GERMANISTISCHE BEITRÄGE
35/2014
http://Publishers.IndexCopernicus.com
EBSCO
UNIVERSITÄTSVERLAG
SIBIU/HERMANNSTADT
2014
Herausgegeben vom Lehrstuhl für Germanistik
Prof. Dr. Maria Sass
Redaktionskreis:
Doz. Dr. Rodica-Ofelia Miclea
Doz. Dr. Johanna Bottesch
Doz. Dr. Sunhild Galter
Dr. Eugen Christ
Doz. Dr. Dana-Janetta Dogaru
Doz. Dr. Doris Sava
Prof. Dr. Horst Schuller
Redaktionsbeirat:
Prof. Dr. Stefan Sienerth
Prof. Dr. Heinrich J. Dingeldein
Dr. h.c. Joachim Wittstock
Peer Review:
Prof.Dr. Erzsebet Knipf-Komlósi: Philologische Fakultät Budapest, Ungarn
Prof. Dr. Csaba Földes: Pannonische Universität Veszprém, Ugarn
Prof. Dr. George Guþu: Fakultät für Fremdsprachen Bukarest
Prof. Dr. Ioan Lãzãrescu: Fakultät für Fremdsprachen Bukarest
Prof. Dr. András Balogh: Philologische Fakultät Klausenburg
Dozent Dr. Carmen Elisabeth Puchianu: Transilvania-Universität
Braºov/Kronstadt
ISSN 1454-5144
Vorwort .......................................................................................9
5
6 Inhalt
II. Sprachwissenschaft
Adina-Lucia NISTOR (Iassy): Banater Schnitten,
Pariser Stangen, Russische Elegante. Zur Reichweite
siebenbürgischer Kochrezepte..................................................219
III. Bücherschau
Mihai CRUDU: Rezension......................................................308
Foreword ........................................................................................
7
8 Table of Contents
II. Linguistics
Lucia-Adina NISTOR (Iassy): Banater Schnitten,
Pariser Stangen, Russische Elegante. About the geographic
component of the Transylvanian kitchen recipes .....................219
Index of authors......................................................................311
Vorwort
Die Herausgeber
9
I. Literaturwissenschaft
und Landeskunde
Nach Siebenbürgen verschlagen?
Vorspiegelung, realistische Sicht und
Selbsttäuschung in Adolf Meschendörfers
Romandebüt „Leonore“
Joachim WITTSTOCK
Dr.hc., Schriftsteller und Literaturwissenschaftler,
Sibiu/Hermannstadt
13
14 Joachim Wittstock
11 Ebenda, S. 296.
12 Ebenda, S. 295.
13 Ebenda, S. 296.
14 Ebenda, S. 298.
18 Joachim Wittstock
rundschau, 26. November 1971; Das Mädchen Maio May, in: Die
Woche, 25. Dezember 1987; Der Kranz, in: Karpatenrundschau, 20.
Dezember 2012.
Nach Siebenbürgen verschlagen? Vorspiegelung,... 19
das sich in jenen Jahren vor Beginn des ersten Weltkriegs abspielt,
als Die Karpathen (1907-1914) erschienen.
Verweilen wir ein wenig bei der etwa in der Zeitspanne
1957 bis 1960 entstandenen, Fragment gebliebenen Erzählung.
In einer Gesprächsrunde werden jene Schlusspartien des Romans
Leonore erörtert, das heißt, auf ihren Wahrheitsgehalt hin geprüft,
in denen Svend begreifen muss, die von ihm verehrte Leonore
werde einen anderen heiraten, nämlich den schon erwähnten In-
genieur. Die Braut ersucht Svend, ihr für den Hochzeitswagen
das Gespann der vier Schimmelhengste Pascha, Mustapha, Betyár
und Csillag zu leihen. Der darob Angesprochene erteilt ihr aber
demonstrativ eine Abfuhr, indem er dem Kutscher Hans be-
fiehlt, die Schimmel zu erschießen. Unverzüglich führt der Kut-
scher diese Anordnung aus, was vom jungen Meschendörfer
leichter behauptet als authentisch dargestellt wurde.
Zitat aus Leonore: „… ich ließ Hans die Pferde in den Stall
führen [genauer gesagt: in die als Stall dienende Waschküche der
von Svend gemieteten Stadtwohnung], der Reihe nach aufstellen,
sie anbinden und der Reihe nach niederschießen. In meinem
Zimmer lauschte ich wie ein feiger Mörder und hörte viermal
den dumpfen Knall, und ich war Hans dankbar, dass ich ihn nur
viermal hörte. Die Tränen liefen mir über die Wangen, ich ging
auf und ab und rief sie bei ihrem Namen. Doch dann wurde ich
wieder gleichgültig, und gegen Abend, glaube ich, hatte ich die
Geschichte vergessen.“19
Hier folgt nun ein Kommentar, den Wittstock in seiner Er-
zählung den Deutschlehrer Werner Frank vorbringen lässt. Frank
wendet sich an den Kaufmann Litschel, und dieser berichtet das
Gehörte später, während einer Zusammenkunft gesellschaft-
lich-kulturell interessierter Personen. Zitiert wird aus dem Ty-
poskript.
Nein, wie kurz diese Ketten auch gefasst sind, wie immer die Waffe
beschaffen ist, die sich gegen die Tiere richtet, wie glänzend immer
Hans etwa den klugen, treuen Mustapha niederstreckt, glaubst du
nicht, dass der Pascha, der Betyár und der Csillag von wahnsinnigem
Schreck ergriffen werden würden und Hans mit Riesenungestüm
und schnaubender Riesenkraft ein vernünftiges Ziel so sehr
erschwerden würden, dass noch zehn, zwanzig, dreißig weitere
Kugeln nötig wären – in der Waschküche, in der die Schüsse lauter
und dumpfer hallen als im Freien, lauter und aufregender auch ins
Pferdeohr hineindröhnen! Nein, wie gelassen, wie kaltblütig der
junge Kutscher von Natur auch sein sollte, nach dem zweiten Tier
zittern ihm Hand und Knie dermaßen, dass von einem Zielschießen
überhaupt nicht die Rede sein kann.“
Nach Siebenbürgen verschlagen? Vorspiegelung,... 21
‚Wir wollen dem Stoff, der in Svends Tagebuch tot geblieben ist,
Leben einflößen! Heran an die Wirklichkeit!’
Frank ist der Meinung, dass ein großer Teil der Schüsse, die ‚das
Massaker’ erfordern würde, in Herd, Kessel, Ofenrohr und Wände
der Waschküche, vor allem aber in die Fensterscheiben gehen wür-
de. Er glaubt, dass die oberflächlichste, flüchtigste Vorbereitung, die
das Töten der vier Pferde bei den gegebenen Umständen erfordert
haben würde, eine gewisse Zeit in Anspruch genommen hätte. We-
nig gerechnet eine Stunde. Er glaubt, dass selbst ein Leser mit
stumpfem Gemüt sich an dieser Stelle der Erzählung fragen wird:
Was hat Svend vorgeschwebt, wie bringt man die armen ‚Prinzen’
zur Waschküchentür heraus, sobald sie tot sind? Muss man ihnen die
Beine zerschlagen, und muss auch dies der Kutscher Hans tun?
Mit den Tieren hat es Dr. Svend leicht gehabt. Sie sind stumm. Ehe
man sich´s versieht, sind sie hin, und wir sind Hans dankbar, dass wir
ihn nur viermal schießen hörten. Gegen Abend, glauben wir, haben
wir ‚diese Geschichte’ schon vergessen…
22 Joachim Wittstock
Doch das ist nicht so ohne weiteres möglich. Denn da sind auch noch
die Menschen. Die können sprechen. Mit diesen ist es viel schwieri-
ger. Da ist zum Beispiel dieser Hans! Ein Bauernsohn, der mit Pferden
umzugehen versteht, ein normaler junger Bursche. Stadtwohnung –
nicht Landgut… Viergespann, wie man es zuweilen noch sehen
kann; doch nicht nach landesüblicher Gewohnheit mit Wallachen
[Wallach, mit Doppel-l geschrieben, verschnittenes männliches Pferd],
sondern mit Hengsten… in verkehrsreichen, lärmenden Straßen. Ja,
dieser Hans muss das Fahren besonders erlernt und eine besondere
Neigung zu den Pferden haben, vielleicht war er trotz seiner Jugend
Kutscher auf dem Gut eines ungarischen Adligen, vielleicht hat auch
er bei den Husaren gedient. Und jetzt erhält er überraschend den Befehl:
‚Du erschießt die Hengste!’ Der Befehl ruft bei ihm eine Reaktion
hervor. Welche? Er antwortet Doktor Svend. Was? Was antwortet
er? Hat er sich auf dem Absatz schon umgekehrt, den Befehl durch-
zuführen? Oder läuft er vielmehr zum Hausherrn und zu den übrigen
Hausgenossen, um ihnen zu sagen, dass Svend verrückt geworden
ist? Was tun? Was tun nach so einem Befehl? Männer, Frauen, Kin-
der, Mittagszeit… Straßenverkehr, Geschäftsläden, Werkstätten der
Nachbarschaft… Nachbarn… Typen!… Leben!
gleichsam der Hagere mit dem Dicken, der Gute mit dem Verschla-
genen zusammentreffen, dies alles hätte sich tatsächlich in keiner an-
deren Stadt und in keiner anderen Straße besser zeigen lassen, als in
der alten Gewerbe- und Handelsstadt Kronstadt und in der Kloster-
gasse…
25
26 Delia Cotârlea
Bald musste ich einsehen, die Macht ist niemals zu Dialogen bereit,
sie führt nur Monologe. Und die Monologe wurden immer lauter,
bedrohlicher, aggressiver. Aber ich hatte schon vom Wind der Freiheit
geschnuppert. Wieder beschäftigte ich mich mehr mit Rilke. […]
Diesmal fand ich in Rilkes Versen Trost, Hoffnung, Mut, Stärke,
obwohl alles so sanft klang, fast wie erloschen.4
viel zeit + raum. vorläufig schachte ich Rilke aus, um ans gerüst zu
kommen, was mich – aus Sinaia zurück – sehr amüsiert hat, die zeile,
aus der DAS JAHR gewachsen ist, die ich als Rilke-zeile im gedächtnis
hatte, heißt bei ihm (im ‚Östlichen Taglied‘) nicht ‚was dagegen
langsam anbricht, Tag geheißen‘, sondern ‚was dagegen langsam
anhebt, Tag geheißen‘ + bei mir baut es sich auf’s abbrechen ab,
pardon, auf’s anbrechen – bin ja kein so großer plagiator. […] das
jahr ist also um (das 1. jahr gerhardt) und die arme NL hat noch
immer keinen redakteur.16
1993.
26 Ebd., S. 10-13.
34 Delia Cotârlea
27 Ebd., S. 10.
28 Ebenda.
29 Siehe Metzler Literatur Lexikon. Begriffe und Definitionen. Hg. von
Das Ich findet keinen Halt und keinen Lebenssinn, es irrt umher
und sieht keinen Ausweg aus dieser Lage. Das Ich stellt fest,
dass es in diese Situation buchstäblich verstrickt ist, es wird von
„unsichtbaren stricken festgehalten“, die Befreiung wird als
unmöglich betrachtet. Der Gedanke an eine neu entstehende Welt
nach der Überwindung des Trennungsschmerzes löst zusätzliches
Leid aus, denn das Leben danach scheint noch empfindlicher zu
sein – „doch was da baut und bröckelt, brennt und abbricht
30 Latzina, Unveröffentlichtes Tagebuch, 08.05.1987.
36 Delia Cotârlea
31 Ebenda.
32 Kindlers Literatur Lexikon im dtv in 25 Bänden. München 1974, S. 2900.
33 Latzina, Unveröffentlichtes Tagebuch, 13. 05. 1987.
Anemone Latzinas Tagebucheinträge und die Literatur... 37
Bibliografie
Primärliteratur
Latzina, Anemone: Unveröffentlichtes Tagebuch. Heft
28/1986-87. [Nach Tagebuchaufarbeitung in den Jahren
2001-2007, mit der Erlaubnis von János Szász].
Motzan, Peter (Hg.): Rilke, Rainer Maria. Lyrik und Prosa.
Mit einer Textinterpretation. Bukarest 1976.
Rilke, Rainer Maria: Ausgewählte Gedichte. Frankfurt am
Main 1978.
Sekundärliteratur
Hodjak, Franz: Rilke im Ausreisegepäck. In: Insel-Almanach
auf das Jahr 1997. Rainer Maria Rilke. 1926 bis 1996.
Erinnerungen an den Dichter. Begegnungen mit dem Werk.
Eine Dokumentation. Frankfurt am Main, Leipzig 1996, S.
187-190.
Cotârlea, Delia: Schreiben unter der Diktatur. Die Lyrik von
Anemone Latzina – monographischer Versuch. Frankfurt
am Main 2008.
Anemone Latzinas Tagebucheinträge und die Literatur... 41
Motto:
Geschichte ist die Gewissheit, die dort entsteht,
wo die Unvollkommenheiten der Erinnerung
auf die Unzulänglichkeiten der Dokumentation treffen.1
1 Julian Barnes: Vom Ende einer Geschichte. Köln 2011, S. 35. Zit. nach:
Hendrik Schlieper: Geschichte und Präsenz. Überlegungen zum gegen-
wärtigen ,Ort’ historischen Erzählens am Beispiel von Javier Cercas
Anatomie eines Augenblicks. In: Birnstiel, Klaus/Erik Schilling (Hgg.):
Literatur und Theorie seit der Postmoderne. Stuttgart 2012, S. 212.
42
Die Fiktion des Faktischen. Geschichte als Literatur, ... 43
2. Zum Autor
Der Schriftsteller und Kulturhistoriker René Fülöp Miller, mit
eigentlichem Namen Philipp Müller, wurde 1891 als Sohn eines
Apothekers in Karansebesch/Banat/Rumänien geboren. Zuerst
besuchte er die Schule im Banater Geburtsort, danach studierte
er Pharmazie, Anatomie und Psychiatrie in Wien, Berlin, Paris
und Lausanne, zu seinen Lehrern gehörte auch Sigmund Freud.
Nach dem Studium praktiziert Miller in der väterlichen Apotheke,
doch gibt er den Beruf bald auf, macht sich als Journalist in
Budapest und Wien einen Namen, ist jedoch auch als Korrespon-
dent für rumänische Publikationen tätig.
1935 emigriert er nach Frankreich, anschließend nach Italien
und 1938, über England und Norwegen in die USA. Dort
unterrichtet er am Hunter College in New York. Nach dem
Zweiten Weltkrieg lebt er auf einer Farm in Hartland/USA und
verstirbt 1963 in Hanover/USA. Er hat hauptsächlich kultur-
historische und biographische Werke verfasst.
Forscherdrang, vielleicht auch Abenteuerlust, führen ihn in
die Sowjetunion, über deren kulturelles Leben er in Wien und
Berlin schreibt. Sein erster Bucherfolg ist die Monographie
Geist und Gesicht des Bolschewismus (1926), die mehrere Auf-
lagen erlebte und auch in zahlreiche Sprachen übersetzt wurde.
Darüber schreibt Horst Fassel: „Trotz neuer Erkenntnisse bleibt
das Buch eine tiefschürfende Analyse des Scheiterns einer
staatlich zensierten Kultur.”12 Andere Bücher, deren Wurzeln
13 Ebenda.
14 Ebenda.
48 Maria Sass
16 Ebenda.
17 Ebenda, S. 8.
18 Ebenda, S. 9.
50 Maria Sass
19 Ebenda, S. 11.
20 Ebenda, S. 12.
21 Ebenda, S. 13.
22 Ebenda, S. 18.
23 Ebenda, S. 19.
24 Ebenda, S. 21.
Die Fiktion des Faktischen. Geschichte als Literatur, ... 51
25 Ebenda, S. 28.
26 Ebenda.
27 Ebenda, S. 100.
52 Maria Sass
28 Ebenda, S. 101.
29 Ebenda, S. 150-160.
30 Ebenda, S. 151.
31 Ebenda, S. 167.
Die Fiktion des Faktischen. Geschichte als Literatur, ... 53
32 Ebenda, S. 181.
33 Ebenda, S. 179.
54 Maria Sass
34 Ebenda, S. 446.
35 Ebenda., S. 462.
Die Fiktion des Faktischen. Geschichte als Literatur, ... 55
36 Ebenda.
37 Ebenda.
38 Ebenda, S. 463.
56 Maria Sass
Wie schon oben angedeutet, war es in der Zeit des Zaren Nikolaj
II. üblich, dass Wahrsager und Spiritisten am Hofe empfangen
wurden. Es gab auch einen anderen Grund, dass Rasputin an
den Hof gerufen wurde: die Krankheit des Thronfolgers. Die
Atmosphäre am Zarenhof war eine für einen „aufrichtigen
Freund” empfänglich stimmende, denn in einem Brief nach
Deutschland beschreibt die Zarin sie folgendermaßen:
Ich fühle, dass alle, die meinen Mann umgeben, unaufrichtig sind,
und niemand seine Pflicht um der Pflicht willen und für Russland
erfüllt. Alle dienen ihm nur der Karriere wegen oder weil sie sich
persönliche Vorteile verschaffen wollen.39
39 Ebenda.
Die Fiktion des Faktischen. Geschichte als Literatur, ... 57
erfüllt hatte, wurde er weder von den Monarchisten noch von den
Liberalen mehr gebraucht. 40
40 Ebenda, S. 464.
41 Ebenda.
58 Maria Sass
sehen wir die Welt immer durch den „Filter” unseres Denk- und
Wahrnehmungsapparates. Vor diesem Hintergrund sollen einige
Aspekte, die in unserer Sicht die Fiktionalität von Geschichte
begründen, an Millers Heiligem Teufel exemplifiziert und ana-
lysiert werden.
Es ist eine bekannte Tatsache, dass Geschichte nicht von
selbst als kohärentes Geschehen erscheint, sondern selbstständige
historische Ereignisse werden von Historikern zusammengelegt,
um eine kohärente Einheit zu konstruieren. Der Theoretiker
Hayden White, dem die Betrachtung von Geschichtedarstellung
als Fiktionalität ihren maßgeblichen Impuls verdankt, ist der
Auffassung, dass „die Geschichtsschreibung, nicht weniger eine
Form von Fiktion, als der Roman eine Form historischer Dar-
stellung ist.”42
In der Postmoderne hat die Beziehung zwischen der geschicht-
lichen Faktizität und der literarischen Fiktionalität schärfere
Kontur bekommen. Wenn A. Nünning43 von „metahistorischer
Fiktion” spricht, so meint er damit die Fiktionalität von
Geschichte. Ebenfalls soll in diesem Kontext der Begriff der so
genannten Dokufiktion, der im letzten Jahrzehnt vor allem auf
Sachbücher und Fersehfilme bezogen wurde, mehrere Erzähl-
verfahren in sich schließt und die „Materialität des Beweises”44 in
den Mittelpunkt der Analyse von Texten rückt, Erwähnung finden.
5. Die Gattung
Das Schwierigste im Falle solcher „historischer Geschichten” ist
es, diese einer bestimmten, beschreibbaren Gattung zuzuordenen.
Je nach dem Raum, der den literarischen Gestaltungsmitteln
geboten wird, könnte man zwischen „Geschichtserzählung”,
„Mischung von Essay und Erzählung” und ähnlichen Bezeich-
nungen schwanken. Dabei ergibt sich eine wichtige Frage, die
sich bei solchen Texten von selber stellt: Wie literarisch kann
man die Realität angehen?
Eine mögliche Antwort auf eine solche Frage fand 2008 der
spanische Autor Cercas (*1962) in der geschichtlichen Wahrneh-
mung innerhalb der Postmoderne, wenn von der „Nicht-Unter-
scheidbarkeit von Wirklichkeit und Fiktion”45 gesprochen wird.
Zudem sei noch das Problem „der Unzuverlässlichkeit der
Erinnerung”46 angeführt. Diese beiden postmodernen Richtlinien
45 Ebenda, S. 295.
60 Maria Sass
6. Schlussbetrachtungen
Zieht man postmoderne Sichtweisen in Betracht, laut denen die
Wirklichkeit und die Fiktion ununterscheidbar und austaus-
chbar geworden sind, so muss gefolgert werden, dass René
Fülöp Millers kulturhistorische Schrift Der heilige Teufel die
„Sehnsucht nach Substantialität” (Gumbrecht) aufweist. Das
historische Erzählen, der ganze Stil des Werks ist der so genannten
Dokufiktion verpflichtet. Die Wirklichkeitpräsentation ist eine
mögliche, das gebotene Bild Russlands ein Wahrscheinliches.
Der Inhalt des vorangestellten Mottos „Geschichte ist die Ge-
wissheit, die dort entsteht, wo die Unvollkommenheiten der
Erinnerung auf die Unzulänglichkeiten der Dokumentation
treffen”49, begründet das, was wir mit Fiktionalisierung des
Faktischen bezeichnen.
Literatur
Primärliteratur:
Barnes, Julian: Vom Ende einer Geschichte. Köln 2011.
Miller, René Fülöp: Der heilige Teufel. Die Wahrheit über
Rasputin. Leipzig 1994.
48 Ebenda, S. 211.
49 Julian Barnes: Vom Ende einer Geschichte. Köln 2011, S. 35. Zit.
nach: Hendrik Schlieper: Geschichte und Präsenz. Überlegungen zum
gegenwärtigen,Ort’ historischen Erzählens am Beispiel von Javier
Cercas Anatomie eines Augenblicks. In: Birnstiel, Klaus/Erik Schilling
(Hgg.): Literatur und Theorie seit der Postmoderne. Stuttgart 2012, S. 212.
Die Fiktion des Faktischen. Geschichte als Literatur, ... 63
Sekundärliteratur:
Birnstiel, Klaus/ Schilling, Erik (Hrg.): Literatur und Theorie
seit der Postmoderne. Stuttgart 2012.
Nünning, Ansgar/ Nünning, Vera (Hrg.): Konzepte der Kultur-
wissenschaften. Theoretische Grundlagen – Ansätze –
Perspektiven, Stuttgart 2003.
Nünning, Ansgar/ Sommer, Roy (Hrg.): Kulturwissenschaft-
liche Literaturwissenschaft. Disziplinäre Ansätze – Theoretische
Positionen – Transdisziplinäre Perspektiven.Tübingen 2004.
Schlieper, Hendrik: Geschichte und Präsenz. Überlegungen
zum gegenwärtigen,Ort’ historischen Erzählens am Beispiel
von Javier Cercas Anatomie eines Augenblicks. In: Birnstiel,
Klaus/ Schilling, Erik (Hrg.): Literatur und Theorie seit der
Postmoderne. Stuttgart 2012.
Internetquellen
http://www.ostdeutsche-biographie.de/fuelre91.htm; 12/26/
2011 (Horst Fassel)
Stopka, Katja: Zeitgeschichte, Literatur und Literaturwissen-
schaft. In: Docupedia – Zeitgeschichte. Begriffe, Methoden und
Debatten der zeithistorischen Forschung.
http://docupedia.de/zg/Literaturwissenschaft (Zugriff
19.01.2013)
Theater – eine Sache multipler Interrelationen1
Carmen Elisabeth PUCHIANU
Doz. Dr. Transilvania-Universität Braºov/Kronstadt; E-mail:
carmenelisabethp@yahoo.de
Präambel
Mein gegenwärtiges Theaterkonzept hat sich im Laufe der
Jahre aus der Absage vom literarischen Theater entwickelt2 und
lässt sich am besten als hybrides Theater beschreiben, da es
kaum einer einzigen herkömmlichen Theaterform zuzuordnen
ist. Es handelt sich um eine Mischform, in der sich Elemente des
1 Der Artikel basiert auf Auszügen aus dem bei Stutz (Passau) in Druck
befindlichen Band Roter Strick und schwarze Folie. Der ursprüngliche
Titel des Tagungsvortrags (November 2013) lautete Theater als Inter3
2 Vgl. Puchianu, C. E.: „In meiner Komödie hat es am Ende vollkommen
finster zu sein“- Als Theatermacher(in) auf dem Weg vom literarischen
zum Improvisationstheater“. In: Kronstädter Beiträge zur germanis-
tischen Forschung. Bd. XII, Kronstadt: Aldus, 2010, S. 49-56.
64
Theater – eine Sache multipler Interrelationen 65
Theater intermedial
Ein authentisches Theatererlebnis und ein adäquates Theater-
verständnis sind nur dann möglich, wenn sich Theatermacher
und Theaterpublikum der medialen Bedingungen und Mittel
des Theaters bewusst und darüber hinaus bereit sind, sich mit
Leib, Seele und Verstand darauf einzulassen. Die Bühne bietet den
notwendigen Begegnungs- und Freiraum, in dem sich das Theater
und dessen Ausdrucksmöglichkeiten anhand von Mischung mit
jenen anderer Künste und Medien, wie etwa des östlichen
Theaters und des Tanzes, neu definieren können. Seit der Mitte
des 20. Jahrhunderts setzen Theatermacher wie Antonin Artuad
auf die komplexe Verflechtung von Attitude, Bewegung, Gestik,
Mimik und Lautlichkeit agierender Körper, wie sie vor allem
im östlichen Kulturkreis zum Einsatz kommt:
3 Der Einsatz des darstellenden Spiels im Unterricht stellt für mich eine
effiziente und notwendige Herangehensweise an Literatur dar, da es
den kreativen Eingriff der Studierenden in den Text fördert, deren Vor-
stellungskraft anregt und ein verbessertes Textverständnis ermöglicht.
4 Unter Regietheater ist eine Theater- oder Operninszenierung zu ver-
stehen, die gegen die grundlegenden Intentionen des Autors und
seines immanenten Inhaltes zustande kommt. Dabei dominiert das
Regiekonzept über die Intention des Stückes. Vgl. http://www.avenz.de/
definition_r/regietheater.htm (Zugriff am 11.03.2013)
66 Carmen Elisabeth Puchianu
5 Artaud, Antonin: The Theatre and its Double. NY: Grove Press, 1958,
S. 44.
6 Ebd., S. 86.
Theater – eine Sache multipler Interrelationen 67
Words say little to the mind; extent and objects speak; new images
speak, even new images made with words. But space thundering
with images and crammed with sounds speaks too, if one knows how
to intersperse from time to time a sufficient extent of space stocked
with silence and immobility.
On this principle we envisage producing a spectacle where these
means of direct action are used in their totality; a spectacle unafraid
of going as far as necessary in the exploration of our nervous
sensibility, of which the rhythms, sounds, words, resonances, and
twitterings, and their united quality and surprising mixtures belong
to a technique which must not be divulged.8
7 Ebenda.
8 Ebenda, S. 87.
9 Odenthal, Johannes: Tanz Körper Politik. Texte zur zeitgenössischen
Theater interkulturell
Die weiter oben angesprochene Hybridisierung des Theaters
hat m. E. auch mit den Gegebenheiten unserer globalisierten
Welt zu tun. In allen Kulturbereichen kommt es immer mehr zu
Kreolisierungen, d.h. zu Vermischungen, die im Theater auf
besonders fruchtbaren Boden treffen. Dabei denke man weniger
an eine offensichtliche (und leidige) Amerikanisierung, sondern
eher an eine neue „Balance zwischen den Kulturen“, an ein
„Abschied nehmen von den bequemen Mythen, der fortschrei-
tenden westlichen Avantgarde“18. Die interkulturelle Zusammen-
setzung einzelner Theaterensembles19 zeigt erstaunliche Möglich-
keiten kreativer Neuschöpfungen ausgehend von Freiräumen
„in denen der Austausch, die Produktion, die Politisierung und
Neubestimmung von Kulturen ermöglicht wird.“20 Jede Inszenie-
rung entsteht aus mitunter stark unterschiedlichen Kulturelemen-
ten, die jeder einzelne Spieler einbringt. Die gemeinsame Arbeit
an einer Inszenierung fördert Austauschprozesse, die kulturell
Eigenes von Fremdem nicht mehr klar abgrenzen, sondern beide
szenisch miteinander verknüpfen, so dass Neues daraus entsteht.
Die Arbeit im DUO BASTET Ensemble ist von Grund auf
interkulturell, da hier zwei Mischlinge aufeinander treffen, deren
kulturelle Herkunft und Hintergründe bemerkenswerte Ähnlich-
keiten und Unterschiede aufweisen. Beide sind in mehrsprachige
Familien hineingeboren worden: Robert Gabriel Elekes entstammt
einer zweisprachigen Familie, in der Rumänisch und Ungarisch
gesprochen wird, wobei dem Ungarischen der Status der Bil-
dungs- und Muttersprache zukommt. Er besucht die Aprily-Lajos
Schule mit ungarischer Unterrichtssprache in Kronstadt und
studiert anschließend Anglistik und Germanistik. 2012 promoviert
18 Odenthal, Johannes: Tanz Körper Politik. 2005, S. 118-121.
19 Vgl. Das Tanztheater Wuppertal der 2009 verstorbenen Choreographin
Pina Bausch.
20 Odenthal, S. 121.
Theater – eine Sache multipler Interrelationen 73
Theater intertextuell
Nicht zuletzt bestehen die DUO BASTET-Inszenierungen aus
einem Netz von intertextuellen Bezügen und Zusammenhängen,
die der ironisch-parodierenden und verfremdenden Intention
der Theatermacher entspricht. Intertextualität als Markenzeichen
der postmodernen Remakes lässt sich zunächst auf der literari-
schen, d.h. der Textebene feststellen, dadurch dass die
aufgegriffenen Vorlagen dem Inszenierungskonzept der beiden
Theatermacher entsprechend verändert und ergänzt werden. So
sind vor allem zwei Formen intertextueller Eingriffe zu beobach-
ten: Einerseits werden der literarischen Vorlage Textpassagen
hinzugefügt, die der Feder der beiden Theatermacher entstammen
und so die eigene Auffassung über die aufgegriffene Figuren-
und Textvorlage wiederspiegeln, andererseits werden Passagen
starb. Mein Vater starb zwanzig Jahre vorher (1972), als ich sechszehn war.
Theater – eine Sache multipler Interrelationen 75
Fazit
Das von DUO BASTET praktizierte Theater rückt ganz bewusst
den hybriden Charakter dieser Kunstform in den Mittelpunkt
und nutzt das durch vielfache Austausche, Aktionen und Inter-
aktionen gebotene Ausdrucksarsenal sowohl in der Erstellung
der jeweiligen Theaterskripts als auch in der szenischen Um-
setzung auf der Bühne. Als Theatermacherin vertrete ich die
Auffassung, dass das Theater (s)eine Realität dadurch verkörpert,
dass theatralische Illusion und faktische Leiblichkeit sich als
interkulturelle, intermediale und intertextuelle Performance zum
ebenso engagiert belehrenden wie parodistisch unterhaltsamen
Bühnenspektakel zusammenfügt, in dessen Bann sich jeder
Zuschauer auf seine Weise gezogen fühlen kann. Nicht zuletzt
kann das theatralische (Inter)Agieren sogar zu der Rekonstruktion
theatergeschichtlicher Formen führen31 und den Weg zu einem
Konzept angewandten, gelebten Theaters weisen.
29 Elekes ist bisher in einer Aufmachung aufgetreten, die jener der Butoh
Tänzer sehr ähnlich sieht, während meine Wenigkeit eine unverhohlene
Präferenz für eng anliegende schwarze Dessous (Negligee und/oder
ärmelloses Trikot und Strumpfhosen/Leggings) zur Schau stellt.
30 Ich trage beim Spiel meinen Dauerschmuck in Form einer silbernen
Anhang
Literatur:
Artaud, Antonin: The Theatre and its Double. New York:
Grove Press 1958.
Büchner, Georg: Leonce und Lena. In: Werke und Briefe.
Zürich: Diogenes, 1988, S. 149-191.
Esslin, Martin: The Theatre of the Absurd. Harmondsworth:
Penguine Books, 1961 (1968).
Goethe, Johann Wolfgang: Faust. Eine Tragödie. Berlin,
Darmstadt, Wien: Deutsche Buchgemeinschaft,1968, S.
119-416.
Kasai, Toshiharu: A Butoh Dance Method for Psychosomatic
Exploration. In: Memoirs of the Hokkaido Institute of
Technology, No. 27 1999, S. 309-316.
(http://toshi-kasai.info/butoh-method.pdf. Zugriff am
25.05.2013).
Kasai, Toshiharu und Parsons, Kate: Perception in Butoh
Dance. In: Memoirs of the Hokkaido Institute of Technology,
Theater – eine Sache multipler Interrelationen 81
Internetquellen:
Beckett, Samuel: Happy Days. Aufgeführt von Open Theatre
Group, 2006.
https://www.youtube.com/watch?v=JZU95PAPBdE (Zugriff
am 3.07.2014)
Regietheater. In: Ahrimans VolksEnzyklopädie. AVEnz. Ihre
ideologiefreie Wissensquelle. http://www.avenz.de/
definition_r/ regietheater.htm (Zugriff am 11.03.2013)
Grenzfall von Merle Kröger – (auch) ein
interkultureller Grenzfall
Sunhild GALTER
Doz.Dr. Lucian-Blaga-Universität Sibiu/Hermannstadt;
E-mail:suni@neppendorf.de
Der Roman Grenzfall von Merle Kröger ist 2012 in der Reihe
Ariadne-Krimis erschienen und erfreute sich gleich nach seinem
Erscheinen zahlreicher positiver Rezensionen. Schnell gelangte
er auf den ersten Platz der Krimi-Bestenliste der Zeit. Anfang 2013
erhielt das Buch den renommierten Deutschen Krimi-Preis, der
seit 1985 von einer umfangreichen, kompetenten Jury vergeben
82
Grenzfall von Merle Kröger – (auch) ein interkultureller Grenzfall 83
wird. Dabei ist der Roman eigentlich nur mit viel gutem Willen
als Kriminalroman einzustufen. Einführend zu einem Interview
mit der Autorin schreibt Ulrich Noller:
Geboren aus der Recherche zu einem Dokumentarfilm, realistisch
und authentisch, zugleich doch hochfiktional; formal experimen-
tierfreudig, multipolar und vielperspektivisch; lebendig und voller
Leben – am Ende möglicherweise sogar mit utopischem Potential.
Ein Politkrimi? Gesellschaftsportrait? Abenteuerroman?1
Nicu wiederum will seine Frau diesmal gar nicht dabei haben.
Er war schon einmal auf Arbeit im Bauwesen in Deutschland,
hat da, wie sich am Ende herausstellt, sogar ein Sparkonto mit
dem verdienten Geld eröffnet. Als der neue Chef der Metallfabrik
in Rumänien, wo Nicu zehn Jahre lang an der Stanzmaschine
gearbeitet hatte, alle Zigeuner entlässt, verbietet es ihm sein
Stolz, es seiner Frau gegenüber einzugestehen. Er meint, wenn
er sich direkt aus Deutschland mit einem festen Arbeitsplatz
meldet und sie vor vollendete Tatsachen stellt, dann sei sie eher
bereit, nachzukommen. Umso größer ist der Schock, als sie eine
Weile später die lapidare Nachricht erhält, sie möge den Sarg
10 Ebenda, S. 19f.
Grenzfall von Merle Kröger – (auch) ein interkultureller Grenzfall 91
Sollen sie den Reichen ihre Autos klauen. Guck doch mal, wie die
Leute hier leben! Die Stadt kümmert sich einen Dreck um die. Keine
Straßen. Kein Licht. Kein Abwasser. Eine einzige Grundschule für
das ganze Viertel.11
Bibliographie
Kröger, Merle (2012): Grenzfall. Ariadne Krimi 1210,
Hamburg: Argument Verlag.
Gohlis, Tobias: Keine Gerechtigkeit. In: Dunkelkammer – Die
Krimikolumne vom 1.12.2012. http://www.buch
journal.de/576631/template/bjn_tpl_kolumnen/
Krekeler, Elmar: Wo Menschen mit Wildschweinen verwechselt
werden. In: Die Welt vom 1.11.2012. http://www.welt.de/
kultur/literarischewelt/article110517320/Wo-Menschen-
mit-Wildschweinen-verwechselt-werden.html
Noller, Ulrich: Komplexe Gebilde im Safer Space. In:
CULTurMAG. Literatur, Musik und Positionen. vom
1.12.2012.http://culturmag.de/crimemag/merle-kroeger-
grenzfall-im-gespraech-mit-ulrich-noller/62343
Pollmer, Cornelius: Wie die NPD gegen Flüchtlinge mobil
macht. In: Süddeutsche.de http://www.sueddeutsche.de/
politik/asylbewerber-in-sachsen-wie-die-npd-gegen-fluec
htlinge-mobil-macht-1.1805294
Poetologische Reflexion und Intertextualität in
der neueren Prosa von Josef Winkler
Maria IROD (Bukarest)
Doz.Dr. Dimitrie-Cantemir-Universität Bukarest;
E-mail: maria_irod@yahoo.com
Einleitung
Die Intertextualität ist – zumal infolge der poststrukturalistischen
Theoretisierung eines texte général – ein umstrittener und zum
Teil widersprüchlicher Schlüsselbegriff der Literaturwissenschaft.
Tatsache bleibt, dass damit ein wesentliches Kennzeichen der
postmodernen Literaturauffassung erfasst wird, und zwar der
Verzicht auf den modernen Fortschrittsglauben und die obsessive
95
96 Maria Irod
6 Winkler, Josef: „Die Realität so sagen, als ob sie trotzdem nicht wär“.
Rede anlässlich der Verleihung des Georg-Büchner-Preises am 1.
November 2008 in Darmstadt. In: http://www.deutscheakademie.de/
druckversionen/Josef_Winkler.pdf
7 Ebenda.
8 Diese Trilogie umfasst folgende Romane: Menschenkind (1979), Der
Ackermann aus Kärnten (1980) und Muttersprache (1982). In der
vorliegenden Arbeit zitiere ich aus Das wilde Kärnten. Drei Romane.
Frankfurt a. Main: Suhrkamp, 1995.
Poetologische Reflexion und Intertextualität in der neueren... 99
Es ist nach wie vor so, dass ich dort als Nestbeschmutzer gelte, als
Gotteslästerer, als Kirchenschänder, als Homosexueller, der jetzt
neuerdings mit einem Kinderwagen das Dorf auf und ab fährt. Also
eine völlig skurrile, schreckliche Person, über die man im Hintergrund,
am Biertisch, vor der großen gelben Flasche tuschelt.10
Eine übersteigerte Form nimmt der Hass an, den die Familien der
zwei von Winkler immer wieder heraufbeschworenen Selbstmör-
der dem Autor entgegenbringen. In Leichnam, seine Familie
belauernd (2003) heißt es:
Wirklich verstanden gefühlt habe ich mich von einem Mann, der auf
dem Friedhof meines Heimatdorfes vor dem Grab seines siebzehn-
jährigen Sohnes, der sich mit seinem gleichaltrigen Freund gemeinsam
im Pfarrhofstadel erhängt hatte, nervös hin- und hertrat und mit
hochrotem Kopf und bebender Stimme einem Friedhofsbesucher
gegenüber klagte. Das ist kein Mensch... Der hat das Dorf kaputt
gemacht...Wir im Dorf sind anständige Leut....Die Leut im Dorf
hassen ihn, und niemand mehr will ihn im Dorf sehen, jeder weicht
ihm aus... Mit dem Winkler wird es noch schlimm enden...Die
Geschichte ist noch nicht ausgestanden...Aber der ist nicht wert, dass
man über ihn ein Wort verliert...Kein Sterbenswörtchen mehr, die
Geschichte ist noch nicht ausgestanden, die Geschichte hat sich noch
nicht! (S. 80)
ich lebe, wird ihr Tod durch mein Tagebuch geistern, als wäre
es mein eigener.“ (Muttersprache, S. 570-1).
Der Doppelselbstmord von Jakob und Robert ist die Ur-Szene
und die Zentralmetapher der Winklerschen Literatur. Dieses
Ereignis öffnet dem jungen Autor die Schleusen seiner Sprache
und die zwei jugendlichen Selbstmörder ziehen sich, „der Realität
ihres Lebens im Dorf längst enthoben“ (Muttersprache, S. 618),
durch alle Werke Winklers. In dieser Todesgeschichte, die
durch ständiges Wiederholen fast mythologisch wirkt, wird die
ganze Themenkonstellation der Prosa Winklers ersichtlich: Tod
– Liebe, die bis in den Tod geht – Schuld – Außenseitertum –
Hass und Selbsthass – das Schreiben als Rettungsmaßnahme
und Lebensnotwendigkeit. Was 1976 in Kamering geschah,
hätte im sensationslüsternen Bericht einer Tageszeitung stehen
können, um dann bald in Vergessenheit zu geraten:
Sie warfen den Kalbstrick um den Balken, prüften seine Festigkeit,
umarmten sich und einander ins Fleisch beißend fielen sie in die
Tiefe, zwei schnell abgebrochene Todesschreie, ein fürchterlicher
Ruck, der das Dorf aus der Angel gehoben hat, gebrochene Augen,
Blut schäumt aus den Mündern, langsam lösten sich ihre Hände
voneinander, ihr Herz hörte allmählich zu schlagen auf. (Mutter-
sprache, S. 619)
Seit mein Sohn auf der Welt ist, gehe ich kaum noch auf Friedhöfe,
verlangsame auch nicht mehr meine Schritte, wenn ich am offenen
Tor einer Leichenhalle vorbeigehe, besuche keine Kindergräber
mehr. [...]. Außerdem: Wie die Zeit vergeht! In letzter Zeit habe ich
nicht einmal ein schlechtes Gewissen, weil ich nur mehr ganz selten
an Selbstmord denke, aber es werden auch die guten alten Zeiten
nicht wiederkommen können, die mich veranlaßten, ins Tagebuch
zu schreiben am Lido in Venedig, daß ich plötzlich deprimiert bin,
weil ich seit einiger Zeit keine Selbstmordgedanken mehr habe.
(Leichnam, S. 78-79).
35 Vgl. Vielhaber, Carsten: Die Präfixe der Postmoderne oder: Wie man
mit dem Mikroskop philosophiert., LIT, Münster 2001, S. 53-54:
„Derrida beschreibt die Verwindung der Metaphysik mit dem Wort
„clôture“: Geschlossenheit, Abschluß, Vollendung. […]. Zunächst
wird der Gedanke Heideggers wiederholt, dass es kein einfaches Ende
der Metaphysik gibt im Sinne ihrer Überwindung, dass die Geschichte
der Metaphysik sich aber gewissermaßen vollendet, erschöpft hat. Ein
weiterer Akzent wird von Derrida eingeschoben durch das Wort „fin“,
was im Französischen nicht nur Ende heißt, sondern auch Zweck und
Ziel, d.h. auch die Finalität der Geschichte der Metaphysik wird
vollendet, wird einsichtig durch dekonstruktivistische Lektüre, erlebt
ihren Niedergang. Die Geschlossenheit der Metaphysik ist nicht ihr
Ende. Derrida spricht von der Grenze der Metaphysik, weil er an den
Tod der Metaphysik nicht glaubt.“
36 Vgl. Irod, Maria, a.a.O., S. 25-26.
Poetologische Reflexion und Intertextualität in der neueren... 113
Man merkt immer deutlicher, wie Winkler sich von der Mittei-
lungsliteratur distanziert und auf den schönen Klang der Sprache
hin arbeitet: „Mir ist wichtig, dass die Sätze singen.“ – sagt er in
einem Interview anlässlich der Büchner-Preis-Verleihung.37
Klaus Amann spricht von Winklers „traumwandlerischem
Gespür für Texte, die seine Wahrnehmungen und seine Inten-
tionen unterstützen, bestätigen oder irritieren“ und sieht darin
„die Basis seiner literarischen Begabung und seiner schriftstel-
lerischen Produktivität“38.
An erster Stelle in Winklers Bezugswelt steht zweifelsohne
Jean Genet, dessen Bedeutung weit über die eines literarischen
Vorbildes hinausragt. Mit dem französischen Autor verbinden
Winkler der biografische Hintergrund (das existenzielle Außensei-
tertum, die Homosexualität), die thematische Verschränkung
von Tod und Erotik und am allerwichtigsten eine Erzählweise,
die ihre Schönheit und Überzeugungskraft fast ausschließlich
der sprachlichen Virtuosität verdankt. Über die lebenswichtige
Bedeutung, die der frühen Begegnung Winklers mit der Literatur
von Jean Genet zukommt, gibt es immer wieder relevante
Passagen in seinen Romanen. „Seit ich die Bücher von Genet
nicht nur gelesen, sondern mir Satz für Satz einverleibt und mir
meine eigenen Bücher mit dem Fleischwolf der Schreibmaschine
aus Leib und Seele geschrieben habe, hab ich nur noch selten
das Gefühl nur schreibend existieren zu können.“ – heißt es
noch in einem späteren Buch Winklers (Leichnam, S. 37), in
dem schon eine gewisse Distanz zu den erlittenen Traumata der
Jugend spürbar wird. Die erste Genet-Lektüre fällt bezeichnender-
weise in das Jahr, in dem Jakob und Robert Selbstmord begehen
und Winkler selbst mit dem Todesgedanken ringt. In den Selbst-
mordphantasien des jungen angehenden Autors spielen die
„sogenannten Lieblingsautoren“ (ebenda, S. 37) eine zentrale,
jedoch zweideutige Rolle, die darauf hindeutet, dass die Lese-
redet, aus oder notiere sie kurz und bündig, wie ich sie gehört habe.
(Muttersprache, S. 502).
40 Vgl. White, E., ebenda, S. 278-279: “Years later, when he was inter-
viewed about his early fiction, Genet spoke of the power of his fiction
to exorcise the very evil it seems to be lauding, just as homeopathic
medicine cures by imitating the symptoms of the disease.”
41 Vgl. Ebenda.
118 Maria Irod
der Partezettel-Szene wird das Motiv des Sprungs vor den Zug
zum ersten Mal thematisiert. Es handelt sich hier, viel offensicht-
licher als im späteren Roman-Auszug, um ein Gedankenspiel,
das vom Ich-Erzähler sprachlich produziert und im letzten
Moment verworfen wird:
Stehe ich mit dem einen Bein auf dem linken, mit dem anderen Bein
auf dem rechten Gleis und erwarte mit ausgestreckten Händen einen
Zug, drehe ich den Kopf rechts, links, schließe die Augen, lächle,
schneide Grimassen, reiße die Augen auf, springe, ehe der
heranschwirrende blaue Blitz des Zuges mit seiner Schnauze meine
Stirn trifft, zur Seite und laufe in den Wald hinein. Ich höre die Räder
des Zuges, hundert Meter oder zweihundert Meter weiter bleibt er
stehen, der Lokführer geht mit der Gewißheit, einen Toten vorzu-
finden, das Gleis entlang. […] Gierig sehe ich zu, wie man meine
Leiche sucht. (Muttersprache, S. 504-5)
büßt haben, ist die Spur, die sie in seinem Schreiben hinterlassen
haben, unauslöschlich. Für einen Autor wie Josef Winkler,
dessen primärer Schreibimpuls die doppelte Paradoxie ist, sich
vor dem Tod in die Schrift zu retten und ständig über das
Unaussprechliche sprechen zu müssen, bleibt Jean Genet ein
unübertreffliches Vorbild. Wovon sich der österreichische Autor
mit der Zeit distanziert, ist die ausgeprägte Tendenz zur Halluzi-
natorik46, die in seiner frühen Prosa spürbar ist. Emotionales,
Körperliches, Nicht-Diskursives durchdringen zwar immer noch
Winklers Texte, die sich jedoch von der selbstreflexiven Struktur
verabschieden, welche die monomanische Auseinandersetzung
mit Traumata, Phantasmen und Perversionen außerhalb der
symbolischen Ordnung verabsolutiert. Die lebensgeschichtliche
Anbindung des Schriftstellers an seine ursprüngliche Thematik
bleibt freilich erhalten, es besteht jedoch eine Akzentverlagerung
von der Versprachlichung des unkontrolliert Körperlichen in
der frühen Prosa zur Materialität und Ästhetizität der Sprache in
den späteren Büchern. Das Bild des am Grab von Jean Genet
sitzenden Ich-Erzählers, der „andächtig auf das Geräusch seiner
sich unter der Erde drehenden und umwendenden fleischlichen
Hülle“ lauscht (Leichnam, S. 40) ist sehr anschaulich. Wenn
man die altgriechische Homonymie bedenkt, die im Wort óçìá
das Schriftzeichen mit der Grabstätte verbindet und noch dazu
paronymisch an das Leibliche denken lässt, wird das Bild umso
interessanter. Die obsessiv wirkende Körperlichkeit (óùìá) der
frühen Prosa liegt jetzt unter der Grabplatte der Schrift. Der
Ich-Erzähler der neueren Winklerschen Prosa bleibt weder an
seinen frühen neurotischen Störungen noch am Modell des
46 Diesen Terminus verwende ich im Sinne von Rainer Topitsch´ Analyse
literarischer Grenzüberschreitungen. Vgl. Topitsch, Rainer: Schriften
des Körpers. Zur Ästhetik von halluzinatorischen Texten und Bildern
der Art Brut, der Avantgarde und der Mystik. Bielefeld: Aisthesis
Verlag, 2002. Unter “halluzinatorischen Texten” versteht er diejenigen
Texte, die eine vom Alltag abweichende Wirklichkeit äußerst intensiv,
fast körperlich erfahrbar zu vermitteln versuchen.
Poetologische Reflexion und Intertextualität in der neueren... 123
Fazit
Die Prosa Josef Winklers zeichnet sich durch eine außeror-
dentliche Vernetzungsdichte aus. In seiner literarischen Praxis,
vor allem im Umgang mit den intertextuellen Verfahren, erweist
sich der österreichische Autor als Monteur. Er geht filmisch mit
dem Literaturmaterial um, nimmt Sätze aus anderen Werken
heraus, wandelt sie um, umschreibt sie, verbindet sie miteinander
in einem riesigen Zitat- und Anspielungsgeflecht. Dadurch führt
er vor, wie man aus dem Material, das andere vorgelegt haben,
etwas Neues machen kann. Diesbezüglich ähnelt seine Methode
den filmischen Verfahren von Jean-Luc Godard, so wie sie von
Klaus Theweleit47 beschrieben werden: Derselbe Satz, auch
wenn er nicht verändert übernommen wird, wird im neuen
Kontext etwas anderes. „Alles, was ich beschreibe, wird neu.“
(Ackermann, S. 291) – damit bekennt sich Josef Winkler zu
seiner antimimetischen Poetik, die auf sprachliche Souveranität
setzt und seine Stilmittel dem Manierismus entlehnt. Diese
Montage-Technik ist zugleich ein Zug, der Winklers Schreib-
weise in die Nähe der Postmoderne rückt.
Im Unterschied zu seiner früheren Prosa arbeitet Josef Winkler
ab dem bereits in seiner Novelle Natura morta (2001) feststell-
baren stilistischen und lebensgeschichtlichen Wendepunkt zuneh-
mend mit expliziten Zitaten, was den Collage-Charakter seiner
Prosa unterstreicht. Am Beispiel einer Textstelle aus dem Roman
Leichnam, seine Familie belauernd (2003), die sich explizit auf
Winklers Lieblingsautor Jean Genet bezieht, zugleich aber auch
47 Klaus Theweleit über Pasolini, Godard und andere. Ein Interview im
Rahmen von “SCHAU-TV” – Ein Projekt der Schaubühne Lindenfels
Leipzig – www.schaubuehne.com Vgl. http://www.youtube.com/
watch?v=vDXWKgcAXuc (Zugriff am 14. Februar 2014).
124 Maria Irod
Bibliografie
Primärliteratur:
Winkler, Josef: Das wilde Kärnten (Menschenkind, Der
Ackermann aus Kärnten, Muttersprache). Frankfurt am
Main: Suhrkamp 1995.
Winkler, Josef: Der Leibeigene. Frankfurt am Main: Suhrkamp
1990.
Winkler, Josef: Friedhof der bitteren Orangen. Frankfurt am
Main: Suhrkamp 2001.
Winkler, Josef: Das Zöglingsheft des Jean Genet. Frankfurt
am Main: Suhrkamp 1992.
Winkler, Josef: Leichnam, seine Familie belauernd. Frankfurt
am Main: Suhrkamp 2003.
Sekundärliteratur:
Van Alphen, Ernst: Literatuur als theorie: Gerard Reve en
interdiscursiviteit. De theorie van de stoplap. In: van Dijk,
Yra; de Pourcq, Maarten; de Strycker, Carl (Hg.): Draden
in het donker. Intertextulaiteit in theorie en praktijk.
Nijmegen: Vantlit 2013.
Amann, Klaus: Josef Winkler: Allerheiligenhistoriker, Kar-
freitagpsychologe, Christihimmelfahrtphilosoph, Maria-
empfängnisneurotiker. Eine biographisch-dokumentarische
Skizze. In: Höfler, Günther A., Melzer, Gerhard (Hgg.): Josef
Winkler. Dossier 13. Graz-Wien: Verlag Droschl 1998.
Bernhard, Thomas: Verstörung, Frankfurt am Main: Suhrkamp
1970.
Poetologische Reflexion und Intertextualität in der neueren... 125
Wir haben unser Leben lang so sehr gelitten unter Staaten, die
gegen uns bestanden, gegen unsere Erkenntnis, gegen unser
vernünftiges Wissen um das, was gerecht und menschlich wäre.
(Heinrich Mann)
127
128 Mohamed Tabassi
Die Gespenster des Feuers waren für mich ständig anwesend, denn
mein ganzes Leben hindurch sah ich die Stadt immer wieder brennen.
Ein Krieg umarmt den anderen, eine Katastrophe jagt die andere.
Jedes Mal brannten Bagdad oder Himmel und Erde im ganzen Irak:
1980 bis 1988 im ersten Golfkrieg, 1988 bis 1989 im Krieg des
Al-Baath-Regimes gegen die irakischen Kurden, im zweiten Golfkrieg
1991, im selben Jahr im irakischen Aufstand, 2003 im dritten Golfkrieg
und jeweils dazwischen in Hunderten von kleinen Bränden, Kämpfen,
Aufständen und Scharmützeln. Das Feuer ist das Schicksal dieses
Landes, gegen das selbst die Wasser der beiden großen Flüssen
Euphrat und Tigris machtlos sind.8
wird. Dass aus diesem Menschen eines Tages ein Autor wird,
der auch noch literarische Werke in deutscher Sprache schreibt,
scheint erst einmal kaum vorstellbar. Doch anders als seinen
Figuren gelingt dem Iraker Abbas Khider genau das. Auf seiner
Flucht aus dem Irak gelangt er durch einen Zufall nach
Deutschland, wo er in München und Potsdam Literaturwissen-
schaft und Philosophie studiert. Zurzeit lebt er als erfolgreicher
Schriftsteller in Berlin und seine Bücher wurden mehrfach
ausgezeichnet.
Abbas Khiders Romane beschreiben eine Welt, die sonst
nicht in den Medien präsentiert wird. Er dringt direkt an jene
Orte vor, zu denen westliche und oft auch arabische Leser
keinen Zutritt haben. Und das sind zum Beispiel die Gefängnisse
und Folterkeller des Irak, das sind Behördenzimmer, Schlaf-
zimmer oder die Armenviertel. Khider selbst hat einen langen
und beinahe abenteuerlichen Weg bis nach Deutschland zurück-
legen müssen. So hielt er sich von 1996 bis 1999 als illegaler
Flüchtling in verschiedenen Ländern auf. Ihm erging es genauso
wie es im Buch seinem Protagonisten vorhergesagt wird: von
einer Diktatur zur nächsten, sich abwechselnde Gefängnisse,
die alle, egal ob sie nun in Asien, Afrika oder Europa sind, nach
denselben Regeln und Mechanismen funktionieren. Es bleibt
allein dem Individuum überlassen, wie es mit diesen Regimes
und deren totalitären Machtstrukturen umgeht.
Und so weiß Abbas Khider sehr genau, wovon er schreibt,
denn den größten Teil seines Lebens verbrachte er unter der
Regierung Saddams, dessen Kriege gegen die Nachbarländer
Iran und Kuwait tausenden jungen Irakern den Tod brachten.
Hinzu kommen noch jene Opfer, die der Irak im Land selbst zu
beklagen hat. In einem diktatorischen Regime zählt ein Menschen-
leben kaum etwas. Exemplarisch dafür steht der Giftgaseinsatz
gegen das eigene Volk sowie die blutige Niederschlagung der
Aufstände im Lande. Etwa sechs Millionen Iraker gingen ins
Exil. Doch Saddams Regime und seine Politik sind nicht der
„[I]m Fegefeuer von Diktaturen“. Die Darstellung arabischer... 133
einzige Grund für die Zerstörung des Landes und seiner Men-
schen, wie die Figur Ahmed Kader im Roman Brief in die
Auberginenrepublik treffend aufzeigt:
Schuld daran, dass ich in Bagdad bleiben muss, ist ein hässliches
amerikanisches Mädchen, das Monica Lewinsky heißt. Seit sie im
letzten Jahr mit dem Präsidenten der USA Bill Clinton gefickt hat,
haben die Iraker keine Ruhe mehr. Zeitgleich mit dem Beginn des
Amtsenthebungsverfahrens gegen Clinton führte dieser Frauenheld
– als Ablenkung – einen Krieg gegen unser Land. So ist es eben, die
Amerikaner ficken und amüsieren sich, und wir sollen hier darunter
leiden. Der Krieg »Operation Desert Fox« im Dezember 1998 war
schon nach vier Tagen beendet. Tatsache ist aber, dass bis heute die
Luftangriffe der USA und Großbritanniens nicht aufgehört haben.
Immer wieder, fast einmal monatlich, schießen ihre Maschinen auf
irakische Militärstellungen oder manchmal auch auf Zivilisten. Hinzu
kommt, dass das Chaos im Land zunimmt. Seit dem Tod eines der
schiitischen Imame, Sadiq As-Sadr, vor acht Monaten gibt es in vielen
Städten Unruhe. Man wirft unserer Regierung vor, ihn umgebracht
zu haben. Wir befinden uns also seit der Lewinsky-Affäre in einem
nahezu ununterbrochenen Kriegszustand.10
10 B, S. 105f.
134 Mohamed Tabassi
drehte und wendete meinen Kopf, als wäre ich in einem Rausch:
nach oben und unten, nach rechts und links... Das Gewicht meines
Kopfes wurde schwerer und schwerer. Ich schüttelte ihn und spürte,
wie die Halswirbel knackten, schloss die Augen, öffnete und schloss
sie wieder. ‚Ach, Gott’, würgte ich hervor, aus meinem Bauch
krochen rote Luft, roter Wind, rote Schlangen und rote Dämonen
und anderes mehr. Wie ein vielköpfiges Ungeheuer sprang es aus
meinem Herzen, dieses verzweifelte ‚Ach’. Mit den Händen bedeckte
ich mein Gesicht und schluchzte ‚O Gott! Deine Gnade!’, atmete tief
und schaute in den staubigen Himmel über Bagdad.11
Für Abu Samira und viele Iraker bleibt der Tod ihrer Söhne
unbegreiflich. „Damals musste jeder, der achtzehn Jahre alt wurde
und sich nicht an der Universität oder in einer Schulausbildung
befand, für mindestens sechsunddreißig Monate zur Armee“12,
meist um an der Front zu sterben. Dieser sehr schwierigen Lage
gegenüber bleiben dem Intellektuellen nur zwei Möglichkeiten:
Entweder sich im Lande politisch aktiv zu engagieren oder ins
Exil zu gehen. Zwischen diesen zwei Möglichkeiten schwankte
auch der Schriftsteller Abbas Khider, der sich zunächst zum
Widerstand entschließt. Das sumerisch-babylonische Kind, das
„in den heiligen Stätten der Menschheitsgeschichte, in Babylon
und in Ur“13 lebt, „einer der ältesten sumerischen Städte und dem
einstigen Zentrum Mesopotamiens“14, kann doch den Euphrat
und Samarra15 nicht unter jenem diktatorischen Regime allein
11 B, S. 74f.
12 B, S. 87.
13 O, S. 30.
14 Ebenda.
15 Die Stadt Samarra hat bei den Schiiten einen besonderen seelischen
Wert, weshalb sie diese nicht einfach für immer verlassen können.
Darüber ist in dem Roman Die Orangen des Präsidenten zu lesen:
„Samarra, die Stadt, die man aufgrund ihrer außerordentlichen Schönheit
ehemals ‚Surra-Man-Ra’a’ nannte, was so viel bedeutet wie ‚Erfreut,
wer sie sah’, ist meine Geburtsstadt. Einige Tage nach ihrer Ankunft in
Samarra wollte meine Mutter unbedingt den Al-Serdab-Keller des
„[I]m Fegefeuer von Diktaturen“. Die Darstellung arabischer... 135
18 Düker, Ronald: Literat Abbas Khider. „Ich stelle der Folter eine
sprachliche Form entgegen“ Interview mit Abbas Khider. In: Cicero,
vom 15. März 2013. www.cicero.de/salon/abbas-khider-auberginen
republik-ich-stelle-der-folter-eine-sprachliche-form-entgegen/53874
(29.11.2013)
19 Vgl. Johanna Adorján: Wie eine neue Geburt. Ein Gespräch mit dem
ehe sie errichtet sind. Ist eine Diktatur erst ausgebaut, hat sie
auch alle Möglichkeiten, dafür zu sorgen, daß sie nicht beseitigt
werden kann.“20 Offenkundig gehören Zwangsherrschaft, Miss-
brauch, Verlust der Freiheit, Ungerechtigkeit und Tyrannei zur
Kultur der Diktatur, die auch heute auf allen Kontinenten als
politische Herrschaftsform anzutreffen ist. Franco, Hitler und
Pinochet sind Beispiele für Alleinherrscher, die ganze Völker
unterdrücken, beherrschen und ausbeuten. Ihr Nachfolger und
Widergänger in der arabischen Welt war Saddam Hussein,
dessen Anhänger bereit waren, für ihn und für seine Ideologie
zu sterben. Auf das gemeinsame Muster aller Diktatoren machte
Hans Magnus Enzensberger schon 1991 in einem Beitrag auf-
merksam, in dem er davor warnte, den arabischen Diktator als
Sonderfall zu betrachten.
Er kämpft nicht gegen den einen oder anderen innen- oder außen-
politischen Gegner; sein Feind ist die Welt. Die Entschlossenheit zur
Aggression ist der primäre Antrieb; Objekte, Anlässe, Gründe werden
gesucht, wo sie sich finden. Wer bei der Vernichtung zuerst an die
Reihe kommt, ob Iraner oder Kurden, Saudis oder Palästinenser,
Kuweitis oder Israelis, hängt nur von den Gelegenheiten ab, die sich
bieten. Auch dem eigenen Volk ist dabei keine Sonderstellung zu-
gedacht; seine Vernichtung ist nur der letzte Akt der Mission, zu der
sich Saddam berufen fühlt. Der Todeswunsch ist sein Motiv, sein
Modus der Herrschaft ist der Untergang. Diesem Ziel dienen alle
seine Handlungen. Der Rest ist Planung und Organisation. Er selbst
wünscht sich nur das Privileg, als letzter zu sterben.21
22 Vgl. Peter Glotz: Der ungerechte Krieg. In: Der Spiegel 9/1991, S. 38.
23 In einem Interview spricht Khider davon, wie ein Iraker seinen Sohn,
der gegen das Militär war, ermordete: „1983, da war ich zehn, wurde
im Fernsehen ein Mann als Nationalheld geehrt, der seinen eigenen
Sohn getötet hat, nur weil der nicht zum Militär wollte.“ In:
http://www.sakartvelo.info/eng_geo_result.php?key=137407
24 O, S. 35.
„[I]m Fegefeuer von Diktaturen“. Die Darstellung arabischer... 139
25 O, S. 50.
26 O, S. 79.
140 Mohamed Tabassi
29 O, 17.
142 Mohamed Tabassi
und zwei Gläser. Hinter dem Grauhaarigen hing ein Bild des Präsi-
denten mit Zigarre an der Wand. Daneben ein Bild, auf dem dieser
Grauhaarige und der Präsident nebeneinanderstanden und direkt in
die Kamera schauten, mit geheimnisvollem, ernstem Lächeln. Rechts
neben dem Bild ein weißer, geschlossener Schrank. An der linken
Seite die Nationalflagge. Ich drehte den Kopf nach hinten und sah
vier weitere Männer auf Stühlen neben der Tür, die ebenfalls schwarze
Anzüge trugen und mich mit durchdringenden Augen musterten.
Daneben standen zwei Uniformierte, die Augen geradeaus gerichtet.
Ein weiterer Uniformierter, dessen Gesicht ich nicht sehen konnte,
stand hinter mir. Als ich mich umdrehte, schlug er mir mit der Hand
auf den Kopf und drehte ihn mir nach vorne.30
Mahdi, ein Schüler, der doch lediglich Bücher gelesen hat, sieht
sich plötzlich von mehreren Offizieren umgeben, die ihn unter
dem freundlichen Blick eines Saddambildes verhören: „Hör
mal, du Arschloch! Wenn du es nicht zugibst, dann sorge ich
dafür, dass dich alle Wärter und Gefangenen hier ficken. Sag
endlich was! Hurensohn!“31
Doch da Mahdi nichts zu sagen hat, schlägt man ihn mit
einem dünnen Stock und foltert ihn mit Stromstößen. In diesem
Moment habe er sich wie „ein Schaf in der Metzgerei“32 oder
„ein Palmenblatt im Wüstensturm“33 gefühlt. Das Verhör endet
schließlich damit, dass man ihn in eine enge Gefängniszelle
steckt. Dort ist Mahdi der Jüngste unter den Gefangenen, die mit
einem harten Gefängnisalltag kämpfen. Unter dem Saddamregime
entstand hier ein Gefängnis, dessen Zellen versteckt und wie ein
schweres und nicht aufzuhebendes Symbol unter Tage liegen.
Khider verwendet hierfür die irakische umgangssprachliche
Bezeichnung „Hinter der Sonne“34. Wer an diesen Ort gerät, hat
30 O, S. 20.
31 O, S. 22.
32 O, S. 23.
33 O, S. 24.
34 O, S. 57.
„[I]m Fegefeuer von Diktaturen“. Die Darstellung arabischer... 143
35 O, S. 59.
144 Mohamed Tabassi
Werke von Sartre, de Beauvoir und Camus gelesen und sich in ihre
Ideen verliebt haben. Er kam dann mit seinen Freunden auf die Idee,
eine Bewegung zu gründen, die den Existenzialismus als Basis für
politisches Handeln propagierte. Sie wollten die Regierung stürzen
und eine neue Gesellschaft aufbauen, die keine Staatsführung mehr
brauchte, sondern sich selbst regierte. Jeder sollte Bürger und Präsident
zugleich sein. Motto der Bewegung: Existenz des freien Willens. Sie
wurden aber von der Polizei entdeckt, weil Dhalal darüber mit
jedem, der er kannte, sprach. Seine Freunde verschwanden spurlos.
Und nun saß er mit mir in derselben Zelle. Keiner von uns verstand,
was er tatsächlich wollte oder mit seiner ‚Existenz des freien Willens’
meinte.36
36 O, S. 60.
„[I]m Fegefeuer von Diktaturen“. Die Darstellung arabischer... 145
Doch gegen die Macht der Diktatur kann der einzelne, gewöhn-
liche Mensch kaum etwas ausrichten. Die Baathisten38 feierten
draußen ihre Fest- und Nationaltage, während die Oppositionellen
in einem unterirdischen Verlies unbemerkt in Vergessenheit
gerieten und starben. „Immer wenn ein politisch aktiver Mann
verhaftet wird, verschwindet er aus dem Leben, aus seinem
Viertel. Keine Nachricht. Man erfährt nicht, wo er sich aufhält.“39
Und so verschwanden tausende Iraker plötzlich spurlos und für
immer. Ganze Familien wurden täglich durch den Geheimdienst
37 O. S. 71.
38 Die regierende Partei im Irak unter Saddam war die Baath-Partei, die
40 Jahre (1963-2003) herrschte. Ihre Mitglieder und Anhänger nennt
man Baathisten.
39 B, S. 94.
146 Mohamed Tabassi
42 B, S. 108.
43 ebenda.
44 O, S. 124.
45 Ebenda.
46 Ebenda.
148 Mohamed Tabassi
Nicht nur für viele Iraker, sondern auch für viele Araber war
Saddam ein „Heiliger“, der die Macht und die Mittel hatte, ihre
Wünsche und Träume zu verwirklichen. Saddam ist da, „um
Gerechtigkeit in die Welt zu bringen und die Menschheit vor
dem Bösen zu retten.“48 Es lohne sich für ihn zu sterben. Die
bittere Wirklichkeit der Diktatur sahen viele Menschen nicht.
Die Diktatur hatte jede Hoffnung der Iraker auf ein besseres
Leben vernichtet. Sie mussten selber für ihre Existenz kämpfen,
denn das Regime war weit davon entfernt, sich um die Sorgen
der Menschen zu kümmern. Der Alltag der Iraker unter Saddam
war schwer:
Ich kann nicht glauben, dass es Menschen gibt, die so wohnen und
leben können. Ekelhaft. Zerstörte Asphaltstraßen und alte Häuser.
Karren, Esel, Schafe und Ziegen auf dem Bürgersteig, Pfützen hier
und dort, schwarz und schmutzig. Viele Straßenverkäufer, darunter
Kinder, die Wasser und Zigaretten verkaufen. Endlos viele Menschen
mit schmutzigen und alten Kleidern...49
47 B, S. 82.
48 O, S. 31.
49 B, S. 149.
„[I]m Fegefeuer von Diktaturen“. Die Darstellung arabischer... 149
tänzelt auf dem Bürgersteig, vor ihm auf dem Boden liegen ein
Kassettenrekorder und viele Kassetten. Die Musik klingt wie
Hochzeits- und Discomusik, es wird viel getrommelt und wenig
gesungen.50
50 B, S. 152.
51 B, S. 7.
52 B, S. 37.
53 B, S. 80.
150 Mohamed Tabassi
Polizeibüros Listen mit den Verrätern. Für viele waren diese Listen sehr
schockierend, da darauf Namen von Familienmitgliedern, guten Freunden
und Kollegen standen. Einige Verräter begingen daraufhin Selbstmord.
„[I]m Fegefeuer von Diktaturen“. Die Darstellung arabischer... 151
57 O, S. 89.
58 Vgl. Johanna Adorján: Wie eine neue Geburt. Ein Gespräch mit dem
Schriftsteller Abbas Khider über die arabische Revolution. In:
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12. März 2011. www.faz.net/aktuell/
feuilleton/arabien-wie-eine-neue-geburt-1605243.html
152 Mohamed Tabassi
In den Werken Khiders kommt die Frau kaum vor. Meistens ist
sie Prostituierte, Witwe oder eine gehorsame Hausfrau, die
nichts mit der Politik und den kritischen Zuständen in ihrem
Land zu tun hat. Diese Frauenmodelle reflektieren jene Stellung
der Frau im Irak, die, weil sie sehr passiv war, die Diktatur
unterstützte. Ein klares Beispiel dafür bietet die Mutter des
Polizisten Kamal Karim in dem Roman Brief in die Auberginen-
republik. Sie animiert die meisten Feste der Regierung und
bekommt dafür viel Geld.
Wenn die Regierung ein Fest feierte, etwa den Geburtstag des
Präsidenten, den Tag der Gründung der Armee oder die Geburt einer
Tochter des Sohnes des Onkels der Frau des Präsidenten, was nahezu
wöchentlich stattfand, kamen die Baathisten des Viertels zu meiner
Mutter. Sie folgte ihnen zum Ort der Feierlichkeiten, die häufig auf
dem Sahat Al-Ihtifalaat Al-Kubra – Platz der großen Feier – im
Zentrum Bagdads stattfanden, und musste ein Plakat tragen, auf dem
irgendetwas Lobenswertes über den Präsidenten geschrieben stand.
Manchmal musste sie ein T-Shirt überziehen, auf dem die irakische
Flagge oder die irakische Landkarte abgebildet war. Zusätzlich musste
sie marktschreierisch den Präsidenten loben, und sie schrie so laut
wie möglich: ‚Unser Geliebter, unser Beschützer, unser Führer, Du
sollst leben, und wir opfern uns für Dich...’ Oder: ‚Krieger aller
Krieger, Führer alle Führer, führe uns zu den Sternen!’ Die
Anwesenden mussten entweder einstimmen oder sie wurden sofort
verhaftet. Das übliche Prozedere. Dafür gaben die Regierungsleute
meiner Mutter jedes Mal einen Batzen Geld.59
Für diese Frau war Saddam ein großer Führer des Sieges und
des Friedens. Für viele irakische Frauen war er darüber hinaus
ein schöner und attraktiver Mann, von dem jede Frau träumt.60
Doch die bittere Wirklichkeit der Diktatur ist alles andere als
59 B, S. 97f.
60 Vgl. „Oh ja, natürlich. Gibt es eine Frau in unserer ehrwürdigen
Gesellschaft, die nicht davon träumt, mit Saddam ins Bett zu gehen?
Ich kenne keine!“ (B, S. 132)
„[I]m Fegefeuer von Diktaturen“. Die Darstellung arabischer... 153
61 B, S. 140.
62 Vgl. Johanna Adorján: Wie eine neue Geburt. Ein Gespräch mit dem
Schriftsteller Abbas Khider über die arabische Revolution. In: www.
faz.net/aktuell/feuilleton/arabien-wie-eine-neue-geburt-1605243.html
154 Mohamed Tabassi
Mit Jawads Tod war mein guter Ruf dahin. Die Märtyrerfrauen,
deren Anzahl im Laufe des Iran-Krieges und später des Kuwaitkrieges
immer mehr zunahm, wurden zu Sexobjekten von Polizisten, Sicher-
heitsleuten, Soldaten, Regierungstreuen, Baathisten, verheirateten
und älteren Männern, Glücksspielern und harmlosen Burschen. Ich
bin eine dieser Frauen. Wir sind keine Jungfrauen mehr, das heißt,
sexuell kann ein Mann alles mit uns anstellen, was er sich wünscht.
Ohne Angst vor dem Jungfräulichkeitsdrama. Diese Männer wissen
genau, dass Witwen in unserer Gesellschaft kaum eine Chance
haben, noch einmal zu heiraten, und wenn, dann nur ältere Männer,
die ihren Schwanz nicht mehr hochkriegen. Sind die Männer vielleicht
hinter Mätryrerwitwen her, weil jeder die Heiligkeit des Wortes
Märtyrer ficken will?63
Um den Ruf der Familie kümmern sich ihre Brüder seit langem
nicht mehr. Statt der Familienehre wählen sie das Geld, das
Najat ihnen gibt. Das zerstörte Leben Najats und vieler anderer
Frauen im Irak interessierte das herrschende Regime nicht. Sie
wurden von den Verhältnissen und Anschauungen in die Prosti-
tution gezwungen. Hinter jeder dieser Frauen steckt eine traurige
Geschichte. Sie leben am Rande der Gesellschaft, können aber
dank ihrer vielfältigen Beziehungen sehr hilfreich sein. Im
Roman Der falsche Inder ist die Rede von Miriam, die zugleich
Zimmermädchen und Hure ist. Das Hotel, in dem sie in Tripolis
arbeitet, gehört einem Polizeichef, der zugleich auch Zuhälter ist.
Durch ihre Beziehungen kann Mariam dem irakischen Flüchtling
Rasul Hamid ein Visum für die Türkei besorgen. Von der Rolle
der Huren in der Zeit der Diktatur ist es auch im Roman Die
Orangen des Präsidenten die Rede. Durch die Beziehungen
von Selma, der Königin der Nacht, können Sami und Razaq
ihren verhafteten Freund Mahdi aus der Ferne sehen.
Einzig die Frauen der Geheimdienstoffiziere und Polizisten
können sich ein recht bequemes Leben leisten. Allerdings dürfen
sie eines dabei nicht: nämlich sich in die Arbeit ihrer Männer
63 B, S. 141.
„[I]m Fegefeuer von Diktaturen“. Die Darstellung arabischer... 155
Gegen das Volk haben Saddam und sein Regime keine Chance.
Die Menschen sehen deutlich, wie schwach der Diktator ist. Sie
glauben daran, dass die Tage der Baathisten gezählt sind. Der
große Tag, an dem Saddam und sein Regime für immer ver-
schwinden, ist Wirklichkeit geworden. Die „Großen, die Elefanten
und Dickhäuter“66 verlieren ihre Stellung und ihre Stärke. Sie
haben keine Macht mehr. Dass ab und zu auf der Straße ein
Hund auftaucht, dessen Körper die Aufschrift „Saddam“ trägt,67
illustriert sehr deutlich die schwache Position des Diktators.
65 O, S. 125.
66 O, S. 105.
67 B, S. 152. (Ähnliches wird auch aus Lybien erzählt, wo es aber um
einen Esel ging, auf dessen Körper ‚Gaddafi’ gepinselt war und auch
aus Syrien: „Im letzten Jahr verbreitete sich überall in Syrien ein
Plakat: zwei Fotos von Al-Assad und seinem Sohn Baschar, worunter
geschrieben stand: ‚Dieses Junge von diesem Löwen.’ [Man] schrieb
daneben: ‚Dieses Bellen von diesem Hund.’“ B, S. 39)
158 Mohamed Tabassi
68 O, S. 104.
„[I]m Fegefeuer von Diktaturen“. Die Darstellung arabischer... 159
Fußball sollten alle genießen, die Zuschauer genauso wie die Fußball-
spieler. Wenn die Namen der Fußballer ständig genannt würden,
verschwänden die namenlosen Zuschauer und wären somit nicht
mehr am Spiel beteiligt. Auf einem Fußballfeld gäbe es keine Helden
und müssten auch keine Helden geschaffen werden. Das sei nur ein
Spiel und müsse ein solches bleiben.71
71 B, S. 35f.
„[I]m Fegefeuer von Diktaturen“. Die Darstellung arabischer... 161
V. Ausblicke
Was im einzelnen dazu geführt hat, dass Diktatoren wie Saddam,
Gaddafi, Ben Ali, Mubarak oder Baschar an die Macht kamen
und diese oft über Jahrzehnte halten konnten, ist Anliegen der
Sozialgeschichte. Am Ende spielt es keine Rolle, in welchem
Gewand eine Diktatur daherkommt. In ihrem Resultat und den
Auswirkungen auf die Bevölkerung sind sie sich alle gleich.
Die Geschichte hat uns gelehrt, dass Diktaturen keine Zukunft
haben. Dass sie eines Tages von den aufbegehrenden Menschen
gestürzt werden, auch wenn so mancher an das Gegenteil glaubt
und meint, die Diktatur sei die richtige Regierungsform. Aus
diesem Grund werden auch die arabischen Nationen und Länder
ihren Weg finden und eine Gesellschaftsordnung schaffen, die
72 B, S. 42.
73 Vgl. Ehl, Hans Michael: Porträt von Muammar al Gaddafi. Umworben
und geächtet – gefeiert und gehasst. ARD-Hörfunkstudio Kairo, Stand:
20.10.2011, tagesschau.de (29.11.2013)
www.tagesschau.de/ausland/gaddafi398.html
162 Mohamed Tabassi
Bibliografie:
Primärliteratur:
Khider, Abbas: Der falsche Inder. Hamburg: Edition Nautilus
2009.
Khider, Abbas: Die Orangen des Präsidenten. Hamburg: Edition
Nautilus 2011.
Khider, Abbas: Brief in die Auberginenrepublik. Roman.
Hamburg: Edition Nautilus 2013.
Khider, Abbas: Biographie. Homepage: www.abbaskhider.com/
seiten/biografie.html (29.11.2013)
Sekundärliteratur:
Adorján, Johanna: Wie eine neue Geburt. Ein Gespräch mit
dem Schriftsteller Abbas Khider über die arabische Revo-
lution. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12. März 2011.
74 B, S. 90.
„[I]m Fegefeuer von Diktaturen“. Die Darstellung arabischer... 163
www.faz.net/aktuell/feuilleton/arabien-wie-eine-neue-geburt
-1605243.html (29.11.2013)
Breuer, Rayna: Abbas Khider. „Die Erde gehört und allen“.
Interview. In: DW, 27.07.2011. www.dw.de/abbas-khider-
die-erde-geh%C3%B6rt-uns-allen/a-15265804
(29.11.2013)
Düker, Ronald: Literat Abbas Khider. „Ich stelle der Folter
eine sprachliche Form entgegen“ Interview mit Abbas
Khider. In: Cicero, vom 15. März 2013. www.cicero.de/
salon/abbas-khider-auberginenrepublik-ich-stelle-der-folt
er-eine-sprachliche-form-entgegen/53874 (29.11.2013)
Ehl, Hans Michael: Porträt von Muammar al Gaddafi. Umwor-
ben und geächtet – gefeiert und gehasst. In: tagesschau.de,
ARD-Hörfunkstudio Kairo, Stand: 20.10.2011, www.tages
schau.de/ausland/gaddafi398.html (29.11.2013)
Enzensberger, Hans Magnus: Hitlers Wiedergänger. Hans
Magnus Enzensberger über Saddam Hussein im Spiegel
der deutschen Geschichte. In: Der Spiegel 6/1991.
Glotz, Peter: Der ungerechte Krieg. In: Der Spiegel 9/1991.
Kleinschmidt, Sebastian: Ideenherrschaft als geistige Konstel-
lation. Zwang und Selbstzwang literarischer Loyalität in
sozialistischen Diktaturen. In: Günther Rüther (Hrsg):
Literatur in der Diktatur. Schreiben im Nationalsozialismus
und DDR-Sozialismus. Paderborn: Ferdinand Schöningh
1997.
Scherf, Martina: Abbas Khider und Nino Haratischwili erhalten
heute die Förderpreise des Adelbert-von-Chamisso-Preises.
Der Genuss des Unverschämtseins. Interview. In: Süd-
deutsche Zeitung, 4. März 2010. http://www.sakartvelo.info/
eng_geo_result.php?key=137407 (29.11.2013)
Spiegel, Hubert: „Wenn ich auf Arabisch schreibe, handelt
alles von Leid. Das Deutsche hält mich auf Distanz.“
Abbas Khider wird für seinen Debütroman ausgezeichnet.
In: Chamisso. Viele Kulturen – eine Sprache. März 2010.
Mathilde Berner-Roth (1873-1934),
eine schreibende Malerin
Gudrun-Liane ITTU
Dr. phil; Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Forschungsinstitut für
Geisteswissenschaften Hermannstadt Email: gudrunittu@yahoo.de
164
Mathilde Berner-Roth (1873-1934), eine schreibende Malerin 165
Von 1900 bis zur Gründung des Sebastian Hann Vereins für
heimische Kunstbestrebungen (im November 1904)13 veranstal-
tete Mathilde Roth die Weihnachtsausstellung, den so genannten
Weihnachtsbasar, nach Münchener Vorbild, der Künstlerinnen
und Kunstgewerblerinnen Gelegenheit bot, ihre Erzeugnisse zu
verkaufen. Der Basar war beim Publikum beliebt, da Unikate zu
günstigen Preisen angeboten wurden.
Im vorigen Jahr veranstaltete Fräulein Goldschmidt einen Weihnachts-
bazar im Gewerbeverein, heuer tritt Fräulein Roth mit einer ähnlichen
Ausstellung vor die Öffentlichkeit. Die Anregung zu diesen Veranstal-
tungen haben unsere heimischen Malerinnen im Münchener
Künstlerinnenverein, dessen Mitglieder Frl. Goldschmidt und Roth
waren und noch sind, erhalten.14
Nr. 13685, 20. Oktober 1918, S. 4-6; Eine Audienz bei Hans von
Kahlenberg. In: ebenda, Nr. 13697, 3. November 1918, S. 4-5; Zürich
um die Winterzeit. Plauderei von Mathilde Berner-Roth. In: ebenda,
Nr. 14028, 14. Januar 1920, S. 1-2; Am Comersee. Italienische Briefe
von Mathilde Berner-Roth. In: ebenda, Nr. 15426, 30. Oktober 1924,
S. 2-3; Nr. 15427, 31. Oktober 1924, S. 2-3; Riviera I. (Reisebriefe
von Mathilde Berner Roth Zürich). In: ebenda, Nr. 15615, 21. Juli
1925, S. 2-3; Riviera II. In: ebenda, Nr. 15616, 22. Juli 1925, S. 2-3;
Riviera III. In: ebenda, Nr. 15617, 23. Juli 1925, S. 3-4; Am Lago
maggiore. In: ebenda, Nr. 15904, 8. Juli 1926, S. 2-3; Am Lago
maggiore. In: ebenda, Nr. 15905, 9 Juli 1926, S. 2-4; Pilatusfahrt. In:
ebenda, Nr. 15982, 7. Oktober 1926, S. 2-3; Die Trachtenfrage. In:
ebenda, Nr. 15910, 2. September 1926, S. 10.
23 Schriftliche Information von Frau Helga Lutsch vom 26. Januar 2012.
Mathilde Berner-Roth (1873-1934), eine schreibende Malerin 173
In: SDT Nr. 13159, 24. Januar 1917, S. 5; Nr. 13160, 25. Januar, S. 3;
Nr. 13164, 30. Januar, S. 3; Nr. 13165, 31. Januar, S. 5; 13167, 3.
Februar, S. 4; 13170, 7. Februar, S. 5.
26 Lotte Goldschmidt: Ein Vorschlag zur Errichtung einer Kunstge-
werbeschule. In: SDT, Nr. 14371, 18. März 1921, S. 4 und ebenda, Nr.
14872, 19 März 1921, S. 4; Lotte Goldschmidt: Plauderei über Kunst
und Kunstgewerbe. In: ebenda, Nr. 14546, 26. November 1921, S. 2.
174 Gudrun-Liane Ittu
auch wer die Sprache der fremden Nation beherrscht. Es war auch
vor dem Kriege so, hat sich aber natürlich verschärft.
Die Urlauberin, die ihre Ruhe haben wollte, war von der Vielzahl
der Bettler und Straßenkinder unangenehm beeindruckt,
bewunderte jedoch den Geschäftsgeist der kleinen Italiener:
Das sind die vielen Straßenbettler und die liebe Straßenjugend.
Letztere quält die Fremden fortwährend um Briefmarken. Und
Geschäftsgeist haben diese Italienerkinder, alle Achtung, wie die auf
die Fremdenindustrie gedrillt sind! Das Unglaublichste wollen sie
verkaufen. […] Unlängst hielten drei Schulbuben an der Hafenmauer
ein Häufchen Muscheln feil, offenbar bilden die kleinen Strolche eine
Aktiengesellschaft, sie offerierten im Pauschalwege „Tutti una Lira!“
Fazit
Die Bedeutung der Malerin und Schriftstellerin Mathilde Roth
liegt nicht unbedingt in der Qualität ihres malerischen und litera-
rischen Schaffens, sondern darin, dass sie es zu einer Zeit, als
Frauen noch hart darum kämpfen mussten, einen Beruf auszu-
üben, gewagt hat, ihre Begabungen zu pflegen. Frauen wie
Mathilde Roth haben der nächsten Generation den Weg geebnet,
sich als Künstlerinnen zu etablieren und vom siebenbürgischen
Publikum ernst genommen zu werden. Während die Besprechun-
gen und Kritiken Aufschluss über die Rezeption ihres malerischen
Oeuvres geben, haben wir keine Belege für die Rezeption ihrer
literarischen Produktionen. Nachdem diese jedoch auch heutzu-
tage noch mit Interesse gelesen werden können, ist anzunehmen,
dass sie bei den Lesern gut angekommen sind, da sie von Reise-
zielen berichten, die nur Wenigen zugänglich waren.
Bibliographie:
Berner-Roth, Mathilde: Wintertage im Engadin. In: „Sieben-
bürgisch-Deutsches Tageblatt“ (SDT), Nr. 11895, 21.
Februar 1913, S. 4-5; Nr. 11896, 22. Februar 1913, S. 4-5; 10.
Berner-Roth, Mathilde: Ein Sonntag im Züricher Bethanien.
In: SDT, Nr. 13685, 20. Oktober 1918, S. 4-6.
Mathilde Berner-Roth (1873-1934), eine schreibende Malerin 179
180
Aspekte der hölzernen Sprache in der deutschsprachigen... 181
1. Vorbemerkungen
Im vorliegenden Beitrag sollen einige Ausdrucksformen der
sogenannten hölzernen Sprache untersucht werden, die in der
deutschsprachigen Tageszeitung Neuer Weg (NW) aus Rumänien
vorkommen. Es handelt sich dabei um eine Korpusuntersuchung,
die 24 Beileidstelegramme zum Ableben zweier kommunistischer
Führer (Josef Wissarionowitsch Stalin bzw. Gheorghe
Gheorghiu-Dej) anvisiert, die in den Jahren 1953 bzw. 1965
veröffentlicht wurden.
Von den zahlreichen Pressezeugnissen der Zeit (z.B. Bulletin
über den Gesundheitszustand, Regierungskommuniqués, Berichte,
Reden bekannter Politiker zu den Beisetzungsfeierlichkeiten),
die über den Tod Josef Wissarionowitsch Stalins am 5. März
182 Adriana Dãnilã
4. Fazit
Obwohl es sich um eine durch Knappheit ausgewiesene Textsorte
handelt, ist das Beileidstelegramm in der sozialistischen Presse
durch einen langen Text mit vielen nominalen Wortgruppen
ausgewiesen. Die Beileidstelegramme zum Tod Stalins und
194 Adriana Dãnilã
Literatur
Burger, Harald (32005): Mediensprache. Eine Einführung in
Sprache und Kommunikationsformen der Massenmedien,
Walter de Gruyter, Berlin.
Coman, M. (Hrsg.) (22001): Manual de jurnalism. Tehnici de
documentare ºi redactare, vol. I, Polirom, Iaºi.
Aspekte der hölzernen Sprache in der deutschsprachigen... 195
Internetquelle
http://ro.wikipedia.org/wiki/Telegram%C4%83; 17.10.2013.
Die Rezeption der Eulenspiegel-Figur
im rumänischen Sprachraum
Cristina DOGARU
Assist. Drd. Universität Bukarest; E-mail: dana_dogaru@yahoo.de
197
198 Cristina Dogaru
22 Ebd., S. 60.
23 Bote, a.a.O., S. 41.
24 Alexianu, a.a.O., S. 14.
25 Ebd., S. 11.
26 Ebd., S. 18.
Die Rezeption der Eulenspiegel-Figur im rumänischen... 205
36 Ebd., S. 23.
37 Bote, a.a.O., Die 55.(57.) Historie sagt,wie Eulenspiegel in Lübeck
den Weinzäpfer betrog, als er ihm eine Kanne Wasser für eine Kanne
Wein gab., S. 157.
38 Alexianu, a.a.O, S. 38.
Die Rezeption der Eulenspiegel-Figur im rumänischen... 207
urechile de foame aºteptînd, îºi scoase în cel din urma merindea din
traistã ºi prinse a înfuleca pîinea goalã, ca omul flamînd.39
39 Ebd., S. 44.
40 Ebd., S. 52.
41 Ebd., S. 18.
42 Ebd., S. 34.
43 Bote, a.a.O., S. 65.
44 Ebd., S. 94.
208 Cristina Dogaru
Nach dem Muster von Botes Titeln, die den Inhalt der jeweiligen
Historie vorwegnehmen: Die 1. Historie sagt, wie Eulenspiegel
geboren, dreimal an einem Tage getauft wurde und wer seine
Taufpaten waren.47, sind auch die Titel der rumänischen Nach-
erzählung aufgebaut: Cum a fost botezat Til de trei ori în
aceeaºi zi48, Despre un cîrciumar care fãcea pe grozavul ºi pe
care Til a jurat sã-l vindece de îngîmfare49 Genauso wie
Eulenspiegels Gestalt ist, nämlich ambivalent, sind auch die
45 Ebd., S. 65.
46 Alexianu, a.a.O., S. 19.
47 Bote, a.a.O., S. 29.
48 Alexianu, a.a.O., S. 7.
49 Alexianu, a.a.O., S. 47.
Die Rezeption der Eulenspiegel-Figur im rumänischen... 209
Bremen, S. 96.
212 Cristina Dogaru
BIBLIOGRAPHIE
Primärliteratur
Bote, Hermann: Till Eulenspiegel. Vollständige Ausgabe hrsg.
v. Sichtermann Siegfried, Frankfurt am Main: Insel Verlag,
1978.
Mitru, Alexandru: Geschichten von Pãcalã und Tîndalã. Aus
dem Rumänischen von Hedi Hauser. Bukarest: Ion Creangã
Verlag, 1976.
Sekundärliteratur
Bollenbeck, Georg: Der dauerhafte Schwankheld: Zum Verhä-
ltnis von Produktions- und Rezeptionsgeschichte. Stuttgart:
J.B.Metzlersche Verlagsbuchhandlung, 1985.
Hill-Zenk, Anja: Der englische Eulenspiegel – Die Eulen-
spiegel-Rezeption als Beispiel des englisch-kontinentalen
Buchhandels im 16.Jahrhundert. Stuttgart: Walther de
Gruyter, 2010.
Rohde, Regina: Till Eulenspiegel vom Volksbuchhelden zur
Kinderbuch- und Jugendbuchfigur. Dissertation zur Erlan-
gung der Würde des Doktors der Philosophie der Universität
Hamburg, 1982.
Wunderlich, Werner: Till Eulenspiegel. München: Wilhelm
Fink Verlag, 1984.
II. Sprachwissenschaft
Banater Schnitten, Pariser Stangen, Russische
Elegante. Zur Reichweite siebenbürgischer
Kochrezepte
Adina-Lucia NISTOR
Doz. Dr., Alexandru Ioan Cuza-Universität Iaºi/Jassy,
E-mail: lnistor@uaic.ro
219
220 Adina-Lucia Nistor
2. Begriffsdeutung
Was sind Speisenamen und wie sind sie einzuordnen? Speisen
sind mehr oder weniger kommerzielle Produkte aus dem Bereich
Gastronomie, die regional oder überregional existieren.
3. Untersuchungsmaterial
Das Untersuchungsmaterial beruht auf 115 deutsche Speisenamen
mit geografischen Herkunftsangaben und wurde folgenden
siebenbürgischen Kochbüchern entnommen: Marinela Porumb
(Hg.): Hermines Rezepte. Ein kulinarisches Tagebuch aus
2 Hansack, 2000, S. 242, zitiert nach Koß, 2002, S. 186.
222 Adina-Lucia Nistor
4. Interpretation
4.1. Phonologische, morphologische, syntaktische
Interpretation
Das trockene, haltbare Kleingebäck Keks kommt in Hermines
Kochbuch vorzüglich in der deutschen, vereinzelt aber auch in
der englischen Rechtschreibung vor: Keks versus Cakes, Honig-
keks versus Honig-Cakes, Englische Cakes oder Wiener Cakes.8
Einheimische rumänische oder ungarische Gerichte werden
meist in der ursprünglichen Bezeichnung oder umschreibend,
auf Deutsch, genannt, wobei oft die Präzisierung rumänisches
Gericht oder rumänische/ungarische Art vorkommt: z.B. Ciorbã
de Periºoare (rumänisches Nationalgericht), Ciulama (rumäni-
sches Gericht), Ghiveci mit/ohne Fleisch (rumänisches Gericht),
Icre (Fischeier), Mãmãligã mit Fett, Mussaka (rumänische Art),
Sakuska (Zacuscã)9, Mititei (Fleischröllchen), Gogoschari,
Tschorb(a/ã), Vinetesalat10, Iahnie (Bohnenessen), Mu(sch/j)dei
(Knoblauchsoße), Viºinatã (Weichsellikör)11, Gurken einmachen
(ungarisch)12, Feine Fischsuppe (ungarische Art), Fogosch-Papri-
kasch (ungarische Art), Hirtengulasch (ungarische Art),
Kartoffel-Paprikasch (ungarisches Gericht)13, Klausenburger
Kraut (Kolozsvári Káposta), Karpfen auf ungarische Art14,
Bundás kenyér (in Ei ausgebackenes Brot oder arme Ritter),
Király Leves (Suppe)15. Ähnlich werden türkische Speisen
aufgeführt: Imam Bayildi (Auberginengericht), Mussaka
5. Fazit
Kochbücher sind Zeitreisen in die Vergangenheit. Sie sind
Spiegelbilder der ökonomischen, historischen, sozial-politischen
20 Porumb, 2013, S. 72-134.
Banater Schnitten, Pariser Stangen, Russische Elegante 229
Literatur
Baumgärtner, Sara Maria: Süß und lecker. Bewährte Backrezepte
aus Siebenbürgen. Schiller Verlag, Bonn/Hermannstadt
2013.
230 Adina-Lucia Nistor
1. Vorbemerkungen
Das Siebenbürgisch-Sächsische Wörterbuch (SSWB) dokumen-
tiert den Allgemeinwortschatz der Siebenbürger Sachsen anhand
231
232 Sigrid Haldenwang
2 [Binder 14; Kisch 1905: 153; Kramer 1875/76: 90; Leonhard 54; Mätz;
Schuller 1865: 40; Trausch 20]; zu vergleichen ist auch Schullerus
[1926: 5].
In siebbürgischen Urkunden und im Siebenbürgisch... 235
·
Zur Herkunft: – Zu rum. feleleat Verantwortung, Verteidi-
gung [Tiktin 1987: 149] – ung. felelet Antwort, Ewiederung.
Kol@k (-™) [m.] in der Bedeutung:
Versicherungsbetrag gegen Diebstahl, der Folgendes
beinhaltet:
‘Haftung, die der Hirte für die Tiere auch für die Zeit übernimmt,
in der sie zu Hause im Stall stehen’; dann auch konkret: ‘die
Gabe, die ein Bestohlener haupsächlich bei Pferdediebstahl
einem vermeintlichen großen Pferdedieb gibt oder dem Hirten
verspricht, damit er ihm zum gestohlenen Vieh verhelfe’ [Haltrich
1865: 142];
‘Betrag, den diejenigen Ortschaften, die ihr Vieh im Sommer
im Gebirge weiden, zeitweilig an Gebirgsräuber geben müssen
und der oft ganz beträchtlich ist, damit durch sie den Herden
kein Schaden zugefügt werde’ [Haltrich 1865: 142].
– urkundliche Beispiele:
„gibt einem Weib, das ihm Auskunft über die dem Abram
gestohlene Kuh /gab/ donum Kolackk“ [1570, Arch.];
„welches /Nachricht über ein Schwein/ mir ein frau sagt und
kolak hiesch /verlangte/ [1615/23, Arch.];
„/Wofern der Vermittler/ ihm die dieben nicht stellen würde
so sollten sie [...] gehalten seyn nicht nur den Kollác zu restituieren
sondern auch die Pferde zu bezahlen“ [1755 H, Arch.].
·
Zur Herkunft:– Zu rum. colac ‘Geschenk in Naturalien’
[siehe auch: a colŒci ‘etwas Verlorenes suchen’ [Tiktin
1987: 389]; dazu ist auch zu vergleichen ung. kalák
‘Angabe des Diebes’.
In siebbürgischen Urkunden und im Siebenbürgisch... 237
4.2 Koquine
4.2.1 Allgemeines
Im Zuge der Reformation, die in Siebenbürgen ungefähr zur
gleichen Zeit wie im Mutterland durchgeführt wurde, kam es
auch zu einer Neuordnung in der Schule. Der Lateinunterricht
für Schüler der Lehrbildungsanstalt war obligatorisch. Es wurden
lateinische Texte gelesen, lateinische Grammatik betrieben und
Übungen gemacht. In eigenartiger Weise hat die Schule bis
Mitte des 19. Jahrhunderts auch systematisch das Hochdeutsch-
schreiben und -lesen nicht aber auch das Hochdeutschsprechen
geübt. Die gesprochene Sprache war die Mundart. Das hatte zur
Folge, dass in der Schulsprache eigenartige Wortbildungen mit,
oder aus lateinischem Sprachgut entstanden sind. Ein solches
Wort ist die „Koquine“.
4.2.2 Angabe der Wortformen und Bedeutungen
Das Wort ist hauptsächlich in verschiedenen Wortformen ssbg.
belegt: kokw$n (-™) f. [Schbg; B, Kisch 1900: 86]; kok#win
[Mschdf], kokwin [Bra, Ir, Neit, Schar/Fog, Schöbg], kauxw$n
[Krei]; kux#w$n [Midf/Ko], ko|#wi#n [Tra], koxw$n [Man],
ko|woin [Gr-Schenk].
Es ist zunächst das Mittagessen, das den (früher in der
Schule wohnenden) Seminaristen unentgeltlich beigestellt und
reihum gekocht wurde [Kisch 1900: 86]; auch von Jungen in die
Bergschule getragen wurde [Schbg], heute †
Diesen Bedeutungen entspricht der Beleg: „#nt wel d# wunuµg
i| g#nusz, moszt wÆsz#r ux kokw$n i| šl@p#n“ (etwa in dem
Sinn: ‘und weil ich im Seminaristenheim wohnen konnte, musste
ich das Wasser und das Mittagessen herumreichen’ [Höhr 1906:
21].
Außerdem ist es das Mahl (gewöhnlich eine Fleischsuppe)
bei Begräbnissen für Seminaristen, Lehrer und besonders für
die Mitglieder der Blasmusik, heute †
In siebbürgischen Urkunden und im Siebenbürgisch... 239
5. Kommentare
Es ist ersichtlich, dass die angeführten Fallbeispiele verschiedener
Herkunft sind.
– Die Arende gehört wohl dem Wortschatz der lateinischen
Rechtssprache an [vgl. SSWB 2: 179] und hat im Sieben-
bürgisch-Sächsischen zunächst die Bedeutung ‘Pacht,
Verpachtung, von öffentlichem Besitz’ dem Lateinischen entspre-
chend, dazu kommt urkundlich (Anfang des 16. Jhs.) und auch
mundartlich die Bedeutung ‘Pachtsumme’. Beinflussung aus
dem Rumänischen ist nicht auszuschließen.
In siebbürgischen Urkunden und im Siebenbürgisch... 241
Abkürzungen
f. = feminin
lat. = lateinisch
m. = maskulin
mhd. = mittelhochdeutsch
nsbg. = nordsiebenbürgisch
rum. = rumänisch
s.s. = siebenbürgisch-sächsisch
ssbg. = südsiebenbürgisch
ung. = ungarisch
244 Sigrid Haldenwang
Schreibkonventionen
Zur Lautschrift
Die Vokale
Die Lautung der Vokale entspricht im Allgemeinen der hoch-
sprachlichen, kleine Unterschiede werden in der Schreibung
nicht berücksichtigt.
Abweichend von der Schriftsprache sind zu lesen:
ai = a-i
äu =ä-u
ei = e-i
ie = i-e
oe = o-e
ue = u-e
Besondere Lautzeichen:
Æ = dumpfes a
¾ (selten) = offenes e
î = geschlossener Hintergaumenlaut ohne Lippenrundung
(Reduktionsvokal zwischen i und ü, wie rumänisch î)
# = Murmel-e (auch in betonten Silben).
Kürze wird nicht bezeichnet, Länge durch darübergesetzten
geraden Strich (@).
Die Konsonanten
p, t, k meist nicht behauchte Fortes
| stimmloser Ich-Laut
x stimmloser Ach-Laut
sz stimmloses s
š stimmloses sch
ts stimmloses z
tš stimmloses tsch
µ Gutturalnasal ng
b, d, g stimmhafte Lenes
In siebbürgischen Urkunden und im Siebenbürgisch... 245
j stimmhafter Ich-Laut
³ stimmhafter Ach-Laut
s stimmhaftes s
² stimmhaftes sch
ds stimmhaftes z
d² stimmhaftes tsch
y
vor oder nach den Konsonanten d, t, l, n zeigt Moullierung an.
Auslautendes Endungs-n fällt im Südsiebenbürgischen vor
nachfolgendem Konsonanten, außer vor d, t, z, n und h, meist
aus (Eifler Regel).
Es werden folgende Zeichen verwendet:
[-™-] für die Betonung, die nur bei Abweichungen von der Schrift-
sprache angegeben wird;
= wird zu; = geworden aus; † = ausgestorben
Ortssiegel
Abkürzung deutsch/rumänisch Kreis/jude¡: deutsch/ rumänisch
Alz = Alzen/Al¡ina = Hermannstadt/Sibiu
B = Bistritz/Bistri¡a = Bistritz/Nassod/Bistri¡a/
NŒsŒud
Bart/Kr = Bartholomä/suburbie
a Bra¼ovului = Kronstadt/Bra¼ov
Bhm = Birthälm/Biertan = Hermannstadt/Sibiu
Bra = Braller /Bruiu = Hermannstadt/Sibiu
Busd/Med = Busd/Mediasch/Buzd = Hermannstadt/Sibiu
De = Denndorf/Daia = Mure¼
Dr = Draas/DrŒu¼eni = Kronstadt/Bra¼ov
D-Wk = Deutsch-Weißkirch/
Viscri = Kronstadt/Bra¼ov
Fre = Freck/Avrig = Hermannstadt/Sibiu
Gr-Schenk = Großschenk/Cincu = Kronstadt/Bra¼ov
Gr-Scheu = Großscheuern/½ura Mare = Hermannstadt/Sibiu
246 Sigrid Haldenwang
H = Hermannstadt/Sibiu = Hermannstadt/Sibiu
Hah = Hahnbach/Hamba = Hermannstadt/Sibiu
Hetz = Hetzeldorf/A¡el = Hermannstadt/Sibiu
Ir = Irmesch/Ormeni¼ = Mure¼
Kl-Bl = Kleinblasendorf/
BlŒjel = Hermannstadt/Sibiu
Kl-Schenk = Kleinschenk/Cinc¼or = Kronstadt/Bra¼ov
Kr = Kronstadt/Bra¼ov = Kronstadt/Bra¼ov
Krei = Kreisch/Cri¼ = Mure¼
Kreuz = Deutsch-Kreuz/Cri¡ = Kronstadt/Bra¼ov
Man = Maniersch/MŒgheru¼ = Mure¼
Midf/Ko = Michelsdorf/Kokel/
Veseu¼ = Alba
Mschdf = Meschendorf/Me¼endorf= Kronstadt/Bra¼ov
Neit = Neithausen/Netu¼ = Hermannstadt/Sibiu
Ni = Nimesch/Nem¼a = Hermannstadt/Sibiu
Neudf/H = Neudorf/Hermannstadt/
Noul = Hermannstadt/Sibiu
Pre = Pretai/Brateiu = Hermannstadt/Sibiu
Rei = Reichesdorf/Richi¼ = Hermannstadt/Sibiu
Rrbch = Rohrbach/Rodbav = Kronstadt/Bra¼ov
Rs = Reußen/Ru¼i = Hermannstadt/Sibiu
Schar/Fog = Scharosch/Fogarasch = Kronstadt/Bra¼ov
Schbg = Schäßburg/Sighi¼oara = Mure¼
Schir = Schirkanyen/½ercaia = Kronstadt/Bra¼ov
Schöbg = Schönberg/Dealu Frumos = Hermannstadt/Sibiu
Strei = Streitfort/Merchea¼a = Kronstadt/Bra¼ov
Tö = Törnen/PŒuca = Hermannstadt/Sibiu
Tra = Trappold/Apold = Mure¼
Wh = Waldhütten/Valchid = Hermannstadt/Sibiu
In siebbürgischen Urkunden und im Siebenbürgisch... 247
Literaturverzeichnis
Arch. = Nationalarchiv Hermannstadt (früher Archiv der Stadt
Hermannstadt u. der Nationsuniversität).
B.M. Seivert = Seivert, Johann, Abschriften v. Originalurkunden,
18. Jh. (Ehemalige Handschriftensammlung des Brukenthal-
Museums, heute im Nationalarchiv Hermannstadt unter
der Signatur E 1-5 Nr. 112-115).
Bertleff, Hs. = Bertleff, Georg, zwei handschriftliche
Sammlungen v. Nösner Wörtern u. Wendungen, 2. Hälfte
19. Jh. (Standort unbekannt; unvollständige Abschrift im
Archiv der Siebenbürgischen Bibliothek Gundelsheim unter
der Signatur BI5 A347; im Archiv des SSWBs nur Exzerpte
auf Zetteln).
Binder, Johann, handschriftliche Sammlung siebenbürgisch-
sächsischer Wörter u. Redensarten (meist aus Schäßburg),
hochdeutsch aufgezeichnet, 1861 (Standort unbekannt; im
Archiv des SSWBs nur Exzerpte auf Zetteln).
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Sächsischen). Budapest: A Szerzö Tulajdona.
DWB = Grimm, Jakob/Grimm, Wilhelm (1983-1999):
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33 Bde]. Hg. v. d. Akademie der Wissenschaften d. DDR
[später: Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissen-
schaften] in Zusammenarbeit mit der [später: und der]
Akademie der Wissenschaften zu Göttingen. Fotomecha-
nischer Nachdruck der Erstausgabe 1854-1971 Leipzig.
Leipzig/Stuttgart: Deutscher Taschenbuch Verlag.
Höhr, Adolf (1906): Vuër lånk Åwend. Låstich Geschichten ä
såchsesche Reimen. Hermestadt (Hermannstadt): W. Krafft.
Hager, Daniel († 1842), handschriftliche Sammlung v. Mund-
artwörtern aus dem Repser Gebiet (Standort unbekannt; im
Archiv des SSWBs nur Exzerpte auf Zetteln).
248 Sigrid Haldenwang
251
252 Doris Sava
men wie z.B.: auf die große Reise gehen, auf die letzte Reise gehen, die
letzte Fahrt antreten, aus dem Leben gehen, den letzten Weg gehen,
den Weg gehen, den wir alle gehen müssen, den Weg gehen, den schon
viele gegangen sind, in die ewigen Jagdgründe eingehen, zum Herrgott
gehen, ins Paradies eingehen, den letzten Gang tun, einen schweren
Gang tun, über den Jordan gehen, den letzten Seufzer tun, ein stiller
Mann werden, sich zu Ruhe begeben, ein paar Schuh tiefer steigen, der
Welt Lebewohl sagen, den letzten Tag sehen, jmdm. geht die Pfeife
aus, die Rechnung abschließen, sich zu Ruhe begeben, um die Ecke
gehen, der grüne Rasen deckt jmdn., die Schuhe drücken jmdn. nicht
mehr, ein grünes Kleid anziehen usw.
11 Phraseologismen lassen unterschiedliche Einstellungen hinsichtlich
des Todes erkennen. Dieser wird als Reise, Fahrt, Gang, Weg, Freund
Zum Stilwert von Phraseologismen 257
sprochen z.B.: auf die große Reise gehen, die letzte Reise antreten, den
Reiserock anhaben, die Reisestiefel anziehen. Auf die Leidensgeschichte
Christi beziehen sich z.B. den Kampf der Leiden auskämpfen, den
Geist aufgeben, in Abrahams Schoß eingehen. Zu den zahlreichen
Umschreibungen des Sterbens gehören auch Wendungen, in denen
,Sarg’,,Kirchhof’,,Friedhof’ nicht genannt werden: z.B. jmd. riecht
nach Tannenholz, nach Holzhausen kommen, sich den Holzrock machen
lassen, jmd. hat einen hölzernen Rock angezogen, dem Pfarrer die
Hühner hüten, in die Pappelallee müssen, unter der Trauerweide
liegen. Piirainen (2002) fasst Phraseologismen dieses semantischen
Feldes anhand bildlicher Komponenten in Themenkomplexe zusammen.
Dabei identifiziert die Autorin herausragende bildliche Domänen meta-
phorischer und metonymischer Art: Beendigung der Aktivitäten des
Menschen, letzte körperliche Regungen im Augenblick des Todes, Sarg,
Grab/Friedhof, Jenseits, Raum und Zeit, mythologische Vorstellungen.
Zum Stilwert von Phraseologismen 261
Literatur
Wörterbücher
1. Friederich, W. (21976): Moderne deutsche Idiomatik. Alpha-
betisches Wörterbuch mit Definitionen und Beispielen. M.
Huber, München.
2. DUDEN (32008): Redewendungen. Wörterbuch der
deutschen Idiomatik. Hrsg. von der Dudenredaktion, Bd.
11, Dudenverlag, Mannheim, Leipzig, Wien, Zürich.
3. Röhrich, L. (1994): Lexikon der sprichwörtlichen Redens-
arten. Herder, Freiburg, Basel, Wien, 5 Bde. (= Taschen-
buchausgabe).
4. Schemann, H. (1992): Synonymwörterbuch der deutschen
Redensarten. Über 15000 Redewendungen, systematisch
nach Feldern geordnet mit alphabetischem Register. (Unter
Mitarb. von R. Birkenhauer). E. Klett Verlag für Wissen
und Bildung, Stuttgart, Dresden.
Fachliteratur
1. Burger, H. (1996): Sprache als Spiegel ihrer Zeit. Synchronie
und Diachronie in der Phraseologie. In: Fremdsprache
Deutsch 15/1996, S. 25-30.
2. Burger, H. (1998, ²2003): Phraseologie. Eine Einführung
am Beispiel des Deutschen. E. Schmidt, Berlin, Bielefeld,
München (= Grundlagen der Germanistik 36).
3. Burger, H. (2004): Phraseologie – Kräuter und Rüben?
Traditionen und Perspektiven der Forschung. In: Steyer,
K. (Hrsg.): Wörtverbindungen – mehr oder weniger fest.
(= Jahrbuch des Instituts für deutsche Sprache 2003). W.
de Gruyter, Berlin, S. 19-40.
Zum Stilwert von Phraseologismen 269
1. Zielsetzung
Vorliegender Beitrag diskutiert das Vorkommen unikaler Lexeme
im Phraseolexikon des Deutschen, um damit einer aus mehreren
Gesichtspunkten speziellen Klasse von phraseologischen Ein-
heiten näher zu treten, nämlich den Phraseologismen mit phraseo-
logisch gebundenen Formativen (auch Phraseologismen mit
Unikalia; z.B. jemanden über den Löffel balbieren, gang und
gäbe, alles, was da kreucht und fleucht, noch und nöcher, auf
dem Präsentierteller sitzen usw.). Da die Erörterung solcher
kniffligen Sprachfakten im Rahmen einer interlingualer
271
272 Mihai Crudu
3 Vgl. auch den Ansatz von Stelian Dumistrãcel (2011, S. 166ff), der
beide Kategorien nicht auseinanderhält.
Zur phraseologischen Gebundenheit der Lexeme 275
3.1 Derivation
Aus dieser Grafik geht deutlich hervor, dass die abgeleiteten
Adjektive am besten vertreten und „unikalisierungsanfällig“
sind. Vom Semantischen her sind sie größtenteils aufgrund
ihrer Inputs oder ihrer Affixe motiviert. Das IC-Analysepattern
kann semantische Informationen liefern, zumal die meisten am
Wort beteiligten Morpheme bedeutungstragend sind4:
4 S. die Liste mit Abkürzungen am Ende.
276 Mihai Crudu
6 Hier kann ich spekulierend nur auf den lautlichen Vergleich mit dem
umgangssprachlichen Nomen Moppel hinweisen. Eine genetisch-ety-
mologische Verwandtschaft zwischen den zwei Lexemen ist bisher
noch nicht wissenschaftlich bewiesen worden.
278 Mihai Crudu
3.2 Komposition
Was die Komposition angeht, ist sie bei unikalen Adjektiven
nicht so gut vertreten, wie es bei Nomina der Fall ist. Die 10
Adjektive (verglichen mit den 120 Nomen), die hier als
phraseologisch gebunden eingestuft wurden, zeichnen sich durch
eine binäre Struktur aus; vgl. z.B.:
a. GMN + GMAdj: ding + fest, hand + gemein, hieb +
fest, mund + tot, nase + lang, schwefel + sauer, spinne + feind
b. GMAdj1 + GMAdj2: hell + licht
c. GMN + {(GMVb + Gr) + FM}Part I: nacht + {(schlaf +
en) + d}
d. GMPräp + {(GMN + PM) + FM}N: von + {(nöt + e)
+n}
Außer helllicht sind alle Belege Determinativkomposita,
wobei die nominale Komponente als Erstglied besonders auf-
fällig ist und eine Vergleichsbeziehung begünstigt. Die unmittel-
baren Konstituenten zeigen, dass die an der Zusammensetzung
beteiligten Lexeme nicht immer eine simplizische Wortbildung
aufweisen (vgl. nachtschlafend). Umstritten ist das letzte Beispiel,
bei dem das Zweitglied, das Kopffunktion haben sollte, kein
Adjektiv an und für sich ist. Es geht demzufolge um eine
hybride Spracheinheit mit nominaler Flexion, die sich aus der
Präposition von und der Pluralform des Substantivs Not ergibt.
Bemerkenswert ist das nominale syntaktische Verhalten des
Adjektivs, aufgrund der Beibehaltung der nominalen Dativen-
dung -n. Als Erklärung dieses Sonderfalls kann hier die Kon-
version gelten: vonnöten ist nominaler Herkunft; vgl. auch die
ältere alternative Schreibung von nöten.
Was die Semantik angeht, muss die Hauptrolle der Zweitein-
heit hervorgehoben werden, wobei das erste Element vor allem
Zur phraseologischen Gebundenheit der Lexeme 279
ist auch erbötig, das nur ein nominales Derivat generiert: Erbö-
tigkeit. Vgl. auch lautbar und die nicht unikalen Ableitungen
verlautbaren, Verlautbarung. Als hochproduktiver Input erweist
sich das Grundmorphem kenn, das in Unikalia wie kenntlich,
erkenntlich und unkenntlich auftritt, die ihrerseits anderen, nicht
unikalen Nomen zugrunde liegen, z.B.: Kenntlichkeit, Kenntlich-
machung, Erkenntlichkeit, Unkenntlichkeit.
Die starke oder, au contraire, schwache Produktivität unikaler
Adjektive hängt grundsätzlich damit zusammen, inwieweit das
eine oder das andere Grundmorphem Input für nicht unikale
Bildungen sein kann. Ein Morphem wie böt ist heute in wenigen
Wörtern isoliert und daher auch die Produktivität eines etwaigen
Derivats wie erbötig niedrig. Ein Simplex wie kenn kommt
hingegen in sehr vielen Wortbildungen vor, weshalb auch das
unikale Lexem kenntlich als Ausgangseinheit für weitere Neubil-
dungen dient. Dabei ist auch noch der semantische Aspekt zu
berücksichtigen: Ist ein Grundmorphem polysemantisch, so
bestehen mehrere Möglichkeiten, Neubildungen zu bilden. Als
zusammenfassendes Postulat gilt: Je produktiver das Grundmor-
phem eines unikalen Adjektivs ist, desto wortbildungsproduktiver
kann das unikale Adjektiv sein.
4. Fazit
Die Ausführungen wollten überblicksweise die strukturellen
und inhaltlichen Besonderheiten unikaler Adjektive hervorheben.
Dabei lässt sich resümierend Folgendes unterstreichen:
Der Wortbildungsprozess hat beträchtlich zur Unikalisie-
rung mancher Lexeme beigetragen. Insgesamt können sehr
wenige unikale Wörter ausfindig gemacht werden, deren Grund-
morpheme sich nicht aufgrund anderer freier Lexeme semantisch
motivieren lassen. Hier wurde das anhand von Adjektiven bewies-
en. In den meisten Fällen beruht die Bedeutung des unikalen
Wortes entweder auf seiner Basis oder ist sie durch andere
Wortbildungsarten erklärbar.
282 Mihai Crudu
Literatur
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Bucureºti: Editura Academiei.
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Folge 4) 1/1994, S. 65-77.
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gebundener Formative. In: Folia Linguistica 27 (3-4), S.
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Dumistrãcel, Stelian (22011): Lexic românesc. Cuvinte, metafore,
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Max Niemeyer.
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unikaler Komponente – Struktur und Funktion. In: Gréciano,
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Klingenthal/Strasbourg (= Collection Recherches
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Fleischer, Wolfgang (21997): Phraseologie der deutschen
Gegenwartssprache. Tübingen: Max Niemeyer.
284 Mihai Crudu
285
286 Ana Karlstedt
Studienbegleitende Sprachkurse
in der ausländischen Germanistik
Solche Kurse sind ein Angebot für Studierende ohne Deutsch-
kenntnisse bzw. mit geringen Vorkenntnissen. Sie finden parallel
zu regulären akademischen Veranstaltungen (Vorlesungen,
Tutorien, Seminare) statt. Trainiert werden Wortschatz und
Grammatik sowie die besagten vier sprachlichen Fertigkeiten.
Anhand von einfachen Hör- und Lesetexten, die Themen wie
288 Ana Karlstedt
Unterrichtsprinzip I:
Lerner- und Handlungsorientierung
Die interkulturelle Umstellung im Germanistikstudium im Aus-
land (aber auch im Inland) brachte auch folgende Änderung mit
sich: Aufgrund fehlender Sprachkenntnisse der Studierenden
wurde der Schwerpunkt von einer Lehrer- hin zu einer Lerner-
zentrierung verlagert. Der Grund dafür ist, dass man sich nicht
überall an die Vorgaben der Germanistik für deutsche Mutter-
sprachler halten kann, da sich Lerner aus verschiedenen Kulturen
dem Stoff mit unterschiedlichem Vorwissen nähern und nach
eigener Lebenserfahrung zu abweichenden Interpretationen kom-
men. Deshalb möchte die interkulturelle Pädagogik den kulturspe-
zifischen Bedürfnissen der Lerner gerecht werden und ihre
Autonomie stärken. Die Lerner müssen ihre Fähigkeiten nicht
mehr an dem Ideal der muttersprachlichen Kompetenz messen
lassen. Stattdessen sollen sie „kompensatorische Mechanismen“
zur Problembehandlung einüben und Strategien entwickeln, um
mit ihrem begrenzten Wortschatz effektiv zu kommunizieren –
ob schriftlich oder verbal. Im Idealfall sollten Lerner Themen
und Lehrmethoden selbst wählen und mit ihren unterschied-
lichen Perspektiven auf die deutschsprachigen Länder zu Wort
kommen. Entwicklungsstufe, Persönlichkeit und Individualität
der Lerner werden berücksichtigt, da sie als aktive und konstruk-
tive Mitgestalter des Unterrichts angesehen werden.
Die Lernerzentrierung bezieht sich darauf, dass die Lernin-
halte auf die Bedürfnisse der Lerner zugeschnitten werden
sollen. Materialien sollen adressatengerecht sein. Die Lerner
sollen im Unterricht dort abgeholt werden, wo sie sich befinden
– bei ihrem Wissenstand, dabei ihre Interessen berücksichtigend.
290 Ana Karlstedt
Unterrichtsprinzip II:
Vom Wissen zum Können
Im Gemeinsamen Referenzrahmen für Sprachen (GER), der als
Grundlage für den modernen Fremdsprachenunterricht dient,
werden kulturspezifische Merkmale öfters aufgegriffen. Dabei
stellt man in Profile deutsch folgende Begriffe gegenüber:
deklaratives Wissen (savoir) versus prozedurales Wissen (savoir
faire). Deklaratives Wissen umfasst das Weltwissen der Lerner
– das Weltbild, über das sie dank des Erwerbs der Erstsprache
und des Lebens in der Kultur der Erstsprache verfügen. Es ist das
durch die Erstsprache geprägte Weltbild. Es umfasst Kenntnisse
über Orte, Institutionen, Personen, Objekte, Ereignisse, Prozesse
und Handlungen in verschiedenen Lebensbereichen. Gleicher-
maßen setzt dieses Wissen auch Kenntnisse über den Alltag in
der Kultur der Erstsprache – der Ausgangskultur – voraus. Hier
ist ein soziokulturelles Wissen gemeint, ein Wissen über die
Gesellschaft und die Kultur der Gemeinschaft, z.B. das tägliche
Leben, die Lebensbedingungen, Werte, Überzeugungen, Einstel-
lungen, Körpersprache, soziale Konventionen, rituelles (d.h. in
bestimmten Situationen übliches, durch Wiederholungen tra-
diertes) Verhalten. Die Savoir-Ebene umfasst ebenfalls ein
interkulturelles Bewusstsein – die Kenntnis, das Bewusstsein
und das Verständnis von Ähnlichkeiten und Unterschieden
verschiedener Welten und Kulturen, ebenso wie das Bewusstsein
über die eigenkulturell geprägte Wahrnehmung, über Vorurteile
und Stereotypen.
Prozedurales Wissen oder Savoir-faire zielt auf Fertigkeiten
ab. Es geht dabei nicht mehr um das WISSEN, sondern um das
292 Ana Karlstedt
Lernziel:
Perspektivenwechsel
In der interkulturellen Pädagogik werden auch die Lernziele neu
definiert, sodass ein Perspektivenwechsel beim Lerner angestrebt
wird (s. Biechele u.a. 2003, 147). Gemeint ist die Fähigkeit,
kulturelle Phänomene nicht ausschließlich durch die eigenen
kulturellen Gepflogenheiten wahrzunehmen oder zu „filtern“,
sondern das Verständnis für das Andere, das „Fremde“ zu
erwecken, um dadurch neue Perspektiven einnehmen zu können.
Der Lerner soll über die eigenen Grenzen der Toleranz, über
Stereotype der Ziel- und Ausgangskultur reflektieren. Er soll
die Fähigkeit entwickeln, nicht eindeutige Situationen, Missver-
ständnisse und Konflikte zu erkennen, nach deren Ursachen zu
fragen, um sie zu meistern. Dabei lernt er, den eigenen „kulturel-
len Filter“ (vgl. Roth u.a. 2004, 37-49) abzulegen, sich nach den
296 Ana Karlstedt
Unterrichtsmethoden:
Kulturvergleich, Sensibilisierung
Die zentrale Vermittlungsmethode in der interkulturellen Fremd-
sprachendidaktik ist der Kulturvergleich. Der interkulturell
ausgerichtete Fremdsprachenunterricht beinhaltet Exkurse zu
landeskundlichen Themen bzw. verbindet Landeskunde mit
den Grundfertigkeiten. Dabei werden Kontraste und Ähnlich-
keiten5 hervorgehoben und kulturelle Deutungsmuster, Denk-
und Wertvorstellungen – auch verschiedene Bereiche des mensch-
lichen Lebens und Aspekte des menschlichen Verhaltens –
miteinander verglichen. Ein durch die Lehrperson geschulter,
kontrollierter Umgang mit dem Kulturvergleich im Unterricht
ist folglich empfehlenswert. Es gehört zur menschlichen Natur,
beim Kontakt mit dem Fremden automatisch Vergleiche anzu-
wie Gäste, die einen speziellen Status haben und besonders gut
behandelt werden müssen? Überhaupt sind Wortzusammen-
setzungen, die auf -freundlich enden, angloamerikanischer Prä-
gung und können oft nur umständlich ins Rumänische übertragen
werden. Man denke an Wörter wie benutzerfreundlich, behin-
dertenfreundlich, ausländerfreundlich. Solche Bildungen müssen
im Rumänischen paraphrasiert werden. Daher ist eine Form wie
„ospitalier pentru copii“, so kompakt sie auch sein mag, nicht
aufschlussreich, sondern eher verwirrend.
Darüber hinaus stecken bestimmte soziokulturelle Gegeben-
heiten, die in Deutschland mit der Kinderbetreuung und -erzie-
hung, mit kindgerechten Einrichtungen oder Gegenständen
zusammenhängen und die im Buch unter dem Syntagma „dotãrile
speciale pentru copii“ subsumiert werden, hierzulande noch in
den … Kinderschuhen. Freilich hat sich seit dem Erscheinungs-
jahr dieses Sprachführers (2007) und dem EU-Beitritt Rumäniens
noch einiges getan, doch sind die im Sprachführer beschriebenen
Gegebenheiten immer noch keine Selbstverständlichkeiten auf
rumänischem Boden. Somit ist die Tatsache, dass in Spanien
Nachholbedarf diesbezüglich besteht – wie der deutsche Sprach-
führer mit Recht den deutschen Spanischlernenden nahelegt –,
für den rumänischen Leser kein Novum, sondern eine kulturelle
Ähnlichkeit. Und dass (Klein-)Kinder in Spanien zu besonderen
Anlässen bis spät aufbleiben und die Feierlichkeiten miterleben
dürfen, ist für den rumänischen Leser wohl genauso wenig
schockierend.
Der Sprachführer widmet auch ein ganzes Kapitel dem
Thema „Behindertengerechtes (oder eben -freundliches) Reisen“
(Nogales 2007, 63-66):
În ultima vreme s-a încercat, mai ales în oraºele din Spania, sã se
amelioreze condiþiile pentru persoanele cu handicap: trotuarele au
fost aplatizate înaintea trecerilor de pietoni, multe autobuze sunt
dotate cu rampe iar accesul în instituþiile publice s-a înlesnit.
Prämissen für die Vermittlung interkultureller Kompetenzen... 301
Literatur
Biechele, Markus/Padrós, Alicia (2003): Didaktik der Landes-
kunde. München u.a.: Langenscheidt.
Butjes, Dieter (1989): Landeskunde-Didaktik und landeskund-
liches Curriculum. In: Bausch, Karl-Richard u.a. (Hrsg.):
Handbuch Fremdsprachenunterricht. Tübingen: Francke,
S. 112-119.
Prämissen für die Vermittlung interkultureller Kompetenzen... 305
Internetquellen
http://de.wikipedia.org/wiki/Barrierefreiheit, eingesehen am
7.09.2013.
III. Bücherschau
Carmen Elisabeth Puchianu (Hrsg.): Vernetzte
Welt(en) – Germanistik zwischen -täten und -ismen.
Kronstädter Beiträge zur Germanistik. Neue
Folge. Heft 1. Verlag Karl Stutz, Passau, 2012,
ISBN 978-3-88849-161-0, 205 Seiten
Mihai Crudu, Drd.
Universität Bukarest
309
310 Bücherschau
COTÂRLEA, Delia
Lekt. Dr., Transilvania-Universität Braºov/Kronstadt
E-mail: delia_cotarlea@yahoo.com
CRUDU, Mihai
Drd., Universität Bukarest
E-mail: mihai_crd@yahoo.com
DÃNILÃ, Adriana
Lekt. Dr., Dimitrie-Cantemir-Universität Bukarest
E-mail: adriana.danila2013@gmail.com
DOGARU, Cristina
Assist. Drd., Universität Bukarest
E-mail: dana_dogaru@yahoo.de
GALTER, Sunhild
Doz. Dr. Lucian-Blaga-Universität Sibiu/Hermannstadt
E-mail:suni@neppendorf.de
HALDENWANG, Sigrid
Dr.phil., Forschungsinstitut für Geisteswissenschaften der
Rumänischen Akademie Sibiu/Hermannstadt
E-mail: sigridhaldenwang@yahoo.de
IROD, Maria
Doz. Dr., Dimitrie-Cantemir-Universität Bukarest
E-mail: maria_irod@yahoo.com
313
314 Index der AutorInnen
ITTU, Gudrun-Liane
Dr., Forschungsinstitut für Geisteswissenschaften der
Rumänischen Akademie Sibiu/Hermannstadt
E-mail: gudrunittu@yahoo.de
KARLSTEDT, Ana
Ass. Dr., Universität Bukarest
E-mail: ana.karlstedt@gmail.com
NISTOR, Adina-Lucia
Doz. Dr., Alexandru-Ioan-Cuza-Universität Iaºi/Jassy
E-mail: lnistor@uaic.ro
PUCHIANU, Carmen Elisabeth
Doz. Dr., Transilvania-Universität Braºov/Kronstadt
E-mail: carmenelisabethp@yahoo.de
SASS, Maria
Prof. Dr., Lucian-Blaga-Universität Sibiu/Hermannstadt
E-mail: sass_maria@yahoo.co.uk
SAVA, Doris
Doz. Dr., Lucian-Blaga-Universität Sibiu/Hermannstadt
E-mail: dorissava71@yahoo.com
TABASSI, Mohamed
Universität Gabes/Südtunesien
E-mail: islg@gmx.de
WITTSTOCK, Joachim
Dr. h. c., Schriftsteller und Literaturwissenschaftler,
Sibiu/Hermannstadt