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DER
KELTEN-HERRSCHAFT
IN UNGARN.
FRANZ v. PULSZKY,
GENEBAL'"INTENDANT DER MUSEEN UND BIBLIOTHEKEN DES LANDES,
u. s. w.
MIT 32 ILLUSTRATIONEN.
BUDAPEST.
DBUOK DES FBANKLIN·VEREIN.
1879.
EITDEM
S
die Denkmäler der prähistorischen Zeiten die Auf
merksamkeit der Gelehrten erregt haben, ja die Gebildeten
überhaupt interessiren, sind sehr viele alte Denkmäler in Museen und
Sammlungen zusammengestellt, in zahlreichen Büchern beschrieben
und durch Abbildungen bekannt gemacht worden, die früher ganz
unbeachtet geblieben waren. Die Dänen und Schweden waren auf
diesem Gebiete die Bahnbrecher ; die Engländer, Franzosen und
Deutschen wurden ihre Nachfolger ; schliesslich folgten auch die
Italiener, welche, umgeben von den herrlichen U eberresten der
classischen Zeit, die rohen Denkmäler einer ungebildeten Epoche
nur spät des Studiums werth hielten. Die prähistorischen Funde
erregen gegenwärtig überall allgemeines Interesse, und das wissen
schaftliche Material hat sich auch auf diesem Felde so massenhaft
angehäuft, dass bereits an die Classi:fication gegangen werden
konnte, um in die Masse der Denkmäler einige Ordnung zu brin
gen. Dies ist bisher mit Bezug auf die Steinzeit bereits grössten
tpeils geschehen und es ist eine allgemeine Uebereinstimmung der
Forscher darüber erzielt worden, welche Denkmäler die älteren,
welche die jüngeren seien, und in welcher Weise die wechselnden
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2 DIE DENKMÄLER DER KELTENHERRSCHAFT IN UNGARN.
natürlich finden, wenn die Boier der Po-Gegend, sobald sie ausser
Stande sind ihr italisches Vaterland zu beschützen, es verziehen
zu ihren Stammverwandten im Donaulande zu wandern, als mit
dem römischen Volke zu verschmelzen, wie es die Insubrer
gethan haben.
Es ist allezeit ein Hauptcharakterzug der Kelten gewesen,
dass sie inned1alb ihrer eigenen Grenzen nie genug Raum fanden
und sich darum gerne in den S old fremder Staaten und Könige
begaben. Die cisalpinischen Gallier verdingen sich an Dionysius
nach Syrakus und begleiten Hannibal sogar bis nach Carthago,
wo sie indessen bald die Träger der Hauptrollen, bald auch die
Opfer der grossen geschichtlichen Söldnerempörung werden. Auch
unsere Galater waren durch ihre Wanderlust ausgezeichnet, sie
hingen nicht fest an ihrem Geburtslande, und ebenso wie sie sich
in alten Zeiten, von Gallien ausgehend, einestheils über das Po
Thal, anderentheils über das Donau-Thal, von der Schweiz bis
zum eisernen Thor ausgebreitet haben, ebenso waren sie auch
auseer Stande ruhig in ihrer neuen Heimat zu verharren. Eine
Zeit lang zwar breiteten sie sich blos im Donau-Thale aus. Sie
standen in Handelsverkehr mit den Griechen, insbesondere mit
den Macedoniern. Sie führten deren Handelsmünze, die thasische
Tetradrachme, nicht nur als Geld bei sich ein, sondern bildeten
dieselbe auch oft in barbarischer Weise nach ; ja auch wenn sie die
Münzen anderer griechischer Städte nachbildeten, thaten sie dies
nur mit den Münzen solcher Städte, welche ihr Geld nach dem
macedonischen Münzfusse prägten. Unter diesen waren die Münzen
des Macedonierkönigs Philipp II., des Vaters Alexander des
G1ossen, die beliebtesten, woraus ersichtlich ist, dass unsere Kel
ten mit dem macedonischen Staate den meisten Verkehr hatten.
Als Alexander der Grosse im Beginne seiner Regierung auf seinem
Kriegszuge gegen die Triballer an die untere Donau kam und die
anwohnenden Völkerschaften in seinen Interessenkreis zu ziehen
bestrebt war, erschienen auch die Kelten in seinem Lager. Der
König, welcher es stets liebte, den Zauber seiner Oberhoheit durch
fürstliche Pracht aufrecht zu erhalten, lud sie an seine Tafel, wo
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DIE DENKMÄLER DER KELTENHERRSCHAFT IN UNGARN. 11
erkennen und das auf der Kehrseite befindliche Pferd vermag nur
derjeni�e als solches zu erkennen, der . die ursprünglich hübsch
gravirten Pferde der keltischen Münzen in immer stärker ent
stellter Gestalt durch viele Exemplare hindurch verfolgt hat. Aus
alle dem geht hervor, dass die Kelten der Donaugegend in der
Blüthezeit des macedonischen Königthums um die Mitte des vierten
Jahrhunderts v. Chr. das Eisen bereits gekannt haben, weil zum
Graviren des Münzstempels der eiserne Grabstichel erforderlich
ist, und ebenso das Silber, welches vor der Eisenzeit nirgends zum
Vorschein kommt, folglich auch den Bergbau, die chemische
Scheidung des Silbers von anderen Metallen und die Kunstgriffe
(
des Stempelschneidens, und dass sie einen so ausgedehnten Binnen
handel gehabt haben, dass für denselben die aus dem Auslande
eingeführten Münzen: nicht ausreichten und die Prägung von
Münzen im eigenen Lande nothwendig wurde. Dass dies von einer
höheren Stufe der Civilisation Zeugniss giebt, werden wir gerne
glauben, wenn wir uns erinnern, dass die Germanen bis zu Karl
dem Grossen keine eigenen Geldmünzen gehabt haben, ebenso wenig
die Hunnen Attila's ; ja selbst die Avaren haben kein Geld geprägt,
ebenso wenig die Slaven bis zum eilften Jahrhundert, wiewohl
alle diese Völker Grenznachbarn der Römer und der byzantinischen
Griechen gewesen sind. Die Cultur der Kelten ist ihnen allen um
ein Jahrtausend vorausgeeilt, wiewohl auch sie selbst sich nicht
so hoch erhoben hat, um die griechischen B uchstaben als solche
zu kennen und sie consequent für Zierrat angesehen hat.
Die dritte Gruppe der auf ungarischem Boden gefundenen
Münzen stammt jedenfalls aus späterer Zeit und ist wahrschein
lich eine Hinterlassenschaft der aus Italien hierher gewanderten
Boier, die sich, wie wir erwähnt, am Neusiedler See angesiedelt
haben. In der Nachbarschaft desselben wurden 1846 b ei Press
burg 44 Silbermünzen mit den Namen der Häuptlinge Biatec,
Cobrovomarus und Nonnus, und 1855 bei Ungarisch-Altenburg
auf dem Gebiete des Ortes Jarendorf 101 Silbermünzen, die
meisten mit dem Namen Biatec und Nonnos, aber einzelne auch
16 DIE DENKMÄLER DER KELTENHERRSCHAFT IN UNGARN.
ja er sagt von den Ornamenten desselben, dass sie nicht den Cha
rakter der keltischen Zierraten tragen. Man darf dies einem
Gelehrten nicht übel nehmen, welcher damals weder die keltischen.
Gegenstände der Londoner Sammlungen, noch die Horae ferales
betitelte Prachtausgabe derselben von KEMBLE und FRANcxs kannte,
in welcher die Verfasser ein besonderes Augenmerk den keltischen
Ornamenten zuwenden, welche in der That mit den in der Schweiy;
gefundenen identisch sind. Die dänischen, schwedischen, franzö
sischen und englischen Alterthumsforscher haben den keltischen
Ursprung und damit ·auch die hervorragende Bedeutsamkeit der
in La Tene an's Tageslicht geförderten Eisengegenstände sofort:
erkannt ; dieselben haben HILDEBRAND, dem Custos des Stockhol
mer Museums, als Ausgangspunkt gedient, als er seine in der
schwedischen Zeitschrift für Alterthumsfo rschung erschienene·
Abhandlung über die Gewandnadeln schrieb und insbesondere·
den Charakter und die Verbreitung des keltischen Typus gründ-·
lieh studirte. *
Durch solche Untersuchungen der Alterthumsforscher wurde
alsbald klar ersichtlich, dass dieselben Typen, welche in La Tene
die Eisenfibeln charakterisiren, auch in Bronze vorkommen. So·
in den italienischen Terramares im Po-Thale, insbesondere in
Marzobotto, Villanuova, bei der Bolognaer Certosa, in dem um
fangreichen Hallstädter Friedhofe in Oesterreich, und häufig in.
alten Gräbern Englands, Frankreichs, Ungarns. Dieselben reprä
sentiren insgesammt j ene Uebergangsepoche, in welcher das Eisen
die Bronze zu verdrängen beginnt. Die aus beiden l\f etallgattun
gen verfertigten Geräthe wurden häufig miteinander vermischt.
angetroffen, häufig bald das eine, bald das andere Metall aus
schliesslich in solchen Gräbern vorgefunden, aber der keltische
Typus ist in beiden unverkennbar und dient als Beweis dafür,
dass diesseits der Alpen, der Pyrenäen und des Balkans die Kelten
j enes Volk gewesen sind, welches, nachdem es lange in der
Wir wissen aus Polybius, dass das Schwert der Galater länger
.als dasjenige der römischen Legionen, und, weil nicht spitzig,
mehr zum Hieb als zum Stich geeignet gewesen ist. An einer
anderen Stelle bemerkt derselbe Geschichtschreiber, dass. sich ihr
DIE DENKMÄLER DER XELTENHERRSCH.AFT IN UNGARN.
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Eiserne Kleidspange aus Szob von oben.
Eiserne Kleidspange.
Bronzene Klehlspange.
Bronzene Fibuld.
DIE DENKMÄLER DER KELTENHERRSCHAFT IN UNGARN. 29
Bronzene Kleidspange.
Silberne Kleidspange.
gerer Menge, aber nur deshalb, weil die Eisenfunde b i s jetzt selten
genügender Aufmerksamkeit gewürdigt worden sind.
Jene einfachste Form der Fibula, welche wir in den .Kelten
gräbern mit dem Schwerte nnd dessen Begleitern vereint finden,
ist bei uns in Szob und Pilin aus Eisen verfertigt ausgegraben
worden. Dieselbe kommt auch in Norddeutschland, Frankreich,
in Tirol und der Schweiz häufig aus Eisen vor, aber allenthalben
noch häufiger aus Bronze. HILDFBRAND kennt in seinem bereits
oben angeführten Werke fünf Haup tvarietäten der in La Tene
ausgeg1·abenen Kleider�pangen , die er daselbst nnter A , B, C, D,
E, F auch abgebildet hat. Diesen fügt er noch sechzehn Varia
tionen aus Frankreich, der Rheingegend, Thüringen, Böhmen,
Irland, England, Ungarn und Schweden, sowie auch aus Nord
deutschland hinzu. Dennoch ist seiner Aufmerksamkeit jene
eigenthümliche Form entgangen, welche in Bronze und in Silber
ausschliesslicp in Ungarn gefunden wird und oft auch durch ihre
ausserordentliche Grösse - es befinden sich darunter Exemplare
von Spannenlänge - besonders auffallend ist. Auch liei dieser
Form bildet der silberne Draht vorne einen langen spiralisch ge
�
wundenen Zie rat. Hinten, wo sich der Draht zur Nadelkapsel
erweitert, krümmt sich derselbe wieder zum oberen Theile des
Bogens zurü ck und ist bald mit drei, bald mit vier, ja auch mit
mehr als · vier grösseren und ebenso vielen kleineren Knöpfen ver
ziert. Das u � g ari s che N ational-Museum besitzt fünf vollständige
und acht verstümmelte Exemplare der keltischen Kleiderspangen
dieser Form aus Silber und ein Exemplar aus Bronze.
Damit sind indessen noch nicht alle Arten der keltischen
Fibula erschöpft . HILDEBRAND führt aus Marzobotto, Villanova
und dem Bolognaer Certosa noch einige Ex.e mplare an, welche
auch bei uns, wenngleich seltener, vorkommen. Eigenthümlich
ist auch die Form j ener zwei goldenen Fibulae, welche mit dem
S chatze von Fokoru gefunden worden und ihrer Länge nach mit
goldenen Perlen verziert ist. Die Grundlage aller dieser Formen
der keltischen Kleiderspange bilden die alten etruskischen Fibulae,
wie sie z. B. in der Gegend von Perugia gefunden und vom Gra-
32 DIE DENKMÄLER DER KELTENHERllSCHAFT IN UNGARN.
Bis jetzt ist bei uns nur ein einziger keltischer Gürtel gefun
d en worden, und zwar ein aus Gold verfertigter im Fokoruer
Schatze. Die Ornamente desselben stimmen mit einem von KARA
PANNOS in Dodona gefundenen Bronzegürtel und mit d er Zeich
nung mehrerer im Hallstädter Gräberfelde ausgegrabenen Bronze
gürtel, deren keltischer Ursprung ebenfalls keinem Zweifel unter
liegt, überein. Selbst Baron SACKEN, der vorsichtige Beschreiber
<ter Hallstädter Gräberfunde, kommt nach langem Hin- und
Herraisonniren schliesslich doch bei der Ueberzeugung an, dass
dieses Grabfeld den keltischen Tauriskern angehört habe, unge
fähr vom dritten bis zum ersten Jahrhundert v. Chr. , jedenfalls
aber älter sei als die römische Eroberung.
Mit dem Schatze von Fokoru sind auch noch anderweitige
Schmuckgegenstände gefund en worden : kleinere und grössere
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36 DIE DE'.'\KMÄLER DER KELTENHEililSCHAFT IN U:-IGARN.
daher die Scheidung des Goldes vom Silber gekannt, während die
Goldfunde aus der Bronzezeit bei uns immer aus blassem Golde
(electrum) sind, aus welchem das Silber noch nicht ausgeschieden )
ist und welches sich bei chemischer Analyse als identisch mit dem
bis zum heutigen Tage in Vöröspatak und in N agyag vorkommen
den gediegenen Golde erweist. Auch schon dieser Wahrnehmung
zufolge können wir jene runden Goldplatten als eisenzeitlich
.
keltischen Ursprungs betrachten, in deren Mitte sich drei getrie
bene Buckel erheben, während ihr Rand bald mit zwei, bald mit
drei getriebenen Perlenreihen verziert ist und welche an zwei
Punkten durchlöchert sind, damit sie aufgenäht werden können.
Es sind mir bis jetzt acht solche Goldplatten bekannt. Zwei der
selben sind in Oesterreich bei der sogenannten Langen Wand
gefunden worden ; die eine von diesen ist in das Wiener Antiken
cabinet, die andere in unser Museum gelangt. Zwei wurden in
Cepin in Slavonien gefunden ; sie befinden sich j etzt : die eine
in Berlin, die andere in unserem Museum. Ein in Steinamanger
gefundenes Exemplar ist Eigenthum des Steinamangerer Mu
seums ; endlich drei Exemplare von unbekanntem Fundort sind
in unserem Museum zu sehen. Diese sowohl durch ihr Gewicht
als durch ihren Umfang werthvollen Schmuckobjecte bezeugen
ien von den Autoren des Alterthums öfter erwähnten Luxus der
Kelten, in sbesondere in Goldschmuck. Solcher Luxus ist immer
ein Zeichen ungeordneter staatlicher Zustände und mangelnder
Sicherheit. Denn in L ändern, in welchen der Reichthum nicht
auf fruchtbringende Weise angelegt werden konnte, und in Zeiten,
wo die Völker in fortwährendem Kriege lebten, ihre Schätze aber
in feste Kästen nicht verschliessen konnten, leitete schon der
natürliche Instinkt jeden Menschen darauf, seine überflüssige
Habe in der Form m assiven Goldes an seinem Leibe zu tragen,
38 DIE DENKMÄLER DER KELTENHERRSCHAFT IN UNGARN.