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Ich bat Helene, für das letzte Wegstück das Tempo anzugeben
und vorauszugehen. Nach kaum 20 Schritten zuckte vor uns ein
blendend heller Blitz. Er traf Helene, schlug durch sie durch und
streifte meinen Fuss. Ich war sofort bewusstlos. Als ich nach
geraumer Zeit wieder zu mir kam, glaubte ich aus einem
Alptraum erwacht zu sein. War es Tag oder war es Nacht? Wo
war Helene? Schliesslich dämmerte mir in meiner Erinnerung
der Augenblick des Blitzschlags. Ich wollte aufstehen und nach
Helene schauen, aber mir versagten die Beine. Was war mit mir?
Meine Beine waren wie gelähmt, schwer und pelzig.
Dunkle Wolken
Meine erste Frage im Krankenhaus war: “Wo ist meine Frau, und
wie geht es ihr?” Man antwortete mir, dass Helene in einem
anderen Haus läge. Nach weiteren bohrenden Fragen sagten mir
die Ärzte – in Sorge um meine Herzwerte –, dass Helene schwer
verletzt in einer anderen Klinik läge und es ihr sehr schlecht
gehe. Draussen gewitterte es immer noch. Nicht nur der Himmel
über Bozen war mit dunklen Wolken verhangen, sondern auch
mein persönlicher Lebenshimmel trübte sich langsam in ein
tiefes Schwarz. Wie ging es Helene wirklich? Wie stark waren
ihre Verbrennungen? Würde sie wieder völlig genesen? Ich
flehte die ganze Nacht zu Gott mit der Bitte, Helene zu heilen.
Gott: warum?
Der dunkelste Moment meines Lebens war hereingebrochen:
Gott, warum? Warum hast du Helene schon zu dir geholt nach
nur einem einzigen Jahr Ehe, wo wir deinen göttlichen Segen
gemeinsam so konkret und intensiv erlebt haben? Warum hast
du, Gott, mich nicht auch von dieser Welt zu dir geholt? Warum
gerade Helene, wo ich immer wieder zu ihr gesagt hatte, dass
ich ohne sie nicht leben könnte? Warum lässt du das zu?
Keine Antworten
Trotzdem gab es für mich auch in den ganzen Monaten danach
keine Antwort auf die mich immer wieder bedrängenden Warum-
Fragen. Diese Fragen und auch viele Ängste begleiteten mich
durch meinen Trauerprozess. Hoffnung gab mir Helene selbst:
Vor ihrem Tod betonte sie immer wieder: “Ich habe keine Angst
vor dem Tod, denn ich weiss, dass der himmlische Vater dann
auf mich wartet!” Sie freute sich sehr darauf, einmal in seinem
himmlischen Reich zu sein. Bis auf den heutigen Tag war in mir
kein verbitterter oder gar auflehnender Gedanke gegen Gott. Im
Gegenteil, es gab seit diesem Erleben seiner nicht in Worte zu
fassenden Nähe erst recht keine Zweifel mehr an seiner Existenz
und an seinem für uns doch so unbegreiflichen Handeln. Ich
erlebte, was es heisst: “Gott ist in meiner Schwachheit
mächtig!”
Quellen: idea.de/Livenet