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Kronberg-Gymnasium Aschaffenburg

Kollegstufenjahrgang 2002/2004
Leistungskurs Altgriechisch

Spuren des iranischen Glaubens in


der griechischen Geisteswelt

Facharbeit aus dem Alt-Griechischen

eingereicht bei:
Dr. Matthias Ludolph

von:
Davud Rostam-Afschar

Aschaffenburg, den 02. Februar 2004


Zu Vorderst
Der Anspruch auf eine vollständige wissenschaftliche Darstellung des behandelten Themenbereiches konnte in
keiner Weise im Rahmen dieser Arbeit erfüllt werden, da eine solche den obligatorischen Umfang der Arbeitsform
sprengen und mehrere Bücher füllen würde. Aus diesem Grund stellt der folgende Text lediglich ein Kratzen an
der Oberfläche eines Fensters zur antiken Menschheitsgeschichte dar.
Da aus dem Iran auf archäologischem Gebiet nur Spärliches erhalten ist und für die Iranisten in Deutschland
dasselbe gilt, gibt es in dieser Forschungsrichtung noch viel Unklares. Besonders aufgrund der geringen Anzahl
gefundener Schriftstücke treten die Forscher in kulturgeschichtlichen Fragen noch auf dunklen Pfaden.
Doch vor allem die Religionsgeschichte scheint, obgleich sie stets das Interesse des Abendlandes auf sich zog,
das sich im Studium eine Aufklärung seiner eigenen Vergangenheit versprach, sehr schwer darstellbar zu sein.
Hier sind Quellen, Urtexte oder griechische, armenische und arabische Zeugnisse äußerst dürftig. Sie
entstammen den verschiedensten Jahrhunderten und sind oft schwer zu deuten.
Nach dem Professor an der Universität Lüttich, J. Duchesne-Guillemin, erfordert ihr Studium eine so mühevolle
Lehrzeit, dass kein Iranist sich rühmen kann, alle Texte bewältigt zu haben. Weiter ist er der Meinung, dass sich
jeder Forscher durch seinen Deutungsversuch der Kritik der anderen aussetzt, da sie sich fast über nichts einig
sind und die Interpretationen der Texte so weit auseinander gehen, dass man behauptet, die einzige ehrliche Art,
das Publikum mit den GA{As (-> siehe IV) des Ζara{UCTra bekannt zu machen, sei, ihm diese im Originaltext
vorzulegen – von dem allerdings niemand auch nur ein einziges Wort versteht, der sich nicht mindestens zehn
Jahre ausschließlich damit befasst hat.1
So spricht Franz Altheim vom Wunder Homer und vom Rätsel Ζara{UCTra im Vergleich der beiden am hellsten
leuchtenden Sterne der Geschichte ihrer Völker, da die GA{As in gedrängter Form, durch Wortverschränkungen
und syntaktisch harte Fügungen verrätselt mit stärkster Eigenwilligkeit der Gedanken als nach sprachlichem und
sachlichen Verständnis Unzulänglichstes der alten Literatur dem Strom homerischer Verse, deren Zahl in die
Tausende geht, gegenüberstehen.2
Die schwere Verständlichkeit und die unterschiedlichen Ansichten der Forscher verhindern die objektive
Darstellung, zumal bis auf das Avesta kein iranisches Schriftstück dieses Umfangs erhalten worden ist. Die
einzigen Hinweise auf die politische, religiöse und kulturelle Bedeutung der Iraner werden von Nicht-Iranern
belegt, so dass beispielsweise die griechischen Auffassungen von Persertum von Indifferenz beispielsweise in
Religionsangelegenheiten, Stereotypen dekadenter Lebensweise und politischen Beziehungen wie den
Perserkriegen beeinflusst sein kann. Die Beispiele seien in anderem Rahmen ausgeführt.
Diese Umstände führen dazu, den Anspruch auf wissenschaftlich akzeptierte Belege und Beweise nicht in
sachlicher Argumentation erfüllen, sondern lediglich auf Parallelen, Ähnlichkeiten und Verbindungsmöglichkeiten
hinweisen zu können. Also wird versucht, dies mit möglichst engem Textbezug zu eruieren.
Da wissenschaftliche Texte Begriffe aus dem Avesta in Lautschrift wiedergeben, werden, um eine einheitliche
Schreibweise zu wahren, auch in dieser Arbeit die Lautschriftzeichen durchgehend für avestische Wörter
übernommen. Der Einfachheit halber werden im Folgenden nur die einzelnen Lautwerte aufgeführt:

Zur Aussprache der avestischen Wörter beachte man:


Zeichen lautet etwa Lautwert Zeichen lautet etwa wie Lautwert
A E i o u lang a e i o u j englisch j
aE deutsch ai < > deutsch ng
aO deutsch au <UH deutsch nghw
W englisch aw (law) s deutsch ss
= französisch en C deutsch sch
e / englisch u (but) { englisch th
/U deutsch ö t englisch th
oI deutsch oi v englisch w
č englisch ch x deutsch ch
D englisch th (the) X deutsch chw
Q niederdeutsch g (Tage) y englisch y (ye)
h (anl. u. intervokal.) deutsch h, z deutsch s (Rose)
sonst deut. ch
K deutsch ch Z französisch j

Die Zielsetzung der folgenden Seiten besteht nicht darin, eine neue historische Weltanschauung zu belegen oder
den Griechen den kulturellen Reichtum und die hohen Geistesleistungen abzusprechen, sondern lediglich darin,
das sich traditionell auf Griechenland als Wiege der Europäer berufende westliche Geschichtsbild in Frage zu
stellen und eine Brücke von Europa über die künstlichen kulturgeschichtlichen Klüfte zum Schwesterland der
hellenischen Welt und dessen Gedankengut zu schlagen.

1 vgl. Duchesne-Guillemin, Die iranische Religion, S. 122 f.


2 Altheim, Das alte Iran, S. 142
Inhaltsverzeichnis:
A) Einleitung........................................................................................................................................................ S. 3
B) Spuren des iranischen Glaubens in der griechischen Geisteswelt
I. Überblick über die persische Religions- und Geistesgeschichte................................................. S. 6
1. Über Ζara{UCTra SpITama................................................................................... S. 6
2. Über die Parsen........................................................................................................... S. 7
3. Über das Avesta.......................................................................................................... S. 7
4. Über die Lehre Ζara{UCTras................................................................................... S. 7
5. Über eschatoloische Vorstellungen ........................................................................... S. 9
II. Vergleich zwischen griechischem Denken und Ζara{UCTras Lehre...................................... S. 10
1. Hesiod........................................................................................................................ S. 10
a) göttliche Berufung zur Preisung der Allmacht eines obersten Gott................ S. 10
b) Dualismus unter der Herrschaft eines obersten Gottes.................................. S. 11
c) Himmelsgott, Herr und Ratergeber................................................................. S. 14
d) Rechtsbegriff.................................................................................................. S. 15
e) Einteilung der Weltgeschichte in verschiedene Perioden.............................. S. 15
2. Heraklit....................................................................................................................... S. 16
a) dynamischer Dualismus................................................................................. S. 16
b) menschliche und göttliche Einsicht................................................................ S. 17
c) Haltung zum Blutopfer................................................................................... S. 17
d) Haltung zum Anthropomorphismus............................................................... S. 18
e) Feuersymbolik............................................................................................... S. 19
f) Einteilung der Weltgeschichte in verschiedene Perioden............................ S. 19
C) Ausblick....................................................................................................................................................... S. 20

Literaturnachweis..................................................................................................................................... S. 23
Anhang..................................................................................................................................................... S. 23
Erklärung.................................................................................................................................................. S. 26
-3-
Das bedenkliche Gedankenkonzept hinter dem Begriff ‚Hellenozentrik’ treibt auf die Spitze, was Gräzisten
Jahrhunderte lang propagierten und wodurch das Geschichtsbild Europas tief geprägt ist – die
Hellenophilie, den Kult um die griechische Antike. So wie sich nach dem heliozentrischen Weltbild alle
Planeten unseres Systems einschließlich der Erde um die Sonne drehen, lassen Historiker wie Sir Henry
Maine, Altphilologen wie Werner Jaeger oder Hermann Fränkel alle Völker als Barbaren und Unzivilisierte
um die geistige Größe, die hochkulturelle Entwicklung und den politischen Aufstieg der Hellenen kreisen.
Diese Vorstellung drückt Fränkel in folgenden Worten aus: „Soweit wir wissen, trat die reine, von allen
fremden Bindungen gelöste Philosophie plötzlich und ohne ersichtlichen Anlaß hervor. Auf dem Boden
eines Grenzlandes, wo das Blut der Nationen sich mischte und die Kulturen des Westens, des Ostens und
des Südens sich bekämpften und durchdrangen, und in einer Zeit, wo eigene Erschlaffung und fremde
Despotie den griechischen Unternehmungsgeist zu lähmen drohte, erstand wie durch ein Wunder die
neue, echt griechische Gedankenwelt.“1 Die Vorstellung, dass sich der griechische Geist aus dem Nichts
und frei von fremden Einflüssen grundlos und plötzlich entwickelte, wirft die Frage auf, ob die Griechen
der antiken Welt solitäre Grundpfeiler für die europäische Philosophie sind.
Die gewagte Annahme lässt sich vielleicht dadurch erklären, dass Gräzisten vor allem in der
Sprachwissenschaft ausgebildet worden sind und wohl von ungeschriebenem Kulturgut nicht viel halten.
Denn die Hellenen hinterließen viele Schriftstücke und Inschriften mit einer großen Vielfalt an Themen, im
Gegensatz beispielsweise zur östlich Griechenlands gelegenen Volksgruppe der Iraner - jene Gruppe, die
sich wie die Griechen vom selben unbekannten indoeuropäischen Urvolk trennte und in mehreren
Einwanderungswellen unter der Selbstbezeichnung Arier einige Jahrhunderte vor der ersten griechischen
Wanderung im iranischen Hochland niederließ und aus sich einen iranischen und einen indischen Spross
hervorbrachte. Die enge Verwandtschaft dieser Völker ist an sprachlichen Ähnlichkeiten zu beweisen. So
haben die Ziffer sieben, farsi (persisch) ©ÍÞ [hapta], griechisch eÖptaß und lateinisch septem, wie auch

der Begriff Tochter, farsi Tª´R [dochtar],griechisch jugaßthr und englisch daughter [:dç˘t´(r)],

offensichtlich denselben Ursprung.


Doch auch unter den Hochkulturen Ägyptens und Vorderasiens, die griechische und iranische Pioniere auf
ihrem Zug nach Süden vorfanden, nehme als Quelle europäischer Kultur, so Werner Jaeger, „eine
besondere Stellung (...) das Griechentum ein. Die Griechen bedeuten, von der Gegenwart aus betrachtet,
gegenüber den großen historischen Völkern des Ostens einen prinzipiellen ‚Fortschritt’, eine neue ‚Stufe’
in allem was das Leben des Menschen in der Gemeinschaft betrifft. Es wird bei den Griechen auf völlig
neue Grundlagen gestellt. (...) Beginnt doch die Geschichte dessen, was wir als Kultur in unserem
bewussten Sinn bezeichnen können, nicht eher als bei den Griechen. (...) Wir erkennen heute (...), daß
unsere Geschichte (...) mit dem Auftreten der Griechen ‚beginnt’, soweit sie über die Grenzen des eigenen
Volkes hinausgreift und wir uns als Glied eines größeren Völkerkreises erkennen müssen. Ich habe
diesen Kreis (...) hellenozentrischen genannt.“ Denn es bestehe ein großer Unterschied „zwischen [der]
Art des Andersseins“ gegenüber Hellas „und derjenigen, die wir gegenüber den ausgesprochen rasse-
und geistesfremden Völkern des Orients empfinden“.2 Jaeger spricht von einem „Nährgefühl rassischer

1 Fränkel, H., Vorsokratiker, S. 8.


2 Jaeger, W., Paideia, S. 3 f.
-4-
Verwandtschaft“ 1, das ihn scheinbar veranlasst, zu glauben, es sei Griechen und Deutschen abträglich,
diese Völker als verwandte Kulturen zu bezeichnen. Doch schon Goethe warnt davor, „das
ausschließende Vorurteil, das nichts wollte gelten lassen als was von Rom und Athen her auf uns vererbt
worden“2, anzuerkennen.
Will Durant vertritt im Sinne des Sprichwortes ex oriente lux folgende Meinung: „Unsere Geschichte
beginnt im Osten, nicht nur weil Asien der Schauplatz der ältesten uns bekannten Kulturen ist, sondern,
weil jene Kulturen den Hintergrund und die Basis der griechischen und römischen Kultur bildeten, die Sir
Henry Maine irrtümlicherweise als einzige Quelle des modernen Geistes bezeichnet hat.“3 Es sei
erstaunlich, „zu erfahren, wieviel von unseren unentbehrlichsten Erfindungen, unseren wirtschaftlichen
und politischen Einrichtungen, unserer Wissenschaft und Literatur, Philosophie und Religion auf Ägypten
und den Osten zurückgeht.“4 In seinen Augen „bedeutet der Provinzialismus unserer überlieferten
Geschichtsschreibung, die mit den Griechen anfängt und Asien in einer Zeile zusammenfaßt, nicht nur
einen akademischen Irrtum, sondern einen vielleicht verhängnisvollen Fehler“ 5, denn „die geschriebene
Geschichte ist mindestens sechstausend Jahre alt. Während der Hälfte dieser Periode befand sich der
Mittelpunkt des menschlichen Wirkens (...) im Vorderen Orient.“6 Auf diesem Schauplatz „wurden
Ackerbau und Handel, das Pferd und der Wagen, die Münzprägung und der Kreditbrief, die Gewerbe und
das Handwerk, Gesetz und Regierung, Mathematik und Medizin, die Darmeinspritzung und das
Entwässerungssystem, Geometrie und Astronomie, der Kalender, die Uhr und der Tierkreis, das Alphabet
und die Schrift, Papier und Tinte, die Bücher, Bibliotheken und Schulen, die Literatur und Musik, die
Bildhauerei und Architektur, die glasierten Tonwaren und die feinen Möbel, (...) Schach und Würfelspiel,
die Einkommenssteuer und das Ammenwesen erfunden. Von hier leiten sich in unausgesetzter Folge
durch kretische, griechische und römische Vermittlung die europäische und amerikanische Kultur her. (...)
Damit erhielt Griechenland mehr Kulturgüter von außen, als es je aus sich selbst heraus zu schöpfen
vermochte. Indem wir den Vorderen Orient würdigen, anerkennen wir eine längst fällige Schuld gegenüber
den wirklichen Gründern der europäischen und amerikanischen Kultur.“7 So scheinen die frühen
Hochkulturen des Vorderen Orients der Entwicklung Europas, wie auch der Hellenen und Iraner,
zuträglich gewesen zu sein. Denn nachdem achäische Griechen und archaische Iraner in ihrer neuen
Heimat im Süden eintrafen, unterwarfen sie die dort ansässigen Zivilisationen und schöpften aus deren
reichem Kulturschatz, um sich selbst durch dieses Vermächtnis weiterbilden zu können. Neben dieser
Gemeinsamkeit fällt auch die Zeit kultureller Blüte beider Zweige gleichen Stammes auf das 1.
vorchristliche Millennium. Notwendigerweise drängt sich im Hinblick auf die Bemerkung Fränkels die
Frage auf, ob eine Nation wie die der Hellenen als Nachbarstaat der Perser ohne geistige Vermischung
beider Kulturen bestehen konnte, obgleich letztere wohl von 715 vor Christus mit einer Unterbrechung von
ungefähr 200 Jahren über 12 Jahrhunderte über ein Gebiet herrschte, das sich nach der Grabinschrift des
Dareios I. zu dessen Zeit von „Indien, (...) [über] Babylonien, Syrien, Arabien, Ägypten, Armenien, (...)

1 Jaeger, W., Paideia, S. 3 f.


2 Goethe, J. W., Der West-östliche Divan, S. 175.
3 Durant, W., Das Vermächtnis des Ostens, S. 8 f.
4 Ebd., S. 182 f.
5 Ebd.
6 Ebd.
7 Ebd.
-5-
Jonien, die Skythen, Thrakien, die Hellenen des Festlandes [bis nach] Libyen“1 erstreckt und heute noch –
ohne Ägypten, Griechenland, Israel etc. – etwa die fünffache Fläche der Bundesrepublik Deutschland und
die zwölffache Griechenlands misst. Die Hellenen, die seit circa 800 vor Christus über den hellenischen
Mittelmeerraum bestimmend waren, konnten etwa 6 Jahrhunderte in Unabhängigkeit bestehen. Immer
wieder gab es neben den Perserkriegen, der Anabasis der Zehntausend, einem Söldnerzug, oder neben
dem Feldzug des großen Alexander, infolge dessen Persien ab 330 vor Christus der hellenisch-
persischen Seleukidenherrschaft unterstand, zahlreiche politische Begegnungen; kulturelle, soziale und
religiöse Auseinandersetzungen in deren Folge sind unleugbar, so dass eine reine Gedankenwelt
unvorstellbar und der Hellenozentrikgedanke fragwürdig wird. Vielmehr hielten solche Verbindungen im
Völkergeflecht des Orients beide Nationen in einem großen Kulturkreis so eng verwoben, dass man heute
noch verblüffende Gemeinsamkeiten aus alter Zeit entdecken kann.
Der Blick soll nun wieder auf die Ausgangsfrage gerichtet werden, ob und inwieweit persisches
Gedankengut europäisches Denken durch die Vermittlung der Griechen beeinflusst hat. Auf der Suche
nach iranischer Philosophie wird man unweigerlich auf die außer den Inschriften des Darius einzige
größere iranische Quelle, einen Teil des Avesta, stoßen. Das Avesta, das heilige Buch der Parsen, enthält
die GA{As des Ζara{UCTra. Nietzsche beschreibt seine Begegnung mit dem iranischen
Religionsreformator, der auch als Prophet und Philosoph, Astronom und Magier bekannt ist,
folgendermaßen:
„Hier sass ich, wartend, wartend, - doch auf Nichts,
Jenseits von Gut und Böse, bald des Lichts
Geniessend, bald des Schattens, ganz nur Spiel,
Ganz See, ganz Mittag, ganz Zeit ohne Ziel.

Da, plötzlich, Freundin! wurde Eins zu Zwei -


– Und Zarathustra gieng an mir vorbei…“2

Leben und Lehre des Rätsels Ζara{UCTra, dessen Gedankenwelt größte Wirkung nicht nur bei Iranern
hatte, lassen sich nur schwer fassen. Nicht einmal sein Geburtsjahr kann man bestimmen. So glaubt
Philip Kreijenbroek, Professor an der Universität Göttingen, dass Zarathustra um 1000 v.Chr. oder früher
gelebt haben muss, die Erinnerung an ihn jedoch im mündlich überlieferten kulturellen Gedächtnis der
Iraner lebendig blieb, so dass die meisten Griechen davon ausgingen, er habe um das 6. Jh. v.Chr.
gelebt.3 Plinius und Aristoteles zufolge soll Ζara{UCTra jedoch im dunklen Altertum, 6000 Jahre vor dem
Trojanischen Krieg, gelebt haben.4
Auf den folgenden Seiten soll nun die Problemstellung, die im engeren Sinne danach fragt, inwieweit
Verbindungen zwischen der Weltvorstellung des Ζara{UCTra und den Griechen Hesiod und Heraklit
bestehen, untersucht werden, da deren Werke thematisch vergleichbar sind. Zunächst jedoch soll die
persische Religion und ihr Reformator Ζara{UCTra in einem kurzen Überblick etwas nähergebracht
werden.

1 Geschichte in Quellen, S. 108.


2 Nietzsche, F. W., Die fröhliche Wissenschaft, S. 333.
3 Vgl. eMail von Prof. Philip G. Kreijenbroek (s. Anhang).
4 Vgl. Hardon, J., Gott in den Religionen der Welt, S. 211.
-6-
Erster Teil: Überblick über die persische Religions- und Geistesgeschichte
Die Religion Ζara{UCTras, deren Vorgeschichte unbekannt ist, bestand, nachdem die Araber und mit
ihnen der Islam im 7. Jahrhundert den Iran (‚Land der Arier’) erobert hatten, nur noch in der
Gebirgslandschaft des Jasd und unter den Parsen, Nachkommen iranischer Flüchtlinge in und um
Bombay, fort. Ihr Reformator und Prophet Ζara{UCTra bildete den iranischen Glauben zur Hochreligion
aus, so dass sie unter der Herrschaft der Achämeniden und Sassaniden zur Staatsreligion wurde und
sogar seine Nachbarländer Indien und Griechenland zumindest in der Annahme des Monotheismus
übertraf. „Ein großer Gott ist ΑhUra ΜazdA“1 spricht König Dareios sein Bekenntnis. Selbst die Griechen
bewunderten die Lehre des ethischen Dualismus, der den Dämon ΑhrImaN dem Gott Οrmazd (=ΑhUra
ΜazdA) gegenüberstellt. Eudoxos, ein Arzt aus Knidos, preist Ζara{UCTras Lehre als herrlichste und
nützlichste2. Doch auch auf die Bräuche der Magier und die ihnen zugeschriebenen astralen Kenntnisse
wurde beispielsweise von der platonischen Akademie als Vorgänger und Ebenbild der eigenen Erkenntnis
Bezug genommen, während der Manichäismus, der vom 3. Jahrhundert an zusammen mit dem
ΜI{raskult zum großen Konkurrenten des Christentums wurde, eher Eindruck auf die römische Welt
machten - allerdings nur als wenig orthodoxe Varianten der iranischen Religion. Auch der Astralfatalismus
des Schicksalsgottes Ζ?rvaN, der, wie Peter Bachmann bewies, die Philosophie des Anaximander von
Milet beeinflusst hat3, oder die Entartung in polytheistische Vorstellungen der alten Götter, die
Ζara{UCTra entschieden ablehnte und zu reformieren versuchte, konnten zunächst neben seinen Lehren
bestehen. Ein entstehender „Religions- und Glaubenskrieg hatte die Auswanderung des schwächeren
polytheïstischen Zweiges nach (...) Indien zur Folge, wo er Wurzeln fasste und mitten im Brahmanismus
der modernen Hindus blühte.“4

1) Über Ζara{UCTra SpITama


Ζara{UCTra SpITama, der etwa 1000 Jahre vor Christus oder früher im ostiranischen Baktrien lebte, war
den Griechen, die wie große Teile der altertümlichen Welt in Ζara{UCTra und den Magiern die Vorläufer
und Quellen ihrer eigenen Weisheit sahen, seit dem platonischen Dialog ‚Alkibiades der Erste’ als Prophet
des alten Iran unter dem Namen Zoroaster bekannt. Auch betrachteten die Christen Ζara{UCTra in
Fortführung der jüdischen Tradition als Inkarnation der Propheten Ezechiel, Nimrod, Seth, Balaam, Baruch
und sogar Christus, so dass sich auch Apologeten auf Ζara{UCTra und die Magier beriefen, um die
Wahrheit des Christentums zu bekräftigen und zu rechtfertigen.
Jedoch wurde ihm auch die Begründung eines Aberglaubens, der chaldäischen Astronomie und Magie
zugeschrieben, während der Iran als Land der Manichäer als eine der Quellen des Katharertums, der
größten Irrlehre des Mittelalters galt.
Mit einer traditionellen Form der iranischen Religion aufgewachsen, predigte er, veranlasst durch eine
Offenbarung, die Heiligkeit des ΑhUra ΜazdAs, des wissenden Herrn, das Kommen seiner Herrschaft
und die Pflicht eines jeden Menschen, sich für ihn und gegen die Anhänger des ΜI{ras, den Opferkult
und das Nomadenleben zu entscheiden. Unter dem Fürsten ViCTAspa, griechisch ÖUstaßsphw, gelang

1 Geschichte in Quellen, S. 109 (Inschrift der hohen Felswand von Naksch-e-Rostam).


2 Vgl. Altheim, F., Zarathustra und Alexander, S. 60.
3 Vgl. Hinz, W., Darius und die Perser, S. 195.
4 Kapadia, S.A., Die Lehren des Zoroaster, S. 4.
-7-
es ihm, eine Unterstützung für die Verwirklichung seines Gerechtigkeitsideals zu finden. Doch blieben
viele Elemente, die der Prophet bekämpfte, in der zarathustrischen Religion, wie sie das Avesta
wiedergibt, durch Mischung seiner Lehre und den tradierten Kulten erhalten. Obwohl die GA{As eher
kraftvolle, lyrische Gesänge als didaktische Dogmen sind, lässt sich aus ihnen dennoch eine Lehre
ableiten, die heute noch das Fundament der parsischen Religion bilden.

2) Über die Parsen


Die Parsen oder Parsi, die zum größten Teil vom Iran nach Indien auswanderten, wo sie in der Provinz
Gujerat und in Bombay eine blühende Gemeinschaft von etwa 100 000 Menschen bilden, beziehen sich
auf das Avesta, in dem die Gesänge, die GA{As, des Ζara{UCTra enthalten sind. Ihr auffallendster Ritus
ist das Aussetzen der Toten in den ‚Türmen des Schweigens’, um die Reinheit der Erde zu wahren1. Auch
bei der Hauptzeremonie des Feuer- und Haoma-Opfers trifft der Priester Vorkehrungen, um das heilige
Feuer vor jeder Verunreinigung zu schützen. Im Altertum war die Reinheit ein derart wichtiges Anliegen,
dass Herodot von den Sitten der Perser berichtet: „eöw potamo?n de? ouäte eönoureßousi ouäte
eömptußousi, ouö xeiqraw eönaponißzontai ouöde? aällon ouödeßna periorvqsi“2 - »Nie lassen sie
ihr Wasser in einen Fluß oder speien hinein, waschen auch nicht ihre Hände darin oder dulden, daß es ein
anderer tut«3. Auch Goethe würdigt das Vermächtnis altpersischen Glaubens und besonders dessen
Reinheitsgebot in Versen wie folgendem. „Grabet euer Feld ins zierlich Reine,/Daß die Sonne gern den
Fleiß bescheine;/Wenn ihr Bäume pflanzt, so sei’s in Reihen,/Denn sie läßt Geordnetes gedeihen./Auch
dem Wasser darf es in Kanälen/Nie am Laufe, nie an Reine fehlen“4. Ihre dualistische Weltanschauung ist
der Oberhoheit Οrmazd untergeordnet und beruft sich auf eine heilige Schrift, das Avesta, steht aber
auch unter dem Einfluss des Islams, des Christentums und des hinduistischen Mystizismus.

3) Über das Avesta


In diesem Buch, das aus drei großen Teilen, dem ΥasNa, dem ΥaCT und dem VIdEvdAT, sowie den
kürzeren Teilen VIspraT, ΝyAyICN, GAh, Sih ročak und ĀfriNakAN besteht, sind die Lehre des
iranischen Glaubens und Berichte über frühere Sitten enthalten. Den zentralen Teil des ΥasNa, des
liturgischen Hauptbuches, bilden die GA{As, Hymnen und Gesänge, die Ζara{UCTra selbst
zugeschrieben werden. Die einzelnen Texte wurden lange Zeit mündlich überliefert, die heute vorliegende
Form ist lediglich eine Bearbeitung des ursprünglichen Textes für liturgische Zwecke, in der die Lehre
Ζara{UCTras, die auch im Altertum von verschiedenen Quellen verändert wurde, nicht rein
wiedergegeben wird.

4) Über die Lehre Ζara{UCTras


Plutarch berichtet zwar, „dass der Magier Zoroaster die Perser unterwies, dem Horomazes [ΑhUra
ΜazdA oder Οrmazd] Weihe- und Dankopfer darzubringen und auch dem Areimanos [ΑhrImaN] zu
opfern, um das Böse und alles Unheil abzuwenden [und] durch eine Amome [ΗaOma] genannte Pflanze,

1 Vgl. Goethe, J. W., Der West-östliche Divan, S. 131.


2 Herodot, Historien A, S. 132.
3 Übersetzung nach: Geschichte in Quellen, S. 111.
4 Goethe, J. W., Der West-östliche Divan, S. 95.
-8-
die sie in einem Mörser zerstoßen, (...) den Hades und die finsteren Mächte an[zurufen]“1, doch stellte sich
Ζara{UCTra als Reformator, der die Religion in ihre ursprüngliche Reinheit zurückversetzen will, gegen
das Blut- und das Haomaopfer, das aus der trunkenen Ekstase des Priesters durch den Haomasaft und
der Opferung eines Stieres bestand und zum Ziel hatte, pflanzliche, tierische und menschliche
Fruchtbarkeit zu fördern und dem Menschsein zu entfliehen. Doch nach Ζara{UCTra bestehe der einzige
Weg, sich mit ΑhUra ΜazdAh zu verbinden, darin, sich mit der Idee der göttlichen Gerechtigkeit zu
vereinen, was rituell durch das Feuer versinnbildlicht wird. Deshalb besteht noch bei den heutigen Parsen
das Feueropfer und die Feuertaufe als Symbol der Gerechtigkeit und des Kampfes gegen die Kräfte des
Bösen. Die soziale Ordnung wird religiös verankert, indem Ζara{UCTra in den GA{As den ursprünglichen
Mythos des Stieropfers durch den der Klage des Stieres2, dem durch den Züchter und den Krieger Schutz
vor den Nomaden und den Opferpriestern gewährt werden soll, ersetzt. „Zoroaster scheint die edle reine
Naturreligion zuerst in einen umständlichen Kultus verwandelt zu haben.“3 Auch verkündigt Ζara{UCTra
einen neuen Mythos der freien Wahl4, der den Dualismus ausdrückt, indem sich das menschliche und
übermenschliche Schicksal befindet und der den Menschen, der zuvor dem Willen der Götter unterworfen
war, in die Verantwortung nimmt.
Der ‚allweise Herr’ ΑhUra ΜazdAh, oberster Gott des alten Iran, der später Οrmazd genannt wurde,
scheint von Ζara{UCTra aus zwei Geistern, die jeder einen der Aspekte des Namens verkörperten5,
verschmolzen worden zu sein. Während es für Ζara{UCTra keinen anderen Gott neben dem ‚allweisen
Herrn’ existiert, nimmt ΜI{ras bei den Achämeniden eine besondere Stellung ein. Für den Reformator
hat allein der himmlische Gott ΑhUra ΜazdAh die Herrschaft, die Weisheit, die Gerechtigkeit und den
Status als Schöpfer von Gut und Böse, von Licht und Dunkel, inne, obwohl er einen Teil seiner Macht den
unsterblichen Engelswesen ΑmeCa SpeNTas anvertraut, die ihm am nächsten stehen, um durch sie den
Kampf gegen den bösen Geist führen zu können. Die ΑmeCa SpeNTas sind unsterbliche Geister, die
einen Bereich der materiellen Welt beschützen, und verkörpern bestimmte Tugenden wie ΑCA, die
Gerechtigkeit, oder VOhU ΜaNah, das gute Denken. Diesen guten Geistern stehen die Dämonen des
Bösen (vor Ζara{UCTra Götter des indoiranischen Polytheismus), die DaEva, gegenüber, deren
Wortwurzel wohl etymologisch verwandt mit lateinisch Deus, Daêva im Sanskrit, Zeus im Griechischen
und Tiu im Germanischen.6
Indem Ζara{UCTra ΑhUra ΜazdAh als oberstes Weltprinzip den beiden Zwillingen SpeNTa ΜaINyav
(heiliger Geist) und ΑhrImaN oder Α<Ra ΜaINyav (arger Geist), die sich ewig bekämpfend alles
Seiende geschaffen haben, übergeordnet hat, wird die rein dualistische Weltanschauung durchbrochen.
Diese verkörpert der iranische Janus, VayU, dessen menschliche Inkarnation Rostam als Held des
Buches der Könige der Figur des Herakles ähnelt. Ζara{UCTra lehnt die Gottheit VayU ab.

1 Duchesne-Guillemin, J., Die iranische Religion, S. 140.


2 Vgl. Insler, S., The Gāthās of Zarathustra, S. 28 (ΥasNa 29).
3 Goethe, J. W., Der West-östliche Divan, S. 130.
4 Vgl. Insler, S., The Gāthās of Zarathustra, S. 33 (ΥasNa 30).
5 siehe Himmelsgott Zeus, Herr und Ratgeber.
6 Vgl. Kapadia, S.A., Die Lehren des Zoroaster, S. 13.
-9-
Der Dämon ΑhrImaN ist das Haupt der DaEva, der Fürst der Finsternis, des Todes, der Lüge und des
Trugs (DrUg). Die Weltgeschichte ist ein Spieglung des Kampfes zwischen dem Dämon ΑhrImaN, dem
alle bösartigen Wesen gehorchen, und dem Gott Οrmazd, der die Welt erschuf, um seinen Gegner zu
bekämpfen, und am Ende der Welt auch ΑhrImaN vernichten wird.

5) Über eschatologische Vorstellungen


Die Eschatologie der Iraner beinhaltet den alten Mythos der ČINvatbrücke1 (Brücke der Vergeltung), den
Ζara{UCTra nach seinem Gerechtigkeitsempfinden reformiert, an deren Eingang ein individuelles
Seelengericht stattfindet, das entscheidet, ob die Seele ins Lichtparadies, in die Hölle oder, falls die
Summe der guten und schlechten Taten gleich ist, in ein Zwischenreich eintritt, bis zum Tag, an dem die
Körper zu einem allgemeinen Gericht durch das Feuer in eine erneuerte Welt, dem endgültigen
Gottesreich, auferstehen werden. Der innere Mensch kann nur ins Lichtreich einkehren, wenn Seele
(Bewusstsein) und Geist (Kräfte) geeint sind. Drei abstrakte Lebensgrundsätze sollen als himmlische
Vorräume, Sterne, Mond und Sonne, durch die man zum ewigen Licht, zum Paradies gelangt, in den
Himmel der Himmel, den ΑhUra ΜazdAh bewohnt, dem Menschen den rechten Weg leuchten: ΗUmaTa
(Das gute Denken), ΗuxTa (Das gute Reden) und ΗvarCTa (Das gute Tun).2 „aÄssa deß sfi poießein
ouök eäcesti, tauqta ouöde? leßgein eäcesti. aiäsxiston de? auötoiqsi to? yeußdesjai
nenoßmistai, deußtera de? to? oöfeißlein xreßow, pollvqn me?n kai? aällvn eiÄneka,
maßlista de? aönagkaißhn fasi? eiQnai to?n oöfeißlonta kaiß ti yeuqdow leßgein“3. »Was ihnen
zu tun verboten ist, dürfen sie auch nicht aussprechen.« beschreibt Herodot aus griechischer Sicht die
Sitten der alten Perser »Das Entehrendste ist bei ihnen das Lügen. An zweiter stelle steht das
Schuldenmachen, dies aus vielen Gründen, namentlich aber, weil ihrer Meinung nach ein Schuldner
notwendig in die Lage kommt, zu lügen.«4 Da der Kosmos in vier gleichmäßige Perioden mit einer Dauer
von jeweils 3000 Jahren eingeteilt ist, steht der Zeitpunkt des letzten Gerichts bereits fest. Die erste
Periode besitzt nur immaterielle Existenz, es gibt noch keine stoffliche Welt, während nach dem ersten
Zeitabschnitt von 3000 Jahren die körperlichen Wesen erschaffen werden. Auf die Schöpfung antwortet
ΑhrImaN mit einer Gegenschöpfung, deren Teil die Planeten sind, während als Schöpfer der Sterne
Οrmazd gilt. In der dritten Periode greift ΑhrImaN, der bis dahin gebannt war, in die Welt ein. Zu Beginn
der letzten Periode wird Ζara{UCTra geboren, dessen Nachfolger zum Ende eines jeden Jahrtausends
als Erlöser erscheinen, deren Letzter das jüngste Gericht und die Entstehung einer neuen Welt einleitet. –
Also fügt Ζara{UCTra die Apokalypse und den Erlöserglauben in seine Kosmologie ein.
Wie im Orient erweckte die Frage nach der Entstehung der Weltordnung auch in Griechenland Interesse
und war vieldiskutiert. „Die Griechen wollten schon sehr früh als Erben der alten Weisen des Orients
gelten“5 und Anregungen orientalischer Überlieferungen kamen bereits im 2. Jahrtausend v. Chr. auf
mannigfaltigen Wegen nach Hellas. Der nun folgende Teil dieser Arbeit weist Berührungspunkte und
auffällige Ähnlichkeiten zwischen den Werken des Dichters Hesiod und den GA{As des Ζara{UCTra auf.

1 Vgl. Insler, S., The Gāthās of Zarathustra, S. 83 (ΥasNa 46).


2 Vgl. Kapadia, S.A., Die Lehren des Zoroaster, S. 32
3 Herodot, Historien A, S. 132.
4 Übersetzung nach: Geschichte in Quellen, S. 111.
5 Duchesne-Guillemin, J., Die iranische Religion, S. 155.
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Zweiter Teil: Vergleich zwischen griechischem Denken und Ζara{UCTras Lehre

1. Hesiod
Ob Hesiod Ζara{UCTra gekannt haben kann, ist fraglich. Doch es ist gut möglich, dass Hesiod von seiner
Lehre oder zumindest vom iranischen Glauben wusste. Wohl in Kleinasien aufgewachsen, kam der
zwischen 740 und 670 geborene Bauer und Händler nach Askara in Boötien. Hier wurde er von den
Musen als Dichter berufen und fertigte Lyrik im Sprechgesang.

a) göttliche Berufung zur Preisung der Allmacht des obersten Gottes


Gleich im Prooimion der „Theogonie“ findet sich ein interessanter Vergleichspunkt zu den GA{As: Der
Dichter selbst nennt den eigenen Namen. In der 3. Person spricht er von sich, den die Musen berufen.
„AiÄ nuß poj’ öHhsißodon kalh?n eödißdacan aöoidhßn,
aärnaw poimaißnonj’ ÖElikvqnow uÖpo? zajeßoio.“1
»Diese nun lehrten einst Hesiod schönen Gesang, als er Schafe am Fuß des heiligen Helikon weidete.«2
Hesiod wird, von Musensang und Vision enthusiastisch ergriffen, zum Seher und Dichter. Er stellt sich
selbst als Bauer, der zur Dichtkunst gefunden hat, vor, sei es um sich vom großen Vorbild Homer
abzugrenzen, sei es aus künstlerischem Selbstbewusstsein. Dies gibt seiner Dichtung, die stark von
seinen Lebensumständen und seiner Gedankenwelt beeinflusst ist, eine eigentümliche Prägung.
Auf die Selbstvorstellung, das Nennen des eigenen Namens mitten im Text, trifft man auch in den GA{As:
»Der Prophet Ζara{UCTra, der als Sprecher die Stimme erhebt, o ΜazdA, ist Verbündeter der aCA. Möge
der Schöpfer durch vohu maNo mir die Richtung weisen als Helfer meines Willens und meiner Zunge.«3
Ζara{UCTra fühlt sich selbst als Prophet berufen und bittet den ΑhUra ΜazdA, in dessen Gefolge aCA,
die Wahrheit, wohnt, ihm vohu maNo, gutes Denken, zu schenken. Auch er, der sich in seinen Gesängen
auch als Priester vorstellt, spricht von sich selbst in der 3. Person, wohl um seine Lehre von den Dogmen
anderer, falscher Lehrer und deren Anhänger, die er im Laufe der GA{As immer wieder als Lügner
bezeichnet, abzugrenzen und authentischer zu wirken.
Sowohl Hesiod als auch Ζara{UCTra, sehen sich als Verkünder ihrer Weltsicht und stellen sich durch das
Nennen des eigenen Namen und ihrer Identität heraus, da ihnen die Ehre zuteil wird, göttliche Worte
auszusprechen. Beide Verkünder werden von göttlichen Kräften berufen. Hesiod erhält von den Musen,
die ihm ihr eigenes Wissen verleihen, Inspiration:
„eöneßpneusan deß moi auödh?n
jeßspin, iÄna kleißoimi taß t’ eössoßmena proß t’ eöonta,
kaiß me keßlonj’ uÖmneiqn makaßrvn geßnow aiöe?n eöoßntvn“4
»Sie hauchten mir göttlichen Sang ein, damit ich Künftiges und Vergangenes rühme. Sie geboten mir
auch, das Geschlecht der ewigen, seligen Götter zu preisen.« 5
Analog zur Museninspiration spricht ΑhUra ΜazdA: »Diesen einen, zara{UCTro spITAmo, der allein
unsere Lehre vernommen hat; er wünscht mit Weisheit, uns Hymnen vorzutragen, uns und aCA. Ihm soll

1 Schönberger, O., Theogonie, VV. 22 – 23.


2 Übersetzung nach: Schönberger, O., Theogonie, S. 5.
3 Übersetzung nach: Insler, S., The Gāthās of Zarathustra, S. 98 f. (ΥasNa 50, 6)
4 Schönberger, O., Theogonie, VV. 31 – 33.
5 Übersetzung nach: Schönberger, O., Theogonie, S. 7.
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Süße der Rede verliehen werden.«1 Der göttliche Gesang, den Hesiod erhält, entspricht der Süße der
Rede, die der oberste Gott ΑhUra ΜazdA dem Ζara{UCTra zuteil werden lässt. Doch die Musen wirken
noch weiter auf Hesiod, den sie zunächst beauftragen, Künftiges und Vergangenes zu rühmen.
„tauqtaß moi eäspete (...) eöc aörxhqw, kai? eiäpaj’ oÄti prvqton geßnet’ auötvqn.“2
Hesiod bittet die Musen, ihm das Dasein von Anbeginn zu künden und zu sagen, was davon zuerst
entstand3, um mit seinem Unwissen die Torheit der Menschen vor dem Wissen der Götter einzugestehen.
Auch Ζara{UCTra bittet seinen Herrn, ihm Einsicht zu schenken, um denselben Auftrag wie Hesiod
erfüllen zu können: »ΑhUra ΜazdA, künde mir vom Anbeginn des Daseins und von den Wurzeln, die ein
späteres Zeitalter hervorbringen sollen.«4
Als zweiten Auftrag an Hesiod fordern die Musen in V. 33 der „Theogonie“, dass er den Göttern huldige.
Auch hierzu findet sich in den GA{As eine Parallele. Ζara{UCTra empfindet nämlich die selbe
Glaubenspflicht und singt: Mit Verehrung komme ich, dich preisend, o ΜazdA5. Beide Dichter sind geleitet
von Frömmigkeit und tief gottesgläubig. Doch einen Gott verehrt Hesiod auf besondere Weise: Zeus.
Denn ihn hebt er als Götterkönig über alle anderen Götter und preist seine Allmacht, indem er folgende
Worte dichtet:
„rÖeßa me?n ga?r briaßei, rÖeßa de? briaßonta xaleßptei,
rÖeiqa d’ aörißzhlon minußjei kai? aädhlon aöeßcei,
rÖeiqa deß t’ iöjußnei skolio?n kai? aöghßnora kaßrfei“6.
»Leicht ja schenket er Macht, leicht stürzt er den Mächtigen wieder, leicht auch lässt er erblinden den
Glanz, Glanzloses erhellt er. Leicht lenkt wieder zurück die Verirrten und knickt den Vermessnen.«7 Für
Hesiod ist Zeus Gott und Wahrer von Weltordnung und Recht, der nach seinem Willen entscheiden kann.
Von ΑhUra ΜazdA kündet Ζara{UCTra: Er ist der ΑhUra der Entscheidung: »Wie er es wünscht, so
wird es für uns sein.«8 Ζara{UCTra und Hesiod fühlen sich gleichermaßen als Gläubige von einer
göttlichen Macht dazu berufen, die Entstehung der Welt zu schildern und die Götter zu preisen.

b) Dualismus unter der Herrschaft eines obersten Gottes


Für Hesiod und Ζara{UCTra ergibt sich das Problem, die Existenz schlechter Mächte unter der gerechten
Herrschaft des obersten Gottes zu begründen. Zweifelsfrei kommt Zeus bei Hesiod die Stellung als
mächtigster Gott zu. Was geschieht, vollzieht sich „boulhq#si Dio?w nefelhgereßtao“9, nach dem
Willen des Wolkenversammlers Zeus. Die gute und gerechte Herrschaft des „Zeu?w de? jevqn
basileu?w“10, dem auch Ehren als Schöpfergott gebühren, kommt in den GA{As der uneingeschränkten
Herrschaft ΑhUra ΜazdAs gleich, die Ζara{UCTra durch rhetorische Fragen in Erinnerung ruft: »Wer
war am Anfang Vater der Gerechtigkeit? Wer bestimmte die Wege der Sonne und der Sterne? Durch wen

1 Übersetzung nach: Insler, S., The Gāthās of Zarathustra, S. 30 f. (ΥasNa 29, 8)


2 Schönberger, O., Theogonie, VV. 114 – 115.
3 Vgl. Schönberger, O., Theogonie, S. 13.
4 Übersetzung nach: Insler, S., The Gāthās of Zarathustra, S. 26 f. (ΥasNa 28, 11)
5 Übersetzung nach: Insler, S., The Gāthās of Zarathustra, S. 100 f. (ΥasNa 50, 9)
6 Schönberger, O., Werke und Tage, VV. 5 – 7.
7 Übersetzung nach: Schönberger, O., Werke und Tage, S. 5.
8 Übersetzung nach: Insler, S., The Gāthās of Zarathustra, S. 28 f. (ΥasNa 29, 4)
9 Schönberger, O., Theogonie, V. 730.
10 Schönberger, O., Theogonie, V. 886.
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nimmt der Mond zu und später ab? Wer stützte unten die Erde und oben den Himmel, dass er nicht falle?
Wer hat Wasser und Pflanzen befestigt? Wer hat Wind und Wolken die Rosse vorgespannt? Wer, ΜazdA,
erschuf vohu maNo? Welcher Künstler hat helle Körper und dunkle Räume geschaffen? Welcher den
Schlaf und das Erwachen? Wer hat das Morgengrauen gemacht, den Mittag und den Abend?«1
Die Nacht, so Hesiod, wurde durch das Chaos erzeugt. Er übersieht nicht das Böse auf der Welt und führt
es auf die schwarze Nacht zurück, die lebensfeindliche Gestalten hervorbringt:
„Nu?c d’ eäteke stugeroßn te Moßron kai? Khqra meßlainan
kai? Jaßnaton, teßke d’ ÄUpnon, eätikte de? fuqlon öOneißrvn.
ouä tini koimhjeiqsa jea? teßke Nu?c eörebennhß
deußteron auQ Mvqmon kai? öOizu?n aölginoßessan (...)
kai? Moißraw kai? Khqraw eögeißnato nhleopoißnouw (...).
tißkte de? kai? Neßmesin, phqma jnhtoiqsi brotoiqsi,
Nu?c oölohß: meta? th?n d’ öApaßthn teßke kai? Filoßthta
Ghqraßw t’ ouöloßmenon, kai? äErin teßke karteroßjumon.
Auöta?r äEriw stugerh? teßke me?n Poßnon aölginoßenta
Lhßjhn te Limoßn te kai? äAlgea dakruoßenta
uÖsmißnaw te Maßxaw te Foßnouw t’ öAndroktasißaw
Neißkeaß te Yeußdeaß te Loßgouw t’ öAmfillogißaw te
Dusnomißhn t’ äAthn te, sunhßjeaw aöllhßlh#sin,
ÄOrkon j’, oÜw dh? pleiqston eöpixjonißouw aönjrvßpouw
phmaißnei, oÄte keßn tiw eÖkv?n eöpißorkon oömoßssh#“2
»Die Nacht gebar das schreckliche Verhängnis, das schwarze Verderben und den Tod, gebar auch den
Schlaf und brachte die Sippe der Träume hervor; keinem gesellt, gebar sie die Göttin, die finstere Nacht.
Weiter schuf sie den Tadel, die schmerzliche Not und die Schicksalsgöttinnen und die Keren, gnadenlose
Rächerinnen. Die verderbliche Nacht gebar auch die Vergeltung zum Leid der sterblichen Menschen, und
nach ihr gebar sie List und Liebe und das verderbliche Alter, sie gebar auch den trotzigen Streit. Die
schreckliche Eris nun gebar die leidvolle Mühsal, das Vergessen, den Hunger, und tränenbringende
Schmerzen, auch Schlachten, Kämpfe, Mord und Todschlag, Zwietracht, Betrug, Rede und Widerrede
und, eng miteinander verbunden, Rechtsverletzung und Verderben und den Eid, der irdischen Menschen
das größte Leid bringt, wenn einer willentlich falsch schwört.«3 Nach Hesiod entstand das Übel durch die
Nacht und ihre Nachkommen, die sich nicht mit den übrigen Göttergenerationen verbinden.
In den GA{As findet die Frage, wie das Ungerechte, das Dunkle, das Böse selbst unter der Herrschaft
des gerechten Gottes bestehen kann, eine ähnliche Antwort. ΑhrImaN der schlechte Geist erschuf sie:
„Doch ihr Götter: alle seid ihr schlechten Geistes Schoß;
Auch wer euch geehret: Lüge und des Hochmuts Sproß;“ 4

1 Übersetzung nach: Insler, S., The Gāthās of Zarathustra, S. 66 f. (ΥasNa 44, 3 - 5)


2 Schönberger, O., Theogonie, VV. 211 – 231.
3 Übersetzung nach: Schönberger, O., Theogonie, S. 19 f.
4 Altheim, F., Zarathustra und Alexander, S. 35.
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Das Lager der Guten wird in Hesiods „Theogonie“ aus den Nachkommen Gaiqaw1 und öVkeano?w’2
gebildet. Zahllose Götterwesen entstehen, die im Kampf mit den Kindern der Nacht stehen und für
Gerechtigkeit kämpfen. Auch Tag und Nacht stehen sich gegensätzlich als Gutes und Böses gegenüber:
„hÜ me?n eöpixjonißoisi faßow poluderke?w eäxousa,
hÜ d’ Äupnon meta? xersiß, kasißgnhton Janaßtoio,
Nu?c oölohß, nefeßlh# kekalummeßnh höeroeideiq“3
»Der Tag bringt den Menschen auf Erden das vielschauende Licht, die verderbliche Nacht aber, gehüllt in
Nebelgewölk, trägt den Schlaf, den Bruder des Todes, in ihren Armen«4. Das gegensätzliche Paar lichter
Tag und verderbliche Nacht drückt die Spannung aus, in der die Weltordnung besteht. Diese Antithetik ist
vergleichbar mit dem Kampf der ΑmeCa SpeNTas, die als gute Geister im Gefolge des ΑhUra ΜazdA
den DaEvas des ΑhrImaN gegenüberstehen.
ΑhrImaN ist der Fürst der Finsternis, des Todes, der Lüge und des Betrugs. Auch die sprechenden
Namen der Kinder der Nacht bezeichnen diese Dunklen Mächte. Bei Hesiod wie bei Ζara{UCTra stehen
diese im Kampf gegenüber – jedoch unter der Oberherrschaft eines Gottes.
Besonders deutlich wird das Durchwirken des dualistischen Prinzips unter der Herrschaft des Zeus in
Hesiods „Werke und Tage“ beschrieben. Während die Allmacht Zeus im Prooimion feierlich verehrt wird,
folgt darauf die Beschreibung der Nachttochter Eris, die den Dualismus verkörpert:
„Ouök aära mouqnon eähn öErißdvn geßnow, aöll’ eöpi? gaiqan
eiösi? dußv: th?n meßn ken eöpainhßseie nohßsaw,
hÜ d’ eöpimvmhthß: dia? d’ aändixa jumo?n eäxousin.
hÜ me?n ga?r poßlemoßn te kako?n kai? dhqrin oöfeßllei.“5
»Nicht blieb ihres Geschlechtes die einzige Eris, es walten zwei auf Erden: die eine belobt ein
Verständiger ziemend, Rüge gebühret der andern; es strebt ihr Sinn voneinander. Denn sie sucht den
verderblichen Krieg und den Hader zu fördern.«6
Ζara{UCTra spricht zum Volk und erklärt das dualistische Prinzip: »Ja, es gibt zwei elementare Geister,
Zwillinge, allbekannt in Streit zu sein. Im Sinn, in Wort und in der Tat sind sie zweierlei: Das Gute und das
Böse. Und aus diesen beiden wählte der Wohltäter ziemend, der Übeltäter nicht.«7 »Es sagte der Gute
Geist zum Bösen: Weder gehen unser Sinn noch unsere Lehren noch unsere Absichten, nicht unsere
Vorränge noch unsere Worte noch unsere Taten noch unsere Seelen zusammen.«8 Die Analogie der
dualistischen Vorstellung von einer guten und einer bösen Eris zur dualistischen Annahme zweier Geister,
die im Streit liegen, liegt auf der Hand. Doch die Eris besitzt neben der zerstörenden auch schöpferische
Wirkung. Zwar schürt sie Kriege und Zwist, verantwortet aber auch den Wettkampf, den produktiven
Konkurrenzkampf. Die einander entgegenstehenden Geister Ζara{UCTras sind ebenfalls mit

1 Schönberger, O., Theogonie, V. 126.


2 Schönberger, O., Theogonie, V. 133.
3 Schönberger, O., Theogonie, VV. 755 – 757.
4 Übersetzung nach: Schönberger, O., Theogonie, S. 59.
5 Schönberger, O., Werke und Tage, VV. 11 - 14.
6 Übersetzung nach: Schönberger, O., Werke und Tage, S. 5.
7 Übersetzung nach: Insler, S., The Gāthās of Zarathustra, S. 32 f. (ΥasNa 30, 3)
8 Übersetzung nach: Insler, S., The Gāthās of Zarathustra, S. 74 f. (ΥasNa 45, 2)
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schöpferischer Kraft ausgestattet, denn »als diese beiden Geister zuerst zusammenkamen, schufen sie
Leben und Tod«1.
Das Dunkle und Böse hat also trotz Hesiods Glauben an die machtvolle Herrschaft des Vaters Zeus einen
Platz in seinen Werken. In der Göttergenealogie lässt er das Böse aus der Nacht hervorgehen, als deren
Kinder er die Gewalten des Todes, Tadel, Neid, Elend, Entrüstung, Alter, Mühe, Hunger, Not, Betrug und
Streit nennt. So befinden sich die Nachkommen der Erde, des Meeres und der Nacht in einem
unaufhörlichen, existenziellen Kampf, der auch unter dem gerechten Regime des Zeus weiter fortdauert.
Ebenso erhält das Böse in den GA{As seinen Platz, das unter der Führung ΑhrImaNs Finsternis, Lüge,
Tod und Betrug über die Welt bringt. Die Anhänger des ΑhrImaN stehen wie die Kinder der Nacht in
einem ewigen Kampf mit den Anhängern des Guten, selbst unter der Herrschaft ΑhUra ΜazdAs.
Ζara{UCTra macht deutlich, dass die Verantwortung bei den Menschen selbst liegt, indem er alle
Menschen zwischen „the two choises of decision“2, zwischen Gut und Böse, wählen lässt.
Obwohl Hesiod die Welt durchaus realistisch betrachtet und das Böse keineswegs übersieht, ist er im
letzten doch als frommer Mensch von der Überlegenheit alles Guten überzeugt, das seinen höchsten
Ausdruck in Zeus findet. Bei Ζara{UCTra findet sich die gleiche Denkweise und auch er verkündet das
Kommen einer Zeit, in der das Reich der Guten das der Schlechten besiegt.

c) Himmelsgott Zeus, Herr und Ratgeber


Beiden obersten Gottheiten kommen je zwei gleichartige Funktionsbereiche zu, die sie zum höchsten
Prinzip der Weltordnung werden lassen. Zunächst birgt ihr Titel bzw. Beiname den allumfassenden
Herrschaftsanspruch. Die Anrede als „Zeu?w de? jevqn basileu?w“3 drückt den hohen Rang aus, den der
Kronossohn inne hat, als Herrscher über die höchsten Wesen, die Götter. Ebenso wird ΑhUra ΜazdA
»durch seine Herrschaft über alles« 4 in den Stand eines höchsten Herren erhoben.
Der zweite Aspekt bezeichnet ihre Funktion als Ratgeber und Allwissender. Die „Theogonie“ Hesiods
enthält die Bezeichnung als „mhtißeta“ in V. 56, V. 286, V. 457, V. 520, V. 904 und in V. 914. In „Werke
und Tage“ taucht die Benennung in den Versen V. 51, V. 104, V. 273 und V. 769 auf.
Auch das iranische Äquivalent „ΜazdA“ tritt häufig in Erscheinung, denn in den GA{As vereinigt schon
der Name des Gottes beide Aspekte. Allein in ΥasNa 33, 4; 7; 8; 9; 10; 11; 12; 14 und in ΥasNa 34, 1; 2;
3; 4; 5; 6; 7; 8; 11; 12; 13 etc. kann man diese Anrede finden. Als Herr (ΑhUra) wird ΑhUra ΜazdA in
ΥasNa 44, 1; 2; 3; 4; 5; 6; 7; 8; 9; 10; 11; 12; 13; 14; 15; 16; 17; 18; 19; etc. angesprochen, während die
Kombination weiser Herr (ΑhUra ΜazdA) in ΥasNa 28, 2; 3; 4; 10; 11 etc. vor kommt. Nahezu in jeder
GA{A wird Ζara{UCTra Gott, der seinen Herschafts- und Weisheitstitel im Namen trägt, genannt.
„Zeu?w aöjanaßtvn basileu?w“5 und ΑhUra ΜazdA »Herr über die Geschehnisse im Dasein«6 sind
durch Beinamen und Titel als Allwissende zur absoluten Herrschaftsgewalt über die Welt legitimiert.

1 Übersetzung nach: Insler, S., The Gāthās of Zarathustra, S. 32 f. (ΥasNa 30, 4)


2 Insler, S., The Gāthās of Zarathustra, S. 33 (ΥasNa 30, 2)
3 Schönberger, O., Theogonie, V. 886.
4 Übersetzung nach: Insler, S., The Gāthās of Zarathustra, S. 76 f. (ΥasNa 45, 7)
5 Schönberger, O., Werke und Tage, V. 668.
6 Übersetzung nach: Insler, S., The Gāthās of Zarathustra, S. 38 f. (ΥasNa 31, 8)
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d) Rechtsbegriff
Nach Hesiod hat Zeus den Menschen ein Mittel gegeben, allem Unglück und der Vernichtung zu
entgehen, die Dike, das Recht. Dike wird in jedem gerechten Spruch als wirksam empfunden und Zeus,
der wesensmäßig Eins mit ihr ist, straft ihre Missachtung:
„hÜ d’ eÄpetai klaißousa poßlin kai? häjea lavqn,
höeßra eÖssameßnh, kako?n aönjrvßpoisi feßrousa,
oiÄ teß min eöcelaßsvsi kai? ouök iöjeiqan eäneiman.“1
»Dike durchwandelt mit Klagen die Stadt und die Sitze der Menschen, dicht von Nebel umhüllt, das
Verderben den Menschen zu bringen, welche verdrängt sie hatten und nicht nach Gebühr sie verteilten.«2
Dikes Widerschein Hybris lässt den Dualismus, der das gesamte Werk Hesiods durchzieht, erneut
aufleuchten. Im iranischen Glauben bietet Ζara{UCTra ein Beispiel, wie sich der gute Mensch zu
verhalten habe: »Der verständige Geist, der in die härtesten Gesteine gekleidet ist, wählte die
Gerechtigkeit und solchermaßen sollten unter den Sterblichen diejenigen, die dem ΑhUra ΜazdA
Genüge leisten wollen, mit gerechten Taten handeln.«3 Dass der verständige Geist, der die menschliche
Einsicht beschreibt, in die härtesten Steine gekleidet ist, soll die Dauer und Beständigkeit der Wahrheit
ausdrücken. Dieser Geist zieht beispielhaft die Gerechtigkeit dem Rechtsbruch vor, denn auch die
Anhänger ΑhUra ΜazdAs sollen dem Exempel folgen. Die Gerechtigkeit wird auch als höchstes Gut
bezeichnet. Hesiod und Ζara{UCTra besitzen beide einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn und fordern
von anderen Menschen gerecht zu handeln.

e) Einteilung der Weltgeschichte in verschiedene Perioden


In seinem Lehrgedicht „Werke und Tage“ zeigt Hesiod den Mythos der fünf Weltzeitalter4: Vom goldenen,
paradiesischen Zustand verschlechtern sich die Verhältnisse in der Welt, bis sie im gegenwärtigen
eisernen Zeitalter ihren Tiefpunkt erreichen.
Im iranischen Glauben kommt das Leid und Unheil über die Menschen, als gute niedere Gottheiten sich
für den bösen Geist entschieden: »Die Götter haben gänzlich nicht ziemend zwischen diesen beiden
entschieden, weil sich ihrer ein Irrtum bemächtigte, während sie überlegten. Da sie den schlechtesten
Gedanken wählten, rasten sie in Mordgrimm, mit dem sie Leid über die Welt und die Menschheit
brachten.«5 Doch Hesiod und auch Ζara{UCTra sind überzeugt von der Stärke alles Guten. Ζara{UCTra
in dem Maße, dass er in einer Vision ΑhUra ΜazdA wahrnimmt: »Ich sah dich für Schlechte Schlechtes,
eine gute Belohnung für Gute, jedem das seine zuteilend, durch deine Macht am letzten Wendepunkt der
Schöpfung.«6 Besonders der Weltaltermythos, den Hesiod in seinem Sinn umwandelt, scheint sein Vorbild
in der persischen Apokalyptik zu haben7. Davon ausgehend, dass Ζara{UCTra etwa 1000 Jahre vor
Christus lebte, könnte eine Verbindung durchaus denkbar gewesen sein, in der Form, dass Hesiod
Ζara{UCTras Lehre zum Beispiel nahm, doch nach eigenem Empfinden umformte.

1 Schönberger, O., Werke und Tage, VV. 222 - 224.


2 Übersetzung nach: Schönberger, O., Werke und Tage, S. 19.
3 Übersetzung nach: Insler, S., The Gāthās of Zarathustra, S. 32 f. (ΥasNa 30, 5)
4 Vgl. Schönberger, O., Werke und Tage, VV. 106 - 201.
5 Übersetzung nach: Insler, S., The Gāthās of Zarathustra, S. 32 f. (ΥasNa 30, 6)
6 Übersetzung nach: Insler, S., The Gāthās of Zarathustra, S. 60 f. (ΥasNa 43, 5)
7 Vgl. Schönberger, O., Werke und Tage, VV. 106 - 201.
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2. Heraklit
Eine Begegnung zwischen Heraklit, der ca. 480 in Ionien lebte, und Ζara{UCTra scheint unwahrschein-
lich. Die Kenntnis der Lehren Ζara{UCTras ist durchaus möglich.

a) dynamischer Dualismus
»Ja, es gibt zwei elementare Geister, Zwillinge, allbekannt in Streit zu sein. Im Sinn, in Wort und in der Tat
sind sie zweierlei: Das Gute und das Böse.«1 Ζara{UCTras Lehre von den sich bekämpfenden Prinzipien,
die als Gegensätze schöpferisch Kräfte freisetzen, findet auch bei Heraklit seine Entsprechung.
„Gißnesjai paßnta kat’ eönantioßthta.“2
»Alles entsteht nach den Gegensätzen.« Die Gegensätze heißen bei Ζara{UCTra Gut und Böse, deren
Schöpfung das Leben und der Tod sind. Da sie sich ewig bekämpfen, folgt, dass sie auch die Schöpfer
von Krieg und Streit sind. Dieser Streit bestimmt für Ζara{UCTra die Weltordnung bis zu der Zeit des
jüngsten Gerichts und darüber hinaus.
„Poßlemow paßntvn me?n pathßr eösti, paßntvn de? basileußw: kai? tou?w me?n jeou?w
eädeice, tou?w de? aönjrvßpouw, tou?w me?n doußlouw eöpoißhse, tou?w de? eöleujeßrouw.“3
»Krieg ist der Vater aller Dinge, der König von allem: und er machte die einen zu Göttern, die anderen zu
Menschen und die einen zu Dienern und die anderen zu Freien.« Die dualistische Auffassung, dass dem
Krieg eine schöpferische Kraft zugesprochen wird, entspricht der Ansicht Ζara{UCTras, der im Kampf der
Gegensätze das Rad aller Dinge sah.
„To? aöntißcoun sumfeßron kai? eök tvqn diaferoßntvn kallißsthn aÖrmonißan, kai?
paßnta kat’ eärin gißnesjai.“4
»Das feindlich Entgegengesetzte sei zusammentragend und aus den Unterschieden entstehe schönster
Einklang und alles entstehe gemäß dem Streit.« Heraklit fügt dem Kampf der Polaritäten noch einen
weiteren Aspekt hinzu. Er spricht von der ewigen Wandlung. In dauernder Veränderung sieht er die Welt.
„ öAei? paßnta rÖeiq.“5
»Alles fließt immer.« Dieser Aspekt ist in den GA{As nur bedingt enthalten, den der beständige Wechsel
Heraklits steht der letzten Verwandlung der Welt am Tag des Gerichts gegenüber. »Dieses Zeichen durch
die gänzliche Wandlung der Welt gebe mir.«6 spricht Ζara{UCTra und deutet auf die Wende im Kampf
gegen das Böse hin. Auch wenn die GA{As sagen, »Gerechtigkeit wird gemehrt durch Freude, die im
Wandel besteht, nachdem alle Seelen in Harmonie sind«7, ist die Zeit nach dem Seelengericht gemeint, in
der alle Seelen im Einklang leben können.
Doch gewiss beinhaltet der Dualismus an sich bereits ein dynamisches Prinzip. Wie Heraklit und
Ζara{UCTra übereinstimmend sagen, ist der Antagonismus der Gegenstücke der Bewegrund des Seins,
denn er erzwingt Veränderung, indem man sich für eines der beiden Extreme entscheiden und dafür
eintreten muss.

1 Übersetzung nach: Insler, S., The Gāthās of Zarathustra, S. 32 f. (ΥasNa 30, 3)


2 Bayer, K., Vorsokratiker, S. 22, Nr. 76.
3 Bayer, K., Vorsokratiker, S. 22, Nr. 77.
4 Bayer, K., Vorsokratiker, S. 23, Nr. 80.
5 Bayer, K., Vorsokratiker, S. 22, Nr. 73.
6 Übersetzung nach: Insler, S., The Gāthās of Zarathustra, S. 54 f. (ΥasNa 34, 6)
7 Übersetzung nach: Insler, S., The Gāthās of Zarathustra, S. 52 f. (ΥasNa 33, 9)
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b) menschliche und göttliche Einsicht
Heraklit glaubt der Logos, den er mit Gott gleichsetzt, sei in allen Dingen vorhanden und mache sie
einsichtig. Der Logos selbst erkennt alles, während der Mensch nur durch die Sinne wahrnehmen kann.
„ öAnh?r nhßpiow häkouse pro?w daißmonow oÄkvsper paiqw pro?w aöndroßw.“1
»Der Mensch heißt dem Gott ein Narr wie ein Kind einem Manne«, doch wohnt auch in den Menschen, als
Teil der Weltordnung der Logos, so dass alle Erkenntnis erlangen könnten.
In den GA{As besitzt der allweise Herr ΑhUra ΜazdA die Erkenntnis aller Dinge. Auch hier steht der
Gott dem Menschen an Einsicht voran. Deshalb bittet Ζara{UCTra: »Lehre mich die Einsicht beider Arten
des Daseins – ja, des materiellen wie auch des geistigen.«2
Heraklit bezeichnet die Einsicht gar als größte Tugend, mit der es möglich wird, Wahrheit zu sagen.
„Sofroneiqn aöreth? megißsth, kai? sofißh aölhjeßa leßgein kai? poieiqn kata?
fußsin eöpai_ßontaw.“3
»Einsicht ist die größte Tugend, und Weisheit, Wahrheit zu sprechen und gemäß der Natur zu handeln,
indem man auf sie hört.«4 Auch bei den Anhängern Ζara{UCTra hat das Wahrheitsagen einen hohen
Stellenwert. »ΜazdA, erscheine mir mit Hilfe und mit Wahrheit, damit jeder überzeugt werde, sogar wenn
seine Erkenntnis falsch sei.«5 Durch die Wahrheit kann nach Ζara{UCTra selbst der eine schlechte Lehre
vernommen hat, überzeugt werden.
Heraklit und auch Ζara{UCTra halten Gott für einsichtig im Gegensatz zum Menschen, der durch die
Abhängigkeit von seinen Sinnesorganen keinen vollständigen Zugang zur Erkenntnis besitzt. Die
Erkenntnis dient dazu, durch Wissen Wahrheit zu sprechen.

c) Haltung zum Blutopfer


Ζara{UCTra ist ein Gegner des Stieropfers, das in seinen Augen nur Anhänger des Bösen, während sie
in trunkener Ekstase dem Menschsein entfliehen wollen, darbrachten und kritisiert diese vehement:
»Aufgrund der Lehre, durch die die Lügner die Menschen von guten Taten abwandten, richtete ΑhUra
ΜazdA sie mit Strafen, da sie das Leben des Rindes, das die Erde verkörpert, freudvoll vernichteten, und
weil diese Opferpriester die Tyrannei und die Lüge der Wahrheit vorzogen.«6 Ζara{UCTra droht seinen
Feinden, die er tief verachtet, sogar Strafen Gottes an. »Seit die Fürsten begonnen hatten dem Lügner zu
helfen und sagten: Das Rind muss ihm geopfert werden, verschwinden die Opferpriester und die Fürsten
wegen jener Tat und kommen nicht in den Himmel.«7
Heraklit stellt sich ebenfalls mit ähnlicher Heftigkeit gegen jegliche Art des Blutopfers, indem er sagt:
„kajaißrontai d’ aällv# aiÄmati miainoßmenoi, oÖkoiqon eiä tiw eiöw phlo?n eömba?w
phlvq# aöponißzoito. maißnesjai d’ aün dokoißh eiä tiw auöto?n aönjrvßpvn
eöpifraßsaito ouÄtv poießonta.“8

1 Bayer, K., Vorsokratiker, S. 24, Nr. 93.


2 Übersetzung nach: Insler, S., The Gāthās of Zarathustra, S. 24 f. (ΥasNa 28, 2)
3 Bayer, K., Vorsokratiker, S. 25, Nr. 109.
4 Übersetzung nach: Mansfeld, J., Die Vorsokratiker I, S. 277.
5 Übersetzung nach: Insler, S., The Gāthās of Zarathustra, S. 34 f. (ΥasNa 30, 9)
6 Übersetzung nach: Insler, S., The Gāthās of Zarathustra, S. 46 f. (ΥasNa 32, 12)
7 Übersetzung nach: Insler, S., The Gāthās of Zarathustra, S. 48 f. (ΥasNa 32, 15)
8 Mansfeld, J., Die Vorsokratiker I, S. 250, Nr. 21.
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»Sie wollen sich, wenn sie sich mit Blut beflecken, mit weiterem Blut reinigen, wie wenn einer in Schlamm
gerät und sich mit Schlamm abwaschen wollte. Verrückt dürfte er dem erscheinen, der bemerkt, dass er
so handelt.«1 Heraklit und Ζara{UCTra sind sich einig, dass ihnen die Blutopferung nicht nur als eine
törichte Tat gilt, sondern sinnlose Verschmutzung bedeutet. Denn die Opferung eines Rindes, bedeutete
für Ζara{UCTra die Verunreinigung der Erde.

d) Haltung zum Anthropomorphismus


Einer der größten Unterschiede der griechischen und persischen Religion ist die anthropomorphe
Vorstellung der Götter bei den Hellenen. Wie Herodot berichtet, „Peßrsaw de? oiQda (...), vÖw me?n eömoi?
dokeßein, oÄti ouök aönjrvpofueßaw eönoßmisan tou?w jeou?w kataß per oiÖ ÄEllhnew eiQnai“2
»stellen sie sich offenbar die Götter nicht wie die Hellenen als menschenähnliche Wesen vor.«3
„Die Gottesvorstellung Xenophanes scheint bei [Heraklit] vorausgesetzt; allerdings gibt es dafür keine
Bezeugung“4. Davon ausgehend, dass Heraklit Xenophanes’ Gottesvorstellung tatsächlich übernommen
hat, lassen sich Verknüpfungsmöglichkeiten finden.
„ öAll’ eiö xeiqraw eäxon boßew <iÄppoi t’> höe? leßontew hü graßyai xeißressi kai?
eärga teleiqn aÄper aändrew, iÄppoi meßn j’ iÄppoisi boßew deß te bousi?n oÖmoißaw
kaiß <ke> jevqn iödeßaw eägrafon kai? svßmat’ eöpoißoun toiauqj’ oiWoßn per kauötoi?
de?maw eiQxon <eÄkastoi>.“ – „Aiöjißopew te <jeou?w sfeteßrouw> simou?w meßlanaßw
te Jrh#qkeßw te glaukou?w kai? purroußw <fasi peßlesjai>.“5
»Wenn Ochsen und Pferde oder Löwen Hände hätten und könnten mit ihren Händen malen und
Kunstwerke hervorbringen, wie es die Menschen tun, so würden die Pferde die Gestalten der Götter als
Pferde malen und die Ochsen als Ochsen und ihre Leiber je nach ihrer eigenen Art bilden ... Die Äthiopier
machen ihre Götter schwarz und stumpfnasig, die Thraker sagen, die ihrigen hätten blaue Augen und
rotes Haar.« Xenophanes macht sich über die anthropomorphe Vorstellung der Gottheiten lustig. Er teilt
die Ansicht der Perser, von denen Herodot berichtet:
„Peßrsaw de? oiQda noßmoisi toioiqsde xrevmeßnouw, aögaßlmata me?n kai? nhou?w
kai? bvmou?w ouök eön noßmv# poieumeßnouw iÖdrußesjai, aölla kai? toiqsi poieuqsi
mvrißhn eöpifeßrousi“6
»Es ist nicht Sitte bei den Persern, Götterbilder, Tempel und Altäre zu errichten. Wer das tue, sei töricht,
sagen sie.«7 Heraklit selbst äußert sich gleichfalls abfällig über die Anbetung von Götzenbildern:
„kai? toiqw aögaßlmasi de? touteßoisin euäxontai, oÖkoiqon eiä tiw doßmoisi
lesxhneußoito, ouä ti ginvßskvn jeou?w ouöd’ hÄrvaw, oiÄtineßw eiösin“8
»Und zu diesen Götterbildern beten sie so, wie wenn einer mit Tempeln schwatzte, ohne zu wissen, was
Götter und Heroen sind.«9 Der iranische Prophet und Heraklit halten den Athropomorphismus für töricht.

1 Übersetzung nach: Mansfeld, J., Die Vorsokratiker I, S. 251.


2 Herodot, Historien A, S. 126.
3 Übersetzung nach: Geschichte in Quellen, S. 111.
4 Bayer, K., Vorsokratiker (Kommentar), S. 26.
5 Bayer, K., Vorsokratiker, S. 19, Nr. 54; Nr. 53.
6 Herodot, Historien A, S. 126.
7 Übersetzung nach: Herodot, Historien A, S. 127.
8 Mansfeld, J., Die Vorsokratiker I, S. 250, Nr. 21.
9 Übersetzung nach: Mansfeld, J., Die Vorsokratiker I, S. 251.
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e) Feuersymbolik
»Dein Feuer. Solange ich kann, will ich bedacht sein, das Gerechtigkeit ein Geschenk der Ehrfurcht
bleibt.«1 Als Symbol für die gute Herrschaft ΑhUra ΜazdAs verkörpert es die reine Wahrheit. Denn in
der Lehre Ζara{UCTras ist Feuer das reinste Element, so dass es die Wahrheit symbolisieren kann.
„ ÖHraßkleitow aörxh?n tvqn aÖpaßntvn to? puqr. eök puro?w ga?r ta? paßnta gißnesjai
kai? eiöw puqr paßnta teleutaqn leßgei.“2
»Heraklit sagt, der Anfang von allem sein Feuer. Aus Feuer nämlich entstehe alles und ins Feuer vergehe
alles, sagt er.« Der Urstoff ist nach Heraklits Ansicht das Feuer. Durch dieses versinnbildlicht er das
Walten des Logos, der Weltordnung, wie auch dessen Macht zu Schaffen und zu Zerstören. Außerdem
könnte das Feuer als Symbol der Sonne, von der die Existenz aller Menschen abhängt, dienen.

f) Einteilung der Weltgeschichte in verschiedene Perioden


Als Urelement begriff Heraklit das Feuer, das die Zeitgeschichte in Abschnitte teilt. Drohend verkündet er:
„paßnta gaßr, fhsiß, to? puqr eöpeljo?n krineiq kai? katalhßyetai.“3
»Denn alles, sagt er, wird das Feuer, einmal herangekommen, urteilen und verurteilen.«4 Weiter sagt er:
„Koßsmon toßnde, to?n auöto?n aöpaßntvn, ouäte tiw jevqn ouäte aönjrvßpvn
eöpoißhsen, aöll’ hQn aöei? kai? eästin kai? eästai puqr aöeißzvon, aÖpto?menon meßtra
kai? aöposbennußmenon meßtra.“5
»Diese Weltordnung, dieselbe für alles, schuf weder irgendein Gott noch ist sie von irgendeinem
Menschen geschaffen worden, sondern sie war immer, ist und wird sein Feuer, ewig lebendig nach
Maßen entflammend und nach Maßen erlöschend.«6 Heraklit lehrt, dass sich in periodischen Abständen
das Feuer über die Erde verbreitet, um das Dasein zu erneuern. Dieses Feuergericht urteilt wohl auch
über Menschen.
Auch Ζara{UCTra kündigt den Menschen ein Gericht an, »wenn die Aufteilung beider Lager in die Guten
geschehen soll durch dein helles Feuer, ΜazdA.«7 Die Funktion des Feuers in den GA{As ist
offensichtlich analog zu der in den Schriften Heraklits. Zum einen symbolisiert es die Macht des jeweiligen
Gottes. Zum zweiten richtet es über Menschen und Erde.
»Aber an diesem Wendepunkt des Seins in dem ich existiere, bist du, ΜazdA in die Welt gekommen, um
dein Gesetz des guten Denkens zu verbreiten. Künde den Lügnern von der Zeit des Gerichts am
Wendepunkt des Daseins:«8 Ζara{UCTra sieht seine gegenwärtige Zeit in Veränderung und hofft auf den
jüngsten Tag, der die ewige Herrschaft des Guten bedeutet.
Ζara{UCTra glaubt genau wie Heraklit an eine Weltordnung, die in Abschnitte eingeteilt ist. Während der
Grieche ein immerwiederkehrendes Gericht des Feuers erwartet, geht der iranische Priester davon aus,
dass ein jüngstes Gericht das letzte ewige Weltalter einläutet.

1 Übersetzung nach: Insler, S., The Gāthās of Zarathustra, S. 62 f. (ΥasNa 43, 9)


2 Bayer, K., Vorsokratiker, S. 22, Nr. 66.
3 Bayer, K., Vorsokratiker, S. 22, Nr. 66.
4 Übersetzung nach: Mansfeld, J., Die Vorsokratiker I, S. 265.
5 Bayer, K., Vorsokratiker, S. 22, Nr. 70.
6 Übersetzung nach: Mansfeld, J., Die Vorsokratiker I, S. 263.
7 Übersetzung nach: Insler, S., The Gāthās of Zarathustra, S. 40 f. (ΥasNa 31, 19)
8 Übersetzung nach: Insler, S., The Gāthās of Zarathustra, S. 62 f. (ΥasNa 43, 6)
- 20 -
Die letzte Wendung, das jüngste Gericht der Lehre Ζara{UCTras, nach dem Gute von Bösen geschieden
werden und deren Seelen im Hause des Lichts oder im Hause der Finsternis ewig leben, erinnert stark an
die christlich/jüdische Apokalyptik - mehr noch, da man im alten Iran dazu an einen Erlöser glaubte, der
als fleischgewordener Wille Gottes auf die Erde kommt, um die Mächte des Bösen, des Widersachers,
des Lügners zu bekämpfen. Die niederen Gottheiten haben im iranischen Glauben analoge Funktion zu
den Engeln im Judentum und im Christentum und entsprechen sich in Status und Wesen. Doch wie sind
diese Gemeinsamkeiten zu erklären?
Die erste Annahme zur Begründung dieser Sachverhalte besagt, dass allen Kulturkreisen und deren
kleinster Einheit, dem einzelnen Individuum, das gleiche Bedürfnis nach Glaube, Liebe und Hoffnung
zugrunde liegt. Wer die Anstrengung auf sich nehmen würde, die kulturspezifischen Besonderheiten der
Gedanken- und Ausdrucksform, vom eigentlichen Gehalt und Wesen der verschiedenen Religionen zu
trennen, könnte – dieser Hypothese nach - eine Religion in der Religion, eine Urreligion, die bei allen
Menschen auf ähnlichen Fundamenten fußt, finden, die beispielsweise durch eine goldene Regel die
Grundlagen menschlichen Zusammenlebens, Moral und Werte, definiert. Dieses goldene Grundgesetz der
Moralität gilt bei Hesiod als Ehrfurchtsgebot gegenüber dem Gesetz der Dike, im Christentum in Form der
Nächstenliebe und heißt bei Ζara{UCTra: Überwinde die diesseitige Welt durch Vereinigung mit der
göttlichen Gerechtigkeit, indem du Gutes denkst, Gutes sprichst und Gutes tust. Lyrisch bringt Lessings
berühmte Ringparabel diese Ansicht auf den Punkt, deren Erzähler, der weise Nathan, in Glaubensfragen
große Toleranz besitzt: „Jud’ und Christ/ Und Muselmann und Parsi, alles ist/ Ihm eins.“1
Auch Heraklit, dessen Polemik viele große Namen zum Opfer fielen, scheint an einen
Gerechtigkeitsbegriff zu glauben und feste Vorstellungen von Gut und Böse zu haben, denn er spricht von
der Notwendigkeit der Existenz des Bösen für die Existenz des Guten. Doch kann man auch in den
Lehren des ‚dunklen’ Heraklit die Merkmale einer Urreligion finden. An christlichen Deutungen seiner
Schriften mangelt es nicht. Gerade aufgrund seiner verrätselten Ausdrucksweise bleibt beispielsweise in
Bezug auf dessen Jenseitsvorstellungen für Interpretationen Platz.
Völlig ablehnend schrieb Nietzsche, der in einem protestantischen Pfarrhaus aufwuchs, in seinem Buch
„Also sprach Zarathustra“, über das christliche Wertesystem. Doch warum legt er seine Ablehnung aller
Werte gerade Ζara{UCTra, dem Prediger einer neuen Moral in den Mund? „Man hat mich nicht gefragt,
man hätte mich fragen sollen, was gerade in meinem Mund, im Mund des ersten Immoralisten, der Name
Zarathustra bedeutet: denn was die ungeheure Einzigkeit jenes Persers in der Geschichte ausmacht, ist
gerade dazu das Gegenteil. Zarathustra hat zuerst im Kampf des Guten und des Bösen das eigentliche
Rad im Getriebe der Dinge gesehen, - die Übersetzung der Moral ins Metaphysische, als Kraft, Ursache,
Zweck an sich, ist sein Werk. (...) Zarathustra ist wahrhaftiger als sonst ein Denker. Seine Lehre und sie
allein hat die Wahrhaftigkeit als oberste Tugend - das heißt den Gegensatz zur Feigheit des "Idealisten",
der vor der Realität die Flucht ergreift, Zarathustra hat mehr Tapferkeit im Leib als alle Denker
zusammengenommen. Wahrheit reden und gut mit Pfeilen schießen, das ist die persische Tugend. -
Versteht man mich? (...) das bedeutet in meinem Mund der Name Zarathustra.“2 Das menschliche

1 Lessing, G. E., Nathan der Weise, VV. 1069 – 1071.


2 Nietzsche, F. W., Ecce homo, S. 424 f.
- 21 -
Bedürfnis nach Moral und Werte als Weg zu einer Art Urreligion anzunehmen, könnte die
Gemeinsamkeiten der iranischen Religion und des Christentums begreiflich machen.
Der zweite Erklärungsversuch kann den Erlösungsglauben und das letzte Gericht, die grundlegend für den
christlichen Jenseitsglauben sind, zwar nicht als iranische Quelle jüdischer Apokalyptik belegen, hält
jedoch Beeinflussungen auch aufgrund ihres plötzlichen Erscheinens in den jüdischen Überlieferungen für
sehr wahrscheinlich. Denn viele Gelehrte führen sie auf einen Einfluss aus dem Iran zurück. 1
Wie aus dem Wandel der Auffassung des Bösen im Judentum zu schließen ist, – denn Satan, der
bescheidene Diener Gottes, nimmt später dessen Platz ein - hat der iranische Dualismus insofern auf
Israel eingewirkt, als dass der Antagonismus der beiden Geister zum Vorbild genommen und dem
jüdischen System angepasst wurde. „Von allen (...) Berührungspunkten zwischen Iran und Israel: der
Lehre von den Jahrtausenden, dem letzten Gericht, dem himmlischen Buch, in dem alle menschlichen
Handlungen verzeichnet sind, der Auferstehung, der letzten Verwandlung der Welt, dem Paradies auf
Erden oder im Himmel, der exstatischen Auffahrt des Henoch und des Arda Viraf von Himmel zu Himmel,
der Hölle, den Seelen der Tiere, die im slavischen Henoch den Menschen anklagen, wie die Seele des
Stiers in den Gathas klagt, und endlich im Buche Tobias dem Dämon Asmodi, auch aeshma daeva, sind
letztere die bezeichnendsten.“ 2 Also liegt die Hypothese nahe, die iranische Religion könne zumindest als
eine der Quellen des jüdischen Erlöserglauben und der Apokalyptik auch Einfluss auf das Christentum,
das auch von der griechischen Philosophie und Religion deutlich geprägt ist, gehabt haben.
Als dritte Theorie die griechische Religion an sich und gleichzeitig den iranischen Glauben als Erben einer
indoeuropäischen Urreligion anzunehmen, aus deren Vermischung mit jüdischen und anderen Elementen
das Christentum entstand, läge einerseits aufgrund der Gemeinsamkeiten dieser Religionen, andererseits
aufgrund einer sprachlichen und somit wohl auch einer kulturellen Verwandtschaft nahe. Unter
Umständen könnte die Naturreligion, die Iraner und Inder auf ihrem Zug nach Süden mitbrachten auch
während der griechischen Völkerwanderungen ins Hellenenland gelangt sein. Im Laufe der Zeit hätten
sich die Glaubensgrundsätze, wie auch die griechische und iranische Sprache, gewandelt und wären
durch neue Gottheiten und Riten der unterworfenen und benachbarten Völker ergänzt worden.
„Zweifellos bestehen auffallende Parallelen in den religiösen Vorstellungen Griechenlands und des
Irans.“1, die eventuell auf die indoeuropäische Urreligion zurückzuführen sind. Erstens kann man in beiden
Religionen Wurzeln einer Naturreligion entdecken, deren Grundlage die Vorstellung ist, unfassbare
Mächte, die sich bei den Griechen in Quellen, Gewässern und Bäumen als Nymphen, Nereiden, Dryaden
oder in Wäldern als Silene, Satyrn, Kentauren oder Pane offenbarten, durchwalteten die Natur.
Engelartige Schutzgeister behüteten im Iran Tiere und Vögel, Feuer und Wärme, Metalle und Mineralien,
Wasser, Bäume und Pflanzen. In beiden Religionen wurden unerklärliche Naturphänomene und
wundersame Ereignisse dem Wirken von Naturdämonen zugeordnet.
Zweitens sind Spuren eines Matriarchats im Pantheon sichtbar. In Haus- und Naturgöttinnen ahnt man
den Ursprung von Göttinnen wie Athene oder Artemis. Anahita ist die iranische Göttin der Gewässer und
des Wohlstandes. Doch bleibt fraglich, ob dies indoeuropäische Gottheiten sind. Drittens kann man im
altitalischen Gott Janus den iranischen Vayu wiedererkennen. Denn beide besitzen zwei Gesichter.

1 Duchesne-Guillemin, J., Die iranische Religion, S. 159.


2 Duchesne-Guillemin, J., Die iranische Religion, S. 164.
- 22 -
Zum vierten verehrten beide Einwanderer als obersten Gott einen urindoeuropäischen Wetter- und
Lichtgott. Dieser Himmelgottes, Zeus, der Blitze schleudert und donnert auf der griechischen Seite,
ΑhUra ΜazdA, der im vierten Himmel wohnt, auf iranischer Seite kommt die germanische Entsprechung
Thunar gleich, der vor Einführung Odins Hauptgott der Germanen war und der Sohn des hethitischen
Kumarbi. Und auch Odin besitzt Macht über die Naturgewalten des Sturms und der Sonne.
Möglicherweise wurde der Dualismus von den indoeuropäischen Stämmen importiert, gewann im Iran,
verlor aber in Griechenland an Bedeutung. In jedem Fall konnte nur durch die gemeinsame Vermittlung,
der unter starken Eindruck der semitischen Mythen verschmolzenen Geister und Götter, Riten und Kulte,
tradierten Heilslehren und neuen Glaubensformen, das Christentum und dessen Ableger, der Islam,
hervorgebracht werden.
Folglich vermittelte iranisches und griechisches Gedankengut und Geisteswesen, deren Grundstock Iraner
und Griechen selbst in den alten Hochkulturen Asiens vorfanden, verfeinerten und verbesserten, einen
ungeheuren Kulturschatz als Fundament der Wissenschaft, der Politik und der Religion den Stämmen und
Völkern, die - ganz gleich ob rasse- und geistesverwandt oder nicht – durch politische und wohl auch
klimatische Gegebenheiten immer weiter im Norden ihr Erbe antraten, nicht nur zur Errichtung der Säulen
der heutigen europäischen Welt, sondern einer Welt, weit über deren Grenzen hinaus. E. Kornemann
meint: „Wer Jesus und Mohammed verstehen will, muss von Zarathustras großer religiöser Ideenwelt
ausgehen. Denn Iran spielt auch in der Religionsgeschichte eine weit größere Rolle, als sich viele
Menschen heute vorstellen. (...) So haben Iran und Persertum nicht nur politisch, sondern auch religiös
eine weltgeschichtliche Mission erfüllt, die neben der kulturellen des Hellenentums für den Aufbau der
europäischen Menschheit, ihrer Völkerfamilie und deren Grundgedanken sowohl vom Staate als auch vom
Verhältnis zu Gott grundlegend geworden ist.“1
Und daher ist selbst verständlich, dass Aischylos trotz der Feindschaft und der blutigen Kriege zwischen
den Völkern Irans und Griechenlands – vielleicht aus einem Nährgefühl rassischer Verwandtschaft - sagt:
„„eödocaßthn moi dußo gunaiqk’ euöeißmone,
hÜ me?n peßploisi Persikoiq w höskhmeßnh,
hÜ d’ auQte Dvrikoiq s in, eiöw oäyin moleiqn
megeßjei te tvqn nuqn eökprepeßstata poluß
kaßllei t’ aömvßmv kai? kasignhßta geßnouw*tauötouq”2.
»Mir war's, als säh ich zween schöngewandige
Jungfraun, die eine reichgeschmückt in persischen
Prachtkleidern und im dorischen Kleid die andere,
An Gestalt bei weitem aller Weiber herrlichste,
Fehllos an Schönheit, beide Schwestern eines Stamms«.

1 Kornemann, E., Weltgeschichte des Mittelmeerraums, S. 56 ff.


2 Kornemann, E., Weltgeschichte des Mittelmeerraums, S. VII.
- 23 -
Schrifttum:
Primärliteratur:
Insler, S.: The Gāthās of Zarathustra, Volume I, in ders.: Acta Iranica 8, Tehran-Liège 1975
Schönberger, O.: Hesiod Theogonie, Stuttgart 1999
Schönberger, O.: Hesiod Werke und Tage, Stuttgart 1996
Dr. Bayer, K.: Vorsokratiker, Volkach vor Würzburg 1963
Mansfeld, J.: Die Vorsokratiker I, Stuttgart 1999

Lessing, G. E.: Nathan der Weise, Stuttgart 2000

Sekundärliteratur:
Altheim, F.: Das alte Iran, in: Heuß, A.: Propyläen Weltgeschichte, Band II: Hochkulturen des mittleren und östlichen Asiens,
Frankfurt 1962
Altheim, F.: Zarathustra und Alexander, Frankfurt 1960
Duchesne-Guillemin, J.: Die iranische Religion, in: ders.: Die Religionen des alten Orients, Paris 1958
Durant, W.: Das Vermächtnis des Ostens, in: ders.: Kulturgeschichte der Menschheit, o.O. 1946
Fränkel, H.: in: Dr. Bayer, K.: Vorsokratiker, Volkach vor Würzburg 1963
Lautemann, W. und Schlenke, M.: Geschichte in Quellen, Band I, München2 1975
Goethe, J. W.: Der West-östliche Divan, München 1961
Hardon, J.: Der Zarathustrismus, in: ders.: Gott in den Religionen der Welt, München 1967
Feix, J.: Herodot Historien, Band I, München 1963
Hinz, W.: Darius und die Perser, Band II, Baden-Baden 1979
Jaeger, W.: Paideia, Band I, Berlin 41936
Kapadia, S. A.: Die Lehren des Zoroaster, Rostock 1907
Kornemann, E., Weltgeschichte des Mittelmeerraums, Band I, München 1967
Nietzsche, F. W.: Die fröhliche Wissenschaft, in: de Gruyter, W.: Nietzsches Werke, Band II, Berlin 1973
Nietzsche, F. W.: Ecce homo, in: ders.: Nietzsches Werke, achter Band, Leipzig 1923
Russell, B.: Heraklit, in: ders.: Philosophie des Abendlandes, Wien 1975

Anhang:
1. Lautwerttabelle:
Zur Aussprache der avestischen Wörter beachte man:
Zeichen lautet etwa Lautwert Zeichen lautet etwa wie Lautwert
A E i o u lang a e i o u j englisch j
aE deutsch ai < > deutsch ng
aO deutsch au <UH deutsch nghw
W englisch aw (law) s deutsch ss
= französisch en C deutsch sch
e / englisch u (but) { englisch th
/U deutsch ö t englisch th
oI deutsch oi v englisch w
č englisch ch x deutsch ch
D englisch th (the) X deutsch chw
Q niederdeutsch g (Tage) y englisch y (ye)
h (anl. u. intervokal.) deutsch h, z deutsch s (Rose)
sonst deut. ch
K deutsch ch Z französisch j

2. eMail von Prof. Philip G. Kreijenbroek vom Sa 09.08.2003 17:53

Sehr geehrter Herr Rostam-Afschar,

haben Sie vielen Danks fuer Ihre interessante Fragen, die sich nicht alle
leicht beantworten lassen. Ein wichtiger Faktor, der einem richtigen
Verstaendnis über die kulturellen Beziehungen zwischen Persern und Griechen
im Wege steht ist die Tatsache, dass die Griechen die Schrift fuer einen
viel breiteren Kreis von Themen anwendeten als die Perser.

Lassen Sie mich erst einen kurzen Ueberblick ueber die iranische
Religionsgeschichte geben. Wie Sie in Polen gemerkt haben gehoeren die
iranischen Voelker, wie die Griechen und Slaven, zu den indo-europaeischen
Voelkern, die verwandte Sprachen sprechen (deshalb Persisch und Indisch.
panj, Griechisch pente, Slav. p'at' fur fuenf). Vermutlich im Laufe des 3.
Jahrtausend v.Chr. trennte sich die 'indo-iranische' Gruppe, die Vorfahren
der heutigen Inder und Iraner, als separates Volk von der
urspruenglichen 'indo-europaeischen' Gruppe und entwickelte ueber
Jahrhunderte eine gemeinsame kulturelle und religioese Tradition.
- 24 -
Wahrscheinlich um 2000 v.Chr. gingen dann die Proto-Inder und die
Proto-Iraner, die dann noch irgendwo im Gebiet der frueheren Sovietunion
wohnten, auseinander: ihre Sprachen entwickeltenn unterschiedliche Merkmale
(z.B., Indo-Iranisches s wird in den Iranischen Sprachen im Anlaut meistens
zu h: Sanskrit. saptam 'sieben, Ir. hapta, hafta, cf. Lat. septem, Gr.
hepta). Darueber hinaus fingen diese Staemme im Laufe des 2. Jahrtausends
v.Chr. an, nach Sueden zu wandern, womoeglich auf der Suche nach Metallen.

Diese Ereignisse hatten wahrscheinlich ihren Einfluss auf die religioese


Tradition dieser Voelker: waehrend in der ruhigen Zeit vor den Wanderungen
der Konzept Rta, Arta,Asha 'richtige Ordnung der Dinge, Wahrheit' die Basis
des moralischen Denkens und der Religion darstellte, fingen in den Zeiten
der Eroberungen Heldenhaftigkeit und Kriegslust an, eine groessere Rolle zu
spielen. Bei den indischen Voelkern (und vielleicht auch bei manchen
Iranern) wurde der Heldengott Indra sehr beliebt.

Zarathustra war ein hochausgebildeter Priester, der um 1000 v.Chr. (oder


etwas frueher) vielleicht im heutigen Zentralasien lebte und dessen Sprache
Merkmale zeigte, die wir jetzt mit ostiranischen Sprachen verbinden. Es ist
nicht unwahrscheinlich, dass dieser traditionell-ausgebildete Priester
empoert war ueber die religioesen Entwicklungen seiner Zeit (jedenfalls ist
Indra im Zoroastrismus einer der schlimmsten Teufel), und dazu kam, die
kosmische Bedeutung der Welt und des Menschenlebens radikal anders zu
deuten, naemlich als Teilnehmer an einem kosmischen Krieg zwischen Gut und
Boese, der das Boese letztendlich aus dem Kosmos verbannen wuerde (bis dann
ging an davon aus, dass alles von Gott bzw. den Goettern herruehrte und
weitergehen wuerde solange der Mensch den Goettern Opfer und Verehrung
darbrachte)

. Das bedeutete, dass der Mensch--die einzige 'Schoepfung', die zwischen den
beiden Prinzipien des Guten und Boesen waehlen kann--eine viel
unabhaengigere Rolle hatte als bisher. Aber diese Freiheit hatte ihre
Konsequenzen: nicht nur nach dem grossen Streit, d.h. am Ende der Zeit,
sondern auch nach dem individuellen Tod wurde sie Seele gerichtet: die Guten
gingen ins Paradies (Vahishtem, Pers. behesht, 'das Beste') oder in die
Hoelle. All dies und noch viel Anderes, das im Christentum und im Islam eine
Rolle spielt, findet man zuerst in den zoroastrischen Texten, die aber bis
weit in die Sasanidenperiode (ca. 220-640 n.Chr.) muendlich ueberliefert
wurden und fuer deren Sprache es bis u der Zeit keine adaequate Schrift
gab.

Die iranischen Voelker kamen vielleicht um 900 v.Chr. ins heutige Iran und
Afghanistan, die 'westiranischen' Gruppen (Vorfahren der Perser und Kurden)
zuerst und die Ostiranier spaeter. Der Zoroastrismus hat sich wohl zuerst
unter den ostiranischen Voelkern weiterentwickelt, wurde dann unter den
Achaemeniden (ca. 550-330 v.Chr.) zur Staatsreligion des grossen
persischen (d.h. westiranischen) Reiches. Die traditionelle, indo-iranische
Religion der Westiraner, in der Zurvan schon eine Rolle gespielt haben mag,
kam also in Kontakt mit dem radikalen philosophischen Dualismus der
zoroastrischen Tradition und gerade zu dieser Zeit muss im persischen Reich
sehr viel ueber Religion und Philosophie diskutiert worden sein. Forscher
wie Peter Kingsley ("Meetings with the Magie: Iranian themes among the
Greeks, from Xanthos of Lydia to Plato's Academy". Journal of the Royal
Asiatic Society 1995, S. 173-209. Ancient Philosophy, Mystery and Magic:
Empedocles and Pythagorean Tradition, Oxford 1995) und auch ich gehen also
davon aus, dass die vielen Aehnlichkeiten zwischen griechischem und
iranischem Gedankengut darauf zurueckgeht, dass die Diskussionen im
Achaemenidenreich auch die Griechen erreicht und zu neuen Ideen angeregt
haben.

Wie gesagt ist das Problem, dass die meisten Graezisten ausschliesslich als
Philologen, also als Erforscher schriftlicher Quellen ausgebildet worden
sind und vor Argumenten, die auf ungeschriebenem Kulturgut basieren, wenig
halten. Leicht werden Sie es bei Ihren Versuchen, die iranische Kultur als
europaeische Kulturquelle darzustellen, also nicht haben.

Was Ihre direkten Fragen angeht, ich glaube, dass Sie sich darauf verlassen
koennen, dass Zarathustra um 1000 v.Chr. oder frueher gelebt hat, dass die
Erinnerung an ihn jedoch im muendlich-ueberlieferten kulturellen Gedaechtniss
der Iraner lebendig blieb, so dass die Griechen davon ausgingen, dass er um
das 6. Jh. v.Chr. lebte. Pythagoras kann ihn also nicht gekannt haben. Die
Lehrerschaft Zarathustras wird bezeugt durch die00sprachlich sehr
problematischen-- 'Sänge' (Gathas) des Zarathustra und durch die andern
Texte des Avesta, sowie durch die spaeteren mittelpersischen Buecher. Vieles
- 25 -
deutet auf Kontakte zwischen griechischen und iranischen religioesen Ideen
hin, aber beweisen laesst sich wenig. Vom griechischen Gnostizismus weiss
ich zu wenig, um darueber urteilen zu koennen. Die Entwicklung der Figur des
Zurwan liesse sich auch aus kulturellen Kontakten zwischen Babyloniern und
Iranern erklaeren; ob ein uralter indo-europaeischer Zeitgott dahintersteckt
bezweifle ich, aber weder das eine noch das andere laesst sich beweisen.

Zarathustra war ein Iraner, in einer Zeit wenn weder sein Stamm noch die
Vorfahren der Perser sich im heutigen Iran angesiedelt hatten. Die Perser
glaubten, er habe in Medien gelebt. Ich wuerde ihn und seine Religion also
durchaus als wichtige Teile des persischen/iranischen kulturellen Erbes
ansehen.

Ich hoffe, dass dies Ihnen ein bisschen weiter hilft.

Mit freundlichen Gruessen

Philip G. Kreijenbroek
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Zuletzt
Ich erkläre hiermit, dass ich die Facharbeit ohne fremde Hilfe angefertigt und nur die im
Literaturverzeichnis angeführten Quellen und Hilfsmittel benutzt habe.

____________________, den ____________ ________________________


Ort Datum Unterschrift des Schülers

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