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ERN

UN
WESMTQUE

VERSIT
IV
E
1851
NORTHWESTERN
UNIVERSITY
LIBRARY

J
DENKSCHRIFTEN
DER

KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN IN WIEN.

PHILOSOPHISCH- HISTORISCHE KLASSE.

58. BAND , 2. ABHANDLUNG .

STAAT
AAT UND GESELLSCHAFT

IM

MITTELALTERLICHEN SERBIEN.

STUDIEN ZUR KULTURGESCHICHTE DES 13. - 15 . JAHRHUNDERTS .

VON

CONSTANTIN JIREČEK,
WIRKL. MITGLIEDE DER KAIS . AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.

DRITTER TEIL.

VORGELEGT IN DER SITZUNG AM 17. DEZEMBER 1913.

WIEN, 1914 .

IN KOMMISSION BEI ALFRED HÖLDER


K. U. K. HOF- und univerSITATS-BUCHHANDLER
BUCHHANDLER DER KAIS . AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
1
194977

3613

7.3

Druck von ADOLF HOLZHAUSEN in Wien,


K. UND K. HOF- UND UNIVERSITÄTS-BUCHDRUCKER.
12. Materielle Kultur : Bauten , Volkstrachten, Nahrung usw.

Die Bauwerke : Kirchen und Klöster ; Burgen und Landhäuser des Königs , des Adels und Klerus ; das Stadthaus und das
Bauernhaus. Die innere Einrichtung des Hauses . Physischer Typus der Bevölkerung . Stellung zu anderen Völkern.
Die Verbreitung fremder Kultureinflüsse. Haar- und Barttracht. Kleidung und Kopfbedeckung. Schmuck und Waffen.
Nahrungsmittel und Getränke.

Es ist nicht leicht, das gesellschaftliche und Gerichtsbücher, mit vielen Nachrichten aus dem
geistige Leben der Serben im Zeitalter der Ne- Innern der Halbinsel. Die bildlichen Dar-

manjiden in einem genauen Bild vorzuführen . stellungen auf den Fresken der alten serbischen
Die erhaltenen historischen Denkmäler sind Kirchen und Klöster sind bisher wenig studiert
meist kirchlicher Art. Es fehlt an gleichzeitigen und liegen nur selten in Abbildungen vor.¹)
Dichtungen, in denen sich der Geist der Ge- Das sichtbarste Denkmal einer jeden ver-
sellschaft so spiegeln würde wie in der welt- gangenen Kulturperiode sind die Bauwerke.
lichen Poesie des Nordens und Westens von Die Serbenländer besitzen aus den letzten Jahr-
Europa, z. B. in den skandinavischen Sagas, hunderten des Mittelalters eine nicht unbe-
in den Liedern der provençalischen Trouba- deutende Zahl großer und schöner Kirchen, ein
dours, in dem französischen Ritterroman oder beredtes Zeugnis für den einstigen Reichtum
in den Werken der deutschen Minnesänger . Es des Landes und den kunstliebenden Sinn der
gibt auch keine Erzählungen in Prosa, wie sie Herrscher und der Nation.2 ) Der serbische
auf italienischem Boden Florenz im 14. Jahr- Archäologe Professor Valtrović hat diese Bau-
hundert aufzuweisen hat, voran die von Boc- ten in zwei Perioden eingeteilt. Die erste um-
caccio und Sacchetti. Aus dem mittelalterlichen faßt die Zeiten der Nemanjiden , mit einer
Serbien hat sich nichts erhalten in der Art des großen Mannigfaltigkeit im Grundriß und Auf-
byzantinischen Epos Digenis Akritas oder der bau, indem ein jeder Herrscher nach seinem
russischen Sage von der Heerschar Igors (1185) . Wunsch oder Geschmack unter dem Einfluß
Handschriftliche Aufzeichnungen der Helden- privater und politischer Verhältnisse bauen ließ.
lieder beginnen erst in der Neuzeit. Das alt- Stark bemerkbar sei , besonders in der älteren
serbische archivalische Material beschränkt sich Zeit, der Einfluß dalmatinischer Meister . Die
meist auf Schenkungen an Kirchen und auf Bauten der zweiten Periode, seit dem Fürsten
Handelsakten . Es fehlen Gerichtsprotokolle , Lazar († 1389 ) , haben dagegen einen nationalen
Rechnungsbücher, Privatbriefe u. dgl. Einen Typus, mehr Einheit und Originalität. Der
gewissen Ersatz für diese Lücken bietet das russische Architekt Pokryškin schaltet in der
reiche Detail der ragusanischen Kanzlei- und Mitte eine dritte Periode ein, mehr byzantini-

1 ) Vgl . das ältere slavische Material, besonders aus den nordslavischen Ländern, bei L. Niederle, Život starých
Slovanův (Leben der alten Slaven ), Bd. 1 (in zwei Teilen ) , Prag 1911-1913 , 897 S. , reich illustriert.
2) Literatur : F. Kanitz, Serbiens byzantinische Monumente, Wien 1862. Reiseberichte der Architekten D. S. Milu-
tinović und M. Valtrović 1872-1885 an die , Serbische gelehrte Gesellschaft ', gedruckt im Glasnik Bd. 36, 41 , 44, 46,
47, 48, 52, 53, 64. Ihre Zeichnungen wurden 1872 in Moskau ausgestellt, aber nicht publiziert (vgl. Kondakov, Makedonien
65). Waltrovits, 'O Пpóôpouos, Mitteilungen über neuere Forschungen auf dem Gebiete serbischer Kirchenbaukunst,
Wien 1878, 4º mit 1 Tafel. M. Valtrović, Blicke auf die alte serbische Architektur (Pogled na staru srpsku architekturu )
Glas 17. P. Pokryškin, Die orthodoxe Kirchenarchitektur (Pravoslavnaja cerkovnaja architektura) des 12. - 18 . Jahrh . im
jetzigen Königreich Serbien, russ. , Ausgabe der kais. Akademie der Künste, Petersburg 1906 , 76 S. und 106 Tafeln in gr.-8°
(mir unzugänglich, da nicht im Handel ; Referate von Valtrović im Starinar, N. S. 1 , 1906, Beilage S. 34-43 und
Strzygowski in der Byz. Z. 16 ( 1907 ) 729 f. A. Stevanović, O zavetnoj misli sv. Save (über den traditionellen Gedanken
des hl. Sava), Belgrad 1908 ( vgl . Letopis 249, 1908, 98-99 ). Dr. Vladimir A. Petković, Žiča, in Starinar, N. S. 1 ( 1907) ,
2 ( 1908) , 4 ( 1909 ) . N. P. Kondakov, Makedonien (Makedonia) , eine archäologische Reise, russ., Petersburg, Kais. russ .
Akademie der Wissenschaften 1909, 308 S. mit 194 Textbildern und 13 Tafeln. Ch . Diehl, Manuel de l'art byzantin, Paris
1910 (über Serbien p. 706 ff. ) . G. Bals, Une visite à quelques églises de Serbie, Bucarest 1911 , 44 S. 4 ° mit 70 Textab-
bildungen, mir bekannt aus dem Referat von Strzygowski , Byz. Z. 21 ( 1912) 647-648.
1*
4 II. ABHANDLUNG : CONSTANTIN JIREČEK .

scher Art, seit König Stephan Uroš II . ( 1282- nähere Muster in den Provinzen von Byzanz.
1321 ) . Auch nach dem russischen Kunsthistori- Seit dem 11. Jahrhundert waren es besonders
ker Professor Kondakov war die zweite Hälfte die Klöster des Athos, die selbst spätmittel-
des 13. und die erste des 14. Jahrhunderts die alterlich sind. Ein älteres Zentrum war Thes-
Glanzperiode der serbischen Architektur, unter salonich mit seinen prachtvollen Kirchenbauten
byzantinischem Einfluß. Der rumänische Archi- aus dem 6. - 14. Jahrhundert , vor allem mit der
tekt Balș unterscheidet vier Perioden : eine alten Kirche des hl . Demetrios, einer Basilika
byzantinische bis 1191 , eine mit romanischem mit fünf Schiffen, der Rundkirche des hl. Georg
Einschlag 1191-1280 , eine Erneuerung des und der von außen mit wundervollen Ornamen-
byzantinischen Einflusses 1280-1360 und eine ten aus färbigen Ziegeln gezierten Apostelkirche .
nationaler Art 1360-1450. Die fremden archi- Im Innern Makedoniens haben die Kirchen von
tektonischen Einflüsse, einerseits aus dem by- Ochrid und Prespa aus der Zeit des Zaren
zantinischen Reich, andererseits aus Dalmatien , Samuel noch die alte Basilikenform, die jünge-
lassen sich im Detail klar verfolgen . ren , wie die Klemenskirche von Ochrid (1295 ) ,
In der byzantinischen Kunst gab es zuerst die Kreuzesform mit Kuppel.2 ) Ein schönes
seit dem Ende des 9. und wieder seit dem Denkmal der Komnenenzeit (1164 ) ist die Ruine
12. Jahrhundert eine Renaissance, nach Konda- der St. Panteleimonskirche in dem jetzt von
kov ein neues goldenes Zeitalter. Im Plan der mohammedanischen Albanesen bewohnten Dorf
Kirche verschwindet die Basilika ; auch das Nerezi bei Skopje, mit fünf Kuppeln und Resten
Oktogon und der Trikonchos werden selten. von Fresken des 12. Jahrhunderts.3 ) Die Ruine
Herrschend bleibt seit dem 10. Jahrhundert die der Muttergotteskirche von Matejić auf den
Form des griechischen Kreuzes mit bleige- Höhen der Crna Gora westlich von Kumanovo,
deckter Kuppel . Ein neues Element ist seit dem mit griechischen Inschriften aus der Zeit des
11. Jahrhundert die glänzende Dekoration der Kaisers Isaak Komnenos (1057-1059 ) ist nach.
Außenseite, die Polychromie der Fassade, her- Evans eines der edelsten Monumente von
gestellt durch wechselnde Lagen von Stein und Ostrom in diesen Landschaften'.4 )
färbigen Ziegeln in Reihen oder in geometri- Die Städte Dalmatiens haben große Bauten
schen Figuren, Zacken , Rhomben, Kreuzen , Mä- verschiedener Perioden aufzuweisen . Sie be-
andern usw., nicht selten wie ein bunter Teppich ginnen mit dem in den Räumen einer römischen
stilisiert und auch von den Serben trefflich Kaiserresidenz, des Palastes Diokletians ein-
nachgeahmt. Das Innere der Kirche, im Hinter- gerichteten Dom von Spalato und mit den von
grund abgeschlossen von der vergoldeten Ikono- den Mustern von Ravenna und der Langobarden-
stasis, welche den Altar verdeckt, wurde nach zeit Italiens beeinflußten Bauwerken des frühe-
dem Rückgang der alten Mosaik vom Boden bis ren Mittelalters und reichen bis zu den prächti-
zur Kuppel ganz geschmückt mit Fresken . Der gen romanischen und gotischen Kathedralen
Fußboden war meist aus färbigen Steinen in der späteren Jahrhunderte. Die Kirchen von
verschiedenen Figuren zusammengestellt.¹ ) Arbe, Zara, Traù, Spalato usw. sind ein Denk-
Es war nicht der unmittelbare Einfluß von mal des wachsenden Reichtums dieser Ge-
Konstantinopel , welcher das geistige Leben des meinden.5) Neben einheimischen Meistern wer-
Westens der Halbinsel beeinflußte, sondern den urkundlich zahlreiche Italiener genannt.

1) Diehl, Manuel 365 f.


2) Miljukov, Izvêstija russ. arch. inst. 4 , (1899) 139 f.
3) Evans, Illyricum III - IV (Archaeologia vol. 49 ) 95-97 . Miljukov a. a. O. 136 und Tafel Nr. 5. Kondakov, Ma-
kedonia 174. Nerêzi war um 1300 Besitz des St. Georgsklosters von Skopje, zugleich mit dem Dorf Vodno, mit dem Kloster
der Mutter Gottes , Eleusa' , dem hl. Theodor und dem hl . Panteleimon ; Novaković, Zakonski Spomenici 613, 615,
Nr. XXVIII, XXXV.
4) , One of the noblest monuments of Eastern Rome in this region , far advanced on the road to total ruin' . Evans
a. a. O. 154-156.
5) R. Eitelberger von Edelberg, Die mittelalterlichen Kunstdenkmale Dalmatiens in Arbe, Zara, Nona, Sebenico,
Traù, Spalato und Ragusa, Wien 1884 , mit 115 Illustrationen und 26 Tafeln (Gesammelte kunsthistorische Schriften
Bd . 4 ) . F. G. Jackson , Dalmatia, the Quarnero and Istria, Oxford 1887 , 3 Bde. G. T. Rivoira, Le origini del ' architettura
lombarda e delle sue principali derivazioni nei paesi d'oltre Alpi, vol. I, Rom 1901 , 371 pp. gr. -4 ° ; vgl . die Besprechung
von F. Bulić, Bullettino di archeologia e storia dalmata 28 ( 1905 ) 98-109 . Dr. L. Jelić, Contributo alla storia d'arte in
Dalmazia, Supplement zum Bullettino 35 ( 1912 ) , 118 S. über die neuere Literatur.
STAAT UND GESELLSCHAFT IM MITTELALTERLICHEN SERBIEN III. 5

Im Süden sind die alten Kirchen von Skutari, pus de Diversis aus Lucca ( 1440 ) schildert den
Dulcigno und Antivari heute in ihren Ruinen Dom von Ragusa als ein herrliches Gebäude
kaum kenntlich . In Cattaro war die Kathedrale aus Quadern, gepflastert mit Steinen von ver-
des hl. Tryphon in der Zeit des Kaisers Konstan- schiedener Farbe und durch gemalte Glas-
tin Porphyrogennetos (um 950) eine Rundkirche. fenster vom Tageslicht erhellt. Die durch
Der jetzige dreischiffige romanische Dom wurde Reihen großer, starker Säulen getrennten
im 11. und 12. Jahrhundert aufgeführt, 1166 Seitenschiffe waren dem weiblichen Geschlechte
seine drei Altäre eingeweiht. Aber noch um angewiesen . Von außen umgab die ganze Kirche
1330 werden in dem ältesten erhaltenen Notarial- ein mit einem Bleidach gedeckter Säulengang.4 )
buch der Stadt zwei ,officiales supra laborerio Davon ist heute nichts mehr zu sehen, denn an
ecclesie S. Triphonis erwähnt, welche mit derselben Stelle wurde nach 1667 ein großer
einem Magister Johannes de la Vechia (oder Neubau aufgeführt. Hinter der Apsis stand
Vetula) und dessen Sohn einen Vertrag schlos- auf einem kleinen Platze ein achteckiges Bap-
sen, vor allem zur Herstellung eines Bleidaches tisterium, S. Johannes Baptista de Campanili ' ,
der beiden Glockentürme (campanaria) . Die welches das Erdbeben 1667 glücklich über-
Kirche ist später nach den Erdstößen des standen hat, aber leider durch den Unverstand
16.- 17 . Jahrhunderts zu wiederholten Malen des 19. Jahrhunderts bis auf die Grundfesten
restauriert worden. In Cattaro steht außerdem weggeräumt wurde. Von der nahen Kirche des
die 1195 erbaute kleine St. Lukaskirche und die heiligen Petrus de Castello sagt Philippus de
1221 eingeweihte S. Maria de Flumine (La Diversis, sie sei in Kreuzform , ad morem anti-
Collegiata) , ein schönes Bauwerk romanischen quorum fidelium Graecorum' erbaut gewesen ;
Stiles.¹ ) In Ragusa sind die monumentalen 1497 mußte sie der neuen, seitdem auch wieder
Kirchen des Mittelalters nach dem Erdbeben verschwundenen Apostelkirche Platz machen .
1667 alle durch moderne Neubauten ersetzt Die 1347 gestiftete St. Blasiuskirche bauten
worden. Eine einzige ältere Kirche steht heute zahlreiche Protomagister. Es waren 1347-1393
als Ruine ohne Dach, die von Kaiser Konstantin nacheinander : Angelus filius Laurentii petrarii ,
Porphyrogennetos erwähnte älteste Kathedrale seit 1376 ein Slave Michael Petrojević, 1381 der
des hl. Stephan ; der kleine Bau wurde noch Südfranzose Magister Johannes de Vienna, 1383
1324 von Michael von Bologna mit 30 neuen Leonardus quondam Stephani aus Florenz , der
Figuren ausgemalt.2) Viele Generationen haben. auch den Kreuzgang der Franziskaner baute,
im 12. - 14 . Jahrhundert an der großen neuen 1388 Johannes von Siena , zuletzt Johannes von
Domkirche S. Mariae Maioris gearbeitet. An Pistoja. Italiener waren auch Magister Nico-
der Spitze der dabei beschäftigten Magistri laus von Padua, der 1349 die Andreaskirche
stand ein mit verschiedenen, auch in das Statut restaurierte, und Magister Cecchus aus Mono-
1272 aufgenommenen Privilegien ausgestatteter poli in Apulien, der 1387 das Campanile des
Protomagister, welcher auch Privatleuten bei Dominikanerklosters in Angriff nahm. Dalma-
ihren Bauten Ratschläge erteilen durfte. Einer tinische Steinmetze aus Gravosa, Curzola oder
der ersten soll nach der Chronik des Gondola Antivari bauten in derselben Zeit die Privat-
aus Bari in Apulien berufen worden sein . Ur- häuser der Stadt sowie kleine Kirchen des
kundlich genannt werden Protomagister Eusta- Territoriums von Ragusa.
sius, Sohn des Protomagisters Bernardus ( 1199 ) , In Serbien werden ausdrücklich sowohl
Protomagister Pasqua, Sohn des Protomagisters griechische als dalmatinische Baumeister ge-
Petrus (um 1255-1261 ) 3) und Protomagister nannt ; es fehlte aber daneben nicht an ser-
Corvus aus Venedig (um 1326-1336 ) . Philip- bischen Architekten . Man unterschied, wie in

¹ ) Über die alten Kirchen von Cattaro G. von Stratimirović im Spomenik der serb. Akademie 28 , S. 20 f. und Jelić
a. a. O. 105.
2 ) Am 20. September 1324 verpflichtet sich Magister Michael pintor (sic) de Bononia dem Marchus de Lucaro um
60 Perper zu malen ,cappellam S. Stephani usque XXX figuris de talibus coloribus, sicut sunt ille S. Marie ' , Diversa Notarie
1324 Arch. Rag. Seit 1318 arbeitete derselbe Meister an der Vollendung der Fresken der Domkirche S. Mariae Maioris
3) Urk. 1199 , 1255, 1261 Smičiklas, Codex dipl. 2 , 320-321 ; 4 , 611 ; 5 , 193.
4 ) Philippi de Diversis de Quartigianis Lucensis , artium doctoris eximii et oratoris, Situs aedificiorum, politiae et
laudabilium consuetudinum inclytae civitatis Ragusii, ed. V. Brunelli, Zara 1882 , p . 29-30 , 35 (S.-A. aus den Gymn. - Progr.
von Zara 1880-1882).
6 II. ABHANDLUNG: CONSTANTIN JIREČEK.

Dalmatien, majstori und deren Oberhaupt, den hatten , vielleicht auch die von Banjska und
protomajstor. Vom Erzbischof Sava wird aus- Gračanica . Sie erbauten in Dečani den großen
drücklich berichtet, daß er zu dem Bau des Turm, die Trapezaria (das Refektorium) , die
Klosters Žiča Maurer, Marmorarbeiter und Ringmauer und arbeiteten auch an der Kirche
Maler aus Konstantinopel und den griechischen mit. Schon von König Uroš II . Milutin hatten
Ländern mitgebracht habe.¹ ) Abendländische sie das Dorf Manastirić als erblichen Besitz er-
Einflüsse sind in dieser Periode auch im by- halten . König Uroš III. schenkte ihnen das
zantinischen Reiche bemerkbar, nach Diehl in Dorf Vlahinja und ein Haus bei Dečani . Sie
Trapezunt an den Skulpturen der Sophien- wurden freiwillig Untertanen dieses Klosters.7)
kirche, in Griechenland an den Kirchen von Die Terminologie ist aus den Denkmälern
Daphne, Athen und Mistra, ebenso in den wohlbekannt. Die Kirche (hram, crkva) , deren
Palästen von Mistra.2) Dalmatinische Bau- Mauern (stjena) aus verschiedenfärbigen Qua-
meister werden in Serbien urkundlich erwähnt . dern oder aus wechselnden Lagen von Bruch-
Der Edelmann Obrad Vojihnić nahm 1326 zum und Backsteinen aufgeführt waren , hatte eine
Bau einer Kirche, die er in Trebinje stiftete , mit Blei gedeckte Kuppel, gestützt auf Säulen
zuerst einen Ragusaner auf, den Steinmetz (stlbp ) mit Kapitälen (nadstыlpije) , Wölbungen
(petrer) Vlachus, Sohn des Kalenda, auf ein (kamara) und Zwischenmauern (prêgrada) . Den
Jahr oder mehr, um 40 Perper jährlich nebst Fußboden (patos, griechischato ) bildeten
Kost und Reisegeld, dann den Zaratiner Lipsa, färbige Steine in kunstvoller Gruppierung. By-
Sohn des Prvoslav, auf ein Jahr um 45 Perper.3) zantinischen Ursprunges war der Narthex, die
Eine serbische Inschrift vom Jahre 1334-1335 große geschlossene Vorhalle mit Fenstern , oft
im Kloster vom Dečani nennt als Baumeister ein neuerer Zubau. Manchmal befanden sich
des großen Gotteshauses einen Franziskaner zwei solche Vorräume hintereinander (v
oder vielleicht nur Tertiarier, Mitglied des welt- und ἐξωνάρθηξ ). Serbisch hießen diese Vor-
lichen dritten Ordens ) aus Cattaro : 9 Frad hallen priprata , praprata, paprt (wohl aus
Vita, der kleine Bruder (mali brat) , Proto- Repínaτoç ) , selten mit dem in Rußland üblichen
majstor aus Cattaro, der Stadt des Königs, hat Ausdruck pritvor. ) In den Athosklöstern ist
diese Kirche des hl. Pandokrator dem Herrn der Narthex mitunter größer als die Kirche
König Stephan Uroš III. und dessen Sohn , dem selbst ; in den byzantinischen Kirchen gibt es
erlauchten und überaus großen und berühmten auch Vorhallen auf beiden Seiten oder von drei
Herrn König Stephan erbaut, in acht Jahren , Seiten, wie bei der Apostelkirche von Thessa-
und vollendet wurde sie im Jahre 6843.5 ) Auch lonich. Der Narthex hatte, wie aus den Typika
Camblak weiß von den Leitern des Baues aus zu sehen ist, seine Bedeutung bei dem viel-
den Küstenstädten".") Aus den Stiftungsur- gestaltigen Klostergottesdienst, für die Pro-
kunden des Klosters von Dečani kennen wir zessionen und die Taufzeremonien. " ) In Gra-
die serbischen Architekten. Es war der Proto- čanica ist im Innern der Kirche eine kleine
majstor Georg mit seinen Brüdern Dobroslav Gallerie auf zwei Pfeilern angebracht, auf
und Nikola, welche schon zahlreiche Kirchen welche Treppen hinaufführen ; die große Vor-
im Lande der Serben gebaut und geschmückt halle mit niedriger Kuppel ist dort erst 1570

1 ) Theodosij bei Pavlović, Domaći izvori za srpsku istoriju ( Belgrad 1877 ) 83 , 107 ( zыdыс i mramornik ; mramorniki
i pišuštih).
2) Diehl a. a. O. 720.
3) Verträge vom 20. April und 30. Juni 1326 : ,Vlachus tilius Kalende petrer facit manifestum , quod posuit se et
opera sua cum Obrat Voychinich de Tribina ' zum , opus ecclesie dicti Obrat', ebenso , Lipsa filius Pervoslavi de Jadra ' bei
demselben , Obrat Voychinich de Tribigna ' ,, ad faciendum unam ecclesiam ' . Diversa Cancellariae im Archiv von Ragusa.
4 ) Vgl . ,Fra Michele Porcello, il quale era chiamato Fra Michele, non perchè fosse frate, ma era di quelli che hanno
il terzo ordine di Santo Francesco, e avea moglie . Sacchetti, Novella Nr. 86, ed. Ottavio Gigli (Firenze 1860) 1 , 212.
5) Mon. serb. 109. Jastrebov, Spomenik 41 , S. 21. Stojanović, Zapisi 1 , Nr. 63.
6) , Ot pomorskyh gradov načelniky zdanija' , Glasnik 11 , 69.
7 ) Urk. von Dečani ( Glasnik, II. Serie, Bd . 12 ) 58-59 , 128-129 .
) Paprt im Typikon von Studenica, praprata im Typikon des Erzbischofs Nikodim; vgl. Murko, Das Grab als
Tisch (Wörter und Sachen, Bd . 2 , 1910 ) 128. Über pritvor als Laube, gedeckter Eingang des slavischen Wohnhauses,
besonders bei den Nordslaven, vgl. Niederle a. a. O. 1 , 716 f.
) Über den Narthex ausführlich Diehl a . a . O. 717 f. und Dr. Vlad . Petković , Žiča im Starinar, N. S. 1 ( 1906 ) 177 f.
STAAT UND GESELLSCHAFT IM MITTELALTERLICHEN SERBIEN III . 7

a und
erbaut worden.¹ ) Diese Gallerie ist wohl die chengefäße, Leuchter, Weihrauchfässer, Vor-
groben
Urform der Katechumene, welche in Žiča und hänge, überdies eine Auswahl geistlicher Ge-
al, de Peć in der Höhe des Narthex errichtet war und wänder (riza ) und eine Menge gottesdienstlicher
Kirche
von welcher z. B. der hl. Sava als Erzbischof Bücher. Die vielen kostspieligen Kirchenbauten
hatten die Mönche von Žiča beim Gottesdienste beauf- des Landes bewogen die Einwohner, sie unter-
itz er sichtigte.2 ) In den lateinischen Kirchen des einander und mit fremden Bauwerken zu ver-
en das Küstenlandes ist der Vorraum bei den romani- gleichen. Ein anonymer serbischer Annalist
i . Sie schen Bauten sehr verbreitet , aber viel kleiner, aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts
ters eine offene Säulenhalle, in Ragusa praeambu- meint, daß die Vorhalle von Peć, der Gold-
nälern lum, volta genannt, slavisch einst klobuči- schmuck von Banjska, der Kirchenbau von
derer. na,³ ) jetzt podtrijemak.
Die inneren Wände Dečani, der Fußboden von Prizren und die
Qua der Kirchen waren ganz mit Fresken bemalt. Malerei von Resava nirgends ihresgleichen
Bruch (pisati, zografisati von wypapéw ) . Die Zellen haben.5)
≥ eine (kelija aus Ziov ) der Mönche befanden sich Von den einzelnen Bauten gehört die bi-
Säulen in hölzernen oder steinernen Häusern , die an schöfliche Kirche der hl. Peter und Paul von
ungen die äußere Ringmauer (grad) des Klosters an- Ras einer älteren Periode an . Die von Nemanja
. Der gebaut waren . In einem eigenen Gebäude war (noch vor 1171 ) gestiftete Muttergotteskirche
Heter die mit Fresken geschmückte Speisehalle (tra- an der Toplica bei Kuršumlje hat den Eingang
1. By- pezarija ) untergebracht. Unerläßlich war ein in die Vorhalle zwischen zwei Türmen, Mauern
. die bleigedeckter Turm (pirg von upyog oder stlbp) aus Stein und Ziegeln und den Grundriß eines
1. oft mit den Glocken (zvono) und einer Kapelle im Trikonchos mit drei Altären und einer Kuppel ;
sich oberen Stockwerk, nach dem Muster der festen die Fassade erinnert an die St. Triphonskirche
Türme der Athosklöster. ) Er stand über dem . von Cattaro. " ) Eine zweite Gründung Nemanjas
Klostertor (porta, vrata ) , wie in Dečani, oder war das Kloster des hl. Georg bei Ras, ungefähr
vor der Kirche, wie der vom Erzbischof eine halbe Stunde nordwestlich von Novipazar
1 aus
ichen Daniel II . mit einer Kapelle des hl . Daniel des auf einer von weitem sichtbaren Anhöhe mit
En ist Styliten erbaute Turm in Peć, oder über der großer Aussicht erbaut, beim Volke bekannt als
irche Eingangstür des Narthex, wie in Žiča. Zwei die Georgstürme' , Gjurgjevi Stupovi . Ein

bt es Türme (dva stlьpa) , rechts und links von dem neuer Stifter dieses Klosters wurde Stephan
Tor der Kirche, in der Art wie bei den Kathe- Dragutin, der sich auch hier begraben ließ ; noch
dre
dralen des Abendlandes, hatten nur die Bauten 1597 wird sein Grab hier erwähnt, daneben in
Dessa
des Nemanja und seiner Brüder in Gradac dem Reliquienschatz der Kirche eine Hand des
pika
viel. (Čačak) , in Bjelopolje und bei Kuršumlje. Zur hl. Johannes von Damaskus.7 ) Ein Evangelium-

Pro Ausschmückung gehörten steinerne Skulpturen , kodex wurde dem hl . Georg in Ras, nahe bei
Darstellungen von Löwen, Vögeln, Blattorna- Novipazar', noch 1656 geschenkt, aber in dem
Gra-
menten usw. Statuen blieben in der orientali- stürmischen Kriegsjahr 1689 wurde das Kloster
Teint
schen Kirche seit den Zeiten des Kampfes um von den Türken zerstört und blieb seitdem ver-
auf
die Bilder im 8. - 9 . Jahrhundert streng ver- ödet. ) Die Ruinen werden im 19. Jahrhundert
Vor
pönt. Reich war die innere Einrichtung : ver- in den Reisebeschreibungen von Boué, Hilfer-
1570
goldete Kreuze mit Perlen und Edelsteinen , auf ding, Mackenzie und Irby und Evans be-
Holz gemalte Heiligenbilder (ikona) mit Silber- schrieben . Hilferding (1858) sah hier noch ein.
reiki und Goldverkleidung, dann verschiedene Kir- Bild des Königs Stephan Dragutin, mit dem

1) Über Gračanica Nušić , Kosovo 2 ( Neusatz 1903) 38-46 mit Bild und Plänen . Ausführlich Kondakov, Makedonia
se et
202 f. mit Plan von Pokryškin und Abbildungen.
bei
2) Daniel 244 , 371 .
acno 3) In Ragusa eine Kirche S. Petrus de Clobuçina, Cons. minus 1. Juni 1403. Klobučina = volta, die Arkaden auch
eines Privathauses öfters in den Archivbüchern der Lamenta von Ragusa 1430-1482.
212.
* ) Die Glocken für die Apostelkirche von Peć hatte Erzbischof Daniel II . im Küstenlande ( Primorje) bestellt ; man
brachte sie von dort mit großer Mühe über das Gebirge . Daniel 371 .
5) Serb. Annalen , Ausgaben von Šafařík, Památky 61 und Lj . Stojanović im Glasnik 53 ( 1883 ) 38 .
6) Valtrović und Milutinović im Glasnik 48 ( 1880) 459-460 . Petković im Starinar N. S. 1 ( 1906 ) 152 Anm . Strati-
als
mirović im Spomenik 28, S. 33.
888.
¹) Daniel 52. Urk. 1597 Glasnik bos. 21 ( 1909) 56-57.
8) Stojanović, Zapisi Nr. 805 , 1535 , 1918.
77£
8 II. ABHANDLUNG : CONSTANTIN JIREČEK .

Modell der Kirche in der Hand und las zahl- manchen Details an die Klosterkirche von Laura
reiche Inschriften bei den alten Porträts des auf dem Athos . Aus schlechterem Material auf-
Nemanja, des Stephan Uroš I. und seiner Gattin , geführt ist ihre große Vorhalle, mit einem zwei
der Königin Helena, des , Stephan kralj ' (Dragu- Stockwerke hohen Turm über dem Eingang . In
tin) als neuen ,ktitor' und seiner Gemahlin Ka- den Fenstern dieses Narthex ist ein gotischer
tharina (Katelina , dыšti velikago kralja ugrska- Spitzbogen auffällig, während an den Fen-
go Stefana ) , ebenso des Stephan Uroš II.¹ ) stern des Turmes romanische Elemente be-
Ippen fand von der Kirche nur das Querschiff merkbar sind.5) Die Klosterkirche von Mileševa
mit der Kuppel erhalten ; die Ruine war von den ist lang und eng, mit zwei Vorhallen , wie Chi-
Türken zu einer Batterie hergerichtet, wobei landar, und zwei Kuppeln . ") Die 1252 erbaute
eine Menge Steine des alten Baues zur Her- Klosterkirche von Morača im Osten von Monte-
stellung einer Umfasungsmauer weggenommen negro, in einem Waldtal über einem 20 Meter
worden war.2) Die neuesten Schicksale der hohen Wasserfall gelegen, ist in Kreuzesform
Ruine schildert Ljubomir Stojanović, der am angelegt, jetzt überragt von einer kegelförmi-
letzten Feldzug gegen die Türken im Stab der gen, an armenische und georgische Kirchen
Ibararmee teilgenommen hat , in einem Brief mahnenden Kuppel aus neueren Zeiten . Das
an mich vom 9. (22. ) November 1912. Die Tür- Portal ist nach der Abbildung bei Rovinskij
ken hatten die Ruine zu einem strategischen romanisch, mit Pfeilerbündeln beiderseits und
Punkt ersten Ranges eingerichtet und mit einem Rundbogen. Die primitiven alten Skul-
Artillerie gut ausgerüstet, welche dem Vor- pturen auf dem Fries, rechts eine gekrönte
marsch der Serben sehr hinderlich war. Die Mutter Gottes mit Kind über einem Drachen ,
Serben mußten die alte Stiftung Nemanjas mit links ein Mann mit Krone auf dem Haupt,
Granaten und Shrapnells beschießen, wodurch sind nur aus den kurzen Notizen des Rovinskij
der Bau stark gelitten hat. Im Innern fand man bekannt. ")
nach der Eroberung Reste einer sehr schönen Ein ganzer Komplex von kleinen Kirchen
Malerei, aber von den Inschriften nur mehr umgibt die mit ihren Fresken, Grabsteinen und
ein Fragment mit den Namen des ,svety Simeon anderen Denkmälern bisher archäologisch nicht
Nemanja' . Nemanjas größte Stiftung , die untersuchte große dreischiffige, mit Blei ge-
Kirche des Klosters Studenica, hat durch ihren deckte Patriarchialkirche der hl . Apostel in Peć
einfachen Grundriß, die Bescheidenheit der (Ipek) . Drei dieser kleinen Kirchen standen.
Ausführung und den Glanz des weißen Marmors schon im 14. Jahrhundert : die St. Demetrius-
auf alle Besucher einen tiefen Eindruck ge- kirche und die zwei vom Erzbischof Daniel II.
macht. Kanitz schreibt, es sei das lehrreichste erbauten Kirchen , die kleinere des hl . Nikolaus
Beispiel occidentalischer Einwirkung auf die und die größere der Mutter Gottes (der ' 0 -pix
altserbische Kirchenbaukunst , ein Bau von von Konstantinopel ), die letztere mit zwei
edler organischer Anlage und reizvoller Durch- Seitenkapellen des hl . Johannes und des heiligen
bildung .3) Kondakov meint, in der Architektur Arsenij , des zweiten Erzbischofes von Serbien.
erscheine Studenica als ein Denkmal des lango- In diesem Bau befindet sich heute noch Daniels
bardischen Stiles von Dalmatien, die Malerei Grab. Erzbischof Daniel II. hat überdies eine
sei aber von rein byzantinischem Charakter.¹) mit Fresken geschmückte Vorhalle erbaut, zwi-
Die Kirche von Žiča , aus wechselnden Lagen schen der Apostelkirche, der Demetriuskirche
von Tuff und Ziegeln in Kreuzesform solid und der Nikolauskirche ; eine neue Vorhalle mit.
erbaut, mit zwei Seitenkapellen, erinnert in Fresken stammt aus der Zeit des Patriarchen

1) Hilferding, Bosnia, Hercegovina i Staraja Serbia (Petersburg 1859) 138. Die Inschriften auch bei Stojanović, Za-
pisi Nr. 5058, 5059, 5079, 5082 , 5083, 5087, 5089, 5090.
2) (Ippen) Novibazar und Kossovo, Wien 1892, 127.
3) Kanitz, Serbien ( Leipzig 1868) 79.
4) Kondakov, Makedonia 65 .
5) Dr. Petković , Žiča a. a. O.
6) Nach der Beschreibung des Archimandriten Nikifor Dučić, Mileševa im Kalendar Srbobran 1900, 88-92 (Bild
S. 133. )
7) Rovinskij, Sbornik der russ . Akademie Bd . 86 ( 1909 ) 92-110 mit Plänen und Bildern. Das Portal ist S. 108 ab-
gebildet und S. 107 beschrieben .
STAAT UND GESELLSCHAFT IM MITTELALTERLICHEN SERBIEN III. 9

Makarij von 1562.1 ) Die Kirche der Königin Die Stiftung des Königs Stephan Uroš II.,
Helena, Witwe des Königs Stephan Uroš I., in das Kloster Dečani , bezeichnet Evans als ,den
Gradac bei Raška ist eine malerische Ruine in edelsten Kirchenbau im Innern der Halbinsel'
der Form eines griechischen Kreuzes mit doppel- und als ein Kompromiß zwischen italienischem
tem Querbalken, an deren Fenstern und Türen und byzantinischem Stil, erbaut aus einer Art
man neben byzantinischen auch romanische und Marmor mit roten Adern aus denselben Stein-
gotische Elemente gefunden hat. Altertümlich brüchen in den Schluchten des östlichen Šar-
ist auch die Bischofskirche von Arilje, dem gebirges , welche auch das Baumaterial für die
hl. Achilleus von Larissa geweiht, mit dem Römerstadt Ulpiana (jetzt Lipljan) geliefert
Bilde des Königs Stephan Dragutin. Ein streng haben. Die Schilderungen des Daniel und Cam-
byzantinischer Kuppelbau ist die kleine, von blak sind voll des Lobes der herrlichen Lage
König Stephan Uroš II. Milutin 1314 errichtete dieses noch unlängst so unzugänglichen Klosters .
Kirche der Heiligen Joachim und Anna im . Die Kirche, nach M. Milovanović 80 Fuß lang
Kloster Studenica . Von demselben Herrscher und 74 breit, ist in Kreuzesform angelegt, mit
und seiner jungen Gattin Simonida Palaiolo- fünf Apsiden und zwei Seitenkapellen des
gina ist erbaut die prächtige Klosterkirche von hl . Nikolaus und hl. Demetrius, überragt von
Gračanica in Kreuzesform mit fünf Kuppeln und einer hohen, von vier Säulen getragenen , mit
drei Apsiden , mit gut erhaltenen Fresken dieser Blei gedeckten Kuppel ; die Mauern bestehen ,
Zeit ; darunter befinden sich auch die Porträts der von außen gesehen , aus horizontalen Lagen
Stifter. Kondakov spendet dieser Kirche das roter, blauer und weißer Marmorsteine . Das
größte Lob und meint, in Serbien sei ihr keine runde Fenster über der Mitte des Altars öffnet
zweite gleich ; er rühmt die glänzende Anlage sich zwischen zwei achteckigen Säulen mit
des Baues, der allerdings durch einige spätere gotischen Kapitälen , welche sich auf den
Zutaten verdorben sei , die wunderbare Zu- Rücken zweier männlicher Figuren stützen .
sammenstellung von Stein und Ziegel und die Aus dem Mund eines menschlichen Kopfes über
schöne Ornamentik der bunten Ziegelreihen in dem Fenster wachsen Weinreben heraus, welche
den Fensterarkaden.2 ) Ein vorzüglich ausge- das Fenster von rechts und links umschlingen ;
schmückter Bau mit fünf Kuppeln aus der Zeit zwischen dem Weinlaub dieser Skulptur sind
der größten Blüte der altserbischen Architektur Vögel und verschiedene phantastische Tiere zu
1st nach Kondakov die Kirche des hl. Georg im sehen . Kunstvoll sind die Marmorsäulen bei
Kloster von Nagoričino , gleichfalls aus der Zeit den drei Toren der Kirche, viereckig, achteckig ,
des Königs Uroš II. (1313) , vollständig mit rund, teilweise von Weinranken umschlungen ,
Fresken ausgemalt.3) Die Kirche des Klosters mit korinthischen Kapitälen ; darüber stehen
Banjska, gleichfalls unter Uroš II. nach dem Löwen, über einer ein Adler, über einer anderen.
Muster von Studenica vom Grund aus neu ge- ein menschlicher Kopf. Die Decke des Narthex
baut, jetzt eine klägliche Ruine, war angelegt vor dem Eingang, 40 Fuß lang und 50 breit,
in Kreuzesform mit einer Kuppel, zwei Seiten- tragen vier schlanke, achteckige Marmorsäulen ;
kapellen und einer Vorhalle, von außen ver- ihre Basis bilden Ornamente mit Köpfen von
kleidet mit wechselnden Lagen weißer, roter Löwen, Wölfen, Hunden und Schafen , während
und blauer Steine, im Innern bis zum Marmor- über den Kapitälen wieder Löwen und Adler
boden herab bedeckt mit Malerei und reichem sichtbar sind. Das Innere der Kirche, hell er-
Goldschmuck.4) leuchtet durch Doppelfenster mit Rundbogen ,

¹ ) Daniel ed . Daničić 368–371 . Neuere Beschreibungen : Hilferding, Bosnien , Hercegovina und Altserbien ( russ.
Petersburg 1859) 171 f.; Pop Miloš Velimirović, Godišnjica 18 ( 1898 ) 118 f. , 145 f.; eine Photographie bei einer Abh . im
M. Dimitrijević, Revue slave 1 (Paris 1906 ) 40. Ein Bericht des Malers M. Milovanović im Godišnjak der serb. Akademie
23 ( 1909 ) 240 f.: die Fresken der Hauptkirche (jetzt sveti Spas genannt, die Heilandskirche) sind aus dem 13. , der Mutter-
gotteskirche und der Demetrioskirche aus dem 14. Jahrhundert. A. Bašmakov, Čerez Černogoriju v stranu dikich Gegov
(Durch Montenegro in das Land der wilden Gegen ) , russ., Petersburg 1913, 58-67, mit Photographien .
2) Kondakov, Makedonia 202-210 . Über die Malerei M. Milovanović im Godišnjak 23 ( 1907 ) 238 .
3 ) Kondakov, Makedonia 195-199. Die Inschriften besser bei Jagić im Arch. slav. Phil. 31 ( 1910 ) 300–305 , mit
zwei Ansichten nach Photographien von Baron P. Salis- Soglio. Bei Daniel 138, 181 , 189 in adjektivischer Form : sveti
Georgy Nagoričьskij . Die alte Form lautete Nagoričino ; vgl . Rječnik der südslav . Akademie unter diesem Namen .
* ) Daniel 150 f. Serb . Annalen , Ausg. von Lj . Stojanović , Glasnik 53, 7–8 . Novaković , Manastir Banjska, Glas 32
(1892 ) mit Plan.
Denkschriften der phil.-hist . Kl. 58. Bd . 2. Abh . 2
10 II. ABHANDLUNG : CONSTANTIN JIREČEK.

die in der Mitte durch eine ornamentierte Säule nicht ausreichten , wurden, wie von Sava I. und
geteilt sind, ist ganz ausgemalt mit wohlerhalte- Daniel II. berichtet wird , hölzerne Kirchen er-
nen Fresken . Rechts steht noch der Thron , auf richtet. ) Wo auch dies nicht möglich war, ließ
dem einst die Könige beim Gottesdienste saßen, Sava wenigstens ein Kreuz aufstellen. " )
aus weißem Marmor.¹ ) Weniger bekannt sind die weltlichen Bauten .
Das wenigste wissen wir von denRuinen des Erzbischof Guillaume Adam schreibt (1332 ) :
Klosters der Erzengel bei Prizren, der Stiftung. ,Die Häuser und Höfe sowohl des Königs als
des Stephan Dušan, die in der Türkenzeit am der übrigen Adeligen sind aus Pfahlwerk und
argsten verwüstet und demoliert wurde.2 ) Aus Holz gebaut ; nirgends habe ich dort einen Hof
derselben Zeit stammen die zahlreichen schönen
. oder ein Haus aus Stein oder Ziegeln gesehen ,
Kirchen der Crna Gora (türk. Karadag) , zwi- außer in den lateinischen Städten an der
schen zwei der damaligen politischen und ökono- Küste . " ) Diese altserbische Holzarchitektur
mischen Mittelpunkte gelegen , zwischen Skopje ist heute vergessen . Sie war aber nicht so vor-
und Novo Brdo. Besonders hervorragend ist herrschend , wie es der französische Prälat
dort die 1337 von der Edelfrau Danica erbaute meinte. Schon die von Niketas Akominatos er-
Kirche des hl. Nikolaus von Ljuboten, jetzt eine wähnte Pfalz des Nemanja war aus Holz und
Ruine mit Fresken und Porträts des Stephan Stein erbaut, mit einem hölzernen Palissaden-
Dušan , seiner Gattin Helena und seines Sohnes zaun ringsherum ; sie lag wohl im Tal der To-
Uroš.³ ) Die Eroberung des kulturell höher plica und wurde 1190 von Kaiser Isaak An-
stehenden Makedoniens stärkte die Vorherr- gelos niedergebrannt.8) Die einheimischen Quel-
schaft des byzantinischen Einflusses in Serbien. len unterscheiden die festen Paläste' (polata)
Bauten aus der letzten Zeit der Nemanjiden , der von den einfachen Häusern (kuća) und Hütten
Caren Stephan und Uroš, reichen weit südwärts, (kljet, kljetka) .9 ) Kantakuzenos erzählt, daß
bis in die Landschaften von Ochrid und Prespa , man in der königlichen Pfalz von Priština
Prilep und Lesnovo, Melnik und Serrai (serb. durch das Tor ( ú ) einen großen Hof (a )
Ser ) . Hervorragend ist z. B. die Stiftung des betrat, in welchem die Gäste vom Pferde ab-
Kesar Gregor (1361 ) in Zaum am See von saßen ; dann folgten äußere und innere Ge-
Ochrid, ein kleiner Kuppelbau aus wechselnden mächer, darunter wohl auch größere Räume für
Stein- und Ziegellagen, mit netzartigen Ziegel- die Landtage, Gerichtstage, Beratungen , Feier-
ornamenten auf der Fassade, heute eine Ruine. ) lichkeiten und Gastmähler.10) Abseits standen.
Groß war die Anzahl der kleinen Dorf- die Stallungen für die Pferde, Räume für die
kirchen (crkvica) , erbaut von Sava I. und seinen Hunde und Jagdfalken und Wohnungen für die
Nachfolgern . Wo die Mittel zu einem Steinbau zahlreiche Dienerschaft. In der als Inschrift

1 ) Evans, Antiquarian researches in Illyricum III - IV, 61 , 67, 155 Anm. Jastrebov, Spomenik 41 , 20 f. Eine aus-
führliche Beschreibung von Dečani in dem Reisebericht des Malers M. Milovanović im Godišnjak der serb. Akademie 23
(1909) 242-255. Bašmakov a. a. O. 76-104 mit Abbildungen.
2) Der russ. Generalkonsul Ivan S. Jastrebov im Spomenik 41 , S. 47. Noch 1418 wurde auf Befehl des Igumen
Paul des Erzengelklosters oberhalb Prizren ( više Prizrena) ein Kodex mit Reden des hl. Grigorij Bogoslov kopiert, Stojanović,
Zapisi 1 , Nr. 223. Damit hören die Nachrichten auf.
3 ) Evans a. a. O. 84 , 93. Miljukov a. a. O. 128–132 und Tafel Nr. 8. Stojanović, Zapisi 1 Nr . 66. Kondakov , Ma-
kedonia 177 f. Ein Verzeichnis der Kirchen und Klöster der Crna Gora von Skopje bei Tomić , Naselja 3 , 503–507 .
4) Miljukov a. a. O. 83-86 und Tafel Nr. 9 , 10 .
5) Theodosij bei Pavlović 83 (erkvy drêveny) . Daniel 376. Eine Holzkirche (drêvêna crkьvь) in Koriša bei Prizren :
Urk. des Prizrener Klosters, Glasnik 15, 274. Eine hölzerne Kirche des hl. Lukas stand im 12. Jahrhundert in der Stadt
Sofia : mein Fürstentum Bulgarien 361 .
") Domentian 205.
7 ) , Edificia et palacia tam regis , quam aliorum nobilium sunt de paleis et de lignis. Nunquam vidi ibi aliquod
palacium sive domum de lapide nec de terra, nisi in civitatibus maritimis Latinorum " . Guillaume Adam p. 478-479 (Re-
cueil des historiens des croisades. Documents arméniens, t . II. Paris 1906). Übersetzt (als Brocardus) von Novaković, Go-
dišnjica 14 ( 1894) 31-32 .
*) Kaiser Isaak εἰσῆλθεν εἰς τὸν οἶκον des Nemanja καὶ συνετέλεσεν αὐτὸν καὶ τὰ ξύλα αὐτοῦ καὶ τοῦς λίθους αὐτοῦ. τὸ γὰρ πάμ-
φαγον πῦρ, ὅ κατὰ τῶν ἐκεῖσε οἰκοπέδων βληθῆναι προσετετάχεις , οὐ μόνον τῶν δρυφάκτων λαβόμενον εἰς κόνιν θερινὴν ἢ καταφαγὸν αὐτὸ
ἀπελέπτυνεν, ἀλλὰ καὶ τοὺς λίθους αὐτοὺς συνετέλεσεν . Rede des Niketas an den Kaiser, Recueil des historiens des croisades,
Hist. grecs 2 p. 738 C.
9) Kljetka staçon, Kaufladen in Rudnik 1422 Lam. Rag.
10) Kantakuzenos III cap. 43 , 45.
STAAT UND GESELLSCHAFT IM MITTELALTERLICHEN SERBIEN III . 11

erhaltenen Urkunde des Königs Stephan Uroš II. gen, gedeckt durch einen Turm , jedenfalls die
für das Kloster Gračanica wird in dem könig- Ruine des eigentlichen Palastes . Es gibt keine
lichen Schloß Pauni eine Kirche erwähnt, zu- Inschriften , Skulpturen oder Wappen. Prächtig
geteilt dem Bischof von Lipljan , ein Absteig- ist die Rundsicht von diesem Schloßberg von
quartier für den Erzbischof (arhijepiskupovo Zvečan . Unten liegen Mitrovica, Vučitrn und
stanište ) und ein , sokalnik' , d . h . ein Haus mit im Süden das Amselfeld (Priština bleibt ver-
Küche und Backofen des Hofes.¹ ) Im nahen borgen) , im Westen sieht man das gebirgige
Schlosse Svrčin befand sich eine Kirche des obere Ibartal, im Norden seine untere Fort-
hl. Johannes des Täufers.2) setzung, in weiter Ferne die gezackten Kämme
Fester gebaut waren die allerdings oft sehr des Rogozno und die hohe, gewaltige Masse des
engen Behausungen in den königlichen Burgen. Kopaonik.³)
Zu den Ruinen des auf einem steilen , kegel- Paläste gab es auch in den ehemals byzanti-
förmigen Felsen erbauten Schlosses von Zvečan nischen Städten Makedoniens. Auf dem Boden
am Ufer des Ibar führt ein mühsamer Aufstieg des einstigen christlichen Kaisertums von Kon-
von der Westseite . Oben sahen Boué und Hilfer- stantinopel sind Reste mittelalterlicher Palast-
ding innerhalb der Mauer mit runden und vier- bauten nur an wenigen Orten erhalten . Es ge-
eckigen Türmen gut erhaltene Reste der alt- hört dazu die Ruine eines Teiles der Blacher-
serbischen Gebäude . Hilferding fand auf der nen in Konstantinopel, aus dem 11.-12 . Jahr-
Nordseite die Trümmer eines in zwei Stock- hundert, jetzt Tekfur- Serai genannt. Ein Ar-
werken aus guten Ziegeln erbauten königlichen chontenhaus in Melnik aus derselben Periode
Palastes, mit halbrunden Fenstern und Türen. hat ein Erdgeschoß und zwei Stockwerke,
und mit Resten von Fresken in den kleinen flankiert von einem viereckigen Turm. Die
Räumen ; im Erdgeschoß war noch der Haupt- Fassade bilden, wie in Tekfur- Serai , geometri-
saal zu erkennen. Unmittelbar daneben stand sche Figuren aus weißen Steinen und roten
die Ruine der aus der Biographie des Nemanja Ziegeln. Im Innern befindet sich ein großer
von König Stephan dem Erstgekrönten bekann- Saal, eigentlich ein gedeckter Hof ; neben diesem
ten Georgskirche, nach Boué 30 Schritte lang, großen Raum hat jedes Stockwerk fünf Zim-
10 breit, mit halbkreisförmiger Apsis und Spu- mer. ) Ähnlich waren wohl einmal die Herren-
ren der Wandgemälde. Daneben gab es zwei häuser von Skopje, Prilep, Serrai und Ochrid
gewölbte Zisternen. Ippen schreibt : fürwahr eingerichtet. Jünger sind die byzantinischen
.
eine fürstliche Residenz, würdig der Herrscher Paläste von Mistra, nahe bei dem antiken
aus dem kräftigen Geschlecht der Nemanjić' . Sparta.
Nach seiner Beschreibung bildet den Eingang Von den Grundbesitzern hatte die besten
von der Westseite ein Riesenportal, gedeckt Landhäuser die Kirche . Erzbischof Daniel II.
durch einen Turm. Die Umwallung in oblonger († 1337) erbaute in Jelašci einen prächtigen
Gestalt besteht aus einer den ganzen Gipfel Hof (dvor) mit schönen und hohen Palästen'
einschließenden mächtigen Bruchsteinmauer, und einer mit Wandmalereien gezierten Kirche
mit Resten von drei Türmen . Im Innern be- des Erzengels Michael. Auf dem Gute Lizica
finden sich die Grundmauern eines langen, ließ er die von seinem Vorgänger, dem Erz-
rechteckigen Gebäudes, wie Ippen meint, viel- bischof Nikodim († 1324) , errichtete Kirche des
leicht eines Vorhofes für Gefolge und Diener- hl. Sava, des ersten serbischen Erzbischofs , er-
schaft. An der Nordfront stehen die Trümmer weitern und mit neuen Malereien schmücken ,
eines großen Gebäudes mit Resten von Wölbun- den Turm vor der Kirche erhöhen.5) Auch in

¹) Mon. serb. 563, erläutert von Novaković, Prestonice 23, 44.


2) Daniel 219.
3) Boné, Turquie d'Europe 2 ( 1840 ) 373 , deutsche Übersetzung 1 , 567. Hilferding, Bosnien usw. (russ . , Petersburg
1859 ) 295 f. (Th . Ippen) , Novibasar und Kossovo ( Das alte Rascien ) , Wien 1892 , 137-138. Nach Nušić , Kossovo 2 (1903 )
112 sollen jetzt keine Gebäude mehr zu erkennen sein ; alles sei von den Türken aufgewühlt worden , um Baumaterial zu
gewinnen und Schätze zu suchen . Nach der Besetzung dieser Landschaften durch die Serben im Herbst 1912 wäre eine
genaue Untersuchung und Beschreibung der Ruinen von Zvečan sehr wünschenswert.
4) Diehl, Manuel de l'art byz. 397 f. (Tekfur- Serai), 400 (Melnik).
5) Jelaści wird im Rječnik der Südslav. Akademie mit Elьšci in der Urk. 1395 im Glasnik 24 ( 1868 ) 272 zusammen-
gestellt, dort genannt neben dem Markt ( trg ) Koporići, doch heißt dieser Ort nach Avram Popović, Godišnjica 25 , 173 , 192
heute Jelakce. Lizica ist sonst nicht bekannt.
2*
12 II. ABHANDLUNG : CONSTANTIN JIREČEK .

der Burg Maglič (von magla , Nebel) , deren Ge- der Regentage. Sonst war die Gesellschaft mehr
mäuer noch im unteren Ibartale neben dem Weg an die freie Luft gewöhnt. Auf Reisen wohnte
von Studenica nach Žiča hoch über dem Fluß man meist in Zelten, wie Kaiser Johannes
sichtbar ist, erbaute Daniel schöne Paläste und Kantakuzenos als Gast bei Stephan Dušan oder
Zellen (kelija) und stattete die dortige St. Ge- die ragusanischen Gesandten , denen man noch
orgskirche mit Büchern und anderen Bedürf- in der Despotenzeit ein Zelt (pavilionum sive
nissen aus. Nach der Beschreibung von Aleksić tentorium ) von der Republik auf die Reise mit-
ist die Burg Maglič, mehr als 200 Meter über zugeben pflegte. In den Küstenstädten ver-
dem Ibar gelegen , sehr schwer zugänglich ; von sammelten sich die Bürger zu ihren Tagungen
.
drei Seiten decken sie tiefe Abstürze zu den unter freiem Himmel auf dem Platze (platea ) .
Windungen des Flusses, von der Ostseite eine Das Gericht hatte dort, wenigstens im Sommer,
künstlich ausgegrabene Schlucht. Es ist ein seinen Sitz unter der Loggia, der Wölbung einer
kleines Viereck mit gut erhaltenen neun Tür- offenen Laube, in welcher auch die Kanzler ihre
men ; im Innern sind die Ruinen einer Kirche Urkunden schrieben .
mit Resten von Fresken (Heiligenbildern) und Die Märkte hatten selbst bei den Berg-
eines viereckigen Gebäudes zu sehen. Außerhalb werken, wie schon erwähnt, wenige bessere
der Mauer liegen auf der Südseite Gräber mit Häuser. Mehr städtisches Wesen gab es im ehe-
Steinplatten.¹ ) mals byzantinischen Gebiet und im Küstenlande.
Die besseren Adelshöfe waren mit Mauern Aber auch im Konstantiopler Kaisertum waren
und Türmen zur Verteidigung eingerichtet , die Städte nicht gleich. Manche alte Stadt be-
ebenso wie in Ravenna und anderen Städten saß fest gemauerte zwei- oder dreistöckige
Italiens . In der Nähe des Dorfes Zaton in der Häuser ( upoços, sprúpopos ) . ") Dagegen waren in
Küstenlandschaft von Stagno erwähnt eine ra- Thrakien und Makedonien im 13. und 14. Jahr-
gusanische Grenzbeschreibung ( 1399 ) , den Turm hundert viele größere Orte nur primitiv be-
des Ivoje'.2) Solche Türme gab es auch bei den festigte Dörfer. Nach Kantakuzenos hatte z. B.
Landhäusern der Edelleute von Ragusa. Mari- die Burg Sakkon bei Selymbria westlich von
nus Lucari de Bona ließ sich 1343 zwei Türme Konstantinopel, von Ackerbauern bewohnt, hin-
bauen, einen hinter den ,drei Kirchen' auf dem ter ihren schwachen Mauern nur Häuser mit
Weg nach Gravosa, 6 ,passus ' hoch, umgeben Strohdach . ) Ebenso plünderten die Türken
von einer 30 ,passus langen und 21/2 hohen Omurs 1343 bei Thessalonich zwei ummauerte ,
Mauer, einen zweiten in seinem Weingarten am von Bauern bewohnte Dörfer, die auch Türme
Ufer der Ombla , 5 ,passus' hoch und 3 breit.³ ) besaßen.7)
Im Kriege mit den Serben 1361 mußten aber In Dalmatien waren die Stadthäuser aus
zahlreiche ragusanische Nobiles ihre , castra' in Stein und Ziegeln drei bis vier Stockwerke
der Umgebung der Stadt niederreißen , damit sie (palmenta , solaria) hoch, dicht aneinander ge-
dem Feind nicht zur Stütze dienen ; dafür erhiel- drängt zu beiden Seiten der engen Gäßchen
ten die Besitzer von der Gemeinde eine Entschä- (via, ruga, serb. ulica) . Der Bau von Holz-
digung. ) Zum Landhaus gehörten Stallungen häusern wurde in Ragusa erst 1370 von der
für die Pferde und Remisen für die Fuhrwerke Gemeinde verboten, die Reste derselben bis 1413
(kola, kolesnica) . Diese Gebäude dienten zum weggeräumt. Übrigens gab es selbst in Venedig
Aufenthalt besonders im Winter und während im 14. Jahrhundert hölzerne Häuser oder

1) Daniel 373-375. A. Aleksić, Ibar od Raške do Karanovca, Godišnjica 3 (1879) 60-62, mit Plan und Ansicht
von Maglič.
2) ,Sdrielo (ždrijelo Engpaß ) sovra la torre de Ivoie.' Liber decenorum Terrarum Novarum 1399 Arch. Rag.
3) Vertrag 11. November 1343 Div. Canc. (Arch . Rag.). Die Größe des ragusanischen ,passus ' des 14. Jahrhunderts
ist nicht bekannt. Rešetar meint, es sei wohl immer so viel gewesen , als ein Mann mit beiden ausgestreckten Händen
reichen kann, also ungefähr 190 Zentimeter. In der letzten Zeit galt der päs in Ragusa, z. B. bei Angaben der Meeres-
tiefe, als identisch mit der österreichischen Klafter, die amtlich bis 1875 im Gebrauch war (gleich 1.8965 Meter).
4) Mon. Rag. 3 , 60, 65 , 67 , 76.
5) Serbisch wörtlich als mit 2-3 ,Dächern ' (krov) übersetzt . Klostergebäude auf dem Athos als , polaty dvokrovnyje
i trikrovnyje', Theodosij bei Pavlović 55.
6) Kantakuzenos I cap . 30.
7) Derselbe III cap. 64 : δύο κώμας τετειχισμένας καὶ πύργους ἐχούσας.
STAAT UND GESELLSCHAFT IM MITTELALTERLICHEN SERBIEN III . 13

wenigstens Dächer aus Holz, gedeckt mit Schilf- der Familie Gondola vom Comes und den Rich-
rohr oder Stroh, sogar in den Klöstern.¹ ) tern von Ragusa ermahnt, ihre ,privatos ' inner-
Steinerne Gebäude des 14. oder 15. Jahr- halb der Häuser anzubringen, damit der Unrat
hunderts, mit Wappen und Inschriften über nicht auf die Straße herausfließe.
dem Tor, kann man noch in den Ruinen der Die Gassen von Ragusa waren unrein, voll
Altstadt von Dulcigno und Antivari, in den Steine, eingeengt durch die vielen frei auf-
engen Gassen von Cattaro und in Ragusa in den steigenden Stein- und Holzstufen vor den Häu-
vom Erdbeben 1667 verschonten Vierteln Pri- sern , die man seit 1330 zu entfernen begann .
jeko und Pustjerna sehen . In Ragusa diente Erst im 14. Jahrhundert ging man daran , alle
das oft gewölbte Erdgeschoß als Wein-, Holz- Straßen, wie in Venedig, mit Ziegeln oder
oder Warenlager (canipa, subterraneum, abge- Steinen zu pflastern . Die Unreinlichkeit wurde
kürzt zu stranium 1282 f. , stragno, jetzt stranj ) . durch die vielen frei herumlaufenden Haustiere
Darüber lag die Küche (coquina) . In die Stock- 1 vermehrt. In Venedig hat man diesen Unfug
werke führten Treppen (scala) aus Holz oder 1409 durch rücksichtslose Konfiskation der die
Stein hinauf, eingesäumt von einem Geländer Gassen unsicher machenden Schweine abge-
mit kleinen Säulen . Auf der Außenseite befand schafft. In Ragusa wurde 1418 öffentlich ver-
sich auf der Fassade im oberen Stockwerk oft kündet, daß die Schweine daheim eingesperrt
eine überdachte Galerie, bis sie spätere Bau- werden sollen ; die im Freien sich herumtreiben-
gesetze abschafften ; das war das hölzerne oder den dürfe fortan jedermann ungestraft töten
steinerne, mit Ziegeln gedeckte gaifum in Ra- und wegtragen. Die Verbindungen innerhalb
gusa, bekannt auch in den Städten Apuliens , der Stadt erleichterten die vielen, wie heute
das hölzerne vadrile in Cattaro²) oder die ein- noch in Amalfi, unter den Häusern durch-
fache offene altana, in welcher man auch. gehenden Bogengänge (archivoltus, volta, porti-
Blumen aufzustellen pflegte. Ein Erker war cale, slav . klobučina) , in deren geheimnisvollem
die balconata der Ragusaner, gestützt auf Dunkel sich bei Tag und Nacht nicht selten
steinerne , Sporne' (calcaria) oder Zähne (den- Szenen von Liebe oder Haß abspielten.
tes ) , mit zwei oder drei Säulen und einem Spitz- Das wenigste wissen wir über das Bauern-
bogenfenster nach der auch in Venedig be- haus. Im Gebiete von Ragusa standen die Häu-
liebten , sarazenischen Art.³ ) In großen Ge- ser, wie aus den Gerichtsbüchern zu sehen ist,
bäuden umgab eine Galerie (andaviene 1388 ) zwischen Wein- und Obstgärten weit voneinan-
auch den Haushof (curia domus), mit einer der zerstreut . Holzhäuser mit Strohdach werden
Brüstung aus niederen Säulen (parapetum cum noch 1306 in den Weingärten des Tales von
colonellis ) . Die Fenster waren teils viereckig , Zonchetto erwähnt. Aus militärischen Rück-
teils Bogenfenster ; eine Art kleiner Öffnungen 1 sichten war der Bau von festgemauerten Dorf-
mit , Ohren (cum auriculis ) nannte man in Ra- häusern nicht gestattet. Nach der Besitznahme
gusa slavisch grbavica, das Buckelfenster' von Canali durch die Ragusaner durfte dort
(gerbavica 1372 f. ) . Die verschließbaren Fenster- jedermann ein Haus aus unbehauenen , ohne
läden waren meist aus Holz ; im 15. Jahrhundert Verputz zusammengelegten Steinen (domus de
begann man Fensterglas in Ragusa selbst zu macerie) mit Ziegeldach, nur inwendig mit Kalk
machen . Im Hauptsaal, mit Bänken längs der gestrichen bauen, Häuser aus Mauerwerk mit
Wand ringsherum umgeben, war die Decke oft Kalk (domus de muro et calce) aber nur die
als blauer Himmelsgrund gemalt, besetzt mit Republik allein . Der Grundriß war, wie an den
vergoldeten Sternen . Der Abort (privatum ) Ruinen zu sehen ist, stets quadratisch.
mußte unter der Erde angebracht sein . * ) Früher Den Mittelpunkt des Hauses bildete, be-
war er mitunter in einem hölzernen Balkon sonders im Winter, der Herd (ognište ) .5) In
(gaifum) an der Vorderseite des Hauses unter- der Krankenstube des Klosters von Studenica.
gebracht. Noch 1321 wurden zwei Mitglieder wird im Typikon eine große tragbare kupferne

1) Cecchetti, La vita dei Veneziani nel 1300, Archivio veneto 27 (1884 ) 21 f.


2).Vgl. meine Rom. Dalm. 1 , 93.
3) Fenestra saracinescha cum listis et balconçellis 1334, balconata saracenica 1371 usw. Div . Rag .
4) Statut von Ragusa VIII cap . 57 , § 17 : , et illos privatus faciant sub terra, ita quod inmundicia non discurrat in
predictis viis'.
5) Über das altslav. Haus ausführlich Niederle a. a. O. 1 , 705 f.
14 II. ABHANDLUNG: CONSTANTIN JIREČEK.

Wärmepfanne erwähnt (arula) , wahrscheinlich sein Neffe Herzog Stephan in Ragusa deponier-
mit Holzkohlen gefüllt, von einer Art, deren ten . Das gewöhnliche Geschirr war aus Holz.
Nachkommen in ganz Südeuropa noch fortleben . In Ragusa gab es bemalte Holzschüsseln (ligneas
Am Herd hing der meist kupferne Kessel (kotül , lances pictas ) und hölzerne Teller (taglerios ) ,
lat. caldaria) , befestigt auf eisernen Ketten, den die auch der Comes von Canali 1422 in seinem
,camastre der Dalmatiner.¹) Dabei stand das Haushalt hatte. Daneben besaß man Schüsseln
Küchengeschirr : Töpfe und Pfannen , Gefäße und Schalen aus Zinn (stagnum) . Das vor-
aus Stein, Ton, Bronze und Kupfer, hölzerne nehmste war aber Silbergeschirr aller Größen,
Eimer mit eisernen Reifen (vjedra, vjedrica , das seltenste ein Service aus Gold. In Gold-
lat. galeta ) usw.2) Von der Hauseinrichtung und Silbergefäßen erhielt, wie Metochites er-
waren in den Häusern der vornehmen Ragu- zählt, die byzantinische Gesandtschaft bei König
saner und Cattarenser des 14. Jahrhunderts die Uroš II. täglich Speisen nud Getränke von der
Schränke (armarium) und die Bettstelle (lec- königlichen Tafel. Auch die Salzfässer (slanica,
tica) schon bei dem Bau errichtet und wahr- salserii ) waren bei den ärmeren Leuten aus
scheinlich unbeweglich, die Schränke in die Zinn, bei den Reichen aus Silber. Man aß mit
Wand eingelassen, das Bett in einer Art Alkove Löffeln (lbžica, ožica , žlica) aus Holz oder
aufgestellt. Beweglich waren die Tische, an Silber, mitunter vergoldet, und mit Gabeln
denen man bei den Gastmählern des Königs, (pirun , von griech. pov ) , die im Hause des
den Kirchweihfesten der Klöster oder im Speise- Herzogs Stephan Vukčić aus Korallen mit
saal der Mönche speiste, die trapeza oder trpe- Silber oder aus Kristall waren. Die Messer
za ( panela ) der Serben . In Ragusa gehörte der mit beinernen Griffen waren bei den Vornehmen
Tisch (mensa) im 13. Jahrhundert zur Mitgift auch versilbert oder vergoldet.
der Frau. Er fehlte auch nicht im ragusanischen Die Trinkgefäße waren aus Glas (cbkljeni-
Dorfhause (,tabula pro comedendo' 1451 an der ca) , aus Holz, wie ein hölzerner roter Becher
Ombla) . Dabei saß man auf Stühlen (stol, (čaša) des Herzogs Stephan mit Silberschmuck,
xa0pz) verschiedener Größe, wobei Stephan Du- aus Zinn, wie ein Pokal (bocale de stagno) des
šan dem Kantakuzenos als seinem Gast die Königs Vladislav, im 14. Jahrhundert aber bei
höchsten zuwies, oder auf Dreifüßen (tripedes) den serbischen Edelleuten und den ragusani-
und Bänken (banca , scamna ) . Die Tafel war schen Kaufherren meist aus Silber. Die besseren
mit Tischtüchern bedeckt (tovalia, mensalia) , Stücke waren vergoldet oder ganz aus Gold, wie
welche z . B. in dem Deposit der Bjeloslava, bei Vlk Branković,") Despot Georg oder dem
Witwe des Königs Vladislav und ihres Sohnes Vojvoden Sandalj , mitunter mit Edelsteinen
Desa genannt werden (toalie pro tabulis) . " ) In besetzt . Im Kloster Morača in Montenegro wird
.
Ragusa waren sie mitunter bunt gestickt. Es in unseren Tagen der Becher des Stifters (1252 ) ,
gab auch Servietten (tovalia parva de manu ). des Knez Stephan, eines Sohnes des Königs
Das Tafelgeschirr war von sehr verschiede- Vlkan und Enkels des Nemanja, gezeigt . Es
ner Art. Einfach war im 13. Jahrhundert das ist ein großes Ochsenhorn, kunstvoll herge-
des Königs Vladislav, wenn wir es mit den In- richtet und mit Silber beschlagen. Am Feier-
ventaren der Schätze vergleichen , welche im tage (slava) des Klosters trinkt man noch all-
15. Jahrhundert die Fürstin Rugina von Va- jährlich daraus zur Ehre Gottes (u slavu
lona, der serbische Despot Georg und die bosni- božiju) . ) Die Formen der Trinkbecher waren
schen Magnaten , der Großvojvode Sandalj und sehr verschieden , auf einem " Fuß oder einer

1 ) Camastrae Ketten des Kessels über dem Feuer, belegt seit 999 in Dalmatien und Apulien , jetzt in Dalmatien
komostre , bekannt auch in Albanien und Unteritalien. Miklosich dachte an zpqµástpa, Bartoli erwähnt das Wort aber
als ,dunklen Ursprungs' . Jireček, Die Romanen Dal:. 1 , 89 (Denkschr. W. Ak. Bd. 48 ) ; Bartoli, Das Dalmatische (Wien
1906 , Balkankommission ) 1 , 235 , 272 ; 2 , 242 , 251 , 266.
2 ) Ein irdener Topf mit Silbermünzen Stephan Dušans, gefunden bei Požarevac : Starinar, N. S. 1 ( 1906) 55 mit Abb.
³ ) Urk. 1281 : Rad 1 ( 1867 ) 137 und Smičiklas, Cod. dipl. 6 , 391 .
* ) Vgl. F. Lilek, Die Schatzkammer der Familie Hranići (Kosača ) , Wiss . Mitt. aus Bosnien 2 ( 1894 ) 125–151 .
5) Am 23. Jänner 1395 deponiert Čelnik Smil als Gesandter des dominus Volchus Branchovich , unum naffum de
auro, qui ponderat libras quinque et unzias quatuor cum dimidia ' , Div. Rag. 1391-1396 Arch. Rag. In dem Brief der
Ragusaner an Vlk Branković und seine Familie heißt es jednu čašu zlatu, koja teži pet litыr i četiri ungije i pol' , Spo-
menik 11 , 40-41 .
6) Archimandrit Dučić im Glasnik 43 ( 1876 ) 61. Rovinskij im Sbornik russ. Akademie 86 ( 1909 ) 105 .
STAAT UND GESELLSCHAFT IM MITTELALTERLICHEN SERBIEN III. 15

,Säule stehend oder mit breitem Grund, mit hause, sondern auch in den Klöstern und sogar
oder ohne Henkel (ručica, držci ) und Deckel (po- in den vornehmen Häusern von Ragusa, wo
krivač, poklopac) . Man nannte sie čaša, kupa, noch im 15. Jahrhundert Edelfrauen und Dienst-
in Bosnien pehar (aus dem deutschen Becher ) , boten abends mit dem brennenden Span in der
lat. cuppa, naffus, ciffus, tacia. Einheimischem Hand die Treppen auf- und abstiegen . In Ra-
Geschmack entsprachen eine nappa sclavica' gusa durfte niemand bei Nacht ohne Licht auf
( 1417 ) oder pechari (tacie ) ad modum Bos- die Gasse ; dazu dienten kleine Laternen (lan-
nensium (1467 ) . Dazu gehörten große silberne terna, ferale, noch jetzt ferao, Gen. ferala , oder
oder vergoldete Kannen (kondijer ) und Krüge Diminutiv feralić) . Im Dorfe vertrat sie neben
(krugla) mit Deckeln, bekannt aus den Inven- dem Kienspan mitunter auch eine Handvoll
taren des 15. Jahrhunderts. Zum Reisegeschirr brennendes Heu (fenum accensum) .
gehörte wohl die slavische eiserne Flasche' Ein Bett (odar) wird in dem Hause des
(uno fiascho de ferro schiavonescho) , die 1454 in Königs, der Adeligen, der Bauern stets ge-
Ragusa erwähnt wird. nannt, mit weichem Bettzeug (postelja) , welches
Wände, Türen und Fußboden des vornehmen aber oft nur für die Nacht auf dem Boden aus-
Hauses waren mit farbigen Teppichen bedeckt. gebreitet wurde, wie noch jetzt im serbischen
Im Deposit der Familie des Königs Vladislav oder bulgarischen Bauernhause. Dlugosz er-
gab es zwei Gardinen von Leinwand, geziert wähnt, daß die alten Polen auf dem Boden
mit Seidenstickerei (cortine due de drapo lineo , schliefen.4 ) Einst schlief auch der Kaiser
operate cum seta ) und einen Vorhang gegen die Nikephoros Phokas im Palast von Konstanti-
Sonne aus weißer Baumwolle (copertura pro nopel auf dem Fußboden, nur auf einem
facienda umbra ) .¹ ) Metochites fand das Haus Pardelfell und einer Purpurdecke.5) Johannes
des Königs Stephan Uroš II. mit seidenen und von Ravenna, welcher 1384-1387 Kanzler von
goldgestickten Teppichen glänzend eingerich- Ragusa war, erzählt in einem seiner Briefe,
tet.2) Im Bauernhause traten an ihre Stelle daß die Ragusaner nachts in Kleidern (dormi-
einfache grobe Decken . Der kostbare Hausrat tant ac vestiti quidem ) auf dem Boden schlafen
wurde in Truhen und Säcken verwahrt . Die (solo passim cubant) , auf Teppichen oder Filz-
Frau eines byzantinischen Protovestiars in Ma- decken, die mit wenigen Leintüchern bedeckt
kedonien hatte ihre Habe in zwei Truhen und mit Tierhäuten unterlegt waren ; der
( 2:3ózz ) verborgen : goldene Gefäße und Gürtel , empfindliche Schüler Petrarcas vermißte für
Frauenschmuck und ein Bronzegefäß mit 12.000 seine müden Glieder besonders den Strohsack
Goldmünzen.³) Das Deposit der Familie des (palearum usus) . " ) Indessen wird bei den No-
Königs Vladislav war in fünf Truhen (capsae, biles der Stadt schon 1283 ein Holzbett er-
capsellae) verschlossen . In Serbien verwahrte wähnt (lectum de ligno) , seit 1340 verschieden-
man im Hause des Königs ebenso gut wie in artige Bettgestelle : umgeben von Bänken (cum
dem des Bauern und Hirten das meiste in banchetis) , oder überragt von einem gemalten ,
Säcken (sakul, lat. sachus, saccus ) . Erwähnt. teilweise vergoldeten Himmelbett (celum a lecto,
werden Säcke nach bulgarischer Art (sachus | celum lectice) , oder eingerichtet als ein ,Bett-
bolgareschus 1354 ) und große bunte wlachische käfig (chabia oder ghaiba lecti ) , davor als Vor-
Säcke (saccus Vlacorum magnus pictus 1416 ) . hang weiße Gardinen (cortina a lecto) mit roten
Beleuchtet wurde das vornehme Haus durch Tressen . Alt war der Gebrauch von Feder-
Wachskerzen, aufgestellt in Leuchtern (svješt- pölstern aus Seide oder anderen weißen oder
nik, svjećnik ) aus Eisen oder Silber oder, wie grünen Stoffen (uzglavica, lat. capitale, pluma-
es in Ragusa erwähnt wird, in Laternen aus sium, guançale, tugulela) . Man ruhte auch auf
Bronze oder Eisen (lucerna in camara) . Das ge- einem Unterbett mit Federn (perniça, cultra,
I
wöhnlichste Beleuchtungsmittel war aber der coltreta de perinis, culcitra de pennis ) , oft von
Kienspan (luč, lat. taeda) , nicht nur im Bauern- | blauer Baumwolle, bedeckt mit einem Leintuch

1) Urk. 1281 : Rad 1 , 137 - Smičiklas, Cod. dipl. 6 p. 391.


2) Επίπλοις τε ἅπας ὁ δόμος ἀστράπτων σηρικοῖς τε καὶ χρυσιπάστοις . Sathas, Bibl. graeca 1 , 173.
3) Kantakuzenos I cap. 55 .
4) Niederle 1 , 872.
5) Leon Diakonos V cap. 6.
6) Abgedruckt bei Rački, Rad 74 ( 1885 ) 170 .
16 II. ABHANDLUNG : CONSTANTIN JIREČEK.

(lençolum) . Die Bettdecken (copertorium ) aus den König Ladislaus von Neapel in Zara be-
blauer oder gelber Leinwand oder aus Tuch grüßten, voran den Magnaten Hrvoje, als
waren für den Winter mit Pelz gefüttert, mit Männer, welche durch körperlichen Wuchs alle
Lammfell, Marder- oder Fuchspelz. Erst im anderen Menschen überragten.³ ) Über Haar-
15. Jahrhundert liest man in Ragusa von einem
. und Hautfarbe wissen wir aus dem Mittelalter
Strohsack (slamnica) oder von Matratzen (ma- nur wenig. Neben dem überwiegenden braunen
Waschbecken (rukomija , bačin ) wa-
taraçium) . und schwarzen Haar gibt es heute noch blonde
ren im Hause der Fürsten aus Silber.¹ ) Spiegel Leute, auch an der adriatischen Küste und in
(specula) zur Toilette erscheinen im Deposit des Albanien und Makedonien . Die slavischen Ein-
Königs Vladislav. Die Kämme (greben ) waren. wanderer waren im 6. und 7. Jahrhundert nach
aus Holz, wie ,unum pecten de ligno novum' , das dem Zeugnis der griechischen Schriftsteller vor-
1285 die Leute des Župan Tvrtko von Popovo wiegend von heller Komplexion , während jetzt
einem Ragusaner wegnahmen, oder aus Bein, nach zwölf Jahrhunderten , wahrscheinlich in-
im besten Falle aus Elfenbein (de elefanto folge der anhaltenden Mischung mit fremden
1450 ).2) Elementen, die Serben meist dunkler Kom-
Wie das Innere des Bauernhauses aussah, plexion sind.4 ) Ein alter Bericht schildert den
wird nicht näher beschrieben. Die Inventare hl. Erzbischof Sava in der Jugend als Jüngling
bei Räubereien und Bränden in der Landschaft mit goldschimmerndem' Haar.5) Das dichteri-
von Ragusa aus dem 13. - 14. Jahrhundert zählen. sche Ideal war goldblond, wie im klassischen
den Hausrat auf: Vorräte von Getreide, Mehl , Altertum . In Ragusa besangen die Lyriker
Früchten , Käse, Butter und Honig, daneben Držić und Menčetić am Ende des 15. Jahr-
Waffen, Kleider, Küchengeschirr, Handmühlen , hunderts das blonde Haar (rusa kosa ) und die
landwirtschaftliche Geräte wie Karste, Schau- goldenen Haarflechten (dva prama od zlata, dva
feln, Äxte oder Winzermesser (kosijer) , Holz- tanka pramena zlatom su predena ) der schönen
eimer, Fässer, endlich Säcke und Schläuche aus Ragusanerinnen mit weißem Antlitz, rosigen
Bockshäuten zur Aufbewahrung von Wein, Wangen und überaus weißen Händen . Auch
Honig, Butter oder Milch. der Held und die Heldin des byzantinischen
Alte Fresken und Beschreibungen zeigen Epos Digenis Akritas haben blondes Haar
uns die Serben und Serbinnen als schöne, hoch- ( x0 ), das seltener war und deshalb mehr An-
gewachsene Leute mit regelmäßigen Gesichts- sehen genoß.
zügen. Im Gegensatz zu den Bulgaren, welche Aber nicht alle Leute waren schön . Opfer
eine Mischung von Slaven mit alttürkischen der Justiz waren Männer ohne Hand, ohne
Völkern, den Urbulgaren und Kumanen waren, Nase, ohne Ohr, mit geblendetem Auge, mit
blieben die Serben ein indogermanisches Volk, Brandmalen im Gesicht oder mit abgesengtem
Slaven, vermengt mit Illyriern und Romanen. Haar und Bart. Andere waren entstellt durch
An physischem Wuchs ist heute noch der Bos- Krankheiten . Ein weit verbreitetes Übel war
nier höher als der Serbe . Ein Florentiner be- die unheilbare Lepra (altserb . prokaza) . Kaiser
zeichnet die bosnischen Edelleute, welche 1403 Johannes Tzimiskes ließ vor seinem Tode (976 )

¹ ) In den Küstenstädten hat sich aus dem klassischen Altertum der Gebrauch der Nachtgeschirre erhalten , deren
Inhalt von den schönen Dalmatinerinnen oft auf unbequeme Nachtwandler aus den Fenstern ausgegossen wurde . Schon
1285 klagten vor dem Gericht von Ragusa ein Kleriker und ein Faßbindermeister (botarius), eine Bürgersfrau habe aus
einem , urceus plenus pisaço ihre Kleider mit einem Guß von der Höhe , gebadet . Ein Zeuge stand entfernt, ,tamen sensi
puçam et inveni guarnaçonum magistri Pascalis balneatum pisaço '. Jetzt in Ragusa vrč (aus urceus) .
2 ) Über altslavische Kämme Niederle, Život 1 , 143 f. mit Tafel III ( Funde aus dem früheren Mittelalter) .
3) , Chervoia, magnus dominus potentia, corpore non minor . . . et nobiles plures, qui omnes de regno Bosne sunt,
homines supra quoscumque viderim corpore excellentes. Brief des Kanzlers Matheus de Sancto Miniato bei Rački, Rad 4
(1868 ) 60 Anm . und Makušev, Monumenta historica Slavorum meridionalium e tabulariis et bibliothecis italicis 1 (Varso-
viae 1874) 429.
4 ) Darüber Dr. N. Županić, Sistem istorijske antropologije balkanskih naroda ( System der historischen Anthropologie
der Balkanvölker) , Starinar, N. S. 3 ( 1908 ) 53 , 66. Nach seiner Ansicht waren auch die antiken Illyrier und Hellenen von
heller Farbe. Über diese anthropologischen Streitfragen Niederle , Život starých Slovanuv ( Leben der alten Slaven ) 1 , 1
(Prag 1911 ) 55-58 . Eine kartographische Darstellung der dunkeln , hellen und gemischten Rasse unter den Albanesen im
Vilajet von Skutari gibt Dr. Franz Baron Nopesa in den Wiss . Mitt. aus Bosnien 12 ( 1912) 252 ; vgl. eb. 240 f.
5) Zlatozarnyje vlasy, Theodosij bei Pavlović 28.
STAAT UND GESELLSCHAFT IM MITTELALTERLICHEN SERBIEN III. 17

die Leprosen in
in Konstantinopel vor allen wlachischen Hirtengemeinden , die romanischen
anderen Armen beschenken.¹ ) Während der und griechischen Stadtbürger und die sächsi-
Kreuzzüge verbreitete sich die Krankheit in schen Bergleute vertrugen sich untereinander
ganz Europa. In den Balkanländern gab es im ganz gut. Auch unter den Vlastelinen und
späteren Mittelalter Leprosen (prokaženi ) über- Vlasteličići gab es Nichtserben , griechische
all , sowohl an der Küste, als im Binnenlande . Archonten und Edelleute romanischen (dalma-
Der französische Bischof Louis de Rochechouart tinischen) , wlachischen (rumänischen ) und al-
sah 1461 in Zara , infinitos leprosos'.2) In Ra- banesischen Ursprunges. Eher gab es einen
gusa wohnten die Leprosen , von weitem an kirchlichen Gegensatz zwischen den Orthodoxen
ihren weißen Kleidern kenntlich, ganz isoliert. und den Lateinern. Der verschiedene Charakter
in Hütten auf dem Abhang vor dem östlichen der Völker wird aber in der Literatur be-
Tor und durften nicht in die Stadt kommen. sprochen. Eine einheimische Völkertafel teilt
Noch im 15. Jahrhundert errichtete man eigene die 72 Nationen der Welt nach den Religionen
Behausungen für solche Kranke in Stagno und in drei Gruppen : die , rechtgläubigen ' (pravo-
Canali . In Cattaro befanden sich ihre Häuser vêrni ) , zu denen die Griechen , die Slaven der
vor der Porta Surana, unter der Obsorge der orientalischen Kirche, die Georgier und die
,procuratores leprosorum'. In Serbien hat schon Syrer gerechnet werden , die halbgläubigen'
Nemanja die Aussätzigen reich beschenkt. Spä- (poluvêrni) , zu denen die Armenier, Ungarn ,
ter sammelten sich bei König Stephan Uroš II . Franken (Fruzi ) , Deutsche (Nêmci) , Sachsen
Milutin Krüppel und Aussätzige aus ganz (Sasi) , Kroaten (Chrovati) , Čechen (Česi ) und
Serbien und den umliegenden Ländern , um die Polen (Lesi ) gehören, und die Ungläubigen'
Wohltaten des Königs zu genießen . König (nevêrni ) , die Juden , Türken und Sarazenen.4)
Uroš III. errichtete in der Umgebung des Naiv ist eine Völkertafel, welche die einzelnen
Klosters Dečani ein von einem königlichen Ver- Nationen mit Tieren vergleicht. Der Grieche
walter geleitetes Asyl, in welchem er die Kran- ist ein Fuchs, der Bulgare ein Stier (byk) , der
ken mit ,verfaultem Antlitz' und abfallendem Russe eine Fischotter, der Litauer ein Auer-
Fleisch sammelte, verpflegte und persönlich be- ochs (tur) , der Ungar ein Luchs, der Wlache
suchte. Auch der Despot Stephan Lazarević eine Katze (kotka) , der Albanese ein Biber, der
unterstüzte die Aussätzigen ; als dies bekannt Chunavier (aus der Landschaft Chunavia bei
wurde, kamen selbst aus dem Küstenland und Durazzo) ein Hase, der Serbe ein Wolf, der
aus Bulgarien große Scharen dieser Unglück- Kroate eine Eule, der Sachse ein Hengst (pa-
lichen nach Serbien, ließen sich aber solche stuch) , der , Alamanne' (Deutsche ) ein Adler, der
Übergriffe zu Schulden kommen, daß man sie Franke ein Löwe. Von ferneren Völkern ist der
aus dem Lande vertreiben mußte.3) Die Herr- Jude ein Dachs, der Armenier eine Eidechse,
scherfamilien blieben von dem furchtbaren Übel der Georgier ( Iberer ) ein Widder, der Ossete
nicht frei . Bekannt ist die Geschichte des un- (Jasin ) ein Hirsch, der Tscherkesse (Čerkes)
glücklichen Königs Balduin IV. von Jerusalem ein Büffel , der Tatare ein Windhund, der Ku-
(† 1184) . An Elephantiasis litt nach Chalkondy- mane ein Leopard (pardus ) , der Türke eine
les der letzte griechische Dynast von Thessalo- Schlange (zmija ) , der Sarazene ein Eber.5)
nich, der Despot Andronikos Palaiologos , der Nachklänge der feindlichen Stimmung
dann im Kloster als Mönch Akakios starb gegen das byzantinische Kaisertum, welche in
(† 1429 ) . Die Fürsten Serbiens, insgesamt der Biographie des Nemanja, verfaßt von seinem
kräftige und schöne Leute, hatten das Glück , Sohne König Stephan, klar hervortritt, trifft
von solchen Heimsuchungen verschont zu man noch bei Daniel ; er berichtet, wie Kaiser
bleiben. Michael Palaiologos den König Uroš II . zu
Nationale Gegensätze gab es im mittelalter- seinem gehorsamen Knecht' haben wollte. " ) Die
lichen Serbien nicht. Die albanesischen und Griechen schreiben von den Serben mit An-

1) Μάλιστα τοῖς λελωβημένοις καὶ βεβρωμένα τῇ ἱερᾷ νόσῳ τὰ σώματα περιφέρουσιν. Leon Diakonos X, cap . 11 .
2) Reise des Rochechouart in der Revue de l'Orient latin (1893) 228.
3) Domentian 29. Daniel 139. Camblak über Dečani Glasnik 11 , 75. Konstantin der Philosoph ib. 42 , 310.
4) Šafařík, Sebrané spisy 2 , 733. Ljubomir Stojanović im Glasnik 63 ( 1885 ) 8 , 61 .
5) Šafařík a. a. O. Über die Handschrift in Karlowitz ( aus den 16. Jahrhundert) Daničić, Starine 2 , 261. Eine neue
Ausgabe mit Benützung zahlreicher Handschriften wird vorbereitet von Jacimirskij in Petersburg. 6) Daniel 107.
Denkschriften der phil . -hist. Kl. 58. Bd . 2. Abh. 3
18 II. ABHANDLUNG : CONSTANTIN JIREČEK.

erkennung ihrer Frömmigkeit und Tapferkeit, verschiedne Faktoren zusammen : der Ruhm des
aber auch mit Hervorhebung ihrer Habsucht altehrwürdigen Konstantinopler Reiches, dessen
und Wankelmütigkeit. Ein Haß gegen die Krone Stephan Dušan sich aufs Haupt setzen
Serben ist erst nach den Eroberungen des ließ, die vielen von den Serben übernommenen
Stephan Dušan in der Stadtchronik von Janina Institutionen des byzantinischen Staates und
von Proklos und Komnenos zu bemerken . die zahlreichen Heiraten mit Griechinnen . Die
Italien und ganz Westeuropa war den Serben serbische Regierungsgesellschaft war im Süden
das Land jenseits des Meeres ' , das zamorje. unter Stephan Dušan schon in der ersten
Die ,Lateiner' von Dalmatien und Italien galten Generation auf dem besten Wege, sich zu gräzi-
bei ihnen als schlaue, aber kenntnisreiche Leute, sieren. Der Despot Johannes von Valona, ein
bewandert in Schiffahrt und Handel. Von den Bulgare, Schwager des Stephan Dušan, unter-
Abendländern ist den Serben freundlich der schrieb sich ( 1350 ) auf zwei serbischen Urkunden
dem Bosone da Gubbio zugeschriebene italieni- nur griechisch. Von Dušans Halbbruder Symeon ,
sche Ritterroman , Fortunatus Siculus' (s . oben 1, der später in Thessalien residierte, gibt es bloß
80) , die venezianischen Chronisten , voran der griechische Urkunden . In Makedonien fand
spätere Doge Andreas Dandolo, und im 15. Jahr- man in unseren Tagen neben slavischen auch
hundert der burgundische Ritter Bertrandon de zahlreiche griechische Inschriften der serbi-
la Brocquière ; unfreundlich, teilweise unter dem schen Edelleute dieser Zeit : des Bojko und
Einfluß des kirchlichen Gegensatzes, schreiben seiner Frau Eudokia auf einer Insel des Sees
über Serbien im 14. Jahrhundert der Erzbischof von Prespa ( 1345 ) , des Despoten Johannes
Guillaume Adam , Philipp de Mezières und Oliver in Lesnovo ( 1349 ) , des Kesar Gregor
Johannes von Ravenna . Branković an den Ufern des Sees von Ochrid
Fremde Einflüsse sind besonders an den (1361 ) , des Kesar Novak und seiner Frau Kali
Fremdwörtern zu bemerken. Diese scheiden (K ) in Prespa ( 1369) .3) Ähnliche Erschei-
sich in zwei große Gruppen : die durch den nungen sind bei den Franken in Hellas zu be-
Handelsverkehr verbreiteten romanischen (ita- merken, z. B. bei den venezianischen Nobili auf
lienischen und dalmatinischen ) und die beson- Kreta. Die Orsini von Kephallenia, italienische
ders durch kirchliche Verhältnisse eingebürger- Dynasten, haben sich als Despoten von Epirus
ten griechischen Wörter. Der Glanz der alten. rasch in Griechen verwandelt. Heute noch gibt
byzantinischen Kultur wirkte im 13. - 15 . Jahr- es Spuren des mittelgriechischen Einflusses in
hundert trotz des politischen Verfalles des der lebenden serbischen Sprache. *)
Konstantinopler Kaisertums unvermindert auf Im Äußeren sah der Mann bei den Orien-
die Völker der Halbinsel. Die geistige Über- talen und Occidentalen ganz verschieden aus.
legenheit der Griechen wurde gerne anerkannt. Die Abendländer waren glatt rasiert und ge-
In der serbischen Übersetzung des Nomokanon schoren ; die Orientalen trugen lange Bärte und
aus dem 13. Jahrhundert heißt es, das Buch sei Haare, nicht nur die Griechen , die Serben , die
bisher ,verdunkelt gewesen durch die Wolke der Rumänen der Walachei, wie sie Schiltberger
Weisheit der hellenischen Sprache.¹ ) In der schildert, sondern auch die Ragusaner, wie es
von Erzbischof Daniel II. an die Kathedrale Johannes von Ravenna mit Verwunderung ver-
von Peć angebauten Muttergotteskirche hielten zeichnet. Aufsehen erregte es in Konstantinopel ,
von ihm berufene griechische Mönche den als Theodor, Sohn des Kaisers Andronikos II. ,
Gottesdienst nach dem Wunsche des Stifters sich als Erbe der Markgrafschaft von Mont-
in griechischer Sprache ab.2) Verstärkt wurde. ferrat in Piemont (1305 ) nach lateinischer Art
der griechische Einfluß durch die großen Er- den Bart abnehmen ließ.5) Ebenso war langes
oberungen im Süden seit 1282. Dabei wirkten. Haar und Bart im mittelalterlichen Rußland

1) Stojanović, Zapisi Nr. 19, 38, 5543.


2) Daniel 369.
3 ) Vgl . meine Bemerkungen in der Byz. Z. 13 ( 1904) 196.
* ) Z. B. seit dem Gesetzbuch des Stephan Dušan pedevsati , pedepsati strafen ( neuserb. sich plagen ) aus dem Aorist
ènaidevσa von лatoców . Über das Vorherrschen der Aoristformen in den griechischen Fremdwörtern des Serbischen , Bul-
garischen, Rumänischen , Albanesischen vgl . Miklosich, Albanische Forschungen III ( Denkschr. W. Akad. Bd. 20 ) 317 f. So
noch neuserbisch telegrafisati telegraphieren.
5) Nikephoros Gregoras VII cap . 5 , § 10.
STAAT UND GESELLSCHAFT IM MITTELALTERLICHEN SERBIEN III. 19

und in Böhmen landesüblich . Eine Folge dieser Doch haben in Ragusa bald nach der Zeit des
Sitte ist es, daß im altserbischen Gesetzbuch, Johannes neue Moden aus Italien in großem
ebenso wie in den Gerichtsbüchern von Ragusa Umfang Eingang gefunden . Viel konservativer
bei allen Schlägereien so viel vom Ausraufen waren die Bergbewohner des Westens . Von
des Bartes die Rede ist. Der Mann, dem der fremden Kleidern hatte sich am serbischen Hofe
Bartwuchs von Natur aus versagt war, wurde und unter dem Adel Serbiens das byzantinische
bei Griechen und Serben verspottet und gering- Paradegewand eingebürgert, die lange, kaftan-
geschätzt, der weiberähnliche span ( navós). artige, oft goldgestickte und mit Perlen ge-
Von der Aufnahme in die Athosklöster waren schmückte svita.
schon 972 Kinder, Bartlose und Eunuchen aus- Die großen Herren waren gekleidet in teuere
geschlossen . Bei einer Verfolgung der , Spani' griechische, italienische oder flandrische Ge-
um 1263 mußte auch ein bartloser Serbe, Theo- webe, in Scharlach (skrlat ) , Samt und Seide,
dor der Grammatiker, ein fleißiger Abschreiber entweder leichte Seidenzeuge (çendato) oder mit
von Handschriften , den Heiligen Berg ver- Gold durchwirkte damaszierte schwere Seiden-
lassen.¹ ) In Verbindung damit steht der tiefe stoffe orientalischer Art (camocato) . Von
Haß aller nördlichen Völker gegen die bart- Kleiderordnungen oder Luxusgesetzen ist in
losen Eunuchen des byzantinischen Reiches, Serbien keine Spur vorhanden ; auch in den
denen man bodenlose Bosheit zuschrieb . Schon Küstenstädten liest man in dieser Periode
in der Periode der Völkerwanderungen liest höchstens von einer Beschränkung der Mitgift.
man in den lateinischen Chroniken feindselige Die kleinen Leute trugen, wie heute noch, grobe
Bemerkungen über die ,spadones des kaiser- haarige Wollstoffe, Erzeugnisse der einheimi-
lichen Hofes . Symeon von Bulgarien beschul- schen Hausindustrie. Es war das weiße oder
digte in seinen Briefen an den Patriarchen graue sukno (lat. sochena ) , im Küstenlande
Nikolaos Mystikos die Eunuchen des Konstanti- rassia (rascia) genannt.3) Abarten davon
nopler Hofes als Urheber aller Feindschaft waren die schwarze, für Kleider und Mäntel
zwischen Bulgarien und Byzanz.2) Im 10. und bestimmte mrčina (merçina ) und die im
11. Jahrhundert gab es viele einflußreiche Eunu- Küstenlande im 14. - 15 . Jahrhundert zu
chen nicht nur unter den Staatsmännern von Frauenkleidern verwendete blaue modrina ,4)
Byzanz, sondern auch unter den Feldherren , beide heute noch bekannt. Eine kotzenartige
wie z. B. Georgios Provatás, welcher von dem weißgraue Art, die sclavina der Ragusaner
serbischen Fürsten Stephan Vojslav ( 1040) in (sclavina pilosa ) , auch als Mantel getragen und
den Bergen von Montenegro geschlagen wurde. zur Einhüllung der Tuchballen bei Waren trans-
Noch Pachymeres erzählt, wie sich der serbische porten verwendet, wurde auch in Westeuropa
König Stephan Uroš I. über die Eunuchen im als slavisches Erzeugnis bekannt. Mäntel aus
Gefolge der byzantinischen Prinzessinnen lustig groben Wollstoffen hießen im Mittelalter deutsch
machte. slavenie, französisch esclavine, wie denn
In der Kleidung waren vorherrschend Trach- italienisch schiavina noch immer eine grobe
ten einheimischer Art, von denen manche gegen- Decke oder ein Eremitengewand bedeutet.5) In
wärtig unverändert fortleben. Den konservati- Ragusa unterschied man eine wlachische, grie-
ven Sinn der Ragusaner, welche bei ihrer alten chische und ungarische Art : schiavina moro-
Tracht bleiben, obwohl sie so viel in der Welt vlascha, vlachesca, greca , hongara.
herumreisen, schildert Johannes von Ravenna. Die Farbe der Kleider war vorwiegend die

1 ) Typikon des Kaisers Johannes Tzimiskes bei Ph . Meyer, Die Haupturkunden für die Geschichte der Athosklöster
(Leipzig 1894) 33, 147. Epilog Theodors bei Stojanović, Zapisi 1 Nr. 21 ; vgl. Vulović, Godišnjica 7 ( 1885) 95. Die byzan-
tinische Satire , Die Messe des Bartlosen ' ; vgl . Krumbacher, Byz. Literaturgeschichte 2 A. , 809 und A. Heisenberg in der
Byz. Z. 14, 661 .
*) Περὶ τῶν εὐνούχων, ὡς ἐκεῖθεν ἡ τῶν κακῶν αἰτία . Migne, Patrologia graeca, vol. 111 , col. 124 .
3) Sukno bilo rassia biancha, Urk. aus Stagno 1458, Arch. slav. Phil. 21 ( 1899 ) 521-522 . In Ragusa raša jetzt
ein blaues Tuch für Bauernhosen, nicht zu verwechseln mit der schwarzen rasa der Mönche. Nach Miklosich, Etym .
Wörterbuch, ist raša ein Stoffname von der Stadt Arras in Frankreich.
4) Nach den Wörterbüchern von Mikalja, Stulli, Vuk Karadžić und dem Rječnik der Südslav. Akademie ist mo-
drina oder modrača (von modar blau) noch jetzt in Dalmatien , z. B. in Canali, eine Art blauer Frauenrock. Ebenso ist
nach Vuk und dem Rječnik mrčina (von mrk schwarz , braun, dunkel ) in Kroatien und der Hercegovina eine Art schwarzes
Frauenkleid. 5) Vgl. Niederle a. a. O. 1 , 472.
3*
20 II. ABHANDLUNG : CONSTANTIN JIREČEK .

natürliche Farbe von Wolle oder Leinen, weiß Ragusa erhielt im 13. und 14. Jahrhundert in
oder grau ; seltener waren blau oder schwarz ihrer Mitgift einige mit Pelz gefütterte Klei-
gefärbte Wollstoffe. Ganz weiß war die Mehr- dungsstücke . Hermeline (armelini ) werden erst
zahl der Bauernkleider bei Ragusa um 1400 . im 15. Jahrhundert erwähnt. Helena, die Witwe
Schwarze Wollkleider trugen die mit Lanzen, des Großvojvoden Sandalj , deponierte 1440 in
Äxten und Pfeilen bewaffneten Wächter der Cattaro zwei ,vestes veluti rubei ', beide , sufful-
byzantinischen Straße zwischen dem Strymon tas armelinis ' , die eine mit goldgestickten
und Strumica ; 1 ) heute noch trägt der Mann der Ärmeln, die andere ohne Ärmel, besetzt mit
Gebirge im Osten Makedoniens schwarze Klei- Perlen.4 ) Als Geschenk für die Schwieger-
der aus Schafwolle. Die Paradekleider waren tochter des Despoten Georg, für Helena , die
meist rot, seltener grün ; Leute in grünen Män- Frau des Despoten Lazar, bestellten die Ragu-
teln sind auf den Miniaturen des Evangeliums saner 1446 in Venedig 20 Ellen roten Samt
des Miroslav zu sehen . Bei einer Versammlung (velluto de cremixi ) und , pelle de armelini ' bis
glänzte alles in schöner Farbenpracht. Bunt zum Preise von 300 Dukaten , soviel als zum
wie die ,Blumen des Feldes ' , allen Zuschauern Futter eines Paradekleides notwendig war.")
zur Bewunderung, waren nach Daniels Worten. Pelzmäntel waren überhaupt ein bei serbischen ,
die Gewänder der Königin Simonida und ihres bosnischen und albanesischen Fürsten sehr be-
Gefolges von Edelleuten und Edelfrauen , ge- liebtes Geschenk. Den Mantel schloß man noch
kleidet in glänzenden Purpur mit goldenen um 1225 mit einer Fibel (zapon ) . Ein merk-
Gürteln, geschmückt mit Perlen und Edel- würdiger Fund ist eine runde goldene Spange
steinen, als sie ihren Schwager König Stephan des Knez Peter von Chelmo mit serbischer und
Dragutin und dessen Gattin Katharina von lateinischer Inschrift : † Zapon velijega kneza
Ungarn in Belgrad , am Ufer der Flüsse Donau hlbmskoga Petra. Pretende comiti Pet ( ro)' .
und Save' besuchte.2) Im 15. Jahrhundert wur- Auf der Rückseite sieht man in romanischen
den die Kleider noch bunter. Da war bei Ra- Ornamenten Adler, Hasen und Hunde, die
gusa der Bauernrock z. B. in Breno oft weiß, durch eine Reihe Blätter durchschlüpfen. ")
die Ärmel rot, in Ragusa selbst der Rock Später gehörten zum alltäglichen Prunk Silber-
schwarz, die Ärmel grün. Auch die Schuhe knöpfe (putыc, lat . maspilus, ombreta , lambreta ,
waren damals schwarz und rot gestreift, ebenso- bottoni ) , bei den Männern , wie auf den Fresken
gut die des ragusanischen Comes von Canali , zu sehen ist, ebensogut wie bei den Frauen . In
wie die einer Bäuerin von Zonchetto . Über die Ragusa trugen sowohl die reichen Bürgers-
Tracht der Weltgeistlichen haben wir keine frauen als auch Bäuerinnen der Umgebung auf
Kenntnis. Die Mönche waren ganz schwarz ge- ihren Jacken , besonders auf den Ärmeln 6 bis
kleidet, in einem Talar aus schwarzer rasa , 22 Paare solcher Knöpfe, die mitunter ver-
daher slavisch seit altersher als Schwarzröcke goldet waren.
(črnorizbc) oder Schwarze (črnbc) bezeichnet.³) Das wertvollste Stück war bei Mann und
Unentbehrlich waren Felle und Pelze, wel- Weib der Gürtel (pojas, centura, ó ) . Er war
che eigentlich den ältesten Stoff für die Klei- verfertigt aus schwarz oder rot gefärbtem Leder
dung bildeten . Männer- und Frauenkleider oder aus schwarzer, blutroter, grüner oder blauer
waren gefüttert mit schwarzem oder weißem Seide oder Samt, geschlossen mit einer silber-
Lammfell oder mit Hasen-, Fuchs-, Marder- und nen Spange und geziert mit reichem Metall-
Wolfspelz . Jede Patrizierin von Cattaro oder schmuck aus Zinn , vergoldetem Kupfer, ein-

1 ) Nikephoros Gregoras VIII cap. 14 , § 5 (µɛλaivas doÛñtas) .


2) Daniel ed. Daničić p . 96–97 : jako i polьscii cvêti mnogorazličnymi dobrotami ispúštreni‘.
3 ) Griech. pásov, lat. Ursprungs (rasum). Spitzname der Mönche raso der, ungefähr der Schwarzrockschinder'.
4) Notarialbücher 13. Mai 1440 im Gerichtsarchiv von Cattaro.
5) Consilium Rogatorum 1. Oktober 1446 Arch. Rag. Im 15. Jahrhundert wird der rote Pelzmantel des Herzogs
Stephan als šuba (Schaube) bezeichnet, der kleine rote goldgestickte Pelzrock der Helena, Sandaljs Witwe, mit einem in
Polen und Ungarn bekannten Wort als kontuš. Vgl . Lilek, Wiss. Mitt. aus Bosnien 2, 147 f. Šuba aus arab. al džubbah,
Niederle a. a. O. 1 , 462.
6) Beschrieben von Ljubomir Kovačević im Starinar 1 (1884) 110-118 mit Abbildungen. Im Nachlaß des Königs
Vladislav war ,bocla una de argento deaurata ' vielleicht eine Fibel , Rad 1 ( 1867 ) 138. Niederle a. a. O. 1 , 530 f. über
die seit dem 8. Jahrhundert verfallenden Fibeln, mit Abbildungen nach den Funden, besonders aus Rußland.
STAAT UND GESELLSCHAFT IM MITTELALTERLICHEN SERBIEN III. 21

fachem oder vergoldetem Silber oder, wie bei wandt abschnitten (incidere bursam) . Deshalb
den Byzantinern , aus reinem Gold.¹ ) In den trugen viele Leute das Geld nur in einem ein-
Sammlungen der kaiserlichen Archäologischen fachen oder goldgestickten Tüchlein geborgen
Kommission in Petersburg befindet sich ein im Gürtel oder im Ärmel oder versteckt im
goldgestickter Gürtel, auf welchem dreimal der Busen.³)
Name eines Branko zu lesen ist, nach Novaković Die Fußbekleidung der Bauern und Hirten
des Sevastokrators Branko unter Stephan Dušan, waren einfache Bundschuhe (opinze, paria
des Vaters des Vlk Branković. Auf den Sticke- opancharum ) , ein mit Riemen befestigtes Stück
reien dieses Stückes ist ein Falke, ein Bär mit Schweins- oder Ochsenleder, in den Balkan-
erhobenen Vorderfüßen , ein allegorisches Tier ländern heute noch allgemein bekannt. Mehr
mit Eberkopf und Schlangenleib zu sehen und städtischer Art waren Lederschuhe (črêvija,
daneben noch acht Löwenköpfe.2 ) Es gab auch crevlja) oder Tuchschuhe, schwarz, grün, blau ,
Gürtel aus Silbergeflecht mit vergoldeten Buk- rot, mitunter auch bunt gestreift. Der Kriegs-
keln (centura de filo de argento de opere levato mann trug hohe Lederstiefel mit Sporen. ) Im
inaurato) , wie der elf Pfund ,ad subtilem' Winter legte man bunt gestickte, mit Marder-
schwere, um 113 Perper gekaufte des Comes fell oder anderem Pelz gefütterte Handschuhe
von Popovo Mužbrat Slavomirić ( 1313 ) . Im an (cyrothecae, guanti) .
15. Jahrhundert unterschied man eine breite Die Details sind wegen der schwierigen
bosnische Art (centura larga bosignana) und Deutung der oft für beide Geschlechter gleichen
eine ungarische Art (cingulum ungaricum, cen- Termini und bei dem Mangel an Bildern nicht
tura ongarescha ) . Das Tragen dieser schweren. leicht darzustellen.5) Der Rock des Mannes,
Leibesumfassung erforderte eine gewisse Übung. mit oder ohne Ärmel, oft mit Pelz gefüttert
Ein Goldgürtel im Besitze der Adelsfamilie und bis in die Mitte des Schienbeines herab-
Bona in Ragusa , 1376 abgeschätzt auf 425 Du- reichend, war aus verschiedenartigen Stoffen
katen, wog neun Pfund, ein silberner Frauen- gearbeitet, von weißer, schwarzer, grauer ,
gürtel, der 1436 einem ragusanischen Kauf- blauer oder grüner Farbe, die suknja, suknji-
mann in Novo Brdo gestohlen wurde, 8 Pfund ca (lat. tunica, guarnachia, zuppa, zubbetum) . " )
und 7 Unzen . Ebenso besaß der Großvojvode Es gab auch feine Röcke aus grüner oder blauer
Sandalj einen Gürtel aus rotem Leder mit ver- Seide mit Pelz (zuponum) . Weniger wissen wir
goldetem Silberschmuck, 11 Pfund und 2 Unzen über die Farbe der Hosen (gaće, lat. braccae,
schwer, und einen zweiten Gürtel in der Form serabulae, mutandae, femuralia) . Auf den Skul-
einer vergoldeten Kette, welcher gar 22 Pfund pturen der bosnischen Steingräber sieht man
und 10 Unzen wog. Gürtel mit Silberschmuck Männer in einem knapp anliegenden Rock, der
trugen nicht nur vornehme Leute, sondern auch bis zu den Schenkeln herabreicht und oft falten-
Bauern bei Ragusa und Stagno. Am Gürtel reich und mit Schnüren geziert ist , und in
hing das Messer und der Geldbeutel (tobolac, engen Beinkleidern . ) In der Umgebung des
lat. bursa, marsupium, pera, scarsella ) von ver- Klosters von Banjska trug man lederne Gama-
schiedener Art, oft aus rotem Samt, mit Silber- 1
schen (skornje) , anderswo hohe Wollstrümpfe
schmuck benäht oder mit Goldfäden gestickt, aus Ziegenhaar (klašnje) , während der Fuß
mit Perlen oder Goldknöpfen geziert und an selbst durch kleine Strümpfe (bječve) geschützt
Silberkettchen befestigt. Aus den Gerichts- war. Der Mantel, plašt, gunj , später kaba-
büchern von Ragusa wissen wir, daß es schon nica (lat. mantellum, clamis , soccha oder zocha)
damals böse Menschenkinder gab, welche im war bei Ragusa meist aus schwarzem haarigen
Gedränge des Marktes die schönen Beutel ge- Stoff hergestellt, selten weiß, braun, blau oder

1) Vgl. Niederle a. a. O. 1 , 577 f.


2) Novaković, Glas 78 (1908 ) 249.
3) Über die nordslav. Gürtel Niederle a. a. O. 1 , 466 f.
4) Vgl . Niederle a. a. O. 1 , 486 f. mit Abbildungen.
5) Suknja, gonella, tunica usw. gelten für Manns- und Frauenkleider. Vgl. Niederle a. a. O. 1 , 437 f.
6) Aus slav. suknja auch deutsch suckenie, engl. suckeney, neugr. couxavia usw.; vgl. Niederle 1 , 448 .
7) Dr. C. Truhelka, Wiss. Mitt. 3 ( 1895 ) 418. Vgl . das Bild eines Bosniers in einem Kodex der Apokalypse, mitge-
teilt von Jagić, Arch. slav. Phil. 25 (1903) S. 25.
22 II. ABHANDLUNG : CONSTANTIN JIREČEK.

grün, oft mit schwarzem Lammfell ausgefüttert gänger auf dem Bild eines Steindenkmales in
und mit Silberknöpfen geziert.¹) Es gab lokale Borje im Tal des Trebižat in der Hercego-
Formen der Mäntel, ,more Sclavorum' , ,ad mo- vina.5)
dum bosnensem' . Die Parademäntel der Serben Das Frauenkleid ist nur aus Nachrichten
.
waren im 13.- 15 . Jahrhundert in der Regel über die Fürstinnen und aus den Eintragungen
rotem Tuch mit Pelzfutter (mantellum der ragusanischen Amtsbücher bekannt. Hem-
sclavonescum coloris rubei ) , um 1300 ebensogut , den (košulja, lat. camisia, interula ) gab es bei
wie z. B. der Mantel eines Kanzlers des Despo- Ragusa auch slavischer Art ', wahrscheinlich
ten Georg. mit bunter Stickerei geziert (camisias ad mo-
Dunkel ist die Bedeutung der einzelnen dum sclavonescum) . Natürlich war das Frauen-
Namen der Kopfbedeckungen : 2 ) kapuč (ca- hemd länger als das Männerhemd ; drei ,cami-
pucium, caputeum) im Gesetzbuch des Stephan sie magne pro femina' gab es im Deposit der
Dušan und bei Ragusa, wahrscheinlich kapuzen- Familie des Königs Vladislav. Vornehme Frauen.
artig aus schwarzem, blauem oder rotem Tuch ; trugen auch Hemden von Seide. Das Frauen-
die wohl schwarze kapa der Popen ; die schwarze, kleid ( suknja, gunj , lat . gonella, tunica) war
blaue, grüne oder rote, mit Lammfell, Mar- aus weißem oder blauem, seltener aus braunem ,
der- oder Wolfspelz, in Bosnien mit Eich- grünem oder rotem Stoff gemacht, auf den
hörnchenfell (veverica ) verbrämte bireta , ba- Ärmeln und auf der Brust besetzt mit Silber-
reta, serbisch auch klobuk, in Ragusa im oder Goldknöpfen . Es gab Röcke nach , slavi-
15. Jahrhundert valjanica genannt, eine Mütze scher Art aus Seide (gonella sclavonesca 1313 ) .
aus Wolle oder Samt von verschiedener Größe. Außerhalb des Hauses trug man in den Küsten-
Steife Hüte waren wohl die schwarzen oder städten ein langes färbiges Oberkleid (guarna-
roten pilei aus Wolle, Tuch oder Kamelhaar chia) oder einen mit Pelz gefütterten , scharlach-
und die verschiedenartigen capelli , weiß oder roten oder grünen Mantel. Als Paradegewand
rot aus Wolle oder Samt : capelli sclavones- der Ragusanerinnen kennt Philippus de Diver-
chi, albanenses, ongareschi mit Goldschnü- sis ein Schleppkleid (guarnazonum,mit ,cauda
ren (im 15. Jahrhundert) , tartareschi mit longa ) . Auf den Skulpturen der bosnischen
Perlen . Es gab auch hohe Stücke , wie die Steingräber erscheinen die Frauen in einem
500 , cappelli de tallia magna ', welche 1372 dem weiten, bis zur Erde reichenden Rock unter-
Ragusaner Junius Bisti de Bona auf dem Wege halb der schlanken , wohl von dem Gürtel zu-
von Thessalonich nach Novo Brdo im Gebiete sammengehaltenen Taille. Mädchen, Frauen,
des Despoten Dragaš weggenommen wurden, 3) Witwen, Patrizierinnen und Bürgersfrauen
oder das capellum magnum de lana' , welches von Ragusa unterscheiden sich durch ihre Kopf-
man 1402 einem albanesischen Geistlichen aus bedeckung. Das einfachste war ein Kopftuch
Polato in Ragusa gestohlen hat. Eine ganz oder Schleier (ubrus , pokrivača, lat. orale, to-
kleine Mütze (mikidiov öàiyov) nach serbischer Art, valia a capite, velum, façolum de muliere) ,
welche den Hinterkopf ganz schutzlos ließ , trug groß oder klein , aus Leinwand oder aus Seide ,
der Gesandte des Königs Uroš II., mit welchem mitunter mit Goldstickereien reich geziert . Es
Metochites ( 1299 ) aus Konstantinopel nach Ser- gab eine eigene Art serbischer Kopftücher (fa-
bien reiste. ) Es war etwas in der Art der heute zolum sclavonescum 1446 , faciola illorum de
noch üblichen ,kapa' der Montenegriner und Servia 1455 ) . Aus feinem Tuch war die kapa
Hercegoviner . Kalpakartige Kopfbedeckungen , (lat. capa) , oft mit Seide gefüttert, welche von
eine Art phrygischer Mütze mit nach rückwärts den Edelfrauen von Ragusa getragen wurde.
gedrehter Spitze, haben die Reiter und Fuß- In den Archivbüchern wird eine ,cappa duplex

1) Über den gunj , den schwarzen von verschiedener Länge, der in Serbien ohne Gürtel und oft ohne Ärmel ge-
tragen wird, und den durch den Gürtel zusammengehaltenen weißen mit Ärmeln der Montenegriner vgl . Vuk Karadžić,
Lexikon. Bulg. gúnja, bekannt auch in allen slav. Sprachen. M. Vasmer, Byz. Z. 16 ( 1907) 553-554 leitet lat gunna,
für welches Walde keltischen Ursprung annimmt, und mittelgriech. youva Pelz vom slav. guna ab ,, welches ursprünglich
etwa Kuhfell" bedeutete' . Dr. St. Romansky, Lehnwörter lateinischen Ursprungs im Bulgarischen (XV. Jahresbericht des
Institutes für rumänische Sprache, Leipzig 1909) 106-107 meint aber, das Wort sei in die slav. Sprachen aus dem Latein ,
ins Bulgarische durch Vermittlung des Griechischen gekommen . Vgl. Niederle a. a . O. 1 , 473 A. 2 .
2) Vgl . Niederle a. a. O. 1 , 499 f. mit Tafel S. 501 (20 Typen nordslav. Kopfbedeckungen des 11. - 13 . Jahrhunderts) .
3) Klage 15. Juni 1373 Lam. Rag. 4) Sathas, Bibl. graeca 1 , 161 .
5) M. Hoernes , Altertümer der Hercegovina, S.- Ber. W. Akad . 97 ( 1880) 542 Fig. 12.
STAAT UND GESELLSCHAFT IM MITTELALTERLICHEN SERBIEN III. 23

coloris viridis, gialli et rubei ' (1329 ) und eine kleinen Perlen gebildete Nackenkettchen (griv-
,capa muliebris sclavica panni viridis (1372 ) nica) .3 ) Silberkettchen waren das Merkmal der
erwähnt. Noch im 16. Jahrhundert sah Busbeck lateinischen Ohrgehänge (cercelli latini cum
1553 ) auf seiner Reise nach Konstantinopel eine catenuciis ) . Frater Jakob von Verona sah auf
rote Mütze (pileolum purpureum ) , welche die seiner Pilgerfahrt nach Palästina 1335 in
adeligen Jungfrauen der Serben zu tragen Otranto, daß dort alle Frauen in den durch-
pflegten, und bemerkt, er habe in Jagodina ein stochenen Ohren je nach der Größe ein bis drei.
Mädchen, dessen Kopf eine Mütze mit Pfauen- Ringe tragen, verbunden mit Silberkettchen,
federn zierte, gesehen. Im 15. Jahrhundert trug und bemerkt, daß dies Sitte sei in ganz , Sela-
man in Ragusa den kosmač aus langhaariger vonia et Albania et Romania'.4) Philippus de
Wolle (tovaglia pilosa ) und die kuplica aus Diversis erzählt, das Abzeichen verheirateter
Tuch, die mit Perlen geschmückt auch kleine Frauen in Ragusa seien silberne oder goldene
Knaben als Kopfbedeckung erhielten.¹ ) Im Ohrringe, befestigt nicht an den Ohren, sondern
15. Jahrhundert werden Taschentücher (nasi- am Kopftuch durch ein Silberkettchen (argen-
tergia) bei den Bauern vor den Toren von Ra- tea catenula) , welches man kličak, lat . rigule-
gusa erwähnt, z. B. in Zonchetto ; man fand sie tum nannte. ) Armbänder (narukvice) pflegte
auch im Besitze der Trebinjer , wenn sie ragu- man im Berglande des Westens bei der Hoch-
sanische Kaufleute ausgeplündert hatten . zeit den Brautleuten zu schenken ; in Ragusa
Den vorzüglichsten Frauenschmuck bildeten wurde dies 1515 als eine überflüssige, aus der
Ohrringe (obotbci , lat. cercelli ) , aus Silber , ein- ,Morlachia ' stammende Sitte verboten. " )
fach oder vergoldet, oder aus Gold, mitunter Ein Stirnschmuck war im 14. Jahrhundert
besetzt mit Perlen und Edelsteinen . Wegen des ein Diadem (precellum, preçelech , lat. frontale,
großen Gewichtes wurden sie vielfach nicht im courellum) aus Silber oder Gold , mitunter ver-
Ohr, sondern an der Kopfbedeckung befestigt, ziert mit Perlen, in einem Falle zusammenge-
was auch auf den alten Wandgemälden ersicht- setzt aus 29 silbernen Täfelchen.7 ) Eine Art
lich ist. Es gab eine slavische und eine lateini- dieser silbernen Kopfbedeckungen, die in Ca-
sche Art. Die slavische Art (cercelli sclavonici , nali 1365 erwähnt wird, hatte die Form eines
sclavoneschi) war rund. Der Edelmann Ninac Hornes (cornua sclavica argenti ) .8 ) In Ragusa
Čihorić in der Nachbarschaft von Ragusa besaß war es üblich, daß die Braut (noviza) auf dem
ein Paar cercellorum auri rotundorum sclavi- Gang zum Hause des Mannes Hörner trug
corum', mit Saphiren , blassen Rubinen (balasii ) (portare corna, var. cornua ) , bis dieser alte
und großen Perlen ( 1375 ) .2 ) Ein Paar , cercelli Brauch durch ein Gesetz 1314 unter einer Geld-
a domina sclavi de auro' in Novo Brdo 1436 wog buße verboten wurde. ") Ein italienisches Ge-
ein Pfund. Leichter, nur etwas über zwei Un- dicht aus dem 14. Jahrhundert über die Schia-
zen schwer, aber wertvoller waren die Ohrge- voni' , welches dem Florentiner Franco Sacchetti
hänge der Helena, Frau des Großvojvoden zugeschrieben wird , findet die Frauen des Lan-
Sandalj , mit in Gold gefaßten Perlen und des nicht schöner als die Männer, mit Hörnern
roten und blauen Steinen ; ein Paar hatte aus wie der Teufel.10) Der letzte Rest dieser alten

1 ) Vgl. Arch. slav. Phil. 21 ( 1899 ) 504 und Rječnik der Südslav. Akademie . Kosmač im 14. Jahrhundert auch in
Böhmen ein haariges Tuch, nach Zíbrt, Děje kroje v zemích českých ( Geschichte der Tracht in den böhmischen Ländern)
1 (Prag 1892) 224. Gehört zu kirchenslav kosmь (neben kosa) Haar.
2) Vgl. meine Abh. über die Edelleute von Zachlumien auf der Inschrift von Veličani , Glasnik bos. 4 ( 1892 ) 281 =
Wiss. Mitt. 3 (1895 ) 476. Über den altslav. Schmuck, der neben dem Ohr oder im Haar getragen wurde (záušnice) , Niederle
1 , 588 f. , mit Abbildungen.
3) Mon. serb. 386. 4) Ausg. von R. Röhricht, Revue de l'Orient latin 3 ( 1895) 173.
5) Philippus de Diversis ed . Brunelli 92. Kličak 1398 f. oft erwähnt in den Archivbüchern von Ragusa. Heute be-
deutet kličak - Kinderdreck ; vgl. das Lexikon von Vuk Karadžić und den Rječnik der Südslav. Akademie.
6) Arch, slav. Phil. 21 ( 1899) 423 .
7) Dame filius Nicole de Stilo hatte im Deposit , unum frontale de tabulis XXVIIII de argento ' . Ragusa 26. Juli
1319, Diversa Notarie im Archiv von Ragusa. Über die altruss. Diademe Niederle 1 , 582 f.
8) Crayssa, Cephalia von Canali, übergab der Ragusanerin Marussa de Babalio einige Waffen und , coverlo I sive
cornua sclavica argenti', welche er ihrem Schuldner Liuboe Silegovich abgenommen hatte, 11. August 1365 Div. Rag.
9) Mon. Rag. 5, 74. Statut von Ragusa VIII cap. 57 § 20.
10) ,Tosto veder potrebbe | Femina che sarebbe | A par col diavol con suo ' alti corni, | Nere, scontorte, fuor di bello
inizio . I sermoni evangelici , le lettere etc. di Franco Sacchetti, pubbl. per Ottavio Giglio, Firenze 1857 , p . XXIII .
24 II. ABHANDLUNG : CONSTANTIN JIREČEK .

Tracht war die roga, die einer phryschen Mütze Seide, horizontal abgeteilt in Felder und über-
ähnliche Hornkappe, ein aus getrocknetem Lein- ragt von kleinen, runden Ornamenten ; oben
geflecht verfertigtes, vorwärts gebogenes Horn , liegt eine Decke aus weißem Stoff, welcher nach
bedeckt mit einem Tuch, wie es die Frauen im rückwärts herabfällt, auf dem abfallenden Teil
Drinagebiet bei Srebrnica noch zu Menschen- geziert mit roten Parallellinien. ") Kränze (vje-
gedenken zu tragen pflegten.¹ ) Auch die hon- nac) aus rotem Gewebe, besetzt mit in Gold ge-
delj genannte Haube der verheirateten Frauen faßten Edelsteinen und Perlen, ebenso wie
in Canali , die um 1870 aus dem Gebrauch ver- silberne Kronen (kruna) mit Steinen und Per-
schwunden ist , scheint eine späte Entwicklungs- len gab es in der Schatzkammer der Familie.
stufe dieser Hornkappen gewesen zu sein.2 ) Sandaljs. ) Der gewöhnliche Halsschmuck war
Anderer Art als diese Hörner war wohl der mit ein Kreuz an einer Kette. ) In der Hand trug
Edelsteinen und Perlen geschmückte Kopf- die Frau im Küstenland einen Rosenkranz
schmuck, das oglavje der Jelena Sandaljevi- (kralješ, lat. coronella, paternoster ) von Koral-
ca.³ ) Dazu kommen die im Besitz der Ragu- len oder Silber, an welchem oft ein vergoldetes
saner Adelsfamilien erwähnten silbernen und Kreuz angehängt war.
vergoldeten Kronen (corona ) , welche noch um Ringe (prsten ) für beide Geschlechter gab
1440 Philippus de Diversis bei jedem Hochzeits- es aus Kupfer (anuli de rame) , Silber und Gold ,
zug in den Patrizierhäusern die Braut als oft besetzt mit Edelsteinen und Perlen.9) Bei
,signum virginitatis' tragen sah. Eine solche Siegelringen waren sehr beliebt antike Gemmen
Silberkrone (corona de argento) hatte 1319 in mit Bildern von Göttern , Kaisern oder Tieren,
Ragusa auch ein serbischer Edelmann ver- ebenso wie einst im Westen bei den Karolingern .
pfändet , Radoslav, der Sohn des Župan Vratis- Ein Ringsiegel des Ban Ninoslav von Bosnien
lav.4 ) Eine , corona auri ' besaß neben vier Paar zeigt das Bild eines Adlers , der sich zum Fluge
Ohrgehängen mit Perlen in ihrer Mitgift Voj- erhebt. Eine antike Gemme mit dem Bild eines
slava, Schwester des Vlk Branković und Frau Löwen war, wie es scheint, das Ringsiegel des
des albanesischen Fürsten Georg Topia.5) Auf Caren Uroš in der Zeit, wo er vom Thron ver-
den Wandgemälden , welche Despot Dêjan und drängt war ; ein Abdruck ist nicht erhalten,
seine Frau Doja im 14. Jahrhundert in der Kirche aber die Ragusaner erwähnen es als ,bulla
des hl. Johannes Bogoslov (Theologos ) bei Be- leonis oder ,verum sigillum cum figura leonis ' .
lovo an der Struma zwischen Radomir und Georg Kastriota (Skanderbeg ) siegelte mit
Küstendil am oberen Ende des Engpasses von einem antiken geschnittenen Stein, auf wel-
Zemen malen ließen, ist Doja mit einer Art chem eine von rückwärts gesehene nackte Leda
Krone abgebildet . Es ist ein Diadem über der mit dem Schwan zur Seite abgebildet war.
Stirn, umsponnen von goldenen Ornamenten in Solche antike Steine haben auch ragusanische
Form von Sternen ; darüber erhebt sich ein Kaufleute und Zollpächter in Serbien und Bos-
breiter und hoher Zylinder wohl aus gelber nien im 15. Jahrhundert zum Siegeln benutzt .

¹) Dr. Ć. Truhelka, Die phrygische Mütze in Bosnien. Wiss . Mitt. 4 ( 1896 ) 509-515 mit Bildern. Abbildung auch
im Werke : Die österr.-ungar. Monarchie in Wort und Bild, Bosnien S. 331 .
2 ) Vgl. das Profilbild einer Canalesin bei Appendini , Notizie istoricho- critiche Bd . 1 ( Ragusa 1802 ) . Nach Budmani
im Rječnik der südslav. Akademie unter hondelj war es ein mit bunten Tüchern überzogenes Holzgestell, vorne mit
goldenen und silbernen Nadeln geschmückt und oben bedeckt mit einem weißen Tuch . Bei meinem ersten Aufenthalt in
Ragusa 1878 hörte ich nur mehr mündliche Beschreibungen dieser alten Tracht, ohne ein Exemplar zu Gesichte zu be-
kommen.
3) Urk. 1442 Mon. serb . 415. Was der um 1370 in Ragusa erwähnte silberne oder vergoldete prjevoj war, ist aus
den Texten nicht klar.
4) ,Radasclavus filius de Jupan Vratisclavo' verpflichtet sich vor dem Comes, dem Nale de Çereva binnen zwei
Monaten , unam coronam de argento ' und andere Sachen für 19 Perper auszulösen , alias vendantur', 24. August 1319 ,
Diversa Notarie 1318-1320 Arch. Rag.
5) Ljubić, Listine 4, 319 , 427 (1393) : .unam coronam auream et paria quatuor cercellorum perlarum' .
6) Jordan Ivanov , Izvêstija der bulg. archäologischen Gesellschaft 3 ( 1912 ) 63-64 mit Abbildungen Nr. 55-56.
7) Vgl . Lilek, Wiss . Mitt. 2, 145 .
8 ) Die mannigfaltigen Halsketten aus Glas, Muscheln, Steinen , Tierzähnen, Metallen und die festen Halsringe (grivna )
der Nordslaven schildert Niederle 1 , 627 f. mit Abbildungen.
9) Vgl. Niederle 1 , 670 f.
STAAT UND GESELLSCHAFT IM MITTELALTERLICHEN SERBIEN III. 25

Sie sind in den Balkanländern heute noch im kost selbst in dem an Vieh so reichen Westen
Gebrauch geblieben.¹ ) des Landes stets unentbehrlich ; in schlechten
Die Herrscher und Fürsten trugen in voller Jahren hatte dort der Mangel an Feldfrüchten ,
Rüstung stets ein Kreuz (krst ) am Halse, Ne- wie wir schon früher erwähnt haben (2 , 26 ) ,
manja eines mit einer Partikel des wahren öfters eine Hungersnot zur Folge.4 ) Neben dem
Kreuzes des Herrn, dessen Schutz er alle seine Brot (hljeb) liest man von Zwieback für die
Erfolge zuschrieb. Car Michael von Bulgarien Schiffe (biscottus, serb. kolač : panes colacios
sendete als Geschenk an Kaiser Andronikos III . 1371 ) , von Kuchen (pogača, lat. focacia) , welche
ein einfaches ehernes Kreuz, das seinem Vater die Kolonen im Küstenlande an Festtagen dem
und ihm oft in wunderbarer Weise geholfen Grundherrn als Geschenk darbrachten, und von
haben soll. Bei Orbini erscheint der serbische Brei , der in der Küche sowohl der Mönche von
Fürst Lazar mit einem goldenen Kreuz am Chilandar als der Ragusaner zubereitet wurde
Hals. Auch der spätere Erzbischof Daniel II . (kaša, ital. farinata) . Ein Mann der Kirche des
widerstand nach der Erzählung seines Bio- hl . Nikolaus von Vranja auf den Gütern von
graphen als Athosmönch den Versuchungen des Chilandar führt in einer Urkunde des Stephan
Teufels, weil er ein Kreuz aus Dämonenstein' Dušan den Spitznamen Rubi -pogača, , schneide
(demonolit) stets am Halse trug.2 ) den Kuchen.5) Ein höheres Produkt der Koch-
Das alltägliche Waffentragen, welches Thu- kunst war die heute noch wohlbekannte pita,
kydides in der Blütezeit der hellenischen Staa- ein mit Fleisch oder Käse gefüllter Kuchen,
ten bei den Einwohnern des Nordwestens von unter demselben Namen auch den Neugriechen
Griechenland als einen Überrest des alten a) , Rumänen und Magyaren bekannt. Ein
Räuberlebens betrachtet,3) ist in den Bergen Nachbar des Klosters Treskavec bei Prilep
des alten Illyricums nie aus der Übung ge- führt in einer Urkunde des Stephan Dušan den
kommen . Es lebt z. B. in Montenegro und Al- Spitznamen Požri -pita, ‚verschlinge den gefüll-
banien ununterbrochen fort, bis auf unsere Tage. ten Kuchen'.6) Schaffleisch und Schweine-
Nur der Geistliche oder Mönch durfte keine fleisch waren neben Käse verschiedener Form
Waffen mit sich führen. Bei Ragusa gingen die die wichtigsten Nahrungsmittel animalischen
Bauern selten aus dem Hause ohne Bogen und Ursprunges. Gesalzenes Schweinefleisch (porci
mindestens zehn Pfeile im Köcher. Auch der saliti ) bildete eine wichtige Ausfuhrware der
Handwerker oder Kaufmann ritt mit Schwert westlichen Bergländer, von der Narenta bis
und Bogen aus der Stadt hinaus , in die Um- Cattaro, unentbehrlich zur Versorgung der See-
gebung oder in die Ferne, nach Serbien und schiffe . Man liest von Speck und bereits auch
Bosnien, manchmal noch mit einem Schild aus- von Schinken.7) Bei der Hoftafel des Königs
gerüstet. Edelleute, Kaufleute und Bauern Uroš II. aß die byzantinische Gesandtschaft,
trugen unter dem Mantel am Gürtel einen wie Metochites berichtet, Wildbret , Wild-
Dolch von verschiedener Größe (cultellum feri- schweine, Hirsche und Vögel , an Fasttagen
torium, cultelessa, daga) , oft an einer silbernen Obst, eingesalzene und frische Fische, besonders
Kette befestigt, mit Griff aus Bein oder Silber. die großen und dicken Fische aus der Donau,
Aber im Innern der Städte, wie Ragusa oder welche in Konstantinopel als ein seltener Lecker-
Spalato, war das Waffentragen gänzlich ver- bissen sehr geschätzt waren . Der Abt des
boten. Fremde mußten ihre Waffen im Stadttor Klosters Studenica war verpflichtet, vor dem
ablegen und bei der Torwache deponieren . Feiertag des Stifters , des Nemanja, rechtzeitig
Von den Nahrungsmitteln war die Pflanzen- Fische von der Donau und aus der Zeta kommen

¹ ) Dr. Aleksa Ivić , Stari srpski pečati ( altserb. Siegel) , Neusatz 1910, Abbildung Nr. 2 (Ninoslav), Nr. 65 (Kastriota).
Vgl. meine Besprechung des Werkes im Arch. slav. Phil . 33 ( 1912 ) 289-290.
2 ) König Stephan cap . 12. Kantakuzenos I cap. 58. Orbini 283. Daniel 357 .
3) Σιδηροφορείσθαι bei den ozolischen Lokrern, den Aitolern und Akarnaniern ἀπὸ τῆς παλαιᾶς ληστείας, Thukydides
I cap. 5.
4) Gegen die Ansicht, daß die alten Slaven nur Pflanzenkost aßen, wendet sich Niederle a. a. O. 1 , 177 f.
5) Novaković, Zakonski spomenici 415.
6) Glasnik 13, 375. Vgl . den Namen Požrikobila, , verschlinge die Stute', in der Prizrener Urk., ib. 15 , 276.
7) Ein Ragusaner wurde 1371 beraubt, wobei ihm eine Ladung Wachs, Felle, Pelze und eine salma ,de lardo et
persutis' (ital. prosciutto) weggenommen wurde. Lam. Rag.
Denkschriften der phil . -hist. Kl . 58. Bd . 2. Abh. 4
26 II. ABHANDLUNG : CONSTANTIN JIREČEK .

zu lassen, da man den Landesherrn einzuladen und Sava sendete dem erstaunten König ein
pflegte.¹ ) Zu bestimmten Zeiten kamen zum großes Silbergefäß voll Eis als Geschenk
serbischen König Sendboten der Stadt Cattaro Gottes.2 ) Orbini berichtet, Radivoj , der Sohn
mit einer Ladung Seefische. Auch im 15. Jahr- des bosnischen Königs Ostoja, sei an Wechsel-
hundert erfreuten die Ragusaner ihre Nach- fieber gestorben, infolge übermäßigen Genusses
barn, den König von Bosnien , den Vojvoden von Wein mit Eis.3) Der aus Honig bereitete
Sandalj und den Herzog Stephan , später auch Met, altserbisch ebenso wie der Honig med ge-
die türkischen Statthalter durch Fässer mit nannt (s . oben 2 , 51 ) , war das Getränk der wein-
ausgesuchten Fischen des Meeres . armen Bergländer, sowohl in Serbien, als in
Unter den Getränken war das vornehmste Bulgarien, ebenso auch im slavischen Norden.¹ )
der Wein, den man im Sommer in Eiskellern Als Kaiser Friedrich I. mit den Kreuzfahrern
(ledenica) lagerte, um ihn einzukühlen . Die des dritten Zuges 1189 in Niš eintraf, wurde er
Legenden erzählen in ganz naiver Art, wie der mit seinen Edelleuten vom Serbenfürsten Ne-
hl. Sava als Gesandter seines Bruders Stephan manja mit Wein und Met bewirtet.5 ) Daß auch
des Erstgekrönten zu König Andreas II. von eine Art Bier gebraut wurde , bezeugen die
Ungarn kam , in einem sehr heißen Sommer, Lieferungen von Hopfen (hmelj ) und Malz
als das Eis am ungarischen Hofe zu Ende war. (slad) an die Klöster, zu welchen die Bauern
Der serbische Fürstensohn im Mönchsgewande von Bistrica, Banjska, Gračanica und Dečani
klagte, in seinem Lande sei er gewohnt stets besonders vor Weihnachten verpflichtet waren .
kühlen Wein zu trinken , doch der König konnte Ein Überrest davon ist die sauere alovina
ihm kein Eis verschaffen . Da kam infolge der (olavina) bei Pirot , ein Getränk aus Hafer oder
Gebete des Heiligen plötzlich ein Hagelwetter Gerste. ")

13. Geistiges und gesellschaftliches Leben.

Die Sprache und ihre historische Entwicklung. Personen- und Familiennamen . Das Familienleben . Der Hof nach ein-
heimischen und fremden Berichten . Charakter der Könige und Königinnen . Geist und Lebensweise des Adels . Die Geist-
lichkeit ; Bischöfe, Weltgeistliche, Mönche und Eremiten. Etikette im mündlichen und schriftlichen Verkehr. Vorliebe
für den Krieg. Vorschule dazu die Räuberei . Die hohe und niedere Jagd . Vergnügungen : Bogenschießen, Schwerttänze,
Reiterspiele. Gastmähler und Trinksprüche. Tänze, Masken, Würfelspiel. Musiker und Musikinstrumente. Lied und Gesang.
Entwicklung des serbischen Epos. Die Schrift und ihre Abarten. Literatur : byzantinische und abendländische Belletristik,
Apokryphen, theologische und didaktische Werke ; Pflege der einheimischen Geschichte . Die altserbische Kunst, besonders
die kirchliche Malerei. Frömmigkeit, gute Werke und Armenpflege ; Wallfahrten und Wunderglaube. Verbannung und
Gefangenschaft . Medizinbücher und Ärzte . Der Tod ; Gräber und Grabdenkmäler.

Wenn wir uns von der physischen Seite des zeichnet, aber die Fortdauer des alten slavi-
Lebens zur geistigen wenden , betrifft die erste schen Gesamtnamens deckte keineswegs ein un-
Frage die Sprache. Wie erwähnt (1, 1 ) , wurden
. verändertes Fortleben der ursprünglichen Spra-
die Serben und Kroaten noch lange von den che. Das Serbokroatische hatte schon bei der
Fremden als zaryci , Selavi oder Schiavoni be- Einwanderung seine Eigentümlichkeiten und

1 ) Sathas, Bibliotheca graeca 1 , 172, 174. Typikon von Studenica im Glasnik 40, 172.
2 ) Domentian 249 f. Theodosij bei Pavlović 115 f.
³) , Mori giovane di febre terzana, acquistata col bevere troppo vino con ghiaccio . Orbini 368.
4) Eine Menge Wein und лoµátv èx péλtto; erbeuteten in Bulgarien die Petschenegen im 11. Jahrhundert, Kedrenos
ed. Bonn. 2, 582. Kantakuzenos III cap. 49 : die Serben , éxitos yàp sμpopoúμevol zaì xpɛwv, erkrankten scharenweise , als sie
bei Serrai ( 1342) frischen Weinmost unmäßig tranken . Vgl. Niederle a . a. O. 1 , 208.
5) , Similiter et omnes principes a predicto comite (d . h. dem comes Serviae) in vino et medone et animalibus mul-
tum honorati fuerunt. Brief des Bischofs Dietpold von Passau im Chronicon Magni presbiteri, Mon. Germ . 17, 509.
6) Novaković, Bier in Serbien (Pivo u Srbiji) im 13. und 14. Jahrhundert, Glas 86 ( 1911 ) 151–166 . Trojanović,
Altertümliche serbische Speisen und Getränke (Starinska srpska jela i pića) , Srpski etnografski zbornik 2 ( 1896 ) 113-120 .
Vgl. Niederle a. a. O. 1 , 210.
27
STAAT UND GESELLSCHAFT IM MITTELALTERLICHEN SERBIEN III. 27

hat sich im Laufe des Mittelalters, besonders hunderts durch das jüngere je verdrängt. Ein
seit dem Ende des 14. Jahrhunderts, stark ge- ja, ea, wie in Bulgarien und im mittelalter-
ändert. lichen Makedonien (djad, vjára) , gab es im
Die jetzige Schriftsprache enthält im Vokalis- Serbischen nicht.
mus keine Reste der Nasale, welche einst im Im Konsonantismus ist für das Serbokroa-
Kirchenslavischen und Polabischen bestanden. tische seit den ältesten Sprachproben typisch é
haben und heute noch im Polnischen anzu- für kirchenslavisch št (noć, Nacht, für nošt ) und
treffen sind. Eigennamen in griechischen und dj, im Westen j , für kirchenslavisch žd (medja
lateinischen Denkmälern des 9. - 11 . Jahr- oder meja , Grenze, für mežda. “ ) Die auf-
hunderts liefern aber den Beweis, daß die fallendste, in den Namen sehr bemerkbare
Nasallaute auf serbokroatischem Boden einmal Änderung ist die Entwicklung des silbenbil-
gar nicht selten waren.¹ ) In den Dialekten der denden seit 1400 (nach einigen Übergangs-
dalmatinischen Inseln sind einige fortlebende stufen) zu u; z. B. der Personenname Vlk
Spuren neuerdings konstatiert worden.2) Halb- wurde zu Vuk, Vlkašin zu Vukašin , der Volks-
laute, in der heutigen Schriftsprache durch name Blgarin zu Bugarin (der Bulgare) , der
sonores a ersetzt, hört man noch in Montenegro Landschaftsname Hlm (lat. Chelmo, Chulmia)
und in einigen Landschaften am Golf von zu Hum. ) Das die Silben schließende l, das
Cattaro.3) Aus den Formen in altserbischen noch im 14. Jahrhundert z. B. in den Personen-
Urkunden, besonders aber aus der lateinischen namen Milbrat, Milman, Milša vorkommt, geht
Transkription der Ragusaner sieht man , daß sie seit 1400 im Osten und Süden (im čakavischen
im 13.- 14 . Jahrhundert allgemein verbreitet und kajkavischen Dialekt bleibt es ) in o über :
waren und einem e näher standen.4 ) Das heu- Miobrat, Mioman, Mioša ; ebenso im Auslaut,
tige a kommt dafür erst seit 1370 vor, in wach- wo z. B. für den Burgnamen Sokol (der Falke)
sender Menge seit 1410.5 ) Das kirchenslavi- oder das in Ortsnamen häufige dol (Tal) seit
sche ê ( k) wird in den gegenwärtigen Dialekten derselben Zeit die heutigen Formen Sokô, dô zu
durch e (in Teilen Bosniens, in Slavonien, im lesen sind .
Banat, im Osten Serbiens und in Altserbien ) , Es gibt gewisse Erscheinungen , welche in
je oder gedehnt ije (in der Hercegovina, dem unserer Zeit den Sprachen der Balkanländer
Südwesten Serbiens, Montenegro, Süddalma- ohne Unterschied ihres Ursprunges gemeinsam
tien ) oder i (in Norddalmatien, Teilen Bosniens sind. Das Serbokroatische und Bulgarische,
und Kroatiens, in Istrien, aber auch in Podgo- ebenso wie das Rumänische, Albanesische und
rica und Antivari ) ersetzt, z. B. der Großvater Neugriechische umschreiben das Futurum mit
oder Greis : ded , djed , did , der Glaube oder die dem Verbum des Wollens, was auch sporadisch
Treue : vera, vijera, vira . Davon ist e und i im Kirchenslavischen und Altrussischen vor-
alt. In Ragusa war ursprünglich e vorherr- kommt. Ebenso ist allen diesen Sprachen der
schend (suesda , jetzt zvijezda, Stern) , wurde Halbinsel gemeinsam der Schwund der Infini-
aber seit der zweiten Hälfte des 14. Jahr- tivs ; in Bulgarien ist er gegenwärtig bis auf

1 ) Jagić, Arch. slav. Phil. 17 ( 1895 ) 79 verweist auf Muncimir, Mouvtuñpos, Thévtiva, Centena (jetzt Cetina) , Dumbroa
(jetzt Dubrava). Der Übergang von lateinischem an, on in urprünglich a, später o, u vollzieht sich sonst regelmäßig ;
vgl. Miklosich, Vgl. Grammatik der slav. Sprachen 1 (1879) 396. Vgl. Monte Crasso bei Spalato Mutogras, Pancratius in
Ragusa Pokrat usw.
2 ) Miklosich a. a. O. kennt dumbok (für dubok, tief) und dumbrov (für dubrava Hain ). Dumbrôvnik (für Dubrovnik,
Ragusa) verzeichnete auf der Insel Zlarin bei Sebenico Dr. Aranza, Vorläufige Berichte der Balkankommission , Heft 1
(Wien, Akademie 1900) 20 , 22.
³) Miklosich a. a. O. 1 , 388. In Montenegro heißt z. B. die Stadt Skutari heute noch Skыdыг, wie in altserb. Urkunden ,
sonst bei den Serbokroaten Skadar ausgesprochen .
4 ) Z. B. casneç (kaznьc , jetzt kaznac) , stanec (jetzt stanak) , die Ortsnamen Orasseç ( jetzt Orašac), Gradeç (Gradac),
die Personennamen Pribeç ( Pribac) , Grubeç ( Grubac).
5) Vgl . Rešetar, Arch. slav. Phil. 16 ( 1894) 347.
6) Meyupétous Medjurečje, Bouceẞoutins Vyšević bei Konst. Porph . Šafařík, Serb. Lesekörner ( Pest 1833 ) 55 f. Jagić,
Arch. slav. Phil . 22 (1900) 35.
7 ) In der slav. Schrift nach kirchenslav . Muster durch 15 wiedergegeben : vlak Wolf. In lat. Urk. im 13. Jahrhundert
Velcanus (Vlkan), Velcoslauus (Vlkoslav) , im 13. - 14 . Volchassinus (griech. Beλnxxσīvos , Izvêstija des russ. arch. Inst. 4 , 1,
69), Volchus, zuletzt auch Vulchus. Übergangsformen : Voch, Vuoch. Nach 1410 Vuch, Vuchassin , seit 1470 allein vor-
herrschend.
4*
28 II. ABHANDLUNG : CONSTANTIN JIREČEK .

kleine Reste ausgestorben, in Serbien behauptet Dobrovoj , Radogost, Stanislav, Vlkoslav usw. ,
er sich neben der umschriebenen Form, während ebenso im Innern z. B. die Bauern in den
die westlichen serbokroatischen Dialekte von die- Dörfern des Klosters von Dečani : Dobrogost,
sem Prozeß noch unberührt sind.¹ ) Dagegen Hvalislav, Jaroslav, Radobrat, Slavomir, Skoro-
fehlt dem Serbokroatischen der im Bulgari- voj usw. Viel zahlreicher sind aber die Kurz-
schen , Rumänischen und Albanesischen vor- formen, in denen das zweite Nomen durch einen
herrschende postponierte Artikel ; er kommt Suffix ersetzt wird, wie z. B. Bogiša , Boroje,
übrigens auch im Großrussischen vor, sowohl in Gradoje, Hraniša , Rajko, Tvrtko u . a . Nationale
alten Denkmälern, besonders in Moskauer Ak- Namen führen auch die adeligen Frauen : Bjela,
ten des 17. Jahrhunderts, als auch in heutigen Milica, Miroslava, Radača, Velislava u. a. Die-
Dialekten.2 ) Im Serbischen hat sich die Dekli- selben Namen sind durch Heiraten auch unter
nation, im Gegensatz zum Bulgarischen , stets den Frauen des Stadtadels von Dulcigno, Anti-
behauptet, nur mit kleinen Änderungen in den
. vari , Cattaro und Ragusa vertreten.5) Diese
Formen.³ ) Die Akzentformen sind ungleich ; einheimische Nomenklatur war auch in Bos-
der ältere Typus lebt in Montenegro und Um- nien herrschend. Eine eigene Gruppe bilden
gebung. Von den heutigen serbokroatischen Völkernamen als Personennamen : Bugarin,
Dialekten repräsentiert das jetzt in der Litera- Grk (auch als Frauenname Grkinja ) , Hrvatin ,
tur herrschende Štokavische im Osten und Kumanin, Rusin, Sarakin , Sasin, Turčin ,
Süden eine neuere Entwicklungsstufe, während Ugrin . Neben den schon oben (1 , 24 ) erwähn-
das Čakavische im adriatischen Küstengebiet ten albanesischen und rumänischen Namen
von Stagno bis Istrien diese jüngere Evolution kommen auch griechische vor, wie Andronik,
nicht mitgemacht hat. Diese beiden Dialekte Staver (cupó das Kreuz ) , Sinadin . Abend-
sind schon im 12. - 13 . Jahrhundert von einan- ländischen Ursprunges sind die aus der Karls-
der verschieden gewesen , wie ein Vergleich der sage stammenden Namen Oliver, den ein Großer
glagolitischen Urkunden aus dem küstenländi- der Zeit Stephan Dušans führt, und Orlanda ,
schen Kroatien mit den bosnischen und serbi- als Mannsname zweimal in der Stiftungsur-
schen zeigt ; ihre Differenz ist seit dem 14. Jahr- kunde des Klosters von Prizren erwähnt. Ein
hundert fortwährend im Wachsen. Nach Re- Königsname der Kreuzfahrerzeit war Balduin ,
šetar ist die neue Betonung mit anderen Eigen- in Cattaro bei der Adelsfamilie Drago beliebt
tümlichkeiten zuerst im Zentrum des Sprach- und (in der Form Baldovin ) weit ins Binnen-
gebietes, in der südlichen Hercegovina, im land unter den Bauern und Hirten verbreitet,
östlichen Bosnien und westlichen Serbien auf- wie aus den Klosterurkunden von Dečani und
getreten und hat sich von dort seit 1400 in allen Prizren zu sehen ist .
Richtungen ausgebreitet . *) Dagegen sind Bauernnamen christlichen Ur-
In den Personennamen war in Serbien eine sprungs z. B. in der Urkunde von Dečani eine
überaus mannigfaltige nationale Namensgebung Seltenheit, ein Dmitr, Georg, Ilija, Ivan (Johan-
herrschend, mit sehr spärlichen christlichen nes ) , Lazar , Marin , Nikola , Stjepko ( Stephan ) ,
Elementen . Auf diesem Gebiete sind die Ser- Tudor u . a. Viel häufiger waren sie auf ehemals
ben bis zum heutigen Tage sehr konservativ byzantinischem Gebiet in Makedonien und bei
geblieben. Die vollen, aus zwei Nomina be- den Albanesen ; ebenso war es bei den Kroaten,
stehenden altertümlichen Namen waren zu Ende wo die Adeligen des Küstenlandes meist nur
des Mittelalters gar nicht selten . Edelleute und christliche Namen führten . Im 13. Jahrhundert
Bauern in der Nachbarschaft von Ragusa heißen finden wir auch bei den Fürsten von Zachlumien
im 13.- 14. Jahrhundert Borislav, Budimir, und bei den Nachkommen des Königs Vlkan in

1) Miklosich, Vgl. Grammatik 4, 863, 873.


2 ) Miletič, Členьt v bulgarskija i v ruskija jezik (Der Artikel in der bulg. und russ. Sprache), Sbornik bulg. 18
(1901 ) 4-67 .
3) Z. B. der altserb . Instrumental Sing. auf -ov (pravov verov) war schon im Anfang des 13. Jahrhunderts im Ab-
sterben gegenüber dem heutigen -om (pravom verom ) . Über die historische Formenlehre Hauptwerk : Gj . Daničić, Istorija
oblika srpskoga ili hrvatskoga jezika do svršetka XVIII vijeka, Belgrad 1874 , 398 S.
4) Rešetar, Die serbokroatische Betonung südwestlicher Mundarten, Wien 1900 (Balkankommission der Kais. Aka-
demie, linguist. Abt. I) S. 23. Derselbe, Der štokavische Dialekt, Wien 1907 (ib . VIII) mit 2 Karten , S. 30 f.
5) Vgl. meine Rom. Dalm. 2 , 65 f.
STAAT UND GESELLSCHAFT IM MITTELALTERLICHEN SERBIEN III . 29

Dioklitien vorwiegend Heiligennamen . Seit der Gerasim, Isaia, Jefrem , Makarij , Methodij ,
Mitte des 14. Jahrhunderts läßt sich ein Vor- Neofyt, Theodul usw. Dasselbe gilt von den
dringen der christlichen Namen gegen die alte Klosterfrauen : Elisabeth, Eugenia, Euphemia,
nationale Nomenklatur bei dem Adel im Innern Euphrosyne, Eupraxia, Martha, Polychronia,
Serbiens beobachten , wo uns unter den Großen Xenia usw.
bald ein Nikola, Lazar, Gregor u . a . begegnen . Einen Ersatz für die Familiennamen bilden
Klar wird dies in der Genealogie der jüngeren Beinamen (altserb. poreklo, prozvište, pridje-
Fürstengeschlechter . Die Nachkommen des vak) , unter denen dieVatersnamen vorherrschen .
Königs Vlkašin, des Sevastokrators Branko Die Familien der Bauern auf der Baština des
Mladenović, des Logotheten Pribac, ebenso die Protopopen Prochor heißen Savčići, Bogdano-
Crnojevići in der Zeta führen im Gegensatz zu vići , Pobratovići, Stanići und Strjezojevići , eine
ihren Vorvätern größtenteils christliche Ka- Popenfamilie bei Prizren die ,popovi Dikano-
lendernamen . Schon früher hatten einige vići'.4 ) Bei Dečani führt ein beträchtlicher Teil
christliche Frauennamen , wie Jelena oder Jela der Bauern neben den Personennamen Patro-
(Helena ) , Anna oder Theodora bei den vor- nymica : Brajić, Dobromislović , Slavojević, Ve-
nehmen Geschlechtern der Serben eine große seljković u . a . Manche weisen auf die Beschäf-
Verbreitung gefunden. tigung der Väter : Kovačević der Sohn des
Merkwürdig ist es, daß die Dorfpopen z . B. Schmiedes (kovač) , Šavčić der Sohn des Schnei-
in der Urkunde von Dečani vorwiegend nur ders (šavac) , Popović Sohn des Popen , Prachto-
nationale, nicht kirchliche Namen führen : Pop rović Sohn des Steuereinnehmers (prachtor) .
Bogdan, Borislav, Dobroslav, Gradislav, Mirko, Auf Väter, die später Mönche wurden und als
Obrad, Smil usw. Bloß in den Epilogen der solche hohe kirchliche Würden erlangen konn-
Handschriften erscheint daneben der christliche ten, beziehen sich einige Vatersnamen in der
Taufname des Geistlichen , z. B. Presbyter Prizrener Urkunde : ein Schneider Dragomir
Vasilije, genannnt Pop Dragolj , oder Presbyter Kalugjerović (Mönchssohn ) und ein Pope Hra-
Georg, genannt Pop Radoslav.1 ) Im 15. Jahr- nislav Episkopović (Bischofssohn) . Eine zweite
hundert war es nicht viel anders ; von 10 Popen Serie bilden die in dieser Zeit in allen Län-
von Novo Brdo in einer Urkunde 1434 führen dern Europas verbreiteten Spitznamen : Lisica
sieben nationale, drei kirchliche Namen.2) Auch (Fuchs) , Muha (Fliege) , Jež ( Igel) , Kozoder
unter den lateinischen Klerikern des Küsten- (Ziegenschinder ) , Svinoglav (Schweinskopf) ,
landes hatten Diakone und Priester zum Teil Lojeoča (Unschlittauge) , Zlobradić (schlechter
slavische und albanesische Vornamen , in Dul- Bart) , Oparitul (verbrüh' den Köcher) , Muti-
cigno z . B. 1242 ein Presbyter Velemirus (Vlk- voda (trüb' das Wasser) , Golozlo (das nackte.
mir ) und ein Subdiaconus Zupanus, in Antivari Übel) , Golklas (die nackte Ähre) usw.5) Manch-
1290 ein Archipresbyter Tanusius.3 ) Auch in mal vertritt der Spitzname den Eigennamen
Deutschland heißen bekanntlich die Geistlichen ganz, wie in der Urkunde von Dečani : , Miloš
des Mittelalters meist Albert, Friedrich , Ul- und sein Sohn Radoslav und sein Bruder Modra
rich usw. Anders war es bei den Mönchen . Im Gora (,der blaue Berg') '. ") Dagegen fehlen in
byzantinischen und ebenso im serbischen den meist unter dem Einfluß der Kirche redi-
Kloster sind vom Anfang an die Namen des gierten serbischen Urkunden Beinamen derber,
Alten und Neuen Testamentes und die Heiligen- obszöner Art, wie sie in den Städten Dalmatiens
namen des Kalenders in einer bestimmten Aus- sowohl in romanischer als slavischer Sprache
wahl allein herrschend, mit Ausschluß aller nicht selten waren ,7 ) in zahlreichen Variationen
nationalen Elemente. Die Mönche heißen Ar- bekannt in ganz Westeuropa .
senij , Barlaam, Benjamin, David, Dorothej , | Es ist merkwürdig, daß die Patrizier der

¹) Stojanović, Zapisi 1 , Nr. 25 , 2 Nr. 4167. 2) Spomenik 3, 51.


3 ) Vgl. meine Rom. Dalm. 2 , 20 f. (Bei Smičiklas, Cod . dipl. 4 , 156 statt Velcmirus gedruckt Vacmirus. )
4) Urk. von Dečani 67 , 130 , von Prizren Glasnik 15 , 282.
5) Altertümliche Personennamen nationaler Art und eine reiche Auswahl von Spitznamen sind besonders vertreten
unter den Namen der djed , der Vorväter einzelner Bauernfamilien in der Urkunde von Dečani . Über Golozlo vgl.
Mažuranić, Prinosi za hrvatski pravno-povjesni rječnik 325 : Golozlov, Golozlović , Golozlić auch in Agram 1386f. ( ebenda
auch eine kleine Sammlung anderer Spitznamen ) .
6) Urk. von Dečani 18. 7) Beispiele in meinen Rom . Dalm. 1 , 78.
30 II. ABHANDLUNG: CONSTANTIN JIREČEK .

Küstenstädte im Binnenlande nicht nur mit bot . Auffällig ist in den Predigten des Erz-
ihren heimischen Familiennamen in romani- bischofs Sava I. die Mahnung, nicht nur Arme
scher und slavischer Form, sondern auch mit zu beschenken, Obdachlose aufzunehmen , Nackte
eigenen Namen bezeichnet wurden, die zum zu bekleiden , sondern auch die eigenen Bluts-
Teil Spitznamen waren . Die Bolizza (Bivolji- verwandten nicht zu verachten.2 )
čić, von bivolj Büffel) von Cattaro heißen bei Das Fundament der Familie, die Ehe, ging
den Montenegrinern im 15.- 18 . Jahrhundert seit der Zeit des ersten Erzbischofs Sava aus
Grbičić (grba Buckel) . Einen der Gradi (slav. dem Gebiet des Volksrechtes in das des Kirchen-
Gradić) von Ragusa nannte man in Serbien im rechtes über, doch mußte noch das Gesetzbuch
15. Jahrhundert Cinculović, von rum . cinci , des Stephan Dušan den Einfluß der Kirche auf
aromun. tsints fünf. Einer der Luca (slav . Lu- die Eheschließung ausdrücklich wahren, durch
čić) von Ragusa hieß 1405 Trentačević (ital . Androhung der Auflösung der ohne kirchlichen
trenta dreißig ) . Die Cerva (slav. Crijevići ) Segen geschlossenen Ehe.³) Bei den Lehr-
nannte man auch Tamarići (metronymisch, von meistern der Serben , bei den Byzantinern , war
einer Frau Tamara) , eine Linie der Ragnina das Eherecht seit 1204 arg im Verfall. Die
Grubetići . Einer der Crosio (slav. Krusić) , Ser Zeiten des 10. Jahrhunderts, wo man um die
Stephanus de Croxi erscheint in Serbien 1426 Zahl der erlaubten Ehen, die Trigamie und
als Stjepko Muržić.¹ ) Tetragamie, in Byzanz erbitterte Parteifehden
Die Ortsnamen reichen in das frühere führte , waren längst vergangen . Ein Zeitge-
Mittelalter zurück, in die Periode der slavischen nosse Savas I., der letzte hervorragende Kano-
Einwanderung, mit vorslavischen und slavi- nist der Griechen , der Erzbischof Demetrios
schen Elementen . Die späteren Jahrhunderte Chomatianos klagt über die vielen Gesetzlosig-
haben nur wenige Veränderungen in diese keiten in der Eheschließung, besonders über
Nomenklatur gebracht. die Unbotmäßigkeit der Mächtigen. Im 13. und
Die großen Verwandtschaftsbände, die mäch- 14. Jahrhundert führte bei den Griechen , ebenso
tigen Sippschaften und Bruderschaften (s . oben wie bei den Bulgaren und Serben die gegen
1 , 26 f. ) , verliehen ihren Angehörigen einen alle Regeln des Kirchenrechtes eingeführte
starken Rückhalt. Aber daneben gab es auch Leichtigkeit der Ehescheidung zu einem wenig
kleine Familien und einzelne Leute ohne Ver- erfreulichen Wechsel der Frauen , aus politi-
wandtenkreis, Unfreie, Freigelassene, Arme, schen und persönlichen Gründen . Schon die
Obdachlose und Verstoßene, wie die Leprosen . verstoßene byzantinische Frau Stephan des
Mit der Familienorganisation steht in Verbin- Erstgekrönten , Eudokia, des Kaisers Alexios III.
dung das Wort brat in seiner vielgestaltigen Tochter, ging in ihrem Vaterland bald neue
Bedeutung ; es bedeutete nicht nur Bruder, Ehen ein , mit Kaiser Alexios V. und später mit
sondern auch Vetter, Schwager, Mitglied der- dem peloponnesischen Archonten Leon Sguros ,
selben Bruderschaft, Milchbruder, Klosterbru- ebensowie ihr Gatte in Serbien . ) Auch ihr
der, Freund auf Grund der eingeschworenen Zeitgenosse Kaiser Theodoros I. Laskaris von
künstlichen Bruderschaft (s. oben 1 , 15 ) . Die Nikaia (1204-1222 ) hatte drei Frauen nach-
Rivalitäten in der Herrscherfamilie, Kämpfe einander : Anna, Tochter des Alexios III., die
zwischen Brüdern oder gar zwischen Vätern und Armenierin Philippa, die er bald verstieß, und
Söhnen zeigen aber, daß der Familienverband Maria, die Schwester des lateinischen Kaisers
doch nur eine schwache moralische Grundlage Robert.5 ) Die vier vom Standpunkte des kano-

1 ) Vgl. meine Vorrede zu Spomenik 11 , S. 7-8 und meine Rom . Dalm . , 3. Teil (Denkschr. W. Akad . , Bd . 49) .
2) Theodosij bei Pavlović 133 (ot krve svojih ne prezrêti).
3 ) Über den Gegensatz zwischen dem nationalen und kirchlichen Eherecht vgl . meine Geschichte der Serben 1 , 142 .
* ) Stephan und Eudokia vgl. ebenda 1 , 287. Die Verwechslungen und Irrtümer über diese Eudokia in der Literatur
des 17. - 19. Jahrhunderts behandelt Nikola Radojčić, Prva ženidba Stefana Prvovenčanog, Glas 90 (1912) 268-292 . Die
meisten Historiker, selbst Du Cange, bis auf Hertzberg behaupteten, Nemanja habe als Greis die Eudokia geheiratet und
nach seiner Abdankung habe sein Sohn Stephan die junge Stiefmutter zur Frau genommen , mit ihr Kinder gehabt und sie
verstoßen. Diese Verwechslung des Nemanja und seines Sohnes Stephan stammt aus der lateinischen Übersetzung des
Niketas Akominatos von Hieronymus Wolf (1557 ) , in welcher der Sinn des Originals ganz unrichtig wiedergegeben ist.
Das von Akominatos und Akropolites erwähnte Leiden der Eudokia hält Radojčić für Krätze ( Scabies . Psora).
5) Antonios Meliarakes, 'Istopía toŭ Baciλelou tis Nixalas, Athen 1898 , 131-132 , 135 .
STAAT UND GESELLSCHAFT IM MITTELALTERLICHEN SERBIEN III . 31

nischen Rechtes zum Teil sehr anfechtbaren ten. Radut wurde vom Gericht von Ragusa zu
Ehen des Stephan Uroš II. Milutin waren kein einem Jahr, seine Helfershelfer zu je einem
Hindernis , diesen König unter die Heiligen der halben Jahr Kerker verurteilt, doch waren alle
serbischen Kirche aufzunehmen.¹ ) Charakteri- längst über die Grenze geflohen.3)
stisch ist es , daß wir über diese Familienverhält- Die Gattin wird in Urkunden und In-
nisse meist nur aus den griechischen Quellen schriften als Hausfrau', kućnica (von kuća
unterrichtet sind ; die serbischen Biographen Haus ) bezeichnet. Bei den Königinnen hing
der Landesfürsten , sämtlich Männer der Kirche , ihr Einfluß von der persönlichen Begabung ab.
haben ihren Lesern den Einblick in die Ge- Auch die großen und kleinen Edelfrauen traten
heimnisse der Frauengemächer sorgsam ver- selbständig auf. Die Witwe des Knez Vojislav,
hüllt. Erst seit der Mitte des 14. Jahrhunderts die comitissa ' übernahm von den Ragusanern
gewinnt die Ehe unter den Christen der Halb- Gelder für den Caren Uroš. Ebenso leisteten
insel wieder an Stabilität und Legitimität. Die die Vorsteherinnen eines Katun' der Hirten,
größte Freiheit in der Ehescheidung behielten wie Jelena, die , Katunara' der Vragovići , mit-
die bosnischen Patarener. unter einen Eid in Rechtsfragen für ihre Unter-
Die regelrechte Ehe wurde formell durch tanen . ) In Bosnien war es üblich, daß die
Werbung, Verlobung, Vertrag und Zeremonien Frauen der Großen bei Vertragsurkunden Eide.
geschlossen . Aber die heidnische Ehe durch wie die Männer ablegten . Als der Vojvode
Frauenraub ist nie außer Gebrauch gekommen, Sandalj 1405 von den Ragusanern verlangte,
obwohl sie durch die Gesetze streng verfolgt Idaß auch die Frauen der Patrizier der Stadt
wurde. Sie war auch bei den Byzantinern in schwören sollen, wiesen es die Senatoren ab,
Kleinasien üblich , wie eine farbenreiche Epi- denn die Ragusanerinnen seien keine ,baronesse' ,
sode des Epos vom Digenis Akritas zeigt , in Landesfürstinnen.5) Die Stellung der Frau war
welcher der Held die schöne Eudokia aus dem in den Küstenstädten überhaupt sehr verschie-
Geschlecht der Dukas entführt. Stephan Dušan den von den Verhältnissen im Innern . Das
wollte den Brauch streng unterdrücken . Der Recht von Cattaro erklärt das Zeugnis einer
Edelmann, der eine Edelfrau mit Gewalt nimmt', Frau ausdrücklich als wertlos , während das
ebenso der Nichtadelige, der eine Frau seines Recht von Ragusa in gewissen kriminellen
Standes entführt, verlieren nach dem Gesetz- Fällen den Wert der Zeugenschaft einer Frau
buch beide Hände und obendrein die Nase ; der sehr einschränkt.
Sebr, der es wagt, eine Edelfrau zu rauben , Nicht jeder König oder Edelmann war ein
wird gehängt. Prozesse über die Entführung solches Muster der Keuschheit, wie Daniel den
einer Edelfrau gehören zur persönlichen Ge- Stephan Dragutin schildert. " ) Der Mönch Theo-
richtsbarkeit des Landesherrn.2 ) Auch die Ra- dosij schreibt, der hl. Erzbischof Sava habe bei
gusaner duldeten die Sitte nicht. Ein Bauer von seinen Predigten jedermann mit Tränen ge-
Podimoč bei Stagno, Radoje Bogulinović, klagte beten, vor Liebeleien (ljubodêjanija ) , Ehebruch
1446 , seine Tochter Živka sei mit Gewalt ent- (preljubodêjstvo) , Päderastie (muženeistovstvo) ,
führt worden von Radut Božićković aus Smo- Umgang mit Tieren (skotoložыstvo ) und jeder
kovljane, der dabei von acht anderen Bauern Unzucht die Flucht zu ergreifen . ) Er wird es
aus demselben Dorfe, aus Visočane und aus Li- nicht ohne Grund getan haben. Schon Eudokia ,
sac begleitet war . Der ragusanische Comes von die Tochter Alexios III., warf ihrem serbischen
Slano sendete Bewaffnete nach Smokovljane, Gatten, dem damaligen Großžupan Stephan, ge-
welche die Živka im Hause eines der Räuber ge- heime Liebschaften vor, aber ebenso auch er
fesselt vorfanden und dem Vater zurückbrach- der griechischen Kaiserstochter.8) Neben den

1) Meine Geschichte der Serben 1 , 332.


2 ) Zakonik Art. 53.
3) Lamenta de foris 1446 f. 110' ff. Arch. Rag.
4) Spomenik 11 , 84 ( 1443 ).
5) ,Salvo delle donne nostre, non fo may uxança che le zureno, perche non son baronesse et le lor son baronesse. ,
Die Ragusaner an Nicolao de Gozze , ihren Gesandten bei Sandalj , 30. Mai 1405 Lett. Rag. Vgl. Jorga, Notices et extraits
2, 108.
6) Daniel 52 : der König hatte mehr als 23 Jahre keinen Verkehr mit seiner Gattin : sie lebten wie Bruder und
Schwester. 7) Theodosij bei Pavlović 133. 8) Niketas Akominatos ed. Bonn . p. 704 .

D
32 II. ABHANDLUNG : CONSTANTIN JIREČEK .

Ehefrauen fehlte es nicht an Buhlerinnen . oder bei den Palaiologen, welche ihre natürlichen
Sava ermahnte in seinen Reden die kleinen Edel- Töchter z. B. an die Tatarenchane zu verheira-
leute oder Kriegsleute (vojiny) , sich mit ihren ten pflegten , wird in den bisher bekannten
Gattinnen (supružnica ) zu begnügen . Bei dem Quellen nicht berichtet. ) In den Küstenstädten
Verfall des Reiches notiert Djak Dobre in seiner gab es ihrer eine Menge, eine Folge der großen
Abschrift eines kirchlichen Menäons ganz treu- Zahl der Sklavinnen und Dienerinnen im Hause.
herzig, das Buch sei geschrieben worden , als der In einer um 1430 verfaßten Statistik von
,fromme König Marko' die Theodora, Frau des Cattaro wird in den Häusern vieler Adeligen
Gregor, offenbar eine Geliebte, dem Dynasten und Bürger nach den Familienmitgliedern zum
Hlapen auslieferte und als seine , erstangetraute Schluß ein fiogl natural' oder eine , fiogla na-
Frau' Hlapens Tochter Jelena heiratete.¹ ) Die turala' genannt.5) In Ragusa führten die Ba-
fremden Kaufleute und die deutschen Bergleute starde der Edelleute deren Familiennamen un-
in Serbien und Bosnien lebten mit Konkubinen, gehindert fort ; so sind die bürgerlichen Dersa
die mit ihren Kindern nicht selten in den Testa- (Držić) des 15. - 17 . Jahrhunderts eine Bastard-
menten der Ragusaner erwähnt werden.2) linie der ausgestorbenen adeligen Dersa des
Ebenso gab es in den Städten der Kreuzfahrer- 13.-14. Jahrhunderts. ") In den Küstenstädten
staaten im 13. Jahrhundert viele Klagen der gab es, wie im byzantinischen Reich und in
Kirche gegen die Konkubinenwirtschaft der Italien, überall Frauenhäuser.7) In Budua
dort weilenden Kaufleute. In Ragusa waren mußten die puttane ' eine eigene Kopfbedeckung
außereheliche zeitweilige Bündnisse nichts Sel- tragen und durften nicht in der Nachbarschaft
tenes . Junge Nobiles gingen schon um 1280 von Edelfrauen oder Nonnen (gentildonne o
abends vom Festgelage zu den Freundinnen monache) wohnen.8 ) In Ragusa war ihnen in
schlafen (ire dormitum ad domum amice sue) . einem hochgelegenen Gäßchen der Altstadt ein
Aus Prozessen ist seit Ende des 13. Jahrhunderts eigenes Haus angewiesen, welches man, wie in
zu sehen, wie sich dabei die Begriffe von Venedig, euphemistisch das Schlößchen ' (castel-
Freundin und Sklavin, , amica' und , ancilla' oft letum) nannte ; die Vorsteherin dieser Ge-
in bedenklicher Weise kreuzten.³) Ob es in der meinde hieß die ‚Äbtissin ' der Sünderinnen.9 )
serbischen Dynastie Nemanjas Bastarde Sie wurden auch von den nach Jerusalem
ge-
geben hat, wie bei den Despoten von Epirus fahrenden Pilgern besucht.10)

1) Stojanović, Zapisi 1 , Nr. 189 .


2 ) Über die Beischläferinnen der Latini et alii Theotonici' in Bosnien klagt 1373 ein Vikar der Franziskaner dem
Papst, Rački, Rad 8 ( 1869 ) 134.
3) Das Verhältnis im ragusanischen Hause zwischen dem Herrn (gospar, gospodar), der Frau ( gospodja) und den
weiblichen Dienstboten, die von dem Herrn insgeheim liebkost werden, beleuchten im 16. Jahrhundert ganz anschaulich
die Komödien des Nikola Nalješković, herausgegeben in den Stari pisci der Südslav. Akademie Bd . 5 , 247 ff.
4) Der Tatarenchan Nogaj hatte in seinem Harem Irene, Tochter x vobeías des Kaisers Michael Palaiologos , Nike-
phoros Gregoras V cap. 7 § 2. Kaiser Andronikos II. gab dem Tatarenchan seine vólos Ouyatáp Maria zur Frau ; Pachymeres ,
Andronikos, Buch III cap . 27. Aber nach Kantakuzenos I cap. 39 täuschte man die Tataren und gab ihnen als angebliche
Kaisertöchter schöne Jungfrauen oft aus bedeutungslosen Geschlechtern ( swv yɛvшv), welche im Palast erzogen waren .
5) Case e persone di Cattaro (c. 1430 ) , Fragment, 17 Bl . eines Papierkodex, im Statthalterei-Archiv von Zara. Z. B.
im Hause des Ser Urban de Drago 13 Personen, darunter , Stiepan suo fiogl natural ' , im Hause des Ser Dobruscho de
Margoç 11 Personen, darunter , Nichola suo fiogl natural , Lucia sua fiogla naturala' usw.
6) Vgl. meine Bemerkungen im Arch. slav. Phil. 19 ( 1897 ) 75 und meine Rom. Dalm. 3, 23. Nichtadelige Menze,
Bodaza, Luccari usw.: Arch . slav. Phil . 21 ( 1899) 462.
7) Über die pápia to яoрvixà xatayóɣta in Konstantinopel die Vita S. Andreae Sali, cap . 3, § 20 f. , bei Migne, Pa-
trologia graeca, vol. 111 col. 651 ff.
8) Statut von Budua Art. 66 , delle puttane ' , welche kein , ombrano in testa' tragen dürfen , nur ein „faciol' usw. Mon.
hist. jur. Slavorum merid . 3 , 18.
9) Abatissa, batessa postribuli , batessa di bordello 1400 f. als das Oberhaupt der , peccatrices ' oder ,meretrices' in den
Gerichtsbüchern von Ragusa.
10) In der Pilgerfahrt des Ritters Arnold von Harff aus dem Herzogtum Jülich am Niederrhein 1496-1499 , heraus-
gegeben von Dr. E. von Groote, Köln 1860 , S. 64 ein in Ragusa niedergeschriebenes Glossar der ,slavennyske Sprache ' ,
worin die Frage nicht fehlt : Frau, soll ich bei euch schlafen ? mit dem Verbum ,frauweren ' (coitum facere ). In Durazzo
hat sich der junge Ritter in den Proben der albanischen Sprache etwas solches nicht notiert ( S. 65) , wohl aber noch genauere
Fragen dieser Art griechisch, ebenso arabisch und bei der Reise zum hl . Jakob von Compostella sogar baskisch ( S. 75 ,
112 , 227).
STAAT UND GESELLSCHAFT IM MITTELALTERLICHEN SERBIEN III. 33

Fleischesvergehen , welche, wenn der Übel - zahlen , bei einer verheitrateten Frau (žena mu-
täter die überfallene Jungfrau nicht heiraten žata) oder einer verlobten Jungfrau aber doppel-
wollte, in den Gesetzen aller dieser Länder ur- tes Blutgeld ; ist er unvermählt und das Mädchen
.
sprünglich streng bestraft wurden, z. B. im by- nicht verlobt , muß er sie heiraten. Nach dem
zantinischen Rechte durch Verlust der Nase, Statut von Vinodol ( 1288 ) zahlt der Schuldige
waren in den letzten Jahrhunderten des Mittel- dem Comes 30 und der angegriffenen Frau
alters den Vermögenden durch Geldstrafen sehr ebenfalls 30 Libre'.4 )
erleichtert. Auch im serbischen Rechte werden In der Zusammensetzung der Gesellschaft
in Urkunden auf den Dörfern Geldbußen für wird in den Zeiten der Nemanjiden eine wach-
den Überfall eines Mädchens (dêvič razboj ) er- sende Scheidung der Stände immer mehr be-
wähnt, neben dem Blutgeld und anderen Bußen, merkbar. Voran steht der königliche Hof, dessen
und zwar wird diese Einnahme den Klöstern Mitglieder wohl bekannt sind.
geschenkt. Allerdings beschränken sich diese Die einheimische Dynastie des Nemanja
Angaben auf drei Stiftungen in den vor 1282 oder wie er nach seinem Tode im Kloster hieß,
byzantinischen Provinzen in Makedonien, das des hl . Symeon hatte im Lande einen festen
Kloster des hl . Georg bei Skopje, das Kloster Halt, durch vielfache Verwandtschaft mit dem
von Htêtovo im obersten Tal des Vardar und Adel und durch zahlreiche kirchliche Stiftun-
das von Treskavec bei Prilep.¹ ) Dieselbe Geld- gen. Unter den Fresken der Klöster gibt es an
buße ist als παρθενοφθορία neben dem φόνος (Blut- drei Stellen eine bildliche Darstellung der Ge-
geld) genannt in zahlreichen byzantinischen Ur- nealogie der Nemanjiden . ") Nach M. Milovanović
kunden des 14. Jahrhunderts . Schon in dem ist das Original das Bild im Kloster Dečani , mit
älteren byzantinischen Recht wurde dieses Ver- charakteristischem individuellen Ausdruck einer
brechen neben dem Verlust der Nase durch jeden Physiognomie, gut erhalten, bis auf das
Konfiskation des Besitzes des Täters verfolgt.2 ) Gesicht des Nemanja , welches durch die Jata-
In Cattaro zahlte der Schuldige je nach dem gans der Mohammedaner beschädigt wurde .
Stand des weiblichen Teiles, der eine Sklavin , Das Wandgemälde stammt aus der Zeit des
eine freie Dienerin, ein Mädchen ,de bono po- Stephan Dušan als Caren (1346-1355 ) . Eine
pulo oder eine Adelige sein konnte, 50 bis 100 Kopie aus dem 16. Jahrhundert gibt es im Nar-
Perper . Wenn er nicht zahlen konnte, wurde er thex der Patriarchalkirche von Peć. Eine zweite
durch eine Mutilation gestraft, von dem Ver- viel schwächere Kopie, mit einförmigen Ge-
lust eines Fingers bis zu dem der ganzen rechten sichtszügen aller Herrscher, befindet sich in der
Hand. Nach dem Recht von Ragusa zahlte der Klosterkirche von Gračanica . Von dem Bild
Täter, falls er nicht heiraten wollte, die kleine von Dečani ist in Belgrad eine Lithographie
Summe von 50 Perper ; nur wenn er sie nicht erschienen, ausgeführt auf Grund einer photo-
erlegen konnte, verlor er beide Augen.3 ) Nach graphischen Aufnahme. ") Der Stammbaum ,
dem Recht von Poljica bei Spalato hat der umsponnen von Guirlanden und Blumen , breitet.
Schuldige Blutgeld wie bei einem Mord zu sich von unten nach oben aus. Die regierenden

¹ ) Novaković, Zakonski spomenici 617, 659 , 671 .


2) Die лaplevoplopia wurde von Heuzey in den Anmerkungen zu einer thessalischen Urkunde von 1342 erklärt als
, un impôt sur les mariages ' . Zachariae von Lingenthal, Geschichte des griech. röm . Rechtes, 2 A. ( 1877 ), sah darin ein ,jus
primae noctis', aber in der 3. A. ( 1892 ) 395 erklärt er es als eine an den Fiskus zu leistende Geldstrafe. Sp. Lampros ,
Τὸ δικαίωμα τῆς πρώτης νυκτός im Νέος Ελληνομνήμων 4 ( 1907) 14—19 meint, es sei eine Heiratsabgabe , ein γαμικὸν τέλος der
Bauern gewesen, vielleicht unter der lateinischen Herrschaft eingeführt. Nikos Bees, Tлpуe jus primae noctis apà Bu-
Çavtions ; Byz. Z. 21 ( 1912) 169-186 , mit einer großen Sammlung von urkundlichen Belegen , zeigt, daß es eine Vermögens-
strafe war.
3) Statut von Cattaro Art. 100. Statut von Ragusa VI , cap . 6. In den Gerichtsbüchern von Ragusa ist oft die Rede
von Angriffen besonders auf ,famulae', unternommen von jungen Nobiles, die sich nie durch übertriebene Schüchternheit
auszeichneten, oder von Handwerkern im Dunkel der Lauben, bei den Brunnen , in den Kaufläden oder außerhalb der
Stadt in den Weingärten . Dasselbe kam unter den Bauern der Inseln oder der benachbarten Täler vor, meist beim
Viehhüten .
4) Mon. hist. jur. Slav. merid . 4 p. 19 (Statut von Vinodol, Art. 56 ) und 109 ( Statut von Poljica, Art. 110) .
5 ) Darüber der akademische Maler M. Milovanović im Godišnjak (Jahrbuch) der kgl . serb. Akademie 23 ( 1909) 238,
240, 250-251.
6) Ein Exemplar besitze ich als Geschenk von Ljubomir Stojanović. Sehr wünschenswert wäre eine kolorierte
Photographie.
Denkschriften des phil . -hist. Kl. 58. Bd . 2. Abh . 5
34 II. ABHANDLUNG : CONSTANTIN JIREČEK.

Fürsten sind in ganzer Figur dargestellt, mit Frau des kroatischen Magnaten Mladen Šubić
einem byzantinischen Kreuz als Zepter in der von Clissa und Scardona, und Todora, nachher
Hand, die übrigen Familienmitglieder nur als Frau des serbischen Edelmannes Dejan .
Brustbild ; die weniger bedeutenden Personen Bemerkenswert sind in den Fresken der
hat der Maler als kleine Figürchen zwischen Kirchen die Bildnisse der einzelnen Stifter
den Blüten und Ranken des Baumes halb ver- mit ihren Gattinnen und Kindern . In schrift-
steckt. Aufgenommen sind in diese Stammtafel lichen Zeugnissen wird die kräftige, hochge-
nur die männlichen Nemanjiden mit ihren wachsene und schöne Gestalt einzelner Herr-
Kindern beiderlei Geschlechtes, keineswegs die scher beschrieben : des Nemanja bei Eustathios
Frauen, wohl um die vielen Gattinnen einiger und Konstantinos Manasses, des Stephan
Männer nicht einzeln vorzuführen . Unten steht Uroš II. bei Erzbischof Daniel, des Stephan
Nemanja, der hl . Symeon , im Heiligenschein , Dušan in einer Reihe von Berichten, ebenso des
die Hände zum Segen ausgebreitet . Rechts und Caren Uroš.3) Persönlich waren die Herrscher,
links von ihm sieht man seine Söhne, den wie in jeder Dynastie, voneinander sehr ver-
hl. Sava mit langem Bart und Glatze und König schieden. Große Talente waren ohne Zweifel
Stephan den Erstgekrönten (Stefan prvovênčani Nemanja, der Begründer des serbischen Reiches
kralj ) in königlichem Gewande . Kleine Figuren im späteren Mittelalter, der kluge Stephan der
sind Nemanjas Sohn , Vlk' (Vlkan ) mit seinem Erstgekrönte, der kriegerische Stephan Uroš II.
Sohn Knez Stephan, und die drei Söhne Stephan und besonders Stephan Dušan, dessen weit-
des Erstgekrönten , König Radoslav, König Vla- greifende Pläne bei den Historikern unserer
dislav und der Erzbischof Sava II. , sämtlich Zeit aber auch eine ungünstige Beurteilung
bärtige Männer. Es folgen dann etwas höher fanden . ) Stephan Uroš I. war nicht unbegabt,
in einer Reihe die drei Könige Uroš I. und aber unvorsichtig. Talentlos und unselbständig
Uroš II., beide dargestellt als Greise mit weißem waren der schwache und eingebildete Stephan
Bart, der in zwei Spitzen endigt, und König Radoslav und besonders Dušans Sohn, der un-
Stephan (Dragutin) in schwarzem Mönchskleid . fähige Car Uroš.
Neben Stephan stehen als kleine Gestalten seine Von den Frauen treten nur wenige in der
Söhne Vladislav (bärtig) und Urošic (bartlos ) . Geschichte mehr hervor. Die serbische Ge-
An der Seite des Königs Uroš II . sind zwei schichte hat keine Typen in der Art der mächti-
Töchter abgebildet, Carica dыšti kralja Uroša' , gen byzantinischen Kaiserinnen Irene und
die er 1308 an den jungen Karl von Valois ver- Theodora , der Mutter Michaels III., aufzu-
heiraten wollte, ¹ ) und die sonst unbekannte weisen. Die Königinnen waren aus verschiede-
,Brыnča.2 ) König Konstantin, ein Sohn Uroš II . nen Ländern gebürtig. Aus dem benachbarten
( 1321 bis 1322 ) , ist in Gračanica abgebildet ; in Bulgarien stammte die Frau des Königs Ste-
Dečani scheint er zu fehlen , wenigstens auf der phan Vladislav, Tochter des Caren Johannes
mir vorliegenden Zeichnung . Im obersten Felde Asên II., über die nichts Näheres berichtet wird,
steht rechts der langbärtige König Uroš III. , in ferner die dritte Frau des Königs Stephan Uroš II . ,
der Mitte Stephan Dušan mit schwarzem Schnurr- Anna ( 1284 ) , eine Tochter des Caren Georg Ter-
bart und kurzem Vollbart im kaiserlichen Ge- terij I., eines Kumanen von Geburt, die nach
wande (Stefan car) , links dessen bartloser Sohn 15 Jahren von ihrem Gatten verstoßen wurde
Uroš als König (Uroš kralj ) mit der Krone auf (1299 ) und in Konstantinopel den epirotischen
dem Haupt und einer Rolle in der Hand. Ganz Prinzen Michael Kutrules heiratete, endlich die
klein erscheinen daneben , in den Blüten des Frau des Königs Stephan Uroš III. , Theodora ,
Baumes sitzend, einige kindliche Köpfe, Dušans eine Tochter des Caren Smilec, die mit ihrem
Geschwister : der frühzeitig gestorbene Dušica, Manne viele trübe Tage, auch das Exil in Kon-
Symeon, noch ganz bartlos, Jelena, später die stantinopel mitmachte, aber noch seine Thronbe-

¹ ) In der Urk. 1308 , unicam filiam suam nomine Zarizam, quam ex Elizabet uxore sua legitima procreavit , Glasnik
27, 322. Die richtige Namensform Carica kannte aus Hilferdings Bericht über die Fresken von Gračanica schon Ilarion
Ruvarac, Kraljice i carice srpske ( Serb. Königinnen und Zarinnen ) in der Zeitschrift Matica 3 (Neusatz 1868 ) 412. In
meiner Geschichte der Serben 1 , 345 ist demnach Zorica als Carica zu berichtigen.
1 ) In Gračanica las Hilferding Pыrьnêčej . Stojanović, Zapisi 3 Nr. 5097.
3) Vgl. meine Geschichte der Serben 1 , 262, 332, 368 , 414 .
4) Novaković im Arch . slav. Phil. 34 ( 1913 ) 231 f.
STAAT UND GESELLSCHAFT IM MITTELALTERLICHEN SERBIEN III . 35

steigung erlebte († 1323 ) , die Mutter des Ste- hannes von Thessalien , wissen wir nicht einmal
phan Dušan.¹ ) Im öffentlichen Leben trat am den Namen. Die vierte Gattin Uroš II. (1299 )
meisten Helena , eine Schwester des bulgarischen war bis zu seinem Tode Simonis, Tochter des
Caren Johannes Alexander, hervor, seit 1332 Kaisers Andronikos II. und der Irene von
Frau des Stephan Dušan . Eine Vorlage, die Montferrat, vermählt noch in sehr jugendlichem
Orbini benutzt hat, schilderte sie als eine böse Alter. Diese Heirat war Ursache der Kämpfe
Frau, Feindin der Katholiken ,,donna perversa‘ , zwischen den Brüdern König Uroš II. und
,veramente disposta a fare ogni male'. Ihre Teil- König Stephan (Dragutin ) . Nikephoros Gre-
nahme an den Beratungen bei Hofe schildert goras erzählt, wie Simonis zuletzt unter der
Johannes Kantakuzenos, der 1342 als Flücht- Eifersucht ihres Gatten viel gelitten hat, so
ling am Hofe Dušans verweilte. Sie begleitete daß sie ins Kloster gehen wollte ; dies tat sie
ihren Gemahl auch auf den Feldzügen in der erst nach Uroš II. Tod, worauf sie im Kloster-
Umgebung von Thessalonich und gegen Bos- gewand bei ihrem Vater und Neffen, Androni-
nien, wobei sie auch Ragusa (1350) besuchte. kos II . und III. in Konstantinopel lebte.5 ) Der
Nach dem Tode ihres Gatten residierte sie mit späte Camblak (um 1400 ) beschuldigte Simonis
dem Klosternamen Elisabeth in Serrai , erlebte den Uroš II . zur Blendung seines Sohnes aus
aber noch den Zusammenbruch des neuen Kaiser- der dritten Ehe, des späteren Uroš III. , listig
tums und überlebte sogar ihren einzigen Sohn , ,mit Tränen überredet zu haben.6) Die zweite
den Caren Uroš ( † 1371 ) .2 ) Aus den rumäni- Gattin Uroš III. war Maria Palaiologina ( 1326 ) ,
schen Fürstentümern stammte Anna, Tochter Tochter eines Neffen des Kaisers Andronikos II.
des walachischen Fürsten Alexander, Frau Diese Stiefmutter des Stephan Dušan blieb in
(1360) des Caren Uroš.3) In Bosnien war keine Serbien . Nach der Ansicht des Dr. Radonić
der bekannten Königinnen zu Hause ; dafür war ist sie die ,herzliebste Mutter Despotissa des Ca-
Elisabeth, eine Tochter des Königs Stephan ren Stephan in einer Urkunde von 1340 (vьse-
Dragutin, Gattin des bosnischen Bans Ste- srúdúčnaja i istinnaja mater kraljevstva mi des-
phan I. potica) und die ,vasilissa Maria' ( 1348 ) , die zweite
Die Griechinnen waren nicht beliebt . Eu- Gattin des einflußreichen Magnaten Oliver. ")
dokia, die Tochter des Kaisers Alexios III., Vieles bleibt in diesen Genealogien dunkel.8 )
Frau des Großžupans Stephan, des späteren Aus dem Abendlande stammte Anna, Enke-
erstgekrönten Königs, mußte Serbien (um 1202 ) lin des Dogen Enrico Dandolo von Venedig ,
verlassen (s . oben 3 , 30 ) . Anna, die Tochter des Gattin (wie es scheint, die dritte) Stephans des
epirotischen Kaisers Theodoros, war Ursache Erstgekrönten ; sie hat bei der Erwerbung der
der Vertreibung ihres Gatten , des Königs Ste- Königskrone aus Rom ( 1217) einen Einfluß
phan Radoslav (1234) .4) Von der ersten Frau gehabt und wurde zugleich mit ihrem Gemahl
Uroš II., einer Tochter des Sevastokrators Jo- feierlich gekrönt.9 )

1 ) Anna: vgl. meine Geschichte der Serben 1 , 341. Urkunde des Caren Stephan mit einer Stiftung für das Grab
seiner Mutter Theodora ( 1346 ) im Kloster Banjska, herausgegeben von Novaković, Spomenik 9, 1–7 und Zakonski spo-
menici 631-632. 2 ) Meine Geschichte der Serben 1 , 370, 414, 426, 432 .
3) Ebenda 414 A. 4 . 4 ) Ebenda 1 , 301 , 303-305.
5) Ebenda 1 , 340, 353, 354, Nikephoros Gregoras hat den Klosternamen der Simonis nicht verzeichnet. Eine Per-
gamenthandschrift mit der patristischen Kompilation des Paulos, jetzt in der Bibliothek des Meteorenklosters des hl. Bar-
laam in Thessalien, schließt mit Versen, welche als Besitzerin die ehemalige , tv Тpißahшv zpáλaiva' nennen, die Nonne
Eugenia. Dr. Nikos Bees in Arch. slav. Phil. 34 ( 1913 ) 298-304 meint, daß sie im weltlichen Stande Helena hieß. Er
identifiziert sie mit Milica, Frau des Knez Lazar ( † 1389) , die als Nonne wirklich Eugenia oder Euphrosyne (Daničić, Rječ-
nik unter Jefrosini) hieß , aber nie Königin war und nur Kneginja, lat. Comitissa tituliert wird. Man könnte eher an
die κράλαινα Simonis denken.
) Camblak, Leben Uroš III , herausgegeben von Dr. J. Šafarik, Glasnik 11 ( 1859 ) 45 , 47 f.
7) Urk. 1340 bei Novaković, Zakonski spomenici 409. In der Geschichte der Serben 1 , 388 A. 2 hielt ich diese
Basilicox Mapix für eine Halbschwester Dušans . Radonić in Glas 94 (1914).
8) Dr. Eugen Kozak, Professor an der Universität Czernowitz, teilt mir mit , daß im Kloster Putna in der Bukovina
eine gestickte Inschrift zu lesen ist : τῶν δουλῶν σου καισαρίσις (für -ης) Σερβίας Εφημίας μοναχ ( ῆς) σὺν θυγατρὶ βασιλείσης Σερβίας
Eùmpatías povax(75). Euphemia hieß als Nonne die Witwe des Despoten Uglješa, eine Tochter des Kjesar Vojihna. Die
Bacilicon Lepßías ( also carica ) Eupraxia ist sonst unbekannt.
9) Geschichte der Serben 1 , 295, 297. Die verwandtschaftlichen Beziehungen der serbischen Fürsten zu den vor-
nehmen Geschlechtern Venedigs, die schon unter dem Großžupan Desa im 12. Jahrhundert beginnen (vgl. meine Geschichte
5*
36 II. ABHANDLUNG : CONSTANTIN JIREČEK .

Eine berühmte Königin abendländischen carissima, cognata nostra, affinis nostra caris-
Ursprungs war Helena , seit ungefähr 1250 Frau sima) bezeichnet wird.3) Die Urkunden, In-
des Königs Uroš I. , wir wissen nicht ob die schriften und Biographien geben keine be-
erste, zweite oder gar dritte, die Mutter der stimmte Antwort auf diese Frage. Von neue-
Könige Stephan (Dragutin) und Uroš II. (Milu- ren Historikern erklärten seit dem 17. Jahr-
tin) . Erzbischof Daniel, der sie noch persönlich hundert die einen die serbische Königin Helena
kannte, schreibt, sie sei fränkischen Ursprungs als Tochter des Kaisers Balduin II. , die anderen
(ot roda fružьska ) aus einem kaiserlichen oder als Tochter des Königs Ludwig IX. (des Heili-
königlichen Geschlechte gewesen
(ot plemena gen) von Frankreich ; doch sind beide Hypo-
carska) , eine Tochter berühmter und reicher thesen ganz haltlos , weil die Genealogien dieser
Eltern, welche sie dem König Uroš zur Frau Häuser in allen Details genau bekannt sind.
gegeben haben.¹ ) Er lobt ihre scharfsinnige Eine neue Kombination von Mijatović suchte
Redeweise, ihre Güte, Freigebigkeit, Frömmig- den Ursprung in dem Hause Courtenay (lat . de
keit und ihren tadellosen Lebenswandel. Sie Corteniaco) entweder unter den Töchtern des
erreichte ein sehr hohes Alter († 1314) , gleich Raoul de Courtenay, eines Neffen des lateini-
populär bei den Serben, als bei den Lateinern schen Kaisers Robert, der von König Karl I.
des Küstenlandes, gleich geehrt von der serbi- von Anjou die Grafschaft von Chieti in den
schen und lateinischen Kirche. Besonders im Abruzzen erhalten hatte († 1271 ) , oder unter
dioklitischen Gebiet hat sie ein bleibendes An- den Töchtern der Elisabeth de Courtenay,
denken hinterlassen, in den Sagen der Montene- Schwester Balduins II. und Gattin des Odo de

griner unvergessen als die fromme ,kraljica Montagu aus der Familie der Herzoge von Bur-
Jelena '. Nach Barletius wurde Drivasto mit gund . ) Man könnte auch an die zahlreichen ,
anderen Städten , welche bei der Invasion der meist aus der Champagne und aus Burgund
Mongolen zerstört worden waren, von ihr er- stammenden französischen Herrengeschlechter
neuert. In Cattaro, Antivari, Dulcigno und Griechenlands denken. Eine wichtige Quelle
Skutari stiftete sie katholische Kirchen und ist bis jetzt nicht befragt worden, die voluminö-
Klöster des Franziskanerordens, im Binnen- sen Archivbücher der französischen Könige die-
lande das serbische Kloster Gradac am Ibar. ser Zeit.
Sie beschenkte auch das katholische Kloster von Bekannter ist die Familie des Gatten der
Ratac bei Antivari und das serbische von Vran- Maria, der Schwester der serbischen Königin
jina auf einer Insel des Sees von Skutari . Per- Helena. Gemahl dieser Maria war Anselm oder
sönlich war sie der römischen Kirche treu , wie Anselin de Chau, Chaurs oder Chaus, einer der
aus den zahlreichen Schutzbriefen, die sie von französischen Ritter, welche mit den Anjous
den Päpsten erhielt, klar zu sehen ist.2 ) Dunkel nach Neapel gekommen waren , seit Mai 1273
bleibt ihre Abstammung. Es ist keine Phrase, Generalkapitän Karls I. in Albanien und Statt-
wenn sie, ebenso wie ihre Schwester in den Ur- halter in Durazzo, gestorben vor April 1274.5)
kunden der Könige von Neapel Karl I. und II . Mehrere Verwandte des Anselm waren ebenfalls

von Anjou als Verwandte (consanguinea nostra Höflinge Karls I. , während andere Angehörige

der Serben 1 , 251 ) , werden sich nicht auf wenige Fälle beschränkt haben . Nach einer Anmerkung des Cicogna im Archivio
storico italiano Bd . 8 ( Firenze 1845 ) p . 754 soll die zweite Frau des Dogen Lorenzo Tiepolo ( 1268-1275 ) eine ,figliuola
del re di Rascia' gewesen sein.
¹ ) Daniel 8, 58, vgl . 60–61 . Die Urkunden siehe in den Acta et diplomata res Albaniae mediae aetatis illustrantia,
von Thallóczy, Jireček und Šufflay, Bd. 1 ( 1913) ; vgl . die Indices unter Helena, Chau und Chaurs.
2 ) Eine einzige abendländische Quelle ist der Helena ungünstig gesinnt. Der französische Bischof Bernardus Guidonis
(† 1331) berichtet in seinen Flores chronicorum ' (Recueil des historiens des Gaules et de la France, vol . 21 , p. 718 ) , wie
päpstliche Gesandte 1308 zum König Uroš II . reisten , um ihn zur Union zu bewegen (vgl . meine Geschichte der Serben 1 ,
345). Vom ,rex Raciae' wurden sie , debito cum honore begrüßt, aber der Erfolg blieb aus, weil der König ,matris suae
et fratris metu retractus penitus nichil egit.'
³) , Cousins ' des französischen Königs waren z. B. auch die Toucy (de Tociaco) im lateinischen Kaisertum, durch Ver-
wandtschaft in weiblicher Linie. Du Bouchet, Histoire généalogique de la maison royale de Courtenay ( Paris 1661 ) 165 ;
Du Cange, Familles d'outremer 487.
4) Mijatović, Ko je kraljica Jelena ? (Wer ist die Königin Jelena ) , Letopis 217 ( 1903 ) 1-30.
5) Vielleicht identisch mit ,nobilis vir Anselmus dominus de Keu et Maria uxor eius', denen Papst Alexander IV. in
Neapel am 15. Jänner 1255 die Ehedispens bestätigte, da sie im dritten oder vierten , consanguineitatis gradu' miteinander
verwandt waren : Les registres d'Alexandre IV, par M. Bourel de la Roncière (Paris 1895 , Bibl. des écoles franç ., 2º série XV,
STAAT UND GESELLSCHAFT IM MITTELALTERLICHEN SERBIEN III. 37

desselben Geschlechtes zu dem vornehmen Adel meris dem Ritter Anselm de Chaurs (um 1292 ) .5)
Frankreichs gehörten , darunter Philipp de Das Grab der Maria und ihres Sohnes Anselm
Chaours, Bischof von Evreux († 1281 ) .¹ ) Das mit lateinischer Inschrift sah man noch im
Geschlecht führte seinen Namen von dem 16. Jahrhundert im Pflaster vor dem Hochaltar
Schlosse Chaource in der Champagne, jetzt im der Marien- oder Markuskirche von Dulcigno,
Departement Aube, Arrondissement Bar sur welches bis 1571 den Venetianern gehörte. " )
Seine, südlich von Troyes.2 ) Die Schwester der Verwandte der Maria gab es in Serbien auch
serbischen Königin, in neapolitanischen und später. König Karl II. von Neapel befahl 1302
ragusanischen Urkunden Maria de Chaurs oder dem Fürsten von Achaja, Philipp von Savoyen,
Chau (Cau ) genannt, hatte einen Sohn, der dem dritten Gatten der Isabella, er möge ge-
gleichfalls Anselm hieß. Im Juni 1280 reiste wisse der Königin von Serbien und dem Edel-
sie mit diesem Sohn, zahlreicher Dienerschaft mann Georg von Chau gehörige Tücher und
und 20 Pferden über Apulien nach Serbien zu Schmucksachen ausfindig machen, welche von
ihrer Schwester (domina regina Servie, soror Piraten aus Clarencia in Achaja in den Ge-
sua) ; 1281 kehrte sie mit einer serbischen Ge- wässern von Durazzo (in mari Duracii ) geraubt
sandtschaft wieder zurück zu Karl I. nach worden waren.7)
Viterbo, blieb aber dann in Serbien, wo ihr eine Aus der Dynastie der Arpáden stammte
Residenz in Dulcigno (s . oben 1 , 61 ) eingeräumt Katharina, eine Tochter des Königs Stephan V.
wurde.³) Die ragusanischen Amtsbücher er- von Ungarn und seiner Gattin Elisabeth, der
erwähnen die ,domina Maria de Chau, soror do- Tochter des letzten kumanischen Chans Kuthen,
mine regine, domina Ulcinii ' 1283-1285 oft die Gemahlin des Königs Stephan Dragutin ,
in Dulcigno bei Fragen über Zollpächter, Kauf- vom Erzbischof Daniel stets mit großem Lobe
leute, Ankauf von Schiffen usw. ) Ihr Sohn erwähnt. Ihre Schwester Elisabeth war eine
Anselm de Chaurs schloß sich später dem Flo- Zeitlang die zweite Gattin des Bruders Ste-
renz von Hennegau (Florent d'Avesnes-Hai- phans, des Königs Stephan Uroš II. Milutin.
nault, 1297) an, welcher als zweiter Gatte Sie war Nonne im Kloster auf der Haseninsel ,
der Isabella von Villehardouin 1289 Fürst der heutigen Margaretheninsel bei Pest, wes-
von Achaja geworden war. Die Barone von halb die Ehe mit dem König in Serbien auf
Achaja klagten bei dem Oberlehensherrn , dem großem Widerstand stieß, abgesehen von der
König von Neapel, Fürst Florenz habe will- nahen Verschwägerung, die an und für sich ein
kürlich Ländereien der eingeborenen Franken kirchliches Ehehindernis bildete. Deshalb
entrissen und seinen Leuten gegeben, wie die trennte sich König Uroš II. bald (vor 1284) von
Güter des verstorbenen Magister Ventura Ar- dieser zweiten Frau, die wieder Äbtissin auf

1) p. 13 A., Nr . 48. Wenn beide Eheleute vielleicht aus verschiedenen Linien des Hauses Chaurs stammten , hätte Hopf
nicht Unrecht mit der Bezeichnung der serbischen Königin als Helena de Chaurs. Urkunden über Anselm als Statthalter
von Durazzo in den Acta Albaniae Bd. 1 ; sein Tod 1274 ib . p . 89.
¹) ,Chevaliers de l'Hôtel waren Geoffroy de Chaurs, Kastellan von Lucera ( 1277 ) und Patricius de Chaurs oder
Chaursio, Justiciarius der Terra d'Otranto ( 1277–1282) ; daneben werden erwähnt Hervé de Chaors und Guillaume de Chaus,
vgl. Paul Durrieu , Les archives angevines de Naples (Paris 1886 ) 2 , 304, vgl. 209, 225, 227 , 231 , Acta Albaniae a. a. O.
Adam de Chaurce, Ritter des Templerordens in Jerusalem 1184 bei Röhricht, Regesta regni Hierosolymitani, Additamenta
(Innsbruck 1904) Nr. 637 a, p . 41. Bischof Philipp von Evreux († 1281 ) und Patriz de Chaourses ( Patricius de Chaorciis)
unter den barons et grans chevaliers du roi' 1304 in einer Lehensliste im Recueil des historiens des Gaules et de la
France, Bd . 23 ( 1876) .
2 ) Lateinisch Chaursia, Chaursa , Chaorsa, Chaorsia, Chaorcia geschrieben , französisch Chaorse, Quaourse, Kaourse :
Recueil des historiens des Gaules Bd. 20, p . 204, 314 , 315 , Bd . 21 , p . 162 , 502. Nicht zu verwechseln mit den Chaurs ist die
Familie de Cayeux aus der Normandie, aus dem jetzigen Cayeux-sur-Mer ; Anselm de Cayeux (Aσèλ dè Kάɛ des Akropolites)
war 1206-1247 einer der vornehmsten Franken von Konstantinopel, Gatte einer Tochter des Kaisers Theodor I
Laskaris.
*) Rad 18 ( 1872) 218 .
4) Diversa, Bände 1282 und 1284 Arch. Rag. Acta Albaniae 1 , Nr. 470, 498.
5 ) Hopf, Gesch. Griechenlands, Ersch- Gruber Bd. 85 , 339.
6 ) Farlati, Illyricum sacrum 4, 440 ; 6 , 429 ; 7, 59. An der letzten Stelle ist die Grabinschrift von Dulcigno aus
einer Handschrift der Adelsfamilie de Pasqualibus von Cattaro mitgeteilt. Der Name auf der Inschrift ist dort wiederge-
geben als ,Maria de domo Chiutiz ( var. Chieriz) de Francia'. Vgl. Šufflay in den Acta Albaniae 1 , p . 151–152 , Nr . 509 .
7) Makušev, Zapiski 19 ( 1871 ) 3 , 33 = Rački, Rad 18 ( 1872 ) 225 ; Acta Albaniae 1 , p . 159, Nr. 544. Vgl. Hopf
a. a. O. 353 A.
38 II. ABHANDLUNG : CONSTANTIN JIREČEK .

der Haseninsel wurde, aber schon 1287 den Familie und Gefolge so lange bleiben können ,
böhmischen Edelmann Záviš heiratete ; nach als es ihnen beliebt . Eine hervorragende Pflicht
der Hinrichtung dieses Magnaten 1290 auf Be- des Landesherrn war freigebige Gastfreund-
fehl des Königs Wenzel II. kehrte sie wieder schaft . Als Nemanja seine Abdankung ver-
auf die Haseninsel zurück.¹ ) Costanza aus dem kündete, sagte er den versammelten Serben , er
Hause der Morosini von Venedig wurde ( 1293 ) habe mit ihnen genug Vergnügen und Freuden
Gattin des Vladislav, des Sohnes des Stephan genossen, genug der irdischen Geschäfte und
Dragutin, welcher aber den Thron von Serbien , Kriegszüge, genug der ‚ Ergötzungen der reichen.
der ihm bestimmt war, nicht behaupten konnte. Tafeln (trapeza ) . Es folgte dann das letzte
Wir haben außerdem Nachrichten über einige glänzende, reich mit Fleischspeisen ausgestattete
nicht ausgeführte Heiratspläne im Westen . Gastmahl vor der Einkleidung des Großžupans
Uroš III. dachte daran, Blanca, die Tochter des als Mönch . Nemanjas Sohn Stephan, ein er-
lateinischen Titulkaisers Philipp von Tarent fahrener und tapferer Kriegsmann, hat nach
(† 1331 ) aus einer Sekundogenitur der Anjous der Erzählung des Mönches Theodosij oft die
als zweite Frau zu heiraten . Auch Stephan Adeligen bei Tisch durch Musik mit Trommeln
Dušan wollte, als er von Helena lange keinen (timpani) und Geigen (gusli ) erfreut. Bei der
Sohn hatte , sich von ihr trennen und Elisabeth , Krönung dieses Herrschers mit der
die Tochter des deutschen Königs Friedrich des Königskrone wird auch das sehr große Fest-
Schönen, eines Habsburgers , heiraten (1336 ) ; mahl (pir) verzeichnet.¹ )
über diese Verhandlungen hat der Abt Johann Die byzantinischen Berichte über den serbi-
von Viktring in Kärnten in seiner Chronik eine schen Hof eröffnet Pachymeres . Kaiser Michael
Nachricht erhalten.2) Palaiologos wollte den König Stephan Uroš I.
Ein altserbischer Fürstenspiegel hat sich durch die Vermählung des jüngeren Sohnes
nicht erhalten . Byzantinische Arbeiten dieser Milutin (Uroš II. ) mit seiner Tochter Anna ge-
Art gibt es mehrere, wie der merkwürdige Brief winnen (1268 ) . Die Kaiserstochter, begleitet
des Patriarchen Photios an den neugetauften vom Patriarchen Joseph, begab sich mit großem
Bulgarenfürsten Michael Boris . Als Ideal eines Gefolge bereits nach Westen. Von Berrhoea in
Herrschers ist bei Daniel der gottesfürchtige Makedonien reisten der Chartophylax Johannes
König Stephan Dragutin geschildert ; unter Bekkos, der spätere (seit 1275) Patriarch, und
seiner Regierung habe es keine Ungerechtig- Kudumenos, der Bischof von Traianopolis , vor-
keit, Stolz oder Wucher gegeben.3) Feldzüge, aus nach Serbien, um die Sitten des Landes
Reisen , Gerichtsverhandlungen , Reichstage , kennen zu lernen . Sie waren durch den primi-
Empfänge von Gesandten, kirchliche und welt- tiven Charakter des Hofes sehr enttäuscht ,
liche Festlichkeiten , Jagden , Tafeln und wohl- ebenso aber auch die Serben durch den nach
tätige Werke füllten die Tage der Herrscher ihrer Ansicht überflüssigen Prunk der Byzan-
aus . Die Rivalitäten innerhalb der Familie tiner. Besonders mißfielen dem serbischen König
verfolgten sie aber oft mit schweren Sorgen. die schon mitgebrachten Eunuchen, welche zum
Der König mußte nicht selten zur Flucht bereit Hofstaat der Kaisertochter gehören sollten . Die
sein . Als bestes Asyl galt Ragusa, das im 13. bis Gattin des älteren Sohnes Dragutin, Katharina
15. Jahrhundert sehr oft ein unfreiwilliger von Ungarn , war ärmlich gekleidet und zum
Aufenthaltsort vertriebener Fürsten und Für- Erstaunen der Byzantiner, deren Fürstinnen
stinnen war . In den Verträgen mit Nemanjas nichts arbeiteten , am Spinnrocken beschäftigt.
Bruder Miroslav und mit den Königen Vladis- Trotz des ungünstigen Berichtes der Sendboten
lav und Uroš I. versprachen die Ragusaner aus- reiste die byzantinische Prinzessin weiter west-
drücklich den serbischen Herrschern für den wärts nach Ochrid, wo sie abermals abwartete.
Fall, daß ihnen ein , Kummer' widerfährt, eine Der Patriarch begab sich indessen mit den ande-
ehrenvolle Aufnahme und freundschaftlichen ren Gesandten von dort über Polog nach Lip-
Empfang in der Stadt, in welcher sie mit ljan, wo sie mit dem ihnen entgegengesendeten

1) Meine Geschichte der Serben 1 , 332 .


") Ebenda 1 , 337 , 359, 375-376.
3) Daniel 23.
4) Theodosij bei Pavlović 42, 47 , 95, 111 , 113.
STAAT UND GESELLSCHAFT IM MITTELALTERLICHEN SERBIEN III . 39

serbischen Hofbeamten Georg zusammentrafen . Geschichtschreiber Nikephoros Gregoras mit


Es war klar , daß die Serben einen Abbruch der einer Gesandtschaft an den Hof des Stephan
Verhandlungen herbeizuführen wünschen . Georg Uroš III. ( 1327 ) . Mit den Manieren des Königs
erzählte, er sei kurz zuvor von Räubern über- und der Serben war der gelehrte Byzantiner
fallen worden , was die Byzantiner in große nicht zufrieden . Die Affen verrichten, wie man
Angst versetzte, da ihnen auch die scharenweise sagt, ihre Werke nach Affenart, die Ameisen
sichtbaren Einwohner nicht geheuer vorkamen. nach Art der Ameisen' ; was Adlern und Löwen
In einer Nacht wurden die Pferde der Gesandt- gewohnt ist , können sie nicht tun, glücklich sei
schaft gestohlen . Als Ersatz konnten die serbi- daher derjenige, der als Hellene, nicht als Bar-
schen Beamten nur schlechte Pferde des Landes bare zur Welt kommt.3) Bei Stephan Dušan noch
bieten. Da entschlossen sich die griechischen Ge- als König hat der Gegenkaiser Johannes Kan-
sandten sofort zur Umkehr nach Ochrid, von takuzenos als Flüchtling geweilt (1342 ) und in
wo sie die Prinzessin wieder zum Kaiser zurück- seinem Buche manches Detail verzeichnet über
führten. Man sieht, daß Pachymores in den ihm den König, die Königin, die Ratgeber des
vorliegenden Aufzeichnungen nicht die wahre Herrschers und die Sitten des Hofes . ) Zu Ste-
Ursache des Bruches vorfand . Wir wissen aus phan Dušan als Kaiser kam ( 1355 ) als päpst-
anderen Berichten , daß König Uroš I. damals licher Gesandter ein Franzose aus Perigord, der
im Vertrauen auf die Verbindung mit den By- Bischof Peter Thomas von Patti und Lipari in
zantinern einen Angriff gegen die Ungarn Sizilien. Nach dem Bericht des Philipp de
unternahm , aber in der Mačva nicht nur ge- Mezières empfing ihn der Car stolz, inmitten
schlagen, sondern auch gefangen wurde.¹ ) seiner Barone und Truppen. Das byzantinische
Als Gesandter des Sohnes des Kaisers Mi- Zeremoniell erforderte viele erniedrigende Ver-
chael, des Kaisers Andronikos II. , weilte der beugungen, welche der Legat verweigerte, ohne
spätere Großlogothet Theodoros Metochites bei aber deswegen Schaden zu erleiden. ") Sympa-
dem Sohn Uroš I., dem König Stephan Uroš II . thisch behandelt den Serbenkönig ein italieni-
Milutin , bis endlich zwischen den Byzantinern scher Ritterroman aus der Mitte des 14. Jahr-
und Serben ein Frieden geschlossen wurde, ver- hunderts, dessen Inhalt wir schon oben ( 1 , 80 f. )
bunden mit einer Heirat ( 1299) . Erhalten hat sich bei der Besprechung des Kriegswesens und der
ein sehr wortreicher, auf dieser Reise geschrie- fremden Söldner wiedergegeben haben .
bener Brief des byzantinischen Diplomaten . Am Der große Adel der Vlasteline, die meist
serbischen Hofe, ohne Zweifel in Skopje, fand Verwandte des Herrscherhauses, mitunter auch
Metochites viel Nachahmung des byzantinischen Nachkommen von Seitenlinien desselben waren
Prunkes. Zur feierlichen ersten Audienz wurde (s. oben 1 , 43 ) und der sehr zahlreiche niedere.
er von einer großen Schar edler Jünglinge ab- Adel der Vlasteličići oder ursprünglich Vojnici
geholt und vom König, der in Paradekleidern beschäftigte sich mit dem Kriegsdienst, mit der
voll Edelsteine und Perlen ganz in Gold strahlte , Verwaltung verschiedener Ämter und mit der
freundlich begrüßt. Täglich wurde dem Ge- Bewirtschaftung des aus Viehherden und Acker-
sandten reichliches Essen ins Haus gesendet, gründen bestehenden Besitzes. Unterhaltungen
zweimal mehr als nötig war. Bei den Hoftafeln gab es bei Jagden, Spielen und Gastmählern .
trank der König mit seinen Großen oft den Die Prunkliebe führte zu großen Auslagen auf
Byzantinern zu ( ponivetv), was sie ihrerseits er- schöne Pferde und gute Waffen, auf kostbare
wiederten ( avazive , altserb. otpijati ) . Doch die Gewänder und teuere Gürtel . Das Ansehen des
Verhandlungen zogen sich durch viele Monate Mannes hing von der Zahl seines berittenen
in die Länge, infolge der Intriguen der den Gefolges ab. Die Mittel verschaffte man sich
Griechen feindlichen Höflinge und der byzanti- mitunter ganz in derselben Art, wie es die
nischen Überläufer.2 ) Später kam der bekannte | Raubritter Westeuropas taten . Neben braven,

1 ) Pachymeres, Michael Palaiologos V cap. 6. Vgl. meine Geschichte der Serben 1 , 321-322 .
" ) Brief des Metochites an Nikephoros Chumnos bei Sathas, Bibliotheca graeca 1 , 154-193 ; serb . Übersetzung
von Apostolović im Letopis 216 ( 1902) .
3) Nikephoros Gregoras VIII cap. 14, § 8.
4) Kantakuzenos IV cap. 41f.
5) Acta Sanctorum zum 29. Jänner ; abgedruckt von Daničić im Glasnik 21 (1867 ) . Nic . Jorga, Philippe de Mézières,
Paris 1896 , 135 f. , 344.
40 II. ABHANDLUNG : CONSTANTIN JIREČEK .

tapferen und frommen Männern gab es viele Voll Spott und Stolz gegen die Nichtadeligen,
übermütige und gewalttätige Edelleute. Schon die Sebri , sind die Sprichwörter der altragusa-
der erste Erzbischof Sava predigte den Großen nischen Sammlungen.5) Bei alledem war der
und Reichen , sie sollen nicht stolz sein und sich Adel wankelmütig und unverläßlich , und suchte
nicht besser als andere dünken , denn es gebe aus jedem Zwist zwischen den Mitgliedern der
keinen Verlaß auf den irdischen Reichtum , Dynastie Vorteile für sich zu gewinnen : zwi-
sondern nur auf Gott allein.¹ ) Metochites schen den Söhnen Nemanjas, Stephan und
schildert den serbischen Gesandten, mit dem er Vlkan, zwischen den Brüdern Stephan Rados-
die Reise von Konstantinopel zu König Uroš II . lav, Stephan Vladislav und Stephan Uroš I. ,
antrat. Dieser Serbe protzte mit seiner Leibes- ebenso bei dem Sturze Uroš I. durch seinen
kraft, raufte sich mit den griechischen Bauern, Sohn Stephan Dragutin und bei dem Zer-
weil er bei ihnen das in Serbien übliche, aber würfnis zwischen den Brüdern Stephan
in Byzanz unbekannte Quartierrecht bean- Dragutin und Stephan Uroš II . Milutin .
spruchte, erzählte viel von seinen schwierigen Uroš II . wurde im Kampfe gegen seinen Bruder
Reisen in Ungarn , Bulgarien und im Tataren- in einem kritischen Augenblick fast von allen
lande und trug trotz der grimmigen Winter- verlassen, aber nach einem Erfolg waren wieder
kälte nur eine kleine Mütze, die er beim Ab- alle bei ihm . Ebenso war der Adel beteiligt bei
sitzen vom Pferde sofort abnahm, um barhaupt den Differenzen zwischen Uroš II. und seinem
,wie eine von Schnee und Regen umbrauste Sohn Stephan (dem späteren Stifter des Klosters
Statue' den Elementen zu trotzen. Endlich Dečani ) , bei dem Kampf um die Nachfolge nach
blieb er ganz verkühlt in einem thrakischen Uroš II. zwischen den drei Bewerbern um den
Dorfe krank liegen.2) Einen Teil der Thron, den Königen Konstantin, Vladislav und
Höflinge des Serbenkönigs beschreibt Metochi- und Uroš III. und bei dem Zusammenstoß zwi-
tes sehr ungünstig, als beschränkte Barbaren , schen Uroš III. und seinem Sohn Stephan Du-
Leute ohne Rechtsgefühl und Gottesfurcht, ge- šan . Die Eigenmächtigkeiten der Branivojevići ,
wohnt an den Krieg, an den Raub von Ochsen und welche den Verlust von Zachlumien herbei-
Schafen und an die Plünderung von Reisenden führten, der Abfall des Feldherrn Hrelja zu
in den Bergen und Einöden des Grenzgebietes.3) den Byzantinern und die geheimen Verbindun-
Den Übermut der Großen hatten die Schwachen gen vieler Edelleute mit Kantakuzenos nach
zu fühlen, die Kirche, die Bauern und die dem Fall von Berrhoea ( 1350 ) geben Zeugnis
fremden Kaufleute. Die Okkupation der Güter von der Selbstsucht und dem Mangel an Patrio-
des Bistums von Prizren durch die Einwohner tismus bei diesem Magnaten. Nach dem Tode des
der Landschaft Polog und die gewaltsame Stephan Dušan haben die Großen das Reich .
Restauration des alten Besitzstandes durch vollständig untergraben. Aus diesen trüben Zei-
König Uroš II . haben wir schon erwähnt (2 , ten stammt ein Urteil der Ragusaner, welche 1371
25 ) . Auf die Gemeinden der Kaufleute und dem König Ludwig I. von Ungarn durch ihre Ge-
Seefahrer sahen auch die Männer der byzanti- sandten sagen ließen, die ,baroni di Rassa' seien
nischen Regierungsgesellschaft stolz herab. alle falsch und ungerecht ,,tuti falsi et iniqui '. " )
Kaiser Johannes Kantakuzenos machte dem Die Nobiles, welche in den Küstenstädten
Stephan Dušan bei der Zusammenkunft vor die Verwaltung in den Händen hatten und da-
Thessalonich (1350) Vorwürfe wegen der An- neben die reichsten Kapitalisten und Grund-
nahme des venetianischen Bürgerrechtes ; für besitzer ihrer Heimat waren, ahmten die Bei-
einen Kaiser sei es nicht geziemend, den Rats- spiele von Italien und Serbien nach. Verpönt
herren von Venedig beigezählt zu werden.4) war die Beschäftigung mit dem Handwerk.

1) Theodosij bei Pavlović 132–133 .


2 ) Cvijić, Violentni tip dinarskih Srba (violenter Typus der dinarischen Serben ) im Pregled 1912 , S. A. auf 8 S.
Bei den Serben von Ras bis Skutari findet man im Gegensatz zu denen an der Morava einen Typus mit schnellen , un-
überlegten, eigensinnigen und gewalttätigen Entschlüssen, besonders in Montenegro. Cvijić verweist auf den serbischen
Gesandten in der Schilderung des Metochites, auf das merkwürdige Volkslied von Maxim, den Sohn des Ivan Crnojević,
und auf den Charakter des Karagjorgje. Dasselbe Temperament findet man bei den Albanesen .
3) Sathas, Bibl . graeca 1 , 156 f. , 166 , 186 f.
4) Kantakuzenos IV, cap. 21 .
5) Belege : Arch. slav. Phil . 22 ( 1900) 212 .
6) Starine 1 , 174. Mon. Rag. 4, 115.
STAAT UND GESELLSCHAFT IM MITTELALTERLICHEN SERBIEN III. 41

Ragusanische Gesetze wiederholen seit 1325 zucht und Bienenzucht (s. oben 2 , 30 ) . Ob sie
öfters das Verbot, kein Mitglied des großen im mittelalterlichen Serbien auch Handwerke
Rates dürfe Metzgerei (beccaria) betreiben . Die betrieben, wie dies Schiltberger von den grie-
jungen Nobiles von Ragusa waren nicht immer chischen Priestern erzählt, ist nicht bekannt.
fleißig bei der Arbeit in den Ämtern oder auf Das Gesetzbuch sucht sie gegen die Übergriffe
Handelsreisen zu Land und zur See. Im zu schützen , sowohl des Adels , als der Bischöfe ,
14. Jahrhundert spielten sie in den Tabernen denen z. B. verboten wurde, ihre Pferde zur
ihrer Stadt Würfel um Wein , beschimpften dabei Fütterung bei den Popen herumführen zu lassen.
einander ganz schmählich und schlugen schließ- Ihr Amt war mehr oder weniger erblich. Ver-
lich einer auf den andern los, nicht selten mit loren wurde es durch Beteiligung an heidnischen
schweren Verwundungen . Dabei stellten sie Zaubereien.2)
Frauenzimmern nach, verübten nachts sine lu- Stark bewohnt waren die großen und reichen
mine mancherlei Unfug in den unbeleuchteten Klöster. Die Serben nannten die Mönche teils
Gassen und läuteten z. B. morgens vor der Zeit die mit Fremdwörtern , wie m on a h (povazós) oder
Kirchenglocken, um die Priester zu täuschen . kalugjer ( zkópos ) , teils mit altslavischen
Nicht anders war es in Konstantinopel, wo über die Ausdrücken : inok der Einsame' , črьnьc
tollen Streiche des jungen Kaisers Michael III . oder ĕrbnorizьc nach dem schwarzen Ge-
viel Wunderbares überliefert wird und wo Nike- wand . Chilandar auf dem Athos war für 200 Brü-
phoros Gregoras über die nächtlichen Ausflüge der eingerichtet. Nach dem Gesetzbuch des Ste-
eines kaiserlichen Prinzen , des späteren Kaisers phan Dušan sollten in den Klöstern auf je
Andronikos III. manches Detail zu erzählen weiß. 1000 Häuser der Güter 50 Mönche kommen ;
Groß, aber zeitweise manchen Schwankungen demnach hatten je 20 Dorfhäuser einen Kloster-
unterworfen war der Einfluß der Kirche. Die bruder zu erhalten . Nach diesem Maßstab hätte
Bischöfe hatten eine feste moralische Autorität, das Kloster Dečani , auf dessen Gütern die
so lange das Beispiel des hl . Sava lebendig war. Häuserzahl bekannt ist, 122 Mönche haben
Später wurde der wachsende irdische Besitz für sollen.³) Für die frommen Gemüter der Zeit
die Kirche gefährlich. Man sieht dies an einigen besaß das Klosterleben eine gewaltige Anzie-
Bestimmungen des Gesetzbuches des Stephan hungskraft. Mit Begeisterung schildert der ser-
Dušan . Diejenigen Bischöfe und Äbte, welche bische Mönch Theodosij die dem lärmenden Ge-
die Armenpflege bei ihren Kirchen vernach- triebe der Welt entrückten Eremiten des Berges
lässigen, wurden mit der Absetzung bedroht . Athos . Sie wohnen in engen Hütten in würziger
Einem Bannfluch unterliegt der Metropolit, Bi- Bergluft, umtönt nur von dem Rauschen des
schof oder Igumen , welcher durch Simonie (mito ) Waldes , in welchem Hirsche hausen , und den
eingesetzt worden ist. Die Fortsetzung der Bio- Stimmen der Vögel, allein mit Gebeten und Ge-
graphien Daniels erzählt, daß sich bei dem Zer- danken an Gott beschäftigt, ohne Ackerbau ,
fall des Reiches nach Dušans Tod das Streben Weingartenarbeit und Handelsgeschäfte, ohne
zeigte, die höchsten geistlichen Würden durch Besitz außer dem härenen Gewande ; Pflanzen,
Geld zu kaufen oder gar nach Räuberart (raz- Obst und Brot sind ihre Nahrung, frisches Quell-
bojničbsky) zu erobern ( 1375 ) . Andererseits war wasser ihr Getränk. Der junge Sava besuchte
die Geistlichkeit durch die Gesetze sehr ge- alle Klöster und Eremitendörfer des Athos voll
schützt ; wer einen Bischof, Mönch oder Popen Bewunderung, barfüßig von einem Heiligtum
beschimpft, zahlt 100 Perper Buße ; wer ihn zum andern wandernd ; erst als sein Vater Ne-
tötet, wird gehängt.¹ ) manja ihm nachkam, legte er wieder Schuhe
Die Weltgeistlichen , die schon als schrift- an und bestieg ein Pferd. Den Nemanja be-
kundige Leute unter ihren Dorfgenossen ein gleitete auf der Reise zu den Klöstern des Athos
großes Ansehen hatten, beschäftigten sich neben eine Schar seiner Großen und Kriegsleute , die
ihrem geistlichen Amte mit Landwirtschaft, nach seinem Beispiel auch Mönche wurden .* )
Transportgeschäften mit Saumtieren , Vieh- Der spätere Erzbischof Daniel II. , der als ade-

1) Zakonik Art. 13 , 28 , 95. Daniel 384.


2) Zakonik Art. 20, 37, 65.
3) Domentian 168. Zakonik Art. 16 .
) Theodosij bei Pavlović 30-31 , 33-34, 50–52.
Denkschriften der phil. -hist. Kl . 58. Bd . 2. Abh. 6
42 II. ABHANDLUNG : CONSTANTIN JIREČEK.

liger Jüngling am Hofe Uroš II. diente, ver- in den abendländischen Klöstern eingeteilt nach
beugte sich vor jedem Mönch und umarmte ihn den Stunden (wpz, čas ) .¹ ) Feierliches Glocken-
voll innerer Begeisterung . Nach einem Besuch geläute rief morgens zur Liturgie (Messe ) ,
des Königs im Kloster Sopoćani verschwand er Hammerschläge auf ein längliches Brett oder
in einer Nacht insgeheim vom Hoflager und eine kupferne oder eiserne, große oder kleine
ließ sich im Kloster Končul am Ibar einkleiden.¹ ) Platte (bilo, klepalo , Diminutiv bilce, klepalce,
Das Gesetzbuch des Stephan Dušan schränkt in συνακτήριον , σύμβολον, σημαντήριον) zu den Offizien.
seinem letzten Teil diese Freiheit ein ; nur mit Es gab einen doppelten Abendgottesdienst (ve-
Erlaubnis ihres Bischofs durften fortan Männer černja und pavečernica) , einen Mitternachts-
oder Frauen in ein Kloster eintreten.2) dienst polunoštnica , μεσονυκτίου ἀκολουθία ) , zu
Die Klosterverfassung ist aus den altserbi- welchem die Mönche, durch das Anschlagen auf
schen Typika von Studenica und Chilandar be- das Weckholz aufgeweckt , feierlich mit Kerzen
kannt, die aus den Zeiten der Sava stammen und in die Kirche zogen, endlich im Anschluß daran
größtenteils wörtlich gleich lauten. Nach den im Zwielicht des Tagesanbruchs einen Morgen-
Untersuchungen von Dmitrijevskij und Jagić gottesdienst (utrnica) . Diese Offizien in der
sind sie eine Bearbeitung des Typikons des zweiten Hälfte der Nacht dauern heute noch
Muttergottesklosters τῆς Εὐεργέτιδος in Konstanti- auf dem Athos oder im Kloster von Rila in Bul-
nopel.3 ) Mit der Aufnahme ins Kloster und der garien 2-3 Stunden, die Liturgie am Morgen
Einkleidung in das schwarze Engelsgewand' 112 Stunden, an Feiertagen noch länger. An
änderte jeder seinen Namen, verließ seine einigen Festtagen gab es Gottesdienst ununter-
Familie und alle Schönheit dieses Lebens und brochen die ganze Nacht hindurch (bdênije,
entsagte allem Privatbesitz. Die Klöster dieser aypurvia) . An der gemeinsamen Tafel, zu welcher
Periode kannten nur das Gemeinschaftsleben, die Brüder ebenfalls durch das Anschlagen eines
die kinovija (zovóßtov, kirchenslavisch ob- eigenen Holzes (trapeznoje bilo) gerufen wurden ,
štežitie) ; das Aufkommen der , idiorrhytmischen' nahmen die Mönche die Mahlzeit ein unter Ge-
Klöster mit Privateigentum der Mönche gehört beten und dem Vorlesen kirchlicher Texte. Im
in die Zeit um 1400. Die Würdenträger der Kloster gab es nur Fisch- und Pflanzenkost,
Klostergemeinde waren : der igumen (ýYoú- ohne Fleisch, mit wenig Wein ; in den Fasten
pevo ) als Oberhaupt, der ikonom ( oixovóμog ) aß man Vegetabilien allein , zubereitet ohne Öl
als sein Vertreter, der aus Chilandar und dem oder Butter. Bei der Tafel durfte niemand mit
Prizrener Kloster bekannte bašta (Vater) , seinem Nachbarn schwätzen oder ihm Speise
der klisijarch ( xxλyatápyng ) , der dochiar oder Trank reichen . In den Zellen (kelija ) , in
(Kellermeister) , der trapezar (Tischauf- denen je zwei Mönche wohnten, war es strenge
seher) , der p a ramonar ( apaμováρtos , Kirchen- verboten, eine Speise, auch nur Früchte, insge-
aufseher) u . a . Gegenüber der großen Zahl der heim zu verwahren. In den Urkunden für die
Laienbrüder war die Zahl der Priestermönche Klöster von Banjska und Prizren wird das De-
(jeromonah) nur klein , wie heute noch auf dem putat (mertik) der Mönche an Wein, Brot und
Athos. Schweigen, Demut, Mäßigkeit, Fasten Kleidern genau bestimmt.5) In den Athos-
und Schlaflosigkeit waren Pflichten der , Bürger klöstern wurden Präbenden für einzelne Mönche ,
des himmlischen Jerusalem'. Gottesdienst gab nach dem byzantinischen àè¤à¤ãτov serbisch ad r-
es mit kleinen Unterbrechungen den ganzen fato genannt, durch Stiftungen errichtet oder
Tag und die ganze Nacht, mit Gebeten, Psalmen- angekauft ; so hat im Kloster Chilandar König
gesang und vielen Kniebeugungen, geradeso wie Uroš II. (1318 ) drei , Despot Stephan Lazare-

1) Daniel 333-335.
2) Zakonik Art. 196.
3 ) Aleksej Dmitrijevskij über die Typika des Ostens, russ ., Kiev 1894. Jagić im Spomenik der serb. Akademie 34
(1898) 1-66 . Über Verfassung, Gottesdienst usw. in den jetzigen Athosklöstern , im Vergleich zu den Klosterregeln des
Abendlandes, gibt einen genauen Bericht ein belgischer Benediktiner : D. Placide de Meester , O. S. B. , Voyage de deux
Bénédictins aux monastères du Mont - Athos, Paris 1908, 174 ff.
4) Sich niederwerfen in drei Tempi, auf die Knie, die Arme und die Stirne, griech. Báλεv μɛtávolαv, serbisch in den
Typika metanija, womit auch die Babɛía yovuzλasix des Originals übersetzt wird.
5) Nach M. Vasmer, Griech.- slav. Studien , in den Izvêstija der Abteilung für russ. Sprache der kais. Akademie in
Petersburg 12 ( 1907 ) 256 mertik Maß , Anteil aus pepitizóv ; neugr. in Kreta, Zypern usw. heute noch pɛptizó.
STAAT UND GESELLSCHAFT IM MITTELALTERLICHEN SERBIEN III . 43

vić sechs solche Adelphate gekauft.¹ ) Die klöster- (der hereditarii ' ) . Bei dem großen Aufschwung
liche Demut (smirenije, tazóng ) äußert sich der Seefahrt und des Handels gingen die Ra-
auch in den Schlußworten der in den Klöstern gusaner im 14. Jahrhundert nur selten ins
geschriebenen Handschriften. Da liest man, das Kloster und überließen die Freuden des Mönchs-
Buch habe ein sündhafter, schlechter und un- lebens meist fremden, armen Geistlichen aus
würdiger Mönch geschrieben ; sein Reichtum be- dem Erzbistum von Antivari oder aus dem
stehe in seinen Sünden , sein Haus sei sein Grab.2 ) ferneren Albanien . In Meleda stammte 1345
Das Mönchsgewand durfte man nicht mehr einer der Mönche aus Antivari, der andere aus
ablegen .Ohne Erlaubnis oder Befehl des Igu- Skutari, 1393 alle drei aus Albanien. In La-
men (des Abtes ) war es dem Klosterbruder ver- croma war 1352 der Abt ein Antibarenser . Im
boten, aus dem Klostergebäude hinausgehen . Das Dominikanerkloster von Ragusa stammten 1376
Gesetzbuch des Caren Stephan befiehlt, daß der Prior und Subprior aus Durazzo ; die übrigen
Mönche und Nonnen nicht in ihren Häusern Brüder waren Albanesen und Norddalmatiner.
leben dürfen, sondern in ihr Kloster zurück- Die Ragusaner, beeinflußt vom Sprachgebrauche
kehren müssen ; der Mönch, der sein Gewand ab- der Nachbarländer, nannten die lateinischen
gelegt hat, ist bis zu seiner Besserung ins Ge- Mönche mitunter auch caloger i , die Nonnen
fängnis zu setzen . Aus einem Kloster konnte. koludrica (oder du m n a, aus domina) .
man aber auch ausgestoßen werden. Die Stif- In den Frauenklöstern der Küstenstädte gab
tungsurkunde des Erzengelklosters von Prizren
. es eine Scheidung nach den Ständen ; z. B. das
bestimmt, der ungehorsame Mönch soll zum Tor Kloster S. Clara in Ragusa (monasterium pul-
hinausgeführt werden ' (da se izvede iz porte) , cellarum) war den Patriziertöchtern reserviert.
ebenso derjenige, der Wucher betreibt, Getreide In gewisse Klöster von Ragusa wurden fremde
oder Wein aufkauft und Geld auf Zinsen gibt.3 ) Nonnen, selbst aus den dalmatinischen Städten,
Die Einrichtungen der sehr wenig bekannten nur mit ausdrücklicher Bewilligung der Re-
Frauenklöster Serbiens waren wahrscheinlich publik aufgenommen . Bei der Sitte, die Töchter ,
dieselben . Das Typikon des von der Kaiserin die keinen Mann bekamen, ins Kloster zu
Irene in Konstantinopel 1118 gestifteten Non- stecken, war die Zahl der Nonnen nicht gering,
nenklosters der Theotokos Keyapitwμévn entspricht bis 60. Da sie meist nur gezwungen in den
fast ganz den Typika der männlichen Klöster ; Klostermauern lebten, mußte man sie im
allerdings mußten die zwei Priestermönche 15. Jahrhundert strenger absperren, wobei
dieses Frauenklosters Eunuchen sein . ) Für- z. B. einmal eine adelige Schwester dennoch nach
.
stinnen, die sich einkleiden ließen, lebten da- Venedig durchging. Die Nonnen von S. Clara in
gegen am Hofe ihrer Söhne. Ragusa waren gegen die Befehle der Republik
Im Küstenlande waren die Abteien der so ungehorsam, daß ihnen der Senat 1518 eine
lateinischen Kirche viel schwächer bewohnt, als Wache vor das Tor stellte und ihre Einkünfte
die Klöster des orientalischen Bekenntnisses im einzog ; schließlich wurden sie durch die Dro-
Innern. In den Benediktinerklöstern finden wir hung, man werde sie durch Demolierung ihrer
z. B. auf der Insel Lacroma bei Ragusa 1283 Hoftreppe ganz von der Außenwelt absperren ,
den Abt mit vier Brüdern , auf der Insel Meleda mürbe gemacht.5) In Cattaro führten die Non-
im 14. Jahrhundert in der Regel den Abt mit nen des dortigen Klosters S. Clara ein so un-
drei Mönchen . Nur die jüngeren Franziskaner- gebundenes und unverbesserliches Leben , daß
und Dominikanerklöster waren etwas stärker der Papst 1540 die Aufnahme neuer Schwestern
besetzt. Viele kleine ,monasteria ' in Ragusa und verbot, worauf das Kloster unter dem Bischof
Cattaro waren übrigens nur eine Kapelle mit Paul de Bisantiis (1565-1578 ) ganz geräumt
einer Pfründe für einen Diakon als ,abbas et und den Franziskanern übergeben wurde, die
rector', verliehen von den Familien der Stifter es heute noch besitzen. ") Die Klosterfrauen

1) Urk.: Spomenik 3, 15 , Mon. serb. 570. Byz. Gebrauch : Byz. Z. 10 ( 1901 ) 237.
2 ) Stojanović, Zapisi 1 z . B. Nr. 7 , 21 , 50 , 54, 183, 189. Über den Einfluß griechischer Muster auf die Formeln der
serbischen Epiloge ( zapisi ) und Inschriften eine Abh . von Vlad. Ćorović in Glas 84 ( 1910) 1-60.
3) Glasnik 15 , 307.
4) Acta graeca 5, 346.
5) Arch. slav. Phil . 21 ( 1899) 418.
6) Farlati, Illyricum sacrum 6, 488 f.
6*
44 II. ABHANDLUNG : CONSTANTIN JIREČEK.

führten in allen Städten Dalmatiens oft nur Hilfe des Erzengels Michael vertrieb. Dämonen
nationale, slavische Namen ; so erscheint in (bjesi ) , geführt von ihren Oberhäuptern , be-
Cattaro um 1330 eine Rade, abbatissa S. Bene- lästigten den Eremiten in großen Scharen, zahl-
dicti , in Ragusa 1255 eine Goja, abbatissa S. Si- reich wie die Bienen ; sie trugen als Helme
meonis, 1284 eine Pervoslava, abbatissa S. Ni- Bären- und Eberköpfe, waren mit Lanzen und
colai , um 1530 sogar eine , reverenda domina Schwertern bewaffnet und bellten wie Hunde.
Venus (oder Venera) , abbatissa monasterii Aber auch sie wurden mit Hilfe der Engel be-
S. Mariae de Castello'.¹) siegt . Zuletzt sammelten sich um den Höhlen-
Neben den Klöstern gab es in Serbien auch bewohner einige Mönche als Schüler. Von ihnen
Eremiten . Der berühmteste war der hl. Peter wurde Peter, als ihn der Tod in seiner kalten
von Koriša, gebürtig aus dem Dorf Unjemir Klause ereilte, in einem Steingrab beigesetzt .
in der Landschaft Hvostno.2) Fromm von Die Legende, verfaßt von Theodosij , vielleicht
Jugend an, begann er nach dem Tode seiner demselben , der eine Vita des hl. Sava geschrie-
Mutter gemeinsam mit seiner Schwester , die ben hat, läßt uns über die Zeit im Unklaren.4 )
nicht heiraten wollte, ein Klausnerleben zu Es war jedenfalls vor der Regierung des Caren
führen, in zwei Hütten in der Nähe seiner Stephan, denn in der Urkunde des Prizrener
Heimat . Als jedoch Besuche von Verwandten Klosters erscheint als Gutsnachbar dieser
und Bekannten die Seelenruhe der Einsiedler Stiftung Dušans das Gebiet des hl. Peter von
störten, zog das Geschwisterpaar weg, um sich Koriša. In den Resten der Felsenkirche hat
eine andere Stätte zu suchen . Unterwegs , als Hilferding Spuren von Fresken und Inschrif
die Schwester ermüdet in der Einöde einge- ten gesehen ; andere Reste verzeichnete der
schlafen war, floh Peter, um fortan ganz allein russische Generalkonsul Jastrebov. In der Nähe
zu bleiben. Die Schwester , als sie sich verlassen steht, 11/2 Stunden von Prizren, das kleine, an-
sah, weinte und klagte viel um ihren Bruder , geblich um 1467 gegründete Kloster des heiligen
den sie nie mehr sah ; sie fand sich ein Ere- Marko, einst ,metoh' des Klosters von Koriša.
mitenheim unter fremden Leuten , wo sie starb. Die Reliquien des hl. Peter wurden 1840 in das
Diese Flucht vor dem Weibe erinnert an die kleine Felsenkloster Crna Reka in der Land-
Legenden der alten Eremiten Asiens.3 ) Peter schaft Stari Kolašin im obersten Ibartal auf
schlug indessen seinen Wohnsitz in der Šar dem Wege von Novipazar nach Peć übertragen ;
Planina auf, in einem Engtal zwischen steilen sie ruhen dort heute noch in einem Holz-
Felsen mit vielen Höhlen, bei dem Dorf Koriša sarg.5)
östlich von Prizren. Eine hochgelegene Höhle Andere Anachoreten hausten in der Nach-
war seine Wohnung, Bucheln , Eicheln und wilde. barschaft der großen Klöster . Bei Peć hatte
Kräuter seine Nahrung. Eigentümlich ist die Erzbischof Jakob (1286-1292 ) zwei griechi-
legendarische Schilderung seiner Kämpfe mit schen Mönchen die Höhle Kotrulica an der
eingebildeten Feinden . Ein großer Drache Bistrica angewiesen , die mit Mauerwerk ab-
(zmij ) hauste in einer tiefer gelegenen Höhle geschlossen wurde. Sie wohnten darin viele.
und schnaubte Tag und Nacht aus Zorn über Jahre und stiegen nur an Feiertagen herab zur
den frommen Eindringling, der ihn aber mit Apostelkirche von Peć . Plötzlich wurde der

¹ ) Der Anklang an die heidnische Venus ist nur scheinbar. Mit Venera (nach venerdi Freitag) wurde italienisch die
hl. Пlapaoxeur (griech . Freitag) übersetzt, die Petka der Slaven. Auch rumänisch nannte man sie Vinere. Meine Rom.
Dalm . 1 , 56-57 ; 3, 74.
2) Unjemir (der Name ist ein altertümlicher slavischer Personenname) wird auch in der Urkunde von Dečani ge-
nannt. Jetzt Dorf Unemir mit 15 Häusern Albanesen, 61/2 Stunden südöstlich von Peć, nach Jastrebov im Spomenik 41 , 110.
3) Vgl. die von Leontios im 7. Jahrhundert verfaßte Vita des hl . Symeon, des ,Narren um Christi Willen ' aus Syrien .
Symeon und Johannes pilgerten nach Jerusalem, der erste mit seiner greisen Mutter, der zweite mit seiner jungen Frau.
Bei Jericho verließen sie heimlich die Frauen und flohen in die Jordanklöster, um dann als Eremiten am Toten Meer zu
leben. Gelzer , Ausgewählte kleine Schriften (Leipzig, Teubner, 1907) 42 f.
4) Vita des hl. Peter von Koriša, herausg . von Novaković im Glasnik 29 ( 1871 ) 308 f. und aus einer anderen Hand-
schrift in den Starine 16 , 9 f. In einer Untersuchung über Theodosij hält S. P. Rozanov in den Izvêstija der Petersburger
Akademie, Abteilung für russ. Sprache 16 ( 1911 ) , 1 , 172 f. ihn identisch mit dem Biographen des hl. Sava und verlegt die
Abfassung in die Zeit des Caren Stephan.
5) Hilferding, Bosnia, Hercegovina i Staraja Serbia, Petersburg 1859, 162. Jastrebov im Spomenik 41 (1904) 106 f,
P. Kostić, Manastir sv. Marka, Godišnjica 30 ( 1911 ) 209-234 mit Nachrichten über das Grab des hl . Peter in Crna Reka.
Traditionen und Sagen über sein Leben usw.
STAAT UND GESELLSCHAFT IM MITTELALTERLICHEN SERBIEN III. 45

jüngere der beiden Einsiedler verrückt und der 1493 auf einer Pilgerfahrt nach Palästina
floh in die Berge ; sein Genosse hat ihn einge- hier vorüberfuhr. Ausführlich erzählt sie Stra-
holt, gefangen und gebunden in die erzbischöf- parola di Caravaggio in seinem Piacevoli
liche Kirche gebracht, wo er am Grabe des notti (1550 ) . Die Geschichte hat eine histori-
hl. Erzbischofs Arsenij eine wunderbare Hei- sche Grundlage. Ein Prior von St. Andreas ,
lung fand.¹ ) In der Zeit des Caren Stephan der ragusanische Edelmann Jacobus Andree de
lebte in einer Einöde bei dem Kloster Dečani Crieva, hat sich die Langweile der Einsamkeit
der fromme Eremite Jefrem aus Bulgarien . Die durch geheime Ausflüge nach Isola di Mezzo
stürmischen Zeiten nach Dušans Tod zwangen versüßt, um dort eine verheiratete Frau Maruša
ihn , in die Umgebung von Peć zu übersiedeln , zu besuchen. Doch die Sache kam auf, die Insu-
wo er viele Jahre in einer Höhle der Enge von laner führten Klage und der verliebte Eremite
Ždrelo hauste. Später wurde er ( 1375 ) zum wurde 1483 zu zehn Jahren Hausarrest auf der
Patriarchen gewählt, dankte aber bald ab, um Felseninsel verurteilt. ) Daneben besitzen wir
in seine Höhle zurückzukehren, die er bis zu in der ragusanischen Literatur eine anmutige
seinem Tode († 1399) bewohnte.2 ) Schilderung dieser einsamen , von Falken und
Die Einsiedler beiderlei Geschlechtes bei Möwen umflatterten, im Winter von berges-
den Lateinern des Küstengebietes waren zum hohen Wellen umstürmten Klippe des hl. An-
Teil nur Kirchendiener. Die Männer (remeta, dreas, verfaßt ein halbes Jahrhundert später
aus eremita ) besorgten auch weltliche Geschäfte, von einem poetischen Klausner, dem Benedik-
wie z. B. einer auf der Insel Lagosta Kalk- tiner Maurus Vetranić (um 1534) in seinem
handel betrieb . Die weiblichen Eremiten der Gedichte Der Eremit' ( Remeta ) .5)
Dorfkirchen bei Ragusa (prisadnica, lat. re- Unsere Darstellung wäre unvollständig,
clausa, pizochara) waren arme, alte Frauen , wenn wir nicht auch die Priester der bosnischen
welche sich durch Handarbeit, meist Spinnerei , Sekte , der fede bossignana ' erwähnen würden .
ernährten.³ ) Echte Eremiten waren die Bene- Diese Geistlichen wurden von den Bosniern als
diktiner auf den einsamen Felsinseln der ,Christen' (krstjani ) , von den Dalmatinern als
Küste, wie in dem kleinen Klösterlein St. An- ,Patarini im engeren Sinne bezeichnet. Es
dreas de Pelago, dessen Stelle heute ein Leucht- waren Mönche ; ihre Klöster waren nach Orbini
turm einnimmt, vor der Einfahrt in den Hafen in Tälern und abgelegenen Orten verborgen. " )
von Gravosa. Zu Ende des Mittelalters wurden Ihr Oberhaupt oder Ältester', der djed , lo
der St. Andreasfelsen und die nahe größere diedo, che è signor e padre spirituale de la glesia
Insel Isola di Mezzo (Lopud) der Schauplatz di Bosna nach einer Bemerkung der Ragu-
einer Art Hero- und Leandersage, in welcher saner, ) in Briefen und bosnischen Handschrif-
der weibliche Leander bei Nacht in der Rich- ten als , Bischof der bosnischen Kirche' (episkup
tung eines vom Einsiedler aufgestellten Lichtes crkve bosanske ) bezeichnet, lebte in der Nähe
schwimmt, um den einsamen Weltüberwinder des Landesherrn , des Bans und später des
zu besuchen. Zuletzt erfahren es die Brüder Königs. Die Mönche (strojnici ) waren in zwei
der Schwimmerin . Sie locken ihre Schwester Klassen geschieden , die höhere der Gäste'
durch ein falsches Licht auf die hohe See und (gost) und die niedere der ,Greise (starac ) .8 )
die Wellen spielen auf die Mönchsinsel nur ihre Die Kleidung wird nirgends beschrieben , scheint
Leiche. Zuerst berichtet von der Sage der aber nach einer erhaltenen Zeichnung im
böhmische Edelmann Johann von Lobkovitz, Gegensatz zu den langen und faltigen Ge-

¹) Daniel 269.
2) Leben Jefrems, herausg. von Novaković, Starine 16 , 37-40 .
3) Remeta heißt bei Ragusa jetzt der Kirchendiener, welcher die Kirche reinigt und die Lichter anzündet, ebenso
wie der Klausner' bei manchen Bergkapellen in den Salzburger Alpen, welcher daneben Wallfahrern und Touristen Er-
frischungen und Andenken verkauft.
4) Vgl. meine Abhandlung im Arch. slav. Phil. 19 ( 1897 ) 45.
5) Stari pisci der südslav. Akademie 3, 12—26.
6) Patarinos seu regullantes sette Bosne" , Consilium Rogatorum von Ragusa, 27. Juni 1403 . „Habitavano ne' mo-
nasteri , posti nelle valli e altri luoghi rimoti ' , Orbini 354 (beruft sich auf Volaterranus und Sabellicus).
7) Jorga, Notes et extraits 2, 107 ( 1405) .
8) In einer Urkunde um 1323 mit dem Zusatz , der große' : djed veliki , gost veliki ; Glasnik bos. 18 (1906 ) 405. Die
Stufenreihe der Grade in einem Brief der Ragusaner an den Kardinal Johannes de Ragusio 1433 bei Jorga a. a. O. 2, 318.
46 II. ABHANDLUNG : CONSTANTIN JIREČEK .

wändern der occidentalischen und orientalischen 1404 eine Urkunde im Dorfe Janjići bei Zenica
Kleriker aus einem kurzen Rock und eng an- im Bosnatale. Im Drinagebiet werden Pata-
liegenden Hosen bestanden zu haben.¹ ) Sie rener erwähnt in Goražda und im locus Pa-
unternahmen, ebenso wie orientalische und oc- tarenorum in dem nicht näher bekannten
cidentalische Geistliche, Gesandtschaftsreisen Ljubskovo.7) Eine andere Gesellschaft (socie-
für die Landesherren, zum Beispiel der in tas) der Patarener wohnte an der oberen Na-
Ragusa 1437-1466 oft erwähnte Radin (,sta- renta im Gebiete der Adelsfamilie der Paštro-
rac' , später ,gost') , Diplomat des Herzogs Ste- vići bei einer Bjelgrad genannten Burg, in
phan. ) Sie waren Schiedsrichter und Friedens- Neretba partium Bosne' ,, sub Belgrado oder in
vermittler in allen inneren Fehden . Ihr Haus Subtus- Belgrad.8 ) Geschenke nahmen sie von den
war ein Asyl für die Verfolgten , sogar für Ragusanern gerne an, die z . B. 1430 dem Djed
Thronprätendenten.3) Deshalb war ihre Freund- und den Gosti Schachteln mit Konfekten über-
schaft auch für die fremden Kaufleute sehr sendeten.9) Ebenso wurde Radin als Gesandter
wertvoll. Sie besorgten auch weltliche Geschäfte . und Vertreter des Herzogs Stephan oft mit
,Goysavus gost Patarinus' stellte 1441 an der Tüchern, Salz und Getreide beschenkt. Orbini
Nordgrenze des Gebietes des Stephan Vukčić berichtet, daß die bosnischen Matronen , welche
Geleitsbriefe für Karawanen aus und konfis- in Krankheiten ein Gelübde abgelegt hatten ,
zierte die Waren von Handelsleuten, die ohne. sich in die Klöster der Patarener begaben und
Dokumente eintrafen . ) Bei feierlichen Akten bei diesen Mönchen eine Zeitlang wohnten.10 )
erschienen die Patarener in der Siebenzah15 ) In den Nachbarländern wurde dies mit Spott
oder in der Zwölfzahl. ") Die Wohnsitze der besprochen. In Ragusa galt die Bezeichnung
Patarener sind nur aus einigen Daten des ,Amme der Patarener (babiza de Patarinis )
15. Jahrhunderts bekannt. Der Djed schrieb als eine schwere Verbalinjurie.¹¹ )

1 ) Faksimile aus der Apokalypse des Radosav ,krstjanin ' bei Jagić im Arch. slav . Phil. 25 ( 1903 ) S. 25 .
2 ) Vgl . Dr. Ćiro Truhelka , Testamenat gosta Radina, Glasnik bos . 23 ( 1911 ) 355-376 . Das Testament vom 5. Jänner 1466
ist mit cyrillischer Schrift in die ,Testamenta Notarie ' in Ragusa eingetragen.
3 ) Pucić 1 , Beilagen S. V.
4) Am 8. Jänner 1441 klagen Andreas Pribinić und Milaš Pribilović gegen die Brüder Pribisav und Radosav und
gegen Božićko (Bosigcus), deren , socius ' . ‚ Existentes subtus Boraç miserunt unum eorum nuncium ad Goysavum gost
Patarinum ad impetrandum et petendum salvum conductum, quod ipsi possent cum rebus suis secure transire per eius
contratam sine impedimento. Et ipse Patarinus cum valioso vayvode Stiepan fecit sibi dictum salvum conductum'. Božićko
behielt die Urkunde bei sich und reiste voraus. Et cum fuerunt ad dictum Patarinum, ipse Patarinus intromisit ipsos
cum omnibus rebus in presenti cedula descriptis, quia non habebant penes se dictum salvum conductum ' . Die Waren
hatten den Wert von mehr als 758 Perper. Lamentationes de foris 1440 Arch. Rag.
5) Dem Prätendenten Paul Klešić bringen 2 Starci und 5 Krstjani Geleitsbriefe des Königs Ostoja und des Djed
nach Ragusa 1404 , Pucić 1 , 50-51 .
6) Der Djed , der bosnischen Kirche ' mit 12 , Strojnici' (oder hervorragenden Christen', poglaviti krstjani) und 12 Vla-
stelinen als Schiedsrichter zwischen Herzog Stephan und seinen Verwandten 1453, Mon. serb. 459 , 461 .
7) Warentransporte ragusanischer Kaufleute mit Pferden der Wlachen , ad locum dictum Ruxin Patarino ad Glupscovo ‘,
ad locum Patarenorum in Glubscovo',, usque Glubscovo ad Patarenos',, ad Glupscovo ad Patarinorum contratas' 1407-1416
Div. Rag.; 1407 neben Likodra genannt, das vielleicht identisch war mit Likodra im heutigen Serbien , Srez von Radjevina,
an der Drina. Goražda: Lam. Rag. 1442.
*) Ein Ragusaner Milassinus Giurassevich klagt gegen , Radiç Pastrovich, nobilem chercechi Stephani, et Jelenam
eius uxorem , daß sie ,homines suos ' gesendet haben, um ihm 2 , pecias pannorum ' zu stehlen, ,de nocte in domo de Obizen
Patarino, in loco vocato Eretva sub Belgrado', 19 Juni 1449 Lam. Rag. , Radissavus Patharenus, unus de societate Biellosavi
Pathareni in Neretba partium Bosne citra flumen de Subtus- Belgrad ' klagt den Ragusaner Ruschus Tudrovich wegen eines
Deposits von 20 Perper, doch Ruschus wird freigesprochen, weil der einzige Zeuge Radisavs ,,Zivetchus suus socius, similiter
Patharenus ex supra nominata societate' , unter Eid (cum sacramento eis solito, ut moris est) nichts davon weiß ; Eintragung
vom 17. Oktober 1466 in , Liber diversarum actionum, que aguntur per Sclavos contra Raguseos 1466–1467' , Arch. Rag . (mit
Aufschrift : Div. Canc. 1466 ). Bjelgrad an der Narenta kann mit Bjela südlich von Konjic identisch sein , mit Burgruinen
und Steingräbern, vgl . Hoernes, Altertümer der Hercegovina , SB . W. Akad . 97 ( 1880) 599. Dieses Bjela gehörte 1419 dem
Edelmann Alexa Pastrović, Pucić 1 , 147. Vgl. Radonić im Arch . slav. Phil. 19 ( 1897 ) 436 Anm .
9) Jorga a. a. O. 2 , 280.
10) , Le matrone , che di qualche infermità guarrivano, solevano andare come per voto a servire un certo tempo pre-
fisso , et così stavano con detti monaci ò per dir meglio heretici.' Orbini 354 .
11 ) Ser Nicola Mar. de Gozis hat im Tale der Ombla die domina Anucla, Frau des Ser Nicola Alvisii de Goze be-
schimpft: ,putana de bordello , batessa di bordello, babiza de Patarinis , 5. Februar 1457 Lam. Rag. Babiza als nutrix
schon im Statut von Ragusa.
STAAT UND GESELLSCHAFT IM MITTELALTERLICHEN SERBIEN III . 47

Die Zusammensetzung und der Geist der und Kuß spielten , wie bei den Byzantinern , eine
Gesellschaft wird am besten illustriert durch große Rolle. Rastko, der spätere hl. Sava, be-
die Etiquette. Ein kleiner Edelmann (vojin) , grüßt nach der Erzählung des Theodosij so den
der dem Nemanja Mitteilungen über die ge- ihm nachgesendeten serbischen Vojvoden, der
heimen Umtriebe der Häretiker macht, beugt Befehlshaber von Skopje den byzantinischen
vor ihm zuerst die Knie ; die Tochter eines Gesandten Metochites, jeder Adelige nach der
Großen (velmoža) , die dem Großžupan über Erzählung des Kantakuzenos den König . Nach
ihren häretischen Gatten Klage führt, fällt ihm dem Statut von Ragusa müssen bei dem Grenz-
zu Füßen.¹ ) Später änderte sich das Verhältnis tag (stanak) mit den Zachlumiern die Comites.
zwischen dem Landesherrn und seinen Großen . von Chelmo und von Ragusa diejenigen Edel-
In Daniels Zeit erscheinen die Vlasteline des leute, welche als ihre Vertreter den Eid leisten,
Königs Uroš II. wie seine geliebten Brüder" vor dem Schwur auf dem Mund küssen . Der
(sušte jemu jako vыzljubljena bratija) . Der ,brüderliche Friedenskuß gehörte, wie wir ge-
junge Stephan Dušan , verfolgt von seinem Vater, sehen haben, zum Zeremoniell der Sühne der
redet seine Anhänger an als meine geliebten Blutrache (s. oben 2 , 17).
Brüder und Freunde (bratije moja vыzljublje- Unzertrennlich von jedem bedeutenderen
naja i druzi ) .2 ) Von besonderem Interesse sind Mann war sein Gefolge ; das Ansehen des Vor-
die Erzählungen des Kantakuzenos . Eine alte nehmen hing von der Zahl und Ausrüstung
Sitte der Serben sei es , wenn einer der Edlen seiner Begleiter ab, welche ihn zu Fuß oder zu
und Mächtigen nach längerer Zeit den Herr- Pferde umgaben . Zur Repräsentation mußte
scher besucht, daß beide, sowohl der König als auch der Gesandte mindestens drei berittene
der Große, bei ihrer ersten Begegnung vom Diener mitbringen, so der serbische Gesandte
Pferde steigen, worauf der Edelmann den nach Konstantinopel nach dem Bericht des
König auf Brust und Mund küßt. Bei der Metochites , ebenso die ragusanischen Gesandten
zweiten Begegnung begrüßen einander König nach Serbien . In der Zeit des Stephan Dušan
und Edelmann beide zu Pferde, ohne abzusitzen . wurden in Ragusa auf jeden der zwei bis drei
Kaiser Kantakuzenos wurde als Gast des Ste- Gesandten drei Diener zu Pferde und zwei zu
phan Dušan , damals noch König, nach byzanti- Fuß gerechnet . Auch der ragusanische Konsul
nischer Art begrüßt ; vor dem griechischen in Serbien ( 1325 ) war verpflichtet, vier Pferde
Kaiser, der im Sattel blieb, saßen alle Serben und drei Diener zu halten . Die berittenen
vom Pferde ab und küßten sein Knie ( 1342 ) . Diener der ragusanischen Gesandtschaft zur
Als Kaiser führte Stephan Dušan die byzanti- Hochzeit des Stephan Dušan ( 1332 ) erhielten
nische Art der Ehrenbezeigung ein und ver- ebenso wie der gleichfalls berittene Zahlmeister
langte, wie Philipp de Mézières erzählt, bei der (expenditor ) eine Art Uniform, gleichfärbige
Audienz den Fußkuß (pedem osculari) . Kanta- Kleider aus demselben Stoff.4)
kuzenos berichtet auch über das Zeremoniell bei Es gab keine Begegnung der Fürsten , keine
dem Empfang des serbischen Erzbischofs beim Gesandtschaft, keine Festlichkeit ohne Ge-
König . Als der Erzbischof Joanikije II. in schenke. Der Großžupan Stephan erhielt vom
Priština zu Pferde eintraf, ging ihm Stephan ungarischen König Andreas II. bei der Zu-
Dušan bis in die Mitte des Hofes zu Fuß ent- sammenkunft in Ravno Purpurkleider, ge-
gegen, nahm die Zügel in seine Hand und schmückt mit Edelsteinen und Perlen , Becher
führte das Reittier bis zur Stelle, wo der ehr- mit vielfarbigen Steinen geziert, wunderbare
würdige Gast abstieg ; beim Absteigen erteilte Pferde mit goldenen Zügeln und andere Tiere ;
der Kirchenfürst dem König den Segen.3) In derselbe als erstgekrönter König bekam durch
Ragusa entblößten die Bauern vor den Edel- seinen Bruder Sava als Gesandten abermals
leuten , die Parteien vor den Richtern das auserwählte Pferde und die eigenen Waffen des
Haupt ; Kniebeugungen machte nur, wer die Andreas II. zum Geschenk. Ebenso war die
Behörde um Gnade bat. Bei dem Empfang von Zusammenkunft des Stephan Dušan mit Kaiser
Gesandten beim Oberhaupt der Republik von Andronikos III . ( 1334 ) mit einem Austausch
Ragusa reichte man sich die Hände. Umarmung von Geschenken verbunden.5) Die Geschenke

1) König Stephan cap . 6. 2 ) Daniel 96 , 211 . 3) Kantakuzenos III cap. 43, 45 .


4) Mon. Rag. 5, 344. 5) König Stephan cap. 20. Theodosij bei Pavlović 118. Daniel 225 .
48 II. ABHANDLUNG : CONSTANTIN JIREČEK.

der Ragusaner an den König und an die Edel- wiederklingt. Als es sich 1285 um die Sicher-
leute bestanden aus.
aus Kleiderstoffen (drappi) , heit der Weingärten der Ragusaner auf serbi-
süßen Konfekten , Südfrüchten und Spezereien.¹ ) schem Boden bei den Ruinen von Epidaur
Noch 1422 sendeten sie dem König Tvrtko II . handelte, wurde gemeldet, eine Patrizierin der
von Bosnien 27 Fässer gesalzene Fische, vier Stadt aus der Familie Bucignolo sei bei der
Fässer Zitronen (lemoni ) , 48 Schachteln ,con- Königin- Mutter Helena gewesen und habe mit
fetti' und überdies Zucker, Pfeffer und Ge- ihr die Johannesbruderschaft geschlossen.5) Als
würze. Als der König und einige seiner Höf- 1297 ein Diener der Patrizierfamilie Pozza
linge (cortigiani e baroni ) bald darauf neuer- Lammfelle in einem von Auswanderern aus der
dings Fische, Orangen und verschiedene Zeta bewohnten Hause des Tales von Zonchetto
Früchte verlangten , wurde dies von den Ragu- versteckte, sagte er den Einwohnern , sie mögen
sanern durch ihre Gesandten als unschicklich ihn als , Brüder in St. Johannes' nicht verra-
(gran manchamento de honore) zurückgewiesen.2) ten. " ) Der bosnische Herzog Hrvoje, als er
Feierlichere Anredeformeln gab es nur beim aller Würden entkleidet und verfolgt war,
König und Erzbischof ; der erstere wurde in schrieb (1413 ) der ungarischen Königin Bar-
der Regel als , Dein Königtum ', der letztere als bara, der Gattin des Königs Sigismund : ,Erin-
,Deine Heiligkeit angesprochen . In Ragusa nert Euch dem hl. Johannes zu Liebe, daß ich
war es üblich, selbst die Richter, Ärzte und Euer Gevatter bin.7)
Geistlichen bloß mit dem Taufnamen ohne Titel Die Konversation war voll poetischer Wen-
anzureden, was dem Johannes von Ravenna gar dungen. Beliebt waren Vergleiche mit der
zu bauernhaft schien. Untereinander sprachen Sonne, bekannt auch aus der poetischen Litera-
sich auch fremde Leute, Adelige, Bürger und tur, wo in den lyrischen Gedichten z. B. des.
Bauern als Gevatter ' an (kum, fem. kuma, lat. Menčetić und Držić in Ragusa die Geliebte als
compater, commater) . Die Königin - Mutter ,kleine Sonne' (sunačce) angerufen wird . Die
Helena adressiert 1304 einen Brief an meinen von König Andreas II . dem Sohne Nemanjas
geliebten Sohn und an den Gevatter meines Stephan geschenkten Pferde glänzten nach den
Königtums, den Comes von Ragusa Marinus eigenen Worten Stephans wie die Sonne. Nach
Baduarius'.³) Ebenso schreibt der bosnische Domentian beleuchtete der junge Sava alle Hö-
Vojvode Radoslav Pavlović 1434 an die Ragu- hen des Athos wie die Sonne, als er die Klöster
saner als an die weisen , edlen, sehr geehrten , und Eremitenklausen des heiligen Berges be-
alten und neuen Freunde und , aufrichtigen Ge- suchte. Bei Daniel wird König Stephan Uroš II .
vatter (srčanijem kumovom) . ) Alltäglich war Milutin mit der , stark leuchtenden Sonne' ver-
die Anrede als Bruder (brat) ; man fand es glichen. Die Edelleute reden den todkranken
gar nicht anstößig, wenn z. B. ein Wlache des König Stephan Dragutin als untergehenden
Gebirges einen Patrizier von Ragusa als , Bru- Sonnenschein (zarja slыnыčnaja) an . Die Ra-
der anrief. Eine beschworene Freundschaft gusaner schreiben schmeichelnd dem Despoten
stand unter dem Schutz des hl . Johannes , des Stephan, Gott habe ihn mit hohem und schönem
Schutzpatrons der Bruderschaft und Gevatter- Verstand geziert, der volles Licht und Sonnen-
schaft, was an das in Italien , besonders in Sar- strahlen über die ganze Erde aussende. Byzan-
dinien übliche , comparatico di San Giovanni' tinischen Ursprunges ist bei Theodosij die Be-
erinnert und heute noch in dem südslavischen zeichnung der Söhne Stephans des Erstgekrön-
Zeremoniell bei der Sühnung der Blutrache ten als Adler mit goldenen Flügeln.8 )

1 ) In der Regel wird in den Senatsprotokollen von Ragusa nur der Geldwert der Geschenke angewiesen, ohne ge-
nauere Aufzählung.
2 ) Pucić 1 , Beilagen S. XXIX . Jorga, Notes et extraits 2 , 210, 214.
3) Spomenik 11 , 23 , Nr. 5.
4) Pucić 2, 91 , Nr. 111. Über die Urkundenformeln St. Stanojević, Studije o srpskoj diplomatici, Glas 90 ( 1912) und
92 (1913 ) , besonders im Kapitel über die Inskription, ib . 92, 163f.
5) ,Dicebatur a Sclavis in Civitate Veteri, quod soror Damiani de Bocignolo iverat usque ad dominam reginam et
domina regina fecerat se sanctum Johannem dicte sorori Damiani ' , 28. August ( 1285) , Div. Rag. 1284 Arch. Rag.
6) Braicus de Luboe sagte : , et scitis, mi fratres de S. Johanni, non dicatis aliquid de istis schilatis illis de Poça' .
Div. Canc. 1295 Arch . Rag.
7) Klaić-Bojničić, Geschichte Bosniens 318 .
8) Domentian 134. Theodosij bei Pavlović 105. Daniel 48, 156. Pucić 2 , 161 .
STAAT UND GESELLSCHAFT IM MITTELALTERLICHEN SERBIEN III . 49

Doch nicht alle Redensarten waren schön , Despoten Georg nur der geehrte und getreue
brüderlich und poetisch . Das Flickwort , Teufel ! ' Edelmann' (počtenij i vêrnyj vlastelin ) .3 ) An
(jetzt ,vraga ! ) wird schon 1285 erwähnt.¹ ) Die den Comes der Ragusaner schreiben Uroš II.
Schimpfwörter sind in den Gerichtsbüchern und III., ebenso wie Stephan Dušan als an , den
von Ragusa zu lesen. Die Leute nannten einan- teuern und geliebten Verwandten (surodnik)
der Lügner, Verräter, Aussätzige (leprose ! ) , meines Königtums ' , später Kaisertums. Als

Sklaven ; die Frauen beschimpften sie als ,teuersten Verwandten ' (affinis carissimus ) be-
,meretrix vetus ' , ,putana puzolenta , rufiana“, zeichnet Car Stephan auch den Dogen Andreas
Nicht selten war die Bezeichnung als Sohn Dandolo von Venedig . ) In der späteren Zeit
eines Esels (oslović) , Hundes, Schweines, eines schreibt Despot Stephan Lazarević , den weisen
Räubers, als ,filius meretricis' , wenn nicht als und geehrten und guten Freunden' von Ragusa ,
,maritus meretricis', oder als toter Esel (asine Mara, des Despoten Georgs Mutter, ,den edlen
mortue ! ) . Dazu kamen Drohungen den Bart und sehr geehrten Herren und unseren Brü-
auszuraufen , die Nase abzuschneiden oder an- dern und Freunden , der Gemeinde von Ragusa '.
dere Liebenswürdigkeiten, wie z. B. 1442 einer Als , teueren Freund' (dragi mi prijatelj ) reden.
rief : ich werde es durchsetzen, daß dir in der den Comes von Ragusa selbst in Kriegszeiten
Mitte von Novo Brdo die Haut wie einem die serbischen Edelleute Črnomir und Vojislav
Hammel abgezogen wird' (scorticaberis tam- an. Diejenigen Fürsten, die Bürger von Ragusa
quam unus castronus) . waren, wenden sich an die Ragusaner stets als
Die Schriftstücke des serbischen Mittel- an liebe oder teuere , Brüder ', z. B. die Balšići .
alters sind ferne von barbarischer Formlosig- Die Briefe der Bosnier an die Ragusaner
keit, stets höflich abgefaßt, auch unter Parteien , sind ebenso freundschaftlich, wie die der Ser-
die kurz zuvor miteinander im Kriege waren . ben. Tvrtko als Ban nennt sie ,Brüder und
Offenkundig ist der Einfluß byzantinischer Freunde (naša bratija i naši prijatelji ) , als
Redensarten . Wie im Rechtsleben , ist auch im König , die teueren und geliebten Brüder meines
Urkundenwesen ein zähes Festhalten an einem Königtums (kraljevstva mi dragim i ljubovnim
traditionellen Zeremoniell bemerkbar. Allge- prijateljem) . ) Die Ragusaner schreiben dem
mein gilt das einfache , du' . Der Plural für die bosnischen König im 15. Jahrhundert als dem
Fürsten ist eine späte, unter dem Einfluß la- ,sehr durchlauchtigen und sehr hohen Herrn'
teinischer Formeln eingeführte Neuerung des (presvetlomu i previsokomu gospodinu ) , den
15. Jahrhunderts, zugleich mit Euer Herr- Edelleuten Bosniens, ebenso wie dem serbischen
schaft (gospodstvo Vi , Dominatio Vestra ) und Despoten als , dem berühmten und mächtigen
,Euere Hoheit (velikost Vi, magnitudo Vestra) . Herrn (slavnomu i velmožnomu gospodinu ) ,
König Uroš II. schreibt einen Befehl seinem was die Bosnier ihrerseits in ihren Briefen in
,geliebten Župan Tvrtko (ljubovnomu županu gleicher Weise erwidern . In einem zufällig
Tvrtku ) nach Popovo und beschwört ihn ,bei erhaltenen Brief eines Edelmannes an einen
meinem Leben und meiner Liebe (tako ti mo- Standesgenossen, des Župan Dragiša Dinjičić
jega života i moje ljubve) alles genau auszu- in Srebrnica an den Knez Vukašin Zlatonosović
führen . Car Stephan Dušan nennt den Despo- in Zvonik, dem heutigen Zvornik an der Drina
ten Oliver den allgeliebten und aufrichtigen ( 1424 ) lautet die Anrede : ‚ Dem sehr geehrten
Edelmann ' , den Sevastokrator Dejan, seinen und uns teuern und lieben älteren Bruder'.")
Schwager, den glaubwürdigen, sehr geliebten Der Gruß (pozdravljenje ) wird in den Briefen
und vertraulichen Bruder meines Kaisertums' .
stets mit einem Epithet bezeichnet, als sehr
Ebenso bezeichnet Car Uroš zwei Edelleute von herzlich, sehr lieb, sehr ehrend oder ,demütig'
Cattaro als glaubwürdig, wohlgefällig und ge- (smiren).
liebt, mit Erwähnung ihrer treuen und allauf- Die Terminologie der internationalen Kor-
richtigen Dienste.2 ) In der Despotenzeit aber respondenz wird zum Schlusse des Mittelalters
ist z. B. der Čelnik Radič in den Urkunden des trotz der Verwilderung der damaligen Gesell-

1) Ein Weingartenhüter ruft an der ragusanischen Grenze : , Quid, diabole, fecistis quod robastis istos homines ! 1285
Div . Rag.
2) Mon. serb. 53 , 143, 156. Glasnik 27, 288. 3) Spomenik 3, 3.
4) Ljubić 2, 278. 5) Mon. serb. 176. Pucić 2, 28, Nr. 36 .
6) Spomenik 11 , 75 .
Denkschriften der phil. -hist. Kl. 58. Bd . 2. Abh. 7
50 II. ABHANDLUNG : CONSTANTIN JIREČEK.

schaft ganz zierlich und süßlich. Die bosnische dert wird die Datierung häufiger, und zwar
Königin Helena, Witwe des Dabiša , schreibt. wie bei den Bulgaren und Rumänen stets nach
.
1397 den Ragusanern über die Aufhebung eines der Konstantinopler Ära ,nach der Erschaffung
Zollamtes : Nachdem wir die geziemenden und der Welt ' , die mit dem Jahre 5508-5509 vor
in allem ehrbaren Bitten und Gesuche der Edel- Christo beginnt . ) In Dalmatien und in Bos-
leute der Stadt Ragusa gehört haben '. Der Voj- nien war die abendländische Zeitrechnung nach
vode Radič Sanković sagt 1399 in der Urkunde, Christi Geburt üblich, weshalb z. B. ein Ver-
durch welche er das Dorf Lisac den Ragusanern trag des Königs Uroš III. mit Ragusa, geschrie-
abtritt, daß sie dem bosnischen König ,Gesandte ben 1326 auf der Burg Danj bei Skutari , und
mit süßen und sehr ehrenden Worten und mit die meisten Urkunden der Balšići in dieser Art
ehrenvollen Geschenken gesendet haben'.¹ ) Dem datiert sind. Das byzantinische Jahr begann
Despoten Stephan von Serbien schreiben die am 1. September, das occidentalische in Ragusa
Ragusaner ( 1422 ) über die Durchreise seines am Weihnachtstag , 25. Dezember, aber mitunter
Gesandten, , des edlen und verständigen Edel- am 1. Jänner, in Venedig am 1. März . Die
mannes (plemeniti i razumni vlastelin ) Vitko hohen Ziffern der byzantinischen Jahre waren.
nach Venedig , wie er ihnen ,weise und ehren- nicht allgemein bekannt ; z. B. ein Abschreiber
voll von Seite Euerer Herrschaft gesprochen von Handschriften in der Landschaft von Žegli-
hat. In einem folgenden Briefe teilen sie mit, govo (bei Kumanovo) um 1300 hat nur 6800 an-
daß sie das berühmte und sehr süße Schreiben' gegeben, da er nicht die ganze Jahreszahl er-
(slavno i mnogo slatko pisanije) des Despoten fahren konnte.5 ) Auch die Jahre des fünf-
mit den ,süßen und sehr gnädigen Worten und zehnjährigen Zyklus der Indiktionen werden.
Versprechungen' (slatke i mnogo milosrdne rêči vielfach unrichtig angegeben , weil diese Rech-
i obêtovanija ) in Angelegenheiten einiger Ra- nung in Serbien nicht so innig mit dem Wirt-
gusaner, die in Serbien eingekerkert waren , schaftsleben und Steuerwesen verbunden war,
wohl verstanden haben.2) wie in ihrer Heimat, im byzantinischen Kaiser-
Die Schreiber selbst sind in den serbischen tum. Die Monatsnamen der Urkunden sind die
Urkunden erst nach 1300 genannt, stets sehr griechisch lateinischen (januarij , fevruarij ,
bescheiden. Zum ernsten Stil der Urkunde un- mart usw. ) , mit einfacher Zählung vom ersten
passende Naivetäten kommen in Bosnien vor. Monatstag bis zum letzten , wie bei den Grie-
Tvrtkos Schreiber Dražeslav Bojić sagt zum chen . Eine seltene Ausnahme ist die in West-
Schlusse einer langen Urkunde an einen Adeli- europa so gewöhnliche Datierung nach Feier-
gen : Und als ich dies schrieb, da ließ der Herr tagen. Ein nationaler Monatsname kommt nur
Ban Tvrtko einen großen Becher Wein vor mich in einer serbisch geschriebenen Urkunde des
stellen, zum Austrinken in guter Laune' (velik Skanderbeg vor : der Juni als Kirschen-
pehar vina popiti u dobru volju ) . Derselbe monat ' , čerešnjar . ") Dagegen sind diese
schreibt einen Vertrag mit Ragusa mit seiner einheimischen Monatsnamen in kirchlichen
,wenig nützlichen Hand' und schließt nach Handschriften neben denen des Kalenders
Mönchsart : Die Erde ist meine Mutter, mein mitunter angemerkt und noch jetzt unter
Vaterland das Grab, wir sind von der Erde und dem Volke ziemlich bekannt. Sie kommen
werden wieder in die Erde hineingehen.3 ) bei allen slavischen Völkern vor, aber ver-
Der größte Teil der serbischen Urkunden schieden angepaßt : listopad , Laubfall '
des 13. Jahrhunderts ist undatiert, wie die ad- ist bei den Südslaven der Oktober , bei den
ministrativen Mandate der byzantinischen und Nordslaven der November. ) Die Stunden (ur-
epirotischen Herrscher. Erst im 14. Jahrhun- sprünglich godina, später čas) kommen schon

¹) Mon. serb. 230 , 242. 2) Pucić 1 , 163, 165.


3) Glasnik bos. 18 (1906 ) 410 (um 1353) = Wiss. Mitt. aus Bosnien 11 ( 1909) 247. Mon. serb . 176 ( 1367) .
4 ) Im 16. Jahrhundert kommt in serb. Handschriften auch die Alexandrinische Ära vor, die 5501 vor Chr. beginnt.
Vgl. Ljubomir Stojanović,, Aleksandrijska era u staroj srpskoj hronologiji, Sbornik zu Ehren des V. J. Lamanskij , 2. Bd . ,
Petersburg 1908, 828-835.
5) Stojanović, Zapisi 1 , Nr . 34.
6) Mon. serb. 442 ( c. 1450) .
7) Miklosich, Die slavischen Monatsnamen , Wien 1867 (Denkschr. W. Akad. Bd . 17 ) . Veselinović , Narodni nazivi
meseca u Srba (Nationale Namen der Monate bei den Serben ) , Godišnjica 26 ( 1907 ) 229–238.
STAAT UND GESELLSCHAFT IM MITTELALTERLICHEN SERBIEN III. 51

im Typikon des Klosters Studenica vor, welches getragen habe. ") König Dabiša schildert 1392
auch das Schlagen einer Uhr (časovnik) er- die Zurückweisung eines türkischen Einfalles
wähnt, wohl mit Räderwerk , wie bei den damals nach Bosnien : Das genannte türkische Heer
in den Klöstern des Abendlandes vorhandenen haben wir durch die aufrichtigen Bemühungen
Schlaguhren . Bekannt waren auch Sonnen- unserer Getreuen geschlagen und unter das
uhren.¹ ) Tag und Nacht waren in je 12 Stun- Schwert gewendet, und wir haben mit eigenen
den eingeteilt ; z . B. mittags war die sechste Augen gesehen , wie unsere Getreuen ihre glän-
Stunde des Tages. Eine öffentliche Uhr (horo- zenden Waffen unter den Schwertstreichen
logium) wurde 1389 in Ragusa errichtet, re- ihrer kräftigen Rechten mit Türkenblut netz-
guliert vom , magister balistarius ' ; man rechnete. ten, sich nicht schonend, um uns zu dienen und
dort nach italienischer Art 24 Stunden, vom ihre Muskel am Heidenblut zu erfreuen ; und
Sonnenuntergang angefangen. Ein Serbe, der in diesem Kampfe und Ringen hat mir ritter-
Athosmönch Lazar hat in Moskau 1404 im lich, treu und aufrichtig gedient meines König-
Schlosse des Großfürsten die erste Uhr aufge- tums allaufrichtiger und mächtiger Ritter (vi-
stellt, welche die Stunden durch Hammer- tez ) , unser getreuer Vojvode Hrvoje, Sohn des.
schläge auf eine Glocke anzeigte.2) Vojvoden Vlkac'.6 ) Ebenso rühmt derselbe
Aus den Worten Daniels über die Freude König 1395 die Verdienste des Župan Vlkmir
der Einwohner, daß unter König Uroš III. ,der Semković und seiner Brüder, welche in den
Friede Gottes und unsagbare Ruhe im Lande Türkenkriegen ihre Köpfe für uns nicht schon-
herrschte, ist zu sehen , daß man die Segnungen ten'.7)
des Friedens zu würdigen wußte.³ ) Doch vielen Eine Vorschule des Krieges war der Straßen-
war der Krieg ein Bedürfnis und eine Freude. raub, der seit dem Altertum in diesen Ländern
Der Fortsetzer Daniels, ein Klosterbruder, nie ausgestorben ist. Schon in der Biographie
schildert ganz begeistert die Schlacht mit den des Nemanja erzählt König Stephan von einem
Bulgaren bei Velbužd (1330) : von beiden Sei- Mann, dessen Adern am Knie von ,bösen Räu-
ten ertönten die Kriegstrompeten , die Pferde bern ' verbrannt waren . Sava brachte den Un-
wieherten, ein großes Geschrei erhob sich und glücklichen, der nur mühselig kriechen konnte,
die Jünglinge des Königs schossen mit beiden in einem Sack in das Kloster Studenica zum
Händen ihre Pfeile ab und fehlten nicht das Grab des Nemanja und siehe, der Lahme wurde
Ziel, tapfer kämpfend, ohne sich voneinander geheilt und sprang ganz auf seinen Füßen'.8 )
zu trennen . ) Bei der geringen Zahl der er- Bei den Byzantinern galt Serbien als ein Räu-
haltenen Urkunden der Herrscher an Edelleute berland, wie aus den Schilderungen des Pachy-
wissen wir nicht, ob es in Serbien üblich war meres und Metochites zu sehen ist. Räuberfurcht
die tapferen Taten in Schenkungsurkunden so plagte auch den gelehrten Gregoras auf seiner
ausführlich zu schildern, wie man es in Ungarn Reise zum Hofe Uroš III. Wie große Dimen-
und in Bosnien zu tun pflegte. In Bosnien sionen das Übel angenommen hatte, erhellt aus
feiert eine Urkunde des Ban Stephan II. die dem zweiten Teil des Gesetzbuches des Stephan
Tapferkeit des Vlk Vlkoslavić (aus der Familie Dušan , welcher die Räuber mit Stumpf und
des Hrvoje) , der in einer Schlacht mit den Ser- Stiel ausrotten wollte. Wo sich solche Übeltäter
ben unter Stephan Dušan dem Ban im Kampfes- vorfinden, verfällt das Dorf der Konfiskation ,
getümmel mit Lebensgefahr sein eigenes Pferd der Räuber (gusar) wird mit dem Kopf abwärts
untergestellt und dabei tötliche Wunden davon- (strmoglav) aufgehängt, der Dieb (tat) geblen-

1 ) Übersicht der Länge des Schattens nach Monaten und Tagesstunden aus einer serb. Handschrift, Starine 16
53-54.
2) ,Togo že lêta časy postavleny v Moskvê, na velikogo knjazja dvorê, za cerkoviju Blagovêščeniem , a dêlal ich
Lazar černec Serbin , iže novo prišel iz Serbskija zemli ' . Patrijaršaja ili Nikonovskaja lêtopis zum Jahr 6912 = 1403—
1404. Polnoje sobranie russ. lêtopisej Bd. 11 ( Petersburg 1897) 190. Vgl . Šafařík , Geschichte der südslav . Literatur 3, 92 .
3) Daniel 177, 207 .
4) Derselbe 184.
5) Glasnik bos . 18 (1906 ) 408 - Wiss. Mitt. 11 (1909) 244. L. von Thallóczy, Studien zur Geschichte Bosniens
und Serbiens im Mittelalter, übersetzt von Eckhart, München und Leipzig 1913 S. 18.
) Mon. hist. jur. 6 , 96 ; vgl . Arch. slav . Phil. 21 ( 1899) 620.
7) Mon. serb. 226.
8) König Stephan, cap . 15.
7*
52 II. ABHANDLUNG : CONSTANTIN JIREČEK .

det und der Herr des Dorfes (gospodar sela) ge- ebenso zwischen Byzanz und den Bulgaren .
fesselt zum Caren gebracht ; dort muß er allen Die wüste Grenzlandschaft ( ἔρημος τῶν Παρορίων)
Schaden ersetzen und erleidet dieselbe Strafe zwischen Adrianopel und Sozopolis war im
wie die Räuber und Diebe. Auch die mitschul- 14. Jahrhundert nur von Räubern und Ere-
digen Vorsteher der Dörfer und Hirtenansied- miten bewohnt. Als der berühmte Gregorios
lungen (katuni ) werden in derselben Art be- Sinaites sich zum ersten Male (um 1330 ) in
straft, ebenso die Herren (gospodari ) , denen dieser Einöde niederlassen wollte, ließ ihn ein
ihre Beamten (vladalei ) die Sache angezeigt eifersüchtiger älterer Eremit durch eine Räu-
haben und die dennoch nichts zur Verhinderung berbande vertreiben. ) Die Bandenführer wa-
der Räuberei getan haben . Zum Schadenersatz ren populäre Leute und sammelten mit Leichtig-
an die beraubten Wanderer ist überdies auch keit große Scharen von Freibeutern . Pachy-
der Kefalija ( Statthalter ) mit den Straßen- meres erzählt von einem Bulgaren Johannes
wächtern verpflichtet.¹ ) Einen Einblick in die dem Schweinehirten' (Choiroboskos) oder
Sachlage bietet eine Stelle einer etwas späteren ,Keulenträger (Matzukatos ) , der mit einigen
Urkunde, ausgestellt 1375-1376 unter Despot hundert rasch versammelter Bogenschützen
Dragaš und dessen Bruder Konstantin . Unter und Streitkolbenträger ( xopuv ) nach Klein-
dem Caren Stephan überfiel eine Räuberschar asien hinüberging (um 1300) , um in der Land-
(gusa) die kaiserlichen Pferde (konje careve) schaft von Troja gegen die Türken zu kämpfen,
bei Strumica und schlug die Leute (i ljudi iz- später aber die Umgebung von Thessalonich
biše ) . Der Car legte der Umgebung Geldstrafen unsicher machte.5 ) Der berühmteste Räuber-
auf, aber da erschienen die Edelleute und Land- hauptmann des 14. Jahrhunderts war aber ein
leute (vlastele i chora) vor dem Caren und Zeitgenosse des Stephan Dušan, Momčilo , der
wiesen nach, daß der Ort des Raubes nicht Herr der Rhodope († 1345 ) , heute noch un-
ihnen gehört, sondern dem Athoskloster von vergessen in den südslavischen Sagen und
Chilandar, als eine Schenkung des einstigen Volksliedern.6 )
Kjesar Hrelja . Da mußten die Mönche von Die Praxis der Räuberei ist genau bekannt
Chilandar Wehrgeld (vražda) und andere ragusanischen Nachrichten . Aus einem
Bußen zahlen.2 ) Die Wirren nach Dušans Tod Archivbuche von 1335 sieht man , daß die heim-
waren mit einem neuen Aufschwung des liche Wegtreibung oder der gewaltsame Raub
Räuberunwesens verbunden. Damals überfielen von Vieh an der Grenze von Ragusa damals ein
Räuber auch die einsame Zelle des Eremiten alltägliches Ereignis war. ) Den Bauern von
Jefrem , des späteren Patriarchen , bei dem Ragusa wurden von den serbischen Nachbarn
Kloster von Dečani und bedrohten den beten- Kühe, Schafe, Ziegen, Pferde, Schweine, Hüh-
den Klausner mit dem Schwerte, unter dem ner weggenommen und nicht selten auch die
Rufe : Gib her deinen Reichtum ! ' (daj bogat- Bienenkörbe weggetragen . Die Saumpferde hat
stvo) .3) man natürlich samt Ladung geraubt. Oft wur-
Ein beliebter Aufenthaltsort von großen den im Tale von Breno Häuser bei Nacht über-
Räuberscharen waren die öden Grenzgebiete. fallen , die Bauern geschlagen und Wein, Fei-
So war es einst in Kleinasien an der Grenze gen, Getreide, Kleider und Ohrgehänge erbeu-
zwischen dem Kaisertum von Konstantinopel tet.Im Februar 1336 klagte der Prior des
und dem Kalifat der Araber, wo sich die ,Ape- Klosters des hl. Jakob von Višnjica, welches
laten' des Digenis Akritas herumtrieben . Ähn- ganz nahe vor dem Südtore von Ragusa lag,
liche Verhältnisse bestanden an der Grenze daß in der vergangenen Nacht sein Tor er-
zwischen den Byzantinern und den Serben , brochen und acht Kühe, ein Kalb und ein Schaf

1) Zakonik Art. 145-147 , 149 .


2) Urk. 1375-1376, Sammlung von Kovačević im Spomenik Bd . 44 (noch nicht erschienen ).
3) Starine 16 , 37-38.
4 ) Vita des Gregorios Sinaites, cap. 15-16 ed. Pomjalovskij , Petersburg 1894 S. 35 f. Vgl. meine Geschichte der
Serben 1, 381 .
5) Pachymeres, Andronikos Palaiologos V cap. 27 .
6) Meine Geschichte der Serben 1 , 389f.
7) ,Capitulum lamentationum' unter dem Comes Nicolaus Falletro, 4. November 1334 f. , als , Diversa Cancellarie 1334'
im Archiv von Ragusa.
STAAT UND GESELLSCHAFT IM MITTELALTERLICHEN SERBIEN III . 53

gestohlen worden seien . Im Juli desselben Hemd, einen Geldbeutel mit vier Perper und
Jahres beschwerte er sich wieder, daß zwei einen Goldring mit drei Perlen . Im August
Edelleute des Nachbarlandes, Milten und Ru- 1373 führte in Ragusa Georg Radoslavić Klage
gerius, mit einer Anzahl Reiter sein Kloster be- gegen zwölf Diener desselben Župan Gradoje.
sucht und dabei die Wein- und Obstgärten, Er sei vor sieben Tagen mit seinem Bruder Miloš
besonders die Melonen arg geplündert haben . und anderen Ragusanern von ihnen überfallen,
Unter den Räubern aus Canali , Trebinje und geschlagen und beraubt worden. Die Beute,
Popovo wiederholen sich oft dieselben Namen ; 205 Hammel, 3 Ochsen , 3 Pferde, Wachs, Geld,
es waren in dieser Zeit meist Leute aus den Waffen usw. brachten diese famuli ' zu ihrer
Dörfern des Adelsgeschlechtes der Drugovići . ,domina Kujača, Frau des Gradoje. Diese
Dazu kommen Klagen über Ausplünderungen Frau ließ dann einen Teil der Waren dem Ra-
von einzelnen Reisenden nahe jenseits der ra- doslavić zurückgeben, aber nicht alles . Des
gusanischen Grenze, in Canali, Trebinje und Klägers Bruder ist an den im Kampfe erhaltenen
weiter landeinwärts. Gefahrlos war die Räu- Wunden gestorben. Überhaupt wurden damals.
berei keineswegs . Als 1348 vier Räuber aus bei Nevesinje oft ganze Karawanen zersprengt
Popovo nachts im Dorfe Bergatto ( Brgat) neun und beraubt (fregerunt totam turmam ) . * ) Bald
Kühe und einiges Kleinvieh weggeführt hatten , kam die Sitte auf, daß sich die Räuber mas-
wurde einer, der schon von früher her manche kierten, um nicht erkannt zu werden, was bei
Beutezüge am Gewissen hatte, gefangen genom- Trebinje seit 1382 erwähnt wird (,qui se vela-
men. Das Gericht von Ragusa verurteilte ihn bant et transformabant, ut non cognoscerentur ,
zu 298 Perper Buße ; als er sie am folgenden oder ,se transfiguraverant') . Die einzeln rei-
Tage nicht erlegen konnte, wurde er gehängt.¹ ) tenden oder gehenden Reisenden wurden nicht
Wie es auf den Wegen weiter landeinwärts nur des Gepäcks, des Geldes und der Waffen
aussah, zeigt der Brief eines Ragusaners Peter beraubt, sondern man zog ihnen auch Kleider
der Berco an den Comes der Stadt 1305 über und Wäsche bis auf die Haut aus. Das kam
den Zug einer Karawane ins Gebirge. Zweimal damals auch in Italien vor, wo man diese Pro-
wurden die Angreifer zurückgeschlagen, zum zedur mit dem aus den Novellen des Sacchetti
zweiten Male in einer Schlacht' (batalla ) bei bekannten Ausdruck scamiciare' bezeichnete .
Gacko ein Edelmann Gradislav mit seinen Leu- Im 15. Jahrhundert geschah es im Lande des
ten ; ein drittesmal mußten die Kaufleute, um Herzogs Stephan , daß z. B. 1456 ein ragusani-
durchzukommen , den Leuten eines Vladislav scher Bauer mit seiner Frau von den Berg-
einige Stücke teueres Tuch geben.2 ) Mitunter hirten ganz nackt ausgezogen wurden . Die Ge-
ereignete sich an der Grenze ein unerwarteter fangenen wurden von den Räubern mitunter
Friedensbruch . Die Edelleute Prodaša, Vladi- übel behandelt. Zwei Bauern aus Rožat im
mir und Vitomir brachen 1323 an der Spitze Omblatale klagten 1335 , daß sie im Gebirge bei
von Kriegsvolk aus Canali , Trebinje und Dra- Začula von den Leuten des Edelmannes Vitomir
čevica mit Fahnen (cum gonfalonibus) in die von Trebinje ausgeplündert und einige Tage
ragusanischen Täler von Ombla und Malfi ein gebunden in einer Grube (fovea) gefangen ge-
und zogen an demselben Tage mit großer Beute halten wurden . Bald darauf wurde ein Kurier
an Vieh, Tuch und anderen Sachen wieder von den Leuten der Drugovići in Canali beraubt.
zurück. Doch der König Uroš III. und der und nackt einen Tag gefesselt gehalten (ipsum
Vojvode Mladen zwangen die drei edlen Herren tenuerunt ligatum nudum una die) . Es kam
rasch zum Schadenersatz.3) Die Adeligen des auch später nicht selten vor, daß Kuriere der
Gebirges hatten an solchen Streichen ihre Ragusaner ohne Hemd und Hosen nach Hause
Freude. Im Juli 1372 beraubte Župan Gra- zurückkehrten . Ein Ragusaner klagte im März
doje, der Bruder des Kaznac Sanko, mit sieben 1371 , er sei von Räubern in Rasmući Doli ge-
seiner Höflinge (homines curiales ) den Ragu- fangen und auf den Füßen aufgehängt worden
saner Pripče Hranković , in campo Nevessigne (suspendentes per pedes ) , um ihm 30 Perper
und nahm ihm selbst Mantel, Schuhe, Gürtel, abzunehmen ; es war wohl im Tale Razmuće in

1) Liber de maleficiis 1348 Arch. Rag.


2) Mon. Rag. 5, 90.
3) Ebenda 1 , 92f.
4) Lamenta de foris 1370-1373 Arch. Rag.
54 II . ABHANDLUNG : CONSTANTIN JIREČEK.

Montenegro, nordöstlich von Grahovo.¹ ) Die gung der königlichen Hundewärter und Falk-
Ragusaner Bogoslav Dražislavić und Srjedan ner in den Urkunden zu sehen ist. Hielt sich
Dobrenović wurden 1372 von einem bosnischen ja in dieser Zeit um 1325 ein byzantinischer
Edelmann Mrkoje Stjepković und dessen Ge- Prinz, der spätere Kaiser Andronikos III.,
folge bei Borač in einem Hause überfallen und 1000 Hunde und 1000 Falken zur Jagd in den
beraubt. Einer der Leute des Edelmannes, Gojak kaiserlichen Revieren bei Konstantinopel . " )
Dobroslavić mit Namen, riß dabei dem Ragu- Von den byzantinischen Kaisern fanden drei
saner Srjedan zuerst den Geldbeutel vom Gür- den Tod auf der Jagd, Theodosios II. durch
tel ab und nahm ihm 14 zum Verkaufe be- Sturz vom Pferde, Basilios I. von einem Hirsch
stimmte Jagdfalken weg. Dann stach er dem aus dem Sattel gerissen, Johannes Komnenos
Srjedan mit scharfen Hölzern unter die Finger- durch ein Pfeilgift auf der Wildschweinjagd .
nägel und rief : Gib die Dukaten her ! " (des In Serbien ereilte den Despoten Stephan La-
ducatos) . Gojak war sechs Jahre später so naiv zarević der Tod auf der Falkenbeize ( 1427) .
nach Ragusa zu kommen , wo man ihn gleich Eifrige Jäger waren Adelige und Bauern , im
erkannte und ins Gefängnis setzte . Obwohl er Westen auch lateinische Kleriker, wie 1247 ein
behauptete nur auf Befehl seines ,patronus ' ge- Archidiaconus von Antivari.7 ) Mitunter gehörte
handelt zu haben , wurde er erst nach zwei Mo- die Jagd zu dem Herrendienst der Untertanen .
naten freigelassen, nachdem er 50 Perper dem Auf den Gütern des Klosters Gračanica waren
Srjedan gezahlt hatte.2) Bei alledem ist im alle Einwohner, mit Ausnahme der Popen, ver-
14. Jahrhundert nie zu lesen, daß jemand von pflichtet drei Tage im Jahre Hasen zu jagen.8 )
den Räubern getötet worden wäre. Bei Ragusa fing man Füchse in Fallen (stupica)
Eine edlere Vorübung für den Krieg war oder Schlingen (lat . laqueus ) , Hasen und Reb-
die Jagd. In Serbien gab es in dieser Zeit kein hühner in Netzen. Vögel fingen die Serben auch
seltenes Hochwild mehr, wie in Rußland, wo mit Leimruten.9 ) Kaninchen (lat. conilli ) wur-
der Großfürst Vladimir Monomach († 1125 ) den auf Lagosta so reichlich gefangen , daß zu
zweimal samt seinem Pferd von Auerochsen den Einkünften des ragusanischen Comes der
(tur ) auf die Hörner genommen und zweimal Insel (1284 ) auch das Fleisch von 200 Stück
von Elchen mit dem Geweih gestoßen und mit im Jahre gehörte .
den Hufen getreten wurde.³ ) Es gab aber Die vornehmste Jagd war aber, ebenso wie
Hirsche (jelen) , welche nach der Schilderung bei den Byzantinern , die Beize auf Wachteln ,
des Theodosij in Nemanjas Zeit von Treibern Rebhühner , Wildtauben , Enten , Reiher, Schwäne ,
durch den Wald herabgetrieben wurden, zu den Kraniche usw. Eine farbenprächtige Schilde-
Jägern, welche am Fuße des Gebirges aufge- rung der Kranichjagd am Hofe des Kaisers
stellt waren. ) Auf den bosnischen Steingräbern Manuel Komnenos, voran der Kaiser zu Pferde
ist die Hirschjagd abgebildet, zu Pferde mit mit einem alten großen georgischen Falken
der Lanze oder zu Fuß mit Bogen und Pfeil, ( épaiẞnpixée) auf dem schweren Lederhandschuh
stets in Begleitung von Hunden.5) Man jagte der linken Hand, unter den Klängen der Jagd-
auch Bären, Wölfe, Wildschweine, Rehe, Gem- trommel (xuvyεTIxòv Túμпavov ) , ist erhalten in
sen, Hasen, Marder und Füchse. Hunde, be- einer Rede des Konstantin Manasses.10) In Ser-
sonders Windhunde (hrt) und Falken waren bien werden als Beizvögel erwähnt : jastreb
unzertrennlich vom Hofstaat, wie aus den Be- (Habicht) , kraguj oder kragujac (Sper-
freiungen von der unentgeltlichen Beherber- ber) , am meisten aber so kol ( Falke) , in Ragusa

1 ) In der epirotischen Zeit ließ sogar ein Beamter des Kaisers Theodoros ( 1223–1230 ) bei Drama einen Diakon von
einem Baum kopfabwärts hängen und schlagen, um ihn Geld abzupressen. Demetrios Chomatianos Nr. 96.
2 ) Klage vom 3. August 1372 mit Zusatz von 1377 : Lamenta de foris 1370-1373 .
3 ) Nestor ed . Miklosich p. 155 .
Theodosij bei Pavlović 18.
5) Hoernes, Altertümer der Hercegovina, S. Ber. der W. Akad . Bd . 97 ( 1880 ) S. 526 , 554 Fig. 4, 20 , 21 ; dazu S. 555
Fig. 22 ein Lanzenreiter auf der Bärenjagd . Hirschjagden auch auf den Grabsteinen bei Nikšići, derselbe eb . 99 ( 1881 ) 811 .
6) Nikephoros Gregoras IX cap . 3 § 2.
7) ,Archidiaconus ierat ad venandum', Smičiklas, Cod. dipl . 4, 318.
8) Mon. serb. 565.
9) Imelnik ( von imela Mistel, Viscum album) bei Daniel 73 (fehlt im Rječnik der Südslav. Akademie).
10) Herausgegeben von E. Kurtz im Viz. Vremennik 12 ( 1906 ) 79-88.
STAAT UND GESELLSCHAFT IM MITTELALTERLICHEN SERBIEN III . 55

lat.: accipiter sive sparaverius, austur, terciolus, dem Kaiser Friedrich I. als Geschenk sechs See-
falco . ) An der Küste fing man sie mit Netzen hunde (boves marinos seu focas) , einen gezähm-
auf den Bergen von Canali und auf den felsigen ten Eber und drei zahme Hirsche. Sein Sohn
Inseln des Meeres . Besonders geübt waren darin Stephan, der spätere erstgekrönte König , erhielt
die Lagostaner, welche jährlich eine Anzahl Fal- vom ungarischen König Andreas II . auf der Zu-
ken ihrem Comes abzuliefern hatten ; sie suchten sammenkunft in Ravno (Cuprija, um 1215 ) ge-
sie auf der ganzen Küste, südwärts bis Valona. fesselte Auerochsen beiderlei Geschlechtes (turi
Mühselig war die Abrichtung des Tieres, schwie- i turice) und , saracenische Rinder'. ) Der Groß-
rig und verwickelt die Prozesse wegen der Eigen- vojvode Sandalj und der Herzog Stephan pfleg-
tumsrechte.2 ) Bei den Patriziern von Ragusa ten den Ragusanern als Neujahrsgeschenke
hatte der Jagdfalke vergoldete Schellen auf den Hirsche zu senden. Als ein Bosnier 1445 dem
Füßen ( sonaglie, campanelle in pedibus) . Schon Patrizier Marinus Junii de Georgio einen Bären
in einem der ältesten Denkmäler der slavischen als Geschenk vom Comes Vukašin brachte, kamen
Literatur, in der Vita des Slavenapostels Kon- ihm in Gravosa zwei junge Nobiles entgegen ,
statin (Kyrill ) ist die Rede von der Falkenjagd. welche ihre Dolche zückten und das Tier aus
Dem jungen Konstantin entriß der Wind auf Übermut niederstachen.8 )
der Jagd vor den Toren von Thessalonich seinen Viele Unterhaltungen waren nur eine
Falken und dieser Verlust führte ihn zur Fröm- Waffenübung . An Festtagen übte man sich
migkeit und zu ernsten Studien.3) Abgebildet in den Ländern der Halbinsel überall, in den
sind die Jagdfalken auf den mittelalterlichen Städten ebenso wie im Hirtendorf, im Bogen-
Grabsteinen in Bosnien.¹ ) Die Beize wird auch schießen. Dabei geschah es einmal bei der
im Volkslied oft erwähnt. Die Helden führen. Burg Prosek am Vardar, daß ein kleiner Knabe
dort mit den Falken Gespräche wie mit treuen , plötzlich zum Ziel lief und durch den Pfeil
alten Freunden . Ein handschriftlich erhaltenes seines ahnungslosen Vaters, des Hirten Dragan ,
altes Lied in Langzeilen erzählt, wie Herzog getroffen tot niedersank. ) In Novo Brdo pfleg-
Stephan einen schönen , grauen, drei Jahre alten. ten die dort wohnenden Ragusaner vor der
Falken, den er auf seiner rechten Hand zu tragen Stadt Übungen mit Bogen und Armbrust abzu-
pflegte, mit einer Botschaft zu Knez Dabisav halten (pro ludendo ad arcum et balistam 1413 ) .
auf die von den Türken bedrängte Burg Samobor In Ragusa heißt noch gegenwärtig der Platz
sendete. Doch der treue Vogel' (vjerna ptica) am Meere vor der Porta Pile , Bersalia ' (ital.
brachte bitter weinend nur die Trauernachricht bersaglio Scheibe, Schießhaus) ; dort war schon
zurück, Dabisav habe die Burg an die Türken im 14. Jahrhundert die Schießstätte für Bogen
verraten. ) Heute, wo kaum in einigen ent- und Armbrust (bersalia balistariorum . )
legenen Gegenden Bosniens und Albaniens Reste Schwerttänze gehörten zu dem Spiel der
dieser altertümlichen Jagd vorkommen, lebt sie Rusalien (Rusalije, ' Povcata ) , welches von
im Gedächtnis in Sagen und Liedern fort. ") dem spätrömischen Rosenfeste der Rosalia
Bei der Freude an der Jagd hatte man auch stammte und von der Kirche am VI . Konzil
Interesse für gefangene oder gezähmte Tiere. (680) als heidnisch verboten wurde.10) Etwas
Der Großžupan Nemanja brachte in Niš 1189 Ähnliches war das gotische Spiel ( to Fotov ) im

1) Jastreb bei Daniel 145 , Gundulić u. a. Kraguj, kragujac in der Vita des hl. Konstantin (Cyrill) von Thessa-
lonich, in Bulgarien, in Ragusa , bei Konstantin dem Philosophen, bei Marulić usw. Vgl . Rječnik. Kraguj, in allen sla-
vischen Sprachen bekannt, ist alttürkischen Ursprungs , von karagu der Sperber ; vgl. von Kraelitz - Greifenhorst, Corollarien
zu Miklosich, S. Ber. W. Akad . 166 , Abh . 4 ( 1911 ) 30.
2 ) In Ragusa verkaufte man 1343 austures' oder ,falcones' , , completos pennis et sanos' um 1-2 , Golddukaten.
Div. Rag. 3) Vita des Konstantin (Cyrill) nach der Einteilung von Šafařík cap. III.
4) Hoernes, Altertümer der Hercegovina, S. Ber. W. Akad. 99 ( 1881 ) 820 Fig. 3.
5) Bogišić, Nar. pjesme 132 (Nr. 51 ).
6) Hahn, Reise durch die Gebiete des Drin und Wardar, Wien 1867 ( Abdruck aus den Denkschr. W. Akad. Bd . 16) 91
(Dibra). Hörmann , Die Falkenbeize in Bosnien und der Hercegovina, Wiss. Mitt. 2 (1894) 501-505 mit 4 Abb. (Bosnien) .
7) Ansbert, Fontes rerum austriacarum 5 , 22. König Stephan cap . 20.
8) Lamenta de foris 1445 f. 82 v.
9) Demetrios Chomatianos Nr. 131 an den Bischof von Strumica.
10) Vgl. Murko, Das Grab als Tisch 142 f. Die röm . Rosalia waren ein Ahnenfest im Frühling, bei welchem man
Rosen aufs Grab legte. Murko leitet davon die serbische Totenfeier am zweiten Montag nach Ostern ab, das družičalo
oder ružičalo.
56 II. ABHANDLUNG : CONSTANTIN JIREČEK.

Konstantinopler Kaiserpalast ; am neunten Tag zu lesen.¹) Sonst beschränkt sich die Erinne-
nach dem Christfest führten zwei Abteilungen rung daran nur auf einen Flurnamen Rusalije
aus den Demen der Hauptstadt vor dem Kaiser in der Urkunde von Dečani.2 ) In Bulgarien
Tänze auf, indem sie mit Stöcken auf ihre ist dieser Name in Ortsbezeichnungen heute
Schilde schlugen und unter dem Klang der noch wohl bekannt ; er erscheint dort stets in
Tavoúρa lateinische Lieder sangen . Der Erz- Verbindung mit den Elfen ( samodivi ) , bei ein-
bischof Demetrios Chomatianos schildert die ¦ samen Gräbern und Hainen. In vielen Ländern
Rusalia' ('Povoda) in Makedonien in seiner hat man die heidnischen Rosalia auf das christ-
Zeit (um 1230) . In der Woche vor Pfingsten liche Pfingstfest übertragen : im mittelalterli-
zog eine Schar Jünglinge mit Spielen, Tänzen chen Latein (pascha rosarum, in Ragusa um
und Sprüngen durch die Dörfer und Hirten- 1320 pasqua de rosalia' , ,pasca rosaliarum ) , in
lager und sammelte Geschenke. In der Pro- kirchenslavischen Denkmälern, bei den Ragu-
vinz von Moliskos wollte der Häuptling eines sanern und Cattarensern (rusalje) , Albanesen ,
Hirtenlagers ( τῆς μάνδρας προιστάμενος ) keinen Rumänen und Russen.3) Die im byzantinischen
Käse schenken; als es deswegen zu einer Prüge- Nomokanon gleichfalls verbotenen Feste der
lei kam, geschah es, daß ein Hirt einen der Kalenden des Januars sind auch den Sla-
Tänzer mit einem Schwerte niedermachte. Dies ven bekannt geworden ; die Ragusaner nannten
bewog den Erzbischof zur Erneuerung der alten das Neujahrsfest, das mit eigenen Liedern und
kirchlichen Verbote dieser heidnischen Ge- Austausch von Geschenken gefeiert wurde, Ko-
bräuche. Nach der Beschreibung von Šapkarev lende (donum pro cholendis) .4)
zogen noch in unserer Zeit im südlichen Make- Eine Vorübung zum Kriege waren auch die
donien bei Jenidže-Vardar, Avret- Hissar und Reiterspiele. Im Hippodrom von Konstantino-
Kukuš zwölf Tage nach Weihnachten die , Ru- . pel sind sie bis zur türkischen Eroberung nicht
salienscharen (Rusalijski družini ) herum, zehn verschwunden . Kaiser Manuel Komnenos ließ die
bis dreißig Paare junger Männer in bunten Reiterspiele mit großen Schilden und langen
Kleidern , mit Trommeln und Sackpfeifen . Der Lanzen ohne Spitzen auführen ( αὐτόξυλα δόρατα ) .5 )
Anführer trägt. eine Axt , seine Genossen Ein von Lampros herausgegebener Text be-
Schwerter . Niemand von ihnen darf ein Wort schreibt eine Malerei , welche die Reiterspiele
sprechen . Schweigend führen sie unterwegs auf (žuλoxovtapial , ital. giostra) darstellte, mit
Kreuzwegen , bei Quellen, unter Baumgruppen, weißen, schwarzen , braunen und scheckigen
vor alten Kirchen und Gräbern ihre Tänze aus. Pferden, die Reiter in goldgestickten Purpur-
In den Dörfern werden sie von den Bauern be- kleidern mit Schilden. " ) Kaiser Isaak Angelos
wirtet und mit Getreide oder Geld beschenkt . veranstaltete nach den bulgarischen Feldzügen
Wenn aber zwei solche Gesellschaften zusam- Wettkämpfe zu Pferde ( nov άuat ) .7 ) Es ist
mentreffen, gibt es eine Schlägerei, oft mit Ver- merkwürdig, daß in den slavischen Übersetzun-
wundeten oder gar Toten . Den Schluß bildet gen die Bestimmungen des byzantinischen .
ein Gottesdienst. Wie weit diese Sitte im Kirchenrechtes über das Wettrennen (uriska-
Mittelalter nordwärts in das Innere der Halb- nije, äµàλa ) zu Pferde und zu Wagen (koles-
insel verbreitet war, ist nicht bekannt. Die nica) stets genau mit eigenen Termini übersetzt
kanonischen Bestimmungen gegen die Rusa- sind . Altserbisch hieß der Rennplatz poti-
lije sind auch in altserbischen Übersetzungen čište. ) In Priština gab es alljährlich eine

1 ) Konstantin Porph. ed. Bonn . 1 , 381 f.; 2 , 360 f. Demetrios Chomatianos ep. Nr. 120. Matthaios Blastares, serb.
Übersetzung , herausg. von Novaković S. 256 (E, 3 ) . Miklosich , Die Rusalien , Wien 1864 (S. Ber. W. Akad . 46 ) . K. A.
Šapkarev, Rusalii, bulg. , Philippopel 1884. A. N. Veselovskij , Die Jänner-Rusalien und die gotischen Spiele in Byzanz :
Žurnal des russ . Unterrichtsministeriums 1886 Sept. (vgl . Jagić in Arch . slav. Phil . 10, 244). Carl Kraus , Das gotische
Weihnachtsspiel, Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache 20 ( 1895 ) 224-257 (über die lat . Texte bei Konstantin
Porph .). Vgl. Krumbacher, Gesch. der byz . Literatur, 2 A. , 256. 2) Mon. serb. 92.
3 ) Miklosich, Die christliche Terminologie der slav. Sprachen (Denkschr. W. Akad . Bd . 24, 1875) S. 25.
4) Auch im Statut von Ragusa ( 1272 ) I, cap . 7—10, 17 , 27–29 ( dare pro Kallendis).
5) Kinnamos III cap. 16 * Lampros in Νέος Ελληνομνήμων 5 ( 1908) 1 f.
7) Niketas Akominatos ed. Bonn . p . 520.
9) Übersetzung der Alexandreis, herausg. von V. Jagić, Starine 3 , 215 , 229-230 : po srbskomu jeziku narečet se po-
tečišće ; potečenje ; na konskom teku tečati . Meine Abh.: Reiterspiele im mittelalt. Serbien , Arch . slav . Phil. 14 ( 1892) 73-75,
Nachtrag ib. 15 ( 1893) 457 −459 (potiçiste, potizista). Novaković, Kalugjer i hajduk ( Belgrad 1913) 53 f. hat die Form potecište.
STAAT UND GESELLSCHAFT IM MITTELALTERLICHEN SERBIEN III . 57

Art Ringstechen auf einem von wenigen Stroh- schenke machte. ) Der letzte Überrest dieser
hütten umgebenen Platz außerhalb des Ortes . alten Spiele ist das Ringstechen (alka ) am
Die Reiter kamen in voller Rüstung, mit Streit- Kaisertage in Sinj in Dalmatien . Reiter in alter
kolben, Schwert, Bogen und Pfeil und rannten Tracht, in hohen Otter- und Marderfellmützen
mit eingelegten Lanzen, um einen auf einer mit weißen Schwanfedern suchen einen eisernen
Stange aufgesteckten Handschuh zu heben. Am Ring, der auf einem Seil zwischen zwei Masten.
Weihnachtstage 1435 beteiligten sich dabei No- aufgehängt ist, in voller Carrière mit der Lanze
biles (Gondola, Calich, Lucari) und Populane herabzunehmen.5)
aus Ragusa mit ihren Dienern und ein Patrizier Jede Feierlichkeit war mit Gastmählern (pir
(Tani ) aus Dulcigno. Ein Ringstechen gab es von piti) und reichlichem Essen und Trinken .
nach der Schilderung des Philippus de Diversis verbunden. Dabei wurde in ausgedehntem Maße
in Ragusa selbst am Festtage des Stadtpatrons , Gastfreundschaft geübt. Trinksprüche, die man
des hl. Blasius ( 3. Februar) . Sieger war der- Z dravica (von zdrav gesund , zdravlje Gesund-
jenige Reiter, welcher den silbernen Ring (cir- heit) nannte, durften nicht fehlen, ganz wie in
culus argenteus) dreimal herabnahm, und zwar unseren Tagen. Der Ausdruck ,zdravica ' , wel-
wurden drei solche Ringe nacheinander aufge- cher mitunter auch einen Glückwunsch bedeu-
hängt.¹ ) Ein Reiterspiel (giostra ) mit Ring- tete, war auch den Venetianern so geläufig, daß
stechen gab es auch in Zara in der , Calle Car- ihn Ambrosio Contarini 1473 auf die Trink-
riera die ganze venetianische Zeit hindurch ; sprüche am Hofe des Königs von Georgien im
seit 1409. Selbst in Venedig, wo man heutzutage Kaukasus anwendet . " )
kein Pferd erblickt, schildert Martino da Canal Bei allen Festen im Hause und außer dem
im 13. Jahrhundert ein feierliches Turnier auf Hause, besonders bei den Hochzeiten , wurde ge-
dem Markusplatz ; Venetianer und fremde Ritter tanzt (igrati , plesati , lat . ballare, chorizare, tri-
brachen die Lanzen vor dem Dogen und vor den pudiare), im Dorfe auf einem bestimmten Platz
in den Fenstern der Paläste und in eigenen (igrište) . Herrschend ist auf der ganzen Halb-
Logen, die aus Seidentüchern hergestellt waren , insel der feierliche, der provenzalischen Faran-
versammelten Edelleuten und ihren Frauen.2) dola ähnliche Tanz in langen Reihen, abgebildet
Ein Turnier, zwei mit Lanzen bewaffnete Reiter auf den bosnischen Steingräbern.7) Man nannte
einander gegenüber, zwei zwischen ihnen ste- ihn im Mittelalter, wie heute, kolo (Kreis ) .
hende Pagen und im Kreis herum die Zuschauer, In Ragusa war es üblich, daß ein fröhlich durch
ist auf einem hercegovinischen Grabdenkmal die Straßen hüpfendes ,kolo ' der Dienstmädchen
im Tale des Trebižat abgebildet.3 ) Orbini er- oder junger Männer den Bräutigam zur Hoch-
zählt nach einer ihm vorliegenden Quelle, daß zeit abholte, bis der Senat 1515 die Sitte verbot.8)
Stephan Dušan seinen Höflingen oft Pferde, In dem illustrierten , altserbischen Psalter liest
Geld, goldene und silberne Gürtel, Seiden- und man für diesen Tanz auch den griechischen Aus-
Tuchkleider schenkte ; er wünschte, daß sie gut druck horo ( igrati choro) , der jetzt in Bul-
gekleidet seien und sich in den Waffen üben , garien und Rumänien allgemein bekannt ist.9 )
wobei er oft Reiterspiele (giostre) und Turniere Das sind die Tänze (zopelz) von Männern , Jüng-
(bagordi ) aufführen ließ und den Siegern Ge- lingen und Knaben , die Nikephoros Gregoras

1) Philippus de Diversis ed . Brunnelli p. 95.


2) Martino da Canal, Archivio storico italiano 8 (Firenze 1845 ) 420–424 . Noch im 14. Jahrhundert : Cecchetti, Arch.
veneto 27 (1884) 41 .
3) Hoernes a. a. O. 542 Fig. 12. Truhelka, Wiss . Mitt. 3 ( 1895 ) 417 .
4) Orbini 260.
5) Über die Alka, die ich am 18. August 1891 gesehen habe, und die dabei üblichen Gebräuche meine Bemerkungen
im Archiv slav. Phil. 15 , 458.
6) Zdravica als Glückwunsch : am 28. Dezember 1363 ein Geschenk des Senates von Ragusa im Werte von 10 Perper
,pro sdraviça an den Edelmann Površko , Mon. Rag. 3, 294. Ambrosio Contarini 1473 über den Hof des Königs von
Georgien : ,Mangiato che si hebbe, si misero a far sdraviza‘ , Viaggi fatti da Vinetia alla Tana etc., Venedig 1545 p . 76 B.
In Dalmatien ( Cattaro , Arbe usw. ) im 16. Jahrhundert : Ljubić, Rad 40 ( 1877) 140-141 .
7) Truhelka, Wiss. Mitt. 3 (1895 ) 417.
8) ,Collo 1515, Arch. Slav. Phil. 21 ( 1899) 423.
) Strzygowski und Jagić, Die Miniaturen des serbischen Psalters in München , Denkschr. W. Akad . 52 (1906)
S. XLI.
Denkschriften der phil. -hist. Kl . 58. Bd . 2. Aufl .
58 II. ABHANDLUNG: CONSTANTIN JIREČEK.

auf der Reise nach Serbien am Ostertage in innert an den Umgang des ,Aueröchsleins' (tu-
Strumica ( 1328 ) gesehen hat . ' ) Trotz aller Ver- ronek) in Galizien, bei welchem zwei Jünglinge
bote alter Konzilien war es bei den Lateinern einen dritten in einer Holzmaske mit langer
des Küstenlandes üblich am Vorabend großer Zunge aus rotem Tuch herumführen . Miklosich
Festtage im Innern der Kirchen zu tanzen. In leitet die Bezeichnung der Pfingsten bei den
Ragusa tanzten vor dem Fest des hl. Blasius Slovaken als Auerochsenfest (turice) von solchen
Männer und Frauen, begleitet von dem Spiel der Maskenzügen ab. ) Am 1. Mai zog in Ragusa
Flötenbläser (fistulatores) , in der Domkirche, im die Schusterzunft durch die Stadt mit fröhlichem
Hofe der Peterskirche und im Freien auf dem Tanz, in ihrer Mitte der Bembelj , ein mit
Stadtplatz (platea ) . Erst 1425 wurden Tänze und grünen Blättern und verschiedenen Blumen ganz
Gesänge im Innern des Domes verboten.2 ) * Außer- bekleideter Jüngling, welcher in der Hand eine
halb der Kirche tanzten dann am Nachmittag lebende, nicht giftige Schlange trug. )
des Blasiusfestes junge Nobiles beider Geschlech- Leute, die sich langweilten , gingen in die
ter bei den Klängen von Flöten und Schal- Weinschenke (krčma, gostinnica , in Ragusa
meien. ) Die Braut des Despoten Lazar, tovjerna aus taberna) , deren Betreten den Prie-
Schwiegertochter des Despoten Georg, wurde bei stern, Mönchen und Eremiten vom byzantini-
der Durchreise 1446 eingeladen nach dem Essen schen Kirchenrecht ganz verboten war, ausge-
mit den Edelfrauen von Ragusa in dem Saal des nommen im Notfalle auf Reisen . Im serbischen
Regierungspalastes zu tanzen.4 ) Ein Überrest Volkslied pflegt auch König Marko in der kühlen
dieser alten Sitten ist heute in Cattaro il ballo Schenke Wein zu trinken . In Ragusa waren die
di San Trifone' , ein feierlicher Reihentanz am Weinverkäuferinnen oder Kellnerinnen meist
Vorabend des Festes des Stadtpatrons (3. Feb- Frauen (tovjernarica aus lat . tabernaria oder
ruar) auf dem Platz vor der Domkirche, in An- krčmarica) . Im 14. Jahrhundert wurde in diesen
wesenheit des Bischofs ausgeführt von der alten Weinkellern mit Würfeln (ad taxillos ) um Wein
Matrosenzunft der Stadt, der Marinerezza in gespielt und natürlich auch gerauft . Würfel
alten Waffen und Kostümen. Im Erzbistum von waren auch in Serbien wohlbekannt, unter den
Antivari wurden Tänze und Gesänge in den Namen ta vlija oder zar (vom ludus azari ,
Kirchen bei Hochzeiten noch im 17. Jahrhundert. franz. hasard) .9 ) Spielkarten (ludere ad cartas
verboten . ") 1438 ) , die in Italien erst im 14. Jahrhundert.
Die Masken des Karnevals waren meist Tier- auftauchen , und das Schachspiel (scacchi 1422 )
masken. In Ragusa zog im Karneval noch in werden in Ragusa spät erwähnt .
den letzten Jahren der Republik eine Masken- Von den Musikinstrumenten ertönte die na-
gruppe durch die Stadt, darunter eine Vila tionale Geige, die gusli (Plural ) , deren Saiten
(Bergnymphe ) mit langem Haar und die Turica mit einem kleinen Bogen ( lučbc ) gestrichen
(Aueröchsin) mit Pferdekopf auf langem, zot- wurden, wie erwähnt, schon bei der Tafel des
tigem Halse. ") Am 6. Februar 1412 beschloß das Königs Stephan des Erstgekrönten (s. oben
Consilium minus ein Geschenk von 4 Perper 3. 38 ) .10) Serbische Geiger werden 1415 am
den ioculatoribus Turiçe zu geben. Dies er- Hofe des polnischen Königs Wladislaw Jagiello

1) Nikephoros Gregoras VIII cap . 14 § 6 .


2 ) , Ballare vel coreas ducere aut cantilenas facere vel canere in maiori ecclesia S. Marie' verboten 1425. Gesetzbuch
Liber Viridis cap. 194 (bisher ungedruckt).
3) Philippus de Diversis p. 94 .
4) Jorga, Notes et extraits 2, 416.
5) Ljubić , Rad 40 (1877 ) 144. Von Interesse sind die zahlreichen an die lateinischen Kleriker Dalmatiens erlassenen
Verbote sich an Tänzen , Schauspielen , Maskenzügen zu beteiligen ; vgl. Jagić, Rad 37 ( 1876 ) 44 f. und Ljubić eb. 40 , 139f.
6) Abbildungen dieser Masken bei Appendini, Notizie, Bd. 1 ( 1802 ) . Über altslavische Spiele und Masken bei den
Hochzeiten Niederle a, a. O. 1 , 107 f.
7 ) Miklosich, Die christliche Terminologie der slav. Sprachen, Wien 1875 ( Denkschr. W. Akad. Bd. 24) S. 26 .
8) Wie mich Rešetar aufmerksam macht, wird dieser Bembelj schon im Lied der Schusterbruderschaft', der , fratilja
od crevljara' von Antun Sasin ( 16. Jahrhundert) erwähnt, Stari pisci 16 , 172. Abbildung bei Appendini a. a . O. Beschrieben
auch von Vuk, Lexicon unter bembelj.
9) Tavlija in der Übersetzung des Blastares. Über zar vgl . Jagić, Starine 5 , 26 und 10 , 94 .
10) Im Mittelalter stets gusli ( Plur. ) , in der Neuzeit gusle (Plur. ) oder gusla ( Sing. ) , vgl . Rječnik. Kża wird in
kirchlichen Texten mit gusli, selten mit prêgudnica wiedergegeben (Psalterium Bononiense ed . Jagić 1907 p . 2 ) , Kúpa
STAAT UND GESELLSCHAFT IM MITTELALTERLICHEN SERBIEN III . 59

genannt.¹ ) Ebenso kennt die serbischen Geigen aus Arta und Kreta ; die Brüder Theodor und
(serbskie skrzypki) , welche den melancholi- Johannes erhielten 1426 Urlaub auf vier Mo-
schen Vortrag epischer Lieder begleiten, der nate zum serbischen Despoten Stephan, 1428
polnische Dichter Miaskowski († 1622 ) .2 ) Vom zum bosnischen Großvojvoden Sandalj , um sie
Hirtenleben unzertrennlich war die Hirten- mit ihrem Spiel zu erfreuen . Andere Künstler
pfeife, wie denn Pfeifer (svirbe ) schon in der waren in Ragusa Serben, wie der trumbeta'
Zeit des Stephan Dušan urkundlich vorkom- Dragan aus Prizren 1335 , Italiener, Kroaten
men,³ ) und der Dudelsack (mjeh , mješina) , in aus Zengg oder Agram, wie der ,tubicen' Nico-
Ragusa im 14.- 15 . Jahrhundert in den lateini- laus de Zagabria 1411-1414, Albanesen aus
schen Archivbüchern als corn amusa er- Durazzo oder Drivasto usw. Bei den Hoch-
wähnt. Ebenso war es den Hirten leicht, ein zeiten der Fürsten wurden sie von der Ge-
Horn zum Blasen herzurichten (rog, lat. cornu meinde zu den benachbarten Höfen gesendet.
ad pulsandum ) . Die Musiker der einheimischen Fürsten-
Neben serbischen Musikern gab es auch höfe werden im 15. Jahrhundert oft erwähnt,
fremde Künstler . Im 13. Jahrhundert war in weil sie in Paaren oder in ganzen Gesellschaf-
Serbien in der Zeit des Erzbischofs Sava I. ten (societas, brigata ) an Feiertagen, besonders
neben dem einheimischen Possenreißer (glumbc ) zum Feste des hl. Blasius nach Ragusa kamen
der deutsche Spielmann' bekannt ; im serbi- und dort von der Regierung beschenkt wurden .
schen Text des Nomokanon liest man vom Im April 1408 erhielten zwei Trompeter (tu-
špilman an der Stelle über den is des batores ) des dominus dispotus Sclavonie ein
Originals . ) Deutsche Musiker standen zeit- Geschenk von 60 Perper in Tüchern . Oft ge-
weilig in den Diensten der Stadt Ragusa : der nannt werden die Pfeifer (piffari ) des bosni-
Dudelsackpfeifer Kunz (Chuncius cornamusa schen Königs , des Großvojvoden Sandalj und
Theotonicus) und die Trompeter (sonatores) des Herzog Stephan, der Adelsfamilien der
Elias und Johannes, alle drei 1379 , der Flöten- Pavlovići und Zlatonosovići, die Trompeter
bläser (fistulator) Hans 1383 , die Pfeifer (pi- (sonatores, tubete) der Balšići, des bosnischen
farus ) Petrus de Colonia 1416 und Matheus Königs u. a. , die Dudelsackpfeifer (çampogna-
Theotonicus 1444. Noch der dichtende Bene- tores 1454 ) des Herzogs Stephan , die Trommler
diktiner Maurus Vetranić erwähnt im 16. Jahr- (gnacharini , von nachari , altfranz. naquaires ,
hundert in einem Maskenlied die , trumbetari' einer Art Trommel ) des Sandalj und der Pavlo-
und ‚pifari ' aus ,Alamannien ' , welche Wein ohne vići , die Lautenschläger (lautarii 1450 f. ) des
Wasser wacker zu trinken (trinkati ) verstanden Königs von Bosnien . Daneben kamen seit 1399
und von ihren lieben Frauen dort weit im auch Spaßmacher oder Jongleure (ioculatores,
Westen zu sprechen pflegten, denen sie nach zugularii , histriones, buffones ) des bosnischen.
ihrer Heimkehr in die Heimat die berühmte Königs und seiner Edelleute ; z . B. 1455 erhielt
Stadt Ragusa loben werden.5) Deutschen Ur- ein buffonus ' des Herzogs Stephan, namens
sprungs sind auch die Worte fra va (Frau) , Mrvac, ein Geschenk in Kleidern .
zweimal in den lyrischen Gedichten des Menče- Gesungen wurde viel von Leuten jeden
tić (Ende des 15. Jahrhunderts) zu lesen , und Standes, bei jeder Gelegenheit, bei Hochzeiten
lim fra (Liebfrau, im Rječnik unrichtig als und anderen Festen , bei der Feldarbeit , beim
Nymphe oder Jungfrau gedeutet) in dem soeben Viehhüten oder z. B. bei dem Auspressen der
erwähnten Gedicht des Vetranić.") Andere Früchte in der Olivenmühle, ) ebenso auf den
Musiker waren Griechen . Die Trompeter (tu- langweiligen Märschen der Karawanen durch .
betae ) der Stadt Ragusa stammten 1424-1456 Wald und Gebirge. Eigener Art waren die

mit cêvnica (cêv Röhre) , womit Neuere eine Orgel bezeichneten. Über die Musikinstrumente : Fr. S. Kuhač, Beiträge zur
Geschichte der südslav. Musik, Rad 38 ( 1877 ) 1 f. (Abbildungen der gusli S. 3, alte Zeugnisse S. 52 f., 59 f.) ; Vlad . Kara-
kašević, Gusle i guslari, Letopis 195 ( 1898 ) 1 f. ( mit Abbildungen).
1) Teršakovec, Arch. slav. Phil. 29 ( 1907 ) 237.
2 ) Jagić, Rad 37 ( 1876) 118 .
3) Urk. 1353 an der Pšina : Florinskij , Pamjatniky 148 A.
4 ) Jagić, Starine 6, 81 und Rad 37 ( 1876 ) 73.
5) Stari pisci 3 , 248-250.
6) Jagić a. a. O. und Murko, Arch . slav. Phil. 28 ( 1906 ) 383.
7) In Sebenico 1487 nach Sisgoreus, Gradja 2 (1899 ) 11 .
8*
60 II. ABHANDLUNG : CONSTANTIN JIREČEK .

Klagegesänge bei den Begräbnissen.¹ ) Sogar liedern' (pobednyjmi pêsnmi) begrüßt. ") Auch
die Gebete wurden im Küstenland in Gesangs- die Erzählungen des Michael Konstantinović
form rezitiert, in Ragusa sogar das Vater- von Ostrvica aus dem 15. Jahrhundert über
unser.2) die ältere serbische Geschichte sind wahrschein-
Es unterliegt wohl keinem Zweifel, daß ein lich meist aus Liedern geschöpft, die er in
großer Teil der Geschichte des Presbyters Dio- seiner Jugend gehört hatte. Der Vortrag epi-
cleas aus epischen Volksliedern zusammenge- scher Lieder gehörte in Osteuropa aber nicht
stellt ist. Ausdrücklich werden Lieder (pjesni ) nur zum nächtlichen Marschgesang , sondern
seit dem Ende des 12. Jahrhunderts erwähnt . auch zur Unterhaltung der Gäste bei den
Lyrisch und erotisch waren ohne Zweifel die Tafeln, wie es schon Priscus über den Hof des
,unreinen und schädlichen Lieder', welche Hunnenkönigs Attila berichtet. Der Venetia-
Rastko, der spätere hl. Sava, als Jüngling ner Ambrosio Contarini war 1473 auf der Reise
haßte und verabscheute . Als dieser Sohn Ne- aus Polen nach Kaffa in der Krim unterwegs
manjas, statt zu heiraten , auf den Athos ent- Gast des Gouverneurs von Kiev, in der Gesell-
floh (um 1192 ) , um Mönch zu werden, hat man schaft zahlreicher Edelleute, und erzählt, daß
darüber Lieder ausgedacht und gesungen' ; dort während des Essens einige Sänger Lieder
eine allerdings stark veränderte Version hat sangen. ) Križanić verzeichnet im 17. Jahr-
sich sogar bis heute erhalten.3 ) Nikephoros hundert, daß bei den Kroaten und Serben in
Gregoras schildert in der Erzählung über seine den Häusern der Adeligen und Kriegsleute
Gesandtschaftsreise nach Serbien ( 1328 ) den während der Gastmähler hinter dem Rücken
nächtlichen Marsch durch einen dichten Wald der Gäste Krieger standen , welche Lieder über
zwischen den Flüssen Strymon und Strumica. die Taten alter Helden sangen.8) Von den epi-
Die Begleiter hatten in der Finsternis keine schen Gesängen der Serben hat sich keine
Furcht und sangen den Ruhm von Männern Niederschrift aus dem Mittelalter erhalten .
(xλéα àvôpov) , von denen der klassisch gebildete Erst mit dem 16. Jahrhundert beginnen Auf-
Byzantiner nie etwas gehört oder gesehen hatte, zeichnungen von Texten. Doch darf man des-
mit trauriger Melodie und lauter Stimme, so wegen die Entstehung der serbischen Helden-
daß die Abhänge und Schluchten mächtig lieder nicht gar zu spät ansetzen, denn der
wiederhallten.4 ) Diesen nächtlichen Marsch- Mangel älterer Überlieferung ist nur ein Zu-
gesang kennt heute noch jedermann, der in fall. ) Im Laufe der Zeit haben sie allerdings ,
Serbien und Bulgarien herumgewandert ist. wie die Volkslieder aller Völker, in Form und
Auch die epischen Lieder der alten Türken Inhalt manche Wandlungen durchgemacht .
wurden, wie Bertrandon de la Broquière er- Man kann z . B. nach dem Inhalt nicht be-
zählt, nachts zu Pferde gesungen. ") Bei Cam- zweifeln, daß das mittelgriechische Epos über
blak wird König Uroš III. nach dem Sieg über Digenis Akritas um die Mitte des 10. Jahr-
die Bulgaren ( 1330 ) vom Volke mit Sieges- hunderts an der damaligen byzantinisch-arabi-

1 ) Die Klageweiber der Ragusaner schildert Philippus de Diversis p. 129. Das Consilium Minus von Ragusa hat am
14. April 1498 verboten , chiamar femine de fora de la casa del morto ad cantar.' Busbeck und Gerlach im 16. Jahrhundert
über Totenklagen bei Smederevo und Jagodina ; vgl. Jagić im Rad 37 , 116f. Vgl. Niederle, Život starých Slovanův 1 ,
247 A. 2.
*) Eine Frau Stanula singt in Ragusa 1407 abends im Haushof das Vaterunser : ,îbat per aulam cantando Pater
noster. Liber maleficiorum 1407-1410 Arch. Rag.
3) Theodosij bei Pavlović 16, 29. Domentian 27. Novaković im Arch. slav. Phil . 4 ( 1880 ) 317-323 ; V. Ćorović
eb. 28 (1906 ) 629-633.
4) Nikephoros Gregoras VIII cap. 14 § 4.
5) Vgl. Jorga, Geschichte des osmanischen Reiches 1 , 463.
6) Glasnik 11 ( 1859) 75.
7) ,Havevano alcuni cantori, i quali mentre desinammo cantavano. Viaggi fatti da Vinetia alla Tana etc. , Venedig
1545 p. 61 B.
8) Vgl. Jagić im Rad 37 ( 1876 ) 119 und Bogišić, Narodne pjesme, Vorrede 83 A. 1. Gegenüber den epischen Marsch-
liedern und Tafelliedern der Slaven vgl . die Hypothese des Gaston Paris, daß die altfranzösischen epischen Lieder ursprüng-
lich Tanzlieder waren .
9) Andra Gavrilović im Rad 153 (1903) 209-226 und Glas 72 ( 1907 ) 127-168 verlegt die Entstehung des serbischen
Epos aus kurzen episch -lyrischen Gedichten erst in das Ende des 16. oder in den Anfang des 17. Jahrhunderts. Dagegen
spricht sich aus Jov. Tomić, Über die serbischen epischen Volkslieder ( O srpskim narodnim epskim pesmama), Belgrad 1907.
STAAT UND GESELLSCHAFT IM MITTELALTERLICHEN SERBIEN III. 61

schen Grenze in Kappadokien und am oberen holung oder einen Ausruf enthalten. Jünger
Euphrat entstanden ist ; die Handschriften der und lebhafter ist der Zehnsilber (deseterac) ,
bisher bekannten fünf Bearbeitungen gehen den man bei den Serben heute noch überall in
aber nach Krumbacher nicht über das 15. Jahr- den von den Klängen der Gusla begleiteten
hundert zurück.¹ ) Ebenso ist im russischen Heldenliedern hören kann.
Volksepos der Zyklus des Fürsten Vladimir Die Fünfzehnsilber nannte man im 16. und
Monomach ( 1113-1125 ) alt , mögen die Nieder- 17. Jahrhundert Lieder nach serbischer Art' ;
schriften erst mit der Neuzeit beginnen . das liest man bei Hektorović (srbski način ) und
Es ist merkwürdig, wie im serbischen bei Križanić (modi et styli sarbiaci ) . " ) Da-
Volksepos , soweit es aus Aufzeichnungen der neben bezeichnete man diese Lieder in derselben
letzten dreihundert Jahre bekannt ist, die Zei- Zeit auch als Bugarkinja, wörtlich die
ten vor Nemanja der Vergessenheit verfallen Bulgarin' , oder Bugaršćica ; bugariti '
sind. Von historischen Personen erscheinen bedeutete damals ein episches Lied vortragen ,
Nemanja, sein Sohn der hl . Sava, nur trüb der während man jetzt darunter das Singen eines
König Milutin, etwas besser Uroš III. , der Klageliedes versteht. Die Lieder enthalten in
Gründer von Dečani, ebenso die Feldherrn des Stoff und Sprache nichts Bulgarisches ; die Be-
14. Jahrhunderts Hrelja und Momčilo, dagegen zeichnung dürfte sich auf die Art des Vortrages
sehr klar , Car Stephan', unzertrennlich von beziehen. Bogišić dachte an die bulgarina
seiner Residenz Prizren, sein Sohn Carević (türk. tambura) , eine Art Guitarre, auf deren
Uroš, endlich König Vlkašin mit seinem Bru- vier Saiten mit einem Gänsekiel gespielt wird ,
der, dem Despoten Uglješa. Reichhaltiger ver- als Begleitinstrument. Jagić verweist auf die
treten ist der Schluß des Mittelalters durch die bei den Byzantinern erwähnte Melodie pos
zwei großen Liederkreise über Marko ,den Boukyapınóv. Die ältesten erhaltenen zwei Texte
Königssohn (Kraljević) , den König Marko bilden Episoden in dem 1556 von Hektorović
(1371-1394 ) der Geschichte,2) und über die aus Lesina verfaßten Gedicht über den Fisch-
Schlacht auf dem Amselfelde (Kosovo polje) fang (Ribanje) ; eines dieser Lieder betrifft
im Jahre 1389.3) Besungen wird auch das Zeit- den serbischen König Marko und seinen Bruder
alter der Despoten, Herzog Stephan, der Grün- Andreas. Ein Lied ist in der Slavischen Vila'
der der Herzegovina , die Crnojevići von Monte- (Vila Slovinka) des Zaratiners Baraković ein-
negro usw. ) geschaltet (gedruckt 1613 ) . " ) Ungleich reich-
Die erhaltenen Lieder teilen sich nach dem haltiger ist eine handschriftliche Sammlung
Versmaß in zwei Gruppen . Älter sind die heute aus Ragusa, begonnen um 1700 von Mattei ,
ausgestorbenen, nur handschriftlich erhaltenen fortgesetzt von Betondić († 1764) . Dazu kommt
Lieder in Fünfzehnsilbern oder Sechszehn- eine Sammlung aus Perasto (um 1700 ) und zwei
silbern. Diese, wie Jagić sagt, , feierliche Lang- Sammlungen aus den Bocche di Cattaro aus
zeile erinnert äußerlich an den fünfzehnsilbi- dem Anfang des 18. Jahrhunderts. Nachdem
gen politischen Vers der byzantinischen Dich- Hilferding und Miklosich einige Proben mit-
tung. Eine Eigentümlichkeit sind zeitweilig geteilt hatten, erschien die Ausgabe von Bogišić
eingeschaltete Sechszeiler , die eine Wieder- ( 1878 ) , welche 76 Stücke enthält, davon je 36

1 ) Krumbacher, Eine neue Handschrift des Digenis Akritas (im Escurial) , S. Ber. der kgl. bayer. Akademie 1904 ,
Heft II, 347.
2 ) Ein venetianischer Bericht über die in Spalato 1547 allgemein bekannte , canzone' , ‚ cantando in schiavone del re
Marco' bei Ljubić, Rad. 40 ( 1877 ) 141 .
3) Chalanskij († 1910), Južnoslavjanskija skazanija o Kralevičê Markê, hat über König Marko ein russisches Werk
von fast über 1000 Seiten veröffentlicht (Warschau 1893 ) , mit Parallelen aus dem russischen Epos und anderen Volksdich-
tungen ; vgl. darüber Maretić im Rad 132 ( 1897 ) 1-47 ; Iljinskij in den Izvêstija der russ. Akademie, Abteilung für russ.
Sprache und Literatur 15 , 4 ( 1910) 226 f.; Nekrolog im Arch. slav. Phil . 32 ( 1911 ) 317. Jovan N. Tomić , Istorija u narod-
nim epskim pesmama o Marku Kraljeviču, Belgrad (Akademie) 1909 findet in den Liedern über Marko auch Nachklänge
später Ereignisse, sogar aus dem Ende des 17. Jahrhunderts .
4) Andra Gavrilović , Istorija srpske i hrvatske književnosti usmenoga postanja ( Geschichte der serbokroat. Literatur
mündlichen Ursprungs), Belgrad 1912 , 8 °, 225 S. Pavle Popović, Pregled srpske književnosti , 2. A. Belgrad 1913 S. 53-122 .
5) Hektorović, Stari pisci 6 , 17 , 49. Križanić, Starine 18 , 228.
6 ) Stari pisci 17 , 128 f.; vgl. Valjavac in der Vorrede eb . VIIIf.
62 II. ABHANDLUNG : CONSTANTIN JIREČEK.

aus den Landschaften von Cattaro und Ra- des vollen Verfalls der älteren Dichtung er-
gusa.¹ ) Schon im 17. Jahrhundert war diese Art folgte.
der Dichtung im Verfall ; sie vegetierte damals Der jüngere Zehnsilber erscheint schon in
nur im Küstengebiet, besonders in Perasto bei zahlreichen Liedern der erwähnten Handschrif-
Cattaro. Aber noch 1655 hat der Kroate Kri- ten des 18. Jahrhunderts aus Ragusa und der
žanić (Crisanius ) in einer in Rom zu Ehren des Umgebung von Cattaro. Der gewaltige Schatz
Kaisers Ferdinand III . gedruckten Polyglotta der Texte, welche Vuk Karadžić und andere
drei Gedichte gedruckt, ein kirchenslavisches, Serben im 19. Jahrhundert gesammelt haben,
ein kroatisches (illirice moderne ) und ein serbi- veröffentlicht in vielen Bänden, bietet histori-
sches (sarbski ) , das letztere in diesem alter- sche Erinnerungen von , Car Nemanja angefan-
tümlichen Versmaß.2 ) Einige Episoden aus dem gen bis zur Geschichte unserer Zeiten . Mit
in gereimten Achtsilbern verfaßten , Osman ' des merkwürdiger Kraft und Frische spiegelt sich
Ragusaners Gundulić († 1638 ) hat ein Geist- darin ein farbenreicher Abglanz des mittelalter-
licher aus Perasto in diese alten Langzeilen lichen Serbiens, die Zeit vor den trüben Jahr-
umgearbeitet, der spätere Erzbischof von Anti- hunderten der Türkenherrschaft . Aber näher
vari Andreas Zmajević († 1694 ) . Ausgestorben betrachtet ist die Darstellung voll Anachronis-
ist diese Dichtung in der zweiten Hälfte des men und voll türkischer Ausdrücke und Vor-
18. Jahrhunderts . Die letzten Nachklänge hat stellungen ; z. B. Car Stephan regiert mit seinen
noch Ljubiša († 1878 ) unter den Hochzeits- ,neun Wesieren und neben den Feuerwaffen
liedern der Paštrovići bei Budua gehört.3) Was werden kaum noch Lanze und Säbel erwähnt.
den historischen Inhalt anbetrifft, beginnt er Ein Stützpunkt des nationalen Gedächtnisses
mit Car Stephan Dušan und reicht bis zur Er- waren die alten Klöster, die in diesen Liedern
oberung von Castelnuovo durch die Venetianer oft in ganzen Reihen aufgezählt werden. Die
1687. Die Lieder der Sammlung von Bogišić Lieder in Zehnsilbern sind viel länger als die
sind altertümlich , mit einer Fülle nationaler der Langzeile ; es gibt solche von 800, ja sogar
Epitheta und mit wenigen türkischen Fremd- 1200 Versen, die aber nur individuelles Eigen-
wörtern. Als Waffen erscheinen Bogen, Pfeil, tum einzelner Sänger sind. Nach Murko wieder-
Schild und Lanze, keine Feuerwaffen, außer in holt derselbe Sänger nie ein Lied ganz gleich,
den jüngsten Stücken aus Perasto. Auch die so daß alle gedruckt vorliegenden Lieder nur ein
Kleider führen alte Namen. Eigentümlich sind
. einziges Mal wirklich so gesungen wurden.4 )
die Nachklänge der mittelalterlichen Höflich- In den geschriebenen Denkmälern des Mittel-
keitsformeln ; z. B. die sprechenden Personen alters ist die cyrillische Schrift nicht gleich. In
,verneigen sich schön vor einander. Die reli- den Kirchenbüchern und auf Inschriften domi-
giösen Anschauungen mit dem Lob der ,kalug- niert stets die altertümliche, mit ihren dicken
jeri' und des schönen Heiligen Berges' Athos Strichen schwerfällige Unciale, welche an die
(lijepa Sveta Gora) weisen klar in Gebiete der gleichfalls aus dem griechischen Alphabet ent-
orientalischen Kirche. Die metrischen Eigen- standene Schrift der Kopten erinnert. Im prak-
tümlichkeiten erinnern mitunter mehr an das tischen Leben entwickelte sich daraus seit dem
russische Volkslied, als an die jüngeren süd- 13. Jahrhundert eine Kursivschrift, in welcher
slavischen Formen . Der Inhalt ist, wie Bogišić die Buchstaben durch starke Verlängerung be-
bemerkt, schon entstellt überliefert, planlos , sonders nach abwärts und durch feinere Züge
fragmentarisch und greisenhaft verwelkt, wie mehr Individualität erhielten . Es ist derselbe
denn die Niederschrift bereits in der Zeit Unterschied , wie zwischen der Uncialschrift und

¹ ) Bogišić, Narodne pjesme iz starijih, najviše primorskih zapisa (Volkslieder aus älteren Aufzeichnungen, besonders
des Küstenlandes) Bd . 1 , serb . , Belgrad 1878 (Glasnik II Abt. , Bd . 10) ; der versprochene zweite Band ist leider nicht er-
schienen . Einige Texte auch bei Novaković , Ein Beitrag zur Literatur der serb . Volkspoesie , Arch. slav . Phil. 3 ( 1879 )
640-653 . Jagić, Die südslavische Volksepik vor Jahrhunderten, eb. 4 ( 1880 ) 192–242 . Über den Versbau W. Wollner
eb. 9 ( 1886 ) 177 f. Asmus Soerensen, Beitrag zur Geschichte der Entwickelung der serb. Heldendichtung, eb. 14 ( 1892 ) —17
( 1895 ) . Derselbe, Entstehung der kurzzeiligen serbo-kroat. Liederdichtung im Küstenland , Berlin 1895 ( vgl . Rešetar , Arch.
slav. Phil. 18 , 297 ) . Neuere Studien über die Metrik von Maretić, Rad 170 ( 1907 ) und Ivan Scherzer eb . 182 ( 1910 ) .
2) Triumphus Caesareus Polyglottus. Romae 1655. Abgedruckt von Fermendžin , Starine 18, 226–229.
3 ) Bogišić a. a. O. , Vorrede S. 69 A. 2.
4 ) M. Murko, Reisebericht über die Volksepik der bosnischen Mohammedaner, S. Ber. W. Akad . 173 ( 1913) , 3. Abh . , S. 24.
STAAT UND GESELLSCHAFT IM MITTELALTERLICHEN SERBIEN III. 63

der Kursiva der Armenier. Die cyrillische Kur- früher, kurz vor 1500, versuchte man in Dal-
siva der Südslaven zu Ende des Mittelalters ist matien vorerst slavische geistliche Erbauungs-
von zweifacher Art. Eine Steilschrift war in schriften und weltliche Gedichte mit lateinischen
Serbien, Bulgarien und der Walachei üblich. Buchstaben aufzuzeichnen.2 )
Nach rechts geneigt ist die in Bosnien übliche Als Schreibmaterial hat sich neben dem Per-
Abart, wobei sich durch Umformung einzelner gament frühzeitig auch das Papier verbreitet.
Zeichen lokale Eigentümlichkeiten herausge- Die bulgarischen Urkunden des 13. Jahrhun-
bildet haben , die bosnische bukvica . Für die derts, ebenso viele serbische des 14. , sogar Chry-
Zahlen verwendeten die Südslaven nach dem sobulle der Caren Stephan und Uroš sind auf
Vorbild der Griechen bis in die Neuzeit nur Papier geschrieben , ebenso die Briefe und Kanz-
Buchstaben . Die arabischen Ziffern haben sich leibücher der Ragusaner seit dem 13. Jahrhun-
selbst bei den Lateinern ' des Küstenlandes erst dert. Im 15. Jahrhundert wird in Urkunden und
spät eingebürgert ; im Archiv von Ragusa fand Amtsbüchern eine Rückkehr zu dem mehr dauer-
ich die erste Spur 1346. Das zweite slavische haften Pergament bemerkbar. In den Handschrif-
Alphabet, die glagolitische Schrift war in Ser- ten ist die Tinte schwarz, in den Titeln rot ; blau
bien im 14. Jahrhundert, wie aus den Glossen schrieb man Briefe und kleinere Urkunden .
und Marginalien einzelner Handschriften zu Der Unterricht befand sich in Serbien meist
sehen ist, noch bekannt , aber nur mehr als Ge- in der Hand der Geistlichkeit, wobei man gleich
.
heimschrift, neben den verschiedenen cyrilli- an die Lektüre der heiligen Bücher ging . So
schen Geheimschriften, welche nach griechischem war es nach den Biographen bei Nemanjas Sohn
Muster auf Umsetzung der Buchstaben, dem Rastko (dem hl. Sava) und bei König Stephan
Zahlwert derselben und dergleichen beruhen.¹ ) Dragutin . Es gab auch Privatlehrer (učitelj ) .
Mehr bekannt war die Glagolica in Bosnien, wo Den späteren Erzbischof Daniel II., den einzigen
cyrillische Codices noch im 15. Jahrhundert gla- Sohn, wollten die Eltern nicht ,die Bücher lernen.
golitische Glossen haben und wo noch für den lassen ; er fand aber insgeheim einen Lehrer.
Vojvoden Hrvoje ein glagolitisches Missal ge- Mehr weltlich war der Schulunterricht in den
schrieben wurde. Herrschend in der Kirche und Märkten und Städten, zu praktischen Zwecken .
im Urkundenwesen war die glagolitische Schrift Der Gegensatz beider Schulen spiegelt sich auch
im kroatischen Küstenlande, von Spalato bis in der Sprache. Briefe, Urkunden, weltliche
nach Istrien und Agram; dort entwickelte sich Gesetze kommen den gesprochenen Dialekten
neben der kirchlichen Unciale auch eine glago- sehr nahe ; die literarischen Arbeiten bieten da-
gegen ein unter dem Einfluß des serbischen Vo-
litische Kursiva für praktische Zwecke. In den
Küstenstädten Dalmatiens schrieb man lateinisch kalismus mäßig verändertes Kirchenslavisch
und italienisch mit lateinischen Buchstaben, ,serbischer Rezension' , welches sich im 14. Jahr-
wobei sich bis zum Anfang des 14. Jahrhunderts hundert auch nach Makedonien verbreitete. ") Cy-
Spuren der sogenannten langobardischen oder rillisch schrieb man auch in den Küstenstädten .
beneventanischen Schrift bemerkbar machen. In Ragusa, wo die jungen Edelmanns- und Bür-
Slavische Texte wurden damals auch an der gerssöhne bei den von der Gemeinde besoldeten
Küste nur in cyrillischer oder glagolitischer Lehrern rechnen, Handelsbriefe und Rechnungs-
Schrift niedergeschrieben. Südslavische Urkun- bücher italienisch und Obligationen lateinisch
den in lateinischer Schrift gibt es aus dem schreiben lernten , wird einmal (1390-1392 ) ein
Mittelalter keine. Sie beginnen selbst in Ragusa eigener magister litterarum sclavicarum' in den
und Kroatien erst im 16. Jahrhundert ; etwas Diensten der Stadt erwähnt, ein Bulgare Niko-

¹) Emil Kalužniacki, Beiträge zur älteren Geheimschrift der Slaven, S. Ber. W. Akad. 102 ( 1883 ) . Über die serbischen
Geheimschriften : Vladimir Krasić in Letopis 157 ( 1889 ) . Ljubomir Kovačević im Glasnik 56 ( 1884 ) 340, Tihomir Ostojić im
Arch, slav. Phil . 14 ( 1892 ) 478, Dragutin Kostić im Glas 53 ( 1898 ) 137 f. und 92 ( 1913 ) 1 f.
2 ) Über diese Fragen vgl. meine Bemerkungen im Arch. slav . Phil . 26 ( 1904 ) 161 f.
3 ) In Makedonien wurde unter der byzantinischen und in der ersten Zeit der serbischen Herrschaft mit Vokalismus der
bulg. Rezension geschrieben, mit Nasallauten , z. B. die Inschrift von Nagoričin 1313 und zahlreiche Codices aus dem Kloster
von Lêsnovo 1313-1353 : Stojanović, Zapisi Nr. 41 , 43 , 44, 56 , 102 ; vgl . auch Daničić, Rad 1 ( 1867 ) 174. Es ist aber cha-
rakteristisch , wie derselbe Stanislav von Lêsnovo 1330 (Stojanović Nr. 56 ) in bulg. Rezension schrieb, 1342 aber schon in
serbischer (eb . Nr. 73-76 ) . Seit 1350 wird der serbische Typus vorherrschend, nicht nur in Makedonien , sondern im 15. Jahr-
hundert teilweise auch im Westen Donaubulgariens. Vgl. Jordan Ivanov , Izvêstija der bulg. archaeol . Gesellschaft 3 ( 1912 ) 62 .
64 II. ABHANDLUNG : CONSTANTIN JIREČEK .

laus.¹) Die Schreibekunst war in weite Kreise der Pančatantra ' enthält das Volksbuch Ste-
verbreitet ; zufällig hat sich ein cyrillischer Brief fanit und Ichnilat', mit Gesprächen zwischen
erhalten, den 1445 bei den Mühlen von Breno Tieren, z. B. zwischen der Schildkröte und dem
ein Diener an seinen Herrn, einem ragusani- Affen, der naiven Schilderung der Schicksale
schen Patrizier aus der Familie Bucignolo ge- des Ochsen am Hofe des Löwen usw. Aus dem
schrieben hat.2 ) Da die Fürsten die Urkunden buddhistischen Indien stammt die in christli-
nach byzantinischer Art eigenhändig unter- chem Sinn umgeformte, in ganz Europa be-
schrieben, mußten sie der Schrift kundig sein . liebte Erzählung vom Eremiten Barlaam und
Mrkša Žarković, Herr von Valona , einer der dem Prinzen Joasaf. Eine Erzählung handelt
serbischen Teilfürsten nach Dušans Zeit, scheint über den biblischen König Salomo und seine
aber über das Kreuzeszeichen nicht hinausge- Frauen . In den Stoffen der ,Tausend und einen
kommen zu sein ( 1401 f. ) . ³ ) Übrigens wird in Nacht hat ihren Ursprung die auf einer alten
Traù in einer Urkunde 1286 sogar ein katholi- jüdischen Sage beruhende Geschichte vom as-
scher Domherr erwähnt, welcher des Schreibens syrischen König Sinagrip und seinem Minister ,
unkundig war (nesciens scribere) . In Ragusa dem weisen Akyrios. Aus dem Sagenkreise des
hat man 1455 die Adeligen , die nicht lesen und hellenischen Altertums hat sich bei allen euro-
schreiben konnten, aus den Ratskollegien ausge- päischen Völkern stets der größten Beliebtheit
schlossen . +) erfreut die Geschichte von Troja. Bei den Süd-
Bibliotheken gab es nicht nur in den Klö- slaven stammt der ältere Text aus der griechi-
stern, sondern auch im Privathause. Im Besitz schen Chronik des Malalas. Der jüngere Text
der Familie des Königs Vladislav werden 1281 ist abendländischen Ursprungs, zuerst bei den
nicht weniger als 30 Handschriften erwähnt, Kroaten an der Adria um 1300 nachweisbar ,
darunter einige Evangelien in schweren Leder- um 1345 auch in Bulgarien bekannt, bezeichnet
einbänden, beschlagen mit Silberschmuck (ta- als die Romanze von Troja' (rumanac troj-
bulae) voll Skulpturen , teilweise besetzt mit ski ) . ) Die Namen der Helden sind darin mit-
Edelsteinen.5) Die Königin Jelena, Witwe unter arg entstellt, in einem glagolitischen
Uroš I., ließ in ihrem Hause Kirchenbücher zu Codex z. B. Patroklos gar zu einem Proto-
Geschenken abschreiben . ") koluš. Sehr viel gelesen wurde bei Bulgaren,
In den Details ist auf die neueren Bearbei- Serben und Kroaten die Geschichte Alexander
tungen der Literaturgeschichte zu verweisen ; des Großen, auch in doppelter Fassung . Der
wir müssen uns hier nur auf die wichtigsten ältere Text stammt aus dem Roman des Pseudo-
Daten beschränken.7) Die belletristischen Kallisthenes. Jünger ist die serbische ,Aleksan-
Werke, deren Kenntnis sich durch Schrift und drija', wo Alexander der Große unter dem Ein-
noch mehr durch mündliche Wiedergabe in den fluß des abendländischen Romantismus zu
weitesten Kreisen verbreitete , waren indischen, einem christlichen Ritter umgeformt ist.9 ) Das
arabischen , griechischen und abendländischen Echo dieser Lektüre hört man auch in Daniels
Ursprungs. Die orientalischen Stoffe wurden Biographien, in den Vergleichen mit Alexan-
den Südslaven durch byzantinische und viel- der, Dareios und dem indischen Caren Por'.
leicht auch armenische Vermittlung bekannt. Wie bekannt diese Stoffe in weitesten Kreisen
Einen indischen Erzählungsstoff aus dem Kreis waren, sieht man daran, daß ein Zaratiner 1283

¹ ) Arch. slav. Phil. 26 ( 1904 ) 179 f.


2) Spomenik 11 , 85 (Nr. 90).
3 ) Als Unterschrift ein oder zwei Kreuze mit den Worten : ‚† Sam gospodin Mrkša učini ' ,,+ Gospodin Mrkša učini
(Herr Mrkša hat es selbst gemacht). Spomenik 11 , 47, 49 (nur in Abschrift erhalten).
) Arch. slav. Phil . 26 , 174 A. 1.
5) Rad 1 ( 1867) 136 f. Smičiklas, Codex dipl. 6, 390.
*) Daniel 68.
7) Handbücher : M. Murko, Geschichte der älteren südslavischen Literaturen, Leipzig 1908. In serb. Sprache : Pavle
Popović, Übersicht der serb. Literatur (Pregled srpske književnosti ) Belgrad 1909, 2. A. 1913 (mit reicher Bibliographie) ;
Andra Gavrilović , Geschichte der serb. u. kroat . Literatur (Istorija srpske i hrvatske književnosti ) , Belgrad 1910 , 2 Bde. Eine
Anthologie mit Texten aus der altserb. Literatur : Novaković, Primeri književnosti i jezika staroga i srpsko-slovenskoga, 3 A.,
Belgrad 1904, 673 S.
8) Vgl. Murko 95 , 131 , 181 .
*) Murko 95 f. , 182.
STAAT UND GESELLSCHAFT IM MITTELALTERLICHEN SERBIEN III . 65

und ein Kroate aus Novi im Küstenland 1422 und Frau des schönen Joseph, der Bericht des
Bucifala heißen, nach dem Streitroß Alexander Jeremias über den Fall von Jerusalem, die Vi-
des Großen.¹ ) Die südslavische Übersetzung sionen des Daniel und Isaias, die Apokalypse
des Digenis Akritas ist bisher nicht zum Vor- des Baruch mit der Schilderung der sieben
schein gekommen ; aus ihr stammen aber, nach Himmel, das Buch des Enoch, die apokryphe
sprachlichen Spuren zu urteilen , die russischen Erzählung von Job. Das Neue Testament be-
Bearbeitungen dieses byzantinischen Stoffes. treffen die Berichte über den Tod der Mutter
Leser fand auch das von einem gewandten. Gottes, über den Rundgang der Mutter Gottes.
Übersetzer bearbeitete mittelgriechische Obst- durch die Hölle, der Bericht des Persers
buch Porikologos '. Der Kaiser Quitte (car Afroditian über die Geburt Christi, die apo-
Gdunije), umgeben von anderen Früchten als kryphen Evangelien des Jakob und Thomas,
Hofwürdenträgern, sitzt zu Gericht über dem die Vision des Apostels Paulus, eine apokryphe
,seligen Weintraube' (Grozdije) und läßt den Apokalypse des Apostels Johannes usw. Dazu
Mann pressen und martern ; das Blut des Ver- kommen unechte Heiligenlegenden , über die
urteilten wird von den Menschen getrunken . Marter des hl. Georg, das Leben des hl. Vasilij
Aus den dalmatinischen Städten verbreitete sich des Neuen mit ausführlicher Schilderung von
mündlich der Inhalt abendländischer Helden- Himmel und Hölle, die Fragen und Antworten
lieder. Eine Kenntnis der Karlssage ist in Ser- des hl . Vaters Efrem, das Gespräch der drei
bien bemerkbar an den Personennamen Oliver Kirchenväter Grigorij , Vasilij und Johannes ,
und Orlanda (s. oben 3 , 28 ) , in Dalmatien an die Erzählung von den zwölf Freitagen, welche
den Namen Orlandus, Paladinus und ebenso mit einer Disputation zwischen Franken und
Oliverius . Tristanus hieß 1485 ein Metzger- Juden in Durazzo endigt u . a . Als bogomilisch
meister von Ragusa. Die Geschichten des Artus- galten in unseren Zeiten die Schriften eines
kreises kannte man selbst in den Bergen Nord- Popen Jeremias über das Holz des Kreuzes , wie
albaniens ; 1402 wird in Ragusa ein Dominchus Christus Pope wurde, wie Christus ackerte usw. ,
Bozizi dictus Merlinus aus Drivasto erwähnt.2 ) bis die neuen Untersuchungen von Sokolov,
Der Wißbegier der frommen Leute des Jagić und Radčenko ihren Zusammenhang mit
Mittelalters genügten die kirchlich anerkannten dieser Sekte sehr in Frage stellten. *)
Bücher des Alten und Neuen Testamentes ganz Zur Ergründung der Zukunft dienten die
und gar nicht. Über die Details der Schöpfungs- vielen Zauberbücher : das Geburtsbuch ( Rož-
geschichte, über die hervorragenden Persönlich- danik) mit Horoskop je nach dem Tag der Ge-
keiten der beiden Testamente, über Himmel burt, das Kalendenbuch (Koleda ) mit Wahr-
und Hölle und die Geheimnisse der Zukunft sagungen über Ernte, Wein, Honig, Viehstand,
wollte man weit mehr lesen oder hören. Da Überschwemmungen , Kriege usw. je nach dem
fand man reichliche Belehrung in den zahl- Wochentag, auf welchen das Weihnachtsfest
reichen Apokryphen, teilweise sehr alten Ur- fällt, das Mondbuch (Lunnik) , nach welchem es
sprungs, die mit ihrer populären und phan- z. B. am ersten Monatstag gut ist zu kaufen
tastischen Darstellung nicht selten eine Mittel- und zu verkaufen oder zu heiraten, am zweiten
stellung zwischen Theologie und Dichtung ein- gut mit den Vlastelinen zu sprechen, während
nehmen. Nach Serbien kamen sie, ebenso wie z. B. der am zwölften gekaufte Sklave (rab)
nach Rußland , meist aus Bulgarien . Es sind seinem Herrn davonlaufen wird. Hieher ge-
fast sämtlich Übersetzungen aus griechischen hört das Donnerbuch (Gromovnik, Bpovтoλóɣtov)
Originalen.³) Zum Alten Testament gehören mit Wahrsagungen aus dem Donner nach den
die Bücher über Adam und Eva, die Biographie Jahreszeiten, dessen griechisches Original nach
der Asenet , Tochter der Pentefrij ( Putifar ) neueren Forschungen auf ein babylonisches

1) Meine Rom. Dalm . 3, 11 .


2) Meine Rom. Dalm. 1 , 68 ; 3. 42. Vgl . ein Handschriftenverzeichnis aus Zara 1389 Arch, slav. Phil. 25 ( 1903) 157.
3) Ausgaben von Daničić, Jagić, Novaković und Polívka in den Starine. Vgl. die russ . literaturhistorischen Arbeiten
von Tichonravov, Pypin , Veselovskij und Speranskij . Serbische Kataloge der echten und unechten Bücher herausgegeben von
Jagić, Starine 9, 91 f. Nach M. Speranskij , Serbskije spiski knig istinnych i ložnych in den Čtenija der Moskauer hist. Ge-
sellschaft 1908 , III. Beilage 41-45 stammen sie jedoch aus den russischen Verzeichnissen des 16. Jahrhunderts und sind
nicht älter.
4) Vgl. Dr. Miloš Weingart, Počátky bogomilství, Prag 1913, S. A. aus dem Slovanský Sborník Bd . 16 .
Denkschriften der phil. -hist. Kl. 58. Bd . 2. Abh.
66 II. ABHANDLUNG : CONSTANTIN JIREČEK.

Donnerbuch zurückgeht, ¹ ) das Zitterbuch (Tre- lesen wurden selbst die älteren slavischen Über-
petnik, Zetopokóytov ) mit Deutungen der Gefühle setzungen byzantinischer Chroniken, wie des
in den Fingern und anderen Gliedern, das Malalas und des Georgios Hamartolos, nach
Sternbuch (Zvezdočьtbc) und das Traumbuch deren Muster die große russische Annalen-
(Sanovnik, ' Ovetpoxpitix.óv ) . Der Einfluß dieser literatur seit dem 11. Jahrhundert entstanden
Literatur reicht vom Mittelalter bis in unsere ist . Dabei ist nicht zu vergessen, daß die
Tage . Handschriften der Apokryphen gibt es Klöster des Athos, welche den Serben die
noch aus dem 19. Jahrhundert. Auch in der wichtigsten Quellen literarischer Bildung bo-
Volksdichtung sind Nachklänge dieser Lektüre ten, im Gegensatz zu den Abteien Westeuropas
vorhanden. kein Sitz lokaler Geschichtsschreibung waren .
Gewaltig ist die Zahl der Übersetzungen der Annalen des Athos gibt es nicht. Mehr gefielen
kirchlich anerkannten theologischen Bücher, den Serben die wortreichen und inhaltsarmen
eine ganze Bibliothek von liturgischen, hagio- Reden zur Verherrlichung der Heiligen, z. B.
graphischen, patristischen und kanonistischen über die Wunder des hl. Demetrios von Thessa-
Werken. Die Übersetzungsarbeit hat in Bul- lonich, und die höfische Beredsamkeit der Kom-
garien im Zeitalter des Caren Symeon († 927) nenenzeit. Das hatte zur Folge, daß in Serbien
begonnen. In Serbien wurden diese Über- an Stelle der Geschichtsschreibung die panegy-
setzungen revidiert, berichtigt und durch neue rische Biographie trat, abgefaßt als Rede. So-
vermehrt. Originalarbeit sind die Biographien wohl König Stephan als Erzbischof Daniel reden
(žitije) und Officia (služba) der serbischen ihre Hörer oder Leser an als Bischöfe, Priester
Heiligen. und Mönche, als Väter, Brüder und Kinder,
Hellenische Weisheit enthalten die didakti- als Christusliebende und Geliebte (ljubimici ,
schen Sammlungen , vor allem eine Übersetzung ayanτcí ) . Diese Literatur beginnt mit zwei Bio-
der Menandersentenzen? ) und Bruchstücke der graphien des Nemanja, verfaßt von seinen beiden
Florilegien, mit Aussprüchen der weisen Söhnen, dem König Stephan dem Erstgekrönten
Männer von Salomo , Sokrates, Diogenes und (noch als Großžupan , um 1215 ) und dem späteren
Plutarch bis zu den Kirchenvätern. Byzantini- Erzbischof Sava . Diese Brüder waren aber unter
sche Elemente sind in den lebenden serbokroa- den Schriftstellern auch die ersten und letzten
tischen Sprichwörtern noch klar bemerkbar.³) Mitglieder des Hauses der Nemanjiden . Der um
Auf der antiken Wissenschaft beruht eine sein Vaterland hoch verdiente König Stephan
kleine Kosmographie mit Nachrichten über die selbst hat keinen Biographen oder Lobredner ge-
Welt , von Sinae (China ) im fernen Osten bis funden. Das Leben Savas schildert in einer
zur Straße von , Gadira ' , der Insel Thule und ermüdend wortreichen Schrift der Hieromonach
den Inseln der Seligen im Westen, begleitet von Chilander Domentian ( 1254) , der in phrasen-
von Bemerkungen über Erdbeben , Winde, Wol- reichen Umrissen auch eine Vita des hl. Symeon
ken, Blitz und Donner, Sterne, die Sonne usw.4) (Nemanja) verfaßt hat (1264) . Lebhaft und
Die Tierwelt, den Löwen , Elephanten , Wisent klar stilisiert ist die mehr historische, aber
( zubr) , Adler usw. behandelt der Physiologus . stellenweise lyrisch angehauchte Biographie des
In der Prosa ist das Originellste das Gesetz- Sava vom Mönch Theodosij ; der aufmerksame
buch des Caren Stephan Dušan . Historische Leser bemerkt jedoch bald, daß der Verfasser
Studien haben im mittelalterlichen Serbien kein Zeitgenosse ist. " ) Rozanov versetzt die
keinen rechten Boden gefunden . Wenig ge- Abfassung dieses Werkes in die Jahre 1322-

1) Vgl. Byz. Z. 21 ( 1913) 568.


2) Jagić, Die Menandersentenzen in altkirchenslav. Übersetzung, S. Ber. W. Akad. 126 ( 1892 ) . M. N. Speranskij, Über-
setzungssammlungen von Sprüchen in dem slav. russ. Schrifttum (Perevodnyje sborniki izrečenij v slav. russ. pismennosti),
Moskau 1904, 577 und 245 S. , besonders über die slavische Gnomen- und Spruchliteratur ; vgl. K ( rumbacher) , Byz. Z. 16
(1907) 330.
3) Eine Vergleichung der serbo-kroat. Sprichwörter mit den lat . u . griech. von Kasumović in Rad 189 ( 1911 ) und 191
(1912) , in 975 Nummern ; vgl. die Referate von Jagić, Arch . slav. Phil . 35 ( 1913 ) 280-284 und Paul Marc, Byz. Z. 21 ( 1913 )
567-568 . R. Altenkirch , Die Beziehungen zwischen Slaven und Griechen in ihren Sprichwörtern , Arch. slav. Phil. 30 ( 1908)
1-47, 321-364 .
*) Herausgegeben von Novaković, Starine 16, 41-56 .
5) Älteste Handschrift des Theodosij von 1336. Wie fern ihm die Ereignisse vor 1250 waren, sieht man an der Ver-
wechslung des Kaisers Theodoros von Epirus mit Kaiser Theodoros Laskaris I von Nikaia ; sie kommt übrigens auch bei
STAAT UND GESELLSCHAFT IM MITTELALTERLICHEN SERBIEN III. 67

1336. ) Das größte altserbische Werk dieser Art Fehlern . ) Erst die Despotenzeit hat bessere Ge-
sind die Biographien der Könige (bis 1335 ) und schichtswerke hervorgebracht.
der Erzbischöfe, später Patriarchen (bis 1376 ) , In der Kunst ist , ebenso wie wir es schon bei
bekannt unter dem Namen Daniels . Der Erz- der Architektur bemerkt haben, ein doppelter
bischof Daniel II. († 1338 ) ist aber nur der Einfluß zu bemerken, aber in der Malerei über-
Verfasser des älteren Teiles . Anonyme Schüler wiegt bald das Muster von Byzanz. Die abend-
und Fortsetzer haben das Werk fortgeführt, ländischen Elemente gehören der älteren Zeit an.
wobei sie aber bei den Königen nach den ersten In dem ältesten serbischen Kodex, dem Evan-
drei Jahren Dušans aufhörten und die kirch- gelienbuch des Fürsten Miroslav von Zachlu-
lichen Würdenträger nach Daniel II. nur kurz mien , des Bruders Nemanjas , geschrieben am
behandelten. Stephan Dušans Zeit ist uns des- Ende des 12. Jahrhunderts im Küstenlande,
halb aus einheimischen Darstellungen nicht be- wird bei einer Miniatur der hl. Johannes der
kannt . Russische Historiker unserer Tage, wie Täufer, serb. Joan Predteča ( 'loavvrs & IIpsèpoμos)
Hilferding und Golubinskij² ) , haben die Schmei- ganz nach italienischer Art ,Žvan Batista ' (Gio-
chelei der Biographien der Schule Daniels hart vanni Battista) genannt.5) Occidentalischer Art
getadelt. Wenn der , sündhafte und unwürdige sind auch die Skulpturen der älteren Kirchen
Diener Christi, der demütige Daniel' sich außer (s. oben 3, 8 f. ) . Später treten diese dalmatini-
Stande fühlt die ,wunderbaren und unsagbaren schen Einflüsse zurück . Nach Pokryškin sind
Werke Uroš II . aufzuzählen , zahlreich wie die die Freskenbilder der serbischen Kirchen aus
Sterne des Himmels oder der Sand des Meeres, dem 12. und 13. Jahrhundert rein byzantinisch ,
kann man die Phrase noch annehmen. Aber mit während sich im 14. Jahrhundert ein Einfluß
Staunen liest man z. B. die Stelle, wie dieser der italienischen Frührenaissance bemerkbar
fromme König Uroš (II . ) seinen geliebten Sohn. macht . Kondakov verlegt in dem Werke über
Stephan geblendet hat (semu bo blagočьstivomu die christlichen Kunstdenkmäler des Athos die
kralju Urošu oslêpivšu syna svojego vbzljublje- Entstehung einer serbischen Kunst in das
naago Stefana ) .3) 13. Jahrhundert , ihre Glanzepoche in die Zeiten
Aus dem Ende des 14. Jahrhunderts, als noch des Königs Stephan Uroš II. Milutin und des
die Kinder von Dušans Halbbruder Symeon Caren Stephan Dušan. ") Schriftliche Zeugnisse
lebten, stammt der , Rodoslov' , eine kurzgefaßte gibt es nur sehr wenige, vor allem die Nachricht,
genealogische Schrift über das Haus Nemanjas, daß Erzbischof Sava I. griechische Maler nach
welche meist über Klostergründungen berichtet Serbien mitgebracht habe ( s . oben 3 , 6 ) . In
und sich als Anhang an eine Darstellung der Studenica und Žiča ist der Einfluß der älteren
Weltgeschichte einführt. Jünger sind die An- byzantinischen Schule des 13. Jahrhunderts zu
nalen , die , Letopisi ', deren Daten zwar 1139 be- bemerken ; in beiden Kirchen schließen sich
ginnen, aber vor 1389 äußerst dürftig und un- daran jüngere Malereien des 16. Jahrhunderts.7)
vollständig sind, abgesehen von chronologischen Tiefgreifend war der Widerhall der Renaissance

Gregorovius vor, Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter 5 ( Stuttgart 1865 ) 119 (Kaiser Peter von Courtenay wurde Ge-
fangener ,des Despoten Theodor Laskaris von Epirus') . Theodosij verlegt die Frankenherrschaft in Durazzo ( 1259 f. ) schon
in die Zeit um 1234, als dort König Radoslav von Serbien als Flüchtling verweilte ; damals gehörte aber die Stadt noch den
Griechen von Epirus.
1) S. P. Rozanov, Istočniki, vremja sostavlenija i ličnost sostavitelja Theodosijevskoj redakcii Žitia Savvy Serbskago
(Quellen, Zeit der Abfassung und Persönlichkeit des Verfassers der Theodosianischen Redaktion der Vita des Sava von
Serbien) , Izvêstija der Klasse für russ. Sprache und Literatur der russ. Akademie 16 ( 1911 ) , Heft 1 , 136–209 .
*) Golubinskij, Kratkij očerk istorii pravoslavnych cerkvej bolgarskoj , serbskoj i rumynskoj (Kurze Übersicht der Ge-
schichte der orthodoxen Kirchen, der bulgarischen, serbischen und rumänischen), Moskau 1871 S. 506 bemerkt bei der Er-
wähnung der schrecklichen Rhetorik und der maßlosen Lobpreisungen Daniels, es wäre für die Serben unvorteilhaft, wenn
man den Charakter eines ganzen Volkes nach diesem einen Buche beurteilen würde .
3) Daniel ed . Daničić 127-128, 163.
4) Ljubomir Stojanović, Zur Entstehung der serbischen Annalistik, Arch. slav. Phil. 23 ( 1901 ) 630-634 : entstanden aus
den Typika mit Notizen über die Todestage der Herrscher, Erzbischöfe und Patriarchen, mit einigen Daten aus der poli-
tischen Geschichte.
5) Vgl . meine Geschichte der Serben 1 , 226. Kondakov, Arch. slav. Phil. 21 ( 1899 ) 307 .
❝) N. P. Kondakov , Pamjatniki christianskago iskusstva na Athonê, Petersburg (Akademie der Wissenschaften ) 1902 , 193 .
7) Dr. Petković im Godišnjak 23 ( 1909) 201 .
9*
68 II. ABHANDLUNG : CONSTANTIN JIREČEK.

der griechischen Ikonographie des 14. Jahr- gusa gab es griechische , pictores', die von der
hunderts, mit wachsendem Naturalismus. Kon- Gemeinde einen Beitrag zur Miete eines Ge-
dakov und Millet halten die Fresken von Nago- schäftslokales (stacio pro arte sua ) bezogen ; es
ričin ( 1313 ) in Komposition , Art der Zeich- war 1367 , Hemanuel Grecus pictor' , 1384 ,ma-
nung und Ausführung in Farben vielleicht für gister Georgius Grecus pictor'.8) Dagegen waren
die besten der serbischen Kunst. Die aus der- die in Ragusa erwähnten , Benne pictor' 1278 ,
selben Zeit stammenden Bilder von Gračanica ,Nicolaus pictor' 1285 und ,magister Yvan pictor'
sind weniger gelungen, auch die der Kirchen 1296 wahrscheinlich Einheimische. Ein italie-
der Landschaft von Skopje meist schwerfällig ; nischer Maler, Magister Michael aus Bologna
die von Lesnovo und Zaum am See von Ochrid malte 1318-1324 die Fresken in der Domkirche
gehören aber zu den hervorragenden Leistungen S. Mariae Maioris, zuletzt in der alten St. Ste-
griechischer Meister.¹ ) Nach Kondakov ist in phanskirche (s . oben 3 , 5 ) , worauf er auch ein
den serbischen Fresken im Gegensatz zu den Antiphonale der Marienkirche mit Miniaturen
byzantinischen Mustern die Belebung der Pose zierte. Kleine Heiligenbilder malte 1347 Misiole
merkwürdig, eine Art Nervosität.2 ) Realistisch aus Zara. Diese Bilder (szó ) auf Holz, in Ser-
sind die serbischen Porträts der Herrscher und bien ikona, in Ragusa ancona (auch , alta-
Edelleute, welche nach Diehl durch Wahrhaftig- riolum sive ancona ') genannt, waren oft reich
keit des Ausdruckes an die byzantinischen Bild- verziert mit Schnitzwerk, Silber und Gold . Sie
nisse dieser Zeit in Konstantinopel , Mistra und bildeten, wie bei den Byzantinern, nicht nur den
Trapezunt erinnern.³ ) Das Studium dieser Schmuck der Kirchen , sondern auch des Privat-
Denkmäler ist aber auch mit vielen Schwierig- hauses, besonders des Schlafgemaches. An 20
keiten verbunden, infolge der vielen Erneue- ,ycone werden im Deposit der Familie des
rungen der Fresken in der Türkenzeit. In der Königs Vladislav aufgezählt ; es waren Bilder
von König Uroš II. 1314 erbauten Kirche der Christi , der Mutter Gottes, des Erzengels Mi-
hl. Joachim und Anna in Studenica sehen die chael , Johannes des Täufers , der Apostel Peter
schönen Fresken nach Strzygowski aus wie Ko- und Paul, der Heiligen Simeon, Georg, Theodor,
pien der Mosaiken des eben in derselben Zeit Nikolaus, meist mit Silberschmuck, Perlen und
von dem Kanzler des Kaisers Andronikos II. , Steinen. Zwei Christusbilder werden dabei als
von Theodoros Metochites restaurierten Klosters alt (ycona vetus) bezeichnet ; ein Marienbild war
Chora (jetzt Kachrié- Dschami ) in Konstanti- auf Elfenbein gemalt (ycona de ossa) . ")
nopel.4) Dr. Petković fand aber bei diesen Fres- Goldstickereien für die Kirchen wurden am
ken ein spätes Datum, das Jahr 1609.5 ) In Hofe frommer Fürstinnen gearbeitet. Im De-
einem Psalter aus der Zeit des Despoten Georg posit des Königs Vladislav gab es ein Seidentuch ,
wollte Strzygowski in den Miniaturen Spuren dessen Goldstickerei Christus mit den Jüngern
der Nachahmung syrischer Vorlagen finden, darstellte , Altardecken aus Samt, Kelchdecken ,
doch hat seine Ansicht nicht überall Anklang Kirchengewänder usw. , daneben ein vergoldetes
gefunden. " ) Rauchfaß aus Kupfer, einen aus Kokosnuß ge-
Auch in Dalmatien sind orientalische und schnitzten, versilberten Kelch (calix de nuce
occidentalische Einflüsse nebeneinander be- Pharaonis ) usw.10) Nach den Erzählungen des
merkbar. In Cattaro besaß um 1330 Haus und Daniel hatte König Stephan Dragutin in seinem
Weingärten die Familie eines griechischen Ma- Hause eine ganze Werkstätte für Geschenke an
lers, , quondam Nicole pictoris Greci ' . ) In Ra- Kirchen und Klöster, in welcher goldene und

1) Diehl, Manuel 755 .


2) Kondakov, Makedonia 66.
3) Diehl a. a . O.
4) Strzygowski, Byz . Z. 16 ( 1907 ) 731 , 738.
5) Godišnjica 24 ( 1910) 289.
6) Strzygowski über den Münchener Psalter, Denkschr. W. Akad . 52 ( 1906 ) . Dagegen Diehl , Manuel 795. Anders
Bertaux, Journal des Savants 1911 ; vgl. Byz . Z. 21 ( 1913 ) 661-662 .
7) Not. Cat . 1326-1334 p . 120 .
8) Mon. Rag. 4, 96. Cons. maius 28. März 1384 Arch. Rag.
9) Urk. 1281 Rad 1 , 136-138 = Smičiklas, Codex dipl . 6 , 390-391.
10) Urk. 1281 a. a. O. Ein Kelch aus Kokosnuß jetzt im Kloster Bešenovo in Südungarn : Starinar 3 ( 1886 ) 94 .
STAAT UND GESELLSCHAFT IM MITTELALTERLICHEN SERBIEN III . 69

silberne, mit Perlen und Edelsteinen ge- Die heidnischen Götter sind der Vergessenheit
schmückte Kirchengefäße gemacht wurden , anheimgefallen ; behauptet haben sich die kleine-
Kelche, Weihrauchfässer, Leuchter, ebenso aus- ren Geister bis auf den heutigen Tag, vor allem
gesuchte Kirchengewänder.¹ ) Zum Zeremoniell die Vilen (Elfen) , die Vorstellungen über den
des byzantinischen, serbischen und russischen Werwolf (vukodlak) und die Vampyre usw.5)
Hofes gehörte zum Schluß der Tafel der Genuß Daniel erzählt, wie König Stephan Dragutin
geweihten Brodes, ganz nach Vorbild der die Leute in der Mačva, welche in , Dunkelheit
Klöster, aus eigenen flachen Kirchenbechern, und Finsternis ' lebten, durch Belehrung zum
die man altserbisch p a n agiar ( avayıápio» ) Licht des Heiles gebracht hat. " ) Die Bemühun-
nannte. Als Daniel, damals Igumen von Chi- gen der Herrscher haben auch von griechischer
landar, zu Stephan Dragutin kam, nahm der Seite volles Lob gefunden . Der Erzbischof De-
König von seiner Tafel (trapeza ) goldene metrios Chomatianos von Ochrid schreibt an
Panagiare, geschmückt mit Perlen und edlen den Patriarchen Germanos in Nikaia, Serbien
Steinen' und schenkte sie ihm zum Andenken.2 ) sei ,geziert durch Frömmigkeit, durch evangeli-
Wohl zur Herstellung kirchlicher und welt- schen Lebenswandel und die Würde guter Sitte
licher Gefäße hat der Edelmann Tripe de von jeder Art , und lobt in einem Briefe den
Buchia aus Cattaro den Goldschmied Petrus König Stephan Radoslav, er habe frommen
aus Venedig 1313 in Ragusa auf ein Jahr in Sinn und Liebe zu Gott von seinen Vorfahren
die Dienste des Königs Uroš II. aufgenommen, geerbt. ) Wie stark das Interesse für theolo-
mit der Verpflichtung ,laborare fideliter de gische Fragen am serbischen Hofe war, sieht
arte sua dicto domino regi ' , gegen Versprechen man eben an dieser Korrespondenz zwischen
eines Lohnes von 8 , libre venetorum grossorum ' König Radoslav und Erzbischof Demetrios,
jährlich und einer geziemenden Kost (bibere et ebenso noch im 15. Jahrhundert an der zwischen
comedere convenienter) , doch der Vertrag Despot Georg und dem Konstantinopler Patri-
wurde wieder aufgelöst und im Buche gestri- archen Gennadios Scholarios.8 ) Fromm waren
chen.³ ) Erhaltene Stücke mit Inschriften aus auch die lateinischen Städter des Küstenge-
der Nemanjidenzeit gibt es sehr wenige. Ein bietes. Philippus de Diversis rühmt den fleißi-
jetzt verschollenes Kästchen für das Holz des gen Kirchgang und die Freigebigkeit der Ra-
heiligen Kreuzes mit Bild und Widmung des gusaner und der Ragusanerinnen.9) Bei aller
Königs Vladislav gab es noch im 18. Jahr- Frömmigkeit blieben aber die Serben ferne von
hundert im Kloster des hl. Paul auf dem Athos. mystischer Grübelei , wie sie im mittelalterli-
Ein Kreuz mit Widmung des Königs Stephan chen Bulgarien und im modernen Rußland vor-
Uroš II. an die bischöfliche Kirche von Ras kam. Nur in den Küstenstädten machte sich
wird jetzt im Dominikanerkloster von Ragusa der Einfluß der italienischen Flagellanten be-
verwahrt . Ein kostbares Kreuz, Geschenk der merkbar ; in Cattaro, Ragusa und Stagno wer-
Königin Helena für das Kloster Sopoćani , war den im 14. und 15. Jahrhundert Büßergesell-
noch im 18. Jahrhundert vorhanden . Das schaften der Geißelbrüder erwähnt (fratilia
Kloster Dečani besitzt ein Kreuz mit der In- verberatorum, fuschatorum, ital . schola di
schrift des Stifters , des Königs Uroš III.4) fustadori, slav. fruskaturi ) .10)
Intensiv war der soziale Einfluß des Ihre Frömmigkeit betätigten die Fürsten
Christentums. Vom alten Heidentum hat sich, durch die Sitten des täglichen Lebens. Unter
besonders in abgelegenen Landschaften, als den Schätzen des Königs Vladislav gab es Säck-
Rest nur verschiedener Aberglaube erhalten . chen mit Reliquien zum Tragen am Halse. Auf

¹) Daniel 36 f., 39, 44.


2) Über Panagiare zuerst Kondakov in dem Buche über den Athos 222 f. mit Bildern . Daniel 45 .
3) Div. Canc. 1313 , 7. Juni , im Arch. Rag.
4) Stojanović, Zapisi Nr. 4930, Nr. 39, 45 , 61. Mon. serb. 70.
5) Vgl . meine Geschichte der Serben 1 , 160-171 im Kapitel über Heidentum und Christentum.
6) Daniel 28 .
7) Demetrios Chomatianos ed. Pitra col . 495 (Nr. 114) und 685.
8) E. v. Dobschütz, Ein Schreiben des Patriarchen Gennadios Scholarios an den Fürsten Georg von Serbien , Arch.
slav. Phil. 27 ( 1905 ) 246-257.
9) Philippus de Diversis ed . Brunelli p . 92.
10) Fruskaturi in Stagno, Arch . slav. Phil . 21 ( 1899 ) 521 .
70 II. ABHANDLUNG : CONSTANTIN JIREČEK.

Reisen ging man nach der Ankunft zuerst in Leute, die sie erzog und als sie herangewachsen
die Kirche des Ortes . Die Königin Simonida waren, reich beschenkt vermählte. Eigenhändig
verbeugte sich in Belgrad in der Metropolitan- beteilte sie die Armen mit Speise und Kleidern .
kirche vor dem wundertätigen Bilde der Mutter Am Hofe des Königs Stephan Dragutin sam-
Gottes und begab sich dann erst zu ihrem melten sich Arme, Blinde und Lahme nicht nur
Schwager und ihrer Schwägerin , dem König aus Serbien, sondern auch aus fernen Ländern.
Stephan Dragutin und der Königin Katharina. Ebenso sah man in der Residenz des Königs
König Stephan Uroš II. Milutin empfing vor Stephan Uroš II. Milutin armes Volk aus Ser-
dem Ausmarsch gegen die Griechen ( 1282 ) den bien, aus " überseeischen Ländern ', von den
Segen des Bischofs und der Geistlichkeit. Er , Inseln des Meeres' und selbst aus Jerusalem.
betete in den Stunden der Gefahr von Seite der Unbeschenkt ging niemand weg . Bei Nacht
Byzantiner und Tataren inbrünstig zu seinen legte der König oft seine schönen Gewänder ab
,heiligen Herren ', seinen Vorfahren , den Heili- und ging in einem schlechten, alten Kleid, mit
gen Symeon (Nemanja) und Sava.¹ ) Von den verhülltem Antlitz, nur von zwei oder drei Ge-
guten Werken standen in erster Reihe Kirchen- treuen begleitet, aus seinem Hof hinaus zu den
bauten und Schenkungen an Klöster, in Gold Lagerstätten der schlafenden Armen, um sie
und Silber, in Schafen , Ochsen und Pferden, mit Geld, Nahrungsmitteln und Kleidern zu
in Kirchengewändern und fruchtbaren Grund- beschenken.5) Verpflichtet waren zur Beteilung
stücken. Ergreifend ist die Schilderung Da- der Armen die Klöster, an deren Pforten sich
niels, wie die Königinwitwe Helena die stets viele Hilfsbedürftige sammelten . In Stu-
Klosterkirche von Gradac baute. Während denica z. B. erhielten sie vom Igumen Brod,
des Baues hatte sie Tag und Nacht keine Ruhe, Wein, Gemüse, sowie abgetragene Kleider und
versorgte die Handwerker und Arbeiter mit Schuhe der Mönche. Es gab für sie beim
reichlichem Lohn und Nahrung und verfolgte Kloster ein Gastgebäude (gostinnica ) und eine
mit freudigem Herzen das Emporwachsen der eigene Grabstätte (grobnica) .º)
Mauern . Wie ein Kriegsmann, der einen Sieg Schwere Kasteiungen legte sich König Ste-
erfochten hat , pries sie den Allmächtigen , als phan Dragutin auf. Nachts schlief er in einem
sie die feierliche Kirchenweihe erlebte.2) Dem mit Dornen und spitzigen Steinen gefüllten
Beispiele der Landesherren folgten die Adeli- Grabe. Erst nach seinem Tode fand man , daß
gen. Als Daniel II. Erzbischof war, brachten er insgeheim am bloßen Leibe ein härenes Buß-
sie silberne und goldene Gefäße und andere gewand getragen hat. " ) Pilgerfahrten ins
Reichtümer, ohne zu sparen , in die Kirche von Heilige Land werden in den Biographien der
Žiča, um Befreiung von den Sünden zu er- Erzbischöfe oft erwähnt. Erhalten ist eine la-
langen.³ ) teinische Urkunde, auf der Reise zum Grabe
Eine Pflicht der Fürsten und der Geistlich- des Herrn ausgestellt in Akkon 1286 von einem
keit war die Armenpflege. Nemanja wird von Enkel des Nemanja, dem Mönch David, früher
den Biographen gefeiert als Beschützer der genannt Župan Demetrius, einem Sohn des
Armen, der Blinden , Lahmen, Stummen und Königs Vlkan.8) Ein näheres Ziel hatten Wall-
Waisen ; er kaufte Schuldner los und ließ Skla- fahrten auf den Athos, dessen Abteien auch Car
ven frei . Sava lehrte in seinen Predigten die Stephan Dušan mit der Carica Helena besucht
Hungrigen zu speisen, Obdachlose in das Haus hat, oder in die verschiedenen Klöster der
aufzunehmen, Nackte zu kleiden, Witwen und Heimat. In Ragusa wurden Wallfahrten im
Waisen zu schützen, Sklaven loszukaufen und 14. Jahrhundert oft in den Testamenten ange-
freizulassen . Die Königin Helena sammelte ordnet, ausgeführt pro anima ' des Erblassers
bei sich in ihrem Hause stets Töchter armer meist von Geistlichen aus Albanien : nach

1) Daniel 97, 108 , 111 , 121.


2) Derselbe 75-79.
3) Derselbe 367.
4) Theodosij bei Pavlović 133 .
5) Daniel 42 , 69, 131 , 139–140.
6) Typikon von Studenica cap. 38, Glasnik 40 , 176.
7) Daniel 32-33 , 39, 51 .
8) Spomenik 11 , 21 .
STAAT UND GESELLSCHAFT IM MITTELALTERLICHEN SERBIEN III. 71

S. Maria von Ratac bei Antivari , zum hl . Ni- Der Mönch Grigorije Camblak beschreibt
kolaus von Bari in Apulien, zur Erzengelkirche zahlreiche Wunder am Grabe des Stephan
auf dem Monte Gargano ( S. Angelus de Apulia , Uroš III. im Kloster von Dečani. In den stür-
S. Michael de Monte) , nach Assisi, nach Rom, mischen Zeiten nach dem Tode des Caren Ste-
Jerusalem oder zum hl. Jakob von Galicia phan habe der Stifter sein Kloster mit strenger
(Compostella ) nach Spanien.¹ ) Hand beschirmt . Ein Čelnik der Witwe Du-
Mächtig war der Wunderglaube. Auf ihm šans, der Carica Helena, namens Ivoje, be-
beruht die Verehrung einheimischer Fürsten raubte das Kloster wie ein echter Wolf im
und Erzbischöfe , die nach ihrem Tode als Hei- Schafspelz . Als er eines Tages gerade während
lige betrachtet wurden, seitdem der Grabstein des Mittagsgebetes der Brüder stolz zu Pferde
Nemanjas heilkräftige Myrrha von sich gab, mit vielen Begleitern, die vor ihm und nach
wie der Sarg des Myrrhenspenders von Thessa- ihm sich scharten , dem Tore des Klosters nahte,
lonich ( upoßλúvę , mirotočыc) , des hl. Demetrios. soll er plötzlich zusammengesunken sein, von
Diese Stimmung der Geister sah man bei der dem unsichtbaren Krieger Christi' tief in
Thronbesteigung des Stephan Uroš III . Die die Brust getroffen . Später haben die Für-
Nachricht, dieser geblendete Prinz habe plötz- sten einen Kriegsmann Junac zum Schutze des
lich das Augenlicht wiedererlangt, verschaffte Klosters entsendet, doch auch dieser bedrängte
ihm sofort einen weiten Vorsprung vor allen die Mönche mit Willkür und Bosheit. Den Igu-
übrigen Thronprätendenten.2) Daniels Bio- men, den er wie einen Gefangenen bei schmaler
graphien erzählen neben den zahlreichen Bei- Kost hielt, drohte er mit seinem eisernen
spielen der Heilkraft der hl. Gräber auch ganz Streitkolben (železna palica ) eigenhändig zu
wunderbare Geschichten aus den Klöstern des erschlagen. Bald erschien ihm auf einem Feld-
Landes. Den Erzbischof Arsenije I. († 1263 ) , zuge während der Belagerung einer Burg im
der in den letzten drei Jahren seines Lebens im Traume Uroš III. in königlichem Gewande
Kloster von Peć gelähmt im Bette lag und von und mit langem, ergrautem Bart. Junac er-
seinen Leuten auf den Händen in die Kirche. wachte aus dem Schlafe, wie ein wildes Tier
getragen wurde, besuchten in seiner Zelle kurz brüllend, und war seitdem ein verlorener Mann ;
vor der Todesstunde drei rätselhafte Jünglinge. krank ließ er sich ins Kloster tragen, wo er
Nach einem frommen Gespräch empfahlen sie in sieben Wochen bei lebendigem Leibe unter
sich geziemend und verschwanden. Man konnte furchtbarem Gestank verfaulte. *)
sie nicht mehr finden . Arsenije erkannte, daß Bittere Schicksalsschläge ertrugen die from-
es drei Engel Gottes (angeli božiji ) waren . men, stets auf Wunder gefaßten Leute mit Ge-
Einige Jahre später wurde in Peć in einer duld. Es gab auch Könige, die sich ins Aus-
stillen , sternenklaren Nacht um Mitternacht land flüchten mußten, wie Stephan Radoslav
aus der Kirche ein Donnerschlag (grom velik) oder Dragutins Sohn Vladislav II. Gefangene
gehört, als ob das Gebäude bis in die Grund- hielt man in Serbien, ebenso wie in Bosnien
festen eingestürzt wäre. Der Klerus zog mit bren- und Ragusa, in finsteren Gewölben, belastet
nenden Kerzen in die Kirche und fand den Stein- mit schweren eisernen Fußketten. Bei den By-
sarg des Arsenije zersprungen , wobei aus dem zantinern war es nicht anders. Im Kriege zwi-
Inneren ein angenehmer Geruch ausströmte. Da- schen Andronikos II und III. wurde der Des-
mit begann die Heiligenverehrung dieses Schü- pot Konstantin , der zweite Sohn Andronikos II . ,
lers des hl. Sava. Auch am Marmorsarg des Erz- von den Leuten des jüngeren Kaisers in Dimo-
bischofs Jevstatije I († 1286 ) im Kloster Žiča tika in einer Zisterne eingekerkert. Mitunter
sah man bei Nacht flackernde Lichter oder wurden außerordentliche Vorsichtsmaßregeln
hörte Stimmen, wie von tausend Leuten, bis ergriffen . Für den in Ketten geschlossenen
endlich, wie der Biograph behauptet, auf dem serbischen Edelmann Brajko Branivojević
trockenen und kalten Stein drei Blumen auf- stellten die Ragusaner 1326 in einem Stadt-
blühten.3) turm einen eigens für ihn verfertigten Holz-

1 ) Eine Ausnahme ist in dem Testament des ragusanischen Kaufmannes Maroe de Sisa 1363 eine Pilgerfahrt zur hl.
Petka (Paraskeva) im Trnov in Bulgarien,, a Sca Venera in Tornova' ; vgl . meine Rom. Dalm. 2 , 12.
2) Vgl. meine Geschichte der Serben 1 , 355.
3 ) Daniel 261 , 263 , 315, 317.
*) Camblak, Glasnik 11 ( 1859) 82, 87-92.
72 II. ABHANDLUNG : CONSTANTIN JIREČEK.

käfig auf (cabia de lignamine) .¹) Erlaubt war größte Teil der Heilmittel ist vegetabilisch :
den Gefangenen überall die Beschäftigung mit Quitten, Feigen, Datteln , Zwiebel , Kürbis,
Büchern. In der Gefangenschaft der Araber Pfeffer, Mandeln , verschiedene Wurzeln, Sa-
schrieb der byzantinische Admiral Niketas men und Rinden , Aloe, Rosenwasser (rodosta-
nach einer mißlungenen Expedition nach Sizi- ma) , Pech , Öl, Moos usw. Wunden von Schwert-
lien 967 eine heute in der Pariser National- hieben wurden z . B. mit Pech und Öl behan-
bibliothek befindliche schöne Pergamenthand- delt. Gegen Husten dienten Quitten , in Kuh-
schrift mit Homilien der Kirchenväter.2 ) In butter gebraten , oder weißer mit Honig gedün-
einer serbischen Handschrift, welche gleich- steter Zwiebel, oder Feigen, in gutem Wein
falls Reden der Kirchenväter enthält, liest man aufgelöst, nebst Einreibungen der Brust mit
den Stoßseufzer eines Rajčin Sudić und eines Schafbutter. Wein, besonders alter Wein, Essig
Kijevac (um 1360) . Der Kesar (wahrschein- und Honig werden oft erwähnt. Animalische
lich Vojihna ) hält sie (wohl in Serrai) wegen Heilmittel waren : Eier, Schafmilch und Esels-
Hochverrat schon fünf Monate in einem Turm, milch, Gans- und Hirschfett, Hirschhorn , Esels-
in Enge und Gestank, wie in einem tiefen Grab. huf, Gehirn von Hirsch oder Fuchs, Ziegenun-
Sie fühlen sich unschuldig und wenden sich schlitt und Ziegenlunge, Igelhaut, Schnecken
hoffnungsvoll zu Gott, dem Schöpfer des Him- und Krebse, Schweinekot (svinje lajno, gegen
mels, der Erde und des Meeres, und zur Mutter Hundebiẞ) und Schwalbenmist. Minerale, wie
Gottes des nahen Klosters Kosenica. Eine Schwefel und Salz, hat man seltener verwendet.
Inschrift in der Burg Blagaj bei Mostar im Sehr gebräuchlich waren Aderlässe und Bäder .
Narentatale schrieb ein Gefangener, der sich Diese Rezeptsammlungen enthalten auch kos-
nicht freut (sužanj , koji se ne raduje) .³ ) Auch metische Mittel. Nächtliche Umschläge mit
in Ragusa war es gestattet, im Gefängnis Bohnenmehl machen das Antlitz jung , ein Pul-
Heiligenlegenden zu lesen. Bei der Gemütsart ver aus Hirschhorn erhält die Zähne weiß, wäh-
der Leute war ein Selbstmord eine Seltenheit ; rend Einreibungen mit gebranntem Eselshuf
in den langen Reihen der Amtsbücher von Ra- das Haar wachsen lassen . Gegen die Folgen des
gusa fand ich einen einzigen Fall verzeichnet.¹ ) Weingenusses soll man Essig trinken, gegen den
Die altserbischen Medizinbücher sind meist Kopfschmerz nach dem Wein sich Umschläge von
Übersetzungen griechischer Schriften . " ) Hippo- Epheublättern oder von Kraut auf die Stirne
krates und Galenus werden darin ausdrücklich legen. Zwei Rezepte betreffen Fußschmerzen ,
erwähnt. Die heutige Volksmedizin der Süd- verursacht von engen Schuhen . " ) Impotenz und
slaven hat traditionell manches aus dieser ärzt- Unfruchtbarkeit sind natürlich nicht verges-
lichen Literatur des Mittelalters bewahrt. Die sen. ) Ein Besen, getaucht in das Blut eines
Bücher geben Vorschriften zur Behandlung schwarzen Ziegenbocks , vertreibt die Flöhe , Nuß-
von Fieber, Zahnschmerzen, Ohrensausen und blüten und wilde Gurken die Wanzen (stenica) .
Schwerhörigkeit, Nasenbluten , Sonnenstich , Neben Medizinen wurden auch viel Zaubermittel
Schlaflosigkeit, Husten und Halsschmerzen , verwendet . Ein Teil davon sind Gebete oder
Hautausschlägen, Gelbsucht, Darmkatarrh, be- Sprüche, gegen Schlangenbiß, Nasenbluten,
sonders nach dem Durchschwimmen eines Zahnschmerzen , Rheuma, Fieber, Geschwüre ,
Flusses, Gicht, Herzübel, Steinkrankheit u. dgl. sowie gegen alle Feinde der Kulturen , Raupen ,
Dazu kommen Schwerthiebe, Knochenbrüche, Heuschrecken , Würmer, Schnecken usw. Ein
Brandwunden, Hunde- und Schlangenbiß. Der anderer Teil sind Zauberschriften (zapis) , oft

1) Mon. Rag. 5, 205 , 209.


2) Anm. des Hase zu Leon Diakonos IV cap . 8. Schlumberger, Nicéphore Phocas ( Paris 1890) 462 .
3) Stojanović, Zapisi Nr. 118, 4664 .
4) Im Dezember 1414 fand der Küster eines Abends in der Vorhalle der St. Martinskirche von Zonchetto zu seinem
Schrecken eine mulier ancilla, suspensa ad trabem', bekleidet mit einem weißen Pelz , gugnum album et super gugnum
habebat vestem antiquam ad modum Sclaborum. Zeugen bestätigten, daß sie sich nach dieser Kirche erkundigt hatte und
vor ihr gesessen sei . Aufzeichnung vom 6. Dezember 1414 auf einem Blatt, eingelegt in Liber maleficiorum 1412-1415
Arch . Rag.
5) Texte bei Novaković, Primeri , 3. A., 590-605 und Jagić, Starine 10, 81-115.
6) Starine 10, 107 Nr. 46 .
7) Ein Gürtel aus dem Bast der Pappel, mit einem Gebet beschrieben und am bloßem Leibe getragen, verleiht Kraft
dem Manne. Eb. 10, 110 Nr. 72.
STAAT UND GESELLSCHAFT IM MITTELALTERLICHEN SERBIEN III. 73

ganz unverständliche, meist griechische Worte, pović abschloß, mit einem Honorar von 60 Per-
auf ein Blatt Papier geschrieben , gegen Nasen- per . Stojislav gibt sich , wie tot ' (posuit se pro
bluten , Tollwut (bes ) , Schlangenbiß, oder auf mortuo) in die Hände des Obercho ; wenn er bei
eine Brotrinde gezeichnet gegen Zahnschmerzen der Behandlung stirbt, darf keiner seiner Ver-
und zur Auffindung der Diebe, oder geschrieben wandten dem Operateur deshalb etwas böses tun.
auf einem Apfel, den man aufißt, gegen Fieber. Doch ist am Rande bemerkt, daß beide Parteien
Eine Bleitafel mit einer griechischen und slavi- vom Vertrage zurückgetreten seien. ") Einen
schen Beschwörungsformel wurde in unseren Magister Novak aus der Landschaft Luštica bei
Jahren in der Umgebung von Mostar gefun- Cattaro nahmen die Ragusaner 1425 als ,medicus
den.¹) In einem der Bücher liest man ein , Gebet, et barberius' in den Gemeindedienst auf ; ebenso
wenn man zu Gericht geht ' ; Gott möge vor allem beschloß man 1446 den Magister Georgius Al-
den Gegnern die Zunge absperren und sie sprach- banensis pro physico et cyrogico (Arzt und
los machen. Ein geschriebener Zauberspruch Chirurg ) der Stadt anzustellen.
wendet sich an die Erzengel Michael und Ra- Die besoldeten Stadtärzte von Ragusa waren
phael und den Patriarchen Isaak um Hilfe, um seit dem 13. Jahrhundert meist Italiener von den
den flüchtigen Sklaven (rab) rasch zurückzu- altberühmten Universitäten von Salerno und
bringen. Zu animalischen Zaubermitteln gehört Bologna, aus Padua, Ravenna usw. , seltener
Kopf, Blut und Herz der Fledermaus (lilük) . Juden aus Italien oder Griechen. Sehr oft ge-
Wer das Herz eines Raben bei sich trägt, ge- schah es, daß man sie aus Gefälligkeit zu den
winnt beim Würfelspiel.2) Nachbarfürsten beurlaubte. So wurde 1326 Ma-
Von Ärzten (vrač) ist in einheimischen Quel- gister Egidius infolge der Bitten des Königs
len, wie bei Daniel und Camblak, oft die Rede, Stephan Uroš III . auf zwei Monate zu ihm ent-
aber auch davon, wie die Leute ihr Vermögen sendet, ebenso wieder 1327.7) Bald finden wir
ihnen vergeblich geopfert haben und endlich italienische Ärzte in den Diensten der einheimi-
Heilung anderswo fanden , bei den heiligen schen Fürsten selbst . Ein berühmter medizini-
Gräbern von Žiča und Dečani.3 ) Namen altser- scher Schriftsteller, Gulielmus de Varignana,
bischer Heilkünstler sind aus den Amtsbüchern ein Sohn des Professors der Medizin Bartholo-
von Ragusa bekannt, z . B. ein "Pervosclavus maeus de Varignana in Bologna, war Leibarzt
(Prvoslav) medicus ' 1298 und ein , Mençe Anti- des Ban Mladen Šubić von Kroatien und Bos-
baranus medicus' 1330.4 ) , Milcinus de Presarin nien. Von seinen in Basel im 16. Jahrhundert
(Prizren) , homo domini imperatoris' , schloß in gedruckten Werken sind die Secreta sublimia
Ragusa im November 1349 einen Vertrag wegen medicinae 1319 über Auftrag des Ban Mladen
der Heilung eines Sohnes des Schuhmachers verfaßt und ihm gewidmet, worauf Varignana
Medoje von einem Steinleiden (morbus lapidis , 1320 als Gesandter Mladens nach Venedig
qui dicitur malum de petra ) , um ein Honorar kam . ) In den Diensten des Stephan Dušan
von 20 Perper.5) Ein Spezialist für Bruchleiden stand 1333 der ,magister Antonius, physichus
(serb. kiloreza , wörtlich Bruchschneider ) war salariatus ipsius domini regis ' , ein Freund des
Obercho, der 1382 in der Kanzlei von Ragusa deutschen Ritters Palmanus, des Befehlshabers

einen Vertrag mit dem Wlachen Stojislav Po- der Söldner des Königs. ) Im Oktober 1408

1) Beschrieben von Rešetar, Arch. slav. Phil . 27 ( 1905 ) 258-264 .


2) Starine 10, p. 93 , 94, 105, 114. Gebete bei Jacimirskij , Izvèstija d. Abt. f. russ . Spr. 18 (1913 ) , 4, 16 f.
3) Daniel 315. Camblak, Glasuik 11 ( 1859) 82.
4) Perviça, uxor quondam Pervoslavi medici , 18. Februar 1298 Div. Canc. 1295. Mençe Antibaranus medicus, 17. April
1330 Div. Canc. 1328-1330 Arch. Rag.
5) Diversa Cancellariae 1349-1356, Fragmente eingenäht im Buche Distributiones testamentorum 1349-1357 , im
Archiv von Ragusa.
6) Obercho Chiloresa , 29. Januar 1382. Div. Canc. 1381 Arch. Rag.
7) Mon. Rag. 5, 225, 240.
8) Über Varignana ( † 1330 in Bologna) vgl . L. von Thallóczy, Glasnik bos. 5 ( 1893 ) 6-10 Wiss . Mitt . 3 ( 1895 )
300-303 mit Abbildung. Das merkwürdige Dedikationsbild eines Münchener Kodex zeigt den Arzt Varignana vor Mladen ,
wie er dem Ban kniend ein Buch überreicht.
9) , Dominus Palmanus Teutonicus, stipendiarius domini regis Raxie' verpflichtet sich in Ragusa am 20. Oktober 1333
die Panzer, Helme und andere Rüstungen, Pfänder eines ungenannten ,stipendiarius ipsius domini regis,' welche er vom
Pauluccius ypothecarius erhalten hatte, binnen 15 Tagen dem Arzt Antonius zu übergeben. Div. Canc. 1334 Arch. Rag
Denkschriften der phil . -hist . Kl . 58. Bd . 2. Abh. 10
74 II. ABHANDLUNG : CONSTANTIN JIREČEK.

wurde der Stadtarzt von Ragusa, Magister Da- zantinischer Art üblich vor dem Eintritt des
niel de Pasinis de Verona zum Despoten Stephan Todes das Mönchsgewand anzulegen und einen
Lazarević beurlaubt ; mit den Vertretern des Klosternamen zu erhalten. So war es bei den
,illustris dominus dispotus Sclavonie' , zwei Ra- Königen Stephan dem Erstgekrönten und Ste-
gusanern aus der Familie Gradi , schloß er einen phan Dragutin , bei der Königin Helena, dem
Vertrag auf vier Monate, mit einem Honorar Feldherrn Hrelja. Bei den Griechen ließen
von 80 Golddukaten oder 11 Pfund ,boni argenti sich Schwerkranke nicht selten zu Mönchen
mercadanteschi ' monatlich.¹) Stephans Nach- scheren ; als sie aber gesund wurden, wollten sie
folger Despot Georg hatte dagegen ( 1429 ) wieder nichts davon wissen. Vom Erzbischof wurden
selbst einen Italiener, den Magister Angelo sie dann oft vom Gelübde befreit, jedoch ihr
Muado als Leibarzt in Diensten.2) In dieser Zeit Leben lang zur Enthaltung vom Fleisch und
lebte in Serbien auch ein Arzt aus Florenz , Ma- zum Tragen schwarzer Kleider verpflichtet.5)
gister Hieronymus medicus , Sohn des Magister Bei jedem Verluste legte der Hof schwarze
Johannes de Sancto Miniato ; nach seinem Tode Trauerkleider an ; so tat es Nemanja mit Frau
reiste sein Bruder Ser Jacobus mit einem und Dienerschaft nach der Flucht seines Sohnes,
Empfehlungsschreiben der Stadt Florenz vom des Rastko (Sava) auf den Athos . " ) Fürsten ,
27. April 1434 an den Despoten nach Serbien, Adelige und Bischöfe wurden stets im Innern
um den Nachlaß abzuholen.3) Die vornehmen der Kirche begraben . Eine gemeinsame Grabes-
Bosnier des 15. Jahrhunderts vertrauten immer kirche der Landesfürsten, etwa in der Art der
auf die Hilfe der Ragusaner. Die Ärzte der Apostelkirche von Konstantinopel mit den by-
Republik, Italiener und Griechen, reisten damals zantinischen Kaisergräbern , der Benediktiner-
oft zum König oder der Königin von Bosnien, abtei St. Denis bei Paris oder des Domes von
zum Großvojvoden Sandalj , zum Herzog Stephan Speyer in Deutschland, gab es in Serbien nicht.
Vukčić und zu seinen Söhnen , oder zu den Zlato- Die Gründer von Klöstern hat man stets in
nosovići , Nikolići und Vojislavići. Zu Stephan ihren eigenen Stiftungen zur ewigen Ruhe be-
Crnojević von Montenegro wurde 1460 durch stattet. Der Steinsarg war oft bei Lebzeiten
einstimmigen Beschluß des Senates von Ragusa vorbereitet, z. B. in Žiča oder Peć für die Erz-
der barberius ' Cherach zur Behandlung eines bischöfe. Daniel schildert das Begräbnis der
Fußleidens gesendet. Die Ratschläge wurden Königin Helena, der Witwe des Königs Uroš I.
auch brieflich mitgeteilt . So schrieben die Ra- († 8 Februar 1314 ) . Im strengen Winter führte
gusaner z. B. dem Sandalj 1430 durch ihren der Erzbischof Sava III . mit den Bischöfen
Gesandten Benedetto de Gondola, sein Leiden, die Leiche unter Psalmengesang aus dem Schloß
Magenschmerzen mit Seitenstechen , könnte nach von Brnjaci durch das Ibartal in das von ihr
dem Urteil der Ärzte mit der Zeit zu einer Stein- gestiftete Kloster von Gradac. Dort traf König
krankheit ausarten ; er solle deshalb strenge Diät Stephan Uroš II. Milutin mit seinem Hofe ein ;
halten und bloß Weißwein, keinen Rotwein er raufte sein Haar, schlug sein Antlitz und
trinken.4 ) vergoẞ Ströme von Tränen vor der Leiche sei-
Kleine Krankenhäuser (bolnica) gab es in ner Mutter, worauf er sie mit den Bischöfen
den Klöstern , wie schon in Studenica. Im und Igumenen eigenhändig ins Grab legte. Sein
Kloster von Prizren waren es nur 12 Betten, Bruder Stephan Dragutin kam erst später,
mit der Bestimmung, daß Lahme und Blinde ebenso die beiden Schwiegertöchter der Ver-
ausgeschlossen seien . Die Heilung von Schwer- storbenen, die Königinnen Simonida und Ka-
kranken förderte stets das Ansehen des Klosters tharina, welche das Grab mit goldgestickten
und der Kirche. Tüchern bedeckten . ) Oft gab es Übertragun-
Bei Fürsten und Adeligen war es nach by- gen. Stephan der Erstgekrönte, neben seinem

1 ) Pucić 1 , Beilagen S. X. Vertrag vom 14. Oktober 1408 : Div . Canc. 1408 , II , Arch. Rag.
2) ,Egregius vir magister Angelus Muado, phisicus domini Georgii Volchi, magnifici domini ducis Rassie et Albanie, ‘
klagt in Ragusa am 10. Februar 1429, sein Diener Nikolaus, ein Ragusaner Bauer, habe ihm im August v. J. in Belgrad
zwei gesattelte Pferde, Kleider und Waffen gestohlen. Lam. Rag.
3) Makušev, Monumenta historica Slavorum meridionalium , vol. 1 (Warschau 1874 ) p . 411 , 531 .
4) Jorga, Notices et extraits 2 , 277.
5) Demetrios Chomatianos Nr. 79, 128, 138.
6) Domentian 27. 7) Daniel 90-98.
STAAT UND GESELLSCHAFT IM MITTELALTERLICHEN SERBIEN III . 75

Vater Nemanja im Kloster Studenica begra- umrê) .8 ) Trauriger gestimmt ist ein Bosnier :
ben, wurde bald darauf von seinem Bruder Erz- ,Gott, lange ist es schon her, daß ich mich
bischof Sava in seine eigene Stiftung Žiča niedergelegt habe und noch viel habe ich zu
überführt.¹ ) König Stephan Dragutin war in liegen' (Bože, davno ti sam legao i vele ti mi je
der Georgskirche von Ras bestattet ; seine Grab- ležati ) .9) Oft sind auf den bosnischen Steinen.
inschrift ist aber heute in Studenica zu lesen.2) historische und biographische Daten oder ganze
Infolge von Visionen wurden die Leichen aus Genealogien zu lesen , wie die des Adelsgeschlech-
dem Grabe herausgenommen und in einem tes der Čihorići oder Drugovići im 14. Jahrhun-
Holzsarg (kovčeg oder kivot von zártov ) vor dert auf einem Stein bei Veličani gegenüber
der Ikonostasis neben der Altartür aufgestellt ; so dem Kloster Zavala auf dem Popovo polje.¹º)
war es bei Helena in Gradac und bei Uroš II . Es gibt auch Gräber patarenischer Geistlicher
in Banjska.3 ) (krstjani) , aber daneben, besonders in der
Grabinschriften sind in Serbien seltener als Herzegovina, auch Inschriften mit Kreuzes-
in Bosnien, wenige aus dem 13. , mehr aus dem zeichen und anderen klaren Merkmalen
14. und 15. Jahrhundert.4 ) Die Formeln erin- der Zugehörigkeit zur serbischen Kirche. Die
nern oft an die bosnischen , besonders im Westen Verwandten oder Freunde, die den Stein auf-
Serbiens an der Drina. Der Hauptunterschied gestellt hatten, werden ausdrücklich genannt.
ist darin , daß die bosnischen Grabsteine meist An antike Formeln erinnert der Fluch gegen
in großen Gruppen im Freien liegen, die serbi- jeden, der das Grab zerstören sollte.
schen sich in Kirchen und Klöstern befinden.5) In den Küstenstädten befanden sich die
Man nannte sie in Bosnien Stein' (kami ) oder Gräber der Patrizier und Bürger meist inner-
,Zeichen (bilig ) . Die Inschriften und Orna- halb der Stadtmauern in den Klöstern , in Ra-
mente arbeitete dort der kovač, wörtlich gusa besonders bei den Franziskanern und
Schmied. Der Tote spricht in der Inschrift in Dominikanern , deren Kirchen heute noch voll
der Regel in der ersten Person ; oft hat er bei alter Denkmäler sind .
Lebzeiten sein ewiges Haus ' errichtet. Der Der mittelalterliche serbische Dorffriedhof
Adelsstolz liegt in der Betonung, er ruhe auf in den Tälern und Wäldern des Ostens mit
seinem eigenen Boden , seinem adeligen Erbgut seinen Holzkreuzen ist nicht näher bekannt.
(baština, plemenito) , was auch in Serbien an Besser kennen wir in den Bergländern des
der Drina vorkommt. Der Grundgedanke der Westens die verlassenen Gräber in der Einöde
Formel ist in Bosnien und Serbien bis nach mit ihren inschriftlosen, ornamentierten Stein-
Makedonien derselbe : erinnert euch, daß auch platten. Aus sehr alter Zeit stammten die in
ihr sterben werdet ; ihr werdet sein , wie ich , aber Urkunden erwähnten Grabhügel (gomila) , be-
ich werde nie mehr sein , wie ihr. ) Stolz klingt zeichnet mit Personennamen , als Grabhügel des
die Inschrift eines Knez Radivoj Vlatković in Pribidrug, des Ljubko usw.; sie kommen noch
der Herzegovina : , in dieser Zeit war ich der im 14. Jahrhundert auf den Besitzungen der
beste Mann in Dubrave' ( u toj vreme najbolji Klöster von Banjska und Prizren vor. In an-
muž u Dubravah bih) .7 ) Auf dem Grabe eines deren Urkunden wurden im 13. - 15 . Jahr-
Obren Milatović aus dem Drinagebiet, jetzt im hundert einzelne, außerhalb der Dörfer ge-
Belgrader Museum, heißt es : gut hat er ge- legene Gräber oder Grabfelder (grob , groblje)
lebt und gut ist er gestorben' ( i dobri ži , a dobri bei Grenzbeschreibungen genannt, stets mit

1) Theodosij bei Pavlović 132 .


2 ) Kovačević, Starine 10, 258 ; vgl. Daniel 52. Vgl. eine Urk. von 1597 im Glasnik bos. 21 ( 1909) 56-57 , wo das
Grab Dragutins noch im St. Georgskloster erwähnt wird .
³) Daniel 100, 160 .
4) Gesammelt bei Stojanović, Zapisi.
5) Vgl. Dr. C. Truhelka, Die bosnischen Grabdenkmäler, Glasnik bos . 3 ( 1891 ) 368-387 = Wiss. Mitt. 3 ( 1895) 403-
480. Über die Sprache der Inschriften Jagić in Glasnik bos. 2 ( 1890) 1–9 - Wiss. Mitt. 3 ( 1895) 396-402.
6) Z. B.:,Molju bratiju i strine i neviste : pristupite i žalite me i nepopirajte me nogama, jere ćete biti vi, kakov jesm
ja, a ja neću biti, kakovi jeste vi. Grab des Radojica Bilić in Staro Selo bei Jajce, Wiss. Mitt. 3, 489.
7) Wiss. Mitt. 3 ( 1895 ) 437 ; 5 ( 1897 ) 277 f.
8) Stojanović, Zapisi Nr. 4731 .
9) Grab des Stipko Radosalić in Premilovo polje bei Ljubinje, Wiss . Mitt . 3, 497 .
10) Meine Abh. über die Inschrift von Veličani, Glasnik bos. 4 ( 1892 ) 279 f. = Wiss. Mitt. 3 ( 1895) 474 f.
10*
76 II. ABHANDLUNG : CONSTANTIN JIREČEK.

serbischen Personennamen , des Bolesta , des Dru- geschnitzten Holzkreuze ; auf ihnen sind Tü-
zeta, des Obugan.¹ ) Genauere Nachrichten stam- cher, bei Frauen unvollendete Handarbeiten,
men erst aus der Neuzeit . Busbeck ( 1533 ) schil- sowie Blumen und Früchte befestigt. In wald-
dert einen Friedhof bei Jagodina. Auf Pfählen armen Landschaften deckt das Grab eine Stein-
oder Stangen sah man dort hölzerne Figuren von platte und beim Kopf steht ein steinernes Kreuz ,
Hirschen, Rehen und anderen Tieren , bei wel- mitunter mit Inschrift und primitiven Skul-
chen Frauenhaar zum Zeichen der Trauer aufge- pturen.2 ) Über den dörflichen Totenkultus, die
hängt war. Gerlach (1578 ) beobachtete in Ser- Totenmahle, Allerseelentage und Ahnenfeste
bien, wie bei dem Kopf der Toten Holzkreuze fehlt es an schriftlichen Nachrichten aus dem
aufgestellt wurden. Heute noch sind auf den Mittelalter. Dafür haben die Ethnographen
mit einer Hecke umgebenen oder ganz frei unserer Zeit noch ein reiches und merk-
stehenden Friedhöfen im Innern Serbiens würdiges Material über diese Sitten sammeln
charakteristisch die sehr hohen, oft kunstvoll können.³)

1) Vgl. meine Geschichte der Serben 1 , 170.


2) Miličević, Život Srba seljaka (Leben der serbischen Bauern) , Srpski etnografski zbornik 1 ( 1894) 350 f.
3) Niederle, Život 1 , 279 ff. M. Murko, Das Grab als Tisch, in der kulturhistorischen Zeitschrift ,Wörter und Sachen'
2 (1910) 79-160 ; vgl . die Besprechung von Aničkov, Arch . slav. Phil . 34 ( 1913) 578-588 .
INHALT.

I. Die Periode der Nemanjiden (1171-1371 ) . Schluß.

12. Materielle Kultur : Bauten, Volkstrachten, Nahrung usw. 3

13. Geistiges und gesellschaftliches Leben 26

Anm . Ein vierter Teil wird den Schluß der Abhandlung mit Darstellung der Verhältnisse während der
Kämpfe der Serben mit den Türken ( 1371-1459 ) enthalten , sowie die Beilagen und Register.
3 5556 038 655551

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-N UP

2/23/2009
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GAYLORD

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