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PÄDAGOGIK ABITUR 2020

Themen
1 Entwicklung, Sozialisation & Erziehung ........................................................................................................................... 2
1.1 Interdependenz von Entwicklung, Sozialisation & Erziehung ......................................................................................... 2
1.2 Lawrence Kohlberg: Moralische Entwicklung ................................................................................................................. 2
1.3 George Herbert Mead: Sozialisation als Rollenlernen im Modell des symbolischen Interaktionismus.......................... 6
1.4 Lothar Krappmann: Soziologischer Interaktionismus ..................................................................................................... 7
1.5 Erziehung in der Familie .................................................................................................................................................. 9
1.6 Sigmund Freud: Psychosexuelle Entwicklung................................................................................................................ 10
1.7 Erik Homburger Erikson: Psychosoziale Entwicklung .................................................................................................... 14
1.8 Jean Piaget: Kognitive Entwicklung ............................................................................................................................... 17
1.9 Entwicklungspädagogik ................................................................................................................................................. 19
1.10 Gerd E. Schäfer: Frühkindliche Bildung & die Bedeutung des Spiels .......................................................................... 20
1.11 Sprachentwicklung ...................................................................................................................................................... 22
2 Identität .......................................................................................................................................................... 23
2.1 Klaus Hurrelmann: Modell der produktiven Realitätsverarbeitung .............................................................................. 23
2.2 Deviantes Verhalten & Gewalt ...................................................................................................................................... 25
2.2.1 Udo Rauchfleisch: Psychoanalytischer Erklärungsansatz von Gewalt ................................................................... 27
2.2.2 Wilhelm Heitmeyer: Unzureichende Identitätsentwicklung am Beispiel von aggressivem Verhalten .................. 28
2.3 Chancen& Risiken der Nutzung sozialer Netzwerke für die Identitätsentwicklung Jugendlicher................................. 30
2.5 Wolfgang Klafki: Bildung als kategoriale Bildung & Ausbildung von Selbstbestimmungs-, Mitbestimmungs-&
Solidaritätsfähigkeit............................................................................................................................................................. 31
3 Werte, Normen & Ziele in Erziehung & Bildung............................................................................................................. 36
3.1 Erziehung in verschiedenen historischen Kontexten .................................................................................................... 36
3.1.1 Erziehung im Nationalsozialismus .......................................................................................................................... 36
3.1.2 Erziehung in der BRD 1949-1989............................................................................................................................ 40
3.1.3 Erziehung in der DDR 1949-1989.................................................................................................................... 41
3.2 Reformpädagogik .......................................................................................................................................................... 42
3.2.1 Maria Montessori: Montessoripädagogik .............................................................................................................. 42
3.2.2 Rudolf Steiner: Waldorf-Pädagogik ........................................................................................................................ 45
3.2.3 Reggio-Pädagogik ................................................................................................................................................... 47
3.2.4 Erlebnispädagogik .................................................................................................................................................. 49
3.3 Interkulturelle Bildung................................................................................................................................................... 49
3.3.1 Wolfgang Nieke: Interkulturelle Erziehung & Bildung ........................................................................................... 51
4 Pädagogische Professionalisierung in verschiedenen Institutionen .............................................................................. 54
4.1 Institutionalisierung von Erziehung ............................................................................................................................... 54
4.2 PISA-Studie .................................................................................................................................................................... 54
4.3 Helmut Fend: Funktionen von Schule ........................................................................................................................... 56
4.4 Vorschuleinrichtungen: Chancen & Grenzen pädagogischer Einwirkungen ................................................................. 59
4.5 Schulen als Orte des Demokratielernens ...................................................................................................................... 61
4.6 Professionalisierung pädagogischer Berufe .................................................................................................................. 62
4.7 Vielfalt & Wandelbarkeit pädagogischer Berufsfelder .................................................................................................. 62
5 Methoden & Kompetenzen ........................................................................................................................................... 66

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1 Entwicklung, Sozialisation & Erziehung
1.1 Interdependenz von Entwicklung, Sozialisation & Erziehung
Entwicklung:
• dynamischer Prozess der Entstehung, der Veränderung bzw. des Vergehens, wobei drei Prinzipien zu Grunde liegen:
1. Wachstum & Veränderung: bezieht sich vor allem auf die Körperstruktur
2. Reifung: bezeichnet die Entwicklung von Reflexen, Instinkten oder anderen unerlernten Verhaltensweisen
3. Lernen: bezieht sich außer auf den Bereich des Konditionierens & der Extinktion auch auf den Bereich des
schulischen Lernens & anderer Umwelteinflüsse
 Wechselwirkung zwischen dem sich entwickelnden Kind, seinen Bezugspersonen & deren Lebenszusammenhang
Sozialisation:
• komplexer Prozess, in dem sich das Kleinkind als noch asoziales, unangepasstes, egozentrisches Wesen zum reifen
Erwachsenen entwickelt, der
 einen angepassten gesellschaftlichen Umgang hat
 die Normen & Regeln der Gesellschaft vertritt & Verantwortung & Gestaltungsbereitschaft für diese Gesellschaft
zeigt
• Ausformung kulturabhängig
Erziehung:
• jemandes Geist & Charakter zu bilden & seine Entwicklung zu fördern
• soziales Handeln, welches bestimmte Lernprozesse bewusst & absichtlich herbeiführen & unterstützen will
• zielt auf relativ dauerhafte Veränderungen des Verhaltens, die bestimmten Erziehungszielen, erwünschten
Kompetenzen, Verhaltensweisen & Wertorientierungen entsprechen, ab
• erweiterbar um die selbstorganisierten Lernprozesse  spezifische Lernprozesse
• Sozialisationshilfe, Enkulturationshilfe & dient dem Aufbau der Persönlichkeit & der Ausbildung eines Individuums
• asymmetrisches Verhältnis zwischen Erzieher & Edukanten durch unterschiedlichen Reifegrad
Bildung:
• Prozess, bei dem der Mensch seine Potenziale entwickelt
• ganzheitlicher Prozess mit allseitiger Entwicklung
• geschieht aktiv, durch die Interaktion mit seiner sozialen und dinglichen Umwelt → Bildung ist Selbstbildung
• Mensch bedarf anderer Menschen & einer Umgebung, die reichhaltige Bildungsimpulse bietet
→ Interdependenz:
• komplexe Dynamik zwischen den Prozessen: jeweils nicht isolierbar voneinander
• immer abhängig von Erziehungspersonen, Umwelteinflüssen, inneren Bedürfnissen
1.2 Lawrence Kohlberg: Moralische Entwicklung
Zur Person:
• 1927-1987
• Psychologe, Professor für Erziehungswissenschaft & Sozialpsychologie
Typen von Theorien des Moralerwerbs:
Kognitiv-entwicklungsorientierter Ansatz der Moralentwicklung: Sozialisationsorientierter Ansatz:
• Grundlegende kognitivstrukturelle oder moralische • Urteilsfähigkeit erst durch Sozialisation
Urteilskomponente (jeder Mensch) • Motive: biologische Bedürfnisse, Streben
• Motive: Anerkennung, Kompetenz, Selbstwertgefühl, nach sozialen Belohnungen
Selbstverwirklichung • kulturabhängig
• kulturübergreifend • fundamentale moralische Normen werden
• fundamentale moralische Normen sind Strukturen, die aus durch Internalisierung von äußerlich
Erfahrungen in sozialer Interaktion aufgebaut werden vorgegebenen, kulturellen Regeln erworben
• es gibt verschiedene Ansätze → Ausgangspunkt für Kritik an Kohlberg (z.B. warum gab es NS-Ideologie / warum ist es in
anderen Ländern erlaubt jemanden wegen seiner Religion u.Ä. zu steinigen?)

2
Anthropologische Implikationen Kohlbergs:
• kognitive Strukturen (Lernfähigkeit), Entwicklung (nicht nur Anpassung)
• kognitive Entwicklung an moralische Entwicklung geknüpft
• kognitive Entwicklung mit sozialen Kontakten verknüpft (Interaktion), bezogen auf Kompetenz, Selbstwertgefühl,
Selbstverwirklichung;
 zugrunde liegendes positives Menschenbild (lern- & reflexionsfähig)
Moralverständnis - Grundlagen:
o Moral: Wertesystem für Handlungen nach gut & schlecht/ Handeln, das sowohl das eigene als auch Bedürfnisse
anderer abwägend berücksichtigt
o ohne Konsequenzen = kein Moralbewusstsein → Moralerziehung muss hohen Stellenwert im Elternhaus haben →
ermöglicht Zusammenleben in Gesellschaft
o Kohlbergs Moralverständnis:
• allgemeine Prinzipien, die Moral ausmachen (weder relativ noch individuell noch kulturelle Konventionen)
• beruft sich auf Kants liberale & rationale Moralphilosophie
• Moralverständnis appelliert an Einsicht
• Urteil (die kognitive Begründung) macht Gedanken / Gefühl moralisch
• Mittelpunkt: Prinzip der Gerechtigkeit (Balance zwischen Ansprüchen & Bedürfnissen)
• ideale Rollenübernahme (in höchster Stufe): Person kann in höchstem Maße alle Perspektiven die vom
Konflikt betroffen sind einnehmen & auf Grundlage einer Abwägung von Interessen, Pflichten & Rechten zu
einer Lösung kommen
• Erweiterung der Gerechtigkeitsorientierung durch Prinzip der Fürsorge/ Solidarität
Kritische Würdigung:
PRO CON
☺ bedeutsames Theoriekonzept, das viele wichtige  kognitive Entwicklungstheorie: Vorwurf, er blende Gefühle
pädagogische Impulse liefert aus
 moralisches Urteilsvermögen heißt nicht immer
Bereitschaft moralisch zu handeln
 Schüler nehmen häufig bestimmte Fragestellungen nicht als
moralischen Konflikt wahr → entscheiden nicht aus einer
moralischen Perspektive heraus, sondern lassen sich von
Peergroups überzeugen
 Rainer Döbert: Kohlberg habe moralische Kompetenzen
massiv unterschätzt → man dürfe sechsjährige Kinder nicht
als vor-moralisch betrachten, Kinder handeln nicht immer
aus Angst vor Strafe oder Streben nach Anerkennung,
sondern auch aus Vertrauen, dass Bezugspersonen das
Richtige tun würden
 Menschen, die in hohem Maße zu moralischen Einsichten
fähig sind, handeln nicht unbedingt so: moralische
Segmentierung/ kontext-spezifische Moral
 Carol Gilligan: Kohlbergs Modell sei von männlicher Moral
geprägt (Männer handeln eher aus Vernunft, Frauen öfter
aus Sorge): Müssen männliche & weibliche Moral
unterschieden werden?
 Einflüsse auf & Komplexität der Moralentwicklung, weisen
darauf hin, dass es keine „konsistente Entwicklungstheorie
moralischen Urteilens & Handelns“ geben kann

3
Stufenmodell nach Kohlberg:
Stufe 1 Stufe 2 Stufe 3 Stufe 4 Stufe 5 Stufe 6
Ebene: Prä-konventionelle Ebene (prä-moralisch) Konventionelle Ebene Post-konventionelle Ebene
Soziale Konkret-individuelle Perspektive Perspektive eines Mitglieds der Gesellschaft Der Gesellschaft vorgeordnete Perspektive
Perspektive: (Nachdenken über eigene Interessen & anderer, (gemeinsame Sichtweisen der Partner einer Beziehung/ (Nachdenken über sozialverträgliche Ordnung & universell-ethische
(wird wenn deren Wohl persönlich relevant scheint) Mitglieder einer Gruppe... →Unterordnung der Interessen des Prinzipien
fortlaufend Einzelnen unter die der Gruppe → Allgemeinwohl (z.B. Besorgt-
erweitert) Sein, Loyalität, Wohlergehen der Gesellschaft)
Ich Ich & der Andere Ich, Du, unsere Gruppe Ich, Du, unsere Gruppe im Wir alle, auch ich Wir alle bedeutender als ich & wir
sozialen Verband
Alter: Ab 2 Ab 6 Ab 10 Ab 12 Ab 21 Ab 35
(Richtwerte
nach Fowler)
Orientierung: Strafe & Gehorsam Naiv-instrumentell- Personengebundene Gesetz/ Recht & Ordnung Legalistische oder Orientierung an allgemein gültigen
egoistisch/ instrumentell- Zustimmung/ „guter Junge/ sozialverträgliche Ordnung ethischen Prinzipien
relativistisch liebes Mädchen
Art der Moral Autoritätsmoral (von außen bestimmt) Gruppenmoral (z.B. Staat) Grundsatzmoral (innere Haltung)
Was gilt als Eigene Interessen Eigene & auch andere Eine gültige Konvention mit ihren Das soziale System & das Ein begründeter moralischer Selbstgewählte ethische Prinzipien,
richtig? vs. gesetzte Interessen im Ausgleich Regeln im Blick auf Beziehungen Wohl aller in diesem System Standpunkt die möglichst universal für
Ordnung (Angst vor Gerechtigkeit gelten sollen
Sanktionen)
Begründung/ Ableitung aus Versteht Regeln eigentlich Weil sie gesellschaftlich verankert Billigt Regeln Als Konventionen, bezieht sich in Versteht & akzeptiert Regeln
moralisches unmittelbaren noch nicht oder von Autorität geboten sind den Konflikten aber auf selbst
Niveau subjektiven gewählte & vernünftig begründete
Interessen Prinzipien
Merkmale Intuitives Denken Personen als Instrument Helfen, um Bestätigung zu Grundsatz nicht änderbar, Individuelle Rechte, sozialer Alles was du tust, ist dann gut,
Heterogene Richtige Handlung: erfahren, gegenseitige soziales System +Gewissen Vertrag als Bezugspunkt (darf aber wenn es ein allgemeingültiges
Moralität Bedürfnisbefriedigung zwischenmenschl. Beziehungen Recht als Basis geändert werden) Gesetz werden könnte, Kant
Schwarz-Weiß- (meiner/ anderer) Hohe Anpassung an allgemeine Orientierungs-annahmen: Bewusstsein für die Relativität Recht = Übereinstimmung mit
Denken Zwischenmenschliche Vorstellungen: richtig ist, was die Autorität, Regeln, der eigenen Meinung/ den eigenen ethischen Prinzipien
Handlungen gut/ Beziehung: Markt-Beziehung Mehrheit richtig findet Aufrechterhaltung der Werthaltung: Recht = Frage von →abstrakter & ethischer Natur
böse Grundzüge von Fairness/ Beurteilung von Verhalten nach sozialen Ordnung persönlicher Wertsetzung → →universelles Prinzip der
 abhängig von Gegenseitigkeit da, aber: Absicht Richtiges Verhalten: Betonung des legalistischen Gerechtigkeit, Gegenseitigkeit,
physischen Folgen Gegenseitigkeit Richtiges Verhalten: Gefallen oder Zustimmung Standpunkts Gleichheit der
Vermeidung von Gefallen/Zustimmung der der Anderen macht sich von Regeln & Menschenrechte & des
strafe & Anderen Erwartungen anderer unabhängig Respekts vor der Würde des
Unterordnung unter Identifiziert sich mit Regeln & definiert seine Werte im Menschen
Macht anderer (bes. Autoritäten) Rahmen selbstgewählter
Prinzipien
Typische • Ich habe Lust, das zu • Jeder sollte sich um die eigenen • Was denken die anderen darüber? • Wenn, das alle täten, würde • Schützt diese Regelung auch die Rechte dieses einzelnen?
Argumentations- tun, also darf ich es Angelegenheiten kümmern. • Wenn ich das mache, dient es meiner unser Gemeinwesen nicht mehr • Dieses legale Verfahren missachtet in diesem Fall ein Menschenrecht; Rechtsbruch ist
muster: auch machen. • Wenn ich was davon habe, kann Clique. funktionieren. hier legitim & geboten.
• Wenn man nicht ich es auch tun. • Man muss auch sehen, aus welchen • Das ist illegal, dann darf man es • Was "normal" ist, ist damit noch lange nicht richtig.
erwischt wird, darf man • Würde sie das auch für mich tun? Motiven jemand gehandelt hat. Wenn er auch nicht machen. • Der Zweck heiligt nicht die Mittel; individuelle Ansprüche & Interessen müssen mit dem
es auch tun. • Lügen hat sich hier gelohnt, denn es gut gemeint hat, darf man ihn nicht • Man hat schließlich eine Interesse aller (dem größten Wohl aller) vereinbart werden & umgekehrt.
ich habe doch machen können, tadeln. Verantwortung gegenüber der • Könnte mein Handeln verallgemeinert werden? Wäre es vertretbar, wenn in diesem
wozu ich Lust hatte. • Man tut das nicht! Gesellschaft. Fall alle so handeln würden?

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Just Community Konzept:
• Schulen als gerechte & fürsorgliche Gemeinschaften
• Kernpunkt: soziomoralische & politische Bildung durch demokratische Mitgestaltung
• es wird vorausgesetzt,
o dass gerechte Regeln & Problemlösungen manchmal schwer zu finden sind
o dass junge Kinder noch nicht den sozialen Horizont & das kognitive Differenzierungsvermögen besitzen,
Gerechtigkeitsprinzipien umfassend zu verstehen & unparteiisch anzuwenden
 trotzdem sollen Kinder mit solchen Fragen konfrontiert werden („Übung macht den Meister“)
• Kinder sind aufgefordert, sich & andere zu fragen, ob Regeln gerecht & fair sind = eigene Urteilsfähigkeit schulen
• durch Pro-Kontra-Diskussionen entsteht eine Urteilsfähigkeit & so entwickelt sich das Individuum weiter
• wenn man merkt, dass man etwas nicht verstanden hat (öfter) bemüht man sich um ein besseres Verständnis
(Desäquilibrierung als wichtigster Motor der Entwicklung, nach Piaget)
• „Bücherwissen“ + individuelle Lernchancen, in denen das Gelernte als relevant erfahren wird/ in denen man
Erfahrungen (auch Fehler) macht (durch Interaktion)
• Soziales Verstehen: wie andere über etwas denken, wie eine Gruppe funktioniert
• Verantwortungsfähigkeit: durch Gelegenheiten, Verantwortung auch wirklich zu übernehmen, auch wenn man evtl.
den Erwartungen nicht gerecht wird
• Fürsorglichkeit & Hilfsbereitschaft: erleben, wie sich andere um einen kümmern/ helfen
• Mündigkeit: durch Mitgestaltung kleinerer sozialer Einheiten = demokratische Foren (müssen abwechslungsreich sein)
→ essenziell für Demokratiefähigkeit
• Demokratiefähigkeit: verlangt Kooperation (auch wenn man andere nicht mag), Auseinandersetzung mit Kritik/
Niederlagen, Fähigkeit Dissens zu ertragen/ akzeptieren, Kompromisse zu schließen
• Selbstorganisation: Rollenübernahme, Anliegen vorbereiten, Meinung vertreten
• Partizipationsangebote im realen Leben oft freiwillig vs. demokratische Mitgestaltung in Just-Community-Schulen
obligatorisch
• kollektives Vorbereiten & Organisieren von Projekten, Ausflügen, Festen etc. (Schulvollversammlungen, Klassenrat…)
• Klassenrat trainiert: Argumentieren/ Zuhören/ Organisieren/ Moderieren + Vor-& Nachbereitung der
Vollversammlungen
• Ziele von demokratischer Foren: Anregung nach fairen Wegen zu suchen, Gelegenheit das soziale Verstehen +
tatsächliches Handlungsrepertoire zu erweitern, Erfahrung des Wertes der Gemeinschaft/ gegenseitiger
Unterstützung/ Fürsorglichkeit/ Hilfsbereitschaft/ wechselseitiger Unterstützung, Rücksichtnahme, Verbindlichkeit
von getroffenen Absprachen, gemeinsame Reflexion, Ethnisierung
• Dilemma-Diskussionen (Bezug zur Lebenswelt): Sensibilisierung für Fairnessfragen, Schulung moralischer
Argumentationsfähigkeiten
Fachunterricht: muss Unterrichtsthematik mit moralischen Wertkonflikten verknüpfen
→ jedes Element auch einzeln wertvoll, doch je mehr desto besserer Transfer von Lernerfahrungen
Kritische Würdigung:
PRO CONTRA
☺ Existenz vieler solcher Schulen beweist wie dies  Modell stößt bei größeren Schulen an seine Grenzen
funktionieren kann (Vollversammlung)
☺ auch introvertierte Menschen partizipieren  Fachpersonal benötigt: diagnostische Fähigkeiten gefordert
(Obligatorik) & erfahren sich als Mitglied der  Zeit + Räume für Versammlung benötigt
Schulgemeinschaft → essenziell für  nur weil Teilnahme obligatorisch ist, garantiert das keine Ausbildung
Moralentwicklung eines Moralverständnisses
☺ Förderung von moralischem Denken bedeutet  Vorschläge müssen verantwortbar, tragbar sein
nicht gleich moralisches Handeln → wird  Minderheiten werden evtl. vernachlässigt & fühlen sich
intensiver an JC geübt missverstanden → erfahren keine Zustimmung, Fürsorge,
☺ Vorbereitung auf gesellschaftliches Leben: Gegenseitigkeit = behindert wichtige Komponente der
Dissens akzeptieren, Selbstorganisation, Moralausbildung
Demokratisierung, Ethnisierung, Kooperation,  jüngere Kinder nicht uneingeschränkt demokratiefähig (vgl. Stufe
Fürsorge, Hilfsbereitschaft, 1+2) = brauchen externe Steuerelemente
Argumentationsfähigkeit, Reflexionsfähigkeit,  andere Ziele evtl. vernachlässigt = weniger Zeit für Unterrichtsinhalt
Mündigkeit, Soziales Verstehen

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1.3 George Herbert Mead: Sozialisation als Rollenlernen im Modell des
symbolischen Interaktionismus
Zur Person:
• 1863-1931
• US- amerikanischer Philosoph, Soziologe & Psychologe
Zum Modell:
• interaktionistische Rollentheorie d.h. Ausbildung eines Verständnisses für Rollenerwartungen & -festlegungen &
welche Spiel- & Handlungsfreiräume dem Individuum & sozialen Gruppen in einer Rolle offenstehen
• erforscht Fundamente der menschlichen Kommunikation & Prozess der Identitätsbildung im Zusammenhang mit
Sozialisation
Fundamentale Annahmen zur Kommunikation:
• fragte nach den Fundamenten der menschlichen Kommunikation:
→ Menschen handeln bewusst/ reflektiert d.h. sie können daher Gesten als signifikante Symbole (= Gesten, die in
der menschlichen Interaktion bedeutend werden) auffassen & in diesem Sinne denken
• Denken als Resultat von Interaktion:
→ Gesten von Mitmenschen begreifen, deuten & sogar gedanklich vorwegnehmen
• Bedeutungsvielfalt von Gesten durch Sprache erhöht
• Leitgedanke: Mensch erschließt sich seine Einstellung zur Welt über Gesten, Symbole & v.a. über das Symbolsystem
der Sprache
• Mensch kann bereits vor Handeln, Erwartungen der Mitmenschen berücksichtigen (einfache Gesten → Denk- &
Verhaltensweisen)
• Persönlichkeit & soziales Handeln sind durch Symbole geprägt, die im Prozess der Sozialisation erworben werden &
im Prozess der Interaktion von Handelnden wechselseitig bestätigt oder verändert werden
Identität:
• Identität wird erst in Interaktion mit Mitmenschen ausgebildet
• durch die Übernahme diverser Rollen im Rollenspiel bildet sich schrittweise seine eigene Identität
• Bewusstsein von Identität setzt Berücksichtigung der Sichtweise Anderer auf das Individuum voraus
Rollen:
• nicht statisch und determinieren das Verhalten, sondern lassen Platz für Interpretation und ermöglichen verschiedene
Formen der Umsetzung
• role-taking: Rollenübernahme
• role-making: individuelle Gestaltung der Rolle
Stadien der kindlichen Identitätsentwicklung:

PLAY GAME
Kind lernt Rollen im freien Rollenspiel Spiele nach vorgegebenen Regeln
• Nachahmung wichtiger Personen im • Einnahme einer Rolle im geregelten Gruppenspiel
Phantasiespiel → Kind lernt organisierte Rollen & deren Bedeutung
→ Kind handelt von deren Standpunkt aus kennen
→ Dialoge, nachvollziehen der Rollen → muss sich mit Gruppenziel identifizieren
= Gefühl für Andere & sich selbst = Gründe & Konsequenzen des Handelns Anderer
• signifikante Andere: bieten Orientation (bspw. • generalisierte Andere: bieten Struktur, Rahmen, Prinzip
Mutter, Vater, Geschwister...)
• jederzeit abbrechbar • nicht jederzeit abbrechbar; organisierte Struktur,
Rücksicht auf Andere

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Prozess & Instanzen der Identitätsbildung:
impulsives Ich = I reflektiertes Ich = ME Geist des Menschen = eigene Identität = SELF
MIND
reagiert spontan auf eigene Überlegung, wie hilft dem Menschen durch kontinuierlichen
Zumutungen andere mich sehen oder was schrittweise zw. den Prozess aufgebaut (= durch
andere von mir erwarten Impulsen des I & des ME Differenzierungen,
zu vermitteln → Aufbau Erweiterungen, Korrekturen
des SELF der Identität)
• spontan, kreativ, • Fähigkeit, in seinem • durch Intelligenz • Identität bildet sich im
nicht normiert Denken & Verhalten, das • wenn Prozess der Ausbalancieren von ME &
• Anregeungen zum Denken, Fühlen oder Vermittlung bewusst I
Denken & Handeln handeln der Mitmenschen ist
→ nicht einfach zu berücksichtigen
Erwartungen • Basis für eine menschliche
angepasst Orientierung

personal identity: social identity:


unverwechselbares Ich „normal“ sein, nicht aufallen
→So sein wie keiner →So sein wie alle
Dilemma: Individuum muss auf Repräsentation der Erwartungen des Anderen in sich selbst (ME) eingehen & gleichzeitig
seine Besonderheiten, seine Persönlichkeit (I) darstellen
BALANCE= Bildung der ICH-IDENTITÄT

1.4 Lothar Krappmann: Soziologischer Interaktionismus


Zur Person:
• 1936-heute
• deutscher Soziologe
Zum Modell:
• erweitert Meads Rollentheorie des symbolischen Interaktionismus
Krappmann Mead
• sieht soziale Beziehungen auch als prekär an • verwendet den Begriff der Identität nicht
• soziales Handeln stets intentional • Entwicklungsprozess auf soziale Beziehungen angewiesen
• nicht nur stimulus – response Verhalten (ausschließlich positive Einwirkungen)
• „balancierte Identität“ → von Diskrepanzen in • Verhalten im Schema stimulus – response
Interaktionen lernen Menschen widersprechende • Bedeutung des I in der Beteiligung des Individuums am
Erfahrungen zu balancieren sozialen Prozess nicht eindeutig geklärt
Bildung der Identität:
• bildet sich im Rahmen von Interaktionsprozessen
• um erfolgreich mit anderen Menschen interagieren zu können, muss man: sich selbst darstellen, sein Gegenüber
interpretieren & mit ihm verhandeln können
• Individuum muss Balance halten zwischen Rollenerwartungen & seinen eigenen Wünschen/ Interessen
• Identität entwickelt sich in einem lebenslang dauernden Prozess
• Balance zwischen personaler Identität (phantom-uniqueness) & sozialer Identität (phantom-normalcy)
• Ziel der Sozialisation ist der autonome Mensch → Mündigkeit, Selbstbestimmtheit

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Identitätsfördernde Fähigkeiten:
Fähigkeit Merkmale Bedeutung für gelingende Identitätsentwicklung Möglichkeiten der pädagogischen
Unterstützung
Ambiguitäts- • Gegenseitigkeit, Andersheit aushalten • Rollendistanz & Empathie = Fähigkeiten, die dem Individuum • Wert darauflegen, dass Individuen
toleranz • ab Interaktion zw. 2 Partnern helfen, neue & zur aktuellen Situation in Widerspruch ihre Ich-Identität entfalten
• Interaktion entspricht unter ausgehandelten Bedingungen stehende Daten & Mitteilungen wahrzunehmen & selbst zum • wenn Probleme überfordern, damit
nicht mehr ganz den Bedürfnissen des Partners → Ausdruck zu bringen helfen
teilweise unbefriedigt → Belastung, da Individuum mit Erwartungen konfrontiert → aber nicht einfach alle Probleme
• Unbefriedigtheit muss ausgehalten werden wird, die den seinen widersprechen für das Individuum lösen
• Interaktionspartner müssen versuchen, in Situation • in Interaktionen versuchen Identität aufrecht zu erhalten/ zu • nicht immer alle Bedürfnisse erfüllen
Identität aufrecht zu erhalten/ zu präsentieren präsentieren
• ohne Interaktionen kann es keine Bedürfnisbefriedigung
geben
• mit Divergenzen & Inkompatibilitäten abfinden
Identitäts- • jedes Individuum in anderem Maße in der Lage, Ich- • „presentation of self“ ist Voraussetzung & Folge zugleich • mit Ich-Identität des Individuums
darstellung Identität darzustellen • das Selbst ist „kein Eigentum“ sondern Produkt gegenseitiger auseinandersetzen & spezielle
• endlose Möglichkeiten des Individuums sich selbst in Interaktionskontrollen & Anstrengungen, um Zerstörung Forderungen stellen in denen Talente
seiner Identität in Interaktionssituationen darzustellen durch Andere, institutionelle Zugriffe & Schicksalsschläge zu zum Vorschein kommen
• Fähigkeit, Identität in Interaktionen einzubringen verteidigen • über die eigene Identität sprechen &
entspricht jener Phase, der Identitätsbehauptung, in der • wichtig für Identitätsbehauptung gemeinsam Identität + Talente…
das Individuum auf der Basis von übernommenen • Selbst stimmt sein Handeln in jedem Augenblick auf bewusstmachen
Erwartungen versuchen muss, seine Ich-Identität verschiedene Gruppen von Mitspielern und Zuschauern ab • Freiräume (Moratorien) zum
vorzubringen → gut geplante Komposition Ausprobieren lassen
• Kontakt zu Gleichaltrigen
Empathie • Einfühlungsvermögen • Voraussetzung & Ergänzung von Ich-Identität → richtiger • Spiele mit nur einem möglichen
• Übernahme der Erwartungen von Interaktionspartnern Umgang mit Erwartungen anderer Gewinner
• hilft bei der Kontrolle von Interaktionen • Ich-Identität bestimmt Grenzen für role-taking • Diskussionen
• role-taking: Versetzung in die Rolle eines Anderen • Erwartungen anderer identifizieren & eigene Rolle finden/ • gesellschaftliche Werte &
→ eigene Rolle im Interaktionsprozess darauf anpassen Erwartungen aneignen
• Vertrauens- & Kommunikationsspiele
• emotionale Beziehung wichtig
Rollendistanz • Individuum ist in der Lage, sich Normen gegenüber • Identitätsbildung kann nicht gelingen, wenn man sich • aufzeigen, dass Normen hinterfragt
reflektierend & interpretierend zu verhalten ausschließlich der Rollenerwartungen anderer anpasst werden sollten
• soll sich über die Anforderungen von Rollen erheben, um → Rollendistanz als Voraussetzung für Identitätsgewinnung • über Kritik an bestimmten Rollen
auswählen, negieren, modifizieren & interpretieren zu • Rollendistanz als Vorrausetzung für das role-taking reden
können • zur ideologiekritischen Perspektive
• Rollendistanz tritt nur dann auf, wenn das Individuum erziehen
schon in einem gewissen Maße Ich-Identität erreicht hat

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Pädagogische Konsequenzen:

• Fähigkeiten bilden sich in langen Entwicklungsprozessen, nicht durch gezieltes Training


• Empathie: Liebe, Zuwendung, Hinweise Mitmenschen & deren Gefühle zu achten
• Rollendistanz & Ambiguitätstoleranz: erst in späteren Entwicklungsstufen erlernbar, da Fähigkeit, Erfahrungen
differenziert zu betrachten Vorrausetzung ist → wichtig, kognitive Entwicklung mit Betrachtung mehrerer
Perspektiven zu fördern & Frustrationen erfahren (Erwachsene sollen Beistand leisten, aber nicht verhindern)
• Rollendistanz: Jugendlichen fällt Rollendistanz meist schwer, da sie auf der Suche nach Rollen sind → damit sie nicht
nur Rollen spielen, sondern auch eine eigene Persönlichkeit ausbilden, sollte das Thema „Persönlichkeit“ sowohl in
der Schule als auch in der Familie thematisiert werden → Eltern dürfen auch nicht jedes Verhalten hinnehmen,
sondern sollen sachlich begründete Kritik üben
Handlungskonsequenzen:
• emotionale Bindungen in der Familie → ermöglicht Empathie
• Erfahrungen der Selbstwirksamkeit → Selbstsicherheit
• in Dialog mit Kind treten → kommunikative Fähigkeiten
• in der Schule:
o Erstellung & Präsentation von Referaten
o Beteiligung an Schulgremien
o kooperative Arbeitsformen wie Partner- & Gruppenarbeit
o Klassenfahrten & Exkursionen
o Entscheidungsprozesse über Klassenangelegenheiten
→ Selbstsicherheit, kommunikative & soziale Kompetenz

1.5 Erziehung in der Familie


Soziologische Aspekte:
• Struktur:
o Familie ist eine soziale Institution
o beruht auf Filiationsprinzip: Blutsverwandtschaft über verschiedene Generationen
o bildet einen privaten Lebensbereich mit emotionaler Bindung
o Beziehung zwischen Eltern und Kind besonders, da sie auf einer natürlichen Verbindung beruhen
o Pluralisierung der Familienformen: Alleinerziehende, Patchwork etc.
o Wertewandel: Ehe hat an Bedeutung verloren, mehr Scheidungen, Frauenrolle verändert, Mann & Frau haben
eigenen Berufsbiografien, mehr Einzelkinder
o Zunahme institutionalisierter Erziehung → Stellenwert der Früherziehung (kompensatorische Aufgeben)
• Funktionen:
o Familie ist eine wichtige Sozialisationsinstanz
o primäre Sozialisationsinstanz (sekundäre: Schule, Kindergarten)
o Eltern als Rollenmodelle
o Normen- & Wertevermittlung → Familie auch von gesellschaftlicher Bedeutung
o Erfüllen emotionale Bedürfnisse → Stabilität, wichtigster Schutzfaktor
• familiäre Transmission:
o familiäre Sozialisation: Weichen für späteren Lebensweg
o Bildungschancen hängen stark vom Elternhaus ab
o Interaktions- & Kommunikationsfähigkeiten werden in familiärer Sozialisation gelernt: u.a. Grundlagen für
entwicklungsfördernde Fähigkeiten (Krappmann: Ambiguitätstoleranz)
Systemische Sicht auf die Familie:
▪ Systeme mit wechselseitiger Beeinflussung aller Mitglieder
▪ „bezogene Individuation“ wichtig → Mitglieder müssen sich gleichzeitig verbunden & frei fühlen
▪ ständiger Wandlungsprozess → Gleichgewichtszustände (Homöostasen) müssen immer wieder hergestellt
werden
▪ familiäre Triade besteht aus dyadischer Paarbeziehung & jeweiliger dyadischer Eltern-Kind-Beziehung

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Pädagogische Aspekte:
• elterliche Bindung verantwortlich für späteres Erziehungsmuster
• Ziele von Erziehung: Gefühl von Selbstwirksamkeit, Orientierung & Halt bieten, individuelle Selbstentfaltung & soziale
Einbindung, Mündigkeit
• Bindung der frühen Kindheit:
o vier verschiedene Bindungsstile von John Bowlby & Mary Ainsworth:
1. sichere Bindung: zuverlässige, feinfühlige Erfüllung der physischen & emotionalen Bedürfnisse der Eltern
2. unsicher-vermeidende Bindung: nicht die erforderliche Unterstützung erhalten
3. unsicher-ambivalente Bindung: launische Bezugsperson
4. unsicher-desorganisierte Bindung: risikoreiche Familienverhältnisse
• Erziehungsstile:
 autoritärer Erziehungsstil: hohes Maß an Kontrolle, wenig Berücksichtigung der Bedürfnisse
 autoritativer/demokratischer/ sozial-integrativer Erziehungsstil: klare Regeln, aber auch Freiräume, viel
Wärme in der Beziehung → optimaler Erziehungsstil
 permissiver Erziehungsstil: wenig Kontrolle, viel Rücksicht auf Bedürfnisse
 vernachlässigender Erziehungsstil
Familiäre Probleme:
• Störung des Familiensystems bei psychischen, psychosomatischen oder psychosozialen Problemen eines
Mitgliedes
• Störungen zwischen den Eltern oder keine Bedürfnisbefriedigung der Kinder nach emotionaler Stabilität,
Anerkennung, Zuwendung & Wertschätzung führen zu psychischen Leiden
• dysfunktionale Familien führen zu traumatischen Erlebnissen der Kinder
• Parentifizierung: Kinder müssen Aufgaben der Eltern übernehmen → Verlust der Kindheit, Überforderung
• Rauchfleisch: Traumatisierungen in der Kindheit führen zu einer gestörten ICH-Struktur & einem aggressiv
besetztem Selbstbild
• schädliche Bindungsformen aus systemischer Sicht:
 verstrickende Bindung: zu enge Verhältnisse → psychosomatisches Leiden (z.B. Essstörung)
 Ausstoßung: zu wenig Halt & Unterstützung des Kindes → Verhaltensauffälligkeiten
 Delegation: elterliche Wünsche & Forderungen werden auf das Kind übertragen
Professionelle Unterstützungsangebote für Familien:
• Paare mit Beziehungsproblemen → therapeutische Angebote
• schwerwiegende Familienproblem → Familientherapie
• Probleme im Kindergarten oder Kita → Kontaktperson: Erzieher
• Sozialarbeiter in Schulen
• Familienbildungsstätten mit Beratungsprogrammen
• Vereinbarkeit von Beruf & Familie: Ausbau von Kita-Angeboten

1.6 Sigmund Freud: Psychosexuelle Entwicklung


Zur Person:
• 1856-1939
• Neurologe → entwickelte Psychoanalyse als Therapieform
Annahmen der Theorie:
• nichts geschieht ohne Grund (Prinzip der psychischen Determiniertheit)
• Grund ist uns nicht immer bewusst (Bewusstsein ist eher außergewöhnliches als regelmäßiges Attribut
psychischer Prozesse)
• jegliches Handeln des Erziehers hat Auswirkungen auf den Edukanten
• keine Diskontinuitäten

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Bewusst, unbewusst, vorbewusst:
• unbewusst: psychosexuelle Entwicklung, traumatische Erlebnisse, Erbanlagen/Instinkte
• bewusst: Gedanken, Gefühle, Wünsche
• vorbewusst: Angst, verdrängte Konflikte, Persönlichkeitsmerkmale
Angst & Abwehr:
• Ängste treten auf, wenn die einzelnen Persönlichkeitsinstanzen in einem Ungleichgewicht zueinanderstehen
→ ICH findet keinen Kompromiss, Triebe widersprechen Anforderungen der Gesellschaft
Ängste vor:
o der Realität: Konsequenzen, die auf die Befriedigungen der Triebwünsche folgen
o den Anforderungen des Über-Ichs: z.B. Schuldgefühle
o den Ansprüchen des ES: überwältigt von den eigenen Trieben
• Aufgabe des ICH → mit Bedrohung umgehen & sie abbauen → es kommt zum unbewussten Einsatz von
psychischen Schutzmechanismen (=Abwehrmechanismen)
Instanzen der Persönlichkeit → „psychischer Apparat“:
• entwickeln sich nacheinander in der frühen Kindheit

ES:
o elementarste Schicht → angeboren
o Triebe, Wünsche Bedürfnisse ÜBER-ICH
o keine Gesetze des logischen Denkens, keine Wertungen,
keine Unterscheidung in Gut & Böse, keine Moral
ICH
o Ziel: blindes Streben nach Befriedigung
o Lustprinzip
ICH:
o zweite Instanz entwickelt sich aus ES heraus ES
o durch Konfrontation mit der Realität wird dem
Individuum bewusst, dass es auch auf Lustbefriedigung
verzichten muss
o Instanz, der bewussten Auseinandersetzung mit der Realität
o bewusstes Leben & Wahrnehmen, Denken & Handeln, Planen, Wählen, Wollen, Urteilen & Werten
o enthält alle zur Anpassung an die Umwelt nötigen kognitiven Fähigkeiten & Funktionen →Aufnahme/
Speicherung von Informationen, Intelligenz, Kreativität, Gedächtnis, Sprach- & Lernfähigkeit
o ICH versucht einen Kompromiss zwischen ES & Außenwelt zu finden
o Realitätsprinzip
ÜBER-ICH:
o dritte Instanz, die sich bildet durch die Gebote, Verbote, Mahnungen, Belehrungen
o umfasst Wert- & Normvorstellungen & das Verhalten & Handeln des ICH im Sinne der geltenden
Moralvorstellung der Gesellschaft
o bewertet ob Triebwünsche zugelassen werden dürfen
o Moralitätsprinzip

• ES & ÜBER-ICH haben keine direkte Verbindung zur Außenwelt → müssen alle Forderungen an das ICH stellen
• harmonisches Zusammenspielen der Instanzen → psychische Gesundheit
• ICH-Stärke
o ICH kann Balance zwischen ES & ÜBER-ICH herstellen
→ Triebe werden im gesellschaftlichen Handlungsrahmen erfüllt
• ICH-Schwäche
o Ungleichgeweicht zwischen ES & ÜBER-ICH
→ Triebe entscheiden über Handlungen: rücksichtsloses Verhalten
oder
→ Moralvorstellung der Gesellschaft entscheiden über Handlungen: gesellschaftliche Vorstellungen
unterdrücken Triebe & deren Befriedigung zurück

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Möglichkeiten des erzieherischen Einflusses:
• Einfluss der Eltern auf Ausprägung der Instanzen
• Grenzen setzen
• Kind Kontakt zur Außenwelt ermöglichen
• autoritativ-partizipativer Erziehungsstil zur optimalen Förderung einer ICH-Stärke
• Balance der Instanzen herstellen durch Gleichberechtigung
• Autonomie
Abwehrmechanismen der Psychoanalyse:
• Verdrängung: „Unbewusstmachen“ angstauslösender Inhalte, bleiben aber im Unterbewusstsein & beeinflussen
Erleben & Verhalten
• Projektion: Eigenschaften, die die eigene Person betreffen anderen Personengruppe zuschreiben /dafür
verantwortlich machen
• Reaktionsbildung: um Verdrängungen zu sichern, wird im Bewusstsein das Gegenteil des zu Verdrängenden fixiert
(Bsp. Liebe → Hass)
• Rationalisierung: für Wünsche & Triebe werden „vernünftige“ Gründe gefunden, um wahre Gründe zu verstecken
• Kompensierung: Wünsche & Triebe, die am Original nicht realisiert werden können, werden an einem
Ersatzobjekt realisiert
• Regression: Zurückfallen auf eine frühere Entwicklungsstufe, in der bestimmte Wünsche nicht erfüllt wurden →
werden nun befriedigt
• Sublimierung: nicht zugelassene Wünsche werden umgesetzt in Leistungen, die sozial erwünscht sind
Handlungskonsequenzen:
Ziel sollte ICH-Stärke sein
→ dazu sollten Eltern und Erzieher
o mit Nahrung, Wärme, etc. versorgen (was es nicht selbst kann)
o Möglichkeiten schaffen, die Wahrnehmungsfähigkeit zu schulen
o Natur der Triebe kennen, akzeptieren & erlauben
o psychosexuelle Entwicklungsstadien erkennen
o genügend Möglichkeiten schaffen, Triebe zu befriedigen (aber keine übermäßige Befriedigung!)
o damit das schwache Ich nicht von der Umwelt überwältigt wird, dem Säugling genügend Pflege & Schutz
bieten
o zunehmend Anleitungen zum Problemlösen geben
Kritische Würdigung:
PRO CON
☺ Klarheit der Darstellungen  realistische Einschätzung der Welt des Kindes → Freud
☺ Erklärungen für früheres & Prognosen über berücksichtigt zwar Wichtigkeit & Natürlichkeit sexueller
künftiges Verhalten → Differenziertheit relativ hohe Interessen in der Kindheit & im Jugendalter, sowie
Benotung Abwehrmechanismen & ambivalente Gefühle des Kindes
☺ Handreichungen für praktische Kindererziehung → gegenüber seinen Eltern, jedoch bleibt ein Großteil
Vorschläge konzentrieren sich auf emotionale seiner Theorie unbestätigt, da viele Schlüsselelemente
Bedürfnisse von Kindern, hauptsächlich im Bereich (Unbewusste/ Verdrängung/ Reaktionsbildung)
der Sexualität & Aggression z.B. Kleinkinder unüberprüfbar sind
brauchen genug Gelegenheit, Nuckel- &  wissenschaftliche Überprüfbarkeit → schwierig,
Saugbedürfnisse zu befriedigen (orales Stadium) wissenschaftlich zu überprüfen
oder Toilettentraining sollte nicht zu früh beginnen  Kastrationsängste, Penisneid & Ödipuskomplex sind
→ Psychoanalyse gibt Anleitungen für Umgang mit keine universalen Phänomene
Kindern im emotionalen Wachstum, jedoch wenig
Hilfe für kognitive Entwicklung/Körperwachstum
☺ Auslöser für neue Entdeckungen → Erikson ...
☺ Gesamteindruck → abhängig von persönlicher
Zustimmung → erscheint den Autoren grundsätzlich
sinnvoll, allerdings bleibt Skepsis

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Entwicklungsstufen:
Periode / Alter/ Merkmale Entwicklungsfördernde Entwicklungshemmende Maßnahmen
erogene Zone Maßnahmen
Orale Phase • nimmt erstmals äußere Objekte wahr (in Abgrenzung zu sich selbst) • Zuneigung & Liebe • wenig Emotionen dem Kind gegenüber → Ausbildung von
1. Lebensjahr • ICH-Entwicklung & Realitätssinn wird entwickelt durch Frustration • Erfolge & Enttäuschungen& Urvertrauen wird verhindert
Mund • Störungen durch Verwöhnung & Versagen → depressive Neurose, Versagen → Realitätssinn! • plötzlicher/völliger Entzug der Bezugspersonen
Suchtneigung, Größenwahn → Verkümmerung der Intelligenz
• Kind nimmt alles in den Mund → zurückgebliebene motorische Fähigkeiten
• 3 psychische Etappen (→ Hospitalismus)
 Unterscheidung zw. den äußeren Objekten & dem Selbst • Überbehütung/ Überangebot
 erste Erinnerungsspuren → rudimentäres ICH • Hungernlassen & Unbeteiligtsein
 Urvertrauen bildet sich aus
Anale Phase • Kind beginnt zu laufen, zu sprechen & wird selbstständiger • Freiheiten lassen aber auch • übertriebene Hygiene
2./3. Lebensjahr • eigener Wille Grenzen setzen → keine Selbstständigkeit
Afterzone • spielt mit Ausscheidungsorganen & -produkten → Selbstständigkeit → Gefügigkeitshaltung
• Auseinandersetzung mit dem ICH & der Realität → Eigenwillen → Konformismus (Übereinstimmung der Person mit
• Gefahr: Regression, Scheinfortschritt → Durchsetzungsvermögen gesellschaftlichen Normen)
• lernt Bedürfnisse aufzuschieben • Realität näher bringen durch • Einengung des motorischen Expansionsdrangs
Sozialisationsbedingungen (körperliche Bestrafung/ Schuldzuweisung)
→ ICH wird entwickelt
Phallische Phase • Betätigung/Herzeigen der Genitalien • Moralvorstellungen vorleben • Verbot die Phase auszuleben
4./5. Lebensjahr • Betrachten anderer Genitalien → Vergleichen → „Penisneid“ → Entwicklung eig. → Probleme mit dem eigenen Körper
Genitalien • Ödipus-Komplex: verstärkte Beziehung Sohn-Mutter Moralvorstellungen → lange Bindung an die Eltern
Elektra-Komplex: verstärkte Beziehung Tochter-Vater • Vorleben von idealen • vollständige, unverzügliche Ermöglichung der
→ löst sich wieder auf Verboten & Geboten Triebbefriedigung
→ Abwendung = Verdrängung → Über-Ich bildet sich aus → keine Moralvorstellungen
→ anderes Elternteil als Konkurrenz • Gefühle zulassen & → Verkümmerung
• nach Identifikation mit Eltern entsteht moralische Eigenregulierung (ICH- Realitätsbezug aufweisen • Kastrationsdrohung
Ideal) • Sexualität als Tabu-Thema
• Kastrationskomplex/ -drohung
• erste (hetero-)sexuelle Wünsche
Latenzperiode • Befriedigung durch Erlangen von Fähigkeiten & Erkundung der Umwelt = • Beschäftigung & • Kind ignorieren
6.-11. Lebensjahr kulturelles Lernen Unterstützung mit dem • schlechtes Vorbild für das Kind sein
------------- • kulturelle Werte werden von Vorbildern übernommen Edukanden • nicht kümmern/ laissez-faire
• Sexualität wird verdrängt/ sublimiert • gute Vorbildfunktion des
• Schule & Spielen nehmen an Bedeutung zu (→Peers) Erziehers
→ Lustaufschiebung
Genitale Phase/ • Sexualität erwacht • Möglichkeiten gewähren, • Verbieten von Freund(in)/Beziehung
Adoleszenzphase • Fortpflanzungstrieb entsteht (nicht nur Lustbefriedigung) eigene Entscheidungen zu • traumatische Erlebnisse: Fixierung/ Regression
ab 11. Lebensjahr • Sexpartner außerhalb der Familie wird gesucht treffen • Stehenbleiben auf Entwicklungsstufe
Genitalien • hormonelle & körperliche Veränderungen
• Sexualität wird von egozentrischer Orientierung gelöst
→ Nichtbefriedigung der Phasen ist traumatisches Erlebnis → führt zu Fixierung oder Regression

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1.7 Erik Homburger Erikson: Psychosoziale Entwicklung
Zur Person:
• 1902-1994
• Ausbildung zum Psychoanalytiker, Professor für Entwicklungspsychologie
Zur Theorie:
• Erweiterung & Modifikation der Freud’schen Theorie
• Akzentsetzung der Entwicklungsdynamik auf die soziale Einbindung innerpsychischer Kräfte
• Betrachtung der Entwicklung unter der Perspektive der Bewältigung psychosozialer Herausforderungen
Grundthesen der Theorie:
• Leben ist in acht aufeinander folgende Krisen unterteilt → folgt dem Prinzip der Epigenese
• Reihenfolge der Entwicklungsstufen ist unumkehrbar & universal
• bewältigte Krisen bilden das Fundament für die folgenden Krisen
(Erfahrungen aus den vorangegangenen Phasen werden verwendet, um neue Identitätskrisen zu verarbeiten)
• Anforderungen/Krisen resultieren aus gegensätzlichen Anforderungen & Bedürfnissen
• Bewältigung der Krisen führt zum Aufbau einer Ich-Identität & kennzeichnet die wachsende Persönlichkeit
→ Ich-Identität als wichtigstes Ziel
• zentrale Komponenten sind die innere Einheit & die Krise
• Mensch gehorcht inneren Entwicklungsgesetzen
• Entwicklung stellt einen Prozess von Neubildungen dar → auf Basis der vorangegangenen Krisen
• Entwicklung von Persönlichkeit, durch sich selbst & innerhalb von Beziehungen
• Ich-Entwicklung & Identitätsentwicklung sind eng miteinander verbunden:
o Ich = organisiertes System von Einstellungen, Motiven & Bewältigungsleistungen; Kernbereich der
Persönlichkeit (innere Einheit)
o Ich-Identität = Selbstkonsistenz: "man weiß, wer man ist" & kennt die eigene Individualität, die über Zeit,
Situationen & soziale Kontexte hinweg bestehen bleibt
Vielschichtigkeit des Identitätsbegriffs bei Erikson:
• Identität:
o Gefühl, man selbst zu sein
o Bild eines einheitlichen Menschen, der „er selbst ist“ & in die Gesellschaft integriert ist
o Einheitlichkeit von Erscheinung & Wesen
• ICH-Identität:
o subjektives Empfinden
o Gefühl eine zusammenhängende Persönlichkeit zu sein, die im Besitz seiner Kräfte, Aktivität &
Entscheidungsfähigkeit ist
o Bildung aus den Eigenschaften, die das Individuum sich selbst zuschreibt, um sich von anderen abzugrenzen
o Selbstbild als reflexiver Aspekt
o Wissen, um eigene Unverwechselbarkeit & dessen Bejahung
• Identität bleibt meist unbewusst
o meist nur emotionale Befindlichkeit
o wird in kritischen Lebensphasen besonders deutlich
• man bleibt einheitlicher, gleichbleibender Erlebnisträger, auch wenn man Eigenschaften dazugewinnt/ verändert
Krise:
• angelegt zwischen zwei Polen (z.B. Urvertrauen vs. Urmisstrauen)
• kennzeichnet einen Wendepunkt im Sinne einer entscheidenden Periode
• birgt eine erhöhte Verletzlichkeit & ein erhöhtes Potenzial in sich
• Entwicklungskrisen sind nicht negativ oder problematisch, sondern entwicklungsfördernd
• Durchlaufen der Krisen hat das Ziel, die Ich-Identität aufzubauen
• Bewältigung der Krise ist die zentrale Entwicklungsaufgabe
• Krisen werden nie vollständig gelöst, sondern bleiben ein Leben lang aktuell
→ Krisen müssen auf einer bestimmten Stufe ausreichend bearbeitet werden, um die nächste Stufe erfolgreich
bewältigen zu können
 Krise ist nicht identisch mit einer Störung, sondern kennzeichnet normalen Entwicklungsvorgang

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Prinzip der Epigenese:
• Ausgangspunkt der Entwicklungsvorstellung Krisen
• Epigenese (gr. / lat.)
→ Entwicklung eines jeden Organismus durch
funktionierendes
aufeinanderfolgende Neubildungen
• Ablauf der Entwicklung in acht Krisen nach einem
Ganzes
festgelegten Grundplan Anlagen Beziehungen
→ Mensch unterliegt inneren Entwicklungsgesetzen
• jeder Teil hat zu einer bestimmten Zeit eine
Grundbauplan Aszendenzen Verhalten der
gesteigerte Bedeutung (spezielle Aszendenz)
Bezugspersonen
• bewältigte Krisen bilden das Fundament für die
folgenden Krisen
• verläuft über die ganze Lebensspanne
• nach der Bewältigung noch vorhanden
• alle Teile bilden zusammen ein funktionierendes Ganzes
• Prozess von Neubildungen, die auf der Basis vorangegangener Entwicklungen entstehen → keineswegs nur Entfaltung
von vorbestimmten/ angeborenen Keim
• menschliche Entwicklung dabei nie gradlinig & ohne Konflikt
→ Mensch entwickelt seine Persönlichkeit auf der Basis seiner Anlagen innerhalb von sozialen Beziehungen in Krisen &
Konflikten
Innere Einheit:
• zentrales Merkmal der Ich-Identität
• ein Gefühl, das sich jedes Mal neu nach der erfolgreichen Bewältigung der jeweiligen psychosozialen Krise in einer
Phase einstellt
• Einheit zwischen den Anforderungen der sozialen Umwelt & der (wachsenden) Persönlichkeit
Kritische Würdigung:
PRO CON
☺ Offenlegung der Folgen bestimmter erzieherischer  nicht frei von bestimmten kulturellen
Einstellungen & Verhaltensweisen/ welche psychischen Einstellungen
Strukturen Menschen ausbilden  bietet Orientierung, aber keine pädagogischen
☺ unterstreicht die Bedeutung erzieherischer Handlungspläne = Deutung erforderlich = falsch
Verantwortung interpretierbar
☺ zeigt Gefahren extrem einseitiger Orientierungen  nicht wenige Kinder wachsen heute ohne Vater
☺ zeigt Bedeutung der Balance des erzieherischen auf oder erleben in Patchwork-Familien
Verhaltens zwischen extremen Polen wechselnde Bezugspersonen → nicht thematisiert
☺ bietet Orientierungen, aber keine pädagogischen  zunehmende Institutionalisierung von Erziehung
Handlungspläne = besonderer pädagogischer Wert nicht thematisiert
☺ Andeutung welche erzieherischen Verhaltensweisen  Fragen: welchen Einfluss hat multimedialer
welche Auswirkungen haben könnten Einfluss? inwieweit wird dadurch die
☺ nicht einfach ein pädagogisch „richtiges“ oder „falsches“ Einflussnahme der Eltern geschwächt?
Verhalten  war Psychologe, nicht Pädagoge
☺ kann dazu beitragen, bedeutende pädagogische  Frage: soll man die Persönlichkeit von Kindern aus
Annahmen differenziert zu beurteilen nicht traditionellen Familienverhältnissen als
☺ thematisiert die Bedeutung von Krisen & weniger frei entfaltbar ansehen?
Unstimmigkeiten bzw. Konflikten für die Entwicklung
→ unter Berücksichtigung, dass Erikson Psychologe also nicht Pädagoge war resultiert, dass seine Erkenntnisse zwar
grundlegende Erkenntnisse über die psychische Entwicklung bieten, allerdings in jedem Handlungskontext neu
angewendet & gedeutet werden müssen

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Stufen der psychosozialen Entwicklung:
Krise/ Alter/ Konstruktive Lösung Problema- Positives Erzieher-verhalten Negatives Erzieher- Ziele: Ich-Erkenntnis
Bezugspersonen tische Lösung verhalten
1) Urvertrauen vs. Balance, innere Ruhe & innere Unruhe (in Maßen liebende Fürsorge, nicht immer sofort Vernachlässigung o. Balance zw. Urmiss-/
Urmisstrauen Ausgeglichenheit, Gefühl der tiefen entwicklungsfördernd → fordert reagieren, Zurückweisungen & übertriebene Zuneigung → Urvertrauen, um
0 – 1,5 (Säuglingsalter) inneren Geborgenheit, Erfahrung von Eigenaktivität), Unausgeglichenheit, Niederlagen hinnehmen lernen, Hyperaktivität, Unfähigkeit, Frustrationen bewältigen
Mutter Urmisstrauen als Grundlage Ablehnung der Bezugspersonen Stabilität, Verlässlichkeit Frustrationen auszuhalten zu können
Niederlagen hinzunehmen → Ich bin, was man mir
gibt.
2) Autonomie vs. Scham/ Balance, Trieb- & Bedürfniskontrolle, Selbstzweifel, Minderwertigkeitsgefühle, Kombination: Konsequenz/Verbote & extrem einseitige Erziehung, innere Instanz bilden, die
Zweifel eigener Wille, Anpassung an erste Unsicherheit, fehlende Selbstständigkeit, Freiheiten lassen → Bedürfnisse im rigide bestrafen/ kritisieren, sie daran hindert, soziale
1,5 – 3 (Kleinkindalter) soziale Regeln → wichtiger Schritt für Überschätzung → willkürliches Handeln, gesellschaftlichen Rahmen zu nachgiebig sein Normen zu missachten
Eltern Persönlichkeitsentwicklung ohne auf andere Menschen zu achten befriedigen → Ich bin, was ich will.
3) Initiative vs. Verantwortung übernehmen, übertriebene Schuldgefühle, Initiative fördern, Grenzen aufweisen, Abweisung, rigide Initiative ergreifen können
Schuldgefühle Gewissensbildung, Entwicklung Verständnislosigkeit, Beziehungsprobleme, aber nicht abweisen, Machtdemonstration & Gewissensbildung
3–6 zwischenmenschlicher Beziehungen, hektische Übernahme von Initiative, gleichgeschlechtliches Elternteil sollte → Ich bin, was ich mir
(Spielalter) Initiative (=positive Reaktion auf Unfähigkeit dauerhafte Beziehungen aktiv auftreten & als Vorbild vorstellen kann zu
Familie Herausforderungen) einzugehen fungieren werden.
4) Werkssinn vs. Balance von Eifer & Unterlegenheit, zu viel Eifer, Unterlegenheitsgefühle, auch mal verlieren lassen, Platz in der in bestimmten hohes Maß an Werksinn
Minderwertigkeits-gefühl hohes Maß Werkssinn (Bestreben, in Minderwertigkeitsgefühle (in Maßen Gesellschaft zeigen, Möglichkeiten Kompetenzbereich drängen, mit ein wenig
6 – 12 (Schulalter) einem größeren Umfeld Nützliches zu entwicklungsfördernd → fordert bieten Leistungen zu erbringen, Ablehnung Minderwertigkeit =
Nachbarschaft, Schule, leisten), Vernunft & Bescheidenheit, Anstrengung), Selbstüberschätzung Regelverständnis fördern Vernunft &
Peers, Lehrer realistische Einschätzung Bescheidenheit
→ Ich bin, was ich lerne.
5) Identität vs. Bildung eigener Identität, Ablösung von radikale Ablehnung von Autoritäten, Beratung, Kritik, Grenzen aufweisen, egoistisch, strikte Erarbeiten der eigenen
Identitätsdiffusion Eltern, Selbstfindung, löst sich kritiklose Unterwerfung, Identitätsdiffusion Selbstständigkeit fördern, Vorgaben/Verbote, keine Identität, Öffnung zur
13 – 16 zunehmend von Familie → z.B. Musik-, = Misslingen des Auswählens aus Anforderungen stellen, Idole & Hilfe bei Orientierungssuche, Außenwelt, Fähigkeit
(Adoleszenz) Sportvereine, Tiere (Pflege = Identitätsangeboten Leitbilder = Kritik & Orientierung, Entmündigung, zu viele gesellschaftliche
Peers, Idole Lebenssinn), Hinterfragen von Bedarf eines Moratoriums: temporär Freiräume Anforderungen zu
Ideologien aus Handlungsräumen ausbrechen bewältigen
→ Ich bin, was ich bin.
6) Intimität & Solidarität Partnerschaften führen, in denen Nichtgelingen des Aufbaus intimer ________ ________ Partnerschaften
vs. Isolation besondere Verantwortung für anderen Beziehungen = Zustand der Isolierung aufbauen, Verantwortung
junges Erwachsenenalter übernommen wird, Zuwendung für andere übernehmen
Intimpartner, Freunde erfahren → Ich bin, was ich für
andere Menschen bin.
7) Generativität vs. Fortpflanzung, Übernahme von keine Bereitschaft zur Verantwortung / ________ ________ Einsatz für Fortbestand
Stagnation Verantwortung für nachwachsende produktives Gesellschaftsmitglied zu sein der eigenen Gemeinschaft
Erwachsenenalter Generation → Ich bin, was ich zu
Familie, nächste leisten vermag.
Generation
8) Integrität vs. mit dem eigenen Leben ins Reine getroffene Entscheidungen nicht ________ ________ Zufriedenheit mit
Verzweiflung kommen, Lebensende akzeptieren akzeptieren können, Unzufriedenheit mit eigenem Leben, keine
Seniorenalter der eigenen Lebensführung Furcht vor Tod
Lebenspartner, Familie → Ich bin, was ich als
sinnhaft empfinde.

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1.8 Jean Piaget: Kognitive Entwicklung
Zur Person:
• 1896-1980
• Entwicklungspsychologe
Thesen zum Menschenbild:
• entwickelt sich selbstständig
• lernt (z.B. durch Erfahrungen) & ist ehrgeizig & neugierig
• entwickelt sich in Stufen (kognitiv)
→ lern/- & entwicklungswillig
• 2 fundamentale Tendenzen:
 Tendenz zur Organisation, zur Integration der eigenen Prozesse in kohärente Systeme
 Tendenz zur Adaption, d.h. zur Anpassung an die Umwelt durch komplementäre Prozesse der Assimilation &
Akkommodation
• konstruktivistischer Ansatz: Kind konstruiert Wissen aktiv
• epigenetisches Prinzip: aus dem Kind heraus stattfindender Prozess
• epistemisches Subjekt: erkenntnissuchend & erkennend
Grundverständnis:

Assimilation: • Versuch Verbindungen zwischen vorhandenen Schemata & neuen Objekten herzustellen
Integration in → Eingliederung eines neuen Sachverhaltes in ein eigenes Schema
Vorhandenes  nur jene Reize die je nach Entwicklungsniveau verarbeitbar sind (Selektion)
 konservatives Konzept/ „Schubladendenken“/ Status quo beibehalten/ vertraute
Situationen
Akkommodation: • durch gescheiterten Versuch → Erweiterung, Veränderung, Modifikation & Differenzierung
Veränderung eigener Schemata, zur besseren Einordnung neuer Sachverhalte
individueller • komplementär zur Assimilation/ ergänzend
Strukturen • wenn neue Reize zu hartnäckig, um zu ignorieren
Äquilibration: • Streben nach Gleichgewicht (Äquilibrium) zwischen Assimilation & Akkommodation/ zw. Mensch -
Tendenz zum Streben Umwelt
eines höheren • Ungleichgewicht (durch mangelndes Verständnis für neuen Sachverhalt) wird aufgelöst
Anpassungsgrades • Neugier/ Bedürfnis Umwelt zu erforschen/ zu kennen
• Antriebskraft zum Aufbau neuer Schemata
→ das Individuum sucht so lange nach einer passenden Lösung (bei der Verbindung der Prozesse,)
bis es zufrieden ist  Komplexität des Verhaltens/ der mentalen Strukturen nimmt zu
Adaptation: • Austausch zwischen Organismus & Umwelt
Anpassung ständig wachsende Komplexität = Anforderungen der Umwelt effizienter bewältigen
Kognitive Schemata: • Struktur zur Identifikation eines Objekts
mentale Systeme, • Organisation in größeren Systemen Verknüpfung kleinerer, neuerer, komplexerer Systeme
Konzepte

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Phasen der kognitiven Entwicklung:
menschliches Denken als „Operation“ → geistiges Handeln im Kopf
Stufen Merkmale
Stufe 1: • Sinneserfahrungen & Motorik prägen Denken
Senso- • sensomotorische Schemata festigen sich
motorische • nicht sehen/ fühlen = nicht existent (kein Konzept des permanenten Objekts)
Stufe • physikalischer Egozentrismus: keine bewusste Unterscheidung zw. sich & Umwelt
Bis • Bildung von Zweck-Mittel-Verhalten (Schreien nach Mama)
2.Lebensjahr • reflexartige werden zu absichtsvollen Handlungen
• Auswirkungen des Handelns= Interesse/ Freude
• aktive Wiederholungen = Experimentierphase (später auch zweckorientiert: Alternativen)
• mit Augen suchen
• Imitation von Verhaltensweisen
• gezieltes Verhalten → schreit absichtlich
• kann Abwesenheit aushalten
• experimentiert zweckorientiert
• ansatzweise Denken vor Handeln
Stufe 2: = vorbegriffliches Denken, immer an konkrete Anschauung gebunden
Prä- • bildet Fähigkeiten zu logisch gedanklichen Prozessen weiter aus
operationale • Gebrauch von Sprache
Phase • erste Zahlenbegriffe
2.-5. • Trennungsprozess/ Überwindung des physikalischen Egozentrismus
Lebensjahr • geistiger Egozentrismus („alles hängt von mir ab“) → eigener Blickwinkel ist der einzig mögliche, Perspektiven-wechsel/Empathie
nicht möglich
• magisches Denken: kein Unterschied zw. Realität& Fantasie (Osterhase...)
• Animismus: Verlebendigung der eigenen Welt
• Finalismus: zielgerichtetes Geschehen (Sonne damit es hell ist)
• zentriertes Denken: Klassifizierung von Objekten anhand eins deutlichen sichtbaren Merkmals
• Klassifikationsproblem: nicht imstande, festzustellen, dass sich Objekte in einer Hinsicht ähneln & in einer anderen
unterscheiden
• Fähigkeit zur Zuordnung von Dingen zu einem Kriterium
• Zentrierung (= nur Beachtung einzelner Zustände möglich, kein gleichzeitiges Beachten & Aufeinanderbeziehen mehrerer
variierender Merkmale möglich)
• kein Verständnis für Invarianz der Menge
• Funktionsspiele
Anschauliches • Schlussfolgerungen aufgrund von vagen Eindrücken, die eng an Wahrnehmungen angelehnt sind (→ Entwicklung eines logischen,
Denken/ rationalen Verständnisses)
Intuitive • Fähigkeit zur Bildung von Klassen & Kategorien von Objekten, jedoch kein Bewusstsein darüber
Phase • Fähigkeit zum Verständnis von logischen Beziehungen mit zunehmender Komplexität
4.-7. • Zahlenbegriff
Lebensjahr • Prinzip der Erhaltung (Mengeninvarianz)
Stufe 3: = Fähigkeit zu Operationen auf geistiger Ebene mit Bezug zur konkreten Gegenstandswelt, Operationen bedürfen einer
Konkret- Anschauungsgrundlage
operationale • reversibles Denken, Austauschbarkeit
Stufe • Invarianz der Menge - Prinzip der Erhaltung
7-12 • Überwindung des gedanklichen Egozentrismus (eigene Wahrnehmung/ Perspektive loslassen) → Perspektive anderer
Lebensjahr nachvollziehen = Selbstreflektion, Hinterfragen von Absichten
• Bewältigung einfacher Klassifikationsprobleme durch Dezentrierung (= gleichzeitige Berücksichtigung mehrerer Merkmale,
Vergleich von Gesamt- & Teilmengen möglich)
• vorab denken was für Folgen Handeln auf Mitmenschen hat
• Regelspiel, Konstruktionsspiel
Stufe 5: = Fähigkeit, logisches Denken mit Abstraktionen durchzuführen
Formal- • Metadenken → Fähigkeit, alle logischen Möglichkeiten zu erarbeiten, verschiedene Denkalternativen durchzuspielen, also über
operationale/ das Denken nachzudenken, eine Kombinationsanalyse von Möglichkeiten durchzuführen
formal- • Erfahrungen (induktives Denken), Theorien (hypothetisch-deduktives Denken)
logische Stufe • aus Erfahrungen Schlüsse ziehen bzw. generalisierte Aussagen an Erfahrungen überprüfen
Ab 12. • Fähigkeit zur Generalisation
Lebensjahr • Denken in logischen Sätzen
• Fähigkeit zur systematischen Analyse: Hypothesenbildung & -überprüfung, Erschließen von Merkmalen, die sich der
unmittelbaren Beobachtung entziehen
• abstraktes Denken → Übertragung → Komplexes wird einfacher
• Strategiespiele
→ fließende Übergänge zwischen den Stufen
Universalität → sind in allen Kulturen nachweisbar
Hierarchische Struktur → Stadien bauen aufeinander auf, wobei jedes Stadium durchlaufen werden muss, bevor das nächste folgt
Qualitative (nicht nur quantitative) Unterschiede → zwischen den Stadien
Äquilibration → auf jeder Entwicklungsstufe

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Ziele:
• Kritik gegenüber vorgefertigten/ kollektiven Meinungen bilden können
• Unterschied zw. Bewiesenem/ Unbewiesenem kennen
• Kind als konstruktives (aktives) Wesen
→ Selbstfindung, Aktivität, Kritik, Eigenständigkeit, Reflexionsfähigkeit
Handlungskonsequenzen:
• keine Meinung vorgeben = Kind als aktives Wesen
• Vorwissen mobilisieren, Kontext bewusst reaktivieren → neue Infos werden an Netzwerk angeschlossen (Assimilation)
• Wiederholung in neuen Kontexten → Verallgemeinerung von Schemata
• neue, diverse Reize/ Situationen arrangieren → kognitiver Konflikt → Äquilibration → neue Schemata
• Frühförderung → grundlegende Schemata, an die das ganze Leben angeschlossen werden kann
• Interaktion, Aktivität fördern (bspw. Spiele) → Versuch & Irrtum
• Diversität der Reize → sensorische, begriffliche & operatorische Schemata
• Unterschiede herausstellen → Akkommodation statt fehlplatzierter Assimilation
• Aufforderung zur Eigenaktivität → kognitive Konflikte begünstigen
• keine Reizüberflutung/ Überforderung → Diskrepanz zwischen vorhandenen kognitiven Strukturen & neuen
erforderlichen Strukturen darf nicht zu groß sein
Kritische Würdigung:
PRO CON
☺ Grundverständnis der kognitiven Entwicklung  berücksichtigt kaum die individuelle Entwicklung des
☺ zeigt, dass man Kinder nicht zu bestimmten Kindes, sehr rational/ klassifizierend, kann zur Über-/
Entwicklungen drängen sollte Unterforderung führen
☺ aktives Lernen vor passivem, rezeptivem Lernen  überprüft nicht die kognitiven Kompetenzen isoliert,
☺ Akkommodation & Assimilation sind neurobiologisch sondern auch Mitteilungs- /Ausdrucksfähigkeit
belegbar  teilweise Unterschätzung der Kinder, hängt oft mit
☺ ermutigt Pädagogen auf eigenes Lernen zu Zusammenhang der Aufgaben zum Alltag... ab
vertrauen  halbstrukturierte Interviews als Methode

1.9 Entwicklungspädagogik
Entwicklungsmodelle:
„Gärtner-Modell“ = GENE Interaktion von Anlage & Umwelt „tabula rasa“ = MILIEU
• Anlagen determinieren • Anlagen + Umwelt • kaum durch Anlagen (Minimum)
alle Möglichkeiten • diverse Filter= Relevanz der Umwelt Bedingungen • Umgebung/ Erziehung
• alles angeboren (Gene) • Gene= Werkseinstellung → daraus bildet sich Netz • „unbeschriebenes Blatt“ →
• wichtig: Förderung der • individuelle Umwelt Behaviourismus
Anlagen • je nach Anlage versch. Reaktionen auf Erziehung • Bildsamkeit des Menschen
 endogenistische Theorie  interaktionistische Theorie  exogenistische Theorie
Typologie von Entwicklungstheorien:
Umwelt aktiv passiv
Subjekt
aktiv Interaktionistische Theorien Selbstgestaltungs-Theorien
passiv Exogenistische Theorien Endogenistische Theorien
Heinrich Roth: Ziele von Erziehung:
• Ziel: MÜNDIGKEIT
• Selbstkompetenz:
 Fähigkeit, für sich selbst verantwortlich zu handeln
• Sachkompetenz:
 Fähigkeit, für Sachbereiche urteils- & handlungsfähig zu sein
• Sozialkompetenz:
 Fähigkeit, für sozial, gesellschaftlich & politisch relevante Sach- oder Sozialbereiche urteils- & handlungsfähig
zu sein
 Förderung zur Selbstbestimmung → Ablösung von Fremdbestimmung
 Erlangen von Kritikfähigkeit & Produktivität des Edukanten wichtig

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1.10 Gerd E. Schäfer: Frühkindliche Bildung & die Bedeutung des Spiels
Zur Person:
• 1942-heute
• Pädagoge
Entstehung der Wirklichkeit im Spiel:
• innere Wirklichkeit ist eine Konstruktion entlang von Mustern die sinnlich wahrgenommen werden
• Individuen benötigen eine zweite Wirklichkeit zum Denken, Handeln… in sich selbst
• Lernprozesse (des Gehirns)
 evolutionär → seit ca. 100 000 abgeschlossen
 nachgeburtlich, epigenetisch → Feineinstellung des Gehirns
 Lernen in Alltagssituationen
 bewusstes Lernen
• Doppelstruktur: indem man etwas lernt, lernt man auch wie man es lernt
 Sachverhalte: bestimmte Themen, Begrifflichkeiten, Konzepte
 Wege & Methoden: Programme, mit denen wir „denken“ → wie lerne ich effektiv & nachhaltig?
• Erfahrungs-, Lern- & Denkwege
 ermöglichen das Handeln, Denken…
 Ausbildung beginnt bereits im kindlichen Spiel & dessen Vorläufern
• Wahrnehmung der Umwelt über das ZNS → Verarbeitung der Informationen im Gehirn (Wirklichkeit) → Abgleichen
mit bereits Bekanntem & daran orientiertem Handeln
Bildungsprozesse:
• bezogen auf Piagets Verständnis → Assimilation, Akkommodation, Äquilibration…
• Bildung als Selbstbildung d.h. man bildet sich durch subjektive Verarbeitung von Reizen selbst & wird nicht von
anderen gebildet
• Subjekt ordnet seine Erfahrungen in Beziehung zur sachlichen, sozialen & situativen Struktur des Gegenstandes in
einen situativen Entwurf ein & konkretisiert diesen schließlich in Selbst-, Handlungs- & Wirklichkeitsentwürfe
• geht wie Piaget davon aus, das Subjekt lerne erst mit der Zeit, sich von der Umwelt zu unterscheiden →
Trennungsprozess
• Sprache hilft bei Strukturierung der Erfahrungen
• Erweiterung zu Piaget:
o Entwicklung als individueller Prozess & durch Selbsttätigkeit bestimmt
o sinnlich- emotionale Erfahrungen im Vordergrund
o Verhältnis zur eigenen Geschichte
o Bildung durch Ausprobieren/ eigene Erfahrung
o Erzieher bieten Möglichkeiten
o warnt vor zu stark rationaler Orientierung
Das Spiel & die Konstruktion der Wirklichkeit:
• Spiel ist intrinsisch motiviert → es bezieht Spannung & Motivation aus sich selbst
• eigenständiger Verhaltensbereich → eigene Regeln & Gesetze
• zeitliche Struktur → es gibt einen Anfang & ein Ende
• beruht auf Eigentätigkeit des Kindes & ist für Kinder mit einem Sinn verbunden
• Spiel sichert das, was das Kind kann
o unterstützt die Lust am Können
o Imitation & Wiederholung von Gesten & Szenen
• Kind kann Können bis an eigene Grenzen erweitern & fühlt sich dabei sicher
o Simulation, in der Erfahrungen & Bilder von seiner Welt neu zusammengesetzt & neue
Wirklichkeitsmöglichkeiten entworfen werden → nicht identisch mit Umwelt
o sachliche & subjektive Erfahrungsdimensionen sind nicht voneinander getrennt → verträgliches Verhältnis
• Spiel ist jenes Element des kindlichen Bildungsprozess, das dafür sorgt, dass innere Wirklichkeitskonstruktionen nicht
bloß Abklatsch der Wirklichkeit sind & dass Welt subjektiv bedeutsam bleibt → Grundlage für eine Vielfalt von
Weltkonstruktionen in den Köpfen der Menschen
• auch bei Einschränkungen der äußeren Spielräume ist individuelle Wirklichkeitskonstruktion nicht vermeidbar
• vielfältige Spielräume begünstigen eine Wirklichkeitskonstruktion

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Kennzeichen eines postmodernen Kindes:
• Kindheit als biologische Realität & als gesellschaftliche Konstruktion
• es gibt keine „Natur“ des Kindes, die seine Bedürfnisse widerspiegelt → „Natur“ des Kindes ist, was Gesellschaft für
wichtig hält
• jedes Kind orientiert sich auf seine Weise an diesen gesellschaftlichen Vorgaben
• Ausgangspunkt & Zentrum kindlichen Lernens sind Beziehungen zwischen Kindern, Erwachsenen & Gesellschaft sowie
das Eingebundensein in Zusammenhänge der Natur & Kultur
• postmodernes Kind ist kein wissenschaftliches Durchschnittskind, sondern es besteht in vielen individuellen,
geschlechtlichen, sozialen & kulturellen Variationen
• somit gibt es keine einheitlichen Lernwege, sondern individuell vom Kind abhängige
• Ausgangspunkt für Bildungsprozesse sind keine gesellschaftlichen Ziele, sondern individuelle Ressourcen des Kindes
Spielmomente in den ersten Lebensjahren:
Phase Wahrnehmen & Erkennen Spiel
Kindliche • Sinne weitgehend funktionierend → Kind • Vorläufer des Spiels
Erfahrungswelt kann diese noch nicht zu Objekten sortieren • Nachahmung, 3 mimische Gebärden des Gesichts
in den ersten 4 • Wahrnehmungsmechanismen ermöglichen • Amodalität wichtig (d.h. Akzeptanz der Multimodalität
Wochen Konturierung von Objekten → es werden mehrere Arten von Sinnen angesprochen)
• Wahrnehmungsarchitektur im ZNS erhält
irreversible Feineinstellung, die mit
Lebensumwelt korrespondiert
→ Kind lernt Objekte zu entdecken, sich selbst als
Subjekt wahrzunehmen
Integration von • Anderes/ Fremdes wird erkannt & • zeitlich-dynamisch-emotionaler
Wahrnehmungs- ansatzweise anerkannt Handlungszusammenhang als Grundlage des Spiels
einheiten • Gerichtetheit des Säuglings → wird durch → einfache Formen der unmittelbaren Nachahmung =
im 3. bis 6. Monat Bezogenheit der Mutter beantwortet Kommunikation
• im Wechselspiel werden Handlungen → Erfahrung szenisch handelnder Strukturierung =
reguliert (ohne Verletzung des Organisation & Gestaltung
Kompetenzrahmens) → Fähigkeit, • Eltern-Kind-Dialog mit Elementen des Spiels =
zusammenhängende Erlebnis-/ Funktionslust, Wiederholung, Variationen → daraus
Erfahrungseinheiten zu entwickeln entstehen „Mitziehspiele“ (wiederkehrende Symbole =
• integrierte Gesamtmuster entstehen: aus Erwartung der Wiederholung)
verschiedenen Weisen der Wahrnehmung • Variation der Interaktion mit Mutter = Abgrenzung von
• szenische Zusammenhängen werden nur Anderen
erkannt, wenn keine Brüche in • Austesten eigener Grenzen, Suchen nach Grenzen
Wahrnehmung sind zwischen Selbst & Anderen = Momente die als Spiel
gelten können
Sozialer Austausch • Entfaltung des gestischen Repertoires • Erweiterung des kindlichen Ichs durch unmittelbare
& soziale • Entfaltung von gleichen & unterschiedlichen Imitation des sozialen Umfelds (→ Ausbau von
Synchronisation Verhaltensmustern Empathie)
ab 6. bis etwa 12. • Verstärkung & Erweiterung des interaktiven • lernt, sich in andere hineinzuversetzen
Monate Austausches • entfaltet stärkere Initiative bei Mitziehspielen
• Wahrnehmung von interpersonaler • unterscheidet zwischen Ausdruck, Darstellung, Realität
Gemeinsamkeit & Repräsentation (Spielmoment: so-tun-als-ob)
• geteilte Aufmerksamkeit → Fantasie als zentrales Element des symbolischen Spiels
• kindliche Selbst: durch Beobachtung der tritt hinzu
sozialen Umwelt wird erweitert
Frühe Muster der • erkennt Muster der Umwelt & kann sich • Spiel nach Meads „play“ → repräsentieren sich selbst
Welt- & darauf einstellen durch die Rollen eines signifikanten Anderen
Selbsterfahrung • fremde Handlungsmuster werden • Imitation & Imagination → Zwischenbereich von realem
zwischen 12. & 18. übernommen, um sich der Kultur anzupassen Handeln & Denken
Monat (Sozialisation) • innere & äußere Realität werden verarbeitet
Mögliches Fazit • Interaktion zwischen Baby & Eltern ist bedeutsam für die kindliche Entwicklung
• Spiel als ein zentrales Element, um die Wirklichkeit zu erfahren
• Spielen verhilft schließlich dazu als ein „intermediärer Bereich“ zwischen subjektiver & objektiver
Bedeutungsebene zu vermitteln
• Erwachsene müssen Gelegenheiten für spielerisches Tun bieten

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Kritische Würdigung:
PRO CON
☺ mehr als nur Theorie → explizit pädagogisch  Angebote bleiben unspezifisch
☺ zielt auf Mündigkeit ab, bejaht konstruktives,  Aufforderungen für konkrete Lernaufgaben müssen laut
aktives Wesen des Kindes Schäfer noch nicht stattfinden → Sollen Kinder nur tun/
☺ Erwachsenen wird nicht Recht genommen, in lernen müssen, wozu sie auch motiviert sind? Müssen
Familien bestimmte Regeln aufzustellen Kinder nicht diszipliniert werden?
 Stufen der Kultivierung/ Sozialisation müssen erreicht
werden → erfordert Disziplinierung

1.11 Sprachentwicklung
Sprachentwicklung in der frühen Kindheit:
• Spracherwerb beginnt lange, bevor das Kind das erste Wort spricht
• um sprechen zu lernen, müssen Kinder die Laute ihrer Umgebung wahrnehmen und erkennen
• erstes Lebensjahr: stellen sich allmählich auf die Laute ihrer Muttersprache ein und identifizieren deren
Betonungsmuster
• bevor selbst sprechen können, können Kleinkinder bereits im zweiten Lebensjahr bestimmte Satzmelodien &
Satzeinheiten voneinander unterscheiden
• alle Säuglinge auf der Welt brabbeln erst auf die gleiche Art
• 1.-2. Jahren
o geben Kinder schließlich nur noch die Laute von sich, die für ihr Sprachumfeld typisch sind → universale Phase
der Sprachproduktion geht damit zu Ende
o erste sinnbezogenen Worte
Verständnis für sprachliche Bedeutung und Sinnzusammenhänge:
• soziale Beziehungen des Kindes zu seinen nahen Bezugspersonen bestimmen den Spracherwerb des Kindes
• über ihre Gefühle erfassen Kinder die Bedeutsamkeit von Sprechakten
• Spracherwerb des Kindes basiert auf Erfahrungen: Sprachverständnis und Sprechen entwickeln sich in einem
Handlungszusammenhang, durch Ereignisse, die einen Alltagsbezug haben und in einem Sinnzusammenhang stehen
• in der Interaktion mit dem Kind lenkt die jeweilige Bezugsperson die Aufmerksamkeit des Kindes auf bestimmte Dinge
oder Situationen, die sie mit Worten bezeichnet → geschieht in bestimmten szenischen Zusammenhangen →
ermöglichen, die Bedeutung von Wörtern und Sätzen zu verstehen
• mit dem Spracherwerb eröffnet sich der Zugang zum symbolischen Denken
Pädagogische Perspektive:
• nicht durch gesonderte Förderprogramme, sondern in der alltäglichen Kommunikation mit Kindern
• ermöglichen, über Erlebnisse & Erfahrungen, Gefühle und Empfindungen zu sprechen → Kinder müssen Erfahrungen
machen, die bedeutsame Sprechanlässe liefern → Erwachsene müssen den Kindern Wörter/ Sätze anbieten damit
diese sich sprachlich ausdrücken können
• Erwachsene sollen in Handlungskontexten mit Kindern sprechen & das kindliche Handeln sprachlich begleiten

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2 Identität
2.1 Klaus Hurrelmann: Modell der produktiven Realitätsverarbeitung
Zur Person:
• 1944-heute
• einer der bekanntesten Erziehungs- & Sozialwissenschaftler in Deutschland
Zum Modell:
• Verarbeitung als "produktiv", weil Persönlichkeit dadurch erarbeitet wird, dass der Jugendliche die äußere & die
innere Realität auf eine jeweils eigene Weise individuell kreativ konzipiert & so seine Identität ausbildet
• nicht alle Annahmen empirisch beweisbar, sondern Hurrelmann fordert zur Auseinandersetzung mit seinen Thesen
auf
• Jugendlicher ist schöpferischer Konstrukteur
• Jugendlicher verfügt über personale und soziale Ressourcen, die von der sozialen Herkunft und dem Geschlecht
beeinflusst werden
• Identitätsentwicklung als Synthese von persönlicher Individuation und sozialer Integration
• problematische Identitätsentwicklung → externalisierende, internalisierende, evadierende Problemverarbeitung
• Maximen als Teil eines handlungstheoretisch ausgerichteten Sozialisationsmodells oder auch Salutogenesemodells
(Modell zur Gesundheitsentwicklung)
• Aufforderung den Prozess der Realitätsverarbeitung selbst aktiv (mit-)zu gestalten
4 Entwicklungsaufgaben:
1. Qualifizieren 2. Binden 3. Partizipieren 4. Konsumieren
Entwicklung einer Entwicklung der Entwicklung Entwicklung eigener
intellektuellen & eigenen eines eigenen Handlungsmuster für
sozialen Kompetenz Geschlechtsrolle & des Werte- & die Nutzung des
sozialen Normensystems Konsumwaren- &
Bindungsverhaltens sowie eines kulturellen
ethischen & Freizeitmarktes
politischen
Bewusstseins
um selbstverantwortlich zu Gleichaltrigen des mit dem, für (einschließlich Medien
schulischen & anderen sowie des das eigene & Genussmittel), um
beruflichen eigenen Geschlechts, Verhalten & einen eigenen
Anforderungen Aufbau einer Handeln Lebensstil zu
nachkommen & so die Partnerbeziehung als Verantwortung entwickeln & autonom
Voraussetzungen für langfristige übernommen sowie
eine selbstständige Voraussetzung für die wird bedürfnisorientiert mit
Existenz als Erwachsener Erziehung eigener entsprechenden
sichern zu können Kinder Angeboten umgehen
zu können

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10 Maximen:
These: Ausführung:
1. Gestaltung der Persönlichkeits- • insbesondere bei der Ausprägung männlicher & weiblicher
Maxime entwicklung & damit auch die Persönlichkeitsmerkmale gewinnt das Wechselspiel an Bedeutung
geschlechtsspezifische Entwicklung → viele Persönlichkeitsmerkmale & Verhaltensweisen sind sozial erlernt &
vollzieht sich in einem Wechselspiel von somit veränderbar
Anlage & Umwelt
2. Jugendalter als besonders intensive & • Entwicklungsaufgaben in der Jugend besonders anspruchsvoll =
Maxime prägende Phase der Sozialisation, notwendig ist ständige „Arbeit an der eigenen Person“, ein Bemühen um
produktive Realitätsverarbeitung setzt Strukturierung & Gestaltung der Persönlichkeit
Bewältigung der Entwicklungsaufgaben
voraus
3. Jugendliche als schöpferische • Suchen, Tasten, Ausprobieren sind Ausdruck eines eigenen ersten
Maxime Konstrukteure ihrer Persönlichkeit mit der Handelns, des noch unfertigen, offenen Charakters
Kompetenz zur eigengesteuerten • Jugendliche reagieren meist schneller auf kulturelle, soziale oder
Lebensführung ökonomische Neuerungen
4. Jugendalter als Chance eine Ich-Identität • aktiv an der Auseinandersetzung über Werte & Normen teilnehmen
Maxime aus der Synthese von Individuation & • indem sie eigene Interessen, Neigungen & Handlungsmöglichkeiten
Integration auszubilden, die in einem realisieren & an sozialen Prozessen als Akteure wie Objekte teilhaben
spannungsreichen Prozess immer wieder • Spannungsverhältnis besonders intensiv
neu hergestellt werden muss
5. Sozialisationsprozess wird krisenhaft, • hohes Belastungspotenzial notwendig für verschiedene (schnelle)
Maxime wenn es dem Individuum nicht gelingt, Veränderungen der eigenen Dispositionen
die Anforderungen des Spannungs- o bio-psychische Gestaltveränderungen
verhältnisses zu überwinden, somit o sowie soziale Integrationsleistungen
entsteht Entwicklungsdruck d.h. • Entfaltung von Leistungsfähigkeit in Schule & Berufsvorbereitung sowie
Entwicklungsaufgaben nicht gelöst Interaktionskompetenzen in Partnerschaft, Konsum & Politik üben
• Mangel an Ressourcen = soziale & gesundheitliche Entwicklungsstörungen
6. Bewältigung erfordert individuelle • Ressourcen:
Maxime Bewältigungs-fähigkeiten (personale o materielle Unterstützung
Ressourcen) sowie soziale o Einräumen von Handlungsspielräumen
Unterstützungen durch die wichtigsten o Angebot von flexiblen Mindeststandards festlegenden
Bezugspersonen (soziale Ressourcen) o in den Kernstrukturen eindeutige „Haltepunkte“
• wichtig: ausgewogene Mischung zwischen der Anregung zur
Selbstständigkeit auf & der Übernahme von Verantwortung sowie der
Einhaltung gesellschaftlicher Regeln
• Verbindungen zum „Unterstützungswerk“ besonders hilfreich
7. Sozialisationsinstanzen sind die • Orientierungs- & Verhaltenssicherheit sowie zugleich Freiheit &
Maxime wichtigsten Vermittler & Unterstützer im Selbstständigkeit ermöglichen
Entwicklungsprozess & sollten sich daher • Handlungsspielräume für Jugendliche zu weit gesteckt oder in sich
ergänzen & gegenseitig anregen widersprüchlich = Jugendliche können nur schwer Orientierung & größere
(Herkunftsfamilie, Schule (etc.), Bedeutung Verhaltenssicherheit finden
Gleichaltrige sowie Medien) • Handlungsspielräume zu eng gesteckt = Jugendliche können sich nicht als
Individuen entwickeln & verweigern möglicherweise eine Anpassung
• Pädagogen unterstützen den jugendlichen Sozialisationsprozess
• sekundäre oder auch heimliche Sozialisationsinstanzen zunehmend
einflussreicher (bspw. Medien)
• Einfluss individuell sehr verschieden
8. Jugendphase ist unter heutigen • heute viele junge Menschen nicht sofort nach der Ausbildung ins
Maxime historischen, sozialen & ökonomischen Berufsleben
Bedingungen, eine eigenständige Phase • über einen Zeitraum von bis zu 15 Jahren gewinnt dieses Alter als Phase
im Lebenslauf, die ihren früheren der Transition wie des Moratoriums (der Verzögerung) Relevanz & somit
Übergangs-charakter verloren hat im Vergleich zu früher den Übergangscharakter
→9./10. Maximen erst 2012 („Lebensphase Jugend“) im neusten Modell ergänzt = Modell ist nicht zeitlos & erfordert Modifikationen
9. Schneller sozialer Wandel, soziale ethnische Vielfalt & progressive ökonomische Ungleichheit in hoch entwickelten
Maxime: Gesellschaften prägen die Jugendphase & führen zur Spaltung jugendlicher Lebenswelten
10. Geschlechtszugehörigkeit prägt Bewältigungs-muster der Entwicklungsaufgaben, In den letzten 30-40 Jahren haben sich
Maxime: Frauen in vielen Bereichen der Lebensführung bessere Ausgangschancen erschlossen = Feminisierung

24
2.2 Deviantes Verhalten & Gewalt
Deviantes Verhalten:
• wechselseitige Beziehung zwischen normalem/ normierten Verhalten & deviantem Verhalten
• kontinuierlicher Wandel von Verhaltensnormen = Veränderungen in allen Ebenen
• Verhaltensnormen abhängig von
o Raum& Zeit (historisch & geographisch)
o konkreten sozialen Gruppierungen & kulturellen Zusammenhängen
• da alle Menschen sich in diversen Formen deviant verhalten, graduell toleriert = Grundlage für sozialen Wandel
• dennoch: Kernbestand innerhalb der Gesellschaft (Missachtung = Konsequenzen)
• wissenschaftliche Studien bedienen sich versch. Bezugsnormen:
o psychische, physische, soziale Merkmale
o Ressourcenknappheit (Diskrepanz: Unvereinbarkeit gesell. Anforderungen & verfügbare Mittel)
o gesell. Reaktion (Stigmatisierung)
• individuelles Verhalten unterliegt subjektiver Reflexion durch ein Gegenüber
• Gewalt ist eine Form devianten Verhaltens
• alle Gewalttheorien sind immer perspektivisch beschränkt
Ursachen:
→ instabile Familienverhältnisse, fehlende Unterstützung, mangelnde soziale Kontakte, Anpassung nicht möglich durch
Vermeidungshaltung
→ nicht gelernt, innere & äußere Erwartungen auszubalancieren (mangelnde Erfahrung)
→ mangelnde Resilienz: emotionale Widerstandsfähigkeit gegenüber(extremen) Situationen
→ Gewalt ist multifaktoriell → Denk- / Verhaltensweisen können niemals monokausal erklärt werden
Folgen unzureichender Bewältigung der Entwicklungsaufgaben: K. Hurrelmann:
• gestörte Persönlichkeitsentwicklung durch Problemverhalten in Form von:
o externalisierend: nach außen gerichtet (z.B. Gewalt)
o evadierend: ausweichend (z.B. Konsum psychoaktiver Substanzen, Suizid)
o internalisierend: nach innen gerichtet (z.B. psychosomatische Störungen)
Gefühl der Kohärenz: A. Antonovsky
• soziologischer Ansatz, salutogenetisches Modell
• Erfahrungen des Individuums als aktiver Gestalter = wichtige Bedingungen für die Gesunderhaltung
• Widerstandsquellen zur Bewältigung von Stressoren:
→organismisch-konstitutionelle: das körpereigene Immunsystem
→materielle: Verfügbarkeit über Geld, Arbeit, Wohnung, etc.
→kognitive: Intelligenz, Wissen & Bildung
→Ich-Identität: emotionale Sicherheit in Bezug auf die eigene
Person sowie das Wissen um die Möglichkeit, sich von anderen Menschen soziale Unterstützung zu holen, sich sozial
zugehörig & verortet zu fühlen
• Wirksamkeit dieser Widerstandquellen hängt vom Gefühl der Kohärenz ab: Kohärenzsinn =
o = positives Bild der eigenen Handlungsfähigkeit (Gefühl der Bewältigung von externen & internen
Lebensbedingungen, der Gewissheit der Selbststeuerungsfähigkeit & der Gestaltbarkeit der
Lebensbedingungen)
o = durch das Bestreben ausgezeichnet, verschiedenen Lebensbedingungen einen Sinn zu geben & sie mit
subjektiven Wünschen und Bedürfnissen in Einklang zu bringen
o = daher zentrale Voraussetzung für eine gelungene Identitätsentwicklung
= fehlt dieses Gefühl, können alle Widerstandsquellen nicht adäquat zur Gesunderhaltung eines Individuums
beitragen
• Dimensionen: Vertrauen, dass
→ Verstehensdimension = Umweltreize strukturiert, vorhersehbar, erklärbar sind
→ Bewältigungsdimension = es Mittel& Wege zur Aufgabenlösung gibt
→ Sinndimension = sich Anstrengungen lohnen

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Ursachen unzureichender Identitätsbildung nach der Bindungstheorie: G. Hüther
• neurobiologischer Ansatz zur Bedeutung emotionaler Sicherheit für die Entwicklung des kindlichen Gehirns
• emotionale Sicherheit & Bezugspersonen geben Möglichkeit der Bewältigung von Herausforderungen
• positive Erfahrungen im emotionalen Bereich begünstigen positiven Umgang mit Konflikt-& Entscheidungssituationen
• breites Spektrum an Erfahrungen = breites Spektrum an Handlungsmöglichkeiten
• sichere Basis für späteres Handeln →aktives Auseinandersetzen mit neuen Situationen = Mut, Sicherheit,
Weltoffenheit
• mit der Kompetenz zur Problemlösung steigt Chance auf kritischen Umgang mit versch. Situationen& individuelle
Entscheidungsmöglichkeiten
• mehrere Bezugspersonen begünstigen vielfältige Erfahrungen & damit auch Übernahmemöglichkeiten von
Verhaltensweisen → früher Kitabesuch als mächtige Stellung, Einflussnahme der Eltern
→ Ohne eine sichere emotionale Bindung& eine damit verbundene Ausbildung verschiedener Kompetenz z.B.
selbstständiges Entscheiden& kritisches Hinterfragen, bleibt das Kind auch später (als Erwachsener) fremdbestimmt &
leicht manipulierbar.
Klassifizierung von Gewalt:
• physisch: zielgerichtete direkte körperliche Schädigung von Menschen, Widerstand überwinden durch körperliche
Gewalt
• psychisch: Beleidigungen, verbale Gewalt die psychische Schädigung hervorruft
• Unterlassung: Unterlassung von Hilfestellung,
Vernachlässigung
• kulturell: Ausschluss bestimmter Gruppen auf der Basis von Obsessionen mit Klassifikationen
• strukturell: Gewalt durch ein System durch ungleiches Machtverhältnis (Potenzielles > Aktuelles, Aktuelles
vermeidbar)
Gewalt Typologie: World Health Organization
• gegen die eigene Person: Autoaggression, suizidales Verhalten (Planung, Suche nach Mitteln, Ausführung)
• zwischenmenschliche: Gewalt unter Intimpartnern/ Familie oder von Mitgliedern der Gemeinschaft ausgehend:
Misshandlungen, sexuelle Übergriffe
• kollektive: gegen eine Gruppe oder mehrere Einzelpersonen gerichtete instrumentalisierte Gewaltanwendung durch
Menschen, die sich als Mitglieder einer anderen Gruppe begreifen → systematische Missachtung von
Menschenrechten = Durchsetzung von politischen, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen Zielen: Milizen, Terrorismus,
Völkermord
Aggression & Gewalt:
• Unterscheidung von Verhalten nach: legitim/ illegitim, destruktiv/ konstruktiv, unangemessen/ angemessen
• nicht jedes aggressive Gefühl äußert sich in aggressivem Verhalten, nicht jedem aggressivem Verhalten geht ein
aggressives Gefühl voraus (Bsp.: aus Gehorsam, zwecks Bereicherung) = keine feste Verbindung der Ebenen
• Aggressionsbegriff sollte sich daher nur auf Verhaltensebene beziehen
• einige Autoren verwenden Begriffe synonym
• gewaltsame Aggression: schwere, insbesondere körperliche Gewalt
• nicht aggressive Gewalt: indirekte, strukturelle Gewalt
• viele Triebtheoretiker: jede gerichtete, offensive Aktivität Aggression Gewalt
nicht
nicht gewaltsame
aggressive Aggression gewaltsame
Gewalt Aggression

Robert K. Merton (Soziologe): Aggression ist Folge gesellschaftlicher Anomie; es werden kulturell Ziele propagiert, die
viele Menschen auf legitimen Wegen nicht erreichen können. Gewalt ist ein Weg, diese Ziele doch noch zu folgen oder die
Nicht-Erreichbarkeit dieser Ziele zu kompensieren.

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2.2.1 Udo Rauchfleisch: Psychoanalytischer Erklärungsansatz von Gewalt
Zur Person:
• 1942-heute
• Psychologe & Psychotherapeut
Zum Modell:
• Rauchfleisch begründet die Entstehung von Gewalt psychoanalytisch, d. h. aus der Persönlichkeitsentwicklung in der
frühen Kindheit heraus
• weist aber auch darauf hin, dass
o die Gewissensbildung ein lebenslanger Entwicklungsprozess ist
o gesellschaftlichen Normen und Werte im Allgemeinen sowie im Besonderen die politischen,
weltanschaulichen und religiösen Haltungen und Werte der Bezugsgruppen, in denen Menschen sich
bewegen, dazu beitragen, ob Menschen gewalttätig handeln
Erklärung von Gewalt:
• bedeutsamen Stellenwert haben psychoanalytische Erklärungsansätze → viele Biografien von Gewalttätern enthalten
Hinweise auf problematische Familienverhältnisse & gravierende psychische Belastungen in Kindheit/ Jugend
• zurückzuführen auf Beziehungsstörungen und traumatische Erfahrungen in der frühen Kindheit → komplizierte
Persönlichkeitsstörungen → entwickeln ein aggressiv besetztes Selbstbild & ihre Beziehungen enthalten in starkem
Maße aggressive Komponenten
Ursachen von frühkindlichen Traumatisierungen:
• soziale Instabilität der Familie: Spannungen in der Familie, gravierende ökonomische Probleme
• vielfältige Beziehungsabbrüche, die als existenzbedrohlich erlebt wurden
• gewalttätige Menschen weisen Störungen der ICH-Struktur auf
• ÜBER-ICH ist zwar vorhanden, aber es ist kein kritisches, selbstreflexives Gewissen → keine Einfühlung in die Leiden
der Opfer
• ICH funktioniert nicht angemessen → ICH-Schwäche → Auseinandersetzung mit den psychischen Problemen findet
nicht statt aus Angst vor Überflutung von den vorhandenen Ängsten und Aggressionen
• zur Stützung des schwachen ICH werden Abwehrmechanismen wie Leugnung und Projektion eingesetzt
• weisen narzisstische Persönlichkeitsstörungen auf:
o benutzen Partner zur Aufwertung der eigenen Person
o manipulieren andere Menschen, um sich mächtig zu fühlen
o sind schnell gekränkt und haben eine geringe Frustrationstoleranz
Pädagogische Perspektive:
• gelungenen Eltern-Kind-Beziehungen, die es einem Kind ermöglichen, sich psychisch gesund zu entwickeln, ICH-Stärke
aufzubauen und ein selbstreflexives Gewissen auszubilden
• Eltern müssen an der Gewissensbildung ihres Kindes arbeiten & beim Kind Hemmungen gegenüber Gewalt aufbauen
→ bedeutet nicht, dass sie bei jedem Konflikt von Kindern intervenieren sollten, denn sie müssen auch lernen, ihre
Konflikte selbst zu lösen
• Kinder und Jugendliche müssen einen konstruktiven Umgang mit aggressiven Impulsen erlernen → helfen können z. B.
sportliche Aktivitäten, weil sie spannungsmildernd wirken
• frustrationsarme Umgebung ist für Kinder hilfreich
• Fähigkeit von Kindern, mit Frustrationen umzugehen, ist altersabhängig → Eltern sollten darauf achten, dass ihre
Kinder ihrem jeweiligen Alter entsprechend Geduld und Bedürfnisaufschub lernen → Impulse kontrollieren &
Frustrationstoleranz entwickeln → Selbstwirksamkeit stärken & Selbstentfaltung ermöglichen
• wichtig für einen konstruktiven Umgang mit Frustrationen ist auch Erwerb von Empathie

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2.2.2 Wilhelm Heitmeyer: Unzureichende Identitätsentwicklung am Beispiel von aggressivem
Verhalten
Zur Person:
• 1945-heute
• Professor für Erziehungswissenschaft spezialisiert auf Forschungen zu Gewalt, Rechtsextremismus und
Fremdenfeindlichkeit mit Hinblick auf Sozialisation
Individualisierungsprozess:
• Ziele: Platzierung & Präsentation zwecks Aufstieges, Sicherung & Erwerb von Statuspositionen = Kampf um
Anerkennung & Akzeptanz
• kapitalistische Marktgesellschaft = Individualisierungsprozess als Konkurrenzkampf → erfordert eigenständige
Lebensplanungskonzepte (aus biografischen, aktuellen, zukünftigen Erfahrungen, Entstehung& Chancen ihrer
Realisierung stark an die jeweiligen Milieus gebunden)
• Vorgehensweisen bei der Realisierung: aktive Problemlösungsversuche, apathisches/ fatalistisches Geschehenlassen,
gewaltförmige Handlungsweisen (Durchsetzung, aber Schädigungen)
• Entstehung von Gewaltpotenzialen durch Ambivalenzerfahrungen, asynchroner Kultur-/ Strukturwandel =
Desintegrations- & Verunsicherungspotenziale
• Wachsen von sozialen Ungleichheitsstrukturen wird als Auflösung des Sozialen erfahren (Gleichgültigkeit &
Rücksichtslosigkeit als gesellschaftliche Realität fördert Gewalt-Optionen)
• Gewalt als Ausdruck sozialer Prozesse, in denen strukturelle Bedingungen& individuelles Handeln zusammenwirken
• Gewalt kann nicht als Eigenschaft von Personen verstanden werden
• Aggression ist ein Versuch der Kompensation sozialer Desintegration & persönlicher Perspektivlosigkeit in einer
,,Marktgesellschaft", in dem Menschen sich nicht nur als ungleich, sondern auch als ungleichwertig ansehen müssen
• wichtige Aspekte:
o Gewaltbilligung& Gewaltbereitschaft werden in der individuellen Sozialisation erlernt
o in bestimmten Interaktionskontexten schlagen diese in Gewalttätigkeit um
o für den Gewalttäter hat sein Handeln einen subjektiven Sinn (konstruiert sich eine Legitimation für sein
Handeln)
Sozialer Desintegrationsansatz:
• Auftreten von Gewalt hangt zusammen mit fehlgeschlagenen gesellschaftlichen Integrationen + vermittelnde
Faktoren z. B. die Wohnumgebung
• Gewaltbilligung & Gewalttätigkeit hängen in einem starken Maß von Desintegrationserfahrungen ab
• Erfahrungsebenen/ Dimensionen:
o sozialstrukturelle Ebene (Arbeit, Wohnung, Konsum) → individuell-funktionale Systemintegration
o institutionelle Ebene (Sicherstellung gleichwertiger Behandlung, etwa in der Schule) → kommunikativ-
interaktive Sozialintegration
o personale Ebene (emotionale, soziale Beziehungen) → kulturell-expressive Sozialintegration
o gesellschaftliche Ebene → Wertepluralismus
• hohes Maß von Integration auf einer Ebene kann Desintegrationserfahrungen auf anderen Ebenen kompensieren,
eine Kopplung von Desintegrationserfahrungen auf mehreren Ebenen verstärkt Wahrscheinlichkeit dysfunktionaler
Problemverarbeitung
• Gewalt entsteht dann, wenn Desintegrationserfahrungen mit anderen Faktoren vermittelt werden, z. B. das Gefühl
der Nicht-Anerkennung, der Orientierungslosigkeit, der Machtlosigkeit, der Benachteiligung etc.
• Unterscheidung von objektiven/ subjektiven Formen der Integration, von faktischer/ subjektiv wahrgenommer
Einbindung (Gefühl& Bedürfnis nach Anerkennung)
• Verhaltensweisen: Rückzug (passiv), Gewalttätigkeit (aktiv), Abwertung (rassistisch oder von Minderheiten)
• Abwertung anderer = Kompensierung wahrgenommener Vorenthaltung eigener Integration + Stärkung des eigenen
Selbstwertgefühls
• Annahme: Spezifika des sozialräumlichen Kontextes haben Einfluss auf die individuellen Einstellungen &
Verhaltensweisen (z.B. Gewaltbereitschaft im Wohnumfeld & Abwertung gesellschaftlicher Gruppen)
• Gefühl von Machtlosigkeit & Orientierungslosigkeit + Desintegration in einer Ebene = Anerkennungsdefizite →
Abwertung anderer Gruppen & Gewalt möglich

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Varianten von Gewalt (bei einer negativen Individualisierung)
①expressive: Aufmerksamkeit, Einzigartigkeit unterstreichen, Langeweile → zielt auf die Person (unkalkulierbar)
②instrumentelle: als Mittel für Problemlösungen, z.B. Sicherung von Positionen, wenn Durchsetzungschancen sinken
→ zielt auf Vorteile Einzelner (kalkulierbar)
③regressive: fällt hinter demokratische Standards zurück (kollektive Variante der instrumentellen Gewalt) → zielt
auf Abgrenzung, Ausgrenzung von Gruppen
④autoaggressive: wenn kein Ausweg mehr aus einer prekären Lage mehr gesehen wird → zielt auf Zerstörung der
eigenen Unversehrtheit
Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit (GMF):
• Syndrom, das aus misslungener Integration entsteht
• Konglomerat aus abwertenden Einstellungen gegenüber Individuen aufgrund ihrer Gruppenmitgliedschaft =
Feindseligkeit → Gewaltpotenzial
• verschiedene Facetten eines generellen Phänomens
• Einstellungen bestehen nicht isoliert voneinander, sondern bilden gemeinsam ein Vorurteilssyndrom
• Kern: Ideologie der Ungleichwertigkeit = will die Abwertung rechtfertigen
• Abwertung ihrerseits kann wiederum als Legitimation für diskriminierendes & gewalttätiges Verhalten gegenüber den
als anders deklarierten Gruppen fungieren
• Bewertungskriterien für Gruppen verknüpft mit spezifischen sozio-historischen Faktoren& damit
zusammenhängenden Überzeugungssystemen& Mythen
• GMF als Akt psychischer Gewalt, weil er Individuen abwertet aufgrund ihrer Mitgliedschaft zu einer Gruppe
• GMF basiert auf Desintegrationserfahrungen, die als Gewalt erfahren werden& die durch Weitergabe der Gewalt an
schwächere Gruppen weitergegeben werden, um sich selbst über diese Gewaltanwendung aufzuwerten
• deutsche Syndrom GMF besteht aus zehn Elementen
o Xenophobie, Antisemitismus, Rassismus, Sexismus, Homophobie, Etabliertenvorrechte, Islamophobie,
Abwertung von obdachlosen Individuen, …von Personen mit Behinderung, …von Langzeitarbeitslosen
Personen
Handlungskonsequenzen:
• Desintegrationserfahrungen ersparen & zu Anerkennung verhelfen
• Verbesserung der Bildungschancen für Kinder aus bildungsfernen Elternhäusern → weniger schulische Misserfolge →
höheres Selbstwertgefühl → verbesserte Chancen auf ökonomische und soziale Teilhabe durch bessere
Berufsaussichten
• vielseitige Bildung & außerschulische Vereine
→ schulische Defizite & damit verbundenes Anerkennungsdefizit können durch außerschulische Anerkennung
kompensiert werden
Kritische Würdigung:
PRO CON
☺ zeigt, dass pädagogisches Handeln  Unsicherheitsfaktoren sind in wesentlichen
gesellschaftlichen Paradoxien nicht ausweichen Umbruchsphasen des Lebens (z.B. dem Eintritt in das
kann Schulalter, den Übergang ins Berufsleben, Heirat, Kinder)
☺ zeigt, dass alle Kinder bedingungslos als auszumachen → Mensch lernt im Laufe seines Lebens
gleichwertig angesehen werden müssen diese Desintegrationserfahrungen zu kompensieren
☺ zeigt, dass gesellschaftliche Ungleichheit immer  Menschen verfügen über eine unterschiedliche
wieder neu problematisiert werden muss Vulnerabilität, mit Krisen fertig zu werden → individuellen
Verarbeitungsmuster bleiben bei Heitmeyer
unberücksichtigt
 beschäftigt sich in seiner Analyse nicht mit der Gruppe der
sozial gut eingebundenen, gesellschaftlich abgesicherten
Jugendlichen → Blickwinkel richtet sich bei ihm allein auf
marginalisierte Jugendliche, die von
Deprivationserfahrungen besonders betroffen sind

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2.3 Chancen& Risiken der Nutzung sozialer Netzwerke für die
Identitätsentwicklung Jugendlicher
Allgemeines:
• digitale Medien spielen im Alltag der meisten Jugendlichen eine große Rolle → wichtige Sozialisationsinstanz
• Computerspielen und sozialen Netzwerken = interaktive Medien
• mediale Inhalte haben einen großen Einfluss auf das Bild, das sich Jugendliche von der gesellschaftlichen Realität
machen
• Erfahrungen, in sozialen Netzwerken etc. → wichtige persönliche Lebenserfahrungen, die kognitive und soziale
Entwicklung, Motivation, Empfinden & Verhalten beeinflussen
• Möglichkeiten:
o Austausch mit - auch weit entfernt lebenden - Freunden und Verwandten ohne Kontrolle von
Erwachsenen
o mit Gleichaltrigen zu kommunizieren und interagieren
o sich sozial und kulturell zu verorten und zugehörig zu fühlen
o sich als kompetent zu erleben und soziale Anerkennung zu erfahren, indem z.B. für YouTube kleine Filme
gestaltet werden
o im Austausch mit anderen Interessen zu entwickeln
→ es kommt auf die Art an wie Jugendliche Medien nutzen
Chancen für die Identitätsentwicklung:
• parasoziale Begleiter für Lebensalltag finden → Stars, virtuelle Personen oder Figuren aus Spielen oder aus Serien, mit
denen sich Jugendliche persönlich verbunden fühlen und sich identifizieren
• Rollenmodelle, Lebensentwürfe und Wertemuster, an denen sie ihr Verhalten orientieren können und die sie als
Bausteine für die Konstruktion ihrer Identität nutzen können
• Identitätsmanagement: Darstellung der eigenen Identität und Experimentieren mit Identitätsentwürfen, z.B. indem
Jugendliche ein eigenes Profil anlegen oder auf Bilder hochladen
• Beziehungsmanagement: Gestaltung ihrer sozialen Beziehungen, z.B. in Chats oder Communitys
• Räume der Vergemeinschaftung als auch der persönlichen Identitätsdarstellung → Integration als auch Individuation
Risiken für die Identitätsentwicklung:
• Suchtpotenzial, durch schnelle Erfolge z.B. in Form von Likes
• algorithmengestützte, persönlich maßgeschneiderte Aufbereitung von Inhalten im Internet erhöht Attraktivität des
Mediums → durch personalisierte Werbung verstärkt Konsum angeregt
• problematisch wird Nutzung sozialer Netzwerke, wenn Jugendliche erhebliche Probleme haben, die an sie gestellten
Entwicklungsaufgaben einigermaßen zufriedenstellend zu bewältigen → z.B., wenn die schulischen Leistungen
aufgrund exzessiven Medienkonsums nachlassen
• weitere Risiken:
o Cybermobbing
o gefährliche Kontakte im Internet
o Preisgabe zu vieler privater Informationen
o Ersetzen realer sozialer Kontakte durch virtuelle
o unverbindliches Sozialverhalten
o sozialer Druck zu permanenter Selbstinszenierung, um sich von anderen abzuheben und Aufmerksamkeit zu
erlangen → Förderung von Narzissmus
o Anpassung an die Normen und Werte der medialen Bezugsgruppen, um soziale Anerkennung in Form
möglichst vieler Likes zu bekommen → Förderung von Konformismus
o Gefühle des Ungenügens aufgrund ständiger Konfrontation mit geschönten Selbstdarstellungen der
Angehörigen von Referenzgruppen
o weltanschauliche und ideologische Einengung & Radikalisierung durch das Internet

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Ziel der Medienpädagogik:
Anlehnung an Dieter Baacke (Erziehungswissenschaftler, 1934-1999) → vier verschiedene Bereiche von
Medienkompetenz:
• Medienkritik: gesellschaftspolitisch problemorientiertes Hintergrundwissen, z.B. im Hinblick auf Fake News, Big Data,
gläsernen Menschen und die Interessen der Internetkonzerne → Reflexion des eigenen Medienkonsums und
ethischer Aspekte im Zusammenhang mit Medien
• Medienkunde: allgemeine Kenntnisse über Medien z.B. Sicherheitseinstellungen vornehmen, „das Netz vergisst nie“
usw.
• Mediennutzung: Fähigkeit, die Medien für eigene Zwecke sinnvoll zu nutzen & Selbstregulation d.h. Beherrschung der
Medien, statt beherrscht zu werden
• Mediengestaltung: Weiterentwicklung des Mediensystems wie z. B. das Programmieren kleiner Apps/ Gestalten einer
Website
Pädagogische Perspektive:
• Ziele:
o mündiger Umgang mit digitalen Medien
o eigene Urteilsbildung auf der Basis einer reflektierten Auseinandersetzung mit Chancen und Risiken digitaler
Medien
o reflektierte Entscheidungen & letztendlich eigenverantwortliches Handeln
o Selbstkompetenz → selbst Methoden für einen sinnvollen Umgang mit digitalen Medien entwickeln
• Zusammenstellen von Indikatoren für Suchtverhalten und Überprüfung der eigenen Mediennutzung in Hinblick auf
diese Indikatoren
• Erarbeitung von Regeln über Art und Umfang der Mediennutzung
• Durchführung von Aktionen, bei denen ältere Schüler als „digitale Scouts“ jüngere Schüler über Chancen und Risiken
digitaler Medien aufklären
• Erstellung eines Elternleitfadens für die Mediennutzung zu verschiedenen Altersphasen
• Anbieten von Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung in der realen Welt
• Durchführung von Schulprojekten zu den Themen Datenschutz, Cybermobbing etc.
• Durchführung von Schul-Workshops zur Mediengestaltung
• kompetenter Umgang mit Sicherheitseinstellungen

2.5 Wolfgang Klafki: Bildung als kategoriale Bildung & Ausbildung von
Selbstbestimmungs-, Mitbestimmungs-& Solidaritätsfähigkeit
Zur Person:
• 1927-2016
• Erziehungswissenschaftler, Professor für Pädagogik
Definition: „pädagogische Entscheidungen“:
• Entschlüsse des Erziehenden & auch der Subjekte von pädagogischen Bemühungen (in wachsendem Maße
mitwirkend) → Handlungsoptionen
• p.E. orientieren sich am Bildungsbegriff
o Bildungsbegriff als normative Grundkategorie
o Bildungsbegriff als zentrierte, übergeordnete Orientierungs- & Beurteilungskriterien
• Bildungsbegriff macht p.E. verantwortbar & begründbar

31
Bildungstheorien & Klafkis Positions zu diesen:
• Klafkis Ziel: den allgemeinen Bildungsbegriff definieren
Materiale Bildungstheorien Formale Bildungstheorien
Bildungstheoretischer ...des Klassischen ...der funktionalen Bildung ...der methodischen Bildung
Objektivismus
→ viel Wissen → wichtiges Wissen →geistige, seelische& → Methodenkompetenz
körperliche Fähigkeiten
• Lehrer = Aneignung von • nur das Klassische • keine Aufnahme/ • Bildung: Gewinnung &
Kulturgütern vermitteln bildet Aneignung von Inhalten, Berherrschung der
• tragende Kräfte der Kultur → klassich: alles mit sondern vielmehr Denkweisen,
geben Kreis & Struktur d. menschlicher Formung, Entwicklung; Gefühlskategorien,
Bildungsinhalte vor Qualität (Geistiges Reifung von körperlichen, Wertmaßstäbe, kurz: der
• Wissenschaft = hoher etc.) seelischen, gesitigen Methoden
Stellenwert → • Mensch kommt Kräften → diese „Kräfte“ • Anwendungsfeld in
Scientismus damit in Kontakt; lassen sich im Arbeitserziehung &
(Verwissenschaftlichung) macht es zu seinem Erwachsenenalter Erkenntnisbildung
• Wert der Bildungsinhalte Eigenen & bildet anwenden • ermöglicht die
= wissenschaftliche daraus seine Existenz • diese Kraft wird vom zu nachdrücklichste
Struktur der Inhalte  Bildung ist die Bildenden in anderen Verwirklichung des
 Bildung ist der Prozess in Aneignung der Situationen übertragen Prinzips der
dem Kulturgüter in ihrem allgemeinen klassischen  Bildung ist die Ausformung Selbstständigkeit des
objektiven So-Sein in die Inhalte eines Bereiches & Reifung körperlicher & Zöglings
menschliche Seele Eingang geistiger Kräfte  Bildung ist
finden , ohne Modifikationen Methodenkompetenz & deren
Anwendung
• gebildet ist, wer möglichst • gebildet ist, wer • gebildet ist, wer die in • gebildet ist, wer das
viel Wissen Goethe& Schiller sich schlummernden Lernen gelernt hat,
enzyklopädisch angehäuft gelesen hat& an körperlichen, geistigen& Methoden beherrscht&
hat ihnen sittlich gereift seelischen Kräfte instrumentelle
ist tatsächlich entfaltet Fähigkeiten aufgebaut hat
Klafkis Position
1. Bildung wird darauf 1.keine pädagogischen 1.Bildung wird als Ausbildung 1. Bildung wird auf die
reduziert, vorgegebene Auswahlkriterien was eines vorgegebenen Beherschung inhaltsloser
Inhalte (Kulturgüter) als „das Klassische“ ist→ „Vermögens“ verstanden → Methoden reduziert
fragloses Wissen zu Frage nach verneint die Lernfähigkeit → man kann Methoden nur in
übernehmen, Kulturgüter Verantwortlichkeit →Bildung wird auf Begegnung mit Inhalten
werden aus dem 2.das Klassische ist in der Anpassungsleitung reduziert erarbeiten, prüfen &
geschichtlichen Kontext Bildungsarbeit in 2 (Entwicklung von Kräften...) ausarbeiten →nicht isolierbar
genommen & zu Zusammenhängen 2. viele „Kräfte“ müssten →sie müssten dogmatisch
übergeschichtlichen, legitim: unendlich weiter differenziert vermittelt werden, welches
scheinbar objektiven& nicht a) anschauliche werden, da diese sonst viel zu dem Wesen der Theorie
befragbaren Bildungsinhalten Vergegenwärtigung der generalisierend wären widerspricht, man verfährt
stilisiert großen geistigen also angesichts der Methoden
2. Scientismus= Fehler im Grundrichtungen (in so, wie man es bei den
Charakter als ständig ihren „klassischen Inhalten vermeiden wollte
fortschreitender Vertretern“ 2.diese Fähigkeiten sind erst
Forschungszusammenhang b) geschichtliche in Korrelation zu den Inhalten,
3.besitzt keine pädagogischen Parallele zu einem auf die sie zielen verständlich
Auswahlkriterien & ist somit gegenwärtigen Problem,
der Fülle der Kulturgüter die erfolgreich war
ausgeliefert →dort endet
pädagogische
Bedeutung, denn viele
Aufgaben sind neu
→objektbezogen →subjektbezogen
Fazit: zu einseitig auf Wissen fixiert Fazit: zu einseitig auf Können fixiert

32
Kategoriale Bildung
materiale & formale
Bildungstheorie
Bildung:
Wirklichkeit …zugleich dadrurch & darin ↓
wird kategorial erschließt sich der Mensch
nichtadditive Synthese
erschlossen kategorial in seinen
(Wissen) und... Fähigkeiten (Können) für
diese Wirklichkeit.
• Wissen anwenden können
• Kombination von Wissen & Fähigkeiten
• man muss zuerst bestimmte Kategorien erlernen, um sich die
Wissen Können
Welt erschließen zu können
• Ziel: „gebildete Laien“
sich die Welt für die Welt • Lerninhalte von Bedeutung für Gegenwart & Zukunft
erschließen erschlossen • Doppelseitige Erschließung von Mensch & Umwelt
warden
Konfrontation=
kategoriale Bildung: im Kategorien Wirklichkeit
Erschließen der Verstehen, korrigieren,
Wirklichkeit sich selbst erweitern, erfassen
erschließen bildet/ muss sich
(dialektischer Prozess) verfügt über auseinandersetzen mit

SUBJEKT

5 Grundfragen der didaktischen Analyse als Reflexions- und Problematisierungshilfe:

• Lehrer muss sich mit der Frage beschäftigen, ob sich das Unterrichtsthema lohnt
• Frage zur Legitimation beruht auf den 5 Grundfragen:
1. Gegenwartsbedeutung  Interesse/Bedürfnisse der Schüler?
 Thema bereits bekannt?
 Zu welchen Aspekten Zugang? Welche noch fremd?
2. Zukunftsbedeutung  Thema lebendige Stellung im Leben der Schüler?
 In Zukunft noch eine Bedeutung?
 Zukunftsbezug den Schülern bereits bewusst?
 Erreichen genereller ethischer Ziele?
3. exemplarische  Welche allgemeinen zusammenhängenden Beziehungen, Gesetzmäßigkeiten,
Bedeutung Strukturen Widersprüche und Handlungsmöglichkeiten exemplarisch dargestellt?
 Grundsätzliche essenzielle Dinge an dem Lerngegenstand?
4. thematische  Was vorausgegangen? Was folgt noch?
Strukturierung  Strukturierung der Unterrichtseinheit?
5. Zugänglichkeit  Wie weckt man Fragestellung zu diesem Thema bei Schülern?
 Wie Schüler erreichen?

Kritisch-konstruktive Didaktik:
• Neufassung seiner bildungstheoretischen Didaktik ↑
• kritisch: Befähigung der SchülerInnen zu wachsender Selbstbestimmungs-, Mitbestimmungs- und Solidaritätsfähigkeit
(einschließlich Abbau hindernder Bedingungen)
• konstruktiv: Praxisbezug; Handlungs-, Gestaltungs-, Veränderungsinteresse
• „konstruktiv“, weil sie nicht mehr nur im Rahmen vorgegebener institutioneller und curricularer Bedingungen
Vorschläge macht, sondern darüberhinausgehende Möglichkeiten zur Verbesserung von Lehr- und Lernprozessen
ermitteln, entwerfen und erproben soll
→ aber keine konstruktivistische Didaktik

33
Erweiterung der Grundfragen der didaktischen Analyse (nun mit sieben Fragen):
6. Zugänglichkeit und  Sind die Darstellungsmöglichkeiten der Lehrinhalte der Lehrgruppe didaktisch
Darstellbarkeit angepasst, um die bestmöglichen Lernerfolge erzielen zu können?
 Was sind die Interessen der Lernenden? → eventuelle Veränderung zum
Zwecke der Durchführung eines geplanten Unterrichts?
7. methodische Strukturierung /  Ist die Abfolge eines Lehr-Lern-Prozesses sukzessiv gestaltet?
Strukturierung des Lehr-Lern- → fächerübergreifend zu verstehen: Durchdenken der Methoden des
Prozesses Lehrens und Lernens als Anreger und Vermittler sozialer Lernprozesse
Konzept der Konzentration auf epochale Schlüsselprobleme:
• Kernelemente müssen genügen d.h. einige Zentralprobleme → Konzentration auf epochale Schlüsselprobleme
→ somit soll exemplarisches, verstehendes Lernen zu Problembewusstsein, Selbst- & Mitbestimmungsfähigkeit führen
• Ziel: Fähigkeit, auch zukünftige, spezifische Probleme zu diskutieren, verstehen, lösen → Kontroversen sollen rational
ausgetragen werden → begründete & kritisch geprüfte Konsense erreichen
• das erfordert Schlüsselqualifikationen: Kritikbereitschaft, Argumentationsbereitschaft, Empathie, vernetztes Denken,
Selbstvertrauen, Frustrationstoleranz, Verantwortungsfähigkeit
• Bildung bedeutet demnach, ein geschichtlich vermitteltes Bewusstsein von Problemen der gemeinsamen Gegenwart
und/oder der voraussehbaren Zukunft
• Schlüsselprobleme sind nicht fest verbunden, Probleme können sich verändern
• man möchte Kompetenzen der Lernenden in ethischer, sozialer, emotionaler und kognitiver Hinsicht entfalten
o nicht gefordert Probleme zu lösen, sondern sollen in der Lage sein über Lösungsmöglichkeiten engagiert und
motiviert zu diskutieren → gemeinsam an Lösungsvorschlägen arbeiten
Konkretisierung der epochalen Schüsselprobleme:
• Strukturprobleme von gesamtgesellschaftlicher, meist sogar übernationaler Bedeutung, die gleichwohl jeden
Einzelnen zentral betreffen
• in die Zukunft hinein wandelbarer Problemkanon mit inhaltsbezogenen & kommunikationsbezogenen Komponenten
• Bsp.:
o Umweltfrage
o Friedensfrage
o Globalisierung
o demographischer Wandel
o gesellschaftlich produzierte Ungleichheit
o Gefahren & Möglichkeiten der neuen technischen Medien
o multikulturelles Zusammenleben
Fähigkeiten zur Problemlösung:
Kritikbereitschaft Argumentationsbereitschaft Empathie Vernetztes Denken

• Selbstkritik • man bemüht sich, die eigene • Fähigkeit, sich in • logisches Denken
• den eigenen Position und Kritik in andere • Verknüpfen von
Standpunkt Zusammenhang des Gesprächs Sichtweisen/Positionen Gedankengängen
offenhalten einzubringen hineinversetzen zu
• Überzeugungskraft • Gesprächspartner verstehen, können
und Grenzen gemeinsame Kritik • Prüfung verschiedener
eigener Argumente • Chance zum Erkenntnisfortschrift, Standpunkte
kennen muss begründet sein!

34
Drei Grundfähigkeiten → Ziel von Bildung:
Selbstbestimmungsfähigkeit Mitbestimmungsfähigkeit Solidaritätsfähigkeit
Fähigkeit, selbst zu Fähigkeit, sich politisch, • Einsetzen für Menschen, denen das
entscheiden in Bezug auf gesellschaftlich und kulturell zu Mitbestimmungsrecht untersagt ist, die
• Religion→ (keine) engagieren unterdrückt werden
Mitgliedschaft in Religion • Kompetenz notwendiges Wissen • Selbstbestimmungs- und
• Beruf→ freie Berufswahl, anzueignen (z.B. Mitglied in einer Mitbestimmungsrecht müssen auch für
Kurswahl in der Schule Partei; Wählen gehen; andere gewollt werden, es muss sich
• Ethik Zivilcourage; Engagement in dafür eingesetzt werden, dass andere es
• zwischenmenschliche Vereinen; ehrenamtliche auch haben
Beziehung → Gründung Tätigkeiten) • auch unter der Voraussetzung, dass man
einer Familie • Berücksichtigung der politischen eigene Interessen zurückstellt (z.B.
• individuelle Ziele und Meinung Spenden für gemeinnützige Zwecke,
Werte • Bedürfnis nach Mitbestimmung Demonstrationen, ehrenamtliche
• Verantwortung Tätigkeiten)
Wie könne diese Fähigkeiten • Vorleben
vom Erzieher vermittelt • Lob für Solidaritätsfähigkeit
werden? • dem Kind Wahlmöglichkeiten bieten
• Unterstützungsangebote (z.B. Berufsorientierung)
• Klassensprecherwahl
• Planspiel Europawahl
• Grundwissen (zur Religion etc.) vermitteln
Bildung als Allgemeinbildung im 3-fachen Sinn:
Bildung für alle Bildung im Medium des Bildung in allen Grunddimensionen
Allgemeinen
• Bildung als • Fokus auf Frage- und Freie Persönlichkeitsentwicklung & Berücksichtigung aller Interessen:
demokratisches Problemstellungen in • Verantwortung für den eigenen Körper (Pflege des eigenen
Bürgerrecht Bezug auf Körpers, gesunde Ernährung, Sport, Selbstakzeptanz)
• Grund- Gegenwart und • Lernmöglichkeiten (analytische Fähigkeiten, Leseverstehen,
voraussetzung Zukunft unter rechnen, schreiben)
für Selbst- Berücksichtigung der • Produktivität, handwerklich-technische Fähigkeiten
bestimmung Vergangenheit (Grundfähigkeiten im Werken, Kunstunterricht)
• gegen die • Gegenwart und • soziale Kompetenz (Schulbesuch: Kontaktmöglichkeit,
Ungleichheit, für Zukunft gestalten Freundschaften, respektvoller Umgang miteinander, Teamarbeit,
die (Selbstbestimmung, Diskussionen, Meinungsäußerung, Kritikfähigkeit)
Bildungschance Mitbestimmung und • ästhetische Fähigkeiten (Wahrnehmung, Erkennen von Kunst,
Solidarität) Perspektivwechsel, Gestaltung: Kreativität ausleben,
Urteilsfähigkeit: eigene Meinung zur Ästhetik eines Kunstwerks

35
3 Werte, Normen & Ziele in Erziehung & Bildung
3.1 Erziehung in verschiedenen historischen Kontexten
3.1.1 Erziehung im Nationalsozialismus
Aspekt Definition Bedeutung für Erziehung
Vererbung &  Mensch ist mit Geburt/ Anlage festgelegt  erzieherisches Einwirken hat kaum Wirkung
Anlage  bestimmte positive Eigenschaften werden  Positive Eigenschaften sind vorhanden & müssen nur gefördert
innerhalb einer Rasse vererbt werden
 „So musst du sein, du kannst dir nicht  Gute Kinder werden im Wohlstand groß, schlechte in Armut→
entfliehen“ Prinzip der „Aufsortung“ durch Auslese/ Ausmerzung der
Kranken schwachen (Sozialdarwinismus)
Rasse  festgelegt mit Geburt  nur arische / „gute“ Rassen müssen gefördert werden, denn
 bestimmte Rassen sind kognitiv limitiert Rest ist eh kognitiv nicht zu höherem in der Lage
 deutsche/arische Rasse ist die „gute“ & nur sie
kann Anforderungen des Führers gerecht
werden
Typus  keine Individuen  Erziehungssystem: es darf keine Individuen mehr geben
 Mensch hat nur Bedeutung in der  Uniformität ist das Ziel
Gemeinschschaft, in der Vereinzelung bedeutet
er nichts
 Formidee eines Menschen
Totalitaris-  diktatorische Form von Herrschaft, die in alle  völliger Widerspruch zu jeglichen Freiheiten
mus sozialen Verhältnisse hineinzuwirken strebt  Erziehung wird vom Führer bestimmt
 verbunden mit dem Anspruch, einen „neuen  Staat bestimmt ganzes Leben
Menschen“ gemäß einer Ideologie zu formen  HJ & BDM als einzig legale Erziehungseinrichtung seit 1936:
 Menschen sind dem System vollständig vollkommene Kontrolle durch NS-Regime
unterworfen  HJ verpflichtet bis 18. Lebensjahr, danach Wehrdienst
Führer-  Grundsatz der unbedingten Führerautorität  Führer als höchste Autorität, auch über Elternhaus
prinzip  Politisches Konzept & Propagandaformel  Unter der scheinbaren Fürsorge des Führers für sein Volk soll
 Pyramidenprinzip er vollkommene Unterworfenheit genießen → keine
 Gehorsamkeitsgrundsatz Selbstbehauptung, keine Kritik
Führerkult  übermäßige Verehrung & Glorifizierung Hitlers  Vorbildfunktion
 er tritt in allen gesellschaftlichen Bereichen auf  Frühe Indoktrination: „Du musst den Führer stolz machen!“
Indoktrina-  besonders vehemente, keinen Widerspruch &  Abschaltung von Kritik, Widerspruch, Diskussionen
tion keine Diskussion zulassende Belehrung  kein Hinterfragen
 durch Manipulation, gesteuerte Auswahl von  manipulierte Individuen
Informationen  Verzehrte Realität
Volksge-  völkisches Ideal einer weitgehend  Unterwürfigkeit
meinschaft konfliktfreien, harmonischen Gesellschaft, die  Zurückstellen eigener Bedürfnisse hinter die der Gesellschaft
scheinbar Klassenschranken &  Unterstützt Führerkult/ -prinzip
Klassenkampf hinter sich gelassen hatte  Heranzüchten von tapferen, aufopfernden Soldaten &
 Propagandawerkzeug Hausfrauen /Mütter
totaler  totaler Kontrollanspruch  Staat beansprucht jegliche Erziehung außerhalb des
Erziehungs- Elternhauses, der Schule (teilweise sogar darüber hinaus)
anspruch
Gruppen-  Majoritätsdruck  Keine Balance zwischen sozialer & personaler Identität →
druck  z.B. durch “Volksgemeinschaft” keine Mündigkeit, Identität
Rassen-  Arier: beste, stärkste Rasse  Verhinderung interkultureller Erziehung
hygiene  Vermeidung von Blutvermischung  keine Kultursensitivität
/-gedanke
25-Punkte  Parteiprogramm der NSDAP  Indoktrination des Staatsgedanken (keine individuelle Bildung)
Plan  Beschreibt Ziele der NSDAP  Erziehungsarbeit nicht nur in Schule, sondern auch in
 Anstreben eines Großdeutschen Reiches Jugendorganisationen, positives Christentum & gleichzeitige
 Anpassung aller Lehrpläne/ Ausbau des Negierung des Judentums
gesamten Volksbildungswesen zur  Druckausübung durch Androhung von Verfolgung, Enteignung,
strukturierten Vorbereitung der NS-Ideologie Todesstrafe als Erziehungsmaßnahmen bei nicht konformen
Verhalten
Nürnberger  1935: Blutschutzgesetz & Reichsbürgergesetz  Festsetzung der Rassenhygiene &
Gesetze Reichsbürgervorraussetzungen

36
Erziehung im NS: Erziehungsmittel/-ziele etc.:
Aspekt Inhalt
Menschenbild  Kinder mit guten Anlagen besitzen schon gute Eigenschaften, die nur gefördert werden müssen/
andere haben nie die Chance dies zu erreichen → kaum erziehbar, kaum lern- oder entwicklungsfähig
 Kinder werden in gut/ schlecht kategorisiert → von Gesellschaft vertretenes Bild
 Erziehung widerspricht Individualität:
→ Gleichartigkeit (keine Ich-Identität)
→ Gleichförmigkeit (hinsichtlich Denkens/ Handelns im Sinne der NS-Ideologie)
Erziehungsideal  Erziehung zum Volksgenossen → Anforderungen des Führers
 Mentalität: siegend oder sterbend
 Treu, gehorsam, friedliebend & kameradschaftlich gegenüber eigener Rasse, hart, mutig, ehrliebend,
ehrhaft, stolz, (im Krieg: gewalttätig, herrisch unerschrocken, grausam, beherrscht)
Erziehungsziele  Heroismus des Dienstes
 Aktivierung der Gemeinschaftsvision
 Idee der Deutschheit
 Ausbildung der kognitiven Fähigkeiten zweitrangig→ “mit Wissen verdirbt man Jugend“ (Baldur von
Schirach)
 Kerngesund, körperlich ertüchtigt, gestählte Körper → dient Selbsterhaltung des Volkstums, daher
der Gemeinschaftsaufgabe
 Vertrauen in die eigene Rasse / auf die Überlegenheit
 Wille zur Einordnung statt Selbstständigkeit
 Wille, DE zu dienen
 Kritiklosigkeit
 Strukturbefolgung: Befehl-Gehorsam
 Tapfere Frauen als Kameradinnen für ihre Männer
 Weiterreichung der Ideologie an Nachwuchs
 Deutsch denkend & handelnd, national/ völkisch
 Hausfrauen-/ Mutterrolle, Soldatenrolle
 Opferwilligkeit
Erziehungsmittel  Lernen früh Menschen nach Anlage wertzuschätzen/ abzuwerten
 Staat kann & muss in Selbstbestimmungsrecht eingreifen, um das Volkstum zu erhalten
 Körperliche Ertüchtigung
 Ideologische Schulung: Rassenkunde, Heimabende (für Rassenideologie, Führerglaube,
Kriegspropaganda)
 Aktive Freizeitangebote, Lager: grundsätzliche Sympathie für Hitler & Entwicklung von
Gemeinschaftsgefühl
 Fahnenappelle: Vermittlung von Ehrgefühl; Treue zur Fahne
 Lieder: emotionale Indoktrination
 Militärische Rituale
 Werkarbeit/ Nadelarbeit
 „Stunde der jungen Nation“ → Indortrination
 Uniform: Gemeinschaftsgefühl, Stolz
 Hitlers demonstrativ dargestellte Zuneigung zur Jugend: Selbstwertgefühl, Glorifizierung, Streben
Hitler stolz machen zu wollen
 Aufräumaktionen, Winterhilfswerk, Luftschutzdienst: Zweck d. Volksgemeinschaft
Struktur der HJ & BDM:
Hitlerjugend Bund deutscher Mädel
Aufbau  Streng hierarchische & undemokratische Struktur
 Gegliedert/ getrennt (regional, nach Geschlecht, nach Alter)
 Unterschiedlich große Einheiten (Kameradschaft, Schar, Stamm...) → hier möglich
Führer zu werden, aber nur wer angeborene „Führereigenschaft“ hat (von Schirach)
 Sonderverbände (Flieger-, Reiter-HJ usw.)
Selbstbild  Heranzüchtung tapferer,  Heranzüchtung starker Frauen als
deutscher, nationalsozialistischer Kameradinnen für ihre Männer&
Soldaten Mütter für den deutschen Nachwuchs
Mittel, um Jugendliche  Heimabende, Lager, Lagerfeuer, gemeinsame Lieder, Fahnenappelle, Sport,
zu begeistern Hilfsorganisationen, Hitlers demonstrativ dargestellte Zuneigung, Führerkult

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Historischer Verlauf der HJ & BDM:
Zeit Stadien /Phasen Kennzeichnende Merkmale
Vor Kampfzeit  Nationalsozialistische Ausrichtung
1933  ideologisch auf Hitler eingeschworen
 Trennung nach Geschlechtern
1933- Durchsetzungsphase  militärischer Drill
1936  zentralistisch organisierte Jugendarbeit
 ausgeprägter Totalitätsanspruch
1936- Konsolidierungsphase  Jugenddienstpflicht (14.-18.-Jährige)
1939  Zwangsmitgliedschaft
 ausgeprägte militärische Vorausbildung
1939- Radikalisierung  verstärkt Einsatz für den Kriegsdienst (Post, Bahn, Feuerwehr)
1945  viele HJ-Führer wurden eingezogen oder meldeten sich freiwillig
Hitlers Ideen zur Ausbildung junger Menschen:
RASSISMUS: nationalsozialistische Ideologie,
FASCHISMUS: völkische Indoktrination/ militärische Ausbildung,
TOTALITARISMUS: Erziehung zum absoluten Gehorsam/ Führerkult
Jugendoppositionen:
Gruppe Edelweißpiraten Weiße Rose Swing Kids
Ziele/  Wollten  Politisches Interesse  Musikinteresse
Anliegen Zwangscharakter, Drill,  Bekenntnis zur  Entzug der Bevormundung
Disziplin entfliehen Humanität & Indoktrination
 Über Sinnlosigkeitr &  Wollten freieres Leben &
Grausamkeit des Krieges eigene Kultur
aufklären
Mittel  Prügeleien mit HJ-  Flugblätter gerichtet an  Betont lässiges Auftreten,
Streifen gebildetes Bürgertum unmilitärische Kleidung,
 Strafrechtliche Delikte,  Aufruf zum aktiven langes Haar
Schwarzhandel & Kampf gegen NS-Staat  Angelsächsisches
Einbruch, Schießereien Verhalten, Bevorzugung
 Versuch ausländischer Musikstile
Gestapogebäude zu (Jazz, Swing)
sprengen
 Demonstrationen
→ radikal → politisch → kulturell
Fazit  Vielfältige Beweggründe, z.B politisch, unpolitisch usw.
 Kritik an NS-Ideologie-Konzepten
 Kritik an Erwachsenenwelt, Tradition zur Opposition, Selbstbehauptung, Unabhängigkeitskampf,
Idealismus
Gesellschaftliche Struktur und dessen Ziele:
Ideologie/ Erziehungsziele vermittelt z.B. in den Fächern angewandte Methoden
Merkmale der NS-
Gesellschaft
Diktatur/ Unterordnung/ Geschichte: negative Darstellung der Demokratie in der • Verwendung des
Führerprinzip Folgsamkeit Weimarer Republik Hitlergrußes
Militarismus Körperliche Sport • harte Bestrafung bei
(Vorbereitung auf Abhärtung, Erziehung Geschichte: Begründung der Kriegsmotivation z.B. über Ungehorsam
den Krieg) zum Gehorsam die „Ungerechtigkeiten des Versailler Vertrags“ • körperlicher Drill
Ideologie der Nationalstolz/ Deutsch/ Geschichte: Heldensagen über die Germanen • Ausschluss von
„Volksgemeinschaft“ Zusammenhalt Erdkunde: z.B. Legende vom „Volk ohne Raum“ Juden & anderen
Rassenideologie/ Abwertung/ Biologie: „Rassenkunde“ politisch
Antisemitismus Ausgrenzung Deutsch: in Schulbüchern enthaltene Falschbehauptungen unerwünschten
sowie Bilder, die Juden negativ & stereotyp darstellen Gruppen aus der
Sozialdarwinistische Verachtung von Biologie: wissenschaftlich falsche Übertragung des Schule
Ideologie Schwachen Evolutionsprinzip auf menschliche Gemeinschaften • politische
Mathe: Rechenaufgaben dazu, wie viel Steuergeld für Indoktrination der
Behinderte ausgegeben wird Lehrerschaft

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Klafkis Thesen zur Erziehung im NS:
Grungedanken:
• diktatorische, totalitäre politische Systeme sind - trotz inhaltlichen Unterschieden - in Erziehungspraktiken, -mittel & deren
angestrebten Wirkungen ähnlich
• nationalsozialistisches Denken & Praxis des Regimes lässt sich herausarbeiten & auf andere totalitäre Systeme übertragen
• wenn Praktiken ähnlich sind, lässt sich auch vermuten, dass erzielte Wirkungen ähnlich sind
Klafkis Thesen Erklärung Kritik
1 Radikale Frontwechsel sind in Ursprüngliche Begeisterung wurde ausschließlich durch
totalitären Systemen ungewöhnlich, emotional-ausgerichtete Mittel (Bsp. Lager) geweckt→
stattdessen gibt es Prozesse der diese irrational begründete Sympathie sind durch
Erosion, der Zersetzung ursprünglicher Realität (z.B. Krieg) & Rationalität (vernünftige Einwände
Begeisterung gegen Praktiken) erschütterbar
2 Familie ist wichtiger Faktor → pronationalistische Familienmitglieder unterstützen Hauptsächlich bis zur
pronationalistische Familie unterstützt Vereinnahmung durch Vorbildfunktion, Erziehung, Pubertät
Indoktrination Rollenaufteilung usw.
3 Pubertät führt zum Willen sich von der Versprechungen von Freiheit, Führerrollen &
Familie zu lösen & Verantwortung sprechen bei jungen Menschen
selbstverantwortlich zu werden → dies Geltungsbedürfnis an: Propaganda wie „Jugend führt
wurde bewusst in HJ aufgegriffen Jugend“, „Du wirst für eine besondere Aufgabe
gebraucht“
4 Jugendliche nahmen Schule nicht als Trotz Rassenkunde wurden in Schule relativ wenig Rassenkunde auch
wesentlichen Faktor für Ideologie- Gefühle & Begeisterung für NS angesprochen, evtl. da wenn geringer,
Überzeugung wahr dort noch intellektuelle Fähigkeiten im Vordergrund trotzdem bedeutsam
standen
5 HJ hat geringere Bedeutung für Strategien & Mittel der HJ vereinnahmten Gefühle & HJ auch politisch
politische Sozialisation im Sinne des Einstellungen der Jugendlichen zwar stark, wurden aber sozialisierend z.B.
NS als oft in Fachliteratur oft durch „grauen Alltag“, Drill, Märsche, Einordnung, durch Vermittlung
angenommen Kriegsdienst abgeschwächt von Rollenbildern etc
6 In NS-Beeinflussung scheint es wenig Denn NS-Ideologie hat aufgrund Rassismus immer auch
„signifikante Personen“ gegeben zu menschenverachtende Bestandtteile, die auf Jugendliche
haben unattraktiv sind
7 Emotionale Faszination nicht Anfängliche Begeisterung konnte durch Krieg &
anhaltend durch Realitätskonfontation lebensbedrohliche Situationen zu Ernüchterung werden
8 Erosionsprozesse & Ernüchterung Der durch HJ-Erziehung entstandene Führerkult wirkte
führen trotzdem meist nicht zur häufig einer umfassenden Systemkritik entgegen, denn
umfassenden Systemkritik & Jugendliche waren von Zuneigung Hitlers überzeugt &
Systemgegnerschaft, vor allem durch suchten Fehler deshalb woanders („Wenn das der Führer
Führerkult wüsste, was wir hier tun müssen, würde er uns helfen“)
Fazit: Klafki stellt fest, die totale Formierung sei nicht gelungen, trotzdem ist der Versuch folgenreich & trotz
Realitätskonfrontation die Begeisterung abflachte, führte dies während des Naziregimes oft nicht zum Widerstand
→ Einsatz emotionalisierender Erziehungsmittel kann kurz-/mittelfristig durchaus fanatische Begeisterung freisetzen & temporär
vereinnahmen
→ durch Konfrontation mit Alltag/ Realität flacht diese schnell ab
→ wenn Einstelllungen im Sinne der Demokratieerziehung langfristig erworben werden sollen, dann geht es weniger um
emotionalisierende Erziehungsmittel, sondern vorrangig um rationale Erziehungsstrategien die auf vernünftige Einsichten &
reflektierte Entscheidungen abzielen
→ wenn Mündigkeit das Ziel sein soll dann dürfen eingesetzte Mittel nicht die Mündigkeit missachten

39
3.1.2 Erziehung in der BRD 1949-1989
• Bundesrepublik Deutschland (gegründet Mai 1949) → Westmächte
• Demokratie mit marktwirtschaftlichem System
• Staat hört auf zu existieren → Millionen Menschen auf der Flucht
• Nürnberger Prozesse führen NS-Verbrechen vor Augen
• Ziele: Entnazifizierungspolitik, Umerziehung zur Demokratie, Reform des Bildungswesens
Gesellschaftliche Einstellung vieler Deutscher:
• Sehnsucht nach kleinem Glück
• Lebensfreude: „Es war wieder alles wie in alten Zeiten“
• Verdrängung der NS-Zeit, Ablenkung
• wenig Politikinteresse
• die Welt steht „offen“ für die Jugend → „innere Entspannung“
• Gründung BRD & DDR → Abgrenzung & politische Spannung
Bildungssystem der BRD:
• geprägt von Restauration (`45-`65)
• dreigliedriges System wie in Weimarer Republik wird wieder institutionalisiert
• dieses System vertritt einen pädagogischen Traditionalismus und Erziehungsziele, die nicht auf gesellschaftliche
Realität bezogen sind, sondern aus einem historisch geprägten Wertekanon abgeleitet sind
→ diese Erziehungsziele (Ordnung, Fleiß, Pünktlichkeit…) prägen die 50er Jahre & die Erziehung in der Familie
• technische Entwicklungen dieser Zeit spiegeln sich in den Erziehungszielen nicht wider
• die Erziehungsziele sind im Sinne Klafkis „traditionalistisch“ oder im Sinne Tenorths und auch Fends „restaurativ“
• Beziehung zwischen Erzieher und Edukant sind sehr streng & hierarchisch
• je nach Schulform & Tradition der preußischen Ständegesellschaft werden verschiedene Erziehungsziele propagiert:
o Hauptschule: Gehorsam, Fleiß, Anstand
o Gymnasium: intellektuelle & kulturelle Entfaltung
Erziehungsziele bis ungefähr 65:
Restauration statt • Ziele & Werte → Freude am Lernen & gegen Gewalt
Neuanfang • gegen Verführung durch rechtsextremes Gedankengut
• Chance auf Erfahrung der eigenen Kompetenz
o Vertrauen auf eigene Fähigkeiten
o Schulung von kritischem Hinterfragen
• Demokratieverhalten (Meinungen aushalten, Diversität tolerieren)
Re-education • Umerziehung zur Demokratie bezogen auf Bildung, Reform des Bildungswesens +
Demokratisierung
• Gesamtschulen, weniger dominante Erziehung (egalitär) ohne Unterwerfung &
Chancengleichheit in Bezug auf „Rasse“ und Bildung
• Kooperation zwischen Lehrer und Schülern, Selbstständigkeit, Vermittlung demokratischer
Grundwerte
• politische Bildung in ihrer Vielfalt
Restauration des • da zuerst wirtschaftliche Interessen im Vordergrund standen, wurde Bildungspolitik wieder
deutschen zur deutschen Angelegenheit
Bildungssystems
Widerstände gegen • Bayern lehnte es ab, die Ideen der Amerikaner in ihr Bildungswesen aufzunehmen
die alliierte • sie wehrten sich erfolgreich
Bildungspolitik • Briten & Franzosen ebenfalls erfolglos in Bildungsangelegenheiten
• Bildung als letzte Möglichkeit der Selbstbestimmung
Fehlende • Einsicht der Schuldfrage blieb lange Zeit offen → keine Einsicht von deutscher Seite
Auseinandersetzung • Negierung von Kriegsverbrechen (insbesondere Deportation von Juden)
mit Vergangenheit • lange Zeit Glorifizierung der NS-Zeit

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Wandel der Erziehungsziele:
Pädagogische Bildungsexpansion (1965 - 1980) Konsolidierung & Neuordnung der
Restauration (1949 - 1965) Erziehungsziele (1980 - 1989)
• Alliierte versuchen den • Gastarbeiter wurden Mitbürger → ethnische und • neue Arten des Zusammenlebens
Deutschen moralische kulturelle gesellschaftliche Zusammensetzung wurden gesellschaftlich akzeptiert →
und politische änderte sich Singles, Wohngemeinschaften,
Niederlage klar zu • Sputnik-Schock: Amerikas Überlegenheit in der Partnerschaften ohne Ehe etc.
machen Wissenschaft wollten die Deutschen einholen • Kampf für Gleichberechtigung der
• Deutsche versuchen • höherwertige Schulabschlüsse für qualifizierte Geschlechter
Kriegserlebnisse zu Arbeitskräfte • Friedens- & Ökologie Bewegungen
verdrängen, • mehr Bürger für die Bildungsreform, dennoch nur • Musik als Identitätsgewinnung
Verbrechen waren ein Stück-für-Stück vorankommen Jugendlicher
Tabu-Thema • von Pflicht- und Akzeptanzwerten zur • Recht auf Bildung für alle
• Bildungsreform war Selbstentfaltung • demokratische Schule: Probleme,
nicht gewünscht, da an • bewusstes Erziehen zum Ungehorsam mit Ziel Aufgaben und Gefahren gemeinsam
traditionellen Werten von unabhängigen Denkern bewältigen, Mitbestimmungsfähigkeit,
festgehalten werden • Rolle des Mannes und der Frau verschwimmen Bildung in allen Dimensionen,
wollte • persönliche Entwicklung und Solidaritätsfähigkeit, Selbstbestimmung
• Befehlshaushalt, Selbstverwirklichung stehen im Vordergrund der (→Klafki)
autoritäre Erziehung liberaleren Erziehung • Verhandlungshaushalt

3.1.3 Erziehung in der DDR 1949-1989


Deutsche Demokratische Republik (gegründet Okt. 1949) → Sowjetunion → politische Diktatur mit sozialistischer Planwirtschaft
DDR BRD
Erziehungs- • sozialistische Persönlichkeit • Achtung, Respekt, Toleranz
ziele • geistig, moralische, körperliche Entwicklung • Bereitschaft zum sozialen Handeln
• sozialistische Arbeitsstellung • Erziehung im Geiste der Menschlichkeit, Demokratie,
• Partizipation Freiheit, Duldsamkeit
• Verantwortungsgefühl gegenüber der Gesellschaft • Achtung / Ehrfurcht vor Gott
• Einfügen in die Gemeinschaft, Disziplin, • Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen
Angepasstheit, Solidarität, Sowjetbezogenheit, • Liebe zu Volk und Heimat
Bescheidenheit, Bodenständigkeit, Gleichstellung, • Individualisierung
Zufriedenheit, Vermittlung kommunistischer Werte • Formen der mündigen Staatsbürger
• Kollektivität im Fokus • Respekt vor Interessen und Perspektiven anderer
• Akzeptanz des Mehrheitsprinzips als politisches
Entscheidungsprinzip
• selbstständiges Urteilsvermögen
Beteiligte • Staat, Jugend, Gesellschaft, FDJ (Freie Deutsche • Staat und Gemeinschaft bietet den Kindern Schutz → Recht
Instanzen Jugend), Eltern, Lehrer, Verbündete, Arbeiterklasse, auf Entwicklung / Entfaltung
Freunde, Mitschüler, (Sowjetunion) • Eltern / Familie
• Lehrer (Berufsausbildung)
• Kirche (Religionsgemeinschaft)
• Parlamentarischer Rat / Präsident
Entsprech- • Gemeinschaft steht im Vordergrund • Vielfalt der Interessen (freie Entwicklung u. Entfaltung)
ungen zum • politische Macht der Arbeiterklasse • Gleichheit von Mann u. Frau vor dem Gesetz
jeweiligen • gemeinsame Interessen von Bedeutung → Nutzen für • soziales Handeln
Menschenbild alle • Urteils- und Handlungskompetenz
• Aneignung des Marxismus • Perspektivenübernahme
• Gesellschaft ohne Klassen • aktive und aufgeklärte Bürger
• Zusammenhalt / Aufrichtigkeit • Meinungsfreiheit
• sozialwissenschaftliches Wissen
• Recht auf Bildung / Schutz vom Staat
Jugend- • FDJ (Freie Deutsche Jugend als einheitliche • Pfadfinder, CVJM (Christliche Verein Junger Menschen),
organisationen sozialistische Jugendorganisation → hohe Leistungen Junge Union, Falken
für den Sozialismus), Jungpioniere, Jugendweihe
Unterschiede • polytechnische Oberschule (für die Allgemeinheit): 1- • mehr Möglichkeiten auf dem schulischen Weg (Auf- und
der 10. Klasse Abstiegschancen / Durchlässigkeit)
schulischen • Schulsystem bestehend aus gemeinsamem Unterricht • aufgeteilt in Grundschule und weiterführender Schule
Bildung für alle • Schulsystem beruht auf Auslese
• Fördern der Gemeinschaft • Individuen werden gefördert
• Kinderkrippe / Kindergarten • Kinderkrippe und Kindergarten
• Erweiterte Oberschule führt zum Abitur • Gymnasium führt zum Abitur

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3.2 Reformpädagogik
3.2.1 Maria Montessori: Montessoripädagogik
Zur Person:
• 1870 - 1952 aus Italien
• Ärztin
• 1 Sohn: Mario, den sie abgeben musste auf Grund ihrer Karriere (mit Giuseppe Montessano, unehelich)
• Casa dei Bambini, Il methodo (Hauptwerk)
Zum Modell:
• christliches Weltbild
• naturwissenschaftlich orientiert
• humanistisches Menschenbild
• Reformpädagogik
 geht von der Psychologie des Kindes aus
 unter Anerkennung staatliche Richtlinien & Lehrpläne
 Erwachsene als Angeklagte & gegen die Lernschule
"Hilf mir, es selbst zu tun!":
• Eigenständigkeit & Selbsttätigkeit
• fordert Geduld & Demut
• kein passives & rezeptives Wesen
• Persönlichkeit im Vordergrund
• Konzentrationsfähigkeit
Absorbierender Geist:
• geistige Kraft Umwelteindrücke schnell & mühelos zu speichern
• nicht bewusst
• durch vielfältige, interessante Reize
• ermöglicht Erwerb einfachster Verhaltensweisen, Spracherwerb, Kulturverständnis schon in den ersten Jahren
Altersgemischte Jahrgänge:
• Helfen & Hilfe annehmen
• Orientierung & Vorbilder
• heterogene Gruppen
Polarisation der Aufmerksamkeit:
• ausdauernde, wiederholende Beschäftigung ohne Ablenkung von Geräuschen oder anderen Aktivitäten
in seiner Umgebung
• bis zur Zufriedenheit mit dem Fortschritt der inneren Bildung
1) in einer sensiblen Phase
2) Umgebung: interessant (großes Angebot von Materialien, interessant, phasengerecht)
3) Pädagogin im Hintergrund, unterstützt Kind, jedoch nicht stören oder ablenken
→vier Phasen einteilbar:
• Vorbereitung
• Große Arbeit
• Vertiefung & Erweiterung
• Abschluss
Baumeister seiner selbst:
• Persönlichkeitsaufbau auf selbstständige Weise
• Entfaltung geschieht durch individuellen Plan & das Tempo wird allein vom Kind vorgegeben
• durch Absorption der Umwelt: sowohl günstige als auch ungünstige Entwicklungsbedingungen
→ Identitätsfindung & autogene Entwicklung

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Entwicklungsmaterial:
• vier Kategorien: Sinnesmaterial; Mathematikmaterial; Sprachmaterial; Material für Übungen des praktischen Lebens
• Entwicklung von intellektuellen, psychischen & motorischen Fähigkeiten
• Isolierung der einzigen Eigenschaft im Material
→ weitestgehende Isolierung eines angesprochenen Sinnes
• Merkmal der Begrenzung
→ mengenmäßig begrenzt, da die ungeordnete Vielzahl von Dingen in der Umgebung kindlichen Geist
mit neuem Chaos beschwert & entmutigt
• Merkmal der Ästhetik
→ Attraktivität = Anziehungskraft → fordern Kind auf, sich aktiv handelnd damit zu beschäftigen
• Merkmal der Aktivität
→ Aktivität muss den Charakter einer „unerschöpflichen Anziehungskraft“ haben
→ muss Aufmerksamkeit & Interesse des Kindes wecken/halten
• Merkmal der Fehlerkontrolle
→ sachlichen Fehlerkontrolle =Kind kann seine Fehler selbst entdecken & korrigieren lernen, Korrektur
des Erziehers wird stark relativiert
→ Erwerb kindlicher Unabhängigkeit & Selbständigkeit
Freiarbeit:
• Inhalte, Sozialform frei wählbar
• Stille-/ Freiarbeitszeiten
• eigenes Tempo, Konzentration, Motivation
• Kontakt mit Mitschülern: Fehlerkontrolle, Hilfestellung
• frei im Raum bewegen
• Vorbereitung, Ausstattung = Voraussetzung
Kosmische Erziehung:
• Zusammenhänge im ganzen Kosmos darstellen
• Wechselbeziehung Mensch & Natur
• Platz im „Großen Ganzen“ finden, verantwortungsbewusst handeln
• Ziel: Weltfrieden, natürliches Gleichgewicht, Weiterentwicklung
Vorbereitete Umgebung:
1) zeitlich: klare Strukturierung des ganzen Tages, genug Zeit für Freiarbeit
2) räumlich: Bewegungsfreiheiten, übersichtlich & strukturiert, freundlich & kindgerecht, themenstrukturiert
3) sachlich: vielseitige, ästhetische, geordnete, gepflegte Materialien, alle Bereiche der Wirklichkeit, phasengerecht
• Lern- & Lebenswelt so vorbereiten, dass das Kind sich wohlfühlt & Möglichkeit hat, eigene Wahl zu treffen
• Einrichtung des Klassenraums: entspannte Umgebung
• vielfältige intellektuelle, soziale & emotionale Kontakte
• Möglichkeit von offenen Türen für eine Freiheit des Verkehrs unter den Gruppen
• übt keinen Druck aus, gibt äußere Struktur
Übungen der Stille:
• Bedürfnis nach Stille & Konzentration
• Voraussetzung: gewisse innere Ordnung
• gehen auf der Linie mit spielerischen Elementen
Spiel & Arbeit:
• aktive Arbeit indem es sich entwickelt & Umwelt für sich nutzbar macht
• Abbrechen als Individualreaktion
• wünscht keine Erlösung von der Mühe
• kein Arbeitsertrag erwartet

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Rolle der Lehrperson:
• wichtige Eigenschaften: Geduld, Ruhe, Demut, Barmherzigkeit
• beobachten, eigene Impulse zurückhalten
• keine Gegenstände anbieten, die die Kinder nicht verstehen
• äußerliche disziplinare Ordnung beibringen
• individuelle Fähigkeiten der Kinder kennen → kindliche Begeisterung anregen
• spontane Impulse der Kinder berücksichtigen
• Hauptaufgabe: Gebrauch des Materials erklären, Mittler zwischen Material & Kind
• „Schutzengel“ → wacht darüber, dass das Kind nicht (von anderen Kindern) gestört wird
Bild vom Kind:
• aktiv, konstruktiv
• mit Umwelt interagieren
• braucht Anregungen zur Entfaltung, Liebe & Beachtung
• bringt Hoffnung durch neue Impulse: ewiger Messias
• Kinder sind Geschöpfe Gottes → Hochachtung
• handelt aus inneren Bedürfnissen heraus
• hat ein eignes Tempo
• eigene Begabungen & Persönlichkeitsmerkmale
• epistemisches Subjekt, epigenetischer Prozess, konstruktivistisch
Ziele:
• im Gegensatz zu staatlichen Schulen nicht die natürliche positive Entwicklung behindern
• stattdessen positive Entwicklung ermöglichen
o dem kindlichen Geist Ordnung geben
o Unabhängigkeit des Kindes vom Erwachsenen
o Mündigkeit
o Normalisierung des Kindes: erfolgreiche Umstellung auf die Montessori-Pädagogik, haben sich an eine freie
Entfaltung ihres Potentials gewöhnt & können dementsprechend handeln
o Rücksicht, Achtung vor Natur & Mensch
o Übernahme eigener Verantwortung für die Erhaltung des Kosmos & für Weiterentwicklung der menschlichen
Kultur
o Interesse, Ausdauer bei Arbeit → verbunden mit Selbstdisziplin
• höchstes Ziel:
o Kinder & Jugendliche heranwachsen zu sehen, die über alle ethnischen, nationalen & sozialen Grenzen
hinweg Frieden in der Welt schaffen
Sensible Phasen:
• temporäre Phasen in denen das Kind besonders empfänglich für best. Reize ist
• Möglichkeit: Erlernen bestimmter Fähigkeiten
• unbeeinflussbar durch Erwachsene& Schutzengelfunktion
• neurologisch untermauert
Alter Sensivitäten Merkmale Hilfen
0-6 • Ordnung • Ordnungsbedürfnis • stabile Familienverhältnisse
Psychischer & • Bewegung • Gemeinschaftsgefühl • klare Lebensregeln
sozialer Embryo • Sprache • Herausbildung der Persönlichkeit • äußere Ordnung
• Sozialverhalten
7-12 • Moral & Gerechtigkeit • sozialmoralische Fähigkeiten • soziale Prinzipien & Gesetze
Sozialer • Sachlichkeit • "Untersuchung des Details das • "Keim der Wissenschaft" legen
Neugeborener Studium des Ganzen im Gang"
13-18 • persönliche Würde • Ablösung von Eltern • eigenständig verfügbare Freiräume
Sozialer Mensch • soziale Verantwortung • Suche nach Wert-/ • pädagogisch
• Selbstvertrauen Normensystemen gestützte Gelegenheiten zum
• Selbsterprobung selbstverantwortlichen Handeln&
zur Selbsterprobung

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Kritische Würdigung:
PRO CONTRA
☺ keine starre Unterrichtsstruktur  einseitig naturwissenschaftlich
☺ Zeit & Raum für individuelle Entwicklung  Ausfall einer Didaktik subtiler Sinnesvermittlung
☺ starke Eigeninitiative & Förderung der Selbstständigkeit  es fehle eine schulische Tradition des Erzählens
☺ Materialien beruhen auf eigenständigem Begreifen =  Förderung von Fantasie & Kreativität fehlt
handfester Sinn  Materialien nach zu strengen Ordnungsprinzipien =
☺ eigenes Lerntempo kein Platz für unterschiedliche/ mehrschichtige
☺ schnelle Gewöhnung an veränderte Lernbedingungen Lösungen
☺ kein Leistungsdruck  auf subjektiven epochalen Kenntnissen aufgebaut
☺ individuelles Zeugnis  es fehlen handwerklich-musische Aktivitäten/ kurze
☺ Struktur = verschiedene Arbeitsphasen Lehrvorträge
☺ jahrgangsübergreifend = Helfen & Hilfe annehmen  religiöse Heilserwartungen, Idealisierung des Kindes,
☺ Lehrer als passive Beobachter = besserer Lerneffekt Überschätzung der Bedeutung der Pädagogik
☺ integrative, inklusive Klassen  individuelle Erarbeitung nicht immer sinnvoll
☺ gezielte Stärken-/ Schwächenerkennung  schlichtes Weltbild: böse Erwachsenen – gute Kinder
☺ gezielte Forder-/ Förderaufgaben  Kinder lernen nicht unter Druck zu arbeiten
☺ kein Leistungs-/ Wettbewerbsdruck  keine klare Rückmeldung / Regeln/ Strukturen
☺ Kind lernt Selbstdisziplin/ sich selbst zu motivieren  keine HA = Kinder setzen sich nur in der Schule mit
☺ Kind wählt Arbeit selbst aus Lerninhalten auseinander
☺ Lehrerteams = bessere Hilfestellung  Nachmittagsunterricht = weniger Freizeit
☺ Gesamtschule = auch leistungsschwächere Schüler  Freiarbeit für einige nicht angemessen = ineffektiv
☺ enge Kooperation mit Eltern  einige Themen zu komplex für Freiarbeit
☺ die meisten modernen Montessori-Kindergärten halten  Freiarbeit sehr zeitintensiv
sich nicht dogmatisch an Montessoris Konzept, sondern  Gefahr der Demotivation
greifen Kritik und wissenschaftliche Erkenntnisse auf  Materialien nicht passend für alle Themen bzw.
erfüllt nicht Montessoris Ansprüche

3.2.2 Rudolf Steiner: Waldorf-Pädagogik


Zur Person:
• 1861-1925
• Philosoph, Naturwissenschaftler & Goethe-Forscher
Zum Modell:
• 1919 erste Schule: Gründung mit Emil Molt (Besitzer der Waldorf Astoria Zigarettenfabrik) für Arbeiterkinder aus
Stuttgart
o erste Gesamtschule (alle Abschlüsse möglich)
• erstmalige Verwirklichung des Prinzips der sozialen Gerechtigkeit im Bildungswesen
• im Nationalsozialismus alle deutschen Schulen aufgelöst
o erst nach Krieg Neubeginn möglich
Grundlagen:
• Anthroposophie (von Rudolf Steiner entwickelt)
o erweitert den Begriff “Anthropologie” zu Anthroposophie
o will den ganzen Menschen erkennen
o Mensch ist hauptsächlich geistiges, nicht materielles Wesen
• Dreigliederung des Menschen
o Seele, Leib & Geist
o Menschen müssen in Denken, Fühlen & Wollen gleichberechtigt geschult werden
• Viergliederung des Menschen
o neben physischem Körper noch 3 übersinnliche Wesensglieder:
o Ätherleib trägt Wachstumskräfte
o Astralleib trägt Seelenleben
o “Ich” trägt unsterblichen geistigen Kern
o diese Glieder verlassen im Abstand von 7 Jahren übersinnliche Hülle

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• Entwicklung des Kindes in Jahrsiebten
o 1. Jahrsiebt:
 nachahmendes Wesen
o 2. Jahrsiebt:
 benötigt Autorität des Erziehers
 Mensch, zu dem er aufschauen kann
o 3. Jahrsiebt:
 eigenes persönliches Innenleben
 möchte Sinn & Zweck der Dinge & eigenen Lebens erfahren
o 4. Jahrsiebt:
 Persönlichkeitsreife
 Mündigkeit
Ziele & Methoden:
• entwicklungsorientierter Lehrplan
• Unterrichtsinhalte/ -methoden auf Prozesse kindlichen Denkens u. Stufen menschlicher Entfaltung in der Kindheit
abgestimmt
• gesellschaftlichen Leistungsdruck vermindern
• Ziele:
o innere menschliche Freiheit
o Heranreifen zu eigenverantwortlicher Persönlichkeit
o Entwicklung von sozialer Kompetenz
o Entfaltung der Kreativität
o Lernen im gegenseitigen Miteinander
 Leistungsstarke helfen Leistungsschwachen etc.
Umsetzung in der Schule:
• Epochenunterricht:
o in Fächern mit geschlossenen Sachthemen (Mathematik, Geschichte, Naturwissenschaften etc.)
o Fächer, die permanente Übung benötigen (Fremdsprachen etc.) werden in Fachstunden unterrichtet
• bildhafter Unterricht:
o besonders in den ersten Klassenstufen
o Unterrichtsinhalte veranschaulichen
o Möglichkeit, Charakter u. Gesetzmäßigkeiten der Dinge im Sinne echter Bilder zu verstehen & erleben
• künstlerisch-harmonischer Unterricht:
o besonders in der Mittelstufe
o lebenspraktische Orientierung
o differenzierte Ausbildung des eigenen Willens
o Bsp.: Schnitzen, Gartenbau, …
• wissenschaftlicher Unterricht:
o besonders 8.-12. Schuljahr
o Jugendliche streben nach eigener Urteilsbildung
o Unterricht soll so vertieft werden, dass er sich mit Lebensfragen der Jugendlichen verbinden lässt
• keine strengen Verhaltensvorgaben
o weniger sitzen, mehr Bewegungsfreiheit
• Bewegung & Sinnesschulungen in Unterricht integriert
o Lernen des Schreibens u. Rechnens mit rhythmischen Bewegungen verbunden (Eurythmie)
• breitere Auswahl an Unterrichtsfächern
o Handarbeit, Stenografie, Singen, Handwerk, Feldmessen, Spinnen, etc.
• Schulgeld je nach Einkommen gestaffelt
• Persönliche Leistungsberichte anstatt Notenzeugnisse
• Einteilung in Temperamente für individuelle Förderung: Melancholiker, Choleriker, Sanguiniker, Phlegmatiker
• Einteilung der Klassen unter Berücksichtigung von: Herkunft, Charakter, Reifegrad
• striktes Medienkonzept: elektronische Medien werden nur in Ausnahmefällen verwendet
• enge Zusammenarbeit mit den Eltern: werden dazu angehalten, Prinzipien auch zu Hause zu achten

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Kritische Würdigung:
PRO CON
☺ Anthroposophie = Bestreben sich an der tatsächlichen Entwicklung von  Jahrsiebte ≠ individuelle Entwicklung
Kindern und Jugendlichen auszurichten  laut Steiner erst im Jugendalter eigene
☺ berücksichtigt graduelle Entwicklung des Menschen Urteilsbildung zugestehen
☺ Sollen friedliches, gemeinsames Lernen verschiedener sozialer Schichten  nur wenige Kinder der unteren sozialen
ermöglichen= Toleranz/ Achtung/ Respekt Schichten/ Zusammensetzung der
☺ 8 Jahre Unterricht im Klassenverband = stabiles Umfeld, Sicherheit Klassen erfolgt nicht willkürlich =
☺ Lehrer sollen jeweilige angeborene “Temperamente” eines Kindes Zweifel, dass soziale Ungleichheiten und
berücksichtigen= beschäftigt sich mit der Persönlichkeit jedes einzelnen deren Folgen für das gesellschaftliche
Kindes Leben vermieden werden
☺ Bewegung, Sinnesschulung, Eurythmie täglich = allseitige Förderung/  Eurythmie schreibt Bewegungen vor =
Motivation/ Konzentration ≠ Monotonie Kreativität nur innerhalb eines engen
☺ Kreativität und Teamfähigkeit besonders wichtig = soziale und vorgegebenen Rahmens
kreative Entwicklung/ Entfaltung  Selbstfindung/ Charakterbildung
☺ viele Unterrichtsfächer = vielseitigere Bildung/ Vorbereitung auf alltägliche begrenzt
Aufgaben  Umgang mit elektronischen Medien
☺ eigener Lehrplan & keine Notenzeugnisse stattdessen Leistungsberichte = strikt beschränkt = Abkoppelung von
persönlich, ermutigend, weniger erdrückende Zwänge und fragwürdige der realen gesellschaftlichen Welt
Leistungskonkurrenz  Legitimierung gegenüber staatlichen
☺ elektronische Medien nur in Ausnahmefällen= Schutz vor frühen und Institutionen nur begrenzt = z. B.
einseitigen gesellschaftlichen Leistungsanforderungen sowie frühzeitigen einseitigen Manipulation
multimedialen Einflüssen  fachliche Ausbildung geringer
☺ enge Kooperation mit Eltern= Transparenz/ Schule als integrierter Raum in  naturwissenschaftliche Ausbildung im
das Leben der Kinder = zu starke Grenze soll vermieden werden Hintergrund, dafür
☺ Gesamtschule= freie Wahl des Abschlusswunsches = auch Betonung künstlerisch-literarischer
leistungsschwächere Schüler in der Klassengemeinschaft Fächer = einseitige Ausbildung
☺ Sprachfähigkeiten besonders gefördert
Fazit:
➢ Mensch im Mittelpunkt= in vielen Bereichen inviduellere, vielseitigere Ausbildung
➢ als Schonraum = stabiles, geordnetes, geschütztes Umfeld als Lernumgebung
➢ Defizite im Sinne der Abgrenzung von gesellschaftlichen Problemen (bspw. soziale Ungleichheit etc.) & kritischer
Reflexion des eigenen Charakters/ eigener Werte

3.2.3 Reggio-Pädagogik
 Konzept wurde in den 1970er Jahren unter Federführung des Lehrers Loris Malaguzzi in der Stadt Reggio Emilia
entwickelt
Bild vom Kind: Präskriptive (vorschreibende) Elemente
• Kinder sind Erwachsenen gleichwertig
• haben eigene Kultur & Wege zu lernen
• Erbringen eigene Leistungen
• von Geburt an Menschen
• unbedingte Wertschätzung!
o Deskriptive (beschreibende) Elemente
• individuell, neugierig
• mit eigener Identität
• besitzen Ressourcen
• gestaltet Entwicklung selbst
• bringen Fähigkeiten von Geburt an mit, die sie ständig weiterentwickeln → möchten Potenziale ausbauen
• Forscher und konstruieren eigenständig ihr Wesen
• verfügen über „100 Sprachen“ → “99 werden ihm geraubt“ (= Reformpädagogik)
• eigene Zeitstruktur
• soziale Wesen
• aktive Konstrukteure ihres Wissen

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Rolle der • kontinuierliche Überprüfung des Bildes durch:
Erzieher: o Dialoge, Dokumentation des Lernprozesses, Herausforderungen + Ausdrucksmöglichkeiten
• erkennen als eigenständiges Individuum + Protagonist seines eigenen Lebens
• partnerschaftliche Begleiter
• stellen Kind vor Herausforderungen durch:
o Möglichkeiten zur Selbstentfaltung
o Raum für Erfahrung + Wahrnehmungen schaffen
o offene, anregende Fragen & Impulse setzen
o nehmen Antworten/Ansetze von Kind ernst
o bieten innere Verarbeitungsmöglichkeiten an
• gewähren ausreichende Zeit für eigene Lösungswege der Kinder
Spezifische Reggianischer Kindergarten = Werkstatt, schillerndes Aquarium
Orte: Zentrum: Piazza
o Offenheit, Transparenz
o zentraler Begegnungs- und Aktionsbereich
o Einblick in alle Räume
Innenhof
o grüne Inseln (Pflanzen, Kleintiere)
Gruppenräume
o haben Nebenraum (Miniatelier)
 Austellung/Sammlung
 Arbeiten an laufenden Projekten
Küche
o “Kinderrestaurant”
 Wertschätzung → Porzellan, weiße Tischdecken, etc.
 Partizipation → Kinder kreieren Mahlzeiten mit (tägl. frisch)
Atelier
o Arbeitsplatz von Aterlierista/Künstlerin
o Projekte
o Raum zum Entdecken
o vielfältige Materialien
o Ort der “Konstruktiven Unruhe”
Der Raum als 3. • unterstützt Kinder + Erzieher
Erzieher • viele kleine funktionale Bereiche, die mit sinnvollen + ständig wechselnden, zum Thema passenden
Materialien ausgestattet ist
• jeder Raum = individuelle Auswirkung auf Kinder → hell + offen = lebendig
• Räume sollen
 Atmosphäre des Wohlbefindens schaffen (Geborgenheit und aktivierend)
 Kommunikation stimulieren
 gegenständliche Ressourcen für Spiel und Projektaktivitäten bereitstellen
 Impulse für Wahl von Kinderaktivitäten geben
Materialien: • 3 Prinzipien
o Ordnung → äußere + innere
o Klarheit → über Funktion des Raumes/Materials
o Schönheit → Aufwertung des Materials durch ansprechende Präsentation
• Möbel aus unterschiedlichen Epochen → vermittelt historische Gewordenheit + Veränderbarkeit
• Spiegel (rund, eckig, verzerrt, geteilt) → Wahrnehmung fördern + Identitätsfindung unterstützen
(unterschiedl. Perspektiven, Sich selbst + andere sehen)
• Podeste → Blick auf verschiedene Perspektiven (Augenhöhe)
• Schlauchtelefone, Briefkästen → Kommunikation innerhalb + außerhalb
• keine Türen, verglaste Wände, Gucklöcher, transparente Stoffbahnen → visuelle Kommunikation
• moderne Medien, Lichtquellen (Tageslichtprojektor, Beamer, PC, etc.) →Spiel mit Schatten + Licht &
spielerischer Umgang mit Medien/ Schrift
• Alltags- und Naturmaterialien

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Doppeldeutung Bildung als Ziel Bildung als Prozess
“Bildung”: • Entwicklung individueller • Bildung = Selbstbildung, aktiver/selbstgesteuerter/ergebnisoffener
Potenziale Prozess (durch Auseinandersetzung mit Welt)
(Identitätsentwicklung), • Erzieher: Bild vom kompetenten Kind!
Entwicklung sozialer • klassischer Erziehungsbegriff: defizitorientierter Blick! (geplante
Verantwortung (Wer bin ich? Lerngelegenheiten, didaktisch aufbereitet, vorher festgelegte Ziele)
Wer kann ich werden?)
Bilden ist mehr • Bild des kompetenten, neugierigen, sich selbst bildenden Kindes
als Lernen: → intrinsische Lernmotivation (Wunsch, eigene Fähigkeit weiterzuentwickeln)
• Bildungsprozess als offener, selbst steuerbarer, individueller Prozess
Ziele: • Selbstbildungsprozess unterstützen
• kein Erwerb fertigen Wissens
• Kind soll lernen, wie Wissen entsteht
• Lernen zu lernen
• Wissen mit eigenen Überlegungen erwerben

3.2.4 Erlebnispädagogik
Zentrale Aspekte der Erlebnispädagogik:
• verschiedene Konzepte von Erlebnispädagogik → haben gemeinsam, dass sie auf die Reformpädagogik (ca. 1890 bis
1930) zurückgehen und handlungsorientiert sind
• bekannter Vertreter ist Kurt Hahn (1886-1974) gründete 1920 das Landschulheim „Schloss Salem“ und später mehrere
bekannte Bildungseinrichtungen in Großbritannien, wohin er nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten
emigriert war
Hauptziele:
• nachhaltige Förderung der Persönlichkeitsentwicklung durch intensive physische, psychische und soziale
Herausforderungen
• Selbstwirksamkeitserfahrungen ermöglichen
• Sozialkompetenz stärken und die körperliche Fitness erhöhen
Methode:
• Elemente Natur, Erlebnis und Gemeinschaft werden miteinander verbunden
• Teilnehmer einer Gruppe werden vor außergewöhnliche Herausforderungen gestellt, die sie bewältigen müssen →
meistens im Rahmen von Kletter- und Trekkingtouren, mehrwöchigen Segeltörns etc., die riskante Aktionen und
abenteuerliche Erlebnisse bieten
• Teilnehmer machen dabei intensive Erfahrungen mit sich selbst und mit der Gemeinschaft → werden anschließend
reflektiert und aufgearbeitet
Einsatzmöglichkeiten:
• z. B. Jugendarbeit, Suchtprävention, sozial-pädagogische Maßnahmen, soziale Trainingskurse, Therapien
3.3 Interkulturelle Bildung
Begrifflichkeiten:
Ausländer keine inländische Staatsangehörigkeit, EU-Inländer & Staatsangehörige gleichgestellt
Aussiedler deutscher Staats-& Volksangehöriger, der vor Ende jenseits der Ostgrenzen DEs wohnten & diese
aufgrund des Krieges verlassen mussten, Recht auf Rückkehr nach DE
Asylbewerber laufendes Asylanerkennungsverfahren
Asylberechtigte annerkannte Flüchtinge
Asylant vor allem von rechten Organisationen verwendt
Migrant meiste europ. Länder: keine inländische Staatsangehörigkeit
Gastarbeiter Arbeitsmigranten zwischen 1955-1973 (Integration wurde als unnötig empfunden)

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Wesentliche Daten der Zuwanderung DEs:
1950er • Wirtschaftswachstum in DE führt zu Arbeitskräftemangel im Bereich gering qualifizierter Berufe
• eine dauerhafte Niederlassung ist nicht geplant (Begriff: Gastarbeiter)
1955- • Anwerbeverträge mit Italien, Spanien, Griechenland, Türkei, Marokko, Portugal, Tunesien,
1967 Jugoslawien
1964 • 1 mio. Gastarbeiter
1973 • 4 mio. Gastarbeiter
• Anwerbestopp aufgrund der Öl- & damit verbundene Wirtschaftskrise
• einige Gastarbeiter kehren zurück, andere holen Familie nach
bis 1985 • Erwerbstätigkeitsquote bei der ausländischen Bevölkerung sinkt
Beginn • Anstieg der Zuwanderung → Höhepunkt durch „ethnische Säuberungen“ & Zuspitzung im kurdischen
1990er Teil der Türkei
• Ausschreitungen gegen Asylbewerber
Mitte • Rücklauf der Zuwanderungszahlen
1990er • →Gewalt gegen ausländische Bevölkerung geht zurück
Beginn • Einbürgerungen & geändertes Staatsangehörigkeitsrecht
2000er • →weniger „Ausländer“
2005 • Definition „Migrationshintergrund“: alle zugewanderten Personen, Personen mit mindestens einem
zugewanderten oder eingebürgerten Elternteil
2008 • 19% der Menschen in DE haben Migrationshintergrund
ab 2015 • Beginn der Flüchtlingskrise → Zunahme ausländerfeindlicher Gewalt
2019 • 13% ausländische Bevölkerung
• 25% mit Migrationshintergrund
Begrifflichkeiten zur Integration:
Integration • langfristiger Prozess
• Einbezug aller Menschen mit dauerhaftem & rechtmäßigem Aufenthalt in DE in die Gesellschaft
• Ermöglichung eines umfassenden, gleichberechtigten gesellschaftlichen Teilhabes → selbst zu
erbringende Pflicht: Sprache lernen, Verfassung respektieren...
• wirtschaftliche & soziale Konvergenz zw. Zugewanderten & Deutsche→ Kultur & Religion könne in
Einklang gebracht werden & sind nicht zwingend Grund für Divergenz
• Erwerb der Sprache als Pflicht
• Verfassung & Gesetze kennen, respektieren & befolgen
Assimilation • vom lat. assimilare → „ähnlich machen“
• allmähliches Einleben, Eingewöhnen in neue Gesellschaft
• Übernahme neuer Traditionen & Sprache
• führt zum Verlust von Eigenschaften, Zugehörigkeitsgefühl der ursprünglichen Kultur → junge
Menschen fühlen sich Ursprungsland der Eltern nicht zugehörig
• langsamer Prozess, der sich über Generationen hinziehen kann
Akkulturation • einseitige Anpassung oder wechselseitige Beeinflussung verschiedener Kulturen
• Wandel ursprünglicher kultureller Entwicklungsmuster (die durch Enkulturation erlernt wurden) →
durch dauerhaften Kontakt mit neuen kulturellen Gruppen
• Akkulturation als sekundäre Enkulturation
Enkulturation • Prozess des Hinwachsens in die Kultur
• Erlernen der Teilnahme an Sprache, Ausdrucksformen, Rollen, Spielregeln, Arbeits- &
Wirtschaftsformen, Künsten, Religion, Recht, Politik...
• ist der Sozialisation übergeordnet
• Fend: „Lernen einer besonderen Klasse kultureller Inhalte (bzw.) moralischen Ordnung einer
Gesellschaft“

Enkulturation (erste Kultur) Akkulturation (neue Kultur)

Assimilation Integration

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Sozialisationsvorstellungen:
strukturfunktional/ • funktionaler Aspekt der Integration in die  Meads Modell der
integrativ gesellschaftliche Arbeitsteilung durch Sozialisation als Rollenlernen
Rollenübernahme
• Internalisierung gesellschaftlicher Normen als
Voraussetzung für soziale Organisation einer
arbeitsteiligen Gesellschaft
• Persönlichkeit wird durch soziologische Segmente der
Rollen als Sets von sozialen Verhaltenserwartungen
verstanden
• zentrale Sozialisationsinstanzen: Familie, Schule,
Beruf
handlungstheoretisch • handelnde Subjekte & ihre Bewältigungsleistungen →  Hurrelmanns Modell der
Streben nach Handlungsfähigkeit in alltäglichen & produktiven
fortschreitend biografischen Konstellationen Realitätsverarbeitung
• konstruktivistische Perspektive: sucht konzeptionelle  Piagets Assimilation &
Balance zwischen dem historischen Geworden-Sein Akkomodation durch
des sozialen Umwelteinflusses & dem eigensinnigen Äquilibration
Handeln der Individuen als Produzenten ihrer eigenen  Rauchfleischs Erklärung von
Biografie Gewalt
 (Kohlbergs Stufenmodell der
Moralentwicklung?)
identitätstheoretisch • nicht nur produktive Verarbeitung der äußeren,  Freuds psychoanalytisches
sondern auch der inneren Realität Entwicklungsmodell
• innere Entwicklungsgesetzlichkeiten bei Kindern &  Eriksons psychosoziales
Jugendlichen Entwicklungsmodell
• Ablösung von Herkunftsfamilie→ Entwicklung des
moralischen Bewusstseins→ Eintritt in Arbeitswelt

3.3.1 Wolfgang Nieke: Interkulturelle Erziehung & Bildung


Zur Person:
• 1948-heute
• Soziologe, Erziehungswissenschaftler, Philosoph, Psychologe
Zum Modell:
• betrifft alle → jedes Alter, jede Herkunft, jede Schulform
• humanistisches Menschenbild
• Ziel: interkulturelle Handlungskompetenz
• Menschenrechte sind universell gültig
3 Hauptthesen zu Diskursen zum vernünftigen Umgang mit kulturbedingten Konflikten:
 Verfahren der Konfliktanalyse & -thematisierung bei kulturellen Wertdifferenzen muss diskursiv gestaltet sein
o alle Beteiligten müssen gleichberechtigt zu Wort kommen & ihre Argumente ernstgenommen werden
o Unterschied zu Diskussionen& Debatten...: Beachtung einiger außeralltäglicher Regeln =keine
Dominanzstrategien
o alle Argumente, die begründet werden, werden zugelassen
o in Nordwesteuropa: Begründungen sollen rational & intersubjektiv nachvollziehbar sein
 in interkulturellen Diskursen sind auch Stützungen aus anderen als der dominanten Kultur zuzulassen
 in virtuellen Diskursen können widerstreitende Positionen anwaltschaftlich vertreten werden, wenn Diskurse über
die Hintergründe der Personen geführt werden müssen, ohne dass authentische Vertreter dieser Positionen
verfügbar sind

51
10 Ziele interkultureller Erziehung
Konzept verbindet:
o konfliktorientierten Ansatz: Grundsatz, dass Konflikte im Diskurs der verschiedenen Interessen Gruppen
bearbeitet werden sollen
o begegnungsorientierten Ansatz: Grundsatz, dass es zwischen der Kultur der Mehrheitsgesellschaft & den Kulturen
der Minderheiten Möglichkeiten gegenseitiger kultureller Bereicherung gibt
grundsätzliches Vorgehen:
o Konflikt von allen Seiten beschreiben (keine Wertungen)
o Suchen nach Lösung des Konflikts (persönliche Werte deutlich machen)
o bei sich widersprechenden Grundüberzeugungen Kompromiss finden (→ hat keine allgemeine Gültigkeit: „Prinzip
der situativen Geltung von Normen“)
1 Erkennen des eigenen, • jeder ist in seiner Kultur tief verwurzelt, da Lebenswelt von Kultur durchdrungen ist
unvermeidlichen • denken & fühlen = sehr ethnozentrisch
Ethnozentrismus • Ziel der interkulturellen Erziehung & Bildung ist „aufgeklärter Ethnozentrismus“:
Einsicht des eigenen Denkens sowie, dass Andere durch den Kulturkreis geprägt sind
→ Grundlage interkultureller Kompetenz: Fähigkeit, in der Kommunikation mit
Menschen aus anderen Kulturkreisen, um die gegenseitige Verhaftung in der
jeweiligen Kultur zu wissen
• Fähigkeit zum Perspektivwechsel: Anderem nicht das Gefühl geben er sei rückständig
oder denke falsch
2 Umgehen mit Befremdung • offenes Thematisieren emotionaler Aspekte
• ambivalente Gefühle nicht unterdrücken, sondern den Umgang mit ihnen erlernen
• positive Erfahrungen mit fremden Kulturen (z.B. Feste & Feierlichkeiten) → Angst vor
dem Fremden zu überwinden, Neugier
3 Grundlegen von Toleranz • Lebensformen anderer tolerieren, selbst wenn das Verhalten stark irritiert
• Toleranz findet Grenzen, wenn Basisbedingung des Zusammenlebens missachtet
werden
4 Akzeptieren von • Mehrheitsgesellschaft darf nicht verlangen, dass sich Minderheiten an ihre Kultur
Ethnizität/Rücksicht nehmen assimilieren
auf die Sprache von • in Kindergärten Schulen etc. sollte Herkunftssprache der Personen geachtet werden
Minoritäten • Schulen: Möglichkeit für alle ihre Religionen kennenzulernen
• kulturelle Unterschiede nicht zu stark betont, aber auch nicht verschwiegen werden
5 Thematisierung von • Bewusstsein für (auch subtile) Abwertung von Menschen mit anderer Hautfarbe oder
Rassismus Kultur → keine Akzeptanz für Rassismus
6 Das Gemeinsame erkennen, • Ethnizismus: Zuordnung zu einem bestimmten Kulturkreis, da sie so wahrgenommen
gegen die Gefahr des werden → als andersartig wahrnehmen
Ethnozismus • Gefahr: Menschen werden auf kulturelle Identität festgelegt, die sie gar nicht besitzen
& können zugehörigen Zuschreibungen nicht entkommen
• daher weniger Unterschiede thematisieren & mehr Gemeinsamkeiten
7 Ermunterung zur Solidarität: • Mehrheitsgesellschaft sollte sich für Belange von Minderheiten zum Beispiel
Berücksichtigung der rechtlichen & politischen Schutz einsetzen
asymmetrischen Situation
zwischen Mehrheit &
Minderheit
8 Einüben in Formen • alle Konfliktbeteiligten müssen mit ihren jeweils unterschiedlichen Sichtweisen &
vernünftiger Wertungen gleichermaßen nach einer Lösung des Konflikts suchen & einbezogen
Konfliktbewältigung: werden
Umgehen mit Kulturkonflikt • Dominanz der modernen Weltsicht soll hinterfragt werden
& Kulturrelativismus • kein Kulturrelativismus: keine Zugeständnisse, die sich gegen grundlegende Werte der
demokratischen Gesellschaft DEs, der Einhaltung des Grundgesetzes oder Wahrung
der Menschenrechte richten
9 Aufmerksam werden auf • Elemente fremder Kulturen können als Bereicherung empfunden werden (Empirie
Möglichkeiten gegenseitiger zeigt, dass dies selten geschieht)
kultureller Bereicherung
10 Thematisieren der Wir- • interkulturelle Bildung sollte sich nicht auf ein vernünftiges Zusammenleben
Identität beschränken → sondern Vermittlung von „Ethik der globalen Verantwortlichkeit“ für
das soziale Zusammenleben der Völker
→ Ziele bauen aufeinander auf (erst Stufenmodell, dann Spezifizierungen)

52
7 Schritte zur Konfliktlösung:
1. Konflikt von allen Seiten her beschreiben → damit alle zu Wort kommen
2. Deutungen aller Beteiligten ermitteln & nach allen erforderlichen Stützungen fragen → damit alle Sichtweisen
geäußert werden
3. Betroffene zu Wort kommen lassen (wenn dies nicht möglich ist → virtuelle Diskurse) → damit die verschiedenen
Interessen, aber auch normativen Einstellungen vor- & dargestellt werden
4. Konträre Positionen aus Hintergrund der Deutungen begründen: wesensabhängig, zuerst noch ohne eigene Wertung
→ damit verständlich (nachvollziehbar) wird, warum den Betroffenen die Angelegenheit einen Konflikt wert ist
5. Lösung des Konflikts suchen & begründen → muss von den Betroffenen ausgehandelt werden (≠vorgeben)
6. Wertentscheidungen der Beteiligten deutlich werden lassen → Klarheit darüber, was kulturell bedingte
Wertentscheidungen sind bzw. was nicht = zeigt Richtung für Lösungen auf
7. Lösungsweg: Prinzip der situativen Geltung (= Aufhebung des Universalitätsanspruches) → bei kulturbedingte Wert-/
Normkonflikte ist nicht immer eine kulturübergreifende Lösung möglich → wenn also Forderungen als fundamental
gelten, wird dessen Geltung nicht prinzipiell verneint, sondern „nur“ in bestimmten Kontexten eingeschränkt
→ Prinzip der Verständigung: es geht nicht um Macht & Überredung, sondern darum andere zu verstehen (≠zu
akzeptieren), um eine möglichst einvernehmliche Konfliktlösung zu erarbeiten
Entstehung von Konzepten interkultureller Bildung in DE:
1973 Anwerbestopp: Familien Nothilfe: Entstehung der Ausländerpädagogik:
werden nachgeholt o Kinder kaum Deutschkenntnisse = Schulpflicht
o Didaktik DAF/ DAZ
o Vorbereitungsklassen: Exklusion ausl. Kinder
1985 Erwerbstätigkeit bei Kritik an Ausländerpädagogik:
ausländischer o Probleme, die durch Politik entstanden sind, sollen gelindert werden
Bevölkerung wächst o Stigmatisierung wird kritisiert → Bemühung um Chancengleichheit & Vermeidung
einer Germanisierung
Beginn Ausschreitungen Interkulturelle Erziehung:
1990 gegenüber ausländischer o Fokussierung auf Vorbereitung des Lebens in einer multikulturellen Gesellschaft
Bevölkerung nehmen zu o Kritik: Gefahr der Übernahme zu vieler ausl. Traditionen etc. → Verstärkung der
Betonung von Unterschieden & Diskriminierung
o Chancengleichheit wird für alle Strukturellbenachteiligten angestrebt
Beginn Einbürgerungen & Interkulturelle Erziehung & Bildung:
2000 geändertes o gehört zur Allgemeinbildung
Staatsangehörigkeitsrecht o Vorbereitung auf Leben in multikultureller Gesellschaft als Selbstverständlichkeit
2001 Terroranschlag in NY → Neo-Assimilismus:
9/11 o alle Muslime unter Generalverdacht → durch Gesellschaft getragen
o Rückgang der Toleranz gegenüber Muslimen = Anpassung, die über funktionale
Kompetenz & Loyalität zum Staat hinausgeht → Zwangsakkulturation
o Integrationsförderung mit Akkulturationsunterstützung
2015 Flüchtlingskrise & Ist Neo-Assimilismus eine vorübergehende Erscheinung oder das Ende der interkulturellen
anhaltende Terrorgefahr Erziehung & Bildung?

53
4 Pädagogische Professionalisierung in verschiedenen Institutionen
4.1 Institutionalisierung von Erziehung
Allgemeines zur historischen Entwicklung:
vor der Industrialisierung:
• Leben in großen Haushaltsgemeinschaften mit Familie & Arbeitern
• überwiegende Teil der Bevölkerung lebte von der Landwirtschaft und produzierte fast alles für den Eigenbedarf
Lebensnotwendige selbst → Kinder wurden in die alltäglichen Arbeiten einbezogen und lernten von den Erwachsenen
auf informelle Weise alles, was für diese vorindustrielle Lebens- und Produktionsform relevant war
Industrialisierung im 19. Jahrhundert:
• Veränderung des gesamten ökonomischen und sozialen Systems
• Prozess der Verstädterung → Prozess mit einer Verelendung breiter Bevölkerungsmassen → Gründung von
Wohlfahrtsorganisationen Anfang des 20. Jhd.
• für Betreuung von Kindern und Jugendlichen wurden staatliche Gesetze erlassen, die 1924 im
Reichsjugendwohlfahrtsgesetz zu einem ersten Abschluss kamen → Beruf des Sozialpädagogen geht aus dieser frühen
Form der Jugendhilfe hervor
Entwicklung von der traditionellen Agrar- zu einer Industriegesellschaft im 19 Jhd.
• Trennung von familialer Lebens- und Arbeitswelt
• meisten Aufgaben, die in der vorindustriellen Zeit vom Familienverbund erfüllt worden waren, wurden zu einem mehr
oder minder großen Teil von Betrieben, gesellschaftlichen Organisationen und staatlichen Institutionen übernommen
• aus dem Familiensystem ausgelagerten pflegerischen und pädagogischen Tätigkeiten entwickelten sich zu
„klassischen Frauenberufen“, die auch heute noch überwiegend von Frauen ausgeübt werden
• meisten Kinder gingen nur ein paar Jahre zur Schule & unregelmäßig
Beginn des 20. Jahrhunderts
• allgemeine Schulpflicht wurde in ganz Deutschland durchgesetzt
• lange erhielt die Masse aller Schülerinnen und Schüler lediglich eine elementare Schulbildung an einer Volksschule →
wenigen Gymnasien besuchten vorwiegend Kinder aus dem gehobenen Bürgertum
Expansion des Bildungssystems seit den 60ern
• Situation änderte sich fundamental
Heutzutage
• 40 Prozent aller Schüler nach der Grundschule auf ein Gymnasium
• Gymnasium nicht mehr der einzige Weg ist, um zum Abitur zu gelangen → noch höherer Anteil der Schulabgänger, die
über eine Fachhochschul- und Hochschulreife verfügen

4.2 PISA-Studie
Was ist und was misst die Pisa-Studie?
• Programme for International Student Assessment
• regelmäßige (alle 3 Jahre) Erfassung grundlegender Kompetenzen der heranwachsenden Generation
• von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) durchgeführt
• soll regelmäßige Vergleichsdaten zur Ressourcenausstattung, individuellen Nutzung, sowie Funktions- und
Leistungsfähigkeit der jeweiligen Bildungssysteme
• Folgen: politisch-administrative Entscheidungen zur Verbesserung der nationalen Bildungssysteme
• untersucht: Lesekompetenz, mathematische Grundbildung, naturwissenschaftliche Grundbildung und
fachübergreifende Kompetenzen
• vornehmlich an ökonomischen Gesichtspunkten orientiert (Fähigkeiten als grundlegende Vorraussetzung dafür, dass
sich Länder ökonomisch weiterentwickeln können)
• 15-jährige SchülerInnen → im internationalen Vergleich alle noch Vollzeitschüler
• zugrunde liegt das Literacy-Konzept: Basiskompetenzen (Reading Literacy, Mathematical Literacy, Scientific Literacy)

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Ergebnisse 2001:
im internationalen Vergleich • 2001 veröffentlicht: ernüchternd
• größter Leistungsabstand
• ungewöhnlich hohe Risikogruppe
• weder besondere Eliten-Förderung noch Benachteiligten-Förderung
• verfestigt soziale Ungleichheit
• 2000 unter Durchschnitt
Bundesländer im Vergleich • Top 3: Bayern, BaWü, Sachsen
• ganz hinten: Berlin/Brandenburg, Sachsen-Anhalt
geschlechterspezifisch • Mathe: Jungen besser
• Deutsch: Mädchen viel besser
• NW: etwa gleich
sozialer Hintergrund • starker Einfluss
• alleinerziehend (weniger Beschäftigung): schlechtere Leistung
• Schule gleicht soziale Unterschiede nicht aus
Einfluss Migrationshintergrund • ohne MH: bessere Ergebnisse
• generationsweise Verbesserung
• geringe Chance auf höheren Bildungsabschluss
• in Grundschule noch keine großen Unterschiede
• DE reagiert kaum, versagt bei der Förderung
Konsequenzen des PISA-Schocks:
• Stellwert der frühkindlichen Bildung gestiegen, Kindergarten als wichtige Bildungsinstitution
• Ausbau von Ganztagsschulen
• Streben nach anderem Schulsystem
• Paradigmenwechsel von Input-Orientierung zu Output-Orientierung
• Wert auf Individualisierung des Unterrichts und auf individuelle Förderung des einzelnen Schülers gelegt (kooperative
Lernformen etc.)
• bessere Lehrerausbildung
• Differenzierung der Aufgaben
Ergebnisse 2009:
• Lesen verbessert, liegen aber weiterhin international noch immer nur im OECD-Durchschnitt
• Mathematik und Naturwissenschaften liegen die Ergebnisse weiterhin über dem OECD-Durchschnitt
→ signifikante Verbesserungen besonders in Mathe
• Schüler mit Migrationshintergrund schneiden um 56 PISA-Punkte schlechter ab als gleichaltrige Einheimische. 2000
betrug der Abstand allerdings noch 84 PISA-Punkte
• zwischen Mädchen und Jungen sind die Unterschiede in der Lesefähigkeit groß → Abstand entspricht hier in
Deutschland mit 40 PISA-Punkten ziemlich genau dem OECD-Durchschnitt
• Rückgangs der Schüler mit schwachen Lesefähigkeiten → von 2000 bis 2009 von 22,6 auf 18,5 Prozent gesunken
Vor- & Nachteile:
PRO CON
• regt zu Reformen • Interesse der OECD-Länder an vergleichenden Bildungsstudien ist vorrangig ökonomisch begründet
im Schulsystem an und daher einseitig
• stellt Schulsystem • PISA-Tests prüfen nur Kompetenzen in Mathematik, Textverständnis und Naturwissenschaften,
in Vergleich mit andere wichtige Kompetenzen bleiben unberücksichtigt
anderen Systemen → Fächer wie Kunst, Musik etc. werden als zweitrangig betrachtet → einseitig
negative Punkte • zu viel wert auf ausschließliche Prüfungsvorbereitung
wurden
• Effizienzgedanke steht im Vordergrund
offengelegt, es
→ darf nicht das Einzige sein, Bildung ist nicht gradlinig, sondern muss auch mal Umwege nehmen
konnte Reform
des • Bildung hat auch etwas mit Selbstbildung zu tun, lässt sich nicht von außerhalb steuern und in
Bildungssystem Form von Kompetenzen direkt abbilden
stattfinden • Übersetzungsprobleme
→ das schulische • soziale Bedingungen werden nicht berücksichtigt
Leistungsniveau • soziale Kompetenz der Schüler wird außenvorgelassen
hat sich deutlich • nach dem Alter getestet und nicht nach den Jahrgangsstufen, die bereits erreicht wurden
verbessert

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4.3 Helmut Fend: Funktionen von Schule
Zur Person:
• 1940-heute
• Pädagogikprofessor
Definition von Schule:
• Schule ist für moderne Gesellschaften ein unverzichtbarer Teil des Bildungssystems → obligatorisch
• Schule = Institution, die allgemein oder auch fachspezifisch bildend ist
• bedeutende Unterschiede zwischen den Schulsystemen der verschiedenen Nationen
• Schule dient der gesellschaftlichen Reproduktion
• durch erfolgrreiches Durchlaufen der Schule qualifiziert sich das Individuum für die Einnahme von
gesellschaftlichen & beruflichen Positionen
• Wiederherstellung & Aufrechterhaltung des gewünschten gesellschaftlichen (Entwicklungs)zustandes durch
Weitergabe von Wissen & Fertigkeiten (Verhinderung einer Rückentwicklung der Gesellschaft)
• Doppelfunktion:
1. Reproduktion der Gesellschaft
2. Ausbildung der Persönlichkeit bzw. Individualität
Aufgaben von Lehrkräften:
• unterrichten, fördern, betreuen, beraten, integrieren, interkulturelles Lernen ermöglichen, personalisieren
Gesellschaftliche Funktionen von Schule:
Qualifikation Enkulturation, Sozialisation Integration Allokation, Selektion
Erlangen von Fähigkeiten, Vermittlung von Anstreben der Einschätzung & Benotung
Kenntnissen, Fertigkeiten soziokulturellen Werten & gesellschaftlichen der erworbenen
& Einstellungen, die Normen als Maßstab für das Integration, Förderung des Kompetenzen → selektiver
1. für beruflichen Denken & Handeln, im Sinne inneren Zusammenhalts der Effekt durch
Werdegang der Gesellschaft & für Gesellschaft leitungsorientierte
2. für ihre dessen Erhaltung &  Legitimationsfunktion: Gesellschaft
Lebensbewältigung Weiterentwicklung relevant Schüler stimmen dem (Allokation: Verteilung
relevant sind sind = Bedeutung von gesellschaftliche beschränkter Ressourcen)
Verknüpfung mit Regelsystem zu (in einer
ideologiekritischer Demokratie ist dies nur
Perspektive durch ideologiekritische
Perspektive möglich)
Wirtschaft Kultur Politische Systeme Sozialstruktur
in der Praxis: komplexer Zusammenhang

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Individuelle Funktionen von Schule:
• kulturelle Teilhabe & Identität, Berufsfähigkeit, Lebensplanung, soziale Identität & politische Teilhabe
• Bildungswesen: zentrales Instrument der Lebensplanung
• Enkulturationsfunktion: Chance, die Autonomie der Person im Denken & Handeln zu stärken
• Qualifikationsfunktion: Chance, Wissen & Fähigkeiten zu erwerben, die eine selbstständige berufliche
Lebensführung ermöglichen
• Allokationsfunktion: beruflichen Aufstieg, berufliche Stellung durch eigene Lernen Anstrengungen & schulische
Leistungen zu bestimmen
• Integrationsfunktion: Chance der Begegnung mit den kulturellen Traditionen eines Gemeinwesens = soziale
Identitätsbildung, Identifikation/ soziale Bindung als Grundlage für soziale Verantwortung
• Potential des Bildungswesens: Stärkung der Heranwachsenden Person, das aber nicht allen in gleicher Weise
zugänglich ist = Verhältnis von Chanceneröffnung & Chancenverschließung
• Personalisierungsfunktion: gesellschaftliche Reproduktion & Personwerdung = Entfaltung des Subjekts im
bestmöglichen Sinne seiner persönlichen Anlagen Möglichkeiten & Befähigungen
• Gestaltung von Personalisierung & Selektion entscheidend für Chancengerechtigkeit in der Gesellschaft
• gesellschaftliche Funktionen sind individuellen übergeordnet, welche letztendlich in den gesellschaftlichen
aufgehen sollen
• Personalisierungsfunktion geht nicht in der Enkulturationsfunktion auf, sondern hat Autonomie der Person als
Ausgang & Ziel aller pädagogischen Prozesse d.h. in der Integration muss zugleich auch eine Emanzipation
angestrebt werden
Bildungswesen als institutioneller Akteur der Menschenbildung:
• institutionelle Akteure im Bildungswesen ordnen das Zusammenhandeln von Personen & sozialen Verbänden
durch Vergesellschaftung & Regelung - normativ geleitetes Zusammenhandeln
• Kernaufgabe: Vermittlung von Kulturen
• Bildungssysteme sind von Akteuren geschaffen worden
• Handeln ist zielorientiertes & Ressourcen abhängiges Handeln im jeweiligen gesellschaftlich-historischen Kontext
& Handeln ist immer auch individuell
• Lehrkräfte handeln nach Regeln: jede Stunde, alle Inhalte sind Teil des Ganzen & unabdingbar- mehr als die
Summe der Einzelhandlung - Vernetzung von Wissen & Zusammenarbeit der Lehrkräfte
• Schule befähigt den Menschen in der Lage zu sein an der Gesellschaft teilzuhaben
• er soll sowohl kognitiv als auch sozial teilnehmen können
➔ Schule bereitet also vor dem Hintergr& gesellschaftlicher, historischer, politischer & moralischer Werte
auf das Leben vor
➔ das Individuum soll zum selbstständig denkenden & handelnden Akteur werden
Was muss/ soll/ darf Schule?
• Schule soll zur Legitimation & Integration einer Gesellschaft beitragen (insbesondere des politischen
Herrschaftssystem Demokratie)
• Schule legitimiert durch ihre eigene Leistungsstruktur die gesellschaftlichen Verteilungsprozesse einer
leistungsorientierten Gesellschaft & führt Schüler an diese heran = Schüler erlernt, dass er selbst verantwortlich
ist für seine Zukunft
• schulische Leistungsstruktur sollte dabei durch Leistungsgerechtigkeit ausgezeichnet sein
• Schule lässt Schüler die Unvermeidbarkeit von Autorität & Verteilungsregeln erfahren
• Schule soll ein inneres Gefühl von Zusammengehörigkeit entwickeln Schule ist Teil einer Demokratisierung,
fördert reflektierte Teilnahme & Berücksichtigung einer internationalen Perspektive
• Resubjektivierung von Kultur:
o Einführung der Kultur der Gesellschaft über den Unterricht so dass sich Schüler in dieser Kultur zu Hause
fühlen
o dazu müssen die kulturellen Besitzstände & Werte für die Schüler entschlüsselt werden, damit diese sie
übernehmen & lebend erhalten
o über Schule soll ein Zusammenspiel von Objektivierung (Prozess, in dem Kultur geschaffen wird) &
Resubjektivierung (Prozess, in dem Kultur tradiert wird) ermöglicht werden
o Wissenschaftssystem als wichtigstes Kultursystem, auf dass ich Schule beziehen muss

57
Sozialisationsmillieus in der BRD 1949-1989 nach Fend:
Schulische Sozialisationsmillieus
• institutioneller Rahmen
• unterschiedliche Wertcommitments in verschiedenen Schulformen = Leistungsentwicklung unterschiedlich
• Sozialisationsmilieus "ungerecht", denn Schulen unterscheiden sich in Förderschwepunkten, Bildungskonzept &
Bedeutung von Familie, Schule, Altersgruppe
 Gymnasium: ästhetisch-literarisch geprägtes Bildungsmilieu, soll zur Entfaltung intellektueller
Fähigkeiten führen
 Hauptschule: Anstand, Fleiß, Gehorsam = soll Akzeptanz für sie umgebende Lebenswelt schaffen &
praktische Lebensbewältigung ermöglichen
Klassisch-liberal-ästhetisch & kulturintensiv: Technisch-lebenspraktische Kulturen:
• Lehrkraft als Kulturvermittler • Kultivierung technischer Kompetenzen vor
• zu höherem geistigen Leben erwecken naturwissenschaftlichen Erkenntnissen
• Betonung der inneren Kultivierung des Menschen • Lehrkraft als pragmatischer Lernhelfer (teils
• Schwerpunktfächer: Musik, Literatur, Kunst, Beamter, teils „social engineer“)
Sprachen • Schwerpunktfächer: Mathe, Naturwissenschaften,
moderne Fremdsprachen
• richtet sich nach überprüfbaren Lernergebnissen

Bewertung Fends:
Technologisch • angestrebte Bildungsziele sind erreichbar, auch sind sie durch Unterricht & schulische
Organisationen machbar
 Probleme bei sozialer Selektion beim Schulzugang, durch zu wenig individuelle Förderung im
Unterricht oder fehlende Unterstützung im Elternhaus, durch Selektion im dreigliedrigen
Schulsystem usw.
 Gefahr von Nebenwirkungen z.B. eine stärkere Selektion, Versagensängste, individuelle
Störungen...
Axiologisch • aufgestellte Bildungsziele, die in der gesellschaftlichen Funktion von Schule angestrebt werden, sind
in erster Linie mit Blick auf Reproduktion der Gesellschaft aufgestellt & nicht mit Blick auf das
Interesse der Schüler
 doch Hinweis von Fend: über individuelle Funktionen der Schule soll Handlungsfähigkeit der
Schüler in verschiedenen Bereichen gefördert & realisiert werden
• Funktionen von Schule sind auch im Interesse der Schüler
 problematisch: Ziele primär auf die Erhaltung des Systems & nur sekundär auf die
Persönlichkeitsentwicklung ausgerichtet
 daher werden in der Schule häufig Mittel eingesetzt, die hat das System ausgerichtet sind
• Bildungsziele werden einseitig angestrebt
 in der Wirkungsdimensionen lässt Schule nicht wünschenswerte Nebenwirkungen zu
➢ Allokationsfunktion:
 zielt auf Auslese von Schülern unter der Perspektive von Leistung ab, ist daher als der
Sektion zu verstehen zu bestimmten Berufsfeldern sowie beruflichen, gesellschaftlichen
Positionen
 Schule als Institution die zentral & fundamental Sozialchancen verteilt
 lässt sich Funktion mit demokratischer Leistungsgesellschaft & dem politischen Anspruch
auf Chancengleichheit vereinbaren?
 dreigliedriges Schulsystem als bildungspolitisches Instrument eine dreigliedrige
Gesellschaftsformation zu erhalten?
➢ Integrationsfunktion:
 Übt schule soziale Kontrolle (da im Regelfall jene Wertorientierungen im Schulsystem
gelernt werden, die auch im herrschenden politischen & wirtschaftlichen System geschätzt
werden) aus & bewirkt so eine nicht hinterfragte & nicht hinterfragbare Integration?
Fazit aus • Schule darf nicht nur eine gesellschaftliche Reproduktionsfunktion einnehmen, sondern es muss ihr
pädagogischer ermöglicht werden, eine neue innere Dynamik zu entfalten, in der neben den Ansprüchen der
Sicht: Gesellschaft auch den Ansprüchen der Akteure beachtet werden
• Gesellschaft soll auch Wert auf Vermittlerfunktion der Schule zwischen den Ansprüchen der
Gesellschaft & dem Eigenrecht der heranwachsenden Generation legen

58
4.4 Vorschuleinrichtungen: Chancen & Grenzen pädagogischer Einwirkungen
Rechtssituation:
• Recht auf Erziehung ist im Grundgesetz festgeschrieben
• Rechtsanspruch auf Betreuung ab 1 Jahre
Aktuelle Situation:
• Nutzung von Bildungsangeboten steigt: in Westdeutschland höhere Nutzung als in Ostdeutschland
• 95 % der Kinder nutzen ab dem 3. Geburtstag frühkindliche Bildungsangebote, sodass Besuch einer KiTa zu einem
festen Bestandteil der frühkindlichen Biografie geworden ist
• stetig wachsende Bedeutung = mehr Fokus auf Leistungsfähigkeit, Qualität und Professionalisierung (stärkere
Akzentuierung des Bildungsauftrags)
• Debatte um frühkindliche Bildungspotenziale tragen zum Vertrauen der Eltern in Bildungsangebote bei =
zunehmende Institutionalisierung der frühen Kindheit
 stellt Aufgabe, einer funktionierenden Erziehungspartnerschaft zwischen Eltern & Fachkräften
 neben der familialen, auch eine institutionell geprägte, pädagogisch gestaltete & konnte konzeptionell
vorstrukturierte Kindheit
• Eltern verbringen im Schnitt mehr Zeit aktiv mit ihren Kindern
 Frage nach pädagogisch sinnvoller Einbindung & Chancen & Grenzen pädagogischer Einrichtungen
 Kinder sollen früher & gezielter gefördert werden
Hat der Kindergarten einen eigenständigen Bildungsauftrag?
• Ja, mit Blick auf die Familie:
 Sozialverhalten: unabhängig von Sozialstatus der Familie werden kognitive soziale & emotionale
Anregungen & Möglichkeiten des Lernens geboten (Nachteilsausgleich)
 Bildungsauftrag aufgr& der steigenden Zahlen von Kindern, die ganztägig betreut werden als Ergänzung
zur Familienerziehung, aber auch ein eigenständiger Bildungsauftrag, da er viele Aufgaben von Eltern
übernommen hat
• Ja, mit Blick auf die Schule:
 Sozialverhalten: Kinder lernen in Gruppen zu agieren
 Eigenständigkeit, da hier keine Verschulung stattfinden soll, aber mit Blick auf Grundschule:
"Anschlussfähigkeit" d.h. Erleichterung des Übergangs
 kompensatorischer Bildungsauftrag für Benachteiligte
Idee des Kindergartens in der Geschichte:
Unterste Stufe eines allgemeinen Bildungssystems: Familienergänzend:
DDR: BRD:
 allgemeine sozialistische Grundbildung vermitteln  nicht vorschulisch
 zur Schulreife führen  Zuordnung zur Jugend- & Familienhilfe
 Müttern Beteiligung am Erwerbsleben & kulturellen sowie  Konzeptionelle Vielfalt (Regelschule, Waldorf,
politischen Leben ermöglichen (nicht aus Montessori...)
emanzipatorischen Gründen, sondern wegen  Kritik: ungleiche Erziehungsbedingungen seien
Arbeitsleistung & um Kinder zu indoktrinieren) Grundlagen für Chancenungerechtigkeit im
 Kritik: nur zwecks Indoktrination/ Arbeitsleistung, keine Bildungsverlauf = Forderung nach
konzeptionelle Vielfalt kompensatorische Erziehung
Welcher Erziehungsaufgaben hat der Kindergarten, welche die Familie?
• grundsätzlich lassen sich Kernaufgaben auf Seiten der Familie bzw Schule/Kita verorten
• grundlegend erlernten Fähigkeiten müssen erweitert/verfeinert werden & oft sowohl die Schule/wie auch Familie
betreffen
• keine eindeutige Zuordnung & alleinige Verantwortung einer Seite: Notwendigkeit der Kooperation beide Seiten
miteinander

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Bildung in der Familie:
Bildungspolitisch Pädagogisch
• Vereinbarkeit von Familie & Beruf (Betreuung unter drei Jahren, • Bindungsfragen im
Ganztagsangebote in Schule & Kita) Kleinkinderhaus in der
• Ergänzende bzw unterstützende Aufgaben (grundsätzliche Kinderkrippe = U3 = Kita
Verlagerung von Erziehungsaufgaben auf die Vorschuleinrichtung) • Erziehungsaufgaben in der
• kompensatorische Aufgaben (bildungsbenachteiligte, bildungsferne Familie? (bestenfalls sind
Familien/ Migrationskinder) Schule/ Familie zielkonvergent)
Bildungsmehrwert des Kindergartens:
Bildungskomponenten Mögliche Beispiele
• mehr als bloß sozialintegrative Einübung in eine • kindgerechte Ausgestaltung der Räume; kognitiv
weltanschauliche Richtung, sondern förderlicher & emotional ansprechendes & anregendes
Lebens- & Anregungsraum für das Wohlbefinden Spielmaterial, Tagesgestaltung; fachlich
& die Entwicklung von Kindern  pädagogische ausgebildetes Personal
Qualität • Förderung der kognitiven, emotialen & sozialen
• mehr als in einer normalen Familie, sondern Fähigkeiten durch entsprechendes Spielangebot
gerade kompensatorisch im Blick auf familiäre oder zusätzliche Förderprogramme (z.B.
Benachteiligungen oder Defizite  Abbau der Sprachförderung)
Chancengleichheit • Vorbereitung auf die Anforderungen der
• bezogen auf eine erfolgreiche Partizipation an Grundschule durch lernmotivierende Übungen,
den Bildungsangeboten des nachfolgenden durch Sprachförderung, durch Einübung sozialer
Pflichtbildungsbereichs  Vorbereitung auf die Regeln etc.
Grundschule
Probleme des heutigen Familienlebens (Hurrelmann):
• DEs Politik zu finanzielle Nachteile durch Steuervorteile & Kindergelder zu kompensieren nur mäßig erfolgreich
• Bildungsbenachteiligung durch Armut:
o Armut hat Auswirkungen auf Erziehungs- & Beziehungsqualität in den Familien
o Lebensstandard sinkt = Verunsicherung = soziale Isolation
o Eltern sind überfordert oder verunsichert & können/wollen Kindern nicht in der Schule helfen
 bräuchten nachhaltige Unterstützung durch öffentliche Erziehungseinrichtungen, aber geringes
Angebot
• Zuwanderungshintergrund: aus strukturellen Gründen oft schlechtere Arbeit, können Kindern aufgrud
mangelnder Kenntnisse nur beschränkt in Schule helfen
• Ein-Eltern-Familien: Vereinbarkeit von Familie & Beruf besonders schwer
Problematik:
• Frauen & Männern sollte es gleichermaßen ermöglicht werden berufstätig zu sein
• aus entwicklungspsychologischer Perspektive fraglich, ob Kinder unter 2 Jahren schon institutionell betreut werden
sollten
Bindung der frühen Kindheit:
• angeborene Neigung
o wird besonders in ängstlichen/traurigen Situationen aktiviert (dort Bedarf das Kind Schutz & Fürsorge)
• John Bowlby postuliert die Unabhängigkeit des Bildungssystems von sexuellen & aggressiven Triebbedürfnissen
(Bindung & Triebe interagieren, leiten sich aber nicht voneinander ab)
o Belege aus Verhaltensbiologie
• aus verschiedenen Interaktionserfahrungen entstehen unterschiedliche Gefühle der Verbundenheit
• vier verschiedene Bindungsstile von John Bowlby & Mary Ainsworth:
1. sichere Bindung:
 zuverlässige, feinfühlige Erfüllung der physischen & emotionalen Bedürfnisse der Eltern
 heftige Trennungsreaktionen (lassen sich durch Fremde beruhigen)
➢ nach Rückkehr direkt Kontakt
 am ehesten psychisch gesunde Entwicklung
 Mutter sehr feinfühlig

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2. unsicher-vermeidende Bindung:
 nicht die erforderliche Unterstützung erhalten
 räumlich & emotional distanziert
➢ unbeeindruckt von Trennung & Rückkehr
 hoher Stresspegel
 haben gelernt Bedürfnisse nach Trost & Zuneigung zu unterdrücken
 Mutter wenig feinfühlig, eher resonant
3. unsicher-ambivalente Bindung:
 launische Bezugsperson
 dramatisches zwiespältiges Verhalten
 starker Trennungsschmerz
➢ hin & hergerissen bei Rückkehr
 Zwiespalt: Nähe & aggressive Ablehnung
4. unsicher-desorganisierte Bindung:
 risikoreiche Familienverhältnisse
 aus inkonsistentem mütterlichem Verhalten
 nicht zuzuordnen zu einer der vorherigen Gruppe
 stark irritiert/auffälliges Verhalten
 hochunsicher
 aus Multiproblemfamilien
 haben oft Misshandlung & Vernachlässigung erfahren
 Hauptdeterminante: Grad der mütterlichen Feinfühligkeit → Qualität der Interaktion zwischen Mutter & Kind
 Art & Weise, wie sich solche Bindungen entwickeln, bestimmen im Wesentlichen, ob eine Person psychisch
gesund aufwächst oder nicht
 zum Bindungssystem gehört komplementär das Neugier- & Explorationsverhalten
 sichere Bindung: bewegt sich erkundend von Bindungsfigur weg = "Erkundung von einer sicheren Basis aus"
• Frage: Wird sichere Bindung von Kindern zu Eltern auch zur Bezugserzieherin aufgebaut?
o Konkordanz-These: gelingt eher, weil ihr internes Arbeitsmodell (IAM) bereits sichere Bindung als Modell
repräsentiert = Kontinuitätsannahme
o Diskonkordanz-Hypothese: gerade unsicher gebundene Kinder suchen aktiv in Kita die Chance zu neuen
Bindungen, da sie noch nicht fixiert sind
• Befunde:
o 1. Sichere Bindung zur Erzieherin nicht notwendige Voraussetzung für den gelingenden Besuch der Kita
o 2. Exklusive Zweierbeziehung zwischen Erwachsenen & Kind wird offenbar überschätzt

4.5 Schulen als Orte des Demokratielernens


Notwendigkeit des Demokratielernens:
• Gesellschaft ist unübersichtlich, verändert sich schnell, komplex
• oft empfinden Jugendliche das Gesellschaftssystem als ungerecht & die Politik als abgehoben
→ verunsichert, macht Angst, erzeugt
• Wut und weckt Zweifel am politischen System → kann zu antidemokratischem Gedankengut führen
• haben keine persönlichen Erinnerungen an die totalitären Systeme des Nationalsozialismus & der DDR hat →
Demokratie wird daher nicht mehr von allen Jugendlichen als grundsätzlich schützenswertes Gut empfunden
• Schulen haben den gesellschaftlichen Auftrag:
o dazu beizutragen, dass Schüler sich zu mündigen, verantwortungsvoll denkenden und handelnden Menschen
entwickeln & sollen demokratische Einstellungen zu fördern
o sollen über das Wesen der Demokratie aufklären und grundsätzliche Einsichten vermitteln, wie z. B., dass
▪ es keine einfachen Lösungen für komplexe Probleme gibt
▪ es eine Illusion ist, zu glauben, es könne eine Gesellschaft geben, in der alle an einem Strang ziehen
und ein guter „Anführer“ oder eine autoritäre Regierung, die den Willen „des Volkes“ umsetzt
▪ zum Wesen einer Demokratie in einer pluralistischen Gesellschaft politische Konflikte gehören sowie
langwierige parlamentarische Verfahren, in denen politische Kompromisse ausgehandelt werden

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Demokratielernen in Schulen:
• Aufklärung über das Wesen der Demokratie geschieht in der Schule v. a. in den Fächern wie Geschichte und
Sozialwissenschaften → Aufklärung, was es bedeutet, in totalitären Systemen aufzuwachsen
• damit demokratisches System gut funktionieren kann, ist es auf bestimmte Denkweisen, Einstellungen und Haltungen
in der Bevölkerung angewiesen
• kritisches Bewusstsein hierfür entwickeln und erkennen, wie wichtig die Fähigkeiten zu vernetztem Denken, zu
Perspektivwechsel, zu Kritik und Selbstkritik sowie zur Ambiguitätstoleranz für eine lebendige Demokratie sind
• Schulen sollen nicht nur über den Wert der Demokratie theoretisch aufklären, sondern sie auch praktizieren
→ Möglichkeiten zur Partizipation
o in Form von schulischen Mitbestimmungsmöglichkeiten durch Klassensprecher, Schülervertretungen,
Schülerparlament etc.
o in der methodischen Gestaltung des Unterrichts, z. B. in Form von Teamarbeit, Projektarbeit oder Auswahl
der Lektüren
o in der Art des Umgangs des Lehrpersonals mit den Schülern
→ Beispiel für die praktische Umsetzung des Demokratielernens sind die von Kohlberg initiierten „Just-Community“-
Schulen

4.6 Professionalisierung pädagogischer Berufe


= Prozess der Verberuflichung und Verwissenschaftlichung gesellschaftlich relevanter Tätigkeiten
Kennzeichen von Professionen sind:
• lange, spezielle Ausbildung, die auf wissenschaftlichen Grundlagen beruht
• Kontrolle der Ausbildung durch (staatliche) Kommissionen
• Zertifizierung der erworbenen Qualifikationen
• adressatenbezogene Berufsausübung, bei der die Beziehungsebene freundlich-neutral sein und keine persönlichen
Vorlieben oder Abneigungen spiegeln soll
• die Existenz von Berufsverbänden
Professionellen Kompetenz in pädagogischen Berufen:
• fundierte Fachkenntnisse
• kommunikative und soziale Kompetenzen
• Teamfähigkeit
• Reflexionsvermögen
• Konfliktfähigkeit
• Flexibilität
Gründe für den Anstieg der Anforderungen an die professionelle Kompetenz:
• größere Heterogenität der Adressaten (Ausdifferenzierung von Lebensstilen und sozialen Milieus, wachsender Anteil
an Migranten, Inklusion)
• höhere Komplexität und gestiegener Umfang der Aufgaben
• Abnahme allgemein verbindlicher sozialer Normen und Werte
• Zunahme sozialer Problemlagen in vielen Familien
→ Erwerb von Professionalität nicht mit der Beendigung der Ausbildung oder des Studiums abgeschlossen → während des
ganzen Berufslebens ist es notwendig, sich weiter zu qualifizieren und sich in der Interaktion mit den Adressaten
persönlich weiterzuentwickeln

4.7 Vielfalt & Wandelbarkeit pädagogischer Berufsfelder


Grundformen pädagogischen Handelns:
• Erziehen, Unterrichten und Beraten → lassen sich den Berufen Erzieher, Lehrer und Sozialpädagoge zuordnen
Adressaten pädagogischer Berufe:
• nicht nur Kinder und Jugendliche, sondern Menschen aller Altersgruppen

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Vorrangiges Ziel professionellen pädagogischen Handelns:
• Initiierung und Begleitung von menschlichen Lern- und Entwicklungsprozessen
• in einer erweiterten pädagogischen Perspektive ist das allgemeine Ziel pädagogischen Handelns die Unterstützung
von Menschen auf dem Weg zur Mündigkeit
Arbeitsplätze:
• Mehrzahl der Arbeitskräfte in pädagogischen Berufen arbeitet in Institutionen wie Kitas, Schulen, Heimen,
Jugendämtern oder Volkshochschulen und anderen Bildungsstätten
• auch Unternehmen bieten Arbeitsmöglichkeiten im Bereich der Weiterbildung
→ Arbeitgeber sind meistens der Staat, die Kirchen und die großen Wohlfahrtsverbände
Gründe für Expansion des pädagogischen Sektors:
• Ausbau des Sekundarschulwesens („Bildungsexpansion“) & des Angebots an Vorschuleinrichtungen
• Ausweitung von Ganztagsangeboten für Kinder und Jugendliche
• Notwendigkeit lebenslangen Lernens
• gestiegener Bedarf an sozialpädagogischer Betreuung
• familiäre Erziehungs- und Bildungsaufgaben werden zunehmend an professionell geschultes Personal in
pädagogischen Institutionen delegiert → Institutionalisierung
Problematik dieser Entwicklung:
→ einerseits positiv zu bewerten, weil pädagogische Institutionen wichtige gesellschaftliche Funktionen erfüllen und einen
bedeutsamen Beitrag zur Persönlichkeitsentwicklung von Kindern und Jugendlichen leisten
→ andererseits sind aber auch problematische Aspekte damit verbunden:
• pädagogische Institutionen nehmen einen immer größeren Raum im Leben von Kindern und Jugendlichen ein →
Freiräume gehen verloren, die für die Selbstentfaltung von Kindern wichtig sind
• Gefahr, dass pädagogische Experten die erzieherische Kompetenz von Eltern infrage stellen, da diese Menschen nicht
im professionellen Sinn pädagogisch qualifiziert sind
• möglicherweise bei manchen pädagogischen Angeboten nicht das Wohl und die Interessen von Kindern und
Jugendlichen im Vordergrund, sondern das Ziel der Sicherung von Arbeitsplätzen und/oder kommerzielle Interessen
der Anbieter

Professionelles Handeln im Lehrerberuf


Kernaufgaben:
• Unterrichten, Erziehen, Beurteilen und Innovieren (Weiterbildung der Lehrkräfte/Weiterentwicklung der Schule)
Professionellen Anforderungen:
• komplex & anspruchsvoll
• Abschlussprüfungen wie das Zentralabitur → Druck massiv gestiegen, mit dem Stoff inhaltlich „durchzukommen“
• Zusammensetzung der Schülerschaft heterogener → mehr Aufwand durch individuelle Betreuung
• viele Schüler mit sozialen & emotionalen Problemen belastet → Sozialkompetenz und Kompetenz, sozialpädagogisch
intervenieren zu können, wenn dies eine Situation erfordert
Berufsbedingte Spannungen (Antinomien):
• Anforderungen
o des staatlichen Dienstherrn, der dafür Sorge trägt, dass die Schulen gesellschaftlich relevante Leistungen
erbringen und die Schüler beispielsweise bestimmten Leistungsstandards genügen
o der Schüler gerecht werden, die nach persönlichem Nutzen und individueller Selbstentfaltung streben, auch
sollen sie den Bildungsprozess der Schüler unterstützen
• Rollenkonflikte zwischen der Rolle des
o Pädagogen, der ein individuelles Vertrauensverhältnis zu seinen Schülern hat und verständnisvoll auf ihre
Probleme eingeht
o Beurteilers, der nach objektiven Kriterien die Leistungen seiner Schüler bewerten soll
• weil Lehrer Noten vergeben, welche die Lebenschancen mitbestimmen, stehen sie - auch wenn sie das gar nicht
wünschen in einem Machtverhältnis zu ihren Schülern

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Professionelles Handeln im Erzieherberuf
Kernaufgaben:
• Bilden, Erziehen und Betreuen von Kindern und Jugendlichen
• weitere Aufgabenfelder sind Elternarbeit & Kooperation mit Schulen
Arbeitsplätze:
• großer Teil der im Erzieherberuf Tätigen arbeitet in Vorschuleinrichtungen
• weitere Beschäftigtenfelder sind: Kinderhorte, Jugendheime oder die Arbeit mit Behinderten
Professionelle Herausforderungen:
• Wandel der Kindergärten von Betreuungseinrichtungen zu Bildungsinstitutionen → Anstieg der Anforderungen an die
fachlichen Qualifikationen des pädagogischen Personals
• Aufnahme von Kindern unter drei Jahren in vielen Einrichtungen
Probleme:
• anspruchsvolle pädagogischen Arbeit von Erziehern stellt die Frage, ob die bisherige Ausbildung an Fachschulen
diesen Anforderungen genügt
• Erzieherberuf nicht adäquat bezahlt

Professionelles Handeln in sozialpädagogischen Berufen


Sozialpädagoge vs. Sozialarbeiter:
• Vielzahl von Tätigkeitsfeldern, die sich häufig mit denen von Sozialarbeitern überschneien
• historisch gesehen ist die Sozialpädagogik aus der Kinder- und Jugendhilfe hervorgegangen, während die soziale
Arbeit aus der Fürsorge entstanden ist
• Ähnlichkeiten der beiden Berufsfelder → heutzutage sind die Ausbildungen an Fachhochschulen und Hochschulen oft
in einem Studiengang zusammengefasst → Wahl eines Schwerpunktes
• Gemeinsamkeit: kümmern um Menschen, die sich in problembelasteten Lebenslagen befinden & deshalb Hilfe und
Unterstützung benötigen → häufig sozial benachteiligte Menschen
Ziel:
• die Ressourcen der betroffenen Personen zu stärken, damit sie ein möglichst eigenverantwortliches Leben führen
können und zur gesellschaftlichen Teilhabe befähigt sind
Tätigkeitsfelder:
• Sozialpädagogen planen und organisieren Unterstützungsmaßnahmen, begleiten ihre Adressaten im Alltag, beraten
sie und helfen ihnen
• Verwaltungsaufgaben & die Zusammenarbeit mit Institutionen und Behörden → fundierte Rechtskenntnisse &
Kenntnisse über die Verwaltungsvorgänge in Behörden
Einsatzgebiete:
• Menschen mit Behinderungen oder psychischen Störungen, Alkohol- und Drogenproblemen
• Familien, die pädagogische und anderweitige Unterstützung benötigen
• in Kitas und in Schulen → kümmern sie sich um, Problemschüler und betreiben schulische Sozialarbeit
• in Ganztagsschulen → Gestaltung und Durchführung des außerunterrichtlichen Programms
• in Heimen oder Jugendfreizeitstätten
Berufsbedingte Spannungen (Antinomien):
• persönliches Verhältnis zu seinem Klienten haben, eine vertrauensvolle Beziehung zu ihm aufbauen, aber auch eine
professionelle Distanz bewahren
• auf Augenhöhe mit seinem Klienten kommunizieren; gleichzeitig besteht zwischen ihm und seinem Klienten eine
asymmetrische Beziehung, in der ein Machtgefälle herrscht
• soll Mitgefühl, aber kein Mitleid haben

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Wissen & Können einer pädagogischen Profession:
 Bereichs- & themenbezogenes Fachwissen  Beratungswissen
• alle Wissensbestände, die sich auf einen bestimmten • Wissen über Zusammenarbeit &
Bildungsbereich oder Bildungsgegenstand beziehen (z.B. Kommunikation mit Erziehungsberechtigten bei
Sprache, Mathe, Naturwissenschaften) Problemen & regelmäßigem Austausch über
• Mittelpunkt der pädagogischen Arbeit: Ermöglichung Entwicklung des Kindes
themenbezogener grundlegender sozialer & kognitiver • ausbalancieren der "Differenz der
Erfahrungen, die für den Aufbau individueller kindlicher Perspektiven" (Fachkräfte verfügen über
Kompetenzen bedeutsam sind andere Wissensgrundlage)
• vertieftes, gegenstandsbezogenes Hintergrundwissen ist • Antizipationsfähigkeit: Kenntnisse über
erforderlich, um kindliche Lern- & Aneignungsprozesse auf Gesprächspartner, deren Wahrnehmung &
einem hohen Niveau begleiten zu können Einschätzung zu spezifischen Themen
• Kita: Wissen über den zu bearbeiten Inhalt als Grundlage für • Adaptionsfähigkeit: Fähigkeit eigenes Verhalten
das Formulieren anregender Fragen, sinnvolle Setzen von der jeweiligen Gesprächssituation anzupassen
Impulsen, adäquate Nachvollziehen, Aufgreifen &
Weiterführen der Gedankengänge der Kinder
 Grundlagenwissen  Didaktisches Planungs- & Handlungswissen
• kindheits- bzw pädagogisches Grundlagenwissen • pädagogische & didaktische Ansätze,
• Wissensbasis, die beim pädagogischen Handeln zum Tragen allgemeine didaktische Prinzipien, Kenntnisse
kommt (im Kontext der Reflektion & Begründung des bezüglich der Strukturierungselemente von
Handelns) Praxis sowie Planungskonzepte in direktem
• dazu zählen: historische, rechtliche, bildungspolitische Bezug zur Interaktion mit Kindern
Aspekte sowie entwicklungs-, lern-, • Verfügen über Strategien von Erziehung &
motivationspsychologische Kenntnisse Bildung in der Kita (Methoden im engeren
Sinne)
 Subjektbezogenes Interaktionswissen  Organisationswissen
• detaillierte Kenntnisse in Bezug auf die zu betreuenden • in der Einrichtung gegebene Arbeitsbedingung
Kinder, ihre Bedürfnisse, Interessen, Vorlieben & & Erwartungen kennen
Lebenssituationen • Wissen über vorfindbare räumliche, materielle
• Verfügen über spezifische erfahrungsbasierte Erwartungen & personelle Ressourcen & Möglichkeiten
mit Blick auf das Verhalten der zu betreuenden Kinder & den gemeinwesensbezogenen Handelns im
Verlauf bestimmter Situationen näheren Umfeld der Einrichtung
• Möglichkeit in diesem Zusammenhang ein entsprechend • geltende pädagogische Orientierungen &
breites Interaktionsrepertoire situationsangemessen Absprachen (Leitbild, Leitlinien, spezifische
aktualisieren zu können Abläufe, spezifische Regeln)

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5 Methoden & Kompetenzen
AFB 1: 1. Einleitungssatz:
Zusammenfassung  TATTE: Titel, Autor, Textart, Thema, Erscheinungsjahr & -ort
2. Hauptgedanke:
 Der Hauptgedanke des Textes ist, dass…
3. Strukturierte Wiedergabe des Textes:
 Einleitend beginnt der Autor damit, dass…
 Im ersten Abschnitt (Z.X-Y) geht es um…
 Abschließend/ Zum Schluss/ Schließlich…
Allgemein:
 Präsens & Konjunktiv
 in eigenen Worten & sachlich
 keine Zitate/ Verweise, Ich-Form, Abkürzungen
 Absätze setzen
AFB 2: 1. Thematische Einleitung:
Vergleich  ≠Einleitung von Nr.1
 Als Pädagoge geht Schäfer in seinem Artikel über die entwicklungs- und
kognitionspsycholgischen Erkenntnisse Piagets in gewisser Weise hinaus.
2. Aufstellung von Vergleichskriterien:
 Bild des Kindes, Rolle der Lehrperson, Bedeutung der Umwelt usw.
 Dies lässt sich anhand folgender Kriterien herausarbeiten…
3. Darstellung der theoretischen Annahmen des vorliegenden Textes:
 keine wiederholte Textwiedergabe
 Kernaspekte der Theorie anführen → strukturiert zusammengefasst
4. Darstellung der theoretischen Annahmen der bekannten Theorie:
 Kernaspekte der Theorie anführen → nicht zu ausführlich
5. Verknüpfung von 2.-4.:
 Vergleich nach Kriterien mit Zeilenangaben, Zitaten, Beispielen
6. Fazit
Allgemein:
 Präsens & Konjunktiv
 Textverweise bei Punkt 3. und 5. !!
AFB 3: 1. Problemorientierte Einleitung:
Beurteilung/  Worum geht es?
Stellungnahme  pädagogische Relevanz des Problems
2. Entwicklung von Kriterien zur Beurteilung:
 Bsp. Ziele, Mittel usw.
 technologische und axiologische Kriterien miteinbeziehen
3. Darstellung der Theorie, falls diese noch nicht dargestellt wurde
4. Erörterung → Pro/ Kontra-Argumentation:
 unter Berücksichtigung der Kriterien
 Fachsprache nutzen
 Beispiele
5. Darstellung einer begründeten Bewertung:
 pädagogisches Urteil bilden
 sowohl technologisch als auch axiologisch bewerten
Dimension Handlung Bedingung Wirkung
Ziel (Erziehungs- Mittel (erzieherische Bedingungsfeld Eingetretene Wirkung
ziele) Handlungs- Erkennbare (interne/ Erkennbare (Neben-)
möglichkeiten) externe Bedingungen) Wirkungen
technologisch Erreichbar? Geeignet, um Ziel zu Im Sinne des Ziels Gewollte & ungewollte
(Sachebene) erreichen? förderlich? Nebenbedingungen?
axiologisch Wichtig für ←" Wünschenswert? (Neben-) Wirkungen im Sinne
(Wertebene) Persönlichkeit? der Persönlichkeits-
Interesse des entwicklung?
Kindes?

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