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Minh Tran Deutsch Schreibarbeit W2b 1.

April 2010

Die Tauben auf dem Brunnen


Nahe dem Hallwylersee gelegen hörte man aus einem Dorfe Schläge, welche wie ein Donner unter
dem blauen Himmel ertönten. Mit voller Wucht wurde ein silbernes langes Schwert zu Recht
geschlagen. Durch jeden Schlag schien dieses Schwert immer mehr an Glanz auszustrahlen. Eine
leichte Biese zog umher und traf dabei die Haut des Mannes, auf der gleichzeitig die heisse Sonne
strahlte. Der Schmied legte sein Schwert sanft auf ein weisses Tuch und rieb sich seine perlenden
Schweisstropfen von seiner Stirn, welche hart auf den Boden aufprallten. In einem Atemzug stand er
auf und suchte eine Wasserquelle, deren Wasser ihm seine Trockenheit im Hals auswaschen soll. So
begab er sich auf den Weg.

Rechts und links waren kleine Läden, worüber jeweils ein Wappen ausgehängt war. Auf einem der
Wappen war ein Adler zu sehen, auf ein anderes ein Kelch erkennbar und bei einem weiteren Kerzen.
Die Schaufenster waren staubig und dahinter befanden sich alte Ausstellprodukte. Ab und zu
spazierten Leute vorbei. Die Männer waren schwarz gekleidet mit einem langen Gewand, wodurch
ihre weisse Hautpigmentierung ihren Gesichtern einen starken Kontrast verlieh. Eine
Kopfbedeckung, in der Form von Zylindern oder kleinen Schalen aus weichem Stoff, befand sich auf
manche ihrer Köpfe. Frauen, welche gerade aus dem Bäckerhause kamen, trugen lediglich ein
einfaches Kleid. Über den Geschäften hingen Tücher, Decken oder Kissen an der trocknenden Luft
aus den Fenstern der Bewohner und der Staub wurde mit leichter Gewalt ausgeklopft, so dass die
Partikel wie ein feiner Schnee auf die Strassen rieselten. Es waren nur wenige unterwegs, denn die
meisten Leute verbrachten ihre Zeit zu Hause und sorgten für Sauberkeit und Ordnung. Es war
Pesach, so feierte man den damaligen Auszug aus Ägypten der Juden, weshalb die Strassen und
Gassen beinahe leer waren.

Bei der achten Ecke gelangte der junge Mann an einem Becken, der aus Schiefer gemeisselt wurde
und in einem dunkelgrauen Farbton sich erkenntlich machte. Was für den Schmied anfänglich wie ein
Wassertrog für Pferde schien und somit eine Enttäuschung darstellte, erwies sich als einen Brunnen
mit glasklarem Wasser. Herbeigeeilt wusch er sich mit beiden Händen mit Wasser, dann nahm er
seine rechte Hand, mit dieser er eine Grube formte, und trank die sich darin sammelnde Flüssigkeit.
Im Spiegelbild des Wassers sah er sich an. Sein weisses Leibchen war von Löchern übersät und von
Rissen gezeichnet. Es lag nahe an seinem Körper, war durchnässt und der Dampf verdunstete. Er sah
sich selbst in die Augen, als plötzlich eine Taube angeflogen kam und mit schnell wiederholenden
Flügelschlägen auf den Hahn des Brunnens landete. Die Pupillen des Mannes öffneten sich weit und
sein Herz raste. Vorsichtig hob er sein Kinn und schaute den Vogel an. Die Taube war mit einem
Federkleid bestückt, welches sich aus einer Mischung von weiss, grün und einem purpurrot
beschreiben liess. Sein spitzer Schnabel reflektierte das Licht und liess das Mundwerk wie aus Stahl
aussehen. Gerade, als er sich umdrehen und sich auf den Rückweg machen wollte, stiess er mit einer
weiblichen Gestalt zusammen, die sich als braunhaarige Witwe in einem Rock enttarnte. Um ihr
Handgelenk trug sie nur ein Armband aus Leder, mehr war sie nicht geschmückt. In ihrer Hand hielt
sie einen hölzernen Kessel, der durch den Zusammenstoss aus ihren Händen fiel. Gerade als sie
irritiert den Eimer wieder zur Hand nehmen wollte, entgegnete ihr der Schmied: „ Ich muss mich für
die Aufregung von vorhin entschuldigen. Heut ist ein heisser Tag.“ – „Ich bitte sie, schuldig sind sie
mir nichts. Ich hätte Acht geben sollen.“ – „Meine Freunde nennen mich Pierre. Mit welchem Namen
darf ich sie ansprechen, gnädige Frau?“ – „Carla, so sagen meine Schwestern zu mir. Freut mich.“

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Dabei reichte sie ihm die Hand, worauf er einen Kuss drückte. Geschmeichelt lächelte sie und ihre
Wangen erröteten. Vom Kniefall erhob sich Pierre, nahm den Behälter und füllte ihn mit Wasser. Er
schaute ihr tief in die Augen und übergab ihr den Kessel. Ihre Iris war smaragdgrün, wovon sich Pierre
in einen Trance verfallen liess. Wie aus dem nichts kam eine zweite Taube herangeflogen, mit einer
Geschwindigkeit, sodass man sie von weitem hören konnte, und sauste dem Schmied um die Ohren.
Sie gesellte sich flatternd zu der anderen auf dem Hahn und turtelte mit zuckenden Kopfbewegungen
umher. Aus dem Gleichgewicht gebracht fiel Pierre zu Boden. Hektisch neigte Carla sich zu ihm
herunter und sorgte sich um eine kleine Prellung am linken Arm von Pierre. „Dass ein kleiner Vogel
sie so erschrecken kann, hätte ich nie gedacht, mein Herr.“ Der Schmied gab auf diese Bemerkung
keine Antwort, sondern schaute ihr wieder in die Augen. Aus der Biese wurde ein starker Wind, der
die Blätter auf dem Boden aufwirbelte und die Tauben verscheuchte. Nun standen beide auf und
wollten in einem Gasthaus gegenüber der Strasse Unterkunft suchen. Auf einmal viel ein Ast vor dem
Haus auf die Strasse und trennte die beiden. Wolken zogen auf und ein heftiger Regen schauerte
über das ganze Land. Pierres Sichtweite begrenzte sich immer stärker, bis er nur noch die Strasse
erkannte. Die Frau mit den smaragdgrünen Augen verlor er aus den seinen und rannte nur noch
instinktiv geradewegs zu seiner Werkstatt, wo er in Sicherheit war. Am Schmelzofen wärmte er sich
und starrte mit einer Mine verzweifelt in das lodernde Feuer. Langsam schlief er auf einem weissen
Tuch ein, neben der, parallel von ihm, sein Schwert lag.

Am nächsten Morgen wollte er sein erschaffenes Schwert dem ritterlichen Eigentümer übergeben.
Jedoch als er eine Gasse entlanglief passierte das Unfassbare, er sah sie - die Frau welche durch eine
höhere Macht von ihm getrennt wurde. Nun fand er sie wieder. Mit seinem Schwert in der Scheide
rannte er zu ihr, in dem Moment als sie sich umdrehte. Sehnsüchtig legte er seine Arme um ihre
schlanke Lende und drückte sie fest, während er mit ihr gleichzeitig wieder Augenkontakt hielt. Sie
streichelte seine Haare und gab ihm einen Kuss auf die Stirn. Dann flüsterte sie ihm mit drei
deutlichen Mundbewegungen etwas ins Ohr und schloss lächelnd ihre Augen. Von oben kam ein
Gurren, weshalb sie ihre Augen öffnete und verwundert in den Himmel trachtete. Über den Zenit
flogen drei Tauben Richtung Norden gegen die Morgensonne.

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