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87.

Jahresbericht des Altmärkischen Vereins


für vaterländische Geschichte zu Salzwedel e.V.
Im Auftrage des Vorstandes herausgegeben von
Ulrich Kalmbach und Dieter Fettback
Salzwedel 2017

Titelabbildung:
Gedenkstein von Weyhe (s. Beitrag Winter, S. 100)

Impressum
Altmärkischer Verein für vaterländische Geschichte zu Salzwedel e.V.
c/o Stadtarchiv Salzwedel, Ackerstraße13, 29410 Salzwedel
Redaktion: Ulrich Kalmbach, Dieter Fettback
Druck: DruckManufaktur, Nicolaistraße 28, 39576 Stendal
3

Inhaltsverzeichnis

Andreas Neubert
Baubegleitende archäologische Untersuchungen in Salzwedel
– ein Überblick
Teil 1: Salzwedel-Neustadt, Hohe Brücke (2010) 5

Bernd-Wilhelm Linnemeier
Burgbesitz und adelige Herrschaft ‚zu gesamter Hand‘
Das Geschlecht von der Schulenburg auf Beetzendorf 35

Jens Winter
Fritz VII. von der Schulenburg und der Niedergang des mittleren
Hauptzweigs der weißen Linie derer von der Schulenburg
Besitzverhältnisse in Brome am Ende des 15. Jahrhunderts 91

Thorsten Morgendahl
Das preußische erste Elb-Landwehrregiment 1814-1815 101

Frank Moldenhauer
Der Obelisk von Ortwinkel - ein Denkmal der Separation 125

Wilfried Klingelhöfer
Goldschmiede in Salzwedel und ihre Werke 147

Ulrich Kalmbach
Vom Verein ins Museum
Entstehung und Entwicklung der Sammlungen des Altmärkischen
Geschichtsvereins bis hin zur Gründung des Johann-Friedrich-
Danneil-Museums 169

Bernhard v. Barsewisch
180 Jahre Altmärkischer Verein für vaterländische Geschichte zu
Salzwedel - Persönliche Erinnerungen an die jüngste Geschichte 185

Ulrich Kalmbach
Vereinsbericht für das Jahr 2016 191

Henning Krüger
Kassenbericht/ Rechnungslegung für das Kalenderjahr 2016 203
5

Baubegleitende archäologische Untersuchungen in


Salzwedel – ein Überblick
Teil 1: Salzwedel-Neustadt, Hohe Brücke (2010)

von Andreas Neubert

1. Einleitung
1.1 Anmerkungen zur Stadtkernarchäologie

Die sogenannte Stadt(kern-)archäologie1 als ein spezieller Bereich der Mittel-


alter- und Neuzeitarchäologie bildet ein relativ junges Teilgebiet innerhalb der
Fachdisziplin Archäologie. Beschränkte sich diese in ihrem Selbstverständnis
zunächst auf schriftlose Zeiten, für welche materielle Hinterlassenschaften
vergangener Perioden die einzige verfügbare historische Quelle darstellen,
erweiterte sich deren Arbeitsgebiet in der Folgezeit auch auf die Perioden mit
historischen Quellen im engeren Sinne: schriftliche und bildliche Zeugnisse.
Die Archäologie mit ihren spezifischen Quellen kann das so nur lückenhaft
überlieferte Bild eigenständig ergänzen und korrigieren. Durchaus folgerichtig
definiert sich das Fach heute in erster Linie durch die Art seiner Quellen –
Bodenurkunden – sowie deren Gewinnung – Ausgrabungen – und weniger
durch eine zeitliche Begrenzung.

Im deutschsprachigen Raum erhielt die archäologische Untersuchung städ-


tischer Bereiche erst unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg einen deut-
lichen Aufschwung, als Baumaßnahmen in den großenteils zerstörten Innen-
städten in besonderem Maße zur Freilegung mittelalterlicher und neuzeit-
licher Befunde und Funde führten, so z.B. in Frankfurt am Main, Ulm,
Magdeburg oder Leipzig. Weitere Impulse erfuhr dieses Arbeitsfeld in den
70er und 80er Jahre des 20. Jahrhunderts im Zuge von Modernisierungs-
maßnahmen in den Kernzonen deutscher Städte beiderseits der ehemaligen
Demarkationslinie als wiederum vermehrt archäologische Aufschlüsse zur
Verfügung standen, beispielsweise in Magdeburg, Halle, Dresden, Lübeck,
Braunschweig, Köln, Konstanz oder Freiburg im Breisgau2. Zudem begann
sich nun in größerem Maße die Erkenntnis Bahn zu brechen, dass die Archä-
ologie mit ihren spezifischen Quellen sehr wohl in der Lage ist, auch einen
Beitrag zur Stadtgeschichte, insbesondere zum städtischen Alltagsleben, zu
leisten. Personell war man zu diesem Zeitpunkt allerdings kaum in der Lage,
diese innerstädtischen Untersuchungen neben den Geländemaßnahmen au-

1
FEHRING 1996; UNTERMANN 2000; STEUER/ BIEGEL 2002.
2
LANDESDENKMALAMT BADEN-WÜRTEMBERG 1992.
6

ßerhalb der Städte hinreichend abzusichern. Auch universitär war das junge
Teilgebiet der Mittelalter- und Neuzeitarchäologie in Deutschland noch nicht
ausreichend verankert.

Diese hier nur in groben Zügen skizzierte Entwicklung lässt sich auch für die
Altmark im Allgemeinen bzw. für Salzwedel im Besonderen festhalten. Einen
großen und anhaltenden „Boom“ erfuhren baubegleitende Untersuchungen in
den Innenstädten nach der politischen Wende von 1990 in weiten Gebieten
der ehemaligen DDR, z.B. in Mecklenburg-Vorpommern3. Die verstärkte Bau-
tätigkeit in den Städten, insbesondere die grundhafte Sanierung von Straßen-
zügen im Bereich mittelalterlicher Stadtkerne, ruft seither verstärkt die
Archäologie auf den Plan. Darüber hinaus ist mit den Denkmalschutzgesetzen
auch ein entsprechender Handlungsrahmen für die systematische Durchfüh-
rung solcher Untersuchungen abgesteckt4. In der Regel handelt es sich jedoch
um archäologische Geländeaktivitäten, die weitgehend dem Baugeschehen un-
tergeordnet sind und welche häufig unter hohem Zeitdruck und mit geringen
personellen Kapazitäten durchgeführt werden müssen. Derartige Untersu-
chungen erlauben vor allem lineare Einblicke an den Wänden der schmalen
Leitungsgräben. Auf diese Weise lassen sich zwar archäologische Befunde wie
Schichten, Gruben oder Holzkonstruktionen recht gut in ihrer Tiefeners-
treckung erfassen, allerdings sind aufgrund der geringen Breiten der Gräben
kaum Aussagen zu den flächenhaften Dimensionen der Objekte möglich.
Gerade zu linear und straßenparallel verlaufenden Strukturen wie z.B. Alt-
straßen/ -wege oder Holzwasserleitungen sind also durchaus (isolierte) Er-
kenntnisse möglich, denen sich in günstiger Lage und hinreichender Flächen-
ausdehnung sehr viel seltener die Dokumentation besonderer Einzelbefunde,
wie z.B. Brunnen oder Gebäudeausschnitte anschließt. Das Hauptaugenmerk
während solcher Untersuchungen gilt der möglichst exakten Einmessung und
Beschreibung der Profilschnitte sowie der selektiven Bergung datierender
Funde, z. B. charakteristischer, zeitlich veränderlicher Gefäßkeramik.

Im Bereich relativ hoher Grundwasserstände, wie sie u.a. in großen Teilen der
Altmark herrschen, überdauern aufgrund des feuchten und luftabgeschlos-
senen Bodenmilieus häufig auch organische Materialien wie Holz und Leder.
Gut erhaltene Holzfunde erlauben mit Hilfe der sogenannten Dendrochrono-
logie eine gute Möglichkeit, archäologische Befunde recht genau zeitlich einzu-
ordnen.

3
JÖNS/ LÜTH/ SCHÄFER 2005.
4
Die Verordnung zum Schutz der Bodendenkmale (1954) für das Territorium der damaligen DDR
war formal auf die vormittelalterlichen Perioden beschränkt.
7

Bei der sukzessiven archäologischen Dokumentation benachbarter Straßen-


züge entstehen jeweils kleine „Mosaiksteine“, welche innerhalb eines abge-
grenzten Quartiers bei einer vergleichenden Auswertung zusammengefügt
werden können, womit der Nachteil derartig kleinräumiger Untersuchungen
zumindest teilweise kompensiert werden kann. Aufgrund fehlender Kapazi-
täten steht leider in den meisten Fällen sowohl eine hinreichende Auswertung
der einzelnen Geländemaßnahmen als auch deren vergleichende Analyse aus,
sodass gegenwärtig ein gewisses Missverhältnis zwischen der Akkumulation
archäologischer Daten und deren Auswertung nicht zu übersehen ist.

1.2 Stadtarchäologie in Salzwedel

Die Hansestadt Salzwedel blickt heute auf eine mehr als 750-jährige Geschich-
te zurück (Ersterwähnung Altstadt: 1233, Neustadt: 1247). Darüber geben
zunächst schriftliche Quellen und Bildzeugnisse Nachricht. Allerdings sind
diese Informationen, besonders zu Beginn der mittelalterlichen Entwicklung,
sehr lückenhaft. Und auch zu späteren Zeiten bleiben viele Bereiche des städ-
tischen Alltagslebens praktisch ausgespart. Zudem haben sich diese Quellen
nicht überall bis zum heutigen Tage erhalten. Auch für Salzwedel sind em-
pfindliche Verluste an Archivalien, z.B. im Zuge des 30-jährigen Krieges
(1635) und vor allem beim Brand des Altstädter Rathauses im Jahre 1895 zu
beklagen. So kommt der Archäologie eine wichtige Rolle bei der Erhellung der
Stadtgeschichte zu.

Abgesehen von einigen wenigen älteren Untersuchungen im Stadtgebiet5, un-


ter denen insbesondere die Ausgrabungen in der Schmiedestraße 1981 sowie
diejenigen in der Mönchskirche im Jahre 19856 hervorzuheben sind, wurden
baubegleitende archäologische Untersuchungen regelmäßig erst seit den 90er
Jahren des 20. Jahrhunderts durchgeführt. Besonders Erwähnung hierunter

5
Ungeachtet der im vorangehenden Abschnitt aufgezeigten generellen forschungsgeschichtlichen
Tendenzen wurde in einzelnen Regionen zum Teil bereits recht frühzeitig auch Fundmaterial aus
den Innenstädten gesammelt und in bescheidenem Umfang sind sogar Beobachtungen zu
angetroffenen Befunden, wie Schichtenfolgen, Brunnen etc., überliefert. Dies lässt sich auch und
insbesondere für Salzwedel konstatieren und ist hier mit dem Engagement, welches vom Johann-
Friedrich-Danneil-Museum und dem Altmärkischen Verein für Vaterländische Geschichte zu
Salzwedel (gegründet 1836) ausging, eng verbunden. Im Prinzip standen schon seit den Tagen J.
F. Danneils (1783-1868), welcher bereits in besonderer Weise eine Verbindung von Archäologie
und Geschichte und die Erweiterung der letzteren mit archäologischen Methoden bereits in deren
Anfangstagen anstrebte, auch „stadtgeschichtliche“ Fragen auf der Agenda der lokalen
archäologischen Forschung.
6
LEINEWEBER 2002.
8

verdienen die Untersuchungen am Lohteich 1997, am Rathausturmplatz


1998-19997, diejenigen in der Breiten Straße, auf dem Propsteigelände 20038,
an der ehemaligen Heineschule 20039, am Amtsgericht 200410, sowie in der
Reichestraße 200911.
Verfasser hatte in den Jahren 2010-2015 Gelegenheit, verschiedene archäolo-
gische Untersuchungen im Rahmen von Baumaßnahmen in der Salzwedeler
Innenstadt durchzuführen. Den Anfang bildete diejenige an der Hohen Brü-
cke in der Salzwedeler Neustadt im Jahre 2010, von der im Folgenden berich-
tet werden soll12.
Weiterhin betrifft das mehrere archäologisch begleitete Baumaßnahmen in be-
nachbarten Straßenzügen der Salzwedeler Altstadt (Schmiedestraße, Salz-
straße, Radestraße, Neutorstraße) in den Jahren 2011-2015, wozu sich noch
eine weitere in der Kramstraße 201313 gesellt. Somit sind gerade in diesem
Bereich der Altstadt über die zusammenfassende Betrachtung aufeinander-
folgender räumlich begrenzter Einzelmaßnahmen auch erste Aussagen zu
einem größeren Gesamtbereich möglich, womit das Manko kurzer und klein-
flächiger Einzelaktivitäten etwas abgemildert werden kann.

Unser Ziel ist es, in den kommenden Jahren Teilergebnisse zu den einzelnen
Maßnahmen in aufeinanderfolgenden Einzelartikeln vorzustellen. Im ersten
Teil widmen wir uns nachfolgend zunächst der Untersuchung in der Hohen
Brücke im Frühjahr 2010.

2. Die baubegleitende Untersuchung im Bereich der Hohen Brücke


2.1 Anlass und Durchführung

Unmittelbarer Anlass der Untersuchungen war die Neuverlegung von Versor-


gungsleitungen (Regenwasser, Abwasser, Trinkwasser, Gas, Elektro) sowie
die grundhafte Erneuerung im Bereich der Hohen Brücke. Die Baumaßnahme
erfolgte im Anschluss an die gleichartige Sanierung im westlichen Teil der
Straße Hohe Brücke sowie der von hier südlich abzweigenden Reichestraße14.

7
PACAK 2002.
8
WEGENER 2004.
9
Ebd.
10
WEGENER 2005.
11
MÜLLER/ STEFFENS 2009 und freundliche Mitteilung D. STEFFENS.
12
Aktuell ist auch für die Salzwedeler Neustadt eine weitere archäologische Untersuchung seitens
des Verfassers, und zwar in der Wollweberstraße, zu verzeichnen (1. Bauabschnitt: August-
Dezember 2016).
13
Grabungsteam T. MÜLLER und R. HELLER.
14
Vgl. Anm. 9.
9

Bereits im Vorfeld waren im Bereich der eigentlichen Brücke, im Uferbereich


der Jeetze westlich der Straße, Teile der hölzernen Substruktion einer Vorgän-
gerbrücke bei Bauarbeiten angeschnitten und teilweise unbeobachtet zerstört
wurden, ehe durch das LDA Sachsen-Anhalt (MAT Nord) eine Dokumen-
tation der Befundsituation erfolgen konnte15.

Der Bereich in unmittelbarer Nähe des Hansehofes ist insofern von einiger
historischer Bedeutung16, als hier auf der schiffbaren Jeetze die Einfahrt in das
ehemalige Hafenbecken der Hansestadt erfolgte, eine Situation, welche heute
obertägig kaum mehr zu erahnen ist. Der Name „Hohe Brücke“ bezieht sich
dabei auf den Durchlass der Brücke, welche die Unterfahrung durch Schiffe
gestatten musste.
Die Untersuchungen, welche im März und April 2010 durch ein zweiköpfiges
Ausgrabungsteam17 realisiert wurden, betrafen den größten Teil des Straßen-
zuges östlich des bereits im Jahr zuvor sanierten Teilabschnittes (Reiche-
straße) bis zum Kreuzungsbereich mit der Breiten Straße gegenüber der
Katharinenkirche. Größere Tiefenbereiche bis zu > 2 m unter der Gelände-
oberkante (nachfolgend GOK) wurden dabei vor allem im Zentralteil der
Straße (auf ca. 4 m Breite) erfasst, randlich konnten dagegen nur oberflächen-
nahe Bereiche dokumentiert werden. Insgesamt wurden dabei auf einer
Fläche von ca. 400 m2 und auf einer Länge von insgesamt ca. 55 m Länge 25
Profilschnitte innerhalb der Kanaltrassen dokumentiert; hinzu kommen 13
kleine, im Planum (Aufsicht) erfasste Bereiche.

Die archäologischen Arbeiten erfolgten streng baubegleitend, was nur eine


zügige und eingeschränkte Dokumentation erlaubte. Im Bereich des Befundes
39/ 40 (Holzschacht) konnte in Absprache mit dem Bauherrn und der Bau-
firma eine etwas umfänglichere Dokumentation sowie die Bergung zahl-
reicher Bauhölzer ermöglicht werden.

15
o. N. (MAT Nord) 2009.
16
STOOB 1984.
17
Neben dem Verfasser beteiligte sich D. STEFFENS an den Untersuchungen. Ihm sei an dieser
Stelle für seine engagierte und kompetente Unterstützung herzlich gedankt.
10

2.2 Funde im Überblick

Bei den Untersuchungen konnten 50 Fundkomplexe mit insgesamt ca. 2050


Einzelstücken geborgen werden. Bei den Funden handelt es sich nahezu aus-
schließlich um unbrauchbar gewordene Haushaltsgegenstände und Nahrungs-
reste, also klassischen Abfall. (Abb. 1)

Abb. 1 Salzwedel, Hohe Brücke, Fundverteilung (n=2045)

Eine vollständige Bergung des Materials war unter den gegebenen Bedingun-
gen weder möglich noch angestrebt, sie erfolgte daher selektiv und befundge-
bunden. Daher verbieten sich an dieser Stelle weitreichendere Schlüsse aus
der quantitativen und qualitativen Fundverteilung. Dennoch fällt auf, dass
nur relativ wenige Funde im eigentlichen Straßenverlauf auftreten, mithin
also wenig Abfall in diesen öffentlichen Straßenbereich entsorgt wurde. In
jeglicher Hinsicht eine Ausnahme bildet der Holzschacht (Bef. 39/40),
welcher als „Fundfalle“ wirkte. Die Funde aus seiner Verfüllung wurden
möglichst vollständig geborgen. Dieses Material stellt den quantitativ und
qualitativ bedeutendsten Fundkomplex dar. Von hier stammen 95% aller
Fundobjekte.
Den größten Anteil am Fundgut nehmen mit 54 % Keramikscherben, Über-
reste des ehemaligen Koch- und Tafelgeschirrs, ein. Dieses war im Laufe der
Zeit starken „modischen“ Veränderungen unterworfen und gibt deshalb erste
Hinweise zur zeitlichen Einordnung unserer Befunde.
11

Die unglasierte Harte Grauware, welche ausschließlich außerhalb des Holz-


schachtes und in nur geringer Zahl vorkommt, weist oft horizontale Hohl-
kehlen und Riefen auf und gehört ins Hohe und Späte Mittelalter (13.- 15.
Jahrhundert). Insbesondere aufgrund von Details der Randgestaltung ist hier
im Einzelfall eine feinere zeitliche Bestimmung möglich. (Abb. 2)

Abb. 2 Salzwedel, Hohe Brücke. Keramik. Harte Grauware.

Diese Warenart wird in der frühen Neuzeit (16./ 17. Jh.) weitgehend von
glasierter Irdenware abgelöst. Diese heterogene Gruppe bildet mit ca. 60% die
dominierende Warengruppe im keramischen Fundgut. Sie kann später auch
verschiedene Bemalungen aufweisen und lässt sich unterschiedlichen Waren-
arten zuordnen, welche vom 17. - 19. Jahrhundert in Nutzung waren. Aus
glasierter Keramik sind auch einige Ofenkachelfragmente hergestellt, hierun-
ter solche mit floralen Motiven oder figürlichen Darstellungen (Abb. 3).

Abb. 3 Salzwedel, Hohe Brücke. Ofenkachel.


12

Bereits etwas früher kommt auch Steinzeug - eine klingend hart gebrannte
Keramik - auf, welches sich ebenfalls verschiedenen Warenarten zuordnen
lässt und lange fortlebt (15.-19. Jh.). (Abb. 4)

Abb. 4 Salzwedel, Hohe Brücke. Keramik. Steinzeug.

Gute zeitliche Anhaltspunkte bieten Mineralwasserflaschen mit Brunnen-


stempeln, z.B. solche aus Selters oder Trier (18./ 19. Jh.). Es macht zusammen
mit den wenigen Steingutbelegen ca. 32% innerhalb des keramischen Fundgu-
tes aus. Schließlich fanden sich auch noch Fragmente von Porzellangefäßen
mit einem Anteil von etwa 6 % (18.+20. Jh.).
Auf die Sitte des Tabaksgenusses verweisen einige Fragmente weißer Tonpfei-
fen (knapp 2% Anteil). Sie kommen im 17. Jahrhundert verstärkt auf. Einige
frühe Exemplare stammen aus Holland, z. B. aus Gouda. Später treten auch
einheimische Produktionsorte in Erscheinung. Nach Kopfform, Verzierung
und Aufschriften der Stiele sowie Stempeln auf den Pfeifenköpfen und –
stielen lassen sich Produktionsstandorte und Zeitstellung näher bestimmen.
Eines der aufgefundenen Exemplare ist seiner Aufschrift nach wahrscheinlich
in Salzwedel hergestellt worden. Generell gehören die bei den Untersuch-
ungen gefundenen Tonpfeifen ins 18.-19. Jahrhundert. (Abb. 5)

Abb. 5 Salzwedel, Hohe Brücke. Tonpfeifenfragmente.


13

Auch zahlreiche Glasfragmente fanden sich im Untersuchungsbereich, v.a. in


der Verfüllung des Holzschachtes (Bef. 39/40). Sie haben innerhalb des Fund-
spektrums einen Anteil von 21%. Neben (Wein-)Flaschen, oft mit hoch
gewölbte Böden und engen Mündungen wurden auch einige kleinere weit-
mundige Gefäßfragmente sowie geriefte Henkelfragmente aufgefunden.
Leider fanden sich keine Glasmarken, nach denen wiederum eine feinere
Bestimmung des Alters und der Herkunft möglich wäre. Daneben trat auch
Fensterglas, z. T. mit Kittresten auf. Das Gros der Glasfunde wird ins 18.-19.
Jh. zu stellen sein. (Abb. 6)

Abb. 6 Salzwedel, Hohe Brücke. Glasreste.

Zum Fundus gehören weiterhin auch wenige Metallobjekte. Neben korro-


dierten Eisennägeln sind hier einige Gürtelschnallen aus Buntmetall, (Abb. 7)
ein schüsselartiges Metallgefäß (wohl aus Zinn) mit verzierten Handhaben
(Abb. 8), ein Messingzylinder mit Holzkern sowie ein Bleigeschoß zu nennen.
Besonders hervorzuheben ist ein Eisenmesser mit nietenverziertem Knochen-
griff. (Abb. 9) Wenige Schlacken belegen zudem die örtliche Metallverar-
beitung.

Abb. 7 Salzwedel, Hohe Brücke. Metall. Gürtelschnallen.


14

Abb. 8 Salzwedel, Hohe Brücke. Metallgefäß.

Abb. 9 Salzwedel, Hohe Brücke. Eisenmesser mit Knochengriff.

Sehr zahlreich waren auch zumeist fragmentierte Tierknochen sowie Schalen


von Mollusken (zusammen etwa 17%) (Abb. 10) vertreten, worauf nach-
folgend im Zusammenhang mit Befund 39/ 40 noch gesondert eingegangen
wird.

Abb. 10 Salzwedel, Hohe Brücke. Austernschale.


15

Im feuchten Milieu haben sich auch pflanzliche Reste sehr gut erhalten (ca.
2%). Es fanden sich vor allem Kastanien, Tannenzapfen, aber auch einige
Obststeine18. (Abb. 11)

Abb. 11 Salzwedel, Hohe Brücke. Obstkerne.

In diesem besonderen Bodenmilieu kam es auch zur Konservierung zahlrei-


cher Hölzer (ca. 2%). Zu nennen sind hier vor allem Pfähle (Abb. 12) und
waagerechte liegende Hölzer der ehemaligen Wegekonstruktion (Abb. 13,
Reste von Holzwasserleitungen (Abb. 14, 15) sowie die Bauhölzer des Holz-
schachtes. Daneben fanden sich aber auch zahlreiche bearbeitete Kleinhölzer,
häufig Reste von kleinen fassartigen Holzgefäßen, sogenannte Daubenscha-
len. (Abb. 16)

Abb. 12 Salzwedel, Hohe Brücke. Pfahl.

18
In einem Fall handelt es sich wohl um Zwetschge. (Auskunft R. Heller/ Diesdorf).
16

Abb. 13 Salzwedel, Hohe Brücke. Knüppel (Wegehölzer).

Abb. 14 Salzwedel, Hohe Brücke. Holz. Wasserleitung.

Abb. 15 Salzwedel, Hohe Brücke. Holz. Wasserleitung.


17

Abb. 16 Salzwedel, Hohe Brücke. Daubenfragment.

Die spezifischen Erhaltungsbedingungen im Feuchtbodenmilieu erlaubten zu-


dem die Konservierung zahlreicher Lederreste. Neben Abfallstücken aus der
Lederverarbeitung fanden sich einige Schuhsohlen- (z. T. mit Holznägeln) und
Riemenfragmente. (Abb. 17)

Abb. 17 Salzwedel, Hohe Brücke. Lederreste.


18

Last not least sei auf die ältesten von uns geborgenen Funde aufmerksam
gemacht. Es handelt sich um Feuersteingeräte aus Abschlägen und einige
Abfallstücke der Geräteherstellung, insgesamt fünf Objekte. Daneben hat sich
auch ein sogenannter Kernstein als Ausgangsprodukt für die Klingengewin-
nung erhalten. (Abb. 18)

Abb. 18 Salzwedel, Hohe Brücke. Silexkern.

Leider erbrachte eine naturwissenschaftliche Untersuchung keine Datierung


für diese wohl jungsteinzeitlichen Objekte. Die vermeintlich mit den Funden
vergesellschafteten Holzkohlereste datierten ins frühe Mittelalter, sodass die
Stücke als sekundär verlagert aufzufassen sind. Immerhin kann damit erneut
die Besiedlung der Jeetzeniederung in prähistorischer Zeit lange vor der mittel-
alterlichen Stadtgründung belegt werden, worauf bereits ein Altfund einer
(mesolithischen?) Geweihhacke vor dem Lüchower Tor im Jahre 1935 ver-
weist19.

19
Dokumentation im J.-F.-Danneil-Museum Salzwedel.
19

2.3 Befunde im Überblick


2.3.1 Sedimentschichten (Prof. 3, 5, 12)/ Holzlagen (Bef. 28-31/ Prof.
17, 18)

Bei der Untersuchung wurden ca. 100 Befunde erfasst. Den größten Anteil
bilden davon verschiedene Bodenschichten, wobei eventuell zusammengehö-
rende Befunde bei Unterbrechung der kontinuierlichen Beobachtung jeweils
neue Nummern erhielten. Art und Farbe der Sedimente sowie darin einge-
schlossene Funde verraten etwas über ihr (relatives) Alter und ihren Charak-
ter. Mehrfach sind im Liegenden der Profile zwischen 2,00 -1,00 m unter der
GOK stark organisch angereicherte dunkle Horizonte als ehemalige Wegebe-
reiche erkennbar, darüber liegen helle Sandschichten als Planier-horizonte.
Manchmal ist auch ein mehrfacher Wechsel dieser Abfolge bzw. eine stärkere
Gliederung der dunklen Bereiche zu beobachten (Prof. 3, 5, 12). (Abb. 19)

Abb. 19 Salzwedel, Hohe Brücke. Beispiel für eine aufgeschlossene Schichtenfolge.


20

Bisweilen haben sich in den weniger stark durch moderne Baumaßnahmen


gestörten Bereichen auch Hölzer erhalten. Senkrechte pfahlartige Objekte mit
zugespitzter Basis bis zu 3 m unter der GOK bilden mit waagerechten Elemen-
ten (Lagerhölzern) und den eigentlichen „Belag“ aus Rund- und Kanthölzern
komplexe Konstruktionen und dienten der Wegebefestigung im feuchten Un-
tergrund – so im Prof. 6.
Es handelt sich hierbei um Reste von Bohlenwegen bzw. Knüppeldämmen –
sicher aus dem hohen und späten Mittelalter. Die Datierung des zugspitzten
Eichenpfahlrestes ergab ein Datum zwischen 1478 und 149820, die waagerech-
ten Eschenhölzer waren leider nicht datierbar.
Eine solche Knüppellage konnte z. B. in Prof. 17 in etwa 1,3 m Tiefe unter der
heutigen GOK nachgewiesen werden, der Durchmesser der Knüppel betrug
nur 10-15 cm. (Abb. 20)

Abb. 20 Salzwedel, Hohe Brücke. Reste einer Knüppellage.

Die „Holzwege“ sind freilich in diesem Bereich im Gegensatz etwa zu denen


in Bereichen der Altstadt von Salzwedel21 bzw. zu denjenigen von Stendal22
wesentlich schlechter überliefert, sodass kaum genauere Aussagen zu Verlauf
und Konstruktion der Wegeführung möglich sind.

20
Proben-Nr. 56868, Eiche, Fälljahr: 1488 +/-10 Jahre. Für die dendrochronologische Datierung
danken wir Herrn D. K.-U. Heußner, DAI Berlin ganz herzlich.
21
Z.B. in der Schmiedestraße oder im Bereich der Neutorstraße zwischen Schmiede- und
Radestraße.
22
Z.B. im Bereich der Hohen Bude und der Kl. Hallstraße.
21

2.3.2 „Kalkgrube“ (Bef. 37)

Wohl mit einer intensiven innerstädtischen Bautätigkeit verbunden ist eine


im Profil angeschnittene, Nord-Süd ausgerichtete, wannenförmige Verfärbung
mit teils kalkhaltiger Verfüllung und deutlichen Brandspuren sowie wohl
abgerundeten Ecken etwa 1,30 m unter der heutigen GOK. Von der wohl
rechteckigen Verfärbung konnte nur ein Eckverband in einem Bereich von 0,5
x 0,6 m erfasst werden. Der Innenbereich weist eine weißgrau-braune Fär-
bung auf, der außen von einem ca. 10 cm breiten dunkelbraunen Randsaum
umgeben ist. Es handelt sich hierbei wohl um eine Grube zur Gewinnung von
Löschkalk, welcher für den in Mittelalter und früher Neuzeit gebräuchlichen
Kalkmörtel verwendet wurde. Eine nähere Datierung des wohl vorneuzeit-
lichen Befundes ist leider nicht möglich. (Abb. 21)

Abb. 21 Salzwedel, Hohe Brücke. Bef. 37. „Kalklöschgrube“.

2.3.3 Feldsteinsetzung im Bereich des Brückenkörpers (Bef. 68)

Einen interessanten Befund stellt eine mächtige Lage aus gerundeten Feldstei-
nen (bis zu 60 cm Durchmesser) mit Kalkmörtelresten unmittelbar östlich des
heutigen Brückenkörpers auf der Ostseite der Jeetze dar, welches in einem
streifenförmigen Bereich von 2,0 x 1,2 m und einer Tiefe von 1,1 – 1,20 m
unter der heutigen GOK erfasst wurde. Es handelt sich vermutlich um einen
Teil des ursprünglichen mittelalterlichen Brückenbaus, wenngleich seine Di-
mension aufgrund zahlreicher moderner Störungen in allen Richtungen nicht
präzise ermittelt werden konnte. Er scheint jedoch bis an den heutigen Brü-
ckenkörper heranzureichen. (Abb. 22)
22

Abb. 22 Salzwedel, Hohe Brücke. Bef. 68. Feldsteinlage im Bereich der Brücke.

Im Zusammenhang damit stehen könnte ein ähnlicher Befund am Westufer


der Jeetze in etwa 14 m Entfernung, welcher im Zuge der Baubegleitung in der
Reichestraße (D 149, Bef. 12) dokumentiert wurde. Hierbei handelt es sich
ebenfalls um den streifenförmigen Rest einer Feldsteinlage von 0,8 x 3,0 m
Ausdehnung, in allerdings recht oberflächennaher Lage. Schließlich wurden
bei einer Untersuchung des Mobilen Archäologieteams (MAT) im Zuge der
Sanierung des eigentlichen Brückenkörpers im Jahre 2009 (D 999, Bef. 10-12)
ebenfalls Feldsteinsetzungen dokumentiert, nach Aussage der Ausgräber
konnten hier mehrere Bauphasen nachgewiesen werden. Sie befinden sich ca.
6 m westlich unseres Befundes im Verlauf des heutigen Brückenkörpers.
Unter der heute die Oberfläche bildenden Mauer mit Zementmörtel befand
sich mindestens eine weitere Mauersetzung (ca. 1,0 m unter der heutigen
GOK) sowie eine Stützmauer - beide aus Feldsteinen im Kalkmörtel gesetzt.
Bedauerlicherweise wurden bei der besagten Sanierung auch hölzerne Bau-
reste im Bereich der Jeetze undokumentiert zerstört, welche möglicherweise
im Zusammenhang mit der Hohen Brücke stehen und die wahrscheinlich
sogar eine präzise Datierung einer Bauphase ermöglicht hätten23.

23
Vgl. LEINEWEBER/ HELLMUND (im Druck). Der Befund läuft hier unter „Landstationen“
und trägt die Katalognr. 62.
23

2.3.4 Steinkanal (Bef. 61)

Ein sorgfältig gepflasterter und mit Steinen abgedeckter E-W-ausgerichteter


Feldsteinkanal verlief in einer Tiefe von knapp 0,3 m unter der GOK direkt
unterhalb der heutigen Bordsteinkante auf der Nordseite der Straße am Ost-
ufer der Jeetze.
Der auf einer Länge von 3,0 m nachweisbare Kanal konnte auf einem Aus-
schnitt von ca. 1,5 m Länge genauer dokumentiert werden. Seine ca. 0,6 m
unter der GOK verlaufende Sohle war sorgfältig mit kleinen Steinen gepflas-
tert, die Seitenwände bildeten aufrecht stehende flache Steine, welche von
größeren Decksteinen überwölbt waren. Das Bauwerk wies einen fast quadra-
tischen Querschnitt von 0,3 x 0,3 m (Innenmaß) auf. (Abb. 23)

Abb. 23 Salzwedel, Hohe Brücke. Bef. 61. Steinkanal.

Der Kanal diente wahrscheinlich der Abwasserentsorgung in der frühen Neu-


zeit. Der Befund ist nicht datierbar, war aber zumindest im 19. Jahrhundert
noch in Benutzung. Möglicherweise ersetzte er einen ursprünglich mit Faschi-
nen seitlich gesicherten sowie mit Holzbrettern abgedeckten Abflussgraben,
welcher die Straße randlich begleitete und wie er z.B. in Stendal (Hohe Bude)
nachgewiesen werden konnte.

2.3.5 Holzleitungen (Bef. 36, 38, 93)

Einige ausgehöhlte zweiteilige Holzröhren mit im Detail unterschiedlicher


Konstruktion sind als Wasserleitungen anzusprechen. Insgesamt konnten drei
derartige Befunde dokumentiert werden. Sie dienten der mittelalterlichen und
24

frühneuzeitlichen Wasserversorgung und wurden erst in der Moderne durch


Ton-, Blei- oder Plasteleitungen ersetzt. Die vorliegenden Formen datieren
wahrscheinlich überwiegend ins 18.-19. Jahrhundert. Leider ergab die dendro-
chronologische Untersuchung der Hölzer kein Datum.
Die Holzwasserleitung 1 (Bef. 36) aus Pappel war Nordnordwest-Südsüdost
ausgerichtet, verlief etwa 1,0 m unter der GOK und konnte auf 0,6 m Länge
verfolgt werden. Sie bestand aus einer Konstruktion aus zwei aufeinander-
gesetzten Halbröhren, welche mit Holzstiften verbunden und wie alle anderen
Befunde dieser Art dicht in grünen Lehm gepackt war. Ihr Durchmesser
betrug ca. 30 cm, das nach Südsüdost gerichtete Gefälle belief sich auf ca. 2%.
Die Holzwasserleitung 2 (Bef. 38), ebenfalls aus Pappel, war Nordost-Südwest
orientiert und konnte auf einer Länge von 2 m im Untersuchungsbereich
dokumentiert werden. Sie verlief etwa 1,2 m unter GOK. Der Durchmesser
der zweiteiligen als Ober- und Unterschale realisierten Röhre betrug ca. 40
cm; ihr Gefälle ca. 2-3% nach Südwest. (Abb. 24, vgl. auch Abb. 14, 15)

Abb. 24 Salzwedel, Hohe Brücke. Bef. 38. Holzwasserleitung 2. Befund in situ.

Holzwasserleitung 3 (Bef. 93) aus Erlenholz war ebenfalls Nordwest-Südost


ausgerichtet und auf einer Länge von 1,2 m zu dokumentieren, ihr Durch-
messer betrug ca. 30 cm und sie verlief etwa 1,2 m unter der GOK mit einer
Neigung von 2% nach Nordwesten. Sie war als 3/4 - Röhre mit Brettab-
deckung realisiert.
Während die Funktion der Leitungen 1 und 2, aufgrund der kleinen Aus-
schnitte und der beobachteten Ausrichtung im Gesamtgefüge nicht ganz klar
ist – evtl. handelt es sich um Hausanschlüsse, stellt Bef. 93 wohl die Wasser-
zuleitung dar. Damit auf das Engste ist der nachfolgend beschriebene Holz-
schacht verbunden.
25

3. Holzschacht (Bef. 39/ 40)


3.1 Befund

Besondere Aufmerksamkeit erregte eine bereits zu Beginn der Maßnahme in


unmittelbarer Nähe der Kreuzung Breite Straße/ Hohe Brücke seitlich ange-
schnittene, noch wassergefüllte kastenförmige Holzkonstruktion, deren
genaue Zweckbestimmung und Ausdehnung zunächst offenbleiben musste. In
der Endphase der Bauarbeiten konnte dieser Befund in Absprache mit dem
Bauherrn und mit technischer Unterstützung der Baufirma dokumentiert und
ein repräsentativer Teil der Bauhölzer sowie die Verfüllung geborgen werden.
Der vorzüglich erhaltene Holzschacht von 1,25 x 1,20 m Erstreckung (Außen-
maß), dessen oberer Abschluss sich ca. 0,9 m unter der GOK (Basis) befand
und welcher eine Tiefe von 1,75 m (Sohle also bei -2,65 m unter GOK)
erreichte, diente der Speicherung, mechanischen Klärung und Verteilung von
Trinkwasser. Seine Sohle (Innenmaß 1,15 x 1,10 m) war mit drei, ca. 0,35 m
breiten, dicht gesetzten Holzbohlen (Eiche) ausgebaut, die Seitenwände
bestanden aus insgesamt acht Bohlenlagen (sechs Lagen Erle je ca. 10-15 cm,
zwei Lagen Eiche je ca. 40 cm), die teilweise vergangene Abdeckung bestand
wiederum aus Eichenbrettern. Die Zu- und Ableitungen in Form der weiter
oben beschriebenen röhrenartigen Holzwasserleitungen waren im Westen
und Osten gut zu erkennen und im Bohlenverband entsprechend ausgespart
worden. Interessante konstruktive Details zeigten sich in der Abdichtung mit
Lehm und Birkenrinde bzw. Moospolstern sowie in den Verbindungen der
Bohlen mit Holznägeln und in der Verzapfung innerhalb der Eckverbände.
(Abb. 25.1-5)
26

Abb. 25.1 – 25.5 Salzwedel, Hohe Brücke, Holzschacht (Schierkasten, Bef. 39/40).
Übersicht und Detail.

Relativ schnell wurde deutlich, dass dieser Holzschacht zwar mit der Wasser-
versorgung in Zusammenhang stehen musste, jedoch nicht als primärer
Brunnenbau aufzufassen ist. Hierfür sprachen die abgedichtete Sohle des
Schachtes sowie die Existenz zweier Leitungen (Zu- und Ableitung).
Aufgrund von archivalischen und literarischen Hinweisen zur frühneuzeit-
lichen Trinkwassergewinnung in Salzwedel aus den Flüssen Jeetze und
Dumme sowie eines vergleichbaren Befundes der Neuperverstraße 39/40,
27

welcher im Jahre 1997 dokumentiert wurde24, konnte der Befund aus der
Hohen Brücke funktionell als sogenannter Schierkasten zur Speicherung und
Verteilung von Trinkwasser gedeutet werden25, wobei die Wassserzuleitung
offenbar aus östlicher Richtung (von der Alten Jeetze?) erfolgte. Die ältesten
Hölzer aus der Sohle und den unteren Holzlagen datieren in die Mitte des 15.
Jh., der letzte „Schachtring“ Anfang bis Mitte des 18. Jh. und die Schacht-
abdeckung zum einen in das letzte Viertel des 15. Jh., zum anderen ebenfalls
um die Mitte des 18. Jh., was wohl die sekundäre Verwendung eines alten
Holzes aus der oberen Lage der ursprünglichen Schachtumfassung anzeigt26.
Der Schacht wurde nach seiner Nutzung oberhalb und wohl auch teilweise
innen verfüllt. Dieses Material bietet einen repräsentativen Querschnitt der
städtischen Sachkultur aus der 2. Hälfte des 18. und der 1. Hälfte des 19.
Jahrhunderts. Damit ist ein terminus ante quem für die primäre Nutzung des
Schachtes gegeben.
Der Schierkasten, der nach Ausweis der Dendrodaten mindestens 300 Jahre
in Nutzung war, ist also um 1800 aufgegeben worden, ohne dass es an dieser
besonders geeigneten Stelle zu einer Neuanlage kam. Das lässt auf eine
Veränderung im bis dahin jahrhundertelang genutzten Wasserversorgungs-
netz schließen. Möglicherweise stand die dafür ursprünglich genutzte Alte
Jeetze nicht mehr zur Verfügung. In diese Richtung lassen sich evtl. Hinweise
bei POHLMANN (1811) deuten, der über die sinkende Qualität und Quantität
des Wassers in diesem Bereich berichtet.27

24
Dokumentation im J.-F. Danneil-Museum.
25
In den Folgejahren konnten dann im Zuge der Baumaßnahmen in der Schmiede-, Rade- und
Neutorstraße mehrere dieser sogenannten Schierkästen dokumentiert und damit weitere
Erkenntnisse zur Wasserversorgung in Salzwedel gewonnen und mit historischen Quellen
verglichen werden.
26
Proben-Nr. 56876, Bodenbrett, Eiche, Fälljahr um/ nach1440.
Proben-Nr. 56877, Abdeckung, Eiche, Fälljahr um/nach 1750
Proben-Nr. 56878, Abdeckung, Eiche, Fälljahr um/nach 1487
Proben-Nr. 56879, Seitenwand Nord, Lage 7, Eiche, Fälljahr 1763 +/-10
Proben-Nr. 56880, Seitenwand Nord, Lage 6, Eiche, Fälljahr um/nach 1442
Proben-Nr. 56881, Seitenwand West, Lage 7, Eiche, Fälljahr um/nach 1691
Proben-Nr. 56882, Seitenwand West, Lage 6(A), Eiche, Fälljahr um/nach 1463
Proben-Nr. 56883, Seitenwand West, Lage 6(B), Eiche, Fälljahr 1524 +/-10
27
Diese Überlegungen verdanke ich in besonderem Maße den Anregungen von Herrn R. HELLER
(Diesdorf).
28

3.2 Funde aus dem Holzschacht

Bei dem umfangreichen Material der Verfüllung handelt es sich wohl um


unmittelbar bei Außerbetriebnahme oder zu einem späteren Zeitpunkt jeweils
relativ kurzfristig entsorgte Hausabfälle aus dem näheren räumlichen Umfeld
des Schierkastens. Es umfasst etwa 1950 Einzelstücke und bestand v.a. aus
Fragmenten des keramischen Haushaltsgeschirrs (55%), Fragmenten von
Glasflaschen (22%), Kleinholz- und pflanzlichen Resten (ca. 3 %) und einer
größeren Anzahl von tierischen Abfällen – Knochenfragmenten (11%) sowie
Muschelschalen (6%). (Abb. 26)

Abb. 26 Salzwedel, Hohe Brücke. Fundspektrum aus der Schierkastenverfüllung.

Das Inventar ist sicher neuzeitlich, freilich erweist sich das keramische
Material chronologisch nicht sensibel genug, um den umschriebenen Termin
der Verfüllung zeitlich genauer zu fixieren. Es deutet sich hierfür jedoch ein
Intervall vom (fortgeschrittenen) 18. bis zum beginnendem 19. Jh. an. Über
die Enddatierung der Abdeckung lässt sich zumindest die jüngste Phase der
Nutzung des Schachtes postulieren, der mit Sicherheit um 1900, wahrschein-
lich aber schon wenigstens ein halbes Jahrhundert zuvor nicht mehr im
Betrieb war.
29

3.3 Zu den tierischen Überresten aus der Schachtverfüllung

Interessant ist der für eine derartige Ausgrabung überschaubare, für den
konkreten Kontext aber repräsentative Fundus an tierischen Resten, welche
Herr R.-J. Prilloff dankenswerterweise einer archäozoologischen Analyse
unterzog, deren Ergebnisse hier kurz referiert werden28.
Analysiert wurden 344 Fundstücke mit einem Gewicht von 10191,0 Gramm.
Nach dem Zusammenfügen alt und neu zerbrochener Knochen und dem
Einpassen loser Zähne in die entsprechenden Alveolen, reduzierte sich die
Anzahl der Fragmente auf 322 Stücke.
Die Gesamtanzahl der Tierreste unter Berücksichtigung der anatomisch und
tierartlich bestimmten wie auch nicht bestimmten Stücke (Abb. 27), verteilt
sich auf die Tierklassen Säugetiere (Mammalia) mit 212 Stücken (65,84 %)
und einem Gewicht von 8970,5 Gramm (88,02 %), Vögel (Aves) mit einem
Stück (0,31 %) und einem Gewicht von 12,5 Gramm (0,12 %) und Muscheln
(Bivalvia) mit 109 Stücken (33,85 %) und einem Gewicht von 1208,0 Gramm
(11,85 %).

Abb. 27 Salzwedel, Hohe Brücke, Verteilung der tierischen Reste (n=322)

28
PRILLOFF 2010 und ergänzende E-Mail vom 30.03.16. Eine separate Veröffentlichung ist
vorgesehen.
30

Werden nur die Reste der Wirbeltiere berücksichtigt, erreichen die Haustiere
einen relativen Fundanteil von 99,52 Prozent, wobei die Haussäugetiere mit
99,03% deutlich überwiegen. Am häufigsten vorhanden sind die Reste vom
Rind (61,84 %), gefolgt vom Schwein (22,22 %) und den kleinen Hauswieder-
käuern (14,01 %). Neun Knochen ließen sich sicher dem Schaf (4,35 %) und
drei Knochen sicher der Ziege (1,45 %) zuordnen. Beide Katzenknochen (0,97
%) wurden gemeinsam mit den übrigen Haussäugerknochen im Abfall aufge-
funden. Somit besteht zumindest der Verdacht einer erweiterten Nutzung
dieser Haussäugerform, die über die Haltung als Vertilger schädlicher Nager
hinausreichte.
Das Hausgeflügel ist im Fundmaterial mit einem Knochen (0,48 %) vertreten.
Die Größe und die osteologischen Merkmale erlauben es, diesen Knochen als
den Überrest von einem Puter anzusprechen.
Die Wildtierreste belegen eine Wildsäugerart, den Rothirsch, sowie drei Mu-
schelarten, ausnahmslos Meeresmuscheln. Der relative Fundanteil der Wild-
tierreste beträgt 34,81 Prozent (nur Rothirsch und Auster 34,18 Prozent). Für
je einen Schalenrest der Essbaren Miesmuschel und einer Herzmuschel (Be-
stimmung der Art nicht mehr möglich) besteht der Verdacht der zufälligen
Beimischung. Werden nur die Wirbeltierreste berücksichtigt - es liegt lediglich
ein Knochenrest vom Rothirsch vor - erreichen die Wildtiere einen relativen
Fundanteil von 0,48 Prozent.
Aufgrund der Zerlegungsspuren und weiterer Indizien, der Verteilung der
Knochen über die Elemente des Skeletts und das Schlachtalter lassen sich die
Gewinnung verschiedener tierischer Rohstoffe nachweisen. Für die Herstel-
lung von Gebrauchsgütern können die folgenden Rohstoffe benannt werden:
Tierhäute (Rohfelle) von Rind und Schaf, Horn vom Rind sowie Knochen
vom Schaf. Es ist aber davon auszugehen, dass die Be- und Verarbeitung dieser
Rohstoffe an anderen Standorten innerhalb oder außerhalb von Salzwedel
erfolgten.
Zumindest für die angenommenen Hausschlachtungen ist eine örtliche Verar-
beitung der gewonnenen Rohstoffe zu vermuten: Fleisch und Hirn von Rind,
Schwein und Schaf, sowie Mark und Fett (Knochenfett) von Rind und
Schwein. Als Produkte können benannt werden: Kopf-, Hals- und Rumpf-
stücke, Schulter-, Bug-, Arm-, Keulen- und Beinstücke, sowie Mark- und
Kochknochen.
Auf den Verzehr von Meeresfrüchten, der Europäischen Auster, wird geson-
dert hingewiesen, da es sich um eine Delikatesse handelt, die zugleich auf hohe
soziale Stellung und ökonomische Potenzen schließen lässt (vgl. Abb. 10). Je
ein Bruchstück der Essbaren Miesmuschel und einer tierartlich nicht näher
bestimmbaren Herzmuschel können sowohl zufällige Beimengungen wie auch
Reste verzehrter Individuen sein. Die Meeresmuscheln sind zugleich Belege
31

für den Fernhandel zwischen Salzwedel und dem norddeutschen Raum. Mag
ihr Fundort in unmittelbarer Nähe des alten Salzwedeler Hafens ein Zufall
sein, so wirft er doch ein besonderes Schlaglicht auf die lange zurückreichende
Tradition Salzwedels als wichtiger Handelsort und Hansestadt.
In der Verfüllung lag auch das Diaphysenfragment (Metacarpus vom Rot-
hirsch) ohne anthropogene Manipulationen. Es kann somit ein Zeugnis
sowohl handwerklicher Tätigkeiten, der Be- und Verarbeitung von Rothirsch-
knochen, wie auch fleischlicher Nahrung, Fußstück oder Mark- und Koch-
knochen, sein. Inwieweit die beiden Knochen der Hauskatze, Mandibula und
Scapula, Reste handwerklicher Tätigkeit (Fellgewinnung) oder Nahrungs-
reste des Menschen sind, kann noch nicht schlüssig beantwortet werden.
Bemerkenswert ist das Auftreten eines menschlichen Fersenbeins. Möglicher-
weise kam Sediment aus dem ehemaligen Kirchhofbereich der unmittelbar
benachbarten Katharinenkirche im Schierkastenschacht zur Verfüllung, wo-
bei freilich die Singularität des Knochenfundes im Material etwas merkwürdig
anmutet.

4. Fazit

Bei der kleinräumigen linearen Untersuchung im Bereich des Straßenzuges


„Hohe Brücke“ in der Neustadt von Salzwedel konnte punktuell die Kon-
struktion des alten Straßenverlaufes nachvollzogen werden, welcher wie
anderenorts in Salzwedel auch als Holzbohlenweg bzw. Knüppeldamm reali-
siert worden war.
Daneben boten sich gute Einblicke in das System der mittelalterlichen und
neuzeitlichen Wasserversorgung der Salzwedeler Neustadt, zum einen an-
hand der Überreste röhrenartiger Holzwasserleitungen, zum andern am Bei-
spiel eines sehr gut erhaltenen Holzschachtes (Schierkasten).
Weiterhin konnte am westlichen Straßenrand in Nähe des Hansehofes eine
steinerne überdeckte Abflussrinne unbekannter Zeitstellung sowie im Stra-
ßenverlauf ein grubenförmiges Objekt zur Löschkalkgewinnung angeschnit-
ten und dokumentiert werden.
Im Detail nur wenig aussagekräftig, wohl aber jedenfalls mit der historischen
Brückenkonstruktion in Verbindung stehend, wurde bei den Bauarbeiten
auch eine regelmäßige Feldsteinsetzung mit Kalkmörtelresten im Verlauf der
Brücke erfasst. (Abb. 28)
32

Abb. 28 Salzwedel, Hohe Brücke, Gesamtplan mit im Text erwähnten Befunden.

Das geborgene Fundmaterial dokumentiert die Besiedlungsgeschichte in die-


sem Bereich vom 12./13. – 20. Jahrhundert. Es handelt sich vor allem um häus-
lichen, in den Straßenbereichen und v.a. im Holzschacht entsorgten Abfall,
wobei Gebrauchskeramik und tierische Überreste dominieren. Aufgrund des
spezifischen Fundmilieus haben sich neben den Bauhölzern auch einige
andere organische Funde, wie Reste von Kleinhölzern und Leder erhalten.
Besondere Aufmerksamkeit verdient das Material aus dem Holzschacht,
welches m. E. einen „geschlossenen“ Fund, der den Zeitraum der ein- oder
mehrphasigen Verfüllung des Befundes im 19. Jahrhundert umschreibt, bildet.
33

Literatur

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34

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der Altstadt von Salzwedel. Unveröff. Grabungsbericht. 15 S. LDA Halle
(Saale).
35

Burgbesitz und adelige Herrschaft ‚zu gesamter Hand‘


Das Geschlecht von der Schulenburg auf Beetzendorf1

von Bernd-Wilhelm Linnemeier

I. Einleitung: Der Ort

Zur Einstimmung auf den im Zentrum der folgenden Ausführungen stehen-


den Ort sei hier ein Zitat aus der brandenburgischen Geschichtsschreibung
des 18. Jahrhunderts wiedergegeben. Im 1753 publizierten zweiten Teil der
bekannten Bekmannschen „Beschreibung der Chur und Mark Brandenburg“
heißt es mit Blick auf Beetzendorf wie folgt:
„Das merkwürdigste an diesem orte ist, daß alhier das Alte Stammhaus und
ehemahlige gemeinschaftliche Burg der Herren von der Schulenburg dieser
orten (...) oder die sogenannte Alte Burg vorhanden, so ein festes und in einem
unzugänglichen morast gelegenes haus gewesen, wozu man nicht anders als
vermittelst einer brükken kommen können. Und zeigen die noch zu sehende
Überbleibsel an, daß es mit starkem mauerwerk müsse sein versehen gewesen:
Wie man denn auch solches annoch an den mauern des von einigen so genann-
ten pulverthurms, als welche von ungemeiner dicke sein, sehen kann (...) Es
hat aber schon lange wüste gelegen, und sein auf den niedergeworfenen wällen
ietzo die Freiherrlichen und Adeligen lustgärten vorhanden, wovon der erste
wegen seiner schönen alleen und Franzobst(e)s wohl unter den schönsten der
Altmark verdienet gezehlet zu werden. (...) Das jetzige freiherrliche Schloss
und beide adel(igen) Höfe aber liegen auf der Insel zu welchen man über drei
brükken gehen muß“2.

1
Beim vorliegenden Text handelt es sich um die leicht überarbeitete und erweiterte Fassung des
unter gleichem Titel am 9. April 2016 im Rahmen der Frühjahrstagung des Altmärkischen
Vereins für Vaterländische Geschichte zu Salzwedel e.V. in Beetzendorf gehaltenen Vortrags.
2
Johann Christoph Bekmann, Historische Beschreibung der Chur und Mark Brandenburg, Teil
2, Berlin 1753, hrg. von Bernhard Ludwig Bekmann, 5. Theil, I. Buch, IX. Kapitel, Sp. 95-96.
36

Abb. 1 Burgruine Beetzendorf. Farblithographie von W. Schroeder (bei W. Loeillot


in Berlin), um 1860. Repro: Verf.

Der in Frankfurter an der Oder tätige Universitätsprofessor Johann Christoph


Bekmann, unter dessen Namen die Beschreibung 1753 erschien, war damals
längst tot und man darf davon ausgehen, dass die Ausführungen zu Beetzen-
dorf dem Herausgeber des Gesamtwerkes, nämlich Bernhard Ludwig Bek-
mann, Professor am Joachimsthalschen Gymnasium zu Berlin, zu verdanken
sind, wobei sich aus den weiteren Ausführungen zu den lokalen Gegebenhei-
ten ein Berichtszeitpunkt um 1742 ergibt. Was sonstige Detailinformationen
bei Bekmann jun. betrifft, so erweist sich derselbe als Rezipient allenfalls
schriftlicher und dazu nicht recht verstandener Informationen zur Beetzen-
dorfer Topographie, denn ein mittelalterliches Schloss inklusive gleich zweier
herrschaftlicher Höfe auf ein und derselben Burginsel sind zu seiner Zeit nicht
recht mehr vorstellbar - es sei denn, man betrachtet Haupt- und Vorburg als
grabenumwehrte Einheit, die gleichwohl zur besseren Verdeutlichung lokaler
Spezifika eine etwas verfeinerte historischen Inaugenscheinnahme verdient
hat, um Bekmann’sche Missverständnisse von vornherein auszuräumen.
37

Abb. 2 Gesamtplan von Beetzendorf um 1730. Abbildung bei Georg Schmidt, Das
Geschlecht von der Schulenburg, Bd. 1, Beetzendorf 1908, nach S. 216. Repro: Danneil-
Museum Salzwedel.

Um 1740 gab es demnach noch die „Überbleibsel“ der mittelalterlichen Kern-


burg, die, wie sich anhand des Beetzendorfer Gesamtplans von 17313 un-
schwer erkennen lässt, damals bereits ohne erkennbare Funktion, jedoch von
hohem Symbolwert – „pietätvoll“ in die großen barocken Gartenanlagen
einbezogen waren. Von bewohnten Teilen des mittelalterlichen castrums
Beetzendorf wird man aber angesichts der kartographischen Befundlage
bereits zu diesem Zeitpunkt kaum noch sprechen dürfen, wenngleich die

3
Derselbe ist als zeitgenössische Umzeichnung eines (nicht erhaltenen?) älteren Stücks wieder-
gegeben bei Georg Schmidt, Das Geschlecht von der Schulenburg, Bd. I, Ursprung, Wappen
Lehenswesen (...), Beetzendorf 1908 (im Folgenden abgek.: „Schmidt, Schulenburg I“), hinter S.
216.
38

Feststellung, dass Teile der Kernburg noch bis 1760 zu Wohnzwecken gedient
hätten, innerhalb der älteren und neueren Literatur ein zwar durch Quellen
nicht belegbares, aber dennoch zähes Leben entfalten konnte: Wohl als
Danneil’sche, später durch Schmidt kolportierte Fehldeutung in die Welt
gelangt, fand sie 1975 Eingang in die Arbeit Wolfgang Podehls und selbst noch
2002 in die neueste Auflage des Handbuchs der Deutschen Kunstdenkmäler4.
Wo bei Danneil in baugeschichtlichen Zusammenhängen für die Zeit nach
1760 von der „Burg“ die Rede ist, dürfte es sich zweifellos um den westlichen
Teil der Vorburg handeln, denn dort zeigt der Plan von 1731 eine schief-
winklige Gebäudegruppe mit hofseitigem Treppenturm, wie sie als Bautypus
des 16. Jahrhunderts auch aus anderen regionalen Zusammenhängen bekannt
ist5. Hier, wo sich nach 1731 offenbar größere Reduktionsprozesse in der Be-
bauung vollzogen, wird man bereits für die Zeit vor 15706 den später als
Lieberoser Hof bezeichneten Beetzendorfer Hauptsitz des Schwarzen Stam-
mes anzunehmen haben, während der östliche Teil der Vorburg durch den um
1580 durch Wedige von der Schulenburg genutzten, vielleicht auch durch
Letzteren angelegten sogenannten Großen Hof des Weißen Stammes einge-
nommen wurde, dessen um 1720 wohl von Grund auf erneuerter Hauptbau

4
Johann Friedrich Danneil, Das Geschlecht der von der Schulenburg, Bd. I, Salzwedel 1847 (im
Folgenden abgek.: „Danneil, Schulenburg I“), S. 214 (ohne Quellenangabe): Hiernach seien Ange-
hörige des Schwarzen Stammes bis 1760 „auf der Burg“ ansässig gewesen. „In diesem Jahre ward
nämlich ein sehr baufällig gewordener Theil der Burg niedergenommen und nur ein kleiner Theil
davon blieb stehen, der zur Wohnung für den Pächter des Lieberoser Hofes eingerichtet ward.
Auch dieser Theil verfiel und ward bald nach 1780 niedergenommen, so daß seit dieser Zeit die
Burg unbewohnt geblieben ist.“ Nach Danneil in ähnlicher Weise auch Schmidt, Schulenburg I,
S. 219, 222f., von dort übernommen bei Wolfgang Podehl, Burg und Herrschaft in der Mark
Brandenburg. Untersuchungen zur mittelalterlichen Verfassungsgeschichte unter besonderer
Berücksichtigung von Altmark, Neumark und Havelland, Köln/Wien 1975 (Mitteldeutsche
Forschungen Bd. 76), S. 188 sowie schließlich Georg Dehio, Handbuch der Deutschen Kunst-
denkmäler, Sachsen-Anhalt I, bearb. von Ute Bednarz und Folkhard Cremer, München/Berlin
2002, S. 91.
5
Hier sei besonders auf die zwischen 1572 und 1579 erbaute Schlossanlage Harbke (Bördekreis)
hingewiesen, deren Bauherr Achaz II. von Veltheim (1538-1588) zum engeren familiären Umfeld
der Schulenburgs Schwarzen Stammes zählte. Auch das in wesentlichen Teilen dem 16. Jh.
angehörende sogenannte Haupthaus der Burg Altenhausen (Bördekreis) kann mit seinem
hofseitigen Treppenturm im Winkel zwischen zwei Baugliedern hier angeführt werden. Zu
norddeutschen Zweiflügelbauten der Renaissance und ihrer typologischen Genese u.a. Heiner
Borggrefe/Guido von Büren, Schloss Stadthagen – eine Residenz der Renaissance. Mit Fotografien
von Jutta Brüdern (Kulturlandschaft Schaumburg Band 15, hrg. von der Schaumburger
Landschaft), Hannover 2008, S. 8-15.
6
Jedenfalls lassen sich die Ostern 1570 und 1572 Mai 2 für die Söhne des 1569 verstorbenen
Landeshauptmanns Levin I. von der Schulenburg erstellten Inventare des Hauses Beetzendorf
(Landesarchiv Sachsen-Anhalt (im Folgenden abgek.: „LASA“), MD, H 21, B I, Nr. 111, fol. 1-8v,
40v-41) entsprechend deuten.
39

als Teil eines in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts vielfach veränderten
Gebäudekomplexes heute kaum noch zu erkennen ist7.
Das, was sich am Ende dieses kurzen historischen Rundblicks über das Gelän-
de von Burg und Vorburg bereits abzeichnet, nämlich eine früh einsetzende,
erst durch den Rezess von 1845 beendigte räumliche Trennung des Burg-
bezirks in zwei Teile8, wird im Laufe der folgenden Ausführungen noch mehr-
fach anzusprechen sein.

Abb. 3 Beetzendorf. Sogenannter Großer Hof auf der Vorburg (Gesamtansicht).


Farblithographie von W. Schroeder (bei W. Loeillot in Berlin), um 1860. Repro: Verf.

7
Dies ergibt sich wenigstens aus der in LASA, MD, H 21, C XI, Nr. 1 erhaltenen Bauakte.
8
Erst damals wurde der Burganteil des Schwarzen Stammes, bestehend aus einem Teil der
mittelalterlichen Burgstätte sowie dem die Westhälfte der Vorburg einnehmenden Areal des
Lieberoser Hofes, dem Weißen Stamm im Tausch gegen andere Liegenschaften endgültig
abgetreten (Dietrich Werner Graf von der Schulenburg und Hans Wätjen, Geschichte des
Geschlechts von der Schulenburg 1237 bis 1983, Wolfsburg 1984 (im Folgenden abgek.
„Schulenburg/Wätjen“), S. 317. Vgl. auch LASA, MD, H 22, III A, Nr. 371.
40

II. Der Erwerb Beetzendorfs. Frühe Ansätze von Herrschafts-


verdichtung

Nachdem die ältesten Exponenten des Geschlechts von der Schulenburg sich
– vom östlichen Niedersachsen ausgehend9 – seit den 80er Jahren des 13.
Jahrhunderts zunächst als Inhaber eines Burglehens der Landes- und Vogtei-
burg Salzwedel sowie bereits ein halbes Jahrhundert zuvor als Gefolgsleute der
askanischen Markgrafen ottonischer Linie nachweisen lassen10, die sich in den
Jahrzehnten nach 1236 sogar nach dieser Burg benannt haben könnten11,
gelingt es ihnen mit dem Bau bzw. Erwerb einer zwar vergleichsweise kleinen,
aber doch für alle Zukunft namensgebenden Burganlage in der Jeetzeniede-
rung unweit Stappenbeck, als eigenständige Inhaber eines festen Hauses in
der nordwestlichen Altmark erstmals Fuß zu fassen12.
Das Ende der askanischen Herrschaft und der vorübergehende Übergang der
Altmark an das Haus Braunschweig markiert einen, wenn nicht den entschei-
denden Schritt in der mittelalterlichen Geschichte des Geschlechts von der
Schulenburg: Zwischen 1323 und 1326 wurde seinen Exponenten nämlich der
Erwerb von Teilen der 1315 erstmals erwähnten Burg Beetzendorf möglich13,
die ebenso wie Apenburg als askanische Gründung zur Sicherung eines Fluss-
übergangs anzusprechen ist, wobei ein Blick auf die Karte deutlich macht, dass
die Anlagen einer potentiellen Bedrohung von Westen her entgegenwirken
sollten.

Zunächst wird man beim Erwerb Beetzendorfs von einer Pfandschaft auszu-
gehen haben, deren Beginn und Dauer mangels aussagekräftiger Quellen nicht
zu klären ist. Vor den Schulenburgs wurde die Burg in eben dieser besitz-
rechtlichen Form von Angehörigen der zeitweilig in der Region überaus
einflussreichen Familie von Kröcher behauptet14, die sich 1315 dort nachwei-
sen lassen und die der Lüneburger Linie des Welfenhauses 1319 ein Öffnungs-
und Näherrecht an Beetzendorf und Kalbe einräumen15. Durch Kauf kam die
Burg nach kurzer Zeit aus den Händen der politisch unter Druck geratenen

9
Schulenburg/Wätjen, wie Anm. 8, S. 41-44. Wohl kaum noch haltbar dagegen Podehl, Burg und
Herrschaft, wie Anm. 4, S. 130 unter Berufung auf George Adalbert von Mülverstedt, Die
Heraldik des mittelalterlichen Adels der Altmark. In: 27. Jahresbericht des Altmärkischen Vereins
für vaterländische Geschichte und Industrie zu Salzwedel, 1900, S. 93f.
10
Schulenburg/Wätjen, wie Anm. 8, S. 36-38.
11
Podehl, wie Anm. 4, S. 128 sowie Schulenburg/Wätjen, wie Anm. 8, S. 45-46.
12
Schulenburg/Wätjen, wie Anm. 8, S. 44.
13
Zur Ersterwähnung Podehl, wie Anm. 4, S. 630; ansonsten ders. S. 183.
14
Podehl, wie vor, S. 176-177, geht von einer Übernahme Beetzendorfs durch Droyseke von
Kröcher und seine Söhne bereits gegen Ende des 13. Jhs. aus. Hiernach auch das Folgende.
15
Podehl, wie vor, S. 630.
41

Kröcher zunächst in die Verfügungsgewalt Ottos des Milden von Braun-


schweig16, nachdem die Lüneburger 1322 auf alle Rechte an Beetzendorf ver-
zichtet hatten.
Es wird sich angesichts früher Verluste der vielleicht entscheidenden Archiva-
lien17 nicht mehr klären lassen, wann genau die Übergabe Beetzendorfs in
seiner Gesamtheit durch den Welfen an die Schulenburgs stattgefunden hat
und ob der Vermerk des Arneburger Kopiars zum 6. Januar 1340 bezüglich
der Übertragung der Burg wirklich den ersten Rechtsakt dieser Art überlie-
fert18. Der bereits wenige Monate nach dieser Übertragung zwischen den Stif-
tern der beiden Familienstämme, den Brüdern Bernhard und Dietrich von der
Schulenburg und ihren Söhnen, vollzogene Teilungsrezess für Burg und Vor-
burg Beetzendorf19 gibt der Annahme Raum, dass damals bereits die interne
Teilung eines erblichen Lehens vorgenommen worden sei. Eine Urkunde von
1343, welche die Inhaber der Burg als Parteigänger des im Ringen um die
Altmark obsiegenden Wittelsbacher Markgrafen Ludwig I. zeigt, spricht aller-
dings noch von einer Pfandschaft20 und auch die Kurznotiz des Arneburger
Kopiars von 1345 zur Übertragung des „castrum Betzendorf“ an die Schulen-
burgs gewährt noch keinen wirklichen Aufschluss über die besitzrechtliche
Qualität Beetzendorfs zu jenem Zeitpunkt21. Die wenig später durch den
Markgrafen vorgenommene Erweiterung der dem „Slot Betzendorp“ zugeord-
neten Einkünfte spricht mit Blick auf das Haus und sein Zubehör jedenfalls
noch von dessen Einlösbarkeit im Sinne einer Pfandschaft22.
Auf jeden Fall ist die Burg bereits im Dezember 1352 militärischer Stützpunkt
der Brüder bzw. Vettern Heinrich, Werner und Henning von der Schulenburg,

16
Schulenburg/Wätjen, wie Anm. 8, S. 48.
17
Schon 1570 beklagten die Teilnehmer des Familientages einhellig den spurlosen Verlust eines
ehemals auf dem Hause Beetzendorf vorhandenen „alten Kaste(ns) (...) darinnen allerley derer
von der Schulenburg Briefe gewesen...“ (LASA, MD, H 22, Urkunden, Fach 1 Nr. 5, fol. 10).
18
Siehe dazu Podehl, wie Anm. 4, S. 183.
19
Riedel, CDB, AV, S. 317-318, Nr. 38 ad 1340 Mai 25.
20
Riedel, CDB, AV, S. 320, Nr. 43, ad 1343 Mai 27; dazu Podehl, wie Anm. 4, S. 184. Die Urk.
von 1348 (Riedel, wie vor, Nr. 54, S. 325, ad 1348 August 7) scheint, wie Danneil überzeugend
nachweisen konnte (ders. bei Riedel, CDB, AVI, S. 239), in ihrer leider nur abschriftlich
überlieferten Fassung fehldatiert.
21
Riedel, CDB, AV, Nr. 47, S. 322 ad 1345 Januar 1.
22
Riedel, CDB, A V, Nr. 54, S. 325 ad 1348 August 7. Zu den Problemen bei der Zeitstellung siehe
Danneil bei Riedel, CDB, A VI, S. 239. Bei Schulenburg/Wätjen, wie Anm. 8, S. 49 wird die Frage
nach Pfandschaft oder Lehen mit Blick auf diese Urkunde erörtert und unter Berücksichtigung
der offenkundigen Fehldatierung sowie der Tatsache, dass die Schulenburgs das Wohngebäude
ihres Salzwedeler Burglehens bereits 1345 an das dortige Franziskanerkloster veräußerten,
letztlich zugunsten einer damals bereits vollzogenen Übergabe Beetzendorfs zu Lehnrecht
entschieden. Schwerer als die Veräußerung eines einzelnen Gebäudes an den Salzwedeler
Franziskanerkonvent dürfte der Verkauf des gesamten Burghofgeländes der Schulenburgs 1352
wiegen (Riedel, CDB, A V, S. 329, Nr. 64 ad 1352 Mai 10).
42

die von dort aus in ihrer Eigenschaft als altmärkische Amtleute im Auftrage
des Markgrafen zusammen mit Herzog Wilhelm von Lüneburg gegen Gebhard
von Alvensleben, Balduin von Bodendieck sowie Jordan von dem Knesebeck
und die Burg Bierstedt als Ausgangspunkt unfriedlicher Aktivitäten vorzuge-
hen beschließen23, nachdem sie zu Beginn des gleichen Jahres zusammen mit
zwei Angehörigen des Hauses Bartensleben als Amt- und Hauptleute „in der
olden marck“ bestätigt worden waren24.
Die exponierte Funktion eines landesherrlichen Amtmannes der Altmark und
das militärische Gewicht eines festen Hauses wie Beetzendorf finden sich hier
erstmals in funktionaler Verknüpfung zum Zwecke der regionalen Friedens-
sicherung.

Was die besitzrechtliche Stellung sowie das Zubehör Beetzendorfs angeht, so


bewegen wir uns seit dem 13. Dezember 1363 dauerhaft auf festem Boden:
Der damals in Magdeburg ausgestellte Lehnbrief Markgraf Ottos V., des
letzten, zeitweilig unter Vormundschaft des Erzstifts agierenden Wittels-
bachers in der Mark Brandenburg, fasst mit dem Hause Beetzendorf sowie
Haus und Stadt Apenburg die beiden zuvor getätigten Erwerbungen der
Schulenburgs zusammen und bezieht sich dabei auf zuvor durch Ludwig I. und
dessen Nachfolger erteilte „breve“ und „hantfesten“, wobei letzterer Begriff
kaum einen Lehnbrief, sondern allenfalls eine Schuldurkunde im Sinne einer
Pfandverschreibung meinen dürfte25, was aber eine Umwandlung der Pfand-
schaft Beetzendorf in ein erbliches Lehen um 1350 keineswegs ausschließt.

Schon ein Jahr nach dieser Lehnsvergabe bezeugen eine Teilverpfändung der
Burg sowie ein dieselbe betreffender Dienstvertrag zwischen den Schulen-
burgs und den Herzögen zu Braunschweig-Lüneburg26 die sicheren Besitzver-
hältnisse, aber auch die politische Unabhängigkeit der Herren auf Beetzen-
dorf.
Hinsichtlich der Gütersubstanz werden im Lehnbrief von 1363 wichtige Ein-
zelheiten erkennbar: Zunächst und in der Hauptsache ist hier erstmals die Re-
de von einer Lehnsvergabe an sämtliche damals lebende Brüder und Vettern
von der Schulenburg „in einer gesameden hant“, also an alle männlichen An-
gehörigen des Geschlechts sowohl des Schwarzen als auch des Weißen Stam-
mes und ihre rechten Erben; sie seien – wie es im Wortlaut der Urkunde heißt

23
Riedel, CDB, A XXV, S. 221-222, Nr. 79 ad 1352 Dezember 13.
24
Riedel, CDB, A V, S. 328, Nr. 67 ad 1352 Januar 19.
25
Karl Schiller und August Lübben, Mittelniederdeutsches Wörterbuch Bd. I-VI, Bremen 1875-
1881 (im Folgenden abgek. „Schiller/Lübben“), hier: II, S. 202-203.
26
Hermann Sudendorf, Urkundenbuch zur Geschichte der Herzöge von Braunschweig-Lüneburg
und ihrer Lande, Bd. 3, Hannover 1862, Nr. 247, S. 160-161 ad 1364 November 11.
43

- „gedelt edder vngetheilet“, was bedeutet, dass Nutzungsteilungen die Rechts-


qualität des Lehens nicht änderten. Vergeben wurden die beiden genannten
Burgen mit allen Rechten, Freiheiten und Einkünften sowie – was wichtig
scheint – mit den „manschafften“, d.h. der ihren Inhabern unterstellten
Besatzung, dem Ober-, Nieder- und Straßengericht, dazu Beden und Diensten
– um nur die wichtigsten Komponenten zu nennen – und schließlich allen zu
den Häusern gehörigen Dörfern, die namentlich genannt werden27.
Wolfgang Podehl hat 1975 versucht, anhand der Ortsnamen von 1363 die
damaligen Hoheitsbezirke der beiden Burgen nachzuvollziehen, und dies ist
ihm, was das unmittelbare räumliche Umfeld der festen Häuser betrifft, auch
gelungen. Nicht alle der außer den zwei ungenannten Burgflecken namhaft
gemachten 24 Ansiedlungen ließen sich zwar allein nach geografischen Ge-
sichtspunkten zweifelsfrei zuordnen28, aber Podehls Ansatz wird durch jün-
gere Quellen in seinen Grundzügen bestätigt.
Wirft man schließlich einen Blick in das brandenburgische Landbuch von
137529, so fügt sich dem bisher Gesagten eine weitere Erkenntnis hinzu: Unter
den 43 dort genannten Ortschaften der Altmark, in denen die von der Schu-
lenburg damals außerhalb der Burgbezirke Beetzendorf und Apenburg über
Besitz- und Hoheitsrechte verfügten, waren damals bereits sieben, aus wel-
chen nicht nur Geld- und Naturalleistungen flossen, sondern innerhalb derer
auch die Gerichtshoheit beansprucht werden konnte, aus der sich wiederum
die Dienste der Hintersassen zugunsten der Herrensitze – in diesem Falle der
beiden genannten Burgen - herleiteten30.
Die Verdichtung Schulenburgischer Hoheits- und Besitzrechte war, wie die
Landbucheinträge von 1375 unschwer erkennen lassen, zu jenem Zeitpunkt

27
LASA, MD, H 22, Fach 28, Nr. 9, fol. 13v-14 ad 1363 Dezember 13 (Abschrift in Kopiar des
16. Jhs.), gedruckt mit nicht ganz zuverlässiger Wiedergabe des Textes bei Riedel, CDB, AV, S.
339, Nr. 84. Außerdem a.a.O. S. 338, Nr. 83 eine zweite Fassung ohne Nennung der zugehörigen
Dörfer nach fol. 7v-8 der eingangs angegebenen Quelle.
28
Podehl, wie Anm. 4, S. 114-115. Hiernach zählt er Audorf, Käcklitz, Jeeben, Poppau, Peertz,
Tangeln, Ahlum, Nieps und Drenik zum unmittelbaren Umfeld und damit zum zweifelsfreien
Hoheitsbereich Beetzendorfs; in entsprechender Weise werden Rittleben, Wendisch Apenburg
und Recklingen Apenburg zugeordnet. Zum weiteren Hoheitsbereich Beetzendorfs möchte er
Wöpel, Immekath und Danne rechnen; im Falle Saalfeld und Quadendambeck nimmt er eine
entsprechende Zuweisung an Apenburg vor. Unentschieden bleibt er im Falle Hohentramms. Zu
Recht vermutet er ansonsten, dass die Dörfer Rockenthin, Stappenbeck, Kricheldorf, Kleinau,
Wohlenberg und Lüge einem älteren Besitzkomplex der Schulenburgs aus ihrer Salzwedeler
Burgmannenzeit sowie aus ihrer Zeit als Herren der Schulenburg angehören.
29
Benutzt wurde die jüngere Edition des Textes: Johannes Schultze, Das Landbuch der Mark
Brandenburg von 1375, Berlin 1940 (Brandenburgische Landbücher Bd. 2).
30
Vgl. hierzu Liselott Enders, Frondienst in der Altmark. In: Jahrbuch für die Geschichte Mittel-
und Ostdeutschlands Bd. 49 (2003), S. 85-147; hier: S. 85.
44

also bereits in vollem Gange und sollte auch in der Folgezeit nicht zum Still-
stand kommen.

Erreicht wurde dies teils im Wege des Neuerwerbs landesherrlicher Lehen,


teils durch Gütertausch mit anderen Adelsfamilien und Klöstern, oder auch
durch Ankauf ganzer Dorfschaften und den Auskauf anderer Inhaber von
Besitzrechten sowie möglicherweise auch, indem heimgefallene Afterlehen
nicht neu vergeben wurden. So war etwa Audorf bereits 1346 nach erfolgter
Lehnsauftragung gegenüber der Landesherrschaft aus dem Besitz der Gropen
an die Schulenburgs übergegangen31; das halbe Dorf Deutsch-Langenbeck,
zuvor gleichfalls markgräfliches Lehen der Gropen, wurde 1379 angekauft32,
während die andere Hälfte einstweilen im Besitz des Klosters Dambeck blieb.
Cheinitz wurde in zwei Schritten 1395 und 1397 von den von Alvensleben
erworben33 und die Drömlingsdörfer Breitenfeld und Quarnebeck konnten
1434 ganz bzw. teilweise aus dem Besitz der von Platen übernommen wer-
den34. Hohen-Tramm ging schließlich im Jahre 1440 aus dem Besitz des Klos-
ters Arendsee an die Herren auf Beetzendorf über35. Die Reihe der Beispiele
ließe sich leicht fortsetzen, denn wenn auch der Verlust großer Teile der mit-
telalterlichen Überlieferung schmerzhaft ist, so gewährt doch die 1604 durch
Levin IV. von der Schulenburg veranlasste Erfassung der älteren Urkunden in
Form einer umfangreichen Regestensammlung wichtige Aufschlüsse36.
Im 14. und 15. Jahrhundert versäumte man allerdings vielfach, neu erworbene
Lehngüter ausdrücklich den Samtlehen inkorporieren zu lassen; ein Sachver-
halt, der im ausgehenden 17. Jahrhundert zu einem ernsthaften Problem wer-
den sollte37.
Im Hausarchiv Beetzendorf des Schwarzen Stammes existiert die Abschrift
eines 1645 aufgefundenen, allerdings undatierten Untertanen-Verzeichnisses
des schulenburgischen Gesamtgerichts Beetzendorf-Apenburg38, säuberlich

31
Riedel, CDB, A V, S. 296, B 2, ad 1346 Oktober 9.
32
Riedel, CDB, A V, S. 293, A 47 ad 1379 Juni 16.
33
Riedel, CDB, A V, S. 298, D 5-6 ad 1395 September 10, S. 295, A 61 ad 1397 Februar 6.
34
Riedel, CDB, A V, S. 297, B 19 ad 1434 Juni 15.
35
Riedel, CDB, A V, S. 296, A 80 ad 1440 Oktober 21.
36
Die Aufstellung ist im Hausarchiv Beetzendorf II (LASA, MD, H 22) erhalten. Leider hat
Danneil seinerzeit nur Teile derselben ediert (Danneil bei Riedel, CDB, V, S. 289-303).
37
Als Ausnahme sei auf die Urkunde bei Riedel, CDB, A VI, S. 275, Nr. 454 ad 1536 Februar 6
verwiesen, die nicht nur eine genaue Bezeichnung der vergebenen Güter enthält, sondern auch
den wichtigen Vermerk zu deren künftige Rechtsqualität als Teile der Samtlehen Beetzen-
dorf/Apenburg.
38
LASA, MD, H 22, I Nr. 2, fol. 269-175, mit Sicherstellungs-Vermerk des schulenburgischen
Verwalters M. Götzsche, 1645 Sept. 18. Hiernach das Folgende.
45

geordnet nach Flecken, Dörfern und Höfeklassen sowie in einem Aufbau, der
ältere Gegebenheiten erfreulich klar erkennen lässt.
Da finden sich einerseits „in dem Saltzwedelischen Lande“ 154 Höfe in 28
Dörfern, „umb Betzendorff“ inklusive des Fleckens 425 Höfe in 28 Ort-
schaften und „umb Apenburgk“ 415 Höfe in 23 Ortschaften. Hinzu kommen
noch 6 Drömlingsdörfer mit insgesamt 78 bäuerlichen Betriebseinheiten. Wir
haben es demnach mit einer Gesamtzahl von 1022 Ackerleuten, Halbspän-
nern und Kossäten in 2 Flecken und 84 Dörfern zu tun, die allesamt dem
Gerichtszwang der Häuser Beetzendorf bzw. Apenburg unterworfen und folg-
lich zur Leistung von Diensten sowie zur Entrichtung grundherrlicher Abga-
ben jedweder Art verpflichtet waren.

Gemessen an den ohnehin schon eindrucksvollen Zahlenwerten des Spät-


mittelalters dokumentiert sich anhand der Zahlen des frühen 17. Jahrhunderts
ein geradezu spektakulär zu nennendes Phänomen von Herrschaftsver-
dichtung: Man ist beinahe versucht, angesichts dieser schon früh einsetzenden
Entwicklung von einer „Territorialisierung en miniature“ - allerdings ohne
lineare Grenzverläufe - zu sprechen, die zu vollziehen freilich nicht nur den
Schulenburgs, sondern auch dem zweiten großen altmärkischen Geschlecht,
nämlich den von Alvensleben, gelang – allerdings in einer deutlich anderen
Form der Ausgestaltung:
Während nämlich die Schulenburgs alle Kräfte auf Beetzendorf und Apenburg
konzentrierten und damit einen – wenn man so will - doppelten Mittelpunkt
des Gesamthauses schufen und weiterentwickelten, suchten und fanden die
drei Hauptlinien der von Alvensleben schon frühzeitig dezentrale Lösungen
in Gestalt der festen Häuser Kalbe (der schwarzen Linie), Gardelegen (der
weißen Linie) und Erxleben-Rogätz (der 1553 ausgestorbenen roten Linie)39,
in deren Umfeld sich aber ähnliche herrschaftsverdichtende Entwicklungen
feststellen lassen wie um Beetzendorf und Apenburg40.
Um aller guten Dinge drei sein zu lassen, muss im Zusammenhang mit Fragen
der Herrschaftsverdichtung noch ein drittes Adelsgeschlecht mit intensiven
altmärkischen Bindungen genannt werden, nämlich die Bartensleben auf

39
Zu dieser Ansicht gelangte bereits Podehl, wie Anm. 4, S. 210-211.
40
Die für 1572 belegten Zahlenwerte des von Alvensleben’schen Hauses Kalbe werden bei Hahn
(Peter-Michael Hahn, Fürstliche Territorialhoheit und lokale Adelsgewalt. Die herrschaftliche
Durchdringung des ländlichen Raumes zwischen Elbe und Aller (1300-1700), Berlin/New York
1989 (Veröffentlichungen der Historischen Kommission zu Berlin, Bd. 72) folgendermaßen
umrissen: „In 33 Dörfern und dem Flecken Kalbe waren den Alvensleben 231 Ackerleute,
Halbspänner, Kossäten, Müller und Krüger untertan“. Als Herren des Hauses Rogätz konnten die
Exponenten der Roten Linie um 1550 Besitz und Rechte in 54 Ortschaften ihr Eigen nennen.
Bescheidener muten die für 1554 überlieferten Zahlenwerte für das Gericht Erxleben mit 34
zugehörigen Bauern und 126 Kossäten an (Hahn, wie vor, S. 152-153).
46

Wolfsburg, denen es schon frühzeitig gelang, die unmittelbare Umgebung


ihres Stammsitzes unter ihre Kontrolle zu bringen und von der wohl bereits
den Askaniern zu Lehen aufgetragenen, später beim Erzstift Magdeburg zu
Lehen gehenden Eigengründung Wolfsburg aus in Kombination mit dem
nahen braunschweigischen Vorsfelde eine beinahe unabhängige Herrschaft
beachtlichen Umfangs zu etablieren41, deren Lehnshoheit zwar mehrfach
wechselte und – obwohl eine märkische Oberhoheit im Landbuch von 1375
kaum noch klar ausgedrückt wird42 – den ohnehin in der Altmark reich
begüterten Bartensleben ihren sicheren Platz innerhalb einer hochrangigen
Adelsgruppe zuwies, die wir hier nur streifen können, die aber ihre heraus-
gehobene Stellung u.a. dem Besitz größerer grenznaher Burgen und deren
militärischer Nutzbarkeit verdankte, welch letztere ihren Inhabern wiederum
eine gewisse Unabhängigkeit gewährleistete, wenn sie es verstanden, die fes-
ten Häuser durch Dienstverträge in das politische Spiel der Territorialmächte
einzubinden.

Gemeint ist jene Gruppe märkischer Adelsfamilien, die die Beschreibung der
Mark Brandenburg von 1373 als „nobiles“ bzw. „nobiles vasalli“ bezeichnet
und ihnen damit gegenüber der Mehrheit des landsässigen Adels eine heraus-
gehobene Position einräumt, wie sie zuvor eigentlich nur die Exponenten alter
edelfreier Familien wie etwa der Gänse zu Putlitz beanspruchen konnten43.
Hinzu kommt der Sachverhalt einer besonderen Hervorhebung dieser Gruppe
und damit ganz selbstverständlich auch der Schulenburgs auf Beetzendorf und
Apenburg, die sich terminologisch schon bald, nämlich 1380, zunächst nur als
Unterscheidungsmerkmal in der Redewendung „beslotede oder unbeslotede

41
Die hochkomplizierte Entwicklung der Wolfsburg und ihrer räumlichen Umgebung sowie die
wechselnden Lehnsherrschaften und die zahlreichen Dienstverträge der die Grenzlage der Burg
klug ausnutzenden Bartensleben wird bei Podehl, wie Anm. 4, S. 166-174 beschrieben; ein
nochmaliger kurzer Überblick erfolgt S. 649-650. Zu den umfangreichen Gütern und Rechten der
Bartensleben im Raum Stendal sowie im Umland Salzwedels siehe die entsprechenden Landbuch-
vermerke (Schultze, Landbuch, wie Anm. 29, v.a. S. 285-298, 396-398, 402-405) sowie schließlich
zu den braunschweigischen und altmärkischen Besitzungen des Geschlechts zusammenfassend:
Martin Fimpel, Schloss Wolfsburg 1302-1945, in: Niedersächsisches Jb. f. Landesgeschichte, Bd.
75 (2003), S. 127-159; hier: S. 132-133.
42
Lt. Schultze, Landbuch, wie Anm. 29, S. 63 wird zwar die Burg „Wolffburg“ der Bartensleben
noch in die topographische Beschreibung der Mark eingebunden, aber es fehlt an entsprechender
Stelle der eindeutige Hinweis einer Lehnsabhängigkeit von Brandenburg wie u.a. im Falle
Beetzendorfs, Aulosens, Burgstalls, Kalbes oder Flechtingens.
43
Nach dem durch Schultze, Landbuch, wie Anm. 29, S. 3 edierten Text der Landesbeschreibung
von 1373 sind dies u.a. die Schulenburg mit Beetzendorf sowie Stadt und Burg Apenburg, die
Bartensleben (ohne explizite Nennung einer Burg), die Alvensleben mit Kalbe und Klötze, die
Jagow mit Aulosen, die Schenken von Flechtingen mit Flechtingen, die Schenken von Arneburg,
die Wederden, die Oberg und Bodendieck (die letzten vier ohne Nennung von Burgen); vgl. hierzu
Podehl, Burg und Herrschaft, wie Anm. 4, S. 202.
47

manne“, d.h. beschlosster und unbeschlosster Mannschaft – in diesem Falle


der Altmark - niederschlägt44.
Als im Jahre 1436 schließlich eine unübersehbare Privilegierung der Be-
schlossten durch Markgraf Johann dergestalt erfolgte, dass sie vom Gerichts-
stand vor dem altmärkischen Hofgericht eximiert wurden und sich fortan an
den Landeshauptmann bzw. den Kurfürsten selbst als Gerichtsinstanz wen-
den durften, berief der Regent sich dabei auf „alte herkommende gewon-
heit“45, also eine bereits seit längerem bestehende Verfahrensweise.
Dieser neugeschaffene Sachverhalt unterstrich aufs Neue die Bedeutung jener
Gruppe adeliger Familien in Brandenburg, die man in Anlehnung an eine der
frühen Arbeiten Peter-Michael Hahns wohl zu Recht als „Machtelite“ wird
bezeichnen können46. Mit der reinen militärischen und wirtschaftlichen
„Macht“ wird man die Bedeutung des schlossgesessenen Adels auch unter Ein-
beziehung solch eher allgemeiner „Kategorien wie ‚Alter, Ansehen und Be-
währung einer Familie im Hof-, Landes- und Kriegsdienst‘“47 jedoch kaum
erklären können: Jedenfalls hat die ältere Forschung in Gestalt eines Hans K.
Schulze oder Wolfgang Podehl keine schlüssige Interpretation des Phänomens
vorgelegt48. Erst Joachim Schneider hat 2003 einen vielleicht entscheidenden
Hinweis gegeben, indem er hervorhob, dass die schlossgesessenen Branden-
burger des 14. Jahrhunderts ein weiteres Charakteristikum aufzuweisen hat-
ten: Dieses bestand – so Schneider – im Wesentlichen darin, über eigene, lehn-
rechtlich gebundene Mannschaften in Gestalt von Untervasallen zu verfügen,
die das militärische Potential jener Sondergruppe im Zweifelsfall erheblich zu
steigern vermochten. Wenn also die Bartensleben und Schulenburg als kurz
zuvor durch Ludwig den Römer bestätigte Landeshauptleute der Altmark49 im

44
Podehl, Burg und Herrschaft, wie Anm. 4, S. 201 nach Riedel, CDB, B III, Nr. 1196 ad 1380
Dezember 21.
45
Zit. nach Podehl, Burg und Herrschaft, wie Anm. 4, S. 209. Eine Abschrift des Privilegs aus
dem 16. Jh. in LASA, MD, H 22 Fach 28, Nr. 9, fol. 7r+v. Genannt werden dort in dieser
Reihenfolge die von der Schulenburg mit Beetzendorf und Apenburg, die von Alvensleben mit
Kalbe, die von Bartensleben mit Wolfsburg, die von Jagow und von Platen mit Aulosen, die
Schenken mit Flechtingen, die von dem Knesebeck mit Tylsen sowie die von Bodendieck mit
Osterwohle. Sie erhalten die Exemption wegen ihrer mannigfaltigen und getreuen Dienste, die sie
den Markgrafen und dem Land „vake und dicke“ (oft und vielfach) getan haben.
46
Peter-Michael Hahn, Struktur und Funktion des brandenburgischen Adels im 16. Jahrhundert,
Berlin 1979 (Historische und Pädagogische Studien, hrg. von Otto Büsch und Gerd Heinrich, Bd.
9), S. 169ff.
47
Podehl, Burg und Herrschaft, wie Anm. 4, S. 401. Zit. bei Joachim Schneider, Spätmittel-
alterlicher Deutscher Niederadel. Ein landschaftlicher Vergleich, Stuttgart 2003 (Monographien
zur Geschichte des Mittelalters [...] hrg. von Friedrich Prinz, Bd. 52), S. 209-233; hier: S. 217.
48
Schneider, wie vorige Anm.; hier: S. 209, 217.
49
Riedel, CDB, A V, S. 328, Nr. 62 ad 1352 Januar 19. Erstmals abgedruckt bei Samuel Lentz,
Marg-Gräflich-Brandenburgische Uhrkunden [...], Teil 2, Halle 1754, S. 963 (wohl nach anderer
Vorlage, da die Zeugenreihe von der in CDB wiedergegebenen Abschrift abweicht).
48

Jahre 1352 dem Herzog von Braunschweig von Beetzendorf aus 15 Lanzen-
reiter sowie weitere 200 Edelleute und Stadtbürger als bewaffnete Einheiten
stellen konnten50, so dürfte sich darunter auch das eigene Aufgebot an After-
vasallen befunden haben; eine Feststellung, die sich mit Blick auf die Alvens-
leben knapp eineinhalb Jahrzehnte später ebenso treffen lässt, als Letztere dem
Erzstift Magdeburg von Wolmirstedt aus im Bedarfsfalle 6 Lanzenreiter und
vier berittene Bogenschützen zuzusenden versprachen51.
Auch hier finden wir also Beetzendorf als Ausgangs- und Kristallisations-
punkt schulenburgischer Aktivitäten; Grund genug, einen Blick auf jene spe-
ziellen Rechtsverhältnisse zu werfen, welche der Burg und ihrem Umland seit
dem Spätmittelalter und auch für die Zukunft diese besondere Rolle zuwach-
sen ließen.

III. Lehnrechts- und Erbschaftsfragen

Wolfgang Podehl hat mit Blick auf das Geschlecht von der Schulenburg und
dessen Verhältnis zu Beetzendorf vom „Prinzip innerer Geschlossenheit“
gesprochen52; es dürfte daher sinnvoll sein, dieses besondere Verhältnis unter
Berücksichtigung lehn- und erbrechtlicher Aspekte kurz zu skizzieren.
Wie bereits erwähnt, erfolgte die Belehnung der Gebrüder und Vettern von
der Schulenburg mit Beetzendorf sowie Burg und Stadt Apenburg im Jahre
1363 „zu gesamter Hand“53. Diese zwar keineswegs seltene, aber auch im 14.
Jahrhundert noch nicht flächendeckend praktizierte Form der Simultan-
Investitur54 gab den Belehnten die nicht eben geringe Aussicht auf eine
dauerhafte Sicherung des Besitzstandes für ihr Geschlecht, denn solange auch
nur ein lehnsfähiger Nachkomme der Erstgenannten am Leben war, konnte

50
Riedel, CDB, A XXV, S. 221-222, Nr. 79, ad 1352 Dezember 13.
51
Schneider, Niederadel, wie Anm. 47, S. 212.
52
Podehl, Burg und Herrschaft, wie Anm. 4, S. 210-211.
53
Zum Lehnswesen zur „gesamten Hand“ vor allem in Brandenburg zunächst Philipp Wilhelm
Gercken, Vermischte Abhandlungen aus dem Lehn- und Teutschen Rechte, Güstrow 1771, S. 41-
63. Grundsätzliches zum brandenburgischen Lehnswesen bei Dirk H. Müller, Adliges Eigentums-
recht und Landesverfassung: Die Auseinandersetzungen um die eigentumsrechtlichen Privilegien
des Adels im 18. und 19. Jahrhundert am Beispiel Brandenburgs und Pommerns, Berlin 2011, S.
9-11.
54
So erlangten die Alvensleben beispielsweise für ihre brandenburgischen Lehen erst 1479 die
gesamte Hand; für ihre beim Erzstift Magdeburg zu Lehen gehenden Besitzungen gar erst 1522
(Hahn, Territorialhoheit, wie Anm. 40, S. 126); vgl. auch Podehl, Burg und Herrschaft, wie Anm.
4, S. 210). Allerdings hatte der Wittelsbacher Stephan II. von Bayern-Landshut für den Fall, in
Brandenburg zur Regierung zu gelangen, den Alvenslebens bereits 1371 die „gesamte Hand“
zugesichert (Philipp Wilhelm Gercken: Codex Diplomaticus Brandenburgensis, Bd. VI, Stendal
1778, S. 639, ad 1371 Juni 10).
49

dieser die 1363 erworbenen Rechte an den Gütern für seine Person geltend
machen. Proportional zu diesen positiven Aussichten auf Seiten der Vasallen
schwand demgegenüber auf lehnsherrlicher Seite die Wahrscheinlichkeit, dass
die Güter eines nahen oder fernen Tages heimfallen könnten; die aus dem
Lehnrecht herzuleitende dauerhafte Bindung der Vasallen an ihre Lehnsherr-
schaft war also ein – wenn man so sagen darf – teuer erkauftes Gut.
Auch für die Besitzer von Lehngütern wie Beetzendorf und Apenburg brachte
deren Inhaberschaft zu gesamter Hand nicht nur Vorteile: Die eigentlich
unverzichtbare Rechtsvorschrift, beim Mannfall, also beim Tode eines der
Mitbelehnten, seitens der Lehnserben neuerlich um Belehnung nachzu-
suchen, führte auf Dauer und mit wachsender Zahl der Gesamthänder nicht
nur zu erheblicher Verwirrung, sondern drohte völlig außer Gebrauch zu
geraten. Erst eine Verordnung des Kurfürsten Joachim Friedrich von 1598
versuchte hier, eine gewisse Verfahrenssicherheit zu schaffen55. Fortan waren
die Schulenburgs gehalten, für das ganze Geschlecht jeweils einen Haupt-
Lehnsträger stellen, der wegen der Stammhäuser Apenburg und Beetzendorf
nebst Zubehör die Lehen empfange. Nach dessen Tode hatte das Geschlecht
einen Nachfolger zu wählen, der wiederum um Neubelehnung nachsuchte, für
welche die fällige Lehnware auf jeweils 200 Tlr. festgeschrieben wurde, wäh-
rend dieselbe für den Herrenfall, d.h. beim Tode des Lehnsherren, künftig mit
400 Tlrn. zu Buche schlug. Trotz dieses vereinfachten Verfahrens blieben
sämtliche Angehörige des Geschlechts verpflichtet, im letzteren Falle erneut
den Lehnseid abzulegen. Die Verpflichtung zur Benennung eines Haupt-Lehn-
trägers kann als Geburtsstunde des Familienseniorats verstanden werden,
welches fortan zwischen beiden Stämmen alternierte.
Eine besondere, für die brandenburgischen Verhältnisse offenbar typische
Schwachstelle im lehnrechtlichen Verfahren, nämlich die Ungenauigkeit und
Zweideutigkeit der Lehnbriefe hinsichtlich einer präzisen Beschreibung der in
ihnen angesprochenen Güter sowie deren jeweilige Rechtsqualität blieb
gleichwohl bestehen56. Dies führte zu jenem spektakulären Lehnsprozess der
frühen 1680er Jahre, in dessen Verlauf der Verlust sämtlicher altmärkischer
Güter angedroht wurde, den man durch Zahlung einer namhaften Geldbuße
sowie der Aufgabe von Löcknitz und Falkenberg abzuwenden vermochte57.
Am Rande sei bemerkt, dass damals nicht nur die Schulenburgs zwischen die
Mühlsteine einer unnachgiebigen Justiz gerieten, sondern auch andere Träger

55
LASA, MD, H 22, Fach 1, Nr. 9, ad 1598 Juni 13; hiernach das Folgende. Die Zahlenwerte zur
damals festgelegten Lehnware sind bei Riedel, CDB, A VI, S. 317, Nr. 491, korrekt wiedergegeben;
bei Danneil, Schulenburg I, wie Anm. 4, S. 42 ist fälschlich von 100 Talern beim Herrenfall die
Rede. Von dort offenbar übernommen durch Schulenburg/Wätjen, wie Anm. 8, S. 86.
56
Vgl. dazu Danneil, Schulenburg I, wie Anm. 4, S. 42-49.
57
Schulenburg/Wätjen, wie Anm. 8, S. 86.
50

alter Namen wie die Edlen Gänse zu Putlitz, die Asseburg sowie die Alvens-
leben, welch letzteren zeitweilig der Verlust von Kalbe, Hundisburg, Rogätz
und selbst der Vogtei Gardelegen mit Isenschnibbe drohte. Die Wortwahl
Peter Michael Hahns, der in diesem Zusammenhang von Versuchen des Sou-
veräns spricht, seine Vasallen „zu erpressen oder sich deren Land anzueignen“
bzw. dieselben kräftig „zur Ader zu lassen“58, scheint angesichts des dabei an
den Tag gelegten fiskalischen Rigorismus nicht ganz ungerechtfertigt.

Was die Praxis der erblichen Weitergabe von Lehnsbesitz betrifft, so galten für
den „Normalfall“ eines Besitzübergangs an die Folgegeneration die ehernen
Regeln des maskulin dominierten salischen Rechts, nämlich die Erbberech-
tigung aller lehnsfähigen männlichen Nachkommen des Erblassers, will sagen
aller ehelich und standesgemäß geborenen Söhne desselben. Falls ein Angehö-
riger des Geschlechts ohne männliche Erben starb, setzte sich gewissermaßen
ein zweiter erbrechtlicher Automatismus in Betrieb, der u.a. in der Mark
Brandenburg in einer Mischung aus linealem und gradualem Erbrecht bestand
und – stark vereinfacht ausgedrückt - die Agnaten eines Verstorbenen nach
festen Regeln begünstigte dahingehend, dass innerhalb einer Linie jene männ-
lichen Blutsverwandten erbberechtigt waren, die in gleichem Verwandt-
schaftsgrade zum Erblasser standen59.
Nicht nur lehnrechtlich bedingte Besitzübertragungen führten in der Folge zu
einer kaum noch nachvollziehbaren Aufteilung der Stammgüter in eine
Vielzahl theoretischer Anteile; auch die früh einsetzenden Nutzungsteilungen
fächerten den Besitz für Jahrhunderte in mehr oder minder große Einzelteile
auf. Die folgende knappe Skizze scheint zur Erläuterung des Sachverhalts
unverzichtbar.

IV. Teilungen

Gesamthänderischer Lehnsbesitz, wie wir ihn im Falle von Beetzendorf/


Apenburg vor uns haben, bedeutete nicht, dass derjenige Personenverband,
welchem dieser Besitz mit all seinen Hoheits- sowie dinglichen Nutzungs-
rechten zustand, denselben stets als ungeteilte Einheiten verwaltet hätte noch
überhaupt hätte verwalten können. Lehen zu gesamter Hand waren nämlich,
ohne dass sich ihre Rechtsqualität verändert hätte, im Sinne von Nutzungs-
teilungen in einzelne Anteile zerlegbar. Eine ungenehmigte und dauerhafte
Substanzteilung der Lehen im eigentlichen Sinne hätte dagegen schwerwie-

58
Zit. Hahn, Territorialhoheit, wie Anm. 40, S. 329-330.
59
Ausführlich zu erbrechtlichen Fragen Schulenburg/Wätjen, wie Anm. 8, S. 88-89.
51

gende Folgen nach sich gezogen, gab sie doch dem Lehnsherrn im Zweifelsfall
die rechtliche Handhabe zum Einzug der Güter.
Dass man allerdings entscheidende, weil Herrschaft begründende Elemente
der Lehnssubstanz aus den Nutzungsteilungen ausschloss, lässt sich am
Beispiel der stets als unteilbar betrachteten Gerichtshoheit verdeutlichen: Hier
hätte eine Zersplitterung in kleine und kleinste Segmente ins unvermeidliche
Chaos geführt, denn eine erfolgreiche Rechtspflege wäre kaum noch umsetz-
bar gewesen.
Eine knappe inhaltliche Zusammenfassung überlieferter Teilungsverträge ver-
mag die Situation wenigstens teilweise zu erläutern und weitere Informati-
onen zu liefern.
Bereits im Jahre 1340, also kurz nach dem Erwerb Beetzendorfs überhaupt,
findet sich die erste Nachricht hinsichtlich einer Teilung von Burg und Vor-
burg zwischen den Brüdern Bernhard und Dietrich, den Begründern der bei-
den Familienstämme60. Das gesamte Areal wurde damals offenbar in gerader
Linie in eine westliche und östliche Hälfte geteilt, wobei u.a. der sogenannte
neue Turm und die Kapelle dem Schwarzen Stamm zufiel. Festgeschrieben
wurden damals Zugangs- und Wegerechte sowie das Verfügungsrecht am
ungeteilt verbleibenden Gesamtbesitz, nämlich sämtlicher Gräben, der Mühle,
des Zwingers und des Fleckens Beetzendorf selbst.
Unerwähnt bleiben 1340 die zur Burg gehörigen Ländereien, die abhängigen
Dörfer und Höfe.
Die nächste Nutzungsteilung – diesmal innerhalb des Schwarzen Stammes –
fand zwischen den Brüdern Bernhard und Werner dem Alten von der Schu-
lenburg durch den Vertrag vom 25. Juli 1430 statt; er betraf die Westhälfte von
Burg und Vorburg61.
Hierbei fiel Bernhard zunächst einmal der große Turm „myt alle synem
wesende“ zu. Auch das an den Turm anstoßende „mushus“, d.h. jener saalar-
tige Teil eines größeren Gebäudes, in dem man u.a. zu speisen pflegte62, ging
an ihn. Ein Gleiches galt für ein Kellergelass und die „dorntze“, d.h. einen
beheizbaren Wohnraum63, welch beide man sich als zusätzliche Einbauten des
turmnahen Gebäudes zu denken hat. Dass dieser Bau über eine gewisse Höhe
verfügte, zeigt die Aufzählung von mehreren, d.h. wenigstens drei Boden-
gelassen übereinander, die allesamt durch Trennwände geteilt werden sollten.
Auch ein überbauter Zugang zum Keller unterhalb des großen Turms zählte
fortan ebenso zu dem Bernhard zugefallenen Viertel der inneren Burg wie die

60
Riedel, CDB, A V, S. 217-318 Nr. 38, ad 1340 Mai 25; hiernach das Folgende.
61
Riedel, CDB, A V, S. 394-395 Nr. 186, (bearbeitet durch Danneil mit offenkundigen
Auslassungen).
62
Vgl. Schiller/Lübben III, 1877, S. 124: Speisehaus, -saal.
63
Vgl. Schiller/Lübben I, 1875, S. 552: Heizbares Zimmer, Stube oder Saal.
52

als Separatgebäude zu denkende Küche, die offenbar zwischen Turm und


Kapelle lag. Ungeteilt blieben das gleichfalls unweit des Turmes gelegene Back-
haus sowie die Mauer nebst Wehrgang, welche Bernhards großen Turm und
den Werner zufallenden kleinen Turm beim Pforthause mit einander verband.
Ungeteilt blieben auch einige unbebaute Flächen im – infolge der älteren Tei-
lung von 1340 ohnehin halbierten – Burghof; unteilbar war darüber hinaus
natürlich auch „dat porthus twyschen beyden muren, dat dat beuerhol
ghenomet is, dat is vser aller van der Schulenborch“. Neben den genannten
Details zur inneren Bebauung der Kernburg-Westhälfte, ist dies eine wichtige
Passage: Sie besagt nämlich einerseits, dass das den einzigen Zugang zur Kern-
burg vermittelnde Pforthaus aus naheliegenden Gründen stets dem Gesamtge-
schlecht zur Verfügung stand, und sie macht andererseits deutlich, dass man
diese zentrale Baulichkeit im 15. Jahrhundert mit einer scherzhaften Bezeich-
nung versehen hatte, die wohl richtigerweise mit „Biberloch“ bzw. „Biber-
höhle“, also Zugang zu einer Biberburg, zu übersetzen sein dürfte64; ein Name,
den Danneil in folgenreicher Fehlinterpretation des mittelalterlichen Textes
einem der zur Vorburg gehörigen Pforthäuser zugewiesen hat65.
Er übersah nämlich den Umstand, dass der Vertragstext einer räumlichen
Logik folgt dergestalt, dass – im Text streng voneinander getrennt - zunächst
die zu teilende Hälfte der Hauptburg und sodann die gleichfalls zu teilende
Westseite der Vorburg mit ihren Baulichkeiten beschrieben wurde.
Während die beiden Brüder ihre Hälfte der Kernburg in ein nördliches und
südliches Viertel separiert hatten, teilten sie die halbe Vorburg offenbar in
einen westlichen und östlichen Abschnitt, wobei Bernhard das östliche, den
Vettern des Weißen Stammes benachbarte Viertel zufiel. Werner dagegen
übernahm das westliche Viertel des Areals.
Bereits im 15. Jahrhundert zeigte die teilungsbedingte bauliche Verdichtung
in Burg und Vorburg erste Folgen: So in Gestalt jener vertraglichen Verein-
barung des Jahres 1453 zwischen Bernhard VIII. von der Schulenburg vom
Weißen Stamm und den Vettern des Schwarzen Stammes, durch welche ihm
und seiner Ehefrau einige Baulichkeiten im Nordwesten der Vorburg auf
Lebenszeit eingeräumt wurden66. Damals lässt sich erstmals die Gepflogenheit
der Familienstämme beobachten, Bauten – und später auch Liegenschaften –
mit eigenen „Sonderzeichen“ zu markieren: Der weiße Stamm bediente sich

64
Schiller/Lübben I, S. 308 (zu mnd. „bever“ = Biber“) sowie II, S. 285 (zu mnd. „hol“ = Höhle‚
Loch).
65
Danneil, Schulenburg I, wie Anm. 4, S. 210.
66
Riedel, CDB, A V, S. 432 Nr. 246, ad 1453 April 25. Danneil scheint diese Urk. als Hinweis auf
eine Teilung der dem Weißen Stamm zustehenden Osthälfte der Burg und Vorburg zu deuten
(Ders. Schulenburg I, wie Anm. 4, S. 212 mit unklarer Quellenangabe); realiter geht es jedoch um
Baulichkeiten und Plätze im Norden der Vorburg.
53

dabei der sogenannten „Wolfsangel“; der Schwarze Stamm eines „Hufei-


sens“67.
Noch im 16. Jahrhundert bleiben die Besitzverhältnisse auf der Vorburg in
Bewegung: So konnten sich die Gebrüder Wedige und Joachim vom Weißen
Stamm im Zuge eines Teilungsrezesses von 1561 alle Plätze inklusive der von
Christoph III. erkauften Pertinentien auf der Vorburg allein sichern, während
die – nicht näher beschriebenen - Anteile an der Hauptburg ungeteilt bleiben68.
Durch den Ankauf der dem Vetter Anton durch Erbschaft zugefallenen Flä-
chen bei der sogenannten „Langen Brücke“ auf der Vorburg 1569 erweiterte
Wedige seine dortigen räumlichen Möglichkeiten erneut; man gewinnt den
Eindruck, als habe er frühzeitig begonnen, Raum für sein vielleicht damals
schon in Planung befindliches Bauprojekt zu gewinnen69.

V. Aspekte innerer Ordnung: Die Burgfrieden und Familienschlüsse


bis zum Ausgang des 16. Jahrhunderts

Da jenes an Komplexität zunehmende Gebilde namens Haus und Herrschaft


Beetzendorf keinen Selbstzweck an sich darstellte, sondern über die Jahrhun-
derte unter sich wandelnden Rahmenbedingungen durch eine beachtliche An-
zahl von Menschen in unterschiedlicher Weise genutzt wurde, ergab sich
schon früh die Notwendigkeit, diesen Nutzungsformen einen rechtlich
stabilen Rahmen zu geben.

Das älteste Schriftzeugnis, innerhalb dessen solche Rahmenbedingungen defi-


niert wurden, entstammt dem Jahre 139970. Es ist als rechtsverbindlicher
Beschluss des Weißen Stammes für die Vettern des Schwarzen Stammes
ausgestellt und lässt die Rolle der beiden Stammhäuser Beetzendorf und Apen-
burg als militärische Anlagen sowie das Verhalten der Vettern im Falle kriege-
rischer Auseinandersetzungen noch deutlich in den Vordergrund treten. So
geht es unter anderem um Beratschlagung und Nachrichtenübermittlung im
Kriegsfall, die Modalitäten im Umgang mit eigenen und zugeführten Gefange-
nen, die Verfolgung von Feinden, aber auch um die Verantwortung für das auf
den Schlössern lebende Gesinde. Desgleichen werden Grundsätze zur Klärung

67
LASA, MD, H 22, I, Nr. 79, fol. 5v (um 1720).
68
Johann Friedrich Danneil, Das Geschlecht der von der Schulenburg, Bd. II, Salzwedel 1847,
Anhang, Nr. 18, S. 15-16 ad 1561 März 27.
69
Danneil, Schulenburg II, wie Anm. 68, Anhang, Nr. Nr. 19b, S. 17, ad 1569 ohne Tagesdatum.
70
Abdruck nach einer verderbten Abschrift bei Riedel, CDB, A V, S. 368-370, Nr. 147 ad 1399
Mai 29; die hier zugrunde liegende Abschrift des 17. Jhs. in LASA, MD, H 22, I, Nr. 2, pag. 1-9
ist von ungleich höherer Qualität.
54

von Rechtsfällen der Hintersassen im Rahmen des Gesamtgerichtes formuliert


und eine einvernehmliche Vorgehensweise etwa beim unerlaubten Sammeln
von Eicheln vereinbart. Reguliert wird auch die Praxis der ungeteilten Fische-
rei sowie die von Jahr zu Jahr alternierende Pflicht zur Instandhaltung der
gemeinsam betriebenen Mühle.

Abb. 4 Erste Seite des Vertrages über die gemeinsame Nutzung der Häuser
Beetzendorf und Apenburg vom 29. Mai 1399 in einer Abschrift des 17. Jahrhunderts
(LASA, H 22, I, Nr. 2, pag. 1). Repro: LASA
55

Leider sind die beiden zeitlich anschließenden Burgfrieden von 1435 und 1484
nicht erhalten71, so dass es kaum möglich ist, Entwicklungen des 15. Jahrhun-
derts nachzuvollziehen.
Erst 1518 findet sich der Entwurf für nächste Vereinbarung dieser Art, deren
ereignisbezogener Hintergrund, nämlich eine unklare Bedrohung u.a. durch
Heinrich den Jüngeren von Wolfenbüttel, als Grund der Zusammenkunft
genannt wird72. Dass man daher zunächst eine Umwallung Beetzendorfs ins
Auge fasste, verwundert kaum. Neu am Burgfrieden vom 5. April 1518 ist das
auch später selbstverständliche Verfahren, denselben in Anwesenheit von
Schiedsleuten auszuhandeln73, unter denen Curt von Steinberg auf Brugg-
heim, das Haupt der Adelsfronde gegen Bischof Johann von Hildesheim74, der
mecklenburgische Rat und Hofmarschall Joachim Hahn auf Basedow75 sowie

71
Sie sind möglicherweise schon im Dreißigjährigen Kriege untergegangen; ihre Existenz ist nur
durch das jeweilige Regest im Sammelband des frühen 17. Jhs. (Riedel, CDB, A V, S. 299, E 1 und
F 15) nachgewiesen.
72
LASA, MD, H 22, I, Nr. 2, pag. 11-19 ad 1518 April 5 mit angehängter Beschwerde Georgs aus
der Linie Klötze des Schwarzen Stammes(?) wegen Verhinderung eines Bauvorhabens durch die
Umwallung, 1518 April 24 (?); vgl. zum ersten Teil den fehlerhaften Druck bei Riedel, CDB A,
VI, S. 259-261, Nr. 436. Bereits 1517 hatte es wegen der Schulenburgs „Irrungen“ zwischen
Heinrich d.J. und Joachim I. von Brandenburg gegeben, deren Anlass und konkreter Verlauf noch
unerforscht ist (GStA PK, Berlin, XX HA, OBA Nr. 21621 ad 1517 Dezember 6).
73
Namentlich waren dies Curt von Steinberg (s.u.), Friedrich von Pfuel, Achim Hahn auf
Basedow (s.u.), Clemens von Bülow, Georg von Quitzow (s.u.) und Vicke von Bülow. Letzterer
starb lt. seiner Grabinschrift am 20. Mai 1546 (Beschreibende Darstellung der älteren Kunstdenk-
mäler der Provinz Sachsen […], XX. Heft, Kreis Gardelegen, Halle 1897, S. 133); siehe zu seiner
Person ansonsten Gottfried von Bülow, Geschichtliche Nachrichten über die von Bülow zu
Oebisfelde, als Beitrag zur Geschichte des Geschlechts nach urkundlichen Quellen. Magdeburg,
1860, S. 32-40.
74
Er war auf Bruggheim erbgesessen, Pfandherr auf Steinbrück sowie gegen Ende seines Lebens
auf Uslar und kann ab 1516 neben Burchard von Saldern als Urheber und Anführer der
Adelsopposition im Stift Hildesheim gelten. Jedenfalls zählt er zu den prominentesten
Unterzeichnern des Verbundbriefes vom 23. Juni 1516, durch den sich der Stiftsadel in den Schutz
Heinrichs d.J. von Braunschweig-Wolfenbüttel begab. Kurz vor seiner Anwesenheit in
Beetzendorf war er am 22. Februar auf dem Wege nach Gronau in ein Scharmützel mit Hildes-
heimischen Reitern geraten, verwundet worden und auf spektakuläre Weise entkommen. In der
blutigen Schlacht auf der Soltauer Heide am 28. Juni 1519 wurde er gefangen. Er starb am 14.
April 1523 auf seinem Pfandhaus Uslar und wurde im Kloster Lamspringe begraben (Konrad
Barthold Behrens, Historische Beschreibung des hochwohlgeborenen Hauses der Herren von
Steinberg, Hannover 1697, S. 23-25).
75
Zu seiner Person ausführlich Georg Christian Friedrich Lisch, Geschichte und Urkunden des
Geschlechtes Hahn, Bd. 3, Schwerin 1855, S. 127-160. Joachim I. Hahn war übrigens dem Hause
Schulenburg durch Heirat verbunden: Seine Ehefrau war Anna, Tochter Werners XI. auf Penkun
und Löcknitz und der Elisabeth Gans Edler Frau zu Putlitz (Schulenburg/Wätjen, wie Anm. 8, S.
116).
56

Georg von Quitzow, Landeshauptmann der Prignitz76, die bekanntesten sein


dürften.
Neu war auch die Bestellung zweier Vettern – eines aus jedem Stamm – als
dauernden „Statthaltern“ auf der Burg im dreijährigen Turnus und deren
Entschädigung inklusive besonderer Rechte zur Mast von Schweinen sowie
eine strikte Ordnung von Wachdiensten und fester Öffnungszeiten der Tore
durch Hausmann und Pförtner, ohne allerdings dadurch anderen Angehö-
rigen des Geschlechts ihren Aufenthalt auf der Burg zu erschweren. Ebenso
neu war die Vereinbarung fester Termine zur Abhaltung des Gesamtgerichts,
welches in seiner Praxis nach „Sachsenrecht“, d.h. unter Beiziehung von
Schöffen zur Urteilsfindung, noch ganz traditionelle Züge aufwies.

Bereits 1531 verabschiedete man einen neuen Burgfrieden, der dazu dienen
sollte, „dem geschlechte to ehren, to nuth undt wolfardt öhre erffhus Betzen-
dorpe [...] to bestellen“77.
Es entstand eine zwar umfangreiche, jedoch überaus klar strukturierte Nie-
derschrift von insgesamt 21 Artikeln, deren immerhin vier noch durchaus
Sicherheitsfragen ansprechen, die zu behandeln man angesichts einer Zeit voll
Aufruhr, Krieg und Gefahr für wichtig erachtete. Allein das Sicherheits-
personal wurde deutlich aufgestockt, indem man einen Schließer, einen Tür-
mer und insgesamt vier Pförtner anzustellen und zu vereidigen beschloss,
unter denen auch ein „bussenschutte“ in der Bedeutung eines Artilleristen
sein sollte. Die schon ehedem eingeführte Residenzpflicht für je einen Vertre-
ter des Weißen und Schwarzen Stammes wurde erneut festgeschrieben; auch
präzisierte man deren Aufsichtspflichten in Hinblick auf die Baulichkeiten der
Hauptburg, die, wie der dem Bereich der gegenseitigen Rechtshilfe und Inte-
ressenwahrung zugehörende Artikel formuliert, allen Angehörigen des Ge-
schlechts im Bedarfsfall als „offenes Haus“ dienen sollte. Insgesamt acht Ab-
schnitte widmen sich entsprechenden Inhalten bis hin zur Verpflichtung, zu
dringenden Beratungen persönlich nach Beetzendorf zu kommen, sofern dies
innerhalb einer Tagesreise zu erreichen sei. Die starke Position der beiden
„Residenten“ lässt sich u.a. aus deren Recht erschließen, ungehorsame Vet-
tern zum „Einlager“ zu fordern; allerdings wurde ihnen auch die abwech-
selnde Teilnahme an den Landtagen als Pflicht auferlegt.

76
Zu seiner Person: Christopher Frhr. von Warnstedt, Das Geschlecht von Quitzow, in: Zs. f.
Niederdeutsche Familienkunde, Jg. 45, H. 3/4, Mai 1970, S. 69-109; hier: S. 96. Er starb lt.
Grabinschrift am 18. April 1527 und liegt in Rühstedt begraben. Seine Tochter Ilse ehelichte
Levin I. von der Schulenburg.
77
Riedel, CDB, A VI, S. 265-270, Nr. 446 ad 1531 August 30; Hiernach das Folgende.
57

Organisatorische Aspekte der Rechtspflege als Ausübung hoheitlicher Befug-


nisse, wie die nunmehr verbindlichen drei Gerichtstage pro Jahr unter Vorsitz
beider „Residenten“ sowie im Beisein von je vier Beisitzern aus Apenburg und
Beetzendorf, leiten die zwei folgenden Artikel ein, innerhalb derer nicht nur
Fragen von Zoll und Ziese, sondern auch solche der Fischerei und des Krebs-
fanges in den ungeteilten Gewässern um Beetzendorf geregelt werden.
Zeigt der Burgfrieden von 1531 bereits eine klare Struktur der dort zu regeln-
den Angelegenheiten, so formuliert dessen Nachfolger vom 3. Oktober 157278
in seinen insgesamt 44 Abschnitten79 einen noch stärkeren Anspruch auf eine
möglichst weitreichende Ordnung sowohl in immateriell-rechtlicher als auch
in konkret-räumlicher Hinsicht; er wird dabei zum Spiegel einer inzwischen
gewandelten Welt nachreformatorischer Prägung – ein Sachverhalt, auf den
es zurückzukommen gilt.

Bevor man allerdings im Oktober 1572 in Beetzendorf einen neuen Burg-


frieden nebst Kirchen- und Gerichtsordnung aushandelte und in Kraft setzte,
galt es, sich über die zeitgemäße Ausgestaltung solcher Regelwerke zu infor-
mieren. Im Rahmen einer vorbereitenden Zusammenkunft in Beetzendorf
fasste man am 14. September 1570 u.a. den Plan, die engen familiären Kon-
takte zu den Bartenslebens, Alvenslebens und Jagows zur Beschaffung ent-
sprechender Texte80 zu nutzen und diese einer genauen Durchsicht zu unter-
ziehen, um mögliche Anregungen für die eigenen Vorhaben zu gewinnen, war
man sich doch darüber im Klaren, dass einerseits ein neu zu formulierender
Burgfrieden den Erfordernissen der Zeit anpassen sei, andererseits aber die
kirchlichen Verhältnisse ebenso wie die Justizpflege im weitesten Sinne einer
dringenden Regulierung bedürften81. Sowohl die von Bartensleben als auch

78
Eine von mehreren Abschriften in LASA, MD, H 22 I Nr. 8, fol. 28r-44r ad 1572 Oktober 3
(Druck: Riedel, CDB, A VI, S. 295-303, Nr. 486). In der folgenden Zusammenfassung wird die
den archivischen Vorlagen fehlende Abschnittszählung nach Riedel im Interesse einer größeren
Übersichtlichkeit beibehalten.
79
Der bei Riedel (wohl nach entsprechender Vorlage Danneils) wiedergegebene Text ist in
insgesamt 37 Abschnitte untergliedert, wobei der Bearbeiter die eindeutigen Vorgaben der Hand-
schrift (lange Abstände zwischen den außerdem noch durch übergroße Wortanfänge
hervorgehobenen, allerdings nicht nummerierten Absätzen) ignoriert. Im Folgenden wird – der
besseren Übersichtlichkeit halber - eine streng an der Handschrift orientierte Zählung vorge-
nommen.
80
Dass es eine Alvensleben’sche Gerichtsordnung aus der Zeit vor 1570 gab, erfahren wir nur
durch diese Anmerkung im schulenburgischen Familienschluss vom 14. September des gleichen
Jahres (siehe folgende Anm.; ansonsten Hahn, Territorialhoheit, wie Anm. 40, S. 177-178).
81
Eine Ausfertigung in LASA, MD, H 22, Urkunden, Fach 1 Nr. 5 ad 1570 September 14; eine
Abschrift des 17. Jhs. in LASA, MD, H 22 I, Nr. 2, pag. 41ff.: „Abschiedt aller von der
Schulenburgk uff gehaltenem tage zu Betzendorff Ao. 70 donnerstages nach Nativitatis Mariae“
58

die von Alvensleben werden – wie noch darzulegen sein wird - Abschriften
ihrer Burgfrieden von 155282, 155683 und 155784 zur Verfügung gestellt haben;
über die im Zuge der Beetzendorfer Vorverhandlungen von 1570 gleichfalls
angesprochenen Gerichtsordnungen dieser Familien lassen sich – ebenso wie
hinsichtlich einer damals erwähnten Ordnung der von Jagow – angesichts
bedauerlicher Überlieferungsverluste keine sicheren Erkenntnisse gewinnen.
Im Folgenden wird es darum gehen, den Beetzendorfer Burgfrieden vom 3.
Oktober 1572 in seinen beiden Hauptteilen abschnittsweise zusammenzu-
fassen, wobei Bezüge zu den älteren Texten aus Kalbe, Erxleben und Wolfs-
burg durch Fußnoten ebenso kenntlich gemacht werden wie die wenigen Ent-
lehnungen aus älteren Familienschlüssen der Schulenburgs selbst.
Der erste Teil des Burgfriedens umfasst nach der Einleitung mit wichtigen
Bestimmungen zum lokalen Geltungsbereich desselben85 jene durch Eidesleis-
tung bekräftigte Grundsätze konstitutionellen Charakters, die auch künftig
durch jeden Vetter, sobald er das 21. Lebensjahr erreicht hat, zu beeiden sind.
Er gliedert sich in 14 Abschnitte folgenden Inhalts:

1. Unverletzlichkeit des jetzt beschworenen Burgfriedens; unbedingtes Frie-


densgebot untereinander, was auch die Knechte und Dienstleute mit ein-
schließt.

(hiernach wohl der Druck ohne exakte Nennung der Vorlage bei Riedel, CDB, A VI, S. 291-293,
Nr. 481).
82
Der 1552 geschlossene Burgfrieden des Hauses Kalbe liegt in einem wohl nicht ganz zuverläs-
sigen Druck bei Gercken, Codex, wie Anm. 54, S. 666-676, vor.
83
Der Erxlebener Burgfrieden gedruckt bei George Adalbert von Mülverstedt, Codex Diploma-
ticus Alvenslebianus Bd. II, Magdeburg 1885, S. 251-260, Nr. 399 ad 1556 (ohne Monats- und
Tagesdatum). Das Dokument bestimmte übrigens den altmärkischen Landeshauptmann Levin I.
von der Schulenburg, Hartwig von dem Werder und den Halberstädter Stiftshauptmann Achaz
von Veltheim zu Schiedsleuten.
84
Der Wolfsburger Burgfrieden der von Bartensleben gedruckt bei Riedel, CDB, A XVII, S. 322-
328, Nr. 148, ad 1557 August 10. Lt. Anmerkung des Herausgebers (S. 328) lehnte sich der
Burgfrieden von 1557 überaus eng an einen Vorgängertext von 1523 an (Regest: wie vor, S. 311);
hierdurch mögen sich Abweichungen zwischen dem Wolfsburger Text einerseits und den Texten
aus Kalbe, Erxleben und Beetzendorf andererseits erklären.
85
Und zwar sind als Kernbereiche des Burgfriedens genannt das Haus Beetzendorf inklusive
seiner Mauern, Wälle und Gräben nebst der Vorburg und den dort liegenden Wohngebäuden,
Höfen und Vorwerken, sodann das 1572 bereits bestehende Vorwerk Daniels I. vom Weißen
Stamm (Nr. 312, 1538-1594 auf Altenhausen, weswegen die nahe dem Apenburger Hof gelegene
Anlage später als „Altenhäuser Vorwerk“ bezeichnet wurde; siehe Schmidt, Schulenburg II, S.
312-315) und die zweigliedrige, aus dem „Flecken“ und dem „Alten Dorf“ bestehende Ansiedlung
Beetzendorf, deren Grenzen durch Malsteine mit dem schulenburgischen Stammwappen markiert
waren. In Apenburg umfasste der Geltungsbereich des Burgfriedens das „Schloss“, die Vorburgen
und Vorwerke sowie den gesamten Flecken bis an den „Alten Wall“ und Graben (Riedel, CDB, A
VI, S. 295-296).
59

Abb. 5 Burgruine Löcknitz. Rechts im Bild Reste des Renaissanceschlosses aus der
Zeit der schulenburgischen Herrschaft. Lithografie aus „Pomerania“, Stettin 1844.
Repro: Verf.

2. Offenbare Feinde sollen dem Geltungsbereich des Burgfriedens ferngehal-


ten werden und vom Friedensgebot ausgeschlossen sein.
3. Beetzendorf und Apenburg sollen im Fall der Not für alle Schulenburgs und
ihre Erben „offene Häuser“ sein, kein Angehöriger des Geschlechts soll einen
anderen davon ausschließen86.
4. Auch „Irrung“ unter den Vettern und ihren Erben „in und außerhalb der
Burgfrieden“ soll als Ausschließungsgrund von den Häusern nicht gelten; das
in 1. erlassene Friedensgebot gilt auch für diesen Fall.
5. Die Häuser Beetzendorf und Apenburg sollen weder Ziel noch Ausgangs-
punkt von „Gewalt, Unwillen oder Vehede“ sein; auch sollen keine fremden
Feinde oder Gefangene dorthin verbracht werden, es geschehe denn mit Wis-
sen und Einwilligung der übrigen Vettern87.

86
In diesem Sinne bereits 1531 beschlossen (Riedel, CDB, A VI, S. 266).
87
Die Abschnitte 1-5 stimmen mit dem Erxlebener Burgfrieden von 1556 bis auf kleine Abwei-
chungen wortwörtlich überein.
60

6. Würde einem der Vettern durch Fürsten, Grafen, Herren oder Städte wider-
rechtlich Gewalt zugefügt, steht ihm frei, sich bei den übrigen Angehörigen
des Geschlechts zu beklagen und diese um Hilfe bei einer gütlichen Beilegung
der Sache „zu gleich und Recht“ zu bitten; das Ergebnis verspricht derselbe zu
akzeptieren. Für den Fall, dass dem Angegriffenen innerhalb eines Viertel-
jahres nicht zu seinem Recht verholfen würde, soll er befugt sein, die Häuser
Apenburg und Beetzendorf in seinem Sinne zu gebrauchen. Die Vettern si-
chern für solch einen Fall Hilfe und Beistand zu und geloben, zu diesem Zweck
die gemeinsame Verteidigung von den beiden genannten Häusern aus, wobei
die daraus entstehenden Lasten gerecht verteilt werden sollen88.
7. Den Vettern sind gegenseitige Eingriffe in liegende oder fahrende Güter
strikt untersagt; sollten derartige Dinge dennoch geschehen, unterwirft sich
der Schädigende hinsichtlich der zu leistenden Erstattung dem Urteil der
Schiedsrichter und Vettern.
8. Verkäufe, Verpfändungen oder auch Tausch der Wohnungen und Liegen-
schaften zu Beetzendorf und Apenburg können nur innerhalb des Geschlechts
vorgenommen werden. Dies gilt auch für andere Lehngüter, um den Besitz-
stand des Gesamtgeschlechts für die Zukunft zu wahren89.
9. Sollten sich Angehörige des Geschlechts beim internen An- und Verkauf
von Gütern nicht einigen können, wird die Einsetzung von Schiedsrichtern
vereinbart; für den Fall, dass sich eine interne Weitergabe von Gütern nicht
realisieren ließe, wird ein Verkauf an Dritte gestattet, jedoch sind Fürsten,
Grafen, Herren oder Städte hiervon ausgenommen90. Verkaufserlöse sind
durch die Verkäufer in Lehngütern anzulegen, die es zu gesamter Hand zu
erlangen gilt. Nur in Ausnahmefällen – zur Rettung der Ehre und im Falle
äußerster wirtschaftlicher Not – stehen solche Erlöse zur freien Verfügung.
10. Für den Fall, dass Angehörige des Geschlechts die Vereinbarungen des
Burgfriedens brechen oder ignorieren sollten, haben die übrigen Vettern das
Recht, diese nach Beetzendorf oder Apenburg vorzuladen und die Irrungen im
Beisein von Unterhändlern zu bereinigen91.
11. Die mit Blick auf Angehörige des Geschlechts beschlossenen Verhaltens-
regeln gelten auch für deren Diener und Knechte; diese sind zwar ggfs. durch
Dritte in Haft zu nehmen, Strafen nach Burgfriedensrecht können jedoch nur
in Anwesenheit der jeweiligen Herrschaft verhängt werden. Verursachern

88
Entsprechend den Bestimmungen für Kalbe 1552 und Erxleben 1556.
89
Entsprechend den Bestimmungen für Kalbe 1552; wörtlich übereinstimmend mit denen für
Erxleben von 1556; die vielfach wörtlichen Übereinstimmungen mit dem Wolfsburger Burg-
frieden von 1557 umfassen die Abschnitte 1-8.
90
Bis hierher entsprechend den Bestimmungen für Kalbe 1552 und Erxleben 1556.
91
Entsprechend den Bestimmungen für Kalbe 1552; wörtlich übereinstimmend mit denen für
Erxleben von 1556.
61

von Verletzungen und Schäden wird in diesem Zusammenhang die Pflicht zur
Entschädigung „nach Recht und billigkeit“ auferlegt92.
12. Die schulenburgischen Häuser Löcknitz, Lübbenau, Angern, Altenhausen
und Osterwohle mitsamt ihrem Zubehör werden als Besitzungen zu gesamter
Hand in den Geltungsbereich des Burgfriedens eingeschlossen.
13. Die Vettern beschließen die Unverbrüchlichkeit des nun errichteten
Burgfriedens für sich und ihre Erben. Jeder Angehörige des Geschlechts wird
für die Zukunft verpflichtet, denselben mit Vollendung seines 21.
Lebensjahres zu beschwören93.
14. Für den Weigerungsfall wird der Ausschluss von den Gütern angedroht94.

Abb. 6 Burg Altenhausen. Ansicht der Kernburg mit ihrer damals bereits teilweise
überformten Bausubstanz des 15. und 16. Jahrhunderts. Farblithografie von Th. Albert
in: Alexander Duncker, Die ländlichen Wohnsitze, Schlösser und Residenzen (…), Bd.
4, Berlin 1861-1862. Repro: Verf.

92
Entsprechend den Bestimmungen für Kalbe 1552 und Erxleben von 1556.
93
Entsprechend den Bestimmungen für Kalbe 1552 sowie für Erxleben 1556; der Wolfsburger
Text von 1557 sieht sogar die Pflicht zur Eidesleistung schon ab dem 15. Lebensjahr vor.
94
Entsprechend den Bestimmungen für Kalbe 1552 sowie für Erxleben 1556.
62

Der zweite Teil des Burgfriedens von 1572 beinhaltet eine ansehnliche Reihe
von Zusatzbestimmungen in Form einer durch die Anwesenden verabschie-
deten und besiegelten und damit zwar verbindlichen, aber nicht beschwore-
nen Selbstverpflichtung:

15. Äußere Sicherheit der Häuser Beetzendorf und Apenburg95: Die Vettern
verpflichten sich, für das pünktliche und zuverlässige Öffnen und Schließen
der Tore Sorge zu tragen, sowie das Beetzendorfer Pforthaus instand zu setzen
sowie auf seine Erhaltung hinzuwirken96.
16. Für den Fall kriegerischer Unruhen im Lande oder in der Nähe der Häuser
soll stets ein Schulenburg oder doch wenigstens ein dazu verordneter Standes-
genosse dort anwesend sein97. Er hat die Bewachung der Burgen zu garan-
tieren und insbesondere für den Beetzendorfer Turm die dauernde Anwesen-
heit eines „Hausmanns“ zu gewährleisten98.
Zur Instandsetzung und künftigen Erhaltung der Türme in Beetzendorf und
Apenburg soll ein erfahrener Zimmermann zu Rate gezogen werden. Man
bewilligt zu Bauzwecken 200 Taler, die bis Fastnacht 1573 aufzubringen sind.
17. Grundsätzliches zur kirchlichen Versorgung der Gerichte Beetzendorf und
Apenburg:
„Wir obbemelte von d[er] Schulenburg und Unser Erben wollen uns auch Zum
hogsten befleissigen, das wir die Kirchen und Pfarren Im Gerichte Zu
Betzendorff und Apenburg mit Christlichen Evangelischen Predicanten
vorsorgen, damit die Underthanen mit dem allerhogsten gute Als gots worte
Und dem hochwirdigen Sacramente trewlich versorgt und nicht vorseumpt
werden.
Auch so wollen wir und unsere erben die Pfarren nicht vorringern, sondern
viel mehr lassen99, damit die Pfarhern gnugsame unterhaltung haben100. Wo
auch Imant unter uns von denselbigen etwas an sich genommen und

95
Entsprechende, jedoch noch präzisere Regelungen in den Burgfrieden für Erxleben 1556 und –
besonders ausführlich – für Wolfsburg 1557.
96
Der Burgfrieden von 1531 legt diesen Fragen noch ein erheblich höheres Gewicht bei; ein
Gleiches gilt für den Wolfsburger Burgfrieden der von Bartensleben des Jahres 1557.
97
Schon im Beetzendorfer Burgfrieden von 1531 sah man entsprechende Maßnahmen vor
(Riedel, CDB, A VI, S. 266).
98
Analoge Bestimmungen auch – unter Berücksichtigung der örtlichen Spezifika wie des
„fodersten thorms“ – für Erxleben 1556.
99
Bei Riedel nach Danneil auf Grundlage einer nicht angegebenen Quelle: statt „lassen“
„verbessern“; im Or. mutmaßlich „bessern“.
100
Das Vorige in wörtlicher Übereinstimmung mit dem Erxlebener Burgfrieden von 1556,
während die Kalber und Wolfsburger Texte keine diesbezüglichen Passagen aufweisen.
63

eingetzogen, dasselb soll ehr furderlichst wiederumb einstellen und sich mit
dehme, Was also einmahl In gots ehre gewandt, nicht bereiche[r]n.101“
18. Wird gegen das grundsätzlich auch für die Knechte und Diener der
Schulenburgs geltende Friedensgebot verstoßen, so sollen die Kontrahenten,
sofern ihre Herrschaft nicht anwesend ist, bis zu deren Heimkunft und
anschließender Verhandlung in Haft genommen werden102.
19. Sollte man sich bei dieser Verhandlung nicht einigen können, sind die
Delinquenten bis zur Ankunft der in diesem Falle anzurufenden Schiedsleute
in gemeinsamer Haft zu behalten103.
20. Personen aus dem persönlichen Umfeld der Vettern sollen, sofern sie
einem Geschlechtsangehörigen in Worten oder Werken zu nahe getreten sind,
bei Bekanntwerden des Sachverhalts umgehend aus dem Geltungsbereich des
Burgfriedens ausgeschlossen werden. Etwaige Entschädigungen sind inner-
halb von vier Wochen zu leisten104.
21. „Freunden“, d.h. Seitenverwandten, aber auch Knechten, soll, sofern dies
nötig und durch den Kreis der Vettern gutgeheißen, durch „Hausung und
Hegung“ auf den Häusern Beetzendorf und Apenburg zu ihrem Recht verhol-
fen werden. Offenkundige Feinde der schulenburgischen Lehns- und Landes-
herrschaft sind allerdings ebenso von diesem Behausungsrecht ausgeschlossen
wie Diebe und Räuber105.
22. Sollte die Feindschaft von Gästen im beschriebenen Sinne den Vettern erst
im Nachhinein bekannt werden, sind diese sofort der Häuser zu verweisen106.
Auch den zu den Häusern Beetzendorf und Apenburg gehörigen Krügern
sowie sämtlichen Untersassen der Schulenburgs ist das heimliche Hausen und
Herbergen von Straßenräubern sowie „offentlichen Feinde[n]“ bei schwerer
Strafe untersagt.
23. Die Vettern verpflichten sich, einander ohne Wissen und Einverständnis
des Betroffenen kein Gesinde „abzumieten“, es sei denn, die entsprechenden
Person wäre seit einem Jahr nicht mehr im Dienst gewesen107.
24. Ohne Erlaubnis seiner Herrschaft aus dem Dienst getretenes Gesinde soll
ohne Wissen und Willen des Betroffenen nicht durch einen Geschlechtsge-

101
Zitat aus LASA, MD, H 22 I Nr. 8 (wie Anm. 78), fol. 28-44r; hier: fol. 35v-36r.
102
Entsprechend den Bestimmungen für Kalbe 1552 sowie inklusive des folgenden Abschnittes
19 auch denen des Wolfsburger Burgfriedens von 1557.
103
Entsprechend den Bestimmungen für Kalbe 1552.
104
Entsprechend den Bestimmungen für Kalbe 1552. Dieser und die folgenden Abschnitte bis 27
inklusive mit dem Erxlebener Text von 1556 übereinstimmend; in Teilen auch für Wolfsburg
1557.
105
Entsprechend den Bestimmungen für Kalbe 1552 sowie Wolfsburg 1557.
106
Bis hierher entsprechend den Bestimmungen für Kalbe 1552.
107
Entsprechend den Bestimmungen für Kalbe 1552 sowie für Wolfsburg 1557.
64

nossen angenommen werden, es sei denn, der vorige Herr würde dieses aus-
drücklich erlauben.
25. Das gegenseitige Abwerben von Bauern und Kossäten, in deren Folge Höfe
wüst würden, soll unterbleiben. Ein einvernehmlicher Abzug ist nur dann zu
gewähren, wenn der den Hof verlassende Untersasse einen Ersatzmann stellt,
der in der Lage ist, des Vorigen „Dienste und Pflege108“ zu leisten109.
26. Nahen Angehörigen von Untersassen ist, sofern diese in die Bewirtschaf-
tung der Stätte eingebunden sind, der Abzug von derselben mit Wissen und
Willen der Herrschaft nur dann zu gestatten, wenn die Leistung der Dienste
und Pflichten dadurch nicht geschmälert wird110.
27. Man will keine Straf- und Bußgelder einfordern, die anderen Vettern zus-
tehen, sondern sich den Bestimmungen der Gerichtsordnung unterwerfen111.
28. Die Vettern und ebenso ihre Untersassen wollen bzw. sollen keine Ziegen
halten, um den Verbiss und die völlige Verwüstung junger Holzbestände zu
vermeiden und so einem künftigen Mangel an Mastgehölz vorzubeugen. Bei
Zuwiderhandlungen in diesen Dingen wird die Beschlagnahme der Tiere und
Strafe angedroht112.
29. Da das Unterholz in den schulenburgischen Waldungen beinahe verwüstet
ist, sollen künftig Schonungen angelegt werden, in denen das Holzschlagen
sowohl im Auftrage der Herrschaft als auch durch die „Unterthanen“ gänzlich
untersagt ist. Bei Zuwiderhandlungen drohen Pfändung und Strafe. Sollten
derartige Maßnahmen nötig werden, sollen die Vettern sich darin „nach
billigkeit“ vergleichen; ansonsten bleibt es bei der im Jahre 1507 von den Vor-
eltern erlassenen Holzordnung113, nur dass die dort vorgesehenen Strafgelder
den gegenwärtigen Verhältnissen angepasst werden.
30. Wann immer eine reiche Ausbeute an Eicheln zur Schweinemast in Aus-
sicht steht, wollen die Vettern die Gehölze selbst in Augenschein nehmen oder

108
Hier im Sinne von „Pflicht“.
109
Entsprechend den Bestimmungen für Kalbe 1552 sowie für Wolfsburg 1557.
110
Entsprechend den Bestimmungen für Kalbe 1552.
111
Entsprechend den Bestimmungen für Kalbe 1552 sowie für Wolfsburg 1557.
112
Entsprechend den Bestimmungen für Kalbe 1552; Verbot der Ziegenhaltung sowie
Maßnahmen gegen die Holzverwüstung auch im Erxlebener Text von 1556; dort jedoch auch
konkrete Bestimmungen zur Holznutzung mit genauer Festlegung der Tage.
113
Das Stück scheint verloren gegangen zu sein; seine frühe Zeitstellung lässt aber aufhorchen:
Ernstzunehmende landesherrliche Verordnungen vergleichbarer Art sind für Braunschweig-
Wolfenbüttel bzw. Calenberg erst 1532 (Niedersächsisches Landesarchiv, Abt. Wolfenbüttel, 40
Slg, Nr. 23/3-4 [Holzordnung für den Elm 1530] sowie Niedersächsisches Landesarchiv, Abt.
Hannover, Cal. Br. 23, Nr. 292 [Holzordnung für den Solling 1532]) erlassen worden. Kurbran-
denburg hat dagegen in beinahe charakteristischer Zögerlichkeit erst ab der Mitte des 16. Jahr-
hunderts Wege zu bescheidenen Verordnungen mit begrenzter inhaltlich-räumlicher Reichweite
eingeschlagen (entsprechende Drucke bei Mylius, Corpus Constitutionum Marchiarum, Theil IV,
1, Sp. 774ff.).
65

durch ihre Vögte besehen lassen, um die Anzahl der in die Waldungen zu trei-
benden Schweine zu bestimmen, damit einerseits eine Übernutzung vermie-
den, andererseits aber denjenigen, die ihre Tiere gegen Geld eintreiben lassen,
die erwartete Ausbeute zuteil werden möge114.
31. Hinsichtlich der eigenen Mastschweine verpflichten sich die Vettern, nur
die ihnen per Teilzettel ausgewiesene Anzahl an Tieren „in die Mast laufen“
zu lassen und sich mit der zugeteilten Menge zufrieden zu geben.
32. Die Vettern wollen ihre Schäfer, Hirten und Untersassen anweisen, Scha-
densstiftungen durch Vieh auf Äckern und Wiesen tunlichst zu vermeiden.
Für den Fall, dass doch Schäden verursacht werden sollten, sind die Verant-
wortlichen zur Erstattung des durch Schätzung festgelegten Wertes verpflich-
tet.
33. Die Vögte sollen angehalten werden, ein gegenseitiges Abpflügen der
Äcker und Wiesen der Herrschaft zu vermeiden; auch soll keiner dem anderen
zu nahe an seinem Holz Rodungen vornehmen lassen. Zuwiderhandlungen
werden mit Schadensersatz und Strafe belegt, um Irrungen unter den Vettern
zu vermeiden.
34. Ausgaben und Unkosten, welche die Häuser Beetzendorf und Apenburg
in ihrer Gesamtheit betreffen, sollen durch eine anteilsbezogene Umlage unter
den Vettern aufgebracht werden, sofern dieselben nicht „aus dem Gemeinen“
abgedeckt werden können.
35. Für den Fall, dass unter den Vettern Konflikte entstünden, wird demje-
nigen, der sich „zur Ungebuer beschweret oder verunrechtet“ sehen sollte,
auferlegt, den Anderen zunächst in Güte anzusprechen. Bliebe dies ergebnis-
los, sind Seitenverwandte als Vermittler einzuschalten. Wenn auch deren
Bemühungen fruchtlos bleiben, tritt ein institutionalisiertes Gremium von
Schiedsrichtern in Aktion, die mit Jacob von Bartensleben und Oswald von
Bodendieck namhaft gemacht werden und denen für den Fall, dass auch sie
keinen Frieden zu stiften vermögen, Joachim von Alvensleben als Obmann
beigeordnet wird, dessen Votum dann ausschlaggebend sein soll115.
36. Falls sich auch durch den Einsatz dieses Gremiums keine Entscheidung in
Güte herbeiführen ließe, soll das Ganze verschriftlicht und den Rechtsge-
lehrten einer Universität zur Entscheidung vorgelegt werden, deren Sentenz
dann im Rahmen eines zu Beetzendorf anzuberaumenden Treffens unter
Beteiligung der ältesten Vettern zu eröffnen wäre116.

114
Beinahe wortgleich im Text für Erxleben 1556; ein Gleiches gilt für die folgenden Abschnitte
bis 34 inklusive).
115
Diese mehrstufige Form der Konfliktregulierung auch im Erxlebener Burgfrieden von 1556
sowie in Wolfsburg 1557.
116
Dieser Abschnitt entsprechend auch für Wolfsburg 1557; dort wird jedoch keine landesherr-
liche Entscheidung, wie im folgenden Abschnitt 37 vorgesehen, erwähnt.
66

37. Als letzte Instanz zur Beilegung interner Auseinandersetzungen werden


schließlich der Kurfürst von Brandenburg als Landesfürst sowie dessen Räte
vorgesehen. Würde diese die zuvor getroffene Erkenntnis der Juristen bestä-
tigen, soll der Beschwerdeführer, da er offenkundig „muthwillige weitleuff-
tigkeit gesucht“, den schulenburgischen Vettern ein Bußgeld von 200 Talern
entrichten.
38. Für den Fall, dass einer der zuvor genannten Schiedsleute verstürbe oder
nicht zur Verfügung stünde, sollen die Vettern befugt sein, anstelle der ver-
storbenen bzw. nicht verfügbaren Personen Ersatzleute zu wählen und zu
verordnen117.
39. Dieser Vertrag bleibt für die weitere Zukunft gültig und ist unverbrüchlich
zu halten - auch wenn das Originaldokument Schaden nehmen sollte – bis ein
anderes oder besseres Vertragswerk aufgerichtet werden wird118.
40. Es ist erklärte Absicht der Vettern, durch die Abmachungen des Burgfrie-
dens keinerlei Interessen Dritter, zumal keiner weltlichen und geistlichen
Obrigkeit zu verletzen; auch sollen dessen Bestimmungen den Fürsten und
Lehnsherren keinerlei Abtrag hinsichtlich der ihnen gegenüber bestehenden
Pflichten nach sich ziehen119.
41. Für den Fall, dass einer der Vettern die hier getroffenen Vereinbarungen
oder die beschworenen Artikel brechen sowie den Anordnungen der Schieds-
leute nicht nachkäme, haben die beiden ältesten Angehörigen des Geschlechts
die Befugnis, denselben nach Salzwedel oder in eine andere der altmärkischen
Städte für seine Person, einen Knecht sowie zwei reisige Pferde ins Einlager120
zu fordern, bis er bereit ist, den Bestimmungen des Burgfriedens Folge zu
leisten.
42. Weil die das gesamte Geschlecht betreffenden Urkunden bislang zerstreut
verwahrt wurden und infolgedessen bereits teilweise in Verlust geraten sein
könnten, soll ein fester Kasten mit zwei starken Schlössern für die Dokumente

117
Wortgleich in den Bestimmungen für Erxleben 1556.
118
Übereinstimmend so auch für Erxleben 1556; in anderen Worten, aber inhaltlich analog für
Wolfsburg 1557.
119
Beinahe wörtlich entsprechend den Bestimmungen für Erxleben 1556; inhaltlich gleich auch
die entsprechende Passage in Wolfsburg 1557.
120
Entsprechungen bis zur Textidentiät in Kalbe 1552 und Erxleben 1556 (dort allerdings die
Bevorzugung Gardelegens bei der Festsetzung des „Einlagerortes“); die Zwangsmaßnahme des
Einlagers in Braunschweig, Helmstedt oder einer der altmärkischen Städte an entsprechender
Stelle auch im Wolfsburger Burgfrieden von 1557 vorgesehen. Zum Rechtsmittel des Einlagers
(obstagium), nämlich der Auflage, sich bei Zahlungs- und anderen Versäumnissen an einen
vereinbarten Ort in eine Herberge zu begeben und sich dort – auf eigene Kosten – bis zur
Erfüllung der Zusagen bzw. Verpflichtungen aufzuhalten, vgl. Deutsches Rechtswörterbuch,
Weimar 1914-1932, Bd. II, Sp. 1413-1414. Die Forderung ins Einlager und die Verhängung
empfindlicher Geldbußen war bei ernsthaften Verstößen gegen die innerfamiliäre Disziplin
bereits im Burgfrieden von 1531 vorgesehen (Riedel, CDB, A VI, S. 267-268).
67

angefertigt und künftig in Beetzendorf „in guter verwahrung“ gehalten wer-


den. Die beiden Ältesten des Geschlechts sollen die Schlüssel an sich nehmen.
Die Vettern werden ermahnt, noch bei ihnen befindliche Urkunden zur Ver-
wahrung in der beschriebenen Weise abzuliefern.
43. Alle Vettern sichern die strikte Einhaltung sowohl des beschworenen
Burgfriedens als auch der ergänzenden Artikel zu.
44. Man verzichtet auf alle Rechtsbehelfe, mittels derer die Bestimmungen des
Burgfriedens unterlaufen oder außer Kraft gesetzt werden könnten121.
Alle bei den Verhandlungen anwesenden Vettern122, aber auch die oben
bereits als künftige Schiedsleute genannten, hier jedoch als Unterhändler
fungierenden Jacob von Bartensleben auf Wolfsburg, Oswald von Bodendieck
auf Schnega sowie schließlich Joachim I. von Alvensleben auf Rogätz und
Erxleben, besiegelten den Burgfrieden gemeinsam mit den Angehörigen des
Geschlechts. Beim genaueren Hinschauen auf die den Burgfrieden neben den
Schulenburgs beglaubigenden Personen stellt man fest, dass es sich bei den
beiden Erstgenannten um Schwäger der Familie, und zwar der Söhne Levins
I. handelte: So war Jacob von Bartensleben seit 1562 mit der 1545 geborenen
Ursula, einer Tochter Levins I. von der Schulenburg123, verehelicht, und
Oswald von Bodendieck124 hatte Rixa, die 1544 geborene Schwester der
Ursula, zur Gemahlin. Joachim I. von Alvensleben war zwar den Schulenburgs
gleichfalls familiär verbunden125; zur engeren Seitenverwandtschaft der
Familie zählte er gleichwohl kaum, weswegen seine Anwesenheit in Beetzen-
dorf im Oktober 1572 andere Gründe haben dürfte: Einerseits mag er dem
Hause Schulenburg einen Gegendienst geleistet haben, nachdem der 1569
verstorbene altmärkische Landeshauptmann Levin I. als Vermittler bei den
alvensleben‘schen Burgfrieden von Kalbe und Erxleben fungiert hatte,
andererseits wird man ihn als juristisch und theologisch überaus kenntnis-

121
Wortgleicher Text auch in Erxleben 1556.
122
Näheres zu diesem Personenkreis unten ab Anm. 188.
123
Knappe Angaben zu ihrer Person sowie der ihres Ehemannes bei Schmidt, Schulenburg II, S.
242. Wesentliche biografische Daten in ihrer von Auctor Lindius gehaltenen Leichenpredigt „Deß
heiligen Hiobs und aller Creutztragenden Christen Glaubens Trost/ Genommen aus dem Articul
der Erlösung und Aufferstehung“, Braunschweig 1608 (http://resolver.sub.uni-goettingen.de/
purl?PPN774686502 (01.02.2017)). Demnach wurde sie 1545 geboren, erhielt ihre schulische
Ausbildung im Kloster Dambeck und ehelichte 1562 Jacob von Bartensleben, der 1590 das
Zeitliche segnete. Sie selbst verstarb am 26. August 1608.
124
Oswald von Bodendieck auf Schnega, Göddenstedt und Wrestedt war von 1553-1587, dem Jahr
seines Todes, Lüneburgischer Ritterschafts-Deputierter und Landrat sowie im Jahre 1580
Hauptmann der Ämter Gifhorn, Fallersleben und Campe (J.H. Steffens, Geschlechts-Historie des
Hochadelichen Hauses von Campe auf Isenbüttel und Wettmarshagen […], Celle 1783, S. 110-
111).
125
Durch seine erste Ehefrau Anna von Bartensleben (gest. 1555), die mit Hans „dem Reichen“
von Bartensleben, Schwiegervater Werners XVII. von der Schulenburg, Geschwisterkind war.
68

reichen Standesgenossen gern konsultiert haben: Beide Erklärungsansätze


mögen auch ineinander verflochten sein.
Fest steht aber eines: Mit Joachim I. von Alvensleben, dem umfassend gebilde-
ten „miraculum saxoniae“, zog man 1572 einen entschiedenen Verfechter des
Luthertums zu Rate, der es – gestärkt aus tiefer persönlicher Überzeugung -
verstanden haben dürfte, auf die Gestaltung der Beetzendorfer Ordnungen in
diesem Sinne einzuwirken; nicht von ungefähr erfolgte die Übernahme der
wichtigen Grundsatzerklärung des Burgfriedens von 1556 zur Kirchenorgani-
sation im Gericht Erxleben in den 16 Jahre jüngeren Beetzendorfer Text
beinahe unverändert126, und auch sonst wird Joachim I. von Alvensleben, als
es um die Ausgestaltung der Beetzendorfer Kirchen- und Gerichtsordnung
ging, gerne als kompetenter Ratgeber fungiert haben.
Der folgende Leitsatz, wie er sich in dem durch ihn und seinen Schwager
Andreas von Meyendorf initiierten und durch Johannes Wigand verfassten
Glaubensbekenntnis von 1566 findet, könnte auch aus der Feder Melanch-
thons stammen, wenn es heißt: „Weltliche Obrigkeit ist ein ampt undt
gewaldt, seine Unterthanen nach ehrlichen gesetzen, welche nicht wider
gottes wort sindt, zu regieren undt Zu schutzen, undt fuhret das schwert an
gottes stath, Zu straffen das böse, undt das gute Zu beschirmen, auf das unter
ihrem schatten die unterthanen gottes wort hören, sich bekeren, gott ehren
undt seligk werden undt das Zucht undt fride erhalten werde“127: Er könnte
aber als Motto wenn schon nicht unbedingt über dem Burgfrieden, so doch
allemal über der gleichzeitg erlassenen Beetzendorfer Kirchen- und Gerichts-
ordnung stehen, auf die nun einzugehen sein wird.

126
Siehe oben Abschnitt 17 bis Anm. 99. Zu Recht hebt Christoph Volkmar die Bedeutung dieser
Textpassage im Erxlebener Burgfrieden von 1556 deutlich hervor und betont deren Vorbildfunk-
tion für den Beetzendorfer Hausvertrag von 1572 (Christoph Volkmar, Joachim von Alvensleben
und die Reformation. In: Vorträge anlässlich der Festveranstaltung zum 500. Geburtstag von
Joachim I. von Alvensleben (1514-1588), hrg. vom Förderkreis Schlosskirche Erxleben e.V., o.O.,
2015, S. 6-16; hier: S. 13). Herrn Prof. Reimar von Alvensleben sei an dieser Stelle herzlich für
einen entsprechenden Hinweis im Rahmen der Beetzendorfer Tagung vom 9. April 2016 gedankt.
127
So in: „Christliches Glaubensbekenntnis zur Augsburger Konfession“ von 1566 (Digitalisat der
Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel nach dem Exemplar der Lehnsbibliothek Erxleben, jetzt
auf Hundisburg, fol. 2084 (http://diglib.hab.de/mss/alv-dl-204/start.htm?image=00445 (01.02.
2017)). Zur Urheberschaft des Textes: Volkmar, wie Anm. 124, S. 14.
69

VI. Der ordnende Zugriff auf den Raum: Die Beetzendorfer Kirchen-
und Gerichtsordnung von 1572 als normative Quelle zum Verständnis
zeitgebundener Herrschaftsprinzipien

Lokale Herrschaft im Sinne eines ordnenden Einwirkens auf die Rahmenbe-


dingungen alltäglicher Daseinsbewältigung bei den Untertanen manifestierte
sich nicht nur in den ordnungspolizeilichen Einzelbestimmungen des Burg-
friedens vom 3. Oktober 1572; die am gleichen Tage erlassene Kirchen- und
Gerichtsordnung128 präzisierte und erweiterte den Katalog der als richtig und
gut erkannten Verhaltensvorschriften und Verfahrensabläufe, „weil dann
kundt und offenbahr, das durch guhtte Ordnung und Geseze nicht alleine
guhtte richtigkeit in Policeysachen erfolgenn, besondern auch die Gehorsamen
und frommen bey ihren rechten geschützt, gehandthaptt und erhalten, die
ungehorsahmen aber dadurch zu gebuerlichem gehorsamb gebracht werden“.
Was man verordnete, war u.a. die sonntägliche Vormittagspredigt und die
nachmittägliche Katechismuslehre sowie eine zusätzliche Wochenpredigt,
während derer keinerlei Herrendienst zu verrichten sei. Säumige Kirchgänger
oder solche, die die Gottesdienste vorzeitig verließen um auf den Kirchhöfen
einen lautstarken „Waschmarkt“ zu halten, hatten eine Strafe von immerhin
zwei Gulden zu erwarten; die Übertretung des sonntäglichen Arbeitsverbotes
war ebenso bei Strafe untersagt wie der Ausschank von Bier und Branntwein
während der Gottesdienstzeit: Zuwiderhandelnden Krügern drohte die Natu-
ralbuße von einem Fass Bier oder drei Tonnen Salzmann (dem traditionellen
Salzwedeler Brauerzeugnis). Auch Einzelhandel mit Kramwaren war wäh-
rend der Gottesdienste untersagt.
Von der Kirchendisziplin geht die Beetzendorfer Ordnung nahtlos zu den
Bestimmungen zur Eindämmung übermäßiger Hochzeitsbewirtungen über
und ebenso nahtlos schließt sich das den Untertanen nachdrücklich auferlegte
Verbot an, ihre Töchter „laufenden losen Buben“ und „verzweifelten Leute-
Betrügern“ - heute würde man sagen: Mitgift-Jägern – zu verloben;
Mäßigkeits-bestimmungen für Kindtaufen schlossen sich an.
Auf die insgesamt 12 Artikel umfassende Gebote zum kirchlichen Leben sowie
zum Lebenswandel der Untertanen folgte ein umfangreicher Katalog von
Verhaltensvorschriften, mit dessen Hilfe man versuchte, steuernd auf die
Gestaltung des Alltagslebens einzuwirken. Hier reicht das Spektrum der
Einzelbestimmungen, ohne sie hier mit Blick auf die im Anhang vorgelegte
Quellenedition allesamt aufzählen zu wollen, über die Pflicht, Brandbekämp-
fungsmittel vorzuhalten, das Verbot der Wilderei sowie die Bestrafung von

]128 LASA, MD, H 22, I Nr. 8; das folgende Zitat nach fol. 3.
70

Raufereien und Beleidigungen bis hin zum Verbot unerlaubter Schweinemast


in den Waldungen.
Um schließlich bei Offizialdelikten wie Dieberei, Mord und Totschlag eine
effiziente Strafverfolgung zu gewährleisten und Geschädigten zu ihrem Recht
zu verhelfen, wurde eine geringe, nach Hofklassen gestaffelte Abgabe einge-
führt, deren Verwendung zweckgebunden war. Mit der Festsetzung von Ge-
bühren aus dem Bereich der Zivilrechtspflege schließt die Gerichtsordnung
von 1572 ab, die in Teilen eigentlich auch als „Policeyordnung“ definiert ist
und deren virtuos formulierte Vorschriften zum kirchlich-religiösen Leben
wiederum die theologischen Grundsätze eines Joachim I. von Alvensleben
bzw. seines Schwagers Andreas von Meyendorf durchschimmern lassen – was
nicht heißen soll, dass sich nicht auch die damals innerhalb der Vetternschaft
tonangebenden Angehörigen des Hauses Schulenburg129 intensiv mit dem zeit-
genössischen Schrifttum auseinandergesetzt hätten: Natürlich kannten auch
sie die Confessio Augustana von 1530130 und deren 16. Artikel sowie sicher-
lich auch die entsprechenden Passagen der „Loci Theologici“ aus der Feder
Melanchthons, die 1536 durch Justus Jonas aus dem Lateinischen ins
Deutsche übertragen wurden und – vielfach überarbeitet – mehrere Auflagen
erfuhren131.

129
Tonangebend vielleicht auch als ehemalige Wittenberger Studenten. Für die Zeit um 1570 sind
in diesem Zusammenhang zu nennen: Daniel vom Weißen Stamm, der magdeburgische Landrat
auf Altenhausen, Angern und Beetzendorf, der sich 1553 in Wittenberg einschrieb und u.a. als
Schüler Melanchthons gilt (Schmidt, Schulenburg II, S. 312), Albrecht IV., Sohn Levins I. vom
Schwarzen Stamm, später Landeshauptmann der Altmark, sowie dessen Bruder Georg „der
Reiche“, die beide 1551 in Wittenberg immatrikuliert wurden (Carl-Eduard Foerstemann, Album
Academiae Vitebergensis ab a[nno] Ch[risti] MDII usque ad a[nno] MDCLX (1502-1560), Leipzig
1841, S. 269, 287).
130
Melanchthon, Philipp / Jonas, Justus: Confessio odder Bekantnus des Glaubens etlicher
Fürsten und Stedte, Uberantwort Keiserlicher Maiestat, auff dem Reichstag gehalten, zu
Augspurg, Anno M.D.XXX., Wittenberg 1533, Art. 16 „Von Policey und weltlichem Regiment
[…] (Digitalisat der Bayerischen Staatsbibliothek München [VD16 C 4748] (02.02.2017)).
131
Als Beispiel sei hier das mit Eigentümervermerk „I.V.A.“, dem Motto „Gedult und Hoffnung“
sowie zahlreichen Randnotizen und Unterstreichungen versehene Exemplar aus dem Besitz
Joachims I. von Alvensleben angeführt: Justus Jonas, Heubtartikel christlicher Lere/ im latin
genandt/ Loci Theologici / Etwa von Doctore Justo Jona in Deutsche sprach gebracht/ jetzund
aber im M.D.LIII. jar/ von Philippo Melanthon widerumb durchsehen, Wittenberg 1554
(Digitalisat der Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel nach dem Exemplar der Lehnsbibliothek
Erxleben, jetzt auf Hundisburg (http://diglib.hab.de/drucke/alv-dc-26/start.htm s (02.02.2017)).
71

Abb. 7 Titelblatt der Kirchen- und Gerichtsordnung für Beetzendorf und Apenburg
von 1572 (LASA, MD, H 22 I, Nr. 8, fol. 1). Repro: LASA.
72

VII. Ausblick

Sowohl der im Jahre 1572 beschlossene Burgfrieden als auch die gleichzeitig
erlassene Kirchen- und Gerichtsordnung behielten ihre Gültigkeit bis weit ins
17. Jahrhundert hinein. Sie wurden allerdings den sich wandelnden Zeitver-
hältnissen durch moderierende Zusatzbeschlüsse in Gestalt der „Abschiede“
und „Vereinigungen“ von 1584, 1597 und 1642 angepasst und – soweit es die
Kirchen- und Gerichtsordnung betrifft, unter Beibehaltung des älteren Kern-
textes im Jahre 1644 neu formuliert132.
Was nun den besonderen Wert der „Abschiede“ ausmacht, ist ihre Rolle als
historische „Korrektive“, geben sie doch Aufschluss über die Wirksamkeit
normativer Texte wie sie in Gestalt der Burgfrieden hier vorgestellt wurden.
So sieht etwa der „Abscheidt und Memorial“ von 1584133 dringenden Hand-
lungsbedarf hinsichtlich eingezogenen und noch immer nicht zurückerstat-
teten Kirchenvermögens wie etwa dreier Kalandshäuser in Beetzendorf, deren
Grundstücke künftig mit einem Schul- und Gerichtsgebäude bebaut werden
sollen. Auch dringend nötige Reparaturmaßnahmen an Kaplanei und Küsterei
werden angesprochen und die Lieferung von Bauholz zugesagt. Albrecht VI.
von der Schulenburg wurde damals dringend ermahnt, die zwei Hufen Beet-
zendorfer Kirchenlandes, welche er gegen einen überaus niedrigen Pachtzins
bei seinem Hof Dähre nutzte, herauszugeben, damit sie zu einem höheren Zins
erneut ausgegeben werden könnte; andere Vettern waren ähnlich verfahren
und hielten darüber hinaus Kapitalien der Kirchen in Händen, ohne diese zu
verzinsen: Auch hier beschloss die anwesende Vetternschaft, dass Abhilfe ge-
schaffen werden müsse: Joachim II. „der Reiche“ auf Penkuhn, Löcknitz usw.
erklärte sich bereit, hierbei den Anfang zu machen, allerdings unter dem
Vorbehalt, dass die übrigen Vettern seinem Beispiel folgen würden.

Auch sonst waren Kirchen- und Schulangelegenheiten zu regeln, so etwa der


Neubau einer Schule in Beetzendorf und die Suche nach einem Küster, der
gegen entsprechende Gehaltszulage auch als Organist einzusetzen sei. Wichtig
ist der Beschluss, für das Gebiet schulenburgischer Kirchenhoheit jährliche
Pfarrkonferenzen anzuordnen, die im Wechsel in Beetzendorf und Apenburg
stattfinden sollten.
Dass auch Burgfriedens-Pergament bzw. das Papier der Abschriften geduldig
sein konnte, zeigen zwei weitere Monita von 1584: Einerseits ermahnte man
dringend jene Vettern, welche die inzwischen zwölf Jahre zurückliegenden

132
Die Änderungen innerhalb der am 5. Mai 1644 beschlossenen Ordnung gegenüber dem
Vorgängertext von 1572 sind bei Riedel, CDB, A VI, S. 303-311 in Form von Fußnoten mitgeteilt.
133
Riedel, CDB, A VI, S. 313-315, Nr. 488, ad 1584 Juni 26; hiernach das Folgende.
73

Vereinbarungen noch immer nicht gesiegelt und damit für ihre Person rechts-
verbindlich vollzogen hatten, andererseits schien es unumgänglich, das leidige
Problem baulicher Unterhaltungs- und Instandsetzungskosten zu thematisie-
ren: Es zeigt sich damit, dass man bis 1584 weder die Türme von Beetzendorf
und Apenburg unter Dach gebracht noch den „Zwinger“ sicher eingedeckt
hatte, in welchem das Pulver verwahrt wurde und wo man u.a. auch die
Geschütze einzulagern gedachte.
Auch beim holzfressenden Einzäunen von Pachtäckern oder auch Wiesen
wurde den bestehenden Ordnungen zuwidergehandelt; man mahnte deswe-
gen dringend die Einhegung der Flächen durch Gräben an.
Als man im Jahre 1597134 wiederum eine Zusammenkunft in Beetzendorf
hielt, gab es zunächst erneut eine dringende Ermahnung an einige inzwischen
volljährige Vettern, den Burgfrieden von 1572 zu vollziehen; auch die Kritik
von 1584 hinsichtlich der zu niedrig bzw. gar nicht verzinsten Kirchen-
kapitalien musste wiederholt werden. Nun wurden allerdings der Halberstäd-
ter Domherr Joachim Johann Georg sowie Hans XI. auf Walsleben mit der
Eintreibung der Gelder beauftragt.
Ein 1597 neuer Verhandlungsgegenstand waren die Wegelagereien schulen-
burgischer Knechte, die man – ohne Rücksichtnahme auf etwaige Einreden
seitens der als Herrschaft betroffenen Vettern von der Schulenburg - hart zu
bestrafen beschloss.
Auch Verstöße gegen die alleinige Zuständigkeit des Gesamtgerichts derge-
stalt, dass einzelne Vettern eigenmächtig Gericht gehalten und Geldbußen
eingezogen hatten, wurden 1597 scharf verurteilt; ebenso das standhafte
Fernbleiben namentlich der Söhne Werners XVIII. zu Apenburg von allen
Zusammenkünften des Geschlechts und ihre hartnäckige Weigerung, die Fa-
milienverträge zu siegeln135. Da sie außerdem noch die gemeinschaftlichen
Holzungen verwüsteten und ihre Vögte allerlei Mutwillen treiben ließen,
wurden gegen sie die scharfen Strafmaßnahmen des Burgfriedens – im
mehrstufigen Verfahren bis hin zur Klage beim Kurfürsten – ins Auge gefasst.
Nicht nur innere Probleme der beschriebenen Art, sondern auch Fragen der

134
Danneil, Schulenburg I, Anhang, S. 26-29, Nr. 21, ad 1597 Januar 28; hiernach das Folgende.
Unterschrieben für den Weißen Stamm durch Joachim IV., Fritzens Sohn (stellvertretend für
Busso VI., den abwesenden Senior des Weißen Stammes); Fritz IX., Hansens Sohn; Albrecht VI.,
Christophs Sohn; Domherr Joachim Johann Georg, Christophs Sohn; Hans, Sohn des Busso;
Busso, Sohn des Hans; Georg Christoph, Sohn des Kaspar auf Polleben, sowie für den Schwarzen
Stamm durch Georg „den Reichen“, Sohn Levins I. als Senior des Schwarzen Stammes; Richard,
Joachims Sohn auf Lieberose usw.; Werner, Sohn des Hans auf Klötze sowie Levin, Albrecht und
Hans, die Söhne des Landeshauptmanns Werner XVII.
135
Hiermit erwiesen sie, die innerhalb der Überlieferung kaum in Erscheinung treten, sich als
Söhne ihres unruhigen und keinem Konflikt aus dem Wege gehenden Vaters (zu ihm:
Schulenburg/Wätjen, wie Anm. 8, S. 112-113).
öffentlichen Sicherheit kamen 1597 zur Sprache, als man etwa erwog, den
untätigen landesherrlichen Landreiter durch einen eigenen zu ersetzen, um
die Straßen von streifenden Gardebrüdern und sonstigem Gesindel rein halten
zu lassen. Zollverstöße der Salzwedeler, die es mehr und mehr zur Gewohn-
heit machten, den schulenburgischen Zoll in Richtung Gardelegen zu umfah-
ren, kamen 1597 ebenso zur Sprache wie nachbarliche Jagdübergriffe, denen
man entgegenzutreten beschloss. Ordnungspolizeiliche Aspekte wurden mit
dem Problem des übermäßigen Vieheintriebs der Beetzendorfer sowie dem
unbefugten Fischen der Audorfer und Griebener u.a. in der Jeetze berührt.
Auch hinsichtlich der zunehmenden Nachlässigkeit der Beetzendorfer bei der
Reinhaltung sowie dem winterlichen Aufeisen der Burggräben wurde 1597
Klage geführt und auf Abhilfe gesonnen; Säumigkeit musste für die Wach-
dienste der Bewohner des Steinwegs konstatiert werden und auch hierbei
sollten alte Ordnungen tunlichst erneuert werden. Dem Streben nach Sicher-
heit war auch der Beschluss geschuldet, die Zugänge zum Flecken und zur
Vorburg durch Tore und Zugbrücken zu sichern.
Hinsichtlich der jährlichen Zusammenkünfte einigte man sich schließlich
1597 darauf, die Teilnehmerzahl dieser Treffen künftig zu reduzieren, d.h.
sich dabei auf je zwei gewählte Vertreter eines jeden Stammes zu beschränken.

Obwohl inzwischen die Unruhen und Verheerungen des Dreißigjährigen


Krieges über die Altmark und damit auch über das schulenburgische
Herrschaftsgebiet hereingebrochen waren, raffte man sich im Oktober 1642136
75

doch die Türme von Beetzendorf und Apenburg bis zum heutigen Tage als
Zeugnisse einer rasch und erfolgreich verdichteten Adelsherrschaft, deren
Anfänge nunmehr sieben Jahrhunderte zurückliegen. Eher unscheinbare
papierene Überbleibsel des 16. Jahrhunderts zeigen in Gestalt der schulenbur-
gischen Burgfrieden sowie vor allem der Kirchen- und Gerichtsordnungen
allerdings, dass adelige Herrschaft mit dem Siegeszug der Wittenberger Refor-
mation kaum mehr als reines Machtprinzip um seiner selbst willen wahr-
genommen werden kann, sondern als ernsthaftes, aus eigener Überzeugung
erwachsenes Streben, die Welt vor dem Hintergrund einer durch Luther und
Melanchthon neu entwickelten Verantwortung zu ordnen und zu gestalten.
76

Quellenanhang

Vorbemerkung:
Die folgende Edition folgt im Wesentlichen den AHF-Empfehlungen zur Edi-
tion frühneuzeitlicher Texte in ihrer Fassung von 2013137, weicht jedoch in
folgenden Einzelheiten von ihnen ab: N-Verdoppelungen werden dort, wo sie
in sprachlicher Hinsicht wirkungslos sind, getilgt; ansonsten bleibt der Konso-
nantenbestand erhalten. Die Interpunktion wird nur dort gegenwärtigen Ge-
pflogenheiten angeglichen, wo dies im Interesse eines besseren Verständnisses
unumgänglich erscheint. Im Druck nicht darstellbare Abbreviaturen (bei
Währungseinheiten) wurden aufgelöst und in eckige Klammern gesetzt; die
Seitenzahlen der archivalischen Textvorlage stehen in Spitzklammern.

Kirchen und Gerichts


Ordnung dero von
Der Schulenburg zu
Betzendorff undt
Apenburgk138

Auffgerichtet Freytags nach Michaelis


Archangeli Im jahre Ein tausent Fünff
Hundert und Zwey und Sieben-
tziegsten

137
http://www.heimatforschung-regensburg.de/280/1/E-Forum_AHF-Empfehlungen.pdf (24.01.
2017).
138
LASA, MD, H 22 I, Nr. 8, fol. 1-14 ad 1572 Oktober 3. Abschrift mit deutlichen Gebrauchs-
spuren, lt. Sichtvermerk durch eigenhändige Unterschrift wohl des D[ietrich]. von der Schulen-
burg zu 1607 Juli 4 auf dem Titelblatt sowie anhand des paläographischen Befundes wohl schlüs-
sig in diese Zeit datierbar. Heutigen Ansprüchen kaum noch genügender Abdruck eines von
wenigstens zwei damals noch vorliegenden Texten aus dem Archiv des Schwarzen Stammes
(ohne näheren Standortnachweis) bei Riedel, CDB, A VI, S. 303-311 mit zahlreichen durch
Striche angedeuteten Kürzungen; die eigentliche Kirchenordnung von dort unter Hinzufügung
einer eigenen Abschnittszählung und vielfach textlicher „Glättung“ übernommen durch Emil
Sehling (Hrg.), Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts, Bd. III, Leipzig 1909,
S. 148-150.
77

<fol. 2r>Kirchen und Gerichts


Ordnung der von der Schu-
lenburgk [zu] Betzendorff
und Apenburgk

Es sollen jerlich in der Gerichten Zu Betzendorff und Apenburgk zwen


Gerichts Tage, als zu Betzendorff der eine Montags nach Cantate, der ander
zu Apenburgk Montags nach Michaelis gehalten werden.

Wurde sich aber befinden, das von nöhten sein woldte, auch den dritten
Gerichtstagk zu haldten, Soll den vettern, so anwesent, heimgestaldt sein,
denselben Montags nach Trium Regum anzustellen und zu haldten139.

Bey den Gerichtstagen sollen die anwesende Vettern oder io zum Wenigsten
einer selbst sitzen, darauff gutte achtung geben, das die Gerichte fein
ordendtlich gehaldten, Einem jeden was Pillich und Recht wiederfahren, und
keiner wieder recht zur unbilligkeit beschwert werden muege.

<fol. 2v>Wann dan auch vonnöhten, das ein sonderlicher Richter auch
Beysitzer und Schepfen140 zu den Gerichten verordnet werden, als haben sich
die Vettern von der Schulenburgk dahin verglichen, Das im anfange ein
bescheidener Mann etwan aus Salzwedell zum Richter bestaldt wuerde,
demselben mochte man eine Besoldung ungefehrlich vor einen Gerichts tagk
Zu haldten, Fünff oder Sechs tahler von den Gerichts oder ander gemeinen
gefellen vermachen, demselben soldten Sechs Schöpfen, als zwen Schöpfen aus
Betzendorff, zwen aus Apenburgk und Zwen Schultzen von den dörffern,
Jedes Parts einen, Zugeordnet sein, Dieser Richter und Schöpfen muesten den
von der Schulenburgk auff die Gerichte sonderlich beeidet sein, wie man sich
der form des Eydts mitteinander vergleichen kann.

Vor diesen Gerichtstagen sollen stehen die Einwohner beider Flecken


Betzendorff und Apenburgk, aller Dorffschaften, auch ein theil Pawren, so zu
berurten beiden Heusern gebraucht werden, und doruber die von der
Schulenburgk Ihren Gerichts Zwangk haben141.

139
1644 wurden als Gerichtstage der Montag nach Exaudi und der Montag nach Galli festgelegt
(Riedel, CDB, A VI, S. 303).
140
Schöffen.
141
Den Zusammenhang zwischen adeliger Gerichtshoheit und bäuerlicher Dienstpflicht sieht
auch Hartmut Harnisch (Ders., Bauern – Feudaladel – Städtebürgertum (…), Weimar 1980
(Abhandlungen zur Handels- und Sozialgeschichte, hrg. Von der Hansischen Arbeitsgemein-
78

<fol. 3r> Domit auch im anfange menniglich142 und sonderlich so diesem


Gerichts Zwange underworffen, sich dieser Gerichts Tage keiner unwißenheit
halber Zuendtschuldigen, Soll in den benachbarten Stedten, auch in den
Dorffern solches angeschlagen und von den Kanzeln abgekuendiget werden,
dornach sich menniglich zu richten wißen muege.

Und weil denn kundt und offenbahr, das durch guhte Ordenung und Geseze
nicht alleine guhte richtigkeit in Polliceysachen erfolgen, Besondern auch die
gehorsamen und frommen bey ihren rechten geschüzt, gehandhapt und
erhaldten, die ungehorsamen aber dodurch zu gebürlichen gehorsamb
gebracht werden, Als haben sich alle von der Schulenburgk nachfolgender
artickell voreiniget und vorglichen, Und wollen, das dieselbige bey
ausgesetzter peen143 und unnachleßiger Straffe von Menniglichen, denen sie
als als Ihren underthanen Zugleich und Recht mechtig, sollen gehaldten und
alle uff und jede Gerichts tage offendtlich abgelesen werden, dornach sich ein
Jeder Zurichten haben muege, Nemblich

<fol. 3v> Es sollen Pillig alle die, so sich Christlich Nahmens rümen, für allen
dingen Das Jenige, was zum Reich Christi oder Gottes und seiner
Gerechtigkeit gehoret, Mitt fleiße suchen, Das Ist: Gottes wordt mit Lust und
Liebe hören, die heiligen hochwirdigen Sacramenta mitt aller Ehrerbietung
gerne und offte gebrauchen und Ihr ganzes Leben und wandel also anstellen,
das es mitt dem Göttlichen worte und christlichen Nahmen uber einstimme,
Wiederumb auch fliehen und meiden alles, was demselben Zu wieder ist, Und
solches alles aus wahrer Liebe und furcht Gottes, auch freywilligem Gemuehte
und gehorsamb, domit es keines Dräuwens, Straffens noch Zwanges bedurffe.

Aber man findet leider in aller Weldt das wiederspiel, das, obschon die leuhte
nichts oder ie gar wenig von Gottes wordt wißen und verstehen, gleichwoll
dasselbe zu lernen sich gahr nicht befleißigen, die heiligen Sacramenta
verseumen und verlaßen, als wan Gott und ihrer sehlen sehligkeit gar nichts
daranne

<fol. 4r> gelegen wehre, und gerahten also in wustes unartiges Viehisches
[leben]144, In Gottes lesterung, Unzucht und alles Ubel, und obwoll die

schaft der Historiker-Gesellschaft der Deutschen Demokratischen Republik, Bd. 20), S. 73 unter
Bezugnahme auf den entsprechenden Bericht des August von Haxthausen von 1830.
142
Hier und im Folgenden in der Bedeutung: „Jedermann bzw. ein Jeder“.
143
Von lat. „poena“ (Strafe); hier Strafzahlung im engeren Sinne.
144
Ergänzt nach Riedel, CDB, A VI, S. 304.
79

Prediger Gottes ernsten Zorn, zeitliche und ewige Pein und Straffe drewen
und aus Gottes wort verkündigen, Dieselbige aber darauff alsbaldt nicht
erfolget, So schlecht145 man solche Straff-Predigt, dreuung und warnung
sicherlich und vorechtlich in den windt, Derohalben wir uns als von Gott
geordneter Obrigkeit dieses Gerichts schuldig erkennen, ein Pilliches und
ernstes Einsehen zu haben, domit der verseumung des Gottlichen worts, der
hochwirdigen Sacramenta, Sunden und ergernussen gesteuret, und unser
Leuhte und Unterthanen in erkendtnus Gottes und aller Gottsehligkeit
unterrichtet werden,

Und nach dem es mit den Predigern und der Predigt also versehen und
bestaldt146, das nicht allein am Sontage /: wie gewohnlich :/ vormittage eine
Predigt gehalten werde, Besondern auch nach mittage die Hauptstucke
Christlicher Lehre nach dem Cathegismus Lutheri auffs

<fol. 4v> einfeldtigste fleißigst und treulichste euch vorgetragen werden,


Uber das noch eine Jede woche noch eine sonderliche Predigt geschehen solle,
undt damit der Gottes dienst und ewere Sehligkeit gefoddert, und Ihr eweres
außenbleibens und unwißenheit keine endtschuldigung fuerzuwenden habet,
So haben wir freywillig Zugelassen und vorwilliget, das an dem Tage und zu
dero stunde, da die Wochen-Predigt an geschieht, Sollet des herndienstes bis
nach vollendter Predigt uberhoben und gefreyet sein147.

Wier gebieten aber erstlich und erfoddern ernstlich bey vermeidung


Landthafftiger148 Straffe, das ein Jeder sich zu solchen Predigten undt Kinder
Lehre treulich und unaußbleiblich finden, sein Weib, Kindt und Gesinde
dozuschicken oder mit sich bringen wolle, hierinnen keinen verzugk übe,
Besondern, sobaldt man verleutet hat, In die Kirchen komme, Gottes wordt
anhöre, neben der Christlichen versamblunge Gott Lobe und Preise mit
singen, beten, dancken p. bis zum ende des ambts:

Do aber in diesem allen Jemandt vorechtlich, nach-


<fol. 5r> leßig undt seumigk erfunden wurde, als der Zur Kirchen nicht
ginge, die seinen nicht dorzu hielte, aus der Kirchen lieffe, ehe es auße wirdt,

145
schlägt.
146
bestellt.
147
Bis 1644 wurden die Wochenpredigten offenbar wieder eingestellt; sie finden in der damals
überarbeiteten Gerichtsordnung jedenfalls keine Erwähnung mehr (Riedel, CDB, A VI, S. 304,
Anm.).
148
Wohl verschrieben für „namhafftiger“: So jedenfalls bei Riedel, CDB, A VI, S. 304.
80

auf dem Kirchhoffe eine waschmarckt149 anstellet, der sol allezeit, so offte ehr
Ubertrit, Zwen gulden zur Straffe in gemeinen Kasten150 geben.

Item da am Sontage oder an großen Festen, welche man pillich feyern, das ist,
mit heiligen wercken zubringen, Jemandts Erbeit fuernehmen werde, da soll
ein ackerman ein halben [Gulden], ein Cossat ein orts [Gulden] zu straff geben
in gemeinen Casten.

Weiln aber am Kirchen gehen gros vorhindernus bringt, das unter der Predigt
Bier undt Gebrandtwein verkaufft werden, So thun wir solches auch hiermit
ernstlich verbieten, do aber Zu solcher Zeit ein Krueger wurde Bier sellen151,
Soll ehr seinem Junckhern ein faß Bier oder drey tonnen Salzman152 verfallen
sein. Gleicher gestaldt so uff die Zeit Imandt Branttenwein sellen wurde,
sollen dieselben einen [Gulden] Straffe geben und der Wahren verlustig sein.
Wehr sich auch sonsten unter der

<fol. 5v> Predigt In den Krugk oder beim Brandtwein finden lest, der soll
einen halben [Gulden] in gemeinen Casten geben, So soll auch in den
gemeinen Marckten153 vor der Predigt kein Kram154 geöffnet sein; wurden aber
die Cramer dem nicht gehorsahmen, sollen sie einen tahler den gemeinen
gefellen155 vorfallen sein.

Zum andern, wan die Pfarhern befinden, das etzliche ihrer Pfarkinder zum
wenigsten nicht ein oder zwei mahl Im Jahr zur Beicht undt heiligen
Sacramenta gienge, die sollen Sie erstlich zum fleißigsten dorzu vermahnen

149
Plauderei (vgl. Jacob und Wilhelm Grimm, Deutsches Wörterbuch, Bd. 1-16, Leipzig 1851-1954
(im Folgenden abgek. „Dt. WB“), hier: Bd. 13, Sp. 2263).
150
Unter dem „Gemeinen Kasten“ verstand man seit der Wittenberger Reformation die zentrale
Kirchenkasse hauptsächlich zur Bestreitung von Aufgaben zur Armenpflege (im städtischen
Umfeld auch zum Unterhalt der Schulen und zur Besoldung der Kirchen- und Schulbediensteten).
Zur Institutionalisierung dieser Einrichtung: Tim Lorentzen, Johannes Bugenhagen als Reforma-
tor der öffentlichen Fürsorge, Tübingen 2008 (Spätmittelalter, Humanismus, Reformation, Bd.
44).
151
feilbieten, verkaufen (wie im Englischen).
152
Zum „Soltmann“ dem traditionellen Salzwedeler Bier: Arndt Eberhagen, Rekonstruktions-
versuche zum Brauwesen und zum Bier im mittel- und nachmittelalterlichen Salzwedel. In: 66.
Jahresbericht des Altmärkischen Vereins für vaterländische Geschichte zu Salzwedel, 1986, S. 76-
111, der sich S. 84 auf das Vorkommen der Bez. in der hier edierten Gerichtsordnung bezieht.
153
Bei Jahrmärkten, wie sie wenigsten für Apenburg mit dem durch das seitens der v. der
Schulenburg initiierte Marktprivileg von 1445 möglich geworden waren (Riedel, CDB, A V, S.
419-420, Nr. 222 ad 1445 April 25).
154
Kramladen.
155
Im Gegensatz zum kirchlichen Gemeinen Kasten ist hier die Gesamtgerichts-Kasse gemeint.
81

und Straffen, und do das bei Ihnen nicht früchte schaffe, Sollen sie es der
Obrigkeit vormelden, und soll ein Jeder seine Unterthanen straffen oder
desselben Gerichte vorweisen, Und soll ein solcher gar in der gemeine nicht
gelitten werden.

Zum dritten, weiln wir befunden, das unter unsern armen Leuhten, In unsern
dörffern fast hin und wieder große unordnung der Hochzeit undt Kindtteuffe
halben furfeldt, also das sich mennich arm Mann uber sein vermuegen
kostenn lesset, Derohalben

<fol. 6r> wir aus wohlgehabten Rahte und gutter bedacht ein einsehen
furgenommen, damit die arme Leuhte sich selbst nicht vorderben, Undt haben
uns drauff vorglichen, das kein Baur uber zwey, drey oder uffs hogste vier faß
Bier oder viertzehn tonnen zur Hochzeit haben solle, und do Jemandts
hieruber thadte und diesem nicht gehorsamb leisten woldte, So soll derselbige
den gemeinen gefellen drey thaler zur Straffe geben und verfallen sein, Undt
nach dem auch offendtlich befunden, das in unsern Gerichten allerlei unradt
der verlobnus halber vorfellet, also das menniger verzweiffelter Bube oder
leuhte betrieger lauffen kompt, freien einem armen Manne seine Tochter,
Schwester oder Magdt abe, damit sie ein wenigk geldes an sich bringen, und
nach geschenem Beilager die armen Weiber sizen laßen undt wieder davon
lauffen,
Uff den artickull, damit der Boßheit möchte gewert werden, haben wir
beschlossen, das keiner von unsern Underthanen Seiner Tochter, Schwester
oder Magdt einen lauffenden losen Buben verloben solle, Er wiße dann zuvor

<fol. 6v> guht bescheidt und solche kundtschafft, das er eigentlich wiße, wo
er daheim oder seine freundtschafft156 sitze, Oder ob er auch zuvor bereit ein
weib habe oder der gleichen.
Zudeme So soll auch nach altem gebrauch Braut und Breutgam drei mahel
Zuvor, Als Nemblich auff dem Sontage auffgebotten werden, ehe und zuvor
das Beylager geschicht. Es sollen auch dieselbige Unsere Underthanen
vorpflichtet sein, So er seine Tochter, Schwester oder Magdt verloben will, ein
ieder seinen Junckhern oder in dessen abwesen dem Pfarrhern zuvor
anzeigen, damit alle Dienge fein ordentlich zugehe[n] und der Buberey
gesteuret werde p.

Zum Vierdten befinden wir auch, das unter unsern Leutten fast eine große
unordnung mit der Kindtstauffen gehaldten werden, also, das etzliche ihre

156
Im 16. Jh. allg. in der Bedeutung von „Verwandtschaft“.
82

Kinder acht oder vierzehn tage undt noch lenger ungetaufft liegen laßen,
Daruber dan mennig armes Kindt vorseumet, Druff haben wir uns also
verglichen, das nun hinfuero kein Baur sein Kindt uber drey tage ungetaufft
solle liegen laßen157, und wehr hieruber thut und sein Kindt lenger ungetaufft
liegen ließe,
<fol. 7r> Soll dem gemeinen Kasten 3 [Taler] zur Straffe verfallen sein.

Item, Es soll auch keiner zu einer Kindtstauffe uber 2 tonnen Bier schencken
bei vormeidung eines thalers Zur Straffe in gemeinen Kasten, welche bruche
auch unnachleßig sollen genommen werden,

Zum Fünfften Sollen keine Zauberer oder Zeuberinnen, die sich Christallen
Kicken158, Wahrsagen[s] und Segens understunden, vorschwiegen werden,
Sondern die Pfarherr und Schulgesell uns den Junckhern anzeigen, die sollen
uffs herteste gestrafft und im Gerichte nicht gelitten werden, domit solchen
großen greuwel und Sunden gewehret werden muege.

Zum Sechsten, das grewliche fluchen, schweren und do Gottes Nahme mit
gelestert wurde, wie leider geschieht, soll ernstlich hiemit verbotten und
gentzlich abgeschaffet sein, undt die sich deßen nicht endthaldten, Sollen auch
fünff [Groschen] dem gemeinen Kasten geben, undt auch von der Obrigkeit
sonderlicher ernster straffe gewertigk sein p.

<fol. 7v> Zum Siebenden, Soll auch das unzuchtige leben und wesen
ernstlich verbotten sein, kein gemeine weib159 geduldet, auch die unehelich
zusahmen liegen, durch die Schultzen dem Junckhern vormeldet werden, die
wollen dieselben mit ernste Straffen, auch aus den Gerichten weisen, und do
einer eine Magdt wurde schwechen160 oder unehren, derselbige Soll zu den
gemeinen gefellen Zwanzig gulden Straffe geben und die Magdt, so sich lest
Zufalle bringen, zehen gulden.

157
Die mecklenburgische Polizeiordnung von 1572 sah sogar eine nur eintägige Frist zwischen
Geburt und Taufe vor: „Der Dürchleuchtigen Hochgebornen Fürsten und Herren, Herrn Johans
Albrechts und Herrn Ulrichs gebrüdern Hertzogen zu Meckelnburgk, Fürsten zu Wenden, Grafen
zu Schwerin, Der Lande Rostock und Stargardt Herren Policey und Landtordenunge; auffs newe
ubersehen, vermehret und mit ihrer Fürstlichen gnaden Underthanen und Stende rath und
bewilligung ... Publicirt und ausgangen“, Rostock 1572, S. 111 (Digitalisat der Bayerischen
Staatsbibliothek München; http://nbn-resolving.de/urn/resolver.pl?urn=urn:nbn:de:bvb:12-
bsb00037975-1 [25.01.2017]).
158
Kristallen-Kiker: Leute, die aus einer Kristallkugel oder einem Prisma wahrsagen
(Schiller/Lübben II, S. 571-572).
159
Prostituierte (Dt. WB, Bd. 4.1, Teil II, Sp. 3174-3175).
160
schwängern.
83

Zum Achten, Damit ein fleißiges auffsehen geschehe auff die Ungehorsamen,
und die Straffen auch treulichen eingebracht werden, So soll zu den aldter
leuhten161 noch einer von der Gemeine darzu erwehldt werden, die neben und
mit dehnen hieruff fleißige achtung geben undt die Straffe einfodern von den
Ubertretern, und dieselbigen in den gemeinen Kasten legen, Do auch etlich die
Straffe nicht woldten erlegen, alsdan sollen sie dieselbigen stades vor Gerichte,
wan die gehaldten werden, vormelden. So sollens die also einbringen und
doZu auch vom Gerichte gebueßet werden.

<fol. 8r> Zum Neunden, So auch aldter Leuhtte und derselbige, so von der
gemeine, Bruckfelligk[e]162 wurde nicht foddern163 oder das verschweigen, so
sollen die auch fünff groschen in den gemeinen Kasten legen, und auch von
der Obrigkeit, so offte sich solches begibt, gestrafft werden,

Zum Zehnden, Sollen auch die Kirchhöffe vermacht164 werden, das kein Viehe
druff kommen kann, und so offt das Viehe druff befunden, Soll derselbige, dem
es gehöret, fünff [Groschen] in gemeinen Casten legen,

Zum Eilfften, Sollen Zu vorstehern der Kirchen oder aldter Leuhten guhtte
fromme Leuhte erwehlet werden, und die dozu duchtig und fleißig, sollen alle
Jahr nicht abgesezt werden, sondern ein Zeitlang dobei bleiben, Sie sollen auch
Jerlich den Junckhern, den Pfarhern und Schulzen, auch zwene von der
Gemeine, Von Einnahme und Außgabe Rechenschafft thun, vermuege der
Churf[ürstlichen] Ordnunge165, und die in der Kirchen schuldig sein, Sollen
dasselbe, so offt man rechnet, vierzehen tage hernach der Kirchen zahlen,
Oder von den Junckhern, der die Pfarr Zuverliehen hatt166,

161
Kirchenvorsteher (vgl. mnd. ‚olderman‘ bei Schiller/Lübben III, S. 223); siehe auch die
selbsterklärende Formulierung unten in Abschnitt 11.
162
straffällig im Sinne des mnd. brokhaftig (Schiller/Lübben I, S. 430).
163
fordern; hier im Sinne von „zur Zahlung der verhängten Bußgelder anhalten“.
164
eingehegt.
165
Die bei Sehling, wie Anm. 138, S. 16 lediglich knapp angesprochene Visitationsinstruktion von
1558 (Ordnung vnnd satzung / so des Durchleuchtigsten hochgeborn F[ue]rsten vnnd Herrn /
HErrn Joachims Marggraffen zu Brandenburgk / des Heiligen R[oe]mischen Reichs
Ertzkammerers / vnd Churf[ue]rsten etc. vnsers gnedigsten Herrn vorordente Visitatores, den
Patronen / Pfarrern / Gotshaußleuten / vnd Gemeinden / der D[oe]rffer inn S. Churf: G. Landen
vnnd Churf[ue]rstenthumb der Marcke zu Brandenburg / sich darnach inn Geistlichen sachen
zurichten / gemacht / auffgerichtet vnd vbergeben / [Ged]r[ue]ckt zu Franckfurt an der
Oder/durch Johan Eichorn/ ANNO || M. D. LVIII (Digitalisat der Staatsbibliothek Berlin
(http://digital.staatsbibliothek-berlin.de/werkansicht/?PPN=PPN793131499 [24.01.2017]))
enthält in Kap. 20 eben diese Bestimmungen.
166
dem Inhaber des Kirchenpatronats.
84

<fol. 8v> derselbigen Kirchguetter endtseztt werden, dieselben macht haben,


die guetter and[eren], so beßer zahlen, wieder einzuthun mit wißen der
Pfarhern, Es sollen auch die retardaten167, was ein Jeder in der Kirchen
schuldig ist, zwischen hie und Ostern eingebracht werden, oder die lenger
drein schuldig bleibt, Sollen der Kirchenguetter vorlustigk sein, Es sollen auch
Kirch Leuhte darauff verdacht sein und befodern, das die Kirche stets in
guttem Dacken und fachen gehalten werde, Desgleichen auch denen Pfarhern
und Kuester Ihr gebuer Zu rechter Zeit erleggen, die aber hieran seumig
erfunden, Sollen solches dobbeldt Zubezahlen Pflichtig sein.

Zum Letztten, Wann an den Pfarn, Kirchen und Custereyen zu bawen nöttig,
Sollen die acker leuhte mit der fuhre, deßgleichen die Cossaten mit der handt
arbeit dazu helffen, und welcher sich deßen wirt weygern, wens ihnen von
den Junckhern und Schulzen wirt angesagtt, So soll der ackerman den
Gemeinen Casten einen halben und der Coßat ein orts [Gulden] geben, und
der gemeine eine Tonne Bier vorfallen sein,
Desgleichen sollen sie auch derselbigen Straffe verfallen sein, wan sie zu
gemeinen wegen
<fol. 9r> nicht helffen werden, wens Ihnen angekundigt wirtt, Es sollen aber
die Pfarhern die Pfarrheuser Inn gutten Tachen und fachen haldten.

<fol. 9v>
Ordenunge der Gerichts
Straffen und wie es solle
gehalten werden bey
dehnen von der
Schulenburgk

Anfenglich sollen die Schultzen in den Dörffern alle Sontage nach der Predigt
vor dem Kirchhoffe, da dan ein Jeder Nachbar unausbleiblicher bey Straffe
Sechs Schill[ing] sein solle und wrögen168, was sich wochen uber in dem Dorffe
oder Gerichte habe zugetragen, Undt folgents alle woche dieselbe wrögen, wie
sie nach vorZeichnet, Ob sie Jemandt vorbrochen, dem Pfarhern doselbst
vorZeichnen laßen, und auff iedem Gerichts tage dieselbe einbringen. Wurde
aber einige wröge verschwiegen oder nicht gezahlet oder gethaen uber Eyde
und Pflichte, Soll der Jehnige der Herschafft unnachleßig einen halben
[Wispel] habern Zu straffe geben p.

167
Rückstände.
168
mnd. „rügen“ (als verbale Form) im Sinne von „zur Anzeige bringen“; entsprechend auch das
Substantiv (siehe unten) (Schiller/Lübben V, S.782-783).
85

Wenn einer Zu den Gerichten Zu rechter Zeit nicht kumpt, Soll zu Straff geben
1 thaler,
Es soll niemandts Hausleuhtte169 zu sich ohne der Junckhern vorwißen und
vorleube, vor Zwein [Gulden] straffe in die Gemeine gefelle, und der Gemeine
im Dorffe dorinnen sie genommen worden,
<fol. 10r> einen halben [Gulden], einnehmen, Eß sollen auch die hausleuhte
gleich andern Cosaten den halben dienst thun.
Soll hinfuro kein Kuehirte einige Barten170 ins Holz nehmen, do er doruber
begriffen, Soll er dem Vogdte einen halben [Gulden] straff geben und der
Barten vorlustig sein,
Sollen verdechtige Feurstetten171 auff den Mittwochen und Donnerstagk in
den Pfingsten, desgleichen Mittwochens und Donnerstags nach Martini
besichtiget werden, und wo die befunden, sollen enzwei geschlagen, auch soll
derselbe, bei dehme sie befunden worden, in die gemeine gefelle einen Tahler
Zur straffe geben.
Wo Jemandt befunden, dehr die Zeune einreisen oder in garten steigen wurde,
Soll in die gemeine gefelle 2 [Gulden], so offt er ubertretten wirt, Zur Straffe
geben.
Soll niemandt von Hausleuhten holz aus den gehölzen hawen und tragen, So
offt einer daruber befunden, sol den Vogdten einen halben [Gulden] Pfandt
geldt geben.
<fol. 10v> Soll sich niemandt an den vorsatzten Weiden vorgreiffen,
dieselben abhauwen oder uffziehen bei 3 [Gulden] straffe in der Gemeine
gefelle172.

169
Hier in der Bedeutung von Häuslern, d.h. Bewohnern vermieteter Häuser ohne Landbesitz
oder auch Einliegern. Zum numerischen Anwachsen dieser unterbäuerlichen Gruppe in der
zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts u.a. in der südlichen Altmark vgl. Harnisch, Bauern, wie
Anm. 141, S. 35-37.
170
Barde = mndt. Beil (Schiller/Lübben I, S. 152). Das Mitnahmeverbot erfolgte, um heimliches
bzw. unbefugtes Holzhauen zu unterbinden. Es findet sich in zahlreichen landesherrlichen
Forstordnungen der Zeit.
171
Hier im Sinne von „Feuerstellen“. Die jährlich zweimal stattfindende Feuerschau trug der
Tatsache Rechnung, dass schadhafte Feuerstellen und Rauchabzüge allzuhäufig zu Brandkatas-
trophen führten, denen ganze Dorfschaften und Flecken zum Opfer fielen.
172
Die Bedeutung von Weidenruten jeder Länge und Dicke war enorm: Sie wurden nicht nur im
Rahmen der Korbmacherei benötigt, sondern spielten auch beim Hausbau (als tragendes und
damit unverzichtbares Gerüst bei Gefachfüllungen) sowie als Rohmaterial für alle Arten von
Flechtzäunen eine herausragende Rolle. Aus diesem Grunde wurden Weiden gezielt kultiviert
und geschützt. Hierzu demnächst Bernd-Wilhelm Linnemeier, Vom „Weistum“ zur „Holzord-
nung“ – Lenkungskonzepte zur schaumburgischen Waldnutzung als Zeugnisse obrigkeitlicher
Ordnungsvorstellungen im 16. und 17. Jahrhundert. In: 1615 - Recht und Ordnung in Schaum-
burg (Schaumburger Studien Bd. 74, im Druck).
86

Sollen die hirten und Schepfer173 das Viehe warten, das sie damit den
Junckhern und Leuhten auff Ihrer sahedt, wische oder gehege keinen schaden
thun, und do Jemandts druff befunden oder gesehen wirdt, Soll dem Vogdte so
Ihnen befindet oder antrifft einen halben [Gulden] Zu Pfandtgelde Und
dehme, welchen das Korn, wischen oder gehege gehörtt, einen thaler geben,
Und do auch befunden wurde, das schaden geschehen, den sollen sie wie
dieselbe durch die Schultzen und geschworene gewirdert174 wirt, geldten p.
Auch soll niemandt [auff den loden175 hüten, und do Jmant dorauff befunden
wurde, soll in die gemeine gefelle vier gulden zuer straffe und den Voigten Ihr
Pfandt gelt geben]176
Sollen die, so in Spickern177 wohnen, gleich anderen Hausleuhten dienen, Es
wehren dan aldte vorlebete Leuhte, die unvormuegens halber nicht dienen
konten p.
<fol. 11r> Sollen ein Jede Dorffschafft nach gelegenheit des Dorffs etzliche
ledern Eymer, Leddern und feur Haken zwischen diesem und dem nehisten
Gerichtte zeugen, Do aber demselbigen von Ihnen nicht nachgesezt wurde,
Sollen dieselben von Dehnen es vorblieben wirdt, in die gemeine gefelle 5
[Gulden] weniger oder mehr nach gelegenheit des dorffs und der vettern
erkendtnus zur Straffe und den Mennern eine tonne Bier geben.
Soll niemandts dem andern abePfluegen, wehr aber solches thut, Soll in der
Gemeine gefelle einen Tahler Zur Straffe und den Mennern eine Tonne Bier
geben.
Soll niemandt in den Gerichten schießen gehen oder hasen Kuhren178, wer
daruber befunden, Soll in der gemeine funff gulden Straffe geben, und
Zugleich der Bucksen179 verlustig sein p.
Sollen die Leuhte die wischen in den Gerichten, so an und in den hölzern
liegen, alle

173
Schäfer.
174
Von amts wegen bewertet/geschätzt (Dt. WB, Bd. 13, Sp. 1988 unter „wardiren“ (auch:
„wirdern“ bzw. „würdern“)). Der Terminus tritt in den Rechnungen der kurmärkischen Stände
bereits um 1540 mehrfach in Erscheinung (Walter Friedensburg (Hrg.), Kurmärkische Stände-
akten aus der Regierungszeit Kurfürst Joachims II., Bd. 2, München/Leipzig 1916, S. 638 ad 1540:
„Was in der landsteur durch die geschigten des churfursten mit der wirderunge der gutter
vorthan...“.
175
Anpflanzungen von Jungbäumen bzw. Baumschösslingen, die durch Viehverbiss ruiniert
worden wären. (zur Bedeutung des Wortes siehe Schiller/ Lübben II, S. 713).
176
Ergänzt nach dem Abdruck bei Riedel, CDB, A VI, S. 308.
177
Speichern.
178
auflauern, nachstellen im jagdlichen Sinne (Schiller/Lübben II, S. 602-603 mit Beleg aus
Braunschweig 1425: „neyn unser borger schal hasen kuren“).
179
Büchse.
87

<fol. 11v> begraben180 und hinfuero nicht mit holze bewircken181, auch die
gruben in esse haldten und weiter in die hölze nicht eingraben, dan wie Ihnen
vermahlet und abgestochen worden, Welcher unter den Leuhten solches nicht
haldten wurde, der soll von den gemeinen gefellen, in welches theilung ehr ist,
So offt hie wieder gelebt, eingelegt werden, Soll auch solch ein Lager haldten,
Biß so lange der Vorbrecher die gruben wieder gemacht, wurde der aber solch
ein Lager nicht haldten, Soll ehr allemahel 5 [Gulden] zur straffe geben p.
Do auch einer Beume auff den wischen abehauwen oder beschedigen wurde,
der soll dafuer gebuerlichen abtragk machen.
Wenn sich Ihrer Zwene Reufen, Soll der anheber Zu Straffe geben einen
Tahler p.
Wenn sich zwen Blutrünsten, zur Straffe sollen sie geben 2 [Gulden]
Wenn sich Ihrer ezliche vor Diebe, Schelmen
<fol. 12r> und sonsten scheldten, aber nicht bewiesen können, Sollen Zur
Straffe geben 1 [Gulden],
Soll es auch also mit den Frawen, Megden und leddigen gesellen gehaldten
werden.
Wenn einer den andern in seiner behausung bewaldtiget und einfallen
wurde182, Soll seine Straffe Zehn Tahler sein p.
So einer dem andern vor wegelagert auff der Straßen oder im felde uberfellet,
Zur Straffe soll er geben Zehen tahler.
Soll in keinem Gerichte von geschehenen Erbfellen ohne vorwißen der
herschafft Erbtheilung gehaldten werden, es sey dan, das die herschafft dozu
ordnen, domit die unmundigen Kinder oder Auslendische nicht verkurtzet
muchte werden, und die Junckhern als obrister Vormundt nicht davon
angefochten, auch Ihre geburlichen Abschoß183 davon bekommen möchten,
Bey Straffe zugeben 5 Tahler.
Wann einer in gehegen oder verbottenen
<fol. 12v> waßern fischet184, Zur Straffe 2 [Taler];
Wann einer mehr Schweine, dann ehr beschrieben leßet, im Mast Jagdt, Soll
ehr der Schweine verfallen sein p.

180
mit Gräben umziehen.
181
Und zwar zur Holzersparnis; eine häufig wiederkehrende Bestimmung landesherrlicher Holz-
ordnungen des 16. Jhs.. Zum gesamten Themenkomplex unter besonderer Berücksichtigung der
1572 erlassenen Holzordnung des Grafen Otto IV. von Schaumburg demnächst: Linnemeier, wie
Anm.172.
182
Gemeint ist hier der Rechtsverstoß des Hausfriedensbruchs.
183
Abschoss: Abgabe auf Vermögenswerte, darunter auch Erbschaften bzw. Erbanteile, die aus
dem Land bzw. Hoheitsgebiet gehen (Deutsches Rechtswörterbuch, wie Anm. 120, Bd. I, Sp. 264).
184
Unbefugtes Fischen und Krebsen wird bereits im Rahmen des Burgfriedens von 1531 erwähnt
(Riedel, CDB, A VI, S. 268).
88

Wann einer Eckern wurde lesen, Zur Straffe einen tahler, und die Eckern
zusambt den Sacke verliehren,
Wenn einer der Herrschafft die vorwirckte Straffe von einem Gerichtstage
Zum andern nicht giebet, Soll derselbe die Straffe gedubbeldt geben.
Wann einer ohne vorwißen der Gerichte selber Pfanden wurde, das Ihme
nicht erlaubet oder Rechtlichen ausgeclaget und die Pfande wegkfuehren
wurde mit gewaldt, der Soll zur Straffe geben 4 [Taler].
Wann einer Pfandtwegerung thut, Soll Zur Straffe geben 3 Tahler.
Do sich Jemandts vor Gerichte mit worten ungepuerlich hieldte oder den
andern liegen Straffen wurde, Soll zur wette 6 [Groschen] geben.
<fol. 13r> Die große verwürckung von howen, stechen, kannen werffen und
dergleichen185, weil man nicht weis wie es gerahten, wil die herschafft die Zu
Straffen fur behaldten haben.
Als denn sich auch befindet, Das unsere arme Underthanen und Leuhte die
Jehnigen von dehnen [ihnen] durch dieberey, Mordt, Todtschlag oder
dergleichen Straffe wirdig[e] handlung beschwerung Zugefueget worden, aus
unvormögen offte nicht verfolgen und sich Rechts an Ihnen erholen konnen,
Dardurch dann die Übeltahdter offte und Vielmals ungestrafft Pleiben, Und
aber dennoch die hochgste Notturfft erfoddert, das die bösen Buben derwegen
nicht gestercket, Besondern nichts desto weniger Zu gebuerlicher Straffe
gebracht werden,
Demnach so verordnen, Sezen und Wollen wir, das hinfuero, wann sich in
unsern Gerichten Oberzelte Mißhandlungen und derogleichen Straffliche
Tahdten begeben und Zutruegen, und das ganze Gerichte in beide unsern
Heusern darzu thun und erleggen, Undt
<fol. 13v> die Burden des Unkostens Zugleich tragen sollen, das also
gleichwoll die Iustitia erhaldten und die Vorbrecher der armen Leuhte
unvormuegens halber ungestrafft nicht bleiben durffen, und domit solches
desto schleuniger ins Wergk gerichtet, Soll ein Ackerman stedts Zu dero
behueff und Itzo alßbaldt ein schilling und der Coßatt ein halben schilling
auszahlen und darleggen,
Welches geldt nirgendts anders hin, dan wie obgemeldt soll gebrauchet
werden186, Also soll auch ein Dorff dem andern, wen es ersucht, Im Nachjagen
die huelffliche handt reichen, do aber ein Dorffschafft ersucht wurde und sich

185
d.h. der Bereich der Gewaltdelikte.
186
Also gewissermaßen als „Kriminaljustiz-Fond“, aus dem man die Ermittlungs- und Verfahrens-
kosten außerhalb des eigenen Hoheitsgebietes zu bestreiten dachte.
89

der NachJagdt187 weigere, Soll dasselbe den Vettern Zehn Tahler Straffe geben,
Wuerde aber ein enzeln Paur sich deßen weigern, Soll er ein tahler geben p.
In allen diesen Straffen Soll niemandts nichts erlaßen werden, Wehre aber an
Gelde unvermuegenheit halber nicht konte gestrafft werden, Soll mit dem
Gefengknus undt am Leibe nach gelegenheit d[er] verwirckung und uff
guhtachten der vettern bueßen p.

<fol. 14r> Die Gerichts Kosten belangendt


Vor die Citation zugeben 2 [Schilling]
Vor den gewirckten friede 2 [Schilling]
Vor einen Pfande Brieff 3 [Schilling]

Das diese Punct und articul Stede, Vehste und unvorbrech[lich] sollen
gehaldt[en] werd[en], haben wir Gevettern und Bruedere von der
Schulenburgk, als nemblich Christoffer Probst zu Dißdorff, George und Frize,
Albrechts se[ligen] Söhne188, Jacob, Matthias und Daniel, Matthias se[ligen]
Söhne189, Levin, ThumbProbst, und Christoffer, Thumbherr zu Havelberge,
Berndt, Ludolff, Dauidt, Joachim, Johans, George undt Joachim, Christoffers
S[eligen] Söhne190, Wedige und Joachim, Frizens se[ligen] Söhne191, Buße,
Caspar, Frize und Hans, Hanses se[ligen] Söhne192, Tonnies, Christoffs
se[ligen] Sohne193, Heinrich, Christoff und Burchardt, Frizens se[ligen]
Söhne194, alle des Aldten Parts, Undt dann Joachim, Richards se[ligen] Sohn,
Dietterich, Churdts se[ligen] Sohne, Albrecht, George, Werner, Heuptman der
aldten Marcke, Dietterich undt Berndt, Levins se[ligen] Söhne, George,
Werner und Christoff, Hanses se[ligen] Söhne, Und Christoff, Hans und
Heinrich vor uns und unsere Erben p. dieselben mit Unsern angeborenen
Pizschaffte vorsiegeldt, Geschehen zu Bezendorff Im Jahr nach der heilsahmen
Gebuert Christi unsers einigen Erlösers und allein Sehligmachers Tausent
Fünffhundert und Zwey und Siebenzigsten, Freytags nach Michaelis
Archangeli p.

187
Unter „Nachjagd“ verstand man die gemeinsame Verfolgung eines flüchtigen Straftäters (=
niederdeutsch „Naojagd“ bei Johann Friedrich Danneil, Wörterbuch der altmärkisch-plattdeut-
schen Mundart, Salzwedel 1859, S. 144).
188
d.h. die Söhne Albrechts III. (Nr.155).
189
d.h. die Söhne Matthias III. (Nr. 181).
190
d.h. die Söhne Christophs III. (Nr. 170).
191
d.h. die Söhne Fritz‘ VI. auf Beetzendorf (Nr. 157).
192
d.h. die Söhne Hans‘ VIII. (Nr. 165).
193
d.h. Anton, der Sohn Christophs II. (Nr. 166).
194
d.h. die Söhne Fritz‘ VII. auf Brome (Nr. 177).
91

Fritz VII. von der Schulenburg und der Niedergang des


mittleren Hauptzweigs der weißen Linie derer von der
Schulenburg
Besitzverhältnisse in Brome am Ende des 15. Jahrhunderts

Von Jens Winter

Am Ende des 15. Jahrhunderts bestanden in Brome neben der Burg Brome
noch weitere drei Lehenshöfe (Freihöfe), die vermutlich alle an der Südseite
der heutigen Hauptstraße lagen. Insgesamt sind nur wenige Informationen
über diese drei Lehenshöfe überliefert. Am 28. Oktober 1458 wurde
beurkundet, dass der damals wüste Freihof, der einmal denen von Hanow
gehörte, von dem damaligen Besitzer Henning von Bodendiek an Fritz IV. von
der Schulenburg wiederkäuflich verkauft wurde. Zum Hof dazu gehörte noch
die Mühle im benachbarten Steimke, ein Hof „auf der Ohre in Steimke“ sowie
die halbe Wüste Plessau, die sich ebenfalls in der heutigen Steimker Feldmark
befindet. Der Hof selbst war wüst und befand sich „by dem Vorwerke vor der
Borch darsüluest to Brome“1. Fritz IV. von der Schulenburg war der älteste
Sohn von Busso I. aus dem älteren Hauptzweig der weißen Linie. Zwischen
1488 und 1499 war er Landeshauptmann der Altmark2. Nach dem Kauf des
Hofes in Brome 1458 wird er endgültig am 7. Juli 1493 mit diesem belehnt3.
Am 2. August 1516 wird dann Albrecht von der Schulenburg, Sohn Fritz IV.
von der Schulenburg, zusammen mit seinen Brüdern Antonius, Fritz und
Jasper mit den oben genannten Bromer Gütern des inzwischen verstorbenen
Vaters belehnt4. In den folgenden Jahren muss zumindest die Mühle zu
Steimke in den Besitz von Fritz VII. von der Schulenburg übergegangen sein,
denn dieser verkauft die Roggenpacht aus der Steimker Mühle 1530 an das
Kloster Diesdorf.

Einen weiteren Freihof verkaufte Boldewin Sökeschuld am 25. April 1473 an


die Gebrüder Jacob, Hans und Busso von Bartensleben. Zu dem Freihof, der
hinter dem Kirchhof beim Pfarrwitwentum lag, gehörte die halbe Wüstung
Plessau, deren andere Hälfte wie oben erwähnt damals Fritz IV. von der

1
Johann Dietrich Bödeker: Das Land Brome und der obere Vorsfelder Werder. Geschichte des
Raumes an Ohre, Drömling und Kleiner Aller. Braunschweig 1985, S.116.
2
Johann Friedrich Danneil: Das Geschlecht der von der Schulenburg, Salzwedel 1847, Bd. 1, S.
347ff.
3
Bödeker S.117.
4
HSTAH Hann. Celle Or. 30, Nr. 1196.
92

Schulenburg gehörte, sowie die Mühle zu Wendischbrome5. Am 15. Januar


1474 bestätigte Herzog Friedrich der Ältere von Lüneburg diesen Kauf-
vertrag6.

Von 1438 an waren das Schloss Brome und der Bleek Pfandbesitz der Stadt
Lüneburg. Diese verpfändete Schloss und Bleek dann ab 1451 an Günther von
Bartensleben für zehn Jahre. Dieser Vertrag wurde dann immer wieder verlän-
gert, bis er schließlich von der Stadt Lüneburg 1489 gekündigt wurde. Am 10.
August 1492 wurde Fritz V. von der Schulenburg durch Heinrich, dem Herzog
von Braunschweig und Lüneburg, mit der Burg Brome belehnt. Das Lehen
umfasste allerdings nicht nur die Burg selbst, sondern auch den Bleek davor
und dem Freihof darinnen, auf dem Krateke wohnte. Mit diesem Hof ist der
dritte Freihof in Brome gemeint. Das Patronat der Bromer Liebfrauenkirche
verblieb allerdings beim Landesfürsten. Fritz V. verpflichtete sich in diesem
Lehensvertrag dazu, die Burg auszubessern und auszubauen und sie für den
Herzog von Braunschweig und Lüneburg offen zu halten7.

Fritz V. von der Schulenburg, der 2. Sohn Bernhards VIII. aus dem mittleren
Hauptzweig der weißen Linie, war ein Ritter, wie es auch im erwähnten
Lehensvertrag festgehalten wurde. Er wurde wohl 1466 geboren und verstarb
wahrscheinlich 1505. Er wohnte in Beetzendorf und war mit Armgard,
Tochter des Ludolph von Alvensleben verheiratet8. Fritz V. scheint kein guter
Wirtschafter gewesen zu sein, denn bei seinem Tod waren alle Güter verpfän-
det. Seine Witwe litt große Not und bewirkte durch Kurfürst Joachim, dass sie
mit den Gütern des Mannes ausgestattet wurde, um für ihr Eingebrachtes sich
einigermaßen entschädigen zu können9.

Fritz VII. von der Schulenburg

Sein Sohn Fritz VII. von der Schulenburg, der erstmals 1518 im Beetzendorfer
Burgfrieden erwähnt wird, erbt, wahrscheinlich zusammen mit seinen Brü-
dern, das Schloss Brome sowie den Bleek und den darin befindlichen Hanow´-
schen Freihof. Er war vermählt mit Anna von Krammen, mit der er zehn

5
Bödeker S. 118.
6
Ebenda.
7
Ebenda, S. 120.
8
Danneil Bd. 2, S. 485ff.
9
Ebenda.
93

Kinder zeugte10. Ihre beiden Söhne Levin und Curt ertranken 1548 im Burg-
graben zu Brome.

Ebenso wie Vater Fritz V. war auch Fritz VII. von der Schulenburg wohl kein
guter Wirtschafter. Warum er in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten ist,
lässt sich den vorliegenden Quellen leider nicht entnehmen. Standen diese
Schwierigkeiten womöglich mit dem weiteren Ausbau der Burg Brome, den
sein Vater bereits begonnen hatte, in Zusammenhang? Leider wissen wir es
nicht. Bereits im Jahr 1529 vermachte er dem Kloster Diesdorf für „vertich gute
rinsche guldenn“ (vierzig gute rheinische Gulden) eine jährliche Roggen-
lieferung von neun Scheffeln. Als Pfand setzte der die Wiesen der wüsten
Dörfer Nettgau und Petzenow ein. In diesem Zusammenhang muss wohl auch
eine Auseinandersetzung zwischen Carsten Schulze aus Wendischbrome und
Fritz VII. von der Schulenburg gesehen werden. Carsten Schulze wurde näm-
lich 1492 mit einer Wiese des wüsten Dorfes Nettgau, die an der Ohre lag,
vom Herzog Heinrich zu Braunschweig und Lüneburg belehnt. Fritz VII. von
der Schulenburg ließ Carsten Schulze ins Gefängnis bringen, um ihm die
Wiese mit Gewalt wieder zu entreißen. Dieser weigerte sich jedoch und zahlte
sechs Goldgulden an Fritz VII., die dieser auch nicht wieder zurückbezahlt
hat. Die Wiese konnte Carsten Schulze behalten11.

Zwischen 1529 und 1548 hat Fritz VII. von Schulenburg das Dorf Nettgau
wieder besiedeln lassen, vermutlich auch deshalb, um mehr Einnahmen aus
dem wiederbesiedelten Dorf erzielen zu können.
Irgendwie muss auch die Steimker Mühle zwischen 1516 und 1530 in den
Besitz von Fritz VII. von der Schulenburg gekommen sein, denn er verkauft
1530 für 32 lübische Mark wiederverkäuflich eine Roggenpacht aus der Mühle
zu Steimke an der Kloster Diesdorf12. Im gleichen Jahr verkaufte er ebenfalls
an der Kloster Diesdorf Hebungen aus dem Dorfe Holzhausen (nördlich von
Diesdorf) wiederverkäuflich13.
Aber diese Verkäufe konnten den wirtschaftlichen Niedergang, dessen Grün-
de bisher unbekannt sind, nicht mehr aufhalten. Nettgau und auch Zicherie
verkaufte Fritz VII. noch 1548 an Georg von Wense und Dietrich Behr weiter.
Später kamen beide Dörfer dann an die von Bartensleben14. Auch seinen

10
Danneil Bd. 2, S. 519f.
11
HSTAH Hannover, Celle Br. 54, Nr. 38.
12
Adolph Friedrich Riedel: Codex diplomaticus Brandenburgensis, Bd. 22, S. 342.
13
Riedel Bd. 22, S. 339.
14
Danneil Bd. 1, S. 412.
94

Anteil an Beetzendorf verkaufte er wiederkäuflich an Levin I.15, so dass der


mittlere Hauptzweig der weißen Linie aus Beetzendorf ganz ausgeschieden ist.

Schließlich musste er an Weihnachten 1548 das Schloss Brome mit allen Besit-
zungen an Christoph von dem Knesebeck verkaufen. Ausgenommen von
diesem Verkauf waren die Dörfer Tülau, Nettgau und Croya sowie die Landtz-
mans Mühle im Tülauer Holz16. Doch auch dieser Verkauf reichte nicht aus,
um all seine Gläubiger zu befriedigen. Als Beispiel sei hier nur die Forderung
von Johann von der Assenburg gegenüber Fritz VII. von der Schulenburg
erwähnt. Johann wurde vom Hof zu Celle aufgefordert, auf seinen Forde-
rungen gegenüber Fritz VII. zu verzichten. Diesem stimmte Johann auch zu.
Zwölf Jahre zuvor, also 1540, hatte Johann von Assenburg für Fritz VII.
folgende Summen ausgelegt:
 200 Thaler für zwei Pferde
 50 Gulden in Münzen
 23 ½ Gulden (vermutlich für Hopfen?)
 128 ½ Goldgulden an Sander von Oberg überwiesen
 84 ½ Gulden in Münzen auch an Sander von Oberg überwiesen
(die sich Fritz VII. dort geliehen hatte)
 Insgesamt: 592 Gulden, 16 Schilling
An Zinsen sollten 6% pro Jahr bezahlt werden, so dass sich die Zinsen nach
12 Jahren auf 432 Gulden beliefen.
Des Weiteren hat Fritz VII. 1551 zwei Wispel Gersten für 16 Gulden bekom-
men, 50 Gulden in Münzen 1552 (darauf 6 Gulden Zins auf zwei Jahre), zwei
Wispel Roggen für 32 Gulden, sechs Scheffel Mehl für 4 Gulden usw. für
insgesamt noch einmal 242 Gulden. Insgesamt beliefen sich seine Schulden
mit den Zinsen 1552 auf 829 Gulden 7 Schilling (davon 438 Gulden Zinsen)17.

Es gab daneben im gleichen Jahr noch weitere Geldforderungen gegen Fritz


VII. So hatte er sich anscheinend 1538 von dem Grafen Gebhard von Mansfeld
2600 Mark geliehen. Ein gewisser Johan Powisken ist dann in den Besitz
dieser Forderung gelangt. Insgesamt betrug die Summe 3510 Mark (inklusive
Zinsen), wovon nun noch 524 ½ Mark an Forderungen ausstanden18.
Schließlich klagt Werner Haenen auf Basedow 1572 die Witwe von Fritz VII.
von der Schulenburg und deren Söhne auf Abtretung des Gutes Fahrenhorst.
Auch seine Forderung resultierte aus nicht beglichenen Schulden, die Fritz

15
Danneil Bd. 1, S. 230.
16
HSTAH Hann. 70, Nr. 804.
17
HSTAH Celle Br. 61, Nr. 1089.
18
HSTAH Hann. 70, Nr. 902.
95

VII. bei Johann Bowischen in Holstein angehäuft hatte. Die Forderung belief
sich anscheinen auf 811 Thaler. Werner Haener verlangte die vorübergehende
Einweisung in das Gut Fahrenhorst, welche jedoch abgelehnt wurde19.

Probleme mit den Tülauer Bauern

Auch nach dem Verkauf konnte Fritz VII. von der Schulenburg seine Ruhe in
Tülau nicht genießen, denn es kam zu einem Streit über die Nutzung der
wüsten Feldmark Schürnau, die zwischen Tülau und Zicherie liegt. Fritz VII.
von der Schulenburg argumentierte, dass diese Feldmark aus dem Besitz der
Burg Brome mit ausgeschieden sei und ihm gehörte. Christoph von dem
Knesebeck dagegen beharrte aus seinen Besitzansprüchen als Besitzer der
Burg Brome. Schließlich kam es erst nach dem Tod von Fritz VII., der wohl
1559 gestorben ist, im Jahr 1567 zu einem endgültigen Urteil, welches zu
Gunsten derer von Knesebeck ausfiel20.
Auch mit den Tülau Untertanen lebte Fritz VII. von der Schulenburg nicht im
Frieden. Nachdem Fritz VII. die Tülauer Teiche hat anlegen lassen,
beschwerten sich die Tülauer Bauern im Jahr 1556, dass sie für diesen Verlust
an Wiesenflächen nicht wie vorgesehen von Fritz VII. entschädigt wurden –
und bekamen vom Hof zu Celle auch Recht. Bei den Klagen der Tülauer
Bauern ging es aber nicht nur um die verlorengegangenen Wiesen, sondern
auch um die Mast im Tülauer Holz. Der Bromer Pastor vermittelte zwischen
den beiden Parteien und tatsächlich wurde auch ein Kompromiss über die
Zumessung von Ersatzflächen und über die Mastung im Tülauer Holz
getroffen. Jedoch hielt sich Fritz VII. nicht an diese Vereinbarung und der Hof
von Celle forderte ihn in einem Schreiben 1556 zur Einhaltung der Verein-
barung auf. Im Jahr 1558 wandte sich Fritz VII. dann mit der Bitte an die Räte
zu Celle, das Gut und Dorf Tülau verkaufen zu dürfen, weil er auf Grund der
zahlreichen Forderungen der Tülauer Bauern dort nicht leben könne. Diese
Genehmigung zum Verkauf wird ihm jedoch verwehrt auch mit dem Verweis,
dass er verpflichtet sei, den Bauern das Ihre zu geben, da er ihnen die Wiesen
früher genommen hatte. Über deren Verhalten könne er sich nicht beschwe-
ren, da sie arme Leute wären21. Fritz VII. von der Schulburg verstarb wohl
1559.

19
HSTAH Hann. 10. Nr. 1087/III.
20
HSTAH Hann. 70, Nr. 804.
21
HSTAH Celle Br. 61, Nr. 537 und 546.
96

Sein Sohn, Heinrich von der Schulenburg, erstellte im Jahr 1565 ein Ver-
zeichnis der Höfner und Köther für Tülau und Fahrenhorst. Darauf geht
hervor, dass Tülau bis 1555 aus sieben Höfnern und einem Köther bestand.
Der eine Hof wurde dann in zwei Köther-Stellen geteilt, so dass 1565 sechs
Höfner und drei Köther in Tülau lebten. In Fahrenhorst, das direkt neben dem
Hof derer von der Schulenburg lag, lebten 1565 damals drei Köther22.

Der Besitz von Fritz VII. von der Schulenburg hatte sich also bis zu seinem
Lebensende auf die Dörfer Tülau und Croya reduziert. Seine beiden Söhne
Heinrich VII. und Christoph VIII. von der Schulenburg lebten danach in
Tülau. Über den Tod der beiden Brüder schreibt Danneil, dass Heinrich VII.
am 11. Dezember 1613 kinderlos verstarb. Sein jüngerer Bruder Christoph
VIII. war nicht verheiratet und verstarb nur eine Woche nach seinem Bruder.
Beide wurden in der Altendorfer Kirche beerdigt23. Allerdings bietet hier der
noch immer in der Altendorfer Kirche rechts vor dem Altar vorhandene
Grabstein von Heinrich v. d. Schulenburg andere Informationen. Darauf steht:
ANNO 1613 DEN 18 DECEMB. IST DER EDLE GESTRENGE VND
ERNVESTE HEINRICH V.D. SCHULENBURGK FRITZEN S SOHN
IN GOT DEM HERN SELIGLICH [ENTSCHLA]FEN
Demnach ist Heinrich also am 18. Dezember 1613 verstorben und nicht wie
Danneil behauptet am 11. Dezember 1613. Leider ist der Grabstein für
Christoph v. d. Schulenburg nicht mehr in der Altendorfer Kirche vorhanden.
Ein weiterer Grabstein derer von der Schulenburg findet sich aber links neben
dem Altar in der Altendorfer Kirche. Darauf ist zu lesen:
ANNO 1621 DEN 5 APRIL IST DER EDLE GESTRENGE
[E]HRN[VES]TE [BU]RCH[AR]D V. D. SCHULENBURGK
FRITZEN S SOHN IN GOT DEM HERN SELIGLICH
ENTSCHLAFFEN
Leider sind einige Buchstaben des Vornamens unleserlich, aber dennoch muss
es sich bei dem dort Bestatteten eindeutig um Burchard von der Schulenburg
handeln! Zu Burchard von der Schulenburg schreibt Danneil, dass er der
jüngste Sohn von Fritz VII. war und zuletzt beim Verkauf von Hohen-
warsleben erscheint. Ein Todesjahr gibt Danneil nicht an24. Der Grabstein
belegt, dass er erst am 5. April 1621 gestorben ist, vermutlich auch in
Fahrenhorst. Allerdings war Fahrenhorst zu dieser Zeit bereits nicht mehr im
Besitz derer von der Schulenburg. Denn bereits im Jahr 1602 wurde Wilhelm
von Weyhe die Belehnung mit Tülau und Fahrenhorst vom Herzog Ernst von

22
HSTAH Celle Br. 61, Nr. 22 und Nr. 3.
23
Danneil Bd. 2, S. 522ff.
24
Danneil Bd. 2, S. 524.
97

Braunschweig-Lüneburg nach dem Ableben von Heinrich von der Schulen-


burg zugesagt. So heißt es in der Urkunde vom 24. Juni 1602:
„[…] biß sich nach Willen Gottes der Todtsfhall mit Heinrich von der Schulenburg
zur Vahrenhorst zutregt, alßdan aber dem Cantzeler [Wilhelm von Weyhe] undt
seinem Sohn alßbalt auf getroffene undt von unß consentirte Bewilligung das Guth
doselbst zu Vahrenhorst sampt seiner Zugehörung undt Gerechtigkeit […]
volnkomlich zugehörig und zustendig.“ 25

Mit dem Tode Heinrichs am 18. Dezember war es dann soweit: Wilhelm von
der Weyhe konnte Tülau-Fahrenhorst nun als Lehen übernehmen. Hiervon
zeugt noch heute ein Gedenkstein auf dem Gut Fahrenhorst, auf der die
Inschrift „18. December 1613“ eingemeißelt ist. Dieser Stein belegt zusammen
mit dem Grabstein in der Altendorfer Kirche eindeutig, dass Heinrich tatsäch-
lich am 18. Dezember 1613 verstorben ist und nicht am 11. Dezember 1613,
wie Danneil behauptet.
Nicht geklärt werden kann allerdings heute, wo Burchard von der Schulen-
burg bis zu seinem Tode am 5. April 1621 gelebt hat. Vermutlich ist auch er
in Tülau-Fahrenhorst gestorben, denn ansonsten wäre er wohl nicht in der
Altendorfer Kirche beigesetzt worden.

25
HSTAH Celle Br. 46, Nr. 153.
98

Abb. 1 Grabstein Heinrich von der Schulenburg in der Kirche Altendorf (Foto: Jens
Winter, 2016)
99

Abb. 2 Grabstein Burchard von der Schulenburg in der Kirche Altendorf (Foto: Jens
Winter, 2016)
100

Abb. 3 Gedenkstein von Weyhe vom 18. Dezember 1613 (Foto: Detlev E. Deipenau,
2016)
101

Das preußische erste Elb-Landwehrregiment 1814-1815

von Thorsten Morgendahl

„…das Gefühl, sich wehrhaft zu wissen, ist allzeit der Stolz freier Männer
gewesen.“1

I. Einleitung

Im vorliegenden Aufsatz soll die Geschichte des 1. Elb-Landwehrregiments


vorgestellt werden, das zu Beginn des Jahres 1814 in der Altmark errichtet
wurde und in den napoleonischen Kriegen zum Einsatz kam. Die Landwehr-
männer der ersten drei Bataillone dieses Regiments waren zum überwiegen-
den Teil Freiwillige und Wehrpflichtige aus den Dörfern und Städten der
preußischen Provinz Altmark.2 Vor diesem Hintergrund hielt der Autor auf
Einladung des Altmärkischen Geschichtsvereins auf dessen Herbsttagung am
22. Oktober 2016 in Salzwedel einen Vortrag zum Thema, der in diesem
Aufsatz vertieft werden soll.

Der Autor ist Re-enactor und stellt unter anderem einen Landwehrmann
jenes 1. Elb-Landwehrregiments in der Zeit von 1814-1815 dar. Um seine
Darstellung realitätsnah gestalten und einem interessierten Publikum nahe
bringen zu können, hat er sich mit der Geschichte dieser Formation intensiver
befasst. Die von ihm erarbeiteten Informationen werden im Nachfolgenden
zusammengetragen. Die Darstellung erhebt keinen Anspruch auf Vollständig-
keit, sondern gibt lediglich den aktuellen Wissensstand des Autors wieder.

II. Vorgeschichte

Im Herbst 1806 wurde die von vielen für unbesiegbar gehaltene preußische
Armee in der Doppelschlacht bei Jena und Auerstädt vernichtend geschlagen.
Damit war eindeutig belegt, wie unzulänglich sie gegenüber dem neuartigen
französischen Nationalheer Napoleon Bonapartes war. Der verlorenen

1
Pflug, Landwehrbuch, 149.
2
Vgl. hierzu die Herkunftsangaben in den Verlustlisten des Regiments, publiziert in
Gouvernements-Blatt Nro. 153, 1577-1590. Die zugrundeliegenden Stammlisten des Regiments
liegen dem Autor leider nicht vor.
102

Schlacht folgten weitere militärische Debakel, zu denen die Kapitulation der


Korps Hohenlohe und Blücher und die schmachvolle, kampflose Übergabe
vieler Festungen gehörten. Nach erneuten Kämpfen im Folgejahr schlossen
Russland und Frankreich am 7. Juli 1807 im Vertrag von Tilsit Frieden. Nur
zwei Tage später erfolgte, ebenfalls in Tilsit, der Friedensschluss zwischen
Frankreich und Preußen. Ab diesem Zeitpunkt existierte der zu großen Teilen
von den Franzosen besetzte preußische Staat, der erhebliche Gebiete abtreten
musste, nur noch von Napoleons Gnaden.

Bei der Suche nach den Ursachen für das völlige Versagen des preußischen
Militärs, die schon im Herbst 1806 begann, stachen einige Umstände beson-
ders hervor. Hierzu gehörten der nicht mehr zeitgemäße „Geist der alten
Armee“ des Siebenjährigen Krieges, ein militärfachlich unzulängliches und
überaltertes Offizierskorps, mangelnde taktische Reformen angesichts neues-
ter Entwicklungen im Kriegswesen, eine auf geworbenen oder gepressten
Ausländern beruhende Kernarmee, übertrieben formaler Drill und ein ent-
würdigendes Strafsystem, um nur die wichtigsten Punkte zu nennen. Eine
Reform des Militärs und letztendlich des gesamten Staatswesens war unum-
gänglich.3

Durch Kabinettsorder vom 25. Juli 1807 setzte König Friedrich Wilhelm III
eine Militärreorganisationskommission, abgekürzt MRK, ein. In dieser ver-
sammelten sich die militärischen Reformkräfte des Landes, die jedoch vor-
läufig erst einmal mit den ebenfalls in der MRK vertretenen konservativen
Kräften um die Gunst des Königs wetteifern mussten.4 Die führenden Vertre-
ter der Reformbewegung in der MRK waren:
- Gerhard Johann David Scharnhorst (12.11.1755 – 28.06.1813)
- August Wilhelm Neidhardt von Gneisenau (27.10.1760 – 23.08.1831)
- Ludwig Leopold Hermann Gottlieb von Boyen (23.06.1771 –
5.2.1848)
- Carl Wilhelm Georg Grolmann (30.07.1777 – 15.09.1843)
Scharnhorst stellte die These auf, dass nur ein preußisches Volksheer in der
Lage wäre, den Kampf gegen die französischen Besatzer siegreich zu führen.
König Friedrich Wilhelm III. dagegen war jeder Gedanke an ein modernes

3
Eine gute zusammenfassende Darstellung der sozialen und militärischen Ursachen für den fast
vollständigen Zusammenbruch Preußens im Herbst 1806 liefert Nitschke, Militärreformen,
Abschnitt I, 10-40.
4
Zur wechselnden Zusammensetzung der MRK bis Dezember 1807 siehe: Nitschke,
Militärreformen, 51.
103

Volksheer suspekt.5 Er bevorzugte das traditionelle Kantonsystem, nach dem


theoretisch eine allgemeine Dienstpflicht organisiert nach Kantonen bestand.
Das Kantonreglement vom 12. Februar 1792 legte aber derart viele Ausnah-
men fest, dass von einer auch nur annähernden allgemeinen Wehrpflicht
faktisch keine Rede sein konnte.6

Im Pariser Vertrag vom 8. September 1808 gestand der Kaiser der Franzosen
Preußen nur noch ein Heer von 42.000 Mann zu und untersagte die Bildung
jeglicher Milizen.7 Damit war an die Aufstellung eines Volksheeres in Form
einer Landwehr überhaupt nicht mehr zu denken und die Pläne wurden
vorläufig aufgegeben. In den Köpfen der Reformer war das Konzept aber nicht
vergessen.

Um die Wehrfähigkeit des Landes trotz aller Einschränkungen des Kantonsys-


tems zu stärken, führte Preußen auf Vorschlag der Militärreformer ab 1808
das „Krümpersystem“ ein. Beurlaubte Soldaten oder vom Wehrdienst freiges-
tellte Kantonisten wurden für einen Monat eingezogen, militärisch ausge-
bildet und dann wieder ins Zivilleben entlassen. Auf diese Weise baute man
eine Personalreserve für das zahlenmäßig begrenzte Feldheer auf, die den
schnellen Aufwuchs der Armee und den militärischen Widerstand im Früh-
jahr 1813 überhaupt erst möglich machte.8
In den folgenden Jahren wurde das Krümpersystem lebhaft genutzt und man
setzte zahlreiche weitere Reformen des preußischen Militärwesens, die von
der MRK angeregt worden waren, in die Praxis um. Darunter waren eine
neue, vom Zeitgeist inspirierte Wehrverfassung, der Verzicht auf Ausländer-
werbung, neue taktische Strukturen und eine völlige Neuregelung des Tross-
und Bagagewesens, um nur einige zu nennen. So kam das Schicksalsjahr 1812
heran.

Am 24. Februar 1812 schloss Preußen in Paris ein Bündnis mit Napoleon I.
Es legte unter anderem fest, dass Friedrich Wilhelm III. dem Franzosenkaiser
20.000 Mann der preußischen Armee als Hilfstruppe für den geplanten
Feldzug gegen Russland zur Verfügung stellen musste. Dieses Hilfskorps, das
Korps des Generals Hans David von Yorck, setzte Napoleon 1812 als Teil der
Armee seines Marschalls Macdonald zur Flankendeckung im Baltikum ein. Es

5
Vgl. Nitschke, Militärreformen, 104, und die Gegenargumente der Militärreformer um
Scharnhorst, ibid, 107.
6
Vgl. Nitschke, Militärreformen, 14-15.
7
Nitschke, Militärreformen, 108.
8
Zum Krümpersystem und zum Aufwuchs im Frühjahr 1813 vgl. Nitschke, Militärreformen, 111-
112, bzw. 168.
104

ging deswegen nicht, wie die als Grande Armée berühmt gewordene Haupt-
armee, in den Kämpfen auf dem Vor- und Rückmarsch nach Moskau und im
russischen Winter unter. Am 30. Dezember 1812 sagte sich York in der
Konvention von Tauroggen de facto von Napoleons Kommando los. Er
erklärte sein noch intaktes Korps für neutral und verhandelte wohlwollend
mit den anrückenden Russen, allerdings ohne Autorisation durch seinen
König. Ironie der Geschichte: Das von Napoleon selbst eingeforderte Hilfs-
korps lieferte auf diese Weise die Initialzündung zum nun beginnenden Befrei-
ungskampf gegen ihn.

III. Die Landwehr im Befreiungskrieg 1813

Nachdem General York Ende Dezember 1812 den Neutralitätspakt mit den
anrückenden Russen geschlossen hatte, trat am 5. Februar 1813 der ostpreu-
ßische Landtag unter Hinzuziehung der westpreußischen Kreise in Königs-
berg zusammen und beschloss unter anderem, abermals ohne jegliche Autori-
sation durch den König, die Aufstellung einer Landwehr von insgesamt 30.000
Mann.9
König Friedrich Wilhelm III. reagierte auf diese Vorgänge mit Empörung,
musste sich aber nach und nach dem Druck seiner Berater und vor allem
seines Volkes beugen. General Yorck, zunächst für abgesetzt erklärt, wurde
schon wenige Wochen später wieder in allen seinen Funktionen bestätigt. Der
König selbst autorisierte zunächst aber nur Freiwilligenregimenter, Jägerdeta-
chements und Freikorps. Einzelne Offiziere erhielten Patente zu deren Auf-
stellung, das bekannteste in preußischem Dienst stehende Freikorps wurde
das des Majors von Lützow.
Erst am 17. März 1813 sagte Friedrich Wilhelm III. sich endlich formal von
Napoleon los und erklärte Frankreich den Krieg.10 Unverzüglich wurden in
allen nicht mehr besetzten Provinzen Landwehren aufgestellt. Ihr typisches
Erscheinungsbild wurden die knielangen dunkelblauen Litewken, weiße Lei-
nenhosen und die heute als Landwehrmützen berühmten "Tuch-Tschakos".
Die Farbe von Kragen, Ärmelaufschlägen und Mützenbesatz richtete sich
nach der Provinz. Die nachstehende Liste zeigt die Farbvielfalt und gibt an,
wie viele Infanterie- und Kavallerie-Landwehreinheiten 1813 und 1814 in den
jeweiligen Landesteilen ausgehoben wurden.

9
Details hierzu liefern u.a. Pflug, Landwehrbuch, 5-10, und Nitschke, Militärreformen, 163-167.
10
An diesem Tag ergingen sowohl der Aufruf „An mein Volk“ als auch der Aufruf zur Bildung
von Landwehren.
105

Farbe des Infanterie Kavallerie


Provinz Mütze
Besatzes Reg / Btl Reg / Esc

Ostpreußische Landwehr ziegelrot 5 / 20 5 / 16

Westpreußische Landwehr schwarz 3 / 12 3 / 12

Pommersche Landwehr weiß 3 / 20 3 / 15

Neumärkische Landwehr ponceaurot 3 / 12 2/8

Kurmärkische Landwehr ponceaurot 7 / 27 7 / 29

Schlesische Landwehr gelb 17 / 68 10 / 40

Anfang 1814 kamen hinzu

Elb Landwehr hellblau 3 / 1211 1/5

grün
Westfälische Landwehr 5 / 19 1/6
(hellgrün)

Abb. 1 Farbstellung der Landwehruniformen und Zahl der aufgestellten Einheiten je


Provinz12

11
Die Aufstellung eines vierten Regiments zu vier Bataillonen war Ende März 1814 verfügt
worden, wurde aber nach erfolgtem Friedensschluss von Paris widerrufen, vgl. Organisation der
Landwehr, 28. Dagegen wurde im Mai 1815 aus jeweils einem Bataillon der drei Elb-
Landwehrregimenter tatsächlich ein 4. Elb-Landwehrregiment zu drei Bataillonen geformt,
welches aber nach Luxemburg ging, vgl. von Borcke, Kriegerleben, 303. Die Zahlen für die Elb-
Landwehr in Pflug, Landwehrbuch, 105, sind in diesem Punkt falsch.
12
Vom Autor zusammengestellt aus den Daten, u.a. bei Pflug, Landwehrbuch, 15, 18 und 105.
Zur Korrektur der von Pflug gelieferten Zahlen für die Elb-Landwehr Infanterie von (4/16) auf
(3/12) siehe vorstehende Fußnote.
106

Der sogenannte Befreiungskrieg begann im Frühjahr 1813 und dauerte auf


deutschem Boden bis zum Herbst an. Erst in der Völkerschlacht bei Leipzig
vom 16.-19. Oktober 1813 gelang es den Alliierten, den französischen Einfluss
auf die deutschen Staaten endgültig zu brechen. Bis auf einige besetzt gehal-
tene strategische Festungen, u.a. Magdeburg, endete die französische Besat-
zung Preußens im Spätherbst 1813. Napoleon zog sich nach Frankreich
zurück und wurde von den Alliierten bis Paris verfolgt, wo er sich letztendlich
geschlagen geben musste und im Mai 1814 abdankte.
Die im Frühjahr 1813 hastig aufgestellten Landwehren litten unter dem über-
all herrschenden Mangel an Geld und Material und waren anfangs nur provi-
sorisch ausgerüstet. Von einer einheitlichen Erscheinung kann in dieser frü-
hen Phase kaum die Rede sein. In großem Umfang wurden vom Gegner erbeu-
tete Waffen, Uniformteile und Ausrüstungsstücke eingesetzt. Erst im Laufe
des Sommers wurde die Ausstattung etwas besser.13
Die Landwehreinheiten kamen nach Ende des Waffenstillstandes in der zwei-
ten Jahreshälfte 1813 in vollem Umfang zum Einsatz. Sie kämpften mit
Bravour und standen dem Feldheer schon bald ebenbürtig zur Seite. Wie sehr
das Konzept der Landwehr als eine Art Volk in Waffen aufging, zeigte sich vor
allem in der immer wieder beispielhaft vorgeführten Motivation dieser Trup-
pen. Diese lag zu einem guten Teil sicher darin begründet, dass vermittels der
Landwehr der Wut des gemeinen Volkes gegen die verhassten Besatzer indi-
rekt ein Ventil gegeben wurde. Nur so ist es erklärbar, mit welcher Innbrunst
preußische Landwehren immer wieder gegen vermeintlich überlegene Gegner
fochten.14 Zum Sinnbild der Gleichrangigkeit mit den anfangs höher einge-
schätzten Linientruppen erwuchs der Sturm der Königsberger Landwehr
unter Major Carl Friccius auf das äußere Grimmasche Tor der Stadt Leipzig
am 19. Oktober 1813. Die ostpreußischen Landwehrmänner waren die ersten,
die zum Finale der Völkerschlacht in die Stadt selbst eindringen konnten.
Wann immer sich Landwehreinheiten im Gefecht nicht bewähren konnten,
war zumeist ihre mangelhafte Ausrüstung eine entscheidende Ursache.
Nach der Völkerschlacht von Leipzig schieden die meisten Landwehren aus
dem Heer aus, das Napoleon nach Frankreich verfolgte. Zahlreiche dieser
Einheiten waren noch im Herbst 1813 nur mit dem Allernötigsten ausge-

13
Vgl. hierzu u.a. Nitschke, Militärreformen, 199, Fußnote 78 und Pflug, Landwehrbuch, 20-21.
Demgegenüber fand die Ausrüstung der Elb-Landwehr unter deutlich günstigeren Vorzeichen
statt.
14
Beispielhaft genannt seien hierzu die wütenden Angriffe von Landwehreinheiten gegen
reguläre französische Einheiten in der sogenannten „Kolbenschlacht“ bei Hagelberg oder die
Bajonettattacke des Landwehrbataillons Thiele vom 14. Schlesischen Landwehrregiment gegen
sie umstellende französische Kavallerie in der Schlacht an der Katzbach am 26.08.1813, berichtet
in: Pflug, Landwehrbuch, 35-43 und 55.
107

stattet. Dünne Leinenhosen, kaum Mäntel, ungenügendes Schuhwerk und


anderen Ausrüstungsdefizite waren eher die Regel als die Ausnahme. Für die
anstehende kalte Jahreszeit und Feldzüge fern der Heimat waren diese Land-
wehren schlichtweg nicht gerüstet.15
Nachdem Napoleon im Mai 1814 besiegt worden war und der Krieg beendet
schien, demobilisierte Preußen seine Landwehren vorerst nicht, sondern
baute die Truppengattung weiter aus. Als Napoleon im darauffolgenden Jahr
erneut nach der Macht in Frankreich griff, hatte Preußen die Ausstattung der
alten Landwehren verbessert und an Elbe und Rhein weitere Landwehr-
einheiten aufgestellt. Im Feldzug von 1815 bildeten Landwehrmänner erneut
einen integralen Bestandteil des Feldheeres und machten nahezu die Hälfte
der in Belgien stationierten Blücherschen Armee aus.

IV. Aufstellung der Elb-Landwehr 1814

Die Altmark, die sich nördlich an die Festung Magdeburg anschloss, und die
weiteren vormals preußischen Landesteile westlich der Elbe und am Rhein
konnten nach dem Abzug der Franzosen wieder von Preußen in Besitz
genommen werden. In den wiedergewonnenen Provinzen zwischen Elbe und
Weser wurde sogleich die Aufstellung einer Elb-Landwehr verfügt.
„Die Zahl der zu gestellenden Landwehr-Abtheilungen setzte das Militair-
Gouvernement am 2. Dezember [1813] auf 3 Regimenter Infanterie, von 4
Bataillonen, zu 800 Mann und 1 Regiment Kavallerie, von 3 Eskadrons, zu 72
Mann, fest, und vertheilte dieselbe ganz gleichmäßig auf die 3 Departements.
Bald jedoch wurde der Etat der Kavallerie auf 4 Eskadrons, zu 150 Mann,
erhöht, und wegen eingetretener Veränderungen in der Territorial-Eintheilung
des 1sten und 2ten Departements bestimmt, dass:
Das erste Departement 3 Bataillone, 2 Eskadrons,
Das zweite Departement 5 Bataillone, 1 Eskadron, und
Das dritte Departement 4 Bataillone, 1 Eskadron,
aufzubringen hätten.
Den Regimentern legte das Gouvernement den Namen " Elb-Landwehr-
Regimenter " bei, und bezeichnete die der Infanterie, je nach dem Departement,
in welchem sie errichtet waren, mit Nr. 1, 2 und 3.“16
Die Aufstellung des ersten Elb-Landwehrregiments erfolgte in der Altmark,
im neu geschaffenen ersten von drei Elb-Departements:

15
Pflug, Landwehrbuch, 103-104 und 113.
16
Organisation der Landwehr, 12. Auch wiedergegeben in: Von Borcke, Kriegerleben, Anhang
15, 384.
108

Erstes Departement, Altmark: Einwohner 1813/1417


Kreis Stendal 45.000 Einwohner
Kreis Neuhaldensleben 56.000 Einwohner
Kreis Salzwedel 56.000 Einwohner
Summa 157.000 Einwohner

Nach Wiederinbesitznahme der links-elbischen Gebiete dauerte es eine Weile,


die preußischen Zivilstrukturen dort wieder aufzubauen. Das Königreich
Westphalen, ein von 1807 bis 1813 bestehender künstlich erschaffener
„Musterstaat", regiert von Napoleons jüngerem Bruder Jerome Bonaparte,
hatte zwischenzeitlich Strukturen über die Grenzen mehrerer deutscher
Fürstentümer und Königreiche errichtet. Dazu zählten vor allem große Teile
Hannovers, Braunschweig, Hessen und Teile Preußens, darunter die Altmark.
Als die deutschen Fürsten zurück in die alten Besitzstände traten, waren die
staatlichen Institutionen des Königreichs Westphalen über Nacht obsolet.
Auch in der Altmark mussten zunächst also neue Verwaltungsstrukturen
geschaffen werden. Hierdurch verzögerte sich die Errichtung des 1. Elb-
Landwehrregiments bis zum Februar 1814. Am 11. Januar 1814 traten in der
Altmark neu gebildete Kreis-Ausschüsse zusammen. Erst vom 4.-9. Februar
konnte die Einberufung der Wehrmänner erfolgen.18

Der Etat eines jeden Regiments bestand aus 4 Bataillonen zu je 825 Mann und
einem Regimentsstab, insgesamt eine Stärke von über 3.300 Mann.19 Davon
mussten knapp 2500 von den drei altmärkischen Kreisen gestellt werden, dazu
weitere 300 Mann Kavallerie. Bei den zuvor genannten 157.000 Einwohnern
in den drei Kreisen mussten hierzu also fast 2% der Bevölkerung mobilisiert
werden. Einzig das 4. Bataillon des 1. Elb-Landwehrregiments wurde nicht
aus der Altmark, sondern aus den südlich von Magdeburg gelegenen Kreisen
Wanzleben und Calbe rekrutiert.20 Im Bericht über die „Organisation der
Landwehr zwischen Elbe und Weser“ heißt es:

17
Organisation der Landwehr, 6.
18
Organisation der Landwehr, 16.
19
Organisation der Landwehr, 16 führt die zu besetzenden Stellen innerhalb der Bataillone im
Detail auf.
20
Das 4. Bataillon wurde im Mai 1815 zur Bildung eines 4. Elb-Landwehrregiments abgegeben,
welches nach Luxemburg ging. Es hat den sogenannten Waterloo-Feldzug im Jahr 1815 nicht
aktiv mitgemacht.
109

„Auch der Mangel an kriegsfähiger Mannschaft ist sehr fühlbar, indem in den
Jahren der Fremdherrschaft eine dreimalige neue Aufstellung der
Westphälischen Armee stattgefunden hat, und allein nach dem Russischen
Feldzuge noch 4,400 Rekruten ausgehoben werden mußten. Die Jahrgänge
1789 bis 93 sind fast gänzlich durch die verschiedenen Konskriptionen
konsumirt.“21

Auf dieser Grundlage begannen nun die Aushebungen, wobei freiwillige


Meldung möglich war. Ob und wie viel Widerstand es gegen die Einberu-
fungen gegeben hat, ist dem Autor nicht bekannt. Man kann aber davon
ausgehen, dass nach fast 8 Jahren Krieg und Besatzung die allgemeine
Kriegsmüdigkeit recht hoch war und die meisten Altmärker nicht gerade mit
Begeisterung in die Landwehr eintraten. Zum Kommandeur wurde auf Vor-
schlag der Altmärkischen Stände der frühere Oberstleutnant der preußischen
Garde, Ernst von Bismarck auf Briest, ernannt.22

Die neuerrichteten Landwehren des Jahres 1814 wurden nach dem refor-
mierten preußischen Manual gedrillt. Zur Unterweisung der Landwehr war
schon im März 1813 ein als „Krieges-Katechismus der Landwehr“ bezeich-
netes eigenes Regelwerk publiziert worden, das seinem Vorwort zufolge als
Praxis-Leitfaden an die Offiziere und Unteroffiziere verteilt werden sollte.23
Der Stand der Ausbildung war bei der 1814 in der Altmark aufgestellten
Formation trotz dessen eher gering, da sehr wenige gediente Soldaten und
erfahrene Führer und Unterführer vorhanden waren. Johann Friedrich Ernst
von Borcke aus Halle, der 1814 als Kompaniechef im 3. Bataillon angestellt
wurde, klagt in seinen Erinnerungen:
„Die nicht sehr zahlreichen Offiziere und Unteroffiziere der aufgelösten
westfälischen Regimenter fanden bei allen den neuen Formationen, die
zwischen Elbe und Rhein gleichzeitig begannen, Verwendung; die wenigen,
welche das Regiment erhielt, waren von dem Kommandeur, Oberstlieutenant
v. Bismarck, sehr ungleich an die vier zu errichtenden Bataillone vertheilt und
meiner Kompagnie nicht ein einziger gegeben worden. Als ich das Werk
begann, sah ich mich an der Spitze eines Haufens von 200 Menschen, denen
Alles außer dem guten Willen zum Soldaten fehlte.“24
Das erst im Februar aufgestellte Regiment wurde nur kurze Zeit später, Mitte
März, gemustert und sogleich für kriegstauglich erklärt. Entsprechend schrieb
von Borcke diesen Umstand weniger den tatsächlichen Fähigkeiten seiner

21
Organisation der Landwehr, 9.
22
Organisation der Landwehr, 16, und von Borcke, Kriegerleben, Anhang 16, 386.
23
Krieges-Katechismus für die Landwehr, 2.
24
Von Borcke, Kriegerleben, 294.
110

Landwehrmänner zu, als vielmehr dem vorab erklärten Willen der Regie-
rung.25
Mitte März war außerdem die Aufstellung von Reservebataillonen für die Elb-
Landwehrregimenter angeordnet worden. Das Ersatzbataillon für das 1. Regi-
ment, das ebenfalls 800 Mann betragen sollte, erhielt Stendal als Garnisonsort
zugewiesen.26

V. Uniform und Ausrüstung

Uniform und Ausrüstung der Elb-Landwehr glichen derjenigen, die auch für
die Landwehren von 1813 verfügt war. Die Grundmontur bestand in einer
dunkelblauen Litewka mit Kragen und Ärmelaufschlägen in Provinzfarbe. Für
die Elb-Provinzen sah der regionale Farbcode jener Zeit die Farbe hellblau
vor.27 Diese Farbe wurde außerdem auf den dunkelblauen Tuchmützen für
Vorstöße und für ein Mützenband um die Stirn herum benutzt. Allerdings
wich man beim 3. Elb-Landwehrregiment davon ab.
„Die Uniform sollte in einer dunkelblauen Liteska mit hellblauem Kragen und
Aufschlägen bestehen. Nur das 3te Landwehr-Infanterie-Regiment erhielt
nach der Farbe des Fürstenthums Eichsfeld, als des größten Distrikts im 3ten
Departement, grüne Kragen und Aufschläge. Die drei Infanterie-Regimenter
erhielten beziehungsweise weiße, rothe oder gelbe, die Kavallerie weiße
Achselklappen. Die Knöpfe waren überall gelb.“28
Die Beschaffung der Ausrüstung für die Neuformationen konnte in geordne-
teren Bahnen erfolgen als noch im Frühsommer 1813 und es war weit weniger
Improvisation vonnöten. Entsprechend den Vorgaben wurden Kleidungs- und
Ausrüstungsgegenstände bataillonsweise zentral bei Lieferanten beauftragt.
„Für das 1ste Bataillon wurden fast sämmtlichen Gegenstände, als Litesken,
Hosen, Jacken, Mützen, Mäntel, etc. aus Berlin bezogen und auch für das 2te
und 3te Bataillon das Meiste von dorther entnommen. Nur weniges, unter
anderem aber das ganze Schuhzeug, ließ man in verschiedenen Orten der
Provinz anfertigen.“29

25
Von Borcke, Kriegerleben, 298.
26
Organisation der Landwehr, 27.
27
Das Elb-National-Infanterie-Regiment, 1814 zum 26. Linienregiment umbenannt und im
Feldzug von 1815 ebenfalls Teil der Brigade Krafft, sowie das Elb-National-Husarenregiment, die
im Juli, bzw. im November 1813 aus Freiwilligen aufgestellt worden waren, hatten ebenfalls
hellblaue Aufschläge und Kragen.
28
Organisation der Landwehr, 12.
29
Organisation der Landwehr, 17.
111

Man kann daher zumindest innerhalb der Bataillone von einem einheitlichen
Erscheinungsbild der Soldaten ausgehen. Die Hosen sollten aus grauem Woll-
tuch gefertigt werden, was aus einer Bemerkung hervorgeht, dass im Bereich
des 3. Elb-Landwehrregiments nicht genug davon lieferbar war und deshalb
Hosen aus blauem Tuch gefertigt werden mussten. Neben Litewka, Mütze und
Jacke, vermutlich einer „Ärmelweste“, erhielten die Soldaten aller Regimenter
noch Schuhe, Mäntel, Tornister, Koch- und Trinkgeschirre sowie Lederzeug.30
Durchgängig mit Wollhosen und Mänteln ausgestattet, konnten die neuen
Formationen auch in der kalten Jahreszeit eingesetzt werden.

Für die Bewaffnung der Landwehrmänner waren nicht überall genug brauch-
bare Waffen verfügbar. Während das dritte Regiment, das bereits im Januar
zusammentrat, von Anbeginn an einheitlich mit englischen Gewehren ausges-
tattet wurde, gab es in der Altmark erhebliche Mängel.
„Ein wesentlicher Übelstand war es, daß die Gewehre, welche das Regiment aus
den Depots zu Halberstadt und Stendal erhielt, mindestens 5 verschiedenen
Armeen angehört hatten. Es befanden sich darunter: Französische,
Österreichische, Englische, Schwedische und Preußische, und ein großer Theil
noch dazu in wenig brauchbarem Zustande. Das Gouvernement sah sich
deshalb veranlaßt, auf einen Umtausch zu denken, und schon Anfang April
bekam ein [sic!] Bataillon ganz neue Englische Gewehre.“31
Leider liegen dem Autor keine Zahlen über den Stand der Bewaffnung im
Feldzug vom Juni 1815 vor. Zu diesem Zeitpunkt dürften die meisten
Landwehren aber entweder mit englischen Brown Bess Musketen oder dem
neuen preußischen Gewehr von 1809 ausgestattet gewesen sein.

VI. Von Magdeburg nach Ligny

Noch im März 1814 stieß das 1. Elb-Landwehrregiment zu den Belagerern der


französisch besetzten Festung Magdeburg, bekam aber vorerst keine Gelegen-
heit zur Feuertaufe. Als am 23. April des Jahres dort Waffenstillstand
geschlossen wurde, zog das Regiment in weiter umliegende Kantonierungen.
Nach der Übergabe von Magdeburg, die erst am 24. Mai 1814 erfolgte, wurde
das Regiment nach Westfalen beordert und bezog bis zum Herbst im Raum
Paderborn Quartier.

30
Organisation der Landwehr, 17, 19 und 22.
31
Organisation der Landwehr, 17.
112

Sachsens König hatte bis zur Niederlage in der Leipziger Völkerschacht zu


Napoleon gehalten und sollte hierfür jetzt einen bitteren Preis bezahlen. Bei
den Verhandlungen der Sieger auf dem Wiener Kongress war über Gebiets-
abtretungen Sachsens an Preußen verhandelt worden. Die 1. Elb-Landwehr
marschierte im Oktober 1814 nach Sachsen ab, um als Teil eines Besatzungs-
korps zu fungieren. Das 1. Regiment quartierte sich mit seinen Kompanien in
Leipzig, Halle, Naumburg und Zeitz ein, wo es den Winter verbrachte.32

Im Frühjahr traf allerorten die Nachricht ein, dass Napoleon seinem Exil auf
Elba entflohen und auf dem Marsch nach Paris sei. Am 3. April marschierte
die 1. Elb-Landwehr aus Sachsen ab, überquerte am 23. April bei Koblenz den
Rhein und marschiert in die südlichen Niederlande, heute Belgien. Im Raum
Namur-Lüttich einquartiert, kam das Regiment zur Blücherschen Armee. Es
wurde der 6. preußischen Brigade, Generalmajor Krafft, im zweiten Armee-
korps unter Generalmajor von Pirch I33 zugeteilt. Bald darauf verringerte man
alle drei Elb-Landwehrregimenter von vier auf drei Bataillone. Aus den
herausgelösten drei Bataillonen bildete man ein viertes Elb-Landwehrregi-
ment, das nach Luxemburg abmarschierte.34

Abb. 2 Das 1. Elb-Landwehrregiment im Juni 1815

32
Von Borcke, Kriegerleben, 302.
33
Die Brüder Generalmajor Georg Dubislav Ludwig von Pirch (1763-1838), Kommandeur des
zweiten Korps und Generalmajor Otto Karl Lorenz von Pirch (1765-1824), Kommandeur der
zweiten Brigade im ersten Korps der Blücherschen Armee werden in allen relevanten Werken zur
Unterscheidung als Pirch I und Pirch II gekennzeichnet.
34
Von Borcke, Kriegerleben, 303.
113

Vom 5.-11. Mai 1815 nahm das Regiment an Aktionen gegen meuternde
sächsische Einheiten innerhalb des Blücherschen Armeekorps teil und bezog
anschließend Quartiere im Raum Lüttich-Louven.

VII. Die Schlacht von Ligny am 16. Juni 1815

Am 15. Juni wurde das Regiment eilig gesammelt und marschierte die ganze
Nacht hindurch. In Sombreffe, wo Feldmarschall Blücher seine Armee zusam-
menzog, traf es erst am späten Vormittag des 16. Juni ein. Gegen Mittag bezog
die 1. Elb-Landwehr zusammen mit den anderen beiden Regimentern der
Brigade Krafft, dem 9. Infanterieregiment (Colberg) und dem 26. Infanterie-
regiment (ehemals Elb-Freiwilligenregiment) Aufstellung in der zweiten
Schlachtlinie, und zwar im Bereich zwischen Brye und Sombreffe, siehe die
nachstehende Kartenskizze.

Abb. 3 Aufstellung und Einsatz des 1. Elb-Landwehrregiments bei Ligny am


16. Juni 181535

In der Schlacht gelangte das Regiment erst spät zum Einsatz. Während das
zweite Bataillon schon eine Weile im Ort Ligny kämpfte, erhielten das erste
und dritte Bataillon erst gegen 19:00 Uhr den Befehl zum Vorgehen. Von
Borcke beschreibt in seinem Bericht, wie sein Bataillon von Brye aus auf den

35
Karte vom Autor gezeichnet nach Brügner/Kolbe „Ligny“ aus: Wagner, Pläne der Schlachten
und Treffen.
114

bereits seit dem Nachmittag heiß umkämpften Ort Ligny vorrückte und
alsbald unter Beschuss der französischen Artillerie geriet.
„Wir überschritten die Höhen, welche uns bisher gedeckt hatten, und wurden
bald, als wir das Dorf vor uns sahen und der Feind die frisch anrückenden
Truppen bemerkte, aus der französischen Artillerie-Aufstellung jenseits Ligny
beschossen. Vorläufig thaten uns die Kanonenkugeln aber noch keinen Schaden;
sie schlugen vor uns auf und rikochettirten über unsere Köpfe hinweg oder sie
rollten, und man wich ihnen aus. Inzwischen näherten wir uns dem Punkte des
Angriffs und kamen so mit ganz unbedeutenden Verlusten aus dem
Artilleriefeuer heraus.“36
Das dritte Bataillon des 1. Elb-Landwehrregiments befand sich auf dem linken
Flügel und rückt gegen den linken Teil Lignys vor. Von Borcke erhielt Befehl,
das dritte Glied des Bataillons zur Schützendivision zu formieren. Links vom
Ortsrand übernahmen seine Schützen die Flankendeckung am Ligny-Bach,
der an dieser Stelle glücklicherweise nicht passierbar war. Wie fast alle
preußischen Einheiten an diesem Tage verbissen sich die Elb-Landwehr-
männer in das Ortsgefecht mit den vorrückenden Franzosen. Links vom Ort
brach bei von Borckes Schützendivision die Ordnung schnell zusammen. Da
die Franzosen jedoch an dieser Stelle nicht vordringen konnten, gelang es von
Borcke, die Stellung bis zum Einbruch der Dunkelheit zu behaupten. Wie es
dem im Ort kämpfenden Gros des Regiments erging, kann er leider nicht
berichten. Wir wissen lediglich aus den Berichten anderer Regimenter, dass
dort mit äußerstem Einsatz um jedes Haus gefochten wurde.
„Von meinem Bataillon sah und hörte ich nichts mehr seit dem Augenblick
meiner Trennung von ihm; Befehle erhielt ich von keiner Seite, ich blieb also
ganz mir selbst überlassen, um so mehr, als ich in dem bedeckten Gelände keine
Umschau zu halten und nicht zu erkennen vermochte, wie es mit dem Angriff
auf Ligny und dem allgemeinen Stand der Schlacht bestellt war.“37
Leider ist dem Autor bisher kein detaillierter Bericht über die Gefechts-
handlungen der 1. Elb-Landwehr bekannt.38 Festzuhalten ist, dass die Kom-
mandeure des zweiten und des dritten Bataillons des 1. Elb-Landwehrregi-
ments, Major Ferdinand v. Schleicher und Major Thomas von Jagow, bei
Ligny gefallen sind. Da alle Bataillone im Ort Ligny selbst fochten, ist von
einem harten Einsatz auszugehen. Der Regimentskommandeur, Oberstleut-

36
Von Borcke, Kriegerleben, 307.
37
Von Borcke, Kriegerleben, 309.
38
Auch Wagner, Plane der Schlachten und Treffen, Heft 4, 43-44, gibt keine Details. Bei
Gelegenheit werde ich das „Tagebuch des 26. Infanterieregimentes“, des sogenannten
Elbregiments durchsehen, das sich zusammen mit dem 1. Elb-Landwehrregiment in der Brigade
Krafft befand, allerdings weiter rechts beim Dorf St. Amand eingesetzt war. Das Tagebuch findet
sich im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, I. HA Rep. 15 A, Nr. 370.
115

nant von Bismark, fiel noch am 20. Juni in den Kämpfen vor Namur gegen das
sich zurückziehende Korps unter Grouchy. Die Kämpfe bei Namur erscheinen
nutzlos, da der Sieg der Alliierten bereits sicher war. Man darf aber nicht
vergessen, dass der weitere Vormarsch nach Paris noch einige Kämpfe mehr
brachte. Doch zurück nach Ligny.

Von Borckes Beschreibung der Kampfhandlungen der Schützenabteilung, die


er aus dem dritten Glied des 3. Bataillons 1. Elb-Landwehr formierte und
östlich neben Ligny ins Gefecht führte ist ernüchternd und dabei erstaunlich
frei von heldenhaftem Pathos. Von Borcke berichtet offen, wie ihm jegliche
Ordnung und Führung in der Praxis entglitt. Seine Landwehrmänner führten
in heilloser Unordnung, von heutigen Soldaten spöttisch „Formation Wilde
Wolke" genannt, ein unkoordiniertes Schützengefecht. Verwundete oder
Leute, die ihre Patronen verschossen hatten, gingen ohne Befehl einzeln oder
in kleinen Gruppen zurück. Den Kontakt zu den benachbarten Einheiten
hatte man komplett verloren. Mit Einbruch der Dunkelheit zog sich von
Borcke mit dem verbliebenen Rest seiner Männer ebenfalls zurück. Das Gros
des Regiments war offenbar längst zurückgewichen, ohne dass von Borcke es
bemerkt hatte. Den Ausgang der Schlacht konnte er nur vermuten.

Etwas pathetisch heldenhafter geht es demgegenüber im Landwehrbuch zu.


Der Autor schreibt:
„Nicht minder brav hatten sich links von Ligny das 1. Bataillon des 1.
westfälischen und das gesamte 1. Elb-Landwehr-Regiment behauptet. Ein fester
Halt war überhaupt schon wieder über die geschlagenen preußischen Truppen
gekommen. Was flüchten wollte, war geflüchtet, und um Bry und Sombreffe
begannen die schnell ihre Ordnung wieder gewinnenden preußischen
Abtheilungen bereits eine erneute Schlachtordnung zu bilden. Mit Einbruch der
Dunkelheit stellte der Feind die vergeblichen Versuche ein, aus dem erfochtenen
Siege noch neue Vortheile zu ernten.“39
Viel ist in der Literatur darüber philosophiert worden, warum Blücher die
Schlacht von Ligny verloren hat. Richtig ist wohl, dass er auf die Vereinigung
mit oder zumindest die Unterstützung durch Wellington gehofft hatte an
jenem Tag - leider vergeblich. Doch die preußische Aufstellung selbst hatte
erhebliche Defizite.40
Das IV. Korps Bülow fehlte zur Schlacht und das III. Korps Thielemann stand
am linken Flügel fast unbeteiligt herum.41 So trugen das I. Korps Ziethen und

39
Pflug, Landwehrbuch, 135.
40
Zu den Gründen und Erklärungsversuchen hierfür siehe beispielhaft die zeitlich recht nahe am
Geschehen liegende Darstellung in: Wagner, Pläne der Schlachten und Treffen, Heft 4, 23-25.
41
Vgl. hierzu die beißende Kritik an Thielemann in Pflug, Landwehrbuch, 134.
116

das II. Korps Pirch I die Hauptlast der Kämpfe weitgehend allein. Zudem hatte
das Ziethensche Korps schon die Rückzugsgefechte des Vortages geführt.
Noch schlimmer: Das plötzlich an der rechten preußischen Flanke auftau-
chende französische Korps d' Erlon hätte die Schlacht und vielleicht den
ganzen Feldzug an diesem Tag entscheiden können. Hätte es die rechte Flanke
der Preußen umgangen, wäre Ligny kaum mehr zu halten gewesen und auch
der nachfolgende Rückzug nach Wavre wäre unmöglich geworden. Zum
Glück für Blücher lief auch in Napoleons Armee einiges schief an diesem 16.
Juni 1815.

Im Gegensatz zur Situation vom Jahr 1806 setzte nach der Schlacht bei Ligny
keine planlose Flucht ein. Nach anfänglichen Gerüchten, Feldmarschall Blü-
cher sei bei Ligny gefallen, wurde bereits in der Nacht bekannt, dass er nur
ein paar äußerliche Blessuren davongetragen hatte.42 Der allgemeine Rückzug
wurde von Gneisenau in Richtung Wavre festgelegt und dieser Befehl an so
viele der verstreuten Einheiten weitergegeben, wie in der dunklen Nacht
irgend möglich.

VIII. Waterloo und Namur

Im Verlauf des 17. Juni sammelte sich Blüchers Armee bei Wavre um am 18.
noch einmal die Vereinigung mit dem britisch-alliierten Heer zu versuchen.
Das II. Korps von Generalmajor Pirch I verließ Wavre erst am späten Vormit-
tag des 18. Juni. Im Ort selbst hatte es zahlreiche Brände gegeben, was den
Durchmarsch stark behinderte. Die Brigaden der einzelnen Korps lagen zum
Teil sehr zerstreut. Nach von Borckes Bericht marschierte sein 3. Bataillon des
1. Elb-Landwehrregiments erst gegen 16:00 Uhr aus Wavre ab und erreichte
das Defilé bei Saint Lambert erst gegen 20:00 Uhr. Auf dem weiteren Marsch
kamen seiner Einheit große Mengen Verwundeter entgegen, darunter zahlrei-
che schlesische Landwehrmänner.
„Ganze Schaaren Verwundeter, besonders von der schlesischen Landwehr,
strömten uns entgegen, und die Stimmung wurde noch mehr belebt, als man
sah, daß diese Verwundeten, ihre Schmerzen vergessend, guten Muth zeigten
und im Vorübergehen verkündeten, es gehe Alles gut, und wir sollten nur
machen, unserer Theil noch zu bekommen.“43
Die 6. Brigade, Generalmajor Krafft, erreichte die Ortschaft Plancenoit erst
gegen Abend, als sich die französische Armee bereits in vollem Rückzug

42
Pflug, Landwehrbuch, 134-135.
43
Von Borcke, Kriegerleben, 316.
117

befand und es schon dämmerte. Die Brigade marschierte dem sich zurückzie-
henden Feind entgegen und entwickelte sich hinter Plancenoit noch in Ge-
fechtslinie, das dritte Bataillon, dessen Kommando von Borcke mittlerweile
inne hatte, als letztes. Man setzte dem fliehenden Feind noch kurz nach, bis
die Dunkelheit vollends einbrach und der Jubel des Sieges die alliierten Linien
entlang hallte. An den schweren Kämpfen bei Plancenoit hatte die 1. Elb-
Landwehr folglich keinen aktiven Anteil mehr.

Nach kurzer Ruhe auf dem Schlachtfeld brach die Brigade Krafft gegen Mitter-
nacht wieder auf. In eiligem Marsch ging es über Maransart und Bousseval
nach Melioreux, wo gerastet wurde. Am 20. Juni morgens ging der Marsch
weiter und gegen Mittag erreichte man Namur. Zu spät, denn das aus Wavre
im Rückzug befindliche französische Korps Grouchy hatte sich bereits der
befestigten Stadt bemächtiget. Dennoch erhielten preußische Einheiten, unter
ihnen die 1. Elb-Landwehr, den Befehl zur Erstürmung Namurs. Nachdem das
erste und das zweite Bataillon des Regiments bereits eine blutige Zurück-
weisung vor dem Tor und von den mit Artillerie und Infanterie bemannten
Wällen erhalten hatten, rückte auch von Borcke mit dem 3. Bataillon vor.
Gerade als sein Bataillon zum Sturm antrat, wurde der Angriff abgebrochen,
da Grouchy mit seinem Korps nach Süden abzog. Das Regiment verlor vor
Namur den Kommandeur, Oberstleutnant von Bismark, dazu den erst 4 Tage
zuvor nachgerückten Kommandeur des zweiten Bataillons, Hauptmann von
Czettritz, sowie zahlreiche weitere Männer.

IX. Festungskrieg und Heimkehr

Wie im vorangegangenen Feldzug von 1813 und 1814 marschierten die


alliierten Heere im Sommer 1815 erneut nach Frankreich ein, um das Land
und seine Hauptstadt Paris zu besetzen und Napoleon zu entmachten. Es
begann ein Festungskrieg, in welchem die befestigten Plätze auf dem Weg nach
Paris und an den Grenzen einer nach dem anderen eingenommen werden
mussten.
Das erste Elb-Landwehrregiment marschierte zunächst nach Avesnes, die Fes-
tung hatte bei seinem Eintreffen aber schon kapituliert. Das erste Bataillon
wurde der Besatzung zugeteilt und die beiden anderen marschierten weiter
nach Landrecies. Nachdem auch dieser Ort eingeschlossen war, erhielt das
dritte Bataillon unter dem vorläufig zum Bataillonskommandeur aufgerückten
von Borcke Befehl, als Teil einer kleineren Abteilung nach Rocroy zu gehen.
Schon zwei Tage nach dem Eintreffen vor Rocroy wurde das Bataillon
118

wiederum nach Marle abberufen und bekam dort verschiedene Aufgaben


zugeteilt.44
Kaum eine Woche später marschierte das dritte Bataillon nach Rocroy zurück,
wo es Ende Juli 1815 die beiden anderen Bataillone des Regiments antraf. Von
hier aus brach die gesamte 6. Brigade nach Givet auf, um auch diesen Ort
einzuschließen. Die Belagerung der Festung sollte sich bis zum Herbst hinzie-
hen. Von Borcke berichtet, dass man Baracken baute und sich auf längere Zeit
einrichtete.45 Im September wurden viele Elb-Landwehrmänner durch die
schlechte Witterung und Krankheiten in Mitleidenschaft gezogen. Von Borcke
schreibt:
„Wir näherten uns der Mitte des September; in dieser rauhen Ardennengegend
rückte die üble Jahreszeit rasch heran, es regnete viel und die Nächte wurden
kalt, viele Leute erkrankten, namentlich an Augenleiden, und die Bataillone
wurden immer dünner.“46
Ende September wurde das Regiment erlöst und zog ins Département Aisne.
Die drei Bataillone kamen in den Orten Hirson, La Capelle und Nouvion en
Thiérache unter, vermutlich der Jahreszeit entsprechend in feste Einquartie-
rungen. Unterdessen setzte nach Ende der Friedensverhandlungen allmählich
der Abzug der ersten Besatzungstruppen aus Frankreich ein. Unter den preu-
ßischen Einheiten, die noch im Spätherbst in die Heimat aufbrachen, war das
1. Elb-Landwehrregiment. Mitte November trat es den Rückmarsch aus der
Region Aisne an. Bei Koblenz überschritt man den Rhein und über Hessen
ging es nach Erfurt und weiter über Magdeburg bis nach Stendal. Hier endet
in von Borckes Bericht die Geschichte des ersten Elb-Landwehrregiments.
„So kamen wir am 19. Dezember [1815] in Stendal an, wo viel freudige und
schmerzliche Eindrücke unser warteten. Die, welche wiederkehrten, wurden von
den aus der ganzen Provinz zusammengeströmten Ihrigen in Jubel und Freude
empfangen, die Fehlenden, und ihre Zahl war groß, schmerzlich beweint. Alle aber,
zu Gefahren, Freud‘ und Leid so lange im Regiment vereinigt gewesenen
Gefährten, Freunde und Kameraden, riß in einem Augenblick das letzte
Kommando ‚Gewehr ab!‘ auseinander, hierhin und dorthin wurden sie zerstreut,
und das erste Elb-Landwehr-Regiment war nicht mehr, mit diesem Augenblick
erlosch selbst sein Name.“47

44
Von Borcke, Kriegerleben, 323-326.
45
Von Borcke, Kriegerleben, 328.
46
Von Borcke, Kriegerleben, 334.
47
Von Borcke, Kriegerleben, 338.
119

X. Verluste

Die Verluste des 1. Elb-Landwehrregiments im Feldzug von 1815 sind im


Gouvernements-Blatt für die königlich-preußischen Provinzen zwischen der
Elbe und der Weser, Ausgabe Nro. 153 vom November 1815 aufgeführt.48 Die
Angaben sind, obwohl sie erst in November veröffentlicht wurden, immer
noch mit Fehlern behaftet, wie ein konkreter Einzelfall belegt. Auf Seite 1589
in der ersten Zeile wird der Soldat Joachim Friedrich Busse aus dem Ort
Grassau als vermisst oder gefangen angeführt (Abb. 5). Busse war jedoch bei
Ligny verwundet worden und verstarb am 26. Juli 1815 im Lazarett zu
Namur.49 Trotz solch vereinzelt möglicher Falschangaben lassen die Zahlen
aber insgesamt eine gute Übersicht über die Verluste des 1. Elb-Landwehr-
regiments zu. Den Großteil dieser hat das Regiment in der Schlacht bei Ligny
am 16. Juni 1815 erlitten. Der vergebliche Sturm auf die Festung Namur am
20. Juni hat ebenfalls zahlreiche Tote und Verwundete gekostet. Im nachfol-
genden Einsatz im Festungskrieg in Nordostfrankreich kamen nur vereinzelt
Landwehrmänner durch Gefechtshandlungen zu Schaden. Bemerkenswert
ist, dass das Regiment im Feldzug den Regimentskommandeur verlor und zwei
von drei Bataillonskommandeuren sowie noch einen der nachgerückten
Bataillonskommandeure.50

48
Das besagte Gouvernements-Blatt Nro. 153 umfasst die Seiten 1575-1590.
49
Diese Angaben finden sich im Text einer Gedenktafel, die sein Vater im Jahr 1816 anfertigen
ließ und die bis heute einen Ehrenplatz in der Grassauer Kirche einnimmt.
50
Vgl. hierzu von Borcke, Kriegerleben, die Angaben im Text, 311-312, 321 und in der Rangliste,
Anhang 16, 386-387. Namentlich waren die Verluste unter Angabe der Nr. in der Rangliste: Nr.
1: Oberstlieutenant Ernst von Bismark aus der Altmark, Regimentskommandeur, gefallen 20.6.
vor Namur.
Nr. 2: Major Thomas von Jagow. Kommandeur 3. Bataillon, gefallen 16.6. bei Ligny
Nr. 4: Major Ferdinand von Schleicher, Kommandeur 2. Bataillon, gefallen 16.6. bei Ligny
Nr. 11: Kapitän von Czetteritz, nachgerückter Kommandeur 2. Bataillon, tödlich verwundet 20.6.
vor Namur.
120

Abb. 4 Verluste des 1. Elb-Landwehr Regiments.51

Die aufgezeigten Verluste des 1. Elb-Landwehr Regiments im Waterloo Feld-


zug waren somit ganz erheblich. Dabei handelt es sich um die direkten Ver-
luste in den Kampfhandlungen. Nicht aufgelistet in der Statistik sind dieje-
nigen Landwehrmänner, die an Krankheiten verstarben oder durch solche
dauerhaft geschädigt und für ihr Leben gezeichnet wurden. Ihre Zahl kann
aufgrund dem Autor nicht vorliegenden Datenmaterials leider weder beziffert
noch geschätzt werden. Allerdings waren schwere Erkrankungen auch für
Zivilisten ein stetes Risiko und der Tod durch Krankheit ein allgegen-wärtiges
Ereignis im Alltag vor 200 Jahren.

51
Vom Autor errechnet aus den Angaben in Gouvernements-Blatt Nro. 153, 1577-1590.
121

XI. Zusammenfassung

Landwehren waren der entscheidende Baustein für das von den preußischen
Militärreformern zwischen 1808 und 1813 entwickelte Konzept eines Volks-
heeres. Über die anfängliche territoriale Idee der reinen Landesverteidigung,
„Wehr des Landes“ hinaus, wurden die Landwehren Preußens schon im
Befreiungskrieg von 1813 zu einem integraleren Bestandteil des Feldheeres
und hatten erheblichen Anteil am Sieg über Napoleon Bonaparte.

Zu Beginn des Jahres 1814 wurden in den wiedergewonnenen preußischen


Landesteilen westlich der Elbe und im Westfälischen, wie bereits 1813 in allen
anderen Landesteilen, Landwehren ausgehoben. In der Altmark traten An-
fang 1814 drei von vier Bataillonen des 1. Elb-Landwehrregiments zusammen.
Die Geschichte des 1. Elb-Landwehrregiments umfasst von der Entstehung bis
zu seinem Auseinandergehen den sehr kurzen Zeitraum von lediglich 2 Jah-
ren. In dieser kurzen Zeit nahm das Regiment an den militärischen Opera-
tionen des ausgehenden Befreiungskrieges, der folgenden Friedenszeit und
schließlich am Feldzug in Belgien von 1815 teil. In der Schlacht von Ligny am
16. Juni hatte es als Teil der 6. Brigade des II. preußischen Armeekorps seinen
ersten Kriegseinsatz und verzeichnete schwere Verluste. In der Schlacht bei
Waterloo am 18. Juni trat es noch in Schlachtordnung an, kam aber nicht mehr
zum Einsatz. Dagegen erlitt es beim Versuch der Erstürmung der befestigten
Stadt Namur zwei Tage später noch einmal erhebliche Verluste. Im nach-
folgenden Festungskrieg verschlug es das Regiment in die Ardennen, wo es als
Teil der Besatzungsarmee verblieb, bis es Ende 1815 zurück in die Heimat
marschierte und am 19. Dezember 1815 auseinanderging.
122

XII. Literaturauswahl

Borcke, Johann Friedrich Ernst von: Kriegerleben des Johann von Borcke,
weiland Kgl. Preuß. Oberstlieutenants, 1806-1815. Herausgegeben
von v. Leszczynski, Berlin, 1888.
Geschichte der Organisation der Landwehr 1. In dem Militair-Gouvernement
zwischen Elbe und Weser 2. In dem Militair-Gouvernement zwischen
Weser und Rhein im Jahre 1813 und 1814, Beiheft zum Militair-
Wochenblatt für das 3te Quartal 1857, Berlin, 1857.
Gouvernements-Blatt für die königlich-preußischen Provinzen zwischen der
Elbe und der Weser, Nro. 153, Halberstadt, den 16. November 1815.
Die Ausgabe Nr. 153 umfasst die Seiten 1575 bis 1590.
Hofschröer, Peter: 1815: The Waterloo Campaign, 2 Bände, London & Mecha-
nicsburg, 1999.
Hofschröer, Peter: Prussian Landwehr and Landsturm 1813-1815, 2. Ausgabe,
Cambridge, Kanada, 1984.
Kriegskatechismus für die Landwehr, Breslau, 1813. Nachdruck Leipzig 1944.
Nitschke, Heinz G.: Die Preußischen Militärreformen 1807-1813, Kleine
Beiträge zur Geschichte Preußens 2, Berlin, 1983.
Pflug, Dr. Ferdinand: Das preußische Landwehrbuch, Geschichte und Groß-
thaten der Landwehr Preußens während der Befreiungskriege,
Berlin und Leipzig, 1863.
Schmidt, Dorothea: Die preußische Landwehr 1813, Militärgeschichtliche
Skizzen, Berlin (DDR), 1987.
Wagner, August: Pläne der Schlachten und Treffen welche von der preu-
ßischen Armee in den Feldzügen der Jahre 1813, 1814 und 1815
geliefert worden, 4 Texthefte und Anhang sowie zugehörige Karten,
Berlin, 1821-31. Hier: Viertes Heft, Berlin, 1825.
123

Abb. 5 Gefangenen- und Vermisstenliste der Schlacht bei Ligny


124

Abb. 6 Autor beim Erklären der Uniform, Grassau 2015

Abb. 7 Ehrenwache an der Gedenktafel für Joachim Friedrich Busse, Grassau 2015
125

Der Obelisk von Ortwinkel - ein Denkmal der Separation

von Frank Moldenhauer

In der Gemarkung Rademin, Altmarkkreis Salzwedel, befindet sich etwa 2,5


km östlich der Ortslage der kleine Wohnplatz Ortwinkel. Er umfasst heute
sechs Bauernhöfe und ein Einfamilienhaus,1 die allesamt an der Südseite der
Ortsstraße liegen. Die Entstehung dieses Ortsteiles ist eng mit der Separation
und der Familie Schernikau-Hennigs verbunden.
Der erste Vertreter dieser Familie in Rademin war der in Vissum geborene
Simon Schernikau (1614-1673). Im Jahre 1652 heiratet er Ursula Liestmann,
Tochter des Ackermannes Steffen Liestmann in Rademin. Deren
Nachkommen leben über Generationen als Ackermänner in dem Dorf. Der
von ihnen bewirtschaftete Ackerhof trägt bei der Separation Mitte des 19.
Jahrhunderts die Nr. 12, dessen Lage ist anhand der Brouillon2-Karte3 (Abb.
2) von 1841 eindeutig auszumachen. Die nach Süden verlaufende Dorfstraße
endete vor der Separation als Sackgasse vor dem Tor des Schulzenhofes (bei
der Separation Hof-Nr. 11), der über Jahrhunderte an die Familie Lange
gebunden war. Auf der östlichen Seite am südlichen Ende dieser Sackgasse
grenzte der Schernikau-Hof unmittelbar an den Schulzenhof. 1910 ist
zwischen diesen beiden Hofplätzen eine Ortsausfahrt nach Osten in Richtung
Ladekath angelegt worden. Damit verlor der vorher dort verlaufende Fußsteig
für den Pfarrer, der in Ladekath wohnte, und für die Ladekather Kinder, die
in Rademin die Schule besuchten, seine Bedeutung.4

Ab 1819 wird der Ackerhof von Christoph Schernikau, einem Urururenkel


des Simon Schernikau, bewirtschaftet. Er heiratet 1819 in erster Ehe Anna
Catharina Willmann aus Liesten und, nachdem diese mit nur 25 Jahren 1822
im Wochenbett stirbt, ein Vierteljahr später in zweiter Ehe deren Schwester
Marie Elisabeth Willmann. Aus beiden Ehen gehen bis 1840 insgesamt 13
Kinder hervor, von denen lediglich eine Tochter im Kleinkindalter stirbt. Die

1
Dieses Haus liegt am westlichen Ende des Wohnplatzes und ist erst wenige Jahre vor der Wende
dazu gekommen.
2
Brouillon, frz.: erster Entwurf, Konzept
3
LASA MD C 20 V Rademin Karte Nr. 1 „Brouillon-Karte von der Feldmark des Dorfes Rademin
Kreis Salzwedel Regierungs Bezirk Magdeburg. Behufs Specieller Separation vermessen im Jahre
1841 durch Kotschedoff.“ Die Karte zeigt die Neuordnung der Feldflur der Gemarkung Rademin
bei der Separation.
4
LASA MD C 20 V Sep. Rademin Nr. 2 Bl. 14V – 16V vom 14.4.1912. Korrespondenz zum
Chaussee-Bau durch Rademin.
126

Bewirtschaftung der Ackerhöfe5 wird zu dieser Zeit nach der aus dem
Mittelalter stammenden Form der Dreifelder-Wirtschaft betrieben. Jedes
Flurstück war unter den Ackerhöfen aufgeteilt, sodass jedem Bauern durch
die sogenannte Gemengelage insgesamt nur ein Streubesitz zukam. Die
landwirtschaftlichen Arbeiten konnten wegen des Flurzwanges lediglich in
gemeinschaftlicher Arbeit aller Ackermänner und unter Führung des
Dorfschulzen erledigt werden, zumal viele Ackerstücke in der Regel aufgrund
der Zersplitterung der Feldflur nicht über Feldwege erreichbar und sehr klein
waren. Mit der Separation wurde durch die Abschaffung dieser Bewirt-
schaftungsform eine tiefgreifende Veränderung der Wirtschaftskultur
eingeleitet. Die gesamte Feldmark eines Dorfes wurde neu aufgeteilt, sodass
es nun durch die Zusammenlegung von Flächen jedem Ackermann möglich
war, die Arbeitsabläufe eigenständig zu planen und auszuführen. Für die
Ablösung der Pachtzahlungen und Dienste mussten die Bauern nicht geringe
Summen an ihre Grundherren zahlen.6

Am 20. Oktober 1839 beantragt der Schulze Johann Dietrich Lange bei der
Königlichen General-Kommission der Provinz Sachsen für die Gemeinde
Rademin die Separation.7 Mit der Leitung wird der „Oeconomie-Comissionen-
Rath“ Moldenhauer8 aus Salzwedel beauftragt. Die dazu notwendigen
Vorgänge ziehen sich bis 1846 hin. Johann Friedrich Zander9 aus Badel
schreibt um 1930 in seiner Chronik10 der Familie Willmann dazu: Christoph
Schernikau „hat sich seinen Hof bei der Separation in Rademin an der Kassuhner
Grenze legen lassen und später an seine Kinder verteilt, es ist das heutige
Ortwinkel. Der Stammhof ist in Besitz der Familie Hennigs.“ Diese Information
beruht sicherlich auf einer mündlichen Überlieferung innerhalb der Familie
Hennigs-Ortwinkel. Dem Christoph Schernikau werden bei der Separation die
Ackerstücke in den nachfolgenden Fluren zugesprochen:

5
LASA MD C 20 V Sep. Rademin Nr. 1. Vor der Separation gab es in Rademin 13 Ackerhöfe, 1
Kätnerstelle, 1 Grundsitzerstelle, 3 Häuslerstellen und 23 Parzellenbesitzungen.
6
Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Breitenfeld_(Gardelegen), aufgerufen am 8.8.2016
7
LASA MD C 20 V Sep. Rademin Nr. 1.
8
Dieser ist in den Salzwedeler Kirchenbüchern nicht nachweisbar. Folglich hatte er
wahrscheinlich nur während seiner Dienstzeit dort seinen Wohnsitz. Er könnte identisch sein
mit Eduard Wilhelm Leopold Moldenhauer, Landesökonomie-Rat in Berlin (*
Riesenburg/Westpreußen 18.11.1798 † Berlin 1875), einem Ur-Ur-Enkel des Joachim
Moldenhauer (* Salzwedel 1632 † Königsmark 1677), Pfarrer in Königsmark/Altmark.
9
Vgl. Frank Moldenhauer: Johann Friedrich Zander, Badel (1863-1958) – Erinnerungen an einen
altmärkischen Familienforscher. In: 80. Jahresbericht des Altmärkischen Vereins für
vaterländische Geschichte, S. 127 – 132.
10
Privatbesitz Frank Moldenhauer.
127

Die kurzen Ruthen Die wüsten kurzen Ruthen


Die langen Ruthen (teilweise) Die wüsten langen Ruthen (teilweise)
Der Ort Winkel11 Das raume Bleck
Schleeup

Die Gesamtfläche (Acker und Wiesen) wird mit 231 Morgen und 99
Quadratruten12 und einem Wert von 144 Talern 24 Groschen und 19
Pfennigen beziffert.
Auf der Brouillon-Karte von 1841 wird sichtbar, dass diese nun bei einander
liegenden Flurstücke innerhalb der Gemarkung Rademin die maximal
mögliche Entfernung von der Ortslage haben. Sie werden im Norden/Osten
von den Gemarkungen Vissum und Kassuhn und südlich von der Gemarkung
Kallehne13 begrenzt (Abb. 3). In der zugehörigen Separationsakte14 wird dieser
Umstand ebenfalls beschrieben:

„Ausbau des Schernickauschen Hofes § 57. Der Ackersmann Schernickau ist mit
seiner gesamten Forderung an der Vissum-Cassuhn-Callehner Grenze, also im
entferntesten Theil vom Dorfe Rademin abgefunden. Die Entschädigung für diese
größte Entfernung ist ihm nach § 5 ad 9 gewährt. Rücksichts seines Beitrages zu
den Brücken Wegen- und Communal-Lasten ist das Erforderliche in den §§ 7. 8.
46. und 50 festgestellt. Der p Schernickau hat seine Gebäude von der alten Hofstelle
nach dem neuen Plan transportirt. Die übrigen Interessenten [Ackerleute
Rademins] haben sich verbindlich gemacht, dazu im Frühjahr 1843 die
erforderlichen Fuhren zu leisten, die Gebäude auf der neuen Baustelle aufzurichten
und die gestaakten Wände mit Lehm auszukleben.“

Zu diesem Zweck stellt Christoph Schernikau an das Landratsamt Salzwedel


einen Bauantrag:15
„Der Akkermann Schernnekau bittet um Ertheilung eines Bau Consenses ganz
gehorsamst. Da mir bei der Separation mein Acker Wiesen u Weide Plan ganz
entlegen vom Dorfe an der Straße nach Calehne zu gefallen um nuhn solches
bekwemer und besser zu benutzen so bin ich gewillicht meine Gebäude auf den

11
Vermutlich wegen seiner Lage – östlichster „Zipfel“ der Gemarkung Rademin – einst so
benannt.
12
https://de.wikipedia.org/wiki/Morgen_(Einheit), aufgerufen am 21.8.2016: 1 Morgen =
2553,22 m² = 180 Quadratruten; 1 Rute = 3,77 m (Angaben gültig in Preußen).
13
1938 wurde Kallehne mit dem unmittelbar sich östlich anschließenden Velgau unter dem neuen
Ortsnamen Fleetmark vereint.
14
LASA MD C 20 V Sep. Rademin Nr. 1, Bl. 84R – 85V.
15
LASA MD C 30 Salzwedel A Nr. 1680 „Acta des Königl. Landraths Amts Salzwedelschen
Kreises betreffend die Bau- Angelegenheiten von Rademin“ ohne fol. vom 8.2.1843.
128

Hoffe als Wohnhaus Altentheil u Scheune abzubrechen und dieselben dorthin


aufbauen
2) Das Wohnhaus 79. Fuß lang 30. Fuß tief von Fachwerk mit StrohdachZiegeldach
wird solches zu weit verbunden16 und mit Ziegel nicht gedeckt werden kann
Die Scheune von 67 Fuß lang 30. Fuß tief von Fachwerk mit Strohdach und komt
24 Fuß vom Hause entfernt
III) Das Altentheil von 58 Fuß lang 20. Fuß tif von Fachwerk mit
StrohdachZiegeldach u kömmt 24 Fuß von der Scheune entfernt zustehen
IIII) auch bin ich gewillet das alte Backhaus17 ab[zu]brechen von 29 Fuß lang 15.
Fuß tif und dasselbe wieder auf zu richten und zu einen Schaffstall einzurichten

Der Ackermann Schernikau


Der Maurermeister Buthut
Der Zimmermeister Hennigs
Schulze Lange

Antwort.
Dem p. Schernikau ist auf dessen Gesuch vom 8ten d[es]. M[onats]. daß ihm der
Consens zur Erbauung eines neuen Wohnhauses nur dann kann ertheilet werden,
wenn er dasselbe mit Ziegeln18 decken will, worüber ich seine Erklärung erwarte
An den Königl Landrath Ritter … Freiherrn Herr v. d. Schulenburg
Hochwohlgebohren zu Salzwedel
Nachdem der p. Schernekau sich mündlich erklärt hat, das Haus mit Ziegeln zu
decken, so sind demselben der Consense ertheilt u wird der Gendarm
Ammenhausen beauftragt den Consens auszuhändigen u den Bauplahn
abzustecken.
Das von Ew: Hochwohlgeboren mir ertheilten Befehls zufolge, habe ich dem
Ackersmann Schernikau den Bauplan abgesteckt, und ihn die desfallsigen
Bauconsense ausgehändigt.
Salzwedel den 20.ten April 1843.
Ammenhäuser Gendarm.“

Wie sich zeigt, decken sich hier die mündliche und die schriftliche
Überlieferung verschiedener Quellen bestens. Die beschriebene
Baugenehmigung vom 20. April 1843 für die Umsetzung der Gebäude von

16
Gemeint ist der für eine Ziegellast zu große Abstand der Dachsparren.
17
LASA MD C 30 Salzwedel A Nr. 1680. Bauantrag des Christoph Schernikau vom 23.8.1843
für ein neues Backhaus, Fachwerk, Ziegeldach, 40 Fuß vom nächsten Gebäude entfernt, 22 Fuß
lang, 20 Fuß breit, 12.9.1843 Baukonsens durch Gendarm Hitzfeld ausgehändigt und Bauplan
abgesteckt.
18
Grundlage dieser Forderung ist der gegenüber einem Strohdach verbesserte Brandschutz.
129

Rademin zum neuen Wohnplatz, der fortan mit dem vorher schon
existierenden Flurnamen „der Ort Winkel bey Rademin“ bezeichnet wird,
kann somit als Gründung des Wohnplatzes Ortwinkel angesehen werden.
Auf der abgeräumten Hofstelle in Rademin bleibt einzig das Torhaus, das auch
Stallungen beherbergt, zurück. In den folgenden Jahren wird dieses Hof-Areal
an drei Interessenten veräußert, die sich darauf eine neue Existenz aufbauen.
Auch darüber gibt die bereits zitierte Bauakte von Rademin Auskunft:

4.2.1843
Der Schmied Reising hat von seinem Schwager [Christoph] Schernekau „am
südlichen Ende des Dorfes rechts an der Dorfstraße ein Wohrtstück gekauft“. Er
beantragt, dort ein Wohnhaus mit Schmiede und Stallgebäude zu errichten, da
dieser Plan mehr Platz bietet als sein altes Schmiedegrundstück.

23.8.1843
Der Zimmermann [Johann Joachim] Schultz bittet um Baukonsens: „Da ich
mir von der Hoffstelle des Ackermanns Schernekau längst der Dorfstraße das
ehemalige Auffarth und Stallgebäude gekauft so bin ich gewilligt die Auffart
abzubrechen, und die übrigen Stallräume sämptlich zu 2 Stuben 4 Kammern 1
Küche u Flur einzurichten und bleibt 16´ [= Fuß] vom nächsten Gebäude entfernt
zu stehen …“

9.3.1844
Der Arbeitsmann Erdmann Feick stellt ebenfalls einen Bauantrag: „Da ich die
Hälfte der Hoffstelle von dem Ackermann Schernekau nebst Garten und
Vordergebäude gekauft habe so beabsichtige ich mich auf den Hofe wo früher die
übrigen Gebäude gestanden haben ein neues Wohnhaus 32 Fuß lang 24 Fuß tief
eine Etage hoch von Fachwerk mit Ziegeldach und 24 Fuß vom nächsten Gebäude
entfernt auf zu bauen. Darin sollen sich befinden 2 Stuben 3 Kammern 1 Küche u
Flur …“
Ferner müssen diese „Neu-Rademiner“ folgender Erklärung zustimmen:
„Verhandelt Salzwedel den 30 ten September 1843 Es erscheint heute der
Zimmermann J. J. Schultz aus Rademin und giebt nachstehende Erklärung, in
Bezug auf das von ihm in der Gemeinde Rademin anzulegende Etablissement,
bestehend in einem Wohnhause nebst Scheunen- und Stallgebäude, mit dahinter
belegenen Garten zu Protokoll:
1. entsaget er allen Ansprüchen an sämmtliche Gemeinheiten der Ackergemeinde
zu Rademin und namentlich auf die Weide, so wohl für jetzt als bei einer künftig
eintretenden Separation 2. verpflichtet er sich zur Uebernahme eines
verhältnismäßigen Beitrags zu den auf administrativen Wege einzuziehenden
Gemeinde, sowie an den Staat und an weltliche und geistliche Institute zu
130

entrichtenden Lasten und Abgaben und haftet mit seinem bereiten Vermögen für
deren Berichtigung.19
Hierauf ist diese Verhandlung vorgelesen, genehmigt und unterschrieben.
Johann Joachim Schulz a. u. S.“ 20

1846 stirbt Christoph Schernikau 55-jährig an Auszehrung. Seinen neuen Hof


in Ortwinkel hat er seiner Tochter Dorothea Elisabeth und deren aus Jeetze
stammenden Ehemann Joachim Friedrich Hennigs21 übergeben. Neben zwei
weiteren Töchtern mit ihren Ehemännern (Schultze und Thormann) siedeln
sich in den Folgejahren auch ortsfremde Personen in Ortwinkel an.
Offensichtlich haben sich Schernikau bzw. dessen Nachfolger Hennigs dazu
entschieden, einen Teil ihres Grund und Bodens an diese Interessenten zu
veräußern. Damit erhielten diese die Möglichkeit einer Existenzgründung.
Die daraus resultierende rege Bautätigkeit und die damit verbundene
Expansion des Wohnplatzes Ortwinkel auf die im Wesentlichen noch heute
vorhandene Größe lässt sich anhand der Bauakte22 von Rademin
nachvollziehen:

9.4.1851
[Johann Heinrich Christian]23 Tüngler [1850 Schuhmacher in Ortwinkel]24
hat vom Grundsitzer Hennigs ein Wohnhaus gepachtet, er bittet um
Baukonsens wegen des Anbaus einer nördlich am Haus gelegenen Kammer in
7 Fuß Länge und 22 Fuß Tiefe mit Ziegeldach.

25.3.1852
Der Grundsitzer Beckmann bittet um Baukonsens für ein Wohnhaus von 34
× 22 Fuß, Scheune und Stallgebäude von 48 × 20 Fuß, 70 Fuß Entfernung
[westlich] vom benachbarten Wohnhaus des Grundsitzers Hennigs.

23.6.1852
Meister Thormann zu Arendsee bittet um Baukonsens, um auf seinem
Ackerplan ein Wohnhaus von 50 × 30 Fuß, massiv mit Ziegeldach, 4 Stuben,
4 Kammern, 1 Flur, eine Scheune mit Stallung von 50 × 32 Fuß, Fachwerk
mit Strohdach und ein Stallgebäude von 40 × 20 Fuß zu errichten.
19
Gemeint ist die korrekte Bezahlung dieser Forderungen.
20
Eine Erklärung gleichen Wortlautes für den Arbeitsmann Erdmann Feick vom 8.5.1844 findet
sich in dessen Bauantrag.
21
Er ist der Enkel des Leinewebermeisters und Teichwärters Johann Christoph Hennigs in
Altmersleben. Dieser ist vor 1771 aus Jonsdorf/ Lausitz eingewandert.
22
LASA MD C 30 Salzwedel A Nr. 1680.
23
Angabe lt. Kirchenbuch.
24
Angabe lt. Kirchenbuch.
131

1.6.1854
Der Grundsitzer [Joachim Gottfried]25 Kerkau bebaut das Grundstück
zwischen Beckmann und Hennigs.

6.2.1865
Baukonsens für Beckmann für einen Scheunen-Anbau. Grundsitzer Brock
wird darin als sein unmittelbarer linker (östlicher) Nachbar genannt. Er wäre
demnach der Nachfolger von Joachim Friedrich Kerkau.

Viele der Bauanträge enthalten Skizzen, aus denen die jeweiligen baulichen
Situationen der betreffenden und deren benachbarten Hofstellen
hervorgehen. Im Prinzip deckt sich die hier gezeigte Darstellung im
Wesentlichen mit der heute in Ortwinkel vorzufindenden
Gebäudeanordnung.
Nach 1850 ist der Wohnplatz laut Bauakte mindestens auf vier Stellen (von
Ost nach West: Hennigs, Kerkau [später Brock], Beckmann, Thormann)
angewachsen. Von einer Vollständigkeit der Rademiner Bauakte kann jedoch
nicht zwingend ausgegangen werden, denn anhand des Kirchenbuches von
Rademin lassen sich neben den hier genannten Familien zwischenzeitlich u.
a. auch die Familien Alms, Tiedge genannt Kahle [= Kahle], Krüger, Plank
und Schultz nachweisen. Die Namen einiger Stellen-Besitzer wechseln durch
Heirat, Verkauf und eventuell auch durch Interimswirtschaft in den folgenden
Jahrzehnten. Bis spätestens 1893 wuchs die Zahl auf sechs Höfe an. Die Größe
der Nutzfläche des Schernikau-Hennigs-Hofes verringerte sich durch die
Ansiedlung von ursprünglich 231 Morgen und 99 Quadratruten (ca. 58 ha)
auf 17 ha. Die übrigen fünf Hofstellen, die in Ortwinkel angelegt wurden,
hatten im 20. Jahrhundert teilweise eine Größe von unter 10 ha,26 sodass die
Fläche der „Teil-Gemarkung“ Ortwinkel in etwa konstant geblieben ist. Zur
Ursache der Landveräußerung durch Schernikau und Hennigs kann nur
spekuliert werden. Ein möglicher Grund könnten finanzielle Engpässe
gewesen sein. Als Christoph Schernikau stirbt, ist seine zweite Ehefrau bereits
fast zwei Jahre tot. Zurück bleiben zwölf Kinder, davon sind acht noch
minderjährig,27 die in den kommenden Jahren aus diesem Hof ausgesteuert
werden müssen. In demselben Zeitraum fallen neben den Kosten für die
Umsiedlung auch die Ablöseforderungen ins Gewicht. Im Ablöserezess28 vom
25.5.1840 wird eine an die von der Schulenburg zu Beetzendorf (Apenburger

25
Angabe lt. Kirchenbuch.
26
Mitteilung Frau Giesela Meyer geb. Hennigs, Kl. Gartz (Td Wilhelm Hennigs Ortwinkel),
22.8.2016.
27
Die Volljährigkeit erlangte man in dieser Zeit mit 21 Jahren.
28
LASA WR H Beetzendorf II III Nr. 163i Prästationen Hof No 12 Rademin (1819 – 1842).
132

Hof) zu zahlende Ablösesumme von 115 Talern und 2 Silbergroschen


festgelegt, die mit 4 % zu verzinsen ist. Mit dieser Zahlung konnten sich die
Bauern von ihren Verpflichtungen gegenüber ihrem Grundherrn loskaufen.
Die Höfe wurden dadurch Eigentum der Bauern nach heutigem Verständnis.
Dass durch die Separation einzelne Höfe außerhalb der Dörfer verlegt
wurden, um geringere Distanzen zum Ackerland zu haben, ist keine
Seltenheit und heute in etlichen Dörfern der Altmark noch sichtbar. Insofern
nimmt Ortwinkel mit seiner Erweiterung auf mehrere Gehöfte eine
Sonderstellung ein.

1893, fünfzig Jahre nach der durch Christoph Schernikau initiierten


Umsiedlung zum neuen Ackerplan, leben sechs Familien in Ortwinkel. Die
mit der Separation verbundenen Veränderungen sind für diese Familien nicht
zuletzt aufgrund ihres eigenständigen, von der Ortslage Rademin losgelösten
Wohnplatzes, auch nach einem halben Jahrhundert noch allgegenwärtig. Aus
diesem Anlass finanzieren sie einen Gedenkstein, der vor dem Hof der Familie
Hennigs an der Straße seine Aufstellung findet (Abb. 1). Dabei handelt es sich
um einen knapp 1 m hohen, aus Sandstein gearbeiteten Obelisken, der auf
einer quadratischen Sandsteinplatte fußt.29 Drei der vier trapezförmigen
Seiten tragen eingeschlagene Fraktur-Inschriften. Während die Namen der
damaligen Bewohner (und sicherlich zugleich auch Stifter) relativ problemlos
zu entziffern sind, ist die Schrift auf der Wetterseite des Obelisken stark
verwittert, sodass die Lesbarkeit (leider!) nur schemenhaft und mit Lücken
möglich ist:

29
Mitteilung Herr Eckhardt Kamieth, Bürgermeister von Rademin, 22.8.2016: Grundplatte:
Kantenlängen der Grundplatte: 50 cm × 50 cm, oberer Rand ist abgeschrägt – dadurch nimmt die
Stärke der Platte nach außen hin ab, Breite der Schräge: 10 cm - gemessen senkrecht zur
Kantenlänge/ Stärke der Grundplatte (geschätzt): ca. 20 cm, genaues Maß nicht ermittelt, da
Platte teilweise in den Boden ragt/ Pyramidenstumpf des Obelisken: Kantenlängen der
Grundfläche: 38 cm × 38 cm/ Kantenlängen der Deckfläche: 29,5 cm × 29,5 cm, ursprünglich
wohl 30 cm × 30 cm/ Stumpfhöhe (Abstand zwischen Grund- und Deckfläche): 86 cm/
Pyramidenförmige Spitze des Obelisken: Spitze der Pyramide durch Abnutzung/ Erosion zu einer
Fläche von ca. 3 cm × 3 cm abgeflacht/ Höhe der Pyramide (geschätzt): 7 cm/ Gesamthöhe des
Obelisken: ca. 93 cm
133

Seite Nordseite Westseite Südseite Ostseite


Zustand leicht stark kaum stark
verwittert verwittert verwittert verwittert
(Abb. 4) (Abb. 4) (Abb. 5)
Inschrift W. Zur C. keine
Hennigs. Erinnerung Thormann.
W. an das 5[0] [jährige?] H.
Krüger. …nfti[?]…kelt[?] Beckmann.
W. der C[olonie?] F.
Alms. Ortwinkel Kahle.
am 11. u. 12. April
1893

Über der Inschrift be-


finden sich vier Lö-
cher30 mit quadrati-
schem Querschnitt, die
wie die Eckpunkte
einer querliegenden
Raute angeordnet sind.
Vermutlich waren es
Dübellöcher für eine
Metallplakette.31

Der Obelisk steht heute zur quadratischen Grundplatte etwas verdreht, sodass
die jetzige Ausrichtung des Gedenksteines nicht zwingend mit der
ursprünglichen Position identisch sein muss. Denkbar wäre eine
ursprüngliche Lage, bei der die heutige Westseite nach Norden wies, also
parallel zur Ortsstraße bzw. zur Gebäudefront. Dann nämlich würde die
heutige Ostseite die von der Straße abgewandte und von dort nicht einsehbare
Seite sein, was auch erklären könnte, weshalb diese Fläche ohne Inschrift
blieb.

30
Mitteilung Eckhardt Kamieth Rademin, 3.9.2016: Die Löcher sind ca. 2 cm tief und teilweise
mit Gips o. ä. gefüllt. Der Abstand der Löcher vom oberen und vom seitlichen Rand beträgt ca. 5
cm.
31
Mitteilung Frau Gisela Meyer geb. Hennigs Kl. Gartz (* 1951), 22.8.2016: Zu ihren Lebzeiten
trug der Obelisk keine Plakette. Auch ihre Eltern, Wilhelm Hennigs (* 1917) und Hildegard
Braake, haben eine Plakette nie erwähnt. Offenbar ist die Plakette nicht zur Ausführung
gekommen oder war nur kurzzeitig am Gedenkstein befestigt.
134

Mithilfe des Kirchenbuches konnten nähere Daten zu den auf dem Stein
genannten sechs Personen ermittelt werden:
1) Friedrich Wilhelm Hennigs, Erbe des Stammhofes der Familie Schernikau-
Hennigs, * 1846 † 1921,
vgl. Genealogie der Familie Schernikau-Hennigs im Anhang
2) Friedrich Wilhelm Krüger, Grundsitzer in Ortwinkel, * Kallehne
20.12.1841 † Ortwinkel 5.7.1896
oo Rademin 1874 Wilhelmine Dorothea Elisabeth Loesener
Nachfolger auf dessen Stelle war sein Sohn Friedrich Wilhelm Ferdinand
Krüger, * Ortwinkel 19.1.1877 † Ortwinkel 15.3.1915
3) Wilhelm Alms, Grundsitzer in Ortwinkel, * 15.5.1857 † Ortwinkel
31.5.1928
4) Friedrich Carl Wilhelm Thormann, Grundsitzer in Ortwinkel, * Arendsee
16.4.1824 † Ortwinkel 29.1.1907, Schwiegersohn von Christoph Schernikau,
vgl. ebenfalls Genealogie der Familie Schernikau-Hennigs im Anhang,
Nachfolger auf dessen Stelle war sein Sohn Heinrich Friedrich Wilhelm
Thormann * Ortwinkel 19.12.1857 † Ortwinkel 20.12.1923
5) Johann Heinrich Beckmann, Grundsitzer in Ortwinkel, oo Julie Lüdecke,
Nachkomme auf dessen Stelle war sein Sohn Friedrich Wilhelm Beckmann,
1933 Altsitzer in Ortwinkel * Ortwinkel 2.7.1871 † Ortwinkel 17.9.1933
6) Friedrich Tiedge genannt Kahle, Grundsitzer in Rademin, Sd Dorothea
Elisabeth Tiedge „nachmals unverehelichte Kahle“ in Rademin, oo1 Rademin
4.3.1869 Catharina Dorothee Friederike Louise Krümmel aus Altensalzwedel,
er oo2 Recklingen 1871 (KB Rademin) Anna Dorothea Germer aus
Recklingen

Im Kirchenbuch wird diese Familie nicht explizit als in Ortwinkel ansässig


hervorgehoben.
Begraben wurden die Einwohner von Ortwinkel auf dem Friedhof in
Rademin. Dort hatten sie östlich der Kirche ein kleines Separee. Lediglich eine
Grabstelle der Familie Herms aus Ortwinkel befindet sich heute noch dort.
Alle anderen Grabstellen wurden inzwischen nach Ablauf der Ruhezeit
eingeebnet.32

Der Obelisk von Ortwinkel steht nunmehr fast 125 Jahre an seinem Platz vor
dem ehemaligen Hof der Familie Schernikau-Hennigs. Seine Bedeutung ist
längst in Vergessenheit geraten, zumal die Inschrift nur mit Mühe und Lücken
zu entziffern ist. Deshalb wandte sich der Bürgermeister aus Rademin, Herr
Eckhardt Kamieth, im Sommer 2016 mithilfe der Altmark-Zeitung an die

32
Mitteilung Frau Gisela Meyer geb. Hennigs Kl. Gartz (ehemals Ortwinkel) 22.8.2016.
135

Öffentlichkeit, um Hintergründe, die diesen Gedenkstein betreffen, von


ortskundigen Altmärkern zu erfahren. Ebenso wurde das
Restaurierungsvorhaben des Steines bekundet. Herr Rolf Rötz aus Riebau,
dessen Schwiegervater Herr Adolf Hennigs aus Riebau 1911 auf dem
Stammhof in Ortwinkel geboren wurde, setzte sich aufgrund des
Zeitungsinserates mit dem Autor in Verbindung mit der Bitte um
Nachforschungen. Die Ergebnisse der Recherchen füllten diesen Artikel.

Der Obelisk von Ortwinkel ist ein Gedenkstein für die Ortsgründung und
erinnert damit zugleich an die Separation. Ein solches Kleinod ist in der
Altmark wohl einmalig und deswegen für die Nachwelt erhaltenswert.
Insofern ist das Engagement des Bürgermeisters von Rademin für eine
sachgerechte Instandsetzung des Steines lobenswert. Über eine Aufnahme des
Obelisken in die Liste der Kulturdenkmale des Altmarkkreises Salzwedel
sollte in diesem Zusammenhang auch diskutiert werden.

Abb. 1 Torhaus des ehemaligen Hofes der Familie Schernikau-Hennigs in Rademin-


Ortwinkel von der Ortsstraße gesehen. Rechts im Bild befindet sich der Gemeinde-
Schaukasten. Links daneben steht der Obelisk. (Foto: Frank Moldenhauer, 11. Juli 2016)
136

Abb. 2 Ausschnitt aus der Brouillon-Karte von 1841


Auf der Ostseite der nach Süden als Sackgasse verlaufenden Dorfstraße ist der
Ackerhof Nr. 12 der Familie Schernikau zu erkennen (siehe Pfeil). Oben rechts im Bild
ist der östliche Ortsausgang in Richtung Fleetmark (Kallehne) angedeutet. Die Straße
führt vorbei an den 2,5 km östlich der Ortslage gelegenen „Ort Winkel“. (Foto: LASA
MD C 20 V Sep. Rademin Karte Nr. 1 Ortslage)
137

Abb. 3 Ausschnitt aus der Brouillon-Karte von 1841


Der Kartenausschnitt zeigt den östlichen Bereich der Gemarkung Rademin. Die Straße
in der unteren Bildhälfte führt von der westlich gelegenen Ortslage nach Fleetmark
(Kallehne). Das dargestellte Areal ist der neue Ackerplan des Hofes Nr. 12. Unter dem
Schriftzug „Nr. 52a Christoph Schernickau“ ist ein bogenförmig verlaufender, in der
Feldmark endender Weg zu erkennen. An dessen Südseite werden nach der Separation
die Höfe der Bauern von Ortwinkel errichtet. Mit dem Bleistift ist nachträglich eine
Parzellierung und, kaum lesbar, der Begriff „Baustelle[?]“ nachgetragen worden (siehe
Pfeil). Über dem genannten Schriftzug ist das Flurstück „Der Ort Winkel“
gekennzeichnet. (Foto: LASA MD C 20 V Sep. Rademin Karte Nr. 1)
138

Abb. 4 Nord- und Westseite des Obelisken


Abb. 5 Südseite des Obelisken (Fotos: Frank Moldenhauer, 11. Juli 2016)
139

Anhang - Genealogie der Familie Schernikau-Hennigs33


Symbole/Abkürzungen:
* geboren; * = Datum aus Altersangabe errechnet; * getauft; † gestorben; †
begraben; oo verheiratet; oo1 verheiratet in ersten Ehe; J M W T Jahre
Monate Wochen Tage; K Kinder; M Mutter; NN nomen nescio (Name
unbekannt); S Sohn; Sd Sohn des…; T Tochter; Td Tochter des …; V Vater

(I. Generation)
SCHERNIKAU, Simon
1673 Krüger34 in Rademin
Sd Harmen Schernickov (* 1562 † 1650) in Vissum
* = 1614 † Rademin 25.6.1673 59J alt
oo Rademin 26.10.1652
LIESTMANN, Ursula
Td Steffen Liestmann Rademin und Ursula Francke
* Rademin 23.4.1629 † Rademin 6.3.1710
sie oo2 Rademin 19.11.1673 Hans Pagels [= Pauls] * Rademin 30.7.1643 †
Rademin
31.1.1718 „Hans Pauls Senior et viduus [= Witwer] … des Abends von
s[einem]. Bruder Peter Pauls mit ein gerichtl. Erbsen[?] zurück kömt, ist vor
seinem Hofe aufm Schnee plötzlich umgefallen u. fort todt geblieben. …“, Sd
Arend Pauls Rademin und Margarethe Liestmann

Kinder 1. Ehe:
1) Jochim Schernikau * Rademin 6.1.1654 † Rademin 12.2.1676
2) Simon SCHERNIKAU * Rademin 2.11.1655 (siehe II. Generation)
3) Ilsabe Schernikau * Rademin 21.1.1658 † Rademin 1.10.1676
4) Arend Schernikau * Rademin 25.6.1660
5) Barbara Schernikau * Rademin 4.12.1662
6) Andreas Schernikau * Rademin 9.5.1666 † Rademin 27.1.1707, Krüger in
Rademin
oo Rademin 22.10.1695 Dorothea Winkelmann * Kerkau 30.7.1671 †
Rademin 1.4.1745 74J alt, Td Jochim Winkelmann Ackermann in Kerkau
und Ilsabe Kleinau
sie oo2 Rademin 8.9.1707 Gabriel Siepmann * Ladekath 10.11.1676 †
Rademin 1.11.1756 80J alt, 1756 Altsitzer in Rademin, Sd Adam Siepmann
Ladekath und Ilse Franke
7) totgeborener Sohn † Rademin 17.6.1669
Kinder 2. Ehe: keine

33
Kirchenbücher des Kirchspiels Ladekath ab 1612
34
Gastwirt
140

Nach dem Tod ihres Ehemannes sieht sich Ursula Liestmann als Witwe mit sechs
Kindern zur alleinigen Führung der Güter (ein Acker- und ein Kossaten-Gut) nicht im
Stande. Sie beabsichtigt deswegen, eine zweite Ehe mit Hans Pauls aus Rademin
einzugehen. In der Ehestiftung wird neben der Aussteuer der Kinder, dem Altenteil
und der Mitgift des neuen Ehemannes (50 Taler und diverse Naturalien) auch die
Erbfolge geregelt. Das Acker-Gut [Hof-Nr. 12 bei der Separation Mitte des 19.
Jahrhunderts] will sie dem ältesten Sohn Jochim abtreten. Da es noch im Aufbau ist,
sollen die Geschwister Simon, Arend und Barbara weiterhin darin mitarbeiten und
dafür später daraus ihre Aussteuer empfangen. Das Kossaten-Gut, welches mit einer
Krugwirtschaft35 gekoppelt ist, will sie für sich und ihren zweiten Ehemann behalten
und die jüngsten Kinder Andreas und Ilse [Schreibfehler?, Barbara?] daraus
aussteuern. Falls aus der zweiten Ehe keine Kinder hervorgehen, soll dieses Kossaten-
Gut mit dem Krug dem Sohn Andreas zufallen. Zeuge ist Peter Liestmann aus
Vissum.36

(II. Generation)
SCHERNIKAU, Simon
Ackermann in Rademin
Nach dem Tod seines älteren Bruders Jochim 1676 übernimmt er das Acker-Gut in
Rademin.
* Rademin 2.11.1655 † Rademin 2.8.1734 Wassersucht 79J alt
oo Rademin 24.11.1682
HENNIGS, Margaretha
Td Peter Hennigs in Rademin und Ursula Bindemann
* Rademin 23.10.1659 † Rademin 13.11.1742 83J weniger 3W alt

Kinder:
1) Catharina Schernikau * Rademin 31.10.1683
2) Peter SCHERNIKAU * Rademin 17.1.1685 (siehe III. Generation)
3) Jochim Schernikau * Rademin 22.5.1687
4) Jürgen Schernikau * Rademin 6.12.1689 † Rademin 1.7.1691
5) Margaretha Schernikau * Rademin 19.9.1692
6) Simon Schernikau * Rademin 17.3.1696
7) Hans Schernikau * Rademin 18.1.1701

35
Gastwirtschaft
36
LASA WR H Beetzendorf II III Nr. 163 Prästationen aus Rademin (1673-1877) Bl. 2V - 4R
Ehestiftung (23.10.1673). Da das Acker-Gut lt. Aussage der Witwe noch im schlechten Zustand
ist und weiterhin in den Aufbau investiert werden muss, liegt die Vermutung nahe, dass Simon
Schernikau ursprünglich nur das Kossaten-Gut besaß, zumal er im Kirchenbuch eben auch nur
als Krüger bezeichnet wird. Bei dem Acker-Gut könnte es sich um einen während des
Dreißigjährigen Krieges wüst gefallenen Ackerhof handeln, den er und seine Ehefrau nach 1652
zum Wiederaufbau angenommen haben.
141

Der Umfang des Hofes wird anhand des Auszuges aus dem Kontributionskataster der
Landreiterei Arendsee37 von 1686 (niedergeschrieben 1693) deutlich:
Simon Schernikau Rademin, 2½ Hufen, „Auf die Hufen kan jährl[ich]. aus gesaet
werden“ 37 Scheffel 2 Viertel Winter- und 27 Scheffel 2 Viertel Sommerkorn, „Auf
den Worden38 kan jährl. ausgesäet werden“ 1 Viertel Winter- und 2 Viertel
Sommerkorn, 3 Fuder Heu, 1 Garten, 7 Pferde, 8 Rindvieh, 16 Schafe

(III. Generation)
SCHERNIKAU, Peter
Ackermann in Rademin
* Rademin 17.1.1685 † Rademin 3.11.1765 Alter 81J 9M 20T alt
oo Rademin 14.11.1719
PAULS, Ilsabe
1766 „Ackermannsfrau“
Td Jochim Pauls Rademin und Catharina Jacobs aus Schernikau
* Rademin 28.8.1692 † Rademin 1.2.1766 altershalber 75J 5M 4T alt

Kinder:
1) Dorothea Schernikau * Rademin 16.5.1721
2) totgeborene Tochter † Rademin 12.3.1723
3) Joachim Schernikau * Rademin 3.8.1724 † Rademin 10.5.1725 Pocken 9M alt
4) Hans Erdmann SCHERNIKAU * Rademin 4.2.1727 (siehe IV. Generation)
† Rademin 28.5.1774 „An misercre[?]“ 52J alt
5) Simon Schernikau * Rademin 6.5.1730 oo Rademin 7.7.1764 Ilsabe Catharina
Stappenbeck
6) Peter Schernikau * Rademin 3.11.1733 oo Rademin 5.11.1764 Catharina Maria
Hansen aus Schernikau

Er ist 1721 in eine Streitsache um die Nutzung der sogenannten Rottwiese, die schon
Simon Schernikau vor über 50 Jahren genutzt haben soll, verwickelt.39

(IV. Generation)
SCHERNIKAU, Hans Erdmann
Ackermann in Rademin
* Rademin 4.2.1727 † Rademin 28.5.1774 „An misercre[?]“ 52J alt
oo Rademin 26.10.1751
LANGE, Catharina Maria
Td Michael Lange in Rademin und Anna Maria Schultz
* Rademin 14.12.1728 † Rademin 4.4.1785 Brustkrankheit 56J alt
sie oo2 Rademin 26.2.1775 Gabriel Lange Ackermann in Rademin, Sd Asmus Lange
Ackermann in Mechau

37
BLHA Rep 32 Joachimthalsches Gymnasium Nr. 1575
38
Worden = Worth, hauptsächlich von den Kossaten genutztes Land
39
LASA WR H Beetzendorf II III Nr. 163 Bl. 2V (6.5.1721)
142

er oo2 Rademin 20.7.1786 NN Köhnen


er oo3 ? Anna Elisabeth Schultz * = 1745 † Rademin 20.7.1801
Wassersucht 56J alt
Kinder:
1) Ilsabe Catharina Schernikau * Rademin 28.10.1752
2) Catharina Helena Schernikau * Rademin 12.8.1754 † Rademin 7.12.1766 Pocken
12J 4M alt
3) Ilse Margarethe Schernikau * Rademin 8.1.1758 † Rademin 1.12.1766 Pocken 6J
alt
4) Hans Erdmann SCHERNIKAU * Rademin 19.3.1760 (siehe V. Generation)
5) Michael Erdmann Schernikau * Rademin 15.5.1762
6) Johann Christoph Schernikau * Rademin 18.9.1764
7) Joachim Erdmann Schernikau * Rademin 6.1.1768
8) Catharina Elisabeth Schernikau * Rademin 28.5.1770

(V. Generation)
SCHERNIKAU, Hans Erdmann
Ackermann in Rademin
* Rademin 19.3.1760 † Rademin 6.2.1828 Altersschwäche 68J alt, 4S 5T
oo1 Rademin 4.8.1788
OLLENDORFF, Margarethe Dorothea
Td Christoph Ollendorff Molitz
* Molitz 30.12.1764 † Rademin 14.12.1815 Wassersucht 52J alt, 6K
oo2 Rademin 21.7.1816
JAT[GE]OW, Ilsabe Catharina
Td Joachim Ja[ge]tow Halbspänner in Saalfeld und Catharina Dorothea Breese
* Saalfeld = 1785 † Rademin 7.5.1844 Brustkrankheit 58J
7M 1T alt, 1S,2T

Kinder 1. Ehe:
1) Ilsabe Catharina Schernikau * Rademin 16.9.1789
2) Christoph SCHERNIKAU * Rademin 4.4.1791 (siehe VI. Generation)
3) Catharina Marie Schernikau * Rademin 6.4.1793 † Rademin 29.1.1803 9J alt
4) Joachim Erdmann Schernikau * Rademin 23.7.1795 + Rademin 27.2.1803 8J alt,
Müllergeselle in Rademin
5) Anna Elisabeth Schernikau * Rademin 13.9.1797
6) Gabriel Schernikau * Rademin 2.1.1800 „7 Wochen zu früh“
7) Niklaus Schernikau * Rademin 2.1.1800 „die eodem [am selben Tag] die
Nothtauffe erhalten“
8) Johann Joachim Schernikau * Rademin 20.1.1801
9) Christine Schernikau * Rademin 10.1.1804 oo Rademin 10.11.1835 Johann
Georg Reising * = 1807 Schmiedegeselle in Rademin, Sd Anna Catharina Reising
verehelichte Bergemann in Sandbeiendorf
10) Andreas Dietrich Schernikau * Rademin 16.3.1807
Kinder 2. Ehe:
143

11 - 13) vom Verfasser nicht namentlich erfasst

uneheliche Kinder:
a) Catharina Elisabeth Schernikau * Rademin 22.6.1794 (M Anna Margaretha
Dorothea Lüders, jetzt verehelichte Müller, „der Ackermann Scherneckau in
Rademin wurde als Vater angegeben.“

Der Ackerhof der Familie Schernikau hatte ein „guts- und gerichtsherrliches
Verhältnis“ zum Apenburger Hof der Familie von der Schulenburg in Beetzendorf.
1819 wurden anhand des Hypothekenbuches die Verpflichtungen aufgelistet: „Auf
dem Hofe des Ackermannes Hans Erdmann Schernikau zu Rademin Sub Nr. 12 sind
in Rubrica II eingetragen: für den Apenburger Hof zu Beetzendorf mit drei andern
Mitgliedern der Gemeinde 7 Metzen neuen Hausmaaß Hafer In fidem extractur
Beetzendorf d 2 Decbr. 1819.“ Ferner müssen an den Lieberoser Hof in Beetzendorf
jährlich gegeben werden: 1 Scheffel 5 Metzen Roggen-Beitrag zu 3 Scheffel 8 Metzen
Gemeindepacht. 1 Scheffel 5 Metzen Gerste und 1 Scheffel 5 Metzen Hafer waren an
das Vorwerk Rittleben zu entrichten.40

(VI. Generation)
SCHERNIKAU, Christoph
Ackermann in Rademin, 1846 Ackermann „im Ortwinkel bey Rademin“
* Rademin 4.4.1791 † Rademin-Ortwinkel 10.5.1846 Auszehrung 55J 1M 6T
oo1 Rademin 31.10.1819
WILLMANN, Anna Catharina
Td Daniel Willmann Ackermann in Liesten und Margarethe Dorothea Koch
* Liesten 9.5.1796 † Rademin 22.1.1822 Wochenbett 25J 8M 13T alt
oo2 Rademin 9.4.1822
WILLMANN, Marie Elisabeth
Td Daniel Willmann Ackermann in Liesten und Margarethe Dorothea Koch
* Liesten 4.9.1798 † Rademin 16.6.1844 Auszehrung 46J alt, 3S, 6T

Kinder 1. Ehe:
1) Ilsabe Catharina Schernikau * Rademin 4.9.1820 † Gestien 13.6.1884 oo NN
Krüger aus Pretzier
2) Marie Elisabeth SCHERNIKAU * Rademin 16.1.1822 oo Rademin 23.4.1844
Joachim Friedrich SCHULTZE x = 1815, 1844 Dienstknecht in Rademin,
1848 Grundsitzer in ORTWINKEL, Sd Johann Christian Schultze Hirte in
Boock und Anna Elisabeth Seeger
Kinder 2. Ehe:
3) Johann Christoph Schernikau * Rademin 1.1.1823
4) Dorothee Elisabeth SCHERNIKAU * Rademin 2.3.1824 (siehe VII.
Generation)
5) Catharina Marie Schernikau * Rademin 19.7.1825

40
LASA WR H Beetzendorf II III Nr. 163i Prästationen Hof No 12 Rademin (1819 - 1842)
144

6) Johann Joachim Schernikau * Rademin 15.2.1827 † Magdeburg 24.10.1849


† Magdeburg Termin „unbekannt“ Nervenfieber 21J 8M 9T alt [KB
Rademin], 1849 Soldat
7) Catharina Dorothea SCHERNIKAU * Rademin 24.4.1828 oo Rademin
2.9.1849
Friedrich Carl Wilhelm THORMANN * Arendsee 16.4.1824 † Rademin-
Ortwinkel 29.1.1907, 1849 Weißgerbermeister in Arendsee, später
Grundsitzer in ORTWINKEL, Sd Carl August Ferdinand Thormann
Bürger Schuhmacher in Arendsee und Marie Sophia Muhs
8) Anna Catharina Schernikau * Rademin 11.8.1829 oo Arendsee 9.1.1849
Friedrich Christian Wilhelm Schnüber * = 1825 Bg Töpfer in Arendsee, Sd
Johann Christian Dietrich Schnüber Töpfermeister Burgwart in Arendsee
und Johanna Catharina Elisabeth Willichs
9) Christine Schernikau * Rademin 16.5.1831
10) Wilhelmine Schernikau * Rademin 10.4.1833 † Rademin 18.4.1836 Krämpfe 3J
8T alt
11) Anna Dorothea Schernikau * Rademin 6.8.1834 oo NN Stampehl in Arendsee
12) Dietrich Schernikau * Rademin 26.12.1835, in Breitenrode oo Sophie Müller
aus Vienau
13) Friedrich Christoph August Schernikau * Rademin 28.7.1840, in Solpke oo NN

(VII. Generation)
HENNIGS, Joachim Friedrich
1845 Schneider in Jeetze, nach 1846 Grundsitzer in Rademin-Ortwinkel
Sd Joachim Friedrich Hennigs Kossat und Schneider in Jeetze und Anna Catharina
Massau * = 1816 (KB-Lücke in Jeetze) † Rademin-Ortwinkel 9.2.1870
Schlagfluss 53J 4M 20T
oo Jeetze 21.9.1845
SCHERNIKAU, Dorothea Elisabeth
* Rademin 2.3.1824 † Rademin-Ortwinkel 9.2.1906

Kinder:
1) Friedrich Wilhelm HENNIGS * Jeetze 19.2.1846, Hoferbe in Ortwinkel (siehe
VIII. Generation)
2) Dorothee Sophie Henriette Hennigs * Rademin-Ortwinkel 2.8.1849 oo Joachim
Schermer Rademin
3) Friedrich Christoph August Hennigs * Rademin-Ortwinkel 22.2.1851 † Rademin-
Ortwinkel 27.11.1921 Tischlermeister Kirchenältester in Rademin oo
Rademin 14.6.1878 Ilse Dorothee Friederike Holtz, Td Johann Christoph
Holtz, Tischler in Sallenthin, und Catharina Maria Tegger

(VIII. Generation)
HENNIGS, Friedrich Wilhelm
Rademin-Ortwinkel
* Jeetze 19.2.1846 † Rademin-Ortwinkel 27.9.1921, 5K
145

oo Rademin 25.9.1874
NEUSCHULZ, Marie Friederike Luise
Td Joachim Andreas Neuschulz Kossat in Vissum und Erdmuth Elisabeth
Schwenecke
* Vissum 20.6.1848 † Rademin-Ortwinkel 22.4.1908

Kinder:41
1) Wilhelm Hennigs * Rademin-Ortwinkel 30.9.1875 (siehe IX. Generation)
2) Wilhelmine Hennigs * Rademin-Ortwinkel 14.11.1876 oo 5.6.1898 Friedrich
Meyer in Ziemendorf
3) Helene Hennigs * Rademin-Ortwinkel 12.1.1878 oo 6.7.1900 Ludwig Krüger in
Ritzleben
4) Alwine Hennigs Hennigs * Rademin-Ortwinkel 25.4.1879 oo 5.6.1903 NN
Mewes in Ziemendorf
5) Hilda Hennigs * Rademin-Ortwinkel 17.11.1885 oo Adolf Schultz in Salzwedel

(IX. Generation)
HENNIGS, Friedrich Wilhelm August
Grundsitzer in Rademin-Ortwinkel
* Rademin-Ortwinkel 30.9.1875 † Rademin-Ortwinkel 29.5.1944, 4K
oo Rademin 24.5.1907
MUHL, Anna Marie Luise
aus Kallehne (seit 1938 Fleetmark), Td Johann Friedrich Christoph August Muhl,
1907 Arbeiter in Gr. Holzhausen bei Krüden und Elisabeth Schnee
* Kerkuhn 2.6.1885 † Rademin-Ortwinkel 1.11.1959

Kinder: 4 Söhne

(X. Generation)
HENNIGS, Wilhelm
Grundsitzer in Rademin-Ortwinkel
* 2.5.1917
oo
BRAAKE, Hildegard

Kinder:
Aus dieser Ehe gingen zwei Töchter hervor, die die Stammhofstelle der Familie
Schernikau-Hennigs kurz vor der Wende verkauft haben. Damit gelangt der erste Hof
Ortwinkels nach fünf Generationen in fremde Hände.

41
Johann Friedrich Zander: Chronik der Familie Willmann, Privatbesitz Frank Moldenhauer
146

Nachtrag

Nach Fertigstellung des Aufsatzes und kurz vor dessen Drucklegung teilte der
Bürgermeister von Rademin dem Autor die Auffindung historischer
Zeitungsartikel (Datum und Titel der Zeitung konnten nicht bestimmt
werden) durch einen Einwohner in Rademin mit, die die Ereignisse im Jahre
1893 in Ortwinkel schildern: „Allerlei aus der Heimat Kolonie Ortwinkel. Der
öffentliche Teil der Feldmark Rademin ragt mit einem schmalen Streifen in die
Nachbarfeldmarken hinein und bildet einen sogenannten Winkel, der
„Ortwinkel“ genannt. Da derselbe sehr weit vom Dorfe entfernt liegt, wollte ihn bei
der Separation niemand haben. Schließlich …t sich der Besitzer Schernikau, den
Ortwinkel zu übernehmen, sein Gehöft in Rademin abzubrechen und dort wieder
aufzubauen. Hiermit war die Gemeinde einverstanden und leistete ihm
unentgeltliche, tatkräftige Hilfe. Später verteilte er den Hof an seine sechs Kinder.
Dadurch entstand eine Kolonie mit dem Namen Ortwinkel. Die Kinder verkauften
aber später ihren Besitz bis auf zwei, deren Nachkommen noch heute dort wohnen.
Von dem alten Gehöft stehen jetzt noch das alte Wohnhaus und die Scheune. Vor
einigen Jahren hat sich noch ein Sommerfrischler als ein Siebenter angesiedelt.
Dieser hat seine luftige Wohnung auf dem Dachfirst der alten Scheune
aufgeschlagen. Am 11. und 12. Juni 1893 feierten die Besitzer das fünfzigjährige
Bestehen der Kolonie. Zwei große Zelte waren aufgeschlagen, und groß und klein
eilte von nah und fern herbei und wurde auf das freundlichste bewirtet. Den
Höhepunkt des Festes bildete die Einweihung des Gedenksteins, in dem die Namen
der sechs Besitzer eingemeißelt waren. Die Einweihung vollzog mit einer Festrede
der damalige Pastor Ullrich aus Kl.-Gartz.
Nachdem er die Entwicklung der blühenden Kolonie entsprechend gewürdigt
hatte, prophezeite er, daß Ortwinkel nach 50 Jahren im elektrischen Licht
erstrahlen würde. Diese Prophezeiung verursachte allgemeines Kopfschütteln, aber
sie sollte früher in Erfüllung gehen, als man zu hoffen wagte; denn schon nach 20
Jahren führten die Leitungsdrähte der elektrischen Überlandzentrale nach
Ortwinkel und versahen es mit Licht und Kraft.
Erich Lange42, Rademin, Landwirtschaftsschule, Salzwedel, 3. Fachklasse.“

42
Erich Lange (* 4.10.1905) war der Sohn des damaligen Bürgermeisters von Rademin, Bernhard
Lange sen.
147

Goldschmiede in Salzwedel und ihre Werke

von Wilfried Klingelhöfer

1. Vorbemerkung

Ein alter Handelsweg, dessen Übergang über die Jeetze eine Burg der Askanier
sicherte, war Keimzelle der späteren Hansestadt Salzwedel. Im Schutze dieser
Burg entstand im 12. Jahrhundert die Stadt, neben der bereits 1247 die „neue“
(Neu-)Stadt als Erweiterung der „alten“ (Alt-)Stadt gegründet wurde. Beide
Städte waren durch eine Stadtmauer getrennt, sie besaßen auch jeweils eigen-
ständige Stadtverfassungen, Bürgermeister, Rathäuser und selbstverständlich
eigene Kirchengemeinden: St. Marien in der Altstadt und St. Katharinen in
der Neustadt. Die beiden Städte hatten bereits im Mittelalter kurzzeitig einen
gemeinsamen Bürgermeister wurden jedoch erst 1713 in preußischer Zeit zu
einer Gesamtstadt vereinigt.
Begünstigt durch seine Lage am Schnittpunkt von Handelswegen zu Lande
und zu Wasser (ab Salzwedel war die Jeetze schiffbar, Hamburg war von hier
per Schiff erreichbar) entwickelte sich die Stadt zu einem Mitglied im Verbund
der Hanse in der Zeit zwischen 1263 und 1518. Dabei lassen sich die wirt-
schaftlichen Verhältnisse in den beiden Städten deutlich unterscheiden. Wäh-
rend die Neustadt stark durch das Tuchmachergewerbe geprägt war, lässt sich
für die Altstadt eine stärker differenzierte Kaufmanns- und Handwerker-
struktur nachweisen; die Altstadt war immer die wirtschaftlich bessergestellte
Stadt, mit ihren wohlhabenden Bürgern und zahlreichen kirchlichen Einrich-
tungen bot sie zahlreichen Kunsthandwerkern wie etwa den Goldschmieden
Beschäftigung. So lassen sich allein in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts
acht Goldschmiede nachweisen. Die Blütezeit der Goldschmiedekunst (in den
frühneuzeitlichen deutschen Städten im 16. Jahrhundert) lässt sich für Salz-
wedel auf Grund fehlender Quellen jedoch nicht darstellen; den Quellen kann
erst 1574 mit Heinrich Stappenbeck wieder ein Goldschmied entnommen
werden. Etwas von dem Silberglanz früherer Zeiten ist aber Pohlmanns
Stadtgeschichte zu entnehmen mit seinen Hinweisen auf die silbernen Trink-
pokale bei den Gildefestmahlzeiten oder das Ratsgeschenk 1643 an den schwe-
dischen Reichskanzler Graf Oxenstierna.

Mit der „Industriellen Revolution“ (Erfindung der Dampfmaschine im 18.


Jahrhundert) und beschleunigt durch die Napoleonische Zeit (bis 1813 waren
die alten Zunftordnungen aufgehoben) setzte der Niedergang des zünftigen
Handwerks ein; die Einführung der Gewerbefreiheit im Norddeutschen Bund
148

1860 markiert das Ende der Zünfte. Trotz großer Lücken in den Quellen
lassen sich aber für Salzwedel mindestens 50 zünftige Goldschmiede nach-
weisen, die im Folgenden vorgestellt werden.

Die Übersicht kann, schon aufgrund der lückenhaften Quellen, keinen An-
spruch auf Vollständigkeit erheben. Sie führt auch nur zünftige Goldschmiede
auf, keine Handwerker artverwandter Berufe wie Posamentierer, Gold- und
Silber-Drahtzieher, -Schmelzer, -Plätter (Plattierer), -Wirker und Gürtler.
Auch Münzmeister (Münzohme), wie etwa Münzmeister Gobel Boland 1437,
erscheinen nicht in der Übersicht, obwohl Münzmeister oft Silberarbeiter
gewesen sind. Goldschmiedegesellen werden vereinzelt erwähnt, wenn ver-
mutet werden darf, etwa auf Grund verwandtschaftlicher Beziehungen, dass
sie später zünftig gearbeitet haben.

2. Quellenlage

Salzwedeler Goldschmiede werden in der Literatur kaum behandelt; ein


Inventarverzeichnis der bedeutenden Kunstdenkmäler Salzwedels existiert
nicht. Auch der Altmeister der Goldschmiedeforschung, Marc Rosenberg,
erwähnt die Stadt in seinem mehrbändigen Werk „Der Goldschmiede Merk-
zeichen“, 3. Band (1925) nicht, erst Wolfgang Scheffler bringt 1980 sechs
zünftige Goldschmiede für Salzwedel an.
Ergiebigste Quelle sind die Kirchenbücher der evangelisch-lutherischen Kir-
chengemeinden St. Marien (ab 1573) und St. Katharinen (ab 1556), allerdings
in der Zeit vor dem 30jährigen Krieg meist ohne Berufsangaben. Kirchen-
bücher erfassen auch grundsätzlich nicht alle in einer Stadt tätigen Gold-
schmiede, da diese oft wegen „fehlender Nahrung“ (Auftragsmangel) den
Wohnort wechselten, also nur kurzfristig in einer Stadt tätig waren. Sie
erscheinen auch dann nicht in den Kirchenbüchern, wenn sie ledig blieben,
keine Kinder taufen ließen, keine Paten wurden oder nicht in der Stadt
starben. Die Kirchenbücher wurden weitgehend herangezogen.
Die Archivalien des Stadtarchivs weisen von der frühen Neuzeit bis in das 19.
Jahrhundert große Lücken bzw. Verluste auf (etwa durch den Rathausbrand
1895). So existieren keine Zunftakten wie Meister-, Gesellen-, Jungen-
(Lehrlings)bücher, auch keine Bürgerbücher (nur ein Bürgergeld-Register
1826/1882), Rechnungs- und ältere Häuserbücher (Ratskämmereirech-
nungen liegen erst ab 1826 vor). Aus mittelalterlicher Zeit hat sich aber ein
Stadtbuch erhalten, das von J. Stephan transkribiert wurde; das älteste Stadt-
buch nennt einige Goldschmiede, in dieser Zeit wurden Goldschmiedearbeiten
jedoch nicht gemarkt.
149

Das Archiv verwahrt aber das „Verzeichnis der Gerichtstage so in beiden


Städten gehalten werden“ von 1580, quasi das Urkundenbuch für Rechts-
geschäfte wie Haus- und Grunderwerb, Erbteilungen, Darlehen, etc., geführt
vom Rat der Stadt. Zuständig für die einzelnen Gilden (Zünfte, Innungen)
waren die Ratsmänner. So nennt das Verzeichnis als Zuständige für die Gilde
der Goldschmiede „Die beiden regierenden Bürgermeister“, wobei sich derzeit
weder nachweisen lässt, ob einer der Bürgermeister selbst Goldschmied war
noch, ob überhaupt eine Goldschmiede-Innung (Gilde, Zunft) bestand. Aller-
dings lagen um 1600 in Salzwedel längere Zeit die Voraussetzungen für die
Einrichtung einer Innung vor, nämlich das gleichzeitige Wirken von mindes-
tens drei Goldschmiedemeistern.
Zu den Goldschmieden des 19. Jahrhunderts gibt es zahlreiche Belege in dem
Bestand an Schützengildeketten im Johann-Friedrich-Danneil-Museum in
Salzwedel.

3. Feingehalt des Silbers

Gebrauchssilber ist immer ein durch Zusatz geringerwertiger Metalle (meist


Kupfer) gehärtetes Material. Im Deutschen Reich war ab 1888 die gebräuch-
liche Legierung das „800er Silber“, d. h. es enthält 80 % reines Silber. Vor
dieser Zeit wurde der Feingehalt in Lot gemessen; 16 Lot entsprechen 100 %
Silber.
Seit Beginn der Neuzeit war den Goldschmieden im Heiligen Römischen
Reich Deutscher Nation die Verarbeitung 14-lötigen Silbers vorgeschrieben.
Da Silber Münzmetall war (und in Notzeiten Gebrauchssilber regelmäßig
eingeschmolzen wurde, um daraus neues Geld zu prägen), wurde die Verar-
beitung geringerwertigen Silbers wie Falschmünzerei gewertet und drako-
nisch bestraft. Die Polizeiordnung von 1548 aus der Regierungszeit Kaiser
Karls V. sieht für ein derartiges Vergehen eine „Leibesstrafe“, die Todesstrafe,
vor.
Nach jahrzehntelangen Kriegswirren (Dreißigjähriger, Nordischer, Sieben-
jähriger Krieg) und der Verschlechterung des Silbergehalts auf vielerorts nur
noch 10 Lot setzte sich in Deutschland die 12-lötige Probe (mehrheitlich im
Norden) bzw. die 13-lötige Probe (mehrheitlich im Süden) als gängige
Legierung durch. Abweichende Silberlegierungen kommen vor, sei es für
exclusive Arbeiten (14-, 15-lötiges Silber, z. B. Hof-Silber), oder regionale wie
im 19. Jahrhundert in Schlesien „70“ (= 70 %) oder in Thüringen „10“ (=
10 Loth = 62,5 %).
150

4. Beschauzeichen

Wegen der Bedeutung des Edelmetalls wurde die Kennzeichnung der daraus
gefertigten Waren notwendig; hierzu stempelte der Goldschmied sein
Werkstück mit seinem Namenszeichen (meist den Initialen). Vor dem
Verkauf wurde das Werkstück überprüft („geschaut“). In größeren Städten
mit eigener Goldschmiedeinnung wurde hierzu aus den Reihen der Gold-
schmiede vom Rat der Stadt ein sog. Beschaumeister bestellt, der seine erfolgte
Prüfung durch ein sog. Beschauzeichen dokumentierte, meist das Stadt-
wappen, anfänglich aber auch oft nur der Anfangsbuchstabe der Stadt. In
großen Städten wie z. B. Hamburg, Danzig, Breslau, Braunschweig schlugen
die Beschau(Stempel-)meister oft ein weiteres Zeichen ein, ihr sog. Älter-
mannszeichen und vereinzelt wurden die Werkstücke sogar mit zeitlich
zuzuordnenden Zeichen gestempelt, den sog. Jahrgangsbuchstaben (z. B. in
Königsberg). Für Salzwedel lassen sich bisher nur Meister-, Gehalts- und
Beschauzeichen nachweisen. Obwohl Innungen (Zünfte, Ämter) der Gold-
schmiede in Deutschland bereits im 14. Jahrhundert bestehen, setzt sich die
dokumentierte Prüfung („Beschau“) erst im 16. Jahrhundert allgemein durch;
vasa sacra sind auch zu der Zeit noch meist ungestempelt.
Konnte in kleineren Städten wegen fehlender Innung eine Beschau nicht
vorgenommen werden, konnte der Goldschmied die Qualitätskontrolle selbst
vornehmen, indem er sein eigenes Meisterzeichen zweifach stempelte. Oder
er fertigte sich ein eigenes Beschauzeichen. Beide Verfahren sind sicher eine
wirksame Kontrolle gewesen, vor dem Hintergrund der drakonischen Strafen
für Falschbeurkundungen. Als Beschauzeichen kam in Salzwedel im 18. Jahr-
hundert das Stadtwappen zur Anwendung.

Abb. 1 Beschauzeichen der Stadt Salzwedel

5. Die Innung

Eine Innung der Goldschmiede lässt sich in Salzwedel nicht nachweisen,


obwohl zumindest zeitweise eine wichtige Voraussetzung für die Errichtung
einer solchen vorgelegen hat, nämlich die gleichzeitige Tätigkeit von mindes-
tens drei Meistern. Auch wichtige Auftraggeber wie die Kirche, Rat und
Bürgerschaft der aufstrebenden Handels- und Hansestadt und die Landes-
herrschaft waren bereits fest etabliert.
151

Goldschmiede lassen sich erst ab 1308 nachweisen, bis 1380 aber bereits derer
zehn. Die Quellenlage weist dann eine Lücke von fast 200 Jahren auf. Ab 1574
bis 1640 werden 10 Goldschmiede genannt, 1773 dann drei in der Altstadt
(keiner in der Neustadt), eine Innung hätte zeitweise errichtet werden
können.
Die frühneuzeitliche Stadt hatte ein Interesse an der Einrichtung von Innun-
gen (Zünften, Ämtern), denn neben Abgaben schuldeten ihre Bürger der Stadt
auch die Verteidigung der und den Brandschutz in der Stadt. Im Gegenzug
gewährte die Stadt den Handwerkern Schutz vor Konkurrenz. Denn die
Städte errichteten Zünfte vor allem als „geschlossene Ämter“, d. h. pro Stadt
wurde nur eine bestimmte Anzahl von Meistern zugelassen, auch die Anzahl
von Gesellen und Lehrlingen begrenzt, die Verkaufsmodalitäten reglemen-
tiert, etc. etc... Diesen drückenden Pflichten, die mit dem Erwerb des Bürger-
rechts verbunden waren, versuchten die Meister vielerorts zu entgehen, in-
dem sie das Bürgerrecht erst spät erwarben. Die Zunftregelungen reichten
dennoch oft nicht aus, um den Handwerkern ein ausreichendes Einkommen
zu verschaffen (viele starben verarmt). Sie hatten daher durchweg auch noch
andere Einnahmequellen wie Landwirtschaft, Brauerei (als Hausbesitzer mit
Braurecht) oder ein öffentliches Amt wie Ratswiegemeister, Stadtzollein-
nehmer o.ä. Die wirtschaftlichen Verhältnisse der Goldschmiede wurden vor
allem durch die Konkurrenz von Unzünftigen (Pfuschern, Bönhasen), Hökern
(Kleinkrämer, Marktbeschicker) und den Händlern der großen Silberzentren
(Augsburg, Leipzig, Dresden, Breslau) bedroht. Auch mit den Gürtlern gab es
öfter Streit, da diese in der Lage waren, in Silber zu arbeiten und dies auch
häufig taten.
In kleineren Städten bestanden Goldschmiedeinnungen oft nur zeitweise,
wenn überhaupt. Konnte ein Handwerk infolge zu geringer Mitgliedszahlen
keine Innung errichten, wurden deren Meister oft mit anderen Innungen
„verzunftet“. Auch konnten sich derart vereinzelte Meister zu Innungen
benachbarter Städte „halten“ („Landmeister“).

6. Die Gold- und Silberwarenmanufaktur

Auf Grund eines kaiserlichen Edikts von 1676 (als Reaktion auf die französischen
Annexionskriege) wurden im Hl. Römischen Reich Deutscher Nation Manufakturen
gegründet, die den hohen Bedarf an Uniform- und Livreeschmuck (Litzen, Tressen,
Quasten, Troddeln, „Lametta“) decken und von französischen Einfuhren unabhängig
machen sollten. Hinweise auf die Existenz einer solchen Manufaktur („Fabrique“)
wie sie um diese Zeit in vielen deutschen Städten entstanden, haben sich in den
herangezogenen Quellen nicht finden lassen.
152

7. Verzeichnis der Goldschmiede

1. Kannenberger
Das Stadtbuch erwähnt die Mutter des Goldschmieds um 1308 als Besitzerin
des Hauses, das (der Goldschmied?) Hermann Leyge bewohnt.

2. Breker
Der Goldschmied wird um 1308 im Stadtbuch genannt.

3. Coneke
Der Goldschmied und seine Frau erscheinen 1308 als Schuldner im Stadtbuch.
NB
Evtl. identisch mit Conradus (s. Nr. 6).

4. Hermann Leige der Ältere


Der Ratsmann der Gesamtstadt Salzwedel um 1309 ist wahrscheinlich
Goldschmied, ebenso wie sein gleichnamiger Enkel (s. Nr. 9). Er wohnt 1308
im Haus der Mutter des Goldschmieds Kannenberger.
Gestorben vor 1332.
Der Name erscheint variantenreich: Leyge, Laicus, Layci, Layo, …

5. Henricus
Der Goldschmied wird samt seinen Kindern 1313 im Stadtbuch erwähnt.

6. Conradus
Der Goldschmied erscheint 1329 im Stadtbuch, 1335 auch bei einem Immo-
biliengeschäft mit dem Goldschmied Teggeler (s. Nr. 7).

7. Teggeler
Der Goldschmied erscheint im Stadtbuch zwischen 1332 und 1355 im Zusam-
menhang mit diversen Finanztransaktionen. 1355 bestätigen seine Söhne
Johann und Hinrich (sicher als Volljährige) ein Grundstücksgeschäft des
Vaters.
NB
Der Name variiert: tegellen, tegele, teghele, mehrfach auch eg(g)eling, nicht
teggelsen (s. Nr. [11]) und stets ohne Vornamen.

8. Nicolaus
Im Stadtbuch werden der Goldschmied 1336 und 1347 seine Witwe erwähnt.
153

9. Hermann Leige der Jüngere


Geboren als Sohn des Hermann Leyge (Leige, der vor 1346 stirbt) und Enkel
des Ratmanns Hermann Leige d. Ä. (s. Nr. 4). Im Stadtbuch ist er 1355/56,
zusammen mit seiner Schwester Berta, und 1362 als Goldschmied aufgeführt.
1375 erzielt er Einnahmen aus Ländereien in Wistedt, die er von den Herren
von Schulenburg übertragen bekommen hat.

10. Johann Teggele(r)


Der Sohn des Goldschmieds Teggeler (s. Nr. 7), wohl um 1332 geboren, wird
1360 im Stadtbuch als Goldschmied ebenso wie 1380 im Rechnungsbuch des
Klosters Diesdorf (25 km südwestlich von Salzwedel) genannt.

11. Hinrich Stappenbeck


Der Goldschmied wohnt im Haus des Goldschmieds Clawes Kerstens.
Begraben am 7.7.1574.

12. Clawes Kerstens


Der Goldschmied ist 1574 Hausbesitzer (s. Nr. 11).
Begraben am 18.11.1582.

13. Joachim Schul(t)ze


Im Gerichtstageverzeichnis werden zwischen 1589 und 1592 mehrfach
Finanztransaktionen des Goldschmieds (in der Neustadt) festgehalten. So
leihen er und seine „Hausfrau“ (Ehefrau) 1592 von der Witwe Anna
Schuberdt geb. Schulze 100 Gulden zur „befürderungk seiner Nahrungk“,
sicherlich ein Hinweis auf schwierige wirtschaftliche Verhältnisse.

14. Hans Holthusen


Der Goldschmied lässt am 28.8.1586 seinen Sohn Hans, 1590 Anna und 1593
Heinrich taufen. Ein Hans Holthusen lässt dann 1617 ein Kind taufen (der
Goldschmied oder sein Sohn?). Die Ehefrau des Hans Holthusen (des
Goldschmieds?) ist 1598 Patin bei der Tochter Ilse des Joachim Grunge (des
Goldschmieds?, s. Nr. 16).

15. Jochim Sirow


Der Goldschmied lässt am 12.8.1590 seinen Sohn Tonnig taufen.

16. Jochim Grunge


Der Goldschmiedegeselle ist 1587 Pate des Jorgen Benike „uff dem Damm“.
Als Goldschmied lässt er zwischen 1591 und 1598 drei Kinder taufen. Bei der
Taufe seiner (?) Tochter Ilse am 17.12.1598 stehen als Paten „ein Golt-
154

schmitt“ und die Frau des Hans Holthusen (wohl des Goldschmieds, s. Nr.
14).

17. Claus Wilbrandt (Willebrandt)


Dem Goldschmied werden zwischen 1598 und 1604 sechs Kinder geboren.
Sein 1602 geborener Sohn Jürgen wird ebenfalls Goldschmied (s. Nr. 19).
1629 stirbt eine Tochter des Claus Willebrandt (wohl der Goldschmied) und
wird am 6.9. begraben; ihr Bräutigam wurde am 27.8.1629 „beygesetzt“.
„Clauß Wilbrandt der Alte“ wird am 22.11.1640 begraben.

18. Arndt Meyer der Ältere


Dem Goldschmied „vorm. Sile“ werden zwischen 1600 und 1610 fünf Kinder
geboren, drei Töchter zwischen 1600 und 1603 und die Söhne Valentin (1605)
und Joachim (1610).
Begraben am 2.7.1627.

19. Jürgen Wilbrandt (Willebrandt)


Geboren 1602 als Sohn des Goldschmieds Claus Wilbrandt (s. Nr. 17).
Der Goldschmied lässt 1637ein Kind taufen. Die Frau des „Jürgen Wilbrandt
junior“ wird am 31.10.1638 begraben, ihr Kind 1639.
Er heiratet am 9.11.1640 Barbara Francke, Tochter des verstorbenen Bürgers
„auf der Newenstad“ Joachim Francke. Zwei Söhne werden 1641 und 1644
geboren, Barbara Wilbrandt ist 1643 Patin bei der Hutmachertochter Anna
Henning.
Begraben am 5.9.1653 („in Schrangen“).

20. Arndt Meyer der Jüngere


Der Goldschmied (ein Sohn des 1627 verstorbenen Goldschmieds Arndt
Meyer d. Ä.?) lässt zwischen 1637 und 1639 zwei Kinder taufen.
Am 24.11.1645 heiratet „Elisabeth Benitte (?) Arendt Meyer S.(eelig) Nch
(nachgelassene) Wittwe“ den Goldschmied Gottfriedt Marckendorff (s. Nr.
23); es wird sich um die Goldschmiedewitwe handeln.

21. Michael Schuber


Der Goldschmied „auf der Newenstad“ heiratet am 9.6.1640 Anna Mohlen
von Braunschweig, Herrn Ulrich Möhlens eheliche Tochter.
NB
Ulrich Möhle (Mole, Mölle), Goldschmied in Braunschweig 1587/88 – 1634
(†).
155

22. Jochim Schünemann


Der Goldschmied heiratet am 27.11.1651 Lucia Margaretha Plaue, Tochter des
verstorbenen „Stuhlschreibers alhier“ Zacharias Plaue. Das Taufregister St.
Marien verzeichnet zwischen 1652 und 1658 vier Taufen.
Jochim Schünemann „aus dem Kloster“ (der Goldschmied?) wird am
19.12.1683 begraben.

23. Gottfried Marckendorff

Der Goldschmied, von auswärts, heiratet am 24.11.1645 Elisabeth Benitte (?),


Witwe des Arndt Meyer (wohl der Goldschmied, s. Nr. 20). Zwischen 1647
und 1654 werden drei Töchter getauft, 1650 wird ein Kind begraben. 1647
und 1664 ist „Gottfriedt ein/der Goldtschmidt/Goldschmied“ Pate.
Begraben am 13.3.1677.
Werke:
a) Becher, dat. 1662. Salzwedel, J.-F.-Danneil-Museum

Abb. 2 Stadtmarke Salzwedel und Meistermarke „GM“ für Gottfried Marckendorff


Kat. Nr. 23 (Danneil-Museum, Inv. Nr. H 1117)
156

Abb. 3 Becher des Goldschmiedes Gottfried Marckendorff, 1662, Kat. Nr. 23 (Dan-
neil-Museum, Inv. Nr. H 1117)

24. Jürgen Hildebrand


Der Goldschmiedegeselle ist bei Jacob Ölrich in der Breitenstraße (Neustadt)
verstorben und wird am 20.4.1681 begraben.
NB
Identisch mit dem am 17.11.1641 getauften Sohn Johann Jürgen des Gold-
schmieds Jürgen Willebrandt (s. Nr. 19)?

25. Christoph Heinrich Keyser


Die „hinterbliebene“ Tochter Anna Maria des Goldschmieds „hiesiger Alten
Stadt“, Christoph Heinrich Keyser, heiratet am 18.4.1712 den „Schuster
Johann Rudolff Berlitz, Sohn des Bürgers, Vorsteher des Gotteskastens auch
Brauer und Schuster“ in der Neustadt Arndt Berlitz.
„H. Joh. Henr. Kayser, Goltschmied in d. A. St.“ ist am 11.2.1691 Pate bei der
Kramer- und Nadlertochter Catharina Murd (St. Katharinen).
Christoph Heinrich Kayer´s Witwe Catharina Elisabeth geborene Schüne-
mann heiratet am 9.3.1698 den Goldschmied Nicolaus Brohmann (s. Nr. 28).
157

26. Jochim Keiser


In St. Marien werden am 16.12.1688 Tochter Sophia Sybille und am 1.8.1691
der Sohn Jochim Heinrich getauft.
„Herr Keyser“, Bürger und Goldschmied ist am 13.7.1694 begraben.
NB
Jochim Keiser evtl. identisch mit Christoph Heinrich Keyser bzw. Johann
Heinrich Kayser (Nr. 25).

27. Heinrich Ernst Örtel


Der Goldschmied ist 1684 Pate beim Buchbindersohn Johann Henrich
Gehring, 1695 beim Müllersohn Matthias Heinrich Perleberg und 1705 beim
Sohn Ernst Friedrich des Goldschmieds Johann Sauer (s. Nr. 30). Seine
Ehefrau Maria geb. Aßmuß ist Patin 1694 bei Anna Maria Aßmuß und 1704
bei der Tochter Catharina Elisabeth des Goldschmieds Christoph Plitzner (s.
Nr. 29). In St. Marien werden zwischen 1689 und 1692 drei ihrer Kinder
getauft.
Ein älterer Sohn, Johann Georg (um 1686 geboren) heiratet als Goldschmied
in Berlin 1716 die Schuhmachertochter Anna Sabina Göltz und wird 1734 als
Goldschmiedegeselle begraben. Ein weiterer Sohn, Johann Heinrich, heiratet
1710 in Berlin Elisabeth Sira aus Salzwedel; er ein Procurator.
Des Goldschmieds (Ehe-)Frau wird am 15.8.1707 begraben.

28. Nicolaus Brohmann


Der „Bürger und Goldschmied hieselbst“ (in der Alten Stadt) heiratet am
9.3.1698 die Witwe des Goldschmieds Christoph Heinrich Kayser, Catharina
Elisabeth geborene Schünemann (s. Nr. 25).
NB
Im Taufregister lässt sich Catharina Elisabeth Schünemann nicht nachweisen.

29. Christoff Pletzner (Plitzner)


Geboren als Sohn des Bürgers und Brauers Johann Pletzner in Königsberg
(Neumark? Ostpreußen?).
Heirat am 23.1.1703 mit der Sämisch- und Weißgerbertochter Catharina
Elisabeth Georgi und am 14.4.1712 mit Anna Margaretha Hermsen, Tochter
des verstorbenen Subconrectors und Brauers Christoph Hermsen in Garde-
legen.
Zwischen 1704 und 1708 werden vier Kinder getauft, am 22.1.1713 dann die
Tochter Elisabeth Sophia.
Er wird 1707, 1710 und 1711 als Pate erwähnt.
Bei der Hochzeit seiner Tochter Elisabeth Sophia mit dem Goldschmied (Joh.)
Andreas Scheffler (s. Nr. 34) am 31.10.1730 lebt er nicht mehr.
158

30. Johann Heinrich Sauer

Der Goldschmied „alhier“ in der Neustadt heiratet am 12.11.1700 Jfr. Ilsabe


Maria Martens, Tochter des verstorbenen Holzvogts und Torwärters Heinrich
Martens und am 5.10.1724 die Witwe Sofia geborene Wärcken, Witwe des
ehemaligen Kgl. Preußischen Accise-Controlleurs Schröder.
Zwischen 1701 und 1716 werden sechs Kinder getauft, der 1701 geborene
Sohn Johann Jacob wird ebenfalls Goldschmied (s. Nr. 33). Beim 1711
geborenen Sohn Carl Nicolaus Christoph ist der Goldschmied Christoph
Pletzner (s. Nr. 29) Pate; der kleine Sohn stirbt 1713.
Die Ehefrau Sophia übernimmt Patenschaften bei den Kindern des Johann
Jacob Sauer (s. Nr. 33) 1727 (Sophia Anna Catharina) und 1736 (Anna
Charlotta Elisabeth).
Seine Tochter Anna Catharina, geboren am 22.11.1703 heiratet 1737 den
Perückenmacher in der Neustadt Johann Daniel Ehrhard.
Gestorben nach 1737.
Werke:
a) Leuchterpaar 1. Viertel 18. Jhdt. Hannover, Kunsthandel B.

31. Christoph Peter Wulff


Die Ehefrau Anna Sophia geborene Wernicke des „Jubilirers“ Christoph Peter
Wulff stirbt 27-jährig am 26.10.1703 und wird am 6.11.1703 mit ihrem Kind
begraben.

32. Christian Wilhelm Nied(t)


Der Goldschmiedegeselle wird als Pate 1710, 1715 und 1720 erwähnt.
Ein „Mons.(ieur) Christian Wilhelm Niedt“ wird 1733 und ein „H. Christian
Niedt in Bockhorn“ wird 1740 als Pate genannt. Auf den Ehrentitel „Herr“
(H., Mons.) hatte ein Goldschmiedegeselle Anspruch.
NB
Ein Sohn des Bürgermeisters „beyder stette“ Nied?

33. Johann Jacob Sauer

Geboren am 7.8.1701 als Sohn des Goldschmieds Johann Heinrich Sauer (s.
Nr. 30) und seiner Ehefrau Ilsabe Maria Martens.
Er heiratet vor 1727 Anna Maria Fricke; Kindtaufen 1727, 1731, 1736, 1739
und 1741. Als Taufpaten werden 1731 die Goldschmiede Johann Heinrich
159

Sauer (s. Nr. 30) und Andreas Scheffler (s. Nr. 34), 1736 Andreas Scheffler
und 1739 der Goldschmiedegeselle Friedrich Sauer (s. Nr. 35) genannt.
Werke:
a) Objekt dat. 1747. Internet („silberpunze.freehost.de“)

34. Joachim Andreas Scheffler


Geboren 1695 als Sohn des Goldschmieds Andreas Scheffler in Gardelegen.
Der Goldschmiedegeselle „Andreas Schäffler“ ist am 10.9.1728 Pate beim
Schustersohn Heinrich Hälfe, als „Goldschmied“ „Joachim Andreas Scheffler“
Pate beim Schneidersohn Joachim Heinrich Holtzhusen am 20.8.1730 und als
Goldschmied „Andreas Scheffler“ Pate beim Tuchmachersohn Joachim
Andreas Schultz am 10.11.1743.
Er heiratet als Goldschmied „alhier“ am 31.10.1730 die Tochter Elisabeth
Sophia des verstorbenen Goldschmieds Christoph Plätzner (s. Nr. 29) und
bereits am 9.1.1732 Maria, Tochter des Weiß- und Semischgerbers Christian
Georgi „in der alten Stadt“. Maria ist wohl die Nichte der 1. Ehefrau des
Goldschmieds Plätzner und damit Kusine der verstorbenen (?) Ehefrau
Elisabeth Sophia Scheffler. Als Witwe heiratet Maria Scheffler 1747 den
Goldschmied Johann Friedrich Balthasar Lodders (s. Nr. 37).
Er stirbt im Alter von 48 ½ Jahren und wird am 3.5.1744 begraben.

35. Friedrich Sauer


Der Goldschmiedegeselle wird 1737, 1739 (beim Sohn Johann Friedrich des
Goldschmieds Jacob Sauer, s. Nr. 33, und 1747) als Pate genannt.

36. Caspar Friedrich Bode

Geboren 1714 in Höxter.


Heirat am 20.5.1748 als Bürger der Altstadt mit Jungfer Ilsabe Catharina
Perleberg.
Am 26.9.1749 wird Tochter Anne Elisabeth geboren.
Gestorben im Alter von 77 Jahren als „Bürger und Goldschmied am Marckte“
am 11.10.1791.
Werke:
a) Zweihenklige Schale dat. 1766. Köln, Kunsthandel 1970
b) Zuckerdose bez. GCT. Hannover, Kunsthandel M. (um 1975)
c) Tabakdose. Berlin, Kunsthandel R. (um 1975)
d) Esslöffel um 1770. Privatbesitz K.
160

37. Johann Friedrich Balthasar Lodders


Der „Bürger und Brauer wie auch kunsterfahrene Goldschmied“ heiratet am
20.6.1747 die Goldschmiedewitwe Maria Scheffler geborene Georgi (s. Nr.
34). Die Eheleute lassen zwischen 1749 und 1754 drei Kinder taufen, von
denen das jüngste, Johann David Eberhard 1755 im Alter von 9 Monaten
stirbt. Im gleichen Jahr stirbt die Ehefrau Maria im Alter von 48 ½ Jahren am
14.8.1755.

38. Jacob Gottfried Severin

Geboren als Sohn des Kgl. Accise-Bediensteten Christoph Friedrich Severin in


Gardelegen. Der Bürger und Goldschmied in Salzwedel heiratet am
29.11.1754 die Gastwirtstochter „aus dem Lüneburgischen“ Margaretha
Dorothea Meyer. Der Ehe entstammen zwischen 1755 und 1777 neun Kinder,
von denen zwei früh sterben (ca. 2 Jahre alt).
1768/69 ist er auch Pächter des Rathaus-Kellers, also Gastwirt.
Werke:
a) Zuckerdose bez. JDS u. AC1758. Frankfurt, Privatbesitz
b) Zuckerdose. Hannover, Kunsthandel B.
c) Esslöffel um 1750. Hannover, Kunsthandel F. K. (2012)

39. Johann Gottlieb Friedrich Neffe

Geboren als Sohn des Bürgers und Brauers Johann Joachim Neffe in Stendal.
Heirat am 2.12.1763 mit der Leinwebertochter Anna Maria Elisabeth Schäfer;
zwischen 1765 und 1771 werden vier Kinder geboren, von denen zwei
innerhalb der ersten drei Lebensjahre sterben.
Erneute Heirat am 28.1.1777 mit der Bäckertochter Catharina Elisabeth
Hemstedt, mit der er zwischen 1777 und 1793 vier Kinder taufen lässt.
Das Taufregister St. Marien erfasst ihn als Paten 1781 beim Kupfer-
schmiedsohn Gottlieb Leopold Lindemann und 1783 beim Tuchmachersohn
Johann Daniel Christoph Friedrich Schultz. 1776/77 ist er Schützenkönig.
Er wohnt 1769/86 in der Schmiedestraße und 1793 am Neuenthor (als
„Bürger, Goldschmidt und Brauer“ in der Altstadt).
Werke:
a) Esslöffel dat. 1774. Privatb. R. K.
161

40. Andreas Scheffler der Jüngere


Der Goldschmied Andreas Scheffler wird 1773 im Servicegeld-Register
genannt (in dem Register werden Abgaben der Bürger für Militäreinquar-
tierungen festgehalten) und ebenfalls im Verzeichnis der Gewerbetreibenden.
Zu klären bleibt die Beziehung zu dem älteren Joachim Andreas Scheffler (s.
Nr. 34), der in den Quellen ebenfalls meist als Andreas Scheffler erscheint,
aber bereits 1744 verstorben ist.

41. Johann Christian Scheffler

Geboren am 30.6.1737 als Sohn des Goldschmieds Andreas Scheffler (s. Nr.
34) und seiner Ehefrau Maria Georgi.
Der Goldschmiedegeselle „Christian Scheffler in Berlin“ erscheint so im
Taufregister St. Marien 1759 als Pate.
Seine Frau Margaretha ist 1777 Patin bei der Tochter Margarethe des Gold-
schmieds „an der Burg“ Johann Gottlieb Friedrich Neffe (s. Nr. 39), er selbst
Pate 1782 beim Feldscherersohn Albrecht Christian Friedrich Schultz und
1784 beim Schuhmachersohn Johann Joachim Christoph Schmidt.
Gestorben als Goldschmied im Alter von 72 Jahren am 22.3.1809.
Werke:
a) Esslöffel dat 1777. Salzwedel, J.-F.-Danneil-Museum

Abb. 4 Esslöffel des Goldschmiedes Johann Christian Scheffler, 1777 (Danneil-Muse-


um, Inv. Nr. H 1272)

42. Joachim Christian Mieth


Der Goldschmiedegeselle ist am 15.2.1782 Pate bei der (Zwillings-)Tochter
des Bürgers und Bäckers Johann Andreas Hemsted und seiner Ehefrau Maria
Elisabeth geborene Mieth (Schwester des GS-Gesellen?).
NB
Verwandt mit dem Goldschmied Johann Georg Matthias Mieth(e) (s. Nr. 44).
162

43. Anton Barthold August Klette

Geboren als Sohn eines Küsters Johann Heinrich Klette in Braunschweig.


Er wird 1792 als Besitzer des Hauses Nr. 404 und 1814 als Ackerbesitzer „vor
der Stadt“ erwähnt.
Heirat am 25.10.1793 mit Anna Elisabeth Bode, am 26.9.1749 geborene
Tochter des verstorbenen Goldschmieds „hiesiger Alten Stadt“ Caspar
Friedrich Bode (s. Nr. 36).
Bei ihm im Haus (Nr. 404) stirbt am 3.2.1803 der 33jährige Goldschmiede-
geselle Friedrich Wilhelm Schriever.
1811 führt ihn die Pränumerandenliste der „Geschichte der Stadt Salzwedel“
(von A. W. Pohlmann) auf.
Er heiratet erneut; ihm und seiner Ehefrau Charlotte Dorothea (Maria)
Caroline geborene Wendt(e) werden zwischen 1815 und 1824 sechs Kinder
geboren. Seine am 7.4.1818 geborene Tochter Dorothea Auguste heiratet den
Goldschmied Heinrich Wegener (s. Nr. 53) und besitzt 1841 das Haus des
Vaters (Nr. 404).
Werke:
a) Zuckerdose dat 1798. Berlin, Spik-Auktion 1979
b) Esslöffel dat 1799. [15], Abb. 482
c) Suppenkelle dat 1812. Köln, Lempertz-Auktion 567 (1978)
d) Esslöffel bez. H.E. Privatbesitz K.

44. Johann Georg Matthias Mieth(e)


Geboren als Sohn des Bürgers und Häkers (Hökers) hiesiger Altstadt Friedrich
Miethe.
Heirat am 13.1.1799 mit Jungfer Dorothea, Tochter des Bürgers und Damm-
segger(?)-meisters Christian Deterling „hieselbst“ (Altstadt).
Der Goldschmied „an der Burg“ lässt zwischen 1802 und 1811 drei Kinder
taufen.

45. Hugo Friedrich Moritz


Verheiratet mit Maria Dorothea Elisabeth geborene Schultz.
Der Goldschmied „am Marckte“ lässt am 17.8.1804 seine Tochter Louise
Dorothea Elisabeth taufen. Im gleichen Jahr übernimmt er das Haus Altper-
verstr. Nr. 400; es geht 1820 an seine Witwe über, die den Tischler Gaedke
heiratet.
163

46. Joseph Wallesch


Dem Goldschmied und seiner Ehefrau Maria (Anna) Dorothea geborene
Lüdecke (Lüdcke, Litke) werden zwischen 1815 und 1825 sieben Kinder
geboren.

47. Ahrend Christian Heinrich Rasch


Dem Goldschmied und seiner Ehefrau Johanne Maria (Elise) geborene
Stegemann werden zwischen 1819 und 1833 sechs Kinder geboren.
Das Verzeichnis der Mitglieder der St. Marien-Kirchengemeinde führt ihn
1833 auf.

48. Gottlieb Steffens


Der Goldschmied ist bekannt durch seine 1824 datierte Goldwaage, die sich in
Privatbesitz befindet ([7], S. 347).

49. Johann Gottlieb Schneider


Der Goldschmied wird 1819 und 1830 als Pate der Kinder des Goldschmieds
Friedrich Ludwig Adolph Schneider (s. Nr. 50) erwähnt.
Unklar, ob in Salzwedel tätig.

50. Friedrich Ludwig Adolph Schneider


Geboren 1794.
Der Goldschmied und seine Ehefrau Anna Dorothea Elisabeth (Caroline)
geborene Zarnack lassen zwischen 1819 und 1835 drei Kinder taufen; bei
zweien der drei ist der Goldschmied Johann Gottlieb Schneider (s. Nr. 49)
Pate. Er erscheint 1833 im Mitgliederverzeichnis der St. Marien-Kirchen-
gemeinde und 1835 im Taufregister St. Marien als Gold-Juwelier. Er ist
1850/52 Stadtverordneten-Vertreter und 1852 Gemeinde-Verordneter.
Noch 1872/78 im Adressbuch.
Gestorben als Goldarbeiter in Alter von 79 Jahren am 28.6.1873.

51. Johann Carl Eduard Schlossherr


Geboren 1801.
Heirat mit der Witwe des Goldschmieds Joseph Wallesch (s. Nr. 46), Anna
Maria Dorothea geborene Lüdcke (die am 24.1.1861 im Alter von 74 ½ Jahren
stirbt).
Er erscheint 1835 und 1838 im Mitgliederverzeichnis der St. Marien-Kirchen-
gemeinde, sucht auch 1835 einen Lehrling im „Salzwedeler Wochenblatt“.
1863 im Adressbuch.
Gestorben als Goldarbeiter am 27.9.1885.
164

52. Georg Ernst Ludolph Schramm

Geboren 1805 in Salzwedel.


Ein „Ernst Schramm“ (15 Jahre alt 1821) lernt von 1819 bis 1825 bei dem
Goldschmied Johann Georg Christoph Mühlenpfordt in Göttingen.
Er zahlt 1834 Bürgergeld. Ein „E. Schramm“ gibt im „Salzwedeler Wochen-
blatt“ seine Vermählung am 5.8.1834 mit Ida Dräger bekannt.
Der Goldarbeiter und Juwelier meldet 1837 sein Gewerbe an, ist später auch
Zahntechniker.
Im Adressbuch 1863 seine Witwe Anna Dorothea Wilhelmine geborene
Dilschmann; sie stirbt am 10.10.1867 im Alter von 65 ¾ Jahren.
Gestorben als Gold- und Silberarbeiter am 30.6.1861 im Alter von fast 56
Jahren.
Lehrlinge:
Ernst Friedrich Wilhelm Ehaus (geb. 25.5.1825)
1.4.1840 - 1.4.1846
Martin Philipp Alexander Kloß (geb. 25.6.1830)
1.5.1846 - 1.5.1852
Werke:
a) Diverse Schützenschilde 1850/1858. Salzwedel, J.-F.-Danneil-Museum
b) Abendmahlkelch dat. 1838. Salzwedel, St. Marien
c) Esslöffel dat. 1836. Privatbesitz K.

53. Heinrich Christian Wegener


Der Goldschmied zahlt 1840 Bürgergeld.
Heirat (um 1840/41) mit der am 7.4.1818 geborenen Tochter Dorothea
Auguste des Goldschmieds Anton Barthold August Klette (s. Nr. 43), dessen
Haus (Nr. 404) die Tochter 1841 besitzt.
Aufgeführt als Goldschmied im Separationsverzeichnis 1844.
Gestorben als Goldarbeiter am 10.6.1880 im Alter von fast 73 Jahren.

54. Friedrich Frohse

Der Goldschmied eröffnet 1845 sein Gewerbe und zahlt 1846 Bürgergeld.
Im Adressbuch zwischen 1863 und 1877, später als Fotograf (als Schützen-
könig zeigt er 1872 einen Fotoapparat auf seinem Schützenschild).
Seine Ehefrau Caroline geborene Wand(e) stirbt am 4.10.1877 im Alter von
61 ½ Jahren.
Gestorben nach 1878.
Werke:
165

a) Diverse Schützenschilde 1856/1878. Salzwedel, J.-F.-Danneil-Museum


b) Esslöffel um 1860. Privatbesitz K.

55. Heinrich Theodor Rasch

(vertieft)
Geboren am 26.6.1825 als Sohn des Goldschmieds in Salzwedel Arndt
Christian Heinrich Rasch (s. Nr. 47).
Der Gold- und Silberarbeiter eröffnet 1851 sein Gewerbe.
Heirat mit Auguste Sophie Caroline Lampe, Tochter Elise Dorette Dorothea
stirbt am 18.1.1861 im Alter von 4 Monaten.
Im Adressbuch zwischen 1863 und 1877.
Werke:
a) Schützenschild von 1860. Salzwedel, J.-F.-Danneil-Museum

56. Adolf Dietrich Schulz


Geboren 1830.
Der Goldschmied meldet 1868 sein Gewerbe an; im Adressbuch 1872.
Heirat mit Dorothea Friederike Elisabeth Böse; Geburt einer Tochter 1870,
Sohn August Martin Rudolph Otto stirbt am 14.7.1873 im Alter von 6
Monaten.
Gestorben als Goldarbeiter am 20.7.1874 im Alter von 44 ½ Jahren.

57. Ferdinand Schramm

(vertieft) (vertieft)
Im Adressbuch 1872.
Ein Kind, zwei Wochen alt, stirbt 1877.
Die Klassensteuer-Einschätzungskommission führt ihn 1887/88 als Mitglied.
1895 wird er bei Reparatur einer Schützenkette erwähnt.
Gestorben 1902; die Witwe führt das Geschäft bis 1906 fort.
Werke:
a) Diverse Schützenschilde 1877/1894. Salzwedel, J.-F.-Danneil-Museum
(vertieft)
b) Kaffeelöffel um 1870. Privatbesitz K.

58. Wilhelm Frohse

(vertieft)
Im Adressbuch zwischen 1888 und 1910, fertigt aber noch 1921 einen
Schützenschild.
Werke:
166

a) Schützenschild von 1921/22. Salzwedel, J.-F.-Danneil-Museum


b) Kaffeelöffel um 1880. Privatbesitz K.

59. Franz Schernikau

(vertieft)
Im Adressbuch zwischen 1888 und 1902 (auch Graveur).
1893 Besitzer des Hauses Nr. 254.
Sein Geschäft übernimmt 1919 der Juwelier Arthur Schmidt (s. Nr. 63).
Werke:
a) Diverse Schützenschilde 1887/1912. Salzwedel, J.-F.-Danneil-Museum

60. Robert Wehner

(vertieft)
Im Adressbuch zwischen 1877 und 1881.
Werke:
a) Zwei Schützenschilde 1878/1881. Salzwedel, J.-F.-Danneil-Museum

61. Johann George Christian Julius Schneider


Geboren am 23.4.1835 als Sohn des hiesigen Goldschmieds Friedrich Ludwig
Adolf Schneider (s. Nr. 50).
Im Adressbuch zwischen 1881 und 1896; 1903 Juweliergeschäft.

62. Paul Lang


Im Adressbuch 1910.

63. Arthur Schmidt

(vertieft) (vertieft)
Der Juwelier übernimmt 1910 das Geschäft von C. Pardölk (einem gelernten
Uhrmacher) und 1919 das des Franz Schernikau (s. Nr. 59).
Sein Sohn Werner wird ebenfalls Goldschmied.
Sein Bruder Paul Schmidt ist Goldschmied in Quedlinburg
Werke:
a) Diverse Schützenschilde 1925/1932. Salzwedel, J.-F.-Danneil-Museum

64. Emil Wehde

(vertieft)
Er ist 1913 im Geschäft von W. Frohse (s. Nr. 58) beschäftigt.
167

Werke:
a) Schützenschilde 1923/24. Salzwedel, J.-F.-Danneil-Museum

Abb. 5 Kronprinzenkette der Salzwedeler Schützengilde mit 10 Königsschildern aus


den Jahren 1696-1711 (Danneil-Museum, Inv. Nr. V 671 a-j)

Ungeklärte Salzwedeler Goldschmiede

65. Jochim Holthusen


„H. Jochim Holthusen“ lässt am 22.2.1639 Tochter Maria Dorothea in St.
Marien taufen. Das „H.“(err) kann auf einen Goldschmied und dann aus der
Familie des Goldschmieds Hans Holthusen (s. Nr. 14) hinweisen.

66. Meister FF (oder EB) S


Werke:
a) Schützenschild dat. 1710. Salzwedel, J.-F.-Danneil-Museum

67. Meister MS
Werke:
a) Schützenschild dat. 1713. Salzwedel, J.-F.-Danneil-Museum

68. Meister I.A.H.


Werke:
a) Esslöffel um 1780. Privatbesitz
168

8. Quellen und Literatur

[1] Stadtarchiv Salzwedel:


„Verzeichnis der Gerichtstage so in beiden Städten gehalten werden“
(1580/1637)
Ratskämmereirechnungen ab 1826
Servicegeld-Register 1773
Bürgergeld-Register 1826-1882
Adressbücher ab 1863
Salzwedeler Wochenblatt (1. Hälfte 19. Jhdt.)
Mitgliederverzeichnis der St. Marien-Kirchengemeinde 1833/38
Separationsverzeichnis 1844
Freundliche Hinweise zum Häuserverzeichnis (unveröffentlicht)
[2] Johann-Friedrich-Danneil-Museum Salzwedel: Bestand Schützensilber
[3] Ev.-luth. Kirchengemeinde St. Marien:
Taufbücher, Traubücher, Begräbnisbücher
[4] Ev.-luth. Kirchengemeinde St. Katharinen:
Taufbücher, Traubücher, Begräbnisbücher
[5] Scheffler, Wolfgang: Goldschmiede Niedersachsens. Berlin 1965.
[6] Scheffler, Wolfgang: Berliner Goldschmiede. Berlin 1968.
[7] Scheffler, Wolfgang: Goldschmiede Mittel- und Nordostdeutschlands.
Berlin · New York 1980.
[8] Spies, Gerd: Braunschweiger Goldschmiede. München · Berlin 1996.
[9] Appel, Thomas: Göttinger Goldschmiede. Göttingen 2000.
[10] Pohlmann, August Wilhelm: Geschichte der Stadt Salzwedel. Halle
1811. (Nachdruck Naumburg 2005)
[11] Stephan, Joachim: Die Vogtei Salzwedel. Frankfurt/Main · Berlin …
2006. (beinhaltet die Edition des ältesten Stadtbuches von
Salzwedel)
[12] Gaedecke, Joachim: Namensregister zu den ältesten Begräbnisbüchern
von St. Marien
[13] Bock, Hartmut; Fischer, Ingelore; Fischer, Peter; Rattey, Folker: Die
nordwestliche Altmark - eine Kulturlandschaft. Sonderband der
Schriftenreihe zur Heimatkunde der Sparkasse Gifhorn-Wolfsburg.
Gifhorn 1991.
[14] Stadt Salzwedel (Hrsg.): 750 Jahre Neue Stadt Salzwedel. Bingen 1997.
[15] Marquardt, Klaus: Europäisches Essbesteck aus acht Jahrhunderten.
Stuttgart 1997.
[16] Internetseite: www.silberpunze.freehost.ag - (Beschauzeichen deutscher
Städte)
169

Vom Verein ins Museum


Entstehung und Entwicklung der Sammlungen des Altmärkischen
Geschichtsvereins bis hin zur Gründung des Johann-Friedrich-Danneil-
Museums

von Ulrich Kalmbach

Am 28. September 1932 wurde das Johann-Friedrich-Danneil-Museum als


Kreisheimatmuseum mit einem feierlichen Festakt eingeweiht. Das seitdem
fast ununterbrochen in Trägerschaft des Landkreises Salzwedel befindliche
Museum geht auf die Sammlungen des Altmärkischen Vereins für vaterlän-
dische Geschichte als Grundstock zurück. Noch heute gehören die bereits seit
1836 zusammengetragenen Sammlungsstücke aus der Vereinszeit zu den
wichtigsten und bedeutsamen Teilen der später erweiterten Museumssamm-
lung. Ein sehr schönes Beispiel für die Kontinuität von Sammlung und
Forschung, von Vereins- und Museumssammlung war die Ausstellung „Nar-
renkopf und Thronende Madonna – Kostbarkeiten des Mittelalters“, die
2016/2017 im Danneil-Museum zu sehen war und einen herausragenden
Querschnitt sakraler Kunst aus der Altmark präsentierte.1 Diese Ausstellung
konnte fast völlig aus dem eigenen Museumsbestand bestückt werden. Die
Anfänge dieser qualitätsvollen Sammlung gehen auf die Erwerbungen aus der
Vereinszeit zurück. Ein frühes Beispiel für eines der ersten Sammlungsstücke
überhaupt ist das Fragment einer Pfeifentonmadonna, die im altmärkischen
Bretsch gefunden und im ersten erschienenen Jahresbericht des Vereins im
Jahre 1838 publiziert wurde (Abb. 1). Diesem Jahresbericht wurde eine zeit-
typische Illustration, ein gesondertes Blatt mit Abbildungen mehrerer Fund-
objekte, als Lithographie beigegeben. Auf diesem Steindruckblatt ist neben
anderen Stücken eben diese Keramikmadonna abgebildet (Abb. 2). Es handelt
sich somit um eines der frühesten Stücke in der Sammlung des Altmärkischen
Geschichtsvereins und damit auch in der Museumssammlung.
Im Jahr 2016 erinnerte die Herbsttagung des Geschichtsvereins nun an das
180. Gründungsjubiläum. Zu diesem Anlass entstand dieser kleine Rückblick,
der den Weg von einer Vereinssammlung in die reguläre Institution eines
Museums aufzeigt.

1
Ausstellung vom 2. September bis 30. Dezember 2016, verlängert bis 2. April 2017.
170

Abb. 1 Titelblatt des 1. Jahresberichtes des Vereins aus dem Jahr 1838
Abb. 2 Abbildungsbeilage des 1. Jahresberichtes mit mehreren Objektzeichnungen,
1838

Vereinsziele und Sammlungsaufbau

Die Gründungsdokumente des Geschichtsvereins zeigen auch nach heutigen


Maßstäben sehr moderne Grundsätze, die bereits wichtige Standards von
Museumsarbeit beschreiben. Die erste Satzung des Vereins, im ersten Jahres-
bericht abgedruckt, formulierte die Aufgaben, die Geschichte der Altmark zu
erforschen, die historischen Hilfswissenschaften zu entwickeln, die gewon-
nenen Erkenntnisse zu publizieren und Kontakte zu anderen Forschern zu
pflegen. Vor diesem Hintergrund sollten auch Sammlungen historischer Arte-
fakte zusammengetragen werden. Wie der Name aussagt, bestand der Verein
ursprünglich aus zwei Gliederungen, der „historischen Abteilung“ und der
„industriellen Abteilung". Die Ziele der letzteren bestanden in der Förderung
von Landwirtschaft und Gewerbe der Region. Zu diesem Zweck sollten
171

Materialsammlungen von Wolle, Garn und Stoffen, von Mineralien- und


Bodenproben und auch ein Herbarium angelegt werden. Für die Nutzung
neuer Arbeitsmethoden wurden Erfahrungen ausgetauscht. Pferderennen und
Tierschauen zu den jährlichen Hauptversammlungen in Gardelegen verfolg-
ten den gleichen Zweck. 1847 erfolgte eine Neustrukturierung des Vereins.
Die Geschichtsabteilung blieb weiterhin in Salzwedel, die Landwirtschafts-
abteilung wurde abgetrennt und erhielt Stendal als Sitz.

Für die weitere Sammlungstätigkeit der Geschichtsabteilung enthielt die


Satzung wesentliche Aussagen.
Hier wurde bereits zu Beginn eine Funktion des „Aufsehers über die Samm-
lungen“ als wichtige Einrichtung der Vereinsarbeit beschrieben. Dieser Aufse-
her hatte für die „Ausstellung und Erhaltung des Eigenthums des Vereins“ zu
sorgen. Er war für das Führen des Eingangsinventars verantwortlich und
berichtete darüber regelmäßig zu den Direktoriums- also Vorstandssitzungen
über Neuzugänge und die Art der Erwerbung bzw. die jeweiligen Geber.2
Jedes Vereinsmitglied war berechtigt, nach Abstimmung mit dem Vorstand die
Sammlungen des Vereins zu nutzen und sich damit zu beschäftigen.3
Gesonderte Regelungen gab es auch zu dem Vereinseigentum, zu dem selbst-
redend die Sammlung an wichtiger Stelle gehörte. Hier waren explizit als
Sammlungsobjekte genannt: gedruckte und geschriebene Sachen, Altertümer,
Zeichnungen, Modelle. Darüber hinaus wurde auch bereits den Aufbewah-
rungsbedingungen Aufmerksamkeit gewidmet, indem neben den reinen
Geldmitteln und dem Archiv des Vereins auch „alles was zur Aufbewahrung
der Sammlung angeschafft wird“, also Präsentations- bzw. Archivierungs-
hilfsmittel, eine besondere Bedeutung beigemessen wurde. Bei einer etwaigen
Auflösung des Vereins sollte dessen Eigentum, so auch die Sammlung, an das
Gymnasium in Salzwedel übertragen werden.
Im § 26 wurde auf den Druck der Jahresberichte eingegangen, diese waren
ursprünglich primär als reines Berichtsmedium über die Vereinsaktivitäten
gedacht. Es wurde aber auch schon, abhängig von der Kassenlage des Vereins
und dem Vorliegen von wissenschaftlichen Beiträgen, die erweiterte Publika-
tion von Fachbeiträgen als Ziel formuliert.

Dass zur Vereinsgründung bzw. kurze Zeit später bereits eine Anzahl von
Objekten zur Sammlung gehörte, belegen die Ausführungen im 1. Jahres-
bericht. Hier werden verschiedene Sammelgruppen vorgestellt. Der Verein
besaß zu dieser Zeit bereits 21 Originalurkunden, die aus dem Mittelalter bzw.

2
1. JBAGV, 1838, S. 82, § 34.
3
1. JBAGV 1838, S. 83, § 39.
172

der frühen Neuzeit stammten. Diese hier einzeln aufgeführten Stücke kamen
durch Schenkung an den Verein. Darüber hinaus gab es auch eine Reihe von
Urkundenabschriften in diesem Konvolut. Auch für die Vereinsbibliothek war
hier bereits der Grundstock gelegt, eine Übersicht der Bücher dem Jahres-
bericht als Anlage angehängt, die allerdings nur bescheidene 47 Titel enthielt.
Für die im Aufbau befindliche Münzsammlung wurden bereits einige Schen-
kungen hier vorgestellt, auch Siegelabdrücke erwähnt, die in die Sammlung
eingegangen waren. Über die archäologischen Funde berichtete Danneil mit
einer erweiterten Einführung in die Archäologie. Er erwähnte hier, dass neben
Schenkungen von Mitgliedern auch Ausgrabungsergebnisse bereits Eingang
gefunden hatten.
Dabei ging Danneil auf die Erfassung von Großsteingräbern ein, die ein vor-
dringliches Ziel der Vereinstätigkeit sein sollte. Er erwähnt den Umstand, dass
sich zu dieser Zeit bereits Dokumentationen im Vereinsarchiv befänden, die
als Grundlage für weitere Erfassungsarbeiten bzw. einer umfassenden Karte
dienen könnten.

Ebenfalls im 1. Jahresbericht wurden Anregungen für Methoden und Objekt-


gruppen systematischer Sammlungsarbeit gegeben. Hier wurde auf verschie-
dene volkskundliche Aspekte historischer Sammelarbeit eingegangen und
sehr moderne Formen von volkskundlicher Feldarbeit empfohlen bzw. ein um-
fangreicher Fragenkatalog vorgestellt, der bei der Erforschung von Brauchtum
bzw. Alltagskultur zu nutzen sein sollte. Neben der Sammlung von Realien,
dreidimensionalen Objekten, verwies der Verein auch auf die Notwendigkeit,
Informationen zu sammeln und Dokumentationen anzulegen. Hierzu wurden
ausführliche Vorschläge unterbreitet. Die Mitglieder bzw. auch andere Ge-
währsleute sollten sich mit verschiedenen Themenbereichen beschäftigen:
 unerschlossene Archive bzw. Einzeldokumente
 Bauformen, Gemarkungen und Flurnamen der Dörfer
 Wüstungen
 Bauweise der Kirchen und deren Ausstattungsstücke „merkwürdige
Inschriften auf Leichensteinen, auf Glocken, Taufbecken, Kelchen,
Patenen... alterthümliches Schnitzwerk oder Malerei an Altar, Kanzel,
Kirchstühlen“
 biografische Informationen über Pfarrer und andere Personen
 Adelsfamilien und deren Güter
 Siedlungs- und Sozialstruktur in den Dörfern mit Bevölkerungs-
bewegungen
 Abgaben der Dorfbewohner
 ländliche Feste
173

 Sagen und Überlieferungen


 Feiern und Bräuche im Jahres- und Lebenslauf
 Rechtsgewohnheiten
 sprachliche Besonderheiten
 geologische bzw. topografische Auffälligkeiten

Die seit 1838 gedruckten Jahresberichte haben eine wichtige Rolle bei der
Dokumentation der Sammlungsgeschichte des Vereins. Hier wurde neben den
Regularien, Berichten über Vereinstagungen und deren Vorträge in unter-
schiedlicher Ausführlichkeit auch über Schenkungen und Neuerwerbungen
berichtet. Neben den Informationen zu Fundstätten und Fundumständen
geben sie auch Hinweise auf diejenigen Personen, die als Geber auftraten.

Suche nach einem Sammlungsdomizil

In der ersten Satzung von 1836 war im § 21 bereits festgeschrieben, dass der
Verein für seine vorhandenen bzw. noch anzulegenden und zu erweiternden
Sammlungen ein „Lokal“ benötigt, in dessen Räumlichkeiten die Objekte
aufbewahrt und genutzt werden könnten und die gleichzeitig auch als Ort der
Zusammenkunft für Vereinsversammlungen dienen sollten.4 Die ersten Ver-
suche, ein solches ständiges Sammlungs- und Versammlungsdomizil einzu-
richten, waren jedoch noch nicht von Erfolg gekrönt.
Allerdings war das Bemühen darum wohl recht intensiv, so dass im zweiten
Jahresbericht von 1839 bereits von einer erfolgreichen Anmietung bzw.
Schaffung einer eigenen Vereinslokalität berichtet werden konnte. Die Stadt
Salzwedel stellte einen großen Saal im leerstehenden 3. Stockwerk des Neu-
städter Rathauses zur Verfügung, „den gegen Westen gelegenen Theil vom
dritten Stockwerke“. Die dazu abgeschlossene langfristige Nutzungsverein-
barung sah eine garantierte Nutzungsdauer von mindestens 15 Jahren vor,
wobei die genauen Modalitäten einer späteren Rückgabe bis zum 35. Jahre
nach Vertragsbeginn geregelt waren. Für die Nutzung musste der Geschichts-
verein jedoch die nötigen Ausbauarbeiten auf eigene Kosten durchführen.
Diese umfassten eine finanzielle Planungssumme von ca. 200 Talern. Der
nach den Arbeiten zur Verfügung stehende Raum hätte dann eine Größe von
40x30 Fuß bei 21 Fuß Raumhöhe.5 Im Nachhinein bzw. ergänzend erfolgte
eine vertragliche Fixierung der Nutzungsrechte des Vereins in der städtischen
Immobilie mit einem Kontrakt vom 15. Juni 1844, der auch eine Entschä-

4
1. JBAGV 1838, S. 80.
5
2. JBAGV 1839, S. 5.
174

digung für die durch den Verein umgesetzten Umbaumaßnahmen im Kündi-


gungsfall vorsah.6

Abb. 3 Rathaus von Salzwedel in der Neustadt, Ende 19. Jh.

6
13. JBAGV 1863, S. 5.
175

Im darauffolgenden, dritten Jahresbericht von 1840 konnte über die grund-


legende Vollendung des Ausbaus Rechenschaft abgelegt werden.7 Eine nicht
unmaßgebliche Rolle spielte dabei sicher die Tatsache, dass der Salzwedeler
Bürgermeister v. Bennigsen-Förder in Personalunion auch Vorstandsmitglied
des Geschichtsvereins war. Offen war zu dieser Zeit hingegen noch die Anfer-
tigung von „Utensilien“, also Hilfsmitteln zur Präsentation bzw. Archivie-
rung. In den Räumlichkeiten des Vereins im Neustädter Rathaus waren die
Sammlungen im Laufe des Jahres „aufgestellt“ und Verzeichnisse dazu ange-
fertigt worden. Lediglich die Mineraliensammlung konnte noch nicht bearbei-
tet werden. In der Beilage 2 zum vierten Jahresbericht von 1841 gab es dann
eine zahlenmäßige Übersicht zu den hier bislang ausgestellten Objekten, die
bei der Generalversammlung des Vereins am 9. Dezember 1840 in dem neuen
Vereinslokal begutachtet wurden.8
Eine hochoffizielle Präsentation der Sammlungen erfolgte bei einem Besuch
des preußischen Königs Friedrich Wilhelm IV. in Salzwedel im Jahre 1841, wo
dieser das Vereinslokal und die dortigen Sammlungen besichtigte.9
Von 1840 bis 1860 blieben die Vereinssammlungen nun in diesem ersten
Domizil, im Salzwedeler Rathaus. In einem Rückblick würdigte der Vereins-
Sekretär Theodor Zechlin im Jahre 1859 die Leistung von Johann Friedrich
Danneil beim Aufbau und Dokumentation der Sammlung im Rathaus: „Ein
Blick in unser Vereinslokal, in unsere Urkunden-, Münz-, Siegel-, Wappen-,
Bücher- und Grab-Alterthumssammlung zeigt uns den emsigen Sammler,
umsichtigen Ordner und durchgebildeten Kenner...“.10

Wenige Jahre später, anlässlich der Generalversammlung des Vereins am 19.


Dezember 1862 berichtete der Vereins-Sekretär Zechlin dann jedoch über die
notwendig gewordene Verlegung der Vereinssammlungen vom Salzwedeler
Rathaus in die Marienkirche Salzwedel.11 Im Juni 1860 musste das Vereins-
lokal im Rathaus geräumt werden. Mit einem Mietvertrag vom 22. Juni 1860
zwischen Verein, der Kirchenbehörde und dem Patronat der Marienkirche
konnte die Sammlung dann in eine Seitenkapelle der Salzwedeler Marien-
kirche umgelagert werden. Ende 1862 war die Neuaufstellung der Sammlungs-
stücke fast abgeschlossen. Die doch recht lange Zeit von über 2 Jahren für eine
Neupräsentation hängt möglicherweise mit schwierigen Verhältnissen inner-
halb des Vereins in dieser Zeit zusammen. Ein Indiz dafür ist die Tatsache,

7
3. JBAGV 1840, S. 4.
8
4. JBAGV 1841, S. 4, 16.
9
5. JBAGV 1842, S. 4.; Salzwedelsches Wochenblatt, Nr. 22, v. 29. Mai 1841, S. 173.
10
12. JBAGV 1859, S. 4.
11
13. JBAGV 1863, S. 4/ 5.
176

dass in diesem Zeitraum wohl auch keine reguläre Generalversammlung


stattgefunden hatte und diese erst nach dreijähriger Pause 1862 angesetzt war.
Zechlin äußerte zu dieser Zeit die Hoffnung, dass die Räumlichkeiten in der
Marienkirche, die er grundsätzlich für geeignet hielt, langfristig genutzt
werden könnten und kein weiterer Umzug nötig werden würde. In seinen
Erläuterungen erwähnte er am Rande, dass die Umlagerung mit logistischen
Problemen bzw. sicher auch Beschädigungen oder gar Verlusten an Samm-
lungsstücken einhergegangen waren. Er formulierte vorsichtig: „Obgleich der
Transport der äußerst zerbrechlichen alten eisernen Gerätschaften und Urnen mit
möglichster Sorgfalt ausgeführt wurde, machten wir doch die Erfahrung, daß
wiederholte Uebersiedlungen nach andern Lokalen den nachtheiligsten Einfluß
haben würden.“ Hierbei handelt es sich sicher um Erfahrungen und Bedenken,
die zeitlos sind und auch heute noch gelten.

Abb. 4 Blick durch die Lorenzstraße zur Marienkirche


177

Für den neuen Unterbringungsort in der Marienkirche ab 1860 musste der


Verein Miete zahlen. Die Kosten dafür wurden aus der Entschädigung bestrit-
ten, die der Verein durch den eingetretenen Kündigungsfall der Räume im
Rathaus von der Stadt Salzwedel erhalten hatte. Diese Entschädigung wurde
angelegt und von den Zinsen die Miete für die Räume in der Kirche gezahlt.12
Eine besondere Würdigung der Sammlungen war mit einem Besuch des preu-
ßischen Königs Wilhelm I. im Jahre 186513 verbunden, der in die Vereins-
annalen einging. Zu dessen Gefolge zählte auch Otto von Bismarck, der sich
wohlwollend über die Sammlungen und die Tätigkeit des Vereins äußerte. Otto
von Bismarck wurde daraufhin auf der Generalversammlung vom 16. März
1866 zum Ehrenmitglied des Vereins ernannt.14
Die Sammlungen blieben nun offensichtlich mehrere Jahrzehnte von 1860 an
in der Marienkirche. Dabei waren die räumlichen Gegebenheiten wohl doch
nicht völlig ausreichend und so blieben bessere Unterbringungs- und Nut-
zungsmöglichkeiten weiterhin ein Thema. Im Jahre 1890 wurden geeignetere
Ausstellungsräumlichkeiten in Aussicht gestellt, ohne dass nähere Angaben
dazu gemacht wurden.15 1897 beklagte der Berichterstatter immer noch den
nicht mehr ausreichenden Platz für Bibliothek, Archiv und Museum. Es
wurde nach einem zahlungskräftigen Sponsor gesucht, der diesem Umstand
abhelfen könnte.16
Diese Klage wurde 1899 erneuert. Der Berichterstatter Pfarrer Radlach aus
Zethlingen gab der dringenden Hoffnung Ausdruck, „dass die Stadt Salzwedel
... nach dem Vorbilde vieler deutschen Städte für das Museum genügende Räume
zur Verfügung stellen wird. Handelt es sich doch nicht bloß darum, die reichen
Sammlungen besser zu erhalten, sondern besonders auch darum, der ganzen
Bevölkerung in dem Museum eine wichtige und leider zu oft unterschätzte
Unterrichtsanstalt zur Benutzung darzubieten.“17

Am 2. Mai 1900 fand eine Vorstandssitzung statt, die hauptsächlich die bessere
Unterbringung der Vereinssammlungen zum Thema hatte. Es wurden mit der
Stadt Salzwedel bereits Verhandlungen geführt, die jedoch noch zu keinem
Ergebnis geführt hatten.18 Auch 1903 war das Thema weiterhin akut. Es
fehlten immer noch trotz verschiedener Bemühungen Räume für die Samm-
lung und Bibliothek. Der Vorstand widmete sich in einer intensiven Diskus-

12
13. JBAGV 1863, S. 5.
13
15. JBAGV 1865, S. 160/161.
14
15. JBAGV 1865, S. 161.
15
23. JBAGV 1890, S. 164.
16
24.02. JBAGV 1897, S. 86.
17
26. JBAGV 1899, S. 156.
18
28. JBAGV 1901, S. 116.
178

sion der Problematik der Sammlungen, die sich noch immer in der Marien-
kirche befanden.19
Mit dem Neubau der Höheren Töchterschule in Salzwedel zeichnete sich eine
Verbesserung der Lage ab. Bibliothek und Sammlungen wurden zeitlich
gestreckt nach und nach in der Schule untergebracht.20
1905 war hier schon die Bibliothek des Vereins zu finden und konnte dort
genutzt werden. Gleichzeitig waren noch Verhandlungen zur Unterbringung
der gesamten Sammlungen in der Töchterschule im Gange.21 Die enge Anbin-
dung an das neue repräsentative Gebäude und die Hoffnung auf eine dauer-
hafte Regelung zeigt auch die Tatsache, dass am 5. September 1906 der
Geschichtsverein sein 70-jähriges Jubiläum hier mit einer Festveranstaltung
beging.22 Bei der Generalversammlung am 9. September 1908 in Apenburg
wurde schließlich über den vollendeten Komplettumzug von Bibliothek und
Sammlung berichtet. Der Umzug der Sammlungen sei vollzogen und beendet
und diese im Erdgeschoss der höheren Mädchenschule untergebracht. Die
Sammlung war neu geordnet und konnte von Vereinsmitgliedern besichtigt
werden.23 Bereits zuvor war die Neuordnung und Neukatalogisierung der
Bibliothek verkündet worden.24
In diesem Zusammenhang erwähnte der Bericht allerdings auch, dass 1906
sich zwar die Bibliothek schon in der Töchterschule, die eigentlichen Samm-
lungen jedoch im Rathaus befunden hätten.25 Die Unterbringung von Samm-
lungsteilen im Rathaus, zu dieser Zeit also schon in den Räumlichkeiten des
ehemaligen Franziskanerklosters, wurde sonst an keiner weiteren Stelle
erwähnt. Ob es sich hier ev. um eine kurzzeitige Zwischenlösung vor Ab-
schluss der Bauarbeiten bzw. Verhandlungen in der Töchterschule handelt, ist
möglich, jedoch nicht ganz klar ersichtlich. Vielleicht waren die Sammlungen
tatsächlich nach 1890 als Zwischenlösung in das Rathaus gebracht wurden.
Dass die zur Verfügung stehenden Räume in der Mädchenschule als Dauer-
lösung schließlich doch nicht ausreichten, verdeutlicht ein Vermerk aus dem
Jahre 1912, mit dem darauf hingewiesen wurde, dass die Sammlungen
überhaupt nicht vollständig im Lyzeum aufgestellt werden konnten und die
noch nicht geordneten mittelalterlichen Schnitzaltäre, also der Bestand
sakraler Kunst, in der Kapelle der Marienkirche wieder aufgestellt werden

19
Vorstandsitzung am 22. Juni 1903, 31.02. JBAGV 1904, S. 136.
20
33. JBAGV 1906, S. 140.
21
32. JBAGV 1905, S. 130.
22
34. JBAGV 1907, S. 167.
23
36. JBAGV 1909, S. 108.
24
34. JBAGV 1907, S. 7.
25
34. JBAGV 1907, S. 168.
179

bzw. bleiben müssen, da für sie kein Platz in der Schule sei.26 Bei dieser Kapelle
handelt es sich um den seit 1860 vom Verein bereits genutzten Raum in der
Marienkirche.

Abb. 5 Höhere Mädchenschule, um 1906

Im Jahresbericht von 1912 wird für den Berichtszeitraum 1911 erstmals auch
die Rubrik „Museumsbericht“ aufgenommen. Der Begriff Museum wurde in
der Vergangenheit allerdings auch schon gelegentlich als allgemeine Bezeich-
nung für die Sammlungen an sich genutzt. So bezeichnete Theodor Zechlin
1887 die Sammlungen sogar als „altmärkisches Museum“. Die 1912 tatsächlich
als Museum benannten Sammlungen des Vereins waren nun mit regulären
Öffnungszeiten versehen: in der warmen Jahreszeit, sonntags von 11 bis 13
Uhr, sonst auch nach Absprache mit dem Kastellan.27
Noch im Jahre 1915 wurde die zweigeteilte Aufbewahrung der Sammlung in
der Höheren Mädchenschule und der Bestand sakraler Kunst in der Marien-
kirche beklagt. Das umso mehr, als offensichtlich eine Reihe von Zugängen die
Sammlungen erweiterten. Es stünde immer noch die „Ordnung und völlige
Aufstellung der Museumsgegenstände“ an. In diesem Zusammenhang fand auch

26
39. JBAGV 1912, S. 63.
27
39. JBAGV 1912, S. 53.
180

die Tatsache Erwähnung, dass Bildwerke bzw. Gemälde ebenfalls aus Platz-
gründen in den Bibliotheksräumen präsentiert wurden. Ein Problem, das
ebenfalls beklagt wurde, war das Fehlen von Präsentationshilfsmitteln,
„Schauschränke“, die vor allem für Sammlungsstücke aus Mittelalter und
Neuzeit benötigt wurden.28

In der Zeit des 1. Weltkrieges dann ruhte die Vereinstätigkeit weitgehend. Mit
der Wiederbelebung des Vereins und der ersten Nachkriegstagung am 15.
September 1920 stand auch wieder das Problem der unzureichenden Unter-
bringung der Sammlung bzw. das Fehlen eines eigenen Vereinsgebäudes auf
der Tagesordnung.
Max Adler übergab dem Verein einen Kapitalsockel von 400 Mark Reichs-
anleihe und 105,50 Mark auf einem Sparbuch „für die Unterbringung des
Museums“ mit der Auflage, dass diesem sogenannten Museumsfonds jährlich
1 Prozent der Vereinseinnahmen gutgeschrieben würden bis ein eigenes Muse-
umsgebäude errichtet worden wäre. Max Adler hatte bereits vor dem Krieg
gemeinsam mit anderen einen „Verein zum Bau eines Museums“ gegründet.
Allerdings wurden die Beiträge der ersten über 30 Mitglieder dieses Vereins
durch die Inflation völlig entwertet. Im Jahre 1923 wurde erneut über einen
Umzug berichtet. Zumindest die Bibliothek musste wieder aus dem Lyzeum
umgelagert und in der Marienkirche aufgestellt werden.
Einen Schritt zur „Kommunalisierung“ der Sammlungen des Geschichts-
vereins war deren förmliche Unterstellung unter dem Kommunallandtag der
Altmark. Hier wurde ein Vertrag geschlossen, der sowohl den Betrieb eines
Museums, die Erlaubnis zu archäologischen Ausgrabungen und den Erwerb
von Altertümern ermöglichte.29 Eine Privatinitiative, die Räumlichkeiten und
Mittel für die Unterbringung des Museums zur Verfügung stellen wollte,
konnte aus baupolizeilichen Gründen nicht angenommen werden.30

Museumsgründung

In den nächsten Jahren wurde auch seitens der Stadtverwaltung das Problem
der Sammlungsunterbringung behandelt und wohl auch als eigenes Anliegen
definiert. Nachdem 1927 durch den Salzwedeler Bürgermeister Roediger dem
Verein „würdigere Räume“ für Bibliothek und Sammlungen zugesagt worden
waren, nahm die Lösung des Problems konkretere Formen an.

28
41./42. JBAGV 1915, S. 54.
29
43. JBAGV 1925, S. 44.
30
45. JBAGV 1927, S. 70 ff.
181

Eine der Grundlagen für die letztlich endgültige Unterbringung der Samm-
lungen des Geschichtsvereins wurde dann mit dem Erwerb des Wohngrund-
stückes der Familie von der Schulenburg, der sogenannten Propstei, durch die
Stadt Salzwedel im Jahre 1928 gelegt. Der Landkreis Salzwedel übernahm
dann zum 5. August 1928 die Sammlungen des Vereins in Trägerschaft.
Grundlage dafür war ein Vertrag vom 30. Juni zwischen dem Kreis Salzwedel
und dem Altmärkischen Verein für vaterländische Geschichte.31 Mit diesem
Vertrag war auch die Sicherung des „Erwerbungsrechtes“ für den Verein nach
dem Preußischen Ausgrabungsgesetz verbunden. Der Landkreis als Inhaber
des Erwerbungsrechtes beauftragte den Verein formell mit der „Zuführung von
Fundgegenständen in das Museum“. Im Jahre 1930 nahm dann das Vorhaben,
die Sammlungen des Vereins im 1. Obergeschoß der Propstei unterzubringen,
konkrete Formen an. Die in diesem Jahr begonnene Einrichtung des Museums
erwies sich allerdings als anspruchsvolle Aufgabe. Die ursprünglich für 1931
vorgesehene Eröffnung musste mehrfach verschoben werden. Ein Grund
dafür war das Bemühen des verantwortlichen, ehrenamtlichen Museums-
leiters Franz Bohnstedt, mit der Neuaufstellung auch eine neue, bzw. überar-
beitete Inventarisierung zu bewerkstelligen. So berichtete er im Jahre 1930
über 2.400 inventarisierte bzw. katalogisierte Objekte.32
Diese intensive Vorarbeit mündete dann in einer großen Eröffnungszeremonie
am 28. September 1932, in der das Museum, als Kreisheimatmuseum mit dem
Ehrennamen Johann Friedrich Danneil versehen, der Öffentlichkeit überge-
ben wurde. In der Festschrift zum 100-jährigen Bestehen des Salzwedeler
Wochenblattes im Jahre 1932 wurde die Eröffnung als Resultat der lang-
jährigen Aktivitäten des Geschichtsvereins gewürdigt: „So stand denn Salz-
wedel am Mittwoch, d. 28. September 1932 im Zeichen eines Ereignisses, das
historische Bedeutung hatte. Nach rund 20jähriger Vorbereitungszeit konnte der
Altmärkische Geschichtsverein seine seit einem Jahrhundert aus der Zeit Danneils
gesammelten historischen Werte in dem denkwürdigen Herrensitz der von der
Schulenburg, der Propstei, unter der Obhut des Kreises Salzwedel der Oeffent-
lichkeit übergeben.“ 33

31
Abschrift, Danneil-Museum, AA 1932.
32
48. JBAGV 1933, S. 82.
33
K. Neuber: Das Kreis-Museum Salzwedel (Johann-Friedrich-Danneil-Museum) In: Festschrift
100jähriges Bestehen des Salzwedeler Wochenblatt. 1932. S. 203-207.
182

Abb. 6 Sonderdruck der Heimatbeilage zum Salzwedeler Wochenblatt anlässlich der


Übergabe des Museums am 28. September 1932

In seinem Bericht zur Museumsgründung ging der Autor dort auch auf die
Themen der ausgestellten Sammlungen ein, die schwerpunktmäßig dem
Bereich der Ur- und Frühgeschichte zuzurechnen waren. Neben den Funden
aus Stein-, Bronze- und Eisenzeit wurden hier jedoch auch Objekte aus dem
Mittelalter, wie diverse Waffen, erwähnt. Die Volkskunde war mit Exponaten
aus Industrie, Handwerk und Hauswirtschaft vertreten. Siegel und Münzen
waren separat ausgewiesen. Auch historische Abbildungen waren vertreten.
Die Münzsammlung mit ca. 2000 Stück wurde hier besonders herausgehoben.
Besonderes Augenmerk erhielt auch die Sammlungsgruppe der „Kirchlichen
Kunst“. Hierzu zählten auch besondere Einzelstücke wie die Salzwedeler
Madonna, die heute noch als Wahrzeichen für das Danneil-Museum und seine
Sammlungen steht.
183

Seit seiner Gründung hatte der Geschichtsverein versucht, geeignete Räum-


lichkeiten zu finden und zu unterhalten, in welchen die Sammlungen einen
geeigneten Aufbewahrungsort haben sollten. In den Anfangsjahren, spätes-
tens ab 1839, konnten ausgebaute Räume im damaligen Rathaus, dem ehema-
ligen Neustädter Rathaus, genutzt werden. Nach der Kündigung dieser Räume
im Jahre 1860 wurde eine Kapelle der Salzwedeler Marienkirche Heimat der
Vereinssammlungen. Deren Anwachsen machte die Suche nach größeren und
geeigneteren Räumen spätestens zum Ende des 19. Jahrhunderts nötig. Mit
dem Neubau der Höheren Mädchenschule in Salzwedel wurden ab 1905 die
Bibliothek und 1908 die Sammlung dort untergebracht. Die Teilsammlung
sakraler Kunst verblieb aus Platzgründen allerdings in der Marienkirche.
Hierhin kehrte während dem 1. Weltkrieg auch die Bibliothek wieder zurück.
Erst mit der Gründung des Johann-Friedrich-Danneil-Museums im Jahre 1932
fanden die Sammlungen einschließlich der Bibliothek dann eine langfristige
Heimstatt, wo sie noch heute bewahrt und der Öffentlichkeit zugänglich
gemacht werden.

Abb. 7 Feierliche Einweihung des Johann-Friedrich-Danneil-Museums am 28. Sep-


tember 1932
185

180 Jahre Altmärkischer Verein für vaterländische


Geschichte zu Salzwedel
Persönliche Erinnerungen an die jüngste Geschichte

von Bernhard v. Barsewisch

Etwas großspurig hätte ich den Titel wählen können: Erinnerungen an ein
Drittel der Vereinsgeschichte, aber das wäre eine erhebliche Übertreibung
gewesen, wenn ich auch folgende Zahlen anführen will. 1836 wurde der
Verein gegründet, feiert nun also sein 180jähriges Jubiläum. 1957 bin ich
beigetreten, also 59 Jahre dabei und wie ich mit Erstaunen festgestellt habe,
auch schon seit 1998 Vorsitzender, 18 Jahre, das ist ein Zehntel der
Vereinsgeschichte - aber genug der Zahlenspielereien.

Wie hat alles begonnen? Wir lebten bis zu unserer Flucht 1945 in Perleberg
und hatten in der Wohnung unsere Ahnenbilder. Die waren so selbst-
verständlich vorhanden, wie der Hausrat und die Möbel und sie wurden uns
Kindern nicht etwa mit großem Zeigefinger nahegebracht. Wir liebten beson-
ders einen um 1740 gemalten Johann Balthasar v. Barsewisch, weil er so
lebensvoll und jovial aussah. Alles blieb zurück, die Bilder sind natürlich
vernichtet, weil die Russen in die Wohnung einzogen. Aber dann geschah
etwas, als ich 19 oder 20 Jahre alt war: Eine Schwester meines Vaters zog mit
einem legalen Umzug um 1955 in den Westen und brachte weitere Familien-
bilder mit. Darunter war der Bruder des geliebten Ahnherrn, sehr viel schlech-
ter gemalt, aber doch aus der gleichen Zeit und mit einer gewissen Ähnlich-
keit. Auf dem Bild stand: Johann Rudolf v. Barsewisch, Erster Deichhaupt-
mann der Altmark. Fragen über Fragen. Was ist ein Deichhauptmann? Was
ist ein Erster Deichhauptmann? Und überhaupt: Altmark? Und wer ist Johann
Rudolf? Die altmärkische Herkunft unserer Familie war immer bekannt, aber
zuletzt hatte sich mein Urgroßvater im Jahr 1880 mit der Familiengeschichte
genauer beschäftigt und mein Vater konnte mich nur auf dessen gerettete
Chronik verweisen, nachdem unser Archiv ebenfalls in Perleberg verblieben
war.

Ich versuchte, mich in die Arbeit meines Urgroßvaters hereinzulesen, Sütter-


lin, eigentlich sorgfältig geschrieben, aber es gab Entschlüsselungsprobleme.
Man verfertigte eine silberne Zuckerdose aus den Moaden? Morden? ach nein:
aus den Monden eines Uniformstücks. Mein Interesse war geweckt. Seitdem
habe ich Abbildungen von Ahnenbildern aller Vorfahrenfamilien gesammelt,
Materialien, Erinnerungen, Briefe und Archivalien zur Familie v. Barsewisch
186

und anderen Ahnenfamilien, besonders der Familie meiner Mutter, den Edlen
Gänsen zu Putlitz.

Als Student in Berlin las ich die Altmärkischen Jahresberichte und erfuhr
davon, dass eine Arbeitsgemeinschaft des Altmärkischen Vereins für vaterlän-
dische Geschichte zu Salzwedel gegründet worden war und wurde Mitglied.
Ich habe keine der Versammlungen besuchen können. Es gab kleine, un-
scheinbare hektografierte Blättchen als Mitteilungen, bis 1959 der erste neue
Bericht erschien, der 55. Jahresbericht des Vereins. Darin heißt es im Geleit:
„Die Nöte unseres geteilten Deutschlands zwingen uns, aus der Ferne für
unsere Heimat, die Altmark, zu wirken. Aber wir bleiben ihr auf diese Weise
innerlich verbunden und dienen damit auch dem größeren Vaterlande, bis der
Tag kommt, wo wir wieder vereint mit unseren Landsleuten daheim unsere
Arbeit fortsetzen können …“. Dem Vorstand gehörten die Herren Meyer,
Neuling, Nachtigall, Langhammer, Hollmann und Dannemann an. Dr. Meyer
hatte 1956 zu einer Gründungsversammlung des in der Heimat ruhenden
Vereins aufgerufen. Dr. Langhammer war ehemals Leiter des Museums
Stendal, Dr. Neuling ehemals Leiter des Museums Salzwedel. 1957 erfolgte ein
Anschreiben an 500 Altmärker, die im Westen lebten. Bei einem Altmärker-
Treffen in Bielefeld wurde Werbung für die Arbeitsgemeinschaft gemacht.
Dadurch muss wohl auch die Nachricht an mich gekommen sein, so dass ich
eingetreten bin. 1958 war eine erste Hauptversammlung erfolgt. Über die
Hauptversammlung 1960 berichtet der 56. Bericht. Es gab damals 103 Mitglie-
der, von denen 36 in Berlin-West wohnten und man beschloss die Sitzung mit
einem Tiegelbratenessen, was man als besonders altmärkisch empfand, was
mir aber noch wieder begegnet ist.
Im 57. Bericht 1963 wird folgender verstorbener Mitglieder gedacht: Dr. Udo
v. Alvensleben-Wittenmoor, dem die Rettung der Domfenster in Stendal mit
zu verdanken war, Dr. Georg Ebert, Bankdirektor aus Stendal, Johann
Heitfeld, Bankbeamter aus Salzwedel, Rechtsanwalt und Notar Heinrich Ruff
aus Salzwedel, Oberingenieur Fritz Gustav Olschewski aus Tangermünde und
Werner Sorgenfrei, Kaufmann aus Osterburg. Ich erwähne das ausführlicher,
nur um zu zeigen, welcher Exodus an Bildungsbürgertum die DDR ge-
schwächt hat.

1978 konnte ich das erste Mal die Altmark bereisen. Mit meiner älteren
Schwester wohnten wir bei Verwandten in Genthin und haben verschiedene
uns interessierende Orte besucht. Welch ein Unterschied: Man liest in den
Kunstdenkmälern der Provinz Sachsen über die Dorfkirchen. Überall Feld-
steinkirchen, romanischer Beginn etc. Aber wenn man die dann wirklich
selber sieht, wird alles so viel anschaulicher. In Vielbaum lagen Figuren-
187

grabsteine unserer Familie 400 Jahre im Freien, man erkannte ritterliche


Gestalten von 1580, aber sehr verwittert.

1982 war die Arbeitsgemeinschaft durch viele Todesfälle so ausgedünnt, dass


man an eine Auflösung dachte, aber Günther Stappenbeck als Vorsitzender
hat die Arbeitsgemeinschaft über die Runden gebracht.

Die Wende 1989 eröffnete natürlich völlig neue Aspekte. Nach einer Vorbe-
sprechung in Neupervertor in Salzwedel am 25. April 1992 wurde zu einer
Mitgliederversammlung am 5. September einberufen. 27 Mitglieder und 26
Gäste nahmen teil. In dem im 69. Bericht 1992 abgedruckten Protokoll heißt
es „Die damalige Versammlung zeigte die ganze Misere eines Heimatvereins
im Exil, dessen Mitglieder sich aus Altersgründen oder ihrer weitgestreuten
Wohnsitze wegen die Teilnahme an Mitgliederversammlungen versagen
mussten. Andererseits war aus der zugesperrten Heimat kein Nachwuchs zu
erhoffen“. Aber das war vorbei. Der neu gewählte Vorstand bestand aus Dr.
Io v. Kalben, Landwirt und Steuerberater, der in Vienau in der Altmark
wieder angesiedelt war, Frau Helga Weyhe, Dr. Peter Hou, Frau Helga Hou,
Dr. Ernst Block, Manfred Lüders und Pfarrer Adolf Krüger, Beuster. Nur noch
Frau Hou, geb. v. Kalben, verkörperte damals die Exil-Altmärker. Der Verein
hatte in der Heimat neue Wurzeln geschlagen. Im November 1992 konnte man
nun125 Mitglieder zählen.

Ich selber hatte 1993 meine Zelte in München abgebrochen und mich wieder
in meine eigene Urheimat, in die Prignitz begeben und im Geburtshaus meiner
Mutter in Groß Pankow mit Partnern die Augen-Tagesklinik eröffnet. Seit der
Zeit konnte ich dann auch an Sitzungen und Exkursionen des nun wieder in
Salzwedel ansässigen Vereins teilnehmen.

Zu der Vorstandswahl im Herbst 1998 wollte Dr. v. Kalben nach 6 Jahren aus
Altersgründen nicht mehr kandidieren. Herr Eberhagen rief mich am Freitag
an, ob ich am nächsten Tag bereit wäre, für den Vorsitz zur Verfügung zu
stehen? Nicht ganz leichten Herzens habe ich zugestimmt und nun sind es
schon 18 Jahre, dass man mit mir als Vorsitzenden vorliebnehmen muss.

Mit etlichen Vorstandssitzungen im Jahr an wechselnden Orten und jeweils


lebhaften Diskussionen haben wir erfreulich viel vorangebracht, die Tagun-
gen vorbereitet und die Jahresberichte geplant. Wir mussten schon auch einige
Sträuße ausfechten, so im Jahre 2004 mit dem Finanzamt, das den Verkauf
einiger überzähliger Jahresberichte als Wirtschaftsbetrieb werten wollte und
die Gemeinnützigkeit abzuerkennen drohte. Ich habe mich damals bei mehre-
188

ren anderen Vereinen erkundigt und dann geschrieben, dass wir schließlich
seit 1836 wissenschaftliche Publikationen herausgeben, die satzungsgemäß
den Vereinszweck erfüllen und dass es keinen Wirtschaftsbetrieb gibt. Das
wurde dann schließlich anerkannt.

Dann gab es im selben Jahr die unselige Idee, das Danneil-Museum zu schlie-
ßen und anderem Ort fortzuführen. Mit einem Offenen Brief an Bürger-
meister und Landrat habe ich das Gewicht des Vereins in die Waagschale
geworfen, dass es für die Probstei keine geeignetere Nutzung als das Museum
gäbe und dass ebenso für die Sammlungen die Probstei der beste Standort
wäre. Auch mit Hinweis auf den aufkeimenden Tourismus kam diese Idee
vom Tisch.

Unser Flyer wurde gestaltet, ich saß mit dem Mitarbeiter der Druckerei Koch
in Pritzwalk am Computer und wir haben die Bilder zusammengeschoben und
teils verschönt.
Jahrelang machten uns die Vereinsberichte Sorgen, erschienen zu spät, waren
im Druck teuer usw. Da haben wir riesige Fortschritte gemacht. Zuletzt
dadurch, dass Herr Fettback günstigere Druckmöglichkeiten fand und das
Layout selbst gestaltete, so dass die Berichte auch kein finanzielles Problem
mehr darstellten. Sehen Sie nur, wie prächtig die nun daherkommen, sogar
mit Farbdruck.
Auf den Exkursionen haben wir viel gesehen und viel gelernt. Immer unter-
stützt durch Menschen vor Ort. Ich denke besonders an die gemeinsam mit
dem Verein für Geschichte der Prignitz durchgeführte Tagung in Havelberg
zurück. Dieser Prignitz-Geschichtsverein wurde wesentlich durch meine
Anregung nach dem Muster des Altmärkischen Geschichtsvereins gegründet,
hat nun ebenfalls eine Reihe renommierter Jahresberichte herausgegeben und
die gemeinsame Tagung in Havelberg über Elbe-Themen war hervorragend
besucht. Eine ähnliche Tagung planen wir für den 5. Mai 2018 in Wittenberge,
auch einer Nahtstelle zwischen Altmark und Prignitz, den Keimzellen der
Mark Brandenburg.

Mit Dank denke ich an die tatkräftige Arbeit des Vorstands und die Treue der
Mitglieder zurück und kann nur schließen mit dem Ausruf: „Weiter so!“ Zum
mindesten für die nächsten 180 Jahre.
189

Abb. 1 Hans Balthasar v. Barsewisch, Cornet, * Scharpenlohe 1706, † Vielbaum


1755, auf Vielbaum, gemalt um 1740

Abb. 2 Die Barsewisch-Grabsteine von 1580 in Vielbaum, Zustand 1955


190

Abb. 3 Günther Stappenbeck Abb. 4 Dr. Io v. Kalben

Abb. 5 Exkursion nach Kalbe an der Milde, 2005


191

Vereinsbericht für das Jahr 2016

von Ulrich Kalmbach

Der Verein konnte im Jahre 2016 seine satzungsgemäßen Aufgaben erfüllen.


Wir führten die regulären zwei Haupttagungen durch. Die Frühjahrstagung
fand im April in Beetzendorf, die Herbsttagung im Oktober üblicherweise in
Salzwedel statt. Der Vorstand traf sich zu drei regulären Sitzungen. Die
Ummeldung der Vereinsadresse beim Vereinsgericht Stendal ist erfolgt.
Die Finanzausstattung des Vereins ist für die satzungsgemäßen Aufgaben gut
abgesichert. Mit Stand 31. Dezember 2016 waren insgesamt auf beiden
Vereinskonten 4497,21 € zu verzeichnen. Die Kassenprüfung für das laufende
Jahr erfolgte durch Ullrich Lemme (Berlin/ Tylsen) am 5. Januar 2017 und
ergab keine Beanstandungen. Zum Jahresende 2016 betrug die Mitgliederzahl
123.

Die Frühjahrstagung des Jahres 2016 fand am Sonnabend, d. 9. April 2016 in


Beetzendorf statt. Tagungslokal war das dortige Beverhotel. Das Hotel mit
Restaurant und großem Saal befindet sich in den mehrfach bis in die jüngste
Vergangenheit hinein überformten Gebäuden eines ehemaligen Gutssitzes der
Familie von der Schulenburg. Beeindruckend waren die Scharen von laut
vernehmlichen Krähen, die in den direkt am ehemaligen Gutshausareal
stehenden Bäumen ihre Nester unterhalten. Davon unbeirrt nahm die Tagung
einen interessanten Verlauf. Das in der Einladung formulierte Programm war
in enger Korrespondenz zum Tagungsort angelegt. Zur Tagung wurde gemäß
der Satzung rechtzeitig eingeladen. Das in der Einladung formulierte Pro-
gramm wurde ohne Änderungen absolviert. An der Tagung nahmen über 50
Personen, darunter 39 Vereinsmitglieder teil. Eingangs begrüßte der Schrift-
führer Ulrich Kalmbach die Anwesenden nachdem die organisatorischen
Belange für das Mittagessen abgeklärt worden waren. Der Vorsitzende
Bernhard von Barsewisch konnte erst später der Tagung beiwohnen und
übernahm dann die Versammlungsleitung.

Mehrere Vorträge widmeten sich der Geschichte der Familie von der
Schulenburg bzw. ihrer Besitzungen.
Einführend sprach Paul-Werner von der Schulenburg aus Apenburg über ein
ganz persönliches Thema. Unter dem Titel „Was treibt einen Schulenburg zur
Rückkehr in die Altmark?“ ging er auf seine Neuansiedlung nach den
politischen Veränderungen von 1989/ 1990 in der Altmark ein. Dabei führte
er vorab einen Exkurs in die frühe Entstehungsgeschichte der Familie von der
192

Schulenburg, um dann auch über eigenes Erleben als Kind und dem Weggang
aus seiner Heimat zu berichten. Er bezeichnete sich dabei als Migrant im
eigenen Land. Im Rahmen seines Vortrages ging er auch auf das Bemühen des
Familienverbandes ein, die Quellen der eigenen Geschichte zu erforschen bzw.
die Ergebnisse zu publizieren. Paul-Werner von der Schulenburg berichtete
über wirtschaftliche Initiativen von Familienmitgliedern nach der Wiederver-
einigung. So gibt es 13 sogenannte Rückkehrer, die im Osten Deutschlands
wieder eigene Betriebe etabliert und dazu 32% der in der Bodenreform
enteigneten Flächen erworben haben. Zu diesen Betrieben gehört auch das
Gut Apenburg, das vom Referenten seit 1993 wieder eingerichtet wurde und
heute aus ca. 480 ha landwirtschaftlicher Nutzfläche und 100 ha Wald besteht,
einer Flächengröße, die ungefähr dem Landbesitz seines Großvaters ent-
spricht.

Dr. Bernd-Wilhelm Linnemeier aus Münster, seit 2013 Mitglied im


Geschichtsverein, widmete sich dann grundlegend der Frühgeschichte der
Familie von der Schulenburg. Sein Thema lautete: „Burgbesitz und adelige
Herrschaft 'zu gesamter Hand'. Das Geschlecht von der Schulenburg auf
Beetzendorf.“ Hierzu hatte er eine Reihe von Quellen gesichtet bzw. neu
bewertet und konnte so auch bislang immer wieder kolportierte Irrtümer bzw.
Fehldeutungen älterer Forscher korrigieren. Hierzu gehört auch die von
Danneil offensichtlich verwechselte bzw. missverstandene Bezeichnung eines
der Vorburgtore von Beetzendorf als Beverhol mit dem inneren Torhaus. In
seinem Vortrag ging Bernd-Wilhelm Linnemeier auf den Erwerb von Beetzen-
dorf durch die Familie von der Schulenburg und die frühen Ansätze der
Herrschaftsverdichtung ein. Er widmete sich dann den Lehnrechts- und
Erbschaftsfragen bzw. Besitzteilungen. Der Referent verdeutlichte dann die
verschiedenen Aspekte der inneren Ordnung und wertete Burgfriedenverträge
und Familienbeschlüsse für die Zeit bis zum 16. Jahrhundert aus. Ebenso
beschäftigte er sich mit der Beetzendorfer Kirchenordnung von 1572 und
untersuchte diese auf Aussagefähigkeit hinsichtlich des zeitgebundenen
Herrschaftsprinzips.

Bernd-Wilhelm Linnemeier hatte aus aktuellen Gründen auch noch einen


zweiten Vortrag vorbereitet, der inhaltlich ebenfalls im Umfeld der von
Schulenburgschen Familiengeschichte angesiedelt ist, aber primär ein kunst-
geschichtliches Thema bezeichnet: „Zwei vergessene Epitaphe aus Dambeck.
Braunschweiger Kunsthandwerk der Renaissance in der nordwestlichen
Altmark.“ Hier stellte der Referent die Ergebnisse seines langjährigen Interes-
ses und Bemühens um zwei durch eine jahrzehntelange Odyssee fast in
Vergessenheit geratene Kunstwerke vor. Hierbei handelt es sich um die
193

Epitaphien für Werner XVII. von der Schulenburg und Albrecht IV. von der
Schulenburg. Er konnte mit einer Reihe von Vergleichswerken die kunsthisto-
rischen Querverbindungen für die Gestaltung der Epitaphien freilegen und
auch besonders die künstlerischen Handschriften und Gestaltungsvorlagen
herausarbeiten. Bernd-Wilhelm Linnemeier informierte auch über jüngste
Bestrebungen, die bis dahin in der Kricheldorfer Kirche in Einzelteilen einge-
lagerten und stark in Mitleidenschaft gezogenen Grabdenkmäler zu restau-
rieren und einen neuen Standort zu finden.
Hierzu konnte Herr Dr. Gerhard Ruff aus Salzwedel ergänzend den aktuellen
Stand des Projektes schildern. Es ist daran gedacht, einen Förderkreis zu
gründen, der die Finanzierung der Restaurierungsmaßnahmen, wie auch die
Wiederaufstellung der beiden Epitaphien, möglicherweise in der Mönchs-
kirche Salzwedel, begleiten soll.

Jens Winter unternahm mit seinem Vortrag einen Blick über die heutige
Landesgrenze und sprach über: „Fritz VII. von der Schulenburg und der
Niedergang des mittleren Hauptzweigs der weißen Linie derer von der
Schulenburg. Besitzverhältnisse in Brome am Ende des 15. Jahrhunderts.“
Dabei ging er auch auf Grabplatten in der Kirche Altendorf ein, die zu diesem
Zweig der Schulenburgschen Familie gehören.

Anschließend stellte Doris Tepelmann den Verein der Heimatfreunde


Beetzendorf e.V. vor, dessen Vorsitzende sie ist. Frau Tepelmann schilderte die
Aktivitäten des Vereins von der Gründung im Jahre 2001 bis in die Gegenwart.
Hierzu zählen die Herausgabe einer Reihe von lokalgeschichtlichen Publika-
tionen und auch eine Vereinszeitschrift „Der Heimatfreund“. Ebenso unter-
hält der Verein seit 2006 eine Heimatstube. Die Heimatstube war dann nach
der Mittagspause und dem anschließenden Rundgang durch Park und
Ortschaft das abschließende Ziel der Tagungsteilnehmer bei ausnehmend
schönem Frühlingswetter. Der Tag klang dann bei einem Kaffeetrinken im
Tagungslokal aus.

Die Herbsttagung des Vereins fand traditionell und satzungsgemäß in Salz-


wedel statt. Am 22. Oktober trafen sich 26 Vereinsmitglieder und zwei Gäste
in der Gaststätte Eisen-Carl.
Nach der Begrüßung gingen der Vorsitzende und der Schriftführer auf die
Vereins- und Vorstandsaktivitäten der letzten Monate ein und hoben beson-
ders das Erscheinen des letzten Jahresberichtes hervor, der den Vereins-
mitgliedern bereits zugegangen war. Die Themen der beiden ersten Vorträge
widmeten sich der Vereinsgeschichte. Anlass dafür war die Gründung des
Geschichtsvereins im Jahre 1836, vor 180 Jahren.
194

Bernhard von Barsewisch reflektierte die letzten Jahrzehnte eigenen Erlebens


als „Persönliche Erinnerungen an die jüngste Vereinsgeschichte“. Zur frühen
Vereinsgeschichte sprach Ulrich Kalmbach. Mit dem Vortrag „Vom Verein ins
Museum. Entstehung und Entwicklung der Sammlungen des Altmärkischen
Geschichtsvereins“ widmete er sich der bereits mit der Vereinsgründung
begonnenen Sammeltätigkeit und stellte die Kontinuität dieser Sammlungen
bis in die Gegenwart hinein heraus.

Zu einem interessanten volkskundlichen Themenkreis referierte Friedrich


Wilhelm Gille aus Wiepke. Er stellte mit dem Titel „Brautkränze - ein verges-
sener Brauch in der Altmark“ seine Sammlung an derartigen Brautkronen vor
und schilderte die historischen Hintergründe und auch die Erwerbungs-
geschichten. Ebenso gab er interessante Einblicke in die Geschichte und
Sanierung der Reichwaldschen Wassermühle in Wiepke.

Anschließend berichtete Thorsten Morgendahl aus Hamburg über „Die 1. Elb-


Landwehr 1814-1815. Von der Altmark nach Ligny und Waterloo.“ Der Refe-
rent begann seinen Vortrag in einer selbst nachgeschneiderten Uniform eines
einfachen Landwehrmannes des Jahres 1814. Er berichtete über die histo-
rischen Ereignisse der Zeit und sehr plastisch über die heutigen Formen des
Reenactments, der Nachstellung historischer Ereignisse.

Nach dem Mittagessen besichtigten die Tagungsteilnehmer die Sonderaus-


stellung „Narrenkopf und thronende Madonna - Kostbarkeiten des Mittelal-
ters“ im Danneil-Museum. Zuvor gab Ulrich Kalmbach eine Einführung in die
Vorgeschichte des Projektes und zu den Themen und Inhalten der Ausstellung.
Der Nachmittag klang dann im Café Kruse aus.

Im Laufe des Jahres wurde der 86. Jahresbericht des Vereins für das Berichts-
jahr 2015 herausgegeben und den Mitgliedern zugesandt. Für die laufende
Publikationstätigkeit wurde noch einmal darauf verwiesen, dass in der Regel
nur unpublizierte Beiträge angenommen und herausgegeben werden. Die seit
mehreren Ausgaben im Digitaldruck erscheinenden Jahresberichte sollen in
Zukunft grundsätzlich farbig hergestellt werden. Die Anzahl der hergestellten
Exemplare wird dabei dem Bedarf gemäß auf 200 Exemplare beschränkt.

Im Zusammenhang mit einem Dokumentationsprojekt von historischen Grab-


denkmälern wurde eine Datenbank durch Henning Krüger (Kalbe) erstellt
und zum Probelauf vorerst nur mit besonderer Zugangsberechtigung auf der
Internetseite des Vereins eingebunden. Gleichfalls wurde eine historische
Publikation zu diesem Thema digitalisiert und auf der Internetseite des
195

Vereins öffentlich zur Ansicht und zum Download bereitgestellt. Dazu wurde
das komplette Inhaltsverzeichnis erschlossen (Hildebrandt, Adolf Matthias:
Die Grabsteine und Epitaphien adeliger Personen in und bei den Kirchen der
Altmark. Wortgetreue Copien der an denselben befindlichen Inschriften, und
genaue Beschreibung der daran angebrachten Wappen. Gardelegen 1868.).
Hierzu soll es auf der Frühjahrstagung 2017 in Salzwedel einen Informations-
und Einführungsvortrag geben.
Das seit dem Jahre 2013 verfolgte Projekt, gemeinsam mit dem Berliner
Ägyptologen und Historiker Karl-Heinz Priese (1935-2017) dessen Material-
sammlung zu mittelalterlichen Grabsteinen der Altmark zu aktualisieren und
im Druck zu publizieren, konnte nicht vollendet werden. Herr Priese verstarb
am 27. Januar 2017. Der Vorstand ist mit den Nachlassverwaltern wegen einer
posthumen Veröffentlichung in Kontakt.
196

Mitglieder/ Vorstand

Im laufenden Jahr erfolgten drei Neuaufnahmen, ein Mitglied verstarb, ein


Austritt war zu verzeichnen.
Zum Jahresende 2016 blieb die Mitgliederzahl somit bei 123.

Im Jahre 2016 erfuhren wir vom Tod von:


Fritz Lange (Buchwitz), † 5. Januar 2016 im Alter von 89 Jahren
Wir werden ein ehrendes Gedenken bewahren.

Ein Mitglied kündigte ordentlich.

Drei neue Mitglieder konnten gewonnen werden, die an dieser Stelle nochmals
herzlich begrüßt seien:

Jerome Frederic Raub, Kalbe (Milde)


Krafft Freiherr v. d. Knesebeck-Milendonck, Karwe
Dr. Gottfried Schneider, Siegen

Die derzeitigen Vorstandsmitglieder sind:

Prof. Dr. Bernhard von Barsewisch, Vorsitzender,


16928 Groß Pankow, Pankeweg 15
Sigrid Brückner, Stellvertretende Vorsitzende,
39590 Tangermünde, Neue Straße 44
Ulrich Kalmbach, Schriftführer,
29410 Salzwedel, Neutorstraße 39
Henning Krüger, Kassenwart,
39624 Kalbe (Milde), Alte Bahnhofstraße 6
Dieter Fettback, Beisitzer,
39606 Osterburg, Kalandshofen 1
Steffen Langusch, Beisitzer,
29410 Salzwedel, Lohteich 16
Jens Winter, Beisitzer,
38465 Brome, Heideweg 1
197

Abb. 1 Am Gutspark in Beetzendorf, Frühjahrstagung, 9. April 2016

Abb. 2 Tagungslokal im Saal des Beverhotel mit Ansage zum Mittagessen, Frühjahrs-
tagung, 9. April 2016
198

Abb. 3 Dr. Bernd-Wilhelm Linnemeier bei seinem Vortrag, Frühjahrstagung, 9. April


2016

Abb. 4 Gruppenbild beim Rundgang vor der Ruinenkulisse der ehemaligen Burg
Beetzendorf, Frühjahrstagung, 9. April 2016
199

Abb. 5 Halt hinter der Beetzendorfer Marienkirche, Frühjahrstagung, 9. April 2016

Abb. 6 Paul-Werner v. d. Schulenburg vor der Toranlage zum Apenburger Hof,


Frühjahrstagung, 9. April 2016
200

Abb. 7 Am Einheitsdenkmal, Frühjahrstagung, 9. April 2016

Abb. 8 Doris Tepelmann, Vorsitzende des Vereins der Heimatfreunde Beetzendorf an


der Heimatstube, Frühjahrstagung, 9. April 2016
201

Abb. 9 Blick in die Heimatstube, Frühjahrstagung, 9. April 2016

Abb. 10 Friedrich-Wilhelm Gille stellte seine Sammlung von Brautkränzen vor,


Herbsttagung, 22. Oktober 2016
202

Abb. 11 Ulrich Kalmbach bei der Einführung zum Ausstellungsbesuch im Danneil-


Museum, Herbsttagung, 22. Oktober 2016

Abb. 12 Der Vereinsvorsitzende Bernhard von Barsewisch in der Museumsaus-


stellung, Herbsttagung, 22. Oktober 2016
203

Kassenbericht
des Altmärkischen Vereins
für vaterländische Geschichte zu Salzwedel e.V.

Rechnungslegung für das Kalenderjahr 2016

von Henning Krüger

Sparkasse Altmark West


Bestand am 30.12.2015 3.189,05 €

Einnahmen 2016
Mitgliedsbeiträge 2.250,00 €
Spenden 508,00 €
Verkauf von Jahresberichten 82,00 €
Umbuchungen 1.000,00 €
Sonstige Einnahmen 0,00 €
7.029,00 €
Ausgaben 2016
Büromaterial, Porto, Druckkosten, Sonstiges -4.372,17 €
Bestand am 31. Dezember 2016 2.656,88 €

Volksbank Salzwedel
Bestand am 30.12.2015 2.643,88 €

Einnahmen 2016
Mitgliedsbeiträge 120,00 €
Spenden 20,45 €
Verkauf von Jahresberichten 56,00 €
Sonstige Einnahmen 0,00 €
2.840,33 €
Ausgaben 2016
Büromaterial, Porto, Druckkosten, Sonstiges 0,00 €
Umbuchungen -1.000,00 €
Bestand am 31. Dezember 2016 1.840,33 €

Gesamtbestand Sparkasse Altmark West und Volksbank


am 31. Dezember 2016 4.497,21 €

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