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Die Idee einer Exzellenzinitiative kompetitiven Forschungsfördersystemen minischen Zeit einen international sicht-
der Vereinigten Staaten. Das System der baren Spitzenrang, der in den Dreißiger
In den angelsächsischen Ländern haben Drittmittel-Vollfinanzierung der Wissen- Jahren des 20. Jahrhunderts abrupt ver-
sich, teilweise in langer Tradition, einzel- schaft durch Overheads sichert die um- loren ging. Doch der Führungsrolle eines
ne Universitäten zu herausragenden For- fangreiche staatliche Finanzierung, ohne einzelnen deutschen Forschungsstandorts
schungsstandorten entwickelt. Die Ox- staatliche administrative Fehlregulierung stand schon immer die föderale Struktur
ford und Cambridge University haben in Kauf nehmen zu müssen. Im Umkreis wirksam entgegen. In der Verantwor-
im edlen Wettstreit ihre Attraktivität über einer Eliteuniversität gedeiht industriel- tung föderaler Bildungssysteme haben
Jahrhunderte kontinuierlich steigern kön- le Hochtechnologie, mit positiver Rück- alle Hochschulen traditionell einen regi-
nen. Die Hochschulen konnten dauerhaft kopplung auf die universitären Forscher. onalen Ausbildungsauftrag. In Deutsch-
die besten Köpfe gewinnen, und sie liegen Die Berufungschancen der Absolventen land konnte daher nicht die intellektuel-
auch heute in Forschungsfeldern wie der sind exzellent, und es bilden sich persön- le Agglomeration an wenigen Standor-
molekularen Biomedizin an der Weltspit- liche Netzwerke. Zwischen Eliteuniversi- ten stattfinden. Herausragende Geister
ze. Die Harvard University, 1636 in der täten und Staatsuniversitäten mit breitem gab es schon immer in einzelnen Diszi-
Frühphase der Kolonisierung Neueng- Ausbildungsauftrag besteht ein dauer- plinen deutscher Universitäten, doch sie
lands als private Einrichtung gegründet, haft steiler Qualitätsgradient. Die Eliteu- waren auch immer mit Mittelmaß durch-
hat über Jahrhunderte hinweg eine Spit- niversitäten nach angelsächsischem Mus- wachsen. Oft wurde das Gleichmaß zum
zenposition als Forschungsuniversität er- ter sind nationale Ressourcen, Quellen Regelfall, teils durch staatliche Vorgaben
reicht. Sie ist Prototyp einer Eliteuniversi- des ökonomischen Erfolgs eines Landes zementiert. Da die Zentrale Vergabestel-
tät und führt die meisten internationalen und Orte der internationalen kulturellen le für Studienplätze (ZVS) die Studieren-
Rankings an. Auch neuere Hochschulen Wahrnehmung. Allein in die Forschungs- den über die Landkarte verteilt, musste
wie die Stanford University und das Mas- region Boston mit den Elite-Universitäten die Fiktion von der Gleichwertigkeit der
sachusetts Institute of Technology (MIT) Harvard und MIT sind seit dem Zweiten deutschen Universitäten aufrechterhalten
bemühten sich erfolgreich um vergleich- Weltkrieg mehr Nobelpreise gegangen werden. Andernfalls würde eine Behörde
bare Spitzenplätze. Teils neidvoll, teils be- als an die Gesamtheit deutscher Univer- Lebenschancen verordnen, und dies wäre
wundernd fragen wir uns in Mitteleuro- sitäten. Deutschlands Nachbarn auf dem ein Verstoß gegen Persönlichkeitsrechte.
pa, was solche Eliteinstitutionen auszeich- europäischen Kontinent haben keine ver- Die Fiktion von der Gleichwertigkeit
net. Offensichtlich sind es zahlreiche Fak- gleichbaren Eliteuniversitäten, doch oft der deutschen Hochschulstandorte hat
toren, die zusammenwirken. Es ist die herausgehobene universitäre Forschungs- im Laufe der Zeit immer weniger über-
Selbstverständlichkeit, sich zum Elitege- standorte. Auf dem Kontinent wäre al- zeugt. Es gab schon immer gefühlte Gra-
danken zu bekennen, und es sind rigorose lenfalls die Eidgenössische Technische dienten zwischen den Standorten, sei es
Auswahlverfahren für Lehrende und Stu- Hochschule, die nationale Universität der wegen der finanziellen Ausstattung durch
dierende. Das Ansehen der Einrichtungen Schweiz, einer angelsächsischen Elite- das Sitzland, sei es, dass Bundesländer wie
bedingt ihre Attraktivität. Breite akade- Universität vergleichbar. Bayern und Baden-Württemberg etwa in
mische Exzellenz eröffnet neue Dimensi- Deutschland hatte nie eine Traditi- den 1970er-Jahren den legislativen und
onen der interdisziplinären Kooperation. on der konsequenten universitären Elite- wirtschaftlichen Rahmen für die Hoch-
Die günstigen finanziellen Rahmenbedin- bildung. Zwar gibt es Traditionsuniversi- schulen bewusst so gestalteten, dass ih-
gungen sind nicht Ursache, sondern Fol- täten in Heidelberg, Göttingen, Halle oder re Universitäten als attraktivere Standorte
ge des wissenschaftlichen Erfolgs in den Jena. Berlin erwarb sich seit der Wilhel- wahrgenommen wurden und die besten
wahlkriterien würden große Universitäten 2006. Alle Anträge, die in der ersten Aus- deutlich, dass die Bundesländer sehr unter
mit einem besonders breiten Fächerspekt- schreibungsrunde mit dem Vorantrag er- schiedlich abschnitten (. Abb. 2). Das
rum bevorzugen; denn je größer eine Ein- folgreich waren, wurden auch zum Voll- Land Baden-Württemberg, Träger von
richtung, desto höher die Wahrscheinlich- antrag in der zweiten Ausschreibungsrun- vier erfolgreichen Exzellenzuniversitäten,
keit, dass sich genügend Hochschullehrer de eingeladen. Am 19. Oktober 2007 ver- erwies sich mit einem Bewilligungsbetrag
zu einer kritischen Gruppengröße zusam- kündete der gemeinsame Bewilligungs- von 545 Mio. EUR als der überragende Ge
menfinden, um mindestens jeweils eine ausschuss das Ergebnis der zweiten Aus- winner. Allein die vier Bundesländer Ba-
Graduiertenschule und ein Exzellenz schreibungsrunde [1]. Aus 305 Projekt- den-Württemberg, Bayern, Nordrhein-
cluster um ein attraktives, kohärentes The- skizzen, einschließlich der erneut zugelas- Westfalen und Berlin erhalten 75% der ge-
ma zu formieren. Folglich wäre zu erwar- senen Voranträge, wurden 21 weitere Gra- samten Förderung, während die Länder
ten, dass die Auszeichnungen der Exzel- duiertenschulen, 20 neue Exzellenzcluster Niedersachsen, Hessen, Schleswig-Hol-
lenzinitiative vor allem an Universitäten und sechs weitere Zukunftskonzepte aus- stein und Saarland sich 20% des Förderbe-
gehen würden, die einen besonders breiten gewählt. In der Förderlinie der Zukunfts- trags teilen. Die beiden Stadtstaaten Ham-
Ausbildungsauftrag mit weitem Versor- konzepte zum projektbezogenen Aus- burg und Bremen bekommen gemeinsam
gungsradius haben; dies wäre ein Wider- bau der universitären Spitzenforschung mit Sachsen und Rheinland-Pfalz nur ins-
spruch in sich. wurden jetzt drei Universitäten aus Ba- gesamt 4% des Förderbetrags. Dabei er-
Zweifellos waren zahlreiche initiale Kri den-Württemberg ausgezeichnet, Frei- scheint Rheinland-Pfalz unter den west-
tikpunkte berechtigt, vor allem soweit sie burg, Heidelberg und Konstanz, ferner deutschen Flächenstaaten mit einem För-
den leichtfertigen Umgang mit dem Elite- die Rheinisch-Westfälische Technische derbetrag von etwa 6 Mio. EUR als ein
begriff betrafen. Dennoch, die Exzellenz- Hochschule Aachen, die Freie Universi- Verlierer. Auch Thüringen erhält einen För
initiative kam in Gang. Dabei war es eine tät Berlin und die Georg-August-Univer- derbetrag von nur etwa 6 Mio. EUR; die
exzellente Idee, die Entscheidungsabläufe sität Göttingen. restlichen drei Flächenstaaten Ostdeutsch-
in die Hand der Deutschen Forschungsge- Somit wurden in der Exzellenzinitiati- lands, Brandenburg, Mecklenburg-Vor-
meinschaft (DFG) und des Wissenschafts ve 2006/2007 insgesamt 39 Graduierten- pommern und Sachsen-Anhalt, gehen leer
rats zu legen; beide Institutionen waren schulen, 37 Exzellenzcluster für den Zeit- aus. So hat Ostdeutschland insgesamt sehr
schon immer darin geübt, die klügsten raum bis Ende 2011 eingerichtet und fi- unbefriedigend abgeschnitten. Die neuen
Köpfe der Wissenschaft in ihre struktu- nanziert, und neun Hochschulen erhiel- Bundesländer (ohne Berlin) erhalten ins-
rellen und inhaltlichen Entscheidungen ten das Recht, sich für diesen Zeitraum gesamt nur etwa 1,2% der Förderung in der
einzubeziehen. Hatten doch schon in der als Exzellenzuniversitäten bezeichnen zu Exzellenzinitiative. Offensichtlich ist die
Vergangenheit beide Einrichtungen immer dürfen (. Abb. 1, [1]). Forschungsinfrastruktur an den ostdeut-
wieder bewiesen, dass sie grobe Ideen der Die Begutachtungs- und Bewilligungs- schen Universitäten immer noch nicht hin
Politik, wenn versehen mit einem Finan verfahren waren in verschiedener Hinsicht reichend finanziert, und die ostdeutschen
zierungsschub, zu segensreichen Förder- bemerkenswert. Von den rund 320 Gut- Universitäten wurden bislang noch nicht
instrumenten sublimieren konnten. achtern der DFG-Fachkommissionen wa- in die Lage versetzt, Spitzenforscher in kri-
ren etwa 80% ausländische Wissenschaft- tischer Zahl anzuwerben.
Die Auswahl der Einrichtungen ler. Der Wissenschaftsrat hatte auch für Außeruniversitäre Forschungseinrich
die Ortsbegehungen, die zur Bewertung tungen haben in der deutschen Forschungs
In der ersten Auswahlrunde der Exzellenz der Zukunftskonzepte durchgeführt wur- landschaft einen hohen Stellenwert. Im
initiative, die sich über etwa ein Jahr zog den, Gutachtergruppen mit einem sehr ho- Rahmen der Exzellenzinitiative wurde deut
und mit der Sitzung des gemeinsamen Be- hen Anteil an Kollegen aus dem Ausland lich, dass nur solche Forschungsstandorte
willigungsausschusses der DFG und des zusammengestellt. Mit der Exzellenzini- sehr erfolgreich waren, die außeruniver
Wissenschaftsrats am 13. Oktober 2006 zur tiative gelang ein entscheidender Durch- sitäre Forschungseinrichtungen in hoher
Beschlussfassung kam, wurden insgesamt bruch im deutschen Forschungsfördersys- Zahl beherbergen, vor allem Max-Planck-
18 Graduiertenschulen, 17 Exzellenzcluster tem. Erstmals wurden die direkten Projekt- Institute, Leibniz-Institute und Einrich-
und drei Zukunftskonzepte ausgewählt [1]. kosten um einen Förderbetrag ergänzt, der tungen der Helmholtz-Gemeinschaft. Dies
Graduiertenschulen konnten mit Beträgen als Programmkostenpauschale bezeich- gilt insbesondere für die Hochschulstand-
bis zu 1 Mio. EUR gefördert werden, Ex- net wird. Diese werden ohne inhaltliche orte, an denen die erfolgreichen Zukunfts-
zellenzcluster mit bis zu 6,5 Mio. EUR. Die Zweckbindung hinzugegeben. Diese För- konzepte zum „Elitestatus“ führten. Für al-
drei Zukunftskonzepte wurden aus insge- dermittel entsprachen erstmals dem Sys- le diese erfolgreichen Hochschulen gilt, ab-
samt 27 Projektskizzen ausgewählt. Die er- tem der Overheads, das seit dem Zweiten gesehen von der Universität Konstanz, dass
folgreichen Hochschulen waren die Uni- Weltkrieg in den Vereinigten Staaten das sie die räumliche Nähe zu größeren auße-
versität Karlsruhe, die Ludwig-Maximili- entscheidende Element der erfolgreichen runiversitären Forschungseinrichten nut-
ans-Universität München und die Tech- Finanzierungsstruktur an privaten und zen konnten.
nische Universität München. staatlichen Universitäten darstellt. Insgesamt hatten 22 Universitäten durch
Bei der zweiten Ausschreibung lag die Der Blick auf die regionale Verteilung die Einwerbung einer Graduiertenschule
Antragsfrist der Vorrunde im September in der Bundesrepublik Deutschland macht und eines Exzellenzclusters die Voraus-
setzungen geschaffen, um durch ein Zu- Hochschulen müssen mit sich zurate ge- über die Bewilligungen im Verhältnis zur
kunftskonzept in den Kreis der auser- hen, warum zwar das Antragsgeschick ih- Zahl der Professoren [2].
wählten Universitäten aufzurücken. Drei rer Hochschullehrer für Graduiertenschu-
Universitäten waren in einer Vorrunde, len und Exzellenzcluster reichte, aber die Die Rolle der Hochschulmedizin
aber nicht mit ihren Vollanträgen erfolg- Universitäten in der Gesamtheit sich nicht
reich; dies galt für Würzburg in der ersten mit einem überzeugenden Zukunftskon- Die Medizinischen Fakultäten und ihre
Ausschreibungsrunde, für die Humboldt- zept durchsetzen konnten. . Tab. 1 zeigt, Klinika haben eine Sonderrolle an den Uni
Universität sowie für Bochum in der zwei- dass die Einwerbung von Graduierten- versitäten. Hochschulmedizin ist der ein-
ten Ausschreibung. Zehn Universitäten, schulen, Exzellenzclustern und Zukunfts- zige akademische Bereich mit eigenstän-
darunter die Universität Erlangen-Nürn- konzepten generell mit der wissenschaft- diger Wertschöpfung als Dienstauftrag.
berg, scheiterten zweimal in der Vorrun- lichen Leistungsfähigkeit der Universitäten Die 36 Medizinischen Fakultäten und die
de für das Zukunftskonzept; diese zehn korreliert, gemessen an der DFG-Statistik ihnen zugeordneten 32 Universitätsklini-
300
an den anderen Fakultäten. Die Freiräu-
210 me für Forschung an den Medizinischen
200
154 148 Fakultäten bleiben aber trotz der Tren-
80
nungsrechnung abhängig vom wirtschaft-
100
40
lichen Erfolg der Kliniken. Die Prinzipien
34
19 19 6 6 0 0 0 der Transparenz und der Eigenverantwort-
0 lichkeit scheinen viele Hochschullehrer in
BW BY NRW BE NS HE SH SL HH HB SN RP TH BR MV ST
Bundesland der Medizin zu höheren Leistungen zu sti-
mulieren.
Abb. 2 8 Die Verteilung der bewilligten Mittel in der Exzellenzinitiative über die deutschen Angesichts des, in der Regel, hohen
Bundesländer Standards der Rahmenbedingungen für
Forschung war es nicht überraschend, dass
die Hochschulmedizin in der Exzellenzin-
ka der Bundesrepublik versorgen 9,4% al- und rund 64% mehr Mittel aus der Wirt- itiative gut abschnitt [3]. Von den 39 Gra-
ler stationären Patienten. Die Universitäts- schaft ein als ihre Kollegen im Osten [3]. duiertenschulen sind 13 überwiegend im
kliniken sind Einrichtungen der Maximal- Die Hochschulmedizin in Deutschland Bereich der Biomedizin, und von den 37
versorgung; 18,1% der stationären Inten- unterlag in den zurückliegenden Jahren Exzellenzclustern sind zwölf Verbünde auf
sivmedizin findet an Universitätskliniken vielen Reorganisationsversuchen. Die Ein- Themen der Lebenswissenschaften orien-
statt. Rund 94% aller Wirtschaftsleistun- führung des DRG-Finanzierungssystems tiert, sei es in der molekularen Biomedizin
gen akademischer Institutionen werden mit etwa gleicher Vergütung für alle Anbie- oder in klinischer Forschung. Etwa 51% al-
in der Medizin erbracht [3]. ter stationärer Krankenversorgung hat die ler Projektantragsteller in den lebenswis-
Die Medizinischen Fakultäten sind, ne- Universitätsklinika unter wirtschaftlichen senschaftlichen Exzellenzclustern sind
ben der Krankenversorgung, immer auch Druck gesetzt. An zahlreichen Standorten Mediziner. Insgesamt fließen etwa 31%
Einrichtungen der Forschung und Lehre. führte dies zur Modernisierung der ad- der Mittel für Graduiertenschulen in die
Nach Angaben des statistischen Bundes- ministrativen Strukturen und zu besseren Lebenswissenschaften, während 32,4% des
amts erzielten im Jahr 2006 die Univer- Verantwortungssträngen. An allen Medi- Geldes für Exzellenzcluster in das Feld der
sitätsprofessoren der Humanmedizin mit zinischen Fakultäten in Deutschland un- Biomedizin vergeben wird. Der Anteil der
durchschnittlich rund 354.000 EUR die terliegt die Finanzierungssystematik mitt- Mediziner an den Projektleitern liegt, auf
höchsten Drittmitteleinnahmen mit deut- lerweile anderen Gesetzmäßigkeiten als an alle Exzellenzcluster bezogen, bei 17,4%,
lichem Vorsprung vor den Ingenieurwis- den Parallelfakultäten. An vielen Stand- während der Anteil der Medizinprofes-
senschaften, die bei etwa 312.000 EUR la- orten wurden die Universitätsklinika aus soren an der Gesamtheit der Professuren
gen. Der Durchschnitt der Drittmittelein- dem Verband der Stammuniversitäten bei 14,6% liegt [3]. Schon anhand dieser
nahmen pro Professor, gemittelt über al- rechtlich ausgegliedert. Zwischenzeitlich einfachen Parameter wird deutlich, dass
le Fächer, betrug im gleichen Zeitraum werden an allen deutschen Medizinstand- sich die Hochschulmedizin sehr erfolg-
175.000 EUR. Das Aufkommen der Hoch- orten die Landesmittel für Forschung und reich in die Exzellenzinitiative des Bundes
schulmedizin an kompetitiven Drittmit- Lehre nicht durch Hochschulleitungen, eingebracht hat. An drei Hochschulen wa-
teln liegt, bezogen auf die gesamte Bun- sondern durch die Medizinischen Fakul- ren die erfolgreichen Anträge aus den Me-
desrepublik, bei 28% der Gesamtsumme. täten verteilt. Die Fakultäten bleiben da- dizinischen Fakultäten entscheidend, um
Zugleich liegt der Landeszuschuss für For- bei in der Regel homogene Funktionsein- mit den Zukunftskonzepten erfolgreich
schung und Lehre an die Medizinischen heiten. Durch die gemeinsame Verantwor- sein zu können. Für die Universität Frei-
Fakultäten im Bundesdurchschnitt etwa tung für die Studiengänge Humanmedizin burg hängen sowohl die Graduiertenschu-
bei 18%, ohne dass es an allen Standor- und Zahnmedizin sind alle Fachdiszipli- le über Molecular Cell Research in Biolo-
ten festgelegte Zuweisungsbeträge für die nen der Fakultät untereinander vernetzt. gy and Medicine als auch das Exzellenz-
Medizin gibt. Die Medizinischen Fakul- Somit gibt es innerhalb der Medizinischen cluster als Center for Biological Signal-
täten sind offenbar überdurchschnittlich Fakultäten für alle Bereiche vergleichbare ling Studies von der Kooperation zwi-
wissenschaftlich aktiv, obwohl sie durch Leistungsparameter. So hat eine Reihe Me- schen den Hochschullehrern der Biolo-
den Auftrag zur Krankenversorgung ge- dizinischer Fakultäten, begleitet von den gie und der Medizin ab. Ohne die Gradu-
bunden sind. Professoren der Medizin in jahrelangen Monita des Wissenschaftsrats, ate School of Systemic Neurosciences hät-
den westlichen Bundesländern werben im zwischenzeitlich eine Leistungsorientierte te die Ludwig-Maximilians-Universität
Schnitt etwa 70% mehr DFG-Drittmittel Mittelvergabe (LOM) eingeführt, die sich München keine Chance gehabt, und die
re Gründer müssten sich über die neidvolle Detlef Kuhn, Ingrid Papies-Winkler, Im letzten Teil des Buches setzen sich ver-
Kritik der Repräsentanten aller bestehen- Dieter Sommer (Hrsg.) schiedene Autoren mit den Erfolgsfaktoren
den Universitäten konsequent hinwegset- Gesundheitsförderung der Gesundheitsförderung mit sozial Be-
zen dürfen. Trägerfunktionen könnten da- mit sozial Benachteiligten – nachteiligten auseinander. Hierbei werden
bei auch der Max-Planck-Gesellschaft und Erfahrungen aus der Lebenswelt Themen wie kommunale Netzwerke, Partizi-
der Leibniz-Gemeinschaft zukommen. Stadtteil pation der Betroffenen als „ExpertInnen ihrer
Ohne forschungspolitischen Mut wird sich Frankfurt/Main: Mabuse 2009, 277 S., Lebenswelt“, Stadtteilentwicklung, die Be-
auf dem Weg zu einer echten deutschen (ISBN 978-3-940529-40-4), 26.00 EUR deutung der Akzeptanz und Kontinuität von
Elite-Universität nichts bewegen. Prävention und Gesundheitsförderung mit Gesundheitsförderung sowie die Notwendig-
und für sozial Benachteiligte steht für viele keit von Projektmanagement behandelt.
Anmerkung Akteure im Gesundheitsbereich ganz oben Im Schlusswort setzen sich die Herausgeber
Prof. Bernhard Fleckenstein ist Leiter des Instituts für auf der Agenda. Weitere Unterstützung, mit den Zukunftschancen der Gesundheits
Virologie der Universität Erlangen-Nürnberg und Alt- Ideen und Anregungen zur partizipativen förderung mit sozial Benachteiligten ausein-
dekan der Medizinischen Fakultät und war Mitglied im
Stiftungsrat der Georg-August-Universität Göttingen Arbeit mit und für sozial benachteiligte ander, in dem besonders die positiven Ergeb-
und stellvertretender Vorsitzender des Stiftungsaus- Bevölkerungsgruppen bekommen diese Ak- nisse und Auswirkungen in den Vordergrund
schusses Hochschulmedizin dieser Universität. teure und ihre Mitstreiter jetzt durch dieses gestellt werden.
Anfang des Jahres erschiene Buch, das sich Waldemar Süß (Hamburg)
Korrespondenzadresse schwerpunktmäßig mit den Erfahrungen bei
Prof. Dr. B. Fleckenstein der Umsetzung von Gesundheitsförderung
Virologisches Institut, in der Lebenswelt bzw. Im Setting „Stadtteil“
Klinikum der Universität Erlangen-Nürnberg auseinandersetzt.
Schlossgarten 4, 91054 Erlangen
fleckenstein@viro.med.uni-erlangen.de Das Buch gliedert sich in drei Teile. Es beginnt
mit einem eher theoretischen Teil zu den
Dimensionen und Bestimmungsgrößen von
Literatur Gesundheitsförderung mit sozial Benachtei-
ligten, dem als zweiter Teil ein Bericht über
1. Deutsche Forschungsgemeinschaft, http://www. ein Berliner Modellprojekt folgt. Im dritten
dfg.de/exzellenzinitiative, 19. Oktober 2007
2. Deutsche Forschungsgemeinschaft, Förderranking Teil geht es um die Erfolgsfaktoren für dieses
2006: Institutionen, Regionen, Netzwerke Unterfangen und um ein Plädoyer für den
3. Hildebrandt V (2007) Wissenschaftsrat: Zukunft Ausbau partizipativer Ansätze.
der Hochschul-Medizin nach Wegfall des HBFG.
HIS-Workshop, Hannover Im ersten Teil werden also zunächst grund-
4. Deutsche Forschungsgemeinschaft und Wissen- sätzliche und theoretisch fundierte Überle-
schaftsrat: Bericht an die gemeinsame Wissen- gungen zur Gesundheitsförderung mit sozial
schaftskonferenz, http://www.gwk-bonn.de, 30.
November 2008 Benachteiligten erörtert. Das Thema Migrati-
5. Hornborstel S, Sondermann M (2009) Institut für on wird hierbei ebenfalls hervorgehoben. Es
Forschungsinformation und Qualitätssicherung wird deutlich, dass ein Migrationshintergrund
(iFQ), Forschung und Lehre 1/2009, http://www.
forschungsinfo.de nicht mit sozialer Benachteiligung gleichzu-
6. Georg-August-Universität Göttingen, Zukunfts- setzen ist, sondern differenzierter zu betrach-
konzept Tradition – Innovation – Autonomie, tet werden muss, weil er beispielsweise auch
http://www.uni-goettingen.de
soziale Chancen bietet.
Der zweite Teil befasst sich mit einem Modell-
projekt aus Berlin-Friedrichshain-Kreuzberg.
Unter dem Motto „Gesund sind wir stark!
– Sağliki daha gülçüyüz!“ wurden neuartige
Zugangswege gefunden, um Adipositas bei
Kindern vorzubeugen. Fachleute, die im Kon-
takt mit der Zielgruppe stehen, wurden zu
GesundheitstrainerInnen weitergebildet und
zudem wurden muttersprachliche Laien mit
türkischem oder arabischem Hintergrund zu
GesundheitsmentorInnen ausgebildet. Das
Wichtigste aus konzeptionellen Grundlagen,
Curriculum und Erfahrungen wird im zweiten
Teil des Buches dargestellt.