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Katechismusoder 
Logik oder Denklehre
 bestimmt zum
Selbst- und Schulunterrichtmit erläuternden Beispielen
von
M. G. Th. Fechner
 Leipzigin der Baumgärtnerschen Buchhandlung
1823
 
InhaltEinleitung
Erstes Kapitel Von der Einteilung der Logik 
Reine logische Elementarlehre
Zweites Kapitel Vom logischen Dinge und den MerkmalenDrittes Kapitel Von den obersten DenkgesetzenViertes Kapitel Von den Begriffen im AllgemeinenFünftes Kapitel Von der Quantität der BegriffeSechstes Kapitel Von der Qualität der BegriffeSiebentes Kapitel Von der Relation und Modalität der BegriffeAchtes Kapitel Von den Urteilen im Allgemeinen Neuntes Kapitel Von den kategorischen UrteilenZehntes Kapitel Von der Einerleiheit, Unterordnung, Entgegensetzung und Umkehrung der kategorischen UrteileElftes Kapitel Von den hypothetischen und disjunktiven UrteilenZwölftes Kapitel Von dem Unterschiede der Urteile und Sätze hinsichtlich ihres Inhalts
 
Dreizehntes Kapitel Von den Schlüssen im Allgemeinen und insbesondre den kategorischenVierzehntes Kapitel Von den hypothetischen und disjunktiven SchlüssenFünfzehntes Kapitel Von den abgekürzten SchlüssenSechzehntes Kapitel Von den figurierten SchlüssenSiebzehntes Kapitel Von den zusammengesetzten SchlüssenAchtzehntes Kapitel Fehl- und Trugschlüsse
Reine logische Methodenlehre
 Neunzehntes Kapitel Von Wissenschaft, System und MethodeZwanzigstes Kapitel Von den ErklärungenEinundzwanzigstes Kapitel Von den EinteilungenZweiundzwanzigstes Kapitel Von den Beweisen
Angewandte Elementarlehre
Dreiundzwanzigstes Kapitel Von den logischen Krankheiten (logische Pathologie)Vierundzwanzigstes Kapitel Von den logischen Heilmitteln (logische Therapeutik)Fünfundzwanzigstes Kapitel Von der Erwerbung der Erkenntnisse und insbesondere der ErfahrungSechsundzwanzigstes Kapitel FortsetzungSiebenundzwanzigstes Kapitel Von dem NachdenkenAchtundzwanzigstes Kapitel Von der Mitteilung der Erkenntnis
Einleitung
 
Obgleich der menschliche Geist ein einfaches Wesen ist, an dem man weder zeitliche noch räumliche Teile unterscheiden kann, so nimmt man doch nach den verschiedenen Arten von Tätigkeiten, die er äußert, mehrere Vermögen an ihm an, in denen der Grund dieser Tätigkeiten gesucht wird. Zuvörderst unterscheidet man an ihm das Vorstellungs- oder Erkenntnisvermögen und das Begehrungsvermögen, deren  jedes man wieder in das obere und niedere trennt. Das obere Erkenntnisvermögen  befaßt die Vernunft (
ratio
) und den Verstand (
intellectus
) mit der letzteren zugehörenden, Urteilskraft unter sich, obgleich man häufig in weiterer Bedeutung auch das ganze obere Vorstellungsvermögen Verstand oder Vernunft nennt; das niedere Erkenntnisvermögen heißt auch die (theoretische) Sinnlichkeit (
 sensualitas
), und enthält die äußeren Sinne und den inneren Sinn, welchem letzteren man die Einbildungskraft beirechnen kann. – Mit der Erforschung und Darstellung der ursprünglichen Gesetze des Vorstellungs- oder Erkenntnisvermögens beschäftigt sich die theoretische Philosophie, mit der der ursprünglichen Gesetze des
 
Begehrungsvermögens die praktische.
 
Die Sinnlichkeit überhaupt ist ein Vermögen zu Wahrnehmungen (
 perceptiones
), worunter man alle Vorstellungen versteht, die einen gegebenen Gegenstand (Objekt,
objectum
) unmittelbar durch seine Gegenwart in uns hervorbringt. So nehme ich einen Baum wahr, wenn ein solcher wirklich vor mir steht, und von mir gesehen oder gefühlt wird, so nehme ich einen Schlag wahr, wenn ich denselben wirklich erleide, einen Ton, wenn er wirklich ertönt von meinem Ohre aufgefaßt wird; wenn ich mir dagegen einen Baum, einen Schlag oder Ton nur im Allgemeinen dächte, ohne daß sie durch ihre Gegenwart auf mich einwirkten, so würde dies nicht zur Wahrnehmung zu rechnen sein. Da nun die Gegenstände, die wir wahrnehmen sollen, allemal wirklich gegenwärtig sein müssen, so begreift man leicht, daß immer bloß einzelne, bestimmte Gegenstände wahrgenommen werden können, nichts aber, mehreren derselben Gemeinsames daraus gesammelt oder verbunden werden kann; und hiervon hat man ein Unterscheidungsmerkmal der Wahrnehmungen oder Vorstellungen der Sinnlichkeit von den Begriffen und Ideen (Vorstellungen des Verstandes und der Vernunft). Einige Bespiele werden dies erläutern.
 
Wenn ich ein bestimmtes Buch sehe, so gehört die Vorstellung, die dadurch in mir erweckt wird, der Sinnlichkeit an, sie ist eine Wahrnehmung, denn sie wird durch die Gegenwart des Buches selbst in mir hervorgebracht, und es ist ein einzelnes  bestimmtes Buch, was ich mir vorstelle. Wenn ich nun aber mehrere Bücher gesehen, mir die Merkmale, worin alle diese übereinkommen, abgemerkt, und dann in meinem Bewusstsein verbunden hätte, so würde ich durch das Zusammendenken dieser, allen von mir gesehnen Büchern gemeinschaftlich zukommenden Merkmale, zu keiner Wahrnehmung eines Buches gelangen, weil ja kein bestimmtes Buch die Vorstellung dabei in mir erregte, sondern zu dem Begriff von einem Buche, der ganz unabhängig von einem einzelnen bestimmten Buche in meiner Seele stattfinden kann, was man schon daraus erkennt, weil ja der Begriff von einem Buche überhaupt auf alle Bücher  passen muß, mithin nicht bloß ein einzelnes wirkliches vorstellen kann. Ebenso, wenn ich einen bestimmten Ton höre, so entsteht dadurch eine Wahrnehmung desselben in mir; wenn ich aber mehrere Töne wahrgenommen habe und aus diesen Wahrnehmungen diejenigen Merkmale zusammen genommen, die ihnen allen überhaupt zukommen, so erhalte ich ebenfalls durch das Vereinigen derselben keine Wahrnehmung von einem bestimmten Tone, sondern einen Begriff von dem Tone überhaupt, den ich mir bilden kann, ohne daß ein Ton durch seine wirkliche Gegenwart mein Vorstellungsvermögen in Anspruch nimmt.
 
Die Wahrnehmungen sind entweder Anschauungen (
intuitiones
) oder Empfindungen (
 senationes
), je nachdem die Vorstellung, die ein Gegenstand unmittelbar durch seine Gegenwart erregt, mehr auf den Wahrnehmenden selbst (das Subjekt der Wahrnehmung) oder auf die wahrgenommene Sache (das Objekt der Wahrnehmung) bezogen wird. Daher sage ich: Ich schaue ein Haus, einen Baum, einen Schall an (denn in der Philosophie wird das Wort Anschauung nicht bloß von Wahrnehmungen, die wir mittelst des Gesichtssinnes erhalten, gebraucht), dagegen: Ich empfinde einen Schlag, ich empfinde Wohlbehagen usw. In jenem Falle, wie in diesem, erhalte ich Vorstellungen durch unmittelbare Gegenwart der Gegenstände

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