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Guido Paffenholz, Peter Kranzusch

Insolvenzplanverfahren
GABLER EDITION WISSENSCHAFT
Schriften zur Mittelstandsforschung
Nr. 114 NF
Herausgegeben
vom Institut für Mittelstandsforschung Bonn,
vertreten durch den Vorstand

Prof. Dr. Udo Koppelmann,


o. Professor für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre,
Beschaffung und Produktpolitik, Universität Köln

Das Institut für Mittelstandsforschung Bonn, eine privatrechtliche


Stiftung der Bundesrepublik Deutschland und des Landes Nordrhein-
Westfalen an den Universitäten Köln und Bonn, veröffentlicht seine
Forschungsergebnisse in der Reihe Schriften zur Mittelstandsfor-
schung NF. Mit Herausgabe des Bandes Nr. 78 NF erscheint diese
Reihe in der GABLER EDITION WISSENSCHAFT im Deutschen Univer-
sitäts-Verlag. Die Publikationen Nr. 1 NF bis Nr. 77 NF sind weiterhin
lieferbar und können direkt beim Institut für Mittelstandsforschung
Bonn bezogen werden.
In der Schriftenreihe werden aktuelle Forschungsergebnisse des
Instituts der Öffentlichkeit präsentiert. Ziel der Veröffentlichungen ist
es, die Stellung und Bedeutung kleiner und mittlerer Unternehmen im
Kontext zur wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und wirtschaftspoliti-
schen Entwicklung zu analysieren und allen Experten, die mit Fragen
des Mittelstands befasst sind, Informationen, Entscheidungshilfen
und wissenschaftliche Basisanalysen zu liefern.
Guido Paffenholz, Peter Kranzusch

Insolvenzplanverfahren
Sanierungsoption für
mittelständische Unternehmen

Deutscher Universitäts-Verlag
Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der
Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über
<http://dnb.d-nb.de> abrufbar.

1. Auflage April 2007


Alle Rechte vorbehalten
© Deutscher Universitäts-Verlag | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2007
Lektorat: Ute Wrasmann / Sabine Schöller
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Umschlaggestaltung: Regine Zimmer, Dipl.-Designerin, Frankfurt/Main
Druck und Buchbinder: Rosch-Buch, Scheßlitz
Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier
Printed in Germany
ISBN 978-3-8350-0792-5
V

Vorwort

Angesichts steigender Antragszahlen für Unternehmensinsolvenzen und der


hiermit verbundenen hohen volkswirtschaftlichen Folgeschäden wollte der Ge-
setzgeber mit der Insolvenzrechtsreform von 1999 Sanierungsbemühungen in
der Insolvenz erleichtern. Hintergrund war die Erkenntnis, dass in vielen Insol-
venzfällen mittels einer Sanierung eine bessere Befriedigung der Gläubigeran-
sprüche zu erreichen gewesen wäre als mittels einer Liquidation. Gleich in Pa-
ragraph 1 der neuen Insolvenzordnung stellt der Gesetzgeber daher heraus:
"Das Insolvenzverfahren dient dazu, die Gläubiger eines Schuldners gemein-
schaftlich zu befriedigen, indem das Vermögen des Schuldners verwertet und
der Erlös verteilt oder in einem Insolvenzplan eine abweichende Regelung
insbesondere zum Erhalt des Unternehmens getroffen wird." Die Unterneh-
mensfortführung wird hierdurch erstmals ausdrücklich als gleichwertige Varian-
te der Insolvenzabwicklung herausgestellt.

Als Kernelement der Reform ist das neu eingeführte Insolvenzplanverfahren


anzusehen. Dieses stellt nach Intention des Gesetzgebers primär ein Instru-
ment der Sanierung in der Insolvenz dar, obwohl es grundsätzlich auch für an-
dere Verfahrensarten in Frage kommt. Es gibt Schuldner und Gläubigern um-
fangreiche Gestaltungsfreiheiten an die Hand, um abweichend von den ge-
setzlichen Normvorgaben eine flexible und für die Beteiligten optimale Insol-
venzlösung zu erreichen. Die rechtlichen Bestimmungen erleichtern zudem
die Durchsetzung von Sanierungskonzepten. Flankierend hat der Gesetzge-
bers einige weitere wichtige Änderungen der Insolvenzordnung vorgenommen,
zu denen u.a. die Einführung der Eigenverwaltung zählt. Die Einführung einer
Option auf Insolvenzabwicklung in Eigenregie sollte Unternehmen in wirt-
schaftlichen Schwierigkeiten zu einer frühzeitigen Insolvenzbeantragung ver-
anlassen. Hintergrund bildete die Erkenntnis, dass Sanierungsbemühungen
vielfach an bereits stark reduzierten Insolvenzmassen infolge einer Hinauszö-
gerung des Antrags auf Insolvenz erschwert oder vereitelt werden.

Ob sich die Erwartungen des Gesetzgebers tatsächlich erfüllt haben wurde


bisher kaum untersucht. Bereits über die praktische Relevanz beider Instru-
mente fehlt es an Informationen. Des weiteren liegen nur rudimentäre Er-
kenntnisse über die Erfahrungen kleiner und mittlerer Unternehmen mit Insol-
venzplanverfahren und Eigenverwaltung vor, zumeist handelt es sich dabei um
Darstellungen von Einzelfällen. So fehlt es u.a. an detailliertem Wissen zu den
Motiven der Verfahrenswahl, den Aufgaben und der Bedeutung verschiedener
VI

Beteiligten im Verfahrensablauf oder zu Problemen bei Aufstellung und Durch-


setzung von Insolvenzplänen. Das IfM Bonn ermöglicht mit der vorliegenden
Studie somit erstmals einen fundierten, ganzheitlichen Blick auf das Anwen-
dungspotenzial von Insolvenzplanverfahren im Mittelstand. In der vorliegenden
Studie wird den obigen Fragestellungen zunächst auf Grundlage verfügbarer
Statistiken nachgegangen. Eine empirische Befragung von Unternehmen, die
ein Insolvenzplanverfahren durchlaufen haben, gibt darüber hinaus detailliert
Aufschluss über Abwicklung, Probleme und Vorteile von Insolvenzplanverfah-
ren. Ergänzend werden anhand von Fallstudien wichtige Spezialaspekte ver-
tiefend behandelt.

Insgesamt betrachtet belegen die ermittelten Ergebnisse nachdrucksvoll so-


wohl die Chancen des Insolvenzplanverfahrens für sanierungswillige und -
fähige Unternehmen als auch die Vorzüge dieses Verfahrens - oder einer Sa-
nierung in der Insolvenz generell - für die Befriedigungsaussichten der Gläubi-
ger. Insofern ist zu hoffen, dass die Ergebnisse dieser Studie zu einer stärke-
ren Verbreitung dieser Sanierungsinstruments in Deutschland und zum Abbau
teilweise bestehender Vorbehalte bei Unternehmen, Gläubigern sowie Gerich-
ten und Insolvenzverwaltern beitragen wird.

Abschließend sei an dieser Stelle sei ausdrücklich allen Unternehmern und


Experten gedankt, die sich an unserer Unternehmensbefragung bzw. unseren
Einzelinterviews beteiligten.

Prof. Dr. Udo Koppelmann


VII

Inhalt

Verzeichnis der Abbildungen IX


Verzeichnis der Tabellen XI

1. Einleitung 1

2. Insolvenz als Sanierungschance 5


2.1 Insolvenzverfahren 5
2.1.1 Rechtsgrundlagen 5
2.1.2 Ablauf des Regelinsolvenzverfahrens 8
2.1.3 Verfahrensbesonderheiten bei Eigenverwaltung 13
2.2 Unternehmenssanierung in der Insolvenz 16
2.2.1 Sanierungen als Mittel der Krisenbewältigung 16
2.2.2 Vorteilhaftigkeit von Insolvenzsanierungen 20
2.3 Sanierungsinstrument Insolvenzplanverfahren 25
2.3.1 Konzeption 25
2.3.2 Verfahrensablauf 27
2.3.3 Zentrale Bestimmungen 33
2.4 Förderprogramme zur Sanierungsunterstützung 37

3. Insolvenzgeschehen in Deutschland 41
3.1 Allgemeine Insolvenzentwicklung 41
3.1.1 Insolvenzanträge 41
3.1.2 Verfahrenseröffnungen 47
3.2 Relevanz sanierungsorientierter Abwicklungswege 54
3.2.1 Insolvenzpläne 54
3.2.2 Eigenverwaltungen 59

4. Erfahrungen im Mittelstand mit Insolvenzplanverfahren


- Ergebnisse einer schriftlichen Befragung des IfM Bonn 67
4.1 Konzeption und Grundgesamtheit 67
4.2 Strukturdaten des Samples 69
4.2.1 Unternehmenscharakteristika 69
4.2.2 Insolvenzhintergrund 71
4.3 Hintergründe der Verfahrenswahl 73
4.3.1 Initiatoren der Planerstellung 73
4.3.2 Impulsgeber für Unternehmensinitiativen 74
4.3.3 Zielsetzung der Insolvenzpläne 76
4.3.4 Motive der Verfahrenswahl 77
4.4 Spezialfall: Abwicklung in Eigenverwaltung 79
VIII

4.5 Durchführung des Planvorhabens 82


4.5.1 Zeitpunkt der Planerstellung 82
4.5.2 Beteiligte an der Planerstellung 84
4.5.3 Gesamtkosten 87
4.5.4 Gläubigerreaktionen 91
4.6 Insolvenzplanverfahren aus Unternehmenssicht 92
4.6.1 Hindernisse bei der Planerstellung 92
4.6.2 Hindernisse bei der Plandurchsetzung 95
4.6.3 Allgemeine Insolvenzschwierigkeiten 98
4.6.4 Unterstützungsbedarf 99
4.7 Resultate der durchgeführten Insolvenzplanverfahren 101
4.7.1 Befriedigungsquoten 101
4.7.2 Verfahrensdauer 102
4.7.3 Arbeitsplatzerhalt 103

5. Hindernisse im Insolvenzplanverfahren und ihre Überwindung


- Ergebnisse von Fallstudien des IfM Bonn 105
5.1 Konzeption und befragte Unternehmen 105
5.2 Problembereich: Bekanntheitsgrad und Kenntnisstand 106
5.3 Problembereich: Verhandlungen mit den Gläubigern 107
5.4 Problembereich: Finanzierung 109

6. Fazit und Handlungsempfehlungen 111

Anhang 1: Übersichten 119

Anhang 2: Dokumentation der Fallstudien 125

Anhang 3: Fragebogen 153

Literaturverzeichnis 159
IX

Verzeichnis der Abbildungen

Abbildung 1: Verfahrensablauf im Regelinsolvenzverfahren 10

Abbildung 2: Stadien einer Unternehmenskrise 17

Abbildung 3: Verwertungsmöglichkeiten bei Insolvenzplänen 26

Abbildung 4: Ablauf des Insolvenzplanverfahrens 29

Abbildung 5: Förderphasen im Fonds "Krisenbewältigung und


Neustart" 40

Abbildung 6: Entwicklung der Unternehmensinsolvenzen (1990


bis 2006) 43

Abbildung 7: Insolvenzanträge nach Rechtsformen (1999 und


2005) 44

Abbildung 8: Insolvenzanträge nach Antragsteller (2000 bis


2005) 46

Abbildung 9: Insolvenzanträge, Verfahrenseröffnungen und


Eröffnungsquoten (1999 bis 2005) 48

Abbildung 10: Eröffnungsquoten nach Rechtsformen (1999 und


2005) 49

Abbildung 11: Eröffnungsquoten nach Beschäftigtengrößenklas-


sen (2001 und 2005) 50

Abbildung 12: Eröffnungsquoten nach ausgewählten Wirtschafts-


bereichen (1999 und 2005) 52

Abbildung 13: Samplestruktur der Unternehmen nach Beschäftig-


tengrößenklassen vor der Insolvenz 69

Abbildung 14: Samplestruktur nach Rechtsformen (vor der Insol-


venz) 70

Abbildung 15: Insolvenzursachen der befragten Unternehmen


(Mehrfachnennungen) 72

Abbildung 16: Initiatoren der Erstellung von Insolvenzplänen 73

Abbildung 17: Impulsgeber für die Erstellung eines Insolvenz-


plans durch die Unternehmensleitung (Mehrfach-
nennungen) 75

Abbildung 18: Zielsetzung von Insolvenzplänen 76


X

Abbildung 19: Motive der Verfahrenswahl (Mehrfachnennungen) 78

Abbildung 20: Beantragung und Genehmigung von Eigenverwal-


tungen bei Insolvenzplanverfahren 80

Abbildung 21: Motive für Anträge auf Eigenverwaltung (Mehrfach-


nennungen) 81

Abbildung 22: Zeitpunkt der Erstellung von Insolvenzplänen 83

Abbildung 23: Beteiligte an der Planerstellung (Mehrfachnennun-


gen) 84

Abbildung 24: Federführung bei der Planerstellung (Mehrfachnen-


nungen) 86

Abbildung 25: Höhe der Gesamtkosten des Insolvenzverfahrens 88

Abbildung 26: Gesamtkosten je Mitarbeiter und je 1.000 € Um-


satz 88

Abbildung 27: Zusammensetzung der Gesamtkosten 90

Abbildung 28: Annahme/Ablehnung von Insolvenzplänen durch


Gläubiger 91

Abbildung 29: Bedeutung von Problemquellen für die Planerstel-


lung 94

Abbildung 30: Bedeutung von Problemquellen für die Plandurch-


setzung 96

Abbildung 31: Bedeutung allgemeiner insolvenzbedingter Proble-


me 98

Abbildung 32: Ansatzpunkte für Unterstützungsleistungen aus


Unternehmenssicht 100

Abbildung 34: Differenz der Befriedigungsquoten bei Planannah-


me und Liquidation 102

Abbildung 35: Verfahrensdauer ab Antragstellung 103

Abbildung 36: Beschäftigtengrößenklassen vor und nach der In-


solvenz (2005) 104
XI

Verzeichnis der Tabellen

Tabelle 1: Insolvenzanträge nach Rechtsformen (1999 bis 2005) 44

Tabelle 2: Insolvenzanträge nach Eröffnungsgrund (2000 bis


2005) 45

Tabelle 3: Insolvenzanträge nach ausgewählten Wirtschafts-


zweigen (1999 bis 2005) 47

Tabelle 4: Verfahrenseröffnungen nach Rechtsformen (1999 bis


2005) 49

Tabelle 5: Verfahrenseröffnungen nach ausgewählten Wirt-


schaftszweigen (1999 bis 2005) 51

Tabelle 6: Insolvenzplanverfahren (1999 bis 2005) 55

Tabelle 7: Insolvenzplanverfahren nach Bundesländern (1999


bis 2005) 57

Tabelle 8: Insolvenzanträge, Verfahrenseröffnungen und Insol-


venzplanverfahren nach Rechtsformen (2000 bis
2005) (Vertikalstruktur in %) 58

Tabelle 9: Insolvenzanträge, Verfahrenseröffnungen und Eigen-


verwaltungen (1999 bis 2005) 60

Tabelle 10: Eigenverwaltungen nach Rechtsformen (1999 bis


2005) 61

Tabelle 11: Eigenverwaltungen nach Beschäftigtengrößenklassen


(2000 bis 2005) 62

Tabelle 12: Eigenverwaltungen nach ausgewählten Wirtschafts-


bereichen (1999 bis 2005) 63

Tabelle 13: Eigenverwaltungen nach Unternehmensalter (2000


bis 2005) 64

Tabelle 14: Eigenverwaltungen nach voraussichtlicher Forde-


rungshöhe (2000 bis 2005) 65
1

1. Einleitung

Gründungen und Unternehmensauflösungen gehören zu den zentralen Merk-


malen einer dynamischen Marktwirtschaft. Nur ein funktionsfähiger Auslese-
prozess garantiert eine ökonomisch vernünftige Verteilung der gesamtwirt-
schaftlichen Risiken. Das Insolvenzrecht trägt dazu bei, diesen Auslesepro-
zess zu gewährleisten. Hierzu ist bei Eintritt eines Insolvenztatbestands ein
Insolvenzantrag zu stellen. Dadurch wird verhindert, dass ein verschuldetes
Unternehmen weitere Verluste zu Lasten seiner Gläubiger einfährt. Eine Zer-
schlagungsautomatik insolventer Unternehmen kann jedoch nicht im Interesse
eines funktionsfähigen Ausleseprozesses sein. Vielmehr ist die Fortführung
gegenüber der Zerschlagung des insolventen Unternehmens unter ökonomi-
schen Gesichtspunkten und unter Berücksichtigung der Interessen der Betei-
ligten abzuwägen.

Sanierungen in der Insolvenz traten in Deutschland in der Vergangenheit eher


selten auf. Festzustellen war zudem bis zur Insolvenzrechtsreform im Jahr
1999 ein Bedeutungsverlust. So wurde im Altbundesgebiet in den 50-er Jahren
noch jedes vierte zahlungsunfähige Unternehmen in einem Vergleichsverfah-
ren saniert, diese Quote sank bis 1998 auf 0,1 % aller Konkursanträge (AN-
GELE/KARMAINSKY 2006, S. 353; MAY-STROBL/PAULINI 1996, S. 23 ff.).
Wie selten Sanierungen in der Insolvenz in Deutschland als Handlungsoption
angesehen werden, zeigt sich auch im internationalen Vergleich. In den USA
wird z.B. für jedes vierte insolvente Unternehmen ein Reorganisationsplan
nach Chapter 11 des US-amerikanischen Bankruptcy Code erarbeitet. Ursäch-
lich hierfür ist im Wesentlichen eine sanierungsfreundliche Insolvenzkultur,
während hierzulande Insolvenzen mit dem Stigma einer Beendigung der Un-
ternehmensexistenz und des unternehmerischen Scheiterns behaftet sind.

Die grundsätzlich negative und mit Vorbehalten belastete Einstellung deut-


scher Unternehmen zu Insolvenzen stellt für die Rettung an sich sanierungsfä-
higer Unternehmen ein schwerwiegendes Hindernis dar. Vorteile einer Sanie-
rung im Insolvenzverfahren werden kaum in Entscheidungen der Unterneh-
mensleitungen berücksichtigt. Mögliche Imageverluste und befürchtete Ge-
fährdungen der Unternehmensexistenz führen vielmehr oftmals zu einem Hin-
auszögern von Insolvenzanträgen. Folge sind zumeist Reduzierungen der zur
Verfügung stehenden Insolvenzmasse, die bei frühzeitiger Antragstellung ver-
mieden worden wären. Die Erfolgsaussichten von Sanierungsanstrengungen
erfahren somit eine deutliche Schmälerung.
2

Der Gesetzgeber hat durch die Neuregelung des Insolvenzrechts im Jahr 1999
versucht, ein positives Insolvenzklima zu schaffen und den Sanierungsgedan-
ken in der Insolvenz zu stärken. Die neue Insolvenzordnung rückt daher ver-
stärkt die Möglichkeiten der Sanierung in der Insolvenz in den Vordergrund.
Sie erkennt ausdrücklich an, dass erlösmaximale Befriedungen oftmals eher
im Rahmen einer Unternehmensfortführung als mittels Liquidationen zu errei-
chen sind. Ausdruck dieser Bestrebungen ist vor allem das neu geschaffene
Instrument des Insolvenzplanverfahrens, welches nach Intention des Gesetz-
gebers primär ein Instrument zur Sanierung insolvent gewordener Unterneh-
men bilden soll. Daneben sollte die Eröffnung einer Eigenverwaltungsoption
für insolvente Unternehmen zum Abbau von Hemmschwellen bei der Insol-
venzbeantragung beitragen, da sie Unternehmensleitungen die Wahrung ihrer
Verwaltungs- und Verfügungsrechte erlaubt.

Über die Auswirkungen der Insolvenzrechtsreform von 1999 besteht indessen


auch rund sieben Jahre nach Erlangung ihrer Gesetzeskraft wenig Klarheit in
Öffentlichkeit und Wissenschaft. Vor allen Dingen ist nahezu unbekannt, ob
die zentralen Anliegen der Reform im Mittelstand greifen. Der Gesetzgeber
hatte mit der Reform angestrebt, dass - verglichen mit der geringen Bedeu-
tung des Vergleichsverfahrens - wieder ein größerer Anteil insolventerer Un-
ternehmen saniert würde (vgl. FRIEDRICH-EBERT-STIFTUNG 1999, S. 32;
SMID/RATTUNDE 2005, S. 40 ff.). Zudem wurde von einer verstärkten
Selbstabwicklung durch den Unternehmer - wie im US-amerikanischen Insol-
venzrecht - ausgegangen. Diese Erwartungen haben sich bislang allerdings
nicht erfüllt. Zwischen 1999 und 2005 wurde - nach Befunden des IfM Bonn -
von den neuen Fortführungsinstrumenten der Eigenverwaltung und des Insol-
venzplanes insgesamt nur rund 1.300 Mal resp. 800 Mal Gebrauch gemacht.
Die Nutzung eines der beiden Instrumente stellt damit weiterhin den Ausnah-
mefall dar. Das IfM Bonn hat diese Situation zum Anlass genommen, sich mit
dem Anwendungspotenzial von Insolvenzplanverfahren und Eigenverwaltun-
gen im Mittelstand intensiver zu beschäftigen.

Zur Einführung in die Thematik werden im Kapitel 2 einleitend die wesentli-


chen Aspekte und Rahmenbedingungen der Sanierung in der Insolvenz näher
erläutert. Hierzu wird zunächst das Insolvenzverfahren näher beleuchtet und
seine Rechtsgrundlagen sowie Abläufe im Regelverfahren und bei Eigenver-
waltung dargestellt. Danach wird auf die Besonderheiten und spezifischen Vor-
teile von Unternehmenssanierungen in der Insolvenz eingegangen, bevor
Konzeption, Verfahrensablauf und zentrale Bestimmungen des Sanierungsin-
3

struments Insolvenzplanverfahren näher analysiert werden. Das Kapitel


schließt mit einer Betrachtung der Förderlandschaft zur Sanierungsunterstüt-
zung.

Das dritte Kapitel widmet sich dem Insolvenzgeschehen in Deutschland. Be-


ginnend wird die allgemeine Entwicklung gemessen an Insolvenzanträgen und
Verfahrenseröffnung untersucht. Nach diesen vorangestellten Ausführungen
wird die praktische Relevanz von Insolvenzplanverfahren und Eigenverwaltun-
gen mittels verschiedener Datenquellen analysiert. Auf Grundlage einer Son-
derauswertung des Statistischen Bundesamtes im Auftrag des IfM Bonn und
eigener Recherchen können erstmalig detaillierte Informationen zu Verbreitung
und Relevanz beider Instrumente für einzelne Unternehmensgruppen gegeben
werden.

Die Ergebnisse einer vom IfM Bonn durchgeführten Befragung bei Unterneh-
men bilden den empirischen Schwerpunkt der Studie. Kapitel 4 stützt sich auf
Angaben von rund 50 mittelständischen Unternehmen, die ein Insolvenzplan-
verfahren mit oder ohne Eigenverwaltung durchlaufen haben. Die Unterneh-
men wurden mittels einer Auswertung der Pflichtveröffentlichungen des Bun-
desanzeigers identifiziert und anhand eines schriftlichen, weitgehend standar-
disierten Fragebogens um Auskunft gebeten. Die Befragung liefert erstmalig
detaillierte Informationen zu zentralen Aspekten speziell von Insolvenzplanver-
fahren. Näher beleuchtet werden insbesondere die Hintergründe der Verfah-
renswahl, die konkrete Realisation der Planvorhaben, Schwierigkeiten bei der
Umsetzung und Unterstützungswünsche von Unternehmen.

Zur Vertiefung dieser Informationen wurden ergänzend Tiefeninterviews mit


betroffenen Unternehmen durchgeführt. Sie konzentrierten sich inhaltlich auf
typische Problembereiche im Insolvenzplanverfahren, wie Analysen zur Plan-
bereitschaft, Verhandlungen mit den Gläubigern und Finanzfragen. Die Ergeb-
nisse dieser Fallbeispiel-Analyse bilden den Gegenstand des fünften Kapitels.

Das sechste Kapitel schließt die Studie mit einer Zusammenfassung der zen-
tralen Untersuchungsergebnisse und der Abgabe von Handlungsempfehlun-
gen ab. Die Forschungsarbeiten brachten zutage, dass noch erhebliche Wis-
senslücken hinsichtlich des Themas Sanierung in der Insolvenz bestehen. Da-
her wird in Kapitel 6 auch auf den weiteren Forschungsbedarf verwiesen.
5

2. Insolvenz als Sanierungschance

2.1 Insolvenzverfahren

2.1.1 Rechtsgrundlagen

Das Insolvenzrecht stellt eine der zentralen rechtlichen Regelungen jeder


marktwirtschaftlichen Wirtschaftsordnung dar. Gegenstand ist die Abwicklung
von Insolvenzen in einem rechtlich geregelten und unter staatlicher Aufsicht
stehenden Rahmen. Ausgangspunkt bilden somit Zahlungsverpflichtungen in
der Wirtschaft. Das Insolvenzrecht bestimmt, unter welchen Voraussetzungen
und mittels welcher Verfahren Schuldnern die Verwaltungs- und Verfügungs-
rechte über ihr Vermögen entzogen werden. Mit den Regelungen des Insol-
venzrechts bezweckt der Gesetzgeber in erster Linie den Schutz von Gläubi-
gern bzw. deren Ansprüchen. So sollen mittels einer kollektiven Verwertung
des verbliebenen Schuldnervermögens (Insolvenzmasse) Schäden für die
Gläubiger im Insolvenzfall begrenzt und eine Verminderung von Verteilungsri-
siken für einzelne Gläubiger erreicht werden (vgl. BIGUS/EGER 2003, S. 1 ff.;
DRUKARCZYK/SCHÜLER 1997, S. 57 f.). Ziel ist eine erlösmaximierende
Verwertung der Insolvenzmasse. Als Lösungswege hierzu stellt das Insolvenz-
recht sowohl Instrumentarien zur Liquidation von Unternehmen als auch für
Sanierungen bereit.

Die rechtlichen Bestimmungen zu Insolvenzen waren in Deutschland bis vor


wenigen Jahren für das Gebiet der alten Bundesrepublik in der Konkurs- und
Vergleichsordnung und für die Neuen Länder in der Gesamtvollstreckungsord-
nung enthalten. Diese Dreiteilung des Insolvenzrechts wurde erst zum Jahres-
beginn 1999 durch die neu geschaffene Insolvenzordnung (InsO) beendet,
welche die drei genannten Gesetze ablöste. Das alte Recht hatte nur in den
Vergleichs- und Gesamtvollstreckungsordnungen Möglichkeiten zur Sanierung
vorgesehen. Sanierungsbezogene Restriktionen, welche sich insbesondere
aus der Unterscheidung zwischen Konkurs- und Vergleichsverfahrens bereits
im Antragsstadium sowie durch die Rechtsprechung zur Betriebsfortführung im
Konkursverfahren ergaben, wurden im neuen Insolvenzrecht beseitigt.1 Um-
setzungsprobleme der neuen Insolvenzordnung, z.B. die anhaltend hohe Zahl
massearmer Fälle und der dadurch verwehrte Zugang zur Restschuldbefrei-

1 Ergänzend wurde im Vorfeld ein Einführungsgesetz zur Insolvenzordnung (EGInsO) ver-


abschiedet, das vor allem Änderungen im Insolvenzarbeitsrecht enthielt.
6

ung2 sowie die fehlende Überschaubarkeit der Schuldverhältnisse insolventer


Kleingewerbetreibender, führten zu Novellierungsvorschlägen, die Ende 2001
in einem Änderungsgesetz mündeten.

Kennzeichnend für das deutsche Insolvenzrecht ist auch nach seiner Reform
1999 die ausschließlich kriteriengebundene Eröffnung von Insolvenzverfahren.
So ist das Vorliegen einer der folgenden Insolvenztatbestände Voraussetzung
zur Stellung eines Insolvenzantrags. Nach der Neuregelung unterscheidet das
deutsche Insolvenzrecht dabei drei Eröffnungsgründe:

x Zahlungsunfähigkeit: Sie liegt vor, wenn ein Unternehmen seine fälligen


Verpflichtungen nicht mehr termingerecht erfüllen kann. Die Zahlungsunfä-
higkeit ist dabei als Zeitraumilliquidität zu interpretieren, da ein dauerhaftes
Unvermögen zur Zahlung fälliger Schulden vorausgesetzt wird.

x Überschuldung: Die Überschuldung stellt einen Insolvenztatbestand aus-


schließlich für Kapitalgesellschaften und Personengesellschaften ohne na-
türliche Personen als voll haftende Gesellschafter dar. Sie ist gegeben,
wenn das Vermögen der Gesellschaft nicht mehr die Schulden, d.h. die
bestehenden Verbindlichkeiten, deckt. Festgestellt wird die Überschuldung
durch einen speziellen Überschuldungsstatus, in dem die Vermögenswerte
nach ihrem Zeitwert angesetzt werden. Die Ermittlung hat mittels eines
zweistufigen Verfahrens zu erfolgen, in welchem eine Bewertung der Ver-
mögenswerte sowohl unter der Prämisse der Liquidation als auch der Fort-
führung der Gesellschaft vorgenommen wird. So ist zunächst eine Fortfüh-
rungsprognose auf Basis von Finanzplänen vorzunehmen und erst hier-
nach eine Bewertung vorzunehmen. Die Bewertungsansätze richten sich
dabei nach dem Ergebnis der Fortführungsprognose (vgl. DRUKARCZYK
2001, S. 1058 f.). Eine Aktivierung zu Fortführungswerten ist ausschließ-
lich bei positiver Fortführungsprognose zulässig. Ansonsten sind die im
Rahmen einer Liquidation zu erzielenden Zerschlagungswerte anzusetzen.

2 Die InsO sieht für natürliche Personen bei redlichem Handeln ein Restschuldbefreiungs-
verfahren vor. Der Antrag muss gesondert neben dem Insolvenzantrag eingereicht wer-
den. Das Restschuldbefreiungsverfahren setzt die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens
voraus. Bevor die Restschuldbefreiung erteilt wird, müssen in einer sechsjährigen Wohl-
verhaltensphase pfändbare Einkommensbestandteile des Schuldners zur Befriedigung
der alten Forderungen eingesetzt werden. Für weiterführende Informationen siehe z.B.:
http://www.bmj.bund.de/media/archive/336.pdf.
7

x Drohende Zahlungsunfähigkeit: Der Tatbestand wurde durch die Insol-


venzrechtsreform neu eingeführt. Er ist gegeben, wenn ein Unternehmen
in näherer Zukunft voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, den bereits
bestehenden Zahlungspflichten termingerecht nachzukommen (vgl. SEA-
GON/WIESTER 1999, S. 628 f.). Ein Antrag wegen drohender Zahlungs-
unfähigkeit kann im Unterschied zu den beiden anderen Antragsgründen
ausschließlich vom insolventen Unternehmen selbst in Form seiner Vertre-
tungsorgane gestellt werden; Gläubiger sind nicht antragsberechtigt.

Eine gesetzliche Insolvenzantragspflicht besteht für Kapitalgesellschaften und


Personengesellschaften ohne natürliche Personen als voll haftende Gesell-
schafter. Ihre organschaftlichen Vertreter müssen nach Eintritt bzw. Feststel-
lung des Insolvenzgrundes unverzüglich, jedoch spätestens nach drei Wochen
einen Insolvenzantrag stellen. Bei Wegfall des Insolvenzgrundes in dieser Frist
kann die Antragstellung unterbleiben. Eine schuldhafte Verletzung der Insol-
venzantragspflicht erfüllt den Tatbestand der Insolvenzverschleppung. Folge
kann eine persönliche Haftung der organschaftlichen Vertreter für die Unter-
nehmensverbindlichkeiten sein (vgl. KRANZUSCH/MAY-STROBL 2002,
S. 9 f.; SMID/RATTUNDE 2005, S. 5 ff.).

Die neue Insolvenzordnung brachte im Vergleich zur Rechtslage vor 1999 ne-
ben der Einführung eines weiteren Insolvenztatbestands und der Möglichkeit
der Restschuldbefreiung für natürliche Personen weitere sanierungsfreundli-
che Neuerungen:

x Option der Eigenverwaltung: Ein Antrag auf Eigenverwaltung ermöglicht


dem Schuldner, das Insolvenzverfahren in weitgehender Eigenregie, ohne
den sonst üblichen Verlust der Verwaltungs- und Verfügungsrechte an ei-
nen Insolvenzverwalter, abzuwickeln. Die Nutzung des Erfahrungswissens
der Geschäftsführung, unter Beistellung eines Sachwalters, soll die Verfah-
renkosten im Vergleich zur Einsetzung eines Insolvenzverwalters senken.
Die Eigenverwaltung ist grundsätzlich offen für Sanierungen und Liquidati-
onen.

x Einführung von Insolvenzplanverfahren: Gläubigern und insolventen Un-


ternehmen werden weitreichende Freiräume im Sinne einer möglichst pri-
vatautonomen Insolvenzabwicklung und zur Abweichung von den gesetzli-
chen Vorgaben des Regelverfahrens gegeben (vgl. SCHMIDT/UHLEN-
BRUCK 2003, S. 783 ff.). Es wird letztlich in das Ermessen der Gläubiger
8

gestellt, wie mit dem Restvermögen eines insolventen Unternehmens zu


verfahren ist.

x Einschränkungen der Rechte gesicherter Gläubiger: Der vermutete Ver-


bundwert des insolventen Vermögens wird länger gesichert, da ein frühzei-
tiger Zugriff gesicherter Gläubiger und die Verwertung ihrer Sicherungsgü-
ter verhindert wird. Die Verwertung steht allein dem Insolvenzverwalter zu.
Hierdurch soll eine Zerschlagung der Insolvenzmasse bereits zu Beginn
des Insolvenzverfahrens vermieden werden, so dass das Schuldnerver-
mögen für eine etwaige Unternehmenssanierung zunächst als Einheit er-
halten wird (vgl. DRUKARCZYK/SCHÜLER 1997, S. 57 ff.).

Hinauszögerungen von Insolvenzanträgen haben gemeinhin Reduzierungen


der zur Verfügung stehenden Insolvenzmasse zur Folge. Eine der zentralen
Zielsetzungen der Neuregelung des Insolvenzrechts war daher, insolvenzge-
fährdete Unternehmen zur möglichst frühzeitigen Antragstellung zu motivieren.
Befriedigungsaussichten von Gläubigern wie auch die Erfolgschancen von Sa-
nierungsversuchen sollten hierdurch verbessert werden. Darüber hinaus be-
zweckten die Gesetzesänderungen eine Entstigmatisierung der Insolvenz als
definitive Beendigung des Unternehmensfortbestands ("Sanierung statt Insol-
venz") (vgl. BALES 2001, S. 282 f.). Liquidation und Sanierung werden erst-
mals als gleichwertige Verfahrensalternativen herausgestellt. Ausdruck findet
diese veränderte Sichtweise vor allem im neu geschaffenen Instrument des
Insolvenzplans.

2.1.2 Ablauf des Regelinsolvenzverfahrens

Das Insolvenzrecht unterscheidet seit der Reform zwischen Verbraucher- und


Regelinsolvenzverfahren.3 In ersteres wurden von 1999 bis Ende Oktober
2001 neben Verbrauchern auch sog. Kleingewerbetreibende verwiesen. Seit
der Novelle 2001 gelangen aber neben Verbrauchern nur noch solche ehe-
mals Selbständige in diesen Verfahrenstyp, gegen die keine Forderungen aus
Arbeitsverhältnissen bestehen und deren Vermögensverhältnisse überschau-
bar sind. Die Novelle von 2001 präzisiert den Sachverhalt der Überschaubar-

3 Für natürliche Personen, die keine selbständige berufliche Tätigkeit ausüben oder aus-
geübt haben (Verbraucher), und für natürliche Personen, die zwar eine selbständige be-
rufliche Tätigkeit ausgeübt haben, deren Vermögensverhältnisse aber überschaubar sind,
sieht § 304 InsO zwingend ein vereinfachtes Verfahren, das sog. Verbraucherinsolvenz-
verfahren, vor.
9

keit. Sie ist gegeben, wenn der Schuldner zum Zeitpunkt der Eröffnung weni-
ger als 20 Gläubiger hat. In das Regelinsolvenzverfahren werden seit der No-
velle 2001 alle Unternehmen bzw. alle zum Zeitpunkt der Antragstellung Selb-
ständigen, unabhängig vom Umfang ihrer Tätigkeit, verwiesen. Da mithin auch
die Mehrheit der Selbständigen ein Regelverfahren durchläuft, wird nur auf
diesen Verfahrenstyp näher eingegangen. Einen Überblick über den Verfah-
rensablauf gibt die Abbildung 1.

Ausgangspunkt des Insolvenzverfahrens ist ein Eröffnungsantrag seitens ei-


nes Gläubigers oder des insolventen Unternehmens selbst. Nach erfolgter An-
tragstellung leitet das zuständige Insolvenzgericht zunächst ein sog. Insol-
venzeröffnungsverfahren ein. Die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen
über das Schuldnervermögen, wie z.B. die Bestellung eines vorläufigen Insol-
venzverwalters, steht in diesem Stadium im Ermessen des Insolvenzgerichts.
Das Insolvenzgericht entscheidet im Eröffnungsverfahren über die Zulässigkeit
einer Verfahrenseröffnung. Prüfungsgegenstände sind dabei das Vorliegen
einer Antragsberechtigung und eines Antragsgrundes sowie die Deckung der
voraussichtlichen Verfahrenskosten durch die Insolvenzmasse4. Reicht die
Insolvenzmasse nach Einschätzung des Insolvenzgerichts nicht zur Deckung
der voraussichtlichen Verfahrenskosten, der so genannten Massekosten5,
aus, wird das Verfahren eingestellt. Eine Ausnahme besteht nur im Falle natür-
licher Personen. Ihnen räumt die Insolvenzordnung seit Ende 2001 eine Stun-
dung der Verfahrenskosten ein. Bei positivem Prüfungsausgang beschließt
das Insolvenzgericht die Eröffnung des eigentlichen Insolvenzverfahrens.6

4 Die Insolvenzmasse setzt sich aus dem gesamten Vermögen, das dem Insolvenzschuld-
ner zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gehört und das er während des Ver-
fahrens erlangt. Eine Sonderrolle nehmen Vermögensgegenstände ein, die mit Absonde-
rungsrechten einzelner Gläubiger (z.B. Grundschulden, Pfandrechten oder Sicherungs-
übereignungen) behaftet sind. Für sie hat der betreffende Gläubiger ein Anrecht auf ab-
gesonderte Befriedigung aus dem jeweiligen Gegenstand. Hierbei gilt folgendes: Über-
steigt der Veräußerungserlös den Anspruch des Sicherungsnehmers, wird die Differenz
der Insolvenzmasse zugeführt, im umgekehrten Fall kann der verbleibende Forderungs-
betrag als Insolvenzforderung angemeldet werden. Sowohl rechtlich als auch wirtschaft-
lich nicht zur Insolvenzmasse gehören mit einem Aussonderungsrecht behaftete Vermö-
gensgegenstände, da sie sich lediglich im Besitz des Schuldners, nicht jedoch in seinem
Eigentum befinden. Beispiele sind abgetretene Forderungen oder Leasinggüter. Zur Be-
rechnung der Insolvenzmasse siehe u.a.: SEIDL/VOß 2006, S. 39 ff. sowie S. 140 ff.
5 Hierzu zählen die Gerichtskosten, die Ausgaben für die Verwaltung, Verwertung und Ver-
teilung der Masse, also auch die Vergütungen des vorläufigen und endgültigen Insol-
venzverwalters sowie des Gläubigerausschusses.
6 Zum Verhältnis von Insolvenzanträgen und Verfahrenseröffnungen siehe Kapitel 3.1.2.
10

Abbildung 1: Verfahrensablauf im Regelinsolvenzverfahren

Drohende
Überschuldung Zahlungsunfähigkeit
Zahlungsunfähigkeit

Gläubigerantrag Schuldnerantrag

Insolvenzeröffnungsverfahren

nein Vorauss. Deckung der ja


Verfahrenskosten
Zeitraum
nein Stundung der ja zur Vorlage
Verfahrenskosten eines
Insolvenz-
plans

Abweisung
des Antrags Insolvenzverfahren

Prüfungs- und
Berichtstermin

nein Vorgelegter ja
Insolvenzplan

nein ja
Annahme
Insolvenzplan

Verwertung/Verteilung gemäß Verwertung/Verteilung


gesetzlicher Regelung gemäß Insolvenzplan

Übertragende
Liquidation Sanierung
Sanierung

© IfM Bonn
06 83 023

Quelle: Eigene Darstellung


11

Zurückweisungen von Eröffnungsanträgen haben je nach Rechtsform unter-


schiedliche Folgen für insolvente Unternehmen. So sind Kapitalgesellschaften
auch ohne Eröffnung eines Insolvenzverfahrens von der Geschäftsführung
aufzulösen. Einzelunternehmen sowie Personengesellschaften mit mindestens
einem persönlich und unbeschränkt haftenden Gesellschafter werden hinge-
gen in den Zustand wie vor dem Insolvenzantrag zurückversetzt. Den betref-
fenden Selbständigen steht es frei, ihr Unternehmen aufzulösen oder fortzu-
führen, es sei denn, andere Normen verbieten eine Fortsetzung der Selbstän-
digkeit (z.B. Gewerbeuntersagungen). Allerdings haften die Unternehmer wei-
terhin für ungetilgte Gläubigerforderungen, so dass mit Vollstreckungen der
Gläubiger in das Betriebsvermögen zu rechnen ist.

Bei Vorliegen der Eröffnungsvoraussetzungen wird das eigentliche Insolvenz-


verfahren durch einen Eröffnungsbeschluss des Insolvenzgerichts eingeleitet,
meist drei Monate nach Antrag. Mit diesem Beschluss geht die Bestellung ei-
nes (endgültigen) Insolvenzverwalters einher, auf den die Verwaltungs- und
Verfügungsrechte des Schuldners übergehen. Der Insolvenzverwalter hat
nach seiner Bestellung unverzüglich die Masse in Besitz zu nehmen und die
Verwaltung der Bestände zu übernehmen. Eine Ausnahmeregelung liegt in der
Eigenverwaltung, die im nachfolgenden Kapitel näher beschrieben wird.
Stimmt das Insolvenzgericht einem Antrag des Schuldners auf Eigenverwal-
tung zu, darf er die Insolvenzmasse ab der Verfahrenseröffnung - jedoch unter
Aufsicht eines Sachwalters - selber verwalten.

Mit dem Eröffnungsbeschluss werden die Gläubiger unter Fristsetzung aufge-


fordert, ihre Forderungen schriftlich beim Insolvenzverwalter anzumelden. Das
Insolvenzgericht legt ferner Termine für Gläubigerversammlungen fest, in de-
nen die angemeldeten Forderungen überprüft und in Klassen eingeteilt werden
(Prüfungstermin) und in denen auf Grundlage eines Berichts des Insolvenz-
verwalters über den Fortgang des Insolvenzverfahrens entschieden wird (Be-
richtstermin). Beide Termine werden in der Regel verbunden.

Im Berichtstermin, der frühestens drei Wochen, spätestens aber fünf Monate


nach dem Eröffnungsbeschluss stattzufinden hat, informiert der Insolvenzver-
walter die Gläubiger über die wirtschaftliche Lage des Schuldners und Ursa-
chen der Insolvenz. Ferner gibt er auf Grundlage seiner Unternehmensanalyse
eine Empfehlung ab, auf welche Art die Gläubigerbefriedigung erreicht werden
soll. Zur Unterrichtung der Gläubiger hat der Insolvenzverwalter eine Forde-
rungstabelle, ein Masseverzeichnis und eine Vermögensübersicht anzufertigen
12

und vorzulegen. Im Masseverzeichnis sind dabei sowohl Fortführungs- als


auch Zerschlagungswerte anzugeben. Nach etwaigen Stellungnahmen einzel-
ner Gläubiger beschließt die Gläubigerversammlung darüber, ob das schuld-
nerische Unternehmen einstweilig fortgeführt oder sofort liquidiert wird. Die
weiteren Aufgaben des Insolvenzverwalters und der Verfahrensfortgang hän-
gen von der durch die Gläubigerversammlung beschlossenen Verwertungsart
ab.

Im Falle einer vorgesehenen Unternehmensliquidation nimmt der Insolvenz-


verwalter eine Verwertung des Unternehmensvermögens vor. Die Verwer-
tungsoptionen reichen dabei von einer Zerstückelung der Masse in ihre einzel-
nen Vermögensbestandteile und anschließendem Verkauf bis hin zu einer
Veräußerung rentabler Teilbereiche oder des gesamten Unternehmens. Bei
der Verteilung der Erlöse aus der Insolvenzmasse, die nach Berücksichtigung
von bestehenden Absonderungsrechten verbleibt, sind vorweg die Kosten des
Insolvenzverfahrens (Massekosten) sowie die Masseschulden zu befriedigen.
Zu letzteren gehören insbesondere Ansprüche, die durch Handlungen des vor-
läufigen oder endgültigen Insolvenzverwalters begründet wurden, wie bei-
spielsweise aufgenommene Kredite, sowie Ansprüche der Arbeitnehmer aus
ihrer Beschäftigung nach Verfahrenseröffnung.7 Erst nach Abdeckung der
vorgenannten Forderungen werden die Insolvenzgläubiger8 befriedigt. Erhal-
ten diese eine volle Befriedigung ihrer Forderungen, d.h. eine Quote von
100 %, wird die verbleibende Insolvenzmasse schließlich zur Befriedigung der
nachrangigen Forderung verwandt. Nach Erstellung einer Schlussrechnung
des Insolvenzverwalters wird das Insolvenzverfahren beendet.

7 Sofern die Verfahrenskosten gedeckt sind, die sonstigen Masseschulden aber die Insol-
venzmasse übersteigen, sprich man von "Masseunzulänglichkeit". Sie ist vom Insolvenz-
verwalter dem Gericht anzuzeigen und wird durch dieses öffentlich bekannt gegeben. Ei-
ne Befriedigung erfahren in diesem Fall nur die Massegläubiger, und zwar in folgender
gesetzlich fixierter Reihenfolge: Zuerst werden die Massekosten befriedigt, hiernach Mas-
seschulden, welche nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit begründet worden sind,
und schließlich sonstige Masseschulden.
8 Insolvenzgläubiger sind solche Gläubiger eines Schuldners, deren Ansprüche bereits bei
Verfahrenseröffnung bestanden haben sowie im Verfahren angemeldet und bestätigt
wurden.
13

Eine Unternehmensfortführung kann im Insolvenzverfahren entweder mittels


einer so genannten übertragenden Sanierung9 oder auf dem Wege eines In-
solvenzplans10 erreicht werden, wobei i.d.R. nur im Planverfahren auch der
alte Rechtsträger saniert wird. Ein Insolvenzplan kann vom Unternehmen wie
auch vom Insolvenzverwalter vor dem Berichtstermin eingereicht werden. Liegt
bereits zum Berichtstermin ein vorgefertigter Insolvenzplan vor, können die
Gläubiger darüber abstimmen. Wurde kein Insolvenzplan erstellt, kann auch
die Gläubigerversammlung den Insolvenzverwalter mit der Erstellung beauf-
tragen.

Alternativen der Verwertung im Insolvenzverfahren bilden demnach zum einen


durch den Gesetzgeber normierte Regelverwertungen, also Liquidation oder
übertragende Sanierung, zum anderen privatautonome Abwicklungen im
Rahmen eines Insolvenzplans.

2.1.3 Verfahrensbesonderheiten bei Eigenverwaltung

Die Insolvenzordnung sieht für den Regelfall vor, dass insolvente Schuldner
die Verwaltungs- und Vertretungsbefugnis über ihr Vermögen an einen Insol-
venzverwalter verlieren, anders bei der Eigenverwaltung. Hier wird der
Schuldner de facto sein eigener Insolvenzverwalter. Die Eigenverwaltung bie-
tet insolventen Unternehmen eine Reihe von Vorteilen. So können insbeson-
dere Kenntnisse und Erfahrungen der Geschäftsleitung genutzt werden, die
ihre Vertretungs- und Verfügungsbefugnis nicht verliert und aktiv am Insol-
venzverfahren mitwirken kann.11 Eine lange Einarbeitungszeit des Insolvenz-
verwalters kann somit vermieden. Zudem können durch den Verzicht auf einen
Insolvenzverwalter Kostenvorteile erzielt werden (vgl. SPIES 2005, S. 1258 f.;
NOACK 2002, S. 1873 ff., SEIDL/VOß 2006, S. 114). Die im deutschen Insol-
venzrecht grundsätzlich vorgesehene Selbstverwaltungsautonomie der Gläu-
biger erfährt durch die Eigenverwaltung eine erhebliche Beeinträchtigung, da
der Verursacher der Krisensituation seinen Gläubigern weiterhin in einer Rolle

9 Die übertragende Sanierung knüpft an die Möglichkeit der Trennung des Betriebs (perso-
nelle und sachliche Gesamtheit aller Ressourcen und Güter) vom Rechtsträger an. Der
Altrechtsträger verkauft an eine neue Gesellschaft und überträgt alle nötigen Vermö-
gensgegenstände (vgl. WELLENSIEK 2002, S. 233 f.; MÜLLER-FELDHAMMER 2003, S.
2186 ff.). Der Altrechtsträger und die verbliebenen Vermögenswerte werden i.d.R. der Li-
quidation zugeführt.
10 Siehe hierzu ausführlich: Kapitel 2.3.
11 Zur praktischen Relevanz von Eigenverwaltungen siehe Kapitel 3.2.2; zu den ermittelten
diesbezüglichen empirischen Befunden siehe Kapitel 4.4.
14

gegenüber steht, die ihm weitgehende Handlungsfreiheit einräumt. Zur Siche-


rung der Gläubigerinteressen ist daher mit Anordnung der Eigenverwaltung
regelmäßig ein so genannter Sachwalter durch das Insolvenzgericht zu bestel-
len, dem die Kontrolle des Schuldners obliegt.

Eine Eigenverwaltung ist durch den Schuldner beim Insolvenzgericht zu bean-


tragen, dass über diesen Antrag bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens ent-
scheidet. Bis zur Eröffnungsentscheidung überwacht das Gericht bzw. der vor-
läufige Insolvenzverwalter das schuldnerische Vermögen. Die Anordnung der
Eigenverwaltung setzt voraus, dass hierdurch keine Nachteile für die Gläubi-
ger zu erwarten sind. Sofern der Eröffnungsantrag zum Insolvenzverfahren
von einem Gläubiger gestellt worden ist, muss dieser dem Antrag auf Eigen-
verwaltung zustimmen. Im Falle einer Ablehnung des Antrags auf Eigenver-
waltung kann die erste Gläubigerversammlung das Insolvenzgericht mittels
eines entsprechenden Beschlusses zur nachträglichen Anordnung verpflich-
ten.

Die Entscheidung des Insolvenzgerichts hinsichtlich einer beantragten Eigen-


verwaltung wird insbesondere Ursachen der Insolvenz und geschäftliche Er-
fahrung sowie Zuverlässigkeit der Geschäftsführung des insolventen Unter-
nehmens berücksichtigen. Speziell ohne Vertrauen der Gläubiger in die Befä-
higung der Geschäftsführung dürften Insolvenzgerichte im Regelfall nicht be-
reit sein, einem Schuldnerantrag auf Eigenverwaltung zu entsprechen. Ent-
scheidungsrelevant sind der Umgang mit den Gläubigern im Vorfeld des Eröff-
nungsantrags, der Zeitpunkt des Insolvenzantrags, Art und Umfang der Ver-
bindlichkeiten sowie die Unternehmensperspektiven. Die zur sachgerechten
Entscheidungsfindung benötigten Unterlagen sind dabei dem Insolvenzgericht
durch den Schuldner bereitzustellen. Die Eigenverwaltung setzt nicht die Aus-
wechslung der Führungsspitze des insolventen Unternehmens voraus.

Im Gegensatz zur "Fremdverwaltung" der Insolvenzmasse durch einen Insol-


venzverwalter bleibt der Schuldner bzw. die Geschäftsführung des insolventen
Unternehmens bei Eigenverwaltung verwaltungs- und verfügungsbefugt. Prak-
tisch kann der gesamte gewöhnliche Geschäftsverkehr ohne Mitwirkung des
Sachwalters abgewickelt werden. So reichen die Rechte und Pflichten des
Schuldners z.B. von der Verwaltung und Verwertung der Masse über die Ver-
teilung der Verwertungserlöse bis hin zur Entscheidung über die Erfüllung be-
stehender Verträge. Das Eingehen von Verbindlichkeiten, die nicht zum ge-
wöhnlichen Geschäftsverkehr gehören, bedarf dagegen der Zustimmung des
15

Sachwalters. Der Sachwalter kann zudem die Übertragung des Zahlungsver-


kehrs auf sich verlangen. Der Schuldner muss ferner die Zustimmung des
Gläubigerausschusses einholen, wenn er Rechtshandlungen vornehmen will,
die für das Insolvenzverfahren von besonderer Bedeutung sind. Auf Antrag der
Gläubigerversammlung oder einzelner Gläubiger kann das Insolvenzgericht
schließlich anordnen, dass bestimmte Rechtsgeschäfte nur unter Zustimmung
des Sachwalters wirksam sind.

Die Aufgabe des Sachwalters beschränkt sich im Wesentlichen auf die Wahr-
nehmung von Aufsichtsfunktionen, Anzeigepflichten sowie bestimmte Mitwir-
kungspflichten. Er hat dabei die Geschäftsführung des Schuldners zu prüfen
sowie dessen Ausgaben für die Lebensführung zu überwachen. Zur Erfüllung
dieser Aufgaben stehen ihm - mit Ausnahme der Verfügungsbefugnis - die
Kompetenzen eines vorläufigen Insolvenzverwalters zu. Er ist insofern u.a.
zum Betreten der Geschäftsräume, zur Vornahme von Nachforschungen und
Einsichtnahme in Bücher und Geschäftsunterlagen befugt. Unregelmäßigkei-
ten des Schuldners und eine Gefährdung von Gläubigerinteressen sind seitens
des Sachwalters unverzüglich gegenüber dem Gläubigerausschuss sowie dem
Insolvenzgericht zu berichten, so dass ggf. die Beendigung der Eigenverwal-
tung beantragt werden kann.12 Die Realisierung von Haftungsansprüchen und
die Insolvenzanfechtung obliegen dem Sachwalter allein. Die überwachende
Funktion des Sachwalters und des Insolvenzgerichts begrenzen somit das Ri-
siko für die Gläubiger.

Die Eigenverwaltung endet im Normalfall mit der Beendigung des Insolvenz-


verfahrens. Eine einmal angeordnete Eigenverwaltung kann das Insolvenzge-
richt von sich aus nicht mehr aufheben. Hierzu bedarf es vielmehr eines ge-
sonderten Antrags der Gläubigerversammlung, eines absonderungsberechtig-
ten Gläubigers, eines sonstigen Insolvenzgläubigers oder des Schuldners
selbst. Der Antrag eines Gläubigers muss begründet sein. Einfache Behaup-
tungen oder bloße Hinweise auf mögliche Verfahrensverzögerungen genügen
nicht. Für den Fall der vorzeitigen Beendigung wird das Verfahren automatisch
in ein Regelinsolvenzverfahren übergeleitet, in dem dann ein Insolvenzverwal-
ter bestellt wird.

12 Die Insolvenzordnung verlagert das Risiko nachteiliger Eigenverwaltungen damit von


dem Insolvenzgericht auf den Sachwalter und den Gläubigerausschuss bzw. die Gläubi-
ger. Die sofortige Zulassung des Antrags auf Eigenverwaltung ist deshalb für das Gericht
weniger haftungsträchtig als seine Ablehnung.
16

Aufgrund der besonderen Risiken für die Gläubiger sind für eine beabsichtigte
Eigenverwaltung umfassende Vorbereitungen und Vorabstimmungen des
Schuldners mit den wesentlichen Gläubigern ebenso angeraten wie eine per-
sönliche Erörterung mit dem Insolvenzgericht, weil vielfach psychologische
Hürden bei Gläubigern und Gerichten zu überwinden sind (vgl. PAETZMANN
2005, S. 194 f.; GRAF/WUNSCH 2001, S. 1032 ff.).

Sinnvoll kann ein Antrag auf Anordnung der Eigenverwaltung vor allem bei ei-
ner beabsichtigten Sanierung des Unternehmens (vgl. SCHLEGL 1999,
S. 954 ff.) sein. In diesem Falle sollte dem Insolvenzgericht mit dem Insol-
venzantrag und dem Antrag auf Eigenverwaltung zugleich ein vorgefertigter
Insolvenzplan, ein sog. prepackaged plan, vorgelegt werden. Während der
Schuldner auch bei Eigenverwaltung ein eigenständiges Planinitiativrecht be-
sitzt, bedarf der Sachwalter bei Eigenverwaltung der ausdrücklichen Beauftra-
gung durch die Gläubigerversammlung. Im Gegensatz zu einem Insolvenz-
verwalter steht dem Sachwalter somit kein originäres Recht zur Ausarbeitung
eines Insolvenzplans zu.

2.2 Unternehmenssanierung in der Insolvenz

2.2.1 Sanierungen als Mittel der Krisenbewältigung

Unternehmenskrisen bezeichnen ganz allgemein Entwicklungen in Unterneh-


men, die mit negativen Auswirkungen auf deren wirtschaftliche Lage einherge-
hen.13 Je nach Art der verfehlten Unternehmensziele wird dabei üblicherweise
zwischen strategischen Krisen, Ergebniskrisen, Liquiditäts- und Existenzkrisen
differenziert (vgl. Abbildung 2). Kennzeichen von Unternehmenskrisen ist,
dass sie meist keine singulären Ursachen haben, sondern in der Regel viel-
mehr das vorläufige Ende einer längeren, komplexen Fehlentwicklung markie-
ren (vgl. PAFFENHOLZ 1998, S. 3 ff.). Keinesfalls sind Unternehmenskrisen
mit einem definitiv bevorstehenden Ende der Unternehmensexistenz gleichzu-
setzen. So können Unternehmenskrisen grundsätzlich in jedem Stadium durch
erfolgreiche Sanierungsanstrengungen überwunden werden. Die Offenheit des

13 Grundsätzlich kann dabei zwischen Unternehmenskrisen im engeren und im weiteren


Sinne unterschieden werden. Nach der engeren Auffassung werden nur Situationen, in
denen es bereits zu existenzgefährdenden Einbrüchen, z.B. der Liquidität oder Gewinn-
lage, gekommen ist, als Unternehmenskrisen bezeichnet. Nach weitergehendem Ver-
ständnis liegen Unternehmenskrisen hingegen schon dann vor, wenn eine latente Bedro-
hung von Erfolgspotenzialen bzw. Erfolgspositionen gegeben ist (vgl. FELDBAUER-
DURSTMÜLLER 2003, S. 129 f.).
17

Ausgangs stellt daher eines ihrer zentralen Merkmale dar (vgl. BRUN-
KE/DERKS 2003, S. 145 f.).

Abbildung 2: Stadien einer Unternehmenskrise

Strategische
Restrukturierung Sanierung
Neuausrichtung

hoch
Strategische
Krise
Handlungsfähigkeit

Ertragskrise

Liquiditätskrise

Insolvenzantrag

3 - 5 Jahre 1 - 2 Jahre

niedrig
gering Handlungsdruck hoch
© IfM Bonn
06 83 063

Quelle: GRUMBACH/PAUCKER/GÜNTHER 2006, S. 34

Sanierungen14 als Möglichkeit zur Bewältigung akuter Krisenlagen zielen dar-


auf ab, das Unternehmen leistungs- und konkurrenzfähig wieder in den Markt
einzugliedern. Die hierzu entwickelten Strategien umfassen inhaltlich zumeist
das Unternehmen als Ganzes und können dabei auf unternehmenspolitische,
führungstechnische und organisatorische Umstrukturierungsmöglichkeiten zu-
rückgreifen und sowohl finanz- als auch leistungswirtschaftliche Maßnahmen
zur Krisenbewältigung beinhalten (vgl. FECHNER 1999, S. 7). Intention der
Sanierungsanstrengungen muss dabei nicht zwangsläufig eine Sicherung des

14 Art und Umfang der unter dem Begriff der Sanierung subsumierten Maßnahmen werden
in Literatur und Praxis unterschiedlich weit gefasst, was schon allein darauf zurückzufüh-
ren ist, dass das relevante Bezugsobjekt - Unternehmenskrisen - selbst nicht eindeutig
definiert ist (vgl. HESSELMANN/STEFAN 1990, S. 40). Die Auslegungen reichen von
sehr engen, rein finanzwirtschaftlichen Ansätzen, welche unter einer Sanierung lediglich
die Neuordnung der finanziellen Verhältnisse eines Unternehmens verstehen, bis zu viel
weiter gefassten Sanierungsbegriffen, die auch jene Maßnahmen zum Inhalt haben, die
der grundlegenden Verbesserung betrieblicher Schwachstellen oder der Beseitigung von
Verlustquellen und damit der generellen Erhöhung der strategischen Wettbewerbsfähig-
keit dienen.
18

Fortbestands des Unternehmensträgers sein, wie das Beispiel der übertragen-


den Sanierung belegt. Patentrezepte zur Unternehmenssanierung kann es an-
gesichts der Einzigartigkeit und Komplexität der individuellen Situation nicht
geben. Eine Sanierung als unternehmerischer Sonderanlass stellt folglich
höchste Ansprüche an die Unternehmensführung.

Formelle, rein finanzwirtschaftliche Sanierungen beschränken sich auf Maß-


nahmen, welche die Zahlungs- und Ertragsfähigkeit des Unternehmens wie-
derherstellen und die bilanzielle Überschuldungssituation beseitigen sollen.
Ansatzpunkte hierfür bieten sowohl der Eigen- und/oder der Fremdkapitalbe-
reich.15 Zwar sind existenzbedrohende Krisen nur selten ohne begleitende
Veränderungen der Kapital- und Finanzierungsstruktur zu bewältigen, alleine
sind sie jedoch nur im Ausnahmefall dazu geeignet, die Lebensfähigkeit des
Krisenunternehmens sicherzustellen. So werden durch eine solch einseitige
Konzentration auf die Bekämpfung finanzwirtschaftlicher Probleme die eigent-
lichen Ursachen der Krisenentstehung zumeist vernachlässigt. Herzstück von
Sanierungsanstrengungen sind daher regelmäßig leistungswirtschaftliche oder
materielle Sanierungsmaßnahmen. Sie bezwecken Strukturverbesserungen
und Neupositionierungen von Krisenunternehmen und damit letztlich die Wie-
derherstellung der Profitabilität der unternehmerischen Kernbereiche (vgl.
BÖCKENFÖRDE 1996, S. 7 ff.). Die möglichen Inhalte einer solchen leis-
tungswirtschaftlichen Sanierung sind äußerst vielschichtig.16 Da die Motivation
der Mitarbeiter und Führungskräfte einen wesentlichen Schlüsselfaktor nicht
nur zur Krisenbewältigung, sondern auch im Hinblick auf die intendierte lang-
fristige Absicherung des Unternehmenserfolgs bildet, sind ergänzend motivati-
onale Aspekte bei angestrebten Sanierungen zu berücksichtigen.

Typisch für Unternehmenskrisen ist ein stark steigender Entscheidungs- und


Handlungsdruck der Unternehmensleitung im Krisenverlauf, der mit einer deut-
lichen Reduzierung der offen stehenden Handlungsoptionen einhergeht (vgl.
BEA/HAAS 1994, S. 486; KRYSTEK 1988, S. 2170). Die Chancen einer Kri-

15 Beispiele für mögliche Maßnahmen mit Wirkung auf die Eigenkapitalsituation sind u.a.
Kapitalerhöhung, Kapitalherabsetzung oder die Aufnahme neuer Gesellschafter. Im
Fremdkapitalbereich stellen z.B. die Stundung von Verbindlichkeiten, Zinsfreistellungen,
die Aufnahme neuer Kredite, der Abbau von Verbindlichkeiten, Gläubigerverzichte sowie
die Umwandlung von Forderungen in Beteiligungen denkbare Optionen dar.
16 Beispiele für mögliche materielle Sanierungsansätze sind u.a.: Die Einleitung von Koope-
rationen, Änderungen im Produktprogramm, die Erschließung neuer Geschäftsfelder,
Personalreduzierungen, Umstellungen im Fertigungsbereich, die Erschließung neuer Ab-
satzwege oder Änderung der Rechts- und Organisationsstruktur.
19

senbewältigung können mithin durch frühzeitiges Gegensteuern, z.B. bei dro-


hender Zahlungsunfähigkeit, erheblich erhöht werden. Instrumente der Früher-
kennung sind aber speziell in kleinen und mittleren Unternehmen kaum zu fin-
den. Unternehmenskrisen werden daher vielfach erst erkannt, wenn ihre Aus-
wirkungen offen zu Tage treten und sich die Handlungsspielräume der Unter-
nehmen bereits deutlich verringert haben. Nach einer Untersuchung der Bera-
tungsgesellschaft ROLAND BERGER STRATEGY CONSULTANTS (2003)
neigen deutsche Unternehmen im Krisenfall vielfach zu einem eher abwarten-
den Verhalten.17 Während US-amerikanische Unternehmensleitungen bereits
aufgrund erster Krisensignale, wie Wachstumsstillstand oder Umsatzstagnati-
on, erste Gegenmaßnahmen einleiten, wird hierzulande zumeist erst im Stadi-
um der Ergebnis- oder Liquiditätskrise von den Unternehmen auf Fehlentwick-
lungen reagiert. Folge ist - so das zentrale Ergebnis der Studie -, dass deut-
sche Unternehmer bei Beginn von Sanierungsüberlegungen, anders als in den
USA, oftmals bereits ernsthaft existenzgefährdet sind.

Die Entscheidung, ob im konkreten Einzelfall die Sanierung des Krisenunter-


nehmens oder seine Liquidation die optimale Handlungsoption darstellt, kann
grundsätzlich nur mittels einer umfangreichen und sorgfältigen Sanierungsprü-
fung getroffen werden. Im Rahmen dieser Prüfung sind die künftige Leistungs-
fähigkeit des Unternehmens und die Eignung der geplanten Sanierungsmaß-
nahmen für eine Krisenbewältigung zu analysieren. Da Sanierungen keinen
Bestandsschutz für Verlustproduktionen leisten können und sollen, kommt der
Sanierungsprüfung auch volkswirtschaftlich unter dem Gesichtspunkt der Allo-
kationseffizienz eine hohe Relevanz zu. Eine Sanierungsprüfung setzt sich
dabei im Allgemeinen aus zwei Bestandteilen zusammen: der Sanierungsfä-
higkeitsprüfung und der Sanierungswürdigkeitsprüfung. Nur wenn beide zu
einem positiven Ergebnis kommen, sollte eine Sanierung eingeleitet werden.

Das Vorliegen der Sanierungsfähigkeit setzt voraus, dass die Wiedererlangung


und zukünftige Sicherung einer wirtschaftlich gesunden Basis, mithin eine an-
gemessene Liquidität und Rentabilität, mittels der vorgesehenen Sanierungs-
maßnahmen in absehbarer Zeit erreichbar ist (vgl. PINKWART/KOLB 2000,
S. 29; WUTZKE 1999, S.1 ff.). Die Beurteilung der Sanierungsfähigkeit erfolgt
nach betriebswirtschaftlichen Maßstäben, indem der Fortführungswert mit dem
Zerschlagungswert des Unternehmens verglichen wird. Letzterer kann anhand

17 Die Studie basiert auf einer Befragung von 79 Unternehmen, die im Zeitraum von 2000
bis 2002 eine Unternehmensrestrukturierung durchgeführt haben.
20

von Erfahrungswerten für Marktpreise relativ einfach bestimmt werden. In den


Fortführungswert fließen dagegen stärker subjektive Größen wie die Einschät-
zung von Erfolgspotenzialen, Wettbewerbern oder Marktentwicklungen ein
(vgl. WELLENSIEK 2002, S. 234). Die positive Beurteilung der Sanierungsfä-
higkeit bedingt u.a., dass das Unternehmen über genügend Erfolgspotenziale,
wie z.B. zukunftsfähige Produkte, Technologien oder qualifizierte Mitarbeiter,
zur Wiedererlangung der Wettbewerbsfähigkeit verfügt.

Im Fokus der Sanierungswürdigkeitsprüfung stehen hingegen die Interessen


der Sanierungsbeteiligten (Banken, Lieferanten, Mitarbeiter sowie sonstige
Gläubiger). Die Bejahung der Sanierungswürdigkeit setzt eine positive Ein-
schätzung dieser Akteure im Hinblick auf die Gesundung des Unternehmens
voraus. Während die Sanierungsfähigkeit größtenteils aufgrund objektiv mess-
barer Faktoren beurteilt wird, dominieren somit bei der Sanierungswürdigkeits-
prüfung subjektive Überlegungen (vgl. FELDBAUER-DURSTMÜLLER 2003,
S. 131 f.). Die Sanierungsbeteiligten müssen entscheiden, ob es für sie vor-
teilhafter ist, die Sanierungsmaßnahmen zu unterstützen oder auf den Vollzug
dieser Maßnahmen zu verzichten und das Unternehmen der Gefahr der Liqui-
dation auszusetzen. Diese Bewertung hängt mithin im großen Maße von der
jeweiligen Interessenlage der Beteiligten ab, so dass die einzelnen Akteure zu
unterschiedlichen betriebswirtschaftlich begründeten Ergebnissen und/oder
subjektiven, personenbezogenen Würdigungen kommen können.

Im Krisenfall wird die Überprüfung der Sanierungsfähigkeit vom Schuldner


eingefordert. Im Insolvenzfall prüfen zusätzlich Insolvenzverwalter und Gericht
die Sanierungsfähigkeit, um über die Verfahrensart zu entscheiden. Nicht zu-
letzt müssen die Gläubiger von der Sanierungsfähigkeit und -würdigkeit über-
zeugt sein. Dies erfordert entsprechende Kommunikationsstrategien im Vorfeld
der Gläubigerversammlung.

2.2.2 Vorteilhaftigkeit von Insolvenzsanierungen

Unternehmenskrisen können - wie bereits ausgeführt - entweder über eine er-


folgreiche Sanierung oder eine Liquidation des angeschlagenen Unterneh-
mens beendet werden. Für beide Ziele kommen sowohl außergerichtliche wie
auch gerichtliche Lösungswege in Betracht. So kann die Beendigung der Ge-
schäftstätigkeit im Rahmen einer sog. stillen Liquidation oder eines Insolvenz-
verfahrens erfolgen. Analog kann eine Sanierung des Krisenunternehmens
entweder außergerichtlich durch Verhandlungen der Beteiligten oder im Rah-
men eines Insolvenzverfahrens erfolgen. Den Rechtsrahmen für gerichtliche
21

Lösungen von Sanierungen oder Liquidationen bildet mithin das Insolvenzver-


fahren. Die Entscheidung zwischen einer konventionellen Restrukturierung
und einer Sanierung in der Insolvenz hängt neben den Zielsetzungen des Un-
ternehmens im Wesentlichen von den unternehmensinternen Potenzialen so-
wie dem Unternehmensumfeld ab.

Fälle außergerichtlicher Sanierungen werden im Gegensatz zu gerichtlichen


Insolvenzverfahren nicht öffentlich. Sie können somit diskret und ohne Teilha-
be der Öffentlichkeit abgewickelt werden. Dies kann für Verfahrensablauf und
die Sanierungsbemühungen von großer Bedeutung sein, da die Bereitschaft
von Zugeständnissen der Beteiligten gefördert und negative Außeneffekte ver-
ringert werden. Zudem kommt die fehlende Öffentlichkeit der üblichen Interes-
senlage sowohl der Unternehmen als auch ihrer Gläubiger entgegen. So sind
Unternehmen in wirtschaftlicher Schieflage im Allgemeinen darauf bedacht,
dass ihre finanzielle Notlage nur einem sehr begrenzten Kreis von Akteuren
bekannt wird, um Reputationsverluste und negative Auswirkungen auf die
Wettbewerbsposition zu vermeiden. Für Gläubiger ist es vielfach entschei-
dend, nicht durch Öffentlichkeit ihrer Sanierungsmitwirkung, insbesondere Zu-
stimmungen zu Forderungsverzichten oder Zahlungsmoratorien, weitere Fälle
zu präjudizieren. Als Vorteil kann zudem gewertet werden, dass außergericht-
liche Sanierungen bei effizienter Vorbereitung unter Einbeziehung der wich-
tigsten Beteiligten vom Grundsatz her vergleichsweise schnell und kosten-
günstig abgewickelt werden können.

Probleme bei außergerichtlichen Sanierungen ergeben sich durch die Mitwir-


kung der Gläubiger, welche zumindest bei ernsthaften Unternehmenskrisen
regelmäßig erforderlich ist. Ursache ist, dass eine Zustimmung der Gläubiger
zum vorgelegten Sanierungskonzept und hiermit verbundene Eingriffe in ihre
Rechtsposition auf freiwilliger Basis erfolgen müssen (vgl. OBERMÜLLER
2002, S. 597 f.). Dies setzt mithin eine positive Haltung der Gläubiger zum
vorgelegten Sanierungskonzept voraus. Nicht auszuschließen ist aber, dass
einzelne Gläubiger die Sanierungsfähigkeit anders als die Unternehmenslei-
tung bewerten oder die Sanierungswürdigkeit angesichts ihrer Partikularinte-
ressen und/oder Spezifika ihrer Forderungen verneinen. Die Durchsetzung von
Sanierungskonzepten kann somit erheblich in die Länge gezogen werden.
Stimmt nur ein Gläubiger dem Sanierungskonzept endgültig nicht zu, so sind
die Verhandlungen gescheitert. Solche in der Rechtsprechung als "Akkordstö-
rer" beschriebenen Gläubiger sind nicht gehindert, ihre Ansprüche gegen den
Schuldner, z.B. im Wege der Zwangvollstreckung, uneingeschränkt durchzu-
22

setzen, auch wenn die ganz überwiegende Mehrheit der Gläubiger einen au-
ßergerichtlichen Vergleich befürwortet. Gläubiger, die einem außergerichtli-
chen Sanierungsvorschlag nicht zustimmen, handeln dabei nicht rechtsmiss-
bräuchlich, sie machen lediglich ihre Ansprüche gegen das Schuldnerunter-
nehmen in vollem Umfang geltend.

Die Vorteile außergerichtlicher Sanierungen verkörpern - grob gesagt - die


zentralen Nachteile des Insolvenzverfahrens: Die finanzielle Schieflage tritt für
Dritte mit Stellung des Insolvenzantrags offen zu Tage, es entstehen Verfah-
renskosten und es sind formale Vorgaben des Gesetzes zu beachten, welche
die angestrebte Sanierung in die Länge ziehen können. Umgekehrt bietet das
Insolvenzverfahren Krisenunternehmen jedoch eine Reihe gewichtiger Vortei-
le, die den Erfolg einer angestrebten Sanierung entscheidend beeinflussen
können.

x Verträge: Insolvenzverwalter sind berechtigt, Verträge, die für das Unter-


nehmen ungünstig oder gar existenzvernichtend sind, zu kündigen (z.B.
langjährige Miet- und Leasingverträge).

x Insolvenzarbeitsrecht: Unter den Bedingungen des speziellen Insolvenzar-


beitsrechts besteht die Möglichkeit, innerhalb kürzester Zeit einen erforder-
lichen Personalabbau vorzunehmen. So werden die Arbeitnehmerrechte
gerade für langjährig Beschäftigte in der Insolvenz deutlich eingeschränkt:
Kündigungsfristen für Arbeitnehmer werden im Insolvenzverfahren generell
auf drei Monate verkürzt. Sozialplanansprüche der Arbeitnehmer werden
durch eine gesetzliche absolute und relative Obergrenze kalkulierbar.18

x Insolvenzgeld: Arbeitslöhne erfahren durch das so genannte Insolvenzgeld


der Bundesagentur für Arbeit, das in Höhe des Nettogehalts in der Regel
für einen Zeitraum von drei Monaten gezahlt wird, eine deutliche Liquidi-
tätsentlastung.19

18 Ausführlich siehe hierzu z.B.: BERSCHEID 1999; SMID/RATTUNDE 2005.


19 Mit dem Insolvenzgeld sichert die Bundesagentur für Arbeit ausstehende Gehaltsforde-
rungen von Arbeitnehmern für maximal 3 Monate, rückwirkend ab dem Eröffnungszeit-
punkt des Insolvenzverfahrens. Das Insolvenzausfallgeld ersetzt damit Gehaltszahlun-
gen, z.B. während der Betriebsfortführung im Eröffnungsverfahren bzw. einer sog.
"Ausproduktion". Im Jahr 2005 wurde diese Lohnersatzleistung an 229.000 Arbeitnehmer
ausgezahlt (ANGELE/KARNAINSKY 2006).
23

x Umsatzsteuer: Liquiditätsvorteile ergeben sich ferner dadurch, dass die


Umsatzsteuer in bestimmten Fällen zunächst nicht zu zahlen ist. Die be-
gründete Umsatzsteuer ist im eröffneten Verfahren eine Insolvenzforde-
rung, d.h. keine Masseforderung.20

x Gläubigerrechte: Mit Verfahrenseröffnung tritt zunächst ein Zahlungs- und


Zinsstopp ein, wodurch zusätzliche Liquidität freigesetzt wird. Zwangsvoll-
streckungen der Gläubiger sind im eröffneten Verfahren unzulässig. Des
Weiteren sind die Sicherungsgläubiger gehindert, das Sicherungsgut
selbst zu verwerten. Lieferanten, die unter Eigentumsvorbehalt lieferten,
sind gehindert, vor dem Berichtstermin das Eigentum herauszuholen.

Die genannten Vorteile des Insolvenzverfahrens gelten sowohl für übertragen-


de Sanierungen als auch für Insolvenzplanverfahren. Letztere ermöglichen
aber nicht nur eine Sanierung des Unternehmens, sondern auch des Rechts-
trägers. Dieser grundlegende Unterschied zwischen beiden Abwicklungswe-
gen kann die Entscheidung zugunsten eines Insolvenzplanverfahrens gerade
dann nahe legen, wenn im betreffenden Unternehmen Vermögenswerte ge-
bunden sind, die nicht auf einen neuen Rechtsträger übertragbar sind (vgl.
FRANK 2005). Beispiele hierfür sind u.a. Börsennotierungen, Verlustvorträge
oder sonstige schuldrechtliche, nicht veräußerliche Rechtspositionen wie z.B.
Lizenzen, Dauerschuldverträge, Konzessionen, Abbaurechte, spezifische per-
sönliche Qualifikationen (wie u.a. bei Freien Berufen und im Handwerk) und
regulierte Zulassungen. Insolvenzpläne, die eine Beibehaltung des bisherigen
Rechtsträgers vorsehen, ermöglichen zudem die Wahrung der bisherigen Ge-
sellschafterstrukturen und erleichtern die weitere Nutzung der Qualifikation der
alten Geschäftsführung. Vorteile bietet der Insolvenzplan schließlich hinsicht-
lich der Erreichung der Gläubigerzustimmung.21 Im Rahmen des Insolvenz-
planverfahrens können "Akkordstörer" überstimmt und Sanierungspläne somit
auch gegen den Widerstand einzelner Gläubiger angenommen werden.

Die aufgezeigten Vorteile von Insolvenzverfahren und Insolvenzplanverfahren


im Speziellen belegen, dass mit den neuen Insolvenzregelungen Krisenunter-
nehmen ein unternehmensstrategisches Instrument zur Seite gestellt worden
ist, das es ermöglicht, eine Neustrukturierung und Sanierung des Unterneh-

20 Angesichts von Insolvenzgeld und Umsatzsteuerstundung sind Fehlkalkulationen mit


dem Ergebnis, dass die Einnahmen nicht mehr die Ausgaben decken, nur noch schwer-
lich möglich.
21 Siehe hierzu Kapitel 2.3.3.
24

mens unter speziellen, eine Sanierung begünstigenden Bedingungen vorzube-


reiten und durchzuführen (vgl. SEIDL/VOSS 2006, S. 130 ff.; SMID/RATTUN-
DE 2005, S. 3 f.; BRUNKE/DERKS 2003, S. 148 f.). Insoweit erweist sich das
Insolvenzrecht als ein Ausnahmerecht, das Krisenunternehmen - zeitlich be-
fristet - aus den rechtlichen und vertraglichen Bindungen des normalen
Rechts- und Geschäftsverkehrs herausnimmt und sie unter den Schutz des
Insolvenzrechts stellt. Statt die Insolvenz auf jeden Fall zu verhindern, wird es
zukünftig verstärkt darum gehen, die speziellen Sanierungsmöglichkeiten der
Insolvenz zu nutzen.

Sanierung durch Insolvenz ist aber ein neues Thema in Deutschland. Sollten
in der Vergangenheit Unternehmen saniert werden, galt der Grundsatz "Sanie-
rung statt Insolvenz". Generell sind hierbei in Deutschland weiterhin erhebliche
Defizite hinsichtlich des "Insolvenzklimas", also dem gesellschaftlichen Um-
gang mit dem Thema Insolvenz, festzustellen. So werden Insolvenzen hierzu-
lande üblicherweise pauschal als Beleg einer unzureichenden unternehmeri-
schen Befähigung angesehen. Gläubiger stehen vorgebrachten Sanierungs-
überlegungen daher im Regelfall eher ablehnend gegenüber. Dies hat zur
Konsequenz, dass Insolvenzverfahren von Krisenunternehmen bzw. ihren Ge-
schäftsführungen primär als Bedrohung wahrgenommen werden und mithin
die Hemmschwelle zur Stellung eines Insolvenzantrags hoch liegt. Insolvenz-
rechtliche Sanierungserleichterungen, die dem Unternehmen möglicherweise
entscheidende Handlungsoptionen bieten, werden hingegen vielfach kaum
beachtet oder nur unzureichend gewürdigt (vgl. RATTUNDE 2003b,
S. 2103 f.). Die Neuregelung der Insolvenzordnung sollte dieser Situation ent-
gegenwirken, indem - wie bereits ausgeführt - die Fortführung von Unterneh-
men stärker in den Vordergrund der Insolvenzabwicklung und damit auch des
öffentlichen Bewusstseins gerückt wurde.

Die Möglichkeiten, die ein wertfreierer Umgang mit Insolvenzen bietet, zeigt
vor allem der Vergleich mit den USA: Bei jedem vierten insolventen Unter-
nehmen wurden dort im Jahr 2003 die jeweiligen Geschäftsführungen mit der
Ausarbeitung und anschließenden Umsetzung eines Reorganisationsplans
beauftragt (vgl. ADMINISTRATIVE OFFICE OF THE U.S.COURTS, verschie-
dene Jahrgänge). Grundlage waren die Bestimmungen von Chapter 11 der
US-amerikanischen Insolvenzordnung.22 Diese Zahlen belegen einen grund-

22 Chapter 11 U.S.-Bankruptcy Code ist in Deutschland vor allem durch die Anwendung der
entsprechenden Regelungen von US-Fluggesellschaften bekannt geworden.
25

legend anderen Umgang mit Insolvenzen. Obgleich genaue Daten über die
Erfolgsquote der angestrengten Reorganisationsverfahren nicht vorliegen, las-
sen die genannten Zahlen den Schluss zu, dass in den USA Insolvenzverfah-
ren weitaus seltener zu einer Beendigung der unternehmerischen Existenz
führen als in Deutschland und Reorganisationschancen eher genutzt werden -
mit positiven Effekten für die Betroffenen und die gesamte Volkswirtschaft.

2.3 Sanierungsinstrument Insolvenzplanverfahren

2.3.1 Konzeption

Das Insolvenzplanverfahren ist das Kernstück der Reformmaßnahmen zur Er-


höhung der Sanierungschancen im Insolvenzverfahren. Erklärte Zielsetzung
des Gesetzgebers war es, insolventen Unternehmen und ihren Gläubigern ei-
ne flexible und so wirtschaftlich möglichst effektive Abwicklung der Insolvenz
zu ermöglichen (vgl. JUNG 2005, S. 31 f.). Einzelfallbezogene Abwicklungsin-
teressen sollten an die Stelle der gesetzlichen Abwicklungsvorgaben treten
können. Das Insolvenzplanverfahren gewährt daher den Beteiligten weitrei-
chende Abschluss- und Inhaltsfreiheit für die konkrete Ausgestaltung des In-
solvenzplans. Denkbar sind grundsätzlich alle Regelungen, die z.B. im Rah-
men eines außergerichtlichen Vergleichs zwischen Schuldnern und Gläubigern
vereinbart werden können. Da der für die beiden Formen der Regelverwer-
tung, also Liquidation und übertragende Sanierung, gültige Grundsatz der
Gleichbehandlung der (nicht nachrangigen) Gläubiger im Insolvenzplanverfah-
ren nicht gilt, können diese durchaus unterschiedliche Quoten durch den In-
solvenzplan zugeteilt bekommen (vgl. HAARMEYER 2003, S. 222 ff.). Der
Gläubigerautonomie ist allerdings insoweit eine Grenze gezogen, als kein Be-
teiligter durch den Insolvenzplan schlechter gestellt werden darf als ohne die-
sen.

Der Insolvenzplan selbst stellt - vereinfacht ausgedrückt - einen präzisen Vor-


schlag des insolventen Unternehmens bzw. des beauftragen Insolvenzverwal-
ters an die jeweiligen Gläubiger dar, eine andere Abwicklung der Insolvenz als
nach den gesetzlichen Vorgaben für die Regelverwertung vorzunehmen. Er
muss u.a. konkrete Bestimmungen hinsichtlich der Verwertung des Schuldner-
vermögens, der Verteilung des Verwertungserlöses sowie der Haftung des
Schuldners enthalten. So können diese inhaltlich sowohl eine Sanierung des
insolventen Unternehmens, eine übertragende Sanierung oder eine Liquidati-
on vorsehen (vgl. HERMANNS/BUTH 1997, S. 1179). Die Befriedigung der
Gläubiger kann sowohl aus einem Verkaufserlös des insolventen Unterneh-
26

mens als Ganzem oder in Teilen als auch aus laufenden Überschüssen erfol-
gen. Die grundsätzlichen Verwertungsalternativen des Insolvenzplans gibt die
folgende Abbildung wieder.

Abbildung 3: Verwertungsmöglichkeiten bei Insolvenzplänen

Vermögensverwertung und
-verteilung gem. Insolvenzplan

Liquidation des ganzen übertragende Sanierung des


Unternehmes oder von Teilen Sanierung Unternehmensträgers

Gläubigerbefriedigung Gläubigerbefriedigung
aus Verkaufserlös aus lfd. Überschüssen

© IfM Bonn
06 83 020

Quelle: Eigene Darstellung

Trotz unterschiedlicher möglicher Verwertungsarten stellt das Insolvenzplan-


verfahren vor allem ein Instrument zur Unternehmenssanierung und Sicherung
des Fortbestands insolventer Unternehmen dar (vgl. RATTUNDE 2003a,
S. 596; MACKEBRANDT/SUWELACK 1998, S. 785 f.). Gedankliches Vorbild
des Insolvenzplanverfahrens ist Chapter 11 U.S.-Bankruptcy Code.23 Ange-
sichts dieser primären Zielsetzung ist das Insolvenzplanverfahren letztlich an
die Stelle des alten gerichtlichen Vergleichsverfahrens getreten. Im Gegensatz
zu diesem ist es allerdings deutlich weniger an restriktive Voraussetzungen
gebunden.24 Da starre Vorgaben im Insolvenzplanverfahren nicht bestehen,

23 Einen Vergleich beider Verfahren bietet Übersicht 1A im Anhang.


24 So sah die Vergleichsordnung als Voraussetzung für die Gültigkeit eines Vergleichs vor,
dass 35 % der Gläubigerforderungen zu befriedigen und die verbleibenden Gesamt-
schulden innerhalb eines Jahres nach Bestätigung des Vergleichs zu zahlen sind. Zudem
war es erforderlich, dass die Gläubiger mit einfacher Kopfmehrheit und zusätzlich 75 %
der ausstehenden Forderungen dem Vergleich zustimmten.
27

ist die Sicherstellung des Fortbestands des insolventen Unternehmens weitaus


leichter zu erreichen als nach der vormals gültigen Rechtslage. Im Unterschied
zum alten Vergleichsverfahren, das allein auf die finanzielle Sanierung insol-
venter Unternehmen abzielte, erstreckt sich ein sanierender Insolvenzplan ne-
ben der finanziellen auch auf die leistungswirtschaftliche Sphäre des insolven-
ten Unternehmens. Mit der Einführung des Insolvenzplanverfahrens trat ferner
der Erhalt des Unternehmens erstmals ausdrücklich gleichberechtigt neben die
Zielsetzung der Liquidation in der Insolvenz.

Die Sicherstellung des Unternehmensfortbestands ist auch im Insolvenzplan-


verfahren nur bei sanierungsfähigen und -würdigen Unternehmen möglich und
anzustreben (vgl. LUTTEROTH 2002). Bedingung hierfür ist, dass insolvente
Unternehmen so umstrukturiert werden können, dass sie wieder in die Ge-
winnzone zurückkehren. Informationen darüber, bei welchem Anteil insolventer
Unternehmer diese Voraussetzung als erfüllt anzusehen ist, liegen leider nicht
vor. Angesichts der zuvor berichteten Anteilswerte hinsichtlich der nach Chap-
ter 11 des US-amerikanischen Insolvenzrechts eingeleiteten Reorganisations-
verfahren erscheint allerdings selbst bei vorsichtiger Schätzung ein Wert von 5
bis 10 % wahrscheinlich. Dies entspricht in etwa auch der Annahme der Bun-
desregierung bei Vorlage des Gesetzentwurfs zur Insolvenzrechtsreform im
Jahr 1999.25

Hinsichtlich der Bereitschaft der Gläubiger, sich auf ein Planverfahren einzu-
lassen, ist im Allgemeinen davon auszugehen, dass diese umso höher liegen
wird, je umfangreicher die ungesicherten Kredite sind, je weniger die Sicher-
heiten wert sind und je geringer das Anlagevermögen ist. Gerade in diesen
Fällen bietet das Insolvenzplanverfahren den Gläubigern die Aussicht auf eine
im Vergleich zur Liquidation höhere Befriedigung ihrer Forderungen. Zuge-
ständnisse absonderungsberechtigter Gläubiger sind vor allem dann zu erwar-
ten, wenn deren Sicherheiten nur bei Unternehmensfortführung eine volle Be-
friedigung versprechen.

2.3.2 Verfahrensablauf

Die Insolvenzordnung knüpft die Vorlage eines Insolvenzplans nur an wenige


rechtliche oder zeitliche Erfordernisse. Zur Vorlage eines Insolvenzplans sind
das insolvente Unternehmen selbst und der Insolvenzverwalter berechtigt. So

25 Vgl. FRIEDRICH-EBERT-STIFTUNG 1999, S. 32.


28

kann der Schuldner bereits mit dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfah-
rens einen vorgefertigten Insolvenzplan, man spricht in diesem Fall von einem
"prepackaged plan", dem Insolvenzgericht vorlegen. Fristen für eine Vorlage
von Insolvenzplänen nach erfolgtem Insolvenzantrag bestehen nicht. Darüber
hinaus kann die Gläubigerversammlung, die üblicherweise in einer Zeitspanne
von 15 bis 24 Wochen nach Antragstellung einberufen wird, den Insolvenz-
verwalter zur Anfertigung und Vorlage eines Insolvenzplans verpflichten. Ein-
zelne Gläubiger oder Gläubigergruppen haben dagegen kein eigenes Initiativ-
recht. Einen Überblick über den Ablauf des Insolvenzplanverfahrens gibt Ab-
bildung 4.

Das Insolvenzgericht ist, nachdem ihm der Insolvenzplan vorgelegt wurde, von
Amts wegen mit einer formell-verfahrensrechtlichen Vorprüfung beauftragt.
Diese Vorprüfung soll den Gläubigern die Beschäftigung mit einem gesetzwid-
rigen oder aussichtslosen Insolvenzplan ersparen. Gegenstand des gerichtli-
chen Vorprüfungsverfahrens ist neben der Frage der Vorlageberechtigung ins-
besondere die Einhaltung der Vorschriften zum Planinhalt und zur Gruppenbil-
dung unter den Gläubigern. Die konkrete Ausgestaltung und der Umfang der
Prüfungsaktivitäten unterliegen dem pflichtgemäßen Ermessen des Insolvenz-
gerichts. Eine genaue inhaltliche Überprüfung der betriebswirtschaftlichen Re-
gelungen dürfte allerdings, gerade bei komplexen Sachverhalten, nur selten
erfolgen, da die Insolvenzgerichte vielfach nicht über das erforderliche be-
triebswirtschaftliche Spezialwissen verfügen. Die Zurückweisung des Plans hat
in Beschlussform zu ergehen.26 Dem Vorlegenden steht gegen diese Ent-
scheidung das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde zu. Ist die Vorprüfung
positiv, so hat das Insolvenzgericht den Insolvenzplan innerhalb einer kurzen
Frist den Beteiligten zur Stellungnahme zuzuleiten und nach Ablauf der Ant-
wortfrist den Insolvenzplan zur Einsichtnahme in der Geschäftsstelle auszule-
gen. Mit der Frist zur Stellungnahme wird zugleich der so genannte Erörte-
rungs- und Abstimmungstermin - eine besondere Gläubigerversammlung - an-
beraumt und öffentlich bekannt gegeben.

26 Besonders die Vorprüfung des Insolvenzplans stellt das Gericht vor nicht zu unterschät-
zende Anforderungen und birgt erhebliche Haftungsrisiken. Dies gilt insbesondere bei
Nichtannahme des Plans, da hierdurch bedingte Verzögerungen zu Beeinträchtigungen
der Sanierungschancen führen können.
29

Abbildung 4: Ablauf des Insolvenzplanverfahrens

Schuldner Insolvenzverwalter

Vorlage des Insolvenzplans bei Gericht

Gerichtliche Vorprüfung
(nach Eröffnung Insolvenzverfahren)
positiv negativ
Zurückweisung

Weiterleitung des Plans


Auslage in Geschäftsstelle

Annahme Annahme durch mehr Annahme durch die


durch alle als die Hälfte der Hälfte der Gläubiger-
Gläubigergruppen Gläubigergruppen gruppen oder weniger

Zustimmung gem. nein


Obstruktionsverbot durch keine Bestätigung
Gericht möglich
ja

Prüfung durch Insolvenzgericht

positiv negativ
keine Bestätigung
Gerichtliche Bestätigung
des Insolvenzplans

Aufhebung des
Insolvenzverfahrens

ggf. Planüberwachung
© IfM Bonn
06 83 036

Quelle: Eigene Darstellung


30

Im Erörterungs- und Abstimmungstermin werden durch den Planinitiator der


aktuelle Stand der Planrealisierung sowie die Planbestimmungen und die hier-
aus resultierenden Konsequenzen für die einzelnen Gläubigergruppen darge-
legt. In der sich anschließenden Aussprache können Gläubiger oder Schuldner
Anregungen zur Änderung des vorgelegten Insolvenzplans einbringen. Zur
Vornahme von Änderungen ist indessen nur der Planinitiator selbst berechtigt.
Unabhängig von etwaigen Änderungen ist unmittelbar nach der Erörterung
über den Insolvenzplan abzustimmen. Hierfür werden die einzelnen Gläubiger
nach Maßgabe des Insolvenzplans in homogene Gruppen unterteilt.27 Stimm-
rechte bei der Abstimmung besitzen dabei nur die Gläubiger, deren Rechte
durch die Bestimmungen des Plans eingeschränkt werden sollen.28 Einen
Sonderfall stellen Gläubiger mit Absonderungsrechten dar. Sie haben mit dem
"werthaltigen" Teil ihrer Forderung als absonderungsberechtigte Gläubiger und
mit ihrer Ausfallforderung als Insolvenzgläubiger abzustimmen.

Hinsichtlich des Abstimmungsergebnisses sind drei Fallkonstellationen mög-


lich: Der Insolvenzplan ist sofort und unanfechtbar durch die Gläubiger ange-
nommen, wenn alle Gruppen zustimmen. Die Zustimmung innerhalb einer
Gruppe gilt dabei dann als erteilt, wenn die Mehrheit ihrer anwesenden Mit-
glieder zustimmt und diese zustimmenden Gläubiger mehr als die Hälfte der
Forderungen der in der Gruppe anwesenden und abstimmenden Gläubiger
ausmachen. Stimmt die Mehrzahl der Gruppen gegen den Plan, so bleibt die
Bestätigung versagt. Stößt der Plan bei der Mehrzahl, jedoch nicht bei allen
auf Zustimmung, so kann seine Annahme doch noch mittels der Bestimmun-
gen zum Obstruktionsverbot29 erreicht werden.

Der angenommene Insolvenzplan bedarf zur Erlangung seiner Rechtskraft


noch einer Bestätigung durch das Insolvenzgericht entweder im Abstimmungs-
termin selbst oder in einem gesondert anberaumten Verkündigungstermin. Da
der Zeitdruck angesichts des schmalen Zeitfensters für erfolgreiche Sanie-
rungsanstrengungen hoch ist, wird die Erörterung und Abstimmung über den
Plan in der gerichtlichen Praxis häufig mit dem Berichtstermin verbunden, um

27 Zur Gruppenbildung siehe: Kapitel 2.3.3.


28 Hierbei handelt es sich um: Inhaber angemeldeter und unbestrittener Forderungen,
Gläubiger mit bestrittenen Forderungen oder mit aufschiebend bedingten Forderungen
(unter bestimmten Voraussetzungen), Gläubiger nachrangiger, in den Plan einbezogener
Forderungen, absonderungsberechtigte Gläubiger sowie - bei einem eventuellen Ausfall -
gesicherte Gläubiger, deren Rechte in dem Plan geregelt werden.
29 Siehe hierzu: Kapitel 2.3.3.
31

so in einem Termin Klarheit über die weitere Entwicklung des Unternehmens


zu bekommen (vgl. HAARMEYER 2003, S. 246 f.). Voraussetzung der Bestä-
tigung ist eine abschließende Prüfung des Insolvenzplans durch das Insol-
venzgericht. Prüfgegenstände sind u.a. die Gesetzmäßigkeit des Planinhalts,
die korrekte Gruppenbildung und Gleichbehandlung der gruppenzugehörigen
Gläubiger, das Vorliegen der erforderlichen Mehrheiten oder das Vorliegen der
Voraussetzungen zur Zustimmung per Obstruktionsverbot, die Zustimmung
des Schuldners oder Ersetzung seiner Zustimmung sowie die Entscheidung
über alle form- und fristgerecht erhobenen Widersprüche und die Wahrung der
Minderheitenrechte. Mit der Verkündigung beginnt eine zweiwöchige Frist zur
Einlegung der sofortigen Beschwerde gegen den jeweiligen Beschluss des
Gerichts.

Mit der Rechtskraft des bestätigenden Beschlusses treten die im Insolvenzplan


festgelegten Wirkungen für und gegen alle Beteiligten ein. Auf die Teilnahme
am Planverfahren kommt es dabei ebenso wenig an wie auf einen Wider-
spruch gegen den Insolvenzplan. Folge der Rechtskraft ist der Eintritt der ma-
teriell-rechtlichen Bestimmungen des Insolvenzplans wie Erlass, Verzicht,
Stundung von Forderungen oder Fristverlängerungen. Die Rechtsqualität oder
der Rechtsgrund der jeweiligen Forderung ändert sich nicht. Unberührt bleiben
ferner die Ansprüche der Gläubiger gegen Mitschuldner und Bürgen des
Schuldners sowie dingliche Sicherungsrechte. Sie werden allerdings in glei-
cher Höhe wie die Ursprungsforderung gegen den Schuldner vermindert. Sieht
der Insolvenzplan vor, dass die Forderungen der Gläubiger in einem bestimm-
ten Zeitraum zu einem vorgegebenen Prozentsatz erfüllt sein müssen, knüpft
das Gesetz hieran die Vermutung, dass nach Erfüllung dieser Vorgaben eine
Restschuldbefreiung für den Schuldner eintritt.30 Abweichende Vorstellungen
bedürfen expliziter Regelungen im Insolvenzplan.

Sobald der Insolvenzplan rechtskräftig ist und die Schlussrechnung des Insol-
venzverwalters vorliegt, hat das Insolvenzgericht die Aufhebung des Insol-
venzverfahrens anzuordnen. Hiermit erlöschen die Ämter des Insolvenzverwal-
ters und der Mitglieder des Gläubigerausschusses. Der Schuldner erhält das
Recht zurück, über das Unternehmensvermögen frei zu verfügen. Da die Erfül-
lung der im Plan geregelten Ansprüche durch den wieder verfügungsberechtig-

30 Eine solche Restschuldbefreiung ist für den Schuldner vorteilhaft, da die sechsjährige
"Wohlverhaltensperiode" entfallen kann. Allein diese Bestimmung könnte eine starke
Triebfeder für eine Planvorlage durch den Schuldner sein.
32

ten Schuldner erfolgt, ist zur Absicherung der ordnungsgemäßen Erfüllung ei-
ne so genannte Wiederauflebungsklausel gesetzlich verankert: Hiernach fallen
Stundung und Erlass von Forderungen bei Nicht-Erfüllung der Bestimmungen
des Insolvenzplans weg und die ursprüngliche Forderung lebt wieder auf. 31
Stundung oder Erlass der Forderungen werden dann für den betreffenden
Gläubiger hinfällig. Für die übrigen Gläubiger behält der Insolvenzplan indes-
sen weiterhin seine Gültigkeit. Das durch den Insolvenzplan geregelte Rechts-
verhältnis zu allen Gläubigern wird zudem bei Eröffnung eines neuen Insol-
venzverfahrens über das Vermögen des Schuldners während des Zeitraums
der Planerfüllung hinfällig. Stundungen und Erlasse aller Gläubiger fallen
weg.32 Das vorherige Insolvenzverfahren lebt indessen nicht erneut auf und
die sonstigen Wirkungen des Plans bleiben unberührt.

Um die Risiken einer nicht erfolgenden Planerfüllung durch den Schuldner zu


begrenzen, sehen Insolvenzpläne oftmals eine Überwachung der Planerfüllung
vor. Rechtlich betrachtet stellt das Planüberwachungsverfahren ein eigenstän-
diges Verfahren dar, das nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens ein-
setzt. Dazu bestehen sowohl das Amt des Insolvenzverwalters wie auch das
der Gläubigerversammlung bis zur Aufhebung der Überwachung fort. Der
Verwalter hat zudem, trotz Übergang der Verfügungsgewalt an den Schuldner,
weiterhin bestimmte Sonderrechte.33 Bei Gefahr der Nichterfüllung hat der In-
solvenzverwalter dem Gläubigerausschuss und dem Insolvenzgericht unver-
züglich Bericht zu erstatten, damit über ein etwaiges Wiederaufleben der ur-
sprünglichen Verpflichtungen entschieden werden kann. Die Dauer der Über-
wachung ist auf drei Jahre ab Aufhebung des Insolvenzverfahrens begrenzt.
Eine vorzeitige Aufhebung der Überwachung ist aber möglich, wenn die An-
sprüche erfüllt worden sind oder dies gewährleistet ist.

31 Voraussetzung ist, dass der Schuldner seinen Verpflichtungen trotz schriftlicher Mahnung
und Setzung einer mindestens zweiwöchigen Nachfrist zur Zahlung nicht nachkommt.
Abweichende Bestimmungen im Insolvenzplan sind möglich.
32 Die Regelung ist konsequent, weil die im Insolvenzplan getroffenen Vereinbarungen auf
Grund der erneuten Verfahrungseröffnung nicht mehr eingehalten werden können. Den
beteiligten Gläubigern wird allerdings die Möglichkeit eröffnet, ihre Forderungen auch im
neuen Insolvenzverfahren mit dem vollen Betrag anzumelden.
33 Er ist u.a. befugt, die Geschäftsräume des Schuldnerunternehmens bzw. der Übernah-
megesellschaft zu betreten, Einsicht in Bücher und Geschäftspapiere zu nehmen sowie
Auskünfte von den gesetzlichen Vertretern und Angestellten zu verlangen.
33

2.3.3 Zentrale Bestimmungen

Im Folgenden werden einige zentrale rechtliche Bestimmungen des Insolvenz-


planverfahrens näher erläutert:

x Planinhalte

Insolvenzpläne müssen aus zwei Teilen, dem so genannten darstellenden und


dem gestaltenden Teil, bestehen (vgl. HAARMEYER S. 245 f.).34 Pflichtbe-
standteil kann zudem unter bestimmten Voraussetzungen ein Anlagenband
sein, der u.a. Plan-Bilanzen, Plan-Erfolgsrechnungen sowie Plan-Liquiditäts-
rechnungen für den angedachten Sanierungszeitraum enthalten kann.35

Der darstellende Teil soll die Gläubiger umfassend über Grundlagen, Gegen-
stand und Auswirkungen des Insolvenzplans informieren und ihnen so eine
sachgerechte Bewertung der geplanten Rechtsänderungen und ggf. Sanie-
rungsvorhaben im ökonomischen Gesamtzusammenhang ermöglichen. Kern-
stück dieses Teils ist die Darstellung der Maßnahmen des Sanierungs- oder
Liquidationskonzepts im ertragswirtschaftlichen und strategischen Bereich.
Aufzuführen sind alle Sanierungsmaßnahmen, die nach der Eröffnung des In-
solvenzverfahrens getroffen wurden oder noch getroffen werden sollen, z.B.:

x Veränderungen im organisatorischen und personellen Bereich wie z.B.


Schließungen einzelner (Teil-)Betriebe oder die Entlassung von Teilen der
Belegschaft,
x Eingriffe in die Vermögens-, Finanz- und Ertragssituation des insolventen
Unternehmens und ihre Auswirkungen,
x Gesamtbeträge von Sozialplanforderungen und ggf. Rahmenvereinbarun-
gen für Sozialpläne sowie
x Höhe und Konditionen von Sanierungskrediten.

Der gestaltende Teil erläutert hingegen die vorgesehenen Eingriffe des Insol-
venzplans in die Gläubigerrechte sowie die Einteilung der Gläubiger in Grup-
pen. Er legt fest, inwiefern die Rechtsstellung der Gläubiger durch den Insol-
venzplan geändert wird. Inhalte sind:

34 Für Beispiele von Musterplänen siehe z.B.: SMID/RATTUNDE 2005, S. 349 ff.
35 Ausführlich zu den Anlagen: WESTRICK 1998.
34

x Angaben zu Stundungen und Erlassen sowie vorgesehenen Forderungs-


absicherungen bei nicht nachrangigen Gläubigern,
x Angaben zu Eingriffen in die Rechte der Absonderungsberechtigten, da
deren Rechte ohne anders lautende Bestimmungen im Insolvenzplan re-
gelmäßig erfüllt würden,
x Angaben zur Verwertungsstrategie,
x Erläuterungen zur Gruppeneinteilung der Gläubiger sowie
x Bestimmungen zu einer ggf. beabsichtigten Planüberwachung.

In der Ausgestaltung der Bestimmungen sind die Beteiligten nahezu völlig frei.
Unzulässig sind allerdings Regelungen, welche nicht die Haftungsverwirkli-
chung betreffen oder in die Rechtsstellung Nichtbeteiligter - also Aussonde-
rungsberechtigter, Massegläubiger sowie sonstige Dritter - eingreifen würden.
Diese können gleichwohl freiwillig einen Sanierungsbeitrag leisten, der jedoch
nicht durch den Plan erzwungen werden kann, sondern außerhalb des Plan-
verfahrens privatautonom vereinbart werden muss. Auch darf der Insolvenz-
plan nicht in die Rechtsstellung der Gesellschafter ohne deren Zustimmung
eingreifen.

x Gruppenbildung

Die Insolvenzordnung fordert eine zwingende Bildung unterschiedlicher Gläu-


bigergruppen nur für Gläubiger mit unterschiedlicher Rechtsstellung. Hiernach
ist generell zwischen vorrangigen und nachrangigen sowie absonderungsbe-
rechtigten Insolvenzgläubigern zu unterscheiden.36 Die Insolvenzordnung er-
laubt darüber hinaus tiefergehende Gruppenbildungen nach Maßgabe der
wirtschaftlichen Interessenlage von Gläubigern. Es ist demnach zulässig,
Gläubiger mit gleicher Rechtsstellung, aber unterschiedlicher Interessenlage,
in verschiedenen Gruppen zusammenzufassen.

Die konkrete Gruppenbildung obliegt dem jeweiligen Planinitiator, also entwe-


der dem Schuldner oder dem Insolvenzverwalter. Sie bietet diesem umfang-
reiche Möglichkeiten, Planinhalte und Gruppenbildung einander anzupassen
und somit die Mehrheitsverhältnisse bei der Abstimmung so zu gestalten, dass

36 Die Berücksichtigung absonderungsberechtigter Gläubiger in einer eigens gebildeten


Gruppe ist dabei allerdings nur erforderlich, wenn deren Rechtsstellung durch den vorge-
legten Insolvenzplan beeinträchtigt wird. Ebenso ist die Bildung einer Gruppe für nach-
rangige Insolvenzgläubiger nur vorgeschrieben, sofern deren Forderungen abweichend
von der Grundregel nicht als erlassen gelten sollen.
35

eine Annahme des vorgelegten Plans wahrscheinlicher wird (vgl. HAARMEY-


ER 2003, S. 242 ff.). Taktische Überlegungen können je nach den Gegeben-
heiten des Einzelfalles unterschiedliche Strategien bei der Gruppenbildung
nahe legen. So können z.B. mögliche Gegner des Insolvenzplans bei gleichen
wirtschaftlichen Interessen zu einer eigenen Gruppe zusammengefasst und so
isoliert werden. Letztlich kommt es für den Planinitiator darauf an, die Grup-
penbildung so vorzunehmen, dass eine Mehrheit für den vorgelegten Insol-
venzplan in den einzelnen Gruppen wahrscheinlich erscheint und notfalls die
Voraussetzungen zur etwaigen Anwendung des Obstruktionsverbotes vorlie-
gen.37 Die Basis der Gruppenbildung muss allerdings stets ein sachlicher Ein-
teilungsgrund in Form unterschiedlicher wirtschaftlicher Interessen sein. Eine
unsachgerechte Bildung von Gläubigergruppen, allein zur Erreichung eines
günstigen Abstimmungsergebnisses, ist unzulässig.

x Obstruktionsverbot

Insolvenzpläne bedürfen der Zustimmung sämtlicher Gläubigergruppen für ihre


Annahme. Die Blockademöglichkeiten einzelner Gläubigergruppen werden
allerdings durch das so genannte Obstruktionsverbot eingeschränkt. Diese
Bestimmung erlaubt dem Insolvenzgericht eine Bestätigung wirtschaftlich
sinnvoller Insolvenzpläne, sofern der vorgelegte Insolvenzplan eine mehrheitli-
che Zustimmung unter den Gläubigergruppen fand. Voraussetzung der Zu-
stimmungsfingierung durch das Insolvenzgericht ist, dass die erfolgte Ableh-
nung als unbeachtlich, als missbräuchlich zu werten ist. So ist eine Obstrukti-
on, d.h. die rechtsmissbräuchliche Zustimmungsverweigerung, gegeben, wenn
die ablehnende Gläubigergruppe durch den vorgelegten Insolvenzplan nicht
schlechter gestellt wird als ohne diesen und sie bei der Verteilung eines Insol-
venzplan-bedingten Mehrwerts im Vergleich zu anderen Gruppen nicht unbillig
benachteiligt wird. Sind diese Voraussetzungen gegeben, gilt die Zustimmung
der ablehnenden Gruppe als erteilt.

Die Frage einer Schlechterstellung der ablehnenden Gläubigergruppe ist vom


Insolvenzgericht unter Berücksichtigung der jeweiligen Quoten mit und ohne
Insolvenzplan dahingehend abzuwägen, ob sie durch den vorgelegten Insol-

37 Dies ist vor allem bei der sehr beliebten sog. Kleingläubigerklausel zu berücksichtigen.
Sie sieht vor, dass Insolvenzgläubiger, deren Forderungen einen bestimmten Betrag
nicht übersteigen, voll befriedigt werden. Liegt eine solche Klausel vor, greift das Ob-
struktionsverbot nicht, sofern eine andere Gruppe nicht nachrangiger Insolvenzgläubiger,
die keine volle Befriedigung erhält, dem Plan nicht zustimmt. Siehe hierzu: Kapitel 3.3.3.
36

venzplan wahrscheinlicher ist als das Gegenteil. Das Insolvenzgericht prüft


zudem die Angemessenheit einer Beteiligung am wirtschaftlichen Wert. Diese
Angemessenheit liegt unter folgenden drei Bedingungen vor:

x Kein Gläubiger erhält einen wirtschaftlichen Wert, der seinen ursprüngli-


chen Anspruch übersteigt.
x Kein Gläubiger, der ohne Insolvenzplan gleichrangig mit den Gläubigern
der ablehnenden Gruppe wäre, wird besser gestellt als diese.
x Weder nachrangige Insolvenzgläubiger noch der Schuldner erhalten einen
wirtschaftlichen Wert.

Massegläubiger und Absonderungsberechtigte bleiben bei der Beurteilung der


Angemessenheit außer Betracht, da ihre Ansprüche durch den Plan nicht bzw.
nicht ohne ihre Zustimmung beeinträchtigt werden.

x Minderheitenschutz

Die Interessen von Einzelgläubigern können im Rahmen von Insolvenzplan-


verfahren aufgrund der Gruppenbildung unter Umständen keine ausreichende
oder angemessene Berücksichtigung finden. Die Insolvenzordnung sieht daher
einen Minderheitenschutz vor. Dieser soll sicherstellen, dass jeder einzelne
Gläubiger nicht nur gruppenbezogen, sondern auch individuell durch den vor-
gelegten Insolvenzplan keine Schlechterstellung erfährt. Jeder Gläubiger kann
daher einen Antrag beim Insolvenzgericht dahingehend stellen, die Planbestä-
tigung zu versagen, wenn er sich in seinen Interessen beeinträchtigt sieht.
Voraussetzung für die Zulässigkeit des Antrags ist ein Widerspruch gegen den
Insolvenzplan im Abstimmungstermin. Minderheitenschutz wird also nur Gläu-
bigern gewährt, die zu diesem Termin anwesend sind.

Der betreffende Gläubiger hat mit seinem Antrag seine Schlechterstellung im


Vergleich zur Regelabwicklung glaubhaft zu machen. Hierzu ist es erforderlich,
dem Insolvenzgericht Informationen vorzulegen, die diese Einschätzung nach-
vollziehbar machen und wahrscheinlich erscheinen lassen. Bloße Behauptun-
gen sind keinesfalls ausreichend. Eine hohe Relevanz kommt in diesem Zu-
sammenhang vor allem der im Insolvenzplan enthaltenen Vergleichsrechnung
zu. Sie schränkt die Beliebigkeit solcher Behauptungen nachhaltig ein. Sofern
der Gläubiger in seinem Antrag seine Schlechterstellung glaubhaft machen
kann, dürfte sich ein Insolvenzplanverfahren deutlich verzögern. Dieses Risiko
wird in der Praxis vielfach mittels der Verankerung von salvatorischen Klauseln
im Insolvenzplan zu mindern versucht. Diese Klauseln sehen die Zahlung von
37

gesonderten Abfindungen an einzelne Gläubiger vor, welche Widerspruch ge-


gen den Insolvenzplan erhoben haben und deren Benachteiligung rechtskräftig
festgestellt wurde.

x Schuldnerschutz

Insolvenzpläne greifen ferner nahezu regelmäßig auch in die Rechtsstellung


des Schuldners ein. Die Insolvenzordnung räumt daher Schuldnern ebenfalls
ein Widerspruchsrecht gegen den Insolvenzplan ein. Das Insolvenzgericht ist
bei beachtlichen Widersprüchen verpflichtet, eine etwaige Planbestätigung zu
verwerfen und somit das Wirksamwerden des betreffenden Insolvenzplans zu
verhindern. Bei der Beurteilung der Beachtlichkeit orientiert sich die Insolvenz-
ordnung am Grundgedanken des Obstruktionsverbots. Eine Schlechterstellung
des Schuldners und somit dessen unangemessene Benachteiligung besteht
demnach nur dann, wenn ihm durch den vorgelegten Insolvenzplan z.B. eine
weitergehende Haftung als nach den gesetzlichen Regelungen auferlegt wür-
de.

2.4 Förderprogramme zur Sanierungsunterstützung

Das Interesse der Wirtschafts- und Förderpolitik ist stark auf Unternehmens-
gründungen und "gesunde", wachsende Unternehmen fokussiert. Sanierungs-
hilfen werden nur im Ausnahmefall erwogen. Es fehlt allgemein das Interesse,
Sanierungslösungen mit ungewissem Ausgang bei kleinen Unternehmen fi-
nanziell zu unterstützen. Der Handlungsspielraum öffentlicher Stellen, der
Kammern, Verbände und gemeinnützigen Einrichtungen bei der Ausgestaltung
von Unterstützungsangeboten wird zudem durch das Rechtsberatungsgesetz,
die Gefahr haftungs- und strafrechtlicher Konsequenzen für die unterstützen-
den Institutionen/Berater sowie durch EU-Bestimmungen zu Rettungs- und
Umstrukturierungsbeihilfen beschnitten. Fördermaßnahmen, die in der exis-
tenzbedrohenden Krise - speziell in der Insolvenz - eine umfassende und kon-
tinuierliche Betreuung gewährleisten, unterblieben daher vielfach.38

Die bestehenden Beratungsprogramme auf Bundes- oder Landesebene39 ge-


ben fast ausschließlich Hilfen zur Krisenprävention und Beratungen im vorin-
solvenzlichen Stadium. Die Option einer Insolvenzplanerstellung zur Unter-

38 Ausführlich zu den genannten Einschränkungen siehe: NATUSCH 2005, S. 35; KRAN-


ZUSCH/MAY-STROBL 2002, S. 42 f.
39 Siehe hierzu Übersicht 2A im Anhang.
38

nehmenssanierung ist bei den Verantwortlichen in der Politik bisher kaum als
Ansatz für Unterstützungsmaßnahmen konkretisiert worden. Beratungshilfen
für insolvente Unternehmen werden zudem nur im Ausnahmefall aktiv angebo-
ten. Die allgemeinen (freiberuflichen) betriebswirtschaftlichen Beratungspro-
gramme von Bund und Ländern dienen demnach vornehmlich der Vermeidung
von Krisen oder der Behebung einfacher Krisenzustände. Eine Nutzung dieser
Programme, z.B. für die Inanspruchnahme von Beratungsleistungen bei der
Insolvenzplanerstellung, ist zumeist aber grundsätzlich möglich.

In der Praxis dürfte die Inanspruchnahme allgemeiner Beratungsprogramme


vor allem durch die vorgesehene Eigenbeteiligung der zu fördernden Unter-
nehmen Beschränkungen erfahren: Da die Unterstützung i.d.R. in Form eines
Zuschusses zu den Beratungskosten erfolgt und die Beratung insolventer Un-
ternehmen außerordentlich zeitaufwändig ist, ist davon auszugehen, dass die
Eigenbeteiligung den verbliebenen Finanzierungsspielraum oftmals überstei-
gen wird. Insolvente Unternehmen werden folglich nur selten eine freiberufli-
che Beratung aufnehmen können. Hinzu kommt, dass nur wenige Berater die
Erfahrung haben, eine qualifizierte Beratung für Insolvenzpläne vorzunehmen.
In einigen Bundesländern, wie z.B. Hamburg und Nordrhein-Westfalen (vgl.
KRANZUSCH/MAY-STROBL 2002, S. 58 ff.), sind angesichts dieser Proble-
matik kostengünstige Beratungsangebote für mittelständische Krisenunter-
nehmen aufgelegt worden, die allerdings in erster Linie dazu dienen, eine Be-
ratungsaufnahme vorzubereiten. Spezielle Beratungsangebote zur Erstellung
eines Sanierungskonzeptes finden sich nur in Sachsen sowie - für Fallgestal-
tungen, bei denen eine öffentliche Bürgschaft vorgesehen ist - in Nordrhein-
Westfalen und Bremen. Sie wenden sich auch an insolvente Unternehmen.

Ähnliche Einschränkungen weist die Förderlandschaft hinsichtlich von Kredit-


und Bürgschaftsprogrammen auf. So stehen die diversen Kreditprogramme
der KfW nicht zur finanziellen Sanierung von insolventen Unternehmen zur
Verfügung, schließen Unternehmen in wirtschaftlichen Schwierigkeiten gene-
rell aus. Gleiches gilt für die entsprechenden Förderangebote der meisten
Landesförderinstitute. Nur in einigen Bundesländern werden Darlehen (z.B.
Bayern, Berlin, Sachsen) angeboten, die prinzipiell auch von insolventen Un-
ternehmen in Anspruch genommen werden können.40 Die Bürgschaftspro-
gramme der einzelnen Bundesländer stehen insolventen mittelständischen
Unternehmen zwar grundsätzlich offen, ihre Vergabebedingungen schränken

40 Siehe hierzu Übersicht 3A im Anhang.


39

die Anwendungsmöglichkeiten jedoch deutlich ein.41 So richten sich die Bürg-


schaftsprogramme gemessen an Mindestbeträgen von im Regelfall einer Milli-
on € vornehmlich an größere Unternehmen. Ferner ist die durchschnittliche
Bearbeitungszeit mit drei Monaten zu lang, um zur Verringerung akuter Zah-
lungsschwierigkeiten beitragen zu können. Verwendung finden Landesbürg-
schaften daher vor allem zur Konsolidierung nach Abschluss des Insolvenzver-
fahrens.

Ein ganzheitliches Programm zur Unterstützung von insolvenzplangestützten


Sanierungen findet sich lediglich in Sachsen. Seit Start des von der Sächsi-
schen Aufbaubank (SAB) angebotenen Programms im Februar 2005 wurden
insgesamt 46 Anträge von sächsischen Unternehmen gestellt. Hiervon wurden
29 Anträge mit einem Finanzierungsvolumen von 1,5 Mio. € bewilligt. Gemes-
sen an den berichteten Insolvenzplanverfahren trifft dieses Programm damit
auf eine rege Nachfrage insolventer mittelständischer Unternehmen, die zu-
dem durch gezielte Maßnahmen zur Steigerung des Bekanntheitsgrads geför-
dert wird. Das Förderprogramm schließt - zumindest für Sachsen - eine Lücke
im Förderangebot. Es setzt sich dabei aus drei aufeinander aufbauenden Bau-
steinen zusammen, welche der Finanzierung der Insolvenzplanerstellung, der
Finanzierung von Betriebsmitteln während des Insolvenzverfahrens sowie der
Sicherstellung der Anschubfinanzierung für die Planumsetzung dienen sollen
(Abbildung 5).

In der ersten Phase der Förderung wird die Erstellung eines Insolvenzplans
mittels einer anteiligen Kostenübernahme durch nicht rückzahlbare Zuwen-
dungen unterstützt, wodurch u.a. der Einbezug eines spezialisierten Beraters
ermöglicht werden soll. Voraussetzung der Inanspruchnahme ist die erfolgrei-
che Absolvierung eines Vorabchecks zur Bewertung der Planfähigkeit. Die
hiermit verbundenen Prüfungen42 nehmen Berater oder Fachanwälte vor, die
bei den zuständigen Wirtschaftskammern, der RKW Sachsen GmbH oder der
SAB gelistet oder allgemein als Fachanwälte für Insolvenzrecht tätig sind. Ist
die grundsätzliche Sanierungsfähigkeit geprüft, kann von der SAB ein insol-
venzerfahrener Berater empfohlen werden, der dann die Planerstellung über-

41 Sie werden in den meisten Bundesländern über PricewaterhouseCoopers abgewickelt.


Übersicht 4A im Anhang listet die verschiedenen Landesbürgschaftsprogramme auf.
42 Sie dauern im Regelfall ein bis zwei Tage und verursachen Kosten von bis zu 2.000 €,
die das Unternehmen zu tragen hat.
40

nimmt. Unterstützt wird dies durch einen Zuschuss zu den Kosten der Planer-
arbeitung bis zu 50 %.

Abbildung 5: Förderphasen im Fonds "Krisenbewältigung und Neustart"

Stationen der Förderung

Antragstellung ggf. spätere Aufhebung des


t
Planbestätigung
ggf. mit Einreichung Einreichung des Verfahrens
durch das Gericht
des Insolvenzplans Insolvenzplans durch das Gericht

Krise Insolvenz Neustart

Erstellung des Insolvenzplans


(vor bzw. nach Antragstellung)
Massedarlehen Neustart-
strukturierter zur Finanzierung der
Vorabcheck finanzierung
Insolvenzphase
zur Prüfung der organisatorische und für Betriebsmittel
und/oder der
Sanierungsfähigkeit finanzielle Unterstützung und Investitionen
Plandurchführung
der Erstellung

Fördermaßnahmen im Rahmen des Fonds der SAB

© IfM Bonn
06 83 032

Quelle: SAB 2005

Der zweite Förderbaustein sieht die Bereitstellung von Massedarlehen43 zur


Liquiditätssicherung während des Insolvenzplanverfahrens vor. In der dritten
Etappe, der Finanzierung des Neustarts nach Verfahrensabschluss, können
Darlehen zur Finanzierung von Betriebsmitteln oder Neu- und Ersatzinvestitio-
nen, die auf eine Existenzsicherung und Stabilisierung der Wettbewerbsfähig-
keit abzielen, gewährt werden. Voraussetzung ist u.a. die Vorlage eines bestä-
tigten Insolvenzplanes, dessen Realisierung eine nachhaltige Existenzfesti-
gung verspricht. Diese Neustartfinanzierung kann je nach den Erfordernissen
des Einzelfalls bis zu 100 % des förderfähigen Finanzbedarfs betragen. 44

43 Das Darlehen hat ein Mindestvolumen von 20.000 € aufzuweisen und wird für sechs Mo-
nate zu marktüblichen Zinsen gewährt. Voraussetzung der Darlehensgewährung ist ein
Antrag des Insolvenzverwalters.
44 Vorgesehen ist ein einmaliges Darlehen bis aktuell maximal 100.000 € mit einer Laufzeit
von bis zu vier Jahren, wobei das erste Jahr tilgungsfrei gestellt werden kann. Zinssatz
und Besicherung entsprechen den marktüblichen Bedingungen. Die Bereitstellung erfolgt
in Kofinanzierung mit der jeweiligen Hausbank.
41

3. Insolvenzgeschehen in Deutschland

3.1 Allgemeine Insolvenzentwicklung

3.1.1 Insolvenzanträge

Die amtliche Insolvenzstatistik stellt auf die juristische Insolvenzdefinition ab.


Hiernach liegt eine Insolvenz - wie bereits darstellt - bei Eintritt der gesetzlich
definierten Insolvenztatbestände, also (drohende) Zahlungsunfähigkeit und
Überschuldung, vor. Die amtliche Statistik erfasst demnach nur die Gesamt-
zahl der Insolvenzanträge und -eröffnungen bei den Insolvenzgerichten.45

Einschränkungen erfährt der Aussagegehalt der amtlichen Insolvenzstatistik


vor allem aufgrund einer eingeschränkten Beobachtbarkeit von Insolvenzen
bei privat haftenden Selbständigen. Während für Kapitalgesellschaften - eine
relativ strikte Insolvenzantragspflicht für die Geschäftsführer bei Vorliegen der
Antragsgründe Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung vorliegt, besteht diese
Verpflichtung für Rechtsformen, in denen originär eine private Haftung für das
unternehmerische Vermögen eingegangen wird, nur in verringertem Maße.
Hier führen zwar auch die Antragsrechte der Gläubiger zur Anzeige von Insol-
venzen, die Unternehmer haben jedoch im Falle von Eigenanträgen mehr Ab-
wägungsspielraum bezüglich des Einsatzes und der Bewertung ihres Privat-
vermögens. KRANZUSCH/MAY-STROBL (2002, S. 76 ff.) schätzten z.B. die
Zahl der nahezu zahlungsunfähigen Einzelunternehmen im Jahr 2001 auf
100.000, bei denen nur für rund jedes Zehnte die Insolvenz angezeigt wurde.
Eine Erfassung aller Unternehmen bzw. Selbständigen mit existenzbedrohen-
der finanzieller Schieflage erfolgt demnach nicht. Mangels verfügbarer Zahlen
soll jedoch die Zahl der Insolvenzanträge als Grundlage für eine Potenzialab-
schätzung dienen.

Die nachfolgenden Ausführungen beziehen sich dabei ausschließlich auf Un-


ternehmensinsolvenzen. Insolvenzen von Verbrauchern werden angesichts
der Zielsetzung dieser Studie nicht berücksichtigt. Allerdings leidet die amtli-
che Insolvenzstatistik - vor allem im Zeitreihenvergleich - an Verzerrungen
aufgrund von Änderungen in den statistischen Erhebungsformen und -vor-
schriften sowie an Sondereffekten durch Änderungen im Insolvenzrecht. Die

45 Für jeden Fall werden die Informationen des entsprechenden Meldebogens von den In-
solvenzgerichten über die Landesämter für Statistik an das Statistische Bundesamt
übermittelt.
42

Insolvenzstatistik wurde erst im Jahr 2000, also erst ein Jahr nach der Insol-
venzrechtsreform, an die neue Rechtslage angepasst.46 Bis zum Jahr 1998
liegen Angaben gemäß der alten Erfassungsmethode vor, für das Jahr 1999
haben nur einzelne Bundesländer bereits nach den neuen Erfassungsbogen
Daten erhoben. Für 1999 treten mithin Erfassungslücken bei einzelnen Merk-
malen auf. Ferner muss bei der Interpretation der amtlichen Insolvenzzahlen
beachtet werden, dass die Einführung der neuen Insolvenzordnung 1998/1999
bzw. ihre Novellierung 2001/2002 nicht nur zu einem Bruch in den Erfas-
sungskategorien, sondern auch zu einem veränderten Antragsverhalten führte.

Die amtlichen Insolvenzzahlen zeigen eine deutliche Zunahme an Insolvenzen


in den vergangenen Jahrzehnten auf (vgl. Abbildung 6). So war schon im Zeit-
raum von 1970 bis 1990 eine Verdreifachung der jährlichen Insolvenzzahlen
von 2.716 auf 8.370 feststellbar. Diese Entwicklung setzte sich nach der deut-
schen Wiedervereinigung u.a. infolge der wirtschaftlichen Umbrüche in den
Neuen Bundesländern fort. So wurden 1998, also dem Jahr, in welchem insol-
vente Unternehmen letztmalig nach dem alten Konkursrecht Anträge für Kon-
kurs-, Gesamtvollstreckungs- oder Vergleichsverfahren stellen konnten, be-
reits rd. 28.000 Unternehmensinsolvenzen registriert.

Ein neuerlicher Anstieg setzte im Jahr 2000 ein, der seinen Höhepunkt
2003/2004 mit rund 39.000 Unternehmensinsolvenzen hatte. Im Unterschied
zur vorherigen Phase erklärt sich diese Entwicklung vornehmlich durch rechts-
technisch bedingte Änderungen. Zu nennen sind hier insbesondere:
x Verbesserungen der Chancen auf Verfahrenseröffnung durch gesetzliche
Maßnahmen zur Masseanreicherung (1999),
x Anreize für natürliche Personen zur Insolvenzbeantragung durch die Erhö-
hung der Chancen auf eine Verfahrenseröffnung bei gleichzeitiger Mög-
lichkeit eines Restschuldbefreiungsverfahrens (1999),
x Insolvenzfähigkeit der Gesellschaften bürgerlichen Rechts (GbR) im Alt-
bundesgebiet (1999),
x Anreize für natürliche Personen zur Antragstellung durch die Ermöglichung
der Stundung der Verfahrenskosten (2001) sowie

46 Zur Umstellung der Erfassung und zu absehbaren Auswirkungen der Insolvenzrechtsre-


form auf die Statistik siehe: ANGELE/KARMAINSKY (2006); KRANZUSCH/GÜNTER-
BERG (2001a, b).
43

x Berücksichtigung von aktiven Kleingewerbetreibenden im Regelverfahren


(2001).
Seit 2004 ist infolge der konjunkturellen Belebung ein moderates Absinken der
Anzahl an Unternehmensinsolvenzen feststellbar. Für das Jahr 2006 werden
31.300 insolvente Unternehmen erwartet (CREDITREFORM 2006b).

Abbildung 6: Entwicklung der Unternehmensinsolvenzen (1990 bis 2006)

40.000

30.000

39.320

39.213
37.579

36.843
32.278
20.000

31.300
28.235
27.828
27.474

26.476
25.530
22.344
18.837
15.148

10.000
10.920
8.837
8.730

0
90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 00 01 02 03 04 05 06

Altes Insolvenzrecht Neues Insolvenzrecht


© IfM Bonn
06 83 037

Quelle: STATISTISCHES BUNDESAMT (verschiedene Jahrgänge, bis 2005), CREDITRE-


FORM (2006), eigene Darstellung

Effekte der Veränderungen des Insolvenzrechts zeigen sich vor allem bei den
Antragszahlen nach Rechtsformen. Starke Steigerungen im Zeitraum von
1999 bis 2005 verzeichneten speziell die Antragszahlen für Aktiengesellschaf-
ten, Einzelunternehmen und GbR (Tabelle 1). Der deutliche Anstieg bei den
Aktiengesellschaften dürfte allerdings im Wesentlichen auf den Bedeutungs-
zuwachs dieser Rechtsform im Zuge des Börsenbooms zurückzuführen sein.
Die Entwicklung bei Einzelunternehmen und der GbR ist hingegen primär re-
formbedingt. Während Gesellschaften bürgerlichen Rechts im Altbundesgebiet
vor 1999 nicht insolvenzfähig waren, profitierten Einzelunternehmer von den
verbesserten Antragsbedingungen für natürliche Personen. Als Konsequenz
der Insolvenzrechtsreform hat sich die Rechtsformstruktur der insolventen Un-
ternehmen 2005 im Vergleich zu 1999 stark verschoben (Abbildung 7).
44

Tabelle 1: Insolvenzanträge nach Rechtsformen (1999 bis 2005)


Insolvenzanträge Veränderung
Rechtsform 2005 zu 1999
1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005
(1999 = 100)
Einzelunternehmen/Freie Beru-
fe/Kleingewerbe 8.240 9.648 11.026 13.554 15.041 16.299 16.774 204
Personengesellschaften 1.983 2.211 2.624 3.194 3.269 3.071 2.744 138
davon:
- GmbH & Co. KG 1.240 1.275 1.600 1.936 1.908 1.788 1.616 130
- GbR 386 568 658 797 869 789 704 182
GmbH 15.811 15.832 17.857 19.770 20.034 18.938 16.414 104
AG/KGaA 94 176 442 631 508 415 344 366
Sonstige 348 368 329 430 468 490 567 163
Insgesamt 26.476 28.235 32.278 37.579 39.320 39.213 36.843 139
© IfM Bonn

Quelle: STATISTISCHES BUNDESAMT 2006; eigene Berechnungen des IfM Bonn

Abbildung 7: Insolvenzanträge nach Rechtsformen (1999 und 2005)

1999 2005

0,4% 1,3% 0,9% 1,5%

31,1% 44,6%

45,5%

59,7% 4,7%
1,5%
1,9% 4,4%

Einzelunternehmen/ GmbH & Co. KG GbR


Freie Berufe/Kleingewerbe
GmbH Aktiengesellschaften/ Sonstige
KGaA Rechtsformen
© IfM Bonn
05 83 028

Quelle: STATISTISCHES BUNDESAMT 2006, eigene Berechnungen und Darstellung des


IfM Bonn

So wurden zu Beginn des Betrachtungszeitraumes noch rd. 60 % aller Anträge


für Unternehmen in Rechtsform der GmbH gestellt, 2005 hingegen nur noch
rd. 45 %. Der Anteil der Anträge, die auf Einzelunternehmen, Freiberufler und
Kleingewerbetreibende entfallen, hat hingegen 2005 den GmbH-Anteil mit
45,5 % sogar leicht überschritten. Laut CREDITREFORM (2006a, S. 19) han-
45

delt es sich dabei vorwiegend um Kleingewerbetreibende. Die Anteile der an-


deren Rechtsformen veränderten sich dagegen kaum.

Knapp zwei Drittel aller Insolvenzanträge seit 2000 wurden durch Zahlungsun-
fähigkeit ausgelöst (Tabelle 2). Überschuldungen sind als alleiniger Insolvenz-
tatbestand praktisch bedeutungslos, da im Falle einer Überschuldung zumeist
gleichzeitig auch eine Zahlungsunfähigkeit vorliegt. Der Gesetzgeber hatte mit
der Einführung des Antragsgrundes der drohenden Zahlungsunfähigkeit einen
Beitrag zur frühzeitigeren Antragstellung leisten wollen. Doch während im ers-
ten Jahr rd. 2.600 Fälle wegen drohender Zahlungsunfähigkeit angemeldet
wurden, stagniert dieser Antragsgrund zahlenmäßig seit 2001 bei 200 bis 300
Fällen pro Jahr. Nach einer optimistischen Versuchsphase haben die Gerichte
offensichtlich die Bedingungen für das Vorliegen dieses Eröffnungsgrunds
konkretisiert und verschärft, was zu einer geringen Nutzung dieses Antrags-
grundes führte. Eine frühzeitige Insolvenzbeantragung wurde somit im Zeit-
raum von 2000 bis 2005 nicht erreicht. Der Anteil des Antragsgrundes der dro-
henden Zahlungsunfähigkeit liegt bei rd. 2 % aller Insolvenzen.

Tabelle 2: Insolvenzanträge nach Eröffnungsgrund (2000 bis 2005)


Insolvenzanträge Insgesamt
Insolvenztatbestand Vertikalstruktur
2000 2001 2002 2003 2004 2005 abs.
in %
Zahlungsunfähigkeit 13.365 15.471 23.809 25.687 27.022 26.315 131.669 64,4
Überschuldung 1.267 1.700 920 491 414 399 5.191 2,5
Zahlungsunfähigkeit i.V.
mit Überschuldung 5.773 10.967 12.484 12.801 11.441 9.795 63.261 30,9
Drohende
Zahlungsunfähigkeit 2.593 266 323 300 216 223 3.921 1,9
Droh. Zahlungsunfähigkeit
i.V. mit Überschuldung 47 79 43 41 120 109 439 0,2
© IfM Bonn

Quelle: STATISTISCHES BUNDESAMT 2006; eigene Berechnungen des IfM Bonn

Erhebliche Verschiebungen traten ferner hinsichtlich der Bedeutung der An-


tragsteller, Gläubiger oder Schuldner, auf. Während die Zahl der Gläubigeran-
träge nahezu konstant blieb, stellten insbesondere ab 2002 immer mehr
Schuldner einen Insolvenzantrag (Abbildung 8). Im Jahr 2005 entfielen dann
fast 75 % aller Insolvenzanträge auf Schuldner. Viele der Schuldneranträge
natürlicher Personen dürften aber - berücksichtigt man die veränderte Struktur
der Rechtsformen - vorrangig das Ziel einer Restschuldbefreiung verfolgen.
46

Abbildung 8: Insolvenzanträge nach Antragsteller (2000 bis 2005)

30.000

25.000

20.000

28.607
28.579
27.352

27.164
15.000
18.984
15.784

10.000

10.741

10.606
10.227

9.679
9.499
9.470

5.000

0
2000 2001 2002 2003 2004 2005

Gläubigerantrag Schuldnerantrag

© IfM Bonn
06 83 038

Quelle: STATISTISCHES BUNDESAMT 2006, eigene Darstellung des IfM Bonn

Wie schon in den 90er Jahren stammt auch im Zeitraum von 1999 bis 2005 mit
rund 25 % der größte Anteil aller Insolvenzanträge aus dem Baugewerbe, was
die hohen strukturellen Probleme dieses Wirtschaftsbereichs verdeutlicht.
Hiernach folgen unternehmensnahe Dienstleistungen und der Handel, die bei-
de jeweils rund 20 % auf sich vereinigen (Tabelle 3). Jeder zehnte Antrag be-
traf schließlich ein Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes. Im Bauge-
werbe und im Verarbeitenden Gewerbe sanken die Antragszahlen seit 2003
bzw. 2004, was als Anzeichen einer leichten Konsolidierung dieser Wirt-
schaftsbereiche gewertet werden kann. Das Gesamtbild der nach Wirtschafts-
bereichen aufbereiteten Daten unterstreicht, dass die im Betrachtungszeitraum
deutlich angestiegenen Insolvenzzahlen nicht gänzlich durch rechtstechnische
Effekte erklärbar sind, sondern ergänzend strukturelle Veränderungen in der
deutschen Wirtschaft, wie etwa die anhaltenden Krisen im Baugewerbe, das
Ende des Internetbooms oder die Konsumschwäche im Handel, als Ursachen
zu berücksichtigen sind.
47

Tabelle 3: Insolvenzanträge nach ausgewählten Wirtschaftszweigen (1999


bis 2005)

Insolvenzanträge Insgesamt Verände-


Wirtschafts- Vertikal- rung 2005
zweig 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 abs. struktur zu 1999
(in %) (1999 = 100)
Land-, Forst-,
Fischwirtschaft 516 477 545 561 678 687 629 4.093 1,7 122
Verarbeitendes
Gewerbe 3.139 3.305 3.655 4.344 4.556 3.996 3.507 26.502 11,0 112
Baugewerbe 7.766 8.103 9.026 9.160 8.697 8.595 7.829 59.176 24,7 101
Handel 5.668 5.624 6.005 7.491 7.913 7.831 7.552 48.084 20,0 133
Gastgewerbe 1.674 1.927 2.204 2.655 3.104 3.437 3.175 18.176 7,6 190
Verkehr/
Nachrichten 1.299 1.714 2.137 2.451 2.593 2.538 2.530 15.262 6,4 195
Kreditgewerbe/
Versicherung 185 198 233 383 438 440 529 2.406 1,0 286
Unterneh-
mensnahe
Dienstleistung 4.797 5.151 6.694 8.174 8.671 8.787 8.271 50.545 21,1 172
Gesundheits-
wesen 305 385 426 498 576 638 695 3.523 1,5 228
Sonstige
Dienstleister 988 1.178 1.182 1.644 1.821 1.923 1.832 10.568 4,4 185
Insgesamt 26.476 28.235 32.278 37.579 39.320 39.213 36.873 239.974 100,0 139
© IfM Bonn

Quelle: STATISTISCHES BUNDESAMT 2006; eigene Berechnungen des IfM Bonn

3.1.2 Verfahrenseröffnungen

Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens ist - wie bereits dargestellt - an be-


stimmte Kriterien gebunden. Sie setzt insbesondere voraus, dass ausreichend
Masse zur Deckung der Verfahrenskosten vorhanden ist. Natürliche Personen
können allerdings seit 2002 eine Stundung der Verfahrenskosten beim Insol-
venzgericht beantragen47, was zu dem oben beschriebenen deutlichen An-
stieg der Insolvenzanträge seitens der Schuldner beigetragen hat.

Die Zahl der eröffneten Insolvenzverfahren von Unternehmen stieg zwischen


1999 und 2005 von 9.564 auf 23.247, d.h. um rd. 140 %. Der bisherige Höhe-
punkt lag im Jahr 2004. Dagegen sank die Zahl der mangels Masse abgewie-
senen Fälle von rd. 17.000 auf unter 14.000 (rd. -20 %). Die sog. Eröffnungs-
quote, der Quotient aus Insolvenzanträgen und Verfahrenseröffnungen, stieg

47 Siehe Kap. 2.1.2.


48

seit 1999 von 36 % auf 63 % im Jahr 2005 (Abbildung 9). Vor der Insolvenz-
rechtsreform lag die Quote unter 25 %.

Abbildung 9: Insolvenzanträge, Verfahrenseröffnungen und Eröffnungsquo-


ten (1999 bis 2005)

40.000 63,1
58,6 60,9
57,2
45,4

30.000 41,3

36,1

39.320

39.213
37.579

36.843
32.278

20.000
28.235
26.476

23.897

23.247
23.060
21.513
14.646

10.000
11.673
9.564

0
1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005

Insolvenzanträge Verfahrenseröffnungen Eröffnungsquote (in %)

© IfM Bonn
06 83 039

Quelle: STATISTISCHES BUNDESAMT 2006, eigene Berechnungen und Darstellung des


IfM Bonn

Das Ziel einer Steigerung der Verfahrenseröffnungen wurde mithin erreicht.


Anzumerken ist aber, dass höhere Eröffnungszahlen oder -quoten alleine kein
ausreichendes Indiz dafür darstellen, dass die Unternehmen tatsächlich über
mehr Vermögen und damit bessere Sanierungschancen verfügen als früher.
So geht z.B. CREDITREFORM (2006a) davon aus, dass die Insolvenzrechts-
reform zu einem Anstieg der massearmen Verfahren geführt hat. Hierbei wird
als Begründung u.a. auf den Zuwachs von über 8.000 Verfahren für Einzelun-
ternehmen von 1999 bis 2005 verwiesen. Die amtliche Insolvenzstatistik bildet
leider die Höhe der Vermögenswerte nicht ab, so dass eine Überprüfung die-
ser These nicht unmittelbar möglich ist.

Von dem allgemeinen Anstieg der Verfahrenseröffnungen profitierten indessen


nicht alle Rechtsformen gleichermaßen. Überdurchschnittliche Zunahmen wa-
ren bei Einzelunternehmen, Freiberuflern und Kleingewerbetreibenden sowie
bei den Rechtsformen der AG und GbR festzustellen, wohingegen vor allem
49

bei GmbHs und GmbH & Co. KGs die Steigerungsraten unter dem Gesamt-
durchschnitt von 143 % lagen (Tabelle 4).

Tabelle 4: Verfahrenseröffnungen nach Rechtsformen (1999 bis 2005)


Verfahrenseröffnungen Insgesamt Verände-
rung
Vertikal-
Rechtsform
1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 abs. struktur 2005 zu
1999
in %
(1999=100)
Einzelunternehmen/
Freie Beru-
fe/Kleingewerbe 1.964 3.100 4.125 9.413 10.803 12.258 12.991 54.654 42.8 662
Personengesell-
schaften 1.054 1.232 1.518 1.905 1.933 1.854 1.609 11.105 8,7 153
davon:
- GmbH & Co. KG 759 844 1.059 1.320 1.275 1.202 1.048 7.507 5,9 138
- GbR 116 181 236 313 374 353 306 1.879 1,5 264
GmbH 6.345 7.059 8.517 9.518 9.765 9.311 8.205 58.720 46,0 129
AG, KGaA 59 113 332 442 327 254 214 1.741 1,4 363
Sonstige 95 169 154 235 232 220 228 1.333 1,0 240
Insgesamt 9.564 11.673 14.646 21.513 23.060 23.897 23.247 127.600 100,0 243
© IfM Bonn

Quelle: STATISTISCHES BUNDESAMT 2006; eigene Berechnungen des IfM Bonn

Abbildung 10: Eröffnungsquoten nach Rechtsformen (1999 und 2005)

in %

Einzelunternehmen/ 23,8
Freie Berufe/ Kleingewerbe 77,4

61,2
GmbH & Co. KG
64,9

30,1
GbR
43,5

40,1
GmbH
50,0

62,8
Aktiengesellschaften/KGaA
62,2

27,3
Sonstige Rechtsformen
40,2

1999 2005
© IfM Bonn
06 83 025

Quelle: STATISTISCHES BUNDESAMT 2006; eigene Berechnungen und Darstellung des


IfM Bonn
50

Da Einzelunternehmer als natürliche Personen von der Option der Verfahrens-


kostenstundung profitieren, wundert es nicht, dass sie 2005 mit 77 % die
höchste Eröffnungsquote aller Rechtsformen vorweisen (Abbildung 10). Das
Verhältnis abgewiesener zu bearbeiteter Fälle hat sich somit als Folge der In-
solvenzrechtsreform umgekehrt. Unterdurchschnittliche Eröffnungschancen
weisen z.B. die Rechtsformen der GmbH mit 50 % oder der GbR mit 44 % auf.
Bezogen auf erstere dürfte dieser Befund wohl mit einer üblicherweise sehr
begrenzten Haftungsmasse zusammenhängen.

Deutliche Zusammenhänge bestehen schließlich zwischen Eröffnungsaussich-


ten und Mitarbeiterzahlen (Abbildung 11). Unternehmen mit über zehn Be-
schäftigten erreichten im Jahr 2005 Eröffnungsquoten von über 90 %, kleinere
Unternehmen dagegen nur zwischen 56 und 80 %. Ein Insolvenzverfahren
wird demnach umso eher eröffnet, je größer die Beschäftigtenzahl ist. Dies
bestätigt im Trend, dass größere Unternehmen meist mehr Vermögenswerte
vorweisen können als kleinere. Ein Faktor ist hierbei das Insolvenzgeld der
Bundesagentur für Arbeit, da es eine Überbrückungsfinanzierung ermöglicht
und aufgrund größerer Relevanz tendenziell eher von größeren Unternehmen
beantragt wird.
Abbildung 11: Eröffnungsquoten nach Beschäftigtengrößenklassen (2001 und
2005)

in %
36,5
0 Beschäftigte 58,7
36,7
1 Beschäftigter 56,1
50,6
2 - 5 Beschäftigte 69,2
66,8
6 - 10 Beschäftigte 80,5
83,9
11 - 100 Beschäftigte 91,5
98,5
Mehr als 100 Beschäftigte 100,0
35,4
Ohne Angaben zu Mitarbeitern 51,7

2001 2005 © IfM Bonn


06 83 027

Quelle: STATISTISCHES BUNDESAMT 2006; eigene Berechnungen und Darstellung des


IfM Bonn
51

Nach der Insolvenzrechtsreform konnten Unternehmen aller Beschäftigtengrö-


ßenklassen Steigerungen der Eröffnungsquoten verzeichnen.48 Diese fielen
vor allem bei kleineren Unternehmen höher aus, so dass sich die Unterschiede
nach Beschäftigtenzahl im Betrachtungszeitraum im Mittel deutlich reduzier-
ten. Die Insolvenzrechtsreform hat folglich die Position kleinerer Unternehmen,
eine gerichtliche Prüfung der Problemlösungsvarianten erreichen zu können,
im Vergleich zu ihren größeren Konkurrenten verbessert.

Die Zahl der eröffneten Verfahren erhöhte sich tendenziell in allen Wirtschafts-
zweigen. Die Branchenstrukturen der Anträge und Verfahren unterscheiden
sich somit - auf den gesamten Untersuchungszeitraum bezogen - kaum (Ta-
belle 5).

Tabelle 5: Verfahrenseröffnungen nach ausgewählten Wirtschaftszweigen


(1999 bis 2005)

Verfahrenseröffnungen Insgesamt

Wirtschaftszweig Vertikal-
1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 abs. struktur
in %
Land-, Forst-,
Fischwirtschaft 208 208 234 349 449 454 437 2.339 1,8
Verarbeitendes
Gewerbe 1.668 1.909 2.276 3.021 3.251 2.812 2.529 17.466 13,7
Baugewerbe 2.822 3.364 3.957 5.058 4.914 5.242 4.897 30.254 23,7
Handel 2.038 2.305 2.845 4.517 4.830 4.899 4.955 26.389 20,7
Gastgewerbe 291 431 634 1.525 1.836 2.106 2.099 8.922 7,0
Verkehr/
Nachrichten 437 676 933 1.465 1.673 1.680 1.721 8.585 6,7
Kreditgewer-
be/Versicherung 40 67 70 225 249 269 363 1.283 1,0
Unternehmens-
nahe Dienstl. 1.605 2.045 2.915 3.970 4.217 4.513 4.300 23.565 18,5
Gesundheits-
wesen 150 215 271 369 440 499 559 2.503 2,0
Sonstige
Dienstleistungen 246 371 422 886 1.030 1.196 1.171 5.322 4,2
Insgesamt 9.564 11.673 14.646 21.513 23.060 23.897 23.247 127.600 100,0
© IfM Bonn

Quelle: STATISTISCHES BUNDESAMT 2006; eigene Berechnungen des IfM Bonn

48 Vollständige Angaben für Beschäftigtenzahlen liegen erstmals für das Jahr 2001 vor.
52

Die branchenspezifischen Eröffnungsquoten, die im Jahr 1999 nur im Verar-


beitenden Gewerbe und dem Gesundheitswesen einen Wert von 40 % über-
stiegen, erreichten 2005 in allen Wirtschaftszweigen Werte zwischen 52 % und
80 % (Abbildung 12). Verarbeitendes Gewerbe und Gesundheitswesen stellen
hierbei auch 2005 die Spitzenreiter dar. Die geringsten Aussichten auf einen
gerichtlichen Problemlösungsweg haben dagegen unternehmensnahe
Dienstleister. In dieser Branche sind bei 50 % der Unternehmen die Verfah-
renskosten nicht gedeckt, trotz Stundungsoption für natürliche Personen, die in
diesem Wirtschaftsbereich überproportional häufig vorkommen dürften. Seit
1999 sind die Eröffnungsquoten dabei am stärksten in den Bereichen Gastge-
werbe, Kredit-/Versicherungswesen und personenbezogene Dienstleistungen
gestiegen. Hierbei handelt es sich um Branchen mit vielen privat haftenden
Selbständigen, Vertretern bzw. Freiberuflern.

Abbildung 12: Eröffnungsquoten nach ausgewählten Wirtschaftsbereichen


(1999 und 2005)

in %
40,3
Land-, Forst-, Fischwirtschaft 69,5
53,1
Verarbeitendes Gewerbe 72,1
36,3
Baugewerbe 62,5
36,0
Handel 65,6
17,4
Gastgewerbe 66,1
33,6
Verkehr/Nachrichten 68,0
21,6
Kreditgewerbe/Versicherungen 68,6
Unternehmensnahe 33,5
Dienstleistungen 52,0
49,2
Gesundheitswesen 80,4
24,9
Sonstige Dienstleistungen 63,9

2001 2005 © IfM Bonn


06 83 029

Quelle: STATISTISCHES BUNDESAMT 2006; eigene Berechnungen und Darstellung des


IfM Bonn

Zusammenfassend betrachtet hat das neue Insolvenzrecht das Insolvenzge-


schehen sowohl in punkto Insolvenzanträge als auch hinsichtlich der Verfah-
renseröffnungen stark verändert. So werden z.B. mehr Anträge von Schuld-
nern eingereicht, allerdings weiterhin kaum in einem frühen Krisenstadium. Da
53

absolut mehr Insolvenzverfahren eröffnet werden, werden insgesamt mehr Un-


ternehmen einer gerichtlichen Überprüfung verschiedener Krisenlösungswege
zugeführt. Dies erhöht formal die Sanierungschance der Unternehmen, da mit
dem Insolvenzverwalter eine neutrale Person im gesetzlichen Auftrag den in-
solvenzrechtlichen Vermögensstatus untersucht und im Idealfall eine Abwä-
gung zwischen Fortführungs- und Zerschlagungslösung vornimmt. Über den
Ausgang der Gerichtsverfahren liefert die amtliche Statistik aber aktuell noch
keine Informationen.

Die starke Zunahme der meist mehrjährigen Insolvenzverfahren hat allerdings


auch die Arbeitsbelastung der Gerichte und Insolvenzverwalter stark erhöht
und somit deren Zeit zur Analyse von Sanierungsoptionen einzelner Unter-
nehmen eingeschränkt. Die Voraussetzungen dafür, ob im Verfahren eine Sa-
nierung möglich ist, werden bereits oft im Eröffnungsverfahren gesetzt, da der
vorläufige Insolvenzverwalter Handlungen unterlassen kann, die eine Weiter-
führung des Betriebs gewährleisten könnten. Gleichwohl: Die Zahl der im Ge-
richtsverfahren überprüften Unternehmensinsolvenzen ist gestiegen und das
führt langfristig zu mehr Transparenz und Rechtssicherheit in der Wirtschaft.

Die Verfahrenseröffnung stellt allerdings nur eine formale Bedingung für eine
Sanierung im Insolvenzverfahren dar. Aus den erhöhten Eröffnungsquoten
kann - insbesondere da der Zusammenhang zur Masse bei natürlichen Perso-
nen aufgehoben ist - weder auf eine verbesserte Gläubigerbefriedigung noch
auf erhöhte Sanierungschancen geschlossen werden.

Privat haftende Selbständige wie Einzelunternehmer streben mit dem Insol-


venzantrag vermutlich häufig eine Restschuldbefreiung an, die in der Regel
eher mit einer Unternehmensabwicklung als mit einer -fortführung verbunden
sein dürfte.49 So muss weiterhin davon ausgegangen werden, dass auch von
Schuldnerseite für einen Großteil der Unternehmen eine Schließung ange-
strebt wird und es im Verfahren zur völligen oder teilweisen Liquidierung des
Unternehmens kommt. Die aktuellen positiven Marktentwicklungen dürften je-
doch die Sanierungschancen insolventer Unternehmen tendenziell verbessern.

49 Für Selbständige, die durch redliches Verhalten und nach einer 6-jährigen Forderungstil-
gung eine Restschuldbefreiung erreichen, bestehen nach Verfahrensende verbesserte
Chancen, erneut unternehmerisch tätig zu werden. Ausführlich zum Thema Restart vgl.
METZGER (2006); KAY et al. (2004).
54

3.2 Relevanz sanierungsorientierter Abwicklungswege

Über die praktische Relevanz der verschiedenen Abwicklungsmöglichkeiten


von Insolvenzen liegen nur sehr rudimentäre, kaum gesicherte Informationen
vor. Gemeinhin wird aber unterstellt, dass nahezu 90 % aller Insolvenzen mit-
tels einer Liquidation abgewickelt werden (vgl. KRANZUSCH/MAY-STROBL
2002, S. 29). Seit den 70er Jahren ist ferner - laut Expertenmeinung - zuneh-
mend die übertragende Sanierung als Abwicklungsform genutzt worden. Sie
gilt heute als am häufigsten gewählte Form im Falle einer beabsichtigten Sa-
nierung (vgl. SMID/RATTUNDE 2005, S. 8 f.). Allerdings liegen weder amtliche
Angaben zur Häufigkeit noch zur konkreten Umsetzung von übertragenden
Sanierungen vor. Angaben zu Insolvenzplanverfahren und Eigenverwaltungen
werden zwar im Wege der amtlichen Statistik erhoben, öffentlich zugänglich
sind bislang aber nur Standardtabellen mit Gesamtzahlen für Eigenverwaltun-
gen. Im Folgenden wird der Versuch unternommen, die praktische Relevanz
von Insolvenzplanverfahren und Eigenverwaltungen trotz Einschränkungen in
der Datenlage näher zu beleuchten.

3.2.1 Insolvenzpläne

Verschiedene Institutionen haben aufgrund der unbefriedigenden Datenlage


hinsichtlich der Verbreitung von Insolvenzplanverfahren in den letzten Jahren
Anstrengungen unternommen, diese Datenlücke zu schließen. Als Informati-
onsquellen dienten zum einen Befragungen von Insolvenzgerichten und
-verwaltern nach der Zahl der eingereichten oder bestätigten Insolvenzpläne,
zum anderen Auswertungen der Pflichtmeldungen im Bundesanzeiger.
Pflichtmitteilungen kommen dabei insofern zur Eruierung der Anzahl von Insol-
venzplanverfahren in Frage, als laut gesetzlichen Bestimmungen alle Insol-
venzen im Bundesanzeiger zu veröffentlichen sind.50

50 Da einige Insolvenzgerichte diese Bestimmungen nicht direkt nach der Insolvenzrechtsre-


form umsetzten, ist zumindest in den ersten Jahren nach 1998 mit Lücken bei den ent-
sprechenden Anzeigen zu rechnen. Problematisch ist ferner, dass die Anzeigen nicht
einheitlich gestaltet sind. Ihr Inhalt variiert vielmehr stark von Gericht zu Gericht. So wird
z.B. nur teilweise angezeigt, ob ein Insolvenzplan vorgelegt wurde.
55

Tabelle 6: Insolvenzplanverfahren (1999 bis 2005)

1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 Insgesamt


Einreichungen von
Insolvenzplänen 47 76 96 154 163 208 221 965
Insolvenzpläne nach
gerichtlicher Vorprüfung 24 56 79 121 126 168 193 767
Annahmequote nach
gerichtlicher Vorprüfung
in % 51,1 73,7 82,3 78,6 77,3 80,8 87,3 79,5
© IfM Bonn

Quelle: SCHULTZE & BRAUN (2006) (Basis: Gerichtsangaben); Zusammenstellung des IfM
Bonn

Daten aus Befragungen von Insolvenzgerichten ermittelten sowohl Creditre-


form51 wie auch die Rechtsanwaltskanzlei Schultze & Braun52. Die Angaben
der Kanzlei Schultze & Braun basieren auf Auskünften von insgesamt 165 von
182 Insolvenzgerichten. Da einige Gerichte die Auskunft verweigern, ist eine
leichte Untererfassung möglich. Für die Jahre 1999 bis 2005 zeigen die vorlie-
genden Daten einen merklichen Anstieg sowohl an eingereichten als auch an
gerichtlich vorgeprüften Insolvenzplänen (Tabelle 6). Sie belegen, dass nach
einem zögerlichen Start im Reformjahr für immer mehr insolvente Unterneh-
men Insolvenzpläne dem Gericht vorgelegt werden. So erhöhte sich die An-
zahl eingereichter Insolvenzpläne im Betrachtungszeitraum von 47 auf 221
(+370 %). Fälle mit positiver gerichtlicher Vorprüfung53 stiegen von 24 auf 193
(+704 %). Auffällig ist, dass sich die Annahmequote (Quotient aus Einreichun-
gen und positiven Vorprüfungsfällen) im Trend verbessert hat. Die Aussichten,
einen entwickelten Insolvenzplan auch tatsächlich umzusetzen, haben sich
folglich wesentlich erhöht. Ausschlaggebend dürfte nicht zuletzt sein, dass die
Qualität der vorgelegten Insolvenzpläne aufgrund des zunehmenden Erfah-
rungsschatzes speziell der Insolvenzverwalter tendenziell gestiegen sein dürf-
te.

Nach den Angaben der Kanzlei Schultze & Braun wurden von 1999 bis 2005
insgesamt 965 Insolvenzpläne bei Insolvenzgerichten eingereicht, von denen
767 eine positive gerichtliche Vorprüfung erfuhren. Legt man die im Untersu-

51 Zahlen von Creditreform liegen nur für die Jahre 1999 bis 2002 vor. Sie stimmen mit den
Angaben von SCHULTZE & BRAUN überein und werden daher nicht gesondert darge-
stellt. Veröffentlicht in: KFW et al. 2004, S. 50.
52 SCHULTZE & BRAUN 2006.
53 Sie werden im Folgenden als "geprüfte Insolvenzpläne" bezeichnet.
56

chungszeitraum eingereichten Insolvenzanträge zugrunde, ergibt sich, dass im


betrachteten Zeitraum pro 1.000 Insolvenzanträge lediglich 3,2 über die ge-
richtliche Vorprüfung hinauskamen. Bezogen auf 1.000 Verfahrenseröffnungen
ergibt sich ein Wert von 6,0. Unterstellt man, wie zuvor ausgeführt, dass im
Schnitt nur jeder 20. Insolvenzfall sanierungsfähig ist, dass also rund 12.000
Unternehmen im Zeitraum 1999 bis 2005 hätten fortgeführt werden können,
kam es letztlich bei nur 6,4 % der potenziell sanierungsfähigen Insolvenzfälle
zu einem Insolvenzplanverfahren. Damit hat dieser Verfahrensweg bislang ei-
ne noch sehr geringe Praxisrelevanz.

Unternehmen, die einen Insolvenzplan zur Abwicklung ihrer Insolvenz nutzen,


sind somit auch sieben Jahre nach der Insolvenzrechtsreform noch sehr sel-
ten. Die Erwartungen des Gesetzgebers mit der Einführung dieses Verfahrens
sind somit bislang nicht erfüllt worden. Von der hohen Verbreitungsquote sei-
nes Vorbildes, des Reorganisationsplans nach Chapter 11 des US-
amerikanischen Insolvenzrechts, ist der Insolvenzplan nach den vorliegenden
Zahlen noch weit entfernt. Experten machen für die geringe Verbreitung u.a.
folgende Gründe verantwortlich:

x Defizite im Bekanntheitsgrad von Insolvenzplanverfahren,


x Vorbehalte seitens der Insolvenzverwalter,
x Befürchtungen hinsichtlich einer Überforderung durch die starke betriebs-
wirtschaftliche Orientierung des Verfahrens,
x Befürchtungen hinsichtlich eines hohen organisatorischen Verfahrensauf-
wands mit entsprechend hoher Kostenbelastung und
x Gewöhnungsbedürftigkeit des Verfahrens, das eher angloamerikanischen
als deutschen Rechtstraditionen entspricht (vgl. SPIES 2005, S. 1254 ff.).

Die Zuordnung der von der Kanzlei Schultze & Braun ermittelten Insolvenz-
planverfahren auf die Bundesländer zeigt einige regionale Schwerpunkte in
der Verbreitung dieses Sanierungsinstruments (Tabelle 7). Auf den vorderen
Plätzen der Anwendungszahlen liegen zwar die großen Flächenländer, an
vierter Stelle folgt jedoch das vergleichsweise kleine Land Sachsen. Die
durchschnittliche Anzahl der Insolvenzplanverfahren pro Gericht nimmt daher
in Sachsen - wie auch in den meisten anderen ostdeutschen Ländern - beson-
ders hohe Werte an. Ausschlaggebend dürfte - laut Expertenmeinung - sein,
dass die Bereitschaft von Politik, Förderinstitutionen, Richtern und Insolvenz-
verwaltern, Sanierungsbemühungen positiv zu begleiten, aufgrund der gerin-
57

geren Industriedichte und einer tendenziell höheren Insolvenzgefahr in Ost-


deutschland stärker ausgeprägt ist. Außerdem wird in Sachsen als einzigem
Bundesland seit 2005 ein spezielles Förderprogramm für Insolvenzplanverfah-
ren angeboten.54 Zumindest in den Bundesländern mit hohen Fallzahlen pro
Gericht dürften die involvierten Institutionen einen gewissen Erfahrungsschatz
beim Umgang mit Sanierungen im Planverfahren gesammelt haben. Umge-
kehrt dürfte dies in Gerichtsbezirken mit im Schnitt weniger als drei Planver-
fahren kaum gegeben sein. Dies betrifft - beginnend mit den geringsten Wer-
ten - die Länder Rheinland-Pfalz, Saarland, Schleswig-Holstein, Hessen und
Niedersachsen, also ausschließlich westdeutsche Bundesländer.

Tabelle 7: Insolvenzplanverfahren nach Bundesländern (1999 bis 2005)


Eingereichte Geprüfte Insolvenzpläne
Bundesländer Insolvenzpläne Ø Anzahl pro
abs. abs. Anteil in %
Insolvenzgericht
Baden-Württemberg 191 171 22,3 7,1
Bayern 116 96 12,5 3,3
Nordrhein-Westfalen 172 95 12,4 5,0
Sachsen 103 91 11,9 30,3
Niedersachsen 91 77 10,0 2,3
Hessen 43 34 4,4 1,9
Brandenburg 34 31 4,0 7,8
Thüringen 42 30 3,9 7,5
Meckl.-Vorpommern 35 26 3,4 6,5
Schleswig-Holstein 34 25 3,3 1,9
Rheinland-Pfalz 24 19 2,5 0,9
Sachsen-Anhalt 19 12 1,6 3,0
Bremen 9 8 1,0 .
Berlin* 47 45 (5,9) .
Hamburg* 2 6 (0,8) .
Saarland* 3 1 (0,1) 1,0
Insgesamt 965 767 100,0 4,2
© IfM Bonn

* Fehlende Angaben für einzelne Jahre.


Quelle: SCHULTZE & BRAUN (2006); Zusammenstellung des IfM Bonn

Um weitere Merkmale von Insolvenzplanverfahren zu identifizieren, führte das


IfM Bonn ergänzend eine eigene Recherche durch. Sie stützte sich dabei auf

54 Siehe hierzu: Kapitel 2.4.


58

Auswertungen der Pflichtmitteilungen im Bundesanzeiger zu Insolvenzplanver-


fahren durch die Zeitschrift ZInsO. Entsprechende Veröffentlichungen liegen
seit dem Jahr 2000 vor. Der Vergleich mit den über Gerichtsbefragungen er-
mittelten Zahlen zeigt indessen, dass sich weniger als die Hälfte der so identi-
fizierten Fälle ebenfalls im Bundesanzeiger auffinden lässt; die Angabe etwai-
ger Insolvenzplanverfahren erfolgt demnach offenkundig nicht regelmäßig in
den Pflichtmitteilungen. Grundlage der nachfolgenden Ausführungen sind da-
her nur 323 Insolvenzplanverfahren,55 also rund 45 % der von der Kanzlei
Schultze & Braun für 2000 bis 2005 berichteten Insolvenzplanverfahren.

Die Analyse nach Rechtsformen auf Basis der Veröffentlichungen von ZInsO
zeigt, dass knapp die Hälfte dieser Verfahren (47 %) auf privat haftende Ein-
zelunternehmer, Freiberufler und Kleingewerbetreibende entfällt (Tabelle 8).

Tabelle 8: Insolvenzanträge, Verfahrenseröffnungen und Insolvenzplanver-


fahren nach Rechtsformen (2000 bis 2005) (Vertikalstruktur in %)
Insolvenz- Verfahrens- Insolvenzplan-
Rechtsformen
anträge eröffnungen verfahren
Einzelunternehmen/Freie Beru-
fe/Personen ohne Angabe* 42,0 44,6 46,6
Personengesellschaften 8,1 8,5 10,6
davon:
- GmbH & Co. KG 4,9 5,7 6,5
- GbR 2,4 1,5 2,2
GmbH 48,1 44,4 29,4
AG/KGaA 1,5 1,4 4,6
Sonstige 1,7 1,0 8,9
© IfM Bonn

* Teilweise waren nur die Namen natürlicher Personen benannt. Bei ihnen handelt es sich -
nach eigenen Recherchen - mehrheitlich um Freiberufler und Einzelunternehmer. Nicht
auffindbare Personen wurden daher zu den Einzelunternehmen gerechnet. Ihr Gesamtan-
teil beläuft sich auf 11 %.
Quelle: Eigene Berechnungen des IfM Bonn (nach Angaben von ZInsO und Statistischem
Bundesamt).

Interessant ist zudem der Vergleich der Anteile nach Rechtsformen mit denen
für Insolvenzanträge und Verfahrenseröffnungen. So ist auffällig, dass Gesell-
schaften mit beschränkter Haftung nur vergleichsweise selten in ein Insol-

55 Teilweise fehlende Angaben bei diesen Fällen wurden für die nachfolgenden Analysen -
soweit wie möglich - nachträglich recherchiert.
59

venzplanverfahren geführt werden. Ihr Anteil an den Insolvenzanträgen ist fast


doppelt so hoch wie der entsprechende Anteil bei den Planverfahren. Dies
könnte daran liegen, dass die Sanierungsfähigkeit dieser Gesellschaftsform
gerade aufgrund ihrer niedrigen Einlagenerfordernisse tendenziell geringer
ausfällt als bei anderen Rechtsformen. Anders verhält es sich hingegen bei
Einzelunternehmen und Freiberuflern. Der Anteil dieser Gruppe an den erfass-
ten Insolvenzplanverfahren liegt mit 46,6 % deutlich höher als der entspre-
chende Anteil bei den Insolvenzanträgen. Ursächlich sind die bereits erläuter-
ten Vorteile von Insolvenzplanverfahren, da sich diese als Abwicklungsvariante
gerade dann anbieten, wenn an den Rechtsträger gebundene Vermögenswer-
te vorliegen.56

Für 220 der ZInsO-Fälle waren die Insolvenzverwalter bekannt. Hierbei han-
delt es sich um insgesamt 117 Personen, wovon einige der gleichen Sozietät
angehören. Nach den vorliegenden Daten hatten nur neun Verwalter jeweils
zwischen drei und fünf Insolvenzplanverfahren geleitet. Für 26 Verwalter wur-
den jeweils zwei Verfahren gemeldet, für 82 Verwalter jeweils eines. Auch
wenn die verwendeten Fallzahlen nur auf einem Ausschnitt des Insolvenz-
plangeschehens basieren und mithin die tatsächlichen Fallzahlen pro Insol-
venzverwalter im Einzelfall höher liegen können, wird doch deutlich, dass auch
der Erfahrungsschatz der meisten Insolvenzverwalter als sehr begrenzt einge-
schätzt werden muss. Hochgerechnet auf die Gesamtzahl der Planverfahren
und die 1.200 deutschlandweit tätigen Verwalter kann davon ausgegangen
werden, dass gerade ein bis zwei Zehntel der Verwalter zumindest ein Insol-
venzplanverfahren geführt haben. Zwischen 80 und 90 % der Insolvenzverwal-
ter, die in einem Verfahren über eine Fortführung entscheiden sollen, haben
das neue Sanierungsinstrument noch nie benutzt. Mithin bestand kaum Gele-
genheit, sich mit den Verfahrensvorteilen vertraut zu machen und etwaige
Vorbehalte an praktischen Erfahrungen zu relativieren. Angesichts der gerin-
gen Fallzahlen wird klar, dass sowohl bei Insolvenzgerichten wie auch den Bü-
ros der Insolvenzverwalter Weiterbildungsbedarf bei den Mitarbeitern bestehen
dürfte.

3.2.2 Eigenverwaltungen

Das IfM Bonn hat - wie eingangs erwähnt - durch das Statistische Bundesamt
(StBA) eine Sonderauswertung der amtlichen Insolvenzstatistik im Hinblick auf

56 Siehe hierzu: Kapitel 2.3.2.


60

Eigenverwaltungen vornehmen lassen. Die vorliegenden Daten beruhen dabei


auf Angaben der Gerichte zum Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung.57 Die Zah-
len des Statistischen Bundesamtes belegen, dass die Anzahl pro Jahr geneh-
migter Eigenverwaltungen im Betrachtungszeitraum 1999 bis 2005 starken
Schwankungen unterlag (Tabelle 9). Nach 204 Fällen im Jahr 1999 setzte be-
reits im Folgejahr eine Abnahme ein. In den Jahren 2001 und 2002 stieg die
Anzahl an Eigenverwaltungen auf erneut circa 240 Fälle, um dann wieder zu
sinken. Im Jahr 2005 wurden nur noch 147 Verfahren in Eigenverwaltung ge-
führt. Im Zeitraum von 1999 bis 2005 wurde mithin nur bei rd. 5,5 von 1.000
Insolvenzanträgen oder bei rund 10 von 1.000 Verfahrenseröffnungen Eigen-
verwaltungen genehmigt.

Tabelle 9: Insolvenzanträge, Verfahrenseröffnungen und Eigenverwaltungen


(1999 bis 2005)
1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 Insgesamt
Insolvenzanträge 26.476 28.235 32.278 37.579 39.320 39.213 36.843 239.944
Eröffnete Verfahren 9.564 11.673 14.646 21.513 23.060 23.897 23.247 127.600
Genehmigte Eigen-
verwaltungen 204 132 240 253 184 173 147 1.333
je 1.000 Insolvenzan-
träge 7,7 4,7 7,4 6,7 4,7 4,4 4,0 5,5
je 1.000 Verfahrens-
eröffnungen 21,3 11,3 16,4 11,8 8,0 7,2 6,3 10,4
© IfM Bonn

Quelle: STATISTISCHES BUNDESAMT (Sonderauswertung) 2006; eigene Berechnungen


des IfM Bonn

Zwar kann von den Genehmigungen nicht unmittelbar auf Antragszahlen ge-
schlossen werden, dennoch deutet die Entwicklung in den vergangenen Jah-
ren darauf hin, dass die anfänglich positive Resonanz zum Reformstart durch
hohe Ablehnungsquoten und weitere Unsicherheiten bei der Nutzung des In-
struments gedämpft wurde. Anhaltend geringe Genehmigungszahlen lassen
vermuten, dass die Antragsteller ihre Chancen auf Genehmigung einer Eigen-
verwaltung heute tendenziell eher verhalten einschätzen. Eigenverwaltungen
haben demnach in der gerichtlichen Praxis bislang noch keine besondere Be-
deutung erlangt. Ein Grund dürfte der Umstand sein, dass es bislang kaum
erfolgreich abgeschlossene große "überregionale" Eigenverwaltungsverfahren
gegeben hat, die auch der Öffentlichkeit die Vorzüge der Eigenverwaltung hät-

57 Berichtet werden somit ausschließlich genehmigte Eigenverwaltungen, Informationen zur


Zahl der beantragten Eigenverwaltungen liegen nicht vor.
61

ten deutlich machen können. Neben Informationsdefiziten auf Seiten der Un-
ternehmen über die Vorteile und Chancen dieses Verfahrens sind zudem Vor-
behalte von Insolvenzgerichten, Insolvenzverwaltern und Gläubigern gegen-
über diesem neuen Rechtsinstitut ein wichtiger Grund für die geringe Verbrei-
tung.

Tabelle 10: Eigenverwaltungen nach Rechtsformen (1999 bis 2005)


Eigenverwaltungen Insgesamt
Vertikal-
Rechtsform je 1.000
1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 abs. struktur
Verfahren
in %
Einzelunternehmen/
Freie Berufe/Klein-
*
gewerbe 23 38 53 55 62 67 42 340 25,9 6,2
Personengesellschaf-
ten insgesamt 25 15 28 37 30 32 22 189 14,4 17,0
davon:
- GmbH &. Co. KG 18 7 17 33 16 22 15 128 9,7 17,0
- GbR 3 4 7 2 11 6 6 39 3,0 20,3
GmbH 150 75 154 129 80 70 78 736 56,0 12,6
AG/KGaA 3 - 2 6 6 1 1 19 1,4 10,9
Sonstige 3 4 3 7 6 3 4 30 2,3 35,7
Insgesamt 204 132 240 234 184 173 147 1.314 100,0 10,3
© IfM Bonn

* Kleingewerbe wurden ab 2002 nicht mehr gesondert, sondern bei Einzelunternehmen


erfasst.
Quelle: STATISTISCHES BUNDESAMT (Sonderauswertung) 2006; Berechnungen des IfM
Bonn

Betrachtet man die Zusammensetzung der bisherigen Eigenverwaltungsfälle


nach Rechtsformen, zeigt sich, dass über die Hälfte bei der Rechtsform der
GmbH durchgeführt wurden (Tabelle 10). Die Anzahl der eigenverwalteten
GmbH-Fälle sank jedoch tendenziell in den letzten Jahren. Im Vergleich der
Jahre 2005 zu 2000 fällt ferner ein tendenzieller Anstieg bei Einzelunterneh-
men und Gesellschaften bürgerlichen Rechts ins Auge. Relativiert man wie-
derum die Fallzahlen an den gesamten Verfahrenseröffnungen im Betrach-
tungszeitraum, dann zeigt sich, dass Einzelunternehmen und Freiberufler zu-
sammen mit einer Quote von 6 Promille vergleichsweise selten Eigenverwal-
tungen durchführten. Dennoch verdeutlichen die Absolutzahlen, dass Eigen-
verwaltungen nicht nur für größere Unternehmen, die sich meist in anderen
Rechtsformen finden, geeignet sind.
62

Diese Einschätzung wird durch die nach Beschäftigtengrößenklassen differen-


zierten Ergebnisse58 bestätigt (Tabelle 11). Bis auf 2,2 % der Fälle betreffen
alle Verfahren Unternehmen mit weniger als 100 Mitarbeitern, nur 21,0 % der
Eigenverwaltungen entfallen auf Unternehmen mit mehr als 10 Beschäftigten.
Relativiert an den Verfahrenseröffnungen insgesamt zeigt sich gleichwohl ein
schwacher positiver Größenzusammenhang. Hiernach wird eher in größeren
Unternehmen eine Eigenverwaltung angeordnet.

Tabelle 11: Eigenverwaltungen nach Beschäftigtengrößenklassen (2000 bis


2005)
Unternehmen Eigenverwaltungen Insgesamt
mit ... Beschäf- Vertikalstruktur je 1. 000
tigten 2000 2001 2002 2003 2004 2005 abs. in % Verfahren*
0 24 57 73 60 27 26 267 23,6 5,9
1 7 18 29 22 19 19 114 10,1 11,1
2 bis 5 36 61 36 27 32 23 215 19,0 10,7
6 bis 10 24 35 21 18 11 19 128 11,3 11,9
11 bis 100 36 45 55 32 22 22 212 18,8 11,9
Mehr als 100 1 4 11 2 6 1 25 2,2 16,2
Keine Angabe 4 20 28 23 56 37 168 14,9 19,6
© IfM Bonn

* Berechnung für den Zeitraum 1999 bis 2005.


Quelle: STATISTISCHES BUNDESAMT (Sonderauswertung) 2006; eigene Berechnungen
des IfM Bonn

Die meisten Eigenverwaltungen entfallen - analog zu Insolvenzanträgen - auf


das Baugewerbe, den Handel, den Bereich unternehmensnaher Dienstleistun-
gen und das Verarbeitende Gewerbe (Tabelle 12). Relativiert an den Verfah-
renseröffnungen zeigen sich - bis auf die niedrigen Quoten im Gastgewerbe -
kaum Unterschiede bei den Nutzungsquoten. Sie liegen sämtlich nah am
Durchschnitt von 10,4 Promille bezogen auf alle Insolvenzverfahren. In der
Literatur (z.B. GRAF/WUNSCH 2001) wird die These vertreten, dass Freibe-
rufler und Handwerksmeister aufgrund der an die Person gebundenen Qualifi-
kationstitel für Eigenverwaltung prädestiniert wären. Die Nutzungsquoten für
Eigenverwaltung sind indessen auch in den eher freiberuflich geprägten
Dienstleistungssektoren - mit Ausnahme des Bereichs Gesundheits- und Sozi-
alwesen - nicht überdurchschnittlich. Vorteile der Eigenverwaltung in Form ei-

58 Da im Jahr 1999 für 156 Meldungen Angaben zur Beschäftigtenzahl fehlen, werden hier
nur die Jahre ab 2000 betrachtet.
63

ner weitergehenden Nutzung des Humankapitals der alten Geschäftsführer


werden demnach selbst bei Freiberuflern wenig genutzt. Für den betrachteten
Zeitraum lassen sich ferner kaum branchenspezifische Entwicklungstrends
erkennen.

Tabelle 12: Eigenverwaltungen nach ausgewählten Wirtschaftsbereichen


(1999 bis 2005)
Eigenverwaltungen Insgesamt
Vertikal-
Wirtschaftsbereiche je 1.000
1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 abs. struktur
Verfahren
in %
Land-, Forst-, Fisch-
wirtschaft 1 5 4 - 4 2 3 19 1,4 8,1
Verarbeitendes Gewerbe 47 19 37 40 20 25 20 208 15,6 11,9
Baugewerbe 44 49 92 64 45 36 32 362 27,2 12,0
Handel 56 25 36 50 27 38 33 265 19,9 10,0
Gastgewerbe 3 7 10 9 10 9 7 55 4,1 6,2
Verkehr/Nachrichten 15 8 12 19 23 12 10 99 7,4 11,5
Unternehmensnahe
Dienstleistungen 26 14 30 54 45 32 26 227 17,0 9,6
Gesundheitswesen 3 1 2 6 1 7 7 27 2,0 10,8
Sonstige
Dienstleistungen 6 4 13 9 9 7 5 53 4,0 10,0
Insgesamt 204 132 240 253 184 173 147 1.333 100,0 10,4
© IfM Bonn

Quelle: STATISTISCHES BUNDESAMT (Sonderauswertung) 2006; eigene Berechnungen


des IfM Bonn

Etwas mehr als ein Fünftel der Eigenverwaltungsfälle zwischen den Jahren
2000 und 2005 betrifft Neugründungen, also Unternehmen im Alter bis zu drei
Jahren (Tabelle 13).59 Der größte Anteil der Eigenverwaltung entfällt auf ältere
Unternehmen, für die im Unterschied zu jüngeren Unternehmen im Trend eine
steigende Relevanz von Eigenverwaltungen festgestellt werden kann. Weiter-
gehende Analysen zeigen entgegen ersten Vermutungen, dass ein Zusam-
menhang zwischen Unternehmensalter und Eigenverwaltung nicht vorliegt.
Kommt es zu einer Verfahrenseröffnung, liegen unabhängig vom Unterneh-
mensalter vergleichbare Nutzungsquoten bei Eigenverwaltungen vor. Als Er-
klärung für diesen Befund kann folgendes Argument herangezogen werden.
Für eine Eigenverwaltung werden von der Geschäftsführung umfangreiche
Kenntnisse im Insolvenzrecht benötigt. Diese sind auch bei altgedienten Ge-

59 Angaben für das Jahr 1999 liegen nicht vor.


64

schäftsführungen nicht unmittelbar vorhanden. Eine Geschäftsführung muss


erst lernen, den Betrieb unter den besonderen finanzwirtschaftlichen und juris-
tischen Umständen eines Insolvenzverfahrens zu managen. Um diesen Erfah-
rungsmangel zu beheben, kann ein Unternehmen zwar spezialisierte Berater
beauftragen, entscheidend für die Anordnung der Eigenverwaltung dürfte aber
das in das Unternehmen gesetzte Vertrauen sein.

Tabelle 13: Eigenverwaltungen nach Unternehmensalter (2000 bis 2005)


Eigenverwaltungen Insgesamt
Unternehmen
Vertikal- je 1.000
im Alter von ...
2000 2001 2002 2003 2004 2005 abs. struktur Verfahren
Jahren
in %
bis 3 33 68 67 31 27 25 251 22,2 11,4
3 bis unter 8 43 77 57 49 43 41 310 27,5 12,6
8 und älter 52 89 87 77 64 64 433 38,4 10,9
Ohne Angabe 4 6 42 27 39 17 135 12,0 4,5
Insgesamt 132 240 253 184 173 147 1.333 100,0 10,4
© IfM Bonn

Quelle: STATISTISCHES BUNDESAMT (Sonderauswertung) 2006; eigene Berechnungen


des IfM Bonn

Sanierungen unter Beteiligung der Altunternehmer dürften sich eher in einem


frühen Krisenstadium verwirklichen lassen. Je größer der eingetretene Scha-
den ist, desto eher wird dies von den Gläubigern dem Schuldner angelastet,
was die Akzeptanz einer Eigenverwaltung erschwert. Im Stadium der drohen-
den Zahlungsunfähigkeit wurden aber nur 15 insolvente Unternehmen in Ei-
genverwaltung (1,3 % aller Eigenverwaltungen) geleitet, obwohl gerade eine
so frühzeitige Beantragung für den Einsatz der Eigenverwaltung sprechen
könnte. Fast 60 % der Eigenverwaltungsfälle werden in Folge von Zahlungsun-
fähigkeit beantragt, knapp 40 % infolge des für Kapitalgesellschaften typischen
Doppeltatbestands der Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung. Die Vertei-
lung der Eigenverwaltungsfälle auf Antragsgründe entspricht damit der Ge-
samtstruktur aller Insolvenzanträge.

Die meisten Eigenverwaltungsfälle der Jahre 2000 bis 2005 betreffen schließ-
lich Verfahren mit Forderungen in Höhe von 50.000 € bis 1 Mio. €, also eher
den mittleren Bereich der in Tabelle 14 verwendeten Klassifikation.60 Fälle mit
größeren Forderungssummen werden zwar tendenziell eher eröffnet, sie erhal-
ten aber nur selten die Chance einer Eigenverwaltung. Hier wird offensichtlich

60 Angaben für das Jahr 1999 liegen nicht vor.


65

von Seiten der Gläubiger oder des Insolvenzgerichts ein stärkeres Missmana-
gement der alten Unternehmensleitung vermutet.

Tabelle 14: Eigenverwaltungen nach voraussichtlicher Forderungshöhe


(2000 bis 2005)
Forderungen von ... Eigenverwaltungen Insgesamt
bis unter ... € * 2000 2001 2002 2003 2004 2005 abs. Anteil in %
Unter 5.000 - 2 4 2 - 2 10 0,9
5.000 - 50.000 13 25 29 17 12 17 113 10,0
50.000 - 250.000 46 98 93 69 72 51 429 38,0
250.000 - 500.000 25 30 33 29 25 25 167 14,8
500.000 - 1 Mio. 40 77 68 26 28 26 265 23,5
1 Mio. - 5 Mio. 5 7 11 29 20 20 92 8,1
5 Mio. - 25 Mio. - - 13 8 12 5 38 3,4
25 Mio. und mehr - - - 1 1 1 3 0,3
Ohne Angabe 3 1 2 3 3 - 12 1,1
© IfM Bonn

*Erfassung bis einschl. 2001 in DM; Umrechnung: 2 DM = 1 €


Quelle: STATISTISCHES BUNDESAMT (Sonderauswertung) 2006; eigene Berechnungen
des IfM Bonn

Auf Verfahren mit geringen Summen an offenen Forderungen entfallen eben-


falls nur wenige Eigenverwaltungen. Dies deutet darauf hin, dass es grund-
sätzliche Hürden für die Beantragung bzw. Genehmigung von Eigenverwal-
tungen geben muss, die keinen Bezug zur Schadenshöhe bzw. zur induzierten
Schuld der Altgeschäftsführung haben.
67

4. Erfahrungen im Mittelstand mit Insolvenzplanverfahren - Ergebnisse


einer schriftlichen Befragung des IfM Bonn

4.1 Konzeption und Grundgesamtheit

Erkenntnisse über die Erfahrungen von Unternehmen mit Insolvenzplanverfah-


ren sowie deren praktische Umsetzung sind auch sieben Jahre nach der Ein-
führung dieses Instruments nur begrenzt verfügbar.61 Der empirische Teil die-
ser Arbeit hat daher zum Ziel, einen Beitrag zum Abbau dieser Forschungslü-
cke zu leisten. Hierzu werden zunächst die Hintergründe der Verfahrenswahl
und bestimmte Umsetzungsaspekte näher beleuchtet, bevor detailliert auf Ver-
fahrenserschwernisse und Unterstützungswünsche aus Unternehmenssicht
eingegangen wird.

Grundlage der nachfolgenden Ausführungen bildet eine schriftliche Befragung,


die sich an insolvente Unternehmen richtete, die ein Insolvenzplanverfahren
beantragt hatten. Die betreffenden Unternehmen wurden durch eine Textre-
cherche der Verlagsgruppe Bundesanzeiger in den Pflichtanzeigen des Bun-
desanzeigers aus den Jahren 2000 bis 2005 im Auftrag des IfM Bonn ermit-
telt.62 Als Suchbegriffe wurden hierbei "Insolvenzplanverfahren", "Planverfah-
ren", "Insolvenzplan" sowie "Eigenverwaltung" verwendet. Die gesonderte Be-
rücksichtigung von Eigenverwaltungen sollte dabei sicherstellen, dass in Ei-
genregie abgewickelte Insolvenzverfahren im Befragungssample enthalten
sind. Insgesamt konnten durch diese Vorgehensweise 1.161 Unternehmen
identifiziert werden.

Die Erhebung der Daten erfolgte im Zeitraum September bis November 2005
mittels eines weitgehend standardisierten Fragebogens, der im Anhang aufge-
führt ist. Er wurde auf Basis der vorliegenden Literatur sowie einer Reihe von
Vorgesprächen mit Praktikern entwickelt. Aufgrund von Irrläufern reduzierte
sich die Anzahl tatsächlich erreichter Unternehmen auf 816. Die vergleichs-
weise hohe Zahl von Irrläufern dürfte neben Mängeln der Adressqualität auf
Geschäftsauflösungen oder Betriebsverlagerungen nach der Insolvenz zu-
rückzuführen sein. Von den verbleibenden Unternehmen beteiligten sich ins-

61 So erfolgten nach Kenntnissen des IfM Bonn bislang allenfalls Expertenbefragungen zu


Insolvenzplanverfahren, wie z.B. durch den Marketinglehrstuhl der TU Dresden im Auf-
trag der Sächsischen Aufbaubank (MÜLLER/GELBRICH 2001) oder den RWS-Verlag
aus Köln (dargestellt in: KRANZUSCH/MAY-STROBL 2002, S. 31 ff.)
62 Zeitpunkt der Recherche war Juli 2005. Berücksichtigt wurden somit nur die Pflichtmittei-
lungen bis einschließlich 6/2005.
68

gesamt 64 Unternehmen an der Befragung. Dies entspricht einer bereinigten


Rücklaufquote von 7,8 %.63

Da die Textrecherche im Bundesanzeiger auch auf Eigenverwaltung abstellte,


war zu erwarten, dass ein Teil der angeschriebenen Unternehmen kein Insol-
venzplanverfahren durchlaufen hatte. Dies bestätigte sich bei der Durchsicht
der Fragebögen. So hatten 14 der antwortenden Unternehmen keinen Insol-
venzplan beantragt und wurden demzufolge bei der Auswertung der Befra-
gungsergebnisse nicht berücksichtigt. Die im Folgenden dargestellten Befunde
beruhen daher auf den Angaben von 50 Unternehmen. Bezogen auf die von
SCHULTZE & BRAUN ermittelte Gesamtzahl an Insolvenzplanverfahren im
Zeitraum von 2000 bis 6/2005 konnten 7,6 % aller Fälle in die Untersuchung
einbezogen werden. Bei der Interpretation der ermittelten Daten ist zu berück-
sichtigen, dass nahezu ausschließlich Unternehmen geantwortet haben, deren
Insolvenzplanverfahren positiv verlaufen ist und die sich weiterhin am Markt
befinden. Es liegt nahe, dass die Antwortbereitschaft dieser Unternehmen auf-
grund ihrer positiven Erfahrungen deutlich höher ist als im Falle gescheiterter
Planverfahren.

Die vorliegende Studie war aufgrund der Datenlage von vorneherein als explo-
rative Untersuchung angelegt, die erste grundlegende Informationen zu Insol-
venzplanverfahren liefern sollte. Bedauerlich ist dennoch, dass die Anwendung
statistischer Auswertungsmethoden aufgrund der geringen Befragungsgrund-
gesamtheit erheblichen Einschränkungen unterworfen war. Erkennbare Zu-
sammenhänge konnten daher nicht auf ihre statistische Signifikanz hin über-
prüft werden. Die Ergebnisse werden im Folgenden trotz dieser Beschränkung
aufgeführt, da sie nach Ansicht der Autoren wichtige Detailinformationen zu
Insolvenzplanverfahren liefern. Sie sind gleichwohl mit der gebotenen Vorsicht
zu interpretieren und stellen in erster Linie Trendaussagen dar, die der Über-
prüfung in weiteren Studien bedürfen. Sie geben jedoch für Nachfolgestudien
wichtige Informationen zur Hypothesengenerierung.

63 Trotz einer telefonischen Nachfassaktion gelang es nicht, wesentlich mehr Unternehmen


zur Teilnahme an der Befragung zu motivieren.
69

4.2 Strukturdaten des Samples

4.2.1 Unternehmenscharakteristika

Die Unternehmen wurden im Fragebogen zur Angabe ihrer Beschäftigtenzahl,


Rechtsform, Wirtschaftsbereichszugehörigkeit sowie ihres Unternehmensalters
gebeten.

Abbildung 13: Samplestruktur der Unternehmen nach Beschäftigtengrößen-


klassen vor der Insolvenz

in %

keine Beschäftigten 2,4

1 bis 9 Beschäftigte 27,6

10 bis 49 Beschäftigte 37,5

50 und mehr Beschäftigte 32,5

n = 41 © IfM Bonn
05 83 046

Quelle: Empirische Erhebung des IfM Bonn

41 der antwortenden Unternehmen machten Angaben zur Beschäftigtenzahl


im vorletzten Geschäftsjahr vor Eintritt der Insolvenz. Hiernach stellte sich die
Beschäftigtengrößenstruktur des Samples zu diesem Zeitpunkt wie folgt dar:
30,0 % entfallen auf Unternehmen mit bis zu 9 Mitarbeitern und damit nach der
Definition des IfM Bonn in die Kategorie Kleinunternehmen. Der Anteil an So-
loselbständigen im Befragungssample beläuft sich auf 2,4 %. Relativ am
stärksten besetzt ist die Größenklasse 10 bis 49 Beschäftigte, die 37,5 % der
antwortenden Unternehmen auf sich vereinigt. Die dritte gebildete Beschäftig-
tengrößenklasse, mehr als 50 Beschäftigte, stellt 32,5 %. Insgesamt betrachtet
ergibt sich eine durchschnittliche Beschäftigtenzahl der antwortenden Unter-
nehmen von 51 Mitarbeitern, der Median liegt bei 20 Beschäftigten. Insolvenz-
70

planverfahren eignen sich diesen Befunden zufolge durchaus auch für kleinere
Unternehmen, was vielfach bestritten wurde.64

Abbildung 14: Samplestruktur nach Rechtsformen (vor der Insolvenz)

4,0%

30,0%

42,0%

8,0%

4,0%
12,0%

Einzelunternehmen GmbH & Co. KG GbR

OHG / (einfache) KG GmbH Aktiengesellschaften /


KGaA
n = 50 © IfM Bonn
05 83 047

Quelle: Empirische Erhebung des IfM Bonn

Die Rechtsformstruktur des Befragungssamples wird eindeutig von Gesell-


schaften mit beschränkter Haftung und Einzelunternehmen dominiert (Abbil-
dung 14). So waren rund zwei Fünftel der Befragten in der Rechtsform der
GmbH und drei Zehntel als Einzelunternehmer organisiert. Dies entspricht der
bereits dargestellten Struktur der Insolvenzanträge nach Rechtsformen.65 Auf
Personengesellschaften (GmbH & Co. KG, GbR, einfache KG, OHG) entfallen
insgesamt 24 % der Fälle. Die verbleibenden 4 % waren Aktiengesellschaften.
Interessant ist, dass die Insolvenz nur bei drei der antwortenden Unternehmen
zu einer Veränderung der Rechtsform geführt hat.

Als weitere Strukturmerkmale wurden schließlich das Unternehmensalter und


die Wirtschaftsbereichszugehörigkeit abgefragt. Bei genau einem Fünftel des

64 Siehe hierzu z.B.: FES 1999, KÜBLER 2002.


65 Im Vergleich zur Rechtsformstruktur der in der Zeitschrift ZInsO berücksichtigten Fälle ist
im Befragungssample ein höherer Anteil der GmbH zu Lasten der Einzelunternehmen
festzustellen. Siehe hierzu: Kapitel 2.2.1 und 3.5.1.
71

Befragungssamples handelt es sich um jüngere Unternehmen, die in den letz-


ten 10 Jahren, also seit 1995 gegründet wurden. 37,8 % der antwortenden Un-
ternehmen wurden im Zeitraum von 1985 bis 1994 gegründet und wiesen da-
mit zum Zeitpunkt der Befragung ein Unternehmensalter zwischen 10 und 20
Jahren auf. Sehr reife Unternehmen, die bereits auf ein über 20-jähriges Be-
stehen zurückblicken konnten und vor 1984 gegründet worden waren, stellen
mit rund zwei Fünftel (42,2 %) die größte Gruppe innerhalb des Samples.

Nach Wirtschaftsbereichen entfällt die größte Gruppe auf Dienstleistungsun-


ternehmen (34 %). Hiernach folgt das Verarbeitende Gewerbe mit knapp ei-
nem Viertel der Befragten. Unternehmen, die dem Handel zuzurechnen sind,
stellen 16 %, das Baugewerbe 12 %. Weitere 12 % ordneten sich in die Kate-
gorie "Sonstiges" ein.

4.2.2 Insolvenzhintergrund

Die Beantragung des Insolvenzverfahrens erfolgte bei 91,5 % der antworten-


den Unternehmen durch die Unternehmensleitung. Dies entspricht in etwa der
generellen Situation bei Insolvenzanträgen, die mit einem Anteil von rund 80 %
von Schuldneranträgen dominiert wird. Nur in 8,5 % der Fälle wurde das Insol-
venzverfahren durch einen Gläubigerantrag ausgelöst. Hiervon entfiel die Hälf-
te auf Anträge der Sozialversicherungsträger, die übrigen zu gleichen Teilen
auf Finanzämter und Banken.

Die Bereitschaft von Gläubigern oder Insolvenzverwaltern, ein Insolvenzplan-


verfahren oder eine Eigenverwaltung mitzutragen, wird neben anderen Fakto-
ren, wie z.B. dem Zeitpunkt der Antragstellung oder der Kommunikation mit
dem Schuldnerunternehmen, auch von den im Einzelfall relevanten Insolvenz-
gründen mitbestimmt. Im Fragebogen wurden die Unternehmen daher um An-
gabe der Gründe gebeten, die - ihrer Meinung nach - mitentscheidend für ihre
wirtschaftliche Schieflage waren. Hierzu wurden acht Antwortmöglichkeiten
- ohne die Kategorie "Sonstiges" - vorgegeben, die sich den drei Kategorien
Finanzierungsschwierigkeiten, Forderungsausfälle sowie unternehmerische
Fehlentscheidungen zuordnen lassen (Abbildung 15).
72

Abbildung 15: Insolvenzursachen der befragten Unternehmen (Mehrfachnen-


nungen)

in %

Dünne Eigenkapitaldecke 59,2

Schwierigkeiten bei Kreditfinanzierung 55,1

Zunahme von Außenständen 36,7

Falsche Markteinschätzung 22,4

Insolvenz wichtiger Kunden 16,3

Fehlinvestitionen 16,3

Übereiltes Unternehmenswachstum 8,2

Rückzug von Gesellschaftern 4,1

Sonstiges 20,4

n = 49 © IfM Bonn
05 83 010

Quelle: Empirische Erhebung des IfM Bonn

Wie angesichts der aktuellen Diskussion über die Finanzierungsschwierigkei-


ten mittelständischer Unternehmen zu erwarten war, gaben die Befragten vor
allem Schwierigkeiten im Finanzbereich als Insolvenzursache an. So begrün-
deten jeweils knapp drei Fünftel der antwortenden Unternehmen ihre Insolvenz
mit einer unzureichenden Eigenkapitalsituation oder Schwierigkeiten bei der
Kreditfinanzierung. Kritisch anzumerken ist angesichts dieses Antwortverhal-
tens, dass sich die Befragten in ihrer Ursachenanalyse damit letztlich nicht auf
auslösende Faktoren der Insolvenz konzentrieren. Anzunehmen ist aber, dass
in vielen Fällen finanzielle Schwierigkeiten letztlich nur Ausdruck oder Folge
von Fehlentwicklungen im Leistungsbereich der betroffenen Unternehmen
sind. Mit deutlichem Abstand an dritter Stelle der Nennungen folgen Zunah-
men an Außenständen, die von gut einem Drittel der Befragten angegeben
wurden. Unternehmerische Fehlentscheidungen in Form falscher Marktein-
schätzungen, einem übereilten Unternehmenswachstum oder Fehlinvestitio-
nen wurden dagegen nur vergleichsweise selten als Insolvenzursachen ge-
nannt. Hierunter kommt falschen Markteinschätzungen mit 22,4 % noch die
höchste Bedeutung zu. Generell wird kritisiert oder beklagt, dass insolvente
Unternehmen vielfach dazu neigen, ihre wirtschaftliche Schieflage primär auf
externe und damit nicht oder nur bedingt in ihrer Verantwortung stehende Fak-
73

toren zurückzuführen und eigene Entscheidungen nur selten kritisch zu hinter-


fragen. Selbst bei vorsichtiger Interpretation scheint das hier vorliegende Ant-
wortverhalten der Befragten diese Ansicht zu stützen.

4.3 Hintergründe der Verfahrenswahl

4.3.1 Initiatoren der Planerstellung

Die Insolvenzordnung lässt - wie bereits dargestellt - mehrere Wege zur Einlei-
tung eines Insolvenzplanverfahrens bzw. zur Aufstellung eines Insolvenzplans
zu. So haben sowohl die Leitung des insolventen Unternehmens als auch der
Insolvenzverwalter ein sog. Planinitiativrecht. Ferner sehen die gesetzlichen
Regelungen eine Berechtigung der Gläubigerversammlung zur Beauftragung
des Insolvenzverwalters mit der Planerstellung vor. Die jeweilige Relevanz
dieser drei Optionen ist in der Praxis den Befragungsbefunden zufolge recht
unterschiedlich (Abbildung 16).

Abbildung 16: Initiatoren der Erstellung von Insolvenzplänen

43,5%

56,5%

Insolvenzverwalter Unternehmensleitung

n = 46 © IfM Bonn
06 83 040

Quelle: Empirische Erhebung des IfM Bonn

Bei etwas mehr als der Hälfte der antwortenden Unternehmen (56,5 %) ging
die Erstellung des Insolvenzplans auf eine Initiative der Unternehmensleitung
zurück. Dies deutet darauf hin, dass ein großer Teil der sanierungsinteressier-
74

ten insolventen Unternehmen aktiv nach Möglichkeiten der Krisenbewältigung


Ausschau hält und dabei auch neuartigen Wegen offen gegenüber steht. Bei
rund zwei Fünfteln wurde das Insolvenzplanverfahren durch eine Initiative des
Insolvenzverwalters eingeleitet. Die beauftragten Insolvenzverwalter sind
demnach ihrer gesetzlichen Verpflichtung zur Überprüfung der Vorteilhaftigkeit
der verschiedenen Abwicklungsoptionen nachgekommen und ebenfalls dem
neuen Verfahren aufgeschlossen. Auffällig ist, dass bei keinem der antworten-
den Unternehmen die Erstellung des Insolvenzplans von der Gläubigerver-
sammlung initiiert wurde. Dies bestätigt die Aussage von Insolvenzexperten,
dass Gläubiger die Möglichkeiten zu einer stärkeren Einbringung in das Insol-
venzverfahren kaum nutzen. Für die Praxis ist demzufolge davon auszugehen,
dass die Vorlage von Insolvenzplänen fast ausschließlich auf Initiativen der
Unternehmensleitung oder des Insolvenzverwalters zurückgeht. Die im Gesetz
vorgesehene Möglichkeit einer Vorlage konkurrierender Pläne durch die ver-
schiedenen Initiativberechtigten dürfte diesen Befunden zufolge für die Praxis
nahezu bedeutungslos sein.

Aufgrund tendenziell stärker besetzter Unternehmensleitungen und eher vor-


handenem Spezialwissen lag die Vermutung nahe, dass eigene Planinitiativen
vor allem von größeren Unternehmen ausgehen. Die Befragungsbefunde deu-
ten jedoch darauf hin, dass ein solcher Größenzusammenhang nicht besteht.
Entscheidender für die Frage nach dem Initiator der Planerstellung scheinen
stattdessen die spezifischen Insolvenzursachen zu sein. Schwierigkeiten bei
der Kreditvergabe oder dünne Eigenkapitaldecken als Insolvenzursachen be-
günstigen hiernach Initiativen von Verwaltern, falsche Markteinschätzungen
und Fehlinvestitionen stehen eher im Zusammenhang mit Schuldnerinitiativen.
Anzunehmen ist, dass Insolvenzverwalter vor allem bei primär finanzwirt-
schaftlich bedingten Insolvenzfällen Erfolgsaussichten von Insolvenzplänen
sehen, leistungswirtschaftliche Problemlagen jedoch skeptischer beurteilen.

4.3.2 Impulsgeber für Unternehmensinitiativen

Unternehmensleitungen, die aus eigener Initiative einen Insolvenzplan entwi-


ckelten, wurden überwiegend von Außenstehenden auf die Möglichkeit eines
Insolvenzplanverfahrens aufmerksam gemacht. Immerhin etwas mehr als ein
Viertel bezog die Anregung zur Verfahrenswahl - ausschließlich oder ergän-
zend - aber aufgrund eigener Recherchen in Print- oder Onlinemedien (Abbil-
dung 17). Dies bestätigt erneut, dass ein Teil der insolventen Unternehmen
hohe Eigeninitiative zur Lösung ihrer Insolvenzsituation entwickelt.
75

Abbildung 17: Impulsgeber für die Erstellung eines Insolvenzplans durch die
Unternehmensleitung (Mehrfachnennungen)

in %

Rechtsanwalt 35,7

Informationen aus Print- und Onlinemedien 28,6

Unternehmensberater 25,0

Vorläufiger Insolvenzverwalter 17,9

Endgültiger Insolvenzverwalter 14,3

Steuerberater/Wirtschaftsprüfer 14,3

Banken 7,1

Sonstige 7,1

n = 28 © IfM Bonn
05 83 013

Quelle: Empirische Erhebung des IfM Bonn

Da Unternehmen im Krisen- oder Insolvenzfall zunächst vor allem an rechtli-


chen Informationen interessiert sein dürften, überrascht es nicht, dass Rechts-
anwälte nach den Befragungsbefunden die wichtigste Gruppe der externen
Impulsgeber sind. Sie wurden von mehr als einem Drittel der Unternehmen
genannt. Erst an zweiter Stelle folgen Unternehmensberater, die immerhin
noch ein Viertel als Informationsquelle angab. Vorläufige oder endgültige In-
solvenzverwalter wurden jeweils von weniger als einem Fünftel benannt. Die-
ser Befund kann durchaus als Indiz für die bislang geringe Vertrautheit vieler
Verwalter mit diesem Verfahren oder bestehende Vorbehalte gewertet werden.
Impulse seitens Steuerberatern/Wirtschaftsprüfern oder durch Banken kamen
schließlich nur selten. Anzunehmen ist, dass erstere im Insolvenzfall nicht als
erste Ansprechpartner oder Informationsquellen angesehen werden. Für Ban-
ken dürfte einerseits eine Unkenntnis der Firmenkundenberater, andererseits
die im Allgemeinen recht auskömmliche Besicherung der Forderungen aus-
schlaggebend sein.

Insgesamt zeichnet sich auch nach der Unternehmensgröße ein unterschiedli-


cher Stellenwert einzelner Informationsquellen ab. So gaben vor allem Unter-
nehmen mit bis zu neun Beschäftigten Rechtsanwälte als Impulsgeber an. Sie
76

wurden in dieser Größenklasse von zwei Dritteln der antwortenden Unterneh-


men genannt. Für mittlere Unternehmen mit 10 bis 49 Beschäftigten haben
hingegen Informationen aus Print- und Onlinemedien sowie von Unterneh-
mensberatern ein überdurchschnittlich hohes Gewicht. Ursächlich dürfte sein,
dass ab einer gewissen Mindestunternehmensgröße eher freie Kapazitäten
und Know-how für eigene Informationsbeschaffungen zur Verfügung stehen
bzw. die Komplexität des Verfahrens eine Inanspruchnahme von Unterneh-
mensberatern nahe legt. Für Unternehmen mit mehr als 50 Beschäftigten sind
keine besonderen Schwerpunkte erkennbar.

4.3.3 Zielsetzung der Insolvenzpläne

Insolvenzplanverfahren sollten nach Intention des Gesetzgebers vor allem ein


Instrument zur Sanierung insolventer Unternehmen sein. Zumindest in diesem
Punkt wurde die Zielsetzung offenkundig erreicht. So haben knapp 98 % das
Insolvenzplanverfahren zum Zwecke der Unternehmensfortführung eingeleitet.

Abbildung 18: Zielsetzung von Insolvenzplänen

Liquidation
2,1%
Übertragende Sanierung
10,6%

Sanierung
87,3%
n = 47 © IfM Bonn
06 83 043

Quelle: Empirische Erhebung des IfM Bonn

Insolvenzpläne müssen - wie bereits dargestellt - nicht zwingend eine klassi-


sche Sanierung vorsehen, sondern können auch übertragende Sanierungen
oder Liquidationen beinhalten. Fälle von Insolvenzplänen mit übertragender
77

Sanierung dürften indessen den Befragungsbefunden zufolge in der Praxis die


Ausnahme darstellen. So sahen nur rund 10 % der hier betrachteten Fälle eine
übertragende Sanierung vor (Abbildung 18). Nur ein Unternehmen entwickelte
einen Insolvenzplan für eine angestrebte Liquidation. Auch wenn man berück-
sichtigt, dass vor allem fortgeführte Unternehmen zur Teilnahme an der Befra-
gung motiviert waren, also eine positive Selektion vorlag, legt dieser Befra-
gungsbefund die Vermutung nahe, dass Liquidationspläne für die Praxis nahe-
zu bedeutungslos sind.

4.3.4 Motive der Verfahrenswahl

Die Anwendung von Insolvenzplanverfahren kann allein schon angesichts der


Unternehmensgegebenheiten nahe liegen. Wie bereits dargestellt, ermögli-
chen nur Insolvenzplanverfahren eine Sanierung des Rechtsträgers, was spe-
ziell im Falle nicht oder nur schwerlich übertragbarer wichtiger Vermögenspo-
sitionen von besonderer Bedeutung ist.66 Daneben kommen verfahrensspezi-
fische Gründe als Erklärungsfaktoren in Frage. Sie stehen mit Flexibilitätsvor-
teilen dieser Abwicklungsoption in Zusammenhang. Anzuführen sind hier u.a.
mögliche Verfahrensverkürzungen gegenüber Regelinsolvenzverfahren. Die-
ser Umstand kann gerade angesichts des hohen Zeitdrucks, unter dem eine
angestrebte Sanierung erfolgen muss, entscheidungsrelevant sein. Abstim-
mungsregeln und Obstruktionsverbot erleichtern ferner die Erlangung einer
Gläubigerzustimmung zu den vorgesehenen Sanierungsmaßnahmen. Schließ-
lich erlauben Insolvenzplanverfahren eine Beibehaltung der bestehenden Ge-
sellschaftsstrukturen und erleichtern die weitere Nutzung der Qualifikation der
Geschäftsführung.

Die weitere Einbindung des bisherigen Managements in die Unternehmenslei-


tung sowie die Beibehaltung der bestehenden Gesellschafterstrukturen ent-
sprechen der üblichen Interessenlage mittelständischer Unternehmen. Inso-
fern ist es nicht überraschend, dass beide Faktoren in der Rangliste der Grün-
de für ein Insolvenzplanverfahren an vorderer Stelle stehen (Abbildung 19).
Sie wurden von 57 % bzw. 46 % der Befragten als entscheidungsrelevant an-
gegeben. Die Qualifikation der alten Geschäftsleitung wurde dabei - naturge-
mäß - in den Fällen als Beweggrund höher eingestuft, in denen kein Wechsel
in der Unternehmensleitung stattgefunden hat. Ausschlaggebend für die hohe
Relevanz des Faktors "Qualifikation der alten Geschäftsleitung" wird darüber

66 Siehe hierzu: Kapitel 2.3.3.


78

hinaus sein, dass ein Sanierungserfolg ohne die Spezialkenntnisse kaum mög-
lich ist oder gerade bei Freiberuflern untrennbar mit der Person des Unter-
nehmers verbunden ist. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass dieser Befund
natürlich auch das Selbstverständnis der Befragten widerspiegelt. Ferner stellt
vor allem die Erleichterung der Gläubigerzustimmung zum Sanierungskonzept
einen wichtigen Beweggrund für die Verfahrenswahl dar (50 % der antworten-
den Unternehmen).

Abbildung 19: Motive der Verfahrenswahl (Mehrfachnennungen)

in %

Qualifikation der alten Geschäftsführung 56,5

Erleichterung der Gläubigerzustimmung 50,0

Beibehaltung der Gesellschaftsstrukturen 45,7

Möglichkeit der Verfahrensverkürzung 37,0

Sicherung langfristiger Kundenverträge 30,4

Unternehmensgebundene Vermögenswerte 30,4

Bewahrung von Lizenzen/Rechten 17,4

Zeitdruck bei Sanierung 8,7

Sonstiges 10,8

n = 46 © IfM Bonn
05 83 014

Quelle: Empirische Erhebung des IfM Bonn

Die ermittelte Rangfolge wird somit von allgemeingültigen verfahrensspezifi-


schen Faktoren geprägt. Deutlich geringer nimmt sich hingegen der Stellen-
wert unternehmensspezifisch bedingter Faktoren aus: So führten jeweils rund
30 % die Sicherung langfristiger Kundenverträge oder das Vorhandensein un-
ternehmensgebundener Vermögenswerte als Motiv ihrer Verfahrenswahl an,
weitere 17 % die Sicherung von Lizenzen oder Rechten. Sofern unterneh-
mensspezifische Faktoren vorliegen, ist ihre Relevanz für die Verfahrensent-
scheidung indessen wesentlich höher einzuschätzen, als es die Anzahl an je-
weiligen Nennungen auf den ersten Blick nahe legt.

Monokausale Erklärungsansätze der Wahl des Insolvenzplanverfahrens als


Abwicklungsform werden der Interessenlage von insolventen Unternehmen
79

nach den Befragungsbefunden nur selten gerecht. So begründeten nur rund


15 % der Befragten ihre Entscheidung mit einem einzigen Faktor. Von diesen
Unternehmen wurden dabei vor allem Erleichterungen der Gläubigerzustim-
mung und die Möglichkeit der Verfahrensverkürzung benannt (jeweils rd. 7 %).
Mehr als die Hälfte (54 %) führten stattdessen drei oder mehr unterschiedliche
Motive für ihre Entscheidung zum Insolvenzplanverfahren an.

Nach tiefergehenden Analysen zeichnet sich zudem ab, dass die Bedeutung
der einzelnen Entscheidungsfaktoren in Abhängigkeit von der Unternehmens-
größe unterschiedlich ausfällt. So ist nach den Befragungsbefunden für kleine-
re Unternehmen mit bis zu 9 Beschäftigten die Möglichkeit der Verfahrensver-
kürzung der wichtigste Beweggrund. Zudem wurde dieser Faktor fast aus-
schließlich von Unternehmen dieser Größenklasse genannt. Erleichterungen
bei der Gläubigerzustimmung waren hingegen - wohl aufgrund einer eher
überschaubaren Gläubigerzahl und persönlicher Kontakte - für kleinere Unter-
nehmen weitaus weniger relevant als für die größeren. Für mittlere Unterneh-
men mit 10 bis 49 Beschäftigten stellte sich die Beibehaltung der Gesell-
schaftsstrukturen weitaus wichtiger dar als für die anderen Gruppen, war sogar
das mit Abstand wichtigste Motiv. Die Sicherung langfristiger Kundenverträge
wurde ferner schließlich nur von größeren Unternehmen mit mehr als 50 Be-
schäftigten als Motiv genannt. Anzunehmen ist, dass aufgrund der tendenziell
schwächeren persönlichen Kontakte eher Abwanderungsbewegungen von
Kunden befürchtet werden.

4.4 Spezialfall: Abwicklung in Eigenverwaltung

42 % der antwortenden Unternehmen hatten eine Eigenverwaltung beantragt.


Die Intention, das Insolvenzplanverfahren in Eigenregie abzuwickeln, steht da-
bei nach den Befragungsbefunden offenbar im Zusammenhang mit der Mitar-
beiterzahl. So handelt es sich bei den Antragstellern fast zur Hälfte um größe-
re Unternehmen mit mehr als 50 Beschäftigten (47 %). Mittlere Unternehmen
mit einer Beschäftigtenzahl von 10 bis 49 beantragen hingegen nur ver-
gleichsweise selten eine Eigenverwaltung (18 %). Antragstellungen auf Eigen-
verwaltung erfolgten somit im Sample vornehmlich von eher kleinen oder grö-
ßeren Unternehmen. Ausschlaggebend dürfte sein, dass diese tendenziell von
einer besseren Überschaubarkeit der Verhältnisse bzw. von größeren betrieb-
lichen Kapazitäten und höherem Know-how profitieren. Mittelgroße Unterneh-
men mit 10 bis 49 Beschäftigten werden hingegen eher bereits recht komplexe
80

Gläubigerstrukturen bei begrenzten Größenvorteilen aufweisen, so dass Ei-


genverwaltungen seltener in Erwägung gezogen werden.

Abbildung 20: Beantragung und Genehmigung von Eigenverwaltungen bei


Insolvenzplanverfahren

Beantragung Genehmigung

4,8%
66,6%
42,0%
58,0% Nein Ja

28,6%

Ablehnung durch Gericht


Direkte Anordnung durch Gericht
Anordnung nach Beschluss
der Gläubigerversammlung

n = 50 n = 21 © IfM Bonn
05 83 048

Quelle: Empirische Erhebung des IfM Bonn

Nur knapp drei Zehntel der Anträge auf Eigenverwaltung erfuhren eine Ableh-
nung durch das zuständige Insolvenzgericht (Abbildung 20). Bei den hiervon
betroffenen Unternehmen handelt es sich zu zwei Dritteln um Einzelunterneh-
men; drei Viertel waren Kleinunternehmen mit bis zu 9 Beschäftigten. Vor al-
lem kleinere Unternehmen in der Rechtsform des Einzelunternehmers werden
demnach in der Praxis mit einer Ablehnung eines etwaigen Antrags auf Eigen-
verwaltung rechnen müssen. Ursächlich ist, dass Insolvenzgerichte speziell in
diesen Fällen ein Vorliegen der erforderlichen betriebswirtschaftlichen und
rechtlichen Kenntnisse für die Eigenverwaltung anzweifeln dürften.

Überwiegend, d.h. bei knapp 70 % der Antragstellungen, erfolgte eine Ge-


nehmigung des Antrags auf Eigenverwaltung. Die Erfolgsaussichten einer An-
tragstellung sind demnach - zumindest bei entsprechender Vorbereitung - als
recht hoch einzuschätzen. Insgesamt beläuft sich der Anteil eigenverwalteter
Insolvenzplanverfahren im Sample auf 30 %. Von der Kombinationsmöglich-
keit der neuen Instrumente der Insolvenzrechtsreform wird damit relativ häufig
81

Gebrauch gemacht. Die beiden ermittelten Anteilswerte sind jedoch aufgrund


der Positivauswahl im Sample und dem expliziten Abstellen auf Eigenverwal-
tungen in der durchgeführten Textrecherche zu relativieren. Für die Praxis ist
daher von geringeren Werten auszugehen. Genehmigt wurden Eigenverwal-
tungen dabei nahezu ausschließlich direkt durch das zuständige Insolvenzge-
richt. Nur in einem Fall wurde das Insolvenzgericht durch einen entsprechen-
den Beschluss der Gläubigerversammlung zur Anordnung verpflichtet. Bei die-
sen - seltenen - Fällen wird es sich vor allem um Verfahren bei kleineren Un-
ternehmen handeln, die durch persönliche Kontakte zwischen Schuldner und
Gläubigern sowie eine überschaubare Gläubigerzahl gekennzeichnet sind.

Abbildung 21: Motive für Anträge auf Eigenverwaltung (Mehrfachnennungen)

in %

Nutzung der
Nutzung der Kenntnisse/Erfahrungen
Kenntnisse der alten 76,2
der alten Geschäftsführung

Kostenreduzierung des 76,2


Kostenreduzierung
Insolvenzverfahrens

Beibehaltung der
Entscheidungsbefugnisse der
Beibehaltung 61,9
Geschäftsführung

Vermeidung einer
Vermeidung
Einarbeitungszeit des 47,6
Insolvenzverwalters

n = 21 © IfM Bonn
05 83 012

Quelle: Empirische Erhebung des IfM Bonn

Motive zur Beantragung von Eigenverwaltungen können - wie bereits darge-


stellt - die Nutzung der speziellen Kenntnisse der bisherigen Geschäftsfüh-
rung, die Sicherung ihrer Verfügungs- und Vertretungsbefugnisse sowie erhoff-
te Verfahrensverkürzungen oder Kostenreduzierungen sein (Abbildung 21).
Nach den Befragungsbefunden stellen sich vor allem Einsparungen bei den
Verfahrenskosten und die Einbringungsmöglichkeiten der bisherigen Ge-
schäftsführung als entscheidungsrelevant heraus. Jeweils rund drei Viertel der
antragstellenden Unternehmen gaben diese Motive an. Drei Fünftel führten
82

den Wunsch nach Wahrung der eigenen Entscheidungsbefugnisse, etwa die


Hälfte zeitliche Effekte aufgrund einer nicht erforderlichen Einarbeitung des
Insolvenzverwalters als relevante Entscheidungsfaktoren an. Festzustellen ist
demnach, dass der Gesetzgeber bei Einführung dieser Abwicklungsform der
Interessenlage mittelständischer Unternehmen entgegen kam.

In dem vorherigen Kapitel wurden Hintergründe für die Wahl des Insolvenz-
planverfahrens dargestellt. Unternehmen, die einen Antrag auf Eigenverwal-
tung stellten, weisen - wie differenzierte Analysen annehmen lassen - diesbe-
züglich einige Besonderheiten auf:67 So gaben überdurchschnittlich oft
Rechtsanwälte sowie vorläufige Insolvenzverwalter die erste Anregung zum
Planverfahren. Print- und Onlinemedien waren hingegen für Unternehmen, die
einen Antrag auf Eigenverwaltung stellten, nur vergleichsweise selten Impuls-
geber. Man hätte erwarten können, dass aufgrund der beabsichtigten Abwick-
lung in Eigenregie gerade von ihnen eigene Informationsbeschaffungsaktivitä-
ten unternommen worden wären. Festzustellen ist ferner, dass die Motivati-
onslage antragstellender Unternehmen naturgemäß stärker von Bestrebungen
zur Wahrung der Qualifikation der Geschäftsführung bestimmt wird als bei an-
deren Unternehmen. Die Federführung bei der Planaufstellung übernahmen
schließlich häufiger Unternehmensberater, die von 36,8 % der antragstellen-
den Unternehmen - wohl zum Ausgleich eigener Know-how-Defizite - in An-
spruch genommen wurden.

4.5 Durchführung des Planvorhabens

4.5.1 Zeitpunkt der Planerstellung

Insolvenzpläne können bereits mit dem Eröffnungsantrag oder zur Verfah-


renseröffnung dem zuständigen Insolvenzgericht vorgelegt werden. Aus Ex-
pertensicht lassen sich durch die Ausarbeitung eines professionell und seriös
aufgebauten Insolvenzplans bereits im Vorfeld der Antragstellung und dessen
Einreichung mit dem Insolvenzantrag positive Effekte hinsichtlich der Haltung
von Insolvenzgerichten und Gläubigern zum Planvorhaben erzielen. Die Mög-
lichkeit zur Erstellung und Einreichung eines vorbereiteten Insolvenzplans
(prepackaged Plan) nutzen immerhin rund ein Drittel der antwortenden Unter-
nehmen (Abbildung 22). Überwiegend erfolgt die Ausarbeitung des Plans je-

67 Etwaige Besonderheiten der Eigenverwaltungsfälle im Hinblick auf die Planrealisation


und die Einschätzung von Hindernissen oder Unterstützungsleistungen werden in den
folgenden Kapiteln dargestellt.
83

doch erst nach Einreichung des Insolvenzantrags. Dies dürfte u.a. mit dem
noch geringen Bekanntheitsgrad des Insolvenzplanverfahrens zusammenhän-
gen. Planinitiativen gehen zudem - wie berichtet - vielfach von Insolvenzver-
waltern aus, die aber erst nach dem Insolvenzantrag tätig werden.

Abbildung 22: Zeitpunkt der Erstellung von Insolvenzplänen

32,0%

68,0%

Planerstellung vor Insolvenzantrag


Planerstellung nach Insolvenzantrag

n = 50 © IfM Bonn
06 83 042

Quelle: Empirische Erhebung des IfM Bonn

Der Zeitpunkt der Planerstellung wird nach den Befragungsbefunden anschei-


nend nicht von der Unternehmensgröße beeinflusst. Dieses Ergebnis ist inso-
fern erstaunlich, als man in größeren Unternehmen eine bessere Informations-
lage hinsichtlich der Optionen des Insolvenzverfahrens vermuten könnte.
Auswirkungen der Insolvenzursachen auf die Erstellung von prepackaged Plä-
nen sind ebenfalls - entgegen den Erwartungen - nicht festzustellen. Letztlich
lassen sich in Bezug auf den Planerstellungszeitpunkt nur Zusammenhänge
mit der Beantragung von Eigenverwaltungen erkennen. So hat rund die Hälfte
der Unternehmen, die einen Antrag auf Eigenverwaltung stellten, bereits mit
ihrem Insolvenzantrag einen vorgefertigten Plan vorgelegt, um durch diese
Vorgehensweise die Genehmigungsaussichten zu verbessern. Ohne die Ab-
sicht auf Abwicklung in Eigenregie erfolgte eine solch frühzeitige Vorlage in-
dessen nur selten (17 %).
84

4.5.2 Beteiligte an der Planerstellung

Die Entwicklung eines Insolvenzplans bedarf regelmäßig der Mitwirkung der


Unternehmensleitung. Dies drückt sich auch in den Befragungsergebnissen
aus: Bei rund 94 % der antwortenden Unternehmen war die eigene Leitung in
die hiermit zusammenhängenden Arbeiten einbezogen (Abbildung 23).
Daneben sind es erwartungsgemäß in erster Linie drei Personengruppen, wel-
che anlässlich der Erstellung eines Insolvenzplans von insolventen Unterneh-
men konsultiert werden: Steuerberater/Wirtschaftsprüfer, Banken sowie
Rechtsanwälte. Anzunehmen ist, dass Steuerberater/Wirtschaftsprüfer neben
der Klärung steuerrechtlicher Fragen vor allem mit der Erstellung der diversen
Planrechnungen und Planbilanzen beauftragt werden. Ergänzend dürften sie
ähnlich wie Rechtsanwälte teilweise mit den Gläubigerverhandlungen betraut
sein. Der hohen Bedeutung einer umfangreichen und frühzeitigen Kommunika-
tion mit den Gläubigern für die Erfolgsaussichten eines Insolvenzplans ent-
spricht, dass Banken als zumeist wichtigste Gläubigergruppe bei mehr als
zwei Fünfteln der Befragten bereits in die Aufstellung des Insolvenzplans in-
volviert waren - die Vorstellungen der Gläubigerseite mithin frühzeitig in die
Ausarbeitung des Planinhalts einbezogen war.

Abbildung 23: Beteiligte an der Planerstellung (Mehrfachnennungen)

in %

Unternehmensleitung 93,6
Steuerberater/Wirtschaftsprüfer 49,0
Bank 44,9
Rechtsanwalt 40,8
Unternehmensberater 26,5
Insolvenzgericht 24,5
Kunden 16,3
Einzelne Gläubiger 10,2
Mitarbeiter 10,2
Gläubigerversammlung 10,2
Betriebsrat 8,2
Neue Investoren 8,2
Öffentliche Einrichtungen 2,0
Sonstige 4,1

n = 49 © IfM Bonn
05 83 016

Quelle: Empirische Erhebung des IfM Bonn


85

Den übrigen Gruppen kommt eine weitaus geringere Bedeutung zu. Am häu-
figsten wurden hierunter noch Insolvenzgerichte und Unternehmensberater
(jeweils rund 25 %) sowie Kunden (16 %) genannt. Deutlich wird, dass die
Kommunikation mit Gläubigern kaum über die Gläubigerversammlung läuft.
Einzelne, entscheidende Gläubiger abseits des Bankensektors werden jedoch,
soweit vorhanden, einbezogen. Eine Beteiligung der Belegschaft direkt oder
mittels des Betriebsrats findet schließlich trotz der zumeist abverlangten Ein-
schnitte nur selten statt. Offenkundig wird die Bereitschaft der Mitarbeiter zu
Zugeständnissen in der Insolvenzsituation als hoch eingeschätzt und oftmals
vorausgesetzt. Ursächlich für dieses Verhalten dürften die erleichterten Bedin-
gungen für einen Personalabbau im Insolvenzarbeitsrecht sein. Der - in Kapitel
3.6 dargestellten - unbefriedigenden Situation hinsichtlich des Angebots und
der Förderung von Beratungsleistungen entspricht die praktische Bedeutungs-
losigkeit von öffentlichen Einrichtungen für die Insolvenzplanerstellung.

Die Auswahl der externen Beteiligten unterliegt nach den vorliegenden Befun-
den vermutlich größenspezifischen Effekten. Insolvenzgerichte waren bei im-
merhin rund zwei Dritteln der Verfahren von kleineren Unternehmen mit bis zu
9 Beschäftigten an der Ausarbeitung des Insolvenzplans beteiligt, in den ande-
ren Größenklassen jedoch eher nur im Ausnahmefall. Anzunehmen ist, dass
die tendenziell geringere Verfahrenskomplexität eher eine Mitwirkung ermög-
licht. Zudem dürften gerade kleinere Unternehmen dazu neigen, sich mit In-
formationsbegehren direkt an das Insolvenzgericht zu wenden. Bei Kleinunter-
nehmen ist ferner - wohl aufgrund persönlicher Kontakte - die Einbeziehung
einzelner Kunden weitaus häufiger verbreitet. Die Einbeziehung von Rechts-
anwälten nimmt mit zunehmender Beschäftigtenzahl tendenziell ab, die Beauf-
tragung von Unternehmensberatern zu. Steuerberater/Wirtschaftsprüfer wer-
den schließlich nur vergleichsweise selten von größeren Unternehmen mit
mehr als 50 Beschäftigten konsultiert. Deutlich werden somit unterschiedliche
Präferenzen für diese drei Anbieter von Beratungsleistungen je nach Unter-
nehmensgröße.

Neben der Frage einer Beteiligung an der Insolvenzplanerstellung interessiert


vor allem, wer letztlich die unterschiedlichen Vorstellungen in ein schlüssiges
und auch durchsetzungsfähiges Gesamtkonzept einbettet. Bei immerhin 58 %
der Befragten liegt die Feinabstimmung und Konzeptentwicklung für den Insol-
venzplan federführend bei der jeweiligen Unternehmensleitung (Abbildung 24).
Unternehmen, die sich für diese Vorgehensweise entschieden haben, setzen
sich demnach selbst intensiv mit eigenen Sanierungsmöglichkeiten auseinan-
86

der. Wohl aufgrund von fehlendem Spezialwissen lag die Federführung in die-
sen Fällen aber nur teilweise (25 %) ausschließlich bei der Unternehmenslei-
tung. In den übrigen Fällen erfolgte die Konzepterstellung gemeinsam mit Ex-
ternen, hierunter vor allem mit dem endgültigen Insolvenzverwalter (15 %)
oder Unternehmensberater (6 %).

Abbildung 24: Federführung bei der Planerstellung (Mehrfachnennungen)

in %

Unternehmensleitung 58,0

Endgültiger Insolvenzverwalter 40,0

Unternehmensberater 24,0

Vorläufiger Insolvenzverwalter 16,0

Steuerberater/Wirtschaftsprüfer 12,0

Rechtsanwalt 8,0

n = 50 © IfM Bonn
05 83 015

Quelle: Empirische Erhebung des IfM Bonn

Bei zwei Fünfteln der Unternehmen wurde die Federführung bei der Entwick-
lung des Insolvenzplans ausschließlich von Externen wahrgenommen. Ent-
sprechend den Befunden zur Planinitiative waren es vor allem vorläufige oder
endgültige Insolvenzverwalter, die mit dieser Aufgabe betraut waren (16 %
bzw. 40 % der Befragten). Dabei ging es überdurchschnittlich oft um Fälle, in
denen auch die Planinitiative beim Insolvenzverwalter lag. Unternehmensbera-
ter zeichneten nur in knapp einem Viertel der Fälle für die Feinabstimmung
und Konzepterstellung verantwortlich. Die Beteiligung von Steuerberatern,
Wirtschaftsprüfern oder Rechtsanwälten im Verfahren dürfte sich den Befra-
gungsbefunden zufolge schließlich üblicherweise auf Auswertungen zu Einzel-
aspekten und Spezialfragen beschränken. Federführend waren sie nur bei
wenigen Befragten.
87

Auch hinsichtlich der Federführung bei der Planerstellung zeigen sich größen-
spezifische Besonderheiten. So ist bei kleinen Unternehmen mit bis zu 9 Be-
schäftigten wohl aufgrund anzunehmender Know-how-Defizite deutlich selte-
ner die Unternehmensleitung mit der Konzepterstellung beauftragt als bei grö-
ßeren. Auch eine diesbezügliche Inanspruchnahme von Unternehmensbera-
tern ist bei Kleinunternehmen selten. Umgekehrt finden allerdings überdurch-
schnittlich häufig Beauftragungen von Rechtsanwälten statt. Ursächlich hierfür
dürfte sein, dass der Stellenwert von Kommunikationsleistungen und rechtli-
chen Fragestellungen angesichts überschaubarer Forderungsstrukturen relativ
betrachtet höher ausfällt und somit eher eine Übertragung der Konzepterstel-
lung auf Rechtsanwälte nahe liegt.

4.5.3 Gesamtkosten

Die Gesamtkosten der Befragten für die durchgeführten Insolvenzverfahren


beliefen sich - inklusive der Kosten für die Erstellung des Insolvenzplans - auf
durchschnittlich ca. 137.000 € (Median: 102.000 €). Die Kostenbelastung un-
terliegt dabei erwartungsgemäß allerdings erheblichen Schwankungen, die
sich u.a. durch Unterschiede in Unternehmensgröße und der Komplexität der
Verfahrensentwicklung erklären.68 So konnte knapp ein Fünftel das Insolvenz-
verfahren mit Kosten von bis zu 25.000 € abwickeln, wohingegen die Hälfte
der antwortenden Unternehmen Kosten von mehr als 100.000 € tragen muss-
ten. Für ein knappes Fünftel entstanden Belastungen von mehr als 200.000 €
(Abbildung 25).

68 So bestimmt sich z.B. die Regelvergütung eines Insolvenzverwalters im Regelfall nach


der Höhe der Insolvenzmasse sowie der Komplexität des Insolvenzfalls (KELLER 2000).
88

Abbildung 25: Höhe der Gesamtkosten des Insolvenzverfahrens

Gesamtkosten in %

bis 25.000 € 18,4

25.001 bis 100.000 € 31,6

100.001 bis 200.000 € 31,6

mehr als 200.000 € 18,4

n = 38 © IfM Bonn
05 83 055

Quelle: Empirische Erhebung des IfM Bonn

Abbildung 26: Gesamtkosten je Mitarbeiter und je 1.000 € Umsatz

Kosten je Mitarbeiter Kosten je 1.000 € Umsatz

20,6% 23,5%
28,6% 31,3%

26,5%
29,5% 20,0%
20,0%

bis 2.000 € bis 25 €


2.000 bis 5.000 € 25 bis 50 €
5000 bis 10.000 € 50 bis 100 €
mehr als 10.000 € mehr als 100 €
n = 36 © IfM Bonn
05 83 056

Quelle: Empirische Erhebung des IfM Bonn


89

Gemessen an Mitarbeiter-, Umsatz- und Bilanzzahlen im letzten Geschäftsjahr


vor der Insolvenz verursachten die durchgeführten Insolvenzverfahren durch-
schnittliche Kosten von rund 9.400 € je Mitarbeiter, 96 € pro 1.000 € Umsatz
oder 92 € je 1.000 € Bilanzsumme.69 Diese Werte geben aber ebenfalls nur
grobe Anhaltspunkte für die zu erwartende Kostenbelastung. So spiegelt sich
die erhebliche Schwankungsbreite der Kosten naturgemäß auch in den ermit-
telten Relationen wider: Gemessen an den Mitarbeiterzahlen entstanden bei
rund einem Viertel der antwortenden Unternehmen vergleichsweise geringe
Gesamtkosten je Mitarbeiter von bis zu 2.000 €, während etwa ein Viertel
mehr als 10.000 € pro Mitarbeiter aufwenden musste (Abbildung 26). Bezogen
auf den Umsatz hatten rund drei Zehntel weniger als 25 € Gesamtkosten pro
1.000 € Umsatz aufzuwenden, bei rund drei Zehntel liegt der Vergleichswert
hingegen bei 100 €.

Um Anhaltspunkte dafür zu erhalten, welche Zusatzkosten mit der Entschei-


dung zur Vorlage eines Insolvenzplans verbunden waren, wurden die Befrag-
ten gebeten, die entstandenen Gesamtkosten den Posten Insolvenzverwalter,
Insolvenzgericht sowie Kosten der Planerstellung zuzuordnen. Hiernach entfie-
len durchschnittlich rund 16 % der berichteten Gesamtkosten auf die Erstel-
lung des Insolvenzplans (Abbildung 27). Den größten Kostenblock stellten In-
solvenzverwalter mit durchschnittlich 65 % dar. Insolvenzgerichte zeichneten
im Mittel für 14 % der Gesamtkosten verantwortlich. Lediglich die Planerstel-
lungskosten sind unmittelbar als Zusatzkosten der Planvorlage zu veranschla-
gen. Dennoch bildet ein entsprechender Ansatz die tatsächlichen Zusatzkos-
ten durch die Vorlage des Insolvenzplans nicht vollständig ab. Zu berücksichti-
gen ist vielmehr, dass Vorlagen von Insolvenzplänen regelmäßig mit höheren
Kosten für Insolvenzverwalter und -gerichte verbunden sind als im Regelver-
fahren. Ursächlich sind die Mitwirkung des Insolvenzverwalters im Insolvenz-
planverfahren und zusätzliche gerichtliche Prüfpflichten. Beide Kostenpositio-
nen sind folglich in Teilen den Zusatzkosten der Planvorlage zuzurechnen,
schätzungsweise dürften 10 bis 15 % zu veranschlagen sein. Bei vorsichtiger
Schätzung könnten somit 25 bis 30 % an Mehrkosten bei Insolvenzplanverfah-
ren anfallen. Relevante Einflussfaktoren auf die zusätzliche Kostenbelastung
im Einzelfall sind vor allem Schulden-/Gläubigerstrukturen und Unterneh-
mensgröße. So werden Datenzusammenstellung und Gläubigerverhandlungen

69 Fallzahlen: n = 36 bei Umsatz und Beschäftigten, n = 26 bei Bilanzsumme.


90

ebenso wie die Insolvenzplanaufstellung mit zunehmender Anzahl an Gläubi-


gern und Schulden schwieriger und damit auch kostenintensiver.

Abbildung 27: Zusammensetzung der Gesamtkosten

5,1%

14,3%

16,3%

64,3%

Insolvenzverwalter Planerstellung

Insolvenzgericht Sonstiges
n = 33 © IfM Bonn
06 83 057

Quelle: Empirische Erhebung des IfM Bonn

Ein Großteil der berichteten Gesamtkosten wäre auch ohne Vorlage eines In-
solvenzplans entstanden. Die voraussichtliche Deckung dieser Verfahrenskos-
ten durch die Insolvenzmasse wurde bereits im Eröffnungsverfahren seitens
des Insolvenzgerichts überprüft. Zusätzlicher Liquiditätsbedarf im Insolvenz-
verfahren entsteht aber im Regelfall durch die Kosten der Insolvenzplanerstel-
lung. Werden zu ihrer Deckung neue Kredite durch den vorläufigen oder end-
gültigen Insolvenzverwalter aufgenommen, zählen diese zu den Masseschul-
den, werden mithin vorrangig bedient.70 Bei entsprechend hoher Insolvenz-
masse ist demnach eine Bereitstellung neuer Mittel durch Banken auch im In-
solvenzverfahren nicht ausgeschlossen. Im Fortführungsfall werden diese
Kredite ebenfalls zumeist eine vollständige Befriedigung erfahren. Gleiches gilt
z.B. auch für Beratungsleistungen zur Insolvenzplanerstellung, die von Insol-
venzverwaltern beauftragt werden.

70 Zur Verteilung der Insolvenzmasse sowie zu Massekosten und -schulden siehe Kapitel
2.1.2.
91

4.5.4 Gläubigerreaktionen

Nach Angaben von Experten finden vorgelegte Insolvenzpläne zumeist eine


hohe Akzeptanz auf Seiten der Gläubiger, sofern eine klar strukturierte Ver-
gleichsrechnung durchgeführt wurde und entsprechende Befriedigungsquoten
vorgesehen sind. Die vorliegenden Ergebnisse der empirischen Befragung
stützen diese Aussage: Bis auf einen Fall fanden alle durch die Befragten vor-
gelegten Insolvenzpläne die Zustimmung durch die Gläubiger, wofür nicht zu-
letzt die in Kapitel 4.7.1 dargestellten Befriedigungsquoten ausschlaggebend
gewesen sein dürften.

Bei rund 90 % der im Sample erfassten Insolvenzplanverfahren fand der vor-


gelegte Plan die Zustimmung aller Gläubigergruppen (Abbildung 28). Die Be-
stimmungen des Obstruktionsverbots fanden lediglich in 5 Fällen Anwendung.
Nur in 4 Fällen stellten Einzelgläubiger einen Antrag auf Zurückweisung, wobei
einem solchen nur einmal durch das zuständige Insolvenzgericht stattgegeben
wurde.

Abbildung 28: Annahme/Ablehnung von Insolvenzplänen durch Gläubiger

2,0%
8,2%

89,8%

Annahme nach Zustimmung aller Gläubigergruppen


Annahme auf Basis des Obstruktionsverbots
Ablehnung durch Mehrheit der Gläubigergruppen
n = 49 © IfM Bonn
06 83 054

Quelle: Empirische Erhebung des IfM Bonn

Letztlich erfolgte bei 95,9 % der hier antwortenden 49 Befragten eine gerichtli-
che Bestätigung. Nur in zwei Fällen kam es - aufgrund einer mehrheitlichen
92

Ablehnung der Gläubigergruppen bzw. aufgrund eines Antrags von Einzel-


gläubigern auf Zurückweisung - nicht zu einer Bestätigung durch das Insol-
venzgericht. Dieses Ergebnis spricht zum einem für eine hohe Qualität der
Planvorbereitungen, zum anderen ist speziell bei Planinitiativen durch Insol-
venzverwalter anzunehmen, dass eine Vorselektion aussichtsreicher Fälle
stattfindet.

Für die Praxis ist demnach davon auszugehen, dass gut strukturierte und ab-
gestimmte Insolvenzpläne zumeist die Zustimmung aller Gläubigergruppen
erfahren werden, die Bestimmungen des Obstruktionsverbots mithin - wie vom
Gesetzgeber vorgesehen - nur in Ausnahmen Anwendung finden. Anträge auf
Zurückweisungen durch Einzelgläubiger besitzen den empirischen Ergebnis-
sen zufolge kaum praktische Bedeutung, was u.a. auf Vorabstimmungen mit
wichtigen Gläubigern zurückzuführen ist. Bei Zustimmung zumindest der
Mehrheit der Gläubigergruppen dürfte ein Insolvenzplan regelmäßig eine ge-
richtliche Bestätigung erfahren. Anzunehmen ist angesichts der Positivauslese
im Sample indessen, dass die hier berichteten Befragungsergebnisse die Er-
folgsaussichten von Insolvenzplanverfahren überzeichnen und daher eher als
grobe Indikatoren zu interpretieren sind. In der Praxis dürften die Erfolgsaus-
sichten etwas niedriger ausfallen.

4.6 Insolvenzplanverfahren aus Unternehmenssicht

4.6.1 Hindernisse bei der Planerstellung

Hindernisse im Rahmen der Erstellung des Insolvenzplans können aus vier


Ursachengruppen resultieren: Allgemeinen Faktoren, Erstellungsanforderun-
gen (i.e.S.), Koordinationsanforderungen sowie Finanzierungserfordernissen.
Unter den allgemeinen Faktoren sind u.a. die notwendigen Vorarbeiten der
Planerstellung, wie die Beschaffung von Verfahrensinformationen, die Vor-
nahme der Sanierungsprüfung oder Verhandlungen mit der Belegschaft, zu
verstehen. Daneben zählen zu dieser Gruppe Faktoren, welche die unterneh-
mensinternen Planerstellungskapazitäten bestimmen, also der erforderliche
Personalaufwand oder der vorliegende Zeitdruck bei der Konzepterstellung.
Schwierigkeiten aufgrund der eigentlichen Erstellungsanforderungen stehen im
Zusammenhang mit den formalen Plananforderungen, der Datenzusammen-
stellung sowie der Entwicklung eines tragfähigen Konzepts. Die dritte Ursa-
chengruppe, Koordinationsanforderungen, stellt auf die regelmäßig erforderli-
che Abstimmung und Zusammenarbeit mit Gläubigern und Insolvenzverwal-
tern ab. Schwierigkeiten finanzieller Art können aufgrund der Planerstellungs-
93

kosten oder des allgemeinen Kapitalbedarfs während des Verfahrens entste-


hen.

Die Finanzierung der Beratungs- und Planerstellungskosten stellte für die Be-
fragten die mit deutlichem Abstand schwierigste Hürde bei der Erstellung eines
Insolvenzplans dar (vgl. Abbildung 29).71 Immerhin mehr als drei Viertel der
Befragten waren mit entsprechenden Problemen konfrontiert. Knapp die Hälfte
der Befragten stufen die hierdurch verursachten Probleme als hoch oder sehr
hoch ein. Die ermittelte Bewertungskennziffer (Mittelwert der Einzelbewertun-
gen) liegt entsprechend mit einem Wert von 3,0 weit oberhalb der anderen
Faktoren. Dieser Befund ist angesichts der - zuvor dargestellten - Kostenbe-
lastungen des Planverfahrens nur allzu verständlich, insbesondere wenn man
die ohnehin angespannte Liquiditätslage der Unternehmen berücksichtigt. Die
Sicherstellung der Unternehmensfinanzierung im Verfahren folgt mit einer Be-
wertungskennziffer von 2,5 - und damit in deutlichem Abstand - an zweiter
Stelle der Rangliste. Ihre niedriger eingestufte Bedeutung dürfte sich im We-
sentlichen dadurch erklären, dass die laufenden Kosten während des Verfah-
rens vielfach - zumindest teilweise - durch die gleichzeitig erzielten Erträge
oder z.B. das Insolvenzgeld der Bundesagentur für Arbeit gedeckt werden
können, während die u.U. hohen Zusatzbelastungen durch die Planerstellung
diesen Rahmen in den meisten Fällen sprengt.

Eine mittlere Bedeutung als Problemquelle besitzen nach dem Gesamturteil


der Befragten zum einen die diversen Planerstellungsanforderungen (Daten-
zusammenstellung, Konzeptentwicklung oder Formalanforderungen), zum an-
deren die Abstimmung mit den Gläubigern sowie der Zeitdruck bei der Kon-
zepterstellung. Hiermit in Zusammenhang stehende Schwierigkeiten traten bei
in rund 60 % der Fälle auf. Die Relevanz der übrigen zur Auswahl gestellten
Faktoren wurde nochmals niedriger eingestuft. Bemerkenswert ist hierbei vor
allem die niedrige Bewertungskennziffer für "Zugeständnisse durch die Beleg-
schaft". Nur rund etwas mehr als ein Drittel der Befragten hatten hierdurch
verursachte Schwierigkeiten, die zudem nie als sehr hoch eingestuft wurden.
Dies bestätigt die vorherigen Ausführungen zu den Konsequenzen des Insol-
venzarbeitsrechts.

71 Zur Beurteilung möglicher Erstellungsprobleme wurde den Befragten eine Skala vorge-
geben, anhand derer sie die jeweilige Relevanz bewerten sollten. Die verwendete Skala
reichte von 1 für "Keine Erschwernis" bis 5 für "Sehr hohe Erschwernis".
94

Abbildung 29: Bedeutung von Problemquellen für die Planerstellung

Mittelwerte

Beratungs-/Erstellungskosten 3,0
3,0

Unternehmensfinanzierung
2,5
während des Verfahrens

Datenzusammenstellung 2,3

Gläubigerkommunikation 2,3

Zeitdruck 2,3

Formale Anforderungen 2,2

Konzeptentwicklung
2,2

Managementdefizite
des Insolvenzverwalters 2,0

Personalaufwand
2,0

Infobeschaffung über
1,9
Verfahrensabläufe

Beurteilung der Sanierungsfähigkeit


1,8

Erreichen von
Zugeständnissen der Belegschaft 1,7

1,7
1
1,0 2
2,0 3
3,0 5
4,0
1 = keine Erschwernis 5 = sehr hohe Erschwernis

© IfM Bonn
n = 49 06 83 059

Quelle: Empirische Erhebung des IfM Bonn


95

Nach dem Gesamtbild der Bewertungen zu urteilen dürften demnach Proble-


me im Zusammenhang mit den Planerstellungsanforderungen (i.w.S.) zwar in
den meisten Fällen einen hohen Informationsbeschaffungs- und Arbeitsauf-
wand erforderlich machen, jedoch für die betroffenen Unternehmen zu bewäl-
tigen sein. Ähnliches gilt für die Kommunikationserfordernisse.

Einfluss auf die Einstufungen der Befragten nimmt nach den empirischen Er-
gebnissen u.a. die Unternehmensgröße. So beklagten vor allem Kleinunter-
nehmen Probleme mit der Datenzusammenstellung, formalen Anforderungen,
den Planerstellungskosten sowie der Finanzierung während des Verfahrens.
Ausschlaggebend für ihre größeren Probleme werden dabei vielfach Defizite
im betrieblichen Rechnungswesen und im Fachwissen der Unternehmenslei-
tungen sein. Die Finanzierungsanforderungen dürften zudem von größeren
Unternehmen insofern leichter erfüllt werden können, dass ihnen speziell von
Bankenseite oftmals eine höhere Überlebenswahrscheinlichkeit zugesprochen
wird.

Des Weiteren deuten die Befragungsbefunde darauf hin, dass die Erstellung
von prepackaged Plänen in allen Größenklassen besonders stark durch Pro-
bleme mit der Belegschaft und durch zusätzlichen Personalaufwand belastet
wird. Anzunehmen ist, dass die Gefährdung der Arbeitsplätze vor dem Insol-
venzantrag durch die Beschäftigten tendenziell weniger klar wahrgenommen
bzw. die Abstellung von Kapazitäten für die Planerstellung im normalen Ge-
schäftsbetrieb schwieriger zu gestalten ist. Zusammenhänge sind ferner in
Abhängigkeit von der Federführung bei der Planerstellung feststellbar.

4.6.2 Hindernisse bei der Plandurchsetzung

Ohne eine Überzeugung der Verfahrensbeteiligten (Gläubiger, Insolvenzver-


walter, zuständiges Gericht) von der Tragfähigkeit des entwickelten Sanie-
rungskonzepts lassen sich Insolvenzpläne nicht durchsetzen. Hinzu kommt,
dass auf Seiten der Gläubiger eine Bereitschaft zu finanziellen Zugeständnis-
sen bei den Forderungen geschaffen werden muss, was üblicherweise um-
fangreiche Vorabstimmungen mit diesen erforderlich macht. Die Verhandlun-
gen können dabei u.a. durch Interessenkonflikte unter den Gläubigern wesent-
lich erschwert werden. Belastend für die Durchsetzungschancen von Insol-
venzplänen können sich ferner Forderungen der Finanzbehörden nach einer
Versteuerung des Sanierungsgewinns auswirken. Eine Steuerfreistellung un-
terliegt seit Ende März 2003 dem Ermessen des zuständigen Finanzamtes.
96

Abbildung 30: Bedeutung von Problemquellen für die Plandurchsetzung

Mittelwerte
Erzielung von
Zugeständnissen der Gläubiger 2,7

Abstimmung mit den Gläubigern 2,6

Steuerliche Forderungen 2,6

Interessenkonflikte 2,4
zwischen Gläubigern

Überzeugung der Gläubiger 2,4


von der Konzepttragfähigkeit

Überzeugung des Insovenzverwalters 1,9

von der Konzepttragfähigkeit 1,9

Überzeugung des Gerichtes 1,7


von der Konzepttragfähigkeit 1 2 3 5
1,0 2,0 3,0 4,0
1 = keine Erschwernis 5 = sehr hohe Erschwernis

n =47 © IfM Bonn


05 83 059

Quelle: Empirische Erhebung des IfM Bonn

Tatsächlich entstanden den Befragten Durchsetzungsprobleme vor allem in-


folge einer fehlenden Bereitschaft der Gläubiger zu Zugeständnissen (Abbil-
dung 30).72 Immerhin 83 % der Befragten waren hiermit konfrontiert. Ein Vier-
tel bewertete die so entstandenen Schwierigkeiten dabei als hoch oder sehr
hoch. Eine nur geringfügig niedrigere Bedeutung kommt Steuerforderungen
und Abstimmungserfordernissen mit den Gläubigern zu. Diesbezügliche Pro-
bleme traten zwar seltener auf, wurden jedoch häufiger als hohes oder sehr
hohes Erschwernis betrachtet. Es folgen in der Rangliste Hindernisse im Zu-
sammenhang mit Interessenkonflikten unter den Gläubigern sowie deren
Überzeugung von der Konzepttragfähigkeit. Das Gesamtbild der Befunde un-
terstreicht dabei klar die Notwendigkeit einer frühzeitigen Einbindung der
(wichtigsten) Gläubiger in das Planverfahren und die Bedeutung einer effizien-
ten Verhandlungsführung.

72 Zur Beurteilung möglicher Durchsetzungsschwierigkeiten wurde den Befragten eine Ska-


la vorgegeben, anhand derer sie die jeweilige Relevanz bewerten sollten. Die verwendete
Skala reichte von 1 für "Keine Erschwernis" bis 5 für "Sehr hohe Erschwernis".
97

Die Überzeugung des Insolvenzverwalters und des Gerichts von der Tragfä-
higkeit des entwickelten Konzepts brachte für immerhin rund 46 % bzw. 57 %
der befragten Unternehmen keine Probleme. Ansonsten wurden die hiermit
verbundenen Probleme überwiegend als eher geringfügig eingestuft. Vergli-
chen mit den übrigen Faktoren fällt ihre Bedeutung wesentlich niedriger aus.
Dieser Befund ist insofern kaum überraschend, als Insolvenzgerichte zumeist
nur Plausibilitätsprüfungen vornehmen und Insolvenzverwalter vielfach an der
Aufstellung des Insolvenzplans beteiligt sind, so dass sie eigene Vorstellungen
bereits frühzeitig einbringen können.

Erneut deuten die Befragungsbefunde darauf hin, dass sich die Problemlage je
nach Mitarbeiterzahl der Unternehmen unterschiedlich darstellt. So scheint die
Überzeugung der Insolvenzverwalter und Gläubiger vor allem für Kleinunter-
nehmen eine größere Hürde darzustellen. Ursächlich könnte sein, dass ihre
Sanierungschancen grundsätzlich skeptischer beurteilt werden. Mittlere Unter-
nehmen mit 10 bis 49 Beschäftigten beklagen ferner weniger Abstimmungs-
probleme mit den einzelnen Gläubigern als andere Unternehmen. Anzuneh-
men ist, dass bei ihnen Einzelgläubiger eine tendenziell geringere Bedeutung
haben, die Gesamtzahl der Gläubiger hier aber noch überschaubar ist.

Auswirkungen auf die Sichtweise der Befragten haben nach den Befragungs-
befunden zudem die Insolvenzursachen. Erkennbar ist hier, dass eine Über-
zeugung der Gläubiger von der Konzepttragfähigkeit vor allem dann schwer
fällt, wenn der Insolvenz eine Zunahme an Außenständen oder Fehlinvestitio-
nen vorausgingen. Dies dürfte wohl damit zusammenhängen, dass bei diesen
Ursachen eher Managementdefizite der Unternehmensleitung vermutet wer-
den. Ferner scheint ein übereiltes Unternehmenswachstum generell mit gerin-
geren Plandurchsetzungsproblemen verbunden zu sein, wohingegen das Vor-
liegen zunehmender Außenstände sowie Schwierigkeiten bei der Kreditfinan-
zierung die Durchsetzung tendenziell erschweren. Erfolgsaussichten der Sa-
nierungsanstrengungen werden mithin je nach Insolvenzursache unterschied-
lich bewertet. Kaum Auswirkungen auf etwaige Durchsetzungsprobleme hat
hingegen der Zeitpunkt der Planerstellung. Lediglich eine Überzeugung des
Insolvenzverwalters fällt bei prepackaged Plänen offenbar schwerer, wohl da
dieser nicht in die Aufstellung eingebunden war, sondern ein fertiges Konzept
vorfand. Eine federführende Rolle der Unternehmensleitung bei der Planerstel-
lung führt schließlich nicht zu tendenziell höheren Durchsetzungsproblemen.
98

4.6.3 Allgemeine Insolvenzschwierigkeiten

Neben den bereits diskutierten Hürden können im Insolvenzplanverfahren


auch Schwierigkeiten auftreten, die nicht unmittelbar mit dem Insolvenzplan in
Verbindung stehen. Solche generellen Probleme im Insolvenzverfahren kön-
nen u.a. aus einem veränderten Verhalten des Unternehmensumfelds als Re-
aktion auf den Insolvenzantrag resultieren. Beispiele sind eine mangelnde Fi-
nanzierungsbereitschaft der Banken, ein Verlangen von Vorkasse oder Ab-
wanderungsbewegungen wichtiger Kunden. Wenig erklärungsbedürftig ist,
dass die Erfolgschancen der Sanierungsanstrengungen hierdurch möglicher-
weise deutlich verringert werden. Ähnliche Auswirkungen entfalten u.U. ferner
Insolvenzplan-unabhängige Probleme mit Gläubigern, Verwaltern oder Mitar-
beitern. Denkbar sind z.B. Koordinationsprobleme mit dem Insolvenzverwalter,
Einwendungen der Belegschaft gegen vorgesehene Einschnitte sowie Forde-
rungen seitens der Gläubiger.

Abbildung 31: Bedeutung allgemeiner insolvenzbedingter Probleme

in %

Verlangen von
Verlangen Vorkasse
von Vorkasse 77,3

Mangelnde Finanzierungsbereitschaft 75,0


Mangelnde Finanzierun
der Banken

Koordinationsprobleme mit
Koordinationsproblemme 31,8
Insolvenzverwalter

Nachträgliche Forderungen 31,8


Nachträgliche Forder
durch Gläubiger

Verlust wichtiger
Verlust wichtigerKunden
Kunden 13,6

Einwendungen der Belegschaft 9,1


Einwendungen
gegen Einschnitte

n = 44 © IfM Bonn
05 83 018

Quelle: Empirische Erhebung des IfM Bonn

Der Finanzbereich stellt sich auch unter den allgemeinen Problemen als
Hauptsorgenkind heraus (vgl. Abbildung 31). So hatten rund drei Viertel der
Unternehmen nach ihrem Insolvenzantrag Probleme aufgrund eines Vorkas-
severlangens ihrer Lieferanten sowie aufgrund einer mangelnden Finanzie-
99

rungsbereitschaft der Banken. Ein solches Verhalten, d.h. eine gesteigerte


Vorsicht von Banken und Lieferanten, ist einerseits nachzuvollziehen, u.U. so-
gar mit Rücksicht auf das eigene Unternehmen geboten. Die Befunde verdeut-
lichen andererseits die Schwierigkeiten insolventer Unternehmen, sich aus ih-
rer Situation wieder zu befreien. Koordinations- und Abstimmungsprobleme mit
dem Insolvenzverwalter beklagten ebenso wie nachträgliche Forderungen nur
rund ein Drittel der Befragten. Die Zusammenarbeit mit dem Insolvenzverwal-
ter verläuft demnach in den meisten Fällen zufriedenstellend. Nur selten wurde
die angespannte Unternehmenslage durch einen Absprung von wichtigen
Kunden oder fehlende Kooperationsbereitschaft der Belegschaft verschärft.
Offenkundig bewahren die meisten Kunden ihren Lieferanten oder
Dienstleistern auch in einer solch schwierigen Lage die Treue, was ein we-
sentlicher Faktor für den Erfolg des Sanierungsvorhabens ist. Gleiches gilt für
das Verhalten der Belegschaft.

4.6.4 Unterstützungsbedarf

Unterstützungsbedarf im Insolvenzplanverfahren sieht nahezu jedes der be-


fragten Unternehmen. Die Prioritätensetzung für gewünschte Unterstützungs-
leistungen weist dabei klare Schwerpunkte auf und steht im eindeutigen Zu-
sammenhang mit den von im Laufe des Planverfahrens erlebten Hindernissen.
So erhoffen sich die Befragten in erster Linie Entlastungen auf der Finanz- und
Kostenseite (Abbildung 32). Vorrangig sind für sie Hilfen bei der Neustartfinan-
zierung und den Planerstellungskosten, die von rund sieben bzw. sechs Zehn-
teln der Befragten gefordert wurden. Zwei Fünftel würden zudem Hilfen bei der
Unternehmensfinanzierung während des Verfahrens begrüßen. Ein Unterstüt-
zungsbedarf ist somit grundsätzlich vorhanden. Deutlich seltener werden hin-
gegen Hilfestellungen in Richtung einer Verfahrensmoderation oder bei der
Informationsbereitstellung gewünscht. So optierten nur rund zwei Fünftel der
Befragten für Hilfen informativer Art in Form einer Expertenvermittlung oder
der Bereitstellung von Online- oder Printinformationen. Unnötig ist in den Au-
gen der meisten Befragten schließlich eine stärke Verfahrenseinbindung Drit-
ter zu Moderationszwecken.

Vor allem Kleinunternehmen sind es, die Unterstützungsleistungen fordern.


Außer bei Hilfen zur Verhandlungsführung sind bei ihnen wesentlich höhere
Nennungen zu verzeichnen als bei den übrigen Unternehmen. Mit zunehmen-
der Unternehmensgröße nimmt der Unterstützungsbedarf tendenziell ab. Fest-
zustellen ist ferner, dass eigenverwaltete Unternehmen eine stärkere Nachfra-
100

ge nach der Bereitstellung von Informationen über das Planverfahren und der
Moderation der Gläubigerverhandlungen durch Runde Tische zu erkennen ge-
ben.

Abbildung 32: Ansatzpunkte für Unterstützungsleistungen aus Unterneh-


menssicht

in %

Neustartfinanzierung
Neustart 72,3

Finanzierung der 63,8


Planerstellung
Planerstellungskosten

Online- oder Online


Print- 44,7
Informationen

Unternehmensfinanzierung 40,4
Geschäftsbetrieb
im Insolvenzverfahren

Experten
Expertenvermittlung 38,3

Moderation durch 10,6


RundeTische"
sog. "Runde Tische

Moderation von
Gericht 8,5
Insolvenzgerichten

n = 47 © IfM Bonn
06 83 019

Quelle: Empirische Erhebung des IfM Bonn

Bei der offenen Frage nach Verbesserungsmöglichkeiten des Insolvenzplan-


verfahrens sind drei Schwerpunkte aus Unternehmenssicht erkennbar. So se-
hen die Befragten vielfach die Informationslage über Insolvenzplanverfahren
und ihre Besonderheiten im Vergleich zu den Regelverfahren als unzureichend
an. Der mangelnde Bekanntheitsgrad von Insolvenzplanverfahren wirkt sich
ihrer Ansicht nach u.a. auf die Finanzierungsbereitschaft von Banken negativ
aus, denen das Instrument und seine Vorzüge vielfach nicht bekannt seien.
Folge sei eine zunächst eher reservierte Haltung gegenüber angedachten
Planverfahren. Ferner bewerten die Befragten die Informationsbereitstellung
von Insolvenzverwaltern und Gerichten häufig als unzureichend. Hinweise auf
die Möglichkeit der Aufstellung eines Insolvenzplans seien in einigen Fällen
nicht erfolgt. Beklagt werden sehr häufig Probleme mit dem Verwalter, was zu
Forderungen nach einer freieren Verwalterwahl führte. Letztlich wurden Ver-
besserungen hinsichtlich der entstehenden Kostenbelastungen angemahnt.
101

4.7 Resultate der durchgeführten Insolvenzplanverfahren

4.7.1 Befriedigungsquoten

Wichtigstes Entscheidungskriterium der Gläubiger für ihre Haltung gegenüber


einem vorgelegten Insolvenzplan sind im Allgemeinen die vorgesehenen Be-
friedigungsquoten. Nur wenn diese höher als bei einer Liquidation des insol-
venten Unternehmens liegen, ist eine Zustimmung zu erwarten. Im Mittel sa-
hen die im Befragungssample erfassten Insolvenzpläne eine Gesamtquote von
19,5 % vor, die als sehr hoch einzustufen ist. Nur knapp ein Viertel der Insol-
venzpläne bot Quoten von weniger als 10 %, wohingegen bei knapp der Hälfte
bereits Befriedigungsquoten zwischen 10 und 25 % anvisiert wurden. Ein gu-
tes Viertel der Insolvenzpläne beinhaltete sogar eine Gesamtbefriedigung der
Forderungen von mehr als 25 % (Abbildung 33).

Abbildung 33: Befriedigungsquoten bei Annahme des Insolvenzplans und bei


alternativen Liquidationslösungen

Befriedungsquoten in %

13,0
bis 5%
73,2

13,0
5 bis 10%
7,3

47,8
10 bis 25%
14,6

26,1
mehr als 25%
4,9

Annahme des Insolvenzplans (n = 46)


Liquidation (n = 41)
© IfM Bonn
05 83 052

Quelle: Empirische Erhebung des IfM Bonn

Die Schadenssumme für die Gläubiger konnte somit - verglichen mit Gesamt-
deckungsquoten in den Jahren 1996 bis 1998 von 4 bis 8 % (ANGELE 2001,
S. 751 ff.) - in einem respektablen Ausmaß begrenzt werden. Betrachtet man
die im Rahmen der Vergleichsrechnung ermittelten Befriedigungsquoten für
102

den Zerschlagungsfall, zeigt sich die Vorteilhaftigkeit der vorgelegten Insol-


venzpläne für die Gläubiger ebenfalls. So wäre im Liquidationsfall lediglich ei-
ne durchschnittliche Quote von gut 6 % zu erwarten gewesen. Nahezu drei
Viertel der Verfahren hätten den Gläubigern insgesamt zudem eine Forde-
rungsbefriedigung in Höhe von maximal 5 % ermöglicht. Durch die Annahme
des Insolvenzplans konnten die Gläubiger in der Hälfte der Fälle Quotenver-
besserungen von über 10 Prozentpunkten erreichen (Abbildung 34). Nur bei
etwa einem Fünftel erhöhte sich die Befriedigung bei Annahme des Insolvenz-
plans "nur" um bis zu 5 Prozentpunkte. Eine stärkere Verbreitung von Insol-
venzplanverfahren wäre demnach auch im Gläubigerinteresse. Die ermittelten
Quoten belegen zudem nachdrücklich die ökonomische Sinnhaftigkeit der zu-
meist angestrebten Sanierungen.

Abbildung 34: Differenz der Befriedigungsquoten bei Planannahme und Liqui-


dation

in %

bis 5 Prozentpunkte 19,4

6 bis 10 Prozentpunkte 33,3

10 bis 20 Prozentpunkte 33,3

mehr als 20 Prozentpunkte 19,9

n = 36 © IfM Bonn
05 83 053

Quelle: Empirische Erhebung des IfM Bonn

4.7.2 Verfahrensdauer

Die Insolvenzplanverfahren des Befragungssamples waren im Schnitt rund 86


Wochen nach Stellung des Insolvenzantrags beendet. Auch hinsichtlich der
Verfahrensdauer sind indessen erhebliche Schwankungen je nach Einzelfall
festzustellen. So war bei rund 18 % der antwortenden Unternehmen das Ver-
103

fahren binnen eines halben Jahres beendet und bei weiteren 31 % innerhalb
eines Jahres (Abbildung 35). Bei jeweils einem Viertel lag die Verfahrensdauer
bei ein bis zwei Jahren bzw. überstieg zwei Jahre. Bei der Hälfte der Fälle war
das Verfahren 60 Wochen nach Antragstellung abgeschlossen (Median). In-
solvenzplanverfahren lassen sich insofern tendenziell schneller als Regelver-
fahren abwickeln.73 Lediglich im Falle sehr komplexer Strukturen, bei beson-
deren Fallgestaltungen oder Problemlagen, wie z.B. unklaren Forderungen,
sind längere Verfahrenszeiten zu erwarten.

Abbildung 35: Verfahrensdauer ab Antragstellung

in %

bis ½ Jahr 17,9

über ½ bis 1 Jahr 30,8

über 1 bis 2 Jahre 25,7

über 2 Jahre 25,6

n = 39 © IfM Bonn
06 83 058

Quelle: Empirische Erhebung des IfM Bonn

Die Eigenverwaltungsfälle im Sample konnten im Schnitt in der Hälfte der Zeit


der übrigen Insolvenzplanverfahren abgeschlossen werden (45 resp. 106 Wo-
chen), was zumindest als Indiz für schnellere Abwicklungsmöglichkeiten auf-
gefasst werden kann.

4.7.3 Arbeitsplatzerhalt

Um Informationen über die Auswirkungen der Insolvenz auf die Mitarbeiterzah-


len zu erhalten, wurde ergänzend zur bereits dargestellten Beschäftigtenzahl

73 So auch die Befunde von Expertenaussagen bei MÜLLER/GELBRICH (2001).


104

vor der Insolvenz auch nach der Gesamtzahl an Mitarbeitern im Jahr 2005,
also nach Ende des Insolvenzplanverfahrens, gefragt. Hierbei entfielen 38,8 %
auf Kleinunternehmen, wobei sich der Anteil der Ein-Mann-Unternehmen auf
rund 20 % erhöhte (Abbildung 36). Vor allem sehr kleine Unternehmen muss-
ten sich infolge der Insolvenz von sämtlichen Mitarbeitern trennen. Die durch-
schnittliche Beschäftigtenzahl der antwortenden Unternehmen reduzierte sich
dabei auf 36 Mitarbeiter, der Median auf 16. Bereits auf den ersten Blick zeigt
sich somit, dass die Insolvenz erwartungsgemäß mit einer (deutlichen) Ab-
nahme der Beschäftigung verbunden war. Überwiegend, d.h. bei knapp drei
Fünfteln der antwortenden Unternehmen, belief sich der Beschäftigtenrück-
gang aber nur auf bis zu 10 %. Etwa ein Viertel musste indessen den Mitarbei-
terstamm um 10 bis 50 % verringern und weitere 17 % trennten sich von mehr
als der Hälfte ihrer ursprünglichen Belegschaft. Von der Gesamtzahl an 2.102
Beschäftigten im vorletzten Geschäftsjahr vor der Insolvenz konnten aber
1.307 erhalten werden (62 %).

Abbildung 36: Beschäftigtengrößenklassen vor und nach der Insolvenz (2005)

in %

2,4
keine Beschäftigten
20,0

27,6
1 bis 9 Beschäftigte
18,8

37,5
10 bis 49 Beschäftigte
36,6

32,5
50 und mehr Beschäftigte
24,5

vor der Insolvenz


nach der Insolvenz
n = 41 © IfM Bonn
05 83 060

Quelle: Empirische Erhebung des IfM Bonn


105

5. Hindernisse im Insolvenzplanverfahren und ihre Überwindung


- Ergebnisse von Fallstudien des IfM Bonn

5.1 Konzeption und befragte Unternehmen

Zur genaueren Analyse der Haupthindernisse für oder im Insolvenzplanverfah-


ren wurden fünf Unternehmen mit Planerfahrung exemplarisch als Fallstudien
A bis E untersucht. Die Dokumentation der Fallstudien findet sich in Anhang 2.
Die Interviews wurden im Frühjahr 2006 auf Basis halbstandardisierter Inter-
viewleitfäden geführt. Obwohl dem IfM Bonn dank der beauftragten Recher-
chen der Verlagsgruppe Bundesanzeiger eine umfangreiche Adressdatei von
betreffenden Unternehmen zur Verfügung stand, erwies es sich als ausge-
sprochen schwierig, Unternehmer zu einem Interview zu bewegen. So lehnten
die meisten Angesprochenen ein Interview aufgrund von Befürchtungen, in der
Öffentlichkeit erneut als insolvent gebrandmarkt zu werden, ab. Insolvenzen
werden somit auch von den Betroffenen selbst immer noch als negatives
Stigma gesehen, auch trotz erfolgreicher Sanierung.

Die Fallbeispiele betreffen zwei Mal die Rechtsform der GmbH sowie jeweils
einmal eine GbR, AG und GmbH & Co. KG. Drei Mal wurde zusätzlich eine
Eigenverwaltung beantragt, die nur für ein Verfahren genehmigt wurde. Zwei
der Unternehmen wurden in den Jahren 2000 bzw. 2002 insolvent, also relativ
kurz nach der Rechtsreform, als sich die Instrumente noch in der Erprobungs-
phase befanden. Die anderen Anträge fallen in die Jahre 2003 bis 2005.

Übersicht 1: Fallbeispiele nach Wirtschaftsbereichen und Unternehmensal-


ter zum Zeitpunkt der Insolvenz sowie Beschäftigtenzahl (in
Klammern) vor der Insolvenz

Gründung Gründung
Wirtschaftsbereichen
vor max. 5 Jahren vor mehr als 5 Jahren
Verarbeitendes Gewerbe E (649)
Dienstleistungen A (8), C (50) B (25), D (8)
© IfM Bonn

Ein Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes beschäftigte vor der Insol-


venz 649 Mitarbeiter, die anderen Unternehmen aus Dienstleistungsbranchen
hatten 8 bis 50 Arbeitsplätze. Zwei der Unternehmen befanden sich in der
Nachgründungphase, drei Unternehmen waren älter als fünf Jahre. In einem
der Fälle ist die Sanierung letztendlich misslungen.
106

5.2 Problembereich: Bekanntheitsgrad und Kenntnisstand

Grundvoraussetzung für eine Auseinandersetzung mit Insolvenzplanverfahren


ist die Kenntnis über dieses Sanierungsinstrument. Der unzureichende Be-
kanntheitsgrad speziell bei insolventen Unternehmen stellt daher ein hohes
Hindernis für dieses Verfahren dar. So kam die Ursprungsidee für einen Insol-
venzplan auch nur bei einem der betrachteten Fälle von der Unternehmenslei-
tung selbst und war das Ergebnis eigener Recherchen über mögliche Verfah-
renswege (Fall C). Auch in den Fallstudien spiegelt sich die Relevanz von Ex-
ternen für die Planinitiative wider. So wäre es in den Fällen A, B und E ohne
die Anregung von Unternehmens-, Steuer- oder Rechtsberatern vermutlich
nicht zu einem Insolvenzplanverfahren gekommen. Diese unterstützten die
Schuldner dann im Folgenden bei der Erstellung eines ersten Entwurfs des
Sanierungskonzepts. Im Fall D initiierte ein im Vorfeld zur Beratung aufge-
suchter Insolvenzverwalter das Verfahren. Nach näherer Auseinandersetzung
mit dem Planverfahren wurden in allen Fällen dessen Eigenschaften positiv für
das eigene Unternehmen bewertet. Schwierig erwiesen sich allerdings Fall-
gestaltungen mit mehreren Gesellschaftern, da diese sich teilweise nicht über
den geeigneten Weg aus der Krise einigen konnten (z.B. Fall A und D).

Eine Schlüsselrolle für die Erfolgsaussichten eines Antrags auf Insolvenzplan-


verfahren nimmt nach Einschätzung der Befragten der Insolvenzverwalter ein.
Dessen Überzeugung von der Vorteilhaftigkeit dieser Vorgehensweise wurde
aber teilweise schon durch schiere Unkenntnis erschwert. Unerfahrene Ver-
walter waren dabei wie im Fall B nicht nur kurz nach dem Start der Rechtsre-
form anzutreffen, sondern wie im Fall E noch in jüngster Zeit. Die Interviewten
wiesen zudem darauf hin, dass schon im Eröffnungsverfahren Vorbehalte auf-
traten, den Geschäftsbetrieb aufrecht zu erhalten. Aus Unkenntnis oder Routi-
ne bevorzugten die zuständigen Insolvenzverwalter nach Ansicht der Befrag-
ten Schließungen und Teilverkäufe. Im Fall C war der Insolvenzverwalter zwar
einer Sanierung gewogen, für eine vorläufige Fortführung forderte er aber eine
Entlastung hinsichtlich seiner Haftung für neue Verträge. Geschäftsführung,
Verwalter und ein Hauptlieferant schlossen deswegen noch vor der Verfah-
renseröffnung einen gesonderten Vertrag, der für sechs Monate eine Unter-
nehmensfortführung finanziell absicherte. Dies belegt die Bedeutung einer
frühzeitigen und umfangreichen Kommunikation und Abstimmung mit dem In-
solvenzverwalter. Im Fall A kontaktierten Unternehmer und Unternehmensbe-
rater den Verwalter deshalb bereits unmittelbar nach seiner Bestellung.
107

Frühzeitige Kontaktaufnahmen mit dem Insolvenzgericht können die Einstel-


lung zu Sanierungsvorhaben positiv beeinflussen. In den Fällen A, B und E
suchten die Geschäftsführer - teils gemeinsam mit ihren Beratern - daher früh-
zeitig den Kontakt zu den zuständigen Richtern. Die hierdurch erzielbaren po-
sitiven Effekte zeigt vor allem Fall A auf: Nachdem der zuständige Richter be-
reits mit dem Insolvenzantrag in einem persönlichen Gespräch über die Sanie-
rungsidee informiert wurde, korrigierte er bereits in der Vorprüfungsphase den
vorgelegten Planentwurf, um die Akzeptanzchancen zu erhöhen. Schwierigkei-
ten aufgrund genereller Vorbehalte gegenüber Insolvenzplanverfahren sind
nach den Ergebnissen der Fallstudien auch bei Insolvenzgerichten bzw. den
zuständigen Richtern indessen nicht auszuschließen. Die Fallbeispiele C und
E belegen dies für ältere und jüngere Fälle. Im Fall C reagierte der Richter ab-
lehnend auf den Sanierungsweg. Er verweigerte deswegen nach Auskunft des
betreffenden Unternehmens auch anfänglich eine persönliche Kommunikation.

Als entscheidend für den Erfolg des Sanierungsvorhabens stellte sich in den
Fallstudien schließlich eine Information der Geschäftspartner über die Fortfüh-
rungsabsicht dar. Im Beispiel A versandte der Insolvenzverwalter z.B. ein
Schreiben an alle Kunden und Lieferanten, in dem betont wurde, dass Garan-
tien und Wartungsverträge Bestand haben würden. Im Verfahren D suchte der
Insolvenzverwalter wichtige öffentlich-rechtliche Vertragspartner auf, um eine
Fortführung zu gesicherten Konditionen abzuklären.

5.3 Problembereich: Verhandlungen mit den Gläubigern

Abstimmungserfordernisse bestimmen auch das Verhältnis zwischen insolven-


ten Unternehmen und Gläubigern. Dies haben die in den Fallstudien darge-
stellten Unternehmen berücksichtigt. Im Fall A wurde z.B. der Planentwurf
noch im Vorfeld der Einreichung am Gericht mit wichtigen Gläubigern abge-
stimmt. Im Verfahren C erleichterte die frühe Botschaft, dass ein Hauptgläubi-
ger noch vor dem Insolvenzantrag zu Sanierungsbeiträgen bereit war, die wei-
teren Verhandlungen mit anderen Gläubigern. Im Fall B informierte die Ge-
schäftsführung alle größeren Gläubiger telefonisch gleich nach dem Insol-
venzantrag. Eine persönliche Kommunikation erweist sich durchaus als vor-
teilhaft gegenüber einer rein schriftlichen Information. Kleingläubiger werden
dagegen meist erst später, z.B. zur ersten Gläubigerversammlung, über die
Planvorlage informiert. Notwendig ist eine frühzeitige Abstimmung insbesonde-
re deswegen, da selbst bei Gläubigern, die häufiger in Insolvenzverfahren ste-
hen, oftmals eine Unerfahrenheit mit Sanierungen festzustellen ist. Dies betraf
108

in den betrachteten Fällen speziell öffentliche Gläubiger wie z.B. den Fiskus,
Sozialversicherungsträger oder den Pensionssicherungsverein. Diese mussten
sich teilweise erst über die Besonderheiten einer Sanierung im Insolvenzfall
informieren, da sie die Liquidation des Unternehmens als Normalfall betrachte-
ten (vgl. für Sozialversicherungen Fall C und für Sanierungsgewinne C und D).

Wichtige Gläubiger wurden ferner meist in die Planerarbeitung einbezogen.


Hintergrund ist, dass die verschiedenen Interessenlagen der Gläubiger nur
mittels intensiver Verhandlungen in Einklang gebracht werden können. Im Fall
A wurden z.B. die Höhe der Forderungen bzw. Aussonderungsrechte, die an-
visierten Quoten oder der Zeitpunkt der Schuldentilgung bzw. die Länge von
Rückzahlungsperioden im Verlaufe dieser Verhandlungen angepasst. Als vor-
teilhaft erwies es sich in unseren Fallstudien, wenn ein Ansprechpartner die
Kommunikation koordiniert. Beispiel für erfolgreiche Kommunikation durch den
Schuldner liefert u.a. Fall C. Im Insolvenzverfahren verlieren die bisherigen
Ansprechpartner, die Geschäftsführer oder ihre Berater, einige ihrer Informati-
onskompetenzen, da wichtige Kommunikationsrechte an den (vorläufigen) In-
solvenzverwalter übergehen. Da die Gläubiger in der Regel auf die Expertise
Dritter mehr als auf die der Schuldner vertrauen, kann dies u.U. sogar vorteil-
haft sein. So lag im Fall D zwischen Gläubigern und Schuldnern ein gestörtes
Vertrauensverhältnis vor und war die Kommunikation blockiert. Kommunikati-
onsbedürftig sind speziell der Zuschnitt der Gläubigergruppen und Vorschläge
hinsichtlich der unterschiedlichen Befriedigungsquoten oder Auszahlungster-
mine (vgl. dazu ausführlich Fall E). Gerade nachrangige Gläubiger kennen die
gesetzlichen Regelungen nicht ausreichend und vermuteten in den betrachte-
ten Fällen teilweise per se eine "Besserstellung" gesicherter Gläubiger.

In einigen Fällen wurden die Abstimmungstermine gesondert vorbereitet. Da


erfahrungsgemäß viele Gläubiger fernbleiben, wurde in den Fällen A und B der
Einladung zur Versammlung bereits ein Vollmachtsformular beigefügt. Damit
können Gläubiger ihre Stimme an einen Anwalt der Gruppe bzw. den Insol-
venzverwalter übertragen. Für die Gläubiger entfallen dadurch zusätzliche Ver-
fahrenskosten, z.B. für einen eigenen Rechtsbeistand. Im Fall C wurde der
Insolvenzplan hingegen erst relativ spät in einer Gläubigerversammlung vor-
gestellt. Auf die Zusendung einer vorbereiteten Vollmachtserklärung wurde
verzichtet, da es sich mehrheitlich um Lieferanten aus der Region handelte,
die an einer Fortführung interessiert waren.
109

5.4 Problembereich: Finanzierung

Die Planerstellungskosten führten auch in den hier berücksichtigten Fällen zu


Problemen. Im Fall B waren die Berater z.B. bis zum Insolvenzantrag nur ge-
gen Vorkasse aktiv. Um einen Abbruch von Sanierungsberatungen zu vermei-
den, wurden die Beratungskosten in den Fällen A und B aus dem Privatver-
mögen der Geschäftsführer gezahlt. Problematischer wird jedoch die Zahlung
nach dem Insolvenzantrag. Hier entscheidet der Verwalter, ob ein externer
Sanierungsberater vergütet wird. Im Fall B wurde für diese Periode eine er-
folgsabhängige Bezahlung vereinbart, die ein erhöhtes Honorar bei Erfolg des
Sanierungsplans vorsah. Diese Vereinbarung wurde vom Insolvenzverwalter
mitgetragen.

Mit dem Insolvenzantrag werden die bestehenden Liquiditätsengpässe vorerst


gemildert. Wird - wie in den Dienstleistungsunternehmen A und C - die Kos-
tenstruktur wesentlich durch die Personalkosten bestimmt, dann ermöglicht
das Insolvenzgeld während des Eröffnungsverfahrens eine erhebliche Kosten-
reduzierung. Damit ist oft bereits ausreichend Masse für den fortlaufenden Be-
trieb vorhanden. Probleme können im Falle hoher Sachkosten auftreten, gera-
de bei Lieferungen Dritter. Diese lieferten in allen hier untersuchten Fällen nur
noch gegen Vorkasse, auch noch lange nach Ende des Insolvenzverfahrens.
Dass in der Regel die Warenkreditversicherungen mit Bekanntmachung der
Insolvenz gekündigt werden, schwächt ebenfalls die Liquidität.

In drei unserer Fallbeispiele erwiesen sich die Hausbanken als sanierungsof-


fen. Im Fall A hielt die Hausbank das Geschäftskonto aufrecht. Im Fall E ge-
währte die Bank sogar einen Kontokorrent-Kreditrahmen. Im Fall C bot die
Hausbank ein neues Geschäftskonto auf Guthabenbasis an.

Zur Finanzierung des Neustarts sind i.d.R. eine teilweise Entschuldung und
zumeist auch eine Zuführung neuen Kapitals nötig. In allen untersuchten Fall-
beispielen wurde entsprechenden Vorschlägen zugestimmt. Im Fall C stellte
der Hauptlieferant einen erneuten Lieferantenkredit und zusätzliche Finanzmit-
tel zur Verfügung, die je zur Hälfte zur Gläubigerbefriedigung und für Neuin-
vestitionen verwendet wurden. Die Hausbank der Firma E verzichtete real auf
Kreditforderungen, der verbliebene Kreditrahmen wurde in ein nachrangiges
Darlehen umgewandelt. Im Fall B musste neues Kapital aus der Privatsphäre
der Altunternehmer zugeführt werden. Die Sanierungschance im Fall D stützte
sich ganz wesentlich auf die Zusicherung eines Mindestumsatzes des Haupt-
kunden.
110

Alle Interviewten beklagen, dass vergleichsweise hohe Verfahrenskosten das


Sanierungspotenzial verringert hätten. Hier bleibt anzumerken, dass das Kos-
tensparpotenzial einer Eigenverwaltung bei den untersuchten Fällen nur unzu-
reichend genutzt wurde bzw. wie im Fall D aufgrund von Unsicherheiten im
Umgang mit Betriebsfortführungen im Insolvenzverfahren zu kontraproduktiven
Verfahrensverlängerungen geführt hatte.

Erschwert würde der Neustart zudem durch Negativeinträge im Handelsregis-


ter und bei Kreditauskunfteien. Im Fall A bemühte sich der Geschäftsführer
beispielsweise um die Ersetzung des Insolvenzeintrags durch Hinweise auf
den Abschluss des Insolvenzverfahrens bzw. die Bestätigung des Insolvenz-
plans. In diesem Fall war erst 16 Monate nach Aufhebung des Verfahrens für
neue Gläubiger erkennbar, dass die GmbH fortgeführt wird.
111

6. Fazit und Handlungsempfehlungen

Sanierungen im Insolvenzverfahren sind für deutsche Unternehmen immer


noch ein neues und gewöhnungsbedürftiges Thema. Sanierungsvorteile des
Insolvenzverfahrens gegenüber der außergerichtlichen Sanierung, wie z.B.
Einschränkungen der Gläubigerrechte, Erleichterungen im Personalabbau,
Liquiditätseffekte u.a. durch das Insolvenzgeld oder Kündigungsmöglichkeiten
laufender Verträge, werden von Schuldnern und Gläubigern noch zu selten
erkannt.

Erste Ansätze zu einer Entstigmatisierung der Insolvenz als definitivem Ende


der Unternehmensexistenz sind aber festzustellen. Initialzündung gab die In-
solvenzrechtsreform im Jahr 1999, deren Hauptziel gerade jene Entstigmati-
sierung war. Sanierungen wurden in dem Reformwerk erstmals als gleichwer-
tige Verfahrensalternativen neben Liquidationen herausgestellt. Ausdruck fan-
den die entsprechenden Bestrebungen des Gesetzgebers vor allem im neu
geschaffenen Instrument des Insolvenzplanverfahrens. Weitere Rechtsände-
rungen, wie z.B. die Einführung einer Option auf Eigenverwaltung oder die
Ermöglichung eines Insolvenzantrags im Stadium der drohenden Zahlungsun-
fähigkeit, sollten zudem - mit Blick auf die Insolvenzmasse - Unternehmen in
wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu einer möglichst frühzeitigen Stellung von
Insolvenzanträgen motivieren.

Das Insolvenzplanverfahren bildet das Kernstück der Insolvenzrechtsreform


von 1999 und soll nach Intention des Gesetzgebers vor allem als Sanierungs-
instrument Verwendung finden, obwohl grundsätzlich auch andere Verwer-
tungsformen vereinbart werden können. Basis des Verfahrens ist der eigentli-
che Insolvenzplan. Dieser stellt den präzisen Vorschlag des insolventen Un-
ternehmens bzw. des beauftragen Insolvenzverwalters an die Gläubiger dar,
die Abwicklung der Insolvenz abweichend von den gesetzlichen Vorgaben für
die Regelverwertung vorzunehmen. Der Gesetzgeber gewährt den Beteiligten
dabei weitreichende Abschluss- und Inhaltsfreiheit. Eine Entscheidung zu-
gunsten dieses Verfahrens liegt u.a. dann nahe, wenn für den zukünftigen Un-
ternehmenserfolg entscheidende Vermögenswerte an den Rechtsträger ge-
bunden sind. So ermöglichen Planverfahren im Unterschied zur übertragenden
Sanierung nicht nur eine Restrukturierung des insolventen Unternehmens,
sondern auch des Rechtsträgers. Vorteile bietet der Insolvenzplan zudem in
Hinblick auf die Durchsetzung von Sanierungskonzepten. Gruppenbildung und
Obstruktionsverbot erleichtern die Erreichung der notwendigen Gläubigerzu-
112

stimmung und ermöglichen die Überstimmung von sog. Akkordstörern. Sanie-


rungskonzepte können somit gegen den Widerstand einzelner oder bestimm-
ter Gruppen der Gläubiger durchgesetzt werden.

Insolvenzplanverfahren - wie auch Eigenverwaltungen - besitzen bislang je-


doch nur eine sehr geringe praktische Relevanz. Zwischen 1999 und 2005
wurde insgesamt nur rund 1.300 Mal von der Eigenverwaltung bzw. 800 Mal
vom Insolvenzplan Gebrauch gemacht. Die Nutzung dieser Instrumente stellt
damit weiterhin den Ausnahmefall dar. Mit jährlichen Fallzahlen zwischen 130
und 240 wurde die Eigenverwaltung nur bei rd. 6 Promille aller Insolvenzanträ-
ge bzw. 10 Promille aller eröffneten Verfahren genehmigt. Noch seltener wer-
den Insolvenzplanverfahren durchgeführt. So werden durchschnittlich nur rund
6 Promille der eröffneten Insolvenzverfahren auf diesem Wege abgewickelt.
Bei einer vorsichtig geschätzten Zahl von 12.000 sanierungsfähigen Unter-
nehmen in den letzten Jahren, verdeutlichen speziell die Befunde zu Insol-
venzplanverfahren, dass das Sanierungspotenzial insolventer Unternehmen
nur selten genutzt wird.

Der geringe Verbreitungsgrad der neuen Verfahrenswege ist dabei zum einen
Folge des als unzureichend einzustufenden Bekanntheitsgrads bei Gläubigern
und Unternehmen, zum anderen sind viele Insolvenzverwalter und Insolvenz-
gerichte mit diesen Verfahren immer noch wenig vertraut und haben teils er-
hebliche Vorbehalte dagegen. Trotz des geringen Verbreitungsgrads findet
bislang eine Förderung des Bekanntheitsgrads und der Nutzungsmöglichkei-
ten durch die Wirtschafts- und Förderpolitik - aufgrund ihrer Fokussierung auf
Unternehmensgründungen und wachsende Unternehmen - allenfalls ansatz-
weise statt. Sanierungshilfen werden nur im Ausnahmefall erwogen und spe-
zielle Förderprogramme, die in der Insolvenz eine umfassende und kontinuier-
liche Unterstützung gewährleisten, bestehen kaum. So sehen z.B. die meisten
Beratungs- und Finanzierungsprogramme auf Bundes- oder Landesebene le-
diglich Hilfen zur Krisenprävention im vorinsolvenzlichen Stadium vor. Ledig-
lich Sachsen bietet als einziges Bundesland ein ganzheitliches Programm zur
Unterstützung von insolvenzplangestützten Sanierungen an. Gemessen an
den berichteten Insolvenzplanverfahren trifft dieses Programm auf eine rege
Nachfrage insolventer mittelständischer Unternehmen. Das Förderprogramm
schließt damit - zumindest in Sachsen - eine Lücke im Förderangebot.

Verfahrenspromotion und Entwicklung von zielgerichteten Unterstützungsleis-


tungen werden u.a. dadurch erschwert, dass kaum gesicherte Erkenntnisse
113

über die Erfahrungen mittelständischer Unternehmen mit Insolvenzplanverfah-


ren sowie deren praktische Umsetzung vorliegen. Ein wesentliches Ziel der
Studie bestand daher darin, einen Beitrag zur Schließung dieser Forschungs-
lücke zu leisten. Hierzu wurden mittels einer Auswertung der Pflichtveröffentli-
chungen im Bundesanzeiger Anschriften von Unternehmen identifiziert, die
sich für ein Insolvenzplanverfahren entschieden hatten. Insgesamt konnten auf
diese Weise über 800 Unternehmen ermittelt werden, die mittels eines schrift-
lichen, weitgehend standardisierten Fragebogens angeschrieben wurden. Die
empirische Auswertung stützt sich auf Angaben von 50 Unternehmen. Zur Er-
langung detaillierter Informationen zu zentralen Problembereichen im Insol-
venzplanverfahren wurden ergänzend Fallstudien durchgeführt.

Sanierungsinteressierte insolvente Unternehmen suchen nach den so ermittel-


ten Befunden - zumindest teilweise - aktiv nach Möglichkeiten der Krisenbe-
wältigung und stehen neuartigen Verfahrensoptionen offen gegenüber. So
ging bei rund der Hälfte des Befragungssamples das Insolvenzplanverfahren
auf die Eigeninitiative der Unternehmensleitung zurück. Impulsgeber für Un-
ternehmensleitungen waren dabei in erster Linie Externe, hierunter vor allem
Rechtsanwälte, seltener Unternehmensberater oder Insolvenzverwalter. Im-
merhin gut ein Viertel bezog die Anregung zur Verfahrenswahl aber - aus-
schließlich oder ergänzend - aus eigenen Recherchen in Print- oder Online-
medien. In mehr als 90 % der Fälle zielten die entwickelten Insolvenzpläne auf
eine klassische Sanierung ab. Die Intention des Gesetzgebers, in erster Linie
ein Sanierungsinstrument zu schaffen, wurde demnach offenkundig verwirk-
licht. Entscheidungsmotive für Insolvenzplanverfahren sind dabei in erster Li-
nie die weitere Nutzung des Humankapitals der Unternehmensleitung, eine
Beibehaltung der Gesellschafterstrukturen sowie die Erleichterung der Gläubi-
gerzustimmung. Rund 50 % der Befragten begründeten hiermit ihre Entschei-
dung. Unternehmensspezifische Faktoren wie die Sicherung langfristiger Kun-
denverträge oder das Vorhandensein unternehmensgebundener Vermögens-
gegenstände wurden hingegen deutlich seltener genannt.

Insolvenzplanverfahren lassen sich auch in Eigenverwaltung durch das insol-


vente Unternehmen abwickeln. Von dieser Kombinationsmöglichkeit machten
die Befragten recht häufig Gebrauch. So beantragten knapp zwei Fünftel so-
wohl die Eröffnung eines Planverfahrens als auch eine Eigenverwaltung. Vor
allem erhoffte Einsparungen bei den Verfahrenskosten und bessere Möglich-
keiten der bisherigen Geschäftsführung, ihre spezifischen Kenntnisse einzu-
bringen, waren dabei für die ergänzende Beantragung der Eigenverwaltung
114

ausschlaggebend. Die Erfolgsaussichten einer solch kombinierten Antragstel-


lung sind - bei fundierter Vorbereitung - als relativ hoch einzuschätzen.

Obgleich das Insolvenzrecht die Option einer Planeinreichung schon mit Ab-
gabe des Insolvenzantrags vorsieht, erfolgt die Erstellung eines Insolvenz-
plans - wohl aufgrund des geringen Bekanntheitsgrades - überwiegend erst
später. Nur rund ein Drittel der antwortenden Unternehmen, hierunter vor al-
lem eigenverwaltete, legte bereits mit dem Insolvenzantrag einen vorbereiteten
Insolvenzplan ("prepackaged Plan") vor. Unabhängig vom Zeitpunkt der Plan-
erstellung, war die betreffende Unternehmensleitung fast immer in diesen Pro-
zess einbezogen. Daneben wurden von insolventen Unternehmen vor allem
Steuerberater/Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwälte sowie Banken konsultiert.
Vorstellungen der Banken, als vielfach wichtigste Gläubigergruppe, werden
mithin häufig frühzeitig im Planerstellungsprozess berücksichtigt. Die eigentli-
che Konzeptentwicklung und Feinabstimmung lag schließlich bei etwa der
Hälfte der Befragten ebenfalls bei der Unternehmensleitung, vornehmlich aber
in Kooperation mit Externen. Bei zwei Fünfteln wurde die Federführung bei der
Entwicklung des Insolvenzplans dagegen ausschließlich von Externen, zu-
meist Insolvenzverwaltern, teilweise Unternehmensberatern, wahrgenommen.

Deutlich machen die Befragungsbefunde aber auch, dass die Abwicklung des
Insolvenzverfahrens teils mit erheblichen finanziellen Belastungen für die Be-
fragten verbunden war. So summierten sich die Gesamtkosten des Verfahrens
- inklusive der Kosten für die Erstellung des Insolvenzplans - bei rund der Hälf-
te auf über 100.000 €, bei einem Fünftel sogar auf über 200.000 €. Die
Schwankungsbreite ist aber erheblich, so fand sich umgekehrt auch rund ein
Fünftel mit Gesamtkosten von weniger als 25.000 €. Durchschnittlich entstan-
den Kosten von immerhin 137.000 €; bezogen auf Mitarbeiter oder 1.000 €
Umsatz ergaben sich Durchschnittswerte von 9.400 € bzw. 96 €. Der größte
Teil dieser Kosten (‡ 65 %) entfiel - nach Angaben der Befragten - auf Insol-
venzverwalter und -gerichte (‡ 14 %). Kosten für die Erstellung des Insol-
venzplans wurden im Mittel mit 16 % veranschlagt. Berücksichtigt man, dass
auch die Kostenpositionen Insolvenzverwalter und -gerichte durch Mitwirkung
an der Planerstellung bzw. zusätzliche gerichtliche Prüfpflichten eine Steige-
rung erfahren, dürften - bei vorsichtiger Schätzung - im Schnitt 25 bis 30 % der
Gesamtkosten auf Zusatzkosten durch die Vorlage des Insolvenzplans entfal-
len.
115

Angesichts dieser Kostenstruktur und -höhe stellte die Finanzierung der Bera-
tungs- und Planerstellungskosten auch die mit deutlichem Abstand größte
Hürde bei der Erstellung von Insolvenzplänen dar. Knapp die Hälfte der Be-
fragten stufen hierdurch verursachte Probleme als hoch oder sehr hoch ein.
Schwierigkeiten mit der Sicherstellung der Unternehmensfinanzierung im Lau-
fe des Insolvenzverfahrens rangieren an zweiter Stelle. Die Problemlage wird
hier jedoch etwas geringer bewertet, was darauf hindeutet, dass die laufenden
Kosten des Geschäftsbetriebs vielfach noch mittels Erträgen oder Einmaleffek-
ten, wie z.B. dank des Insolvenzgelds, gedeckt werden können. Probleme mit
der Durchsetzung von erstellten Insolvenzplänen resultierten vor allem aus
einer fehlenden Bereitschaft der Gläubiger zu finanziellen Zugeständnissen,
Forderungen der Finanzbehörden sowie Abstimmungserfordernissen mit den
Gläubigern. Daneben wurden die Befragten vielfach durch allgemeine insol-
venzbedingte Schwierigkeiten belastet. So hatten rund drei Viertel des Sam-
ples nach ihrem Insolvenzantrag Probleme aufgrund eines Vorkasseverlan-
gens ihrer Lieferanten oder aufgrund einer mangelnden Finanzierungsbereit-
schaft der Banken.

Die Prioritätensetzung der Befragten hinsichtlich von ihnen geforderten Unter-


stützungsleistungen ist folglich eindeutig: Sie erhoffen sich in erster Linie Fi-
nanzhilfen. Vorrangig sind für sie dabei Unterstützungen bei der Neustartfi-
nanzierung und den Planerstellungskosten, die von rund sieben bzw. sechs
Zehnteln der Befragten gefordert wurden. Zwei Fünftel würden zudem Hilfen
bei der Unternehmensfinanzierung im Verfahren begrüßen. Hilfen informativer
Art in Form einer Expertenvermittlung oder Informationsbereitstellung werden
nur von rund zwei Fünftel der Befragten gewünscht.

Positive Effekte der durchgeführten Insolvenzplanverfahren lassen sich insbe-


sondere an drei Kriterien festmachen: den Befriedigungsquoten für die Gläubi-
ger, der Verfahrensdauer sowie der Arbeitsplatzsicherung. Vorteilhaft aus
Gläubigersicht gestalten sich dabei vor allem die anvisierten Befriedigungs-
quoten. Nur knapp ein Viertel der Insolvenzpläne bot Quoten von weniger als
10 %, ein gutes Viertel der Insolvenzpläne indessen mehr als 25 %. Durch-
schnittlich sahen die Insolvenzpläne eine Gesamtquote von 20 % vor, wohin-
gegen im Liquidationsfall im Schnitt nur gut 6 % in Aussicht gestellt wurden.
Eine stärkere Verbreitung von Insolvenzplanverfahren ist angesichts hoher
Befriedigungsaussichten im Gläubigerinteresse. Nicht zuletzt aufgrund der an-
visierten Befriedigungsquoten konnte in den meisten Fällen des Befragungs-
samples letztlich eine Zustimmung aller Gläubigergruppen erreicht werden.
116

Die Bestimmungen des Obstruktionsverbots fanden mithin nur in Ausnahme-


fällen Anwendung. Anträge auf Zurückweisungen durch Einzelgläubiger ka-
men kaum vor. Vorteilhaft aus Gläubiger- wie auch aus Schuldnersicht gestal-
teten sich zudem im Durchschnitt die Verfahrensdauern. So erfolgte gerichtli-
che Bestätigung des vorgelegten Insolvenzplans im Schnitt bereits rund 1,5
Jahre nach Stellung des Insolvenzantrags (Median: 1 Jahr) und damit schnel-
ler als im Regelverfahren. Positiv zu werten sind schließlich die Beschäfti-
gungseffekte. Zwar waren die durchgeführten Insolvenzplanverfahren - erwar-
tungsgemäß - im Regelfall mit einem Beschäftigtenabbau verbunden, immer-
hin etwa drei Fünftel der vor der Insolvenz bestehenden Arbeitsplätze konnten
indessen von den befragten Unternehmen erhalten werden.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der Gesetzgeber mit Insolvenz-


planverfahren ein konzeptionell überzeugendes Instrument geschaffen hat,
das eine Unternehmensneustrukturierung und -sanierung unter speziellen, be-
günstigenden Bedingungen ermöglicht. Seine Anwendung ist dabei - entgegen
vielfach vorgebrachter Meinungen - nicht auf größere Unternehmen be-
schränkt, sondern kommt grundsätzlich auch für kleinere Unternehmen in Be-
tracht, wenn auch für diese die fachlichen und finanziellen Verfahrensanforde-
rungen oftmals größere Hürden darstellen. Als vorteilhaft ist insbesondere zu
werten, dass sich mittels Insolvenzplanverfahren die Sanierungsbestrebungen
insolventer Unternehmen mit den Befriedigungsinteressen der Gläubiger ver-
binden lassen. Die stärkere Nutzung von Insolvenzplänen wäre demnach öko-
nomisch wünschenswert. Ein niedriger Bekanntheitsgrad und ungünstiges,
negatives Insolvenzklima in Deutschland standen dem jedoch bislang entge-
gen. Gezielte Informations- und Aufklärungskampagnen sind somit unabding-
bar, um insolventen Unternehmen wie auch Gläubigern das Instrument Insol-
venzplanverfahren und dessen Vorzüge speziell für angestrebte Sanierungen
bewusst zu machen.

Neben negativen Effekten auf die Verbreitung hat das derzeitige Insolvenzkli-
ma in Deutschland auch Belastungen für die Anwendung von Insolvenzplan-
verfahren zur Folge. Die vorherrschende Stigmatisierung der Insolvenz ver-
stellt bei vielen Beteiligten, insbesondere Gläubigern, eine wertfreie und sach-
gerechte Annäherung an Sanierungsvorhaben in der Insolvenz im Allgemeinen
und mit Insolvenzplanverfahren im Speziellen. Entsprechende Vorbehalte drü-
cken sich u.a. in einer mangelnden Finanzierungsbereitschaft der Banken oder
Vorkasseverlangen von sonstigen Geschäftspartnern aus. Planerstellung und
Neustart insolventer Unternehmen werden hierdurch deutlich erschwert. Insol-
117

venzplanverfahren müssen heute demnach in einem Umfeld erfolgen, das die


erfolgreiche Verfahrensdurchführung wesentlich erschwert.

Entscheidend für die weitere Entwicklung von Insolvenzplanverfahren wird da-


her sein, inwieweit Bewusstseinsänderungen in Bezug auf Sanierungen in der
Insolvenz gelingen. Neben zielgerichteten Aufklärungsmaßnahmen kommen
u.a. Hinweise in Handelsregistern, Pflichtmitteilungen oder bei Kreditauskunf-
teien in Betracht, die explizit auf vorgesehene oder erfolgreich abgeschlossene
Sanierungen mittels Planverfahren hinweisen. Daneben sollte auch in der
Fortbildung von Insolvenzrichtern und -verwaltern ein besonderer Schwerpunkt
auf Sanierungsoptionen in der Insolvenz gelegt werden. Angesichts nicht an-
wendungsfreundlicher Rahmenbedingungen ist ferner über staatliche Unter-
stützungsleistungen, vor allem Finanzhilfen, bis zur Etablierung dieses Instru-
ments zu diskutieren. Mögliche Bausteine wären Hilfen bei der Planerstellung
bzw. den hierfür anfallenden Kosten, Massedarlehen zur Sicherstellung der
Unternehmensfinanzierung während des Verfahrens sowie Unterstützungsleis-
tungen beim Neustart.

Die grundsätzlich positive Bewertung von Insolvenzplanverfahren darf aber


nicht darüber hinwegtäuschen, dass Insolvenzpläne kein Allheilmittel im Kri-
senfall sind. Auch im Insolvenzplanverfahren ist die Sicherstellung des Unter-
nehmensfortbestands nur bei sanierungsfähigen und -würdigen Unternehmen
möglich und anzustreben. Ferner ist hinsichtlich einiger Detailregelungen
durchaus ein Verbesserungsbedarf der gesetzlichen Regelungen erkennbar.
Ohne sich zu stark in Rechtsfragen hineinzubewegen, können hier vor allem
zwei Punkte genannt werden. Der erste betrifft die Verwalterwahl. Angesichts
der begrenzten Erfahrung vieler Insolvenzverwalter mit Sanierungen und teil-
weise vorhandenen Vorbehalten gegen das Verfahren sollte überdacht wer-
den, ob nicht Schuldnervorschläge für Insolvenzverwalter stärker Gehör finden
sollten. Denkbar wäre z.B. ein Vorschlagsrecht des Schuldners, dem nur bei
begründeten Erwägungen seitens des Insolvenzgerichts nicht zu entsprechen
wäre. Sanierungen erfordern schließlich andere, umfangreichere Kenntnisse
als Liquidationen. Insofern ist darüber nachzudenken, ob an Insolvenzverwal-
ter im Sanierungsfall nicht höhere, gesetzliche Anforderungen gestellt werden
und die Abwicklung bei sanierungsinteressierten Unternehmen nicht aus-
schließlich durch derart spezialisierte "Sanierungsverwalter" wahrgenommen
werden sollte, wie dies z.B. in den USA der Fall ist. Einen weiteren Punkt stel-
len die Kosten des Insolvenzplanverfahrens dar. Vor allem im Falle kleinerer
Unternehmen ist zu überlegen, in welchen Bereichen Standardisierungsmög-
118

lichkeiten zur Kostensenkung Anwendung finden könnten, ohne die Gläubiger-


interessen zu beeinträchtigen.

Zielsetzung des vorliegenden Forschungsprojektes war die Ermittlung erster


Befunde zum Einsatz von Insolvenzplanverfahren im Mittelstand. Da es sich
um die erste, umfangreiche Studie zu dieser Thematik handelte, konnten die
verschiedenen relevanten Einzelaspekte naturgemäß nur ansatzweise berück-
sichtigt werden. In Folgestudien wird es daher darauf ankommen, zu einzelnen
Punkten, z.B. zu den Verfahrenskosten, Relevanz von Finanzinstrumenten zur
Deckung des Finanzbedarfs im Insolvenzverfahren oder den genauen Aufga-
ben einzelner Beteiligter, weitere detaillierte Informationen zu ermitteln. Die
vorliegende Studie gibt hierfür wertvolle Anhaltspunkte. Nur näherungsweise
sind bislang ferner Aussagen zur volkswirtschaftlichen Bedeutung von Sanie-
rungen in der Insolvenz möglich. Speziell der Diskussion über die Effektivität
öffentlicher Förderprogramme für Insolvenzplanverfahren fehlt es so an einer
gesicherten Datenbasis. Diese Lücke gilt es zu schließen, sollen fundierte Ent-
scheidungen getroffen werden. Nach Ansicht der Autoren stellt schließlich die
Analyse von Auswirkungen einzelner rechtlicher Bestimmungen des Planver-
fahrens auf Häufigkeit und Ausgestaltung von Insolvenzplanverfahren ein inte-
ressantes Betätigungsfeld zukünftiger Forschungsaktivitäten dar. Vor allem für
Regelungsaspekte, die wie z.B. bei den Verfahrenskosten zu unintendierten
Ergebnissen führen, könnten so wertvolle Anregungen für zielgerichtete Ver-
besserungen ermittelt werden.
119

Anhang 1: Übersichten
120

Übersicht 1A: Vergleich von Insolvenzplanverfahren und Chapter 11


U.S.-Bankruptcy Code

Chapter 11
Insolvenzplanverfahren
U.S.-Bankruptcy Code
Antrag auf Insolvenz- Ja Ja
verfahren erforderlich
Antragsberechtigte für Schuldner und Gläubiger Schuldner und Gläubiger
Insolvenzverfahren
Verwaltungs- und Regelfall: Einsetzung eines Verwal- Regelfall: Eigenverwaltung des
Verfügungsbefugnis ters Schuldners
Ausnahme: Eigenverwaltung durch Ausnahme: Einsetzung eines
Schuldner Verwalters auf Antrag der Gläu-
biger
Gläubigerausschuss Fakultative Bildung Stets, Bildung mehrerer Aus-
schüsse zulässig
Sicherung des Ab Eröffnung des Insolvenzverfah- Ab Insolvenzantragstellung
Schuldnervermögens rens, vorher nur durch gerichtliche
gegen Gläubiger- Verfügung
zugriff
Recht zur Vorlage Schuldner oder Verwalter Schuldner
eines Planes
Mögliche Verfahrens- Reorganisation, Liquidation, über- Reorganisation
ziele tragende Sanierung
Zeitpunkt der Vorlage Vor Insolvenzantrag, während des Mit Antragstellung für Verfahren
eines (Reorganisati- Eröffnungsverfahren, im Verfahren nach Chapter 11
ons-) Planes auf Antrag der ersten Gläubigerver-
sammlung; Veränderung bis zum
Abstimmungstermin möglich
Zustimmungsregeln Zustimmung aller Gruppen; inner- Einfache Kopf- und 2/3 Sum-
halb der Gruppe muss die einfache menmehrheit
Kopfmehrheit und Summenmehrheit
erreicht werden;
bei Zustimmung von mehr als die
Hälfte der Gruppen: gerichtlicher
Zustimmungsersatz gemäß Obst-
ruktionsklausel möglich
Bildung von Gläubi- Ja, mit gleichartigen Rechten Ja, mit gleichartigen Rechten
gergruppen
Restschuldbefreiung I.d.R. Bestandteil des Planes I.d.R. Bestandteil des Planes

Quelle: In Anlehnung an SMID/RATTUNDE (2005): Der Insolvenzplan, 2. Auflage, S. 46


Übersicht 2A: Insolventen Unternehmen offenstehende Beratungsprogramme
Anteil an den Max.
Name des Durchführende
Region Besonderheiten Beratungs- Zuschuss
Angebots Stelle
kosten
Bund Förderung von Unterneh- 7 Leitstellen bei Wirtschafts- Ausschluss von überwiegend 40% Max. 1.500 €
mensberatungen durch kammern und - rechtlichen Beratungsinhalten
Freiberufler für KMU vereinigungen
Bund; Innovationsmanagement Verband der Innovations- Beratung bei Produkt- und Ver- je nach Stufe bis zu Beratertage bis max.
Neue in kleinen Unternehmen und Technologieberatungs- fahrensinnovationen 55% 700 €
Bundes- und Handwerksbetrieben organisationen Deutschland
länder in den neuen Bundeslän- (VITO e.V.)
dern ("INNOMAN")
Bayern Mittelständisches Indust- RKW Bayern Nicht für Beratungen, die sich Bis zu 25 % des Max. 180 €
rieberatungsprogramm überwiegend auf Rechtsverfah- Tageswerkhonorars
(MIB) ren beziehen

Berlin Coaching für junge Unter- Gesellschaft für soziale Unternehmen bis max. 20 Ar- 100 % 63 Coachingstunden
121

nehmen Unternehmensberatung beitskräfte


mbH (gsub)

Bremen Beratungs- WfG Bremer Wirtschaftsför- Nicht für Beratungen, die sich 50 % 15.000 € pro Projekt;
kostenzuschuss derung GmbH überwiegend auf Rechtsverfah- max. 50.000 € pro Un-
ren beziehen ternehmen in 3 Jahren
Umstrukturierungsvorhaben in
Zusammenhang mit der Gewäh-
rung von Bürgschaften
Bremen Beratung kleiner und mitt- RKW Bremen Brancheneinschränkungen 50 bis 80 % 7.000 bis 10.000 €
lerer Unternehmen
Anteil an den Max.
Name des Durchführende
Region Besonderheiten Beratungs- Zuschuss
Angebots Stelle
kosten
Nordrhein- RWP Beratungsförderung Regionale Wirtschaftsförde- Beratungen bei Umstrukturie- 50 % 1.250 €/Tagewerk für
Westfalen in NRW rung (RWP) rungsvorhaben im Zusammen- insgesamt max. 15
hang mit der Gewährung von Tagewerke.
Landesbürgschaften und Bürg- max. 60 Tagewerke bei
schaften der Bürgschaftsbank Erwerb einer von Still-
NRW legung bedrohten oder
stillgelegten Betriebs-
stätte durch Beleg-
schaftsinitiativen
Rhein- Förderung der allgemei- RKW Rheinland-Pfalz Nicht für Beratungen, die sich Max. 275 € pro Ta- Max. 40 Tagewerke in
land-Pfalz nen Betriebsberatung überwiegend auf Rechtsverfah- gewerk 5 Jahren
ren beziehen
Sachsen Krisenbewältigung und SAB , Wirtschaftskammern Spezielles Programm zur Förde- Ca. 50 % der Erstel-
122

Neustart rung der eines Insolvenzplanes lungskosten


Thüringen Beratung und Manage- RKW Thüringen Nicht für Beratungen, die sich Bis zu 75 % bei
menteinsatz in KMU überwiegend auf Rechtsverfah- Kurzzeitberatungen,
ren beziehen höchstens 400 €/Ta-
gewerk
Quelle: Recherche des IfM Bonn (nach Angaben der Förderdatenbank des BMWi, im Einzelfall Angaben der Länder) (Stand: Mai 2006)
Übersicht 3A: Insolventen Unternehmen offen stehende Finanzierungsprogramme

Name des Durchführende Voraussetzung für die


Region Art der Hilfe Maximale Höhe
Angebots Stelle Inanspruchnahme
Bayern Akutkredit LfA Förderbank Darlehen Vorlage eines tragfähigen Um- bis max. 1,4 Mio. €
Bayern strukturierungsplans

Berlin Konsolidie- Investitionsbank Darlehen oder Vorlage eines tragfähigen Um- i.d.R. bis zu 1 Mio. €
rungsfonds II Berlin Stille Beteiligungen strukturierungsplans, nur im Ost-
teil Berlins
Sachsen Rettung und Sächsische Auf- Darlehen Positiver Vorab-Check bis max. 1,5 Mio. €
Umstrukturie- baubank (SAB)
rung von KMU
Sachsen Krisenbewälti- Sächsische Auf- Massedarlehen im Vorgelegter Insolvenzplan Massedarlehen bis 100.000 €
gung und Neu- baubank (SAB) Insolvenzverfahren, Neustart-Darlehen bis 100.000 €
start Darlehen zur Neu-
startfinanzierung
123

Thüringen Konsolidie- Thüringer Aufbau- Darlehen Vorlage eines tragfähigen Um- bis max. 1 Mio. €
rungsfonds bank strukturierungsplans

Quelle: Recherche des IfM Bonn (nach Angaben der Förderdatenbank des BMWi, im Einzelfall Angaben der Länder) (Stand: Mai 2006)
Übersicht 4A: Durchführende Stellen von Bürgschaftsprogrammen in den einzelnen Bundesländern

Name des Durchführende


Bundesland
Angebots Stelle
Bayern Bürgschaften der LfA LfA Förderbank Bayern
Berlin Bürgschaften zur Förderung der Investitionsbank Berlin
Berliner Wirtschaft
Brandenburg Bürgschaften des Landes Brandenburg PwC
Bremen Bürgschaften Bremer Aufbau-Bank GmbH
Hamburg BG-Intensiv! Bürgschaftsgemeinschaft Hamburg mbH
Hessen Bürgschaften und Garantien Investitionsbank Hessen (IBH)
für die gewerbliche Wirtschaft
Mecklenburg- Landesbürgschaft PwC Schwerin
124

Vorpommern
Niedersachsen Allgemeine Bürgschaftsrichtlinie des Landes PwC Hannover
Nordrhein- Landesbürgschaft NRW PwC Düsseldorf
Westfalen
Sachsen Landesbürgschaft PwC Dresden
Sachsen-Anhalt Landesbürgschaft PwC Magdeburg
Thüringen TAB-Bürgschaftsprogramm Thüringer Aufbaubank

Quelle: Recherche des IfM Bonn (nach Angaben der Förderdatenbank des BMWi, im Einzelfall Angaben der Länder) (Stand: Mai 2006)
125

Anhang 2: Dokumentation der Fallstudien


126

Fall A: Softwarehaus GmbH

I. Unternehmensdaten

Branche: EDV-Software, unternehmensnahe Dienstleistungen


Unternehmensgründung: 1999
Rechtsform/Gründer: GmbH mit Gesellschaftern A und B; 2004 Ausstieg des
Gesellschafters B

Insolvenzantrag/
2002 2003 2005
Verfahrensende
Mitarbeiter 15 8 08.04.2004 / 10
Umsatz 1,5 Mio. € rd. 1,5 Mio. € 01.12.2004 0,5 Mio. €
Gewinn/Verlust - 300.000 € - 20.000 € Verlust

II. Zur Entwicklung der Krise

Der für den Jahrtausendwechsel erhoffte Boom im EDV-Sektor fiel weitestgehend


aus, in der Folgezeit litt die gesamte Branche unter Überkapazitäten. Die Geschäfts-
führung reagierte zögerlich auf die sinkende Nachfrage. Im Jahr 2002 stiegen zwar
die Umsätze, brachen aber 2003 erneut weg. Schnelle Anpassungsreaktionen auf
der Kostenseite wurden durch langfristige Miet- und Leasingverträge bzw. den Kün-
digungsschutz blockiert.
Im März 2004 kontaktierte die Geschäftsführung einen Unternehmensberater sowie
einen Rechtsanwalt, da in naher Zukunft die Zahlungsunfähigkeit drohte. Zur Bewer-
tung der vorliegenden Bilanzen und zur Abwägung verschiedener Sanierungsoptio-
nen wurde der Steuerberater hinzugezogen. Die Sanierungsidee bestand darin, den
Personalbestand zu reduzieren und weitere laufende Kosten zu senken. Der Ge-
schäftsbetrieb sollte sich ganz wesentlich auf die vorhandenen Lizenz- und War-
tungsverträge stützen, verbunden mit der Akquise neuer Kunden.

III. Insolvenzverfahren und Ausarbeitung des Insolvenzplans

Insolvenzantrag: 08.04.2004 Antrag des Schuldners bei gleichzeitiger


Ankündigung eines Insolvenzplans
Verfahrenseröffnung: 01.06.2004
Abstimmungstermin: 04.10.2004
Verfahrensaufhebung: 01.12.2004

Bereitschaft zum Insolvenzplanverfahren

In der Beratung zwischen Geschäftsführung, Unternehmens- und Steuerberater im


März 2004 wurden folgende Optionen besprochen: a) ein außergerichtlicher Ver-
gleich, b) ein Insolvenzverfahren, eventuell verbunden mit einer übertragenden Sa-
nierung und c) ein Insolvenzplan zur Sanierung der GmbH. Zuerst wurde ein außer-
gerichtlicher Vergleich erwogen. Dieser hätte aber aufgrund des Kündigungsschutzes
127

keine Chancen zum schnellen Personalabbau geboten. Der Lösungsweg scheiterte


zudem an der Uneinigkeit der Gesellschafter. Gesellschafter B, der 70 % der Anteile
hielt, hatte das Interesse an einer weiteren Selbständigkeit verloren und wollte aus
der GmbH aussteigen. Seine Ablösung hätte die Liquidität der GmbH bzw. des Ge-
sellschafters A weiter verringert. Bei der Variante Regelinsolvenzverfahren hätte das
Risiko bestanden, dass der Insolvenzverwalter die Fortführungspläne ablehnt. Mittels
einer übertragenden Sanierung wäre zwar der Betrieb zu erhalten, aber höchstwahr-
scheinlich das Ausscheiden des A aus der Gesellschaft verbunden gewesen. Dies
hätte A die berufliche Perspektive genommen, denn auch der Arbeitsmarkt bot wenig
Chancen.
A sah sich aufgrund seiner Erfahrung für eine Fortführung gerüstet. Zudem sprachen
laufende Lizenz- und Wartungsaufträge und vorhandene Referenzen für den Erhalt
des Unternehmens als Rechtsträger. Zur Lösung bot sich daher ein Insolvenzplan an
und es wurde ein erster Grobentwurf erarbeitet. Am 8. April wurde ein Insolvenzan-
trag, verbunden mit dem Hinweis auf einen Insolvenzplan in Vorbereitung, einge-
reicht. Der Berater bat den Insolvenzrichter unmittelbar um ein Gespräch, um die Sa-
nierungsoption persönlich zu erläutern und so die Sanierungschancen zu erhöhen.
Der Richter bestellte einen vorläufigen Insolvenzverwalter und beauftragte ihn, bis
Ende Mai 2004 ein Gutachten zum Status Quo zu erstellen. Der Unternehmensbera-
ter regte den Insolvenzverwalter am selben Tag in einem Telefonat an, die Sanie-
rungsvariante des Insolvenzplans zu prüfen. Noch am selben Tag wurde darüber ein
Dreier-Gespräch zwischen Unternehmer, Unternehmensberater und Verwalter ge-
führt. Der Verwalter entschied sich daraufhin für ein aktives Weiterführen des Ge-
schäftsbetriebs. Da Geschäftsleute bei einem Insolvenzantrag eine anschließende
Unternehmensschließung erwarten, versandte der Verwalter ein Schreiben an alle
Kunden und Lieferanten, in dem betont wurde, dass Garantien und Wartungsverträge
Bestand haben würden. Das weitere Vorgehen und die Aufrechterhaltung des Ge-
schäftsbetriebs wurden vom Verwalter zusammen mit dem Schuldner geplant.
Nachdem der Verwalter ein positives Eröffnungsgutachten erstellt hatte, wurde das
Insolvenzverfahren zum Juni 2004 eröffnet. Der vorläufige Insolvenzverwalter wurde
zum endgültigen Verwalter ernannt, womit Kontinuität im Sanierungsprozess gewahrt
werden konnte.
Der Plan wurde im Juni 2006, also im Vorfeld der Einreichung am Gericht, mit wichti-
gen Gläubigern, z.B. den Banken, und einzelnen Kunden abgestimmt. Der überarbei-
tete Entwurf wurde dem Gericht im September 2004 vorgelegt.

Planinhalte

Im Insolvenzverfahren wurden von 25 Gläubigern Forderungen in Höhe von


498.000 € angemeldet, letztendlich wurden davon rund 385.000 € (d.h. rd. 77 %) als
rechtens festgesetzt. Diese Altschulden sollten anteilig über Ratenzahlungen getilgt
werden.
Der erste Planvorschlag des Unternehmensverwalters hatte nur eine Gläubigergrup-
pe vorgesehen, da keine absonderungsberechtigten Gläubiger betroffen waren. In
128

der Planvorlage wurden die Varianten Zerschlagung und Sanierung (mit Prognosen
bis 2006) verglichen. Bei Annahme hätte die Befriedigungsquote bei rd. 16,5 % gele-
gen. Im Zerschlagungsfall wäre das Unternehmen abgewickelt und Ende 2004 eine
Quote von rund einem Prozent ausgezahlt worden. Zwar stimmten zwei Großgläubi-
ger diesem Entwurf vorab zu, andere lehnten den Vorschlag jedoch ab, da die Zeit-
spanne der Schuldentilgung, die sich aus Erträgen des laufenden Geschäfts speisen
sollte, als zu kurz bewertet wurde. Die Gläubiger forderten einen um ein halbes Jahr
verlängerten Zeitraum, um die Quote zu erhöhen.
Der überarbeitete Planentwurf sah die Bildung von vier Gläubigergruppen vor, deren
Forderungen durch drei Ratenzahlungen bedient werden sollten. Zwei Kleingläubi-
gergruppen, d.h. Gläubiger mit Forderungen bis zu 5.000 €, sollten sofort mit der
1. Rate 100 % der anvisierten Quote erhalten.

Übersicht: Erfüllungsquoten der Alternativszenarien

Größere Gläubiger Kleingläubiger


Liquidation 1% 1%
Fortführung 16,8 % in 3 Raten bis 2006 16,8 % sofort mit Planbestätigung

Da der Richter bereits früh in die Sanierungspläne einbezogen war, prüfte und korri-
gierte er den Planentwurf wohlwollend, legte neue Zahlungstermine fest und redu-
zierte die Gruppen auf drei, um eine ungerade Anzahl der Gruppen zu erreichen. Im
letzten Planentwurf waren Ratenzahlungen bis zu einer Gesamthöhe von 16,8 % zu
festen Zahlungsterminen bis Februar 2007 vorgesehen. Die Gesellschafteranteile
des B wurden von A für 1 € übernommen.

Finanzierungsaspekte

Mit dem anteiligen Verzicht der Gläubiger war die GmbH auf ein neues finanzielles
Fundament gestellt. Die laufenden Kundenverträge sollten ausreichend Gewinn für
die anvisierte Ratenzahlung einbringen. Die Ausgaben der GmbH wurden wesentlich
durch Personalkosten bestimmt, die gleich zu Verfahrensbeginn über Entlassungen
und das Insolvenzgeld reduziert werden konnten. Daneben wurden die in der Insol-
venz möglichen Sonderkündigungsrechte für langfristige Verträge z.B. für Miete und
geleaste Kfz zur Kostenreduzierung genutzt. Die Hausbank, eine größere Privatbank,
zeigte sich kulant und hielt das Geschäftskonto aufrecht. Die Verfügungsrechte gin-
gen an den Insolvenzverwalter über.
Der Richter hatte eine im ersten Planentwurf vorgesehene Sondervereinbarung zur
Ablösung einer Privatbürgschaft zwischen beiden Geschäftsführern und einer zwei-
ten Bank (X) aus dem Plan gestrichen. Die Bank X hatte A und B für einen Firmen-
kredit über 20.000 € bürgen lassen. Im Herbst 2004 waren noch rd. 12.000 € zurück-
zuzahlen. Mit dem Insolvenzantrag sperrte die X die privaten Konten der Geschäfts-
führer. Diese versuchten vergeblich, einen Vergleich mit der X zu erreichen. X forder-
te die Rückzahlung des Darlehens. A und B tilgten diese Forderung bis Dezember
2005 in drei Raten aus ihrem Privatvermögen. Erst damit war auch der private Ver-
129

mögensstatus der Geschäftsführer frei von alten Forderungen aus der Sphäre des
Unternehmens.
Das gesamte Krisenlösungsverfahren hat ca. 100.000 € gekostet. Davon entfallen
fast drei Viertel auf den Insolvenzverwalter. Die Gerichtskosten sind mit 5.000 € rela-
tiv gering. Für die Erstellung des Insolvenzplans wurden ca. 17.000 € benötigt. Im
Vorfeld der Antragstellung waren ca. 2.500 € als Honorarforderung der Unterneh-
mensberatung angefallen.

Übersicht: Kosten des Insolvenzplanverfahrens in €

Gerichtskosten 5.300
Kosten für Insolvenzverwaltung 73.700
Kosten für Planerstellung 17.400
Kosten für Unternehmensberater 2.500
Gesamtkosten ca. 99.000

IV. Kommunikation mit den Gläubigern

Zwei Monate nach dem Insolvenzantrag wurden wichtige Gläubiger über den Grob-
entwurf des Insolvenzplans informiert und in die Planerarbeitung einbezogen. Den
anderen Gläubigern wurde der Insolvenzplan in der ersten Gläubigerversammlung
präsentiert. Die Gläubiger zu einem Verzicht zu bewegen, bereitete - wie beschrie-
ben - Probleme. Um die Anreize zur Zustimmung zu erhöhen, wurden daher ver-
schiedene Gläubigergruppen mit verschiedenen Tilgungsmodalitäten gebildet. Um
zum Abstimmungstermin eine Zustimmung der Gläubigergruppen zu erreichen, wur-
de der Einladung zur Versammlung bereits ein Vollmachtsformular für Abwesenheits-
fälle von Gläubigern beigefügt, damit Gläubiger die Stimme an einen Anwalt der
Gruppe bzw. den Insolvenzverwalter übertragen konnten. Damit wurde zudem ver-
mieden, dass den Gläubigern zusätzliche Verfahrenskosten, z.B. für einen eigenen
Rechtsanwalt, entstehen. Zum Termin im Oktober 2004 waren 22 Gläubiger durch
Bevollmächtigte vertreten. Das Finanzamt akzeptierte die Lösung, d.h. auch den an-
teiligen Verzicht und die Steuerbefreiung der Sanierungsgewinne. Alle Gläubiger-
gruppen stimmten dem Plan zu.

V. Umsetzung des Insolvenzplans

Der monatliche Mietzins wurde nach Verhandlungen mit dem Vermieter von 3.000
auf 1.500 € gesenkt. Die Zahl der geleasten Kfz wurde von acht auf zwei reduziert.
Mit dem Insolvenzantrag wurden zehn Mitarbeiter freigestellt. Davon wurden später
drei als freie Mitarbeiter weiterbeschäftigt, um die Personalkosten flexibel zu halten.
Die Mitarbeiter zeigten ein hohes Ausmaß an Flexibilität und trugen einen Teil des
geschäftlichen Risikos mit. Das Unternehmen beschäftigte Anfang 2005 acht Mitar-
beiter, Ende 2005 waren es zehn und damit mehr als ursprünglich erwartet. Der Mo-
natsumsatz sank anfangs auf die Hälfte (rd. 60.000 €), stieg aber später und deckte
die Kosten für weiteres Personal. Die Vorfinanzierung von Aufträgen fällt allerdings
130

schwer. Im Frühjahr 2006 waren die Auftragslage und die Umsatzprognosen gut; für
Herbst 2006 wurde der Break Even erwartet.
Das Verfahren ist aufgrund der Branchenspezifika durch eine Besonderheit gekenn-
zeichnet. Da der Erhalt der Kundenbeziehungen angesichts laufender Serviceverträ-
ge kein Zögern erlaubte, wurde die leistungswirtschaftliche Sanierung zeitlich vorge-
zogen. So konnte der Fortbestand wichtiger Kundenbeziehungen erreicht werden.
Dennoch litt die Liquidität der GmbH unter dem Aspekt, dass einige Lieferanten nur
noch gegen Vorkasse lieferten. Mit einigen Software-Lieferanten, mit denen man ein
partnerschaftliches Verhältnis pflegt, bestehen aber auch weiterhin Leasingverträge.
Die GmbH hätte sich ein stärkeres Neuengagement der Banken erwünscht, war aber
mit diesem Ansinnen gescheitert.
Daraufhin nutzte die GmbH eine neu eröffnete Fördervariante der Sächsischen Auf-
baubank zur Neustartfinanzierung bei bestätigten Insolvenzplänen. Anfang 2005
wurde ein Betriebsmittelkredit von 70.000 € beantragt. Die Verhandlungen wurden
schnell und konstruktiv geführt. Nach Beseitigung von Irritationen über die Zeitdauer
der Gültigkeit des Förderprogramms erfolgten Kreditzusage und -auszahlung inner-
halb von vier Wochen. Für das Darlehen bürgte A mit seinem Privatvermögen. A wur-
de von der Förderbank eingeladen, sein Insolvenzplanverfahren öffentlich bei der
Einführung des Förderprogramms vorzustellen. Die damit verbundene Publizität er-
lebt A nicht als negativ.
Problematisch war die Aufhebung des Verfahrens aufgrund von offenen Verbindlich-
keiten des Verwalters. Um die Forderung nach einer Abschlussregelung aller Ver-
bindlichkeiten zu erfüllen, hat das Amtsgericht Dresden die sog. "Sonderverwaltung
von Sondervermögen" als Modellregelung erarbeitet: Danach erhält der Verwalter
das Recht zu einer Sonderverwaltung, die ihm erlaubt, offene Verbindlichkeiten spä-
ter selbst zu regeln. In diesem Fall wurde die Sonderverwaltung wegen einer Forde-
rung bis März 2005 aufrechterhalten. Das hatte allerdings den Effekt, dass sich auch
der Eintrag über das Ende des Verfahrens bei Kreditauskunfteien verzögerte.
Der Schufa-Eintrag über ein laufendes Insolvenzverfahren erwies sich als das größte
Folgeproblem. Auch im Handelsregister stand die Meldung "GmbH in Liquidation".
A bemühte sich intensiv um eine Änderung in "Abschluss des Insolvenzverfahrens
bzw. Bestätigung des Insolvenzplans". Ende 2005 erhielt er eine entsprechende Zu-
sage, die aber erst drei Monate später im Rahmen der Umstellung auf die elektroni-
sche Form des Handelsregisters umgesetzt wurde. Damit war erst 16 Monate nach
Aufhebung des Verfahrens für neue Gläubiger erkennbar, dass die GmbH fortgeführt
wird.

VI. Interviewpartner

Geschäftsführender Gesellschafter, Mitte 40 Jahre alt,


abgeschlossenes Ingenieurstudium, seit 1999 als einer der zwei Geschäftsführer der
GmbH tätig, ab 2004 alleiniger Geschäftsführer.
131

Fall B: Werbeagentur AG

I. Unternehmensdaten

Branche: Werbung, unternehmensnahe Dienstleistungen


Unternehmensgründung: 1994
Rechtsform/Gründer: sog. kleine AG mit vier Hauptgesellschaftern und zwei
weiteren kleineren Gesellschaftern

Insolvenzantrag/
2002 2003 Frühjahr 2006
Verfahrensende
Mitarbeiter 40 25 09.12.2003 / 12
Umsatz 4,2 Mio. € 3,2 Mio. € 14.10.2004 in etwa nach Plan
Gewinn/Verlust geringer Verlust Verlust Gewinn seit 2003

II. Zur Entwicklung der Krise

Die Werbeagentur befand sich in den 90er Jahren auf einem Wachstumskurs, der
mittels Bankdarlehen in Höhe von rd. 500.000 € finanziert wurde. Die Gesellschafter
bürgten dafür persönlich. Die Agentur bezog größere Büros zu einer Monatsmiete
von 15.000 €. Der Vertrag sah eine jährliche Mietsteigerung von 3 % vor. Die wirt-
schaftlichen Turbulenzen, die die Terroranschläge vom 11.09.2001 ausgelöst hatten,
verunsicherten die Kunden und ließen den Umsatz massiv einbrechen. Neue Kunden
konnte die Abgänge nicht ausgleichen. Trotz Personalabbau und Sparmaßnahmen
konnte die Kostenbelastung kurzfristig nicht ausreichend verringert werden, u.a. auf-
grund des Mietvertrages. Von den 900 qm Bürofläche wurden nur noch rd. 400 qm
benötigt. Um die drohende Finanzkrise abzuwenden, wurde Anfang 2003 ein außer-
gerichtlicher Vergleich mit den Gläubigerbanken angestrebt und geschlossen. Den
Bürgen wurde jedoch bewusst, dass bei einer anhaltend schlechten Auftragslage
eine private Haftung eintreten könnte.
Im Sommer und Herbst 2003 waren erneut Zahlungen überfällig, doch noch bestan-
den keine Zahlungsrückstände bei Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen. Die
Geschäftsführer meinten, dass noch ausreichend Zeit zur Prüfung von Lösungsvari-
anten verfügbar sei. Anfang November 2003 musste jedoch ein Forderungsausfall
von 60.000 € verbucht werden. Der betreuende Steuerberater, der einer größeren
Kanzlei angehörte, riet jetzt zur Sanierung auf dem Wege eines Insolvenzplanes. Die
frühe Beratungsaufnahme war förderlich für die Informationsbeschaffung. Die Ge-
schäftsbücher der AG waren zudem ordentlich geführt worden.
132

III. Insolvenzverfahren und Ausarbeitung des Insolvenzplans

Insolvenzantrag: 09.12.2003 durch Schuldner aufgrund Zahlungsunfähig-


keit gestellt
Verfahrenseröffnung: 01.03.2004
Abstimmungstermin: 14.06.2004
Verfahrensaufhebung: 14.10.2004

Bereitschaft zum Insolvenzplanverfahren

Die Geschäftsführung freundete sich schnell mit der Idee einer Insolvenzplansanie-
rung an. Der Steuerberater empfahl, eine ausgewiesene sanierungserfahrene Unter-
nehmensberatungsgesellschaft hinzuzuziehen. Die Planerstellung im November und
Dezember wurde dadurch erheblich beschleunigt. Der Sanierungsplan war damit
schon vor Insolvenzantragstellung in groben Zügen entworfen, wurde dann aber
noch bis Mai 2004 verfeinert.
Der vorläufige Insolvenzverwalter war skeptisch in Bezug auf einen Unternehmens-
erhalt unter Beteiligung der alten Gesellschafter. Er hatte zudem wenig Erfahrungen
mit Insolvenzplänen. Zur Beurteilung der Sanierungschance fehlte ihm außerdem
spezifisches Branchenwissen. Da den Geschäftsführern versierte Berater zur Seite
standen, konnte sich der Verwalter zunehmend mit der Sanierungsidee identifizieren.
Letztendlich beteiligte er sich an der Planerarbeitung und führte den Geschäftsbe-
trieb aktiv fort, um den Kundenstamm zu erhalten. Nach Ansicht der Schuldner hat er
das Verfahren sehr engagiert - auch im Sinne der Gläubiger - geführt.

Planinhalte

Der Plan sollte zum einen die Sanierung des bestehenden Unternehmens, zum an-
deren die Entlassung der Gesellschafter aus privater Bürgschaft erreichen. Vorgese-
hen waren eine sofortige zeitliche Umsetzung und die unmittelbare Beendigung des
Insolvenzverfahrens mit der Ausschüttung der Quote. Der Plan teilte die rund hundert
Gläubiger in folgende fünf Gruppen ein: 1. Banken, 2. institutionelle Gläubiger (Ge-
setzliche Krankenkassen, Fiskus), 3. sog. "einfache" Gläubiger, z.B. Lieferanten,
4. absonderungsberechtigte Gläubiger (eine Bank) sowie 5. nachrangige Gläubiger.
Ziel des Insolvenzplans war, die Kreditschuld bei Banken um 60 % zu senken. 40 %
der Verbindlichkeiten sollten in ein neues Darlehen überführt werden. Analog wurde
die Senkung der privaten Bürgschaften der Gesellschafter um 60 % vorgeschlagen.
Die Banken konnten anhand der aufgezeigten Alternativszenarien zur Zustimmung
bewegt werden. Im Liquidationsfall hätten sie mit einer durchschnittlichen Erfüllungs-
quote von rd. 27 % rechnen müssen. Da bei Eintritt der Privatbürgschaft die private
Überschuldung der Gesellschafter und damit letztendlich deren Privatinsolvenz droh-
te, hätten sich diese Tilgungsaussichten höchstwahrscheinlich eher verschlechtert.
Für die Banken sollte die Sanierung den Rückzahlbetrag um 400.000 € im Vergleich
zu einer Zerschlagungslösung erhöhen. Auch die anderen Gläubigergruppen wurden
im Plan besser gestellt.
133

Tabelle: Erfüllungsquoten der Alternativszenarien

Gruppe der Banken andere Gruppen


Liquidation 27 % 3%
7,9 %, dazu 40 % der alten Darlehens-
Fortführung 14 %
summe in neuem Darlehen

Finanzierungsaspekte

Die Phase der Beratungsaufnahme war noch nicht durch extreme Liquiditätsengpäs-
se geprägt. Die Beratungskosten wurden erwirtschaftet bzw. aus der Privatsphäre
der Gesellschafter gedeckt. Alle Beratungshonorare wurden bis zum Insolvenzantrag
vorab beglichen. Für die Zahlung nach dem Insolvenzantrag wurde eine erfolgsab-
hängige Bezahlung vereinbart, die ein erhöhtes Honorar bei Erfolg des Sanierungs-
plans vorsah. Diese Vereinbarung wurde vom Insolvenzverwalter mitgetragen.
Vollstreckungsdrohungen wurden durch den Insolvenzantrag abgewehrt. Die Kosten
wurden z.B. durch Kündigung des langfristigen Mietvertrages und das Insolvenzaus-
fallgeld reduziert. Mit dem Verzicht der Gläubigerbanken stieg die Liquidität der AG
weiter an. Zudem wurde im Plan die Zuführung neuer Finanzmittel durch die Gesell-
schafter als sog. Restart-Finanzierung i.H. von insgesamt 25.000 € vereinbart. Diese
Zahlungen erfolgten aus privaten bzw. familiären Quellen der Altgesellschafter. Die
im Verfahren angefallenen Kosten bewegen sich im üblichen Rahmen.

Übersicht: Kosten des Insolvenzplanverfahrens in €

Gerichtskosten rd. 5.000


Kosten des Insolvenzverwalters rd. 58.000
Kosten für Anwalt, Steuer- und Unternehmensberater insgesamt rd. 37.000
Gesamtkosten rd. 100.000

IV. Kommunikation mit den Gläubigern

Bereits mit dem Insolvenzantrag bzw. einen Tag später unterrichtete der Geschäfts-
führer alle Banken und Gläubiger mit mehr als 5.000 € Forderungshöhe persönlich
per Telefon über das angestrebte Planverfahren. Die anderen Gläubiger wurden spä-
ter angeschrieben. Trotz einer Auflistung wurden in der Hektik der ersten Tage einige
Gläubiger vergessen, was sich aber zur Abstimmung nicht negativ auswirkte. Die
Telefonate bereiteten situationsgemäß besondere Probleme. Einige Gläubiger hatte
man noch vor kurzem vertröstet. Letztendlich zeigten ca. 80 % der Gläubiger durch-
aus Verständnis für die Lage und die Wahl des Sanierungswegs. Die übrigen reagier-
ten ablehnend und empört, was für die Geschäftsführer durchaus verständlich war.
Von einigen Lieferanten wurden sie beschimpft.
134

Als vorteilhafter Zufall erwies sich, dass die AG Ende 2003 einer Umsatzsteuerson-
derprüfung unterzogen wurde. So wurde auch das Finanzamt über die Planerstellung
informiert und alle steuerlichen Fragen - z.B. die Steuerschuld der AG bis zum Jah-
resende 2003 - konnten vorab geklärt werden. So wurde die Anmeldung strittiger
Steuerforderungen in der Tabelle vermieden. Anfang 2004 lud die Steuerberaterge-
sellschaft die Gläubigerbanken zu einer Verhandlungsrunde ein und stellte den Sa-
nierungsplanentwurf vor. Dessen Vorteile überzeugten die Banken. Der Planentwurf
wurde ohne Änderungen ins "Reine" geschrieben. Um alle Gläubiger überzeugen zu
können, wurde ein gut leserlicher, nur rund 20 Seiten umfassender Planentwurf vor-
gelegt. Der Insolvenzplan orientierte sich inhaltlich, in der Form und im Umfang am
Insolvenzplan der Herlitz AG.
Die endgültige Annahme des Insolvenzplans wurde somit von Anfang an von dem
Geschäftsführer, den Beratern und dem Verwalter gründlich vorbereitet. Dies verur-
sachte zwar einen hohen Aufwand, dafür wurde der Insolvenzplan aber auch ein-
stimmig angenommen. Vor dem Abstimmungstermin wurden alle Gläubiger über den
Planentwurf informiert. Sie erhielten einen Einladungsbrief, versehen mit dem Ent-
wurf einer Vollmachtserklärung für den Fall, dass sie der späteren Abstimmung am
Gericht fernbleiben wollten. Durch den Rücklauf dieser Vollmachten war bereits im
Vorfeld des Termins eine 30-%-ige Zustimmung der Gläubiger sicher. Zum Abstim-
mungstermin erschienen dann doch nur wenige Gläubiger.

V. Umsetzung des Insolvenzplans

Für den Geschäftsbetrieb während des Verfahrens sowie die Umsetzung der Sanie-
rung war im Wesentlichen die Geschäftsführung verantwortlich. Sie erhielt, als sich
beim Insolvenzverwalter ausreichend Vertrauen entwickelt hatte, innerhalb eines be-
stimmten wöchentlichen Finanzrahmens zunehmend freie Hand. Die Zusammenar-
beit war durch eine offene Kommunikation gekennzeichnet. Die AG verfolgt eine akti-
ve PR-Strategie in Bezug auf das eigene Planverfahren. Ein Vorstand hält im Rah-
men von Seminarreihen der KfW bzw. der Bundessteuerberaterkammer Vorträge
über planbasierte Sanierungen.
Nach Verabschiedung des Insolvenzplans verzögerte sich die Verfahrensaufhebung
um vier Monate, da verschiedene Verwaltungsakte und Prüfungen erfolgen mussten.
Die Sanierung verlief nahezu problemlos. Nur ein Lieferant hatte versucht, die Agen-
tur bei anderen Kunden anzuschwärzen. Die offene Kommunikation der Geschäfts-
führung hatte den Kunden jedoch von deren Seriosität überzeugt.
Der Sanierungsplan wurde bezüglich Mitarbeiterzahl, Umsatz, Liquidität und Gewinn
trotz der schlechten Entwicklung des Werbemarktes bis 2005 punktgenau umgesetzt.
Die Agentur erwirtschaftet seit 2003 Gewinne. Sie hatte anfangs alle 22 sozialversi-
cherungspflichtigen Mitarbeiter übernommen. Jedoch hatte sich bereits vor der Insol-
venz die strategische Frage gestellt, ob mit dieser Betriebsgröße ein Überleben im
Alleingang möglich sei. Um international agieren zu können, wurde unmittelbar nach
der Sanierung ein Kooperationsvertrag mit einem internationalen Agentur-Netzwerk
unterzeichnet. Eine finanzielle Beteiligung dieses strategischen Partners ist nicht
vorgesehen. Im Rahmen der Kooperation wurden einige Arbeitsplätze mitsamt Per-
135

sonal zum Kooperationspartner überführt, so dass die Agentur Anfang 2006 nur noch
12 sozialversicherungspflichtige Mitarbeiter hatte.
Zum Interviewzeitpunkt wurde keine erneute Fremdkapitalaufnahme bei Banken an-
gestrebt. Als sanierungshemmend bewerten die Interviewten dennoch die Regeln für
Handelsregistereinträge bei Planverfahren: Eine Gesellschaft ist in diesem Falle nicht
zur Löschung vorgesehen, sondern wird fortgeführt. Dies gilt auch für Einträge bei
Kreditauskunfteien. Die AG ist immer noch mit dem Eintrag "in Insolvenz" versehen,
obwohl sie schon zwei Jahre verlustfrei wirtschaftet.

VI. Interviewpartner

Vorstand, 47 Jahre alt,


Wirtschaftswissenschaftler, seit 1999 als Geschäftsführer der AG tätig (vorher in ei-
ner anderen Agentur), mit 20 % (inkl. Anteil der Familie) an der AG beteiligt.
136

Fall C: Touristische Dienstleistungen GmbH

I. Unternehmensdaten

Branche: Tourismus/Verkehr (Vermittlung touristischer Leistung)


Unternehmensgründung: 1998
Rechtsform/Gründer: GmbH mit zwei Gesellschaftern; Konzernmutter von fünf
Tochtergesellschaften im Ausland

Insolvenzantrag/
2001 2002 2004 2005
Verfahrensende
Mitarbeiter 75 (+75 im 50 10.10.2002 / 40 50
Ausland) 30.04.2003
Umsatz 9 Mrd. € 4 Mrd. € 2,1 Mio. € 2,5 Mio. €
Gewinn/Verlust 100.000 € 0 rd. 130.000 € 150.000 €

II. Zur Entwicklung der Krise

Das Unternehmen wurde von zwei Gesellschaftern, ohne Aufnahme von Fremdkapi-
tal, gegründet, als sich die Tourismusbranche in weltweitem Aufschwung befand. Die
GmbH expandierte schnell durch Gründung von fünf Tochtergesellschaften in den
USA (Investitionssumme 1 Mio. €), Frankreich, Spanien, Australien und der Türkei.
Dieses Wachstum wurde aus eigenen Gewinnen finanziert. Mit dem Einbruch der
Tourismusindustrie nach dem 11.09.2001 sank jedoch der Konzernumsatz schlagar-
tig. Fortlaufende Gehaltszahlungen nötigten bald dazu, Insolvenz für die Tochterge-
sellschaft in den USA zu beantragen. Der Rückbau der Geschäftstätigkeit hinkte den
abrupten Umsatzverlusten in weiteren Auslandsmärkten hinterher, so dass es zur
Folgeinsolvenz aller Auslandstöchter kam. Der interviewte Gesellschafter C urteilt
nachträglich, dass die schnelle Expansion mit einer Umstrukturierung der Mutterge-
sellschaft hätte einhergehen müssen.
Zuletzt war auch die Konzernmutter so stark finanziell angegriffen, dass das positive
Geschäftsergebnis in Deutschland nicht mehr ausreichte, die Liquidität abzusichern.
Das Personal wurde in Deutschland auf 50 Mitarbeiter reduziert. Die offenen Ver-
bindlichkeiten stiegen dennoch in kurzer Zeit auf rd. 900.000 €. Die Sozialversiche-
rungen drohten der Unternehmensführung mit einer Anzeige wegen Beitragshinter-
ziehung. Der Geschäftsführer C haftete bereits aufgrund einer privaten Bürgschaft für
ein Geschäftskonto mit einem Kreditrahmen von 25.000 €. Der interviewte Ge-
schäftsführer hatte während der Krise auf sein Gehalt verzichtet und selbst die Zah-
lungen an seine Krankenversicherung ausgesetzt. Durch die Klage drohte C nun-
mehr die private Überschuldung.
137

III. Insolvenzverfahren und Ausarbeitung des Insolvenzplans

Insolvenzantrag: 10.10.2002 durch den Schuldner wg. Zahlungsunfähigkeit


gestellt, Antrag auf Eigenverwaltung
Verfahrenseröffnung: 01.01.2003
Abstimmungstermin: 11.04.2003
Verfahrensaufhebung: 30.04.2003

Bereitschaft zum Insolvenzplanverfahren

Die Gründer waren der Ansicht, dass das Kerngeschäft in Deutschland profitabel
war. Umfangreiche Lizenzgeschäfte sprachen für einen Erhalt des Rechtsträgers. Die
GmbH trat als Lizenznehmer für Software auf und reichte gebündelte Software-
Pakete über Lizenzverträge an die Kunden weiter. Der Software-Lieferant, der
Hauptgläubiger, war an einer Fortführung des Geschäfts interessiert und sicherte
trotz der drohenden Insolvenz seine Unterstützung zu.
Da zuerst die amerikanische Tochter insolvent wurde, kannte der Gesellschafter C
die sanierungsfreundlichen Verfahrenswege in den USA. Dies lenkte den Blick auf
vergleichbare Sanierungsoptionen im deutschen Insolvenzrecht: Eigenverwaltung
und Insolvenzplan. Auf der Suche nach Informationen wurde C allerdings nur im In-
ternet fündig, die Informationsangebote öffentlicher Beratungsinstitutionen verspra-
chen keine konkrete Hilfe. Der Geschäftsführer war zudem nicht von der Beratungs-
qualität der lokalen Anbieter überzeugt. Aufgrund des Selbststudiums fühlte sich C
ausreichend über das Insolvenzplanverfahren informiert. Er entschloss sich im Okto-
ber 2002 zu einem Antrag auf Insolvenz in Eigenverwaltung und kündigte einen In-
solvenzplan an.
Die Sanierungsidee wurde zu großen Teilen vor dem Insolvenzantrag durch die Ge-
schäftsführung selbst entwickelt, die konkreten Sanierungsschritte musste jedoch der
vorläufige Insolvenzverwalter mitgetragen und umsetzen. Die Sanierungsidee wurde
ihm im November 2002 in einem Gespräch vorgestellt. Der Verwalter war einer Sa-
nierung zwar grundsätzlich gewogen, forderte allerdings eine Entlastung hinsichtlich
seiner Haftung für neue Verträge. Geschäftsführung, Lieferant und Verwalter schlos-
sen daraufhin Ende Dezember 2002 einen Vertrag, der eine Unternehmensfortfüh-
rung über sechs Monate vorsah und diese auch finanziell absicherte. Der Verwalter,
der bereits im November 2002 für alle Mitarbeiter Kündigungen ausgesprochen hatte,
nahm daraufhin die Kündigung von 20 Mitarbeitern zurück und setzte die Geschäfts-
tätigkeit fort.
Der vorläufige Insolvenzverwalter, der später zum endgültigen Verwalter ernannt
wurde, steuerte seine rechtliche Expertise bei der Entwicklung des Sanierungsplans
bei. Nach seinen Angaben war dieser Fall das erste Planverfahren in seinem Bun-
desland, was den Verfahrensprozess erheblich erschwerte. Die öffentlichen Organe,
eben auch das Gericht und der Fiskus, betraten Neuland bei der Verfahrensführung.
Die Verantwortlichen mussten sich erst über die Spezifika des Verfahrens informie-
ren. Da sie die Liquidation eines insolventen Unternehmens als Normalfall betrachte-
138

ten, war ihnen der Sanierungscharakter des Verfahrens fremd. Nur zögerlich wurden
die Aktivitäten auf eine Sanierung hin ausgerichtet.
Die Rechtspflegerin reagierte z.B. aus Sicht des C eher desinteressiert. Der Richter
lehnte den Sanierungsweg zuerst ab. Daran gewöhnt, dass der Schuldner alle Rech-
te an den Insolvenzverwalter abgeben muss, war der Richter gar nicht an einem di-
rekten Kontakt mit der Geschäftsführung interessiert. So kommunizierten beide Sei-
ten nur auf telefonischem Wege miteinander. Dadurch wurde es C erschwert, das für
eine Eigenverwaltung nötige Vertrauensverhältnis zum Richter aufzubauen. C hatte
sich aufgrund der spezifischen Branchenkenntnisse und der frühen Antragstellung
eine Eigenverwaltung erhofft, auch um die Verfahrenskosten zu senken. Der Richter
lehnte diesen Antrag jedoch grundsätzlich ab, da nach seiner Ansicht - so gab der
interviewte Geschäftsführer an - eine Eigenverwaltung generell dem Schutz der
Gläubiger widerspräche. Die Ablehnung speiste sich sicher auch aus Zweifeln an der
juristischen Qualifikation des Geschäftsführers sowie aus dem Umstand, dass dieser
den Antrag ohne juristische Unterstützung gestellt hatte. Der interviewte Geschäfts-
führer war zu diesem Zeitpunkt in einem Alter von knapp über 30 Jahren.

Planinhalte

Um den Unternehmensträger zu sanieren, hatte der Hauptgläubiger bereits im Vor-


feld auf die Rückzahlung seines Lieferantenkredits verzichtet. Zur Entschuldigung
wurde ein Verzicht aller Gläubiger vorgeschlagen. Die Befriedigungsquote sollte 11
% erreichen und damit die einer Zerschlagungslösung von 2 bis 3 % weit überstei-
gen. Während der Hauptgläubiger die Tilgungssumme erst nach zwei Jahren ausge-
zahlt bekommen sollte, war für die übrigen rd. 30 Gläubiger eine sofortige Auszah-
lung vorgesehen. Mit der Auszahlung sollte das Insolvenzverfahren beendet werden.
Im Insolvenzplan waren keine Besserungsscheine für die Gläubiger vorgesehen.

Tabelle: Erfüllungsquoten der Alternativszenarien

Hauptgläubiger andere Gläubiger


Liquidation 2 bis 3 % 2 bis 3 %
Fortführung 11 % in 2 Jahren 11 % sofort ausgezahlt

Das Finanzamt, bei dem Steuerschulden von rd. 30.000 € bestanden, sollte wie alle
Gläubiger anteilig auf seine Ansprüche verzichten und vor allem die Sanierungsge-
winne steuerfrei stellen. Auch die Gesetzliche Krankenversicherung sollte anteilig auf
ihre Forderungen verzichten und zudem den Strafantrag gegen die Geschäftsführung
zurückziehen, um die Geschäftsführer von der drohenden Haftungsübernahme we-
gen Beitragshinterziehung zu befreien. Solch eine Klagerücknahme ist jedoch nicht
Inhalt des Insolvenzverfahrens gegen die GmbH und wurde daher aus dem Textent-
wurf gestrichen.
Da der Hautgläubiger aufgrund seiner Forderungshöhe einen hohen Anteil der Gläu-
bigerstimmrechte besaß, war die Annahme des Insolvenzplans wahrscheinlich. Bei
139

den übrigen Gläubigern standen meist nur kleinere Summen offen. Der Insolvenz-
verwalter entschied daher, alle Gläubiger in einer Gruppe zu bündeln.
Finanzierungsaspekte
Neben dem Verzicht stützt sich die Sanierung auf ein neues Darlehen des Software-
Lieferanten, der eine Finanzierungshilfe von 150.000 € anbot. Je zur Hälfte sollte das
Geld zur Gläubigerbefriedigung und für Neuinvestitionen verwendet werden. Durch
diese Maßnahme war der fortlaufende Betrieb im Insolvenzverfahren gesichert. Mit
den vorgesehenen Verzichtserklärungen aller Schuldner würde das Geschäft auf ei-
ne neue Grundlage gestellt werden. Mit dem Insolvenzantrag hatten allerdings die
örtliche Volksbank und eine große Privatbank alle Geschäftskonten gekündigt, was
den Zahlungsverkehr extrem erschwerte. Die Privatbank bot letztlich im Verlaufe des
Gerichtsverfahrens ein neues Geschäftskonto auf Guthabenbasis an.
Für die Sanierung war vor allem eine schnelle Stabilisierung des Umsatzes grundle-
gend. Bereits vor der Insolvenz hatte ein größeres, weltweit tätiges Tourismusunter-
nehmen ein Interesse an einer Geschäftsbeziehung bekundet. Da dessen Manage-
ment von der persönlichen Integrität der schuldnerischen Geschäftsführung über-
zeugt war, konnten Geschäfte aufgenommen werden. Dadurch wurde der Umsatz
auf eine breitere Basis gestellt sowie ein positives Signal nach außen gesendet.
Die Kosten für das Gesamtverfahren belaufen sich auf rd. 50.000 €, der Hauptteil
entfällt auf den Insolvenzverwalter. Hier hätte eine Eigenverwaltung zu geringeren
Kosten führen können, zumal die Geschäftsführung - so ihre Selbsteinschätzung -
die Sanierungsidee weitgehend in "Eigenregie" ausgearbeitet hatte und auch mit ei-
nem vergleichsweise hohen Arbeitsanteil an der Betriebsführung beteiligt war.
Übersicht: Kosten des Insolvenzplanverfahrens in €

Gerichtskosten rd. 5.000


Kosten des Insolvenzverwalters über 30.000
Gesamtkosten rd. 50.000

IV. Kommunikation mit den Gläubigern


Zum Höhepunkt der Krise, im November 2002, hatte sich die Geschäftsführung be-
reits gegenüber dem Hauptlieferanten offenbart. Mit dem angekündigten Verzicht des
Hauptgläubigers war der Weg für Verhandlungen mit den übrigen Gläubigern frei.
Der Fortführungsplan wurde auf der ersten Gläubigerversammlung im Januar 2003
präsentiert. Das örtliche Finanzamt widersprach dem Vorschlag zunächst, da es die
Sanierungsgewinne nicht steuerfrei stellen wollte. Dies war zum damaligen Zeitpunkt
eine Ermessensentscheidung; das BMF hatte noch keine entsprechenden Vorgaben
beschlossen. Die Steuerbehörden des Landes hatten bis in die oberste Verwaltungs-
ebene wenig Erfahrung mit Sanierungen in der Insolvenz. Nach ersten erfolglosen
Verhandlungen mit dem Finanzamt wendete sich der Insolvenzverwalter an die Ober-
finanzdirektion und später an das Finanzministerium des Bundeslandes, da ohne
Verzicht des Fiskus die Annahme des Planentwurfs zu scheitern drohte. Nachdem
140

das Sanierungskonzept auf Ministerialebene doch noch eine Zustimmung fand,


stimmte die Oberfinanzdirektion dem Planvorschlag am Vorabend des anberaumten
Abstimmungstermins und damit quasi in letzter Minute zu.
Der endgültige Insolvenzplan wurde Ende März 2003 in einer Gläubigerversammlung
vorgestellt. Unter den Gläubigern waren viele Lieferanten, die mit der GmbH umfang-
reiche Geschäfte gemacht hatten. Sie waren eher an einer weiteren Zusammenarbeit
als an einer Zerschlagung des Kunden interessiert. So konnte eine Zustimmung zum
Plan erwartet werden. Die Gläubiger wurden zum Abstimmungstermin am
11.04.2003 geladen. Auf die Zusendung einer vorbereiteten Vollmachtserklärung
wurde verzichtet, da man darauf vertraute, dass viele Gläubiger, meist aus der Regi-
on stammend, erscheinen würden. Dies bestätigte sich. Die Gläubiger konnten der
Argumentation des Insolvenzverwalters folgen und stimmten bis auf einen dem Sa-
nierungsplan zu. Das Insolvenzverfahren wurde schließlich 4,5 Monate nach dem
Insolvenzantrag aufgehoben.
Viele Geschäftspartner verfolgten den Versuch der Sanierung durch ein Planverfah-
ren mit Interesse; sie waren aber wenig über die Möglichkeiten zur Unternehmens-
fortführung im modernen Insolvenzrecht informiert. Insolvenz wurde mit Bankrottde-
likten und Liquidation des Unternehmens gleichgesetzt. Die schnelle Abwicklung des
Verfahrens und der Neustart bewirkten letztendlich sogar, dass die GmbH-Insolvenz
letztendlich nicht als "großes Scheitern" des Geschäftsführers interpretiert wurde.
Allein die gesetzliche Krankenversicherung erwies sich trotz der Aussicht auf den
Erhalt von Arbeitsplätzen als wenig kompromissbereit und nutzte das ihr zustehende
Recht zum Strafantrag wegen Beitragshinterziehung. Damit haftete der Geschäfts-
führer mit seinem Privatvermögen für die ausstehenden Beitragszahlungen. Im spä-
teren Verlauf wurden eine Teilstundung sowie Ratenzahlung zur Tilgung vereinbart.
V. Umsetzung des Insolvenzplans
Nach der Planverabschiedung und der Auszahlung der Quote wurde das Insolvenz-
verfahren aufgehoben. Wie vereinbart wurde der Hauptgläubiger erst im Herbst 2005
mit einer Summe in Höhe von rd. 40.000 € befriedigt. Die alte Geschäftsführung
nahm im April 2003 ihre Tätigkeit wieder auf. Die Altverbindlichkeiten waren geregelt,
so dass die GmbH finanziell fast unbelastet neu starten konnte. Allerdings bestanden
noch Unsicherheiten aufgrund der insolventen Töchter. Bis zum Herbst 2005 ver-
suchte ein französisches Insolvenzgericht, Forderungen gegen die insolvente Mutter-
GmbH durchzusetzen, was jedoch ohne Erfolg war.
Die Finanzierung der Startphase war schwer. Das Unternehmen erhielt zwar eine
Zusage für eine 80-%-Haftungsfreistellung eines Darlehens durch ein öffentliches
Kreditinstitut, konnte aber keine Bank finden, die zum Abschluss eines Darlehenver-
trages bereit war. Die Gewinnung von Kunden wurde durch Negativeinträge bei Kre-
ditauskunfteien erschwert. Neuen Kunden musste die Geschäftsführung die Situation
offensiv im Gespräch erläutern und auf die Sanierung hinweisen. Großunternehmen
erwiesen sich meist als besser über das Insolvenzrecht informiert als kleinere Kun-
den und sahen dann keine Hürden für neue Geschäfte. Dagegen wurde z.B. von ei-
nem kleineren Lieferanten ein Leasingvertrag für Buchungssoftware mit Raten i.H.v.
141

100 € monatlich verweigert. Die Verhandlungslage mit Lieferanten und Kunden ent-
spannte sich ab dem Jahr 2003 leicht, da seitdem in der breiten Öffentlichkeit stärker
bekannt wurde, dass in einer Insolvenz Sanierungsmöglichkeiten bestehen. Auch
drei Jahre nach dem Insolvenzplanverfahren werden Leasingverträge verwehrt. Eini-
ge Unternehmen liefern weiterhin nur gegen Vorkasse.
Laut erstem Plankonzept hätte der Betrieb mit zwei bis vier Beschäftigten aufrechter-
halten werden sollen, gestartet wurde allerdings bereits mit 20 Personen. Da der
Umsatz sehr schnell wuchs, wurden Ende 2003 schon 40 Mitarbeiter beschäftigt.
Bereits im ersten Jahr nach der Insolvenz wurde Gewinn erwirtschaftet, was die Li-
quidität partiell absicherte. Damit wurde das Plankonzept in Punkto Umsatz, Mitarbei-
ter und Gewinnsituation bereits im ersten Jahr übertroffen. Da der Finanzbedarf be-
reits Mitte 2003 angestiegen war, entschlossen sich die Gesellschafter, neues Kapital
aus der Privatsphäre in Höhe von 250.000 € zuzuführen. Eine Fremdkapitalaufnah-
me bei einer Bank war in den ersten Jahren nach der Insolvenz nicht geplant. Bis
Ende des Jahres 2005 stiegen die Mitarbeiterzahl auf 50 und die Bilanzsumme auf
rd. 2 Mio. €. Der Jahresumsatz lag bei 2,5 Mio. €. Die GmbH verzeichnete 2005 ei-
nen erneuten Gewinnzuwachs. C betont, dass Wachstumsstrategien und Investitio-
nen behutsamer geplant werden als früher. Zum Beispiel sei eine erneute Internatio-
nalisierung grundsätzlich denkbar, aber nur mit Start in einem einzelnen Land.
Alle Investitionen werden aus den Gewinnen finanziert. Die GmbH führte noch im
Jahr 2006 ein reines Guthabenkonto. Im Herbst 2005 hatte C die Hausbank erstmals
um ein höheres Engagement gebeten. Damals zögerte die Hausbank, sprach aber
nicht eindeutig von einer Ablehnung. Die GmbH war laut Kreditauskunfteien nicht
kreditwürdig. Seit Frühjahr 2006 wird das Unternehmen zumindest bei Creditreform
mit dem Eintrag einer guten Bonität ausgewiesen.
Der Handelsregistereintrag "in Insolvenz" suggerierte ebenfalls, dass sich die GmbH
in der Liquidation befinden würde. Das behinderte das Unternehmen bei Ausschrei-
bungsverfahren. Verschiedene öffentliche Auftraggeber hatten z.B. Angaben zur fi-
nanziellen Lage oder Bestandsgarantien verlangt. Die Geschäftsführung wurde dann
z.T. gesondert geladen und um die nachträgliche Abgabe einer Erklärung dahinge-
hend gebeten, dass in den kommenden Jahren eine Vertragserfüllung gewährleistet
sei. Mancher Auftrag wurde dennoch verloren.

VI. Interviewpartner

geschäftsführender Gesellschafter, Mitte 30 Jahre alt,


seit 1998 Geschäftsführer der GmbH, vorher sieben Jahre als EDV-Kaufmann tätig.
142

Fall D: Facharztpraxis in Form der GbR

I. Unternehmensdaten

Branche: Gesundheitswesen (freiberufliche Arztpraxis)


Unternehmensgründung: Anfang 90er Jahre
Rechtsform/Gründer: GbR mit 2 Partnern, Einstieg eines Nachfolgers, nach
der Insolvenz Umwandlung in ein Einzelunternehmen

Insolvenzantrag/
1999 2000 2005
Verfahrensende
Mitarbeiter 7 8 15.9.2000 / 6
Umsatz 400.000 € 250.000 € 15.02.2004 390.000 €
Gewinn/Verlust 150.000 € 50.000 € 23.000 €

II. Zur Entwicklung der Krise

Die Arztpraxis wurde Anfang der 1990er Jahre in Form einer GbR von den Gesell-
schaftern A und B gegründet. Nach sechs Jahren verkaufte B seine Anteile an einen
Nachfolger, den Interviewpartner N, der dazu bei der Hausbank der GbR ein Darle-
hen von über 400.000 € aufnahm.
Im Rahmen der Gesundheitsreform 2000 wurde das Preissystem der Gesetzlichen
Krankenversicherung (GKV) verändert.74 Die Praxisleistungen wurden gegenüber
dem Vorjahr um durchschnittlich 40 % weniger bewertet, die Praxiskosten waren
nicht mehr gedeckt. Fehlendes Eigenkapital verhinderte eine weitere Kreditaufnah-
me. Der Ergebniseinbruch belastet vor allem den Gesellschafter A, da er für einen
Gründungskredit in Höhe von ungefähr 1,6 Mio. € haftete und im Jahr 2000 eine mo-
natliche Tilgungsrate von rd. 15.000 € zu erbringen hatte. Nachdem die Rate nicht
mehr gedeckt war, stellte A einen Insolvenzantrag für sein Privatvermögen, ohne
diesen Schritt mit N abzustimmen. Offensichtlich war das Vertrauensverhältnis beider
Gesellschafter bereits zerrüttet, was eine gemeinsame Krisenlösung blockierte. Bis
zu diesem Zeitpunkt hatte die GbR alle Forderungen der Sozialversicherungen oder
des Fiskus beglichen und war noch nicht zahlungsunfähig. Aufgrund der in der
Rechtsform begründeten gegenseitigen Haftung von Privat- und Gesellschaftsver-
mögen stand jedoch auch die GbR im Herbst 2000 vor der Insolvenz. Die Hausbank
beider Gesellschafter sperrte alle privaten Konten des Gesellschafters N, beschlag-
nahmte dessen Wertpapierdepot (Schätzwert 0,5 Mio. €), sowie eine Lebensversi-

74 In der GKV erhält die Kassenärztliche Vereinigung ein gedeckeltes Jahresbudget für die
medizinischen Leistungen aller Vertragsärzte. Für jede erbrachte Leistung werden Punk-
te vergeben, ihr Geldwert ergibt sich jedoch erst am Ende der Periode, wenn das Ge-
samtbudget durch die Gesamtpunkte dividiert wird. Bei steigendem Leistungsumfang
sinkt der Punktwert. Eine Praxis kann also im Vorhinein nicht genau kalkulieren, was sie
für eine Leistung erhält.
143

cherung und forderte die Übertragung einer Immobilie. Da N seinen Kredit bislang
termintreu getilgt hatte und sich aus seiner Sicht eine umfangreiche vertrauensvolle
Geschäftsbeziehung zur Bank entwickelt hatte, versuchte er, die Bank zu einem Ent-
gegenkommen zu bewegen. Das Bankhaus lehnte jedoch jede Verhandlung ab. N
war der Meinung, dass er ohne größeres persönliches Fehlverhalten in die Über-
schuldung geraten war, da der Abschluss der gefährdeten Darlehen in den Verant-
wortungsbereich der Altgesellschafter und der Bank fiel. Er erkannte erst mit der In-
solvenz die Tragweite der in einer GbR bestehenden Haftungsverhältnisse, die ihn
verpflichteten, für die Schulden der GbR und damit auch für die Verpflichtungen des
A in Gesamthöhe von fast 1,2 Mio. € einzustehen. Daraufhin kündigte N den Gesell-
schaftsvertrag auf.

III. Insolvenzverfahren und Ausarbeitung des Insolvenzplans

Insolvenzantrag: 15.09.2000 durch den Schuldner wegen Folgeinsolvenz


gestellt, Antrag auf Eigenverwaltung
Verfahrenseröffnung: 15.12.2000
Abstimmungstermin: 10.02.2004
Verfahrensaufhebung: 15.02.2004

Bereitschaft zum Insolvenzplanverfahren


N sah Sanierungspotenzial, da der Gesundheitsmarkt Fortführungschancen bot. Der
Arzttitel und die kassenärztliche Zulassung stellten eine Art Marktlizenz dar, die mit
einem gewissen Individualbudget der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) verbun-
den war. Auch die Technikinvestitionen wären bei einer Fortführung besser zu ver-
werten. Daraufhin kontaktierte N den Insolvenzverwalter des A, einen Rechtsanwalt,
um zu besprechen, ob und wie er die Praxis als Einzelunternehmer weiterführen
könnte. Der Praxisumsatz stützte sich zu rd. 98 % auf Kassenpatienten. Den Um-
satzanteil von privatversicherten Patienten zu steigern, erschien angesichts der örtli-
chen Verhältnisse unrealistisch. Damit hing die Rentabilität der Praxis ganz wesent-
lich vom Preissystem der GKV ab. Daher wurden sofort Gespräche mit der KV auf-
genommen. Diese war sich der Kostendeckungsprobleme durchaus bewusst, da be-
reits einige Praxen den Geschäftsbetrieb eingestellt hatten. Der Insolvenzverwalter,
der schon ähnliche Fälle mit der KV verhandelt hatte, vereinbarte mit ihr für drei Jah-
re eine monatliche Umsatzgarantie. Dies sollte die Fähigkeit zur Fortführung sowie
Schuldentilgung sichern. Da jedoch auch eine Altschuldenregelung erreicht werden
musste, schlug der Verwalter als Lösungsweg ein Insolvenzplanverfahren sowie eine
Eigenverwaltung vor. N verband damit die Hoffnung, schnell den Verschuldungssta-
tus verlassen, die Fortführung des Betriebs als Einzelunternehmer aktiv mitgestalten
und die Verfahrenskosten senken zu können. Auch aus Sicht des Verwalters spra-
chen Argumente für eine Eigenverwaltung. Die Fortführung einer Arztpraxis bedarf
aus berufsrechtlichen Gründen der Leitung eines qualifizierten Mediziners. Der Ver-
walter erhoffte sich zudem eine erhebliche Entlastung bei der Betriebsführung, ins-
besondere deswegen, da er sehr viele Verfahren gleichzeitig zu führen hatte.
144

Der Insolvenzverwalter des A wurde auch mit der vorläufigen Verwaltung im Fall N
betraut. Er besprach die Idee eines Insolvenzplanes mit dem Richter. Da die Beteilig-
ten auf die Branchenerfahrung des Insolvenzverwalters vertrauen konnten, über-
nahm dieser die Verhandlungsführung mit den Gläubigern und den Planentwurf.
An der Analyse der Sanierungsfähigkeit war neben der Unternehmensleitung auch
der Steuerberater beteiligt, zudem wurden Angaben zum Schuldenstand bei Banken
und Lieferanten eingeholt. Der Verwalter ließ neue Bilanzen von einem Wirtschafts-
prüfer erstellen und riet zudem, zur Planerarbeitung einen von ihm empfohlenen Un-
ternehmensberater hinzuzuziehen. Allerdings war es wegen der rechtsformspezifi-
schen Besonderheiten sehr schwierig, schnell gesicherte Informationen zum Schul-
denstand und damit zur Finanzlage zu erhalten. Dies lag u.a. auch daran, dass im
Jahr 2000 viele insolvenzrechtliche Fragestellungen für die Rechtsform der GbR un-
geklärt waren. Außerdem war ein Teil der angemeldeten Forderungen i.H.v.
1,4 Mio. € strittig. Trotz der hohen Forderungssumme sah der Verwalter die Masse-
fähigkeit gegeben und das Gerichtsverfahren wurde drei Monate nach dem Antrag
eröffnet.
Der Antrag auf Eigenverwaltung wurde von Richter und Rechtspfleger wohlwollend
begleitet, u.a. da zwischen ihnen und dem vorläufigen Verwalter, dem späteren
Sachwalter, ein enges Arbeitsverhältnis bestand. Der Antrag wurde nach einem ent-
sprechenden Beschluss der ersten Gläubigerversammlung genehmigt. Der Arzt blieb
für wesentliche Bereiche des Betriebsablaufes, also die Organisation der Leistungs-
erstellung und die Kundenbeziehungen, verantwortlich. Im normalen Betriebsalltag
änderte sich aus seiner Sicht relativ wenig an seiner Zuständigkeit. Lediglich die Ab-
wicklung des Zahlungsverkehrs musste mit dem Sachwalter abgestimmt werden, da
dieser das Geschäftskonto verwaltete. N legte ihm alle Zahlungsvorgänge unter-
schriftsreif zur Abzeichnung vor.
Planinhalte
Mit der Aussicht auf eine feste Einnahmenhöhe verhandelte der Verwalter mit den
Gläubigern über einen anteiligen Verzicht. Vorgeschlagen wurde eine mehrjährige
Tilgung bis zu einer Höhe von insgesamt rd. 15 % mittels fester Monatsraten. Bei
einer Zerschlagungslösung wären Auszahlungen von maximal 1,4 % zu erwarten
gewesen. Der Insolvenzplan wurde den Gläubigern drei Jahre nach Insolvenzantrag
zur Abstimmung vorgelegt. In dieser Zeit flossen die Einnahmen der Praxis, der Neu-
erwerb, auf ein Sonderkonto des Insolvenzverwalters. Die Forderungen sollten über
einen weiteren Zeitraum von 3,5 Jahren nach Verabschiedung des Insolvenzplans
aus den Praxiseinnahmen befriedigt werden. Zwischen dem Zeitpunkt der Antragstel-
lung und dem Ende der Tilgungsphase liegen somit rd. sechs Jahre, was im Ver-
gleich mit anderen Insolvenzplänen relativ lang ist, aber der Wohlverhaltenszeit eines
Restschuldbefreiungsverfahrens entspricht.
Finanzierungsaspekte
Die Sanierungschance stützte sich auf die Zahlungszusagen der KV und die finan-
ziellen Zugeständnisse der Gläubiger. Die Personalkosten waren in den ersten drei
Monaten durch das Insolvenzausfallgeld gedeckt. Allerdings unterliefen dabei Verfah-
145

rensfehler, denn es wurde - so der N - versäumt, die Sozialversicherungsbeiträge


abzuführen. Deswegen versuchte später ein Gerichtsvollzieher, eine Pfändung der
Praxisgegenstände durchzusetzen. N wehrte diese erneute Bedrohung mit einem
Verweis auf die Zuständigkeit der Bundesagentur für Arbeit ab.
Die Verfahrens- und Planerstellungskosten fallen mit 145.000 € relativ hoch aus, was
u.a. an der langen Verfahrensdauer und den Aufwendungen des Sachwalters liegt.
Zusätzlich entstanden Honorarforderungen bei den vom Sachwalter hinzugezogenen
Beratungs- und Wirtschaftsprüfungskanzleien. Da alle Verfahrenskosten zuerst aus
der Masse gedeckt werden, schmälern hohe Verfahrenskosten die verteilbare Masse
zu Lasten der Gläubiger. Die Praxiseinnahmen der ersten drei Jahre dürften daher
fast komplett zur Deckung dieser Kosten aufgewendet worden sein. Die Verfahrens-
kosten summierten sich letztendlich auf nahezu 50 % der Gläubigerforderungen. So
fiel die Masse zum Abstimmungstermin - trotz der Einnahmen und der beträchtlichen
Vermögenswerte des N - aus Sicht des N unerwartet gering aus.

Übersicht: Kosten des Insolvenzplanverfahrens in €

Gerichtskosten rd. 5.000


Kosten des Sachwalters rd. 110.000
Kosten für Wirtschaftsprüfung und weitere Beratungsleistungen rd. 30.000
Gesamtkosten rd. 145.000

IV. Kommunikation mit den Gläubigern


Nach den Auftaktgesprächen mit der KV übernahm der vorläufige Verwalter die wei-
tere Kommunikation mit den Gläubigern. Da zwischen den Schuldnern und einigen
Gläubigern eine sachliche Kommunikation blockiert war, war es vorteilhaft, dass der
Sachwalter als unbeteiligte Person die Moderation der Verhandlungen übernahm. N
überließ fortan die Verhandlungen im Wesentlichen dem Verwalter. Beide erwarte-
ten, dass alle Gläubiger den angedachten Sanierungsplan begrüßen würden. Die
Gläubiger verfolgten jedoch im gesamten Krisenzeitraum vorwiegend partikulare Inte-
ressen. Während die Lieferanten Interesse an einer Fortführungslösung bekundeten,
war die Bank wenig geneigt, mit einem anteiligen Verzicht zur Sanierung beizutra-
gen. Ein großes Verhandlungsproblem bereitete die Steuerfestsetzung, da im Jahr
2000 Sanierungsgewinne als steuerpflichtig galten. Der Sachwalter hatte daher in-
tensive Verhandlungen zu führen.
Letztendlich bereitete es jedoch aus Sicht des N weniger Probleme, die Gläubiger
von der Sanierungsidee zu überzeugen, als eine Einigung über die Rechtmäßigkeit
der Forderungen herzustellen. Einzelne Gläubiger versuchten ihre Forderungen auf
gerichtlichem Wege durchzusetzen oder forderten im Verhandlungsprozess Nach-
besserungen hinsichtlich der Tilgung. Nach Angaben des Schuldners wurden dem
Sachwalter hierbei zum Teil auch Zugeständnisse abgerungen. Über die genauen
Verhandlungen kann der Interviewte allerdings kaum Angaben machen, denn N be-
teiligte sich erst wieder intensiver an den Verhandlungen, als offensichtlich wurde,
146

dass viele Forderungen unberechtigt angemeldet worden waren. Er deckte auf, dass
Forderungen mehrfach angemeldet hatten, also jeweils gegen die GbR wie auch ihre
Gesellschafter. Einige Forderungen waren längst beglichen gewesen. N forderte den
Sachwalter unverzüglich zu Zurückzuweisungen auf. Von der Ursprungssumme von
1,4 Mio. € wurden lediglich 290.000 €, also ein Fünftel, als berechtigt anerkannt. Of-
fensichtlich war die Forderungstabelle anfänglich nur unzureichend vom Sachwalter
überprüft worden. Zur Abstimmung über den Plan waren rd. 15 Gläubiger aufgerufen,
darunter viele Kleingläubiger. In der Versammlung, mehr als drei Jahre nach dem
Insolvenzantrag, wurde der Plan einstimmig angenommen. Nach Vorlage der Kosten
und der Schlussverteilung kamen bei N Zweifel an der Verfahrensführung des Ver-
walters auf. Ein kontaktierter Rechtsanwalt äußerte ebenfalls Bedenken an der
Rechtmäßigkeit einzelner Absprachen und rügte, dass das Verfahren zur Massean-
reicherung in die Länge gezogen wurde. Er riet dem Schuldner, den Richter um Aus-
kunft über die Verwendung der Masse zu bitten. N lagen aber auch Anfang 2006 nur
lückenhafte Informationen zur Verhandlungs- und Verfahrensführung vor.
V. Umsetzung des Insolvenzplans
Der Geschäftsbetrieb wurde ständig aufrechterhalten. Die Praxis litt jedoch unter der
schwachen Finanzbasis sowie an mangelnder Liquidität, da wichtige Lieferanten nur
gegen Vorkasse lieferten. Mit Aufhebung des Insolvenzverfahrens setzten die im In-
solvenzplan vereinbarten Ratenzahlungen ein. Doch fünf Monate nach Verfahrens-
ende regulierte die KV die Preise erneut. Die Vergütungswerte sanken so stark, dass
die Ratenzahlungen nicht mehr gedeckt waren. Damit waren die Basisannahmen des
Sanierungsplans obsolet. Der Schuldner informierte Sachwalter, Gläubiger und KV
über die neue finanzielle Schieflage und setzte die Tilgung vorerst aus.
Die Praxis hat im Jahr 2005 mit sechs Mitarbeitern einen Umsatz von 390.000 € er-
wirtschaftet und dabei einen geringen Gewinn von 23.000 € erzielt. Die Bilanzsumme
lag bei 450.000 €. Dieses Ergebnis reicht aus Sicht des N nicht aus, um die Praxis
zukünftig wirtschaftlich führen zu können. Da angesichts der Preisregelungen eine
Umsatzausweitung kaum möglich ist, sei die Sanierung gescheitert. N sucht daher im
Frühjahr 2006 erneut einen Ausweg, wobei er ein weiteres teures Gerichtsverfahren
vermeiden wollte. Angedacht sei eine freiwillige Betriebschließung, die Entlassung
der Mitarbeiter sowie die Veräußerung der Technik und der KV-Sitzzulassung, an die
ein Individualbudget von rd. 0,4 Mio. € im Jahr gebunden ist, an einen Mitbewerber.
Mit den Einnahmen soll die Restschuld i.H.v. knapp 40.000 € zumindest anteilig ab-
gelöst werden. Einen entsprechenden Vergleichsvorschlag hat N im Frühjahr 2006
an den Sachwalter übersandt und um die Aufnahme neuer Verhandlungen gebeten.
Die Gläubiger verhielten sich bis zum Interviewtermin im Mai 2006 still.

VI. Interviewpartner

geschäftsführender Partner, Arzt, Mitte 40 Jahre alt,


vor der Insolvenz fast vier Jahre als einer von zwei geschäftsführenden Gesellschaf-
tern tätig, danach alleiniger Eigentümer der Praxis.
147

Fall E: GmbH & Co. KG im Verarbeitenden Gewerbe

I. Unternehmensdaten

Branche: Verarbeitendes Gewerbe (Zulieferer für Bausektor)


Unternehmensgründung: 1970
Rechtsform/Gründer: gegründet als Einzelunternehmen, im selben Jahr Um-
wandlung in GmbH & Co. KG; Kommanditistin ist im
Jahre 2005 eine Holding (GmbH & Co. KG), Komple-
mentärin ist eine Beteiligungs-GmbH

Rumpfjahr Insolvenzantrag/
2003 2004 Frühjahr 2006
2005 Verfahrensende
Mitarbeiter 623 649 02.08.2005 / ca. 420
Umsatz 88 Mio. € 87 Mio. € ca. 65 Mio. € 05.01.2006 60 Mio. €
erwartet
Ge- - 600.000 € - 4.000.000 € - 11.000.000 € Gewinn
winn/Verlu erwartet
st

II. Zur Entwicklung der Krise

Das Unternehmen war Teil einer Unternehmensgruppe, die von einer Beteiligungs-
holding geführt wurde. Die Kommanditgesellschaft, eine GmbH & Co. KG, vereinte
verschiedene Beteiligungsgesellschaften. Die Kommanditeinlage betrug 2,5 Mio. €.
Die Komplementärin war ebenfalls eine Beteiligungsgesellschaft mbH. All diese Ge-
sellschaften wiesen mehrheitlich einen Bezug zu den Familien der Unternehmens-
gründer bzw. eines Mitgesellschafters auf. Deren Anteile wurden im Jahr 1992 auf
die Holding übertragen und in der Zwischenzeit mehrfach in der Summe erhöht.
Das Unternehmen nahm für den Ausbau des Geschäftsbetriebs, u.a. für Neuinvesti-
tionen an einem zweiten deutschen Produktionsstandort und eine Vertriebsniederlas-
sung im Ausland, diverse Kredite in Höhe von insgesamt 18 Mio. € bei verschiede-
nen Banken auf. Dabei war das Unternehmen jeweils Kreditnehmer für den Gesamt-
konzern, die Bankdarlehen waren jedoch überwiegend über die verbundenen Beteili-
gungsgesellschaften abgesichert.
Das Unternehmen litt - wie viele baunahe Branchen - unter der sinkenden Inlands-
nachfrage ab dem Jahr 1995. Auslandsmärkte wurden kaum beliefert. Anfangs ge-
lang es, die Umsätze durch das Angebot neuer Produkte relativ stabil zu halten. Im
Jahr 2004 wurde in eine neue Produktionsanlage investiert. Sie wurde unmittelbar
nach Fertigstellung im Jahr 2005 an eine Leasinggesellschaft verkauft und anschlie-
ßend zurückgeleast (sog. Sale and Lease Back-Geschäft). War der Umsatz bis 2004
nur in geringem Ausmaß gesunken, brach er in den ersten Monaten des Jahres 2005
gegenüber dem Vorjahreswert um 12 % ein. Eine Marktstabilisierung war in Deutsch-
land nicht zu erwarten, da die Preise für Standardprodukte weiter sanken.
148

In der Gesamtbetrachtung hatten Fehleinschätzungen der Marktlage, eine zu breite


Produktpalette, eine relative hohe Wertschöpfungstiefe im Unternehmen, Anlauf-
schwierigkeiten der neuen Produktionsanlage sowie Schwächen in den Bereichen
Logistik und Forderungsmanagement ab dem Jahr 2003 zu Verlusten geführt. Zum
Tag der Insolvenzbeantragung bestanden offene Verbindlichkeiten aus Lieferungen
und Leistungen in Höhe von 6 Mio. €, da das Unternehmen im Jahr 2005 zunehmend
Lieferantenkredite zur Finanzierung genutzt hatte. Die erwartbaren Verluste für 2005
nötigten die Geschäftsführung zum Handeln. Unter Berücksichtigung von Forderun-
gen, die nicht mehr einzutreiben waren, war das Eigenkapital bereits aufgezehrt.
Das Unternehmen wurde durch Herrn A geführt. Mit Zuspitzung der Finanzierungs-
krise suchte A eine sanierungserfahrene Unternehmensberatung auf, um verschie-
dene Lösungen abzuwägen.

III. Insolvenzverfahren und Ausarbeitung des Insolvenzplans

Insolvenzantrag: 02.08.2005 durch Schuldner wegen drohender Zahlungs-


unfähigkeit gestellt, Antrag auf Eigenverwal-
tung, gleichzeitiger Insolvenzantrag der per-
sönlich haftenden Gesellschafterin (GmbH)
Verfahrenseröffnung: 25.10.2005
Abstimmungstermin: 20.12.2005
Verfahrensaufhebung: 05.01.2006

Bereitschaft zum Insolvenzplanverfahren

Die Beratungsagentur schlug vor, zur Sanierung des Unternehmens ein Insolvenz-
planverfahren anzustreben, da sie dies für vorteilhafter als einen außergerichtlichen
Vergleich hielt. Es böte die Chance, dass die Alteigentümer weiterhin in der Unter-
nehmensleitung aktiv sein könnten. Zum Zwecke einer Sanierung in Eigenregie wur-
den Ende Juli 2005 zwei der Unternehmensberater als zusätzliche Mitglieder in die
Geschäftsführung aufgenommen.
Der Plan wurde den kreditgebenden Banken bereits eine Woche vor dem Insolvenz-
antrag vorgestellt. Das Gericht, ein eher kleineres Insolvenzgericht, war im Jahr 2005
noch insolvenzplanunerfahren. Der Richter äußerte, dass er aufgrund seiner Arbeits-
belastung kein Interesse an einem erhöhten Kontrollaufwand in diesem Verfahren
hätte. Bei seiner Prüfung würde er tendenziell der Einschätzung des Insolvenzver-
walters folgen, den er mit der Erstellung des Eröffnungsgutachtens beauftragt hatte.
Der Verwalter ließ durch eine Steuerberatungsgesellschaft einen Zwischenabschluss
erstellen. Durch dieses Gutachten wurde die Informationsgrundlage für das Abwägen
der Sanierungschance zum Ende des Jahres 2005 neu bestimmt und für alle Betei-
ligten vereinheitlicht. Dies ermöglichte eine rationale Diskussion mit den Gläubigern
und Anteilseignern.
Der vorläufige Verwalter wurde in diesem Verfahren erstmals damit konfrontiert, dass
die Unternehmensleitung bereits externe Sanierungsberater engagiert und einen Sa-
nierungsplan erarbeitet hatte. Er ließ sich von der Sanierungsidee überzeugen und
149

stimmte zu, dass die Unternehmensleitung nach der Antragstellung alle Geschäfts-
partner schriftlich über die Sanierungsidee unterrichtete. Dennoch entstanden im Er-
öffnungsverfahren Abstimmungsprobleme hinsichtlich der Kompetenzen des Insol-
venzverwalters und des Schuldners. Der Insolvenzverwalter sprach sich letztendlich
gegen die Eigenverwaltung aus. Er gab an, dass er grundsätzlich Vorbehalte gegen
Eigenverwaltungen hätte. Der Richter folgte dem Urteil des Verwalters. Die Interes-
sen des Schuldners blieben dabei ohne Berücksichtigung.

Planinhalte

Ende 2005 waren Forderungen der Gläubiger von fast 40 Mio. € offen, deren Tilgung
nicht mehr aus dem Betriebsergebnis zu erwirtschaften war. Daher war zur Sanie-
rung ein anteiliger Verzicht aller Gläubiger nötig. Der Insolvenzplan der Unterneh-
mensberatung sah vor, sechs Gläubigergruppen zu bilden.

Tabelle: Forderungen und Erfüllungsquoten nach Lösungsvarianten

Kreditinstitute mit
Nicht
Verbunde- Drittsicherheiten
Arbeitneh- Lieferan- Institutionel- nachrangi-
ne Unter- am Vermögen
mer ten le Gläubiger ge Gläubi-
nehmen der verbunden
ger
Unternehmen
Forderungen 0,2 Mio. € 3,2 Mio. € 10,5 Mio. € 12,7 Mio. € 12,5 Mio. € 0,3 Mio. €
Liquidation durchschnittlich 18 %
Fortführung 23,0 % 87,5 % 23,0 % 38,8 % 51,4 % 74,3 %
10 % so- zukünftige Rück- je 50 % im
Auszah-
fort zahlung des April/ Au-
lungsmodus je 50 % im April/August 2006
Darlehens gust 2006

Die Arbeitnehmer bilden die Gruppe 1; ihnen wurde ein größeres Interesse am Erhalt
des Unternehmens als an einer schnellen und vollständigen Gehaltsauszahlung un-
terstellt. Für die Gruppe 2, d.h. Warenlieferanten, deren Forderungen zu rd. 80 %
durch Eigentumsvorbehalte besichert waren und die einen Lieferantenpool gebildet
hatten, war trotz Aussonderungsrechte eine pauschale Abfindung vorgesehen. Sie
sollten aufgrund der zukünftigen Lieferbeziehungen ein Sonderopfer bringen.
Den institutionellen öffentlichen Gläubigern in Gruppe 3 wurde ebenfalls ein hoher
Verzicht vorgeschlagen, da sie aus einer Fortführung und Arbeitsplatzsicherung e-
benfalls zukünftig Nutzen ziehen würden. Die mit der Schuldnergesellschaft verbun-
denen drei Vermögensverwaltungsgesellschaften in Gruppe 4 hatten ein noch höhe-
res Fortführungsinteresse, da sie direkt an zukünftigen Erträgen partizipieren und
zudem Immobilienverträge aufrechterhalten konnten. Je nach Bezug zum Unterneh-
men und Grad der Neustartfinanzierung waren Quoten zwischen 0 und 59 % vorge-
sehen. Zusammengefasst lag die Quote dieser Gruppe bei 38,8 %, die jedoch nur zu
einem Zehntel sofort zur Auszahlung kommen sollte.
Zwei Kreditinstitute verfügten über besondere Sicherheiten und bildeten deswegen
die 5. Gruppe. Ihnen wurden rund 50 % der Forderungen zugesprochen. Sie wurden
150

aber verpflichtet, weiterhin als Vertragspartner zur Verfügung zu stehen und sich mit
den verbleibenden und neuen Darlehen substantiell an der Neufinanzierung zu betei-
ligen. Die Erfüllung ihrer Quote wurde in die Zukunft verschoben, als normale Tilgung
eines Darlehens. Da dies von zukünftigen Erträgen abhängig ist, fiel der vorgeschla-
gene Verzicht etwas niedriger aus als in Gruppe 4. Die Gruppe 6 wurde aus nicht
nachrangigen Gläubigern gebildet, die nicht den übrigen Gruppen zuzuordnen waren.
Nach diesem Planentwurf wurde allen Gläubigern je nach Besicherung der Forde-
rungen und Zukunftserwartungen ein Verzicht abverlangt, der zwischen 12,5 % für
die Lieferanten und 77 % für Arbeitnehmer und institutionelle Gläubiger wie Fiskus
und Sozialversicherungen lag. Durchschnittlich sollten nur noch 50 % der Forderun-
gen erfüllt werden. Bei einer übertragenden Sanierung wäre eine Quote von 18 % zu
erwarten gewesen. Für nicht im Plan berücksichtigte, eventuell später eingehende
Forderungen wurden zudem Rückstellungen i.H. v. 1 Mio. € vorgenommen.

Finanzierungsaspekte

Zum Neustart war eine Startfinanzierung nötig, die u.a. von einer bereits engagierten
Hausbank gestellt werden sollte. Die Hausbank, eine Sparkasse, war früh über die
geplante Krisenlösung informiert worden. Sie war anfangs überrascht, dass eine Sa-
nierung im Insolvenzplanverfahren angestrebt wurde. Sie unterlag einer Fehlein-
schätzung hinsichtlich der Besicherung ihres Darlehens. Nachdem eine erste skepti-
sche Haltung gegenüber der Sanierungsidee überwunden wurde, erklärte sie sich
bereit, auf rd. 49 % der verbliebenen Kreditsumme zu verzichten. Der Verzicht erfolg-
te durch eine Bereitstellung eines nachrangigen Darlehens in Höhe von 4,8 Mio. €
und durch einen Realverzicht von rd. 1 Mio. €. Die Kredittilgung orientierte sich an
den bestehenden Verträgen. Der nach dem Verzicht verbleibende Kreditrahmen blieb
- wie auch die Geschäftskonten - weiterhin bestehen. Das Institut bot einen Kontokor-
rent-Kreditrahmen bis zu 5 Mio. € zu einem effektiven Jahreszins von 5,3 % an.
Daneben finanzierten die Vermögens- und Beteiligungsgesellschaften den Neustart.
Eine Beteiligungsgesellschaft führte dem Unternehmen 1,5 Mio. € zu. Zudem wurde
ein bei einer Landesbank aufgenommener Kredit abgelöst, den die Beteiligungsge-
sellschaft besichert hatte. Bei einer anderen Holding-Gesellschaft wurden die dem
Unternehmen gewährten Kredite partiell gestrichen und die verbleibenden Kreditbe-
träge in nachrangige Darlehen umgewandelt. Im Plan war vorgesehen, weitere Inves-
titionen zu tätigen. Für das Jahr 2006 wird ein Kreditvolumen von insgesamt 18 Mio.
€ erwartet, das zu Zinszahlungen in Höhe von 600.000 €/Jahr führen dürfte.
In der Eröffnungsphase wurden die üblichen Kostensenkungsinstrumente zur Erhö-
hung der Liquidität genutzt: Arbeitnehmerentgelte, Zinsaufwendungen, Tilgungen und
Umsatzsteuer wurden nicht gezahlt. Das ergab eine Einsparung von rd. 7,5 Mio. €.
Die Warenkreditversicherungen wurden mit Bekanntmachung der Insolvenz gekün-
digt. Die Lieferanten verlangen allerdings seitdem Vorkasse für ihre Waren.
Eine hohe Belastung erwuchs in den Jahren 2005 bis 2006 aus den Verfahrenskos-
ten. Während die Honorarforderungen der beauftragten Berater in den ersten Mona-
ten beglichen wurden, erhielt der Sachwalter bis zum Verfahrensende eine Monats-
151

vergütung von rd. 280.000 €, insgesamt fast 1,7 Mio. €. Die Kostenpunkte Gericht
und Gläubigerausschuss fallen innerhalb der Gesamtkosten kaum ins Gewicht.

Übersicht: Kosten des Insolvenzplanverfahrens in €

Gerichtskosten 100.000
Kosten des Insolvenzverwalters 1.650.000
Gläubigerausschuss 20.000
Kosten für Unternehmensberatung 600.000
Gesamtkosten des Verfahrenswegs 2.370.000

IV. Kommunikation mit den Gläubigern

Nachdem die Banken bereits vor dem Insolvenzantrag über den Insolvenzplan infor-
miert worden waren und ihre Bereitschaft zur Sanierung erklärt hatten, erhielten mit
dem Insolvenzantrag auch die anderen Gläubiger einen Brief, dass eine Sanierung
angedacht sei. Die Verzichtserklärungen wurden jeweils individuell verhandelt. Dem
Finanzamt wurde Steuerfreistellung der Sanierungsgewinne abgerungen. Andere
Gläubiger wie Lieferanten waren der Sanierung tendenziell wohlgesonnen. Um den
Personalabbau einzuleiten, verhandelten Unternehmensleitung und Insolvenzverwal-
ter ab Mitte August 2005 mit den Betriebsräten beider Standorte. Rund einen Monat
später wurden für jeden Betrieb ein Interessenausgleich und Sozialplan vereinbart.
Zur Abfederung der Entlassungen ist ein Volumen von rd. 1,5 Mio. € vorgesehen. Im
Dezember 2005 wurde der Planvorschlag schließlich einstimmig angenommen.

V. Umsetzung des Insolvenzplans

Der Plan sah neben Ausgliederungen von bestimmten Geschäftsteilen auch Neuin-
vestitionen vor. Der Fuhrparkservice wurde mit allen Arbeitsplätzen ausgegliedert,
das Geschäft wird seitdem fremdvergeben. Ein Teil der Produktion wurde ebenfalls
mit Übergang der Arbeitsplätze an einen Dritten verkauft. Dieser mietete wiederum
Immobilien an. Zudem wurden die Vertriebsbüros in eine rechtlich selbständige Ein-
heit ausgegliedert, Lagerbestände wertbereinigt und Kosten im Bereich Logistik re-
duziert, u.a. durch die Einführung eines Mindestbestellwertes. Das Personal wurde
von 630 auf 420 Mitarbeiter verringert. Dadurch sanken die Personalkosten um 40 %
sowie weitere Kosten für Kommunikationsdienste, Verwaltung sowie Fuhrpark. Bis
zum Sommer 2006 wurde der Insolvenzplan wie erwartet umgesetzt. Die Planumset-
zung soll für einen Zeitraum von 10 Monaten ab Verfahrensende durch den früheren
Insolvenzverwalter als Sachwalter überwacht werden.

VI. Interviewpartner

zwei Unternehmensberater, die im Krisenverlauf als Berater in die Geschäfts-


führung aufgenommen worden waren.
153

Anhang 3: Fragebogen
154

INSTITUT fÜR MITTELSTANDSFORSCHUNG BONN


Professor Dr. Uschi Backes-Gellner
Vorstand
Institut für Mittelstandsforschung Bonn - Maximilianstraße 20 - 53111 Bonn - Tel. 0228-729970 - Fax 0228-7299734

Insolvenzplanverfahren und Eigenverwaltungen

1. Wann wurde Ihr Unternehmen gegründet? ______ Gründungsjahr

2. Bitte geben Sie den Wirtschaftszweig Ihres Unternehmens an!


1 … Verarbeitendes Gewerbe 4 … Baugewerbe
2 … Handel 5 … Unternehmensnahe Dienstleistungen
3 … Dienstleistungen für Personen 6 … Sonstiges, und zwar ___________________
3. a) Bitte nennen Sie die Rechtsform Ihres Unternehmens vor der Insolvenz!
1 … Einzelunternehmen 5 … GmbH & Co. KG
2 … OHG 6 … AG
3 … KG 7 … Sonstige, und zwar: _____________________________
4 … GmbH _____________________________________________
b) Hat sich die Rechtsform Ihres Unternehmens nach der Insolvenz geändert?
1 … Ja, und zwar in ____________________________________ (Bitte verwenden Sie die obigen Kürzel!)
2 … Nein
4. a) Führte die Insolvenz zu einer Umbesetzung der Unternehmensleitung?
1 … Ja 2 … Nein
b) Waren Sie bereits vor dem Insolvenzantrag Mitglied der Unternehmensleitung?
1 … Ja 2 … Nein
5. Bitte skizzieren Sie grob die Unternehmensentwicklung vor dem Insolvenzantrag!
im vorletzten Geschäftsjahr im letzten Geschäftsjahr
Mitarbeiterzahl _______________________ ______________________
Umsatz _____________________ € _____________________ €
Gewinn/Verlust (-) _____________________ € _____________________ €
Bilanzsumme _____________________ € _____________________ €

6. Wann wurde der Insolvenzantrag gestellt? …… …… …… (TT MM JJ)


7. Welche der folgenden Gründe war mitentscheidend für die Insolvenz? (Mehrfachnennung möglich)
1 … Zunahme von Außenständen 6 … Falsche Markteinschätzung
2 … Insolvenz wichtiger Kunden 7 … Übereiltes Unternehmenswachstum
3 … Schwierigkeiten bei Kreditfinanzierung 8 … Fehlinvestitionen
4 … Dünne Eigenkapitaldecke 9 … Sonstiges, und zwar ___________________
5 … Rückzug eines Gesellschafters ___________________________________

8. Wer stellte den Insolvenzantrag?


1 … Unternehmensleitung 5 … Banken
2 … Gesellschafter 6 … Lieferanten
3 … Finanzamt 7 … Sonstiger Gläubiger, und zwar ___________
4 … Sozialversicherungsträger ___________________________________

9. Haben Sie eine Eigenverwaltung beantragt?

1 … Ja 2 … Nein Ÿ Weiter mit Frage 12!


155

10. Was waren die wichtigsten Beweggründe für die Beantragung der Eigenverwaltung?
(Mehrfachnennung möglich)
1 … Nutzung der Kenntnisse/Erfahrungen der alten Geschäftsführung
2 … Vermeidung einer langen Einarbeitungszeit des Insolvenzverwalters
3 … Reduzierung der Kosten des Insolvenzverfahrens
4 … Beibehaltung der Entscheidungsbefugnisse der Geschäftsführung
5 … Sonstiges, und zwar _________________________________________________________________

11. Wurde die Eigenverwaltung angeordnet?


1 … Nein, Insolvenzgericht lehnte Antrag ab
2 … Ja, direkt durch Insolvenzgericht
3 … Ja, aber erst nach entsprechendem Beschluss der Gläubigerversammlung
12. Wurde ein Insolvenzplan entwickelt und wenn ja, zu welchem Zeitpunkt?

1 … Nein Ÿ Weiter mit Frage 28!


2 … Ja, die (grobe) Planerstellung erfolgte bereits vor dem Insolvenzantrag (sog. "prepacked plan")
3 … Ja, die Planerstellung wurde erst nach dem Insolvenzantrag in Angriff genommen
13. Wer regte die Erstellung eines Insolvenzplans an?

1 … Insolvenzverwalter aus Eigeninitiative Ÿ Weiter mit Frage 15!


2 … Gläubigerversammlung Ÿ Weiter mit Frage 15!
3 … Unternehmensleitung Ÿ Weiter mit Frage 14!
14. Sofern Sie selbst einen Insolvenzplan anregten, wer machte Sie auf diese Möglichkeit aufmerksam?
(Mehrfachnennung möglich)
1 … Informationen aus Print- und Onlinemedien 6 … Steuerberater/Wirtschaftsprüfer
2 … Vorläufiger Insolvenzverwalter 7 … Unternehmensberater
3 … Endgültiger Insolvenzverwalter 8 … Rechtsanwalt
4 … Öffentliche Beratungseinrichtungen 9 … Banken
5 … Lieferanten 10 … Sonstige Stelle, und zwar ______________

15. Welche der nachstehenden Gründe führten zur Entscheidung für ein Insolvenzplanverfahren?
(Mehrfachnennungen möglich)
1 … Bewahrung von Lizenzen/Rechten 6 … Qualifikation der alten Geschäftsführung
2 … Sicherung von langfristigen Mietverträgen 7 … Möglichkeit der Verfahrensverkürzung
3 … Sonstige langfristige Verträge mit Kunden 8 … Zeitdruck bei Sanierung
4 … Unternehmensgebundene Vermögenswerte 9 … Erleichterung der Gläubigerzustimmung
5 … Beibehaltung der Gesellschaftsstrukturen 10 … Sonstiges, und zwar ___________________

16. Wer hat den Insolvenzplan federführend entwickelt? (Mehrfachnennung möglich)


1 … Unternehmensleitung 5 … Steuerberater/Wirtschaftsprüfer
2 … Endgültiger Insolvenzverwalter 6 … Gläubiger
3 … Unternehmensberater 7 … Sonstige, und zwar ___________________
4 … Vorläufiger Insolvenzverwalter ___________________________________

17. Wer wurde in die Ausarbeitung des Insolvenzplans einbezogen? (Mehrfachnennung möglich)
1 … Unternehmensleitung 8 … Unternehmensberater
2 … Gericht 9 … Rechtsanwalt
3 … Steuerberater/Wirtschaftsprüfer 10 … Öffentliche Beratungseinrichtungen, z.B. IHK
4 … Kunden 11 … Betriebsrat
5 … Banken 12 … Mitarbeiter
6 … Neue Investoren 13 … Gläubigerversammlung/-ausschuss
7 … Einzelne Gläubiger, und zwar ________________ 14 … Sonstige, und zwar ___________________
________________________________________ ___________________________________
156

18. Wie stark erschwerten folgende Faktoren die Ausarbeitung des Insolvenzplans?
(1 = keine Erschwernis, ....., 5 = sehr hohe Erschwernis)
c d e f g
Informationsbeschaffung über Verfahrensabläufe........................................................... 1 … … … … …
Zeitdruck ...................................................................................................................................................................... 2 … … … … …
Beurteilung der Sanierungsfähigkeit .............................................................................................. 3 … … … … …
Erfüllung der formalen Anforderungen von Insolvenzplänen ................................ 4 … … … … …
Entwicklung eines tragfähigen Konzeptes für den Insolvenzplan.................... 5 … … … … …
Zusammenstellung der erforderlichen Daten für den Insolvenzplan............. 6 … … … … …
Erforderlicher Personalaufwand im Unternehmen ........................................................... 7 … … … … …
Sicherstellung der Finanzierung während des Verfahrens ..................................... 8 … … … … …
Unzureichendes Managementwissen des Insolvenzverwalters......................... 9 … … … … …
Erreichung von Zugeständnissen der Belegschaft........................................................ 10 … … … … …
Kommunikation mit den einzelnen Gläubigergruppen ............................................... 11 … … … … …
Höhe der Beratungs- und Planerstellungskosten ........................................................... 12 … … … … …
Sonstiges, und zwar ________________________________________13 … … … … …
19. Welches Ziel wurde mit dem aufgestellten Insolvenzplan verfolgt?
1 … Sanierung des bestehenden Unternehmens 3 … Übertragende Sanierung
2 … Zeitlich gestreckte Liquidation 4 … Sonstiges, und zwar ___________________
20. Bitte stellen Sie die durchschnittlichen Quoten für die Gläubiger im (angedachten) Planverfahren und
bei Zerschlagung des Unternehmens gegenüber!
_________ % Quote bei Annahme des Insolvenzplans ___________% Quote bei Zerschlagung

21. Bitte stellen Sie die anvisierten Zeitpunkte der Gläubigerbefriedigung im (angedachten) Planverfahren
und bei Zerschlagung des Unternehmens gegenüber!

…… …… (MM JJ) bei Annahme des Insolvenzplans …… …… (MM JJ) bei Zerschlagung
22. Wie hoch waren die Kosten für das Insolvenzverfahren und die Erstellung des Insolvenzplans?
1 … Gesamtkosten ca. _____________ €
davon: 1.1 … Gerichtskosten ca. _____________ €
1.2 … Kosten des Insolvenzverwalters ca. _____________ €
1.3 … Kosten der Planerstellung ca. _____________ €

23. In welchem Ausmaß erschwerten nachstehende Gründe die Durchsetzung des Insolvenzplans?
(1 = keine Erschwernis, ....., 5 = sehr hohe Erschwernis)
c d e f g
Überzeugung des Gerichts von der Tragfähigkeit des Konzepts ................................. 1 … … … … …
Überzeugung des Insolvenzverwalters von der Tragfähigkeit des Konzepts .. 2 … … … … …
Überzeugung der Gläubiger von der Tragfähigkeit des Konzepts .............................. 3 … … … … …
Erreichung finanzieller Zugeständnisse der Gläubiger ........................................................... 4 … … … … …
Koordinationsaufwand zwischen den Gläubigern ........................................................................ 5 … … … … …
Interessengegensätze/Konflikte zwischen den einzelnen Gläubigern .................... 6 … … … … …
Steuerliche Forderungen (z.B. Besteuerung von Sanierungsgewinnen) ............. 7 … … … … …
Sonstiges, und zwar ____________________________________________8 … … … … …
24. Wurde der ausgearbeitete Insolvenzplan angenommen?
1 … Ja, und zwar mittels:
1.1 … Zustimmung aller Gläubigergruppen

1.2 … Regelungen zum Obstruktionsverbot nach Zustimmung der Mehrheit der Gläubigergruppen
2 … Verfahren läuft noch
3 … Nein, wegen
3.1 … Einwendungen des Insolvenzgerichts

3..2 … fehlender Zustimmung der Mehrheit der Gläubigergruppen


157

25. Sofern es zu Ablehnungen durch einzelne Gläubigergruppen kam, was war Ihrer Ansicht nach der
Grund für die Ablehnung? (Mehrfachnennung möglich)
1 … Präferenz für eine Zerschlagungslösung
2 … Präferenz für eine sofortige Befriedigung
3 … Zweifel an der Tragfähigkeit des Sanierungskonzepts
4 … Misstrauen in die Qualifikation der Unternehmensleitung
5 … Existenz eines Kaufangebots seitens eines potenziellen Investors
6 … Zu späte Erstellung des Insolvenzplans
7 … Einwendungen gegen Gruppenbildung
8 … Spezifische Gründe, und zwar: ________________________________________________________

26. Stellten Einzelgläubiger einen Antrag auf Zurückweisung des Plans durch das Insolvenzgericht?
1 … Ja 2 … Nein
27. Erfolgte die Bestätigung des Insolvenzplans durch das Insolvenzgericht? Und wenn ja, wie viele Wo-
chen waren seit Stellung des Insolvenzantrags vergangen?
1 … Ja, gerichtliche Bestätigung erfolgte ________ Wochen nach Insolvenzantrag
2 … Nein, eine gerichtliche Bestätigung erfolgte nicht
28. Sofern es nicht zu einem Insolvenzplan kam, was geschah mit dem Unternehmen?
1 … Liquidation 3 … Verkauf
2 … Übertragende Sanierung 4 … Sonstiges, und zwar ___________________
29. Welche der im Folgenden genannten Probleme traten nach dem Insolvenzantrag auf?
(Mehrfachnennung möglich)
1 … Verlust wichtiger Kunden
2 … Verlangen von Vorkasse seitens Lieferanten und Dienstleister
3 … Mangelnde Finanzierungsbereitschaft der Banken
4 … Einwendungen von Mitarbeitern/Betriebsrat gegen ggf. vereinbarte Lohnkürzungen/Entlassungen
5 … Koordinations-/Abstimmungsprobleme mit Insolvenzverwalter
6 … Nachträgliche Forderungen durch Gläubiger
7 … Sonstige, und zwar _________________________________________________________________

30. Welche Unterstützungsleistungen von öffentlicher Seite würden Sie in Bezug auf Insolvenzplanver-
fahren befürworten? (Mehrfachnennung möglich)
1 … Vermittlung von Experten für Prüfung der Sanierungsfähigkeit und Planerstellung
2 … Online- oder Print-Informationen über Insolvenzplanverfahren und Planinhalte
3 … Finanzielle Hilfen zur Deckung der Erstellungskosten des Insolvenzplans
4 … Moderation des Verfahrens durch "Runde Tische" der Kammern
5 … Stärker moderierende Funktion des Gerichts
6 … Finanzielle Hilfen zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs bis zur Planverabschiedung
7 … Unterstützung bei der Neustartfinanzierung
8 … Sonstige Unterstützung, und zwar ______________________________________________________

31. Bitte geben Sie die Anzahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Ihrem Unternehmen und
die Bilanzsumme an.
_____________ Anzahl Mitarbeiter _____________ € Bilanzsumme

32. Wo besteht Ihrer Ansicht nach Verbesserungsbedarf bei den gesetzlichen Regelungen zu Insolvenz-
planverfahren und Eigenverwaltungen? Bitte begründen Sie Ihre Meinung!
Insolvenzplanverfahren: __________________________________________________________________

______________________________________________________________________________________

Eigenverwaltungen: ______________________________________________________________________

______________________________________________________________________________________

Vielen Dank für Ihre Mitarbeit!


159

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