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Auf Fontanes Spuren zwischen Friedrichstraße und Alexanderplatz

Bevor wir unseren Spaziergang am Bahnhof Friedrichstraße beginnen, schauen wir kurz zur
Weidendammer Brücke.
Sie hatte für Theodor und Emilie eine besondere Bedeutung :
Nach einer Geburtstagsfeier brachte Fontane, er arbeitete damals in der in der Nähe
befindlichen Schachtschen Apotheke, Emilie nach Haus. Dazu heißt es in seinen
Erinnerungen „Von Zwanzig bis Dreissig“ :

„Der noch zurückzulegende Weg war nicht sehr weit, aber auch nicht sehr nah: die ganze
Friedrichstraße hinunter bis ans Oranienburger Thor und dann rechts in die spitzwinklig
einmündende Oranienburgerstraße hinein, wo die junge Dame in einem ziemlich hübschen,
dem großen Posthof gegenübergelegenen Hause wohnte.“
Kurz vor der Weidendammer Brücke kam ihm „der glücklichste Gedanke meines
Lebens“ und als sie die Brücke überquert hatten, waren Emilie und Theodor verlobt. Dies
war am 8.12.1845.

Wir passieren nun den Tunnel unter den Bahngleisen, nach 4-jähriger Bauzeit wurde der
Bahnhof im Jahre 1882 eröffnet. Bedeutung erlangte er auch durch einige von Fontanes
Romanen.
In „Effi Briest“ lässt er Effi mit dem Zug aus Kessin hier am Bahnhof ankommen. Sie
besucht ihre Mutter, die sich wegen einer Augenbehandlung in Berlin aufhält und da
Innstetten an das Innenministerium berufen wurde, ist sie nun auf Wohnungssuche.
Die Titelheldin aus „Mathilde Möhring“ kehrt nach ihrer kurzen Ehe mit Hugo Grossmann
(auch er kam dort an, bevor er sich als Untermieter bei den Möhrings einmietete) aus dem
kleinen Städtchen Woldenstein nach Berlin zurück und kommt ebenfalls am Bahnhof
Friedrichstraße an.

Wir haben nun das Bahnhofsgebäude im Rücken und sehen rechter Hand ein Denkmal. Es
stellt einen Kindertransport dar. 1938/39 fuhren von hier und von anderen Bahnhöfen
Berlins 10000 jüdische Kinder nach London und wurden somit vor Verfolgung gerettet.
2008 wurde das Denkmal eingeweiht.

Wir befinden uns hier in der Georgenstrasse. In dem Gebäude Georgenstr. / Ecke
Friedrichstraße, etwa dort wo sich z. Zt. das Eiscafé Bandy Brooks befindet, siedelte
Fontane seinen Roman „Mathilde Möhring“ an. Hier lebt die Titelheldin allein mit ihrer
verwitweten Mutter. Fontane beschreibt das Gebäude als ein Palais mit kleinen Balkonen
und kleinen Läden. Hugo Grossmann geht an seinem ersten Abend in die Gaststätte
„Franziskaner“ hinüber, die sich in den S-Bahn-Bögen befand und seit 1990 hat die
„Nolle“ (einst am Nollendorfplatz) hier ihren Sitz.

Wir setzen nun unseren Weg fort und laufen, an Rossmann vorbei, die Friedrichstraße in
Richtung Unter den Linden. Wir überqueren die Dorotheenstraße, sehen links das
Kulturkaufhaus Dussmann und laufen weiter bis zur Querstrasse Mittelstrasse. In diesem
Eckhaus befand sich seit dem 18. Jahrhundert die Polnische Apotheke. Über den Arkaden ist
der Name der Apotheke zu sehen. Seit 1833 war sie im Besitz der Familie Schacht. Vom
Juni 1845 – Juni 1846 arbeitete Fontane als Apothekergehilfe beim Medizinalrat Julius
Schacht. Während dieser Zeit war Friedrich Witte Lehrling an dieser Apotheke. Er heiratete
die Tochter Anna Schacht. Die Ehepaare Fontane und Witte blieben zeitlebens
freundschaftlich verbunden. Wie eingangs schon erwähnt, fand auch während dieser Zeit die
Verlobung von Fontane und Emilie statt.Das Gebäude musste 1898 einem Neubau weichen,
der aber noch heute steht.

Wir nähern uns nun der Straße Unter den Linden und halten kurz an der Ecke inne. Wenn
wir nach rechts die „Linden“ hinunter schauen, können wir ein paar Häuser weiter in
Richtung Brandenburger Tor ungefähr die Stelle ahnen, wo sich das Restaurant Hiller
befand. Das Gebäude wurde im 2. Weltkrieg zerstört. Aber es lebt in der Literatur weiter. So
in „Irrungen, Wirrungen“. Botho Rienäcker wurde von seinem Onkel Osten zu einem
Frühstück eingeladen. Bei Hummer und Chablis versucht der Onkel Botho zu einer Heirat
mit Käthe von Sellenthin zu überreden.
Auch Effi und ihr Mann Instetten genießen hier ein Essen nach ihrem Umzug aus Kessin
mit Effis Neffen Dagobert.
In „Mathilde Möhring“ siedelt Fontane ebenfalls ein Essen an : in der Velobungswoche von
Mathilde und Hugo. Später sagt Mathilde über diese Gaststätte, die „….beinah über unseren
Stand und unsere Verhältnisse...“ war.

Wir schauen nun über die Linden hinweg. Wo Sie das Hotel Westin Grand sehen, befand
sich von 1832 bis zur Zerstörung 1944 das Café Kranzler. Effi besuchte das Café mit ihrer
Mutter, um während ihres Berlin Aufenthaltes für ihre bevorstehende Hochzeit einzukaufen.
Gewohnt haben sie im Hotel du Nord, darauf weise ich später hin.
Fontane schildert in seinen Erinnerungen eine Begebenheit mit Theodor Storm : nach einem
Tiergartenspaziergang wollte er ihn in seine Wohnung einladen, aber Storm wollte ins
“Kranzler“
„Ich bekenne“, schreibt Fontane, „daß ich ein wenig erschrak. Storm war wie geschaffen
für einen Tiergartenspaziergang an dichtbelaubten Stellen, aber für Kranzler … „. Er
genierte sich ein wenig mit dessen merkwürdiger Kleidung und einem Schal, der in zwei
Strippen mit Puscheln hin und her pendelte.

Gegenüber, Sie sehen das Volkswagen Group Forum, befand sich seit 1877 das Café Bauer.
Im 2. Weltkrieg zerstört, entstand an der Stelle in den 60iger Jahren das Lindencorso. Auch
hier ließ Fontane Effi einkehren.

Wir wenden uns nun nach links und gehen die Linden entlang, überqueren die
Charlottenstraße und halten kurz an der Staatsbibliothek Unter den Linden 8. Nach
jahrelanger Sanierung wird sie nun in absehbarer Zeit eröffnet. Wir können aber schon in
den Brunnenhof sehen, der schon jetzt einen künftigen lauschigen Platz erkennen lässt.
An dieser Stelle stand bis 1903 die Akademie der Künste. Im März 1876 trat Fontane hier
eine Stelle als 1. Sekretär an, eine Arbeit, die ihn nicht ausfüllte und deshalb zwei Monate
später wieder kündigte. Im Oktober schied er offiziell aus und widmete sich fortan seiner
schriftstellerischen Laufbahn.
Das Areal zwischen Unter den Linden und Dorotheenstraße wurde ab Ende des 17.
Jahrhunderts mehrfach durch Umbauten verändert. Nach einem Plan von Schinkel wurden
in der Mitte des 19. Jahrhundert erneut Königliche Ställe errichtet, erweitert durch die dritte
Schwadron des Regiments Garde du Corps. Im Fontane-Blatt Nr. 105 lüftete Dr. Kleine das
Geheimnis um „Bothos Dienstverhältnis“, das Fontane in „Irrungen, Wirrungen“ nicht
deutlich benennt. Es handelte sich um diese Kaserne.
1903 zog die Akademie der Künste an den Pariser Platz und im Jahre 1914 wurde die
Preußische Staatsbibliothek eröffnet. Heute ist es das Haus 1 der Staatsbibliothek
Preußischer Kulturbesitz. Haus 2 befindet sich am Potsdamer Platz.

Schräg gegenüber sehen Sie hoch zu Ross das Denkmal Friedrich II von Friedrich Christian
Rauch. Am 31.5.1851 zum 111. Jahrestag seiner Thronbesteigung wurde das Denkmal
enthüllt.
Zur Enthüllungsfeier hat Fontane ein Gesicht verfasst:
Bist endlich da! Gott sei's geklagt,
Hast lange warten lassen;
Nun lehr' uns wieder, unverzagt
Den Feind beim Schopfe fassen,
Den Feind in Ost, den Feind in West,
Die Feinde drauß und drinnen,
Zerreiß die Netze dicht und fest,
Womit sie uns umspinnen.
Im Sockel sind 74 bedeutende Personen aus der Zeit und dem Umfeld Friedrich des Großen.
Schaut man sich die Namen an, so findet man viele von ihnen in Fontanes Werken wieder.
Nach Jahren des Schattendaseins steht es seit 2000 wieder an alter Stelle.

Wir schauen nun hinüber auf die andere Straßenseite : etwa an der Stelle, wo sich das reich
verputzte Bankhaus befindet, stand das bereits erwähnte Hotel Du Nord.

Wir laufen nun weiter zur Humboldt-Universität. Sie war einst das Palais des Prinzen
Heinrich, einem Bruder Friedrich II. Friedrich Wilhelm III. gründete 1809 die Friedrich-
Wilhelm-Universität, die 1946 in Humboldt-Universität umbenannt wurde.
1895 trug man Fontane die Ehrendoktorwürde an, die er auch gern annahm – auch als
Nichtakademiker.
Immer wieder ist die Uni auch Standort von Fontaneveranstaltungen, so wie im Sommer
2019 die Ringvorlesung.
Auf dem linken Sockel ist ein Denkmal Wilhelm von Humboldts zu sehen und aus dem
rechten Alexander von Humboldt.

Auf der anderen Straßenseite sehen wir die Staatsoper. Das ehemalige Opernhaus wurde
zwischen 1741 und 1743 von Knobelsdorff errichtet. Fontane besuchte die Oper eher selten,
dafür Emilie. Gemeinsam mit den Kindern sah sie „Figaros Hochzeit“.

Im rechts danebenstehenden barocken Gebäude befand sich die Alte Bibliothek.


Auftraggeber war Friedrich der Große. Über dem Portal steht „nutrimentum spiritus“ (der
geistigen Nahrung). Der alte Fritz wollte mit dieser Gründung die Literatur dem Bürgertum
zugänglich machen.
Auch Fontane war Leser dieser Bibliothek. 1914 zogen die Bestände in das
gegenüberliegende neue Gebäude. Heute wird das Gebäude, auch Kommode genannt, von
der Humboldt-Universität genutzt

Der Platz zwischen Kommode und Staatsoper ist der Bebelplatz. Auf dem damaligen
Kaiser-Franz-Josef-Platz wurden am 10.5.1933 20000 Bücher jüdischer und
kommunistischer Autoren verbrannt.1995 wurde ein unterirdisches Denkmal errichtet
Wir laufen nun weiter und halten kurz an der Neuen Wache. Das Gebäude wurde von
Schinkel in den Jahren 1816-18 als Wache für das gegenüberliegende Schloss errichtet.
1844/45 leistete Fontane sein freiwilliges Militärjahr beim Kaiser Franz
Gardegrenadierregiment. Im Mai 1844 besuchte ihn, während eines Dienstes an der Wache,
sein Neuruppiner Schulfreund Hermann Scherz. Er lud ihn spontan zu einer 14-tägigen
Reise nach London ein. Zwei weitere, längere Aufenthalte folgten.
Während die Neue Wache in der DDR – Zeit Mahnmal für die Opfer des Faschismus und
Militarismus wurde ist sie heute Gedenkstätte der Bundesrepublik Deutschland für die
Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft.

Hier überqueren wir die Linden, dann die Oberwallstrasse und gelangen an einer Baustelle
und einem Stück der Spree entlang zum Schinkelplatz. An dieser Stelle und auf dem Platz
der ehemaligen von Schinkel entworfenen Bauakademie stand von 1967-1990 das
Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten. 1996 wurde mit einer Umgestaltung des
Platzes begonnen. Heute sehen wir die Denkmale von Karl Friedrich Schinkel, Peter
Christian Wilhelm Beuth und Albrecht Thaer. Von ihnen können wir in Fontanes
Wanderungen lesen.

Wir gehen den Platz weiter geradeaus, sehen links ein Stück roten Backstein der ehemaligen
Bauakademie und am Ende, kurz vor Erreichen des Werderschen Markes, sehen wir rechts
die Friedrichswerdersche Kirche. Seit Ende Oktober ist sie wieder für Ausstellungen
geöffnet. Auch sie ist ein Schinkelbau, fertiggestellt 1831.

Wir überqueren nun den Werderschen Markt und die folgende Schleusenbrücke. Links ist
das ehemalige Schloss, nun Humboldt-Forum nicht zu übersehen. Das Schloss hat eine
wechselvolle Geschichte : aus einer mittelalterlichen Burg im 15. Jahrhundert, entstand im
16. Jahrhundert ein Renaissanceschloss, das im 17./18. Jahrhundert durch Andreas Schlüter
eine barocke Gestalt erhielt. Bis auf verschiedene kleinere Veränderungen behielt das
Schloss sein Äußeres bis zur Zerstörung im 2. WK. 1950 wurde es gesprengt und in den
70iger Jahren etwa an dieser Stelle der Palast der Republik errichtet.
Im 3. Band von „Vor dem Sturm“, Kapitel „Alt-Berlin“ setzt Fontane dem Schloss ein
literarisches Denkmal : Berndt von Vitzewitz ist im Hotel „König von Portugal“, auf der
anderen Seite der Spree abgestiegen. Er „trat an das Fenster und sah geradeaus über den
Fluß hin, auf die gothischen, im hellen Morgenschein erglänzenden Giebel des hier noch
mittelalterlich gebliebenen Schlosses.“
Noch eine kleine Anmerkung zum Schloss : Der Grundstein der Staatsbibliothek wurde im
Berliner Schloss gelegt. Etwa 100 Jahre, von 1661 bis zu Ihrem Umzug in die Kommode
(1784) war sie im ehemaligen Apothekerflügel (Lustgartenseite) untergebracht.

Wir gehen am Schloss und an der Hochschule für Musik vorbei und gelangen zur
Rathausbrücke, früher Königsbrücke. Ebenso hieß die folgende Rathausstraße von 1701 –
1951 Königsstraße. In „Vor dem Sturm“ heißt es : „Das Haus, das der Geheimrat von
Ladalinski bewohnte, lag in der Königstraße, der alten Berliner Gerichtslaube gegenüber“.

Auf der anderen Straßenseite gehen wir zur Spree hinunter und sehen zu unserer Linken die
moderne Fassade des Humboldt-Forums. Hier verlief einst die Burgstraße : von der heutigen
Rathausstraße bis zur heutigen Anna-Louisa-Karsch-Straße. In dieser Straße stand das schon
erwähnte Hotel „König von Portugal“ (Lessing nannte es in seiner „Minna von
Barnhelm“ „König von Spanien“). In der Nummer 18 lebte Fontane bei seinem Onkel
August und besuchte von hier die Klödensche Gewerbeschule in der Niederwallstraße.
In seinen Erinnerungen heißt es aus dieser Zeit „An Sommerabenden lagen wir hier im
Fenster und sahen die Spree hinauf und hinunter. Es war mitunter ganz feenhaft, …… In
dem leisen Abendnebel stieg nach links hin das Bild des Großen Kurfürsten auf und dahinter
das Schleusenwerk des Mühlendamms, gegenüber aber lag das Schloß mit seinem ‚Grünen
Hut‘ und seinen hier noch vorhandenen gotischen Giebeln, während in der Spree selbst sich
zahlreiche Lichter spiegeln“.

Wir sind jetzt in der Liebknechtstraße angekommen und gehen weiter nach rechts zur
Ampelkreuzung, die wir zur Spandauer Straße überqueren. Kurz vor dem Ende der Straße
(Anna-Louisa-Karsch-Strasse), an der Ecke Heidereutergasse (jetzt steht dort ein
Häuserkomplex) befand sich die Apotheke von Wilhelm Rose „Zum Weißen Schwan“. Am
1.4.1836 begann Fontane hier seine Lehre als Apotheker. Während dieser Zeit begann er mit
seinen ersten schriftstellerischen Versuchen.

Wir gehen wieder zurück zur Liebknecht Straße, überqueren sie und erblicken das Luther-
Denkmal und die im Boden eingelassene Markierung des ehemaligen großen
Lutherdenkmals.

Damit sind wir am Ende unseres Spazierganges angelangt. Am Fernsehturm vorbei haben
Sie den Bahnhof Alexanderplatz erreicht.

Sie können diesen Spaziergang gern persönlich unternehmen oder sich die Örtlichkeiten
auch auf dem heimischen Sofa vorstellen.

Dabei wünscht Ihnen viel Freude

Ihre Barbara Münzer


November 2020,

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