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Leitthema: Universitätsmedizin im Wandel, Teil 2

Bundesgesundheitsbl 2009 · 52:940–948 B. Fleckenstein


DOI 10.1007/s00103-009-0921-6 Virologisches Institut, Klinikum der Universität Erlangen-Nürnberg, Erlangen
Online publiziert: 16. August 2009
© Springer-Verlag 2009

Das Konzept der


Exzellenzuniversitäten
Auswirkungen auf die Medizinischen Fakultäten

Die Idee einer Exzellenzinitiative kompetitiven Forschungsfördersystemen minischen Zeit einen international sicht-
der Vereinigten Staaten. Das System der baren Spitzenrang, der in den Dreißiger
In den angelsächsischen Ländern haben Drittmittel-Vollfinanzierung der Wissen- Jahren des 20. Jahrhunderts abrupt ver-
sich, teilweise in langer Tradition, einzel- schaft durch Overheads sichert die um- loren ging. Doch der Führungsrolle eines
ne Universitäten zu herausragenden For- fangreiche staatliche Finanzierung, ohne einzelnen deutschen Forschungsstandorts
schungsstandorten entwickelt. Die Ox- staatliche administrative Fehlregulierung stand schon immer die föderale Struktur
ford und Cambridge University haben in Kauf nehmen zu müssen. Im Umkreis wirksam entgegen. In der Verantwor-
im edlen Wettstreit ihre Attraktivität über einer Eliteuniversität gedeiht industriel- tung föderaler Bildungssysteme haben
Jahrhunderte kontinuierlich steigern kön- le Hochtechnologie, mit positiver Rück- alle Hochschulen traditionell einen regi-
nen. Die Hochschulen konnten dauerhaft kopplung auf die universitären Forscher. onalen Ausbildungsauftrag. In Deutsch-
die besten Köpfe gewinnen, und sie liegen Die Berufungschancen der Absolventen land konnte daher nicht die intellektuel-
auch heute in Forschungsfeldern wie der sind exzellent, und es bilden sich persön- le Agglomeration an wenigen Standor-
molekularen Biomedizin an der Weltspit- liche Netzwerke. Zwischen Eliteuniversi- ten stattfinden. Herausragende Geister
ze. Die Harvard University, 1636 in der täten und Staatsuniversitäten mit breitem gab es schon immer in einzelnen Diszi-
Frühphase der Kolonisierung Neueng- Ausbildungsauftrag besteht ein dauer- plinen deutscher Universitäten, doch sie
lands als private Einrichtung gegründet, haft steiler Qualitätsgradient. Die Eliteu- waren auch immer mit Mittelmaß durch-
hat über Jahrhunderte hinweg eine Spit- niversitäten nach angelsächsischem Mus- wachsen. Oft wurde das Gleichmaß zum
zenposition als Forschungsuniversität er- ter sind nationale Ressourcen, Quellen Regelfall, teils durch staatliche Vorgaben
reicht. Sie ist Prototyp einer Eliteuniversi- des ökonomischen Erfolgs eines Landes zementiert. Da die Zentrale Vergabestel-
tät und führt die meisten internationalen und Orte der internationalen kulturellen le für Studienplätze (ZVS) die Studieren-
Rankings an. Auch neuere Hochschulen Wahrnehmung. Allein in die Forschungs- den über die Landkarte verteilt, musste
wie die Stanford University und das Mas- region Boston mit den Elite-Universitäten die Fiktion von der Gleichwertigkeit der
sachusetts Institute of Technology (MIT) Harvard und MIT sind seit dem Zweiten deutschen Universitäten aufrechterhalten
bemühten sich erfolgreich um vergleich- Weltkrieg mehr Nobelpreise gegangen werden. Andernfalls würde eine Behörde
bare Spitzenplätze. Teils neidvoll, teils be- als an die Gesamtheit deutscher Univer- Lebenschancen verordnen, und dies wäre
wundernd fragen wir uns in Mitteleuro- sitäten. Deutschlands Nachbarn auf dem ein Verstoß gegen Persönlichkeitsrechte.
pa, was solche Eliteinstitutionen auszeich- europäischen Kontinent haben keine ver- Die Fiktion von der Gleichwertigkeit
net. Offensichtlich sind es zahlreiche Fak- gleichbaren Eliteuniversitäten, doch oft der deutschen Hochschulstandorte hat
toren, die zusammenwirken. Es ist die herausgehobene universitäre Forschungs- im Laufe der Zeit immer weniger über-
Selbstverständlichkeit, sich zum Elitege- standorte. Auf dem Kontinent wäre al- zeugt. Es gab schon immer gefühlte Gra-
danken zu bekennen, und es sind rigorose lenfalls die Eidgenössische Technische dienten zwischen den Standorten, sei es
Auswahlverfahren für Lehrende und Stu- Hochschule, die nationale Universität der wegen der finanziellen Ausstattung durch
dierende. Das Ansehen der Einrichtungen Schweiz, einer angelsächsischen Elite- das Sitzland, sei es, dass Bundesländer wie
bedingt ihre Attraktivität. Breite akade- Universität vergleichbar. Bayern und Baden-Württemberg etwa in
mische Exzellenz eröffnet neue Dimensi- Deutschland hatte nie eine Traditi- den 1970er-Jahren den legislativen und
onen der interdisziplinären Kooperation. on der konsequenten universitären Elite- wirtschaftlichen Rahmen für die Hoch-
Die günstigen finanziellen Rahmenbedin- bildung. Zwar gibt es Traditionsuniversi- schulen bewusst so gestalteten, dass ih-
gungen sind nicht Ursache, sondern Fol- täten in Heidelberg, Göttingen, Halle oder re Universitäten als attraktivere Standorte
ge des wissenschaftlichen Erfolgs in den Jena. Berlin erwarb sich seit der Wilhel- wahrgenommen wurden und die besten

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Zusammenfassung · Abstract

Hochschullehrer gewinnen konnten. Auf- Bundesgesundheitsbl 2009 · 52:940–948  DOI 10.1007/s00103-009-0921-6


wendige Hochschulrankings schossen in © Springer-Verlag 2009
den letzten Jahren immer mehr ins Kraut.
B. Fleckenstein
Gleich nach welchen Kriterien, es ergaben
Das Konzept der Exzellenzuniversitäten. Auswirkungen
sich meist wahrnehmbare Gradienten. Oft
auf die Medizinischen Fakultäten
schienen im Süden der Bundesrepublik
die erfolgreicheren Universitäten lokali- Zusammenfassung
siert; doch die Bewertungsmuster blieben Die Exzellenzinitiative des Bundes in den ben und damit die Basis für ein erfolgreiches
meist widersprüchlich und diskordant. Jahren 2006 und 2007 war geboren aus universitäres Zukunftskonzept schaffen. Am
dem politischen Wunsch, auch in Deutsch- Beispiel der Georg-August-Universität Göt-
Eine offizielle Differenzierung zwischen
land einige wenige exzellente Universitäten tingen, einer Stiftungsuniversität, soll dar-
den Hochschulstandorten gab es nicht. zu etablieren, die im internationalen For- gestellt werden, wie es durch die Kooperati-
Auch wenn manche Professoren formal schungsranking Spitzenplätze erreichen, ver- on mit außeruniversitären Forschungsinsti-
gleichartige Positionen aufgaben, um Ru- gleichbar mit den traditionellen Eliteuniver- tuten und die Rekrutierung origineller Förde-
fe an begehrte Standorte wie Heidelberg sitäten Großbritanniens und der USA. Unter rideen gelang, in die Gruppe der neun deut-
oder Freiburg anzunehmen, gab es immer Federführung der Deutschen Forschungs- schen Exzellenzuniversitäten aufzurücken.
gemeinschaft und des Wissenschaftsrats Die Hochschulmedizin war entscheidend
auch gegenläufige Bewegungen.
wurden in zwei Auswahlrunden mehr als daran beteiligt. Auch wenn alle erfolgreichen
Mit der Exzellenzinitiative des Bundes, 300 Projektanträge evaluiert; daraus wurden deutschen Hochschulstandorte in der Exzel-
im Jahre 2003 von Bundeskanzler Gerhard 39 Graduiertenschulen, 37 Exzellenzcluster lenzinitiative sehr gute Verbundforschung
Schröder angestoßen, erlebte die Nation und neun universitäre Zukunftskonzepte zur nachwiesen, werden Eliteuniversitäten nach
einen erstaunlichen Paradigmenwechsel. Förderung mit insgesamt 1,9 Mrd. EUR aus- internationalen Maßstäben dadurch nicht
Hatten doch gerade die Bundesländer, de- gewählt. Die Hochschulmedizin trug zu den entstehen.
erfolgreichen Konzepten wesentlich bei und
ren Regierungen von seiner eigenen Partei war daran überproportional beteiligt. Sie- Schlüsselwörter
bestimmt waren, jahrzehntelang strikt dar- ben biomedizinische Forschungsstandorte Exzellenzinitiative · Deutsche Forschungsge-
auf geachtet, dass gleiche Bildungschancen konnten sowohl ein Exzellenzcluster als auch meinschaft (DFG) · Wissenschaftsrat · Georg-
für junge Menschen aller sozialen Schich- ein oder zwei Graduiertenschulen einwer- August-Universität Göttingen
ten in den Regionen gewahrt blieben. Als
die Bundesregierung verkündete, dass
The German Excellence Initiative. Effects on the medical schools
1,9 Mrd. EUR in einen Exzellenzwettbe-
werb um den Elitestatus ganzer Hochschu- Abstract
len ausgelobt werden sollten, schien die In- The Excellence Initiative of the German Fed- taining a Cluster of Excellence as well as one
itiative zunächst in der Kritik unterzuge- eral Government in 2006 and 2007 was mo- or two Graduate Schools, providing the basis
hen. Es wurde vorgebracht, der Elitege- tivated by the political wish to have a limit- for a successful University Strategy Concept.
ed number of excellent universities in Ger- With the example of the Georg August Uni-
danke sei für Mitteleuropa systemfremd.
many that could reach top positions in the in- versity Göttingen, it will be shown how suc-
Die finanziellen Mittel seien ungenügend. ternational research ranking, comparable to cess was reached by the cooperation with
Es handele sich um Mittel, die ohnehin für the top universities of Great Britain and the non-university research institutions and by
den Hochschulbau vorgesehen waren und United States. In two rounds, the German Re- recruiting original ideas for research support.
nun dort erst recht fehlten. Es wurde zu search Foundation (Deutsche Forschungsge- All successful universities have proven excel-
bedenken gegeben, dass auch wenn einzel- meinschaft) and the National Research Coun- lent research networks; however, elite uni-
cil (Wissenschaftsrat) evaluated more than versities according to international standards
ne Hochschulen mit dem Siegel der Exzel- 300 project proposals. Out of those, 39 Grad- will not be created by the German Excellence
lenz versehen würden, dennoch die mittel- uate Schools, 37 Centers of Excellence and 9 Initiative.
mäßigen Hochschullehrer und Studieren- proposals for University Strategies were se-
den in diesen Hochschulen verbleiben. lected for support with 1.9 EUR billion. Uni- Keywords
Auch wenn einzelne Leistungsträger aus- versity medicine made a substantial contri- Excellence Initiative · German Research Foun-
bution to the successful strategy concepts, on dation (DFG) · National Research Council ·
gezeichnet würden, könne mit der begrenz­
average more than other university faculties. Georg August University Göttingen
ten finanziellen Förderung das durchschnitt­ Seven medical schools were successful in ob-
liche Niveau ganzer Universitäten, bei
Hunderten von Professoren und Zehn­tau­
sen­den von Studierenden, nicht gehoben
werden. Eine zeitlich befristete Drittmit-
telförderung, auch mit zweistelligen Millio­
nenbeträgen, werde niemals ausreichen,
die vielen Professoren in beamteten Dauer­
positionen zu Spitzenforschern zu mutie-
ren. Viel Kritik entzündete sich am Begriff
einer Eliteuniversität; mit Recht wurde an-
gemerkt, die Ausschreibung und die Aus-

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Leitthema: Universitätsmedizin im Wandel, Teil 2

wahlkriterien würden große Universitäten 2006. Alle Anträge, die in der ersten Aus- deutlich, dass die Bundesländer sehr unter­
mit einem besonders breiten Fächerspekt- schreibungsrunde mit dem Vorantrag er- schiedlich abschnitten (. Abb. 2). Das
rum bevorzugen; denn je größer eine Ein- folgreich waren, wurden auch zum Voll- Land Baden-Württemberg, Träger von
richtung, desto höher die Wahrscheinlich- antrag in der zweiten Ausschreibungsrun- vier erfolgreichen Exzellenzuniversitäten,
keit, dass sich genügend Hochschullehrer de eingeladen. Am 19. Oktober 2007 ver- erwies sich mit einem Bewilligungsbetrag
zu einer kriti­schen Gruppengröße zusam- kündete der gemeinsame Bewilligungs- von 545 Mio. EUR als der überragende Ge­
menfinden, um mindestens jeweils eine ausschuss das Ergebnis der zweiten Aus- win­ner. Allein die vier Bundesländer Ba-
Graduiertenschule und ein Exzellenz­ schreibungsrunde [1]. Aus 305 Projekt- den-Württemberg, Bayern, Nordrhein-
cluster um ein attrak­tives, kohärentes The- skizzen, einschließlich der erneut zugelas- West­falen und Berlin erhalten 75% der ge-
ma zu formieren. Folglich wäre zu erwar- senen Voranträge, wurden 21 weitere Gra- samten Förderung, während die Länder
ten, dass die Auszeichnungen der Exzel- duiertenschulen, 20 neue Exzellenzcluster Niedersachsen, Hessen, Schleswig-Hol-
lenzinitiative vor allem an Universitäten und sechs weitere Zukunftskonzepte aus- stein und Saarland sich 20% des Förderbe-
gehen würden, die einen besonders breiten gewählt. In der Förderlinie der Zukunfts- trags teilen. Die beiden Stadtstaaten Ham-
Ausbildungsauftrag mit weitem Versor- konzepte zum projektbezogenen Aus- burg und Bremen bekommen gemeinsam
gungsradius haben; dies wäre ein Wider- bau der universitären Spitzenforschung mit Sachsen und Rheinland-Pfalz nur ins-
spruch in sich. wurden jetzt drei Universitäten aus Ba- gesamt 4% des Förderbetrags. Dabei er-
Zweifellos waren zahlreiche initiale Kri­ den-Württemberg ausgezeichnet, Frei- scheint Rheinland-Pfalz unter den west-
tikpunkte berechtigt, vor allem soweit sie burg, Heidelberg und Konstanz, ferner deutschen Flächenstaaten mit einem För-
den leichtfertigen Umgang mit dem Elite- die Rheinisch-Westfälische Technische derbetrag von etwa 6 Mio. EUR als ein
begriff betrafen. Dennoch, die Exzellenz- Hochschule Aachen, die Freie Universi- Verlierer. Auch Thüringen erhält einen För­
initiative kam in Gang. Dabei war es eine tät Berlin und die Georg-August-Univer- der­betrag von nur etwa 6 Mio. EUR; die
exzellente Idee, die Entscheidungsabläufe sität Göttingen. restlichen drei Flächenstaaten Ostdeutsch-
in die Hand der Deutschen Forschungsge- Somit wurden in der Exzellenzinitiati- lands, Brandenburg, Mecklenburg-Vor-
meinschaft (DFG) und des Wissenschafts­ ve 2006/2007 insgesamt 39 Graduierten- pommern und Sachsen-Anhalt, gehen leer
rats zu legen; beide Institutionen ­waren schulen, 37 Exzellenzcluster für den Zeit- aus. So hat Ostdeutschland insgesamt sehr
schon immer darin geübt, die klügsten raum bis Ende 2011 eingerichtet und fi- unbefriedigend abgeschnitten. Die neuen
Köpfe der Wissenschaft in ihre struktu- nanziert, und neun Hochschulen erhiel- Bundesländer (ohne Berlin) erhalten ins-
rellen und inhaltlichen Entscheidungen ten das Recht, sich für diesen Zeitraum gesamt nur etwa 1,2% der Förderung in der
einzubeziehen. Hatten doch schon in der als Exzellenzuniversitäten bezeichnen zu Exzellenzinitiative. Offensichtlich ist die
Vergangenheit beide Einrichtungen immer dürfen (. Abb. 1, [1]). Forschungsinfrastruktur an den ostdeut-
wieder bewiesen, dass sie grobe Ideen der Die Begutachtungs- und Bewilligungs- schen Universitäten immer noch nicht hin­
Politik, wenn versehen mit einem Finan­ verfahren waren in verschiedener Hinsicht reichend finanziert, und die ostdeutschen
zierungsschub, zu segensreichen Förder- bemerkenswert. Von den rund 320 Gut- Universitäten wurden bislang noch nicht
instrumenten sublimieren konnten. achtern der DFG-Fachkommissionen wa- in die Lage versetzt, Spitzenforscher in kri-
ren etwa 80% ausländische Wissenschaft- tischer Zahl anzuwerben.
Die Auswahl der Einrichtungen ler. Der Wissenschaftsrat hatte auch für Außeruniversitäre Forschungseinrich­
die Ortsbegehungen, die zur Bewertung tungen haben in der deutschen Forschungs­
In der ersten Auswahlrunde der Exzellenz­ der Zukunftskonzepte durchgeführt wur- landschaft einen hohen Stellenwert. Im
initiative, die sich über etwa ein Jahr zog den, Gutachtergruppen mit einem sehr ho- Rahmen der Exzellenzinitiative ­wurde deut­
und mit der Sitzung des gemeinsamen Be- hen Anteil an Kollegen aus dem Ausland lich, dass nur solche Forschungsstand­orte
willigungsausschusses der DFG und des zusammengestellt. Mit der Exzellenzini- sehr erfolgreich waren, die außeruniver­
Wissenschaftsrats am 13. Oktober 2006 zur tiative gelang ein entscheidender Durch- si­täre Forschungseinrichtungen in hoher
Beschlussfassung kam, wurden insgesamt bruch im deutschen Forschungsfördersys- Zahl beherbergen, vor allem Max-Planck-
18 Graduiertenschulen, 17 Exzellenzcluster tem. Erstmals wurden die direkten Projekt- Institute, Leibniz-Institute und Einrich-
und drei Zukunftskonzepte ausgewählt [1]. kosten um einen Förderbetrag ergänzt, der tungen der Helmholtz-Gemeinschaft. Dies
Graduiertenschulen konnten mit Beträgen als Programmkostenpauschale bezeich- gilt insbesondere für die Hochschulstand-
bis zu 1 Mio. EUR gefördert werden, Ex- net wird. Diese werden ohne inhaltliche orte, an denen die erfolgreichen Zukunfts-
zellenzcluster mit bis zu 6,5 Mio. EUR. Die Zweckbindung hinzugegeben. Diese För- konzepte zum „Elitestatus“ führten. Für al-
drei Zukunftskonzepte wurden aus insge- dermittel entsprachen erstmals dem Sys- le diese erfolgreichen Hochschulen gilt, ab-
samt 27 Projektskizzen ausgewählt. Die er- tem der Overheads, das seit dem Zweiten gesehen von der Universität Konstanz, dass
folgreichen Hochschulen waren die Uni- Weltkrieg in den Vereinigten Staaten das sie die räumliche Nähe zu größeren auße-
versität Karlsruhe, die Ludwig-Maximili- entscheidende Element der erfolgreichen runiversitären Forschungseinrichten nut-
ans-Universität München und die Tech- Finanzierungsstruktur an privaten und zen konnten.
nische Universität München. staatlichen Universitäten darstellt. Insgesamt hatten 22 Universitäten durch
Bei der zweiten Ausschreibung lag die Der Blick auf die regionale Verteilung die Einwerbung einer Graduiertenschule
Antragsfrist der Vorrunde im September in der Bundesrepublik Deutschland macht und eines Exzellenzclusters die Voraus-

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Graduiertenschule rot = mit mehrheitlich biomedizinischem Inhalt Zukunftskonzept
Abb. 1 7 Förderentschei-
dungen in der Exzellenzini- Exzellenzcluster gelb = mit mehrheitlich nicht-medizinischemInhalt
tiative 2006 und 2007

setzungen geschaffen, um durch ein Zu- Hochschulen müssen mit sich zurate ge- über die Bewilligungen im Verhältnis zur
kunftskonzept in den Kreis der auser- hen, warum zwar das Antragsgeschick ih- Zahl der Professoren [2].
wählten Universitäten aufzurücken. Drei rer Hochschullehrer für Graduiertenschu-
Universitäten waren in einer Vorrunde, len und Exzellenzcluster reichte, aber die Die Rolle der Hochschulmedizin
aber nicht mit ihren Vollanträgen erfolg- Universitäten in der Gesamtheit sich nicht
reich; dies galt für Würzburg in der ersten mit einem überzeugenden Zukunftskon- Die Medizinischen Fakultäten und ­ihre
Ausschreibungsrunde, für die Humboldt- zept durchsetzen konnten. . Tab. 1 zeigt, Klinika haben eine Sonderrolle an den Uni­
Universität sowie für Bochum in der zwei- dass die Einwerbung von Graduierten- versitäten. Hochschulmedizin ist der ein-
ten Ausschreibung. Zehn Universitäten, schulen, Exzellenzclustern und Zukunfts- zige akademische Bereich mit eigenstän-
darunter die Universität Erlangen-Nürn- konzepten generell mit der wissenschaft- diger Wertschöpfung als Dienstauftrag.
berg, scheiterten zweimal in der Vorrun- lichen Leistungsfähigkeit der Universitäten Die 36 Medizinischen Fakultäten und die
de für das Zukunftskonzept; diese zehn korreliert, gemessen an der DFG-Statistik ihnen zugeordneten 32 Universitätsklini-

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Leitthema: Universitätsmedizin im Wandel, Teil 2
600
545 an objektivierbaren Leistungsparametern
500 zu orientieren versucht und für die Fakul-
tätsmitglieder nachvollziehbar ist. Die dar-
400 aus resultierende Transparenz unterschei-
370
338 det die Finanzierungs-Systematik der Me-
dizin deutlich von den Verteilungswegen
in T €

300
an den anderen Fakultäten. Die Freiräu-
210 me für Forschung an den Medizinischen
200
154 148 Fakultäten bleiben aber trotz der Tren-
80
nungsrechnung abhängig vom wirtschaft-
100
40
lichen Erfolg der Kliniken. Die Prinzipien
34
19 19 6 6 0 0 0 der Transparenz und der Eigenverantwort-
0 lichkeit scheinen viele Hochschullehrer in
BW BY NRW BE NS HE SH SL HH HB SN RP TH BR MV ST
Bundesland der Medizin zu höheren Leistungen zu sti-
mulieren.
Abb. 2 8 Die Verteilung der bewilligten Mittel in der Exzellenzinitiative über die deutschen Angesichts des, in der Regel, hohen
­Bundesländer Stan­dards der Rahmenbedingungen für
Forschung war es nicht überraschend, dass
die Hochschulmedizin in der Exzellenzin-
ka der Bundesrepublik versorgen 9,4% al- und rund 64% mehr Mittel aus der Wirt- itiative gut abschnitt [3]. Von den 39 Gra-
ler stationären Patienten. Die Universitäts- schaft ein als ihre Kollegen im Osten [3]. duiertenschulen sind 13 überwiegend im
kliniken sind Einrichtungen der Maximal- Die Hochschulmedizin in Deutschland Bereich der Biomedizin, und von den 37
versorgung; 18,1% der stationären Inten- unterlag in den zurückliegenden Jahren Exzellenzclustern sind zwölf Verbünde auf
sivmedizin findet an Universitätskliniken vielen Reorganisationsversuchen. Die Ein- Themen der Lebenswissenschaften orien-
statt. Rund 94% aller Wirtschaftsleistun- führung des DRG-Finanzierungssystems tiert, sei es in der molekularen Bio­medizin
gen akademischer Institutionen werden mit etwa gleicher Vergütung für alle Anbie- oder in klinischer Forschung. Etwa 51% al-
in der Medizin erbracht [3]. ter stationärer Krankenversorgung hat die ler Projektantragsteller in den lebenswis-
Die Medizinischen Fakultäten sind, ne- Universitätsklinika unter wirtschaftlichen senschaftlichen Exzellenzclustern sind
ben der Krankenversorgung, immer auch Druck gesetzt. An zahlreichen Standorten Mediziner. Insgesamt fließen etwa 31%
Einrichtungen der Forschung und Lehre. führte dies zur Modernisierung der ad- der Mittel für Graduiertenschulen in die
Nach Angaben des statistischen Bundes- ministrativen Strukturen und zu besseren Lebenswissenschaften, während 32,4% des
amts erzielten im Jahr 2006 die Univer- Verantwortungssträngen. An allen Medi- Geldes für Exzellenzcluster in das Feld der
sitätsprofessoren der Humanmedizin mit zinischen Fakultäten in Deutschland un- Biomedizin vergeben wird. Der Anteil der
durchschnittlich rund 354.000 EUR die terliegt die Finanzierungssystematik mitt- Mediziner an den Projektleitern liegt, auf
höchsten Drittmitteleinnahmen mit deut- lerweile anderen Gesetzmäßigkeiten als an alle Exzellenzcluster bezogen, bei 17,4%,
lichem Vorsprung vor den Ingenieurwis- den Parallelfakultäten. An vielen Stand- während der Anteil der Medizinprofes-
senschaften, die bei etwa 312.000 EUR la- orten wurden die Universitätsklinika aus soren an der Gesamtheit der Professuren
gen. Der Durchschnitt der Drittmittelein- dem Verband der Stammuniversitäten bei 14,6% liegt [3]. Schon anhand dieser
nahmen pro Professor, gemittelt über al- rechtlich ausgegliedert. Zwischenzeitlich einfachen Parameter wird deutlich, dass
le Fächer, betrug im gleichen Zeitraum werden an allen deutschen Medizinstand- sich die Hochschulmedizin sehr erfolg-
175.000 EUR. Das Aufkommen der Hoch- orten die Landesmittel für Forschung und reich in die Exzellenzinitiative des Bundes
schulmedizin an kompetitiven Drittmit- Lehre nicht durch Hochschulleitungen, eingebracht hat. An drei Hochschulen wa-
teln liegt, bezogen auf die gesamte Bun- sondern durch die Medizinischen Fakul- ren die erfolgreichen Anträge aus den Me-
desrepublik, bei 28% der Gesamtsumme. täten verteilt. Die Fakultäten bleiben da- dizinischen Fakultäten entscheidend, um
Zugleich liegt der Landeszuschuss für For- bei in der Regel homogene Funktionsein- mit den Zukunftskonzepten erfolgreich
schung und Lehre an die Medizinischen heiten. Durch die gemeinsame Verantwor- sein zu können. Für die Universität Frei-
Fakultäten im Bundesdurchschnitt etwa tung für die Studiengänge Humanmedizin burg hängen sowohl die Graduiertenschu-
bei 18%, ohne dass es an allen Standor- und Zahnmedizin sind alle Fachdiszipli- le über Molecular Cell Research in Biolo-
ten festgelegte Zuweisungsbeträge für die nen der Fakultät untereinander vernetzt. gy and Medicine als auch das Exzellenz-
Medizin gibt. Die Medizinischen Fakul- Somit gibt es innerhalb der Medizinischen cluster als Center for Biological Signal-
täten sind offenbar überdurchschnittlich Fakultäten für alle Bereiche vergleichbare ling Studies von der Kooperation zwi-
wissenschaftlich aktiv, obwohl sie durch Leistungsparameter. So hat eine Reihe Me- schen den Hochschullehrern der Biolo-
den Auftrag zur Krankenversorgung ge- dizinischer Fakultäten, begleitet von den gie und der Medizin ab. Ohne die Gradu-
bunden sind. Professoren der Medizin in jahrelangen Monita des Wissenschaftsrats, ate School of Systemic Neurosciences hät-
den westlichen Bundesländern werben im zwischenzeitlich eine Leistungsorientierte te die Ludwig-Maximilians-Universität
Schnitt etwa 70% mehr DFG-Drittmittel Mittelvergabe (LOM) eingeführt, die sich München keine Chance ­gehabt, und die

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Tab. 1 Die Erfolge der Exzellenzinitiative und die Rettung der Universitäten nach DFG- Universität Göttingen baute mit ihrem
Bewilligung 2004 im Verhältnis zur Zahl der Professoren Zukunftskonzept auf den Leistungen der
Zukunfts- Hochschule Professoren Graduierten- Exzellenz- Medizinischen Fakultät auf, die eine Gra-
konzepte N T EUR je Prof schulen Cluster duate School for Neuroscien­ces and Mo-
Karlsruhe TH 247 406,9 1 1 lecular Biosciences betreibt und am Ex-
Hannover MedH 102 329,7 1 1 zellenzcluster Microscopy at the Nano-
Aachen TH 391 323,1 1 3 meter Range wesentlich beteiligt ist. Sie-
Stuttgart U 254 311,2 1 1 ben biomedizinische Fakultäten der Bun-
Konstanz U 153 286,3 1 1 desrepublik, namentlich in Freiburg, Hei-
Würzburg U 368 285,0 1 delberg, Göttingen, an der Technischen
Tübingen U 366 272,7 1 Universität Dresden, an der LMU Mün-
Heidelberg U 409 257,1 3 2 chen, an der Medizinischen Hochschu-
Freiburg U 361 252,1 1 1 le Hannover sowie an der Charité in Ber-
München TU 410 242,2 1 2 lin, haben mit ihren Beiträgen sowohl ­eine
Ulm U 190 235,0 1 oder zwei Graduiertenschule(n) als auch
Erlangen-Nürnberg U 472 212,5 1 1
ein Exzellenzcluster geschaffen. Sie haben
damit höheres wissenschaftliches Poten-
Darmstadt TU 267 201,4 1 1
zial in der Exzellenzinitiative ­unter Be-
Göttingen U 423 201,0 1 1
weis gestellt, als es die Mehrzahl der deut­
Bochum U 373 196,3 1
schen Universitäten insgesamt konnte
Lübeck U 72 195,5 1
(. Abb. 1).
Braunschweig TU 237 193,7
Bemerkenswert ist, dass die (beschei-
Berlin TU 329 193,3 1 1
denen) Erfolge der Exzellenzinitiative
München U 707 185,0 1 3
in Ostdeutschland von der Medizin do-
Bremen U 339 183,8 2 1
miniert sind. Vier der sechs Graduier-
Berlin FU 529 182,5 3 2
tenschulen (je einmal in Jena und Dres-
Berlin HU 563 180,2 3 1 den sowie zweimal an der Humboldt-
Hannover U 338 178,4 1 Universität) sind der Medizin zugeord-
Clausthal TU 76 178,0 net, und die beiden Exzellenzcluster in
Düsseldorf U 277 176,8 Ostdeutschland (Technische Universität,
Bonn U 477 171,9 2 1 Dresden, From Cells to Tissues to Thera-
Mainz U 413 167,3 1 pies – Engineering to Cellular Basis of Re-
Bayreuth U 182 164,7 1 generation; Humboldt-Universität, Berlin,
Bielefeld U 245 163,3 1 1 NeuroCure: Towards a Better Outcome of
Dortmund U 283 161,8 Neurological Disorders) sind von medi-
Kaiserslautern TU 164 159,1 zinischem Inhalt. Dies spricht dafür, dass
Chemnitz TU 156 156,9 der Aufbau von Forschungsstrukturen an
Saarbrücken U 252 156,4 1 1 den ostdeutschen Universitäten in den
Regensburg U 264 151,5 zurückliegenden zwei Jahrzehnten für die
Münster U 494 148,9 1 Medizin dynamischer verlief als in den
Köln U 489 144,5 1 anderen Fachgebieten.
Frankfurt/Main U 475 140,0 2 Die erfolgreichen Initiativen der Exzel­
Gießen U 361 139,4 1 1 lenzinitiative wurden wesentlich von den
Hohenheim U 117 137,9 Medizinischen Fakultäten mitgetragen.
Jena U 341 137,5 1 Dennoch wäre es naiv zu glauben, dass
Marburg U 369 136,2 das wissenschaftliche Potenzial der Bio­
Hannover TiHo 61 128,4 me­dizin im Vergleich zu den anderen
Dresden TU 528 125,9 1 1 Wissenschaftsbereichen (Ingenieurwis-
Paderborn U 188 125,3 senschaften, nicht-biologische Naturwis-
Freiberg TU 104 124,4 senschaften, Geisteswissenschaften) allein
Ilmenau TU 90 121,2 daran quantitativ zu messen ist, welche
Mannheim U 118 120,9 1 Entscheidungen von dem gemeinsamen
Halle-Wittenberg U 375 110,0
Bewilligungsausschuss für die Exzellenz-
Hamburg-Harburg TU 106 108,1
initiative getroffen wurden. Zu viele Para-
meter fließen in die Entscheidungsabläu-
Kiel U 381 107,6 1 2
fe ein. Objektive Entscheidungskriterien

Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz 9 · 2009 | 945


Leitthema: Universitätsmedizin im Wandel, Teil 2

Tab. 1 fortlaufend Instituten, das Deutsche Primatenzent-


Potsdam U 218 106,4 rum, eine Einrichtung des Deutschen
Magdeburg U 214 99,8 Zentrums für Luft- und Raumfahrt, sowie
Duisburg-Essen U 520 95,7 die zweieinhalb Jahrhunderte alte Akade-
Hamburg U 800 90,1 1 mie der Wissenschaften zu Göttingen.
Leipzig U 439 87,7 1 Die einzigartige Chance zur Vernetzung
An 27 weiteren Universitäten mit <85 T EUR pro Professor wurden keine Mittel der Exzellenzinitiative bewilligt (Zitat 1) hat die Universität genutzt, indem sie mit
den Partnern ein Göttingen Research
Campus aufbaute. 4. Die wissenschaft-
gibt es zwischen unterschiedlichen Fach- Ausschreibungsrunde profitieren. Die lichen Schwerpunkte sind aus der Koo-
gebieten ohnehin nicht. Dennoch bleibt Exzellenzinitiative wurde damit zu einem peration zwischen Universität und ihren
bemerkenswert, dass allein die Medizi- neuen Förderinstrument, dessen Kom- externen Partnern am Forschungsstand-
nische Hochschule Hannover, personell petitivität alle beteiligten Medizinstand- ort gewachsen. Das herausragende Bei-
und wirtschaftlich das Äquivalent zu ei- orte stimuliert [4, 5]. Um den Ergeiz an- spiel ist der Schwerpunkt Neurowissen-
ner einzigen Medizinischen Fakultät mit derer Wissenschaftsbereiche künftig noch schaften. Durch die Bündelung von Akti-
Universitätsklinikum, die notwendigen wirksamer zu aktivieren, müssten dort zu- vitäten mehrerer Fakultäten, vor allem der
Bedingungen für ein Zukunftskonzept nächst einmal noch stärkere Anreizstruk- Medizin und der Biologie sowie mehrerer
erarbeiten konnte, und dass sechs wei- turen mit leistungsorientierter Mittelver- Max-Planck-Institute und des Deutschen
tere Medizinische Fakultäten in Deutsch- gabe implementiert werden. Nicht der Primatenzentrums, wurde schrittweise
land in diesem Punkt gleichziehen konn- Bund, sondern die Landesuniversitäten ein Netzwerk von Verbundprojekten so-
ten. Nach den Statistiken der Exzellenz- wären in erster Linie gefordert. wie gemeinsamen Aktivitäten in der For-
initiative hat die Hochschulmedizin in schung und in der Graduiertenlehre ge-
den neuen Bundesländern rascher zu den Ein Erfolgsmodell knüpft. Dies rechtfertigt es, den Spitzen-
Spitzenrängen aufgeschlossen als die an- platz unter den bundesdeutschen neuro-
deren Disziplinen. Sichtbar ist auch, dass Die Georg-August-Universität Göttingen, wissenschaftlichen Forschungsstandorten
die Hochschulmedizin im Freistaat Bay- eine der traditionsreichen Hochschulen in Göttingen zu sehen. 5. Die Universität
ern weniger zum Gelingen beigetragen Deutschlands, ist nicht nach allen Krite- hat es verstanden, hoch qualifizierte Wis-
hat als in anderen Bundesländern; dies rien überragend. Gemessen an der Dritt- senschaftler für ihre Entscheidungspositi-
könnte auch ein Zeichen dafür sein, dass mitteleinwerbung ihrer Professoren und onen zu gewinnen. Nur Wissenschaftler,
es an den bayerischen Medizinischen Fa- an der Zahl ihrer Sonderforschungsbe- die zuvor selbst in der harten Kompetiti-
kultäten noch an professionalisierten Ent- reiche und sonstigen Forschungsverbünde on erfolgreich waren, finden als Verant-
scheidungsstrukturen fehlt. liegt sie im oberen Bereich, aber nicht an wortungsträger die notwendige Autorität,
Die erfolgreichen Medizinischen Fa- der Spitze (. Tab. 1). Dennoch hat sie er- um die klügsten Köpfe der Universität in
kultäten werden durch die Exzellenziniti- reicht, dass ihr Zukunftskonzept [6] vom die mühsamen Prozesse zur Rekrutierung
ative vielfach gewinnen und noch besser Bewilligungsausschuss akzeptiert wurde, guter Ideen für die Forschungsstrukturen
international sichtbar werden. Dies wird und die Georgia Augusta darf sich somit einzubinden.
in Freiburg und Göttingen sehr deut- für die kommenden fünf Jahre als Exzel- Die Universität Göttingen hat zur Ab-
lich, wo in erster Linie die Lebenswissen- lenzuniversität bezeichnen. Es macht neu- stimmung der gemeinsamen Ziele von
schaften die Voraussetzung für das uni- gierig, was diesen Erfolg begründet. Universität, Universitätsmedizin und au-
versitäre Zukunftskonzept schafften. Die 1. Die Universität Göttingen hat im ßeruniversitären Instituten in der Ex-
Medizinischen Fakultäten spüren, dass Jahr 2003, flankiert durch eine zukunfts- zellenzinitiative ein Göttingen Research
der Gewinn an Ansehen und neuen Sci- orientierte Gesetzgebung des Landes Nie- Council (GRC) eingerichtet, das über-
ence-Management-Strukturen noch wich- dersachsen, die Rechtsform einer Stiftung wiegend als Beratungsgremium dient.
tiger für die Zukunft sein werden als der angenommen. Sie gewann dadurch zahl- Zu seinen Aufgaben gehören die Suche
schiere Geldbetrag. Dennoch müssen die reiche neue Freiheitsgrade, beispielsweise nach neuen Forschungsschwerpunkten,
Medizinischen Fakultäten, die keine Gra- das autonome Berufungsrecht und neue die Synergien für Spitzenforschung er-
duiertenschulen und Exzellenzcluster ein- Entscheidungsstrukturen. 2. Zugleich lauben, und die Schaffung neuer Struktu-
bringen konnten und nicht aus dem Ti- wurde die Hochschulmedizin neu organi- ren für die Graduiertenlehre. Für gemein-
tel einer Exzellenzuniversität Nutzen zie- siert. Sie ist eine Teilstiftung und vereini- sam entwickelte und beantragte Projekte,
hen können, dadurch nicht unmittelbar gt im Integrationsmodell alle Funktionen beispielsweise zur Formulierung des Zu-
Schaden nehmen. Vielmehr werden al- einer Medizinischen Fakultät und eines kunftskonzepts für die Exzellenzinitiative,
le Medizinischen Fakultäten, die den Hut Universitätsklinikums unter einem drei- hat das GRC auch Entscheidungsfunkti-
in den Ring warfen, sich der Notwendig- köpfigen hauptamtlichen Leitungsgremi- onen übernommen, ohne mit den Gre-
keit besserer Forschungsvernetzung be- um. 3. Die Universität Göttingen hat ein mien der Universität zu interferieren. Das
wusst werden und schon allein von den exzellentes Umfeld von starken außeru- Zukunftskonzept [6] beinhaltet im We-
Bemühungen zur Planung der nächsten niversitären Partnern, fünf Max-Planck- sentlichen vier Programme. Durch Brain

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Gain soll ein verlässlicher, ganz auf dem zellenzinitiative in die Scientific Commu- schaffen hatten, aber mit ihrem Antrag in
persönlichen wissenschaftlichen Erfolg nity der Bundesrepublik Früchte tragend der dritten Förderlinie letztlich erfolglos
basierender Karriereweg für Nachwuchs- hineinwachsen kann. Doch haben die blieben, werden ihre Schwächen ­künftig
wissenschaftler geschaffen werden, ver- Gremien der DFG und des Wissenschafts- in den Findungsgremien für Spitzenpo-
bunden mit der Entwicklung neuer For- rats den notwendigen Adaptationsprozess sitionen analysieren müssen. Die hohe
schungsschwerpunkte. Brain Sustain be- gelenkt. Zwischenzeitlich ist offenkun- Bedeutung der außeruniversitären For-
inhaltet die Maßnahmen zur Förderung dig geworden, dass die Exzellenzinitiati- schung in Deutschland, auch für das inner­
von Spitzenforschern. Das Lichtenberg- ve des Bundes eine Bereicherung für die universitäre wissenschaftliche Leistungs-
Kolleg dient dem Aufbau eines Wissen- gesamte Forschungslandschaft darstellt. niveau, ist deutlich geworden. So endeten
schaftskollegs zur Förderung innovativer Die Gewinner konnten originelle Initia- isolierte Universitätsstandorte mit guten
und vernetzter Forschung in den Geistes- tiven finanziell realisieren, und darüber Drittmittelstatistiken, aber wenigen auße-
und Gesellschaftswissenschaften. Göt- hinaus ist der immaterielle Gewinn wohl runiversitären Forschungseinrichtungen,
tingen International dient der systema- noch bedeutender. Zugleich haben auch wie beispielsweise die Universitäten Er-
tischen Anwerbung herausragender aus- die Einrichtungen profitiert, deren Anträ- langen-Nürnberg und Würzburg, in der
ländischer Nachwuchswissenschaftler für ge abgelehnt wurden; denn auch diese ha- Grup­pe der Verlierer bei der ­Kompetition
den Wissenschaftsstandort. ben sich zur Rekrutierung guter Gedan- um ein erfolgreiches Zukunftskonzept.
Es bleibt müßig, darüber zu spekulie- ken gefunden, eben nicht so effektiv. Auch Die erfolgreichen Universitäten fanden
ren, was dem Bewilligungsausschuss den heute noch ist der Stimulus zu spüren; die sich dort, wo die Max-Planck-Gesellschaft
entscheidenden Anstoß zur Genehmi- Verlierer von 2006/2007 legen bereits Ide- sowie die Leibniz- und die Helmholtz-
gung des Zukunftskonzepts von Göttin- ensammlungen für die nächste Ausschrei- Gemeinschaft ihre Schwerpunkte veran-
gen gab; offensichtlich war er überzeugt bungsrunde im Jahr 2011 an [4, 5]. kert haben. Die langfristige Regionalpoli-
von der Glaubwürdigkeit eines Struktur- Falsch wäre, die Ansprüche an die Ex- tik des Bundes und der Länder wurde so-
konzepts, das auf professionellem Science zellenzinitiative des Bundes zu hoch zu ste- mit zu einem entscheidenden Erfolgsfak-
Management aufbaut. Nicht allein die cken. Mit zeitlich begrenzten Drittmittel- tor der Exzellenzinitiative. Dass Baden-
formalen Leistungsparameter haben für projekten in der gegebenen Größenord- Württemberg, wo außeruniversitäre For-
Göttingen den Ausschlag gegeben. Viel- nung ließen sich exzellente Forschungsver- schung dezentral angeordnet ist, den Frei-
mehr war es wohl ein glaubhaftes Kon- bünde definieren; jedoch reichen die ver- staat Bayern bei Weitem überrundete, wo
zept, welches das Gespür für Freiräume fügbaren Mittel bei Weitem nicht, um ei- die außeruniversitäre Forschung in der
der Wissenschaft erkennen ließ. ne internationale Eliteuniversität nach an- Landeshauptstadt München zentriert ist,
gelsächsischem Muster zu formen. Die fö- mag nicht verwundern.
Vorläufige Bilanz und ein deralen Mechanismen der Bundesrepublik Die Exzellenzinitiative des Bundes ge-
Blick in die Zukunft Deutschland stünden dem ohnehin dauer- nügt dem Anspruch, exzellente Cluster
haft entgegen. Universitäten mit mehr als von fähigen Hochschullehrern auszuzeich-
Die Exzellenzinitiative des Bundes hat in 25.000 Studierenden, einem breiten Aus- nen und ihre Aggregation zu fördern. Sie
den Jahren 2006 und 2007 die deutsche bildungsauftrag und gesetzlich veran- wird jedoch nicht Eliteuniversitäten schaf­
Forschungslandschaft aufgemischt und kerten Lehrdeputaten werden bleiben, was fen, die dem internationalen Anspruch auf
bereichert. Sie hat ein neues Förderinstru- sie sind; sie sind allenfalls Hochschulen Spitzeneinrichtungen genügen. Eine Elite­
ment geschaffen, das, besser als zahllose im oberen Qualitätssegment des globalen universität in Deutschland würde einen
frühere, meist divergente Universitätsran- Rankings. Spitzenforschung hat in diesen Organisationsrahmen benötigen, der von
kings, offen aussprechen lässt, wo die bes- Universitäten einen gewissen Platz, wenn den etablierten Landesuniversitäten weit
ten Universitäten Mitteleuropas liegen. auch durchwachsen mit wissenschaft- abweicht. Eine deutsche Eliteuni­versität
Die Exzellenzinitiative hat Forschungsmit- lichem Mittelmaß und breiten Aufgaben müsste neu gegründet werden, ohne Lehr-
tel für originelle Ideen mobilisiert, seien sie in der Dienstleistung für die Lehre. deputate, ganz unter dem Primat der For-
struktureller oder inhaltlicher Art. Es ist le- Die Exzellenzinitiative hat vieles ge- schung, abhängig von der Finanzierung
gitim geworden, den Elitegedanken auszu- lehrt. Imaginationskraft bei der Schaf- aus hohen Overheads; sie wäre fokussiert
sprechen. Einen weiteren Meilenstein hat fung neuer inneruniversitärer und ko- auf die Graduiertenlehre, auf die Ausbil-
die Exzellenzinitiative gesetzt mit dem Ge- operativer Förderstrukturen zahlt sich dung im Masterstudium und auf Promoti-
danken der Vollförderung durch Drittmit- aus. Hochschulleitungen wurden in der onen. Eine deutsche Eliteuniversität müss-
telgeber. Neu war für die DFG, dass die In- Vergangenheit oft genug an ihrem Ge- te frei sein von den forschungsfremden
frastruktur der Forschungsprojekte durch schick bei Repräsentationsaufgaben ge- Lasten, unter denen alle Landesuniversitä­
eine Programmpauschale von (vorläufig) messen; jetzt zählt erstmals die Gestal- ten stöhnen. Das wissenschaftliche Leis-
20% ohne ausgesprochene Zweckbindung tungskraft für Forschungskonzepte. Ge- tungsprinzip müsste ihre Seele sein. Nur
unterstützt wird. rade die 13 Universitäten, die zwar mit ei- eine universitäre Neugründung in Verant-
Vielleicht hatte die Politik mit ihrer ner Graduiertenschule und einem Exzel- wortung des Bundes, als nationale Univer-
primären Initiative des Jahres 2003 kaum lenzcluster die notwendige Plattform für sität mit überregionalem Auftrag, hätte die
eine klare Vorstellung davon, wie eine Ex- ein universitäres Forschungskonzept ge- Chance, an die Weltspitze zu kommen. Ih-

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Buchbesprechung

re Gründer müssten sich über die neidvolle Detlef Kuhn, Ingrid Papies-Winkler, Im letzten Teil des Buches setzen sich ver-
Kritik der Repräsentanten aller bestehen- Dieter Sommer (Hrsg.) schiedene Autoren mit den Erfolgsfaktoren
den Universitäten konsequent hinwegset- Gesundheitsförderung der Gesundheitsförderung mit sozial Be-
zen dürfen. Trägerfunktionen könnten da- mit ­sozial Benachteiligten – nachteiligten auseinander. Hierbei werden
bei auch der Max-Planck-Gesellschaft und ­Erfahrungen aus der Lebenswelt Themen wie kommunale Netzwerke, Partizi-
der Leibniz-Gemeinschaft zukommen. Stadtteil pation der Betroffenen als „ExpertInnen ihrer
Ohne forschungspolitischen Mut wird sich Frankfurt/Main: Mabuse 2009, 277 S., Lebenswelt“, Stadtteilentwicklung, die Be-
auf dem Weg zu einer echten deutschen (ISBN 978-3-940529-40-4), 26.00 EUR deutung der Akzeptanz und Kontinuität von
Elite-Universität nichts bewegen. Prävention und Gesundheitsförderung mit Gesundheitsförderung sowie die Notwendig-
und für sozial Benachteiligte steht für viele keit von Projektmanagement behandelt.
Anmerkung Akteure im Gesundheitsbereich ganz oben Im Schlusswort setzen sich die Herausgeber
Prof. Bernhard Fleckenstein ist Leiter des Instituts für auf der Agenda. Weitere Unterstützung, mit den Zukunftschancen der Gesundheits­
Virologie der Universität Erlangen-Nürnberg und Alt- Ideen und Anregungen zur partizipativen förderung mit sozial Benachteiligten ausein-
dekan der Medizinischen Fakultät und war Mitglied im
Stiftungsrat der Georg-August-Universität Göttingen Arbeit mit und für sozial benachteiligte ander, in dem besonders die positiven Ergeb-
und stellvertretender Vorsitzender des Stiftungsaus- Bevölkerungsgruppen bekommen diese Ak- nisse und Auswirkungen in den Vordergrund
schusses Hochschulmedizin dieser Universität. teure und ihre Mitstreiter jetzt durch dieses gestellt werden.
Anfang des Jahres erschiene Buch, das sich Waldemar Süß (Hamburg)
Korrespondenzadresse schwerpunktmäßig mit den Erfahrungen bei
Prof. Dr. B. Fleckenstein der Umsetzung von Gesundheitsförderung
Virologisches Institut, in der Lebenswelt bzw. Im Setting „Stadtteil“
Klinikum der Universität Erlangen-Nürnberg auseinandersetzt.
Schlossgarten 4, 91054 Erlangen
fleckenstein@viro.med.uni-erlangen.de Das Buch gliedert sich in drei Teile. Es beginnt
mit einem eher theoretischen Teil zu den
Dimensionen und Bestimmungsgrößen von
Literatur Gesundheitsförderung mit sozial Benachtei-
ligten, dem als zweiter Teil ein Bericht über
1. Deutsche Forschungsgemeinschaft, http://www. ein Berliner Modellprojekt folgt. Im dritten
dfg.de/exzellenzinitiative, 19. Oktober 2007
2. Deutsche Forschungsgemeinschaft, Förderranking Teil geht es um die Erfolgsfaktoren für dieses
2006: Institutionen, Regionen, Netzwerke Unterfangen und um ein Plädoyer für den
3. Hildebrandt V (2007) Wissenschaftsrat: Zukunft Ausbau partizipativer Ansätze.
der Hochschul-Medizin nach Wegfall des HBFG.
HIS-Workshop, Hannover Im ersten Teil werden also zunächst grund-
4. Deutsche Forschungsgemeinschaft und Wissen- sätzliche und theoretisch fundierte Überle-
schaftsrat: Bericht an die gemeinsame Wissen- gungen zur Gesundheitsförderung mit sozial
schaftskonferenz, http://www.gwk-bonn.de, 30.
November 2008 Benachteiligten erörtert. Das Thema Migrati-
5. Hornborstel S, Sondermann M (2009) Institut für on wird hierbei ebenfalls hervorgehoben. Es
Forschungsinformation und Qualitätssicherung wird deutlich, dass ein Migrationshintergrund
(iFQ), Forschung und Lehre 1/2009, http://www.
forschungsinfo.de nicht mit sozialer Benachteiligung gleichzu-
6. Georg-August-Universität Göttingen, Zukunfts- setzen ist, sondern differenzierter zu betrach-
konzept Tradition – Innovation – Autonomie, tet werden muss, weil er beispielsweise auch
http://www.uni-goettingen.de
soziale Chancen bietet.
Der zweite Teil befasst sich mit einem Modell-
projekt aus Berlin-Friedrichshain-Kreuzberg.
Unter dem Motto „Gesund sind wir stark!
– Sağliki daha gülçüyüz!“ wurden neuartige
Zugangswege gefunden, um Adipositas bei
Kindern vorzubeugen. Fachleute, die im Kon-
takt mit der Zielgruppe stehen, wurden zu
GesundheitstrainerInnen weitergebildet und
zudem wurden muttersprachliche Laien mit
türkischem oder arabischem Hintergrund zu
GesundheitsmentorInnen ausgebildet. Das
Wichtigste aus konzeptionellen Grundlagen,
Curriculum und Erfahrungen wird im zweiten
Teil des Buches dargestellt.

948 | Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz 9 · 2009

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