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2015
Ausgangslage
- Die derzeitigen temporären Grenzkontrollen sehen keinen
Grenzübergangszwang an einem bestimmten Ort vor, d.h. die
Grenzen können an jeder Stelle überschritten werden. An einer
zugelassenen deutschen Grenzübergangsstelle ist ein Ausländer
erst eingereist, wenn er die Grenze überschritten und die
Grenzübergangsstelle passiert hat. Im Übrigen ist ein Ausländer
eingereist, wenn er die Grenze überschritten hat (§ 13 Abs. 2 Satz
1 und Satz 3 AufenthG).
Fallkonstellation
- Ohne Schutzersuchen wird ein Ausländer, der unerlaubt einreisen
will (z.B. fehlender Pass oder Aufenthaltstitel), an der Grenze
zurückgewiesen (§ 14 Abs. 1 i.V.m. § 15 Abs. 1 AufenthG). Ein
Ausländer kann darüber hinaus z.B. bei fehlenden Miteln für den
Lebensunterhalt oder bei Vorliegen eines Ausweisungsgrundes
oder einer Ausschreibung zur Einreiseverweigerung nach dem SIS
zurückgewiesen werden (§ 15 Abs. 2 AufenthG).
- Nach nationalem Recht ist einem Ausländer mit einem
Schutzersuchen die Einreise zu verweigern, wenn er aus einem
sicheren Drittstaat einreist oder Anhaltspunkte dafür vorliegen,
dass ein anderer Mitgliedsstaat für die Durchführung des
Asylverfahrens zuständig ist und ein Auf- oder
Wiederaufnahmeverfahren eingeleitet wird (§ 18 Abs. 2 Nr. 1 und 2
AsylVfG). Allerdings hat die Dublin-Verordnung grds.
Anwendungsvorrang vor nationalem Recht.
- Nach der Dublin-Verordnung prüfen die Mitgliedsstaaten bei jedem
Antrag auf internationalen Schutz, den ein Drittstaatenangehöriger
im Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaates einschließlich an der
Grenze oder in den Transitzonen stellt (Art. 3 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1
Dublin-VO), welcher Mitgliedsstaat zuständig ist.
Auswirkungen
- Unabhängig davon, ob man eine Zurückweisung an der Grenze auf
Artikel 3. Abs. 3 der Dublin-Verordnung oder hilfsweise auf Artikel
72 AEUV stützt, wäre Folgendes zu berücksichtigen:
- Zu beachten wären menschenrechtliche Schutzgewährungen, die
sich aus der Europäischen Menschenrechtskonvention ergeben
(Art. 3, Verbot unmenschlicher Behandlung; Verbot der
Kollektivausweisung).
- Zu beachten wäre fern unter sonstiger Berücksichtigung des
Gemeinsamen Europäischen Asylsystems und der Europäischen
Menschenrechtskonvention wie mit Schutzsuchenden nach der
Zurückweisung durch deutsche Behörden z.B. nach Österreich
weiter verfahren wird (z.B. Minderjährige, besonders
Schutzbedürftige)
Ergebnis:
- Vorstehend wird lediglich die rechtliche Möglichkeit aufgezeit, an
der Grenze zurückzuweisen. Das Ob und ggf. der Umfang (z.B.
Personen nur aus bestimmten Ländern) ist politisch zu
entscheiden.
- Dabei wäre zu beachten, dass eine mögliche Differenzierung nach
Nationalität und Familienzugehörigkeit in der Praxis zu Problemen
führen kann, da oftmals keine Dokumente vorhanden sind und
Verwandtschaftsbeziehungen nicht nachgewiesen werden können.
- Sofern Zurückweisungen an der deutsch-österreichischen
Binnengrenze erfolgen sollen, wären nachstehende mögliche
Auswirkungen zu berücksichtigen:
o Politischer Widerstand seitens Österreich, anderer MS (wenn
Vorgehen nicht abgestimmt) und auch der KOM ist zu
erwarten,
o Schwierige Versorgung- und Unterbringungssituation im
Grenzgebiet,
o Öffentlichkeitswirksame Handlungen, z.B. Sitzblockaden auf
Verkehrswegen, Hungerstreiks, Überrennen von
Polizeikräften,
o Erhebliche Auswirkungen auf den grenzüberschreitenden
Verkehr,
o Umgehung über die grüne Grenze (Zurückweisung wäre nur
unmittelbar an der Grenzlinie möglich, was in vollem Umfang
kräftemäßig kaum leistbar ist),
o Nur noch bedingte Möglichkeit einer strukturierten und
organisierten Verteilung der Migranten in Deutschland, da
viele Personen dann eigenständig ohne behördliche
Einflussnahme ins Inland weiterreisen werden