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Äquivalenzprinzip (Physik)

Das Äquivalenzprinzip der Physik drückt aus, dass die schwere und
die träge Masse eines Körpers zwei äquivalente Größen sind. Diese
Formulierung gibt in moderner Ausdrucksweise die frühen
Feststellungen von Galileo Galilei und Isaac Newton wieder, dass
beim freien Fall alle Körper gleich beschleunigt werden bzw. dass
alle Gravitationswirkungen proportional zur Masse der beteiligten
Körper sind. Albert Einstein erkannte ab 1907 hierin ein mögliches
Grundprinzip einer Theorie der Gravitation, das ihn schließlich zur
allgemeinen Relativitätstheorie leitete.
Gemäß dem Äquivalenzprinzip kann
Das Äquivalenzprinzip existiert in zwei Formen: Nach dem man innerhalb eines fensterlosen
schwachen Äquivalenzprinzip bestimmt von allen Eigenschaften Raumes nicht entscheiden, ob dieser
im Gravitationsfeld eines Planeten
eines Körpers allein seine Masse (also das Maß seiner Trägheit),
ruht oder wie eine Rakete im
welche Schwerkraft in einem gegebenen homogenen
Weltraum beschleunigt wird.
Gravitationsfeld auf ihn wirkt. Seine weiteren Eigenschaften wie
chemische Zusammensetzung, Größe, Form etc. haben keinen
Einfluss. Nach dem starken Äquivalenzprinzip gilt, dass
Gravitations- und Trägheitskräfte auf kleinen Abstands- und Zeitskalen in dem Sinn äquivalent sind, dass sie
an ihren Wirkungen weder mit mechanischen noch irgendwelchen anderen Beobachtungen unterschieden
werden können. Aus dem starken Äquivalenzprinzip folgt das schwache; ob das auch umgekehrt gilt, hängt
möglicherweise von der genauen Formulierung ab und ist noch nicht abschließend geklärt.

Das schwache Äquivalenzprinzip gilt als Folge des newtonschen Gravitationsgesetzes in der klassischen
Mechanik. Als Folge beschreiben alle Körper im freien Fall in einem äußeren Gravitationsfeld (bei gleichen
Anfangsbedingungen) in derselben Zeit dieselbe Bahn. Daher gibt es relativ zu einem mitbewegten
Bezugssystem während des freien Falls keine Auswirkungen des äußeren Gravitationsfeldes auf die
Bewegung der Körper, was als Zustand der Schwerelosigkeit bezeichnet wird.

Inhaltsverzeichnis
Äquivalenz von träger und schwerer Masse
Experimentelle Überprüfung
Äquivalenzprinzip in der allgemeinen Relativitätstheorie
Literatur
Weblinks
Einzelnachweise

Äquivalenz von träger und schwerer Masse


Als träge Masse wird die Masse im zweiten Newtonschen Axiom bezeichnet:
Das erste Newtonsche Axiom drückt aus, dass Körper träge sind: Sie verharren in ihrem Bewegungszustand,
solange keine Kraft auf sie wirkt. Das zweite Axiom quantifiziert die Trägheit: Je mehr träge Masse ein
Körper besitzt, desto größer muss die Kraft sein, um ihm eine bestimmte Beschleunigung zu erteilen. Die
träge Masse ist additiv: Setzt man einen Körper aus Bestandteilen zusammen, so addieren sich ihre trägen
Massen, wenn man die Bindungsenergien der Bestandteile vernachlässigen kann.

Die schwere Masse ist ein Maß für die gravitative Anziehungskraft zweier Körper. In der klassischen
Mechanik wird die Gravitationskraft durch Newtons Gravitationsgesetz beschrieben. Ein Körper der
schweren Masse zieht einen anderen Körper der schweren Masse im Abstand mit einer
Kraft vom Betrag

an. Ebenso wie die träge Masse ist die schwere Masse additiv: Setzt man einen Körper aus Bestandteilen
zusammen, so addieren sich ihre schweren Massen, wenn man die Bindungsenergien vernachlässigen kann.

Beide Massenarten sind a priori unabhängig voneinander, wie z. B. die träge Masse eines Teilchens und
seine elektrische Ladung. Aber alle bislang durchgeführten Experimente bestätigen, dass die schwere Masse
eines Körpers seiner trägen Masse entspricht. Träge und schwere Masse sind äquivalent. Dieses
experimentelle Ergebnis wird schwaches Äquivalenzprinzip genannt.

Das schwache Äquivalenzprinzip manifestiert sich in Galileis Fallgesetz, dass alle Körper gleich schnell
fallen. Im Erdschwerefeld gilt für einen Körper der schweren Masse näherungsweise

als Gravitationsgesetz, mit der Fallbeschleunigung . Vernachlässigt man Reibungskräfte und den Auftrieb,
so ergibt sich die Beschleunigung des Körpers durch das zweite Axiom zu

Das Äquivalenzprinzip führt nun auf

Alle Körper fallen (im Vakuum) im Erdschwerefeld gleich, unabhängig von ihrer Masse. Wäre das
schwache Äquivalenzprinzip verletzt, so würde auch dieses Gesetz ungültig sein. Dies lässt sich
experimentell nachprüfen.

Da das Trägheitsgesetz und Newtons Gravitationsgesetz auf voneinander unabhängigen physikalischen


Befunden und Axiomen beruhen, bleibt in der klassischen Mechanik das schwache Äquivalenzprinzip
unerklärt.

Experimentelle Überprüfung
Erste Versuche zu träger und schwerer Masse machten bereits Isaac Newton (dargestellt in seinen Principia,
Erstausgabe 1687) und Friedrich Wilhelm Bessel (1832)[1] in Form von Pendelversuchen. Weitere
Untersuchungen wurden 1890 und 1909 von dem ungarischen Physiker Loránd Eötvös in dem nach ihm
benannten Eötvös-Experiment durchgeführt, das 1964 von Roll, Krotkov und Dicke in Princeton[2] sowie
1972 von Braginsky und Panov in Moskau in verbesserter Form wiederholt wurde. Quantitativ werden
solche Messungen zur Äquivalenz von träger und schwerer Masse durch das sog. Eötvös-Verhältnis

beschrieben, wobei und die gemessenen Beschleunigungen zweier unterschiedlicher Testkörper


darstellen. Während die klassischen Pendelversuche von Newton und Bessel eine Obergrenze von
erreichten, verbesserten die Torsionspendelversuche von Eötvös (1909) diese Grenze auf . Durch
Experimente mit den Laserreflektoren, die bei Apollomissionen auf dem Mond aufgestellt worden waren
(Lunar Laser Ranging), konnte Irwin Shapiro 1976 die Gültigkeit des Äquivalenzprinzips mit einer
Genauigkeit von 10−12 nachweisen.[3] Eric G. Adelberger u. a. von der Eötvös-Gruppe publizierten 1999
eine Arbeit, die dieses Prinzip mit einer Genauigkeit von 10−13 bestätigt.

Schärfere Obergrenzen lassen sich durch satellitengestützte Experimente wie z. B. die STEP-Mission
(Satellite Test of the Equivalence Principle), Gravity Probe A oder Microscope erzielen. Hierbei werden
z. B. die relativen Beschleunigungen von im Orbit befindlichen, frei fallenden Testkörpern mit
unterschiedlicher chemischer Zusammensetzung gemessen, was zu einer erwarteten Genauigkeit von
(Microscope) und (STEP)[4] führen soll. Hierbei wird auch, direkter als in früheren
Experimenten, die Formulierung des Äquivalenzprinzips der allgemeinen Relativitätstheorie (ART)
überprüft.

Äquivalenzprinzip in der allgemeinen Relativitätstheorie


Folge des schwachen Äquivalenzprinzips ist, dass ein Beobachter in einem geschlossenen Labor, ohne
Information von außen, aus dem mechanischen Verhalten von Gegenständen im Labor nicht ablesen kann,
ob er sich in Schwerelosigkeit oder im freien Fall befindet (siehe dazu nebenstehende Abbildung). Dies ist
gleichbedeutend mit der Aussage, dass Gravitationskräfte äquivalent zu Trägheitskräften sind. Daher können
Gravitationskräfte durch Wechsel in ein beschleunigtes Bezugssystem lokal eliminiert werden.

Dieses Prinzip wurde von Einstein 1907 verallgemeinert:[5][6]

Das einsteinsche starke Äquivalenzprinzip besagt, dass ein Beobachter in einem


geschlossenen Labor ohne Wechselwirkung mit der Umgebung durch überhaupt kein
Experiment feststellen kann, ob er sich in der Schwerelosigkeit fernab von Massen befindet
oder im freien Fall nahe einer Masse.

Eine äquivalente aber mathematisierte und mit den Begriffen der allgemeinen Relativitätstheorie
ausgedrückte Formulierung des starken Äquivalenzprinzips lautet:

Ein homogenes Gravitationsfeld entspricht einer gleichmäßigen Beschleunigung in einer


flachen Raumzeit. Außerdem weicht im Koordinatensystem eines frei fallenden Beobachters
die Metrik für kleine raumzeitliche Abstände zum Referenzraumzeitpunkt nur wenig von
einer flachen Metrik ab.

Quantitativ lässt sich dies durch fermi'sche Normalkoordinaten darstellen, die zeigen, dass die
Abweichungen von der flachen Metrik proportional zum Krümmungstensor sind.

Kurz: Im Lokalen Inertialsystem gelten die Gesetze der SRT.[7]

Es muss allerdings beachtet werden, dass dieses Prinzip nur lokal gilt:
So wird ein „unten“ (näher am Gravizentrum)
befindliches Objekt stärker angezogen als ein weiter
„oben“ befindliches. Ist der frei fallende Raum in
vertikaler Richtung groß genug, so wird der
Beobachter daher feststellen, dass Objekte, die sich
weiter oben befinden, von denen, die sich weiter
unten befinden, entfernen.
Umgekehrt wird sich bei ausreichender horizontaler
Ausdehnung des Raumes die Richtung der
Anziehungskraft auf zwei horizontal voneinander
entfernte Objekte merklich unterscheiden, da sie
beide in Richtung des Gravitationszentrums
beschleunigt werden. Daher wird der frei fallende
Beobachter feststellen, dass weit auseinander
gelegene Körper sich aufeinander zu bewegen. Ein
ausgedehnter Körper wird also eine Kraft erfahren,
die ihn in eine Richtung auseinanderzieht und in den
dazu senkrechten Richtungen zusammendrückt.

Da das elektrische Feld geladener Körper ebenfalls eine große


Ausdehnung hat, gibt es eine Kontroverse darüber, ob das
Äquivalenzprinzip für solche Teilchen gelte.[8][9][10]
Labor mit einem Beobachter und einem
Das schwache Äquivalenzprinzip ist durch die klassische Laser.
Mechanik nicht zu erklären. Dagegen wird in der ART das Beschleunigung des Raumes
starke Äquivalenzprinzip zum Ausgangspunkt der Theorie Gravitationsbeschleunigung
erhoben: Testteilchen durchlaufen unabhängig von ihrer Äquivalenzprinzip: Im freien Fall (rechts
Zusammensetzung oder anderen Beschaffenheit dieselbe unten) sind die physikalischen Phänomene
Fallkurve, wenn anfänglich ihr Ort und ihre Geschwindigkeit genauso wie in Schwerelosigkeit (Mitte
links).
übereinstimmen. Im newtonschen Sinne sind also träge und
In einem System, in dem und
passive schwere Massen, zwischen denen man in der ART
entgegengesetzt und gleich groß sind,
nicht unterscheiden kann, äquivalent. Dass alle Testteilchen
verhalten sich sowohl der Beobachter, als
dieselben Fallkurven durchlaufen, ergibt sich in der ART
auch der Lichtstrahl so, als würde der Raum
daraus, dass sich die Lagrangedichte der ART bei Wechsel der nach oben beschleunigt. Die Gravitation hat
Koordinaten nicht ändert. Das Äquivalenzprinzip ist somit als also keinen Einfluss auf die Physik im
fundamentale Symmetrie in der Theorie vorhanden. Raum.
Hinweis: Die Krümmung des Laserstrahls
Die Beobachtung einer Verletzung des Äquivalenzprinzips ist stark überzeichnet.
würde daher zeigen, dass die ART nur begrenzt gültig wäre.
Mit heutiger Messgenauigkeit hat man keine Abweichungen
vom Äquivalenzprinzip beobachten können.

Darüber hinaus gilt in der ART ein aktives Äquivalenzprinzip, dass nämlich verschiedene Materie oder
Strahlung dieselbe Gravitation erzeugen, wenn nur ihr Energie-Impuls-Tensor übereinstimmt.[11]

Literatur
Claus Lämmerzahl, Hansjörg Dittus: Das Äquivalenzprinzip auf dem Prüfstand. In: Physik in
unserer Zeit. 1999, Heft 2.

Weblinks
Clifford M. Will: Seite nicht mehr abrufbar (https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Wikipedia:Defe
kte_Weblinks&dwl=http://relativity.livingreviews.org/open?pubNo=lrr-2006-3&page=articlesu1.h
tml), Suche in Webarchiven: The confrontation between general relativity and experiment, Living
Reviews Relativity. (http://timetravel.mementoweb.org/list/2010/http://relativity.livingreviews.or
g/open?pubNo=lrr-2006-3&page=articlesu1.html) Abschnitt 2.1. The Einstein Equivalence
Principle.
Markus Pössel: Kabine, Schwerkraft und Rakete: Das Äquivalenzprinzip. (http://www.einstein-o
nline.info/vertiefung/Aequivalenzprinzip@set_language=de.html) In: Einstein Online. Band 4
(2010), 1111.

Einzelnachweise
1. F. W. Bessel: Versuche über die Kraft mit welcher die Erde Körper von verschiedener
Beschaffenheit anzieht. (http://reader.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb100582
13_00007.html) Berlin 1832.
2. P. G. Roll, R. Krotkov, R. H. Dicke: The equivalence of inertial and passive gravitational mass.
In: Annals of Physics. 26 (1964), 442–517, doi:10.1016/0003-4916(64)90259-3.
3. Irwin I. Shapiro, Charles C. Counselman, III, Robert W. King: Verification of the Principle of
Equivalence for Massive Bodies. In: Phys. Rev. Lett. 36 (1976), 555–558,
doi:10.1103/PhysRevLett.36.555.
4. Rutherford Appleton Lab.: STEP: Satellite Test of the Equivalence Principle. (https://web.archiv
e.org/web/20110716165920/http://www.sstd.rl.ac.uk/fundphys/step/) (Memento vom 16. Juli
2011 im Internet Archive). Zitat: „STEP aims to measure Equivalence at the level of 1 part in
1018.“ Abgerufen am 28. Juni 2007.
5. Albert Einstein: Über das Relativitätsprinzip und die aus demselben gezogenen Folgerungen
(https://web.archive.org/web/20170309080507/http://wikilivres.ca/wiki/%C3%9Cber_das_Relati
vit%C3%A4tsprinzip_und_die_aus_demselben_gezogenen_Folgerungen) Archiviert vom
Original (https://giftbot.toolforge.org/deref.fcgi?url=http%3A%2F%2Fwikilivres.ca%2Fwiki%2
F%25C3%259Cber_das_Relativit%25C3%25A4tsprinzip_und_die_aus_demselben_gezogene
n_Folgerungen) am 9. März 2017. In: Jahrbuch der Radioaktivität. 4, 1907/1908, S. 411–462.
6. Das Wort Äquivalenzprinzip taucht zuerst auf in:
Einstein: Lichtgeschwindigkeit und Statik des Gravitationsfeldes. In: Annalen der Physik. Bd.
38, 1912, S. 355, Online. (https://web.archive.org/web/20160307234244/http://content.mpiwg-
berlin.mpg.de/mpiwg/online/permanent/einstein/annalen/Einst_Licht_de_1912/index.meta&mo
de=texttool) (Memento vom 7. März 2016 im Internet Archive).
Er stellt es aber schon ausführlich dar in:
Einstein: Über den Einfluß der Schwerkraft auf die Ausbreitung des Lichtes. In: Annalen der
Physik. Bd. 35, 1911, S. 898.
7. T. Fließbach: Allgemeine Relativitätstheorie. Spektrum (2006), ISBN 978-3-8274-1685-8, S.
51.
8. A. K. Singal: The Equivalence Principle and an Electric Charge in a Gravitational Field II. A
Uniformly Accelerated Charge Does Not Radiate. In: General Relativity and Gravitation. 27,
1371–1390 (1997).
9. Stephen Parrot: Radiation from a Uniformly Accelerated Charge and the Equivalence Principle.
(http://arxiv.org/abs/gr-qc/9303025) In: Found. Phys. 32 (2002), 407–440.
10. Øyvind Grøn, Sigurd Kirkevold Næss: An electromagnetic perpetuum mobile? (http://arxiv.org/
abs/0806.0464) 2008.
11. Norbert Dragon: Geometrie der Relativitätstheorie. (https://web.archive.org/web/20090419091
549/http://www.itp.uni-hannover.de/~dragon/stonehenge/relativ.pdf) (Memento vom 19. April
2009 im Internet Archive). (PDF; 2,5 MB).
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Diese Seite wurde zuletzt am 6. Mai 2020 um 09:02 Uhr bearbeitet.

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