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,Klassik‘

• „Historisch-deskriptive und normative Aspekte vermischende,


zwischen Stil- und Epochenbegriff changierende Bezeichnung für
Höhepunkte in der Geschichte der Literatur oder der Künste
allgemein.“ (Horst Thomé, in: RLW 2,266)

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,Klassik‘
• „Historisch-deskriptive und normative Aspekte vermischende,
zwischen Stil- und Epochenbegriff changierende Bezeichnung für
Höhepunkte in der Geschichte der Literatur oder der Künste
allgemein.“ (Horst Thomé, in: RLW 2,266)
• „,Klassik‘ ist sowohl ein ästhetischer Normbegriff in der Literatur,
Musik und Kunst als auch ein geschichtlicher Epochenbegriff. Klassik
als Norm in der Literatur ist das Ergebnis vornehmlich philologischer
Selektionen aus einem Vorrat von Gattungen, Werken und Autoren.
Am Ende eines solchen literaturgeschichtlichen Auswahlprozesses
kristallisiert sich ein Kanon heraus, der fortan normative, d.h.
überzeitliche Gültigkeit beansprucht. Klassik als Epoche verweist
einerseits stets auf allgemeine literaturgeschichtliche
Bestimmungen von Epochenbildungen und andererseits auf
einzelne historische Ausprägungen ,klassischer‘ Perioden und ihrer
Voraussetzungen und Wirkungen.“ (Wilhelm Voßkamp: Einleitung,
in: Theorie der Klassik, hg. von dems., Stuttgart 2009, S. 9)

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,Klassik‘

• Applikation des Klassikbegriffs auf die deutsche Literatur um


1200 erscheint als sekundäres Phänomen, das die Anfänge
eines genuin historischen Sinns (Historismus) voraussetzt.

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,Klassik‘

• Applikation des Klassikbegriffs auf die deutsche Literatur um


1200 erscheint als sekundäres Phänomen, das die Anfänge
eines genuin historischen Sinns (Historismus) voraussetzt.
• August Friedrich Christian Vilmar: Geschichte der deutschen
National-Literatur (1845)
„zwei klassische Perioden“
I. von Klopstock bis Goethe (,eigentliche‘ Klassik)
II. „von 1190-1300“

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,Klassik‘

• Dichterkataloge des 13. Jahrhunderts:


Gottfried von Straßburg (Tristan), Heinrich von dem Türlin,
Rudolf von Ems, Hugo von Trimberg

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,Klassik‘

• Dichterkataloge des 13. Jahrhunderts:


Gottfried von Straßburg (Tristan), Heinrich von dem Türlin,
Rudolf von Ems, Hugo von Trimberg
• „Genese des literarischen Kanons“ (Walter Haug):
1. „Innovationsakt“
2. „Primärrezeption“
3. „Sekundärrezeption“

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,Klassik‘
„Daß wir gerade bei der Wertung verzerrenden Vorurteilen ausgesetzt und geneigt
sind, die Werke höher zu schätzen, die unserem eigenen Geschmack und unserem
eigenen Zeitalter unmittelbar zusagen, ist kein Grund, von jeder Wertung abzusehen,
sondern mahnt nur zur Vorsicht. Trotz der Neigung, das höchste Lob den Werken zu
zollen, in denen wir unsere Gegenwart am leichtesten wiederfinden, gibt es Werke aus
allen Zeiten, die uns mehr als alle anderen beinahe direkt ansprechen, und es hat
durch die Zeiten hindurch einen überraschenden Konsens bei der Rezeption dieser
Werke gegeben. Dieser Konsens mag eine gewisse Garantie sein, daß unsere
Bevorzugung nicht n u r auf narzißtischem Selbstbespiegelungswillen beruht, sondern
auch etwas Wesentliches, Allgemeinmenschliches erfaßt. Auch mit Nietzsches
Warnung im Ohr dürfen wir die Schöpfer solcher Werke im guten Sinne ,Klassiker‘
nennen. Diese Werke setzen nur ein Mindestmaß an historischen Spezialkenntnissen
voraus, damit man sie genießen kann. Gerade die mhd. Blütezeit bringt eine
erstaunliche Reihe von Werken hervor, die uns, wenn wir nur über diese
Minimalkenntnisse verfügen, kräftig und unmittelbar ansprechen und – wie es bei
Rilke (in der ersten Duineser Elegie) von der Musik heißt - einen Teil jener Schwingung
bilden, ,die uns jetzt hinreißt und tröstet und hilft‘. Schon aus diesem Grund verdienen
diese Werke das Preisende, das der Begriff ,Blütezeit‘ in sich birgt.“

L. Peter Johnson: Die höfische Literatur der Blütezeit, S. 4f.

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Höfisch

• Allgemeinere Bedeutung: ,zum Hof gehörig‘, ,dem Hof gemäß‘

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Höfisch

• Allgemeinere Bedeutung: ,zum Hof gehörig‘, ,dem Hof gemäß‘


• Im engeren Sinne bezogen auf historische Periodisierung und
Epochencharakterisierung:
Veränderung des Soziotops ,Hof‘ im ausgehenden 12. Jahr-
hundert aufgrund diverser Einflüsse der französischen
,höfischen‘ Kultur

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Höfisch

• Verlagerung literarischer Tätigkeit von Kloster, Stift oder


Domschule hin zum weltlichen Hof
• Zunehmende Bedeutung der Organisation von Verwaltung mit
Hilfe der Schrift
• Intensivierung einer genuin literarischen Schriftproduktion

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Höfisch
„Nirgends begegnen wir einer stärkeren Konzentration der
verschiedenen Arten von Schreibtätigkeit als am Hof Heinrichs II.
von England (1154-89) und seiner Gemahlin, Eleonore von
Aquitanien. An diesem Hof war eine glänzende Gruppe von
Gelehrten aller Art versammelt, Theologen, Staatsmänner, Juristen,
Staatswissenschaftler und Dichter. Das Zusammengehen von
Verschriftlichung der Verwaltung und Aufblühen der Literatur am
Hof in England, Frankreich und Deutschland bestärkt die
Vermutung, daß die beiden Erscheinungen zusammenhängen. Daß
sich die neue Literatur zunehmend als eine geschriebene versteht,
hat Folgen für die dichterische Technik, vor allem für den höfischen
Roman.“

L. Peter Johnson: Die höfische Literatur der Blütezeit, S. 9

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Höfisch

• Verwendung des Terminus ,höfisch‘ für Literatur „eines


bestimmten Typs in einem bestimmten Stil“ (Johnson), die in
den letzten drei Jahrzehnten des 12. Jahrhunderts im
deutschsprachigen Bereich in Erscheinung tritt

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Kriterien
zur Periodisierung einer ,höfischen Blütezeit‘
Leben Literatur
1. „Es wird immer mehr am Hof geschrieben, 1. „Geistliche Dichter nehmen mehr Rücksicht auf
unter anderem deshalb, weil die kompliziertere die Interessengebiete eines adligen Laien-
Verwaltung auf das Hilfsmittel der Schrift publikums.“
angewiesen ist.“ 2. „Französische Werke werden zunehmend als
2. „Der Prozentsatz des in der Volkssprache Quellen benutzt.“
Geschriebenen nimmt zu.“ 3. „Das höfische Leben, idealisiert und mit
3. „Die Menge des Geschriebenen, das man als romanhaften Zügen ausgestattet, wird zum
,Literatur‘ bezeichnen könnte, nimmt zu.“ Hauptthema der Dichtung.“
4. „Die Kunst des Lesens verbreitet sich 4. „Als neue Themen erscheinen Minne und
allmählich unter den adligen Laien.“ Abenteuer, als neue Gattungen Minnesang und
5. „Starker französischer Einfluß macht sich auf höfischer Roman.“
allen Gebieten des Hoflebens und der Hofkultur 5. Ein neuer Stil entfaltet sich; vor allem
bemerkbar; französische Sitten, Kleider, Bauten, hinsichtlich Reim und Versbau werden höhere
Musik, Essen, Waffenkunst werden nachgeahmt.“ ästhetische Ansprüche gestellt.“
6. „Kunstwerke, darunter Dichtungen, werden 6. „Als Dichter betätigen sich zunehmend Laien
zunehmend von Adligen in Auftrag gegeben.“ oder am Hof tätige Kleriker.“
7. „Die Dichter treten als individuelle
Persönlichkeiten hervor und nehmen in ihren
Werken zueinander Stellung. Unter den
Auftraggebern finden sich in größerer Zahl
namhafte und namhaft gemachte weltliche
Fürsten.“
L. Peter Johnson: Die höfische Literatur der Blütezeit, S. 20
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Inhaltsübersicht

05.04. – Einführung: „Höfische Klassik“


12.04. – Der Literaturbetrieb der höfischen Periode (1160/70-1220/30)
19.04. – Heinrich von Veldeke und der Antikenroman
03.05. – Hartmann von Aue und der deutsche Artusroman
10.05. – Hartmann von Aue: Iwein
17.05. – Wolfram von Eschenbach: Parzival
24.05. – Wolfram von Eschenbach: Titurel; Willehalm
31.05. – Gottfried von Straßburg: Tristan
07.06. – Heldenepik: Nibelungenlied und Klage
14.06. – Kleinepik und Legende: Hartmanns Armer Heinrich und Gregorius
21.06. – Lyrik I: Die Anfänge des höfischen Minnesangs und die Hausen-Schule
28.06. – Lyrik II: Reinmar (der Alte) und Heinrich von Morungen
05.07. – Lyrik III: Walther von der Vogelweide
12.07. – Abschlussklausur

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Literatur
Haug, Walter: Mittelhochdeutsche Klassik, in: Hans-Joachim Simm (Hg.): Literarische Klassik,
Frankfurt a.M. 1988, S. 230-247.
Haug, Walter: Klassikerkataloge und Kanonisierungseffekte. Am Beispiel des mittelalterlich-
hochhöfischen Literaturkanons, in: ders.: Brechungen auf dem Weg zur Individualität. Kleine
Schriften zur Literatur des Mittelalters, Tübingen 1995, S. 45-56.
Kuhn, Hugo: Die Klassik des Rittertums in der Stauferzeit, in: Felix Genzmer u.a.: Geschichte der
deutschen Literatur von den Anfängen bis zum Ende des Spätmittelalters (1490), Stuttgart 1952,
S. 99-177.
Johnson, L. Peter: Die höfische Literatur der Blütezeit (1160/70-1220/30), Tübingen 1999
(Geschichte der deutschen Literatur von den Anfängen bis zum Beginn der Neuzeit II/1).
Schulze, Ursula: Höfische Klassik, in: Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft, Bd. 2, hg. von
Harald Fricke, Berlin/New York 2000, S. 64-67.
Thomé, Horst: Klassik1, in: Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft, Bd. 2, hg. von Harald
Fricke, Berlin/New York 2000, S. 266-270.
Vilmar, August Friedrich Christian: Vorlesungen über die Geschichte der deutschen National-
Literatur, Marburg/Leipzig 1845.
Voßkamp, Wilhelm: Normativität und Historizität europäischer Klassiken, in: ders. (Hg.): Klassik im
Vergleich. Normativität und Historizität europäischer Klassiken. DFG-Symposion 1990, Stuttgart
1993, S.5-8.
Voßkamp, Wilhelm (Hg.): Theorie der Klassik, Stuttgart 2009.
Wehrli, Max: Geschichte der deutschen Literatur im Mittelalter. Von den Anfängen bis zum Ende
des 16. Jahrhunderts, 3., bibliogr. erneuerte Aufl., Stuttgart 1997, S. 237-243.

© Christian Seebald

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