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Unternehmenskultur in der Praxis : Grundlagen - Methoden - Best Practices, edited by Josef Herget, and Herbert Strobl, Springer
Fachmedien Wiesbaden GmbH, 2017. ProQuest Ebook Central, http://ebookcentral.proquest.com/lib/fh-burgenland/detail.action?docID=5113055.
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Unternehmenskultur – Worüber reden wir?
Zusammenfassung
Warum ist die Beschäftigung mit der Unternehmenskultur wichtig? Welche Funktion
erfüllt die Unternehmenskultur in Organisationen? Was versteht man überhaupt unter
einer Unternehmenskultur? Welche Bedeutung nimmt sie ein im Kanon der Manage-
mentmodelle, -methoden und -instrumente? Welche Modelle zur Beschreibung von
Unternehmenskulturen wurden entwickelt? Welche Ansätze zur Messung und Diag-
nose gibt es? Mit welchen Maßnahmen lässt sich die Unternehmenskultur entwickeln?
Dieser Beitrag gibt auf diese zentralen Fragestellungen eine Antwort und führt so in das
Themengebiet der Unternehmenskultur ein. Die Vielschichtigkeit des Themas verlangt
nach Fokussierung: die Unternehmenskultur wird als ein betriebswirtschaftliches Phä-
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nomen verstanden, das einer Analyse, Gestaltung und Entwicklung offensteht. Diese
pragmatische Sichtweise eröffnet einen Zugang, der es Führungskräften und Beratern
ermöglicht, Unternehmenskultur als das veränderungs- und anpassungsfähige Innen-
leben von Organisationen zu begreifen verbunden mit der Möglichkeit, Interventionen
zu entwickeln, um zu einer gewünschten Unternehmenskultur zu gelangen.
J. Herget (*)
Excellence Institute – Research & Solutions, Leonard-Bernstein-Str. 8/2/26.11,
1220 Wien, Österreich
e-mail: josef.herget@excellence-institute.at
H. Strobl
coaching & consulting mit system, Leopoldstr.64, A-3400 Klosterneuburg, Österreich
e-mail: office@herbertstrobl.cc; www.herbertstrobl.cc
1 Unternehmenskultur? Unternehmenskultur!
Kaum ein Managementbegriff wird so gerne und häufig in den Mund genommen wie
Unternehmenskultur. Über die Bedeutung der Unternehmenskultur als zentralen Faktor
erfolgreicher Unternehmen ist man sich schnell einig und dessen bereits seit Langem
auch bewusst. Seit Jahren rangiert Unternehmenskultur in diversen Studien ganz oben
als eines der wichtigsten Themen der Unternehmensführung. So halten aktuell 47 % von
Entscheidern in deutschsprachigen Ländern die Weiterentwicklung der Unternehmens-
kultur für das Top-Thema (Hays 2017, S. 10). Eine Untersuchung von Deloitte (2016)
zur Bedeutung von Trends des Humankapitals illustriert das noch deutlicher: 82 % der
befragten Manager betrachten Unternehmenskultur als potenziellen Wettbewerbsfaktor.
Seit nun fast 40 Jahren steht die Unternehmenskultur im Fokus wissenschaftlicher und
praktischer Betrachtung. Zeit genug, möchte man meinen, alle Facetten des Konzeptes
ausgeleuchtet und für die Praxis bestens instrumentalisiert zu haben. An Popularität des
Begriffes im Sprachgebrauch mangelt es jedenfalls nicht. Damit korrespondierend liegt
es nahe, den Begriff Unternehmenskultur für alles und jedes in Anspruch zu nehmen – er
ist ja so herrlich unverbindlich. Der Interpretationsspielraum des Begriffes scheint groß,
die Zuständigkeit gemeinschaftlich und so lässt sich auch die Verantwortung vor allem
für Misserfolge gerne auf eben die Unternehmenskultur schieben, für die man ja nicht
(alleine) verantwortlich ist. Das semantische Potenzial des Begriffes ist gewaltig.
Gleichzeitig ist es erstaunlich, in wie wenigen Unternehmen konkrete, gesamthafte Ini-
tiativen zum Thema Unternehmenskultur anzutreffen sind. Ein Blick in die Deloitte-Studie
(ebd.) offenbart es: Nur 28 % der befragten Manager glauben, die eigene Unternehmenskul-
tur gut zu verstehen und gerade 19 % gehen davon aus, dass ihre Organisation die „richtige“
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also zugleich die Hinzuziehung von Darwins Evolutionstheorie (1859): Nur diejenigen,
die sich an ihre jeweilige Umwelt anpassen können („survival of the fittest“), überleben
als Spezies und eröffnen sich weitere Zukunftschancen. Diese aus der Betrachtung von
gesellschaftlichen Systemen und der Evolution entliehene Metapher passt gut für die
Unternehmenspraxis: Eine „normale“ Unternehmenskultur ermöglicht das Überleben von
Unternehmen. Eine „hohe“ Unternehmenskultur schafft im Vergleich zu anderen beson-
dere Mehrwerte – doch weiß man in den Unternehmen, was das Spezielle sein sollte, das
dem Unternehmen Wettbewerbsvorteile sichern sollte? Ist es eine Unternehmenskultur,
die besonders hohe Kreativität, Innovation, Qualität, Kundennähe, Kostendenken, Schnel-
ligkeit, Sicherheit, Verlässlichkeit, Vertrauen etc. ermöglicht? Welche Eigenschaften weist
so eine Kultur auf und wie können diese entwickelt werden? Fragen, auf die Verantwort-
liche in Unternehmen eine Antwort haben sollten.
tiative befördert oder erstickt, Motivation gefördert oder vernichtet, Engagement belohnt
oder entmutigt, Zusammenarbeit unterstützt oder behindert wird. Kurz gesagt, Unterneh-
menskultur schafft die Grundvoraussetzungen, unter denen erfolgreiches Arbeiten ermög-
licht wird.
Welche Funktion kommt der Unternehmenskultur überhaupt zu, warum ist eine Ausein-
andersetzung mit ihr nicht nur hilfreich, sondern notwendig für Unternehmen? Zum einen
lässt sich eine Unternehmenskultur gar nicht vermeiden, alle sozialen Systeme prägen
eine bestimmte Kultur aus. Ein Unternehmen kann nicht keine Kultur haben. Alle insti-
tutionalisierten gesellschaftlichen Subsysteme – nichts anderes stellen Unternehmen und
andere Organisationen dar – entwickeln aufgrund ihrer spezifischen Rahmenbedingungen
und der Interaktion unterschiedlicher Subjekte immer auch individuelle Kulturen, die sich
von anderen Unternehmenskulturen unterscheiden. Das Ziel von Unternehmen sollte es
folglich sein, eine Kultur zu etablieren, in der das eigene Potenzial zur besten Entfal-
tung kommen kann. Damit nähern wir uns der Frage nach der Güte, der Qualität von
Unternehmenskultur – wann ermöglicht diese nachhaltig nachgefragte Leistungen für den
Markt als letztendliche Instanz und Existenzgrundlage, die das Überleben sichern? Kurze
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Anmerkung an dieser Stelle: Wir verwenden den Begriff Unternehmenskultur nicht nur für
den Unternehmensbereich, ebenso verfügen Verwaltungen, Non-Profit-Organisationen,
Kirchen, Parteien, Vereine etc. über eine eigene Organisationskultur, die die Erfüllung des
Zwecks der Existenz dieser Organisationen sichern soll. Die Begriffe Unternehmens- und
Organisationskultur sind für uns synonym, der Einfachheit halber verwenden wir zumeist
jedoch den Begriff Unternehmenskultur.
Somit kristallisiert sich bereits eine notwendige Bedingung für die Qualität einer Unter-
nehmenskultur heraus. Die Unternehmenskultur muss die Adaption an Veränderungen des
gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Systems ermöglichen. Adaptionsfähigkeit bedeu-
tet, dass Umweltbedingungen und -veränderungen im Inneren der Organisation wahrge-
nommen, reflektiert und ihnen durch adäquate Entwicklungen begegnet wird – Unterneh-
men folglich anpassungsfähig im Austausch mit der Umwelt gehalten werden. Sie sollte
also eine Offenheit zu den relevanten umgebenden Systemen aufweisen, eine komplexe
und ausdifferenzierte Umwelt erfordert daher eine nach Möglichkeit ebenso komplexe und
ausdifferenzierte Anpassungsfähigkeit, die durch die interne Kultur zu gewährleisten ist.
Sie sollte mindestens über die Fähigkeit verfügen, mit dieser im Sinne von Ashby‘s Law
(Ashby 1956) zu korrespondieren: Dynamik und Veränderung, die von außen kommen,
erfordern innerhalb des Unternehmens Fähigkeiten zur Absorption und damit Bewälti-
gung der neuen Anforderungen – die Varietät der beiden Systeme sollte vergleichbar sein.
Eine natürlich für die Unternehmen schwer umzusetzende Forderung. Allerdings wird eine
wesentlich einfacher strukturierte oder rigide interne Kultur kaum in der Lage sein, kom-
plexen externen Zuständen adäquat zu begegnen. Eine entsprechend disponierte, ermögli-
chende Kultur zu entwickeln, bleibt eine wichtige Herausforderung für Unternehmen. Der
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Vorteil einer Organisation liegt freilich darin, dass sie fokussierter als die Umwelt agieren
kann, daher auch beherrschbarer sein wird. Damit ist die zweite und ergänzende Bedeu-
tung und Funktion der Unternehmenskultur genannt, die der Integration. Sie integriert
interne Strukturen und Prozesse nach Möglichkeit in eine gemeinsame Ausrichtung aller
Aktivitäten – eine Grundvoraussetzung, um neue Dynamiken und Veränderungen über-
haupt bewältigen zu können. Je effektiver und effizienter sie das schafft, umso „besser“ ist
die Unternehmenskultur.
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Was sind nun universelle Merkmale einer so abstrakten Begrifflichkeit wie „Unterneh-
menskultur“, die sich einer eindeutigen Definition immer wieder entzieht? Unternehmens-
kultur ist ein emergentes Phänomen, das sich in jeder Organisation evolutionär und selbst
organisiert, quasi „wie von selbst“ bildet – niemals wurde sie per se von jemand beschlos-
sen. Konsequenterweise ist damit jede Unternehmenskultur einzigartig in ihrem aktuellen
Erscheinungsbild und ihrer jeweiligen dynamischen Entwicklung. Unternehmenskultur
bildet sich informell durch tagtägliche diskursive Prozesse, die Usancen, Verhaltensmus-
ter, offene und implizite Spielregeln entstehen lassen. Das meiste davon ist völlig unko-
difiziert und einfach gelebte Praxis. Dieses kulturspezifische Verhalten fußt auf einem
Wertebild, das von den Kulturträgern (zumindest in wesentlichen Aspekten) gemeinsam
geteilt wird. Das Denken und Handeln findet andererseits konkret aber auch Ausdruck in
wahrnehmbaren Artefakten, wie etwa einem bestimmten Jargon, einem typischen Dress-
code oder einer hierarchischen Parkplatzordnung.
Kultur stellt die zentralen Spiel- und Kommunikationsregeln auf, die das faktische
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Leben innerhalb der Organisation entscheidend prägen. Sie legt auf eine informelle Art
und Weise fest „was man hier macht und was nicht“, was als „gut“ belohnt wird und was
als „schlecht“ sanktioniert wird. Jemand, der gegen diese Regeln verstößt, riskiert binnen
kurzer Zeit aus dem/vom System eliminiert zu werden.
Damit erhält Unternehmenskultur eine Funktion, die mit der Grammatik in einer
Sprache vergleichbar ist: Alle halten sich an die Regeln, obwohl man sie bewusst gar nicht
(mehr) wahrnimmt. Erst im Verstoß gegen Grammatik und Kultur erkennt man bewusst
sofort wieder, dass es da offensichtlich doch so etwas wie feste Regeln gibt. Kultur
bekommt so zusätzlich auch die Funktion eines Orientierungs- und Deutungsrahmens in
der Organisation und steuert damit auch gleichzeitig subtil und hocheffizient Verhalten.
Unternehmenskultur wird zu einer grundsätzlichen Entscheidungsprämisse in der Organi-
sation, auch wenn über sie selbst niemals bewusst entschieden wurde, da sie autopoietisch
entstanden ist. Mit einer Entscheidungsprämisse entsteht ein „Leitsystem für weitere Ent-
scheidungen“, die vom Einzelnen in seinem kulturellen Biotop als ganz selbstverständli-
che Spielregel oder als eine Art höhere Wahrheit letztlich ungeprüft einfach übernommen
und gelebt wird (ausführlich zum Wesen und der Funktion der 3 Entscheidungsprämissen,
über die explizit entschieden werden kann, nämlich Strukturen, Programme und Personen
sowie über die Entscheidungsprämisse Unternehmenskultur, über die nicht entschieden
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werden kann: Grubendorfer 2016, S. 35 ff.). Es versteht sich von selbst, dass die Unter-
nehmenskultur in ihrer Rolle als Entscheidungsprämisse letztlich zu einer zirkulären Sta-
bilisierung des Kultursystems selbst führt: Das ist ein wesentlicher Grund, warum sich
Kulturveränderung oftmals als so schwierig und langwierig herausstellt.
Unternehmenskultur dient aber auch der sozialen Grenzbildung durch die Unter-
scheidung zugehörig oder nicht zugehörig, fast analog zu einer Religionsgemeinschaft
oder Partei: Sie trägt die wichtigsten Normen, Werte, Regeln und Glaubenssätze, die das
Verhalten der Mitglieder prägen, in sich und gibt sie an neue Mitglieder weiter. Diese
Analogie führt dazu, dass man die Unternehmenskultur manchmal etwas pathetisch
auch als die „Seele einer Organisation“ tituliert. Kulturelle Muster steuern die Wirk-
lichkeitskonstruktionen und in der Folge das konkrete Handeln ihrer Teilnehmer (mit
einer zirkulären Rückwirkung). Das hat eine enorm komplexitätsreduzierende Wirkung
nach innen: Jedes Mitglied kennt die Erwartungshaltungen, Usancen, Ge- und Verbote
des eigenen Kultursystems und kann sich systemkonform verhalten, ohne immer das
ganze Kontingenzspektrum austesten zu müssen. Somit erfüllt Kultur die Funktion eines
„sozialen Gedächtnisses“ einer Organisation, das die Routinen der Kommunikations-
und Prozessmuster in den Köpfen der Mitglieder verankert. Auf der anderen Seite leistet
dieses Faktum aber auch einem Tunnelblick Vorschub, Betriebsblindheit und Wahrneh-
mungsfilter können entstehen. Tief verwurzelte Überzeugungen und unausgesprochene
Annahmen sind nicht fassbare, weiche Faktoren, die in ihrer Konsequenz sehr harte Aus-
wirkungen zeigen können.
Es ist kein Zufall, dass man sich gerne der Figur eines Eisbergs bedient, wenn man
den Begriff Unternehmenskultur bildlich darstellen möchte: Beiden ist gemein, dass die
bei weitem größte Masse unterhalb der sichtbaren Grenze liegt. Unsichtbar ist hier aber
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in gar keinem Fall mit unwirksam zu verwechseln – ganz in Gegenteil: Mit Eisbergen
stößt man bekanntlich immer zuerst unterhalb der Wasserlinie zusammen und das kann
schließlich auch als unsinkbar geltende Schiffe zum Kentern bringen. Analoges gilt für
Unternehmen, die die Bedeutung und Gewichtigkeit ihrer weichen Faktoren unterschät-
zen. Zahlen, Daten, Fakten sind die sichtbare Geschäftsgrundlage in einem Unternehmen,
aber es gibt auch die – sich nicht so einfach erschließende – tief liegende Ebene der Werte,
Glaubenssätze, Tabus, verdeckter Regeln etc. Es sind diese psychosozialen Faktoren, die
langfristig darüber entscheiden, wie adaptiv und integrativ passend ein Unternehmen trotz
aller Unwägbarkeiten am Horizont Kurs halten kann. Auch die definitorische Näherung
von Edgar Schein, einem der internationalen Doyens zum Thema Unternehmenskultur,
stellt darauf ab:
Unternehmenskultur ist das Muster grundlegender Annahmen, die eine gegebene Gruppe
erfunden, entdeckt oder entwickelt hat beim Meistern ihrer äußeren Anpassungsprobleme
und die erfolgreich genug waren, um als angemessen betrachtet zu werden und daher neuen
Mitgliedern als die richtige Art des Wahrnehmens, Denkens und Fühlens in Bezug auf jene
Probleme beigebracht werden. (Übersetzt nach Schein 2010, S. 18)
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Unternehmenskultur verstehen zu wollen ist alles andere als eine triviale Aufgabe. Es
erfordert parallele Aufmerksamkeit auf mehreren interdependenten Ebenen und bietet
nicht übermäßig viele griffige und belastbare Punkte zum Anhalten, wie das die harten
Fakten tun. Trotzdem erscheint es unerlässlich, der Kultur als Erfolgsfaktor für Unterneh-
men allein schon aufgrund der Wuchtigkeit und Vielfalt seiner Auswirkungen gebührend
Referenz zu erweisen. „Culture eats strategy for breakfast“, dieser oft zitierte Ausspruch
von Peter Drucker meint genau diese Kraft der Unternehmenskultur.
Die Analyse einer Vielzahl von Studien zum Zusammenhang von Unternehmenskultur
und Unternehmenserfolg durch Sackmann (2006) führte zu einer Verdichtung auf zwölf
Dimensionen. Diese Dimensionen, wir können auch von Faktoren (oder Faktorenbündeln)
sprechen, weisen einen empirischen Zusammenhang zwischen einer „starken“ Unter-
nehmenskultur und den Auswirkungen auf finanzielle Kennzahlen auf. Zwischen diesen
Faktoren und der Unternehmenskultur besteht folglich eine Korrelation. Sackmann (ebd.,
S. 7) gliedert diese nach einer Inhaltsdimension und nach Gütemaßen, welche die Funktio-
nalität oder Qualität einer Unternehmenskultur beschreiben. Diese zwölf Dimensionen –
die allerdings nicht unabhängig voneinander sind – können mit einer Reihe unterschied-
licher Indikatoren erfasst werden. Sie ergeben aber einen sehr guten Überblick, welche
Faktoren nachweisbare Auswirkungen auf den Unternehmenserfolg haben.
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Inhaltliche Dimensionen:
Eine Studie soll stellvertretend etwas detaillierter vorgestellt werden, um die Ergebnisse in
ihrer Konkretheit zu verdeutlichen. Die überzeugendsten Argumente, der Unternehmens-
kultur ein besonderes Augenmerk zu widmen, liefern Kotter und Heskett (1992), die in
einer umfangreichen Untersuchung zentrale Auswirkungen unterschiedlicher Kulturen auf
den Unternehmenserfolg untersucht haben. Kotter und Heskett entwickelten einen Index
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der kulturellen Stärke. Ihr Modell legt nahe, dass sich eine starke Unternehmenskultur
vor allem dann entwickeln kann, wenn bestimmte Werte von der Mehrheit der Mitarbei-
ter geteilt werden. Demzufolge unterscheiden sich Unternehmen mit einer „starken“ im
Gegensatz zu einer „weniger starken“ Unternehmenskultur bezüglich zentraler betriebs-
wirtschaftlicher Kenngrößen signifikant, wie der Tab. 1 entnommen werden kann.
Eine aktive Gestaltung von Unternehmenskultur schlägt sich folglich eindeutig messbar
in positiven Unternehmensergebnissen nieder. Die Begründung haben wir bereits weiter
oben angesprochen: Eine „starke“ Unternehmenskultur zeichnet sich durch eine gute
Tab. 1 Wirkung einer „guten“ Unternehmenskultur auf ausgewählte Kennzahlen über einen
Zeitraum von 11 Jahren (nach Kotter und Heskett 1992, S. 11)
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Die präsentierten Ergebnisse zeigen auf, dass die Wichtigkeit, die diesem „weichen“
Thema von den Führungskräften beigemessen wird, auch durch die tatsächliche Bedeu-
tung für „harte“ Fakten gerechtfertigt wird. Eine hoch ausgeprägte Unternehmenskultur
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Ganz abstrakten Begrifflichkeiten wie Energie, Liebe oder auch Unternehmenskultur ist
gemein, dass sie sich aufgrund ihrer phänomenologischen Vielfalt, inneren Vielschichtig-
keit der Dimensionen und unterschiedlicher möglicher Betrachtungspunkte einer eindeu-
tigen Definition entziehen. Gleichzeitig gilt aber für den konkreten, praktischen Umgang
mit ihnen immer noch Kurt Lewins Satz: „Es gibt nichts Praktischeres, als eine gute
Theorie“ (Lewin 2017). Einordnung und Systematik sind auch für komplexe Phänomene
zwingend notwendig, wenn Kommunikation und in weiterer Folge praktische Arbeit in
diesem Themenfeld gelingen soll.
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Psychosoziale Modelle können ihrer Natur nach immer nur verkürzte Vereinfachungen
der Realität sein, die versuchen wesentliche Wesenszüge aus einem komplexen Gebilde
verallgemeinernd herauszuschälen. Modelle haben dabei gleichsam die Funktion von Seh-
hilfen, die einen Beobachter unterstützen, diffizile Sachverhalte überhaupt erst bewusst(er)
wahrnehmen zu können und so zu vereinfachen, dass sie einer allgemeinen systematischen
Betrachtung überhaupt zugänglich werden. Dabei sind zwei Dinge zu beachten: Einerseits
bestimmt die Art der Sehhilfe (des Modells) was überhaupt gesehen werden kann und was
andererseits dadurch zwingenderweise im nicht sichtbaren Bereich verbleibt (so liefert
eine Wärmebildkamera beim gleichen Objekt buchstäblich ein völlig anderes Bild als
eine Röntgenkamera). Andererseits ist dabei auch noch die „Flughöhe“ der Betrachtung
zu beachten, die das Modell einnimmt: Aus einer Satellitensicht können sich durch radi-
kale Verdichtung Gesamtzusammenhänge erschließen, die aber für das konkrete Arbeiten
in einem Projekt eine zu grobe Granulation aufweisen. Eine Lupe (hier: ein Instrument
zur Teilanalyse) hingegen liefert viele Details, die aber ohne Kontext und wechselseitige
Abhängigkeiten auf-/erscheinen und so ebenfalls ein verzerrendes (Gesamt-)Bild vermit-
teln können.
Vor diesem Spannungsfeld ist auch jede Modellentwicklung für ein so komplexes
Thema wie Unternehmenskultur angesiedelt. Zusätzlich ist Unternehmenskultur in sich
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Wie ein Verhalten gedeutet wird, das hängt ganz stark davon ab, in welchem Kontext (durch
welchen Rahmen) es beobachtet wird. Unternehmenskulturen bilden einen Kontext, einen
Deutungsrahmen für Ereignisse. Kulturen als selbstgesponnene Bedeutungsgewebe ermög-
lichen es, soziale Ereignisse zu verstehen. (Grubendorfer 2016, S. 24)
Ein konkreter Auslöser dafür waren unter anderem die Erfolge japanischer Autokon-
zerne im Ausland, die für westliche Unternehmen zunächst ziemlich mysteriös schie-
nen. Der Begriff Unternehmenskultur selbst geht auf die amerikanische Studie „Corpo-
rate Cultures“ (Deal und Kennedy 1982) zurück, während der Dualismus von „weichen“
Führungsthemen und „harten“ Erfolgsfaktoren auf die Ausführungen von Peters und
Watermann in ihrem Bestseller „Auf der Suche nach Spitzenleistungen“ (Peters und
Waterman 1983) zurückgehen. Letztere beschrieben im 7-S-Modell, das manchmal
auch als McKinsey-7-S-Modell bezeichnet wird, einen umfassenden Unternehmens-
ansatz mit drei „harten“ Faktoren („strategy, structure, systems“) und vier „weichen“
Faktoren („shared values, skills, staff, style“). Auf die Bedeutung von Kotter und Hesket
wurde bereits früher eingegangen. Eine Synopsis von weiteren Unternehmenskulturmo-
dellen, insbesondere im Zusammenhang mit Unternehmenserfolg, findet sich bei Sack-
mann (2006).
Dem zeitlich vorgelagert waren noch die Ausführungen von Edward T. Hall, der aufbau-
end auf Sigmund Freud die Analogie eines Eisbergs einführte: Die unsichtbaren Grund-
annahmen über die Welt, die in einer Organisation vorherrschen, leiten die sichtbaren
und treiben diese an. Der Einzelne übernimmt diese „weichen“ Elemente durch Imitation
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bzw. Mitmachen, praktiziert sie selbst und gibt sie – meist unbewusst – auch selbst weiter.
Dadurch erhalten sie einen Kreislauf aufrecht (Hall 1959).
Edgar Schein hat mit seinem Modell der drei Ebenen (manchmal auch „Seerosenmo-
dell“ genannt) den Gedanken der unterschiedlich gelagerten Schichten wesentlich ausge-
baut (Schein 2010, S. 23 ff.). Dieses Modell ist das wahrscheinlich weltweit am häufigs-
ten zitierte und diente als Orientierungsgröße für etliche nachfolgende Modelle: Auf der
sichtbaren Ebene gibt es Artefakte, also künstlich geschaffene Objekte und Verhaltens-
weisen, die nach außen sichtbar sind (Büroräumlichkeiten, Dresscode, Jargon etc.), deren
hintergründige Symbolik jedoch oft nur im Kontext der tieferen Schichten erklärbar ist.
Eine Ebene darunter liegt die nur mehr teilweise sichtbare Ebene der kollektiven Werte
und Normen. Sie bestehen aus (meist) ungeschriebenen Verhaltensrichtlinien, Maximen
mit Ge- und Verboten, die die Organisationsmitglieder mehr oder weniger teilen und das
Innenleben der Organisation wie „Verkehrsschilder“ regeln. Sie sind der bewussten Refle-
xion zugänglich, werden aber oft erst (wieder)entdeckt, wenn jemand dagegen verstoßen
hat („Das macht man bei uns nicht so“). Noch eine Ebene tiefer liegen die „Grundannah-
men über die Welt selbst“ („basic underlying assumptions“): Es handelt sich dabei um
für selbstverständlich gehaltene, unbewusste Überzeugungen, die deshalb nicht bewusst
reflektiert werden können. Damit stellen sie grundlegende gemeinsame Orientierungs-
und Vorstellungsmuster dar, die wie ein „Autopilot“ die Organisation leiten. So wird ein
Hedgefonds andere Grundannahmen über den eigenen Seinszweck haben als eine kari-
tative Einrichtung. Letztlich stellen sie die Werte und damit die Quelle des konkreten
Handelns dar.
Sonja Sackmann erweiterte dieses Konzept, indem sie die mittlere Ebene nochmals
zweiteilte: Einerseits in eine obere Schicht von bekannten Spielregeln und Standards mit
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Regeln/Normen und andererseits in eine darunterliegende Schicht von nach außen postu-
lierten, aber nicht notwendigerweise realiter gelebten Werten – sozusagen die nach außen
dargestellte Haltung.
Insgesamt hat sich eine große Zahl von Modellen und noch mehr Instrumenten entwi-
ckelt, die sich in unterschiedlichen Zugängen damit beschäftigen, dem Komplex Unterneh-
menskultur Kontur zu verleihen – letztlich um damit erhoffte Gestaltungsmöglichkeiten
für diese amorphe Masse zu eröffnen. Spätestens seitdem die Zusammenhänge zwi-
schen Unternehmenskultur und unternehmerischem Erfolg zu einem Fokus der Betrach-
tung wurden, hat sich das Interesse an den „weichen Faktoren“ auch auf der Ebene der
Unternehmen selbst, nicht nur auf der akademischen Ebene, stark intensiviert. In diesem
Zusammenhang sei auch die These gewagt, dass Unternehmenskultur per se eine noch
sehr viel wichtigere Rolle für Unternehmen einnehmen wird, weil die Komplexität und
Geschwindigkeit in der Geschäftswelt durch Digitalisierung und Globalisierung exponen-
tiell ansteigen wird. Unternehmenskultur ist der wichtigste Faktor, um mit Komplexität
im Innenverhältnis des Unternehmens überhaupt zieldienlich umgehen zu können – siehe
dazu auch den Beitrag über Kultur und Komplexität in diesem Buch (Strobl 2018a): Auch
Industrie 4.0 wird sich letztlich an Gehirn und Bauch 1.0 orientieren müssen.
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Unternehmenskultur – Worüber reden wir?15
Das Leitmotiv dieses Buches ist es, letztlich Hinweise zu geben, welche Möglichkeiten
es für eine aktive Gestaltung der (eigenen) Unternehmenskultur geben könnte. Damit ver-
bunden ist eine grundsätzliche Haltung, dass man eine existierende Unternehmenskultur
nicht einfach als unabänderliche Gegebenheit hinnehmen muss. Die zweckdienliche Frage
in diesem Zusammenhang ist: Wie kann man (seine) Unternehmenskultur in die „rich-
tige Richtung“ weiterentwickeln? Dazu ist der oben bereits erwähnte logische Dreischritt
zu beachten: Wie lässt sich ein zutreffender, realitätsnaher Ist-Zustand diagnostizieren?
Was wäre gegebenenfalls als ein adäquaterer Soll-Zustand zu definieren, und mit welchen
Mitteln kann man dorthin kommen?
Das letzte Element dieses Dreischritts hat dabei immer zu berücksichtigen, dass jede
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16 J. Herget und H. Strobl
Ein lineares Ursache-Wirkungs-Denken, das Ordnung und Berechenbarkeit bei der Resul-
taterbringung in den Vordergrund stellt, ist bei weichen Faktoren jedoch nicht zielführend
(vgl. Strobl 2018a). Damit ergibt sich eine natürliche Abgrenzung zum Konzept „Leader-
ship“, das bewusst die emotionale Seite anspricht und innere Bilder von Zielzuständen
hervorzurufen versucht. Unternehmenskultur lässt sich tendenziell eher über eine Sog-
wirkung in eine gewünschte Richtung bringen. Druck hingegen führt vielmehr dazu, dass
Kultur ungewollte Auswege findet, wie auch nicht komprimierbare Knetmasse zwischen
den Fingern hervorquillt, wenn die Faust geballt wird – auch Unternehmenskultur lässt
sich nicht komprimieren.
Gestaltende Kulturveränderung braucht schon von Anfang an die Einsicht, dass es ein
Delta zwischen Absicht und konkreter Auswirkung geben kann, ja fast immer geben wird.
Ähnlich wie bei einem Mobile, das von einer Seite angestoßen wird, gerät das ganze
System in Bewegung, aber die Auswirkung lässt sich nicht genau antizipieren:
Da Kultur selbstorganisiert entsteht, kann nicht aufgrund sachlicher Ziele über kulturelle
Regeln entschieden werden. Sie limitieren deshalb immer den Handlungsspielraum. Wer
gegen sie verstößt, muss mit Ausgrenzung rechnen. Kulturelle Muster sind sehr stabil, weil
sie über die persönliche Identität der Mitglieder stabilisiert werden. Ihre Änderung ist daher
mühsam. Man kann sie zwar stören und infrage stellen, aber der Effekt ist nicht vorhersehbar.
(Simon 2014, S. 74)
Die genannten prinzipiellen Einschränkungen sollen jedoch nicht als ein fatalistisches
„Sich-in-das-Unabänderliche-ergeben-müssen“ interpretiert werden. Die aktive Gestal-
tung und zielorientierte, proaktive Weiterentwicklung von Unternehmenskultur ist
möglich, nur eben jenseits des Gedankens unbedingter und exakter Machbarkeit. Das Bild
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von Unternehmenskultur als Garten ist eine hilfreichere Analogie als viele andere Verglei-
che rund um dieses Thema: Ein Garten entwickelt sich von allein, man kann Pflanzen nicht
per se zum Wachsen bringen, aber man kann ein geeignetes Umfeld schaffen, in dem sich
bestimmte Pflanzen optimal entwickeln können und entsprechende Früchte reifen lassen.
Andere Gewächse hingegen werden bewusst zurückgedrängt. Abgesehen von völlig dis-
ruptiven Veränderungen, wie bei Firmenübernahmen oder radikalem Changemanagement,
ist auch das „Role Model“ eines aufmerksamen Gärtners eine gute Leitlinie zur Reflexion
für Führungskräfte, wenn es um die Entwicklung der eigenen Unternehmenskultur geht.
Die Beschäftigung mit der Unternehmenskultur ist für Unternehmen elementar und wird
zukünftig sogar noch an Wichtigkeit gewinnen. Trotz aller beschriebenen Unzulänglich-
keiten in der Beschreibung, Modellierung und einem – so scheint es – eingeschränkten,
eher indirekten Interventionspotenzial bleibt die Gestaltung von Unternehmenskultur eine
permanente und ureigene Aufgabe des Managements auf allen Ebenen. Das erfordert aber
auch die Reflexion der eigenen Person, des eigenen Verhaltens, der eigenen Werte und
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Unternehmenskultur – Worüber reden wir?17
Grundannahmen – und wie diese zu den anderen Personen oder dem System Organisation
als Ganzes stehen. Eine Kompatibilität ist zum gedeihlichen Miteinander erforderlich,
sonst winken Kollateralschäden – für das Unternehmen oder die Person.
Das vorliegende Buch umfasst zahlreiche Ansatzpunkte und viele Anregungen, wie
diese Aufgabe angegangen und bewältigt werden kann. Es ist eine Reise, die auch Sprints
beinhalten kann. Und auch diese Reise fängt mit dem ersten Schritt an.
Literatur
Unternehmenskultur in der Praxis : Grundlagen - Methoden - Best Practices, edited by Josef Herget, and Herbert Strobl, Springer
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18 J. Herget und H. Strobl
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Cambridge, MA, 1964
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capital/artikel/trends-personalmanagement-2016.html. zugegriffen: 8. Mai. 2017]
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(Hrsg) Unternehmenskultur in der Praxis. Springer Gabler Verlag, Wiesbaden
Grubendorfer Ch (2016) Einführung in systemische Konzepte der Unternehmenskultur, Carl-Auer
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Hall ET (1959) The silent language. Doubleday, New York
Hays: HR-Report (2017) Schwerpunkt Kompetenzen für eine digitale Welt. Herausgegeben von
Hays AG und Institut für Beschäftigung und Employability IBE, 2017
Herrmann A, Schönborn G, Peetz S (2004) Von den Besten lernen: der Einfluss der Wertekultur auf
den Unternehmenserfolg. In: Bentele G, Piwinger M, Schönborn G (Hrsg) Kommunikations-
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Einzelbeiträge KM, 25. September 2004
Kotter JP, Heskett JL (1992) Corporate culture and performance, Free Press, New York
Lewin K. Zitat: https://de.wikiquote.org/wiki/Praxis. Zugegriffen: 10. Mai. 2017
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US-Unternehmen lernen kann. Verlag Moderne Industrie, Landsberg
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dgfp.de/wissen/personalwissen-direkt/dokument/84192/herunterladen. zugegriffen: 11. Mai. 2016
Schein E (2010) Organizational culture and leadership 4th Aufl. Jossey-Bass Verlag, San Francisco
Simon FB (2014) Einführung in die (System-)Theorie der Beratung, Carl-Auer Verlag, Heidelberg
Strobl H (2018a) Kurs halten beim Driften – Komplexität als stark steigende Anforderung an Unter-
nehmen und einige kulturelle Antworten darauf. In: Herget J, Strobl H (Hrsg) Unternehmens-
kultur in der Praxis, Springer Gabler Verlag, Wiesbaden
Strobl H (2018b) Das Six-Pack-Plus Modell: Instrument zur zielorientierten Gestaltung von Unter-
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nehmenskultur von innen heraus. In: Herget J, Strobl H (Hrsg) Unternehmenskultur in der
Praxis. Springer Gabler Verlag, Wiesbaden
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Perspektiven auf Unternehmenskultur
Petra Ilic
Zusammenfassung
Unternehmenskultur wurde bereits aus vielen Blickwinkeln entdeckt, erklärt und unter-
sucht. In diesem Beitrag wird die Frage beantwortet, aus welchen Perspektiven Unter-
nehmenskultur betrachtet werden kann. Es wird dargestellt, wie die Betriebswirtschaft,
Psychologie, Kulturanthropologie und Systemtheorie auf Unternehmenskultur blicken,
wie sie dieses Konzept definieren und welche Schwerpunkte in der Betrachtung
gewählt werden. Des Weiteren wird gezeigt, welche Modelle und Erklärungsansätze
es in diesen Disziplinen gibt. Neben typischen Fragen, die jede Richtung in Zusam-
menhang mit Unternehmenskultur stellt, wird außerdem beleuchtet, welche Möglich-
keiten der Veränderung von Unternehmenskultur bestehen. Zum Abschluss werden
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P. Ilic (*)
promitto organisationsberatung GmbH, Währinger Straße 2-4, 1090 Wien, Österreich
e-mail: ilic@promitto.at
Ziel, einige grundlegende Annahmen und Haltungen sowie die Struktur dieses Kapitels zu
vermitteln.
Auf den folgenden Seiten werden die Perspektiven der Betriebswirtschaft, der Psycho-
logie, der Kulturanthropologie und der Systemtheorie auf Unternehmenskultur mit dem
Ziel eingenommen, ein mehrdimensionales Bild dieses Konzepts zu zeichnen und seine
Vielschichtigkeit aufzuzeigen. Klar ist auch, dass eine disziplinarische Trennung in dieser
Form nicht der Realität entspricht und theoretische Überlegungen sowie Forschungsergeb-
nisse interdisziplinär geteilt werden und voneinander profitieren. Und gleichzeitig werden
sich Unterschiede in den Sichtweisen und Forschungsfragen zeigen, die zusammengesetzt
ein umfassendes Bild ergeben können.
Dafür wird einerseits einschlägige Literatur verwendet, die eindeutig einer Perspektive
zuzuordnen ist. Es wird aber auch die wissenschaftliche Herkunft der Autoren von Kultur-
konzepten betrachtet und für diese Gegenüberstellung genutzt.
Warum das für ein Verständnis von Unternehmenskultur in der Praxis relevant sein
könnte, ist eine berechtigte Frage. Hier kann einerseits der Vorteil genannt werden, dass
ein Mehr an Sichtweisen ein breiteres Verständnis fördert, das es ermöglicht in der Praxis
aus unterschiedlichen Perspektiven das Konzept der Unternehmenskultur zu beobachten.
Auf der anderen Seite werden innerhalb dieses Grundlagenkapitels Themen dargestellt,
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Perspektiven auf Unternehmenskultur21
die einen Bezug zur Praxis aufweisen, wie z. B. die Veränderbarkeit von Unternehmens-
kultur aus Sicht jeder Disziplin.
Auf den nächsten Seiten werden zu jeder Perspektive die folgenden Fragen beleuchtet:
In diesem Teil geht es um die Möglichkeiten der Einflussnahme und Veränderung von
Unternehmenskultur und um Annahmen die dem zugrunde liegen.
Abschließend wird aus allen Erkenntnissen ein gemeinsames Bild von Unternehmens-
kultur entwickelt, mit dem Ziel die unterschiedlichen Sichtweisen für einen differenzier-
ten Blick auf das Thema zu nutzen und unter der Voraussetzung, dass jede Perspektive
relevante Fragen stellt und hilfreiche Antworten liefern kann. Diesem Vorgehen liegt die
Annahme zugrunde, dass eine größere Anzahl an Blickwinkeln dazu führt, auch in der
Praxis mehr Möglichkeiten zu haben, das Phänomen zu beobachten und zu verstehen.
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Obwohl alle dargestellten Perspektiven eine lange Tradition in der Beschäftigung mit
dem Thema Unternehmenskultur aufweisen, ist es nicht Ziel und Möglichkeit dieses Bei-
trags, einen alles umfassenden historischen Überblick über Forschung und Konzepte zum
Thema Unternehmenskultur in jeder Perspektive zu geben.
Die Bezeichnung Unternehmenskultur wurde in Hinblick auf den Buchtitel durchgän-
gig beibehalten, auch wenn damit nicht nur Unternehmen, sondern auch Organisationen
gemeint sind. Wobei bereits in der Bezeichnung Unterschiede zwischen den Perspekti-
ven wahrgenommen werden können und die Betriebswirtschaft eher von Unternehmen
spricht, die anderen Disziplinen stärker den Begriff Organisation verwenden.
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2.1.1 Definitionen
Begibt man sich auf die Suche nach einem Verständnis von Unternehmenskultur aus Sicht
der Betriebswirtschaft, so findet sich z. B. folgende Definition:
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In beiden Definitionen finden sich die Begriffe „Normen“ und „Werte“ wieder, die eine
Wirkung auf die Organisation und ihre Mitglieder ausüben. Unterschiede sind im Ausmaß
der Wirkung zu erkennen (prägen vs. bestimmen). Beiden Definitionen ist eine Beeinflus-
sungsrichtung gemeinsam, also die Ansicht, dass die Unternehmenskultur das Verhalten
der im Unternehmen tätigen Menschen beeinflusst.
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Perspektiven auf Unternehmenskultur23
Klassifizierung herangezogen wurde (Prätorius und Tiebler 1993, S. 56; Kaschube 1993,
S. 104 ff.):
Betrachtet man die oben genannten Definitionen und versucht eine Einordnung, würden
sie stärker im Variablenansatz Anschluss finden. Dies zeigt sich besonders in der Einfluss-
richtung, die hier zugrunde gelegt wird. Unternehmenskultur ist eine Variable, welche
die Organisation und ihre Mitglieder beeinflusst. Diese Beobachtung hier gilt auch für
eine Mehrzahl betriebswirtschaftlicher Konzepte zur Unternehmenskultur, die stärker dem
Variablenansatz zuzuordnen sind (Kaschube 1993, S. 105).
Werte, Ideale und Symbole relevant, und es wird die Frage gestellt, wie sich diese in der
Realität äußern und woran sie festgemacht werden können. Sie werden als Auswirkung
der Kultur, die das Unternehmen hat verstanden. So werden beispielsweise Kernfaktoren
der Unternehmenskultur extrahiert, die helfen, das wenig greifbare Thema sichtbarer zu
machen (Pümpin et al. 1985, zit. nach Thommen und Achleitner 2003, S. 873). Nach
diesem Ansatz sind Kernfaktoren der Unternehmenskultur:
Ein klarer Fokus liegt hier im Sichtbarmachen der Auswirkungen von Unternehmenskul-
tur im Unternehmensalltag, wobei mitschwingt, dass diese gleichzeitig Stellschrauben zur
Veränderung von Unternehmenskultur sein können.
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2.2.1 Soll-Ist-Vergleich
Auf Basis von üblichen Schemata für Veränderungsprozesse wird eine Analyse der Ist-Si-
tuation und eine Definition des Soll-Zustandes vorgeschlagen, um dann zu überlegen, mit
welchen zur Verfügung stehenden Instrumenten, z. B. Veränderung der Anreizsysteme,
Schulungen oder Freistellungen, eine gewünschte Veränderung herbeigeführt werden
kann (Thommen und Achleitner 2003, S. 878 f.).
Dabei finden sich unterschiedliche Möglichkeiten, wie der Soll-Zustand definiert
werden kann. Eine Variante ist die Ableitung des Soll-Zustandes aus der Strategie des
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Unternehmens (Berner 2012, S. 135 ff.). Die Frage, die dabei zu stellen ist, lautet: Welche
Fähigkeiten benötigt das Unternehmen, um die definierte Strategie zu erreichen? Dabei
werden unter Fähigkeiten Strukturen, Prozesse und Systeme und eben auch Kultur
verstanden.
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Tab. 1 Erfolgsfaktoren für die Veränderung von Unternehmenskultur (Homma 2015, S. 63 ff.)
Entschlossenheit und Ein geschlossenes Managementteam als Grundvoraussetzung
Einigkeit im Top- von erfolgreichen Veränderungsprojekten
Management
Darstellung der Vermittlung und offene Darstellung gegenüber den Beteiligten,
Notwendigkeit des weshalb der Kulturwandel unverzichtbar ist, idealerweise
Kulturwandels Verstärkung durch empirische Daten
Attraktive Vision und Den Soll-Zustand oder die Vision als anzustrebendes Ziel
Perspektive darstellen und die MitarbeiterInnen dazu motivieren
Definition der Genaue Festlegung, woran der Kulturwandel zu erkennen ist und
Veränderungsziele was genau erreicht werden soll
Klare Prioritäten Konzentration auf wenige Themen zur selben Zeit, um diese
fokussieren und verfolgen zu können
Start eines Dialogs Einbeziehen der Beteiligten im Veränderungsprozess und
Möglichkeit zum Austausch und zur Kommunikation bieten
Mitgestaltung Den MitarbeiterInnen die Möglichkeit geben, die
vorgegebenen neuen Werte individuell umzusetzen und für sich
situationsspezifisch zu übersetzen
Schnelle erste Erfolge Fokus auf schnell erzielbare erste Erfolge richten, um skeptische
Beteiligte zu überzeugen
Erleben des praktischen Durch Erleben eines praktischen Nutzens durch das veränderte
Nutzens Verhalten erhöhtes Engagement erreichen
Am Ball bleiben Fortschritte und Rückschläge im Veränderungsprozess verfolgen,
um möglichst frühzeitig steuernd eingreifen zu können
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Neben der Definition einer erwünschten Unternehmenskultur muss daher auch das
Thema Führungskultur betrachtet werden. Hier stellt sich die Frage nach der Soll-Füh-
rungskultur, um das Erreichen der Soll-Unternehmenskultur bestmöglich zu unterstützen.
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Perspektiven auf Unternehmenskultur27
Auch in diesem Teil sollen zunächst Definitionen und ein Modell vorgestellt werden, um
den Blick auf Unternehmenskultur aus der Perspektive der Psychologie zu vermitteln.
Außerdem werden typische Fragen zur Unternehmenskultur dargestellt.
3.1.1 Definitionen
Sucht man nach einer psychologischen Definition von Unternehmenskultur, so findet man
z. B. folgendes:
Oberbegriff für das Insgesamt an Werten und Normen sowie Grundannahmen der Mitglieder
einer Organisation. (http://www.spektrum.de/lexikon/psychologie/organisationskultur/10970)
Schein (1995, S. 25), der in seinem Grundberuf Psychologe war, definiert Kultur auf fol-
gende Weise:
Ein Muster gemeinsamer Grundprämissen, das die Gruppe bei der Bewältigung ihrer Prob-
leme externer Anpassung und interner Integration erlernt hat, das sich bewährt hat und somit
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als bindend gilt; und das daher an neue Mitglieder als rational und emotional korrekter Ansatz
für den Umgang mit diesen Problemen weitergegeben wird.
Aus beiden Definitionen geht hervor, dass die Unternehmenskultur etwas mit den Mitar-
beiterInnen eines Unternehmens zu tun hat. Im Unterschied zur betriebswirtschaftlichen
Sichtweise werden in den Definitionen keine Wirkung, die von Kultur ausgeht, in den Vor-
dergrund gestellt. In Hinblick auf die oben genannte Zweiteilung zwischen Variablen- und
Metaphernansatz, ist hier daher der Metaphernansatz stärker sichtbar.
Die Orientierung an den Menschen in einer Organisation und die Annahme, dass eine
Organisation stärker Kultur ist als Kultur hat, beeinflussen Zugänge und Themen in der
psychologischen Perspektive auf Unternehmenskultur.
• Artefakte: Diese Phänomene sind an der Oberfläche anzutreffen und beinhalten alles,
was man sieht, hört und fühlt, wenn man neu in eine Organisation kommt. Dazu zählen
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z. B. die räumliche Umgebung, die Sprache, die Technik, die Geschichten und die beob-
achtbaren Rituale. Relevant für die Ebene der Artefakte ist, dass sie einfach wahrnehm-
bar, aber schwer zu verstehen ist. Um ein Verständnis für diese Ebene zu entwickeln, ist
es notwendig, auch die beiden anderen Ebenen zu erfahren oder zu analysieren.
• Bekundete Werte: Darunter versteht Schein die Annahmen einzelner Organisationsmit-
glieder, die zum Ausdruck gebracht werden, aber zunächst von der Gruppe noch nicht
anerkannt sind. Es ist erst notwendig den zum Ausdruck gebrachten Wert in der Gruppe
zu diskutieren und Erfahrungen mit diesem Wert zu sammeln. So kann sich der Wert
einzelner Gruppenmitglieder zu einem gemeinsamen Wert entwickeln und bei weiterer
Bewährung in eine Grundprämisse verwandeln.
• Grundprämissen: Auf dieser Ebene befinden sich selbstverständliche Annahmen, die
nicht mehr hinterfragt werden und die durch einen stark prägenden Charakter dazu
führen, dass Verhalten den Grundprämissen angepasst werden.
Versucht man aus psychologischer Perspektive Ansätze zur Veränderung von Organisa-
tionskultur zu finden, ist zunächst bemerkenswert, dass der Wunsch zur Einflussnahme
weniger klar zum Ausdruck gebracht wird (Kaschube 1993, S. 132 ff.). So stellt sich die
Frage, ob die Organisationskultur als ein individuelles und einzigartiges Konstrukt über-
haupt Fokus eines Veränderungsvorhabens werden sollte. Hinzu kommt eine gewisse
Skepsis zum Erfolg einer gezielten Einflussnahme, die vor allem mit der Komplexität des
Phänomens zusammenhängt.
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Perspektiven auf Unternehmenskultur29
Die Kulturanthropologie beschäftigte sich in ihrer Historie weniger mit Unternehmen und
Unternehmenskultur, verfügt aber über einen umfangreichen Forschungshintergrund zum
Thema Kultur (Helmers 1993, S. 147 ff.). Aus diesem Grund hat die kulturanthropolo-
gische Perspektive vieles zum Thema Unternehmenskultur beizutragen, und viele For-
scher anderer Disziplinen griffen bewusst oder unbewusst auf Konzepte oder Begriffe der
Kulturanthropologie zur Beschreibung von Unternehmenskultur zurück in der Annahme,
Kultur sei das richtige zusammenfassende Stichwort, das Werte, Normen oder Annahmen
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Nach einem Blick auf die Möglichkeit, Kultur aus dieser Perspektive zu definieren,
werden Stammes- und Organisationskultur miteinander verglichen und ein umfassender
Überblick über Modelle der Organisationskultur zur Verfügung gestellt.
4.1.1 Definitionen
Auf Basis der langen Tradition der Erforschung von Kultur und der Auseinandersetzung
mit diesem schwer greifbaren Begriff ist es wenig verwunderlich, dass es eine unüber-
schaubare Vielzahl von Kulturdefinitionen gibt und daher nicht die eine Kulturdefini-
tion herausgegriffen werden kann (Allaire und Firsirotu 1984, S. 194 ff.). Dennoch ist
es möglich, Richtungen, Denkschulen und Konzepte zu unterscheiden, die verschiedene
Annahmen zugrunde legen.
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• Zeremonie: Darunter wird ein öffentliches und formales Ereignis verstanden, das die
charakteristischen Elemente der Kultur in einer starken Verdichtung zum Ausdruck
bringt und eine Kultur stabilisiert, z. B. Firmenfeiern.
• Ritual: Es verfügt über eine hohe symbolische Bedeutung und kann daher nicht ver-
ändert werden, z. B. die Dienstprüfung bei ArbeitnehmerInnen im öffentlichen Dienst.
• Mythen: Dabei handelt es sich um Geschichten von nicht menschlich erscheinenden
Wesen oder legendären Begebenheiten, z. B. Mythos um eine Firmengründung.
• Tabu: Darunter wird ein Verbot verstanden, das nicht einfach aufgehoben werden kann
und in der Vorstellung mit übernatürlichen Sanktionen verbunden ist, z. B. Austausch
über Gehalt.
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32 P. Ilic
Tab. 2 (Fortsetzung)
Ideationale Person als Kognitiv Kultur als System von Wissen
Ansätze oder Kulturträger und gelernten Standards für
Metaphernansatz Wahrnehmung, Bewertung und
Verhalten
Strukturell Kultur als geteilte symbolische
Systeme, die sich aus den
unbewussten Prozessen der
Kulturträger zusammensetzen
Gegenseitige Kultur als standardisierte
Äquivalenz kognitive Prozesse, die einen
Rahmen für die Vorhersage des
gegenseitigen Verhaltens von
Organisationsmitgliedern in
sozialen Situationen definieren
Geteilte Symbolisch Kultur wird nicht in den Köpfen
Interpretationen der Organisationsmitglieder
und Symbole gefunden, sondern in ihren
geteilten und gezeigten
Einstellungen und Gedanken
Die Veränderung von Kultur ist in der Literatur dieser Perspektive nicht vorherrschend. Es
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Aus dem Blickwinkel der Systemtheorie werden Organisationen als soziale Systeme
betrachtet, die über unterschiedliche Merkmale definiert werden (König und Volmer 2014,
S. 51 ff.). Dazu gehören die Personen des sozialen Systems, deren subjektive Gedanken
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Perspektiven auf Unternehmenskultur33
In diesem Abschnitt werden zunächst grundlegende Annahmen und Haltungen zum Thema
Unternehmenskultur dargestellt, um danach Entscheidungen als wichtiges Element in
Zusammenhang mit dem Thema Unternehmenskultur zu betrachten.
1. Unternehmenskultur ist Mittel zum Vergleich. Damit geht einher, dass sich nicht die
Frage stellt, ob ein Unternehmen eine Kultur hat, sondern welche Kultur es hat. Aus
Sicht der Systemtheorie verfügt jedes System über eine Kultur, diese Kulturen unter-
scheiden sich aber voneinander und können dafür genutzt werden, Systeme miteinan-
der zu vergleichen.
2. Unternehmenskultur kann als Spielregel gesehen werden. In diesem Zusammenhang
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ist Unternehmenskultur ein Satz von Spielregeln, die Aktionen der Mitglieder des
sozialen Systems ordnen. Sie vermitteln, welche Erwartungen im System vorhanden
sind. Ein Teil der Spielregeln kann dabei formal festgehalten sein (König und Volmer
2014, S. 54). Für den Teil der Spielregeln, der die Unternehmenskultur betrifft, gilt das
nicht. Für neue Mitglieder des Systems stellt sich daher die Herausforderung, diese
Spielregeln zu erfassen und sich danach zu verhalten. Dabei können auch nur begrenzt
andere Mitglieder der Organisation herangezogen werden, um nach diesen impliziten
Spielregeln zu fragen, da sie über eine Selbstverständlichkeit verfügen. Das Erlernen
erfolgt meist in der Praxis und durch Erleben.
3. Unternehmenskultur dient als Deutungsrahmen. Das bedeutet, dass Kultur hilft, einem
Außenstehenden zu vermitteln, was in diesem System passend ist und was nicht. Die
Mitglieder des Systems nehmen auf diese Weise wahr, welche Erwartungen aus dem
System an sie gestellt werden, und gleichzeitig wird ihr Verhalten auf Basis des Deu-
tungsrahmens des Systems interpretiert.
4. Kultur, Identität und Passung. Die vierte Grundannahme beschäftigt sich mit dem
Zusammenspiel von Kultur und Identität einer Person. Hier werden die beiden
Systeme Unternehmen und Person betrachtet. Die Annahme ist, dass die Kultur eines
sozialen Systems sehr prägend für die Identität einer Person ist, da sie sich über die
Zugehörigkeit zum sozialen System identifiziert. Das bedeutet auch, dass – solange
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die Zugehörigkeit als wertvoll betrachtet wird – es ein Interesse der Person gibt, die
Spielregeln einzuhalten. In diesem Zusammenhang wird die Passung relevant, die als
Eigenschaft verstanden wird, die Spielregeln des Unternehmens wahrzunehmen, zu
verstehen und sich danach zu verhalten. Je größer die Passung ist, umso einfacher und
wünschenswerter ist es auch für die Person, die Zugehörigkeit aufrecht zu erhalten und
damit die eigene Identität zu stärken.
Wie die Systemtheorie die Veränderung von Unternehmenskultur sieht und welche Rolle
Entscheidungen dabei spielen können, wird in diesem Abschnitt ausgeführt.
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Perspektiven auf Unternehmenskultur35
6 Integriertes Bild
Aufbauend auf den Darstellungen der vorangehenden Abschnitte sollen nun die Erkennt-
nisse in ein gemeinsames Bild integriert werden. Dabei wird der Fokus darauf gelegt,
darzustellen, was die einzelnen Disziplinen und deren Blick auf Unternehmenskultur zu
einem umfassenden Verständnis beitragen. Jede Disziplin hat ihre präferierten Blickwin-
kel und Ansätze, und das führt dazu, dass in Summe ein vielfältiges und umfangreiches
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Perspektiven auf Unternehmenskultur37
Literatur
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Christian Ettl
Zusammenfassung
Organisationskultur zählt zu den wesentlichen Erfolgsfaktoren für Unternehmen. Sie
bestimmt unter anderem Strategien, Ziele und Funktionsweisen in Unternehmen. Doch
was ist eigentlich Organisationskultur? Aus welchen Elementen besteht sie? Wie kann
man sie messen oder vergleichbar machen? Oder ist sie nur „entdeckbar“? Wichtige
Modelle von Organisationskultur (unter anderem von Parsons, Reisyan, O‘Reilly und
Chatman, Kreps, Schein und Sackmann) werden kurz dargestellt. Dabei wird auf Mög-
lichkeiten der Messbarkeit eingegangen. Ein Schwerpunkt liegt auf der ökonomischen
Betrachtungsweise von Organisationskultur. Als sogenannter „weicher Faktor“ wird
sie zwar vom Management oft erwähnt, aber noch öfter ignoriert. Dabei kann gepflegte
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Institut für System und Werte, Franz- Josefs- Kai 15/9, 1010 Wien, Österreich
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Nach Reisyan (2013) ist die Entstehung des Begriffes Kultur ein seit der Römerzeit andau-
ernder Entwicklungsprozess: Während der römische Begriff der „Cultura“ anfangs vor allem
mit Landschaftspflege und -bebauung in Zusammenhang gebracht wird (Cicero 1957),
wurde er in der Folge individualistisch als die Verfeinerung des Geistes gesehen (Reck-
witz 2004). Im Mittelalter wurde der Kulturbegriff wiederum auf das Landwirtschaftliche
verengt. Bis zum 17. Jahrhundert wird er als Gegensatz zu Natur verstanden.1 Der ab der
zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und mit beginnendem 20. Jahrhundert sich ausbildende
normative Kulturbegriff wird auch noch in der Gegenwart verwendet. Ausgehend von einer
eher bürgerlichen Sichtweise wird Kultur Lebensart, die für jeden Bürger anzustreben ist.
Dies geht einher mit einer sehr wertenden Einstellung mit universellem Anspruch. Durch
diese Universalität versucht sich das aufstrebende Bürgertum gegen den Adel zu positionie-
ren (später auch gegen das Proletariat), und die Idealvorstellungen des Bürgertums werden
als allein gültig betrachtet. Individuelle Kulturen von eigenständigen Kollektiven werden
verneint (Jaeger und Rüsen, 2004; Nünning und Nünning, 2008). Johann Gottfried Herder
entwickelt den Kulturbegriff „zur Blüte des Daseins eines Volkes“ und „entuniversalisiert“
den Begriff wieder im Sinne spezifischer Lebensformen einzelner Kollektive (Herder 1903
[1784]). Immanuel Kant wiederum schränkt ihn auf Kunst, Bildung, Wissenschaft und
intellektuelle Aktivitäten ein (Kant 1983 [1784]). Im 20. Jahrhundert wird Kultur neuerlich
umgedeutet: Sie wird als spezialisiertes, soziales System, das zum Bestand der modernen
Gesellschaft bestimmte funktionale Leistungen erbringt, verstanden.
Darauf aufbauend legt Parsons mit seinen Postulaten wie zum Beispiel dem AGIL-
Schema („adaptation, goal attainment, integration, latency“) einen bedeutenden Grund-
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stein für die Entwicklung der Organisationskultur2 (Parsons 1951). Dadurch stellen die
kulturbedingten Sinn- und Unterscheidungssysteme keinen bloßen gesellschaftlichen
Überbau mehr dar. Kultur wird zum handlungskonstitutiven Hintergrund aller sozialen
Praktiken. Sie wird zu einem Gesamtkomplex von Vorstellungen, Denkformen, Empfin-
dungsweisen, Werten und Bedeutungen, der sich in Symbolsystemen darstellt (Nünning
und Nünning 2008, S. 6). Trotzdem kann auch heute nicht von einem einheitlichen Kultur-
verständnis gesprochen werden, sondern vielmehr über – je nach Problemstellung – mehr
oder weniger dominierende Perspektiven (Reisyan 2013, S. 15–19).
Reisyan (2013) verweist aber noch auf einen wichtigen Aspekt, der gerade für das
Verständnis von Unternehmenskultur eine wichtige Rolle spielt: Kultur als kollektives
Gedächtnis. Demnach ermöglicht es Kultur, dass jedem Teilnehmer eines sozialen Systems
Erfahrungen verfügbar sind. Abhängig von der Bewertung der Erfahrung als positiv oder
1
Die Entwicklung des Kulturbegriffes außerhalb des angloamerikanischen und europäischen Berei-
ches wird in diesem Beitrag bewusst ausgespart.
2
Da es sich bei Unternehmen um soziale Organisationen handelt, werden nachfolgend Organisa-
tionskultur und Unternehmenskultur gleich verwendet.
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Organisationskultur – Aufbau, Modelle und Messbarkeit41
negativ kann diese weiter gepflegt oder vermieden werden. Nach Assmann und Hölscher
(1988) ist Kultur das Gedächtnis des Systems, das als kollektiver Mechanismus zur Spei-
cherung von Informationen dient. Diese werden kodiert, dekodiert, transformiert und mul-
tipliziert und fließen in situationsspezifische Folgerungen ein.
Genauso wird Unternehmenskultur unterschiedlich definiert bzw. gesehen. Smircich
weist in seiner Studie über die Entwicklung des Begriffes in der Soziologie darauf hin,
dass es viele mögliche Definitionen gibt, die vom Konzept des Autors abhängig sind:
unterschiedliche Theorien, Modelle und Ansichten über Organisation beeinflussen den
Begriff von Unternehmenskultur, die dahinterliegenden Modelle und deren Umsetzung
(Smircich 1983). Da Organisationstheorien einem permanenten Entwicklungsprozess
unterliegen, ergeben sich daher auch immer wieder neue bzw. angepasste Unternehmens-
kulturmodelle (Smircich 1983, S. 4–6). Und obwohl der Zusammenhang zwischen Orga-
nisationskultur und Erfolg einer Organisation von den meisten Autoren kaum bestritten
wird, gibt es dennoch keine einheitliche, allgemein gültige Definition von Organisations-
kultur: Zu viele unscharfe Variablen sind im Spiel.
Dabei geht Schein davon aus, dass Unternehmenskultur nicht valide gemessen werden
kann, da jedes Unternehmen einen einzigartigen Mix aus Annahmen, Werten und Arte-
fakten besitzt, der sich durch standardisierte Fragebögen quantitativ nicht erheben lässt
(Schein 2010, S. 69 ff.).
Sehr wohl aber ist es möglich, die Kultur eines Unternehmens zu dechiffrieren, das
heißt, die Bedeutung der Artefakte zu erkennen und die Annahmen und Werte zu finden
und zu beurteilen (Schein 2010, S. 74 ff.).
Wichtig ist dies für Schein deshalb, weil dadurch zweierlei möglich wird: Einerseits
können aktuelle Problem- und Fragestellungen auf Kompatibilität mit der bestehenden
Kultur überprüft werden, andererseits ist dies die Basis zur weiteren Entwicklung, Erwei-
terung und gegebenenfalls Veränderung der Unternehmenskultur (Schein 2010, S. 92).
Wesentlich bei Scheins Kulturbegriff ist, dass aus seiner Sicht Kultur sowohl fördernd
als auch behindernd sein kann. Daher ist es wichtig, sich mit diesem Thema nicht nur
auseinanderzusetzen, sondern Kultur kontinuierlich zu entwickeln. Für Schein ist das eine
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Transformation, bei der zuerst Altes verlernt werden muss, ehe Neues gelernt werden
kann. Dieses Verlernen ist aber ein schmerzhafter Prozess, der meist auf starken Wider-
stand stößt. Laut Schein wird dieser nur dann überwunden, wenn die Überlebensangst –
so wie es jetzt läuft, können die Ziele nicht erreicht werden – größer wird als die Angst
vor der vorübergehenden Inkompetenz und vor dem Verlust der Gruppenzugehörigkeit.
Schein nennt dies die sogenannte Lernangst. Besonders wichtig ist dies Schein auch im
Zusammenhang von Mergers & Akquisitions (M&A), also dem Kauf bzw. Zusammen-
schluss von Unternehmen bzw. Unternehmensteilen (Schein 2010, S. 176–177).
Zusammenfassend kann daher gesagt werden, dass Edgar Schein davon ausgeht, dass
Unternehmenskultur ein wesentlicher Faktor für den Unternehmenserfolg darstellt. Für
Schein ist Kultur nicht messbar, sondern nur beobachtbar. Er definiert auch keine wesent-
lichen Einzelelemente der Organisationskultur wie Vertrauen, Kommunikation etc. Sein
Modell zählt – in unterschiedlichsten Abwandlungen – zur wahrscheinlich wichtigsten
Grundlage für die meisten weiteren Entwicklungen in der Organisationskultur.
Cremer definiert Unternehmenskultur als „the part of the stock of knowledge that is shared
by a substantial portion of the employees of the firm, but not to the general population from
which they are drawn” (1993, S. 4). Bei ihm geht es also in erster Linie um Wissen, dessen
Erwerb (bzw. Pflege) ein Investment des Unternehmens ist (Cremer 1993, S. 2). Dieses
Wissen ist ein sehr spezifisches und wird zumindest von einer substanziell wichtigen Mit-
arbeitergruppe geteilt bzw. entwickelt. So ist das Wissen, dass verbrauchtes Verbands-
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material entsorgt werden muss, für Cremer kein Teil der Unternehmenskultur, sondern
Allgemeinwissen. Die Regel, dass jeder Mitarbeiter wissen muss, dass dieses Material in
speziell gekennzeichnete Behälter, aufgeteilt nach bestimmten Spezifika, entsorgt werden
muss, ist aber bereits Teil der Unternehmenskultur (Cremer 1993, S. 4).
Für Cremer definiert Schein vor allem die psychologischen Faktoren, die Unterneh-
menskultur zu erfüllen hat. Zum Beispiel reduziert sie Angst auf einen bloßen Entschei-
dungswegweiser für die Mitarbeiter. Auch die Weitergabe der Kultur ist vor allem darauf
zurückzuführen, dass die einzelnen Mitarbeiter an die Richtigkeit glauben und daher an
neue Mitarbeiter weitergeben. Dadurch erhält das Unternehmen Kontinuität (Cremer
1993, S. 2). Cremers Ansatz dagegen ist ein Versuch, Unternehmenskultur mit betriebs-
wirtschaftlichen Begriffen zu definieren und auch mit betriebswirtschaftlichen Methoden
zu analysieren und entsprechende ökonomische Schlüsse zu ziehen (Cremer 1993, S. 1).
Kultur hat einen wichtigen ökonomischen Zweck zu erfüllen: Unternehmen sind eine
Summe von Informationsprozessen – eine heute laut Cremer durchwegs gängige Annahme
unter Betriebs- und Wirtschaftswissenschaftlern (siehe dazu auch (Arrow 1974) bzw.
(Bolton und Dewatripont 1994)). Sie empfangen Botschaften aus ihrer Umgebung, bearbei-
ten und beantworten sie: entweder mit einer weiteren Botschaft und/oder sie setzen ihre
physischen Ressourcen ein. Analog zu technischer Effizienz sind diese Antworten dann
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Organisationskultur – Aufbau, Modelle und Messbarkeit43
Informationsweitergabe etc.
–– Arbeitsregeln, wie nur beste Qualität abzuliefern, dass Kundentermine immer
Vorrang vor internen Meetings haben etc.
Wesentlich ist für Cremer, dass die gemeinsamen Verhaltensregeln (bzw. das Einhal-
ten derselben) gleichwertig wie das Wissen von Fakten anzusehen sind (Cremer 1993,
S. 12–13).
Aussagen über die Messbarkeit trifft Cremer kaum. Er verweist darauf, dass alle Ele-
mente zwar analysiert werden können und führt sogar wesentliche Arbeiten von Arrow,
Williamson und Gutzkow über das Coding an. Als Conclusio verweist er aber – wie auch
analog dazu Schein – darauf hin, dass Unternehmen und ihre Kultur sehr individuell und
daher kaum vergleichbar sind (Cremer 1993, S. 11–12).
Zusammenfassend kann daher gesagt werden, dass für Cremer einer der wesentlichen
Funktionen des „stock of knowledge“ ist, dass durch das in der Kultur weitergebene und
immer wieder verbesserte Wissen Entscheidungen schnell und kosteneffizient getrof-
fen werden können. Damit trägt Unternehmenskultur wesentlich zur Kosteneffizienz des
Unternehmens bei. Für Cremer ist Unternehmenskultur per se ebenfalls nicht messbar. Die
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einzelnen Elemente können jedoch sehr wohl analysiert und gemessen werden. Er stellt
aber kein Modell zur Verfügung, das die Abhängigkeiten der Elemente zu- und voneinander
darstellt.
Charles O’Reilly und Jennifer Chatman definieren Kultur als „a system of shared values
(that define what is important) and norms that define appropriate attitudes and behavi-
ors for organizational members (how to feel and behave)“ (O’Reilly und Chatman 1996,
S. 160). Für sie ist Kultur eine soziale Kontrollinstanz und keine formale. Sie unterschei-
den zwischen Werten und Normen. Sie zeigen auf, dass die Ausrichtung der Mitarbeiter
in Bezug auf Aufmerksamkeit, Verhalten und Commitment, ja sogar in Bezug auf ihre
Zielerreichung beeinflusst wird. Und dies unabhängig davon, in welcher Funktion oder
Branche sie tätig sind (O’Reilly und Chatman 1996, S. 160).
Wesentlich ist, wie O’Reilly und Chatman Steuerung und Kontrolle in Organisationen
verstehen: „Control comes from the knowledge that someone who matters to us is paying
close attention to what we are doing and will tell us if our behavior is appropriate or inap-
propriate …In other words, when one’s boss, or members of a department with which one
is interdependent has the ability to deliver or withhold valued sanctions for compliance
or noncompliance, a control system can be said to exist” (O’Reilly und Chatman 1996,
S. 161). Wie Steuerung und Kontrolle von den Beschäftigten erlebt und erfahren wird, ist
ausschlaggebend.
Formale Steuerung und Kontrollen beobachten das Ergebnis der Leistung und/oder
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bestimmten Verhaltens. Dabei geht man allgemein davon aus, dass diese auch entspre-
chend effektiv sind, weil
• externe Belohnungen – wie Boni, zusätzliche Vorteile etc. – zielgenau und zeitnah zur
tatsächlichen Leistung in ausreichender Form gegeben werden können und
• die Mitarbeiter die Autorität innerhalb des Unternehmens als legitim und rechtens
ansehen.
Diese beiden Voraussetzungen sind in der Realität jedoch sehr oft nicht gegeben. Das
Problem beginnt bereits damit, dass notwendiges Verhalten nur sehr bedingt vorhersehbar
ist: Welches Verhalten ist notwendig, wenn Initiative und Flexibilität gefragt sind? Außer-
dem ist eine zeitnahe Beobachtung extrem aufwendig und kostenintensiv. Das führt dazu,
dass eher leicht beobachtbare Tätigkeiten herangezogen werden, die jedoch oft nichts oder
nur wenig mit der geforderten Zielsetzung zu tun haben. So macht es wenig Sinn, zu beob-
achten, ob Dokumentationen von Projekten rechtzeitig erstellt und richtig abgelegt werden.
Wichtiger wäre, ob diese inhaltlich auch qualitativ hochwertig und damit als Dokumentation
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verwendbar sind.3 Aber selbst wenn es möglich ist, externe Belohnungen zielgenau und
zeitnahe zu implementieren, so zeigen Studien – wie zum Beispiel 1973 von Lepper et al.
(1973) –, dass diese oft wegen der zu starken Bindung an die Belohnung selbst zu geringerer
Leistungen führen. Mit einem Wort: Die Sinnhaftigkeit und damit das Bemühen, über das
geforderte Maß hinaus zu leisten, gehen verloren. Dazu kommt, dass Arbeit, die auf Kont-
rollen basiert, von den Mitarbeitern als eher schlecht angesehen wird und nur das tatsächlich
Notwendige an Arbeitskraft eingesetzt wird (O’Reilly und Chatman 1996, S. 161–165).
O‘Reilly und Chatman gehen daher davon aus, dass es soziale Steuerungen und Kon-
trollen sind, die wesentlich effektiver Leistungen und Verhalten beeinflussen. Diese sind
strukturell ähnlich wie die formalen Kontrollen durch Regeln, Abläufe, Hierarchie und
Beziehungen definiert. Der kollektive Gruppendruck der anderen Mitarbeiter bestimmt
dabei den Ansporn und das Bemühen zu bester Leistung und Einhaltung der Verhaltens-
regeln. In diesem Sinne stehen Werte, Haltungen und Verhalten im Fokus der sozialen
Steuerungen und Kontrollen.
Ob das Ergebnis allerdings im Sinne des Unternehmens ist, hängt davon ab, ob die
Werte, Haltungen und Verhaltensweisen den Wünschen des Unternehmens entsprechen.
Sind sie zu starr, um Änderungen zulassen zu können, dann können sie Strategie und Ziele
der Organisation sogar behindern. Denn soziale Steuerungen und Kontrollen unterliegen
nicht legitimierter oder formaler Autorität, sondern basieren auf informellen und normati-
ven Einflussfaktoren (O’Reilly und Chatman 1996, S. 164–165).
Unternehmenskultur wird von O’Reilly und Chatman demnach als soziale Steuerung
und Kontrolle in Organisationen verstanden. Diese spiegelt sich in den Werten und Normen
wider – wobei der Unterschied für sie eher der einer Akzentsetzung ist. Die individuellen
Werte und Normen der Mitarbeiter und die Werte und Normen der Organisation – die ein
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Produkt der jeweiligen Gruppe sind – können verschieden sein (O’Reilly und Chatman
1996, S. 165–166).
Sie haben vier Mechanismen identifiziert, die in allen Unternehmen mit ausgeprägten
Kulturen anzutreffen sind (O’Reilly und Chatman 1996, S. 172):
• Partizipation, die den Mitarbeitern die Möglichkeit zur Mitbestimmung gibt, sodass sie
sich in die Pflicht genommen fühlen,
• klare Managementvorgaben, die Ziele setzen, die Aufmerksamkeit fokussieren und die
eigene Wichtigkeit der Mitarbeiter betonen,
• konsistente Informationen, was wichtig ist und was nicht und
• ein umfassendes Entlohnungssystem, das von den Mitarbeitern als fair empfunden wird
und ihnen Anerkennung und Zustimmung für ihren individuellen und den gemeinsa-
men Beitrag gibt.
3
Der Autor hat dies im Rahmen seiner eigenen Berufserfahrung vor allem bei der Einführung neuer
IT-Systeme beobachtet: Niemand überprüft zum Beispiel den Inhalt eines Kontaktberichtes im
CRM-System – es wird aber genau kontrolliert, ob ein Bericht erstellt wird – manchmal auch mit
keinem einzigen Wort darin!
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Zusammenfassend ist für O’Reilly und Chatman Unternehmenskultur nicht nur eine
„Ansammlung“ von Werten, Normen und Verhaltensweisen, sondern vor allem eine
soziale Steuerungs- und Kontrolleinrichtung, die die strategische Ausrichtung und damit
den Erfolg eines Unternehmens unterstützt und wesentlich effektiver als typische formale
Steuerungs- und Kontrollmechanismen wirkt. Die einzelnen Mechanismen können über
ableitbare Faktoren quantitativ gemessen werden.
Aufbauend auf dieser Theorie von O’Reilly und Chatman4 hat Tabellini sein Koopera-
tionsmodell entwickelt, in dem er davon ausgeht, dass durch Kooperation zwischen den
Mitarbeitern selbst, zwischen Mitarbeitern und Führungskräften, zwischen Abteilungen
etc. Werte und Normen innerhalb von Unternehmen weitergegeben werden. Die positiven
Erfahrungen der Kooperation verstärken und entwickeln diese noch. Kommt es zu keiner
Kooperation – weil es zum Beispiel die Werte und Normen nicht zulassen, so schwächen
sich diese immer mehr ab, bis es zur Auflösung kommt (Guiso et al. 2007/57, S. 3). Im
Rahmen seiner Arbeiten untersucht er Gründe für unterschiedliche wirtschaftliche Ent-
wicklungen verschiedener Länder. Unter Verweis auf die lange Historie in anderen sozia-
len Wissenschaften greift er dabei die Idee des allgemeinen Vertrauens und allgemeiner
Wertvorstellungen auf (Tabellini 2008, S. 258). Damit identifiziert Tabellini Vertrauen als
wesentliche Komponente von Kultur.
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Kreps folgt den Ideen von O’Reilly und Chapman und greift das Kooperationsmodell von
Tabellini auf: Für ihn (1990, zitiert in (Hermalin 2000)) sind es zwei Gründe, warum Öko-
nomen sich mit Unternehmenskultur beschäftigen sollten:
4
Nicht unwesentlich Einfluss hatte dabei auch die Weiterentwicklung des Begriffes „Soziales
Kapital“, dessen gesamtgesellschaftliche Ausprägung ursprünglich von Coleman (1988) und
Putnam (1993) entwickelt wurde; darauf wird hier jedoch nicht weiter eingegangen.
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Kreps geht dabei von folgenden Ansätzen aus (Hermalin 2000, S. 2 ff.):
• Formale Verträge sind kostenintensiv und in vielen Situationen nur bedingt anwendbar.
Sie beinhalten von Anfang an nur Kosten: Kosten um die Vereinbarung zu beobachten
und zu verfolgen und Kosten, um die Vereinbarung auch entsprechend umzusetzen.
Außerdem beinhalten sie oft Klauseln, die entweder ihre Gültigkeit verlieren – zum
Beispiel aufgrund von Gesetzesänderungen – oder die von Anfang an viel zu unspezi-
fisch sind – weil viele Parameter zum Zeitpunkt der Vertragsgestaltung einfach noch
nicht feststehen. Es sind also aus ökonomischer Sicht eigentlich oft nur ungenügende
und unvollständige Verträge möglich.
• Firmen sind „Wiederholungstäter“: Verträge sind nur ein Weg, um Kooperation zwi-
schen Parteien zu erreichen. „Wiederholte Spiele“ ist ein weiterer Weg: Dies ist ein
Begriff aus der sogenannten kooperativen Spieltheorie. Diese entwickelt Lösungs-
ansätze, wie durch gemeinsame Aktivitäten aller Spieler eine faire bzw. stabile Auf-
teilung des Spielergebnisses erzielt werden kann. In der Betriebswirtschaft wird dies
unter anderem in der Gemeinkostenzuordnung eingesetzt. „In einem Spiel in Normal-
form entscheiden sich alle Spieler simultan für eine bestimmte (reine oder gemischte)
Strategie, die im einfachsten Fall aus der Wahl einer einzigen Aktion besteht. (…) Es
ist sicherlich realistisch anzunehmen, dass es oft Fälle gibt, in denen Entscheidungs-
träger nicht nur ein einziges Mal interagieren, sondern immer wieder in der gleichen
oder einer ähnlichen Entscheidungssituation auf einander treffen. (…) Interaktionen
der zuvor beschriebenen Art, bei denen sich Akteure wiederholt in der gleichen Ent-
scheidungssituation gegenüberstehen, werden spieltheoretisch als ‚wiederholte Spiele‘
modelliert“ (Berninghaus et al. 2006, S. 349). Abweichungen eines Spielers in der
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Kooperation können durch andere Spieler in der Zukunft „bestraft“ werden, indem
sie die Kooperation verweigern. Da die zukünftigen Erfolge von dieser Kooperation
abhängig sind, schreckt die mögliche Verweigerung derselben davor ab, sich nicht
kooperativ zu verhalten.
• In vielen Situationen sind „wiederholte Spiele“ wesentlich kostengünstiger als Ver-
träge, um Kooperation zu erreichen. Und oft kommt es vor, dass angestrebte Ergebnisse
durch Verträge nicht abbildbar sind – denn sie sind zwar beobachtbar, aber nicht veri-
fizierbar. Oft ist bekannt, wer sich nicht kooperativ verhalten hat, aber dieses Verhalten
lässt sich selten als Vertragsbruch nachweisen und damit gehen Verträge ins Leere.
• „Multiple Gleichgewichte“ – dies ist ebenfalls ein Begriff aus der Spieltheorie – führen
dazu, dass sich die Spieler untereinander koordinieren müssen. Von einem Gleichge-
wicht wird in der Spieltheorie dann gesprochen, wenn es für keinen Spieler möglich
ist, durch eine alternative Strategie Profit zu machen. Ist dies nicht der Fall, wird
keiner der Spieler einseitig von der gewählten Strategiekonfiguration abweichen –
er wird kooperieren. Nach dem Entdecker dieses Gleichgewichts John Nash wird
auch vom Nash-Gleichgewicht gesprochen. Es kann jedoch vorkommen, dass Spiele
mehr als ein Nash-Gleichgewicht haben. Dies ist für die beteiligten Spieler proble-
matisch, da sie unter Umständen nicht wissen, welche Gleichgewichtsstrategie die
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Die ersten drei Punkte zeigen auf, warum Unternehmenskultur sinnvoll ist, aber sie erklä-
ren sie noch nicht. Viele Ökonomen erklären damit organisatorische Phänomene – aller-
dings Kultur per se beschreiben sie damit nicht. Eine Sicht darauf ermöglichen multiple
Gleichgewichte und unvorhersehbare Eventualitäten (Hermalin 2000, S. 2–4).
Für Kreps (1990, S. 90) stehen dabei Integrität und in weiterer Folge auch Vertrauen als
die wesentlichen Werte im Vordergrund (Erhard et al. 2007, S. 63 ff.). Vertrauen wird als
wesentliche Komponente von Kultur definiert.
Wie in der NBER-Studie (Guiso et al. 2013, S. 5–7) ausgeführt, ist Kultur ein wichtiges
ökonomisches Potenzial für Unternehmen. Der Grund dafür liegt unter anderem darin,
dass Mitarbeiter regelmäßig Entscheidungen zu treffen haben, die grundsätzlich nicht ex
ante geregelt werden können:
In einem Unternehmen, das für seinen ausgezeichneten Kundenservice bekannt ist,
lassen sich Führungskräfte und Mitarbeiter dazu verleiten, ihre Anstrengungen diesbezüg-
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lich zu vernachlässigen. Kundenservice ist schließlich meist mühsam und kostspielig. Die
Wahrscheinlichkeit, dabei „erwischt“ zu werden, ist vor allem bei kleinen Verstößen eher
gering. Diese Vernachlässigungen werden auch nicht sofort auffallen. Es ist kaum über-
prüfbar, dass die Bemühungen um den Kunden nur noch suboptimal sind. Auch die Folgen
eines solchen Verhaltens werden nicht sofort sichtbar. Allerdings bekommen solche Fehl-
verhalten eine gefährliche Eigendynamik und greifen so immer mehr und intensiver um
sich. Selbst wenn die Geschäftsführung dies vorhersehen würde, welche Maßnahmen
soll sie ergreifen? Welche Vorgaben soll sie geben und vor allem, wie sollen sie geprüft
werden? Gerade die kleinen Unaufmerksamkeiten, die geringen Verstöße sind schwer zu
erkennen. Und die Messbarkeit von Kundenreputation ist nicht nur kostspielig, sondern
erst sehr viel später sinnvoll möglich.
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Organisationskultur – Aufbau, Modelle und Messbarkeit49
1. Der Wert muss öffentlich bekannt gemacht werden. Damit werden Mitarbeiter ange-
sprochen, für die diese Werte bereits ebenfalls wichtig sind und die daher gerne in
diesem Unternehmen arbeiten möchten.
2. Das Unternehmen muss klar hinter diesem Wert stehen: Keine sonstige ökonomische
Überlegung darf diesen Wert ausstechen. Nur so wird die Verpflichtung zu den Werten
sichtbar und für die Mitarbeiter erlebbar. Bei einander widersprechenden Werten – so
können Kundenservice als auch Gewinnorientierung wesentliche Werte eines Unter-
nehmens sein – muss entweder eine klare Wertepyramide definiert und gelebt werden,
oder der Widerspruch muss durch entsprechend Entscheidungsbefugte im Einzelfall
entschieden werden. Solche Widersprüche können – im Sinne eines Sowohl-als-auch –
aber auch hilfreich sein, um neue Wege und Prozesse zu entdecken oder als Anstoß zu
einer aktuellen Wertediskussion im Unternehmen führen.
3. Durch Bewerben dieses Wertes wird er als Norm innerhalb des Unternehmens eta-
bliert. Da sich die Durchsetzung sozialer Normen wesentlich von der Durchsetzung
legaler Normen unterscheidet, genügt es, diese eher nur grob zu beschreiben, sodass ein
Verstoß schnell und einfach bemerkbar ist.
Schlussendlich müssen soziale Normen vom System entsprechend rezipiert, das heißt von
der Mehrzahl der Mitarbeiter anerkannt und gelebt werden. Das gilt besonders für die
Geschäftsführung und die Führungskräfte – ganz im Sinne eines „Führen durch Vorbild“
(Guiso et al. 2013, S. 5–7). Spannend in diesem Zusammenhang eine Studie von experteer:
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„Bei der Frage, wie Führungskräfte am meisten Einfluss auf das Engagement ihrer Mit-
arbeiter nehmen können, steht die Wertschätzung ihrer Leistungen an erster Stelle, gefolgt
vom Vorleben der Unternehmenswerte durch die Führungskräfte. (…) Vor allem komplexe
Change-Prozesse erweisen sich als Lackmustest für die Führungskultur. So glauben knapp
zwei Drittel der Befragten, dass gerade in diesen Phasen die Vorbildfunktion der Füh-
rungskräfte auf dem Prüfstand steht“ (Experteer & stadler/heinle/schott/ 2009).
Soziale Normen haben meist eine geringere Vollstreckungsmacht als formale Normen.
Verstöße gegen formale Normen (z. B. Gesetze, Verordnungen, Arbeitsanweisungen)
können zu schwerwiegenden Konsequenzen führen: von Geldstrafen über Arbeitsverlust
bis zu Gefängnis. Die Verletzung sozialer Normen wird weniger „hart“ bestraft – es kann
aber auch zu Ächtung, Ausschluss, Mobbing etc. kommen. Trotzdem sind sie sehr gut
dazu geeignet, moralisches Fehlverhalten – sogenannte „Moral Hazards“ – zu verhindern
oder zumindest zu verringern (Guiso et al. 2013, S. 5–7): „Ex-post bzw. nachvertragli-
cher Opportunismus zwischen Transaktionspartnern führt zu moralischem Fehlverhalten.
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Ursache für dieses Risiko ist eine Kollision der Interessen der Vertragspartner sowie
Hidden Information (versteckte Information) und/oder Hidden Action (versteckte Hand-
lung). Das Problem besteht darin, dass das Verhalten des besser informierten Partners die
Pay-offs (Auszahlungen) des schlechter Informierten beeinflusst. Der schlechter Infor-
mierte kann sich nur unvollständig über das Verhalten des Transaktionspartners informie-
ren bzw. dieses evaluieren. Er hat deshalb einen Anreiz, seine Informationen so einzu-
setzen, dass der Gesamterfolg maximiert wird. Ein Handeln gegen die Interessen seines
Vertragspartners wird durch die Erfolgsbeteiligung unattraktiv. Die Informationsasymme-
trie zu beseitigen (z. B. durch Überwachung) ist meist ineffizient, weil die notwendigen
Informationsbeschaffungskosten des schlechter informierten Partners teurer sind als die
Implementierung eines Anreizsystems“ (Erlei und Szczutkowski 2014).
Dieses Fehlverhalten kann in Unternehmen auf zwei Ebenen auftreten (Guiso et al.
2013, S. 5–7):
• Einerseits auf der Ebene der Geschäftsführung und der Führungskräfte: ihr Verspre-
chen, die Investitionen der Mitarbeiter in das Unternehmen – wie zum Beispiel Einbrin-
gung eigener Ideen, zusätzliche, unbezahlte Arbeitszeit, Engagement – entsprechend
zu entlohnen, halten sie oft nur teilweise oder gar nicht (Shleifer und Summers 1991).
• Andererseits sind die Anstrengungen und Bemühungen der Mitarbeiter oft nur teil-
weise vorhanden. Sie sehen weder die Vorteile für die Organisation noch die für sich
selbst. Dies wird vor allem durch zu geringe Wertschätzung seitens der Führungskräfte,
aber auch durch nicht effektive formale Kontrollen und damit dem Einsatz von falschen
Belohnungssystemen hervorgerufen.
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Ein möglicher Wert, der in diesem Zusammenhang hilfreich ist, ist die „Handschlagquali-
tät“: In einer Kultur, in der man darauf vertrauen kann, dass Zusagen von Führungskräften
auch eingehalten werden, werden auch die Vorteile für entsprechenden Einsatz und Enga-
gement seitens der Mitarbeiter erkannt und damit als entsprechende Norm etabliert (Guiso
et al. 2013, S. 5–7):
Das Wissen, dass ein Bruch dieses Vertrauens zu einem Verstoß gegen die Normen des
Unternehmens führt, lässt einerseits Management und Führungskräfte nur sehr ungern
opportunistisch handeln. Andererseits sind Mitarbeiter wesentlich motivierter, Engage-
ment und Einsatz für das Unternehmen einzubringen. Dies ist auch eine mögliche Erklä-
rung dafür, warum Unternehmen, in denen Vertrauen gut ausgeprägt ist, Krisen schneller
und besser überstehen als andere: Können Mitarbeiter darauf vertrauen, dass die krisenbe-
dingten Maßnahmen tatsächlich notwendig und zum Wohle des gesamten Unternehmens
sind, so tragen sie diese besser mit. Sie sind weiterhin motiviert und mit Engagement
dabei. Wesentlich ist dabei die „Ehrlichkeit“ der Unternehmensführung: So müssen Ein-
sparungen und Verzicht auch für das Management und die Unternehmensführung gelten.
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Organisationskultur – Aufbau, Modelle und Messbarkeit51
Zusammenfassend kann daher gesagt werden, dass es unbestritten ist, dass Unterneh-
menskultur wesentlich zum Erfolg eines Unternehmens beiträgt. Der Einfluss auf den
Unternehmenserfolg kann allerdings auch negativ sein, abhängig davon, ob eine Kultur
etabliert ist, die die Strategie und Ausrichtung des Unternehmens eher fördert oder behin-
dert. Unternehmenskultur per se ist diesbezüglich wertfrei zu betrachten.
Sackmann ergänzte Scheins Modell durch weitere Kategorien: die der Verhaltensnormen,
der gelebten und gezeigten Werte (Abb. 1) (Sackmann 2002).
Letztere werden nach außen präsentiert, aber nicht unbedingt gelebt. Unternehmensleit-
bilder gehören zum Beispiel oft in diese Kategorie.
Unter Verhaltensnormen versteht Sackmann die aus den Werten und Artefakten im
Lauf der Zeit im Unternehmen entwickelten Formen, wie Werte kommuniziert und gelebt
werden – eben „so, wie man es bei uns macht“. Sie werden als „Standards“ für gutes und
richtiges Verhalten an die Mitarbeiter und Führungskräfte meist nur mündlich weitergege-
ben (Sackmann 2004).
Sackmann war auch die erste, die für die Unternehmenskultur das Eisbergmodell – basie-
rend auf der Idee von Sigmund Freud und dem Bild von Schein – verwendet hat (Abb. 2).
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Abb. 1 Elemente der Unternehmenskultur laut Sonja Sackmann 2000 aufbauend auf Schein
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Abb. 3 Gegenläufigkeit von Sichtbarkeit und Einfluss der Elemente der Unternehmenskultur
Daraus ergibt sich für die „Arbeit“ mit Unternehmenskultur eine klare Gegenläufigkeit:
Während die Ebenen oberhalb des „Wasserspiegels“ relativ leicht erkennbar und sicht-
bar sind, sind die Ebenen unterhalb zwar immer schlechter sicht- und erkennbar, nehmen
jedoch an Wichtigkeit in Bezug auf den Einfluss auf Unternehmenskultur stark zu (Abb. 3).
Interventionen auf der Ebene der Artefakte und Verhaltensnormen werden daher wesent-
lich weniger Auswirkungen auf die Unternehmenskultur haben als Interventionen auf der
Ebene der gelebten Werte.
Oft gibt es nicht unwesentliche Spannungen zwischen den Ebenen der gezeigten und
der gelebten Werte: Weichen zum Beispiel Leitbilder in wichtigen Punkten wesentlich von
der „gelebten Realität“ ab, so kann dadurch die bestehende Unternehmenskultur kaum
mehr gesteuert verändert werden.
Die am wenigsten „zugängliche“ – aber mit der meisten Wirkungskraft ausgestat-
tete – Ebene der Annahmen ist nur durch intensives Sichauseinandersetzen mit den geleb-
ten Werten erkenn- und erforschbar. Interventionen auf dieser Ebene sind meist nicht
machbar – eine schrittweise Veränderung der Annahmen – und damit ein fundamentaler
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Change der Unternehmenskultur – kann nur über die Ebene der gelebten Werte erfolgen!
8 Weitere Modellansätze
Auch Hatch (1997) hat das Dreiebenenmodell von Schein weiterentwickelt: Dabei geht es
ihr jedoch mehr um die kulturelle Dynamik, die aus dem Dreiebenenmodell resultiert. Sie
betrachtet daher vor allem die verbindenden Prozesse zueinander. Dabei beschreibt sie die
Entstehung von Interpretationen und Symbolen Schritt für Schritt sehr detailliert, sodass
das Modell gut als Interventions- als auch als Analyseinstrument genutzt werden kann.
Hofstede (2001) hat Unternehmenskultur als eine Art „Software des Gehirns” definiert.
Er geht davon aus, dass Kultur ein kollektives Phänomen ist, an dem immer eine Anzahl
Menschen mit ihren Identitäten, Erfahrungen und Wertvorstellungen beteiligt sind und
sich daher der gemeinschaftliche Prozess der „Kulturentwicklung" ständig fortschreibt.
Hofstede veranschaulicht den Kulturbegriff mit dem Bild einer Zwiebel mit vier Schich-
ten. Bekannt wurden auch seine Untersuchungen über die Kultur beim internationalen
Konzern IBM, die er über mehrere Jahre hinweg beobachtet und beschrieben hat.
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Organisationskultur – Aufbau, Modelle und Messbarkeit53
Mit den drei harten Faktoren „Strategy, Structure & Systems“ sowie den vier weichen
Faktoren „Shared Values, Skills, Staff und Style“ beschreiben Peters und Waterman ihr
7-S-Modell (1983) und gehen dabei über die Grenzen der „reinen“ Unternehmenskultur
weit hinaus: Dieses vom Beratungshaus McKinsey entwickelte Modell ermöglicht einen
gesamtheitlichen und umfassenden Blick auf Organisationen und macht es für die Dia-
gnose und die Planung von Interventionen im Rahmen von Kulturwandelprojekten sehr
wertvoll. Sie zeigen auf, dass die Konzentration bei der Optimierung von internen Prozes-
sen ausschließlich auf harte Faktoren – Strategie, Strukturen und Systeme – maßgeblich
den Erfolg des Unternehmens gefährdet, wenn nicht im gleichen Maße die weichen Fak-
toren – Unternehmenskultur, Menschen, Fähigkeiten, Visionen – berücksichtigt werden.
Es gibt noch viele weitere Ansätze, Organisationskultur zu erklären. Die meisten kon-
zentrieren sich dabei jedoch vor allem auf einzelne Aspekte und Dimensionen, wie zum
Beispiel Vertrauen, Führungsstil etc., und gehen in diesen Bereichen mehr in die Tiefe.
Allgemeine Modelle werden dabei jedoch „nicht wirklich“ entwickelt. Auch in den oben
angeführten Modellen lassen sich viele Gemeinsamkeiten erkennen.
9 Unternehmenskultur messen
Einer der Gründe, warum einzelne Aspekte und Dimensionen von Organisationskultur
teilweise sehr intensiv untersucht werden und wurden, ist der Versuch, Organisationskul-
tur messbar und damit vergleichbar zu machen.
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Der Großteil der bisher vorliegenden empirischen Studien weist auf einen Zusammen-
hang zwischen Unternehmenskultur und Unternehmenserfolg hin. Die Annahme ist, dass
hohe Unternehmenskultur eine Ursache für hohen Unternehmenserfolg sein kann. Empi-
risch ist dies jedoch nicht eindeutig nachweisbar (Baetge 2006, S. 32). Außerdem hat
bereits Schein (2010, S. 176–177) darauf hingewiesen, dass Unternehmenskultur nicht nur
positive Auswirkungen auf das Unternehmen haben kann. Daher sind Begriffe wie „hohe“
oder „starke“ Unternehmenskultur schon wegen der damit indirekt verbundenen Wertung
nicht sehr hilfreich.
Des Weiteren wird in den meisten Kulturmodellen die Möglichkeit der Messbarkeit
grundsätzlich in Frage gestellt. Ohne hier weiter auf Mess- und Testtheorie in sozialen Syste-
men einzugehen, wird bereits in der Definition von „Messen“ klar, worin das Problem liegt:
Im Gegensatz zu Messen im engeren Sinn, das zum Beispiel in der Physik zur Anwendung
kommt, gibt es in den Sozialwissenschaften keine allgemein verbindlichen Definitionen von
Maßeinheiten wie zum Beispiel Meter oder Kilogramm. Daher wird in den Sozialwissen-
schaften ein weiter gefasster Begriff von Messen verwendet: Messen ist „die Zuordnung
von Zahlen zu Objekten oder Ereignissen entsprechend bestimmter Regeln“ (Stevens 1946).
Um Unternehmenskultur per se messen zu können, müssen daher alle wesentlichen
Objekte und Ereignisse vorab definiert und bekannt sein. Genau das ist aber laut Schein
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(2010, S. 69 ff.) und auch Cremer (1993, S. 11–12) aufgrund der hohen Individualität der
Organisationen nicht möglich.
Beschränkt man sich auf bestimmte Eigenschaften von Unternehmenskultur, so können
diese sehr wohl gemessen werden. Ob allerdings dabei die wesentlichen Regeln für Mes-
sungen (Ebermann 2010, S. 20)
eingehalten werden, ist im Einzelfall zu beurteilen. Keine Aussagen können über die Voll-
ständigkeit – im Sinne von Gesamtheit der Unternehmenskultur – und die Wichtigkeit der
Eigenschaften für das zu untersuchende Unternehmen sowie die Beziehung der Eigen-
schaften untereinander getroffen werden.
9.2 Messinstrumente
• KUK – Kurzskala zur Erfassung der Unternehmenskultur – „fokussiert auf die Einstu-
fung der Kultur des eigenen Unternehmens und eines anderen Unternehmens durch die
Mitarbeiter, wie dies z. B. im Fall von Fusionen von Bedeutung ist. Ihre vier Dimensio-
nen (Strategie, Struktur, Führung und Zusammenarbeit) werden anhand eines bündigen
Inventars von 15 Merkmalen erfasst (…) Im interorganisationalen Vergleich diskrimi-
niert die KUK gut zwischen verschiedenen Unternehmen“ (PsyDok 2017).
• FEO – Fragebogen zur Erfassung des Organisationsklimas – „erfasst mit 12 Skalen
folgende Dimensionen des Organisationsklimas: Vorgesetztenverhalten, Kollegiali-
tät, Bewertung der Arbeit, Arbeitsbelastung, Organisation, berufliche Perspektiven,
Entgelt, Handlungsraum, Einstellung zum Unternehmen, Interessenvertretung, Mit-
arbeiterbewertung. Die Skalen sind teils Fremdbeurteilungsskalen (z. B. Vorgesetzter,
Mitarbeiterbewertung), teils Selbstbeurteilungsskalen (z. B. Arbeitsbelastung). Dem
FEO liegt das Zweifaktorenmodell des Führungsverhaltens (Consideration and Initi-
ating Structure) zugrunde“ (testzentrale 2017).
• MIO – Modulares Inventar zur Mitarbeiterzufriedenheit und Organisationsklima –,
bei dem „die Mitarbeiterzufriedenheit nicht nur durch die Rahmenbedingungen der
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Organisationskultur – Aufbau, Modelle und Messbarkeit55
Tätigkeit, sondern auch durch die Persönlichkeit des Befragten und das wahrgenom-
mene Organisationsklima bestimmt wird. In der Forschung wurden Arbeitszufrieden-
heit, Organisationsklima und Persönlichkeit bislang strikt voneinander abgegrenzt und
mit Hilfe separater Testverfahren operationalisiert. Es ist jedoch fraglich, ob diese
Trennung dem Alltagsverständnis der Mitarbeiter entspricht. Daher wurde das BIMO
entwickelt, um Aspekte der klassischen Arbeitszufriedenheit, des Organisationskli-
mas und ausgewählte Persönlichkeitsdimensionen in einem Verfahren zu erfassen und
adäquat zu beschreiben“ (Ruhruniversität Bochum 2017).
• CA – Culture Assessment –, ein vom Unternehmensberater Ernst & Young entwickel-
tes Werkzeug, um „to help you analyse culture, identify improvements and streamline
change“ mit dem Schwerpunkten „leadership, political, performance, social and opera-
tional architecture“ (Ernst & Young LLP 2016).
• OCI – Organizational Culture Inventory – „misst Verhaltensnormen und Erwartungen,
die einen wohldokumentierten Einfluss (positiv sowie negativ) auf Leistung haben und
bietet ein reliables und valides Maß für Kultur – welches klar zwischen Organisations-
kultur und Unternehmensklima als distinkte dennoch zusammenhängende organisatio-
nale Variablen unterscheidet“ (Human synergistics 2017).
• DOCS – Denison Organizational Culture Survey – ist eine „Fragebogen-Methode zur
Messung und Darstellung von Unternehmenskultur (…) Sie wurde entwickelt, um zu
analysieren und zu beschreiben, welche kulturellen Faktoren einen Einfluss auf Leis-
tung und Effektivität eines Unternehmens haben. Das Modell misst vier Faktoren:
Mission, Konsistenz, Einbindung und Anpassungsfähigkeit. Jeder dieser Faktoren kann
als ein Code, eine Logik und ein System aus strukturierten Verhaltensweisen definiert
werden, der oder die sich in der Evolution des Unternehmens bewährt hat und somit als
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Diese individuellen Messsysteme werden vor allem als Möglichkeit gesehen, bestimmte
Dimensionen (z. B. Vertrauen) nach vorab definierten Kriterien und festgelegten Mess-
verfahren über einen Zeitraum hinweg innerhalb der Organisation zu beobachten und die
Wirksamkeit von Interventionen zu betrachten.
Auf diese Art und Weise können nicht nur bewusst initiierte Veränderungsprozesse,
sondern auch Auswirkungen von Merger, Verkäufen etc. beobachtet und validiert werden.
10 Herausforderung Unternehmenskultur
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Kultur in Organisationen und Unternehmen sind nicht vergleichbar, aber alle bisherigen
Studien zeigen: „Unternehmenskultur ist subtil, aber sehr wirksam! So zeigen z. B. vier
von Wilms (2003) vorgestellte Studien, dass kulturelle Aspekte wie Vertrauen zwischen
Führung und Mitarbeitern, Wertschätzung, Selbstbestimmung, Integrität, Mitarbeiterzu-
friedenheit, Respekt und Fairness zu einer (langfristig) besseren finanziellen Performance
von Unternehmen führen. Und Baum (2009) trug sogar mehr als 50 Studien zusammen,
die diverse Hinweise darauf liefern, dass bestimmte Elemente und Ausprägungen von
Unternehmenskultur Einfluss auf die ‚harten Unternehmenskennzahlen‘ wie Rentabilität,
Umsatzrendite, Gesamtkapitalrendite, Eigenkapitalrendite, aber auch auf die Performance
des einzelnen Mitarbeiters haben“ (Schmidtborn und Königswieser 2017).
Es ist daher für Führungskräfte essenziell, sich mit diesem Thema intensiv ausein-
anderzusetzen. Im Rahmen des HR-REPORT 2016 von Hays (2017) – einer jährlichen
Onlinebefragung von über 500 Führungskräften und Mitarbeitern aus Unternehmen und
Organisationen unterschiedlicher Branchen und Größen in Deutschland, Österreich und
der Schweiz – ist die Weiterentwicklung der Unternehmenskultur das wichtigste Thema.
Und um genau diese Weiterentwicklung geht es: Wie anhand der verschiedenen Modelle
in diesem Beitrag gezeigt wird, ist Kultur in jedem Unternehmen vorhanden – wenn auch
sehr unterschiedlich ausgeprägt. Schein verweist allerdings darauf, dass Kultur nicht nur
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Organisationskultur – Aufbau, Modelle und Messbarkeit57
förderlich für die Ziele einer Organisation sein kann, sondern auch hemmend. Es ist daher
notwendig, Unternehmenskultur zu gestalten und zu formen.
Um eine solide Ausgangsbasis für diesen Gestaltungsprozess zu schaffen, muss die
Organisationskultur zuerst entsprechend analysiert und erarbeitet werden. Dafür können
auch die verschiedenen Messinstrumente, die im Laufe der letzten Jahre entwickelt
wurden, verwendet werden. Diese Instrumente können auch für eine Fortschrittskontrolle
wiederholt herangezogen werden. Immer muss jedoch bewusst sein, dass damit nur ein
Teilbereich der eigentlichen Kultur betrachtet und gemessen werden kann.
Die Herausforderung liegt also darin, den oder die richtigen Ausschnitte auszuwählen.
Dazu bedarf es entsprechender Erfahrung und Wissen und meistens auch den „Blick von
außen“. Die Veränderung der Kultur selbst ist ein längerer dynamischer Prozess, der im
Idealfall auf der Ebene der Werte und Annahmen aufsetzt und sich in den Handlungsmus-
tern und Verhalten der Mitarbeiter widerspiegelt.
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Unternehmenskultur wahrnehmen –
gestalten – evaluieren: Ein Trialog
Zusammenfassung
Unternehmenskultur sei ein „emergentes Phänomen,“ heißt es immer wieder. Wir sagen
ja, aber: Unternehmenskultur ist kein Wunder der Natur. Sie zu gestalten ist herausfor-
dernd, aber lohnend. Wie kann man Unternehmenskultur konkret gestalten? Welche
verschiedenen Ansätze existieren dazu? Was sind die dafür nötigen Grundannahmen
und Voraussetzungen? Wie und woran kann man die Auswirkungen erkennen? Und
welche verschiedenen Aspekte sind dabei zu erwägen? All das wird in diesem Beitrag
durch die drei Autoren in einem „Trialog“ entwickelt, beleuchtet und „fotografiert“.
Der Film aber geht weiter – das soll schon durch diese besondere Art der Darstellung
gezeigt werden.
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C. Ettl (*)
Institut für System und Werte, Franz- Josefs- Kai 15/9, 1010 Wien, Österreich
e-mail: che@system-und-werte.at
N. Harramach
Harramach & Velickovic, Stubenring 24, A-1010 Wien, Österreich
e-mail: office@harramach.com
E. Hirnschal
hirnschal – Unternehmensberatung | Lebensberatung, Am Fuchsenfeld 3/36/3 1120 Wien,
Österreich
e-mail: office@hirnschal.at
Niki: Die Unternehmenskultur ist die informelle Seite der Organisation. Sie ist die Summe
der Regeln, nach denen die Organisationsmitglieder grundsätzlich ihr tatsächliches Ver-
halten ausrichten.
Die Unternehmenskultur ist grundsätzlich nicht verschriftlicht, sondern gelebt. Aus
diesem Grund wirkt sie stärker als die formelle Seite der Organisation – mit ihren Pro-
grammen und Strukturen. Unternehmenskultur gibt es nur als Tatsache.
Christian: Sie beeinflusst außerdem nicht nur Art und Weise wie gearbeitet wird,
sondern auch wie und welche Entscheidungen, Planungen, Budgets und auch Strategien
und Taktiken, die im Unternehmen getroffen werden. Das gilt ganz besonders für die Stra-
tegie der Organisation! Daher wirkt sie zumindest indirekt auch auf die formale Seite der
Organisation.
Trotzdem würde ich Unternehmenskultur weiter fassen: Es sind nicht nur die Regeln,
sondern auch und vor allem die dahinterliegenden Werte und Annahmen sowie die Erfah-
rungen, die Organisationen bereits gemacht haben. Die Regeln sind daher Teil der Art und
Weise wie sich Unternehmenskultur manifestiert. Dazu gehören aber auch noch Verhaltens-
weisen, die Art, wie eine Organisation – sichtbar und unsichtbar – nach außen auftritt, die
Logos, der ganze Bereich der Corporate Identity und vieles mehr (Schein 2010, S. 33 ff.).
Ernst: Unternehmenskultur ist das Ergebnis eines gemeinsamen Lernprozesses über
Werte, Überzeugungen und Annahmen, die den Mitarbeitern nicht mehr bewusst sind,
weil sie selbstverständlich wurden (Schein 2010, S. 35). Dabei verstehe ich Lernen in
einem umfassenden Sinn als das Resultat von Erfahrungen (Lefrançois 2006, S. 6).
Niki: Für Teile der Unternehmenskultur gilt das, für andere Teile nicht. Wie für Gesell-
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schaftskultur auch. Kopfnicken geht bei uns schon unbewusst. Wer wem zuerst vorgestellt
wird, da muss man manchmal schnell überlegen. Was man in einem Gespräch sagen und
eventuell nicht sagen sollte, erfordert oft bewusste Überlegungen. Die Unbewusstheit ist
keine Bedingung für Unternehmenskultur.
Ernst: Ich habe keinerlei Bedingungen für Unternehmenskultur genannt – es war nur
ein wichtiger Aspekt, der seine Beachtung verdient, wenn man nicht in die Falle tappen
will, bei einer Änderung der Kultur etwas zu übersehen, was nicht auf den ersten Blick
offensichtlich ist. Als Indiz dafür, dass diese Tatsache noch nicht verankertes Allgemeingut
darstellt, können die unzähligen existierenden Hochglanzbroschüren dienen, in denen die
– angebliche – Unternehmenskultur in schillernden Farben dargestellt wird. In eine ähnli-
che Kategorie fällt dabei ein Verständnis, das sich daran orientiert, weil das Unternehmen
heute existiert, ist das gleichzeitig der Beweis dafür, dass alles richtig gemacht wurde,
denn sonst würde es schon längst nicht mehr existieren – Erfolg ersetzt alle Argumente.
Wenn wir über Unternehmenskultur sprechen, dann müssen wir gleichzeitig auch die
Frage stellen, ob es – vor allem in großen Unternehmen – DIE eine gemeinsame Kultur
gibt, oder gilt es nicht auch, eine Reihe von Subkulturen in den Blick zu nehmen?
Niki: Von der Definition können wir`s weiter fassen. Mir geht’s ohnehin nur darum, wie
sich Unternehmenskultur manifestiert. Und das geschieht nicht in Form der Regeln und/
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Unternehmenskultur wahrnehmen – gestalten – evaluieren: Ein Trialog63
oder Kulturnormen. Die sind ja unsichtbar. So wie die Regel, Älteren/Frauen den Vortritt
zu lassen, unsichtbar, außer jemand schreibt ein Knigge-Buch darüber. Die Manifestation
geschieht allein durch das Verhalten – wie du, Christian, ja auch schreibst. Wie eine Orga-
nisation auftritt, wie sie sich verhält, ist immer sichtbar.
Niki: Die Unternehmenskultur wirkt über das Verhalten der Organisationsmitglieder. Weil
sie sich im Verhalten der Mitglieder manifestiert, ist die Unternehmenskultur jedenfalls
gestaltbar.
Ernst: Um die Gestaltung überhaupt möglich zu machen, muss es jemanden geben,
der in der Lage ist, Unternehmenskultur aus einer Metaperspektive wahrzunehmen. Das
ist eine Voraussetzung, um die eigene Unternehmenskultur zu verstehen und diese dann
gestalten zu können. Schmidt (2005, S. 210 ff.) sieht dazu zwei wesentliche Grundannah-
men als hilfreiche Voraussetzungen:
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können und dürfen uns bei der Erforschung der Unternehmenskultur nicht nur auf das
verlassen, was wir konkret wahrnehmen, sondern versuchen, die Hintergründe, Ursachen
etc. zu entdecken. Und dazu können wir Werkzeuge entwickeln, ähnlich denen, die die
moderne Medizin heute bei uns einsetzt, und damit Dinge wahrnehmbar machen, die uns
sonst verborgen geblieben wären.
Ernst: Ich wiederhole an dieser Stelle noch einmal die Frage „Wie weit geht wahr-
nehmbar?“ Wenn wir durch den Fortschritt der technischen Unterstützung, wie etwa ein
MRT, unser Wahrnehmungsspektrum erweitern, sollte das zur Wahrnehmung zählen.
Auch wenn es im ersten Moment so erscheint, als wäre plötzlich Unsichtbares aufge-
taucht. Ähnliches gilt für mich, wenn es sich um die Erweiterung des Methodenspektrums
handelt. So lassen sich mittels Organisationsaufstellungen Dinge wahrnehmbar machen,
die erst mithilfe dieser Methode zugänglich werden.
Niki: Jetzt sind wir beim Kern unserer Auseinandersetzung. Oder anders gesagt: beim
Unterschied unserer Ansätze. Ich bin als pragmatisch orientierter Berater strikt dafür, nur
an der Oberfläche zu bleiben. Ich bin Gestalter, nicht Analytiker. Aber ich respektiere auch
andere Ansätze. Schön, dass wir trialogisieren.
Ernst: Dann setzte ich noch eins drauf. Wenn sich Unternehmenskultur durch Wahr-
nehmung erschließt, dann kann dies von innen – durch Selbstbeobachtung – oder von
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Unternehmenskultur wahrnehmen – gestalten – evaluieren: Ein Trialog65
außen zum Beispiel durch Berater- oder Fremdbeobachtung erfolgen und sich daher auch
ganz wesentlich unterscheiden. Daraus folgt, dass Probleme, auf die ein Unternehmensbe-
rater aufmerksam macht, erst in die Selbstbeobachtung eines Unternehmens übernommen
werden müssen, ehe sie als Probleme beobachtet und behandelt werden können (Schmidt
2005, S. 220).
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schlechten Nachricht aus der „Gefahrenzone“ kommt. Damit kann die ganze Kraft in die
Gestaltung der Veränderung fließen (Schein 2010).
Niki: Jede Änderung heißt: im Gegensatz zum gegeben Zustand, also zum Ist-Stand.
VOR jeglicher Änderung ist daher der Ist-Stand der Unternehmenskultur zu erheben.
Ernst: Welche „Kultur“? – was ist mit vielen unterschiedlichen Subkulturen? Darf,
soll, muss zum Beispiel der Vertrieb eine andere Kultur haben als die Entwicklungsabtei-
lung? Erst wenn diese grundsätzliche Frage geklärt ist, dann können die weiteren Schritte
erfolgen.
Niki: Die Kultur des „Fokalsystems“. Vor jeder Intervention in die Unternehmenskultur
ist zu definieren, welches System gemeint ist. Beispiel Krankenhaus: Ist es die Kultur
einer Station oder der gesamten Abteilung oder des ganzen Hauses oder nur die des Füh-
rungsteams des Krankenhauses? Wer gehört dazu, wer nicht? Was sind Subsysteme, was
Suprasysteme? Das ist tatsächlich eine für Kulturarbeit entscheidende Frage. Und ihre
Beantwortung ist stets schwierig. Haben wir es doch immer mit Interferenzen der ver-
schiedenen Systemebenen miteinander/ineinander zu tun.
Christian: Genau – es ist wesentlich, das im Fokus der Arbeit stehende System zu
erkennen und zu beschreiben und damit die entsprechende Unternehmenskultur abzu-
grenzen. Allerdings gib es Einflüsse von den Unternehmenskulturen der Subsysteme und
der Suprasysteme. Um beim Beispiel Krankenhaus zu bleiben: Die Unternehmenskultur
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Unternehmenskultur wahrnehmen – gestalten – evaluieren: Ein Trialog67
der Station wird geprägt von der Unternehmenskultur der Abteilung. Gleichzeitigt prägen
aber die Unternehmenskulturen der Stationen die Unternehmenskultur der Abteilungen –
und so fort. Es geht hier also um dynamische Prozesse, die sich gegenseitig beeinflussen
und voneinander abhängig sind. Wobei die Frage nach dem Anfang müßig und daher rein
akademisch ist – denn der ist gesetzt, lange bevor jede Unternehmenskulturdiskussion
überhaupt ins Spiel kommt. Es ist ein typisches Henne-Ei-Problem.
Niki: Dem Stimme ich zu. Allerdings beginnen viele Organisationen damit, eine ange-
strebte Unternehmenskultur aufzuschreiben, bevor sie den gegenwärtigen Stand feststel-
len, geschweige denn evaluieren. Aber es gilt:
1. Der gegenwärtige Stand ist immer feststellbar, weil – siehe oben – Unternehmenskultur
nur insoweit relevant und daher interessant ist, insoweit sie sich im wahrnehmbaren
Verhalten der Organisationsmitglieder zeigt.
2. Die Unternehmenskultur kann als gelebte Verhaltensdimensionen nur sehr wenig durch
Verschriftlichungen – wie zum Beispiel durch Leitbilder – beeinflusst werden.
Christian: Allerdings ist ein solcher Prozess eine nicht unwesentliche Intervention ins
System und wird daher auch die Unternehmenskultur beeinflussen.
Niki: Trotzdem ist zuerst der Ist-Stand festzustellen und dann erst die Diskrepanz zum
angestrebten Soll festzustellen. Ich empfehle erst dann mit Änderungsversuchen zu starten.
3. Es könnte sein, dass die bestehende Unternehmenskultur in vielleicht sogar großen
Teilen ohnehin der gewünschten Kultur entspricht. Daher muss
4. der Ist-Stand nicht nur festgestellt, sondern seine Stärken und Schwächen evaluiert
werden.
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Evaluation der Kultur hat also nicht erst am Ende, sondern schon am Anfang des Ver-
änderungsprozesses stattzufinden! Erst nachdem der Ist-Stand der Unternehmenskultur
erhoben und evaluiert ist, kann eine Diskrepanzanalyse durchgeführt werden, also der
Unterschied zwischen dem gegenwärtigen Ist-Stand und dem angestrebten Soll-Stand
festgestellt werden. Und erst demgemäß können sinnvolle Schritte zur gewollten Ände-
rung der Unternehmenskultur geplant und gesetzt werden. Dabei ist zu beachten, dass
die Veränderung der informellen Seite der Organisation mehr Aufwand erfordert als die
Veränderung der formellen Seite. Das bedeutet, es ist leichter, formelle Regeln wie Pro-
gramme und Strukturen zu ändern. Im Zweifel sollte also die formelle Seite der informel-
len angepasst werden und nicht umgekehrt!
Ernst: Da liegt für mich ein Widerspruch – ich dachte der Ausgangspunkt ist der
Wunsch, die Unternehmenskultur zu verändern. Ich verstehe diese Aussage (überspitzt
ausgedrückt) so, wie die Geschichte vom Betrunkenen, der unter der Laterne seinen ver-
lorenen Schlüssel sucht, weil es dort heller ist.
Niki: Ja, der Ausgangspunkt wird immer sein, die Kultur zu gestalten. Ich sage aus-
drücklich gestalten statt verändern. Immer öfter geht es in turbulenten Zeiten um – zumin-
dest partielles – Bewahren. Aber um auf deinen Einwand zurückzukommen: Nicht selten
wird man im Zuge einer Kulturarbeit darauf kommen, dass Aspekte der gelebten Kultur
erfolgversprechender sind als Teile der formellen Programme und Strukturen. Das nenne
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ich einen Glücksfall, weil dadurch Organisationsentwicklung einfacher wird. Ich meine
damit: Der Erkenntnis, dass manchmal die bestehende Unternehmenskultur den „lead“
hat, muss auch eine Chance gegeben werden. Und um in deinem Bild zu bleiben: Manch-
mal suchen die Beteiligten die Chancen für den Change nur im Kulturwandel – beson-
ders dann, wenn sie von Kulturberatern dazu angestiftet werden. Das heißt, wenn nur die
Unternehmenskultur beleuchtet wird.
Christian: Hier fällt mir Steve de Shazer ein: „Repariere nichts, was nicht kaputt ist“
(2008) – eine Ist- Analyse ist also immer notwendig – schon alleine deshalb, um entspre-
chende Interventionen planen zu können. Und sie wird immer wieder wiederholt werden
müssen – im Sinne der bekannten Interventionsspirale von Königswieser (Königswieser
und Hillebrand 2009). Nichtsdestotrotz: Unternehmenskultur bedarf einer permanenten
Beobachtung und Steuerung durch das hoffentlich verantwortungsbewusste Management.
Da die Auswirkungen so stark sind und Unternehmenskultur eine wichtige Ressource
und Wettbewerbsfaktor ist, muss sie genauso wie Finanzen, Lieferanten etc. betreut und
gesteuert werden.
Niki: Gestaltbar ist die Unternehmenskultur jedenfalls – auch ganz gezielt und nicht nur
irgendwie schicksalshaft – was durch den emergenten Charakter der Unternehmenskultur
suggeriert werden könnte. Eine mögliche Gestaltung wäre, die formelle Seite anzupassen
und eher Verbote als Gebote formulieren! Auf jeden Fall müssen Konsequenzen exekutiert
werden.
Christian: Hier sehe ich viele weitere Gestaltungsmöglichkeiten in konkreter Werte-
arbeit. In der Analyse kann die Frage nach den vorhandenen Werten genauso erarbeitet
werden, wie die, wie diese ausgestaltet werden. Und in der Zieldefinition geht es doch
vor allem darum, welche Werte wir behalten möchten, welche wir umgestalten müssen,
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welche wir nicht mehr wollen, welche neuen Werte wir wollen und wie sie ausgestaltet
sein sollen. In der Umsetzungsplanung werden natürlich Verhalten angesprochen – und
diese müssen oft auch verändert werden. Aber nicht durch par ordre du mufti, sondern
durch einen gemeinsamen Entwicklungsprozess.
Grundsätzlich kann solche Arbeit nicht „top down“ gemacht werden. Natürlich ist es
wichtig, dass das Management eine Vorstellung davon hat, wohin „die Reise gehen soll“.
Aber durch einen klar trukturierten Top-Down-Bottom-Up-Dialogansatz ist der Prozess
wesentlich effektiver und effizienter.
Ernst: Ich bin der gleichen Meinung und möchte noch ergänzen, dass folgende Frage-
stellungen dabei besonders beachtet werden müssen:
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Unternehmenskultur wahrnehmen – gestalten – evaluieren: Ein Trialog69
Schon die Fragen selbst und die inhaltliche Auseinandersetzung damit konstituieren
Kultur. Besonders bereichernd für eine umfassende Behandlung erachte ich die Verknüp-
fung von was und wie bei den ersten drei Fragen.
Niki: Aber die „Nukleusstrategie“ ist doch in der Praxis am wirksamsten, oder? Klar
ist: Der Nukleus braucht Schutz von oben.
Christian: Was verstehst du hier unter Nukleusstrategie?
Niki: Unter Nukleusstrategie verstehe ich, dass sich irgendwo in der Organisation eine
progressive Keimzelle bildet, in der eine neue Kultur etabliert wird. So wird zum Bei-
spiel in einer Abteilung versucht, rotierende Expertenführung einzufühlen. Solche Nuklei
sollten vom Topmanagement identifiziert und vor Anfeindungen geschützt werden, sodass
sich in ihnen der progressive Bazillus gut einnisten kann. In weiterer Folge kann von
dieser Keimzelle aus eine positive Infektion anderer Organisationsteile, schlussendlich
der ganzen Organisation stattfinden. Einige solcher „Seuchen“ habe ich schon erlebt und
auch unterstützen dürfen.
Christian: Über Verbote würde ich eher weniger arbeiten: Denn ich kann nicht alles,
was ich vielleicht einmal in der nächsten Zukunft nicht will, im Vorhinein verbieten. (So
ist es zum Beispiel eigentlich unmöglich, einen Katalog aufzustellen, was ich im Falle von
Kundenorientierung nicht tun darf.)
Niki: Dem stimme ich nicht zu. Zur Kundenorientierung kann man zum Beispiel
das Verbot aufstellen: Du darfst zu Kunden nicht unhöflich sein. Und es ist einfacher,
Übertretungen dieses Verbots zu kontrollieren als die Einhaltung des Gebots der Höf-
lichkeit (Harramach und Prazak 2014).
Christian: Ja, aber nicht unhöflich sein ist leider noch lange nicht höflich sein!
Niki: Stimmt. Aber es ist besser, zuerst einmal wenigstens nicht unhöflich zu sein.
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Christian: Wesentlich ist für mich die Herausbildung eines gemeinsamen Verständnis-
ses: Was verstehen wir heute und hier bei uns unter Höflichkeit? Wie wollen wir sie zum
Ausdruck bringen? Gerade bei Beziehungs-„Themen“ ist die Aufstellung von Ver- und
Geboten sehr schwierig! Sie können nur interpretiert werden – und deshalb muss ich ein
gemeinsames Verständnis schaffen!
Niki: Absolut d`accord.
Christian: Das Problem kennen wir auch aus dem juristischen Umfeld: Es ist unmög-
lich, alles bis ins Detail zu regeln – denn erstens kann niemand in die Zukunft schauen und
zweitens ist dies der Grund, warum auch der Gesetzgeber immer hinten nach hinkt – siehe
dazu die aktuelle Debatte über Hasspostings.
Niki: Das Hinterherhinken des Gesetzgebers ist in 80 % der Fälle unnötig und bloß eine
schlechte Jus-Kultur!
Christian: Aber Definitionen bedürfen sowohl einer positiven als auch einer negativen
Abgrenzung!
Und ein Verstoß gegen den Wertekatalog einer Organisation muss immer – das ist
wichtig – Konsequenzen haben. Schwierig ist es dann, wenn es konkurrierende Werte
gibt – dann muss ein entsprechend transparenter, nachvollziehbarer Entscheidungsprozess
ablaufen: Dann gilt es zum Beispiel zu entscheiden, ob Kunden- oder Gewinnorientierung
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in diesem konkreten Fall wichtiger ist und dies muss auch entsprechend begründet sein.
Nur dann, wenn solche Entscheidungsprozesse für die Mitarbeiter nachvollziehbar und
verständlich sind, werden sie die Werte im Unternehmen auch ernst nehmen und leben.
Das ist natürlich manchmal anstrengend für das Management.
Ernst: Um meine Meinung zum „Verbotsthema“ zu illustrieren, habe ich eine kleine
Grafik erstellt (Abb. 1).
Ein Verbot kann nur sagen, wo im ganzen Umfeld ich nicht sein darf, aber nicht, wo wir uns
alle treffen sollen. Das ist meiner Meinung nach auch der tiefere Sinn von Unternehmenskultur.
Niki: Und selbstverständlich sind die Auswirkungen der Kulturänderung ebenso feststell-
bar und evaluierbar, wie ihr ursprünglicher Zustand. Dabei sind direkte Auswirkungen
– also wie sich Mitarbeiter anders verhalten – und indirekte Auswirkungen – wie sich
dadurch zum Beispiel der Erfolg der Organisation verändert – zu unterscheiden (Harra-
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mach 1995).
Christian: Eine gute Analyse der Unternehmenskultur am Anfang ermöglicht eine
Standortbestimmung am Ende und damit eine gute Vergleichsbasis. Schwierig ist es, den
Erfolg einer Organisation zu bewerten: Nur der Gewinn kann es wohl nicht sein. Und vor
allem: Welcher Zeithorizont ist der richtige (Ettl 2014)?
Ernst: Welche Erfolgskriterien sollen dabei herangezogen werden: monetäre, Kunden-
zufriedenheit, Mitarbeiterzufriedenheit oder andere?
Niki: Das muss einfach adäquat sein und hängt ganz vom Ziel der Kulturänderung ab.
Wenn die Ziele klar definiert sind, ist völlig evident, wie evaluiert werden muss, inwieweit
sie erreicht worden sind. Und bloß monetäre Messgrößen sind keineswegs immer die lebens-
und arbeitsbestimmenden. Bei Liebe, Glück, Vertrauen und Wohlbefinden sind sie das sicher
nicht, beim Return of Investment oder beim Gewinn hingegen schon. Und ob Prozesse
schneller erledigt werden können, wird man wohl wieder anders messen. Aber man kann
natürlich auch feststellen, ob Leute glücklich oder zufrieden sind. Im und nach dem Urlaub
machen das die meisten von uns und bestimmen danach ihre nächste Urlaubsstrategie.
Überhaupt gilt für alle Evaluation in so komplexen Materien der Grundsatz KISS: Keep
it small and simple! Wenn die Ziele klar sind, kann ein Kind sagen, wie, wann und von
wem gemessen werden soll und inwieweit die Ziele erreicht wurden.
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Unternehmenskultur wahrnehmen – gestalten – evaluieren: Ein Trialog71
richtigen Weg ist: Die Kunden zeigen dies ganz klar. Schwierig ist, die Ursachen festzuma-
chen: Welche Interventionen geholfen haben, bestimmt eben wiederum das System selbst.
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Literatur
De Shazer S, Dolan YM (2008) Mehr als ein Wunder: lösungsfokussierte Kurztherapie heute. Carl-
Auer-Verlag, Heidelberg
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Ettl C (2014) Erfolgsfaktor Vertrauen. Department für Psychologie der Sigmund Freud Privat Uni-
versität Wien, Wien
Harramach N (1995) Trainings- Erfolgs- Kontrolle. Verlag Neuer Merkur, München
Harramach N, Prazak R (2014) Management, absurd, Ein Blick auf die Kehrseite moderner Manage-
ment-Begriffe. Springer Gabler, Wiesbaden
Königswieser R, Hillebrand M (2009) Einführung in die systemische Organisationsberatung. Carl-
Aueer-Systeme Verlag und Verlagsbuchhandlung GmbH, Heidelberg
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Lefrançois, G.R. (2006) Psychologie des Lernens. 4. Auflage. Heidelberg: Springer Medizin Verlag
Peters TJ, Waterman TH (1983) Auf der Suche nach Spitzenleistungen. Was man von den bestge-
führten US- Unternehmen lernen kann. Verlag Moderne Industrie, Landsberg
Schein EH (2010) Organisationskultur. The Ed Schein Corporate Culture Survival Guide. In: G.
Fatzer (Hrsg) EHP Organisation Ausg. EHP, Bergisch Gladbach
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kannten. Carl-Auer-Verlag, Heidelberg
Vroom VH, Yetton PJ (1973) Leadership and decision-making. University of Pittsburgh Press,
London
Watzlawick P (2006) Die erfundene Wirklichkeit: wie wissen wir, was wir zu wissen glauben?; Bei-
träge zum Konstruktivismus. Pieper, München
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Unternehmenskultur in Zeiten von
Arbeit 4.0 und demografischem Wandel
Ernst Hirnschal
Zusammenfassung
Sinkende Geburtenraten bei gleichzeitig steigender Lebenserwartung verändern die
Bevölkerungsstruktur. Die Auswirkungen des demografischen Wandels erfordern auch
in den Betrieben eine Auseinandersetzung mit diesem Phänomen. Noch nie trafen so
viele verschiedene Generationen wie heute in den Betrieben gleichzeitig aufeinander.
Ein Einblick in die Charakteristika der einzelnen Generationen soll helfen, eine Kultur
des produktiven Miteinanders bei der Arbeit zu unterstützen. Eine Antwort darauf kann
Generationenmanagement im Zusammenspiel mit einer positiven Alternskultur sein.
Zusätzliche Veränderungen in der Arbeitswelt sind durch den technologischen Wandel
und die Digitalisierung getrieben. Auch dabei gilt es, die Anforderungen, die sich
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In diesem Beitrag werden die, von vielen Seiten als Megatrends genannten zentralen Fra-
gestellungen „Arbeit und Unternehmen im Umbruch“ und „Herausfordernde Bevölke-
rungsentwicklungen“ im Hinblick auf ihre Auswirkungen für die Kultur in Unternehmen
und Organisationen einer genaueren Betrachtung unterzogen. Diese beiden Themen bilden
E. Hirnschal (*)
hirnschal – Unternehmensberatung | Lebensberatung
Am Fuchsenfeld 3/36/3, 1120 Wien, Österreich
e-mail: office@hirnschal.at; www.hirnschal.at
den Anfang einer 16 Punkte umfassenden Auflistung, bei all denen davon auszugehen
ist, dass sie unsere Zukunft maßgeblich beeinflussen werden (Zukunftsstark 2016). Was
sind wesentliche Inhalte dieser beiden angeführten Trends? Vor welche Aufgaben werden
Unternehmen dadurch gestellt? Wie sehen die dafür benötigten möglichen Lösungsan-
sätze aus? Und was hat all das mit Unternehmenskultur zu tun?
Die Auseinandersetzung mit diesen Fragen und die daraus entwickelten Gedanken
sollen am Ende Hinweise für konkretes Handeln liefern.
Arbeit 4.0, Zukunft der Arbeit, Digitalisierung erleben, Digital Business Day, die
digitale (R)Evolution sind nur einige der Titel von Veranstaltungen oder Veröffentli-
chungen, die uns stakkatoartig über verschiedenste Medien und Kanäle erreichen. Je
nach Hintergrund der veröffentlichenden Stelle wird die sich daraus ergebende Zukunft
in schillernden oder düsteren Farben gemalt. Schillernd, wenn davon geschwärmt wird,
wie Roboter zum Beispiel in Japan die Menschen begeistern, indem sie die Leute in
Einkaufszentren begrüßen und so einen Einkauf zum Erlebnis machen, oder wenn der
Roboter Henry im Wiener Haus der Barmherzigkeit verirrte Patienten wiederfindet.
Düster, wenn behauptet wird, dass innerhalb der nächsten zehn bis 20 Jahre vielleicht
40–50 % der Arbeitsplätze verloren gehen könnten. Mit dem „Grünbuch Arbeiten 4.0“
versuchte das deutsche Bundesministerium für Arbeit und Soziales, in der Vielfalt der
Begrifflichkeiten eine Orientierungshilfe zu schaffen und eine breite gesellschaftliche
Diskussion in Gang zu bringen. Die Bundesministerin Andrea Nahles betont im Vorwort
dieser Publikation, dass wir derzeit einen grundlegenden kulturellen Wandel mit neuen
Ansprüchen an die Organisation von Arbeit erleben. Die Treiber dieser Veränderun-
gen und der damit im Zusammenhang stehenden Umwälzung der Gesellschaft und des
Arbeitslebens sind die Themenbereiche demografischer Wandel, globalisierte Wissens-
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Unternehmenskultur in Zeiten von Arbeit 4.0 und demografischem Wandel75
(Schüller 2017). Digitalisierung ist nicht nur ein technischer Prozess, sondern vielmehr ein
sozialer und kultureller Prozess. Dabei entstehende Ängste stellen ein großes Hindernis
für die bevorstehenden Veränderungen dar. Sie sind einerseits der gesteigerten Komplexi-
tät durch eine nicht mehr überschaubare Vielfalt geschuldet und andererseits in der unvor-
hersehbaren Zukunft begründet. Die vermeintlich mangelnde Flexibilität im Umgang mit
diesen Herausforderungen wird vor allem älteren Beschäftigten als Defizit zugeschrieben.
Sie gelten als weniger leistungsfähig, haben angeblich keine Lust mehr auf Neues und ihre
Qualifikationen scheinen veraltet. Da in Zukunft das Durchschnittsalter der Erwerbstäti-
gen weiter ansteigen wird, gewinnt die Auseinandersetzung mit solchen Zuschreibungen
große Bedeutung. Dies ist nur eine Facette, mit der es sich im Rahmen des demografischen
Wandels auseinanderzusetzen gilt.
2 Demografischer Wandel
Unter demografischem Wandel ist die Veränderung der Altersstruktur der Bevölkerung zu
verstehen. In Abb. 1 ist zu erkennen, wie die Anzahl der in Österreich geborenen Kinder
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76 E. Hirnschal
Im weiteren Verlauf dieses Beitrags wird nun von Generationen die Rede sein. Dieser
Begriff beruht auf der Annahme, dass sich eine gesellschaftliche Gruppe einer bestimm-
ten Geburtsperiode dadurch auszeichnet, dass sie durch signifikante kollektive Erlebnisse
in Jugend und frühem Erwachsenenalter ähnliche Prägungen erfahren hat, was zu ähn-
lichen Werthaltungen und Einstellungen führt (Höpflinger 2008, S. 403) oder wie Ebe-
rhardt (2016, S. 25) sagt: „Jede Generation ist in einer Gesellschaft sozial-zeitlich positio-
niert. Daraus ergibt sich eine bestimmte Identität, die leitend ist für das Denken, Wollen,
Handeln oder Fühlen dieser Personen.“ Die Entstehung der für das Leben grundlegenden
Prägungen ist dadurch erklärbar, dass die Bildung des zwischenmenschlichen Selbst etwa
im Alter zwischen 12 und 16 Jahren beginnt. Es fängt damit ein Prozess an, den man als
„in der Welt heimisch werden“ bezeichnen könnte. Durch die Wirkung des Kulturkrei-
ses in Verbindung mit der sensiblen Phase der Orientierung ist die Entstehung ähnlicher
Grundprägungen erklärbar (Kegan 1994, S. 215–219). Damit lässt sich begründen, warum
verschiedene Generationen unterschiedlich „ticken“.
Die Darstellung dieser spezifischen Charakteristika der Generationen dient dazu,
feststellen zu können, welche Unterschiede, aber auch Gemeinsamkeiten die verschie-
denen Generationen auszeichnen. Eine erste Unterscheidung hinsichtlich bestimmter
Prägungsmerkmale lässt sich oft schon aus den Benennungen ableiten. Wir alle kennen
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Unternehmenskultur in Zeiten von Arbeit 4.0 und demografischem Wandel77
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78 E. Hirnschal
dieser Ereignisse lassen sich auch die Zuschreibungen, wie konzept- oder orientierungs-
los und demotiviert, an diese Generation verstehen. Ein prägendes Ereignis dieser Zeit in
Österreich war das Geschehen in der Hainburger Au und das Wachsen der Grünbewegung.
Im Jahr 1990 gab es Österreichs erste Frauenministerin.
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Unternehmenskultur in Zeiten von Arbeit 4.0 und demografischem Wandel79
gibt es noch einen zusätzlichen Faktor, der eine bedeutende Rolle spielt. Dazu ist festzuhal-
ten, dass sich im Laufe der Zeit nicht nur die Altersstruktur der Gesellschaft verändert hat,
sondern auch der Zugang zum Alter an sich – es hat sich die Struktur des Alters verändert.
So haben Grunert und Krüger den Eintritt bestimmter Lebenslaufereignisse in 1950er-Jah-
ren mit deren Eintritt in den 1990er-Jahren verglichen. War damals der Schulabschluss ein
erstes wesentliches Ereignis, so liegt 40 Jahre später der erste Sex knapp davor, dafür wird
aber fünf Jahre später geheiratet (Grunert und Krüger 2011, S. 228). Eine Orientierung
am Lebenslauf hat auch im Zusammenhang mit dem Arbeitsleben gewisse Bedeutung.
In Zeiten von Familien- und Existenzgründung stehen andere persönliche Interessen im
Vordergrund als dann, wenn es zum Beispiel um die Pflege naher Angehöriger geht.
Noch einmal auf die Generationenthematik zurückzukommend gilt es, den Blick
auf jene pauschalen Zuschreibungen zu richten, die den Umgang mit Mitgliedern
einer bestimmten Generation prägen. Aus der Perspektive der Unternehmenskultur ist
es wichtig, diese Zuschreibungen zu kennen, um ihnen dort entsprechend begegnen
zu können, wo negative Einflüsse überhand nehmen. In diesem Sinn soll eine kurze
Geschichte von Constantin Gillies (2010) illustrieren, was sich im Umgang mit Angehö-
rigen der Generation Y zutragen könnte: „‚Kann mir das mal jemand schnell kopieren?‛
Mit Schweißperlen auf der Stirn stürmt der Chef aus seinem Büro – und stößt auf dem
Flur mit dem neuen Praktikanten zusammen. Wortlos drückt er dem jungen Mann einen
Papierstapel in die Hand. Doch der macht keine Anstalten, die Unterlagen an sich zu
nehmen, sondern erwidert: ‚Warum? Können Sie das nicht selbst?‛ Dem Chef stockt
der Atem. Dann schiebt der Praktikant noch freundlich hinterher: ‚Ich kann Ihnen gerne
zeigen, wie man den Kopierer bedient.‛“
Aus der Außensicht sieht Bernhard Heinzlmaier in der Generation Y die „digitalen Indi-
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vidualisten“ und die Elite der Arbeitsmärkte der Zukunft, denen er Eigenschaften wie
Ungebundenheit zuschreibt und die dort zu Hause sind, wo Oberflächlichkeit, Flüchtigkeit
oder das Spielerische herrscht (Heinzlmaier 2015, S. 10). Aus der Innensicht beschreibt
Kerstin Bund das Lebensgefühl ihrer Generation Y zwischen den Polen „verwöhnt“ und
„Krisenkinder“ und erklärt die daraus entstandenen Werthaltungen. Zu den wichtigsten
gehören Selbstbestimmung, Flexibilität und eine Arbeit, die Sinn stiftet und im Einklang
mit den eigenen Bedürfnissen steht (Bund 2014, S. 39–55). Diese kleine Gegenüberstel-
lung zeigt, dass scheinbar Gegensätzliches durch die Interpretation völlig unterschiedli-
chen Bewertungen unterliegen kann. Wenn derartige Auslegungen nicht laufend reflektiert
und auf ihre Gültigkeit hin kritisch hinterfragt werden, besteht die große Gefahr, dass sie
sich zu Stereotypien verfestigen. Ein Phänomen, von dem ältere Arbeitnehmer auf beson-
dere Weise betroffen sind.
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Unternehmenskultur in Zeiten von Arbeit 4.0 und demografischem Wandel81
Die Wahrnehmung des Hier und Jetzt wird immer von der Wahrnehmung der eigenen
Vergangenheit, aber auch vom Blick auf die Zukunft begleitet. Es sind die in der Bio-
grafie erworbenen Prägungen genauso bedeutsam wie die jederzeit bestehende Mög-
lichkeit der persönlichen Entwicklung und Reifung (Bubolz-Lutz et al. 2010, S. 66–76;
Kruse und Wahl 2010, S. 89–341).
Diese jederzeit bestehende Möglichkeit der persönlichen Entwicklung bietet nicht nur den
Ausgangspunkt für eine Überwindung des Stereotyps vom defizitären Alter, sondern wird
gleichermaßen bedeutsam, wenn es um die Zusammenarbeit der Generationen im Arbeits-
kontext geht.
In der Zusammenarbeit der Generationen besteht laut Florian Kunze von der Universität
St. Gallen im Hinblick auf den demografischen Wandel eine der größten Herausforderung
für Unternehmen in der heutigen Zeit. Er nennt zwei Phänomene, die im Zusammenhang
mit Altersdiversität eine Rolle spielen: das Klima der Zusammenarbeit und die Bereit-
schaft zur Zusammenarbeit. Beim Klima der Zusammenarbeit spielen die Theorie der
sozialen Identität und die Ähnlichkeits-Attraktions-Theorie eine wesentliche Rolle. Sie
erklären eine grundsätzliche Erscheinung in sozialen Gruppen, nach der sich Mitarbei-
ter gleichen Alters und mit ähnlichen Interessen stärker zueinander hingezogen fühlen
als Mitarbeiterinnen unterschiedlichen Alters und mit vielleicht völlig konträren Neigun-
gen. Eine Verstärkung der Zugehörigkeit kann auch durch die oben dargestellte ähnliche
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82 E. Hirnschal
Abb. 2 Generationenverteilung (Eigendarstellung auf Basis der Daten des Hauptverbandes der
österreichischen Sozialversicherungsträger)
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besteht über die Grenzen aller drei Generationen hinweg Einigkeit über deren Bedeu-
tung innerhalb der Werteskala. Darüber hinaus gibt es nur einzelne Bereiche mit Über-
schneidungen. So bezeichnen sich die Angehörigen der Generationen X und Y gleicher-
maßen als flexibel und anspruchsvoll. Größer ist der Bereich der Übereinstimmungen
zwischen Babyboomern und der Generation X. Beide Gruppen sehen sich als erfahren,
zuverlässig, leistungsorientiert, selbstständig und organisiert. Die Zusammenarbeit wird
generell jeweils innerhalb der eigenen Generation am besten bewertet, was angesichts
der oben genannten Theorien nicht weiter verwundert. Das größte Konfliktpotenzial exis-
tiert zwischen Babyboomern und Generation Y, wobei sich jede der Gruppen gegenüber
der anderen benachteiligt fühlt und dementsprechend die Schuld für Konflikte bei der
anderen Generation sucht. 80 % der Babyboomer hätten gerne Fördermaßnahmen für
ältere Beschäftigte und 93 % der Generation Y für die jüngeren Beschäftigten, wobei
die Verantwortung für die Verbesserung der Zusammenarbeit primär bei den Unterneh-
men gesehen wird. Daraus ist abermals deutlich abzulesen, dass das Thema Zusammen-
arbeit der Generationen in seiner Bedeutung nicht hoch genug eingeschätzt werden kann
(Kolland et al. 2015, S. 6–11).
Die durch den demografischen Wandel herbeigeführte geänderte altersmäßige der
Belegschaften ist aber nur eine Quelle, mit der sich die zukünftige Unternehmenspolitik
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Unternehmenskultur in Zeiten von Arbeit 4.0 und demografischem Wandel83
auseinandersetzen wird müssen. Eine weitere Quelle stellen all jene Entwicklungen dar,
die auch vierte industrielle Revolution genannt werden.
3 Arbeit 4.0
Wie im ersten Überblick bereits erwähnt, wird die Veränderung der Arbeitswelt durch
den enormen technischen Fortschritt angetrieben, der den Unternehmen die Möglichkeit
einer immer leistungsfähigeren technischen Ausstattung ermöglicht. Aber die Technik
ist nur ein Teil eines Dreigespanns. Arbeit 4.0 bedeutet, neben der Technik außerdem
noch die Auswirkungen auf die Unternehmen und die in ihnen arbeitenden Menschen zu
berücksichtigen. Mit den erweiterten technischen Möglichkeiten geht eine fortschreitende
Digitalisierung von Produkten, Prozessen und Dienstleistungen einher und wirkt so auf
die Arbeitsorganisation und die Beschäftigten. Um die gesteigerte Leistungsfähigkeit in
zukünftige Geschäftsmöglichkeiten umzuwandeln, bedarf es darüber hinaus auch noch
einer entsprechenden Innovationsfähigkeit. Dieses Umfeld, in dem Geschwindigkeit,
Flexibilität, Effizienz, aber auch Qualität eine wesentliche Rolle spielen, wird auch als
VUKA-Welt bezeichnet. Dabei bedeutet:
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84 E. Hirnschal
zu erwartenden ständigen Wandels und der damit verbundenen Krisen gilt. Dass Bildung
in diesem Sinne als ein lebenslanger Prozess zu verstehen ist, wird dabei als selbstver-
ständlich angesehen (Internationales Forschungszentrum für soziale und ethische Fragen
2012, S. 3–5). Aus diesem Grund fehlt auch in keiner Aussage im Zusammenhang mit
Arbeit 4.0 der Hinweis auf den besonderen Stellenwert, den Aus- und Weiterbildung für
ein erfolgreiches Gelingen hat.
4.1 Weiterbildung
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Unternehmenskultur in Zeiten von Arbeit 4.0 und demografischem Wandel85
die eigene Lernbiografie. Wenn negative Erinnerungen mit dem Lernen verknüpft sind
oder die letzten Lernerfahrungen schon längere Zeit zurückliegen, dann besteht die erste
Aufgabe darin, das Lernen wieder zu lernen.
Der Lernprozess selbst ist verborgen, sichtbar werden nur erworbenes Wissen oder neu
gewonnene Handlungsmöglichkeiten. Da Lernen eine Umstrukturierung eines wie auch
immer zustande gekommenen Vorwissens bedeutet, ist Lernen immer auch Verlernen und
daher mit den Schmerzen des Verlustes behaftet. Das Aufgeben bewährter Denkgewohn-
heiten und Handlungsmuster fällt deshalb mitunter schwer (Meyer-Drawe 2012, S. 90–96).
Damit Menschen nach einer Veränderung ihre eigenverantwortliche Handlungskompetenz
wiedererlangen, benötigen sie Selbstwirksamkeitserfahrung. Diese wird gespeist durch:
Neben Weiterbildung ist das Thema Gesundheit ein wesentlicher Baustein. Wenn es
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darum geht, die Voraussetzungen für einen längeren Verbleib im aktiven Erwerbspro-
zess zu schaffen, dann ist es sinnvoll, auf zwei Ebenen anzusetzen. Irene Kloimüller und
Renate Czeskleba empfehlen dazu in ihrer Publikation „Fit für die Zukunft“ ein ausgewo-
genes Zusammenspiel von verhältnisorientierten und verhaltensorientierten Maßnahmen.
Als zentralen Baustein sehen sie dabei die Erhaltung der Arbeitsfähigkeit. Arbeitsfähigkeit
ist zu verstehen als die Summe aller Faktoren, die Beschäftigte in die Lage versetzen, ihre
Aufgaben bestmöglich zu erfüllen (Kloimüller und Czeskleba 2013, S. 15–17).
Die Erhaltung der Arbeitsfähigkeit sollte als Prozess verstanden werden, der bereits mit
dem Eintritt ins Arbeitsleben beginnt und sich im Idealfall auch noch weit darüber hinaus
erstreckt. Der Erhalt der Arbeitsfähigkeit ist eine dynamische Aufgabe, die immer wieder
neu ausbalanciert werden muss und sich keinesfalls nur auf eine bestimmte Altersgruppe
beschränken darf. In die gleiche Kerbe schlägt Astrid Fadler, wenn sie ausdrücklich betont,
dass es sich bei alternsgerechter Arbeitsgestaltung um einen umfassenden Prozess handeln
sollte, der alle Generationen und das gesamte Unternehmen miteinbezieht (Fadler 2016,
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86 E. Hirnschal
S. 9). Wie wichtig dieser Zugang ist, wird deutlich, wenn man bedenkt, wie in Folge der
Digitalisierung und die damit verbundene verbreitete Verwendung des Smartphones von
den Menschen erwartet wird, dass sie praktisch durchgängig erreichbar sind und dass
Anfragen unmittelbar beantwortet werden. Die Folgen davon sind, dass Reaktionszeiten
immer kürzer werden und mehrere verschiedene Dinge innerhalb kürzester Zeit bearbei-
tet werden müssen. Daher verwundert es nicht, wenn auch die Statistik Austria in einer
Pressemitteilung festhält, dass als häufigste psychische Gesundheitsbelastungen großer
Zeitdruck bzw. Überbeanspruchung genannt werden (Statistik Statistik Austria 2014).
Die konsequente Orientierung am Modell des Hauses der Arbeitsfähigkeit kann helfen,
auf all jene Aspekte zu achten, die es unterstützen, dass die Belegschaft während ihres
Arbeitslebens hindurch weitgehend gesund, kompetent und motiviert ihre Tätigkeiten
erfüllen kann. Dieses Modell symbolisiert die Arbeitsfähigkeit in Form eines vierstöcki-
gen Hauses. Die individuellen Ressourcen finden sich in den Stockwerken eins (körper-
liche, psychische und mentale Gesundheit), zwei (Qualifikationen, Wissen, Kompetenzen)
und drei (Werte, Einstellungen, Motivation). Die organisationalen Ressourcen stellen das
vierte Stockwerk (Arbeitsinhalte, Arbeitsorganisation, Führung) dar. Ergänzt wird die
Darstellung durch das persönliche und gesellschaftliche Umfeld. (Tempel und Ilmarinen
2013). Damit wird unterstrichen, dass die einzelnen Stockwerke nicht nur in wechselseiti-
ger Abhängigkeit stehen, sondern dass die Arbeitsfähigkeit auch abhängig von Einflüssen
des Umfeldes ist. Wenn alle Elemente gut in Balance sind, dann drückt sich das in einer
hohen Arbeitsfähigkeit aus. Schlechte Arbeitsfähigkeit führt langfristig zu Produktivitäts-
verlusten. Untersuchungen haben ergeben, dass der Anteil der individuellen Faktoren ca.
40 % zur Arbeitsfähigkeit beiträgt. Von den verbleibenden 60 % für die organisationalen
Faktoren hat der Führungsaspekt die größte Bedeutung. (Kloimüller und Czeskleba 2013).
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4.3 Führung
Dass Führung einen wichtigen Einfluss auf die Zufriedenheit der Mitarbeiterinnen hat,
sollte an dieser Stelle nicht extra betont werden müssen. „Der Mitarbeiter verlässt nicht
die Firma, sondern die Führungskraft,“ ist ein geflügeltes Wort. Ganz besondere Bedeu-
tung kommt der Führung aber im Hinblick auf den demografischen Wandel zu, wenn
es darum geht, den spezifischen Ansprüchen der verschiedenen Generationen gerecht zu
werden. Jürgen Wegge vom Institut für Arbeits- und Organisationspsychologe der TU
Dresden hat die Bedingungen untersucht, die gegeben sein müssen, damit die positive
Zusammenarbeit von Jung und Alt gelingen kann. Er nennt folgende Rahmenbedingungen
für die erfolgreiche Zusammenarbeit in altersgemischten Teams:
• Der erste Punkt lautet, dass bei komplexen Aufgabenstellungen altersheterogene Teams
deutlich bessere Ergebnisse liefern. Sind jedoch eher einfache oder Routineaufgaben
zu erledigen, so liefern solche Teams mitunter sogar schlechtere Ergebnisse.
• Eine weitere wichtige Feststellung aus den Studien war, dass die Auffälligkeit, mit
der Altersunterschiede hervortreten (der Fachausdruck dafür ist Salienz), eine wichtige
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Unternehmenskultur in Zeiten von Arbeit 4.0 und demografischem Wandel87
Rolle spielt. Eine hohe Salienz ist gegeben, wenn zum Beispiel die Unterschiede zwi-
schen Alt und Jung immer wieder besonders hervorgehoben werden. Salienz wird auch
dann reduziert, wenn die Anzahl der Personen in den unterschiedlichen Altersgruppen
möglichst gleich hoch ist. Im Fall von altersgemischter Teams heißt es, dass die Bedeu-
tung von Altersunterschieden dann geringer ausfällt, wenn möglichst gleich viele Per-
sonen jeder Altersgruppe im Team vertreten sind.
Besonderheiten, die den jüngeren Mitarbeitern aktiv angeboten und in deren Führung
beachtet werden sollten:
Die klare Botschaft Wegges lautet, dass altersgemischte Teams bei entsprechender
Führung unter Berücksichtigung der Salienz und den angemessenen Aufgabenstellungen
durchaus Vorteile bringen (Wegge 2012).
Doris Palz, Geschäftsführerin von Great Place to Work® Österreich sagt: „Beim Aufbau
einer attraktiven Arbeitsplatzkultur geht es nicht in erster Linie um besondere Vergünsti-
gungen und Leistungen für die Beschäftigten. Grundlegend ist vielmehr die Entwicklung
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nicht mehr ausreichen und Neues gelernt werden muss. Dabei tritt – als Angst vor dem
Unbekannten – Lernangst auf. Solange die Lernangst größer als die Überlebensangst ist,
kann kein Lernen stattfinden. Intuitiv wird versucht, die nötige Differenz dadurch herzu-
stellen, indem die Überlebensangst erhöht wird („Wenn nicht XY geschieht, dann wird
… passieren“). Schein weist darauf hin, dass es kontraproduktiv ist, die eine Angst durch
Erhöhung einer anderen Angst zu bekämpfen. Stattdessen ist es zielführender, die Angst
vor dem Lernen zu verringern. Dieser Prozess der kognitiven Neudefinition wird durch
folgende Schritte unterstützt:
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Unternehmenskultur in Zeiten von Arbeit 4.0 und demografischem Wandel89
nehmenskultur eine kleine Anleihe bei Max Frisch (2014, S. 33) zu nehmen. Er hat jene
unterstützende Frage formuliert, die vielleicht mit Augenzwinkern betrachtet eine nötige
Hilfestellung für den entscheidenden Schritt in die richtige Richtung liefern kann:
Keine Revolution hat die Hoffnung derer, die sie gemacht haben, vollkommen erfüllt; leiten
Sie aus dieser Tatsache ab, daß die große Hoffnung lächerlich ist, daß Revolution sich erüb-
rigt, daß nur der Hoffnungslose sich Enttäuschungen erspart usw., und was erhoffen Sie sich
von solcher Ersparnis?
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90 E. Hirnschal
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Emde A, Trilling A, Wormstall H (Hrsg) Psychotherapie im Alter. Die „Alten Jungen“. 5. Jahr-
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QM-Methoden. Die richtigen Methode auswählen und erfolgreich umsetzen, 3., aktualisierte
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Internationales Forschungszentrum für soziale und ethische Fragen (2012) „Work 2030 and beyond“
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Unternehmenskultur in Zeiten von Arbeit 4.0 und demografischem Wandel91
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Welcher Unternehmenskultur bedarf es,
damit Innovationen gelingen können?
Raimund Wiesinger
Zusammenfassung
Die Unternehmenskultur entscheidet maßgeblich, ob in einem Unternehmen Innova-
tionen gelingen oder überhaupt in Angriff genommen werden. In diesem Beitrag wird
darauf eingegangen, welche Aspekte einer Unternehmenskultur maßgeblich für Inno-
vationen sind, was also Innovationskultur ausmacht. Wie muss die Zusammenarbeit
innerhalb des Unternehmens aussehen? Was fördert die Bereitschaft der Mitarbeiten-
den zu Ideen, diese auch einzubringen und sich an Innovationen zu beteiligen? Welche
Rolle spielen Außenkontakte? Was bedeutet Offenheit für Neues, für Ideen innerhalb
oder von außerhalb des Unternehmens? Muss man alles selbst erfinden? Wie sollten
Prozesse aussehen, speziell ein Innovationsprozess, damit Neues gefördert und dabei
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Risiken beherrscht werden können? Beleuchtet wird auch die Funktion von Netzwer-
ken, wie Verantwortung wahrgenommen wird und welche Rolle die Führungskräfte
als Vorbilder spielen. Einen relativ neuen Aspekt stellt der Spannungsbogen zwischen
der Effizienz im Tagesgeschäft, also die gewünschte Qualität zu möglichst niedrigen
Kosten bereitzustellen, und Flexibilität und Risikobereitschaft in der Innovation dar.
Wie kann dieser Spannungsbogen bewältigt werden?
Dieser Beitrag basiert auf einer Arbeit aus dem Jahr 2012 zum Thema „Innovieren wir
den Innovationsprozess: Wider die Linearität in der Innovation“ (Wiesinger 2012). Für
R. Wiesinger (*)
SpinnRaum e.U., 1160 Wien, Österreich
e-mail: rw@spinnraum.at
den empirischen Teil wurden sieben Experten und Expertinnen über ihre Erfahrungen mit
Innovationsprozessen interviewt. Allen war wichtig, auch – zum Teil ungefragt – über eine
innovationsfördernde Unternehmenskultur zu sprechen. Offensichtlich leistet die Unter-
nehmenskultur neben einem definierten Vorgehen, also Prozessen und Regeln, einen ganz
entscheidenden Beitrag zum Erfolg von Innovationsvorhaben. Gestützt wird diese These
auch dadurch, dass sich das europäische Normungsgremium CEN1 in seiner technischen
Spezifikation CEN/TS 165552 über Innovationsmanagement mit Kulturthemen auseinan-
dersetzt. Die folgenden Überlegungen stützen sich vor allem auf diese beiden Publikationen.
Was macht nun eine innovationsfördernde Unternehmenskultur aus?
Schon bei den Untersuchungen zum Innovationsprozess tauchte immer wieder die For-
derung nach Zusammenarbeit unterschiedlicher Disziplinen bzw. Abteilungen wie Mar-
keting, Vertrieb, Produktion etc. auf. Diese benötigt intensive Kommunikation und, damit
diese gelingt, eine Atmosphäre der Wertschätzung3 und der Offenheit. Offenheit ermög-
licht auch die Annahme von Impulsen von außerhalb des Unternehmens. Dazu leisten
Netzwerke von Menschen statt oder innerhalb hierarchischer Strukturen einen wesent-
lichen Beitrag.
Innovation bedeutet, Neues zu erproben, was auch misslingen und Umwege kosten
kann. Daher ist der Umgang mit Fehlern und der Wille, daraus zu lernen, ein wesentlicher
Aspekt von Innovationskultur. Innovation erfordert auch Freiheit im Denken, diese darf
daher nicht durch zu straffe Unternehmensprozesse eingeengt werden. Prozesse werden
jedoch benötigt, um Qualität möglichst effizient bereitstellen zu können, sie haben also
ihren Wert. Nun sind Fehlertoleranz und Effizienz gegensätzliche Ansprüche, daher lohnt
ein Blick auf diese Widersprüchlichkeit und wie damit umzugehen ist.
Innovationskultur entsteht nicht von selbst, sie muss gezielt entwickelt und geför-
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dert und durch eine passende Organisationsform unterstützt werden – eine klassische
Führungsaufgabe.
Daher gliedert sich die Diskussion der Aspekte einer Innovationskultur in drei
Abschnitte: Zusammenarbeit, Wertschätzung, Offenheit und Netzwerke werden im ersten
Abschnitt „Kooperation und Organisation“ angesprochen. Im Abschnitt „Prozess“ geht
es um angemessene Prozesse, Fehlerkultur und der gegensätzlichen Forderung nach
1
CEN – Comité Européen de Normalisation, Europäisches Komitee für Normung.
2
Es mag seltsam erscheinen, Innovation und Innovationsmanagement normieren zu wollen. Die
Technische Spezifikation CEN/TS 16555 ist allerdings keine Norm im engeren Sinn, sondern dient
eher als Checkliste, woran denken sollte, wer ein erfolgreiches Innovationsmanagementsystem ein-
richten möchte. Teil 1 gibt einen Überblick über Eigenschaften und Funktionen eines Innovations-
managementsystems und seinen Bezug zum Umfeld innerhalb und außerhalb der Organisation.
Danach folgen fünf Teile über nützliche Disziplinen: Strategisches Wissensmanagement, Innova-
tives Denken, Management des geistigen Eigentums, Kooperationsmanagement und Kreativitäts-
management. Der abschließende siebte Teil beschäftigt sich mit der Bewertung und kontinuierlichen
Verbesserung des Innovationsmanagementsystems.
3
Zur Wertschätzung gehört für mich auch ganz wesentlich, Menschen als Mann und Frau sicht-
bar werden zu lassen. Gleichzeitig sollen Texte lesbar bleiben. Ich verwende daher möglichst
geschlechtsneutrale Formen oder männliche und weibliche Begriffe abwechselnd.
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Welcher Unternehmenskultur bedarf es, damit Innovationen gelingen können?95
Effizienz und Fehlertoleranz. Und zuletzt sind Bedeutung und Aufgabe der „Führung“ für
eine Innovationskultur Thema.
Cooper (1996, S. 478 ff.) hat schon in den 1990er-Jahren interdisziplinäre Teams gefor-
dert, die sich aus unterschiedlichen Fachbereichen rekrutieren sollen. Die bereichsüber-
greifenden Teams sollen gleichzeitig an unterschiedlichen Aspekten arbeiten, z. B. techni-
sche und Marketingkonzepte erstellen.
Auch CEN (2013, S. 13) stellt die Bedeutung der Zusammenarbeit von Menschen mit
verschiedenen Aufgaben, Erfahrungen und Sichtweisen in den Vordergrund. Die innerbe-
triebliche Zusammenarbeit ist – wie oben bereits angeführt – nützlich für die Entwicklung
machbarer und nützlicher Innovationen.
Wertschätzung
Förderlich für die Zusammenarbeit verschiedener Menschen und daher ein wesentlicher
Aspekt einer innovationsfreundlichen Unternehmenskultur ist Wertschätzung gegenüber
den Menschen. Im Zusammenhang mit Innovation drückt sie sich auch dadurch aus, dass
Menschen für ihre Beiträge zu Innovationen konstruktives Feedback erhalten und sicht-
bar gemacht werden. Das erhält und stärkt die Motivation der Beteiligten, aber auch aller
anderen Menschen im Unternehmen zu weiteren Ideen. Dabei ist es völlig gleichgültig, ob
die Ideen angenommen oder abgelehnt werden, wenn die Entscheidung nachvollziehbar
begründet wird. Wer an der Entwicklung, Bewertung oder Umsetzung einer erfolgreichen
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96 R. Wiesinger
Idee beteiligt war, sollte im Unternehmen auch sichtbar werden und Anerkennung erfah-
ren. Auch dies fördert die Motivation zur Beteiligung an Innovation.
2.1.2 Offenheit
Damit Innovationen am Markt erfolgreich sind, bedarf es des regelmäßigen Blicks nach
außen zu den Kunden. Eine technisch reizvolle Idee muss nicht unbedingt Kundenwün-
sche treffen, und selbst wenn das zu Beginn einer Entwicklung der Fall ist, können sich
Markt und Kundenanforderungen ändern. Regelmäßiges Feedback ist daher Bestätigung
oder ein wertvolles Korrektiv. Seriöserweise werden Kundenanforderungen oder Markt-
erfordernisse aufgeschrieben, aber „sinnvoll ist die Offenheit, mitunter schon niederge-
schriebene frühere Versionen von dem, was Anforderung sein wird, in einer Phase 2, 3, 4
auch nachzujustieren“ (Michael Faschingbauer, Autor des Buches Effectuation (Fasching-
bauer 2010), wörtlich im Interview, zitiert in Wiesinger 2012, S. 87).
Der regelmäßige und systematische Blick nach außen wird auch in der Technischen
Spezifikation zum Innovationsmanagementsystem von CEN (2013, S. 7) dringend emp-
fohlen. Neben marktspezifischen und technischen Aspekten sollten auch politische (z. B.
Gesetzgebung), wirtschaftliche/makroökonomische und soziale Aspekte (z. B. Demogra-
fie) betrachtet werden. Ebenso wird die Erhebung der Anforderungen von Stakeholdern
(in CEN 2013 „interessierte Kreise“ genannt) empfohlen. Stakeholder gibt es innerhalb
und außerhalb der Organisation, dazu gehören Mitarbeiterinnen und Shareholder genauso
wie Lieferanten, Kunden oder Behörden.
Bei aller Offenheit und Kooperation mit außerbetrieblichen Organisationen ist aber auf
eine klare und wirksame Regelung der Schutzrechte geistigen Eigentums zu achten (CEN
2013, S. 20).
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Design Thinking
Eine moderne Methode des Innovationsmanagements ist Design Thinking. Dabei ist der
Blick auf Kunden und Markt Ausgangspunkt und integraler Bestandteil des Prozesses. In
seiner Grundhaltung geht Design Thinking vom Menschen und seinen Bedürfnissen aus
und fragt – neben der technologischen Machbarkeit und der ökonomischen Sinnhaftig-
keit – nach der Attraktivität einer Idee für die Menschen der Zielgruppe. Der klassische
Design-Thinking-Ablauf besteht aus sechs Phasen, von denen sich die ersten drei mit
diesem Blick nach außen beschäftigen: Nach Gewinnung eines gründlichen Verständ-
nisses für das Umfeld bzw. den Problembereich folgt eine Beobachtungsphase inklusive
Gespräche mit der Zielgruppe, um deren Bedürfnisse zu erkennen. Danach werden alle
Erkenntnisse zu einem gemeinsamen Standpunkt verdichtet, der dann Grundlage für die
Suche nach Ideen ist (vgl. auch Kreativitätstechniken.info 2017).
Open Innovation
Viele Innovationen haben ihren Ausgangspunkt gar nicht in den Köpfen begnadeter Entwick-
ler, sondern sind der Kreativität von Kunden oder Benutzerinnen geschuldet, wie Reichwald
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Welcher Unternehmenskultur bedarf es, damit Innovationen gelingen können?97
und Piller (2006, S. 95) unter Berufung auf zahlreiche empirische Befunde schreiben. Daher
haben manche Unternehmen ihre Grenzen geöffnet und arbeiten mit Personen oder Stellen
außerhalb ihrer Organisation zusammen. Seit Beginn dieses Jahrhunderts wird dieses Vor-
gehen als „Open Innovation“ auch beforscht. Dabei wurden drei Kernprozesse identifiziert
und – beispielsweise von Gassmann und Enkel (2006, S. 134 ff.) – beschrieben, der Outside-
in-Prozess, der Inside-out-Prozess und deren Kombination, der Coupled-Prozess.
Mit dem Outside-in-Prozess holen sich Unternehmen Ideen und Wissen von außen
herein. Partner können dafür sowohl Kundinnen und Lieferanten mit interessanten Ideen
für Produkte und Prozesse sein. Dies kann so weit gehen, dass Kunden auf Basis ihrer
Wünsche, ihrer Bedürfnisse und ihrer Erfahrung Produkte selbst entwickeln, bevor diese
von Unternehmen übernommen werden.4 Ein Beispiel aus dem Sportbereich dafür ist das
Snowboard. In der Zusammenarbeit mit Universitäten oder anderen Unternehmen können
neue Technologien in das Unternehmen einfließen. Dem gegenüber kann der Inside-out-
Prozess zur schnelleren Realisierung und Vermarktung von Produktideen führen und dem
Unternehmen auch Umsatz aus Lizenzen bringen. Eine Kopplung beider Prozesse (Cou-
pled-Prozess) kann zu Innovationsnetzwerken und strategischen Allianzen führen, in denen
Ideen und Produkte gemeinsam entwickelt und wirtschaftlich genutzt werden.
Ein großes Hindernis für diese Offenheit ist das „Not-Invented-Here“-Syndrom, das
heißt die fehlende Akzeptanz für Ideen, die von außerhalb der Organisation kommen.
Dieses psychologische Hindernis muss von der Führungsebene ausgehend durch Bewusst-
machen, Kommunikation und Vorleben beseitigt werden.
tionsprozessen akzeptiert und als erfolgversprechend anerkannt werden. Gern wird hierfür
der Begriff Serendipität oder englisch serendipity verwendet. Häufig genannte Beispiele
sind Post-It oder Viagra. Bei 3M wurde ein besonders fest haltender Kleber gesucht, ent-
deckt wurde der „nur“ haftende, rückstandsfrei entfernbare Klebstoff, der die kleinen
Haftzettel so beliebt macht. Viagra wurde als Mittel gegen Herzbeschwerden entwickelt,
das große Geschäft brachte jedoch die bekannte Nebenwirkung.
Als „Prinzip der Umstände und Zufälle“ ist diese Offenheit auch in die Gründungs-
methode Effectuation eingegangen, die auf den Erfahrungen erfolgreicher Gründerinnen
beruht (siehe beispielsweise Faschingbauer 2010, S. 65 ff.).
Innovation bringt in der Regel Veränderung, nicht nur am Markt, sondern oft auch in
Unternehmen. Hier ist die Offenheit gefragt, den Veränderungsbedarf wahrzunehmen und
damit konstruktiv umzugehen. Es gibt etliche bekannte Beispiele für Unternehmen, die
sich gegen Veränderungen verwehrt oder die Notwendigkeit falsch eingeschätzt haben und
daran gescheitert sind, wie z. B. Kodak mit den Folgen der digitalen Fotografie. Airbnb
und UBER krempeln derzeit mit ihren innovativen Geschäftsmodellen Märkte um. Welche
4
Im Innovationsmanagement nennt man dieses Vorgehen Lead-User-Ansatz.
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98 R. Wiesinger
2.1.3 Netzwerke
Kreativität und Freiheit im Denken benötigen einen hierarchiefreien Raum. Dieser ent-
steht in Netzwerken von Menschen, die ungeachtet organisatorischer Einheiten und deren
Grenzen zusammenarbeiten, um Ideen und Lösungen zu finden und auszuarbeiten. Solche
Netzwerke helfen auch, Blockaden zu beseitigen, die durch Machtblöcke in Organisatio-
nen bestehen, Kräfte zu bündeln und teure Aktivitäten zu koordinieren. Dabei sind Netz-
werke eine wertvolle Ergänzung der Hierarchie und unterstützen Innovationsvorhaben
vor allem in frühen Phasen. Sie helfen nämlich, verschiedene Ideen zu verknüpfen, diese
dadurch anzureichern, für verschiedene Anwendungsgebiete zu prüfen, sie letztlich aus
einer Gesamtsicht zu bewerten und dabei auch Fehlentwicklungen aufzuzeigen und so
einzudämmen oder gar zu verhindern.
Ein positiver Nebeneffekt ist der Zugang zu sehr vielen Menschen mit unterschied-
lichem Hintergrund, vielfältigem Know-how und reichhaltiger Erfahrung, da die Mitglie-
der eines Netzwerkes in verschiedenen Umgebungen arbeiten. Somit verfügen Netzwerke
über „zahlreiche Sensoren für die Umwelt, die wertvolle Informationen einbringen“. Als
Muster aus wissenschaftlichen Erkenntnissen wurde das neuronale Netzwerk genannt. Als
einfaches Beispiel gilt der Plausch an der Kaffeemaschine.
Netzwerke können parallel zur Linie bestehen und diese ergänzen. Für eine ordnungsge-
mäße Beauftragung von Projekten, für die Zuteilung von Ressourcen und die Übernahme
von Risiko sind klare Verantwortungsstrukturen nötig. Erst dadurch können Ideen ausge-
arbeitet und umgesetzt werden. Notwendig ist also die Koppelung informeller Zusammen-
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arbeit in Netzwerken und klarer Zuteilung und Übernahme von Verantwortung, meist in
einer hierarchischen Struktur.
Inzwischen gibt es auch Beispiele, wie Innovation in selbstorganisierten Unternehmen
funktionieren kann, wobei – wie im Falle der Wiener Firma Tele Haase – die starre Hierar-
chie, nicht aber Führung und Verantwortung abgeschafft wurden. Zapfl (2016) beschreibt
in einem Blogbeitrag die Tele-Haase-Grundhaltung, dass Raum für Innovation entstehe,
wenn Menschen miteinander Spaß haben. Offenheit, Neugier und das Brechen von Tabus
seien entscheidend, geheimniskrämerische „Machtinseln“ müssten fallen. Bei einem
Kongress über das „Ende der Hierarchie in der Arbeitswelt“ im April 2016 in St. Pölten5
berichtete eine Tele-Haase-Mitarbeiterin von einer geglückten Produktinnovation, die auf
einer Idee der Entwicklung basierte, die bereits einmal abgelehnt wurde und zunächst in
der Schublade verschwunden war. Nun wurde sie wieder hervorgeholt, rasch entschieden,
entwickelt, in Österreich produziert und wird nun sogar nach China exportiert.
5
Ende der Hierarchie in der Arbeitswelt, 29. Juli 2016, Bildungshaus St. Hippolyth, St. Pölten;
siehe auch: http://www.ksoe.at/ksoe/images/publikationen/gs_arbeitimwandel_05_2016.pdf. Zuge-
griffen: 18. Juli 2017
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Welcher Unternehmenskultur bedarf es, damit Innovationen gelingen können?99
2.2 Prozesse
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100 R. Wiesinger
der dritten Generation vorgesehen und empfohlen (Cooper 1996, S. 479). Entscheidend ist
dabei aber, das Risiko zu kalkulieren und in einer Größe zu halten, die ein Unternehmen
verkraften kann.
Dazu kann man aus der Softwareentwicklung lernen, die sich immer als Innovation
sieht, da stets neue Funktionen entwickelt werden. Schon in den 1980er-Jahren gab es
Modelle, die Innovation mit Risikomanagement verknüpften. So beschreibt Boehm (1988)
ein Spiralmodell, in dem eine Abfolge von Prototypenentwicklung und Risikoanalyse mit
sukzessive steigendem Aufwand das Risiko beherrschbar machen soll. Das Risiko der
Entwicklung neuer Produkte wird eingegangen, aber in verantwortungsvoller Weise. Ähn-
liche Ansätze finden sich immer wieder, wie zum Beispiel im Blog von Briones (2012).
In der Gründungsmethode Effectuation sind Lernschleifen explizit vorgegeben. Um
dabei die Risiken zu verringern, beginnt man auf Basis der vorhandenen Mittel, entwi-
ckelt daraus Geschäftsideen, diskutiert diese mit Partnern und erprobt sie prototypisch
in kleinem Rahmen. Erst mit zunehmender Gewissheit werden Aufwand und Investi-
tion gesteigert. Faschingbauer beschreibt dies recht ausführlich in seinem Buch (2010,
S. 25 ff.) und anschaulich in seiner Website Effectuation.at (2017, „Über Effectuation“:
„Effectuation erklärt“).
Bei Innovationsvorhaben ist mit Misserfolgen zu rechnen. Deren Auswirkungen sollten
durch verschiedene Methoden möglichst gering gehalten werden.6 Ihre Ursachen können
aber Quelle wertvoller Erkenntnisse sein. Bei der Bearbeitung von Fehlern oder Miss-
erfolgen sollten daher deren Ursachen im Vordergrund stehen und wie man diese ver-
meiden kann und nicht die Suche Schuldiger oder gar deren Bestrafung. Cooper (2009,
S. 55) schreibt dazu beispielsweise, es brauche kontinuierliche Verbesserung, eine ler-
nende Organisation und nicht eine Kultur der Angst und Vergeltung.
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Es geht also um eine Kultur des Vertrauens, in der Fehler und Misserfolge als Lernstoff
gesehen werden. Das ist kein Gegensatz zu Planbarkeit und Vorausschau. Es gilt viel-
mehr, zwischen Planung und der notwendigen Flexibilität und Risikofreude eine gesunde
Balance zu halten. Unterstützt wird diese Vertrauenskultur auch durch die operative
Ebene in Unternehmen, wenn diese Verständnis für die Anliegen und Notwendigkeiten
des Managements entwickelt und in Planung und Berichtswesen darauf Rücksicht nimmt.
So berichten beispielsweise Karlström und Runeson (2006, S. 221) in einer Studie über
die Integration der agilen Softwareentwicklungsmethodik XtremeProgramming in eine
große Produktentwicklung nach Stage-Gate®, dass dort im Berichtswesen der agilen und
flexiblen Entwicklung auf die Bedürfnisse des Managements nach Berechenbarkeit und
Risikomanagement explizit Rücksicht genommen wird. Auch die gezielte Präsentation
positiver Zwischenergebnisse gilt als vertrauensfördernde Maßnahme.
6
Oder sie werden positiv genutzt, wie die Beispiele zum glücklichen Zufall weiter oben zeigen.
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Welcher Unternehmenskultur bedarf es, damit Innovationen gelingen können?101
neuen Begriff der Ambidextrie. Ursprünglich stammt das Wort aus der Medizin und meint
die Beidhändigkeit oder besser hohe Geschicklichkeit mit rechter und linker Hand.
Wirtschaftlich erfolgreiches Agieren im Tagesgeschäft eines Unternehmens benötigt
andere Eigenschaften und Verhaltensweisen als Innovation. Man spricht einerseits von
Exploitation, der Ausnutzung von Bestehendem mit dem Fokus auf Qualität zu möglichst
geringen Kosten, und andererseits von Exploration, der Erkundung von Neuem mit dem
Fokus auf Flexibilität (vgl. Tagwerker-Sturm 2015). Laut March (1991, S. 71) kann man
Exploitation beispielsweise mit Effizienz, Verbesserung, Veredelung oder Ausführung
assoziieren, wogegen zu Exploration eher die Begriffe Experiment, Risiko, Flexibilität
und eben Innovation passen.
Hier zeigen sich Gegensätze in Haltung und Vorgangsweise, die einander auszuschlie-
ßen drohen. Wie Eder (2013, S. 5) ausführt, wird es ergebnisverantwortlichen Führungs-
kräften insbesondere durch knappe Ressourcen und Sparzwang erschwert, Geldmittel
und Personal vom erfolgreichen Tagesgeschäft abzuziehen, um diese – teuer und risi-
koreich – an Neuem arbeiten zu lassen. In diese manchmal sogenannte Erfolgsfalle zu
tappen, führt jedoch meistens mangels neuer attraktiver Produkte in die Krise oder den
Untergang des Unternehmens. Entscheidend ist, diese unterschiedlichen Anforderungen
bewusst wahrzunehmen und sich bewusst für das jeweils passende Vorgehen zu entschei-
den. Das ist für jede Unternehmensgröße möglich, selbst für Einpersonenunternehmen,
die sich Zeit für die Entwicklung ihres Angebots nehmen müssen, wie sie dies ja auch für
Werbung, Vertrieb oder Buchhaltung tun.
Für größere Unternehmen schlägt Eder (ebd., S. 6 ff.) zur Bewältigung dieses Gegen-
satzes eine eigene Organisation vor, abgekapselt vom sonstigen Unternehmen. Durch eine
organische, dezentrale, flache und agile Organisationsstruktur sollen darin rasch Entschei-
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dungen getroffen und Ressourcen zugeteilt werden können. Sie kann wie ein Start-up
arbeiten, ist von der Exploitation entlastet, darf auch „kontrolliert scheitern“ und daraus
lernen. Durch Minimierung und Eliminierung von Routine sollen Kreativität, Spontanität
und Unabhängigkeit gefördert werden.
Im oben angeführten Beitrag der Boston Consulting Group in Österreich wird sehr
deutlich darauf hingewiesen, dass sich die Fähigkeit zur Ambidextrie als immer notwendi-
ger erweisen wird, damit Unternehmen den raschen technologischen Wandel und die stei-
gende Dynamik des geschäftlichen Umfeldes überleben und erfolgreich nutzen können.
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102 R. Wiesinger
Eine ähnliche Funktion haben Inkubatoren, die entweder im Auftrag der öffentlichen
Hand oder innerhalb großer Unternehmen als eigenständige Organisationen Innovationen
vorantreiben. Erfahrungen, Kontakte und der finanzielle Rückhalt können genutzt werden,
ohne von schwerfälligen Prozessen gebremst oder blockiert zu werden.
2.3 Führung
Die oberste Führungsebene leistet einen ganz wesentlichen Beitrag zur Innovationskul-
tur, auch wenn sie diese nicht verordnen kann. Das betonen alle Interviewpartner. Das
„Management muss ‚mittragen’“, da „’Innovation immer Ressourcenvernichtung’ ist“.
Schumpeter prägte den Begriff der „schöpferischen Zerstörung“. Warta schreibt (2013,
S. 22 f.), dass die Führung eine gemeinsame Vision vermitteln, klare Ziele vorgeben und
so stimulieren und motivieren soll, dass Unsicherheiten und Hürden überwunden werden
können. Sie dürfe sich aber nicht in den operativen Arbeitsprozess einschalten, da ein
solches Hineinregieren demotivierend wirke.
Die für eine Innovationskultur maßgebliche Rolle der Führung einer Organisation wird
auch dadurch deutlich, dass sie Thema von Normierung geworden ist. CEN (2013, S. 8 f.)
hat ein ganzes Kapitel dem Thema Führung gewidmet. Überblicksartig werden darin
Vision und Strategie, Führungskompetenz und Engagement, Innovationskultur sowie
Rollen und Verantwortung gestreift.
Die oberste Leitung einer Organisation sollte eine anspruchsvolle Vision und Ziele vor-
geben, was mit Innovation erreicht werden soll. Die Vision soll eine inspirierende Heraus-
forderung für die Menschen darstellen und sie zu Engagement motivieren. Für die Umset-
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zung sei eine Strategie zu entwickeln, die genaue Ziele bezüglich der Art der gewünschten
Innovation definiert und ein Regelwerk für den Umgang mit geistigem Eigentum, für
Ressourcen und Zusammenarbeit sowohl innerhalb der Organisation als auch nach außen
festlegt. Die Führung hat auch für die angemessene Dokumentation und Kommunikation
von Vision und Strategie zu sorgen.
Für ein erfolgreiches Innovationsmanagementsystem ist weiteres Engagement der
Führung erforderlich. Diese sollte Ressourcen bereitstellen, Innovationsmanagement in
die Geschäftsprozesse integrieren, die kontinuierliche Verbesserung des Innovationsma-
nagementsystems forcieren und eine innovationsfördernde Kultur entwickeln. Schließlich
sollte die Führung für klare Verantwortlichkeiten, Kompetenzen und Befugnisse sorgen.
Unter dem Aspekt Innovationskultur sind zahlreiche Aspekte genannt, die hier bereits
angesprochen wurden (z. B. Kommunikation, Offenheit, Fehlertoleranz). Bei diesen
Aspekten kommt es wesentlich auf die Authentizität der Führungskräfte an. Geben sie
zum Beispiel selbst Feedback, und können sie – auch kritisches – Feedback annehmen?
Lassen sie Ideen anderer gelten, und wie gehen sie mit Wissen und Vorschlägen von außer-
halb des Unternehmens um? Sind sie bereit aus Fehlern zu lernen? Wie halten sie es mit
den Unternehmensprozessen? Bringen sie ihren Mitarbeitern Vertrauen entgegen? Stehen
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Welcher Unternehmenskultur bedarf es, damit Innovationen gelingen können?103
3 Fazit
Unternehmenskultur hat einen entscheidenden Einfluss auf den Erfolg von Innovation
im Unternehmen. Große Verantwortung hat die Führung, die eine Vision präsentieren,
eine unterstützende Organisationsform einrichten, Ressourcen bereitstellen und Vertrauen
fördern muss. Andere Aspekte sind Kommunikation und Kooperation, Offenheit, die
Bereitschaft aus Fehlern und Misserfolgen zu lernen und Augenmaß und Angemessenheit
der Unternehmensprozesse. Auch diese Aspekte sind von der Führung zu beachten und
vorzuleben. Eine besondere Herausforderung ist die Ambidextrie, die Fähigkeit, gleich-
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104 R. Wiesinger
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Unternehmenskultur – Es gibt nichts
Praktischeres als eine gute Theorie
Eine Standortbestimmung in 10 Thesen
Zusammenfassung
Was wissen wir eigentlich über Unternehmenskultur? Zunächst betten wir das Thema
in einen systemisch-autopoietischen Kontext ein. Unternehmenskultur wird dabei als
ein Phänomen betrachtet, das es begrifflich zu fassen und in einen relevanten Realitäts-
ausschnitt zu stellen gilt. Im Anschluss diskutieren wir 10 teils in Frageform formu-
lierte Thesen, die in vier Bereiche gegliedert werden: Thesen zur Genese der Unterneh-
menskultur, Thesen zur Bedeutung von Unternehmenskultur, Thesen zur Gestaltung
von Unternehmenskultur, und schließlich wagen wir einen Ausblick auf künftige Her-
ausforderungen der Unternehmenskultur. Dieser Beitrag versteht sich als eine essayis-
tische Betrachtung zum Phänomen der Unternehmenskultur.
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L. Buchinger (*)
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J. Herget
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Zwar soll eine Theorie nicht mehr Variable als notwendig verwenden („Ockhams
Rasiermesser“), andererseits fordert das „Gesetz der erforderlichen Varietät“ von Ashby
(1958) eine ausreichende Anzahl von Variablen für ein Steuersystem im Vergleich zum
gesteuerten System. Übertragen auf Unternehmenskultur ergibt das die Anforderung nach
einem theoretischen Ansatz mit einem ausreichenden Komplexitätsreservoir, das die Mög-
lichkeit geeigneter Reduktionen für den konkreten Fall bietet.
Im Weiteren orientieren wir uns an der systemisch-konstruktivistischen Denkweise und
der autopoietischen Systemtheorie nach Luhmann (1984, 1997).
Zur Theorie des Wertmediums und Kultur als Gedächtnis sei hier nur kurz vermerkt,
dass Baecker gemäß unserem Verständnis nach ausführlichen Erwägungen dafür plädiert,
„Kulturtheorie“ im Sinne des Zusammenwirkens aller Kommunikationsmedien als Funk-
tionssystem der Gesellschaft mit dem Medium „Werte“ und der Unterscheidung richtig|-
falsch zu behandeln (Baecker 2013, S. 270–273; Baecker 2014, S. 118–128).
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Unternehmenskultur – Es gibt nichts Praktischeres als eine gute Theorie109
Ein wesentlicher Schritt für die wissenschaftliche Beschreibung von Systemen waren
Lösungen für die Behandlung von Selbstbezüglichkeit, z. B. Feedbackschleifen, da hier
die Anwendbarkeit der zweiwertigen Logik an ihre Grenzen stieß. In dieser bedeutet eine
doppelte Verneinung Bejahung, eine dritte Möglichkeit gibt es nicht.
Durch die Entwicklung rekursiver Modelle, anfänglich gestützt durch analytische
Näherungsverfahren, später durch zunehmende Möglichkeiten in der Datenverarbeitung,
konnten auch Selbstbezüglichkeit und Selbstreferenzialität von Systemen modelliert
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110 L. Buchinger und J. Herget
Nun gibt es in der autopoietischen Systemtheorie die Denkfigur des Beobachters, der die
grundlegenden Systemoperationen durchführt (Beobachter erster Ordnung) und deren
Durchführung beobachtet (Beobachter zweiter Ordnung).
Im Klappentext von Baecker (2008) heisst es:
„Besteht das Problem darin, dass in genau dem Moment der Beobachter eingeführt
wird, in dem das System ins Stocken geraten ist? Sitzt der Beobachter etwa nicht entweder
im System oder außerhalb des Systems, sondern auf der Grenze des Systems? Das würde
bedeuten, dass er inaktiv ist, solange die Grenze nicht in Frage steht, und nur aktiv wird,
sobald dies der Fall ist.“
Unser Fokus liegt auf Organisationen, in denen nach Luhmann Entscheidungen kom-
muniziert werden. Wir schlagen vor, Unternehmenskultur als Subsystem von Organisation
zu betrachten, einfachheitshalber symbolisiert durch „Beobachter von Unternehmenskul-
tur“ (BUK), deren Code richtig|falsch ist.
BUK sind Beobachter zweiter Ordnung, das heißt, sie beobachten Beobachter, die Ent-
scheidungen kommunizieren. Sie sind eingebettet in die Zeitstruktur durch Erinnern und
Vergessen (Theoriestrang 3 in Abschn. 1.1). Wir verorten sie an den jeweiligen System-
grenzen mit defokussierter Aufmerksamkeit, im Sinne der Kulturform gegenüber anderen
sozialen Systemen und im Sinne der Wertetheorie gegenüber sozialen und psychischen
Systemen (Theoriestränge 1 und 2). Sie agieren im Anlassfall selbst als Systeme und
weisen dabei einen reflexiven Anteil auf.
Medienepoche 4 (ME 4)
Zentrale Merkmale von ME 4 sind die sofortige Verfügbarkeit von Information/Kommu-
nikation sowie die Möglichkeit und teilweise Erfordernis einer unmittelbaren Reaktion
durch elektronische Netzwerke. Diese Beschleunigung steht in einem gravierenden Span-
nungsverhältnis zu BUK-relevanten (kulturellen) Themen, deren Veränderungsdynamik
bisher in Jahren oder Jahrzehnten verlief.
Für ME 4 lautet die Gleichung (Baecker 2014, S. 142):
Verknüpfung umfasst auch Vernetzung im Sinne der relationalen Soziologie von White
(2008), nach der andere Kontakte in Netzwerken attraktiver sein können als diejenigen,
die man selbst bieten kann. Daher muss mittels Kontrolle laufend daran gearbeitet werden,
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Unternehmenskultur – Es gibt nichts Praktischeres als eine gute Theorie111
die eigene Identität so attraktiv zu erhalten, dass die Verknüpfung aufrecht bleibt und keine
Trennung vollzogen wird. Identität ist dabei im Sinne von System zu verstehen. Baecker
(2014, S. 141) bezeichnet diese Unterscheidungsoperation als „tie –untie“ und verwendet
in obiger Gleichung den Begriff Spiel im Sinne Batesons (1954), welcher drei Kommuni-
kationsebenen bei Spielen und sich daraus ergebende Dynamiken beschreibt. Neben dem
durchaus ernsten Spiel auf der Primärebene gibt es die Metakommunikation: „Das ist ein
Spiel“ als Sekundärebene und auf einer weiteren Ebene eine mitlaufende Verständigung
über die Spielregeln. In dieser Gleichung ist die Dynamik sich ständig ändernder Trenn-
linien und stetiger Neuverhandlung abgebildet.
Es gibt Bestrebungen, diese Netzwerke als zusätzliche Form sozialer Systeme
neben Interaktion, Organisation und Gesellschaft einzuführen (Fuhse 2012, S. 296),
und Baecker (2017, S. 15) ortet einen neuen Forschungsbereich: digitale Soziologie
(Soziologie 4.0).
Wie oben erwähnt, sind heute Kulturformen aller vier Medienepochen nebeneinander
präsent. Die Entwicklung unserer Thesen durchläuft demgemäß einen Bogen ausgehend
von Individuum und Kollektiv mit größerer Bedeutung von ME 1 und ME 2 (Sozialisie-
rung des Individuums) bis zu Entwicklungstendenzen zukünftiger Formen der Unterneh-
menskultur in ME 4.
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112 L. Buchinger und J. Herget
erfolg mit kollektiven Werten, Normen und Überzeugungen und untermauert dies unter
anderem mit einem Zitat von Bailom et al. (2013, S. 47 ff.): Letztendlich sind es „die Ein-
stellungen, Werte, Denkmuster und Verhaltensweisen des Top-Management-Teams, die
die Grundlagen für einen nachhaltigen Erfolg bilden“.
Damit ist die Bedeutung und Verantwortung der Führungskräfte für den Beitrag der
Unternehmenskultur zum Unternehmenserfolg ins Zentrum gestellt. Auch die zwölf
Fragen von Buckingham und Coffmann (2002) zur Arbeitszufriedenheit zielen in diese
Richtung und werden im Rahmen der praktischen Führungsarbeit bei der Auswahl und
Förderung von Mitarbeitern/Nachwuchsführungkräften abgehandelt.
Für eine Diskussion aktueller Modelle für Unternehmenskultur und Vorschläge ihrer
Messbarkeit sei neben Cibulka (2018) auch auf Ettl (2018) verwiesen.
Eine Faktorisierung nach Forschungsgebieten zur Unternehmenskultur ergibt Beiträge
aus vier Feldern (Ilic 2018), die neben der Systemtheorie auch Kulturanthropologie, Psy-
chologie und Betriebswirtschaft enthalten (siehe Abb. 1).
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Unternehmenskultur – Es gibt nichts Praktischeres als eine gute Theorie113
Organisation an: Generell kann gesagt werden, je größer eine Organisation, je mehr Stand-
orte, je umfassender die Wertschöpfungstiefe und -breite, je unterschiedlicher die ver-
sammelten Professionen, je komplexer die Struktur, desto mehr voneinander abweichende
Unternehmenskulturen werden parallel vorhanden sein. In kleinen, inhabergeführten
Unternehmen bis ca. 50 Mitarbeitern kann sehr wohl eine Unternehmenskultur vorherr-
schend sein. Bei einem Konzern mit 10.000 Mitarbeitern mit Standorten in verschiedenen
Ländern und einem umfassenden Produktsortiment werden vermutlich mehrere Dutzend
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Subkulturen parallel anzutreffen sein. Dennoch ist es auch hier wichtig, eine von allen
wahrnehmbare, alles überlagernde Unternehmenskultur als einende, Zusammengehörig-
keit-vermittelnde Klammer zu spüren. Diese Herausforderung stellt sich vor allem bei
Mergers & Acquisitions. Hier werden zwei Unternehmen mit unterschiedlich gewachse-
nen Kulturen vereinigt. Das birgt natürlich zahlreiche Konflikte, da es in der Regel einen
dominanteren Partner gibt, dessen Kultur zur Referenzkultur mutiert. Gegenwärtig wird
häufig sogar bewusst eine Parallelität unterschiedlicher Kulturen zugelassen und geför-
dert, beispielsweise in einzelnen Abteilungen oder Projekten, die teils als „Labs“ bezeich-
net werden. Oder auch zum Beispiel bei Übernahmen von Start-ups wird es als hilfreich
betrachtet, bewusst eine andere Kultur zu etablieren, mit allen Risiken und Konfliktpoten-
zialen, die das in sich birgt. Die Vorteile der Geschwindigkeit, der ungezwungenen Kom-
munikation und Kooperation, der hierarchieübergreifenden Verständigung und des Emp-
owerment der einzelnen Mitarbeiter – im Unterschied zu häufig stabileren Kulturen von
größeren Unternehmen - überwiegen bei weitem.
In der Gleichung für ME 4 sind, wie in Abschn. 1.5 beschrieben, diese vielfältigen
Ausprägungen unter Trennung (tie|untie) und Spiel mit seinen drei Ebenen berücksichtigt.
Welche Facetten können Subkulturen annehmen?
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114 L. Buchinger und J. Herget
Der Erfolg eines Unternehmens kann nur in den allerseltensten Fällen monokausal erklärt
werden – darüber herrscht Konsens in der Wissenschaft. Die Bedeutung der Unterneh-
menskultur für den Erfolg von Organisationen wird jedoch in zahlreichen Studien bestä-
tigt, wenngleich zumeist Korrelationsbeziehungen vorliegen und keine Kausalbeziehun-
gen (zur Studienübersicht siehe Sackmann 2006). Beispielsweise haben Denison (1984)
und Kotter und Heskett (1992) in umfangreichen Studien festgestellt, dass Unternehmen
mit einer gut ausgeprägten Unternehmenskultur wesentlich profitabler arbeiten. Auch das
Bundesministerium für Arbeit (BMAS 2008) attribuiert 31 % der Varianz des Unterneh-
menserfolgs als durch die Unternehmenskultur unmittelbar bedingt. Die Weiterentwick-
lung der Unternehmenskultur nimmt ebenso in zahlreichen weiteren Studien (z. B. Hays
2016) den ersten Stellenwert bei der Frage ein, welche Handlungsfelder für Unternehmen
gegenwärtig am wichtigsten seien.
Wir können also festhalten, eine fördernde Unternehmenskultur, die als stark (im Sinne
von gut und hoch) bezeichnet werden kann, hat eine zentrale Bedeutung für den langfris-
tigen Erfolg von Unternehmen. Die Unternehmenskultur ist das Fundament, das erfolgrei-
ches Agieren ermöglicht – die Unternehmenskultur befördert oder behindert die zukünf-
tige Entwicklung von Organisationen aller Art.
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Unternehmenskultur – Es gibt nichts Praktischeres als eine gute Theorie115
These 7: Was entsteht wandelt sich und kann folglich verändert werden
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Unternehmenskultur ist das real gelebte Resultat der unbewussten oder bewussten
Annahmen, Prämissen, Werthaltungen, Normen, Verhaltensweisen und Artefakte in einer
Organisation. So weit so gut. Die zentrale Frage für mit Kulturfragen in Organisationen
befasste Personen – und das sind zumindest alle Führungskräfte – ist, wie eine gewünschte
(oder gar notwendige) Unternehmenskultur entwickelt werden kann, wenn die aktuelle als
nicht den Erfordernissen adäquate betrachtet wird. Es stellt sich sodann die Frage, was
eine Unternehmenskultur am meisten beeinflusst. Auch hier gibt uns die Forschung einige
Hinweise: So gelten als die wichtigsten Treiber der Unternehmenskultur das Verhalten der
Vorgesetzten und die interne Kommunikation (Jost 2003).
Mit unterschiedlichen Ansätzen der Veränderbarkeit von Unternehmenskultur beschäftigt
sich der Beitrag von Herget (2018). In pragmatischer Absicht stellen beispielsweise Kotter
und Heskett (1992) vor allem Systeme in den Vordergrund, die als Belohnungs- und Sank-
tionssysteme oder Prozessabläufe in Organisationen etabliert werden und somit unmittelbar
einen starken Einfluss auf das Verhalten in Unternehmen haben. Geradezu radikal geht auch
Radatz (2009) vor. Sie reklamiert mit ihrem relationalen Ansatz eine sofortige Änderbarkeit
von Strukturen und Abläufen in Organisationen. Wir sehen also, Unternehmenskulturen sind
natürlich veränderbar, denn sie sind entstanden vor allem durch die interpersonalen Dynami-
ken in Organisationen. Storytelling, also die Geschichten, die man sich erzählt, das Vorleben
und Verhalten („Walk your Talk") der Führungskräfte, die eingesetzten Managementsysteme
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116 L. Buchinger und J. Herget
und ein klares Bild davon, wie man gemeinsam die Realität gestalten möchte – als ein paar
herausgegriffene Hebel – zeigen auf, wie Unternehmenskulturen in ihrer Entwicklungsrich-
tung beeinflusst werden können. Was entsteht, kann also auch im weiteren Verlauf weiterent-
wickelt oder auch verändert werden. Kommunikation ist dabei das konstituierende Element
von sozialen Systemen, wie bereits Luhmann (1984) herausgestellt hat.
Im Sinne der Systemtheorie ist im Zusammenhang mit Scheins Modell zu erwähnen, dass
alle angeführten Begriffe, neben ihrer Verankerung in den Köpfen der Mitarbeitenden
(psychische Systeme), als wirksame Kommunikation im sozialen System Unternehmen
verstanden werden.
Ebene 1 ist einer direkten – unter Umständen wenig nachhaltigen – Beeinflussung relativ
leicht zugänglich, auf Ebene 2 sind die Auswirkungen erst mit zeitlicher Verzögerung
erkennbar, Ebene 3 kann nur durch einen Interpretationsprozess der „sichtbaren“ ersten
und „gefühlten“ zweiten Ebene erschlossen werden. Werden diese auf Ebene 1 erarbeiteten
Maßnahmen durch Ebene 2 (Gefühl für das Richtige und dahinterliegenden Werte) gestützt,
können Änderungen auf Ebene 3 wahrgenommen und durch anschlussfähige weitere Maß-
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nahmen in die gewünschte Richtung gelenkt werden. Kultur und Strategie würden sich
dann für ein gemeinsames Frühstück zur gegenseitigen Unterstützung treffen.
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Unternehmenskultur – Es gibt nichts Praktischeres als eine gute Theorie117
1. Unternehmenskultur in Netzwerken
Das klassische Spannungsgebiet der Betriebswirtschaft kennzeichnet den Gegensatz
von Hierarchie und Markt (Coase 1937). Hierarchie bedeutet, dass die Leistungser-
bringung in einer Organisation vollzogen wird, die einer hierarchischen Strukturie-
rung unterliegt. Den Gegensatz hierzu bildet der Markt, auf dem die benötigten Pro-
dukte und Dienstleistungen hinzugekauft werden. Wann lohnt es sich, Kompetenzen
in einem Unternehmen aufzubauen, wann sollen diese Kompetenzen am Markt hinzu-
gekauft werden? Die Transaktionskosten, also die Kosten der Anbahnung, Vertrags-
aushandlung, Beschaffung und Kontrolle bilden den großen Unterschied zwischen den
beiden Polen des „make“ oder „buy“. Die derzeitige Entwicklung geht immer mehr
in Richtung Verschlankung („lean“), Dienstleistungen, temporäre Dienstleister und
Produkte werden auf dem Markt hinzugekauft. Aber auch Kooperationen – zum Teil
mit (partiellen) Wettbewerbern, unter dem Kunstwort „Coopetition“ („cooperation and
competion“) etablieren sich. Diese vernetzten Kompetenzen in Netzwerken zur Wert-
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schöpfung werden immer bedeutender, auch sie verfügen und entwickeln eine tempo-
räre Unternehmenskultur. Unter welchen Bedingungen und Einflussfaktoren kann die
jeweilige – die gemeinsame Zusammenarbeit förderliche oder hemmende – Unterneh-
menskultur ausgebildet und entwickelt werden?
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118 L. Buchinger und J. Herget
und den „administrativen“ Bereichen, die häufig als Kulturen von Technikern und
Kaufleuten bezeichnet werden. Durch die zunehmende Spezialisierung werden sich
in großen Unternehmen Dutzende von Makro-, Sub- und Mikrokulturen etablieren.
Ein Beispiel: in der Marktforschung werden zunehmend sogenannte Datenanalysten
Einzug halten, auch diese unterscheiden sich durch ihre Ausbildung von den bisheri-
gen klassischen Marktforschern (die sich ihrerseits von anderen Marketingmitarbei-
tern unterscheiden). Eine zunehmend wichtige Aufgabe wird es sein, trotz dieser wei-
teren Ausdifferenzierung das Gemeinsame zu fokussieren und die Tätigkeit darauf
auszurichten.
durch neue Strukturen und Formen – mit einer großen Auswirkung auf die herrschende
Unternehmenskultur. Auch hier öffnet sich noch ein hoher Forschungsbedarf, um den
Übergang, das Entwickeln und Steuern neuer Organisationsformen aus unternehmens-
kultureller Perspektive produktiv zu begleiten.
6. Der intelligente Kollege Roboter und sein Einfluss auf die Unternehmenskultur
Die Automatisierung und Mechanisierung schreitet unvermindert fort, allerdings mit
einer wesentlichen Veränderung: Es sind nicht mehr nur Routinevorgänge mit ein-
deutigen Algorithmen, künftige „Roboter“ verfügen über eine ausgeprägte kognitive
Komponente, die auf Technologien der künstlichen Intelligenz basieren, wie sie stell-
vertretend das Computersystem Watson von IBM darstellt. Über die Auswirkung auf
die Arbeitsplätze in den nächsten Jahren gibt es unterschiedliche Berechnungen, die
von gefährdeten Jobs in einer Größenordnung von 50 % (Frey und Osborne 2013)
oder „nur“ 9 % (Nagl et al. 2017) ausgehen. Eines ist jedoch absehbar, der Kollege
Roboter wird in wenigen Jahren erlebter Alltag in Unternehmen sein, dessen haupt-
sächliches Unterscheidungskriterium zum Menschen wird die fehlende Fehleran-
fälligkeit sein. Viele Arbeitsplätze werden einen Paradigmenwechsel vornehmen:
Nicht mehr der Roboter assistiert dem Menschen, sondern der Mensch dem Roboter.
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Unternehmenskultur – Es gibt nichts Praktischeres als eine gute Theorie119
Mit zunehmender humanoider Ausgestaltung der Roboter wird dies auch zu einer
anderen Unternehmenskultur führen können. Auch hier müssen entsprechende Kon-
zepte der Unternehmenskultur theoretisch fundiert entwickelt werden.
Die Kulturwissenschaft ist ein Kind des 20. Jahrhunderts. Wir verfügen über viel empi-
risches Wissen im Sinne von Modellen, Hypothesen und Theorien zur Ausprägung von
Lebens-, Sozial- und Arbeitsräumen, die wir als Unternehmenskultur bezeichnen. Vieles
ist beschrieben, manches erklärt. Einiges erlaubt sogar die Ableitung von Wenn-Dann-
Beziehungen. Darauf aufbauende theoretische Konstrukte ermöglichen gestalterische
Maßnahmen und zielgerichtete Interventionen.
Gleichzeitig bedingt unter anderem auch das Phänomen der Emergenz, dass das Zusam-
menwirken der Individuen in systemischen Kontexten immer wieder neue Konstellationen
hervorbringen. Hier kommen wir an die Grenzen der bisherigen theoretischen Aussagen –
neue empirische Phänomene müssen neu erforscht werden. Neue Konstellationen ver-
langen nach neuen Antworten. Sämtliche Treiber der Unternehmensentwicklung in ihrem
wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Kontext wie Globalisierung, Migration, Digitali-
sierung, Robotisierung, künstliche Intelligenz, veränderte subjektive und kollektive Werte,
Grundsicherung und weitere (hier nicht ausgeführte) Aspekte verändern die Realität und
fragen nach neuen Antworten. Die Praxis erfordert neue Theorien.
Einen Ansatz in diese Richtung bietet die von Baecker für die vierte Medienepoche auf-
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gestellte Kulturgleichung,
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