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Bigger than Life / Der einsame Wanderer der Leinwand /

Der hochgewachsene Cowboy mit dem steifen Gang und den harten, aber müden
Augen - er war die Verkörperung des amerikanischen Traums ebenso wie von
dessen Schattenseite. Heute wäre John Wayne hundert Jahre alt geworden.

Auch wenn der Filmstreifen aus lauter Fotografien besteht, bildet der Film doch keine
Realität ab. Was er zeigt, sind vielmehr die Mythen und Legenden, unsere Fantasien,
mit denen wir die Welt erst ertragen. Auf der Kinoleinwand sind die Bilder nicht nur
aufgrund ihrer Abmessung «bigger than life», überlebensgross - auch in dem, was
sie erzählen, gehen sie über die Begrenzungen des alltäglichen Lebens hinaus. Das
gilt im amerikanischen Kino ganz besonders für das Genre des Western. Wie keine
andere Filmgattung inszeniert sie die überhöhten Vorstellungen, die Amerika von sich
selber hat: Die grenzenlosen Weiten der Prärie stehen für die unbegrenzten
Möglichkeiten des Landes und der einsame Cowboy, der sich in dieser Unwirtlichkeit
zu behaupten weiss, ist der Prototyp des Selfmademan. Kein anderer Schauspieler
hat diese Rolle besser verkörpert als John Wayne.

Der Mann, der Herzog werden sollte

Und doch steht John Wayne nicht nur für den amerikanischen Traum vom Wilden
Westen. An ihm lässt sich ebenso zeigen, wie sehr dieser Traum nur eine Fantasie
des Kinos ist. So war nämlich bereits John Waynes Name bloss eine Erfindung
Hollywoods.
Geboren wurde der erfolgreichste Schauspieler aller Zeiten am 26. Mai 1907 als
Marion Morrison. Den Künstlernamen John Wayne hatte sich Jahre später der
Regisseur Raoul Walsh ausgedacht. Tatsächlich war es im klassischen Hollywood
durchaus üblich, dass die Filmstudios den Darstellern neue Namen gaben, die ihnen
einprägsamer schienen.
Doch auch im Privatleben trug Wayne ein Pseudonym: Schon früh hatte man ihm
den Spitznamen «Duke» gegeben – angeblich wegen einem Terrier gleichen Namen,
der ihn in Kindertagen immer begleitete. Ein Name, der sich ebenfalls so anhört, als
gehöre er einer fiktiven Filmfigur. Zeit seines Lebens haben ihn alle, die ihn kannten
nur so genannt. Als wie treffend dieser Spitzname sich erweisen sollte – denn
«Duke» bedeutet auf deutsch «Herzog» – sollte sich indes erst allmählich zeigen.
In seinen ersten Rollen in billig und schnell gemachten Western war der grosse
Schauspieler mit dem entschlossenen Blick nur einer neben einer ganzen Reihe von
Filmcowboys gewesen und gegen Ende der Dreissiger Jahre schien es gar, als sei
die Karriere John Waynes schon vorbei, ehe sie recht begonnen hatte.
Bereits in rund achtzig Filmen hatte er mit eher geringem Erfolg gespielt, als ihm der
Regisseur John Ford die Hauptrolle für den Film «Stagecoach» (1939) anbot. Ford
wusste, dass er aus John Wayne einen Star machen würde. Trotzdem behandelte
der Regisseur - ohnehin berüchtigt für seine Ruppigkeit gegenüber Darstellern –
seinen Schützling besonders hart, um zu verhindern, dass dieser übermütig würde.
Mit entsprechendem Erfolg: Die Leichtfertigkeit seiner früheren Filme, wich nun
einem ernsten, fast schon abweisenden Haltung. In den Auseinandersetzungen mit
John Ford hatte er gelernt, um sein Recht zu kämpfen und diese Bereitschaft zur
Gewalt hatte er sich so einverleibt, dass sie auch in den kleinsten Regungen spürbar
war. Daraus resultierte eine minimalistische Spieltechnik, in der schon ein Blick oder
eine kleine Geste genügte um seine lauernde Stärke zu zeigen und die knappen
Dialoge führte er aus, als wären sie Duelle.
Ein Monument

Tatsächlich machte «Stagecoach» John Wayne zum Publikumsliebling und der Film
wurde auch einer von John Fords grössten Werken. Trotz ihrer schwierigen
Beziehung arbeiteten die beiden auch später zusammen und bildeten das wohl
kreativste Gespann aus Regisseur und Schauspieler der Kinogeschichte. In über
zwanzig von John Fords Filmen spielte Wayne, darunter solche Klassiker wie «Fort
Apache» (1948), «She Wore A Yellow Ribbon» (1949) oder «Rio Grande» (1950).
John Ford, der unübertroffene Meister des Westerns, der wie kein anderer
amerikanische Mythen zu verbildlichen wusste, hatte seine Filme mit Vorliebe im
Monument Valley an der Grenze zwischen Utah und Arizona gedreht. Die endlose
Ebene aus der vereinzelt riesige Tafelberge aus rotem Sandstein aufragen, sind
emblematisch geworden für den Mythos des Wilden Westens, ja für Amerika an sich
geworden sind. Als er John Wayne in diese imposante Landschaft einfügte, erschien
dieser im Monument Valley schon bald selbst wie ein Monument.

Das Leben als Abklatsch des Kinos

Es ist die besondere Tragik John Waynes, dass er versucht hat, dieser filmisch
erzeugten Monumentalität auch in seinem Leben zu entsprechen. Als reaktionärer
Nationalist und erklärter Freund des hetzerischen Senators McCarthy war er
massgeblich beteiligt an der Kommunistenverfolgung im Amerika der Vierziger und
Fünfziger Jahre. So war er auch Mitgründer und zeitweiliger Präsident der
sogenannten «Motion Picture Alliance for the Preservation of American Ideals», die
unter anderem mit Arbeitsverboten gegen sozialistische Hollywood-Kollegen.
Seinen ebenso einfältigen, wie aggressiven Anti-Kommunismus verstand John
Wayne Zeit seines Lebens als patriotischen Dienst am Vaterland. Er, der in seinen
Filmen zum Sinnbild des freiheitsliebenden Cowboys wurde, glaubte, auch im realen
Leben, seine Heimat gegen fremde Horden verteidigen zu müssen. Dies umso
militanter, als er selber gar nie auf einem echten Schlachtfeld gestanden hatte:
Während im zweiten Weltkrieg zahlreiche Hollywoodstars für den Militärdienst
eingezogen wurden, hatte Wayne es geschafft, für untauglich erklärt zu werden, um
in Abwesenheit von Konkurrenten die eigene Karriere zu forcieren.
So entsprach der Duke nur bedingt den Heroen, die er als John Wayne spielte. In
Wahrheit war er in seinem engstirnigen Patriotismus und seinem penetranten
Machogehabe bloss eine Kopie seiner eigenen, überlebensgrossen Leinwand-
Persona. Im Falle von John Wayne imitierte nicht das Kino das Leben, sondern
umgekehrt.

Die Kehrseiten des amerikanischen Traums

In seinen Kinorollen hingegen vermochte John Wayne auch jene Widersprüche zu


zeigen, die er im Privaten so gründlich überspielte. In «The Searchers» von 1956,
dem Höhepunkt in seiner Zusammenarbeit mit John Ford, spielt Wayne seine
abgründigste Rolle: als rassistischer und gewalttätiger Rächer, der seine von
Indianern entführte Nichte sucht, verkörperte er für einmal nicht den amerikanischen
Traum, sondern dessen Kehrseite.
Andere Rollen zeigten weitere Risse im Monument. In seinen Filmen unter der Regie
von Howard Hawks wie etwa «El Dorado» oder «Rio Lobo» wird ironisch gezeigt,
dass auch eine Legende altert. Und in seiner letzten Rolle im bewegenden «The
Shootist» von 1976 über einen sterbenskranken Scharfschützen wird gar das eigene
Krebsleiden zum Thema gemacht. Der Regisseur Don Siegel berichtet in seinen
Memoiren eindrücklich wie John Wayne während den Dreharbeiten darum bemüht
war, noch ein letztes Mal den starken Mann zu markieren, Haltung zu bewahren vor
dem nahenden Tod. Am 11. Juni 1979 erlag der Duke schliesslich doch der seit
Jahren in seinem Körper wuchernden Krankheit.
John Wayne hingegen hat auch dieses Duell überlebt. Wenn er am Ende von «The
Searchers» aus der Dunkelheit einer Hütte hinaus in die gleissende Prärie tritt – so
hat die Literaturwissenschaftlerin Elisabeth Bronfen diese Szene bestechend
analysiert - dann läuft er damit auch in die unmögliche Tiefe der Kinoleinwand. Die
Mythen des Westens, so wird damit klar, sind nur Kino, sind nie etwas anderes
gewesen. Und das gilt auch für ihren grössten Helden. Aus der Tiefe der Leinwand ist
er einst aufgetaucht, in ihr verschwindet er wieder: ein einsamer Wanderer ohne
Zuhause - als Geschöpf der Leinwand aber auch ein Unsterblicher für alle Zeiten.

Johannes Binotto

Kasten:

John Wayne auf DVD (Auswahl):


«The Searchers» (dt.: «Der schwarze Falke»): Warner Home Video.
«Der Mann, der Liberty Valance erschoss», «El Dorado», «Rio Lobo» & «Hatari»: alle
von Paramount.
In den kommenden Wochen erscheinen weitere Titel:
«Rio Bravo – Special Edition», «Die Cowboys – Edition Special» und «Spuren im
Sand». Alle von Warner Home Video.

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