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Forschungsgemeinschaft
Beiträge zur
bibliographischen Lage in der
germanistischen
Literaturwissenschaft
Kommission für
Germanistische Forschung
Mitteilung III
CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek
© 1981
Deutsche Forschungsgemeinschaft
K e n n e d y a l l e e 40, 5300 B o n n 2
T e l e f o n (02 28) 8 8 5 - 1
Telegrammanschrift: Forschungsgemeinschaft
H e r s t e l l u n g : boldt druck b o p p a r d g m b h
INHALTSVERZEICHNIS
Seite
Vorwort 5
Tagungsprogramm 9
Teilnehmerverzeichnis 11
Hans-Gert R o l o f f (Berlin)
Die deutsche Literatur — ein biographisches und
bibliographisches Lexikon 59
3
R e i n h a r d T g a h r t (Marbach a. N.)
Zur bibliographischen Erschließung der deutschen
Literatur von 1880-1945 121
R e i n h a r d Wittmann (München)
Die bibliographische Situation für die Erforschung des
literarischen Lebens im 19. Jahrhundert (1830-1880) . . 171
Johannes J a n o t a (Siegen)
Geschichte der Germanistik als bibliographisches
Problem 211
Wulf S e g e b r e d i t (Mainz)
Die bibliographische Erschließung der Gelegenheits-
dichtung des 16.-18. Jahrhunderts 223
Nachwort 281
4
DER F O R S C H U N G S B E R I C H T
BEGRIFF - F U N K T I O N - A N L A G E
V O N G E O R G JÄGER (MÜNCHEN)
der aber in den letzten Jahren nicht mehr überall geübt wird. Die in
der Forschungsberichterstattung zeit ihres Bestehens maßgebliche
.Deutsche Vierteljahrs schrift' brachte nach dem Referatenheft von 1973
nur noch wenige Berichte; der .Deutschunterricht', der die Forschung
für die Fachdidaktik fruchtbar machen sollte, hat im gleichen Jahr mit
Forschungsberichten Schluß gemacht. Im .Euphorion', der bei seiner
Neugründung nach dem Krieg die „Aufgabe kritischer Berichterstattung
über den Gang der wissenschaftlichen Arbeit" „besonders wichtig" neh- 2
3
Wirkendes Wort 21, 1971, Red. Notiz „ F o r s c h u n g s b e r i c h t e " auf S. 112.
4
Philosophischer Literaturanzeiger. Richtlinien für die Mitarbeit der Re-
zensenten, Ausgabe M ä r z 1978, mit genauen Angaben zur Anlage. A n -
hand von sachlich z u s a m m e n g e h ö r i g e n drei bis vier Neuerscheinungen
und zwei bis drei ä l t e r e n Büchern wird „der Problembereich als solcher"
herausgearbeitet, „so wie die einzelnen Gesichtspunkte der Autoren ein-
ander widersprechend oder sich e r g ä n z e n d zu dessen Gesamtinterpreta-
tion beitragen".
73
bindung von Forschungsergebnissen und Literaturdiskussion" — letz- 5
74
und Arbeitsgemeinschaften aller Art herausgegeben; ihr Volumen ist
gewaltig, wie die seit 1952 bestehende und inzwischen auf fast 3 OOO
Nummern angewachsene bekannteste Reihe — „Forschungsberichte des
Landes Nordrhein-Westfalen" (früher: „Forschungsberichte des Wirt-
schafts- und Verkehrsministeriums Nordrhein-Westfalen" ) — zeigt. Auf 7
mehrfache Weise ist diese Terminologie für die Germanistik von Be-
deutung. Die Linguistik und Nachbarwissenschaften — wie die Bil-
dungs-, Kommunikations- und Sozialisationsforschung — haben, sofern 8
7
V g l . Die Forschungsberichte des Landes Nordrhein-Westfalen im Echo der
Fachpresse (hrsg. im Auftrage des M i n i s t e r p r ä s i d e n t e n Dr. Franz Meyers
vom Landesamt für Forschung beim M i n i s t e r p r ä s i d e n t e n des Landes
Nordrhein-Westfalen, D ü s s e l d o r f ) , Köln, Opladen 1962, mit Nummern-
register. Die Reihe dient als zentrales Veröffentlichungsforum der vom
Land u n t e r s t ü t z t e n Forschungsarbeiten.
8
Sonderforschungsbereich 22 „Sozialisations- und Kommunikationsfor-
schung". E r l a n g e n - N ü r n b e r g . Forschungsberichte (bisher 106 Nummern);
U n i v e r s i t ä t Konstanz. Zentrum I Bildungsforschung, Sonderforschungs-
bereich 23. Forschungsberichte (bisher 36 Nummern). F ü r die Geschichts-
wissenschaft vgl. Arbeitsgemeinschaft für Osteuropaforschung. For-
schungsberichte und Untersuchungen zur Zeitgeschichte, 1, 1952—24, 1970.
— Nach Katalogangaben der Bayerischen Staatsbibliothek München, A p r i l
1980.
9
Institut für Deutsche Sprache. Forschungsberichte, hrsg. v. Ulrich Engel u.
Irmgard Vogel, Bd. 1, Nachdruck T ü b i n g e n 1971, Vorwort der Heraus-
geber (Hugo Moser, gemeinsam mit Hans Glinz, Paul Grebe u. Peter
von Polenz), S. VII. „Die Forschungsberichte sind zunächst für die Unter-
richtung der Mitglieder des Wissenschaftlichen Rates bestimmt [...].
Sie wenden sich aber insofern auch an die wissenschaftliche Öffentlich-
keit, als sie in sprachwissenschaftlichen Untersuchungen zitiert werden
k ö n n e n . " (Ebd.).
75
'Working Papers' genannt, heraus . Diese zum Teil „auf nicht kommer-
10
zieller Basis" 11
hergestellten und privat vertriebenen, also nur „halb
publizierten" Schriften dienen der möglichst schnellen Unterrichtung
der Fachwissenschaft, aber auch der Rechenschaftslegung gegenüber
Aufsichtsgremien und Geldgebern und entsprechen in ihrer Funktion
somit den angelsächsischen "reports" . 12
In ähnlichem Sinn ist die Be-
zeichnung inzwischen von zahlreichen Universitäten und Gesamthoch-
schulen für die im Hochschulrahmengesetz (§ 23, A b s . 2) und teilweise
in ihren Verfassungen geforderte regelmäßige Berichterstattung über
ihre Forschungstätigkeit übernommen worden. In den .Forschungsbe-
richten' werden Forschungsplanung und -vorhaben sowie die Publika-
tionen und Aktivitäten der Mitglieder des Lehrkörpers erfaßt. Die
1 0
Die Forschungsberichte des Instituts für Kommunikationsforschung u n d
Phonetik der U n i v e r s i t ä t Bonn erschienen von 1966 bis 1969 instituts-
intern hektographiert unter dem Titel „IPK-Forschungsberichte"; seit
1970 i m Buske Verlag Hamburg mit neuer Numerierung unter der
Reihenbezeichnung „Forschungsberichte des Instituts für Kommunika-
tionsforschung u n d Phonetik der U n i v e r s i t ä t B o n n " mit dem alten U m -
schlagtitel; ab B d 51 neuer Umschlagtitel „ I K P - F o r s c h u n g s b e r i c h t e " . — In-
stitut für Phonetik u n d sprachliche Kommunikation der U n i v e r s i t ä t
München. Forschungsberichte/Working Papers 1 ff., Sommer 1973 ff.
1 1
Institut f ü r Phonetik u n d sprachliche Kommunikation der U n i v e r s i t ä t
München. Forschungsberichte 11/1979. Titelblatt, Rückseite. „Sinn der
F I P K M ist es, ü b e r die erzielten Ergebnisse u n d Zwischenergebnisse
[der laufenden Arbeiten] möglichst rasch zu informieren." (ebd.) Derzei-
tige Auflage: 230.
1 2
Z u Entwicklung und A r t der 'reports' s. Use of Reports Literature, hrsg.
v. Charles P. Auger, London, Boston 1975 (Information Sources for Re-
search and Development); Neil Brearley, The Role of Technical Reports
in Scientific and Technical Communication, i n : Directory of Canadian
Reports/Repertoire des Rapports Canadiens, Vancouver 1976, S. X V I I -
X X I ; Information W o r k with Unpublished Reports, T l . 1, W o r k i n Large
National Information Centres v o n A[rthur] H[erbert] Holloway u. Eliza-
beth H . Ridler. T l . 2, W o r k in Company-Based Information Units von
B. Yates, London 1976. — Forschungsberichten im Sinne der Geisteswis-
senschaften entsprechen nur die 'State-of-the-art-reports': "They are
essentially summaries of the State of knowledge on some topic at the
time of compilation" und vermitteln " a valuable introduction to the
recent literature on the subject and probably an indication of the
directions i n which new advances are likely to be made" (Information
W o r k with Unpublished Reports, S. 34).
76
Hochschulen sehen diesen Teil ihrer Informationsarbeit in erster Linie
„vor dem Hintergrund der Legitimierungspflicht" und als Selbstdar-
stellung gegenüber der Öffentlichkeit . Als weitere Ziele gelten die
13
77
unter der Bezeichnung „Geisteswissenschaftliche Fortschrittsberichte/
Research progress reports in the humanities" von der Staatsbibliothek
Preußischer Kulturbesitz in Angriff genommen. Durch die Bibliographie
der Fortschrittsberichte soll „mit einem Schlage eine kritische Auswahl
aktueller Literatur zu bestimmten Forschungsfragen oder -gebieten" 16
78
Die Verwirrung um den Begriff Forschungsbericht wird wohl nur durch
eine terminologische Umstellung in den Geisteswissenschaften gelöst
werden können. Die Termini Forschungsbericht und Fortschrittsbericht
scheinen den damit bezeichneten Sachverhalten — Bericht über ein
Forschungsvorhaben, Bericht über den Fortschritt der Forschung —
angemessen, auch ist zu vermuten, daß die geisteswissenschaftliche
Forschung in Technik und Naturwissenschaften erprobte Organisations-
weisen verstärkt übernehmen wird, so daß eine solche Unterscheidung
auch in ihrem Bereich (wie jetzt schon in der Linguistik] erforderlich
wird. Die folgenden Überlegungen belassen es beim herkömmlichen
Gebrauch.
a) Vier Merkmale:
„1. In fortlaufendem Text wird über die Entwicklung eines Fach-
gebietes oder Problems berichtet,
2. die beigegebene Bibliographie verzeichnet meist eine kritische
Auswahl des wichtigen Schrifttums,
3. die Ergebnisse einer Vielzahl von Bearbeitern des gleichen Fach-
gebietes werden in ihrer Bedeutung gewürdigt und
4. neue Tendenzen der Entwicklung des behandelten Gebietes wer-
den aufgezeigt, während bereits gesicherte Erkenntnisse als bekannt
vorausgesetzt werden ."
17
1 7
Wehefritz, Wesen und Bedeutung der physikalischen Fortschrittsberichte,
S. 213.
79
einen Beweisgang auf und gründet ihn auf die besondere Behand-
lung der Texte. Das Verfahren, das der Verfasser wählt, kann so in
die Kritik einbezogen werden, daß die Abhängigkeit des Ergebnisses
von der Methode sichtbar wird. [...]
3. wird gesagt, wo größere oder kleinere Forschungen nützlich wären
und wie sie anzusetzen seien ." 18
18
Gajek, Brentano-Literatur, S. 440. Zuletzt wird „der Rückblick i n V o r -
schau ü b e r s e t z t " (S. 494).
19
Friedrich] Ranke, M ä r c h e n f o r s c h u n g . E i n Literaturbericht (1920-1934),
in: DVjs 14, 1936, S. 246-304, hier: S. 247.
2 0
Harry Bergholz, Weinheber-Schrifttum. E i n Forschungsbericht, i n : DVjs
31, 1957, S. 557-79, hier: S. 558.
21
Erich Loos, Die französische Literatur des 17. Jahrhunderts. E i n For-
schungsbericht (1937-1957), i n : D V j s 32, 1958, S. 448-469, hier: S. 448.
„Das Referat will die wesentlichen Problemstellungen, Ansatzpunkte
und Ergebnisse der neueren Forschung hervorheben u n d kann deshalb
nicht den Anspruch bibliographischer Vollständigkeit [bei ü b e r 1500
Titeln] geltend machen w o l l e n . " (ebd.).
2 2
Hermann Kurzke, Thomas-Mann-Forschung 1969—1976. E i n kritischer
Bericht, Frankfurt/M. 1977, S. 8/9. - V g l . Hans-Peter Kubach (Zur synthe-
tisierenden themenspezifischen L i t e r a t u r e r s c h l i e ß u n g . Funktionen, K o n -
zepte, Versuche, i n : Informationen zur Raumentwicklung 1975, H . 2/3,
S. 111—116) zum „ G r u n d g e d a n k e n synthetisierender Dokumentation":
„ p r o b l e m o r i e n t i e r t e Sammlung, Reduktion, Systematisierung, Zuordnung,
Vergleich und kritische Wertung v o n Texteinheiten" (S. 112).
2 3
Erik Lunding, Probleme u n d Ergebnisse der Stifterforschung 1945—1954,
in: Euphorion 49, 1955, S. 203—244, hier: S. 204; „eine ordnende und
kritisch sichtende Berichterstattung".
80
mente" , die dritte und höchste Stufe der bibliographischen Bericht-
24
die Fülle der Literatur „zu einer strengen Auswahl", die freilich „durch
weitgehende Kenntnis des [...] nicht Aufgenommenen" abgesichert 27
2 4
Josef Koblitz, Begriffliche Interpretation wichtiger Termini der Dokumen-
tation und Information, i n : Konferenz der Dokumentations- und Infor-
mationszentren der sozialistischen L ä n d e r . Prag, 2 3 . - 2 5 . M ä r z 1961, T l . 1,
Berlin 1961 (Bücherei des Dokumentalisten 15], S. 6 - 1 9 , hier: S. 9, 15.
Definition von Fortschrittsbericht: „ein T e r t i ä r d o k u m e n t , das das Ergeb-
nis einer auf das Progressive orientierten Analyse des [...] Entwick-
lungsstandes und der Entwicklungstendenzen bezüglich eines bestimmten
Fachproblems [.. .] darstellt" (S. 15).
2 5
Dazu Wilhelm Totok, Die bibliographische Situation auf dem Gebiete
der Philosophie, i n : Zeitschrift für Bibliothekswesen und Bibliographie 5,
1958, S. 2 9 - 4 3 , hier: S. 37.
2 6
Hans Rothfels, Ideengeschichte u n d Parteigeschichte. E i n Forschungs-
bericht, in: DVjs 8, 1930, S. 753-786, hier: S. 753.
2 7
Herbert Seidler, Die Forschung zu A r t h u r Schnitzler seit 1945, i n : ZfdPh
95, 1976, S. 567-595, hier: S. 569. V g l . Richard Brinkmann, Expressionis-
mus. Internationale Forschung zu einem internationalen Phänomen.
Sonderband der „Deutschen Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft
und Geistesgeschichte", Stuttgart 1980, S. X : „Das Recht zur A u s w a h l
hat indessen nur, wer das Ganze kennt, aus dem es a u s z u w ä h l e n gilt".
- Die vor 1945 häufige Unsitte, die A u s w a h l nach dem Zufallseinlauf
von Rezensionsexemplaren zu richten, scheint inzwischen selten zu sein.
28 V g l . etwa Karl S. Guthke, Lessing-Forschung 1932 bis 1962, i n : DVjs 38,
1964, Sondern., S. 6 8 * - 1 6 9 * . Wichtigkeit von Zeitschriftenaufsätzen und
81
Die genannten Bestimmungen über Aufgaben und Zielsetzungen von
Forschungsberichten gehen auf die einflußreichen Jahresberichte der
Geschichtswissenschaft' und Jahresberichte für neuere deutsche Litte-
raturgeschichte' zurück, die in ihrer ersten Phase — für die Berichtsjahre
1878 bis 1913 bzw. 1890 bis 1914 — als laufende systematische For-
schungsberichte eingerichtet waren. Uber den „Sammeldienst" hinaus,
„der den ganzen Stoff ungeschieden auf eine Stelle trägt", hatten die
Jahresberichte „die wichtigere Aufgabe zu erfüllen, einerseits das Wert-
lose als solches zu kennzeichnen und dem Arbeitenden viele unfrucht-
bare Mühe zu ersparen, andrerseits in kritischem Referate das Neue
und Fördernde der behandelten Schriften und Aufsätze scharf heraus-
zuheben" . Ihr Stolz bestand darin, „in abgerundeten Aufsätzen nach
29
ihrer Natur nach rezeptiv, sollten sie sich darin produktiv erweisen,
daß „der Sammelpunkt früherer Forschung fort und fort den Ausgangs-
punkt für neue Forschung" bildet. In den Jahresberichten hat sogar
31
82
ratur eine explizite Regelung erfahren . Ausgegangen wurde von dem 32
Zweck, den Lesern nicht die eigene Lektüre zu ersetzen, sondern ihnen
nur ein Urteil darüber zu ermöglichen, „ob sie ein Werk lesen sollen".
Dies ist „bei bedeutenden Werken in der Regel mit wenigen Worten",
bei kleinen oder diffus geschriebenen Abhandlungen nur mit größerer
Ausführlichkeit zu erreichen, „weil es nur so möglich ist, die verschie-
denen Gesichtspunkte anzugeben, unter denen das Werk für verschie-
dene Leser in Betracht kommt". Kürzer hat man sich zu fassen, wenn
es sich „um ein schnell bekannt gewordenes Buch" — dessen wichtigste
Besprechungen nachgewiesen werden — oder „um eine weitverbreitete
und allgemein zugängliche Zeitschrift" handelt. Mit diesen Kriterien
wird verhindert, daß der „Umfang des Berichts" zu dem „Umfang des
Buches" in einem mechanischen Verhältnis steht; der Forschungsbericht
wird dadurch knapper und nützlicher.
32 H a n d b u c h z u L i t t e r a t u r b e r i c h t e n . I m A n s c h l u ß a n d i e „ J a h r e s b e r i c h t e d e r
Geschichtswissenschaft" bearb. v . I[gnaz] Jastrow, Berlin 1891. Z i t a t e
S. 98. Ursprünglich „bloß für die Mitarbeiter u n d Benutzer" (S. III)
geschrieben, gibt das W e r k e i n e n h e r v o r r a g e n d e n E i n b l i c k i n O r g a n i s a -
tionsweise u n d G e s t a l t u n g . A d a p t i e r t v o n d e n „Jahresberichten für neue-
re deutsche L i t e r a t u r g e s c h i c h t e " ( B d . 1, S. 196).
3 3
Jost Hermand, Streitobjekt Heine. E i n Forschungsbericht 1945-1975,
F r a n k f u r t / M . 1975, ( F A T ) , S. 9. „ W a s m a n i n i h n e n [ d e n F o r s c h u n g s -
berichten] aufgetischt b e k o m m t , s i n d oft g e n u g W i s s e n s c h a f t s h u b e r e i e n ,
die sich l e d i g l i c h a n d i e b e r ü c h t i g t e n . F a c h i d i o t e n * w e n d e n - u n d s e l b s t
v o n d i e s e n k a u m m i t d e m n ö t i g e n G u s t o v e r s c h l u n g e n w e r d e n . " (ebd.) -
H . gibt k e i n e B e i s p i e l e . D o c h v g l . e t w a d i e S e l b s t a u s s a g e von Wolfgang
F . M i c h a e l (Das d e u t s c h e D r a m a u n d T h e a t e r v o r d e r R e f o r m a t i o n . E i n
F o r s c h u n g s b e r i c h t , i n : D V j s 31, 1957, S. 1 0 6 - 1 5 3 , h i e r : S. 153): „Ein F o r -
schungsbericht ist gewiß k e i n e sehr r e i z v o l l e u n d unterhaltende Lektüre.
W i r m ö g e n oft d u r c h u n b i l l i g e H ä u f u n g d e r T i t e l g e l a n g w e i l t h a b e n .
U n d doch s c h i e n m ö g l i c h s t e V o l l s t ä n d i g k e i t g e b o t e n . "
83
Sammeltätigkeit, anstelle der ordnenden Kritik das Referat in den Vor-
dergrund. Nach dem Zweiten Weltkrieg dienten solche Literaturberichte
der Vergewisserung über die Basis, auf der die Forschung neu aufgebaut
werden konnte. Auch drückt sich in ihnen eine Reaktion auf häufig
kritisierte Züge der Germanistik vor 1945 aus: die Vernachlässigung
philologischer Grundlagen, die Verflüchtigung der Probleme in Begriffs-
konstruktionen und die Verflechtung in die Ideologie der Zeit. Dabei
hatte die alte .Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft
und Geistesgeschichte' (ab 1923), die die Gattung der Forschungsberichte
maßgebend prägte, durchaus den richtigen Weg gewiesen: Den mehr-
fach als „Problem- und Literaturschau" bezeichneten Berichten ging es
zumeist um eine geistesgeschichtliche Zusammenschau, um eine synthe-
tisierende Epochenbetrachtung, deren Berechtigung „aus der kritischen
Begegnung mit der einschlägigen Fachliteratur" hergeleitet wurde . 34
3 4
Wilhelm Bietak, Zwischen Romantik, Jungem Deutschland und Realismus.
Eine Literatur- u n d Problemschau v o m Standpunkt der Biedermeierfor-
schung, i n : DVjs 13, 1935, S. 163-206, hier: S. 163. W ä h r e n d in der
Literatur häufig „ E i n z e l p r o b l e m e zu totalem u n d absolutem Kriterium"
(S. 164) erhoben werden, will der Bericht die Synthese im Epochenbild
von P. Kluckhohn, R. Majut, G . Weydt u n d W . Bietak b e s t ä t i g e n . U m
die „Idee einer Epoche" geht es Benno v o n Wiese (Dichtung und Geistes-
geschichte des 18. Jahrhunderts. Eine Problem- u n d Literaturschau, i n :
ebd. 12, 1934, S. 430-478 u. 13, 1935, S. 311-355; hier 12, S. 430): „Denn
jede Forschung verliert ihren lebendigen Sinn, wenn sie die Idee eines
solchen Ganzen aufgibt, zu der jede einzelne Leistung nach besten
K r ä f t e n beizutragen b e m ü h t ist." Der Untertitel zuerst bei Rudolf Unger,
V o m Sturm und Drang zur Romantik. Eine Problem- u n d Literaturschau,
i n : ebd. B d . 2, 1924, S. 616-645; 4, 1926, S. 784-797; 6, 1928, S. 144-178,
356-390.
3 5
Heinz Kindermann, M e h r Goethe? Kritische Bemerkungen zur Goethe-
Literatur der letzten Jahre, i n : D V j s 8, 1930, S. 558-608. „Zwei Grund-
fragen": „ W i e und inwieweit haben diese Arbeiten [ca. 150 Publikationen
in Buchform „aus den letzten fünf oder sechs Jahren"] wissenschaftlid
Fragen beantwortet, die zu stellen aus unserer geistigen Lage hera
innere Notwendigkeit war?" und „ w o liegen denn jene offenen Frage
auf die wir von unserem heutigen Wissen um Goethe und von unser
heutigen Geisteshaltung her noch brennend gern Antworten erhielten
(S. 558-559) Die hermeneutisch kurzschlüssige Funktionalisierung v i
Literatur für Gegenwartsinteressen wird schon v o n der Fragerichtu:
angedeutet.
84
In den siebziger Jahren hat der Forschungsbericht diese alte Lebendig-
keit teilweise wiedergewonnen. Neue Forschungsinteressen und
-richtungen bedienen sich der Gattung, und angesichts der Mißachtung,
der sie anheimzufallen droht, finden sich Überlegungen zu ihrer Funk-
tion und Gestaltung.
85
Einsetzen der Methodendiskussion lag es vom Interesse der jüngeren
Forscher her nahe, Berichte „als Forum methodischer Diskussionen
innerhalb der Literaturwissenschaft" 88
anzulegen. Dies wird auch vom
Gegenstand her gerechtfertigt, wenn wechselnde Methoden zu erheb-
lichen „Problemverschiebungen" 39
geführt haben oder widersprüchliche
Methoden konkurrieren, so daß ein „Konsens in der Sache" am ehesten
dadurch erreicht wird, daß „der jeweilige methodische Ansatz auf seine
Leistung und Grenze und damit auf seine Relativierbarkeit und Kom-
patibilität mit anderen Ansätzen und Resultaten hin reflektiert w i r d " . 40
Eine kritische Hinwendung zur Geschichte des Faches ging mit der
Methodendiskussion einher. Da sich Referate als Forschungsbilanzen
anbieten, um methodische und ideologische Entwicklungen zu studieren,
wurden sie selbst mehrfach Objekte einer an der Fachgeschichte interes-
sierten Berichterstattung . 41
38 M a n f r e d B r a u n e c k , D e u t s c h e L i t e r a t u r d e s 17. J a h r h u n d e r t s — R e v i s i o n
e i n e s E p o c h e n b i l d e s . E i n F o r s c h u n g s b e r i c h t 1945-1970, i n : D V j s 44, 1970,
S o n d e r n . , S. 3 7 8 * - 4 6 8 * , h i e r : S. 380*.
3 9
E b d . , S. 379*. E r s t A k t u a l i s i e r u n g d e r B a r o c k l i t e r a t u r a u s d e r E r f a h r u n g
einer verwandten Zeitmisere, dann werkimmanente Analysen und
e x i s t e n t i e l l a u s d e u t e n d e L i t e r a t u r b e t r a c h t u n g , schließlich R e z e p t i o n s - u n d
Traditionsforschung.
4 0
H a n s - G e o r g K e m p e r , T r a k l - F o r s c h u n g d e r sechziger J a h r e . K o r r e k t u r e n
über Korrekturen, i n : DVjs 44, 1970, S o n d e r n . , S. 4 9 6 * - 5 7 1 * , hier:
S. 4 9 7 * - 4 9 8 * ; „ S c h w e r g e w i c h t a u f d e r M e t h o d e " (S. 498*). - B e i Elisa-
beth Gössmann (Typus der Heilsgeschichte oder O p f e r m o r b i d e r G e s e l l -
schaftsordnung? E i n Forschungsbericht z u m Schuldproblem i n H a r t m a n n s
G r e g o r i u s . 1950-1971, i n : E u p h o r i o n 68, 1974, S. 4 2 - 8 0 , h i e r : S . 42) w e r -
den die Veröffentlichungen „gesondert nach i h r e m methodischen A n s a t z -
p u n k t " d a r g e s t e l l t , „um s o d e n W e g n a c h z u z e i c h n e n , d e n d i e m e d i a e v i -
stische G e r m a n i s t i k seit K r i e g s e n d e g e n o m m e n h a t " .
4 1
V g l . z . B . T h o m a s H o l l w e c k , T h o m a s M a n n , M ü n c h e n 1975 ( L i s t T a s c h e n -
b ü c h e r d e r W i s s e n s c h a f t . L i t e r a t u r a l s Geschichte 1467), „Die Thomas-
Mann-Kritik i m Spiegel d e r Forschungsberichte", S. 51—56. D i e R e i h e
„Literatur als Geschichte" steht stellvertretend f ü r d i e V e r b i n d u n g v o n
k r i t i s c h e m m e t h o d i s c h e m u n d f a c h h i s t o r i s c h e m I n t e r e s s e . S. 5 b e z e i c h n e t
sich d a s W e r k s e l b s t a l s F o r s c h u n g s b e r i c h t ; z u s e i n e m W e r t v g l . K l a u s
S c h r ö d e r ( L i t e r a t u r z u T h o m a s M a n n u m 1975, i n : M o n a t s h e f t e 69, 1977,
S. 66—75, h i e r : S . 73): „ein s e m i n a r i s t i s c h e s Privatissimum, kein For-
schungsbericht".
86
Ausnahmen geblieben. Deubel versteht sein Friedrich-Schlegel-Referat
als strukturalistisches Problemlösungsverfahren. Durch „das systemati-
sche Relationsgefüge der in der wissenschaftlichen Literatur produzier-
ten Einsichten" soll die „ .Struktur' des Forschungsgegenstandes" er-
kennbar werden . Mit Hilfe der Strukturierung des Gegenstandes nach
42
4 2
V o l k e r D e u b e l , D i e F r i e d r i c h - S c h l e g e l - F o r s c h u n g 1945-1972, i n : D V j s 47,
1973, S o n d e r n . , S. 48*—181*, h i e r : S. 5 1 * . D a z u i n s g e s a m t „Überlegungen
z u r D a r s t e l l u n g w i s s e n s c h a f t l i c h e r L i t e r a t u r " , S. 49* ff. D i e P r o b l e m a t i k
dieses Versuchs liegt m . E . i n d e m H i a t u s z w i s c h e n „historischer" u n d
„systematischer D a r s t e l l u n g " .
4 3
H e r m a n d , S t r e i t o b j e k t H e i n e , S. 10. D a r u m a r b e i t e t d e r B e r i c h t „gerade
d i e i d e o l o g i s c h e n F r o n t s t e l l u n g e n " (S. 11) h e r a u s .
87
Hierbei stehen sich zwei Meinungen gegenüber: A u f der einen Seite
wird aufgrund der Menge und Unübersichtlichkeit des durch Bibliogra-
phien dargebotenen Schrifttums „die Forderung nach kritischer Prüfung
und Sichtung des Stoffes" erhoben, auf der anderen Seite meinen
44
4 4
Totok, Bibliographische Situation, S. 37.
4 5
Johannes Janota, Neue Forschungen zur deutschen Dichtung des Spät-
mittelalters (1230-1500) 1957-1968, i n : DVjs 44, 1970, Sondern., S. 1 * -
242*. hier: S. 3*.
4 8
Helmut Peter Schwake, Ü b e r Notwendigkeit, Aufgaben und Nutzen einer
Spezialbibliographie, i n : Zeitschrift für Romanische Philologie 85, 1969,
S. 511-526, hier: S. 516.
4
? So Volker Hoffmann, Die Arnim-Forschung 1945-1972, i n : DVjs 47, 1973,
Sondern., S. 270*-342*. „Weiterführendes Literaturverzeichnis zu den
Romanen, E r z ä h l u n g e n und zum Wunderhorn", S. 337*-342*, im Anschluß
an die Bibliographien von Mallon, Goedeke und Migges Ausgabe.
88
licherer Berichterstattung gearbeitet. Eine Schwierigkeit stellt in jedem
Fall die Information über das besprochene Material dar: Eine Zitierung
in fortlaufenden Fußnoten ist für die erstmalige Lektüre bequem,
hindert aber die spätere nachschlagsweise Benutzung; Titellisten zu
Anfang oder Ende sind übersichtlicher und können durchnumeriert
werden, so daß im Text Verweise genügen . Neuerdings werden selbst
48
89
erfaßten Veröffentlichungen und kann — wie Voersters E. T . A . Hoff-
mann-Bibliographie verdeutlicht — teilweise zusammenhängend über
die Forschungslage referieren und Anregungen für künftige Arbeiten
geben.
269 Seiten über 243 Bücher berichtet und ca. 330 weitere Bücher und
Aufsätze anzeigt, dürften Kopien sogar unumgänglich werden. Der
bessere Weg begleitender Publikationen ist von Redaktionen beschrit-
ten worden, die die Erstellung von Forschungsberichten betreiben und
dabei doch ihre Organe für die originäre Forschung offenhalten wollen.
51
Herbert Voitl, Die englische Personennamenkunde. Ein Forschungsbericht,
in: Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen,
Bd. 199, 1963, S. 158-167; 200, 1964, S. 108-118, 436-450. (Forts.:) Die
englischen Personennamen. Der Fortgang ihrer Erforschung in den letzten
zwölf Jahren, Bd. 213, 1976, S. 47-60, 251-268; Redaktionsnotiz S. 47.
5 2
Walter Kern, Neue Hegel-Bücher. Ein Literaturbericht für die Jahre 1958
bis 1960 (zuletzt: Hegel-Bücher 1961-1971. Ein Auswahlbericht), in:
Scholastik 37, 1962, S. 85-114, 550-578; 38, 1963, S. 62-90; Theologie
und Philosophie (Forts, von Scholastik) 42, 1967, S. 79-88, 402-418; 44,
1969, S. 245-267; 46, 1971, S. 71-87; 47, 1972, S. 245-276; 48, 1973, S. 398-
409; 49, 1974, S. 72-92; 50, 1975, S. 565-581; 51, 1976, S. 93-114, 559-570
(Register, Statistik). „Das Schicksal dieses Literaturberichts ist selbst
schon ein noch so peripheres Symptom der etwas diffusen, weithin sich
diffundierenden Hegel-.Renaissance' der Gegenwart" (1972, S. 245).
90
Die .Deutsche Vierteljahrsschrift' ist 1937 und dann wieder 1964, als
die Sekundärforschung über 30 °/o hinaus anstieg (1936: 31 °/o, 1960:
37%), zu eigenen Referatenheften übergegangen und gibt Forschungs-
berichte auch als Sonderdrucke mit zusätzlichen Registern heraus.
Ähnlich hat der .Deutschunterricht' Forschungsberichte als Beilagen
publiziert, und von .Geschichte und Gesellschaft' liegt jetzt ein ent-
sprechendes Beiheft vor . Forschungsberichte kommen als eigene Ver-
63
öffentlichungen wohl deshalb selten auf den Markt, weil sie von ihrer
primären Funktion her nur auf eine quantitativ und zeitlich begrenzte
Verbreitung rechnen können. Mit ihrer Hilfe wird die bisherige in die
künftige Forschung transferiert und die Wissenschaftlergemeinde über
54
91
sten und zugleich eine „Einführung in die Wissenschaft und ihre Pro-
bleme" 56
geben können, wo es sich um neue, erst sich entwickelnde
Forschungsrichtungen handelt.
5 6
M a x Wehrli, Allgemeine Literaturwissenschaft, Bern 1951 (Wiss. For-
schungsberichte. Geisteswiss. R. 3), Vorbemerkung, S. 4. Die v o m selben
Herausgeber betreute ältere Reihe „Wissenschaftlicher Forschungs-
berichte" (Geisteswiss. R., hrsg. v. Karl Hönn, 9 Bde., Gotha 1919-1923)
wollte „die durch die Kriegszeit ihrem Arbeitsgebiet entfremdeten
geistigen Arbeiter [...] wieder Anschluß an die Aufgaben u n d den Stand
ihrer Wissenschaft" finden lassen (Bd. 3, Reihenprogramm, 2. Umschlag-
seite). - Der Katalog der Fortschrittsberichte ist „vor allem als Hilfe
für Studienanfänger" gedacht, „die hier leichter Literatur zu einem
bestimmten Fachgebiet finden, als ü b e r systematische Kataloge oder
Bibliographien" (Braun, Bedeutung v o n Fortschrittsberichten, S. 21).
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