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frauen-im-geteilten-deutschland
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Anna Kaminsky
Dr. Anna Kaminsky, Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-
Diktatur, Berlin
Der folgende Text entspricht einem leicht gekürzten Vortrag, den Dr. Anna Kaminsky, Geschäftsführerin der Bundesstiftung zur
Aufarbeitung der SED Diktatur, auf dem Symposium der Deutschen Gesellschaft e.V. „Frauen (be-)stimmen mit! – 1918 als
gesellschaftspolitische Zeitenwende“ am 27. September 2018 gehalten hat.
Viele Frauen im Westen bewunderten das, was ihre Geschlechtsgenossinnen im Osten durch den Staat zur Verfügung gestellt
bekamen: Selbstverständliche Berufstätigkeit sowie Kinderbetreuung und das ohne die Kämpfe, die die westdeutsche
Frauenbewegung auszufechten hatte.
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Für beide gewählten Zeitschriften gilt, dass sie Themen aufgriffen, die nah an der Lebenswelt ihrer Leserinnen waren.
Westdeutsche Frauenzeitschriften sahen ihre Aufgabe vor allem darin, ihre Leserinnen (und auch Leser!) zu unterhalten und
wie es in der ersten Ausgabe der Freundin 1948 hieß, ihnen „nach all den schweren Jahren […] freudigen Herzens ein bisschen
Sonnenschein in ihr Heim (zu) bringen“. Die Zeitschrift wollte „Ihre Freundin sein und Sorgen und Freuden mit ihnen teilen“. Die
DDR-Zeitschrift hatte ebenso wie ihre Vorgängerin Die Frau von heute eine andere Aufgabe: Sie sollte die Frauen weniger
unterhalten, sondern politisch bilden und erziehen. Das hieß vor allem, sie für die Politik der SED und die Berufstätigkeit zu
gewinnen. So nden sich beispielsweise 1968 vielfältige Aufforderungen an die Frauen, sich dafür einzusetzen, dass die DDR
völkerrechtlich anerkannt wird.
Daneben gab es in der Frauenzeitschrift der DDR Für Dich ebenso wie in den Frauenzeitschriften im Westen Ratgeberseiten,
Modestrecken und Kochrezepte. Gleich war auch in den Zeitschriften, dass ost- und westdeutsche Frauen mittels
Heiratsannoncen einen Partner fürs Leben oder die Freizeit nden konnten. Dabei suchten Frauen und Männer in Ost wie West
gleichermaßen nach der „Liebe und dem Glück fürs Leben“. Während Frauen in der DDR in den Annoncen oftmals beschrieben,
dass sie nach einer „großen Enttäuschung“ für sich und ihre Kinder einen neuen verständnisvollen Partner suchten, sind
partnersuchende Frauen im Westen Ende der 1960er Jahre zumeist kinderlos. Frauen aus Ost und West beschreiben sich als
gut verträglich, adrett, reizend und attraktiv und betonen, dass sie „keine Versorgung“ suchen. Männer in Ost wie West betonen
ihre wirtschaftliche Situation: Wohnung, gutes Einkommen und Auto werden in Ost wie West als Merkmale für eine gute Partie
angegeben.
In beiden deutschen Staaten ist das über die Zeitschriften transportierte Bild der modernen Frau ähnlich. Sie wird als jung,
frisch, fröhlich, mutig, gep egt, sportlich, aktiv – im Westen auch schon mal mit Zigarette in der Hand[2], als „schlank, schön,
gesund“ dargestellt. Während man sich im Osten über den westlichen „Twiggy“-Modeltyp, der Anfang der 1960er Jahre das
Modebild bestimmte, lustig machte und DDR-Werbung seit den 1950er Jahren angewiesen war, den Typ „Arbeiter- und
Bauernfrau“ als kräftiger gebaute Frau darzustellen – „denn den wollen unsere Frauen sehen“, entdeckte auch die
westdeutsche Freundin 1968 die „mollige Frau“. Sie erklärte ihren Leserinnen, dass Männer eigentlich mollige Frauen mögen
und sie sich keine Gedanken um ihre Figur machen sollten. In beiden deutschen Staaten bleibt das Modeideal auch Ende der
1960er Jahre jedoch die schlanke, junge Frau.
Zum 8. März, der in der DDR bereits seit 1947 als Internationaler Frauentag begangen wurde, ging es 1968 um den Kampf für
Selbstbestimmung und Menschenrechte. Womit jedoch nicht die Selbstbestimmung der Frauen in der DDR gemeint war,
sondern der antikoloniale und antikapitalistische Befreiungskampf und der Kampf zur Stärkung des Sozialismus. Der achte
März als Internationaler Frauentag spielte im Westen kaum eine Rolle. Zwar berichteten die Zeitungen im Westen am 8. März
1968 darüber, dass Frauen aller Altersgruppen für das Recht auf Abtreibung demonstrierten. Ein Vorgang, der für die DDR
undenkbar war – auch wenn dort ebenfalls viele Frauen illegal abtrieben und wie sich ab 1972 zeigte, dringend auf die
Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen warteten.
· Frauen fühlen sich zu schüchtern, beklagen ihr fehlendes Selbstbewusstsein und fragen, wie man damit umgeht
· Frauen erbitten sich Ratschläge bei der Erziehung und dem Umgang mit ihren Kindern: Wobei es in der DDR-Zeitschrift
vor allem um die Frage der Berufstätigkeit und mögliche schädliche Auswirkungen auf die Mutter-Kind-Beziehung ging
(was selbstverständlich verneint wurde). Während es sich im Westen darum drehte, wie man sein Kind gut erzieht, ihm
Nestwärme und Geborgenheit geben kann und beispielsweise durch die Wahl der richtigen Puppe, den Mädchen
frühzeitig das richtige Mutterbild vermittelt.[3]
Zugleich bringt die Freundin immer wieder Artikel, in denen betont wird, dass arbeitende Mütter gut für ihre Kinder sind und
ihnen ein gutes Rollenvorbild bieten.
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In Ost wie West gab es darüber hinaus durchaus spezielle Fragen. In der westdeutschen Freundin geht es zum Beispiel auf der
Frage- und Ratgeberseite mit dem Titel „Kein Fall ist aussichtslos“ um folgende Fragen und Probleme:
· Eine Frau darf nach der Scheidung ihr Kind nicht mehr sehen.
· Eine Frau war mit einem Mann in Afghanistan verheiratet, wo ein sehr veraltetes Frauen- und Familienbild herrsche und
es Probleme in der Ehe mit einem „Orientalen“ gebe, da in Afghanistan dem Artikel zufolge, der Mann über die Frau
bestimme und alles Eigentum der Frau dem Mann gehöre.
· Die Problematik unehelicher Kinder, die für Ost und West sehr unterschiedlich war: Während in der DDR unehelich
geborene Kinder ehelich geborenen Kindern gleich gestellt waren und gesellschaftlich auch keinen Makel mehr darstellen
sollten, sahen sich unverheiratete Mütter im Westen durchaus Diskriminierungen ausgesetzt. So wurde hier erst 1968 die
gesetzliche Gleichstellung von ehelichen und unehelichen Kindern beschlossen. Bis dahin galten unehelich geborene
Kinder als in keinem Verwandtschaftsverhältnis zu ihren Vätern stehend.
Im Westen hatte das 1957 verabschiedete „Gleichberechtigungsgesetz“ sowie das 1958 beschlossene Familiengesetzbuch die
Arbeitsteilung in der Ehe festgelegt: Berufstätigkeit war mit Zustimmung des Mannes möglich und soweit diese nicht die
Zuständigkeit der Frau für den Haushalt beeinträchtigte. Der Mann war für das Einkommen verantwortlich und galt als
Haushaltsvorstand. Erst 1977 wurde mit der Reform des Bürgerlichen Gesetzbuchs die so genannte Hausfrauenehe
abgeschafft und das Partnerschaftsprinzip eingeführt. Frauen wurden damit „geschäftsfähig“ und konnten selbst ihre
Arbeitsverträge abschließen oder ohne Zustimmung des Mannes ein Konto eröffnen. Interessant ist, dass die Freundin bereits
1968 immer wieder Frauen ermutigt, sich als Partnerinnen ihrer Männer zu verstehen und auf eine partnerschaftliche Ehe
hinzuarbeiten.
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In Ost wie West hatten Frauen das aktive und das passive Wahlrecht, wobei sie in beiden deutschen Staaten im politischen
Raum unterrepräsentiert waren. Während es in der DDR keine freien Wahlen gab und die Aufnahme in eine der „Einheitslisten“
von Parteigremien beschlossen wurde, waren es im Westen die männerdominierten Strukturen der Parteien, die den Aufstieg
von Frauen in politische Führungspositionen behinderten. In der DDR waren ca. 29,7 Prozent der Abgeordneten Frauen (die
Mehrzahl in der „Fraktion“ des Demokratischen Frauenbunds Deutschlands, kurz: DFD), im Westen nur 6,9 Prozent. Jedoch
wurde mit Annemarie Renger 1972 zum ersten Mal eine Frau Bundestagspräsidentin. In Ost wie West war Ende der 1960er
Jahre noch das Bild verbreitet, Frauen seien nicht für Leitungspositionen geeignet, da ihnen hierfür die nötigen Eigenschaften
fehlen würden. In einer Ende der 1960er Jahre von der Zeitschrift Für Dich durchgeführten Umfrage gaben Männer an, dass
„Frauen (…) zu wenig Selbstbewußtsein (hätten und) darum (…) nicht leiten" könnten. Die vor allem von Männern vorgebrachten
Argumente unterstellten Frauen, sie seien für Leitungsfunktionen nicht geeignet, weil sie nicht so leistungsfähig wie Männer
wären und neben einer Leitungsfunktion nicht auch noch in angemessener Weise den Haushalt versorgen könnten. Zudem
seien Männer zuverlässiger und würden nicht so oft „ausfallen“. Außerdem hätten Frauen weit weniger Verständnis für
komplizierte Probleme nicht nur in technischen, sondern auch in wirtschaftlichen Fragen. Diese Einschätzungen änderten sich
offenbar erst maßgeblich in den achtziger Jahren, wobei Frauen dennoch die Wege an die Spitze zumeist versperrt blieben.
Sicher dürften es nicht allzu viele Frauen wegen der anderweitigen Belastungen (Haushalt, lange Arbeitstage, Familie, Kinder,
für die die Zeit ohnehin kaum reichte) bedauert haben, dass sie zu den eigentlichen Macht- und Repressionszentren der SED-
Diktatur kaum Zugang hatten. Trotzdem war die geringe Präsenz von Frauen symptomatisch für die trotz aller
propagandistischen Beteuerungen nach wie vor voremanzipatorischen und paternalistisch geprägten Frauenbilder auch in der
DDR.
1961 waren in Ost wie West etwa 25 Prozent der Studenten Frauen, obwohl in Ost wie West etwa 35 Prozent der Abiturienten
Frauen waren. Für die DDR ist dieser relativ geringe Anteil insofern erstaunlich, da dort seit den 1940er Jahren massiv dafür
geworben wurde, dass Frauen ebenso wie Männer studieren oder eine Ausbildung absolvieren sollten. Mütter schienen ihren
Töchtern damals in Ost wie West eher davon abgeraten zu haben, zu studieren, denn – so die damals gängige Auffassung –
angeblich würden Männer Frauen, die ihnen überlegen seien, nicht mögen. Sowohl in der Für Dich als auch in der Freundin wird
die Angst, arbeitende Frauen könnten zu wenig „fraulich“ sein und Männer sie nicht mehr attraktiv nden, aufgegriffen.[5]
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So werden in der 1968 von der Freundin ins Leben gerufenen Aktion „Die beste Ehefrau“ Frauen präsentiert, die nicht dem
Klischee eines „Heimchens am Herd“ entsprechen, sondern moderne und selbstbewusste Frauen, die ihren Männern
Partnerinnen sind. Auch die in der Aktion „Der beste Ehemann“ gekürten Männer sind keine Paschas, die ihre Frauen als
Putzfrauen oder Köchinnen betrachten, sondern Männer, die sich als Partner erweisen und sich „auch nicht zu schade sind“ im
Haushalt zu helfen.
In Ost wie West werden in unterschiedlichem Umfang Berufe vorgestellt, die für Frauen in Frage kommen. Im Westen
entsprechen diese dem gängigen Bild: Sekretärin, Verkäuferin, Telefonistin, Vorführdame oder Mannequin und Buchhalterin. Im
Osten hingegen wurde dafür geworben, dass Frauen auch Männerberufe ergreifen sollten: Traktoristin, Ingenieurin,
Mechanikerin sollten Berufe wie Friseurin oder Verkäuferin ergänzen beziehungsweise ersetzen, denn wie Walter Ulbricht
schon 1964 verkündet hatte, könnte man den Sozialismus ja nicht nur mit Friseusen und Verkäuferinnen aufbauen
Anonyme Umfragen ergaben ein durchaus differenzierteres Bild: Eine Mehrzahl der Frauen gab an, dass sie vor allem arbeiten
würden, weil ein Verdienst für die Familien nicht ausreiche oder um sich als Familien mehr leisten zu können, die
Wohnungseinrichtung zu verschönern oder in den Urlaub zu fahren. Die Zurückhaltung von Frauen, sich enthusiastischer über
ihre Berufstätigkeit zu äußern, hatte vor allem mit der hohen Belastung zu tun, der berufstätige Frauen in der DDR ausgesetzt
waren. Viele Frauen klagten darüber, dass die versprochenen Erleichterungen bei Kinderbetreuung und Hausarbeit
unzureichend seien. Zudem seien die starren Arbeitszeiten und der sehr frühe Arbeitsbeginn, der in Regel bei 6 Uhr oder 6:30
Uhr lag, kaum mit den Öffnungszeiten der Kindergärten vereinbar. Sie müssten eine „zweite Schicht“ bewältigen und fühlten
sich oft „zweigeteilt“. Schaut man sich Arbeitszeiten im Beruf und die für den Haushalt aufzuwendenden Zeiten an, so
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verbrachten Frauen in der DDR pro Woche oft mehr Zeit damit, den Haushalt zu führen als ihrem Beruf nachzugehen. Dies hing
mit den Problemen bei der Versorgung der Bevölkerung mit Konsumgütern und Dienstleistungen ebenso zusammen, wie mit
den damit verbundenen oft langen Wartezeiten, dem Schlangestehen. Eine Mehrzahl der berufstätigen Frauen sprach sich
dafür aus, dass Frauen in Teilzeit arbeiten sollten, um allen an sie gestellten Anforderungen auch gerecht werden zu können.
Teilzeitarbeit gehörte jedoch nicht zu den politisch verfolgten Zielen in der DDR, auch wenn diese wegen der bekannten
Probleme und der begrenzten Möglichkeiten, die Probleme zu beheben, toleriert werden musste.
Da viele Frauen in der DDR dennoch über die Doppelbelastung – die „zweite Schicht“ – klagten, erteilte die Für Dich Rat: Es
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wurde durchaus zugegeben, dass die öffentlichen Dienstleistungen und die Ausstattung mit Haushaltsgeräten nicht
ausreichend seien, um „die Arbeitskraft von Frauen nicht zu vergeuden“. Dennoch wurde den Frauen mit auf den Weg gegeben,
dass sie ihre Ansprüche reduzieren könnten, denn man müsste nicht vom Boden essen können. Frauen wurde zudem erklärt,
dass sie an ihrer Überlastung teils selbst schuld seien, da sie zum Beispiel zu viel Zeit für über üssige Arbeiten wie die
Nutzung von Tischdecken oder das Eindecken des Tisches aufwenden würden. Auch das Selberkochen wird in die Kategorie
unnütze Hausarbeit gesteckt: Wenn die Familien die Schul- und Betriebsspeisung nutzen würden, würden Frauen sehr viel Zeit
sparen und so ihre Belastungen verringern.
Auch im Westen ist Hausarbeit ein Thema. Hier allerdings weniger, um Frauen in die Berufstätigkeit zu bringen, sondern um
den Verkauf neuer Geräte anzukurbeln und Frauen die Arbeit zu erleichtern. Während in der DDR immer wieder über die
Erleichterungen in der Hausarbeit geschrieben und diese angekündigt werden, gehören moderne Haushaltsgeräte und
Dienstleistungen im Westen 1968 zum Alltag.
In beiden Staaten wendet sich die Werbung für Haushaltsgeräte Ende der 1960er Jahre auch den Männern zu. Männern war in
der DDR seit den 1950er Jahren versprochen worden, dass die Berufstätigkeit ihrer Frauen keine Beeinträchtigung ihrer
häuslichen Bequemlichkeit bedeuten würde. Ihnen war versprochen worden, dass sie nur Vorteile haben würden, wenn ihre
Frauen mitarbeiten würden: Die Familien hätten mehr Einkommen, um sich Dinge zu kaufen. Durch die Mitarbeit (sic) der
Frauen würde zudem das Warenangebot größer werden. Und da die Frauen bei Hausarbeit und Kindererziehung entlastet
würden, hätten die Männer auch nicht zu befürchten, dass sie mehr im Haushalt helfen müssten. Für den Schnellkochtopf
wurde zum Beispiel damit geworben, dass sich in diesem das Essen quasi von allein koche, es werde geradezu veredelt, so
dass der Mann, wenn er abends nach Hause kommen würde, gar nicht bemerken würde, dass seine Frau nicht den ganzen Tag
am Herd gestanden hätte. Da die versprochenen Erleichterungen jedoch auf sich warten ließen und die Überlastung vieler
Frauen immer offensichtlicher wurde, griff man in der DDR darauf zurück, Männer stärker zu motivieren. „Meine Frau hat das
gleiche Recht auf Freizeit wie ich“, lautete eine Werbekampagne.
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[14]
Auch im Westen lässt sich 1968 eine veränderte Einstellung zur Scheidung erkennen. Die Freundin ermutigte ihre Leserinnen,
eine Berufsausbildung zu beenden und diese nicht mehr nur als Überbrückung bis zu einer Eheschließung zu begreifen,
sondern sie auch im Hinblick auf das mögliche Scheitern einer Ehe und eine höhere Unabhängigkeit zu sehen. Frauen wurden
unter dem Titel „Nach der Scheidung lebt sich’s besser“ darin bestärkt, eine unerträgliche Ehe nicht aus Angst vor dem
Getuschel der Nachbarn aufrecht zu erhalten, sondern eine Ehe anzustreben, in der sie als Partnerin des Mannes anerkannt
würden. Besonderer Wert wurde darauf gelegt, dass Männer sich partnerschaftlich verhalten sollten. Unter dem Titel
„geschiedene Frauen sind die besten“ bestärkte die Zeitschrift Frauen in ihrem Selbstbewusstsein und versuchte den Makel
„eine Geschiedene“ zu sein, zu mildern. Zugleich warnte die Freundin ihre Leserinnen vor einem zu sorglosen Umgang mit einer
Ehe. Fast ein Drittel der jungen Frauen würden bereits vor der Ehe ein Scheitern derselben einrechnen – nach dem Motto:
„Wenn es halt nicht klappt, dann lassen wir uns eben wieder scheiden.“[15]
Der Berliner Tagesspiegel stellte im Sommer 1968 teils bewundernd fest, dass man junge Frauen und Männer kaum mehr
voneinander unterscheiden könne, denn „beide tragen lange Haare und lange Hosen“.[17] Im gleichen Artikel wurde konstatiert,
dass junge Frauen zunehmend zu Partnerinnen und Gefährtinnen der Männer werden würden. Dabei seien es insbesondere
zwei Faktoren, die „der jungen Frau heute das selbstbewußte Gefühl geben, Partner zu sein.“ Aufgeführt werden dabei die gute
Schul- und Ausbildung sowie die damit verbundene Möglichkeit der Berufstätigkeit und die Chance, Geld zu verdienen sowie
die Unabhängigkeit durch die Pille. Fragen der sexuellen Befreiung, wie sie oft als bestimmendes Thema der 68er West
angesehen werden, waren damals nur für eine kleine Minderheit bestimmend. Die Mehrheit der Frauen kämpfte mit der
Unsicherheit über eigene Entscheidungen: Sollten sie weitere oder überhaupt Kinder bekommen? Sollten sie arbeiten gehen?
Würden sie dazu auch von ihren Fähigkeiten her in der Lage sein?
In der DDR wurde die so genannte „Wunschkindpille“ erst 1968 o ziell zugelassen. Auch dort stellten sich Frauen ähnliche
Fragen wie Frauen im Westen. Dabei fürchteten sich DDR-Frauen bereits Ende der 1960er Jahre weniger davor, ein uneheliches
Kind zu bekommen, denn diese waren in der DDR bereits in den 1950er Jahren ehelich Geborenen gleichgestellt worden. Mit
der Liberalisierung der Familien- und Ehepolitik nahm die Zahl der Kinder zu, die von ledigen Müttern geboren wurden. Die Zeit
schrieb dazu Anfang der 1970er Jahre, dass es bei Frauen in der DDR offenbar zum guten Ton gehöre, ein uneheliches Kind zu
haben.[18] „Darüber hinaus galt jedoch, daß die junge Frau in der DDR sich ihren Kinderwunsch erfüllen konnte, unabhängig
von der Stabilität ihrer Partnerbeziehung oder auch ohne den Kindsvater in ihre Zukunft einzubeziehen. Sie konnte sich dabei
der moralischen Toleranz/Vorurteilslosigkeit durch die Öffentlichkeit und der ökonomischen Unterstützung durch den Staat
sicher sein und war nicht von Arbeitslosigkeit bedroht“.[19]
Frauen in Ost wie West waren Ende der 1960er Jahre bei der Geburt des ersten Kindes in etwa gleich alt: 22 bis 23 Jahre,
wobei Frauen in der DDR ihr erstes Kind in der Regel mit 21,4 Jahren, Frauen im Westen mit 23,1 Jahren bekamen. Dies
entsprach auch in etwa dem Unterschied beim Heiratsalter: Frauen in der DDR heirateten in der Regel anderthalb Jahre früher
als ihre westdeutschen Altersgenossinnen. Noch 1973 gaben 63 Prozent der ostdeutschen Frauen an, dass sie heiraten
würden, um in materieller Sicherheit zu leben. Die Begründung für die früheren Eheschließungen lassen sich in der
Wohnungsnot der DDR nden: Erst eine Heirat und Kinder ermöglichten es vielen Paaren in eine eigene Wohnung zu ziehen
beziehungsweise überhaupt eine Chance zu haben, eine solche zu bekommen. Für westdeutsche Frauen konstatierte eine
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Studie, aus der die Freundin 1968 zitierte, dass viele junge Frauen zu früh heiraten würden, weil sie sich der Kontrolle durch die
Eltern entziehen möchten.
Dennoch haben es die DDR-Frauen nach 1989 wegen ihrer selbstverständlichen Art, Beruf, Kinder und Familie unter einen Hut
zu bringen zu Vorbildern einer gelungenen Emanzipation gebracht: Das Beste in der DDR seien die Frauen hieß es. Im Westen
genoss die DDR-Frau einen fast legendären Ruf: Frauen im Osten galten als quali zierter, ihre selbstverständliche
Berufstätigkeit wurde bewundert. Trotz aller Gleichberechtigung und Berufstätigkeit seien Ostfrauen aber weiblich geblieben:
Den Haushalt meisterten sie quasi nebenher, sie würden Männer nicht als ihre Feinde ansehen und seien umgänglich. Das
gelungene Bild für eine vermeintlich schmerzlose Emanzipation. Während bis 1989 im Westen Frauen aus der DDR vor allem
positiv betrachtet wurden, fanden sie sich nach 1989 plötzlich zwischen verschiedenen ideologischen Fronten wieder:
„Gegenseitige Vorurteile, Arroganz, unterschiedliche Lebensweisen, Stellung von Mann und Frau in der Gesellschaft,
Erfahrungen, Bildung, Wertvorstellungen, ja, schon die sehr unterschiedlich ausgeprägte Kultur des Zuhörens und Eingehens
auf den Gesprächspartner verhindern oftmals das gegenseitige Verständnis“, konstatierte Sonja Ryll im Rückblick auf das
erste Aufeinandertreffen von Frauen aus Ost und West.
Für die meisten ostdeutschen Frauen bedeutete der Untergang der DDR, dass sie sich Vorwürfen zu ihrem Selbstbild und ihrem
Rollenverständnis ausgesetzt sahen. Beides hatte mit ihren Erfahrungen und den Herausforderungen der Umbruchszeit nach
1989, die für viele mit dem Verlust des Arbeitsplatzes verbunden war, nur wenig gemein: „Zu meinem Mosaik gehört die Masse
der Frauen, die schnell und deutlich erkannt hat, daß sie mit der DDR ihren Arbeitsplatz, die gesellschaftliche Kindererziehung,
die bezahlbare Wohnung, das sichere Umfeld, ihre Stellung in Familie und Gesellschaft verliert.“[22]
Zwar wünschten sich zu DDR-Zeiten viele Frauen Erleichterungen bei der Bewältigung des täglichen Spagats zwischen voller
Berufstätigkeit, Haushalt, Kinderbetreuung und Familie. Einen vollständigen Rückzug aus dem Arbeitsleben konnten sich
jedoch die wenigsten vorstellen. Es kommt nicht von ungefähr, dass Frauen vor dem Hintergrund ihrer individuellen
Umbruchserfahrungen unmittelbar nach 1990 an der DDR vor allem die Möglichkeiten der Teilhabe und Gleichberechtigung in
ökonomischen Fragen als besonders positiv erinnerten.[23] Längerfristig meisterten Frauen die mit der Umgestaltung
einhergehenden Herausforderungen besser als viele Männer und besser, als ihnen zugetraut wurde. Umfragen zufolge gaben
1996 77 Prozent der Befragten an, dass sich mit der deutschen Einheit insbesondere die Situation für Frauen aus der DDR
verschlechtert habe. Sie galten lange als die Verliererinnen der „Wende“. Frauen selbst jedoch sahen ihre Position weit
positiver: 81 Prozent empfanden ihre Situation als besser als zu DDR-Zeiten.[24]
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Fußnoten
1. Die „Freundin“ wurde 1948 im Burda-Verlag gegründet und war nur eine unter vielen westdeutschen Frauenzeitschriften. Die „Für Dich“ war
die Nachfolgerin der einzigen DDR-Frauenzeitschrift „Die Frau von heute“, die von 1946 – bis 1961 erschien. Ab 1962 erschien dann die
„Für Dich“ bis 1991. Neben der Für Dich als Frauenzeitschrift gab es in der DDR noch Modezeitschriften wie bspw. die PRAMO, die Sibylle
oder die Modischen Maschen. Während die Für Dich wöchentlich erschien, hatte die westdeutsche Freundin eine zweiwöchentliche
Erscheinungsweise
2. Models mit Zigarette bspw. in Freundin Heft 3/1968.
3. Freundin Nr. 21/1968
4. Vgl. Franka Schneider „Ehen in Beratung“, in: Kaminsky, „Heimkehr“ München 1998, S. 192 – 217.
5. Vgl. Freundin Heft 4/1968, S. 48 (Frau Vera antwortet);1968 legten jeweils weniger als zehn Prozent der ost- und westdeutschen Schüler
das Abitur ab, davon waren etwa 60 Prozent Jungen und 40 Prozent Mädchen. Im Westen waren etwa 40 Prozent der Studierenden. In der
DDR waren es über 45 Prozent, ein Wert der bis Anfang der 1970er Jahre auf über 50 Prozent stieg.
6. Tagesspiegel vom 4.8.1968, S. 35.
7. Freundin Heft 1/1968, S. 38
8. Freundin Heft 4/1968, S. 95.
9. Vgl. FAZ vom 02.01.1968, S. 18.
10. Ebd.
11. Sibylles Modelexikon, 1968, S. 22.
12. Statistisches Jahrbuch der DDR, Bd. 1992, S. 64, 74, 84–86.
13. Leidet die Liebe unter der Berufstätigkeit? In: Berliner Zeitung, 19.8.1973, S. 11.
14. Ebd.
15. Freundin Heft 4 vom 26.3.1968 Wenn‘s nicht mehr geht: Scheidung.
16. Freundin Nr. 5/1968 Thema „Die Pille und die Moral“.
17. Tagesspiegel vom 4.8.1968, S. 35.
18. Sex in der DDR. Das uneheliche Kind gehört zum guten Ton. In: Die Zeit vom 4.8.1972.http://www.zeit.de/1972/31/das-uneheliche-kind-
gehoert-zum-guten-ton/komplettansicht.
19. Uta Schlegel: Geschlechter- und Frauenforschung in der DDR. In: Das Zentralinstitut für Jugendforschung Leipzig 1966–1990. Geschichte,
Methoden, Erkenntnisse. Hrsg. von Walter Friedrich. Berlin 1999, S. 383.
20. Zitiert nach Gerda Weber: Moderne Frau – moderne Ehe. In SBZ-Archiv August 1964, S. 324.
21. Zwischen 1990 und 1994 sank sie sogar auf 0,77 Kinder pro Frau.
22. Sonja Ryll: Frauenbilder gestern und heute, 9.2.2002. http://www.likedeeler-online.de/Like/vor2004/ausgabe4/like_aus4_frauen.htm.
23. Uta Schlegel, Gleichberechtigung der Geschlechter in der DDR. Mythos und Realität. In: Ansichten zur Geschichte der DDR. Band 8/2., hrsg.
von Ludwig Elm, Bonn/Berlin 1997, S. 206.
24. Allensbacher Jahrbuch für Demoskopie. Bd. 10: 1993 – 1997. München 1997, S. 602.
https://www.bpb.de/geschichte/zeitgeschichte/deutschlandarchiv/286988/verordnete-emanzipation-frauen-im-geteilten-deutschland 10/10