01.01 - Ökonomie Und Markt (De Skript)

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ÖKONOMIE UND MARKT

DLBOUM01-01
ÖKONOMIE UND MARKT
IMPRESSUM

Herausgeber:
IU Internationale Hochschule GmbH
IU International University of Applied Sciences
Juri-Gagarin-Ring 152
D-99084 Erfurt

Postanschrift:
Albert-Proeller-Straße 15-19
D-86675 Buchdorf
media@iu.org
www.iu.de

DLBOUM01-01
Versionsnr.: 001-2023-0531
Stefan Tscharaktschiew

© 2023 IU Internationale Hochschule GmbH


Dieser Lehrbrief ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte vorbehalten.
Dieser Lehrbrief darf in jeglicher Form ohne vorherige schriftliche Genehmigung der IU
Internationale Hochschule GmbH nicht reproduziert und/oder unter Verwendung elekt-
ronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.
Die Autor:innen/Herausgeber:innen haben sich nach bestem Wissen und Gewissen
bemüht, die Urheber:innen und Quellen der verwendeten Abbildungen zu bestimmen.
Sollte es dennoch zu irrtümlichen Angaben gekommen sein, bitten wir um eine dement-
sprechende Nachricht.

2
PROF. DR. SASCHA BEHNK

Herr Behnk ist seit 2021 Professor für Volkswirtschaftslehre an der IU Internationale Hoch-
schule.

Er studierte sowohl Volks- als auch Betriebswirtschaftslehre sowie Wirtschaftspsychologie an


verschiedenen Universitäten in Deutschland und Spanien und arbeitet seither in der interdis-
ziplinären Forschung und Lehre.

In seiner Forschungsarbeit untersucht Herr Behnk unternehmensethische Fragestellungen


auf Basis verhaltensökonomischer Ansätze, u. a. zu den psychologischen Grundlagen von
Compliance sowie zur Rolle von sozialen Normen in Unternehmen. Er forschte in verschiede-
nen Institutionen in der Schweiz, Spanien und den Vereinigten Staaten, u. a. als Visiting
Scholar an der Columbia University.

Parallel war Herr Behnk in verschiedenen Unternehmensberatungen tätig, wobei er sich


zunächst schwerpunktmäßig mit Beratungsprozessen in Kreditinstituten und später mit der
Analyse von Corporate Governance-Systemen und Managementvergütungen beschäftigte.

3
INHALTSVERZEICHNIS
ÖKONOMIE UND MARKT

Wissenschaftliche Kursleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3

Einleitung
Wegweiser durch das Studienskript . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8
Basisliteratur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
Übergeordnete Lernziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11

Lektion 1
Einführung in die Volkswirtschaftslehre 13

1.1 Knappheit und Wirtschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14


1.2 Grundannahmen des Wirtschaftens und Wirtschaftssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
1.3 Die mikroökonomische Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21

Lektion 2
Markt, Angebot und Nachfrage 25

2.1 Treffpunkt von Angebot und Nachfrage – das Marktgleichgewicht . . . . . . . . . . . . . . . . 27


2.2 Konsumenten- und Produzentenrente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40
2.3 Preiseingriffe durch den Staat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42
2.4 Die Wirkung von Steuern und Subventionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53
2.5 Die Preiselastizität der Nachfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65

Lektion 3
Produktions- und Haushaltstheorie 77

3.1 Haushaltstheorie: optimale Konsumwahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78


3.2 Produktionstheorie: optimale Unternehmensentscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87

Lektion 4
Marktformen und Marktverhalten 95

4.1 Vollkommene Konkurrenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96


4.2 Monopol . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100
4.3 Oligopol . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104
4.4 Monopolistische Konkurrenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105

4
Lektion 5
Marktversagen 109

5.1 Externe Effekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110


5.2 Öffentliche Güter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117
5.3 Natürliche Monopole . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121
5.4 Asymmetrische Information . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125

Verzeichnisse
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130
Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132

5
EINLEITUNG
HERZLICH WILLKOMMEN
WEGWEISER DURCH DAS STUDIENSKRIPT

Dieses Studienskript bildet die Grundlage Ihres Kurses. Ergänzend zum Studienskript ste-
hen Ihnen weitere Medien aus unserer Online-Bibliothek sowie Videos zur Verfügung, mit
deren Hilfe Sie sich Ihren individuellen Lern-Mix zusammenstellen können. Auf diese
Weise können Sie sich den Stoff in Ihrem eigenen Tempo aneignen und dabei auf lerntyp-
spezifische Anforderungen Rücksicht nehmen.

Die Inhalte sind nach didaktischen Kriterien in Lektionen aufgeteilt, wobei jede Lektion
aus mehreren Lernzyklen besteht. Jeder Lernzyklus enthält jeweils nur einen neuen
inhaltlichen Schwerpunkt. So können Sie neuen Lernstoff schnell und effektiv zu Ihrem
bereits vorhandenen Wissen hinzufügen.

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Mithilfe dieser Fragen können Sie eigenständig und ohne jeden Druck überprüfen, ob Sie
die neuen Inhalte schon verinnerlicht haben.

Sobald Sie eine Lektion komplett bearbeitet haben, können Sie Ihr Wissen auf der Lern-
plattform unter Beweis stellen. Über automatisch auswertbare Fragen erhalten Sie ein
direktes Feedback zu Ihren Lernfortschritten. Die Wissenskontrolle gilt als bestanden,
wenn Sie mindestens 80 % der Fragen richtig beantwortet haben. Sollte das einmal nicht
auf Anhieb klappen, können Sie die Tests beliebig oft wiederholen.

Wenn Sie die Wissenskontrolle für sämtliche Lektionen gemeistert haben, führen Sie bitte
die abschließende Evaluierung des Kurses durch.

Die IU Internationale Hochschule ist bestrebt, in ihren Skripten eine gendersensible und
inklusive Sprache zu verwenden. Wir möchten jedoch hervorheben, dass auch in den
Skripten, in denen das generische Maskulinum verwendet wird, immer Frauen und Män-
ner, Inter- und Trans-Personen gemeint sind sowie auch jene, die sich keinem Geschlecht
zuordnen wollen oder können.

8
BASISLITERATUR
Mankiw, N.G./ Taylor, M.P. (2021): Grundzüge der Volkswirtschaftslehre. 8. Auflage, Schäffer-
Poeschel, Stuttgart.

Pindyck, R. S./Rubinfeld, D. L. (2018): Microeconomics. 9. Auflage, Pearson, München.

Van Suntum, U. (2013): Die unsichtbare Hand: Ökonomisches Denken gestern und heute.
5. Auflage, Springer Gabler, Berlin.

Varian, H. (2016): Grundzüge der Mikroökonomik. 9. Auflage, De Gruyter, Oldenbourg.

9
WEITERFÜHRENDE
LITERATUR
LEKTION 1

Thielscher, C. (2020): Wirtschaftswissenschaften verstehen: Eine Einführung in ökonomi-


sches Denken. Springer Gabler, Berlin, S. 1–163.

LEKTION 2

Thomschke, L. (2019): Über die Evaluierung der Mietpreisbremse. In: Zeitschrift für Immobi-
lienökonomie, 5. Jg., Heft 1–2, S. 21–36.

Oates, W. E./Schwab, R. M. (2015): The window tax: A case study in excess burden. In: Jour-
nal of Economic Perspectives, 29. Jg., Heft 1, S.163–180.

LEKTION 3

Musili, C./Salon, D. (2019): Do Private Transport Services Complement or Compete against


Public Transit? Evidence from the Commuter Vans in Eastern Queens, New York. In:
Urban Science, 3. Jg., S. 24.

LEKTION 4

Dixit, A. K./Stiglitz, J. E. (1977): Monopolistic competition and optimum product diversity. In:
American Economic Review, 67. Jg., Heft 3, S. 297–308.

Makowski, L./Ostroy, J. M. (2001): Perfect Competition and the Creativity of the Market. In:
Journal of Economic Literature, 39. Jg., Heft 2, S. 479–535.

LEKTION 5

Akerlof, G. A. (1970): The Market for Lemons: Quality Uncertainty and the Market Mechanism.
In: Quarterly Journal of Economics, 84. Jg, Heft 3, S. 488–500.

Parry, I. W./Walls, M./Harrington, W. (2007): Automobile externalities and policies. In: Jour-
nal of Economic Literature, 45. Jg., Heft 2, S. 373–399.

10
ÜBERGEORDNETE
LERNZIELE
Der Kurs Ökonomie und Markt vermittelt Ihnen ein grundlegendes Verständnis der öko-
nomischen Zusammenhänge in einer Volkswirtschaft unter Berücksichtigung der Akteure:
Haushalte, Unternehmen, Staat. Es wird die fundamentale Bedeutung des Marktes aufge-
zeigt und erläutert, welchen Zusammenhang es zwischen Staat und Markt in marktwirt-
schaftlich ausgerichteten Volkswirtschaften gibt.

Sie erhalten zunächst einen Überblick über die wichtigsten Grundlagen dieses Fachge-
biets. So werden Sie sich beispielsweise mit den Fragen beschäftigen, welchen engen
Zusammenhang es zwischen Knappheit und Wirtschaften gibt und warum ökonomische
Modelle für das Fachgebiet der Volkswirtschaftslehre so wichtig sind, um grundlegende
Fragen in Bezug auf das ökonomische Verhalten verschiedener Akteure und die mit deren
Verhalten im Zusammenhang stehenden Auswirkungen diskutieren zu können.

Anschließend erhalten Sie einen Einblick in die Wirkungsweise von Märkten sowie das Ent-
scheidungsverhalten bedeutender ökonomischer Akteure. Sie werden sehen, wie ver-
schiedene Akteure auf Märkten zusammentreffen, welche Auswirkungen Markteingriffe
seitens des Staates haben und wie Individuen und Unternehmen durch ökonomische
Anreize (auf Märkten gebildete Preise) in ihrem Entscheidungsverhalten beeinflusst wer-
den.

Ferner werden Ihnen die wichtigsten Eigenschaften unterschiedlicher Marktformen erläu-


tert. Sie werden kennenlernen, welche Implikationen sich aus unterschiedlichen Marktfor-
men ergeben und welche Rolle der Staat hierbei einnimmt.

Schließlich werden Sie mit verschiedenen Marktunvollkommenheiten und den Gründen


dafür vertraut gemacht. Sie werden erfahren, welche (staatlichen) Maßnahmen möglich
und sinnvoll sind, um Ineffizienzen in Märkten zu beseitigen.

11
LEKTION 1
EINFÜHRUNG IN DIE
VOLKSWIRTSCHAFTSLEHRE

LERNZIELE

Nach der Bearbeitung dieser Lektion werden Sie wissen, …

– wie Waren/Dienstleistungen und Ressourcen miteinander in Verbindung stehen.


– welcher Zusammenhang zwischen Knappheit und Wirtschaften besteht.
– welche Rolle das Preissystem dabei spielt.
– welche grundlegenden Wirtschaftssysteme es gibt.
– weshalb ökonomische Modelle in der Volkswirtschaftslehre von großer Bedeutung
sind.
1. EINFÜHRUNG IN DIE
VOLKSWIRTSCHAFTSLEHRE

Einführung
Der Begriff Volkswirtschaft (Ökonomie) lässt sich aus dem Griechischen ableiten und
bezeichnet jemanden, der einen Haushalt führt bzw. bewirtschaftet. Die Volkswirtschafts-
lehre als Teilgebiet der Wirtschaftswissenschaften (wiederum Teilgebiet der Sozialwissen-
schaften) beleuchtet unzählige gesellschaftsrelevante Aspekte unseres (ökonomischen)
Alltages und ist daher von höchster Relevanz für die Ausgestaltung unseres täglichen
Lebens (Mankiw/Taylor 2018, S. 1).

1.1 Knappheit und Wirtschaften


Obwohl der Bezug zu Haushalten auf den ersten Blick relativ begrenzt erscheint, lässt sich
eine Analogie zu Unternehmen, zum Staat oder der Gesellschaft als Ganzes einfach und
intuitiv herstellen. Im Folgenden zeigen wir, dass für all diese Ebenen Knappheit und
Bewirtschaftung in enger Beziehung zueinander stehen (Mankiw/Taylor 2018, S. 2f.).

Ein Haushalt bzw. dessen Mitglieder sehen sich permanent einer Vielzahl von Entschei-
dungen gegenüber. Um nur einige wenige zu nennen:

• Welches Mitglied im Haushalt geht einer beruflichen Tätigkeit nach und in welchem
Umfang?
• Wer betreut die Kinder bzw. wer bringt die Kinder in die Kindertagesstätte/Schule?
• Wer kocht das Essen? Wer kauft die dafür notwendigen Lebensmittel? Welche Lebens-
mittel sollen in welchem Umfang gekauft werden (z. B. Fleisch vs. Gemüse)?
• Wie viele private Pkw soll es pro Haushalt geben? Mit welchem Antrieb sollte das Fahr-
zeug ausgestattet sein (z. B. Benzin vs. Elektro)? Wer fährt mit dem privaten Pkw zur
Arbeit und wer nutzt gegebenenfalls öffentliche Verkehrsmittel?
• Wie viel Urlaub kann sich der Haushalt leisten und wo wird dieser verbracht?
• Wird zur Miete oder im Eigenheim gewohnt?

Ähnliches gilt für die in einer Volkswirtschaft agierenden (privaten oder öffentlichen)
Unternehmen/Firmen, welche die Gesamtheit der Haushalte mit Waren und Dienstleistun-
gen versorgen (im Folgenden subsumieren wir sowohl Waren als auch Dienstleistungen
Güter unter dem Begriff Güter). Nehmen wir als erstes Beispiel einen Automobilhersteller. Dieser
Dies sind Mittel, d. h. steht z. B. vor folgenden Entscheidungen:
Waren und Dienstleistun-
gen, zur menschlichen
Bedürfnisbefriedigung. • An welchem Standort sollen die Fahrzeuge produziert werden?
• Welche Fahrzeuge sollen produziert werden?
• Soll eher kapitalintensiv (maschinell) oder arbeitsintensiv produziert werden?

14
• Wie viel wird in Forschung und Entwicklung investiert?
• Wie viel soll in Werbung und Marktforschung investiert werden?

Betrachten wir als weiteres Beispiel ein Dienstleistungsunternehmen, z. B. ein Unterneh-


men des öffentlichen Personennahverkehrs. Folgende Entscheidung hat das Unterneh-
men unter anderem zu treffen:

• Wie viele Busse/Straßenbahnen sollen angeschafft werden?


• In welcher Taktfrequenz soll die Nachfrage bedient werden?
• Wie viele Fahrkartenkontrolleure sollen eingesetzt werden?
• Soll mit fortschreitender Elektrifizierung des Verkehrs eher in Elektrobusse investiert
oder sollen weiterhin Dieselbusse angeschafft werden?

Der Staat als übergeordnete Instanz, man spricht in der Volkswirtschaftslehre häufig von
einem „wohlwollenden zentralen Planer“ (Mankiw 2013, S. 26), hat in einer Volkswirt-
schaft eine bedeutende Rolle. Beispielsweise muss er Güter, die Private aus verschiedenen
Gründen aus eigenem Antrieb nicht bereitstellen würden, selbst anbieten. Weiterhin hat er
die Aufgabe, bestimmte Ineffizienzen, welche in Volkswirtschaften auftreten können, zu
identifizieren und Maßnahmen zu deren Beseitigung zu ergreifen. Schließlich hat er auf
eine gerechte(re) Verteilung der zur Verfügung stehenden Ressourcen hinzuwirken, um Ressourcen
unerwünschte Verteilungseffekte zu vermindern und um den Zusammenhalt sowie das Verfügbare Mittel zur
Bewältigung bestimmter
Funktionieren der Gesellschaft als Ganzes zu gewährleisten (Mankiw/Taylor 2018, S. 10f.). Aufgaben (z. B. Herstel-
Zur Durchsetzung dieser Aufgaben stehen dem Staat eine Vielzahl von Instrumenten zur lung/Konsum von Gütern)
Verfügung, so z. B. das Erheben von Steuern, um Einnahmen zu generieren, oder der werden Ressourcen
genannt.
Erlass von Regulierungen (Gebote, Verbote, Beschränkungen usw.). Der Staat steht in die-
sem Zusammenhang vor vielfältigen Entscheidungen:

• In welchen Bereichen sollten Steuern unter Berücksichtigung von deren Wirkungen


erhoben werden? Wie hoch sollten die Steuersätze dann sein?
• Wie sollten die Steuereinnahmen verwendet werden?
• Gibt es bestimmte Bereiche privaten Handelns, welche reguliert werden sollten, und
wenn ja, in welchem Umfang? Sollte es beispielsweise eine allgemeine Geschwindig-
keitsbegrenzung auf Autobahnen geben und wie stringent hätte diese zu sein? Sollten
Wohnungsmieten nach oben begrenzt werden, d. h. wären Höchstpreise festzusetzen?

Wenngleich kein eigenständiger Akteur im engeren Sinne, sieht sich auch die Gesellschaft
als Konglomerat der oben genannten drei Akteure fundamentalen Entscheidungen gegen-
über, welche häufig das Ergebnis eines gesamtgesellschaftlichen Abwägungsprozesses
sind. Beispielhaft lassen sich nennen:

• Entscheidungen zur Energieversorgung eines Landes (Atomstrom ja oder nein; Ausbau


von Windenergie durch Bau von Windrädern ja oder nein);
• Entscheidungen für oder gegen eine allgemeine Wehrpflicht;
• Entscheidungen zur Privatisierung/Verstaatlichung bestimmter Wirtschaftszweige.

15
Zentraler und wesentlicher Punkt ist nun, dass in Volkswirtschaften die ökonomischen
Entscheidungen der oben genannten Akteure vor dem Hintergrund der Knappheit der Mit-
tel bzw. der Knappheit der Ressourcen erfolgen (Mankiw/Taylor 2018, S. 2f.). Das heißt, das
Wirtschaften der Akteure erfolgt in der Regel unter der Nebenbedingung der Knappheit
der Ressourcen bzw. Mittel. Mit anderen Worten:

• weder Konsum noch Produktion sind in der Regel unbegrenzt;


• bei gegebenen Ressourcen/Mitteln erfordert Mehrkonsum bzw. Mehrproduktion an der
einen Stelle in der Regel einen Minderkonsum bzw. Minderproduktion an anderer Stelle.

Die Begrenztheit von Konsum im weiteren Sinne wird besonders deutlich, wenn man sich
vergegenwärtigt, dass aus volkswirtschaftlicher Perspektive auch „Zeit“ eine Ressource
darstellt. Jedes Individuum kann pro Kalendertag exakt 24 Stunden „konsumieren“ und es
gilt zu entscheiden, auf welche Tätigkeiten dieses Zeitbudget verteilt werden soll (Arbeit
vs. Freizeit vs. Reisen vs. Schlafen usw.). Volkswirtschaftlich betrachtet induziert also die
Knappheit von Ressourcen/Mitteln die Notwendigkeit des Wirtschaftens nicht nur in Bezug
auf materielle Dinge, sondern insbesondere auch in Bezug auf die Ressource Zeit (Becker
1965).

Haushalte haben neben dem systemimmanenten festen Zeitbudget in der Regel auch ein
begrenztes (monatliches) Haushaltsbudget. Infolge der Knappheit müssen sie dann ent-
scheiden, wie sie dieses Budget auf die potenziellen Verwendungsmöglichkeiten aufteilen.
Die abzuwägenden Alternativen sind dann beispielsweise:

• Kauf eines teuren Autos bei gleichzeitigem Verzicht auf Urlaubsreisen;


• Miete einer kleinen, gerade neu erbauten Wohnung oder einer großen älteren Wohnung;
• eine vierwöchige Urlaubsreise mit Ferienwohnung oder eine zweiwöchige Urlaubsreise
im Fünfsternehotel.

Ähnliches gilt für Unternehmen und den Staat, die unter der Prämisse knapper Ressour-
cen/Mittel entscheiden müssen, welche Art von Waren und Dienstleistungen sie mit wel-
chen knappen Produktionsfaktoren (Arbeit, Kapital, Boden) produzieren und anbieten
(Unternehmen) und zu welchem Zweck begrenzte Steuereinnahmen verwendet werden
sollen oder welche Märkte reguliert werden sollen und welche nicht (Staat).

Die Knappheit der Ressourcen/Mittel und damit die Notwendigkeit, alternative Verwen-
dungen gegeneinander abzuwägen als fundamentale Aspekte allen Wirtschaftens (Man-
kiw/Taylor 2018, S. 3f.), lassen sich mit folgender Redewendung sehr gut zusammenfas-
sen: „There is no such thing as a free lunch (Es gibt nichts umsonst)!“

Der Zusammenhang zwischen Knappheit und Wirtschaften ist in folgender Abbildung


nochmals veranschaulicht. Das linke Diagramm bezieht sich auf private Haushalte und das
rechte Diagramm auf die Ökonomie als Ganzes.

16
Abbildung 1: Knappheit und Wirtschaften

Quelle: Stefan Tscharaktschiew, 2020.

Nehmen wir an, ein repräsentativer Haushalt konsumiert in einer bestimmten Zeitperiode
Produkte aus einem repräsentativen Warenkorb mit typischen Konsumgütern (außer
Wohnen), etwa in der Form, wie er vom statistischen Bundesamt definiert wird. Die Anzahl
der konsumierten Warenkörbe sei mit x1 gekennzeichnet (auf Abszisse abgetragen) und
der Preis eines Warenkorbes mit p1.Weiterhin konsumiert der Haushalt das Gut Wohnen.
Die Größe seiner Wohnung in m² sei mit x2 gekennzeichnet (auf Ordinate abgetragen) und
der Preis (Miete) mit p2. Das gegebene Haushaltseinkommen pro Zeitperiode ist Y. Unter
Ausschluss von Sparen und Kreditaufnahme lässt sich die Budgetbeschränkung des Haus-
haltes dann schreiben als p1x1 + p2x2 = Y (Varian 2016, S. 22). Die zwei Güter bzw. Güter-
gruppen sind im linken Teil der obigen Abbildung auf den jeweiligen Achsen abgetragen.
Stellt man die Budgetbeschränkung nach x2 um, ergibt sich als Gleichung:

Y p1x1
x2 = p2
− p2

Diese Budgetgerade ist in der Abbildung als lineare Gerade abgetragen. Alle Güterkombi-
nationen (Konsummuster) auf der Budgetgeraden kann sich der Haushalt gerade leisten.
p1
Die Gerade verläuft fallend (mit Anstieg − p ). Möchte also der Haushalt beispielsweise in
2
eine größere Wohnung ziehen, dann müsste er im Gegenzug auf einige Konsumgüter ver-
zichten. Hintergrund ist die Knappheit seiner finanziellen Mittel. Das führt dazu, dass der
Haushalt in einem wirtschaftlichen Abwägungsprozess seinen Bedürfnissen entsprechend
die Konsumentscheidung insgesamt dahingehend anpasst, dass Mehrkonsum an der
einen Stelle einen Minderkonsum an der anderen Stelle impliziert (und umgekehrt). Wie
genau und in welchem Umfang dieser Anpassungsprozess stattfindet, d. h., welche Güter-
kombinationen der Haushalt letztlich wählt, ist unter anderem abhängig von den Präfe-
renzen des Haushaltes (Mankiw/Taylor 2018, S. 68). Wichtig ist hierbei zu betonen, dass Präferenzen
dieser Abwägungs- bzw. Tauschprozess nur stattfindet, wenn eine Knappheit der Mittel Vorlieben für bestimmte
Waren und Dienstleistun-
vorliegt, d. h., wenn sich der Haushalt im Rahmen seiner ökonomischen Entscheidungen gen
rational verhält und sich somit entlang der Budgetgeraden „bewegt“ (immer unter der

17
Prämisse, dass Sparen oder Kreditaufnahme nicht stattfinden). Betrachten wir beispiels-
weise das Konsummuster in Punkt A. Offensichtlich konsumiert der Haushalt ohne sein
Budget vollständig auszuschöpfen. Die Knappheitseigenschaft seiner finanziellen Mittel
kommt hier nicht zum Tragen und ein Abwägungsprozess im Rahmen seiner wirtschaftli-
chen Entscheidungen findet nicht mehr statt, da der Haushalt nun von x1 mehr konsumie-
ren kann, ohne dabei auf x2 verzichten zu müssen (und umgekehrt). Es leuchtet ein, dass
sich der Haushalt (lässt man die Möglichkeit zu Sparen außer Acht) bei einem Konsum-
muster wie in Punkt A irrational verhalten würde. Anders ausgedrückt, der Haushalt würde
ein Konsummuster wählen, welches nicht (!) nutzenmaximierend ist.

MERKE
Merken wir uns also: Die Knappheit der Ressourcen (hier Einkommen, Bewe-
gung auf der Budgetgeraden) impliziert einen ökonomischen Abwägungspro-
zess (Verzicht auf der einen Seite zugunsten Mehrkonsum auf der anderen
Seite).

Betrachtet man die Ökonomie als Ganzes (dargestellt im rechten Diagramm der Abbil-
dung), ergeben sich deckungsgleiche Schlussfolgerungen. Dargestellt ist die sogenannte
Transformationskurve (oder auch Produktionsmöglichkeitenkurve) einer Volkswirtschaft
(Mankiw/Taylor 2018, S. 565f.). Angenommen, eine Volkswirtschaft kann mit den ihr zur
Verfügung stehenden Produktionsfaktoren …

• … Arbeit (häufig auch als Humankapital bezeichnet),


• Kapital („technisches“ Kapital in der Form von Sachanlagen und Maschinen),
• Boden

zwei Arten von Gütergruppen produzieren: Nahrungsmittel und Automobile. In den meis-
ten Fällen werden für beide Gütergruppen alle drei Arten von Produktionsfaktoren benö-
tigt. So braucht z. B. die Automobilproduktion einen gewissen Anteil der Bodenfläche
eines Landes für die jeweiligen Produktionsstätten, während die Massenproduktion von
Nahrungsmitteln heutzutage auch kapitalintensiv ist (Erntemaschinen usw.). Gemäß der
für ein bestimmtes Land geltenden Transformationskurve könnte sich die Volkswirtschaft
in einem Extremfall also entscheiden, entweder nur Automobile (Punkt A) oder nur Nah-
rungsmittel (Punkt B) zu produzieren. Gleichzeitig wäre mit den verfügbaren Produktions-
faktoren jedes andere Produktionsmuster entlang bzw. auf der Transformationskurve
möglich. Wie im Falle der Haushalte wird dieser Abwägungsprozess durch die Knappheit
der Produktionsfaktoren (Ressourcen) hervorgerufen. Würde die Volkswirtschaft in einem
ursprünglich ineffizienten Punkt C operieren (die Volkswirtschaft „vergeudet“ zur Verfü-
gung stehende Produktionsfaktoren), herrschte keine Knappheit und eine Mehrproduk-
tion beider Gütergruppen wäre möglich. Nun überlegen Sie, warum das in Punkt D darge-
stellte Produktionsmuster nicht realisierbar ist. Auch hier ist die Knappheitseigenschaft
von zentraler Bedeutung. Weil die Produktionsfaktoren knapp sind, ist deren Menge im
konkreten Fall nicht ausreichend, um dieses Produktionsmuster zu realisieren.

18
1.2 Grundannahmen des Wirtschaftens
und Wirtschaftssysteme
Preismechanismus als Anreizsystem

Wie wir im vergangenen Lernzyklus gezeigt haben, führen Knappheitsprobleme zu Abwä-


gungsprozessen bei den ökonomischen Akteuren. So führt die Knappheit der finanziellen
Mittel bei privaten Haushalten beispielsweise dazu, dass Veränderungen von Konsummus-
tern bei Ausschöpfung des verfügbaren Budgets immer nur entlang der Budgetgerade
bzw. auf ihr stattfinden können (siehe hierzu das linke Diagramm in der vorherigen Abbil-
dung). Eine der wichtigsten Fragen ist nun aber, was denn eine Veränderung von Konsum-
mustern im Falle von Haushalten (Bewegung entlang der Budgetgerade) bzw. von Produk-
tionsmustern im Falle von Unternehmen oder ganzen Volkswirtschaften (Bewegung
entlang bzw. auf der Transformationskurve) überhaupt auslösen kann? Die Antwort wird
offensichtlich, wenn man sich eine der zentralen Annahmen der gesamten Volkswirt-
schaftslehre vergegenwärtigt, nämlich dass ökonomische Akteure auf ökonomische
Anreize (Belohnungen) reagieren (Mankiw/Taylor 2018, S. 7).

Der wohl bedeutendste Mechanismus zur Herausbildung von ökonomischen Anreizen ist
der Preismechanismus. Ökonomische Akteure reagieren auf Veränderungen von Preisen, Preismechanismus
indem diese einen Anreiz bieten, mehr oder weniger zu konsumieren bzw. zu produzieren. zentrales Steuerungsele-
ment in marktwirtschaft-
Dass die Annahme zutreffend ist, ökonomische Akteure würden auf Anreize regieren, kann lich ausgerichteten Volks-
jeder Einzelne in seinem Alltagsleben selbst überprüfen. Insbesondere seit Einführung der wirtschaften
Markttransparenzstelle für Kraftstoffe lässt sich eine teils starke Schwankung der Kraft-
stoffpreise (Benzin, Diesel) selbst innerhalb eines einzelnen Tages feststellen. Kraftfahrer
verlagern ihre Tankvorgänge auf die Zeiten, in denen der Kraftstoff relativ günstig ist.
Kraftstoffpreise können aber auch langfristig schwanken, z. B. infolge von Veränderung
der Nachfrage bzw. des Angebotes an Rohöl oder durch staatliche Interventionen wie
Besteuerung. In diesem Fall bieten Kraftstoffpreise Anreize zu weiteren Verhaltensände-
rungen, z. B. Wechsel von Wohnstandorten, um den täglichen Pendelweg zur Arbeitsstätte
zu verkürzen, oder der Kauf eines verbrauchsärmeren Fahrzeuges. Der Preismechanismus
als Anreizgeber hat in diesem Fall auch eine Signal- und Lenkungsfunktion (Mankiw/Taylor
2018, S. 59).

Konkret entfaltet sich der Preismechanismus über Märkte (Konsumgütermärkte, Investiti-


onsgütermärkte, Arbeitsmärkte, Wohnungsmärkte usw.) durch das Zusammenspiel von
Angebot und Nachfrage. Preise werden auch durch Steuern beeinflusst (Konsumenten-
preise), was wiederum Anreize setzt, Angebot und Anfrage anzupassen. Märkte sind für
eine Volkswirtschaft von herausragender Bedeutung, da sich in einem Wirtschaftssystem,
wie dem der Marktwirtschaft, die Ressourcenverteilung über Märkte vollzieht (ebd., S. 59).

19
Bedeutung des Preis- und Marktmechanismus bei verschiedenen
Wirtschaftssystemen

Grundsätzlich lassen sich zwei Arten von Wirtschaftssystemen unterscheiden. Zum einen
das bereits erwähnte Modell der Marktwirtschaft, in dem die ökonomischen Aktivitäten
auf individuellen (dezentralen) Wirtschaftsplänen von Haushalten und Unternehmen
beruhen und die Erstellung und Verteilung von Gütern und Dienstleistungen mittels Preis-
mechanismus über Märkte stattfinden.

Zum anderen das Modell einer zentral gelenkten Wirtschaft (Zentralverwaltungswirtschaft,


oftmals auch Planwirtschaft genannt), in der die wirtschaftlichen Aktivitäten in einem
genau festgelegten Abstimmungsverfahren zwischen verschiedenen Institutionen, z. B.
von verschiedenen Ministerien, letztlich von einer zentralen Behörde geplant und gelenkt
werden. Die Erstellung und Verteilung von Gütern und Dienstleistungen erfolgt mithilfe
von Plänen.

Das in der Bundesrepublik Deutschland vorherrschende Wirtschaftssystem entspricht


dem der (sozialen) Marktwirtschaft (Papier 2007). Hierbei ist allerdings darauf hinzuwei-
sen, dass, obwohl die Marktwirtschaft durch die dezentralen Entscheidungen vieler einzel-
ner ökonomischer Akteure gekennzeichnet ist, einer zentralen Instanz (Staat, Regierung
bzw. deren untergeordnete Institutionen) dennoch eine enorme Rolle zukommt. Gibt es
Ressourcenallokation nämlich Marktgegebenheiten, die eine effiziente Ressourcenallokation verhindern, sollte
Einsatz der verfügbaren die zentrale Instanz legitimiert sein, in den Marktmechanismus einzugreifen. Es kann dem-
Ressourcen
nach auch in einer Marktwirtschaft Situationen geben, in denen ein zentraler Planer in das
Marktgeschehen eingreift, um so die Allokation der volkswirtschaftlichen Ressourcen
möglichst effizient zu gestalten (Mankiw/Taylor 2018, S. 10f.). Dies kann geschehen, wenn
eine ursprüngliche Marktsituation keinen effizienten Einsatz verfügbarer Ressourcen her-
vorbringt, wenn der Markt also versagt, dieser Rolle nachzukommen. Ein regelgebundenes
Eingreifen, falls es die Gegebenheiten erfordern, ist oftmals integraler Bestandteil einer
sozialen Marktwirtschaft (Papier 2007).

Nachfolgende Tabelle beinhaltet einen überblickartigen Vergleich der beiden Wirtschafts-


systeme Marktwirtschaft und Zentralverwaltungswirtschaft.

Tabelle 1: Übersicht und wesentliche Merkmale zentraler Wirtschaftssysteme

Zentralverwaltungswirtschaft

Wirtschaftssystem Marktwirtschaft Merkmal

Ressourcenverteilung dezentral über Märkte mittels zentral über Planungsinstanz


Preismechanismus mittels Planerstellung

Güterverteilung dezentral über Märkte mittels zentral über Planungsinstanz


Preismechanismus mittels Planerstellung

Eigentumsverteilung Privateigentum Kollektiveigentum

Ziel unternehmerischer Aktivität Gewinn, Entlohnung Planerfüllung

Quelle: Stefan Tscharaktschiew, 2020.

20
1.3 Die mikroökonomische Analyse
Die Mikroökonomie als Teilgebiet der Volkswirtschaftslehre befasst sich mit dem ökonomi-
schen Verhalten von Haushalten und Unternehmen (teilweise auch Staat) auf einzelwirt-
schaftlicher Ebene (Mankiw/Taylor 2018, S. 12). Das bedeutet, es wird das ökonomische
Entscheidungsverhalten von Haushalten und Unternehmen auf disaggregierter Ebene
untersucht – mit einem entsprechend hohen Detaillierungsgrad –, während gesamtwirt-
schaftliche Aspekte in der Regel (z. B. Importe, Exporte, Staatsverschuldung, Wirtschafts-
wachstum) ausgeblendet werden.

Durch die Komplexität menschlichen Entscheidungsverhaltens wird im Rahmen der mik-


roökonomischen Analyse sehr stark auf Modelle (oft in Form mathematischer Gleichun- Modell
gen und/oder Diagramme) zurückgegriffen, d. h., das ökonomische Verhalten der relevan- Ein vereinfachtes Abbild
der komplexen Wirklich-
ten Akteure wird modelliert und mit entsprechenden Verfahren analysiert (Mankiw/Taylor keit nennt man Modell.
2018, S. 33f.). Wie in jeder Wissenschaft gilt auch in der Mikroökonomie in Bezug auf die
Kerneigenschaft eines Modells, dass es sich um ein vereinfachtes Abbild der Wirklichkeit
handelt. Die Komplexität realen Entscheidungsverhaltens macht es notwendig, viele
Aspekte zu abstrahieren, um es im Rahmen einer Modellanalyse abbildbar zu machen.
Dieser Nachteil eines Modells ist aber gleichzeitig sein wichtigster Vorteil. In Abhängigkeit
von der Fragestellung und dem Untersuchungsgegenstand erlauben Modelle nämlich, von
im konkreten Fall eher nachrangigen Aspekten zu abstrahieren und sich stattdessen auf
wesentliche, für die konkrete Fragestellung besonders wichtige Punkte zu konzentrieren.
Da von unwesentlichen Aspekten abstrahiert wird, können die bedeutenden Punkte dafür
umso detaillierter und klarer betrachtet werden.

Nehmen wir als Beispiel das komplexe System einer Stadt mit all ihren Gebäuden, Stra-
ßen, Parks, Stationen des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) usw. Betrachtet man
diese Stadt in einem digitalen (Online-)Stadtplan, müsste man sehr stark hineinzoomen,
um alle Details beispielsweise in der Nähe des eigenen Wohnortes erkennen zu können.
Der Rest der Stadt passt dann allerdings nicht mehr in den Bildschirmausschnitt. Sind Sie
zudem daran interessiert, sich die Restaurants in der Nähe Ihres Wohnortes anzeigen zu
lassen und besitzen kein Auto, könnten Sie Straßen über einen Filter ausblenden und sich
lediglich die ÖPNV-Stationen anzeigen lassen. Im Ergebnis betrachten Sie also nur einen
Ausschnitt der Stadt, der wesentliche Dinge (Straßen) unberücksichtigt lässt, sich gleich-
zeitig aber auf die für Sie wesentlichen Dinge konzentriert (Restaurants, ÖPNV-Stationen).
Offensichtlich handelt es sich bei dem betrachteten Bildschirmausschnitt um ein stark ver-
einfachtes Abbild der Realität, welches aber dennoch von sehr hohem Nutzen für Sie ist,
denn es ermöglicht Ihnen, sowohl ein für Sie passendes Restaurant zu finden als auch den
nächstgelegenen ÖPNV-Haltepunkt zu identifizieren.

Genauso verhält es sich mit (mikro-)ökonomischen Modellen. Sie abstrahieren von vielen
(für einen konkreten Fall) weniger relevanten Aspekten, ermöglichen dadurch aber eine
detailliertere Betrachtung anderer (für einen konkreten Fall) wesentlich wichtigerer
Zusammenhänge, deren Modellierung und Analyse für Sie bedeutende Erkenntnisse lie-
fern kann.

21
Auf der Seite der Haushalte setzt sich die mikroökonomische Analyse z. B. mit folgenden
Fragestellungen auseinander. Gegeben den Präferenzen eines Haushaltes und unter der
Annahme, dass sich die Haushalte bzw. deren Mitglieder rational verhalten:

• Wie müssen die Konsummuster der Haushalte ausgestaltet sein (welche Güter sollen in
welcher Menge konsumiert/gekauft werden), um ein für die Haushalte bestmögliches
(wir sprechen von nutzenmaximal) Ergebnis zu erzielen?
• Wie ändern sich diese Konsummuster, wenn sich das Haushaltseinkommen und Preise
der verschiedenen Güter ändern?
• Wie ändern sich die Konsumentscheidungen bezüglich eines Gutes, wenn sich der Preis
eines anderen mehr oder weniger ähnlichen Gutes ändert?
• Wie ändern sich die Konsummuster der Haushalte, wenn der Staat die ökonomischen
Entscheidungsdeterminanten (insbesondere Einkommen und Preise) durch bestimme
Maßnahmen (z. B. Steuern auf Einkommen und Güter) beeinflusst?
• Gibt es Ineffizienzen in Märkten, die die Konsummöglichkeiten von Haushalten generell
negativ beeinflussen und wie lassen sich diese Ineffizienzen beseitigen oder zumindest
reduzieren?

Zentral für die Beantwortung obiger Fragestellungen und damit für die mikroökonomische
Analyse sind die einen Haushalt kennzeichnenden Präferenzen (Varian 2016, S. 35f.). Prä-
ferenzen spiegeln zum einen die Vorlieben eines Haushaltes bezüglich bestimmter Kon-
summuster wider. Während ein Haushalt es bevorzugt, in einer sehr geräumigen, gerade
neu errichteten Wohnung mit modernster Ausstattung zu leben und stattdessen auf
andere Dinge, z. B. häufige Restaurantbesuche zu verzichten, kann es bei einem anderen
Haushalt mit gleichem Haushaltsbudget genau umgekehrt sein. Zum anderen ermöglicht
die genaue Kenntnis von Haushaltspräferenzen auch Aussagen darüber, im welchem
Umfang ein Haushalt möglicherweise bereit ist, ein Gut gegen ein anderes zu ersetzen,
ohne dabei Einbußen im Wohlbefinden (wir sprechen später von Nutzen) hinnehmen zu
müssen. Wir sprechen von der Bereitschaft eines Haushaltes, ein Gut gegen ein anderes
Gut substituieren zu können. Diese Fähigkeit der Substitution, ohne Einbußen des Wohl-
befindens hinnehmen zu müssen, ist eng verknüpft mit den Präferenzen der Haushalte.

Auf der Seite der Unternehmen setzt sich die mikroökonomische Analyse z. B. mit folgen-
den Fragestellungen auseinander: Gegeben der im Produktionsprozess zum Einsatz
kommenden Technologie eines Unternehmens bzw. einer Branche und unter der
Annahme, dass sich die Produzenten rational verhalten:

• Wie müssen die Produktionsmuster der Unternehmen ausgestaltet sein (welche Input-
faktoren sollen in welcher Menge im Produktionsprozess eingesetzt werden), um ein für
die Unternehmen bestmögliches (wir sprechen von gewinnmaximal) Ergebnis zu erzie-
len?
• Wie ändern sich diese Produktionsmuster, wenn sich die Preise der verschiedenen
Inputfaktoren ändern?
• Wie ändern sich die Inputfaktoreinsatzentscheidungen bezüglich eines Inputfaktors,
wenn sich der Preis eines anderen Inputfaktors ändert?

22
• Wie ändern sich die Produktionsmuster der Unternehmen, wenn der Staat die ökonomi-
schen Entscheidungsdeterminanten (Outputziel und Inputfaktorpreise) durch
bestimme Maßnahmen (z. B. Steuern auf die produzierten Güter, Steuern auf Inputfak-
toren) beeinflusst?
• Gibt es Ineffizienzen in Märkten, die die Produktionsmöglichkeiten von Unternehmen
generell negativ beeinflussen und wie lassen sich diese Ineffizienzen beseitigen oder
zumindest reduzieren?

Zentral für die Beantwortung obiger Fragestellungen und damit für die mikroökonomische
Analyse ist die ein Unternehmen bzw. eine Branche kennzeichnende Technologie (Varian
2016, S. 387f.). Sie gibt Auskunft darüber, in welchem Umfang und auf welche Art und
Weise ein Unternehmen bzw. eine Branche bestimmte Inputfaktoren einsetzt, um einen
bestimmten Output (Produkt oder Dienstleistung) zu erzeugen. Während eine bestimmte
Branche besonders arbeitsintensiv ist (z. B. Pflegedienstleistungen), kennzeichnet eine
andere Branche hingegen Kapitalintensivität (Automobilbranche). Auch können bei einem
Wirtschaftszweig die eingesetzten Inputfaktoren zur Erzielung eines bestimmten Outputs
relativ leicht gegeneinander ausgetauscht werden (z. B. Automobilindustrie) – in anderen
(z. B. Pflegedienstleistungen) ist dieser Austausch nur sehr begrenzt möglich. Auch hier
sprechen wir von der Bereitschaft, ob es einem Unternehmen/einer Branche möglich ist,
einen Inputfaktor gegen ein anderen substituieren zu können. Diese Fähigkeit der Substi-
tution, ohne eine Reduzierung des Outputniveaus hinnehmen zu müssen, ist eng ver-
knüpft mit der zugrunde liegenden Technologie.

Als weiterer zentraler Kernpunkt der mikroökonomischen Analyse erweist sich die
Annahme, dass sich die beiden Akteure Haushalte und Unternehmen rational verhalten
(Mankiw/Taylor 2018, S. 7).

• Im Falle von Haushalten sprechen wir davon, dass diese bestrebt sind, unabhängig
davon, welchen Restriktionen sie unterliegen (z. B. Haushaltsbudgetbeschränkung), das
bestmögliche (nutzenmaximale) Ergebnis zu erreichen und dementsprechend auch
handeln.
• Im Falle von Unternehmen sprechen wir davon, dass diese bestrebt sind, unabhängig
davon, welchen Restriktionen sie unterliegen (z. B. Technologiebeschränkung), das
bestmögliche (gewinnmaximale) Ergebnis zu erreichen und dementsprechend auch
handeln.

Die Akteure verhalten sich also rational, wenn sie sich einem ökonomischen Prinzip ent-
sprechend verhalten, wobei man grundsätzlich zwischen dem Maximalprinzip und dem
Minimalprinzip unterscheiden kann.

Tabelle 2: Ökonomisches Prinzip

Prinzip Minimalprinzip Maximalprinzip

Beschreibung mit minimalem Input (Einsatz) mit einem bestimmten/vorgege-


einen bestimmten/vorgegebe- benen Input (Einsatz) einen
nen Output (Ergebnis) erreichen maximalen Output (Ergebnis)
erreichen

23
Prinzip Minimalprinzip Maximalprinzip

Beispiel Studierender möchte die Studierender möchte die


Abschlussprüfung „nur“ beste- Abschlussprüfung mit der best-
hen und investiert gerade so viel möglichen Note abschließen
an Vorbereitungszeit, um dieses und investiert die dafür notwen-
vorgegebene Ziel zu erreichen. dige Vorbereitungszeit.

Quelle: Stefan Tscharaktschiew, 2020.

ZUSAMMENFASSUNG
Wir haben uns mit einigen grundlegenden Aspekten der Volkswirt-
schaftslehre auseinandergesetzt. Es konnte gezeigt werden, dass Knapp-
heit und Wirtschaften eng miteinander verknüpft sind. Knappheit von
Ressourcen impliziert einen wirtschaftlichen Abwägungsprozess ökono-
mischer Akteure (Ein Mehr an der einen Stelle kann nur durch ein Weni-
ger an einer anderen Stelle realisiert werden.).

Präferenzen sorgen dafür, dass sich bei Haushalten ein bestimmtes Kon-
summuster herausbildet und Technologien determinieren bestimmte
Produktionsmuster auf Unternehmensseite. Preise bilden in Volkswirt-
schaften einen Anreizmechanismus, der Abwägungsprozesse in Gang
setzt und somit Veränderungen von Konsum- und Produktionsmustern
hervorrufen kann. Der Preismechanismus ist ein zentrales Steuerungs-
element in marktwirtschaftlich orientierten Wirtschaftssystemen.

Die Mikroökonomie als Teilgebiet der Volkswirtschaftslehre befasst sich


mit diesen Abwägungsprozessen im Detail und greift dabei insbeson-
dere auf ökonomische Modelle (hauptsächlich mathematische Gleich-
ungen und/oder Diagramme) zurück. Ein Modell ist ein vereinfachtes
Abbild komplexer realer Zusammenhänge es ermöglicht, von weniger
relevanten Aspekten zu abstrahieren, dafür aber zentrale Aspekte her-
vorzuheben. Modelle tragen daher dazu bei, die komplexen Sachver-
halte und Zusammenhänge realer Begebenheiten besser zu verstehen.
Der daraus resultierende Erkenntnisgewinn kann genutzt werden, die
Funktionsweise von Volkswirtschaften besser zu verstehen und die
Ergebnisse ökonomischer Prozesse zu verbessern.

24
LEKTION 2
MARKT, ANGEBOT UND NACHFRAGE

LERNZIELE

Nach der Bearbeitung dieser Lektion werden Sie wissen, …

– wie der Markt in einem marktwirtschaftlichen Wirtschaftssystem grundsätzlich funktio-


niert.
– wie sich durch den Marktmechanismus Güterpreise und Gütermengen ergeben.
– wie der Nutzen, den Konsumenten und Produzenten durch Teilnahme am Marktge-
schehen generieren, gemessen werden kann.
– welche Auswirkungen ein direktes Eingreifen des Staates in das Marktgeschehen in
Form von Höchstpreisen und Mindestpreisen haben könnte.
– welche Effekte mit der Einführung von Steuern und der Gewährung von Subventionen
seitens des Staates einhergehen.
– wovon die Auswirkungen und Effekte von Eingriffen in den Markt abhängen und wie die
Reaktion von Konsumenten auf Marktveränderungen gemessen wird.
2. MARKT, ANGEBOT UND NACHFRAGE

Einführung
Wenn es in Deutschland sehr wenig regnet, steigt in zahlreichen Supermärkten der Preis
vieler verschiedener Lebensmittel. Kommt der globale Luftverkehr aufgrund einer Viru-
spandemie fast vollständig zum Erliegen, während die Produzenten von Rohöl sich nicht
auf eine Förderkürzung einigen können, sinken an den Tankstellen die Benzinpreise. Wenn
der Staat es versäumt, in sozialen Wohnungsbau zu investieren, die Genehmigungsverfah-
ren zur Ausweisung von Bauland immer länger dauern, während die Menschen eine Vor-
liebe für städtisches Wohnen entwickeln und aufgrund fehlender alternativer Geldanlage-
möglichkeiten verstärkt in Wohneigentum investieren, dann steigen die Miet- und
Kaufpreise von städtischen Immobilien. Falls immer weniger junge Menschen eine Vor-
liebe für handwerkliche Berufe entwickeln, während für entsprechende Dienstleistungen
aufgrund eines anhaltenden Booms in der Baubranche ein hoher Bedarf besteht, dann
steigen die Gehälter von Elektrikern, Malern, Fliesenlegern usw.

Was haben all diese Ereignisse gemeinsam? Sie zeigen das Wirken von Angebot und Nach-
Markt frage auf verschiedenen Märkten.
Der „Ort“ an dem Ange-
bot und Nachfrage bzw.
die Gruppe potenzieller
Verkäufer (Anbieter) und
Käufer (Nachfrager)
MERKE
bestimmter Güter zusam-
mentreffen. Angebot und Nachfrage sind für Ökonomen von herausragender Bedeutung,
denn sie sind die Triebkräfte für das Funktionieren einer Marktwirtschaft und in
den meisten Fällen entscheidend dafür verantwortlich, welchen Preis Haushalte
bzw. Unternehmen für Waren und Dienstleistungen bzw. für Vorprodukte (Input-
faktoren) zahlen müssen (Mankiw/Taylor 2018, S. 59f.).

Wenn man die Auswirkungen irgendeines Ereignisses oder einer wirtschaftspolitischen


Maßnahme auf die Volkswirtschaft beurteilen möchte, muss man zuerst darüber nachden-
ken, wie Angebot und Nachfrage überhaupt entstehen und wovon Angebot und Nachfrage
beeinflusst werden.

26
2.1 Treffpunkt von Angebot und
Nachfrage – das Marktgleichgewicht
Markt

Angebot und Nachfrage werden – je nachdem, welche Waren und Dienstleistungen ange-
boten und nachgefragt werden, über verschiedene Märkte organisiert. So werden Gemü-
sehändler ihre Waren auf Wochenmärkten beispielsweise in zentralen Innenstadtlagen,
Vermieter ihre Wohnungen auf Wohnungsmärkten und Verkäufer gebrauchter Pkw ihre
Fahrzeuge auf Gebrauchtwagenmärkten anbieten.

Eine genauere Betrachtung der genannten Beispiele macht deutlich, dass Märkte unter-
schiedlich stark organisiert sein können. Auf einem Gemüsemarkt treffen sich Anbieter
und Nachfrager zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort. Sowohl Anbie-
ter als auch Nachfrager erhalten unmittelbare Kenntnis von den anderen Verkäufern und
Käufern auf diesem speziellen, vergleichsweise hochgradig organisierten Markt. Der
Gebrauchtwagenmarkt hingegen ist – wie übrigens die meisten Märkte, weit weniger stark
organisiert. Die potenziellen Käufer treffen sich nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt an
einem ganz bestimmten Ort in der Stadt. Sie werden sich wahrscheinlich niemals über den
Weg laufen. Die Gebrauchtwagenverkäufer findet man an vielen verschiedenen Orten
(auch viele Privathaushalte bieten ihre privaten Pkw zum Verkauf an). Der Gebrauchtwa-
genverkäufer bringt ein „Preisschild“ am Fahrzeug an, und ein potenzieller Käufer ent-
scheidet sich zu einem möglicherweise auch späteren Zeitpunkt, ob er dieses Fahrzeug
kaufen möchte. Um sein Produkt „vermarkten“ zu können, muss der Gebrauchtwagen-
händler also zunächst selbst gar nicht anwesend sein.

Obwohl vergleichsweise wenig organisiert, bilden Nachfrager und Anbieter von Pkw-
Gebrauchtwagen einen Markt: den Pkw-Gebrauchtwagenmarkt.

Wettbewerb

Im obigen Beispiel des Pkw-Gebrauchtwagenmarktes ist es plausibel anzunehmen, dass


jeder Nachfrager bzw. Käufer weiß, dass es viele Anbieter bzw. Verkäufer von Gebraucht-
wagen gibt, und jeder Verkäufer sich zudem bewusst ist, dass sein Produkt dem anderer
Anbieter relativ ähnlich ist. Die Verkäufer können daher nicht frei entscheiden, zu wel-
chem Preis sie einen gebrauchten Pkw mit bestimmten Merkmalen (z. B. Marke, Jahr der
Erstzulassung, Kilometerleistung, Ausstattung, Unfallschäden) anbieten, da sie bei einem
zu hohen Preis befürchten müssten, ihr Produkt niemals verkaufen zu können. Auch die
potenziellen Käufer können die Preise nicht einfach diktieren, denn böte ein Kunde einen
zu geringen Preis für einen Gebrauchtwagen, würde der Händler seine Ware einfach an
den nächsten Kunden verkaufen.

Man spricht in diesem Fall von einem Wettbewerbsmarkt oder Konkurrenzmarkt. Im


Extremfall gibt es eine sehr große Zahl von Anbietern, die alle ein identisches Produkt
anbieten, welches von einer sehr großen Zahl von (potenziellen) Käufern nachgefragt
wird. Keine Marktseite kann den Preis eines Gebrauchtwagens auf irgendeine Art und

27
Wettbewerbsmarkt/ Weise beeinflussen, stattdessen bildet sich der Preis durch das Zusammenspiel von Ange-
Konkurrenzmarkt bot und Nachfrage. Man spricht in diesem idealtypischen Extremfall von vollständigem
Ein Markt mit sehr vielen
Anbietern und sehr vielen Wettbewerb oder vollständiger Konkurrenz (Mankiw/Taylor 2018, S. 59f.).
Nachfragern, sodass jeder
einzelne Marktteilnehmer Um die Wirkungsweise von Märkten durch das Zusammenspiel von Angebot und Nach-
nur einen vernachlässig-
baren und ihm selbst frage über den Preismechanismus veranschaulichen zu können, gehen wir im Folgenden
unbekannten Einfluss auf von einem Wettbewerbsmarkt aus. Obwohl der Typus der vollständigen Konkurrenz eher
den Marktpreis hat.
theoretischer Natur ist, kommen viele Märkte diesem Idealtypus dennoch sehr nahe.
Daher lassen sich darauf aufbauend allgemeine Schlussfolgerungen ziehen und es ergibt
sich für die gewonnenen Erkenntnisse ein breites Anwendungsspektrum.

Als Beispiel verwenden wir im Folgenden den Markt für Döner Kebab; in zahlreichen Län-
dern der Welt ein äußerst beliebter Schnellimbiss. Ähnlich wie im Falle des Pkw-
Gebrauchtwagenmarktes handelt es sich eher um einen weniger stark organisierten
Markt. Er eignet sich als Beispiel deshalb so gut, da es sich bei einem Döner Kebab –
zumindest bei der klassischen Variante – um ein sehr standardisiertes Produkt handelt.
Der Imbiss erfreut sich allgemeiner Beliebtheit in nahezu allen Bevölkerungsschichten
(viele Nachfrager) und insbesondere in urbanen Gebieten ist die Dichte an entsprechen-
den Verkaufsstandorten sehr groß (viele Anbieter). Die Annahme eines Wettbewerbsmark-
tes erscheint daher nicht unplausibel und sei daher fortan unterstellt.

Individuelle Nachfragekurve und Marktnachfragekurve

Betrachten wir nun eine bestimmte Marktseite – die Nachfrage – genauer. Konzentrieren
wir uns zuerst auf die individuelle Nachfrage und nehmen einen Einpersonen(Single)-
Haushalt als gegeben an, der grundsätzlich eine Präferenz für das Produkt Döner besitzt.

Abbildung 2: Individuelle Nachfragekurve

Quelle: Stefan Tscharaktschiew, 2020.

Nachfragemenge Die obige Abbildung zeigt den Zusammenhang zwischen der Nachfragemenge (hier pro
Die Menge eines Gutes, Woche) und dem Preis des Gutes (in Euro). Ist dieser Zusammenhang mittels eines Dia-
die Käufer erwerben wol-
len und können. grammes veranschaulicht, spricht man von einer Nachfragekurve (oder auch von einer

28
inversen Nachfragefunktion, da der Preis auf der vertikalen y-Achse/Ordinate abgetragen Nachfragekurve
ist, während die nachgefragte Menge auf der horizontalen x-Achse/Abszisse dargestellt Graph, der bestimmten
Preisen die Nachfrage-
ist). Wie zu erkennen ist, würde der betrachtete Haushalt bei einem Preis von mehr als mengen zuordnet.
sechs Euro überhaupt keinen Döner Kebab kaufen. Obwohl er eine grundsätzliche Präfe-
renz für Döner hat, ist dieser Preis offensichtlich zu hoch, um überhaupt eine Nachfrage
erzeugen zu können. Der Haushalt ist nicht bereit, einen derart hohen Preis für einen
Döner zu zahlen, seine Zahlungsbereitschaft ist hierfür nicht hoch genug. Auf individuel- Zahlungsbereitschaft
ler Ebene ist die Nachfragekurve also gleichzeitig ein Maß für die Zahlungsbereitschaft. Der Höchstbetrag, den ein
Käufer für ein Gut zu zah-
Berührt die Nachfragekurve die Mengenachse, spiegelt dies die Nachfrage wider, falls der len bereit ist.
Preis des Gutes null ist. Im konketen Fall würde die wöchentliche Nachfrage bei diesem
Preis bei zehn Döner Kebab liegen. Interessanterweise ist die Nachfrage selbst bei einem
Preis von null begrenzt. Zwei Punkte sind aus ökonomischer Sicht hier erwähnenswert
und relevant:

1. Offensichtlich gibt es eine Sättigungsgrenze, die dafür sorgt, dass das Bedürfnis nach
Döner Kebab mit zunehmender, bereits konsumierter Menge nachlässt.
2. Außerdem kommt hier ein in der Volkswirtschaft sehr bedeutsames Konzept zum Tra-
gen: das Opportunitätskostenkonzept (Mankiw/Taylor 2018, S. 5f.). Obwohl der Opportunitätskosten
Döner bei einem Preis von null für den Haushalt keine unmittelbaren monetären Kos- Dies sind „Kosten“, die in
Zusammenhang mit dem
ten verursachen würde, ist er dennoch nicht kostenlos im ökonomischen Sinne! Denn Konsum bzw. der Produk-
der Konsum (Verzehr) eines Döner Kebab verursacht Opportunitätskosten. So müsste tion von Gütern entste-
der Haushalt auf andere Speisen verzichten, wenn er seine Nahrungsaufnahme vor- hen, weil man auf alterna-
tiven Konsum bzw.
rangig auf Döner Kebab konzentriert. Andere Speisen wie Hamburger oder Nudeln Produktion an anderer
schmecken dem Haushalt aber ebenso, und ein Verzicht darauf wäre mit Nutzenein- Stelle verzichten müsste
(Kosten in Verbindung mit
bußen verbunden. Außerdem müsste der Haushalt für den Kauf eines Döner Kebab
entgangenen Möglichkei-
gegebenenfalls das Haus verlassen. Bei größerer räumlicher Entfernung zwischen ten).
Wohnort und Standort des Verkaufsstandes wird Reisezeit notwendig. Diese Zeit kann
für andere nutzenstiftende Aktivitäten (z. B. Freizeit) nicht mehr verwendet werden.
Da man aus ökonomischer Perspektive auch der Freizeit einen Wert beimessen kann,
ergeben sich also implizite Kosten aus dem Wegfall von alternativen Möglichkeiten
der Zeitverwendung.

Beide Aspekte begrenzen die individuelle Nachfrage also selbst bei einem Preis von null
Euro. Demgegenüber beläuft sich die Nachfrage des Haushaltes auf drei Einheiten bei
einem Preis von 4 €/Einheit.

Selbstverständlich gibt es eine Vielzahl von Haushalten mit einer Präferenz für Döner. Es
stellt sich also die Frage, wie sich aus einer großen Zahl individueller Nachfragekurven
eine Gesamtnachfrage – wir sprechen dann von der Marktnachfrage – ableiten lässt. Die
unten stehende Abbildung zeigt dies beispielhaft für den Fall eines weiteren hinzukomm-
enden Haushaltes.

29
Abbildung 3: Marktnachfragekurve

Quelle: Stefan Tscharaktschiew, 2020.

Im oberen Teil der Abbildung ist der Fall gegeben, dass der bereits vorher angenommene
Haushalt einfach zweimal existiert. Bei einem Preis von null Euro betragen die individuel-
len Nachfragen dann jeweils zehn Einheiten. Die Marktnachfrage ergibt sich aus der
Summe der individuellen Nachfragen, also insgesamt 20 Einheiten. Bei einem Preis von
vier Euro betragen die individuellen Nachfragen jeweils drei Einheiten, sodass die Markt-
nachfrage sich auf insgesamt sechs Einheiten beläuft.

Ein weiterer Fall ist im unteren Teil der Abbildung abgetragen. Wir betrachten zunächst
wieder den bereits beschriebenen Haushalt mit einer Nachfrage von zehn Einheiten bei
einem Preis von null Euro und einer wöchentlichen Nachfrage von drei Dönern bei einem
Preis von vier Euro. Für den zweiten Haushalt legen wir geringere Präferenzen für Döner
Kebab zugrunde. Möglicherweise handelt es sich um eine Person, die nur eine mittelmä-
ßige Präferenz für das Gericht hat. Für diesen Haushalt dürfte der Preis höchstens 1,50
Euro betragen, damit wenigstens ein Döner Kebab pro Woche konsumiert wird. Selbst
wenn der Preis null Euro betragen würde, dann würde dieser Haushalt nur drei Döner
Kebab pro Woche kaufen. Wieder ergibt sich die Marktnachfrage als Summe der individu-
ellen Nachfragekurven. Bei einem Preis von null Euro ist die Marktnachfrage nach dem
Imbiss dann also 13 Einheiten. Erwähnenswert ist hierbei, dass die Marktnachfrage iden-

30
tisch ist mit der individuellen Nachfrage unseres ersten Haushaltes bis zum Preis (ca. zwei
Euro), ab dem auch der zweite Haushalt eine Zahlungsbereitschaft für Döner Kebab auf-
weist. Der Knick in der Marktnachfragekurve zeigt an, dass sich die Gesamtnachfrage ab
einem Preis von ca. zwei Euro nunmehr aus mehreren individuellen Nachfragekurven
ergibt (bei sehr vielen Haushalten würde der Knick viel weicher ausfallen, sodass er fast
nicht mehr erkennbar wäre).

MERKE
Grafisch ergibt sich die Marktnachfragekurve also als die horizontale (waage-
rechte) Summe aller individuellen Nachfragekurven (Mankiw/Taylor 2018, S. 64).

Zum Abschluss wollen wir noch diskutieren, welche Faktoren die Nachfrage grundsätzlich
beeinflussen und wie sich dies auf die Nachfragekurve auswirkt. Die folgende Abbildung
zeigt anhand zwei grundlegender Mechanismen, wie sich die Modifikation bestimmter Ein-
flussfaktoren in einer Veränderung der Nachfragekurve manifestieren. Möchte man wis-
sen, wie bestimmte Einflussgrößen die Nachfrage nach Döner Kebab verändern, muss
man unterscheiden, ob die Veränderung eine Bewegung entlang (auf) der Nachfragekurve
oder aber eine Verschiebung der Nachfragekurve bewirkt (Mankiw/Taylor 2018, S. 65f.)

Abbildung 4: Veränderung der Nachfragekurve

Quelle: Stefan Tscharaktschiew, 2020.

31
Bewegung entlang der Nachfragekurve aufgrund des Preises

Aus der vorhergehenden Diskussion ist deutlich geworden, dass eine Veränderung des
Preises eine Veränderung der Nachfrage hervorruft. Um zu ermitteln, wie sich die Nach-
frage bei einer Preiserhöhung oder Preissenkung verändert, während alle Einflussfaktoren
unverändert (konstant) bleiben, bewegt man sich immer entlang der Nachfragekurve. Eine
Erhöhung des Preises (genauer gesagt ist der Bruttopreis gemeint, d. h. der reine Güter-
preis ohne sonstige Aufschläge oder Abschläge wie Steuern oder Subventionen) von p1 auf
p2, bei Konstanz aller anderer Einflussfaktoren, senkt die Nachfrage von x1 auf x2. Die
Änderung lässt sich ermitteln durch eine Bewegung entlang der Nachfragekurve!

Verschiebung der Nachfragekurve

Alle anderen Einflussgrößen (einschließlich Auf- oder Abschläge auf den Bruttopreis zulas-
ten/zugunsten der Käufer) führen zu einer Verschiebung der Nachfragekurve (Mankiw/
Taylor 2018, S. 66f.).

• Einkommen:
Nehmen wir an, es kommt durch einen wirtschaftlichen Aufschwung zu steigenden Ein-
kommen bei einigen Haushalten. Wie verändert sich dadurch deren individuelle Nach-
fragekurve? Zunächst können wir feststellen, dass sich deren individuelle Nachfrage-
kurve verschieben wird, entweder nach außen (Zunahme der Nachfrage, orange) oder
nach innen in Richtung Koordinatenursprung (Abnahme der Nachfrage, grün).
Die Verschiebung entsteht, da Preis und Einkommen zwei unterschiedliche Dinge sind,
die für die Nachfragekurve unterschiedliche Konsequenzen nach sich ziehen. Bei einer
Veränderung des Einkommens können sich die Haushalte bei jedem gegebenen
(Brutto-)Preis nun mehr oder weniger leisten. Die Nachfrage wird also bei jedem Preis
höher oder niedriger ausfallen, was sich in einer Verschiebung der (individuellen) Nach-
frage ausdrückt. Interessanterweise können wir die Frage nach der Richtung der Ver-
schiebung der individuellen Nachfragekurve nur beantworten, wenn wir wissen, um
welches Gut es sich handelt. Auch wenn es auf den ersten Blick seltsam erscheint, wer-
den manche Güter bei steigendem Einkommen weniger konsumiert. Ökonomen spre-
Inferiore Güter chen hier von sogenannten inferioren Gütern, im Gegensatz zu normalen Gütern, wel-
Dies sind Güter, die bei che bei steigendem Einkommen mehr nachgefragt werden (Varian 2016, S. 106f.).
steigendem Einkommen
weniger nachgefragt wer- Betrachten wir die Nachfrage nach Restaurantbesuchen. Die Haushalte werden sich
den. nach einer Einkommenserhöhung lieber öfter bedienen lassen, statt zu Hause selbst zu
Normale Güter kochen. Es fällt schwer, einen Grund zu finden, warum es andersherum sein sollte
Dies sind Güter, die bei
steigendem Einkommen
(weniger Restaurantbesuche bei steigendem Einkommen). Wir bezeichnen Restaurant-
mehr nachgefragt wer- besuche in aller Regel als normales Gut, bei dem sich eine Einkommenserhöhung in
den. einer Verschiebung der Nachfragekurve nach außen (orange) zeigen wird. Betrachten
wir nun die Nachfrage nach ÖPNV-Leistungen, also z. B. Fahrten mit Bus oder Straßen-
bahn vom Wohnort zur Arbeit. Es ist wenig plausibel anzunehmen, dass die Haushalte
mit steigendem Einkommen nun auch mehr Bus oder Bahn fahren (Rahmenbedingun-
gen bei der Anzahl der Arbeitstage bleiben ja gleich). Vielmehr ist sogar plausibel anzu-
nehmen, dass die Haushalte bei steigendem Einkommen die Gelegenheit nutzen wer-
den, und sich ein eigenes Auto kaufen bei gleichzeitiger Reduzierung der Nutzung

32
öffentlicher Verkehrsmittel. Wir bezeichnen Fahrten mit Bus oder Bahn dann als inferio-
res Gut, bei dem sich eine Einkommenserhöhung in einer Verschiebung der individuel-
len Nachfragekurve nach innen (grün) zeigt.
Das Gut Döner Kebab wiederum ist so spezifisch, dass eine Kategorisierung sehr schwer
fällt. Einige werden bei steigendem Einkommen lieber den Weg zum Schnellimbiss
suchen und den Preis für einen Döner nun zu zahlen bereit sein (normales Gut), anstatt
jeden Abend zu Hause zu essen. Andere wiederum, die vorher wirklich gern Döner kon-
sumierten, könnten nun ihr höheres Einkommen nutzen, um höherwertigere Restau-
rants mit Bedienung zu besuchen. Ob die individuelle Döner-Nachfrage bei steigendem
Einkommen zu- oder abnimmt, kann also von Haushalt zu Haushalt unterschiedlich
sein.
In jedem Fall aber führt die Einkommensänderung zu einer Verschiebung der individuel-
len Nachfragekurve. Ob und wie stark sich die Marktnachfragekurve dann verschieben
wird, hängt von den individuellen Nachfragekurven ab. Bei eindeutig normalen bzw.
inferioren Gütern wird sich bei steigendem Einkommen auch die Marktnachfragekurve
nach außen (orange) bzw. innen (grün) verschieben.
• Preise verwandter Güter:
Eine weitere Determinante der Nachfrage, welche eine Verschiebung der Nachfrage-
kurve hervorruft, ist der Preis verwandter Güter. Während sich die Veränderung der
Döner-Nachfrage bei einer Preisänderung für Döner durch eine Bewegung entlang der
Nachfragekurve für dieses Gericht ermitteln lässt, führt eine Änderung des Preises ver-
wandter Güter zu einer Verschiebung der Nachfrage nach Döner Kebab. Steigt z. B. der
Preis für Käse, werden Cheeseburger teurer und damit weniger nachgefragt. Da Döner
und Cheeseburger tendenziell substitutive Güter sind, wird die Nachfrage nach Döner Substitutive Güter
Kebab unabhängig des Preises für Döner Kebab steigen, d. h., die Nachfragekurve in (Substitute)
Zwei Güter, bei denen der
Bezug auf Döner Kebab verschiebt sich nach außen (orange). Steigt hingegen der Preis Preisanstieg des einen
von Atemspray, sinkt vielleicht die Nachfrage nach Döner Kebab mit Knoblauchsauce. Gutes einen Nachfragean-
Da Atemspray und Döner mit Knoblauchsauce tendenziell komplementäre Güter sind, stieg des anderen Gutes
hervorruft.
wird die Nachfrage nach Döner unabhängig des Preises für Döner Kebab sinken, was
Komplementäre Güter
sich in einer Verschiebung der Nachfragekurve in Bezug auf Döner Kebab nach innen (Komplemente)
(grün) manifestiert. Zwei Güter, bei denen der
Preisanstieg des einen
• Präferenzen: Gutes einen Nachfrage-
Die wohl offensichtlichsten Bestimmungsgründe der Nachfrage sind die Präferenzen rückgang des anderen
der Haushalte. Wenn Ihnen Döner schmecken, dann werden Sie das Produkt zumindest Gutes auslöst.

gelegentlich kaufen. Präferenzen können sich auch ändern, z. B. wenn sich das Bewusst-
sein für bestimmte Lebensmittel ändert. Veränderungen von Präferenzen bewirken eine
Verschiebung der Nachfragekurve, was auf eine Entkoppelung von Preisen und Präfe-
renzen hindeutet. Steigen Ihre Präferenzen und damit die Nachfrage für Döner Kebab,
dann tun sie das unabhängig vom Preis für Döner Kebab. Gültig bleibt aber natürlich,
dass Haushalte trotz (und gegeben) starker Präferenzen bei höherem Preis weniger
Döner Kebab konsumieren wollen. Die Aussage „Weil der Preis steigt, werde ich weniger
Döner präferieren“ würden Ökonomen so niemals tätigen. Ökonomen würden sagen:
„Weil der Preis steigt, werde ich trotz meiner Präferenzen für Döner weniger davon kon-
sumieren.“
• Erwartungen:

33
Erwartungen von Konsumenten beeinflussen ebenfalls die Nachfrage im Sinne einer
Verschiebung der Nachfragekurve. Müssen die Haushalte beispielsweise befürchten,
dass Dieselkraftstoffe künftig höher besteuert werden, dann wird sich die Nachfrage
nach Elektrofahrzeugen möglicherweise erhöhen, obwohl die Verteuerung von Diesel-
kraftstoff überhaupt noch nicht stattgefunden hat.
• Bevölkerungszahl:
Es ist leicht nachvollziehbar, dass eine Erhöhung der Bevölkerungszahl z. B. durch Ein-
wanderung oder durch Geburtenüberschüsse automatisch eine erhöhte Marktnach-
frage induziert. Bei jedem gegebenen Preis erhöht sich die Nachfrage, sodass sich die
Marktnachfragekurve nach außen (orange) verschiebt.
• Auf- und Abschläge auf den Bruttopreis:
Bei bestimmten staatlichen Maßnahmen müssen Konsumenten auf einen gegebenen
Bruttopreis einen Aufschlag zahlen (Steuer) oder erhalten vielleicht sogar einen
Abschlag (Subvention). Damit verbunden ist eine Verschiebung der Nachfragekurve,
welche erhebliche Konsequenzen für eine Volkswirtschaft mit sich bringt (eine detail-
lierte Auseinandersetzung mit diesem Aspekt erfolgt später).

Individuelle Angebotskurve und Marktangebotskurve

Betrachten wir nun die andere Marktseite – das Angebot – genauer. Konzentrieren wir uns
zuerst auf das individuelle Angebot und unterstellen einen einzelnen Döner-Produzenten
oder -Verkäufer.

Abbildung 5: Individuelle Angebotskurve

Quelle: Stefan Tscharaktschiew, 2020.

Angebotsmenge Die obige Abbildung zeigt den Zusammenhang zwischen der Angebotsmenge (hier pro
Die Menge eines Gutes, Woche) und dem Preis des Gutes (in Euro). Ist dieser Zusammenhang durch ein Diagramm
die Verkäufer veräußern
wollen und können. veranschaulicht, spricht man von einer Angebotskurve (man spricht auch von einer inver-
Angebotskurve sen Angebotsfunktion, da der Preis auf der vertikalen y-Achse abgetragen ist, während die
Graph, der bestimmten angebotene Menge auf der horizontalen x-Achse dargestellt ist).
Preisen die Angebots-
menge zuordnet.

34
Es gibt eine Vielzahl von Faktoren, die die Angebotsmenge beeinflussen, aber wie im Fall
der Nachfrage, spielt der Preis eine entscheidende Rolle. Wenn der Preis hoch ist, lohnt
sich der Verkauf von Döner Kebab mehr als bei einem niedrigen Preis und die Angebots-
menge ist groß. Die Verkäufer von Döner würden länger arbeiten, zusätzliche Arbeitskäfte
einstellen und/oder in elektrische Kebab-Schneidemaschinen investieren. Bei einem Preis
von acht Euro pro Döner würde der Anbieter versuchen, 500 Einheiten pro Woche zu ver-
kaufen. Im Gegensatz dazu ist das Geschäft bei niedrigen Preisen nicht sehr profitabel und
Anbieter würden weniger Döner verkaufen. Bei einem sehr niedrigen Preis je potenziell
verkauftem Döner Kebab (in der Abbildung unterhalb zwei Euro) würden sich die Anbieter
sogar dazu zu entschließen, ihren Verkaufsstand bzw. ihr Restaurant zu schließen, was
gleichbedeutend mit einer individuellen Angebotsmenge in Höhe von null ist. Diese
Zusammenhänge machen deutlich, dass die Angebotskurve steigend (zumindet nicht fal-
lend) verläuft. Dies ist eine generelle Eigenschaft von Angebotskurven. Bei sonst gleich-
bleibenden Randbedingungen nimmt die Angebotsmenge niemals ab, wenn der Verkaufs-
preis steigt.

Selbstverständlich gibt es eine Vielzahl von (potenziellen) Anbietern von Döner Kebab. Es
stellt sich also die Frage, wie sich aus einer großen Zahl individueller Angebotskurven ein
Gesamtangebot – wir sprechen dann von dem Marktangebot – ableiten lässt. Im Fall der
Nachfrage konnte gezeigt werden, dass sich die Gesamtnachfragekurve als horizontale
Summe der individuellen Nachfragekurven ergibt. Die Vorgehensweise für die Ermittlung
der Marktangebotskurve aus einer Vielzahl individueller Angebotskurven ist identisch
(Mankiw/Taylor 2018, S. 71f.), sodass wir hier auf eine grafische Veranschaulichung ver-
zichten wollen.

Ebenfalls deckungsgleich sind die zwei grundlegenden Mechanismen, wie sich Änderun-
gen bestimmter Einflussfaktoren in einer Veränderung der Angebotskurve ausdrücken.
Möchte man wissen, wie bestimmte Einflussgrößen das Angebot an Döner Kebab verän-
dern, muss man unterscheiden, ob die Veränderung eine Bewegung entlang (auf) der
Angebotskurve oder eine Verschiebung der Angebotskurve bewirkt. Aufgrund der Äquiva-
lenz zur Veränderung der Nachfragekurve verzichten wir wiederum auf eine grafische Dar-
stellung. Die Bestimmungsgründe für die Veränderung der Angebotskurve unterscheiden
sich allerdings etwas im Vergleich zu den Bestimmungsgründen für die Korrekturen der
Nachfragekurve, sodass wir hierauf näher eingehen möchten (Mankiw/Taylor 2018, S.
69f.).

Bewegung entlang der Angebotskurve aufgrund des Preises

Um zu ermitteln, wie sich das Angebot bei einer Preiserhöhung oder Preissenkung verän-
dert, während alle Einflussfaktoren unverändert (konstant) bleiben, bewegt man sich
immer entlang der Angebotskurve. Eine Erhöhung des Preises (genauer gesagt ist wieder
der Bruttopreis gemeint, d. h. der reine Güterpreis ohne sonstige Aufschläge oder
Abschläge wie Steuern oder Subventionen bei Konstanz aller anderer Einflussfaktoren)
erhöht das Angebot. Man erkennt dies, indem man sich entlang der Angebotskurve vom
Koordinatenursprung weg bewegt. Eine Änderung lässt sich also ermitteln durch eine
Bewegung entlang der Nachfragekurve!

35
Verschiebung der Angebotskurve

Alle anderen Einflussgrößen (einschließlich Auf- oder Abschläge auf den Bruttopreis zulas-
ten/zugunsten der Verkäufer) führen zu einer Verschiebung der Angebotskurve (Mankiw/
Taylor 2018, S. 71f.).

• Inputpreise:
Die Herstellung von Döner Kebab erfordert den Einsatz bestimmter Produktionsfakto-
ren (Inputfaktoren). Es werden vor allem die notwendigen Zutaten benötigt, also z. B.
Fleisch, Krautsalat, Fladenbrot. Weiterhin braucht es natürlich einen gewissen Arbeits-
einsatz, denn das Produkt muss zubereitet und verkauft werden. Schließlich könnten
einige Maschinen genutzt werden, gegebenenfalls ein Ofen, eine elektrische Schneide-
maschine, eine Mikrowelle, eine Spülmaschine usw. Ein Verkaufsstand ist ebenso von-
nöten und die Anbieter von Döner Kebab werden hierfür in der Regel eine Miete entrich-
ten müssen. All diese für den Herstellungs- und Verkaufsprozess notwendigen Dinge
haben natürlich ebenfalls einen Preis, welcher sinken oder steigen kann. Dann wird das
Geschäft für die Anbieter von Döner Kebab mehr oder weniger profitabel. Bei jedem
möglichen Verkaufspreis des Imbisses werden die Anbieter dann eine größere oder klei-
nere Menge des Gerichts verkaufen wollen. Die Angebotskurve verschiebt sich nach
rechts bzw. unten (wenn Inputpreise sinken) oder nach links bzw. oben (wenn Input-
preise steigen).
• Technologie:
Technologische Entwicklungen führen ebenfalls zu einer Verschiebung der Angebots-
kurve. Beispielsweise erlaubt der Einsatz von elektrischen Kebab-Schneidemaschinen
den Anbietern, bei gleichem Arbeitseinsatz mehr Menge herzustellen, und bei jedem
möglichen Verkaufspreis könnten sie nun mehr Einheiten verkaufen.
• Erwartungen:
Die Erwartungen in Bezug auf zukünftige Ereignisse und Entwicklungen haben ebenso
wie im Falle der Nachfrage auch Auswirkungen auf die Angebotsmenge. Erwarten die
Anbieter sehr starke Mieterhöhungen in den nächsten Jahren, dann werden sie es
womöglich unterlassen, ihre Lokalität zu vergrößern, oder sie könnten sich sogar dafür
entscheiden, ihre Räumlichkeiten zu verkleinern. Dies beschränkt die Anbieter in ihren
Verkaufsmöglichleiten und, egal wie hoch der Preis für Döner sein wird, die mögliche
Verkaufsmenge wird nun geringer sein. Die Angebotskurve würde sich nach links bzw.
oben verschieben.
• Anzahl der Verkäufer:
Einen unmittelbaren Einfluss auf das Marktangebot hat natürlich die Anzahl der Verkäu-
fer. Entscheiden sich mehr Kaufleute, in das Döner-Geschäft einzusteigen, wird sich bei
sonst gleichem Verhalten der etablierten Anbieter das Angebot erhöhen, was mit einer
Verschiebung der Angebotskurve nach rechts bzw. unten einhergeht.
• Natürliche und gesellschaftliche Faktoren:
Viele weitere Faktoren können das Angebot an Döner Kebab unabhängig von dessen
Verkaufspreis beeinflussen und damit zu einer Verschiebung der Angebotskurve führen.
Kommt es zu einer Viruspandemie, sodass viele Lokalitäten schließen müssen, verrin-
gert sich automatisch die angebotene Menge. Ebenso können gesellschaftliche Einstel-
lungen zur Tierhaltung einige Anbieter von Döner Kebab dazu bewegen, ihr Geschäft zu

36
überdenken und anstelle des Verkaufs von diesem Imbiss lieber in den Anbau von
Gemüse zu investieren. In beiden Situationen wäre eine Verschiebung der Angebots-
kurve nach links bzw. oben die Folge.
• Auf- und Abschläge auf den Bruttopreis:
Bei bestimmten staatlichen Maßnahmen müssen Unternehmen auf einen gegebenen
Bruttopreis einen Aufschlag zahlen (Steuer) oder erhalten vielleicht sogar einen
Abschlag (Subvention). Analog zur Nachfragekurve ist damit eine Verschiebung der
Angebotskurve verbunden, welche erhebliche Konsequenzen für eine Volkswirtschaft
mit sich bringt (eine detaillierte Auseinandersetzung mit diesem Aspekt erfolgt später).

Marktgleichgewicht und Gleichgewichtspreis

Wir konnten zeigen, wie sich Nachfrage- und Angebotemengen auf Märkten bilden und wie
sie sich mithilfe von Nachfrage- und Angebotskurven grafisch darstellen lassen. Außerdem
wurden verschiedene Einflussfaktoren identifiziert, welche schließlich auch zu Verände-
rungen von Nachfrage- und Angebotskurven führen.

Zum einen haben wir gesehen, dass die Nachfrage bei sehr niedrigen Preisen sehr hoch
sein wird. Ein Preis unter zwei Euro für den Konsum eines Döners, hätte eine sehr hohe
Marktnachfrage zur Folge. Zum anderen konnten wir aber auch feststellen, dass es bei
einem solchen Preis wohl keinerlei unternehmerische Tätigkeit geben würde. Das Markt-
angebot wäre sehr klein oder vielleicht sogar nicht existent, da sich ein Verkauf von Döner
Kebab einfach nicht lohnen würde. Eine viel zu große Anzahl von Nachfragern würde im
wahrsten Sinne des Wortes Schlange stehen, um ihr Bedürfnis nach dem Imbiss stillen zu
können. Aufgrund des zu geringen Angebotes würden aber die meisten Nachfrager oder
möglicherweise alle potenziellen Kunden leer ausgehen. Ökonomen sprechen in diesem
Fall von einem Nachfrageüberschuss (Mankiw/Taylor 2018, S. 78). Diese Situation ist aus Nachfrageüberschuss
volkswirtschaftlicher Sicht natürlich alles andere als wünschenswert, da eine eigentlich Eine Situation, in der die
Nachfragemenge zum
vorhandene Nachfrage nach einem Gut nicht befriedigt werden kann und, trotz des herrschenden Preis grö-
Bedarfs an einem bestimmten Gut, niemand einen Anreiz hat, dieses herzustellen und zu ßer ist als die Angebots-
verkaufen. menge.

Umgekehrt wäre bei einem sehr hohen Preis von z. B. acht Euro je Döner die Nachfrage
sehr gering, da sich die Haushalte das Produkt entweder nicht mehr leisten könnten oder
sie einfach nicht bereit wären, diesen hohen Preis zu zahlen, da sie dann zu viel von einer
möglichen alternativen Verwendung aufgeben müssten (hohe Opportunitätskosten).
Anbieter hätten demgegenüber einen Anreiz, sehr viele Einheiten zu verkaufen, da ihre
Erlöse pro verkauftem Döner Kebab bei extremem Preis sehr hoch wären. Entweder wür-
den die bestehenden Anbieter sehr viele Einheiten verkaufen wollen oder es würden neue
Anbieter weitere Verkaufsstände eröffnen oder sogar beides. In jedem Fall wäre das Markt-
angebot wirklich groß. Aufgrund des großen Angebotes bei gleichzeitig geringer Nachfrage
würden die meisten Verkäufer oder möglicherweise alle Anbieter leer ausgehen und kei-
ner sein Produkt absetzen können. Ökonomen sprechen in diesem Fall von einem Ange-
botsüberschuss (Mankiw/Taylor 2018, S. 77). Auch diese Situation ist aus volkswirtschaft- Angebotsüberschuss
licher Sicht alles andere als wünschenswert. Anbieter würden ihre Lokalität räumlich Eine Situation, in der die
Angebotsmenge zum
vergrößern, in elektrische Kebab-Schneidemaschinen investieren, zusätzliche Arbeits- herrschenden Preis grö-
kräfte einstellen usw. Doch aufgrund der geringen Nachfrage hätten die Anbieter viel zu ßer ist als die Nachfrage.
wenig zu tun. Das Lokal wäre fast leer, die elektrische Maschine bliebe ungenutzt und die

37
Arbeitskräfte würden sich mangels Kundschaft langweilen. Die Folge wäre eine Ver-
schwendung volkswirtschaftlicher Ressourcen, denn die Inputfaktoren könnten einer
alternativen Verwendung zugeführt werden. So könnten die Verkaufsräume anderweitig
genutzt werden und die unterbeschäftigen Arbeitskräfte stattdessen an anderer Stelle ein-
gesetzt werden.

Beide Situationen sind in der folgenden Abbildung unter Nutzung der bereits bekannten
Konzepte der Marktnachfragekurve und der Marktangebotskurve veranschaulicht. Sowohl
dem Fall des Nachfrageüberschusses als auch der Situation des Angebotsüberschusses
Effizienz mangelt es an Effizienz, einem für Ökonomen zentralen Begriff, mit dem sie das Funktio-
Die Fähigkeit einer Volks- nieren einer Volkswirtschaft beschreiben (Mankiw/Taylor 2018, S. 240f.).
wirtschaft, so viel wie
möglich aus ihren knap-
pen Ressourcen heraus- Abbildung 6: Nachfrageüberschuss, Angebotsüberschuss, Marktgleichgewicht
zuholen bzw. ein
bestimmtes Marktergeb-
nis mit minimalem Res-
sourceneinsatz zu errei-
chen.

Quelle: Stefan Tscharaktschiew, 2020.

Glücklicherweise gibt es auf Konkurrenzmärkten in marktwirtschaftlich ausgerichteten


Volkswirtschaften den Preismechnismus, der zu einer effizienten und bedarfsgerechten
Allokation der volkswirtschaftlichen Ressourcen führt. Durch das Zusammenspiel von
Angebot und Nachfrage im Rahmen der Aktivitäten vieler einzelner Nachfrager und Anbie-
ter kommen über den Preismechanismus Marktanpassungsprozesse in Gang, die die Inef-
fizienzen – hervorgerufen durch Nachfrage- oder Angebotsüberschüsse – abbauen wer-
den.

Stellen wir uns vor, was in der Situation eines Nachfrageüberschusses passieren würde.
Die langen Warteschlangen an den Imbissbuden würden den Döner-Produzenten signali-
sieren, dass ihr Produkt knapp ist. Sie würden ihre Produktion ausweiten, weil sie davon
ausgehen, dass sie ihre Produkte in jedem Fall absetzen können. Eine Produktionsauswei-
tung ist mit höheren Kosten verbunden und diese höheren Kosten würden sich auch in
höheren Preisen widerspiegeln. Am Ende dieses Anpassungsprozesses wird der Preis
gestiegen sein, die Nachfrage wird (etwas) zurückgegangen sein und das Angebot wird nun
größer ausfallen. Dies wird in einem Maße geschehen, bis sich der Markt letztlich im
Gleichgewicht befindet, es also weder einen Nachfrage- noch einen Angebotsüberschuss

38
gibt (Mankiw/Taylor 2018, S. 242f.). In unserer Abbildung ist dieses Gleichgewicht bei Marktgleichgewicht
einem Döner-Preis von vier Euro und einer Menge von zwei Millionen Stück (pro Woche) Eine Situation, gekenn-
zeichnet durch eine Kom-
erreicht. bination von Preis und
Menge, bei der das Markt-
Ein äquivalenter Anpassungsprozess würde im Falle eines Angebotsüberschusses in Gang angebot genauso groß ist
wie die Marktnachfrage,
kommen, nur eben mit umgekehrten Vorzeichen. Bei leeren Imbissbuden würden die es also weder einen Nach-
Anbieter auf ihrer Ware sitzenbleiben, was sie schließlich zum Handeln bewegen würde. frageüberschuss noch
einen Angebotsüber-
Ihr Geschäft wäre nicht mehr lohnend und sie würden versuchen, Kosten zu senken und
schuss gibt.
das Angebot einzuschränken. Dadurch könnten sie auch bei niedrigeren Preisen existie-
ren. Niedrigere Preise würden wiederum die Nachfrage ankurbeln. Sind die Preise eines
Döners geringer, müssten die Haushalte nun weniger auf andere Dinge verzichten. Ökono-
men sprechen davon, dass die Opportunitätskosten von Döner Kebab gesunken sind. Dies
würde mehr Personen in die Lokale locken, um Döner zu konsumieren. Am Ende dieses
Anpassungsprozesses wird der Preis gesunken sein, die Nachfrage wird (etwas) gestiegen
sein und das Angebot wird nun kleiner ausfallen. Dies wird im einem Maße geschehen, bis
sich der Markt letztlich wieder im Gleichgewicht befindet, es also weder einen Nachfrage-
noch einen Angebotsüberschuss gibt (Mankiw/Taylor 2018, S. 242f.).

Wir haben Angebot und Nachfrage und deren Zusammenspiel auf Märkten über den Preis-
mechanismus zur Schaffung einer effizienten und nach den Bedürfnissen der Haushalte
ausgerichteten Allokationen von Ressourcen relativ ausführlich behandelt, weil sie für
martktwirschaftlich orientierte Volkswirtschaften von herausragender Bedeutung sind.
Ökonomen sprechen davon, dass die dezentralen, auf den eigenen Vorteil ausgerichteten
Aktivitäten, von vielen einzelnen Anbietern und Nachfragern über die verschiedenen
Märkte zu einem auch für die Volkswirtschaft als Ganzes effizienten Ergebnis führen. Die
Koordinierung der Aktivitäten erfolgt dabei – wie von einer unsichtbaren Hand gelenkt –
über den Preismechanismus (Van Suntum 2013).

Zum Abschluss soll noch auf einen Aspekt eingegangen werden, der etwas verwundern
mag. Es konnte gezeigt werden, wie sich in Wettbewerbsmärkten Gleichgewichtspreis und
Gleichgewichtsmenge bilden. In unserem Beispielmarkt ergab sich ein Gleichgewichts-
preis von vier Euro. In der Wirklichkeit erleben wir jedoch, dass es einige Anbieter gibt, die
das Produkt für 3,50 Euro, andere wiederum für 4,20 Euro anbieten. Unsere Analyse
basiert auf dem ökonomischen Konstrukt des vollkommenen Wettbewerbs. Eingangs
wurde bereits darauf hingewiesen, dass dieser Typus eher theoretischer Natur ist, den-
noch kommen viele Märkte diesem sehr nahe. Eine wesentliche Annahme des Modells der
vollständigen Konkurrenz ist nämlich, dass die vielen Anbieter eines Marktes vollkommen
identische Produkte anbieten (Mankiw/Taylor 2018, S. 60). Das könnte im Falle des Mark-
tes für Plastikschuhanzieher tatsächlich zutreffen. Im Fall von Döner Kebab könnten sich
aber bereits deshalb Unterschiede ergeben, weil ein Anbieter den Döner Kebab einschließ-
lich einer Sitzgelegenheit anbietet, ein anderer wiederum nicht. Konsumenten nehmen
das Produkt also nicht hundertprozentig identisch wahr. Dadurch haben einige Anbieter
einen begrenzten Spielraum, vom Gleichgewichtspreis abzuweichen, der sich auf einem
vollkommenen Wettbewerbsmarkt bilden würde. Man nennt dieses Marktmodell mono-
polistische Konkurrenz (leicht abweichend vom Konstrukt der vollkommenen Konkur-
renz). Dennoch ist das Modell der vollkommenen Konkurrenz zentral, um die Mechanis-
men in marktwirtschaftlich ausgerichteten Volkswirtschaften zu verstehen. Denn auch
wenn sich das Produkt Döner Kebab von Anbieter zu Anbieter leicht unterscheidet (wie

39
beim Marktmodell der monopolistischen Konkurrenz), ein zu starkes Abweichen vom
Gleichgewichtspreis durch alle Anbieter würde die oben beschriebenen Marktmechanis-
men in Gang setzten.

2.2 Konsumenten- und Produzentenrente


Der Preismechanismus Angebot und Nachfrage lenkt also in einer Weise, dass volkswirt-
schaftliche Ressourcen effizient eingesetzt werden und gleichzeitig Konsumenten ihre
Bedürfnisse befriedigen können. Offensichtlich profitieren von Marktprozessen sowohl
Nachfrager als auch Anbieter. Doch können wir auch messen, in welchem Ausmaß? Die
Möglichkeit einer Quantifizierung könnte sehr hilfreich sein: Zum einen könnten beide
Marktseiten unterschiedlich stark profitieren, zum anderen bestimmte Ereignisse zu
Anpassungsprozessen in Märkten führen, welche das Nachfrage- und Angebotsverhalten
der Akteure beeinflussen. Wie effizient Marktprozesse sind, messen Ökonomen mithilfe
der Wohlfahrtsökonomik, im Speziellen mit den Konzepten Konsumentenrente und Pro-
duzentenrente.

Abbildung 7: Konsumenten- und Produzentenrente

Quelle: Stefan Tscharaktschiew, 2020.

Betrachten wir obige Abbildung, in der nun neben der Marktangebotskurve, der Markt-
nachfragekurve und dem Gleichgewichtspunkt zwei Flächen markiert sind: die Konsu-
mentenrente (grau) und die Produzentenrente (grün). Wir wissen bereits, dass es eine Viel-
zahl von Nachfragern gibt, die dem Gut Döner Kebab einen unterschiedlichen Wert
beimessen, die also demzufolge unterschiedliche Zahlungsbereitschaften für den Kauf des
Gutes haben. Ebenso gibt es viele Anbieter, welche das Gut zu unterschiedlichen Preisen
anbieten würden. Ein Anbieter, der in einem Konkurrenzmarkt bereit ist, einen Döner
Kebab für ca. zwei Euro anzubieten, hat offenbar relativ niedrige Kosten, ansonsten würde
sich bei einem Erlös von zwei Euro pro verkaufter Einheit, sein Geschäft nicht lange halten
können. Der oben beschriebene Preismechanismus aber führt dazu, dass sich am Ende

40
des Marktprozesses ein Gleichgewichtspreis einstellt, der den Markt räumt, d. h., der Ange-
bot und Nachfrage ausgleicht. Und genau hier lässt sich anknüpfen, um den gesamtgesell-
schaftlichen Vorteil des Marktprozesses zu ermitteln.

Tatsächlich gibt es sehr viele Nachfrager, die einem Döner einen höheren Wert beimessen,
als sie letztlich dafür zahlen müssen. Tatsächlich müssen alle Konsumenten in diesem
Markt vier Euro, den Gleichgewichtspreis, für einen Döner zahlen. Zwei Millionen Einheiten
werden wöchentlich in diesem Markt verkauft, aber alle Einheiten außer einer wären auch
für einen höheren Preis verkauft worden, eben weil der Konsum dieser Einheiten offenbar
für die Konsumenten einem höheren Wert als vier Euro entspricht. Der Konsument, für
den ein Döner Kebab den höchsten Wert hat, wäre sogar bereit, ca. acht Euro hierfür zu
zahlen. Für ihn ergibt sich ein Nettonutzen von vier Euro aus dem Konsum dieses Döner
Kebab. Die letzte Einheit, die auf diesem Markt gerade noch konsumiert wird, ist die zwei-
millionste Einheit. Es gibt also offensichtlich einen Haushalt, der genau diese Einheit
kauft, zu einem Preis, der genau seiner Wertschätzung (Zahlungsbereitschaft) für einen
Döner Kebab entspricht. Für diese Einheit ergibt sich ein Nettonutzen in Höhe von null
Euro (vier Euro Bruttonutzen abzüglich Preis in Höhe von vier Euro) aus dem Konsum die-
ses Döners. Der Nettonutzen, der aus dem Marktgeschehen aus Sicht der Konsumenten
insgesamt generiert werden kann, lässt sich also bestimmen aus der Differenz der Zah-
lungsbereitschaft (ein beliebiger Punkt auf der Nachfragekurve) und dem zu zahlenden
Preis (Gleichgewichtspreis) für alle konsumierten Einheiten. Grafisch entspricht dies der
grau markierten Fläche in der obigen Abbildung, bezeichnet als Konsumentenrente Konsumentenrente
(Mankiw/Taylor 2018, S. 226; Willig 1976). Monetäres Maß für den
Vorteil, den Konsumenten
insgesamt durch die
Natürlich gibt es auch sehr viele Anbieter, die das Gut Döner Kebab zu einem unterschied- Marktteilnahme erlangen.
lichen Preis verkaufen würden. Tatsächlich erhalten alle Verkäufer in diesem speziellen Rechnerisch: Zahlungsbe-
reitschaft (= Wertschät-
Markt vier Euro für einen Döner. Zwei Millionen Einheiten werden wöchentlich verkauft, zung, Punkt auf Nachfra-
aber alle Einheiten (außer einer) wären auch für einen niedrigeren Preis verkauft worden, gekurve) minus
tatsächlich bezahlter
eben weil die Produktion dieser Einheiten offenbar für die Produzenten geringere zusätzli-
Preis.
che Kosten verursacht. Der Produzent, für den ein Döner Kebab die geringsten Kosten ver-
ursacht, wäre bereit, diesen für weniger als zwei Euro zu verkaufen. Für ihn ergibt sich ein
Nettonutzen von über zwei Euro aus dem Verkauf dieses Döners. Die letzte Einheit, die auf
diesem Markt gerade noch verkauft wird, ist die zweimillionste Einheit. Es gibt also offen-
sichtlich einen Anbieter, der genau diese Einheit verkauft, zu einem Preis, der genau den
Kosten entspricht. Für diese Einheit ergibt sich ein Nettonutzen von null Euro aus dem Ver-
kauf. Der Nettonutzen, der aus dem Marktgeschehen aus Sicht der Produzenten insgesamt
generiert werden kann, lässt sich also bestimmen aus der Differenz des erzielten Preises
(Gleichgewichtspreis) und den Kosten dieser Einheit (ein beliebiger Punkt auf der Ange-
botskurve) für alle verkauften Einheiten. Grafisch entspricht dies der grün markierten Flä-
che in der obigen Abbildung, bezeichnet als Produzentenrente (Mankiw/Taylor 2018, S. Produzentenrente
234). Monetäres Maß für den
Vorteil, den Produzenten
insgesamt durch die
Die Summe aus Konsumentenrente und Produzentenrente ergibt schließlich die mit dem Marktteilnahme erlangen.
Marktgeschehen (erfolgte Markttransaktionen) realisierte Gesamtrente (Mankiw/Taylor Rechnerisch: Preis minus
zusätzliche Kosten (=
2018, S. 240). Ökonomen nutzen diese Gesamtrente häufig als Wohlfahrtsmaß, um Markt- Punkt auf Angebots-
prozesse oder die Auswirkungen von Eingriffen in Marktprozesse zu bewerten. kurve).

41
Wohlfahrt Mittels der Konzepte Konsumenten- und Produzentenrente lässt sich nun auch eindrucks-
in Geldeinheiten ausge- voll verdeutlichen, wie effizient der Preismechanismus tatsächlich ist. Er führt nämlich zu
drücktes Wohlbefinden
einer Gesellschaft einem Marktergebnis (charakterisiert durch das Marktgleichgewicht mit GG-Menge und
GG-Preis), welches die Gesamtrente maximiert. Um dies zu zeigen, betrachten wir zuerst
einen Punkt links des tatsächlichen Marktgleichgewichts. Dieser ist gekennzeichnet durch
eine geringere Menge als zwei Millionen. Ein solches Marktergebnis wäre mit einer geringe-
ren Gesamtrente verbunden und damit ineffizient. Warum? Weil offensichtlich einige
Döner nicht mehr konsumiert würden, deren Herstellung weniger kostet, als Nachfrager
dafür zu zahlen bereit wären. Betrachten wir nun einen Punkt rechts des tatsächlichen
Marktgleichgewichts – gekennzeichnet durch eine größere Menge als zwei Millionen. Ein
solches Marktergebnis wäre ebenfalls mit einer geringeren Gesamtrente verbunden und
damit ineffizient. Warum? Weil offensichtlich einige weitere Döner produziert würden,
deren Herstellung mehr kostet, als Nachfrager dafür zu zahlen bereit wären. Entweder
müssten die Produzenten ihre Döner mit Verlust verkaufen oder sie würden auf ihrer Ware
sitzen bleiben.

Damit gelangen wir zu einer abschließenden interessanten Eigenschaft von effizienten


Wettbewerbsmärkten, die auf den ersten Blick überraschen mag. Ökonomische Effizienz
im Sinne einer effizienten Allokation volkswirtschaftlicher Ressourcen kann auch bedeu-
ten, dass einige Konsumenten, die ein Gut in bestimmter Weise (noch) wertschätzen – also
eine positive Zahlungsbereitschaft aufweisen – nicht zum Zuge kommen. Nämlich genau
jene Konsumenten, deren Wertschätzung für ein bestimmtes Gut geringer ist als die Kos-
ten der Bereitstellung jenes Gutes. Die Volkswirtschaft sollte die eingesparten Ressourcen
besser anderweitig einsetzen.

Auf eine Einschränkung sollte zum Abschluss noch hingewiesen werden. Es konnte gezeigt
werden, dass der Preismechanismus in effizienten Wettbewerbsmärkten die Gesamtrente
maximiert. Allerdings sollte die Betonung auf „in effizienten Wettbewerbsmärkten“ nicht
unterschätzt werden. Es kann nämlich Situationen geben, in denen selbst in Wettbe-
werbsmärkten das Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage über den reinen Preisme-
chanismus allein nicht in der Lage ist, die Gesamtrente zu maximieren. Ökonomen spre-
chen dann von Marktunvollkommenheiten, welche Eingriffe des Staates selbst in stark
wettbewerblich ausgerichtete Märkte rechtfertigt (Mankiw/Taylor 2018, S. 10f.). Die Ana-
lyse zu Gründen von Marktunvollkommenheiten und Möglichkeiten zu deren Beseitigung
ist ein Hauptuntersuchungsgegenstand vieler Ökonomen. Das umfassende Wissen der
Funktionsweise von effizienten Wettbewerbsmärkten, wie wir es hier grundlegend
beschrieben haben, ist hierfür aber unabdingbare Voraussetzung.

2.3 Preiseingriffe durch den Staat


Es konnte gezeigt werden, dass (in vollkommenen Wettbewerbsmärkten) der Preismecha-
nismus ein gesamtgesellschaftlich wünschenswertes Ergebnis hervorbringt (Maximierung
der Gesamtrente). Eine Art unsichtbare Hand lenkt den Markt hin zu einem bestimmten
Punkt: dem Gleichgewichtspunkt (Van Suntum 2013). Dieser informiert darüber, bei wel-

42
chem Preis sich Angebot und Nachfrage ausgleichen und welche Menge eines Gutes ange-
boten und nachgefragt wird. Alle Nachfrager und alle Anbieter sehen sich also dem glei-
chen Preis gegenüber.

Trotz der positiven Eigenschaften, die diesen Gleichgewichtspreis letztendlich auszeich-


nen (insbesondere Maximierung der Gesamtrente), beobachten wir in der Realität häufig
Situationen, in denen die einzelnen Marktseiten bzw. Marktakteure mit diesem sich
herauskristallisierten Gleichgewichtspreis unzufrieden sind. Das liegt vor allem an den
unterschiedlichen Interessen beider Marktseiten. Nachfrager wollen für Güter und Dienst-
leistungen naturgemäß möglichst wenig zahlen, denn je kleiner der Preis pro konsumier-
ter Einheit, desto mehr können sie hiervon konsumieren bzw. umso mehr finanzielle Mittel
verbleiben für den Konsum anderer Güter. Anbieter wollen demgegenüber einen mög-
lichst hohen Erlös aus dem Verkauf ihrer Güter erzielen. Sie sind also eher an hohen Prei-
sen interessiert. Allerdings hatten wir auch beschrieben, wie die Marktkräfte schlussend-
lich dafür sorgen, dass sich ein Preis einstellt, der gewissermaßen weder einzig die
Interessen der Nachfrager noch die der Anbieter widerspiegelt. Es bildet sich also ein die
Interessen ausgleichender Preis, eben ein Gleichgewichtspreis. Was aber, wenn die Markt-
seiten diese Marktkräfte unterschätzen? Was passiert also, wenn die Marktseiten nicht
antizipieren, welche Folgen eine Preisgestaltung abweichend vom Gleichgewichtspreis
kurzfristig sowie langfristig hat? Wenn sie also – entweder selbst oder über sie vertretende
Interessensgruppen (Lobbygruppen) – versuchen, auf die Preisbildung am Markt mithilfe
des Staates direkt Einfluss zu nehmen?

Hinsichtlich dieser wichtigen Frage ist es zunächst notwendig zu wissen, dass Ökonomen
diese Form der direkten Einflussnahme durch den Staat in die freie Preisbildung einen
staatlichen Preiseingriff nennen. Man unterscheidet hierbei zwei Ausgestaltungsformen:
Höchstpreise und Mindestpreise. Es ist nicht schwer herauszufinden, welche Marktseite
eher die eine Variante und welche die andere bevorzugt. Konsumenten möchten einen
möglichst kleinen Preis zahlen. Sie sind also daran interessiert, dass ein Preis niemals
über ein bestimmtes Niveau steigen wird (niemals höher als …). Sie werden sich also für
Höchstpreise einsetzen. Anbieter wiederum möchten einen möglichst hohen Preis für den
Verkauf ihrer Güter erzielen. Sie sind also daran interessiert, dass ein Preis niemals unter
ein bestimmtes Niveau fallen wird (immer mindestens …). Sie werden sich also für Min-
destpreise einsetzen.

Nicht bindende Preiseingriffe

Betrachten wir zunächst einen Fall, der uns verdeutlichen wird, dass zunächst einmal
bestimmte Voraussetzungen vorliegen müssen, sodass staatliche Preiseingriffe überhaupt
ihre Wirkung entfalten können. In der untenstehenden Abbildung erkennen wir unseren
Markt für Döner Kebab wieder, jetzt ergänzt um staatliche Preiseingriffe in Form von
Höchst- und Mindestpreisen.

43
Abbildung 8: Nicht bindende Höchst- und Mindestpreise

Quelle: Stefan Tscharaktschiew, 2020.

Stellen wir uns vor, die Interessensvereinigung der Döner-Kebab-Liebhaber möchte Ein-
fluss auf die regierenden Politiker dahingehend nehmen, dass diese die freie Preisbildung
auf dem Markt für Döner unterbinden und einen Höchstpreis dafür festlegen. Döner Kebab
dürfen also nie teurer werden als dieser Höchstpreis. Es sind in Kürze Bundestagswahlen
und die Regierungspartei ist auf die Wählerstimmen der Döner-Konsumenten angewiesen.
Sie fürchtet aber auch die zukünftige Reaktion aller Vegetarier als wachsende Gruppe
potenzieller Wähler. Dieses Wählerpotenzial soll für zukünftige Wahlen erschlossen wer-
den. Die regierenden Politiker sehen sich also einem Dilemma gegenüber, welches sie
durch Anwendung eines klugen Schachzugs auflösen wollen. Sie kündigen vor der Wahl
die Einführung eines Höchstpreises für Döner Kebab an. Die Umsetzung soll nach der Wahl
erfolgen. Die große Gruppe aller Döner-Liebhaber jubelt und verhilft der aktuellen Regie-
rungspartei zum Wahlerfolg. Nach der Wahl löst die neue (und alte) Regierungspartei ihr
Wahlversprechen an die Döner-Kebab-Liebhaber tatsächlich ein und setzt einen Höchst-
preis für Döner Kebab in Höhe von sechs Euro pro Einheit. Was passiert nun auf dem Markt
für den Döner Kebab? Die für einige überraschende Antwort lautet: Es passiert nichts.
Denn die Regierungspartei hat einen Höchstpreis festgesetzt, der oberhalb des Gleichge-
wichtspreises liegt. Der Marktmechanismus sorgt dafür, dass sich am Markt ein Preis von
vier Euro je Einheit einstellt. Nun verbietet die Regierungspartei per Gesetz, dass der Preis
für Döner Kebab nicht höher als sechs Euro sein darf. Ein wahrlich kluger Schachzug, denn
der Marktpreis liegt ja ohnehin darunter. Man nennt diese Situation, die bei der Gruppe
nicht bindender Höchst- der Vegetarier Jubelstürme auslöst, einen nicht bindenden Höchstpreis (Mankiw/Taylor
preis 2018, S. 253). Nicht bindende Höchstpreise haben keinen Einfluss auf das freie Markter-
Das ist ein staatlich fest-
gesetzter Maximalpreis, gebnis, d. h. auf Gleichgewichtsmenge und Gleichgewichtspreis.
der nicht überschritten
werden darf und über Ersetzen wir nun die Interessensvereinigung der Döner-Kebab-Liebhaber mit der Interes-
dem Gleichgewichtspreis
liegt. sensvertretung der Döner-Kebab-Produzenten und nehmen wir an, letztere bieten Wahl-
kampfspenden für das Versprechen der Politiker auf Festsetzung eines Mindestpreises für
Döner. Nehmen wir weiter an, dass die Regierungspartei die Wahl gewinnt, denn dank der
großzügigen Geldspenden der Döner-Kebab-Produzenten konnte die Regierungspartei
teure Wahlwerbespots im Fernsehen schalten. Nach der Wahl erfolgt die Einlösung des

44
Wahlversprechens durch Festsetzung eines Mindestpreises für Döner in Höhe von zwei
Euro. Was passiert auf dem Markt für den Döner Kebab? Die vielleicht nun nicht mehr so
überraschende Antwort lautet: Es passiert wiederum nichts. Denn die Regierungspartei
hat einen Mindestpreis festgesetzt, der unterhalb des Gleichgewichtspreises liegt. Der
Marktmechanismus sorgt dafür, dass sich am Markt ein Preis von vier Euro je Einheit ein-
stellt. Nun verbietet die Regierungspartei per Gesetz, dass der Preis für Döner Kebab nicht
niedriger als zwei Euro sein darf. Ein wahrlich kluger Schachzug, um die Gruppe der
Döner-Liebhaber für zukünftige Wahlen nicht zu verschrecken, denn der Marktpreis liegt ja
ohnehin darüber, eben mindestens zwei Euro. Man nennt diese Situation, einen nicht
bindenden Mindestpreis. Nicht bindende Mindestpreise haben ebenfalls keinen Einfluss nicht bindender
auf das freie Marktergebnis, d. h. auf Gleichgewichtsmenge und Gleichgewichtspreis. Mindestpreis
So wird ein staatlich fest-
gesetzter Minimalpreis
Bindende Preiseingriffe bezeichnet, der nicht
unterschritten werden
darf und unter dem
Im Folgenden werden wir diskutieren, welche Auswirkungen staatliche Preiseingriffe Gleichgewichtspreis liegt.
haben können, wenn sie so ausgestaltet sind, dass sie tatsächlich eine Wirkung entfalten
können. Es wird sich zeigen, dass staatliche Preiseingriffe vielfältige Auswirkungen haben
können, häufig solche, an die bei deren Realisierung womöglich nicht gedacht wurde. Es
ist wesentliche Aufgabe von Ökonomen, solche Auswirkungen zu antizipieren und die Ent-
scheidungsträger im Vorfeld darüber aufzuklären.

Betrachten wir diesmal als Fallbeispiel ein spezielles Segment eines städtischen Woh-
nungsmarktes, z. B. den Markt für Vierzimmerwohnungen: Baujahr des Gebäudes nicht
älter als fünf Jahre, Balkon, Haus mit Fahrstuhl, um nur einige Merkmale zu nennen. Neh-
men wir an, es kam in den letzten Jahren aufgrund verschiedener Faktoren (z. B. Migration
aus dem Ausland, Migration vom Land in die Stadt, gestiegene Einkommen, gestiegene
Geburtenrate, veränderte Präferenzen hin zu großen Wohnungen) zu einem Anstieg der
Nachfrage nach derartigen Wohnungen. Aus den Überlegungen zu den Determinanten der
Marktnachfrage wissen wir, dass es unter diesen Voraussetzungen zu einer Verschiebung
der Marktnachfragekurve nach außen kommt.

Aus Sicht der Anbieter dieser speziellen Wohnungen (Investoren, Vermieter, Wohnungs-
baugesellschaften) waren ebenfalls einschneidende Entwicklungen zu verzeichnen. Die
Knappheit bei Handwerkern führte zu einem Anstieg der Kosten, z. B. für die Sanierung.
Gleichzeitig hatte der Gesetzgeber immer strengere Anforderungen an die energetische
Gebäudesanierung gestellt, was ebenfalls zu einem Anstieg der Kosten führte. Aus den
Überlegungen zu den Determinanten des Marktangebotes wissen wir, dass es unter diesen
Voraussetzungen zu einer Verschiebung der Marktangebotskurve nach links bzw. oben
kommt. Wie diese Entwicklungen auf der Nachfrageseite und der Angebotsseite das Markt-
gleichgewicht auf diesem speziellen Wohnungsmarkt verändern, lässt sich in der nachfol-
genden Abbildung erkennen.

45
Abbildung 9: Veränderung des Marktgleichgewichts am Beispiel eine Wohnungsmarktes

Quelle: Stefan Tscharaktschiew, 2020.

Aufgrund der großen Anzahl an Nachfragern und Anbietern (das Angebot verteilt sich auf
viele private Vermieter und einige Wohnungsbaugenossenschaften) unterstellen wir wie-
derum für diesen Markt, dass es sich um einen Wettbewerbsmarkt handelt. Wir können
daraus schließen, wie sich das Marktergebnis in diesem speziellen Markt herausbildet:
durch das Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage, so wie zu Beginn dieser Lektion
ausführlich erläutert.

Im Ausgangszustand wurden in diesem Markt etwas weniger als 50.000 Wohnungen ver-
mietet. Der durchschnittliche Mietpreis in diesem Marktsegment betrug 9 €/m2. Die
beschriebenen Entwicklungen auf der Nachfrage- und Angebotsseite führen schließlich zu
den jeweiligen Verschiebungen der Nachfrage- und Angebotskurve, sodass sich am Ende
dieser Prozesse ein neues Marktgleichgewicht ergibt. Der Markt für diese Art von Vierzim-
merwohnungen hat sich offensichtlich etwas vergrößert. Es werden nun 50.000 Wohnun-
gen vermietet. Der Mietpreis ist hingegen stark gestiegen, von 9 €/m2 auf 14 €/m2.

Machen wir uns nochmals klar, wie es zu diesem Marktergebnis gekommen ist. Die Ent-
wicklungen auf der Seite der (potenziellen) Mieter haben dazu geführt, dass zu jedem
Mietpreis nun mehr Wohnungen nachgefragt werden. Es entsteht eine Knappheit und
damit ein verstärkter Wettbewerb um freie Wohnungen. Die Vermieter können sich ihre
Mieter aussuchen und selbst bei einem Anstieg der Mietpreise werden sie immer noch all
ihre Wohnungen vermieten können. Um dieses Knappheitsproblem zu lösen wird es daher
zu einem Anstieg der Mieten kommen und zwar auf 12 €/m2. Gleichzeitig profitieren die
Vermieter von höheren Einnahmen. Allerdings verteuert sich für die Vermieter die Sanie-
rung und Instandhaltung ihrer Wohnungen, da die Handwerker nun durch die verbesserte
Auftragslage höhere Preise verlangen können. Sie werden daher möglicherweise sehr alte
und sanierungsbedürftige Wohnungen vom Markt nehmen, da sich deren Sanierung nicht
mehr lohnt. Die Folge ist ein gegenläufiger Mengeneffekt durch Verschiebung der Ange-
botskurve nach außen. Ohne die Entwicklungen auf der Angebotsseite würde der Markt-
prozess durch die gestiegene Nachfrage 55.000 Wohnungen hervorbringen, bei einem
durchschnittlichen Mietpreis von 12 €/m2. Der gegenläufige Mengeneffekt durch Verschie-

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bung der Angebotskurve nach außen führt aber zu einer Gleichgewichtsmenge von 50.000
Wohnungen. Gleichzeitig führen die angebotsseitigen Entwicklungen zu einem Kostenan-
stieg und einer (leichten) Verknappung des Angebots. Dies führt zu einem weiteren Miet-
preisanstieg über den des reinen Nachfrageeffekts (12 €/m2) hinaus auf 14 €/m2.

Höchstpreise

Wir sind nun in der Lage zu diskutieren, welche Auswirkungen ein staatlicher Preiseingriff
in Form eines Höchstpreises haben wird, wenn er so ausgestaltet ist, dass er tatsächlich
eine Wirkung entfalten kann. Aus der Analyse nicht bindender Preiseingriffe können wir
schließen, dass ein Höchstpreis nur einen Effekt erzielen kann, wenn er unterhalb des
Gleichgewichtspreises festgesetzt wird. Man spricht dann von einem bindenden Höchst-
preis (Mankiw/Taylor 2018, S. 253). Bindender Höchstpreis
Staatlich festgesetzter
Maximalpreis, der nicht
Nehmen wir also an, die inzwischen auf 14 €/m2 gestiegenen Mieten in der Hauptstadt füh- überschritten werden
ren zu immer größeren finanziellen Problemen bei den betroffenen Haushalten. Sie müs- darf und unter dem
sen nun einen immer größer werdenden Anteil ihres Haushaltseinkommens für Mietzah- Gleichgewichtspreis liegt.

lungen aufwenden, sodass immer weniger Geld in allgemeine Konsumgüter fließen kann.
Die Stadtregierung beschließt daher aus sozialpolitischen Erwägungen einen Höchstpreis
auf Mieten für Vierzimmerwohnungen mit den eingangs erwähnten Eigenschaften. Diese
sogenannte „Mietpreisbremse“ soll die Mieten auf 7 €/m2 begrenzen. Dies wäre in diesem
Fall ein bindender Höchstpreis.

Machen wir uns klar, welche Auswirkungen eine derartige Maßnahme haben wird, wobei
wir aus Gründen der Verständlichkeit eine zeitliche Differenzierung vornehmen werden.
Betrachtet werden zunächst die kurzfristigen Auswirkungen und dann die langfristigen
Effekte. Die untenstehende Abbildung zeigt die kurzfristigen Auswirkungen der staatlichen
Preisintervention.

Abbildung 10: Wirkung eines bindendes Höchstpreises (kurze Frist)

Quelle: Stefan Tscharaktschiew, 2020.

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Abgebildet sind die Nachfrage- und Angebotskurven der jeweiligen Marktteilnehmer. Auf-
fällig ist hierbei, dass beide Kurven relativ steil verlaufen. Dies bedeutet offensichtlich,
dass Preisänderungen (Bewegungen entlang der Kurven) relativ geringe Auswirkungen auf
die nachgefragten und angebotenen Mengen haben. Die Marktteilnehmer reagieren also
relativ unsensibel auf die Preisänderung. Was bedeutet das aus Sicht der Nachfrager und
Anbieter?

• Nachfrager (Mieter):
Kurzfristig lösen Preisänderungen (Mietänderungen) offensichtlich kaum große Ände-
rungen der Marktnachfrage nach Wohnungen aus. Dies liegt daran, dass Individuen in
dieser kurzen Frist in ihren Handlungsalternativen beschränkt sind. In Bezug auf Haus-
halte als potenzielle Mieter bedeutet das, dass sie eben nicht von heute auf morgen
vom Stadtrand in die Stadt ziehen können. Zunächst muss die derzeitige Mietwohnung
gekündigt werden oder das derzeit bewohnte Haus verkauft werden. Noch schwieriger
dürfte ein Arbeitsplatzwechsel sein, der nicht selten mit einem Umzug verbunden ist.
Für die Kündigung von Arbeitsverträgen sind bestimmte Fristen einzuhalten. Auch müs-
sen die Individuen erst einmal eine für sich passende Wohnung finden; in relativ ange-
spannten Wohnungsmärkten ist dies nicht so einfach. Diese Prozesse können Monate (z.
B. im Fall der Kündigung der derzeitigen Mietwohnung) oder mitunter sogar Jahre (z. B.
im Fall des Hausverkaufs) in Anspruch nehmen.
• Anbieter (Vermieter):
Gleiches gilt für die Angebotsseite. Kurzfristig bringen Preisänderungen (Mietänderun-
gen) kaum große Änderungen des Marktangebotes an Wohnungen hervor. Im Falle des
Wohnmarktes ist diese Starrheit der Reaktion auf der Angebotsseite häufig sogar noch
stärker ausgeprägt. Das heißt, die Angebotskurve verläuft steiler als die Nachfragekurve,
in unserem Beispiel ist sie sogar vollkommen steil (vertikale Kurve). Das bedeutet, dass
das Wohnungsangebot kurzfristig faktisch fix ist und Preisänderungen weder einen
Anstieg noch einen Rückgang an vermietbaren Wohnungen hervorrufen werden. Dies ist
auch plausibel. Selbst wenn Vermieter oder Investoren gerne auf gestiegene Mieten mit
der Ausweitung ihres Angebotes reagieren würden, können sie das kurzfristig nicht.
Baulücken müssen erschlossen werden; Bauplanungen, die Beantragung von Bauge-
nehmigungen und der Bau der Wohnungen selbst brauchen ihre Zeit; auch sind die Auf-
tragsbücher der Handwerker voll, was kurzfristig nicht beeinflussbar ist.

Mit dem Wissen über diese Zusammenhänge sind wir nun in der Lage, die Auswirkungen
der Preisobergrenze zu evaluieren. Als wichtigstes Merkmal eines bindenden Höchstprei-
ses lässt sich nennen (wie aus der obigen Abbildung ersichtlich), dass ein klassisches
Marktgleichgewicht nicht mehr erreicht wird. Die Preisobergrenze unterhalb des eigentli-
chen Gleichgewichtspreises verhindert einen Ausgleich von Angebot und Nachfrage. Bei
einem derart niedrigen Mietniveau wollen einige Individuen ihr Haus verkaufen oder ihre
alte Wohnung in einer anderen Stadt aufgeben und die günstigen Wohnungen in der miet-
preisregulierten Stadt anmieten. Gleichzeitig können die Vermieter aber aus den besagten
Gründen das Wohnungsangebot nicht erhöhen (wahrscheinlich wollen sie das auch gar
nicht bei einer derart geringen Rendite). Die Folge ist ein Nachfrageüberschuss bzw. eine
Angebotslücke.

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In unserem Beispiel beträgt die Angebotslücke bzw. der Nachfrageüberschuss nach Ein-
führung des staatlich festgesetzten Höchstpreises nun 8.000 Wohnungen. Die damit ver-
bundenen Auswirkungen sind vielfältig. Abgesehen von der Tatsache, dass bestehende
Mieter von geringeren Mieten profitieren (die andere Seite der Medaille sind die gesunke-
nen Einnahmen der Vermieter – volkswirtschaftlich also eine reine Umverteilung von den
Vermietern zu den Mietern) lassen sich nicht sehr viele positive Effekte finden. Ganz im
Gegenteil. Die Personen, die relativ schnell reagieren können, wollen nun die günstigeren
Wohnungen anmieten. Da die Vermieter aber kurzfristig die erhöhte Nachfrage nicht
bedienen können, gehen einige leer aus und werden dementsprechend unzufrieden sein.
Die Anbieter werden ebenfalls unzufrieden sein, denn ihre Einnahmen gehen zurück;
gleichzeitig können sie sich kurzfristig nicht an die geänderte Marktlage wegen des fixen
(starren) Marktangebotes anpassen. Das Ziel, die Bürger von den vorher stark gestiegenen
Mieten zu entlasten, konnte durch die staatliche Preisintervention erreicht werden, aller-
dings ergeben sich einige unerwünschte Folgewirkungen, an die womöglich bei der Pla-
nung der Maßnahme seitens der verantwortlichen Entscheidungsträger (Politiker, Parla-
ment, Stadtverwaltung etc.) nicht gedacht wurde. Dazu gehört auch die Schaffung des
Anreizes, den bindenden Höchstpreis zu umgehen.

Viel drastischer sind die Auswirkungen des staatlich festgesetzten Höchstpreises auf dem
Wohnungsmarkt („Mietpreisbremse“) jedoch auf lange Sicht.

Abbildung 11: Wirkung eines bindendes Höchstpreises (lange Frist)

Quelle: Stefan Tscharaktschiew, 2020.

Aufgrund der stärkeren Anpassungsmöglichkeiten der potenziellen Nachfrager ist auf


lange Sicht nun die Marktnachfragekurve wesentlich flacher. Eine Mietpreissenkung führt
dadurch zu einem sehr viel stärkeren Nachfrageanstieg. Gleichzeitig ist aber auch die
Angebotskurve flacher, da potenzielle Vermieter/Investoren auf lange Sicht ein Grund-
stück zur Bebauung finden werden, und auch Baufirmen und Handwerker auf längere
Sicht irgendwann freie Termine für ihre Dienstleistungen anbieten können. Zudem besteht
für Vermieter, ob private oder organisierte Wohnungsgenossenschaften, längerfristig die
Möglichkeit, vorhandenen Wohnraum umzuwidmen (z. B. zwei kleine Wohnungen anstelle
einer großen) oder sogar Wohnfläche in Bürofläche (oder umgekehrt) zu verwandeln. Das

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Problem bei einem Höchstpreis ist natürlich, dass diese Effekte in Richtung einer Ange-
botsverknappung verlaufen. Da der Gleichgewichtspreis nun quasi per Gesetz unterschrit-
ten wird, können die Vermieter/Investoren ihre ursprünglichen Renditen (Mietpreise) nicht
mehr erwirtschaften. Das heißt, sie werden einige Wohnungen, deren Sanierung sich nun
nicht mehr lohnt (hohe Sanierungskosten vs. gesunkene Mieteinnahmen) vom Markt neh-
men. Oder sie werden z. B. Handwerker beauftragen, die Wohnungen in kleinere Einheiten
oder Bürofläche umzuwandeln, denn für derartige Wohnungen wurden keine Höchst-
preise eingeführt. Im Extremfall unterlassen die Vermieter jegliche Aktivität und lassen
ihre (eigentlich wertvollen) Objekte im wahrsten Sinne des Wortes „vergammeln“.

Dass der Markt angebotsseitig bei staatlichen Preisobergrenzen im Wohnungsmarkt tat-


sächlich auf diese Weise reagiert, konnten wir aus den Erfahrungen vieler planwirtschaft-
lich geprägter Volkswirtschaften des sogenannten Ostblocks lernen. Insgesamt führen
beide Aspekte, stärkere Reaktion sowohl der Nachfrager als auch der Anbieter, nun zu
einer noch viel größeren Angebotslücke (= Nachfrageüberschuss) im Umfang von 55.000
Wohnungen (75.000 – 20.000). Die mit dieser Angebotslücke verbundenen Auswirkungen
(und volkswirtschaftlichen Kosten!) kann man sich leicht bildlich vorstellen:

• Potenzielle Nachfrager/Mieter werden bei vielen Wohnungsbesichtigungen Schlange


stehen. Die dabei eingesetzte Zeit könnten sie aber mit viel sinnvolleren Tätigkeiten ver-
bringen (Arbeit, Freizeit, Erholung). Es entstehen also Opportunitätskosten und die Indi-
viduen vergeuden eine ihrer wichtigsten Ressourcen, nämlich Zeit. Ein immenser volks-
wirtschaftlicher Schaden (eine ineffiziente Allokation der volkswirtschaftlichen
Ressource Zeit), der auch monetär gemessen werden kann, ist die Folge.
• Anbieter/Vermieter können sich ihre Mieter aussuchen, was unerwünschte soziale Fol-
gen nach sich ziehen kann. So könnten Familien ohne Kinder trotz der großen Wohnung
bevorzugt werden. Große Familien müssten dann vermehrt in zu kleinen Wohnungen
leben, während kleine Familien möglicherweise sogar ein Zimmer fast ungenutzt las-
sen. Auch hier kommt es zu einer Verschwendung einer volkswirtschaftlichen Res-
source, nämlich Wohnraum (oder ganz allgemein Landfläche).
• Anbietern/Vermietern fehlt der Anreiz, Wohnungen anzubieten, und es fehlt aufgrund
der gesunkenen Renditemöglichkeiten der Anreiz zur Sanierung. Möglicherweise bilden
sich unschöne Baulücken im Stadtbild und die bestehenden Häuser und Wohnungen
verfallen.
• Anbietern/Vermietern fehlt nun auch Anreiz, Wohnungen energetisch zu sanieren, denn
die Preisobergrenze macht eine adäquate Weitergabe der Kosten in Form höherer Miet-
preise möglicherweise unmöglich. Energie, eine volkswirtschaftliche Ressource, wird in
zu hohem Maße für die Beheizung der Wohnräume gebraucht und kann, sofern die
Energiegewinnung durch nicht erneuerbare Rohstoffe erfolgt, auch negative Umwelt-
wirkungen induzieren.

Es lässt sich also konstatieren, dass ein bindender Höchstpreis, neben seinem ursprüng-
lich intendierten Zweck (in unserem Beispiel Schaffung preiswerten Wohnraums, welchen
sich auch größere einkommensschwache Haushalte leisten können), zahlreiche (meist
negative) Folgewirkungen in vielen Bereichen entfalten kann und wird. Diese Wirkungen
werden von den Entscheidungsträgern häufig nicht vollständig berücksichtigt. Daher ist
gerade dies Aufgabe von Ökonomen, über diese möglichen Konsequenzen einer starren
Preisobergrenze aufzuklären. Zudem sollten Ökonomen Strategien entwickeln, die – falls

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sich die Entscheidungsträger dennoch für staatliche Preisinterventionen entscheiden –
mögliche Folgewirkungen abmildern, z. B. in Form von Zusatzregeln. So könnte beispiels-
weise ergänzend beschlossen werden, dass Sanierungskosten trotzdem auf den Mietpreis
umgelegt werden könnten. Dadurch ließen sich negative Umwelteffekte trotz staatlicher
Preisintervention vermeiden.

Mindestpreise

Diskutieren wir nun, welche Auswirkungen ein staatlicher Preiseingriff in Form eines Min-
destpreises haben muss, um seine angestrebte Wirkung auch tatsächlich zu entfalten. Aus
der Analyse nicht bindender Preiseingriffe können wir schlussfolgern, dass ein Mindest-
preis nur einen Effekt erzielen kann, wenn er oberhalb des Gleichgewichtspreises festge-
setzt wird. Man spricht dann von einem bindenden Mindestpreis (Mankiw/Taylor 2018, S. Bindender Mindestpreis
257). Staatlich festgesetzter
Minimalpreis, der nicht
unterschritten werden
Nehmen wir also zur Veranschaulichung das wohl prominenteste praktische Beispiel für darf und über dem
einen staatlich festgesetzten Mindestpreis: der auf dem Arbeitsmarkt geltende gesetzliche Gleichgewichtspreis liegt.

Mindestlohn. Um dessen Wirkungsweise zu verstehen, ist es notwendig, sich zunächst kurz


mit der Wirkungsweise von Arbeitsmärkten auseinanderzusetzen.

Abbildung 12: Wirkung eines bindenden Mindestpreises

Quelle: Stefan Tscharaktschiew, 2020.

Die obige Abbildung zeigt einen spezifischen Arbeitsmarkt für geringer qualifizierte
Arbeitskräfte. Zu erkennen sind wiederum die Marktnachfragekurve und die Marktange-
botskurve, wobei es im speziellen Fall des Arbeitsmarktes im Vergleich zu allen anderen
Märkten eine Besonderheit zu beachten gilt. Während bei wettbewerblichen Gütermärk-
ten natürlicherweise die einzelnen Individuen die Nachfrager und die Vielzahl der Unter-
nehmen die Anbieter der Waren und Dienstleistungen sind, ist es bei Arbeitsmärkten
genau umgekehrt. Die Individuen sind Anbieter ihrer Arbeitskraft auf dem Arbeitsmarkt,
während die Unternehmen diese Arbeitskräfte nachfragen. Die Marktangebotskurve

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bezieht sich im Falle des Arbeitsmarktes also auf das Gesamtarbeitsangebot der Indivi-
duen und die Marktnachfragekurve auf die Gesamtnachfragekurve der Unternehmen und
Betriebe.

Die Nachfragkurve verläuft fallend, da sich für die Unternehmen bei steigenden Löhnen
die Produktionskosten erhöhen und sie daher auf Einstellungen von Arbeitnehmern ver-
zichten werden. Die Angebotskurve verläuft hingegen steigend, da sich für die Individuen
bei steigenden Löhnen der Anreiz erhöht, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Nimmt
man an, dass es sich bei dem Arbeitsmarkt für geringer Qualifizierte tendenziell um einen
Wettbewerbsmarkt mit vielen Anbietern und Nachfragern handelt, dann ergibt sich mit-
hilfe des Preismechanismus wiederum ein Gleichgewicht auf dem Arbeitsmarkt. Im vorlie-
genden Fall finden fünf Millionen Arbeitnehmer Beschäftigung (und werden beschäftigt)
und werden dafür mit einem gleichgewichtigen Stundenlohn in Höhe von 9 €/Stunde ent-
lohnt.

Vor diesem Hintergrund können wir nun analysieren, welche Konsequenzen sich durch die
Einführung eines Mindestpreises in Form eines Mindestlohnes ergeben. Nehmen wir an,
die Bundesregierung setzt den gesetzlichen Mindestlohn auf 11 €/Stunde. Da dieser Lohn-
satz oberhalb des Lohns liegt, der sich in einem freien Markt ergeben würde, ist dieser bin-
dend. Die Nachfrager der Arbeitskräfte, d. h. die Unternehmen, müssen nun ihren Arbeits-
kräften diesen Lohn zahlen. Die fallende Nachfragekurve impliziert aber, dass es einige
Unternehmen gibt, die nicht mehr bereit sein werden, einen Lohnsatz von 11 €/Stunde zu
zahlen. Möglicherweise sind ihre Erlöse so gering, dass sie sich diese erhöhten Produkti-
onskosten gar nicht mehr leisten können. Die Nachfrage nach Arbeitskräften geht zurück.
Gleichzeitig erhöht sich aber durch die gestiegenen Verdienstmöglichkeiten aufseiten der
Anbieter (potenzielle Arbeitskräfte) die Attraktivität des Arbeitsangebotes. Man kann sich
z. B. vorstellen, dass es nun für den geringer verdienenden Teil eines Ehepaares hinrei-
chend attraktiv ist, dennoch einer Erwerbsarbeit nachzugehen, während die Kinder in
Betreuung gegeben werden. Insgesamt erhöht sich dadurch also das Arbeitsangebot.
Folglich wollen jetzt mehr Menschen arbeiten, als die Unternehmen einstellen und
beschäftigen wollen. Es entsteht also eine Nachfragelücke (= Angebotsüberschuss) auf
dem Arbeitsmarkt für geringqualifizierte Arbeitskräfte in Höhe von 2,5 Millionen (6,5 – 4,0
Millionen) Menschen. Mit anderen Worten: Es herrscht Arbeitslosigkeit. Während diejeni-
gen Arbeitnehmer, die ihre Arbeit behalten, nun von einem höheren Lohn profitieren –
genau das war auch das Ziel der Regierung, welches mit der Einführung des Mindestloh-
nes verfolgt wurde – ergeben sich wie im Falle von Höchstpreisen vielfältige (in den meis-
ten Fällen ungewollte) Nebenwirkungen:

• Einige Anbieter/Arbeitskräfte werden arbeitslos, mit allen sozialen, ökonomischen, und


psychischen Folgen für jedes einzelne Individuum.
• Entlassene Anbieter/Arbeitskräfte müssen wertvolle volkswirtschaftliche Ressourcen,
insbesondere Zeit, aufwenden, um eine neue Anstellung zu finden.

52
• Einige Nachfrager/Unternehmen können sich ihre Arbeitnehmer womöglich nicht mehr
leisten. Im Extremfall müssen einige Unternehmen vielleicht sogar schließen. Darunter
leidet die Produktvielfalt und Konkurrenz in anderen Märkten, was wiederum für viele
weitere Konsumenten von Nachteil ist.
• Möglicherweise sinken die Einnahmen des Staates und der Sozialversicherungen, da
Arbeitslose weder Lohnsteuer noch Sozialversicherungsbeiträge zahlen. Gleichzeitig
zahlt der Staat Arbeitslosengeld und übernimmt gegebenenfalls die Beiträge zur Sozial-
versicherung. Zwar ergibt sich ein gegenläufiger Effekt, da aufgrund des gestiegenen
Lohnsatzes nun auch mehr Lohnsteuern von den weiterbeschäftigten Arbeitnehmern
gezahlt werden, es ist aber fraglich, ob dieser Effekt hinreichend ist, um die Einnahme-
ausfälle zu kompensieren. Sollte der Staat tatsächlich Einnahmen verlieren, dann müss-
ten diese über andere Wege wieder eingenommen werden, z. B. durch Steuererhöhun-
gen an anderer Stelle. Von diesen Steuererhöhungen wäre dann eine Vielzahl weiterer
Individuen negativ betroffen.

Zusammenfassend lässt sich also feststellen, dass sich durch bindende staatliche Preisein-
griffe, sei es in Form von Höchst- oder Mindestpreisen, neben den durch die Interventio-
nen ursprünglich intendierten Effekten vielfältige weitere, meist ungewollte, Auswirkun-
gen herausbilden. Es ist die Aufgabe der Ökonomen, hierüber aufzuklären und Strategien
zur Abmilderung der negativen Effekte zu entwickeln, im Idealfall im Vorfeld solcher Maß-
nahmen.

2.4 Die Wirkung von Steuern und


Subventionen
Im vorherigen Abschnitt haben wir gezeigt, welche Wirkungen direkte Preiseingriffe des
Staates in Form von Höchst- und Mindestpreisen entfalten können. Im Folgenden betrach-
ten und diskutieren wir weitere Möglichkeiten des Staates, Preise zu beeinflussen, nämlich
Steuern und Subventionen. Steuern
Dies sind staatlich festge-
setzte Aufschläge auf den
Steuern (Brutto-)Preis eines
Gutes.
Im Wesentlichen lassen sich für die Erhebung von Steuern drei Gründe identifizieren: Subventionen
Dies sind staatlich festge-
setzte Abschläge auf den
1. Generierung von Einnahmen: (Brutto-)Preis eines
Der Staat hat auf allen Ebenen (in Deutschland: Bund, Bundesländer, Gemeinden, Gutes.

Kommunen) vielfältige Aufgaben zu erfüllen, welche alle finanziert werden müssen.


Der Staat muss ausreichende Finanzmittel bereitstellen für Kinderbetreuung, Bildung
(Erzieher, Lehrer, Professoren, Schulgebäude usw.), Landesverteidigung, Polizei,
Gerichtswesen, Infrastruktur usw. (Mankiw/Taylor 2018, S. 259).
2. Schaffung einer gerechteren Vermögensverteilung:
Selbst wenn eine Volkswirtschaft eine effiziente Allokation ihrer Ressourcen erreichen
kann (Maximierung der Gesamtrente), können die einzelnen Wirtschaftsakteure unter-
schiedlich stark profitieren. Einige könnten sogar insgesamt benachteiligt werden.

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Der Staat kann dann das Instrument der Steuer nutzen, um eine zu starke Ungleich-
verteilung von Einkommen und Vermögen zu vermeiden, z. B. indem einige Wirt-
schaftssubjekte stärker besteuert werden als andere (Mankiw/Taylor 2018, S. 290f.).
3. Korrektur von Marktunvollkommenheiten:
Steuern können genutzt werden, um das Verhalten von Wirtschaftssubjekten in eine
bestimmte Richtung zu lenken. Individuelles Verhalten, welches gesamtgesellschaft-
lich schädlich ist, könnte dadurch dahingehend beeinflusst werden, dass es zu einer
Wohlfahrtssteigerung kommt (Mankiw/Taylor 2018, S. 259).

Steuern sind aus volkswirtschaftlicher Sicht von herausragendem Interesse. So gibt es in


Deutschland nahezu keinen Bereich, der nicht irgendeiner Form der Besteuerung unter-
liegt. Besteuert werden Güter, Dienstleistungen, Produktionsfaktoren (Arbeit, Kapitel,
Boden), Vermögen usw. Da Steuern so bedeutsam sind, ist es unabdingbar, ein Verständ-
nis dafür zu entwickeln, welche Effekte mit ihrer Einführung/Anpassung einhergehen. Es
wird sich herausstellen, dass einige Effekte sehr überraschend sind. Wir werden z. B.
sehen, dass eine Steuer, die auf der Seite der Nachfrager oder Anbieter erhoben wird,
letztendlich nicht automatisch auch von diesen in vollem Umfang gezahlt/getragen wird
Steuerinzidenz (Steuerinzidenz).
Wer trägt die Steuerlast?
Nachfrager (Käufer) oder
Anbieter (Verkäufer)? Steuer auf Nachfrageseite

Kehren wir zu unserem Beispiel des Döner-Kebab-Marktes zurück. Nehmen wir an, die
Stadtregierung möchte das jährliche Stadtfest (Ausgaben für Wachdienste, Reinigung,
Müllentsorgung, Straßensperren usw.) über eine (Sonder-)Steuer auf den Konsum bzw.
den Verkauf von Döner finanzieren. Sie sieht in der Einführung der Steuer ein großes
Potenzial, da der Imbiss so beliebt ist. Sie rechnet mit hohen Steuereinnahmen. Nehmen
wir zunächst an, dass die Steuer auf der Seite der Nachfrager erhoben wird. Das bedeutet,
dass die Nachfrager die Steuer nach dem Kauf des Produktes an den Staat abführen müs-
sen. Der Stadtrat entscheidet sich für eine Steuer in Höhe von einem Euro je Döner Kebab.
Die Situation und die damit verbundenen Konsequenzen sind der untenstehenden Abbil-
dung zu entnehmen.

54
Abbildung 13: Wirkung von Steuern (Steuer auf Nachfrageseite)

Quelle: Stefan Tscharaktschiew, 2020.

Das ursprüngliche Marktgleichgewicht war gekennzeichnet durch einen Marktpreis von 4


€/Einheit und eine Gleichgewichtsmenge (Angebot=Nachfrage) von zwei Millionen Dönern
pro Woche.

Wird nun auf der Nachfrageseite eine Steuer auf Döner Kebab eingeführt, müssen diese
alle Konsumenten entrichten, zusätzlich zu dem Bruttopreis, der nach wie vor von den
Verkäufern/Produzenten erhoben wird. Das Gut wird aus Sicht der Döner-Konsumenten
nun teurer und damit unattraktiver. Für die Verkäufer ändert sich dagegen zunächst
nichts. Sie haben weiterhin die gleichen Kosten und den gleichen Anreiz, das Produkt
anzubieten wie vor der Einführung der Steuer. Die Marktangebotskurve bleibt daher
unverändert.

Aus den Ausführungen zu Beginn dieser Lektion (Determinanten der Nachfrage) lässt sich
nun ableiten, wie sich die Nachfragekurve verändern wird. Sie wird sich verschieben, und
zwar nach innen bzw. links in Richtung des Koordinatenursprungs. Bei jedem ursprüngli-
chen vom Verkäufer erhobenen Bruttopreis wollen die Konsumenten nun weniger Döner
Kebab kaufen. Anders ausgedrückt: Jeden Döner Kebab schätzen die Konsumenten nun
weniger wert (sinkende Zahlungsbereitschaft), denn sie müssen stets im Zusammenhang
mit ihrem Kauf zusätzlich noch eine Steuer entrichten. Das Ausmaß der Verschiebung ent-
spricht genau dem erhobenen Steuersatz in Höhe von einem Euro je Döner. Durch die Ver-
schiebung der Nachfragekurve stellt sich ein neues Gleichgewicht ein. Der neue Gleichge-
wichtspreis beträgt 3,70 Euro bei einer Gleichgewichtsmenge von 1,7 Millionen Döner
Kebabs (pro Woche). Der Preis, den die Anbieter je verkaufter Einheit erhalten, beträgt
genau diese 3,70 Euro, denn sie müssen keine Steuer auf ihre Ware abführen. Die Nachfra-
ger hingegen zahlen 4,70 Euro für den Kauf eines Döners. Davon gehen 3,70 Euro an den

55
Verkäufer, darüber hinaus noch 1,00 Euro an den Staat. Mithilfe dieser Informationen las-
sen sich dann auch unmittelbar die Steuereinnahmen des öffentlichen Haushaltes ermit-
teln. Sie betragen 1,7 Millionen Euro pro Woche.

Steuer auf Angebotsseite

Betrachten wir nun die gleiche Situation, mit dem einzigen Unterschied, dass die Steuer
auf der Anbieterseite erhoben wird. Die Verkäufer müssen die Steuer also am Ende an den
öffentlichen Haushalt abführen. Wie verändert sich der Sachverhalt im Vergleich zu einer
identischen Steuer, die allerdings von den Nachfragern zu entrichten ist? Die Situation und
die damit verbundenen Konsequenzen sind der untenstehenden Abbildung zu entneh-
men.

Abbildung 14: Wirkung von Steuern (Steuer auf Angebotsseite)

Quelle: Stefan Tscharaktschiew, 2020.

Wird nun also auf der Angebotsseite eine Steuer auf Döner eingeführt, dann wirkt dies für
die Verkäufer wie eine Erhöhung ihrer Kosten. Sie müssen ihre Ladenmiete, Löhne, Zuta-
ten usw. zahlen und zusätzlich die Steuer. Für die Käufer ändert sich hingegen zunächst
nichts. Sie haben weiterhin die gleiche Zahlungsbereitschaft und den gleichen Anreiz, das
Produkt zu kaufen wie vor der Einführung der Steuer, denn sie müssen die Steuer nicht
abführen (möglicherweise merken sie zunächst nicht einmal, dass überhaupt eine Steuer
existiert). Die Marktnachfragekurve bleibt daher unverändert.

Aus den Ausführungen zu den Determinanten des Angebotes lässt sich nun ableiten, wie
sich die Angebotskurve verändern wird. Sie wird sich nach oben bzw. links verschieben.
Für jede verkaufte Einheit müssen die Verkäufer nun Produktionskosten und Steuer erwirt-
schaften; sie werden ihr Produkt also zu einem höheren Nettopreis (Bruttopreis + Steuer)
verkaufen müssen. Anders ausgedrückt: Für den Bruttopreis, den die Konsumenten zu

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zahlen bereit wären, haben die Verkäufer nun weniger Anreiz, ihr Produkt zu verkaufen.
Das Ausmaß der Verschiebung entspricht genau dem erhobenen Steuersatz in Höhe von
einem Euro je Döner Kebab. Durch die Verschiebung der Angebotskurve stellt sich ein
neues Gleichgewicht ein. Der neue Gleichgewichtspreis beträgt nun 4,70 Euro bei einer
Gleichgewichtsmenge von 1,7 Millionen Dönern (pro Woche). Der Preis, den die Nachfra-
ger je gekaufter Einheit zahlen, beträgt genau diese 4,70 Euro, denn sie müssen keine
Steuer auf ihre gekaufte Ware abführen. Die Anbieter erhalten am Ende hingegen nur 3,70
Euro für den Verkauf eines Döners. Sie erhalten zum einen 4,70 Euro vom Käufer, müssen
zum anderen darüber hinaus aber noch 1,00 Euro an den Staat zahlen. Wiederum lassen
sich mithilfe dieser Informationen unmittelbar die Steuereinnahmen des öffentlichen
Haushaltes ermitteln. Sie betragen 1,7 Millionen Euro pro Woche.

Die Analyse hält einige sehr bedeutsame und auch überraschende Erkenntnisse bereit, die
wir im Folgenden diskutieren werden.

Marktergebnis

Dies bringt uns zu unserer ersten wichtigen Erkenntnis: Unabhängig davon, auf welcher
Marktseite (Nachfrager oder Anbieter) die Steuer erhoben wird, stellt sich das gleiche
Marktergebnis ein (Mankiw/Taylor 2018, S. 262). Zwar unterscheidet sich der Bruttogleich-
gewichtspreis in beiden Situationen, dies liegt allerdings lediglich an der unterschiedli-
chen Steuererhebung. Im Endeffekt ist der Preis, den Käufer zahlen, in beiden Situationen
gleich, genauso wie der Preis, den Verkäufer erhalten, ebenfalls in beiden Situationen
gleich ist. Außerdem kommt es zu einem Rückgang der angebotenen und nachgefragten
Menge an Döner Kebab. Dieser Aspekt wird uns bei der gesamtwirtschaftlichen Bewertung
einer Steuermaßnahme noch beschäftigen.

Steuerinzidenz

Die zweite wichtige Erkenntnis lässt sich wie folgt zusammenfassen: Obwohl entweder
Nachfrager (Käufer) oder Anbieter (Verkäufer) die Steuer faktisch in voller Höhe entrichten
müssen, tragen sie die Steuerlast nicht automatisch ebenfalls in voller Höhe (Mankiw/
Taylor 2018, S. 260f.). In unserem Beispiel beträgt der ursprüngliche Gleichgewichtspreis,
d. h. vor Einführung der Steuer, 4 €/Einheit. Nach der Maßnahme müssen die Nachfrager
im Endeffekt 0,70 Euro mehr zahlen, während die Anbieter 0,30 Euro weniger für den Ver-
kauf eines Döner Kebab erhalten. Offensichtlich teilen sich beide Marktseiten zu einem
gewissen Grad die Steuerlast. In unserem konkreten Fall tragen offensichtlich die Nachfra-
ger den größeren Teil der Steuerlast. Doch wovon hängt es genau ab, welche Marktseite
welchen Anteil der Steuerlast trägt?

Um dies besser verstehen zu können, greifen wir auf die nachfolgende Abbildung zurück.
Sie zeigt die gleiche Situation wie zuvor, in der die Steuer auf der Anbieterseite erhoben
wurde. Auch der ursprüngliche Gleichgewichtspunkt ist identisch (GG-Preis: 4 €/Einheit;
GG-Menge: 2 Millionen Einheiten/Woche). Es gibt jedoch einen entscheidenden Unter-
schied: Die Angebotskurve ist hier wesentlich steiler. Das heißt, Preisänderungen haben
einen relativ kleinen Einfluss auf die Angebotsentscheidungen der Verkäufer. Anders aus-

57
gedrückt: Die Verkäufer können nur sehr bedingt ihr Angebot auf Preisänderungen anpas-
sen (ähnlich wie im Beispiel des Wohnungsmarktes die Vermieter/Investoren in der kurzen
Frist).

Abbildung 15: Steuerinzidenz (Beispiel: Anbieter/Verkäufer trägt Hauptlast)

Quelle: Stefan Tscharaktschiew, 2020.

Betrachtet man die Abbildung genauer, erkennt man, dass der Preis, den die Käufer nach
Einführung der Steuer effektiv zahlen müssen (Nettopreis), nur unwesentlich über dem
ursprünglichen Gleichgewichtspreis in Höhe von 4 €/Einheit liegt. Demgegenüber liegt der
Preis, den die Verkäufer nach Einführung der Steuer effektiv erhalten, wesentlich unter
dem ursprünglichen Gleichgewichtspreis in Höhe von 4 €/Einheit. Das bedeutet, dass die
Anbieter nun den Hauptteil der Steuerlast tragen.

Die Abbildung beantwortet die Frage nach der Steuerinzidenz (wer trägt die Hauptlast der
Steuer) sehr eindrucksvoll. Es ist nämlich die Marktseite, die relativ schwächer (weniger
sensibel) auf Preisänderungen reagiert, die den größeren Teil der Steuerlast zu tragen hat
(Mankiw/Taylor 2018, S. 267).

Steuereinnahmen

Die dritte wichtige Erkenntnis bezieht sich auf die Einnahmen des öffentlichen Haushaltes,
welche durch die Einführung der Steuer generiert werden können. Die Information hierü-
ber kann ebenfalls direkt der obigen Abbildung entnommen werden (grüne Fläche). Sie
betragen 1,7 · 1 = 1,7 Millionen Euro pro Woche. Es wird deutlich, dass Entscheidungsträ-
ger bei der Planung ihrer Maßnahmen beachten müssen, dass Eingriffe des Staates in den
Markt (hier in Form von Steuern), Marktreaktionen durch Verhaltensanpassungen hervor-
rufen. Im konkreten Fall bedeutet das einen Mengenrückgang in Höhe von 300.000 Einhei-
ten. Die Steuereinnahmen sind also keineswegs einfach zu prognostizieren, indem einfach

58
die beobachtbare gekaufte und verkaufte Menge vor Einführung oder Änderung der Steuer
mit dem geplanten Steuersatz multipliziert wird. Vielmehr müssen die Anpassungsreaktio-
nen der Marktteilnehmer mit in Betracht gezogen werden (Mankiw/Taylor 2018, S. 284f.).

Häufig sind jene überrascht, die über die Einführung/Anpassung von Steuersätzen ent-
scheiden, wenn die Steuereinnahmen anders ausfallen, als ursprünglich erwartet. Es ist
die Aufgabe von Ökonomen, zuverlässige Prognoseinstrumente zur Verfügung zu stellen
und hierüber aufzuklären.

Nettowohlfahrtsverlust der Besteuerung

Zum Abschluss soll nun noch eine gesamtwirtschaftliche Bewertung von Steuermaßnah-
men aus wohlfahrtstheoretischer Perspektive erfolgen. Wir wissen bereits, dass der Vor-
oder Nachteil, den Konsumenten und Produzenten aus der Teilhabe am Marktgeschehen
generieren können, mithilfe der Konsumentenrente und Produzentenrente ermittelt wer-
den kann. Der Wohlfahrtseffekt, der durch den Markmechanismus resultiert, ist die
Summe aus Konsumentenrente und Produzentenrente. Eine staatliche Maßnahme wie die
Einführung einer Steuer verändert einerseits diese Renten. Andererseits werden Teile die-
ser Renten aber wiederum vom Staat abgeschöpft. Der Gesamtwohlfahrtseffekt (Netto-
wohlfahrtseffekt oder Veränderung der Gesamtrente) der Steuermaßnahme ergibt sich Nettowohlfahrtseffekt
also aus der Veränderung der Konsumenten- und Produzentenrente zuzüglich des Effektes Wohlfahrtseffekt einer
Maßnahme unter Berück-
auf die Staatseinnahmen. sichtigung der Staatsein-
nahmen (und gegebenen-
Wir werden nun mithilfe der nachfolgenden Abbildung diskutieren, wie die Einführung der falls weiterer Effekte).

Steuer die Renten und Staatseinnahmen beeinflusst und gelangen so zu einer wohlfahrts-
ökonomischen Bewertung der staatlichen Maßnahme.

59
Abbildung 16: Direkte Wohlfahrtseffekte einer Steuer

Quelle: Stefan Tscharaktschiew, 2020 in Anlehnung an Mankiw/Taylor 2018, S. 54.

Die Abbildung zeigt die wohlfahrtsökonomischen Konsequenzen einer Steuereinführung


in allgemeiner Art und Weise. Wir wissen bereits, dass es keinen Unterschied macht, ob die
Steuer auf Seite der Nachfrager mit der Folge der Verschiebung der Nachfragekurve oder
anbieterseitig mit der Folge der Verschiebung der Angebotskurve erhoben wird. Die Abbil-
dung verzichtet daher auf die Darstellung der Verschiebung der Nachfragekurve bzw.
Angebotskurve und zeigt stattdessen direkt den vom Käufer letztlich effektiv gezahlten
Preis (pK) und den vom Verkäufer erhaltenen Preis (pV).

Bekannt ist bereits, dass sich die Konsumentenrente als Fläche zwischen der Nachfrage-
kurve und dem gezahlten Preis ergibt. Sie entspricht daher den Flächen A+B+C vor Einfüh-
rung der Steuer und der Fläche A nach Einführung der Steuer. Die Konsumenten sind also
schlechter gestellt und der Verlust lässt sich durch die Flächen B+C repräsentieren. Die
Produzentenrente entspricht der Fläche zwischen dem vom Verkäufer letztlich effektiv
erhaltenen Preis und der Angebotskurve. Sie entspricht daher den Flächen D+E+F vor Ein-
führung der Steuer und der Fläche F nach Einführung der Steuer. Die Produzenten sind
also ebenfalls schlechter gestellt und der Verlust lässt sich durch die Flächen D+E reprä-
sentieren. Der Gesamtverlust der beiden Marktseiten beträgt also zunächst B+C+D+E.

60
Betrachtet man nun nur jene Konsumenten und Produzenten, die vor Einführung der
Steuer und auch nach Einführung der Steuer ihre Produkte kaufen und verkaufen, dann
entspricht der Verlust der beiden Marktseiten den Flächen B+D. Dies entspricht aber wie-
derum genau den Steuereinnahmen des Staates. Es handelt sich daher nicht um einen
Verlust im volkswirtschaftlichen Sinne, denn der Verlust der verbleibenden Produzenten
und Konsumenten ist gleichzeitig eine Einnahme des Staates. Ökonomen sprechen von
einem Transfer von einem ökonomischen Akteur zu einem anderen. Nimmt man an, dass
der Staat mit einer Einnahme von einem Euro auch einen volkswirtschaftlichen Nutzen
von einem Euro generieren kann, dann heben sich diese Effekte also auf. Als volkswirt-
schaftlicher Verlust (Nettowohlfahrtsverlust) gelten daher nur die Flächen C+E (jeweils die
Fläche eines rechtwinkligen Dreiecks).

Es ist von großer Bedeutung, zu verstehen, warum dieser Wohlfahrtsverlust entsteht. Der
Grund ist, dass durch die Einführung der Steuer einige Marktteilnehmer vom Marktgesche-
hen ausgeschlossen werden. Die Steuer treibt einen Keil zwischen den vom Käufer effek- Steuerkeil
tiv gezahlten Preis und den vom Verkäufer effektiv erhaltenen Preis. Nachfrager müssen Die durch eine Steuer
erzeugte Differenz zwi-
nun also effektiv mehr zahlen und Anbieter erhalten pro verkaufter Einheit nun effektiv schen dem Preis, den
weniger als vor der Einführung der Steuer. Einige Nachfrager, die vor Einführung der Käufer effektiv zahlen und
Steuer gerade noch bereit waren, den Marktpreis für das Produkt zu zahlen, werden auf- dem Preis, den Verkäufer
effektiv erhalten.
grund des gestiegenen Nettopreises nun dies nicht mehr wollen. Einige Anbieter, die vor
Einführung der Steuer gerade noch bereit waren, das Produkt zum Marktpreis zu verkau-
fen (insbesondere weil der erzielbare Preis = Stückerlös gerade die Kosten decken konnte),
werden aufgrund des gesunkenen Nettopreises nun das Gut nicht mehr anbieten. Die
Volkswirtschaft verliert Konsumentenrente in Höhe der Fläche C und Produzentenrente in
Höhe der Fläche E. Es kommt damit zu einer Reduktion der maximal möglichen Gesamt-
rente, die ein freier Markt ohne staatliche Intervention generieren könnte (Oates/Schwab
2015).

Es verbleiben drei Fragen, deren Beantwortung für das Verständnis der Zusammenhänge
zwischen Markt und Staat aus Wohlfahrtsgesichtspunkten von großem Interesse ist:

1. Wenn eine Steuer des Marktgeschehen dahingehend beeinflusst, dass es zu einer


Reduzierung der maximalen Gesamtrente kommt (Nettowohlfahrtsverlust), warum
werden Steuern dann überhaupt erhoben, und selbst von Ökonomen teilweise befür-
wortet?
Dafür sind die zu Beginn dieses Abschnitts aufgeführten Gründe für die Erhebung von
Steuern maßgeblich (Mankiw/Taylor 2018, S. 259, S. 290f.). Der Staat hat bestimmte
Aufgaben zu erfüllen und verfolgt bestimmte Ziele. Hierfür benötigt er finanzielle Mit-
tel aus Steuereinnahmen. Die Wohlfahrtsverluste in den jeweiligen von einer Steuer
tangierten Märkten sind oftmals nicht zu vermeiden oder werden zumindest in Kauf
genommen, um eben die Aufgaben zu erfüllen und die Ziele zu erreichen. Für Ökono-
men ist es oftmals nicht die Hauptaufgabe, die Nachteile von Steuern grundsätzlich

61
hervorzuheben, sondern – gegeben der Unverzichtbarkeit des Steuerinstrumentari-
ums generell –, die spezielle Steuer zu finden, die im Vergleich den geringsten volks-
wirtschaftlichen Schaden hervorruft (Minimierung des Wohlfahrtsverlusts).
2. Gibt es einen (linearen) trade-off zwischen Nettowohlfahrtsverlust einer Steuer und
den Steuereinnahmen? Kann also der Staat – falls dringend mehr Steuereinnahmen
benötigt werden – diese sukzessive steigern, wenn dafür eine Steigerung des Netto-
wohlfahrtsverlusts in Kauf genommen wird?
Die Antwort auf diese Frage muss mit Nein beantwortet werden, wie die nachfolgende
Abbildung eindrucksvoll verdeutlicht. Im oberen Teil wird eine (sehr) niedrige Steuer
erhoben und im unteren Teil ein (sehr) hohe. Wenig überraschend erkennt man, dass
die Situation mit der höheren Steuer durch einen höheren Nettowohlfahrtsverlust ver-
bunden ist. Überraschend hingegen ist, dass die Steuereinnahmen in beiden Situatio-
nen identisch sind. Zwar ist der Steuersatz wesentlich größer (Höhe des Rechtecks),
die Steuereinnahmen (Fläche des Rechtecks) sind aber gleich, denn durch die steuer-
induzierten Anpassungsreaktionen der Marktteilnehmer sinkt die Steuerbasis (Länge
des Rechtecks, d. h. die gekaufte/verkaufte Menge) mit höherer Steuer immer mehr.
Mit anderen Worten: Selbst wenn man mit einer Steuererhöhung einen höheren Net-
towohlfahrtsverlust in Kauf nimmt, ist eine Erhöhung der Steuereinnahmen damit
nicht garantiert. Offensichtlich gibt es einen Steuersatz, welcher die Steuereinnahmen
maximiert. Oftmals werden Ökonomen damit beauftragt, diesen speziellen Steuersatz
zu finden (Mankiw/Taylor 2018, S. 284f.).

62
Abbildung 17: Steuereinnahmen und Nettowohlfahrtsverlust der Steuer

Quelle: Stefan Tscharaktschiew, 2020.

3. Gibt es vielleicht sogar Steuern, welche am Ende einen Wohlfahrtsgewinn bewirken


können?
Obwohl es vor dem Hintergrund der obigen Ausführungen überraschen mag, ist die
Frage zu bejahen. Der Grund ist, dass Konsum und Produktion von Gütern und Dienst-
leistungen nicht nur Renten für Konsumenten und Produzenten generieren, sondern
auch gesamtgesellschaftliche Schäden verursachen können. Da eine Steuer individu-
elle Konsum- und Produktionsentscheidungen verzerrt und dadurch einen Mengen-
rückgang bewirkt (siehe oben), würde man eine Reduzierung dieses Schadens bewir-
ken. Wäre der Wohlfahrtsverlust durch die Reduzierung von Konsumenten- und
Produzentenrente kleiner als der Wohlfahrtsgewinn durch die Reduzierung des Scha-
dens aus Konsum bzw. Produktion eines Gutes, dann wäre die Steuer sogar gesamtge-
sellschaftlich wünschenswert (effizienzsteigernd). Ökonomen sprechen in diesem

63
Korrigierende Steuer Zusammenhang von einer korrigierenden Steuer (Parry 2011), im Gegensatz zu einer
Dies ist eine Steuer, die verzerrenden Steuer (Oates/Schwab 2015), die im vorliegenden Fall betrachtet
versucht, Ineffizienzen in
einem Markt zu reduzie- wurde.
ren (zu korrigieren). Sie
trägt zu einer Wohlfahrts- Subventionen
steigerung bei.
Verzerrende Steuer
Diese Steuer verursacht Genauso wie es aus Sicht des Staates gute Gründe für die Einführung einer Steuer gibt,
Ineffizienzen in einem lassen sich auch einige bedeutsame Argumente für die Gewährung von Subventionen fin-
Markt. Sie bedingt eine
Wohlfahrstminderung. den. Dafür gibt es viele praktische Beispiele, so beispielsweise in der Landwirtschaft (Man-
kiw/Taylor 2018, S. 270) oder dem Verkehrssektor (Parry/Small 2009).

Wir verzichten im Folgenden auf eine vollständige diagrammatische Exposition der Wir-
kungen von Subventionen, da sie im Grunde genommen der exakt gegensätzliche Fall im
Vergleich zum Instrument der Steuern sind (Mankiw/Taylor 2018, S. 267). Vielmehr versu-
chen wir, die Gründe für die Gewährung von Subventionen direkt anhand ihrer Wirkungen
abzuleiten:

• Unterstützung von Konsumenten und Produzenten bei Kauf bzw. Verkauf:


Wie im Fall von Steuern treiben Subventionen einen Keil zwischen dem vom Käufer
gezahlten Preis und dem vom Verkäufer erhaltenen Preis. Bei Subventionen allerdings
sinkt aus der Sicht der Nachfrager der effektiv zu zahlende Preis, während aus Sicht der
Anbieter der effektiv erhaltene Preis (Stückerlös) steigt. Damit lassen sich bestimmte
Marktteilnehmer unterstützen, da Nachfrager für das gleiche Gut weniger ausgeben
müssen (es bleibt ihnen mehr Geld für alternative Konsummöglichkeiten) und Anbieter
mehr für den Verkauf eines Gutes erlösen können.
• Steigerung der Gleichgewichtsmenge:
Wie im Fall von Steuern führen Subventionen zu einer Verschiebung von Nachfrage- und
Angebotskurve, nur eben in die entgegengesetzte Richtung. Während sich die Nachfra-
gekurve nach außen bzw. rechts weg vom Koordinatenursprung bewegt, verschiebt sich
die Angebotskurve nach unten bzw. rechts. Folge ist ein Anstieg der Gleichgewichts-
menge. Sollte der Staat also, aus welchem Grund auch immer, den Konsum bzw. die
Produktion von bestimmten Gütern ankurbeln wollen, dann könnte dies durch die
Gewährung einer Subvention auf den Preis dieses Gutes erreicht werden.
• Nettowohlfahrtseffekt:
Wir hatten eingangs erwähnt, dass eine Subvention im Grunde genommen der exakt
gegensätzliche Fall im Vergleich zum Instrument der Steuer ist. Was können wir also vor
diesem Hintergrund in Bezug auf den Nettowohlfahrtseffekt erwarten? Interessanter-
weise ist dieser dann nicht positiv, sondern ebenso negativ. Es ergibt sich also ebenfalls
ein gesamtwirtschaftlicher Verlust. Dies mag einerseits verwundern, da es ja im Gegen-
satz zur Steuermaßnahme zu einer Steigerung der Gleichgewichtsmenge kommt, d. h.,
Nachfrager können nun mehr konsumieren und Anbieter mehr verkaufen. Die Überra-
schung ist andererseits weniger groß, wenn man sich vergegenwärtigt, dass es sich
auch bei einer Subvention um einen staatlichen Preiseingriff handelt. Am Anfang der
Lektion konnten wir feststellen, dass der Preismechanismus in einem freien Markt,
sofern es keine anderen Ineffizienzen gibt, zu einer Maximierung der Gesamtrente führt.
Der Preis, der dieses Ergebnis ermöglicht, ist der Gleichgewichtspreis (ohne staatlichen
Eingriff). Jedes andere, durch einen Eingriff künstlich hergestellte Gleichgewicht, muss
demnach zu einer Reduzierung der Gesamtrente (Nettowohlfahrtsverlust) führen.

64
2.5 Die Preiselastizität der Nachfrage
Im Verlauf dieser Lektion wurde des Öfteren in unterschiedlichen Zusammenhängen auf
die konkrete Form von Angebots- und Nachfragekurven Bezug genommen. Betrachten wir
nochmals unser Beispiel eines konkreten Wohnungsmarktes, welches wir zur Veranschau-
lichung der Wirkung staatlicher Preiseingriffe mittels Höchst- und Mindestpreisen heran-
gezogen hatten. Dort hatten wir die Reaktionen von Anbieter/Vermieter und Nachfrager/
Mieter dahingehend unterschieden, ob eine eher kurzfristige Perspektive oder ein langfris-
tiger Horizont unterstellt werden soll. Es wurde argumentiert, dass sowohl Anbieter als
auch Nachfrager auf dem Wohnungsmarkt längerfristig stärkere Anpassungsmöglichkei-
ten auf Preisänderungen (in diesem Zusammenhang hervorgerufen durch einen binden-
den Höchstpreis, der die Miete unterhalb des Gleichgewichtspreises drückt) haben. Gra-
fisch manifestierten sich diese stärkeren Anpassungsmöglichkeiten bei einem
längerfristigen Zeithorizont in flacher verlaufenden Angebots- und Nachfragekurven. Es
konnte ebenfalls gezeigt werden, dass die Frage nach der Steuerinzidenz (welche Markt-
seite trägt welchen Teil einer Steuerlast) ebenfalls vom Verlauf der Angebots- und Nachfra-
gekurven abhängt. Es ist die Marktseite, die relativ schwächer (weniger sensibel) auf Preis-
änderungen reagiert, die den größeren Teil der Steuerlast zu tragen hat. Anders
ausgedrückt, Anbieter tragen einen größeren Teil der Steuerlast, wenn deren Angebots-
kurve steiler verläuft als die Nachfragekurve der Konsumenten (und umgekehrt).

Offensichtlich spielt der Anstieg von Angebots- und Nachfragekurven (flacher vs. steiler
Anstieg) und damit die Stärke der Anpassungsreaktionen von Anbietern und Nachfragern
auf Preisänderungen eine entscheidende Rolle bei vielen ökonomischen Gegebenheiten.
Ökonomen nutzen hierfür einen ganz bestimmten Begriff: Elastizität. Geht es um die Elastizität
Änderung der Nachfrage als Reaktion auf eine Preisänderung, spricht man von der Prei- Maß für die Reagibilität
von Angebot und Nach-
selastizität der Nachfrage (Mankiw/Taylor 2018, S. 95). Elastizitäten im Allgemeinen und frage auf Änderungen
die Preiselastizität der Nachfrage im Speziellen gehören zu den wichtigsten ökonomischen bestimmter Einflussgrö-
Kenngrößen überhaupt, denn mit ihrer Hilfe lassen sich die Auswirkungen zahlreicher ßen.
Preiselastizität der
Marktereignisse (z. B. Angebots- oder Nachfrageschocks aufgrund von politischen, gesell-
Nachfrage
schaftlichen oder natürlichen Ereignissen wie Finanzkrisen, Erdbeben, Viruspandemien Die prozentuale Änderung
usw.) und einer Vielzahl staatlicher Maßnahmen bereits in ihrer Tendenz prognostizieren der Nachfrage als Reak-
tion auf eine einprozen-
und beurteilen. tige Erhöhung eines Prei-
ses.
Bei der staatlichen Maßnahme einer Einführung/Änderung einer Steuer konnten wir
bereits feststellen, dass Kenntnisse zu Elastizitäten (relative Steilheit von Angebots- und
Nachfragekurven) sehr hilfreich sein können, um Aussagen zur Veränderung des Marktvo-
lumens, zur Steuerinzidenz und zum resultierenden Nettowohlfahrtseffekt machen zu
können. Sind Elastizitäten auch hinsichtlich ihrer Größenordnung bekannt, lassen sich
diese Auswirkungen nicht nur qualitativ beschreiben (z. B. die eine Marktseite wird den
Hauptteil der Steuerlast tragen), sondern sogar quantifizieren.

Obwohl es sehr viele verschiedene Arten von Elastizitäten gibt (z. B. Einkommenselastizi-
tät der Nachfrage, Preiselastizität des Angebots, Kreuzpreiselastizität der Nachfrage usw.),
fokussieren wir im weiteren Verlauf vorrangig auf das wohl am häufigsten verwendete
Maß: die Preiselastizität der Nachfrage, noch genauer die Eigenpreiselastizität der Nach-
frage. Eigenpreiselastizität der
Nachfrage
Die prozentuale Änderung

65
der Nachfrage nach Ausprägungen der Eigenpreiselastizität der Nachfrage (elastisch vs.
einem Gut als Reaktion
auf eine einprozentige unelastisch)
Erhöhung des Preises die-
ses Gutes. Obwohl die Preiselastizität der Nachfrage grundsätzlich eine numerische Größe ist, nutzen
Ökonomen zum besseren Verständnis häufig eine erste grobe Kategorisierung. Sie spre-
chen von einer relativ unelastischen Nachfrage, einer relativ elastischen Nachfrage oder
einer einheitselastischen Nachfrage (Spezialfall). Nutzen wir εPQ als Symbol für die Preisel-
astizität der Nachfrage (Q: Quantity; P: Preis), dann gelten folgende Zusammenhänge:

Unelastische Nachfrage (in Bezug auf Preisänderungen)

Je unelastischer die Nachfrage, desto schwächer fällt die Nachfrageänderung infolge einer
Preisänderung aus, und desto steiler die Nachfragekurve (also die in den Diagrammen
abgetragene Kurve). Die überwiegende Mehrheit aller Güter werden, entsprechend des
Gesetzes der Nachfrage (höherer Preis impliziert geringere Nachfrage) als gewöhnliche
Gewöhnliche Güter Güter eingestuft (im Gegensatz dazu sogenannte Giffen Güter) (Varian 2016, S. 113f.). Für
Bei diesen Gütern sinkt sie ergibt sich als Wertebereich für eine unelastische Preiselastizität der Nachfrage: –1 <
die Nachfrage bei steigen-
dem Preis. εPQ ≤ 0. Oftmals vernachlässigen Ökonomen den ohnehin klaren negativen Zusammen-
Giffen Güter hang und drücken die Preiselastizität der Nachfrage stets als positiven Betrag aus. Als
Bei diesen Gütern steigt betragsmäßiger Wertebereich für eine unelastische Preiselastizität der Nachfrage ergibt
die Nachfrage bei steigen-
dem Preis. sich dann: 0 ≤ |εPQ| < 1. Ein einprozentiger Preisanstieg verursacht also einen Nachfra-
gerückgang von weniger als einem Prozent (Mankiw/Taylor 2018, S. 101).

Elastische Nachfrage (in Bezug auf Preisänderungen)

Je elastischer die Nachfrage, desto stärker fällt die Nachfrageänderung infolge einer Preis-
änderung aus und desto flacher die Nachfragekurve (also die in den Diagrammen abgetra-
gene Kurve). Als Wertebereich für eine elastische Preiselastizität der Nachfrage ergibt sich:
–∞ ≤ εPQ < –1. Als betragsmäßiger Wertebereich für eine elastische Preiselastizität der
Nachfrage ergibt sich dann: 1 < εPQ ≤ ∞. Ein einprozentiger Preisanstieg verursacht also
einen Nachfragerückgang von mehr als einem Prozent (Mankiw/Taylor 2018, S. 101).

Einheitselastische oder isoelastische Nachfrage (in Bezug auf Preisänderungen)

Bei einer einheitselastischen Nachfrage entspricht die prozentuale Nachfrageänderung


der prozentualen Preisänderung. Es gilt also exakt εPQ = –1 bzw. |εPQ| = 1 (Mankiw/
Taylor 2018, S. 101). Eine e inhe itse lastische Nachfrage gilt also als Spe zialfall, da sie ge nau
de n Übe rgang von e ine r une lastische n Nachfrage zu e ine r e lastische n Nachfrage bilde t.

Elastizitäte n und Nachfrage kurve n

Die se s Wisse n e rmöglicht nun die Visualisie rung de r Nachfrage kurve n be i gle ichze itige r
Zuordnung de r Elastizitäte n. Ge ge be n de n obige n Ausführunge n könne n wir mithilfe de r
nachfolge nde n Abbildung im We se ntliche n dre i me hr ode r we nige r offensichtliche und
zwei überraschende Erkenntnisse ableiten.

66
Abbildung 18: Einfluss der Preiselastizität auf den Verlauf der Nachfragekurve

Quelle: Stefan Tscharaktschiew, 2020.

1. Kurve A (maximale Steigung) repräsentiert eine vollkommen unelastische Nachfrage


(|εPQ| = 0 entlang der gesamten Kurve). Eine Preisänderung wird keinerlei Änderung
der Nachfrage hervorrufen. Eine vollkommen unelastische Nachfrage stellt einen Ext-
remfall dar, entsprechend lassen sich nur wenige praktische Beispiele finden. Lebens-
notwendige Medikamente werden kaum in der Nachfrage schwanken, selbst bei star-
ken Preisänderungen. Auch Güter, die per se einen sehr niedrigen Preis aufweisen und
damit im Vergleich zum Haushaltseinkommen kaum ins Gewicht fallen, kommen
einer vollkommen unelastischen Nachfrage sehr nahe (z. B. Streichhölzer).
2. Kurve B (maximale Flachheit) repräsentiert eine vollkommen elastische Nachfrage (|
εPQ| = ∞ entlang der gesamten Kurve). Zum gegebenen und jedem niedrigeren Preis
würde eine unendliche Menge nachgefragt. Jede Preiserhöhung würde dagegen die
nachgefragte Menge zusammenbrechen und auf Null sinken lassen. Eine vollkommen
elastische Nachfrage stellt ebenfalls einen Extremfall dar. Alle Güter, die sehr standar-
disiert sind und für die es eine große Menge an nahen Substituten gibt, sind sehr
preiselastisch (z. B. eine bestimmte Biermarke).
3. Kurve A ist offensichtlich steiler als Kurve B. Kurve A repräsentiert daher eine relativ
unelastischere Nachfrage. Gleiches gilt für den Vergleich von Kurve C mit Kurve D.
Kurve C ist offensichtlich steiler als Kurve D. Kurve C repräsentiert daher eine relativ
unelastischere Nachfrage.
4. Eine Überraschung ergibt sich in Bezug auf die Kurven C und D. Wie aus der Abbildung
ersichtlich, wurde diesen beiden Nachfragekurven kein konkreter Wert für die Elastizi-
tät zugeordnet. Dies hat einen ganz bestimmten Grund. Lineare Nachfragekurven, die
weder maximal steil noch maximal flach verlaufen, weisen nämlich entlang ihres Ver-
laufs unterschiedliche Preiselastizitäten der Nachfrage auf! Dies gilt, obwohl die in der
Abbildung dargestellten Nachfragekurven einen linearen Verlauf aufweisen. Lineare
Nachfragekurven haben also einerseits eine konstante Steigung, andererseits aber
eine variable Elastizität. Doch in welchem Bereich sind die Nachfragekurven relativ
elastisch und in welchem Bereich relativ unelastisch?

67
Zufälligerweise hat Kurve C auf der Mengenachse einen gemeinsamen Punkt mit
Kurve A. Da die Preiselastizität der Nachfrage von Kurve A in jedem Punkt |εPQ| = 0
beträgt, muss auch Nachfragekurve C in diesem Punkt ebenfalls vollkommen unelas-
tisch sein. Kurve D wiederum hat zufälligerweise auf der Preisachse einen gemeinsa-
men Punkt mit Kurve B. Da die Preiselastizität der Nachfrage von Kurve B in jedem
Punkt |εPQ| = ∞ be trägt, muss auch Nachfrage kurve D in die se m Punkt e be nfalls
vollkomme n e lastisch se in. Be i line are n Nachfrage nkurve n, die we de r maximal ste il
noch maximal flach ve rlaufe n, wird die Nachfrage mit abne hme nde r Me nge also
imme r e lastische r. Die s wie de rum be de ute t, dass be i kle ine re n Nachfrage me nge n
Pre ise rhöhunge n ge ringe re mone täre Ausgabe n be de ute n, da die Pre ise rhöhung pro-
ze ntual kle ine r ist als de r Nachfrage rückgang. Be i größe re n Nachfrage me nge n be wir-
ke n Pre ise rhöhunge n hinge ge n höhe re mone täre Ausgabe n, da die Pre ise rhöhung
proze ntual größe r ist als de r Nachfrage rückgang.
5. Im Ge ge nsatz zu de n bishe r darge ste llte n Nachfrage kurve n, we lche imme r e ine n line -
are n Ve rlauf aufwie se n, kann man sich auch ge krümmte Nachfrage kurve n vorste lle n,
so wie durch Kurve E re präse ntie rt. Eine de rartige Nachfrage kurve , de re n Asymptote n
die be ide n Achse n sind, hat an je de r Ste lle e ine Elastizität von 1 (trotz e ine r variable n
Ste igung e ntlang de r Kurve n). Die Nachfrage ist also e ntlang de s ge samte n Ve rlaufs
e inhe itse lastisch. Ein solche s Nachfrage ve rhalte n lie gt dann vor, we nn sich be i e ine r
Pre isände rung die nachge fragte Me nge ge nau in de m Umfang ände rt, dass die mone -
täre Ge samtausgabe für das Gut (Pre is mal Me nge ), unabhängig von de r Ausgangs-
me nge gle ich ble ibt.

Was be e influsst die Eige npre ise lastizität de r Nachfrage (De te rminante n)

Wir hatte n zu Be ginn die se r Le ktion e inige Faktore n ide ntifizie rt, de re n Ände runge n für
e ine (paralle le ) Ve rschie bung de r Nachfrage kurve ve rantwortlich se in könne n. Wir disku-
tie re n nun e inige Be stimmungsgründe , we lche die Ste ilhe it (de n Anstie g) von Nachfrage -
kurve n und damit die Pre ise lastizität de r Nachfrage de te rminie re n könne n (Mankiw/Taylor
2018, S. 95f.).

Ve rfügbarke it substitutive r Güte r (Substitute )

Güte r, zu de ne n e s nah ve rwandte Substitute gibt, habe n te nde nzie ll e ine e lastische re
Nachfrage , da Nachfrage r be i e ine r Pre ise rhöhung für das be tre ffe nde Gut re lativ le icht auf
die se Substitute auswe iche n könne n. Umge ke hrt wird die Nachfrage nach Güte rn, für die
e s aus Konsume nte nsicht ke ine adäquate n Auswe ichmöglichke ite n gibt, re lativ pre isun-
e lastisch se in. Erhöht sich de r Pre is e ine s Gute s, wird sich die Nachfrage aufgrund man-
ge lnde r Alte rnative n kaum e rhöhe n. Die Nachfrage nach Döne r Ke bab wird dahe r re lativ
e lastisch se in, da de r Fast-Food-Markt re lativ vie lfältig ist (Hamburge r, Bratwurst, Pizza,
be le gte Sandwiche s usw.).

Art de r Güte r

Die Art de r Güte r kann also die Pre ise lastizität de r Nachfrage be e influsse n. Le be nsnotwe n-
dige Güte r sowie Güte r, die de r Be frie digung von Grundbe dürfnisse n die ne n, we rde n re la-
tiv pre isune lastisch se in. Se lbst be i e ine r Erhöhung de r Strom- und Gaspre ise wird die
Nachfrage nach e le ktrische m Strom und Gas be i ansonste n gle iche n Be dingunge n kaum

68
merklich zurückgehen, denn die Menschen wollen im Winter sicherlich nicht in einer
unbeheizten und dunklen Wohnung sitzen. Die Nachfrage nach „Luxusgütern“ hingegen
wird tendenziell preiselastisch sein. Den Urlaub in einem Fünfsternehotel in Australien
kann man sicherlich auch einmal auf das nächste Jahr verschieben oder vielleicht sogar
ganz durch eine Reise an die Ostsee ersetzen, denn dort kann es auch sehr schön sein.

Zeithorizont

Der Zeithorizont spielt ebenfalls eine wichtige Rolle. Kurzfristig wird die Nachfrage nach
Strom und Gas kaum oder gar nicht zurückgehen, wenn die entsprechenden Preise stei-
gen. Langfristig jedoch haben die Individuen einige Einsparmöglichkeiten, die zu einem
leichten Nachfragerückgang bei Strom und Gas führen könnten (Wechsel zu Energiespar-
lampen, Austausch der Heizanlage, energetische Sanierung des Hauses usw.). Die Nach-
frage wird dann in der langen Frist etwas elastischer sein. Natürlich bleibt es dabei, dass
die Individuen dennoch gern ihre Zeit in einer hellen und warmen Wohnung verbringen
wollen, sodass der Nachfragerückgang selbst in der langen Frist dennoch eher klein aus-
fallen wird. Ähnliches gilt für das bereits bekannte Beispiel eines Wohnungsmarktes. Kurz-
fristig wird die Nachfrage nach neuen Wohnungen in einer bestimmten Stadt relativ
unelastisch sein. Selbst Mieter, die in dieser Stadt wohnen, müssen zunächst einmal ihre
alte Wohnung kündigen, bevor ein Umzug in Betracht kommt. Langfristig spielt die Kündi-
gungsfrist aber keine Rolle mehr und sogar Haushalte aus anderen Städten und Ländern
könnten angelockt werden. Die Nachfrage nach neuen Wohnungen in dieser Stadt wird
dann etwas elastischer.

Anteil des Einkommens, der für ein Gut ausgegeben wird

Einige Güter sind von Haus aus sehr teuer und teurer als vieles andere. Werden sie gekauft,
dann beanspruchen sie einen größeren Anteil des Haushaltseinkommens. Ein Gut, das so
teuer ist, dass es einen großen Teil des Einkommens verbraucht, wird daher infolge eines
Preisanstieges relativ stärker in der Nachfrage sinken als ein Gut, das nur wenige Euro
oder gar Cents kostet und dessen Ausgaben gemessen am Haushaltseinkommen kaum ins
Gewicht fallen. Die Nachfrage nach Döner Kebab wird daher relativ unelastischer sein als
die Nachfrage nach einem Essen in einem Sternerestaurant.

Marktabgrenzung

Die Preiselastizität der Nachfrage wird auch stets davon abhängen, wie klar ein Markt
abgegrenzt ist. Speziell definierte und eng abgegrenzte Märkte werden tendenziell durch
eine elastischere Nachfrage gekennzeichnet sein, da sich zu eng abgegrenzten Märkten
leichter nahe Substitute finden lassen. Zu Dönern gibt es vergleichsweise viele mehr oder
weniger nahe Substitute (Hamburger, Cheeseburger, Bratwurst, chinesische Bratnudeln
usw.). Die Nachfrage wird relativ preiselastisch sein. Sieht man Döner aber als Teil des
gesamten Fast-Food-Marktes, bestehen schon viel weniger Substitutionsmöglichkeiten. Es
gibt schließlich nicht viele Restaurants, die ihre Speisen in nur wenigen Minuten zuberei-
ten können und dann auch noch zum Verzehr außer Haus anbieten. Die Nachfrage (nach
Döner Kebab als Teil des Fast-Food-Marktes) wird in diesem Fall also schon sehr viel preis-
unelastischer sein. Betrachtet man Döner Kebab als Nahrungsmittel, dann wird die Nach-
frage äußerst preisunelastisch sein, denn für Nahrungsmittel an sich lassen sich kaum

69
nahe Substitute finden. Bei der Interpretation der Preiselastizität der Nachfrage ist es also
immer von immenser Bedeutung, eine Vorstellung von der zugrunde liegenden Abgren-
zung des relevanten Marktes zu besitzen.

Berechnung der Eigenpreiselastizität der Nachfrage

Im Folgenden wollen wir untersuchen, wie Ökonomen aus beobachtbarem Nachfragever-


halten die Preiselastizität der Nachfrage ermitteln können. Dabei gibt es einige wichtige
Aspekte zu beachten, um Fehlinterpretationen zu vermeiden.

Nehmen wir an, ein Konsument, nennen wir ihn Herrn Adam Smith (in Analogie zu einem
berühmten Ökonomen), ist Nachfrager von Döner Kebab, besucht aber auch gerne etwas
vornehmere Restaurants. Für einen Döner Kebab in seiner Stammkneipe zahlt er vier Euro
und für das Hauptgericht in seinem Lieblingsrestaurant 20 Euro. Nun erhöht sich sowohl
der Preis des Döners als auch der Preis des Hauptgerichts im Restaurant um einen Euro.
Dies führt dazu, dass Herr Smith nun pro Woche sowohl einen Döner weniger konsumiert,
als auch die Zahl der Restaurantbesuche in seinem Lieblingsrestaurant um einen Besuch
reduziert.

Frage: Ist die Nachfrage von Herrn Smith in Bezug auf Döner Kebab genauso preiselastisch
wie die Nachfrage nach Hauptspeisen in seinem Lieblingsrestaurant? Man könnte auf den
Gedanken kommen, die Frage mit ja zu beantworten, denn der Preisanstieg beträgt in bei-
den Fällen ein Euro und der Nachfragerückgang ist in beiden Fällen eine Konsumeinheit.
Bedauerlicherweise ist die korrekte Antwort nicht so eindeutig, wie es auf den ersten Blick
scheint. Der Grund ist, dass auch das preisliche Ausgangsniveau, auf dem eine Preisände-
rung aufbaut, eine Rolle spielt. So beträgt der Preisanstieg im Fall des Döner Kebab 25 %
(von 4 Euro auf 5 Euro), im Fall des Restaurantbesuchs hingegen 5 % (von 20 Euro auf 21
Euro). Man könnte nun meinen, dass die Nachfrage nach Restaurantmenüs fünfmal so
preiselastisch ist wie die Nachfrage nach Döner Kebab, weil bei Restaurantmenüs ein viel
kleinerer prozentualer Preisanstieg genügt, um die Nachfrage um eine Konsumeinheit zu
senken. Aber auch dies ist (noch) nicht ganz korrekt. Denn auch das mengenmäßige Aus-
gangsniveau muss Eingang in die Überlegungen finden.

Nehmen wir also beispielsweise an, dass die Zahl der ursprünglichen Käufe von Döner
Kebab vier Einheiten betrug, es jedoch nur zwei Restaurantbesuche pro Woche gab. Der
prozentuale Rückgang der Nachfrage nach Döner Kebab bzw. von Restaurantbesuchen
beträgt also 25 % bzw. 50 %. Die Nachfrage nach Restaurantbesuchen ist also trotz eines
relativ kleineren prozentualen Preisanstiegs prozentual stärker zurückgegangen.

Setzt man nun die relative Mengenänderung ins Verhältnis zur relativen Preisänderung
erhält man (Mankiw/Taylor 2018, S. 99):

∆ QRestaurant
· 100 −1
Q QRestaurant · 100
2
εP Restaurant = ∆ PRestaurant
= +1
= − 10%
Restaurant · 100
· 100 20
PRestaurant

70
∆ QDönerKebab
· 100 −1
Q QDönerKebab · 100
4
εP DönerKebab = ∆ PDönerKebab
= +1
= − 1%
DönerKebab · 100
· 100 4
PDönerKebab

Für Restaurantbesuche bedeutet das also, dass ein Mengenrückgang von 50 % durch
einen Preisanstieg um 5 % ausgelöst wird. Für Döner Kebab bedeutet dies wiederum, dass
ein Mengenrückgang von 25 % durch einen Preisanstieg um 25 % hervorgerufen wird.
Oder anders ausgedrückt:

• Für Restaurantbesuche impliziert ein Preisanstieg um 1 % einen Mengenrückgang von


10 %.
• Für Döner Kebab impliziert ein Preisanstieg um 1 % einen Mengenrückgang von 1 %.

Dies entspricht offensichtlich der Definition der Preiselastizität der Nachfrage. Wir sehen
also, dass in unserem hypothetischen Beispiel die Nachfrage nach Restaurantbesuchen
zehnmal so preiselastisch ist und nicht genauso elastisch wie ganz zu Beginn spekuliert
(ohne Wissen der ursprünglichen Preise und Mengen) und auch nicht fünfmal so elastisch
wie ein wenig später vermutet (nur mit Wissen der ursprünglichen Preise).

In allgemeiner Form gilt für die Eigenpreiselastizität der Nachfrage (Mengenänderung bei
einem Gut 1 bei einer Preisänderung eines Gutes 1) demnach

PREISELASTIZITÄT DER NACHFRAGE

Q prozentuale Änderung der Nachfragemenge von Gut1


εP 1 = prozentuale Änderung des Preises von Gut1
1

∆ Q1
· 100
Q1
= ∆ P1
· 100
P1

Die Formel kann zur Berechnung der Preiselastizität der Nachfrage universal eingesetzt
werden. Sie eignet sich ebenso, um andere Kenngrößen zu bestimmen. Kennt ein Ökonom
beispielsweise die Preiselastizität einer bestimmten Konsumentengruppe, dann kann er
prognostizieren, wie eine Preisänderung (z. B. ausgelöst durch die Einführung einer
Steuer) die Nachfrage ändern wird. Die Ausgangsgrößen P1 und Q1 sind nämlich leicht
Q
beobachtbar, sodass – Kenntnis bezüglich εP 1 vorausgesetzt – ΔQ1 ermittelt werden
1
kann.

71
Zu beachten gilt allerdings, dass es sich bei der obigen Berechnungsvorschrift um die
sogenannte Punktelastizität handelt. Sie ist in der Lage, die Mengenreaktion auf eine
Preisänderung in einem bestimmten Referenzpunkt (in der Regel die Ausgangssituation
vor Preisänderung) zu bestimmen. Sie ist daher besonders für Politikanalysen relevant
(Analyse der Auswirkung staatlicher Maßnahmen), welche sich ja immer auf einen ganz
bestimmten Referenzpunkt beziehen. Ein anderer Referenzpunkt (die Situation nach
Preisänderung) würde allerdings einen anderen Wert der Preiselastizität ergeben (Pfadab-
hängigkeit).

Ist die konkrete Referenzsituation von nachgeordnetem Interesse, lässt sich die Preiselas-
tizität der Nachfrage auch über die sogenannte Bogenelastizität berechnen (Mankiw/
Taylor 2018, S. 99).

∆ Q1
· 100
vorher nachher
Q Q1 + Q1 /2
εP 1 = ∆ P1
1
· 100
vorher
P1 + Pnachher
1 /2

Die Bogenelastizität liegt betragsmäßig zwischen den beiden Punktelastizitäten, die auf
Basis der unterschiedlichen Referenzsituationen berechnet werden können.

Exkurs: Kreuzpreiselastizität der Nachfrage

Bis jetzt hat sich die Diskussion stets auf die Eigenpreiselastizität der Nachfrage konzent-
riert. Es gibt aber noch ein verwandtes Maß, das ebenfalls von großem Interesse ist. Neh-
men wir an, ein Tankstellenbetreiber möchte die Auswirkungen einer Erhöhung der Ben-
zinsteuer (und damit des Benzinpreises) auf die Nachfrage nach Dieseltreibstoff
evaluieren. Diese Fragestellung ist nicht trivial, denn der Dieselpreis bleibt unverändert.
Der Tankstellenbetreiber benötigt also eine Information darüber, wie ein Preisanstieg bei
einem Gut (Benzin) die Nachfrage nach einem anderen Gut verändern wird. Nur mit dieser
Information kann der Betreiber seine eigenen Einkäufe besser planen.

Ökonomen stellen diese Information über die sogenannte Kreuzpreiselastizität der


Kreuzpreiselastizität der Nachfrage zur Verfügung. Wir verzichten im weiteren Verlauf auf eine ähnlich detaillierte
Nachfrage Beschreibung wie im Fall der Eigenpreiselastizität der Nachfrage, da die meisten Zusam-
Die prozentuale Änderung
der Nachfrage nach menhänge ihre Gültigkeit behalten. Ein kleiner aber entscheidender Unterschied ergibt
einem Gut als Reaktion sich jedoch bei der Berechnungsvorschrift für die Kreuzpreiselastizität der Nachfrage:
auf eine einprozentige
Erhöhung des Preises
∆ Q2
eines anderen Gutes. · 100
Q prozentuale Änderung der Nachfragemenge von Gut2 Q2
εP 2 = prozentuale Änderung des Preises von Gut1
= ∆ P1
1
· 100
P1

Ökonomen nutzen dabei die in der nachfolgenden Tabelle aufgeführte Kategorisierung:

72
Tabelle 3: Kategorisierung der Kreuzpreiselastizität der Nachfrage

Bezeichnung
(Beziehung der Güter unterei-
Wert der Elastizität nander) Beispiel

Q Substitute Benzin und Diesel


ε 2>0
P1 (substitutive Güter)

Q Komplemente Dönerfleisch und Fladenbrot


ε 2<0
P1 (komplementäre Güter)

Q unabhängige Güter Benzin und Fladenbrot


ε 2=0
P1

Quelle: Stefan Tscharaktschiew, 2020.

Die Beziehung der Güter untereinander bestimmt tendenziell den Wert der Elastizität.
Güter, die sich gegeneinander ersetzen lassen, haben eine positive Kreuzpreiselastizität
der Nachfrage. Güter, die mehr oder weniger nur gemeinsam nachgefragt werden können,
haben eine negative Kreuzpreiselastizität der Nachfrage. Güter, die augenscheinlich in kei-
ner oder nur geringer Abhängigkeit zueinander stehen, weisen eine Kreuzpreiselastizität
gleich oder nahe null auf. Wichtig: Im Fall der Kreuzpreiselastizität der Nachfrage darf
Q
keine Ausweisung als reiner Betrag erfolgen (mit Betragsstrichen εP 2 ), da das Vorzeichen
1
hier eine explizite Unterscheidung ermöglicht.

Empirische Werte für die Preiselastizität der Nachfrage für verschiedene


Güter

Zum Abschluss wollen wir noch einen Überblick bezüglich empirisch gemessener Preisel-
astizitäten der Nachfrage geben.

Tabelle 4: Empirische Schätzungen für die Preiselastizität der Nachfrage für


ausgewählte Güter

Gut/Preis kurze Frist lange Frist Quelle

Benzin/Benzinpreis1 –0,25 –0,64 Goodwin et al. 2004, S. 282

gefahrene Pkw-Kilo- –0,10 –0,30 Goodwin et al. 2004, S. 282


meter/Benzinpreis1

Rohöl/Rohölpreis2 –0,024 –0,279 Cooper 2003, S. 4

elektrischer Strom >–0,53 –0,53 Csereklyei 2020, S. 1f.


Haushalte/Strompreis3

Restaurantbesuche/ –0,81 –0,81 Andreyeva et al. 2010, S. 219


Preis4

Eier/Eierpreis4 –0,27 –0,27 Andreyeva et al. 2010, S. 219

73
Gut/Preis kurze Frist lange Frist Quelle

Milch/Milchpreis5 –1,0 –1,0 Jonas/Roosen 2008, S. 202f.


konventionell

Milch/Milchpreis5 –10,2 –10,2


Bio

Wege zu Fuß und mit +0,18 +0,18 Litman 2007, S. 20


Fahrrad/Benzinpreis6

Anmerkung:
1
aggregierte Schätzungen über mehrere Länder
2
Deutschland
3
Europäische Union
4
USA (Studie unterscheidet nicht zwischen kurzfristig und langfristig)
5
Deutschland (Studie unterscheidet nicht zwischen kurzfristig und langfristig)
6
aggregierte Schätzungen über mehrere Länder (Studie unterscheidet nicht zwischen kurzfristig und lang-
fristig)

Quelle: Stefan Tscharaktschiew, 2020.

Die in der obigen Tabelle aufgelisteten Werte bestätigen dabei viele bereits intuitiv aufge-
deckte Zusammenhänge, so z. B., dass die Nachfrage nach Gütern in der langen Frist in der
Regel elastischer ist als kurzfristig. Am Beispiel der Milchnachfrage ist interessanterweise
eine vielfach preiselastischere Nachfrage in Bezug auf Biomilch im Vergleich zu konventio-
nell gewonnener Milch zu erkennen. Dies erscheint vor dem Hintergrund unserer im Vor-
feld angestellten Überlegungen durchaus plausibel. Für viele Menschen ist der Status
eines Bioproduktes möglicherweise bereits Luxus, während auf Milch grundsätzlich nur
schwer verzichtet werden kann.

ZUSAMMENFASSUNG
Die Beschäftigung mit der Funktionsweise von Märkten hat gezeigt, wie
sich durch das Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage der Gleich-
gewichtspreis und die von Konsumenten gekaufte und Produzenten ver-
kaufte Gütermenge ergibt.

Durch die Konzepte der Konsumentenrente und Produzentenrente sind


wir in der Lage, den Nutzen zu ermitteln, den die Marktteilnehmer durch
Teilnahme am Marktgeschehen generieren. Es wird gezeigt, dass sich
das Wohlbefinden der Marktteilnehmer insgesamt (Gesamtrente) ohne
staatliche Eingriffe in den Preismechanismus maximiert. Der Marktme-
chanismus sorgt für eine effiziente Allokation der Ressourcen, sofern mit
Konsum und Produktion keine anderweitigen Ineffizienzen verbunden
sind.

Die Auseinandersetzung mit staatlichen Eingriffen in den Preismechanis-


mus hat offenbart, dass in den meisten Fällen eine Reduzierung der
Gesamtrente verbunden ist. Höchstpreise und Mindestpreise sind, wenn

74
sie nicht bindend sind, wirkungslos. Sind sie bindend, führen sie zu einer
Abweichung vom ursprünglich effizienten Marktergebnis. Steuern und
Subventionen treiben einen Keil zwischen dem von Käufern gezahlten
Preis und dem vom Verkäufer erhaltenen Preis, mit der Folge eines
Wohlfahrtsverlustes. Trotz der negativen Wirkungen staatlicher Interven-
tionen, kann es jedoch gute Gründe geben, in den Marktprozess einzu-
greifen. Der Staat muss dann abwägen, ob diese Gründe die negativen
Auswirkungen der Eingriffe rechtfertigen.

Da die Reaktion der Marktteilnehmer auf Preisänderungen entscheidend


dafür ist, wie stark die Auswirkungen staatlicher Preiseingriffe sind,
wurde das Konzept der Preiselastizität der Nachfrage vorgestellt. Eine
wichtige Erkenntnis ist, dass Konsumenten längerfristig stärker auf
Preisänderungen reagieren als kurzfristig. Außerdem konnte gezeigt
werden, dass die Preiselastizität auch von der Beziehung der Güter zuei-
nander abhängt.

75
LEKTION 3
PRODUKTIONS- UND HAUSHALTSTHEORIE

LERNZIELE

Nach der Bearbeitung dieser Lektion werden Sie wissen, …

– wie Haushalte optimale Entscheidungen bezüglich der gewählten Konsumgüter tref-


fen.
– wie Unternehmen optimale Entscheidungen bezüglich der im Produktionsprozess ein-
gesetzten Inputfaktoren treffen.
– welche Bedingungen für eine optimale Wahl erfüllt sein müssen.
– welche Rolle Präferenzen und Technologien dabei spielen und welche Arten von Präfe-
renzen und Technologien es gibt.
– wie sich Änderungen in den Entscheidungen der Akteure Haushalte und Unternehmen
bezüglich Güternachfrage und Inputfaktornachfrage in einzelne Effekte aufschlüsseln
lassen.
3. PRODUKTIONS- UND
HAUSHALTSTHEORIE

Einführung
Nachfragekurven beziehen Änderungen der Nachfrage immer auf ein bestimmtes Gut. Sie
erlauben Aussagen darüber, wie viele Einheiten ein Konsument bzw. die Gesamtheit aller
Konsumenten nachfragt. Gleiches gilt für Angebotskurven auf Unternehmensseite. Doch
wie kommen die einzelnen Entscheidungen eigentlich genau zustande? Schließlich gibt es
eine Vielzahl von Gütern, die Haushalte in unzähligen Kombinationen nachfragen können,
und auf Unternehmensseite gibt es viele Kombinationen von Inputfaktoren, mit denen
Güter hergestellt werden können. Diese Lektion betrachtet die Einzelentscheidungen der
beiden ökonomischen Akteure Haushalte und Unternehmen auf sehr disaggregierter
Ebene. Die Lektion wird uns ein Verständnis darüber liefern, wie diese Akteure ihr Kon-
sum- und Produktionsverhalten ausrichten, um bestmögliche Ergebnisses zu erzielen und
wie dieses Verhalten durch Preisänderungen beeinflusst wird.

3.1 Haushaltstheorie: optimale


Konsumwahl
Nutzenkonzept

Ökonomische Entscheidungen auf Haushaltsebene sind untrennbar mit dem Konzept des
Nutzen Nutzens verbunden (Varian 2016, S. 57f.).
Maß für die Fähigkeit von
Gütern, Bedürfnisse zu
befriedigen. Nehmen wir an, die Nachfrage eines Konsumenten liefert uns die Information, dass dieser
mit einer generellen Präferenz für Döner Kebab bei einem Marktpreis in Höhe von 4 €/
Einheit drei Einheiten dieses Gutes pro Woche nachfragt. Doch wie kommt diese Entschei-
dung ganz konkret zustande? Aufschluss hierüber gibt uns die nachfolgende Kurve.

78
Abbildung 19: Nutzen und Grenznutzen

Quelle: Stefan Tscharaktschiew, 2020.

Die Abbildung zeigt auf der Abszisse die nachgefragte Menge des Gutes x1 (Döner pro
Woche) und auf der Ordinate den Nutzen, der mit dem Konsum des Gutes aus Sicht des
Nachfragers verbunden ist.

Der Nutzen ist ein zentrales Konzept der Volkswirtschaftslehre. Ökonomen verwenden das
Konzept, um das Wohlbefinden zu messen, das Individuen bzw. Haushalte aus dem Kon-
sum verschiedenster Güter generieren. Obwohl Nutzen auf den ersten Blick einen subjekti-
ven Charakter zu haben scheint, gibt es dennoch Möglichkeiten, diesen auf einer einheitli-
chen Skala messbar und vergleichbar zu machen. Wir verzichten hier auf eine
Beschreibung dieser Möglichkeiten und stellen uns stattdessen einfach den Nutzen als
Maß des individuellen Wohlbefindens vor bzw. als einen Wert, der den Grad der Bedürfnis-
befriedigung eines Individuums in Verbindung mit seinen Konsummöglichkeiten misst.

In der Abbildung ist eine Nutzenkurve zu erkennen, mathematisch sprechen Ökonomen


von einer Nutzenfunktion. Der Verlauf der Kurve offenbart zwei ganz zentrale Eigenschaf-
ten des mit dem Konsum von (fast allen) Gütern assoziierten Nutzens:

1. Der Nutzen eines Haushaltes steigt mit der Konsummenge (positiver und zunehmen-
der Nutzen).
2. Der zusätzliche Nutzen, der mit dem Konsum einer zusätzlichen/weiteren Einheit
generiert werden kann, sinkt mit jeder weiteren Einheit. Das entspricht einem positi-
ven (erste Ableitung der Nutzenfunktion > 0) aber abnehmenden Grenznutzen Grenznutzen
(zweite Ableitung der Nutzenfunktion < 0). der zusätzliche Nutzen
einer weiteren Konsu-
meinheit
Gehen wir davon aus, dass der Konsument eine Präferenz für Döner Kebab hat, dann ist es
einleuchtend anzunehmen, dass sein Nutzen mit der Anzahl an verzehrten Dönern steigt.
Das Individuum stellt sich also besser (gegeben aller anderen Aspekte), wenn es jeden Tag
der Woche einen Döner Kebab genießen kann, statt nur an einem einzigen Tag. Den größ-
ten Nutzen erlangt der Konsument dabei durch den Konsum der ersten Einheit. Grafisch
ist dies daran zu erkennen, dass die vertikale orange gestrichelte Linie bei der ersten Ein-

79
heit am längsten ist, d. h., der Nutzenzuwachs von Einheit 0 auf Einheit 1 ist am größten.
Stellen wir uns einfach als Extrembeispiel vor: Das einzige Nahrungsmittel ist Döner
Kebab. Dann wird unmittelbar klar, dass die erste Einheit Döner den größten Nutzenzu-
wachs erbringt; sie bewahrt das Individuum nämlich vor dem Verhungern. Der zusätzliche
Nutzen der zweiten Einheit (ausgehend von der ersten) wird immer noch relativ groß sein,
da der Konsument gegeben seinen Präferenzen mit einem Döner wöchentlich einfach
noch nicht zufrieden ist. Der Nutzenzuwachs wird aber bereits geringer ausfallen, denn,
obwohl dem Konsumenten auch die zweite Einheit noch sehr gut schmeckt, bewahrt sie
ihn nicht mehr vor dem Verhungern. Die Gefahr des Verhungerns ist bereits mit dem Kon-
sum der ersten Einheit gebannt worden. Mit jeder weiteren Konsumeinheit wird der Nut-
zenzuwachs nun immer geringer. Hat das Individuum bereits an sechs Tagen Döner geges-
sen, dann wird die siebte Einheit kaum noch einen signifikanten weiteren Nutzenzuwachs
erbringen. Der Konsument ist offenbar gesättigt. Man nennt diesen Zusammenhang, der
empirisch sehr gut belegt ist, das Gesetz des abnehmenden Grenznutzens (Mankiw/Taylor
Erstes Gossensches 2018, S. 142) oder auch das Erste Gossensche Gesetz.
Gesetz
Das Gesetz besagt, dass
der Zusatznutzen mit Die Frage ist nun (gegeben diesem Zusammenhang): Wie viele Döner Kebabs wird der
jeder weiteren Konsu- Haushalt nun (pro Woche) nachfragen? Die Frage kann mithilfe der obigen Abbildung
meinheit abnimmt allein nicht beantwortet werden. Dafür benötigen wir eine weitere wichtige Information,
(Gesetz vom abnehmen-
den Grenznutzen). nämlich die mit dem Konsum verbundenen Kosten, genauer die gesamten Opportunitäts-
kosten. Angenommen, ein Döner kostet vier Euro. Dann ist der Preis dieses Gutes ein Teil
der Opportunitätskosten, denn der Konsument kann diese vier Euro nicht mehr anderwei-
tig einsetzen. Nehmen wir vereinfachend an, der Preis des Gutes sind die gesamten
Opportunitätskosten und nehmen wir weiter an, der auf der Ordinate abgetragene Nutzen
(bzw. der Nutzenzuwachs) ließe sich, ebenso wie die Kosten, ebenfalls in Geldeinheiten
ausdrücken (Ökonomen stehen Instrumentarien zur Verfügung, dies zu realisieren). Neh-
men wir an, der Zusatznutzen der ersten Einheit Döner Kebab beträgt 15 Euro (erste verti-
kale orange gestrichelte Linie). Der Nutzen ist recht hoch (aber kleiner unendlich), da der
Konsument realistischerweise selbst bei einem Verzicht in einem Sozialstaat wohl nicht
verhungern müsste. Wird der Konsument diese Einheit kaufen? Die Antwort ist ja, denn
Grenzkosten der Grenznutzen dieser Einheit (Grenznutzen 0→1, 15 Euro) ist größer als die Grenzkosten.
Die zusätzlichen Kosten Diese sind mathematisch gesehen die erste Ableitung der Kostenfunktion (Grenzkosten
einer weiteren Mengen-
einheit. 0→1, 4 Euro, d. h. der Preis des Gutes). Es gilt also: Grenznutzen 0→1 > Grenzkosten 0→1.

Es leuchtet ein, dass der Konsument so lange seinen Konsum steigern wird, solange der
zusätzliche Nutzen die zusätzlichen Kosten übersteigt. Also solange gilt: Grenznutzen >
Grenzkosten.

Hätte der Konsument einen Anreiz, einen Döner Kebab zu kaufen, dessen Kosten den
daraus erzielbaren Nutzen übersteigen? Die Antwort ist natürlich nein. Der Konsument
wird seinen Konsum so lange einschränken, solange Grenznutzen < Grenzkosten. Daraus
folgt wiederum, dass für die letzte Einheit, die der Konsument gerade noch bereit ist zu
kaufen, gelten muss (Mankiw/Taylor 2018, S. 6):

privater Grenznutzen = private Grenzkosten

80
Ökonomen nennen diese Bedingung Marginalbedingung (Bedingung erster Ordnung). Die
Bedingung ist zentral und universal gültig. Aus ihr können wir ableiten, dass bei einem
Preis von vier Euro die letzte Einheit Döner Kebab, die ein Konsument gerade noch bereit
ist zu konsumieren, einen Nutzen in Höhe von vier Euro stiftet (ausgedrückt bzw. umge-
rechnet in Geldeinheiten). Da alle vorherigen Einheiten mehr Nutzen stiften als diese vier
Euro, erzielt der Haushalt also einen positiven Nettonutzen im Zusammenhang mit dem
Konsum von Dönern (Konsumentenrente).

Optimale Haushaltsentscheidung: Nutzenmaximierung

Die oben beschriebene Marginalbedingung besitzt Allgemeingültigkeit. Dennoch ist sie


allein nicht ausreichend, um das ökonomische Entscheidungsverhalten von Individuen
bzw. Haushalten vollends erklären zu können. Wir wissen bereits, dass Individuen in der
Regel vor Alternativen (Döner Kebab vs. andere Güter) stehen, die sie aufgrund der
Begrenztheit ihres Budgets gegeneinander abwägen müssen. Gehen wir vereinfachend
von zwei Gütern bzw. zwei Gütergruppen x1und x2 aus, die zu Preisen p1bzw. p2gehandelt
werden. Die Frage lautet also: Für welches Konsummuster entscheidet sich ein Konsument
unter der Nebenbedingung eines begrenzten Budgets Y?

Dafür müssen wir auf das Konzept des Nutzens zurückzukommen. Ökonomen nutzen das
Konzept der Nutzenfunktion, um den Zusammenhang zwischen der Menge verschiedener
Güter und dem insgesamt mit dem Konsum erzielten Nutzen abbilden zu können. In
einem Beispiel mit zwei Gütern hätte eine Nutzenfunktion dann die allgemeine Form u =
u(x1,x2). Umgestellt nach einer Variablen, z. B. x2, ergibt sich dann die folgende allgemeine
Funktion: x2 = x2(x1,u).Stellen wir uns ein Diagramm mit x1 auf der Abszisse und x2 auf der
Ordinate vor, dann lassen sich, so wie in der nachfolgenden Abbildung gezeigt, für jedes
beliebige Nutzenniveau u entsprechende Kurven zeichnen.

Abbildung 20: Optimale Haushaltsentscheidung

Quelle: Stefan Tscharaktschiew, 2020.

81
Indifferenzkurve Ökonomen nennen diese Kurven Indifferenzkurven (Mankiw/Taylor 2018, S. 137f.; Varian
Kurve mit gleichem Nut- 2016, S. 38f.). Für ein beliebiges Nutzenniveau u = − u gibt es offensichtlich eine derartige
zen – alle Konsummuster
auf einer Indifferenzkurve Kurve. Sie nennen diese Kurve Indifferenzkurve, weil ein Individuum entlang dieser Kurve,
stiften den gleichen Nut- welche immer einen konstanten Nutzen u = − u stiftet, indifferent bezüglich der Konsum-
zen. mengen der Güter 1 und 2 ist.

Nehmen wir beispielhaft Indifferenzkurve 1. Da jeder Punkt auf der Kurve, und damit jede
Kombination der beiden Güter 1 und 2, den gleichen Nutzen stiftet, ist der Haushalt also
indifferent bezüglich der beiden Konsummuster B (wenig von Gut 1, viel von Gut 2) und C
(wenig von Gut 2, viel von Gut 1). Die spezielle Gestalt der Indifferenzkurve hängt von der
konkreten Form der Nutzenfunktion ab und kann variieren (mehr bzw. weniger
gekrümmt). Da Indifferenzkurven die aus Sicht eines Konsumenten gleichwertigen Kon-
summuster repräsentieren, spiegeln sie faktisch die Präferenzen eines Konsumenten bzw.
Haushaltes wider. Es liegt auf der Hand, dass ein höherer Nutzen nur mit Mehrkonsum
erreicht werden kann (und erreicht werden wird, sofern eine Sättigung noch nicht einge-
treten ist). Daher verkörpern Indifferenzkurven, die weiter entfernt vom Koordinatenur-
sprung liegen, auch ein höheres Nutzenniveau.

Als nächstes betrachten wir die Budgetgerade. Sie lässt sich herleiten aus der einfachen
Budgetbeschränkung p1x1 + p2x2 = Y, sodass sich die Budgetgerade ergibt als x2 =Y/p2 –
p1x1/p2 (wir vernachlässigen im Folgenden die Möglichkeiten, zu sparen und Kredite auf-
zunehmen. Das bedeutet, alle periodischen Einnahmen Y werden in der aktuellen Periode
auch ausgegeben). Alle Güterkombinationen (Konsummuster) auf der Budgetgeraden
kann sich der Haushalt gerade leisten. Die Gerade verläuft fallend (mit Anstieg –p1/p2) –
möchte also der Haushalt mehr von einem Gut, dann müsste er im Gegenzug auf einige
Einheiten des anderen Gutes verzichten. Hintergrund ist die Knappheit seiner finanziellen
Mittel Y.Dies führt dazu, dass der Haushalt in einem wirtschaftlichen Abwägungsprozess
entsprechend seiner Bedürfnisse die Konsumentscheidung insgesamt dahingehend
anpasst, dass Mehrkonsum an der einen Stelle einen Minderkonsum an der anderen Stelle
impliziert (und umgekehrt).

Ein rational handelndes Individuum würde sich bei begrenzten Mitteln immer für die Alter-
native entscheiden, die gegeben seinen Möglichkeiten, für ihn am besten ist. Anders aus-
gedrückt, ein rational handelndes Individuum würde sich für ein Konsummuster (Güter-
bündel) entscheiden,

1. das es sich gerade noch leisten kann und


2. das gleichzeitig seinen Nutzen maximiert.

In unserer obigen Abbildung ist dies im Punkt A der Fall. Punkt A erfüllt beide Bedingun-
gen.

1. Jedes Güterbündel entlang bzw. auf der Budgetgerade kann sich der Haushalt gerade
noch leisten. Punkte, die Güterbündel oberhalb der Budgetgerade kennzeichnen,
wären für den Haushalt ohne Kreditaufnahme nicht erschwinglich. Jene darunter
könnte sich der Haushalt zwar leisten, wären ohne die Möglichkeit zu sparen aber irra-
tional, da der Haushalt sein Budget nicht ausschöpfen würde (Varian 2016, S. 21f.).

82
Wir wissen also bereits, dass das optimale Konsummuster bestehend aus einer Kom-
bination von x1 und x2 auf der Budgetgerade liegen muss.
2. Da jede Indifferenzkurve, die weiter vom Koordinatenursprung entfernt liegt, ein
höheres Nutzenniveau repräsentiert, können wir schlussfolgern, dass der Haushalt
versuchen wird, eine derartige weit entfernte Indifferenzkurve zu erreichen (Varian
2016, S. 38f.).

Im Zusammenspiel führt dies zu einem Punkt, bei dem eine Indifferenzkurve (hier Indiffe-
renzkurve 2) die Budgetgerade gerade berührt (Tangentialpunkt). Dies erfolgt hier in Punkt
A. Mit dem mit Punkt A assoziierten Konsummuster x1*,x2* maximiert der Haushalt seinen
Nutzen unter Einhaltung seiner Budgetbeschränkung. Es ist sehr wichtig, sich klar zu
machen, warum die Punkte B und C und die damit in Verbindung stehenden Güterbündel
nicht das Haushaltsoptimum repräsentieren. Diese liegen zwar auf der Budgetgeraden
und erfüllen damit Bedingung 1, sie liegen aber auf einer Indifferenzkurve, welche die
Budgetgerade schneidet. Eine Indifferenzkurve, die eine Budgetgerade schneidet, liegt
immer unterhalb der Indifferenzkurve, welche die Budgetgerade tangiert und repräsen-
tiert daher ein niedrigeres Nutzenniveau.

Es bleibt noch die Frage, ob sich für das mit Punkt A gekennzeichnete Haushaltsoptimum
eine ähnliche Optimalbedingung herleiten lässt, wie im Falle der auf ein Gut bezogenen
universalen Marginalbedingung privater Grenznutzen = private Grenzkosten. Wir wis-
sen, dass die Budgetgerade in jedem Punkt eine konstante Steigung aufweist, nämlich –
p1/p2. Das entspricht dem Verhältnis der Preise der beiden Güter. Diese Steigung gilt also
auch in Punkt A. Die Steigung der Indifferenzkurve wiederum entspricht, wie sich relativ
leicht zeigen lässt, dem (negativen) Verhältnis der Grenznutzen der beiden Güter. Ökono-
men nennen dieses Verhältnis die Grenzrate der Substitution (Mankiw/Taylor 2018, S. Grenzrate der Substi-
143). Demnach gilt im individuellen Haushaltsoptimum (ebd., S. 147): tution (GRS)
Sie gibt an, in welchem
Verhältnis Gut 1 gegen
Grenznutzen Gut1 Preis Gut1 Gut 2 ausgetauscht wer-
Grenznutzen Gut2
= Preis Gut2 den kann, ohne dass sich
der Nutzen des Haushal-
tes ändert. Der Betrag der
Ökonomen nennen diese wichtige Beziehung das Zweite Gossensche Gesetz. Für alle
GRS entspricht dem Ver-
sich rational verhaltenden Individuen gilt im Optimum, dass das Verhältnis der Grenznut- hältnis der Grenznutzen.
zen dem Preisverhältnis entspricht. Obwohl jedes Individuum entsprechend seiner Präfe- Zweites Gossensches
renzen durch andere Grenznutzen bezüglich der beiden Güter gekennzeichnet sein kann, Gesetz
Das Gesetz besagt, dass
passen die Individuen ihr Konsumverhalten so an, dass das Verhältnis der Grenznutzen im Haushaltsoptimum
am Ende über alle Individuen identisch ist. Dies folgt automatisch aus der Tatsache, dass das Verhältnis der Grenz-
sich alle Individuen bzw. die Individuen innerhalb bestimmter Gruppen in der Regel den nutzen dem Preisverhält-
nis entspricht.
gleichen Preisen gegenübersehen.

Das Umstellen der Identität

Grenznutzen Gut1 Grenznutzen Gut2


Preis Gut1
= Preis Gut2

macht zudem deutlich, dass die Haushalte ihr Konsumverhalten so lange anpassen, bis
das Verhältnis aus Grenznutzen und Grenzkosten über alle Güter gleich ist (Mankiw/Taylor
2018, S. 147).

83
Arten von Präferenzen

Die Bereitschaft eines Haushaltes, ein Gut gegen ein anderes unter Beibehaltung des glei-
chen Nutzenniveaus auszutauschen, wird also durch die Grenzrate der Substitution ange-
geben. Sie, und damit auch die Form der Indifferenzkurve, ist damit ein Indikator für die
Präferenzen eines Haushaltes. Muss ein Haushalt beispielsweise sehr viel von Gut 1 aufge-
ben, um nur ein wenig mehr von Gut 2 konsumieren zu können, hält aber dennoch sein
ursprüngliches Nutzenniveau, dann sind seine Präferenzen für beide Güter offenbar sehr
ungleich verteilt. Indifferenzkurven können unterschiedliche Verläufe annehmen. Die
nachfolgende Abbildung zeigt drei ganz besondere und charakteristische Arten von Präfe-
renzen.

Abbildung 21: Arten von Präferenzen/Indifferenzkurven

Quelle: Stefan Tscharaktschiew, 2020.

Die beiden farbigen Indifferenzkurven repräsentieren gewissermaßen zwei extreme Arten


von Präferenzen.

Perfekte Substitute Die grünen Indifferenzkurven entsprechen sogenannten perfekten Substituten (Mankiw/
Güter können in einem Taylor 2018, S. 143f.). Die beiden Güter sind aus Sicht des Haushalts bei jeder Kombination
festen Verhältnis zueinan-
der getauscht werden. perfekt substituierbar und die Indifferenzkurven haben aus Haushaltsperpektive in jedem
Aus Sicht des Konsumen- Punkt die gleiche Steigung. Außerdem schneiden die Indifferenzkurven die beiden Men-
ten sind die Güter sehr genachsen. Dies bedeutet, dass es dem Haushalt faktisch gleichgültig ist, ob er nur Gut 1
ähnlich (identisch).
konsumiert und auf Gut 2 vollkommen verzichtet oder umgekehrt.

Perfekte Komplemente Der zweite Extremfall entspricht dem der sogenannten perfekten Komplemente (Man-
Die Güter bedingen einan- kiw/Taylor 2018, S. 144f.). Jede Indifferenzkurve verläuft in einem Winkel von 90 Grad.
der und ein Nutzenzu-
wachs kann nur erreicht Nehmen wir an, der Knick befindet sich bei dem Güterbündel x1 = 1 und x2 = 4. Alle
werden, wenn beide Güte rme nge n größe r x1 = 1, ge ge be n x2 = 4, sowie alle Güte rme nge n größe r x2 = 4,
Güter in einem ganz
bestimmten Verhältnis
gegeben x1 = 1, liegen dann auf der gleichen Indifferenzkurve und stiften somit den glei-
zueinander nachgefragt chen Nutzen. Das heißt, ein Mehr von Gut 1, gegeben der Menge an Gut 2 (und umgekehrt),
werden.

84
stiftet für den Konsumenten keinen zusätzlichen Nutzen. Die Güter bedingen sich einander
und ein Nutzenzuwachs kann nur erreicht werden, wenn beide Güter in einer ganz
bestimmten Proportion nachgefragt werden, also z. B. x1 = 2 und x2 = 8.

Die dritte Form repräsentiert eine mittlere Form von Präferenzen jenseits der beiden eben
beschriebenen Extremformen. Die Indifferenzkurve hat die bereits kennengelernte
gekrümmte Form. Der Haushalt ist zu einem gewissen Grad bereit, ein Gut gegen ein ande-
res zu tauschen (zu substituieren), ohne dabei einen Nutzenverlust zu erleiden. Unabhän-
gig von der Art der Präferenzen gilt aber, dass sich die Indifferenzkurven des gleichen Typs
nie schneiden und dass weiter vom Koordinatenursprung entfernt gelegene Indifferenz-
kurven ein höheres Nutzenniveau repräsentieren als Indifferenzkurven in der Nähe des
Koordinatenursprungs.

Auswirkung von Preisänderungen auf die optimale Haushaltsentscheidung

Bekannt ist bereits aus der Analyse der individuellen Nachfrage und Marktnachfrage, dass
die allermeisten Güter bei einer Preiserhöhung weniger nachgefragt werden (und umge-
kehrt). Für Ökonomen ist jedoch häufig von Interesse, welche Mechanismen genau für
diese Nachfrageänderung sorgen. Sie nutzen diese Informationen zur Analyse wirtschafts-
politischer Maßnahmen. Die nachfolgende Abbildung erklärt, wie diese Nachfrageände-
rung genau zustande kommt. Wie sich zeigen wird, lässt sich der Gesamteffekt einer Nach-
frageänderung in mehrere interessante Nebeneffekte zerlegen.

Abbildung 22: Anpassung Haushaltsoptimum (Substitutions- und Einkommenseffekt)

Quelle: Stefan Tscharaktschiew, 2020.

85
Betrachtet wird als Beispiel eine Preiserhöhung bei Gut 2. Wir gehen von dem Regelfall
aus, dass es sich um gewöhnliche (Preisänderung und Nachfrageänderung verlaufen in
entgegengesetzte Richtung) und normale Güter (Einkommensänderung und Nachfrageän-
derung verlaufen in die gleiche Richtung) handelt. Das ursprüngliche Haushaltsoptimum
vor Preiserhöhung ist durch Punkt A gegeben. In diesem Punkt tangiert die ursprüngliche
Budgetgerade (V für vorher) die Indifferenzkurve 2. Der Haushalt maximiert bei Güterbün-
del A entsprechend der obigen Ausführungen seinen Nutzen. Anhand der nach x2umge-
stellten Budgetrestriktion erkennt man, dass sich bei Erhöhung des Preises von Gut 2 der
Schnittpunkt der Budgetgerade mit der Ordinate nach unten verlagert, die neue Budget-
gerade (N für nachher) ist nun flacher. Das neue Haushaltsoptimum kann nun gefunden
werden, indem der Tangentialpunkt einer Indifferenzkurve mit der neuen Budgetgerade N
gefunden wird. Die passende Kurve ist Indifferenzkurve 1 und das neue Haushaltsopti-
mum nach Preiserhöhung ist durch Punkt C gegeben. Wenig überraschend ist, dass die
Nachfrage nach Gut 2 nach der Preiserhöhung nun insgesamt geringer ist (Gesamteffekt),
wie dies bei allen gewöhnlichen Gütern der Fall ist.

Interessanter ist die Analyse des genauen Zustandekommens des Gesamteffektes (GE). Er
lässt sich nämlich zerlegen in einen Substitutionseffekt (SE) und einen Einkommenseffekt
(EE). Grundsätzlich muss man sich vergegenwärtigen, was eine Preisänderung (hier Preis-
erhöhung) genau bewirkt. Zuerst erhöht sich der Preis des Gutes. Wie wir anhand der Opti-
malbedingung des Haushaltes wissen, ist die eigentlich entscheidende Größe für das
Haushaltsoptimum nicht der absolute Preis, sondern der relative Preis. Da der Preis des
Gutes 2 teurer wird, ist nun Gut 1 relativ billiger. Diese Änderung der relativen Preise führt
dazu, dass der Haushalt Gut 1 mehr nachfragen wird und Gut 2 weniger. Das heißt, die
Güter werden substituiert. Gleichzeitig führt die Preiserhöhung bei Gut 2 aber auch dazu,
dass der Haushalt sich insgesamt weniger leisten kann, seine Kaufkraft sinkt. Dieser Effekt
bezieht sich sowohl auf Gut 1 als auch auf Gut 2.

Einkommenseffekt Der Einkommenseffekt reduziert die Nachfrage bei einer Preiserhöhung bei einem Gut in
Nachfrageänderung auf- Bezug auf beide Güter. Der Substitutionseffekt schaltet diesen Effekt aus und versucht,
grund veränderter Kauf-
kraft. die Nachfrageänderung zu identifizieren, die nur aufgrund der Änderung der relativen
Substitutionseffekt Preise zustande kommt, gegeben der Kaufkraft, die auch vor der Preisänderung bestand
Nachfrageänderung auf- (Mankiw/Taylor 2018, S. 152f.).
grund der Änderung der
relativen Preise, gegeben
der ursprünglichen Kauf- Um die beiden Effekte zu bestimmen, geht man zunächst von der neuen Budgetgerade N
kraft. aus. Man verschiebt diese neue Budgetgerade nun so weit, dass sie exakt durch das
ursprüngliche Haushaltsoptimum (Punkt A) führt. Man kompensiert den Haushalt gewis-
senmaßen für den durch die Preiserhöhung verursachten Verlust an Kaufkraft. Da diese
verschobene Budgetgerade (hier mit der Farbe Orange) exakt durch das ursprüngliche
Haushaltsoptimum (Punkt A) führt, schafft man gewissermaßen eine Situation, in der sich
der Haushalt das ursprüngliche Güterbündel gerade wieder leisten könnte.

Nun wird ausgehend von dieser durch den Punkt A führenden Budgetgerade das neue
Haushaltsoptimum gesucht. Dies ist im Tangentialpunkt B der Indifferenzkurve 3 mit der
verschobenen (orangen) Budgetgeraden der Fall. Ein Vergleich der Punkte A und B deckt
den Substitutionseffekt auf. Bei gleicher Kaufkraft führt die Preiserhöhung bei Gut 2 dazu,
dass Gut 2 nun weniger nachgefragt wird, Gut 1 dafür mehr, da Gut 2 relativ zu Gut 1 nun
teurer geworden ist. Da wir das neue Haushaltsoptimum (Punkt C) bereits kennen, können

86
wir schlussfolgern, dass sämtliche Änderungen in Verbindung mit dem Vergleich von
Punkt B mit Punkt C auf den Einkommenseffekt zurückzuführen sind. Durch die Preiserhö-
hung bei Gut 2 sinkt die Kaufkraft des Haushaltes insgesamt, sodass von beiden Gütern
nun etwas weniger nachgefragt werden kann.

Tabelle 5: Zerlegung der Nachfrageänderung bei Preiserhöhung von Gut 2 in


Substitutions- und Einkommenseffekt

Gut 1 Gut 2

Substitutionseffekt immer positiv immer negativ

Einkommenseffekt negativ negativ


(bei normalen Gütern) (bei normalen Gütern)

Gesamteffekt positiv oder negativ (meist posi- immer negativ bei normalen
tiv) Gütern

Quelle: Stefan Tscharaktschiew, 2020.

Die obige Tabelle fasst die Nachfrageänderungen bei beiden Gütern infolge einer Preiser-
höhung von Gut 2 nochmals zusammen. Sofern es sich um normale Güter handelt, verlau-
fen Substitutionseffekt und Einkommenseffekt bei dem von der Preisänderung betroffe-
nen Gut immer in die gleiche Richtung. Die Nachfrage nach Gut 2 geht somit infolge
dessen Preiserhöhung eindeutig zurück. Bei dem nicht von der Preisänderung betroffenen
Gut verlaufen Substitutionseffekt und Einkommenseffekt in gegensätzliche Richtung. Die
Nachfrage nach Gut 1 wird dann steigen, wenn der positive Substitutionseffekt den negati-
ven Einkommenseffekt überwiegt. Ist der Kaufkraftverlust und somit der Einkommensef-
fekt infolge der Preiserhöhung bei Gut 2 jedoch sehr stark (negativer Einkommenseffekt
überwiegt positiven Substitutionseffekt), dann ist es möglich, dass auch die Nachfrage
nach Gut 1 sinkt. Äquivalente Analysen und Schlussfolgerungen ergeben sich unter alter-
nativen Szenarien (Preissenkung anstelle Preiserhöhung, Preisänderung bei Gut 1 anstelle
Gut 2 usw.).

3.2 Produktionstheorie: optimale


Unternehmensentscheidungen
Wir wenden uns nun der Unternehmensentscheidung zu. Während der einzelne Haushalt
sich fragt, welche Güter er in welchen Mengen konsumieren soll (gegeben den einzelnen
Güterpreisen und seinem fixen Budget), um seinen Nutzen zu maximieren, fragt sich das
einzelne Unternehmen, welche Inputfaktoren es in welchen Mengen im Produktionspro-
zess einsetzen soll (gegeben den einzelnen Preisen der Inputfaktoren und gegeben einem
fixen Budget), um seinen Output zu maximieren. Alternativ könnte man fragen, welche
Inputfaktoren es in welchen Mengen im Produktionsprozess einsetzen soll (gegeben den
einzelnen Preisen der Inputfaktoren und gegeben einem bestimmten Outputziel), um
seine Kosten zu minimieren.

87
Die Äquivalenz der Fragestellungen – beide Ansätze führen zum gleichen Ergebnis – macht
bereits deutlich, dass es sich um faktisch identische Problemstellungen handelt, nur aus
unterschiedlicher Perspektive. Wir werden daher nur auf die wichtigsten Unterschiede im
Vergleich zur Haushaltsentscheidung eingehen.

Grenzprodukt

Was für Haushalte der zusätzliche Nutzen ist, den sie durch den Konsum einer weiteren
Einheit eines Gutes generieren können (Grenznutzen), ist für Unternehmen die zusätzliche
Produktionsmenge (Ouputniveau), die sie durch den Einsatz einer weiteren Einheit eines
Produktionsfaktors in den Produktionsprozess erzielen können (Grenzprodukt). Auch für
Unternehmen gilt in der Regel das Gesetz des abnehmenden Grenzproduktes (Varian
2016, S. 394f.).

Nehmen wir das Beispiel eines kleinen Döner-Kebab-Restaurants. Die beiden Inputfakto-
ren seien Kapital (Maschinen, Lebensmittel) und Arbeit. Die erste Einheit Arbeit (der
Ladenbesitzer selbst) wird einen großen Einfluss auf die abgesetzte Menge haben. Mit
jeder weiteren Arbeitskraft, die der Ladenbesitzer einstellt, wird seine zusätzliche Ver-
kaufsmenge sinken. Für die fünfte Arbeitskraft gibt es möglicherweise gar nicht mehr
genügend Arbeit, mehr noch: Eventuell steht sie den anderen Arbeitskräften nur im Weg.
Der Beitrag dieser Arbeitskraft zu einer größeren Verkaufsmenge wird verschwindend
gering sein. Der Produktionsfaktor Arbeit zeichnet sich also durch ein positives (erste
Ableitung der Produktionsfunktion > 0) und abnehmendes Grenzprodukt (zweite Ablei-
tung der Produktionsfunktion < 0) aus. Gleiches gilt für alle anderen Produktionsfaktoren.

Frage: Wie viele Einheiten des Produktionsfaktors sollte das Unternehmen nun im Produk-
tionsprozess einsetzen? Die Antwort ist mit dem Wissen aus der Analyse der Haushalte
einfach: Es sollte so viele Einheiten einsetzen, dass für die letzte eingesetzte Einheit genau
gilt:

privater Grenzertrag = private Grenzkosten

Genauso, wie sich der Grenznutzen in Geldeinheiten ausdrücken lässt, kann man auch das
Grenzprodukt in monetäre Einheiten umwandeln. Im Falle der Unternehmensentschei-
dungen ist das sogar relativ einfach. Man muss einfach den zusätzlichen Output (Grenz-
produkt) mit dem Erlös je Output bewerten, d. h. dem Preis des produzierten Gutes.
Solange dieser zusätzliche Ertrag (Grenzertrag), der durch den Einsatz einer weiteren Ein-
heit des Inputfaktors in den Produktionsprozess erfolgt, größer ist als die zusätzlichen
Kosten (Grenzkosten), also der Lohn des Arbeiters, solange lohnt es sich, einen weiteren
Arbeiter einzustellen. Die optimale Zahl an Arbeitskräften ist erreicht, wenn der private
Grenzertrag also exakt den privaten Grenzkosten entspricht.

Optimale Unternehmensentscheidung: Outputmaximierung

Bis auf einige Begrifflichkeiten ist auch die optimale Unternehmensentscheidung vollkom-
men äquivalent zur optimalen Haushaltsentscheidung. Dies zeigt auch die folgende Abbil-
dung.

88
Abbildung 23: Optimale Unternehmensentscheidung

Quelle: Stefan Tscharaktschiew, 2020.

Gehen wir vereinfachend von zwei Inputfaktoren, L (Arbeit) und K (Kapital), aus, die zu
Preisen pL bzw. pK vom Unternehmer entlohnt werden müssen. Die Frage lautet also: Für
welche Inputfaktorkombination entscheidet sich ein Unternehmen unter der Nebenbedin-
gung eines begrenzten Kostenbudgets C?

Um diese Frage beantworten zu können, ist es zunächst noch einmal erforderlich, auf das
Konzept der Produktionsfunktion einzugehen. Ökonomen nutzen das Konzept, um den
Zusammenhang zwischen der Menge verschiedener Inputfaktoren und dem damit erziel-
baren Output abbilden zu können.

In einem Beispiel mit den zwei Inputfaktoren hätte eine Produktionsfunktion dann die all-
gemeine Form x = x(L,K). Umstellen nach einer Variablen, z. B. K, ergibt dann die fol-
gende allgemeine Funktion: K = K(L,x). De r Inputfaktor L befindet sich dann auf der
Abszisse und der Inputfaktor K auf der Ordinate. Für jedes beliebige Outputniveau x las-
sen sich dann, so wie in der vorigen Abbildung gezeigt, entsprechende Kurven zeichnen.
Ökonomen nennen die Kurven in diesem Fall Isoquanten (Varian 2016, S. 388f.) als Pen- Isoquante
dant zu den Indifferenzkurven im Fall der Haushaltsentscheidung. Sie beschreibt die Kurve
des gleichen Outputs. Alle
Inputfaktorkombinatio-
Für ein beliebiges Outputniveau x = −x gibt es offensichtlich eine derartige Kurve. Diese nen auf einer Isoquante
Kurve wird Isoquante genannt, weil ein Unternehmen entlang dieser Kurve immer ein glei- ermöglichen den gleichen
Output.
ches (iso)Outputniveau x = −x erzeugen kann, obwohl es mit unterschiedlichen Proportio-
nen der eingesetzten Inputfaktoren verbunden ist. Nehmen wir beispielhaft Isoquante 1.
Da Isoquanten aus Sicht eines Unternehmens die gleichen Outputniveaus x = − x bei ver-
schiedenen Inputkombinationen repräsentieren, spiegeln sie faktisch die Technologie
eines Unternehmens wider. Es liegt auf der Hand, dass ein höheres Outputniveau nur mit
einem größeren Einsatz der Inputfaktoren erreicht werden kann. Daher repräsentieren
Isoquanten, die weiter entfernt vom Koordinatenursprung liegen, auch ein höheres Out-
putniveau.

89
Als nächstes betrachten wir die Kostengerade. Sie lässt sich einfach herleiten aus der ein-
fachen Kostenbeschränkung pLL + pKK = C, sodass sich die Kostengerade ergibt als K
= C/pK – pLL/pK(wir vernachlässigen im Folgenden die Möglichkeiten zu sparen und
Kredite aufzunehmen). Alle Inputkombinationen auf der Kostengerade kann sich das
Unternehmen gerade leisten. Die Gerade verläuft fallend (mit Anstieg pL/pK). Möchte also
das Unternehmen mehr von einem Inputfaktor einsetzen, dann müsste es im Gegenzug
auf einige Einheiten des anderen Inputfaktors verzichten. Hintergrund ist die Knappheit
seiner finanziellen Mittel (C). Dies führt dazu, dass das Unternehmen in einem wirtschaftli-
chen Abwägungsprozess entsprechend seiner Technologie die Produktionsentscheidung
insgesamt dahingehend anpasst, dass der Mehreinsatz eines Faktors an der einen Stelle
einen Mindereinsatz an der anderen Stellen impliziert (und umgekehrt).

Ein rational handelndes Unternehmen würde sich bei begrenzten Mitteln immer für die
Alternative entscheiden, die (gegeben seinen Möglichkeiten) den größtmöglichen Output
erbringt. Anders ausgedrückt: Ein rational handelndes Unternehmen würde sich für eine
Inputfaktorkombination entscheiden,

1. die es sich gerade noch leisten kann und


2. die gleichzeitig sein Produktionsniveau maximiert.

In unserer Abbildung ist dies im Punkt A der Fall. Punkt A erfüllt beide Bedingungen.

1. Jede Inputfaktorkombination entlang bzw. auf der Kostengerade kann sich das Unter-
nehmen gerade noch leisten.
Wir wissen also bereits, dass das optimale Konsummuster bestehend aus einer Kom-
bination von L und K also auf der Kostengerade liegen muss.
2. Da jede Isoquante, die weiter vom Koordinatenursprung entfernt liegt, ein höheres
Outputniveau repräsentiert, können wir schlussfolgern, dass das Unternehmen versu-
chen wird, eine weit entfernt liegende Isoquante zu erreichen.

Im Zusammenspiel führt dies zu einem Punkt, bei dem eine Isoquante (hier Isoquante 2)
die Kostengerade berührt (Tangentialpunkt), hier Punkt A. Mit der mit Punkt A assoziierten
Inputfaktorkombination L*,K* maximiert das Unternehmen sein Produktionsniveau
unter Einhaltung seiner Kostenbeschränkung.

Da die Kostengerade in jedem Punkt eine konstante Steigung aufweist, nämlich pL/pK, das
Verhältnis der Preise der beiden Inputfaktoren, gilt diese Steigung also auch in Punkt A.
Wie sich relativ leicht zeigen lässt, entspricht wiederum die Steigung der Isoquante dem
(negativen) Verhältnis der Grenzprodukte beider Inputfaktoren. Ökonomen nennen dieses
Verhältnis die Grenzrate der technischen Substitution (Mankiw/Taylor 2018, S. 383).
Demnach gilt im Unternehmensoptimum (ebd., S. 389):

Grenzprodukt Inputfaktor L Preis Inputfaktor L


Grenzprodukt Inputfaktor K
= Preis Inputfaktor K

Für alle sich rational verhaltenden Unternehmen gilt im Optimum, dass das Verhältnis der
Grenzprodukte dem Inputpreisverhältnis entspricht.

90
Umstellen der Identität, sodass Grenzrate der techni-
schen Substitution
Grenzprodukt Inputfaktor L Grenzprodukt Inputfaktor K (GRTS)
Preis Inputfaktor L
= Preis Inputfaktor K
Sie gibt an, in welchem
Verhältnis ein Inputfaktor
gegen einen anderen aus-
macht zudem klar, dass die Unternehmen ihren Produktionsprozess so lange anpassen, getauscht werden kann,
ohne dass sich das Pro-
bis das Verhältnis aus Grenzprodukt und Grenzkosten über alle Inputfaktoren gleich ist
duktionsniveau des
(Mankiw/Taylor 2018, S. 389). Unternehmens ändert.
Der Betrag der GRTS ent-
spricht dem Verhältnis
Arten von Technologien der Grenzprodukte.

Die Fähigkeit eines Unternehmens, einen Inputfaktor gegen einen anderen auszutauschen
bei Beibehaltung des gleichen Outputniveaus, wird also durch die Grenzrate der techni-
schen Substitution angegeben. Sie, und damit auch die Form der Isoquante, ist damit ein
Indikator für die eingesetzte Technologie. Isoquanten können unterschiedliche Verläufe
annehmen, und diese Verläufe sind äquivalent zu den Verläufen der Indifferenzkurven bei
Haushalten, genauso wie die damit verbundenen Implikationen.

Produktionskosten

Durch die vorangegangene Analyse konnten wir klären, wie Unternehmen ihre Produkti-
onsentscheidung – im Sinne der Wahl einer Inputfaktoreinsatzkombination – treffen, um
ihren Gewinn zu maximieren. Wir wollen nun diskutieren, welche Implikationen sich hie-
raus für die Kosten des Unternehmens ergeben.

Zur Vereinfachung nehmen wir an, dass aus Sicht des Unternehmens nur ein Produktions-
faktor variabel ist. Der andere (alle anderen) ist fix, also kurzfristig aus Unternehmenssicht
nicht veränderbar (z. B. weil kurzfristig zwar neue Arbeiter eingestellt werden können,
aber eine ganz neue Fabrik mittels Kapitaleinsatz nur längerfristig errichtet werden kann).

Aus der Diskussion zum abnehmenden Grenzprodukt ist bekannt, dass die Zunahme des
möglichen Outputs eines Unternehmens bei Erhöhung eines Produktionsfaktors immer
kleiner ausfallen wird. Umgekehrt bedeutet dies wiederum, dass die Zunahme des benöti-
gen Inputfaktors eines Unternehmens bei Erhöhung der Produktionsmenge immer größer
ausfallen muss. Da jeder Inputfaktor Kosten verursacht, werden also die Kosten mit
zunehmender Produktionsmenge immer stärker steigen. Das bedeutet, dass die zusätzli-
chen Kosten mit jeder weiteren Outputeinheit größer werden. Anders ausgedrückt: Die
Grenzkosten des Unternehmens steigen. Werden nun diese zusätzlichen Kosten akkumu-
liert und durch die jeweils betrachtete Produktionsmenge geteilt, erhält man die durch-
schnittlichen variablen Kosten. Da wir annehmen, dass alle anderen Produktionsfakto- Durchschnittliche
ren in der unterstellten (kurzen) Frist unveränderbar sind, sind die mit diesen variable Kosten
Dies sind die variablen
Inputfaktoren verbundenen Kosten ebenfalls fix. Ökonomen nennen diese Kosten Fixkos- Kosten je produzierter
ten. Sie entstehen unabhängig von der produzierten Menge (selbst wenn ein Unterneh- Mengeneinheit (variable
men die Produktion in einer Fabrik komplett einstellt, müssen beispielsweise zunächst Kosten dividiert durch
Produktionsmenge).
dennoch weiter Mieten gezahlt werden). Je mehr ein Unternehmen produziert, desto
mehr verlieren die Fixkosten an Bedeutung, denn sie verteilen sich dann auf immer mehr
Einheiten. Diese durchschnittlichen Fixkosten sind also eine fallende Funktion der Pro-

91
Durchschnittliche duktionsmenge. Die nachfolgende Abbildung veranschaulicht den Verlauf der Grenzkos-
Fixkosten ten sowie der durchschnittlichen variablen Kosten und durchschnittlichen Fixkosten für
Dies sind die fixen Kosten
je produzierter Mengen- ein repräsentatives Unternehmen.
einheit (Fixkosten/
Produktionsmenge).
Abbildung 24: Produktionskosten

Quelle: Stefan Tscharaktschiew, 2020.

Besondere Bedeutung hat die ebenfalls in der Abbildung dargestellte Kurve der Durch-
Durchschnittskosten schnittskosten (durchschnittliche Gesamtkosten). Wie zu erkennen ist, fallen sie
Die durchschnittlichen zunächst, und steigen nach Erreichen eines Minimums bei einer bestimmten Output-
Gesamtkosten sind die
Gesamtkosten je produ- menge wieder an. Zur Ermittlung der Durchschnittskosten werden die gesamten Produkti-
zierter Mengeneinheit onskosten eines Unternehmens durch die jeweilige Produktionsmenge geteilt. Sie berück-
(Gesamtkosten/Produkti- sichtigen damit sowohl die durchschnittlichen Fixkosten als auch die durchschnittlichen
onsmenge).
variablen Kosten. Damit wird unmittelbar klar, warum die Durchschnittskosten zunächst
fallen und dann steigen. Sie fallen zuerst, weil bei kleinen Produktionsmengen der Effekt
der fallenden durchschnittlichen Fixkosten den Effekt der steigenden durchschnittlichen
variablen Kosten überkompensiert. Bei größeren Produktionsmengen ist dies genau
umgekehrt. Hier wird der Effekt der fallenden durchschnittlichen Fixkosten schwächer als
der Effekt steigender durchschnittlicher variabler Kosten. In dem Punkt, in dem sich die
Stärke beider Effekte genau ausgleicht, haben die Kurve der durchschnittlichen Fixkosten
und die Kurve der durchschnittlichen variablen Kosten betragsmäßig die gleiche Steigung.
Dort hat die Kurve der Durchschnittskosten ihr Minimum. Sie sehen, dass die Grenzkosten-
kurve die Kurve der Durchschnittskosten in ihrem Minimum schneidet. Dies ist kein Zufall,
sondern gilt grundsätzlich, denn die Durchschnittskosten können nur dann fallen (stei-
gen), wenn die Kosten einer zusätzlich produzierten Einheit geringer (größer) sind als der
Durchschnitt der Kosten aller bisher produzierten Einheiten.

Es lassen sich hieraus nun zwei sehr bedeutende Schlussfolgerungen ableiten, die auch
mit den bereits gewonnenen Erkenntnissen zum Angebotsverhalten von Unternehmen
bzw. dem Marktangebot in Verbindung stehen.

92
MERKE

1. Um kostendeckend wirtschaften zu können, müssen Unternehmen für ihre


Güter einen Preis erhalten, der wenigstens so hoch ist wie die Durch-
schnittskosten. Sie werden ihre Güter also dauerhaft nicht unterhalb der
Durchschnittskosten anbieten können. Der ansteigende Ast der Grenzkos-
tenkurve oberhalb der gesamten Durchschnittskosten entspricht demnach
der Angebotskurve eines Unternehmens. Dies erlaubt eine neue Sichtweise
auf die uns bereits bekannte Angebotskurve von Unternehmen.
2. Im Schnittpunkt von Grenzkostenkurve und gesamter Durchschnittskosten-
kurve (= Minimum der Durchschnittskostenkurve) könnten die Unterneh-
men offensichtlich zu minimalen Stückkosten produzieren. Dieser Punkt
wird auch Betriebsoptimum genannt. Betriebsoptimum
Hier liegt das Minimum
der Durchschnittskosten.

Erwähnenswert ist schließlich noch, dass die konkreten Kostenkurven durchaus bei modi-
fizierten Rahmenbedingungen einen anderen Verlauf aufweisen können (so könnten die
Grenzkosten zunächst erst fallend verlaufen). Nichtsdestotrotz behalten die beiden abge-
leiteten Schlussfolgerungen ihre Gültigkeit.

ZUSAMMENFASSUNG
Haushalte bzw. Unternehmen treffen unter der Annahme rationalen Ver-
haltens optimale Entscheidungen hinsichtlich bestimmter Konsummus-
ter bzw. Inputfaktorkombinationen. Optimalität setzt dabei Gleichheit
von Grenznutzen und Grenzkosten bzw. Grenzertrag und Grenzkosten
voraus (bei mehreren Gütern bzw. Inputfaktoren werden diese noch
zusätzlich ins Verhältnis gesetzt).

Besondere Bedeutung haben die Konzepte Indifferenzkurve und Iso-


quante. Indifferenzkurven spiegeln die Präferenzen von Haushalten
bezüglich des Konsums verschiedener Güter wider, Isoquanten die tech-
nologischen Möglichkeiten von Unternehmen, bestimmte Inputfaktoren
im Produktionsprozess einzusetzen. Als zwei Extremfälle unterscheidet
man perfekte Substitute und perfekte Komplemente. Perfekte Substi-
tute implizieren eine starke, perfekte Komplemente hingegen eine
schwache Substituierbarkeit von Gütern bzw. Inputfaktoren.

93
Änderungen in den Entscheidungen der Akteure Haushalte und Unter-
nehmen bezüglich Güternachfrage bzw. Inputfaktornachfrage infolge
einer Preisänderung lassen sich in einen Substitutionseffekt und einen
Einkommenseffekt aufschlüsseln.

94
LEKTION 4
MARKTFORMEN UND MARKTVERHALTEN

LERNZIELE

Nach der Bearbeitung dieser Lektion werden Sie wissen, …

– welche Angebotsentscheidungen Unternehmen in einem Markt mit vollständigem


Wettbewerb treffen.
– wie sich ein Monopolist verhält.
– welche ökonomischen Implikationen mit einem Monopolmarkt verbunden sind.
– was ein Oligopol ist.
– worin sich ein Markt mit vollständiger Konkurrenz von einem Markt mit monopolisti-
scher Konkurrenz unterscheidet.
4. MARKTFORMEN UND MARKTVERHALTEN

Einführung
Wir hören in den Medien häufig, dass ein starker Konkurrenzkampf zwischen Unterneh-
men von Vorteil für die Kunden und die Volkswirtschaft insgesamt ist. Auch wird berichtet
von überhöhten Preisen durch die Ausnutzung von Marktmacht auf Seite der Unterneh-
men mit Folge einer Benachteiligung von Konsumenten oder dass es zu Preisabsprachen
zwischen Unternehmen gekommen ist. Diese Phänomene sind eng mit der Frage verbun-
den, wie Märkte organisiert sind, d. h., welche Marktform für einen speziellen Markt unter-
stellt werden kann und wie sich die ökonomischen Akteure innerhalb einer solchen Markt-
form verhalten. Die Kenntnisse hierüber sind für Ökonomen von großer Bedeutung, denn
letztlich beeinflusst die Marktform, wie effizient ein Markt die Allokation der volkswirt-
schaftlichen Ressourcen gewährleisten kann.

4.1 Vollkommene Konkurrenz


Ökonomen nutzen das Modell der vollkommenen Konkurrenz (vollkommener Wettbe-
werb, auch Polypol genannt) als Standardfall. Hieran soll gezeigt werden, welche Eigen-
schaften ein Markt haben müsste, um eine effiziente Allokation der volkswirtschaftlichen
Ressourcen hervorzubringen. Auf das Modell der vollkommenen Konkurrenz wird in der
Regel auch zurückgegriffen, um die Wirkungsweise von Märkten an sich – durch das
Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage – zu veranschaulichen.

Annahmen

In einem (vollkommenen) Wettbewerbsmarkt gibt es sehr viele Anbieter und sehr viele
Nachfrager. Die Anbieter stellen alle ein sehr ähnliches Produkt her, sodass es zum Pro-
dukt eines Unternehmens sehr nahe Substitute gibt, auf welche die Konsumenten auswei-
chen könnten (tatsächlich geht man sogar von faktisch identischen Produkten aus).

Zentrales Merkmal eines durch vollständigen Wettbewerb gekennzeichneten Marktes ist,


dass sich der Marktpreis durch das Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage ergibt und
weder ein einzelner Nachfrager noch ein einzelnes Unternehmen irgendeinen Einfluss auf
diesen Marktpreis haben. Beide Marktseiten nehmen den Marktpreis als exogen gegeben
Preisnehmer an, man spricht davon, dass sie Preisnehmer sind (Mankiw/Taylor 2018, S. 61). Weil es
Marktakteur, der den sehr viele Nachfrager gibt, kann ein einzelner Konsument den Preis eines Gutes nicht
Marktpreis als gegeben
bzw. nicht beeinflussbar beeinflussen. Denn würde der Konsument ein Gut zu einem geringeren Preis als den
annimmt. Marktpreis haben wollen, würden die Unternehmen ihr Gut natürlich lieber an einen ande-
ren der vielen Nachfrager verkaufen wollen.

Weil es auch sehr viele Anbieter gibt, kann ein einzelner Verkäufer ebenso wenig den Preis
eines Gutes beeinflussen. Denn würde der Verkäufer ein Gut zu einem höheren Preis als
den Marktpreis verkaufen wollen, würden die Haushalte das gewünschte Gut natürlich lie-

96
ber bei einem anderen der vielen Anbieter kaufen wollen. Sofern sich sowohl die Nachfra-
ger als auch die Anbieter nicht strategisch verhalten und als Gruppe insgesamt einen
geringeren (Nachfrager) bzw. höheren (Anbieter) Preis durchsetzen können, werden sie
den Marktpreis als gegeben annehmen. Derartiges Verhalten ist bei sehr vielen kleinen
Nachfragern und Anbietern, von denen ein einzelner jeweils nur einen Bruchteil der jewei-
ligen Marktseite darstellt, aufgrund von Koordinationsproblemen ausgeschlossen. Wir
wissen aus vorangegangenen Diskussionen, dass das Modell des vollkommenen Wettbe-
werbs eine Extremform für eine Marktorganisation ist. Dennoch gibt es sehr viele Märkte,
die dieser Form sehr nahekommen.

Als Beispiel lässt sich der Markt für konventionell hergestellte Milch nennen. Es gibt sehr
viele Anbieter und nahezu alle Individuen einer Volkswirtschaft sind Nachfrager des Gutes
Milch, welches sich von Anbieter zu Anbieter nicht sehr unterscheidet (gilt für sehr viele
Agrarprodukte).

Marktverhalten

Schauen wir uns an, wie Unternehmen ihre Angebotsentscheidung in einem Wettbewerbs-
markt treffen. Jedes rational agierende Unternehmen wird natürlich zunächst einmal ver-
suchen, seinen Gewinn zu maximieren. Die Frage ist, bei welcher Produktionsmenge Q
(bei welchem Outputniveau Q) das der Fall ist. Die Antwort auf die Frage ist nicht trivial,
denn das Unternehmen muss bei seiner Angebotsentscheidung sowohl Erlöse als auch
Kosten berücksichtigen. Formal ergibt sich der Gewinn (Π) der Unternehmung aus der Dif-
ferenz von Erlös und Kosten:

Π Q =−
pQ − C Q

Das Unternehmen erhält aus seiner Produktionstätigkeit − p Q; es verkauft Q Einheiten zum


Preis p = − p . Um klarzumachen, dass aus Sicht des Unternehmens, wie oben argumen-
tiert, der Preis als gegeben und nicht beeinflussbar betrachtet wird, ist p als −
p geschrie-
ben. Je mehr das Unternehmen verkaufen kann, desto höher offensichtlich der Erlös.
Allerdings sind auch die Kosten eine (positive) Funktion der Produktionsmenge Q. Je
mehr das Unternehmen also herstellt und verkauft, desto größer werden die Gesamtkos-
ten sein. So braucht ein Unternehmen, um seinen Output zu steigern, in der Regel mehr
Arbeitskräfte, mehr Maschinen, einen größeren Fuhrpark, eine größere Produktions- bzw.
Verkaufsfläche usw. All diese Faktoren erhöhen naturgemäß die Kosten eines Unterneh-
mens. Das Kalkül des Unternehmens lautet unter der Prämisse des Ziels der Gewinnmaxi-
mierung dann

maxΠ Q = −
pQ − C Q
Q

Das Maximum kann durch Bildung der 1. Ableitung und Nullsetzung dieser gefunden wer-
den. Als Bedingung erster Ordnung ergibt sich

darausfolgt
=−
∂Π ∂C
∂Q
p− ∂Q
=0 GE = GK Q
=−
p

97
Das Unternehmen sollte demnach seine Produktionsmenge so lange weiter steigern, bis
gilt, dass bei dieser letzten (gerade noch) produzierten Einheit der Erlös dieser Einheit
Grenzerlös (GE) (Grenzerlös), also der erzielbare Preis −
p , gerade den zusätzlichen Kosten dieser weiteren
Der zusätzliche Erlös Einheit, also den Grenzkosten GK, entspricht. Die folgende Abbildung macht die Intuition
einer weiteren verkauften
Einheit. hinter dem Optimierungskalkül aus Sicht des Unternehmens deutlich.

Abbildung 25: Bedingung für Gewinnmaximum bei vollkommenen Wettbewerb

Quelle: Stefan Tscharaktschiew, 2020.

Der Preis ist aus Sicht eines einzelnen Unternehmens gegeben bzw. konstant und von der
Produktionsmenge unabhängig. Selbst bei Ausweitung der eigenen Produktion wird sich
das Marktangebot aufgrund der Vielzahl der Anbieter kaum erhöhen, da jedes Unterneh-
men nur einen marginalen Anteil am gesamten Marktvolumen auf sich vereinigt. Der Preis
ist deshalb als horizontale Linie gekennzeichnet (Mankiw/Taylor 2018, S. 201).

Die Grenzkosten sind ab einem bestimmten Produktionsniveau als ansteigende Kurve ein-
gezeichnet. Dieser Verlauf ist deshalb plausibel, da in der Regel die Schaffung zusätzlicher
Produktionskapazitäten ab einem bestimmten Produktionsniveau mit immer höheren
Kosten verbunden sein wird. So werden die ersten Arbeitskräfte noch relativ einfach zu fin-
den sein. Je mehr Arbeitskräfte aber benötigt werden, desto aufwendiger wird es für ein
Unternehmen, adäquate Beschäftigte zu finden. Die zusätzlichen Kosten werden also
immer höher, je mehr das Unternehmen produzieren möchte. Wie zu erkennen ist, beginnt
die Grenzkostenkurve erst nach einer bestimmten Menge. Dies bedeutet nicht, dass es bei
geringen Mengen keine Grenzkosten gibt. Wir wollen damit lediglich offenlassen, wie der
Verlauf der Grenzkosten bei geringen Mengen ist. Sowohl für einen linearen, einen kon-
stanten als auch einen zunächst fallenden Verlauf lassen sich Argumente finden. Da sich
leicht zeigen lässt, dass Unternehmen immer im ansteigenden Teil der Grenzkosten produ-
zieren werden, verzichten wir auf die Darstellung dieses Bereichs bei kleiner Menge.

Machen wir uns klar, warum nur Q* mit einem Gewinnmaximum vereinbar ist. Nehmen
wir die Menge Q1. Würde sich ein Unternehmen dafür entscheiden, die Menge Q1 zu pro-
duzieren, dann könnte es mit der genau letzten verkauften Einheit einen Erlös in Höhe von

p (Marktpreis) erzielen. Diese Einheit kostet aber nur GK Q1 < − p . Das Unternehmen

98
hätte also einen Anreiz die Produktion auszuweiten, da es sehr wahrscheinlich auch für
die nächste Einheit einen Erlös erzielen würde, der über den Kosten dieser weiteren Ein-
heit läge.

Betrachten wir nun die Menge Q2. Würde sich ein Unternehmen dafür entscheiden, die
Menge Q2 zu produzieren, dann könnte es mit der genau letzten Einheit wiederum einen
Erlös in Höhe von −p (Marktpreis) erzielen. Diese Einheit kostet aber bereits GK Q2 > − p.
Das bedeutet, das Unternehmen hätte einen Anreiz die Produktion zurückzufahren, da es
für die dann erste nicht mehr produzierte Einheit zwar einen potenziellen Erlös in Höhe
von −p (Marktpreis) verliert, gleichzeitig aber Kosten einspart, die über dem potenziellen
Erlös liegen.

Die einzige Produktionsmenge, die mit einem Gewinnmaximum vereinbar ist, kann dem-
nach nur die Menge Q* sein. Die letzte verkaufte Einheit verursacht dem Unternehmen
Kosten, die genau dem Erlös dieser Einheit entsprechen.

Erwähnenswert ist noch, dass die Menge Q* zwar ein Gewinnmaximum darstellt, jedoch
keine Aussage über den Gewinn selbst erlaubt. Denkbar wäre im Extremfall, dass das
Unternehmen insgesamt nicht profitabel ist und bei der Menge Q* nur seinen Verlust
minimiert. Langfristig wäre das natürlich kein haltbarer Zustand, da das Unternehmen
dann den Anreiz hätte, die Produktion einzustellen und vom Markt verschwinden würde.
Welcher Gewinn mit der Menge Q* in Verbindung steht, hängt von vielen Faktoren ab, ins-
besondere der konkreten Gestalt der Kostenfunktion C(Q), ob der Marktpreis − p hoch
genug ist, um die mit C(Q) verbunden Kosten je Einheit (Durchschnittskosten) zu decken,
und welcher Zeithorizont betrachtet wird. Grundsätzlich gilt, dass in einem vollkomme-
nen Wettbewerbsmarkt ohne Marktzutrittsbeschränkungen langfristig keine „übernorma-
len“ Gewinne möglich sind. Der Unternehmer kann zwar mit den erwirtschafteten Erlösen
seine Kosten C(Q) decken (man stelle sich ein Einpersonen-Unternehmen vor, dann bein-
haltet C(Q) auch das Einkommen bzw. den Lohn des Unternehmers selbst, der Unterneh-
mer geht also nicht leer aus), darüber hinaus sind aber keine „übernormalen“ Gewinne
möglich. Wären „übernormale“ Gewinne möglich, würden bei freiem Marktzutritt andere
Unternehmen in den Markt eintreten und der erhöhte Konkurrenzkampf würde zuerst die
Preise senken und dann schließlich die „übernormalen“ Gewinne eliminieren.

Implikationen aus dem Marktverhalten

Verhalten sich alle Unternehmen rational im Sinne einer gewinnmaximalen Angebotsent-


scheidung und gibt es keine sonstigen Ineffizienzen im Markt, dann führt der (vollkom-
mene) Wettbewerbsmarkt durch das Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage über
den Preismechanismus zu einer effizienten Allokation der volkswirtschaftlichen Ressour-
cen. Weder Konsumenten noch Produzenten können sich insgesamt bei einer Abweichung
vom sich ergebenden Marktpreis besserstellen. Mit anderen Worten: Der (vollkomme)
Wettbewerbsmarkt maximiert die Summe aus Konsumenten- und Produzentenrente.

99
4.2 Monopol
Ökonomen kategorisieren die Marktformen in der Regel in Bezug auf die Anzahl der Markt-
teilnehmer auf der Angebots- und Nachfrageseite. Da es bei einem Markt mit vollkomme-
ner Konkurrenz sehr viele Anbieter und sehr viele Nachfrager gibt, liegt es auf der Hand,
die Analyse auf Märkte zu erweitern, bei denen die Anzahl der Marktteilnehmer sehr gering
ist. Tatsächlich gibt es einen Extremfall auf der anderen Seite des Spektrums: Die Markt-
seite hat nur einen Akteur. Man spricht in diesem Fall von einem Monopolmarkt, genauer
einem Angebotsmonopol, wenn die Marktseite mit nur einem Akteur die Angebotsseite
betrifft, bzw. einem Monopson, wenn nur ein Nachfrager auf viele Anbieter trifft (Mankiw/
Taylor 2018, S. 395). Im Folgenden betrachten wir den Fall des Angebotsmonopols.

Annahmen

In einem Angebotsmonopolmarkt gibt es nur einen Anbieter, den Monopolisten, aber sehr
viele Nachfrager. In diesem Fall kann es zu dem vom Unternehmen hergestellten Produkt
keine sehr nahen Substitute geben, auf welche die Konsumenten ausweichen könnten.
Lediglich auf anderen Märkten könnten Güter existieren, die zumindest teilweise als Sub-
stitute interpretiert werden könnten. Zentrales Merkmal eines Monopolmarktes ist, dass
sich der Marktpreis nicht mehr alleine durch das Zusammenspiel von Angebot und Nach-
frage – gelenkt wie von einer unsichtbaren Hand – ergibt. Da der Monopolist alleiniger
Anbieter des Produktes ist, ist seine eigene Produktionsmenge im Vergleich zum Marktvo-
lumen nun nicht mehr marginal. Verläuft die Nachfragekurve fallend, dann kann der
Monopolist mit seiner Angebotsentscheidung den Marktpreis des Gutes beeinflussen. Die
vielen Nachfrager nehmen den Marktpreis zwar weiterhin als exogen gegeben an, d. h., sie
sind Preisnehmer. Für die Anbieter gilt dies aber nicht, denn weil es nur ein Unternehmen
gibt, muss dieses nicht befürchten, bei Preisanpassung nach oben Kunden an die Konkur-
renz zu verlieren. Der Monopolist hat also einen Preissetzungsspielraum (Mankiw/Taylor
2018, S. 395).

Die Kategorisierung eines Marktes als Monopolmarkt bzw. eines Unternehmens als Mono-
polist ist nicht ganz einfach. Um Beispiele für Monopolmärkte bzw. Monopolisten zu fin-
den, ist eine Differenzierung z. B. in Bezug auf Marktabgrenzung oder in temporärer oder
räumlicher Hinsicht unerlässlich (ebd., S. 396f.).

Temporär

Temporäre Monopole kommen durch Innovation zustande. Produkt- oder Technologiein-


novation führen in der Regel zu einem temporären Monopol, das so lange aufrechterhal-
ten wird, bis Nachahmer das gleiche oder ein vom Verbraucher als Substitut angesehenes
Produkt auf den Markt bringen. Sobald dies der Fall ist, verliert der Innovator seine Mono-
polstellung und muss sich dem Wettbewerb stellen. Gleichwohl kommt dem temporären
Anfangsmonopol eine wichtige Stellung im Innovationsprozess zu. Da zunehmender Wett-
bewerb letztlich dazu führt, dass die Gewinnmargen der Anbieter im zeitlichen Verlauf
weiter und weiter schmelzen, bestünde ohne das temporäre Monopol zu Beginn eines Pro-
duktlebenszyklus kein Anreiz für Innovationen, die oft sehr kostenintensiv sind. Diese
Argumentation liefert auch die Rechtfertigung für das Patentwesen.

100
Ein Patent ist ökonomisch letztlich nichts anderes als ein Instrument zur Errichtung einer
Markteintrittsschranke für Konkurrenten. Dies verschafft einem Innovator (dann dem
Monopolisten) die Möglichkeit, über einen gewissen Zeitraum hinweg neu gewonnenes
Wissen bzw. neu entwickelte Technologien oder Produkte exklusiv zu verkaufen. Während
der Laufzeit des Patents kann sich der Innovator daher wie ein Monopolist verhalten, da er
nicht befürchten muss, dass Konkurrenten das gleiche Produkt anbieten oder die gleiche
Technologie verwenden. Der Patentinhaber ist allerdings nicht völlig ungefährdet, da das
Patent nicht vor Substitutionsprodukten schützt. Monopole durch Patentvergabe finden
insbesondere im Medizinbereich Anwendung. Ohne die Möglichkeit der Patentvergabe
hätten Unternehmen kaum einen Anreiz, in kostspielige Forschung zur Entwicklung neuer
Medikamente, Impfstoffe oder Behandlungsmethoden zu investieren.

Räumlich

Monopolstellungen können sich aus einer räumlichen Abgrenzung heraus ergeben. Oft-
mals gibt es z. B. in einer relativ großen räumlichen Ausdehnung nur einen einzigen Flug-
hafen. Der Flughafen produziert das Produkt Starts und Landungen von Flugzeugen. Aus
Nachfragersicht (Fluglinien) gibt es oftmals keine Alternative zu diesem Flughafen, um
Passagiere in eine bestimmte Region zu befördern. Der Grad der Monopolstellung hängt
dann von der räumlichen Ausdehnung des alleinigen Marktgebietes ab.

Marktabgrenzung

Die Frage, ob ein Unternehmen eine Monopolstellung für sich reklamieren kann, hängt
auch von der Marktabgrenzung bzw. der Verfügbarkeit von Substituten ab. Es mag sein,
dass ein Carsharing-Anbieter das einzige Unternehmen in einer Stadt ist, das eine derar-
tige Dienstleistung zur Verfügung stellt. Gegeben der großen Bandbreite an (nahen) Sub-
stituten – zu Fuß, Fahrrad, eigener Pkw, öffentlicher Personennahverkehr usw. – stellt sich
allerdings die Frage, inwieweit das Unternehmen diese Monopolstellung ausnutzen kann
und ob es sich tatsächlich um einen Monopolmarkt im engeren Sinne handelt.

Marktverhalten

Schauen wir uns an, wie ein Monopolist seine Angebotsentscheidung in einem Monopol-
markt trifft. Das rational agierende Unternehmen wird natürlich – wie die Unternehmen
im Wettbewerbsmarkt auch – zunächst einmal versuchen, seinen Gewinn zu maximieren.
Die Frage ist, bei welcher Produktionsmenge Q (bei welchem Outputniveau Q) das der Fall
ist. Die Antwort auf die Frage ist bei einem Monopolmarkt noch differenzierter. Der Mono-
polist muss bei seiner Angebotsentscheidung sowohl Erlöse als auch Kosten mit berück-
sichtigen, ebenso wie Unternehmen im Wettbewerbsmarkt. Gleichzeitig muss der Mono-
polist aber beachten, dass seine Angebotsentscheidung einen Einfluss auf den Marktpreis
haben kann. Formal ergibt sich der Gewinn (ΠMonopol) des Monopolisten völlig äquivalent
zu einem Unternehmen im Wettbewerbsmarkt aus der Differenz von Erlös und Kosten
(Varian 2016, S. 507):

ΠQ Monopol =p Q Q−C Q

101
Das Unternehmen erhält p(Q)Q aus seiner Produktionstätigkeit, d. h., es verkauft Q Ein-
heiten zum Preis p = p(Q). Um klarzumache n, dass aus Sicht de s Unte rne hme ns (wie
obe n argume ntie rt) de r Pre is nicht als ge ge be n, sonde rn als be e influssbar be trachte t wird,
ist p als p(Q) geschrieben. Das bedeutet, dass der Preis, der letztlich vom Monopolisten
gesetzt wird, abhängig von der verkauften Menge ist. Wieder gilt: Je mehr das Unterneh-
men verkaufen kann, desto höher ist der Erlös. Allerdings sind auch die Kosten wieder eine
(positive) Funktion der Produktionsmenge Q. Je mehr das Unternehmen also herstellt
und verkauft, desto höher werden die Gesamtkosten sein. Das Kalkül des Unternehmens
lautet unter der Prämisse des Ziels der Gewinnmaximierung dann:

maxΠ Q Monopol =p Q Q−C Q


Q

Das Maximum kann durch Bildung der 1. Ableitung und Nullsetzung dieser gefunden wer-
den. Als Bedingung erster Ordnung ergibt sich:

∂Π Q Monopol ∂p ∂C darausfolgt
∂Q
= ∂Q
Q+p Q − ∂Q
=0 GE Q
∂p
= Q+p Q
∂Q

= GK Q

Das Unternehmen sollte demnach seine Produktionsmenge so lange weiter steigern, bist
gilt, dass bei dieser letzten (gerade noch) produzierten Einheit der Erlös dieser Einheit
(Grenzerlös) gerade den zusätzlichen Kosten dieser weiteren Einheit (also den Grenzkos-
ten) entspricht. Diese allgemeine Bedingung ist offensichtlich identisch zu der Bedingung
im Wettbewerbsmarkt. Es gibt aber dennoch einen entscheidenden Unterschied. Der
Grenzerlös ist aus Sicht des Monopolisten nicht einfach der gegebene Marktpreis, sondern
selbst abhängig von der Produktionsmenge (Lerner 1934). Gegeben der Produktions-
menge vor Produktionsausweitung um eine weitere Einheit erlöst der Monopolist den
Preis p(Q) pro Einheit. Bei einer fallenden Nachfragekurve hat eine Produktionsauswei-
tung aber einen preissenkenden Effekt, sodass der Monopolist nun für alle verkauften Ein-
∂p
heiten etwas weniger erlösen wird ∂Q Q < 0. Insofern hat eine Ausweitung der Produkti-
onsmenge zwei Effekte (Preis- und Mengeneffekt). Da bei einer Ausweitung der
Produktionsmenge einerseits die Zusatzerlöse steigen, aber andererseits der Preis für alle
verkauften Einheiten sinkt, ist der Grenzerlös stets niedriger als p(Q) (mit Ausnahme der
ersten Einheit).

Nehmen wir an, dass eine Menge Q*Monopol mit einem Gewinnmaximum vereinbar ist. Die
Begründung, warum dies nur bei der Menge Q*Monopol der Fall sein kann, lässt sich vollkom-
men äquivalent zum Fall des Wettbewerbsmarktes ableiten. Nur bei der mit der Bedin-
gung GE(Q) = GK(Q) in Einklang stehenden Menge Q*Monopol, hat der Monopolist weder
Anreiz seine Produktion auszuweiten noch einzuschränken.

102
Zentrale Frage ist nun, welche Menge der Monopolist anbietet und zu welchem Preis, ins-
besondere im Vergleich zu Angebotsmenge und Marktpreis in einem Wettbewerbsmarkt.
Einen ersten Hinweis hierauf erhält man bei Betrachtung der für den Wettbewerbsmarkt
entwickelten Abbildung. Stellen wir uns einen vom Monopolisten erzielten Grenzerlös vor,
der leicht unterhalb von −
∂p
p liegt (wegen ∂Q
Q < 0). Dann wird schnell klar, dass die Bedin-
gung GE(Q)=GK(Q) nur bei einer Menge Q*Monopol < Q* erfüllt sein kann. Die vollstän-
dige Beantwortung der Frage liefert allerdings die nachfolgende Abbildung.

Abbildung 26: Monopolmarkt und Vergleich mit Wettbewerbsmarkt

Quelle: Stefan Tscharaktschiew, 2020.

Die Abbildung zeigt zunächst auch nochmals das Zustandekommen des Wettbewerbsprei-
ses −
p . Er ergibt sich im Wettbewerbsmarkt durch das Zusammenspiel von Angebot und
Nachfrage (der abgebildete Teil der Grenzkostenkurve kann also offensichtlich als Ange-
botskurve interpretiert werden).

Die Monopolmenge ergibt sich bei der Bedingung GE(Q) = GK(Q) (Varian 2016, S. 508)
und wir erkennen, dass das Marktvolumen im Monopolmarkt kleiner ausfällt als im Wett-
bewerbsmarkt (Q*Monopol < Q*). Welchen Preis verlangt der Monopolist nun für den Kauf
seiner Güter? Er wird natürlich den Preis verlangen, der ihm den Absatz der Menge Q*Mono‐
polermöglicht. Der Monopolist wird den Preis so setzen, dass er die letzte verkaufte Einheit
(exakt die Mengeneinheit Q*Monopol) gerade noch verkaufen kann. Dafür muss sich der
Monopolist fragen, welche Zahlungsbereitschaft die Konsumenten bei der Mengeneinheit
Q*Monopol noch haben. Aus vorangegangenen Analysen wissen wir, dass diese Information
durch die Nachfragekurve reflektiert wird. Der Monopolist sucht also den Punkt auf der
Nachfragekurve, der bei der Menge Q*Monopol zu finden ist. Ökonomen nennen diesen
Punkt den Cournot Punkt. Wie Sie erkennen können, liegt der vom Monopolisten gesetzte Cournot Punkt
Preis oberhalb des Marktpreises, der sich in einem Wettbewerbsmarkt ergibt (Mankiw/ Der Punkt kennzeichnet
die gewinnmaximale
Taylor 2018, S. 406). Preis-Mengen-Kombina-
tion eines Monopolisten.

103
Implikationen aus dem Marktverhalten

Insgesamt lässt sich also feststellen, dass in einem Monopolmarkt der den Konsumenten
abverlangte Preis höher (pMonopol > − p ) und die abgesetzte Menge kleiner ist (Q*Monopol <
Q*) im Vergleich mit einem Wettbewerbsmarkt. Da wir bereits wissen, dass die Wettbe-
werbsmenge unter der Voraussetzung des Fehlens sonstiger Ineffizienzen eine effiziente
Allokation der volkswirtschaftlichen Ressourcen hervorbringt (Maximierung der Gesamt-
rente), können wir schlussfolgern, dass in einem Monopolmarkt der den Konsumenten
abverlangte Preis zu hoch und die abgesetzte Menge zu klein ist im Vergleich zur volkswirt-
schaftlich effizienten Wettbewerbskonstellation. Die Monopolsituation führt also zu einem
Wohlfahrtsverlust (Mankiw/Taylor 2018, S. 409f.). Der Monopolist erwirtschaftet „übernor-
male“ Monopolgewinne; er erwirtschaftet Erlöse, die die mit der Entlohnung der Produkti-
onsfaktoren in Verbindung stehenden Kosten übersteigen.

Trotz dieses Wohlfahrtsverlustes in Verbindung mit einem Monopolmarkt kann es aus den
oben genannten Gründen (insbesondere Innovationsförderung) aber dennoch sinnvoll
sein, eine Monopolstellung zumindest zu „dulden“. Es ist dann die Aufgabe von Ökono-
men, Wege zu finden, die Monopolmacht so effizient wie möglich zu begrenzen.

4.3 Oligopol
Die bisher diskutierten Marktformen Polypol und Monopol stellen Extrembeispiele dar.
Beim Polypol gibt es eine sehr große Anzahl von Anbietern, bei der Marktform Monopol ist
ein Unternehmen der alleinige Anbieter. Eine Marktform jenseits dieser beiden Extreme
stellt das sogenannte Oligopol dar. Wie im Falle des Monopols wollen wir uns auf die Ange-
botsseite konzentrieren und sprechen daher vom sogenannten Angebotsoligopol.

Annahmen

Beim Angebotsoligopol steht eine große Anzahl von Nachfragern einigen wenigen Anbie-
tern gegenüber (die genaue Anzahl ist unspezifisch und kann sich von Fall zu Fall unter-
scheiden), die alle ein mehr oder weniger identisches Produkt anbieten. Zentrales Merk-
mal eines Oligopolmarktes ist, dass er sowohl Eigenschaften des Polypols als auch des
Monopols in sich vereinigt. Die Anzahl der Anbieter ist hinreichend klein, sodass die Unter-
nehmen den Marktpreis nicht als vollständig gegeben ansehen werden. Außerdem trägt
jedes Unternehmen einen signifikanten Anteil zum gesamten Marktvolumen bei. Das
Angebotsoligopol ist in dieser Hinsicht dem Monopolmarkt näher als dem Wettbewerbs-
markt. Andererseits haben die Unternehmen keinen freien Preissetzungsspielraum, denn
obwohl die Anzahl möglicher Konkurrenten klein ist, müsste jedes dieser Unternehmen
innerhalb des Oligopols befürchten, Kunden an die Konkurrenz zu verlieren. Das Angebot-
soligopol ist in diesem Punkt also dem Wettbewerbsmarkt näher als dem Monopolmarkt.

Praktische Beispiele für Oligopolmärkte lassen sich einige finden (Mankiw/Taylor 2018, S.
453). Beispielsweise lässt sich der Markt für Rohöl tendenziell als Oligopolmarkt auffassen,
denn nur einige wenige Anbieter (Länder bzw. die von diesen Ländern betriebenen Unter-
nehmen) kontrollieren nahezu das gesamte weltweite Rohölangebot.

104
Marktverhalten

Aus der Tatsache, dass ein Oligopolmarkt sowohl Eigenschaften des Polypols als auch des
Monopols in sich vereinigt, folgt ein sehr komplexes Entscheidungsverhalten. Die Anzahl
der Anbieter ist nämlich klein genug, dass jedes einzelne Unternehmen innerhalb des Oli-
gopols auf die Entscheidungen eines anderen Unternehmens reagieren kann. Strategi-
sches Verhalten wird dadurch möglich und Ökonomen nutzen die Erkenntnisse der Spiel-
theorie, um dieses strategische Verhalten zu analysieren (Mankiw/Taylor 2018, S. 461f.).
Neben dem strategischen Verhalten bestehen vielfältige Interdependenzen bis hin zu
Preis- oder Mengenabsprachen.

Implikationen aus dem Marktverhalten

Es verwundert nicht, dass sich aus der Eigenschaft, eine Mischform aus Monopol und Poly-
pol zu sein, auch beim Oligopol trotz des komplexen Entscheidungsverhaltens der Akteure
Aussagen zum Preis- und Mengenverhalten treffen lassen. So werden die Angebotsmen-
gen im Oligopolmarkt in der Regel höher sein als im Monopolmarkt, aber wesentlich gerin-
ger als im Wettbewerbsmarkt. Auf der anderen Seite wird sich ein höherer Preis einstellen
als im Wettbewerbsmarkt, aber geringer als der von einem reinen Monopolisten gesetzte
Preis (Mankiw/Taylor 2018, S. 458). Insofern sind die Effizienzeigenschaften eines Oligopol-
marktes aus gesamtgesellschaftlicher Sicht positiver zu bewerten als im Fall eines Mono-
polmarktes. Die Effizienzeigenschaften eines reinen (vollkommenen) Wettbewerbsmark-
tes erreicht ein Oligopolmarkt jedoch in der Regel bei Weitem nicht. Dies gilt umso mehr,
als dass bei einem Oligopol die Gefahr von Absprachen (Kollusion) durch die überschau-
bare Anzahl von Anbietern besteht. Damit könnten die Unternehmen versuchen, ihre
Angebotsentscheidungen in eine Richtung zu lenken, die am Ende nicht weit entfernt ist
von den Ergebnissen eines Monopolmarktes. Es ist die Aufgabe von Ökonomen und letzt-
lich den Entscheidungsträgern auf hoheitlicher Ebene, dies zu verhindern.

4.4 Monopolistische Konkurrenz


Eine weitere Marktform, welche als Mischung der beiden Extremfälle Polypol und Monopol
angesehen werden kann, ist das Modell der monopolistischen Konkurrenz (Dixit/Stiglitz
1977).

Annahmen

Bei einem Markt, der durch monopolistische Konkurrenz gekennzeichnet ist, gibt es wie in
einem (vollkommenen) Wettbewerbsmarkt eine große Anzahl an Anbietern. In einem voll-
kommenen Wettbewerbsmarkt wird unterstellt, dass die von den Unternehmen verkauf-
ten Produkte quasi identisch sind, bzw. aus Sicht der Konsumenten als faktisch identisch
wahrgenommen werden. Hier besteht nun der zentrale Unterschied zum Marktmodell der
monopolistischen Konkurrenz. Bei der monopolistischen Konkurrenz bieten die Unterneh-
men zwar immer noch quasi ein und dasselbe Produkt an (z. B. das Gut Cola), die Pro-

105
dukte der einzelnen Unternehmen unterscheiden sich aber (leicht) bzw. werden von den
Konsumenten zumindest als unterschiedlich wahrgenommen (z. B. Coca Cola vs. Pepsi
Cola).

Die Gründe für die Differenzierung können vielfältig sein und reichen von Unterschieden
bei Produkteigenschaften bis hin zu unterschiedlichen Einstellungen der Kunden zu die-
sem Produkt (Mankiw/Taylor 2018, S. 431). Es mag einige Konsumenten geben, die kon-
ventionelle Milch von verschiedenen Anbietern unterscheiden können. Für die meisten
Menschen ist Milch aber ein derart standardisiertes Produkt, dass sie den Geschmack der
angebotenen Produkte nicht unterscheiden können. Wir hatten daher konventionelle
Milch als Beispiel herangezogen, das einem (vollkommenen) Wettbewerbsmarkt sehr
nahekommt. Tatsächlich gibt es für die Marktform der monopolistischen Konkurrenz weit-
aus mehr Beispiele, da die meisten Menschen selbst bei sehr standardisierten Produkten
dennoch dazu neigen, Unterschiede zu identifizieren. Das oben genannte Beispiel in
Bezug auf das Produkt Cola ist dabei nur eines von vielen.

Marktverhalten

Aus dieser zentralen Eigenschaft lassen sich unmittelbar die Schlussfolgerungen für das
Marktverhalten der Unternehmen ableiten. Da jedes Unternehmen ein Produkt anbietet,
das sich, wenn auch möglicherweise nur minimal, von den Produkten der Konkurrenz
unterscheidet, wird es sich grundsätzlich verhalten wie ein Monopolist. Ein solches Unter-
nehmen wird also den Marktpreis nicht als gegeben ansehen und somit keine horizontale
Marktnachfragekurve in Höhe des Marktpreises unterstellen, sondern eine fallende Nach-
fragekurve. Das Ergebnis ist, wie im Falle des Monopolmarktes, die Setzung eines Mono-
polpreises (Mankiw/Taylor 2018, S. 432). Je nachdem, wie ähnlich das eigene Produkt im
Vergleich zu den Produkten der Konkurrenz ist, wird sich der Aufschlag über den Preis
gestalten, der in einem Wettbewerbsmarkt zustande kommen würde. Während im Mono-
polfall jedoch davon ausgegangen wird, dass der Monopolist durch sein Marktverhalten
(zu hoch gesetzter Preis bei gleichzeitig zu geringer Produktionsmenge) „übernormale“
Monopolgewinne generiert, ist dies bei monopolistischer Konkurrenz nicht der Fall. Falls
der Marktzutritt nicht beschränkt ist, würden andere Unternehmen versuchen, in den
Markt einzutreten und entweder ein identisches oder zumindest sehr ähnliches Produkt
verkaufen (z. B. haben heute die meisten modernen TV-Geräte ähnliche bzw. fast identi-
sche Funktionen). Alle bestehenden Unternehmen werden durch den potenziellen Wettbe-
werb daher diszipliniert und der Markteintritt unternehmerischer Neulinge würde die
Preise so weit drücken, dass „übernormale“ Monopolgewinne nicht mehr möglich wären
(ebd., S. 434).

106
Implikationen aus dem Marktverhalten

Diese Möglichkeit des langfristigen Marktzutritts führt schließlich dazu, dass es weit weni-
ger Rechtfertigungsgründe für potenzielle Markteingriffe zur Beseitigung von Fehlallokati-
onen gibt, als dies z. B. beim reinen Monopolmarkt (mit der Folge eines Monopolpreises)
oder beim Oligopolmarkt (Absprachen mit Gefahr überhöhter Preise) der Fall ist (Mankiw/
Taylor 2018, S. 439).

ZUSAMMENFASSUNG
Das Ziel dieser Lektion ist es, einen Überblick über die wichtigsten
Marktformen zu geben. Insbesondere wurden die beiden extremen
Marktformen vollständiger Wettbewerb (sehr viele Anbieter) und Mono-
pol (ein einziger Anbieter) hinsichtlich ihrer Eigenschaften analysiert.

Es konnte gezeigt werden, dass Unternehmen ihr Angebotsverhalten


grundsätzlich nach der Bedingung Grenzerlös = Grenzkosten ausrichten.
Da sich die Grenzerlöse bei Wettbewerbs- und Monopolmärkten jedoch
unterscheiden, kommt es zu unterschiedlichen Marktergebnissen.
Monopole betrachten die Marktpreise als beeinflussbar durch ihre Men-
genentscheidungen. Sie setzen zu hohe Monopolpreise und bieten im
Vergleich mit Wettbewerbsmärkten eine zu geringe Menge an, sodass
Monopolmärkte keine effiziente Allokation der volkswirtschaftlichen
Ressourcen hervorbringen.

Die Marktformen Oligopol und monopolistische Konkurrenz stellen


Mischformen der beiden Marktformen vollständiger Wettbewerb und
Monopol dar und sind in der Regel auch durch Marktergebnisse jenseits
der beiden Extreme gekennzeichnet.

107
LEKTION 5
MARKTVERSAGEN

LERNZIELE

Nach der Bearbeitung dieser Lektion werden Sie wissen, …

– warum Märkte in ihrer Funktion versagen können, eine effiziente Allokation der volks-
wirtschaftlichen Ressourcen zu gewährleisten.
– welche negativen Auswirkungen sich durch Marktversagen ergeben können.
– welche Maßnahmen ergriffen werden können, um das Versagen eines Marktes zu ver-
hindern.
5. MARKTVERSAGEN

Einführung
Immer wieder hören wir in den Medien und in politischen Debatten die Forderung nach
einem Eingreifen des Staates in Märkte. So werden in Deutschland häufiger folgende For-
derungen laut, …

• … ein allgemeines Tempolimit auf Autobahnen einzuführen,


• Dieselfahrzeugen die Einfahrt in die Innenstadt zu verbieten,
• die Pkw-Nutzung durch eine Pkw-Maut zu verteuern,
• die Finanzierungsbeiträge für Bau und Instandhaltung öffentlicher Straßen zu erhöhen,
• die Netzentgelte zur Nutzung besonderer Infrastrukturen (z. B. Wasser, Abwasser) zu
kontrollieren und gegebenenfalls zu regulieren, und
• Verbraucher durch Kennzeichnungspflichten (z. B. bei Lebensmitteln) besser vor
„schädlichen“ Nahrungsbestandteilen zu schützen.

Diese Forderungen erscheinen uns vor dem Hintergrund des Wissens, dass Wettbewerbs-
märkte ohne staatliche Preiseingriffe allein durch das Zusammenspiel von Angebot und
Nachfrage über den Preismechanismus eine effiziente Allokation der volkswirtschaftlichen
Ressourcen hervorbringen, auf den ersten Blick etwas seltsam.

Auf den zweiten Blick allerdings kann es für diese Forderungen durchaus gute Gründe
geben. An die Fähigkeit eines Marktes, eine effiziente Allokation der volkswirtschaftlichen
Ressourcen zu gewährleisten, sind nämlich einige Voraussetzungen geknüpft. Sind diese
Voraussetzungen nicht gegeben, kann selbst ein Wettbewerbsmarkt diese wichtige Funk-
tion nicht mehr erfüllen, d. h., er versagt. Ökonomen nutzen für eine solche Situation den
Marktversagen Begriff Marktversagen (Mankiw/Taylor 2018, S. 11). Diese Lektion beleuchtet einige dieser
Ein Marktversagen liegt Marktversagensgründe und diskutiert, welche Maßnahmen ergriffen werden können, um
vor, wenn ein Markt allein
durch das Zusammen- ein Funktionieren des Marktes im Sinne einer effizienten Allokation der volkswirtschaftli-
spiel von Angebot und chen Ressourcen zu ermöglichen, ein Marktversagen also zu verhindern.
Nachfrage keine effiziente
Allokation der volkswirt-
schaftlichen Ressourcen
mehr hervorbringen
kann.
5.1 Externe Effekte
Grundproblematik

Jeder Berufstätige kennt die folgende Situation: Ausgerechnet am frühen Morgen, wenn
man es am eiligsten hat, weil man pünktlich am Arbeitsplatz erscheinen muss, steht man
im Verkehrsstau. Es geht nur sehr schleppend voran und man verliert wertvolle Zeit. Zeit
als eine bedeutsame volkswirtschaftliche Ressource ist kostbar und sollte für sinnvollere
Aktivitäten (Erholung, Arbeit, Zeit mit Familie usw.) eingesetzt werden, als mit seinem Pkw
im Stau zu stehen.

110
Ein ebenso bekanntes Bild ist das von rauchenden Schornsteinen. Unternehmen, insbe-
sondere jene, die Elektrizität erzeugen, emittieren z. B. bei der Verbrennung von Kohle
unweigerlich lokale Luftschadstoffe und Treibhausgase (Kohlendioxid). Während erstere
die Gesundheit von Menschen und Tieren beeinträchtigen, tragen letztere gemäß der Auf-
fassung der überwiegenden Mehrheit der Wissenschaftler zur Erderwärmung und somit
zum Klimawandel bei, mit all seinen Folgen für Lebewesen und Ökosysteme weltweit und
über mehrere Generationen.

Gemeinsamkeiten der Beispiele

Stellen wir uns die Frage: Was genau ist nun beiden Beispielen gemeinsam?

• Beispiel Pkw-Fahrer:
Die Entscheidung des einzelnen Pkw-Fahrers führt dazu, dass die Straße immer voller
wird. Da die Kapazität von Straßen kurzfristig gegeben und nicht ohne Weiteres erwei-
terbar ist, kommt es zu Beeinträchtigungen der Fahrer untereinander. Je mehr Fahr-
zeuge gleichzeitig einen Streckenabschnitt befahren, desto enger wird es auf der Stre-
cke. Die Individuen fahren vorsichtiger und reduzieren ihre Geschwindigkeit mit der
Folge, dass die Reisezeiten steigen. Dies gilt natürlich nicht nur für jenen Pkw-Fahrer,
der sich gerade entschieden hat, die Fahrt durchzuführen, sondern ebenso für alle
anderen Fahrer, die sich auf dem Streckenabschnitt befinden. Der einzelne ökonomi-
sche Akteur (hier das einzelne Individuum) schadet mit seiner Aktivität also vielen ande-
ren ökonomischen Akteuren (hier vielen anderen Individuen).
• Beispiel Unternehmen:
Im zweiten Beispiel führt die Produktionsentscheidung des einzelnen Unternehmens
dazu, dass die Luft mit immer mehr Schadstoffen und Treibhausgasen belastet wird. Der
einzelne ökonomische Akteur (hier das einzelne Unternehmen) schadet mit seiner Akti-
vität also vielen anderen ökonomischen Akteuren (hier vielen anderen Individuen, im
Falle von Treibhausgasen sogar Individuen, die noch gar nicht geboren wurden, d. h.
zukünftigen Generationen).

Wie wissen nun, was beide Beispiele gemeinsam haben. Ein Individuum bzw. ein Unter-
nehmen schadet mit seiner Aktivität anderen ökonomischen Akteuren.

Worin liegt in beiden Situationen das Marktversagen begründet?

Um diese Frage beantworten zu können, müssen wir uns daran erinnern, welchem indivi-
duellen Optimalitätskalkül private Haushalte/Individuen und Unternehmen folgen. Für
Haushalte/Individuen gilt, dass sie ihren Nutzen maximieren, wenn das Ausmaß einer
Aktivität ein Niveau erreicht, dass der Grenznutzen der letzten gerade noch realisierten
Aktivitäteneinheit (z. B. der letzte Döner Kebab, den ein Konsument in der Woche gerade
noch zu konsumieren bereit ist) genau den Grenzkosten dieser Einheit entspricht. Wäre
der Grenznutzen der letzten Einheit größer als die Grenzkosten, hätte der Haushalt Anreiz,
mehr zu konsumieren. Wäre der Grenznutzen der letzten Einheit kleiner als die Grenzkos-
ten, hätte der Haushalt Anreiz, weniger zu konsumieren. Nutzenmaximierung ist nur mit
der Identität von Grenznutzen und Grenzkosten vereinbar.

111
Für Unternehmen wiederum gilt, dass sie ihren Gewinn maximieren, wenn das Ausmaß
einer Aktivität ein Niveau erreicht, dass der Grenzerlös der letzten gerade noch realisierten
Aktivitäteneinheit (z. B. der letzte Döner Kebab, den ein Verkäufer in der Woche gerade
noch zu verkaufen bereit ist) genau den Grenzkosten dieser Einheit entspricht. Wäre der
Grenzerlös der letzten Einheit größer als die Grenzkosten, hätte das Unternehmen Anreiz,
mehr zu produzieren und zu verkaufen. Wäre der Grenzerlös der letzten Einheit kleiner als
die Grenzkosten, hätte das Unternehmen Anreiz, weniger zu produzieren und zu verkau-
fen. Gewinnmaximierung ist nur mit der Identität von Grenzerlös und Grenzkosten verein-
bar.

Um zu erklären, warum beide Märkte versagen, ist es zentral, das Konzept der Grenzkosten
weiter zu differenzieren: und zwar hinsichtlich private Grenzkosten vs. soziale Grenzkos-
Soziale Grenzkosten ten (Small/Verhoef 2007, S. 61).
Die zusätzlichen gesamt-
gesellschaftlichen Kosten
einer weiteren Mengen- Private Grenzkosten sind immer nur eine Teilmenge der sozialen Grenzkosten und bein-
einheit. halten die reinen privaten Kosten der Aktivität. Im ersten Beispiel also insbesondere die
eigene Reisezeit des Pkw-Fahrers und im zweiten Beispiel die privaten Kosten in Verbin-
dung mit der Entlohnung der Produktionsfaktoren. Die sozialen Grenzkosten einer weite-
ren Aktivitäteneinheit (eine zusätzliche Fahrt, die Produktion einer weiteren Kilowatt-
stunde Strom) hingegen beinhalten über die privaten Grenzkosten hinaus zudem alle
weiteren Kosten, die der Gesellschaft und Volkswirtschaft durch die weitere Aktivitätenein-
heit aufgebürdet werden. Im ersten Beispiel insbesondere Reisezeiten aller anderen Pkw-
Fahrer und im zweiten Beispiel die mit der Luftverschmutzung und der Emission von
Treibhausgasen einhergehenden Schäden an Menschen (dieser und weiterer Generatio-
nen), Tieren, Ökosystemen, der Volkswirtschaft usw. Aus gesamtgesellschaftlicher Sicht
sind natürlich auch diese Kosten relevant und das gesamtgesellschaftliche Nutzenmaxi-
mum liegt dann dort, wo das Ausmaß einer Aktivität eines Individuums ein Niveau
erreicht, dass der Grenznutzen der letzten gerade noch realisierten Aktivitäteneinheit
genau den sozialen (und nicht nur den privaten) Grenzkosten dieser Einheit entspricht.
Für Unternehmen wiederum gilt aus gesamtgesellschaftlicher Sicht, dass sie ihren Gewinn
maximieren sollten, wenn das Ausmaß einer Aktivität ein Niveau erreicht, dass der Grenz-
erlös der letzten gerade noch realisierten Aktivitäteneinheit genau den sozialen (und nicht
nur den privaten) Grenzkosten dieser Einheit entspricht.

Der Markt versagt nun, weil die Marktakteure bei ihren Entscheidungen (wie viele Pkw-
Fahrten sollen durchgeführt werden und wie viele Kilowattstunden Strom sollen mit fossi-
len Energieträgern erzeugt werden) nur die für sie relevanten privaten Grenzkosten
berücksichtigen, nicht jedoch die für die Gesamtgesellschaft relevanten sozialen Kosten.
Ökonomen sprechen davon, dass die Marktakteure bei ihren privaten Entscheidungen die
externen Kosten unberücksichtigt lassen (Mankiw/Taylor 2018, S. 327), wobei gilt:

soziale Grenzkosten = private Grenzkosten + externe Grenzkosten

Im Wesentlichen gibt es zwei Gründe für die Nichtberücksichtigung der externen


(Grenz-)Kosten bei den von einzelnen Individuen und Unternehmen getroffenen Entschei-
dungen. Zum einen sind private Haushalte und Unternehmen daran interessiert, ihren
eigenen Nutzen bzw. ihren eigenen Gewinn durch Wahl eines Aktivitätenniveaus zu maxi-
mieren. Sie ziehen keinen Zusatznutzen und generieren keinen extra Gewinn, wenn sie die

112
Kosten in Betracht ziehen, die anderen durch die eigene Aktivität entstehen. Zum anderen
sehen sich Individuen und Unternehmen in der Regel als nur einen vernachlässigbar klei-
nen Teil des Gesamtsystems. Sie können sich schlicht nicht vorstellen, dass ihre einzelne
Aktivität der gesamten Gesellschaft und Volkswirtschaft signifikante Kosten aufbürden
kann. Aus diesem Grund vernachlässigen sie externe Effekte, in diesem Fall – aufgrund Externer Effekt
der Eigenschaft der Gesamtgesellschaft zu schaden – negative externe Effekte (Mankiw/ Auswirkungen des Han-
delns von Individuen und
Taylor 2018, S. 327). Unternehmen auf den
Nutzen oder die Produkti-
onsmöglichkeiten ande-
Wir wissen nun also, warum in beiden Beispielen der Markt versagt. Ein Individuum bzw. rer Wirtschaftsakteure,
ein Unternehmen schadet mit seiner Aktivität anderen ökonomischen Akteuren, aber welche aber nicht im Ent-
berücksichtigt diese Schädigung nicht im individuellen Haushalts- bzw. Unternehmens- scheidungskalkül berück-
sichtigt werden.
kalkül (Nutzen- bzw. Gewinnmaximierungskalkül). Solange die der Gesellschaft und Volks-
wirtschaft mit der Schädigung entstehenden Kosten nicht im Preissystem reflektiert wer-
den und damit nicht Teil der privaten Grenzkosten werden, sind diese Schadenskosten aus
Sicht der verursachenden Individuen bzw. Unternehmen externe Kosten. Durch die Exis-
tenz externer Grenzkosten kommt es zur Diskrepanz zwischen privaten und sozialen
Grenzkosten und damit – weil sich die einzelnen Marktakteure bei der Wahl des optimalen
privaten Aktivitätenniveaus an den privaten Grenzkosten orientieren – zu einer aus
gesamtgesellschaftlicher Sicht suboptimalen Entscheidung.

Worin äußert sich die Fehlallokation bei Vorliegen von Marktversagen?

Die Auswirkungen des durch den negativen externen Effekt hervorgerufenen Marktversa-
gens zeigt die nachfolgende Abbildung.

113
Abbildung 27: Negativer externer Effekt am Beispiel Verkehrsstau

Quelle: Stefan Tscharaktschiew, 2020.

Die Abbildung bezieht sich auf das erste Beispiel des Verkehrsstaus. Die Pkw-Fahrer
(Menge Q) haben eine ganz bestimmte Zahlungsbereitschaft für die Durchführung einer
Fahrt auf dem betrachteten Streckenabschnitt in dem betrachteten Zeitintervall (z. B. 7:00
bis 8:00 Uhr). Stellen wir uns Berufspendler vor, die feste Arbeitszeiten haben und zwin-
gend in diesem Zeitraum die Fahrt unternehmen müssen. Sie ziehen hohen Nutzen aus
der Fahrt und werden eine hohe Zahlungsbereitschaft haben. Andere Individuen (z. B.
Pensionäre) sind flexibler und könnten genauso zu einem späteren Zeitpunkt die Strecke
nutzen, eine andere Route nehmen oder gar auf ein anderes Verkehrsmittel umsteigen.
Deren Zahlungsbereitschaft wird daher geringer sein. Die Kurve der absteigend sortierten
Zahlungsbereitschaften ist also nichts anderes als eine Nachfragekurve. Sie spiegelt den
Grenznutzen der Aktivität – ausgedrückt in Geldeinheiten – wider.

Zu erkennen ist ebenfalls die Kurve der privaten Grenzkosten (PGK). Die Kosten einer Fahrt
sind abhängig von der Anzahl der Fahrer, die sich ebenfalls auf dem Streckenabschnitt
befinden. Nehmen wir vereinfachend an, dass die benötigte Fahrzeit – ausgedrückt in
Geldeinheiten – die einzigen Kosten der Fahrt sind. Die Kosten sind bis zur Menge Q2 kon-
stant, da aufgrund der geringen Nachfrage noch keine Staueffekte auftreten. Steigt die Ver-
kehrsnachfrage über das Niveau Q2, werden Staueffekte auftreten und die Kosten einer
Fahrt werden steigen.

114
Die sozialen Grenzkosten (SGK) spiegeln die gesamten Kosten einer Fahrt wider. Sie reflek-
tieren die Tatsache, dass die Fahrtentscheidung eines einzelnen Fahrers nicht nur zusätzli-
che Kosten für diesen Fahrer bedeuten, sondern ebenfalls für alle anderen Fahrer (wegen
des Staueffektes).

Die Diskrepanz zwischen beiden Kurven entspricht den externen Grenzkosten (EGK), also
den zusätzlichen Kosten einer Fahrt, die ein einzelner Fahrer durch seine Fahraktivität
allen anderen Fahrern aufbürdet, aber bei seiner Fahrtentscheidung unberücksichtigt
lässt. Die externen Grenzkosten – grafisch die Lücke zwischen der privaten und der sozia-
len Grenzkostenkurve – steigen mit zunehmender Verkehrsmenge, da mit zunehmender
Menge der Fahrer immer größere Reisezeiten entstehen (Rouwendal/Verhoef 2006).

Wird der Markt sich selbst überlassen, werden schließlich genau Q* Fahrer den Strecken-
abschnitt nutzen. Alle Individuen Q > Q* würden sich gegen die Fahrt entscheiden, denn
deren privater Grenznutzen aus dieser Fahrt ist kleiner als die privaten Grenzkosten dieser
Fahrt. Die Menge Q = Q* führt allerdings zu einer Fehlallokation aus gesamtgesellschaft-
licher Perspektive. Denn die gesamtgesellschaftlichen Kosten der Fahrt sind durch die
soziale Grenzkostenkurve gegeben. Die volkswirtschaftlich optimale Verkehrsmenge
ergibt sich daher im Schnittpunkt der Nachfragekurve mit der sozialen Grenzkostenkurve.
Die effiziente Verkehrsmenge ist damit Q = Q**. Alle Individue n Q > Q** sollte n die
Fahrt nicht me hr durchführe n, de nn de re n private r Gre nznutze n aus die se r Fahrt ist ge rin-
ge r als die soziale n Gre nzkoste n. Die Fe hlallokation be ste ht also in e ine r ge samtge se ll-
schaftlich ineffizienten, d. h. zu hohen Verkehrsmenge: Q* > Q**. Die Folge ist ein Wohl-
fahrtsverlust in Höhe des orange schraffierten Dreiecks (Small/Verhoef 2007, S. 122).

Eingriff des Staates

Ökonomen sind darin interessiert, Wege zu finden, die durch Marktversagen hervorgerufe-
nen Fehlallokationen (hier Q* > Q**) und die damit verbundenen Auswirkungen (Wohl-
fahrtsverlust) zu vermeiden. Die einzelnen Individuen würden von sich aus immer die Ent-
scheidung so treffen, dass auf dem speziellen Verkehrsmarkt die Menge Q = Q*
re sultie re n würde . Es ist also e in Eingre ife n de s Staate s notwe ndig. Wir wisse n, dass die
Ineffizienz dadurch zustande kommt, dass jeder einzelne Fahrer bei seiner Entscheidung
seinen privaten Grenznutzen, der mit der Fahrt verbunden ist, seinen privaten Grenzkos-
ten gegenüberstellt und nicht den sozialen Grenzkosten. Er ignoriert also die externen
Grenzkosten. Die Lösung des Problems besteht nun darin, dass die externen Grenzkosten
ebenfalls von jedem einzelnen Fahrer als Teil seiner privaten Grenzkosten verstanden wer-
den. Es müsste also ein Weg gefunden werden, die private Grenzkostenkurve derart nach
oben zu verschieben, sodass sie deckungsgleich mit der Kurve der sozialen Grenzkosten
wird.

Es ist nicht schwer vorzustellbar, wie dies erreicht werden kann. Die Individuen müssten
einen Aufschlag auf ihre privaten Grenzkosten zahlen, der exakt den externen Grenzkosten
entspricht, d. h. dem Schaden (ausgedrückt in Geldeinheiten), den jeder einzelne Fahrer
durch seine Aktivität allen anderen Fahrern aufbürdet. Da der Aufschlag von staatlichen
Institutionen erhoben wird, wird in der Regel der Begriff Steuer verwendet. Die spezielle
Art der Steuer nennen Ökonomen Pigou-Steuer, benannt nach einem Ökonomen des frü-
hen 20. Jahrhunderts, der inzwischen als Wegbereiter dieses Konzeptes gilt (Small/

115
Pigou-Steuer Verhoef 2007, S. 122). Da die Pigou-Steuer die externen Kosten für die einzelnen Indivi-
Ein staatlicher Preisauf- duen sichtbar macht, werden die externen Kosten gewissermaßen über das Preissystem
schlag auf die privaten
Grenzkosten einer Aktivi- zu internen Kosten. Ökonomen nennen diesen Vorgang die Internalisierung der externen
tät, um damit die exter- Kosten (Mankiw/Taylor 2018, S. 329).
nen Grenzkosten zu inter-
nalisieren.
Da bereits bekannt ist, dass:
Internalisierung
Der Begriff beschreibt den
Vorgang, dass die exter- 1. das gesamtgesellschaftliche Optimum bei der Menge Q = Q** zu finden ist und
nen Kosten einer Aktivität
in das Preissystem integ- 2. die externen Grenzkosten der Differenz zwischen den sozialen und privaten Grenzkos-
riert und dadurch im Ent- ten entsprechen,
scheidungsverhalten
berücksichtigt werden.
können wir exakt angeben, wie hoch die Pigou-Steuer sein muss, um die Fehlallokation zu
beseitigen (Small/Verhoef 2007, S. 122).

Pigou−Steuer ≡ EGK Q** = SGK Q** − PGK Q**

Grafisch entspricht die Pigou-Steuer damit dem grünen Pfeil in der untenstehenden Abbil-
dung.

Abbildung 28: Internalisierung eines negativen externen Effektes am Beispiel


Verkehrsstau

Quelle: Stefan Tscharaktschiew, 2020.

116
Die Pigou-Steuer erhöht die privaten Grenzkosten derart, dass die Verkehrsmenge auf das
effiziente Niveau Q = Q** reduziert und der in der Abbildung rot schraffierte Wohlfahrts-
verlust vermieden wird. Man könnte auch sagen, dass von der Perspektive der derzeitig
ineffizienten Situation Q = Q* die Pigou-Steuer zu einem Wohlfahrtsgewinn führt (Small/
Verhoef 2007, S. 122).

5.2 Öffentliche Güter


Grundproblematik

Was haben ein privater Pkw, ein Döner Kebab, eine Mietwohnung und ein Computer
gemeinsam? Auf den ersten Blick scheinbar überhaupt nichts. Ökonomen finden jedoch
sehr schnell eine Gemeinsamkeit, denn sie kategorisieren Güter in Bezug auf zwei sehr
bedeutsame Kriterien. Diese Kriterien sind: Ausschließbarkeit und Rivalität (Mankiw/
Taylor 2018, S. 304).

• Ausschließbarkeit:
Für alle aufgeführten Güter existiert ein Mechanismus, mit dem man Individuen vom
Konsum ausschließen kann, nämlich der Preismechanismus. Individuen, die nicht
bereit oder nicht in der Lage sind, den vom Verkäufer veranschlagten Preis zu zahlen,
werden vom Kauf und Konsum des Gutes im wahrsten Sinne des Wortes ausgeschlos-
sen.
• Rivalität:
Für alle aufgeführten Güter herrscht Rivalität im Konsum. Das bedeutet, dass der Kon-
sum des Gutes durch ein Individuum die Konsummöglichkeiten und damit den potenz-
iellen Nutzen eines anderen Individuums mindert. Dies ist bei allen hier benannten
Gütern offensichtlich der Fall, denn ein Döner Kebab, den ein Individuum konsumiert,
kann selbstverständlich von keinem anderen mehr gekauft und gegessen werden.

MERKE
Ökonomen nennen Güter, bei denen sowohl die Eigenschaft der Ausschließbar-
keit als auch das Merkmal der Rivalität erfüllt ist, (reine) private Güter.

Bei den meisten Gütern, mit denen wir es täglich zu tun haben, handelt es sich um private
Güter. Sie werden auf Märkten gehandelt und, wie wir bereits wissen, ergibt sich durch das
Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage der Marktpreis des jeweiligen Gutes, zumin-
dest sofern es sich um Wettbewerbsmärkte handelt.

Jedoch gibt es auch Güter, bei denen eine von beiden Eigenschaften oder sogar beide
Eigenschaften nicht zutreffen. Die nachfolgende Tabelle bietet einen Überblick über die
verschiedenen Güterkategorien.

117
Tabelle 6: Kategorisierung von Gütern in Bezug auf Ausschließbarkeit und Rivalität

Rivalität

ja nein

Ausschließbarkeit ja private Güter Clubgüter


• Nahrungsmittel • Mitgliedschaft im Fitness-
• gebührenpflichtige Straße club
mit Stau • gebührenpflichtige Straße
ohne Stau

nein unreine öffentliche Güter reine öffentliche Güter


(Allmendegüter) • nationale Verteidigung
• Fische im Meer • öffentliche Straße ohne
• öffentliche Straße mit Stau
Stau

Quelle: Stefan Tscharaktschiew 2020 in Anlehnung an Mankiw/Taylor 2018, S. 305.

Betrachten wir zunächst den vollständig gegensätzlichen Fall zu (reinen) privaten Gütern,
Reines öffentliches Gut nämlich reine öffentliche Güter (Mankiw/Taylor 2018, S. 304). Bei dieser Kategorie von
ein Gut mit den Eigen- Gütern herrscht weder Ausschließbarkeit noch Rivalität im Konsum. Ein Beispiel für ein
schaften Nichtausschließ-
barkeit und Nichtrivalität reines öffentliches Gut ist eine öffentliche Straße ohne Stau. Öffentliche Straßen können –
wenn es die Verkehrsregeln im speziellen Fall erlauben – in der Regel von allen Autofah-
rern genutzt werden. Es existieren keine Schranken und all jene, die die Straße nutzen
wollen, können nicht daran gehindert werden. Er herrscht Nichtausschließbarkeit. Sofern
die Kapazität der Straße hinreichend groß ist und/oder die Nachfrage hinreichend klein,
kann man zudem davon ausgehen, dass weitestgehend freie Fahrt herrscht und Stauer-
scheinungen nicht auftreten. Die Anwesenheit eines Autofahrers wird dann faktisch keine
Auswirkungen auf die Nutzungsmöglichkeiten und den Nutzen eines anderen Autofahrers
haben. Es herrscht also Nichtrivalität. Landesverteidigung ist ein weiteres Beispiel für ein
reines öffentliches Gut. Sobald jemand in einem entwickelten Staat lebt, kann er bei
einem Verteidigungsfall von einer gut ausgestatteten Armee profitieren (Nichtausschließ-
barkeit) und es werden auch in aller Regel alle Individuen in gleichem Maße davon profi-
tieren (Nichtrivalität).

Güter, bei denen entweder Ausschließbarkeit oder Rivalität gegeben ist, sind weder reine
private Güter noch reine öffentliche Güter. Trifft die Eigenschaft der Ausschließbarkeit zu,
Clubgut ohne dass Rivalität herrscht, dann liegen Clubgüter vor. Trifft die Eigenschaft der Rivalität
ein Gut mit den Eigen- zu, es liegt aber Nichtausschließbarkeit vor, handelt es sich um Allmendegüter (Mankiw/
schaften Ausschließbar-
keit und Nichtrivalität Taylor 2018, S. 304), auch unreine öffentliche Güter genannt.
Allmendegut
ein Gut mit den Eigen- Betrachtet man die Kategorie der öffentlichen Güter – insbesondere deren reine Form –
schaften Nichtausschließ- fällt auf, dass diese Güter auf Märkten nicht gehandelt werden und auch kein Marktpreis
barkeit und Rivalität
für diese Güter bzw. deren Nutzung existiert. Sie werden von privaten Unternehmen/
Produzenten nicht oder nur in unzureichendem Maße bereitgestellt.

Doch aus welchem Grund versagt der Markt bei der Bereitstellung dieser Art von Gütern?
Um diese Frage zu beantworten, müssen wir uns nochmals vergegenwärtigen, nach wel-
chem Kriterium Individuen die optimale Konsummenge von (reinen) privaten Gütern

118
ermitteln. Sie wollen genau so viel von einem Gut konsumieren, bis der private Grenznut-
zen der letzten gerade noch konsumierten Einheit den privaten Grenzkosten dieser Einheit
entspricht. Stiftet die gerade konsumierte Einheit einen höheren Nutzen – in Geldeinhei-
ten ausgedrückt – als sie kostet, dann hätte der Konsument ja einen Anreiz, seine individu-
elle Konsummenge zu erhöhen. Ein optimales individuelles Konsumniveau ist daher nur
mit der Identität von privatem Grenznutzen und privaten Grenzkosten vereinbar. Bei
einem öffentlichen Gut, bei dem Nichtausschließbarkeit herrscht, profitieren aber immer
mehrere Individuen gleichzeitig von der Bereitstellung ein und desselben Gutes. Bei einem
öffentlichen Gut G mit der Eigenschaft Nichtausschließbarkeit ist eine optimale Allokation
daher nur mit folgender Identität vereinbar (Samuelson 1954):

∑i privaterGrenznutzeni G = Grenzkosten G

Da der private Grenznutzen – falls er in Geldeinheiten ausgedrückt wird – als Zahlungsbe-


reitschaft für den Konsum eines Gutes interpretiert werden kann, gilt also, dass ein öffent-
liches Gut in der Menge bereitgestellt werden sollte, dass die Summe der marginalen Zah-
lungsbereitschaften (Zahlungsbereitschaft der letzten gerade konsumierten Einheit) über
alle in den Genuss des öffentlichen Gutes kommenden Individuen i exakt den Grenzkos-
ten dieser Einheit entspricht.

Abbildung 29: Marktversagen bei der Bereitstellung eines öffentlichen Gutes

Quelle: Stefan Tscharaktschiew, 2020.

Die obige Abbildung verdeutlicht nun, warum eine private Bereitstellung eines öffentli-
chen Gutes nicht (oder zumindest in zu geringem Maße) zustande kommt. Gegeben sind
die Nachfragekurven (= Kurven der marginalen Zahlungsbereitschaften MZB) eines Indivi-
duums oder einer Konsumentengruppe A und eines Individuums oder einer Konsumen-

119
tengruppe B. Gegeben sind ebenfalls die Grenzkosten der Bereitstellung des öffentlichen
Gutes G. Die Kosten einer weiteren Einheit des öffentlichen Gutes G (Grenzkosten) seien
konstant, sodass die Kurve als horizontal eingezeichnet ist. Im konkreten Fall haben weder
Individuum A noch Individuum B eine Zahlungsbereitschaft, die so hoch ist, dass sie von
ihrem privaten Standpunkt das öffentliche Gut nachfragen würden. Der private Grenznut-
zen beider Individuen getrennt betrachtet ist geringer als die Bereitstellungskosten des
öffentlichen Gutes für alle Niveaus von G. Beide Individuen würden das öffentliche Gut
aus ihrem individuellen Optimierungskalkül heraus nicht nachfragen. Ohne Zahlungsbe-
reitschaft potenzieller Nachfrager würde sich aber auch kein privates Unternehmen fin-
den, das Gut anzubieten. Der Markt versagt also bei der Bereitstellung des Gutes.

Die Ermittlung der gesamtgesellschaftlich optimalen Bereitstellungsmenge erfordert die


Betrachtung der aggregierten marginalen Zahlungsbereitschaften, da beide Individuen
bei der Bereitstellung von G durch die Eigenschaft der Nichtausschließbarkeit gleichzeitig
profitieren. Grafisch entspricht dies einer vertikalen Aggregation der individuellen Nach-
fragekurven (Kurven der marginalen Zahlungsbereitschaften). Eindeutig zu erkennen ist,
dass die gesamtgesellschaftlich optimale Bereitstellungsmenge durch Gopt > 0 gege be n
ist, da be i de r Me nge Gopt dieSummemarginaler Zahlungsbereitschaften den Grenzkosten
der Bereitstellung des öffentlichen Gutes entspricht (Mankiw/Taylor 2018, S. 311). Es ist
offensichtlich, dass beide Individuen bei der Menge Goptprofitieren, eine Nachfrage aus
privatem Antrieb heraus würde aber nicht zustande kommen. Es würde auch keines der
beiden Individuen auf die Idee kommen, die Finanzierung des öffentlichen Gutes alleine
zu übernehmen, da es immer davon ausgehen müsste, dass das jeweils andere Indivi-
duum aufgrund der Eigenschaft der Nichtausschließbarkeit dann kostenlos in den Genuss
des öffentlichen Gutes kommen könnte. Ökonomen nennen dieses Phänomen das Tritt-
brettfahrerproblem (ebd., S. 306).

Durch die Fehlallokation (private Bereitstellungsmenge in Höhe von null durch den Markt)
werden zwar Kosten eingespart in Höhe der Fläche cbGopt0, allerdings entgehen der
Gesellschaft die mit der Bereitstellung von Gopt verbundenen Nutzen in Höhe der Fläche
abGopt0. Der mit dem Marktversagen in Verbindung stehende Wohlfahrtsverlust ist somit
durch das Dreieck abc gekennzeichnet.

Eingriff des Staates

Eine Vermeidung der durch das Marktversagen verursachten Fehlallokation könnte also
einen Wohlfahrtsgewinn generieren. Eine Möglichkeit besteht darin, privaten Unterneh-
men einen Anreiz zu bieten, das Gut dennoch anzubieten. Viel häufiger sehen wir aber,
dass der Staat selbst die Bereitstellung des öffentlichen Gutes übernimmt. Tatsächlich ist
der überwältigende Teil des Straßennetzes in den meisten Ländern der Welt in öffentlicher
Hand, wird also von Kommunen, Landkreisen oder anderen hoheitlichen Ebenen bereit-
gestellt und unterhalten. Allerdings verursacht die öffentliche Bereitstellung selbst auch
Wohlfahrtsverluste, denn die Kosten der Bereitstellung werden meist über die Erhebung
verzerrender Steuern finanziert. Wie wir bereits wissen, verursachen Preiseingriffe des
Staates in Form von Steuern in ansonsten funktionierenden Märkten Wohlfahrtsverluste
(Mankiw/Taylor 2018, S. 279). Diese müssen somit dem Wohlfahrtsgewinn durch die

120
öffentliche Bereitstellung gegenübergestellt werden. Eine Vernachlässigung dieser Wohl-
fahrtsverluste hätte eine Überbewertung der Wohlfahrtsgewinne durch die öffentliche
Bereitstellung des Gutes zur Folge.

5.3 Natürliche Monopole


Grundproblematik

Was haben ein städtisches Wasser-/Abwassersystem, ein Flughafen und eine Brücke über
einen Fluss gemeinsam? Die Kosten, die mit ihrer Errichtung in Verbindung stehen, sind
sehr hoch; die Kosten, die Unternehmen im Zusammenhang mit deren Nutzung entste-
hen, sind im Vergleich dazu aber eher gering. Die Errichtung eines Wasser-/Abwassersys-
tems erfolgt in der Regel unterirdisch, was sehr aufwendig und dementsprechend kosten-
intensiv ist. Ist das Wasser-/Abwassersystem jedoch erst einmal vorhanden, dann sind die
zusätzlichen Kosten, die einem Unternehmen entstehen, wenn mehr Menschen das Sys-
tem nutzen, äußerst gering. Bei einem Flughafen ist es ähnlich. Die Landebahnen müssen
gebaut werden und der Flächenbedarf hierfür ist enorm. Der Flughafen bindet damit für
seine gesamte Nutzungszeit sehr viel Kapital. Gleiches gilt für die Terminals zur Abferti-
gung der Fluggäste. Der Flughafen setzt diese und weitere Inputfaktoren ein, um einen
Output zu erzeugen, nämlich Starts und Landungen von Flugzeugen. Ist der Flughafen
jedoch erst einmal errichtet, dann sind die zusätzlichen Kosten eines weiteren Starts oder
einer weiteren Landung eines Flugzeuges, die einem Betreiberunternehmen entstehen,
sehr gering.

Ökonomen umschreiben diese Situation mit dem Verhältnis von Fixkosten und Grenzkos-
ten. Fixkosten sind jene Kosten, die einem Unternehmen unabhängig von seiner Produkti-
onsmenge entstehen. Selbst, wenn nur ein einziges Flugzeug auf dem Flughafen starten
oder landen soll, muss die gesamte Infrastruktur hierfür vorhanden sein. Die Grenzkosten
eines weiteren Starts oder einer weiteren Landung sind für einen Flughafenbetreiber sehr
gering, genauso wie die Grenzkosten des Betreibers eines Wasser-/Abwassersystems. Ist
dieses System erst einmal vorhanden, dann sind die zusätzlichen Kosten, die dem Betrei-
ber entstehen, wenn drei statt zwei Haushalte das System nutzen, verschwindend gering.
Alle Beispiele sind also durch sehr hohe Fixkosten, jedoch sehr geringe Grenzkosten cha-
rakterisiert.

Kann ein Markt bei einer derartigen Kostenstruktur versagen, eine effiziente Allokation
volkswirtschaftlicher Ressourcen zu gewährleisten? Dazu müssen wir die oben beschrie-
bene Kostenstruktur noch etwas genauer betrachten und zusätzlich noch auf die Durch-
schnittskosten der Produktion eingehen. Wie der Name schon verrät: die Durchschnitts-
kosten beschreiben die durchschnittlichen Kosten der Produktion. Die Fixkosten und alle
weiteren (variablen) Kosten je produzierter Einheit. Mathematisch entsprechen die Durch-
schnittskosten also dem Verhältnis von Kosten zu Produktionsmenge.

Tritt nun (wie in den obigen Beispielen) der Fall auf, dass die Fixkosten sehr hoch, während
die zusätzlichen Kosten einer Produktionsausweitung sehr gering sind, dann ergibt sich
ein sehr spezielles Muster für die Durchschnittskosten. Sie werden nämlich in einem gro-

121
ßen Bereich möglicher Outputniveaus sinken. Da in allen oben benannten Beispielen die
hohen Fixkosten der dominante Kostenfaktor sind, sinken die Durchschnittskosten mit
immer höheren Produktionsniveaus, denn die outputunabhängigen Fixkosten verteilen
sich mit zunehmendem Produktionsniveau auf immer mehr Outputeinheiten.

Angenommen, eine Fluggesellschaft müsste mit den Gebühren für eine Landung die
gesamten Kosten des Flughafens decken. Dies wäre für die Fluggesellschaft unbezahlbar,
denn die gesamten Kosten müssten sich nur auf diese eine Landung verteilen. Gibt es viele
Fluggesellschaften, die den Flughafen für eine Vielzahl von Landungen nutzen, dann ver-
teilen sich die hohen Fixkosten auf viele Outputeinheiten (Landungen) und die Kosten pro
Landung, die der Flughafen einer Fluggesellschaft berechnen würde, wären gering. Die fol-
gende Abbildung veranschaulicht diese Situation.

Abbildung 30: Fallende Durchschnittskosten

Quelle: Stefan Tscharaktschiew, 2020.

Die Abbildung zeigt sowohl den Verlauf der Durchschnittskosten als auch den Verlauf der
Grenzkosten. Wie man erkennen kann, liegen die Grenzkosten stets unterhalb der hier fal-
lend verlaufenden Durchschnittskosten. Dies ist eine Gesetzmäßigkeit, denn die Durch-
schnittskosten können nur dann fallen, wenn die Kosten einer zusätzlich produzierten Ein-
heit geringer sind als der Durchschnitt der Kosten aller bisher produzierten Einheiten.

Stellen Sie sich einen Universitätsprofessor vor, der nach Semesterabschluss die Klausu-
ren der Studierenden korrigiert. Er hat bereits 99 von 100 Klausuren korrigiert. Nehmen
wir an, die durchschnittlich erreichte Punktzahl bei diesen 99 Klausuren beträgt 50
Punkte. Am nächsten Tag korrigiert der Universitätsprofessor noch eine zusätzliche
(gleichzeitig die letzte) Klausur. Es ist unmittelbar einleuchtend, dass der für den Vortag
ermittelte Durchschnitt fallen wird, wenn die erreichte Punktzahl dieser zusätzlichen (letz-
ten) Klausur unterhalb von 50 Punkten und damit unterhalb des Durchschnitts des Vortags
liegt.

122
Der Kostenverlauf, der sich aus der obigen Abbildung ergibt, hat weitreichende ökonomi-
sche Konsequenzen. Er führt nämlich dazu, dass sich am Ende nur ein Unternehmen am
Markt behaupten wird. Wegen fallender Durchschnittskosten entstehen einem Unterneh-
men, das die Menge 2Q produziert, pro Einheit Q nur Kosten in Höhe DK. Zwei Unterneh-
men, die jeweils die Menge Q produzieren, könnten insgesamt natürlich ebenfalls den
Markt mit der Gesamtmenge 2Q bedienen, allerdings sind die Kosten pro Einheit Q dann
2DK.Es gilt also (2Q)DK<2(Q)2DK.Da ein Unternehmen die gleiche Produktionsmenge
also immer kostengünstiger bereitstellen kann als mehrere Unternehmen, wird sich am
Ende immer nur ein Unternehmen am Markt behaupten können. Es wäre für ein zweites
Unternehmen schlicht nicht lohnenswert, die hohen Fixkosten aufzubringen und ein wei-
teres Wasser-/Abwassersystem zu errichten (Mankiw/Taylor 2018, S. 398). Dies gilt zumin-
dest so lange, bis das erste Wasser-/Abwassersystem noch nicht an seine Kapazitätsgrenze
stößt.

Es entsteht also eine Situation, in der am Ende nur ein Unternehmen den gesamten Markt
bedienen wird und wir wissen inzwischen, dass ein Markt mit vielen Nachfragern, aber nur
einem Anbieter, als Monopolmarkt bezeichnet wird. Für diese ganz spezielle Situation nut-
zen Ökonomen sogar einen bestimmten Begriff: das natürliche Monopol (Mankiw/Taylor Natürliches Monopol
2018, S. 398). Sie verwenden den Begriff „natürlich“, weil die Monopolstellung aufgrund Dabei handelt es sich um
eine Monopolstellung auf-
der spezifischen Kostenstruktur (fallende Durchschnittskosten) gewissermaßen auf natür- grund fallender Durch-
liche Weise zustande kommt. schnittskosten mit der
Folge, dass ein Anbieter
die Nachfrage kosten-
Wir können nun die Frage beantworten, ob ein Markt bei einer derartigen Kostenstruktur günstiger bedienen kann
versagt, eine effiziente Allokation volkswirtschaftlicher Ressourcen zu gewährleisten. Die als mehrere Anbieter.
Frage ist mit ja zu beantworten, denn wir wissen, dass Monopolmärkte keine effiziente
Allokation der Ressourcen gewährleisten können. Da der Monopolist alleiniger Anbieter
ist, beeinflusst er mit seiner eigenen Mengenentscheidung natürlich auch das Marktange-
botsvolumen. Damit beeinflusst die eigene Mengenentscheidung auch den Marktpreis.
Der Monopolist maximiert seinen Gewinn, indem er eine Menge anbietet, die unter jener
liegt, die sich in einem Wettbewerbsmarkt einstellen würde, und indem er einen Preis
setzt, der über jenem liegt, der sich in einem Wettbewerbsmarkt einstellen würde. Da auf-
grund des zu hohen Monopolpreises im Vergleich zum Wettbewerbspreis einige Nachfra-
ger nun vom Konsum ausgeschlossen werden (einige Nachfrager sind nicht mehr bereit,
diesen höheren Preis zu zahlen) entsteht ein Wohlfahrtsverlust. Durch die spezifische Kos-
tenstruktur der fallenden Durchschnittskosten und die damit verbundene natürliche
Monopolstellung versagt der Markt also in seiner Fähigkeit, eine effiziente Ressourcenallo-
kation entsprechend der eines Wettbewerbsmarktes herzustellen.

Eingriff des Staates

Um eine effiziente Allokation herzustellen und das Marktversagen zu beseitigen, sollte die
Monopolstellung durch mehr Wettbewerb beseitigt werden. Gibt es sonst keine anderen
Marktversagensgründe, wird ein zunehmender Wettbewerb zwischen einer größeren
Anzahl von Anbietern die Angebotsmenge erhöhen und den Marktpreis senken. Eine
Bewegung hin zu einer Preis-Mengen-Kombination, wie sie sich unter Wettbewerbsbedin-
gungen einstellen würde, wäre mit Effizienzgewinnen verbunden. In Bezug auf diese Stra-
tegie stecken Ökonomen allerdings in einem Dilemma. Denn ein Aufbrechen der Monopol-
stellung durch Schaffung von mehr Wettbewerb würde auf der einen Seite zwar die

123
Fehlallokation verringern oder sogar beseitigen. Auf der anderen Seite führt die spezielle
Kostenstruktur, die ja ursächlich ist für die Herausbildung eines natürlichen Monopols,
dazu, dass die Bedienung des Marktes durch nur ein Unternehmen ja volkswirtschaftlich
sogar wünschenswert ist. Denn aufgrund der fallenden Durchschnittskosten kann ein
Unternehmen allein am Ende die Nachfrager kostengünstiger bedienen als mehrere Unter-
nehmen.

Zur Auflösung dieses Dilemmas bieten sich verschiedene Strategien an, zwei dieser Strate-
gien sein im Folgenden kurz erläutert (Braeutigam 1989):

1. Der Staat reguliert den natürlichen Monopolisten derart, dass dieser gezwungen wird,
für seine Leistung Preise zu verlangen, wie sie auch unter Wettbewerbsbedingungen
vorherrschen würden. Wie wir bereits wissen, maximieren Unternehmen unter Wett-
bewerb ihren Gewinn, wenn sie eine Menge anbieten, sodass die letzte gerade noch
verkaufte Einheit einen Erlös (= Marktpreis) erzielt, der genau den zusätzlichen Kosten
dieser Einheit (Grenzkosten) entspricht. Problem hierbei ist allerdings, dass ein natür-
liches Monopol, sollte es seine Leistung zu Grenzkostenpreisen anbieten, Verluste ein-
fährt. Wie die obige Abbildung verdeutlicht, führen ja gerade die unterhalb der Durch-
schnittskosten liegenden Grenzkosten dazu, dass die Durchschnittskosten fallen. Ein
Grenzkostenpreis könnte also niemals die Kosten dieser verkauften Einheit decken.
Kein Unternehmen könnte sich demnach lange am Markt halten. Konsequenz wäre,
dass die Leistung gar nicht mehr angeboten würde. Aus volkswirtschaftlicher Sicht der
wohl ungünstigste Fall. Der Staat sollte dem natürlichen Monopolisten daher erlau-
ben, einen leicht höheren Preis oberhalb der Grenzkosten zu setzen, der zumindest
kostendeckend ist. Damit hätte der natürliche Monopolist einen Anreiz, seine Leistung
anzubieten, während aus gesamtgesellschaftlicher Sicht jedoch eine ineffiziente noch
höhere Monopolpreissetzung verhindert wird. Ökonomen nennen dieses Ergebnis
häufig eine Second-Best-Lösung (Lipsey/Lancaster 1956).
2. Der Staat könnte die Leistung selbst anbieten. Die Leistung könnte dann zu Wettbe-
werbspreisen angeboten werden, sodass sich eine effiziente Allokation der volkswirt-
schaftlichen Ressourcen einstellt. Das damit verbundene Defizit – auch für ein staatli-
ches Unternehmen sind Grenzkostenpreise bei fallenden Durchschnittskosten nicht
kostendeckend – wäre dann durch Subventionen zu decken. Der Staat müsste dafür
an anderer Stelle (in anderen Märkten) Steuereinnahmen generieren, um diese Sub-
ventionen finanzieren zu können. Staatliche Preiseingriffe in ansonsten funktionieren-
den Märkten in Form von Steuern führen aber selbst zu Effizienzverlusten und wirken
einer effizienten Allokation entgegen. Es gilt also, den Vorteil der Grenzkostenbeprei-
sung dem Nachteil des Effizienzverlustes aus der dadurch notwendigen Steuererhe-
bung zur Deckung des Defizits gegenüberzustellen.

Es wird also insgesamt deutlich, dass beide Strategien sowohl mit Vor- als auch mit Nach-
teilen behaftet sind. Es ist die Aufgabe von Ökonomen, diese gegeneinander abzuwägen
und darauf aufbauend schließlich die gesamtgesellschaftlich effizienteste Strategie zu
identifizieren.

124
5.4 Asymmetrische Information
Grundproblematik

Wir hatten bisher argumentiert, dass Wettbewerbsmärkte – also Märkte mit einer großen
Zahl an Nachfragern und Anbietern, die sich alle als Preisnehmer verhalten – eine effizi-
ente Allokation der volkswirtschaftlichen Ressourcen hervorbringen, sofern keine
bestimmten Marktunvollkommenheiten wie externe Effekte auftreten und es keine staatli-
chen Preiseingriffe in Form von bindenden Mindestpreisen, bindenden Höchstpreisen
oder Steuern gibt. Bedauerlicherweise kann es aber selbst unter derartigen Idealbedin-
gungen Situationen geben, in denen der Markt versagt, d. h. das Zusammentreffen von
Angebot und Nachfrage und deren Koordinierung über den Preismechanismus, eine Fehl-
allokation hervorrufen wird.

Eine derartige Situation ist die der asymmetrischen Informationsverteilung (Mankiw/ Asymmetrische Infor-
Taylor 2018, S. 362). Es kann nämlich vorkommen, dass die Informationen über die Eigen- mationsverteilung
Dies beschreibt eine Situ-
schaften eines Gutes (Menge, Preis, Qualität usw.) zwischen den beiden Marktseiten – ation, in der eine Markt-
Anbieter und Nachfrager – ungleich verteilt sind. Meist verwendet man für die Marktseite, seite über mehr oder
die über mehr Informationen verfügt, den Begriff Agent, während die Marktseite mit weni- weniger Informationen
bezüglich der Eigenschaf-
ger Informationen als Prinzipal bezeichnet wird (ebd., S. 361). Der Agent könnte nun ver- ten eines Gutes verfügt
suchen, diesen Informationsvorteil zu seinem eigenen Vorteil und zum Nachteil des Prinzi- als die andere Marktseite.
pals auszunutzen. Werden die potenziell schädigenden Handlungen des Agenten Agent
Dies bezeichnet die
unzureichend überwacht, dann besteht für den Agenten Anreiz, sich in unerwünschter Art Marktseite mit einem
und Weise zu verhalten. Ökonomen benutzen hierfür die Bezeichnung Moral Hazard bzw. Informationsvorsprung.
moralische Versuchung (ebd., S. 363). Moral Hazard kann in Abhängigkeit des betrachteten Prinzipal
Kontextes zu Marktversagen in vielfältigen Ausprägungen kommen. Auf drei bedeutsame die Marktseite mit einem
Informationsdefizit
Fallbeispiele soll im Folgenden kurz eingegenagen werden.
Moral Hazard
Die Neigung einer Person,
Taximarkt einen Informationsvor-
sprung zu Lasten anderer
Personen in unerwünsch-
In der Regel besitzen Taxifahrer (Agent) einen Informationsvorsprung gegenüber ihren ter Weise auszunutzen.
Fahrgästen (Prinzipal), z. B. in Bezug auf die kürzeste Route oder den Taxitarif. Diesen
Informationsvorsprung könnten sie nutzen, um sich zu ihrem eigenen Vorteil und zulasten
der Fahrgäste zu bereichern (Balafoutas et al. 2013). Sie könnten z. B. einen Umweg fahren
(overtreatment) oder sie könnten einen Aufschlag auf den offiziell vorherrschenden Taxi-
tarif pro Entfernungseinheit verlangen (overcharging) und damit letztlich das vom Kunden
zu zahlende Fahrgeld nach oben treiben. Voraussetzung für beide Arten von Fehlverhalten
ist natürlich, dass die mit einer Aufdeckung des Fehlverhaltens verbundenen Kosten aus
Sicht des Agenten nicht zu hoch sind. Denn auch der Agent wird in seinem privaten Ent-
scheidungskalkül abwägen, ob die Nutzen des Fehlverhaltens die Kosten übersteigen.

Der Taximarkt ist dann nicht mehr in der Lage, eine effiziente Ressourcenallokation her-
vorzubringen. So wird z. B. der Fahrgast unnötig viel Zeit im Fahrzeug verbringen (Ver-
schwendung der Ressource Zeit), der Taxifahrer bei seinen Umwegen unnötig Treibstoff
verbrauchen (Verschwendung der Ressource Energie), die Umwelt durch Umwegfahrten
belastet, oder es werden andere Fahrer beeinträchtigt, da die Umwegfahrten zu Verkehrs-
staus beitragen.

125
Markt für Kfz-Reparaturen

Ähnliches lässt sich für den Markt für Kfz-Reparaturen feststellen, denn in der Regel besit-
zen Kfz-Werkstätten mit ihren Mitarbeitern (Agent) einen Informationsvorsprung gegen-
über ihren Kunden (Prinzipal). Viele Kunden haben unzureichende technische Kenntnisse
und können nicht beurteilen, was an ihrem Fahrzeug defekt ist bzw. welche Reparaturen in
welchem Umfang überhaupt notwendig wären. Der Agent könnte notwendige Reparatu-
ren nur unzureichend durchführen, um Zeit und Kosten zu sparen, oder Reparaturen
durchführen, die eigentlich gar nicht notwendig sind, um Leistungen zusätzlich abzurech-
nen (Schneider 2012). Auch hier kommt es offensichtlich zu Marktversagen in dem Sinne,
dass die knappen volkswirtschaftlichen Ressourcen nicht sinnvoll eingesetzt werden. Gut
ausgebildete Arbeitskräfte führen Reparaturen aus, die eigentlich nicht notwendig wären,
oder es werden Teile an einem Fahrzeug ersetzt bzw. erneuert, die möglicherweise noch
einige Zeit problemlos funktioniert hätten.

Pkw-Gebrauchtwagenmarkt

Der Pkw-Gebrauchtwagenmarkt ist ebenfalls ein Paradebeispiel für Moral Hazard und die
damit verbundenen Probleme. In der Regel besitzen Autoverkäufer (Agent) einen Informa-
tionsvorsprung gegenüber ihren potenziellen Kunden (Prinzipal). Sie haben z. B. Informa-
tionen auf die Frage, ob es sich um einen Unfallwagen handelt, wie das Fahrzeug gepflegt
wurde, ob der Kilometerstand auf dem Tachometer der Wahrheit entspricht usw. Käufer
können all diese Fragen meist nicht beantworten oder müssten selbst erhebliche Kosten
aufwenden, z. B. durch Beauftragung eines Sachverständigen, um die Informationsasym-
metrie abzubauen. Der Markt versagt, falls die Kunden Fahrzeuge, für die sie eigentlich
eine hinreichende Zahlungsbereitschaft hätten (meist die qualitativ höherwertigeren Fahr-
zeuge), nicht kaufen, weil sie befürchten müssen, dass es sich um ein minderwertigeres
Fahrzeug handelt, was sie allerdings aufgrund des Informationsdefizits nicht beurteilen
können (Akerlof 1970).

In allen Beispielen kann es schließlich zu dem Phänomen der sogenannten adversen


Adverse Selektion Selektion kommen (Mankiw/Taylor 2018, S. 361). Aufgrund des Informationsdefizits bil-
Situation, in der aufgrund den die Kunden (Prinzipal) einen Erwartungswert (Durchschnittswert) in Bezug auf die
der asymmetrischen
Informationsverteilung Eigenschaften des Gutes. Bei dem Beispiel des Pkw-Gebrauchtwagenmarktes sinkt
nur noch die minderwer- dadurch die Zahlungsbereitschaft für qualitativ höherwertige Fahrzeuge, denn Kunden
tigeren Güter im Markt gehen wegen des Informationsdefizits mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit immer
verbleiben.
davon aus, dass es sich auch um ein minderwertigeres Fahrzeug handeln könnte. Am Ende
werden diejenigen mit qualitativ hochwertigen Fahrzeugen nicht mehr gewillt sein, diese
zu verkaufen, da sie aufgrund der zu geringen Zahlungsbereitschaft der Kunden nicht
mehr das erlösen können, was dem eigentlichen Wert des Fahrzeugs entspricht. Auf dem
Pkw-Gebrauchtwagenmarkt verbleiben dann nur noch die Fahrzeuge minderer Qualität,
die sogenannten „lemons“ (Akerlof 1970), während der Markt für hochwertige Gebraucht-
wagen faktisch zusammenbricht.

126
Eingriff des Staates

Sie können sich sicher leicht vorstellen, wie dem Versagen des Marktes bei asymmetri-
scher Informationsverteilung entgegengewirkt werden kann. Die Asymmetrie muss dahin-
gehend abgebaut werden, dass der Prinzipal die Eigenschaften des Gutes adäquat beur-
teilen kann. Dies muss in einem Maße geschehen, dass Moral Hazard auf der Seite der
Agenten möglichst an Bedeutung verliert. Nachfolgend seien einige dieser Instrumente
aufgeführt, die oftmals nur durch staatliche Intervention Eingang in das Marktgeschehen
gefunden haben (Mankiw/Taylor 2018, S. 367f.):

• Pflicht zur Bereitstellung von Verbraucherinformationen zum Abbau der Informations-


asymmetrien durch:
◦ behördlich geeichtes Taximeter,
◦ Angabe der CO₂-Emissionen bei Neufahrzeugen.
• Setzen und Überwachen von Qualitätsstandards mittels:
◦ Fahrtauglichkeitsprüfungen,
◦ Ortskenntnisprüfung,
◦ Kfz-Hauptuntersuchung,
◦ Abgasuntersuchung.
• Genehmigungspflichten – wurde eine bestimmte angebotene Dienstleistung geneh-
migt, soll dies die Einhaltung fundamentaler Regelungen, Vorschriften, Standards, Qua-
litäten usw. signalisieren.
• Haftungsrecht – entspricht die Qualität nicht den zugesicherten Standards, sollten
Anbieter für die daraus entstandenen Schäden haften.
• Garantiepflichten – wenn Kunden vor Kauf die Qualität des Produktes nicht vollständig
beurteilen können, dann gibt eine Garantiepflicht Anbietern hinreichend Anreize, eine
bestimmte (Mindest-)Qualität a priori bereitzustellen, z. B. 3-Jahres-Garantie bei Pkw-
Käufen.
• Schaffung eines rechtlichen Rahmens für Vergleichs- und Bewertungsportale im Inter-
net.
• Förderung von Verbraucherschutz- und Verbraucherinformationsorganisationen (z. B.
Stiftung Warentest).

ZUSAMMENFASSUNG
Externe Effekte entstehen, wenn Wirtschaftsakteure die Auswirkungen
ihrer eigenen Aktivitäten auf andere Wirtschaftsakteure in ihrem indivi-
duellen Entscheidungskalkül nicht berücksichtigen. Im Falle negativer
externer Effekte ist die Folge ein Auseinanderfallen von privaten und
sozialen Grenzkosten und damit eine ineffiziente Allokation volkswirt-
schaftlicher Ressourcen. Das Marktversagen kann beseitigt werden,
indem die externen Kosten über eine Steuer internalisiert werden.

127
Öffentliche Güter werden aufgrund der Eigenschaft der Nichtausschließ-
barkeit von privaten Wirtschaftsakteuren nicht bereitgestellt. Da öffentli-
che Güter in der Regel dennoch einen gesamtwirtschaftlichen Nutzen
stiften, übernimmt häufig der Staat deren Bereitstellung.

Bei natürlichen Monopolen führt die Eigenschaft fallender Durch-


schnittskosten dazu, dass die gesamte Nachfrage von einem Unterneh-
men kostengünstiger bedient werden kann als von mehreren Unterneh-
men. Der Marktmechanismus versagt, weil die Monopolstellung eine
ineffiziente Preis-Mengen-Kombination erzeugt. Der Staat muss das
natürliche Monopol regulieren, um Ineffizienzen zu verringern.

Eine asymmetrische Verteilung von Informationen über die Eigenschaft


eines Gutes zwischen Käufern und Verkäufern kann ebenfalls zu Markt-
versagen führen, da ein Informationsvorsprung – meist auf der Seite der
Verkäufer – eine moralische Versuchung (Moral Hazard) zu unerwünsch-
tem Verhalten zu Lasten der Käufer erzeugt. Instrumente zum Abbau der
Informationsasymmetrie können helfen, die Effizienz in Märkten zu
erhöhen.

128
ANHANG
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131
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
Abbildung 1: Knappheit und Wirtschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17

Tabelle 1: Übersicht und wesentliche Merkmale zentraler Wirtschaftssysteme . . . . . . . . . 20

Tabelle 2: Ökonomisches Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23

Abbildung 2: Individuelle Nachfragekurve . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28

Abbildung 3: Marktnachfragekurve . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30

Abbildung 4: Veränderung der Nachfragekurve . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31

Abbildung 5: Individuelle Angebotskurve . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34

Abbildung 6: Nachfrageüberschuss, Angebotsüberschuss, Marktgleichgewicht . . . . . . . . 38

Abbildung 7: Konsumenten- und Produzentenrente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40

Abbildung 8: Nicht bindende Höchst- und Mindestpreise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44

Abbildung 9: Veränderung des Marktgleichgewichts am Beispiel eine Wohnungsmarktes


. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46

Abbildung 10: Wirkung eines bindendes Höchstpreises (kurze Frist) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47

Abbildung 11: Wirkung eines bindendes Höchstpreises (lange Frist) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49

Abbildung 12: Wirkung eines bindenden Mindestpreises . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51

Abbildung 13: Wirkung von Steuern (Steuer auf Nachfrageseite) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55

Abbildung 14: Wirkung von Steuern (Steuer auf Angebotsseite) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56

Abbildung 15: Steuerinzidenz (Beispiel: Anbieter/Verkäufer trägt Hauptlast) . . . . . . . . . . . 58

Abbildung 16: Direkte Wohlfahrtseffekte einer Steuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60

Abbildung 17: Steuereinnahmen und Nettowohlfahrtsverlust der Steuer . . . . . . . . . . . . . . 63

Abbildung 18: Einfluss der Preiselastizität auf den Verlauf der Nachfragekurve . . . . . . . . . 67

Tabelle 3: Kategorisierung der Kreuzpreiselastizität der Nachfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73

132
Tabelle 4: Empirische Schätzungen für die Preiselastizität der Nachfrage für ausgewählte
Güter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73

Abbildung 19: Nutzen und Grenznutzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79

Abbildung 20: Optimale Haushaltsentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81

Abbildung 21: Arten von Präferenzen/Indifferenzkurven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84

Abbildung 22: Anpassung Haushaltsoptimum (Substitutions- und Einkommenseffekt) . 85

Tabelle 5: Zerlegung der Nachfrageänderung bei Preiserhöhung von Gut 2 in Substituti-


ons- und Einkommenseffekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87

Abbildung 23: Optimale Unternehmensentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89

Abbildung 24: Produktionskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92

Abbildung 25: Bedingung für Gewinnmaximum bei vollkommenen Wettbewerb . . . . . . . 98

Abbildung 26: Monopolmarkt und Vergleich mit Wettbewerbsmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . 103

Abbildung 27: Negativer externer Effekt am Beispiel Verkehrsstau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114

Abbildung 28: Internalisierung eines negativen externen Effektes am Beispiel Verkehrsstau


. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116

Tabelle 6: Kategorisierung von Gütern in Bezug auf Ausschließbarkeit und Rivalität . . . 118

Abbildung 29: Marktversagen bei der Bereitstellung eines öffentlichen Gutes . . . . . . . . . 119

Abbildung 30: Fallende Durchschnittskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122

133
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