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Samson
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ähnlichen Verwüstungen, wie man sie hier täglich zu Dutzenden
sieht, vorzubeugen. Beim Europäer mit seiner weißen Haut ist das
Auffinden des Sandflohes übrigens weit leichter, als es den
Schwarzen gemacht wird, von deren Haut sich der dunkle Punkt
kaum abhebt. Die vier oder fünf Sandflöhe, die mich trotz steten
Tragens hoher, geschlossener Schnürschuhe bisher zu ihrem Sitz
auserkoren haben, hat mir der vielgewandte Knudsen
herausgehoben; ein Auswaschen der Höhlung mit Sublimat
erscheint mir dabei immer ganz angebracht. Die Neger haben ein
anderes Desinficiens, sie füllen die Öffnungen mit
Wurzelgeschabsel; in einem winzigen Makuadorf am Steilabhang
des Plateaus südlich von Newala sah ich eine Frau, die den Raum
unter den Nägeln prophylaktisch mit Wurzelpulver ausstopfte. Ob es
der Alten etwas nützen wird, wer weiß es.
Der Rest der vielen kleinen Hindernisse, die uns hier das Dasein
erschweren, wirkt mehr komisch als ernsthaft. In Ermangelung von
etwas anderem Rauchbaren greifen Knudsen und ich jetzt zu dem
Inhalt einer vom Inder in Lindi bezogenen Zigarrenkiste. Diese ist
sehr schön beklebt und aufgemacht, aber wehe dem Unglücklichen,
der sich, wie wir, mit ihrem Inhalt befaßt! Ob diese schwelenden
Giftnudeln Opium oder ein anderes Narkotikum enthalten, von uns
beiden weiß es niemand zu sagen, denn nach dem zehnten Zuge
sind wir beide „matt“; dreiviertel betäubt und hundeelend liegen dann
Wiking und Deutscher in sich zusammengesunken da. Langsam
erholt man sich — was geschieht? Nach einer halben Stunde greift
man doch wieder zu dem scheußlichen Kraut; so unstillbar ist hier in
den Tropen der Drang zum Rauchen!
Auch meine jetzigen Fieberanfälle sind kaum geeignet, noch
ernst genommen zu werden. Ich habe ihrer hier in Newala nicht
weniger als drei gehabt, aber alle mit unglaublich kurzem Verlauf.
Emsig fragend, schreibend und notierend quäle ich mich mit meinen
„Gelehrten“ herum, der starke Mittagskaffee hat die Lebensgeister
mächtig angeregt; das Gehirn arbeitet außerordentlich intensiv, so
daß die Arbeit rasch vorwärtsschreitet. Eine wohltuende Wärme
durchrieselt den ganzen Körper, macht jedoch mit einem Male einem
heftigen Kältegefühl Platz, das mich jetzt, beim wärmsten
Sonnenschein, nachmittags 3½ Uhr, bereits zwingt, den Überzieher
anzulegen. Jetzt arbeitet auch das Gehirn nicht mehr so scharf und
logisch, besonders bei syntaktischen Feststellungen des schwierigen
Imakuāni, der Sprache der Makua, an die ich mich zum Überfluß
auch noch herangewagt habe. Da halte ich es denn doch allmählich
für angezeigt, meine Temperatur zu messen, der Einfachheit halber
gleich im Sitzen und ruhig weiterarbeitend; 38,6° ist das Ergebnis!
Nun aber hinaus, meine Herren, heißt es im gleichen Augenblick!
Wenige Minuten später steht mein Bett in der Barasa; unmittelbar
darauf liege ich auch schon darin und beginne mich mit heißem
Zitronenwasser innerlich zu behandeln. Drei Stunden später zeigt
das Thermometer gegen 40°; ich lasse mich jetzt, beim Einsetzen
des Abendwindes, mitsamt meinem Bett ins Zelt zurücktragen —
würde ich meinen furchtbar schwitzenden Körper der eisigen
Abendtemperatur aussetzen, so könnte das meinen Tod bedeuten
—, liege dort noch eine kleine Weile und finde dann zu meiner
Beruhigung, daß das Fieber nicht mehr steigt, sondern anfängt
zurückzugehen. Das ist ungefähr 7½ Uhr; als ich kurz nach 8 Uhr
noch einmal messe, ist die Kurve zu meinem maßlosen Erstaunen
auf unter 37° heruntergegangen; mir ist absolut wohl; ich lese noch
ein paar Stunden und könnte sehr wohl rauchen, wenn ich etwas
Ordentliches hätte. Aber Inderzigarren? Pfui Teufel!
Wie ist so etwas denkbar? muß ich mich selbst als Laie fragen.
Das kann doch unmöglich Malaria sein; näher liegt die Vermutung,
daß diese rasch verlaufenden, hohen Fieberanfälle die Folge einer
zu intensiven Sonnenbestrahlung sind, eine Art Insolationsfieber
oder Sonnenstich. Wenn ich mein Fiebernotizbuch nachsehe, wird
mir dies immer wahrscheinlicher, denn regelmäßig treten diese
Anfälle im Anschluß an größere Strapazen und langen Aufenthalt in
praller Sonne ein. Für mich haben diese kurzen Unpäßlichkeiten
wenigstens das Gute, daß sie mich nur stundenweise von der Arbeit
abhalten, denn am nächsten Morgen bin ich regelmäßig wieder
vollkommen frisch und gesund.
Nicht so gut geht es leider meiner Perle von Koch und dem
Knaben Moritz; jener leidet an einer ungeheuren Hydrozele, die ihm
kaum erlaubt aufzustehen, Moritz aber hat Dunkelarrest wegen
seiner entzündeten Augen. Leider versteht Knudsens Koch, ein bis
vor wenig Wochen gänzlich unbeleckter Wilder von irgendwo aus
dem Busch, noch weniger als mein Omari. Folge: Nils Knudsen ist
selbst zum Koch avanciert. Er hat diese seine neue Tätigkeit
sogleich mit einer großen Tat begonnen; da wir nichts Ordentliches
mehr zu essen haben, hat er die vier von Matola erstandenen
Ferkel, hübsch säuberlich in einen großen Tragkorb gepackt, von
Chingulungulu heraufholen lassen und kaltblütig das größte von
ihnen gemordet. Den ersten Schweinebraten haben wir
leichtsinnigerweise doch Knudsens wildem Koch anvertraut; er war
infolgedessen ungenießbar; den Rest des Tieres haben dann wir zu
einem Gelee verarbeitet, das uns nach den langen Wochen der
Unterernährung herrlich mundet und von dem wir mittags und
abends geradezu fabelhafte Portionen vertilgen. Wenn nur nicht die
ewigen Teltower Rübchen dabei wären! O du gesegnete Stadt auf
märkischem Sande, wer hätte je geahnt, daß du so nachhaltig in die
Ernährung eines stillen, deutschen Gelehrten eingreifen würdest!
Dieser boshafte Dr. Jaeger! Er war ein Mann von Zeit und Muße; ihm
halste daher die Landeskundliche Kommission die Besorgung aller
Nahrungsmittel für seine und meine Expedition auf. Feierlich
überweist mir eines schönen Tages in Daressalam der mit der
Verpackung dieser Sachen betraute Handlungsbeflissene meinen
Anteil. Seitdem leide ich unter einer ständigen Rübenfurcht; ich habe
das Gericht an sich ganz gern, aber nur einmal im Jahre, ungern
häufiger. Doch wie ergeht es mir hier? Ich trete an die Kiste heran,
die gerade leergegessen werden muß; der Deckel fliegt hoch; ein
Griff hinein, eine Konservenbüchse kommt zum Vorschein; ein Blick
auf die Etikette: Teltower Rübchen. Puh! Die Dose verschwindet; ein
zweiter Griff; dasselbe Ergebnis; ein dritter, nichts anderes. Nach
langem Suchen erst kommt dann ein anderes Gemüse zutage; oder
auch nicht, denn diese anderen sind allmählich zu Ende gegangen,
nur die Teltower sind geblieben! „Denn helpt dat nich“, sage ich mit
Fritz Reuter; aber zehn Jahre lang esse ich zu Hause keine Teltower
mehr!
Bei all diesem kleinen Leid, das aber nun einmal dazu gehört, um
Afrika schmackhaft zu machen, gibt es wenigstens e i n erfreuliches
Moment: Nils Knudsen hat mit der Geschicklichkeit eines
Feinmechanikers meinen 9 × 12-Apparat wieder in Ordnung
gebracht oder ihn doch wenigstens so weit wieder hergestellt, daß
ich ihn mit einiger List gebrauchen kann. Wie der Mann ohne
Fingernägel mit dieser kniffligen Arbeit hat fertig werden können, bei
der er den ungemein komplizierten Momentverschluß nur mit Hilfe
eines plumpen Schraubenziehers auseinandernehmen und wieder
zusammensetzen mußte, ist mir noch heute schleierhaft, aber er hat
es geschafft. Der Mangel an Fingernägeln hingegen zeigt den guten
Nils von einer Seite, die mit seiner bei der Apparatreparatur
bewiesenen Intelligenz merkwürdig kontrastiert, die andererseits
allerdings auch aufs innigste mit seinem zehnjährigen
Hinterwäldlertum zusammenhängt. Wäscht er da eines Tages in
Lindi irgendeinen Köter. Dieser muß wohl eines schärferen
Reinigungsmittels bedürftig gewesen sein, denn Nils hat ein Gefäß
mitbekommen, dessen Inhalt stark und kräftig riecht. Gewissenhaft
nimmt unser Freund die Reinigung vor, wundert sich ein wenig, daß
sie dem Hunde sehr schlecht bekommt, ist dann aber sehr erstaunt
darüber, daß ihm seine eigenen zehn Fingernägel im Laufe weniger
Tage wegeitern. „Wie kann ich aber auch wissen, daß man
Karbolineum verdünnen muß“, knurrt er oftmals noch jetzt entrüstet,
wenn er seine schrecklich zugerichteten Fingerenden sorgenvoll
mustert!
Weit und breit haben wir die Umgegend durchschweift, seitdem
wir in Newala hausen; zunächst alter Gewohnheit gemäß, sodann
aber, weil der Akide Sefu mit der Zusammenstellung seines
Gelehrtenkollegiums durchaus nicht so rasch fertig geworden ist, wie
er sich zuerst anheischig gemacht hatte. Aber das schadet weiter
nicht, denn auch bloß von außen gesehen, sind Land und Leute
interessant genug.
Das Makondeplateau gleicht einer großen, rechtwinkligen, an
den Ecken abgerundeten Tafel; es ist, vom Indischen Ozean bis
Newala gemessen, etwa 120 Kilometer lang und im Mittel zwischen
dem Lukuledi und dem Rovuma gegen 80 Kilometer breit; es umfaßt
also gegen zwei Drittel der Fläche des Königreichs Sachsen. Nun ist
diese Fläche nicht horizontal, sondern von ihrem Südwestrande
flach, aber ganz gleichmäßig gegen den Ozean hin geneigt. Von der
Schwelle, auf der Newala liegt, kann man viele Meilen über den
Makondebusch nach Osten und Nordosten schauen, ohne einem
Hindernis zu begegnen; es ist ein grünes Meer, aus dem nur hie und
da dichte Rauchwolken in langer Erstreckung emporwirbeln und -
wallen, zum Zeichen dafür, daß auch hier Menschen wohnen und
daß sie ihre Feldkultur ganz nach der Weise so vieler anderer
Naturvölker vorwaltend auf die Verbrennung des
niedergeschlagenen Holzbestandes gründen. Dessen Asche ist
zugleich die einzige Düngung. Selbst am strahlend hellen Tropentag
ist so ein Brand ein großartiges Schauspiel.
Ungleich weniger wirkungsvoll ist der Eindruck, den gegenwärtig
die große Ebene vom Plateaurand aus erweckt. Sooft es mir meine
Zeit gestattet, unternehme ich den kleinen Ausflug an diesen Rand,
bald hierhin, bald dahin, stets in der stillen Hoffnung, endlich einmal
eine klare Luft mit weiter Aussicht vorzufinden; immer aber
vergebens: wohin man dort unten schaut, allerorten steigen
Rauchwolken hoch, der lebhafteste Beweis für die unausgesetzte
Tätigkeit des Waldbrennens; rauchig und dunstig ist auch die ganze
Luft. Schade drum, das Panorama von hier bis weit hinten an die
Madjedjeberge muß unter günstigeren Umständen wirklich großartig
sein. Jetzt haben photographische Aufnahmen eigentlich kaum einen
Zweck, die Profilzeichnung aber gibt nur einen sehr schwachen
Begriff der ganzen Szenerie.
Bei einem dieser Ausflüge habe ich mich absichtlich selbst
einmal am Makondebusch versucht. Der Plateaurand von heute ist
das Ergebnis einer ungeheuer tiefgreifenden Zerstörung durch
Erosion und Abrutschung; überall greifen kurze, aber Hunderte von
Metern tiefe Täler in die Makondeschichten ein. Eine Folge des
lockeren Gefüges dieser Formation ist es, daß nicht nur die
Seitenwände dieser Täler fast senkrecht abstürzen, sondern daß die
Täler auch mit einer ebenso steilen Rückwand enden; dergestalt ist
der Westrand des Makondeplateaus von lauter Talkesseln umsäumt.
Um von einer Seite eines solchen Kessels auf die andere zu
gelangen, habe ich mich eines Tages mit einem Dutzend meiner
Leute durch den Busch geschlagen. Es war eine sehr lichte Stelle,
mit mehr Gras als Buschwuchs; aber welche Mühe hat dieser Weg
von ein paar hundert Metern gekostet, und wie sahen wir alle
nachher aus! Die dünnen Kattunstoffe meiner Leute in Fetzen, sie
selbst aus hundert kleinen Wunden blutend; sogar unsere derben
Khakistoffe hatten den Dornen dieser Vegetationsformation nicht
standgehalten.