Beruflich Dokumente
Kultur Dokumente
A.J. Nightwolve
Impressumservice c/o A.J. Nightwolve
Thesingfelder Str. 20
49828 Neuenhaus
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der
engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne die schriftliche Genehmigung der Autorin
untersagt. Jegliche Vervielfältigung ist nur mit Zustimmung der Autorin zulässig.
Sämtliche Personen und Handlungen dieser Geschichte sind frei erfunden. Jede Ähnlichkeit mit real
existierenden oder verstorbenen Personen oder Ereignissen ist rein zufällig.
Triggerwarnung
„Triggered“ und „getriggert“ bedeuten insbesondere, dass etwas eine starke emotionale
Reaktion auslöst. Eine Folge vom „getriggert“ sein ist, dass eine Person nicht mehr rational
denkt, sondern sehr emotional wird.
Es ist wichtig, dass du als Leser diesen Punkt NICHT geflissentlich überliest oder gar
überschreitest!
Ich möchte dich als Leser bitten, meine Warnung zu beachten, die ich keinesfalls bis ins
kleinste Detail ausformulieren kann.
Gewalt, Mobbing, Bulimie, gleichgeschlechtliche Liebe und Suizid bilden nur einen kleinen
Teil dessen, den du lesen könntest. Wenn es im Vorfeld zu schweren traumatischen
Erlebnissen gekommen ist, dann bitte ich dich, das Buch an dieser Stelle nicht weiterzulesen.
Solltest du in einer akuten Situation sein, dann hol dir bitte Hilfe. Es ist keine Schande und
keine Schwäche. Im Leben gibt es Momente, in denen es dir nicht gutgehen darf.
Dieses Mal bin ich echt am Arsch. Ich hätte bei der letzten Lieferung besser
aufpassen müssen. Jetzt habe ich den Salat und ich bezweifele, dass ich
nochmal mit einem blauen Auge davonkommen werde.
In weniger als zwei Tagen muss ich mich vor Gericht sehen lassen.
Weder meinen Brüdern, noch meinem Präsidenten habe ich etwas davon
gesagt. Keiner würde mich am nächsten Galgen aufknüpfen und dennoch
fühlt es sich so an.
In den Staaten bist du dermaßen gefickt, wenn du als Vorbestrafter eine
Waffe mit dir führst, für die du keinen Schein besitzt. Lustig, ich hätte den
Wichser, dem die Knarre gehörte, ja fragen können, ob er mir seinen kurz
ausleiht! Dann hätte die Polizeikontrolle mich am Arsch lecken können.
Fakt ist allerdings ebenso, ich hätte einen Toten erklären müssen. Und
wegen Mord will ich sicher nicht ins Kittchen einfahren.
Während ich mit der Vorladung in der einen Hand und meinem Bier in
der anderen etwas abseits auf dem Innenhof sitze, feiern meine Brüder
ausgelassen.
Ehrlich, ich würde nichts lieber machen, als den Wisch im Feuer
verbrennen, meinen Schwanz richten und mir drinnen eine kleine Nutte zum
Vögeln suchen.
Würde, denn das habe ich seit Jahren nicht getan. Keine Frau hat es auch
nur ansatzweise vermocht, meinen Kumpel da unten zu reizen. Ich habe es
mit blond, brünett, schwarzhaarig, dick, dünn ... ach Fuck ... ich habe alles
versucht.
Fakt ist, ich bekomme das kleine rothaarige Miststück nicht aus meinem
Schädel, das mich vor Jahren verlassen hat. Dabei sollte es mir inzwischen
egal sein, was Madame anstellt, oder? Sie hat sich verpisst und all ihre
Versprechen der Lüge gestraft. Ich brauche das Miststück nicht!
All die Jahre habe ich mir genau das einzureden versucht und bin kläglich
gescheitert. Nicci war perfekt – in allem. Und ich spreche nicht vom Sex!
Nur einmal im Leben sieht dich eine Frau so, wie Gott dich gemeint hat. Sie
urteilt nicht, fragt nicht oder setzt voraus. Nicole hatte alle Eigenschaften,
um die perfekte Old Lady an meiner Seite zu werden. Ich habe nie
verstanden, was sie urplötzlich von mir gestoßen hat.
Ich weiß nicht einmal, was sie jetzt macht oder wo sie steckt. Es war harte
Arbeit, es mir die ganze Zeit zu verbieten. Und ich wollte! Oh ja! Viel zu oft
habe ich darüber nachgedacht, sie zu entführen, an mein Bett zu fesseln und
sie unter keinen Umständen wieder gehen zu lassen.
Anfangs hielt mein Stolz mich ab. Später die Wut und inzwischen bin ich
dumm. Klasse Voraussetzungen, wie ich nach einem weiteren Blick auf das
Schreiben feststellen muss.
Ich bin am Arsch – nichts Neues und dennoch könnte es mich alles kosten.
Ein Gespräch mit Skylar ist unausweichlich – das weiß ich. Warum
bekomme ich dann meinen Arsch nicht hoch und gehe endlich zu ihm?
Ein weiterer Schluck. Noch einer und noch einer, dann erhebe ich mich
endlich. Was soll schon passieren? Mehr als den Arschtritt meines Lebens
kann ich nicht bekommen, oder?
Vorm Club stehen etliche meiner Brüder, schütten massenweise Alkohol
in sich hinein, während die Bitches ohne Höschen an ihren Knien reiben.
Ich lasse das Bild hinter mir und tauche in dicke Nebelschwaden aus
Rauch, als ich den Clubraum betrete. Ekelhaftes süßliches Parfüm mischt
sich unter den Zigarettengestank, gleich gefolgt von Alkohol und Muschi.
Die perfekte Mischung, um gleich hier auf den Boden zu kotzen.
Habe ich schon erwähnt, dass ich am Arsch bin? Es wird nicht besser, die
Elite mit ihren Pussys am Tisch vorzufinden. Seit neustem haben fünf von
uns das Liebesglück für sich gepachtet. Mit Nicci dachte ich das auch, bis sie
mich verlassen hat.
„Können wir reden?“, haue ich ohne Umschweife heraus. Laut genug,
damit es den nervigen Bass der Musik übertönt.
Skylar küsst seine Lady, ehe er sie von seinem Schoß schiebt und mir
andeutet, in sein Büro vorauszugehen. Dort angekommen schließt er die
Tür hinter uns, ehe er in seinen Stuhl fällt und die Hände vor der Brust
verschränkt.
Ich weiß nicht, wie ich es anstellen soll, also reiche ich ihm lediglich den
Wisch.
Zeit vergeht, in der er lediglich auf das Blatt Papier starrt. Keine Reaktion
ist seinem Gesicht abzulesen, um mich zumindest ein wenig zu beruhigen.
Die Inferno Outlaws sind meine Familie und allein der Gedanke, sie zu
verlieren, sorgt dafür, dass mir speiübel wird.
„Reichlich spät, Cole. Oder ist es an mir vorbeigegangen, dass du dich
jetzt selbst um deinen Hintern kümmerst?“
Die Rüge habe ich verdient. Sogar noch mehr als das.
„Nein, aber ich habe nicht gewusst, wie ich dir das erklären soll.“
Er atmet tief durch, während das Schreiben auf seinem Schreibtisch
landet. „Ich rufe den kleinen Rechtsverdreher an und sehe, was ich machen
kann. Einen Tag vor Torschluss ist das eine Herausforderung, dessen bist
du dir bewusst, oder? Noch dazu, weil du mehr als einmal mit einem blauen
Auge davongekommen bist.“
Ihn so ruhig zu erleben, ist grausamer als die Wutanfälle, die er von Zeit
zu Zeit bekommt.
„Hau dich ein paar Stunden aufs Ohr und sobald ich etwas höre, rufe ich
dich. Stell bis dahin nur bitte nichts mehr an.“
Ich stelle nie etwas an, hab nur eben Pech und werde ständig erwischt.
Nicht unbedingt immer, weil ich Mist gebaut habe.
Um Skylars Stimmung nicht doch noch umzukehren, verpisse ich mich
aus seinem Büro und steuere direkt meine kleine Wohnung im
Obergeschoss an. Obs der Schlaf jetzt richtet, weiß ich nicht.
Dort angekommen schiebe ich mich in der Dunkelheit voran, bis ich das
Schlafzimmer erreiche. In den letzten Jahren hat sich nichts verändert. Noch
immer hängt Niccis Shirt am oberen Teil des Bettes. Ich habe es nicht übers
Herz gebracht, mich davon zu trennen. Kranker, perverser Scheiß. So viel
dazu, dass ich so richtig abgefuckt bin.
Niedergeschlagen werfe ich mich ins Bett, die Beine weit über die Kante,
während ich die Decke anstarre. Wenn Skylar keine Lösung findet, ja ...
dann weiß ich auch nicht.
Doch, vielleicht eins: Ich werde nicht in den Knast gehen. No fucking way !
Eher schlucke ich meine Waffe und drücke ab.
3
Noch vor dem ersten Kaffee ins Büro zitiert zu werden, kann keine
glückliche Fügung des Schicksals sein. Mein Bauch, der sich in
regelmäßigen Abständen fest zusammenzieht, ist ebenfalls kein gutes Indiz.
Mr. Brown, der zweite Kanzleiinhaber, bittet mich sofort nach dem
Anklopfen hinein. Im Gegensatz zu meinem Büro erwartet mich hier ein
lichtdurchfluteter Raum. Die Wände sind weiß gestrichen, jedoch mit
Bücherregalen voller Fachlektüre zugepflastert. Keine Bilder, keine
Pflanzen – stoisch steril, wie der Mann selbst.
Das hellblaue Hemd unter dem schwarzen Anzug weist keine Falte auf.
Dafür zeichnen sich einige davon im Gesicht meines Chefs ab. Er ist alt,
weit über fünfzig und hat bereits nach dem Studium damit begonnen, diese
Kanzlei hochzuziehen. Wenn ich bedenke, mit welchen Mitteln er es
vollbracht hat, wird mir schlecht.
„Setzen Sie sich doch, Nicole.“
Nur widerwillig komme ich seiner Bitte nach, die mehr Höflichkeit
enthält, als er beabsichtigt war, zu geben. Er ist ein Arschloch, versteckt
hinter Aktenbergen und einem sehr guten Ruf. Dass dieser nur durch
Kriminelle stammt? Tja, das sei dahingestellt. Jedenfalls für die Menschen,
die sich dennoch darum reißen, von ihm vertreten zu werden.
Als ich damals meinen Wunsch in Angriff genommen habe, Anwältin zu
werden, wollte ich für die Unschuldigen einstehen. Schon nach zwei
Wochen an der Universität war mir klar, dass es nicht darum geht. In der
Rechtslehre kämpft man nicht für die Menschen, denen Unrecht
widerfahren ist. Oh nein! Wir sind die Spieler, die auf das Feld geschickt
werden, wenn die Kacke so richtig am Dampfen ist. Gesetze dehnen,
Meinungen verzerren und nach Möglichkeit so viel Charme ins Spiel
bringen, wie nötig ist. Gerechtigkeit existiert nicht – nicht in dieser Welt.
Alles dreht sich einzig allein darum, wie weit wir bereit sind, uns für
unseren Mandanten zu verbiegen.
Mehr als einmal habe ich darüber nachgedacht, mein Studium zu
schmeißen und in einen ganz anderen Fachbereich zu wechseln. Medizin
zum Beispiel. Dort hätte ich die Chance, Menschen wirklich zu helfen. Aber
hier? Hier bin ich falsch!
„Sie wollten mich sprechen“, sage ich schnell, nachdem ich mich an den
Grund meines Besuches entsinne.
„Bisher haben Sie gute Arbeit geleistet. Aus diesem Grund werden Sie
einen Fall übernehmen, bei dem sowieso alle Messen gesungen sind.“
Ein Schwall Magensäure klettert zielstrebig meine Speiseröhre nach oben.
Mein erster Fall, an dem ich allein arbeiten soll, weil er eh schon verkackt
ist? Ich bin so unsagbar wütend, dass ich die Hitze förmlich auf meinen
Wangen spüren kann. Meinen Mund halte ich trotzdem. Wenn ich eine
Chance will, dann kann ich mir keinen einzigen Fehler erlauben, und genau
das macht es unglaublich schwer. Ich bin ein Mensch, der immer sagt, was
er denkt. Ich bin ehrlich und damit in der absolut falschen Position gelandet.
Was ich nach der Trennung und meiner Flucht entschieden habe, spricht
komplett gegen mein Weltbild.
„Worum genau geht es?“, hake ich so ruhig wie nur möglich nach. Ich will
nicht, dass mein Chef die Wut aus meiner Stimme heraushört. Das kann er.
Schließlich ist er nicht umsonst der beste Rechtsverdreher innerhalb der
nächsten tausend Meilen.
„Normalerweise gebe ich die Bikerfälle nicht ab, doch im Moment sieht es
wohl so aus, als müsste ich das. Unser Großklient braucht mehr
Aufmerksamkeit. Außerdem, wie ich bereits sagte, sind alle Messen
wahrscheinlich eh gesungen. Innerhalb eines Tages kann ich keine gute
Verteidigung auf die Beine stellen.“
Aber ich kann das?
Je länger ich meinem Chef zuhöre, desto mehr falle ich aus allen Wolken.
Dabei geht es nicht einmal darum, dass ich in jenes Gefilde tauchen muss,
aus dem ich froh war, entkommen zu sein. Inzwischen bin ich erwachsen,
viele Jahre sind ins Land gegangen und zudem bin ich eine super Anwältin.
„Das ist die Akte. Lesen Sie sich rein und versuchen ihr Bestes. Die Kohle
kommt am Ende des Monats so oder so. Also stressen Sie sich nicht,
Nicole.“
Ein paar Gramm Papier können schwer wiegen, so wie diese Akte. Ohne
überhaupt hineinzusehen weiß ich, dass dies mein Untergang sein wird.
„Sie können gehen. Schließlich steht Ihnen eine lange Nacht bevor.“
Nicht nur eine lange Nacht, wie mir scheint. Auch der Beginn einer sehr
langen Überwältigungsphase. Das Schicksal spielt seltsame Spiele, über die
es nur selbst lachen kann. Ich jedenfalls nicht, wenn ich auf den Namen
blicke, der mit dickem schwarzen Edding markiert wurde.
Vergangenheit, ich bin dir in die Gegenwart gefolgt und wenn du nicht aufpasst,
war´s das mit der Zukunft.
Ich bin gefickt – dermaßen hart durchgefickt.
Seufzend verlasse ich das Büro meines Chefs, hole eilig meine Handtasche
und stiefele aus der Kanzlei. Von hier aus kann ich ohnehin nichts
ausrichten. Planen? Vorbereiten? Unmöglich. Nicht mit so wenig Zeit.
Wahrscheinlich auch nicht, wenn sie mir zur Verfügung stünde.
Was solls. Mein Weg führt mich, wer hätte es jemals für möglich
gehalten, zurück zu den Inferno Outlaws. Heute bin ich vorbereitet und
nicht mehr das süße Mädel von damals. Ich widerstehe dem Charme der
Biker. Nur der Job ist wichtig, denn egal, was kommt, diese Verhandlung
wird mir entweder weitere Türen öffnen, oder sie für immer schließen.
Bewusst wird mir das nicht erst, nachdem ich nun nach Jahren wieder vor
dem Clubhaus stehe, das so viele Monate mein Zuhause gewesen ist.
Highheels trage ich immer noch, nur sind sie inzwischen nicht mehr aus
Lack. Über den Rock könnte man ebenso diskutieren, denn daran hat sich in
all den Jahren nichts geändert. Ich bin älter, reifer und besitze mehr
Fältchen, als für mein Alter gut sind.
„Hey Puppe, du bist hier falsch“, knurrt mich der Prospect im
Backsteinhaus neben dem Eisenzaun an.
„Hey Wichser, ich denke nicht, denn ich bin eine von denen, die eure
kleinen Ärsche vom Knast fernhalten.“
Ihm weicht gefühlt alles aus dem Gesicht, was eben noch einen festen
Platz besaß.
Nur das „Fuck off“ im Hintergrund ruft ihn viel schneller als geglaubt zur
Räson.
Unvermeidbar war es ohnehin. Cole dennoch wiederzusehen ... löst,
anders als erwartet, mehr in mir aus, als ich bisher gedacht habe.
4
Es war ein riesiger Fehler, hierher zu kommen. Fuck auf den Job oder
darauf, was andere von mir denken.
Cole hat sich in all den Jahren nicht verändert. Er ist noch immer ein
arrogantes Arschloch, das denkt, ihm würde die Welt gehören. Oder sich
darauf verlässt, dass morgen schon alles gutgehen wird. Nein, das wird es
nicht! Er ist vorbestraft, ein Outlaw Biker und zudem alles andere als
kooperativ. Ein Scheitern ist vorprogrammiert. Und damit meine ich nicht
nur seine Gerichtsverhandlung.
„Lass mich auf der Stelle runter, Cole. Das Maß ist mehr als voll und
wenn du nicht möchtest, dass die Kanzlei die Zusammenarbeit mit den
Inferno Outlaws beendet, dann wirst du dich mir gegenüber mit mehr
Respekt verhalten.“
Cole stoppt, atmet tief durch und setzt mich tatsächlich ab.
„Wenn dir dein Leben so egal ist, okay, soll mir recht sein, Cole. Mein
Leben ist es nicht, aber mein Chef erwartet von mir ein Ergebnis. Ich habe
nicht umsonst all die Jahre investiert, nur um mir das Leben wieder von dir
versauen zu lassen.“
Nein, mir ist der Job nur primär wichtig, aber das muss ich ihm nicht
unter die Nase reiben.
„Wann habe ich dir dein Leben versaut?“ Cole bekommt meinen Oberarm
zu fassen und zieht mich zurück an seinen Körper. Ich hasse die Wärme, die
ich spüren kann. Dabei will ich wütend sein, toben und ihm die Augen
auskratzen dafür, dass er mich betrogen hat.
„Jetzt tu doch nicht so“, fahre ich ihn an. „Du hast deinen Schwanz doch
immer wieder in irgendwelche Nutten gesteckt und mir hintenrum
eingeredet, du würdest nur mich lieben.“
Endlich ist es raus. Mit den Worten leider auch die Erinnerung an das,
was ich gesehen habe. Jäh frisst sich der Schmerz erneut durch meine
Eingeweide. Das ist das Problem, wenn man Dinge nicht verarbeitet,
sondern sie verdrängt. Irgendwann, so wie jetzt, kommen sie mit doppelter
Wucht zurück.
Abstand wäre sinnvoll, was Cole natürlich nicht so sieht.
„Bist du bescheuert, Nicci? Wann bitte soll ich das getan haben?“
Pah. Meint er das wirklich ernst?
„Du glaubst auch, jetzt auf unschuldig zu spielen, macht die Sache besser.
Dann muss ich dich enttäuschen. Du denkst, du kannst mich wie das dumme
Mädchen, das ich war, welches sich nach Liebe und Aufmerksamkeit gesehnt
hat, erneut um den Finger wickeln. Falsch, überhaupt in deiner Nähe zu
sein, widert mich an. Wäre es nicht mein Job, hätten sich unsere Wege nie
wieder gekreuzt.“
Wenn ein Funken in mir der Hoffnung erlegen war, es auszusprechen
würde die Welt besser machen ... dann habe ich mich sowas von getäuscht.
Wie in so vielen Dingen meines Lebens!
Genau aus diesem Grund gehe ich. Ich lasse Cole einfach stehen. Er hat
ohnehin kein Interesse daran, an seiner Situation etwas zu ändern! Wir
stehen morgen vor Gericht und lassen uns überraschen. Wow ... genau so
habe ich mir das vorgestellt. Blindlings in eine Verhandlung. Wenn ich Pech
habe, verliere ich im Anschluss meinen Job.
Fucking peace of shit.
Meine Laune und der ständige Meinungswechsel machen mich fertig. Das
kann nur an diesem missratenen Biker liegen, der mich bis auf den Hof
verfolgt.
„Jetzt lauf nicht weg, Nicci. Meinst du wirklich, ich habe Bock wegen so
einer Scheiße in den Knast zu gehen?“
Über seine Arroganz kann ich nur den Kopf schütteln. „Fakt ist, Bro “, ich
sage es absichtlich abwertend, „im Augenblick sehe ich keine Chance, dich
da rauszuboxen. Die Messen sind sprichwörtlich gesungen. Wie sollte ich
das auch erklären? Wie?“
Nach wie vor habe ich keine richtige Information darüber, wem die Waffe
gehört hat oder warum sie in seinem Besitz war. Auf die Nummer, ich habe
die Knarre auf der Straße gefunden, wird niemand so schnell hereinfallen.
„Ich habe keinen blassen Schimmer, Nicole.“
Dann sind wir schon zu zweit. Außer, dass ich morgen völlig entspannt
wieder nach Hause gehen werde, während bei ihm alles offen steht. Aber
machen wir uns nichts vor. Wie würde ein Richter reagieren, der genau
weiß, dass Cole wegen diverser Körperverletzungen vorbestraft ist? Selbst
ich würde ihn jetzt in den Knast schicken. Der einzige Vorteil an der Kacke
ist, dass seine Bewährung Wochen vorher beendet war. Ansonsten säße
Cole bereits hinter schwedischen Gardinen fest.
„Wem gehörte die Waffe? Was kann mich morgen erwarten? Wie du
weißt, habe ich keinen Einblick in die Ermittlungsakte nehmen können.
Hättest du dich gleich, nachdem du den Brief erhalten hast, in der Kanzlei
gemeldet, dann hätten wir vielleicht eine Chance.“
Ich kann nicht einmal die Frist nach hinten schieben. Alles, was mir im
Moment einfällt, ist, morgen früh persönlich einen Einblick zu nehmen, um
zumindest ein Teil in Erfahrung zu bringen. Ob mir das hilft? Ich weiß es
nicht.
„Sie stammte von einem asozialen Wichser, der sie danach nicht mehr
gebraucht hat. Reicht das?“
Oh man! „Und du dachtest gleich: Na ja, nehmen wir sie mal mit, falls
meine in den Arsch geht, oder was? Mensch Cole, du bist vorbestraft. Was
dachtest du, wie lange so eine Scheiße gut geht?“
Ich erwarte keine Antwort, das habe ich nie. Mir ist es schlichtweg auch
egal, dass die meisten Menschen in dieser Stadt zu den Outlaws halten. Es
stimmt schon, dass sie unsere Straßen sauber halten, dennoch ... Sie sind
Kriminelle und das werden sie immer sein. Nicht einer der hier anwesenden
Männer besitzt eine weiße Weste und sie stehen nicht mit der Polizei auf
einer Stufe. Hier herrschen eigene Gesetze, die nichts mit dem gemein
haben, was ich jahrelang studiert habe.
Ich lasse Cole stehen, gehe zielstrebig über den Hof in Richtung Ausgang.
Es war ein Fehler – sogar mehr als das. Wut und Schmerz, wie ich sie durch
Cole erfahren musste, haben nicht ausgereicht, um meine dämlichen
Mädchenträume endlich auszuradieren. Mein antrainierter Toxicmodus hat
ebenso versagt. Dabei sollte ich es doch wissen, nicht wahr? Biker bedeuten
Herzschmerz und verheulte Nächte.
Wie viele davon habe ich hinter mich gebracht, nur um mich erneut einem
wildschlagenden Herzen stellen zu müssen?
Ich bin so dumm. Dümmer geht es schon gar nicht mehr.
6
Die gesamte Nacht habe ich kein Auge zubekommen. Ich will nicht in den
Knast. Keiner von uns will das und dennoch ist es oftmals unvermeidbar.
Wir leben unsere Gesetze und scheren uns weniger um die Regularien.
Bevor ich mich zum Gericht begebe, hat Skylar darum gebeten, dass ich in
sein Büro komme. Ehrlich, mir ist es noch nie so schwergefallen, ihm
gegenüberzutreten. All die Jahre, in denen ich bei den Outlaws bin, war er
ein Teil meiner Familie. Jenen Teil habe ich enttäuscht.
„Schön, dass du es einrichten konntest.“
„Bring es hinter dich. Ich habe dermaßen verkackt.“
Skylars Miene bleibt ernst, was mich im Augenblick noch mehr
verunsichert.
„Ich habe nichts, was ich hinter mich bringen will. Wie auch immer die
Sache nachher ausgehen wird, wir werden die Konsequenzen nehmen, wie
sie kommen. Du bist ein wichtiger Teil des Clubs und wie jeder hier weißt
du, dass wir manchmal in die Scheiße fassen. Sollte es nachher nicht gut für
dich laufen, habe ich Vorkehrungen getroffen.“
Falls es nicht gut läuft, heißt, wenn ich direkt in den Bau wandere.
Wunderbar.
„Jetzt mal den Teufel nicht an die Wand.“
Das habe ich bereits letzte Nacht getan oder zumindest seit dem
Zeitpunkt, in dem Nicole vor mir stand. Der Zug ist abgefahren – mit mir
und führt direkt in den Knast. Es gibt keine Ausrede oder irgendeinen
anderen Scheiß, der mich plötzlich als Unschuldsengel hinstellen wird.
„Ich habe Nicole gestern Abend gesehen. Meinst du nicht auch, dass sie
ihren Job machen wird, Bro?“
Wird sie das? Ihr ist es gleich, ob ich abwandere oder an meinem Bier
ersticke.
„Spielt das eine Rolle, Präs? Du weißt, dass sie mich verlassen hat und
ihre Wut auf mich ist nicht verraucht. Nicole wird einen Scheißdreck tun,
um mich davor zu bewahren.“
Er seufzt schwer, was ich ihm nicht verdenken kann. Nachdem sie
gegangen ist, war ich nicht mehr derselbe. Nicht einmal ein Hauch davon.
Mit den Jahren ist es nicht besser geworden. Ich habe an dieser Pussy
geklebt! Sie gestern wiederzusehen hat all die Zeit mit ihr zurückbefördert,
und ganz nebenbei die Tatsache, warum sie gegangen ist. In meinen Augen
absoluter Bullshit. Ich habe sie nie betrogen! Eher hätte ich mir die Eier
abgeschnitten, sie angebraten und ihr zum Frühstück serviert. Dass wir
immer mal wieder mit Nutten zusammenprallen, ist Cluballtag. Ebenso,
dass sie ihr Glück stets aufs Neue versuchen.
„Wie dem auch sei, ich wollte, dass du weißt, dass du dort nicht auf dich
allein gestellt sein wirst.“
Was soll ich dazu sagen? Eben – nichts. Ich nicke knapp und stürme
schon aus seinem Büro. Bis zur Verhandlung ist noch etwas Zeit, die ich
gern für mich hätte. Nicole hat sich nicht bei mir gemeldet oder mir
anderweitig eine Nachricht zukommen lassen, weshalb ich davon ausgehe,
dass es nichts zu sagen gibt. Weder was den Termin heute anbelangt, noch
das zwischen uns.
Beides fuckt mich richtig ab.
Draußen auf dem Hof angekommen ziehe ich als erstes meine Schachtel
Kippen aus der Brusttasche, ehe ich mir eine Zigarette anzünde. Ich rauche
selten, doch heute habe ich das Gefühl, ohne eine Dosis Nikotin nicht
klarzukommen.
Der Gedanke an den Bau verursacht heftige Wellen an Übelkeit. Keiner
von uns will auch nur in die Nähe des Knasts. Jeder weiß, was uns dort
blüht. Ohne die richtigen Kontakte ist es ein Spießrutenlauf der besonderen
Art. Wir sind eine eigene Spezies, die gern für Wirbel unter den
Straßenbanden sorgt. Viele, die einsitzen, hegen deshalb einen Groll, den sie
gegen jeden Outlaw richten würden. Ganz gleich, ob man etwas damit zu
schaffen hat oder nicht. So läuft das bei uns. Einer steht für alle und alle für
einen.
Wird einer von uns in den Arsch gefickt, ficken alle das miese Arschloch,
das es gewagt hat. Andersherum ist es genauso. Das macht einen MC aus.
Wir fragen nicht! Wir machen!
Nur dumm, dass ich im Moment auf mich gestellt bin. Keiner meiner
Brüder kann und wird den Kopf für mich hinhalten. Dreck bleibt Dreck und
den haben wir alle stecken. Manch einer hat bereits etwas vor den Latz
geknallt bekommen, andere wiederum sind mit einem blauen Auge
davongekommen. So oder so besitzt niemand eine reine Weste.
Die Kippe landet zu meinen Füßen und fast fühlt es sich so an, als hätten
wir in diesem Moment etwas gemeinsam, außer einem: Mit meinen Boots
kann ich ihr Leiden beenden. Für mich wird es diese Option nicht geben.
Trotzdem werde ich mich dem stellen. Wenn etwas noch schlimmer ist,
als eine Zeit im Knast festzusitzen, dann ein Leben im Exil und dazu würde
ich mich verschreiben, wenn ich nicht vor Gericht auftauche.
Ja, so abgefuckt wie es klingt, ich halte später meinen Arsch hin und hoffe,
der Arschfick wird nicht zu extrem.
Statt nochmal in den Club zu gehen, steuere ich meine Maschine an und
schwinge mich auf den schwarzen Ledersitz. In der nächsten Zeit werde ich
darauf verzichten müssen, also koste ich ein letztes Mal aus, dass ich mich
frei fühle.
Hoffentlich macht sich die Fahrt in diesem Punkt bezahlt und nimmt mir
den rauen Verlust in meiner Brust.
Die Maschine heult laut auf, vibriert zwischen meinen Schenkel wie eine
kleine gefügige Katze. Ich sauge jeden Moment davon in mich auf. Jedes
noch so kleine Detail.
Dass ich es packen werde, steht außer Frage, so wie der Gedanke, dass ich
gern drauf verzichten würde.
Tja und genau dort liegt der Hund begraben. Wir bekommen nur, was wir
säen, nicht, was wir uns wünschen!
7
„Was?“
Fassungslos starre ich Nicole an, die mich vor dem Gerichtssaal
abgefangen hat. Was sie mir eben offengelegt hat, erstaunt mich doch sehr
und ich frage mich unweigerlich, was sie dafür getan hat.
„Es ist, wie ich es dir eben gesagt habe, Cole. Gegen einige Auflagen, zum
Beispiel eine längere Bewährung und dem Umstand, dass du von deinem
Bewährungshelfer eine Arbeit zugewiesen bekommst, die dir eventuell so
ganz und gar nicht gefallen wird, ist das ganze vom Tisch.“
Ich kann es kaum fassen. Niemals kann es so einfach gewesen sein. Wer,
wenn nicht ich, sollte das wissen.
„Was hast du dafür getan?“, rutscht es mir wütend heraus.
„Ich weiß nicht, was du von mir denkst, aber ich habe einfach nur meinen
Job gemacht, wie es von mir erwartet wird. Wenn dir das Ergebnis nicht
gefällt, dann kannst du dich gern bei meinem Boss beschweren. Für meinen
Teil sind wir dann auch hier durch. Sobald ich das Schreiben vom Gericht
habe, lasse ich es dir zukommen. Wie das mit deinem Bewährungshelfer
funktioniert, wirst du ja wissen.“
Da sie vorhat, mich einfach so stehenzulassen, packe ich ihren Oberarm
und wirbele sie zu mir herum.
„In erster Linie denke ich gar nichts, Nicole. Aber du musst zugeben, dass
das alles ziemlich abgefuckt ist. Wir wissen beide, dass ich hätte einfahren
müssen. Da liegt der Verdacht sehr nahe.“
Sie sieht lediglich auf ihren Oberarm, den ich nach wie vor festhalte.
„Nicht jeder Mensch ist wie du, Cole. Mir ist der Job verdammt wichtig,
also werde ich sicherlich nichts machen, was mich in Schwierigkeiten bringt.
Schon gar nicht für einen Mann wie dich.“
Für einen Mann wie mich? Die Worte schmecken bitter.
„Du hast mich einmal geliebt.“
„Richtig, ich habe dich irgendwann einmal geliebt, weil ich ein dummes
Kind gewesen bin, das unbedingt rebellieren musste. Das bin ich seit Jahren
nicht mehr und jetzt lass mich los.“
Nur widerwillig gebe ich ihren Arm frei.
„Dir ist schon bewusst, ich habe damals nicht getan, was du mir
vorwirfst.“
Ich habe Nicole niemals betrogen. Man kann mir ziemlich viel vorwerfen,
jedoch nicht, dass ich ein Arschloch bin, welches sich durch die Betten
bumst.
„Das spielt keine Rolle mehr, Cole. Es ist Jahre her und wir beide haben
einen anderen Weg eingeschlagen. Was war oder auch nicht war, ist nicht
länger von Bedeutung.“
Oh doch, in meinen Augen ist es das schon.
„Warum behandelst du mich dann so, als hätte ich es getan, obwohl ich dir
gesagt habe, dass es nicht stimmt.“
Nicole seufzt, während ihr Kopf nach unten sinkt. Das hat sie immer
getan, sobald ihr eine Situation zu viel geworden ist. Wovon es einige in
ihrer Jugendzeit gab.
„Weil ich abgeschlossen habe. Damals schon, als ich gegangen bin, Cole.
Irgendwann müssen Dinge ruhen. Das solltest du akzeptieren. Ich bin nicht
mehr das Mädchen, das du kennengelernt hast. Inzwischen bin ich
erwachsen, habe einen Job und weitestgehend mein Leben im Griff. Für dich
ist dort kein Platz mehr. Weder heute noch morgen oder sonst
irgendwann.“
Jedes Wort ritzt eine weitere Kerbe in mein Fleisch. Ich wollte, dass sie
eines Tages meine Lady wird. Ja, ich habe mir nicht genug Mühe gegeben,
um sie wiederzufinden. Verletzter Stolz könnte ich als Punkt Nummer eins
anbringen, dann kam die Wut. Allerdings ändert das alles nichts daran, sie
vor mir zu haben und zu wissen, dass sich meine Gefühle nicht geändert
haben. Im Gegenteil.
„Ich wollte dich an meiner Seite – immer. Wärst du nicht abgehauen,
sondern hättest mit mir gesprochen, wäre es vermutlich heute an dem.“
Mir ist bewusst, wo wir uns nach wie vor befinden. Jederzeit könnte
jemand um die Ecke kommen und unser Gespräch belauschen. Auch wenn
es mich nicht stört, könnte ihre Karriere einen erheblichen Knick
bekommen. Sie ist Anwältin und ich habe mit dem Rechtssystem so viel zu
tun wie ein Schwein mit dem Schönheitssalon.
„Gib dir keine Mühe. Dein Charme wird dich dieses Mal nicht retten. Ich
habe meine Entscheidung getroffen, die du akzeptieren wirst, klar?“
Nie im Leben, doch das sage ich ihr jetzt nicht. Mit Nicole zu diskutieren
macht im Augenblick keinen Sinn. Ich werde einen anderen Weg finden, um
sie zu überzeugen. Oder besser gesagt, um ihr vor Augen zu führen, dass
sich auch bei ihr nichts geändert hat.
Aus diesem Grund gehe ich, ohne mich zu verabschieden. Ich lasse sie
einfach stehen und das ist nach ihrem plötzlichen Weggang das schwerste,
was ich bisher tun muss. Sie aufgeben? No fucking way . Aber es wird nach
meinen Regeln laufen.
Um erstmal einen klaren Kopf zu bekommen, fahre ich nicht zurück zum
Club, sondern wähle eine Route aus der Stadt. Im Anschluss ist immer noch
genügend Zeit, mit Skylar zu sprechen.
Ich bin nicht eingefahren und damit ist mein Posten sicher. Ein kleiner
Nebenjob wird mich nicht umbringen, wenn mir dafür die Freiheit und der
Club bleiben. Aufpassen sollte ich dennoch. Ein weiterer Fehler könnte mich
vermutlich den Kopf kosten.
Wie sagt Eight immer: Mit Verlusten ist zu rechnen. Nur möchte ich
keiner werden. Weder in einer Schießerei noch sonst. Bisher ist mir das gut
gelungen. Das sollte vorerst auch so bleiben.
9
Ich bin nicht in die Kanzlei zurück, sondern sofort nach Hause gefahren.
Nach diesem Tag brauche ich eine Pause. Am liebsten würde ich meine
Tasche packen und flüchten. Genau wie damals. Einfach weg! Weg von dem
beschissenen Kopffick.
Was ist vorhin passiert? Ich musste mich nicht einmal anstrengen! Vom
moralischen Aspekt einmal abgesehen. Das ist so ... beschissen. Was zur
Hölle hat das noch mit Rechtsprechung zu tun? Und ich bin auch noch
schuld daran! Ich wollte mich unbedingt beweisen und jetzt? Tja, jetzt ist
ein Mann wie Cole auf freiem Fuß, der eindeutig eine harte Strafe hätte
bekommen müssen. Genau das ist dermaßen beschissen und kaum das, was
ich in meinem Leben erreichen wollte.
Jedes kleine Mädchen, auch ich, stellt sich vor, wie man die Unschuldigen
rettet. Doch was tun wir am Ende? Wir helfen Mördern, Verbrechern und
anderem Abschaum! Die beste Verteidigung kostet doch nur ein paar Lügen,
nicht wahr?
Bittere Galle steigt in mir hoch. Wäre ich nicht so eine dämliche Kuh,
hätte ich das Studium geschmissen. Mir war doch klar, worauf es
hinauslaufen wird. Die eigenen Grundsätze verstehen sich nicht damit,
ständig mit Täuschung umzugehen.
Nicht zu vergessen: Mein Ex.
Ich dachte, ich wäre inzwischen darüber hinweg, doch das bin ich nicht.
Das junge Mädchen von damals lugt wieder um die Ecke. Ich erkenne sie
genau! Die langen Haare, die locker über der Schulter ruhen. Das Gesicht
zeichnet Sehnsucht ab und unerfüllte Träume.
Seufzend falle ich auf mein Sofa. Wein und Chips? Tja, davon bin ich
heute noch weit entfernt!
Dass mein Handy bereits zwei verpasste Anrufe aus der Kanzlei anzeigt,
macht es im Moment nicht besser. Lange werde ich es nicht ignorieren
können, selbst wenn ich mir vorstelle, es einfach zu tun. Sollen sie mich
heute einfach am Arsch lecken! Oh ja, wie gern würde ich ihnen das ins
Gesicht sagen.
Fakt ist leider nur, dass ich nach dem nächsten verpassten Anruf das
Gespräch entgegen nehme.
„Ja?“
„Na endlich, Nicole. Ich wollte Sie zu dem erfolgreichen Verlauf nur
schnell beglückwünschen und Ihnen sagen, dass wir heute Abend auf einer
Party eingeladen sind, zu der Sie mich begleiten werden.“
Mein Herz rutscht in die Hose. Bye bye Wein und Chips – Herzlich
willkommen steife Veranstaltung.
„Okay, wann soll ich kommen?“, presse ich mühsam, aber unbemerkt
hervor.
„Ich hole Sie gegen sieben ab. Sie müssen sich nicht allzu hübsch machen.“
Das Gespräch ist beendet, bevor ich nachfragen kann, was genau er damit
gemeint hat. Es spielt allerdings auch keine Rolle, denn damit hat mein Chef
deutlich zum Ausdruck gebracht, dass ich keine Wahl habe und mitkommen
muss.
Notgedrungen gehe ich ins Badezimmer und blicke meinem blassen
Spiegelbild entgegen. Was ich sehe, entspricht nicht dem Hauch von dem,
was ich sein will. Ich bin eine starke, unabhängige Frau, die ihren Weg
kennt. Warum zur Hölle blickt sie mir dann nicht entgegen? Ich kenne die
Antwort genau: Es liegt an einem Mann – es liegt an Cole. Dass er
abstreitet, was ich mit meinen Augen gesehen habe, dürfte nichts verändern.
Doch genau das tut es. Die Sachlage hat sich gedreht. Ich muss ehrlich
zugeben, dass ich den Akt selbst nicht gesehen habe. Macht ihn das zu
einem Unschuldsengel? Nein, nicht im Geringsten. Cole hat sich allemal
küssen lassen und selbst das ... ist fremdgehen.
Übertreibst du nicht maßlos? Wenn sie ihn geküsst hat, du wie eine Furie
davongerannt bist und ...
„Ach halt die Klappe! Ich werde mir das auf keinen Fall schönreden!“
Meinem Spiegelbild drehe ich elegant den Rücken zu. In ein paar Tagen,
mit genügend Abstand, sieht die Welt schon ganz anders aus. Ich werde das
mit Cole handhaben, wie ich es die letzten Jahre getan habe. Aus den Augen,
aus dem Sinn. So einfach!
Außerdem habe ich in der Kanzlei die beste Ablenkung. Nach dem ersten
erfolgreichen Prozess, der zwar kaum einer war, könnte ich mehr Aufgaben
zugeteilt bekommen und wer weiß.
An den Gedanken klammere ich mich fest. Auch die Einladung für heute
Abend kann nur ein gutes Zeichen sein. Mein Chef nimmt mich ernst! Ich
werde einfach das Beste herausholen und einen klaren Schlussstrich unter
den Rest setzen. Vergangenheit ist nicht umsonst eine Zeit, die zurückliegt -
die hinter mir liegt. So und nicht anders muss ich die Dinge betrachten. Ich
lebe in der Gegenwart. Welche Entscheidungen ich hier treffe, entscheiden
über meine Zukunft. Sie legen die Weichen für einen tollen Ehemann, ein
Haus und Kinder. Passenderweise mit dem richtigen Job.
Ich setze mich zurück auf mein Sofa. Bis sieben habe ich noch genügend
Zeit, um mich richtig zu entspannen. Etwas, das ich mir mehr als verdient
habe. Abschalten, meinen Sieg genießen, wie gering er auch gewesen sein
mag. Morgen ist Cole wieder Geschichte, wie er es die letzten Jahre war.
Ich bin stark, unabhängig, kenne meine Ziele und werde alles daran
setzen, nie wieder das kleine Mädchen von damals zu werden. Punkt. Ende.
Aus.
10
Ich stehe auf schlechte Scherze und Sarkasmus! Am liebsten, wenn es mich
nicht betrifft, was es in diesem Moment allerdings tut.
Ausgerechnet zu den Inferno Outlaws musste mein Chef mich schleppen.
Ich habe mit vielem gerechnet, doch damit ehrlich gesagt nicht!
So viele Monate war ich ein Teil dieser Welt, kenne viele Jungs noch von
früher. Auch Skylar, der bei weitem kein genervter Teenie mehr ist, sondern
ein echt ansehnlicher Mann.
Dass er eine Old Lady hat, musste ich nicht erst mit eigenen Augen sehen,
denn die Stadt ist voller Gerüchte um das ungleiche Paar. Vor allem aber,
weil Candy nicht das typische Bikermädchen ist. Definitiv nicht, wenn ich
mir ihre hübschen Rundungen so ansehe. Sie ist eine bildschöne Frau, die
von ihm auf Händen getragen wird. Ich erinnere mich an meine Zeit mit
Cole. Er war damals nicht anders. Wenn ein Biker seine Frau fürs Leben
wählt, dann wird sie wie eine Königin behandelt.
„Schön dich wiederzusehen. Wie ich gehört habe, machst du deinen Job
ausgezeichnet.“
Ob ich Skylars Kompliment wirklich als ein solches sehen kann? Er mag
ein korrekter Kerl sein, aber er bleibt dennoch nichts weiter als ein
Verbrecher.
„Ich versuche es zumindest“, antworte ich gelangweilt. Meine Augen
suchen dabei immer wieder den Clubraum ab.
„Cole ist nicht hier. Nach dem Freispruch war er kurz bei mir, ehe er mit
der Maschine auf und davon ist. Bisher ist er nicht zurückgekommen.“
Warum spüre ich Bedauern, wenn ich mir doch fest vorgenommen habe,
diesen Mann aus meinem Leben zu streichen.
„Ich würde ihm nur gern aus dem Weg gehen. Das zwischen Cole und mir
ist lange vorbei.“
Tja, wem mache ich etwas vor? Am meisten mir selbst. Solange der
Abstand zwischen uns gewährleistet war, ging es mir locker von der Hand,
nicht an ihn zu denken.
„Warum hast du ihm dann geholfen?“
Meint er die Frage wirklich ernst? In Skylars Blick kann ich weder Spott
noch etwas anderes erkennen.
„Weil ich dafür bezahlt werde? Welchen anderen Grund sollte ich haben?
Das ist mein Job und den übe ich mit allen mir zur Verfügung stehenden
Mitteln aus. Ganz einfach.“
Oh man, wie sehr ich es hasse. Ich weiß selbst, dass ich zu weit gegangen
bin. Mein Vorhaben mit dem Richter hätte mich locker die Karriere kosten
können. Weitaus mehr als das!
„Rede dir das ruhig weiter ein, Kleines. Vergiss am Ende nur nicht, dass
du niemanden außer dir selbst Rede und Antwort stehen musst.“
Ja, ich hasse ihn!
„Ach halt doch die Klappe!“, brumme ich unwirsch und wende mich von
Candy und ihm ab. Weglaufen ist kindisch und dumm, dessen bin ich mir
mehr als bewusst. Leider scheint es in den letzten Jahren mein Allheilmittel
für unbequeme Situationen geworden zu sein.
Mein Weg führt mich direkt durch den Club, bis ich die Tür zum Hof
erreiche und nach draußen stürme. Dass mein Chef noch immer da ist und
von mir Anwesenheit erwartet, ist mir gerade egal. Ich muss hier raus und
am besten so weit weg wie nur möglich.
Niemand hält mich auf, während ich den Innenhof durchquere und das
Clubgelände hinter mir lasse.
Another random document with
no related content on Scribd:
oli sytytetty, ja hikisestä huoneesta pusertui vähän päästä miehiä
kartanolle.
*****
*****
*****
———