Weg, um das alte Programm der Philo-
sophie einzulösen: »die Phänomene zu retten«.
Das Programm der »Dekomposition« hat eine lange Vor-
geschichte. Eine frühe Andeutung läßt sich in Heideggers Bemerkung
erkennen: »Die Idee der Logik löst sich auf in einem Strudel ur-
sprünglicheren Fragens«.90 Deutlicher und zugleich dringlicher wird
diese »dekompositorische« Absicht in Camus’ Kritik an den immer
erfolgloseren Versuchen des Subjekts, die Welt seinen eigenen Geset-
zen zu unterwerfen und »in ihr nur die Bilder und Gestalten« zu
sehen, »die wir zuvor in sie hineingelegt hatten«. Indem die Welt sich
diesen Versuchen immer deutlicher widersetzt, »wird sie wieder sie
selbst«. Und es ist die Erfahrung des »Absurden«, in der diese »Dichte
und Fremdartigkeit der Welt« uns zum Bewußtsein kommt. 91 Geht es
Camus darum, daß die Welt wieder »sie selbst« wird, so ist es das
Anliegen von Emmanuel Levinas, daß »der Andere« uns sein »Ant-
litz« zeigt. Dieses »Antlitz des Anderen« durchkreuzt alle Versuche
einer »Intentionalität«, die sich auf alles Wirkliche nur als auf ihre
»Gegenstände« bezieht. Wem dieses Antlitz sich zeigt, der bleibt
nicht der Betrachter einer »Gegenstandswelt«, über die er mit seinen
Anschauungsformen und Begriffen verfügt, sondern wird dazu auf-
gerufen, zur »Geisel« des Anderen zu werden und mit seinem Leben
für das Lebenkönnen dieses Anderen zu »bürgen«. Und derjenige
Augenblick, in welchem das Antlitz des Andern unseren Herrschafts-
willen zerbricht und uns zu der Bereitschaft bekehrt, zum »Leib-Bür-
gen« des Anderen zu werden, ist zugleich der Augenblick, in welchem
»Gott in das Denken einfällt« (so die deutsche Übersetzung des Buch-
titels »De Dieu qui vient à l’idée«, wobei die deutsche Übersetzung
deutlicher als der französische Originaltitel das Moment der »Inva-
sion« zum Ausdruck bringt, die alle selbsthervorgebrachten Struk-
turen der Intentionalität zerbricht).
Gewiß sind dies ganz unterschiedliche Weisen, der angemaßten
Herrschaft des Subjekts über die Welt entgegenzutreten. Aber ob
dieser zerstörerische und zuletzt selbstmörderische Herrschaftswille
in der Herrschaft der Logik gesehen wird oder in dem Versuch, sich

90 M. Heidegger, »Was ist Metaphysik?«, in: Gesamtausgabe, Bd. 9, 35.


91
A. Camus, Le Mythe de Sisyphe, 28 f.

98
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
A. Christliche Philosophie und neuzeitliche Subjektivität

gegen die »Dichte und Fremdartigkeit der Welt« durch unsere selbst-
hervorgebrachten Bilder und Gestalten abzuschirmen, oder schließ-
lich in einer Intentionalität, die alles, auch das Antlitz des Anderen,
zu ihren »Gegenständen« macht: In jedem Falle kann dieser Herr-
schaftswille nur gebrochen werden durch Aufsprengung der Struktu-
ren, in die das Subjekt die Wirklichkeit, die sich ihm zeigt, hinein-
zuzwingen versucht. Und insofern haben die genannten Formen der
Subjektivitäts-Kritik einen »Post-Strukturalismus« vorbereitet, des-
sen wichtigste Methode mit dem Terminus »Dekomposition« be-
zeichnet werden kann.

c) »Post-Moderne«

Das post-strukturalistische Denken wird nicht selten auch als das


»postmoderne« bezeichnet. In dieser Bezeichnung liegt ein doppelter
Hinweis: Jene Herrschaft des Subjekts, die sich in der Herrschaft der
Strukturen über die Inhalte manifestiert, ist ein Kennzeichen der
Neuzeit. Und alle Bemühungen um eine »Dekomposition« der Struk-
turen wären vergeblich, wenn nicht vielfältige Anzeichen dafür sprä-
chen, daß dieses Zeitalter der Herrschaft der Subjektivität sich seinem
Ende zuneigt.
So hat schon Romano Guardini das bevorstehende »Ende der
Neuzeit« prognostiziert und die Krise der Philosophie der Subjektivi-
tät als Anzeichen dieses bevorstehenden Endes gedeutet. Schon dieser
Hinweis macht deutlich: Wem zum Adjektiv »postmodern« (im
Sinne von »nach-neuzeitlich«) kein anderes Substantiv einfällt als
das Substantiv »Beliebigkeit«, hat den Sinn dieser Zeit-Ansage miß-
verstanden. Gerade eine christliche Philosophie, der es um Über-
windung der »Philosophie der Subjektivität« zu tun ist, wird mit ge-
steigerter Aufmerksamkeit solche Entwicklungen beobachten, die auf
den Anbruch eines »nach-neuzeitlichen« Denkens hinweisen. Auch
wenn in der »Nach-Neuzeit« viele Anzeichen für eine ungehemmte
Beliebigkeit des Denkens und Handelns sprechen, bleibt doch zu prü-
fen, ob damit das Ganze und vor allem das Wesentliche des »post-
modernen« Denkens getroffen ist.
Die soeben in Erinnerung gerufene Vorgeschichte des »Post-
Strukturalismus« läßt erwarten, daß dort ganz andere Motive am
Werke sind. Im hier erörterten Zusammenhang ist vor allem die
Frage zu stellen: Ist mit einem solchen Denken notwendig der »Tod

99
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Zweiter Teil: Transzendentalphilosophie und Theologie

des Subjekts« und damit das Ende aller sittlichen Verantwortung und
aller Freiheit des Glaubens verbunden? Oder gibt es Möglichkeiten
eines »post-modernen« Verständnisses von Subjektivität, Verantwor-
tung und Freiheit? Kündigt sich hier eine Möglichkeit an, die neu-
zeitliche »Philosophie der Subjektivität« zu überwinden, ohne dem
Subjekt als solchem endgültig den Abschied zu geben? Ergeben sich
daraus neue Möglichkeiten einer christlichen Philosophie? Und las-
sen sich solche Möglichkeiten gerade bei denjenigen Denkern finden,
die als die Protagonisten eines »post-strukturalistischen« und in die-
sem Sinne »postmodernen« Denkens aufgetreten sind?
Es ist also die hier geschilderte philosophiehistorische Situation,
aus der heraus die Fragestellung: »Tod des Subjekts? Poststrukturali-
stisches Denken und christliche Philosophie« zu begreifen ist. Aus
dieser Fragestellung ergeben sich Einzelthemen wie »Foucault – Sub-
jektivität – Theologie« oder die entsprechende Fragestellung mit Be-
zug auf Derrida oder Foucault. Davon handeln die in diesem Bande
vereinigten Beiträge kompetenter Autoren.

6. Kriterien für die Bestimmung des Verhältnisses von


christlicher Philosophie und neuzeitlicher Subjektivität

Versucht man, die Frage nach der Bedeutung des »Post-Strukturalis-


mus« aus einer solchen philosophiehistorischen Ortsbestimmung
heraus zu verstehen, dann lassen sich zugleich einige Kriterien ge-
winnen, an denen der Versuch einer Bestimmung des Verhältnisses
von christlicher Philosophie und neuzeitlicher Subjektivität gemes-
sen werden kann:

a) Wenn die christliche Philosophie, gemäß ihrer Aufgabe, »Philo-


sophia perennis« zu sein, nach gegenwärtigen Gesprächspartnern
sucht, dann ist sie wohlberaten, nicht vorweg zwischen »Bundes-
genossen« und »Gegnern« zu unterscheiden. Die wiederholte Ent-
täuschung an vermeintlichen »Bundesgenossen« sollte davor warnen.
Stattdessen sollte sie sich bemühen, auch von denen kritisch zu ler-
nen, deren Ansichten sie nicht zustimmen kann.

b) Das gilt zunächst für die »Philosophie der Subjektivität«, die für
das Denken der Neuzeit bestimmend ist bzw., falls man das Ende der
Neuzeit für gekommen hält, bestimmend gewesen ist. Es gilt aber

100
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
A. Christliche Philosophie und neuzeitliche Subjektivität

ebensosehr für die Kritiker dieses neuzeitlichen Denkens, die den


»Tod des Subjekts« proklamieren. Von beiden ist zu lernen, auch
wenn es gute Gründe dafür gibt, keine dieser Positionen so, wie sie
von ihren Anhängern vertreten werden, einfach zu übernehmen.

c) Für die »Philosophie der Subjektivität« bedeutet dies: Es genügt


nicht, sie als bloßen »Abfall von der Tradition« zu beurteilen, auf das
bevorstehende Ende dieses »Irrweges« zu hoffen oder gar den »Tod«
dieses »Gegners« zu begrüßen, als ob er die Rückkehr zum früheren
Zustand möglich mache. Es genügt aber ebensowenig, in einer »ver-
späteten Trauer um den überwundenen Feind« die Wichtigkeit der-
jenigen Entdeckung zu betonen, die dieses neuzeitliche Denken ver-
anlaßt hat: die Wichtigkeit der Entdeckung, daß die menschliche
Subjektivität zwar der Grund unserer Irrtümer ist (das war die Aus-
gangserfahrung von Descartes), daß diese Subjektivität aber zugleich,
selbstkritisch verstanden, das einzige »Tor zur Wahrheit« darstellt.
Was nötig ist, wenn die lebendige Tradition einer »Philosophia peren-
nis« möglich bleiben soll, ist eine kritische Hermeneutik, die sich auf
die Philosophie der Neuzeit, aber ebensosehr auf die »Transzenden-
talphilosophie der Alten« bezieht, um zwischen ihnen ein Gespräch
zustande zu bringen, das den Wechsel der Epochen übergreift.

d) Für die Positionen des »Strukturalismus« und des »Post-Struk-


turalismus« bzw. der »Postmoderne« bedeutet dies: Es genügt nicht,
die Entdeckung psychischer, sozialer und sprachlicher Strukturen und
ihres historischen Wandels als willkommenes Argument gegen die
angemaßte »Autonomie des Subjekts« aufzugreifen oder umgekehrt
auf die Gefahren aufmerksam zu machen, die sich aus dem prokla-
mierten »Tod des Subjekts« ergeben müßten (vor allem auf die Ge-
fahren für die Moral und den Glauben). Es genügt auch nicht, den
»Post-Strukturalismus« als die Befreiung der »Welt« aus der miß-
bräuchlichen Herrschaft der »gesetzgebenden Menschenvernunft«
zu begrüßen oder umgekehrt auf die Gefahr hinzuweisen, daß die
Zerstörung der Strukturen, die diese Vernunft in unsere subjektiven
Erlebnisse bringt, zu einer Faszination durch das Chaos führen kann,
die ihrerseits mannigfache Formen der »postmodernen Beliebigkeit«
hervorbringen muß.
Auch hier ist eine kritische Hermeneutik notwendig, die aus den
Krisen der neuzeitlichen Subjektivität zu lernen vermag, ohne deren
Entdeckung rückgängig machen zu wollen. »Strukturalismus« und

101
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Zweiter Teil: Transzendentalphilosophie und Theologie

»Post-Strukturalismus« zeigen je auf ihre Art diese Krise an. Von


ihnen ist gerade dann zu lernen, wenn sie die Tradition neuzeitlichen
Denkens nicht verlassen und nicht nur den »Tod des Subjekts«, son-
dern zugleich seine »neue Geburt« zu ihrem Thema machen. Aber
dieses Lernen wird kritisch sein müssen, wenn vermieden werden
soll, daß die Kritik der »Post-Strukturalisten« am »Logozentrismus«
in jene »Misologia« umschlägt, vor der schon Platon gewarnt hat.

e) Eine kritische Hermeneutik, die sich sowohl auf die »moderne«


(neuzeitliche) Philosophie der Subjektivität als auch auf ihre »post-
modernen« Kritiker bezieht, wird sich dadurch bewähren müssen,
daß sie sich auch die klassische Tradition der Metaphysik auf neue
Weise anzueignen vermag. Es genügt nicht, sich gegen die zu Beginn
der Neuzeit entdeckte Subjektivität auf ein vor-neuzeitliches Ver-
ständnis der »Wahrheit der Dinge« und auf deren objektive Geltung
zu berufen; es genügt auch nicht, die Krise der neuzeitlichen Subjek-
tivität als Legitimationsgrund für eine »Rückkehr zur alten Wahr-
heit« zu verstehen. Es kommt darauf an, auch die »Transzendental-
philosophie der Alten« auf solche Weise »neu zu dolmetschen«, daß
sie sowohl den Erfahrungen, aus denen die neuzeitliche Subjektivität
hervorgegangen ist, als auch den Erfahrungen ihrer Krise, wie sie von
den »strukturalistischen« und »post-strukturalistischen« Philoso-
phen der »Post-Moderne« beschrieben werden, gerecht werden kann.

f) Wenn in einer kritischen Auslegung sowohl der neuzeitlichen Sub-


jektivität als auch der Kritik an ihr gezeigt werden kann, daß die zer-
störerische Herrschaft der Subjektivität gebrochen werden kann,
ohne daß dafür der »Tod des Subjekts« in Kauf genommen werden
muß, wird auch der Blick wieder frei auf die Fragen, von denen die
Metaphysik in ihrer langen Geschichte geleitet war: für die Frage
nach dem »Seienden als einem solchen« und nach jener »Wahrheit
der Dinge«, die aller »Wahrheit des Denkens« und sogar all seiner
»Unwahrheit« ermöglichend vorausliegt. Die leitende Frage wird
dann lauten: Wie muß das Seiende gedacht werden, wenn verständ-
lich werden soll, daß es dem Subjekt »zu denken gibt«? Und wie muß
das denkende Ich gedacht werden, wenn verständlich werden soll, daß
es fähig ist, dem Anspruch, den das Seiende an dieses Ich richtet, nicht
ins Wort zu fallen, sondern ihn durch sein Anschauen und Denken
»zur Sprache zu bringen«, d. h. vernehmbar zu machen?

102
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
A. Christliche Philosophie und neuzeitliche Subjektivität

g) Die Frage, an deren Beantwortung die hier geforderte kritische


Hermeneutik sich zu bewähren hat, kann, in der Sprache der Tran-
szendentalphilosophie, auch so ausgedrückt werden: Welches sind die
Bedingungen, die die Erfahrung möglich machen? Dabei ist »Er-
fahrung« dasjenige Ereignis, in welchem das Seiende seinen An-
spruch an das Subjekt so zur Geltung bringt, daß dieser Anspruch
immer neu die Strukturen des Anschauens und Denkens aufbricht
und zugleich das Subjekt dazu befähigt, in einer Umgestaltung dieser
Strukturen auf diesen Anspruch die angemessene Antwort zu geben.
Der Satz des Apostels Paulus »Lasset euch umgestalten zur Neuheit
des Denkens, damit ihr urteilsfähig werdet« (Röm 12,2) wird dann
zum Leitwort einer erneuerten Transzendentalphilosophie. Die tran-
szendentalphilosophische Frage nach den Möglichkeitsbedingungen
der Erfahrung wird auf neue Weise, als Frage nach den Möglichkeits-
bedingungen einer solchen »Umgestaltung«, gestellt werden müssen,
wenn es gelingen soll, sowohl die klassische Tradition der Metaphysik
als auch die neuzeitliche Philosophie der Subjektivität, aber auch de-
ren postmoderne Kritik, kritisch auszulegen.

h) Wiederum ist hier nicht der Ort, um auszuführen, was ich an an-
derer Stelle ausgeführt habe, was aber hier wenigstens angedeutet
werden soll: Es ist eine solche weiterentwickelte Transzendentalphi-
losophie, von der aus auch eine neue Weise der »christlichen Philoso-
phie« entwickelt werden kann. Es wird eine Philosophie sein, die den
Mut des Subjekts rechtfertigt, sich dem Anspruch des Seienden auch
dann auszusetzen, wenn dieser Anspruch immer neu die Formen sei-
nes Anschauens und Denkens zerbricht. Es wird, knapper gesagt, eine
Philosophie sein, die den Mut zur Erfahrung auf eine Hoffnung
gründet, die sich, wie das stets die Eigenart der Hoffnung ist, von aller
Anmaßung des Subjekts ebenso unterscheidet wie von seiner Ver-
zweiflung. Und es wird eine Philosophie sein, die den Rechtferti-
gungsgrund einer solchen »transzendentalen«, d. h. Erfahrung er-
möglichenden Hoffnung darin findet, daß sie in dem »je größeren«
Anspruch der Dinge, der allen Herrschaftswillen der Vernunft als
illusorisch erweist, die Gegenwarts- und Erscheinungsgestalt des
»Deus semper maior« erkennt – eines Gottes, der, mit einem Wort
aus dem Hymnus der alttestamentlichen Channah gesprochen, nicht
nur »tötet«, sondern eben dadurch »lebendig macht« (1 Sam 2,6).

103
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
B. Braucht die Theologie irgendeine Art von
Transzendentalphilosophie – und welche
(die kantische oder eine über Kant hinaus
entwickelte Transzendentalphilosophie)?

Der Frage »Welche Philosophie braucht die Theologie?« liegt die


Frage voraus: Welche Theologie ist gemeint? Schon die verschiede-
nen theologischen »Disziplinen«, die biblische, historische, systema-
tische und praktische Theologie, haben vermutlich einen je unter-
schiedlichen philosophischen »Bedarf«. Und noch deutlicher gilt dies
von den verschiedenen methodischen Ansätzen der Theologie ins-
gesamt. Eine »existenziale« Theologie wird auf andere Philosophien
verwiesen als eine »politische« Theologie. Gerade in dieser Hinsicht
aber ist festzuhalten: Der Philosoph kann sich nicht willkürlich die-
jenige Theologie heraussuchen, von der er voraussetzen kann, daß sie
seine Hilfe besonders dringend »braucht«. Die Frage, welche Art von
Theologie es sein soll, die danach befragt werden soll, ob sie über-
haupt eine Philosophie »braucht« und welche, setzt also eine andere
Frage voraus: »Welche Theologie braucht der Glaube?«
Die erste Antwort auf diese Frage lautet: Theologie, d. h. eine
wissenschaftlich argumentierende Kriteriologie des themengerechten
Glaubens-Verständnisses, entsteht immer dann, wenn innerhalb der
Glaubensgemeinschaft die Erfahrung gemacht wird, daß die Inhalte
der Glaubensbotschaft (die fides quae creditur) auf ruinöse Weise
mißverstanden werden können. »Ruinös« ist ein solches Mißver-
ständnis des Glaubens-Inhalts dann, wenn es zugleich auch den Akt
des Glaubens (die fides qua creditur) korrumpiert. Dann »braucht«
der Glaube eine Theologie, die die Inhalte des Glaubens so auslegt,
daß derartige Mißverständnisse vermieden werden. 92

92 Das Wort »brauchen« wird im Folgenden regelmäßig in Anführungszeichen ge-


setzt, um anzudeuten: Es wird hier aus dem Titel der gesamten Tagung übernommen.
Und es kann nicht Aufgabe dieses Einzelbeitrages sein, zu klären, wie dieses Pro-
grammwort der Tagung verstanden werden muß, wenn es die Philosophie nicht in-
strumentalisieren, d. h. als ein bloßes Mittel bezeichnen soll, das danach beurteilt
wird, was es zur Erreichung eines theologischen Argumentationszweckes leisten
kann.

105
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Zweiter Teil: Transzendentalphilosophie und Theologie

Das klassische Beispiel dafür ist das magische Mißverständnis


der Sakramente. Die Botschaft von der Heilswirksamkeit der sakra-
mentalen Zeichenworte und Zeichenhandlungen wird dann als Er-
mächtigung des Menschen mißverstanden, durch derartige Worte
und Handlungen nach eigenem Ermessen über göttliche Kräfte zur
Erreichung menschlicher Zwecke zu verfügen. Solche Zwecke kön-
nen in der Abwendung von Krankheit und Lebensgefahr bestehen,
aber auch darin, die Empfänger in Abhängigkeit vom Spender und
seiner Willkür zu halten. So haben im Spätmittelalter manche Predi-
ger von der »Macht« des Sakramentenspenders gesprochen, der Gott
durch das Konsekrationswort »zwingt«, auf dem Altar zu erscheinen,
oder durch das Absolutionswort nach eigenem Gutdünken darüber
entscheidet, wem Gott die Sünden vergibt und wer dem Gericht ver-
fallen bleibt. Dann verwandelt sich auf seiten des Empfängers das
Zutrauen in die göttliche Heilszusage in das Vertrauen in die
»Macht« des Magiers. Es waren erhebliche Anstrengungen der Theo-
logen erforderlich, ehe auf dem Konzil von Trient eine Sakramenten-
theologie in Geltung gesetzt werden konnte, die geeignet war, diese
Selbstgefährdung der Sakramentenfrömmigkeit auszuschließen.
Theologie ist die durch Argumente vollzogene Abwehr der-
artiger Gefahren, die bewirken könnten, daß der Glaube sich selbst
auf eine zerstörerische Weise mißversteht. Eine solche Theologie
»braucht« der Glaube. Aber der Theologe hat die Glaubensbotschaft
zu interpretieren, nicht eine »bessere« Botschaft neu zu erfinden.
Bleiben wir bei dem soeben erwähnten Beispiel, dann muß fest-
gestellt werden: Der Theologe kann die Zusage einer Heilswirksam-
keit der Sakramente nicht einfach fallenlassen, um ihrem magischen
Mißverständnis den Boden zu entziehen. Er kann diese Zusage auch
nicht darauf beschränken, daß die sakramentalen Worte und Riten
eine Wirkung im Bewußtsein des Empfängers erzielen, der verstan-
den hat, was sie bedeuten. Der Empfänger der Absolution hat nicht
nur das Bewußtsein, daß Gott ihm seine Sünden vergibt, sondern
empfängt diese Vergebung als ein reales Geschehen, auch dann, wenn
er nichts davon »spürt«. Der Empfänger der Eucharistie hat nicht nur
ein neues Bewußtsein von der Nähe Gottes, sondern diese Gottesnähe
ereignet sich an ihm, und das sogar dann, wenn sein Glaube ange-
fochten ist. Der Glaube »braucht« eine Theologie, die es möglich
macht, die reale Wirksamkeit der Sakramente zu deuten und sie zu-
gleich von der vermeintlichen Macht magischer Worte und Riten zu
unterscheiden.

106
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
B. Braucht die Theologie irgendeine Art von Transzendentalphilosophie?

Das Beispiel läßt eine allgemeine Regel erkennen: Der Theologe


legt auf den unterschiedlichsten Themenfeldern, nicht nur auf dem
der Sakramententheologie, die Glaubensbotschaft insofern kritisch
aus, als er deren mögliche Mißverständnisse korrigiert. Aber er tut
dies nicht dadurch, daß er diese Botschaft anhand irgendwelcher an
sie herangetragener Kriterien »richtigstellt«, sondern dadurch, daß er
das selbstkritische Potential freilegt und zur Geltung bringt, das in
der überlieferten Glaubensbotschaft impliziert ist. Eine in diesem
Sinne kritisch-hermeneutische Theologie »braucht« der Glaube.
Die Frage: »Welche Philosophie braucht die Theologie?« ist da-
her die Frage: Welche Philosophie ist geeignet, der Theologie Wege
zur Erfüllung ihrer hermeneutisch-kritischen Aufgabe zu weisen? In
diesem Zusammenhang kann auch gefragt werden: Gehört zu den
Philosophien, die zu einem solchen Dienst an der Theologie geeignet
sind, die Transzendentalphilosophie?
Und konkreter gefragt: Gibt es Formen der Transzendental-
philosophie, die den Theologen nicht nötigen, bestimmte Inhalte der
Glaubensbotschaft preiszugeben, sondern ihn befähigen, diese In-
halte so auszulegen, daß das in ihnen implizierte selbstkritische Mo-
ment zur Geltung kommt?

107
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
C. Die transzendentalphilosophische Frage
und die Vielfalt der Wege zu ihrer
Beantwortung

Die Transzendentalphilosophie fragt nach den Bedingungen, die es


möglich machen, daß unserem Anschauen und Denken Gegenstände
begegnen, an denen wir unsere subjektiven Ansichten und Absichten
kritisch überprüfen können. Diese Frage kann freilich auf vielfältige
Weise verstanden und beantwortet werden.

1. Die Transzendentalienlehre mittelalterlicher Aristoteliker

Die Transzendentalienlehre mittelalterlicher Aristoteliker, die Kant


die »Transzendentalphilosophie der Alten« genannt hat, 93 versuchte,
Aussagen zu gewinnen, die von jedem Seienden gelten, z. B. »Omne
ens est unum, verum, bonum«. Zugleich zeigte sie: Nur Gott ist das
uneingeschränkt Eine, Wahre und Gute. Das endliche Seiende ist nur
»per participationem« das, was die transzendentalen Prädikate be-
sagen. Und über Jahrhunderte hinweg waren und sind bis heute viele
Theologen überzeugt: Gerade dies ist diejenige Philosophie, die die
Theologie »braucht«. Denn diese Philosophie kann zeigen: Der Glau-
be ist nicht gezwungen, von Gott um seiner Transzendenz willen zu
schweigen; er muß auch nicht, um von Gott zu reden, Begriffe meta-
phorisch auf Gott »übertragen«, die in ihrem strengen Sinne auf in-
tramundane Wirklichkeiten zutreffen. Stattdessen kann der Theologe
von der philosophischen Onto-Theologie lernen, daß alle positiven
Prädikate, die wir von innerweltlichen Wesen gebrauchen, auf diese
nur analog, im Sinne einer Attributions-Analogie zutreffen, in ihrem
strengen Sinne aber Gottesprädikate sind. Wer mit diesen Prädikaten
von unserer Erfahrungswelt spricht, hat immer schon, meist, ohne es
zu bemerken, von Gott gesprochen, der etwas von seiner Einheit,
Wahrheit und Güte seinen Kreaturen »attribuiert«. Und wer als Ver-

93
Kritik der reinen Vernunft B 113 ff.

109
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Zweiter Teil: Transzendentalphilosophie und Theologie

künder des Glaubens von Gott spricht, hat immer schon, meist, ohne
es zu beachten, von der Bedingung gesprochen, die alle unsere Aus-
sagen über unsere Erfahrungswelt möglich macht.

2. Die Transzendentalphilosophie Kants

Im Unterschied zur »Transzendentalphilosophie der Alten« be-


schreibt die Transzendentalphilosophie Kants nicht die »passiones ge-
nerales entis«, sondern die im Subjekt selber liegenden Bedingungen
dafür, daß uns etwas als Gegenstand gegenübertritt. Nun findet Kant
diese Möglichkeitsbedingungen des Gegenstandsbezugs in den For-
men unseres Anschauens und Denkens. Unabhängig von Kant und
mit einer gewissen Vereinfachung kann man deshalb die Leitfrage
der so verstandenen Transzendentalphilosophie so formulieren: In
welchen Formen müssen wir unser Anschauen und Denken vollzie-
hen, wenn wir nicht in unseren subjektiven Ansichten und Absichten
befangen bleiben, sondern Gegenstände entdecken wollen? Diese
»Gegenstände« haben ihren Namen davon, daß sie uns so »entgegen
stehen«, daß wir unsere subjektiven Ansichten und Absichten an
ihnen selbstkritisch messen können. Nur wenn unsere theoretischen
und praktischen Urteile dieser kritischen Selbstprüfung standhalten,
können sie objektive Geltung beanspruchen. Die Frage nach den Be-
dingungen objektiver Geltung wird so zur Zentralfrage der kanti-
schen Transzendentalphilosophie.
Es ist deutlich, daß die Theologie eine so verstandene Transzen-
dentalphilosophie »braucht«. Denn angesichts der verbreiteten Mei-
nung, der Glaube sei etwas rein Subjektives, »braucht« der Theologe
Kriterien dafür, auf welche Weise objektiv gültige Aussagen, auch auf
dem Gebiet von Religion und Glaube, möglich sind. Er braucht, mit
anderen Worten, eine Transzendentalphilosophie.
Näherhin »braucht« der Glaube eine Theologie, die ihm zeigt,
wie er ein zweifaches Selbst-Mißverständnis vermeiden kann: die
Meinung, der Glaube sei eine Art von »höherem Wissen«, das
»himmlische Dinge« so erkennt, wie die »natürliche Vernunft« die
irdischen Dinge erfaßt, und die entgegengesetzte Meinung, er sei eine
bloß subjektive Überzeugung, die gegenüber den Anhängern anderer
Überzeugungen keine objektive Geltung beanspruchen kann. Eine
Theologie aber, die den Glauben dazu anleiten will, diese Doppel-
gefahr zu vermeiden, »braucht« eine Philosophie, die gerade an den

110
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
C. Die transzendentalphilosophische Frage

Grenzen des Wissens eine neue Weise objektiver Gültigkeit entdeckt


und so die spezifische Art von objektiver Geltung beschreibt, die ge-
rade religiösen Aussagen zukommt.
Das gilt von Kants Postulatenlehre in ausgezeichnetem Maße.
Die Postulate der Vernunft vermehren nicht unser Wissen von Ge-
genständen, aber sie benennen den Grund einer in transzendentaler
Hinsicht notwendigen Hoffnung: der Hoffnung, daß wir auch ange-
sichts unvermeidlicher Widersprüche, in die die Vernunft sich ver-
wickelt, an der objektiven Geltung unserer Erfahrungen festhalten
können. Unvermeidliche Widersprüche sind ein Anzeichen dafür,
daß wir uns an den Grenzen gegenstandsbezogenen Wissens be-
wegen. Philosophische Postulate zeigen uns, wie wir gerade an dieser
Grenze über die Bedingungen reden können, die, ohne selber Gegen-
stände des Wissens zu sein, alles objektiv gültige Wissen möglich
machen. Insofern ist die kantische Postulatenlehre diejenige Philoso-
phie, die die Theologie »braucht«, wenn sie auf die objektive Geltung
von Glaubens-Aussagen nicht verzichten will, die an den Grenzen des
Wissens ausgesprochen werden und doch alles bloß subjektive Mei-
nen hinter sich lassen. Das hindert nicht, daß es Gründe gibt, die uns
nötigen, über diese kantische Gestalt der Transzendentalphilosophie
hinauszugehen.

3. Zweifel daran, daß die Theologie die kantische Gestalt


der Transzendentalphilosophie »braucht«

Es gibt vor allem zwei Bedenken gegen den Versuch, gerade der kan-
tischen Philosophie Kriterien entnehmen zu wollen, an denen die ob-
jektive Geltung von Glaubensaussagen erkannt werden kann. Denn
erstens hat Kant von der Philosophie gefordert, »den stolzen Namen
einer Ontologie abzulegen und den bescheidenen einer Analytik des
Verstandes anzunehmen«. 94 Vertreter der klassischen Onto-Theo-
logie kommen daher zu dem Urteil, Kant habe »dem Menschen den
Weg zu Gott von seiten des Verstandes verschlossen«. 95 Zweitens
aber scheint weder für die klassische Ontologie noch für die kantisch
verstandene Transzendentalphilosophie die Geschichte eine wesent-
liche Rolle zu spielen. Dann aber scheint eine solche Philosophie nicht

94 Kritik der reinen Vernunft A 247.


95
Enzyklika Pascendi Dominici gregis, 636 f.

111
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Zweiter Teil: Transzendentalphilosophie und Theologie

geeignet zu sein, der Theologie Möglichkeiten zur Auslegung der bi-


blischen Glaubensbotschaft aufzuschließen. Denn für diese ist gerade
der Bezug zur Geschichte wesentlich.
Vergleicht man diese Bedenken vieler Theologen mit Kants
Selbstaussagen, dann macht man zwei zunächst überraschende Ent-
deckungen:

1) Kant hatte keineswegs die Absicht, dem Verstand jeden Weg zu


Gott zu versperren, sondern entwickelte, in Gestalt seiner Postulaten-
lehre, eine eigene transzendentalphilosophische Weise, von Gott zu
sprechen. Und er kam schließlich zu der Überzeugung: Diese »tran-
szendentale Theologie ist der höchste Standpunkt der Transzenden-
talphilosophie«, 96 d. h. der Ort, von dem aus sich das gesamte The-
menfeld der Transzendentalphilosophie als eine Einheit überblicken
läßt.
Die Mehrheit der theologischen Leser ist freilich Kant auf die-
sem Wege einer transzendentalen Theologie nicht gefolgt. Stattdes-
sen haben Joseph Maréchal, Karl Rahner und ihre Schüler den Ver-
such unternommen, von der transzendentalen Analytik her die
klassische Ontologie und Onto-Theologie wiederzugewinnen. Den
Ansatz dazu bot eine Bedeutungs-Analyse der Copula »ist«, die für
die logische Funktion des Urteils unentbehrlich ist. Sie bezeichne, so
sagte man nun, das Sein jedes Seienden als endliche Realisierung des
unendlichen Seins. Diese Analyse des Urteils und seiner Copula »ist«
hat Johann Baptist Lotz auf die Formel gebracht: »In omni iudicio ens
transcendens co-praedicatur«. An Rahners Grundkurs des Glaubens
läßt sich besonders deutlich ablesen, wie fruchtbar dieser Ansatz für
die Theologie sein kann, vor allem für die Christologie, die Erlösungs-
lehre (Soteriologie) und die Lehre vom Menschen als »Hörer des
Wortes«. Freilich verstärkt diese Lösung den zweiten Einwand der
Kant-Kritiker: Seine Transzendentalphilosophie versperre den Zu-
gang zum Verständnis der Geschichte. Dieser Einwand trifft freilich
nicht nur die von Maréchal und Rahner vorgeschlagene Form der
transzendentalen Theologie, sondern vor allem die klassische Onto-
logie, um deren Wiederherstellung in Durchgang durch Kants Kritik
die genannten Theologen sich bemühten.

96
Opus postumum, 7. Konvolut, Blatt 5.

112
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
C. Die transzendentalphilosophische Frage

2) Kant wollte keineswegs das philosophische Denken in eine Ent-


fremdung gegenüber der Geschichte geraten lassen, sondern die Ver-
nunft als wesentlich geschichtlich begreifen. Darum heißt das letzte
Kapitel der Kritik der reinen Vernunft »Die Geschichte der reinen
Vernunft«. Kant war sich freilich dessen bewußt, daß er diese Auf-
gabe noch nicht erfüllt hatte. Darum folgt auf diese Kapitelüberschrift
die Bemerkung: »Dieser Titel steht nur hier, um eine Stelle zu be-
zeichnen, die im System übrigbleibt und künftig ausgefüllt werden
muß«. 97 Dadurch läßt Kant erkennen, daß er überzeugt ist, dieses
»System« sei einer Weiterentwicklung bedürftig, aber auch fähig.

4. Gestalten einer Weiterentwicklung der Transzendental-


philosophie: die transzendentale Phänomenologie und
ihre »linguistische Wendung«

Als eine solche über Kant hinaus weiterentwickelte Form der Tran-
szendentalphilosophie muß Husserls Phänomenologie verstanden
werden. An dieser Stelle kommt es nur darauf an, in Erinnerung zu
behalten, daß Husserl seine Phänomenologie als eine Frucht transzen-
dentalen Denkens versteht. »Ohne die Eigenart transzendentaler Ein-
stellung aufgefaßt […] zu haben, mag man zwar das Wort Phäno-
menologie gebrauchen, die Sache hat man nicht«. 98
Für das »Grundgesetz« seiner Phänomenologie hat Husserl
mehrere Formulierungen angeboten. Eine davon lautet: »Jeder Re-
gion und Kategorie prätendierter Gegenstände entspricht phäno-
menologisch […] eine Grundart von originär gebendem Bewußt-
sein«. 99 Die transzendentale Frage »Wie muß ich anschauen und
denken, wenn mir Gegenstände gegenübertreten sollen?« nimmt in
der Phänomenologie folgende Form an: Auf welche spezifische Art
muß ich anschauen und denken, wenn ich hoffen will, daß mir da-
durch ein originärer Zugang zu einer bestimmten Art von Gegen-
ständen aufgeschlossen wird?
»Braucht« die Theologie eine so verstandene Transzendentalphi-
losophie? Das scheint immer dann der Fall zu sein, wenn die Glau-
benden einem »Monopol-Anspruch« der empirischen Wissenschaft

97
Kritik der reinen Vernunft A 852.
98 E. Husserl, Ideen I, 200.
99
Ideen I, 321.

113
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Zweiter Teil: Transzendentalphilosophie und Theologie

begegnen, sie allein könne zu objektiv gültigen Aussagen führen.


Durch diesen Monopol-Anspruch der Wissenschaft nämlich werden
die Verkünder des Glaubens vor folgende vermeintliche Alternative
gestellt: Sie müssen entweder ihre Aussagen (z. B. die Aussagesätze
einer hymnischen Doxologie) in solche Aussagen übersetzen, die mit
Mitteln der empirischen Wissenschaft überprüfbar sind, oder sie
müssen ihre Glaubens-Aussagen den Hörern als bloßen Ausdruck
subjektiver Gefühle anbieten und sie fragen, ob sie darin ihre eigenen
Gefühle wiedererkennen.
Beide Versuche, die Glaubensbotschaft zu verstehen, würden je-
doch den Inhalt der Botschaft (fides quae creditur) verfehlen und in
Folge davon zugleich dem Akt des Glaubens (fides qua creditur) sei-
nen Bezug zu seiner spezifischen »Region« von Gegenständen rau-
ben, d. h. seinen Bezug zu den Selbst-Manifestationen des Heiligen.
Angesichts dieser Gefahr »braucht« der Glaube eine Theologie, die
den Glaubenden Wege zeigt, um diese beiden Weisen der Selbst-
zerstörung des Glaubens zu vermeiden. Und dazu »braucht« die
Theologie eine Philosophie, die ihr die Eigengesetzlichkeit »spezifisch
verschiedener« Noesen und die Eigenart der ihnen zugeordneten
Noemata deutlich macht: konkret die Eigengesetzlichkeit der religiö-
sen Noesis und die Eigenart der »Region und Kategorie« des Heiligen,
das sich nur dem religiösen Akt »originär erschließt«.
Daran schließt sich die Frage an, auf welche Weise der Philosoph
– und mit seiner Hilfe der Theologe – die Eigenart der religiösen
Noesen bestimmen kann (z. B. um Heideggers Frage zu beantworten:
»Von welcher Art ist das Denken, mit dem der Glaube denkt?«). Fragt
man so, dann wird man auf die Sprache der Religion bzw. des Glau-
bens verwiesen. Die Eigenart der religiösen Sprache mit ihrer beson-
deren Pragmatik, Grammatik und Semantik ist teils Ausdruck der
religiösen Noesis, teils der Schule, in der die Mitglieder der religiösen
Sprachgemeinschaft den Vollzug dieser Noesis lernen und einüben.
Das aber bedeutet: Ohne Analyse der religiösen Sprache ist das Pro-
gramm einer Phänomenologie der Religion nicht einlösbar.
Wenn also die Theologie zur Erfüllung ihrer Aufgabe eine tran-
szendentale Phänomenologie »braucht«, dann »braucht« sie auch de-
ren »linguistische Wendung«. Und sie braucht dabei näherhin eine
linguistische Wendung solcher Art, daß dabei der transzendentale
Charakter der Phänomenologie nicht verlorengeht. Denn wenn die
Phänomenologie diesen transzendentalen Charakter verlöre, würde
sie zugleich aufhören, für die Theologie »brauchbar« zu sein.

114
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
C. Die transzendentalphilosophische Frage

Ein Beispiel einer linguistischen Wendung, die den Boden der


Transzendentalphilosophie nicht verläßt, bietet, schon 100 Jahre vor
Husserl, Herders Metakritik der Kritik der reinen Vernunft und die
sich an Herder anschließende Sprachphilosophie in Deutschland, zu
deren wichtigsten Repräsentanten Wilhelm von Humboldt und Ernst
Cassirer gehören. Diese Art von Sprachphilosophie läßt sich auch da-
zu heranziehen, die phänomenologische Frage nach der Eigenart un-
terschiedlicher Noesen und ihrer Korrelation zu ebenso unterschied-
lichen Noemata zu beantworten, und zwar auf eine empirisch, durch
Bezugnahme auf die Befunde einer historischen Linguistik, belegbare
Weise.

115
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
D. Vorschlag einer neuen Gestalt der
Transzendentalphilosophie als Angebot an
die Theologie – Bausteine zu einem
Programm

1) Es führt kein Weg an Kant vorbei. Denn seine Einsicht, daß alles
Anschauen und Begreifen ein aktives Gestalten der Gegenstände ein-
schließt, kann nicht rückgängig gemacht werden.

2) Es führt kein Weg zu Kant zurück. Denn auch die post-kantische


Entdeckung, daß die Formen unseres Anschauens und Denkens histo-
risch variabel sind, kann nicht mehr rückgängig gemacht werden. Am
deutlichsten wird dies an der Veränderung der Raum-Anschauung
und der Kausal-Kategorie in der Naturwissenschaft der beginnenden
Neuzeit.

3) Die Transzendentalphilosophie ist über Kant hinaus weiterzuent-


wickeln, und zwar so, daß sie die alte Frage nach den Bedingungen
objektiver Gültigkeit mit einem neu geschärften Bewußtsein von der
Verschiedenheit der Erfahrungsarten und vom Unterschied ihrer hi-
storischen Bedingungen verbindet.

4) Das setzt voraus, daß das Verhältnis des Subjekts zu seinen Gegen-
ständen nicht einseitig als Gesetzgebung, sondern wechselseitig als
Dialog gedacht wird. Unser Anschauen und Denken antwortet auf
einen Anspruch des Wirklichen, indem es ihm Kontexte bereitstellt,
innerhalb derer der zunächst unbestimmte Impuls dieses Anspruchs
inhaltlich näher bestimmt werden kann. Der Gegenstand seinerseits
antwortet auf diesen unseren Versuch, seinen Anspruch zur Sprache
zu bringen, indem er sich immer wieder aus den von uns vorgezeich-
neten Kontexten befreit und so unserem Anschauen und Denken in
widerständigem Eigenstand gegenübertritt. So zeigt er an, daß er
zwar von uns angeschaut und gedacht sein »will«, aber sich nicht
darin erschöpft, der von uns angeschaute und gedachte zu sein. Aus
dem geordneten Gefüge dessen, was wir anschauen und denken,
taucht der Gegenstand immer wieder in jener »Dichte und Fremd-

117
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Zweiter Teil: Transzendentalphilosophie und Theologie

artigkeit« auf, durch die er anzeigt: Sein Anspruch ist »immer grö-
ßer« als unsere Antwort, obgleich er immer nur in dieser unserer
Antwort zur Sprache kommen kann: als das in unserer Antwort wirk-
same geschichtlich vorantreibende Moment.

5) Der so verstandene Dialog des Subjekts mit seinen Objekten ist die
Bedingung dafür, daß verschiedene Subjekte untereinander einen
Dialog über die gleiche Sache führen können. Über eine Sache spre-
chen heißt: den Anspruch der Sache an neue Hörer weitergeben,
damit diese ihn auf neue Weise beantworten können. Was wir am
Dialog unter Menschen als geschichtlich vorantreibendes Wechsel-
verhältnis von Sprache und Rede (langue et parole) beobachten, ist
der empirisch erfaßbare Niederschlag des transzendentalen Verhält-
nisses zwischen dem Anspruch der Sache und der Sprache, zu der wir
ihn bringen, damit er in dieser Sprache vernehmbar gemacht werden
kann. Unter dem je größeren Anspruch der Sache wird aber die
Sprache, in der wir diesen Anspruch beantworten, immer wieder zur
Umgestaltung genötigt.

6) Auch eine so verstandene post-kantische Philosophie muß an der


Unterscheidung zwischen subjektivem Erleben und objektiv gültiger
Erfahrung festhalten. Aber das Kriterium objektiver Geltung liegt
nicht im vermeintlichen Vorrang einer einzelnen Erfahrungsart (der
wissenschaftlichen Empirie) vor allen anderen, auch nicht in der
vermeintlichen Unbetroffenheit unserer Anschauungs- und Denk-
formen von allem historischen Wandel, sondern in einer zweifachen
hermeneutischen Wechselbeziehung.
Jede Erfahrung legt jede andere aus und wird durch sie ausgelegt,
auch wenn diese Erfahrungen in unterschiedlich strukturierten Kon-
texten und unter unterschiedlichen historischen Bedingungen ge-
macht worden sind.
Keine Gegenwart versteht sich selbst, wenn sie sich dem Gel-
tungsanspruch derjenigen Erfahrungen entzieht, die in anderen Kon-
texten bzw. unter den Bedingungen einer historisch früheren Zeit
gemacht worden sind. Eine Erfahrung auslegen bedeutet deswegen
stets: ihr einen Ort in der Geschichte zuweisen, sowohl in der indivi-
duellen Lebensgeschichte des Erfahrenden als auch in der gemein-
samen Geschichte derer, denen diese Erfahrung bezeugt wird, damit
sie sich durch ihn zu neuen Weisen der Antwort herausfordern
lassen.

118
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
D. Vorschlag einer neuen Gestalt der Transzendentalphilosophie

7) Aber die verschiedenen Arten der Erfahrung sind untereinander in


solchem Maße strukturverschieden, daß sie sich nicht in ein umfas-
sendes System bringen lassen. Ihre gegenseitige Auslegung ist nur
unter folgender Voraussetzung möglich: Die Ansprüche, die das
Wirkliche in jedem einzelnen Kontext und unter den Bedingungen
jeder einzelnen historischen Situation an uns richtet, können und
müssen als Erscheinungsgestalten eines göttlichen Auftrags (manda-
tum) ausgelegt werden und legen ihrerseits den Begriff »göttlicher
Auftrag« aus. Weil sie bloße Erscheinungsgestalten dieses göttlichen
Auftrags sind, müssen sie ausgelegt werden, wenn ihr objektiver Be-
deutungsgehalt hervortreten soll. Weil sie wirkliche Erscheinungs-
gestalten dieses göttlichen Anspruchs sind, können sie sich gegen-
seitig auslegen und darin ihre objektive Geltung erweisen. Und in
diesem wechselseitigen Verhältnis der Auslegung schließen sich die
unterschiedlichen Weisen, wie wir diesen Anspruch vernehmen und
beantworten, zur Einheit einer Geschichte zusammen.
Daraus ist die Folgerung zu ziehen: Keine Erfahrung versteht
sich selbst, wenn sie die Geltung ihres Anspruchs nicht als bloße Er-
scheinung und zugleich als wirkliche Erscheinung eines verpflichten-
den Auftrags (mandatum) Gottes versteht.

8) Ein solches Verständnis objektiver Geltung erweist sich zugleich


als geeignet, den spezifischen Geltungsanspruch der biblischen Ver-
kündigung auszulegen. Denn diese ist nach Form und Inhalt radikal
historisch, aber keineswegs relativ. Das deutlichste Beispiel dafür ist
die unverminderte Geltung der alttestamentlichen Verkündigung
auch nach dem radikalen Wandel der Heils-Ereignisse, der vom Hörer
verlangt, sich »zur Neuheit des Denkens umgestalten zu lassen«
(Röm 12,2).

9) Eine in diesem Sinne weiterentwickelte Transzendentalphilosophie


ist das geeignete Mittel, um den weithin abgebrochenen Dialog zwi-
schen Theologie und neuzeitlicher Philosophie neu in Gang zu
bringen.

119
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Anhänge

https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Markus Enders

Ein Nachwort zur


»Transzendentalen Theologie« und
ein Nachruf auf das wissenschaftliche
Lebenswerk Richard Schaefflers (1926–2019)

I. Ein Nachwort zu Richard Schaefflers


»Transzendentaler Theologie«

Dieses letzte, posthum publizierte Buch Richard Schaefflers hat den


Entwurf einer transzendentalen Theologie zum Gegenstand und ist
mit dem Untertitel »Gott als Möglichkeitsgrund der Erfahrung« ver-
sehen. Dieser Untertitel stellt gleichsam die Programmformel für
jene Gestalt transzendentaler Theologie dar, die Schaeffler in diesem
Buch entwirft. Inhaltlich setzt sich dieses Büchlein aus den beiden
folgenden Teilen zusammen: Im ersten Teil geht es um »Zukunfts-
möglichkeiten« der Begegnung zwischen transzendentaler Reflexion
und christlicher Theologie; im zweiten Teil entwirft Richard Schaeff-
ler seine Verhältnisbestimmung zwischen Transzendentalphilosophie
und (christlicher) Theologie in insgesamt vier Abschnitten.

Erster Teil: »Transzendentale Reflexion und Theologie –


Zukunftsmöglichkeiten ihrer Begegnung«

Der erste Teil ist seinerseits in vier Abschnitte unterteilt: Nach


Schaefflers »Vorbemerkungen zum Thema« enthält der erste Ab-
schnitt (A) Überlegungen »zur philosophiegeschichtlichen und theo-
logiegeschichtlichen Ausgangslage«; der zweite Abschnitt (B) erörtert
Gründe gegen eine Verbindung zwischen transzendentalphilo-
sophischer Methode und christlicher Theologie. Der dritte Ab-
schnitt (C) skizziert den Herausforderungscharakter der transzen-
dentalen Kritik für die Theologie und der vierte und letzte Ab-
schnitt (D) stellt die »Aufgaben und erreichten Ergebnisse« dar.

123
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Anhänge

1. Vorbemerkungen zum ersten Teil und Überlegungen »zur


philosophiegeschichtlichen und theologiegeschichtlichen
Ausgangslage«
Beginnen wir unsere rekonstruktive und zugleich interpretatorische
Relecture dieses Büchleins mit den Vorbemerkungen zu seinem ers-
ten Teil: Schaeffler wählt naheliegender- und verständlicherweise die
bislang bedeutendste Gestalt einer transzendentalen Theologie, dieje-
nige von Karl Rahner, als Ausgangspunkt für seine Überlegungen.
Diese begreift er als eine Antwort auf die Aufgabe, »dem christlichen
Glauben nach dem vermeintlichen oder wirklichen ›Ende der Meta-
physik‹ eine neue rationale Grundlage zu geben. Und es ging darum,
einer säkularisierten Welt verständlich zu machen, wovon die Rede
ist, wenn von Gott gesprochen wird« (S. 13 f.). Mit dieser theologi-
schen Aufgabe sei aber zugleich die philosophische Aufgabe einer
Weiterentwicklung der Transzendentalphilosophie Kants zu einem
geschichtlichen Verständnis der menschlichen Vernunft verbunden
gewesen (vgl. S. 14). Die philosophie- und theologiegeschichtliche
Ausgangslage nach Kants »Ontologiekritik« an der klassischen Meta-
physik, die wirkungsgeschichtlich als »Zertrümmerung« jeglicher
Metaphysik verstanden worden sei (vgl. S. 16), beschreibt Schaeffler
wie folgt: Kants Kritik habe wirkungsgeschichtlich gesehen zu einer
radikalen Metaphysikkritik geführt, nach der alle metaphysischen
Fragen ohne Sachbezug und Bedeutungsgehalt seien. Dies habe wie-
derum eine radikale, psychologistische Religionskritik nach sich ge-
zogen. Dieser zufolge seien religiöse Überzeugungen nur Ausdrucks-
formen von Gefühlen, die am Kriterium ihres Nutzens für das Leben
beurteilt werden (vgl. ebd.). Diese auch heute noch aktuelle psycho-
logistische Deutung von Religion sei mit einer sozialdarwinistischen
Auslegung der Religionsgeschichte einhergegangen: Religiöse Bilder
würden nur dann von den jeweils nachfolgenden Generationen rezi-
piert, wenn sie sich für diese als lebensfördernd erweisen (vgl. ebd.).
Die katholische Kirche habe auf diese Entwicklung mit ihrem sog.
Anti-Modernismus-Kampf geantwortet und die für die radikale Me-
taphysik-Kritik und deren religionskritische Konsequenz verant-
wortlich gemachte Philosophie Kants als irreführend angeprangert
(vgl. S. 18). Dieser geistesgeschichtliche Hintergrund sei die Geburts-
stunde der Transzendentalen Theologie durch den Transzendental-
philosophen und Theoretiker der mystischen Theologie, den belgi-
schen Jesuiten Joseph Maréchal (1878–1944), der im Ausgang von

124
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Ein Nachwort und ein Nachruf

den Prämissen der kantischen Kritik zu der folgenden argumentati-


ven Neubegründung des christlichen Glaubens und seines Anspruchs
auf objektive Geltung gelangt sei: Das einen Gegenstand als ein be-
stimmtes Seiendes bestimmende Urteil beanspruche objektive Gel-
tung; diese Bestimmung setze die Beziehung des Urteilenden auf ein
unbestimmtes, absolutes Sein immer schon voraus. In jedem erkann-
ten Gegenstand werde daher implizit zugleich Gott erkannt (vgl.
S. 19). In der Differenz zwischen Maréchals transzendentalphiloso-
phischer Gotteslehre und Karl Rahners Transzendentaler Theologie
spiegelt sich nach Schaeffler eine Änderung der theologiegeschicht-
lichen Ausgangslage vom Anfang bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts
hin: Die Religionskritik verändere sich von der Wahrheitsbestreitung
religiöser Aussagen hin zur Behauptung ihrer Sinn- bzw. Bedeu-
tungslosigkeit. Die Kritik der Religion sei daher zur Kritik der reli-
giösen Sprache, zur sprachanalytischen Religionskritik geworden
(vgl. S. 20 f.). Gegen diesen Sinnlosigkeitsverdacht gegenüber religiö-
sen Aussagen habe Karl Rahner unter Bezug auf Maréchals transzen-
dentalphilosophische Gotteslehre gleichsam einen Gegenangriff ge-
startet: Der Gottesbezug als Bezug auf das absolute Sein sei für jede
Aussage konstitutiv. Deshalb habe es der Mensch immer schon mit
Gott zu tun. Dieser Gottesbezug sei aber zunächst nur der Bezug des
erkennenden Geistes in Welt auf eine regulative Idee; Erfüllung finde
er erst durch die christliche Lehre von der Menschwerdung Gottes,
sodass die Christologie die supereminente und ungeschuldete Voll-
endung der transzendentalen Anthropologie sei (vgl. S. 22 f.).
Nach dem »vermeintlich oder wirklich geschehenen Wegfall me-
taphysischer Begründungsmöglichkeiten« (S. 23) erscheint nach
Schaeffler die psychologistische Religionsdeutung zunächst als die
einzig mögliche (vgl. ebd.). Um diesen Anschein zu widerlegen, sei
»Maréchals Versuch, von Kants Prämissen aus gegen Kants Ergeb-
nisse und vor allem gegen deren wirkungsgeschichtliche Folgen zu
argumentieren, das Gebot der Stunde« (ebd.). Ob allerdings Karl
Rahners Versuch, den Sinnlosigkeitsverdacht gegen Religion an die
Gottesleugner zurückzugeben, »die angemessene Weise der Apologe-
tik« (ebd.) des christlichen Glaubens sei (vgl. ebd.), und ob auf diesem
Wege die positivistische These der neueren Religionskritik, Religion
sei ohne Sachbezug und Bedeutungsgehalt, wirklich zurückgewiesen
werden könne, wie Schaeffler annimmt (vgl. ebd.), wage ich zu be-
zweifeln.

125
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Anhänge

2. Gründe gegen eine Verbindung zwischen transzendental-


philosophischer Methode und christlicher Theologie
Im zweiten Abschnitt (B) dieses ersten Teils seiner »Transzendentalen
Theologie« erörtert Schaeffler Gründe gegen eine Verbindung zwi-
schen transzendentalphilosophischer Methode und christlicher Theo-
logie, und zwar zunächst im ersten Kapitel die philosophischen Ge-
gengründe. Für »zu transzendental« halten die Transzendentale
Theologie vor allem jene Philosophen, »die an einem ›philosophi-
schen Realismus‹ interessiert sind und daher das ›idealistische‹
Moment der Transzendentalphilosophie ablehnen« (S. 25). Denn es
gehöre ja zur Grundüberzeugung der Transzendentalphilosophie,
dass die Gegenstände unserer Erkenntnis überhaupt erst aus der Tä-
tigkeit unseres Anschauens und Denkens hervorgehen, sodass wir es
immer nur mit »Erscheinungen« und nicht der Wirklichkeit an sich
zu tun haben. Dieses Ansichsein des Sachverhalts bleibe ein Moment
seines »Fürunsseins«. Daher sei für die Transzendentalphilosophie
ein »Subjektivismus« unvermeidlich (vgl. S. 25 f.). Deshalb sei die
Kritik der philosophischen Realisten an der Transzendentalen Theo-
logie zu verstehen: Diese habe sich zu sehr auf die kantische Lehre
von der Gegenstandskonstitution des erkennenden Subjekts eingelas-
sen (vgl. S. 27). Daher sähen »Philosophen, die an einer philosophi-
schen Gotteslehre interessiert sind, […] in diesem Grundgedanken
der Transzendentalphilosophie den Versuch, das menschliche Sub-
jekt, weil es als ›gegenstands-konstituierend‹ gedacht wird, an die
Stelle des Schöpfergottes zu setzen« (S. 26). Diese meist aus der Tra-
dition der aristotelisch-thomistischen Scholastik stammenden Kriti-
ker der Transzendentalphilosophie seien in ihrer Kritik an der Trans-
zendentalphilosophie in jüngerer Zeit von Philosophen (Schaeffler
nennt hierfür beispielhaft Emmanuel Lévinas) aus anderen philo-
sophischen Überlieferungen – insbesondere der französischen Phäno-
menologie, wie wir ergänzen können – unterstützt worden, die der
Transzendentalphilosophie die Erkenntnishaltung des neuzeitlichen
Herrschaftswissens unterstellen, »das die gesamte Gegenstandswelt
der Gesetzgebung des Subjekts unterwirft« (S. 27).
Eine hierzu entgegengesetzte Kritik werfe der Transzendentalen
Theologie vor, »sie habe am transzendentalen Ansatz nicht kon-
sequent genug festgehalten« (ebd.), indem sie sich zwar wesentliche
Teile der kantischen »Transzendentalen Analytik«, vor allem die
Lehre von der Bedeutung des Urteils für die Gegenstandskonstitu-

126
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Ein Nachwort und ein Nachruf

tion, zu eigen gemacht habe, aber Kants »Transzendentale Dialektik«


kaum beachtet habe (vgl. ebd.). Dadurch sei Kants Lehre von dem rein
regulativen Gebrauch der Ideen, insbesondere der Gottesidee, igno-
riert worden, nach der »die Vernunft sich in Widersprüche ver-
wickelt, wenn sie diese Ideen mit Begriffen von vermeintlichen
›höchsten Gegenständen‹ verwechselt« (ebd.). Deshalb dürfe der für
die Gegenstandskonstitution transzendental notwendige »Vorgriff
auf das absolute Sein« (Karl Rahner) »nicht mit der ontologischen
Notwendigkeit der Existenz eines Gegenstands verwechselt werden«
(S. 28). Denn »der scholastische Grundsatz: ›Nur eine Tendenz, die
sich auf Wirkliches richtet, ist eine wirkliche Tendenz‹ (oder seine
negative Fassung ›Tendentia in nihilum est nihilum tendentiae‹) setzt
jenen ›metaphysischen Realismus‹ schon voraus, den er erst begrün-
den will« (ebd.). Man könne daher nicht die Lehre von der transzen-
dentalen Gegenstandskonstitution übernehmen und die Lehre von
der rein regulativen Kraft der Ideen aussparen, weil die Selbstgesetz-
gebung der Vernunft bei der Bestimmung ihrer Ziele die Bedingung
ihrer Selbstbestimmung beim Aufbau ihrer Gegenstandswelt sei (vgl.
ebd.).
Daher könne, zusammenfassend betrachtet, die philosophische
Kritik an der Transzendentalen Theologie auf die folgende Kurzfor-
mel gebracht werden: »Den einen Kritikern geht diese Theologie in
der Anerkennung der Vernunftautonomie zu weit, den anderen er-
scheint diese Anerkennung der Vernunftautonomie halbherzig, so-
dass sie am entscheidenden Punkt vor ihren Konsequenzen zurück-
scheut« (ebd.).
Nach den philosophischen Gründen gegen eine Verbindung zwi-
schen transzendentalphilosophischer Methode und christlicher Theo-
logie erörtert Schaeffler im zweiten Kapitel theologische Gegen-
gründe: Zuerst werde von theologischer Seite der Vorwurf der
Geschichtslosigkeit und damit ihrer fehlenden Eignung zur Aus-
legung der wesentlich geschichtlichen biblischen Botschaft gegen die
transzendentale Theologie erhoben (vgl. S. 29). Dieser Vorwurf richte
sich vor allem gegen Karl Rahners Transzendentale Theologie, in der
die Menschheitsgeschichte zu dem einen Augenblick des Christus-
ereignisses zusammenschrumpfe und die Geschichtsverkündigung
des Alten Testaments keine angemessene Berücksichtigung finde
(vgl. S. 30). Denn in Rahners Theologie werde in der Geschichte Got-
tes mit dem Menschen nur die eine Alternative zwischen der unend-
lichen Ferne Gottes und seines Gerichts und der radikalen Selbstmit-

127
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Anhänge

teilung bzw. unüberbietbaren Nähe Gottes in seiner Menschwerdung


zugunsten letzterer entschieden. Rahner hätte sich allerdings höchst
wahrscheinlich gegen diese Alternative als ein geeignetes Interpreta-
ment seiner Theologie verwahrt. Ein zweiter Vorwurf gegenüber der
Transzendentalen Theologie sei der ihrer Praxisferne bzw. Praxis-
Neutralität: Die Transzendentale Theologie beziehe gemäß diesem
Vorwurf, den vor allem Johann Baptist Metz gegen Rahners Trans-
zendentale Theologie gerichtet hat, eine Position »jenseits aller Alter-
nativen der Praxis, weil sie die Bedingungen benennt, von denen jeder
Bezug zur Erfahrungswirklichkeit und damit jegliche Praxis abhängt,
die heilvolle wie die unheilvolle in gleicher Weise. Wenn aber die
Gottesbeziehung des Menschen diese Bedingung seiner Freiheit ist,
dann wird sie in jedem Akt dieser Freiheit vollzogen und bleibt von
den Alternativen der Heils- und Unheilspraxis unbetroffen« (S. 31).
Zwar könne erst im Lichte des im Wesen des Menschen gegebenen
Gottesbezugs »die Gottwidrigkeit einer verfehlten Praxis als solche
erkannt und beurteilt werden« (ebd.). Davon bleibe aber unberührt,
dass dieses unterscheidende Urteil nur auf Grund der unverlierbaren
menschlichen Gottesbeziehung möglich werde (vgl. ebd.). »Und es
bleibt zu fragen, ob damit die Radikalität der ›Aversio a Deo‹ und
ihrer Folgen angemessen bestimmt werden kann« (ebd.).
Im dritten Kapitel resümiert Schaeffler den erreichten Problem-
stand: Entweder ignoriere die christliche Theologie die transzenden-
tale Kritik oder nicht; wenn nicht, wie könne sie dann verhindern,
dass der Glaube zu einem subjektiven Gefühl oder einer bloßen, ent-
behrlichen Metapher für die Entschiedenheit des sittlichen Engage-
ments werde; über dieses Dilemma wolle die transzendentale Theo-
logie hinausführen (vgl. S. 32). Seinen eigenen Lösungsvorschlag für
dieses Dilemma bereitet Schaeffler mit der These vor, dass sich die
Transzendentale Theologie der Herausforderung durch die Transzen-
dentalphilosophie noch nicht hinlänglich angenommen habe (vgl.
ebd.).

3. »Die transzendentale Kritik als Herausforderung


an die Theologie«
Diese Herausforderung der transzendentalen Kritik an die Theologie
skizziert Schaeffler im dritten Abschnitt (C) dieses ersten Teils seiner
»Transzendentalen Theologie« in Gestalt von fünf Thesen, welche die
transzendentale Reflexion charakterisieren sollen.

128
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Ein Nachwort und ein Nachruf

Die erste These lautet: »Es gibt kein rein passives Hinnehmen,
sondern stets nur ›verarbeitete Information‹« (S. 35). Dies bedeute,
dass die Gegenstände unseres Anschauens, Begreifens und Wahrneh-
mens »schon das Produkt unserer gestaltenden Tätigkeit« (S. 36) sei-
en; zu ergänzen wäre hier allerdings, dass die Gegenstände unseres
Anschauens, Begreifens und Wahrnehmens das Produkt unserer ge-
staltenden Tätigkeit und der Einwirkung dieser Gegenstände auf un-
sere Anschauung und unser Begreifen seien. Unter dieser Vorausset-
zung aber stellt sich die Frage: Wie können aus der Eigentätigkeit
unseres Anschauens und Denkens nicht nur subjektive Vorstellungen
von Gegenständen, sondern auch die Gegenstände selbst hervor-
gehen, »die uns mit Maßgeblichkeit gegenübertreten und den Maß-
stab bilden, an dem wahre von falschen Urteilen unterschieden wer-
den können« (ebd.)? Schaeffler konzediert, dass Kant für diese Frage
keine befriedigende Antwort bereithält, wenn er sagt, dass »die voll-
endete Synthesis, die das Mannigfaltige unserer Anschauungs-Inhal-
te zur Einheit bringt, das hinlängliche Kriterium dafür sei, daß wir es
nun mit Gegenständen (Objekten) und ihrer Objektivität (Maßgeb-
lichkeit für unser Urteil) und nicht bloß mit unseren subjektiven
Meinungen über sie zu tun haben« (ebd.). Vielmehr müsse für eine
Begründung dieser Maßgeblichkeit unserer Erkenntnisgegenstände
für unsere Urteile über diese eine Widerständigkeit derselben gegen-
über unserem subjektiven Meinen angenommen werden (vgl. S. 37).
Diese Widerständigkeit aber widerfahre unserem subjektiven Meinen
»nicht ›von außen‹, sondern in unserem Anschauen und Denken
selbst, als ein inneres Moment unserer Selbsttätigkeit« (ebd.). Auf
diese (subjektivistische) Annahme dürfte jedoch entgegnet werden
können, dass die Widerständigkeit des Gegenstandes sich nicht nur
aus unserem eigenen Anschauen und Denken ergeben kann, sondern
ebenso und ursprünglich aus der Einwirkung des Wahrnehmungs-
bzw. Erkenntnisgegenstandes auf unsere Wahrnehmung und Er-
kenntnis resultieren muss. Denn für eine solche Widerständigkeit
muss deshalb eine Einwirkung des Gegenstandes auf unsere Wahr-
nehmung angenommen und vorausgesetzt werden, weil es sonst kei-
nen zureichenden Grund für diese Widerständigkeit geben könnte.
Denn wir können, um mit Schaefflers eigenen Worten zu sprechen,
nur dann »sehen, daß es am Gegenstand mehr zu sehen gibt, als wir
sehen« (ebd.), und wir können nur dann »begreifen, daß es am Ge-
genstand mehr zu begreifen gibt, als wir begreifen« (ebd.), wenn uns
der Gegenstand in seiner Objektivität zumindest etwas von sich zeigt

129
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Anhänge

bzw. enthüllt, wenn also auch eine Einwirkung des Gegenstandes auf
unser Wahrnehmungs- und Erkenntnisvermögen stattfindet bzw.
wenn dieses eine Rezeptivität für seine Wahrnehmungs- und Er-
kenntnisgegenstände besitzt. Leider können wir der »transzendental-
philosophischen Grundeinsicht« (S. 36) nach Schaeffler die Attestie-
rung dieser Einseitigkeit nicht ersparen. Dass diese »Grundeinsicht«
eine erhebliche Relevanz auch für die christliche Theologie besitzt,
zeigt Schaeffler im Folgenden: Denn die beiden Testamente der
christlichen Bibel enthalten nach christlichem Verständnis das Got-
teswort nicht als ein verbal inspiriertes (wie etwa der Koran im isla-
mischen Glauben), sondern nur als ein »Gotteswort im Menschen-
wort« (vgl. S. 37), mit anderen Worten: Die (christliche) Theologie
bedürfe »einer Theorie, die begreiflich macht, wie das menschliche
Wort einen Anspruch und eine Zusage vernehmbar macht, die sich
nicht darin erschöpft, Menschenwort zu sein« (ebd.). Die christliche
Theologie könne daher ohne die transzendentale Methode kein an-
gemessenes Verständnis davon gewinnen, wie das Wort Gottes sich
in Menschenwort ausdrücken und mitteilen kann; sie dürfe aber auch
nicht Kants Lösung des Problems, wie wir wahre Erkenntnisse von
objektiven Sachverhalten gewinnen können, sich zu eigen machen,
nach der die vollendete Synthesis, die das Mannigfaltige unserer An-
schauungs-Inhalte zur Einheit bringt, das hinlängliche Kriterium da-
für sei, dass wir es mit Gegenständen (Objekten) und ihrer Objekti-
vität (Maßgeblichkeit für unser Urteil) und nicht bloß mit unseren
subjektiven Meinungen über sie zu tun haben (vgl. S. 36). Aus dieser
Problemkonstellation leitet Schaeffler die Schlussfolgerung ab, dass
die (christliche) Theologie an der Weiterentwicklung der transzen-
dentalen Methode zu einer Theorie der Erfahrung als Dialog mit der
Wirklichkeit aktiv teilnehmen müsse (vgl. S. 38 f.).
Die zweite These Schaefflers zur Herausforderung der transzen-
dentalen Kritik an die (christliche) Theologie lautet: »Die Welt und
das eigene Ich sind uns nicht gegeben, sondern aufgegeben« (S. 39).
In seiner näheren Erläuterung dieser These behauptet Schaeffler, dass
sowohl die einzelnen (Erkenntnis-)Gegenstände erst aus der Tätigkeit
unseres Anschauens und Denkens hervorgehen, als auch das Ganze
aller möglichen und wirklichen Gegenstände, die Welt, unserer Er-
kenntnistätigkeit nicht vorgegeben, sondern nur ihr aufgegeben sei
(vgl. S. 39 f.). Hierzu können wir wie folgt Stellung nehmen: Es ist
zwar richtig, dass die Welt als die Vorstellung des Ganzen raum-zeit-
licher und kausaler Beziehungen einen Grenz- bzw. einen Zielbegriff

130
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Ein Nachwort und ein Nachruf

von der Erfüllung einer Aufgabe darstellt, den wir antizipierend bil-
den, um diese Aufgabe Schritt für Schritt in Angriff nehmen zu kön-
nen; und damit besitzt der Weltbegriff in der Tat den Charakter einer
Idee im Sinne eines postulatorischen Vernunftbegriffs und ist uns
Menschen insofern aufgegeben; das ändert aber nichts daran, dass
unserer Erkenntnis Innerweltliches immer auch gegeben sein muss,
um in seiner Objektivität überhaupt erkannt werden zu können. Da-
mit Innerweltliches überhaupt gegeben sein kann, muss »Welt« aber
immer schon zumindest als Idee vorausgesetzt werden, ohne von uns
gegenständlich adäquat erfasst werden zu können. Schaeffler meint
nun, auch das »Ich denke« habe denselben Charakter eines postulato-
rischen Vernunftbegriffs wie die Welt (vgl. S. 40). Das dürfte aller-
dings sowohl im Sinne Kants als auch sachlich unzutreffend sein.
Denn nach Kant ist die Einheit des Selbstbewusstseins eine notwen-
dige Bedingung dafür, dass vom Erkenntnissubjekt dessen Vorstel-
lungen als eigene überhaupt gewusst werden können; deshalb muss
diese transzendentale Apperzeption des Bewusstseins qua Selbst-
bewusstsein auch real gegeben und nicht bloß aufgegeben sein. Weil
aber Schaeffler davon ausgeht, dass weder die Welt noch das Ich etwas
Gegebenes seien, hält er die positive Bestimmung beider Begriffe für
eine noch zu bewältigende Aufgabe (vgl. ebd.). Dann fährt Schaeffler
mit der Behauptung fort, dass unser Anschauen und Denken den An-
spruch des Wirklichen erst vernehmbar mache, der zu einer Umge-
staltung unserer Anschauung und unseres Denkens nötige, und leitet
daraus den dialogischen Charakter der Erfahrung ab (vgl. S. 41). Die-
se Überzeugung verdient m. E. ungeteilte Zustimmung, steht aber in
einem sachlichen Widerspruch zu seiner vorherigen Annahme vom
rein produktiven Charakter unserer Anschauung und Erkenntnis.
Und aus dieser seiner Überzeugung vom dialogischen Charakter der
menschlichen Erfahrung leitet Schaeffler schließlich die Notwendig-
keit einer Weiterentwicklung der Transzendentalphilosophie zu einer
Theorie der Erfahrung als Dialog mit der Wirklichkeit ab (vgl.
S. 41 f.). In einem nächsten Argumentationsschritt setzt Schaeffler
die »Einheit des Ich« (der transzendentalen Apperzeption des Be-
wusstseins als Selbstbewusstsein) mit der im biblischen Gebot der
Gottesliebe (vgl. Dtn 6,5) gemeinten Ganzheit der Person und ihren
Kräften gleich (vgl. S. 42). Diese Einheit sei nicht vorgegeben, son-
dern aufgegeben und werde nur in der ungeteilten liebenden Hingabe
an Gott als den Einen und Einzigen erreicht (vgl. ebd.) Diese Gleich-
setzung trifft sachlich jedoch nicht zu, weshalb in der Selbstfindung

131
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Anhänge

durch Selbsthingabe auch nicht die Einheit des Ich gefunden wird, wie
Schaeffler insinuiert, sondern das persönliche Ideal bzw. die Ideal-
gestalt des eigenen Seins. Gleichwohl votiert Schaeffler im Anschluss
an Kants Lehre von den postulatorischen Vernunftbegriffen für eine
Transzendentalphilosophie, welche »die geordnete Ganzheit der Welt
und die Einheit des Ich nicht als gegeben, sondern als aufgegeben
begreift« (S. 43). Eine solche Transzendentalphilosophie entziehe
dem kosmologischen Gottesbeweis seine Grundlage (vgl. ebd.). Wäh-
rend dieser nämlich Gott als Erstursache alles Gegebenen bestimme,
verstehe die weiterentwickelte Transzendentalphilosophie und in de-
ren Gefolge Schaefflers eigene Transzendentaltheologie Gott aus-
schließlich als Zielperspektive alles Aufgegebenen (vgl. ebd.). Deshalb
wird nach Schaeffler nicht das Factum, sondern das Faciendum »zur
primären Gestalt für die Selbstkundgabe Gottes« (ebd.). In Wahrheit
ist Gott jedoch beides zugleich, d. h. sowohl Erstursache alles Gege-
benen als auch und zugleich Zielperspektive alles Aufgegebenen, so-
dass zwischen diesen beiden Bestimmungen Gottes nicht der von
Schaefflers Transzendentaltheologie konstruierte Gegensatz besteht.
Und wenn Schaeffler die kausative Bedeutung des hebräischen Hiphil
in seiner Anwendung auf Gott in biblischen Sätzen wie »Gott ist der-
jenige, der ›macht, daß wir aus Ägypten gehen konnten und können‹«
(S. 43), als einen Beleg für seine These anführt, dass das biblische
Verständnis von Gott diesen nicht in der Rückfrage nach der Erst-
ursache alles Gegebenen suche, sondern in der Zielperspektive alles
Aufgegebenen finde, dann müssen dieser These erstens jene bib-
lischen Sätze entgegengehalten werden, die Gott z. B. als Schöpfer
des Himmels und der Erde, beginnend mit Gen 1,1, zum Ausdruck
bringen, und es muss zweitens eingewandt werden, dass solche Sätze
als biblische Belege für die genannte These Schaefflers ungeeignet
sind. Denn sie erweisen nicht das Faciendum als die primäre Gestalt
der biblischen Selbstkundgabe Gottes. Mit dieser transzendental-
philosophischen Gotteslehre stimme Kants Verständnis von Religion
als die »Erkenntnis unserer [sittlichen] Pflichten als göttlicher Gebo-
te« (I. Kant, Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft
B 229) überein. Und weil Kant die sittlichen Pflichten als die »je kon-
kreten Gestalten der Selbstgesetzgebung der Vernunft verstanden«
(S. 44) habe, sei diese Selbstgesetzgebung der menschlichen Vernunft
die Erscheinungsgestalt der göttlichen Gesetzgebung, die unserer
Vernunft das Sittengesetz und das Naturgesetz gegeben habe (vgl.
ebd.). Daher begegneten wir sowohl in der sittlichen Erfahrung als

132
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Ein Nachwort und ein Nachruf

auch in der wissenschaftlichen Empirie »zugleich einer göttlichen Ge-


setzgebung, die uns in ihren Anspruch nimmt« (ebd.). Dieser gleich-
sam theonomen Grundlegung der Autonomie der menschlichen Ver-
nunft schließe ich mich gerne an, unbeschadet der gekennzeichneten
Vorbehalte gegenüber Schaefflers transzendentalphilosophischer
Gotteslehre.
Die dritte These Schaefflers zur Herausforderung der transzen-
dentalen Philosophie für die christliche Theologie lautet: »Nicht nur
der transzendentalen Philosophie, sondern auch derjenigen Ver-
nunfttätigkeit, die sie beschreibt, liegt ein Interesse an Freiheit zu-
grunde« (S. 45).
Diese These folgt aus der vorherigen These und könnte im Sinne
Schaefflers auch folgendermaßen formuliert werden: Der transzen-
dentalen Philosophie bzw. der von ihr beschriebenen Vernunfttätig-
keit liegt ein Vernunftinteresse an Freiheit als der Selbstgesetzgebung
der Vernunft zugrunde, welche Gegebenes in Aufgegebenes verwan-
delt (vgl. ebd.). Denn nach Schaeffler ist die Vernunft »wegen ihrer
Aufgabe, die Gegenstände unserer Erfahrung erst hervorzubringen,
die Sachwalterin dieser Gegenstände und ihres Anspruchs gegenüber
allen Bedürfnissen und Neigungen des Individuums« (S. 46). Als ein
ausgezeichnetes Beispiel für diese transzendentale Vernunfttätigkeit
führt Schaeffler die Freiheit der Wissenschaft an, »die sich ihre Ge-
setze selber gibt« (ebd.). Dem entspreche in Kants Transzendentalphi-
losophie, dass der »transzendentale Idealismus« den »empirischen
Realismus« überhaupt erst möglich mache und sich an ihm bewähren
müsse (vgl. ebd.). Mit anderen Worten: »Erst in einem Kontext, den
die Vernunft nach ihrer eigenen Gesetzgebung entwirft und dem der
Verstand durch seine Kategorien die Strukturgesetze vorschreibt,
können die Gegenstände uns so begegnen, daß sie uns mit einer alle
Willkür ausschließenden Maßgeblichkeit gegenübertreten« (ebd.).
Mit dieser erkenntnistheoretischen Voraussetzung einer gänzlichen
Unterwerfung der Erkenntnisgegenstände unter die Gesetzgebung
von Verstand und Vernunft dürfte sich die Annahme einer Maßgeb-
lichkeit dieser Gegenstände für das menschliche Erkenntnisvermögen
jedoch nur schwerlich vereinbaren lassen. Erfahrung als ein Dialog
des menschlichen Erkennens mit der Wirklichkeit kann unter dieser
transzendentalphilosophischen Prämisse nicht zustande kommen.
Nach dieser Möglichkeit fragt daher konsequent unser Autor: »Wie
muß die Vernunft ihr Interesse an Freiheit wahrnehmen, wenn die
Gegenstände ihre Maßgeblichkeit gegenüber dem Subjekt geltend

133
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Anhänge

machen sollen? Für Kant schien die Antwort klar: Sie muß, um ob-
jektive Geltung ihrer theoretischen und praktischen Erkenntnisse zu
erreichen, die Differenz der individuellen Subjekte gleichgültig ma-
chen. Dies ist in der Tat für die (im neuzeitlichen Sinne) verstandene
Wissenschaft das Ideal der Vernunfttätigkeit« (ebd.). Dieser wichti-
gen Frage verleiht unser Autor auch die folgende Fassung: »Wie muß
die Vernunft ihre Selbstgesetzgebung begreifen, wenn sie dadurch
Erfahrungen möglich machen soll, in denen die Gegenstände ihren
Maßgeblichkeitsanspruch gegenüber allen subjektiven Wünschen
und Neigungen der Individuen geltend machen können?« (S. 47 f.).
Diese Frage wendet Schaeffler sogleich auch auf die religiöse Erfah-
rung von Menschen an: »Auf welche Weise muß die Vernunft tätig
werden, wenn sie die Subjektivität religiöser Erlebnisse und Vorstel-
lungen in Inhalte objektiv gültiger religiöser Erfahrungen transfor-
mieren soll, d. h. in Erscheinungsgestalten für den Anspruch, den
das Heilige gegenüber dem erfahrenden Subjekt geltend macht?«
(S. 48). Doch wie kann dem Eigenvermögen der menschlichen Ver-
nunft eine solche Transformation gelingen? Ist diese damit nicht
überfordert? Diese transzendentalphilosophische Forderung gelte da-
her auch für die Rede des Menschen von Gott. Auch diese müsse sich
»dadurch ausweisen, daß sie dem Interesse der Vernunft an Freiheit
entspricht« (ebd.), weil Freiheit zur Natur des Menschen gehöre und
weil Gottes Gebot und Zusage nur den freien Menschen in Anspruch
nehme. Erst die Freiheit der Vernunft mache daher die religiöse Er-
fahrung und Begegnung mit dem Maßgeblichkeitsanspruch des Hei-
ligen möglich (vgl. ebd.). Schaeffler sieht allerdings durchaus die rea-
le Gefahr einer Erfahrungsresistenz des transzendentalen Denkens,
für die er den Dialektischen Materialismus als ein geschichtliches Bei-
spiel anführt (vgl. S. 49). Um genau dieser Gefahr zu entkommen
bzw. um dem Anspruchs- und Maßgeblichkeitscharakter der objek-
tiven Wirklichkeit für das menschliche Erkennen gerecht werden zu
können, formuliert er daher: »Nur eine Theorie, die die Erfahrung als
Dialog zwischen dem Anspruch des Wirklichen und der Antwort
begreift, die wir in unserem Anschauen und Denken auf diesen
Anspruch geben, wird dem immer wieder überraschenden, vorantrei-
benden Charakter der Erfahrung gerecht, die nicht nur unsere bis
dahin bewährten Überzeugungen, sondern schon unsere Frage-
stellungen immer wieder als korrekturbedürftig erweist« (S. 50).
Diesem Erfordernis für eine angemessene Theorie der menschlichen
Erfahrung kann man vernünftigerweise nur zustimmen. Es steht

134
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Ein Nachwort und ein Nachruf

allerdings in einem offensichtlichen Widerspruch zu Schaefflers eige-


ner, transzendentalphilosophischer Prämisse, die daher einer »Weiter-
entwicklung« bzw. partiellen Korrektur bedarf.
Schaefflers vierte These zur Herausforderung der transzenden-
talen Philosophie für die christliche Theologie lautet: »Das eine Inte-
resse der Vernunft entfaltet sich in mehrere Vernunftinteressen, die
einander widerstreiten« (S. 51). Diese Erfahrung entspreche der Ver-
nunftdialektik in ihrem spekulativen oder auch in ihrem praktischen
Gebrauch nach Kant (vgl. ebd.). Letzterer, d. h. der Dialektik des prak-
tischen Vernunftgebrauchs im Verständnis Kants, geht Schaeffler im
Folgenden ausführlich nach. Worin besteht diese Dialektik? Sie be-
steht, kurz gesagt, darin, dass aus sittlich guten Gesinnungen auch
Taten hervorgehen, die in sittlicher Hinsicht missbilligt werden müs-
sen, mithin moralisch schlecht sind. Zwar äußert sich »das Vernunft-
interesse an Freiheit […] in praktischer Hinsicht in dem sittlichen
Willen, die Welt nach moralischen Grundsätzen neu zu gestalten«
(S. 52). Es zeigt sich jedoch dabei, »daß die Reinheit der Gesinnung
die Wirksamkeit der Tat nicht fördert, sondern hemmt, weil in der
Welt, wie sie ist, die Gewissenlosen es leichter haben, wirksam zu
handeln als die Gewissenhaften« (ebd.). Das für Kant und seine Zeit-
genossen wichtigste geschichtliche »Beispiel dafür ist der Umschlag
der Französischen Revolution von der Moralität in den Terror« (ebd.).
So sieht sich »das Vernunftinteresse an Freiheit […] in den inneren
Widerspruch verstrickt, das Gegenteil dessen zu bewirken, was es
intendiert hat« (S. 53). Infolgedessen werde der sittliche Wille ge-
lähmt und Trostlosigkeit bemächtige sich des menschlichen Gemüts
(vgl. ebd.). Einen Ausweg aus dieser nach Kant unvermeidlichen Dia-
lektik der praktischen Vernunft biete nur das Postulat der Existenz
Gottes als des Ermöglichungsgrundes für die praktische Selbstgesetz-
gebung der Vernunft: »Gerade dadurch, daß sie sich in unvermeidli-
che Widersprüche verwickelt, zeigt die Selbstgesetzgebung der Ver-
nunft an, daß sie selber die bloße Erscheinung einer anderen
Gesetzgebung ist, die sie durch die Weise ihrer Tätigkeit bezeugt.
Angewandt auf den praktischen Vernunftgebrauch bedeutet dies:
Durch die Dialektik dieses Vernunftgebrauchs erweisen sich die
Pflichten, die aus dieser Selbstgesetzgebung der Vernunft hervor-
gehen, ›als göttliche Gebote‹« (ebd.).
Anschließend stellt sich Schaeffler die beiden Fragen, welche Art
von Herausforderung die kantische Lehre von der Vernunftdialektik
für die (christliche) Theologie bedeute und wie sich diese Vernunft-

135
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Anhänge

dialektik unter den philosophiehistorischen Bedingungen von heute


darstelle (vgl. S. 53 f.). Auf die erste Frage antwortet er wie folgt:
»Während die Theologen die Lehre von der Autonomie der Vernunft
oft als Ausdruck menschlicher Anmaßung bewerten, erscheint ihnen
die Lehre von der Vernunftdialektik zumeist als Ausdruck skeptischer
Verzweiflung: Eine Vernunft, die in unvermeidliche Widersprüche
mit sich selber gerät, erscheint nicht nur als unfähig zur Gottes-
erkenntnis, sondern auch als unfähig, die Wahrheit der innerwelt-
lichen Dinge zu erfassen. […] Wenn die Vernunft sich selbst wider-
spricht, kann sie der Wahrheit der Dinge nicht entsprechen. Für die
Theologie aber scheint sich daraus zu ergeben: Eine solche Vernunft
wäre nicht nur zur ›natürlichen Gotteserkenntnis‹ unfähig, sondern
zur Erfassung jeglicher Art von Wahrheit ungeeignet, auch zum Ver-
ständnis des wahren Gehalts der Glaubensbotschaft« (S. 54). Diese
theologische Kritik an Kants Vernunftkritik treffe genau das, was
Kant die »Wissens-Anmaßung« der Theologen nennt, die darin be-
stehe, »aufgrund übernatürlicher Offenbarung, nicht nur über Gott,
sondern auch über den Menschen und die Welt Kenntnisse gewonnen
zu haben und weitergeben zu können« (ebd.). In Wahrheit geht es
dabei aber nicht nur um die vernunftkritische Haltung Kants zu über-
natürlichen Offenbarungswahrheiten, sondern auch gegenüber der
natürlichen (theoretischen) Gottes- und darüber hinaus auch der
(theoretischen) Wirklichkeitserkenntnis. Deshalb habe auch die
Transzendentale Theologie »Kants Lehre von der Dialektik des Ver-
nunftgebrauchs nicht rezipiert« (ebd.). Gleichwohl bestehe die positi-
ve Herausforderung der Transzendentalphilosophie für die Theologie
darin, »Gott nicht als einen Gegenstand unserer Erkenntnis zu be-
greifen, sondern als deren Ermöglichungsgrund, weil nur die Bezie-
hung auf ihn die Vernunft vor der Selbstaufhebung in unvermeid-
lichen Widersprüchen bewahrt« (S. 54 f.). Mit anderen Worten:
»[D]ie Vernunft [muss], wenn sie ihre eigene unvermeidliche Dialek-
tik erfaßt hat, die Wirklichkeit Gottes und seine Zuwendung zum
Menschen ›postulieren‹, wenn sie zur Erfüllung ihrer selbstgesetzten
Aufgaben fähig bleiben soll. […] Erst die Einsicht in die unvermeid-
liche Vernunftdialektik erlaubt es, das Programm aller Transzenden-
talen Theologie einzulösen« (S. 55): dass, um es mit Thomas von
Aquin in seiner Aneignung durch Joseph Maréchal und Karl Rahner
zu formulieren, jedes erkennende Subjekt in jedem erkannten Gegen-
stand Gott miterkennt (vgl. ebd.).
Auch der zweiten Frage nach den besonderen philosophiehistori-

136
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Ein Nachwort und ein Nachruf

schen Bedingungen unserer Gegenwart für die Dialektik der Ver-


nunft widmet Schaeffler eine vergleichsweise große Aufmerksam-
keit. Im Unterschied zu Kant, der von einer Dualität von Erfahrungs-
weisen und -welten – der der »›Natur‹ als des Ganzen aller
Gegenstände der wissenschaftlichen Empirie und der ›Welt der Zwe-
cke‹ als des Ganzen aller Gegenstände des sittlichen Erkennens«
(S. 56) – ausging, rechneten wir heute mit einer Pluralität solcher
Erfahrungsweisen und -welten: »So zeigen, um die beiden wichtigs-
ten Beispiele zu nennen, die ästhetische und die religiöse Erfahrung
und die ihnen entsprechenden ›Welten‹ ihrer Gegenstände ihre je
eigene Struktur, und auch die Kategorien des Verstandes und die
›Grundsätze‹ ihres Gebrauchs gewinnen für jede dieser Erfahrungs-
weisen und Erfahrungswelten ihre je besondere Gestalt und Funk-
tion« (ebd.). Die »transzendentalphilosophische These von der Plura-
lität eigengesetzlicher Weisen der Gegenstandskonstitution durch je
spezifische Formen des Anschauens und Denkens« (S. 57) werde von
der »Beobachtung der ›Autonomie der Sprachspiele‹« (S. 56 f.) in der
jüngeren Sprachphilosophie bestätigt. Denn jede Gegenstandssphäre
verlange ihre eigene Sprache (vgl. S. 57). Aus diesem Befund ent-
wickelt Schaeffler den folgenden Vorschlag für die Auflösung der be-
sagten Vernunftdialektik: Angesichts der Eigengesetzlichkeit dieser
verschiedenen Sprachspiele und der in ihnen zum Ausdruck kom-
menden Erfahrungsweisen und -welten (vgl. ebd.) könne Kants
Annahme von der Einheit der Vernunft, die seiner Theorie einer im-
manenten Selbstwidersprüchlichkeit bzw. Dialektik dieser einen Ver-
nunft zugrunde liegt, genau genommen nicht mehr aufrechterhalten
werden (vgl. S. 58). In Anwendung auf die (christliche) Theologie
bedeute dies: »Die Lehre von der Autonomie der Erfahrungsweisen
und Erfahrungswelten macht die Religion und den Glauben zwar
gegen alle Einreden im Namen der Wissenschaft und der Moral im-
mun. Aber sie verbietet es zugleich, im Namen von Religion und
Glaube Kritik an der Wissenschaft zu üben oder Ansprüche an das
moralische Verhalten und das moralische Urteil zu erheben oder For-
derungen an das künstlerische Gestalten bzw. den Umgang mit Kunst-
werken zu richten« (S. 58 f.). Gleichwohl könne dieser Vorschlag einer
Konfliktvermeidung zwischen den verschiedenen Kulturbereichen
weder in sprach- noch in transzendentalphilosophischer Hinsicht be-
friedigen (vgl. S. 59). Sprachphilosophisch sei darauf hinzuweisen,
dass es eine reine, von allen anderen getrennte Sachgebietssprache
nicht gebe (vgl. ebd.). In transzendentalphilosophischer Hinsicht er-

137
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Anhänge

innert Schaeffler daran, dass allen Erfahrungsweisen das Interesse an


Freiheit bzw. an der Selbstbestimmung der Vernunft zugrunde liege,
die Vernunft aber sei »die Sachwalterin der Gegenstände und ihres
Anspruchs gegenüber allen subjektiven Neigungen und Interessen
der Individuen« (ebd.). Daher sei »[d]ieser in allen Erfahrungsweisen
und Erfahrungswelten wiederkehrende, weil sie erst ermöglichende
Wille zur Selbstbestimmung […] ein wichtiger Hinweis darauf, daß
es wirklich die eine Vernunft ist, die, wenn auch auf je spezifische
Weise, in all diesen Erfahrungsweisen und Erfahrungswelten wirksam
ist« (S. 60). Daher zeige sich »in der wechselseitigen Durchdringung
oder ›Interferenz‹ der Erfahrungsweisen […] jene Einheit der Ver-
nunft, die sich in die Vielfalt der Weisen ihres ›Gebrauchs‹ entfaltet«
(S. 61). Und deshalb falle »der Konflikt der Erfahrungsweisen und
Erfahrungswelten, den Kant am Beispiel des Konflikts zwischen theo-
retischem Erkennen und moralischem Wollen oder, von der Objekt-
seite her beschrieben, zwischen der ›Natur‹ und der ›Welt der Zwecke‹
exemplarisch aufgewiesen hat« (ebd.), in die Vernunft selbst und wer-
de dadurch nicht entschärft, sondern vielmehr noch radikalisiert, in-
dem die verschiedenen Formen der Vernunftautonomie einander
gleichsam im Wege stünden (vgl. ebd.): »In der im Sinne Kants wis-
senschaftlich verstandenen Welt kann man keine freien Taten setzen,
obgleich die sittliche Erfahrung gerade dies verlangt; in der rein mora-
lisch verstandenen Welt der Zwecke kann man nicht auf Gnade hof-
fen, obgleich die Botschaft von der Gnade nur dem verständlich wird,
der die moralische Erfahrung der Schuld gemacht hat« (ebd.). Mit
anderen Worten: »Wegen der wechselseitigen Durchdringung (Inter-
ferenz) der Erfahrungsweisen und Erfahrungswelten bleiben die Ide-
en der einen Welt und des einen Aktes ›Ich denke‹ in regulativer Kraft.
Wegen der Strukturdifferenz der Erfahrungsweisen und Erfahrungs-
welten aber erweisen die Vernunftaufgaben, die durch diese Ideen ge-
stellt sind, sich als unerfüllbar« (ebd.). Diese verschärfte gegenwärtige
Gestalt der Vernunftdialektik fordere die (christliche) Theologie dazu
auf, Gott als jene Wirklichkeit zu denken, »deren freie Zuwendung
zum Menschen die kontingente Fähigkeit zur Erfahrung angesichts
ihrer drohenden Selbstaufhebung wiederherzustellen vermag«
(S. 62). In dieser Perspektive könnte die christliche Theologie »die
Zeugnisse des Glaubens, vor allem seine biblischen Zeugnisse, als
Ausdrucksformen dieser Erfahrung davon […] lesen, wie dem Men-
schen die Bedrohtheit und damit die Kontingenz seiner Erfahrungs-
fähigkeit im Ganzen bewußt geworden ist und wie er die wieder-

138
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Ein Nachwort und ein Nachruf

geschenkte Befähigung zur Erfahrung als freie Gabe Gottes verstehen


gelernt hat« (ebd.). Die Auflösung der geschilderten Vernunftdialek-
tik aber könne im Sinne Kants nur durch Vernunftpostulate erreicht
werden, sodass Kants postulatorischer Vernunftglaube für die Theo-
logie neue Aktualität gewinnen sollte (vgl. S. 63).
An diesem Punkt der Argumentation Richard Schaefflers sollten
wir kurz innehalten und uns Folgendes fragen: Ist es christlich und
biblisch gesehen wirklich so, dass der primäre Zweck der Heilsgabe
Gottes an den Menschen die Wiederherstellung seiner widerspruchs-
freien Erfahrungsfähigkeit bzw. die Auflösung der angeblich unver-
meidlichen Dialektik der Vernunft ist, an der jeder Mensch partizi-
piert? Diese Frage hat selbstredend einen rhetorischen Charakter,
denn es ist die (vermeidbare) Entzweiung des Menschen in seinem
Willen von Gott, die nach biblischem und christlichem Verständnis
durch die Heilsgabe Gottes an den Menschen aufgelöst wird, nicht
eine unvermeidliche Dialektik seines (theoretischen wie praktischen)
Vernunftgebrauchs. In seinem ehrenwerten Bemühen, die Relevanz
des transzendentalphilosophischen Denkens für die christliche Theo-
logie aufzuweisen, nimmt Richard Schaeffler deren Selbstverständnis
hier leider nicht mehr hinreichend zur Kenntnis.
Die fünfte These Schaefflers zur Herausforderung bzw. Bedeu-
tung der Transzendentalphilosophie für die (christliche) Theologie
lautet: »Die Dialektik der Vernunft kann nur durch einen ›postulato-
rischen Vernunftglauben‹ aufgehoben werden« (ebd.). Zunächst
schildert Schaeffler in einem ersten Unterkapitel die sich in der Ab-
folge seiner Schriften fortlaufend verschärfende Entwicklung der
Postulatenlehre bei Kant. Innerhalb dieser Entwicklung bleibe aller-
dings jener Satz konstant, »der den Zusammenhang von Moral und
postulatorischem Vernunftglauben beschreibt: ›Religion ist die Er-
kenntnis unserer Pflichten als göttlicher Gebote.‹ Die Existenz Gottes
wird deshalb postuliert, weil das Sittengesetz, das uns unsere Pflich-
ten vorschreibt, nur dann nicht als widersprüchlich erscheint, wenn
es als göttliches Gebot verstanden wird« (S. 64). Mit der Postulaten-
lehre Kants beschäftigt sich Schaeffler unter dem Aspekt der Frage,
was diese Lehre zur Auflösung der Vernunftdialektik beitrage (vgl.
ebd.). In der Kritik der praktischen Vernunft sehe Kant die Quelle
der Vernunftdialektik darin, dass in der bestehenden Welt Unschul-
dige leiden, weil gute Gesinnungen den Erfolg der Handlungen nicht
garantieren könnten. Kant finde eine Lösung für diese Vernunftdia-
lektik darin, »das Sittengesetz dem gleichen Gesetzgeber zuzuschrei-

139
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Anhänge

ben, der auch das Naturgesetz gegeben hat. Dann kann man hoffen,
daß ein ›moralischer Urheber der Natur‹ deren Kausalreihen so ge-
ordnet habe, daß wenigstens am Ende aller Kausalreihen diejenigen
glücklich sein werden, die es verdient haben. Da diese Übereinstim-
mung von ›Glückwürdigkeit‹ und Glückseligkeit in diesem Leben bis
zu seinem Ende offensichtlich nicht eintritt, setzt die soeben erwähn-
te Hoffnung zugleich die Annahme eines künftigen Lebens nach dem
Tode, also die Unsterblichkeit der Seele, voraus« (ebd.). In seinen spä-
teren Schriften, insbesondere in seiner Religionsschrift, habe Kant
eine andere Auflösung der Vernunftdialektik gesucht, nachdem er
diese insofern verschärft hatte, als der Zweck des Sittengesetzes durch
unsere moralische Anstrengung nicht erreicht werden könne (vgl.
S. 66). Daher sei Kant zu einer »›Deduktion der Idee einer Rechtfer-
tigung‹, d. h. zu einer philosophischen Aneignung der paulinischen
Lehre von der Rechtfertigung des Sünders und ihrer reformatori-
schen Auslegung« (ebd.), aber auch zu der Frage gekommen, »wie
die ›Zueignung‹ dieser ›fremden Gerechtigkeit‹ zu denken sei, ohne
daß dadurch die Autonomie der Vernunft in ihrem praktischen Ge-
brauche aufgehoben wird« (ebd.). Eine Antwort auf diese Frage habe
Kant allerdings nur in verstreuten Äußerungen über die Wirksamkeit
des Heiligen Geistes vorgetragen. Deren Grundgedanken fasst Scha-
effler wie folgt zusammen: »Daß wir, trotz der Unreinheit unserer
Gesinnung und der daraus resultierenden ›Tücke des Herzens‹ zum
Gewissensurteil fähig sind, erweist die Einwohnung des richtenden
Geistes Gottes in unserm Herzen. Er ist ›der eigentliche Richter der
Menschen (vor ihrem Gewissen)‹. Und ebendiesem uns einwohnen-
den Geist können wir uns zugleich als dem ›Parakleten‹ anvertrauen,
›wenn uns unsere Fehltritte wegen ihrer Beharrlichkeit besorgt ma-
chen‹« (S. 66 f.). Der richtende Gott befähige uns Menschen nicht nur
zu unserer Selbstverurteilung im Gewissen, sondern auch zu einer
Umkehr, die uns aus eigener Kraft nicht möglich wäre: »Indem wir
die ›Erkenntnis unserer Pflichten‹ auf den Urteilsspruch des uns ein-
wohnenden Gottesgeistes in seiner Eigenschaft als Richter zurück-
führen, dürfen wir unsere Kraft, dem Gewissensruf zu folgen, von
der Einwohnung des gleichen Gottesgeistes als unseres Trösters (›Pa-
rakleten‹) erhoffen« (S. 67). Und noch einmal Schaeffler über Kant:
»Dabei nimmt der solchermaßen uns einwohnende Geist uns weder
das Gewissensurteil noch die Fähigkeit zur Umkehr ab und schränkt
insofern die Selbstgesetzgebung der Vernunft nicht ein; aber er macht
uns trotz der Unreinheit unserer Gesinnung, deren das Sittengesetz

140
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Ein Nachwort und ein Nachruf

uns überführt, zum Gewissensurteil und zur Umkehr fähig und stellt
insofern die Selbstgesetzgebung der Vernunft wieder her, nachdem
diese durch unsere eigene Schuld in der Dialektik des praktischen
Vernunftgebrauchs verlorenzugehen drohte« (ebd.). Daher ermög-
liche »die ›Erkenntnis unserer Pflichten als göttlicher Gebote‹ […]
das Verständnis unserer Taten als solcher Zeichen, die uns rememo-
rativ an unseren Auftrag erinnern, demonstrativ Gottes gegenwärti-
ges Wirken zu bezeugen und prognostisch auf das kommende Gottes-
reich (für Kant identisch mit der moralischen Weltordnung)
vorauszuweisen. Und das gleiche Verständnis unserer selbstgegebe-
nen Pflicht macht es möglich, das Gewissensurteil, das wir selber über
uns sprechen, als die Erscheinungsgestalt eines Urteils zu begreifen,
das der in uns einwohnende Richter-Geist über uns spricht, und so
auch die Fähigkeit zur Umkehr, die das selbstgegebene Sittengesetz
uns abverlangt, als Gabe des gleichen uns einwohnenden Geistes, nun
in seiner Eigenschaft als Tröstergeist, zu erhoffen. Die Selbstgesetz-
gebung der Vernunft in ihrem praktischen Gebrauche und die dieser
Gesetzgebung entsprechende Gesinnung und Tat verlieren ihre sonst
unaufhebbare Widersprüchlichkeit, wenn sie als die Gegenwarts-
gestalten eines göttlichen Gebietens, Urteilens und ›Tröstens‹ und in
alledem als Folgen eines ›Urteilsspruchs aus Gnade‹ verstanden wer-
den« (S. 69). Diese Deutung der entsprechenden religionsphilosophi-
schen Aussagen des späten Kant mutet zwar wie eine pia interpreta-
tio Kants an, sie dürfte dessen Selbstverständnis aber durchaus
gerecht werden. Doch ist sie auch in der Sache richtig? Daran beste-
hen allerdings berechtigte Zweifel, denn unsere sich aus dem Sitten-
gesetz ergebenden sittlichen Pflichten sind mit den göttlichen Gebo-
ten qua revelatione nicht kongruent und deswegen auch als Zeichen
für das Gottesreich nicht suffizient. Unser Gewissensurteil ist nicht
schon per se Erscheinungsgestalt eines göttlichen Urteils, das der in
uns wohnende Richter-Gott über uns spricht, denn unser eigenes Ge-
wissensurteil ist irrtumsfähig, das Gottesurteil aber nicht. Deshalb
dürfte hier eine Funktionalisierung und Instrumentalisierung der
Gnade für die Aufhebung der Dialektik bzw. Widersprüchlichkeit
der Selbstgesetzgebung der Vernunft in ihrem praktischen Gebrauch
vorliegen. Dieser Einwand wird durch Schaefflers Annahme be-
stätigt, dass die so verstandene Autonomie der Vernunft »selber zur
Erscheinungsgestalt eines göttlichen Gnadenwirkens« (S. 70) werde.
Denn damit wird das natürliche Erkenntnisvermögen der mensch-
lichen Vernunft zu einer Gnadengabe Gottes gemacht. Das aber wi-

141
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Anhänge

derspricht zumindest dem Gnadenverständnis christlicher Theologie,


das zwischen Natur und Gnade grundsätzlich unterscheidet: Denn
nach ihm kann die Natur bzw. Schöpfung als solche nicht eine Wirk-
weise der Gnade Gottes sein.
In einem zweiten Unterkapitel zu dieser fünften These behandelt
Schaeffler die Postulatenlehre Kants im Kontext seiner, d. h. Schaeff-
lers eigener Theorie der »Erfahrung als Dialog mit der Wirklichkeit«
(ebd.). Er beginnt hier mit der These, dass die von Kant diagnostizier-
te Dualität der Erfahrungsweisen und -welten des Menschen in unse-
rer Gegenwart zu einer Pluralität geworden und dass deren Struktur-
differenz deutlich hervorgetreten sei (vgl. ebd.). Zudem seien neue
Inhalte hinzugekommen, die eine Veränderung ihrer Anschauungs-
und Begriffsformen erzwingen, wie etwa im Bereich der Zeitanschau-
ung und der Kausalkategorie im Übergang von der klassischen Me-
chanik zur Quantenphysik (vgl. ebd.). Daher müsse das Erfahrungs-
modell einer Anwendung immer gleicher Anschauungs- und
Begriffsformen auf einen wechselnden Stoff des subjektiven Erlebens
abgelöst werden von einer Theorie der Erfahrung als Dialog mit der
Wirklichkeit, nach der durch die Formen unseres Anschauens und
Denkens ein Anspruch der Wirklichkeit zur Sprache komme, der
»›größer‹ ist, als daß er innerhalb dieser Formen angemessen zur
Sprache gebracht werden könnte, und der dadurch eine Umgestaltung
dieser Formen erzwingt« (S. 71). Dabei insistiert Schaeffler auf den
responsorischen Charakter unseres Anschauens und Denkens, »durch
die wir einen Anspruch zur Sprache bringen, der diese unsere Ant-
wort zugleich als überbietungsbedürftig erweist. Auf neue Weise be-
antwortet, kommt auch dieser Anspruch auf wiederum neue Weise
zur Sprache« (ebd.). »[D]ieses dialogische Zur-Sprache-Bringen des je
größeren Anspruchs hat für jede Erfahrungsweise und die ihr korres-
pondierende Erfahrungswelt eine eigene Gestalt. Die Weise, wie der
Inhalt der wissenschaftlichen Empirie eine Veränderung der Weisen
wissenschaftlichen Anschauens und Begreifens erzwingt, ist von an-
derer Art als die ›Exorbitanz‹, mit der der Inhalt der ästhetischen
Erfahrung alles bisherige Anschauen und Begreifen aus dem Geleise
wirft, oder die unbedingte Verpflichtungskraft, mit der der Inhalt der
sittlichen Erfahrung alles Kalkül von Zwecken und Mitteln zunichte-
macht« (ebd.). Diese Annahme eines zumindest partiell responsori-
schen Charakters unserer Erfahrung als Dialog mit der Wirklichkeit
verdient m. E. ungeteilte Zustimmung, auch wenn damit die jeweili-
gen Anteile unseres subjektiven Anschauens und Denkens und der

142
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Ein Nachwort und ein Nachruf

unserem Wahrnehmen und Begreifen vorgegebenen, gleichsam ob-


jektiven Wirklichkeit am Zustandekommen unserer je eigenen Erfah-
rung damit noch in keiner Weise bestimmt sind. Mit dieser Annahme
eines zumindest partiell responsorischen Charakters unserer Erfah-
rung wird allerdings der transzendentalphilosophische Ausgangs-
punkt von Schaefflers transzendentaler Theologie genau genommen
verlassen. Denn dann ist es nicht mehr das Subjekt allein, welches
seine jeweilige Erfahrungs- bzw. Gegenstandswelt aufbaut. Man
könnte hier auch von einer Überwindung – Schaeffler bevorzugt den
Ausdruck der Weiterentwicklung – der Transzendentalphilosophie
durch eine Theorie der Erfahrung als Dialog mit der Wirklichkeit
sprechen. Darüber hinaus lehnt Schaeffler auch eine Hierarchie in-
nerhalb unserer Anschauungs- und Denkformen ab, wenn er sagt:
»Und entsprechend gibt es kein übergeordnetes System der Anschau-
ungs- und Denkformen, als deren Derivate die verschiedenen Weisen
verstanden werden könnten, wie wir in unterschiedlichen Weisen des
Erfahrens subjektive Eindrücke in Inhalte objektiv gültiger Erfahrung
transformieren, auch nicht das sogenannte ›vorwissenschaftlich-le-
bensweltliche‹ Erfassen der Wirklichkeit« (S. 72). Denn auch das le-
bensweltliche Anschauen und Erfassen der Wirklichkeit erweise sich
letztlich »als Ergebnis der wechselseitigen Beeinflussung unserer un-
terschiedlichen Erfahrungsweisen« (ebd.). Und wegen dieser »wech-
selseitigen Durchdringung (Interferenz) der Erfahrungsweisen und
Erfahrungswelten bleiben die Ideen der einen Welt und des einen
Aktes ›Ich denke‹ in regulativer Kraft. Wegen der Strukturdifferenz
der Erfahrungsweisen und Erfahrungswelten aber erweisen die Ver-
nunftaufgaben, die durch diese Ideen gestellt sind, sich als unerfüll-
bar« (ebd.). Weil also diese Ideen uns eine ebenso unabweisliche wie
unerfüllbare Vernunftaufgabe vor Augen stellten, gerieten sie und
damit auch die ihnen zugrundeliegende Vernunft in einen Wider-
spruch mit sich selbst, der aufgelöst werden müsse (vgl. ebd.). Für
diese Auflösung habe Kant im Bereich der sittlichen Erfahrung einen
wichtigen Hinweis durch sein Verständnis der sittlichen Pflichten als
göttlicher Gebote gegeben und damit die Selbstgesetzgebung der Ver-
nunft als Erscheinungsgestalt einer göttlichen Gesetzgebung verstan-
den (vgl. S. 73). Und wenn im göttlichen Geber des Sittengesetzes
zugleich der Schöpfer der Naturgesetze verstanden und damit die
Gesetzmäßigkeit der Natur auf einen göttlichen Gesetzgeber zurück-
geführt werde, dann könne auch die Autonomie der theoretischen
Vernunft als Erscheinungsgestalt einer göttlichen Weltgesetzgebung

143
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Anhänge

verstanden werden (vgl. ebd.). Da der späte Kant sogar auch noch
»das Gewissensurteil, das wir selbst über uns sprechen, aber auch die
Umkehr, die wir selber vollziehen müssen, zugleich als Erscheinungs-
gestalten des uns einwohnenden göttlichen Geistes verstanden«
(ebd.) habe, plädiert Schaeffler dafür, alle unsere auf den je größeren
Anspruch bzw. den Maßgeblichkeitscharakter des Wirklichen antwor-
tenden Erfahrungsweisen »als die Erscheinungsgestalt eines An-
spruchs zu begreifen, der in absoluter Weise größer ist als unser An-
schauen und Denken, obgleich wir ihn nur in dieser unserer Antwort
für uns und andere vernehmbar machen« (S. 74). Deshalb möchte
Schaeffler die Postulatenlehre Kants wie folgt weiterentwickeln: »Die
wichtigsten der Vernunftpostulate, die auf solche Weise zustande-
kommen, lassen sich auf folgende Weise formulieren: Die Vielfalt
der Weisen, wie das Wirkliche uns in Anspruch nimmt und zum Auf-
bau je unterschiedlicher Erfahrungswelten herausfordert, darf als
eine Vielfalt von Abbild- und Gegenwartsgestalten der einen Weise
verstanden werden, wie wir ›in omnitudine realitatis‹, d. h. in allem,
was ist und geschieht, von einer göttlichen Wirklichkeit in Anspruch
genommen und zur Antwort herausgefordert werden. Und die Viel-
falt der Subjektivitätsweisen, mit denen wir uns als Forschersubjekte,
als Subjekte der ästhetischen, der sittlichen oder der religiösen Erfah-
rung verstehen und verhalten, darf als eine Vielfalt der Abbild- und
Gegenwartsgestalten der einen Weise verstanden werden, wie Gott
den Menschen weiß und ihn in allem, was ist und geschieht, unter
seine Anrede stellt« (S. 74 f.). An dieser »Weiterentwicklung« ist be-
merkenswert, dass sie im Unterschied zu Kants Verständnis von Er-
fahrung von einem Anspruchs- und Maßgeblichkeitscharakter der
Wirklichkeit für das menschliche Anschauen und Denken ausgeht
und dass sie die Vielfalt menschlicher Erfahrungsweisen als eine Er-
scheinungsgestalt der göttlichen Anrede an den Menschen versteht;
Letzteres ist allerdings zugleich höchst ambivalent, da menschliche
Erfahrungsweisen von Wirklichem diese (mögliche) Anrede und die-
sen (möglichen) Anspruch Gottes auch verdrängen bzw. ignorieren
können. Grundsätzlich verdient Schaefflers Resümee zu seiner
Weiterentwicklung der Transzendentalphilosophie bzw. genauer der
Postulatenlehre Kants allerdings uneingeschränkte Zustimmung:
»[J]eder Gegenstand der Erfahrung und sein Anspruch an unser An-
schauen und Denken kann zur Gestalt werden, in der Gott dem Men-
schen begegnet. Denn die in der Vernunftdialektik bedrohte und als
kontingent erwiesene Fähigkeit zur Erfahrung wird dadurch wieder-

144
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Ein Nachwort und ein Nachruf

hergestellt, daß der Anspruch des Wirklichen, den wir beantworten,


als Erscheinungsgestalt der göttlichen Zuwendung verstanden wird.
[…] [Es geht] um ein Verständnis der Erfahrung als Dialog, der mit
der Weltwirklichkeit nur deshalb geführt werden kann, weil er den
Anspruch des Wirklichen als Gegenwartsgestalt einer freien gött-
lichen Anrede entziffert« (S. 75 f.). Es sollte dabei aber bedacht blei-
ben, dass jeder Gegenstand unserer Erfahrung als Erscheinungs-
gestalt einer göttlichen Zuwendung verstanden werden kann, aber
nicht verstanden werden muss, und dass diese (mögliche) Erschei-
nungsgestalt des Göttlichen für uns Menschen den klassischen meta-
physischen Entwurf einer Seinspyramide mit Gott an ihrer Spitze
und der Werte-Skala mit Gott als absolutem Wert, d. h. Gott als sum-
mum ens und als summum bonum (vgl. S. 75), nicht falsifiziert und
deshalb auch nicht verdrängen oder ersetzen sollte.

4. »Aufgaben und erreichte Ergebnisse«


Im letzten großen Abschnitt (D) dieses ersten Teils von Schaefflers
»Transzendentaler Theologie« resümiert Schaeffler die bislang er-
reichten Ergebnisse und formuliert die Aufgaben einer transzenden-
talen Theologie. Dabei geht er in einem ersten Kapitel auf die phi-
losophischen und theologischen Einwände gegen die transzendentale
Theologie und den Versuch einer Weiterentwicklung der transzen-
dentalen Methode ein.
Schaeffler geht dabei von seiner Überzeugung aus, dass »[d]ie
hier vorgeschlagene Weiterentwicklung der Transzendentalphiloso-
phie zu einer Theorie der Erfahrung als eines Dialogs mit der Wirk-
lichkeit […] Wege [eröffnet], die Aufgaben, die die Transzendentale
Theologie Maréchals und Rahners sich gestellt hat, auf neue Weise in
Angriff zu nehmen« (S. 77). Zunächst weist Schaeffler mit Recht da-
rauf hin, dass sein Konzept einer Transzendentalen Theologie vom
theologischen Vorwurf der Geschichtslosigkeit gegenüber der trans-
zendentalen Theologie bei Maréchal und Rahner nicht betroffen sein
dürfte, weil es ein Verständnis von Erfahrung als Dialog mit der (ge-
schichtlichen) Wirklichkeit vertritt (vgl. S. 77 f.). Vielmehr könnte
nach Schaefflers Überzeugung eine »Transzendentalphilosophie sol-
cher Art […] [sogar] dazu dienen, auch die Geschichte Gottes mit den
Menschen transzendental zu deuten, also etwa Ereignisse wie die Zer-
störung des Tempels oder auch die Kreuzigung Jesu […], [und da-
durch] zu zeigen, wie an derartigen Ereignissen eine ganze Erfah-

145
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Anhänge

rungswelt zum Einsturz kommt und wie die Entstehung eines neuen
Kontextes, innerhalb dessen diese Ereignisse eine neue Antwort des
Menschen hervorrufen können, als unerzwingbares Faktum (theo-
logisch gesprochen: als Folge einer freien göttlichen Gnaden-Zuwen-
dung) erfahren wird« (S. 78). Auf den zweiten theologischen Ein-
wand gegen die transzendentale Theologie, nämlich den Vorwurf
ihrer Entfremdung gegenüber der gesellschaftlichen Praxis, kann
Schaeffler in diesem Zusammenhang zugegebenermaßen nicht hin-
reichend eingehen. Er verleiht jedoch seiner festen Überzeugung
Ausdruck, dass »die Reflexion auf die Formen und Inhalte gesell-
schaftlicher Praxis mit zum Themenfeld der transzendentalen Refle-
xion« (S. 79) gehöre. Dem philosophischen Einwand gegen die Trans-
zendentalphilosophie, diese schließe »mit ihrer Lehre von der
Konstituierung der Gegenstände durch unser Anschauen und Den-
ken […] den Menschen in die Welt der bloßen Erscheinungen ein
und setze ihn, innerhalb dieser Welt, an die Stelle des Schöpfers«
(ebd.), hält Schaeffler zwei Argumente entgegen: »Einerseits ist jene
Eigentätigkeit der Vernunft, die nach transzendentalphilosophischer
Überzeugung in der Tat die Gegenstände unserer Erfahrung konsti-
tuiert, dazu bestimmt, uns aus der bloßen Subjektivität unserer Er-
lebnisse zu befreien und den Gegenständen den Ort einzuräumen, an
dem sie ihren Maßgeblichkeitsanspruch geltend machen können. An-
dererseits wird in jener weiterentwickelten Form der Transzendental-
philosophie, die hier vorgeschlagen wurde, diese Gegenstandskonsti-
tution als Antwort verstanden, die zwar nötig ist, wenn der Anspruch
des Wirklichen zur Sprache kommen soll, die aber diesen Anspruch
als den ›je größeren‹, unserem Anschauen und Begreifen überlegenen
zur Geltung bringt. Darüber hinaus aber wurde diejenige Tätigkeit
der Vernunft, aus der die Welt unserer Gegenstände hervorgeht, als
Ausdruck einer Fähigkeit begriffen, die stets bedroht ist, sich dadurch
als kontingent erweist und nach ihrer ›realen‹, aller Tätigkeit des Sub-
jekts ermöglichend vorausgehenden Bedingung befragt werden kann,
auch wenn diese Bedingung nicht abseits von dieser unserer Tätigkeit,
sondern nur in ihr selbst wirksam wird« (S. 79 f.). Mit anderen Wor-
ten: Durch seine »Weiterentwicklung« des transzendentalphilosophi-
schen Erfahrungsbegriffs zu einer Theorie der Erfahrung als Dialog
mit dem je größeren Anspruch der Wirklichkeit entgeht Schaeffler in
der Tat dem philosophischen Vorwurf eines reinen Subjektivismus
gegenüber der früheren, von Maréchal, Rahner und Lotz repräsen-
tierten Gestalt einer transzendentalen Theologie. Sie entgeht jedoch

146
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Ein Nachwort und ein Nachruf

nicht dem nicht nur möglichen, sondern naheliegenden transzenden-


talphilosophischen Einwand gegen Schaefflers »Weiterentwicklung«
der Transzendentalphilosophie, dass diese den erkenntnistheoreti-
schen Ansatz der Transzendentalphilosophie bereits verlassen hat.
Denn wenn nach transzendentalphilosophischer Überzeugung, um
hierfür Schaeffler selbst zu zitieren, »alles, was uns als ›gegeben‹ ge-
genübertritt, aus der konstitutiven Tätigkeit unseres Anschauens und
Denkens hervorgeht, kann dieser Tätigkeit nichts ›vorausgehen‹ als
die Selbstgesetzgebung der Vernunft, die sich ihre Ziele selber setzt
und die Verpflichtungskraft dieser Ziele an keinem anderen Kriteri-
um misst als daran, ob diese Zielsetzung nötig ist, wenn der Aufbau
einer Erfahrungswelt möglich sein soll. Man kann, so ist der Nerv
dieses kritischen Arguments, nicht die Lehre von der transzendenta-
len Gegenstandskonstitution übernehmen und die Lehre von der rein
regulativen Kraft der Ideen von dieser Übernahme aussparen. Ist die
Vernunft bei der Konstitution ihrer Gegenstände autonom, dann ist
sie es auch in der Bestimmung der Ziele, auf die sie sich bei ihrer
Tätigkeit ausrichtet. Ja, die Selbstgesetzgebung in der Bestimmung
ihrer Ziele ist die Bedingung ihrer Selbstbestimmung beim Aufbau
ihrer Gegenstandswelt« (S. 28). Diese transzendentalphilosophische
Kritik an der früheren Gestalt Transzendentaler Theologie, dass ihre
Anerkennung der Vernunftautonomie nicht weit genug gehe, muss
man aus ihrer Sicht noch sehr viel stärker gegen die Transzendentale
Theologie Schaefflers richten. Gegen diesen (möglichen und nahelie-
genden) Vorwurf versucht Schaeffler zwar, seine transzendentale
Theologie durch seinen Verweis auf die Vernunftdialektik bei Kant
und dessen eigene Vorschläge für deren Auflösung schon im Vor-
hinein zu verteidigen und damit Kant gegen einen radikalen
transzendentalphilosophischen Ansatz gleichsam in Schutz zu neh-
men. Diese Argumentationsstrategie würde jedoch diejenigen idealis-
tischen Transzendentalphilosophen, die den diesbezüglich vergleichs-
weise spärlichen religionsphilosophischen Überlegungen des späten
Kant zur Auflösung der Vernunftdialektik im Bereich der Sittlichkeit
und der Natur nicht zu folgen bereit sind, schwerlich überzeugen
können.
Den Titel »Transzendentale Reflexion und Theologie – Zu-
kunftsmöglichkeiten ihrer Begegnung« dieses ersten Teils des vor-
liegenden Büchleins greift Schaeffler am Ende seines vierten Ab-
schnitts (D) wieder auf, wenn er in einem zweiten Kapitel die
»Zukunftsmöglichkeiten einer Begegnung« zwischen seiner Weiter-

147
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Anhänge

entwicklung der transzendentalen Philosophie zu einer Theorie der


Erfahrung als Dialog mit der (je größeren) Wirklichkeit mit der
christlichen Theologie erörtert. Ein erstes Themenfeld dafür ist nach
Schaeffler das transzendentaltheologische Verständnis der Heiligen
Schrift als »Gotteswort im Menschenwort«. Denn »eine philosophi-
sche Theorie, nach welcher wir den Anspruch jeder Wirklichkeit nur
in der Gestalt der Antwort vernehmen und anderen vernehmbar ma-
chen, die wir in unserem Anschauen und Denken auf diesen An-
spruch gegeben haben, könnte in dieser Hinsicht ein Gesprächsange-
bot an die Theologen sein. Und dieses Gesprächsangebot könnte für
die Theologen umso fruchtbarer sein, wenn diese philosophische
Theorie zugleich aufzeigen kann, daß der von uns beantwortete An-
spruch sich, inmitten der Antwort, die wir geben, stets als der ›je
größere‹ erweist und sich so von unseren bloß subjektiven Meinun-
gen unterscheidet« (S. 80 f.). Dieses Angebot klingt prima facie
höchst attraktiv und willkommen. Doch wie will eine philosophische
Theorie der Erfahrung jeweils überzeugend aufzeigen können, dass
der von uns beantwortete Anspruch der Wirklichkeit »je größer«,
d. h. die Erscheinungsgestalt eines göttlichen Anspruchs ist? Und
wie will sie plausibel machen können, dass in der Heiligen Schrift
einer Glaubensgemeinschaft wie der christlichen, d. h. in der Bibel,
tatsächlich ein (geoffenbartes) Gotteswort – wenn auch gleichwohl
nur in der Erscheinungsgestalt eines Menschenwortes – vorliegt?
Mit anderen Worten: Schaeffler bürdet seiner transzendentalen
Theologie eine erhebliche Begründungslast auf, von der fraglich
bleibt, ob und wie sie diese wird schultern können.
Diese kritische Anfrage gilt umso mehr für das zweite Themen-
feld der von Schaeffler vorgeschlagenen Begegnung zwischen der
Transzendentalphilosophie und der christlichen Theologie, nämlich
für die biblisch bezeugte Einheit von Gottes- und Nächstenliebe:
»Eine philosophische Theorie, die die Möglichkeit, den Anspruch des
Wirklichen zu vernehmen, als kontingent und bedroht begreift und
auf die postulatorische Hoffnung gründet, die vielfältigen Weisen,
wie uns das Wirkliche in Anspruch nimmt, werden sich als Fülle von
Gegenwartsgestalten einer göttlichen Zuwendung verstehen lassen,
könnte in dieser Hinsicht ein Gesprächsangebot an die Theologen
sein. Und dieses Gesprächsangebot könnte für die Theologen umso
fruchtbarer sein, wenn diese philosophische Theorie zugleich aufzei-
gen kann, daß jene göttliche Zuwendung, die uns aus unserer Selbst-
verfangenheit befreit, ein ungeschuldeter Ausdruck einer göttlichen

148
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Ein Nachwort und ein Nachruf

Freiheit ist; denn die Kontingenz unserer Erfahrungsfähigkeit kann


nicht auf eine ihrerseits notwendig wirkende, sondern nur auf eine
frei handelnde Bedingung zurückgeführt werden« (S. 81). Denn wie
kann die postulatorische Hoffnung, dass die vielfältigen Anspruchs-
formen der Wirklichkeit sich als die Gegenwartsgestalten einer freien
göttlichen Zuwendung verstehen lassen, die uns aus unserer Selbst-
verfangenheit befreien will, als ein göttlicher Anspruch einsichtig ge-
macht werden, der uns Menschen zur Einheit von Gottes- und
Nächstenliebe ruft? Um nicht missverstanden zu werden: Diese
Rückfragen sind nicht rhetorischer Natur und unterstellen damit
nicht die Unmöglichkeit einer Realisierung der gestellten Aufgabe;
sie sollen vielmehr die Größe bzw. den Schwierigkeitsgrad dieser
Aufgabe sichtbar machen.
Ein drittes Themenfeld dieser Begegnung sieht Schaeffler im
Zusammenhang zwischen Glaube und Weltverantwortung des Gläu-
bigen und damit in der Frage gegeben, »ob und wie die Glaubensbot-
schaft ihre Unverwechselbarkeit wahren und gleichzeitig zeigen kön-
ne, daß sie über den engeren Rahmen ›religiöser‹ Fragen hinaus auch
in ›weltlichen‹ Zusammenhängen bedeutsam ist« (ebd.). Diese Auf-
gabenstellung hält Schaeffler für relativ leicht erfüllbar. Denn erstens
könne eine Theorie der Erfahrung als Dialog mit der Wirklichkeit
zeigen, »daß jener Kontext, innerhalb dessen die einzelnen [religiö-
sen] Inhalte ›Bedeutung‹ besitzen, möge dieser Kontext nun ›das Le-
ben‹ oder ›die Gesellschaft‹ heißen, nicht unveränderlich vorgegeben
ist, sondern durch die Auseinandersetzung mit konkreten Inhalten
der Erfahrung immer neu aufgebaut und umgestaltet wird. Insofern
hat jede einzelne Erfahrung in ihrer konkreten Unverwechselbarkeit
immer schon ›Bedeutung‹ für das Ganze, nicht nur als besonderer
Inhalt in einem unverändert bleibenden Zusammenhang, sondern
zugleich als vorantreibendes Moment seiner Umgestaltung. Und
zweitens kann eine Theorie der Erfahrung als eines Dialogs mit der
Wirklichkeit die spezifische Bedeutung religiöser Erfahrung und des
Zeugnisses von ihr deutlich machen: Die Unverwechselbarkeit der
spezifisch religiösen Erfahrung besteht darin, daß sie den, der sie
macht, einerseits an die Grenze seiner Erfahrungsfähigkeit im
Ganzen führt und ihn andererseits unter den Anspruch und die Zu-
sage jener unverfügbar freien Willensmacht stellt, deren Wirklichkeit
in einer allgemeinen Theorie der Erfahrung nur postuliert werden
kann. Die angemessene Antwort, in der diese Begegnung vollzogen
wird, ist freilich nicht der Begriff, sondern der Name. Dessen An-

149
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Anhänge

rufung ist stets (im religiösen wie im außerreligiösen Zusammen-


hang) diejenige Sprachhandlung, durch die der Eintritt in eine Korre-
lation mit dem Angerufenen vollzogen wird« (S. 82 f.). Dass eine
Theorie menschlicher Erfahrung als eines Dialogs mit der Wirklich-
keit die besondere Eigenart und auch die allgemeine gesellschaftliche
Bedeutung der spezifisch religiösen Erfahrung sichtbar machen kann,
auch wenn von ihr die Wirklichkeit der in der religiösen Erfahrung
adressierten »unverfügbar freien Willensmacht« nur postuliert wer-
den kann, erscheint durchaus plausibel.

Zweiter Teil: »Transzendentalphilosophie und Theologie«

1. »Christliche Philosophie und neuzeitliche Subjektivität – oder:


Die späte Trauer um einen ›überwundenen Feind‹?«
Im ersten Abschnitt (A) dieses zweiten Teils seines Buches reflektiert
Schaeffler das Verhältnis zwischen christlicher Philosophie und
neuzeitlicher Subjektivität, das lange Zeit durch eine »Frontstellung«
bzw. Gegnerschaft geprägt war. Eine lange Zeit hindurch sei die
»Christliche Philosophie« ein Synonym für »Scholastische Philo-
sophie«, d. h. eine schulbildende Philosophie, gewesen, für eine
»philosophia perennis«, d. h. »eine die wechselnden Generationen
überdauernde Philosophie, die den einzelnen Philosophen dazu auf-
fordert, sich an die empfangene Tradition anzuschließen, um sie
lebendig weiterzuentwickeln« (S. 87). Daher habe die Fortbildung
der Tradition aristotelischer Metaphysik mit ihrem Willen zur Objek-
tivität als die normative Gestalt christlicher Philosophie gegolten,
weil diese »Vorhof des Glaubens« (praeambula fidei) sein sollte. Die
neuzeitliche Philosophie sei demgegenüber als »Philosophie der Sub-
jektivität« verstanden und disqualifiziert worden (vgl. S. 88). Aller-
dings sei »[d]ie scholastische Philosophie im Sinne eines christlichen
Aristotelismus, die von ihren Vertretern für die allein christliche ge-
halten wird, […] niemals bloße Erforschung des Mittelalters
gewesen« (S. 89). Die scholastische Philosophie habe nicht »zum Mit-
telalter zurückkehren«, sondern im lebendigen Anschluss an die Tra-
dition einen Beitrag zur jeweils gegenwärtigen philosophischen Dis-
kussion leisten wollen (vgl. ebd.). »Darum hat sie in jeder ihrer
Epochen ihre Gesprächspartner unter den philosophischen Zeitgenos-
sen gesucht« (ebd.). Als ein solcher Gesprächspartner bot sich zu-

150
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Ein Nachwort und ein Nachruf

nächst Husserl mit seinen Logischen Untersuchungen und dem Pro-


grammruf »Zu den Sachen selbst!« an, der dem Objektiven den Vor-
rang vor dem Subjektiven geben sollte; umso größer sei die Ent-
täuschung gewesen, als Husserl seine eigene phänomenologische
Methode als eine besondere Art von Transzendentalphilosophie ver-
standen wissen wollte (vgl. S. 89 f.). Ein zweiter möglicher Bundes-
genosse im Kampf gegen die neuzeitliche Philosophie der Subjektivi-
tät sei Max Scheler gewesen. Dessen »Schrift ›Der Formalismus in der
Ethik und die materiale Wertethik‹ war eine Programmschrift der
Überwindung von Kants Kritik. ›Werte‹ sind nicht in der Form des
moralischen Urteils begründet, sondern werden als Inhalte, die aller
subjektiven Tätigkeit vorgeordnet sind, in besonderen Akten des
›Wert-Fühlens‹ erfaßt. Und sein zweibändiges Werk ›Vom Ewigen im
Menschen‹ weckte die Hoffnung, nun sei endgültig jene ›Wendung
zum Objektiven‹ vollzogen, die das Kennzeichen der ›katholischen
Religionsphilosophie‹ ausmache« (S. 90). Dabei schien »den katho-
lischen Anhängern Schelers nicht deutlich genug bewußt zu sein,
daß Scheler selbst sich die ›neuzeitliche‹ Kritik an der klassischen Me-
taphysik zu eigen machte und vor allem die Möglichkeit von Gottes-
beweisen bestritt. Und schließlich war die Enttäuschung wiederum
groß, als der späte Scheler eine Wendung vollzog, die seine ›katho-
lische Phase‹ beendete und, durch eine Lehre vom ›werdenden Gott‹,
sich als ungeeignet erwies, einer christlichen Philosophie als Grund-
lage zu dienen. Wer in dieser Lage den ›katholischen‹ gegen den ›pan-
theistischen‹ Scheler verteidigen wollte, mußte sich bemühen, Sche-
lers Wendung psychologisch zu erklären (aus seiner Beschämung
über das eigene moralische Versagen). Mit diesem Erklärungsversuch
hat vor allem Dietrich v. Hildebrand viel Zustimmung unter katho-
lischen Philosophen und Theologen gefunden. Damit ließ man sich
freilich auf ein Verfahren ein, das man sonst entschieden bekämpfte:
das Verfahren, die logische Prüfung eines philosophischen Gedankens
durch die versuchte psychologische Erklärung seines Zustandekom-
mens zu ersetzen« (S. 90 f.). Ob diese Charakterisierung der Kritik
Dietrich v. Hildebrands an Schelers Wende von seiner katholischen
Phase zur Spätphase seines Denkens gerecht wird, soll hier dahin-
gestellt bleiben. »Ein dritter möglicher Bundesgenosse der christ-
lichen Philosophen bei ihrem Kampf gegen die neuzeitliche ›Philo-
sophie der Subjektivität‹ war Martin Heidegger. Schon sein als
›Fundamentalontologie‹ konzipiertes Werk ›Sein und Zeit‹ schien eine
Anknüpfung an die Tradition der klassischen Ontologie möglich zu

151
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Anhänge

machen. Dem cartesischen ›Cogito‹, das der Welt als einer ganzen als
›archimedischer Punkt‹ gegenübertrat und das Seiende nur als dessen
›Gegenstand‹ zuließ, stellt Heidegger das ›Dasein‹ gegenüber, das sei-
nem Wesen nach endlich ist und dessen Sein immer schon ein ›In-der-
Welt-Sein‹ ist« (S. 91). »Damit schien die ›Philosophie der Subjekti-
vität‹ als Ausdruck eines ›Herrschaftswillens‹ entlarvt, der ›das Seien-
de zu einem Bestand macht, der dazu bestellt ist, auf der Stelle zur
Stelle zu stehen‹ (so in dem Vortrag ›Die Frage nach der Technik‹).
[…] Und wenn Heidegger im weiteren Verlauf seines Denkweges das
Denken als menschliche Antwort auf ein ›Geheiß‹ verstand, das ›uns
zu denken heißt‹, und dieses Denken als ›dankendes An-Denken‹ deu-
tete, dann schien eine christliche Philosophie in ihrer zentralen Ab-
sicht gerechtfertigt zu werden, die Herrschaft des Subjekts zu über-
winden und in allem, was ist, die ›Spur des Heiligen‹ zu entdecken.
Wiederum war die Enttäuschung groß, als Heidegger seine Kritik an
der Philosophie der Subjektivität immer weiter radikalisierte und de-
ren Wurzeln schon in den Anfängen der europäischen Philosophie zu
entdecken meinte, bis er zunächst ›Platons Lehre von der Wahrheit‹,
schließlich Sokrates für diese Subjektivitätsphilosophie verantwort-
lich machte« (S. 91 f.). Daher habe »der Versuch der ›christlichen Phi-
losophen‹, sich mit zeitgenössischen Kritikern der ›Philosophie der
Subjektivität‹ zu verbünden und auf diese Weise die ›Scholastik‹ als
lebendig fortwirkende Tradition mit der zeitgenössischen Philosophie
ins Gespräch zu bringen, […] die Erwartungen nicht erfüllt, die man
mit diesem Versuch verbunden hatte« (S. 92). Als einen »mutigen
Alleingang« (ebd.) bezeichnet Schaeffler deshalb den Weg, den der
belgische Jesuit Joseph Maréchal auf diesem Hintergrund eingeschla-
gen habe, indem er die kantische Transzendentalphilosophie auf sol-
che Weise weiterzuentwickeln versucht habe, »daß sie einen neuen
›Ausgangspunkt der Metaphysik‹ bilden konnte (so der Titel seines
Hauptwerkes, dessen erste Entwürfe schon aus dem Jahr 1914 stam-
men). Er wollte zeigen, daß jene ›künftige Metaphysik‹, zu der Kant
die Prolegomena hatte schreiben wollen und die ihren Ausgang von
einer kritischen Selbstreflexion des Subjekts genommen hat, ihr Ziel
nur erreicht, wenn sie auf neuem Wege die ›Transzendentalphiloso-
phie der Alten‹ wiedergewinnt. Es ging, nach einem Programmwort
von Maréchal, darum, ›den Agnosticismus Kantianus‹, vor allem also
die These, unser Erkennen sei auf Erscheinungen beschränkt, die wir
selber durch unser Anschauen und Denken erst aufbauen, ›von seinen
eigenen Prämissen her zu widerlegen‹. Dies sollte durch den Nach-

152
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Ein Nachwort und ein Nachruf

weis geschehen, daß in der Tätigkeit des Subjekts ein ›Dynamismus


des Geistes‹ am Werke ist, der immer schon auf Gott als das ›Esse
subsistens‹ gerichtet ist. Die Analyse der Urteilsform, bei Kant der
Schlüssel zu allen transzendentalphilosophischen Einsichten, wurde
auf solche Weise fortgeführt, daß deutlich wurde: Die Copula ›ist‹,
die dem Urteil seinen Charakter als ›Affirmation‹ verleiht, enthält
einen Vorgriff auf das ›unendliche Sein‹, das sich, mit der Tradition,
mit dem Gott der religiösen Überlieferung identifizieren läßt. Der
Versuch galt insofern einer ›Transposition des Kantismus‹ in den Kon-
text der Tradition klassischer Metaphysik« (S. 92 f.).
In seiner kleinen Geschichte der Rezeption der Transzendental-
philosophie in der christlichen Philosophie fährt Schaeffler wie folgt
fort: »Eine Reihe weiterer philosophischer Autoren, vor allem aus der
Gesellschaft Jesu, haben diesen Ansatz weiterentwickelt, um eine
neue, zugleich aber der Tradition verpflichtete ›christliche Philoso-
phie‹ zustande zu bringen. (Ich nenne in diesem Zusammenhang
nur die Patres Otto Muck und Emerich Coreth, Professoren am Insti-
tut für Christliche Philosophie der Theologischen Fakultät in Inns-
bruck.) Karl Rahner aber hat auf eindrucksvolle Weise gezeigt, wie
eine solche neue ›christliche Philosophie‹ sich dazu eignet, die Theo-
logie in der ganzen Fülle ihrer Themenstellungen auf ein neues me-
thodisches Fundament zu stellen. Maréchals Philosophie und Karl
Rahners Theologie haben unter christlichen Philosophen und Theo-
logen eine große Schar von Anhängern gewonnen. Wenn dennoch
hier von einem ›mutigen Alleingang‹ die Rede ist, dann deswegen,
weil die hier versuchte Neufassung des transzendentalen Denkens
kaum Zustimmung bei nicht-katholischen Philosophen gefunden hat,
während andererseits bei vielen katholischen Theologen der Eindruck
entstand, diese Art von Philosophie und Theologie komme dem neu-
zeitlichen Subjektivitätsdenken zu weit entgegen« (S. 93). Diese Fra-
ge nach dem Verhältnis von christlicher Philosophie und neuzeitli-
cher Subjektivität sei durch die Proklamation des »Tods des
Subjekts« in der sog. Postmoderne dem Anschein nach obsolet gewor-
den (vgl. S. 94). Daher sei für die christliche Philosophie der Anschein
entstanden, »sie habe ihren Gegner verloren. Dieser Gegner sei zwar
nicht durch die Argumente der christlichen Philosophen zum Ver-
schwinden gebracht worden; aber die christliche Philosophie habe
sich gegen diesen Gegner wenigstens so lange zur Wehr gesetzt, bis
dieser aus ganz anderen Gründen vom Schlachtfeld verschwand.
Denn wenn das Subjekt ›tot‹ ist, ist auch die ›Philosophie der Subjek-

153
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Anhänge

tivität‹ ohne Gegenstand. Doch konnte über diesen ›Tod des Gegners‹
keine Freude aufkommen. Denn wenn sich wirklich der ›Tod des Sub-
jekts‹ feststellen ließe, wären auch die Begriffe der Freiheit und der
sittlichen Verantwortung gegenstandslos geworden. Dann aber wäre
auch die theologische Rede von einer ›freien Glaubensentscheidung‹
und von der ›Freiheit eines Christenmenschen‹ ein bloßer Nachklang
einer vergangenen Zeit. Und so wurde unversehens, in einer Art von
›verspäteter Trauer‹, die Rehabilitierung des Subjekts und damit auch
die Wiederbegründung einer Philosophie, die dieses Subjekt zum
Thema hat, zu einer vordringlichen Aufgabe der christlichen Philoso-
phie. […] Dabei entstand die Frage, wie eine christliche Philosophie in
dem neuen Streit um die Subjektivität ihre Position finden könne.
Kann man die ›Rettung des Subjekts‹ mit der traditionellen Kritik an
aller Subjektivitätsphilosophie vereinbaren? Es ist nun diese Frage, die
die Auseinandersetzung mit den jüngeren Richtungen des ›Post-
Strukturalismus‹ als lohnende Aufgabe erscheinen ließ« (S. 95).
Dabei konnte »die Transzendentalphilosophie sich durch die Er-
gebnisse der strukturalistischen Psychologie, Soziologie und Linguis-
tik in ihrer grundlegenden Einsicht bestätigt sehen: Die Möglichkeit,
subjektive Erlebnisse in Inhalte objektiv gültiger Erfahrung zu ver-
wandeln, hängt davon ab, ob es dem Subjekt gelingt, einen Kontext
aufzubauen; nur innerhalb eines solchen Kontextes gewinnen die In-
halte den Charakter von Antworten auf Fragen, die das erkennende
Subjekt an sie stellt. […] Was die strukturalistische Psychologie, So-
ziologie und Linguistik beschreibt, die Herrschaft der Strukturen
über die Inhalte, kann der Transzendentalphilosoph aus seinen Grün-
den erklären: Die Herrschaft der Strukturen über die Inhalte ist eine
Folge der transzendentalen, d. h. Erfahrung ermöglichenden, Gesetz-
gebung des von der Vernunft geleiteten Verstandes über die Erschei-
nungswelt« (S. 96). Im sog. Post-Strukturalismus erschien »die Herr-
schaft der Strukturen über die Inhalte […] nun in der Rückschau,
ganz im Sinne der Transzendentalphilosophie, als Ausdruck der Ge-
setzgebung des Subjekts über die Gegenstandswelt. Aber diese Ein-
sicht wird nun gegen die Transzendentalphilosophie selber gewendet.
Das Subjekt nämlich übt diese Herrschaft auch dann noch aus, wenn
es, auf selbstzerstörerische Art, zuletzt seine eigene Selbst-Auflösung
betreibt. […] ›Dekomposition‹, Auflösung der Strukturen zugunsten
der Inhalte, wird in dieser Spätphase der Herrschaft des Subjekts zum
einzigen Weg, um das alte Programm der Philosophie einzulösen: ›die
Phänomene zu retten‹« (S. 97 f.). Vorbereitet worden sei der Post-

154
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Ein Nachwort und ein Nachruf

Strukturalismus durch verschiedene Formen der Subjektivitätskritik:


»Aber ob dieser zerstörerische und zuletzt selbstmörderische Herr-
schaftswille in der Herrschaft der Logik gesehen wird [sc. bei Heideg-
ger] oder in dem Versuch, sich gegen die ›Dichte und Fremdartigkeit
der Welt‹ durch unsere selbsthervorgebrachten Bilder und Gestalten
abzuschirmen [sc. bei Camus], oder schließlich in einer Intentionali-
tät, die alles, auch das Antlitz des Anderen, zu ihren ›Gegenständen‹
macht [sc. bei Lévinas]: In jedem Falle kann dieser Herrschaftswille
nur gebrochen werden durch Aufsprengung der Strukturen, in die
das Subjekt die Wirklichkeit, die sich ihm zeigt, hineinzuzwingen ver-
sucht. Und insofern haben die genannten Formen der Subjektivitäts-
Kritik einen ›Post-Strukturalismus‹ vorbereitet, dessen wichtigste
Methode mit dem Terminus ›Dekomposition‹ bezeichnet werden
kann« (S. 98 f.). Sei die Herrschaft des Subjekts, »die sich in der Herr-
schaft der Strukturen über die Inhalte manifestiert, […] ein Kenn-
zeichen der Neuzeit« (S. 99) gewesen, so kündige sich in dem post-
strukturalistischen bzw. post-modernen Denken ein nachneuzeit-
liches Zeitalter an, dem »eine christliche Philosophie, der es um Über-
windung der ›Philosophie der Subjektivität‹ zu tun ist« (ebd.), daher
auch mit gesteigerter Aufmerksamkeit begegne. Auf diesem zeit-
genössischen philosophiegeschichtlichen Hintergrund formuliert
Schaeffler einige beachtenswerte normative Kriterien für das Ver-
hältnis zwischen christlicher Philosophie und neuzeitlicher Subjek-
tivität, die hier kurz zusammengefasst seien:

a) Die christliche Philosophie sollte auch von ihren Gegnern lernen


(vgl. S. 100). Dieser Forderung sollte man grundsätzlich und da-
her auch in diesem Fall zustimmen.
b) Die christliche Philosophie sollte sowohl von der neuzeitlichen
»Philosophie der Subjektivität« als auch von der postmodernen
Philosophie eines »Todes des Subjekts« lernen, ohne diese Posi-
tionen einfach zu übernehmen (vgl. S. 100 f.). Dieser Empfeh-
lung schließe ich mich grundsätzlich an, auch wenn ich den Um-
fang und das Ausmaß dieser empfohlenen Lernaufgabe etwas
anders bestimmen würde, als es Schaeffler tut.
c) Die christliche Philosophie sollte ein Gespräch zwischen der
neuzeitlichen »Philosophie der Subjektivität« und der »Trans-
zendentalphilosophie der Alten«, d. h. der traditionellen Meta-
physik, zustande bringen (vgl. S. 101). Das ist zweifelsohne eine

155
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Anhänge

zwar anspruchsvolle, aber vernünftige und konstruktive Auf-


gabe der christlichen Philosophie.
d) Die christliche Philosophie müsse im Hinblick auf die Positionen
des »Strukturalismus« und des »Post-Strukturalismus« bzw. der
»Postmoderne« eine kritische Hermeneutik entwickeln, »die aus
den Krisen der neuzeitlichen Subjektivität zu lernen vermag,
ohne deren Entdeckung rückgängig machen zu wollen« (ebd.),
und die sich auch auf die postmodernen Kritiker der neuzeit-
lichen Philosophie der Subjektivität bezieht (vgl. S. 101 f.). Auch
diese Aufgabenstellung einer christlichen Philosophie verdient
m. E. Zustimmung.
e) Die christliche Philosophie sollte die klassische Tradition der
Metaphysik sich in der Weise neu aneignen, »daß sie sowohl
den Erfahrungen, aus denen die neuzeitliche Subjektivität her-
vorgegangen ist, als auch den Erfahrungen ihrer Krise, wie sie
von den ›strukturalistischen‹ und ›post-strukturalistischen‹ Phi-
losophen der ›Post-Moderne‹ beschrieben werden, gerecht wer-
den kann« (S. 102). Diese Aufgabenstellung für eine christliche
Philosophie ist ebenso anspruchsvoll wie wünschenswert.
f) »Wenn in einer kritischen Auslegung sowohl der neuzeitlichen
Subjektivität als auch der Kritik an ihr gezeigt werden kann, daß
die zerstörerische Herrschaft der Subjektivität gebrochen wer-
den kann, ohne daß dafür der ›Tod des Subjekts‹ in Kauf genom-
men werden muß, wird auch der Blick wieder frei auf die Fragen,
von denen die Metaphysik in ihrer langen Geschichte geleitet
war: Die leitende Frage müsse dann lauten: Wie muß das Seiende
gedacht werden, wenn verständlich werden soll, daß es dem Sub-
jekt ›zu denken gibt‹ ? Und wie muß das denkende Ich gedacht
werden, wenn verständlich werden soll, daß es fähig ist, dem
Anspruch, den das Seiende an dieses Ich richtet, nicht ins Wort
zu fallen, sondern ihn durch sein Anschauen und Denken ›zur
Sprache zu bringen‹, d. h. vernehmbar zu machen?« (ebd.).
g) »Die transzendentalphilosophische Frage nach den Möglich-
keitsbedingungen der Erfahrung wird auf neue Weise, als Frage
nach den Möglichkeitsbedingungen einer solchen ›Umgestal-
tung‹ [sc. der subjektiven Strukturen des Anschauens und Den-
kens], gestellt werden müssen, wenn es gelingen soll, sowohl die
klassische Tradition der Metaphysik als auch die neuzeitliche
Philosophie der Subjektivität, aber auch deren postmoderne Kri-
tik, kritisch auszulegen« (S. 103).

156
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Ein Nachwort und ein Nachruf

h) »Es ist eine solche weiterentwickelte Transzendentalphilosophie,


von der aus auch eine neue Weise der ›christlichen Philosophie‹
entwickelt werden kann. […] Und es wird eine Philosophie sein,
die den Rechtfertigungsgrund einer solchen ›transzendentalen‹,
d. h. Erfahrung ermöglichenden Hoffnung darin findet, daß sie
in dem ›je größeren‹ Anspruch der Dinge, der allen Herrschafts-
willen der Vernunft als illusorisch erweist, die Gegenwarts- und
Erscheinungsgestalt des ›Deus semper maior‹ erkennt« (ebd.).

Ob sich Richard Schaeffler von seiner »Weiterentwicklung« der


Transzendentalphilosophie für eine zeitgemäße Neufassung der Auf-
gabenstellung der christlichen Philosophie zu viel verspricht oder
nicht, werden wir erst dann absehen können, wenn seine geistigen
Schüler sich dieser von ihm gestellten Aufgabe angenommen haben.

2. »Braucht die Theologie irgendeine Art von Transzendental-


philosophie – und welche (die kantische oder eine über Kant
hinaus entwickelte Transzendentalphilosophie)?«
In diesem mit »Transzendentalphilosophie und Theologie« betitelten
zweiten Teil seines Buches stellt sich Schaeffler im zweiten Abschnitt
(B) die Frage, ob die christliche Theologie »irgendeine Art von Trans-
zendentalphilosophie [brauche] – und [wenn ja] welche (die kantische
oder eine über Kant hinaus entwickelte Transzendentalphilosophie)«
(S. 105). Verschiedene theologische Disziplinen wie die biblische, die
historische, die systematische und die praktische Theologie, hätten
vermutlich »einen je unterschiedlichen philosophischen ›Bedarf‹«
(ebd.). Und von den verschiedenen methodischen Ansätzen in der
Theologie wie etwa der existenzialen oder der politischen Theologie
gelte dies noch viel deutlicher. Daher setze die Frage, welche Art von
Theologie überhaupt eine Philosophie brauche und welche, noch eine
andere Frage voraus: »Welche Theologie braucht der Glaube?« (ebd.).
Auf diese für die christliche Theologie noch viel grundlegendere
Frage antwortet Schaeffler wie folgt:
»Theologie, d. h. eine wissenschaftlich argumentierende Krite-
riologie des themengerechten Glaubens-Verständnisses, entsteht
immer dann, wenn innerhalb der Glaubensgemeinschaft die Erfah-
rung gemacht wird, daß die Inhalte der Glaubensbotschaft (die fides
quae creditur) auf ruinöse Weise mißverstanden werden können.
›Ruinös‹ ist ein solches Mißverständnis des Glaubens-Inhalts dann,

157
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Anhänge

wenn es zugleich auch den Akt des Glaubens (die fides qua creditur)
korrumpiert. Dann ›braucht‹ der Glaube eine Theologie, die die In-
halte des Glaubens so auslegt, daß derartige Mißverständnisse ver-
mieden werden« (ebd.). Unter Voraussetzung dieser von Schaeffler
zutreffend beschriebenen geschichtlichen Entstehungsbedingung
einer wissenschaftlichen Theologie definiert Schaeffler diese wie
folgt: »Theologie ist die durch Argumente vollzogene Abwehr der-
artiger Gefahren, die bewirken könnten, daß der Glaube sich selbst
auf eine zerstörerische Weise mißversteht. Eine solche Theologie
›braucht‹ der Glaube« (S. 106). In Anwendung auf die katholische
Theologie der Sakramente bedeute dies: »Der Glaube ›braucht‹ eine
Theologie, die es möglich macht, die reale Wirksamkeit der Sakra-
mente zu deuten und sie zugleich von der vermeintlichen Macht ma-
gischer Worte und Riten zu unterscheiden« (ebd.). Für diese Anwen-
dung auf die unterschiedlichen Themenbereiche der Theologie
formuliert Schaeffler eine »allgemeine Regel« (S. 107): »Der Theo-
loge legt auf den unterschiedlichsten Themenfeldern, nicht nur auf
dem der Sakramententheologie, die Glaubensbotschaft insofern kri-
tisch aus, als er deren mögliche Missverständnisse korrigiert. Aber er
tut dies nicht dadurch, daß er diese Botschaft anhand irgendwelcher
an sie herangetragener Kriterien ›richtigstellt‹, sondern dadurch, daß
er das selbstkritische Potential freilegt und zur Geltung bringt, das in
der überlieferten Glaubensbotschaft impliziert ist. Eine in diesem
Sinne kritisch-hermeneutische Theologie ›braucht‹ der Glaube«
(ebd.). Unter Berücksichtigung dieser Regel gelangt Schaeffler daher
zu der folgenden Neuformulierung seiner Ausgangfrage: »Die Frage:
›Welche Philosophie braucht die Theologie?‹ ist daher die Frage: Wel-
che Philosophie ist geeignet, der Theologie Wege zur Erfüllung ihrer
hermeneutisch-kritischen Aufgabe zu weisen? In diesem Zusammen-
hang kann auch gefragt werden: Gehört zu den Philosophien, die zu
einem solchen Dienst an der Theologie geeignet sind, die Transzen-
dentalphilosophie?« (ebd.). Und schließlich fragt er konkreter: »Gibt
es Formen der Transzendentalphilosophie, die den Theologen nicht
nötigen, bestimmte Inhalte der Glaubensbotschaft preiszugeben, son-
dern ihn befähigen, diese Inhalte so auszulegen, daß das in ihnen
implizierte selbstkritische Moment zur Geltung kommt?« (ebd.).

158
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Ein Nachwort und ein Nachruf

3. »Die transzendentalphilosophische Frage und die Vielfalt der


Wege zu ihrer Beantwortung«
Der dritte Abschnitt (C) dieses zweiten Teils des vorliegenden Buches
trägt die Überschrift: »Die transzendentalphilosophische Frage und
die Vielfalt der Wege zu ihrer Beantwortung« (S. 109). Unter der
transzendentalphilosophischen Frage versteht Schaeffler ausdrück-
lich die Frage »nach den Bedingungen, die es möglich machen, daß
unserem Anschauen und Denken Gegenstände begegnen, an denen
wir unsere subjektiven Ansichten und Absichten kritisch überprüfen
können« (ebd.). In einem ersten Kapitel geht Schaeffler auf die Trans-
zendentalienlehre der mittelalterlichen Aristoteliker ein. Dieser zu-
folge treffen, wie Schaeffler referiert, »alle positiven Prädikate, die
wir von innerweltlichen Wesen gebrauchen, […] auf diese nur ana-
log, im Sinne einer Attributions-Analogie« (ebd.) zu, sind in ihrem
strengen Sinne aber Gottesprädikate. »Wer mit diesen Prädikaten von
unserer Erfahrungswelt spricht, hat immer schon, meist, ohne es zu
bemerken, von Gott gesprochen, der etwas von seiner Einheit, Wahr-
heit und Güte seinen Kreaturen ›attribuiert‹« (ebd.): »Nur Gott ist
das uneingeschränkt Eine, Wahre und Gute. Das endliche Seiende ist
nur ›per participationem‹ das, was die transzendentalen Prädikate be-
sagen« (ebd.).
In einem zweiten Kapitel geht Schaeffler auf die Transzendental-
philosophie Kants ein. Diese beschreibe »die im Subjekt selber liegen-
den Bedingungen dafür, dass uns etwas als Gegenstand gegenüber-
tritt. Nun findet Kant diese Möglichkeitsbedingungen des Gegen-
standsbezugs in den Formen unseres Anschauens und Denkens«
(S. 110). Die Leitfrage der Transzendentalphilosophie könne daher
unabhängig von Kant auch wie folgt formuliert werden: »In welchen
Formen müssen wir unser Anschauen und Denken vollziehen, wenn
wir nicht in unseren subjektiven Ansichten und Absichten befangen
bleiben, sondern Gegenstände entdecken wollen?« (ebd.). Die Frage
nach den Bedingungen objektiver Geltung werde daher zur zentralen
Frage der kantischen Transzendentalphilosophie (vgl. ebd.). Damit
aber werde deutlich, dass »die Theologie eine so verstandene Trans-
zendentalphilosophie ›braucht‹. Denn angesichts der verbreiteten
Meinung, der Glaube sei etwas rein Subjektives, ›braucht‹ der Theo-
loge Kriterien dafür, auf welche Weise objektiv gültige Aussagen,
auch auf dem Gebiet von Religion und Glaube, möglich sind. Er
braucht mit anderen Worten eine Transzendentalphilosophie« (ebd.).

159
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Anhänge

Damit will Schaeffler Folgendes sagen: Zwar ist der christliche Glaube
nicht zu objektiv gültigen – im Sinne von verifizierbaren – Aussagen
über die Wirklichkeit fähig, wohl aber zu Aussagen, die einen An-
spruch auf objektive Gültigkeit erheben. Deren objektive Geltungs-
bedingungen werden von der Transzendentalphilosophie im Sinne
Kants zumindest dem Anspruch nach bestimmt. Ferner brauche der
christliche Glaube »eine Theologie, die ihm zeigt, wie er ein zweifa-
ches Selbstmißverständnis vermeiden kann: die Meinung, der Glaube
sei eine Art von ›höherem Wissen‹, das ›himmlische Dinge‹ so er-
kennt, wie die ›natürliche Vernunft‹ die irdischen Dinge erfaßt, und
die entgegengesetzte Meinung, er sei eine bloß subjektive Überzeu-
gung, die gegenüber den Anhängern anderer Überzeugungen keine
objektive Geltung beanspruchen kann. Eine Theologie aber, die den
Glauben dazu anleiten will, diese Doppelgefahr zu vermeiden,
›braucht‹ eine Philosophie, die gerade an den Grenzen des Wissens
eine neue Weise objektiver Gültigkeit entdeckt und so die spezifische
Art von objektiver Geltung beschreibt, die gerade religiösen Aus-
sagen zukommt« (S. 110 f.). Genau dies aber gelte »von Kants Postu-
latenlehre in ausgezeichnetem Maße. Die Postulate der Vernunft ver-
mehren nicht unser Wissen von Gegenständen, aber sie benennen
den Grund einer in transzendentaler Hinsicht notwendigen Hoff-
nung: der Hoffnung, daß wir auch angesichts unvermeidlicher Wi-
dersprüche, in die die Vernunft sich verwickelt, an der objektiven
Geltung unserer Erfahrungen festhalten können. Insofern ist die kan-
tische Postulatenlehre diejenige Philosophie, die die Theologie
›braucht‹, wenn sie auf die objektive Geltung von Glaubens-Aussagen
nicht verzichten will, die an den Grenzen des Wissens ausgesprochen
werden und doch alles bloß subjektive Meinen hinter sich lassen«
(S. 111).
In einem dritten Kapitel geht Schaeffler auf Zweifel ein, »daß die
Theologie die kantische Gestalt der Transzendentalphilosophie
›braucht‹« (ebd.): Es gebe »vor allem zwei Bedenken gegen den Ver-
such, gerade der kantischen Philosophie Kriterien entnehmen zu wol-
len, an denen die objektive Geltung von Glaubensaussagen erkannt
werden kann. Denn erstens hat Kant von der Philosophie gefordert,
›den stolzen Namen einer Ontologie abzulegen und den bescheidenen
einer Analytik des Verstandes anzunehmen‹. Vertreter der klassi-
schen Onto-Theologie kommen daher zu dem Urteil, Kant habe ›dem
Menschen den Weg zu Gott von seiten des Verstandes verschlossen‹.
Zweitens aber scheint weder für die klassische Ontologie noch für die

160
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Ein Nachwort und ein Nachruf

kantisch verstandene Transzendentalphilosophie die Geschichte eine


wesentliche Rolle zu spielen. Dann aber scheint eine solche Philoso-
phie nicht geeignet zu sein, der Theologie Möglichkeiten zur Aus-
legung der biblischen Glaubensbotschaft aufzuschließen. Denn für
diese ist gerade der Bezug zur Geschichte wesentlich« (S. 111 f.). Ver-
gleiche man aber diese Bedenken vieler Theologen mit Kants Selbst-
aussagen, dann könne man zwei zunächst überraschende Entdeckun-
gen machen (vgl. S. 112.): »Kant hatte keineswegs die Absicht, dem
Verstand jeden Weg zu Gott zu versperren, sondern entwickelte, in
Gestalt seiner Postulatenlehre, eine eigene transzendentalphilosophi-
sche Weise, von Gott zu sprechen. Und er kam schließlich zu der
Überzeugung: Diese ›transzendentale Theologie ist der höchste
Standpunkt der Transzendentalphilosophie‹, d. h. der Ort, von dem
aus sich das gesamte Themenfeld der Transzendentalphilosophie als
eine Einheit überblicken läßt« (ebd.). Freilich sei die Mehrheit der
Theologen »Kant auf diesem Wege einer transzendentalen Theologie
nicht gefolgt. Stattdessen haben Joseph Maréchal, Karl Rahner und
ihre Schüler den Versuch unternommen, von der transzendentalen
Analytik her die klassische Ontologie und Onto-Theologie wieder-
zugewinnen. Den Ansatz dazu bot eine Bedeutungs-Analyse der
Copula ›ist‹, die für die logische Funktion des Urteils unentbehrlich
ist. Sie bezeichne, so sagte man nun, das Sein jedes Seienden als end-
liche Realisierung des unendlichen Seins. Diese Analyse des Urteils
und seiner Copula ›ist‹ hat Johann Baptist Lotz auf die Formel ge-
bracht: ›In omni iudicio ens transcendens co-praedicatur‹« (ebd.).
»Freilich verstärkt diese Lösung den zweiten Einwand der Kant-Kri-
tiker: Seine Transzendentalphilosophie versperre den Zugang zum
Verständnis der Geschichte« (ebd.). Die zweite überraschende Ent-
deckung bei Kant für die Theologen aber bestehe darin, zu realisieren,
dass »Kant keineswegs das philosophische Denken in eine Entfrem-
dung gegenüber der Geschichte geraten lassen, sondern die Vernunft
als wesentlich geschichtlich begreifen [wollte]. Darum heißt das letzte
Kapitel der Kritik der reinen Vernunft ›Die Geschichte der reinen Ver-
nunft‹. Kant war sich freilich dessen bewußt, daß er diese Aufgabe
noch nicht erfüllt hatte« (S. 113).
Im vierten Kapitel stellt Schaeffler die transzendentale Phäno-
menologie und ihre »linguistische Wendung« als »Gestalten einer
Weiterentwicklung der Transzendentalphilosophie« (ebd.) vor. Hus-
serls transzendentale Phänomenologie sei »eine über Kant hinaus
weiterentwickelte Form der Transzendentalphilosophie« (ebd.). »Die

161
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Anhänge

transzendentale Frage ›Wie muß ich anschauen und denken, wenn


mir Gegenstände gegenübertreten sollen?‹ nimmt in der Phänome-
nologie folgende Form an: Auf welche spezifische Art muß ich an-
schauen und denken, wenn ich hoffen will, daß mir dadurch ein ori-
ginärer Zugang zu einer bestimmten Art von Gegenständen
aufgeschlossen wird?« (ebd.). Danach stellt sich Schaeffler die Frage:
»›Braucht‹ die Theologie eine so verstandene Transzendentalphilo-
sophie?« (ebd.), um diese Frage sogleich selbst zu beantworten: »Das
scheint immer dann der Fall zu sein, wenn die Glaubenden einem
›Monopol-Anspruch‹ der empirischen Wissenschaft begegnen, sie
allein könne zu objektiv gültigen Aussagen führen. Durch diesen
Monopol-Anspruch der Wissenschaft nämlich werden die Verkünder
des Glaubens vor folgende vermeintliche Alternative gestellt: Sie
müssen entweder ihre Aussagen (z. B. die Aussagesätze einer hym-
nischen Doxologie) in solche Aussagen übersetzen, die mit Mitteln
der empirischen Wissenschaft überprüfbar sind, oder sie müssen ihre
Glaubens-Aussagen den Hörern als bloßen Ausdruck subjektiver Ge-
fühle anbieten und sie fragen, ob sie darin ihre eigenen Gefühle wie-
dererkennen. Beide Versuche, die Glaubensbotschaft zu verstehen,
würden jedoch den Inhalt der Botschaft (fides quae creditur) ver-
fehlen und in Folge davon zugleich dem Akt des Glaubens (fides qua
creditur) seinen Bezug zu seiner spezifischen ›Region‹ von Gegen-
ständen rauben, d. h. seinen Bezug zu den Selbst-Manifestationen
des Heiligen. Angesichts dieser Gefahr ›braucht‹ der Glaube eine
Theologie, die den Glaubenden Wege zeigt, um diese beiden Weisen
der Selbstzerstörung des Glaubens zu vermeiden. Und dazu ›braucht‹
die Theologie eine Philosophie, die ihr die Eigengesetzlichkeit ›spezi-
fisch verschiedener‹ Noesen und die Eigenart der ihnen zugeordneten
Noemata deutlich macht: konkret die Eigengesetzlichkeit der religiö-
sen Noesis und die Eigenart der ›Region und Kategorie‹ des Heiligen,
das sich nur dem religiösen Akt ›originär erschließt‹« (S. 113 f.).
Daran aber schließe sich die Frage an, »auf welche Weise der
Philosoph – und mit seiner Hilfe der Theologe – die Eigenart der
religiösen Noesen bestimmen kann (z. B. um Heideggers Frage zu be-
antworten: ›Von welcher Art ist das Denken, mit dem der Glaube
denkt?‹). Fragt man so, dann wird man auf die Sprache der Religion
bzw. des Glaubens verwiesen. Die Eigenart der religiösen Sprache mit
ihrer besonderen Pragmatik, Grammatik und Semantik ist teils Aus-
druck der religiösen Noesis, teils der Schule, in der die Mitglieder der
religiösen Sprachgemeinschaft den Vollzug dieser Noesis lernen und

162
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Ein Nachwort und ein Nachruf

einüben. Das aber bedeutet: Ohne Analyse der religiösen Sprache ist
das Programm einer Phänomenologie der Religion nicht einlösbar.
Wenn also die Theologie zur Erfüllung ihrer Aufgabe eine transzen-
dentale Phänomenologie ›braucht‹, dann ›braucht‹ sie auch deren ›lin-
guistische Wendung‹. Und sie braucht dabei näherhin eine linguisti-
sche Wendung solcher Art, daß dabei der transzendentale Charakter
der Phänomenologie nicht verlorengeht. Denn wenn die Phänomeno-
logie diesen transzendentalen Charakter verlöre, würde sie zugleich
aufhören, für die Theologie ›brauchbar‹ zu sein. Ein Beispiel einer
linguistischen Wendung, die den Boden der Transzendentalphilo-
sophie nicht verläßt, bietet, schon 100 Jahre vor Husserl, Herders
Metakritik der Kritik der reinen Vernunft und die sich an Herder an-
schließende Sprachphilosophie in Deutschland, zu deren wichtigsten
Repräsentanten Wilhelm von Humboldt und Ernst Cassirer gehören«
(S. 114 f.). Schaeffler erkennt demnach die transzendentale Phänome-
nologie Husserls als Gestalt einer Weiterentwicklung der Transzen-
dentalphilosophie Kants an, die von der christlichen Theologie ge-
braucht werde, um der beschriebenen zweifachen Gefahr ihrer
Selbstzerstörung zu entgehen, indem sie ihr die Eigengesetzlichkeit
der religiösen Noese und die Eigenart der ihr zugeordneten spezifisch
religiösen Noemata aufzeige. Zu diesem Zweck müsse die transzen-
dentale Phänomenologie auf die Eigenart der religiösen Sprache ein-
gehen, ohne deren Analyse die spezifisch religiöse Noese nicht be-
stimmt werden könne. Deshalb brauche die christliche Theologie
eine transzendentale Phänomenologie einschließlich ihrer »linguisti-
schen Wendung«. Doch damit gibt sich Schaeffler nicht zufrieden;
vielmehr entwirft er im vierten und letzten Abschnitt (D) dieses
zweiten Teils seines Buches das Programm »einer neuen Gestalt der
Transzendentalphilosophie als Angebot an die Theologie« (S. 117) in
insgesamt neun Punkten. Wir werden sehen, inwiefern dieses Pro-
gramm über die transzendentale Phänomenologie und deren »lin-
guistische Wendung« hinausführt.

4. »Vorschlag einer neuen Gestalt der Transzendentalphilosophie


als Angebot an die Theologie – Bausteine zu einem Programm«
Richard Schaefflers »Vorschlag einer neuen Gestalt der Transzenden-
talphilosophie als Angebot an die Theologie« (ebd.) umfasst neun in-
haltliche Aspekte, die er als »Bausteine zu einem Programm« (ebd.)
einer Transzendentalphilosophie versteht:

163
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Anhänge

1) Grundlegend bleibe Kants Einsicht, dass alles Anschauen und


Begreifen ein aktives Gestalten der Gegenstände einschließt (vgl.
ebd.). Diese transzendentalphilosophische Einsicht scheint auch
mir unaufgebbar zu sein.
2) Auch die post-kantische Entdeckung, dass die Formen unseres
Anschauens und Denkens historisch variabel sind, könne nicht
mehr rückgängig gemacht werden (vgl. ebd.). Diese »Ent-
deckung« müsste man noch sehr viel eingehender analysieren
und differenzieren.
3) Aus diesen beiden ersten Charakteristika ergibt sich das dritte
Merkmal dieser neuen Gestalt der Transzendentalphilosophie:
»Die Transzendentalphilosophie ist über Kant hinaus weiter-
zuentwickeln, und zwar so, daß sie die alte Frage nach den Be-
dingungen objektiver Gültigkeit mit einem neu geschärften Be-
wußtsein von der Verschiedenheit der Erfahrungsarten und vom
Unterschied ihrer historischen Bedingungen verbindet« (ebd.).
4) »Das setzt voraus, daß das Verhältnis des Subjekts zu seinen
Gegenständen nicht einseitig als Gesetzgebung, sondern wech-
selseitig als Dialog gedacht wird. Unser Anschauen und Denken
antwortet auf einen Anspruch des Wirklichen, indem es ihm
Kontexte bereitstellt, innerhalb derer der zunächst unbestimmte
Impuls dieses Anspruchs inhaltlich näher bestimmt werden
kann. Der Gegenstand seinerseits antwortet auf diesen unseren
Versuch, seinen Anspruch zur Sprache zu bringen, indem er sich
immer wieder aus den von uns vorgezeichneten Kontexten be-
freit und so unserem Anschauen und Denken in widerständigem
Eigenstand gegenübertritt. So zeigt er an, daß er zwar von uns
angeschaut und gedacht sein ›will‹, aber sich nicht darin er-
schöpft, der von uns angeschaute und gedachte zu sein. Aus
dem geordneten Gefüge dessen, was wir anschauen und denken,
taucht der Gegenstand immer wieder in jener ›Dichte und
Fremdartigkeit‹ auf, durch die er anzeigt: Sein Anspruch ist
›immer größer‹ als unsere Antwort, obgleich er immer nur in
dieser unserer Antwort zur Sprache kommen kann: als das in
unserer Antwort wirksame geschichtlich vorantreibende Mo-
ment« (S. 117 f.). In dieses Merkmal geht Schaefflers Verständ-
nis der Erfahrung als Dialog mit der Wirklichkeit konstitutiv
ein. Dieses hat allerdings eher den Charakter eines Programms
als den einer minutiös ausgeführten Theorie.

164
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Ein Nachwort und ein Nachruf

5) »Der so verstandene Dialog des Subjekts mit seinen Objekten ist


die Bedingung dafür, daß verschiedene Subjekte untereinander
einen Dialog über die gleiche Sache führen können. Über eine
Sache sprechen heißt: den Anspruch der Sache an neue Hörer
weitergeben, damit diese ihn auf neue Weise beantworten kön-
nen. […] Unter dem je größeren Anspruch der Sache wird aber
die Sprache, in der wir diesen Anspruch beantworten, immer
wieder zur Umgestaltung genötigt« (S. 118). Erfahrung als Dia-
log mit der Wirklichkeit wird demnach als Ermöglichungsgrund
einer intersubjektiven Verständigung über den gemeinsam er-
fahrenen Gegenstand verstanden, weil diese Erfahrung als Wei-
tergabe des Anspruchs der erfahrenen Wirklichkeit an andere
gedeutet wird. Auch dieses Merkmal hat eher einen postulatori-
schen als einen verifizierten oder gar bewiesenen Charakter.
6) »Auch eine so verstandene post-kantische Philosophie muß an
der Unterscheidung zwischen subjektivem Erleben und objektiv
gültiger Erfahrung festhalten. […] Jede Erfahrung legt jede an-
dere aus und wird durch sie ausgelegt, auch wenn diese Erfah-
rungen in unterschiedlich strukturierten Kontexten und unter
unterschiedlichen historischen Bedingungen gemacht worden
sind. Keine Gegenwart versteht sich selbst, wenn sie sich dem
Geltungsanspruch derjenigen Erfahrungen entzieht, die in ande-
ren Kontexten bzw. unter den Bedingungen einer historisch frü-
heren Zeit gemacht worden sind« (ebd.). Auch wenn Schaeffler
für seine neue Gestalt der Transzendentalphilosophie an der
wichtigen Unterscheidung zwischen subjektivem Erleben und
objektiv gültiger Erfahrung festhalten will, stellt sich demgegen-
über doch die Frage, an welchen Kriterien dieser Unterschied
festgestellt werden kann. Mit anderen Worten: Wie kann der
Anspruch der Wirklichkeit sich in dem subjektiven Erleben der
Subjekte seiner Erfahrung hinreichend Geltung verschaffen?
7) »Die Ansprüche, die das Wirkliche in jedem einzelnen Kontext
und unter den Bedingungen jeder einzelnen historischen Situa-
tion an uns richtet, können und müssen als Erscheinungsgestal-
ten eines göttlichen Auftrags (mandatum) ausgelegt werden und
legen ihrerseits den Begriff ›göttlicher Auftrag‹ aus. […] Keine
Erfahrung versteht sich selbst, wenn sie die Geltung ihres An-
spruchs nicht als bloße Erscheinung und zugleich als wirkliche
Erscheinung eines verpflichtenden Auftrags (mandatum) Gottes
versteht« (S. 119). Dieses Merkmal verschärft die bereits zu dem

165
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Anhänge

zuvor genannten Merkmal angedeutete Problematik noch er-


heblich; denn es stellt sich hierzu eindringlich die Frage, wie der
angenommene Anspruchscharakter des Wirklichen als ein au-
thentisches Medium einer göttlichen Willensbekundung und da-
mit einer objektiven, normativen Gültigkeit ausweisbar sein soll.
8) »Ein solches Verständnis objektiver Geltung erweist sich zu-
gleich als geeignet, den spezifischen Geltungsanspruch der bib-
lischen Verkündigung auszulegen. Denn diese ist nach Form und
Inhalt radikal historisch, aber keineswegs relativ« (ebd.). Dieses
Merkmal ergibt sich analytisch aus dem vorherigen Merkmal,
sofern dies als gültig angenommen wird.
9) »Eine in diesem Sinne weiterentwickelte Transzendentalphiloso-
phie ist das geeignete Mittel, um den weithin abgebrochenen
Dialog zwischen Theologie und neuzeitlicher Philosophie neu
in Gang zu bringen« (ebd.).

Dieses letzte Charakteristikum fasst das Votum bzw. die Option Ri-
chard Schaefflers für die von ihm umrisshaft konzipierte neue Gestalt
einer Transzendentalphilosophie als Gesprächsangebot an die christ-
liche Theologie abschließend zusammen. Deren hier eigens auf-
genommene, insgesamt neun inhaltliche Aspekte können gleichsam
als das geistige Vermächtnis der von Richard Schaeffler entwickelten
neuen Gestalt einer Transzendentalphilosophie verstanden werden,
die er bescheiden als ein »Angebot an die Theologie« (S. 117) bezeich-
net. Die christliche Theologie täte gut daran, dieses Gesprächsangebot
mit dankbarem Interesse anzunehmen.

166
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Ein Nachwort und ein Nachruf

II. Ein Nachruf auf das wissenschaftliche Lebenswerk


Richard Schaefflers

Richard Schaeffler (1926–2019) 1 gehörte seit der zweiten Hälfte des


20. Jahrhunderts bis zu seinem Tod zweifelsohne zu den führenden
und herausragenden Fachvertretern für Religionsphilosophie und
philosophische Theologie nicht nur im deutschsprachigen Raum. Da-
von zeugt nicht zuletzt der rezeptionsgeschichtliche Umstand, dass
seine in vier Auflagen erschienene Religionsphilosophie 2 Überset-
zungen in zahlreiche Sprachen, darunter ins Spanische, Portugiesi-
sche, Polnische und Koreanische, erfahren hat. Diese Monographie
ist längst zu einem Standardwerk der Religionsphilosophie geworden,
das weltweit zitiert wird. Aber auch viele andere seiner genuin reli-
gionsphilosophischen Publikationen, insbesondere seine diesbezüg-
lichen Monographien, haben eine weit überdurchschnittliche Beach-
tung und Wertschätzung sowohl in der akademischen Fachwelt als
auch in benachbarten Disziplinen gefunden; hierzu gehören diejeni-
gen frühen und späten Monographien Schaefflers, die sich mit beson-
deren zeitgenössischen oder auch mit geschichtlich früheren, sachlich
aber nach wie vor äußerst relevanten Herausforderungen für die re-
ligiöse Praxis und das religiöse Bewusstsein auf einem stets hohen
Sprach- und Abstraktionsniveau intensiv auseinandergesetzt haben
oder welche die Eigenart religiöser Akte und Anschauungen und
ihrer Bezugsgegenstände minutiös untersuchen; im Einzelnen sind
hier zu nennen: Religion und kritisches Bewußtsein (Freiburg u. a.
1973), Die Religionskritik sucht ihren Partner. Thesen zu einer er-
neuerten Apologetik (Freiburg 1974), Phänomenologie der Religion.
Grundzüge ihrer Fragestellungen (Freiburg/München 2017) mit um-
fangreichen Kapiteln zu den Methoden der Religionsphilosophie, zur
Gestalt, Funktion und Bedeutung der religiösen Sprache, zum Kultus

1
Eine sehr schöne Würdigung der außerordentlich beeindruckenden wissenschaft-
lichen Lebensleistung Richard Schaefflers hat vorgenommen C. Böhr, »Perspektiven
der Transzendentalphilosophie. Zum Tod von Richard Schaeffler. Ein Nachruf«, in:
Jahrbuch für Religionsphilosophie/Philosophy of Religion Annual, Bd. 17 (2018),
214–222. Neben dem höchst bedeutsamen publizierten Werk Richard Schaefflers gibt
es noch ein umfangreiches Nachlasswerk von Schaeffler, das von zwei seiner korea-
nischen Schüler in digitalisierter Form publiziert werden soll.
2
Vgl. R. Schaeffler, Religionsphilosophie (Handbuch Philosophie, Bd. 4), 2. Aufl. der
Studienausg. (4. Aufl., unveränd. Nachdr. der 2. Aufl. von 1997), Freiburg/München
2010.

167
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Anhänge

als Ausdruck religiösen Weltverstehens, zu den Aufgaben und Be-


urteilungskriterien religiöser Traditionen und Institutionen und zu
den »Göttern der Religionen«, dem »Gott der Philosophen« und
dem »Gott der Bibel«). Aber auch im Bereich der philosophischen
Gotteslehre und der philosophischen Grundlegung der Theologie hat
sich Richard Schaeffler unschätzbare Verdienste erworben, begin-
nend mit seiner Monographie Frömmigkeit des Denkens? Martin
Heidegger und die katholische Theologie (Darmstadt 1978). Dieser
Buchtitel zeigt bereits an, dass sich Richard Schaeffler in seiner lan-
gen akademischen Forschungs- und Lehrtätigkeit wie kaum ein zwei-
ter Religionsphilosoph im deutschsprachigen Raum um die Relevanz
des philosophischen Denkens für Theorie und Praxis des christlichen
Glaubens, und zwar insbesondere des katholischen Christseins, be-
müht hat, ja mehr noch: dass der Skopus seiner gesamten wissen-
schaftlichen Arbeit auf einer »philosophischen Einübung in die Theo-
logie« liegt. Der Umstand, dass diese Formulierung von Richard
Schaeffler als Titel seiner dreibändigen Summe seiner Forschungen
im Bereich der philosophisch-theologischen Grenzfragen selbst ge-
wählt worden ist, 3 darf als ein deutlicher Hinweis auf die zentrale
Bedeutsamkeit dieses Schwerpunkts seiner wissenschaftlichen For-
schungsarbeit gelten. Diesem Schwerpunkt sind daher auch zahlrei-
che andere der größeren Schriften Richard Schaefflers zuzuordnen:
So hat er den »Wechselbeziehungen zwischen Philosophie und katho-
lischer Theologie«, eine eigene, gleichlautende Monographie gewid-
met; 4 er hat sich ebenfalls in monographischer Form mit der Wissen-
schaftsgestalt der Theologie intensiv auseinandergesetzt, und zwar
erstmals in dem Buch Glaubensreflexion und Wissenschaftslehre.
Thesen zur Wissenschaftstheorie und Wissenschaftsgeschichte der
Theologie (Freiburg/Basel/Wien 1980); ferner in dem gemeinsam
mit Günter Altner u. a. herausgegebenen Buch Wissenschaftstheorie
und Theologie. Technisch-wissenschaftliche Welt und Schöpfung

3 Vgl. R. Schaeffler, Philosophische Einübung in die Theologie, Bd. 1: Zur Methode


und zur theologischen Erkenntnislehre (Scientia & Religio, Bd. I/1), Freiburg/Mün-
chen 2004, unveränd. Nachdr. der 1. Aufl. (Studienausg.) 2008; Bd. 2: Philosophische
Einübung in die Gotteslehre (Scientia & Religio, Bd. I/2), Freiburg/München 2004,
unveränd. Nachdr. der 1. Aufl. (Studienausg.) 2008; Bd. 3: Philosophische Einübung
in die Ekklesiologie und Christologie (Scientia & Religio, Bd. I/3), Freiburg/München
2004, unveränd. Nachdr. der 1. Aufl. (Studienausg.) 2008.
4 Vgl. R. Schaeffler, Die Wechselbeziehungen zwischen Philosophie und katholischer

Theologie, Darmstadt 1980.

168
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Ein Nachwort und ein Nachruf

(Bd. 20 der Reihe Christlicher Glaube und moderne Gesellschaft, hg.


von Franz Böckle, Freiburg/Basel/Wien, 3. unveränd. Aufl. 1984).
Die Bedeutung seiner philosophischen Gotteslehre für den christ-
lichen Glauben hat Schaeffler nach dem ersten Band seiner Trilogie
zur philosophischen Einübung in die Theologie ausgearbeitet in dem
Buch Philosophisch von Gott reden: Überlegungen zum Verhältnis
einer philosophischen Theologie zur christlichen Glaubensverkündi-
gung (Freiburg/München 2006).
Neben seinen primären Forschungsschwerpunkten in der Reli-
gionsphilosophie, der philosophischen Gotteslehre und in der phi-
losophischen und wissenschaftstheoretischen Grundlegung der
christlichen, insbesondere der katholischen Theologie, hat Schaeffler
noch mindestens zwei weitere Arbeitsschwerpunkte entwickelt, und
zwar im Bereich der Geschichtsphilosophie und der philosophischen
Erkenntnistheorie. Auch in diesen beiden philosophischen Diszipli-
nen hat Schaeffler durch seine Rezeption und Weiterentwicklung
der Transzendentalphilosophie Immanuel Kants einen eigenen An-
satz entwickelt. Darüber hinaus hat Schaeffler seinen bereits in seiner
Habilitationsschrift Die Struktur der Geschichtszeit (Philosophische
Abhandlungen, Bd. 21, Frankfurt a. M. 1963) grundgelegten und in
seiner Monographie Einführung in die Geschichtsphilosophie (Darm-
stadt 1973, 2., erw. Aufl. Darmstadt 1980, 4. Aufl. Darmstadt 1991,
Übersetzung ins Koreanische 1997) weitergeführten geschichtsphi-
losophischen Ansatz für eine katholische Theologie der Hoffnung
fruchtbar gemacht, und zwar in dem Buch Was dürfen wir hoffen?
Die katholische Theologie der Hoffnung zwischen Blochs utopischem
Denken und der reformatorischen Rechtfertigungslehre (Darmstadt
1979). Im Bereich der Erkenntnistheorie hat Richard Schaeffler im
Ausgang von dem transzendentalphilosophischen Ansatz Immanuel
Kants Bausteine für eine Weiterentwicklung dieses Ansatzes erarbei-
tet, deren Möglichkeit er bei Kant schon grundgelegt sieht, und zwar
in den folgenden drei Monographien: primär in dem nicht nur um-
fangsmäßig großen, sondern auch sachlich höchst bedeutsamen Buch
Erfahrung als Dialog mit der Wirklichkeit. Eine Untersuchung zur
Logik der Erfahrung (Freiburg/München 1995), in dem Schaeffler
einen zwar transzendentalphilosophisch grundgelegten, aber über
Kants transzendentalphilosophischen Ansatz hinausgehenden Begriff
menschlicher Erfahrung als eines Dialogs mit der Wirklichkeit ent-
wickelt hat; dabei ist es ein weiteres großes Verdienst Schaefflers, in
und mit dieser Monographie seinen zwar transzendentalphiloso-

169
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Anhänge

phisch grundgelegten, aber darüber hinaus weiterentwickelten Erfah-


rungsbegriff zu einem Hermeneuticum des religiösen Sprechens von
Gott und damit auch für die christliche Theologie fruchtbar gemacht
zu haben. Diesen neuen, erkenntnistheoretisch begründeten Erfah-
rungsbegriff hat Schaeffler in zwei weiteren Monographien sowohl
vertieft als auch in seinem Bezug auf die genuin religiöse Erfahrung
entfaltet: Ersteres in seiner Monographie Erkennen als antwortendes
Gestalten. Oder: Wie baut sich vor unseren Augen die Welt der Ge-
genstände auf? (Freiburg/München 2014); und Letzteres in seinem
Buch Unbedingte Wahrheit und endliche Vernunft. Möglichkeiten
und Grenzen menschlicher Erkenntnis (hg. von Christoph Böhr,
Wiesbaden 2017). Schließlich sei noch darauf hingewiesen, dass Ri-
chard Schaeffler in seinen letzten Lebensjahren auch noch eine Onto-
logie im nachmetaphysischen Zeitalter. Geschichte und neue Gestalt
einer Frage (Freiburg/München 2008), ferner eine Philosophische
Anthropologie unter herausgeberischer Betreuung von Christoph
Böhr, Wiesbaden 2019) und schließlich auch eine Analyse verschie-
dener Erfahrungsarten unter dem Titel Das Gute, das Schöne und das
Heilige. Eigenart und Bedingungen der ethischen, der ästhetischen
und der religiösen Erfahrung (Freiburg/München 2019) veröffent-
licht hat.
Diese hier nur angedeuteten Schwerpunkte des wissenschaft-
lichen Œuvres Richard Schaefflers verdanken sich gewiss auch dem
biographischen Umstand, dass Richard Schaeffler neben seinem Stu-
dium der Philosophie auch ein vollständiges Studium der katho-
lischen Theologie absolviert und an der Katholisch-Theologischen Fa-
kultät der Ruhr-Universität Bochum über zwanzig Jahre lang einen
Lehrstuhl für Philosophisch-Theologische Grenzfragen innegehabt
hat, d. h. hauptberuflich mit theologisch und religiös relevanten phi-
losophischen Gegenständen beschäftigt war. Die Intensität sowie die
wissenschaftliche Produktivität, mit der er dieser Aufgabe über viele
Jahrzehnte hinweg nachging, und vor allem die Fruchtbarkeit der Er-
gebnisse seiner religions- und geschichtsphilosophischen sowie seiner
erkenntnis- und wissenschaftstheoretischen Arbeit für die katho-
lische Theologie, und zwar erstlich für die systematische, aber auch
für die praktische Theologie, ist im deutschsprachigen Raum der Ge-
genwart nicht nur nach meiner Einschätzung einzigartig.
Für Richard Schaefflers eigenen religionsphilosophischen An-
satz ist eine Kombination transzendentalphilosophischer, phäno-
menologischer und sprachanalytischer Methoden konstitutiv. Es ist

170
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Ein Nachwort und ein Nachruf

nun vor allem sein Verdienst, diese drei Typen genuin philosophi-
scher Methoden für religionsphilosophische Analysen religiöser
Sprach- und Bewusstseinsphänomene erschlossen zu haben. Die da-
bei aufgewiesenen Strukturformen religiösen Bewusstseins und reli-
giöser Sprache haben auch und vor allem zahlreichen christlichen
Theologen beider Konfessionen neue Einsichten in Wesen und Funk-
tion genuin religiöser Vollzüge, insbesondere der religiösen Sprache
und des religiösen Kultes (einschließlich des religiösen Gebetes), ver-
mittelt und dadurch einen wichtigen Beitrag zu einem angemessenen
Verständnis der Eigenart religiöser Praxis geleistet. Es hat wohl kaum
einen zweiten Religionsphilosophen von Rang gegeben, dessen For-
schungen einen derart intensiven Bezug zur religiösen Praxis auf-
weisen wie diejenigen Richard Schaefflers. Davon zeugen neben sei-
nen beiden Monographien zur Analyse religiöser Sprache Kleine
Sprachlehre des Gebets (Einsiedeln/Trier 1988, mit Übersetzung ins
Französische: Le langage de la prière, Paris 2003) und Das Gebet und
das Argument. Zwei Weisen des Sprechens von Gott. Eine Einfüh-
rung in die Theorie der religiösen Sprache (Düsseldorf 1989) auch
seine zahlreichen Aufsätze und kleineren wissenschaftlichen Ab-
handlungen, die grundlegenden Aspekten religiöser Praxis gewidmet
sind. Deren theoretischer Grundlegung ist daher ein nicht unerheb-
licher Teil des wissenschaftlichen Oeuvres Richard Schaefflers gewid-
met, wobei Schaeffler stets auch die kirchliche Praxis des christlichen,
in Sonderheit katholischen Glaubens im Blick gehabt hat.
Auf dem Hintergrund unserer Ausführungen können wir
zumindest ein vorläufiges Fazit in Bezug auf die herausragende wis-
senschaftliche Bedeutung Richard Schaefflers ziehen: Diese liegt ins-
besondere auf dem Gebiet der religions- und geschichtsphilosophi-
schen sowie der erkenntnistheoretischen Kant-Rezeption; in einer
genaueren Annäherung besteht sie in seiner Nobilitierung und Wei-
terentwicklung der transzendentalphilosophischen Methode Kants
sowohl für die Philosophie als auch für die christliche Theologie. Da
jedoch eine repräsentative Gesamtwürdigung des wissenschaftlichen
Ansatzes Richard Schaefflers im Rahmen dieses Nachrufs unmöglich
ist, soll dieser Ansatz zumindest exemplarisch an seiner für die christ-
liche Theologie besonders bedeutsam gewordenen Monographie Das
Gebet und das Argument aufgezeigt werden. Anhand einiger inhalt-
licher Grundzüge dieses Werkes soll gezeigt werden, wie Schaeffler
die sprachanalytische und die transzendentalphilosophische For-
schungsmethode miteinander verbindet und für seinen Entwurf einer

171
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Anhänge

Theorie der religiösen Sprache fruchtbar macht. Dabei geht Schaeff-


ler von dem Sinnlosigkeitsvorwurf der sprachanalytisch inspirierten
jüngeren Religionskritik gegenüber der religiösen Sprache als solcher
aus. Diesem Einwand zufolge sind die Sätze der religiösen Sprache
sinnlos, d. h. ohne Bedeutungsgehalt und Sachbezug, und infolgedes-
sen auch wahrheitsunfähig, weil sie die Bedingungen für das Vorlie-
gen eines Bedeutungsgehalts und eines Gegenstandsbezugs einer
sprachlichen Äußerung angeblich nicht erfüllen. Denn die religiöse
Sprache spreche erstens von Gegenständen wie etwa Gott, die nicht
eindeutig identifiziert und von anderen Gegenständen nicht eindeu-
tig unterschieden werden können; und sie verwende zweitens Begrif-
fe, die sich einer exakten Definition entziehen. So aber gerät, wie
Richard Schaeffler selbst formuliert, »die Sprache der Religion in
den Verdacht, eine Sprache ohne Sachbezug und Bedeutungsgehalt,
also ein Gebrauch von Wörtern ohne Sinn zu sein.« 5 Dass diese bei-
den Kriterien eines sinnvollen und damit auch wahrheitsfähigen
Sprachgebrauchs, und zwar das der eindeutigen Identifizierbarkeit
der bezeichneten Gegenstände und das der exakten Definierbarkeit
der verwendeten Ausdrücke, von dieser sprachanalytischen Reli-
gionskritik inhaltlich in einem positivistisch eingeschränkten Sinne
bestimmt werden, liegt auf der Hand: Denn nur dann, wenn als ein-
deutig identifizier- und als eindeutig definierbar alleine das empirisch
Gegebene gilt, erscheinen Begriffe der religiösen Sprache wie etwa
Gott als bedeutungs- und referenzlos, mithin als sinnlos. Schaeffler
begegnet diesem Sinnlosigkeits- und damit Wahrheitsunfähigkeits-
vorwurf gegenüber der religiösen Sprache in mehreren Schritten: Im
Anschluss an die sprachanalytische Pragmatik zeigt er zunächst, dass
Sätze der religiösen Sprache wie etwa »Ich taufe dich« zwar oftmals
den formalen Charakter von Sprachhandlungen besitzen, dass reli-
giöse Sprachhandlungen aber entgegen einer in der sprachanalyti-
schen Philosophie weit verbreiteten Auffassung nicht auf den Wahr-
heitsanspruch von Aussagen verzichten, sondern Sachbehauptungen
einschließen. So impliziere etwa die religiöse Heilswirksamkeit einer
Sprachhandlung wie etwa die in dem Satz »Im Namen Jesu spreche
ich dich los von deinen Sünden« sich artikulierende Lossprechung die
Heilsnotwendigkeit der Zustimmung zu gewissen Aussagesätzen, in

5
R. Schaeffler, Das Gebet und das Argument. Zwei Weisen des Sprechens von Gott.
Eine Einführung in die Theorie der religiösen Sprache, Düsseldorf 1989, 18 (einfache
Seitenangaben beziehen sich in diesem Abschnitt auf diese Schrift).

172
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Ein Nachwort und ein Nachruf

diesem Fall zu dem propositionalen Gehalt des religiösen Bekennt-


nisses: »Jesus ist von den Toten auferweckt worden«; denn nur unter
Voraussetzung der Wahrheit dieses Aussagegehalts ist die Wirksam-
keit der genannten Sprachhandlung, d. h. der Lossprechung, gegeben.
Aus diesem Befund zieht Schaeffler den Schluss, dass Sachbezug und
Bedeutungsgehalt religiöser Propositionen wie etwa der Aussage »Je-
sus ist von den Toten auferweckt worden« durch die von nicht-pro-
positionalen religiösen Sprachhandlungen (wie in unserem Beispiel
die Lossprechungsformel) implizierten propositionalen Gehalte ver-
mittelt sind. Die religiöse Sprachhandlung identifiziert also diejenige
religiöse Wirklichkeit, die mit dem religiösen Namen »Gott« bezeich-
net wird, indem sie (wie übrigens viele der religiösen Kulthandlun-
gen) in dessen Namen vollzogen werden muss, um überhaupt wirk-
sam werden zu können. Mit diesem Aufweis des Enthaltenseins
propositionaler Gehalte in religiösen Sprachhandlungen ist der ge-
nannte positivistisch motivierte Sinnlosigkeitsverdacht gegen die re-
ligiöse Sprache allerdings noch nicht entkräftet; um dies zu leisten,
sucht Schaeffler in einem nächsten Schritt zu zeigen, dass die religiö-
se Sprache ein von anderen strukturverschiedenes, autonomes,
gleichberechtigtes sog. Sprachspiel darstellt, das seine eigenen Regeln
besitzt und in seiner spezifischen Funktion durch kein anderes
Sprachspiel ersetzt werden kann. Diejenigen Regeln, die das religiöse
intersubjektive Sprachverhalten bestimmen, müssen aber andere sein
als etwa die des wissenschaftlichen Diskurses, da in genuin religiösen
Sprachspielen wirksame Akte der Selbstverpflichtung und ihrer An-
nahme bzw. Ablehnung innerhalb einer Sprach- und Handlungs-
gemeinschaft vollzogen werden. Wann aber liegt ein »autonomes
Sprachspiel« überhaupt vor? Dies zu klären, muss, wie Schaeffler ge-
zeigt hat, Aufgabe einer transzendentalen Semiotik, d. h. einer all-
gemeinen Zeichentheorie, sein, welche die drei Teildisziplinen der
Semantik und damit das allgemeine Bedeutungsverhältnis zwischen
Zeichen und Bezeichnetem, ferner der Grammatik als der allgemei-
nen Verhältnisbestimmung der sprachlichen Zeichen unter- und zu-
einander, und der Sprachpragmatik als der durch die Zeichen vermit-
telten Bestimmung des Verhältnisses zwischen Sprechern und
Hörern, einschließt. Nur eine transzendentale Semiotik, welche ers-
tens die formalen semantischen Bedingungen untersucht, die erfüllt
sein müssen, damit ein Zeichensystem wie eine Sprache sich auf
etwas bezieht und etwas besagt, welche zweitens die allgemeinen
grammatischen Formen bestimmt, die einen Bedeutungsgehalt und

173
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Anhänge

Gegenstandsbezug von Zeichen begründen, und welche drittens aus


der regulativen Idee einer Gemeinschaft von Sprechern und Hörern
(wie einer Religionsgemeinschaft) die formalen Regeln ableitet, wel-
che die besondere Weise begründen, wie in einer bestimmten (wie
etwa der religiösen) Sprache auf Gegenstände Bezug genommen
wird, könne die formalen Bedingungen definieren, die erfüllt sein
müssen, damit ein Zeichensystem wie etwa die religiöse Sonder-
sprache sich auf etwas bezieht und etwas besagt, d. h. Bedeutungs-
gehalt und Gegenstandsbezug besitzt, mithin ein autonomes »Sprach-
spiel« darstellt. Darin aber zeigt sich die sachliche Notwendigkeit
einer Kombination von sprachanalytischer und transzendentalphi-
losophischer Methode, die Schaeffler erkannt hat, um die religiöse
Sprache als ein autonomes und damit legitimes Sprachspiel unter vie-
len anderen erweisen und um die internen Regeln dieses Sprachspiels
genauer bestimmen zu können.
Unter Rückgriff auf Hermann Cohens transzendentale Theorie
subjektkonstituierender Sprachhandlungen und Ernst Cassirers
ebenfalls transzendentale Theorie einer Pluralität symbolischer An-
schauungsformen und Begriffe in ihrer gegenstands- bzw. weltkon-
stituierenden Funktion zeigt Schaeffler in einem dritten Schritt, dass
die Aufdeckung der allgemeinen Strukturen der religiösen Sprache
einen Rückgang auf Kants Postulatenlehre erforderlich macht: Kants
regulative Ideen bzw. Vernunftpostulate der Einheit des Aktes »Ich
denke« sowie der geordneten Ganzheit der Welt aber seien modifika-
tionsbedürftig: Die Einheit des »Ich denke« bzw. das transzendentale
Subjekt, dem nach Kant die Inhalte aller meiner Vorstellungen zu-
geordnet werden müssen, damit es die synthetischen Funktionsleis-
tungen des Verstandes gewährleisten kann, diese Einheit ist wie die-
jenige der Welt (schon nach Kant) nicht immer schon gegeben,
sondern der Vernunft aufgegeben; nach Schaeffler aber ist sie darüber
hinaus sowohl durch Sprachhandlungen vermittelt als auch immer
schon und grundsätzlich eine pluriforme Einheit. Mit anderen Wor-
ten: Die Ideen der Einheit des Ich und der Ganzheit der Welt treten
zunächst als jeweils kulturell spezifische auf, die sich jedoch in eine
umfassende Einheit und Ganzheit einfügen. Diese Idee einer ver-
mittelten umfassenden Einheit und Ganzheit von Ich- und Welt-Ein-
heiten prüft Schaeffler deshalb am religiösen Sprachspiel, weil dieses
sich zwar als autonom, d. h. als eigengesetzlich, nicht jedoch als au-
tark, nicht als selbstgenügsam, sondern als angewiesen auf andere
Sprachspiele erweise.

174
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Ein Nachwort und ein Nachruf

Nicht autark sei die religiöse Sprache, insofern innerhalb dersel-


ben Deutungsalternativen auftreten, die nicht durch ihren Gebrauch
selbst, sondern nur durch den Gebrauch der wissenschaftlichen Ar-
gumentationssprache einer Theologie entschieden werden können.
Gleichwohl beinhalte die religiöse Sprache nach Auffassung ihrer
Sprecher einen Bedeutungsüberschuss gegenüber anderen Sprachen,
auch gegenüber der theologischen Argumentationssprache, der ihre
Autonomie erweise. Nach Schaefflers eigener Definition aber ist ein
Sprachspiel genau dann autonom, wenn »es durch seine besondere
Grammatik die regulativen Ideen des Ich und der Welt auf spezifische
Weise bestimmt« (S. 93). Dass die religiöse Sprache in diesem Sinne
autonom und doch zugleich nicht autark, sondern interferent sei, d. h.
auch einen Verweischarakter auf andere strukturverschiedene Spra-
chen des Redens von Gott, in diesem Fall auf die theologische Argu-
mentation und die philosophische Begriffsbildung über die gleiche
Sache, besitze, genau diese Behauptung sucht Schaeffler am modell-
haften Beispiel der religiösen Namensanrufung zu verifizieren:
Die Sprachhandlung der religiösen invocatio nominis als eines
grüßenden, durch (private und gegebenenfalls auch öffentliche) Na-
mensnennung die angesprochene Gottheit identifizierenden Zurufs
besitzt eine auffallend häufige Form, die Schaeffler in Anlehnung an
die bibelhebräische Sprache als »Kausativform« (des Verbs) bezeich-
net: Die gegrüßte Gottheit wird gegrüßt als jemand, der bewirkt, dass
ein anderer etwas machen kann. Die religiöse Akklamation als die
Sprachhandlung eines grüßenden Anrufs stelle demnach eine Bezie-
hung zwischen dem menschlichen Wirken und dem angerufenen
Gott solcher Art dar, dass der Mensch »die Wirksamkeit seines Tuns
einer fremden ermächtigenden Macht im ganz wörtlichem Sinne ver-
dankt, sich ihr dankend anheimstellt« (S. 126). Damit aber enthalte
die religiöse Akklamation, die Kausativ-Nomina wie etwa »der Grün-
der« (conditor) oder »der Wiederhersteller« (reparator) für die ange-
rufene Gottheit verwendet, eine religiöse Interpretation des Kausal-
nexus: Das Wirken des Sprechers dieser invocatio Dei wird als eine
Manifestation der ermächtigenden Macht Gottes verstanden, der, um
das alttestamentlich dafür wichtigste Beispiel zu nennen, macht, wie
es etwa in Dtn 8,14 heißt, dass Israel aus Ägypten ging, der also sein
Volk aus dem Sklavenhaus Ägyptens befreit und herausgeführt hat.
Neben Kausativ-Nomina werden in religiösen Namensanrufun-
gen für die angerufenen göttlichen Mächte ebenfalls auffallend häu-
fig Partizipialnomina verwendet; dafür lassen sich gerade im altorien-

175
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Anhänge

talischen Bereich zahlreiche prominente Beispiele anführen, etwa das


von Schaeffler selbst genannte Beispiel des Segensgrußes, mit dem
Malkizedek, der König von Salem, Abram, den späteren Abraham,
in Gen 14,19 grüßt: »Sei gesegnet, Abram, von El Schaddai, (vom
Höchsten Gott, dann wörtlich) machend Himmel und Erde (in freie-
rer Übersetzung: ›der Himmel und Erde erschaffen hat‹)« (S. 128).
Die Verwendung eines solchen Partizipialnomens verleiht nach Scha-
efflers Auslegung jener »Verknüpfung von gegenwärtiger Erfahrung
und erinnerter Vergangenheit, die mit jeder Namensnennung ge-
schieht, eine besondere Gestalt: Derjenige, der in der Vergangenheit
gewirkt hat, wird als der gegenwärtig Wirkende benannt, näherhin
als derjenige, der seine in der Vergangenheit gewirkten Taten in der
Gegenwart fortwirkend erneuert« (ebd.). Damit aber enthält nach
Schaeffler die Verwendung von Partizipien zur Benennung einer an-
gerufenen Gottheit »eine religiöse Interpretation dessen, was im
Wechsel der Erfahrungen als das Beharrende wiedererkannt wird«
(S. 130), mithin eine religiöse Interpretation der Kategorie der Sub-
stanz als des nach Kant dem fortdauernden Wechsel von Erscheinun-
gen beharrend Zugrundeliegenden. Denn was im Wechsel der Er-
scheinungsformen beharrt, ist für den religiösen Betrachter der
immer gleiche Gott, dessen gleichbleibende Wirksamkeit in Vergan-
genheit, Gegenwart und Zukunft erst die Bedingung der Möglichkeit
dafür sei, religiöse Erfahrungssequenzen als den einheitlichen und
geordneten Erfahrungszusammenhang einer erzählbaren Geschichte
verstehen zu können. Daran werde die transzendentale Bedeutung
der religiös verstandenen Substanzkategorie ebenso deutlich, wie die
transzendentale Bedeutung der religiös gedeuteten Kategorie der
Kausalität an der Verwendung von Kausativ-Formen in religiösen
Namensanrufungen sichtbar werde: Denn die sich gewisser Kausa-
tiv-Nomina bedienende Sprachhandlung der religiösen Namensanru-
fung konstituiert nach Schaeffler insofern einen kausal geordneten
religiösen Erfahrungszusammenhang, als sie Ursachen und Wirkun-
gen innerhalb des empirischen Kausalnexus als Manifestation jener
ermächtigenden Macht versteht, die sich im Wirken wie in der Wir-
kung, d. h. in der Tätigkeit des Agens wie in ihrem Produkt manifes-
tiere. Die Kombination beider beschriebenen religiösen Sprachhand-
lungen, der Kausativ-Akklamation und der Partizipial-Benennung,
aber führe zu einer religiösen Zeitanschauung, der Schaeffler eben-
falls einen transzendentalen Charakter zuspricht: Denn dann werde
auch die Namensanrufung selbst als eine göttlich ermächtigte Hand-

176
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Ein Nachwort und ein Nachruf

lung und folglich der menschliche Sprecher als ein Werkzeug gött-
licher Parusie verstanden. Mit dieser Kombination beider Sprach-
handlungen aber sei eine religiöse Zeitanschauung verbunden, wel-
che die den Wechsel der Ereignisse und ganzer Weltalter übergreifen-
de Einheit der Zeit als Stiftung eines identisch bleibenden Gottes
begreift. Und noch eine dritte sprachpragmatische und grammatische
Eigentümlichkeit erkennt Schaeffler an religiösen Namensnennun-
gen, und zwar die Verwendung possessiver Selbstbezeichnungen wie
etwa »mein Retter«, »mein Heilbringer«, an denen er ebenfalls die
transzendentale Bedeutung religiöser Sprachhandlungen ablesen zu
können glaubt. Denn die Rolle, welche der Sprecher durch die Sprach-
handlung der öffentlichen Namensanrufung übernimmt, sei die des
Bekenners einer ihm zugeeigneten Kraft und die eines Vermittlers
dieser Kraft auch an die Hörer seiner Namensanrufung. So konstitu-
iere sich in dieser Sprachhandlung allererst das religiöse Subjekt, des-
sen Existenz von ihm als ebenso zugeeignet, d. h. ihm gegeben, ver-
standen werde wie die Handlung der Namensanrufung, die es voll-
zieht. Mit der Weitergabe der ihm verliehenen Kraft und des ihm
gegebenen Wortes an die Hörer seiner Sprachhandlung aber trete
das religiöse Subjekt ein in eine Sprachgemeinschaft der Sprecher
des göttlichen Wortes, werde also religiöse Intersubjektivität allererst
(transzendental) begründet. Aber nicht nur das religiöse Subjekt und
die religiöse Intersubjektivität, sondern auch die religiöse Welt als der
umfassende und einheitliche Zusammenhang jener kausal bestimm-
ten Erscheinungen und Ereignisse, die vom religiösen Subjekt als die
Manifestation eines identisch bleibenden Gottes aufgefasst werden,
auch die so verstandene religiöse Welt also werde durch die von der
religiösen Sprachhandlung der Namensanrufung meist in Form von
Partizipialnomina zum Ausdruck gebrachte Substantialität und Iden-
tität des angerufenen Gottes konstituiert. Und nur was als eine ob-
jektiv gültige Manifestation einer numinosen Wirklichkeit verstan-
den werden könne, gelte innerhalb des religiösen Weltverständnisses
als »wirklich und wahr, d. h. als maßgeblich für alles menschliche Ur-
teilen und Handeln« (S. 147).
Doch könnte sich hier nicht die Frage stellen, ob damit dem zwar
biblisch und in manch anderen Religionen breit, in wieder anderen
Religionen jedoch seltener und in wenigen Religionen, etwa dem
atheistischen Theravada- und Zen-Buddhismus, überhaupt nicht be-
zeugten religiösen Akt der invocatio nominis Dei (Anrufung des
göttlichen Namens) nicht zu viel an transzendentaler Begründungs-

177
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Anhänge

funktion aufgebürdet wird. Ob die Sprachhandlung der religiösen


Namensanrufung, die Schaeffler nur als eine Antwort auf die revela-
tio nominis, d. h. auf die Selbstzuwendung der Gottheit durch Nen-
nung ihres Namens, für überhaupt möglich hält, tatsächlich einen im
strengen Sinne des Wortes transzendentalen Charakter als all-
gemeingültige, erfahrungsunabhängig bestehende und der Form nach
notwendige Konstitutionsbedingung der Möglichkeit sowohl eines
religiösen Subjektes als auch einer religiösen Gemeinschaft als auch
einer geordneten Welt religiöser Erfahrung besitzt, scheint mir mit
Blick auf den angedeuteten religionsgeschichtlichen Befund einer ei-
nerseits kaum überschaubaren Fülle und Vielgestaltigkeit religiöser
Gottesanrufungen und andererseits ihres wenn auch seltenen Fehlens
in bestimmten religiösen Bewegungen eher den Charakter eines For-
schungsprogramms als den eines bereits allseits gesicherten For-
schungsergebnisses zu besitzen. Es wäre auch zu fragen, ob andere
religiöse Sprachhandlungen etwa im Bereich religiöser Meditations-
praxis, die weder explizit noch implizit eine religiöse Namensanru-
fung vollziehen, eine zumindest analoge Begründungsfunktion zu er-
füllen imstande sind. Und es wäre gleichfalls zu untersuchen, ob
religiöse Handlungen nichtsprachlicher Art etwa im religiösen Ritus
und Kultus hierfür nicht auch in Frage kämen.
Unbeschadet dieser Anfragen aber liegt das große Verdienst der
hier leider nur in äußerster Verkürzung wiedergegebenen Kombina-
tion von transzendentalsemiotischen und sprachanalytischen Über-
legungen Schaefflers darin, gezeigt zu haben, dass die religiöse Son-
dersprache in der Tat ein »autonomes Sprachspiel« darstellt, welches
entgegen dem positivistischen Sinnlosigkeitsverdacht moderner Reli-
gionskritik sowohl einen eigenen Bedeutungsgehalt als auch einen
eigenen Gegenstandsbezug besitzt und folglich zumindest wahrheits-
fähig und damit sinnvoll ist. Denn am Beispiel der religiösen Na-
mensanrufung hat Schaeffler den Nachweis dafür erbracht, dass die
religiöse Sprache eine besondere Grammatik besitzt, durch welche sie
die regulativen Ideen des Ich und der Welt in ganz spezifischer Weise
bestimmt: des Ich als eines in seiner Existenz sich gegebenen und zu
seinen religiösen Handlungen sowie zur Aufnahme intersubjektiver
religiöser Beziehungen allererst ermächtigten religiösen Subjekts;
der Welt als jenes Erscheinungs- und Ereigniszusammenhangs numi-
noser Wirkungen, dessen Einheit von der Substantialität und Identi-
tät des sich in ihr manifestierenden Numens begründet wird. Wie
also ein religiöses Subjekt und eine religiöse Welt sich in religiösen

178
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Ein Nachwort und ein Nachruf

Sprachhandlungen als einer eminent wichtigen, weil objektiv nach-


vollziehbaren Form religiöser Akte überhaupt erst konstituieren, da-
für hat uns Richard Schaeffler neben vielem anderen allererst die
Augen geöffnet.

179
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Bernd Irlenborn

Bibliographie Richard Schaefflers


Zeitraum: 1952 bis 2022 1

Vorbemerkung

Die folgende Bibliographie beruht auf einem Schriftenverzeichnis,


das Richard Schaeffler dem Verfasser im Jahr 2011 übergeben hat.
Dieses Verzeichnis wurde geprüft, erweitert, aktualisiert und in zahl-
reichen Punkten korrigiert. Zudem wurde es mit den bereits vorlie-
genden Bibliographien verglichen. Titel, die nicht oder nicht eindeu-
tig belegt werden konnten, sind mit einem Asterisk gekennzeichnet.
Bisher liegen folgende Bibliographien zum Werk Richard Schaefflers
vor:

1) Bibliographie 1952–1986, in: Julie Kirchberg/Johannes Müther (Hg.),


Philosophisch-Theologische Grenzfragen. Festschrift für Richard
Schaeffler zur Vollendung des 60. Lebensjahres, Essen 1986, 247–255.
2) Bibliographie 1952–1996, in: Matthias Laarmann/Tobias Trappe (Hg.),
Erfahrung – Geschichte – Identität. Zum Schnittpunkt von Philosophie
und Theologie. Für Richard Schaeffler, Freiburg i. Br. 1997, 377–389.
3) Bibliographie 1952–2010, in: Thomas M. Schmidt/Siegfried Wieden-
hofer (Hg.), Religiöse Erfahrung. Richard Schaefflers Beitrag zu Reli-
gionsphilosophie und Theologie, Freiburg i. Br./München 2010, 285–
305.

Die Bibliographie Richard Schaefflers ist gegliedert in I. Mono-


graphien, II. Herausgeberschaften, III. Beiträge in Zeitschriften und
Sammelwerken, IV. Lexikonartikel, V. Rezensionen. Innerhalb der
einzelnen Rubriken sind die Titel chronologisch angeführt. Dabei hat
das Jahr der Abfassung eines Titels für dessen Positionierung in der
Bibliographie den Vorrang vor dem Jahr der Veröffentlichung. Das

1
Für hilfreiche Hinweise bei der Erstellung der Bibliographie danke ich den Kollegen
Christoph Böhr (Heiligenkreuz/Trier), Benjamin Dahlke (Eichstätt), Markus Enders
(Freiburg i. Br.), Michael Kim (Seoul) und Christian Tapp (Bochum).

181
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Anhänge

gilt für die angeführten Übersetzungen und Wiederabdrucke, die stets


ausschließlich in Ergänzung des Originaltexts genannt werden. 2

I. Monographien

1 Die Frage nach dem Glauben im Werke von Karl Jaspers [Diss. phil.
masch.] Tübingen 1952 [hinterlegt in den Universitätsbibliotheken Bo-
chum, Erlangen/Nürnberg und Tübingen].
2 Die Struktur der Geschichtszeit [Habilitationsschrift Tübingen 1961],
Frankfurt a. M. 1963.
3 Wege zu einer Ersten Philosophie. Vom rechten Ansatz des philosophi-
schen Fragens, Frankfurt a. M. 1964.
4 Religion und kritisches Bewußtsein, Freiburg i. Br./München 1973.
5 Einführung in die Geschichtsphilosophie, Darmstadt 1973 (erw. Auflage
2
1980, unv. 31990, unv. 41991).
5a Übersetzung ins Koreanische: Yŏksa ch’ŏrhak, Ulsan 1997.
6 Die Religionskritik sucht ihren Partner. Thesen zu einer erneuerten
Apologetik, Freiburg i. Br. 1974.
7 Fähigkeit zum Glück, Zürich 1977.
8 Frömmigkeit des Denkens? Martin Heidegger und die katholische Theo-
logie, Darmstadt 1978.
9 Was dürfen wir hoffen? Die katholische Theologie der Hoffnung zwi-
schen Blochs utopischem Denken und der reformatorischen Rechtfer-
tigungslehre, Darmstadt 1979.
10 Die Wechselbeziehungen zwischen Philosophie und katholischer Theo-
logie, Darmstadt 1980.
11 Glaubensreflexion und Wissenschaftslehre. Thesen zur Wissenschafts-
geschichte und Wissenschaftstheorie der Theologie (Quaestiones dis-
putatae 82), Freiburg i. Br. 1980.
12 Fähigkeit zur Erfahrung. Zur transzendentalen Hermeneutik des Spre-
chens von Gott (Quaestiones disputatae 94), Freiburg i. Br. 1982.
13 Religionsphilosophie (Handbuch Philosophie 4), Freiburg i. Br. 1983
(erw. Auflage 21997; unv. Studienausgabe 2002, unv. 22010).
13a Übersetzung ins Polnische: Filozofia religii, Tschenstochau 1989.
13b Übersetzung ins Portugiesische: Filosofia da religião, Lissabon 1992.
13c Übersetzung ins Koreanische: Chongkyo ch’ŏlhak, Gwangju 1995.
13d Übersetzung ins Englische: Reason and the Question of God: An Intro-
duction to the Philosophy of Religion, New York 1999.
13e Übersetzung ins Spanische: Filosofía de la religión, Salamanca 2003.

2
In einem besonderen Fall gilt das auch für die frühe chronologische Anordnung des
Titels III.4, der erst 2019 veröffentlicht wurde, den Schaeffler aber bereits 1961 (als
Habilitationsvortrag) verfasst hat.

182
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Bibliographie Richard Schaefflers

13f Übersetzung ins Ungarische: A vallásfilozófia kézikönyve, Budapest


2003.
13g Übersetzung ins Tschechische: Filosofie náboženství, Prag 2003.
14 Kleine Sprachlehre des Gebets, Einsiedeln/Trier 1988.
14a Übersetzung ins Französische: Le langage de la prière. Essai d’analyse
philosophique, Paris 2003.
14b Übersetzung ins Polnische: O języku modlitwy, Krakau 2007.
14c Übersetzung ins Koreanische: Gido-eon-eo: gidoui so(so)eon-eohag,
Seoul 2011.
15 Das Gebet und das Argument – Zwei Weisen des Sprechens von Gott.
Eine Einführung in die Theorie der religiösen Sprache, Düsseldorf 1989.
16 Erfahrung als Dialog mit der Wirklichkeit. Eine Untersuchung zur Logik
der Erfahrung, Freiburg i. Br./München 1995.
17 Philosophische Einübung in die Theologie. Drei Bände, Freiburg i. Br./
München 2004. Erster Band: Zur Methode und zur theologischen Er-
kenntnislehre; Zweiter Band: Philosophische Einübung in die Gottesleh-
re; Dritter Band: Philosophische Einübung in die Ekklesiologie und
Christologie (unv. Studienausgabe 2008).
18 Philosophisch von Gott reden. Überlegungen zum Verhältnis einer Phi-
losophischen Theologie zur christlichen Glaubensverkündigung (Scien-
tia & Religio 5), Freiburg i. Br./München 2006.
18a Übersetzung ins Koreanische: Sin-e daehaeseo cheolhagjeog-eulo
malhagi, Seoul 2016.
19 Ontologie im nachmetaphysischen Zeitalter. Geschichte und neue Ge-
stalt einer Frage, Freiburg i. Br./München 2008.
20 Erkennen als antwortendes Gestalten. Oder: Wie baut sich vor unseren
Augen die Welt der Gegenstände auf? (Scientia & Religio 12), Freiburg
i. Br./München 2014.
20a Übersetzung ins Koreanische: Syepeulleoui insiglon, Seoul 2021.
21 Unbedingte Wahrheit und endliche Vernunft. Möglichkeiten und Gren-
zen menschlicher Erkenntnis, hg. von Christoph Böhr, Wiesbaden 2017.
22 Phänomenologie der Religion. Grundzüge ihrer Fragestellungen, Frei-
burg i. Br./München 2017.
22a Übersetzung ins Italienische: Fenomenologia della religione, Brescia
2020.
23 Das Gute, das Schöne und das Heilige. Eigenart und Bedingungen der
ethischen, der ästhetischen und der religiösen Erfahrung, Freiburg i. Br./
München 2019.
24 Philosophische Anthropologie, hg. von Christoph Böhr, Berlin 2019.
25 Transzendentale Theologie. Gott als Möglichkeitsgrund der Erfahrung,
herausgegeben und mit einem Nachwort zur »Transzendentalen Theo-
logie« und einem Nachruf auf das wissenschaftliche Lebenswerk Richard
Schaefflers (1926–2019) versehen von Markus Enders unter Mitarbeit
von Frank Schlesinger, mit einer Bibliographie Richard Schaefflers von
Bernd Irlenborn, Freiburg i. Br./München 2022.

183
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Anhänge

II. Herausgeberschaften

1 Einsichten. Gerhard Krüger zum 60. Geburtstag, Frankfurt a. M. 1962


(hg. gemeinsam mit Klaus Oehler).
2 Gerhard Krüger, Religiöse und profane Welterfahrung, Frankfurt a. M.
1973.
3 Gerhard Krüger, Eros und Mythos bei Platon, Frankfurt a. M. 1978.
4 Theorie der Sprachhandlungen und heutige Ekklesiologie – Ein philoso-
phisch-theologisches Gespräch, Freiburg i. Br. 1987 (hg. gemeinsam mit
Peter Hünermann).
5 Unsterblichkeit (Wolfenbütteler Forschungen 86), Wiesbaden 1999 (hg.
gemeinsam mit Friedrich Niewöhner).

III. Beiträge in Zeitschriften und Sammelwerken

1 Martin Heidegger und die Frage nach der Technik, in: Zeitschrift für
philosophische Forschung 9 (1955) 116–127.
2 Zur Struktur der Geschichtszeit. Versuch einer ontologischen Analyse,
in: Wissenschaft und Weisheit. Zeitschrift für augustinisch-franziska-
nische Theologie und Philosophie in der Gegenwart 18 (1955) 24–32.
2a Anzeige von 2: Zur Struktur der Geschichtszeit. Versuch einer ontologi-
schen Analyse, in: Zeitschrift für philosophische Forschung 9 (1955)
313–314.
3 Philosophische Überlieferung und politische Gegenwart in der Sicht von
Karl Jaspers (Teil 1), in: Philosophische Rundschau 7 (1959) 81–109;
Philosophische Überlieferung und politische Gegenwart in der Sicht
von Karl Jaspers (Teil 2), in: Philosophische Rundschau 7 (1959) 260–
293.
4 Die Kontroverse zwischen Anselm von Canterbury und Gaunilo von
Marmoutiers: Zur Frage nach der Vertretbarkeit des Daseins Gottes im
Denken [Habilitationsvortrag von 1961], in: Christoph Böhr/Hanna-
Barbara Gerl-Falkovitz (Hg.), Gott denken. Zur Philosophie von Reli-
gion, Heidelberg 2019, 1–17.
5 Das Gute als Gegenstand des philosophischen Fragens, in: Zeitschrift für
philosophische Forschung 15 (1961) 519–540.
6 Wahrheit und Geschichte, in: Klaus Oehler/Richard Schaeffler (Hg.),
Einsichten. Gerhard Krüger zum 60. Geburtstag, Frankfurt a. M. 1962,
297–315.
6a Übersetzung ins Koreanische, Seoul 1995*.
7 Das Verhältnis von Erfahrung und Denken bei Platon und Kant, in: Das
Verhältnis von Denken und Erfahrung im wissenschaftlichen Erkennen:
I. Historische Modelle (Veröffentlichungen des Studium Generale
Mainz), Mainz 1962, 25–32.

184
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Bibliographie Richard Schaefflers

8 Der Mensch, das denkende Wesen – Bedeutungswandel einer alten De-


finition (Teil 1), in: Die Pädagogische Provinz. Unterricht und Erziehung
20 (1966) 525–539; Der historische Wandel der Auffassungen vom
menschlichen Denken und seine Konsequenzen für die philosophische
Anthropologie (Teil 2), in: Die Pädagogische Provinz. Unterricht und
Erziehung 21 (1967) 240–260.
9 Einige Stationen aus der Geschichte der philosophischen Zeitproblema-
tik, in: Studium Generale. Zeitschrift für die Einheit der Wissenschaften
im Zusammenhang ihrer Begriffsbildungen und Forschungsmethoden
20 (1967) 53–68.
10 La liberté comme principe herméneutique de l’interprétation des textes
religieux, in: Enrico Castelli (Hg.), L’herméneutique de la liberté reli-
gieuse, Paris 1968, 253–282 (Diskussion 283–285).
10a Wiederabdruck: La liberté comme principe herméneutique pour l’inter-
pretation des textes religieux, in: Enrico Castelli (Hg.), L’ermeneutica
della libertà religiosa, Rom 1968, 253–282 (Diskussion 283–285).
10b Freiheit als hermeneutisches Prinzip für die Auslegung religiöser Texte,
in: Hans Werner Bartsch (Hg.), Kerygma und Mythos VI, Band 5: Reli-
gion und Freiheit. Zur Hermeneutik der religiösen Freiheit (Theologi-
sche Forschung. Wissenschaftliche Beiträge zur kirchlich-evangelischen
Lehre 52), Hamburg 1974, 99–117.
11 Zur sachlichen Herkunft des hermeneutischen Problems, in: Die Päda-
gogische Provinz. Unterricht und Erziehung 22 (1968) 219–235.
12 Die Vernunft und die Tatsachen. Bemerkungen zur kritischen Funktion
der Philosophie, in: Catholica 22 (1968) 271–287.
13 Die Wahrheit des Zeugnisses. Philosophische Erwägungen zur Funktion
der Theologie, in: Paul-Werner Scheele/Gerhard Schneider (Hg.), Chris-
tuszeugnis der Kirche. Theologische Studien, Essen 1970, 145–169.
14 Kosmos und Geschichte. Hermeneutische Überlegungen zur Rede vom
»Ende der Welt«, in: Lebendiges Zeugnis 26 (1971) 62–88.
15 Wandlungen des Gottesbegriffs, in: Klaus Hemmerle (Hg.), Die Bot-
schaft von Gott. Orientierungen für die Praxis, Freiburg i. Br. 1974, 63–
93.
16 Gott – ein Fremdwort in der Sprache unserer Zeit? in: Krise des Glau-
bens, Krise des Atheismus: 24. Universitätstage der Stadt Hamm (Tat-
sachen und Berichte 17), Hamm 1974, 95–120.
17 Evolution – Zwang zum Fortschritt? Zur philosophischen und theologi-
schen Problematik eines Geschichtsmodells, in: Theologie und Philo-
sophie 50 (1975) 504–526.
18 Ideologiekritik als philosophische und theologische Aufgabe, in: Theo-
logische Quartalschrift 155 (1975) 97–116.
19 Der Kultus als Weltauslegung, in: Balthasar Fischer u. a. (Hg.), Kult in
der säkularisierten Welt, Regensburg 1975, 9–62.
20 Kult im Zeitalter technischer Rationalität, in: Herder Korrespondenz 30
(1976) 608–616.

185
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Anhänge

21 Offenbarung und Geschichte, in: Kleronomia. Periodikon dēmosieuma


tu Patriarchiku Hidrymatos Paterikōn Meletōn 8 (1976) 217–246.
22 Zum Verhältnis von transzendentaler und historischer Reflexion, in:
Helmut Kohlenberger/Wilhelm Lütterfelds (Hg.), Von der Notwendig-
keit der Philosophie in der Gegenwart. Festschrift für Karl Ulmer zum
60. Geburtstag, Wien/München 1976, 42–76.
23 Zur Wissenschaftstheorie der Theologie. Ein Beitrag zur Beantwortung
der »Quaestio iuris«, in: Theologische Quartalschrift 157 (1977) 177–
188.
24 Der utopische Gedanke und die christliche Heilserwartung, in: Ludwig
Hödl u. a., Das Heil und die Utopien: Eine Orientierungshilfe für die
Praxis, Paderborn 1977, 9–66.
25 Kultisches Handeln – Die Frage nach Proben seiner Bewährung und
nach Kriterien seiner Legitimation, in: Walter Strolz (Hg.), Anthropo-
logie des Kults. Die Bedeutung des Kults für das Überleben des Men-
schen, Freiburg i. Br. 1977, 9–50.
25a Wiederabdruck: Kultisches Handeln – Die Frage nach Proben seiner Be-
währung und nach Kriterien seiner Legitimation, in: Richard Schaeffler/
Peter Hünermann, Ankunft Gottes und Handeln des Menschen. Thesen
über Kult und Sakrament (Quaestiones disputatae 77), Freiburg i. Br.
1977, 9–50.
26 Vom Sinn der Wallfahrt in der Religionsgeschichte und im christlichen
Gottesdienst, in: Joseph Sauer (Hg.), Religiöse Themen der Gegenwart,
Karlsruhe 1977, 25–44.
27 Fähigkeit zum Kultus: ihre Bedrohung und ihre Wiedergewinnung heu-
te, in: Theologisch-praktische Quartalschrift 126 (1978) 107–121.
28 Die unwiderrufliche Erwählung – Das Judentum heute und seine Bedeu-
tung für das Selbstverständnis der Christen, in: Emuna. Horizonte zur
Diskussion über Israel und das Judentum, Rothenburg ob der Tauber,
Heft 5–6 (1978) 1–11.
29 Sprache als Bedingung und Folge der Erfahrung. Das religiöse Wort als
Beispiel für die Geschichtlichkeit des Verhältnisses von »Sprache« und
»Rede«, in: Wolfgang Beinert u. a., Sprache und Erfahrung als Problem
der Theologie, Paderborn 1978, 11–36.
30 Das Gespräch zwischen Christen und Juden als Herausforderung an die
Ökumene, in: Hans Hermann Henrix/Martin Stöhr (Hg.), Exodus und
Kreuz im ökumenischen Dialog zwischen Juden und Christen. Diskus-
sionsbeiträge für Religionsunterricht und Erwachsenenbildung, Aachen
1978, 166–187.
31 Christlicher Glaube, Hoffnung aus Erinnerung, in: Ich will euch Zu-
kunft und Hoffnung geben: 85. Deutscher Katholikentag vom 13. Sep-
tember bis 17. September 1978 in Freiburg, hg. vom Zentralkomitee der
deutschen Katholiken, Paderborn 1978, 401–417.
31a Wiederabdruck (gekürzt): Christlicher Glaube, Hoffnung aus Erinne-
rung, in: Anzeiger für die katholische Geistlichkeit 87 (1978) 392–398.

186
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Bibliographie Richard Schaefflers

31b Wiederabdruck: Christlicher Glaube – Hoffnung aus Erinnerung, in:


Theologische Beiträge 10 (1979) 112–127.
32 Atheistische Hoffnung und Hoffnung des Glaubens, in: Caritas-Jahr-
buch (1979) 51–59.
33 Der Offenbarungsbegriff – Die Frage nach Kriterien seines sinnvollen
Gebrauches, in: Bistum Essen (Hg.), Offenbarung im Denken Franz Ro-
senzweigs, Essen 1979, 9–75.
33a Wiederabdruck: Der Offenbarungsbegriff – Die Frage nach Kriterien sei-
nes sinnvollen Gebrauchs, in: Johannes Bernard (Hg.), Offenbarung:
Phänomen, Begriff, Dimensionen, Leipzig 1984, 43–82.
34 Der Mythos, die Religion und das Heilige, in: Civiltà delle Macchine 27,
Heft 4–6 (1979/80) 53–64.
35 Kritik und Anerkennung, in: Franz Böckle u. a. (Hg.), Christlicher Glau-
be in moderner Gesellschaft 21 (1980) 107–138.
36 Philosophie, in: Studium Katholische Theologie. Band 6: Fachorientierte
Schwerpunktbildung, Zürich 1980, 94–96.
37 Der »Modernismus-Streit« als Herausforderung an das philosophisch-
theologische Gespräch heute, in: Theologie und Philosophie 55 (1980)
514–534.
37a Wiederabdruck: Der »Modernismus-Streit« als Herausforderung an das
philosophisch-theologische Gespräch heute, in: Theologisches Jahrbuch
1984, 84–100.
38 Wo begegnen sich die Wissenschaften? Zur Alternative von formaler
und materialer Interdisziplinarität, in: Erhard Denninger u. a. (Hg.), Per-
son und Amt. Peter Schneider zum 60. Geburtstag, dem Präsidenten
zum Abschied, Mainz 1980, 173–181.
39 Die Vernunft und das Wort. Zum Religionsverständnis bei Hermann
Cohen und Franz Rosenzweig, in: Zeitschrift für Theologie und Kirche
78 (1981) 57–89.
40 Philosophie der Hoffnung als Sokratik der praktischen Vernunft, in: Phi-
losophisches Jahrbuch 88 (1981) 242–256.
41 Kant als Philosoph der Hoffnung. Zu G. B. Salas Kritik an meiner Inter-
pretation der kantischen Religionsphilosophie, in: Theologie und Phi-
losophie 56 (1981) 244–258.
42 Anthropologie und Theologie – Ihre Vermittlung durch die Zusage der
Sündenvergebung, in: Heribert Gauly u. a., Im Gespräch: der Mensch.
Ein interdisziplinärer Dialog. Joseph Möller zum 65. Geburtstag, Düs-
seldorf 1981, 222–234.
43 Rechtfertigung und Glaube, in: Martin Stöhr (Hg.), Jüdische Existenz
und die Erneuerung der christlichen Theologie. Versuch der Bilanz des
christlich-jüdischen Dialogs für die Systematische Theologie, München
1981, 220–241.
44 Wissenschaftstheorie und Theologie, in: Franz Böckle u. a. (Hg.), Christ-
licher Glaube in moderner Gesellschaft, Band 20, Freiburg i. Br. 1982, 6–
82.

187
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Anhänge

44a Übersetzung ins Spanische: Teoría de la ciencia y teología (Fe cristiana y


sociedad moderna 20), Madrid 1987.
45 Wahrheit und Institution. Sprachphilosophische Überlegungen zu
einem theologischen Thema, in: Walter Kern (Hg.), Die Theologie und
das Lehramt (Quaestiones disputatae 91), Freiburg i. Br. 1982, 152–200.
46 Zur Anthropologie und Ethik der Hoffnung, in: Münchener Theologi-
sche Zeitschrift 33 (1982) 1–24.
46a Übersetzung ins Polnische: Antropologia i etyka nadziei, in: Analecta
Cracoviensia 17 (1985) 143–157.
47 Befähigung zur Glaubensentscheidung, in: Katholische Bildung 83
(1982) 525–550.
48 Wie muß der Christ heute den Juden sehen?, in: Erwachsenenbildung.
Vierteljahresschrift für Theorie und Praxis (1982) 233–243.
49 Der Wahrheitsanspruch der Religion, in: Funkkolleg Religion. Studien-
begleitbrief 2, Weinheim 1983, 85–116.
49a Wiederabdruck: Der Wahrheitsanspruch der Religion, in: Peter Fiedler
(Hg.), Studientexte Funkkolleg Religion. Neubearbeitete Buchausgabe,
Weinheim 1985, 68–77.
50 Das Gebet – Schule des Glaubens und Schule des Lebens im Judentum,
in: Gisbert Kaufmann (Hg.), Lebenserfahrung und Glaube, Düsseldorf
1983, 73–90.
51 »Experiénce religieuse et experiénce profane du monde« dans les écrits
inédits de Gerhard Krüger, in: Archives de philosophie 47 (1984) 375–
383.
52 Geschichtlichkeit und Geschichte, in: Erich Benedikt (Hg.), Philosophi-
sche Aspekte im Unterricht der Allgemeinbildenden Höheren Schulen
(Beiträge zur Lehrerfortbildung 24), Wien 1984, 71–98.
53 Neue Aspekte des Sprechens von Gott, in: Joseph Möller (Hg.), Der
Streit um den Gott der Philosophen, Düsseldorf 1985, 157–182.
54 Auf dem Weg zu einem philosophischen Begriff der Religion, in: Walter
Kern/Hermann J. Pottmeyer/Max Seckler (Hg.), Handbuch der Fun-
damentaltheologie, Band 1: Traktat Religion, Tübingen/Basel 1985, 57–
72; Freiburg i. Br. 22000, 33–46.
54a Übersetzung ins Italienische: Verso un concetto filosofico di religione, in:
Walter Kern/Hermann J. Pottmeyer/Max Seckler (Hg.), Corso di teo-
logia fondamentale, I. Trattato sulla religione, Brescia 1990, 61–79.
55 Die Kritik der Religion, in: Walter Kern/Hermann J. Pottmeyer/Max
Seckler (Hg.), Handbuch der Fundamentaltheologie, Band 1: Traktat Re-
ligion, Tübingen/Basel 1985, 117–135; Freiburg i. Br. 22000, 85–99.
55a Übersetzung ins Italienische: La critica della religion, in: Walter Kern/
Hermann J. Pottmeyer/Max Seckler (Hg.), Corso di teologia fondamen-
tale, I. Trattato sulla religione, Brescia 1990, 134–156.
56 Wege zum Heil für eine schuldverstrickte Welt. Die christliche Botschaft
von der Rechtfertigung des Sünders: ein biblischer Beitrag zu einer Ethik
der Menschheit, in: Wilhelm Breuning/Hanspeter Heinz (Hg.), Damit

188
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Bibliographie Richard Schaefflers

die Erde menschlich bleibt. Die gemeinsame Verantwortung von Juden


und Christen für die Zukunft, Freiburg i. Br. 1985, 128–150.
57 Zur phänomenologischen Methode in der Religionsphilosophie. Brief an
einen Benediktiner, in: Erbe und Auftrag 62 (1986) 102–111.
58 »Darum sind wir eingedenk«. Die Verknüpfung von Erinnerung und
Erwartung in der Gegenwart der gottesdienstlichen Feier, in: Hohenhei-
mer Protokolle. Themenheft: Ausdrucksgestaltungen des Glaubens. Zur
Frage der Lebensbedeutung der Sakramente, hg. von der Akademie der
Diözese Rottenburg-Stuttgart, Band 18, Stuttgart 1986, 65–90.
58a Wiederabdruck: »Darum sind wir eingedenk«. Die Verknüpfung von Er-
innerung und Erwartung in der Gegenwart der gottesdienstlichen Feier.
Religionsphilosophische Überlegungen zur religiös verstandenen Zeit,
in: Angelius A. Häußling (Hg.), Vom Sinn der Liturgie, Düsseldorf
1991, 16–44.
59 Freiheit, Geist und eschatologische Gemeinde. Die religionsphilosophi-
schen Implikationen der neuzeitlichen Geschichtsphilosophie, in: Alois
Halder u. a. (Hg.), Spuren der Erlösung. Religiöse Tiefendimensionen
neuzeitlichen Denkens: Experiment Religionsphilosophie 2 (Beiträge
zur Theologie und Religionswissenschaft), Düsseldorf 1986, 124–151.
60 Religionsimmanente Gründe für religionshistorische Krisen, in: Hart-
mut Zinser (Hg.), Der Untergang von Religionen, Berlin 1986, 243–261.
61 Logisches Widerspruchsverbot und theologisches Paradox. Überlegun-
gen zur Weiterentwicklung der transzendentalen Dialektik, in: Theo-
logie und Philosophie 62 (1987) 321–351.
62 Vollendung der Welt oder Weltgericht? Zwei Vorstellungen vom Ziel
der Geschichte in Religion und Philosophie, in: Heinz Althaus (Hg.),
Apokalyptik und Eschatologie. Sinn und Ziel der Geschichte, Freiburg
i. Br. 1987, 73–104.
63 Die Chance der Religion in einer technisierten Welt, in: Bistum Essen
(Hg.), Die Chance der Religion in einer technisierten Welt. Ingenieur-
tagung im Bistum Essen am 7. November 1987 (Zur christlichen Berufs-
ethik – Kirche im Gespräch 8), Essen 1987, 10–31.
64 Prophetie, Apokalyptik, Eschatologie als Modelle der Deutung der Ge-
schichte, in: Gerhard Ott (Hg.), Ohne Herkunft – keine Zukunft: Kir-
chengeschichte im Religionsunterricht, München 1987, 3–27.
65 Spiritus sapientiae et intellectus – spiritus scientiae et pietatis. Religions-
philosophische Überlegungen zum Verhältnis von Weisheit, Wissen-
schaft und Frömmigkeit und ihrer Zuordnung zum Geiste, in: Walter
Baier u. a. (Hg.), Weisheit Gottes – Weisheit der Welt. Festschrift für
Joseph Kardinal Ratzinger zum 60. Geburtstag, Band 1, St. Ottilien
1987, 15–35.
66 Der Zuspruch des Vergebungswortes und die Dialektik des praktischen
Vernunftgebrauchs. Überlegungen zur Ethik und Religionsphilosophie
im Anschluß an Immanuel Kant und Hermann Cohen, in: Peter Hüner-
mann/Richard Schaeffler (Hg.), Theorie der Sprachhandlungen und
heutige Ekklesiologie, Freiburg i. Br. 1987, 104–129.

189
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Anhänge

67 Wahrheit, Dialog und Entscheidung, in: Andreas Bsteh (Hg.), Dialog aus
der Mitte christlicher Theologie (Beiträge zur Religionstheologie 5),
Mödling 1987, 13–42 (Diskussion hierzu in: Andreas Bsteh [Hg.], Glau-
be, der Begegnung sucht. Ein theologisches Programm [Beiträge zur Re-
ligionstheologie 6], Mödling 1992, 96–100, 125–129).
68 Innovation und Selbstkritik der Religion als innere Momente ihrer
Überlieferung, in: Wolfgang Kluxen (Hg.), Tradition und Innovation –
XIII. Deutscher Kongreß für Philosophie (Bonn 1984), Hamburg 1987,
471–487.
69 Sprache und Kultur, in: Gebhard Fürst (Hg.), Was hast du, das du nicht
empfangen hättest? Zum 80. Geburtstag von Prälat Bernhard Hanssler,
Stuttgart 1987, 12–27.
70 Auditorium nostrum in nomine Domini – Sprachphilosophische Über-
legungen zur Anrufung Gottes im Gebet, in: Lebendiges Zeugnis 43
(1988) 26–40.
71 Wahrheitssuche und Reinigung des Herzens. Zur Frage nach dem Zu-
sammenhang von Erkenntnisfortschritt und Moralität, in: Internatio-
nale katholische Zeitschrift Communio 17 (1988) 412–422.
72 Die Konstituierung des religiösen Subjekts in der Sprachhandlung des
Gebets, in: Gerhard Larcher (Hg.), Symbol – Mythos – Sprache, Ann-
weiler 1988, 59–83.
73 Heidegger und die Theologie, in: Annemarie Gethmann-Siefert/Otto
Pöggeler (Hg.), Heidegger und die praktische Philosophie, Frankfurt
a. M. 1988, 286–309.
73a Übersetzung ins Ungarische: Heidegger és teológia, in: Tibor Schwendt-
ner (Hg.), Metszéspontok a fenomenológia és a hermeneutika határvidé-
kén (Grenzpunkte der phänomenologischen und der hermeneutischen
Methode), Budapest 2001, 179–200.
74 Was tun wir, wenn wir »Gott« sagen? Jüngere sprachphilosophische An-
sätze zur Kritik der Religion, in: Gisbert Kaufmann (Hg.), Gott – das
Thema der Theologie [Manuskriptdruck durch das Bistum Essen], Bo-
chum 1988, 34–44.
75 Schulderfahrung und sittliche Identität. Philosophische Überlegungen
zu einer Theorie des sittlichen Subjekts, in: Günter Eifler/Otto Saame
(Hg.), Die Frage nach der Schuld, Mainz 1988, 137–156.
76 Synthese von Glaube und Kultur. Zur spannungsreichen Leitidee christ-
licher Erziehung, in: Engagement – Zeitschrift für Erziehung und Schule
(1989) 4–20.
77 Die Neubegründung der Metaphysik angesichts ihrer Kritik – eine phi-
losophische Aufgabe im Dienst der katholischen Theologie, in: Otto
Muck (Hg.), Sinngestalten: Metaphysik in der Vielfalt menschlichen
Fragens. Festschrift für Emerich Coreth, Innsbruck/Wien 1989, 13–28.
78 Das Christentum im Verhältnis zu den Weltreligionen, in: Nicolaus Kli-
mek (Hg.), Universalität und Toleranz. Der Anspruch des christlichen
Glaubens. Festschrift für Georg Bernhard Langemeyer zur Vollendung
des 60. Lebensjahres, Essen 1989, 183–200.

190
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Bibliographie Richard Schaefflers

79 Abgrenzungen und Verwerfungen: sprachphilosophische Überlegungen


zu einem theologischen Thema, in: Karl Lehmann (Hg.), Lehrverurtei-
lungen – kirchentrennend? II. Materialien zu den Lehrverurteilungen
und zur Theologie der Rechtfertigung, Freiburg i. Br. 1989, 59–67.
80 Unausgeschöpfte Möglichkeiten theologischer Heidegger-Rezeption, in:
GEP-Buch-Magazin, hg. vom Gemeinschaftswerk der Evangelischen
Publizistik (Herbst/Winter 1989/90), Frankfurt a. M. 1989, 17–19.
81 Menschlich leben im Angesicht von Tod und Schuld?, in: Paulus Gordan
(Hg.), Leid – Schuld – Versöhnung. Die Vorlesungen der Salzburger
Hochschulwochen 1989, Graz 1990, 23–42.
82 Philosophie und katholische Theologie im 20. Jahrhundert, in: Emerich
Coreth u. a. (Hg.), Christliche Philosophie im katholischen Denken des
19. und 20. Jahrhunderts. Band 3: Moderne Strömungen im 20. Jahr-
hundert, Graz 1990, 49–78.
82a Übersetzung ins Italienische: Filosofia e Teologia Cattolica nel Secolo
XX, in: Emerich Coreth (Hg.), La Filosofia Cristiana nei secoli XIX e
XX, Teil III: Correnti moderni del secolo XX, Rom 1995, 77–86.
83 Die christliche Hoffnungsbotschaft im Kontext menschlicher Todesauf-
fassungen, in: Albert Gerhards (Hg.), Die größere Hoffnung der Chris-
ten. Eschatologische Vorstellungen im Wandel (Quaestiones disputatae
127), Freiburg i. Br. 1990, 13–27.
84 Verantwortete Vorläufigkeit. Der Mut zur Partikularität und die Kritik
an der Frage nach dem »Sinn des Ganzen«, in: Eduard J. M. Kroker/Bru-
no Dechamps (Hg.), Wertewandel und Lebenssinn, Frankfurt a. M. 1990,
118–140.
84a Wiederabdruck: Verantwortete Vorläufigkeit. Der Mut zur Partikulari-
tät und die Kritik an der Frage nach dem »Sinn des Ganzen«, in: Richard
Schaeffler, Unbedingte Wahrheit und endliche Vernunft. Möglichkeiten
und Grenzen menschlicher Erkenntnis, hg. von Christoph Böhr, Wies-
baden 2017, 25–54.
84b Übersetzung ins Polnische: Odpowiedzalna tynczasowosc Zawierzyc
Czlowiekowy, Krakau 1991, 99–119.
85 Kritik und Vertrauen. Zwei Momente des religiösen Verhältnisses zur
Wirklichkeit, in: Erhard Denninger u. a. (Hg.), Kritik und Vertrauen.
Festschrift für Peter Schneider zum 70. Geburtstag, Meisenheim 1990,
466–486.
86 Die religiöse Erfahrung und das Zeugnis von ihr. Erkundung eines Pro-
blemfeldes, in: Bernd Jochen Hilberath (Hg.), Erfahrung des Absoluten –
absolute Erfahrung? Beiträge zum christlichen Offenbarungsverständ-
nis. Josef Schmitz zum 65. Geburtstag, Düsseldorf 1990, 13–34.
87 Der Beitrag der Kirche zur Kultur der Sprache. Vom Sprechen an den
Grenzen der Sprache, in: Hinweise. Nachrichten – Berichte – Anregun-
gen des Bistums Essen (Schwerpunktthema: Kirche und Kultur) 19,
Heft 2 (1990) 48–56.
88 Die Hierarchie der Wahrheiten, in: Wie im Himmel so auf Erden:
90. Deutscher Katholikentag vom 23. bis 27. Mai 1990 in Berlin. Doku-

191
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Anhänge

mentation, hg. vom Zentralkomitee der deutschen Katholiken, Pader-


born 1990, 1835–1846.
89 Damit das Wort lebendig wird. Sprachtheoretische Überlegungen zu
einem Thema der theologischen Theorie und der pastoralen Praxis, in:
Baldur Hermans (Hg.), Zeugnis des Glaubens – Dienst an der Welt. Fest-
schrift für Franz Kardinal Hengsbach zur Vollendung des 80. Lebens-
jahres, Mülheim a. d. Ruhr 1990, 145–174.
90 Ludwik Feuerbach a transcendentalna metoda w krytyce religii (Ludwig
Feuerbach und die transzendentale Methode der Religionskritik), in:
Analecta Cracoviensia 23 (1991) 35–48.
91 Kultur und Kult, in: Liturgisches Jahrbuch 41 (1991) 73–87.
92 Aussagen über das, was »Im Anfang« geschah. Von der Möglichkeit, sie
zu verstehen und auszulegen, in: Internationale katholische Zeitschrift
Communio 20 (1991) 340–351.
92a Übersetzung ins Niederländische (auszugsweise): De kentheoretische en
hermeneutische mogelijkheid van protologische uitspraken, in: Interna-
tionaal Katholiek Tijdschrift Communio 16 (1991) 302–309.
93 Freiräume. Kriterien einer verantwortlichen liturgischen Textgestaltung
am Beispiel von sprachlichen Formen der Gottesdiensteröffnung, in:
Gottesdienst 25 (1991) 105–109.
94 Jemanden zugunsten eines anderen um etwas bitten. Fürbitten als
Sprachhandlung (1), in: Gottesdienst 25 (1991) 153–155; Viele Beteilig-
te. Fürbitten als Sprachhandlung (2), in: Gottesdienst 25 (1991) 161–
163.
95 Schulderfahrung und Bewältigung der Vergangenheit, in: Militärseel-
sorge 33 (1991) 40–63.
96 Die religiöse Erfahrung – Ihre Eigenart und Kriterien ihrer Bewertung,
in: Religionsunterricht an Höheren Schulen 34 (1991) 320–330.
97 Religiöse Kreativität und Säkularisierung in Europa seit der Aufklärung,
in: Mircea Eliade, Geschichte der religiösen Ideen. Band III/2: Vom Zeit-
alter der Entdeckungen bis zur Gegenwart, hg. von Ioan P. Culianu, Frei-
burg i. Br. 1991, 410–447.
97a Übersetzung ins Dänische: Religiøs kreativitet og sekularisering i Euro-
pa siden oplysningstiden, in: Mircea Eliade u. a., De religiøse ideers his-
torie. Fra aztekerne til politisk buddhisme, Kopenhagen 1991, 410–447.
97b Übersetzung ins Spanische: Creatividad religiosa y secularización en Eu-
ropa desde la ilustración, in: Mircea Eliade u. a., Historia de las creencias
y de las ideas religiosas: Desde la época de los descubrimientos hasta
nuestros días, Band 5, Freiburg i. Br. 1996, 517–563.
97c Übersetzung ins Japanische in: Mircea Eliade u. a., Sho sekai no kaigō
kara gendai made, Tokyo 1998*.
98 Was ist Wahrheit? Zum Wahrheitsverständnis in Naturwissenschaft,
Technik und Religion, in: Bistum Essen (Hg.), Was ist Wahrheit? Zum
Wahrheitsverständnis in Naturwissenschaft, Technik und Religion.
Ingenieurtagung im Bistum Essen am 16. November 1991 (Zur christ-
lichen Berufsethik – Kirche im Gespräch 24), Essen 1991, 10–37.

192
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Bibliographie Richard Schaefflers

99 Die Orientierungsaufgaben der Religionsphilosophie, in: Peter Kos-


lowski (Hg.), Orientierung durch Philosophie. Ein Lehrbuch nach Teil-
gebieten, Tübingen 1991, 196–224.
100 Die Stellung des Kultus im Leben des Menschen und der Gesellschaft.
Eine anthropologische Grundlegung, in: Konrad Baumgartner u. a.
(Hg.), Unfähig zum Gottesdienst? Liturgie als Aufgabe aller Christen,
Regensburg 1991, 9–34.
101 Der »Gruß des Heiligen« und die »Frömmigkeit des Denkens«. Heideg-
gers Beitrag zu einer Phänomenologie der Religion, in: Günther Pöltner
(Hg.), Auf der Spur des Heiligen. Heideggers Beitrag zur Gottesfrage,
Wien 1991, 62–90.
102 »Ἐπέκεινα τῆς οὐσίας«. Wandlungen, Recht und Grenzen eines Pro-
gramms, in: Ludger Honnefelder/Werner Schüßler (Hg.), Transzendenz.
Zu einem Grundwort der klassischen Metaphysik, Paderborn 1992, 13–
37.
103 Aufklärung und Offenbarung – ihr spannungsreiches Verhältnis und
seine Bedeutung für die politische Kultur der Gesellschaft, in: Wolfgang
Erich Müller/Hartmut H. R. Schulz (Hg.), Theologie und Aufklärung.
Festschrift für Gottfried Hornig zum 65. Geburtstag, Würzburg 1992,
300–322.
104 Die Wissenschaft des Judentums in ihrer Beziehung zur allgemeinen
Geistesgeschichte im Deutschland des 19. Jahrhunderts, in: Julius Carle-
bach (Hg.), Wissenschaft des Judentums. Die Anfänge der Judaistik in
Europa, Darmstadt 1992, 113–131.
105 Der Gott der Philosophen oder der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs?,
in: Matthias Lutz-Bachmann/Andreas Hölscher (Hg.), Gottesnamen.
Gott im Bekenntnis der Christen (Schriften der Diözesanakademie Ber-
lin 7), Berlin/Hildesheim 1992, 129–150.
106 Die Dialektik des praktischen Vernunftgebrauchs und die Ansätze zu
einer philosophischen Pneumatologie bei Immanuel Kant, in: Friedo Ri-
cken/François Marty (Hg.), Kant über Religion, Stuttgart 1992, 124–
142.
107 Ein transzendentalphilosophischer Gottesbegriff und seine mögliche Be-
deutung für die Theologie, in: Michael Kessler/Wolfgang Pannenberg/
Hermann J. Pottmeyer (Hg.), Fides quaerens intellectum: Beiträge zur
Fundamentaltheologie, Tübingen 1992, 97–110.
108 Dialogische Existenz – Wege zu einem menschlichen Leben, in: Heliand-
korrespondenz 3 (1993) 5–13.
109 Der Priester als Vor-Beter (orans primarius) und Fürbitter der Ge-
meinde, in: Analecta Cracoviensia 25 (1993) 445–460.
110 »Lieber fünf Worte mit Verstand als zehntausend im Zungenreden!«
Der Beitrag der Theologie zur Diskussion um den Wissenschaftsbegriff,
in: Herbert Mainusch/Richard Toellner (Hg.), Einheit der Wissenschaft.
Wider die Trennung von Natur und Geist, Kunst und Wissenschaft, Op-
laden 1993, 160–186 (Diskussion 187–194).

193
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Anhänge

111 Die Dialektik der menschlichen Freiheit als Bewährungsprobe philoso-


phischen Sprechens von Gott, in: Joachim Hubbert u. a. (Hg.), Freiheit
Gottes und Geschichte des Menschen (Forschungsgespräch aus Anlass
des 65. Geburtstags von Professor Dr. Richard Schaeffler), Annweiler
1993, 219–245.
112 Die Vielfalt der Weisen religiöser Wahrheit und ihres sprachlichen Aus-
drucks, in: Walter Kerber (Hg.), Die Wahrheit der Religionen. Ein Sym-
posion, München 1994, 73–109 (Diskussion 110–137).
113 In memoriam Otto Saame, in: Günter Eifler u. a. (Hg.), Otto Saame in
memoriam, Mainz 1994, 14–26.
114 »Der Herr ist meine Kraft und mein Lied.« Der Hymnengesang als
Paradigma für die Verhältnisbestimmung von Religion und Kultur, in:
Linus Hauser/Eckhard Nordhofen (Hg.), Im Netz der Begriffe. Reli-
gionsphilosophische Analysen, Altenberge 1994, 22–32.
115 Die Kirche als Erzähl- und Überlieferungsgemeinschaft, in: Wilhelm
Geerlings/Max Seckler (Hg.), Kirche sein: Nachkonziliare Theologie im
Dienst der Kirchenreform. Für Hermann Josef Pottmeyer, Freiburg i. Br.
1994, 201–219.
116 Theologie im Spannungsfeld von Kirche, Wissenschaft und Gesellschaft,
in: Bernhard Fraling u. a. (Hg.), Kirche und Theologie im kulturellen
Dialog. Für Peter Hünermann, Freiburg i. Br. 1994, 15–32.
117 Der mündige Christ. Leben ist, was sich selber bewegt, in: Renovatio 51
(1995) 65–75.
118 Licht und Sonne – Bemerkungen zu Sachproblemen und Wirkungs-
geschichte eines platonischen Gleichnisses, in: Symbolon. Jahrbuch für
Symbolforschung. Neue Folge, Band 12 (1995) 137–148.
119 Philosophische Begriffe vom Unendlichen – Kontexte und Funktionen,
in: Günter Eifler/Otto Saame/Peter Schneider (Hg.), Endlichkeit – Un-
endlichkeit. Mainzer Universitätsgespräche, Mainz 1995, 169–185.
120 Zum Ethos fachspezifischen und fächerübergreifenden Lehrens, in: Juan
Antonio Nikolás/Juan Arana (Hg.), Saber y Concienza. Homaje a Otto
Saame (Wissen und Gewissen. Gedenkschrift für Otto Saame), Granada
1995, 395–413.
121 Theologie unter den Bedingungen der Moderne, in: Maximilian Lieb-
mann/Erich Renhart/Karl M. Woschitz (Hg.), Metamorphosen des Ein-
gedenkens. Gedenkschrift der Katholisch-Theologischen Fakultät der
Karl-Franzens-Universität Graz 1945–1995, Graz 1995, 93–104.
122 Jüdisch-Christlicher Dialog auf der »Hegge«, in: Die Hegge. Zum 50-
jährigen Bestehen, Willebadessen 1995, 26–27.
123 Benediktinische Erziehung. Erinnerungen, Reflexionen und Anfragen
eines Altettalers, in: Jahresbericht des Benediktinergymnasiums Ettal,
Schuljahr 1995/1996, 55–63.
124 Ent-Europäisierung des Christentums?, in: Theologie und Glaube 86
(1996) 121–131.
125 Das Gebet der Kirche als Geschenk der Synagoge, in: Deutsche Tages-
post, Sonderbeilage 3000 Jahre Jerusalem (Neujahr 1996), 11–12.

194
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Bibliographie Richard Schaefflers

126 Religionsphänomenologie, Sprachanalyse und »die Wahrheitsfrage«, in:


Jahrbuch für Philosophie des Forschungsinstituts für Philosophie Han-
nover, Band 8, Wien 1996, 184–202.
127 Recht und Grenzen eines postulatorischen Gottesglaubens, in: Emerich
Coreth u. a. (Hg.), Von Gott reden in säkularer Gesellschaft. Festschrift
für Konrad Feiereis, Leipzig 1996, 145–161.
128 Durch das Wort geschaffen – Für das Wort geschaffen. Von der Trans-
zendenz und Immanenz des göttlichen Wortes, in: Andreas Bsteh (Hg.),
Christlicher Glaube in der Begegnung mit dem Islam, Mödling 1996,
389–400 (Diskussion 401–455).
128a Übersetzung ins Arabische: al-ʿ Aqīda al-masīḥīya fī liqāʾ maʿ a ’l-islām,
hg. von Adel Khoury, Altenberge 2002, 403–416 (Diskussion 417–468).
129 Die christliche Hoffnung als Kriterium endzeitlicher Erwartungen, in:
Religionen unterwegs 3 (1997) 10–15.
130 Verum Vero consonat. Zum Bedeutungswandel einer Vernunftregel, in:
Winfried Löffler/Edmund Runggaldier (Hg.), Dialog und System: Otto
Muck zum 65. Geburtstag, Sankt Augustin 1997, 47–68.
131 Religiöse Gottesnamen und philosophische Gottesbegriffe, in: Georg
Wieland (Hg.), Religion als Gegenstand der Philosophie, Paderborn
1997, 197–217.
132 Eschatologischer Monotheismus, in: Tore Frost (Hg.), Henologische Per-
spektiven II: Internationales Henologie-Symposium. Festschrift für
Egil A. Wyller (Elementa 69), Amsterdam 1997, 103–117.
133 Die Botschaft hören und auch verstehen. »Glaube und Vernunft«: Pro-
fessor Richard Schaeffler zur neuen Papst Enzyklika (Teil 1), in: Ruhr-
wort 40 (44/1998) 3; Eine Etappe auf dem Weg zur Wahrheit: Professor
Richard Schaeffler zur neuen Papst Enzyklika (Teil 2), in: Ruhrwort 40
(45/1998) 3.
134 Zur Ethik der Hoffnung. Als Bürger der kommenden Welt in dieser Welt
leben, in: Venio-Briefe (Herbst 1998) 3–10.
135 Bedingungen einer Kultur des Dialogs. Chancen, Krisen, Lernprozesse,
in: Theologisch-praktische Quartalschrift 146 (1998) 339–348.
135a Wiederabdruck: Dialog als Hoffnung der Zeit. Ursprünge, Kriterien und
gesellschaftliche Relevanz theologischer Prozesse, hg. von der Kontakt-
stelle für Weltreligionen und dem Sekretariat der Österreichischen Bi-
schofskonferenz, Graz/Wien 1998, 71–83.
136 Die Selbstgefährdung der Vernunft und der Gottesglaube, in: Johannes
Beutler/Erhard Kunz (Hg.), Heute von Gott reden, Würzburg 1998, 31–
56.
136a Wiederabdruck: Die Selbstgefährdung der Vernunft und der Glaube an
Gott, in: Richard Schaeffler, Unbedingte Wahrheit und endliche Ver-
nunft. Möglichkeiten und Grenzen menschlicher Erkenntnis, hg. von
Christoph Böhr, Wiesbaden 2017, 55–83.
137 Lernen auch noch im Widerspruch. Religionsphilosophische und er-
kenntnistheoretische Überlegungen zu einem Aspekt des Dialogs der
Religionen, in: Adel Theodor Khoury/Gottfried Canoni (Hg.), »Ge-

195
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Anhänge

glaubt habe ich, deshalb habe ich geredet«: Festschrift für Andreas Bsteh
zum 65. Geburtstag, Würzburg/Altenberge 1998, 420–459.
138 Geschichtsphilosophie, in: Annemarie Pieper (Hg.), Philosophische Dis-
ziplinen. Ein Handbuch, Leipzig 1998, 139–164.
138a Übersetzung ins Koreanische: Cheolhagjeog bungwa hagmun, Seoul
2005.
139 Die religiöse Sprache zwischen Partikularität und Universalität. Ein
transzendentalpragmatisches Modell, in: Barbara Schoppelreich/Sieg-
fried Wiedenhofer (Hg.), Zur Logik religiöser Traditionen, Frankfurt
a. M. 1998, 119–186.
140 Immanuel Kant: Kritik und Neubegründung der Religion, in: Thomas
Brose (Hg.), Religionsphilosophie. Europäische Denker zwischen phi-
losophischer Theologie und Religionskritik, Würzburg 1998 (22001),
159–176.
141 Christlicher Glaube und neuzeitliche Subjektivität – Karl Rahner, in:
Günter Lange (Hg.), Glauben denken: theologische Profile in histori-
schen Stichproben (Vorlesungen des Kontaktstudiums der Katholisch-
Theologischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum im Wintersemes-
ter 1997/98), Hagen 1998, 9–27.
142 Die Bedeutung der Religion für die Kultur. Die Bedeutung der Kultur für
die Religion, in: Religion and Culture [Kwangju/Korea] (1/1999) 1–35*.
143 Die christliche Botschaft im Wettbewerb der Endzeiterwartungen, in:
Stimmen der Zeit 217 (1999) 363–376.
143a Wiederabdruck: Die christliche Botschaft im Wettbewerb der Endzeit-
erwartungen, in: Markwart Herzog (Hg.), Der Streit um die Zeit: Zeit-
messung – Kalenderreform – Gegenzeit – Endzeit, Stuttgart 2002, 193–
207.
144 Consortium Divinitatis. Religionsphilosophische Prolegomena zu einer
Theologie der Unsterblichkeit, in: Friedrich Niewöhner/Richard
Schaeffler, Unsterblichkeit (Wolfenbütteler Forschungen 86), Wiesba-
den 1999, 45–59.
144a Wiederabdruck: Consortium Divinitatis – Religionsphilosophische Pro-
legomena zu einer Theologie der Unsterblichkeit, in: Richard Schaeffler,
Philosophische Anthropologie, hg. von Christoph Böhr, Berlin 2019, 93–
106.
145 Die sittliche Erfahrung: Ihr Verhältnis zum Verstande, zur Vernunft und
zur Geschichte, in: Konrad Feiereis (Hg.), Wahrheit und Sittlichkeit (Er-
furter theologische Schriften 27), Leipzig 1999, 133–148.
146 Δοξολογία καὶ Οἰκοδομή. Der Lobpreis Gottes und der Aufbau der
Glaubensgemeinschaft, in: David S. Cunningham/Ralph Del Colle/Lu-
cas Lamadrid (Hg.), Ecumenical Theology in Worship, Doctrine, and Li-
fe. Essays Presented to Geoffrey Wainwright on his Sixtieth Birthday,
Oxford 1999, 55–68.
147 Religiöse Erfahrung: Ausdruck reiner Subjektivität oder Fundstelle ob-
jektiv gültiger Wahrheit?, in: Philosophisches Jahrbuch 197 (2000) 61–
73.

196
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Bibliographie Richard Schaefflers

147a Wiederabdruck: Religion and Culture [Kwangju/Korea] (1/2001) 1–17*.


148 Kommunikative Handlungen als soziale Lebensbezüge, in: Journal for
the Study of Culture and Religion [Chonnam/Korea] (2000) 14–39*.
149 »Die beiden Flügel des Geistes« – Versuch eines Überblicks über The-
men und Leitgedanken der neuen Enzyklika »Fides et Ratio«, in: Theo-
logie und Glaube 90 (2000) 467–488.
150 Kritik und Neubegründung der Religion bei Kant: ein Versuch, einige
klassische Texte neu zu lesen, in: Albert Franz/Wilhelm G. Jacobs (Hg.),
Religion und Gott im Denken der Neuzeit, Paderborn 2000, 39–63.
151 Studienbeginn in Pullach. Ein Rückblick nach 50 Jahren, in: Julius Os-
wald (Hg.), Schule des Denkens – 75 Jahre Philosophische Hochschule
der Jesuiten in Pullach und München, Stuttgart 2000, 177–191.
152 Der philosophische Transzendenzbegriff – Hilfe oder Hindernis des
Glaubens?, in: Albert Raffelt (Hg.), Weg und Weite. Festschrift für Karl
Lehmann, Freiburg i. Br. 2001, 421–431.
153 Grenzerfahrungen der Vernunft als Interpretamente religiöser Erfah-
rung, in: Florian Uhl/Artur R. Boelderl (Hg.), Zwischen Verzückung
und Verzweiflung. Dimensionen religiöser Erfahrung, Düsseldorf 2001,
27–41.
153a Wiederabdruck: Grenzerfahrungen der Vernunft als Interpretamente re-
ligiöser Erfahrung, in: Richard Schaeffler, Unbedingte Wahrheit und
endliche Vernunft. Möglichkeiten und Grenzen menschlicher Erkennt-
nis, hg. von Christoph Böhr, Wiesbaden 2017, 85–97.
154 Ist Gott »das Absolute«? Ist »das Absolute« Gott?, in: Andreas Bsteh
(Hg.), Christlicher Glaube in der Begegnung mit dem Buddhismus (Stu-
dien zur Religionstheorie 6), Mödling 2001, 241–257 (Diskussion 258–
300).
155 »An sich« und »Für uns« – Überlegungen zu den Begriffen »Realität«
und »Wirklichkeit«, in: Josef Quitterer/Armin Schwibach (Hg.), Der
Aufgang der Wahrheit. Die Konstruktion der Wirklichkeit. Festschrift
für Carlo Huber S.J., Zagreb 2001, 53–86.
156 Il Corpo: luogo e organo del rapporto interpersonale, in: Nicola Reali
(Hg.), Il mondo del sacramento. Teologia e filosofia a confronto, Mailand
2001, 206–220.
157 Religionen verstehen – Religionen beurteilen, in: Jahrbuch für Religi-
onsphilosophie 1 (2002) 148–170.
158 Fähigkeit zur Erfahrung. Philosophische Probleme und theologische Per-
spektiven, in: Jürgen Audretsch/Klaus Nagorny (Hg.), Was ist Erfah-
rung? Theologie und Naturwissenschaft im Gespräch (Herrenalber Fo-
rum 12), Karlsruhe 2002, 35–74.
159 »Theologia Crucis«: Ein widersprüchlicher Begriff? Oder: Von der Tor-
heit des Kreuzes und der Klugheit der Theologie, in: Günter Berghaus/
Baldu Hermanns (Hg.), Kreuzungen: christliche Existenz im Diskurs.
Festschrift für Bischof Dr. Hubert Luthe zur Vollendung seines 75. Le-
bensjahres, Mülheim a. d. Ruhr 2002, 233–248.

197
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Anhänge

160 Die philosophische Gottesfrage: Sinn, Grenzen und Neuformulierung


eines Problems, in: Heino Sonnemans/Thomas Fößel (Hg.), Faszination
Gott. Hans Waldenfels zum 70. Geburtstag, Paderborn 2002, 29–62.
161 Lasset euch nicht mitprägen ins Schema dieser Weltzeit, in: Jahresbrief
Nr. 3: Verein der Freunde des Benediktiner-Klosters Wechselburg e. V.,
Dresden 2002, 11–24.
162 Vom Ende der Zeit und von der Kostbarkeit der Gegenwart, in: Reli-
gionen unterwegs 9 (2003) 16–22.
163 A Vigilia Beszélgetése [ungarisch: Interview mit der Zeitschrift Vigilia],
in: Vigilia 68 (2003), 698–706.
164 Die transzendentale Reflexion und die »Geschichte Gottes mit dem
Menschen« oder: Eröffnet die transzendentale Reflexion einen Zugang
zum Verständnis derjenigen Geschichte, von der der Glaube spricht?, in:
Günter Kruck (Hg.), Gottesglaube, Gotteserfahrung, Gotteserkenntnis,
Würzburg 2003, 85–107.
165 Säkularisierung – nicht nur 1803, in: Ettaler Mandl. Stimmen aus Abtei-,
Jung- und Altettal 82 (2003) 45–62.
166 Zum 200. Geburtstag von Immanuel Kant, in: Stimmen der Zeit 222
(2004) 86–100.
167 Ein Plädoyer für den methodischen Vorrang der »Pragmatik«, in: Er-
wägen – Wissen – Ethik 15 (2004) 273–274.
168 Der strittige Begriff einer christlichen Philosophie, in: Tobias Trappe
(Hg.), Wahrheit und Erfahrung. Chancen der Transzendentalphiloso-
phie, Würzburg 2004, 7–22.
169 »Das Heilige« und »der Gott« – oder: Wie kommt Gott in die Religion?,
in: Markus Enders (Hg.), Phänomenologie der Religion, Freiburg i. Br./
München 2004, 157–173.
170 Zeugnisse fremder Erfahrung und die Unvertretbarkeit der eigenen Le-
bensgeschichte, in: Franz-Josef Bormann/Christian Schröer (Hg.), Ab-
wägende Vernunft: Praktische Rationalität in historischer, systemati-
scher und religionsphilosophischer Perspektive, Berlin 2004, 763–778.
171 Bin ich ein christlicher Philosoph?, in: Józef Morawa (Hg.), Testis Christi
Passionum (1 P 5,1). Analecta academica Professori Adae Kubiś oblata /
Świadek Chrystusowych cierpień (1 P 5,1). Prace dedykowane Księdzu
Profesorowi Adamowi Kubisiowi, Krakau 2004, 257–271.
172 »Scientia in Via« – Von der Kunst des Dialogs mit der Wirklichkeit.
Interview mit der »Studentischen Zeitung der Hochschule für Philo-
sophie in München«, 5. Ausgabe Sommersemester 2004, 9–12.
173 Die Philosophie – Vorhof des Glaubens oder bleibend notwendige Hilfe
zu seinem Verstehen?, in: Hermann Fechtrup u. a. (Hg.), Wissen und
Wahrheit. Zwei Symposien zu Ehren von Josef Pieper (1904–1997),
Münster 2005, 103–121.
174 Ist dem Verstand jeder Weg zu Gott verschlossen? Religionsphilosophie
nach Kant, in: Ian Kaplow (Hg.), Nach Kant: Erbe und Kritik, Münster
2005, 212–252.

198
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Bibliographie Richard Schaefflers

175 Universalien religiöser Erfahrung in der Vielfalt religiöser Überlieferun-


gen, in: Torsten Larbig/Siegfried Wiedenhofer (Hg.), Kulturelle und re-
ligiöse Traditionen. Beiträge zu einer interdisziplinären Traditionstheo-
rie und Traditionsanalyse, Münster 2005, 212–252.
176 Die religiöse Überlieferungsgemeinschaft als Schule der Erfahrung, in:
Lieven Boeve/Yves De Maeseneer/Stijn van den Bossche (Hg.), Religio-
us Experience and Contemporary Theological Epistemology, Leuven
2005, 41–51.
177 Christliche Philosophie und neuzeitliche Subjektivität – oder: Die späte
Trauer um einen »überwundenen Feind«?, in: Heinrich Schmidinger/
Michael Zichy (Hg.), Tod des Subjekts? Post-Strukturalismus und
christliches Denken, Innsbruck 2005, 21–36.
178 Profanität, Säkularität, Verlust des Sakralen. Ein Plädoyer für die Unter-
scheidung dreier Begriffe, in: Klaus Kienzler/Josef Reiter/Ludwig Wenz-
ler (Hg.), Das Heilige im Denken – Zu Ehren von Bernhard Casper,
Münster 2005, 33–61.
179 Lesen im Buch der Welt. Ein Weg philosophischen Sprechens von Gott,
in: Stimmen der Zeit 224 (2006) 363–378.
180 Die Gegenwart des Zukünftigen. Oder: Das anagogische Bedeutungs-
moment der Erfahrung, in: Margarethe Drewsen/Mario Fischer (Hg.),
Die Gegenwart des Gegenwärtigen. Festschrift für P. Gerd Haeffner SJ
zum 65. Geburtstag, Freiburg i. Br. 2006, 73–87.
181 Die Ewigkeit der Wahrheit und die Veränderlichkeit der Vernunft, in:
Stromata historica in honorem Roman Zawadski, Krakau 2006, 571–
598.
181a Wiederabdruck: Die Ewigkeit der Wahrheit und die Veränderlichkeit der
Vernunft. Ein Beitrag zum Verständnis von Wahrheit und Geschichte,
in: Richard Schaeffler, Unbedingte Wahrheit und endliche Vernunft.
Möglichkeiten und Grenzen menschlicher Erkenntnis, hg. von Chris-
toph Böhr, Wiesbaden 2017, 117–137.
182 Ars interrogandi: Die Philosophie als »Kunst, rechte Fragen zu stellen«
oder: Von der Aufgabe, die philosophischen Fragen offenzuhalten, in:
fiph Journal [Journal des Forschungsinstituts für Philosophie Hanno-
ver] 9 (1/2007) 3–5.
183 La tarda filosofia di Heidegger. »Un congedo dal Dio cristiano«?, in:
Humanitas (2/2007) 234–250.
184 Pluralistische Theologie – Das Gebot der Stunde? Zu Schmidt-Leukels
»Gott ohne Grenzen«, in: Theologie und Philosophie 83 (2008) 243–249.
185 Auf welche Weise denkt der Glaube? – oder: Was kann eine »Philosophi-
sche Einübung in das Denken des Glaubens« leisten?, in: Philotheos.
International Journal for Philosophy and Theology 8 (2008) 3–32.
186 Der Beter, sein Gott und seine Welt. Ein Zugang zur Phänomenologie
der Religion, in: Internationale katholische Zeitschrift Communio 37
(2008) 572–586.

199
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Anhänge

186a Wiederabdruck: Der Beter, sein Gott und seine Welt: Ein Zugang zur
Phänomenologie der Religion, in: Revista Portuguesa de Filosofia 64
(2008) 1301–1313.
187 La religion et l’histoire de la raison pure ou: la lacune dans le système de
Kant peut-elle etre comblée?, in: Philippe Soual/Miklos Vetö (Hg.)
L’Idéalisme allemand et la religion, Paris 2008, 11–24.
188 Philosophisch-Theologische Grenzfragen: Ein Beitrag zur Theorie des
interdisziplinären Dialogs, in: Lehrstuhl für Philosophisch-Theologische
Grenzfragen der Katholisch-Theologischen Fakultät der Ruhr-Univer-
sität Bochum (Hg.), Universitätsreden: Philosophisch-Theologische
Grenzfragen: Ein Beitrag zur Theorie des interdisziplinären Dialogs. Ab-
schiedsvorlesung von Prof. Dr. Richard Schaeffler, Bochum 2008, 17–31.
189 Lernfähige Religion – Verantwortete Säkularität. Der Dienst der Chris-
ten an unserer Gesellschaft, in: Jahrbuch für Religionsphilosophie 8
(2009) 7–25.
190 Pluralistische Theologie und interreligiöser Dialog – eine Antwort auf
Schmidt-Leukels Replik, in: Münchener Theologische Zeitschrift 60
(2009) 346–355.
191 Auf welche Weise denkt der Glaube? Von der eigenen Rationalität des
Glaubens, in: Theologie und Glaube 99 (2009) 2–26.
192 Philosophische Grundlagen des Gesprächs der Religionen, in: Tobias
Müller/Karsten Schmidt/Sebastian Schüler (Hg.), Religion im Dialog.
Interdisziplinäre Perspektiven – Probleme – Lösungsansätze, Göttingen
2009, 19–48.
193 Gebet im Judentum. Eine Interpretation aus christlicher Sicht, in: Frei-
burger Rundbrief: Zeitschrift für christlich-jüdische Begegnung. Neue
Folge 17 (2010) 82–97.
194 Bezeugte religiöse Erfahrung, philosophische Theorie und ihre Vermitt-
lung durch die Postulate der Vernunft, in: Guttorm Fløistad (Hg.), Con-
temporary Philosophy 10: Philosophy of Religion, Dordrecht u. a. 2010,
89–106.
195 »Die Transzendentale Theologie ist der höchste Standpunkt der Trans-
zendentalphilosophie« (Kant, opus postumum), in: Thomas M.
Schmidt/Siegfried Wiedenhofer (Hg.), Religiöse Erfahrung. Richard
Schaefflers Beitrag zu Religionsphilosophie und Theologie, Freiburg
i. Br./München 2010, 11–24.
196 Danksagung und Versuche, das Gespräch fortzusetzen, in: Thomas M.
Schmidt/Siegfried Wiedenhofer (Hg.), Religiöse Erfahrung. Richard
Schaefflers Beitrag zu Religionsphilosophie und Theologie, Freiburg
i. Br./München 2010, 259–284.
197 Beitrag zu einem »Philosophischen Wegweiser«, in: Lukas Trabert (Hg.),
Philosophischer Wegweiser, Freiburg i. Br. 2010, 166–167.
198 Der christliche Glaube und Perspektiven einer künftigen Religionsphi-
losophie, in: Florian Uhl (Hg.), Die Tradition einer Zukunft: Perspekti-
ven der Religionsphilosophie (Schriften der Österreichischen Gesell-
schaft für Religionsphilosophie 10), Graal-Müritz 2011, 113–126.

200
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Bibliographie Richard Schaefflers

199 Die »kopernikanische Wendung« – mehr als eine bloße Metapher, in:
Paul Gilbert (Hg.), L’uomo moderno e la chiesa, Rom 2012, 365–388.
199a Wiederabdruck: Die »Kopernikanische Wendung« in der Wissenschaft
und die neuzeitliche Subjektivität als Problem der Philosophie, in: Ri-
chard Schaeffler, Unbedingte Wahrheit und endliche Vernunft. Möglich-
keiten und Grenzen menschlicher Erkenntnis, hg. von Christoph Böhr,
Wiesbaden 2017, 1–24.
200 Religionsphilosophie und Philosophische Theologie von transzendenta-
lem Ansatz, in: Bernd Irlenborn/Christian Tapp (Hg.), Gott und Ver-
nunft. Neue Perspektiven zur Transzendentalphilosophie Richard
Schaefflers (Scientia & Religio 11), Freiburg i. Br. 2013, 26–35.
201 »Freiheit, die frei macht« – zur Weiterentwicklung eines transzendenta-
len Gottesbegriffs, in: Bernd Irlenborn/Christian Tapp (Hg.), Gott und
Vernunft. Neue Perspektiven zur Transzendentalphilosophie Richard
Schaefflers (Scientia & Religio 11), Freiburg i. Br. 2013, 68–93.
202 »Gotteswort und Menschenwort«: Sprachphilosophische Thesen zu
einem theologischen Thema, in: Josef Rist/Christof Breitsameter (Hg.),
Wort Gottes. Die Offenbarungsreligionen und ihr Schriftverständnis,
Münster 2013, 9–24.
203 Offenbarung und Erfahrung, in: Theologie der Gegenwart 59 (2016)
218–227.
204 Endliche und unendliche Freiheit, in: Jeremiah Alberg/Daniela Köder
(Hg.), Habitus fidei – Die Überwindung der eigenen Gottlosigkeit. Fest-
schrift für Richard Schenk OP zum 65. Geburtstag, Paderborn 2016,
341–364.
205 Gott und seine »Eigenschaften«. Ein altes philosophisches Thema, neu
entdeckt, in: Felix Resch (Hg.), Die Frage nach dem Unbedingten. Gott
als genuines Thema der Philosophie, Dresden 2016, 215–246.
206 »Die Wahrheit ist immer größer« – oder: Vom Zutrauen in die Wahrheit
und von der Selbstkritik der Vernunft, in: Richard Schaeffler, Unbe-
dingte Wahrheit und endliche Vernunft. Möglichkeiten und Grenzen
menschlicher Erkenntnis, hg. von Christoph Böhr, Wiesbaden 2017,
99–115.
207 Die Endlichkeit der Vernunft und ihr »Interesse«: Zur Weiterentwick-
lung von Kants vier Leitfragen der Philosophie, in: Richard Schaeffler,
Unbedingte Wahrheit und endliche Vernunft. Möglichkeiten und Gren-
zen menschlicher Erkenntnis, hg. von Christoph Böhr, Wiesbaden 2017,
139–180.
208 Zum Ethos des Erkennens, in: Richard Schaeffler, Unbedingte Wahrheit
und endliche Vernunft. Möglichkeiten und Grenzen menschlicher Er-
kenntnis, hg. von Christoph Böhr, Wiesbaden 2017, 181–204.
209 Lesen im Buche der Welt – oder: Eine neue Gestalt der transzendentalen
Theologie, in: Christoph Böhr (Hg.), Zum Grund des Seins. Metaphysik
und Anthropologie nach dem Ende der Postmoderne – Rémi Brague zu
Ehren, Wiesbaden 2017, 15–30.

201
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Anhänge

210 Die Theodizee – Gedanken zum Problem, in: Jahrbuch für Religionsphi-
losophie 17 (2018) 210–213.
211 Begriffe vom Unbegreiflichen. Zu den Bedingungen menschlichen Spre-
chens von Gott, in: Christoph Böhr/Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz
(Hg.), Gott denken. Zur Philosophie von Religion, Heidelberg 2019,
105–122.
212 Dialogische Existenz: Wege zu einem menschlichen Leben, in: Richard
Schaeffler, Philosophische Anthropologie, hg. von Christoph Böhr, Ber-
lin 2019, 107–114.
213 Transzendentalphilosophie und Theologie, in: Martin Blay u. a. (Hg.),
»Stets zu Diensten?« Welche Philosophie braucht die Theologie heute?,
Münster 2019, 75–85.
214 Die Lehre von den Transzendentalien: ihre philosophiehistorische Krise
und ihre bleibende Aktualität, in: Christoph Böhr (Hg.), Metaphysik.
Von einem unabweislichen Bedürfnis der menschlichen Vernunft. Rémi
Brague zu Ehren, Wiesbaden 2020, 391–400.
214a Wiederabdruck: Die Lehre von den Transzendentalien: ihre philosophie-
historische Krise und ihre bleibende Aktualität, in: Christoph Böhr/
Wolfgang Buchmüller (Hg.), Ambo 2020: Das Gute, Wahre und Schöne.
Zur Aktualität der Lehre von den Transzendentalien (Jahrbuch der
Hochschule Heiligenkreuz), Heiligenkreuz 2020, 302–312.
215 Was mir wichtig bleibt [unveröffentlichtes Manuskript; hinterlegt bei
Christoph Böhr]

IV. Lexikonartikel

1 Zeit, philosophisch, in: Lexikon für Theologie und Kirche, Band 10, Frei-
burg i. Br. 21965, 1326–1329.
2 Karl Jaspers, in: Enciclopedia Iberoamericana*.
3 Philosophie, in: Sacramentum Mundi, Band III, Freiburg i. Br. 1969,
1164–1194.
3a Wiederabdruck: Herders Theologisches Taschenlexikon, Band 6, Frei-
burg i. Br. 1973, 12–26.
4 Philosophiegeschichte, in: Sacramentum Mundi, Band III, Freiburg i. Br.
1969, 1194–1204.
5 Sinn, in: Handbuch philosophischer Grundbegriffe, Band 3, München
1974, 1325–1341.
6 Verstehen, in: Handbuch pädagogischer Grundbegriffe, Band II, Mün-
chen 1970, 301–306.
6a Wiederabdruck: Handbuch philosophischer Grundbegriffe, Band 5,
München 1974, 1628–1641.
7 Modernismus, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie, Band 6,
Basel 1984, 62–66.

202
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Bibliographie Richard Schaefflers

8 Erinnerung/Anamnese, in: Hans Waldenfels (Hg.), Lexikon der Reli-


gionen. Phänomene – Geschichte – Ideen, Freiburg i. Br. 1987, 149a–
152b.
9 Religionsphänomenologie, in: Hans Waldenfels (Hg.), Lexikon der Reli-
gionen. Phänomene – Geschichte – Ideen, Freiburg i. Br. 1987, 546a–
547b.
10 Religionsphilosophie, in: Hans Waldenfels (Hg.), Lexikon der Religio-
nen. Phänomene – Geschichte – Ideen, Freiburg i. Br. 1987, 547b–550a.
11 Tradition, I. Allgemein, in: Hans Waldenfels (Hg.), Lexikon der Religio-
nen. Phänomene – Geschichte – Ideen, Freiburg i. Br. 1987, 665a–666b.
12 Das Heilige, in: Hans Gasper/Joachim Müller/Friederike Valentin (Hg.),
Lexikon der Sekten, Sondergruppen und Weltanschauungen, Freiburg
i. Br. 1990, 429–432.
13 Heiligtum, 1. Religionsphänomenologie, in: Hans Gasper/Joachim Mül-
ler/Friederike Valentin (Hg.), Lexikon der Sekten, Sondergruppen und
Weltanschauungen, Freiburg i. Br. 1990, 436–437.
14 Geist, II. Begriffsgeschichte, III. Philosophisch-theologisch, in: Lexikon
für Theologie und Kirche, Band 4, Freiburg i. Br. 31995, 373–377.
15 Geschichte, Geschichtlichkeit, I. Begriffsgeschichte, II. Philosophisch, in:
Lexikon für Theologie und Kirche, Band 4, Freiburg i. Br. 31995, 553–
557.
16 Geschichtsphilosophie, Geschichtstheorie, in: Lexikon für Theologie und
Kirche, Band 4, Freiburg i. Br. 31995, 563–564.
17 Goldenes Zeitalter, in: Lexikon für Theologie und Kirche, Band 4, Frei-
burg i. Br. 31995, 824–825.
18 Hoffnung, I. Philosophisch, in: Lexikon für Theologie und Kirche,
Band 5, Freiburg i. Br. 31996, 198–200.
19 Kritik, II. Theologisch, in: Lexikon für Theologie und Kirche, Band 6,
Freiburg i. Br. 31997, 487–488

V. Rezensionen

1 Hans Wagner, Existenz, Analogie und Dialektik. Religio pura seu trans-
cendentalis. 1. Halbband, München 1953, in: Philosophische Rund-
schau 2 (1954) 70–82.
2 Thomas Räber, Das Dasein in der »Philosophie« von Karl Jaspers. Eine
Untersuchung im Hinblick auf die Einheit und Realität der Welt im
existentiellen Denken, Bern 1955, in: Philosophische Rundschau 4
(1956) 126–127.
3 Arthur Schilpp (Hg.), Karl Jaspers, Stuttgart 1957, in: Philosophische
Rundschau 7 (1959) 302.
4 Johannes G. Deninger, »Wahres Sein« in der Philosophie des Aristoteles,
Meisenheim 1961, in: Philosophische Rundschau 9 (1961) 235–236.

203
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Anhänge

5 Balduin Noll, Philosophia rationalis sine fide, Bonn 1959, in: Philosophi-
sche Rundschau 11 (1963) 152–154.
6 Rudolph Berlinger, Augustins Dialogische Metaphysik, Frankfurt a. M.
1962, in: Philosophische Rundschau 12 (1965) 174–178.
6a Übersetzung ins Spanische: Rudolph Berlinger, Augustins Dialogische
Metaphysik / La metafísica dialógica de San Agustín, in: Documentación
crítica iberoamericana de filosofía y ciencias afines II (1965) 473–480.
7 Leo Gabriel, Integrale Logik. Die Wahrheit des Ganzen, Wien 1965, in:
Philosophische Rundschau 15 (1968) 227–228.
8 Viktor Kraft, Die Grundlagen der Erkenntnis und der Moral, Berlin
1968, in: Philosophy and History 3 (1970) 161–170.
9 Egil A. Wyller, Der späte Platon. Tübinger Vorlesungen 1965, Hamburg
1970, in: Philosophische Rundschau 20 (1974) 205–210.
10 Walter Schulz, Philosophie in der veränderten Welt, Pfullingen 1972, in:
Philosophische Rundschau 20 (1974) 178–195.
11 Reinhard Leuze, Die außerchristlichen Religionen bei Hegel (Studien
zur Theologie und Geistesgeschichte des neunzehnten Jahrhunderts 14),
Göttingen 1975, in: Theologische Revue 72 (1976) 327–334.
12 Karl-Heinz Weger (Hg.), Religionskritik. Beiträge zur atheistischen Re-
ligionskritik der Gegenwart, München 1976, in: Theologische Revue 73
(1977) 330–331.
13 Walter Strolz (Hg.), Religiöse Grunderfahrungen. Quellen und Gestal-
ten, Freiburg i. Br. 1977, in: Theologisch-praktische Quartalschrift 126
(1978) 398–399.
14 Günter Bader, Mitteilung göttlichen Geistes als Aporie der Religions-
lehre Johann Gottlieb Fichtes, Tübingen 1975, in: Philosophy and His-
tory 12 (1979) 6–10.
15 Werner Stegmaier, Substanz: Grundbegriff der Metaphysik. Stuttgart
1977, in: Philosophy and History 12 (1979) 40–43.
16 Bernhard Welte, Religionsphilosophie, Freiburg i. Br. 1978, in: Philo-
sophisches Jahrbuch 86 (1979) 201–209.
17 Walter Strolz (Hg.), Kosmische Dimensionen religiöser Erfahrung, Frei-
burg i. Br. 1978, in: Theologisch-praktische Quartalschrift 127 (1979)
287–288.
18 Joseph Möller, Die Chance des Menschen, Gott genannt. Was Vernunft
und Erfahrung heute von Gott sagen können, Zürich/Einsiedeln/Köln
1975, in: Philosophisches Jahrbuch 87 (1980) 210–213.
19 Sergio Sorrentino, Schleiermacher e la filosofia della religione, Brescia
1978, in: Theologische Revue 76 (1980) 68–69.
20 Vittorio Agosti, Filosofia e Religione nell’attualismo gentiliano, Brescia
1977, in: Theologische Revue 76 (1980) 157–159.
21 Analytische Religionsphilosophie. Zum Stand der Versuche, sprachana-
lytische Methoden auf Probleme der Religionsphilosophie anzuwenden
[Rezension der Werke: Anton Grabner-Haider, Kritische Religionsphi-
losophie. Europäische und außereuropäische Kulturen, Graz/Wien/Köln
1993; Hermann Schrödter, Analytische Religionsphilosophie. Haupt-

204
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Bibliographie Richard Schaefflers

standpunkte und Grundprobleme, Freiburg/München 1979], in: Theo-


logische Revue 76 (1980) 441–448.
22 Karl-Heinz Weger (Hg.), Religionskritik von der Aufklärung bis zur
Gegenwart. Autoren-Lexikon von Adorno bis Wittgenstein, Freiburg/
Basel/Wien 1979, in: Theologische Revue 77 (1981) 72.
23 Franco Volpi, Heidegger e Brentano. L’Aristotelismo e il problema
dell’univocita’ dell’essere nella formazione filosofica del Giovane Martin
Heidegger (Quaderni di storia della filosofia 7), Mailand 1976, in: Phi-
losophisches Jahrbuch 88 (1981) 217–219.
24 Günter Lanczkowski, Einführung in die Religionsphänomenologie,
Darmstadt 1978, in: Theologisch-praktische Quartalschrift 129 (1981)
78–79.
25 Friedrich Seven, Die Ewigkeit Gottes und die Zeitlichkeit des Menschen.
Eine Unterscheidung der hermeneutischen Funktion der Zeit in Karl
Barths Theologie der Krisis und im Seinsdenken Martin Heideggers,
Göttingen 1979, in: Theologische Revue 77 (1981) 138–139.
26 Neuere Ansätze in der Religionsphilosophie. Literaturbericht von Ri-
chard Schaeffler [Kurzrezension der Werke: Carsten Colpe (Hg.), Die
Diskussion um das »Heilige«, Darmstadt 1977; Niklas Luhmann, Die
Funktion der Religion, Frankfurt a. M. 1977; Dietrich Rössler, Die Ver-
nunft der Religion, München 1976; Ingo Mörth, Die gesellschaftliche
Wirklichkeit von Religion. Grundlegung einer allgemeinen Religions-
theorie, Stuttgart 1978 u. a.], in: Information Philosophie (2/1982) 2–5;
8–11.
27 Trutz Rendtorff (Hg.), Religion als Problem der Aufklärung. Eine Bilanz
aus der religionstheoretischen Forschung, Göttingen 1980, in: Theologi-
sche Revue 78 (1982) 240–241.
28 Hubertus G. Hubbeling, Einführung in die Religionsphilosophie, Göt-
tingen 1981, in: Theologische Revue 79 (1983) 502–503.
29 Josef de Vries, Grundbegriffe der Scholastik, Darmstadt 1980, in: Frei-
burger Rundbrief. Beiträge zur christlich-jüdischen Begegnung 35/36
(1983/1984) 137–138.
30 Oskar Schatz (Hg.), Brauchen wir eine andere Wissenschaft? X. Salzbur-
ger Humanismusgespräch, Graz/Wien/Köln 1981, in: Theologische Re-
vue 80 (1984) 46–48.
31 Hans Zirker, Religionskritik, Düsseldorf 1982, in: Theologische Revue
80 (1984) 242–243.
32 Battista Mondin, Umanesimo Cristiano. Saggio sulle implicazioni cul-
turali della fede, Brescia 1980, in: Theologische Revue 81 (1985) 142.
33 Paolo Miccoli, Introduzione alla filosofia della storia, Rom u. a. 1980, in:
Theologische Revue 81 (1985) 141–142.
34 Carlo Cantone, Le scienze della religione oggi, Rom 1978, in: Theologi-
sche Revue 81 (1985) 62–65.
35 Emmanuel Levinas, Die Zeit und der Andere, Hamburg 1984, in: Theo-
logische Revue 81 (1985) 318–319.

205
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Anhänge

36 Michael Eckert, Transzendieren und immanente Transzendenz. Die


Transformation der traditionellen Zweiweltentheorie von Transzendenz
und Immanenz in Ernst Blochs Zweiseitentheorie, Freiburg i. Br. 1981,
in: Theologisch-praktische Quartalschrift 135 (1985) 263.
37 Keji Nishitani, Was ist Religion?, Frankfurt a. M. 1982, in: Information
Philosophie (5/1985) 30–38.
38 Neuerscheinungen zur Religionsphilosophie [Rezension der Werke:
Walter Jaeschke, Die Vernunft und die Religion: Studien zur Grund-
legung der Religionsphilosophie Hegels, Stuttgart/Bad Cannstatt 1986;
Heinrich Beck, Natürliche Theologie. Grundriß philosophischer Gottes-
erkenntnis, München 1986; Georg Scherer, Sinnerfahrung und Unsterb-
lichkeit, Darmstadt 1985; Wilhelm Dupré, Einführung in die Religions-
philosophie, Stuttgart u. a. 1985; Peter Koslowski (Hg.), Die religiöse
Dimension der Gesellschaft. Religion und ihre Theorien, Tübingen
1985; Hermann Lübbe, Religion nach der Aufklärung, Graz/Wien/Köln
1986], in: Allgemeine Zeitschrift für Philosophie 141 (1988) 79–91.
39 Albert Görres/Walter Kasper (Hg.), Tiefenpsychologische Deutung des
Glaubens? Anfragen an Eugen Drewermann, Freiburg i. Br. 1988, in:
Pastoralblatt für die Diözesen Aachen, Berlin, Essen, Hildesheim, Köln,
Osnabrück 4 (1988) 378–382.
40 Georg Muschalek, Kirche – noch heilsnotwendig?, Tübingen 1989, in:
Stimmen der Zeit 208 (1990) 575–576.
41 Winfried Weier, Religion als Selbstfindung. Grundlegung einer Exis-
tenzanalytischen Religionsphilosophie (Abhandlungen zur Philosophie,
Psychologie, Soziologie der Religion und Ökumenik, Neue Folge 45),
Paderborn u. a. 1991, in: Theologische Revue 89 (1993) 421–423.
42 Julie Kirchberg, Theologie in der Anrede als Weg zur Verständigung
zwischen Juden und Christen, Innsbruck 1991, in: Theologische Revue
89 (1993) 423–424.
43 Notger Slenczka, Realpräsenz und Ontologie. Untersuchung der onto-
logischen Grundlagen der Transsignifikationslehre, Göttingen 1993, in:
Theologische Rundschau 59 (1994) 449–454.
44 Anton Grabner-Haider, Kritische Religionsphilosophie. Europäische und
außereuropäische Kulturen, Graz 1993, in: Theologische Revue 92
(1996) 71–74.
45 Ingolf U. Dalferth, Gott: Philosophisch-Theologische Denkversuche,
Tübingen 1992, in: Theologische Revue 92 (1996) 123–126.
46 Martin Heidegger, Gesamtausgabe. II. Abt., Band 60: Phänomenologie
des religiösen Lebens. 1. Einleitung in die Phänomenologie der Religion.
2. Augustinus und der Neuplatonismus. 3. Die philosophischen Grund-
lagen der mittelalterlichen Mystik, Frankfurt a. M. 1995, in: Theologi-
sche Literaturzeitung 121 (1996) 709–713.
47 Martin Heidegger, Gesamtausgabe. III. Abt., Band 77: Feldweg-Gesprä-
che, Frankfurt a. M. 1995, in: Theologische Literaturzeitung 122 (1997)
59–64.

206
https://doi.org/10.5771/9783495999592

.
Bibliographie Richard Schaefflers

48 Richard Schenk (Hg.), Zur Theorie des Opfers. Ein interdisziplinäres


Gespräch (Collegium Philosophicum 1), Stuttgart 1995, in: Theologi-
sche Revue 93 (1997) 159–160.
49 Karl-Heinz Volkmann-Schluck, Die Philosophie Martin Heideggers.
Eine Einführung in sein Denken, Würzburg 1996, in: Theologische Li-
teraturzeitung 122 (1997) 945–946.
50 Martin Heidegger, Gesamtausgabe II. Abt., Band 27: Einleitung in die
Philosophie, Frankfurt a. M. 1996, in: Theologische Literaturzeitung
122 (1997) 1056–1059.
51 Markwart Herzog, »Descensus ad inferos«. Eine religionsphilosophische
Untersuchung der Motive und Interpretation mit besonderer Berück-
sichtigung der monographischen Literatur seit dem 16. Jahrhundert,
Frankfurt a. M. 1997, in: Theologische Revue 95 (1999) 50–52.
52 Xavier Tilliette, Philosophische Christologie: Eine Einführung, Einsie-
deln 1998, in: Theologische Literaturzeitung 124 (1999) 1270–1273.
53 Claus Dierksmeier, Das Noumenon Religion. Eine Untersuchung zur
Stellung der Religion im System der praktischen Philosophie Kants, Ber-
lin 1998, in: Theologische Literaturzeitung 125 (2000) 657–659.
54 Martin Heidegger, Gesamtausgabe. I. Abt., Band 16: Reden und andere
Zeugnisse eines Lebensweges, Frankfurt a. M. 2000; II. Abt., Band 67:
Metaphysik und Nihilismus, Frankfurt a. M. 1999; IV. Abt., Band 85:
Vom Wesen der Sprache. Zu Herders Abhandlung Ȇber den Ursprung
der Sprache«, Frankfurt a. M. 1999, in: Theologische Literaturzeitung
126 (2001) 353–364.
55 Kurt Hübner, Glaube und Denken. Dimensionen der Wirklichkeit, Tü-
bingen 2001, in: Philosophische Rundschau 49 (2002) 34–43.
56 Peter Hünermann, Dogmatische Prinzipienlehre. Glaube – Überliefe-
rung – Theologie als Sprach- und Wahrheitsgeschehen, Münster 2003,
in: Theologische Literaturzeitung 129 (2004) 1095–1097.
57 Miklos Vetö, De Kant à Schelling. Les deux voies de l’idéalisme alle-
mand, Grenoble 2000, in: Theologische Revue 101 (2005) 160–163.
58 Jean Greisch, Le Buisson Ardent et les Lumieres de la Raison. L’inven-
tion de la philosophie de la religion, Paris 2004, in: Theologische Lite-
raturzeitung 130 (2005) 826–828.
59 Gerd Haeffner, Wege in die Freiheit. Philosophische Meditationen über
das Menschsein, Stuttgart 2006, in: Stimmen der Zeit 225 (2007) 712–
714.

207
https://doi.org/10.5771/9783495999592

Das könnte Ihnen auch gefallen