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I Grundlagen

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Unternehmenskultur in der Praxis : Grundlagen - Methoden - Best Practices, edited by Josef Herget, and Herbert Strobl, Springer
Fachmedien Wiesbaden GmbH, 2017. ProQuest Ebook Central, http://ebookcentral.proquest.com/lib/fh-burgenland/detail.action?docID=5113055.
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Unternehmenskultur – Worüber reden wir?

Josef Herget und Herbert Strobl

Zusammenfassung
Warum ist die Beschäftigung mit der Unternehmenskultur wichtig? Welche Funktion
erfüllt die Unternehmenskultur in Organisationen? Was versteht man überhaupt unter
einer Unternehmenskultur? Welche Bedeutung nimmt sie ein im Kanon der Manage-
mentmodelle, -methoden und -instrumente? Welche Modelle zur Beschreibung von
Unternehmenskulturen wurden entwickelt? Welche Ansätze zur Messung und Diag-
nose gibt es? Mit welchen Maßnahmen lässt sich die Unternehmenskultur entwickeln?
Dieser Beitrag gibt auf diese zentralen Fragestellungen eine Antwort und führt so in das
Themengebiet der Unternehmenskultur ein. Die Vielschichtigkeit des Themas verlangt
nach Fokussierung: die Unternehmenskultur wird als ein betriebswirtschaftliches Phä-
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nomen verstanden, das einer Analyse, Gestaltung und Entwicklung offensteht. Diese
pragmatische Sichtweise eröffnet einen Zugang, der es Führungskräften und Beratern
ermöglicht, Unternehmenskultur als das veränderungs- und anpassungsfähige Innen-
leben von Organisationen zu begreifen verbunden mit der Möglichkeit, Interventionen
zu entwickeln, um zu einer gewünschten Unternehmenskultur zu gelangen.

J. Herget (*)
Excellence Institute – Research & Solutions, Leonard-Bernstein-Str. 8/2/26.11,
1220 Wien, Österreich
e-mail: josef.herget@excellence-institute.at
H. Strobl
coaching & consulting mit system, Leopoldstr.64, A-3400 Klosterneuburg, Österreich
e-mail: office@herbertstrobl.cc; www.herbertstrobl.cc

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J. Herget, H. Strobl (Hrsg.), Unternehmenskultur in der Praxis,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-18565-7_1
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4 J. Herget und H. Strobl

1 Unternehmenskultur? Unternehmenskultur!

Kaum ein Managementbegriff wird so gerne und häufig in den Mund genommen wie
Unternehmenskultur. Über die Bedeutung der Unternehmenskultur als zentralen Faktor
erfolgreicher Unternehmen ist man sich schnell einig und dessen bereits seit Langem
auch bewusst. Seit Jahren rangiert Unternehmenskultur in diversen Studien ganz oben
als eines der wichtigsten Themen der Unternehmensführung. So halten aktuell 47 % von
Entscheidern in deutschsprachigen Ländern die Weiterentwicklung der Unternehmens-
kultur für das Top-Thema (Hays 2017, S.  10). Eine Untersuchung von Deloitte (2016)
zur Bedeutung von Trends des Humankapitals illustriert das noch deutlicher: 82 % der
befragten Manager betrachten Unternehmenskultur als potenziellen Wettbewerbsfaktor.
Seit nun fast 40  Jahren steht die Unternehmenskultur im Fokus wissenschaftlicher und
praktischer Betrachtung. Zeit genug, möchte man meinen, alle Facetten des Konzeptes
ausgeleuchtet und für die Praxis bestens instrumentalisiert zu haben. An Popularität des
Begriffes im Sprachgebrauch mangelt es jedenfalls nicht. Damit korrespondierend liegt
es nahe, den Begriff Unternehmenskultur für alles und jedes in Anspruch zu nehmen – er
ist ja so herrlich unverbindlich. Der Interpretationsspielraum des Begriffes scheint groß,
die Zuständigkeit gemeinschaftlich und so lässt sich auch die Verantwortung vor allem
für Misserfolge gerne auf eben die Unternehmenskultur schieben, für die man ja nicht
(alleine) verantwortlich ist. Das semantische Potenzial des Begriffes ist gewaltig.
Gleichzeitig ist es erstaunlich, in wie wenigen Unternehmen konkrete, gesamthafte Ini-
tiativen zum Thema Unternehmenskultur anzutreffen sind. Ein Blick in die Deloitte-Studie
(ebd.) offenbart es: Nur 28 % der befragten Manager glauben, die eigene Unternehmenskul-
tur gut zu verstehen und gerade 19 % gehen davon aus, dass ihre Organisation die „richtige“
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Unternehmenskultur besitzt. Welch ein Widerspruch zwischen Anspruch und Wirklichkeit!


Wenn etwas als so wichtig für den Erfolg von Unternehmen betrachtet wird, warum
wird dann erstaunlicherweise so wenig unternommen, um die Unternehmenskultur sys-
tematisch zu entwickeln? Eine naheliegende Antwort liegt im diffusen Begriff begründet,
nur sehr schwer lassen sich konkrete Anhaltspunkte, wie und womit denn die Unterneh-
menskultur nun beeinflusst und gestaltet werden könnte, finden. Zumeist fehlt es bereits
an der Zielsetzung – welche Kultur möchte man denn haben? Oder anders gefragt, ist die
Kultur, die sich entwickelt hat – wenn man sie denn überhaupt genau kennt – die richtige?
Was ist denn überhaupt eine gute, starke oder hohe Unternehmenskultur? Wodurch wird
sie gekennzeichnet, und gilt sie immer und überall?
Bemühen wir zur Illustrierung eine Metapher. Der Begriff antiker Hochkulturen ist
schon einmal aus dem Geschichtsunterricht positiv besetzt, man assoziiert damit eine
überragende Entwicklungsstufe, die über das reine Überleben hinaus besonders hervorra-
gende Errungenschaften ermöglicht hat. So konnten die Künste, Architektur, Astronomie,
Philosophie, Politik, Medizin oder vieles andere aufblühen – diese Hochkulturen waren
anderen Kulturen gegenüber überlegen. Das reicht aber für unsere Betrachtung nicht aus,
denn auch diese antiken Hochkulturen sind allesamt untergegangen. Notwendig erscheint

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also zugleich die Hinzuziehung von Darwins Evolutionstheorie (1859): Nur diejenigen,
die sich an ihre jeweilige Umwelt anpassen können („survival of the fittest“), überleben
als Spezies und eröffnen sich weitere Zukunftschancen. Diese aus der Betrachtung von
gesellschaftlichen Systemen und der Evolution entliehene Metapher passt gut für die
Unternehmenspraxis: Eine „normale“ Unternehmenskultur ermöglicht das Überleben von
Unternehmen. Eine „hohe“ Unternehmenskultur schafft im Vergleich zu anderen beson-
dere Mehrwerte – doch weiß man in den Unternehmen, was das Spezielle sein sollte, das
dem Unternehmen Wettbewerbsvorteile sichern sollte? Ist es eine Unternehmenskultur,
die besonders hohe Kreativität, Innovation, Qualität, Kundennähe, Kostendenken, Schnel-
ligkeit, Sicherheit, Verlässlichkeit, Vertrauen etc. ermöglicht? Welche Eigenschaften weist
so eine Kultur auf und wie können diese entwickelt werden? Fragen, auf die Verantwort-
liche in Unternehmen eine Antwort haben sollten.

2 Warum überhaupt Unternehmenskultur?

Unternehmenskultur beschreibt den Lebensraum einer Organisation. Lebensraum umfasst


dabei den Mikrokosmos, wie er von den Organisationsangehörigen erlebt und gelebt wird.
Dieser Lebensraum steht natürlich in einem steten Austausch mit verbundenen Umwelten,
dennoch kristallisieren sich spezifische, kollektive Mindsets im Sinne vorherrschender
Denk- und Interpretationsmuster heraus, die sich auf das Verhalten der Organisationsmit-
glieder auswirken. Diese Mindsets führen zu organisationalen (akzeptierten oder missbil-
ligten) Verhaltensmustern. Damit wird der zentrale Stellenwert von Unternehmenskultur
deutlich: Sie definiert den Raum, in dem Ideen entstehen oder unterdrückt werden, Ini-
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tiative befördert oder erstickt, Motivation gefördert oder vernichtet, Engagement belohnt
oder entmutigt, Zusammenarbeit unterstützt oder behindert wird. Kurz gesagt, Unterneh-
menskultur schafft die Grundvoraussetzungen, unter denen erfolgreiches Arbeiten ermög-
licht wird.

Welche Funktion kommt der Unternehmenskultur überhaupt zu, warum ist eine Ausein-
andersetzung mit ihr nicht nur hilfreich, sondern notwendig für Unternehmen? Zum einen
lässt sich eine Unternehmenskultur gar nicht vermeiden, alle sozialen Systeme prägen
eine bestimmte Kultur aus. Ein Unternehmen kann nicht keine Kultur haben. Alle insti-
tutionalisierten gesellschaftlichen Subsysteme – nichts anderes stellen Unternehmen und
andere Organisationen dar – entwickeln aufgrund ihrer spezifischen Rahmenbedingungen
und der Interaktion unterschiedlicher Subjekte immer auch individuelle Kulturen, die sich
von anderen Unternehmenskulturen unterscheiden. Das Ziel von Unternehmen sollte es
folglich sein, eine Kultur zu etablieren, in der das eigene Potenzial zur besten Entfal-
tung kommen kann. Damit nähern wir uns der Frage nach der Güte, der Qualität von
Unternehmenskultur – wann ermöglicht diese nachhaltig nachgefragte Leistungen für den
Markt als letztendliche Instanz und Existenzgrundlage, die das Überleben sichern? Kurze

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Anmerkung an dieser Stelle: Wir verwenden den Begriff Unternehmenskultur nicht nur für
den Unternehmensbereich, ebenso verfügen Verwaltungen, Non-Profit-Organisationen,
Kirchen, Parteien, Vereine etc. über eine eigene Organisationskultur, die die Erfüllung des
Zwecks der Existenz dieser Organisationen sichern soll. Die Begriffe Unternehmens- und
Organisationskultur sind für uns synonym, der Einfachheit halber verwenden wir zumeist
jedoch den Begriff Unternehmenskultur.

Somit kristallisiert sich bereits eine notwendige Bedingung für die Qualität einer Unter-
nehmenskultur heraus. Die Unternehmenskultur muss die Adaption an Veränderungen des
gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Systems ermöglichen. Adaptionsfähigkeit bedeu-
tet, dass Umweltbedingungen und -veränderungen im Inneren der Organisation wahrge-
nommen, reflektiert und ihnen durch adäquate Entwicklungen begegnet wird – Unterneh-
men folglich anpassungsfähig im Austausch mit der Umwelt gehalten werden. Sie sollte
also eine Offenheit zu den relevanten umgebenden Systemen aufweisen, eine komplexe
und ausdifferenzierte Umwelt erfordert daher eine nach Möglichkeit ebenso komplexe und
ausdifferenzierte Anpassungsfähigkeit, die durch die interne Kultur zu gewährleisten ist.
Sie sollte mindestens über die Fähigkeit verfügen, mit dieser im Sinne von Ashby‘s Law
(Ashby 1956) zu korrespondieren: Dynamik und Veränderung, die von außen kommen,
erfordern innerhalb des Unternehmens Fähigkeiten zur Absorption und damit Bewälti-
gung der neuen Anforderungen – die Varietät der beiden Systeme sollte vergleichbar sein.
Eine natürlich für die Unternehmen schwer umzusetzende Forderung. Allerdings wird eine
wesentlich einfacher strukturierte oder rigide interne Kultur kaum in der Lage sein, kom-
plexen externen Zuständen adäquat zu begegnen. Eine entsprechend disponierte, ermögli-
chende Kultur zu entwickeln, bleibt eine wichtige Herausforderung für Unternehmen. Der
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Vorteil einer Organisation liegt freilich darin, dass sie fokussierter als die Umwelt agieren
kann, daher auch beherrschbarer sein wird. Damit ist die zweite und ergänzende Bedeu-
tung und Funktion der Unternehmenskultur genannt, die der Integration. Sie integriert
interne Strukturen und Prozesse nach Möglichkeit in eine gemeinsame Ausrichtung aller
Aktivitäten – eine Grundvoraussetzung, um neue Dynamiken und Veränderungen über-
haupt bewältigen zu können. Je effektiver und effizienter sie das schafft, umso „besser“ ist
die Unternehmenskultur.

Die Unternehmen stehen somit vor folgenden Fragen:

• Welche Unternehmenskultur ist notwendig, um den gegenwärtigen und künftigen Her-


ausforderungen des Marktes, der Technologien und der Gesellschaft zu begegnen und
die eigene Vision und Mission – ihre Existenzberechtigung – durch das Anbieten von
Produkten oder Dienstleistungen realisieren zu können?
• Über welche Unternehmenskultur verfügt derzeit das Unternehmen überhaupt und ent-
spricht sie dem Bild, das für die Zukunft als adäquat angesehen wird?
• Wenn es einen „Gap“ zwischen der Soll- und der Ist-Kultur gibt, durch welche Maß-
nahmen kann eine Anpassung und Weiterentwicklung erfolgen?

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• Wie können diese Maßnahmen erfolgreich und nachhaltig umgesetzt werden?


• Wie kann ein permanentes System zur Adaption und Integration institutionalisiert
werden, um ein langfristiges Überleben des Unternehmens zu ermöglichen? Wie kann
der Weg von einem Reparaturbetrieb (die ersten vier Fragen) zu einem sich selbst emer-
gent anpassenden System gefördert werden?

3 Zum Bedeutungsgehalt und Verständnis von


Unternehmenskultur – der Blick aus einer Metaperspektive

Was sind nun universelle Merkmale einer so abstrakten Begrifflichkeit wie „Unterneh-
menskultur“, die sich einer eindeutigen Definition immer wieder entzieht? Unternehmens-
kultur ist ein emergentes Phänomen, das sich in jeder Organisation evolutionär und selbst
organisiert, quasi „wie von selbst“ bildet – niemals wurde sie per se von jemand beschlos-
sen. Konsequenterweise ist damit jede Unternehmenskultur einzigartig in ihrem aktuellen
Erscheinungsbild und ihrer jeweiligen dynamischen Entwicklung. Unternehmenskultur
bildet sich informell durch tagtägliche diskursive Prozesse, die Usancen, Verhaltensmus-
ter, offene und implizite Spielregeln entstehen lassen. Das meiste davon ist völlig unko-
difiziert und einfach gelebte Praxis. Dieses kulturspezifische Verhalten fußt auf einem
Wertebild, das von den Kulturträgern (zumindest in wesentlichen Aspekten) gemeinsam
geteilt wird. Das Denken und Handeln findet andererseits konkret aber auch Ausdruck in
wahrnehmbaren Artefakten, wie etwa einem bestimmten Jargon, einem typischen Dress-
code oder einer hierarchischen Parkplatzordnung.
Kultur stellt die zentralen Spiel- und Kommunikationsregeln auf, die das faktische
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Leben innerhalb der Organisation entscheidend prägen. Sie legt auf eine informelle Art
und Weise fest „was man hier macht und was nicht“, was als „gut“ belohnt wird und was
als „schlecht“ sanktioniert wird. Jemand, der gegen diese Regeln verstößt, riskiert binnen
kurzer Zeit aus dem/vom System eliminiert zu werden.
Damit erhält Unternehmenskultur eine Funktion, die mit der Grammatik in einer
Sprache vergleichbar ist: Alle halten sich an die Regeln, obwohl man sie bewusst gar nicht
(mehr) wahrnimmt. Erst im Verstoß gegen Grammatik und Kultur erkennt man bewusst
sofort wieder, dass es da offensichtlich doch so etwas wie feste Regeln gibt. Kultur
bekommt so zusätzlich auch die Funktion eines Orientierungs- und Deutungsrahmens in
der Organisation und steuert damit auch gleichzeitig subtil und hocheffizient Verhalten.
Unternehmenskultur wird zu einer grundsätzlichen Entscheidungsprämisse in der Organi-
sation, auch wenn über sie selbst niemals bewusst entschieden wurde, da sie autopoietisch
entstanden ist. Mit einer Entscheidungsprämisse entsteht ein „Leitsystem für weitere Ent-
scheidungen“, die vom Einzelnen in seinem kulturellen Biotop als ganz selbstverständli-
che Spielregel oder als eine Art höhere Wahrheit letztlich ungeprüft einfach übernommen
und gelebt wird (ausführlich zum Wesen und der Funktion der 3 Entscheidungsprämissen,
über die explizit entschieden werden kann, nämlich Strukturen, Programme und Personen
sowie über die Entscheidungsprämisse Unternehmenskultur, über die nicht entschieden

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werden kann: Grubendorfer 2016, S. 35 ff.). Es versteht sich von selbst, dass die Unter-
nehmenskultur in ihrer Rolle als Entscheidungsprämisse letztlich zu einer zirkulären Sta-
bilisierung des Kultursystems selbst führt: Das ist ein wesentlicher Grund, warum sich
Kulturveränderung oftmals als so schwierig und langwierig herausstellt.
Unternehmenskultur dient aber auch der sozialen Grenzbildung durch die Unter-
scheidung zugehörig oder nicht zugehörig, fast analog zu einer Religionsgemeinschaft
oder Partei: Sie trägt die wichtigsten Normen, Werte, Regeln und Glaubenssätze, die das
Verhalten der Mitglieder prägen, in sich und gibt sie an neue Mitglieder weiter. Diese
Analogie führt dazu, dass man die Unternehmenskultur manchmal etwas pathetisch
auch als die „Seele einer Organisation“ tituliert. Kulturelle Muster steuern die Wirk-
lichkeitskonstruktionen und in der Folge das konkrete Handeln ihrer Teilnehmer (mit
einer zirkulären Rückwirkung). Das hat eine enorm komplexitätsreduzierende Wirkung
nach innen: Jedes Mitglied kennt die Erwartungshaltungen, Usancen, Ge- und Verbote
des eigenen Kultursystems und kann sich systemkonform verhalten, ohne immer das
ganze Kontingenzspektrum austesten zu müssen. Somit erfüllt Kultur die Funktion eines
„sozialen Gedächtnisses“ einer Organisation, das die Routinen der Kommunikations-
und Prozessmuster in den Köpfen der Mitglieder verankert. Auf der anderen Seite leistet
dieses Faktum aber auch einem Tunnelblick Vorschub, Betriebsblindheit und Wahrneh-
mungsfilter können entstehen. Tief verwurzelte Überzeugungen und unausgesprochene
Annahmen sind nicht fassbare, weiche Faktoren, die in ihrer Konsequenz sehr harte Aus-
wirkungen zeigen können.
Es ist kein Zufall, dass man sich gerne der Figur eines Eisbergs bedient, wenn man
den Begriff Unternehmenskultur bildlich darstellen möchte: Beiden ist gemein, dass die
bei weitem größte Masse unterhalb der sichtbaren Grenze liegt. Unsichtbar ist hier aber
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in gar keinem Fall mit unwirksam zu verwechseln – ganz in Gegenteil: Mit Eisbergen
stößt man bekanntlich immer zuerst unterhalb der Wasserlinie zusammen und das kann
schließlich auch als unsinkbar geltende Schiffe zum Kentern bringen. Analoges gilt für
Unternehmen, die die Bedeutung und Gewichtigkeit ihrer weichen Faktoren unterschät-
zen. Zahlen, Daten, Fakten sind die sichtbare Geschäftsgrundlage in einem Unternehmen,
aber es gibt auch die – sich nicht so einfach erschließende – tief liegende Ebene der Werte,
Glaubenssätze, Tabus, verdeckter Regeln etc. Es sind diese psychosozialen Faktoren, die
langfristig darüber entscheiden, wie adaptiv und integrativ passend ein Unternehmen trotz
aller Unwägbarkeiten am Horizont Kurs halten kann. Auch die definitorische Näherung
von Edgar Schein, einem der internationalen Doyens zum Thema Unternehmenskultur,
stellt darauf ab:

Unternehmenskultur ist das Muster grundlegender Annahmen, die eine gegebene Gruppe
erfunden, entdeckt oder entwickelt hat beim Meistern ihrer äußeren Anpassungsprobleme
und die erfolgreich genug waren, um als angemessen betrachtet zu werden und daher neuen
Mitgliedern als die richtige Art des Wahrnehmens, Denkens und Fühlens in Bezug auf jene
Probleme beigebracht werden. (Übersetzt nach Schein 2010, S. 18)

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Unternehmenskultur verstehen zu wollen ist alles andere als eine triviale Aufgabe. Es
erfordert parallele Aufmerksamkeit auf mehreren interdependenten Ebenen und bietet
nicht übermäßig viele griffige und belastbare Punkte zum Anhalten, wie das die harten
Fakten tun. Trotzdem erscheint es unerlässlich, der Kultur als Erfolgsfaktor für Unterneh-
men allein schon aufgrund der Wuchtigkeit und Vielfalt seiner Auswirkungen gebührend
Referenz zu erweisen. „Culture eats strategy for breakfast“, dieser oft zitierte Ausspruch
von Peter Drucker meint genau diese Kraft der Unternehmenskultur.

4 Bedeutung von Unternehmenskultur als Erfolgsfaktor

Die überragende Bedeutung der Unternehmenskultur in der Wahrnehmung von Führungs-


kräften wurde bereits weiter oben angeführt. Aber lässt sich das auch empirisch nachwei-
sen und wenn, nicht nur als korrelativer Zusammenhang, sondern auch kausal interpre-
tieren? Den Einfluss der Unternehmenskultur auf den Unternehmenserfolg können wir in
zwei Begründungssträngen untersuchen: zum einen unmittelbar ablesbar am finanziellen
Erfolg von Unternehmen. Verglichen werden dabei Unternehmen, die über eine „stär-
kere“ Unternehmenskultur verfügen im Unterschied zu Unternehmen, deren Kultur als
„schwächer“ bewertet wird. Zum anderen stellen wir Erklärungsmuster vor, die statistisch
die Wirkung und den Erklärungsgehalt von Unternehmenskultur auf den Unternehmens-
erfolg bestimmen. Zu beiden Argumentationsansätzen gibt es überzeugende Nachweise.
Zu einer ausführlichen Übersicht zum Thema siehe auch Bauschke (2014); Baetge et al.
(2007) und Sackmann (2006).
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4.1 Eine starke Unternehmenskultur führt zu finanziell


erfolgreicheren Unternehmen

Die Analyse einer Vielzahl von Studien zum Zusammenhang von Unternehmenskultur
und Unternehmenserfolg durch Sackmann (2006) führte zu einer Verdichtung auf zwölf
Dimensionen. Diese Dimensionen, wir können auch von Faktoren (oder Faktorenbündeln)
sprechen, weisen einen empirischen Zusammenhang zwischen einer „starken“ Unter-
nehmenskultur und den Auswirkungen auf finanzielle Kennzahlen auf. Zwischen diesen
Faktoren und der Unternehmenskultur besteht folglich eine Korrelation. Sackmann (ebd.,
S. 7) gliedert diese nach einer Inhaltsdimension und nach Gütemaßen, welche die Funktio-
nalität oder Qualität einer Unternehmenskultur beschreiben. Diese zwölf Dimensionen –
die allerdings nicht unabhängig voneinander sind – können mit einer Reihe unterschied-
licher Indikatoren erfasst werden. Sie ergeben aber einen sehr guten Überblick, welche
Faktoren nachweisbare Auswirkungen auf den Unternehmenserfolg haben.

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Inhaltliche Dimensionen:

1. Klare und kommunizierte Identität


2. Durchgängige Strategische (Ziel-)Orientierung
3. Kundenorientierung
4. Lern- und Anpassungsfähigkeit
5. Innovationsfähigkeit
6. Nutzen der Potenziale der Mitarbeiter
7. Partnerschaftliche und kulturkonforme Führung – offene Kommunikation
8. Leistungsorientierung/Leistungsbereitschaft und -fähigkeit
9. Balancierte Stakeholder-Orientierung
Gütemaße:
10. Strategische Passung (hoher Grad an Übereinstimmung zwischen der vorhan-
denen unternehmenskulturellen Ausprägung und der notwendigen strategischen
Orientierung)
11. Multidimensionale Orientierung (gleichzeitige Berücksichtigung und Ausprägung
verschiedener Faktorenkonstellationen)
12. Konsistenz zwischen normativem Anspruch und gelebtem Verhalten.

Eine Studie soll stellvertretend etwas detaillierter vorgestellt werden, um die Ergebnisse in
ihrer Konkretheit zu verdeutlichen. Die überzeugendsten Argumente, der Unternehmens-
kultur ein besonderes Augenmerk zu widmen, liefern Kotter und Heskett (1992), die in
einer umfangreichen Untersuchung zentrale Auswirkungen unterschiedlicher Kulturen auf
den Unternehmenserfolg untersucht haben. Kotter und Heskett entwickelten einen Index
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der kulturellen Stärke. Ihr Modell legt nahe, dass sich eine starke Unternehmenskultur
vor allem dann entwickeln kann, wenn bestimmte Werte von der Mehrheit der Mitarbei-
ter geteilt werden. Demzufolge unterscheiden sich Unternehmen mit einer „starken“ im
Gegensatz zu einer „weniger starken“ Unternehmenskultur bezüglich zentraler betriebs-
wirtschaftlicher Kenngrößen signifikant, wie der Tab. 1 entnommen werden kann.
Eine aktive Gestaltung von Unternehmenskultur schlägt sich folglich eindeutig messbar
in positiven Unternehmensergebnissen nieder. Die Begründung haben wir bereits weiter
oben angesprochen: Eine „starke“ Unternehmenskultur zeichnet sich durch eine gute

Tab. 1  Wirkung einer „guten“ Unternehmenskultur auf ausgewählte Kennzahlen über einen
Zeitraum von 11 Jahren (nach Kotter und Heskett 1992, S. 11)

Stärkere Kultur Schwächere Kultur


Umsatz + 682 % + 166 %
Mitarbeiterstand + 282 % + 36 %
Aktienkurs + 901 % + 74 %
Nettogewinn + 756 % +1 %

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interne Zusammenarbeit (Integration) und eine hohe Adaption an wechselnde Umwelt-


bedingungen aus.

4.2 Unternehmenskultur als wichtigste Ursache für den


Unternehmenserfolg

Eine andere Erklärungsrichtung orientiert sich an einer plausiblen Ursache-Wirkungs-Be-


ziehung. Gemessen wird hier, wie viel statistische Varianz auf die Unternehmenskultur –
als unabhängige Variable – als Zuschreibung für den Unternehmenserfolg entfällt. Fol-
gende drei Untersuchungen liefern uns Ergebnisse:
Nach einer Untersuchung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS
2008) lassen sich 31  % der Varianz des Unternehmenserfolges auf die Unternehmens-
kultur zurückführen. In anderen Worten: Der Unternehmenserfolg kann durch die Unter-
nehmenskultur als verursachender Faktor zu 31 % erklärt werden.
Einer anderen Studie von Herrmann et al. (2004) zufolge werden 23 % der Varianz des
Unternehmenserfolges durch kulturelle Variablen erklärt.
Schließlich führt die internationale Untersuchung von Bailom et al. (2013, S. 43 ff.) zu
weiteren interessanten Ergebnissen. Die Autoren entwickeln auf der Basis eines statisti-
schen Ansatzes, basierend auf Partial Least Square (PLS), ein Modell, das Kausalitäten
zwischen verschiedenen untersuchten Erfolgsvariablen ermitteln soll. Durch das Modell
als Gesamtkonstrukt von acht unterschiedlichen Erfolgsfaktoren lassen sich insgesamt
zwar „nur“ 48 % des Unternehmenserfolges erklären, die Interpretation der Autoren ist
jedoch eindeutig. Die untersuchten Variablen umfassten zwei kulturelle Aspekte, einmal
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die Entrepreneurship-Kultur, zum anderen die Stärke der Unternehmenskultur. Beide


Faktoren konnten mit diesem Verfahren zwar nicht in eine direkte Kausalbeziehung zum
Unternehmenserfolg gebracht werden, dennoch ist ihre Bedeutung als „vorgeschaltete“
Treiber für andere erfolgsrelevante Variablen eindeutig. Bailom et al. (2013, S. 50): „Der
Erfolg eines Unternehmens entscheidet sich nicht so sehr am Markt, sondern im Innern
des Unternehmens“, und weiter, es seien „nicht einzelne Managementmethoden und Ins-
trumente, sondern letztendlich sind es die Einstellungen, Werte, Denkmuster und Ver-
haltensweisen des Top-Management-Teams, die die Grundlagen für einen nachhaltigen
Erfolg bilden“ (ebd., S. 51).
Die Rolle der Unternehmenskultur und des Top-Managements wird auch im Ergebnis
dieser umfassenden empirischen Untersuchung als zentral erachtet.

4.3 Erfolg erzeugt Erfolg oder kreative Zerstörung?

Die präsentierten Ergebnisse zeigen auf, dass die Wichtigkeit, die diesem „weichen“
Thema von den Führungskräften beigemessen wird, auch durch die tatsächliche Bedeu-
tung für „harte“ Fakten gerechtfertigt wird. Eine hoch ausgeprägte Unternehmenskultur

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führt offensichtlich zu wirtschaftlich besseren Ergebnissen. Dennoch müssen wir hier


erneut verdeutlichen, jedes Unternehmen hat eine eigene Geschichte, Mission, Struktur,
Strategien sowie Produktangebot und bewegt sich im unterschiedlichen Branchen- und
Wettbewerbsumfeld. Eine Kultur, die in stabilen, wenig dynamischen Märkten erfolgreich
ist, kann in volatilen und dynamischen Märkten dysfunktional sein. Hier ist eben nicht
eine die Stabilität fördernde Kultur gefragt, sondern eine agile und flexible, die rasch auf
Marktveränderungen zu reagieren in der Lage ist. In volatilen Zeiten zu leben heißt aber
auch, dass stabile Märkte durch Disruptionen, wie sie beispielsweise gegenwärtig durch
die digitale Transformation verursacht werden, sehr schnell ihre Bedingungen radikal ver-
ändern können. Die Erfolgsrezepte von gestern und heute können somit den Erfolg von
morgen gefährden. Solche Entwicklungen rechtzeitig zu antizipieren, zeichnet aber eine
gute Unternehmenskultur aus.

5 Modelle der Unternehmenskultur zur Analyse und Diagnose

Ganz abstrakten Begrifflichkeiten wie Energie, Liebe oder auch Unternehmenskultur ist
gemein, dass sie sich aufgrund ihrer phänomenologischen Vielfalt, inneren Vielschichtig-
keit der Dimensionen und unterschiedlicher möglicher Betrachtungspunkte einer eindeu-
tigen Definition entziehen. Gleichzeitig gilt aber für den konkreten, praktischen Umgang
mit ihnen immer noch Kurt Lewins Satz: „Es gibt nichts Praktischeres, als eine gute
Theorie“ (Lewin 2017). Einordnung und Systematik sind auch für komplexe Phänomene
zwingend notwendig, wenn Kommunikation und in weiterer Folge praktische Arbeit in
diesem Themenfeld gelingen soll.
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Psychosoziale Modelle können ihrer Natur nach immer nur verkürzte Vereinfachungen
der Realität sein, die versuchen wesentliche Wesenszüge aus einem komplexen Gebilde
verallgemeinernd herauszuschälen. Modelle haben dabei gleichsam die Funktion von Seh-
hilfen, die einen Beobachter unterstützen, diffizile Sachverhalte überhaupt erst bewusst(er)
wahrnehmen zu können und so zu vereinfachen, dass sie einer allgemeinen systematischen
Betrachtung überhaupt zugänglich werden. Dabei sind zwei Dinge zu beachten: Einerseits
bestimmt die Art der Sehhilfe (des Modells) was überhaupt gesehen werden kann und was
andererseits dadurch zwingenderweise im nicht sichtbaren Bereich verbleibt (so liefert
eine Wärmebildkamera beim gleichen Objekt buchstäblich ein völlig anderes Bild als
eine Röntgenkamera). Andererseits ist dabei auch noch die „Flughöhe“ der Betrachtung
zu beachten, die das Modell einnimmt: Aus einer Satellitensicht können sich durch radi-
kale Verdichtung Gesamtzusammenhänge erschließen, die aber für das konkrete Arbeiten
in einem Projekt eine zu grobe Granulation aufweisen. Eine Lupe (hier: ein Instrument
zur Teilanalyse) hingegen liefert viele Details, die aber ohne Kontext und wechselseitige
Abhängigkeiten auf-/erscheinen und so ebenfalls ein verzerrendes (Gesamt-)Bild vermit-
teln können.
Vor diesem Spannungsfeld ist auch jede Modellentwicklung für ein so komplexes
Thema wie Unternehmenskultur angesiedelt. Zusätzlich ist Unternehmenskultur in sich

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Unternehmenskultur – Worüber reden wir?13

selbst ein Interpretationsrahmenrahmen für Verhalten – Modelle der Unternehmenskultur


deuten also einen Deutungsrahmen.

Wie ein Verhalten gedeutet wird, das hängt ganz stark davon ab, in welchem Kontext (durch
welchen Rahmen) es beobachtet wird. Unternehmenskulturen bilden einen Kontext, einen
Deutungsrahmen für Ereignisse. Kulturen als selbstgesponnene Bedeutungsgewebe ermög-
lichen es, soziale Ereignisse zu verstehen. (Grubendorfer 2016, S. 24)

Dieser besonderen Deutungsmehrschichtigkeit gilt es, Rechnung zu tragen, wenn man


Modelle zur Analyse und Diagnose von einem so komplexen Gebilde wie Unternehmens-
kultur einsetzt. Die Entscheidung für ein bestimmtes Betrachtungsmodell liefert einen
spezifischen Datensatz, der letztlich aber immer auch noch einer subjektiven Würdigung
und Interpretation der Ergebnisse unterliegt. Erst dadurch werden Daten zu Information –
oder im Sinne von Gregory Bateson „zum Unterschied, der einen (hier: kulturellen) Unter-
schied macht“ (Bateson 1981, S. 582). Neben der Ist-Analyse gilt das in besonderem Maße
für die Definition eines adäquaten Soll-Zustandes einer Unternehmenskultur. Kulturana-
lyse ist keine mathematische Aufgabenstellung mit eindeutigen, objektiven Ergebnissen:
Um noch einmal die Analogie der Sehhilfen zu bemühen: Ein Optiker kann bestenfalls
eine geeignete Brille anpassen, aber sehen muss der Kunde immer noch selbst.
Im Folgenden seien noch ein paar wesentliche Modelle gestreift, die eher eine Meta-
sicht auf das Thema Unternehmenskultur einnehmen, also aus einer größeren Flughöhe
darauf schauen. Ein detailliertes Eingehen auf diese Modelle würde den Rahmen dieses
Beitrags sprengen. Im Übrigen sei auch auf den Betrag über Organisationsmodelle in
diesem Buch verwiesen (Ettl 2018).
Unternehmenskultur wird seit den späten 1970er-Jahren wissenschaftlich beforscht.
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Ein konkreter Auslöser dafür waren unter anderem die Erfolge japanischer Autokon-
zerne im Ausland, die für westliche Unternehmen zunächst ziemlich mysteriös schie-
nen. Der Begriff Unternehmenskultur selbst geht auf die amerikanische Studie „Corpo-
rate Cultures“ (Deal und Kennedy 1982) zurück, während der Dualismus von „weichen“
Führungsthemen und „harten“ Erfolgsfaktoren auf die Ausführungen von Peters und
Watermann in ihrem Bestseller „Auf der Suche nach Spitzenleistungen“ (Peters und
Waterman 1983) zurückgehen. Letztere beschrieben im 7-S-Modell, das manchmal
auch als McKinsey-7-S-Modell bezeichnet wird, einen umfassenden Unternehmens-
ansatz mit drei „harten“ Faktoren („strategy, structure, systems“) und vier „weichen“
Faktoren („shared values, skills, staff, style“). Auf die Bedeutung von Kotter und Hesket
wurde bereits früher eingegangen. Eine Synopsis von weiteren Unternehmenskulturmo-
dellen, insbesondere im Zusammenhang mit Unternehmenserfolg, findet sich bei Sack-
mann (2006).
Dem zeitlich vorgelagert waren noch die Ausführungen von Edward T. Hall, der aufbau-
end auf Sigmund Freud die Analogie eines Eisbergs einführte: Die unsichtbaren Grund-
annahmen über die Welt, die in einer Organisation vorherrschen, leiten die sichtbaren
und treiben diese an. Der Einzelne übernimmt diese „weichen“ Elemente durch Imitation

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bzw. Mitmachen, praktiziert sie selbst und gibt sie – meist unbewusst – auch selbst weiter.
Dadurch erhalten sie einen Kreislauf aufrecht (Hall 1959).
Edgar Schein hat mit seinem Modell der drei Ebenen (manchmal auch „Seerosenmo-
dell“ genannt) den Gedanken der unterschiedlich gelagerten Schichten wesentlich ausge-
baut (Schein 2010, S. 23 ff.). Dieses Modell ist das wahrscheinlich weltweit am häufigs-
ten zitierte und diente als Orientierungsgröße für etliche nachfolgende Modelle: Auf der
sichtbaren Ebene gibt es Artefakte, also künstlich geschaffene Objekte und Verhaltens-
weisen, die nach außen sichtbar sind (Büroräumlichkeiten, Dresscode, Jargon etc.), deren
hintergründige Symbolik jedoch oft nur im Kontext der tieferen Schichten erklärbar ist.
Eine Ebene darunter liegt die nur mehr teilweise sichtbare Ebene der kollektiven Werte
und Normen. Sie bestehen aus (meist) ungeschriebenen Verhaltensrichtlinien, Maximen
mit Ge- und Verboten, die die Organisationsmitglieder mehr oder weniger teilen und das
Innenleben der Organisation wie „Verkehrsschilder“ regeln. Sie sind der bewussten Refle-
xion zugänglich, werden aber oft erst (wieder)entdeckt, wenn jemand dagegen verstoßen
hat („Das macht man bei uns nicht so“). Noch eine Ebene tiefer liegen die „Grundannah-
men über die Welt selbst“ („basic underlying assumptions“): Es handelt sich dabei um
für selbstverständlich gehaltene, unbewusste Überzeugungen, die deshalb nicht bewusst
reflektiert werden können. Damit stellen sie grundlegende gemeinsame Orientierungs-
und Vorstellungsmuster dar, die wie ein „Autopilot“ die Organisation leiten. So wird ein
Hedgefonds andere Grundannahmen über den eigenen Seinszweck haben als eine kari-
tative Einrichtung. Letztlich stellen sie die Werte und damit die Quelle des konkreten
Handelns dar.
Sonja Sackmann erweiterte dieses Konzept, indem sie die mittlere Ebene nochmals
zweiteilte: Einerseits in eine obere Schicht von bekannten Spielregeln und Standards mit
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Regeln/Normen und andererseits in eine darunterliegende Schicht von nach außen postu-
lierten, aber nicht notwendigerweise realiter gelebten Werten – sozusagen die nach außen
dargestellte Haltung.
Insgesamt hat sich eine große Zahl von Modellen und noch mehr Instrumenten entwi-
ckelt, die sich in unterschiedlichen Zugängen damit beschäftigen, dem Komplex Unterneh-
menskultur Kontur zu verleihen – letztlich um damit erhoffte Gestaltungsmöglichkeiten
für diese amorphe Masse zu eröffnen. Spätestens seitdem die Zusammenhänge zwi-
schen Unternehmenskultur und unternehmerischem Erfolg zu einem Fokus der Betrach-
tung wurden, hat sich das Interesse an den „weichen Faktoren“ auch auf der Ebene der
Unternehmen selbst, nicht nur auf der akademischen Ebene, stark intensiviert. In diesem
Zusammenhang sei auch die These gewagt, dass Unternehmenskultur per se eine noch
sehr viel wichtigere Rolle für Unternehmen einnehmen wird, weil die Komplexität und
Geschwindigkeit in der Geschäftswelt durch Digitalisierung und Globalisierung exponen-
tiell ansteigen wird. Unternehmenskultur ist der wichtigste Faktor, um mit Komplexität
im Innenverhältnis des Unternehmens überhaupt zieldienlich umgehen zu können – siehe
dazu auch den Beitrag über Kultur und Komplexität in diesem Buch (Strobl 2018a): Auch
Industrie 4.0 wird sich letztlich an Gehirn und Bauch 1.0 orientieren müssen.

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Unternehmenskultur – Worüber reden wir?15

Im vorliegenden Buch werden zahlreiche Modelle/Instrumente mit unterschiedlichen


Perspektiven und mit wechselnden Flughöhen angeboten – einzelne, wie etwa das Six-
Pack-Plus-Modell, werden hier zum ersten Mal publiziert (Strobl 2018b). Letztlich stellen
sie damit auch jeweils Deutungsrahmen für das praktische „Handling“ von Unterneh-
menskultur dar (die sich in konkreten Projekten bewährt haben). Die Sichtweisen der Bei-
träge sind nicht stromlinienförmig ausgerichtet, sondern genauso bunt wie das Phänomen
Unternehmenskultur selbst. Ziel ist es vor allem, Modelle zu zeigen, die beim Entschlüs-
seln der Hintergründe für konkret beobachtbares Verhalten nützliche Erklärungen und
hilfreiche Impulse für die Entwicklung liefern können.

6 Maßnahmen zur Entwicklung und Gestaltung


der Unternehmenskultur

Das Leitmotiv dieses Buches ist es, letztlich Hinweise zu geben, welche Möglichkeiten
es für eine aktive Gestaltung der (eigenen) Unternehmenskultur geben könnte. Damit ver-
bunden ist eine grundsätzliche Haltung, dass man eine existierende Unternehmenskultur
nicht einfach als unabänderliche Gegebenheit hinnehmen muss. Die zweckdienliche Frage
in diesem Zusammenhang ist: Wie kann man (seine) Unternehmenskultur in die „rich-
tige Richtung“ weiterentwickeln? Dazu ist der oben bereits erwähnte logische Dreischritt
zu beachten: Wie lässt sich ein zutreffender, realitätsnaher Ist-Zustand diagnostizieren?
Was wäre gegebenenfalls als ein adäquaterer Soll-Zustand zu definieren, und mit welchen
Mitteln kann man dorthin kommen?
Das letzte Element dieses Dreischritts hat dabei immer zu berücksichtigen, dass jede
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willentliche Veränderung von Unternehmenskultur eigenen Prinzipien folgt: Kulturver-


änderung kann man nur indirekt erreichen, indem man gleichsam „über die Bande spielt“,
das heißt, im Zentrum stehen Maßnahmen, die über Umwege eine mittelbare Wirkung ent-
falten. Damit unterscheidet sich die bewusste Einflussnahme auf Kultur fundamental von
Entscheidungen über den ursächlichen (Geschäfts-)Zweck der Organisation: Über Pro-
gramme (z.  B. Produktlinien, Markterschließung, Investitionsentscheidungen), formale
Strukturen (z. B. Organigramm, Standorte, Prozessabläufe) und über Personen (z. B. kon-
krete Zuständigkeiten, Personalsuche oder Abbau) lässt sich direkt und unmittelbar kraft
Hierarchie entscheiden – Unternehmenskultur entzieht sich dem.
Unternehmenskultur als emergentes System kann von niemandem, auch nicht von
einem noch so mächtigen CEO, aktiv entschieden werden. Anders gesagt: Unternehmens-
kultur kann nicht einfach von oben verordnet werden, und ein in Stein gemeißeltes Unter-
nehmensleitbild bleibt immer tote Materie, solange es nicht zu tatsächlich gelebter Praxis
im Unternehmen wird.
Eine zielgerichtete Einflussnahme auf Unternehmenskultur ist nur über die Verände-
rung von kulturbildenden Rahmenbedingungen möglich, indem man etwa „vorteilhafte
Trendkanäle“ für mögliche Entwicklungstendenzen (er)schafft. In einem klassischen
Manager-Mindset mag ein solcher Zugang als (zu) schwammig und (zu) diffus erscheinen.

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16 J. Herget und H. Strobl

Ein lineares Ursache-Wirkungs-Denken, das Ordnung und Berechenbarkeit bei der Resul-
taterbringung in den Vordergrund stellt, ist bei weichen Faktoren jedoch nicht zielführend
(vgl. Strobl 2018a). Damit ergibt sich eine natürliche Abgrenzung zum Konzept „Leader-
ship“, das bewusst die emotionale Seite anspricht und innere Bilder von Zielzuständen
hervorzurufen versucht. Unternehmenskultur lässt sich tendenziell eher über eine Sog-
wirkung in eine gewünschte Richtung bringen. Druck hingegen führt vielmehr dazu, dass
Kultur ungewollte Auswege findet, wie auch nicht komprimierbare Knetmasse zwischen
den Fingern hervorquillt, wenn die Faust geballt wird – auch Unternehmenskultur lässt
sich nicht komprimieren.
Gestaltende Kulturveränderung braucht schon von Anfang an die Einsicht, dass es ein
Delta zwischen Absicht und konkreter Auswirkung geben kann, ja fast immer geben wird.
Ähnlich wie bei einem Mobile, das von einer Seite angestoßen wird, gerät das ganze
System in Bewegung, aber die Auswirkung lässt sich nicht genau antizipieren:

Da Kultur selbstorganisiert entsteht, kann nicht aufgrund sachlicher Ziele über kulturelle
Regeln entschieden werden. Sie limitieren deshalb immer den Handlungsspielraum. Wer
gegen sie verstößt, muss mit Ausgrenzung rechnen. Kulturelle Muster sind sehr stabil, weil
sie über die persönliche Identität der Mitglieder stabilisiert werden. Ihre Änderung ist daher
mühsam. Man kann sie zwar stören und infrage stellen, aber der Effekt ist nicht vorhersehbar.
(Simon 2014, S. 74)

Die genannten prinzipiellen Einschränkungen sollen jedoch nicht als ein fatalistisches
„Sich-in-das-Unabänderliche-ergeben-müssen“ interpretiert werden. Die aktive Gestal-
tung und zielorientierte, proaktive Weiterentwicklung von Unternehmenskultur ist
möglich, nur eben jenseits des Gedankens unbedingter und exakter Machbarkeit. Das Bild
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von Unternehmenskultur als Garten ist eine hilfreichere Analogie als viele andere Verglei-
che rund um dieses Thema: Ein Garten entwickelt sich von allein, man kann Pflanzen nicht
per se zum Wachsen bringen, aber man kann ein geeignetes Umfeld schaffen, in dem sich
bestimmte Pflanzen optimal entwickeln können und entsprechende Früchte reifen lassen.
Andere Gewächse hingegen werden bewusst zurückgedrängt. Abgesehen von völlig dis-
ruptiven Veränderungen, wie bei Firmenübernahmen oder radikalem Changemanagement,
ist auch das „Role Model“ eines aufmerksamen Gärtners eine gute Leitlinie zur Reflexion
für Führungskräfte, wenn es um die Entwicklung der eigenen Unternehmenskultur geht.

7 Ein Fazit und Blick nach vorn

Die Beschäftigung mit der Unternehmenskultur ist für Unternehmen elementar und wird
zukünftig sogar noch an Wichtigkeit gewinnen. Trotz aller beschriebenen Unzulänglich-
keiten in der Beschreibung, Modellierung und einem – so scheint es – eingeschränkten,
eher indirekten Interventionspotenzial bleibt die Gestaltung von Unternehmenskultur eine
permanente und ureigene Aufgabe des Managements auf allen Ebenen. Das erfordert aber
auch die Reflexion der eigenen Person, des eigenen Verhaltens, der eigenen Werte und

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Unternehmenskultur – Worüber reden wir?17

Grundannahmen – und wie diese zu den anderen Personen oder dem System Organisation
als Ganzes stehen. Eine Kompatibilität ist zum gedeihlichen Miteinander erforderlich,
sonst winken Kollateralschäden – für das Unternehmen oder die Person.
Das vorliegende Buch umfasst zahlreiche Ansatzpunkte und viele Anregungen, wie
diese Aufgabe angegangen und bewältigt werden kann. Es ist eine Reise, die auch Sprints
beinhalten kann. Und auch diese Reise fängt mit dem ersten Schritt an.

Prof. Dr. Josef Herget  verbindet langjährige Erfahrung in der Wis-


senschaft mit internationaler Beratungstätigkeit. Er hat an verschie-
denen Universitäten in Europa gelehrt und geforscht, Unternehmen
gegründet und geleitet sowie zahlreiche Beratungsagenden in Wirt-
schaft und Politik wahrgenommen. Vor seiner aktuellen Tätigkeit als
Leiter des „Excellence Institute – Research & Solutions“ in Wien war
er an der Donau-Universität Krems tätig. Seine Forschungsschwer-
punkte umfassen vor allem Themen aus dem Bereich der Business
und Management Excellence. Herget unterstützt Unternehmen als
Gesprächspartner in Fragen der Zukunftsfähigkeit und des Wandels.

Dr. Herbert Strobl, MC  ist Managementberater und Entwick-


lungsbegleiter mit Schwerpunkt auf Führung, Veränderung und
Unternehmenskultur. Er verfügt über 20  Jahre Führungserfahrung
in internationalen Konzernen und arbeitet seit vielen Jahren als sys-
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temischer Unternehmensberater und Executive Coach. Er ist einge-


tragener Wirtschaftsmediator, mehrfacher Lektor an Fachhochschu-
len und aktuell Sprecher der „Initiative Unternehmenskultur“ in der
Wirtschaftskammer Wien. www.herbertstrobl.cc

Literatur

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jekt Nr. 18/05, Berlin

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Grubendorfer Ch (2016) Einführung in systemische Konzepte der Unternehmenskultur, Carl-Auer
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Hays: HR-Report (2017) Schwerpunkt Kompetenzen für eine digitale Welt. Herausgegeben von
Hays AG und Institut für Beschäftigung und Employability IBE, 2017
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Lewin K. Zitat: https://de.wikiquote.org/wiki/Praxis. Zugegriffen: 10. Mai. 2017
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Strobl H (2018b) Das Six-Pack-Plus Modell: Instrument zur zielorientierten Gestaltung von Unter-
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nehmenskultur von innen heraus. In: Herget J, Strobl H (Hrsg) Unternehmenskultur in der
Praxis. Springer Gabler Verlag, Wiesbaden

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Perspektiven auf Unternehmenskultur

Petra Ilic

Zusammenfassung
Unternehmenskultur wurde bereits aus vielen Blickwinkeln entdeckt, erklärt und unter-
sucht. In diesem Beitrag wird die Frage beantwortet, aus welchen Perspektiven Unter-
nehmenskultur betrachtet werden kann. Es wird dargestellt, wie die Betriebswirtschaft,
Psychologie, Kulturanthropologie und Systemtheorie auf Unternehmenskultur blicken,
wie sie dieses Konzept definieren und welche Schwerpunkte in der Betrachtung
gewählt werden. Des Weiteren wird gezeigt, welche Modelle und Erklärungsansätze
es in diesen Disziplinen gibt. Neben typischen Fragen, die jede Richtung in Zusam-
menhang mit Unternehmenskultur stellt, wird außerdem beleuchtet, welche Möglich-
keiten der Veränderung von Unternehmenskultur bestehen. Zum Abschluss werden
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die dargestellten Blickwinkel zu einem umfassenden und vielschichtigen Gesamtbild


von Unternehmenskultur zusammengeführt. Es wird erkennbar, dass jede Perspektive
eigene Beiträge zu einem differenzierten Bild von Unternehmenskultur liefert und es
einen Mehrwert bringt, dieses umfassende Bild zu kennen und es auch in der Praxis als
Grundlage zur Verfügung zu haben.

1 Zugang und Aufbau dieses Beitrags

Bevor die verschiedenen Perspektiven auf Unternehmenskultur dargestellt werden, soll


zunächst der Zugang und Aufbau dieses Beitrags näher betrachtet werden. Dies hat zum

P. Ilic (*)
promitto organisationsberatung GmbH, Währinger Straße 2-4, 1090 Wien, Österreich
e-mail: ilic@promitto.at

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J. Herget, H. Strobl (Hrsg.), Unternehmenskultur in der Praxis,
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20 P. Ilic

Ziel, einige grundlegende Annahmen und Haltungen sowie die Struktur dieses Kapitels zu
vermitteln.

1.1 Zugang dieses Beitrags

Unternehmenskultur ist vielschichtig und komplex, verfügt über unterschiedliche Ein-


flussfaktoren und beeinflusst ihrerseits in vielen Dimensionen. So steht die Kultur eines
Unternehmens mit dem Unternehmen selbst in Zusammenhang, mit der Struktur des
Unternehmens, den dort aufgestellten Regeln und Leitbildern, dem Branchenumfeld oder
der wirtschaftlichen Situation des Unternehmens. In einem ähnlichen Maße ist die Unter-
nehmenskultur beeinflusst von den Menschen, die im Unternehmen arbeiten, von ihren
Werten und Haltungen, ihren Ansichten und Einstellungen, ihrem Verhalten oder ihrer
Kompetenz und beeinflusst umgekehrt die MitarbeiterInnen. Darüber hinaus hat Unter-
nehmenskultur auch etwas mit der Gesellschaft zu tun, in der ein Unternehmen tätig ist,
mit ihren Normen und Werten, dem Entwicklungsstand, dem politischen Umfeld oder
dem Grad an Vernetzung der Gesellschaft. Und nicht zuletzt kann ein Unternehmen als
System und die Unternehmenskultur als Bestandteil des Systems verstanden werden, der
Aufschluss darüber gibt, welche Spielregeln hier gelten, wie das System im Gleichgewicht
gehalten wird oder wie Ereignisse innerhalb des Systems zu interpretieren sind.
Schon in diesen paar Zeilen wird klar, dass Unternehmenskultur aus ganz unterschied-
lichen Sichtweisen betrachtet werden kann und jede Perspektive auf Unternehmenskultur
ihre Relevanz hat und einen Mehrwert im Verständnis der Kultur eines Unternehmens
bringen kann.
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Auf den folgenden Seiten werden die Perspektiven der Betriebswirtschaft, der Psycho-
logie, der Kulturanthropologie und der Systemtheorie auf Unternehmenskultur mit dem
Ziel eingenommen, ein mehrdimensionales Bild dieses Konzepts zu zeichnen und seine
Vielschichtigkeit aufzuzeigen. Klar ist auch, dass eine disziplinarische Trennung in dieser
Form nicht der Realität entspricht und theoretische Überlegungen sowie Forschungsergeb-
nisse interdisziplinär geteilt werden und voneinander profitieren. Und gleichzeitig werden
sich Unterschiede in den Sichtweisen und Forschungsfragen zeigen, die zusammengesetzt
ein umfassendes Bild ergeben können.
Dafür wird einerseits einschlägige Literatur verwendet, die eindeutig einer Perspektive
zuzuordnen ist. Es wird aber auch die wissenschaftliche Herkunft der Autoren von Kultur-
konzepten betrachtet und für diese Gegenüberstellung genutzt.
Warum das für ein Verständnis von Unternehmenskultur in der Praxis relevant sein
könnte, ist eine berechtigte Frage. Hier kann einerseits der Vorteil genannt werden, dass
ein Mehr an Sichtweisen ein breiteres Verständnis fördert, das es ermöglicht in der Praxis
aus unterschiedlichen Perspektiven das Konzept der Unternehmenskultur zu beobachten.
Auf der anderen Seite werden innerhalb dieses Grundlagenkapitels Themen dargestellt,

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Perspektiven auf Unternehmenskultur21

die einen Bezug zur Praxis aufweisen, wie z. B. die Veränderbarkeit von Unternehmens-
kultur aus Sicht jeder Disziplin.

1.2 Aufbau dieses Beitrags

Auf den nächsten Seiten werden zu jeder Perspektive die folgenden Fragen beleuchtet:

• Wie wird Unternehmenskultur aus dieser Perspektive gesehen?

Es wird beschrieben, welches Verständnis von Unternehmenskultur vorherrscht und in


welchen Konzepten sich dieses Verständnis ausdrückt.

• Wie kann aus Sicht dieser Perspektive Unternehmenskultur verändert werden?

In diesem Teil geht es um die Möglichkeiten der Einflussnahme und Veränderung von
Unternehmenskultur und um Annahmen die dem zugrunde liegen.

Abschließend wird aus allen Erkenntnissen ein gemeinsames Bild von Unternehmens-
kultur entwickelt, mit dem Ziel die unterschiedlichen Sichtweisen für einen differenzier-
ten Blick auf das Thema zu nutzen und unter der Voraussetzung, dass jede Perspektive
relevante Fragen stellt und hilfreiche Antworten liefern kann. Diesem Vorgehen liegt die
Annahme zugrunde, dass eine größere Anzahl an Blickwinkeln dazu führt, auch in der
Praxis mehr Möglichkeiten zu haben, das Phänomen zu beobachten und zu verstehen.
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Obwohl alle dargestellten Perspektiven eine lange Tradition in der Beschäftigung mit
dem Thema Unternehmenskultur aufweisen, ist es nicht Ziel und Möglichkeit dieses Bei-
trags, einen alles umfassenden historischen Überblick über Forschung und Konzepte zum
Thema Unternehmenskultur in jeder Perspektive zu geben.
Die Bezeichnung Unternehmenskultur wurde in Hinblick auf den Buchtitel durchgän-
gig beibehalten, auch wenn damit nicht nur Unternehmen, sondern auch Organisationen
gemeint sind. Wobei bereits in der Bezeichnung Unterschiede zwischen den Perspekti-
ven wahrgenommen werden können und die Betriebswirtschaft eher von Unternehmen
spricht, die anderen Disziplinen stärker den Begriff Organisation verwenden.

2 Perspektive der Betriebswirtschaft

In der Betriebswirtschaft wurde Unternehmenskultur in den 1980er-Jahren als Thema ent-


deckt und von da an zunehmend erforscht und beachtet (Heinen und Fank 1997, S. 2).
Sucht man nach einer Erklärung, warum das Interesse der Betriebswirtschaft gerade in
dieser Zeit zu wachsen begann, findet man unterschiedliche parallele Entwicklungen, die

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22 P. Ilic

eine Antwort liefern. Zum einen sollte in (maßgeblich neoklassischen) wirtschaftlichen


Erklärungsmodellen eine Reduktion der berücksichtigten Variablen herbeigeführt werden.
Zum anderen gab es die Entwicklung, die Erklärungsmodelle der Betriebswirtschaft ver-
stärkt auf neue Themen anzuwenden (Prätorius und Tiebler 1993, S. 23 ff.). Um diesem
Ziel nachzukommen, wurde es notwendig, umfassende erklärende Einflussgrößen zu
finden und mit bestehenden Modellen in Zusammenhang zu bringen. Daneben kann bei
einer Erweiterung um neue Konzepte immer auch eine Unzufriedenheit mit bisherigen
Erklärungsmodellen gesehen werden. Und nicht zuletzt gab es ein zunehmendes Inter-
esse an Unternehmenskultur auf Unternehmensebene – verstärkt durch die amerikanische
Managementliteratur als Antwort auf das Wirtschaftswunder Japan –, dem auch auf For-
schungsseite nachgekommen wurde.

2.1 Blick auf Unternehmenskultur

In diesem Abschnitt werden zunächst Definitionen dargestellt und analysiert. Im Anschluss


wird die Unterscheidung zwischen Variablen- und Metaphernansatz eingeführt und typi-
sche betriebswirtschaftliche Fragen in Zusammenhang mit Unternehmenskultur betrach-
tet. Der Abschluss widmet sich der Unterteilung in verschiedene Kulturtypen und den
Versuchen, Unternehmenskultur zu klassifizieren.

2.1.1 Definitionen
Begibt man sich auf die Suche nach einem Verständnis von Unternehmenskultur aus Sicht
der Betriebswirtschaft, so findet sich z. B. folgende Definition:
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Unter Unternehmenskultur (Organisationskultur, Corporate Culture) versteht man die


Gesamtheit aller Normen, Wertvorstellungen und Denkhaltungen, welche als kollektives
Orientierungsmuster das Verhalten der Mitarbeitenden und des Unternehmens bestimmen.
(Thommen 2008, S. 669)

Eine andere ähnliche Definition liest sich so:

Grundgesamtheit gemeinsamer Werte, Normen und Einstellungen, welche die Entscheidun-


gen, die Handlungen und das Verhalten der Organisationsmitglieder prägen. (Lies 2017)

In beiden Definitionen finden sich die Begriffe „Normen“ und „Werte“ wieder, die eine
Wirkung auf die Organisation und ihre Mitglieder ausüben. Unterschiede sind im Ausmaß
der Wirkung zu erkennen (prägen vs. bestimmen). Beiden Definitionen ist eine Beeinflus-
sungsrichtung gemeinsam, also die Ansicht, dass die Unternehmenskultur das Verhalten
der im Unternehmen tätigen Menschen beeinflusst.

2.1.2 Variablen- und Metaphernansatz


In diesem Zusammenhang scheint es hilfreich, eine grundlegende Systematisierung in
der Unternehmenskulturforschung einzuführen, die in der Analyse der unterschiedlichen
Erklärungsansätze von Unternehmenskultur wahrgenommen und in weiterer Folge als

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Klassifizierung herangezogen wurde (Prätorius und Tiebler 1993, S. 56; Kaschube 1993,
S. 104 ff.):

• Unternehmenskultur als Gestaltungsparameter – Variablenansatz


Unternehmenskultur wird in diesem Ansatz als ein Einflussfaktor für den unterneh-
merischen Erfolg gesehen, und die Beschäftigung mit Unternehmenskultur hat den
Zweck, die Erreichung der Unternehmensziele zu unterstützen.
• Unternehmenskultur als Metapher – Metaphernsansatz („root metaphor“)
In diesem Ansatz wird Unternehmenskultur als erkenntnisleitendes Grundkonzept ver-
standen, das auf die Analyse von Unternehmen angewendet wird. In diesem Zusam-
menhang wird Kultur als von den Mitgliedern der Organisation, ihren Interaktionen
und Interpretationen gemeinsam konstruierte Wirklichkeit gesehen.

Betrachtet man die oben genannten Definitionen und versucht eine Einordnung, würden
sie stärker im Variablenansatz Anschluss finden. Dies zeigt sich besonders in der Einfluss-
richtung, die hier zugrunde gelegt wird. Unternehmenskultur ist eine Variable, welche
die Organisation und ihre Mitglieder beeinflusst. Diese Beobachtung hier gilt auch für
eine Mehrzahl betriebswirtschaftlicher Konzepte zur Unternehmenskultur, die stärker dem
Variablenansatz zuzuordnen sind (Kaschube 1993, S. 105).

2.1.3 Typische Fragen zum Thema Unternehmenskultur


Mit dieser Grundhaltung stehen auch die inhaltlichen Auseinandersetzungen zum Thema
Unternehmenskultur in der Betriebswirtschaftslehre in Zusammenhang (Prätorius und
Tiebler 1993, S. 59 ff.). So sind bei der Betrachtung von Unternehmenskultur Normen,
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Werte, Ideale und Symbole relevant, und es wird die Frage gestellt, wie sich diese in der
Realität äußern und woran sie festgemacht werden können. Sie werden als Auswirkung
der Kultur, die das Unternehmen hat verstanden. So werden beispielsweise Kernfaktoren
der Unternehmenskultur extrahiert, die helfen, das wenig greifbare Thema sichtbarer zu
machen (Pümpin et al. 1985, zit. nach Thommen und Achleitner 2003, S.  873). Nach
diesem Ansatz sind Kernfaktoren der Unternehmenskultur:

1. Persönlichkeitsprofile der Führungskräfte, wie z.  B. beruflicher Werdegang oder


Lernbereitschaft
2. Rituale und Symbole, wie z. B. Entscheidungsverhalten, Wertschätzung des Kunden,
Gestaltung und Lage des Büros oder Parkplatzordnung
3. Kommunikation, wie z.  B. Konsens- und Kompromissbereitschaft oder
Partizipationsformen

Ein klarer Fokus liegt hier im Sichtbarmachen der Auswirkungen von Unternehmenskul-
tur im Unternehmensalltag, wobei mitschwingt, dass diese gleichzeitig Stellschrauben zur
Veränderung von Unternehmenskultur sein können.

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2.1.4 Kulturtypen und Klassifizierung


Ein ebenfalls mit dem Variablenansatz zusammenhängendes Phänomen ist die Entste-
hung von Kulturtypen und Klassifizierungssystemen für Unternehmenskultur. Damit wird
zum einen eine Vereinfachung des Phänomens erreicht (Thommen und Achleitner 2003,
S. 875) und zum anderen auch hier auf eine Erkennbarkeit der Kultur im Außen fokussiert.
Ein sehr bekanntes Klassifizierungsmodell stammt von Deal und Kennedy (1982,
S. 107 ff.). Es stellt zwei Merkmale von Unternehmenskulturen in Zusammenhang: den
Risikograd der geschäftlichen Aktivitäten eines Unternehmens und die Geschwindigkeit
des Feedbacks zu Strategien und Entscheidungen. Aus der Kombination dieser beiden
Faktoren entstehen vier Kulturtypen, die in Abb. 1 dargestellt sind.
In der Macho-Kultur der harten Männer arbeiten nach Ansicht der Autoren viele Indi-
vidualistInnen, die hohe Risiken eingehen und schnell Feedback zu ihren Entscheidungen
erhalten. Die Harte-Arbeit-viel-Spaß-Kultur (auch „Brot und Spiele“ genannt) kombiniert
ein geringes Risiko mit schnellem Feedback. Das führt dazu, dass MitarbeiterInnen dazu
ermutigt werden, viele Dinge auszuprobieren. In der Risiko-Kultur steht bei Entscheidun-
gen viel auf dem Spiel, es dauert aber lange, bis sich das Feedback einstellt und bei Verfah-
rens-Kulturen ist aufgrund eines langsamen Feedback-Prozesses und geringen Risikos die
Leistung schwer messbar. Der Fokus liegt darauf, wie etwas getan wird und diese Kultur
hat den Hang in Richtung Bürokratie abzugleiten.
Neben diesen Typologien lassen sich noch viele andere finden, die unterschiedliche
Aspekte von Unternehmenskultur beleuchten und systematisieren wollen (Bolz 2013,
S. 33 ff.). Typologien betrachten dabei z. B. konstruktive Fehlerkulturen, Lernkulturen,
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Abb. 1  Kulturtypen nach Deal und Kennedy (1982)

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Perspektiven auf Unternehmenskultur25

Problemlösungskulturen, pathologische Unternehmenskulturen oder Informationspatho-


logien. Gleichzeitig findet sich in diesen Typologien ein weiterer Aspekt, der im Zusam-
menhang mit dem Variablenansatz beobachtet werden kann – die Beurteilung der Funktio-
nalität der Unternehmenskultur. Diese Annahme sagt aus, dass eine Unternehmenskultur
eine Funktion aufweist, die im Sinne von „gut“ oder „schlecht“ beurteilt werden kann
(Schein 1995, S. 18). Und gleichzeitig ist damit das Ziel verbunden, die Funktionalität von
Unternehmenskultur im Hinblick auf die Zielerreichung des Unternehmens zu verbessern.

2.2 Veränderung von Unternehmenskultur

Neben der Darstellung des Blickwinkels der Betriebswirtschaft auf Unternehmenskultur


stellt sich die Frage, wie aus dieser Perspektive Veränderung von Unternehmenskultur
möglich ist. Beim Lesen unterschiedlicher betriebswirtschaftlicher Literatur entsteht der
Eindruck einer direkten Beeinflussbarkeit von Unternehmenskultur.

2.2.1 Soll-Ist-Vergleich
Auf Basis von üblichen Schemata für Veränderungsprozesse wird eine Analyse der Ist-Si-
tuation und eine Definition des Soll-Zustandes vorgeschlagen, um dann zu überlegen, mit
welchen zur Verfügung stehenden Instrumenten, z.  B. Veränderung der Anreizsysteme,
Schulungen oder Freistellungen, eine gewünschte Veränderung herbeigeführt werden
kann (Thommen und Achleitner 2003, S. 878 f.).
Dabei finden sich unterschiedliche Möglichkeiten, wie der Soll-Zustand definiert
werden kann. Eine Variante ist die Ableitung des Soll-Zustandes aus der Strategie des
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Unternehmens (Berner 2012, S. 135 ff.). Die Frage, die dabei zu stellen ist, lautet: Welche
Fähigkeiten benötigt das Unternehmen, um die definierte Strategie zu erreichen? Dabei
werden unter Fähigkeiten Strukturen, Prozesse und Systeme und eben auch Kultur
verstanden.

2.2.2 Erfolgsfaktoren von Veränderungsprozessen


In den aktuelleren Entwicklungen des Changemanagements und in der Beratungspraxis
werden zunehmend auch die MitarbeiterInnen des Unternehmens als Beteiligte berück-
sichtigt. Dies ist z. B. an den in der Tab. 1 dargestellten Erfolgsfaktoren von Veränderungs-
prozessen zu erkennen (Homma 2015, S. 63 ff.).

2.2.3 Führung als Einflussgröße


Neben einer Vielzahl an Instrumenten, die aus betriebswirtschaftlicher Sicht für Kultur-
veränderung zur Verfügung stehen, nimmt die Führung eine zentrale Stellung ein. Hier
gibt es zum einen die Vorbildwirkung der Führungskraft in Bezug auf den Soll-Zustand
der Unternehmenskultur (Thommen und Achleitner 2003, S. 879). Werden die angestreb-
ten Normen und Werte von den Führungskräften nicht glaubwürdig vorgelebt, ist eine
Veränderung der Kultur unwahrscheinlich.

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Tab. 1  Erfolgsfaktoren für die Veränderung von Unternehmenskultur (Homma 2015, S. 63 ff.)
Entschlossenheit und Ein geschlossenes Managementteam als Grundvoraussetzung
Einigkeit im Top- von erfolgreichen Veränderungsprojekten
Management
Darstellung der Vermittlung und offene Darstellung gegenüber den Beteiligten,
Notwendigkeit des weshalb der Kulturwandel unverzichtbar ist, idealerweise
Kulturwandels Verstärkung durch empirische Daten
Attraktive Vision und Den Soll-Zustand oder die Vision als anzustrebendes Ziel
Perspektive darstellen und die MitarbeiterInnen dazu motivieren
Definition der Genaue Festlegung, woran der Kulturwandel zu erkennen ist und
Veränderungsziele was genau erreicht werden soll
Klare Prioritäten Konzentration auf wenige Themen zur selben Zeit, um diese
fokussieren und verfolgen zu können
Start eines Dialogs Einbeziehen der Beteiligten im Veränderungsprozess und
Möglichkeit zum Austausch und zur Kommunikation bieten
Mitgestaltung Den MitarbeiterInnen die Möglichkeit geben, die
vorgegebenen neuen Werte individuell umzusetzen und für sich
situationsspezifisch zu übersetzen
Schnelle erste Erfolge Fokus auf schnell erzielbare erste Erfolge richten, um skeptische
Beteiligte zu überzeugen
Erleben des praktischen Durch Erleben eines praktischen Nutzens durch das veränderte
Nutzens Verhalten erhöhtes Engagement erreichen
Am Ball bleiben Fortschritte und Rückschläge im Veränderungsprozess verfolgen,
um möglichst frühzeitig steuernd eingreifen zu können
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Neben der Definition einer erwünschten Unternehmenskultur muss daher auch das
Thema Führungskultur betrachtet werden. Hier stellt sich die Frage nach der Soll-Füh-
rungskultur, um das Erreichen der Soll-Unternehmenskultur bestmöglich zu unterstützen.

3 Perspektive der Psychologie

In der Psychologie wird das Thema Unternehmenskultur erstmals in den Hawthorne-Stu-


dien aufgegriffen (Kaschube 1993, S.  99). Durch die Ergebnisse der Studien wurde in
der Psychologie die alleinige Orientierung auf das Individuum um die Beachtung von
sozialpsychologischen Aspekten von Arbeit ergänzt (Ulich 2005, S. 39 ff.). Die Studien
wurden in den Hawthorne-Werken der Western Electric Company durchgeführt und unter-
suchten die Auswirkungen verschiedener Umfeldbedingungen und deren Änderung auf
Arbeitsleistung, Verhalten und Gesundheit einer Gruppe von Mitarbeiterinnen (Mayo
1930, 1933, Roethlisberger und Dickson 1939, zit. nach Ulich 2005, S.  39  ff.). Dabei
war bemerkenswert, dass sich die Arbeitsleistung bei annähernd jeder Veränderung der

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Perspektiven auf Unternehmenskultur27

Umfeldbedingungen verbesserte und auch dann zunahm, wenn Verbesserungen wieder


rückgängig gemacht wurden. Die beobachteten Ergebnisse waren erste Befunde zur
Wirkung von informalen sozialen Beziehungen innerhalb von Organisationen, die durch
den zunehmenden Kontakt der Untersuchungsteilnehmerinnen untereinander entstanden
waren und lösten einen Paradigmenwechsel in der psychologischen Forschung aus.

3.1 Blick auf Unternehmenskultur

Auch in diesem Teil sollen zunächst Definitionen und ein Modell vorgestellt werden, um
den Blick auf Unternehmenskultur aus der Perspektive der Psychologie zu vermitteln.
Außerdem werden typische Fragen zur Unternehmenskultur dargestellt.

3.1.1 Definitionen
Sucht man nach einer psychologischen Definition von Unternehmenskultur, so findet man
z. B. folgendes:

Oberbegriff für das Insgesamt an Werten und Normen sowie Grundannahmen der Mitglieder
einer Organisation. (http://www.spektrum.de/lexikon/psychologie/organisationskultur/10970)

Schein (1995, S. 25), der in seinem Grundberuf Psychologe war, definiert Kultur auf fol-
gende Weise:

Ein Muster gemeinsamer Grundprämissen, das die Gruppe bei der Bewältigung ihrer Prob-
leme externer Anpassung und interner Integration erlernt hat, das sich bewährt hat und somit
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als bindend gilt; und das daher an neue Mitglieder als rational und emotional korrekter Ansatz
für den Umgang mit diesen Problemen weitergegeben wird.

Aus beiden Definitionen geht hervor, dass die Unternehmenskultur etwas mit den Mitar-
beiterInnen eines Unternehmens zu tun hat. Im Unterschied zur betriebswirtschaftlichen
Sichtweise werden in den Definitionen keine Wirkung, die von Kultur ausgeht, in den Vor-
dergrund gestellt. In Hinblick auf die oben genannte Zweiteilung zwischen Variablen- und
Metaphernansatz, ist hier daher der Metaphernansatz stärker sichtbar.
Die Orientierung an den Menschen in einer Organisation und die Annahme, dass eine
Organisation stärker Kultur ist als Kultur hat, beeinflussen Zugänge und Themen in der
psychologischen Perspektive auf Unternehmenskultur.

3.1.2 (Psychologisches) Modell der Unternehmenskultur


Diese grundlegenden Aspekte zeigen sich in einem der relevantesten Modelle zur Beschrei-
bung von Unternehmenskultur. Schein (1995, S. 29 ff.) unterscheidet dabei drei Ebenen:

• Artefakte: Diese Phänomene sind an der Oberfläche anzutreffen und beinhalten alles,
was man sieht, hört und fühlt, wenn man neu in eine Organisation kommt. Dazu zählen

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z. B. die räumliche Umgebung, die Sprache, die Technik, die Geschichten und die beob-
achtbaren Rituale. Relevant für die Ebene der Artefakte ist, dass sie einfach wahrnehm-
bar, aber schwer zu verstehen ist. Um ein Verständnis für diese Ebene zu entwickeln, ist
es notwendig, auch die beiden anderen Ebenen zu erfahren oder zu analysieren.
• Bekundete Werte: Darunter versteht Schein die Annahmen einzelner Organisationsmit-
glieder, die zum Ausdruck gebracht werden, aber zunächst von der Gruppe noch nicht
anerkannt sind. Es ist erst notwendig den zum Ausdruck gebrachten Wert in der Gruppe
zu diskutieren und Erfahrungen mit diesem Wert zu sammeln. So kann sich der Wert
einzelner Gruppenmitglieder zu einem gemeinsamen Wert entwickeln und bei weiterer
Bewährung in eine Grundprämisse verwandeln.
• Grundprämissen: Auf dieser Ebene befinden sich selbstverständliche Annahmen, die
nicht mehr hinterfragt werden und die durch einen stark prägenden Charakter dazu
führen, dass Verhalten den Grundprämissen angepasst werden.

Dieses Modell beinhaltet Elemente, die Bestandteil der betriebswirtschaftlichen Sicht-


weise sind. Es erweitert die sichtbaren Aspekte von Unternehmenskultur, aber auch um
die zugrunde liegenden Werte und Grundprämissen und die Annahme, dass Artefakte per
se keine ausreichende Auskunft über Unternehmenskultur geben können. Gleichzeitig
werden soziale Prozesse zwischen den Gruppenmitgliedern als zentrale Mechanismen der
Entstehung von Kultur angesehen.

3.1.3 Typische Fragen zum Thema Unternehmenskultur


Weitere Themen, die aus psychologischer Sicht in Zusammenhang mit Unternehmens-
kultur erforscht werden, beschäftigen sich mit folgenden Fragen (Weinert 1987, S. 436 f.):
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Wie wird eine Unternehmenskultur begründet? Wodurch wird Unternehmenskultur beein-


flusst? Welche Zusammenhänge gibt es zwischen Unternehmenskultur und dem Arbeits-
verhalten von MitarbeiterInnen?
Als Einflussfaktoren auf die Unternehmenskultur werden der Unternehmensgründer
oder die Führungskräfte, die MitarbeiterInnen sowie die Kultur und Normen der Gesell-
schaft, in der das Unternehmen tätig ist, gesehen.

3.2 Veränderung von Unternehmenskultur

Versucht man aus psychologischer Perspektive Ansätze zur Veränderung von Organisa-
tionskultur zu finden, ist zunächst bemerkenswert, dass der Wunsch zur Einflussnahme
weniger klar zum Ausdruck gebracht wird (Kaschube 1993, S. 132 ff.). So stellt sich die
Frage, ob die Organisationskultur als ein individuelles und einzigartiges Konstrukt über-
haupt Fokus eines Veränderungsvorhabens werden sollte. Hinzu kommt eine gewisse
Skepsis zum Erfolg einer gezielten Einflussnahme, die vor allem mit der Komplexität des
Phänomens zusammenhängt.

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Perspektiven auf Unternehmenskultur29

Dennoch gibt es Überlegungen und Konzepte zur Veränderung von Unternehmenskul-


tur, die einerseits den wichtigen Einfluss von Führung nutzen und an der Veränderung des
Führungsverhaltens ansetzen (Gebert und von Rosenstiel 2002, S. 396). Dabei wird ein
Konzept vorgestellt, das sowohl auf formale und öffentliche Aspekte als auch auf infor-
melle und gelebte Aspekte von Führung Bezug nimmt. Für eine Veränderung von Kultur
ist es empfehlenswert, auf beiden Ebenen anzusetzen und so ein konsistentes Bild zu
erreichen.
Einem anderen Ansatz liegt die Annahme zugrunde, dass die MitarbeiterInnen eines
Unternehmens die Kultur maßgeblich prägen und gestalten (Weinert 1987, S.  437). In
diesem Zusammenhang ist es wesentlich, auf deren Eigenschaften und Merkmale zu
achten. Im Zuge von Personalauswahl und Beförderungs- bzw. Erhaltungspraktiken wird
die Kultur eines Unternehmens sichtbar. Entsprechend können Änderungen an diesen Ele-
menten auch Wirkung auf die Kultur haben.

4 Perspektive der Kulturanthropologie

Die Kulturanthropologie beschäftigte sich in ihrer Historie weniger mit Unternehmen und
Unternehmenskultur, verfügt aber über einen umfangreichen Forschungshintergrund zum
Thema Kultur (Helmers 1993, S. 147 ff.). Aus diesem Grund hat die kulturanthropolo-
gische Perspektive vieles zum Thema Unternehmenskultur beizutragen, und viele For-
scher anderer Disziplinen griffen bewusst oder unbewusst auf Konzepte oder Begriffe der
Kulturanthropologie zur Beschreibung von Unternehmenskultur zurück in der Annahme,
Kultur sei das richtige zusammenfassende Stichwort, das Werte, Normen oder Annahmen
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bezeichnet (Allaire und Firsirotu 1984, S. 194).

4.1 Blick auf Unternehmenskultur

Nach einem Blick auf die Möglichkeit, Kultur aus dieser Perspektive zu definieren,
werden Stammes- und Organisationskultur miteinander verglichen und ein umfassender
Überblick über Modelle der Organisationskultur zur Verfügung gestellt.

4.1.1 Definitionen
Auf Basis der langen Tradition der Erforschung von Kultur und der Auseinandersetzung
mit diesem schwer greifbaren Begriff ist es wenig verwunderlich, dass es eine unüber-
schaubare Vielzahl von Kulturdefinitionen gibt und daher nicht die eine Kulturdefini-
tion herausgegriffen werden kann (Allaire und Firsirotu 1984, S.  194  ff.). Dennoch ist
es möglich, Richtungen, Denkschulen und Konzepte zu unterscheiden, die verschiedene
Annahmen zugrunde legen.

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In Zusammenhang mit Unternehmenskultur wird zunächst die Definition unterschied-


licher kultureller Begrifflichkeiten als relevant gesehen, um bei einer Verwendung der
Begrifflichkeiten von Gleichem zu sprechen. Helmers (1993, S. 153 ff.) sieht hier z. B. die
folgenden Begriffe als wichtig an:

• Zeremonie: Darunter wird ein öffentliches und formales Ereignis verstanden, das die
charakteristischen Elemente der Kultur in einer starken Verdichtung zum Ausdruck
bringt und eine Kultur stabilisiert, z. B. Firmenfeiern.
• Ritual: Es verfügt über eine hohe symbolische Bedeutung und kann daher nicht ver-
ändert werden, z. B. die Dienstprüfung bei ArbeitnehmerInnen im öffentlichen Dienst.
• Mythen: Dabei handelt es sich um Geschichten von nicht menschlich erscheinenden
Wesen oder legendären Begebenheiten, z. B. Mythos um eine Firmengründung.
• Tabu: Darunter wird ein Verbot verstanden, das nicht einfach aufgehoben werden kann
und in der Vorstellung mit übernatürlichen Sanktionen verbunden ist, z. B. Austausch
über Gehalt.

4.1.2 Vergleich von Stammes- und Organisationskulturen


Eine naheliegende Überlegung ist, Erfahrungen und Beobachtungen aus der Kulturanth-
ropologie auf Organisationen umzulegen und zu nutzen. Es können auch einige Gemein-
samkeiten von Stammes- und Organisationskulturen gefunden werden (Thiel 1988, S. 75).
So gibt es z.  B. eine Solidarität innerhalb der Gruppe oder alternativ eine ergänzende
Oppositionsposition. Es lassen sich Zeichen und Symbole finden, welche die Gruppen-
zugehörigkeit ausdrücken, und Gruppenmitglieder, die sich nicht solidarisch verhalten,
werden ausgeschlossen.
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Vergleicht man die Erforschung einer Stammeskultur und einer Organisationskul-


tur lassen sich ähnliche Fragen zur Beschreibung stellen. Beginnend mit der Identität
stellen sich die Fragen, wie wir uns sehen und wie wir die anderen sehen (Janata 1988,
S. 55 ff.). Der Name eines Stammes oder eines Unternehmens ist ein weiteres beschrei-
bendes Merkmal, das etwas über die Kultur aussagen kann und eine Orientierung für
die Mitglieder darstellt. In weiterer Folge können äußere beobachtbare Aspekte genutzt
werden, wie z. B. die Tracht eines Stammes oder Schmuck, der Ansehen und Prestige
vermittelt. Diese Elemente finden sich in Organisationen in Form von Kleidungsstil, aber
auch als Statussymbole (z. B. Firmenwagen). Ebenso kann als beschreibendes Element
die Rang- und Hackordnung herangezogen werden. In Organisationen würde man hierzu
die Körpersprache beobachten, Sitzordnungen oder die Art des Umgangs miteinander
analysieren.
Neben diesen recht eingängigen Vergleichen gibt es aber auch eine Reihe von Unter-
schieden zwischen einem Stamm und einem Unternehmen, wie z. B. die Rolle der Person
des Stammesführers, die üblicherweise in Unternehmen weniger stark ausgeprägt ist, oder
die Geschichte und Entwicklung eines Stammes bzw. eines Unternehmens. Es stellt sich
daher die kritische Frage, ob ein Stamm und ein Unternehmen tatsächlich über ausreichend

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Perspektiven auf Unternehmenskultur31

Gemeinsamkeiten verfügen, um Methoden und Konzepte ohne weitere Überprüfung zu


übernehmen.

4.1.3 Überblick über Modelle der Organisationskultur


Die Einordnung von Modellen in die schon vorgestellte Zweiteilung des Variablenan-
satzes und Metaphernansatzes ist auch in der Kulturanthropologie wiederzufinden. Die
Begrifflichkeiten variieren dabei, wobei der Variablenansatz sich in den soziokulturellen
Ansätzen wiederfindet und der Metaphernansatz mit den ideationalen Ansätzen überein-
stimmt. Allaire und Firsirotu (1984, S. 195 ff.) liefern hier eine Übersicht über Ansätze
aus der Kulturanthroplogie und ordnen sie in einem zunächst zweigeteilten, dann weiter
unterteilten System ein (Tab. 2). Zu allen Ansätzen werden in der Originalliteratur Autoren
genannt, die diese Ansätze vertreten.

Tab. 2  Einordnung kulturanthropologischer Ansätze zu Organisationskultur (Allaire und Firsirotu


1984, S. 197 ff.)
Soziokulturelle Synchronisch Funktionalistisch Kultur als Instrument, das den
Ansätze oder (Betrachtung Menschen befähigt, besser mit
Variablenansatz von Zeitpunkten) den Herausforderungen auf
dem Weg zur Befriedigung von
grundlegenden Bedürfnissen
umzugehen
Funktionalistisch- Kultur als veränderlicher
strukturell Mechanismus, der es Menschen
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ermöglicht, ein soziales Leben in


einer Gesellschaft in Anpassung
an eine vorhandene Umwelt zu
führen
Diachronisch Ökologische Kultur als ein System von sozial
(Betrachtung Anpassung vermittelten Verhaltensmustern,
von Prozessen) die dazu dienen, menschliche
Gemeinschaften mit ihren
Umweltbedingungen in
Übereinstimmung zu bringen,
weder Kultur noch Umwelt sind
gegeben, sondern beeinflussen
sich gegenseitig
Historische Kultur als temporäre, interaktive
Ausbreitung und autonome Struktur, die von
historischen Umständen und
Prozessen geprägt wird

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Tab. 2  (Fortsetzung)
Ideationale Person als Kognitiv Kultur als System von Wissen
Ansätze oder Kulturträger und gelernten Standards für
Metaphernansatz Wahrnehmung, Bewertung und
Verhalten
Strukturell Kultur als geteilte symbolische
Systeme, die sich aus den
unbewussten Prozessen der
Kulturträger zusammensetzen
Gegenseitige Kultur als standardisierte
Äquivalenz kognitive Prozesse, die einen
Rahmen für die Vorhersage des
gegenseitigen Verhaltens von
Organisationsmitgliedern in
sozialen Situationen definieren
Geteilte Symbolisch Kultur wird nicht in den Köpfen
Interpretationen der Organisationsmitglieder
und Symbole gefunden, sondern in ihren
geteilten und gezeigten
Einstellungen und Gedanken

4.2 Veränderung von Unternehmenskultur

Die Veränderung von Kultur ist in der Literatur dieser Perspektive nicht vorherrschend. Es
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gibt nur wenige Konzepte und Ideen zu dieser Fragestellung.


Ein Ansatzpunkt für die Veränderung von Unternehmenskultur ist die Person des Grup-
penführers, der üblicherweise eine prägende kulturelle Rolle einnimmt. Allerdings gibt es
in der kulturanthropologischen Forschung dazu wenig Ergebnisse (Helmers 1993, S. 165).
In anderen Beiträgen ist ein Zusammenhang zwischen dem Verhalten der MitarbeiterIn-
nen untereinander und der Kultur angedeutet sowie ein Einfluss der Unternehmenskultur
als Rahmenbedingungen auf die MitarbeiterInnen (Peters 1988, S. 45). Daraus könnten
sich ebenfalls Ansätze zur Veränderung von Unternehmenskultur ableiten lassen.
Zusammengefasst kann aber festgehalten werden, dass die Ethnologie eine erforschende
und vergleichende Wissenschaft ist (Helmers 1993, S. 176). Relevant ist die Beobachtung
und Beschreibung oder der Vergleich von Kulturen. Es finden sich daher weniger Beiträge
zur Frage, wie Kultur bewusst oder unbewusst verändert werden kann.

5 Perspektive der Systemtheorie

Aus dem Blickwinkel der Systemtheorie werden Organisationen als soziale Systeme
betrachtet, die über unterschiedliche Merkmale definiert werden (König und Volmer 2014,
S. 51 ff.). Dazu gehören die Personen des sozialen Systems, deren subjektive Gedanken

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Perspektiven auf Unternehmenskultur33

und Empfindungen, soziale Regeln als Handlungsrahmen, wiederkehrende Verhaltens-


muster, materielle und soziale Umwelt und die Entwicklung des sozialen Systems. In
dieser Beschreibung wird ersichtlich, dass Unternehmenskultur in vielen dieser Merkmale
auftaucht und sichtbar wird bzw. von diesen geprägt wird. Auf dieser Basis wird im fol-
genden Abschnitt die Perspektive der Systemtheorie näher betrachtet.

5.1 Blick auf Unternehmenskultur

In diesem Abschnitt werden zunächst grundlegende Annahmen und Haltungen zum Thema
Unternehmenskultur dargestellt, um danach Entscheidungen als wichtiges Element in
Zusammenhang mit dem Thema Unternehmenskultur zu betrachten.

5.1.1 Grundlegende Annahmen zu Unternehmenskultur


Nähert man sich aus Sicht der Systemtheorie dem Konzept der Unternehmenskultur, dann
gibt es einige grundlegende Annahmen, die für die weitere Betrachtung relevant sind und
bereits einen Einblick in diesen Zugang darstellen (Grubendorfer 2016, S. 14 ff.):

1. Unternehmenskultur ist Mittel zum Vergleich. Damit geht einher, dass sich nicht die
Frage stellt, ob ein Unternehmen eine Kultur hat, sondern welche Kultur es hat. Aus
Sicht der Systemtheorie verfügt jedes System über eine Kultur, diese Kulturen unter-
scheiden sich aber voneinander und können dafür genutzt werden, Systeme miteinan-
der zu vergleichen.
2. Unternehmenskultur kann als Spielregel gesehen werden. In diesem Zusammenhang
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ist Unternehmenskultur ein Satz von Spielregeln, die Aktionen der Mitglieder des
sozialen Systems ordnen. Sie vermitteln, welche Erwartungen im System vorhanden
sind. Ein Teil der Spielregeln kann dabei formal festgehalten sein (König und Volmer
2014, S. 54). Für den Teil der Spielregeln, der die Unternehmenskultur betrifft, gilt das
nicht. Für neue Mitglieder des Systems stellt sich daher die Herausforderung, diese
Spielregeln zu erfassen und sich danach zu verhalten. Dabei können auch nur begrenzt
andere Mitglieder der Organisation herangezogen werden, um nach diesen impliziten
Spielregeln zu fragen, da sie über eine Selbstverständlichkeit verfügen. Das Erlernen
erfolgt meist in der Praxis und durch Erleben.
3. Unternehmenskultur dient als Deutungsrahmen. Das bedeutet, dass Kultur hilft, einem
Außenstehenden zu vermitteln, was in diesem System passend ist und was nicht. Die
Mitglieder des Systems nehmen auf diese Weise wahr, welche Erwartungen aus dem
System an sie gestellt werden, und gleichzeitig wird ihr Verhalten auf Basis des Deu-
tungsrahmens des Systems interpretiert.
4. Kultur, Identität und Passung. Die vierte Grundannahme beschäftigt sich mit dem
Zusammenspiel von Kultur und Identität einer Person. Hier werden die beiden
Systeme Unternehmen und Person betrachtet. Die Annahme ist, dass die Kultur eines
sozialen Systems sehr prägend für die Identität einer Person ist, da sie sich über die
Zugehörigkeit zum sozialen System identifiziert. Das bedeutet auch, dass – solange

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die Zugehörigkeit als wertvoll betrachtet wird – es ein Interesse der Person gibt, die
Spielregeln einzuhalten. In diesem Zusammenhang wird die Passung relevant, die als
Eigenschaft verstanden wird, die Spielregeln des Unternehmens wahrzunehmen, zu
verstehen und sich danach zu verhalten. Je größer die Passung ist, umso einfacher und
wünschenswerter ist es auch für die Person, die Zugehörigkeit aufrecht zu erhalten und
damit die eigene Identität zu stärken.

5.1.2 Entscheidungen als wichtiges Element


Einen wichtigen Stellenwert nehmen in der Systemtheorie Entscheidungen ein, da sie als
Mittel gesehen werden, mit dem Unternehmen ihre Komplexität abbilden und bearbeitbar
machen (Luhmann 2000, S. 239). Ein Unternehmen besteht solange, wie Entscheidungen
getroffen werden. Werden keine Entscheidungen mehr getroffen, dann besteht auch das
Unternehmen nicht weiter. Diese Entscheidungen werden nach Entscheidungsprämissen
getätigt (ähnlich den oben genannten Spielregeln), die dazu führen, dass unterschiedliche
Mitglieder des Systems ähnliche Entscheidungen treffen.
Diese Entscheidungsprämissen können formal feststehen und damit entscheidbar
sein. Das bedeutet, dass es eine aktive Entscheidung ist, was als Entscheidungsprä-
misse festgelegt wird und was nicht. Sie können aber auch unentscheidbar sein, weil die
Einflussnahme darauf, was eine Entscheidungsprämisse wird, nicht möglich ist. Diese
unentscheidbaren Entscheidungsprämissen bilden die Unternehmenskultur. In diesem
Zusammenhang ist die Funktion von Unternehmenskultur, für das Unternehmen Prob-
leme zu lösen, wie z. B. den oben genannten Deutungsrahmen zur Verfügung zu stellen
(Grubendorfer 2016, S. 49).
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5.2 Veränderung von Unternehmenskultur

Wie die Systemtheorie die Veränderung von Unternehmenskultur sieht und welche Rolle
Entscheidungen dabei spielen können, wird in diesem Abschnitt ausgeführt.

5.2.1 Haltung zur Veränderung von Unternehmenskultur


Ausgehend von der oben ausgeführten Sichtweise auf Unternehmenskultur ist es wenig
verwunderlich, dass es auch in dieser Perspektive keine Patentrezepte für die Veränderung
von Kultur gibt und eine direkte Einflussnahme wenig erfolgversprechend ist (Gruben-
dorfer 2016, S. 75 ff.). Statt der Frage, wie Unternehmenskultur verändert werden muss,
damit die Unternehmensziele besser erreicht werden können, stellt sich eher die Frage,
wie eine Änderung des Systems Unternehmen auf die Kultur wirkt und welche Auswir-
kungen das im Gegenzug auf das System hat.

5.2.2 Einflussnahme über Entscheidungen


Als eine Möglichkeit auf die Unternehmenskultur Einfluss zu nehmen, werden einerseits
die entscheidbaren Entscheidungsprämissen gesehen, also die formalen Spielregeln. In
diesen können Änderungen vorgenommen werden, die in Richtung einer gewünschten

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Perspektiven auf Unternehmenskultur35

Kulturveränderung unterstützend wirken. Dabei kann z.  B. bei den Systemmitgliedern


angesetzt werden, indem eine neue Führungskraft eingestellt wird (König und Volmer
2014, S. 220 f.). Ein anderer Ansatzpunkt können die subjektiven Deutungen der Mitar-
beiterInnen sein, die z. B. durch einen Perspektivenwechsel oder eine Neubewertung der
Situation adressiert werden können. Eine weitere Möglichkeit sind die Analyse und Ver-
änderung von Regelsystemen und eine differenzierte Betrachtung der zugrunde liegenden
Werte. Nicht zuletzt kann auch eine dezidierte Veränderung in den Systemumwelten, wie
ein neues Gebäude eine Kulturveränderung, unterstützen.
Ein anderer Ansatz besteht darin, informell gelebte Entscheidungen formell zu machen
und damit eine Wirkung auf die Unternehmenskultur zu erzielen. Dabei ist nicht vorher-
sehbar, wie die Kultur reagieren wird, dies kann nur beobachtet werden.
Widerstände in der Veränderung von Unternehmenskulturen sind einerseits so erklärbar,
dass Kulturen bewahrend wirken und damit per se einer Veränderung entgegenwirken. Auf der
anderen Seite ist die identitätsstiftende Funktion für MitarbeiterInnen ein relevantes Merkmal,
das Widerstand auf dieser Ebene verständlich macht (Grubendorfer 2016, S. 112 f.).

6 Integriertes Bild

Aufbauend auf den Darstellungen der vorangehenden Abschnitte sollen nun die Erkennt-
nisse in ein gemeinsames Bild integriert werden. Dabei wird der Fokus darauf gelegt,
darzustellen, was die einzelnen Disziplinen und deren Blick auf Unternehmenskultur zu
einem umfassenden Verständnis beitragen. Jede Disziplin hat ihre präferierten Blickwin-
kel und Ansätze, und das führt dazu, dass in Summe ein vielfältiges und umfangreiches
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Bild von Unternehmenskultur entstehen kann.


In Abb. 2 sind die aus Sicht der Autorin wesentlichen Beiträge der unterschiedlichen
Perspektiven auf Unternehmenskultur dargestellt.

Abb. 2  Perspektiven auf Unternehmenskultur

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Die betriebswirtschaftliche Perspektive bringt eine Praxisorientierung mit. Zweck zur


Auseinandersetzung mit Unternehmenskultur ist, diese zu nutzen, um die Unternehmens-
ziele besser zu erreichen. Damit geht auch die Einflussrichtung in dem Sinne einher, dass
Unternehmenskultur die MitarbeiterInnen beeinflusst. Die Betriebswirtschaft strebt auch
nach einer „Greifbarkeit“ des Konzepts, die sich z.  B. im Verhaltensbezug ausdrückt.
Beim tatsächlichen Verhalten der MitarbeiterInnen kann angesetzt werden. Im Gesamt-
konzept der Unternehmenskultur unterstreicht die betriebswirtschaftliche Sichtweise auch
die Veränderbarkeit. Und nicht zuletzt bietet sie z. B. durch Typologien und umfangreiche
Managementliteratur zum Thema Kultur eine Vereinfachung des Konzepts.
Durch die psychologische Perspektive kommt der Mensch als relevanter Einflussfaktor
hinzu. Es wird klar, dass Unternehmenskultur etwas mit den Menschen in einer Organisa-
tion und deren Einstellungen und Denkmustern zu tun hat. Daraus folgt auch, dass Unter-
nehmenskultur über unterschiedliche Ebenen, sichtbare und nicht sichtbare, verfügt. Im
Sinne der Orientierung auf die Menschen ist die Bedeutung der Führungskraft besonders
relevant. Außerdem ist in den Konzepten eine gewisse Zirkularität als eine gegenseitige
Beeinflussung von Mensch und Organisation zu erkennen.
Die Kulturanthropologie liefert als Wissenschaft, die sich schon geraume Zeit mit dem
Konzept Kultur beschäftigt, alle Hilfsmittel zur Beschreibung von Kulturen und Ansätze,
um die vielzähligen Modelle zu strukturieren. Auch die Methoden zur Beobachtung und
Erforschung von Kulturen kommen ursprünglich zu einem großen Teil aus der Kulturanth-
ropologie. Als eine vergleichende und beschreibende Wissenschaft liefert sie eine gewisse
Achtung vor der Kultur eines Unternehmens und damit verbunden einen kritischen Blick
zur Frage der Kulturveränderung und der Beeinflussbarkeit.
Die Systemtheorie bietet als die jüngste Disziplin neue Blickwinkel auf Unterneh-
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menskultur, indem Unternehmenskultur als Deutungsrahmen für das eigene Verhalten


beschrieben wird oder die Entscheidungsprämissen in einem Unternehmen als Unter-
nehmenskultur gesehen werden. Darüber hinaus wird ein Blick auf die unterschiedlichen
Systemebenen und deren Beziehung zueinander geworfen. Dazu gehören die Mitarbeiter-
Innen, die Führungskräfte oder das Umfeld des Unternehmens. Die Beeinflussbarkeit von
Unternehmenskultur wird in diesem Ansatz als schwierig, aber möglich angesehen und
ist kombiniert mit einer Praxisorientierung, die das Ausprobieren fördert, um zu sehen,
welche Auswirkungen Veränderungen tatsächlich auf die Kultur haben.
Zusammengefasst wird das Konzept Unternehmenskultur durch alle vorgestellten
Ansätze reicher und vielfältiger. Das ist im Sinne einer möglichst guten Abbildung der
Realität auch notwendig, und dazu ist es sinnvoll, alle zur Verfügung stehenden Erkennt-
nisse nicht in Konkurrenz zueinander zu sehen, sondern integrativ zu nutzen.

MMag. Petra Ilic  ist als Beraterin bei promitto organisationsbera-


tung tätig und begleitet Organisationen, Führungskräfte und Teams in
Veränderungs- und Entwicklungsprozessen. Dabei orientiert sie sich
an systemischen Grundsätzen sowie der Förderung von Vitalität und
Lebendigkeit. Davor studierte sie Psychologie und Betriebswirtschaft
und war mehrere Jahre Führungskraft in einem Handelskonzern.

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Perspektiven auf Unternehmenskultur37

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Organisationskultur – Aufbau, Modelle
und Messbarkeit

Christian Ettl

Zusammenfassung
Organisationskultur zählt zu den wesentlichen Erfolgsfaktoren für Unternehmen. Sie
bestimmt unter anderem Strategien, Ziele und Funktionsweisen in Unternehmen. Doch
was ist eigentlich Organisationskultur? Aus welchen Elementen besteht sie? Wie kann
man sie messen oder vergleichbar machen? Oder ist sie nur „entdeckbar“? Wichtige
Modelle von Organisationskultur (unter anderem von Parsons, Reisyan, O‘Reilly und
Chatman, Kreps, Schein und Sackmann) werden kurz dargestellt. Dabei wird auf Mög-
lichkeiten der Messbarkeit eingegangen. Ein Schwerpunkt liegt auf der ökonomischen
Betrachtungsweise von Organisationskultur. Als sogenannter „weicher Faktor“ wird
sie zwar vom Management oft erwähnt, aber noch öfter ignoriert. Dabei kann gepflegte
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Organisationskultur ein wesentlicher Erfolgsfaktor und eine typische „unique selling


proposition“ sein. Ein Faktor, der in Folge auch im „war of talent“ ausschlaggebend
sein wird. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf dem Kulturelement Vertrauen. Es ist
Basiselement nicht nur für Vertrauens-, sondern auch für Fehler-, Kommunikations-,
Konflikt- und Innovationskultur. Vertrauen innerhalb von Organisationen wirkt aber
auch nach außen: So wie intern mit Fehlern und Konflikten umgegangen wird, so wird
auch mit Kunden, Lieferanten, Stakeholder etc. umgegangen. Einzelne Messideen und
auch mögliche Herangehensweisen in Organisationen werden kurz vorgestellt.

C. Ettl (*)
Institut für System und Werte, Franz- Josefs- Kai 15/9, 1010 Wien, Österreich
e-mail: che@system-und-werte.at

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J. Herget, H. Strobl (Hrsg.), Unternehmenskultur in der Praxis,
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40 C. Ettl

1 Die Entwicklung des Begriffes Kultur

Nach Reisyan (2013) ist die Entstehung des Begriffes Kultur ein seit der Römerzeit andau-
ernder Entwicklungsprozess: Während der römische Begriff der „Cultura“ anfangs vor allem
mit Landschaftspflege und -bebauung in Zusammenhang gebracht wird (Cicero 1957),
wurde er in der Folge individualistisch als die Verfeinerung des Geistes gesehen (Reck-
witz 2004). Im Mittelalter wurde der Kulturbegriff wiederum auf das Landwirtschaftliche
verengt. Bis zum 17. Jahrhundert wird er als Gegensatz zu Natur verstanden.1 Der ab der
zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und mit beginnendem 20. Jahrhundert sich ausbildende
normative Kulturbegriff wird auch noch in der Gegenwart verwendet. Ausgehend von einer
eher bürgerlichen Sichtweise wird Kultur Lebensart, die für jeden Bürger anzustreben ist.
Dies geht einher mit einer sehr wertenden Einstellung mit universellem Anspruch. Durch
diese Universalität versucht sich das aufstrebende Bürgertum gegen den Adel zu positionie-
ren (später auch gegen das Proletariat), und die Idealvorstellungen des Bürgertums werden
als allein gültig betrachtet. Individuelle Kulturen von eigenständigen Kollektiven werden
verneint (Jaeger und Rüsen, 2004; Nünning und Nünning, 2008). Johann Gottfried Herder
entwickelt den Kulturbegriff „zur Blüte des Daseins eines Volkes“ und „entuniversalisiert“
den Begriff wieder im Sinne spezifischer Lebensformen einzelner Kollektive (Herder 1903
[1784]). Immanuel Kant wiederum schränkt ihn auf Kunst, Bildung, Wissenschaft und
intellektuelle Aktivitäten ein (Kant 1983 [1784]). Im 20. Jahrhundert wird Kultur neuerlich
umgedeutet: Sie wird als spezialisiertes, soziales System, das zum Bestand der modernen
Gesellschaft bestimmte funktionale Leistungen erbringt, verstanden.
Darauf aufbauend legt Parsons mit seinen Postulaten wie zum Beispiel dem AGIL-
Schema („adaptation, goal attainment, integration, latency“) einen bedeutenden Grund-
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stein für die Entwicklung der Organisationskultur2 (Parsons 1951). Dadurch stellen die
kulturbedingten Sinn- und Unterscheidungssysteme keinen bloßen gesellschaftlichen
Überbau mehr dar. Kultur wird zum handlungskonstitutiven Hintergrund aller sozialen
Praktiken. Sie wird zu einem Gesamtkomplex von Vorstellungen, Denkformen, Empfin-
dungsweisen, Werten und Bedeutungen, der sich in Symbolsystemen darstellt (Nünning
und Nünning 2008, S. 6). Trotzdem kann auch heute nicht von einem einheitlichen Kultur-
verständnis gesprochen werden, sondern vielmehr über – je nach Problemstellung – mehr
oder weniger dominierende Perspektiven (Reisyan 2013, S. 15–19).
Reisyan (2013) verweist aber noch auf einen wichtigen Aspekt, der gerade für das
Verständnis von Unternehmenskultur eine wichtige Rolle spielt: Kultur als kollektives
Gedächtnis. Demnach ermöglicht es Kultur, dass jedem Teilnehmer eines sozialen Systems
Erfahrungen verfügbar sind. Abhängig von der Bewertung der Erfahrung als positiv oder

1
Die Entwicklung des Kulturbegriffes außerhalb des angloamerikanischen und europäischen Berei-
ches wird in diesem Beitrag bewusst ausgespart.
2
Da es sich bei Unternehmen um soziale Organisationen handelt, werden nachfolgend Organisa-
tionskultur und Unternehmenskultur gleich verwendet.

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Organisationskultur – Aufbau, Modelle und Messbarkeit41

negativ kann diese weiter gepflegt oder vermieden werden. Nach Assmann und Hölscher
(1988) ist Kultur das Gedächtnis des Systems, das als kollektiver Mechanismus zur Spei-
cherung von Informationen dient. Diese werden kodiert, dekodiert, transformiert und mul-
tipliziert und fließen in situationsspezifische Folgerungen ein.
Genauso wird Unternehmenskultur unterschiedlich definiert bzw. gesehen. Smircich
weist in seiner Studie über die Entwicklung des Begriffes in der Soziologie darauf hin,
dass es viele mögliche Definitionen gibt, die vom Konzept des Autors abhängig sind:
unterschiedliche Theorien, Modelle und Ansichten über Organisation beeinflussen den
Begriff von Unternehmenskultur, die dahinterliegenden Modelle und deren Umsetzung
(Smircich 1983). Da Organisationstheorien einem permanenten Entwicklungsprozess
unterliegen, ergeben sich daher auch immer wieder neue bzw. angepasste Unternehmens-
kulturmodelle (Smircich 1983, S. 4–6). Und obwohl der Zusammenhang zwischen Orga-
nisationskultur und Erfolg einer Organisation von den meisten Autoren kaum bestritten
wird, gibt es dennoch keine einheitliche, allgemein gültige Definition von Organisations-
kultur: Zu viele unscharfe Variablen sind im Spiel.

2 Der Begriff der Unternehmenskultur bei Ed Schein

So definiert Schein Unternehmenskultur als „die Summe aller gemeinsamen, selbstver-


ständlichen Annahmen, die eine Gruppe in ihrer Geschichte gelernt hat. Sie ist der Nieder-
schlag des Erfolgs“ (Schein 2010, S. 44). Dabei bricht er diese Annahmen in drei Ebenen
auf (Schein 2010, S. 31):
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• Artefakte – sichtbare und wahrnehmbare Handlungsmuster und Symbole,


• öffentlich propagierte Werte und
• grundlegende, unausgesprochene Annahmen.

Dabei geht Schein davon aus, dass Unternehmenskultur nicht valide gemessen werden
kann, da jedes Unternehmen einen einzigartigen Mix aus Annahmen, Werten und Arte-
fakten besitzt, der sich durch standardisierte Fragebögen quantitativ nicht erheben lässt
(Schein 2010, S. 69 ff.).
Sehr wohl aber ist es möglich, die Kultur eines Unternehmens zu dechiffrieren, das
heißt, die Bedeutung der Artefakte zu erkennen und die Annahmen und Werte zu finden
und zu beurteilen (Schein 2010, S. 74 ff.).
Wichtig ist dies für Schein deshalb, weil dadurch zweierlei möglich wird: Einerseits
können aktuelle Problem- und Fragestellungen auf Kompatibilität mit der bestehenden
Kultur überprüft werden, andererseits ist dies die Basis zur weiteren Entwicklung, Erwei-
terung und gegebenenfalls Veränderung der Unternehmenskultur (Schein 2010, S. 92).
Wesentlich bei Scheins Kulturbegriff ist, dass aus seiner Sicht Kultur sowohl fördernd
als auch behindernd sein kann. Daher ist es wichtig, sich mit diesem Thema nicht nur
auseinanderzusetzen, sondern Kultur kontinuierlich zu entwickeln. Für Schein ist das eine

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42 C. Ettl

Transformation, bei der zuerst Altes verlernt werden muss, ehe Neues gelernt werden
kann. Dieses Verlernen ist aber ein schmerzhafter Prozess, der meist auf starken Wider-
stand stößt. Laut Schein wird dieser nur dann überwunden, wenn die Überlebensangst –
so wie es jetzt läuft, können die Ziele nicht erreicht werden – größer wird als die Angst
vor der vorübergehenden Inkompetenz und vor dem Verlust der Gruppenzugehörigkeit.
Schein nennt dies die sogenannte Lernangst. Besonders wichtig ist dies Schein auch im
Zusammenhang von Mergers & Akquisitions (M&A), also dem Kauf bzw. Zusammen-
schluss von Unternehmen bzw. Unternehmensteilen (Schein 2010, S. 176–177).
Zusammenfassend kann daher gesagt werden, dass Edgar Schein davon ausgeht, dass
Unternehmenskultur ein wesentlicher Faktor für den Unternehmenserfolg darstellt. Für
Schein ist Kultur nicht messbar, sondern nur beobachtbar. Er definiert auch keine wesent-
lichen Einzelelemente der Organisationskultur wie Vertrauen, Kommunikation etc. Sein
Modell zählt – in unterschiedlichsten Abwandlungen – zur wahrscheinlich wichtigsten
Grundlage für die meisten weiteren Entwicklungen in der Organisationskultur.

3 Cremers Wissensansatz in der Unternehmenskultur

Cremer definiert Unternehmenskultur als „the part of the stock of knowledge that is shared
by a substantial portion of the employees of the firm, but not to the general population from
which they are drawn” (1993, S. 4). Bei ihm geht es also in erster Linie um Wissen, dessen
Erwerb (bzw. Pflege) ein Investment des Unternehmens ist (Cremer 1993, S. 2). Dieses
Wissen ist ein sehr spezifisches und wird zumindest von einer substanziell wichtigen Mit-
arbeitergruppe geteilt bzw. entwickelt. So ist das Wissen, dass verbrauchtes Verbands-
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material entsorgt werden muss, für Cremer kein Teil der Unternehmenskultur, sondern
Allgemeinwissen. Die Regel, dass jeder Mitarbeiter wissen muss, dass dieses Material in
speziell gekennzeichnete Behälter, aufgeteilt nach bestimmten Spezifika, entsorgt werden
muss, ist aber bereits Teil der Unternehmenskultur (Cremer 1993, S. 4).
Für Cremer definiert Schein vor allem die psychologischen Faktoren, die Unterneh-
menskultur zu erfüllen hat. Zum Beispiel reduziert sie Angst auf einen bloßen Entschei-
dungswegweiser für die Mitarbeiter. Auch die Weitergabe der Kultur ist vor allem darauf
zurückzuführen, dass die einzelnen Mitarbeiter an die Richtigkeit glauben und daher an
neue Mitarbeiter weitergeben. Dadurch erhält das Unternehmen Kontinuität (Cremer
1993, S. 2). Cremers Ansatz dagegen ist ein Versuch, Unternehmenskultur mit betriebs-
wirtschaftlichen Begriffen zu definieren und auch mit betriebswirtschaftlichen Methoden
zu analysieren und entsprechende ökonomische Schlüsse zu ziehen (Cremer 1993, S. 1).
Kultur hat einen wichtigen ökonomischen Zweck zu erfüllen: Unternehmen sind eine
Summe von Informationsprozessen – eine heute laut Cremer durchwegs gängige Annahme
unter Betriebs- und Wirtschaftswissenschaftlern (siehe dazu auch (Arrow 1974) bzw.
(Bolton und Dewatripont 1994)). Sie empfangen Botschaften aus ihrer Umgebung, bearbei-
ten und beantworten sie: entweder mit einer weiteren Botschaft und/oder sie setzen ihre
physischen Ressourcen ein. Analog zu technischer Effizienz sind diese Antworten dann

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Organisationskultur – Aufbau, Modelle und Messbarkeit43

kosteneffizient, wenn die dafür notwendigen Entscheidungen bei vorgegebener Qualität zu


möglichst niedrigen Kosten getroffen werden können (Cremer 1993, S. 5). Dazu müssen
die Entscheidungsprozesse klar sein und Rückfragen müssen so gering wie möglich gehal-
ten werden. Basisdiskussionen müssen vermieden werden (Cremer 1993, S. 3).
Cremer versucht dies anhand eines Beispiels von Arrow (Arrow 1974) zu demonstrie-
ren (Cremer 1993, S. 3):
Die hauptsächliche Funktion der militärischen Führung ist die Koordination großer
Mengen von Menschen und Material mit genau vorgegebenen, im Vorhinein geplanten
Zeitrahmen. Forschung und Entwicklung von Waffen ist heutzutage eine wichtige Unter-
stützungsleistung. Diese wird jedoch sehr oft von Menschen erbracht, die in militärischem
Gedankengut verhaftet sind und daher klare Planung und Zeitpläne erwarten und benö-
tigen. Dies steht im grundsätzlichen Widerspruch zu Forschung, die sehr viel Unsicher-
heit und nur wenig Vorhersehbarkeit mit sich bringt. Das Ergebnis ist, dass alle Zeitpläne
teilweise dramatisch überschritten werden, wie Summers (Summers 1993) aufgezeigt
hat. Die klare Empfehlung ist daher, Forschung und Entwicklung aus dem militärischen
Kontext zu lösen und durch eigene private Organisationen durchzuführen.
Die Analyse der Unternehmenskultur erfolgt bei Cremer durch Strukturierung in drei
Elemente:

• gemeinsame Sprache bzw. Code,


• gemeinsames Wissen von Fakten und
• gemeinsame Verhaltensregeln, die sich wiederum aufteilen in
–– soziale Verhaltensregeln, wie Kleidung, Höflichkeit etc.
–– interne Verhaltensregeln, wie Gesprächsregeln, Annahme von Arbeitsanweisungen,
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Informationsweitergabe etc.
–– Arbeitsregeln, wie nur beste Qualität abzuliefern, dass Kundentermine immer
Vorrang vor internen Meetings haben etc.

Wesentlich ist für Cremer, dass die gemeinsamen Verhaltensregeln (bzw. das Einhal-
ten derselben) gleichwertig wie das Wissen von Fakten anzusehen sind (Cremer 1993,
S. 12–13).
Aussagen über die Messbarkeit trifft Cremer kaum. Er verweist darauf, dass alle Ele-
mente zwar analysiert werden können und führt sogar wesentliche Arbeiten von Arrow,
Williamson und Gutzkow über das Coding an. Als Conclusio verweist er aber – wie auch
analog dazu Schein – darauf hin, dass Unternehmen und ihre Kultur sehr individuell und
daher kaum vergleichbar sind (Cremer 1993, S. 11–12).
Zusammenfassend kann daher gesagt werden, dass für Cremer einer der wesentlichen
Funktionen des „stock of knowledge“ ist, dass durch das in der Kultur weitergebene und
immer wieder verbesserte Wissen Entscheidungen schnell und kosteneffizient getrof-
fen werden können. Damit trägt Unternehmenskultur wesentlich zur Kosteneffizienz des
Unternehmens bei. Für Cremer ist Unternehmenskultur per se ebenfalls nicht messbar. Die

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einzelnen Elemente können jedoch sehr wohl analysiert und gemessen werden. Er stellt
aber kein Modell zur Verfügung, das die Abhängigkeiten der Elemente zu- und voneinander
darstellt.

4 Kultur als soziale Steuerung und Kontrolle

Charles O’Reilly und Jennifer Chatman definieren Kultur als „a system of shared values
(that define what is important) and norms that define appropriate attitudes and behavi-
ors for organizational members (how to feel and behave)“ (O’Reilly und Chatman 1996,
S. 160). Für sie ist Kultur eine soziale Kontrollinstanz und keine formale. Sie unterschei-
den zwischen Werten und Normen. Sie zeigen auf, dass die Ausrichtung der Mitarbeiter
in Bezug auf Aufmerksamkeit, Verhalten und Commitment, ja sogar in Bezug auf ihre
Zielerreichung beeinflusst wird. Und dies unabhängig davon, in welcher Funktion oder
Branche sie tätig sind (O’Reilly und Chatman 1996, S. 160).
Wesentlich ist, wie O’Reilly und Chatman Steuerung und Kontrolle in Organisationen
verstehen: „Control comes from the knowledge that someone who matters to us is paying
close attention to what we are doing and will tell us if our behavior is appropriate or inap-
propriate …In other words, when one’s boss, or members of a department with which one
is interdependent has the ability to deliver or withhold valued sanctions for compliance
or noncompliance, a control system can be said to exist” (O’Reilly und Chatman 1996,
S. 161). Wie Steuerung und Kontrolle von den Beschäftigten erlebt und erfahren wird, ist
ausschlaggebend.
Formale Steuerung und Kontrollen beobachten das Ergebnis der Leistung und/oder
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bestimmten Verhaltens. Dabei geht man allgemein davon aus, dass diese auch entspre-
chend effektiv sind, weil

• externe Belohnungen – wie Boni, zusätzliche Vorteile etc. – zielgenau und zeitnah zur
tatsächlichen Leistung in ausreichender Form gegeben werden können und
• die Mitarbeiter die Autorität innerhalb des Unternehmens als legitim und rechtens
ansehen.

Diese beiden Voraussetzungen sind in der Realität jedoch sehr oft nicht gegeben. Das
Problem beginnt bereits damit, dass notwendiges Verhalten nur sehr bedingt vorhersehbar
ist: Welches Verhalten ist notwendig, wenn Initiative und Flexibilität gefragt sind? Außer-
dem ist eine zeitnahe Beobachtung extrem aufwendig und kostenintensiv. Das führt dazu,
dass eher leicht beobachtbare Tätigkeiten herangezogen werden, die jedoch oft nichts oder
nur wenig mit der geforderten Zielsetzung zu tun haben. So macht es wenig Sinn, zu beob-
achten, ob Dokumentationen von Projekten rechtzeitig erstellt und richtig abgelegt werden.
Wichtiger wäre, ob diese inhaltlich auch qualitativ hochwertig und damit als Dokumentation

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verwendbar sind.3 Aber selbst wenn es möglich ist, externe Belohnungen zielgenau und
zeitnahe zu implementieren, so zeigen Studien – wie zum Beispiel 1973 von Lepper et al.
(1973) –, dass diese oft wegen der zu starken Bindung an die Belohnung selbst zu geringerer
Leistungen führen. Mit einem Wort: Die Sinnhaftigkeit und damit das Bemühen, über das
geforderte Maß hinaus zu leisten, gehen verloren. Dazu kommt, dass Arbeit, die auf Kont-
rollen basiert, von den Mitarbeitern als eher schlecht angesehen wird und nur das tatsächlich
Notwendige an Arbeitskraft eingesetzt wird (O’Reilly und Chatman 1996, S. 161–165).
O‘Reilly und Chatman gehen daher davon aus, dass es soziale Steuerungen und Kon-
trollen sind, die wesentlich effektiver Leistungen und Verhalten beeinflussen. Diese sind
strukturell ähnlich wie die formalen Kontrollen durch Regeln, Abläufe, Hierarchie und
Beziehungen definiert. Der kollektive Gruppendruck der anderen Mitarbeiter bestimmt
dabei den Ansporn und das Bemühen zu bester Leistung und Einhaltung der Verhaltens-
regeln. In diesem Sinne stehen Werte, Haltungen und Verhalten im Fokus der sozialen
Steuerungen und Kontrollen.
Ob das Ergebnis allerdings im Sinne des Unternehmens ist, hängt davon ab, ob die
Werte, Haltungen und Verhaltensweisen den Wünschen des Unternehmens entsprechen.
Sind sie zu starr, um Änderungen zulassen zu können, dann können sie Strategie und Ziele
der Organisation sogar behindern. Denn soziale Steuerungen und Kontrollen unterliegen
nicht legitimierter oder formaler Autorität, sondern basieren auf informellen und normati-
ven Einflussfaktoren (O’Reilly und Chatman 1996, S. 164–165).
Unternehmenskultur wird von O’Reilly und Chatman demnach als soziale Steuerung
und Kontrolle in Organisationen verstanden. Diese spiegelt sich in den Werten und Normen
wider – wobei der Unterschied für sie eher der einer Akzentsetzung ist. Die individuellen
Werte und Normen der Mitarbeiter und die Werte und Normen der Organisation – die ein
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Produkt der jeweiligen Gruppe sind – können verschieden sein (O’Reilly und Chatman
1996, S. 165–166).
Sie haben vier Mechanismen identifiziert, die in allen Unternehmen mit ausgeprägten
Kulturen anzutreffen sind (O’Reilly und Chatman 1996, S. 172):

• Partizipation, die den Mitarbeitern die Möglichkeit zur Mitbestimmung gibt, sodass sie
sich in die Pflicht genommen fühlen,
• klare Managementvorgaben, die Ziele setzen, die Aufmerksamkeit fokussieren und die
eigene Wichtigkeit der Mitarbeiter betonen,
• konsistente Informationen, was wichtig ist und was nicht und
• ein umfassendes Entlohnungssystem, das von den Mitarbeitern als fair empfunden wird
und ihnen Anerkennung und Zustimmung für ihren individuellen und den gemeinsa-
men Beitrag gibt.

3
Der Autor hat dies im Rahmen seiner eigenen Berufserfahrung vor allem bei der Einführung neuer
IT-Systeme beobachtet: Niemand überprüft zum Beispiel den Inhalt eines Kontaktberichtes im
CRM-System – es wird aber genau kontrolliert, ob ein Bericht erstellt wird – manchmal auch mit
keinem einzigen Wort darin!

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Zusammenfassend ist für O’Reilly und Chatman Unternehmenskultur nicht nur eine
„Ansammlung“ von Werten, Normen und Verhaltensweisen, sondern vor allem eine
soziale Steuerungs- und Kontrolleinrichtung, die die strategische Ausrichtung und damit
den Erfolg eines Unternehmens unterstützt und wesentlich effektiver als typische formale
Steuerungs- und Kontrollmechanismen wirkt. Die einzelnen Mechanismen können über
ableitbare Faktoren quantitativ gemessen werden.

5 Die Weiterentwicklung in den Wirtschaftswissenschaften

5.1 Das Kooperationsmodell von Tabellini

Aufbauend auf dieser Theorie von O’Reilly und Chatman4 hat Tabellini sein Koopera-
tionsmodell entwickelt, in dem er davon ausgeht, dass durch Kooperation zwischen den
Mitarbeitern selbst, zwischen Mitarbeitern und Führungskräften, zwischen Abteilungen
etc. Werte und Normen innerhalb von Unternehmen weitergegeben werden. Die positiven
Erfahrungen der Kooperation verstärken und entwickeln diese noch. Kommt es zu keiner
Kooperation – weil es zum Beispiel die Werte und Normen nicht zulassen, so schwächen
sich diese immer mehr ab, bis es zur Auflösung kommt (Guiso et al. 2007/57, S. 3). Im
Rahmen seiner Arbeiten untersucht er Gründe für unterschiedliche wirtschaftliche Ent-
wicklungen verschiedener Länder. Unter Verweis auf die lange Historie in anderen sozia-
len Wissenschaften greift er dabei die Idee des allgemeinen Vertrauens und allgemeiner
Wertvorstellungen auf (Tabellini 2008, S. 258). Damit identifiziert Tabellini Vertrauen als
wesentliche Komponente von Kultur.
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5.2 Spieltheorie in der Unternehmenskultur

Kreps folgt den Ideen von O’Reilly und Chapman und greift das Kooperationsmodell von
Tabellini auf: Für ihn (1990, zitiert in (Hermalin 2000)) sind es zwei Gründe, warum Öko-
nomen sich mit Unternehmenskultur beschäftigen sollten:

• Nur wenn man Kultur – und in Folge Unternehmensorganisation im weiteren Sinne –


versteht, kann man auch verstehen, wie Unternehmen ihre Strategie implementieren, und
• er ist davon überzeugt, dass die Wirtschaftswissenschaften jetzt auch die Methoden und
Verfahren entwickelt haben, um Unternehmenskultur zu analysieren und zu verstehen.

4
Nicht unwesentlich Einfluss hatte dabei auch die Weiterentwicklung des Begriffes „Soziales
Kapital“, dessen gesamtgesellschaftliche Ausprägung ursprünglich von Coleman (1988) und
Putnam (1993) entwickelt wurde; darauf wird hier jedoch nicht weiter eingegangen.

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Kreps geht dabei von folgenden Ansätzen aus (Hermalin 2000, S. 2 ff.):

• Formale Verträge sind kostenintensiv und in vielen Situationen nur bedingt anwendbar.
Sie beinhalten von Anfang an nur Kosten: Kosten um die Vereinbarung zu beobachten
und zu verfolgen und Kosten, um die Vereinbarung auch entsprechend umzusetzen.
Außerdem beinhalten sie oft Klauseln, die entweder ihre Gültigkeit verlieren – zum
Beispiel aufgrund von Gesetzesänderungen – oder die von Anfang an viel zu unspezi-
fisch sind – weil viele Parameter zum Zeitpunkt der Vertragsgestaltung einfach noch
nicht feststehen. Es sind also aus ökonomischer Sicht eigentlich oft nur ungenügende
und unvollständige Verträge möglich.
• Firmen sind „Wiederholungstäter“: Verträge sind nur ein Weg, um Kooperation zwi-
schen Parteien zu erreichen. „Wiederholte Spiele“ ist ein weiterer Weg: Dies ist ein
Begriff aus der sogenannten kooperativen Spieltheorie. Diese entwickelt Lösungs-
ansätze, wie durch gemeinsame Aktivitäten aller Spieler eine faire bzw. stabile Auf-
teilung des Spielergebnisses erzielt werden kann. In der Betriebswirtschaft wird dies
unter anderem in der Gemeinkostenzuordnung eingesetzt. „In einem Spiel in Normal-
form entscheiden sich alle Spieler simultan für eine bestimmte (reine oder gemischte)
Strategie, die im einfachsten Fall aus der Wahl einer einzigen Aktion besteht. (…) Es
ist sicherlich realistisch anzunehmen, dass es oft Fälle gibt, in denen Entscheidungs-
träger nicht nur ein einziges Mal interagieren, sondern immer wieder in der gleichen
oder einer ähnlichen Entscheidungssituation auf einander treffen. (…) Interaktionen
der zuvor beschriebenen Art, bei denen sich Akteure wiederholt in der gleichen Ent-
scheidungssituation gegenüberstehen, werden spieltheoretisch als ‚wiederholte Spiele‘
modelliert“ (Berninghaus et al. 2006, S.  349). Abweichungen eines Spielers in der
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Kooperation können durch andere Spieler in der Zukunft „bestraft“ werden, indem
sie die Kooperation verweigern. Da die zukünftigen Erfolge von dieser Kooperation
abhängig sind, schreckt die mögliche Verweigerung derselben davor ab, sich nicht
kooperativ zu verhalten.
• In vielen Situationen sind „wiederholte Spiele“ wesentlich kostengünstiger als Ver-
träge, um Kooperation zu erreichen. Und oft kommt es vor, dass angestrebte Ergebnisse
durch Verträge nicht abbildbar sind – denn sie sind zwar beobachtbar, aber nicht veri-
fizierbar. Oft ist bekannt, wer sich nicht kooperativ verhalten hat, aber dieses Verhalten
lässt sich selten als Vertragsbruch nachweisen und damit gehen Verträge ins Leere.
• „Multiple Gleichgewichte“ – dies ist ebenfalls ein Begriff aus der Spieltheorie – führen
dazu, dass sich die Spieler untereinander koordinieren müssen. Von einem Gleichge-
wicht wird in der Spieltheorie dann gesprochen, wenn es für keinen Spieler möglich
ist, durch eine alternative Strategie Profit zu machen. Ist dies nicht der Fall, wird
keiner der Spieler einseitig von der gewählten Strategiekonfiguration abweichen –
er wird kooperieren. Nach dem Entdecker dieses Gleichgewichts John Nash wird
auch vom Nash-Gleichgewicht gesprochen. Es kann jedoch vorkommen, dass Spiele
mehr als ein Nash-Gleichgewicht haben. Dies ist für die beteiligten Spieler proble-
matisch, da sie unter Umständen nicht wissen, welche Gleichgewichtsstrategie die

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Gegenspieler wählen – sie haben ein Gleichgewichtsauswahlproblem (Berninghaus


et al. 2006, S. 24–25).
• Unvorhersehbare Eventualitäten führen dazu, dass Parteien darauf vertrauen müssen,
dass in diesem Fall alle Beteiligten richtig handeln und entscheiden. Es liegt auf
der Hand, dass solche Ereignisse auch nicht vertraglich sinnvoll abgesichert werden
können.

Die ersten drei Punkte zeigen auf, warum Unternehmenskultur sinnvoll ist, aber sie erklä-
ren sie noch nicht. Viele Ökonomen erklären damit organisatorische Phänomene – aller-
dings Kultur per se beschreiben sie damit nicht. Eine Sicht darauf ermöglichen multiple
Gleichgewichte und unvorhersehbare Eventualitäten (Hermalin 2000, S. 2–4).
Für Kreps (1990, S. 90) stehen dabei Integrität und in weiterer Folge auch Vertrauen als
die wesentlichen Werte im Vordergrund (Erhard et al. 2007, S. 63 ff.). Vertrauen wird als
wesentliche Komponente von Kultur definiert.

6 Unternehmenskultur als wirtschaftlicher Erfolgsfaktor

Wie in der NBER-Studie (Guiso et al. 2013, S. 5–7) ausgeführt, ist Kultur ein wichtiges
ökonomisches Potenzial für Unternehmen. Der Grund dafür liegt unter anderem darin,
dass Mitarbeiter regelmäßig Entscheidungen zu treffen haben, die grundsätzlich nicht ex
ante geregelt werden können:
In einem Unternehmen, das für seinen ausgezeichneten Kundenservice bekannt ist,
lassen sich Führungskräfte und Mitarbeiter dazu verleiten, ihre Anstrengungen diesbezüg-
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lich zu vernachlässigen. Kundenservice ist schließlich meist mühsam und kostspielig. Die
Wahrscheinlichkeit, dabei „erwischt“ zu werden, ist vor allem bei kleinen Verstößen eher
gering. Diese Vernachlässigungen werden auch nicht sofort auffallen. Es ist kaum über-
prüfbar, dass die Bemühungen um den Kunden nur noch suboptimal sind. Auch die Folgen
eines solchen Verhaltens werden nicht sofort sichtbar. Allerdings bekommen solche Fehl-
verhalten eine gefährliche Eigendynamik und greifen so immer mehr und intensiver um
sich. Selbst wenn die Geschäftsführung dies vorhersehen würde, welche Maßnahmen
soll sie ergreifen? Welche Vorgaben soll sie geben und vor allem, wie sollen sie geprüft
werden? Gerade die kleinen Unaufmerksamkeiten, die geringen Verstöße sind schwer zu
erkennen. Und die Messbarkeit von Kundenreputation ist nicht nur kostspielig, sondern
erst sehr viel später sinnvoll möglich.

6.1 Die Etablierung von Werten

Ein Lösungsansatz wäre, „ausgezeichneter Kundenservice“ als wesentlichen Wert des


Unternehmens zu etablieren – und nicht bloß als ein Ziel, das gegen andere Ziele (z. B.

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Kosteneinsparung) eingetauscht werden kann. Um dies zu erreichen, müssen drei Schritte


durchgeführt werden (Guiso et al. 2013, S. 5–7):

1. Der Wert muss öffentlich bekannt gemacht werden. Damit werden Mitarbeiter ange-
sprochen, für die diese Werte bereits ebenfalls wichtig sind und die daher gerne in
diesem Unternehmen arbeiten möchten.
2. Das Unternehmen muss klar hinter diesem Wert stehen: Keine sonstige ökonomische
Überlegung darf diesen Wert ausstechen. Nur so wird die Verpflichtung zu den Werten
sichtbar und für die Mitarbeiter erlebbar. Bei einander widersprechenden Werten – so
können Kundenservice als auch Gewinnorientierung wesentliche Werte eines Unter-
nehmens sein – muss entweder eine klare Wertepyramide definiert und gelebt werden,
oder der Widerspruch muss durch entsprechend Entscheidungsbefugte im Einzelfall
entschieden werden. Solche Widersprüche können – im Sinne eines Sowohl-als-auch –
aber auch hilfreich sein, um neue Wege und Prozesse zu entdecken oder als Anstoß zu
einer aktuellen Wertediskussion im Unternehmen führen.
3. Durch Bewerben dieses Wertes wird er als Norm innerhalb des Unternehmens eta-
bliert. Da sich die Durchsetzung sozialer Normen wesentlich von der Durchsetzung
legaler Normen unterscheidet, genügt es, diese eher nur grob zu beschreiben, sodass ein
Verstoß schnell und einfach bemerkbar ist.

Schlussendlich müssen soziale Normen vom System entsprechend rezipiert, das heißt von
der Mehrzahl der Mitarbeiter anerkannt und gelebt werden. Das gilt besonders für die
Geschäftsführung und die Führungskräfte – ganz im Sinne eines „Führen durch Vorbild“
(Guiso et al. 2013, S. 5–7). Spannend in diesem Zusammenhang eine Studie von experteer:
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„Bei der Frage, wie Führungskräfte am meisten Einfluss auf das Engagement ihrer Mit-
arbeiter nehmen können, steht die Wertschätzung ihrer Leistungen an erster Stelle, gefolgt
vom Vorleben der Unternehmenswerte durch die Führungskräfte. (…) Vor allem komplexe
Change-Prozesse erweisen sich als Lackmustest für die Führungskultur. So glauben knapp
zwei Drittel der Befragten, dass gerade in diesen Phasen die Vorbildfunktion der Füh-
rungskräfte auf dem Prüfstand steht“ (Experteer & stadler/heinle/schott/ 2009).

6.2 Soziale versus formale Normen

Soziale Normen haben meist eine geringere Vollstreckungsmacht als formale Normen.
Verstöße gegen formale Normen (z.  B. Gesetze, Verordnungen, Arbeitsanweisungen)
können zu schwerwiegenden Konsequenzen führen: von Geldstrafen über Arbeitsverlust
bis zu Gefängnis. Die Verletzung sozialer Normen wird weniger „hart“ bestraft – es kann
aber auch zu Ächtung, Ausschluss, Mobbing etc. kommen. Trotzdem sind sie sehr gut
dazu geeignet, moralisches Fehlverhalten – sogenannte „Moral Hazards“ – zu verhindern
oder zumindest zu verringern (Guiso et al. 2013, S. 5–7): „Ex-post bzw. nachvertragli-
cher Opportunismus zwischen Transaktionspartnern führt zu moralischem Fehlverhalten.

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Ursache für dieses Risiko ist eine Kollision der Interessen der Vertragspartner sowie
Hidden Information (versteckte Information) und/oder Hidden Action (versteckte Hand-
lung). Das Problem besteht darin, dass das Verhalten des besser informierten Partners die
Pay-offs (Auszahlungen) des schlechter Informierten beeinflusst. Der schlechter Infor-
mierte kann sich nur unvollständig über das Verhalten des Transaktionspartners informie-
ren bzw. dieses evaluieren. Er hat deshalb einen Anreiz, seine Informationen so einzu-
setzen, dass der Gesamterfolg maximiert wird. Ein Handeln gegen die Interessen seines
Vertragspartners wird durch die Erfolgsbeteiligung unattraktiv. Die Informationsasymme-
trie zu beseitigen (z. B. durch Überwachung) ist meist ineffizient, weil die notwendigen
Informationsbeschaffungskosten des schlechter informierten Partners teurer sind als die
Implementierung eines Anreizsystems“ (Erlei und Szczutkowski 2014).
Dieses Fehlverhalten kann in Unternehmen auf zwei Ebenen auftreten (Guiso et al.
2013, S. 5–7):

• Einerseits auf der Ebene der Geschäftsführung und der Führungskräfte: ihr Verspre-
chen, die Investitionen der Mitarbeiter in das Unternehmen – wie zum Beispiel Einbrin-
gung eigener Ideen, zusätzliche, unbezahlte Arbeitszeit, Engagement – entsprechend
zu entlohnen, halten sie oft nur teilweise oder gar nicht (Shleifer und Summers 1991).
• Andererseits sind die Anstrengungen und Bemühungen der Mitarbeiter oft nur teil-
weise vorhanden. Sie sehen weder die Vorteile für die Organisation noch die für sich
selbst. Dies wird vor allem durch zu geringe Wertschätzung seitens der Führungskräfte,
aber auch durch nicht effektive formale Kontrollen und damit dem Einsatz von falschen
Belohnungssystemen hervorgerufen.
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6.3 Krisen schneller und besser bewätigen

Ein möglicher Wert, der in diesem Zusammenhang hilfreich ist, ist die „Handschlagquali-
tät“: In einer Kultur, in der man darauf vertrauen kann, dass Zusagen von Führungskräften
auch eingehalten werden, werden auch die Vorteile für entsprechenden Einsatz und Enga-
gement seitens der Mitarbeiter erkannt und damit als entsprechende Norm etabliert (Guiso
et al. 2013, S. 5–7):
Das Wissen, dass ein Bruch dieses Vertrauens zu einem Verstoß gegen die Normen des
Unternehmens führt, lässt einerseits Management und Führungskräfte nur sehr ungern
opportunistisch handeln. Andererseits sind Mitarbeiter wesentlich motivierter, Engage-
ment und Einsatz für das Unternehmen einzubringen. Dies ist auch eine mögliche Erklä-
rung dafür, warum Unternehmen, in denen Vertrauen gut ausgeprägt ist, Krisen schneller
und besser überstehen als andere: Können Mitarbeiter darauf vertrauen, dass die krisenbe-
dingten Maßnahmen tatsächlich notwendig und zum Wohle des gesamten Unternehmens
sind, so tragen sie diese besser mit. Sie sind weiterhin motiviert und mit Engagement
dabei. Wesentlich ist dabei die „Ehrlichkeit“ der Unternehmensführung: So müssen Ein-
sparungen und Verzicht auch für das Management und die Unternehmensführung gelten.

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Zusammenfassend kann daher gesagt werden, dass es unbestritten ist, dass Unterneh-
menskultur wesentlich zum Erfolg eines Unternehmens beiträgt. Der Einfluss auf den
Unternehmenserfolg kann allerdings auch negativ sein, abhängig davon, ob eine Kultur
etabliert ist, die die Strategie und Ausrichtung des Unternehmens eher fördert oder behin-
dert. Unternehmenskultur per se ist diesbezüglich wertfrei zu betrachten.

7 Das „erweiterte“ Kulturmodell von Sackmann

Sackmann ergänzte Scheins Modell durch weitere Kategorien: die der Verhaltensnormen,
der gelebten und gezeigten Werte (Abb. 1) (Sackmann 2002).
Letztere werden nach außen präsentiert, aber nicht unbedingt gelebt. Unternehmensleit-
bilder gehören zum Beispiel oft in diese Kategorie.
Unter Verhaltensnormen versteht Sackmann die aus den Werten und Artefakten im
Lauf der Zeit im Unternehmen entwickelten Formen, wie Werte kommuniziert und gelebt
werden – eben „so, wie man es bei uns macht“. Sie werden als „Standards“ für gutes und
richtiges Verhalten an die Mitarbeiter und Führungskräfte meist nur mündlich weitergege-
ben (Sackmann 2004).
Sackmann war auch die erste, die für die Unternehmenskultur das Eisbergmodell – basie-
rend auf der Idee von Sigmund Freud und dem Bild von Schein – verwendet hat (Abb. 2).
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Abb. 1  Elemente der Unternehmenskultur laut Sonja Sackmann 2000 aufbauend auf Schein

Abb. 2  Eisbergmodell der Unternehmens-


kultur nach Sackmann

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Abb. 3  Gegenläufigkeit von Sichtbarkeit und Einfluss der Elemente der Unternehmenskultur

Daraus ergibt sich für die „Arbeit“ mit Unternehmenskultur eine klare Gegenläufigkeit:
Während die Ebenen oberhalb des „Wasserspiegels“ relativ leicht erkennbar und sicht-
bar sind, sind die Ebenen unterhalb zwar immer schlechter sicht- und erkennbar, nehmen
jedoch an Wichtigkeit in Bezug auf den Einfluss auf Unternehmenskultur stark zu (Abb. 3).
Interventionen auf der Ebene der Artefakte und Verhaltensnormen werden daher wesent-
lich weniger Auswirkungen auf die Unternehmenskultur haben als Interventionen auf der
Ebene der gelebten Werte.
Oft gibt es nicht unwesentliche Spannungen zwischen den Ebenen der gezeigten und
der gelebten Werte: Weichen zum Beispiel Leitbilder in wichtigen Punkten wesentlich von
der „gelebten Realität“ ab, so kann dadurch die bestehende Unternehmenskultur kaum
mehr gesteuert verändert werden.
Die am wenigsten „zugängliche“ – aber mit der meisten Wirkungskraft ausgestat-
tete – Ebene der Annahmen ist nur durch intensives Sichauseinandersetzen mit den geleb-
ten Werten erkenn- und erforschbar. Interventionen auf dieser Ebene sind meist nicht
machbar – eine schrittweise Veränderung der Annahmen – und damit ein fundamentaler
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Change der Unternehmenskultur – kann nur über die Ebene der gelebten Werte erfolgen!

8 Weitere Modellansätze

Auch Hatch (1997) hat das Dreiebenenmodell von Schein weiterentwickelt: Dabei geht es
ihr jedoch mehr um die kulturelle Dynamik, die aus dem Dreiebenenmodell resultiert. Sie
betrachtet daher vor allem die verbindenden Prozesse zueinander. Dabei beschreibt sie die
Entstehung von Interpretationen und Symbolen Schritt für Schritt sehr detailliert, sodass
das Modell gut als Interventions- als auch als Analyseinstrument genutzt werden kann.
Hofstede (2001) hat Unternehmenskultur als eine Art „Software des Gehirns” definiert.
Er geht davon aus, dass Kultur ein kollektives Phänomen ist, an dem immer eine Anzahl
Menschen mit ihren Identitäten, Erfahrungen und Wertvorstellungen beteiligt sind und
sich daher der gemeinschaftliche Prozess der „Kulturentwicklung" ständig fortschreibt.
Hofstede veranschaulicht den Kulturbegriff mit dem Bild einer Zwiebel mit vier Schich-
ten. Bekannt wurden auch seine Untersuchungen über die Kultur beim internationalen
Konzern IBM, die er über mehrere Jahre hinweg beobachtet und beschrieben hat.

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Mit den drei harten Faktoren „Strategy, Structure & Systems“ sowie den vier weichen
Faktoren „Shared Values, Skills, Staff und Style“ beschreiben Peters und Waterman ihr
7-S-Modell (1983) und gehen dabei über die Grenzen der „reinen“ Unternehmenskultur
weit hinaus: Dieses vom Beratungshaus McKinsey entwickelte Modell ermöglicht einen
gesamtheitlichen und umfassenden Blick auf Organisationen und macht es für die Dia-
gnose und die Planung von Interventionen im Rahmen von Kulturwandelprojekten sehr
wertvoll. Sie zeigen auf, dass die Konzentration bei der Optimierung von internen Prozes-
sen ausschließlich auf harte Faktoren – Strategie, Strukturen und Systeme – maßgeblich
den Erfolg des Unternehmens gefährdet, wenn nicht im gleichen Maße die weichen Fak-
toren – Unternehmenskultur, Menschen, Fähigkeiten, Visionen – berücksichtigt werden.
Es gibt noch viele weitere Ansätze, Organisationskultur zu erklären. Die meisten kon-
zentrieren sich dabei jedoch vor allem auf einzelne Aspekte und Dimensionen, wie zum
Beispiel Vertrauen, Führungsstil etc., und gehen in diesen Bereichen mehr in die Tiefe.
Allgemeine Modelle werden dabei jedoch „nicht wirklich“ entwickelt. Auch in den oben
angeführten Modellen lassen sich viele Gemeinsamkeiten erkennen.

9 Unternehmenskultur messen

9.1 Hintergründe und Möglichkeiten

Einer der Gründe, warum einzelne Aspekte und Dimensionen von Organisationskultur
teilweise sehr intensiv untersucht werden und wurden, ist der Versuch, Organisationskul-
tur messbar und damit vergleichbar zu machen.
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Der Großteil der bisher vorliegenden empirischen Studien weist auf einen Zusammen-
hang zwischen Unternehmenskultur und Unternehmenserfolg hin. Die Annahme ist, dass
hohe Unternehmenskultur eine Ursache für hohen Unternehmenserfolg sein kann. Empi-
risch ist dies jedoch nicht eindeutig nachweisbar (Baetge 2006, S.  32). Außerdem hat
bereits Schein (2010, S. 176–177) darauf hingewiesen, dass Unternehmenskultur nicht nur
positive Auswirkungen auf das Unternehmen haben kann. Daher sind Begriffe wie „hohe“
oder „starke“ Unternehmenskultur schon wegen der damit indirekt verbundenen Wertung
nicht sehr hilfreich.
Des Weiteren wird in den meisten Kulturmodellen die Möglichkeit der Messbarkeit
grundsätzlich in Frage gestellt. Ohne hier weiter auf Mess- und Testtheorie in sozialen Syste-
men einzugehen, wird bereits in der Definition von „Messen“ klar, worin das Problem liegt:
Im Gegensatz zu Messen im engeren Sinn, das zum Beispiel in der Physik zur Anwendung
kommt, gibt es in den Sozialwissenschaften keine allgemein verbindlichen Definitionen von
Maßeinheiten wie zum Beispiel Meter oder Kilogramm. Daher wird in den Sozialwissen-
schaften ein weiter gefasster Begriff von Messen verwendet: Messen ist „die Zuordnung
von Zahlen zu Objekten oder Ereignissen entsprechend bestimmter Regeln“ (Stevens 1946).
Um Unternehmenskultur per se messen zu können, müssen daher alle wesentlichen
Objekte und Ereignisse vorab definiert und bekannt sein. Genau das ist aber laut Schein

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(2010, S. 69 ff.) und auch Cremer (1993, S. 11–12) aufgrund der hohen Individualität der
Organisationen nicht möglich.
Beschränkt man sich auf bestimmte Eigenschaften von Unternehmenskultur, so können
diese sehr wohl gemessen werden. Ob allerdings dabei die wesentlichen Regeln für Mes-
sungen (Ebermann 2010, S. 20)

• Unabhängigkeit von der messenden Person (Objektivität),


• Wiederholbarkeit (Reliabilität) und
• Entsprechung der Messintention (Validität)

eingehalten werden, ist im Einzelfall zu beurteilen. Keine Aussagen können über die Voll-
ständigkeit – im Sinne von Gesamtheit der Unternehmenskultur – und die Wichtigkeit der
Eigenschaften für das zu untersuchende Unternehmen sowie die Beziehung der Eigen-
schaften untereinander getroffen werden.

9.2 Messinstrumente

Im Beratungskontext sind verschiedene Messinstrumente vor allem für die sogenannte


Diagnosephase entwickelt worden, da hier das Management der Unternehmenskultur
und die Beantwortung praktischer Fragen im Vordergrund stehen und nicht die Erfor-
schung des eigentlichen Modells. Verschiedene standardisierte (quantitative) oder
auch nicht standardisierte (qualitative) Erfassungsinstrumente wurden meist Mitte des
20. Jahrhunderts entwickelt (Jung et al. 2009). Wichtige und bis heute gut einsetzbare
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Ansätze sind dabei:

• KUK – Kurzskala zur Erfassung der Unternehmenskultur – „fokussiert auf die Einstu-
fung der Kultur des eigenen Unternehmens und eines anderen Unternehmens durch die
Mitarbeiter, wie dies z. B. im Fall von Fusionen von Bedeutung ist. Ihre vier Dimensio-
nen (Strategie, Struktur, Führung und Zusammenarbeit) werden anhand eines bündigen
Inventars von 15 Merkmalen erfasst (…) Im interorganisationalen Vergleich diskrimi-
niert die KUK gut zwischen verschiedenen Unternehmen“ (PsyDok 2017).
• FEO – Fragebogen zur Erfassung des Organisationsklimas – „erfasst mit 12  Skalen
folgende Dimensionen des Organisationsklimas: Vorgesetztenverhalten, Kollegiali-
tät, Bewertung der Arbeit, Arbeitsbelastung, Organisation, berufliche Perspektiven,
Entgelt, Handlungsraum, Einstellung zum Unternehmen, Interessenvertretung, Mit-
arbeiterbewertung. Die Skalen sind teils Fremdbeurteilungsskalen (z. B. Vorgesetzter,
Mitarbeiterbewertung), teils Selbstbeurteilungsskalen (z.  B. Arbeitsbelastung). Dem
FEO liegt das Zweifaktorenmodell des Führungsverhaltens (Consideration and Initi-
ating Structure) zugrunde“ (testzentrale 2017).
• MIO – Modulares Inventar zur Mitarbeiterzufriedenheit und Organisationsklima –,
bei dem „die Mitarbeiterzufriedenheit nicht nur durch die Rahmenbedingungen der

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Organisationskultur – Aufbau, Modelle und Messbarkeit55

Tätigkeit, sondern auch durch die Persönlichkeit des Befragten und das wahrgenom-
mene Organisationsklima bestimmt wird. In der Forschung wurden Arbeitszufrieden-
heit, Organisationsklima und Persönlichkeit bislang strikt voneinander abgegrenzt und
mit Hilfe separater Testverfahren operationalisiert. Es ist jedoch fraglich, ob diese
Trennung dem Alltagsverständnis der Mitarbeiter entspricht. Daher wurde das BIMO
entwickelt, um Aspekte der klassischen Arbeitszufriedenheit, des Organisationskli-
mas und ausgewählte Persönlichkeitsdimensionen in einem Verfahren zu erfassen und
adäquat zu beschreiben“ (Ruhruniversität Bochum 2017).
• CA – Culture Assessment –, ein vom Unternehmensberater Ernst & Young entwickel-
tes Werkzeug, um „to help you analyse culture, identify improvements and streamline
change“ mit dem Schwerpunkten „leadership, political, performance, social and opera-
tional architecture“ (Ernst & Young LLP 2016).
• OCI – Organizational Culture Inventory – „misst Verhaltensnormen und Erwartungen,
die einen wohldokumentierten Einfluss (positiv sowie negativ) auf Leistung haben und
bietet ein reliables und valides Maß für Kultur – welches klar zwischen Organisations-
kultur und Unternehmensklima als distinkte dennoch zusammenhängende organisatio-
nale Variablen unterscheidet“ (Human synergistics 2017).
• DOCS – Denison Organizational Culture Survey – ist eine „Fragebogen-Methode zur
Messung und Darstellung von Unternehmenskultur (…) Sie wurde entwickelt, um zu
analysieren und zu beschreiben, welche kulturellen Faktoren einen Einfluss auf Leis-
tung und Effektivität eines Unternehmens haben. Das Modell misst vier Faktoren:
Mission, Konsistenz, Einbindung und Anpassungsfähigkeit. Jeder dieser Faktoren kann
als ein Code, eine Logik und ein System aus strukturierten Verhaltensweisen definiert
werden, der oder die sich in der Evolution des Unternehmens bewährt hat und somit als
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gemeinschaftlicher Richtwert bei der zukünftigen Anpassung und dem Überleben am


Markt dient“ (Unternehmenskultur Magazin 2017).
• VIT – Vienna Index of Trust – von Ettl (2014) ist ein Fragebogen-gestütztes Mess-
instrument. Sieben Merkmale von Vertrauen in Organisationen werden auf Basis von
35 Likert-Skalen untersucht: Anerkennung, Diskriminierung, Integrität, Kommunika-
tion, Kompetenz, Sicherheit und Zusammenarbeit. Obwohl Vertrauen kein ursprüng-
liches Objekt ökonomischer Forschung ist, ist es wesentlich für den Erfolg von
Unternehmen. Selbst in Zeiten moderner und teilweise sehr unpersönlicher Kommu-
nikationstechnologien ist Vertrauen wesentlich bei der Zusammenarbeit. Ein weiterer
Aspekt, der mit den von Cremer, aber auch von Kreps und Guiso, Sapienza und Zin-
gales vertreten Theorien übereinstimmt und wegen seiner Auswirkung auf den Erfolg
eines Unternehmens wichtig ist, ist der soziologische Ansatz von Luhmann: Demnach
ist Vertrauen ein Mechanismus zur Reduktion sozialer Komplexität und stellt eine ris-
kante Vorleistung dar (Luhmann 2000, S.  27–29). Durch diese Reduktion der Kom-
plexität können für Unternehmen Vorteile in ihrem Handeln entstehen. Sie hat damit
Auswirkungen auf den Erfolg, worüber im wissenschaftlichen Diskurs weitgehend
Konsens herrscht (Schweer und Thies 2003, S. 13).

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56 C. Ettl

Diese Messinstrumente können immer nur als Analysewerkzeug verwendet werden:


Ähnlich einem Ultraschallbild in der Medizin geben sie Informationen und sind gleichzei-
tig jedoch nur ein schemenhaftes Abbild der tatsächlichen Organisationskultur. Es bedarf
erfahrener und geübter Spezialisten, diese Abbildungen entsprechend zu interpretieren
und eventuell notwendige Interventionen abzuleiten, wenn die Organisation an dieser
Stelle eine Veränderung benötigt oder wünscht.
Ein weiterer Ansatz ist die Ausgestaltung von individuellen Messsystemen, spezialisiert
und abgestimmt auf

• die jeweilige Organisation,


• die im Fokus des Projektes stehenden Dimensionen,
• die für die jeweilige Organisation passenden Kriterien und
• die im Fokus stehende Zielgruppe innerhalb der Organisation.

Diese individuellen Messsysteme werden vor allem als Möglichkeit gesehen, bestimmte
Dimensionen (z. B. Vertrauen) nach vorab definierten Kriterien und festgelegten Mess-
verfahren über einen Zeitraum hinweg innerhalb der Organisation zu beobachten und die
Wirksamkeit von Interventionen zu betrachten.
Auf diese Art und Weise können nicht nur bewusst initiierte Veränderungsprozesse,
sondern auch Auswirkungen von Merger, Verkäufen etc. beobachtet und validiert werden.

10 Herausforderung Unternehmenskultur
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Kultur in Organisationen und Unternehmen sind nicht vergleichbar, aber alle bisherigen
Studien zeigen: „Unternehmenskultur ist subtil, aber sehr wirksam! So zeigen z. B. vier
von Wilms (2003) vorgestellte Studien, dass kulturelle Aspekte wie Vertrauen zwischen
Führung und Mitarbeitern, Wertschätzung, Selbstbestimmung, Integrität, Mitarbeiterzu-
friedenheit, Respekt und Fairness zu einer (langfristig) besseren finanziellen Performance
von Unternehmen führen. Und Baum (2009) trug sogar mehr als 50 Studien zusammen,
die diverse Hinweise darauf liefern, dass bestimmte Elemente und Ausprägungen von
Unternehmenskultur Einfluss auf die ‚harten Unternehmenskennzahlen‘ wie Rentabilität,
Umsatzrendite, Gesamtkapitalrendite, Eigenkapitalrendite, aber auch auf die Performance
des einzelnen Mitarbeiters haben“ (Schmidtborn und Königswieser 2017).
Es ist daher für Führungskräfte essenziell, sich mit diesem Thema intensiv ausein-
anderzusetzen. Im Rahmen des HR-REPORT 2016 von Hays (2017) – einer jährlichen
Onlinebefragung von über 500 Führungskräften und Mitarbeitern aus Unternehmen und
Organisationen unterschiedlicher Branchen und Größen in Deutschland, Österreich und
der Schweiz – ist die Weiterentwicklung der Unternehmenskultur das wichtigste Thema.
Und um genau diese Weiterentwicklung geht es: Wie anhand der verschiedenen Modelle
in diesem Beitrag gezeigt wird, ist Kultur in jedem Unternehmen vorhanden – wenn auch
sehr unterschiedlich ausgeprägt. Schein verweist allerdings darauf, dass Kultur nicht nur

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Organisationskultur – Aufbau, Modelle und Messbarkeit57

förderlich für die Ziele einer Organisation sein kann, sondern auch hemmend. Es ist daher
notwendig, Unternehmenskultur zu gestalten und zu formen.
Um eine solide Ausgangsbasis für diesen Gestaltungsprozess zu schaffen, muss die
Organisationskultur zuerst entsprechend analysiert und erarbeitet werden. Dafür können
auch die verschiedenen Messinstrumente, die im Laufe der letzten Jahre entwickelt
wurden, verwendet werden. Diese Instrumente können auch für eine Fortschrittskontrolle
wiederholt herangezogen werden. Immer muss jedoch bewusst sein, dass damit nur ein
Teilbereich der eigentlichen Kultur betrachtet und gemessen werden kann.
Die Herausforderung liegt also darin, den oder die richtigen Ausschnitte auszuwählen.
Dazu bedarf es entsprechender Erfahrung und Wissen und meistens auch den „Blick von
außen“. Die Veränderung der Kultur selbst ist ein längerer dynamischer Prozess, der im
Idealfall auf der Ebene der Werte und Annahmen aufsetzt und sich in den Handlungsmus-
tern und Verhalten der Mitarbeiter widerspiegelt.

Christian Ettl  ist Organisationsberater, Führungskräftecoach und


Konfliktmanager. Als Gründungspartner und Geschäftsführer des Ins-
tituts für System und Werte liegen seine Schwerpunkte in den Berei-
chen Vertrauens- und Führungskultur, Strategie, Kündigungs- und
Konfliktmanagement.
Davor war er Österreich-Geschäftsführer des Beratungshauses
BearingPoint.
Er ist eingetragener Mediator und Supervisor – ÖVS.
Er ist verheiratet und wohnt in der Nähe von Wien.
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Christian Ettl hat neben seinem Betriebsinformatikstudium an der


TU Wien einen Master für Konfliktmanagement an der juridischen
Fakultät der Johannes Kepler Universität Linz und einen Master für
Management sozialer Systeme an der Sigmund Freud Privatuniver-
sität in Wien.
www.system-und-werte.at
www.christian-ettl.at

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Unternehmenskultur wahrnehmen –
gestalten – evaluieren: Ein Trialog

Christian Ettl, Niki Harramach und Ernst Hirnschal

Zusammenfassung
Unternehmenskultur sei ein „emergentes Phänomen,“ heißt es immer wieder. Wir sagen
ja, aber: Unternehmenskultur ist kein Wunder der Natur. Sie zu gestalten ist herausfor-
dernd, aber lohnend. Wie kann man Unternehmenskultur konkret gestalten? Welche
verschiedenen Ansätze existieren dazu? Was sind die dafür nötigen Grundannahmen
und Voraussetzungen? Wie und woran kann man die Auswirkungen erkennen? Und
welche verschiedenen Aspekte sind dabei zu erwägen? All das wird in diesem Beitrag
durch die drei Autoren in einem „Trialog“ entwickelt, beleuchtet und „fotografiert“.
Der Film aber geht weiter – das soll schon durch diese besondere Art der Darstellung
gezeigt werden.
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C. Ettl (*)
Institut für System und Werte, Franz- Josefs- Kai 15/9, 1010 Wien, Österreich
e-mail: che@system-und-werte.at
N. Harramach
Harramach & Velickovic, Stubenring 24, A-1010 Wien, Österreich
e-mail: office@harramach.com
E. Hirnschal
hirnschal – Unternehmensberatung | Lebensberatung, Am Fuchsenfeld 3/36/3 1120 Wien,
Österreich
e-mail: office@hirnschal.at

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J. Herget, H. Strobl (Hrsg.), Unternehmenskultur in der Praxis,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-18565-7_4
Unternehmenskultur in der Praxis : Grundlagen - Methoden - Best Practices, edited by Josef Herget, and Herbert Strobl, Springer
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62 C. Ettl et al.

1 Standortbestimmung – wie wir Unternehmenskultur verstehen

Niki: Die Unternehmenskultur ist die informelle Seite der Organisation. Sie ist die Summe
der Regeln, nach denen die Organisationsmitglieder grundsätzlich ihr tatsächliches Ver-
halten ausrichten.
Die Unternehmenskultur ist grundsätzlich nicht verschriftlicht, sondern gelebt. Aus
diesem Grund wirkt sie stärker als die formelle Seite der Organisation – mit ihren Pro-
grammen und Strukturen. Unternehmenskultur gibt es nur als Tatsache.
Christian: Sie beeinflusst außerdem nicht nur Art und Weise wie gearbeitet wird,
sondern auch wie und welche Entscheidungen, Planungen, Budgets und auch Strategien
und Taktiken, die im Unternehmen getroffen werden. Das gilt ganz besonders für die Stra-
tegie der Organisation! Daher wirkt sie zumindest indirekt auch auf die formale Seite der
Organisation.
Trotzdem würde ich Unternehmenskultur weiter fassen: Es sind nicht nur die Regeln,
sondern auch und vor allem die dahinterliegenden Werte und Annahmen sowie die Erfah-
rungen, die Organisationen bereits gemacht haben. Die Regeln sind daher Teil der Art und
Weise wie sich Unternehmenskultur manifestiert. Dazu gehören aber auch noch Verhaltens-
weisen, die Art, wie eine Organisation – sichtbar und unsichtbar – nach außen auftritt, die
Logos, der ganze Bereich der Corporate Identity und vieles mehr (Schein 2010, S. 33 ff.).
Ernst: Unternehmenskultur ist das Ergebnis eines gemeinsamen Lernprozesses über
Werte, Überzeugungen und Annahmen, die den Mitarbeitern nicht mehr bewusst sind,
weil sie selbstverständlich wurden (Schein 2010, S.  35). Dabei verstehe ich Lernen in
einem umfassenden Sinn als das Resultat von Erfahrungen (Lefrançois 2006, S. 6).
Niki: Für Teile der Unternehmenskultur gilt das, für andere Teile nicht. Wie für Gesell-
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schaftskultur auch. Kopfnicken geht bei uns schon unbewusst. Wer wem zuerst vorgestellt
wird, da muss man manchmal schnell überlegen. Was man in einem Gespräch sagen und
eventuell nicht sagen sollte, erfordert oft bewusste Überlegungen. Die Unbewusstheit ist
keine Bedingung für Unternehmenskultur.
Ernst: Ich habe keinerlei Bedingungen für Unternehmenskultur genannt – es war nur
ein wichtiger Aspekt, der seine Beachtung verdient, wenn man nicht in die Falle tappen
will, bei einer Änderung der Kultur etwas zu übersehen, was nicht auf den ersten Blick
offensichtlich ist. Als Indiz dafür, dass diese Tatsache noch nicht verankertes Allgemeingut
darstellt, können die unzähligen existierenden Hochglanzbroschüren dienen, in denen die
– angebliche – Unternehmenskultur in schillernden Farben dargestellt wird. In eine ähnli-
che Kategorie fällt dabei ein Verständnis, das sich daran orientiert, weil das Unternehmen
heute existiert, ist das gleichzeitig der Beweis dafür, dass alles richtig gemacht wurde,
denn sonst würde es schon längst nicht mehr existieren – Erfolg ersetzt alle Argumente.
Wenn wir über Unternehmenskultur sprechen, dann müssen wir gleichzeitig auch die
Frage stellen, ob es – vor allem in großen Unternehmen – DIE eine gemeinsame Kultur
gibt, oder gilt es nicht auch, eine Reihe von Subkulturen in den Blick zu nehmen?
Niki: Von der Definition können wir`s weiter fassen. Mir geht’s ohnehin nur darum, wie
sich Unternehmenskultur manifestiert. Und das geschieht nicht in Form der Regeln und/

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Unternehmenskultur wahrnehmen – gestalten – evaluieren: Ein Trialog63

oder Kulturnormen. Die sind ja unsichtbar. So wie die Regel, Älteren/Frauen den Vortritt
zu lassen, unsichtbar, außer jemand schreibt ein Knigge-Buch darüber. Die Manifestation
geschieht allein durch das Verhalten – wie du, Christian, ja auch schreibst. Wie eine Orga-
nisation auftritt, wie sie sich verhält, ist immer sichtbar.

2 Unternehmenskultur wahrnehmen – Voraussetzungen,


Möglichkeiten, Vorgehen

Niki: Die Unternehmenskultur wirkt über das Verhalten der Organisationsmitglieder. Weil
sie sich im Verhalten der Mitglieder manifestiert, ist die Unternehmenskultur jedenfalls
gestaltbar.
Ernst: Um die Gestaltung überhaupt möglich zu machen, muss es jemanden geben,
der in der Lage ist, Unternehmenskultur aus einer Metaperspektive wahrzunehmen. Das
ist eine Voraussetzung, um die eigene Unternehmenskultur zu verstehen und diese dann
gestalten zu können. Schmidt (2005, S. 210 ff.) sieht dazu zwei wesentliche Grundannah-
men als hilfreiche Voraussetzungen:

• Eine durchgängige Plan- und Steuerbarkeit betrieblicher Entwicklungen ist heutzutage


nicht mehr gegeben, und
• in den heute bevorzugten kooperativ orientierten Strukturen ist eine Unternehmens-
kultur erforderlich, die geeignete Modelle für Kommunikation, Planung, Entscheidung
und Kontrolle anbietet.
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Christian: Unternehmenskultur ist nicht nur im Verhalten gestaltbar – allerdings muss


sich jede Veränderung im Verhalten auch ausdrücken. Wird jedoch nur das Verhalten geän-
dert und die dahinter liegenden Einstellungen und Werte nicht – also es wird das Verhalten
nur „gespielt“ – so ist die Veränderung meist nicht langfristig und wird oft von den Orga-
nisationsmitgliedern nicht rezipiert (Peters und Waterman 1983).
Niki: Einzelpersonen können spielen, das heißt etwas machen, was nicht ihren Werten
entspricht, also etwas vortäuschen. Soziale Systeme, zu denen mehrere Menschen gehören,
können das nicht so einfach. Sie müssten dafür proben und trainieren; das erlebe ich immer
bei meinen Teamtrainings. Für mich ist daher das Verhalten der Menschen die Kultur.
Christian: Allerdings werden solche Spiele meist sehr schnell von den Mitarbeitern/
Mitgliedern einer Organisation durchschaut – nicht immer in Form von konkreten Aussa-
gen oder Hinweisen, meist durch ein „Gefühl“, dass da was nicht passt – Menschen haben
ein wesentlich größeres Sensorium für Authentizität als gedacht. Und Führungskräfte,
Mitarbeiter, die nur so tun, als ob sie die Werte tatsächlich achten, aber nur Verhaltenswei-
sen imitieren, gelten schnell als unehrlich und bekommen wenig Vertrauen.
Niki: Damit bin ich einverstanden. Ich spreche ja von der – man sollte ergänzen kri-
tischen – Menge, das heißt, die kulturprägende Mehrheit oder sogar möglicherweise die
Minderheit.

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64 C. Ettl et al.

Christian: Mehrere Menschen können solches unauthentisches Verhalten allerdings


sehr wohl – ungeprobt – entwickeln. Ein Beispiel dafür ist die permanente Bereitschaft
zur Lüge in extrem hierarchischen und repressiven Systemen.
Niki: Ja, aber so ist dann eben die Kultur im Unternehmen. Ob schön oder hässlich,
gewollt oder nicht, moralisch oder nicht – das alles sind ja keine bedingenden Elemente
für Kultur. Aufgrund dieses Verhaltens der Organisationsmitglieder ist die Unternehmens-
kultur wahrnehmbar. Soweit sie nicht wahrnehmbar ist, gibt es sie gar nicht. Sie muss also
immer beschreibbar sein.
Ernst: Wie weit geht wahrnehmbar? Gelten da auch Gefühle? Wessen Wahrnehmung
ist gemeint? Dabei kommen alle Aspekte der Wahrnehmungsverzerrung – oder konstruk-
tivistisch: der Wirklichkeitskonstruktionen – zum Tragen.
Niki: Alles, was wahrnehmbar ist. Diese einfache Antwort ist die einzig mögliche. Die
Wahrnehmbarkeit richtet sich natürlich nach den Wahrnehmungsmöglichkeiten des Wahr-
nehmenden. Ja, da schlägt der Konstruktivismus zu (Watzlawick 2006) !
Ernst: Unabhängig von Konstrukten stellt sich für mich auch die Machtfrage – gerade
im Organisationskontext. Ich würde es strikt trennen wollen, wenn ein Vorgesetzter nach
dem Motto handelt: „Es kann nicht sein, was nicht sein darf.“ Es wird damit nicht die
Wahrnehmung als solche in Frage gestellt, aber die Auseinandersetzung mit den Folgen
der Wahrnehmung ad absurdum geführt.
Christian: Ein bisschen erinnert mich das an die Medizin: Nicht nur was der Arzt wahr-
nehmen kann, ist ausschlaggebend, sondern auch, was er aus den Wahrnehmungen heraus
vermutet. So nimmt er zum Beispiel erhöhten Blutdruck wahr, kann aber beim Abhören
des Herzens keine Unregelmäßigkeiten feststellen. Daher wird er Hypothesen anstellen
müssen: Ob die Nieren richtig funktionieren, oder ob es Stress ist, oder … Das heißt: Wir
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können und dürfen uns bei der Erforschung der Unternehmenskultur nicht nur auf das
verlassen, was wir konkret wahrnehmen, sondern versuchen, die Hintergründe, Ursachen
etc. zu entdecken. Und dazu können wir Werkzeuge entwickeln, ähnlich denen, die die
moderne Medizin heute bei uns einsetzt, und damit Dinge wahrnehmbar machen, die uns
sonst verborgen geblieben wären.
Ernst: Ich wiederhole an dieser Stelle noch einmal die Frage „Wie weit geht wahr-
nehmbar?“ Wenn wir durch den Fortschritt der technischen Unterstützung, wie etwa ein
MRT, unser Wahrnehmungsspektrum erweitern, sollte das zur Wahrnehmung zählen.
Auch wenn es im ersten Moment so erscheint, als wäre plötzlich Unsichtbares aufge-
taucht. Ähnliches gilt für mich, wenn es sich um die Erweiterung des Methodenspektrums
handelt. So lassen sich mittels Organisationsaufstellungen Dinge wahrnehmbar machen,
die erst mithilfe dieser Methode zugänglich werden.
Niki: Jetzt sind wir beim Kern unserer Auseinandersetzung. Oder anders gesagt: beim
Unterschied unserer Ansätze. Ich bin als pragmatisch orientierter Berater strikt dafür, nur
an der Oberfläche zu bleiben. Ich bin Gestalter, nicht Analytiker. Aber ich respektiere auch
andere Ansätze. Schön, dass wir trialogisieren.
Ernst: Dann setzte ich noch eins drauf. Wenn sich Unternehmenskultur durch Wahr-
nehmung erschließt, dann kann dies von innen – durch Selbstbeobachtung – oder von

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Unternehmenskultur wahrnehmen – gestalten – evaluieren: Ein Trialog65

außen zum Beispiel durch Berater- oder Fremdbeobachtung erfolgen und sich daher auch
ganz wesentlich unterscheiden. Daraus folgt, dass Probleme, auf die ein Unternehmensbe-
rater aufmerksam macht, erst in die Selbstbeobachtung eines Unternehmens übernommen
werden müssen, ehe sie als Probleme beobachtet und behandelt werden können (Schmidt
2005, S. 220).

3 Unternehmenskultur gestalten – Aufgaben, Ziele,


Möglichkeiten

Ernst: Ein Grund, warum es so schwierig erscheint, Unternehmenskultur zu gestalten,


liegt darin, dass Unternehmenskultur per se nicht gestaltet werden kann.
Niki: Was heißt „per se“? Teilweise oder zumindest stückweise oder schrittweise kann
man gestalten.
Ernst: „Unternehmenskultur per se“ verstehe ich in diesem Zusammenhang so, dass es,
wie du selbst gleich zu Beginn dieses Trialogs sagst, um gelebte Kultur geht. Daher handelt
es sich nicht um ein greifbares Ding, das sich als solches wie eine Skulptur formen lässt.
Niki: Es geht aber vor allem um die Wahrnehmung- und zwar die des Gestalters! Das
ist derjenige oder die Gruppe, die Gestaltungsmacht hat. Je nach passender und unpassen-
der Unternehmenskultur kann das eine einzelne Person, also der Eigentümer, aber unter
Umständen auch ein Revolutionär oder Stakeholder, sein oder eine Gruppe, zum Beispiel
der Vorstand oder eine Lobby, ein Nukleus, oder die breite Masse, wenn wir zum Beispiel
von einer politischen Organisation sprechen. Der Berater wird es mangels direkter Gestal-
tungsmacht in der Regel nicht sein – indirekt wahrscheinlich des Öfteren durch seine Rat-
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schläge und Lenkungen.


Ernst: Ich glaube, dass dieser Punkt nicht zu vernachlässigen ist und gehe sogar noch
einen Schritt weiter. Wir als Berater/Beratungssystem stellen ein Modell dar, wie es gehen
könnte, und wir nehmen auch Einfluss durch das, was wir NICHT tun.
Christian: Ich verstehe nicht, warum Unternehmenskultur nur durch „Gestalter“ wahr-
genommen werden kann: Jedes Mitglied des Systems muss sie wahrnehmen können –
sonst kann er sich ja nicht an ihr orientieren. Und außerdem wird Unternehmenskultur
grundsätzlich immer vom gesamten System geprägt!
Niki: Völlig richtig: Jedes Mitglied kann wahrnehmen. Aber wir handeln hier das
„Gestalten“ ab. Und daher ist die Wahrnehmung der „Gestalter“ entscheidend. Denn
diese werden – wie alle Menschen – ihrer Wahrnehmung entsprechend handeln. Übri-
gens definiere ich die Gestalter ja nicht, grenze niemanden aus. Wahrnehmungsverzer-
rungen spielen – wie immer im Leben – die entscheidende Rolle. Der Bias der Mächtigen
bestimmt eben das Leben.
Christian: Wobei sich die Frage stellt – wer sind die Mächtigen? Nur die, die offi-
ziell in einer Machtposition sind? Vroom zeigt ja jedes Jahr aufs Neue auf, dass nicht
einmal 50  % der Entscheidungen dieser offiziellen Mächtigen auch umgesetzt werden.
Er beschreibt das sehr anschaulich in seinem Basiswerk (Vroom und Yetton 1973) und

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stellt Jahr für Jahr die entsprechenden Umfragewerte in der Yale-University-Datenbank


zur Verfügung. Es stellt sich daher die meiner Meinung nach berechtigte Frage: Wer sind
die wirklich Mächtigen?
Niki: Als pragmatisch orientierter Berater bin ich der Meinung, dass die Mächtigen
die sind, die die Macht haben zu gestalten – und nicht die Ohnmächtigen. Daher bleibe
ich dabei: Der Bias der Mächtigen bestimmt das Leben. Allerdings: Die Veränderung der
informellen Seite der Organisation erfordert mehr Aufwand als die Veränderung der for-
mellen Seite.
Das Verhältnis zur formellen Seite der Organisation kann entweder kompatibel oder
konträr sein. Ist es kompatibel, dann ist es entweder ident und in die formellen Regeln
aufgenommen oder zu diesen ergänzend. Ist das Verhältnis konträr, ist es entweder regel-
verletzend und/oder illegal.
Christian: Durch die enge Abhängigkeit von formaler und informeller Seite sind Verän-
derungen auf der formellen Seite allerdings oft wirkungslos und werden nicht umgesetzt.
Niki: Eine Anforderung zur Gestaltung ergibt sich, wenn sie geändert werden soll. Von
wem dieses „Soll“ ausgeht, ist hier nicht Gegenstand der Erörterung – wiewohl natürlich
bedeutsam.
Ernst: Dennoch sollte an dieser Stelle auf den Zugang von Ed Schein hingewiesen
werden, der meint: „Jede Veränderung beginnt mit einer Widerlegung der bestehenden
Verhältnisse.“ Ich halte es für wichtig, diesen Zugang im Hinterkopf zu behalten, weil ich
der Meinung bin, dass es – vorsichtig ausgedrückt – in manchen Fällen sehr wohl bedeut-
sam für Erfolg oder Misserfolg ist, vom wem das „Soll“ ausgeht. Ich sehe den großen
Vorteil in Scheins Hinweis darin, dass dadurch die Forderung nach der Umgestaltung
bzw. Gestaltung der Kultur von Personen entkoppelt wird und damit der Überbringer der
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schlechten Nachricht aus der „Gefahrenzone“ kommt. Damit kann die ganze Kraft in die
Gestaltung der Veränderung fließen (Schein 2010).
Niki: Jede Änderung heißt: im Gegensatz zum gegeben Zustand, also zum Ist-Stand.
VOR jeglicher Änderung ist daher der Ist-Stand der Unternehmenskultur zu erheben.
Ernst: Welche „Kultur“? – was ist mit vielen unterschiedlichen Subkulturen? Darf,
soll, muss zum Beispiel der Vertrieb eine andere Kultur haben als die Entwicklungsabtei-
lung? Erst wenn diese grundsätzliche Frage geklärt ist, dann können die weiteren Schritte
erfolgen.
Niki: Die Kultur des „Fokalsystems“. Vor jeder Intervention in die Unternehmenskultur
ist zu definieren, welches System gemeint ist. Beispiel Krankenhaus: Ist es die Kultur
einer Station oder der gesamten Abteilung oder des ganzen Hauses oder nur die des Füh-
rungsteams des Krankenhauses? Wer gehört dazu, wer nicht? Was sind Subsysteme, was
Suprasysteme? Das ist tatsächlich eine für Kulturarbeit entscheidende Frage. Und ihre
Beantwortung ist stets schwierig. Haben wir es doch immer mit Interferenzen der ver-
schiedenen Systemebenen miteinander/ineinander zu tun.
Christian: Genau – es ist wesentlich, das im Fokus der Arbeit stehende System zu
erkennen und zu beschreiben und damit die entsprechende Unternehmenskultur abzu-
grenzen. Allerdings gib es Einflüsse von den Unternehmenskulturen der Subsysteme und
der Suprasysteme. Um beim Beispiel Krankenhaus zu bleiben: Die Unternehmenskultur

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Unternehmenskultur wahrnehmen – gestalten – evaluieren: Ein Trialog67

der Station wird geprägt von der Unternehmenskultur der Abteilung. Gleichzeitigt prägen
aber die Unternehmenskulturen der Stationen die Unternehmenskultur der Abteilungen –
und so fort. Es geht hier also um dynamische Prozesse, die sich gegenseitig beeinflussen
und voneinander abhängig sind. Wobei die Frage nach dem Anfang müßig und daher rein
akademisch ist – denn der ist gesetzt, lange bevor jede Unternehmenskulturdiskussion
überhaupt ins Spiel kommt. Es ist ein typisches Henne-Ei-Problem.
Niki: Dem Stimme ich zu. Allerdings beginnen viele Organisationen damit, eine ange-
strebte Unternehmenskultur aufzuschreiben, bevor sie den gegenwärtigen Stand feststel-
len, geschweige denn evaluieren. Aber es gilt:

1. Der gegenwärtige Stand ist immer feststellbar, weil – siehe oben – Unternehmenskultur
nur insoweit relevant und daher interessant ist, insoweit sie sich im wahrnehmbaren
Verhalten der Organisationsmitglieder zeigt.
2. Die Unternehmenskultur kann als gelebte Verhaltensdimensionen nur sehr wenig durch
Verschriftlichungen – wie zum Beispiel durch Leitbilder – beeinflusst werden.
Christian: Allerdings ist ein solcher Prozess eine nicht unwesentliche Intervention ins
System und wird daher auch die Unternehmenskultur beeinflussen.
Niki: Trotzdem ist zuerst der Ist-Stand festzustellen und dann erst die Diskrepanz zum
angestrebten Soll festzustellen. Ich empfehle erst dann mit Änderungsversuchen zu starten.
3. Es könnte sein, dass die bestehende Unternehmenskultur in vielleicht sogar großen
Teilen ohnehin der gewünschten Kultur entspricht. Daher muss
4. der Ist-Stand nicht nur festgestellt, sondern seine Stärken und Schwächen evaluiert
werden.
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Evaluation der Kultur hat also nicht erst am Ende, sondern schon am Anfang des Ver-
änderungsprozesses stattzufinden! Erst nachdem der Ist-Stand der Unternehmenskultur
erhoben und evaluiert ist, kann eine Diskrepanzanalyse durchgeführt werden, also der
Unterschied zwischen dem gegenwärtigen Ist-Stand und dem angestrebten Soll-Stand
festgestellt werden. Und erst demgemäß können sinnvolle Schritte zur gewollten Ände-
rung der Unternehmenskultur geplant und gesetzt werden. Dabei ist zu beachten, dass
die Veränderung der informellen Seite der Organisation mehr Aufwand erfordert als die
Veränderung der formellen Seite. Das bedeutet, es ist leichter, formelle Regeln wie Pro-
gramme und Strukturen zu ändern. Im Zweifel sollte also die formelle Seite der informel-
len angepasst werden und nicht umgekehrt!
Ernst: Da liegt für mich ein Widerspruch – ich dachte der Ausgangspunkt ist der
Wunsch, die Unternehmenskultur zu verändern. Ich verstehe diese Aussage (überspitzt
ausgedrückt) so, wie die Geschichte vom Betrunkenen, der unter der Laterne seinen ver-
lorenen Schlüssel sucht, weil es dort heller ist.
Niki: Ja, der Ausgangspunkt wird immer sein, die Kultur zu gestalten. Ich sage aus-
drücklich gestalten statt verändern. Immer öfter geht es in turbulenten Zeiten um – zumin-
dest partielles – Bewahren. Aber um auf deinen Einwand zurückzukommen: Nicht selten
wird man im Zuge einer Kulturarbeit darauf kommen, dass Aspekte der gelebten Kultur
erfolgversprechender sind als Teile der formellen Programme und Strukturen. Das nenne

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ich einen Glücksfall, weil dadurch Organisationsentwicklung einfacher wird. Ich meine
damit: Der Erkenntnis, dass manchmal die bestehende Unternehmenskultur den „lead“
hat, muss auch eine Chance gegeben werden. Und um in deinem Bild zu bleiben: Manch-
mal suchen die Beteiligten die Chancen für den Change nur im Kulturwandel – beson-
ders dann, wenn sie von Kulturberatern dazu angestiftet werden. Das heißt, wenn nur die
Unternehmenskultur beleuchtet wird.
Christian: Hier fällt mir Steve de Shazer ein: „Repariere nichts, was nicht kaputt ist“
(2008) – eine Ist- Analyse ist also immer notwendig – schon alleine deshalb, um entspre-
chende Interventionen planen zu können. Und sie wird immer wieder wiederholt werden
müssen – im Sinne der bekannten Interventionsspirale von Königswieser (Königswieser
und Hillebrand 2009). Nichtsdestotrotz: Unternehmenskultur bedarf einer permanenten
Beobachtung und Steuerung durch das hoffentlich verantwortungsbewusste Management.
Da die Auswirkungen so stark sind und Unternehmenskultur eine wichtige Ressource
und Wettbewerbsfaktor ist, muss sie genauso wie Finanzen, Lieferanten etc. betreut und
gesteuert werden.
Niki: Gestaltbar ist die Unternehmenskultur jedenfalls – auch ganz gezielt und nicht nur
irgendwie schicksalshaft – was durch den emergenten Charakter der Unternehmenskultur
suggeriert werden könnte. Eine mögliche Gestaltung wäre, die formelle Seite anzupassen
und eher Verbote als Gebote formulieren! Auf jeden Fall müssen Konsequenzen exekutiert
werden.
Christian: Hier sehe ich viele weitere Gestaltungsmöglichkeiten in konkreter Werte-
arbeit. In der Analyse kann die Frage nach den vorhandenen Werten genauso erarbeitet
werden, wie die, wie diese ausgestaltet werden. Und in der Zieldefinition geht es doch
vor allem darum, welche Werte wir behalten möchten, welche wir umgestalten müssen,
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welche wir nicht mehr wollen, welche neuen Werte wir wollen und wie sie ausgestaltet
sein sollen. In der Umsetzungsplanung werden natürlich Verhalten angesprochen – und
diese müssen oft auch verändert werden. Aber nicht durch par ordre du mufti, sondern
durch einen gemeinsamen Entwicklungsprozess.
Grundsätzlich kann solche Arbeit nicht „top down“ gemacht werden. Natürlich ist es
wichtig, dass das Management eine Vorstellung davon hat, wohin „die Reise gehen soll“.
Aber durch einen klar trukturierten Top-Down-Bottom-Up-Dialogansatz ist der Prozess
wesentlich effektiver und effizienter.
Ernst: Ich bin der gleichen Meinung und möchte noch ergänzen, dass folgende Frage-
stellungen dabei besonders beachtet werden müssen:

• Durch welche Aktivitäten, Wirkungen, angestrebten Ziele soll das Unternehmen


erkennbar sein?
• Auf der Grundlage welches Menschenbildes agieren die Beteiligten (nach innen und
nach außen)?
• Mittels welcher Organisationsstrukturen werden die Handlungsspielräume definiert?
• Welchen Stellenwert haben Gefühle, und welche Rolle dürfen sie spielen?
• Welche Werte und moralischen Orientierungen sind verbindlich?

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Unternehmenskultur wahrnehmen – gestalten – evaluieren: Ein Trialog69

Schon die Fragen selbst und die inhaltliche Auseinandersetzung damit konstituieren
Kultur. Besonders bereichernd für eine umfassende Behandlung erachte ich die Verknüp-
fung von was und wie bei den ersten drei Fragen.
Niki: Aber die „Nukleusstrategie“ ist doch in der Praxis am wirksamsten, oder? Klar
ist: Der Nukleus braucht Schutz von oben.
Christian: Was verstehst du hier unter Nukleusstrategie?
Niki: Unter Nukleusstrategie verstehe ich, dass sich irgendwo in der Organisation eine
progressive Keimzelle bildet, in der eine neue Kultur etabliert wird. So wird zum Bei-
spiel in einer Abteilung versucht, rotierende Expertenführung einzufühlen. Solche Nuklei
sollten vom Topmanagement identifiziert und vor Anfeindungen geschützt werden, sodass
sich in ihnen der progressive Bazillus gut einnisten kann. In weiterer Folge kann von
dieser Keimzelle aus eine positive Infektion anderer Organisationsteile, schlussendlich
der ganzen Organisation stattfinden. Einige solcher „Seuchen“ habe ich schon erlebt und
auch unterstützen dürfen.
Christian: Über Verbote würde ich eher weniger arbeiten: Denn ich kann nicht alles,
was ich vielleicht einmal in der nächsten Zukunft nicht will, im Vorhinein verbieten. (So
ist es zum Beispiel eigentlich unmöglich, einen Katalog aufzustellen, was ich im Falle von
Kundenorientierung nicht tun darf.)
Niki: Dem stimme ich nicht zu. Zur Kundenorientierung kann man zum Beispiel
das Verbot aufstellen: Du darfst zu Kunden nicht unhöflich sein. Und es ist einfacher,
Übertretungen dieses Verbots zu kontrollieren als die Einhaltung des Gebots der Höf-
lichkeit (Harramach und Prazak 2014).
Christian: Ja, aber nicht unhöflich sein ist leider noch lange nicht höflich sein!
Niki: Stimmt. Aber es ist besser, zuerst einmal wenigstens nicht unhöflich zu sein.
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Christian: Wesentlich ist für mich die Herausbildung eines gemeinsamen Verständnis-
ses: Was verstehen wir heute und hier bei uns unter Höflichkeit? Wie wollen wir sie zum
Ausdruck bringen? Gerade bei Beziehungs-„Themen“ ist die Aufstellung von Ver- und
Geboten sehr schwierig! Sie können nur interpretiert werden – und deshalb muss ich ein
gemeinsames Verständnis schaffen!
Niki: Absolut d`accord.
Christian: Das Problem kennen wir auch aus dem juristischen Umfeld: Es ist unmög-
lich, alles bis ins Detail zu regeln – denn erstens kann niemand in die Zukunft schauen und
zweitens ist dies der Grund, warum auch der Gesetzgeber immer hinten nach hinkt – siehe
dazu die aktuelle Debatte über Hasspostings.
Niki: Das Hinterherhinken des Gesetzgebers ist in 80 % der Fälle unnötig und bloß eine
schlechte Jus-Kultur!
Christian: Aber Definitionen bedürfen sowohl einer positiven als auch einer negativen
Abgrenzung!
Und ein Verstoß gegen den Wertekatalog einer Organisation muss immer – das ist
wichtig – Konsequenzen haben. Schwierig ist es dann, wenn es konkurrierende Werte
gibt – dann muss ein entsprechend transparenter, nachvollziehbarer Entscheidungsprozess
ablaufen: Dann gilt es zum Beispiel zu entscheiden, ob Kunden- oder Gewinnorientierung

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70 C. Ettl et al.

Abb. 1  Verbote versus Gebote

in diesem konkreten Fall wichtiger ist und dies muss auch entsprechend begründet sein.
Nur dann, wenn solche Entscheidungsprozesse für die Mitarbeiter nachvollziehbar und
verständlich sind, werden sie die Werte im Unternehmen auch ernst nehmen und leben.
Das ist natürlich manchmal anstrengend für das Management.
Ernst: Um meine Meinung zum „Verbotsthema“ zu illustrieren, habe ich eine kleine
Grafik erstellt (Abb. 1).
Ein Verbot kann nur sagen, wo im ganzen Umfeld ich nicht sein darf, aber nicht, wo wir uns
alle treffen sollen. Das ist meiner Meinung nach auch der tiefere Sinn von Unternehmenskultur.

4 Unternehmenskultur evaluieren – Monitoring, Abschluss,


Aufgabe

Niki: Und selbstverständlich sind die Auswirkungen der Kulturänderung ebenso feststell-
bar und evaluierbar, wie ihr ursprünglicher Zustand. Dabei sind direkte Auswirkungen
– also wie sich Mitarbeiter anders verhalten – und indirekte Auswirkungen – wie sich
dadurch zum Beispiel der Erfolg der Organisation verändert – zu unterscheiden (Harra-
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mach 1995).
Christian: Eine gute Analyse der Unternehmenskultur am Anfang ermöglicht eine
Standortbestimmung am Ende und damit eine gute Vergleichsbasis. Schwierig ist es, den
Erfolg einer Organisation zu bewerten: Nur der Gewinn kann es wohl nicht sein. Und vor
allem: Welcher Zeithorizont ist der richtige (Ettl 2014)?
Ernst: Welche Erfolgskriterien sollen dabei herangezogen werden: monetäre, Kunden-
zufriedenheit, Mitarbeiterzufriedenheit oder andere?
Niki: Das muss einfach adäquat sein und hängt ganz vom Ziel der Kulturänderung ab.
Wenn die Ziele klar definiert sind, ist völlig evident, wie evaluiert werden muss, inwieweit
sie erreicht worden sind. Und bloß monetäre Messgrößen sind keineswegs immer die lebens-
und arbeitsbestimmenden. Bei Liebe, Glück, Vertrauen und Wohlbefinden sind sie das sicher
nicht, beim Return of Investment oder beim Gewinn hingegen schon. Und ob Prozesse
schneller erledigt werden können, wird man wohl wieder anders messen. Aber man kann
natürlich auch feststellen, ob Leute glücklich oder zufrieden sind. Im und nach dem Urlaub
machen das die meisten von uns und bestimmen danach ihre nächste Urlaubsstrategie.
Überhaupt gilt für alle Evaluation in so komplexen Materien der Grundsatz KISS: Keep
it small and simple! Wenn die Ziele klar sind, kann ein Kind sagen, wie, wann und von
wem gemessen werden soll und inwieweit die Ziele erreicht wurden.

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Unternehmenskultur wahrnehmen – gestalten – evaluieren: Ein Trialog71

Dass Unternehmenskultur schwammig, nicht genau beschreibbar oder gar unsichtbar


sei, ist Unsinn und begriffswidrig. Der Einwand, im Bereich des Verhaltens und der so
genannten Soft Skills könne man nichts evaluieren, ist eine Ausrede und/oder Missver-
ständnis. Selbstverständlich können nicht alle Dimensionen der Unternehmenskultur in
arithmetisch oder geometrisch genormten Einheiten gemessen werden. Aber feststellbar
und damit kontrollierbar sind sie allemal. Quantität ist ja nur eine Form von Qualität.
Ernst: Quantität ist aber nur eine Dimension, Qualität umfasst wesentlich mehr. Qualität
verstehe ich als eine Summe von Eigenschaften – Quantität ist Menge. Ein Riesenschnitzel
am Teller sagt nichts darüber aus, welche Qualität das Essen hat – obwohl ich weiß, dass für
manche Leute der übergehende Teller schon bedeutet, dass das Essen auch gut ist.
Niki: „ 2 Meter groß“ oder „50 Gramm leicht“ kann aber auch eine wichtige Qualität sein.
Christian: Wesentlich ist meiner Meinung nach, dass das System selbst über die Ent-
wicklung bestimmt und urteilt. Als Außenstehender würde ich mich sonst zum Richter
machen – und das steht uns als Berater sicher nicht zu!
Niki: Da stimme ich nicht zu. Weil ich will mich nicht zum Richter machen, bin aber
Be-Rater.
Christian: Viel mehr unterstützen wir unsere Klienten dabei, selbst die für sie richtigen
Messkriterien anzulegen.
Niki: Da stimme ich völlig zu.
Ernst: Wichtig halte ich, in diesem Zusammenhang auch darauf hinzuweisen, dass der
Faktor Zeit eine Rolle spielt. Einerseits heißt das, regelmäßig zu evaluieren und anderer-
seits darauf zu achten, wie weit sich Umstände verändert haben, dass Dinge heute sich
verändert haben.
Christian: Allerdings gibt es ein eindeutiges Kriterium, ob eine Organisation auf dem
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richtigen Weg ist: Die Kunden zeigen dies ganz klar. Schwierig ist, die Ursachen festzuma-
chen: Welche Interventionen geholfen haben, bestimmt eben wiederum das System selbst.

Christian Ettl  ist Organisationsberater, Führungskräftecoach und


Konfliktmanager. Als Gründungspartner und Geschäftsführer des
Instituts für System und Werte liegen seine Schwerpunkte in den
Bereichen Vertrauens- und Führungskultur, Strategie, Kündigungs-
und Konfliktmanagement.
Davor war er Österreich-Geschäftsführer des Beratungshauses
BearingPoint.
Er ist eingetragener Mediator und Supervisor – ÖVS.
Er ist verheiratet und wohnt in der Nähe von Wien.
Christian Ettl hat neben seinem Betriebsinformatikstudium an der
TU Wien einen Master für Konfliktmanagement an der juridischen
Fakultät der Johannes Kepler Universität Linz und einen Master für
Management sozialer Systeme an der Sigmund Freud Privatuniver-
sität in Wien.
www.system-und-werte.at
www.christian-ettl.at

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Prof. Dr. Niki Harramach  ist ehemaliger Panzerkommandant,


emer. Rechtsanwalt, Unternehmensberater und Customers’ Certi-
fied Trainer, Wirtschaftscoach und Supervisor. Sachverständiger für
Managementtrainings und Organisationsentwicklung. Geschäftsfüh-
render Gesellschafter von Harramach & Velickovic. Schwerpunkte:
Bildungscontrolling, Rechtsfragen im Trainingsbereich, interaktive
Coaching- und Trainingsformen und das Absurde im Management.
www.harramach.com

Ernst Hirnschal, MEd  ist Unternehmensberater, Psychologischer


Berater und als Entwicklungsberater in Schulen tätig. Er verfügt
über langjährige Erfahrung in einem internationalen Großkonzern
und hat maßgeblich am Aufbau des GSM-Mobilfunks mitgewirkt.
Später als interner Berater, Moderator und Coach war die Gestal-
tung von Unternehmenskultur wesentlicher Bestandteil seiner Akti-
vitäten. In seinem neuesten Wirkungsbereich, durch die Geragogik
geprägt, beschäftigt er sich mit den Auswirkungen des demografi-
schen Wandels auf die Arbeitswelt.
www.hirnschal.at

Literatur

De Shazer S, Dolan YM (2008) Mehr als ein Wunder: lösungsfokussierte Kurztherapie heute. Carl-
Auer-Verlag, Heidelberg
Copyright © 2017. Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH. All rights reserved.

Ettl C (2014) Erfolgsfaktor Vertrauen. Department für Psychologie der Sigmund Freud Privat Uni-
versität Wien, Wien
Harramach N (1995) Trainings- Erfolgs- Kontrolle. Verlag Neuer Merkur, München
Harramach N, Prazak R (2014) Management, absurd, Ein Blick auf die Kehrseite moderner Manage-
ment-Begriffe. Springer Gabler, Wiesbaden
Königswieser R, Hillebrand M (2009) Einführung in die systemische Organisationsberatung. Carl-
Aueer-Systeme Verlag und Verlagsbuchhandlung GmbH, Heidelberg
Kühl S (2011) Organisationen – Eine sehr kurze Einführung. Springer VS, Wiesbaden
Lefrançois, G.R. (2006) Psychologie des Lernens. 4. Auflage. Heidelberg: Springer Medizin Verlag
Peters TJ, Waterman TH (1983) Auf der Suche nach Spitzenleistungen. Was man von den bestge-
führten US- Unternehmen lernen kann. Verlag Moderne Industrie, Landsberg
Schein EH (2010) Organisationskultur. The Ed Schein Corporate Culture Survival Guide. In: G.
Fatzer (Hrsg) EHP Organisation Ausg. EHP, Bergisch Gladbach
Schmidt SJ (2005) Lernen, Wissen, Kompetenz, Kultur: Vorschläge zur Bestimmung von vier Unbe-
kannten. Carl-Auer-Verlag, Heidelberg
Vroom VH, Yetton PJ (1973) Leadership and decision-making. University of Pittsburgh Press,
London
Watzlawick P (2006) Die erfundene Wirklichkeit: wie wissen wir, was wir zu wissen glauben?; Bei-
träge zum Konstruktivismus. Pieper, München

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Unternehmenskultur in Zeiten von
Arbeit 4.0 und demografischem Wandel

Ernst Hirnschal

Zusammenfassung
Sinkende Geburtenraten bei gleichzeitig steigender Lebenserwartung verändern die
Bevölkerungsstruktur. Die Auswirkungen des demografischen Wandels erfordern auch
in den Betrieben eine Auseinandersetzung mit diesem Phänomen. Noch nie trafen so
viele verschiedene Generationen wie heute in den Betrieben gleichzeitig aufeinander.
Ein Einblick in die Charakteristika der einzelnen Generationen soll helfen, eine Kultur
des produktiven Miteinanders bei der Arbeit zu unterstützen. Eine Antwort darauf kann
Generationenmanagement im Zusammenspiel mit einer positiven Alternskultur sein.
Zusätzliche Veränderungen in der Arbeitswelt sind durch den technologischen Wandel
und die Digitalisierung getrieben. Auch dabei gilt es, die Anforderungen, die sich
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daraus ergeben, genauer zu untersuchen und die dadurch notwendigen Anpassungen


in der Unternehmenskultur gezielt vorzunehmen. In diesem Zusammenhang sind etwa
die Lernkultur, eine Gesundheitskultur und besonders die Führungskultur zu beachten.

1 Megatrends und ihre Bedeutung für die Unternehmenskultur

In diesem Beitrag werden die, von vielen Seiten als Megatrends genannten zentralen Fra-
gestellungen „Arbeit und Unternehmen im Umbruch“ und „Herausfordernde Bevölke-
rungsentwicklungen“ im Hinblick auf ihre Auswirkungen für die Kultur in Unternehmen
und Organisationen einer genaueren Betrachtung unterzogen. Diese beiden Themen bilden

E. Hirnschal (*)
hirnschal – Unternehmensberatung | Lebensberatung
Am Fuchsenfeld 3/36/3, 1120 Wien, Österreich
e-mail: office@hirnschal.at; www.hirnschal.at

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018 73


J. Herget, H. Strobl (Hrsg.), Unternehmenskultur in der Praxis,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-18565-7_5
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74 E. Hirnschal

den Anfang einer 16  Punkte umfassenden Auflistung, bei all denen davon auszugehen
ist, dass sie unsere Zukunft maßgeblich beeinflussen werden (Zukunftsstark 2016). Was
sind wesentliche Inhalte dieser beiden angeführten Trends? Vor welche Aufgaben werden
Unternehmen dadurch gestellt? Wie sehen die dafür benötigten möglichen Lösungsan-
sätze aus? Und was hat all das mit Unternehmenskultur zu tun?
Die Auseinandersetzung mit diesen Fragen und die daraus entwickelten Gedanken
sollen am Ende Hinweise für konkretes Handeln liefern.
Arbeit  4.0, Zukunft der Arbeit, Digitalisierung erleben, Digital Business Day, die
digitale (R)Evolution sind nur einige der Titel von Veranstaltungen oder Veröffentli-
chungen, die uns stakkatoartig über verschiedenste Medien und Kanäle erreichen. Je
nach Hintergrund der veröffentlichenden Stelle wird die sich daraus ergebende Zukunft
in schillernden oder düsteren Farben gemalt. Schillernd, wenn davon geschwärmt wird,
wie Roboter zum Beispiel in Japan die Menschen begeistern, indem sie die Leute in
Einkaufszentren begrüßen und so einen Einkauf zum Erlebnis machen, oder wenn der
Roboter Henry im Wiener Haus der Barmherzigkeit verirrte Patienten wiederfindet.
Düster, wenn behauptet wird, dass innerhalb der nächsten zehn bis 20 Jahre vielleicht
40–50 % der Arbeitsplätze verloren gehen könnten. Mit dem „Grünbuch Arbeiten 4.0“
versuchte das deutsche Bundesministerium für Arbeit und Soziales, in der Vielfalt der
Begrifflichkeiten eine Orientierungshilfe zu schaffen und eine breite gesellschaftliche
Diskussion in Gang zu bringen. Die Bundesministerin Andrea Nahles betont im Vorwort
dieser Publikation, dass wir derzeit einen grundlegenden kulturellen Wandel mit neuen
Ansprüchen an die Organisation von Arbeit erleben. Die Treiber dieser Veränderun-
gen und der damit im Zusammenhang stehenden Umwälzung der Gesellschaft und des
Arbeitslebens sind die Themenbereiche demografischer Wandel, globalisierte Wissens-
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gesellschaft, Wandel des Normalarbeitsverhältnisses, neue Produkte und Produktions-


prozesse sowie nicht zuletzt Digitalisierung und Automatisierung (Bundesministerium
für Arbeit und Soziales 2016, S. 6–13).
Die konkrete Ausprägung der genannten Umwälzungen könnte sich etwa wie folgt dar-
stellen: In Zeiten von Smartphones und der praktisch flächendeckenden Möglichkeit des
Internetzugangs besteht die Möglichkeit, seine Arbeit an jedem beliebigen Ort auch außer-
halb der Firma zu leisten. Wenn es sich nicht um eine spezifische, zu einer bestimmten
Zeit zu erledigende Arbeit handelt, dann kann auch die Arbeitszeit den eigenen Bedürf-
nissen angepasst werden. Ein Vorteil besteht darin, dass so eine flexible Abstimmung mit
den familiären Bedürfnissen möglich wird. Damit diese Art zu arbeiten möglich wird, ist
ein Wandel von der vielerorts noch immer gepflegten Präsenzkultur hin zu einer Ergebnis-
kultur notwendig. Die Basis dafür ist eine gelebte Vertrauenskultur.
Der Weg dorthin lässt sich als eher steinig bezeichnen, wie Anne M. Schüller in ihrem
Blogbeitrag aus den Ergebnissen einer Studie über Digitale Transformation schließt.
Sie sieht die Mehrzahl der Unternehmen noch nicht bereit für die Digitalisierung. Ihrer
Meinung nach liegt das wahre Problem in der Unternehmenskultur. Denn wenn es um die
Fitness für die Zukunft geht, macht das Digitale nur 20 % aus, hingegen liegt der Rest
in den Anforderungen begründet, die durch den Transformationsprozess selbst entstehen

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Unternehmenskultur in Zeiten von Arbeit 4.0 und demografischem Wandel75

(Schüller 2017). Digitalisierung ist nicht nur ein technischer Prozess, sondern vielmehr ein
sozialer und kultureller Prozess. Dabei entstehende Ängste stellen ein großes Hindernis
für die bevorstehenden Veränderungen dar. Sie sind einerseits der gesteigerten Komplexi-
tät durch eine nicht mehr überschaubare Vielfalt geschuldet und andererseits in der unvor-
hersehbaren Zukunft begründet. Die vermeintlich mangelnde Flexibilität im Umgang mit
diesen Herausforderungen wird vor allem älteren Beschäftigten als Defizit zugeschrieben.
Sie gelten als weniger leistungsfähig, haben angeblich keine Lust mehr auf Neues und ihre
Qualifikationen scheinen veraltet. Da in Zukunft das Durchschnittsalter der Erwerbstäti-
gen weiter ansteigen wird, gewinnt die Auseinandersetzung mit solchen Zuschreibungen
große Bedeutung. Dies ist nur eine Facette, mit der es sich im Rahmen des demografischen
Wandels auseinanderzusetzen gilt.

2 Demografischer Wandel

Unter demografischem Wandel ist die Veränderung der Altersstruktur der Bevölkerung zu
verstehen. In Abb. 1 ist zu erkennen, wie die Anzahl der in Österreich geborenen Kinder
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Abb. 1  Bevölkerungspyramide (Quelle: Statistik Austria 2017)

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76 E. Hirnschal

seit dem Geburtenjahrgang 1965 kontinuierlich abnimmt. Bei gleichzeitiger Steigerung der


Lebenserwartung nimmt daher die Anzahl der Personen aus älteren Jahrgängen weiter zu.
Die Folgen des demografischen Wandels haben mehrfache Auswirkungen in der
Arbeitswelt. Der Bundesdienst in Österreich beispielsweise ist in den kommenden Jahren
mit hohen Personalabgängen konfrontiert. Seit 2014 steigen die jährlichen Pensionierun-
gen kontinuierlich an. Diese Steigerung wird sich bis 2020 fortsetzen und dann auf einem
Niveau von etwa 5000 Pensionierungen jährlich stagnieren. Insgesamt sind für den Bun-
desdienst bis 2024 55.000 Pensionierungen, etwas 42 % des bestehenden Personals, prog-
nostiziert. Gleichzeitig ist damit zu rechnen, dass aufgrund der demografischen Situation
das Rekrutieren von Nachwuchskräften immer schwieriger wird (Bundesministerin für
Frauen und Öffentlichen Dienst 2013, S. 14–15). Der Grund dafür liegt in den stark stei-
genden Geburtenraten nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und deren späteren Rück-
gang nach dem Pillenknick.
Aus diesem Grund haben auch die Vertreter der Mitgliedsstaaten der Wirtschaftskom-
mission für Europa der Vereinten Nationen (UNECE) in der Ministerkonferenz zu Fragen
des Alterns, die im September 2012 im Wien stattgefunden hat, eine längere Lebens-
arbeitszeit und die Bewahrung der Arbeitsfähigkeit als eines der politischen Ziele bis zum
Ende der dritten Umsetzungsperiode im Jahr 2017 erreichen wollen. Direkt angesprochen
werden dabei, neben vielen anderen Punkten, ein längerer Verbleib im Arbeitsprozess und
die Rolle älterer Arbeitnehmer als Übermittler von Wissen und Erfahrung (UNECE 2012).

2.1 Generationen und ihre Charakteristika


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Im weiteren Verlauf dieses Beitrags wird nun von Generationen die Rede sein. Dieser
Begriff beruht auf der Annahme, dass sich eine gesellschaftliche Gruppe einer bestimm-
ten Geburtsperiode dadurch auszeichnet, dass sie durch signifikante kollektive Erlebnisse
in Jugend und frühem Erwachsenenalter ähnliche Prägungen erfahren hat, was zu ähn-
lichen Werthaltungen und Einstellungen führt (Höpflinger 2008, S. 403) oder wie Ebe-
rhardt (2016, S. 25) sagt: „Jede Generation ist in einer Gesellschaft sozial-zeitlich positio-
niert. Daraus ergibt sich eine bestimmte Identität, die leitend ist für das Denken, Wollen,
Handeln oder Fühlen dieser Personen.“ Die Entstehung der für das Leben grundlegenden
Prägungen ist dadurch erklärbar, dass die Bildung des zwischenmenschlichen Selbst etwa
im Alter zwischen 12 und 16 Jahren beginnt. Es fängt damit ein Prozess an, den man als
„in der Welt heimisch werden“ bezeichnen könnte. Durch die Wirkung des Kulturkrei-
ses in Verbindung mit der sensiblen Phase der Orientierung ist die Entstehung ähnlicher
Grundprägungen erklärbar (Kegan 1994, S. 215–219). Damit lässt sich begründen, warum
verschiedene Generationen unterschiedlich „ticken“.
Die Darstellung dieser spezifischen Charakteristika der Generationen dient dazu,
feststellen zu können, welche Unterschiede, aber auch Gemeinsamkeiten die verschie-
denen Generationen auszeichnen. Eine erste Unterscheidung hinsichtlich bestimmter
Prägungsmerkmale lässt sich oft schon aus den Benennungen ableiten. Wir alle kennen

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Unternehmenskultur in Zeiten von Arbeit 4.0 und demografischem Wandel77

Bezeichnungen wie „68er-Generation“, „Generation Golf“ oder „Millennials“, die durch


ihren Namen bereits auf signifikante Erlebniswelten hindeuten. In der zeitlichen Zuord-
nung der Generationen gibt es in der Literatur gewisse Differenzen, wobei sich die Unter-
schiede in einem Rahmen von höchstens fünf Jahren bewegen.

2.1.1 Babyboomer (Geburtsjahrgänge 1950–1965)


Aufgewachsen in „traditionellen“ Familien mit einem verheirateten Elternpaar und
Geschwistern. Der Vater war der Ernährer und Oberhaupt der Familie, und die Mutter
versorgte Haushalt und Kinder. Wichtige Werthaltungen sind Sparsamkeit, Fleiß, Diszi-
plin, Ordnung, Gehorsam, und die Orientierung erfolgt an klaren hierarchischen Verhält-
nissen. Es war das Raumfahrtzeitalter mit Mondlandung, es gab den Vietnamkrieg und
die Studentenproteste. Die Pop-Musik trat ihren Siegeszug an, Fernseher und VW-Käfer
wurden populär. Die Modernisierung der Gesellschaft schritt voran, und der Wohlfahrts-
taat erreichte seine Blütezeit durch hohes Wirtschaftswachstum. Da praktisch Vollbeschäf-
tigung herrschte, war der Wechsel des Arbeitsplatzes im Normalfall kein Thema und die
Loyalität gegenüber dem Arbeitgeber hoch. Eder beschreibt ausführlich die Ideen, die
im Österreich der Ära Kreisky zu jener Zeit prägend waren. Deutliche Veränderungen
im Bereich der Wirtschafts-, Gesellschafts- und Sozialpolitik führten zum „Wohlfahrts-
staat“, zum Beispiel mit der Einführung von Gratis-Schulbüchern. Erste Anzeichen einer
Veränderung, weg von alles bestimmenden übergeordneten Instanzen, zeigten sich in den
Studentenprotesten. Mit knapper Mehrheit in einer Volksbefragung gelang es der Anti-
AKW-Bewegung, die Inbetriebnahme des Atomkraftwerks in Zwentendorf zu verhindern
(Eder 1995, S. 186–194).
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2.1.2 Generation X (Geburtsjahrgänge 1966–1980)


Die fortschreitenden gesellschaftlichen Veränderungen bewirkten auch, dass immer mehr
Mütter in den Arbeitsprozess traten, und in Kombination mit einer steigenden Scheidungs-
rate führte das zu den sogenannten „Schlüsselkindern“. Hand in Hand mit dem Erstarken
der Frauenbewegung änderte sich auch das Rollenbild der Männer, und das „klassische“
Familienbild wurde immer brüchiger. Das ist auch eine mögliche Erklärung für eine gewisse
Grundskepsis und das offene Infragestellen von Autoritäten. Nach dem Aufkommen der
Antibabypille gab es einen Rückgang der Geburtenrate (siehe Abb. 1), was bedeutet, dass
es sich bei den Angehörigen dieser Generation vermehrt um Wunschkinder handelte.
Allerdings änderten sich auch die Zeiten insofern, als es teilweise massive Erschütterun-
gen und Umbrüche gab. Der erste Golfkrieg oder der Zerfall Jugoslawiens fallen ebenso
in die Prägungsjahre der Generation X, wie die Reaktorkatastrophe in Tschernobyl oder
das Aufkommen von AIDS. Der Fall der Berliner Mauer und des Eisernen Vorhangs
waren weitere Veränderungen. Als Nachfolger des VW Käfer kam der VW Golf, daher
wird manchmal auch die Bezeichnung Generation Golf verwendet. Die Technik machte
weitere Fortschritte mit dem Spaceshuttle (wobei es allerdings auch eine tragische Explo-
sion gab), der Verbreitung von Spielkonsolen und Computerspielen sowie dem Beginn des
Privatfernsehens mit einer Erhöhung der Programmangebote. Unter Berücksichtigung all

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dieser Ereignisse lassen sich auch die Zuschreibungen, wie konzept- oder orientierungs-
los und demotiviert, an diese Generation verstehen. Ein prägendes Ereignis dieser Zeit in
Österreich war das Geschehen in der Hainburger Au und das Wachsen der Grünbewegung.
Im Jahr 1990 gab es Österreichs erste Frauenministerin.

2.1.3 Generation Y (Geburtsjahrgänge 1981–1995)


Die Tatsache, dass beide Elternteile erwerbstätig sind, schlägt sich in gewissem Wohlstand
nieder, der dazu führt, dass vielen Kindern praktische jeder Wunsch erfüllt wird. Größere
Familien werden selten, und die Kombination mit einer Erziehung, in der Autorität verpönt
ist, führt zu einem Verhalten, bei dem die sofortige Erfüllung von Wünschen selbstver-
ständlich wird. Die Konsumgesellschaft bietet dazu die entsprechenden Angebote in Hülle
und Fülle. Internet und Telekommunikation tragen dazu bei, dass Begrenzungen schwin-
den und sich das Kommunikationsverhalten hin in Richtung Zweiwegkommunikation
ohne hierarchisches Gefälle verändert. Die Veränderungen schlagen sich stellvertretend
auch in zwei beachteten Buchtiteln nieder: „Der flexible Mensch“ von Richard Sennet und
„Die Globalisierungsfalle“ von Hans-Peter Martin und Harald Schumann. Parallel gehen
auch geopolitische Umwälzungen einher. In Südafrika endet die Apartheit und Nelson
Mandela wird dort erster gewählter schwarzer Präsident. In Europa wird die Europäische
Union erweitert – Österreich, Schweden und Finnland treten bei. Das prägende Ereignis
dieser Generation sind die Terroranschläge vom 11. September 2001. Jener Tag, an dem
zwei Flugzeuge in die Türme des World Trade Center und ein drittes in das Pentagon ein-
schlugen. In weiterer Folge entstanden daraus der Kampf gegen den Terror und die Kriege
in Afghanistan und im Irak.
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2.1.4 Generation Z (Geburtsjahrgänge 1996 –2010)


Die erste Generation, die komplett in der Welt des Smartphone und WLAN aufgewach-
sen ist, d. h. vollkommen im digitalen Zeitalter, weshalb für sie auch die Bezeichnung
„Generation Internet“ zu hören ist. Die Kommunikation findet in erster Linie über Social
Media statt (Eberhardt 2016, S. 44). Die ältesten Mitglieder der Generation Z stehen an
der Schwelle zum Arbeitsleben, daher ist es noch zu früh, um deutliche Charakteris-
tika zu erkennen. Mögliche prägende Einflüsse für die Generation Z könnten durch die
globale Finanzkrise, die Flüchtlingswelle oder die Reaktorkatastrophe in Fukushima
gegeben sein.

2.2 Vertiefung des Generationenverständnisses

Trotz der soeben beschriebenen Charakteristika der verschiedenen Generationen soll


darauf explizit hingewiesen werden, dass „diese Zuordnung eine Orientierungshilfe ist
und die Aussagen nicht zwingend für jedes Individuum dieser Generation zutreffen“ (Ebe-
rhardt 2016, S. 36). Neben dem Blick auf die Gesellschaft aus der Sicht von Generationen

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Unternehmenskultur in Zeiten von Arbeit 4.0 und demografischem Wandel79

gibt es noch einen zusätzlichen Faktor, der eine bedeutende Rolle spielt. Dazu ist festzuhal-
ten, dass sich im Laufe der Zeit nicht nur die Altersstruktur der Gesellschaft verändert hat,
sondern auch der Zugang zum Alter an sich – es hat sich die Struktur des Alters verändert.
So haben Grunert und Krüger den Eintritt bestimmter Lebenslaufereignisse in 1950er-Jah-
ren mit deren Eintritt in den 1990er-Jahren verglichen. War damals der Schulabschluss ein
erstes wesentliches Ereignis, so liegt 40 Jahre später der erste Sex knapp davor, dafür wird
aber fünf Jahre später geheiratet (Grunert und Krüger 2011, S. 228). Eine Orientierung
am Lebenslauf hat auch im Zusammenhang mit dem Arbeitsleben gewisse Bedeutung.
In Zeiten von Familien- und Existenzgründung stehen andere persönliche Interessen im
Vordergrund als dann, wenn es zum Beispiel um die Pflege naher Angehöriger geht.
Noch einmal auf die Generationenthematik zurückzukommend gilt es, den Blick
auf jene pauschalen Zuschreibungen zu richten, die den Umgang mit Mitgliedern
einer bestimmten Generation prägen. Aus der Perspektive der Unternehmenskultur ist
es wichtig, diese Zuschreibungen zu kennen, um ihnen dort entsprechend begegnen
zu können, wo negative Einflüsse überhand nehmen. In diesem Sinn soll eine kurze
Geschichte von Constantin Gillies (2010) illustrieren, was sich im Umgang mit Angehö-
rigen der Generation Y zutragen könnte: „‚Kann mir das mal jemand schnell kopieren?‛
Mit Schweißperlen auf der Stirn stürmt der Chef aus seinem Büro – und stößt auf dem
Flur mit dem neuen Praktikanten zusammen. Wortlos drückt er dem jungen Mann einen
Papierstapel in die Hand. Doch der macht keine Anstalten, die Unterlagen an sich zu
nehmen, sondern erwidert: ‚Warum? Können Sie das nicht selbst?‛ Dem Chef stockt
der Atem. Dann schiebt der Praktikant noch freundlich hinterher: ‚Ich kann Ihnen gerne
zeigen, wie man den Kopierer bedient.‛“
Aus der Außensicht sieht Bernhard Heinzlmaier in der Generation Y die „digitalen Indi-
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vidualisten“ und die Elite der Arbeitsmärkte der Zukunft, denen er Eigenschaften wie
Ungebundenheit zuschreibt und die dort zu Hause sind, wo Oberflächlichkeit, Flüchtigkeit
oder das Spielerische herrscht (Heinzlmaier 2015, S. 10). Aus der Innensicht beschreibt
Kerstin Bund das Lebensgefühl ihrer Generation Y zwischen den Polen „verwöhnt“ und
„Krisenkinder“ und erklärt die daraus entstandenen Werthaltungen. Zu den wichtigsten
gehören Selbstbestimmung, Flexibilität und eine Arbeit, die Sinn stiftet und im Einklang
mit den eigenen Bedürfnissen steht (Bund 2014, S. 39–55). Diese kleine Gegenüberstel-
lung zeigt, dass scheinbar Gegensätzliches durch die Interpretation völlig unterschiedli-
chen Bewertungen unterliegen kann. Wenn derartige Auslegungen nicht laufend reflektiert
und auf ihre Gültigkeit hin kritisch hinterfragt werden, besteht die große Gefahr, dass sie
sich zu Stereotypien verfestigen. Ein Phänomen, von dem ältere Arbeitnehmer auf beson-
dere Weise betroffen sind.

2.2.1 Das gesellschaftliche Bild des Alters


In der Literatur und in Diskussionen ist häufig zu erkennen, dass in weiten Teilen der
Bevölkerung noch immer eine Theorie des defizitären Alters vorherrscht, „nach der es
ab der Lebensmitte mit zunehmendem kalendarischem Alter zum Abbau von physischen

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und psychischen Fähigkeiten sowie mangelnder Lernfähigkeit und -bereitschaft kommt“


(Dobischat und Schurgatz 2011, S. 83; Faulstich 2011, S. 208). Auch Korff und Biemann
von der Universität Mannheim haben nach Auswertung von insgesamt 117 wissenschaft-
lichen Publikationen im Hinblick auf die Eigenschaften älterer Arbeitnehmerinnen als die
drei am weitesten verbreiteten Altersstereotype genannt, dass ältere Mitarbeiter schlech-
tere Leistungen erbringen, änderungsresistent sind und geringere Lernfähigkeit aufwei-
sen (Korff und Biemann 2013, S. 46). Wenig Hoffnung, dass sich diese Vorurteile rasch
verändern könnten, lässt allerdings Sylvia Kade (2009, S. 16) aufkeimen: „Bekanntestes
Stereotyp vom Alter ist das Defizitmodell, das für individuelle Unterschiede im Alte-
rungsprozess keinen Raum lässt. Die Wirkung des Stereotyps ist verhängnisvoll, weil
es kaum durch die Wirklichkeit belehrbar, aufgrund seiner Veränderungsresistenz aber
äußerst folgenreich ist. Das Stereotyp vom defizitären Alter reproduziert sich immer aufs
Neue im Handeln.“

2.2.2 Ein positives Menschenbild als Basis der Unternehmenskultur


Dem defizitären Altersbild, bei dem Stereotype über ältere Arbeitnehmerinnen vorherr-
schen, ist eine ganz klare Absage zu erteilen. Wenn die Herausforderungen aus Arbeit 4.0
und dem demografischen Wandel gemeistert werden sollen, dann wird es eine der ersten
Aufgaben sein, sich bei der Gestaltung der Unternehmenskultur an den folgenden Grund-
haltungen zu orientieren:

• Der Mensch ist ein biologisches Wesen.


Altern ist ein biologischer Prozess, der mit der Geburt beginnt und mit dem Tod endet.
Dieser Prozess verläuft äußerst komplex und ist individuell höchst verschieden. Die
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Entwicklung verläuft in unterschiedlichen Bereichen in unterschiedliche Richtungen.


Auch im Gehirn bilden sich jederzeit neue Nervenzellen.
• Der Mensch ist ein psychisches und geistiges Wesen.
Der Mensch strebt nach Autonomie und besitzt das Bedürfnis, sich immer mehr Kom-
petenzen anzueignen. Während die körperlichen Fähigkeiten im Laufe der Zeit allmäh-
lich abnehmen, sind die psychischen Anteile gleichbleibend und die geistig-sozialen
Fähigkeiten sogar zunehmend.
• Der Mensch ist ein soziales und kulturelles Wesen.
Der Mensch als Individuum ist in seiner Subjektwerdung auf den Anderen angewiesen.
Die zeigt sich gerade in der Bildung, wo es nicht nur um die Vermittlung und Aufnahme
von Informationen geht, sondern ebenso um Begegnung und Beziehung.
• Der Mensch ist ein ökologisches Wesen.
Die Prägung der persönlichen Entwicklung wird durch den gesellschaftlichen Kontext
beeinflusst. Durch die Erfahrung, eigene Ideen gemeinsam mit anderen in die Tat
umzusetzen, wird das Erleben von Selbstwirksamkeit gestärkt. Unternehmenskul-
tur prägt das Verhalten der Mitglieder, und die Kultur wird durch deren Verhalten
mitproduziert.
• Der Mensch ist immer im Kontinuum von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu sehen.

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Die Wahrnehmung des Hier und Jetzt wird immer von der Wahrnehmung der eigenen
Vergangenheit, aber auch vom Blick auf die Zukunft begleitet. Es sind die in der Bio-
grafie erworbenen Prägungen genauso bedeutsam wie die jederzeit bestehende Mög-
lichkeit der persönlichen Entwicklung und Reifung (Bubolz-Lutz et al. 2010, S. 66–76;
Kruse und Wahl 2010, S. 89–341).

Diese jederzeit bestehende Möglichkeit der persönlichen Entwicklung bietet nicht nur den
Ausgangspunkt für eine Überwindung des Stereotyps vom defizitären Alter, sondern wird
gleichermaßen bedeutsam, wenn es um die Zusammenarbeit der Generationen im Arbeits-
kontext geht.

2.3 Zusammenspiel der Generationen

In der Zusammenarbeit der Generationen besteht laut Florian Kunze von der Universität
St. Gallen im Hinblick auf den demografischen Wandel eine der größten Herausforderung
für Unternehmen in der heutigen Zeit. Er nennt zwei Phänomene, die im Zusammenhang
mit Altersdiversität eine Rolle spielen: das Klima der Zusammenarbeit und die Bereit-
schaft zur Zusammenarbeit. Beim Klima der Zusammenarbeit spielen die Theorie der
sozialen Identität und die Ähnlichkeits-Attraktions-Theorie eine wesentliche Rolle. Sie
erklären eine grundsätzliche Erscheinung in sozialen Gruppen, nach der sich Mitarbei-
ter gleichen Alters und mit ähnlichen Interessen stärker zueinander hingezogen fühlen
als Mitarbeiterinnen unterschiedlichen Alters und mit vielleicht völlig konträren Neigun-
gen. Eine Verstärkung der Zugehörigkeit kann auch durch die oben dargestellte ähnliche
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Interessenslage aufgrund bestimmter Lebensereignisse gegeben sein. Die Bereitschaft


zur Zusammenarbeit wird darüber hinaus auch wesentlich von zu erwartenden zukünf-
tigen Karrieremöglichkeiten beeinflusst. Wenn etwa ältere Mitarbeiter bedingt durch den
demografischen Wandel und dem sich daraus ergebenden längeren Verbleib im Unter-
nehmen bestimmte Positionen innehaben, wird dieser Weg für die Jüngeren blockiert. Das
mindert massiv die Bereitschaft für eine offene Zusammenarbeit. Auf der anderen Seite
müssen ältere Mitarbeiterinnen vermehrt damit klarkommen, dass jüngere Führungskräfte
ihre Vorgesetzten sind. Die Relevanz dieser Aspekte hat sich in Studien deutlich belegen
lassen. Eine wichtige Konsequenz daraus ist, dass Altersdiversität aktiv gemanagt werden
muss, um die genannten negativen Auswirkungen zu vermeiden (Kunze 2013, S. 31–36).
Momentan stehen vier Generationen im Arbeitsleben, deren Aufteilung in Abb. 2 dar-
gestellt ist.
Wie bereits erwähnt, ist die Anzahl der Mitglieder aus der Generation  Z noch zu
gering, um haltbare Aussagen über deren Werthaltungen treffen zu können. Daher wurde
in einer kürzlich durchgeführten empirischen Untersuchung von Kolland et al., die im
Auftrag der Wirtschaftskammer Wien durchgeführt wurde, auch nur die Zusammenarbeit
in Unternehmen von Angehörigen der Generationen Babyboomer, Generation  X und
Generation  Y analysiert. Einzig in den Werten Arbeitsplatzsicherheit und Sinnfindung

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Abb. 2  Generationenverteilung (Eigendarstellung auf Basis der Daten des Hauptverbandes der
österreichischen Sozialversicherungsträger)
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besteht über die Grenzen aller drei Generationen hinweg Einigkeit über deren Bedeu-
tung innerhalb der Werteskala. Darüber hinaus gibt es nur einzelne Bereiche mit Über-
schneidungen. So bezeichnen sich die Angehörigen der Generationen X und Y gleicher-
maßen als flexibel und anspruchsvoll. Größer ist der Bereich der Übereinstimmungen
zwischen Babyboomern und der Generation X. Beide Gruppen sehen sich als erfahren,
zuverlässig, leistungsorientiert, selbstständig und organisiert. Die Zusammenarbeit wird
generell jeweils innerhalb der eigenen Generation am besten bewertet, was angesichts
der oben genannten Theorien nicht weiter verwundert. Das größte Konfliktpotenzial exis-
tiert zwischen Babyboomern und Generation Y, wobei sich jede der Gruppen gegenüber
der anderen benachteiligt fühlt und dementsprechend die Schuld für Konflikte bei der
anderen Generation sucht. 80  % der Babyboomer hätten gerne Fördermaßnahmen für
ältere Beschäftigte und 93  % der Generation  Y für die jüngeren Beschäftigten, wobei
die Verantwortung für die Verbesserung der Zusammenarbeit primär bei den Unterneh-
men gesehen wird. Daraus ist abermals deutlich abzulesen, dass das Thema Zusammen-
arbeit der Generationen in seiner Bedeutung nicht hoch genug eingeschätzt werden kann
(Kolland et al. 2015, S. 6–11).
Die durch den demografischen Wandel herbeigeführte geänderte altersmäßige der
Belegschaften ist aber nur eine Quelle, mit der sich die zukünftige Unternehmenspolitik

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Unternehmenskultur in Zeiten von Arbeit 4.0 und demografischem Wandel83

auseinandersetzen wird müssen. Eine weitere Quelle stellen all jene Entwicklungen dar,
die auch vierte industrielle Revolution genannt werden.

3 Arbeit 4.0

Wie im ersten Überblick bereits erwähnt, wird die Veränderung der Arbeitswelt durch
den enormen technischen Fortschritt angetrieben, der den Unternehmen die Möglichkeit
einer immer leistungsfähigeren technischen Ausstattung ermöglicht. Aber die Technik
ist nur ein Teil eines Dreigespanns. Arbeit  4.0 bedeutet, neben der Technik außerdem
noch die Auswirkungen auf die Unternehmen und die in ihnen arbeitenden Menschen zu
berücksichtigen. Mit den erweiterten technischen Möglichkeiten geht eine fortschreitende
Digitalisierung von Produkten, Prozessen und Dienstleistungen einher und wirkt so auf
die Arbeitsorganisation und die Beschäftigten. Um die gesteigerte Leistungsfähigkeit in
zukünftige Geschäftsmöglichkeiten umzuwandeln, bedarf es darüber hinaus auch noch
einer entsprechenden Innovationsfähigkeit. Dieses Umfeld, in dem Geschwindigkeit,
Flexibilität, Effizienz, aber auch Qualität eine wesentliche Rolle spielen, wird auch als
VUKA-Welt bezeichnet. Dabei bedeutet:

• V – Volatilität oder Wechselhaftigkeit


• U – Unsicherheit
• K – Komplexität
• A – Ambiguität oder Vieldeutigkeit
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Dementsprechend ist das Zusammenwirken zwischen Technik, Organisation und Mensch


in seiner Gesamtheit zu betrachten. Aus den entstehenden Effekten kann dann, ähnlich wie
beim demografischen Wandel, festgestellt werden, welche Aufgabenstellungen sich daraus
ergeben. Die Antworten auf diese Fragen muss jede Organisation für sich finden, und sie
hängen stark von der individuellen Ausrichtung ab. Um zu illustrieren, welche Frage-
stellungen damit gemeint sind, sollen exemplarisch einige Szenarien angedeutet werden,
die durch Arbeit  4.0 relevant sein könnten. Wenn sich Produktionsabläufe grundlegend
verändern, dann ändern sich auch die Qualifikationsprofile, oder wenn sich Innovations-
zyklen verkürzen, veraltet auch vorhandenes Wissen viel schneller. In beiden Fällen steigt
damit der Bedarf und Umfang an Aus- und Weiterbildung. Daraus ergibt sich die Notwen-
digkeit zu klären, wie die zugehörige Lastenaufteilung zwischen Unternehmen und Mit-
arbeiterinnen erfolgen soll. Im eingangs dargestellten Beispiel wird die Möglichkeit der
örtlichen und zeitlichen Flexibilität des Arbeitsorts durch die Digitalisierung aufgegriffen.
Auch an diesem Punkt zeigt sich die Notwendigkeit für Vereinbarungen beispielsweise
über Dauer und Umfang von Erreichbarkeit, die für alle Beteiligten zufriedenstellende
Lösungen ermöglichen.
Die genannten Beispiele decken nur einen Bruchteil aller denkbaren Möglichkeiten ab,
sollen aber deutlich machen, dass sich daraus eine Vielzahl von Anforderungen ergeben.

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84 E. Hirnschal

4 Anforderungen und Lösungsmöglichkeiten

Die Zusammenfassung der Anforderungen, die in Zukunft an die Mitarbeiter gestellt


werden, klingt nach Dobischat und Düsseldorff (2010, S. 924) folgendermaßen: „An die
Veränderung der Arbeit sind neue Anforderungen an die Qualifikationsbasis der Beschäf-
tigten geknüpft. Vernetztes, system- und handlungsbezogenes Denken in komplexen
Kontexten, Kommunikations-, Kooperations- und Teamfähigkeit, Abstraktionsfähigkeit,
intellektuelle Flexibilität sowie Kreativität, Innovationskraft, methodische Kompetenz,
Phantasie und Gestaltungsfähigkeit werden dabei als die modernen Qualifikationsprofile
angesehen.“
Ähnliche Ergebnisse hat auch eine Literaturstudie des Internationalen Forschungszen-
trum für soziale und ethische Fragen ergeben, die im Auftrag der Jungen Industrie Salz-
burg durchgeführt wurde. Dieses Ergebnis ist etwas allgemeiner formuliert und enthält
Anforderungen wie eine generelle Fähigkeit zu vernetztem Denken und die Fähigkeiten
im Umgang mit neuen Technologien. Gleichermaßen betont wird die Bedeutung von
Kreativität und Innovationskraft. Die Anforderungen an Führung und Management
werden sich ebenfalls verändern. Darüber hinaus erhält die Gestaltung des Organisations-
klimas eine zunehmend wachsende Bedeutung. Um all die zukünftigen Kompetenzen zu
realisieren, kommt der Organisation der dafür benötigten Bildungsmaßnahmen erhöhte
Aufmerksamkeit zu. Diese sind in höherem Maße zu personalisieren, bei gleichzeitiger
Gewichtung des informellen Lernens, ohne dabei den Erhalt der Zusammenarbeit zu ver-
gessen. Immer wichtiger wird dabei eine kontinuierliche Entwicklung der eigenen Per-
sönlichkeit. Diese soll die entsprechende Basis für Resilienz bilden, um sich eine krisen-
feste, robuste Identität anzueignen, die als eine wesentliche Voraussetzung in Zeiten des
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zu erwartenden ständigen Wandels und der damit verbundenen Krisen gilt. Dass Bildung
in diesem Sinne als ein lebenslanger Prozess zu verstehen ist, wird dabei als selbstver-
ständlich angesehen (Internationales Forschungszentrum für soziale und ethische Fragen
2012, S. 3–5). Aus diesem Grund fehlt auch in keiner Aussage im Zusammenhang mit
Arbeit 4.0 der Hinweis auf den besonderen Stellenwert, den Aus- und Weiterbildung für
ein erfolgreiches Gelingen hat.

4.1 Weiterbildung

Damit gelernt werden kann, sind einige Rahmenbedingungen zu beachten. So zeigen


Hummel und Malorny auf, welche Schwierigkeiten auf dem Weg in Richtung Eigenver-
antwortung und Teamarbeit den Weg behindern können. Sie gruppieren die Hindernisse
nach ihren unterschiedlichen Ursprüngen, die sie als Könnensbarrieren, Dürfensbarrie-
ren und Wollensbarrieren bezeichnen. Daraus lassen sich erste Hinweise ableiten, ob zu
deren Überwindung der Schwerpunkt eher in Richtung direkter Weiterbildung, Beseiti-
gung organisationaler Hemmnisse oder Motivation gesetzt werden sollte (Hummel und
Malorny 2015, S. 16–17). Entscheidenden Einfluss hat speziell bei älteren Arbeitnehmern

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Unternehmenskultur in Zeiten von Arbeit 4.0 und demografischem Wandel85

die eigene Lernbiografie. Wenn negative Erinnerungen mit dem Lernen verknüpft sind
oder die letzten Lernerfahrungen schon längere Zeit zurückliegen, dann besteht die erste
Aufgabe darin, das Lernen wieder zu lernen.
Der Lernprozess selbst ist verborgen, sichtbar werden nur erworbenes Wissen oder neu
gewonnene Handlungsmöglichkeiten. Da Lernen eine Umstrukturierung eines wie auch
immer zustande gekommenen Vorwissens bedeutet, ist Lernen immer auch Verlernen und
daher mit den Schmerzen des Verlustes behaftet. Das Aufgeben bewährter Denkgewohn-
heiten und Handlungsmuster fällt deshalb mitunter schwer (Meyer-Drawe 2012, S. 90–96).
Damit Menschen nach einer Veränderung ihre eigenverantwortliche Handlungskompetenz
wiedererlangen, benötigen sie Selbstwirksamkeitserfahrung. Diese wird gespeist durch:

• Eigene Erfolgserlebnisse – entstehen durch das Erleben, Herausforderungen positiv


bewältigen zu können.
• Stellvertretende Erfahrung – wird durch erfolgreiche Beispiele aus möglichst ähnlichen
Modellsituationen erlangt. Aber bei der Übertragbarkeit von Best- bzw. Good-Practice-
Modellen auf die eigene Situation ist immer auch Vorsicht geboten.
• Verbale Ermutigung – ist ein wichtiges Erfolgskriterium. Deshalb sind Menschen ent-
scheidend, die als Coach zur Verfügung stehen, den entsprechenden Veränderungspro-
zess begleiten und Rückmeldungen zu umgesetzten Maßnahmen geben.
• Emotionale Erregung anpassen – ein Moderator kann unterstützen und dabei helfen,
wenn es als Bedrohung erlebt wird, die eigene Schwelle zu überschreiten oder über
gewohnte Grenzen hinauszugehen (Packebusch 2013, S. 112–113).

Neben Weiterbildung ist das Thema Gesundheit ein wesentlicher Baustein. Wenn es
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darum geht, die Voraussetzungen für einen längeren Verbleib im aktiven Erwerbspro-
zess zu schaffen, dann ist es sinnvoll, auf zwei Ebenen anzusetzen. Irene Kloimüller und
Renate Czeskleba empfehlen dazu in ihrer Publikation „Fit für die Zukunft“ ein ausgewo-
genes Zusammenspiel von verhältnisorientierten und verhaltensorientierten Maßnahmen.
Als zentralen Baustein sehen sie dabei die Erhaltung der Arbeitsfähigkeit. Arbeitsfähigkeit
ist zu verstehen als die Summe aller Faktoren, die Beschäftigte in die Lage versetzen, ihre
Aufgaben bestmöglich zu erfüllen (Kloimüller und Czeskleba 2013, S. 15–17).

4.2 Erhaltung der Arbeitsfähigkeit

Die Erhaltung der Arbeitsfähigkeit sollte als Prozess verstanden werden, der bereits mit
dem Eintritt ins Arbeitsleben beginnt und sich im Idealfall auch noch weit darüber hinaus
erstreckt. Der Erhalt der Arbeitsfähigkeit ist eine dynamische Aufgabe, die immer wieder
neu ausbalanciert werden muss und sich keinesfalls nur auf eine bestimmte Altersgruppe
beschränken darf. In die gleiche Kerbe schlägt Astrid Fadler, wenn sie ausdrücklich betont,
dass es sich bei alternsgerechter Arbeitsgestaltung um einen umfassenden Prozess handeln
sollte, der alle Generationen und das gesamte Unternehmen miteinbezieht (Fadler 2016,

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S. 9). Wie wichtig dieser Zugang ist, wird deutlich, wenn man bedenkt, wie in Folge der
Digitalisierung und die damit verbundene verbreitete Verwendung des Smartphones von
den Menschen erwartet wird, dass sie praktisch durchgängig erreichbar sind und dass
Anfragen unmittelbar beantwortet werden. Die Folgen davon sind, dass Reaktionszeiten
immer kürzer werden und mehrere verschiedene Dinge innerhalb kürzester Zeit bearbei-
tet werden müssen. Daher verwundert es nicht, wenn auch die Statistik Austria in einer
Pressemitteilung festhält, dass als häufigste psychische Gesundheitsbelastungen großer
Zeitdruck bzw. Überbeanspruchung genannt werden (Statistik Statistik Austria 2014).
Die konsequente Orientierung am Modell des Hauses der Arbeitsfähigkeit kann helfen,
auf all jene Aspekte zu achten, die es unterstützen, dass die Belegschaft während ihres
Arbeitslebens hindurch weitgehend gesund, kompetent und motiviert ihre Tätigkeiten
erfüllen kann. Dieses Modell symbolisiert die Arbeitsfähigkeit in Form eines vierstöcki-
gen Hauses. Die individuellen Ressourcen finden sich in den Stockwerken eins (körper-
liche, psychische und mentale Gesundheit), zwei (Qualifikationen, Wissen, Kompetenzen)
und drei (Werte, Einstellungen, Motivation). Die organisationalen Ressourcen stellen das
vierte Stockwerk (Arbeitsinhalte, Arbeitsorganisation, Führung) dar. Ergänzt wird die
Darstellung durch das persönliche und gesellschaftliche Umfeld. (Tempel und Ilmarinen
2013). Damit wird unterstrichen, dass die einzelnen Stockwerke nicht nur in wechselseiti-
ger Abhängigkeit stehen, sondern dass die Arbeitsfähigkeit auch abhängig von Einflüssen
des Umfeldes ist. Wenn alle Elemente gut in Balance sind, dann drückt sich das in einer
hohen Arbeitsfähigkeit aus. Schlechte Arbeitsfähigkeit führt langfristig zu Produktivitäts-
verlusten. Untersuchungen haben ergeben, dass der Anteil der individuellen Faktoren ca.
40 % zur Arbeitsfähigkeit beiträgt. Von den verbleibenden 60 % für die organisationalen
Faktoren hat der Führungsaspekt die größte Bedeutung. (Kloimüller und Czeskleba 2013).
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4.3 Führung

Dass Führung einen wichtigen Einfluss auf die Zufriedenheit der Mitarbeiterinnen hat,
sollte an dieser Stelle nicht extra betont werden müssen. „Der Mitarbeiter verlässt nicht
die Firma, sondern die Führungskraft,“ ist ein geflügeltes Wort. Ganz besondere Bedeu-
tung kommt der Führung aber im Hinblick auf den demografischen Wandel zu, wenn
es darum geht, den spezifischen Ansprüchen der verschiedenen Generationen gerecht zu
werden. Jürgen Wegge vom Institut für Arbeits- und Organisationspsychologe der TU
Dresden hat die Bedingungen untersucht, die gegeben sein müssen, damit die positive
Zusammenarbeit von Jung und Alt gelingen kann. Er nennt folgende Rahmenbedingungen
für die erfolgreiche Zusammenarbeit in altersgemischten Teams:

• Der erste Punkt lautet, dass bei komplexen Aufgabenstellungen altersheterogene Teams
deutlich bessere Ergebnisse liefern. Sind jedoch eher einfache oder Routineaufgaben
zu erledigen, so liefern solche Teams mitunter sogar schlechtere Ergebnisse.
• Eine weitere wichtige Feststellung aus den Studien war, dass die Auffälligkeit, mit
der Altersunterschiede hervortreten (der Fachausdruck dafür ist Salienz), eine wichtige

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Unternehmenskultur in Zeiten von Arbeit 4.0 und demografischem Wandel87

Rolle spielt. Eine hohe Salienz ist gegeben, wenn zum Beispiel die Unterschiede zwi-
schen Alt und Jung immer wieder besonders hervorgehoben werden. Salienz wird auch
dann reduziert, wenn die Anzahl der Personen in den unterschiedlichen Altersgruppen
möglichst gleich hoch ist. Im Fall von altersgemischter Teams heißt es, dass die Bedeu-
tung von Altersunterschieden dann geringer ausfällt, wenn möglichst gleich viele Per-
sonen jeder Altersgruppe im Team vertreten sind.

Besondere Aufmerksamkeit ist auch den unterschiedlichen Ansprüchen der Generatio-


nen an Führung zu richten. Die Prinzipien, die für alle gleichermaßen gelten, sind zu
berücksichtigen:

• Förderung eines positiven Miteinanders Älterer und Jüngerer


• Förderung der Zusammenarbeit unterschiedlicher Altersklassen (Beteiligung an Ent-
scheidungen, faire Behandlung, Weiterbildung aller Altersklassen)
• Förderung der Wertschätzung von Altersunterschieden im Team (dazu gehört die Ver-
ringerung der Salienz von Altersunterschieden)

Zusätzlich sind noch spezifische Verhaltensweisen zu beachten. Um den Ansprüchen der


älteren Mitarbeiter gerecht zu werden, ist besonders wichtig:

• Beachtung der individuellen Stärken und Schwächen


• Berücksichtigung der Bedürfnisse nach Autonomie und Handlungsspielraum
• Förderung der Weitergabe von Berufserfahrung an jüngere Mitarbeiterinnen
• Wertschätzung der Leistung
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Besonderheiten, die den jüngeren Mitarbeitern aktiv angeboten und in deren Führung
beachtet werden sollten:

• Regelmäßige Rückmeldungen über erbrachte Leistungen


• Übertragen abwechslungsreicher Aufgaben
• Bieten von benötigter Unterstützung und Möglichkeiten der beruflichen Weiterent-
wicklung

Die klare Botschaft Wegges lautet, dass altersgemischte Teams bei entsprechender
Führung unter Berücksichtigung der Salienz und den angemessenen Aufgabenstellungen
durchaus Vorteile bringen (Wegge 2012).

5 Was bedeutet all das für die Unternehmenskultur?

Doris Palz, Geschäftsführerin von Great Place to Work® Österreich sagt: „Beim Aufbau
einer attraktiven Arbeitsplatzkultur geht es nicht in erster Linie um besondere Vergünsti-
gungen und Leistungen für die Beschäftigten. Grundlegend ist vielmehr die Entwicklung

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förderlicher Beziehungsqualitäten und die Formulierung und Einlösung von Wertever-


sprechen im Unternehmen.“ Der Schlüssel dazu ist Vertrauen. Blank (2011, S. 26) erklärt
die Wirkung der Vertrauenskultur: „Eine Vertrauenskultur innerhalb einer Organisation
lebt davon, dass Rahmenbedingungen die Delegierung von Aufgaben ermöglichen und
gleichzeitig die Eigenverantwortung der Mitarbeiter gefördert wird. Indem den einzel-
nen Mitarbeitern Vertrauen in ihre Kompetenzen entgegengebracht wird, fördert dies nicht
nur eigeninitiatives Handeln, sondern auch ihre Motivation, sich für das Unternehmen
einzusetzen.“
Wenn die Unternehmenskultur gezielt in eine solche Richtung entwickelt werden soll,
dann sind einige grundsätzliche Voraussetzungen zu beachten. Edgar H. Schein, langjäh-
riger Professor am Massachusetts Institute of Technology und einer der Mitbegründer von
Organisationspsychologie und Organisationsentwicklung, liefert dazu wichtige Hinweise:
„Alte Überzeugungen, Einstellungen, Werte und Annahmen müssen verlernt und neue
erlernt werden. Verlernen ist unangenehm und ruft Ängste wach, und deshalb gibt es Wider-
stände gegen Veränderungen“ (Schein 2003, S.  115). Eine hilfreiche Unterstützung, die
Schein dazu mit auf den Weg gibt, ist sein Ansatz, dass jede Veränderung mit einer Widerle-
gung der bestehenden Verhältnisse beginnt. Die Frage nach möglichen Quellen der Wider-
legung kann schon erste Hinweise in Richtung eines möglichen Lösungswegs liefern und
führt auch weg davon, nach Schuldigen für als misslich empfundene Umstände zu suchen.
In dem Moment, in dem die Notwendigkeit der Veränderung begriffen wird, entstehen
zwei konkurrierende Ängste, die für die Komplexität der Dynamik bei Veränderungen
maßgeblich sind. Schein nennt jene Angst, die in dem Moment auftritt, wenn klar wird,
dass ein Wandel unumgänglich ist, Überlebensangst („Werden wir das schaffen?“). Im
selben Augenblick wird auch bewusst, dass zur Bewältigung der Situation die alten Mittel
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nicht mehr ausreichen und Neues gelernt werden muss. Dabei tritt – als Angst vor dem
Unbekannten – Lernangst auf. Solange die Lernangst größer als die Überlebensangst ist,
kann kein Lernen stattfinden. Intuitiv wird versucht, die nötige Differenz dadurch herzu-
stellen, indem die Überlebensangst erhöht wird („Wenn nicht XY geschieht, dann wird
… passieren“). Schein weist darauf hin, dass es kontraproduktiv ist, die eine Angst durch
Erhöhung einer anderen Angst zu bekämpfen. Stattdessen ist es zielführender, die Angst
vor dem Lernen zu verringern. Dieser Prozess der kognitiven Neudefinition wird durch
folgende Schritte unterstützt:

• Eine positive Vision entwickeln


• Formelles Training zur Erlangung der benötigten Fertigkeiten
• Beteiligung der Lernenden
• Übung, Coaching, Feedback
• Positive Rollenmodelle
• Unterstützungsgruppen bilden
• Aufbau von angemessenen Systemen und Strukturen (Schein 2003, S. 117–124).

Zusammenfassend lässt sich sagen, wenn es um spezifische Kulturaspekte im Zusam-


menhang mit Arbeit  4.0 und demografischem Wandel geht, so hat eine alterssensitive

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Unternehmenskultur in Zeiten von Arbeit 4.0 und demografischem Wandel89

Organisationskultur höchsten Stellenwert. Alterssensitiv heißt, die Bedeutung eines wert-


schätzenden Umgangs mit den verschiedenen Generationen im Unternehmen zu leben,
insbesondere deren Unterschiede und Schwerpunkte zu kennen und zu schätzen. Es
bedeutet auch, um die jeweils im Fokus eines bestimmten Lebensabschnittes stehenden
Themen Bescheid zu wissen, wie zum Beispiel Familiengründung, Zeit für die Karriere
oder Pflege von Angehörigen. Eine solche Gestaltung der Kultur ist die Voraussetzung,
dass alle in diesem Beitrag genannten Anforderungen bewältigt werden können. Es
beginnt mit den grundlegenden Vorstellungen über das Wesen des Menschen und führt
zu den Vorteilen der Vielfalt verschiedener Generationen. Ein positives Arbeitsklima
hat fördernden Einfluss auf das Lernen der Generationen voneinander, miteinander und
übereinander. So entsteht ein Wissen von den jeweiligen Kompetenzen, die gemäß vor-
handener Stärken oder Schwächen zielgerichtet zum Einsatz gebracht werden können.
Wenn die Generationen einander vorurteilsfrei begegnen, hat dies auch enorme Auswir-
kungen auf das gesamte Innovationsklima. Eine gesundheitsförderliche Arbeitskultur
nimmt gleichermaßen Bezug auf die Spezifika der Jugend wie des Alters und kommt
damit allen Beschäftigten zugute, weil sie eine der jeweiligen Altersstufe und dem Leis-
tungsvermögen gerechte Einsatzmöglichkeit der Mitarbeiter vorsieht. Wie im Verlauf der
Ausführungen an verschiedenen Stellen besonders betont wurde, ist es nicht zuletzt das
Thema Führung, dem wegen der enormen Vorbildwirkung ein besonderes Augenmerk
gilt (Eberhardt 2016, S. 241–266).
Da die Antworten auf die Anforderungen an die Unternehmenskultur, die in diesem
Beitrag behandelt wurden, abhängig von Situation und Umfeld jeweils ganz individuell
verschieden sind, kann es keine eindeutigen und allgemein gültigen Antworten geben.
Aber vielleicht hilft es, vor der Entscheidung über die Veränderung der eigenen Unter-
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nehmenskultur eine kleine Anleihe bei Max Frisch (2014, S. 33) zu nehmen. Er hat jene
unterstützende Frage formuliert, die vielleicht mit Augenzwinkern betrachtet eine nötige
Hilfestellung für den entscheidenden Schritt in die richtige Richtung liefern kann:

Keine Revolution hat die Hoffnung derer, die sie gemacht haben, vollkommen erfüllt; leiten
Sie aus dieser Tatsache ab, daß die große Hoffnung lächerlich ist, daß Revolution sich erüb-
rigt, daß nur der Hoffnungslose sich Enttäuschungen erspart usw., und was erhoffen Sie sich
von solcher Ersparnis?

Ernst Hirnschal, MEd  ist Unternehmensberater, Psychologi-


scher Berater und als Entwicklungsberater in Schulen tätig. Er
verfügt über langjährige Erfahrung in einem internationalen Groß-
konzern und hat maßgeblich am Aufbau des GSM-Mobilfunks
mitgewirkt. Später als interner Berater, Moderator und Coach war
die Gestaltung von Unternehmenskultur wesentlicher Bestandteil
seiner Aktivitäten. In seinem neuesten Wirkungsbereich, durch
die Geragogik geprägt, beschäftigt er sich mit den Auswirkungen
des demografischen Wandels auf die Arbeitswelt.
www.hirnschal.at

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Welcher Unternehmenskultur bedarf es,
damit Innovationen gelingen können?

Raimund Wiesinger

Zusammenfassung
Die Unternehmenskultur entscheidet maßgeblich, ob in einem Unternehmen Innova-
tionen gelingen oder überhaupt in Angriff genommen werden. In diesem Beitrag wird
darauf eingegangen, welche Aspekte einer Unternehmenskultur maßgeblich für Inno-
vationen sind, was also Innovationskultur ausmacht. Wie muss die Zusammenarbeit
innerhalb des Unternehmens aussehen? Was fördert die Bereitschaft der Mitarbeiten-
den zu Ideen, diese auch einzubringen und sich an Innovationen zu beteiligen? Welche
Rolle spielen Außenkontakte? Was bedeutet Offenheit für Neues, für Ideen innerhalb
oder von außerhalb des Unternehmens? Muss man alles selbst erfinden? Wie sollten
Prozesse aussehen, speziell ein Innovationsprozess, damit Neues gefördert und dabei
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Risiken beherrscht werden können? Beleuchtet wird auch die Funktion von Netzwer-
ken, wie Verantwortung wahrgenommen wird und welche Rolle die Führungskräfte
als Vorbilder spielen. Einen relativ neuen Aspekt stellt der Spannungsbogen zwischen
der Effizienz im Tagesgeschäft, also die gewünschte Qualität zu möglichst niedrigen
Kosten bereitzustellen, und Flexibilität und Risikobereitschaft in der Innovation dar.
Wie kann dieser Spannungsbogen bewältigt werden?

1 Innovation und Unternehmenskultur

Dieser Beitrag basiert auf einer Arbeit aus dem Jahr 2012 zum Thema „Innovieren wir
den Innovationsprozess: Wider die Linearität in der Innovation“ (Wiesinger 2012). Für

R. Wiesinger (*)
SpinnRaum e.U., 1160 Wien, Österreich
e-mail: rw@spinnraum.at

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018 93


J. Herget, H. Strobl (Hrsg.), Unternehmenskultur in der Praxis,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-18565-7_6
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94 R. Wiesinger

den empirischen Teil wurden sieben Experten und Expertinnen über ihre Erfahrungen mit
Innovationsprozessen interviewt. Allen war wichtig, auch – zum Teil ungefragt – über eine
innovationsfördernde Unternehmenskultur zu sprechen. Offensichtlich leistet die Unter-
nehmenskultur neben einem definierten Vorgehen, also Prozessen und Regeln, einen ganz
entscheidenden Beitrag zum Erfolg von Innovationsvorhaben. Gestützt wird diese These
auch dadurch, dass sich das europäische Normungsgremium CEN1 in seiner technischen
Spezifikation CEN/TS 165552 über Innovationsmanagement mit Kulturthemen auseinan-
dersetzt. Die folgenden Überlegungen stützen sich vor allem auf diese beiden Publikationen.
Was macht nun eine innovationsfördernde Unternehmenskultur aus?
Schon bei den Untersuchungen zum Innovationsprozess tauchte immer wieder die For-
derung nach Zusammenarbeit unterschiedlicher Disziplinen bzw. Abteilungen wie Mar-
keting, Vertrieb, Produktion etc. auf. Diese benötigt intensive Kommunikation und, damit
diese gelingt, eine Atmosphäre der Wertschätzung3 und der Offenheit. Offenheit ermög-
licht auch die Annahme von Impulsen von außerhalb des Unternehmens. Dazu leisten
Netzwerke von Menschen statt oder innerhalb hierarchischer Strukturen einen wesent-
lichen Beitrag.
Innovation bedeutet, Neues zu erproben, was auch misslingen und Umwege kosten
kann. Daher ist der Umgang mit Fehlern und der Wille, daraus zu lernen, ein wesentlicher
Aspekt von Innovationskultur. Innovation erfordert auch Freiheit im Denken, diese darf
daher nicht durch zu straffe Unternehmensprozesse eingeengt werden. Prozesse werden
jedoch benötigt, um Qualität möglichst effizient bereitstellen zu können, sie haben also
ihren Wert. Nun sind Fehlertoleranz und Effizienz gegensätzliche Ansprüche, daher lohnt
ein Blick auf diese Widersprüchlichkeit und wie damit umzugehen ist.
Innovationskultur entsteht nicht von selbst, sie muss gezielt entwickelt und geför-
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dert und durch eine passende Organisationsform unterstützt werden – eine klassische
Führungsaufgabe.
Daher gliedert sich die Diskussion der Aspekte einer Innovationskultur in drei
Abschnitte: Zusammenarbeit, Wertschätzung, Offenheit und Netzwerke werden im ersten
Abschnitt „Kooperation und Organisation“ angesprochen. Im Abschnitt „Prozess“ geht
es um angemessene Prozesse, Fehlerkultur und der gegensätzlichen Forderung nach

1
CEN – Comité Européen de Normalisation, Europäisches Komitee für Normung.
2
Es mag seltsam erscheinen, Innovation und Innovationsmanagement normieren zu wollen. Die
Technische Spezifikation CEN/TS 16555 ist allerdings keine Norm im engeren Sinn, sondern dient
eher als Checkliste, woran denken sollte, wer ein erfolgreiches Innovationsmanagementsystem ein-
richten möchte. Teil 1 gibt einen Überblick über Eigenschaften und Funktionen eines Innovations-
managementsystems und seinen Bezug zum Umfeld innerhalb und außerhalb der Organisation.
Danach folgen fünf Teile über nützliche Disziplinen: Strategisches Wissensmanagement, Innova-
tives Denken, Management des geistigen Eigentums, Kooperationsmanagement und Kreativitäts-
management. Der abschließende siebte Teil beschäftigt sich mit der Bewertung und kontinuierlichen
Verbesserung des Innovationsmanagementsystems.
3
Zur Wertschätzung gehört für mich auch ganz wesentlich, Menschen als Mann und Frau sicht-
bar werden zu lassen. Gleichzeitig sollen Texte lesbar bleiben. Ich verwende daher möglichst
geschlechtsneutrale Formen oder männliche und weibliche Begriffe abwechselnd.

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Welcher Unternehmenskultur bedarf es, damit Innovationen gelingen können?95

Effizienz und Fehlertoleranz. Und zuletzt sind Bedeutung und Aufgabe der „Führung“ für
eine Innovationskultur Thema.

2 Aspekte der Innovationskultur

2.1 Kooperation und Organisation

2.1.1 Zusammenarbeit in Teams


Über Ideen sollte geredet werden. In CEN (2013, S. 9) liest man zum Beispiel, dass ein
offener und ehrlicher Austausch „von Ideen und Lösungen unter Mitarbeitern“ förder-
lich ist für Innovationen. Bedeutsam sei auch die Zusammenarbeit über Abteilungs- und
Organisationsgrenzen hinweg, also auch mit Betroffenen außerhalb der Organisation. Eine
innovationsfreundliche Organisation zeichnet sich dadurch aus, dass in ihr der Mut zur
Zusammenarbeit gefördert wird, gegenseitiger Respekt zwischen den Menschen sich ent-
wickeln kann und die passenden Kommunikationsmöglichkeiten bereitstehen.
Laut Warta (2013, S. 13) können Innovationen nicht durchgeführt werden, ohne Gruppen
zu durchlaufen. Die Gruppe sei nämlich die erste wesentliche Instanz, in der Ideen über-
prüft und weiterentwickelt werden. Kommunikation ist jedoch eine Grundbedingung für
die Arbeitsfähigkeit einer Gruppe, insbesondere wenn durch gegenläufige Interessen Kon-
flikte entstehen. Konstruktiv geführt fördern diese sogar die Kreativität und können zu
weiteren Innovationen und besseren Lösungen führen.
Wenn das bereits für die lose Zusammenarbeit innerhalb oder zwischen Gruppen gilt,
wie viel mehr noch gilt das für echte Teams, die gemeinsam an einem Projekt arbeiten.
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Cooper (1996, S. 478 ff.) hat schon in den 1990er-Jahren interdisziplinäre Teams gefor-
dert, die sich aus unterschiedlichen Fachbereichen rekrutieren sollen. Die bereichsüber-
greifenden Teams sollen gleichzeitig an unterschiedlichen Aspekten arbeiten, z. B. techni-
sche und Marketingkonzepte erstellen.
Auch CEN (2013, S. 13) stellt die Bedeutung der Zusammenarbeit von Menschen mit
verschiedenen Aufgaben, Erfahrungen und Sichtweisen in den Vordergrund. Die innerbe-
triebliche Zusammenarbeit ist – wie oben bereits angeführt – nützlich für die Entwicklung
machbarer und nützlicher Innovationen.

Wertschätzung
Förderlich für die Zusammenarbeit verschiedener Menschen und daher ein wesentlicher
Aspekt einer innovationsfreundlichen Unternehmenskultur ist Wertschätzung gegenüber
den Menschen. Im Zusammenhang mit Innovation drückt sie sich auch dadurch aus, dass
Menschen für ihre Beiträge zu Innovationen konstruktives Feedback erhalten und sicht-
bar gemacht werden. Das erhält und stärkt die Motivation der Beteiligten, aber auch aller
anderen Menschen im Unternehmen zu weiteren Ideen. Dabei ist es völlig gleichgültig, ob
die Ideen angenommen oder abgelehnt werden, wenn die Entscheidung nachvollziehbar
begründet wird. Wer an der Entwicklung, Bewertung oder Umsetzung einer erfolgreichen

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96 R. Wiesinger

Idee beteiligt war, sollte im Unternehmen auch sichtbar werden und Anerkennung erfah-
ren. Auch dies fördert die Motivation zur Beteiligung an Innovation.

2.1.2 Offenheit
Damit Innovationen am Markt erfolgreich sind, bedarf es des regelmäßigen Blicks nach
außen zu den Kunden. Eine technisch reizvolle Idee muss nicht unbedingt Kundenwün-
sche treffen, und selbst wenn das zu Beginn einer Entwicklung der Fall ist, können sich
Markt und Kundenanforderungen ändern. Regelmäßiges Feedback ist daher Bestätigung
oder ein wertvolles Korrektiv. Seriöserweise werden Kundenanforderungen oder Markt-
erfordernisse aufgeschrieben, aber „sinnvoll ist die Offenheit, mitunter schon niederge-
schriebene frühere Versionen von dem, was Anforderung sein wird, in einer Phase 2, 3, 4
auch nachzujustieren“ (Michael Faschingbauer, Autor des Buches Effectuation (Fasching-
bauer 2010), wörtlich im Interview, zitiert in Wiesinger 2012, S. 87).
Der regelmäßige und systematische Blick nach außen wird auch in der Technischen
Spezifikation zum Innovationsmanagementsystem von CEN (2013, S. 7) dringend emp-
fohlen. Neben marktspezifischen und technischen Aspekten sollten auch politische (z. B.
Gesetzgebung), wirtschaftliche/makroökonomische und soziale Aspekte (z. B. Demogra-
fie) betrachtet werden. Ebenso wird die Erhebung der Anforderungen von Stakeholdern
(in CEN 2013 „interessierte Kreise“ genannt) empfohlen. Stakeholder gibt es innerhalb
und außerhalb der Organisation, dazu gehören Mitarbeiterinnen und Shareholder genauso
wie Lieferanten, Kunden oder Behörden.
Bei aller Offenheit und Kooperation mit außerbetrieblichen Organisationen ist aber auf
eine klare und wirksame Regelung der Schutzrechte geistigen Eigentums zu achten (CEN
2013, S. 20).
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Wie kann das nun konkret aussehen?

Design Thinking
Eine moderne Methode des Innovationsmanagements ist Design Thinking. Dabei ist der
Blick auf Kunden und Markt Ausgangspunkt und integraler Bestandteil des Prozesses. In
seiner Grundhaltung geht Design Thinking vom Menschen und seinen Bedürfnissen aus
und fragt – neben der technologischen Machbarkeit und der ökonomischen Sinnhaftig-
keit – nach der Attraktivität einer Idee für die Menschen der Zielgruppe. Der klassische
Design-Thinking-Ablauf besteht aus sechs Phasen, von denen sich die ersten drei mit
diesem Blick nach außen beschäftigen: Nach Gewinnung eines gründlichen Verständ-
nisses für das Umfeld bzw. den Problembereich folgt eine Beobachtungsphase inklusive
Gespräche mit der Zielgruppe, um deren Bedürfnisse zu erkennen. Danach werden alle
Erkenntnisse zu einem gemeinsamen Standpunkt verdichtet, der dann Grundlage für die
Suche nach Ideen ist (vgl. auch Kreativitätstechniken.info 2017).

Open Innovation
Viele Innovationen haben ihren Ausgangspunkt gar nicht in den Köpfen begnadeter Entwick-
ler, sondern sind der Kreativität von Kunden oder Benutzerinnen geschuldet, wie Reichwald

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Welcher Unternehmenskultur bedarf es, damit Innovationen gelingen können?97

und Piller (2006, S. 95) unter Berufung auf zahlreiche empirische Befunde schreiben. Daher
haben manche Unternehmen ihre Grenzen geöffnet und arbeiten mit Personen oder Stellen
außerhalb ihrer Organisation zusammen. Seit Beginn dieses Jahrhunderts wird dieses Vor-
gehen als „Open Innovation“ auch beforscht. Dabei wurden drei Kernprozesse identifiziert
und – beispielsweise von Gassmann und Enkel (2006, S. 134 ff.) – beschrieben, der Outside-
in-Prozess, der Inside-out-Prozess und deren Kombination, der Coupled-Prozess.
Mit dem Outside-in-Prozess holen sich Unternehmen Ideen und Wissen von außen
herein. Partner können dafür sowohl Kundinnen und Lieferanten mit interessanten Ideen
für Produkte und Prozesse sein. Dies kann so weit gehen, dass Kunden auf Basis ihrer
Wünsche, ihrer Bedürfnisse und ihrer Erfahrung Produkte selbst entwickeln, bevor diese
von Unternehmen übernommen werden.4 Ein Beispiel aus dem Sportbereich dafür ist das
Snowboard. In der Zusammenarbeit mit Universitäten oder anderen Unternehmen können
neue Technologien in das Unternehmen einfließen. Dem gegenüber kann der Inside-out-
Prozess zur schnelleren Realisierung und Vermarktung von Produktideen führen und dem
Unternehmen auch Umsatz aus Lizenzen bringen. Eine Kopplung beider Prozesse (Cou-
pled-Prozess) kann zu Innovationsnetzwerken und strategischen Allianzen führen, in denen
Ideen und Produkte gemeinsam entwickelt und wirtschaftlich genutzt werden.
Ein großes Hindernis für diese Offenheit ist das „Not-Invented-Here“-Syndrom, das
heißt die fehlende Akzeptanz für Ideen, die von außerhalb der Organisation kommen.
Dieses psychologische Hindernis muss von der Führungsebene ausgehend durch Bewusst-
machen, Kommunikation und Vorleben beseitigt werden.

Der glückliche Zufall


Offenheit in der Innovation bedeutet aber auch, dass unerwartete Ergebnisse von Innova-
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tionsprozessen akzeptiert und als erfolgversprechend anerkannt werden. Gern wird hierfür
der Begriff Serendipität oder englisch serendipity verwendet. Häufig genannte Beispiele
sind Post-It oder Viagra. Bei 3M wurde ein besonders fest haltender Kleber gesucht, ent-
deckt wurde der „nur“ haftende, rückstandsfrei entfernbare Klebstoff, der die kleinen
Haftzettel so beliebt macht. Viagra wurde als Mittel gegen Herzbeschwerden entwickelt,
das große Geschäft brachte jedoch die bekannte Nebenwirkung.
Als „Prinzip der Umstände und Zufälle“ ist diese Offenheit auch in die Gründungs-
methode Effectuation eingegangen, die auf den Erfahrungen erfolgreicher Gründerinnen
beruht (siehe beispielsweise Faschingbauer 2010, S. 65 ff.).
Innovation bringt in der Regel Veränderung, nicht nur am Markt, sondern oft auch in
Unternehmen. Hier ist die Offenheit gefragt, den Veränderungsbedarf wahrzunehmen und
damit konstruktiv umzugehen. Es gibt etliche bekannte Beispiele für Unternehmen, die
sich gegen Veränderungen verwehrt oder die Notwendigkeit falsch eingeschätzt haben und
daran gescheitert sind, wie z. B. Kodak mit den Folgen der digitalen Fotografie. Airbnb
und UBER krempeln derzeit mit ihren innovativen Geschäftsmodellen Märkte um. Welche

4
Im Innovationsmanagement nennt man dieses Vorgehen Lead-User-Ansatz.

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98 R. Wiesinger

Automobilkonzerne die Megatrends Elektromobilität und autonomes Fahren erfolgreich


integrieren werden und welche nicht, wird sich noch zeigen.

2.1.3 Netzwerke
Kreativität und Freiheit im Denken benötigen einen hierarchiefreien Raum. Dieser ent-
steht in Netzwerken von Menschen, die ungeachtet organisatorischer Einheiten und deren
Grenzen zusammenarbeiten, um Ideen und Lösungen zu finden und auszuarbeiten. Solche
Netzwerke helfen auch, Blockaden zu beseitigen, die durch Machtblöcke in Organisatio-
nen bestehen, Kräfte zu bündeln und teure Aktivitäten zu koordinieren. Dabei sind Netz-
werke eine wertvolle Ergänzung der Hierarchie und unterstützen Innovationsvorhaben
vor allem in frühen Phasen. Sie helfen nämlich, verschiedene Ideen zu verknüpfen, diese
dadurch anzureichern, für verschiedene Anwendungsgebiete zu prüfen, sie letztlich aus
einer Gesamtsicht zu bewerten und dabei auch Fehlentwicklungen aufzuzeigen und so
einzudämmen oder gar zu verhindern.
Ein positiver Nebeneffekt ist der Zugang zu sehr vielen Menschen mit unterschied-
lichem Hintergrund, vielfältigem Know-how und reichhaltiger Erfahrung, da die Mitglie-
der eines Netzwerkes in verschiedenen Umgebungen arbeiten. Somit verfügen Netzwerke
über „zahlreiche Sensoren für die Umwelt, die wertvolle Informationen einbringen“. Als
Muster aus wissenschaftlichen Erkenntnissen wurde das neuronale Netzwerk genannt. Als
einfaches Beispiel gilt der Plausch an der Kaffeemaschine.
Netzwerke können parallel zur Linie bestehen und diese ergänzen. Für eine ordnungsge-
mäße Beauftragung von Projekten, für die Zuteilung von Ressourcen und die Übernahme
von Risiko sind klare Verantwortungsstrukturen nötig. Erst dadurch können Ideen ausge-
arbeitet und umgesetzt werden. Notwendig ist also die Koppelung informeller Zusammen-
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arbeit in Netzwerken und klarer Zuteilung und Übernahme von Verantwortung, meist in
einer hierarchischen Struktur.
Inzwischen gibt es auch Beispiele, wie Innovation in selbstorganisierten Unternehmen
funktionieren kann, wobei – wie im Falle der Wiener Firma Tele Haase – die starre Hierar-
chie, nicht aber Führung und Verantwortung abgeschafft wurden. Zapfl (2016) beschreibt
in einem Blogbeitrag die Tele-Haase-Grundhaltung, dass Raum für Innovation entstehe,
wenn Menschen miteinander Spaß haben. Offenheit, Neugier und das Brechen von Tabus
seien entscheidend, geheimniskrämerische „Machtinseln“ müssten fallen. Bei einem
Kongress über das „Ende der Hierarchie in der Arbeitswelt“ im April 2016 in St. Pölten5
berichtete eine Tele-Haase-Mitarbeiterin von einer geglückten Produktinnovation, die auf
einer Idee der Entwicklung basierte, die bereits einmal abgelehnt wurde und zunächst in
der Schublade verschwunden war. Nun wurde sie wieder hervorgeholt, rasch entschieden,
entwickelt, in Österreich produziert und wird nun sogar nach China exportiert.

5
Ende der Hierarchie in der Arbeitswelt, 29. Juli 2016, Bildungshaus St. Hippolyth, St. Pölten;
siehe auch: http://www.ksoe.at/ksoe/images/publikationen/gs_arbeitimwandel_05_2016.pdf. Zuge-
griffen: 18. Juli 2017

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Welcher Unternehmenskultur bedarf es, damit Innovationen gelingen können?99

2.2 Prozesse

2.2.1 Prozesse mit Augenmaß


Unternehmensprozesse haben in erster Linie die Aufgabe, Leistungen in der gewünschten
Qualität zu optimalen Kosten, also effizient bereitzustellen. Zu diesem Zweck wurden sie
festgelegt und aufgeschrieben, werden geschult und regelmäßig überprüft.
Auch für Innovationsvorhaben wurden Prozesse definiert, der Design-Thinking-Prozess
wurde als Beispiel für die Kundenorientierung bereits weiter oben angeführt. Der bekann-
teste Innovationsprozess ist jedoch der Stage-Gate®-Prozess von Robert G. Cooper.
Er wurde seit den 1960er-Jahren in den U.S.A. entwickelt und laufend verbessert. Er
besteht aus mehreren Phasen („stages“) und dazwischen liegenden Entscheidungspunkten
(„gates“) und existiert inzwischen in der dritten Generation, die sich durch die Forderung
nach multifunktionellen Teams und einer agilen Vorgangsweise auszeichnet.
Wie hilfreich sind solche Prozesse für Innovationsprojekte?
Um die Wirksamkeit des Stage-Gate®-Prozesses und ähnlicher auf die Entwicklung
neuer Produkte zu untersuchen, wurden Studien durchgeführt. Auf eine davon berufen
sich Cooper und Edgett (2012, S.  44  ff.). Sie stammt vom American Productivity &
Quality Center (APQC) und dem Product Development Institute (PDI) und beruht auf den
Angaben und Analysen von etwa 200  erfolgreichen größeren Unternehmen. Wirksame
Prozesse seien demgemäß praxisnah, das heißt an das Unternehmen angepasst, verständ-
lich und anwendbar geschrieben, und allgemein bekannt. Sie lassen sich auch an die Erfor-
dernisse der Projekte wie Größe oder Risiko anpassen, also beispielsweise bei kleineren
Projekten vereinfachen. Somit unterstützen sie statt zu behindern und werden daher auch
gelebt. Oft sorgt ein Prozessmanager als Trainer und Coach dafür, dass der Prozess tat-
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sächlich angewendet und auch stets verbessert wird.


Angemerkt sei noch, dass im gleichen Artikel (ebd., S. 51 f.) eine Besprechungskul-
tur der Verlässlichkeit als Erfolgskriterium angeführt wird. Besprechungen werden wie
geplant abgehalten und beginnen und enden pünktlich, eine Tagesordnung wird vorab an
die Teilnehmenden versendet und alle Entscheidungen werden sauber protokolliert und
anschließend umgesetzt. Selbstverständlichkeiten, wie man meinen möchte, die doch
allzu oft verletzt werden.

2.2.2 Aus Fehlern lernen


Zu hohe Effizienz schadet der Innovation. Cooper schreibt (2007, S. 1) über einen „alar-
mierenden Rückgang der Produktivität in der Produktentwicklung“. Er führt dies auch auf
kurzfristige Ergebniserwartungen der Finanzwelt zurück. Innovationen können Umwege
benötigen oder gar scheitern. Das vernichtet Ressourcen und kostet daher zunächst Geld.
Daher sind Lernschleifen auch im Innovationsprozess vorgesehen. Sie dienen einerseits
der Verbesserung der Ideen, Konzepte und Produkte, andererseits der Verbesserung des
Prozesses. Ein Beispiel zeigt das Phasenmodell Integraler Produktinnovation nach Bircher
(2005, S.  95). Gelernt werden kann an Prototypen, bei stufenweiser Entwicklung, auf
Testmärkten oder bei Feldversuchen. Solche Lernschleifen sind im Stage-Gate®-Prozess

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100 R. Wiesinger

der dritten Generation vorgesehen und empfohlen (Cooper 1996, S. 479). Entscheidend ist
dabei aber, das Risiko zu kalkulieren und in einer Größe zu halten, die ein Unternehmen
verkraften kann.
Dazu kann man aus der Softwareentwicklung lernen, die sich immer als Innovation
sieht, da stets neue Funktionen entwickelt werden. Schon in den 1980er-Jahren gab es
Modelle, die Innovation mit Risikomanagement verknüpften. So beschreibt Boehm (1988)
ein Spiralmodell, in dem eine Abfolge von Prototypenentwicklung und Risikoanalyse mit
sukzessive steigendem Aufwand das Risiko beherrschbar machen soll. Das Risiko der
Entwicklung neuer Produkte wird eingegangen, aber in verantwortungsvoller Weise. Ähn-
liche Ansätze finden sich immer wieder, wie zum Beispiel im Blog von Briones (2012).
In der Gründungsmethode Effectuation sind Lernschleifen explizit vorgegeben. Um
dabei die Risiken zu verringern, beginnt man auf Basis der vorhandenen Mittel, entwi-
ckelt daraus Geschäftsideen, diskutiert diese mit Partnern und erprobt sie prototypisch
in kleinem Rahmen. Erst mit zunehmender Gewissheit werden Aufwand und Investi-
tion gesteigert. Faschingbauer beschreibt dies recht ausführlich in seinem Buch (2010,
S. 25 ff.) und anschaulich in seiner Website Effectuation.at (2017, „Über Effectuation“:
„Effectuation erklärt“).
Bei Innovationsvorhaben ist mit Misserfolgen zu rechnen. Deren Auswirkungen sollten
durch verschiedene Methoden möglichst gering gehalten werden.6 Ihre Ursachen können
aber Quelle wertvoller Erkenntnisse sein. Bei der Bearbeitung von Fehlern oder Miss-
erfolgen sollten daher deren Ursachen im Vordergrund stehen und wie man diese ver-
meiden kann und nicht die Suche Schuldiger oder gar deren Bestrafung. Cooper (2009,
S.  55) schreibt dazu beispielsweise, es brauche kontinuierliche Verbesserung, eine ler-
nende Organisation und nicht eine Kultur der Angst und Vergeltung.
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Es geht also um eine Kultur des Vertrauens, in der Fehler und Misserfolge als Lernstoff
gesehen werden. Das ist kein Gegensatz zu Planbarkeit und Vorausschau. Es gilt viel-
mehr, zwischen Planung und der notwendigen Flexibilität und Risikofreude eine gesunde
Balance zu halten. Unterstützt wird diese Vertrauenskultur auch durch die operative
Ebene in Unternehmen, wenn diese Verständnis für die Anliegen und Notwendigkeiten
des Managements entwickelt und in Planung und Berichtswesen darauf Rücksicht nimmt.
So berichten beispielsweise Karlström und Runeson (2006, S. 221) in einer Studie über
die Integration der agilen Softwareentwicklungsmethodik XtremeProgramming in eine
große Produktentwicklung nach Stage-Gate®, dass dort im Berichtswesen der agilen und
flexiblen Entwicklung auf die Bedürfnisse des Managements nach Berechenbarkeit und
Risikomanagement explizit Rücksicht genommen wird. Auch die gezielte Präsentation
positiver Zwischenergebnisse gilt als vertrauensfördernde Maßnahme.

2.2.3 Ambidextrie: „Verbindung von Innovation und Effizienz“


Mit der Kurzcharakteristik „Verbindung von Innovation und Effizienz“ beschreibt ein
Beitrag der Boston Consulting Group Österreich (2016) den im Wirtschaftsleben relativ

6
Oder sie werden positiv genutzt, wie die Beispiele zum glücklichen Zufall weiter oben zeigen.

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Welcher Unternehmenskultur bedarf es, damit Innovationen gelingen können?101

neuen Begriff der Ambidextrie. Ursprünglich stammt das Wort aus der Medizin und meint
die Beidhändigkeit oder besser hohe Geschicklichkeit mit rechter und linker Hand.
Wirtschaftlich erfolgreiches Agieren im Tagesgeschäft eines Unternehmens benötigt
andere Eigenschaften und Verhaltensweisen als Innovation. Man spricht einerseits von
Exploitation, der Ausnutzung von Bestehendem mit dem Fokus auf Qualität zu möglichst
geringen Kosten, und andererseits von Exploration, der Erkundung von Neuem mit dem
Fokus auf Flexibilität (vgl. Tagwerker-Sturm 2015). Laut March (1991, S. 71) kann man
Exploitation beispielsweise mit Effizienz, Verbesserung, Veredelung oder Ausführung
assoziieren, wogegen zu Exploration eher die Begriffe Experiment, Risiko, Flexibilität
und eben Innovation passen.
Hier zeigen sich Gegensätze in Haltung und Vorgangsweise, die einander auszuschlie-
ßen drohen. Wie Eder (2013, S. 5) ausführt, wird es ergebnisverantwortlichen Führungs-
kräften insbesondere durch knappe Ressourcen und Sparzwang erschwert, Geldmittel
und  Personal vom erfolgreichen Tagesgeschäft abzuziehen, um diese – teuer und risi-
koreich – an Neuem arbeiten zu lassen. In diese manchmal sogenannte Erfolgsfalle zu
tappen, führt jedoch meistens mangels neuer attraktiver Produkte in die Krise oder den
Untergang des Unternehmens. Entscheidend ist, diese unterschiedlichen Anforderungen
bewusst wahrzunehmen und sich bewusst für das jeweils passende Vorgehen zu entschei-
den. Das ist für jede Unternehmensgröße möglich, selbst für Einpersonenunternehmen,
die sich Zeit für die Entwicklung ihres Angebots nehmen müssen, wie sie dies ja auch für
Werbung, Vertrieb oder Buchhaltung tun.
Für größere Unternehmen schlägt Eder (ebd., S. 6 ff.) zur Bewältigung dieses Gegen-
satzes eine eigene Organisation vor, abgekapselt vom sonstigen Unternehmen. Durch eine
organische, dezentrale, flache und agile Organisationsstruktur sollen darin rasch Entschei-
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dungen getroffen und Ressourcen zugeteilt werden können. Sie kann wie ein Start-up
arbeiten, ist von der Exploitation entlastet, darf auch „kontrolliert scheitern“ und daraus
lernen. Durch Minimierung und Eliminierung von Routine sollen Kreativität, Spontanität
und Unabhängigkeit gefördert werden.
Im oben angeführten Beitrag der Boston Consulting Group in Österreich wird sehr
deutlich darauf hingewiesen, dass sich die Fähigkeit zur Ambidextrie als immer notwendi-
ger erweisen wird, damit Unternehmen den raschen technologischen Wandel und die stei-
gende Dynamik des geschäftlichen Umfeldes überleben und erfolgreich nutzen können.

2.2.4 Und wenn es etwas ganz anderes werden soll …


Mehrere Interviewpartner stimmten überein, dass radikale Innovation mit Standard-
prozessen nicht handzuhaben sei. Große Unternehmen brauchen qualitätssichernde und
risikominimierende Unternehmensprozesse, denen aber auch eine gewisse Trägheit inne-
wohnt. Daher empfehlen sie für radikale Innovation Spin-offs, die von diesen Prozessen
entkoppelt und mit Venture Capital ausgestattet sind und so flexibel und rasch agieren und
reagieren können. Wenn das Unterfangen glückt und innovative und markttaugliche Pro-
dukte entwickelt wurden, wird das Spin-off wieder eingegliedert. Wenn das Unterfangen
scheitert, kann das Spin-off ohne großen Schaden – auch Imageschaden – für das Mutter-
unternehmen geschlossen werden.

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102 R. Wiesinger

Eine ähnliche Funktion haben Inkubatoren, die entweder im Auftrag der öffentlichen
Hand oder innerhalb großer Unternehmen als eigenständige Organisationen Innovationen
vorantreiben. Erfahrungen, Kontakte und der finanzielle Rückhalt können genutzt werden,
ohne von schwerfälligen Prozessen gebremst oder blockiert zu werden.

2.3 Führung

Die oberste Führungsebene leistet einen ganz wesentlichen Beitrag zur Innovationskul-
tur, auch wenn sie diese nicht verordnen kann. Das betonen alle Interviewpartner. Das
„Management muss ‚mittragen’“, da „’Innovation immer Ressourcenvernichtung’ ist“.
Schumpeter prägte den Begriff der „schöpferischen Zerstörung“. Warta schreibt (2013,
S. 22 f.), dass die Führung eine gemeinsame Vision vermitteln, klare Ziele vorgeben und
so stimulieren und motivieren soll, dass Unsicherheiten und Hürden überwunden werden
können. Sie dürfe sich aber nicht in den operativen Arbeitsprozess einschalten, da ein
solches Hineinregieren demotivierend wirke.
Die für eine Innovationskultur maßgebliche Rolle der Führung einer Organisation wird
auch dadurch deutlich, dass sie Thema von Normierung geworden ist. CEN (2013, S. 8 f.)
hat ein ganzes Kapitel dem Thema Führung gewidmet. Überblicksartig werden darin
Vision und Strategie, Führungskompetenz und Engagement, Innovationskultur sowie
Rollen und Verantwortung gestreift.
Die oberste Leitung einer Organisation sollte eine anspruchsvolle Vision und Ziele vor-
geben, was mit Innovation erreicht werden soll. Die Vision soll eine inspirierende Heraus-
forderung für die Menschen darstellen und sie zu Engagement motivieren. Für die Umset-
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zung sei eine Strategie zu entwickeln, die genaue Ziele bezüglich der Art der gewünschten
Innovation definiert und ein Regelwerk für den Umgang mit geistigem Eigentum, für
Ressourcen und Zusammenarbeit sowohl innerhalb der Organisation als auch nach außen
festlegt. Die Führung hat auch für die angemessene Dokumentation und Kommunikation
von Vision und Strategie zu sorgen.
Für ein erfolgreiches Innovationsmanagementsystem ist weiteres Engagement der
Führung erforderlich. Diese sollte Ressourcen bereitstellen, Innovationsmanagement in
die Geschäftsprozesse integrieren, die kontinuierliche Verbesserung des Innovationsma-
nagementsystems forcieren und eine innovationsfördernde Kultur entwickeln. Schließlich
sollte die Führung für klare Verantwortlichkeiten, Kompetenzen und Befugnisse sorgen.
Unter dem Aspekt Innovationskultur sind zahlreiche Aspekte genannt, die hier bereits
angesprochen wurden (z.  B. Kommunikation, Offenheit, Fehlertoleranz). Bei diesen
Aspekten kommt es wesentlich auf die Authentizität der Führungskräfte an. Geben sie
zum Beispiel selbst Feedback, und können sie – auch kritisches – Feedback annehmen?
Lassen sie Ideen anderer gelten, und wie gehen sie mit Wissen und Vorschlägen von außer-
halb des Unternehmens um? Sind sie bereit aus Fehlern zu lernen? Wie halten sie es mit
den Unternehmensprozessen? Bringen sie ihren Mitarbeitern Vertrauen entgegen? Stehen

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Welcher Unternehmenskultur bedarf es, damit Innovationen gelingen können?103

sie auch in kritischen Situationen hinter den Innovationsprojekten samt Ressourcenzutei-


lung und Risikobereitschaft?
Eine wesentliche Rolle spielt die Führung bei den Entscheidungspunkten. Manchmal
muss ein Innovationsprojekt abgebrochen werden, um die Ressourcen für erfolgverspre-
chendere Vorhaben freizubekommen (siehe beispielsweise Cooper 1996, S. 471).
Die drei wichtigsten Einflussgrößen der Führung auf die Innovationskultur hat Tag-
werker-Sturm (2017) in ihrem Blog InKnowAktion sehr treffend und übersichtlich
zusammengefasst. Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen müssen zur Innovation befähigt sein
(„Können“), daher braucht es Schulungen und Übung in der Abwicklung von (Innovati-
ons-)Projekten, aber auch die Förderung der Kreativität. Sie müssen innovieren „wollen“,
das heißt, Führung muss anregen, sensibilisieren, motivieren. Und sie müssen es auch
„dürfen“, das heißt für Innovation Zeit haben und Ressourcen nutzen dürfen. All das
sollten die Führungskräfte auch selbst leben, um glaubhaft zu sein.

3 Fazit

Unternehmenskultur hat einen entscheidenden Einfluss auf den Erfolg von Innovation
im Unternehmen. Große Verantwortung hat die Führung, die eine Vision präsentieren,
eine unterstützende Organisationsform einrichten, Ressourcen bereitstellen und Vertrauen
fördern muss. Andere Aspekte sind Kommunikation und Kooperation, Offenheit, die
Bereitschaft aus Fehlern und Misserfolgen zu lernen und Augenmaß und Angemessenheit
der Unternehmensprozesse. Auch diese Aspekte sind von der Führung zu beachten und
vorzuleben. Eine besondere Herausforderung ist die Ambidextrie, die Fähigkeit, gleich-
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zeitig effizient umsatzträchtiges Geschäft zu betreiben (Exploitation) und riskante, feh-


leranfällige und ressourcenvernichtende Innovationsprojekte zeitgerecht voranzutreiben
(Exploration). Die steigende Dynamik unseres wirtschaftlichen Umfelds wird die Ambi-
dextrie in Zukunft noch bedeutender werden lassen.

Dipl.-Ing. Raimund Wiesinger, MSc  Innovationsmanagement, ist


Innovationsberater und Experte für die Begegnung auf Augenhöhe.
Sein Motto lautet: „Mit den Menschen und ihrem Wissen arbeiten – für
Innovationen, bei Veränderung, zur Verbesserung – und das Vorhaben
zu einem guten Ende bringen!“. Raimund Wiesinger vertraut auf das
Wissen und die Erfahrung der Menschen. Er arbeitet vorzugsweise in
Workshops, in denen gelernt, etwas entwickelt oder entschieden wird.
Nach seinem Informatikstudium an der TU-Wien war er viele Jahre
im mittleren Management bei einem internationalen Großkonzern.
Nach dem Innovationsmanagementstudium an der Donau-Universi-
tät Krems gründete er 2013 die Innovationsberatung SpinnRaum e.U.
www.spinnraum.at

Unternehmenskultur in der Praxis : Grundlagen - Methoden - Best Practices, edited by Josef Herget, and Herbert Strobl, Springer
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Welcher Unternehmenskultur bedarf es, damit Innovationen gelingen können?105

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Unternehmenskultur – Es gibt nichts
Praktischeres als eine gute Theorie
Eine Standortbestimmung in 10 Thesen

Leopold Buchinger und Josef Herget

Zusammenfassung
Was wissen wir eigentlich über Unternehmenskultur? Zunächst betten wir das Thema
in einen systemisch-autopoietischen Kontext ein. Unternehmenskultur wird dabei als
ein Phänomen betrachtet, das es begrifflich zu fassen und in einen relevanten Realitäts-
ausschnitt zu stellen gilt. Im Anschluss diskutieren wir 10 teils in Frageform formu-
lierte Thesen, die in vier Bereiche gegliedert werden: Thesen zur Genese der Unterneh-
menskultur, Thesen zur Bedeutung von Unternehmenskultur, Thesen zur Gestaltung
von Unternehmenskultur, und schließlich wagen wir einen Ausblick auf künftige Her-
ausforderungen der Unternehmenskultur. Dieser Beitrag versteht sich als eine essayis-
tische Betrachtung zum Phänomen der Unternehmenskultur.
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1 Keine gezielte Fragestellung ohne Theorie

Jede gezielte Handlung setzt Annahmen über Wenn-Dann-Beziehungen oder Ursache-


Wirkungs-Zusammenhänge voraus. Selbst einem Vorgehen gemäß Versuch und Irrtum
liegt eine Theorie (oder zumindest eine Hypothese) zugrunde, egal ob wir uns dessen
bewusst sind oder nicht.

L. Buchinger (*)
Tannengasse1, A-2230 Gänserndorf
Österreich
e-mail: leopold.buchinger@aon.at
J. Herget
Excellence Institute – Research & Solutions, Leonard-Bernstein-Str. 8/2/26.11, 1220 Wien
Österreich
e-mail: josef.herget@excellence-institute.at

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018 107


J. Herget, H. Strobl (Hrsg.), Unternehmenskultur in der Praxis,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-18565-7_7
Unternehmenskultur in der Praxis : Grundlagen - Methoden - Best Practices, edited by Josef Herget, and Herbert Strobl, Springer
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108 L. Buchinger und J. Herget

Zwar soll eine Theorie nicht mehr Variable als notwendig verwenden („Ockhams
Rasiermesser“), andererseits fordert das „Gesetz der erforderlichen Varietät“ von Ashby
(1958) eine ausreichende Anzahl von Variablen für ein Steuersystem im Vergleich zum
gesteuerten System. Übertragen auf Unternehmenskultur ergibt das die Anforderung nach
einem theoretischen Ansatz mit einem ausreichenden Komplexitätsreservoir, das die Mög-
lichkeit geeigneter Reduktionen für den konkreten Fall bietet.
Im Weiteren orientieren wir uns an der systemisch-konstruktivistischen Denkweise und
der autopoietischen Systemtheorie nach Luhmann (1984, 1997).

1.1 Kultur und die autopoietische Systemtheorie nach Luhmann

Ein wesentliches Merkmal systemisch-konstruktivistischen Denkens und Handelns im


Kontext von Organisationsberatung ist ein reflektiertes Vorgehen, das über entsprechende
Interventionsebenen umgesetzt wird. Dieses stützt sich unter anderem auf die Konzepte
Autopoiese, System-Umwelt und einer operationalen Schließung in der Kommunikation.
Luhmanns eher kontrovers geführte Auseinandersetzung mit dem Kulturbegriff wurde
von Baecker unter gezielter Verwendung des Indikationenkalküls von Spencer-Brown
(1997) zu einer Kulturtheorie der Gesellschaft weiterentwickelt (Baecker 2013, 2014).
Darin werden die durch Selbstbezüglichkeit und Rekursivität auftretenden Probleme
sowie die Rolle der Beobachter und der Beobachter von Beobachtern untersucht und auf
einer abstrakten Ebene formalisiert (Baecker 2013).
Baecker ortet bei Luhmann diesbezüglich drei Theoriestränge mit folgenden wesent-
lichen Unterscheidungen (Codes) (Baecker 2013, S. 267):
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1. Theorie der Kulturform (Code: Vergleich und Kontrolle)


2. Theorie des Wertmediums: Kultur als präferenzielle Bewertung (Code: Erleben und
Orientierung)
3. Kultur als Gedächtnis der Gesellschaft (Code: Erinnern und Vergessen)

Zur Theorie des Wertmediums und Kultur als Gedächtnis sei hier nur kurz vermerkt,
dass Baecker gemäß unserem Verständnis nach ausführlichen Erwägungen dafür plädiert,
„Kulturtheorie“ im Sinne des Zusammenwirkens aller Kommunikationsmedien als Funk-
tionssystem der Gesellschaft mit dem Medium „Werte“ und der Unterscheidung richtig|-
falsch zu behandeln (Baecker 2013, S. 270–273; Baecker 2014, S. 118–128).

1.2 Vier Epochen mit unterschiedlichen prägenden


Kommunikationsmedien – Theorie der Kulturform

Luhmann (1997, S. 409–412) handelt die Themenstellung am Beispiel neu auftretender


Kommunikationsmedien ab, die die bisherigen Differenzierungsformen überfordern,
daher abgelehnt, um später selektiv zugelassen und positiv bewertet zu werden.

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Unternehmenskultur – Es gibt nichts Praktischeres als eine gute Theorie109

Je nach vorherrschendem Kommunikationsmedium werden in der geschichtlichen Ent-


wicklung vier Medienepochen (ME) unterschieden, wobei die „älteren“ Medien in den
späteren Epochen weiterwirken (Baecker 2014, S.  132  f.). Baecker (2017) ordnet die
jeweiligen Medienepochen bereits unterschiedlichen Forschungsbereichen der Sozio-
logie zu:

ME1: Soziologie 1.0: orale Stammeskultur mit mündlicher Überlieferung


ME2: Soziologie 2.0: literale antike Hochkultur, schriftliche Überlieferungen
ME3: Soziologie 3.0: moderne Buchdruckkultur, Transport vielfältigster Hypothesen
mittels „massenhaft“ hergestellter Bücher
ME4: Soziologie 4.0: (zukünftige) elektronische Netzwerkstruktur, instantan verfügbare
Information und Kommunikation mittels elektronischer Medien

1.3 Von Subjekten zu emergenten Strukturen und autopoietischen


Systemen

Ein wesentlicher Schritt für die wissenschaftliche Beschreibung von Systemen waren
Lösungen für die Behandlung von Selbstbezüglichkeit, z. B. Feedbackschleifen, da hier
die Anwendbarkeit der zweiwertigen Logik an ihre Grenzen stieß. In dieser bedeutet eine
doppelte Verneinung Bejahung, eine dritte Möglichkeit gibt es nicht.
Durch die Entwicklung rekursiver Modelle, anfänglich gestützt durch analytische
Näherungsverfahren, später durch zunehmende Möglichkeiten in der Datenverarbeitung,
konnten auch Selbstbezüglichkeit und Selbstreferenzialität von Systemen modelliert
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werden. Beginnend mit den Eigenwerten in der Quantenmechanik in den 1920er-Jahren,


über mechanische Systeme wie Raketensteuerung wurde dann dieser Ansatz zum Beispiel
im Rahmen der legendären Macy-Konferenzen zunehmend auf biologische, soziale und
psychische Systeme übertragen.
Mit den Modellen der Autopoiese, Systemtheorie und Neurowissenschaften befin-
den wir uns bereits in der vierten Medienepoche mit instantaner Verfügbarkeit und Ver-
arbeitung von Informationen. Autopoiese bedeutet, dass Systeme ihre Elemente und ihre
Grenzen ständig selbst hervorbringen und nur solange bestehen, als Autopoiese stattfindet.
Strukturen, die durch diese fortlaufenden, selbstreferenziellen Operationen in einer Art
Selbststeuerung entstehen, heißen emergent. Gleichzeitig wurde damit auch die Ablö-
sung des Subjektbegriffes der alteuropäischen Denktradition vorangetrieben (Baecker
2013, S. 91). Im Kontext der Auseinandersetzung mit Husserls Cartesischen Meditationen
wird Luhmann zitiert: „Vergesst die Intersubjektivität und begrabt ihre Kinder: Wahrheit,
Objektivität und Vernunft“ und „Vergesst das Subjekt und generalisiert das Subjekt zum
System“ (Brunkhorst 2012, S. 292, 294).

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110 L. Buchinger und J. Herget

1.4 Beobachter und Unternehmenskultur

Nun gibt es in der autopoietischen Systemtheorie die Denkfigur des Beobachters, der die
grundlegenden Systemoperationen durchführt (Beobachter erster Ordnung) und deren
Durchführung beobachtet (Beobachter zweiter Ordnung).
Im Klappentext von Baecker (2008) heisst es:
„Besteht das Problem darin, dass in genau dem Moment der Beobachter eingeführt
wird, in dem das System ins Stocken geraten ist? Sitzt der Beobachter etwa nicht entweder
im System oder außerhalb des Systems, sondern auf der Grenze des Systems? Das würde
bedeuten, dass er inaktiv ist, solange die Grenze nicht in Frage steht, und nur aktiv wird,
sobald dies der Fall ist.“
Unser Fokus liegt auf Organisationen, in denen nach Luhmann Entscheidungen kom-
muniziert werden. Wir schlagen vor, Unternehmenskultur als Subsystem von Organisation
zu betrachten, einfachheitshalber symbolisiert durch „Beobachter von Unternehmenskul-
tur“ (BUK), deren Code richtig|falsch ist.
BUK sind Beobachter zweiter Ordnung, das heißt, sie beobachten Beobachter, die Ent-
scheidungen kommunizieren. Sie sind eingebettet in die Zeitstruktur durch Erinnern und
Vergessen (Theoriestrang 3 in Abschn. 1.1). Wir verorten sie an den jeweiligen System-
grenzen mit defokussierter Aufmerksamkeit, im Sinne der Kulturform gegenüber anderen
sozialen Systemen und im Sinne der Wertetheorie gegenüber sozialen und psychischen
Systemen (Theoriestränge  1 und 2). Sie agieren im Anlassfall selbst als Systeme und
weisen dabei einen reflexiven Anteil auf.

1.5 Beobachter von Unternehmenskultur (BUK) und


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Medienepoche 4 (ME 4)

Zentrale Merkmale von ME 4 sind die sofortige Verfügbarkeit von Information/Kommu-
nikation sowie die Möglichkeit und teilweise Erfordernis einer unmittelbaren Reaktion
durch elektronische Netzwerke. Diese Beschleunigung steht in einem gravierenden Span-
nungsverhältnis zu BUK-relevanten (kulturellen) Themen, deren Veränderungsdynamik
bisher in Jahren oder Jahrzehnten verlief.
Für ME 4 lautet die Gleichung (Baecker 2014, S. 142):

Verknüpfung umfasst auch Vernetzung im Sinne der relationalen Soziologie von White
(2008), nach der andere Kontakte in Netzwerken attraktiver sein können als diejenigen,
die man selbst bieten kann. Daher muss mittels Kontrolle laufend daran gearbeitet werden,

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Unternehmenskultur – Es gibt nichts Praktischeres als eine gute Theorie111

die eigene Identität so attraktiv zu erhalten, dass die Verknüpfung aufrecht bleibt und keine
Trennung vollzogen wird. Identität ist dabei im Sinne von System zu verstehen. Baecker
(2014, S. 141) bezeichnet diese Unterscheidungsoperation als „tie –untie“ und verwendet
in obiger Gleichung den Begriff Spiel im Sinne Batesons (1954), welcher drei Kommuni-
kationsebenen bei Spielen und sich daraus ergebende Dynamiken beschreibt. Neben dem
durchaus ernsten Spiel auf der Primärebene gibt es die Metakommunikation: „Das ist ein
Spiel“ als Sekundärebene und auf einer weiteren Ebene eine mitlaufende Verständigung
über die Spielregeln. In dieser Gleichung ist die Dynamik sich ständig ändernder Trenn-
linien und stetiger Neuverhandlung abgebildet.
Es gibt Bestrebungen, diese Netzwerke als zusätzliche Form sozialer Systeme
neben Interaktion, Organisation und Gesellschaft einzuführen (Fuhse 2012, S.  296),
und Baecker (2017, S. 15) ortet einen neuen Forschungsbereich: digitale Soziologie
(Soziologie 4.0).
Wie oben erwähnt, sind heute Kulturformen aller vier Medienepochen nebeneinander
präsent. Die Entwicklung unserer Thesen durchläuft demgemäß einen Bogen ausgehend
von Individuum und Kollektiv mit größerer Bedeutung von ME 1 und ME 2 (Sozialisie-
rung des Individuums) bis zu Entwicklungstendenzen zukünftiger Formen der Unterneh-
menskultur in ME 4.

2 Thesen zur Genese der Unternehmenskultur

These 1: Individuum und Kollektiv


Der Mensch ist ein soziales Wesen und kann seine Potenziale nur im Zusammensein mit
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anderen Menschen entwickeln und anwenden. Dieses Zusammenwirken wird wesentlich


von der herrschenden Kultur mitgesteuert.
Tylor, ein Begründer der Sozialanthropologie, formuliert dies 1871 folgendermaßen:
„Kultur ist jenes komplexe Ganze, das Wissen, Glauben, Kunst, Moral, Gesetz, Brauch
und alle anderen Fähigkeiten und Gewohnheiten umfasst, die sich der Mensch als Mitglied
der Gesellschaft erworben hat" (Wikipedia 2017; Baecker 2014, S. 32).
Für Fähigkeiten und Gewohnheiten ist Wiederholung im sozialen Kontext erforderlich.
Nach Baecker (2014, S. 35) beginnt Kulturtheorie mit der Bestimmung und Isolation sich
wiederholender Einheiten. Im Kontext des oben entworfenen Bildes sind das Bereiche, für
die BUK zuständig sind. Seine Existenz ist unabhängig von der Etablierung einer Kultur-
theorie denkbar.
Aus der sozialen Orientierung von „System“ auf „Alter/Umwelt“ ergibt sich die kultu-
relle Erfordernis für BUK, das „System“ einerseits abzugrenzen und andererseits attraktiv
für andere zu gestalten, wie es Baecker in seiner Kulturgleichung für die vierte Medien-
epoche zum Ausdruck bringt. Ergänzend ist festzuhalten, dass Unternehmenskultur immer
ein kollektives Phänomen darstellt, das in seinen subjektiven Ausprägungen nur unvoll-
ständig erfasst werden kann.

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112 L. Buchinger und J. Herget

These 2: Organisation und Umwelt


Der Gedanke einer kulturell gesteuerten wechselseitigen Abhängigkeit lässt sich auf Orga-
nisationen übertragen. Organisationen beziehen ihren Input von ihren relevanten Umwel-
ten und geben ihren Output an diese ab. Dieser Austausch wird gesteuert vom Telos, dem
Zweck, der Mission des Unternehmens.
Die Kulturgleichung für die zweite Medienepoche (Baecker 2014, S. 135)

liest sich in diesem Zusammenhang folgendermaßen: Bedingungen, Einflüsse und Input


der Umwelt werden im Sinne von passend oder nicht passend unterschieden, wobei der
Zweck der Organisation das Steuerungskriterium für die Adaptierung der Unterscheidung
passend|unpassend darstellt.

These 3: Prägende Faktoren der Unternehmenskultur


Eine taxative Aufzählung kann folgende Faktoren umfassen: Gründungsmythos, Leitbild,
Hierarchie und Führungsverhalten, Arbeitsklima, Kommunikationsstil, Leistungsbereit-
schaft, Vertrauen, On- und Off-Boarding von Mitarbeitern, Risikoverhalten und vieles
andere mehr.
Eine andere Einteilung liegt dem Modell Six Pack der Unternehmenskultur zugrunde,
mit folgenden relevanten Dimensionen: Leistung, Struktur, Verantwortung, Entwicklung,
Führung, Beziehung (Strobl 2018).
Cibulka (2018) verbindet den Beitrag der Unternehmenskultur zum Unternehmens-
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erfolg mit kollektiven Werten, Normen und Überzeugungen und untermauert dies unter
anderem mit einem Zitat von Bailom et al. (2013, S. 47 ff.): Letztendlich sind es „die Ein-
stellungen, Werte, Denkmuster und Verhaltensweisen des Top-Management-Teams, die
die Grundlagen für einen nachhaltigen Erfolg bilden“.
Damit ist die Bedeutung und Verantwortung der Führungskräfte für den Beitrag der
Unternehmenskultur zum Unternehmenserfolg ins Zentrum gestellt. Auch die zwölf
Fragen von Buckingham und Coffmann (2002) zur Arbeitszufriedenheit zielen in diese
Richtung und werden im Rahmen der praktischen Führungsarbeit bei der Auswahl und
Förderung von Mitarbeitern/Nachwuchsführungkräften abgehandelt.
Für eine Diskussion aktueller Modelle für Unternehmenskultur und Vorschläge ihrer
Messbarkeit sei neben Cibulka (2018) auch auf Ettl (2018) verwiesen.
Eine Faktorisierung nach Forschungsgebieten zur Unternehmenskultur ergibt Beiträge
aus vier Feldern (Ilic 2018), die neben der Systemtheorie auch Kulturanthropologie, Psy-
chologie und Betriebswirtschaft enthalten (siehe Abb. 1).

These 4: Gibt es eine Unternehmenskultur in Organisationen?


In der Regel gibt es eine bestimmende Unternehmenskultur als Rahmenkultur, allerdings
kommt es dann vor allem auf die Größe, Heterogenität und Ausdifferenziertheit einer

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Unternehmenskultur – Es gibt nichts Praktischeres als eine gute Theorie113

Abb. 1  Perspektiven auf Unternehmenskultur (Quelle: Ilic 2018)

Organisation an: Generell kann gesagt werden, je größer eine Organisation, je mehr Stand-
orte, je umfassender die Wertschöpfungstiefe und -breite, je unterschiedlicher die ver-
sammelten Professionen, je komplexer die Struktur, desto mehr voneinander abweichende
Unternehmenskulturen werden parallel vorhanden sein. In kleinen, inhabergeführten
Unternehmen bis ca. 50 Mitarbeitern kann sehr wohl eine Unternehmenskultur vorherr-
schend sein. Bei einem Konzern mit 10.000 Mitarbeitern mit Standorten in verschiedenen
Ländern und einem umfassenden Produktsortiment werden vermutlich mehrere Dutzend
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Subkulturen parallel anzutreffen sein. Dennoch ist es auch hier wichtig, eine von allen
wahrnehmbare, alles überlagernde Unternehmenskultur als einende, Zusammengehörig-
keit-vermittelnde Klammer zu spüren. Diese Herausforderung stellt sich vor allem bei
Mergers & Acquisitions. Hier werden zwei Unternehmen mit unterschiedlich gewachse-
nen Kulturen vereinigt. Das birgt natürlich zahlreiche Konflikte, da es in der Regel einen
dominanteren Partner gibt, dessen Kultur zur Referenzkultur mutiert. Gegenwärtig wird
häufig sogar bewusst eine Parallelität unterschiedlicher Kulturen zugelassen und geför-
dert, beispielsweise in einzelnen Abteilungen oder Projekten, die teils als „Labs“ bezeich-
net werden. Oder auch zum Beispiel bei Übernahmen von Start-ups wird es als hilfreich
betrachtet, bewusst eine andere Kultur zu etablieren, mit allen Risiken und Konfliktpoten-
zialen, die das in sich birgt. Die Vorteile der Geschwindigkeit, der ungezwungenen Kom-
munikation und Kooperation, der hierarchieübergreifenden Verständigung und des Emp-
owerment der einzelnen Mitarbeiter – im Unterschied zu häufig stabileren Kulturen von
größeren Unternehmen - überwiegen bei weitem.
In der Gleichung für ME  4 sind, wie in Abschn.  1.5 beschrieben, diese vielfältigen
Ausprägungen unter Trennung (tie|untie) und Spiel mit seinen drei Ebenen berücksichtigt.
Welche Facetten können Subkulturen annehmen?

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114 L. Buchinger und J. Herget

Wir können unterscheiden (in kleiner Differenzierung zu Schein (2010, S. 1 f.)):

a) Makrokulturen: Diese unterscheiden sich beispielsweise nach Ländern, Ethnien, Religions-


zugehörigkeit oder auch Berufsgruppen. Diese Makrokulturen weisen Gemeinsamkeiten
auf, wie sich beispielsweise bei Ingenieuren, Medizinern oder Juristen deutlich zeigt.
b) Organisationale Subkulturen: Darunter werden vor allem standortgeprägte Kulturen
in multinationalen oder globalen Unternehmen verstanden. Aber auch ausgeprägtes
Bereichs- oder Abteilungsdenken kann zu organisationalen Subkulturen führen.
c) Mikrokulturen: Das sind Gruppierungen innerhalb von Organisationen, deren Inter-
aktionshäufigkeit gewachsenere Strukturen nach innen und Abgrenzungen nach außen
produzieren: Teams, Abteilungen, Bereiche, Standorte, informelle Gruppen, hierarchi-
sche Ebenen etc.

Die Herausforderung besteht darin, ein „Gegeneinander“ zu vermeiden, ein produktives


Miteinander zu ermöglichen, einende Visionen und Zukunftsstrategien spürbar werden zu
lassen. Die Metapher „Wir alle sitzen in einem Boot“ ist hier sehr hilfreich, trotz unter-
schiedlicher Rahmenbedingungen und Funktionen gemeinsame Absichten und Ziele zu
betonen. Oder, anders ausgedrückt, entspräche das der Fähigkeit, die Kommunikation des
Gesamt-BUK gegenüber den Sub-BUK im Bewusstsein halten zu können.

3 Thesen zur Bedeutung der Unternehmenskultur

These 5: Wie zentral ist Unternehmenskultur für Organisationen?


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Der Erfolg eines Unternehmens kann nur in den allerseltensten Fällen monokausal erklärt
werden – darüber herrscht Konsens in der Wissenschaft. Die Bedeutung der Unterneh-
menskultur für den Erfolg von Organisationen wird jedoch in zahlreichen Studien bestä-
tigt, wenngleich zumeist Korrelationsbeziehungen vorliegen und keine Kausalbeziehun-
gen (zur Studienübersicht siehe Sackmann 2006). Beispielsweise haben Denison (1984)
und Kotter und Heskett (1992) in umfangreichen Studien festgestellt, dass Unternehmen
mit einer gut ausgeprägten Unternehmenskultur wesentlich profitabler arbeiten. Auch das
Bundesministerium für Arbeit (BMAS 2008) attribuiert 31 % der Varianz des Unterneh-
menserfolgs als durch die Unternehmenskultur unmittelbar bedingt. Die Weiterentwick-
lung der Unternehmenskultur nimmt ebenso in zahlreichen weiteren Studien (z. B. Hays
2016) den ersten Stellenwert bei der Frage ein, welche Handlungsfelder für Unternehmen
gegenwärtig am wichtigsten seien.
Wir können also festhalten, eine fördernde Unternehmenskultur, die als stark (im Sinne
von gut und hoch) bezeichnet werden kann, hat eine zentrale Bedeutung für den langfris-
tigen Erfolg von Unternehmen. Die Unternehmenskultur ist das Fundament, das erfolgrei-
ches Agieren ermöglicht – die Unternehmenskultur befördert oder behindert die zukünf-
tige Entwicklung von Organisationen aller Art.

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Unternehmenskultur – Es gibt nichts Praktischeres als eine gute Theorie115

These 6: Unternehmenskultur – ein Faktor unter anderen?


Obwohl wir die Unternehmenskultur als einen zentralen Erfolgs- und Wettbewerbsfaktor für
Unternehmen betrachten, kann die Unternehmenskultur natürlich für sich nicht in Anspruch
nehmen, den Unternehmenserfolg alleine zu erklären. Eines der ersten Modelle, die den
Erfolg von Unternehmen erklären wollten, ist das sogenannte 7-S-Modell (Peters und Water-
man 1982), das sieben für den Erfolg als wichtig erachtete Faktoren herausgearbeitet hat,
davon betreffen die Unternehmenskultur zwei Faktoren (Style und Shared Vision). Auch
andere Untersuchungen, wie zum Beispiel die PIMS-Untersuchungen (Buzzel und Gale
1987), stellen die Bedeutung des Marktanteils als herausragenden Erfolgsfaktor heraus, bei
Bailom et al. (2013) sind es vor allem Innovationsfähigkeit und die Kernkompetenzen. Folg-
lich spielen also andere Faktoren ebenso eine zentrale Rolle, ob ein Unternehmen erfolgreich
ist: die Geschäftsidee, das Geschäftsmodell, die Kundenbeziehungen, die Differenzierung
zur Konkurrenz, das Kostenniveau, die Patent- und Rechtsschutzsituation und vieles weitere
mehr. Auch Kairos, also der günstige Zeitpunkt oder auch Zufall und Intuition, wie Bailom
et al. (2013, S. 49) herausstellen, können für einen Unternehmenserfolg wesentlich entschei-
dend sein. Dennoch sind wir überzeugt, dass nachhaltig die Unternehmenskultur der zent-
rale Faktor darstellt. Warum? Weil diese die Grundlage legt, ob ein Unternehmen innovativ,
kundenorientiert, mitarbeiterorientiert, effektiv und leistungsfähig und -willig ist. Die Unter-
nehmenskultur ist ein Biotop, in dem sich die anderen Faktoren langfristig entfalten können.

4 Thesen zur Gestaltung der Unternehmenskultur

These 7: Was entsteht wandelt sich und kann folglich verändert werden
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Unternehmenskultur ist das real gelebte Resultat der unbewussten oder bewussten
Annahmen, Prämissen, Werthaltungen, Normen, Verhaltensweisen und Artefakte in einer
Organisation. So weit so gut. Die zentrale Frage für mit Kulturfragen in Organisationen
befasste Personen – und das sind zumindest alle Führungskräfte – ist, wie eine gewünschte
(oder gar notwendige) Unternehmenskultur entwickelt werden kann, wenn die aktuelle als
nicht den Erfordernissen adäquate betrachtet wird. Es stellt sich sodann die Frage, was
eine Unternehmenskultur am meisten beeinflusst. Auch hier gibt uns die Forschung einige
Hinweise: So gelten als die wichtigsten Treiber der Unternehmenskultur das Verhalten der
Vorgesetzten und die interne Kommunikation (Jost 2003).
Mit unterschiedlichen Ansätzen der Veränderbarkeit von Unternehmenskultur beschäftigt
sich der Beitrag von Herget (2018). In pragmatischer Absicht stellen beispielsweise Kotter
und Heskett (1992) vor allem Systeme in den Vordergrund, die als Belohnungs- und Sank-
tionssysteme oder Prozessabläufe in Organisationen etabliert werden und somit unmittelbar
einen starken Einfluss auf das Verhalten in Unternehmen haben. Geradezu radikal geht auch
Radatz (2009) vor. Sie reklamiert mit ihrem relationalen Ansatz eine sofortige Änderbarkeit
von Strukturen und Abläufen in Organisationen. Wir sehen also, Unternehmenskulturen sind
natürlich veränderbar, denn sie sind entstanden vor allem durch die interpersonalen Dynami-
ken in Organisationen. Storytelling, also die Geschichten, die man sich erzählt, das Vorleben
und Verhalten („Walk your Talk") der Führungskräfte, die eingesetzten Managementsysteme

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und ein klares Bild davon, wie man gemeinsam die Realität gestalten möchte – als ein paar
herausgegriffene Hebel – zeigen auf, wie Unternehmenskulturen in ihrer Entwicklungsrich-
tung beeinflusst werden können. Was entsteht, kann also auch im weiteren Verlauf weiterent-
wickelt oder auch verändert werden. Kommunikation ist dabei das konstituierende Element
von sozialen Systemen, wie bereits Luhmann (1984) herausgestellt hat.

These 8: Direkte versus indirekte Beeinflussbarkeit in eine gewünschte Richtung


Bezüglich Beeinflussbarkeit von Unternehmenskultur bieten die drei Ebenen von Schein
bzw. das Eisbergmodell (Schein 2010b) eine bildhafte Darstellungen und Orientierung:

Ebene 1: sichtbare Verhaltensweisen, Anweisungen, Mythen, Statussymbole etc.


Ebene 2: dahinterliegende Werte und Gefühl für das Richtige im Unternehmen
Ebene 3 : grundlegende, unausgesprochene Annahmen.

Im Sinne der Systemtheorie ist im Zusammenhang mit Scheins Modell zu erwähnen, dass
alle angeführten Begriffe, neben ihrer Verankerung in den Köpfen der Mitarbeitenden
(psychische Systeme), als wirksame Kommunikation im sozialen System Unternehmen
verstanden werden.
Ebene 1 ist einer direkten – unter Umständen wenig nachhaltigen – Beeinflussung relativ
leicht zugänglich, auf Ebene  2 sind die Auswirkungen erst mit zeitlicher Verzögerung
erkennbar, Ebene  3  kann nur durch einen Interpretationsprozess der „sichtbaren“ ersten
und „gefühlten“ zweiten Ebene erschlossen werden. Werden diese auf Ebene 1 erarbeiteten
Maßnahmen durch Ebene 2 (Gefühl für das Richtige und dahinterliegenden Werte) gestützt,
können Änderungen auf Ebene 3 wahrgenommen und durch anschlussfähige weitere Maß-
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nahmen in die gewünschte Richtung gelenkt werden. Kultur und Strategie würden sich
dann für ein gemeinsames Frühstück zur gegenseitigen Unterstützung treffen.

These 9: Geschwindigkeit in der Veränderbarkeit


Die Veränderungsgeschwindigkeit auf kultureller Ebene wird wesentlich von der Ent-
wicklung neuer Organisationsformen mitgeprägt. Während in der Organisationsentwick-
lung früher Änderungen der Unternehmenskultur in Jahren gedacht und geplant wurden,
haben sich die Zeithorizonte im Changemanagement wesentlich verkürzt und der Inno-
vationsdruck erhöht (Trebesch und Kulmer 2007). Gleichzeitig hat sich durch die Ver-
breitung systemisch konstruktivistischen Denkens auch die Herangehensweise verändert.
Komplexität, Unsicherheit und Unvollkommenheit werden in Kauf genommen und haben
zum Beispiel in den Konzepten agiler Entwicklung und Unternehmen ihren Niederschlag
gefunden. Der Begriff VUCA ist ein dafür gebrauchtes Akronym („volatil, uncertain,
complex, ambigue“). In seiner Kulturgleichung für die vierte Medienepoche hat Baecker
die zunehmende Bedeutung von Netzwerken berücksichtigt.
Gleichzeitig werden aber Organisationen im bisherigen Sinne weiterbestehen. Wie weit
die Gesellschaft infolge unterschiedlicher Entwicklungsgeschwindigkeiten auftretende
Spannungsfelder ausgleichen kann, ist eine offene Frage.

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5 Thesen zur zukünftigen Entwicklung von Unternehmenskultur

These 10: Entwicklung der Unternehmenskultur – quo vadis?


In der letzten These wollen wir einen Ausblick auf Entwicklungen wagen, die für die
Unternehmenskultur, respektive deren Erforschung, neue Herausforderungen darstellen
können. Hier sehen wir noch gegenwärtig blinde Flecken, erkennen weiteren Forschungs-
bedarf, denn wir wissen noch (zu) wenig, um praxeologische Hilfestellung zu geben. Im
Folgenden werden sechs verschiedene Entwicklungen skizziert und als Subthesen zu
Zukunftsherausforderungen in der Medienepoche 4 formuliert.

1. Unternehmenskultur in Netzwerken
Das klassische Spannungsgebiet der Betriebswirtschaft kennzeichnet den Gegensatz
von Hierarchie und Markt (Coase 1937). Hierarchie bedeutet, dass die Leistungser-
bringung in einer Organisation vollzogen wird, die einer hierarchischen Strukturie-
rung unterliegt. Den Gegensatz hierzu bildet der Markt, auf dem die benötigten Pro-
dukte und Dienstleistungen hinzugekauft werden. Wann lohnt es sich, Kompetenzen
in einem Unternehmen aufzubauen, wann sollen diese Kompetenzen am Markt hinzu-
gekauft werden? Die Transaktionskosten, also die Kosten der Anbahnung, Vertrags-
aushandlung, Beschaffung und Kontrolle bilden den großen Unterschied zwischen den
beiden Polen des „make“ oder „buy“. Die derzeitige Entwicklung geht immer mehr
in Richtung Verschlankung („lean“), Dienstleistungen, temporäre Dienstleister und
Produkte werden auf dem Markt hinzugekauft. Aber auch Kooperationen – zum Teil
mit (partiellen) Wettbewerbern, unter dem Kunstwort „Coopetition“ („cooperation and
competion“) etablieren sich. Diese vernetzten Kompetenzen in Netzwerken zur Wert-
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schöpfung werden immer bedeutender, auch sie verfügen und entwickeln eine tempo-
räre Unternehmenskultur. Unter welchen Bedingungen und Einflussfaktoren kann die
jeweilige – die gemeinsame Zusammenarbeit förderliche oder hemmende – Unterneh-
menskultur ausgebildet und entwickelt werden?

2. Unternehmenskultur für digitale Führung und Zusammenarbeit


Ein anderes an Bedeutung gewinnendes Phänomen umfasst die sich rasant ausbreitende
Digitalisierung der Wertschöpfungsprozesse, die eine zunehmend alokale und asyn-
chrone Leistungserbringung ermöglicht. Führungskräfte haben teilweise eine breitere
Führungsspanne und weniger persönlichen Kontakt zu ihren Mitarbeitern. Auch diese
haben weniger persönlichen Kontakt zu ihren Kollegen. Wie kann unter diesen Bedin-
gungen eine produktive Unternehmenskultur unterstützt werden?

3. Unternehmenskultur in zunehmend spezialisierten Expertenorganisationen


Die Ausdifferenzierung der Berufsbilder und des Spezialistentums schreitet seit Jahr-
hunderten voran. Expertenkulturen stellen in Unternehmen sogenannte Makrokulturen
dar, sie verfügen über eigene Denkparadigmen und Fachsprachen. Die bekanntesten
Makrokulturen in nahezu allen Unternehmen sind die zwischen den „produzierenden“

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118 L. Buchinger und J. Herget

und den „administrativen“ Bereichen, die häufig als Kulturen von Technikern und
Kaufleuten bezeichnet werden. Durch die zunehmende Spezialisierung werden sich
in großen Unternehmen Dutzende von Makro-, Sub- und Mikrokulturen etablieren.
Ein Beispiel: in der Marktforschung werden zunehmend sogenannte Datenanalysten
Einzug halten, auch diese unterscheiden sich durch ihre Ausbildung von den bisheri-
gen klassischen Marktforschern (die sich ihrerseits von anderen Marketingmitarbei-
tern unterscheiden). Eine zunehmend wichtige Aufgabe wird es sein, trotz dieser wei-
teren Ausdifferenzierung das Gemeinsame zu fokussieren und die Tätigkeit darauf
auszurichten.

4. Unternehmenskultur für globalisierte Unternehmen


Die weltweit zunehmende Globalisierung spiegelt sich mehr und mehr auch in den
einzelnen Unternehmen wider. Sowohl innerhalb von Organisationen rekrutieren sich
die Mitarbeiter aus verschiedenen Kulturkreisen mit unterschiedlichen, das Zusammen-
arbeiten prägenden Makrokulturen, aber auch die Verteilung von Organisationseinheiten
auf verschiedene Länder und Kontinente begründen das Entstehen von lokalen, regio-
nalen, nationalen bis zu interkontinentalen Organisationskulturen. Um diese verschie-
denen Unternehmenskulturen zu einem gedeihlichen Miteinander zu führen, bedarf es
weiterführender Konzepte zur Entwicklung von integrierenden Unternehmenskulturen.

5. Unternehmenskultur in hybriden Organisationen


Gegenwärtig erfreuen sich neue Organisationskonzepte wie Soziokratie, Selbstorga-
nisation, Holokratie (stellvertretend für neuere Konzepte Laloux 2015) einer breiten
Aufmerksamkeit. Kennzeichen dieser Konzepte ist das Ersetzen der Machtautorität
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durch neue Strukturen und Formen – mit einer großen Auswirkung auf die herrschende
Unternehmenskultur. Auch hier öffnet sich noch ein hoher Forschungsbedarf, um den
Übergang, das Entwickeln und Steuern neuer Organisationsformen aus unternehmens-
kultureller Perspektive produktiv zu begleiten.

6. Der intelligente Kollege Roboter und sein Einfluss auf die Unternehmenskultur
Die Automatisierung und Mechanisierung schreitet unvermindert fort, allerdings mit
einer wesentlichen Veränderung: Es sind nicht mehr nur Routinevorgänge mit ein-
deutigen Algorithmen, künftige „Roboter“ verfügen über eine ausgeprägte kognitive
Komponente, die auf Technologien der künstlichen Intelligenz basieren, wie sie stell-
vertretend das Computersystem Watson von IBM darstellt. Über die Auswirkung auf
die Arbeitsplätze in den nächsten Jahren gibt es unterschiedliche Berechnungen, die
von gefährdeten Jobs in einer Größenordnung von 50 % (Frey und Osborne 2013)
oder „nur“ 9 % (Nagl et al. 2017) ausgehen. Eines ist jedoch absehbar, der Kollege
Roboter wird in wenigen Jahren erlebter Alltag in Unternehmen sein, dessen haupt-
sächliches Unterscheidungskriterium zum Menschen wird die fehlende Fehleran-
fälligkeit sein. Viele Arbeitsplätze werden einen Paradigmenwechsel vornehmen:
Nicht mehr der Roboter assistiert dem Menschen, sondern der Mensch dem Roboter.

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Unternehmenskultur – Es gibt nichts Praktischeres als eine gute Theorie119

Mit zunehmender humanoider Ausgestaltung der Roboter wird dies auch zu einer
anderen Unternehmenskultur führen können. Auch hier müssen entsprechende Kon-
zepte der Unternehmenskultur theoretisch fundiert entwickelt werden.

6 Unternehmenskultur im Spannungsfeld: Theorie und Praxis,


Praxis und Theorie

Die Kulturwissenschaft ist ein Kind des 20. Jahrhunderts. Wir verfügen über viel empi-
risches Wissen im Sinne von Modellen, Hypothesen und Theorien zur Ausprägung von
Lebens-, Sozial- und Arbeitsräumen, die wir als Unternehmenskultur bezeichnen. Vieles
ist beschrieben, manches erklärt. Einiges erlaubt sogar die Ableitung von Wenn-Dann-­
Beziehungen. Darauf aufbauende theoretische Konstrukte ermöglichen gestalterische
Maßnahmen und zielgerichtete Interventionen.
Gleichzeitig bedingt unter anderem auch das Phänomen der Emergenz, dass das Zusam-
menwirken der Individuen in systemischen Kontexten immer wieder neue Konstellationen
hervorbringen. Hier kommen wir an die Grenzen der bisherigen theoretischen Aussagen –
neue empirische Phänomene müssen neu erforscht werden. Neue Konstellationen ver-
langen nach neuen Antworten. Sämtliche Treiber der Unternehmensentwicklung in ihrem
wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Kontext wie Globalisierung, Migration, Digitali-
sierung, Robotisierung, künstliche Intelligenz, veränderte subjektive und kollektive Werte,
Grundsicherung und weitere (hier nicht ausgeführte) Aspekte verändern die Realität und
fragen nach neuen Antworten. Die Praxis erfordert neue Theorien.
Einen Ansatz in diese Richtung bietet die von Baecker für die vierte Medienepoche auf-
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gestellte Kulturgleichung,

in welcher auf einem hohen Abstraktionsniveau der enormen Kommunikationsgeschwin-


digkeit in elektronischen Netzwerken, der geringeren Bindung der Akteure, neuer Zusam-
menarbeitsformen an der Grenze von Kooperation und Konkurrenz sowie einer ständigen
Neuverhandlung und Adaptierung der Regeln Rechnung getragen wird.

Mag. Dr. Leopold Buchinger, MSc,  Physiker, verbindet langjäh-


rige Erfahrung in den wesentlichen Stationen der Wertschöpfungs-
kette wie Sales, Dienstleistungsmarketing, Projektmanagement und
Technologieentwicklung in Führungsfunktion mit der Begleitung
von Organisationen in Change- und Reflexionsprozessen. Buchinger
ist seit 2005 selbstständig als Coach, Organisationsentwickler, Super-
visor und Trainer für Profit- und Non-Profit-Organisationen tätig.

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120 L. Buchinger und J. Herget

Prof. Dr. Josef Herget  verbindet langjährige Erfahrung in der Wis-


senschaft mit internationaler Beratungstätigkeit. Er hat an verschie-
denen Universitäten in Europa gelehrt und geforscht, Unternehmen
gegründet und geleitet sowie zahlreiche Beratungsagenden in Wirt-
schaft und Politik wahrgenommen. Vor seiner aktuellen Tätigkeit als
Leiter des „Excellence Institute – Research & Solutions“ in Wien war
er an der Donau-Universität Krems tätig. Seine Forschungsschwer-
punkte umfassen vor allem Themen aus dem Bereich der Business
und Management Excellence. Herget unterstützt Unternehmen als
Gesprächspartner in allen Fragen der Zukunftsfähigkeit und des
Wandels.

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