dass er, Bruno, spätestens seit dem 3. Advent fest entschlossen gewesen sei, dieses Mal auf ein Weihnachtsfest vollkommen zu verzichten. Er ha- be, so wurde berichtet, nach diesem Entschluss sofort mit den Vorbereitungen auf den Weih- nachtsfestverzicht begonnen, an seinem Advents- kalender auf einen Rutsch Türchen für Türchen geöffnet, das jeweilige Bildchen bewusst igno- riert und den Kalender dann unter Berücksich- tigung von Mülltrennvorschriften entsorgt, seinen Adventskranz mit einem Male heruntergebrannt und ihn einem Komposthaufen anvertraut. Den schon bestellten Weihnachtsbaum, so hieß es wei- ter, habe er nicht ohne Schwierigkeiten und ohne Zahlung einer Gebühr in Höhe des Kaufpreises noch stornieren können.
Weiterhin, so zuverlässige Quellen, habe er eini-
ge der schon erstandenen Geschenke gegen einen Gutschein wieder zurückbringen können, einige andere für sich verwenden und wieder andere als Geburtstagsgeschenke für das nächste Jahr um- widmen können. Einladungen, die er, Bruno, schon ausgesprochen habe, hätten mit vielen Ar- gumenten rückgängig gemacht werden können. Einladungen, die an Bruno selbst gerichtet gewe- sen seien, habe er abgesagt, nicht ohne zur Kennt- nis nehmen zu müssen, dass er hier oder dort in Zukunft nicht mehr bedacht würde, um seiner ge- änderten Einstellung zu Weihnachten gerecht zu werden.
Bei allen Absagen und Stornierungen habe Bruno
hauptsächlich immer nur ein einziges Argument gebraucht, nämlich, dass er nunmehr dem Kon- sumterror, welcher dem eigentlichen Sinn des Weihnachtsfestes vollkommen zuwider liefe, ja sogar diesen Sinn bis zur Unkenntlichkeit entstel- le, dass er diesem Konsumterror ganz persönlich ein Zeichen entgegen stellen wolle, indem er die- se Festtagsdaten vollkommen ignoriere und da- raus übliche Wochentage mache, wie er sie auch sonst gewohnt sei.
Als Bruno nun von einigen der Umsitzenden ge-
fragt worden sei, ob er seine Absicht, Weihnach- ten nicht zu feiern, durchgehalten habe und wie es ihm seelisch beziehungsweise emotional bezie- hungsweise mental ergangen sei, habe Bruno nach einer längeren Pause eingestanden, dass er einen Tag vor dem Heiligen Abend noch einen Adventskalender in der Apotheke seines Vertrau- ens habe kostenlos erstehen können, sich noch ei- nen Adventskranz aus Zweigen, die sich ihm bei seinem Gang über den Friedhof in den Weg stell- ten, habe zusammenstecken und noch einen Weihnachtsbaum minderer Qualität beim Weih- nachtsbaumhändler an der Ecke Goethe-/Heine- straße habe kaufen können. Den Weihnachts- schmuck dazu habe er gottseidank, gottseidank habe Bruno wiederholt, gottseidank noch nicht entsorgt. Die von ihm umgewidmeten Gaben und die Geschenke für die Geburtstage des nächsten Jahres habe er abermals zurückwidmen können. Nur die stornierten Einladungen, die ihm galten und die er selber ausgesprochen habe, diese stor- nierten Einladungen habe er im Status der einmal ausgesprochenen Absage belassen, um nicht Op- fer eines allgemeinen Gespötts zu werden.
Auf die Frage eines Umsitzenden, warum er sei-
nen Sinn, den er nach dem 3. Advent gewandelt habe, am Tage vor dem Heiligen Abend noch ein- mal gewandelt habe und wie es sich nun mit dem Konsumterror verhalte, dem er, Bruno, ein per- sönliches Zeichen entgegensetzen wolle, darauf, so wurde erzählt, darauf habe Bruno wie folgt ge- antwortet:
Zunächst, so habe Bruno erläutert, sei das Wort
Konsumterror möglicherweise doch ein wenig zu stark gewählt. Schließlich sei es nicht so, dass, wenn man einen Laden betrete, mit vorgehaltener Pistole und mit Gefahr für Leib und Leben dazu gedrängt würde, etwas zu kaufen. Auch wenn die Werbewirtschaft und die Umstände der Advents- zeit fast das Niveau einer allgemeinen Nötigung aufzeigten, auch dann habe ein freier Bürger im- mer noch das Recht, dieser Nötigung ein Nein entgegen zu setzen, was seine ursprüngliche Ab- sicht ja auch gewesen sei.
Weiter aber, und das sei der eigentliche Grund
seines abermaligen Sinneswandels gewesen, wei- ter aber habe er einen Tag vor dem Heiligen Abend der Tageszeitung entnehmen müssen, dass der Ägypter Scheich Jussuf al-Kardawi, ein ein- flussreicher Koran-Gelehrter, die Regierungen al- ler islamischen Staaten aufgefordert habe, in ih- ren Regionen die Weihnachtsfeier zu verbieten. Ein solches Verbot, so Bruno, widerspreche sei- nem Verständnis von Demokratie. Gegen dieses Verbot habe er ein persönliches Zeichen setzen wollen. So und nur so sei sein abermaliger Sin- neswandel zu erklären.