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Innovations-
management
Von der Idee zum erfolgreichen Produkt
Mit 37 Abbildungen
Physica-Verlag
Ein Unternehmen
von Springer
Dr. Kai Engel
A.T. Kearney GmbH
Kaistraße 16A
40221 Düsseldorf
kai.engel@atkearney.com
Vorwort ................................................................................................... V
Kai Engel
Gutes Management ist bei Innovationen genauso relevant wie in allen anderen
Bereichen der Unternehmensführung. Die Bausteine des A.T. Kearney-„House of
Innovation“ umfassen eine strukturierte Herangehensweise, die ein systematisches
Management ermöglicht. Ein wichtiger Bereich des Innovationsmanagements sind
interne und externe Netzwerke, die das Wissen aller Partner einbeziehen und auf-
grund ihrer straffen Prozesse vollständig nutzen können. Gerade diese wichtige
Zusammenarbeit wird jedoch durch immer stärker fragmentierte Wertschöpfungs-
ketten zunehmend schwieriger.
1.1 Einleitung
- Innovationsstrategie
- Innovationsorganisation und -kultur
- Innovationsprozess
- Enabling Factors
Erst ein perfektes Zusammenspiel dieser Elemente ermöglicht einen
durchgängigen Innovationsprozess und überzeugende Innovationsergeb-
nisse.
Inno-
vations-
strategie
Innovations-
organisation und -kultur
Lebenszyklusmanagement
(Prozesse)
Der zweite Baustein des „House of Innovation“ ist der Bereich Innova-
tionsorganisation und -kultur. Hier liegt eine der großen Herausforderun-
gen des Innovationsmanagements. Innovationen brauchen ein angemesse-
nes Umfeld, das sowohl den Elfenbeinturm der Forschung und Entwick-
lung mit der Außenwelt verbindet als auch die passenden Strukturen lie-
fert, um die Umsetzung zu sichern. Um beiden Anforderungen gerecht zu
werden, wird häufig als organisatorische Lösung eine Hybridstruktur ge-
wählt. Sie besteht aus einer zentralen Innovationseinheit und dezentralen
Verantwortlichen in den einzelnen Geschäftsbereichen. Doch erst wenn
auch Kunden, Lieferanten und Endverbraucher systematisch einbezogen
werden, entsteht ein effektives System gegenseitiger Wechselbeziehungen
unter den Beteiligten. Weil es schwierig ist, diese Wechselbeziehungen le-
bendig zu halten, gewinnen in diesem Bereich die Innovationsnetzwerke
immer stärker an Bedeutung. Sie sorgen auf allen Stufen des Innovations-
prozesses intern und extern für bessere Kontakte und „Verdrahtung“. Die-
se Innovationsnetzwerke werden im folgenden Abschnitt ausführlich dar-
gestellt.
Der Innovationsprozess ist ein weiteres Element des „House of Innova-
tion“. Der Prozess betrifft das gesamte Unternehmen und involviert so vie-
le qualifizierte Mitarbeiter wie möglich. Wegen seines großen Umfangs
umfasst der Innovationsprozess mehrere Phasen: Dazu gehören Ideengene-
rierung, Bewertung und Selektion der Ideen, Entwicklung sowie Umset-
zung und Markteinführung. Einzelne Phasen können von unterschiedlichen
Beteiligten des internen Netzwerkes übernommen werden. Häufig sind
diese Phasen nicht sequenziell, sondern untereinander verbunden, und sie
umfassen zudem Rückkopplungsschleifen.
Zum initialen Prozess der Ideengenerierung tragen sowohl interne als
auch externe Faktoren bei, die nach Push- und Pull-Faktoren unterschieden
werden. Als Push-Faktoren werden in erster Linie interne technologische
Entwicklungen und Entdeckungen bezeichnet, daher der Begriff „techno-
logy push“. Die Pull-Faktoren ergeben sich aus dem Markt und seinen An-
forderungen. Deshalb heißt es „market pull“.
Um die künftigen Anforderungen und die Nachfrage realistisch ein-
schätzen zu können, müssen die Unternehmen die Innovation in den Kon-
text einer Reihe von Faktoren stellen. Dazu gehören beispielsweise Gesell-
schaft, Demographie, Politik, Umwelt und Technologie, aber auch Verän-
derungen von Wettbewerbern, Zulieferern, Partnerunternehmen und Kun-
den. Unter sorgfältiger Abwägung dieser Faktoren und der eigenen strate-
gischen Positionierung können der zukünftige Innovationsbedarf und das
Marktpotenzial abgeschätzt werden. Wenn der Innovationsbedarf ermittelt
4 Kai Engel
Netzwerkpartner
Rahmenbedingungen
Wird in die Auswahl der Partner in der Regel sehr viel Zeit und Engage-
ment investiert, so kann es ganz schnell zu Schwierigkeiten kommen,
wenn für einzelne Partner die Chancen im Netzwerk vergleichsweise ge-
ring sind. Sollte es dem führenden Partner nicht gelingen, für alle Mitglie-
der des Netzwerkes die Voraussetzungen für eine „Win-Win“-Situation zu
erzielen, so besteht durch das entstehende Ungleichgewicht eine akute Ge-
fährdung für das gesamte Netzwerk. Einzelne Partner könnten aussteigen,
1. Organisation von Innovationsmanagement 7
oder es könnte sogar das komplette Netzwerk von anderen führenden Un-
ternehmen übernommen werden. Im Vorfeld einer Netzwerkgründung ist
es deshalb unerlässlich, alle Phasen der Mitgliedschaft im Innovationsnetz-
werk klar zu definieren – vom Eintritt in das Netzwerk über die Zusam-
menarbeit bis hin zum Ausstieg. Gerade die letzte Phase wird in der an-
fänglichen Euphorie der Zusammenarbeit zu häufig gedanklich vernach-
lässigt. Es gilt einen Ausstieg nach festgelegten Konditionen zu vereinba-
ren, um einen professionellen Abschluss der Zusammenarbeit sicherzustel-
len und kosten- und arbeitsintensive juristische Auseinandersetzungen zu
verhindern. Zu den Aspekten, die als Rahmen eines Netzwerks vereinbart
werden, gehören neben der Frage des Ausstiegs auch Transparenz, Ver-
trauen und Verantwortlichkeit.
Auch die Festlegung von Verantwortlichkeiten und das Management in
Innovationsnetzwerken verlangen besondere Sorgfalt innerhalb der Unter-
nehmen. Es gibt keinen systematischen Prozess, um „passende“ Fähigkei-
ten der Partner innerhalb der Wertschöpfungskette zu ermitteln und zu prü-
fen, ob und wie weit die Innovationsstrategien der Unternehmen überein-
stimmen. Zudem sind im Netzwerk zunächst keinerlei Verwaltungsstruk-
turen etabliert. Gerade dieser Aspekt darf nicht unterschätzt werden, denn
ohne die organisatorische Integration in Abteilungen der jeweiligen Unter-
nehmen ließe sich kein Wertbeitrag für die Partner des Innovationsnetz-
werkes generieren.
Wertschöpfungspartner
Innovationskultur
Best Innovator
chen. Lange Zeit wurde nämlich die Rolle der Lieferanten in Bezug auf In-
novationen erheblich unterschätzt. Inzwischen haben die Unternehmen ei-
ne andere Einstellung dazu gewonnen und das Innovationspotenzial eines
möglichen Lieferanten wird als wesentliches Auswahlkriterium gewertet.
Die internationale Top-Managementberatung A.T. Kearney lobte bereits
mehrfach den Wettbewerb „Best Innovator“ aus, bei dem Unternehmen
europaweit aufgefordert wurden, ihr Innovationsmanagement einem detail-
lierten Vergleich zu unterziehen. Unter den Preisträgern befinden sich et-
liche Firmen mit umfangreichen Erfahrungen aus internen und externen In-
novationsnetzwerken. Im Vergleich wird deutlich, dass die Unternehmen
mit den besten Resultaten ihre internen und externen Partner stärker invol-
vieren als die Wettbewerber. Zugleich sind sie wesentlich effizienter darin,
die Netzwerke zu managen.
Optimierungspotenzial
A.T. Kearney: Was sind die Stärken von DANONE bei der Nutzung des In-
novationsnetzwerks?
Sven Thormahlen: Die Frage des Netzwerkes beherrscht fast jede Diskus-
sion über das Thema Innovation. Es ist der Schlüssel, weil Innovation am
Scheideweg zwischen einer Vielzahl von Qualifikationen und Expertisen
steht, die kontinuierlich abgerufen und erneuert werden müssen. Um er-
folgreich zu sein, setzt die DANONE-Gruppe auf eigene Programme, Pro-
zesse und Organisationsmethoden, die es erlauben, neue Ideen schnell zu
kommunizieren und diese in relevante Konzepte für unsere Konsumenten
umzumünzen. DANONE Vitapole wurde mit dem Ziel gegründet, For-
schungs-, Entwicklungs- und Marketingfunktionen zusammenzubringen,
12 Kai Engel
A.T. Kearney: Welche Chancen sieht DANONE bei der Nutzung der Inno-
vationsfähigkeit seiner Lieferanten?
Sven Thormahlen: Unser Ansatz gegenüber unseren Lieferanten zielt ge-
nau darauf ab. Wir sind davon überzeugt, dass unsere Lieferanten leis-
tungsstarke Innovationsträger sind, weil sie selbst an der Schnittstelle zwi-
schen einer Vielzahl von Projekten bei vielen verschiedenen Marktteilneh-
mern stehen. Lassen Sie mich eine besonders bezeichnende Initiative be-
schreiben. Im letzten Jahr veranstalteten wir eine eintägige Konferenz mit
elf Lieferanten, die ihre jeweiligen F&E-Team-Aktivitäten präsentieren
sollten. Das Ziel war herauszufinden, wie sich unsere Bemühungen gegen-
seitig ergänzten und wie neue Projekte initiiert werden könnten. Aufgrund
der sehr positiven Erfahrungen werden wir dieses Experiment nächstes
Jahr wiederholen. Darüber hinausgehen wir strategische Partnerschaften
mit Lieferanten von Aroma- und Inhaltsstoffen ein und werden in Zukunft
regelmäßig zwei Lieferantenmanager in unsere Produktion einladen. Au-
ßerdem haben wir ein exklusives Forschungsprogramm mit privaten und
öffentlichen Institutionen aufgesetzt.
A.T. Kearney: Was sind Ihrer Meinung nach die wichtigsten Faktoren,
wenn es um die Weiterentwicklung des DANONE-Innovationsnetzwerkes
geht?
Sven Thormahlen: In der Kultur der Groupe DANONE ist die Idee von
Veränderung, Visionen, Herausforderungen und Tempo tief verwurzelt.
Dieser Geist ist einer unserer wichtigsten Unternehmenswerte. Wir werden
alles daran setzen, ihn weiter zu pflegen, indem wir unser Umfeld weiter-
hin sehr aufmerksam und eingehend beobachten.
1. Organisation von Innovationsmanagement 13
1.4 Zusammenfassung
Michael Nippa
Aufgrund der Bedeutung für den Wettbewerbserfolg ist die Organisation der Inno-
vation ein seit langem und vielfältig untersuchtes Forschungs- und Beratungsfeld.
Dabei besteht jedoch immer wieder die Gefahr, dass die Komplexität der zu orga-
nisierenden Einflussfaktoren sowie ihrer Interdependenzen zugunsten einleuchten-
der, aber verkürzter Empfehlungen massiv reduziert wird. Von besonderer Rele-
vanz ist speziell im Umfeld des Innovationsmanagements die Tatsache, dass keine
klare Trennung zwischen organisationsinternen Veränderungen und Neuprodukt-
entwicklungen getroffen wird. Organisatoren, die die resultierenden Empfeh-
lungen einfach auf das eigene Unternehmen übertragen, erleben häufig bittere
Enttäuschungen. Um diese zu vermeiden, ist es notwendig, dass die Komplexität
des Gestaltungsobjektes aktiv und situationsbezogen erfasst wird und auf dieser
ganzheitlichen Basis eine kritische Anpassung von anderweitig erfolgreichen Kon-
zepten erfolgt. Hier wird diese Notwendigkeit an ausgewählten Beispielen deutlich
gemacht.
2.1 Einführung
Umweltfaktoren
(Regulierungen, Gesetze, gesellschaftliche Einstellungen,
Wettbewerber, Lieferanten, Kunden)
Corporate Governance
Kooperationen Unternehmensstrategie
Führung Ressourcen
Controlling Kapital
Struktur- / Aufbauorganisation
Anreize Mitarbeiter
Prozess- / Ablauforganisation
Kommunikation Wissen
Projektorganisation und – management
Systeme (z.B. Methoden, I&K-Technik)
Formale Organisation
Informelle Organisation
Organisations- und Innovationskultur
Quelle: Michael Nippa
Auch hier wird deutlich, dass die einzelnen Faktoren nicht einfach in
eine Liste untereinander geschrieben werden sollten, da dadurch wichtige
Informationen über inhaltliche Bezüge verschüttet werden.
So stehen etwa die formale und die informelle Organisation eines Unter-
nehmens nicht isoliert nebeneinander, sondern weisen wichtige Interde-
pendenzen auf. Man betrachte nur einmal das vielfach völlig falsch ver-
standene Thema der Unternehmenshierarchien. Es ist auf allen Unterneh-
mensebenen äußerst „trendy“, die Abschaffung bzw. Reduzierung von
Hierarchien zu fordern, da diese ja angeblich die Innovationsfähigkeit
eines Unternehmens behindern, was allerdings weder Praktiker noch Wis-
senschaftler bislang empirisch eindeutig bewiesen haben. Als Alternativen
werden regelmäßig – meist ebenso wenig durchdacht – entweder der
Markt oder das Chaos empfohlen. Tatsächlich werden hier im Regelfall
zwei Dinge durcheinander gebracht. Zum einen wird Hierarchie, also die
strukturierte Über- und Unterordnung von – ganz allgemein gesprochen –
Systemen und Subsystemen (z.B. Einzelteilen, Baugruppen, Endgeräten
oder Tätigkeiten, Teilaufgaben, Aufgaben), mit autoritärer Führung, d.h.,
Befehl und Gehorsam, verwechselt. Es ist zwar nicht auszuschließen, dass
beides zusammenfällt, aber dies ist nicht zwangsläufig so. Zum anderen
herrscht der Glaube vor, dass man Hierarchien und Statusdenken einfach
„wegorganisieren“ könne. Tatsächlich bilden sich dann aber in Organisati-
onen informelle Hierarchien und Statusverhaltensweisen heraus. Das Er-
gebnis der „Abschaffung“ von Hierarchien und einer primär antiautoritä-
ren Führung sind häufig hybride Organisationsformen im negativen Sinn:
ein bisschen Chaos und ein bisschen Ordnung, ein bisschen „eigentlich bin
ich der Boss“ und ein bisschen „das regeln bei uns der Markt bzw. die in-
2. Zur Komplexität der Innovationsorganisation 21
1 Siehe z.B. Nippa und Grigoleit (2006) oder auch O’Sullivan (2000).
22 Michael Nippa
oder Sloan Management Review wenden sich speziell an die Klientel der
Manager, Managementberater und MBA-Studenten und bieten daher eher
Überblicksbeiträge denn konkrete und vor allem übertragbare Analysen
der Erfolgsfaktoren.
Selbst wenn Praktiker den Versuch unternehmen wollten, die wissen-
schaftlichen Erkenntnisse zur Organisation der Innovation systematisch zu
erfassen und sich aufmachten, diese herauszufiltern, würden sie alsbald re-
signieren und ihr negatives Bild von der „nutzlosen“ Managementwissen-
schaft wieder einmal bestätigt sehen. Selbst für Wissenschaftler ist es
schwer, den Überblick zu wahren und vor allem konsistente Grundsätze zu
erkennen. So werden speziell zum Thema der Erfolgsfaktoren von betrieb-
lichen Innovationen bereits seit mehr als zehn Jahren so genannte Meta-
Studien bzw. zusammenfassende Reviews veröffentlicht, die den Versuch
unternehmen, die jeweils bestehenden Erkenntnisse aus Einzelstudien zu-
sammenzufassen.2 Das Ergebnis ist in der Tat ernüchternd: Erstens bauen
diese Studien nicht aufeinander auf und lassen sich so nicht vergleichen,
zweitens ist die getroffene Auswahl der zugrunde liegenden Primärstudien
nicht immer eindeutig nachvollziehbar und logisch, und drittens ist zu er-
kennen, dass viele Faktoren nur einmal empirisch – anhand einer einzigen
Stichprobe – analysiert wurden oder sich bei mehrfacher Untersuchung die
Ergebnisse häufig als widersprüchlich erwiesen. Man kann die Kritik em-
pirischer Erfolgsfaktorenstudien aber noch grundsätzlicher führen und da-
bei unter anderem auf die verwendeten unterschiedlichen Erfolgsgrößen,
die mangelhafte Operationalisierung der unabhängigen Variablen, die un-
zureichenden statistischen Verfahren oder die Halbwertzeit von Erfolgs-
faktoren, die allgemein bekannt gemacht werden, verweisen.3
Alles in allem sind somit die Ergebnisse der empirischen Erfolgsfakto-
renstudien im Regelfall für die Praxis als unbrauchbar zu bezeichnen. Als
Ausweg bietet sich hier am ehesten die enge Zusammenarbeit mit einem
spezialisierten Lehrstuhl bzw. Forschungsinstitut an. Diese können die für
eine bestimmte Fragestellung – zum Beispiel Voraussetzungen für die Ef-
fizienz von Produktchampions oder Erkenntnisse zum Projektmanagement
– relevanten Erfolgsfaktoren aufbereiten und auch hinsichtlich notwendi-
ger Anpassungen an die Situation des Praxispartners bewerten.
Eine weitere Möglichkeit des Erkenntnistransfers von der Wissenschaft
und in diesem Fall besonders auch von spezialisierten Beratungsunterneh-
2 Siehe z.B. Brown und Eisenhardt (1995) oder als zusammenfassenden Überblick über andere Meta-Studien
Hauschildt (2004, S. 32 ff.).
3 Zu kritischen Auseinandersetzungen über die Erfolgsfaktorenforschung siehe March und Sutton (1997), Nicolai
und Kieser (2002) sowie Nippa und Klossek (2004a, 2004b).
24 Michael Nippa
men wie ADL, A.T. Kearney oder BCG in die Rat suchende Praxis besteht
in der systematischen Analyse von Benchmarking- oder Best-Practice-Stu-
dien. Diese Studien bieten gegenüber den eher quantitativen Erfolgsfakto-
renanalysen den Vorteil, dass auch in hohem Maße komplexe, qualitative
Aspekte des Innovationsprozesses und der organisatorischen Rahmenbe-
dingungen mit einfließen können. Diese bilden, nicht nur meiner Erfah-
rung nach, oftmals den wesentlichen Schlüssel zum Innovationserfolg und
sollten daher die quantitativen Faktoren zumindest ergänzen. Aus der stra-
tegischen Analyse ist bekannt, dass die internen Potenziale eines Unter-
nehmens ein wesentlicher Bestandteil der Strategieformulierung, der Stra-
tegieimplementierung und des daraus resultierenden Wettbewerbserfolgs
sind. Dabei sind es jedoch selten die initiale Ressourcenausstattung, das
explizite Wissen oder einzelne Fähigkeiten, die den Ausschlag für Erfolg
oder Misserfolg geben, sondern durchaus komplexe, interdependente Bün-
del von organisatorischen Routinen und Fähigkeiten. Benchmark- und
Best-Practice-Studien sind besser als Erfolgsfaktorenanalysen in der Lage,
diese Komplexität abzubilden und damit entscheidende Impulse für die
Aufdeckung eigener Schwachstellen bzw. die Verbesserung der eigenen
Organisationsstruktur, von Prozessen und Systemen zu liefern (Grant und
Nippa 2006). Prominente Beispiele für Benchmark-Studien sind in den
Veröffentlichungen von Peters und Waterman (1993) „Auf der Suche nach
Spitzenleistungen“ und der „Lean Production“-Studie des M.I.T. über die
Automobilindustrie (Womack, Jones und Roos 1991) zusammengefasst
worden.
Gleichzeitig liegt hier allerdings auch die potenzielle Schwäche dieser
Studien. Es ist zum einen häufig nur schwer oder gar nicht nachvollzieh-
bar, anhand welcher Kriterien der Unternehmens- und/oder der Innovati-
onserfolg genau gemessen wird, oder ob es sich um eine subjektive Ein-
schätzung der Unternehmensleitungen selbst bzw. der Autoren der Studien
handelt. Des Weiteren repräsentiert die Darstellung der einzelnen Aspekte,
von denen die Interviewten oder die Autoren zu wissen glauben, dass sie
den Erfolg des Projektes oder die anhaltend überlegene Innovationsleis-
tung erklären, eine notgedrungen subjektive Auswahl. Zudem vertritt sie –
aufgrund der angesprochenen Komplexität teilweise ebenfalls notgedrun-
gen – nur ein oder wenige Elemente eines komplexen Geflechts interde-
pendenter Faktoren. Ein Beispiel möge das illustrieren: Häufig wird darauf
hingewiesen, dass eine Führung, die bewusst Fehler zulasse und nicht, zum
Beispiel durch einen Karriereknick, bestrafe, in besonderem Maße die
Kreativität, die Risikoneigung sowie die Innovationsleistung der Mitarbei-
ter erhöhe. Das leuchtet durchaus ein, übersieht aber wichtige Nebenwir-
kungen und Abhängigkeiten: Eine solche Führung ist vermutlich in frühen
2. Zur Komplexität der Innovationsorganisation 25
2.5 Zusammenfassung
Die Organisation der Innovation erweist sich als ein überaus komplexes
Erklärungs- und Gestaltungsfeld, das sich mit einfachen und abstrahieren-
den Vorgehensweisen und Lösungskonzepten nicht erfolgreich bewältigen
lässt. Trotzdem wird in Vorträgen, Veröffentlichungen und Methodologien
immer wieder versucht, grundlegende Erfolgsformeln darzulegen und zu
suggerieren, dass man an anderer Stelle überlegene Erfolgsmuster relativ
einfach übertragen könne. Genau das Gegenteil ist der Fall. Eine Erfolg
versprechende Reorganisation des Innovationsmanagements in einem Un-
ternehmen sollte die Komplexität auf der Grundlage einer ganzheitlichen
Vorstellung reduzieren, damit die Interdependenzen zwischen einzelnen
Systemelementen deutlich werden. Die Auswahl von Anpassungs- und
Verbesserungsvorschlägen kann dann auch diejenigen Faktoren identifi-
zieren, die ebenfalls angepasst werden müssen, um im Zusammenspiel
wirkliche Fortschritte zu bewirken. Generell erweist es sich als notwendig,
Erfolgsmustern und Best-Practice-Beispielen mit einer gesunden Skepsis
zu begegnen und diese eher als Ideengenerator zu verstehen denn im Sinne
eines übertragbaren Erfolgsgaranten. Allein die Tatsache, dass kaum ein
erfolgreiches Unternehmen die Grundlagen seines Erfolges und damit
seines Wettbewerbsvorteils öffentlich preisgeben dürfte, sofern eine Imita-
tion machbar erscheint, ist Mahnung genug, eine eigene Lösung zu ent-
wickeln. Die folgenden Beiträge bilden einen reichhaltigen Fundus von
Denkanstößen zur Entwicklung eigener Konzepte.
32 Michael Nippa
2.6 Literatur
Brown, S.L. / Eisenhardt, K.M. (1995). Product development: Past research, pre-
sent findings, and future directions. In: Academy of Management Review, 20:
343-378.
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31.03.2006.
Donaldson, L. (2002). Damned by our own theories: Contradictions between theo-
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Education, 1(1): 96-106.
Graen, G.B. / Uhl-Bien, M. (1995). Relationship-based approach to leadership:
Development of leader-member exchange (LMX) theory of leadership over 25
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terly, 6(2): 219-247.
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Hauschildt, J. (2004). Innovationsmanagement. 3. Aufl., München: Vahlen.
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Nippa, M. / Grigoleit, J. (2006). Corporate Governance ohne Vertrauen? Ökono-
mische Konsequenzen der Agency-Theorie. Freiberger Arbeitspapiere #
01/2006.
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in China. In: Revue Science de Gestion, 40: 169-216.
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richte. Heidelberg: Physica, 107-134.
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O’Sullivan, M. (2000). The innovative enterprise and corporate governance. In:
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Peters, T.J. / Waterman, R.H. (1993). Auf der Suche nach Spitzenleistungen. 15.
Aufl., Landsberg/Lech: Verlag Moderne Industrie (Original: „In search of
excellence“).
2. Zur Komplexität der Innovationsorganisation 33
Gerald Mischke
3.1 Einführung
Die für die Spieler bzw. Teilnehmer interessante Frage ist nicht die nach
dem jeweiligen Innovationsrisiko, sondern die nach den rationalen, d.h.,
nach den Risiko minimierenden Spielstrategien. Aus diesem Grund steht
nicht die Suche nach dem „richtigen Projekt“2, d.h., dem Projekt mit der
größten Erfolgswahrscheinlichkeit und/oder dem geringsten Risiko, im
Vordergrund. Die zentrale Frage im „Innovationsspiel“ ist vielmehr, wel-
cher nächste Schritt (Spielzug) den Teilnehmer auf der Suche nach dem
größten Erfolg versprechenden Projekt bei möglichst geringem Aufwand
weiter bringt.
Zur möglichst einfachen Beantwortung dieser Frage ist es ratsam, die
Umwelt zunächst nur in zwei Kategorien einzuteilen und vorerst auf eine
2 Die Suche nach dem „richtigen Projekt“ benötigt immer a-priori-Wissen. Dieses kann es aber per Definition
(schumpeterscher Innovationsbegriff) nicht geben. Hieraus die richtigen Konsequenzen zu ziehen, ist die eigent-
liche Aufgabe guter Spielstrategien.
3. The Innovation Game 37
3.2.1 Definition
5 In der Fahrzeugindustrie wird dies „Job1“ – das erste kundenfähige Fahrzeug – genannt. Diese Definition ist im
Sinne einer Innovationstheorie dem häufig benutzten SoP – Start of Production – vorzuziehen, da kundenrele-
vante Produkteigenschaften dann klar sind.
6 Nach M.E. Porter haben Unternehmen nur die zwei strategischen Differenzierungsoptionen Technlogieführung
und Marktführung. Technologieführung erlaubt wegen der (ggf. zeitlich begrenzten) Alleinstellung hohe (Mo-
nopol-) Renditen, wohingegen Marktführung die „Economy of Scales“ zum Vorteil des Unternehmens nutzt.
40 Gerald Mischke
projekten und -prozessen. Dies führt gemeinsam mit den obigen Überle-
gungen zur Verdeutlichung am Beispiel eines einzelnen (idealen) Innova-
tionsprojektes. Der Innovationsprozess wird im Folgenden als (Invest-)
Entscheidungsproblem betrachtet (siehe Abbildung 3.1).
Das Problem, von einer Idee (in der Abbildung 3.1 als „Start“ markiert)
bis zum Innovationserfolg (in Abbildung 3.1 als „Ziel“ markiert) zu ge-
langen, wird hierbei als optimale Pfadsuchaufgabe in einem Entschei-
dungsbaum interpretiert. Das universelle Maß für die erfolgreiche Bewälti-
gung dieser Aufgabe ist dann die Zunahme der Chance auf einen Innovati-
onserfolg Ps(W).7 Der in Abbildung 3.1 dargestellte binäre Such- bzw. Ent-
scheidungsbaum mit den beiden Fundamentalalternativen „besser/
schlechter“, „richtig/falsch“ etc. stellt den allgemeinen Fall dar. Er ist da-
her gleichbedeutend mit dem Grundschema bzw. der „Blaupause“ des In-
novationsprozesses aus der Sicht der Entscheidungstheorie. Erst durch
Darstellung des Innovationsprozesses als Entscheidungsbaum werden eini-
ge Grundeigenschaften des Innovationsprozesses wirklich deutlich.
Ps(t0) = 2-N
Erfolgschance Ps(W)* Ps(mrkt.)
(Marktrisiko)
lp0 Start (t-4) (logarithm.) Psn
Ps(dev.) 100%
(Entwicklungsrisiko) |70%
t2 W
t-4 Tc(lk) t0 [Einh.] t3
lp(N-1)1 lp(N-1)2N-1 Ps(tN-1) = 2-1 = 0,5 Mpk – Tck
DCF Rolk =
Tck
> 1!!
7 Zur Herleitung und zum Beweis des exponentiell ansteigenden Risikos und seiner Nutzbarkeit als universelle
Erfolgsmetrik für den Innovationsprozess siehe Le Corre und Mischke (2005).
3. The Innovation Game 41
universelle Prozessmetrik. Denn nur wenn bekannt und messbar ist, wann
und unter welchen Umständen ein Innovationsvorhaben mehr oder weni-
ger erfolgreich ist, können Verbesserungen erzielt werden. Da dieser Frage
in der Regel leider viel zu selten sorgfältig genug nachgegangen wird,8 soll
eine dafür geeignete Metrik vorgestellt und ihre Eigenschaften im Detail
erläutert werden.
Erneut sei hier auf Abbildung 3.1 verwiesen. Da nach Schumpeter der
Markterfolg Mk die Innovation Ik von einer sonstigen Invention (Neue-
rung) unterscheidet, wird dieser folglich zum einzig relevanten Erfolgs-
maß. Um nun die Vergleichbarkeit zwischen den verschiedensten Innova-
tionsprojekten Ik herzustellen, ist es sinnvoll, den jeweiligen „Return on In-
vestment“ RoI(Ik) als universelles Erfolgsmaß einzuführen. Daher gilt für
alle Innovationen Ik, dass
MP(Ik) > TC(Ik) also RoI(Ik) > 0 ist.
Wenn dies nicht zutrifft, ist Ik keine Innovation, da sie „Geld verbrennt“
und nicht, wie von Schumpeter gefordert, einen positiven Ergebnisbeitrag
leistet und somit Vermögen und Erfolg des Unternehmens und der Volks-
wirtschaft insgesamt mehrt.
Diese Minimalbedingung ist allerdings eine auf Dauer ökonomisch we-
nig befriedigende absolute Untergrenze. Sinnvollerweise sollte jede Inno-
vation während ihres Lebenszyklus zumindest das Kapital erwirtschaften,
um damit einen nächsten, zweiten Versuch zu finanzieren. Daraus folgt,
dass der Markterfolg im statistischen Mittel
MP(Ik) > 2 x TC(Ik), also RoI(Ik) > 1
8 Die Regel heißt: „Miss es oder vergiss es!“ Dies ist mitnichten neu. Ein berühmter Vordenker der modernen
Managementtheorie – Peter F. Drucker – hat einmal gesagt, „if you can’t measure it, you can’t manage it!“.
44 Gerald Mischke
Werden alle TC- und MP-Werte, wie in Abbildung 3.1 angedeutet, per
DCF-Methodik („discounted cash flow“) berechnet, können wir mit
diesem Ansatz das Innovations- und F&E-Management mit Methoden des
klassischen Finanz- und Investmanagements kombinieren. Dies führt zu
vielfältigen wechselseitigen Befruchtungen. Im nachfolgenden Kapitel 3
werden diese exemplarisch und im Buch „The Innovation Game“ (Le
Corre und Mischke 2005) im Kapitel 5 ausführlich beschrieben. Aus den
dort dargelegten Gründen erscheint eine Trennung des F&E- bzw. Innova-
tionsmanagements vom Invest- bzw. Risikomanagement als nicht zielfüh-
rend.
Verbindet man diese Innovationsbetrachtung mit den zuvor ausgeführ-
ten Grundeigenschaften des Innovationsprozesses, so kann man eine uni-
verselle Erfolgsmetrik PS(Ik) für den Innovationsprozess angeben:
DIE UNIVERSELLE ERFOLGSMETRIK DES INNOVATIONSPROZESSES IST DIE
WAHRSCHEINLICHKEIT PS(IK), DASS DAS INNOVATIONSPROJEKT IK EINEN
ERFOLG MIT ROI(IK)>M>0 ERZIELT.
- die logische Zeit oder Reife- bzw. Produkthistorie. Diese zweite, ex-
trem wichtige Form entsteht, weil jedes Unternehmen und jede Inno-
vationspipeline zu jedem Zeitpunkt einen großen Teil seiner/ihrer
Vergangenheit (Produkthistorie) und seiner/ihrer Zukunft (neue Inno-
vationsprojekte) mit sich führt.
Der Bedeutung des Parameters Zeit wird offenbar von den bekannten
Managementtheorien nicht ausreichend Rechnung getragen. Zeit zum ex-
pliziten Betrachtungsgegenstand des Innovations- und F&E-Managements
zu machen, ist deshalb ein wichtiger Beitrag dieses Ansatzes für die wei-
terentwicklung des Innovationsmanagements. Um dies zu verdeutlichen,
soll nun anhand der Abbildung 3.2 der große Einfluss des Parameters Zeit
auf Steuer- und Erfolgsgrößen des Innovationsmanagements erläutert wer-
den.
Wie in Abschnitt 3.1 dargelegt, kann man ein Unternehmen bzw. eine
Innovationspipeline stets als eine zeitlich geordnete Menge von (Produkt-)
Innovationsprojekten betrachten, insbesondere wenn Kosten und Erträge
der Projekte zu Vollkosten ermittelt werden.
Dabei haben diese Projekte mindestens zwei Phasen, nämlich eine F&E-
Phase, in der Kosten erzeugt werden (siehe Abbildung 3.2, linker Bereich
des jeweiligen Projekt-Zeitstrahls) und eine Vermarktungsphase, in der sie
Erträge erwirtschaften (siehe Abbildung 3.2, rechter Bereich des jeweili-
gen Projekt-Zeitstrahls). Zum Bilanzierungszeitpunkt t0 befinden sich die
einzelnen Projekte jedoch in sehr unterschiedlichen Phasen. In einer Bilanz
werden daher stets Kosten, also Investments in zukünftige Erträge, mit Er-
trägen, also den Ergebnissen vergangener Investments (Kosten), verrech-
net. Dies zeigt der mittlere Bilanzabschnitt bei t0 in Abbildung 3.2 sehr
deutlich.
Eine Konsequenz dieser bilanziellen Stichtagsbetrachtung ist die Ver-
zerrung der entlang der Zeitachse verlaufenden Investlogik der Einzelpro-
jekte. Durch die Bilanzierung ist der ursprüngliche Kausalzusammenhang
zwischen einem Investment TC(Ik) und den zugehörigen (erwarteten bzw.
eingetretenen) Erträgen MP(Ik) nicht mehr nachvollziehbar.
Daraus folgt zudem, dass aufgrund der Zyklizität der Ertragsströme der
Einzelprojekte sich das Ergebnis einer Bilanzrechnung im Zeitverlauf
ebenso zyklisch verhält. Daher ergibt sich aus dem zyklischen Auf und Ab
des Bilanzergebnisses (gemäß Fourier) keinerlei Information außer der be-
kannten Reihenfolge und der Zyklizität der Einzelprojekte. Keine auch
noch so aufwändige Bilanzanalyse kann an dieser mathematischen Tat-
sache etwas ändern. Für die Beurteilung der Rentabilität eines Unterneh-
3. The Innovation Game 47
Bilanz bzw.
Job 1
DCF
(average length
cash update cycle ends
R&D-pipeline) (eventually) (average duration)
(disc. annual
cash flow)
GuV-Rechnung research
pre-
dev.
deve-
lop-
ment Mp(lk)
(e.g. US-GAAP, HGB, …) t-3 t -2 t-1
t1 t2
t-4 t0 t3
Tc(lk)
Projekt/Produkt 1 – +
Projekt/Produkt 2 – Invest/Cost Market
Introduction Sales/Profits
Projekt/Produkt 3 – +
Projekt/Produkt 4 –
Projekt/Produkt 5 –
Projekt/Produkt 6 – +
Projekt/Produkt 7 – +
Projekt/Produkt 8 –
Projekt/Produkt 9 +
Projekt/Produkt 10 +
Facelift!
50%
-50% Job 1
(SoP)
Markt-Phase [McT Einh.]
-100%
Abbildung 3.4 zeigt die Überlagerung der Cashflows der fünf Einzelpro-
dukte. Wie aus der Summenkurve deutlich ersichtlich, hat dieses insgesamt
kerngesunde Modellunternehmen XX-Corp. selbst bei ideal gestalteter
(hier äquidistanter) Innovationspipeline einen wie vorhergesagt sehr zy-
klischen Verlauf des Unternehmens-Cashflows. Dies gilt selbst für den
günstigsten Fall, in dem alle Modelle gleich profitabel sind, wie im Bei-
spiel angenommen. Ebenfalls ersichtlich ist, dass in dieser zyklischen
Cashflow-Bilanz zu einem bestimmten Stichtag keinerlei für das Unter-
3. The Innovation Game 49
DCF-M5
100%
DCF-XX-Corp.
50% Log.
(DCF-XX-Corp.)
0%
Zeit
[Einh.]
-50%
M3-Zykl.
-100% original! M1- M5
DCF-Zykl.
Quelle: Gerald Mischke
Abb. 3.4. Die ideale Gesamtcashflow-Kurve der XX-Corp. mit den Produkten
M1- M5
DCF-M5
100%
DCF-XX-Corp.
0%
Zeit
[Einh.]
-50%
XX-Corp.
CFO- M3-Verz.
-100% 2 Jahre! M1- M5
Aktion! DCF-Zykl.
Quelle: Gerald Mischke
Abb. 3.5. Die Cashflow-Kurve der XX-Corp. (Simulation der Reaktion einer
idealen Innovationspipeline mit fünf Produktmodellen auf Manage-
menteingriffe bei t=t0)
9 Analoge zyklische Umsatz- und Ertragsschwingungen sowie den großen Einfluss des Timings von Produktan-
läufen zeigen mehrjährige Analysen von Umsatz- und Ertragsverläufen realer Unternehmen, die der Verfasser
mit vertraulichen Firmendaten selbst durchgeführt hat.
3. The Innovation Game 51
In diesem Teil des Modells werden Auswahl und Bewertung der Projekt-
ideen simuliert. Das Ergebnis dieses Arbeitsschrittes sind vor allem die
Projektpläne für die Innovations- bzw. für die F&E-Projekte sowie eine
zugehörige Budget- und Ressourcenplanung TC k. Diese muss daraufhin
von der Unternehmensleitung bestätigt oder verworfen werden (Budget-
strategie), um dann in der F&E-Pipeline umgesetzt zu werden. Dieser
Schritt wird mit dem Faktor BI in Abbildung 3.6 bezeichnet. Typischer-
weise ist BI =1, wenn das Projekt akzeptiert wird und BI =0, wenn das Pro-
jekt verworfen wird sowie 0< BI <1 bei Budgetreduzierungen. Diese
(F&E-Projekt-) Budgetierung ist der wichtigste Input, der das Arbeitser-
gebnis der darauf folgenden (Integrations-)Stufen, der F&E-Pipeline sowie
zeitverzögert auch der Produktpipeline maßgeblich bestimmt.
10 Für mehr Details sei hier auf das Buch „The Innovation Game“ (Springer Verlag NY, 01/2005) verwiesen. In
diesem Buch werden der erste Teil des Innovationsspiels, die Grundlagen, die Herleitungen und die Eigenschaf-
ten der einzelnen Elemente des Modells der „F&E-Fabrik“ ausführlich dargestellt.
52 Gerald Mischke
Auf Basis der Auswahl- und Budgetstrategie werden in diesem Teil die
verabschiedeten Produktprojekte bis zur Serienreife entwickelt. Hier wer-
den alle Investments11 eines Unternehmens in neue Produkte, die im Ver-
lauf einer durchschnittlichen Entwicklungszeit (TtM) getätigt werden, auf-
summiert (integriert). Gleichzeitig werden in diesem Schritt alle Produktei-
genschaften und marktrelevanten Unique Selling Proposition (USP) defi-
niert und somit implizit auch die Markterlöse definiert (siehe Punkt (4)).
Die F&E- und die Produktpipeline sind über das F&E-Ergebnis, die Spezi-
fikation des entwickelten Produktes, eng miteinander verknüpft. F&E als
Investition beeinflusst stets den gesamten Umsatz und Ertrag des Unter-
nehmens. In einer ersten Näherung und im statistischen Mittel ist die Wir-
kung der F&E-Ausgaben auf den Umsatz proportional zum Kehrwert der
F&E-Quote. In der Automobilindustrie mit einer F&E-Quote von drei bis
acht Prozent hat dieser k-Faktor daher etwa Werte zwischen zehn und drei-
ßig. Entsprechende Sorgsamkeit ist natürlich bei Modifikationen des F&E-
Budgets notwendig, da dies implizit immer (zukünftige) Umsätze und Er-
träge beeinträchtigt. Diese Erkenntnis scheint jedoch bei Strategen, Pla-
nern und Controllern in nur allzu vielen Unternehmen nicht sehr verbreitet
zu sein. Im Modell selbst wird diese Eigenschaft der „F&E-Fabrik“ da-
durch berücksichtigt, dass das F&E-Budget (Faktor BI) den nachgelagerten
11 Entgegen weit verbreiteter Ansicht müssen alle F&E-Ausgaben (Kosten) strikt als Investitionen in neue
Produkte gesehen werden. Deren Umwandlung in zukünftige Markterlöse ist ja gerade das Wesen der „F&E-
Fabrik“.
54 Gerald Mischke
Eine Strategie darf nicht „wie ein Hemd“ gewechselt werden. Das Modell
sagt aus, dass Produkt- und Technologiestrategien mehr als einen halben
Produktlebenszyklus (TtM+McT) lang verfolgt werden müssen, um Wir-
kung zu zeigen. Hier behält in der Realität oft die kurzfristige Trendorien-
tierung die Oberhand. Dass kurzfristige Trendwechsel zumeist wirkungs-
los verpuffen, liegt schon in der Trägheit (Tiefpassverhalten) eines jeden
Unternehmens bzw. einer jeden Innovationspipeline begründet.
12 Dies gilt selbst für Teile von Innovations- bzw. F&E-Pipelines (siehe Le Corre und Mischke 2005, Kapitel 3.2).
3. The Innovation Game 55
Hat man sich für eine F&E-Strategie entschieden, so gilt es auch sie effek-
tiv umzusetzen. Zu sparen ist hier die falsche Devise, denn es gibt keine
billigen oder preiswerten Investitionen, sondern nur rentable oder unrenta-
ble. Letztere sollte man gar nicht tätigen. Da es sich bei Produktneuent-
wicklungen im Allgemeinen um erhebliche Investments handelt, sollte
man sich auch vergewissern, dass die zugrunde gelegten Annahmen und
Trends langfristig stabil sind.
Über all diesem steht die Pflicht der Geschäftsleitung, das jeweilige Unter-
nehmen für die Zukunft fit zu halten. Hierbei ist es besonders wichtig, sich
stets der jeweiligen Zeitkonstanten (TtM, McT, etc., …) des Unternehmens
und der Märkte bewusst zu sein und damit auch entsprechend umzugehen.
Wird eine eher kurzfristige, bilanzergebnisorientierte Managementstrategie
verfolgt, so gerät das Unternehmen in heftige Umsatz- und Ertragsschwin-
gungen. Die Persistenz der Strategie ist aus meiner Perspektive der eigent-
liche Erfolgsfaktor erfolgreicher Unternehmen, wie zum Beispiel der in
der Automobilindustrie viel zitierte Benchmark von Toyota. Im Vergleich
zu Toyota führte in der US-Automobilindustrie der vorherrschend budget-
orientierte, kurzfristige und teilweise auch kurzsichtige Managementstil zu
einer wenig erfolgreichen Entwicklung dortiger Unternehmen.
56 Gerald Mischke
Inno 1 langfristige
Auswahl- Budget- Trends stabil?
steuerung steuerung
langfristige F&E-Kosten(t)
Technologie-
& Markttrends
+ Gesamtinvest
F&E pro Zyklus x über
"Time to Market"
+
erkennen! "überkritisch
investieren" frühzeitig
(Nachhaltigkeit!)
Inno n RoI- reagieren!
Steuerung (schwache Signale)
Erlöse(t)
x 1
TtM
"Märkte
über Cash-Flow
"Lebenszeit"
"F&E-Maschine"
"langer Atem"
(Strategie länger als
vorbereiten"
Verzögerung
(Durchdringung!)
0,5x(TtM+McT)
durchhalten!)
RoI-
Strategie
Unternehmens- und
Auswahl- Geschäftsstrategie:
Strategie F&E-Quote
Budget- F&E-Stategie
Strategie Marktstrategie
Fehlende "Vorausschau"
¯ ²
führt zu heftigen "Oszillationen"
Bereits bei der Herleitung des Modells der „F&E-Fabrik“ wurde eine Rei-
he von gängigen F&E-Strategien diskutiert. Eine Kurzübersicht von Basis-
strategien für Forschung und Entwicklung bzw. Innovationspipelines so-
wie der jeweils wichtigsten Fragen für deren Ausgestaltung und Organisa-
tion bietet Abbildung 3.8. Zur Demonstration der Anwendbarkeit und des
Nutzens des vorher beschriebenen Modells der „F&E-Fabrik“ als Testins-
trument und als Gedankengebäude werden zwei Themenbereiche (in Ab-
bildung 3.8 grau hinterlegt) herausgegriffen und detaillierter beschrieben:
- Strategie der „Verkürzung der F&E-Zeit“ (Nr. 1 und Nr. 2 in Abbil-
dung 3.8)
- Grundoptionen der „Kapa-Strategie für F&E-Bereiche“ (Nr. 5 bis 7 in
Abbildung 3.8).
Die hier aufgeworfenen Fragen des F&E- und Innovationsmanagements
sind ohne Rückgriff auf ein solches Modell nur schwer entscheidbar und
diskutierbar.
3. The Innovation Game 57
Wie das Modell der „F&E-Fabrik“ in Abbildung 3.6 zeigt, tritt die F&E-
Zeit TtM nur als Integrationsparameter bzw. als Verzögerungszeit auf.
Wird dieser Parameter geändert, so ändern sich weder der Output bzw. die
Kosten Tc der F&E-Pipeline noch der (zukünftige) Produkterlös Mp. Die
einzigen Faktoren, die variieren, sind die Zykluszeiten für F&E sowie für
den Produktlebenszyklus. Die „F&E-Fabrik“ reagiert somit nur schneller,
aber nicht besser, ertragreicher oder effizienter. Dies zeigen auch statische
und dynamische Simulationen mit dem Modell.
Auch jenseits dieses Abstraktionsniveaus wird schnell klar, dass dieses
Verhalten eigentlich selbstverständlich ist. Warum sollte das gleiche Pro-
dukt am Markt profitabler sein, nur weil es x Monate früher eingeführt
bzw. kürzer entwickelt wurde? Bei näherer Betrachtung und unter Berück-
sichtigung der Tatsache, dass bei einer Verkürzung des F&E-Prozesses ein
exponentiell wachsendes Entwicklungsproblem gelöst werden muss, wird
schnell das extreme Risiko dieser Strategie klar. Wenn überhaupt, so kann
dieser Ansatz nur für extreme Ungleichgewichtsmärkte (Modemärkte etc.)
aussichtsreich sein. Solche Märkte sind aber im Allgemeinen instabil und
neigen häufig zu Monopol- oder Oligopolstrukturen. Diese unterliegen
dann aufgrund der Konzentration von Marktmacht nicht mehr zeitlichen
Zwängen, wie Microsoft oder Intel sehr eindrücklich beweisen.
13 Dieses Prinzip nutzt die Tatsache, dass bei einer Lösungssuche die Wahrscheinlichkeiten für die beiden
Fundamentalalternativen „geht“ bzw. „geht nicht“ stets komplementär zueinander sind. Dies führt zu einer
Integralbeziehung für den minimal nötigen Aufwand für erfolglose Versuche, um mit einer gegebenen Wahr-
scheinlichkeit zum Innovationserfolg zu kommen. Diese Integralbeziehung kann dann zur Optimierung des
jeweils nötigen F&E-Kapazitätseinsatzes genutzt werden.
58 Gerald Mischke
Abb. 3.8. Diskussion und Test von F&E-Strategien für das Design von F&E-Be-
reichen
3. The Innovation Game 59
3.6 Zusammenfassung
3.7 Literatur
Martin Ertl
Innovation – nur wenige Begriffe werden heutzutage so oft und in so vielen Zu-
sammenhängen benutzt wie dieser, sei das betroffene Produkt auch noch so tri-
vial. Politik, Unternehmen und Interessenverbände vergeben dieses Prädikat nur
allzu gerne, manchmal auch sehr leichtfertig, und degradieren den Begriff somit
zum ausdruckslosen Modewort mit sinnentleerter Bedeutung. Um dem Sinn und
der Bedeutung des Wortes wirklich gerecht zu werden, setzt sich die BMW Group
seit Beginn der Firmengeschichte und heute mehr denn je mit dem Wesen der In-
novation und ihrer bestmöglichen Umsetzung im Produkt intensiv auseinander.
Dieser Beitrag zeigt auf welcher Basis, mit welchen Zielen, Prozessen und Wir-
kungen Innovationen innerhalb der BMW Group aufgegriffen, entwickelt und um-
gesetzt werden. Dabei werden nicht nur rein technologische oder organisatorische
Aspekte betrachtet, vielmehr wird das Zusammenspiel der einzelnen Funktionsbe-
reiche dargestellt wie auch die Unterstützung eines hochgradig emotionalen Pro-
duktes durch Innovation erklärt.
4.1 Einleitung
Der zweite große Einflussfaktor ist der deutlich sichtbare Wandel der
Marktstruktur: Die bisher bekannte Dreiteilung des Marktes in günstige
Massenfahrzeuge, ein gehobenes Mittelsegment mit etwas anspruchsvolle-
ren Fahrzeugen und ein Premiumsegment für Fahrzeuge, die höchsten An-
forderungen genügen, wandelt sich derzeit deutlich sichtbar in eine reine
Zweiteilung zugunsten des Massen- bzw. Premiumsegments. Folglich ver-
suchen bisher für den Massenmarkt bekannte Hersteller vermehrt ins Pre-
miumsegment einzusteigen (z.B. Hyundai oder einige der neuen chinesi-
schen Marken wie Brilliance, Zhonghua), aufzusteigen (z.B. Volkswagen)
oder aber mit jungen, bisher nur regional bekannten Marken nun global
Marktanteile im Premiumsegment zu gewinnen (z.B. Lexus). Dadurch er-
höht sich der Druck zur Differenzierung für die etablierten Premiumher-
steller deutlich.
Drittens spielen knapper werdende Ressourcen und immer deutlicher
zutage tretende Einflüsse der Verbrennung von Kohlenwasserstoffen auf
das globale Klima künftig eine große Rolle in der weiteren Entwicklung
der Automobilmärkte. So zwingen diese Effekte zum einen die Politik zu
immer restriktiveren Gesetzen bezüglich der Emissionen und des Ver-
brauchs, zum anderen werden sie auch die Mobilitätskosten für den einzel-
nen Kunden spürbar ansteigen lassen.
Abschließend sei als vierter großer Einflussfaktor der technische Fort-
schritt genannt, der die Automobiltechnologie auch in den kommenden
Jahren nachhaltig beeinflussen wird. Die kurzen Entwicklungszyklen zum
Beispiel der Halbleiterindustrie mit ihren dabei entstehenden Kapazitäts-
sprüngen eröffnen zwar für die Entwicklung eines Fahrzeuges ständig neue
Möglichkeiten, stehen aber auch in starkem Konflikt mit den vergleichs-
weise langen Entwicklungszyklen von Automobilen. Entwicklungen in
Bereichen wie Consumer Electronics werden das Innovationsmanagement
in der Automobilindustrie kräftig verändern. Ein Beispiel: Die Funktionali-
täten von Mobiltelefonen, PDAs, Blackberrys und MP3-Playern ver-
schmelzen innerhalb der nächsten fünf Jahre zu einer einzigen Smartpho-
ne-Funktionalität, deren Anbindungslogik im Fahrzeug heute noch offen
ist. Trotzdem liegt die Vermutung nahe, dass der Kunde einer Premium-
marke diese Smartphones künftig möglichst problemlos in seinem Fahr-
zeug verwenden will, wie heute schon beispielsweise den iPod.
Der rasche technische Fortschritt und die schnelle Möglichkeit des Wis-
senszugriffs (insbesondere durch das Internet) führen aber auch dazu, dass
technologische Vorsprünge künftig nur von kurzer Dauer sind und High-
lights aus Premiumprodukten sehr schnell zu Standards in Massenproduk-
ten werden, wie das Beispiel der Plasma- und LCD-TVs sehr gut zeigt. Mit
4. Das Innovationsmanagement der BMW Group 63
Die BMW Group definiert Innovation als eine Neuerung mit marktwertem
Kundennutzen. In diesem Kontext ist die Erfüllung von drei Ansprüchen
relevant: der Neuerung, der Wirtschaftlichkeit und – all dem übergeordnet
– des „customer benefit“, hier zu verstehen als die treffende Erfüllung
bzw. Stimulation von bewussten und unbewussten Kundenwünschen.
„Nicht die Großen werden die Kleinen fressen, sondern die Schnellen die
Langsamen“ (Eberhard von Kuenheim, ehemaliger Vorstands- und Auf-
sichtsratsvorsitzender der BMW AG)
Unternehmensstrategie
Fahrzeugmodelle
• Trend- und • Innovations- • Sicherstellung der
Technologie- schwerpunkte Innovations-USPs
Lieferanten
Phasenübergreifendes Businessplanning
Innovationskommunikation
Ausgehend von den Ideenlieferanten, die sowohl intern wie auch extern
angesiedelt sein können (z.B. Lieferanten oder Forschungseinrichtungen,
aber auch die Technology Offices der BMW Group), ist der Kernprozess
in ein abgestimmtes Umfeld von Unternehmensstrategie einerseits und
Grundlagenforschung bzw. Forschung der Fachbereiche andererseits ein-
gebettet. Die im Rahmen dieser Kernprozesse erarbeiteten Ergebnisse flie-
ßen in die einzelnen Fahrzeugprojekte ein.
Der Innovationsprozess stellt den Anfang der gesamten Modellentwick-
lung dar: Einer ersten Phase der strategischen Produkt- und Inhaltsdefiniti-
on folgt eine Phase der Ideengenerierung, Priorisierung, Budgetierung und
Prozesssteuerung. Durch eine geschickte Trennung der Budgets, Steuer-
prozesse und Verantwortlichkeiten zwischen der Gesamtfahrzeug- und der
Innovationskomponentenentwicklung schafft die BMW Group eine Art
„Gewächshaus“ für neue Innovationsprojekte. Sind diese „Setzlinge“ dann
bis zu einem gewissen Grad der Prototypenreife entwickelt, können sie un-
ter den durch Ressourcen- und Zeitrestriktionen geprägten Bedingungen
einer Gesamtfahrzeugentwicklung ihren Weg bis zur Serienproduktion
gehen.
4. Das Innovationsmanagement der BMW Group 67
Produkt-
portfolio
Inno-
vations-
mana-
gement
Innovationsimpulse
BMW Car IT
BMW Group Forschungs- und
Innovationszentrum (FIZ)
BMW M
BMW Motorrad
BMW Motorsport
BMW Technik GmbH
BMW Group / D / München
Designworks / USA
Engineering and Emission Test Center
BMW Technology Office Japan
BMW Technology Office Palo Alto
Technology Netzwerk / Scouting: USA, Europa, Japan Weltweites BMW Lieferanten Netzwerk
Quelle: Martin Ertl
Innovationskommunikation
Innovationskultur
4.3.1 Innovationssteuerung
Wie an früherer Stelle bereits erwähnt, sind ein innovatives Produkt und
das strategische Ziel der Innovationsführerschaft nur durch innovative Pro-
zesse und Umfelder zu erreichen. Im Gegensatz zu früheren Ansätzen hat
2 Siehe www.bmwgroup.com/via.
4. Das Innovationsmanagement der BMW Group 71
Fachgremien
Innovationsauswahlprozess
Der Prozess der Innovationssteuerung beruht im Prinzip auf einer Art Ge-
waltenteilung zwischen Budget- und Entscheidungskompetenz zu den je-
weiligen Innovationsvorhaben. In einem genau definierten jährlichen Pro-
zess werden zunächst in Abstimmung mit der Strategie bestimmte Schwer-
punkte des Innovationsprogramms definiert und mit den Leitern der Fach-
bereiche und Fachgremien vereinbart. In der zweiten Phase sind dann die
Fachbereiche aufgefordert, Innovationsideen zu sammeln und ent-
sprechend aufbereitet in den Fachgremien einzureichen. In der dritten Pha-
se werden diese Vorschläge auf den strategischen Fit und Innovationsge-
halt hin überprüft und entsprechend priorisiert. Nach einem gremienüber-
greifenden Priorisierungsprozess werden die entsprechend ausgewählten
Einreichungen schließlich durch die Innovationssteuerung budgetiert und
72 Martin Ertl
als Projekt für das Folgejahr freigegeben. Hier beginnt die Monitoring-
und Controllingaufgabe der Innovationssteuerung in technischer und bud-
getärer Hinsicht. Parallel dazu beginnt ein ebenfalls durch das Innovations-
management gesteuerter Businessplanprozess bis hin zum Serienanlauf,
dessen Detaillierungsgrad von Meilenstein zu Meilenstein zunimmt und so
die Wirtschaftlichkeit einer Innovation zu jedem Zeitpunkt des Prozesses
dokumentiert und sicherstellt.
4.3.2 Innovationstransfer
Marktrisiko
hoch
niedrig Technologisches
niedrig hoch Risiko
Quelle: Martin Ertl
4.4 Zusammenfassung
5.1 Einführung
Zum 1. Juli 1990 wurde das Unternehmen umgewandelt in die Carl Zeiss
Jena GmbH, die sich im hundertprozentigen Eigentum der Treuhandanstalt
Berlin befand. Die Firma, das war allen Beteiligten seinerzeit klar, hatte in
der Form, in der sie vor dem 30. Juni 1990 bestanden hatte, keine Chance
zu überleben. Im Rahmen verschiedener Verhandlungen hatten sich der
Freistaat Thüringen, das Bundesland Baden-Württemberg und die Treu-
handanstalt darauf geeinigt, dieses große Unternehmen zu zerschlagen.
Zwischen den genannten Parteien wurde 1991 ein Staatsvertrag besiegelt.
Dieser sah im Wesentlichen vor, dass eine künftige Jenoptik den Jenaer
Immobilienbesitz des ehemaligen Kombinates und diejenigen Technolo-
giebereiche am Standort Jena, die sich mit Halbleiterentwicklung und Mi-
litärtechnik beschäftigten, sowie die gesamten Altschulden übernehmen
solle.
Das, was man 1990 als überlebensfähig und überlebenswürdig erachtete,
konnte sich der westdeutsche Betrieb Carl Zeiss Oberkochen im Zuge ei-
nes Asset-Deals, also über eine so genannte Einzelrechtsnachfolge, heraus-
kaufen. Der so herausgekaufte Betrieb wurde „Carl Zeiss Jena GmbH“, der
verbleibende Betrieb „JENOPTIK“ genannt, damals noch „JENOPTIK
GmbH“. Es ist heute von Bedeutung zu sagen, dass man damals nur Carl
Zeiss Jena für überlebensfähig hielt. Die JENOPTIK GmbH sollte jener
Betrieb sein, der letzten Endes die Reste des alten Kombinates abwickeln
und bis Mitte der neunziger Jahre liquidiert sein sollte. Zur Unterstützung
der Liquidationsaufgaben stellte die Treuhandanstalt seinerzeit 3,6 Mrd.
DM zur Verfügung. Dieses Geld stand allerdings nicht für den Aufbau von
Produktionsanlagen und Produkten zur Verfügung, sondern floss fast voll-
ständig in die Tilgung der Altschulden, die Sozialpläne für den Rückbau
des Personals, die Auszahlung der Pensionsansprüche und die Loslösung
der an die Carl Zeiss Oberkochen verkauften Betriebsteile (JENOPTIK
AG 1997). Eine Weiterführung der JENOPTIK GmbH als eigenständiges
Unternehmen war zum damaligen Zeitpunkt nicht vorgesehen. Der Umsatz
5. Strategisches Innovationsmanagement eines Technologiekonzerns 77
betrug nur noch rund 10 Mio. Euro und wurde zu 90 Prozent mit dem Ver-
kauf von Materialien erzielt, die noch auf Lager waren.
Die JENOPTIK startete im Juli 1991 mit 27.000 Mitarbeitern in die
neue Zeit. 17.000 Mitarbeiter wurden im September 1991 entlassen, heute
arbeiten am Standort Jena knapp 1.200 Mitarbeiter bei JENOPTIK. Im Ok-
tober 1991 übernahm Lothar Späth die risikoreiche Aufgabe des Vorsit-
zenden der Geschäftsführung der neugegründeten JENOPTIK GmbH. In
den ersten Jahren des Aufbaus hatte das Unternehmen eine Doppelfunkti-
on: Neben den Restrukturierungsaufgaben am Standort Jena musste ein ei-
genes Geschäft aufgebaut werden. Trotz vieler hoch qualifizierter Mitar-
beiter fehlten bekannte Markenprodukte und Vertriebskanäle nämlich voll-
ständig.
Im Ergebnis wurden beide Ziele erreicht. Die JENOPTIK hat die über-
nommenen Technologien weiter entwickelt und über Akquisitionen wichti-
ger Betriebe in Westdeutschland ihr Geschäft ergänzt und ausgebaut. 1998
wurde sie mit einer neuen Struktur über einen Börsengang privatisiert. Der
Freistaat Thüringen, der zuvor 100 Prozent der Anteile gehalten hatte, be-
sitzt heute noch knapp 15 Prozent. Seit 1998 ist die JENOPTIK ein ganz
normales börsennotiertes deutsches Unternehmen. Heute gehören eine gro-
ße Zahl von Kleinaktionären und rund 30 Prozent ausländische institutio-
nelle Investoren zu den Aktionären.
Die JENOPTIK AG setzt sich aus zwei Unternehmensbereichen zusam-
men: Der Unternehmensbereich Photonics Technologies ist im Kern der
alte Jenaer Bereich mit heute ungefähr 1.200 Mitarbeitern in Jena. Hier
werden Hochleistungs-Optiken, Laser- und Sensorsysteme entwickelt und
produziert. Ergänzt wurden die Jenaer Betriebe durch verschiedene Akqui-
sitionen in Westdeutschland mit heute rund 1.400 Mitarbeitern. Photonics
arbeitet seit Jahren hoch profitabel und kann ein zweistelliges Umsatz-
wachstum ausweisen.
Der zweite Unternehmensbereich sind die Clean Systems Technologies.
Er gehört zu den Weltmarktführern beim Bau von Halbleiterfabriken und
sonstigen komplexen Gebäuden und Produktionsanlagen, besonders für die
Elektronikindustrie. Er bietet auch technische Dienstleistungen rund um
Gebäude und Liegenschaften an – und das global. Derzeit arbeiten welt-
weit rund 6.600 Mitarbeiter für Clean Systems.
78 Alexander von Witzleben
Jena kann als gutes Beispiel dafür dienen, dass die Cluster-Theorie auch
praktische Relevanz hat. Viele Kennzahlen deuten darauf hin, dass die
Häufung positiver Standortfaktoren tatsächlich zu wirtschaftlicher Prospe-
rität und Wachstumsdynamik führt.
- Die Wirtschaftsleistung Jenas stieg zwischen 1997 und 2003 um
25,1 Prozent und damit deutlich stärker als der Bundesdurchschnitt
von 10,1 Prozent.
- Die Exportquote der Jenaer Industrie betrug 2004 46,2 Prozent und
lag damit fast doppelt so hoch wie die des Bundeslandes Thüringen
mit 27,4 Prozent.
- Mit 58 Industriearbeitsplätzen pro 1.000 Einwohner findet sich Jena
deutlich über dem Durchschnitt Thüringens in Höhe von 39 Arbeits-
stellen.
- Sieben der zehn börsennotierten Unternehmen aus Thüringen haben
ihren Sitz in Jena.
- Die Arbeitslosenquote betrug im Juni 2005 12,4 Prozent und erreicht
damit einen der niedrigsten Stände in Ostdeutschland. Die Ver-
gleichszahlen für Thüringen und Sachsen betragen 16,5 bzw.
17,9 Prozent. In allen fünf ostdeutschen Bundesländern betrug die Ar-
beitslosenquote im Durchschnitt 18,5 Prozent.
- Am Ende kommt auch mehr von diesem Wohlstand bei den Arbeit-
nehmern an. Das Durchschnittseinkommen im Jenaer produzierenden
Gewerbe lag 2004 mit 2.963 Euro um 44 Prozent über dem Landes-
durchschnitt von Thüringen.
80 Alexander von Witzleben
Mit einem Umsatz von über 2,5 Mrd. Euro im Jahr 2004 konnte die JEN-
OPTIK AG ihren Umsatz gegenüber dem Vorjahr um 31 Prozent steigern.
Zu diesem Wachstum trugen beide Unternehmensbereiche, Photonics und
Clean Systems, bei.
Der Unternehmensbereich Photonics unterteilt sich in die Geschäftsfel-
der Elektro-Optik und Elektromechanische Systeme. Die JENOPTIK be-
herrscht im Geschäftsfeld Elektro-Optik die photonische Kette von der Er-
zeugung und der Manipulation bis zur Erfassung und Nutzung von Licht.
In den Bereichen Lasertechnik, Optik und Sensorsysteme entwickelt, fer-
tigt und vertreibt die JENOPTIK Komponenten, Module und Systemlö-
sungen bis hin zu kompletten Anlagen.
Im Geschäftsfeld Elektromechanische Systeme bietet JENOPTIK kom-
plexe technologische Lösungen für die Verteidigungs- und Ziviltechnik.
Schwerpunkt sind Entwicklung, Produktion und Anpassung von Geräten
und Systemen der Antriebs- und Stabilisierungstechnik. Mit einem Um-
satzanteil von 75 Prozent liefert die Verteidigungstechnik jedoch den deut-
lich größeren Beitrag zum Umsatz.
Auf den Geschäftsbereich Photonics entfielen 2004 Umsätze in Höhe
von 360 Mio. Euro, was einer Verdoppelung gegenüber dem Jahr 1999
entspricht. Die wichtigere Nachricht ist jedoch, dass dieses Wachstum je-
weils mit einer guten bis sehr guten Profitabilität erreicht werden konnte.
Seit 2000 liegt die EBIT-Marge immer bei 9 Prozent oder darüber. 2004
wurden ein EBIT von 34,5 Mio. Euro und eine EBIT-Marge von 9,6 Pro-
zent erzielt. Auch der langfristige Zielkorridor liegt bei 9 bis 10 Prozent.
Gut 56 Prozent der Umsätze werden im Ausland erzielt. Das zeigt, dass die
Technologien des Photonic-Bereiches im In- und Ausland Zuspruch bei
immer anspruchsvoller werdenden Kunden finden.
5. Strategisches Innovationsmanagement eines Technologiekonzerns 81
Umsatz EBIT
(in Mio. Euro) (in Mio. Euro)
500 50
>385
400 360 40
9
7
0 0
1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005e
Quelle: Alexander von Witzleben
nehmen langfristig zur Verfügung stehen und damit geeignet sind, techno-
logische Entwicklungen vorzufinanzieren, die nicht unmittelbar Rückflüs-
se generieren. Neben der Langfristigkeit der Kapitalaufnahme haben die
Instrumente der Kapitalerhöhung durch Ausgabe neuer Aktien und der
Wandelanleihe den Vorteil, dass sie entweder sofort oder bei Wandlung ri-
sikotragendes Eigenkapital sind und die Eigenkapitalquote des Unterneh-
mens verbessern. Die damit einhergehende Verbesserung von Bonität und
Rating erhöht in der Zukunft die Finanzierungsspielräume des Unterneh-
mens weiter. Zwar ist eine solide Unternehmensfinanzierung im engeren
Sinn kein Bestandteil des Innovationsmanagements, sie ist jedoch zentrale
Voraussetzung dafür, dass sich Innovationen planvoll gestalten lassen.
Die Holdingstruktur hilft auch dabei, Kostensynergien zu schaffen, in-
dem gewisse Funktionen wie IT-Services, Personaldienstleistungen oder
Facility Management auf einzelne Gesellschaften konzentriert werden.
Weitere Kostenvorteile entstehen, wo es sinnvoll ist, durch die Zusammen-
fassung von Einkaufsprozessen und die sich daraus ergebenden deutlich
verbesserten Konditionen bei Zulieferern.
Neben Finanzierungs- und Kostenvorteilen bietet der zwischen den Hol-
dingunternehmen geförderte Austausch von Informationen über Technolo-
gien, Märkte und Kunden einen schwerer messbaren, aber dennoch nicht
zu unterschätzenden, fühlbaren Nutzen für die Tochterunternehmen. So
kann bei der Erschließung neuer Märkte im Ausland auf die Erfahrung und
oft sogar auf die Infrastruktur der Tochtergesellschaften zugegriffen wer-
den. Die Ansprache von Kunden gestaltet sich deutlich einfacher, wenn
diese bereits langjährige gute Kontakte mit einem anderen Unternehmen
aus dem gleichen Konzern pflegen. Außerdem verbessert der Auftritt unter
einer gemeinsamen Marke, obwohl im Industriekundengeschäft weniger
wichtig als im Endkundengeschäft, die Wahrnehmung bei den Kunden.
Der Anstieg der Unternehmensinsolvenzen in den letzten Jahren hat be-
dauerlicherweise auch dazu geführt, dass besonders junge und kleine Un-
ternehmen im Wettbewerb um die Belieferung von größeren Kunden
häufig unterliegen, da die Abnehmer das vermeintlich höhere Risiko des
plötzlichen Ausfalls eines neuen oder weniger großen Lieferanten nicht zu
tragen bereit sind. Für die Einzelgesellschaften der JENOPTIK-Gruppe
bringt hier die Zugehörigkeit zu einem börsennotierten Konzern mit
2,5 Mrd. Euro an Umsätzen und knapp 10.000 Mitarbeitern einen entschei-
denden Vorteil im Standing gegenüber neuen Kunden.
In Summe bietet die Holdingstruktur also wesentliche Vorteile für inno-
vative Technologieunternehmen, die sich besser auf ihre wesentlichen
Aufgaben konzentrieren können. Dafür erhalten die Tochterunternehmen
84 Alexander von Witzleben
5.4.4 Kooperationen
Die dritte und vermutlich noch an Bedeutung gewinnende Säule des Inno-
vationsmanagements sind Kooperationen. Trotz mehr als 500 Mitarbeitern
in Forschung und Entwicklung kann nicht jedes Thema selbst erforscht
und nicht jedes interessante Produkt im Alleingang an den Markt gebracht
werden. Die JENOPTIK AG kooperiert mit Hochschulen und Forschungs-
einrichtungen, Unternehmen und der öffentlichen Hand.
Im Mittelpunkt der Kooperation mit Hochschulen und Forschungsein-
richtungen steht die sehr enge Zusammenarbeit mit der Physikalisch-As-
tronomischen Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität in Jena, dem
Fraunhofer-Institut für Angewandte Optik und Feinmechanik, dem Institut
für Physikalische Hochtechnologie und dem Hans-Knöll-Institut für Natur-
stoff-Forschung. Hier wird eine Reihe gemeinsamer Forschungsprojekte
zur Entwicklung neuer Technologien durchgeführt. Die Zusammenarbeit
zwischen den Unternehmen und den am Standort ansässigen Forschungs-
einrichtungen hat bereits eine jahrzehntelange Tradition.
Dagegen haben die weltweiten Kooperationen zwischen der JENOPTIK
AG und Zulieferern, Mitbewerbern oder Abnehmern besonders in den letz-
ten Jahren sehr an Bedeutung gewonnen und sollen hier mit einigen Bei-
spielen illustriert werden:
Gemeinsam mit USHIO, Japans führendem Hersteller von hochwertigen
Lichtquellen, Bauteilen und Systemen, entwickelt die JENOPTIK in einem
Joint Venture Hochleistungs-Strahlquellen mit der Extreme-Ultra-Violet-
Technologie (EUV), die für die Herstellung zukünftiger Chip-Generatio-
nen verwendet werden können. USHIO und JENOPTIK AG halten beide
jeweils 50 Prozent der Anteile an der XTREME technologies GmbH. Die
Beteiligung und die enge Zusammenarbeit mit USHIO stärkt das interna-
tionale Know-how rund um die EUV-Entwicklung und verbessert den Zu-
gang zu den asiatischen Märkten, in denen wichtige Halbleiterausrüster be-
heimatet sind. Die Quellenentwicklung wird durch XTREME nun sowohl
88 Alexander von Witzleben
wie zum Beispiel Epidemio und unterhält intensive Kontakte zu den ver-
antwortlichen staatlichen Stellen.
Als letztes Beispiel für die Bedeutung von Kooperationen zwischen Un-
ternehmen kann die Kooperation zwischen dem US-amerikanischen Unter-
nehmen Spectra Physics und der Jenoptik-Tochter JENOPTIK Laser, Op-
tik, Systeme GmbH zu Herstellung, Vertrieb und Service von Scheibenla-
sern dienen. Jüngstes Ergebnis dieser Kooperation ist die gemeinsame Ent-
wicklung eines neuen tragbaren Lasers für die Kriminaltechnik.
5.4.5 Unternehmensstandort
Die vierte Säule des Innovationsmanagements ist die Auswahl des Unter-
nehmensstandortes und die stetige Weiterentwicklung der Standortqualitä-
ten in Zusammenarbeit mit allen Standort-Stakeholdern im Sinne einer
Corporate Social Responsibility.
Die oben beschriebenen positiven Standortfaktoren von Jena tragen
ohne Zweifel dazu bei, ein Klima der Innovation, des Engagements für die
Belange der optischen Industrie und der Bereitschaft zum offenen Wis-
sensaustausch zu schaffen. Obwohl die Wissenschaft die endgültige For-
mel für die Maximierung der Innovationskraft von Unternehmen und
Standorten noch nicht gefunden hat, steht außer Zweifel, dass harte Fakten
wie die über 450-jährige Geschichte der Friedrich-Schiller-Universität
Jena, 150 Jahre Unternehmensgeschichte der JENOPTIK oder die Ansied-
lung von über 2.000 Forschern auf dem Beutenberg-Campus in Jena die
Innovationskraft eines Standortes fördern. Dies zeigten ja bereits die
Kennzahlen in Kapitel 5.2.2.
Nicht zu unterschätzen ist deshalb die starke Präsenz der Hochschulen
am Standort Jena. Jüngste Studien der Fachhochschule Jena zur regional-
ökonomischen Wirkung von Hochschulen belegen, dass der Wissenstrans-
fer zwischen Hochschulen und Wirtschaft über eine Vielzahl von Kanälen
erfolgt und über 50 Prozent aller „Wissenstransferleistungen“ der Hoch-
schulen mittlerweile nach außen gerichtet sind. Zentrales Ergebnis dieser
Studie ist, dass „informelle Aktivitäten ... beim faktischen Wissenstransfer
eine zentrale Rolle spielen“ (Gerlach, Sauer und Stoetzer 2005), womit
deutlich wird, dass der Sitz eines Unternehmens für das offenbar überwie-
gend informelle Zustandekommen des Wissenstransfers eine große Bedeu-
tung hat.
Die Standortwahl hat auch entscheidenden Einfluss auf die Möglichkei-
ten eines Unternehmens Fachkräfte zu rekrutieren. So verfügt der Standort
90 Alexander von Witzleben
5.5 Zusammenfassung
5.6 Literatur
Andres Sander
6.1 Einführung
Eine Führungskraft muss zwei Rollen gerecht werden. Zum einen muss sie
wirksam führen, d.h., für Ziele sorgen, organisieren, transparent entschei-
den, kontrollieren, Wertschätzung zeigen sowie Mitarbeiter richtig ein-
setzen und entwickeln (Malik 2003). Zum anderen dient sie als Vorbild.
Damit katalysiert die Führungskraft automatisch ihre Umgangsweise mit
Innovationen und Veränderungen und transportiert ihre Vision. Welche
Kompetenzen sollte also eine Führungskraft haben, damit die Innovations-
leistung des Unternehmens steigt?
Anhand des nachfolgend vorgeschlagenen Kompetenzprofils für innova-
tive Führungskräfte kann man für ein jegliches Unternehmen erarbeiten,
welche Kompetenzen notwendig sind, welche davon bei den (zukünftigen)
6. Innovieren leicht gemacht … 97
Kompetenz „Zukunftsorientierung“
- Die Führungskraft kennt die Trends des Marktes, der Produkte, der
Dienstleistungen, der Technologien; sie will die Zukunft mit gestal-
ten; sie arbeitet für die Einzigartigkeit des Unternehmens.
- Sie blickt nach vorn, bekennt sich zur Relevanz von Innovationen, hat
ein klares Bild von der Zukunft und den Zielen des Unternehmens
und leitet für den Weg dorthin Maßnahmen ab.
- Sie hat eine klare Vision und ein eindeutiges Ziel für ihr Aufgabenge-
biet.
Kompetenz „Innovationsförderung“
Kompetenz „Führungsverhalten“
Kompetenz „Konfliktmanagement“
Kompetenz „Selbstführung“
klar, verständlich und überzeugend dar; sie diskutiert sachlich und er-
gebnisorientiert; sie hat Energie und breites Interesse.
- Sie nimmt herausfordernde Zielsetzungen an und richtet die Organi-
sation auf die Zielerreichung aus; sie ist langfristig stabil orientiert
und kurzfristig flexibel.
- Sie baut interne und externe Netzwerke auf und pflegt diese.
- Sie antizipiert Potenziale und führt die entscheidenden zum Erfolg.
Feedback zu geben und Feedback zu holen ist der Kern jeder Führung und
Selbstführung. Durch Feedback erhalten Arbeitserfolge Wertschätzung;
Entwicklungen und Lernprozesse werden in Gang gesetzt. Es fördert den
offenen Umgang, beseitigt Störungen und schafft Vertrauen. In der Selbst-
führung fördert Feedback durch einen Abgleich von Selbst- und Fremdbild
die Authentizität.
Im Hinblick auf die Innovationsleistung beschleunigt Feedback den In-
novationszyklus durch schnelleres Aufdecken falscher Wege, Spaß an In-
novationen bei positivem Feedback und besseren Umgang mit Verände-
rungen durch Überwinden von Blockaden.
Die Bedeutung der Feedbackkultur für die Innovationsleistung spiegelt
sich in den nachfolgenden Werkzeugen wider. Fünf von sieben hier ge-
nannten Werkzeugen beschreiben Feedback in unterschiedlichen Kontex-
100 Andres Sander
6.3.1 Feedback
6.3.2 Mitarbeiterbeurteilungsgespräch
- Wie ist die Leistung des Mitarbeiters in Hinsicht auf die Qualität der
Ergebnisse, Arbeitsweise und -effizienz, Zusammenarbeit im Team,
Initiative, Innovation und vernetztes Handeln zu bewerten? Welche
konkreten Beispiele gibt es für die Bewertung?
Nachstehende Regeln, die auch bei anderen Gesprächen helfen, sind zu
beachten:
- Das Gespräch sollte zu einem für beide Seiten geeigneten Zeitpunkt
geführt werden, eine ausreichende Zeit muss einplant werden.
- Es muss dafür gesorgt werden, dass das Gespräch ohne Störungen
und in einer Umgebung stattfindet, in der sich beide Gesprächspartner
wohl fühlen.
- Es ist sicherzustellen, dass beide vorbereitet sind und Gesprächsunter-
lagen mitbringen (Notizen über die Vorbereitung, Ergebnisse des
letzten Gesprächs etc.).
- Beide Gesprächspartner müssen die Gelegenheit haben, ihre Meinung
darzustellen und zu vertreten, und es muss darauf geachtet werden,
dass beide Gesprächspartner diese Gelegenheit auch aktiv wahrneh-
men.
- Es sollte für einen positiven Gesprächsabschluss gesorgt werden,
auch wenn sich die Gesprächspartner nicht in allen Punkten einig
sind.
Das Mitarbeiterbeurteilungsgespräch muss dokumentiert werden. Es
eignen sich vorgefertigte „Leitfaden-Protokolle“, um eine Vergleichbarkeit
über mehrere Jahre sicherzustellen.
6.3.3 Mitarbeiterentwicklungsgespräch
Mitarbeiter. Daraus kann folgen, dass der Mitarbeiter sich nicht ernst ge-
nommen fühlt, weil die Führungskraft nicht weiß, was der Mitarbeiter
macht und wie gut er es macht. Vielleicht verstecken sich hier aber auch
potenzielle Konflikte. Hier muss die Führungskraft Zeit investieren, um
dadurch die Leistungsfähigkeit des Mitarbeiters wieder zu erhöhen.
Neben dem Führungsaspekt, der durch den Fragebogen erkundet werden
kann, ist für eine innovative Führungskraft darüber hinaus vorbildhaftes
Verhalten im Umgang mit Innovationen und Änderungen wichtig (Steiger
und Lippmann 2003).
Eine gute Mitarbeiterführung führt zu einer emotionalen Bindung der
Mitarbeiter an das Unternehmen, mehr Spaß an der Arbeit, zu mehr Enga-
gement und letzten Endes zu mehr Innovationsleistung.
Was kann die Entwicklung vom Einkauf erwarten, was kann der Einkauf
von der Entwicklung erwarten? Zunächst scheint das einfach zu beantwor-
ten zu sein. Erst beim schriftlichen Fixieren wird deutlich, dass das Ver-
ständnis von Arbeitsinhalten und Zuständigkeiten in den Abteilungen deut-
lich verschieden sein kann.
Klarheit in den Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten auf allen Sei-
ten kann durch den Austausch von Erwartungen in Kombination mit der
Vereinbarung, die Erwartungen zu erfüllen, herbeigeführt werden. Der
glatte Durchfluss von Arbeitspaketen, Informationen und Material ohne
Reibungsverluste führt zu hoher Effektivität im Arbeitsalltag. Der Aus-
tausch von Erwartungen führt zu gegenseitigem Verständnis und bringt die
Schnittstellen näher zusammen. Erwartungen auszutauschen und darüber
zu sprechen ist ein mächtiges Werkzeug, um die Effektivität zu steigern.
Die ausgetauschten klaren Erwartungen können zudem als Hilfsmittel
für Feedbackgespräche über die eigene Abteilung hinaus herangezogen
werden. Die Hemmschwelle über Abweichungen zu sprechen, wird deut-
lich herabgesetzt, wenn auf eine schriftliche Absprache referenziert wer-
den kann.
Ich möchte hinzufügen, dass sich auch Erwartungen ändern können. In
diesem Fall müssen diese neuen Erwartungen transparent gemacht und
neue Vereinbarungen abgesprochen werden.
106 Andres Sander
6.3.6 Prozessdefinition –
Nutzung des Qualitätsmanagement-Systems
zess zum Review der strategischen Ausrichtung des Unternehmens und der
darauf aufsetzenden Maßnahmen.
Wichtige Themen der Unternehmensuhr sind
- die Überprüfung der strategischen Ausrichtung des Gesamtunterneh-
mens und die Beurteilung der bestehenden Geschäftsbereiche,
- die Geschäftsfelderweiterung durch neue Bereiche aus dem New-Bu-
siness-Development-Prozess sowie die Trennung von nicht wirt-
schaftlichen bestehenden Geschäftsfeldern,
- die Ableitung von Zielen aus der strategischen Ausrichtung,
- eine grobe Mehrjahresplanung für die kritischen Messgrößen des Un-
ternehmens,
- die Budgetplanung für das folgende Geschäftsjahr, die Aussteuerung
des Projektportfolios auf die strategischen Ziele und damit die Festle-
gung, in welchen Bereichen Innovationen durch Geld gefördert wer-
den,
- der Abgleich der Technologie-Roadmap und der Produkt-Roadmap,
- die Auswertung von Kennzahlen und die Überprüfung des Kennzah-
lensystems (z.B. über die Balanced Scorecard),
- Mitarbeiterbeurteilungs- und -entwicklungsgespräche.
6.4 Zusammenfassung
Mit den eigenen Führungskräften gibt es eine direkte und konkrete Mög-
lichkeit, die Innovationsleistung des Unternehmens zu steigern. Dazu kann
man im ersten Ansatz das hier vorgestellte Kompetenzprofil für innovative
Führungskräfte nutzen. Unser Vorschlag muss so abgewandelt werden,
dass er auf das jeweilige Unternehmen passt. Die einzelnen Aspekte des
Kompetenzprofils sollen nach den betreffenden Anforderungen gewichtet
werden. Dann wird der Anforderungskatalog mit den vorhandenen Kom-
petenzen der Führungskräfte abgeglichen. Als Ergebnis sind die geeigne-
ten Führungskräfte identifiziert und können richtig eingesetzt und geför-
dert werden.
Den Führungskräften müssen geeignete Werkzeuge mitgegeben werden,
um effizienter arbeiten zu können. Es ist wichtig, die Feedbackkultur im
Unternehmen zu fördern. Dafür können die hier genannten Werkzeuge ge-
nutzt werden, wie zum Beispiel die Führungsbeurteilung durch die Mitar-
beiter. Es ist dafür zu sorgen, dass Innovieren ein kontinuierlicher Prozess
ist, zum Beispiel mit der Einführung einer Unternehmensuhr.
6. Innovieren leicht gemacht … 109
6.5 Literatur
Buckingham, M. / Coffman, C. (1999). First, break all the rules. New York:
Simon & Schuster.
Cooper, R.G. (2002). Top oder Flop in der Produktentwicklung. Weinheim:
Wiley.
Drucker, P.F. (1993). Innovation and entrepreneurship. New York: Harper Busi-
ness.
Malik, F. (2003). Führen, Leisten, Leben. 6. Aufl., München: Heyne.
Someren, T.C.R. van (2005). Strategische Innovationen. Wiesbaden: Gabler.
Steiger, T. / Lippmann, E. (2003). Handbuch Angewandte Psychologie für Füh-
rungskräfte. 2. Aufl., Berlin: Springer.
7. Von der Innovationsflut zum wirtschaftlichen
Erfolg
Selektion, Kooperation, Organisation
Innovationsmanagement in jungen, kleinen und mittleren
Unternehmen
Stefan Seeger
7.1 Einführung
tio“ für „etwas neu Geschaffenes“ ab. Im Deutschen wird der Begriff im
Sinne von neuen Ideen und Erfindungen sowie deren (wirtschaftlicher)
Umsetzung verwendet. Zu unterscheiden ist dabei zwischen Invention und
Innovation. Inventionen umfassen neue Ideen bis einschließlich zum Pro-
totypenbau bzw. zur konkreten Konzeptentwicklung in der vormarktlichen
Phase. Innovationen ergeben sich aus der Umsetzung bzw. Verwertung.
„Neu“ kann in diesem Sinne eine echte Weltneuheit oder eine subjektive
Neuheit aus Sicht eines einzelnen Unternehmens, Mitarbeiters etc. bedeu-
ten. Unterschieden werden unter anderem technische, organisatorische, in-
stitutionelle und soziale Innovationen.
Innovationen werden auch nach ihrem Grad an „Neuheit“ unterschie-
den. Dabei betrachtet man die Kombination aus Zweck des Gegenstandes
oder Produktes und den Mitteln, mit denen dieser Zweck erreicht wird. Er-
reicht eine Innovation in beiden Dimensionen hohe Werte, so spricht man
auch von einer radikalen Innovation. Der Begriff Innovation im Sinne von
„neu“ ist aktuell fast ausschließlich positiv besetzt und verkommt häufig
zum nebulösen Schlagwort. Im Ursinn ist er eigentlich ein Oberbegriff für
auch durchaus negativ besetzte Termini wie „Rationalisierung“ oder „Glo-
balisierung“.
Nach J. Schumpeter ist „Innovation“ die Durchsetzung einer techni-
schen oder organisatorischen Neuerung, nicht allein ihre Erfindung
(Schumpeter 1963). Seit der Übersetzung von Schumpeters Band „Theorie
der wirtschaftlichen Entwicklung“ aus dem Englischen findet der Begriff
auch in Deutschland breite Verwendung. Ein „Innovator“ ist für Schumpe-
ter ein schöpferischer Unternehmer. Seine Triebfedern sind dabei auf der
Innovation basierende, kurzfristige Monopolstellungen, die dem innovati-
ven Unternehmer Pionierrenten verschaffen. Das sind geldwerte Vorteile
(Innovationspreise), die durch die innovativen Verbesserungen entstehen,
zum Beispiel durch höhere Produktivität.
Die im Kontext von Wettbewerbsfähigkeit gemeinte Bedeutung des In-
novationsbegriffs ist häufig auf die der technischen Innovation beschränkt.
Dies soll auch hier der Fall sein.
erscheinen, das sind rund 20.000 pro Tag. Im Jahr 1880 betrug die Zahl
bekannter chemischer Verbindungen etwa 20.000. Heute sind ca. 20 Mil-
lionen chemische Verbindungen bekannt, wobei hier die 32 Millionen be-
schriebenen Gen- und Proteinsequenzen noch gar nicht mit eingerechnet
sind. Jedes Jahr kommen 600.000 weitere neue Verbindungen hinzu. Dies
spiegelt sich auch in den Patentanmeldungen wider. So wurden im Jahr
2000 140.000, im Jahr 2004 bereits 178.000 Patente angemeldet (Europäi-
sches Patentamt 2005; siehe Abbildung 7.1). Gleichzeitig stieg auch die
Zahl der Patentrecherchen von 120.000 auf 165.000 an (siehe Abbildung
7.2). Das Extrahieren relevanter Information ist somit zu einem wichtigen
Erfolgsfaktor für kleine Unternehmungen geworden.
Anmeldungen
200.000
180.000 178.579
160.000
140.000
120.000 123.706
100.000
80.000
60.000
40.000
20.000
0
00 01 02 03 04
Abb. 7.1. Anzahl der Patentanmeldungen in den Jahren 2000 bis 2004
(Quelle: Europäisches Patentamt 2005)
Recherchen
180.000
160.000 165.846
140.000
120.000
100.000
80.000 77.984
60.000 65.898
40.000
20.000 21.964
0
00 01 02 03 04
Europäische Recherchen
Internationale Recherchen
Recherchen für nationale Ämter
Recherchentätigkeit des EPA insgesamt
Abb. 7.2. Anzahl der Patentrecherchen in den Jahren 2000 bis 2004
(Quelle: Europäisches Patentamt 2005)
7. Von der Innovationsflut zum wirtschaftlichen Erfolg 115
Eine wichtige Aufgabe für Unternehmen ist es, in dieser Flut von Infor-
mationen zu erkennen, welche Innovationen für die Zukunft von Bedeu-
tung sind und wo das Wissen zu finden ist, um diese Innovationen dann
auch gezielt kommerziell nutzen zu können. Die notwendigen Ressourcen,
insbesondere die Zahl kreativer Köpfe, wird in der Zukunft zwar nicht be-
liebig wachsen. Dennoch ist zu erwarten, dass die Wissensmenge aufgrund
der zunehmenden Zahl an Wissenschaftlern in den nächsten Jahren weiter
wachsen wird (Ziman 1980). Es ist allerdings zu beachten, dass selbst die
Möglichkeit, dass die Ressourcen nicht weiter vermehrbar sein sollten,
nicht notwendigerweise zu einer Abnahme der Innovationstätigkeit führen
wird. Denn mit der Zunahme des Wissens geht auch ein Wachstum des
Nichtwissens – in dem weitere Business Opportunities verborgen sind –
einher. Hubert Markl, der ehemalige Präsident der Max-Planck-Gesell-
schaft, hat Wissen mit einer Kugel verglichen, die im All des Nichtwissens
umherfliegt (Marx und Gramm 1994/2002). Wächst diese Wissenskugel,
so vergrößert sich die Oberfläche der Kugel, die Zahl der Berührungspunk-
te mit dem Nichtwissenskosmos wächst, und es entsteht mehr realisiertes
Nichtwissen. Wissen produziert also Nichtwissen. Und es ist einfach zu
prognostizieren, dass es Menschen geben wird, die die Umwandlung von
Nichtwissen in Wissen zu ihrer Aufgabe machen.
Aus diesen Überlegungen wird klar, dass es in Zukunft noch viel
schwieriger wird, die relevanten Informationen aus der Wissens- und In-
formationsflut herauszufiltern. Daraus ergibt sich zwangsläufig, dass auch
kleine Unternehmen, die langfristig erfolgreich sein wollen, in Zukunft
moderne Technologien und finanzielle Ressourcen einsetzen müssen, um
erforderliches Wissen gezielt zu erhalten.
7.4.1 Ideenselektion
zu, da sie die Schnittstelle zum Markt sind. Nur durch intensive Kommuni-
kation mit Kunden lassen sich qualitativ hochwertige Informationen ge-
winnen. Außerdem sind auch Experten, die zum Beispiel einem unterneh-
menseigenen Advisory Board angehören können, wichtige Informations-
quellen. Eigene oder extern durchgeführte Marktstudien liefern ebenfalls
wichtige Informationen.
7.4.3 Projektablauf
Hat man sich für ein Produktkonzept entschieden, arbeitet die Entwick-
lungsabteilung einen Vorschlag aus, wie sie mit welchen Kapazitäten in
der vorgesehenen Zeit zum definierten Ziel kommen will. In kleinen Un-
ternehmen entstehen häufig Differenzen zwischen der Entwicklungs- und
der Geschäftsleitung über die Ressourcen und Zeitvorstellungen. Die Vor-
stellungen der Entwicklungsabteilung sind in jedem Fall sehr ernst zu
nehmen, aber auch eingehend zu prüfen: Viele Projektverzögerungen mit
daraus folgenden negativen wirtschaftlichen Konsequenzen sind darauf zu-
rückzuführen, dass der Entwicklungsabteilung notwendige Ressourcen
nicht oder zu spät zur Verfügung gestellt werden. Andererseits stellt man
bei unerfahrenen Projekt- oder Entwicklungsleitern gelegentlich fest, dass
sie Umfang und Zeitaufwand von Entwicklungsprojekten unterschätzen.
7. Von der Innovationsflut zum wirtschaftlichen Erfolg 119
Wie jedes innovative Unternehmen steht auch ein kleines oder ein Start-
up-Unternehmen vor der Frage, wie und wo im Rahmen eines Entwick-
lungsprojektes Know-how erarbeitet werden soll. Während der Zukauf ex-
tern entwickelter Technologien im Rahmen eines Mergers bzw. einer Ak-
quisition eher die Ausnahme sein wird, steht doch häufig die Frage im
Raum, ob die eigene Entwicklungsabteilung alle Teilprojekte selbst bear-
beiten soll oder ob man zumindest eine gewisse Zahl an Arbeitspaketen an
Dritte ausgliedert. Hier gibt es zwar keine allgemeingültigen Regeln, je-
doch kann man in vielen Fällen Handlungsempfehlungen aussprechen,
auch wenn eine Vielzahl von Parametern die Entscheidung beeinflussen
wird.
Die Grundsatzentscheidung, ob eine Kooperation in Frage kommt, hängt
von fundamentalen strategischen und operativen Überlegungen ab (siehe
Abbildung 7.4). So spielt es eine Rolle, welche Kernkompetenzen das Un-
ternehmen hat, beibehalten oder neu aufbauen möchte. Entsprechende Pro-
jekte werden eher im eigenen Haus durchgeführt.
Auch die Geheimhaltung bzw. das Schutzbedürfnis des erworbenen
Fachwissens ist in diesem Zusammenhang ein wichtiges Entscheidungskri-
terium. Dies ist nicht immer nur eine ökonomische Frage, sondern auch die
Persönlichkeit des Entscheiders – also eine psychologische Komponente –
spielt hier eine wichtige Rolle. Junge Unternehmen neigen gelegentlich da-
zu, den Sicherheitsaspekt zu hoch zu bewerten.
120 Stefan Seeger
Produktlebenszyklus
Kompetenz
Nachfrageänderungen
Make or Buy
or Corporate? Verfügbarkeit von Koop.-Partnern
M&A-Opportunities
Kosten Finanzierungsquellen
Kapitalintensität Arbeitsmarkt
Kostenoptimierung
Quelle: Stefan Seeger
Operative Kriterien, die die Entscheidung für oder gegen ein Outsour-
cing beeinflussen, sind zum Beispiel die vorhandenen Ressourcen, das
Know-how der Entwicklungsabteilung bzw. der Zeitaufwand, die notwen-
digen Voraussetzungen für ein Entwicklungsprojekt im Haus zu schaffen.
Die Etablierung völlig neuen technischen Fachwissens setzt häufig erheb-
liche finanzielle Mittel und die notwendige Investitionsbereitschaft voraus.
Zudem muss ein nicht unerheblicher Zeitaufwand einkalkuliert werden,
der in aller Regel den der externen Entwicklung deutlich übersteigt. In die-
sem Zusammenhang ist auch die Verfügbarkeit von entsprechenden Exper-
ten auf dem Arbeitsmarkt ein wichtiges Entscheidungskriterium.
E S T J
I N F P
ters ist weniger stark ausgeprägt als zwischen zwei Unternehmen. Wissen-
schaftler einer öffentlichen Einrichtung haben andere finanzielle Rahmen-
bedingungen und andere Ziele als Unternehmen. Der Erfolg von Universi-
tätswissenschaftlern insbesondere im naturwissenschaftlich-technischen
Bereich wird unter anderem an ihrer Publikationsaktivität gemessen. In
wissenschaftlichen Zeitschriften wird daher häufig eine detaillierte und
nachvollziehbare technische Beschreibung gefordert. Dies steht im Gegen-
satz zu den Interessen des Unternehmens in einer Kooperation, da es das
gewonnene Wissen möglichst exklusiv nutzen möchte. Um Konflikte zu
vermeiden, ist eine klare Vereinbarung im Vorfeld unumgänglich.
Der wissenschaftliche Anspruch anwendungsorientierter Forschungs-
projekte wird aus universitärer Sicht häufig als geringer bewertet als die
reine Grundlagenforschung. Ob dies gerechtfertigt ist, soll an dieser Stelle
nicht diskutiert werden. Allerdings ergibt sich für den Erfolg einer Ent-
wicklungskooperation hieraus die große Gefahr, dass der universitäre Part-
ner – vielleicht unbewusst – das Projekt mehr auf die wissenschaftlich in-
teressanten Fragestellungen ausrichtet als auf die Ziele des Auftraggebers.
Auch hier ist von Seiten des Unternehmens ein stringentes Projektcontrol-
ling angezeigt. So sind beispielsweise meilensteinabhängige Zahlungen ein
probates Mittel um zu gewährleisten, dass die finanziellen Mittel projekt-
bezogen eingesetzt werden. Jedoch ist darauf zu achten, dass Projekte mit
Hochschulen häufig vorwettbewerblichen Charakter haben. Entsprechend
muss auch dem damit verbundenen erhöhten technischen Risiko und dem
nötigen Freiraum Rechnung getragen werden.
7.5 Zusammenfassung
7.6 Literatur
Dieter Engel
Die Unternehmen der Medizintechnik sehen sich einem immer höheren Innova-
tionsdruck ausgesetzt; alle zwei Jahre werden ca. 50 Prozent der Produkte durch
eine neue Generation ersetzt. Die Quelle von Innovationen findet man dabei häu-
fig in einer Kooperation zwischen einem Arzt und einem Ingenieur. Diese Erkennt-
nis öffnet Chancen für eine höhere Effizienz des Innovationsprozesses der Unter-
nehmen: indem der Arzt als Kunde mit dem Hersteller gemeinsam an besseren Lö-
sungen arbeitet und kreativ wird. Ethicon setzt diese Erkenntnis um und integriert
die Kooperation zwischen Arzt und Ingenieur von Beginn an in seine Produktent-
wicklung. Hier wird beschrieben, welche Prozesse dazu eingesetzt werden, wie die
Kooperation organisatorisch unterstützt wird und welche Erfahrungen gemacht
wurden.
Innovative Produkte sind ein Motor des Fortschritts in der Medizin; sie
helfen die heutigen Leistungsgrenzen zu überwinden, und geben vielen Pa-
tienten bessere Heilungschancen und eine höhere Lebensqualität (Siess
2002). Für die Unternehmen der Medizintechnik sind Innovationen gleich-
zeitig ein Schlüsselelement ihrer wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit.
So hat der Bundesverband Medizintechnik festgestellt, dass seine Mit-
gliedsunternehmen nach eigenen Angaben 50 Prozent ihres Umsatzes mit
Produkten tätigen, die erst seit weniger als zwei Jahren auf dem Markt sind
(Knappe et al. 2000). Die wirtschaftliche Bedeutung der Innovationstätig-
keit lässt sich auch an der Haltung der Eigentümer der Unternehmen able-
sen: Über 40 Prozent des Aktienwertes von Medizintechnik- und Pharma-
unternehmen sind durch die Hoffnung auf die Zukunft bestimmt, nämlich
dass kontinuierlich neue Märkte mit innovativen Produkten erschlossen
werden (Christensen und Raynor 2003). Die Aktionäre von Johnson &
Johnson, der Muttergesellschaft von Ethicon, sind sogar bereit, 60 Prozent
des Aktienwertes für ihre Erwartungen an zukünftige Innovationen zu be-
132 Dieter Engel
Erschließung existierenden
neuer Märkte Märkten
% %
Ein Großteil des Umsatzes und des Wertes einer Firma ist also von der
Fähigkeit zur ständigen erfolgreichen Produktinnovation abhängig. Daraus
ergibt sich ein hoher Druck auf die Firmen, die Pipeline ständig gefüllt zu
halten sowie regelmäßig verbesserte oder sogar neuartige Produkte zu fin-
den und erfolgreich zu vermarkten. Entsprechend wird sehr viel Geld auf
Forschung und Entwicklung verwendet: Die deutschen Unternehmen der
Medizintechnik investieren ca. zehn Prozent des Umsatzes in F&E (Knap-
pe et al. 2000).
1% Firmengründung
100% 5% Patent
90%
7% Verhandlung
12% Anfragen
80%
70%
50%
40%
30%
41% Nicht-Erfinder
20%
10%
0%
Abb. 8.2. Anzahl der Chirurgen mit Produktideen und Grad der Weiterverfol-
gung
Im Jahr 1886 gründeten die drei Brüder Johnson in New Brunswick, New
Jersey/USA, die Firma Johnson & Johnson. Bis heute hat die Firmenzent-
rale ihren Sitz in New Brunswick. Die ersten Produkte von Johnson &
Johnson waren chirurgische Wundabdeckungen und medizinische Pflaster.
Im Laufe der Jahre erweiterte das Unternehmen sein Produktspektrum ste-
tig. Heute beschäftigt Johnson & Johnson weltweit mehr als 100.000 Mit-
arbeiter in den drei Bereichen Pharmazeutische Produkte, Medizinproduk-
te sowie Consumer-Produkte. Zu den bekannten Marken von Johnson &
Johnson gehören beispielsweise die Hautpflegemittel der RoC-Serie und
die Penaten-Creme aus dem Consumer-Bereich, das Neuroleptikum Ris-
perdal aus dem Pharmabereich und die beschichteten Koronarstents aus
dem Medizinproduktesektor. Johnson & Johnson erzielt regelmäßig
Wachstumsraten von mehr als zehn Prozent pro Jahr, und das bereits seit
8. Der Kunde als Innovationspartner 135
1. DEPUY in Leeds / GB
2. Lifescan in Inverness / GB
3. Ethicon in Gargrave / GB
4. Janssen in Beerse / B
5. ETHICON in Paris / F
6. J&J Consumer in Val de Reuil / F
7. CODMAN in Neuchatel / CH
8. ETHICON Endosurgery bei Rom / I
9. DEPUY in München / D
10. J&J Consumer in Wuppertal / D
11. CORDIS in Groningen / NL
12. ETHICON in Norderstedt / D
Die Ethicon GmbH in Norderstedt bei Hamburg ist mit zurzeit über
2.000 Mitarbeitern in Produktion, Vertrieb sowie Forschung & Entwick-
lung einer der größten Standorte von Johnson & Johnson weltweit. Der
Standort ist innerhalb von Ethicon weltweit das Kompetenzzentrum für
chirurgische Netzimplantate und Weichgewebeverstärkung und kann Pro-
dukte in höchstem Maße eigenständig entwickeln, herstellen und vertrei-
ben. Auf dieses Fachgebiet mit einem Marktpotenzial von ca. 1 Mrd.
US$ p.a. konzentriert sich der Innovationsprozess der Ethicon GmbH. Zu-
dem sind wir Produktionsstandort für viele andere Produkte des Konzerns.
Als Kompetenzzentrum für Netze stehen wir kontinuierlich auch im inter-
nen Wettbewerb mit anderen Standorten, die ebenfalls Interesse an dieser
Funktion haben und teilweise auch Kompetenzen besitzen. Diesen internen
Wettbewerb sehen wir als Ansporn und Motivation für die Mitarbeiter,
kontinuierlich besser zu werden.
Ethicon strebt ein globales Marketing an: Global sind fast alle Produkte
gleich, es gibt kaum regionale Produkte, und die Entwicklung neuer Pro-
dukte wird vom weltweiten Ethicon-Board gesteuert und genehmigt. Ideen
für Innovationen entstehen an vielen Orten in der Organisation, im strate-
gischen und operativen Marketing, bei F&E und im Außendienst. Eine ei-
gene Organisationseinheit wurde dazu geschaffen, um in Zusammenarbeit
mit Marketing und F&E die Vielzahl der Projektvorschläge zu filtern und
dem Board die besten Vorschläge zur Entscheidung vorzulegen. Vom
technischen Manager wird beispielsweise erwartet, dass er seine Ideen in
diesen Organisationseinheiten gut verkaufen kann, er muss zum „Innovati-
on Sales Manager“ werden.
8. Der Kunde als Innovationspartner 137
Andere Ärzte
Trends aufspüren
ausbilden
Kundenbedürfnis
finden
Prinzipielle Lösung
finden
Prototypen testen,
Produkt validieren
Abb. 8.4. Die verschiedenen Aufgaben von Ärzten im Verlauf des Entwick-
lungsprozesses
Gerade in der Medizintechnik verändert sich der Markt rasch: Wenn ein
neues Therapieverfahren oder ein neues Produkt eingeführt wird und sich
als überlegen erweist, können die existierenden Verfahren und Produkte
sehr schnell an Wert verlieren. Informierte Patienten möchten nicht mit ei-
nem überholten, veralteten, sondern mit dem modernsten Verfahren behan-
138 Dieter Engel
delt werden. Diese große Dynamik bietet Chancen für denjenigen, der sich
an die Spitze der Veränderungen setzen und als Innovations- und Techno-
logieführer ständig mit verbesserten Produkten aufwarten kann, aber auch
Risiken für das bestehende Produktportfolio eines Unternehmens.
Ethicon kooperiert mit Meinungsführern aus allen relevanten chirurgi-
schen Disziplinen, um diese Trends und Disruptionen möglichst früh zu er-
kennen und darauf reagieren zu können. Es wurden auf nationaler wie auf
internationaler Ebene Beratungsgremien zu Schlüsselthemen des Ge-
schäftsbereiches eingerichtet. Dazu zählen zum einen die für Ethicon be-
deutsamen chirurgischen Fachgebiete und ihre Weiterentwicklung, zum
anderen auch technologische Fragen, zum Beispiel zu den neuen Biotech-
nologien. Für sehr komplexe Themen werden wissenschaftliche Kongresse
organisiert, auf denen führende Forscher und Anwender die neuesten Er-
gebnisse austauschen und dabei helfen, mögliche Roadmaps für zukünftige
Forschungen aufzustellen. Ein Beispiel ist die Konferenz über die Therapie
von Leisten- und Narbenbrüchen im Jahr 1992. Basierend auf dieser Kon-
ferenz und mehreren Folgekonferenzen, hat Ethicon neue technische Kon-
zepte für Hernienimplantate entwickelt und in den Markt eingeführt. Mit-
hilfe dieser Technologie sind wir heute Marktführer in Deutschland bei
Hernienimplantaten.
Vor der Entwicklung konkreter Produkte steht das Erkennen des Bedarfs:
Welche Bedürfnisse des Kunden sind unbefriedigt? Welche davon sind
ihm wichtig und entscheiden über die Effizienz und Qualität seiner Arbeit?
Für welche Bedürfnisse sind der Kunde und das Gesundheitswesen bereit,
die Kosten zu tragen? Aus den Antworten auf diese Fragen ergibt sich das
konkrete Ziel einer Produktentwicklung, der konkrete Bedarf, den es mit
einer innovativen Lösung zu decken gilt. Der Erfolg des zukünftigen Pro-
duktes hängt ganz wesentlich davon ab, dass der richtige Bedarf als Ziel
ausgewählt wurde. Es wird sogar der Standpunkt vertreten, dass die Be-
darfserkennung der wichtigste Schritt sei, wichtiger als das Finden der Lö-
sung; denn technische Lösungen seien im Prinzip für alle Probleme ver-
fügbar.
Ethicon strebt an, dass der Entwicklungsingenieur in dieser Phase be-
sonders eng mit dem Arzt zusammenarbeitet. Zu diesem Zweck werden al-
le Ingenieure zunächst intensiv in den klinischen Verfahren und Abläufen
geschult, die für das jeweilige Projekt relevant sind, sowohl theoretisch als
auch praktisch. Die Ingenieure erhalten beispielsweise in regelmäßigen
8. Der Kunde als Innovationspartner 139
Die Theorie, die dem Verfahren zugrunde liegt, geht von einer hohen
Dynamik des Marktes aus und folgert daraus, man solle die Kundenbedürf-
nisse nicht bei dem heute typischen Anwender suchen, sondern bei dem
heute extremen Anwender am Rande des Spektrums. Diese Randgruppe
sei dem durchschnittlichen Nutzer von heute so weit voraus, dass sie be-
reits die Probleme von morgen hat. In der Chirurgie können Lead User bei-
spielsweise solche Operateure sein, die besonders viele adipöse Patienten
operieren, wenn man annimmt, dass in einigen Jahren extrem übergewich-
tige Patienten eine wesentliche Patientengruppe darstellen. Bei stark adipö-
sen Patienten ergeben sich viele operative Schwierigkeiten – etwa der Dis-
sektion oder des Wundverschlusses – die verbessert werden könnten. Der
kritischste Schritt bei der Anwendung des Verfahrens ist die richtigen
Lead User zu identifizieren, denn nicht alle Extremanwender von heute
stellen den Durchschnitt von morgen dar.
In der spannenden Phase der Lösungssuche kommt es oft vor, dass für den
festgestellten Bedarf bereits ein Arzt als Lead User an einer innovativen
Antwort arbeitet: Gerade weil er einen extremen Bedarf hat, zwingen ihn
die durchschnittlichen Produkte dazu, selbst innovativ zu werden. Die
Lead User können auch aus anderen medizinischen oder sogar nichtmedi-
zinischen Bereichen stammen: von überall dort, wo ein vergleichbares Pro-
blem auftritt, nur in noch stärkerer Form. Falls man das Glück hat, einen
überzeugenden Lead User zu identifizieren und für sich zu gewinnen, kann
er als Miterfinder in den Lösungsprozess eingebunden werden und die Ent-
wicklungszeit stark verkürzen.
Ein anderes bewährtes Instrument zur Lösungssuche sind „Innovations-
Summits“, bei denen sich zwanzig, dreißig oder mehr Experten verschie-
dener Fachrichtungen mit Nichtexperten treffen und in einem strukturier-
ten Brainstorming Ideen sammeln. Auch Kunden können Teilnehmer sein,
allerdings ist dafür die Frage des geistigen Eigentums vorher zu klären.
Teilweise werden in den Summits mehrere tausend Ideen zu einem Thema
generiert und in dann folgenden Selektionsprozessen fokussiert.
Speziell wenn eine Innovation neue Arbeitsweisen des Kunden verlangt,
zum Beispiel eine neue chirurgische Prozedur, kooperiert Ethicon eng mit
Medizinern, dabei wird das Verfahren gemeinsam in vielen Experimenten
erfunden und optimiert. Da Operationsmethoden aus ethischen Gründen
kaum klinisch entwickelt werden können, sind die weiter unten beschrie-
benen Wetlabs ein wichtiges Instrument.
8. Der Kunde als Innovationspartner 141
Der schnelle Test von Prototypen und neuen Prozeduren ist eine besonders
kritische Aufgabe, die im Verlauf der Produktentwicklung immer wieder
mit unseren Partnern durchgeführt wird. Zu den Testmethoden gehören zu-
nächst papier- oder computergestützte Skizzen. Sie dienen der Erstaus-
wahl, der Diskussion von Patentfragen und der internen Kommunikation.
Chirurgen sind manuell orientiert und benötigen frühzeitig funktionelle
Muster, sodass in einer zweiten Phase physikalische Prototypen hergestellt
werden, die bereits rudimentär bedient werden können und mit denen man
an Simulationsmodellen erste Schritte testen kann. Zur schnellen Herstel-
lung der Prototypen haben wir eine „rapid prototyping“-Kette für textile
Technologien erarbeitet, auf der viele der Implantate von Ethicon beruhen.
Zudem stehen Ethicon firmeneigene Operationssäle zur Verfügung, in
denen die so genannten Wetlabs durchführt werden: Tests der Prototypen
an Gewebeproben unter realitätsnahen Bedingungen. Die Tests werden
von ausgewählten Kunden durchgeführt, mit denen ein Vertrauensverhält-
nis besteht, sodass auch vertrauliche Informationen offen besprochen wer-
den können. Die Ergebnisse der Wetlabs sind ein entscheidendes Krite-
rium für die Auswahl der technischen Lösung mit den besten Geschäfts-
aussichten.
Die Umsetzung der prinzipiellen Lösung in ein serienreifes Produkt ist
eine Phase, in der die Kunden in der Regel einen geringeren Lösungsbei-
trag leisten. Sie steuern allerdings weiterhin die Entwicklung, indem
Zwischenstände regelmäßig anhand von Wetlabs und Umfragen verifiziert
werden und am Schluss das Design von Kunden validiert wird.
8.4.5 Forschungskooperationen
8.4.6 Training
Die hohe Kreativität der Chirurgen und ihre vielen Produktideen möchte
Ethicon in seine Kanäle lenken und wirbt aktiv darum, dass Kundenideen
an das Unternehmen herangetragen werden. Dieses Werben und Herantra-
gen geschieht sowohl über den persönlichen Kontakt von Vertriebsmitar-
beitern oder Ingenieuren wie auch über eine Reihe von internetbasierten
Eingabemöglichkeiten. Als Beispiel ist die Website des Gynecare Innova-
tion Center angeführt (Abbildung 8.5), die die Kunden der Geschäftsein-
heit Gynecare ansprechen soll, damit sie Ethicon ihre Ideen unterbreiten.
Die Kunden werden auf Kongressen und bei Gesprächen mit Mitarbeitern
ausführlich über die Website informiert.
Die Überprüfung einer Idee erfolgt in zwei Stufen. Zunächst wird ein
schlanker Entscheidungsprozess durchlaufen, um schnell ein mögliches In-
teresse von Ethicon an diesem Produkt oder der Technologie festzustellen.
In diese erste Entscheidung sind nur wenige Mitarbeiter eingebunden und
die Rückmeldung an den Einreicher erfolgt in der Regel innerhalb weniger
Wochen. Geprüft wird zunächst, ob die Idee zur geplanten Produktstrate-
gie passt und ob sie ausreichende wirtschaftliche Aussichten hat oder sogar
das Potenzial, neue Märkte für Ethicon zu schaffen.
Falls das Ergebnis positiv ausfällt, werden in der nächsten Stufe weitere
Gespräche gesucht und Informationen zusammengetragen, um die Idee
sorgfältig zu bewerten – das ist die so genannte Due Diligence zu einer
Idee. Dabei wird mit Experten geprüft, wieweit die Idee durch ein Patent
abgesichert ist oder abgesichert werden kann und welche Nachweise über
die Funktionsfähigkeit vorliegen. Dieser zweite Schritt dauert wegen des
komplexen Inhaltes in der Regel wesentlich länger als der erste. Im güns-
tigsten Fall kommt es zu Vertragsverhandlungen mit dem Erfinder hin-
sichtlich einer langfristigen Kooperation und zur vertraglichen Vereinba-
rung zwischen den Parteien.
Viele Ärzte, die erfinderisch tätig sind, haben wenig Erfahrung bei der
wirtschaftlichen Umsetzung einer Idee. Sie wissen daher nicht, wie man
die ökonomische Bedeutung einer Idee abschätzt, auf welche anderen Her-
ausforderungen Erfinder treffen und wie sie damit umgehen können. Daher
hat Ethicon spezielle Informationsangebote geschaffen, die dem Erfinder
helfen sollen, seine Idee selbst zu überprüfen und sie so darzustellen, dass
ein Unternehmen leichter davon zu überzeugen ist. Häufige Fragen von Er-
findern, die durch das Informationsmaterial beantwortet werden, sind bei-
spielsweise: Wie bestimme ich den Wert einer Idee? Wie kann ich meine
Idee schützen? Was kostet eine weltweite Patentanmeldung?
Selbst mithilfe zusätzlicher Information ist es für viele Ärzte eine große
Herausforderung, ihre Idee weiter zu untersuchen, aufwändige Experimen-
te vorzunehmen und lange Gespräche mit Unternehmen zu führen. Hier
enden viele der guten Ideen, wie die Untersuchungen von Herstatt, Lüthje
und Lettl (2001) sowie Roberts (1988) gezeigt haben. Den Ärzten fehlt oft
die Zeit oder die notwendige technische Kompetenz. Die Herstellung bei-
spielsweise eines Stapling-Instrumentes oder eines Implantates zum präkli-
nischen Einsatz erfordert großen Aufwand und viel Erfahrung. Ethicon
bietet den Ärzten in aussichtsreichen Fällen so genannte Co-Invention-
Teams an: kleine Teams aus Ingenieuren, die mit dem Arzt kooperieren
und dessen Idee schnell in Prototypen umsetzen und gemeinsam überprü-
fen können. Die Co-Invention-Teams nutzen dabei die umfangreichen
8. Der Kunde als Innovationspartner 145
8.6 Innovationskultur
erfährt, oder wie stark sich der Mitarbeiter unterstützt fühlt Neues zu pro-
bieren. Diese Werte werden regelmäßig über Mitarbeiterbefragungen ge-
messen und es gibt Zielvorgaben dazu.
Analyse, Einzelgespräche
Mitarbeiter- 93 7
Mitarbeiterbefragung
Wertschätzung
Maßnahmenplan
Unterstützung, etwas 74 22
Neues zu versuchen
Freiheit, informiert 58 42
Risiken einzugehen
8.7 Beziehungsmanagement
Kooperationen entstehen weder aus dem Nichts noch aus dem Stand her-
aus. Es bedarf eines langfristig angelegten Beziehungsmanagements, um
zu gegebener Zeit in Projekte eines jeden Marktsegmentes die jeweils füh-
renden Anwender und Experten einbeziehen zu können.
Ein Hersteller muss in allen potenziell interessanten Fachgebieten die
maßgeblichen Kunden kennen, zu ihnen Kontakte geknüpft haben und Be-
ziehungen pflegen. Das können viele hundert oder tausend Personen sein,
sodass eine F&E-Abteilung ein solches Netz im Regelfall gar nicht kons-
truieren und erhalten kann. Die Vertriebsmannschaft von Ethicon ist dage-
gen sehr stark darin, mit vielen Kunden langfristig orientierte Geschäfts-
verbindungen aufzubauen und wird auch von den Abnehmern als kunden-
nah eingeschätzt. Ethicon hat geschäftliche Beziehungen zu beinahe jedem
führenden Chirurgen in der Welt und bei Umfragen ergeben sich hohe Lo-
yalitätswerte von Kunden dem Unternehmen gegenüber. So ist es nicht
148 Dieter Engel
8.8 Zusammenfassung
8.9 Literatur
Christensen, C.M. / Raynor, M.E. (2003). The innovators solution: Creating and
sustaining successful growth. Boston: Harvard Business School Press.
Herstatt, C. / Lüthje, C. / Lettl, C. (2001). Fortschrittliche Kunden zu radikalen In-
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Hippel, E. von (1988). The sources of innovation. New York: Oxford University
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Knappe, E. / Neubauer, G. / Seeger, T. / Sullivan, K. (2000): Die Bedeutung von
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Kristensson, P. / Gustafsson. A. / Archer, T. (2004). Harnessing the creative po-
tential among uses. In: Journal of Product Innovation Management, 21(1): 4-
14.
Roberts, E. (1988). Technological innovation and medical devices. In: Ekelman,
K. (Hrsg.). New medical devices: Invention, development, and use. Washing-
ton: National Academy Press, 35-47.
Sanders, E. (2002). Ethnography in NPD research – How “applied ethnography”
can improve your NPD research process. In: Visions Magazine, 2002(2).
http://www.pdma.org/visions/apr02/applied.html.
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rer in medical equipment innovation. In: R&D Management, 15(4): 283-292.
Siess, M. (2002). Finanzierung von Innovationen im DRG-System. BDCOnline,
1.9.2002.
Specht, G. (2002). F&E-Management. Stuttgart: Schäffer-Poeschel Verlag.
Teil IV: Wissensmanagement und
Innovationskultur
Joachim Niemeier
9.1 Einführung
Gerade ein Unternehmen aus der Internet- und Multimedia-Branche ist ge-
fordert, eine gute Balance zwischen New und Old Economy zu finden.
Schnelle Technologiezyklen und hohe Qualitätsanforderungen der Kunden
an geschäftskritische Web-Anwendungen treffen auf die Anforderungen
der Mitarbeiter aus der Newmedia-Branche hinsichtlich der Flexibilität
und Kreativität ihres Arbeitsumfeldes. Als Schlüsselfaktor für den Erfolg
in einem solchen Umfeld wird das Mitarbeiter-Commitment angesehen.
Mitarbeiter-Commitment bedeutet: Wie stark sind die Mitarbeiter mit dem
Unternehmen, seinen Strategien und Zielen verbunden? Wie loyal stehen
152 Joachim Niemeier
sie dem Unternehmen gegenüber? Wie massiv engagieren sie sich für das
Unternehmen? Wie schafft man ein Klima, das innovative Leistungen her-
vorbringt und den Einsatz neuester Technologien ermöglicht?
Viele Experten sind sich einig, dass das Lernen bei der Arbeit zukünftig
deutlich zunehmen und sich als eine der wichtigsten Formen der Weiterbil-
dung etablieren wird. „Corporate Intranets“ werden nicht mehr nur der
Kostenreduktion und Prozessautomatisierung dienen, sondern auch dazu,
eine effiziente Kompetenzbasis aufzubauen, die beste Vorgehensweise zu
identifizieren, Wissen auszutauschen und die Informationen zu nutzen.
Wikis, Blogs („Weblogs“) und Klogs („Knowledge Weblogs“) stehen als
neue intuitive und benutzerfreundliche Technologien auch im Unterneh-
mensumfeld zur Verfügung. Lösungen auf Basis mobiler Technologien
werden helfen, den Zugang zu Informationen zu vereinfachen, die Sicht-
barkeit relevanten Wissens zu sichern und den Dialog zu erleichtern. Kun-
den werden Teil eines erweiterten Kompetenznetzwerkes, deren Heteroge-
nität in Form von Zugangsebenen und -formen über E-Channels Rechnung
getragen wird. Die Fähigkeit zur zügigen und flexiblen Rekonfiguration
von Ressourcen ist die Basis für einen aktiven Dialog mit Kunden und
Verbrauchern.
Arbeitsumgebung und Lernumgebung basieren immer mehr auf den
gleichen Komponenten und verschmelzen langsam, aber kontinuierlich
miteinander. Die Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit eines Unterneh-
mens hängt davon ab, ob es gelingt, durch Telekommunikation und Infor-
mationstechnologien die Rahmenbedingungen für ein exzellentes Wissens-
umfeld im Unternehmen zu schaffen. Neue Technologien sind mittlerweile
serienreif und werden in den nächsten Jahren deutliche Spuren in unserer
Arbeits- und Lernwelt hinterlassen. Technologische Neuerungen werden
insbesondere auch für den Aufbau von flexiblen und attraktiven Arbeits-
strukturen sowie für effektive Kompetenznetzwerke genutzt werden. In
Abbildung 9.1 sind Faktoren zur Förderung der Innovationsfähigkeit dar-
gestellt.
9. Ein Wissensumfeld im Unternehmen schaffen 153
Konsequente Brain-Power
Lernkultur der Mitarbeiter
Innovations-
fähigkeit
Flexible Arbeits-
Infrastrukturen für
organisationen und
Wissens- und Dienst-
Kompetenznetzwerke
leistungsarbeit
Wissens- und
Innovationsmanagement
Quelle: Joachim Niemeier
Management-
Know-how
hoch
„Professionelle
„Dienstleistungsfabrik“ Wissens-
Organisation“
Fachliches
niedrig hoch Know-how
Quelle: Joachim Niemeier
1 www.mms-dresden.de.
2 www.newmediaranking.de.
9. Ein Wissensumfeld im Unternehmen schaffen 155
Strategie-
entwicklung
wichtige Impulse
entstehen an der
Basis
Dienstleistungs- Mitarbeiter
prozesse qualifiziert,
standardisiert, selbstgesteuert
ganzheitlich (Work-Life-
Balance)
Die T-Systems MMS ist mit einem häufig zweistelligen Umsatz- und
Personalwachstum das am kontinuierlichsten gewachsene Internet- und
Multimedia-Unternehmen der vergangenen Jahre und seit der Gründung
des Unternehmens, auch in der Zeit nach dem Internet-Hype im Jahr 2000,
entgegen dem Trend profitabel.
156 Joachim Niemeier
Auf einem Markt, der sich nach dem Internet-Hype drastisch von einem
Anbieter- zu einem Käufermarkt gewandelt hat, hängt der zukünftige Er-
folg von Folgendem ab: einem exzellenten Technologie-Know-how, einem
verlässlichen Projektmanagement, hoch kompetenten und engagierten Mit-
arbeitern, guten langfristigen Kundenbeziehungen, der Abdeckung der ge-
samten Wertschöpfungskette von der Beratung über attraktives Design und
Technologieintegration bis hin zu einem schlagkräftigen Support.
Ziel ist es, den Kunden bei der Optimierung seines Geschäfts zu unterstüt-
zen und darüber hinaus maßgeblich zu seinem Erfolg beizutragen. In den
Beratungsteams werden Berater mit Internet-Know-how und Erfahrungen
in der Unternehmensberatung eingesetzt. Diese Teams werden projektbe-
zogen durch Experten mit langjähriger Erfahrung in den jeweiligen Tech-
nologien und Branchen verstärkt. Die Beratung umfasst alle relevanten
Themen – von Vorschlägen für ein Geschäftsmodell über den Business-
plan bis hin zu schlüssigen Organisationsmodellen und multimediagerech-
tem Design der Nutzerschnittstelle.
3 www.bscol.com.
9. Ein Wissensumfeld im Unternehmen schaffen 157
4 http://www.efqm.org/Default.aspx?tabid=161.
158 Joachim Niemeier
Das 7-Stufen Modell von Prahalad und Ramaswamy (2004) bildet einen
guten Beschreibungsrahmen für die Handlungsfelder eines wissensintensi-
ven Unternehmens.
Gemeinsame Wertschöpfung
Entwicklung neuer Vorgehensweisen
Entdeckungen ermöglichen
Erkenntnisse zusammenfassen
Aktionsteams mobilisieren
Neue Initiativen anregen
Informationen nutzen
Kontextuelles Wissen extrahieren
Informationsaustausch
Die beste Vorgehensweise identifizieren
Der systematische Aufbau der Kompetenzbasis dient dazu, sowohl die In-
novationsfähigkeit des Unternehmens als auch die Employabilität der Mit-
arbeiter zu sichern.
Die ständige Weiterbildung dieser Mitarbeiter führt zu einem sehr ho-
hen projektbezogenen Qualifikationsniveau mit ausgeprägter Kundenori-
entierung und flexibel einsetzbaren Kompetenzen der Mitarbeiter. Dabei
setzt die T-Systems MMS auf international anerkannte Weiterbildungspro-
gramme und Zertifikate:
- Etwa 80 Prozent aller Mitarbeiter der T-Systems MMS weisen ihr Po-
tenzial mittels eines Hochschulabschlusses nach.
- In einem mehrstufigen Qualifikationsprogramm werden die Projekt-
leiter zu zertifizierten „Project Manager Professionals“ PMI qualifi-
ziert (Projekt Management Institute).5
- Application- und Servicemanager werden nach dem ITIL (Informati-
on Technology Infrastructure Library)-Standard ausgebildet.6
- Die Softwarespezialisten besitzen zertifiziertes Know-how auf den
Gebieten .NET, Java, Lotus Notes etc.
- Die Tester des Test- und Integrationszentrums sind mit ASQF-Zertifi-
kat geprüft – einem international anerkannten Zeugnis für die Qualität
des Know-hows beim Softwaretesting.7
Eine formale Zertifizierung ist eine typische „Win-Win“-Situation für
den Mitarbeiter und das Unternehmen. Der Mitarbeiter steigert seinen
Marktwert, das Unternehmen kann diesen Mitarbeiter zu höheren Tages-
sätzen anbieten und unterstützt gleichzeitig das Image als Qualitätsliefe-
rant.
Mittels „Blended Learning“, einer Kombination von traditionellen Aus-
bildungsmethoden und modernen E-Learning-Programmen, ermöglicht die
T-Systems MMS kosten- und erfolgsoptimierte Weiterentwicklung aller
Kompetenzen auf dem jeweils effizientesten Weg: Seminare, Coaching, E-
Learning-Module, Transfer-Meetings etc. (Happ und Müller-Wenzke
2005).
In Zusammenarbeit mit Universitäten, Hochschulen, Berufsakademien
und dem Telekom Training Center fördert die T-Systems MMS sowohl
5 www.pmi.org.
6 www.itil.co.uk.
7 www.asqf.de.
9. Ein Wissensumfeld im Unternehmen schaffen 161
Stufe 2: Informationsaustausch
Wenn Strategien scheitern, dann liegt das häufig nicht daran, das die Stra-
tegie schlecht war, sondern daran, dass die Umsetzung der Strategie („Exe-
cution“) vernachlässigt wurde. Dies gilt auch im Hinblick auf neue Initiati-
ven; hier muss es gelingen, die Aktivitäten zu einem dauerhaften Prozess
zu machen. Dazu bedarf es des geeigneten ausführenden Personals in der
richtigen Zusammenstellung.
Fachwissen muss unabhängig vom Positionsprofil oder dem vorhande-
nen Titel entdeckt und mobilisiert werden. Als sinnvolle unterstützende
Aktivitäten sind hier Training, Coaching und Mentoring zu sehen.
Neue Erkenntnisse entstehen vor allem auf Basis eines Dialogs mit dem
Kunden. Lösungen in der T-Systems MMS dazu sind:
- Top- und Target-Accounts werden systematisch gemanagt.
- Kunden werden als Teil eines erweiterten Kompetenznetzwerkes ver-
standen.
- Das Unternehmen hört auf seine Kunden und passt das Angebot an
den Bedarf des Kunden an.
- Ansätze wie „Business Intelligence“ und „Total Customer Relation-
ship Management“ werden genutzt.
Die Idee der Vielfalt und Heterogenität mit einem hohen Qualitätsanspruch
zu verbinden und dem Kunden eine einzigartige personalisierte Erfahrung
zu ermöglichen, ist eine extrem anspruchsvolle Aufgabe. Basis ist ein akti-
ver Dialog mit dem Kunden mit dem Ziel der gemeinsamen Gestaltung in-
dividueller Erwartungen und dem kreativen Aufbau personalisierter Erfah-
rungen. Es entstehen Erfahrungsnetzwerke: Lösungen, Vertriebskanäle,
Technologien und Mitarbeiter sind Pforten zu diesen Erfahrungen. Der He-
terogenität der Kunden wird in Form ihrer Zugangsebenen und -formen
Rechnung getragen.
9. Ein Wissensumfeld im Unternehmen schaffen 163
9.6 Zusammenfassung
Zyklus des Erfolgs
Bleibt zum Schluss die Frage nach der Erfolgsmessung. Hierzu hat sich die
T-Systems MMS ein Regelkreismodell zu Eigen gemacht, welches einen
Zusammenhang zwischen dem Commitment der Mitarbeiter und dem Un-
ternehmenserfolg herstellt.
Ertragssteigerung
durch stärkere
Kundenbindung
Mehr Erfahrung,
höhere Produktivität
9.7 Literatur
10.1 Einführung
Aus den diskutierten Aspekten leiten sich mehrere Implikationen für die
Internationalisierung von F&E-Prozessen ab. Eine erste betrifft die globa-
len Wissens-Cluster, die sich durch die weit gehende Arbeitsteilung und
hohe Spezialisierung in der wissenschaftlichen und industriellen For-
schung und Entwicklung herausgebildet haben. In vielen Hightech-Indus-
trien werden in diesen Clustern die entscheidenden Innovationen hervorge-
bracht. Die räumliche Agglomeration von Herstellern, Zulieferern und
Dienstleistern ermöglicht den angesiedelten Firmen eine gegenseitige tech-
nische „Befruchtung“ sowie eine engere Interaktion und verbesserte Kom-
munikation. Letztere sind umso erfolgskritischer, je spezialisierter und ta-
ziter das in F&E angewandte Wissen ist. Wissens-Cluster sind weltweit
1 Sehr anschaulich beschrieben und mit konkreten Beispielen versehen ist eine Vielzahl von organisatorischen
Maßnahmen zur Steigerung bzw. Erhaltung der Innovationsfähigkeit im HBS Case: ‚3M: Profile of an Innova-
ting Company’.
170 Michael Nippa und Björn Rosenberger
1. Trotz des starken Anstiegs ist der absolute Grad der Internationalisie-
rung von F&E-Aktivitäten, 2 beispielsweise verglichen mit dem An-
teil der im Ausland erzielten Umsätze, immer noch gering. Diese Ein-
schätzung zeigt sich in verschiedenen Untersuchungen. So hat die
amerikanische National Science Foundation (NSF 2000) für die Ge-
samtheit der Unternehmen in OECD-Ländern einen internationalen
Forschungs- und Entwicklungsanteil von nur 14 Prozent erhoben
(Stand 2000). In einer Untersuchung von 46 technologieorientierten
Unternehmen stellen darüber hinaus von Zedtwitz und Gassmann
(2002) fest, dass lediglich drei davon eine höhere F&E-Internationali-
sierung als ihre international erzielten Umsätze auswiesen.
2. Der Grad der Internationalisierung ist offensichtlich abhängig vom
Heimatstandort des Unternehmens. Hier weisen die westeuropäischen
Länder und die USA eine eindeutig stärkere Neigung zur Internatio-
nalisierung des Innovationsprozesses auf als Japan. Dieses Phänomen
wurde in mehreren empirischen Untersuchungen beobachtet (z.B.
Hemmert 2003). Neben den geografischen Unterschieden sind auch
sektorale Unterschiede auszumachen. Forschung und Entwicklung in
den Branchen Pharmazie, Informationstechnologie, Telekommunika-
tion und Chemie weisen einen höheren Grad der Internationalisierung
auf als beispielsweise im Maschinen- oder Automobilbau (Gerybadze
2003).
Aufgrund der dargestellten Charakteristika und Herausforderungen des
internationalen F&E-Prozesses ist es nicht überraschend, dass der Interna-
tionalisierungsgrad anderer betrieblicher Funktionen aktuell noch nicht er-
reicht wird. Die Komplexität des Prozesses, organisatorische Abhängigkei-
ten oder die Einbeziehung interner und externer Wissensträger verhindern
in der Regel „schnelle“ Lösungen. Demgegenüber belegen Wachstumszah-
len, dass Unternehmensführungen dieses Thema zunehmend aufgreifen
und die Internationalisierung von F&E energisch vorantreiben. Es ergibt
sich daher die Frage, welche strategischen Zielsetzungen und ökonomi-
schen Kalküle mit solchen Initiativen verfolgt werden.
2 Beispielsweise gemessen an den F&E-Mitarbeitern außerhalb des Herkunftslandes oder dem Anteil
internationaler F&E an den gesamten F&E-Kosten des Unternehmens.
10. Stand und Perspektiven des internationalen Innovationsmanagements 173
Marktorientierte Ressourcenorientierte
Zielsetzungen Zielsetzungen
• Marktzugang • Technologie
Zielsetzungen • Anpassung an • Talent-Pool
und Strategien Kundenbedarf • Kostenvorteile
• Monitoring • Prozess-Effizienz
• Wettbewerbsposition • Kreativität
• Komplettierung
Wertschöpfung
Konfiguration Koordination
Quelle: Nippa/Rosenberger
(2) Standortwahl
Aus den Zielen ergeben sich direkte Konsequenzen für die Standortwahl
der F&E-Aktivitäten. Steht der Zugang zu Technologien im Vordergrund,
kann eine Zuordnung hochspezialisierter Aufgaben an Standorten inner-
halb von Wissens-Clustern angebracht sein. Verfolgt die Unternehmens-
führung dagegen primär eine verbesserte Bearbeitung der internationalen
Märkte, kann eine Ansiedlung von Produktentwicklungskapazitäten in ei-
nem oder mehreren wichtigen Ländermärkten angezeigt sein. Infolgedes-
sen muss jede Bewertung eines potenziellen Standortes in Abhängigkeit
von der beabsichtigten Internationalisierungsstrategie erfolgen.
Darüber hinaus hat jeder Standort ein eigenes Chancen- und Risikenpro-
fil, das in die Bewertung mit einfließen muss. Zur Erfassung dieses Profils
können einige grundlegende Kriterien herangezogen werden (vgl. Abbil-
dung 10.2). Positivkriterien sind diejenigen Standortfaktoren, die die Erfül-
lung der Internationalisierungsziele ermöglichen, wie zum Beispiel der Zu-
gang zu Technologien oder günstigen Arbeitskräften. Negativkriterien sind
die Standortrisiken, die für ein Unternehmen „Knock-out“-Kriterien für ei-
ne Ansiedlung am angestrebten Standort bedeuten können. Ein Beispiel
hierfür sind mögliche Schwierigkeiten bei der Einbindung weitgehend un-
abhängig arbeitender F&E-Standorte in das Unternehmensgefüge. Geogra-
fische oder organisatorische Isolierung kann zu Divergenzen über Arbeits-
schwerpunkte und Ineffizienzen bei der Nutzung von Arbeitsergebnissen
führen.
3 Zur internationalen Arbeitsteilung siehe auch Buckley und Ghauri (2004) sowie Quinn (1992).
178 Michael Nippa und Björn Rosenberger
Positivkriterien Negativkriterien
Quelle: Nippa/Rosenberger
4 Einen weiter gehenden Überblick über den aktuellen Stand der Koordinationsforschung im internationalen
Unternehmen bieten Martinez und Jarillo (1989) sowie Kim, Park und Prescott (2003).
10. Stand und Perspektiven des internationalen Innovationsmanagements 179
(1) Organisationsstrukturen
Die Aufbauorganisation ist eines der wichtigsten Instrumente für die Koor-
dination des länderübergreifenden Innovationsprozesses (Bartlett und
Ghoshal 1998). Sie gibt dem Prozess einen formellen Rahmen und trägt so
dazu bei, den betrieblichen Innovationsprozess den Zielen entsprechend
auszurichten. Für die Gestaltung der internationalen F&E-Organisation
sind drei grundlegende Parameter festzulegen: der Organisationstyp (A),
die hierarchische Einordnung der F&E-Organisation (B) sowie die hori-
zontale Anordnung der F&E-Organisation (C).
(A) Für die Strukturierung des internationalen F&E-Prozesses kann die
Unternehmensführung auf die bekannten Typen der Aufbauorgani-
sation zurückgreifen: funktionale Organisation, Spartenorganisati-
on und Matrixorganisation. Da diese Grundtypen der Organisation
in der gängigen Organisationsliteratur hinlänglich beschrieben wer-
den (z.B. Schreyögg 2003) und als bekannt vorausgesetzt werden
können, soll hier nicht im Einzelnen darauf eingegangen werden.
Wohl wissend, dass es sich bei der so genannten Prozessorganisati-
on nicht um eine Organisationsstruktur im engeren Sinne handelt,
erscheint es uns aber sinnvoll, dieses grundlegende Organisations-
prinzip hier näher zu betrachten. Insbesondere im Rahmen des Ma-
nagementkonzeptes des „Reengineering“ wurde ja gerade der Para-
digmenwechsel von aufbau- zu ablauforganisatorischen Problem-
stellungen und Lösungsperspektiven gefordert (Nippa und Picot
1996). Da der Innovationsprozess – wie ausgeführt – funktions-
übergreifenden Charakter besitzt, bietet eine Prozessorganisation
auf den ersten Blick viele Vorteile. Sie bündelt alle relevanten Ak-
tivitäten in einer Organisation, ganz gleich ob sie funktional der
F&E, dem Marketing, dem Vertrieb oder der Fertigung zuzuordnen
sind. In diesem Organisationstyp liegen Verantwortung und Kom-
petenzen für den gesamten Innovationsprozess in einer Hand. Als
Strukturdeterminanten zur Abgrenzung der einzelnen Innovations-
bereiche können zum Beispiel Produkte, Technologien oder Kun-
den dienen. In der betrieblichen Praxis kann die Umsetzung einer
Prozessorganisation jedoch mit Schwierigkeiten behaftet sein. Zu
den möglichen Problembereichen gehören die fehlende Bündelung
und Konzentration von Kompetenzen, die Gefahr von Doppelar-
beit, die doppelte Vorhaltung von Strukturen und eine hohe Kom-
plexität in der Steuerung ausländischer Standorte.
(B) Im Rahmen der hierarchischen Einordnung der F&E-Aktivitäten
bzw. -Bereiche ist vor allem die Frage zu beantworten, welcher
180 Michael Nippa und Björn Rosenberger
E F
E E E E
International
F F/E
E E F F
Entwicklung E E
Folgt Produktion,
technischem F
Service, Vertrieb F F
F E
National
F F
F
National International
Forschung
Folgt Know-how und Entwicklung
Quelle: Nippa/Rosenberger
(2) Organisationsformen
stimmt von den Innovationsführern Toshiba und Sony setzen dabei die bei-
den rivalisierenden Parteien darauf, die relevanten Marktteilnehmer mittels
strategischer Kooperation an die jeweilige Technologie zu binden. Neben
anderen großen Anbietern von Unterhaltungselektronik stehen die wichti-
gen Multiplikatoren im Mittelpunkt der Bemühungen. So hat Sony er-
reicht, dass sich führende US-amerikanische Filmstudios wie MGM und
Warner zukünftig auf Sonys DVD-Nachfolger „Blue-ray“ festlegen. Die
flächendeckende Produktion von Inhalten im Format des Speichermediums
gilt als strategisch entscheidender Faktor, um schnellstmöglich einen Qua-
si-Industriestandard bei den Konsumenten zu erreichen. Darüber hinaus
spielt der Handel eine bedeutende Rolle. Der Handelskonzern Walmart hat
angekündigt, zukünftig nur ein Speicherformat listen zu wollen. Da das
Unternehmen für erhebliche Handelsmengen sowohl an Geräten als auch
Speichermedien verantwortlich zeichnet, wird der Entscheidung von Wal-
mart für den einen oder den anderen Technologiestandard bedeutender
Einfluss auf die Durchsetzungsfähigkeit eines Speicherformats zugemes-
sen.
An diesem Fallbeispiel zeigt sich, dass nicht nur ressourcenorientierte,
sondern auch marktstrategische Überlegungen Grundlage von F&E-Ko-
operationen sein können. Des Weiteren demonstriert es, dass der Auswahl
der Kooperationspartner höchste Bedeutung zukommt. Denn trotz aller
Vorteile stellen internationale F&E-Kooperationen das Top-Management
vor große Herausforderungen, die eng mit den Zielen und der Zusammen-
arbeit zwischen den Kooperationspartnern verbunden sind. Neben operati-
ven Schwierigkeiten, die durch die Teilung von Managementaufgaben und
Ressourcen, Zieldivergenzen und unterschiedliche Eigenschaften der Part-
ner in Strukturen oder Unternehmenskultur erwachsen, sind auch Wettbe-
werbsaspekte zu beachten (Oxley und Sampson 2004). Dies gilt insbeson-
dere dann, wenn die Kooperationspartner in gleichen oder ähnlichen Ge-
schäftssegmenten tätig sind. Hier steht das Top-Management oft vor einem
strategischen Dilemma: Einerseits muss Wissen eingebracht werden, um
das Ziel der F&E-Kooperation zu erreichen. Andererseits kann ein zu of-
fener Umgang mit strategisch wichtigem Know-how des Unternehmens
den Kooperationspartnern ungewollte Wettbewerbsvorteile ermöglichen.
Dies gilt insbesondere für Kooperationen in Ländern, in denen Patent- und
Lizenzrechte nicht ausreichend geschützt werden oder nur eine gering aus-
geprägte Kultur des Respekts vor geistigem Eigentum besteht. Das be-
kannteste Beispiel hierfür ist sicherlich China, aber auch in anderen süd-
oder südostasiatischen Ländern gibt es Häufungen von Technologie-Pirate-
rie. Mit der Imitation von Technologien und Produkten durch lokale Fir-
men werden Wettbewerbsvorteile ausländischer Marktteilnehmer zunichte
10. Stand und Perspektiven des internationalen Innovationsmanagements 185
(3) Prozessmanagement
10.5 Zusammenfassung
Der Innovationsprozess ist ein wichtiger betrieblicher Prozess mit weit rei-
chender strategischer Bedeutung und großen operativen Herausforderun-
gen. Wie andere Kernprozesse des Unternehmens unterliegt auch der
F&E-Prozess zunehmend den Zwängen und Chancen zunehmender Globa-
lisierung. Die Besonderheiten des internationalen F&E-Prozesses erschwe-
ren allerdings die Umsetzung der mit seiner Internationalisierung verbun-
denen Ziele erheblich. Daher steht die Frage des internationalen Innovati-
onsmanagements, d.h., der Gestaltung und des Managements des F&E-
Prozesses über Ländergrenzen hinweg, auch auf der Agenda vieler Unter-
nehmensführungen. In diesem Beitrag wird diese wichtige Management-
aufgabe beleuchtet und kritisch diskutiert. Es werden dabei verschiedene
Aspekte mit bedeutenden Konsequenzen für das Top-Management be-
schrieben.
10. Stand und Perspektiven des internationalen Innovationsmanagements 189
10.6 Literatur
Fabio Labriola
11.1 Einführung
Strategisches Operatives
TtMM TtMM
Innovations-
M
M
M
timing
M
M
M M IP IP IP
T T
T
T
T t
T
T
M
=> Marktorientierter
M
Impuls IP
=> Innovationsplan => Innovationsprojekt
T T (Produktentwicklung)
=> Technologieorientierter
Impuls
Konstitutive Dimensionen der Methode sind die Zeitachse sowie die pro-
dukt- und technologiebezogenen Objektachsen (Phaal et al. 2003).
Gerade durch die Zeitachse, die eine Explizierung des Wettbewerbsfak-
tors Zeit gewährleistet, unterscheidet sich das Roadmapping von her-
kömmlichen Planungs- und Analysemethoden. Sie ermöglicht es den Ent-
scheidungsträgern erst, das zeitbezogene Wissen um Marktbedarf, zukünf-
tige Konkurrenzaktionen und Technologiepotenzial miteinander abglei-
chen zu können. Die Zeitachse ist somit auch der wesentliche Grund dafür,
dass das integrierte Roadmapping-Verfahren einen zentralen Bestandteil
der strategischen TtMM-Konzeption darstellt.
Durch die Objektachsen können sowohl markt- als auch ressourcenori-
entierte Überlegungen in das Innovationsmanagement einfließen. Sie be-
ziehen sich zum einen auf das Leistungsprogramm, d.h., auf die Produkt-
bereiche, in denen man engagiert ist oder sich engagieren möchte, und
198 Fabio Labriola
zum anderen auf die hierfür notwendigen Potenziale bzw. Prozess- sowie
Produkttechnologien. In Verbindung mit der Zeitachse werden die pro-
dukt- bzw. technologiebezogenen Objektachsen auch als Produkt-Road-
maps bzw. Technologie-Roadmaps bezeichnet.
Grundlegende Vorbereitungen
- Das Timing von Neuentwicklungen (so z.B. P4, das zukünftig erst-
mals am Markt eingeführt wird) sowie potenziellen Weiterentwick-
lungen bestehender Produkte (in Abbildung 11.3 stellt beispielsweise
P1’ die erste Nachfolgegeneration von Produkt P1 dar).
- Der Zeitpunkt, zu dem einzelne Produkte ggf. ineinander übergehen
bzw. sich eine Produktkategorie in verschiedene Bereiche aufspaltet.
Produkt-Roadmap
Objektachse
P7
P4 P4‘
P6
P3 P3‘
P2 P2‘ P2‘‘
P5 Funktionsaufspaltung
P1 P1‘ P1‘‘
P1‘‘ F1 T1‘
Zeitachse
T3‘
Objektachse F2 T2
T6 T6‘ T5
T4 T5 T9
T3 T3‘ T3‘‘
T8
T2 T2‘
P => Produktkonzept
T7
T1 T1‘
F => Produktfunktion
Zeitachse T => Technologie
Technologie-Roadmap
Quelle: Fabio Labriola
Durch die Forschungsstudie wurde deutlich, dass ein Großteil der analy-
sierten Firmen den Startzeitpunkt ihrer Produktentwicklungen in bestimm-
ten Situationen bewusst herauszögern und sich von diesem Aufschub posi-
tive Auswirkungen auf ihr TtMM versprechen. Jedoch stellt sich die
grundlegende Frage, worauf sich dieses Erfolgspotenzial zurückführen
lässt. Warum sollten Unternehmen diesem Problembereich überhaupt Auf-
merksamkeit schenken? Welches sind die Kalküle, die dazu veranlassen,
den Startzeitpunkt der Produktentwicklung unter gewissen Umständen auf-
zuschieben?
Die Antwort darauf liegt insbesondere darin begründet, dass ein bewuss-
tes, also strategisches Herauszögern das Management gerade in durch Un-
sicherheit geprägte Wettbewerbsumgebungen in die Lage versetzt, Wert
beeinflussende Entwicklungen im markt- und technologiebezogenen Um-
feld abzuwarten und erst auf Basis dieser zusätzlichen Informationen zu
entscheiden, ob eine Produktentwicklung überhaupt durchgeführt werden
sollte. Dies ist insofern bedeutsam, als Investitionen in innovative Produk-
te oftmals den Charakter von so genannten „sunk costs“ haben, d.h., ein-
mal getätigte Aufwendungen nicht mehr rückgängig gemacht werden kön-
nen. Eine Verzögerung räumt die Möglichkeit ein, derartige Kosten zu ver-
meiden, wenn die im Zeitverlauf gewonnenen Erkenntnisse die geplante
Innovation unvorteilhaft erscheinen lassen.
Entscheidungsträger, die die Werthaltigkeit eines bewussten Aufschubs
erkannt haben, sehen sich mit einer weiterführenden Fragestellung kon-
frontiert: Bis zu welchem Zeitpunkt ist ein Herauszögern unter ökonomi-
schen Gesichtspunkten sinnvoll bzw. ab wann sollte mit der Umsetzung
des Innovationsvorhabens begonnen werden? Um dies zu beantworten,
wäre es notwendig, die bestehende Option auf Verzögerung einer quantita-
tiven Bewertung zu unterziehen. Parallel dazu müsste ebenfalls kalkuliert
werden, welchen Gewinnbeitrag der betrachtete Innovationsplan bei sofor-
tiger Realisierung – voraussichtlich – liefern würde. Es wäre rational, die
Option nur dann aufrechtzuerhalten, wenn sie gemäß den durchgeführten
Kalkulationen einen höheren Wert aufweist als die Möglichkeit der unver-
züglichen Durchführung. Der Wert des Vorhabens bei sofortiger Realisie-
rung lässt sich mithilfe klassischer Bewertungsverfahren grundsätzlich be-
rechnen. In diesem Kontext sollte nicht die Kapitalwertmethode, sondern
206 Fabio Labriola
zen, hängen diese Parameter doch auch davon ab, wann Konkurrenten ihre
Innovationen am Markt einführen. Diese potenziellen Eintrittstermine kön-
nen jedoch – mithilfe der beschriebenen Instrumente – nur ansatzweise
antizipiert werden. Aus diesem Grund wird im Folgenden eine überwie-
gend qualitative Verwendungsweise des Ansatzes vorgeschlagen, die auch
als „Realoption-Reasoning“ bekannt ist.
vorteilhafte Innovationspläne
nicht aufzuschiebende
Innovationspläne
(4) Festlegung des endgültigen
Innovationsprogramms
(1) Vorteilhaftigkeitsbeurteilung
gen, wie beispielsweise Messen, sowie dem von den Kunden ausgehenden
zeitlichen Druck kann bei den im Rahmen der Forschungsstudie analysier-
ten Firmen vornehmlich die von der Konkurrenz ausgehende Bedrohung
eine Verzögerung unvorteilhaft erscheinen lassen. So kann das Zuvorkom-
men eines Konkurrenten dazu führen, dass aufgrund bereits vergebener
Marktanteile und erodierender Preise die angestrebte Innovationsrendite
nicht mehr erreicht wird bzw. sich das strategische Zeitfenster innerhalb
kurzer Zeit „schließt“. In solchen Situationen muss sofort mit der Imple-
mentierung begonnen werden („nicht aufschiebbare Innovationspläne“).
Andererseits existieren ebenfalls Situationen, in denen das neue Produkt
trotz der Verzögerung des Startzeitpunktes der Entwicklung und der damit
einhergehenden Verzögerung des Markteinführungszeitpunktes innerhalb
seines strategischen Zeitfensters eingeführt werden kann („aufschiebbare
Innovationspläne“). Speziell in monopolistischen Wettbewerbsstrukturen
sowie im Falle von Patentschutz wird ein verzögerter Beginn der Produkt-
entwicklung den befragten Experten zufolge häufig keine außerordentlich
gravierenden Konsequenzen aufweisen.
11.3 Zusammenfassung
11.4 Literatur
Albright, R.E. / Kappel, T.A. (2003). Roadmapping in the Corporation. In: Re-
search Technology Management, 46(2): 31-40.
Black, F. / Scholes, M. (1973). The pricing of options and corporate liabilities. In:
Journal of Political Economy, 81(3): 637-659.
Buchholz, W. (1996). Time-to-Market-Management: Zeitorientierte Gestaltung
von Produktinnovationsprozessen. Stuttgart et. al: Kohlhammer Verlag, 157.
11. Strategisches “Time-to-Market”-Management 213
Dr. Dieter Engel ist seit August 2000 Direktor Forschung & Entwicklung
der Ethicon GmbH, Norderstedt, eines weltweit agierenden Herstellers für
Medizinprodukte. Zuvor war er sieben Jahre für die Dräger Medizintech-
nik, Lübeck, als Projekt- und Abteilungsleiter in der Entwicklung von
Anästhesie-Beatmungsgeräten tätig. Er studierte Elektrotechnik an der
RWTH Aachen und promovierte über ein medizintechnisches Thema.
Prof. Dr. Michael Nippa ist Inhaber der Professur für Allgemeine Be-
triebswirtschaftslehre, speziell Unternehmensführung und Personalwesen
an der TU Bergakademie Freiberg. Vor seiner Berufung an die TU führte
er von 1988 bis 1996 als geschäftsführender Gesellschafter ein wirtschafts-
wissenschaftliches Forschungs- und Beratungsunternehmen und leitete
zahlreiche Projekte auf den Gebieten Strategie- und Organisationsent-
wicklung, Controlling sowie Innovationsmanagement. Zu seinen aktuellen
Forschungsschwerpunkten zählen die Managementberatung, Management-
entscheidungen, Methoden zur erfolgreichen Unternehmensführung sowie
ausgewählte Aspekte des Innovationsmanagements.
Alexander von Witzleben arbeitete nach seinem Studium der Volks- und
Betriebswirtschaftslehre an der Universität Passau zunächst bei der KPMG
Deutsche Treuhandgesellschaft Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. 1993 we-
chselte er zur JENOPTIK AG und übernahm als Leiter den Zentralbereich
Finanzen und wurde 1997 zum ordentlichen Vorstandsmitglied ernannt.
Seit 2003 leitet Witzleben die JENOPTIK AG als Vorstandsvorsitzender
und ist verantwortlich für strategische Unternehmensplanung und Beteili-
gungen, Steuern/Finanzen/Controlling und Immobilien, Datenverarbei-
tung, Investor Relations und Öffentlichkeitsarbeit sowie Corporate Gover-
nance.