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Zur Kritik des Kitäb-al-Ain.

Von K. Inostrancev.

Über das Buch Äin habe ich in meinen früheren Arbeiten


mehrfach Gelegenheit gehabt zu reden'). Hier will ich nur er¬
wähnen, daß laut deutlichen Hinweisen arabischer Quellen (Fihrist
r.o, 11—11*; Mas'üdT, Kitäb-at-tanbih, BGA., VHI, l.f, v sqq.) in der

8 früh-islamischen Periode ein persisches Buch existierte , das , aus


sasanidischer Zeit überkommen , Ain-näme hieß und von den
»Institutionen' des Sasanidenreichs handelte. Dieses Buch wurde
zusammen ndt dem bekannten Chodhäi-näme im 8. Jahrhundert von
Ibn-al-Muqaffa' ins Arabische übersetzt (Fihrist, lU, fv)^). Für die

10 vergleichende Kritik der Übersetzungen dieser beiden Bücher ist es


wichtig zu bemerken, daß während das Äln-näme, so weit uns be¬
kannt ist, nur einmal aus dem Persischen ins Arabische übertragen
wurde , und zwar durch den obengenannten Ibn-al-MuqaflFa' , das
Chodhäi-näme mehrfach übersetzt wurde ; der Charakter dieser Über-
16 Setzungen ist sehr verschieden : es gab verkürzte Übertragungen,
es gab solche mit Zusätzen und schließlich Bearbeitungen dieses
Buches nach verschiedenen Abschriften^). Wenn wir also in arabischen
Werken Zitaten aus dem Kitäb-al-ÄIn begegnen, so können wir mit
voller Sicherheit schließen, daß sie der Übersetzung des Ibn-al-
80 Muqaffa' entnommen sind; in betreff des Sijar-al-mulük dagegen,
d. h. der Übertragungen des Chodhäi-näme , müssen jedesmal Be¬
weise dafür erbracht werden.

Die Zitate aus dem Kitäb-al-ATn sind uns hauptsächlich in


dem Buch 'Ujün-al-aljbär des Ibn-Qutaiba erhalten. Unter diesen

1) S. meine russischen Arbeiten : OtryvolL voennago tralttata iz Sasanidskoj

,Rnigi Ustanovlenij * &/oLi Zapiski, XVII, 249 sqq.; Materialy iz arabskicb

istocnikor dIja knl'turnoj istorü Sasanidskoj Persii, yf'y^ i ÄitytJt ^L->

(j*^! uA^iiÄ.« Ja; jüwtyäJl ^, ib. XVIII, 174 sqq. (= Separatabdruck, 1907,
62 sqq.); Persidskaja literatnmaja tradicija v pervye veka islama, M^moires de
l'Academie Imperiale des Sciences de St. Petersbourg, VIII° sdrie, Classe Historico-
Philologique, VIII, No. 13, 26; auch meine Sasanidskie E^udy, St. Peterburg,
1909, 27 und 42 sqq.
2) S. Melanges Aüatiques, VIII, 1880, 77.n-776 oder Bulletin de l'Academie
Imperiale des Sciences de St. Petersbourg, XXVII, 1881, 75—76.
3) S. Vostocnyja Zametki, St. Peterburg, 1895, 182 sqq. (cf. WZKM., X, 325).
Inostrancev, Zur Kritik des Kitäb-al-Äin. 127

Zitaten ist eins inhaltlich sehr interessant: es betrifft verschieden¬


artige abergläubische Vorstellungen der alten Perser (ed. C. Brockel¬
mann, II, IaI sqq.). Die Glaubwürdigkeit der Nachrichten, die dieses

Zitat bietet , läßt sich durch eine Reihe kritischer Erwägungen


interner Natur stützen; sie wird erhärtet durch das hier folgende 5
Beispiel äußerer Kritik. Wir bemerken, daß wir den uns im ge¬
gebenen Fall interessierenden Omenglauben ausschließlich zum Zweck
der Textkritik des Kitäb-al-Aln und des Äln-näme anführen; er
bietet nichts besonders charakteristisches für die iranischen Folklore.

Im allgemeinen gesprochen soll dieser Fall uns zur Pestellung der- lO


jenigen theoretischen Gesichtspunkte dienen, die bei der Übersetzung
arabischer Zitate aus persischen Büchern der Sasanidenzeit un¬
umgänglich sind.
Bei der Aufzählung der abergläubischen Vorstellungen der
Perser nennt das Kitäb-al-Äin auch die Merkmale von guten und i6
schlechten Begegnungen , wobei diese Merkmale in den meisten
Fällen einander parallel gegenübergestellt werden. Uns interessieren
speziell die beiden folgenden Parallelen. Die erste, eine gute Begeg¬

nung betreffend, lautet wie folgt (Iaa, II— Ia): ^^jÄ*»..:^Uo Qy^)

J^j _}( ^yKj flids ^yi 'iJy*»- Lg-JU: ^-jIjlXJ! . . . (JL*Äiwv!) 80


d. h. ,sie betrachteten als gutes Omen Saumtieren zu begegnen,
beladen mit Speise oder Stroh oder Mist'. Das diesem parallele

schlechte Omen hat folgende Fassung (Ua, lo—II): ^j^jÜj

v^JbCilj v^•^.^ V'/^' iCLoLc- . . . iötJ . . . (liLjJii«,!) d. h. „sie


betrachteten als schlechtes Omen einem Saumtier zu begegnen, be- 25
laden mit Getränk, Holz und Hund'.
Selbst schon aus dem Sinn der Phrase geht klar hervor, daß
wir es mit einem Fehler im Texte zu tun haben, denn ein Saum¬
tier mit einem Hund beladen- ist ganz unwahrscheinlich. Zieht
man ferner den erwähnten Parallelismus der Vorzeichen in Betracht so

(im gegebenen Falle speziell die Lasten: Speise — Getränk, Stroh —


Holz), so wird man annehmen müssen, daß hinter dem Wort u-JiXJ!

al-kalb irgend eine Last steckt, die den übrigen hier genannten
entspricht. Im edierten Text deutet keinerlei Anmerkung auf eine
varia lectio, woraus man schließen muß, daß in beiden Mss. (dem S5
Konstantinopolitaner und dem Petersburger), in denen dieser Teil
der 'Ujün-al-al)bär vorliegt, dieses Wort ganz deutlich geschrieben
ist'). Im Arabischen hat v_JXi! al-kalb eine wohlbekannte Be¬

deutung und eine passende Konjektur in dieser Sprache zu suchen,


ist aussichtslos. Unter solchen Umständen dürfen wir nicht außer «
Acht lassen , daß der zu übersetzende arabische Text nicht der
Urtext ist, sondern die arabische Übersetzung eines persischen Werkes.

1) In der Petersburger Handschrift steht wirklich ganz deutlich \.jJSS\,

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128 Inostrancev, Zur Kritik des Kitäb-al-ÄXn.

In diesem Falle müssen wir zwecks Klarstellung seiner Bedeutung


dieses Wort ins Persische übersetzen und versuchen, seinen Sinn
in der gegebenen Phrase aus dieser Sprache zu erklären. ^_JLJG|

al-kalb übersetzen wir ins Persische durch das Wort iJ^Lw seg, ein
5 Wort, für welches wir ohne Mühe eine Konjektur finden, die ein
anderes , ebenso persisches Wort ergibt , das einerseits dem ersten
in Aussprache sehr ähnelt, andererseits dem Sinne nach vorzüglich
in unsere Phrase paßt. Dieses Wort lautet ,^1*, seTig und bedeutet

„Stein". Auf Arabisch ist dafür al-hagar zu setzen, und die

10 Konjektur in dem arabischen Text in folgendem Schema darzustellen :


ar. i_>JLJÜ( — pers.
II
pers. = ar.

Auf diese Art ist die ganze Phrase zu übersetzen: „sie betrachteten
als schlechtes Omen einem Saumtier zu begegnen , beladen mit
15 Getränk, Holz und Stein".
Interessant ist , daß wir einem analogen , aus der Ähnlichkeit
der persischen Wörter und ^Xj^ herrührenden Fehler, auch

im Pehlevi begegnen. Im 8. Fargard des Vindidäd wird, anläßlich


der Behandlung des menschlichen Körpers unmittelbar nach dem
20 Tode, vorgeschrieben, für die Leiche eine Grube zu graben, die mit
Ziegeln, Steinen oder einer Schicht trockener Erde zu belegen ist.
Im Fehle vitext wird das Wort, das „Stein" bedeutet, fälschlich
durch kalbä wiedergegeben , was J. Darmesteter (Le Zend-
Avesta, II, 120, n. 13) folgendermaßen erklärt: „l'original du manuscrit
25 avait sang „pierre", ecrit comme sag „chien", que le copiste, pour
montrer son entente du huzvaresh , a bravement transcrit kalbä"
Dieser Fall ist dem oben behandelten analog.
Zum Schluß sei auf die folgende, nicht uninteressante Tatsache
hingewiesen. In der arabischen Literatur (Fihrist, If , tt^—U) haben

30 wir ein Zitat aus einem Werk desselben Ibn-al-Muqaffa', das eine
Eigentümlichkeit der Pehlewischrift erklärt und wichtige Bedeutung
für das Verständnis des Mittelpersischen hatte. Diese Eigentüm¬
lichkeit besteht darin, daß in dieser Schrift eine Reihe von Wörtern
Aramäisch geschrieben, aber beim lesen Persisch gesprochen wurde').
35 Befremdend ist, daß Ibn-al-Muqaffa', ein guter Kenner des Arabischen
und Persischen, als er das Buch Äin aus dem Persischen übertrug,
seiner Übersetzung keine Konjektur einverleibte , die sich eng an
die ihm wohlbekannte und gerade von ihm bestimmt formulierte
Theorie anschließt. Dank einer solchen Konjektur können wir jetzt
40 in der arabischen Übersetzung das Vorhandensein eines aramäischen
Ideogramms im Pehlevi-Urtext konstatieren.

1) D. i. HuzvSresch. S. hauptsSchlich JA., VI« Uiie, VII, 1866, 429 sqq.


und auch JRAS., NS., IV, 1870, 360.

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Berichtigung zu Bd. 63, 801 f.

Von

Carl Bernheimer.

Bei meiner Auslegung von Yäm ana III, 1, 1. 2 könnte man


glauben, daß die Worte: tadatidayahetavas tv alarnhäräh auf die
Vorzüge {guna's) bezogen wären ; dem ist aber nicht so, sie beziehen
sich natürlich auf die kävyadobhä. Nach Vämana nämlich sind die
alamkära's untergeordnete Eigenschaften des kävyam im Ver- s
gleiche zu den guna's, die die Hauptbedingung für den Stil bi-I..i.
welcher nach seiner Meinung die Seele der Poesie ist. Dandin
dagegen stellt guna's und alamkära's auf die gleiche Stufe als Eigen¬
schaften des poetischen Ausdrucks. Das ist der Zusammenhang und
so ist auch das Schema: rasa lo
t
gunäh
, t ■
alamkärah

(S. 801) zu verstehen. Daß auch andere Autoren z. B. Udbhata,


derselben Meinung waren, kann man unter anderem aus Alaipkära-
sarvasvam S. 7 folgern. 16

Zritiohiift der D. H. G. Bd. IiZIY.

übHi

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