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Insolvenzplanverfahren
GABLER EDITION WISSENSCHAFT
Schriften zur Mittelstandsforschung
Nr. 114 NF
Herausgegeben
vom Institut für Mittelstandsforschung Bonn,
vertreten durch den Vorstand
Insolvenzplanverfahren
Sanierungsoption für
mittelständische Unternehmen
Deutscher Universitäts-Verlag
Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der
Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über
<http://dnb.d-nb.de> abrufbar.
Vorwort
Inhalt
1. Einleitung 1
3. Insolvenzgeschehen in Deutschland 41
3.1 Allgemeine Insolvenzentwicklung 41
3.1.1 Insolvenzanträge 41
3.1.2 Verfahrenseröffnungen 47
3.2 Relevanz sanierungsorientierter Abwicklungswege 54
3.2.1 Insolvenzpläne 54
3.2.2 Eigenverwaltungen 59
Literaturverzeichnis 159
IX
1. Einleitung
Der Gesetzgeber hat durch die Neuregelung des Insolvenzrechts im Jahr 1999
versucht, ein positives Insolvenzklima zu schaffen und den Sanierungsgedan-
ken in der Insolvenz zu stärken. Die neue Insolvenzordnung rückt daher ver-
stärkt die Möglichkeiten der Sanierung in der Insolvenz in den Vordergrund.
Sie erkennt ausdrücklich an, dass erlösmaximale Befriedungen oftmals eher
im Rahmen einer Unternehmensfortführung als mittels Liquidationen zu errei-
chen sind. Ausdruck dieser Bestrebungen ist vor allem das neu geschaffene
Instrument des Insolvenzplanverfahrens, welches nach Intention des Gesetz-
gebers primär ein Instrument zur Sanierung insolvent gewordener Unterneh-
men bilden soll. Daneben sollte die Eröffnung einer Eigenverwaltungsoption
für insolvente Unternehmen zum Abbau von Hemmschwellen bei der Insol-
venzbeantragung beitragen, da sie Unternehmensleitungen die Wahrung ihrer
Verwaltungs- und Verfügungsrechte erlaubt.
Die Ergebnisse einer vom IfM Bonn durchgeführten Befragung bei Unterneh-
men bilden den empirischen Schwerpunkt der Studie. Kapitel 4 stützt sich auf
Angaben von rund 50 mittelständischen Unternehmen, die ein Insolvenzplan-
verfahren mit oder ohne Eigenverwaltung durchlaufen haben. Die Unterneh-
men wurden mittels einer Auswertung der Pflichtveröffentlichungen des Bun-
desanzeigers identifiziert und anhand eines schriftlichen, weitgehend standar-
disierten Fragebogens um Auskunft gebeten. Die Befragung liefert erstmalig
detaillierte Informationen zu zentralen Aspekten speziell von Insolvenzplanver-
fahren. Näher beleuchtet werden insbesondere die Hintergründe der Verfah-
renswahl, die konkrete Realisation der Planvorhaben, Schwierigkeiten bei der
Umsetzung und Unterstützungswünsche von Unternehmen.
Das sechste Kapitel schließt die Studie mit einer Zusammenfassung der zen-
tralen Untersuchungsergebnisse und der Abgabe von Handlungsempfehlun-
gen ab. Die Forschungsarbeiten brachten zutage, dass noch erhebliche Wis-
senslücken hinsichtlich des Themas Sanierung in der Insolvenz bestehen. Da-
her wird in Kapitel 6 auch auf den weiteren Forschungsbedarf verwiesen.
5
2.1 Insolvenzverfahren
2.1.1 Rechtsgrundlagen
Kennzeichnend für das deutsche Insolvenzrecht ist auch nach seiner Reform
1999 die ausschließlich kriteriengebundene Eröffnung von Insolvenzverfahren.
So ist das Vorliegen einer der folgenden Insolvenztatbestände Voraussetzung
zur Stellung eines Insolvenzantrags. Nach der Neuregelung unterscheidet das
deutsche Insolvenzrecht dabei drei Eröffnungsgründe:
2 Die InsO sieht für natürliche Personen bei redlichem Handeln ein Restschuldbefreiungs-
verfahren vor. Der Antrag muss gesondert neben dem Insolvenzantrag eingereicht wer-
den. Das Restschuldbefreiungsverfahren setzt die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens
voraus. Bevor die Restschuldbefreiung erteilt wird, müssen in einer sechsjährigen Wohl-
verhaltensphase pfändbare Einkommensbestandteile des Schuldners zur Befriedigung
der alten Forderungen eingesetzt werden. Für weiterführende Informationen siehe z.B.:
http://www.bmj.bund.de/media/archive/336.pdf.
7
Die neue Insolvenzordnung brachte im Vergleich zur Rechtslage vor 1999 ne-
ben der Einführung eines weiteren Insolvenztatbestands und der Möglichkeit
der Restschuldbefreiung für natürliche Personen weitere sanierungsfreundli-
che Neuerungen:
3 Für natürliche Personen, die keine selbständige berufliche Tätigkeit ausüben oder aus-
geübt haben (Verbraucher), und für natürliche Personen, die zwar eine selbständige be-
rufliche Tätigkeit ausgeübt haben, deren Vermögensverhältnisse aber überschaubar sind,
sieht § 304 InsO zwingend ein vereinfachtes Verfahren, das sog. Verbraucherinsolvenz-
verfahren, vor.
9
keit. Sie ist gegeben, wenn der Schuldner zum Zeitpunkt der Eröffnung weni-
ger als 20 Gläubiger hat. In das Regelinsolvenzverfahren werden seit der No-
velle 2001 alle Unternehmen bzw. alle zum Zeitpunkt der Antragstellung Selb-
ständigen, unabhängig vom Umfang ihrer Tätigkeit, verwiesen. Da mithin auch
die Mehrheit der Selbständigen ein Regelverfahren durchläuft, wird nur auf
diesen Verfahrenstyp näher eingegangen. Einen Überblick über den Verfah-
rensablauf gibt die Abbildung 1.
4 Die Insolvenzmasse setzt sich aus dem gesamten Vermögen, das dem Insolvenzschuld-
ner zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gehört und das er während des Ver-
fahrens erlangt. Eine Sonderrolle nehmen Vermögensgegenstände ein, die mit Absonde-
rungsrechten einzelner Gläubiger (z.B. Grundschulden, Pfandrechten oder Sicherungs-
übereignungen) behaftet sind. Für sie hat der betreffende Gläubiger ein Anrecht auf ab-
gesonderte Befriedigung aus dem jeweiligen Gegenstand. Hierbei gilt folgendes: Über-
steigt der Veräußerungserlös den Anspruch des Sicherungsnehmers, wird die Differenz
der Insolvenzmasse zugeführt, im umgekehrten Fall kann der verbleibende Forderungs-
betrag als Insolvenzforderung angemeldet werden. Sowohl rechtlich als auch wirtschaft-
lich nicht zur Insolvenzmasse gehören mit einem Aussonderungsrecht behaftete Vermö-
gensgegenstände, da sie sich lediglich im Besitz des Schuldners, nicht jedoch in seinem
Eigentum befinden. Beispiele sind abgetretene Forderungen oder Leasinggüter. Zur Be-
rechnung der Insolvenzmasse siehe u.a.: SEIDL/VOß 2006, S. 39 ff. sowie S. 140 ff.
5 Hierzu zählen die Gerichtskosten, die Ausgaben für die Verwaltung, Verwertung und Ver-
teilung der Masse, also auch die Vergütungen des vorläufigen und endgültigen Insol-
venzverwalters sowie des Gläubigerausschusses.
6 Zum Verhältnis von Insolvenzanträgen und Verfahrenseröffnungen siehe Kapitel 3.1.2.
10
Drohende
Überschuldung Zahlungsunfähigkeit
Zahlungsunfähigkeit
Gläubigerantrag Schuldnerantrag
Insolvenzeröffnungsverfahren
Abweisung
des Antrags Insolvenzverfahren
Prüfungs- und
Berichtstermin
nein Vorgelegter ja
Insolvenzplan
nein ja
Annahme
Insolvenzplan
Übertragende
Liquidation Sanierung
Sanierung
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06 83 023
7 Sofern die Verfahrenskosten gedeckt sind, die sonstigen Masseschulden aber die Insol-
venzmasse übersteigen, sprich man von "Masseunzulänglichkeit". Sie ist vom Insolvenz-
verwalter dem Gericht anzuzeigen und wird durch dieses öffentlich bekannt gegeben. Ei-
ne Befriedigung erfahren in diesem Fall nur die Massegläubiger, und zwar in folgender
gesetzlich fixierter Reihenfolge: Zuerst werden die Massekosten befriedigt, hiernach Mas-
seschulden, welche nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit begründet worden sind,
und schließlich sonstige Masseschulden.
8 Insolvenzgläubiger sind solche Gläubiger eines Schuldners, deren Ansprüche bereits bei
Verfahrenseröffnung bestanden haben sowie im Verfahren angemeldet und bestätigt
wurden.
13
Die Insolvenzordnung sieht für den Regelfall vor, dass insolvente Schuldner
die Verwaltungs- und Vertretungsbefugnis über ihr Vermögen an einen Insol-
venzverwalter verlieren, anders bei der Eigenverwaltung. Hier wird der
Schuldner de facto sein eigener Insolvenzverwalter. Die Eigenverwaltung bie-
tet insolventen Unternehmen eine Reihe von Vorteilen. So können insbeson-
dere Kenntnisse und Erfahrungen der Geschäftsleitung genutzt werden, die
ihre Vertretungs- und Verfügungsbefugnis nicht verliert und aktiv am Insol-
venzverfahren mitwirken kann.11 Eine lange Einarbeitungszeit des Insolvenz-
verwalters kann somit vermieden. Zudem können durch den Verzicht auf einen
Insolvenzverwalter Kostenvorteile erzielt werden (vgl. SPIES 2005, S. 1258 f.;
NOACK 2002, S. 1873 ff., SEIDL/VOß 2006, S. 114). Die im deutschen Insol-
venzrecht grundsätzlich vorgesehene Selbstverwaltungsautonomie der Gläu-
biger erfährt durch die Eigenverwaltung eine erhebliche Beeinträchtigung, da
der Verursacher der Krisensituation seinen Gläubigern weiterhin in einer Rolle
9 Die übertragende Sanierung knüpft an die Möglichkeit der Trennung des Betriebs (perso-
nelle und sachliche Gesamtheit aller Ressourcen und Güter) vom Rechtsträger an. Der
Altrechtsträger verkauft an eine neue Gesellschaft und überträgt alle nötigen Vermö-
gensgegenstände (vgl. WELLENSIEK 2002, S. 233 f.; MÜLLER-FELDHAMMER 2003, S.
2186 ff.). Der Altrechtsträger und die verbliebenen Vermögenswerte werden i.d.R. der Li-
quidation zugeführt.
10 Siehe hierzu ausführlich: Kapitel 2.3.
11 Zur praktischen Relevanz von Eigenverwaltungen siehe Kapitel 3.2.2; zu den ermittelten
diesbezüglichen empirischen Befunden siehe Kapitel 4.4.
14
Die Aufgabe des Sachwalters beschränkt sich im Wesentlichen auf die Wahr-
nehmung von Aufsichtsfunktionen, Anzeigepflichten sowie bestimmte Mitwir-
kungspflichten. Er hat dabei die Geschäftsführung des Schuldners zu prüfen
sowie dessen Ausgaben für die Lebensführung zu überwachen. Zur Erfüllung
dieser Aufgaben stehen ihm - mit Ausnahme der Verfügungsbefugnis - die
Kompetenzen eines vorläufigen Insolvenzverwalters zu. Er ist insofern u.a.
zum Betreten der Geschäftsräume, zur Vornahme von Nachforschungen und
Einsichtnahme in Bücher und Geschäftsunterlagen befugt. Unregelmäßigkei-
ten des Schuldners und eine Gefährdung von Gläubigerinteressen sind seitens
des Sachwalters unverzüglich gegenüber dem Gläubigerausschuss sowie dem
Insolvenzgericht zu berichten, so dass ggf. die Beendigung der Eigenverwal-
tung beantragt werden kann.12 Die Realisierung von Haftungsansprüchen und
die Insolvenzanfechtung obliegen dem Sachwalter allein. Die überwachende
Funktion des Sachwalters und des Insolvenzgerichts begrenzen somit das Ri-
siko für die Gläubiger.
Aufgrund der besonderen Risiken für die Gläubiger sind für eine beabsichtigte
Eigenverwaltung umfassende Vorbereitungen und Vorabstimmungen des
Schuldners mit den wesentlichen Gläubigern ebenso angeraten wie eine per-
sönliche Erörterung mit dem Insolvenzgericht, weil vielfach psychologische
Hürden bei Gläubigern und Gerichten zu überwinden sind (vgl. PAETZMANN
2005, S. 194 f.; GRAF/WUNSCH 2001, S. 1032 ff.).
Sinnvoll kann ein Antrag auf Anordnung der Eigenverwaltung vor allem bei ei-
ner beabsichtigten Sanierung des Unternehmens (vgl. SCHLEGL 1999,
S. 954 ff.) sein. In diesem Falle sollte dem Insolvenzgericht mit dem Insol-
venzantrag und dem Antrag auf Eigenverwaltung zugleich ein vorgefertigter
Insolvenzplan, ein sog. prepackaged plan, vorgelegt werden. Während der
Schuldner auch bei Eigenverwaltung ein eigenständiges Planinitiativrecht be-
sitzt, bedarf der Sachwalter bei Eigenverwaltung der ausdrücklichen Beauftra-
gung durch die Gläubigerversammlung. Im Gegensatz zu einem Insolvenz-
verwalter steht dem Sachwalter somit kein originäres Recht zur Ausarbeitung
eines Insolvenzplans zu.
Ausgangs stellt daher eines ihrer zentralen Merkmale dar (vgl. BRUN-
KE/DERKS 2003, S. 145 f.).
Strategische
Restrukturierung Sanierung
Neuausrichtung
hoch
Strategische
Krise
Handlungsfähigkeit
Ertragskrise
Liquiditätskrise
Insolvenzantrag
3 - 5 Jahre 1 - 2 Jahre
niedrig
gering Handlungsdruck hoch
© IfM Bonn
06 83 063
14 Art und Umfang der unter dem Begriff der Sanierung subsumierten Maßnahmen werden
in Literatur und Praxis unterschiedlich weit gefasst, was schon allein darauf zurückzufüh-
ren ist, dass das relevante Bezugsobjekt - Unternehmenskrisen - selbst nicht eindeutig
definiert ist (vgl. HESSELMANN/STEFAN 1990, S. 40). Die Auslegungen reichen von
sehr engen, rein finanzwirtschaftlichen Ansätzen, welche unter einer Sanierung lediglich
die Neuordnung der finanziellen Verhältnisse eines Unternehmens verstehen, bis zu viel
weiter gefassten Sanierungsbegriffen, die auch jene Maßnahmen zum Inhalt haben, die
der grundlegenden Verbesserung betrieblicher Schwachstellen oder der Beseitigung von
Verlustquellen und damit der generellen Erhöhung der strategischen Wettbewerbsfähig-
keit dienen.
18
15 Beispiele für mögliche Maßnahmen mit Wirkung auf die Eigenkapitalsituation sind u.a.
Kapitalerhöhung, Kapitalherabsetzung oder die Aufnahme neuer Gesellschafter. Im
Fremdkapitalbereich stellen z.B. die Stundung von Verbindlichkeiten, Zinsfreistellungen,
die Aufnahme neuer Kredite, der Abbau von Verbindlichkeiten, Gläubigerverzichte sowie
die Umwandlung von Forderungen in Beteiligungen denkbare Optionen dar.
16 Beispiele für mögliche materielle Sanierungsansätze sind u.a.: Die Einleitung von Koope-
rationen, Änderungen im Produktprogramm, die Erschließung neuer Geschäftsfelder,
Personalreduzierungen, Umstellungen im Fertigungsbereich, die Erschließung neuer Ab-
satzwege oder Änderung der Rechts- und Organisationsstruktur.
19
17 Die Studie basiert auf einer Befragung von 79 Unternehmen, die im Zeitraum von 2000
bis 2002 eine Unternehmensrestrukturierung durchgeführt haben.
20
setzen, auch wenn die ganz überwiegende Mehrheit der Gläubiger einen au-
ßergerichtlichen Vergleich befürwortet. Gläubiger, die einem außergerichtli-
chen Sanierungsvorschlag nicht zustimmen, handeln dabei nicht rechtsmiss-
bräuchlich, sie machen lediglich ihre Ansprüche gegen das Schuldnerunter-
nehmen in vollem Umfang geltend.
Sanierung durch Insolvenz ist aber ein neues Thema in Deutschland. Sollten
in der Vergangenheit Unternehmen saniert werden, galt der Grundsatz "Sanie-
rung statt Insolvenz". Generell sind hierbei in Deutschland weiterhin erhebliche
Defizite hinsichtlich des "Insolvenzklimas", also dem gesellschaftlichen Um-
gang mit dem Thema Insolvenz, festzustellen. So werden Insolvenzen hierzu-
lande üblicherweise pauschal als Beleg einer unzureichenden unternehmeri-
schen Befähigung angesehen. Gläubiger stehen vorgebrachten Sanierungs-
überlegungen daher im Regelfall eher ablehnend gegenüber. Dies hat zur
Konsequenz, dass Insolvenzverfahren von Krisenunternehmen bzw. ihren Ge-
schäftsführungen primär als Bedrohung wahrgenommen werden und mithin
die Hemmschwelle zur Stellung eines Insolvenzantrags hoch liegt. Insolvenz-
rechtliche Sanierungserleichterungen, die dem Unternehmen möglicherweise
entscheidende Handlungsoptionen bieten, werden hingegen vielfach kaum
beachtet oder nur unzureichend gewürdigt (vgl. RATTUNDE 2003b,
S. 2103 f.). Die Neuregelung der Insolvenzordnung sollte dieser Situation ent-
gegenwirken, indem - wie bereits ausgeführt - die Fortführung von Unterneh-
men stärker in den Vordergrund der Insolvenzabwicklung und damit auch des
öffentlichen Bewusstseins gerückt wurde.
Die Möglichkeiten, die ein wertfreierer Umgang mit Insolvenzen bietet, zeigt
vor allem der Vergleich mit den USA: Bei jedem vierten insolventen Unter-
nehmen wurden dort im Jahr 2003 die jeweiligen Geschäftsführungen mit der
Ausarbeitung und anschließenden Umsetzung eines Reorganisationsplans
beauftragt (vgl. ADMINISTRATIVE OFFICE OF THE U.S.COURTS, verschie-
dene Jahrgänge). Grundlage waren die Bestimmungen von Chapter 11 der
US-amerikanischen Insolvenzordnung.22 Diese Zahlen belegen einen grund-
22 Chapter 11 U.S.-Bankruptcy Code ist in Deutschland vor allem durch die Anwendung der
entsprechenden Regelungen von US-Fluggesellschaften bekannt geworden.
25
legend anderen Umgang mit Insolvenzen. Obgleich genaue Daten über die
Erfolgsquote der angestrengten Reorganisationsverfahren nicht vorliegen, las-
sen die genannten Zahlen den Schluss zu, dass in den USA Insolvenzverfah-
ren weitaus seltener zu einer Beendigung der unternehmerischen Existenz
führen als in Deutschland und Reorganisationschancen eher genutzt werden -
mit positiven Effekten für die Betroffenen und die gesamte Volkswirtschaft.
2.3.1 Konzeption
mens als Ganzem oder in Teilen als auch aus laufenden Überschüssen erfol-
gen. Die grundsätzlichen Verwertungsalternativen des Insolvenzplans gibt die
folgende Abbildung wieder.
Vermögensverwertung und
-verteilung gem. Insolvenzplan
Gläubigerbefriedigung Gläubigerbefriedigung
aus Verkaufserlös aus lfd. Überschüssen
© IfM Bonn
06 83 020
Hinsichtlich der Bereitschaft der Gläubiger, sich auf ein Planverfahren einzu-
lassen, ist im Allgemeinen davon auszugehen, dass diese umso höher liegen
wird, je umfangreicher die ungesicherten Kredite sind, je weniger die Sicher-
heiten wert sind und je geringer das Anlagevermögen ist. Gerade in diesen
Fällen bietet das Insolvenzplanverfahren den Gläubigern die Aussicht auf eine
im Vergleich zur Liquidation höhere Befriedigung ihrer Forderungen. Zuge-
ständnisse absonderungsberechtigter Gläubiger sind vor allem dann zu erwar-
ten, wenn deren Sicherheiten nur bei Unternehmensfortführung eine volle Be-
friedigung versprechen.
2.3.2 Verfahrensablauf
kann der Schuldner bereits mit dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfah-
rens einen vorgefertigten Insolvenzplan, man spricht in diesem Fall von einem
"prepackaged plan", dem Insolvenzgericht vorlegen. Fristen für eine Vorlage
von Insolvenzplänen nach erfolgtem Insolvenzantrag bestehen nicht. Darüber
hinaus kann die Gläubigerversammlung, die üblicherweise in einer Zeitspanne
von 15 bis 24 Wochen nach Antragstellung einberufen wird, den Insolvenz-
verwalter zur Anfertigung und Vorlage eines Insolvenzplans verpflichten. Ein-
zelne Gläubiger oder Gläubigergruppen haben dagegen kein eigenes Initiativ-
recht. Einen Überblick über den Ablauf des Insolvenzplanverfahrens gibt Ab-
bildung 4.
Das Insolvenzgericht ist, nachdem ihm der Insolvenzplan vorgelegt wurde, von
Amts wegen mit einer formell-verfahrensrechtlichen Vorprüfung beauftragt.
Diese Vorprüfung soll den Gläubigern die Beschäftigung mit einem gesetzwid-
rigen oder aussichtslosen Insolvenzplan ersparen. Gegenstand des gerichtli-
chen Vorprüfungsverfahrens ist neben der Frage der Vorlageberechtigung ins-
besondere die Einhaltung der Vorschriften zum Planinhalt und zur Gruppenbil-
dung unter den Gläubigern. Die konkrete Ausgestaltung und der Umfang der
Prüfungsaktivitäten unterliegen dem pflichtgemäßen Ermessen des Insolvenz-
gerichts. Eine genaue inhaltliche Überprüfung der betriebswirtschaftlichen Re-
gelungen dürfte allerdings, gerade bei komplexen Sachverhalten, nur selten
erfolgen, da die Insolvenzgerichte vielfach nicht über das erforderliche be-
triebswirtschaftliche Spezialwissen verfügen. Die Zurückweisung des Plans hat
in Beschlussform zu ergehen.26 Dem Vorlegenden steht gegen diese Ent-
scheidung das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde zu. Ist die Vorprüfung
positiv, so hat das Insolvenzgericht den Insolvenzplan innerhalb einer kurzen
Frist den Beteiligten zur Stellungnahme zuzuleiten und nach Ablauf der Ant-
wortfrist den Insolvenzplan zur Einsichtnahme in der Geschäftsstelle auszule-
gen. Mit der Frist zur Stellungnahme wird zugleich der so genannte Erörte-
rungs- und Abstimmungstermin - eine besondere Gläubigerversammlung - an-
beraumt und öffentlich bekannt gegeben.
26 Besonders die Vorprüfung des Insolvenzplans stellt das Gericht vor nicht zu unterschät-
zende Anforderungen und birgt erhebliche Haftungsrisiken. Dies gilt insbesondere bei
Nichtannahme des Plans, da hierdurch bedingte Verzögerungen zu Beeinträchtigungen
der Sanierungschancen führen können.
29
Schuldner Insolvenzverwalter
Gerichtliche Vorprüfung
(nach Eröffnung Insolvenzverfahren)
positiv negativ
Zurückweisung
positiv negativ
keine Bestätigung
Gerichtliche Bestätigung
des Insolvenzplans
Aufhebung des
Insolvenzverfahrens
ggf. Planüberwachung
© IfM Bonn
06 83 036
Sobald der Insolvenzplan rechtskräftig ist und die Schlussrechnung des Insol-
venzverwalters vorliegt, hat das Insolvenzgericht die Aufhebung des Insol-
venzverfahrens anzuordnen. Hiermit erlöschen die Ämter des Insolvenzverwal-
ters und der Mitglieder des Gläubigerausschusses. Der Schuldner erhält das
Recht zurück, über das Unternehmensvermögen frei zu verfügen. Da die Erfül-
lung der im Plan geregelten Ansprüche durch den wieder verfügungsberechtig-
30 Eine solche Restschuldbefreiung ist für den Schuldner vorteilhaft, da die sechsjährige
"Wohlverhaltensperiode" entfallen kann. Allein diese Bestimmung könnte eine starke
Triebfeder für eine Planvorlage durch den Schuldner sein.
32
ten Schuldner erfolgt, ist zur Absicherung der ordnungsgemäßen Erfüllung ei-
ne so genannte Wiederauflebungsklausel gesetzlich verankert: Hiernach fallen
Stundung und Erlass von Forderungen bei Nicht-Erfüllung der Bestimmungen
des Insolvenzplans weg und die ursprüngliche Forderung lebt wieder auf. 31
Stundung oder Erlass der Forderungen werden dann für den betreffenden
Gläubiger hinfällig. Für die übrigen Gläubiger behält der Insolvenzplan indes-
sen weiterhin seine Gültigkeit. Das durch den Insolvenzplan geregelte Rechts-
verhältnis zu allen Gläubigern wird zudem bei Eröffnung eines neuen Insol-
venzverfahrens über das Vermögen des Schuldners während des Zeitraums
der Planerfüllung hinfällig. Stundungen und Erlasse aller Gläubiger fallen
weg.32 Das vorherige Insolvenzverfahren lebt indessen nicht erneut auf und
die sonstigen Wirkungen des Plans bleiben unberührt.
31 Voraussetzung ist, dass der Schuldner seinen Verpflichtungen trotz schriftlicher Mahnung
und Setzung einer mindestens zweiwöchigen Nachfrist zur Zahlung nicht nachkommt.
Abweichende Bestimmungen im Insolvenzplan sind möglich.
32 Die Regelung ist konsequent, weil die im Insolvenzplan getroffenen Vereinbarungen auf
Grund der erneuten Verfahrungseröffnung nicht mehr eingehalten werden können. Den
beteiligten Gläubigern wird allerdings die Möglichkeit eröffnet, ihre Forderungen auch im
neuen Insolvenzverfahren mit dem vollen Betrag anzumelden.
33 Er ist u.a. befugt, die Geschäftsräume des Schuldnerunternehmens bzw. der Übernah-
megesellschaft zu betreten, Einsicht in Bücher und Geschäftspapiere zu nehmen sowie
Auskünfte von den gesetzlichen Vertretern und Angestellten zu verlangen.
33
x Planinhalte
Der darstellende Teil soll die Gläubiger umfassend über Grundlagen, Gegen-
stand und Auswirkungen des Insolvenzplans informieren und ihnen so eine
sachgerechte Bewertung der geplanten Rechtsänderungen und ggf. Sanie-
rungsvorhaben im ökonomischen Gesamtzusammenhang ermöglichen. Kern-
stück dieses Teils ist die Darstellung der Maßnahmen des Sanierungs- oder
Liquidationskonzepts im ertragswirtschaftlichen und strategischen Bereich.
Aufzuführen sind alle Sanierungsmaßnahmen, die nach der Eröffnung des In-
solvenzverfahrens getroffen wurden oder noch getroffen werden sollen, z.B.:
Der gestaltende Teil erläutert hingegen die vorgesehenen Eingriffe des Insol-
venzplans in die Gläubigerrechte sowie die Einteilung der Gläubiger in Grup-
pen. Er legt fest, inwiefern die Rechtsstellung der Gläubiger durch den Insol-
venzplan geändert wird. Inhalte sind:
34 Für Beispiele von Musterplänen siehe z.B.: SMID/RATTUNDE 2005, S. 349 ff.
35 Ausführlich zu den Anlagen: WESTRICK 1998.
34
In der Ausgestaltung der Bestimmungen sind die Beteiligten nahezu völlig frei.
Unzulässig sind allerdings Regelungen, welche nicht die Haftungsverwirkli-
chung betreffen oder in die Rechtsstellung Nichtbeteiligter - also Aussonde-
rungsberechtigter, Massegläubiger sowie sonstige Dritter - eingreifen würden.
Diese können gleichwohl freiwillig einen Sanierungsbeitrag leisten, der jedoch
nicht durch den Plan erzwungen werden kann, sondern außerhalb des Plan-
verfahrens privatautonom vereinbart werden muss. Auch darf der Insolvenz-
plan nicht in die Rechtsstellung der Gesellschafter ohne deren Zustimmung
eingreifen.
x Gruppenbildung
x Obstruktionsverbot
37 Dies ist vor allem bei der sehr beliebten sog. Kleingläubigerklausel zu berücksichtigen.
Sie sieht vor, dass Insolvenzgläubiger, deren Forderungen einen bestimmten Betrag
nicht übersteigen, voll befriedigt werden. Liegt eine solche Klausel vor, greift das Ob-
struktionsverbot nicht, sofern eine andere Gruppe nicht nachrangiger Insolvenzgläubiger,
die keine volle Befriedigung erhält, dem Plan nicht zustimmt. Siehe hierzu: Kapitel 3.3.3.
36
x Minderheitenschutz
x Schuldnerschutz
Das Interesse der Wirtschafts- und Förderpolitik ist stark auf Unternehmens-
gründungen und "gesunde", wachsende Unternehmen fokussiert. Sanierungs-
hilfen werden nur im Ausnahmefall erwogen. Es fehlt allgemein das Interesse,
Sanierungslösungen mit ungewissem Ausgang bei kleinen Unternehmen fi-
nanziell zu unterstützen. Der Handlungsspielraum öffentlicher Stellen, der
Kammern, Verbände und gemeinnützigen Einrichtungen bei der Ausgestaltung
von Unterstützungsangeboten wird zudem durch das Rechtsberatungsgesetz,
die Gefahr haftungs- und strafrechtlicher Konsequenzen für die unterstützen-
den Institutionen/Berater sowie durch EU-Bestimmungen zu Rettungs- und
Umstrukturierungsbeihilfen beschnitten. Fördermaßnahmen, die in der exis-
tenzbedrohenden Krise - speziell in der Insolvenz - eine umfassende und kon-
tinuierliche Betreuung gewährleisten, unterblieben daher vielfach.38
nehmenssanierung ist bei den Verantwortlichen in der Politik bisher kaum als
Ansatz für Unterstützungsmaßnahmen konkretisiert worden. Beratungshilfen
für insolvente Unternehmen werden zudem nur im Ausnahmefall aktiv angebo-
ten. Die allgemeinen (freiberuflichen) betriebswirtschaftlichen Beratungspro-
gramme von Bund und Ländern dienen demnach vornehmlich der Vermeidung
von Krisen oder der Behebung einfacher Krisenzustände. Eine Nutzung dieser
Programme, z.B. für die Inanspruchnahme von Beratungsleistungen bei der
Insolvenzplanerstellung, ist zumeist aber grundsätzlich möglich.
In der ersten Phase der Förderung wird die Erstellung eines Insolvenzplans
mittels einer anteiligen Kostenübernahme durch nicht rückzahlbare Zuwen-
dungen unterstützt, wodurch u.a. der Einbezug eines spezialisierten Beraters
ermöglicht werden soll. Voraussetzung der Inanspruchnahme ist die erfolgrei-
che Absolvierung eines Vorabchecks zur Bewertung der Planfähigkeit. Die
hiermit verbundenen Prüfungen42 nehmen Berater oder Fachanwälte vor, die
bei den zuständigen Wirtschaftskammern, der RKW Sachsen GmbH oder der
SAB gelistet oder allgemein als Fachanwälte für Insolvenzrecht tätig sind. Ist
die grundsätzliche Sanierungsfähigkeit geprüft, kann von der SAB ein insol-
venzerfahrener Berater empfohlen werden, der dann die Planerstellung über-
nimmt. Unterstützt wird dies durch einen Zuschuss zu den Kosten der Planer-
arbeitung bis zu 50 %.
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06 83 032
43 Das Darlehen hat ein Mindestvolumen von 20.000 € aufzuweisen und wird für sechs Mo-
nate zu marktüblichen Zinsen gewährt. Voraussetzung der Darlehensgewährung ist ein
Antrag des Insolvenzverwalters.
44 Vorgesehen ist ein einmaliges Darlehen bis aktuell maximal 100.000 € mit einer Laufzeit
von bis zu vier Jahren, wobei das erste Jahr tilgungsfrei gestellt werden kann. Zinssatz
und Besicherung entsprechen den marktüblichen Bedingungen. Die Bereitstellung erfolgt
in Kofinanzierung mit der jeweiligen Hausbank.
41
3. Insolvenzgeschehen in Deutschland
3.1.1 Insolvenzanträge
45 Für jeden Fall werden die Informationen des entsprechenden Meldebogens von den In-
solvenzgerichten über die Landesämter für Statistik an das Statistische Bundesamt
übermittelt.
42
Insolvenzstatistik wurde erst im Jahr 2000, also erst ein Jahr nach der Insol-
venzrechtsreform, an die neue Rechtslage angepasst.46 Bis zum Jahr 1998
liegen Angaben gemäß der alten Erfassungsmethode vor, für das Jahr 1999
haben nur einzelne Bundesländer bereits nach den neuen Erfassungsbogen
Daten erhoben. Für 1999 treten mithin Erfassungslücken bei einzelnen Merk-
malen auf. Ferner muss bei der Interpretation der amtlichen Insolvenzzahlen
beachtet werden, dass die Einführung der neuen Insolvenzordnung 1998/1999
bzw. ihre Novellierung 2001/2002 nicht nur zu einem Bruch in den Erfas-
sungskategorien, sondern auch zu einem veränderten Antragsverhalten führte.
Ein neuerlicher Anstieg setzte im Jahr 2000 ein, der seinen Höhepunkt
2003/2004 mit rund 39.000 Unternehmensinsolvenzen hatte. Im Unterschied
zur vorherigen Phase erklärt sich diese Entwicklung vornehmlich durch rechts-
technisch bedingte Änderungen. Zu nennen sind hier insbesondere:
x Verbesserungen der Chancen auf Verfahrenseröffnung durch gesetzliche
Maßnahmen zur Masseanreicherung (1999),
x Anreize für natürliche Personen zur Insolvenzbeantragung durch die Erhö-
hung der Chancen auf eine Verfahrenseröffnung bei gleichzeitiger Mög-
lichkeit eines Restschuldbefreiungsverfahrens (1999),
x Insolvenzfähigkeit der Gesellschaften bürgerlichen Rechts (GbR) im Alt-
bundesgebiet (1999),
x Anreize für natürliche Personen zur Antragstellung durch die Ermöglichung
der Stundung der Verfahrenskosten (2001) sowie
40.000
30.000
39.320
39.213
37.579
36.843
32.278
20.000
31.300
28.235
27.828
27.474
26.476
25.530
22.344
18.837
15.148
10.000
10.920
8.837
8.730
0
90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 00 01 02 03 04 05 06
Effekte der Veränderungen des Insolvenzrechts zeigen sich vor allem bei den
Antragszahlen nach Rechtsformen. Starke Steigerungen im Zeitraum von
1999 bis 2005 verzeichneten speziell die Antragszahlen für Aktiengesellschaf-
ten, Einzelunternehmen und GbR (Tabelle 1). Der deutliche Anstieg bei den
Aktiengesellschaften dürfte allerdings im Wesentlichen auf den Bedeutungs-
zuwachs dieser Rechtsform im Zuge des Börsenbooms zurückzuführen sein.
Die Entwicklung bei Einzelunternehmen und der GbR ist hingegen primär re-
formbedingt. Während Gesellschaften bürgerlichen Rechts im Altbundesgebiet
vor 1999 nicht insolvenzfähig waren, profitierten Einzelunternehmer von den
verbesserten Antragsbedingungen für natürliche Personen. Als Konsequenz
der Insolvenzrechtsreform hat sich die Rechtsformstruktur der insolventen Un-
ternehmen 2005 im Vergleich zu 1999 stark verschoben (Abbildung 7).
44
1999 2005
31,1% 44,6%
45,5%
59,7% 4,7%
1,5%
1,9% 4,4%
Knapp zwei Drittel aller Insolvenzanträge seit 2000 wurden durch Zahlungsun-
fähigkeit ausgelöst (Tabelle 2). Überschuldungen sind als alleiniger Insolvenz-
tatbestand praktisch bedeutungslos, da im Falle einer Überschuldung zumeist
gleichzeitig auch eine Zahlungsunfähigkeit vorliegt. Der Gesetzgeber hatte mit
der Einführung des Antragsgrundes der drohenden Zahlungsunfähigkeit einen
Beitrag zur frühzeitigeren Antragstellung leisten wollen. Doch während im ers-
ten Jahr rd. 2.600 Fälle wegen drohender Zahlungsunfähigkeit angemeldet
wurden, stagniert dieser Antragsgrund zahlenmäßig seit 2001 bei 200 bis 300
Fällen pro Jahr. Nach einer optimistischen Versuchsphase haben die Gerichte
offensichtlich die Bedingungen für das Vorliegen dieses Eröffnungsgrunds
konkretisiert und verschärft, was zu einer geringen Nutzung dieses Antrags-
grundes führte. Eine frühzeitige Insolvenzbeantragung wurde somit im Zeit-
raum von 2000 bis 2005 nicht erreicht. Der Anteil des Antragsgrundes der dro-
henden Zahlungsunfähigkeit liegt bei rd. 2 % aller Insolvenzen.
30.000
25.000
20.000
28.607
28.579
27.352
27.164
15.000
18.984
15.784
10.000
10.741
10.606
10.227
9.679
9.499
9.470
5.000
0
2000 2001 2002 2003 2004 2005
Gläubigerantrag Schuldnerantrag
© IfM Bonn
06 83 038
Wie schon in den 90er Jahren stammt auch im Zeitraum von 1999 bis 2005 mit
rund 25 % der größte Anteil aller Insolvenzanträge aus dem Baugewerbe, was
die hohen strukturellen Probleme dieses Wirtschaftsbereichs verdeutlicht.
Hiernach folgen unternehmensnahe Dienstleistungen und der Handel, die bei-
de jeweils rund 20 % auf sich vereinigen (Tabelle 3). Jeder zehnte Antrag be-
traf schließlich ein Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes. Im Bauge-
werbe und im Verarbeitenden Gewerbe sanken die Antragszahlen seit 2003
bzw. 2004, was als Anzeichen einer leichten Konsolidierung dieser Wirt-
schaftsbereiche gewertet werden kann. Das Gesamtbild der nach Wirtschafts-
bereichen aufbereiteten Daten unterstreicht, dass die im Betrachtungszeitraum
deutlich angestiegenen Insolvenzzahlen nicht gänzlich durch rechtstechnische
Effekte erklärbar sind, sondern ergänzend strukturelle Veränderungen in der
deutschen Wirtschaft, wie etwa die anhaltenden Krisen im Baugewerbe, das
Ende des Internetbooms oder die Konsumschwäche im Handel, als Ursachen
zu berücksichtigen sind.
47
3.1.2 Verfahrenseröffnungen
seit 1999 von 36 % auf 63 % im Jahr 2005 (Abbildung 9). Vor der Insolvenz-
rechtsreform lag die Quote unter 25 %.
40.000 63,1
58,6 60,9
57,2
45,4
30.000 41,3
36,1
39.320
39.213
37.579
36.843
32.278
20.000
28.235
26.476
23.897
23.247
23.060
21.513
14.646
10.000
11.673
9.564
0
1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005
© IfM Bonn
06 83 039
bei GmbHs und GmbH & Co. KGs die Steigerungsraten unter dem Gesamt-
durchschnitt von 143 % lagen (Tabelle 4).
in %
Einzelunternehmen/ 23,8
Freie Berufe/ Kleingewerbe 77,4
61,2
GmbH & Co. KG
64,9
30,1
GbR
43,5
40,1
GmbH
50,0
62,8
Aktiengesellschaften/KGaA
62,2
27,3
Sonstige Rechtsformen
40,2
1999 2005
© IfM Bonn
06 83 025
in %
36,5
0 Beschäftigte 58,7
36,7
1 Beschäftigter 56,1
50,6
2 - 5 Beschäftigte 69,2
66,8
6 - 10 Beschäftigte 80,5
83,9
11 - 100 Beschäftigte 91,5
98,5
Mehr als 100 Beschäftigte 100,0
35,4
Ohne Angaben zu Mitarbeitern 51,7
Die Zahl der eröffneten Verfahren erhöhte sich tendenziell in allen Wirtschafts-
zweigen. Die Branchenstrukturen der Anträge und Verfahren unterscheiden
sich somit - auf den gesamten Untersuchungszeitraum bezogen - kaum (Ta-
belle 5).
Verfahrenseröffnungen Insgesamt
Wirtschaftszweig Vertikal-
1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 abs. struktur
in %
Land-, Forst-,
Fischwirtschaft 208 208 234 349 449 454 437 2.339 1,8
Verarbeitendes
Gewerbe 1.668 1.909 2.276 3.021 3.251 2.812 2.529 17.466 13,7
Baugewerbe 2.822 3.364 3.957 5.058 4.914 5.242 4.897 30.254 23,7
Handel 2.038 2.305 2.845 4.517 4.830 4.899 4.955 26.389 20,7
Gastgewerbe 291 431 634 1.525 1.836 2.106 2.099 8.922 7,0
Verkehr/
Nachrichten 437 676 933 1.465 1.673 1.680 1.721 8.585 6,7
Kreditgewer-
be/Versicherung 40 67 70 225 249 269 363 1.283 1,0
Unternehmens-
nahe Dienstl. 1.605 2.045 2.915 3.970 4.217 4.513 4.300 23.565 18,5
Gesundheits-
wesen 150 215 271 369 440 499 559 2.503 2,0
Sonstige
Dienstleistungen 246 371 422 886 1.030 1.196 1.171 5.322 4,2
Insgesamt 9.564 11.673 14.646 21.513 23.060 23.897 23.247 127.600 100,0
© IfM Bonn
48 Vollständige Angaben für Beschäftigtenzahlen liegen erstmals für das Jahr 2001 vor.
52
in %
40,3
Land-, Forst-, Fischwirtschaft 69,5
53,1
Verarbeitendes Gewerbe 72,1
36,3
Baugewerbe 62,5
36,0
Handel 65,6
17,4
Gastgewerbe 66,1
33,6
Verkehr/Nachrichten 68,0
21,6
Kreditgewerbe/Versicherungen 68,6
Unternehmensnahe 33,5
Dienstleistungen 52,0
49,2
Gesundheitswesen 80,4
24,9
Sonstige Dienstleistungen 63,9
Die Verfahrenseröffnung stellt allerdings nur eine formale Bedingung für eine
Sanierung im Insolvenzverfahren dar. Aus den erhöhten Eröffnungsquoten
kann - insbesondere da der Zusammenhang zur Masse bei natürlichen Perso-
nen aufgehoben ist - weder auf eine verbesserte Gläubigerbefriedigung noch
auf erhöhte Sanierungschancen geschlossen werden.
49 Für Selbständige, die durch redliches Verhalten und nach einer 6-jährigen Forderungstil-
gung eine Restschuldbefreiung erreichen, bestehen nach Verfahrensende verbesserte
Chancen, erneut unternehmerisch tätig zu werden. Ausführlich zum Thema Restart vgl.
METZGER (2006); KAY et al. (2004).
54
3.2.1 Insolvenzpläne
Quelle: SCHULTZE & BRAUN (2006) (Basis: Gerichtsangaben); Zusammenstellung des IfM
Bonn
Nach den Angaben der Kanzlei Schultze & Braun wurden von 1999 bis 2005
insgesamt 965 Insolvenzpläne bei Insolvenzgerichten eingereicht, von denen
767 eine positive gerichtliche Vorprüfung erfuhren. Legt man die im Untersu-
51 Zahlen von Creditreform liegen nur für die Jahre 1999 bis 2002 vor. Sie stimmen mit den
Angaben von SCHULTZE & BRAUN überein und werden daher nicht gesondert darge-
stellt. Veröffentlicht in: KFW et al. 2004, S. 50.
52 SCHULTZE & BRAUN 2006.
53 Sie werden im Folgenden als "geprüfte Insolvenzpläne" bezeichnet.
56
Die Zuordnung der von der Kanzlei Schultze & Braun ermittelten Insolvenz-
planverfahren auf die Bundesländer zeigt einige regionale Schwerpunkte in
der Verbreitung dieses Sanierungsinstruments (Tabelle 7). Auf den vorderen
Plätzen der Anwendungszahlen liegen zwar die großen Flächenländer, an
vierter Stelle folgt jedoch das vergleichsweise kleine Land Sachsen. Die
durchschnittliche Anzahl der Insolvenzplanverfahren pro Gericht nimmt daher
in Sachsen - wie auch in den meisten anderen ostdeutschen Ländern - beson-
ders hohe Werte an. Ausschlaggebend dürfte - laut Expertenmeinung - sein,
dass die Bereitschaft von Politik, Förderinstitutionen, Richtern und Insolvenz-
verwaltern, Sanierungsbemühungen positiv zu begleiten, aufgrund der gerin-
57
Die Analyse nach Rechtsformen auf Basis der Veröffentlichungen von ZInsO
zeigt, dass knapp die Hälfte dieser Verfahren (47 %) auf privat haftende Ein-
zelunternehmer, Freiberufler und Kleingewerbetreibende entfällt (Tabelle 8).
* Teilweise waren nur die Namen natürlicher Personen benannt. Bei ihnen handelt es sich -
nach eigenen Recherchen - mehrheitlich um Freiberufler und Einzelunternehmer. Nicht
auffindbare Personen wurden daher zu den Einzelunternehmen gerechnet. Ihr Gesamtan-
teil beläuft sich auf 11 %.
Quelle: Eigene Berechnungen des IfM Bonn (nach Angaben von ZInsO und Statistischem
Bundesamt).
Interessant ist zudem der Vergleich der Anteile nach Rechtsformen mit denen
für Insolvenzanträge und Verfahrenseröffnungen. So ist auffällig, dass Gesell-
schaften mit beschränkter Haftung nur vergleichsweise selten in ein Insol-
55 Teilweise fehlende Angaben bei diesen Fällen wurden für die nachfolgenden Analysen -
soweit wie möglich - nachträglich recherchiert.
59
Für 220 der ZInsO-Fälle waren die Insolvenzverwalter bekannt. Hierbei han-
delt es sich um insgesamt 117 Personen, wovon einige der gleichen Sozietät
angehören. Nach den vorliegenden Daten hatten nur neun Verwalter jeweils
zwischen drei und fünf Insolvenzplanverfahren geleitet. Für 26 Verwalter wur-
den jeweils zwei Verfahren gemeldet, für 82 Verwalter jeweils eines. Auch
wenn die verwendeten Fallzahlen nur auf einem Ausschnitt des Insolvenz-
plangeschehens basieren und mithin die tatsächlichen Fallzahlen pro Insol-
venzverwalter im Einzelfall höher liegen können, wird doch deutlich, dass auch
der Erfahrungsschatz der meisten Insolvenzverwalter als sehr begrenzt einge-
schätzt werden muss. Hochgerechnet auf die Gesamtzahl der Planverfahren
und die 1.200 deutschlandweit tätigen Verwalter kann davon ausgegangen
werden, dass gerade ein bis zwei Zehntel der Verwalter zumindest ein Insol-
venzplanverfahren geführt haben. Zwischen 80 und 90 % der Insolvenzverwal-
ter, die in einem Verfahren über eine Fortführung entscheiden sollen, haben
das neue Sanierungsinstrument noch nie benutzt. Mithin bestand kaum Gele-
genheit, sich mit den Verfahrensvorteilen vertraut zu machen und etwaige
Vorbehalte an praktischen Erfahrungen zu relativieren. Angesichts der gerin-
gen Fallzahlen wird klar, dass sowohl bei Insolvenzgerichten wie auch den Bü-
ros der Insolvenzverwalter Weiterbildungsbedarf bei den Mitarbeitern bestehen
dürfte.
3.2.2 Eigenverwaltungen
Das IfM Bonn hat - wie eingangs erwähnt - durch das Statistische Bundesamt
(StBA) eine Sonderauswertung der amtlichen Insolvenzstatistik im Hinblick auf
Zwar kann von den Genehmigungen nicht unmittelbar auf Antragszahlen ge-
schlossen werden, dennoch deutet die Entwicklung in den vergangenen Jah-
ren darauf hin, dass die anfänglich positive Resonanz zum Reformstart durch
hohe Ablehnungsquoten und weitere Unsicherheiten bei der Nutzung des In-
struments gedämpft wurde. Anhaltend geringe Genehmigungszahlen lassen
vermuten, dass die Antragsteller ihre Chancen auf Genehmigung einer Eigen-
verwaltung heute tendenziell eher verhalten einschätzen. Eigenverwaltungen
haben demnach in der gerichtlichen Praxis bislang noch keine besondere Be-
deutung erlangt. Ein Grund dürfte der Umstand sein, dass es bislang kaum
erfolgreich abgeschlossene große "überregionale" Eigenverwaltungsverfahren
gegeben hat, die auch der Öffentlichkeit die Vorzüge der Eigenverwaltung hät-
ten deutlich machen können. Neben Informationsdefiziten auf Seiten der Un-
ternehmen über die Vorteile und Chancen dieses Verfahrens sind zudem Vor-
behalte von Insolvenzgerichten, Insolvenzverwaltern und Gläubigern gegen-
über diesem neuen Rechtsinstitut ein wichtiger Grund für die geringe Verbrei-
tung.
58 Da im Jahr 1999 für 156 Meldungen Angaben zur Beschäftigtenzahl fehlen, werden hier
nur die Jahre ab 2000 betrachtet.
63
Etwas mehr als ein Fünftel der Eigenverwaltungsfälle zwischen den Jahren
2000 und 2005 betrifft Neugründungen, also Unternehmen im Alter bis zu drei
Jahren (Tabelle 13).59 Der größte Anteil der Eigenverwaltung entfällt auf ältere
Unternehmen, für die im Unterschied zu jüngeren Unternehmen im Trend eine
steigende Relevanz von Eigenverwaltungen festgestellt werden kann. Weiter-
gehende Analysen zeigen entgegen ersten Vermutungen, dass ein Zusam-
menhang zwischen Unternehmensalter und Eigenverwaltung nicht vorliegt.
Kommt es zu einer Verfahrenseröffnung, liegen unabhängig vom Unterneh-
mensalter vergleichbare Nutzungsquoten bei Eigenverwaltungen vor. Als Er-
klärung für diesen Befund kann folgendes Argument herangezogen werden.
Für eine Eigenverwaltung werden von der Geschäftsführung umfangreiche
Kenntnisse im Insolvenzrecht benötigt. Diese sind auch bei altgedienten Ge-
Die meisten Eigenverwaltungsfälle der Jahre 2000 bis 2005 betreffen schließ-
lich Verfahren mit Forderungen in Höhe von 50.000 € bis 1 Mio. €, also eher
den mittleren Bereich der in Tabelle 14 verwendeten Klassifikation.60 Fälle mit
größeren Forderungssummen werden zwar tendenziell eher eröffnet, sie erhal-
ten aber nur selten die Chance einer Eigenverwaltung. Hier wird offensichtlich
von Seiten der Gläubiger oder des Insolvenzgerichts ein stärkeres Missmana-
gement der alten Unternehmensleitung vermutet.
Die Erhebung der Daten erfolgte im Zeitraum September bis November 2005
mittels eines weitgehend standardisierten Fragebogens, der im Anhang aufge-
führt ist. Er wurde auf Basis der vorliegenden Literatur sowie einer Reihe von
Vorgesprächen mit Praktikern entwickelt. Aufgrund von Irrläufern reduzierte
sich die Anzahl tatsächlich erreichter Unternehmen auf 816. Die vergleichs-
weise hohe Zahl von Irrläufern dürfte neben Mängeln der Adressqualität auf
Geschäftsauflösungen oder Betriebsverlagerungen nach der Insolvenz zu-
rückzuführen sein. Von den verbleibenden Unternehmen beteiligten sich ins-
Die vorliegende Studie war aufgrund der Datenlage von vorneherein als explo-
rative Untersuchung angelegt, die erste grundlegende Informationen zu Insol-
venzplanverfahren liefern sollte. Bedauerlich ist dennoch, dass die Anwendung
statistischer Auswertungsmethoden aufgrund der geringen Befragungsgrund-
gesamtheit erheblichen Einschränkungen unterworfen war. Erkennbare Zu-
sammenhänge konnten daher nicht auf ihre statistische Signifikanz hin über-
prüft werden. Die Ergebnisse werden im Folgenden trotz dieser Beschränkung
aufgeführt, da sie nach Ansicht der Autoren wichtige Detailinformationen zu
Insolvenzplanverfahren liefern. Sie sind gleichwohl mit der gebotenen Vorsicht
zu interpretieren und stellen in erster Linie Trendaussagen dar, die der Über-
prüfung in weiteren Studien bedürfen. Sie geben jedoch für Nachfolgestudien
wichtige Informationen zur Hypothesengenerierung.
4.2.1 Unternehmenscharakteristika
in %
n = 41 © IfM Bonn
05 83 046
planverfahren eignen sich diesen Befunden zufolge durchaus auch für kleinere
Unternehmen, was vielfach bestritten wurde.64
4,0%
30,0%
42,0%
8,0%
4,0%
12,0%
4.2.2 Insolvenzhintergrund
in %
Fehlinvestitionen 16,3
Sonstiges 20,4
n = 49 © IfM Bonn
05 83 010
Die Insolvenzordnung lässt - wie bereits dargestellt - mehrere Wege zur Einlei-
tung eines Insolvenzplanverfahrens bzw. zur Aufstellung eines Insolvenzplans
zu. So haben sowohl die Leitung des insolventen Unternehmens als auch der
Insolvenzverwalter ein sog. Planinitiativrecht. Ferner sehen die gesetzlichen
Regelungen eine Berechtigung der Gläubigerversammlung zur Beauftragung
des Insolvenzverwalters mit der Planerstellung vor. Die jeweilige Relevanz
dieser drei Optionen ist in der Praxis den Befragungsbefunden zufolge recht
unterschiedlich (Abbildung 16).
43,5%
56,5%
Insolvenzverwalter Unternehmensleitung
n = 46 © IfM Bonn
06 83 040
Bei etwas mehr als der Hälfte der antwortenden Unternehmen (56,5 %) ging
die Erstellung des Insolvenzplans auf eine Initiative der Unternehmensleitung
zurück. Dies deutet darauf hin, dass ein großer Teil der sanierungsinteressier-
74
Abbildung 17: Impulsgeber für die Erstellung eines Insolvenzplans durch die
Unternehmensleitung (Mehrfachnennungen)
in %
Rechtsanwalt 35,7
Unternehmensberater 25,0
Steuerberater/Wirtschaftsprüfer 14,3
Banken 7,1
Sonstige 7,1
n = 28 © IfM Bonn
05 83 013
Liquidation
2,1%
Übertragende Sanierung
10,6%
Sanierung
87,3%
n = 47 © IfM Bonn
06 83 043
hinaus sein, dass ein Sanierungserfolg ohne die Spezialkenntnisse kaum mög-
lich ist oder gerade bei Freiberuflern untrennbar mit der Person des Unter-
nehmers verbunden ist. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass dieser Befund
natürlich auch das Selbstverständnis der Befragten widerspiegelt. Ferner stellt
vor allem die Erleichterung der Gläubigerzustimmung zum Sanierungskonzept
einen wichtigen Beweggrund für die Verfahrenswahl dar (50 % der antworten-
den Unternehmen).
in %
Sonstiges 10,8
n = 46 © IfM Bonn
05 83 014
Nach tiefergehenden Analysen zeichnet sich zudem ab, dass die Bedeutung
der einzelnen Entscheidungsfaktoren in Abhängigkeit von der Unternehmens-
größe unterschiedlich ausfällt. So ist nach den Befragungsbefunden für kleine-
re Unternehmen mit bis zu 9 Beschäftigten die Möglichkeit der Verfahrensver-
kürzung der wichtigste Beweggrund. Zudem wurde dieser Faktor fast aus-
schließlich von Unternehmen dieser Größenklasse genannt. Erleichterungen
bei der Gläubigerzustimmung waren hingegen - wohl aufgrund einer eher
überschaubaren Gläubigerzahl und persönlicher Kontakte - für kleinere Unter-
nehmen weitaus weniger relevant als für die größeren. Für mittlere Unterneh-
men mit 10 bis 49 Beschäftigten stellte sich die Beibehaltung der Gesell-
schaftsstrukturen weitaus wichtiger dar als für die anderen Gruppen, war sogar
das mit Abstand wichtigste Motiv. Die Sicherung langfristiger Kundenverträge
wurde ferner schließlich nur von größeren Unternehmen mit mehr als 50 Be-
schäftigten als Motiv genannt. Anzunehmen ist, dass aufgrund der tendenziell
schwächeren persönlichen Kontakte eher Abwanderungsbewegungen von
Kunden befürchtet werden.
Beantragung Genehmigung
4,8%
66,6%
42,0%
58,0% Nein Ja
28,6%
n = 50 n = 21 © IfM Bonn
05 83 048
Nur knapp drei Zehntel der Anträge auf Eigenverwaltung erfuhren eine Ableh-
nung durch das zuständige Insolvenzgericht (Abbildung 20). Bei den hiervon
betroffenen Unternehmen handelt es sich zu zwei Dritteln um Einzelunterneh-
men; drei Viertel waren Kleinunternehmen mit bis zu 9 Beschäftigten. Vor al-
lem kleinere Unternehmen in der Rechtsform des Einzelunternehmers werden
demnach in der Praxis mit einer Ablehnung eines etwaigen Antrags auf Eigen-
verwaltung rechnen müssen. Ursächlich ist, dass Insolvenzgerichte speziell in
diesen Fällen ein Vorliegen der erforderlichen betriebswirtschaftlichen und
rechtlichen Kenntnisse für die Eigenverwaltung anzweifeln dürften.
in %
Nutzung der
Nutzung der Kenntnisse/Erfahrungen
Kenntnisse der alten 76,2
der alten Geschäftsführung
Beibehaltung der
Entscheidungsbefugnisse der
Beibehaltung 61,9
Geschäftsführung
Vermeidung einer
Vermeidung
Einarbeitungszeit des 47,6
Insolvenzverwalters
n = 21 © IfM Bonn
05 83 012
In dem vorherigen Kapitel wurden Hintergründe für die Wahl des Insolvenz-
planverfahrens dargestellt. Unternehmen, die einen Antrag auf Eigenverwal-
tung stellten, weisen - wie differenzierte Analysen annehmen lassen - diesbe-
züglich einige Besonderheiten auf:67 So gaben überdurchschnittlich oft
Rechtsanwälte sowie vorläufige Insolvenzverwalter die erste Anregung zum
Planverfahren. Print- und Onlinemedien waren hingegen für Unternehmen, die
einen Antrag auf Eigenverwaltung stellten, nur vergleichsweise selten Impuls-
geber. Man hätte erwarten können, dass aufgrund der beabsichtigten Abwick-
lung in Eigenregie gerade von ihnen eigene Informationsbeschaffungsaktivitä-
ten unternommen worden wären. Festzustellen ist ferner, dass die Motivati-
onslage antragstellender Unternehmen naturgemäß stärker von Bestrebungen
zur Wahrung der Qualifikation der Geschäftsführung bestimmt wird als bei an-
deren Unternehmen. Die Federführung bei der Planaufstellung übernahmen
schließlich häufiger Unternehmensberater, die von 36,8 % der antragstellen-
den Unternehmen - wohl zum Ausgleich eigener Know-how-Defizite - in An-
spruch genommen wurden.
doch erst nach Einreichung des Insolvenzantrags. Dies dürfte u.a. mit dem
noch geringen Bekanntheitsgrad des Insolvenzplanverfahrens zusammenhän-
gen. Planinitiativen gehen zudem - wie berichtet - vielfach von Insolvenzver-
waltern aus, die aber erst nach dem Insolvenzantrag tätig werden.
32,0%
68,0%
n = 50 © IfM Bonn
06 83 042
in %
Unternehmensleitung 93,6
Steuerberater/Wirtschaftsprüfer 49,0
Bank 44,9
Rechtsanwalt 40,8
Unternehmensberater 26,5
Insolvenzgericht 24,5
Kunden 16,3
Einzelne Gläubiger 10,2
Mitarbeiter 10,2
Gläubigerversammlung 10,2
Betriebsrat 8,2
Neue Investoren 8,2
Öffentliche Einrichtungen 2,0
Sonstige 4,1
n = 49 © IfM Bonn
05 83 016
Den übrigen Gruppen kommt eine weitaus geringere Bedeutung zu. Am häu-
figsten wurden hierunter noch Insolvenzgerichte und Unternehmensberater
(jeweils rund 25 %) sowie Kunden (16 %) genannt. Deutlich wird, dass die
Kommunikation mit Gläubigern kaum über die Gläubigerversammlung läuft.
Einzelne, entscheidende Gläubiger abseits des Bankensektors werden jedoch,
soweit vorhanden, einbezogen. Eine Beteiligung der Belegschaft direkt oder
mittels des Betriebsrats findet schließlich trotz der zumeist abverlangten Ein-
schnitte nur selten statt. Offenkundig wird die Bereitschaft der Mitarbeiter zu
Zugeständnissen in der Insolvenzsituation als hoch eingeschätzt und oftmals
vorausgesetzt. Ursächlich für dieses Verhalten dürften die erleichterten Bedin-
gungen für einen Personalabbau im Insolvenzarbeitsrecht sein. Der - in Kapitel
3.6 dargestellten - unbefriedigenden Situation hinsichtlich des Angebots und
der Förderung von Beratungsleistungen entspricht die praktische Bedeutungs-
losigkeit von öffentlichen Einrichtungen für die Insolvenzplanerstellung.
Die Auswahl der externen Beteiligten unterliegt nach den vorliegenden Befun-
den vermutlich größenspezifischen Effekten. Insolvenzgerichte waren bei im-
merhin rund zwei Dritteln der Verfahren von kleineren Unternehmen mit bis zu
9 Beschäftigten an der Ausarbeitung des Insolvenzplans beteiligt, in den ande-
ren Größenklassen jedoch eher nur im Ausnahmefall. Anzunehmen ist, dass
die tendenziell geringere Verfahrenskomplexität eher eine Mitwirkung ermög-
licht. Zudem dürften gerade kleinere Unternehmen dazu neigen, sich mit In-
formationsbegehren direkt an das Insolvenzgericht zu wenden. Bei Kleinunter-
nehmen ist ferner - wohl aufgrund persönlicher Kontakte - die Einbeziehung
einzelner Kunden weitaus häufiger verbreitet. Die Einbeziehung von Rechts-
anwälten nimmt mit zunehmender Beschäftigtenzahl tendenziell ab, die Beauf-
tragung von Unternehmensberatern zu. Steuerberater/Wirtschaftsprüfer wer-
den schließlich nur vergleichsweise selten von größeren Unternehmen mit
mehr als 50 Beschäftigten konsultiert. Deutlich werden somit unterschiedliche
Präferenzen für diese drei Anbieter von Beratungsleistungen je nach Unter-
nehmensgröße.
der. Wohl aufgrund von fehlendem Spezialwissen lag die Federführung in die-
sen Fällen aber nur teilweise (25 %) ausschließlich bei der Unternehmenslei-
tung. In den übrigen Fällen erfolgte die Konzepterstellung gemeinsam mit Ex-
ternen, hierunter vor allem mit dem endgültigen Insolvenzverwalter (15 %)
oder Unternehmensberater (6 %).
in %
Unternehmensleitung 58,0
Unternehmensberater 24,0
Steuerberater/Wirtschaftsprüfer 12,0
Rechtsanwalt 8,0
n = 50 © IfM Bonn
05 83 015
Bei zwei Fünfteln der Unternehmen wurde die Federführung bei der Entwick-
lung des Insolvenzplans ausschließlich von Externen wahrgenommen. Ent-
sprechend den Befunden zur Planinitiative waren es vor allem vorläufige oder
endgültige Insolvenzverwalter, die mit dieser Aufgabe betraut waren (16 %
bzw. 40 % der Befragten). Dabei ging es überdurchschnittlich oft um Fälle, in
denen auch die Planinitiative beim Insolvenzverwalter lag. Unternehmensbera-
ter zeichneten nur in knapp einem Viertel der Fälle für die Feinabstimmung
und Konzepterstellung verantwortlich. Die Beteiligung von Steuerberatern,
Wirtschaftsprüfern oder Rechtsanwälten im Verfahren dürfte sich den Befra-
gungsbefunden zufolge schließlich üblicherweise auf Auswertungen zu Einzel-
aspekten und Spezialfragen beschränken. Federführend waren sie nur bei
wenigen Befragten.
87
Auch hinsichtlich der Federführung bei der Planerstellung zeigen sich größen-
spezifische Besonderheiten. So ist bei kleinen Unternehmen mit bis zu 9 Be-
schäftigten wohl aufgrund anzunehmender Know-how-Defizite deutlich selte-
ner die Unternehmensleitung mit der Konzepterstellung beauftragt als bei grö-
ßeren. Auch eine diesbezügliche Inanspruchnahme von Unternehmensbera-
tern ist bei Kleinunternehmen selten. Umgekehrt finden allerdings überdurch-
schnittlich häufig Beauftragungen von Rechtsanwälten statt. Ursächlich hierfür
dürfte sein, dass der Stellenwert von Kommunikationsleistungen und rechtli-
chen Fragestellungen angesichts überschaubarer Forderungsstrukturen relativ
betrachtet höher ausfällt und somit eher eine Übertragung der Konzepterstel-
lung auf Rechtsanwälte nahe liegt.
4.5.3 Gesamtkosten
Gesamtkosten in %
n = 38 © IfM Bonn
05 83 055
20,6% 23,5%
28,6% 31,3%
26,5%
29,5% 20,0%
20,0%
5,1%
14,3%
16,3%
64,3%
Insolvenzverwalter Planerstellung
Insolvenzgericht Sonstiges
n = 33 © IfM Bonn
06 83 057
Ein Großteil der berichteten Gesamtkosten wäre auch ohne Vorlage eines In-
solvenzplans entstanden. Die voraussichtliche Deckung dieser Verfahrenskos-
ten durch die Insolvenzmasse wurde bereits im Eröffnungsverfahren seitens
des Insolvenzgerichts überprüft. Zusätzlicher Liquiditätsbedarf im Insolvenz-
verfahren entsteht aber im Regelfall durch die Kosten der Insolvenzplanerstel-
lung. Werden zu ihrer Deckung neue Kredite durch den vorläufigen oder end-
gültigen Insolvenzverwalter aufgenommen, zählen diese zu den Masseschul-
den, werden mithin vorrangig bedient.70 Bei entsprechend hoher Insolvenz-
masse ist demnach eine Bereitstellung neuer Mittel durch Banken auch im In-
solvenzverfahren nicht ausgeschlossen. Im Fortführungsfall werden diese
Kredite ebenfalls zumeist eine vollständige Befriedigung erfahren. Gleiches gilt
z.B. auch für Beratungsleistungen zur Insolvenzplanerstellung, die von Insol-
venzverwaltern beauftragt werden.
70 Zur Verteilung der Insolvenzmasse sowie zu Massekosten und -schulden siehe Kapitel
2.1.2.
91
4.5.4 Gläubigerreaktionen
2,0%
8,2%
89,8%
Letztlich erfolgte bei 95,9 % der hier antwortenden 49 Befragten eine gerichtli-
che Bestätigung. Nur in zwei Fällen kam es - aufgrund einer mehrheitlichen
92
Für die Praxis ist demnach davon auszugehen, dass gut strukturierte und ab-
gestimmte Insolvenzpläne zumeist die Zustimmung aller Gläubigergruppen
erfahren werden, die Bestimmungen des Obstruktionsverbots mithin - wie vom
Gesetzgeber vorgesehen - nur in Ausnahmen Anwendung finden. Anträge auf
Zurückweisungen durch Einzelgläubiger besitzen den empirischen Ergebnis-
sen zufolge kaum praktische Bedeutung, was u.a. auf Vorabstimmungen mit
wichtigen Gläubigern zurückzuführen ist. Bei Zustimmung zumindest der
Mehrheit der Gläubigergruppen dürfte ein Insolvenzplan regelmäßig eine ge-
richtliche Bestätigung erfahren. Anzunehmen ist angesichts der Positivauslese
im Sample indessen, dass die hier berichteten Befragungsergebnisse die Er-
folgsaussichten von Insolvenzplanverfahren überzeichnen und daher eher als
grobe Indikatoren zu interpretieren sind. In der Praxis dürften die Erfolgsaus-
sichten etwas niedriger ausfallen.
Die Finanzierung der Beratungs- und Planerstellungskosten stellte für die Be-
fragten die mit deutlichem Abstand schwierigste Hürde bei der Erstellung eines
Insolvenzplans dar (vgl. Abbildung 29).71 Immerhin mehr als drei Viertel der
Befragten waren mit entsprechenden Problemen konfrontiert. Knapp die Hälfte
der Befragten stufen die hierdurch verursachten Probleme als hoch oder sehr
hoch ein. Die ermittelte Bewertungskennziffer (Mittelwert der Einzelbewertun-
gen) liegt entsprechend mit einem Wert von 3,0 weit oberhalb der anderen
Faktoren. Dieser Befund ist angesichts der - zuvor dargestellten - Kostenbe-
lastungen des Planverfahrens nur allzu verständlich, insbesondere wenn man
die ohnehin angespannte Liquiditätslage der Unternehmen berücksichtigt. Die
Sicherstellung der Unternehmensfinanzierung im Verfahren folgt mit einer Be-
wertungskennziffer von 2,5 - und damit in deutlichem Abstand - an zweiter
Stelle der Rangliste. Ihre niedriger eingestufte Bedeutung dürfte sich im We-
sentlichen dadurch erklären, dass die laufenden Kosten während des Verfah-
rens vielfach - zumindest teilweise - durch die gleichzeitig erzielten Erträge
oder z.B. das Insolvenzgeld der Bundesagentur für Arbeit gedeckt werden
können, während die u.U. hohen Zusatzbelastungen durch die Planerstellung
diesen Rahmen in den meisten Fällen sprengt.
71 Zur Beurteilung möglicher Erstellungsprobleme wurde den Befragten eine Skala vorge-
geben, anhand derer sie die jeweilige Relevanz bewerten sollten. Die verwendete Skala
reichte von 1 für "Keine Erschwernis" bis 5 für "Sehr hohe Erschwernis".
94
Mittelwerte
Beratungs-/Erstellungskosten 3,0
3,0
Unternehmensfinanzierung
2,5
während des Verfahrens
Datenzusammenstellung 2,3
Gläubigerkommunikation 2,3
Zeitdruck 2,3
Konzeptentwicklung
2,2
Managementdefizite
des Insolvenzverwalters 2,0
Personalaufwand
2,0
Infobeschaffung über
1,9
Verfahrensabläufe
Erreichen von
Zugeständnissen der Belegschaft 1,7
1,7
1
1,0 2
2,0 3
3,0 5
4,0
1 = keine Erschwernis 5 = sehr hohe Erschwernis
© IfM Bonn
n = 49 06 83 059
Einfluss auf die Einstufungen der Befragten nimmt nach den empirischen Er-
gebnissen u.a. die Unternehmensgröße. So beklagten vor allem Kleinunter-
nehmen Probleme mit der Datenzusammenstellung, formalen Anforderungen,
den Planerstellungskosten sowie der Finanzierung während des Verfahrens.
Ausschlaggebend für ihre größeren Probleme werden dabei vielfach Defizite
im betrieblichen Rechnungswesen und im Fachwissen der Unternehmenslei-
tungen sein. Die Finanzierungsanforderungen dürften zudem von größeren
Unternehmen insofern leichter erfüllt werden können, dass ihnen speziell von
Bankenseite oftmals eine höhere Überlebenswahrscheinlichkeit zugesprochen
wird.
Des Weiteren deuten die Befragungsbefunde darauf hin, dass die Erstellung
von prepackaged Plänen in allen Größenklassen besonders stark durch Pro-
bleme mit der Belegschaft und durch zusätzlichen Personalaufwand belastet
wird. Anzunehmen ist, dass die Gefährdung der Arbeitsplätze vor dem Insol-
venzantrag durch die Beschäftigten tendenziell weniger klar wahrgenommen
bzw. die Abstellung von Kapazitäten für die Planerstellung im normalen Ge-
schäftsbetrieb schwieriger zu gestalten ist. Zusammenhänge sind ferner in
Abhängigkeit von der Federführung bei der Planerstellung feststellbar.
Mittelwerte
Erzielung von
Zugeständnissen der Gläubiger 2,7
Interessenkonflikte 2,4
zwischen Gläubigern
Die Überzeugung des Insolvenzverwalters und des Gerichts von der Tragfä-
higkeit des entwickelten Konzepts brachte für immerhin rund 46 % bzw. 57 %
der befragten Unternehmen keine Probleme. Ansonsten wurden die hiermit
verbundenen Probleme überwiegend als eher geringfügig eingestuft. Vergli-
chen mit den übrigen Faktoren fällt ihre Bedeutung wesentlich niedriger aus.
Dieser Befund ist insofern kaum überraschend, als Insolvenzgerichte zumeist
nur Plausibilitätsprüfungen vornehmen und Insolvenzverwalter vielfach an der
Aufstellung des Insolvenzplans beteiligt sind, so dass sie eigene Vorstellungen
bereits frühzeitig einbringen können.
Erneut deuten die Befragungsbefunde darauf hin, dass sich die Problemlage je
nach Mitarbeiterzahl der Unternehmen unterschiedlich darstellt. So scheint die
Überzeugung der Insolvenzverwalter und Gläubiger vor allem für Kleinunter-
nehmen eine größere Hürde darzustellen. Ursächlich könnte sein, dass ihre
Sanierungschancen grundsätzlich skeptischer beurteilt werden. Mittlere Unter-
nehmen mit 10 bis 49 Beschäftigten beklagen ferner weniger Abstimmungs-
probleme mit den einzelnen Gläubigern als andere Unternehmen. Anzuneh-
men ist, dass bei ihnen Einzelgläubiger eine tendenziell geringere Bedeutung
haben, die Gesamtzahl der Gläubiger hier aber noch überschaubar ist.
Auswirkungen auf die Sichtweise der Befragten haben nach den Befragungs-
befunden zudem die Insolvenzursachen. Erkennbar ist hier, dass eine Über-
zeugung der Gläubiger von der Konzepttragfähigkeit vor allem dann schwer
fällt, wenn der Insolvenz eine Zunahme an Außenständen oder Fehlinvestitio-
nen vorausgingen. Dies dürfte wohl damit zusammenhängen, dass bei diesen
Ursachen eher Managementdefizite der Unternehmensleitung vermutet wer-
den. Ferner scheint ein übereiltes Unternehmenswachstum generell mit gerin-
geren Plandurchsetzungsproblemen verbunden zu sein, wohingegen das Vor-
liegen zunehmender Außenstände sowie Schwierigkeiten bei der Kreditfinan-
zierung die Durchsetzung tendenziell erschweren. Erfolgsaussichten der Sa-
nierungsanstrengungen werden mithin je nach Insolvenzursache unterschied-
lich bewertet. Kaum Auswirkungen auf etwaige Durchsetzungsprobleme hat
hingegen der Zeitpunkt der Planerstellung. Lediglich eine Überzeugung des
Insolvenzverwalters fällt bei prepackaged Plänen offenbar schwerer, wohl da
dieser nicht in die Aufstellung eingebunden war, sondern ein fertiges Konzept
vorfand. Eine federführende Rolle der Unternehmensleitung bei der Planerstel-
lung führt schließlich nicht zu tendenziell höheren Durchsetzungsproblemen.
98
in %
Verlangen von
Verlangen Vorkasse
von Vorkasse 77,3
Koordinationsprobleme mit
Koordinationsproblemme 31,8
Insolvenzverwalter
Verlust wichtiger
Verlust wichtigerKunden
Kunden 13,6
n = 44 © IfM Bonn
05 83 018
Der Finanzbereich stellt sich auch unter den allgemeinen Problemen als
Hauptsorgenkind heraus (vgl. Abbildung 31). So hatten rund drei Viertel der
Unternehmen nach ihrem Insolvenzantrag Probleme aufgrund eines Vorkas-
severlangens ihrer Lieferanten sowie aufgrund einer mangelnden Finanzie-
99
4.6.4 Unterstützungsbedarf
ge nach der Bereitstellung von Informationen über das Planverfahren und der
Moderation der Gläubigerverhandlungen durch Runde Tische zu erkennen ge-
ben.
in %
Neustartfinanzierung
Neustart 72,3
Unternehmensfinanzierung 40,4
Geschäftsbetrieb
im Insolvenzverfahren
Experten
Expertenvermittlung 38,3
Moderation von
Gericht 8,5
Insolvenzgerichten
n = 47 © IfM Bonn
06 83 019
4.7.1 Befriedigungsquoten
Befriedungsquoten in %
13,0
bis 5%
73,2
13,0
5 bis 10%
7,3
47,8
10 bis 25%
14,6
26,1
mehr als 25%
4,9
Die Schadenssumme für die Gläubiger konnte somit - verglichen mit Gesamt-
deckungsquoten in den Jahren 1996 bis 1998 von 4 bis 8 % (ANGELE 2001,
S. 751 ff.) - in einem respektablen Ausmaß begrenzt werden. Betrachtet man
die im Rahmen der Vergleichsrechnung ermittelten Befriedigungsquoten für
102
in %
n = 36 © IfM Bonn
05 83 053
4.7.2 Verfahrensdauer
fahren binnen eines halben Jahres beendet und bei weiteren 31 % innerhalb
eines Jahres (Abbildung 35). Bei jeweils einem Viertel lag die Verfahrensdauer
bei ein bis zwei Jahren bzw. überstieg zwei Jahre. Bei der Hälfte der Fälle war
das Verfahren 60 Wochen nach Antragstellung abgeschlossen (Median). In-
solvenzplanverfahren lassen sich insofern tendenziell schneller als Regelver-
fahren abwickeln.73 Lediglich im Falle sehr komplexer Strukturen, bei beson-
deren Fallgestaltungen oder Problemlagen, wie z.B. unklaren Forderungen,
sind längere Verfahrenszeiten zu erwarten.
in %
n = 39 © IfM Bonn
06 83 058
4.7.3 Arbeitsplatzerhalt
vor der Insolvenz auch nach der Gesamtzahl an Mitarbeitern im Jahr 2005,
also nach Ende des Insolvenzplanverfahrens, gefragt. Hierbei entfielen 38,8 %
auf Kleinunternehmen, wobei sich der Anteil der Ein-Mann-Unternehmen auf
rund 20 % erhöhte (Abbildung 36). Vor allem sehr kleine Unternehmen muss-
ten sich infolge der Insolvenz von sämtlichen Mitarbeitern trennen. Die durch-
schnittliche Beschäftigtenzahl der antwortenden Unternehmen reduzierte sich
dabei auf 36 Mitarbeiter, der Median auf 16. Bereits auf den ersten Blick zeigt
sich somit, dass die Insolvenz erwartungsgemäß mit einer (deutlichen) Ab-
nahme der Beschäftigung verbunden war. Überwiegend, d.h. bei knapp drei
Fünfteln der antwortenden Unternehmen, belief sich der Beschäftigtenrück-
gang aber nur auf bis zu 10 %. Etwa ein Viertel musste indessen den Mitarbei-
terstamm um 10 bis 50 % verringern und weitere 17 % trennten sich von mehr
als der Hälfte ihrer ursprünglichen Belegschaft. Von der Gesamtzahl an 2.102
Beschäftigten im vorletzten Geschäftsjahr vor der Insolvenz konnten aber
1.307 erhalten werden (62 %).
in %
2,4
keine Beschäftigten
20,0
27,6
1 bis 9 Beschäftigte
18,8
37,5
10 bis 49 Beschäftigte
36,6
32,5
50 und mehr Beschäftigte
24,5
Die Fallbeispiele betreffen zwei Mal die Rechtsform der GmbH sowie jeweils
einmal eine GbR, AG und GmbH & Co. KG. Drei Mal wurde zusätzlich eine
Eigenverwaltung beantragt, die nur für ein Verfahren genehmigt wurde. Zwei
der Unternehmen wurden in den Jahren 2000 bzw. 2002 insolvent, also relativ
kurz nach der Rechtsreform, als sich die Instrumente noch in der Erprobungs-
phase befanden. Die anderen Anträge fallen in die Jahre 2003 bis 2005.
Gründung Gründung
Wirtschaftsbereichen
vor max. 5 Jahren vor mehr als 5 Jahren
Verarbeitendes Gewerbe E (649)
Dienstleistungen A (8), C (50) B (25), D (8)
© IfM Bonn
Als entscheidend für den Erfolg des Sanierungsvorhabens stellte sich in den
Fallstudien schließlich eine Information der Geschäftspartner über die Fortfüh-
rungsabsicht dar. Im Beispiel A versandte der Insolvenzverwalter z.B. ein
Schreiben an alle Kunden und Lieferanten, in dem betont wurde, dass Garan-
tien und Wartungsverträge Bestand haben würden. Im Verfahren D suchte der
Insolvenzverwalter wichtige öffentlich-rechtliche Vertragspartner auf, um eine
Fortführung zu gesicherten Konditionen abzuklären.
in den betrachteten Fällen speziell öffentliche Gläubiger wie z.B. den Fiskus,
Sozialversicherungsträger oder den Pensionssicherungsverein. Diese mussten
sich teilweise erst über die Besonderheiten einer Sanierung im Insolvenzfall
informieren, da sie die Liquidation des Unternehmens als Normalfall betrachte-
ten (vgl. für Sozialversicherungen Fall C und für Sanierungsgewinne C und D).
Zur Finanzierung des Neustarts sind i.d.R. eine teilweise Entschuldung und
zumeist auch eine Zuführung neuen Kapitals nötig. In allen untersuchten Fall-
beispielen wurde entsprechenden Vorschlägen zugestimmt. Im Fall C stellte
der Hauptlieferant einen erneuten Lieferantenkredit und zusätzliche Finanzmit-
tel zur Verfügung, die je zur Hälfte zur Gläubigerbefriedigung und für Neuin-
vestitionen verwendet wurden. Die Hausbank der Firma E verzichtete real auf
Kreditforderungen, der verbliebene Kreditrahmen wurde in ein nachrangiges
Darlehen umgewandelt. Im Fall B musste neues Kapital aus der Privatsphäre
der Altunternehmer zugeführt werden. Die Sanierungschance im Fall D stützte
sich ganz wesentlich auf die Zusicherung eines Mindestumsatzes des Haupt-
kunden.
110
Der geringe Verbreitungsgrad der neuen Verfahrenswege ist dabei zum einen
Folge des als unzureichend einzustufenden Bekanntheitsgrads bei Gläubigern
und Unternehmen, zum anderen sind viele Insolvenzverwalter und Insolvenz-
gerichte mit diesen Verfahren immer noch wenig vertraut und haben teils er-
hebliche Vorbehalte dagegen. Trotz des geringen Verbreitungsgrads findet
bislang eine Förderung des Bekanntheitsgrads und der Nutzungsmöglichkei-
ten durch die Wirtschafts- und Förderpolitik - aufgrund ihrer Fokussierung auf
Unternehmensgründungen und wachsende Unternehmen - allenfalls ansatz-
weise statt. Sanierungshilfen werden nur im Ausnahmefall erwogen und spe-
zielle Förderprogramme, die in der Insolvenz eine umfassende und kontinuier-
liche Unterstützung gewährleisten, bestehen kaum. So sehen z.B. die meisten
Beratungs- und Finanzierungsprogramme auf Bundes- oder Landesebene le-
diglich Hilfen zur Krisenprävention im vorinsolvenzlichen Stadium vor. Ledig-
lich Sachsen bietet als einziges Bundesland ein ganzheitliches Programm zur
Unterstützung von insolvenzplangestützten Sanierungen an. Gemessen an
den berichteten Insolvenzplanverfahren trifft dieses Programm auf eine rege
Nachfrage insolventer mittelständischer Unternehmen. Das Förderprogramm
schließt damit - zumindest in Sachsen - eine Lücke im Förderangebot.
Obgleich das Insolvenzrecht die Option einer Planeinreichung schon mit Ab-
gabe des Insolvenzantrags vorsieht, erfolgt die Erstellung eines Insolvenz-
plans - wohl aufgrund des geringen Bekanntheitsgrades - überwiegend erst
später. Nur rund ein Drittel der antwortenden Unternehmen, hierunter vor al-
lem eigenverwaltete, legte bereits mit dem Insolvenzantrag einen vorbereiteten
Insolvenzplan ("prepackaged Plan") vor. Unabhängig vom Zeitpunkt der Plan-
erstellung, war die betreffende Unternehmensleitung fast immer in diesen Pro-
zess einbezogen. Daneben wurden von insolventen Unternehmen vor allem
Steuerberater/Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwälte sowie Banken konsultiert.
Vorstellungen der Banken, als vielfach wichtigste Gläubigergruppe, werden
mithin häufig frühzeitig im Planerstellungsprozess berücksichtigt. Die eigentli-
che Konzeptentwicklung und Feinabstimmung lag schließlich bei etwa der
Hälfte der Befragten ebenfalls bei der Unternehmensleitung, vornehmlich aber
in Kooperation mit Externen. Bei zwei Fünfteln wurde die Federführung bei der
Entwicklung des Insolvenzplans dagegen ausschließlich von Externen, zu-
meist Insolvenzverwaltern, teilweise Unternehmensberatern, wahrgenommen.
Deutlich machen die Befragungsbefunde aber auch, dass die Abwicklung des
Insolvenzverfahrens teils mit erheblichen finanziellen Belastungen für die Be-
fragten verbunden war. So summierten sich die Gesamtkosten des Verfahrens
- inklusive der Kosten für die Erstellung des Insolvenzplans - bei rund der Hälf-
te auf über 100.000 €, bei einem Fünftel sogar auf über 200.000 €. Die
Schwankungsbreite ist aber erheblich, so fand sich umgekehrt auch rund ein
Fünftel mit Gesamtkosten von weniger als 25.000 €. Durchschnittlich entstan-
den Kosten von immerhin 137.000 €; bezogen auf Mitarbeiter oder 1.000 €
Umsatz ergaben sich Durchschnittswerte von 9.400 € bzw. 96 €. Der größte
Teil dieser Kosten ( 65 %) entfiel - nach Angaben der Befragten - auf Insol-
venzverwalter und -gerichte ( 14 %). Kosten für die Erstellung des Insol-
venzplans wurden im Mittel mit 16 % veranschlagt. Berücksichtigt man, dass
auch die Kostenpositionen Insolvenzverwalter und -gerichte durch Mitwirkung
an der Planerstellung bzw. zusätzliche gerichtliche Prüfpflichten eine Steige-
rung erfahren, dürften - bei vorsichtiger Schätzung - im Schnitt 25 bis 30 % der
Gesamtkosten auf Zusatzkosten durch die Vorlage des Insolvenzplans entfal-
len.
115
Angesichts dieser Kostenstruktur und -höhe stellte die Finanzierung der Bera-
tungs- und Planerstellungskosten auch die mit deutlichem Abstand größte
Hürde bei der Erstellung von Insolvenzplänen dar. Knapp die Hälfte der Be-
fragten stufen hierdurch verursachte Probleme als hoch oder sehr hoch ein.
Schwierigkeiten mit der Sicherstellung der Unternehmensfinanzierung im Lau-
fe des Insolvenzverfahrens rangieren an zweiter Stelle. Die Problemlage wird
hier jedoch etwas geringer bewertet, was darauf hindeutet, dass die laufenden
Kosten des Geschäftsbetriebs vielfach noch mittels Erträgen oder Einmaleffek-
ten, wie z.B. dank des Insolvenzgelds, gedeckt werden können. Probleme mit
der Durchsetzung von erstellten Insolvenzplänen resultierten vor allem aus
einer fehlenden Bereitschaft der Gläubiger zu finanziellen Zugeständnissen,
Forderungen der Finanzbehörden sowie Abstimmungserfordernissen mit den
Gläubigern. Daneben wurden die Befragten vielfach durch allgemeine insol-
venzbedingte Schwierigkeiten belastet. So hatten rund drei Viertel des Sam-
ples nach ihrem Insolvenzantrag Probleme aufgrund eines Vorkasseverlan-
gens ihrer Lieferanten oder aufgrund einer mangelnden Finanzierungsbereit-
schaft der Banken.
Neben negativen Effekten auf die Verbreitung hat das derzeitige Insolvenzkli-
ma in Deutschland auch Belastungen für die Anwendung von Insolvenzplan-
verfahren zur Folge. Die vorherrschende Stigmatisierung der Insolvenz ver-
stellt bei vielen Beteiligten, insbesondere Gläubigern, eine wertfreie und sach-
gerechte Annäherung an Sanierungsvorhaben in der Insolvenz im Allgemeinen
und mit Insolvenzplanverfahren im Speziellen. Entsprechende Vorbehalte drü-
cken sich u.a. in einer mangelnden Finanzierungsbereitschaft der Banken oder
Vorkasseverlangen von sonstigen Geschäftspartnern aus. Planerstellung und
Neustart insolventer Unternehmen werden hierdurch deutlich erschwert. Insol-
117
Anhang 1: Übersichten
120
Chapter 11
Insolvenzplanverfahren
U.S.-Bankruptcy Code
Antrag auf Insolvenz- Ja Ja
verfahren erforderlich
Antragsberechtigte für Schuldner und Gläubiger Schuldner und Gläubiger
Insolvenzverfahren
Verwaltungs- und Regelfall: Einsetzung eines Verwal- Regelfall: Eigenverwaltung des
Verfügungsbefugnis ters Schuldners
Ausnahme: Eigenverwaltung durch Ausnahme: Einsetzung eines
Schuldner Verwalters auf Antrag der Gläu-
biger
Gläubigerausschuss Fakultative Bildung Stets, Bildung mehrerer Aus-
schüsse zulässig
Sicherung des Ab Eröffnung des Insolvenzverfah- Ab Insolvenzantragstellung
Schuldnervermögens rens, vorher nur durch gerichtliche
gegen Gläubiger- Verfügung
zugriff
Recht zur Vorlage Schuldner oder Verwalter Schuldner
eines Planes
Mögliche Verfahrens- Reorganisation, Liquidation, über- Reorganisation
ziele tragende Sanierung
Zeitpunkt der Vorlage Vor Insolvenzantrag, während des Mit Antragstellung für Verfahren
eines (Reorganisati- Eröffnungsverfahren, im Verfahren nach Chapter 11
ons-) Planes auf Antrag der ersten Gläubigerver-
sammlung; Veränderung bis zum
Abstimmungstermin möglich
Zustimmungsregeln Zustimmung aller Gruppen; inner- Einfache Kopf- und 2/3 Sum-
halb der Gruppe muss die einfache menmehrheit
Kopfmehrheit und Summenmehrheit
erreicht werden;
bei Zustimmung von mehr als die
Hälfte der Gruppen: gerichtlicher
Zustimmungsersatz gemäß Obst-
ruktionsklausel möglich
Bildung von Gläubi- Ja, mit gleichartigen Rechten Ja, mit gleichartigen Rechten
gergruppen
Restschuldbefreiung I.d.R. Bestandteil des Planes I.d.R. Bestandteil des Planes
Berlin Coaching für junge Unter- Gesellschaft für soziale Unternehmen bis max. 20 Ar- 100 % 63 Coachingstunden
121
Bremen Beratungs- WfG Bremer Wirtschaftsför- Nicht für Beratungen, die sich 50 % 15.000 € pro Projekt;
kostenzuschuss derung GmbH überwiegend auf Rechtsverfah- max. 50.000 € pro Un-
ren beziehen ternehmen in 3 Jahren
Umstrukturierungsvorhaben in
Zusammenhang mit der Gewäh-
rung von Bürgschaften
Bremen Beratung kleiner und mitt- RKW Bremen Brancheneinschränkungen 50 bis 80 % 7.000 bis 10.000 €
lerer Unternehmen
Anteil an den Max.
Name des Durchführende
Region Besonderheiten Beratungs- Zuschuss
Angebots Stelle
kosten
Nordrhein- RWP Beratungsförderung Regionale Wirtschaftsförde- Beratungen bei Umstrukturie- 50 % 1.250 €/Tagewerk für
Westfalen in NRW rung (RWP) rungsvorhaben im Zusammen- insgesamt max. 15
hang mit der Gewährung von Tagewerke.
Landesbürgschaften und Bürg- max. 60 Tagewerke bei
schaften der Bürgschaftsbank Erwerb einer von Still-
NRW legung bedrohten oder
stillgelegten Betriebs-
stätte durch Beleg-
schaftsinitiativen
Rhein- Förderung der allgemei- RKW Rheinland-Pfalz Nicht für Beratungen, die sich Max. 275 € pro Ta- Max. 40 Tagewerke in
land-Pfalz nen Betriebsberatung überwiegend auf Rechtsverfah- gewerk 5 Jahren
ren beziehen
Sachsen Krisenbewältigung und SAB , Wirtschaftskammern Spezielles Programm zur Förde- Ca. 50 % der Erstel-
122
Berlin Konsolidie- Investitionsbank Darlehen oder Vorlage eines tragfähigen Um- i.d.R. bis zu 1 Mio. €
rungsfonds II Berlin Stille Beteiligungen strukturierungsplans, nur im Ost-
teil Berlins
Sachsen Rettung und Sächsische Auf- Darlehen Positiver Vorab-Check bis max. 1,5 Mio. €
Umstrukturie- baubank (SAB)
rung von KMU
Sachsen Krisenbewälti- Sächsische Auf- Massedarlehen im Vorgelegter Insolvenzplan Massedarlehen bis 100.000 €
gung und Neu- baubank (SAB) Insolvenzverfahren, Neustart-Darlehen bis 100.000 €
start Darlehen zur Neu-
startfinanzierung
123
Thüringen Konsolidie- Thüringer Aufbau- Darlehen Vorlage eines tragfähigen Um- bis max. 1 Mio. €
rungsfonds bank strukturierungsplans
Quelle: Recherche des IfM Bonn (nach Angaben der Förderdatenbank des BMWi, im Einzelfall Angaben der Länder) (Stand: Mai 2006)
Übersicht 4A: Durchführende Stellen von Bürgschaftsprogrammen in den einzelnen Bundesländern
Vorpommern
Niedersachsen Allgemeine Bürgschaftsrichtlinie des Landes PwC Hannover
Nordrhein- Landesbürgschaft NRW PwC Düsseldorf
Westfalen
Sachsen Landesbürgschaft PwC Dresden
Sachsen-Anhalt Landesbürgschaft PwC Magdeburg
Thüringen TAB-Bürgschaftsprogramm Thüringer Aufbaubank
Quelle: Recherche des IfM Bonn (nach Angaben der Förderdatenbank des BMWi, im Einzelfall Angaben der Länder) (Stand: Mai 2006)
125
I. Unternehmensdaten
Insolvenzantrag/
2002 2003 2005
Verfahrensende
Mitarbeiter 15 8 08.04.2004 / 10
Umsatz 1,5 Mio. € rd. 1,5 Mio. € 01.12.2004 0,5 Mio. €
Gewinn/Verlust - 300.000 € - 20.000 € Verlust
Planinhalte
der Planvorlage wurden die Varianten Zerschlagung und Sanierung (mit Prognosen
bis 2006) verglichen. Bei Annahme hätte die Befriedigungsquote bei rd. 16,5 % gele-
gen. Im Zerschlagungsfall wäre das Unternehmen abgewickelt und Ende 2004 eine
Quote von rund einem Prozent ausgezahlt worden. Zwar stimmten zwei Großgläubi-
ger diesem Entwurf vorab zu, andere lehnten den Vorschlag jedoch ab, da die Zeit-
spanne der Schuldentilgung, die sich aus Erträgen des laufenden Geschäfts speisen
sollte, als zu kurz bewertet wurde. Die Gläubiger forderten einen um ein halbes Jahr
verlängerten Zeitraum, um die Quote zu erhöhen.
Der überarbeitete Planentwurf sah die Bildung von vier Gläubigergruppen vor, deren
Forderungen durch drei Ratenzahlungen bedient werden sollten. Zwei Kleingläubi-
gergruppen, d.h. Gläubiger mit Forderungen bis zu 5.000 €, sollten sofort mit der
1. Rate 100 % der anvisierten Quote erhalten.
Da der Richter bereits früh in die Sanierungspläne einbezogen war, prüfte und korri-
gierte er den Planentwurf wohlwollend, legte neue Zahlungstermine fest und redu-
zierte die Gruppen auf drei, um eine ungerade Anzahl der Gruppen zu erreichen. Im
letzten Planentwurf waren Ratenzahlungen bis zu einer Gesamthöhe von 16,8 % zu
festen Zahlungsterminen bis Februar 2007 vorgesehen. Die Gesellschafteranteile
des B wurden von A für 1 € übernommen.
Finanzierungsaspekte
Mit dem anteiligen Verzicht der Gläubiger war die GmbH auf ein neues finanzielles
Fundament gestellt. Die laufenden Kundenverträge sollten ausreichend Gewinn für
die anvisierte Ratenzahlung einbringen. Die Ausgaben der GmbH wurden wesentlich
durch Personalkosten bestimmt, die gleich zu Verfahrensbeginn über Entlassungen
und das Insolvenzgeld reduziert werden konnten. Daneben wurden die in der Insol-
venz möglichen Sonderkündigungsrechte für langfristige Verträge z.B. für Miete und
geleaste Kfz zur Kostenreduzierung genutzt. Die Hausbank, eine größere Privatbank,
zeigte sich kulant und hielt das Geschäftskonto aufrecht. Die Verfügungsrechte gin-
gen an den Insolvenzverwalter über.
Der Richter hatte eine im ersten Planentwurf vorgesehene Sondervereinbarung zur
Ablösung einer Privatbürgschaft zwischen beiden Geschäftsführern und einer zwei-
ten Bank (X) aus dem Plan gestrichen. Die Bank X hatte A und B für einen Firmen-
kredit über 20.000 € bürgen lassen. Im Herbst 2004 waren noch rd. 12.000 € zurück-
zuzahlen. Mit dem Insolvenzantrag sperrte die X die privaten Konten der Geschäfts-
führer. Diese versuchten vergeblich, einen Vergleich mit der X zu erreichen. X forder-
te die Rückzahlung des Darlehens. A und B tilgten diese Forderung bis Dezember
2005 in drei Raten aus ihrem Privatvermögen. Erst damit war auch der private Ver-
129
mögensstatus der Geschäftsführer frei von alten Forderungen aus der Sphäre des
Unternehmens.
Das gesamte Krisenlösungsverfahren hat ca. 100.000 € gekostet. Davon entfallen
fast drei Viertel auf den Insolvenzverwalter. Die Gerichtskosten sind mit 5.000 € rela-
tiv gering. Für die Erstellung des Insolvenzplans wurden ca. 17.000 € benötigt. Im
Vorfeld der Antragstellung waren ca. 2.500 € als Honorarforderung der Unterneh-
mensberatung angefallen.
Gerichtskosten 5.300
Kosten für Insolvenzverwaltung 73.700
Kosten für Planerstellung 17.400
Kosten für Unternehmensberater 2.500
Gesamtkosten ca. 99.000
Zwei Monate nach dem Insolvenzantrag wurden wichtige Gläubiger über den Grob-
entwurf des Insolvenzplans informiert und in die Planerarbeitung einbezogen. Den
anderen Gläubigern wurde der Insolvenzplan in der ersten Gläubigerversammlung
präsentiert. Die Gläubiger zu einem Verzicht zu bewegen, bereitete - wie beschrie-
ben - Probleme. Um die Anreize zur Zustimmung zu erhöhen, wurden daher ver-
schiedene Gläubigergruppen mit verschiedenen Tilgungsmodalitäten gebildet. Um
zum Abstimmungstermin eine Zustimmung der Gläubigergruppen zu erreichen, wur-
de der Einladung zur Versammlung bereits ein Vollmachtsformular für Abwesenheits-
fälle von Gläubigern beigefügt, damit Gläubiger die Stimme an einen Anwalt der
Gruppe bzw. den Insolvenzverwalter übertragen konnten. Damit wurde zudem ver-
mieden, dass den Gläubigern zusätzliche Verfahrenskosten, z.B. für einen eigenen
Rechtsanwalt, entstehen. Zum Termin im Oktober 2004 waren 22 Gläubiger durch
Bevollmächtigte vertreten. Das Finanzamt akzeptierte die Lösung, d.h. auch den an-
teiligen Verzicht und die Steuerbefreiung der Sanierungsgewinne. Alle Gläubiger-
gruppen stimmten dem Plan zu.
Der monatliche Mietzins wurde nach Verhandlungen mit dem Vermieter von 3.000
auf 1.500 € gesenkt. Die Zahl der geleasten Kfz wurde von acht auf zwei reduziert.
Mit dem Insolvenzantrag wurden zehn Mitarbeiter freigestellt. Davon wurden später
drei als freie Mitarbeiter weiterbeschäftigt, um die Personalkosten flexibel zu halten.
Die Mitarbeiter zeigten ein hohes Ausmaß an Flexibilität und trugen einen Teil des
geschäftlichen Risikos mit. Das Unternehmen beschäftigte Anfang 2005 acht Mitar-
beiter, Ende 2005 waren es zehn und damit mehr als ursprünglich erwartet. Der Mo-
natsumsatz sank anfangs auf die Hälfte (rd. 60.000 €), stieg aber später und deckte
die Kosten für weiteres Personal. Die Vorfinanzierung von Aufträgen fällt allerdings
130
schwer. Im Frühjahr 2006 waren die Auftragslage und die Umsatzprognosen gut; für
Herbst 2006 wurde der Break Even erwartet.
Das Verfahren ist aufgrund der Branchenspezifika durch eine Besonderheit gekenn-
zeichnet. Da der Erhalt der Kundenbeziehungen angesichts laufender Serviceverträ-
ge kein Zögern erlaubte, wurde die leistungswirtschaftliche Sanierung zeitlich vorge-
zogen. So konnte der Fortbestand wichtiger Kundenbeziehungen erreicht werden.
Dennoch litt die Liquidität der GmbH unter dem Aspekt, dass einige Lieferanten nur
noch gegen Vorkasse lieferten. Mit einigen Software-Lieferanten, mit denen man ein
partnerschaftliches Verhältnis pflegt, bestehen aber auch weiterhin Leasingverträge.
Die GmbH hätte sich ein stärkeres Neuengagement der Banken erwünscht, war aber
mit diesem Ansinnen gescheitert.
Daraufhin nutzte die GmbH eine neu eröffnete Fördervariante der Sächsischen Auf-
baubank zur Neustartfinanzierung bei bestätigten Insolvenzplänen. Anfang 2005
wurde ein Betriebsmittelkredit von 70.000 € beantragt. Die Verhandlungen wurden
schnell und konstruktiv geführt. Nach Beseitigung von Irritationen über die Zeitdauer
der Gültigkeit des Förderprogramms erfolgten Kreditzusage und -auszahlung inner-
halb von vier Wochen. Für das Darlehen bürgte A mit seinem Privatvermögen. A wur-
de von der Förderbank eingeladen, sein Insolvenzplanverfahren öffentlich bei der
Einführung des Förderprogramms vorzustellen. Die damit verbundene Publizität er-
lebt A nicht als negativ.
Problematisch war die Aufhebung des Verfahrens aufgrund von offenen Verbindlich-
keiten des Verwalters. Um die Forderung nach einer Abschlussregelung aller Ver-
bindlichkeiten zu erfüllen, hat das Amtsgericht Dresden die sog. "Sonderverwaltung
von Sondervermögen" als Modellregelung erarbeitet: Danach erhält der Verwalter
das Recht zu einer Sonderverwaltung, die ihm erlaubt, offene Verbindlichkeiten spä-
ter selbst zu regeln. In diesem Fall wurde die Sonderverwaltung wegen einer Forde-
rung bis März 2005 aufrechterhalten. Das hatte allerdings den Effekt, dass sich auch
der Eintrag über das Ende des Verfahrens bei Kreditauskunfteien verzögerte.
Der Schufa-Eintrag über ein laufendes Insolvenzverfahren erwies sich als das größte
Folgeproblem. Auch im Handelsregister stand die Meldung "GmbH in Liquidation".
A bemühte sich intensiv um eine Änderung in "Abschluss des Insolvenzverfahrens
bzw. Bestätigung des Insolvenzplans". Ende 2005 erhielt er eine entsprechende Zu-
sage, die aber erst drei Monate später im Rahmen der Umstellung auf die elektroni-
sche Form des Handelsregisters umgesetzt wurde. Damit war erst 16 Monate nach
Aufhebung des Verfahrens für neue Gläubiger erkennbar, dass die GmbH fortgeführt
wird.
VI. Interviewpartner
Fall B: Werbeagentur AG
I. Unternehmensdaten
Insolvenzantrag/
2002 2003 Frühjahr 2006
Verfahrensende
Mitarbeiter 40 25 09.12.2003 / 12
Umsatz 4,2 Mio. € 3,2 Mio. € 14.10.2004 in etwa nach Plan
Gewinn/Verlust geringer Verlust Verlust Gewinn seit 2003
Die Werbeagentur befand sich in den 90er Jahren auf einem Wachstumskurs, der
mittels Bankdarlehen in Höhe von rd. 500.000 € finanziert wurde. Die Gesellschafter
bürgten dafür persönlich. Die Agentur bezog größere Büros zu einer Monatsmiete
von 15.000 €. Der Vertrag sah eine jährliche Mietsteigerung von 3 % vor. Die wirt-
schaftlichen Turbulenzen, die die Terroranschläge vom 11.09.2001 ausgelöst hatten,
verunsicherten die Kunden und ließen den Umsatz massiv einbrechen. Neue Kunden
konnte die Abgänge nicht ausgleichen. Trotz Personalabbau und Sparmaßnahmen
konnte die Kostenbelastung kurzfristig nicht ausreichend verringert werden, u.a. auf-
grund des Mietvertrages. Von den 900 qm Bürofläche wurden nur noch rd. 400 qm
benötigt. Um die drohende Finanzkrise abzuwenden, wurde Anfang 2003 ein außer-
gerichtlicher Vergleich mit den Gläubigerbanken angestrebt und geschlossen. Den
Bürgen wurde jedoch bewusst, dass bei einer anhaltend schlechten Auftragslage
eine private Haftung eintreten könnte.
Im Sommer und Herbst 2003 waren erneut Zahlungen überfällig, doch noch bestan-
den keine Zahlungsrückstände bei Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen. Die
Geschäftsführer meinten, dass noch ausreichend Zeit zur Prüfung von Lösungsvari-
anten verfügbar sei. Anfang November 2003 musste jedoch ein Forderungsausfall
von 60.000 € verbucht werden. Der betreuende Steuerberater, der einer größeren
Kanzlei angehörte, riet jetzt zur Sanierung auf dem Wege eines Insolvenzplanes. Die
frühe Beratungsaufnahme war förderlich für die Informationsbeschaffung. Die Ge-
schäftsbücher der AG waren zudem ordentlich geführt worden.
132
Die Geschäftsführung freundete sich schnell mit der Idee einer Insolvenzplansanie-
rung an. Der Steuerberater empfahl, eine ausgewiesene sanierungserfahrene Unter-
nehmensberatungsgesellschaft hinzuzuziehen. Die Planerstellung im November und
Dezember wurde dadurch erheblich beschleunigt. Der Sanierungsplan war damit
schon vor Insolvenzantragstellung in groben Zügen entworfen, wurde dann aber
noch bis Mai 2004 verfeinert.
Der vorläufige Insolvenzverwalter war skeptisch in Bezug auf einen Unternehmens-
erhalt unter Beteiligung der alten Gesellschafter. Er hatte zudem wenig Erfahrungen
mit Insolvenzplänen. Zur Beurteilung der Sanierungschance fehlte ihm außerdem
spezifisches Branchenwissen. Da den Geschäftsführern versierte Berater zur Seite
standen, konnte sich der Verwalter zunehmend mit der Sanierungsidee identifizieren.
Letztendlich beteiligte er sich an der Planerarbeitung und führte den Geschäftsbe-
trieb aktiv fort, um den Kundenstamm zu erhalten. Nach Ansicht der Schuldner hat er
das Verfahren sehr engagiert - auch im Sinne der Gläubiger - geführt.
Planinhalte
Der Plan sollte zum einen die Sanierung des bestehenden Unternehmens, zum an-
deren die Entlassung der Gesellschafter aus privater Bürgschaft erreichen. Vorgese-
hen waren eine sofortige zeitliche Umsetzung und die unmittelbare Beendigung des
Insolvenzverfahrens mit der Ausschüttung der Quote. Der Plan teilte die rund hundert
Gläubiger in folgende fünf Gruppen ein: 1. Banken, 2. institutionelle Gläubiger (Ge-
setzliche Krankenkassen, Fiskus), 3. sog. "einfache" Gläubiger, z.B. Lieferanten,
4. absonderungsberechtigte Gläubiger (eine Bank) sowie 5. nachrangige Gläubiger.
Ziel des Insolvenzplans war, die Kreditschuld bei Banken um 60 % zu senken. 40 %
der Verbindlichkeiten sollten in ein neues Darlehen überführt werden. Analog wurde
die Senkung der privaten Bürgschaften der Gesellschafter um 60 % vorgeschlagen.
Die Banken konnten anhand der aufgezeigten Alternativszenarien zur Zustimmung
bewegt werden. Im Liquidationsfall hätten sie mit einer durchschnittlichen Erfüllungs-
quote von rd. 27 % rechnen müssen. Da bei Eintritt der Privatbürgschaft die private
Überschuldung der Gesellschafter und damit letztendlich deren Privatinsolvenz droh-
te, hätten sich diese Tilgungsaussichten höchstwahrscheinlich eher verschlechtert.
Für die Banken sollte die Sanierung den Rückzahlbetrag um 400.000 € im Vergleich
zu einer Zerschlagungslösung erhöhen. Auch die anderen Gläubigergruppen wurden
im Plan besser gestellt.
133
Finanzierungsaspekte
Die Phase der Beratungsaufnahme war noch nicht durch extreme Liquiditätsengpäs-
se geprägt. Die Beratungskosten wurden erwirtschaftet bzw. aus der Privatsphäre
der Gesellschafter gedeckt. Alle Beratungshonorare wurden bis zum Insolvenzantrag
vorab beglichen. Für die Zahlung nach dem Insolvenzantrag wurde eine erfolgsab-
hängige Bezahlung vereinbart, die ein erhöhtes Honorar bei Erfolg des Sanierungs-
plans vorsah. Diese Vereinbarung wurde vom Insolvenzverwalter mitgetragen.
Vollstreckungsdrohungen wurden durch den Insolvenzantrag abgewehrt. Die Kosten
wurden z.B. durch Kündigung des langfristigen Mietvertrages und das Insolvenzaus-
fallgeld reduziert. Mit dem Verzicht der Gläubigerbanken stieg die Liquidität der AG
weiter an. Zudem wurde im Plan die Zuführung neuer Finanzmittel durch die Gesell-
schafter als sog. Restart-Finanzierung i.H. von insgesamt 25.000 € vereinbart. Diese
Zahlungen erfolgten aus privaten bzw. familiären Quellen der Altgesellschafter. Die
im Verfahren angefallenen Kosten bewegen sich im üblichen Rahmen.
Bereits mit dem Insolvenzantrag bzw. einen Tag später unterrichtete der Geschäfts-
führer alle Banken und Gläubiger mit mehr als 5.000 € Forderungshöhe persönlich
per Telefon über das angestrebte Planverfahren. Die anderen Gläubiger wurden spä-
ter angeschrieben. Trotz einer Auflistung wurden in der Hektik der ersten Tage einige
Gläubiger vergessen, was sich aber zur Abstimmung nicht negativ auswirkte. Die
Telefonate bereiteten situationsgemäß besondere Probleme. Einige Gläubiger hatte
man noch vor kurzem vertröstet. Letztendlich zeigten ca. 80 % der Gläubiger durch-
aus Verständnis für die Lage und die Wahl des Sanierungswegs. Die übrigen reagier-
ten ablehnend und empört, was für die Geschäftsführer durchaus verständlich war.
Von einigen Lieferanten wurden sie beschimpft.
134
Als vorteilhafter Zufall erwies sich, dass die AG Ende 2003 einer Umsatzsteuerson-
derprüfung unterzogen wurde. So wurde auch das Finanzamt über die Planerstellung
informiert und alle steuerlichen Fragen - z.B. die Steuerschuld der AG bis zum Jah-
resende 2003 - konnten vorab geklärt werden. So wurde die Anmeldung strittiger
Steuerforderungen in der Tabelle vermieden. Anfang 2004 lud die Steuerberaterge-
sellschaft die Gläubigerbanken zu einer Verhandlungsrunde ein und stellte den Sa-
nierungsplanentwurf vor. Dessen Vorteile überzeugten die Banken. Der Planentwurf
wurde ohne Änderungen ins "Reine" geschrieben. Um alle Gläubiger überzeugen zu
können, wurde ein gut leserlicher, nur rund 20 Seiten umfassender Planentwurf vor-
gelegt. Der Insolvenzplan orientierte sich inhaltlich, in der Form und im Umfang am
Insolvenzplan der Herlitz AG.
Die endgültige Annahme des Insolvenzplans wurde somit von Anfang an von dem
Geschäftsführer, den Beratern und dem Verwalter gründlich vorbereitet. Dies verur-
sachte zwar einen hohen Aufwand, dafür wurde der Insolvenzplan aber auch ein-
stimmig angenommen. Vor dem Abstimmungstermin wurden alle Gläubiger über den
Planentwurf informiert. Sie erhielten einen Einladungsbrief, versehen mit dem Ent-
wurf einer Vollmachtserklärung für den Fall, dass sie der späteren Abstimmung am
Gericht fernbleiben wollten. Durch den Rücklauf dieser Vollmachten war bereits im
Vorfeld des Termins eine 30-%-ige Zustimmung der Gläubiger sicher. Zum Abstim-
mungstermin erschienen dann doch nur wenige Gläubiger.
Für den Geschäftsbetrieb während des Verfahrens sowie die Umsetzung der Sanie-
rung war im Wesentlichen die Geschäftsführung verantwortlich. Sie erhielt, als sich
beim Insolvenzverwalter ausreichend Vertrauen entwickelt hatte, innerhalb eines be-
stimmten wöchentlichen Finanzrahmens zunehmend freie Hand. Die Zusammenar-
beit war durch eine offene Kommunikation gekennzeichnet. Die AG verfolgt eine akti-
ve PR-Strategie in Bezug auf das eigene Planverfahren. Ein Vorstand hält im Rah-
men von Seminarreihen der KfW bzw. der Bundessteuerberaterkammer Vorträge
über planbasierte Sanierungen.
Nach Verabschiedung des Insolvenzplans verzögerte sich die Verfahrensaufhebung
um vier Monate, da verschiedene Verwaltungsakte und Prüfungen erfolgen mussten.
Die Sanierung verlief nahezu problemlos. Nur ein Lieferant hatte versucht, die Agen-
tur bei anderen Kunden anzuschwärzen. Die offene Kommunikation der Geschäfts-
führung hatte den Kunden jedoch von deren Seriosität überzeugt.
Der Sanierungsplan wurde bezüglich Mitarbeiterzahl, Umsatz, Liquidität und Gewinn
trotz der schlechten Entwicklung des Werbemarktes bis 2005 punktgenau umgesetzt.
Die Agentur erwirtschaftet seit 2003 Gewinne. Sie hatte anfangs alle 22 sozialversi-
cherungspflichtigen Mitarbeiter übernommen. Jedoch hatte sich bereits vor der Insol-
venz die strategische Frage gestellt, ob mit dieser Betriebsgröße ein Überleben im
Alleingang möglich sei. Um international agieren zu können, wurde unmittelbar nach
der Sanierung ein Kooperationsvertrag mit einem internationalen Agentur-Netzwerk
unterzeichnet. Eine finanzielle Beteiligung dieses strategischen Partners ist nicht
vorgesehen. Im Rahmen der Kooperation wurden einige Arbeitsplätze mitsamt Per-
135
sonal zum Kooperationspartner überführt, so dass die Agentur Anfang 2006 nur noch
12 sozialversicherungspflichtige Mitarbeiter hatte.
Zum Interviewzeitpunkt wurde keine erneute Fremdkapitalaufnahme bei Banken an-
gestrebt. Als sanierungshemmend bewerten die Interviewten dennoch die Regeln für
Handelsregistereinträge bei Planverfahren: Eine Gesellschaft ist in diesem Falle nicht
zur Löschung vorgesehen, sondern wird fortgeführt. Dies gilt auch für Einträge bei
Kreditauskunfteien. Die AG ist immer noch mit dem Eintrag "in Insolvenz" versehen,
obwohl sie schon zwei Jahre verlustfrei wirtschaftet.
VI. Interviewpartner
I. Unternehmensdaten
Insolvenzantrag/
2001 2002 2004 2005
Verfahrensende
Mitarbeiter 75 (+75 im 50 10.10.2002 / 40 50
Ausland) 30.04.2003
Umsatz 9 Mrd. € 4 Mrd. € 2,1 Mio. € 2,5 Mio. €
Gewinn/Verlust 100.000 € 0 rd. 130.000 € 150.000 €
Das Unternehmen wurde von zwei Gesellschaftern, ohne Aufnahme von Fremdkapi-
tal, gegründet, als sich die Tourismusbranche in weltweitem Aufschwung befand. Die
GmbH expandierte schnell durch Gründung von fünf Tochtergesellschaften in den
USA (Investitionssumme 1 Mio. €), Frankreich, Spanien, Australien und der Türkei.
Dieses Wachstum wurde aus eigenen Gewinnen finanziert. Mit dem Einbruch der
Tourismusindustrie nach dem 11.09.2001 sank jedoch der Konzernumsatz schlagar-
tig. Fortlaufende Gehaltszahlungen nötigten bald dazu, Insolvenz für die Tochterge-
sellschaft in den USA zu beantragen. Der Rückbau der Geschäftstätigkeit hinkte den
abrupten Umsatzverlusten in weiteren Auslandsmärkten hinterher, so dass es zur
Folgeinsolvenz aller Auslandstöchter kam. Der interviewte Gesellschafter C urteilt
nachträglich, dass die schnelle Expansion mit einer Umstrukturierung der Mutterge-
sellschaft hätte einhergehen müssen.
Zuletzt war auch die Konzernmutter so stark finanziell angegriffen, dass das positive
Geschäftsergebnis in Deutschland nicht mehr ausreichte, die Liquidität abzusichern.
Das Personal wurde in Deutschland auf 50 Mitarbeiter reduziert. Die offenen Ver-
bindlichkeiten stiegen dennoch in kurzer Zeit auf rd. 900.000 €. Die Sozialversiche-
rungen drohten der Unternehmensführung mit einer Anzeige wegen Beitragshinter-
ziehung. Der Geschäftsführer C haftete bereits aufgrund einer privaten Bürgschaft für
ein Geschäftskonto mit einem Kreditrahmen von 25.000 €. Der interviewte Ge-
schäftsführer hatte während der Krise auf sein Gehalt verzichtet und selbst die Zah-
lungen an seine Krankenversicherung ausgesetzt. Durch die Klage drohte C nun-
mehr die private Überschuldung.
137
Die Gründer waren der Ansicht, dass das Kerngeschäft in Deutschland profitabel
war. Umfangreiche Lizenzgeschäfte sprachen für einen Erhalt des Rechtsträgers. Die
GmbH trat als Lizenznehmer für Software auf und reichte gebündelte Software-
Pakete über Lizenzverträge an die Kunden weiter. Der Software-Lieferant, der
Hauptgläubiger, war an einer Fortführung des Geschäfts interessiert und sicherte
trotz der drohenden Insolvenz seine Unterstützung zu.
Da zuerst die amerikanische Tochter insolvent wurde, kannte der Gesellschafter C
die sanierungsfreundlichen Verfahrenswege in den USA. Dies lenkte den Blick auf
vergleichbare Sanierungsoptionen im deutschen Insolvenzrecht: Eigenverwaltung
und Insolvenzplan. Auf der Suche nach Informationen wurde C allerdings nur im In-
ternet fündig, die Informationsangebote öffentlicher Beratungsinstitutionen verspra-
chen keine konkrete Hilfe. Der Geschäftsführer war zudem nicht von der Beratungs-
qualität der lokalen Anbieter überzeugt. Aufgrund des Selbststudiums fühlte sich C
ausreichend über das Insolvenzplanverfahren informiert. Er entschloss sich im Okto-
ber 2002 zu einem Antrag auf Insolvenz in Eigenverwaltung und kündigte einen In-
solvenzplan an.
Die Sanierungsidee wurde zu großen Teilen vor dem Insolvenzantrag durch die Ge-
schäftsführung selbst entwickelt, die konkreten Sanierungsschritte musste jedoch der
vorläufige Insolvenzverwalter mitgetragen und umsetzen. Die Sanierungsidee wurde
ihm im November 2002 in einem Gespräch vorgestellt. Der Verwalter war einer Sa-
nierung zwar grundsätzlich gewogen, forderte allerdings eine Entlastung hinsichtlich
seiner Haftung für neue Verträge. Geschäftsführung, Lieferant und Verwalter schlos-
sen daraufhin Ende Dezember 2002 einen Vertrag, der eine Unternehmensfortfüh-
rung über sechs Monate vorsah und diese auch finanziell absicherte. Der Verwalter,
der bereits im November 2002 für alle Mitarbeiter Kündigungen ausgesprochen hatte,
nahm daraufhin die Kündigung von 20 Mitarbeitern zurück und setzte die Geschäfts-
tätigkeit fort.
Der vorläufige Insolvenzverwalter, der später zum endgültigen Verwalter ernannt
wurde, steuerte seine rechtliche Expertise bei der Entwicklung des Sanierungsplans
bei. Nach seinen Angaben war dieser Fall das erste Planverfahren in seinem Bun-
desland, was den Verfahrensprozess erheblich erschwerte. Die öffentlichen Organe,
eben auch das Gericht und der Fiskus, betraten Neuland bei der Verfahrensführung.
Die Verantwortlichen mussten sich erst über die Spezifika des Verfahrens informie-
ren. Da sie die Liquidation eines insolventen Unternehmens als Normalfall betrachte-
138
ten, war ihnen der Sanierungscharakter des Verfahrens fremd. Nur zögerlich wurden
die Aktivitäten auf eine Sanierung hin ausgerichtet.
Die Rechtspflegerin reagierte z.B. aus Sicht des C eher desinteressiert. Der Richter
lehnte den Sanierungsweg zuerst ab. Daran gewöhnt, dass der Schuldner alle Rech-
te an den Insolvenzverwalter abgeben muss, war der Richter gar nicht an einem di-
rekten Kontakt mit der Geschäftsführung interessiert. So kommunizierten beide Sei-
ten nur auf telefonischem Wege miteinander. Dadurch wurde es C erschwert, das für
eine Eigenverwaltung nötige Vertrauensverhältnis zum Richter aufzubauen. C hatte
sich aufgrund der spezifischen Branchenkenntnisse und der frühen Antragstellung
eine Eigenverwaltung erhofft, auch um die Verfahrenskosten zu senken. Der Richter
lehnte diesen Antrag jedoch grundsätzlich ab, da nach seiner Ansicht - so gab der
interviewte Geschäftsführer an - eine Eigenverwaltung generell dem Schutz der
Gläubiger widerspräche. Die Ablehnung speiste sich sicher auch aus Zweifeln an der
juristischen Qualifikation des Geschäftsführers sowie aus dem Umstand, dass dieser
den Antrag ohne juristische Unterstützung gestellt hatte. Der interviewte Geschäfts-
führer war zu diesem Zeitpunkt in einem Alter von knapp über 30 Jahren.
Planinhalte
Das Finanzamt, bei dem Steuerschulden von rd. 30.000 € bestanden, sollte wie alle
Gläubiger anteilig auf seine Ansprüche verzichten und vor allem die Sanierungsge-
winne steuerfrei stellen. Auch die Gesetzliche Krankenversicherung sollte anteilig auf
ihre Forderungen verzichten und zudem den Strafantrag gegen die Geschäftsführung
zurückziehen, um die Geschäftsführer von der drohenden Haftungsübernahme we-
gen Beitragshinterziehung zu befreien. Solch eine Klagerücknahme ist jedoch nicht
Inhalt des Insolvenzverfahrens gegen die GmbH und wurde daher aus dem Textent-
wurf gestrichen.
Da der Hautgläubiger aufgrund seiner Forderungshöhe einen hohen Anteil der Gläu-
bigerstimmrechte besaß, war die Annahme des Insolvenzplans wahrscheinlich. Bei
139
den übrigen Gläubigern standen meist nur kleinere Summen offen. Der Insolvenz-
verwalter entschied daher, alle Gläubiger in einer Gruppe zu bündeln.
Finanzierungsaspekte
Neben dem Verzicht stützt sich die Sanierung auf ein neues Darlehen des Software-
Lieferanten, der eine Finanzierungshilfe von 150.000 € anbot. Je zur Hälfte sollte das
Geld zur Gläubigerbefriedigung und für Neuinvestitionen verwendet werden. Durch
diese Maßnahme war der fortlaufende Betrieb im Insolvenzverfahren gesichert. Mit
den vorgesehenen Verzichtserklärungen aller Schuldner würde das Geschäft auf ei-
ne neue Grundlage gestellt werden. Mit dem Insolvenzantrag hatten allerdings die
örtliche Volksbank und eine große Privatbank alle Geschäftskonten gekündigt, was
den Zahlungsverkehr extrem erschwerte. Die Privatbank bot letztlich im Verlaufe des
Gerichtsverfahrens ein neues Geschäftskonto auf Guthabenbasis an.
Für die Sanierung war vor allem eine schnelle Stabilisierung des Umsatzes grundle-
gend. Bereits vor der Insolvenz hatte ein größeres, weltweit tätiges Tourismusunter-
nehmen ein Interesse an einer Geschäftsbeziehung bekundet. Da dessen Manage-
ment von der persönlichen Integrität der schuldnerischen Geschäftsführung über-
zeugt war, konnten Geschäfte aufgenommen werden. Dadurch wurde der Umsatz
auf eine breitere Basis gestellt sowie ein positives Signal nach außen gesendet.
Die Kosten für das Gesamtverfahren belaufen sich auf rd. 50.000 €, der Hauptteil
entfällt auf den Insolvenzverwalter. Hier hätte eine Eigenverwaltung zu geringeren
Kosten führen können, zumal die Geschäftsführung - so ihre Selbsteinschätzung -
die Sanierungsidee weitgehend in "Eigenregie" ausgearbeitet hatte und auch mit ei-
nem vergleichsweise hohen Arbeitsanteil an der Betriebsführung beteiligt war.
Übersicht: Kosten des Insolvenzplanverfahrens in €
100 € monatlich verweigert. Die Verhandlungslage mit Lieferanten und Kunden ent-
spannte sich ab dem Jahr 2003 leicht, da seitdem in der breiten Öffentlichkeit stärker
bekannt wurde, dass in einer Insolvenz Sanierungsmöglichkeiten bestehen. Auch
drei Jahre nach dem Insolvenzplanverfahren werden Leasingverträge verwehrt. Eini-
ge Unternehmen liefern weiterhin nur gegen Vorkasse.
Laut erstem Plankonzept hätte der Betrieb mit zwei bis vier Beschäftigten aufrechter-
halten werden sollen, gestartet wurde allerdings bereits mit 20 Personen. Da der
Umsatz sehr schnell wuchs, wurden Ende 2003 schon 40 Mitarbeiter beschäftigt.
Bereits im ersten Jahr nach der Insolvenz wurde Gewinn erwirtschaftet, was die Li-
quidität partiell absicherte. Damit wurde das Plankonzept in Punkto Umsatz, Mitarbei-
ter und Gewinnsituation bereits im ersten Jahr übertroffen. Da der Finanzbedarf be-
reits Mitte 2003 angestiegen war, entschlossen sich die Gesellschafter, neues Kapital
aus der Privatsphäre in Höhe von 250.000 € zuzuführen. Eine Fremdkapitalaufnah-
me bei einer Bank war in den ersten Jahren nach der Insolvenz nicht geplant. Bis
Ende des Jahres 2005 stiegen die Mitarbeiterzahl auf 50 und die Bilanzsumme auf
rd. 2 Mio. €. Der Jahresumsatz lag bei 2,5 Mio. €. Die GmbH verzeichnete 2005 ei-
nen erneuten Gewinnzuwachs. C betont, dass Wachstumsstrategien und Investitio-
nen behutsamer geplant werden als früher. Zum Beispiel sei eine erneute Internatio-
nalisierung grundsätzlich denkbar, aber nur mit Start in einem einzelnen Land.
Alle Investitionen werden aus den Gewinnen finanziert. Die GmbH führte noch im
Jahr 2006 ein reines Guthabenkonto. Im Herbst 2005 hatte C die Hausbank erstmals
um ein höheres Engagement gebeten. Damals zögerte die Hausbank, sprach aber
nicht eindeutig von einer Ablehnung. Die GmbH war laut Kreditauskunfteien nicht
kreditwürdig. Seit Frühjahr 2006 wird das Unternehmen zumindest bei Creditreform
mit dem Eintrag einer guten Bonität ausgewiesen.
Der Handelsregistereintrag "in Insolvenz" suggerierte ebenfalls, dass sich die GmbH
in der Liquidation befinden würde. Das behinderte das Unternehmen bei Ausschrei-
bungsverfahren. Verschiedene öffentliche Auftraggeber hatten z.B. Angaben zur fi-
nanziellen Lage oder Bestandsgarantien verlangt. Die Geschäftsführung wurde dann
z.T. gesondert geladen und um die nachträgliche Abgabe einer Erklärung dahinge-
hend gebeten, dass in den kommenden Jahren eine Vertragserfüllung gewährleistet
sei. Mancher Auftrag wurde dennoch verloren.
VI. Interviewpartner
I. Unternehmensdaten
Insolvenzantrag/
1999 2000 2005
Verfahrensende
Mitarbeiter 7 8 15.9.2000 / 6
Umsatz 400.000 € 250.000 € 15.02.2004 390.000 €
Gewinn/Verlust 150.000 € 50.000 € 23.000 €
Die Arztpraxis wurde Anfang der 1990er Jahre in Form einer GbR von den Gesell-
schaftern A und B gegründet. Nach sechs Jahren verkaufte B seine Anteile an einen
Nachfolger, den Interviewpartner N, der dazu bei der Hausbank der GbR ein Darle-
hen von über 400.000 € aufnahm.
Im Rahmen der Gesundheitsreform 2000 wurde das Preissystem der Gesetzlichen
Krankenversicherung (GKV) verändert.74 Die Praxisleistungen wurden gegenüber
dem Vorjahr um durchschnittlich 40 % weniger bewertet, die Praxiskosten waren
nicht mehr gedeckt. Fehlendes Eigenkapital verhinderte eine weitere Kreditaufnah-
me. Der Ergebniseinbruch belastet vor allem den Gesellschafter A, da er für einen
Gründungskredit in Höhe von ungefähr 1,6 Mio. € haftete und im Jahr 2000 eine mo-
natliche Tilgungsrate von rd. 15.000 € zu erbringen hatte. Nachdem die Rate nicht
mehr gedeckt war, stellte A einen Insolvenzantrag für sein Privatvermögen, ohne
diesen Schritt mit N abzustimmen. Offensichtlich war das Vertrauensverhältnis beider
Gesellschafter bereits zerrüttet, was eine gemeinsame Krisenlösung blockierte. Bis
zu diesem Zeitpunkt hatte die GbR alle Forderungen der Sozialversicherungen oder
des Fiskus beglichen und war noch nicht zahlungsunfähig. Aufgrund der in der
Rechtsform begründeten gegenseitigen Haftung von Privat- und Gesellschaftsver-
mögen stand jedoch auch die GbR im Herbst 2000 vor der Insolvenz. Die Hausbank
beider Gesellschafter sperrte alle privaten Konten des Gesellschafters N, beschlag-
nahmte dessen Wertpapierdepot (Schätzwert 0,5 Mio. €), sowie eine Lebensversi-
74 In der GKV erhält die Kassenärztliche Vereinigung ein gedeckeltes Jahresbudget für die
medizinischen Leistungen aller Vertragsärzte. Für jede erbrachte Leistung werden Punk-
te vergeben, ihr Geldwert ergibt sich jedoch erst am Ende der Periode, wenn das Ge-
samtbudget durch die Gesamtpunkte dividiert wird. Bei steigendem Leistungsumfang
sinkt der Punktwert. Eine Praxis kann also im Vorhinein nicht genau kalkulieren, was sie
für eine Leistung erhält.
143
cherung und forderte die Übertragung einer Immobilie. Da N seinen Kredit bislang
termintreu getilgt hatte und sich aus seiner Sicht eine umfangreiche vertrauensvolle
Geschäftsbeziehung zur Bank entwickelt hatte, versuchte er, die Bank zu einem Ent-
gegenkommen zu bewegen. Das Bankhaus lehnte jedoch jede Verhandlung ab. N
war der Meinung, dass er ohne größeres persönliches Fehlverhalten in die Über-
schuldung geraten war, da der Abschluss der gefährdeten Darlehen in den Verant-
wortungsbereich der Altgesellschafter und der Bank fiel. Er erkannte erst mit der In-
solvenz die Tragweite der in einer GbR bestehenden Haftungsverhältnisse, die ihn
verpflichteten, für die Schulden der GbR und damit auch für die Verpflichtungen des
A in Gesamthöhe von fast 1,2 Mio. € einzustehen. Daraufhin kündigte N den Gesell-
schaftsvertrag auf.
Der Insolvenzverwalter des A wurde auch mit der vorläufigen Verwaltung im Fall N
betraut. Er besprach die Idee eines Insolvenzplanes mit dem Richter. Da die Beteilig-
ten auf die Branchenerfahrung des Insolvenzverwalters vertrauen konnten, über-
nahm dieser die Verhandlungsführung mit den Gläubigern und den Planentwurf.
An der Analyse der Sanierungsfähigkeit war neben der Unternehmensleitung auch
der Steuerberater beteiligt, zudem wurden Angaben zum Schuldenstand bei Banken
und Lieferanten eingeholt. Der Verwalter ließ neue Bilanzen von einem Wirtschafts-
prüfer erstellen und riet zudem, zur Planerarbeitung einen von ihm empfohlenen Un-
ternehmensberater hinzuzuziehen. Allerdings war es wegen der rechtsformspezifi-
schen Besonderheiten sehr schwierig, schnell gesicherte Informationen zum Schul-
denstand und damit zur Finanzlage zu erhalten. Dies lag u.a. auch daran, dass im
Jahr 2000 viele insolvenzrechtliche Fragestellungen für die Rechtsform der GbR un-
geklärt waren. Außerdem war ein Teil der angemeldeten Forderungen i.H.v.
1,4 Mio. € strittig. Trotz der hohen Forderungssumme sah der Verwalter die Masse-
fähigkeit gegeben und das Gerichtsverfahren wurde drei Monate nach dem Antrag
eröffnet.
Der Antrag auf Eigenverwaltung wurde von Richter und Rechtspfleger wohlwollend
begleitet, u.a. da zwischen ihnen und dem vorläufigen Verwalter, dem späteren
Sachwalter, ein enges Arbeitsverhältnis bestand. Der Antrag wurde nach einem ent-
sprechenden Beschluss der ersten Gläubigerversammlung genehmigt. Der Arzt blieb
für wesentliche Bereiche des Betriebsablaufes, also die Organisation der Leistungs-
erstellung und die Kundenbeziehungen, verantwortlich. Im normalen Betriebsalltag
änderte sich aus seiner Sicht relativ wenig an seiner Zuständigkeit. Lediglich die Ab-
wicklung des Zahlungsverkehrs musste mit dem Sachwalter abgestimmt werden, da
dieser das Geschäftskonto verwaltete. N legte ihm alle Zahlungsvorgänge unter-
schriftsreif zur Abzeichnung vor.
Planinhalte
Mit der Aussicht auf eine feste Einnahmenhöhe verhandelte der Verwalter mit den
Gläubigern über einen anteiligen Verzicht. Vorgeschlagen wurde eine mehrjährige
Tilgung bis zu einer Höhe von insgesamt rd. 15 % mittels fester Monatsraten. Bei
einer Zerschlagungslösung wären Auszahlungen von maximal 1,4 % zu erwarten
gewesen. Der Insolvenzplan wurde den Gläubigern drei Jahre nach Insolvenzantrag
zur Abstimmung vorgelegt. In dieser Zeit flossen die Einnahmen der Praxis, der Neu-
erwerb, auf ein Sonderkonto des Insolvenzverwalters. Die Forderungen sollten über
einen weiteren Zeitraum von 3,5 Jahren nach Verabschiedung des Insolvenzplans
aus den Praxiseinnahmen befriedigt werden. Zwischen dem Zeitpunkt der Antragstel-
lung und dem Ende der Tilgungsphase liegen somit rd. sechs Jahre, was im Ver-
gleich mit anderen Insolvenzplänen relativ lang ist, aber der Wohlverhaltenszeit eines
Restschuldbefreiungsverfahrens entspricht.
Finanzierungsaspekte
Die Sanierungschance stützte sich auf die Zahlungszusagen der KV und die finan-
ziellen Zugeständnisse der Gläubiger. Die Personalkosten waren in den ersten drei
Monaten durch das Insolvenzausfallgeld gedeckt. Allerdings unterliefen dabei Verfah-
145
dass viele Forderungen unberechtigt angemeldet worden waren. Er deckte auf, dass
Forderungen mehrfach angemeldet hatten, also jeweils gegen die GbR wie auch ihre
Gesellschafter. Einige Forderungen waren längst beglichen gewesen. N forderte den
Sachwalter unverzüglich zu Zurückzuweisungen auf. Von der Ursprungssumme von
1,4 Mio. € wurden lediglich 290.000 €, also ein Fünftel, als berechtigt anerkannt. Of-
fensichtlich war die Forderungstabelle anfänglich nur unzureichend vom Sachwalter
überprüft worden. Zur Abstimmung über den Plan waren rd. 15 Gläubiger aufgerufen,
darunter viele Kleingläubiger. In der Versammlung, mehr als drei Jahre nach dem
Insolvenzantrag, wurde der Plan einstimmig angenommen. Nach Vorlage der Kosten
und der Schlussverteilung kamen bei N Zweifel an der Verfahrensführung des Ver-
walters auf. Ein kontaktierter Rechtsanwalt äußerte ebenfalls Bedenken an der
Rechtmäßigkeit einzelner Absprachen und rügte, dass das Verfahren zur Massean-
reicherung in die Länge gezogen wurde. Er riet dem Schuldner, den Richter um Aus-
kunft über die Verwendung der Masse zu bitten. N lagen aber auch Anfang 2006 nur
lückenhafte Informationen zur Verhandlungs- und Verfahrensführung vor.
V. Umsetzung des Insolvenzplans
Der Geschäftsbetrieb wurde ständig aufrechterhalten. Die Praxis litt jedoch unter der
schwachen Finanzbasis sowie an mangelnder Liquidität, da wichtige Lieferanten nur
gegen Vorkasse lieferten. Mit Aufhebung des Insolvenzverfahrens setzten die im In-
solvenzplan vereinbarten Ratenzahlungen ein. Doch fünf Monate nach Verfahrens-
ende regulierte die KV die Preise erneut. Die Vergütungswerte sanken so stark, dass
die Ratenzahlungen nicht mehr gedeckt waren. Damit waren die Basisannahmen des
Sanierungsplans obsolet. Der Schuldner informierte Sachwalter, Gläubiger und KV
über die neue finanzielle Schieflage und setzte die Tilgung vorerst aus.
Die Praxis hat im Jahr 2005 mit sechs Mitarbeitern einen Umsatz von 390.000 € er-
wirtschaftet und dabei einen geringen Gewinn von 23.000 € erzielt. Die Bilanzsumme
lag bei 450.000 €. Dieses Ergebnis reicht aus Sicht des N nicht aus, um die Praxis
zukünftig wirtschaftlich führen zu können. Da angesichts der Preisregelungen eine
Umsatzausweitung kaum möglich ist, sei die Sanierung gescheitert. N sucht daher im
Frühjahr 2006 erneut einen Ausweg, wobei er ein weiteres teures Gerichtsverfahren
vermeiden wollte. Angedacht sei eine freiwillige Betriebschließung, die Entlassung
der Mitarbeiter sowie die Veräußerung der Technik und der KV-Sitzzulassung, an die
ein Individualbudget von rd. 0,4 Mio. € im Jahr gebunden ist, an einen Mitbewerber.
Mit den Einnahmen soll die Restschuld i.H.v. knapp 40.000 € zumindest anteilig ab-
gelöst werden. Einen entsprechenden Vergleichsvorschlag hat N im Frühjahr 2006
an den Sachwalter übersandt und um die Aufnahme neuer Verhandlungen gebeten.
Die Gläubiger verhielten sich bis zum Interviewtermin im Mai 2006 still.
VI. Interviewpartner
I. Unternehmensdaten
Rumpfjahr Insolvenzantrag/
2003 2004 Frühjahr 2006
2005 Verfahrensende
Mitarbeiter 623 649 02.08.2005 / ca. 420
Umsatz 88 Mio. € 87 Mio. € ca. 65 Mio. € 05.01.2006 60 Mio. €
erwartet
Ge- - 600.000 € - 4.000.000 € - 11.000.000 € Gewinn
winn/Verlu erwartet
st
Das Unternehmen war Teil einer Unternehmensgruppe, die von einer Beteiligungs-
holding geführt wurde. Die Kommanditgesellschaft, eine GmbH & Co. KG, vereinte
verschiedene Beteiligungsgesellschaften. Die Kommanditeinlage betrug 2,5 Mio. €.
Die Komplementärin war ebenfalls eine Beteiligungsgesellschaft mbH. All diese Ge-
sellschaften wiesen mehrheitlich einen Bezug zu den Familien der Unternehmens-
gründer bzw. eines Mitgesellschafters auf. Deren Anteile wurden im Jahr 1992 auf
die Holding übertragen und in der Zwischenzeit mehrfach in der Summe erhöht.
Das Unternehmen nahm für den Ausbau des Geschäftsbetriebs, u.a. für Neuinvesti-
tionen an einem zweiten deutschen Produktionsstandort und eine Vertriebsniederlas-
sung im Ausland, diverse Kredite in Höhe von insgesamt 18 Mio. € bei verschiede-
nen Banken auf. Dabei war das Unternehmen jeweils Kreditnehmer für den Gesamt-
konzern, die Bankdarlehen waren jedoch überwiegend über die verbundenen Beteili-
gungsgesellschaften abgesichert.
Das Unternehmen litt - wie viele baunahe Branchen - unter der sinkenden Inlands-
nachfrage ab dem Jahr 1995. Auslandsmärkte wurden kaum beliefert. Anfangs ge-
lang es, die Umsätze durch das Angebot neuer Produkte relativ stabil zu halten. Im
Jahr 2004 wurde in eine neue Produktionsanlage investiert. Sie wurde unmittelbar
nach Fertigstellung im Jahr 2005 an eine Leasinggesellschaft verkauft und anschlie-
ßend zurückgeleast (sog. Sale and Lease Back-Geschäft). War der Umsatz bis 2004
nur in geringem Ausmaß gesunken, brach er in den ersten Monaten des Jahres 2005
gegenüber dem Vorjahreswert um 12 % ein. Eine Marktstabilisierung war in Deutsch-
land nicht zu erwarten, da die Preise für Standardprodukte weiter sanken.
148
Die Beratungsagentur schlug vor, zur Sanierung des Unternehmens ein Insolvenz-
planverfahren anzustreben, da sie dies für vorteilhafter als einen außergerichtlichen
Vergleich hielt. Es böte die Chance, dass die Alteigentümer weiterhin in der Unter-
nehmensleitung aktiv sein könnten. Zum Zwecke einer Sanierung in Eigenregie wur-
den Ende Juli 2005 zwei der Unternehmensberater als zusätzliche Mitglieder in die
Geschäftsführung aufgenommen.
Der Plan wurde den kreditgebenden Banken bereits eine Woche vor dem Insolvenz-
antrag vorgestellt. Das Gericht, ein eher kleineres Insolvenzgericht, war im Jahr 2005
noch insolvenzplanunerfahren. Der Richter äußerte, dass er aufgrund seiner Arbeits-
belastung kein Interesse an einem erhöhten Kontrollaufwand in diesem Verfahren
hätte. Bei seiner Prüfung würde er tendenziell der Einschätzung des Insolvenzver-
walters folgen, den er mit der Erstellung des Eröffnungsgutachtens beauftragt hatte.
Der Verwalter ließ durch eine Steuerberatungsgesellschaft einen Zwischenabschluss
erstellen. Durch dieses Gutachten wurde die Informationsgrundlage für das Abwägen
der Sanierungschance zum Ende des Jahres 2005 neu bestimmt und für alle Betei-
ligten vereinheitlicht. Dies ermöglichte eine rationale Diskussion mit den Gläubigern
und Anteilseignern.
Der vorläufige Verwalter wurde in diesem Verfahren erstmals damit konfrontiert, dass
die Unternehmensleitung bereits externe Sanierungsberater engagiert und einen Sa-
nierungsplan erarbeitet hatte. Er ließ sich von der Sanierungsidee überzeugen und
149
stimmte zu, dass die Unternehmensleitung nach der Antragstellung alle Geschäfts-
partner schriftlich über die Sanierungsidee unterrichtete. Dennoch entstanden im Er-
öffnungsverfahren Abstimmungsprobleme hinsichtlich der Kompetenzen des Insol-
venzverwalters und des Schuldners. Der Insolvenzverwalter sprach sich letztendlich
gegen die Eigenverwaltung aus. Er gab an, dass er grundsätzlich Vorbehalte gegen
Eigenverwaltungen hätte. Der Richter folgte dem Urteil des Verwalters. Die Interes-
sen des Schuldners blieben dabei ohne Berücksichtigung.
Planinhalte
Ende 2005 waren Forderungen der Gläubiger von fast 40 Mio. € offen, deren Tilgung
nicht mehr aus dem Betriebsergebnis zu erwirtschaften war. Daher war zur Sanie-
rung ein anteiliger Verzicht aller Gläubiger nötig. Der Insolvenzplan der Unterneh-
mensberatung sah vor, sechs Gläubigergruppen zu bilden.
Kreditinstitute mit
Nicht
Verbunde- Drittsicherheiten
Arbeitneh- Lieferan- Institutionel- nachrangi-
ne Unter- am Vermögen
mer ten le Gläubiger ge Gläubi-
nehmen der verbunden
ger
Unternehmen
Forderungen 0,2 Mio. € 3,2 Mio. € 10,5 Mio. € 12,7 Mio. € 12,5 Mio. € 0,3 Mio. €
Liquidation durchschnittlich 18 %
Fortführung 23,0 % 87,5 % 23,0 % 38,8 % 51,4 % 74,3 %
10 % so- zukünftige Rück- je 50 % im
Auszah-
fort zahlung des April/ Au-
lungsmodus je 50 % im April/August 2006
Darlehens gust 2006
Die Arbeitnehmer bilden die Gruppe 1; ihnen wurde ein größeres Interesse am Erhalt
des Unternehmens als an einer schnellen und vollständigen Gehaltsauszahlung un-
terstellt. Für die Gruppe 2, d.h. Warenlieferanten, deren Forderungen zu rd. 80 %
durch Eigentumsvorbehalte besichert waren und die einen Lieferantenpool gebildet
hatten, war trotz Aussonderungsrechte eine pauschale Abfindung vorgesehen. Sie
sollten aufgrund der zukünftigen Lieferbeziehungen ein Sonderopfer bringen.
Den institutionellen öffentlichen Gläubigern in Gruppe 3 wurde ebenfalls ein hoher
Verzicht vorgeschlagen, da sie aus einer Fortführung und Arbeitsplatzsicherung e-
benfalls zukünftig Nutzen ziehen würden. Die mit der Schuldnergesellschaft verbun-
denen drei Vermögensverwaltungsgesellschaften in Gruppe 4 hatten ein noch höhe-
res Fortführungsinteresse, da sie direkt an zukünftigen Erträgen partizipieren und
zudem Immobilienverträge aufrechterhalten konnten. Je nach Bezug zum Unterneh-
men und Grad der Neustartfinanzierung waren Quoten zwischen 0 und 59 % vorge-
sehen. Zusammengefasst lag die Quote dieser Gruppe bei 38,8 %, die jedoch nur zu
einem Zehntel sofort zur Auszahlung kommen sollte.
Zwei Kreditinstitute verfügten über besondere Sicherheiten und bildeten deswegen
die 5. Gruppe. Ihnen wurden rund 50 % der Forderungen zugesprochen. Sie wurden
150
aber verpflichtet, weiterhin als Vertragspartner zur Verfügung zu stehen und sich mit
den verbleibenden und neuen Darlehen substantiell an der Neufinanzierung zu betei-
ligen. Die Erfüllung ihrer Quote wurde in die Zukunft verschoben, als normale Tilgung
eines Darlehens. Da dies von zukünftigen Erträgen abhängig ist, fiel der vorgeschla-
gene Verzicht etwas niedriger aus als in Gruppe 4. Die Gruppe 6 wurde aus nicht
nachrangigen Gläubigern gebildet, die nicht den übrigen Gruppen zuzuordnen waren.
Nach diesem Planentwurf wurde allen Gläubigern je nach Besicherung der Forde-
rungen und Zukunftserwartungen ein Verzicht abverlangt, der zwischen 12,5 % für
die Lieferanten und 77 % für Arbeitnehmer und institutionelle Gläubiger wie Fiskus
und Sozialversicherungen lag. Durchschnittlich sollten nur noch 50 % der Forderun-
gen erfüllt werden. Bei einer übertragenden Sanierung wäre eine Quote von 18 % zu
erwarten gewesen. Für nicht im Plan berücksichtigte, eventuell später eingehende
Forderungen wurden zudem Rückstellungen i.H. v. 1 Mio. € vorgenommen.
Finanzierungsaspekte
Zum Neustart war eine Startfinanzierung nötig, die u.a. von einer bereits engagierten
Hausbank gestellt werden sollte. Die Hausbank, eine Sparkasse, war früh über die
geplante Krisenlösung informiert worden. Sie war anfangs überrascht, dass eine Sa-
nierung im Insolvenzplanverfahren angestrebt wurde. Sie unterlag einer Fehlein-
schätzung hinsichtlich der Besicherung ihres Darlehens. Nachdem eine erste skepti-
sche Haltung gegenüber der Sanierungsidee überwunden wurde, erklärte sie sich
bereit, auf rd. 49 % der verbliebenen Kreditsumme zu verzichten. Der Verzicht erfolg-
te durch eine Bereitstellung eines nachrangigen Darlehens in Höhe von 4,8 Mio. €
und durch einen Realverzicht von rd. 1 Mio. €. Die Kredittilgung orientierte sich an
den bestehenden Verträgen. Der nach dem Verzicht verbleibende Kreditrahmen blieb
- wie auch die Geschäftskonten - weiterhin bestehen. Das Institut bot einen Kontokor-
rent-Kreditrahmen bis zu 5 Mio. € zu einem effektiven Jahreszins von 5,3 % an.
Daneben finanzierten die Vermögens- und Beteiligungsgesellschaften den Neustart.
Eine Beteiligungsgesellschaft führte dem Unternehmen 1,5 Mio. € zu. Zudem wurde
ein bei einer Landesbank aufgenommener Kredit abgelöst, den die Beteiligungsge-
sellschaft besichert hatte. Bei einer anderen Holding-Gesellschaft wurden die dem
Unternehmen gewährten Kredite partiell gestrichen und die verbleibenden Kreditbe-
träge in nachrangige Darlehen umgewandelt. Im Plan war vorgesehen, weitere Inves-
titionen zu tätigen. Für das Jahr 2006 wird ein Kreditvolumen von insgesamt 18 Mio.
€ erwartet, das zu Zinszahlungen in Höhe von 600.000 €/Jahr führen dürfte.
In der Eröffnungsphase wurden die üblichen Kostensenkungsinstrumente zur Erhö-
hung der Liquidität genutzt: Arbeitnehmerentgelte, Zinsaufwendungen, Tilgungen und
Umsatzsteuer wurden nicht gezahlt. Das ergab eine Einsparung von rd. 7,5 Mio. €.
Die Warenkreditversicherungen wurden mit Bekanntmachung der Insolvenz gekün-
digt. Die Lieferanten verlangen allerdings seitdem Vorkasse für ihre Waren.
Eine hohe Belastung erwuchs in den Jahren 2005 bis 2006 aus den Verfahrenskos-
ten. Während die Honorarforderungen der beauftragten Berater in den ersten Mona-
ten beglichen wurden, erhielt der Sachwalter bis zum Verfahrensende eine Monats-
151
vergütung von rd. 280.000 €, insgesamt fast 1,7 Mio. €. Die Kostenpunkte Gericht
und Gläubigerausschuss fallen innerhalb der Gesamtkosten kaum ins Gewicht.
Gerichtskosten 100.000
Kosten des Insolvenzverwalters 1.650.000
Gläubigerausschuss 20.000
Kosten für Unternehmensberatung 600.000
Gesamtkosten des Verfahrenswegs 2.370.000
Nachdem die Banken bereits vor dem Insolvenzantrag über den Insolvenzplan infor-
miert worden waren und ihre Bereitschaft zur Sanierung erklärt hatten, erhielten mit
dem Insolvenzantrag auch die anderen Gläubiger einen Brief, dass eine Sanierung
angedacht sei. Die Verzichtserklärungen wurden jeweils individuell verhandelt. Dem
Finanzamt wurde Steuerfreistellung der Sanierungsgewinne abgerungen. Andere
Gläubiger wie Lieferanten waren der Sanierung tendenziell wohlgesonnen. Um den
Personalabbau einzuleiten, verhandelten Unternehmensleitung und Insolvenzverwal-
ter ab Mitte August 2005 mit den Betriebsräten beider Standorte. Rund einen Monat
später wurden für jeden Betrieb ein Interessenausgleich und Sozialplan vereinbart.
Zur Abfederung der Entlassungen ist ein Volumen von rd. 1,5 Mio. € vorgesehen. Im
Dezember 2005 wurde der Planvorschlag schließlich einstimmig angenommen.
Der Plan sah neben Ausgliederungen von bestimmten Geschäftsteilen auch Neuin-
vestitionen vor. Der Fuhrparkservice wurde mit allen Arbeitsplätzen ausgegliedert,
das Geschäft wird seitdem fremdvergeben. Ein Teil der Produktion wurde ebenfalls
mit Übergang der Arbeitsplätze an einen Dritten verkauft. Dieser mietete wiederum
Immobilien an. Zudem wurden die Vertriebsbüros in eine rechtlich selbständige Ein-
heit ausgegliedert, Lagerbestände wertbereinigt und Kosten im Bereich Logistik re-
duziert, u.a. durch die Einführung eines Mindestbestellwertes. Das Personal wurde
von 630 auf 420 Mitarbeiter verringert. Dadurch sanken die Personalkosten um 40 %
sowie weitere Kosten für Kommunikationsdienste, Verwaltung sowie Fuhrpark. Bis
zum Sommer 2006 wurde der Insolvenzplan wie erwartet umgesetzt. Die Planumset-
zung soll für einen Zeitraum von 10 Monaten ab Verfahrensende durch den früheren
Insolvenzverwalter als Sachwalter überwacht werden.
VI. Interviewpartner
Anhang 3: Fragebogen
154
10. Was waren die wichtigsten Beweggründe für die Beantragung der Eigenverwaltung?
(Mehrfachnennung möglich)
1
Nutzung der Kenntnisse/Erfahrungen der alten Geschäftsführung
2
Vermeidung einer langen Einarbeitungszeit des Insolvenzverwalters
3
Reduzierung der Kosten des Insolvenzverfahrens
4
Beibehaltung der Entscheidungsbefugnisse der Geschäftsführung
5
Sonstiges, und zwar _________________________________________________________________
15. Welche der nachstehenden Gründe führten zur Entscheidung für ein Insolvenzplanverfahren?
(Mehrfachnennungen möglich)
1
Bewahrung von Lizenzen/Rechten 6
Qualifikation der alten Geschäftsführung
2
Sicherung von langfristigen Mietverträgen 7
Möglichkeit der Verfahrensverkürzung
3
Sonstige langfristige Verträge mit Kunden 8
Zeitdruck bei Sanierung
4
Unternehmensgebundene Vermögenswerte 9
Erleichterung der Gläubigerzustimmung
5
Beibehaltung der Gesellschaftsstrukturen 10
Sonstiges, und zwar ___________________
17. Wer wurde in die Ausarbeitung des Insolvenzplans einbezogen? (Mehrfachnennung möglich)
1
Unternehmensleitung 8
Unternehmensberater
2
Gericht 9
Rechtsanwalt
3
Steuerberater/Wirtschaftsprüfer 10
Öffentliche Beratungseinrichtungen, z.B. IHK
4
Kunden 11
Betriebsrat
5
Banken 12
Mitarbeiter
6
Neue Investoren 13
Gläubigerversammlung/-ausschuss
7
Einzelne Gläubiger, und zwar ________________ 14
Sonstige, und zwar ___________________
________________________________________ ___________________________________
156
18. Wie stark erschwerten folgende Faktoren die Ausarbeitung des Insolvenzplans?
(1 = keine Erschwernis, ....., 5 = sehr hohe Erschwernis)
c d e f g
Informationsbeschaffung über Verfahrensabläufe........................................................... 1
Zeitdruck ...................................................................................................................................................................... 2
Beurteilung der Sanierungsfähigkeit .............................................................................................. 3
Erfüllung der formalen Anforderungen von Insolvenzplänen ................................ 4
Entwicklung eines tragfähigen Konzeptes für den Insolvenzplan.................... 5
Zusammenstellung der erforderlichen Daten für den Insolvenzplan............. 6
Erforderlicher Personalaufwand im Unternehmen ........................................................... 7
Sicherstellung der Finanzierung während des Verfahrens ..................................... 8
Unzureichendes Managementwissen des Insolvenzverwalters......................... 9
Erreichung von Zugeständnissen der Belegschaft........................................................ 10
Kommunikation mit den einzelnen Gläubigergruppen ............................................... 11
Höhe der Beratungs- und Planerstellungskosten ........................................................... 12
Sonstiges, und zwar ________________________________________13
19. Welches Ziel wurde mit dem aufgestellten Insolvenzplan verfolgt?
1
Sanierung des bestehenden Unternehmens 3
Übertragende Sanierung
2
Zeitlich gestreckte Liquidation 4
Sonstiges, und zwar ___________________
20. Bitte stellen Sie die durchschnittlichen Quoten für die Gläubiger im (angedachten) Planverfahren und
bei Zerschlagung des Unternehmens gegenüber!
_________ % Quote bei Annahme des Insolvenzplans ___________% Quote bei Zerschlagung
21. Bitte stellen Sie die anvisierten Zeitpunkte der Gläubigerbefriedigung im (angedachten) Planverfahren
und bei Zerschlagung des Unternehmens gegenüber!
(MM JJ) bei Annahme des Insolvenzplans
(MM JJ) bei Zerschlagung
22. Wie hoch waren die Kosten für das Insolvenzverfahren und die Erstellung des Insolvenzplans?
1
Gesamtkosten ca. _____________ €
davon: 1.1
Gerichtskosten ca. _____________ €
1.2
Kosten des Insolvenzverwalters ca. _____________ €
1.3
Kosten der Planerstellung ca. _____________ €
23. In welchem Ausmaß erschwerten nachstehende Gründe die Durchsetzung des Insolvenzplans?
(1 = keine Erschwernis, ....., 5 = sehr hohe Erschwernis)
c d e f g
Überzeugung des Gerichts von der Tragfähigkeit des Konzepts ................................. 1
Überzeugung des Insolvenzverwalters von der Tragfähigkeit des Konzepts .. 2
Überzeugung der Gläubiger von der Tragfähigkeit des Konzepts .............................. 3
Erreichung finanzieller Zugeständnisse der Gläubiger ........................................................... 4
Koordinationsaufwand zwischen den Gläubigern ........................................................................ 5
Interessengegensätze/Konflikte zwischen den einzelnen Gläubigern .................... 6
Steuerliche Forderungen (z.B. Besteuerung von Sanierungsgewinnen) ............. 7
Sonstiges, und zwar ____________________________________________8
24. Wurde der ausgearbeitete Insolvenzplan angenommen?
1
Ja, und zwar mittels:
1.1
Zustimmung aller Gläubigergruppen
1.2
Regelungen zum Obstruktionsverbot nach Zustimmung der Mehrheit der Gläubigergruppen
2
Verfahren läuft noch
3
Nein, wegen
3.1
Einwendungen des Insolvenzgerichts
25. Sofern es zu Ablehnungen durch einzelne Gläubigergruppen kam, was war Ihrer Ansicht nach der
Grund für die Ablehnung? (Mehrfachnennung möglich)
1
Präferenz für eine Zerschlagungslösung
2
Präferenz für eine sofortige Befriedigung
3
Zweifel an der Tragfähigkeit des Sanierungskonzepts
4
Misstrauen in die Qualifikation der Unternehmensleitung
5
Existenz eines Kaufangebots seitens eines potenziellen Investors
6
Zu späte Erstellung des Insolvenzplans
7
Einwendungen gegen Gruppenbildung
8
Spezifische Gründe, und zwar: ________________________________________________________
26. Stellten Einzelgläubiger einen Antrag auf Zurückweisung des Plans durch das Insolvenzgericht?
1
Ja 2
Nein
27. Erfolgte die Bestätigung des Insolvenzplans durch das Insolvenzgericht? Und wenn ja, wie viele Wo-
chen waren seit Stellung des Insolvenzantrags vergangen?
1
Ja, gerichtliche Bestätigung erfolgte ________ Wochen nach Insolvenzantrag
2
Nein, eine gerichtliche Bestätigung erfolgte nicht
28. Sofern es nicht zu einem Insolvenzplan kam, was geschah mit dem Unternehmen?
1
Liquidation 3
Verkauf
2
Übertragende Sanierung 4
Sonstiges, und zwar ___________________
29. Welche der im Folgenden genannten Probleme traten nach dem Insolvenzantrag auf?
(Mehrfachnennung möglich)
1
Verlust wichtiger Kunden
2
Verlangen von Vorkasse seitens Lieferanten und Dienstleister
3
Mangelnde Finanzierungsbereitschaft der Banken
4
Einwendungen von Mitarbeitern/Betriebsrat gegen ggf. vereinbarte Lohnkürzungen/Entlassungen
5
Koordinations-/Abstimmungsprobleme mit Insolvenzverwalter
6
Nachträgliche Forderungen durch Gläubiger
7
Sonstige, und zwar _________________________________________________________________
30. Welche Unterstützungsleistungen von öffentlicher Seite würden Sie in Bezug auf Insolvenzplanver-
fahren befürworten? (Mehrfachnennung möglich)
1
Vermittlung von Experten für Prüfung der Sanierungsfähigkeit und Planerstellung
2
Online- oder Print-Informationen über Insolvenzplanverfahren und Planinhalte
3
Finanzielle Hilfen zur Deckung der Erstellungskosten des Insolvenzplans
4
Moderation des Verfahrens durch "Runde Tische" der Kammern
5
Stärker moderierende Funktion des Gerichts
6
Finanzielle Hilfen zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs bis zur Planverabschiedung
7
Unterstützung bei der Neustartfinanzierung
8
Sonstige Unterstützung, und zwar ______________________________________________________
31. Bitte geben Sie die Anzahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Ihrem Unternehmen und
die Bilanzsumme an.
_____________ Anzahl Mitarbeiter _____________ € Bilanzsumme
32. Wo besteht Ihrer Ansicht nach Verbesserungsbedarf bei den gesetzlichen Regelungen zu Insolvenz-
planverfahren und Eigenverwaltungen? Bitte begründen Sie Ihre Meinung!
Insolvenzplanverfahren: __________________________________________________________________
______________________________________________________________________________________
Eigenverwaltungen: ______________________________________________________________________
______________________________________________________________________________________
Literaturverzeichnis
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