THE KILLING GAME

SOUFFRANCE

DIE WABENSTADT
FELDLAZARETT
MERCURE

DAS NEUNTE ZIGGURATH

FRANKA DER AMMENWALD

NACH AQUITAINE

TOULOUSE

CAMP FIERTÉ
RHÔNE-SÜMPFE
LA ROUTE DE LA RÉSISTANCE

BAYONNE

MONTPELLIER
RHÔNE-DELTA

HYBRISPANISCHE GRENZE ATUMAS ROUTE

PEYREPERTUSE
QUERIBUS

PERPIGNAN
HIJOS DEL SOL

ELANIS ROUTE

STAD T S IEDLUN G AUSSENPOSTEN WEG HANDELSROUTE

DIE
SÜDKÜSTE FRA
AR T E FAKTADER ZIGGURATH SPORENFELD MUTTERSPORENFELD 2596 A.D.
DIE SCHLOTE DES
MACHIAWEN
ZUR ALPENFESTUNG

CREMANT
HELLVETIKA
DER SCHLUND
DER SCHWERE
PFAD

FORTEZZA
ZOLLPOSTEN LOMBARDI
GRIONESSE
DIE BERNER
SENTIER DU CHASSEUR PASSAGE

BERGAMO

NISTRELLE KONFLUENZ INFORMATIONSBRÜCKE

CARNEST DER SICHELSCHLAG
(UNTERIRDISCH)

TERRITORIALREGION I TURIN

GENUA
NACH PERUGIA
MURNAKIRS REICH
DIE BERNER
PASSAGE

DER BRANDWEG

VORSTOSS DER PURGISCHE GRENZE

WACHSMANN-LACROIX
EXPEDITION

JAQUIERAS FELD
(ERLOSCHEN)

DUCAL

LEITPOSTEN
MORVANT
DER SICHELSCHLAG
(UNTER WASSER)

DER BRANDWEG

TOULON

CINTOS NEST

DAS MITTELMEER

DAS SCHWARZE NEST

HAMZAS ROUTE CORPSE

N

ANKAS W O
AJACCIO

0 50 100 km
S
 THE KILLING GAME

DÉSORMAIS
ENFERMÉ DANS MA SOLITUDE,
JE TRAÎNERAI PARMI
LES CHOSES
QUI PARLERONT T O U J O U R S DE TOI.

[ C H A R L E S A Z N AV O U R ]

MARKO DJURDJEVIC & ALEXANDER MALIK

EDITORIAL

HERAUSGEBER ART DIRECTION & ARTWORK

SIXMOREVODKA Marko Djurdjevic

KONZEPTION & ERGÄNZENDES ARTWORK

IP DEVELOPMENT Gerald Parel
Marko Djurdjevic  Michal Ivan
Andrius Matijoshius
P R O D U K T I O N  Chris Kintner
Marko Djurdjevic Hugo Lam
Adrian Fekete Claudiu Magherusan
Alexander Malik
ARTWORK ASSISTENZ
AUTOREN Jelena Kevic-Djurdjevic
Marko Djurdjevic Monika Palosz
Alexander Malik Bernat Maki Planas
Högni Jarleivur Mohr
COVER DESIGN Alessandro Poli
Adrian Fekete Markella Stavropoulou

L AY O U T & G E S TA LT U N G L E K T O R AT
Adrian Fekete Alexander Malik

3D ARTWORK K O R R E K T O R AT
Yasha Habibipour Gregor Kieselbach

K A R T E N M AT E R I A L
Chris Kintner
Murad Albakov

DEGENESIS VON
Christian Günther & Marko Djurdjevic

BESONDERER DANK AN
Adrian Djurdjevic, Emily Hale, Dennis Nußbaum, Volker Steinmetz, Michael Duttenhöfer, Russell Binder, Dave
Rapoza, Martin Behrendt, Wolfram Riegler, Mathieu Filipic, Renart De Maupertuis, Roliste TV, Jose Manuel Rey,
Gilles Garnier, Curro Marin, Sandy Julien, Stephane Bogard, Matteo Casali, Paul Haberstock, Magnus Lenz, Oli-
vier Jalabert, Tomasso Alderighi, LUCCA Comics & Games, Roberto Irace, IFCC, Andy Azbah, Greg Kotler, Carmel
Spivak Divon, Jörg Holder, Alain Solheid, Jens Kürten, Fritz Grebner, Steffen Schnurpel, Frank Barner, Steve Snow,
Greg Faillace, Scot Tumlin, Jeff Jew, Den Yang Ho, Blake Midstokke, Koblenz Downtown, OPM, SCALE 75 & all the
DEGENESIS fans worldwide

Degenesis® ist ein eingetragenes Warenzeichen von SIXMOREVODKA STUDIO GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Die Erwähnung von oder Bezugnahme auf

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Buches sind © SIXMOREVODKA STUDIO GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck außer zu Rezensionszwecken nur mit schriftlicher Genehmigung des

Verlags.
I N H A LT
DEGENES I S TH E K I LL ING GA M E

KAPITEL 00 PROLOG 08 - 11

K A P I T E L 0 1 G O L D U N D A R T E FA K T E 12 - 73


KAPITEL 02 DAS SCHLANGENNEST 74 - 115

KAPITEL 03 O P E R AT I O N M I R A G E 116 - 173

KAPITEL 04 TA G D E S P H Ö N I X 174 - 211

THE KILLING GAME INHALT 7

PROLOG
NEPHRAIM
Ein Wellenkrampf frisst sich durch Nephraims Körper. Sein
Bauchnabel ist das Zentrum der Zuckungen. Vibrationen
fegen über seine Haut hinweg, reißen Furchen in die gelbe
Kriegsbemalung auf seiner schwarzen Brust. Er sieht aus
wie eine menschliche Wespe.
Seine Beine sind knietief im brackigen Sumpfwasser
versunken, mit seinem Blick sucht er die Gestalten am
gegenüberliegenden Ufer ab. Dreißig Schritt trennen ihn
von den neun Kreaturen, die auf ihn warten. Acht Leperos
stehen dort, regungslos. Fünf Männer, eine Frau und zwei
Kinder, allesamt splitternackt, die Haare verfilzt und mit
Speeren bewaffnet, deren Spitzen gekrümmt sind wie In-
sektenstachel. Auf ihren Brustbeinen glühen frankische
Stigmata. Drohnen.
Der Pheromant überragt seine acht Diener um eine
Kopflänge. Spindeldürr wächst er zwischen ihnen empor,
wie ein mit bleichem Leder überzogenes, verknöchertes
Gerippe. Sein Kopf ist geschwollen, die Stirn ist gerötet und
wölbt sich wie ein fleischiger Amboss. Die Schwellung hat
das Gesicht des Absonderlichen dermaßen entstellt, dass
nur die Nase und das winzige Maul darunter sichtbar sind.
Nephraim spürt eine zweite Welle. Seine Muskeln
spannen sich, Krämpfe wühlen sich durch seine Eingewei-
de. Der Pheromant versucht ihn zu kontrollieren, doch der
Anubier widersetzt sich mit zäher Anspannung. Das teeri-
ge Marduk-Öl wehrt den Lockstoff der Kreatur ab. Vorerst.
Doch Nephraim fühlt die unfassbare Macht, die von dem
Pheromanten ausgeht, mit jedem Muskelzucken. Lange
wird er dem Absonderlichen nicht standhalten können. Er
macht drei beherzte Schritte auf das andere Ufer zu, sein
Blick allein auf den Pheromanten fixiert.
„Murnakir! Ich bin hier, um Frieden zu schließen.”
Nephraim muss sich jedes Wort erkämpfen. Er kann den
überwältigenden Geruch des Psychonauten förmlich
schmecken, an seinem Gaumen klebt er wie geschmolzenes
Wachs. Jeder Atemzug transportiert Giftschwaden in seine
Lunge, wo sie neue Wellenkrämpfe auslösen, mit denen
sich Nephraims Körper gegen die Beeinflussung zur Wehr
setzt.
Murnakirs Lippen formen ein groteskes Grinsen, seine
verfaulten Zähne blecken hervor. Dann jagt plötzlich eine
Handvoll Wespen auf Nephraim zu. Der Anubier erstarrt.
Zielgenau fliegen sie in Richtung seines Kopfes und drehen
im letzten Augenblick ab. Scheinangriffe. Der Pheromant
testet ihn. Nephraim würgt, beißt die Zähne zusammen.
Er muss standhalten, darf der Angst in seinem Herzen kei-
nen Raum lassen. Der Absonderliche wartet nur auf den
richtigen Moment, um Nephraims Geist an sich zu reißen
wie hilflose Beute. Eine Wespe bremst abrupt vor seinem
Gesicht, schwebt mit hektisch schlagenden Flügeln auf der
Stelle. Der winzige Kopf wirft sich hin und her, die Fühler
zucken nervös. Es scheint ihm, als würde er das Gesicht des
Pheromanten in der Wespe erkennen. Nephraim schlägt sie
beiseite. Verdammt!
Eine Drohne hat die Gelegenheit ausgenutzt und sich
angepirscht. Ihr Speer jagt gierig auf Nephraims Hals zu.
Der Anubier weicht zurück und schnappt nach dem höl-
zernen Schaft. Mit einem Hieb seines Ellenbogens bricht er
den Speer mittig entzwei. Da packt ihn die Drohne beim
Arm, ihre Fingernägel bohren sich durch seine Haut. Die
Augen des Leperos‘ sind blutunterlaufen, der Mund zu
einem Biss weit aufgesperrt. Der Anubier versenkt seine
Faust darin, zerschmettert den Kiefer der Drohne mit ei-
nem Schlag. Splitternde Zähne schneiden sich durch seine
Fingerknöchel, die Drohne wankt und sackt mit zwei fah-
rigen Schritten rückwärts im Wasser zusammen. Aus dem
Augenwinkel vernimmt der Anubier einen zweiten Angrei-
fer. Seine blutige Hand schnellt in die lederne Gürteltasche
hinein, umschließt den schuppigen, kaltblütigen Inhalt.
Blitzschnell dreht sich Nephraim in Richtung des Leperos‘,
die Hand fährt aus der Tasche und sein Griff entlässt die
schwarze Mamba, die sich um den Unterarm des Anubiers
geschlungen hat. Der Kopf der Schlange schießt unbarm-
herzig aus der Handfläche Nephraims hervor, die Zähne des
Tieres graben sich jäh in die Stirn der Drohne, versinken
darin und entladen ihr Gift. Der Arm des Anubiers zuckt
zurück, reißt die Schlange wie eine Peitsche an sich heran
und verstaut sie in einer fließenden Bewegung zurück in
der Tasche. Der Leperos schreit gequält auf und bricht mit
rudernden Armen zusammen. Gelähmt und mit Schaum
vor dem Mund versinkt er im Todeskampf gegen das mör-
derische Gift im kniehohen Sumpf.
„GENUG!” Murnakirs Worte gurgeln kehlig herüber.
Nephraim blickt zu dem Pheromanten hinauf. Die übrigen
Drohnen halten gehörigen Abstand zum Anubier.
„KÖNIG MACHIAWEN NIMMT DAS ANGEBOT AN”,
grollt der Pheromant. Er macht mehrere träge, langgezoge-
ne Schritte durch das Brackwasser auf Nephraim zu. Mit
jedem Schritt schmatzt der Sumpf auf und Blasen steigen
an die Oberfläche. Zwischen seinen knotigen Fingern hält
der Pheromant eine Honigwabe. Das Herz des Anubiers ge-
friert in seiner Brust. So nahe ist er noch keinem Absonder-
lichen gekommen. Er kann Murnakirs Atem riechen. Wie
Leichenduft wabert er durch die Luft, übertüncht alle an-
deren Gerüche. Adern pulsieren auf der glühend roten Stirn
des Pheromanten, als er die Honigwabe in zwei Teile bricht.
„TEILE MACHIAWENS NEKTAR MIT MIR. UND
WIR WERDEN FRIEDEN MACHEN.”
Die Kreatur hält Nephraim dessen Teil der Wabe entgegen.
Fetter Honig tropft von der Hand des Absonderlichen und
platscht ins klebrige Wasser.
„DER SUMPF IST DIE NEUE GRENZE.”
Der Anubier zögert, dann greift er vorsichtig nach der Wabe
und führt sie langsam zu seinem Mund. Er beobachtet jede
von Murnakirs Bewegungen, sieht, wie der Pheromant sei-
nen Teil des Honigs herunterschlingt.
„DU BIST EIN WESPENMENSCH”, kriecht die Stim-
me aus dem winzigen Maul Murnakirs.
„ICH WERDE MEINEM KÖNIG VON DIR ERZÄH-
LEN.” Mit diesen Worten dreht der Pheromant dem
Anubier den Rücken zu und begibt sich zurück ans Ufer.
Er brummt mehrmals wie ein aufgepeitschter Wespen-
schwarm und gibt seinen Drohnen zu verstehen, dass sie
ihm folgen sollen.
Nephraim schaut ihnen hinterher, bis sie im Dickicht
des Sumpfes verschwunden sind. Dann blickt er an sich hi-
nab, auf die gelbe Kriegsbemalung und atmet erschöpft aus.
Das schwarze Öl und die gelbe Farbe haben ihn gerettet.
Seine Schlange ist sein Wespenstachel. Er lacht ungläubig.
Wespenmensch.
THE KILLING GAME 11
 K A P I T E L

GOLD UND ARTEFAKTE

DAS SCHWARZE HERZ
Es tobt ein Krieg in Franka. Es geht um die Vorherrschaft. Die Könige der Heerscharen haben das Herz des Landes un-
terjocht, ein ganzes Volk als Sklaven genommen und zu willenlosen Drohnen gemacht. Mit ihren Schwärmen haben
sie den Himmel über Souffrance verdunkelt. Ihre Schlote speien unheilvolle Wolken hervor, schwängern die Luft mit
Botenstoffen, die den Verstand rauben.
Legionen an Ungeziefer transformieren das umliegende Land, passen es dem Willen ihrer Meister an. Terrafor-
ming nennen es die Spitalier. Eine gewaltige Metamorphose, deren Endziel es sein wird, Homo Sapiens seines Lebens-
raums zu berauben und ihn unter den Umwälzungen zu begraben. Nie waren die Zeichen deutlicher.
Doch der Widerstand blüht an den Gestaden Frankas. Hier unten an der Südküste, wo sich die unzählbaren Arme
der Rhône mit der salzigen Brühe des Mittelmeers vermischen, sammeln sich freie Menschen. Sie sind nicht dem
Lockruf der Pheromanten verfallen, ihr Wille zum Überleben war stärker. Hier formieren sie sich in den Küstenstäd-
ten, den letzten Bollwerken der frankischen Zivilisation.
Perpignan. Montpellier. Toulon.
Es herrscht Frieden. Einigkeit. Und eiserne Entschlossenheit, das Land zurückzuerobern.
Diesen Zustand verdanken sie einem einzigen Kult – den Neolibyern. Seit Jahrzehnten bauen diese die Küsten-
städte aus, befestigen sie, bringen Reichtum und Handel nach Franka. Sie vermitteln zwischen den alteingesessenen
Klans und ihre Geißler Rudel befrieden die Grenzsiedlungen. Sie sprechen Gesetz, bringen Ordnung in das aufgeheiz-
te Rhône-Becken, versprechen den Menschen eine bessere Zukunft. In Perpignan legen sie die alten Feindschaften mit
den Jehammedanern nieder, unterstützen die Resistance, bauen Brücken der Verständigung. In Montpellier arbeiten
sie den Spitaliern zu, unterstützen sie mit Ressourcen und betreuen die Verhandlungen mit den Anubiern. In Toulon
förden sie Bildung, ihre Kontore vermitteln Kredite für Expeditionen und sie lassen den Schrotthandel erblühen, wo
die Chronisten stets gescheitert sind.
Mehr noch. Seit vor acht Jahren der Anubier Nephraim als Botschafter in die Sümpfe zu den Pheromanten ging,
rücken diese nicht mehr vorwärts. Sie stehen still. Eine neue Grenzlinie scheint gezogen und selbst die Spitalier ver-
stehen diese seltsame Ruhe nicht.
Unbemerkt vom Treiben in den Sümpfen und Küstenstädten jedoch zieht eine neue Gefahr am Horizont auf. Sie
ist menschlich und von Missgunst und Misstrauen getrieben. Unsichtbar zieht sie ihre Schlinge enger.
Jenseits der Rhône, im fernen Aquitaine und im kalten Justitian blicken bernsteinfarbene Augenpaare voller Arg-
wohn, Zwietracht und Neid auf die Südküste Frankas. In den Clustern wird ein Plan ersonnen, die Neolibyer zu ent-
machten, ihre Vormacht zu sprengen und die Ausbeutung Frankas zu stoppen. Lange genug haben die Chronisten mit-
angesehen, wie die Africaner das Land ausbluten lassen, es seiner Artefakte berauben und ihren Herrschaftsanspruch
mit den verborgenen Schätzen der Rhône zementieren. Einst sind die Chronisten hier gescheitert, haben Territorium
und Macht verloren. Ein zweites Mal soll das nicht geschehen. Sie leiten Operation Mirage ein. Aufklärer, Provokateu-
re, Shutter, Schwarze Richter beginnen die Küste zu infiltrieren. Der Senat in Justitian ist eingeweiht.
 WIE MAN DIESES BUCH BENUTZT
Willkommen in Franka. Wir schreiben das
Jahr 2596. Der Tod lauert in den Schatten
der Sümpfe, der Hass nistet auf den Her-
zen der Neider. Nach Norden hin regnet
es Sporen, nach Süden hin riecht es nach
Krieg. Zehn Jahre lang war das Glück auf
Hamzas Seite, beflügelte den Plünderer zu
immer waghalsigeren Geschäften. Doch
der Rausch des Erfolgs zieht Feinde in
die Kreisbahn des gewinnsüchtigen Neoli-
byers. Und sie gieren nach seinem Reich-
tum, seiner Macht und seinem Ansehen. In
ihren Augen verkörpert Hamza das Unrecht
des Stärkeren, er ist der Urheber des Raub-
baus an Franka und muss beseitigt werden.
Die Kettensägen sind geölt, die Revolver
nachgeladen und die Wut ist frisch. Der
Geruch der nahenden Rebellion vermischt
sich mit der salzigen Meeresluft, ein Fun-
kenschlag und der Frieden ist vorbei. Für
immer.
Dieses Buch enthüllt die Machenschaf-
ten an Frankas Südküste im Detail und führt
erfahrene Spieler tiefer in die Welt von De-
genesis ein.
„GOLD UND ARTEFAKTE” beschreibt
die Region, das Land und die Leute, samt
Toulon als Dreh- und Angelpunkt der Ge-
schehnisse und Ausgangspunkt kommen-
der Kampagnen.
„DAS SCHLANGENEST” eröffnet ei-
nen Blick in die menschlichen Abgründe
der beteiligten Parteien und vertieft die
dramatischen Entwicklungen.
Das Abenteuer „OPERATION MIRAGE”
liefert den Einstieg in den Hexenkessel aus
Terror und Gewalt.
Das letzte Kapitel „TAG DES PHÖNIX”
verknüpft lose Enden und lotst die Charak-
tere tiefer in einen Strudel aus Rachsucht
und Mordlust, um die Kampagne eigen-
ständig weiterzuerzählen.
THE KILLING GAME verbindet Aben-
teuer, Spielhilfen und Hintergrundinforma-
tionen zu einem einzigen Quellenband, der
Material für unzählige Spielabende an den
Ufern der Rhône bereithält und an vergan-
gene sowie zukünftige Geschichten in der
Welt von DEGENESIS anknüpft.
THE KILLING GAME 15
MIRAGE
Ein aufgebockter Eisblock am langen Ende des Raumes
kühlte die Schreibstube auf angenehme Temperatur. Die
Kanzlei war mit Reichtümern und Trophäen vollgestellt.
Restaurierte Statuetten des Urvolks, Pelze und kostbare
Stoffe, Landkarten, mit Goldintarsien verzierte Schatullen,
africanische Ahnenmasken und kunstfertige Schmiedewa-
ren. Nichts davon interessierte Mirage. Sie war wegen der
Artefakte hier. Der Ausbeute aus den Sümpfen der Rhône,
die dem Plünderer Hamza Abubakar III. seinen Reichtum
bescherte.
Hamza trat vom Fenster weg an seinen Schreibtisch
heran und bedeutete Mirage auf der anderen Seite Platz zu
nehmen.
„Nimm die Maske ab!”
Mirage löste die Schnalle und zog das Leder vom Ge-
sicht.
Für einen Augenblick herrschte Überraschung in Ham-
zas Blick. Er hatte keine Frau unter der Maske erwartet.
Vorteil: Mirage.
„Unser Anliegen ist simpel”, begann sie. „Stabile Wäh-
rungskurse, Wechsel und Dinare im Wert Eins zu Eins,
dazu Einsicht und exklusive Kaufoptionen auf alle Artefak-
te, die aus den Sümpfen nach…”
„Dein Kult hat keine Verhandlungsbasis”, schnitt Ham-
za ihr selbstsicher das Wort ab.
Sie war es nicht gewohnt, dass jemand ihre Autorität in Fra-
ge stellte.
Vorteil: Hamza.
Mirage wischte sich eine nasse Haarsträhne von der
Stirn, ihre Strichcode-Tätowierung glänzte unter dem dün-
nen Schweißfilm auf ihrer ausdruckslosen Miene.
„Die Chronisten haben Toulon vor Jahrzehnten aufge-
geben. Wir haben die Stadt eigenhändig wieder aufgebaut”,
fuhr der Plünderer fort. Seine Position gab ihm Recht, das
Grinsen eines ewigen Gewinners schlich ihm über die Lip-
pen.
„Franka gehört nicht den Neolibyern.” Mirage versuch-
te es mit Druck. „Dein Kult hat viele Feinde. Suchst du noch
mehr?” Sie wusste, die Chronisten standen geschlossen
hinter dieser Verhandlung, Aquitaine und Justitian wollten
kalkulierbare Ergebnisse. Fortschritt war die Formel, auf die
in den Clustern gesetzt wurde.
Hamza feilte unbeeindruckt seine Nägel auf einem
Sandkissen.
„In meiner Heimat Tripol sagt man, der süßeste Ge-
winn ist der, bei dem alles auf dem Spiel steht.” Er puste-
te den Nagelstaub von den Fingerkuppen und hob seinen
Blick, verankerte ihn in Mirages Augen. Er provozierte be-
wusst die Auseinandersetzung. Diese Frau konnte ihm dro-
hen, soviel sie nur wollte, er war der Löwe in diesem Raum,
Mirage die Gazelle mit dem gebrochenen Huf.
„Wir haben die Bevölkerung hinter uns…”
„Falsch!”, unterbrach er sie erneut. Mirage stockte.
Er beugte sich über den Tisch, seine Stimme war herrisch. resse hatte. Er lehnte sich gelangweilt zurück, schaute aus
„Die größte Waffe der Zivilisation ist Brot.”
Sein Ton wurde gehässig: „Ein satter Soldat kämpft für den
Willen seines Volkes, seiner Götter und seines Herrschers.
Ein hungriger Soldat wirft sich bettelnd in die Arme der
feindlichen Armee.”
Mirage blinzelte. Hamza war nur eine Armeslänge
entfernt. Sie könnte ihn am Hals packen und die Stromla-
dungen an ihrem Anzug zünden, die Verhandlung würde
binnen Augenblicken erfolgreich für die Chronisten ausge-
hen. Sie rechnete die politischen Umbrüche eines solchen
Anschlags durch. Nein, offener Mord wäre diplomatischer
Selbstmord für ihren Kult. Es musste eine andere Lösung
geben.
„Justitian, Aquitaine – unser Kult hat die Zivilisation
erst wiedererweckt.”
Sie versuchte es mit Logik: „Wenn du uns Artefakte
vorenthältst, die für unser Wirken unabdingbar sind, scha-
dest du...”
„Absurd.” Die dritte Unterbrechung.
„Unsere Schulen und Universitäten übersäen die Süd-
küste, bilden mehr Schreiber und Lehrlinge aus, als deine
Städte an Büchern aufbringen können.” Hamza hatte Mira-
ge, wo er sie haben wollte. Sie war ihm ausgeliefert. Sie hat-
te nichts zu bieten, an dem er auch nur das geringste Inte-
dem Fenster.
Mirage gingen die Optionen aus. Sie hasste seine
Selbstgefälligkeit. Niemand hatte es je gewagt, so verach-
tungsvoll mit ihr zu sprechen. Wo sie herkam, waren die
Chronisten gefürchtet, ihr Wort war Gesetz. Stumm zog sie
ihre Maske über, zurrte die Schnalle fest, blickte durch die
bernsteinfarbenen Linsen in den Raum. Sie hatte ihr Ge-
sicht verloren.
„Die Fragmente werden mit den Ergebnissen unserer
Verhandlung nicht zufrieden sein”, raspelte sie durch ihren
Vocoder.
Hamza lachte scharf auf. Breitbeinig drehte er sich zu
ihr und fragte mit geneigtem Kopf: „Kennst du die golde-
ne Regel, Chronistenfrau?” Dann flog ein Säckchen Dinare
über den Tisch, Münzen sprangen heraus und rollten in
Kreisbahnen über den Boden.
„Gold regelt alles.”
Sie blieb einen Augenblick wie angewurzelt stehen, ihre
Augen folgten einer Münze, die wild wirbelnd zum Liegen
kam. Dann wusste sie, was zu tun war.
Es war Zeit für einen Paradigmenwechsel.
THE KILLING GAME 17
DER SÜDEN FRANKAS
Das Leben zwischen der fauligen Mittelmeerbrühe und den Muttersporenfeldern des Kernlands folgt seit Gene-
rationen seinem eigenen Takt, vorgegeben von den Pheromanten. Schwärme aus Abermillionen Insekten verdun-
keln ganze Landstriche, während primitive menschliche Drohnen aus den Sümpfen die hölzernen Pheromonidole
ihrer Herren in den Boden rammen, um die Grenzlinien dieses Reiches zu markieren. Immer wieder durchbre-
chen Spitalier und Resistance aus dem Umland heraus diese Linien, versuchen den Feind zu schwächen, zurück-
zudrängen. Mit mäßigem Erfolg. Andere machen es besser. Im vermoderten Morast der Sümpfe verbergen sich
unberührte Artefaktadern, und der Löwe ist gekommen, sie freizulegen.
Die Neolibyer haben die Region wie kein zweiter Kult geprägt. Den Küstenstädten schenkten sie Handel und
Frieden, bauten sie zu Zentren des Wissens und der Verständigung aus. Sie brachten Ruhe in die Fehden der Klans
des Rhône-Deltas, erhoben die Besten unter den Einheimischen zu Adjutanten, Ratgebern und Statthaltern. Sie
schenkten Vertrauen, erlaubten den Klans Selbstbestimmung und Eigenverwaltung und zwangen sie nicht in ein
religiöses Korsett, wie es Wiedertäufer und Jehammedaner immer wieder erfolglos versucht hatten.
Doch der florierende Handel, der die Dinare schnell von Hand zu Hand wandern lässt, lockt ruchloses Gesin-
del an. Entführungen, Erpressungen, Mord und offene Gewalt sind bekannte Übel, denn selbst der einflussreiche
Händlerkult kann seine Macht nicht in jedem Winkel der Region ausüben. In den letzten Jahrzehnten haben sich
entlang der Küstenlinie mehrere Parasitenstädte entwickelt, die unter der Herrschaft ansässiger Despoten, skru-
pelloser Apokalyptiker oder anderer korrupter Gestalten zum Schwemmland für Auftragsmörder, Freischärler und
geistige Brandstifter geworden sind. Und ihre Zahl wächst.

DIE RHÔNE -
LEBENSADER UND BRUTK AMMER
Famulanten und Rekruten – sie sind zum ersten Mal auf der Rhône in Richtung Süden unterwegs. Mit aufgesetz-
ten Gasmasken versuchen sie, sich gegen den alles durchdringenden fauligen Geruch zu schützen, während sie
an der Reling des Schiffes kauern. Plötzlich setzt das monotone Tuckern des Petroaggregats aus. Der Kapitän des
Sumpfkutters hebt den Finger an die Lippen, bedeutet Schweigen, lässt das Boot einfach weitertreiben. Fiebrig
zucken die Blicke der Famulanten und Rekruten zwischen dem Steuermann und der Uferböschung hin und her.
Nervöse Anspannung, die ersten Nervenstränge drohen zu zerfasern. Dann zerreißt kehliges Gelächter die Stille,
der Kapitän schüttelt sich. Der Schwarm nistet nicht gern auf dem Wasser, erklärt er. Niemand muss Angst haben,
solange er an Bord bleibt. Der Tod lauert an den Ufern, und im unwegsamen Dickicht dahinter. Das Knattern des
Kutters setzt wieder ein. Es geht weiter nach Süden.
Ohne den namensgebenden Fluss der Region gäbe es kein Durchkommen von Nord nach Süd. Die Rhône ist
die Hauptroute für jegliche Fortbewegung in diesem Landstrich – seien es die Truppenbewegungen und Versor-
gungszüge der Spitalier, der Burnschmuggel der Apokalyptiker oder der herkömmliche Warenverkehr zwischen
Süd-Franka und Borca. Zugleich ertränkt die Rhône mit ihren unzähligen Nebenarmen das Umland, denn ohne
den Fluss gäbe es nicht das mehrere Zehntausend Quadratkilometer große Sumpfgebiet, das den Süden Frankas
prägt und die Brutstätte der Pheromanten ist.
DIE RHÔNE-SÜMPFE
Die ersten Ausläufer der Sümpfe kündigen sich mit leisen
Schmatzgeräuschen an, Wasser sammelt sich in Fußspuren,
Mückenschwärme steigen auf und bilden dunkle Wolken
über kleinen Pfützen, die schon bald zu großen Wasser-
flächen und Tümpeln werden. Aufgegebene Dörfer in die-
sem Gebiet zeugen vom Todeskampf, den die ansässigen
Klans gegen diesen Landstrich führen. Ein gelegentliches
Glucksen, sonst herrscht erdrückende Stille. Weiter land-
einwärts wandeln sich die unterspülten Wiesen zu moras-
tigen Schilfmeeren, aus denen immer wieder verkrüppelte
Baumgruppen aufragen. Sie sind die Vorboten der Sumpf-
wälder, die sich entlang der Seitenarme der Rhône vom
Hauptstrom aus verbreitet haben. Das Wasser in diesem
unwegsamen Vegetationsdickicht fließt so langsam, dass
es zu stehen scheint. Doch dem ist nicht so. Verklumpte
Fäulnisballen treiben geduldig durch das Zwielicht unter
dem Blätterdach, auf der Suche nach festem Land, das sie
erobern können. Landen sie an, brechen Tausende Ameisen
hervor, um die Saat an den Bestimmungsort zu schleppen.
Sie teilen sich ihr Reich mit Wespenschwärmen, deren Nes-
ter sich über drei oder vier Baumkronen erstrecken, und
mit Termiten. Die meterhohen Bauten dieser Plage sind ein
untrügliches Anzeichen für ein naheliegendes Sporenfeld,
dessen genaue Ausläufer im unwegsamen Terrain oft kaum
überblickt werden können. Überhaupt fehlt es an Orientie-
rungspunkten für das menschliche Auge, denn nach einer
Stunde im Sumpf sieht alles gleich aus.
D A S R H Ô N E - D E LTA
Jenseits der Sümpfe vermischen sich die Wasser der Rhô-
ne mit den mineralhaltigen Mittelmeerströmungen des
Sichelschlags und haben eines der größten bekannten
Biotope überhaupt geschaffen. Die zahlreichen Seitenar-
me und Seen sind Laichplatz für Abertausende Fisch- und
Muschelsorten, über denen wild kreischende Schwärme
unterschiedlichster Seevogelarten kreisen. Damit ist die
reichhaltige Flora und Fauna dieses Habitats die Haupt-
nahrungsquelle für die Hundertausenden Einwohner des
Rhône-Deltas. Bereits vor Sonnenaufgang setzt geschäfti-
ges Treiben ein. Kleine Fischkutter und Boote verlassen die
Siedlungen, die Männer und Frauen an Bord tauchen nach
Muscheln, fischen oder heben Netze, die allerorten zwi-
schen kleinen Felsnadeln und Buchten gespannt sind und
das Bild der Gegend prägen.
MONTPELLIER
Montpellier ist die größte Stadt des Rhône-Deltas und
blickt auf eine lange Geschichte africanischen Einflusses
zurück. Der kleine Hafen zählt zu den ersten, in dem sei-
nerzeit Neolibyer anlandeten, um mit ihren Drangpanzern
die Schätze Frankas zu erobern. Diese Zeiten sind vorbei,
denn große Schiffe sind in Montpellier eine Seltenheit.
M O N T P E L L I E R FA C T S H E E T
STADT: Montpellier, Tech-Level IV
PROVINZ: Süd-Franka / Rhône-Delta
EINWOHNER: 64.000 / Volkszählung der Spitalier
BEVÖLKERUNGSBILD: 40% Africaner (viele in der
zweiten oder dritten Generation sesshaft),
60% Europäer (überwiegend Franker)
KLAN SANGLIER: Besteht aus den ursprünglich
in Montpellier ansässigen siebzehn Familien,
die den Hafen auf unbestimmte Zeit an die
Handelsbank in Tripol verpachtet haben und eine
jährliche Hafensteuer erhalten; Angehörige des
Klans besetzen viele wichtige Posten innerhalb der
Stadtadministration; viele Nachkommen schließen
sich der Resistance an
OBERHAUPT: Atuma, der Sesshafte
VERTRETENDE GEWALT: Narida Woznan,
Registrarin Süd-Franka
BESONDERHEITEN: Stadtmauer, kleiner
Frachthafen, Bastion (Lazarett und Hauptquartier der
Spitalier in Süd-Franka), Basar, Zirkus
HANDEL / WAREN: Muscheln, Seevögel, Fischfang,
Austernzucht, Krabben, Meeresfrüchte, Petro,
medizinische Versorgung, Gasmasken, Filter,
Marduk-Öl, exotische Gewürze und Waren
STADTGARDE: 4 Geißler-Rudel (70 Krieger) und 150
Sanglier-Legionäre (Söldner) unter dem Oberbefehl
von Atuma, dem Sesshaften;
200 Famulanten unter dem Kommando von Narida
Woznan, Registrarin Süd-Franka
ARTEFAKTHANDEL: Stetiger Handel mit kleinen
bis mittleren Funden
KOMMUNIKATION: Richtfunknetzwerk über
Relaisstationen mit Toulon und Perpignan, tägliche
Botenreiter nach Toulouse
THE KILLING GAME 19
Die alte Hafenanlage ist inzwischen zu klein für die gewalti-
gen Schrottfrachter aus Tripol und damit nicht ertragreich
genug. Ein Ausbau des Hafens macht keinen Sinn, große
Ladungen werden einfach in Toulon gelöscht. Dennoch
ist Montpellier für die Africaner von unschätzbarer Bedeu-
tung, denn Perpignan, Toulon und auch Tripol brauchen
Nahrung.
Fast stündlich treffen Vogeljäger, Fischer und Muschel-
sammler mit frischen Fängen im Hafen ein. Kaum ist die
Ware in die Markthallen, die an den Hafen grenzen, verla-
den, feilschen junge Neolibyer mit halsstarrigen Famulan-
ten und Sipplingen um die besten Stücke. Manch Fischer
zieht an einem guten Tag mit mehr Dinaren in der Tasche
von dannen, als ein Famulant in einem ganzen Monat als
Sold erhält. Natürlich kommt der Fischer nicht weit, denn
die Africaner haben den Hafen mit einem undurchdring-
lichen Gewirr aus Ständen und Zelten eingekesselt. Im Ba-
sar locken sie mit bunten Stoffen, Kaffee, Tee, Kakao, rotem
Pfeffer und vielen anderen exotischen Gütern. Es ist un-
wahrscheinlich, dass der Fischer seinen ganzen Profit nach
Hause tragen kann.
Hinter dem Basar erhebt sich auf einer Anhöhe die ei-
gentliche Stadt über den Hafen, umringt von hohen Stadt-
mauern, auf denen die in Rot gehüllten Legionäre des orts-
ansässigen Klans Sanglier Seite an Seite mit Geißlern und
Spitaliern patrouillieren. Auf der Spitze des Hügels thronen
über verwinkelten Gassen und mehrstöckigen Stadthäu-
sern die beiden imposantesten Gebäude der Stadt. Der weiß
getünchte Herrscherpalast hat sich mit den Ruinen einer
urvölkischen Kathedrale verwoben und ist Sitz des gegen-
wärtigen Consuls Atuma, der „der Sesshafte“ genannt wird.
Nicht etwa, weil er als träge gilt, sondern vielmehr, weil er
bereits drei Attentaten auf sein Leben entgangen ist. Dem
Palast gegenüber, direkt auf der anderen Seite des zentralen
Platzes, trotzt die Bastion der Spitalier jeglicher Farbenfreu-
de. Der kantige Betonbau ist Hauptquartier und Kaserne
zugleich. Unter dem Kommando von Narida Woznan, der
Registrarin von Süd-Franka, werden hier Famulanten auf
den Einsatz in den Rhône-Sümpfen vorbereitet. Dass die
gerüstartigen Beobachtungstürme der Bastion nicht ganz
so hoch aufragen wie der große Turm des Herrscherpalasts,
ist ein gern gemachtes Zugeständnis. Die Spitalier pflegen
eine enge Kooperation mit den Africanern. So konnten
Agenten der Chronisten unlängst beobachten, wie eine Ab-
ordnung der Anubier in der Bastion eingekehrt ist.
B AY O N N E
Zwei Rudel Geißler schritten stolz hinter Mbogo, dem
Drangpanzer, her, während sich der dreißig Meter hohe
Stahlkoloss in das Dickicht des fremden Mangrovenwal-
des fraß. Plötzlich griffen die Ketten ins Leere, der Gigant
wankte, sackte zur Seite und sein grollendes Dröhnen
verebbte zum Todesröcheln. Festgefahren. Der Name des
verantwortlichen Neolibyers wurde aus den Archiven der
Handelsbank getilgt, Mbogo ausgeweidet und für kurze
Zeit als Kommandoposten genutzt. Als die nahegelegenen
Schrottadern geplündert waren, zogen die Geißler eilig
ein Tarnnetz über den Haufen Schande und rückten ab.
Nicht so die Rhône-Schar, die den Drangpanzer vor gut
zwanzig Jahren nahe des Trümmerhafens Bayonne wiede-
rentdeckte. Sacrocant, der Rabe der Rhône-Schar, erkannte
die Gunst der Stunde und ließ seine Aasgeier das Aggregat
und die Funkausrüstung wieder in Stand setzen. Strom,
Kommunikation, ein neues Lager. Innerhalb weniger Jah-
re wuchs um Mbogo herum eine kleine Siedlung heran,
die inzwischen mehr als fünfzig Hütten zählt und den ver-
schiedenen Scharen des Rhône-Deltas als Durchgangslager
dient. Auf dem morastigen Boden zwischen den Hütten
werden ebenso Nahrung und Waffen gehandelt wie Stor-
chenkinder und Burn. Über die natürliche Bucht des Trüm-
merhafens besteht zudem eine gute Anbindung an Mont-
pellier, das regelmäßig von Bayonne aus mit Flößen und
Fähren angesteuert wird, um die Versorgung des Lagers mit
Petro und anderen wichtigen Gütern, unter anderem auch
Ex, sicherzustellen. Wie Sacrocant sich die Spitalier gewo-
gen hält, bleibt für die meisten ein Rätsel. Nur die engsten
Vertrauten des Raben wissen, dass sich in den Laderäumen
der zwei Scharkutter oft lebendige Fracht befindet – gefan-
gene Drohnen, die die Rhône-Schar zu Forschungszwecken
an die Bastion verkauft.
MUTTERSPORENFELDER
Die Epigenetiker verzweifeln. Entweder sind die Noume-
non-Trupps unfähig, exakte Messungen vorzunehmen,
oder die Rhône-Sümpfe sind tatsächlich derart verseucht,
dass eine genaue Kartierung der regionalen Muttersporen-
felder unmöglich ist. Südlich von Souffrance konnten bis-
her neun eindeutige Signaturen ausgemacht werden, drei
davon wurden durch Sichtung bestätigt – unter erheblichen
Verlusten. Zwischen diesen neun „Grandes“ liegen Dutzen-
de Felder im Jungfernstadium, und ihre Zahl wächst. Weiter
nördlich herrscht nur ewiges Rauschen, denn das Pulsieren
des Erdenchakras übertönt alles.
JAQUIERAS FELD
Wachsmann-Lacroix – allein der Name sorgt bei jungen
Rekruten für Angstschweiß und Gänsehaut. Die gleichna-
mige Expedition hat den bisher größten Erfolg des Kultes in
Süd-Franka erzielt und die einst mächtigste Pheromantin
der Region in deren eigenem Feld gevierteilt. Anschließend
donnerten zwei Tage lang Fungizidgranaten aus den Mör-
sern, bis das Muttersporenfeld schließlich in sich zusam-
mensackte und Sumpfwasser die Gräben flutete. Erloschen.
Das sich auf diese Weise in der Landschaft bildende Symbol
des frankischen Raptus war lediglich ein fahler Beigeschmack
des Sieges, der vom Schauspiel der absaufenden Droh-
nen völlig weggespült wurde. Doch die Legende bröckelt.
THE KILLING GAME 21
 SUMPFZONEN
Die Spitalier haben die Rhône-Sümpfe in fünf Gefahrenkatego-
rien unterteilt:
KATEGORIE I: Dies betrifft vor allem die Randgebiete, in denen
die giftige Primerfauna die einzige Gefahr darstellt. Hier lauern
natürliche Fallen, zum Beispiel mit Pflanzen überwucherte Tüm-
pel voller Säurequallen oder Teile eines großen Schwarms, die
durch Petroqualm oder Windböen abgesprengt wurden. Ohne
Befehle und ihres Überlebenswillens beraubt, greifen diese
Wolken selbst Drohnen ohne Vorwarnung an.
KATEGORIE II: Hierzu zählen die Territorien der Drohnen, die
sich im Umkreis von bis zu fünfzig Kilometern um ein Mutterspo-
renfeld herum erstrecken. Sobald ein Pheromonidol gesichtet
wird, ist höchste Vorsicht geboten, denn einzelne Drohnen sind
die Ausnahme. Die Leperos streifen in Gruppen von zwanzig
und mehr Kreaturen umher und sind unberechenbar. Eine pani-
sche Flucht ist ebenso wenig ratsam, wie eine überhastete Ver-
folgung. Drohnen agieren im Schwarm – entweder bugsieren
sie ihre Beute wie Treiberameisen in einen Hinterhalt oder sie
opfern sich selbst zum Schutz des Staates. Eine beliebte Famu-
lantengeschichte berichtet von einer Drohne, die ihre Verfolger
zu einem gewaltigen Wespennest gelockt hat, um sich dann
selbst hineinzustürzen und die Bewohner als tödliche Wolke
aufstieben zu lassen.
KATEGORIE III: Muttersporenfelder. Der Sporenflug ist hier
allgegenwärtig, zusätzlich hängen Pheromonwolken triefend
und schwer in der Luft. Auch ohne sichtbare Gegenwart eines
Pheromanten wirkt hier das Phänomen „Einigkeit“, gegen das
sich Charaktere mit PSY+Glaube/Wille (5) zur Wehr setzen kön-
nen. Ohne Marduk-Öl blanker Selbstmord, von der massiven
Versporung und der ständigen Bedrohung durch Pheromanten
ganz abgesehen. Die Muttersporenfelder fungieren außerdem
als Verstärker des Erdenchakras. Bereits jetzt ist ein leichtes
Kribbeln, ein drängendes Vibrieren als flüchtiger Gedanke wahr-
nehmbar.
KATEGORIE IV: Hierzu zählen jene großen Muttersporenfelder,
aus denen bereits Lehmschlote aufragen. Hier gesellen sich zu
den Gefahren der Kategorie III gewaltige Methanwolken. Selbst
Gasmasken schützen nicht vollständig gegen die Auswirkungen
– erhöhte Atemfrequenz, Herzrasen, Schläfrigkeit. Ebenfalls do-
kumentiert sind taube Glieder, Desorientierung und teilweise
Amnesie; Methanwolken gelten als Umweltgift mit der Eigen-
schaft „Narkotisierend (7S, 7 Ego)“.
KATEGORIE V: Souffrance. Hier ist jeder Schritt eine Tortur. Der
Weg führt über hundert Meter hohe Ringwälle hinab in Täler,
in denen Sporen wie dichtes Schneetreiben in der Luft hängen.
Die dazwischen liegenden Senken sind mit Methan gefüllt, ohne
Sauerstoffgeräte ist hier kein Durchkommen. Die Sicht ist auf
wenige Meter reduziert, Sporenschwaden verdunkeln das Son-
nenlicht zu einem grauen Zwielicht, einzelne Flocken senken
sich auf farblose Pflanzenwulste herab, auf denen handtellergro-
ße Urameisen ihre Fühler in Richtung der Eindringlinge ausstre-
cken. Wenige Meter weiter werden sie über die Neuankömm-
linge herfallen und ihnen jeden Fetzen Neopren von der Haut
nagen. Kategorie V kennt kein Durchkommen.
 MARDUKS SCHÜTZENDE HAND

Die Anubier lächeln milde, wenn jemand um
den Preis ihrer Öle feilschen will. Ohne ihre
Tinkturen führt der Weg nur in die Sümpfe
hinein, nicht hinaus. Marduk-Öl schützt vor
dem Einfluss der Pheromanten – und gegen
deren Heerscharen. Einmal aufgetragen,
macht das Öl den Träger sechs Stunden lang
quasi unsichtbar für unkontrollierte Drohnen
und Plagen. Wegen dieser Nebenwirkung
ist das Marduk-Öl ein wichtiger Grundpfeiler
für den Erfolg der Africaner in Süd-Franka.
Nur durch die Schutzwirkung ist eine erfolg-
reiche Ausbeutung der reichhaltigen Schrot-
tadern möglich. Wer sich mit Marduk-Öl ein-
gerieben hat, kann sich neben eine Drohne
stellen oder unter einem Wespennest ras-
ten, ohne angegriffen zu werden. Zumindest
solange sich sein Körperschweiß nicht mit
dem Marduk-Öl vermischt. In Gefahrensitu-
ationen muss der Charakter alle 10 Runden
einen W6 werfen – zeigt der Würfel eine 1,
versagt die Wirkung des Öls gegen Drohnen
und Plagen abrupt.

Vor sieben Monaten verzeichneten Noumenon-Vocalizer
nahe Montpellier eine neue Frequenz, die ihren Ursprung
in Jaquieras Feld zu haben schien. Anschließende Untersu-
chungen verliefen ergebnislos. Messfehler?
MURNAKIRS REICH
Die Idole Murnakirs ragen wie an einer unsichtbaren Per-
lenschnur aufgereiht aus Wasserläufen und Schilfwiesen
auf, zerschneiden das Land. Sie bilden die Demarkations-
linie zwischen der Zivilisation und dem dunklen Herz der
Sümpfe. Kein zivilisierter Mensch hat diese Grenze bisher
überschritten. Abertausende menschliche Drohnen um-
schwärmen die Pheromonmarker, wühlen im Morast nach
Essbarem, lauschen aufmerksam dem wütenden Surren der
Wespen oder legen vom Sumpf konservierte Baumstämme
für neue Idole frei. Stigmata blühen auf nackter Haut, die
Augen sind leer, die Lippen zu ewigem Lächeln verzogen.
Eintracht. Gleichgültigkeit. Franka hat ganze Generationen
an die Pheromanten verloren, hier zeigt sich ihr Schicksal.
Vom Herrn der Drohnen wissen die Spitalier lediglich, dass
er vermeintlich eine Art Herold und Botschafter für weit-
aus mächtigere Pheromanten aus dem Norden ist. Seit
Murnakirs Verhandlungen mit dem Anubier Nephraim aus
Toulon wurden keine Vorstöße der Drohnen mehr nach Sü-
den verzeichnet.
SENTIER DU CHASSEUR
Gletscherwasser speist den hoch in den Alpen entspringen-
den Fluss, der sich unweit des Handelspostens Cremant
ins Alpenvorland ergießt. Da der Sentier du Chasseur ne-
ben der Rhône die einzig sichere Passage durch die Sümpfe
ist, besitzt Cremant für die Nachschubzüge der Spitalier
eine besondere strategische Bedeutung. Dutzende Schrot-
ter sind rund um die Uhr damit beschäftigt, Beiboote und
Versorgungsflöße für die nächste Hundertschaft Famulan-
ten zu bauen, die nach Montpellier geschifft werden soll.
Gleichzeitig karren die versprengten Sippen des Umlands
ihre Waren nach Cremant, um sie gegen Dinge des alltäg-
lichen Bedarfs zu tauschen. All dies geschieht unter den
wachsamen Augen eines Soldatentrupps, der die Ordnung
in dem Handelsposten aufrechterhält. So nahe der Alpen-
festung dulden die Hellvetiker keine zweideutigen Zustän-
digkeiten.
NISTRELLE-KONFLUENZ
Ein konfuses Spinnennetz aus Seitenarmen, kleinen Insel-
gruppen und sanften Buchten prägt die Nistrelle-Konflu-
enz, den Ort, an dem der Sentier du Chasseur seine Was-
ser mit der Rhône vermengt. Das unüberschaubare Gebiet
ist eine wichtige Wegmarke für alle Truppenbewegungen
Richtung Montpellier. Nach einem geheimen Muster wer-
den bestimmte Inseln als Umschlagplätze genutzt, um die
aus Norden und Osten eintreffenden Einheiten und Güter
auf Sumpfkuttern unterzubringen und sie schließlich nach
Montpellier oder an andere Bestimmungsorte zu transpor-
tieren. Meistens geschieht dies bei Nacht, um die Bedro-
hung durch Drohnen und Schwärme zu minimieren, die
hier allgegenwärtig sind.
FELDLAZARETT MERCURE
Während die meisten Famulanten froh sind, die Nistrel-
le-Konfluenz hinter sich zu lassen, ist einigen Auserwähl-
ten ein anderes Schicksal vorherbestimmt. In der Nacht
des Umschlags legt sich plötzlich eine gepanzerte Hand
auf ihre Schulter. Der anschließende Blick in die Augen
von Obmann Canelle beantwortet alle Fragen. Es gibt kein
Zurück. Die Besatzung der Mercure ist handverlesen, denn
das Tarnschiff befindet sich auf Aufklärungsfahrt. An Bord
leben einundzwanzig Preservisten, ein Dutzend Epigene-
tiker, eine Einheit Feldärzte und eben einige „Freiwillige“

THE KILLING GAME 23


THE UNIVERSE IS T R A N S F O R M A T I O N ,
LIFE IS
OPINION.
mit der ständigen Bedrohung, entdeckt zu werden. Um An-
griffen zu entgehen, wechselt die Mercure daher über die
vielen verschiedenen Seitenarme ständig ihre Position zwi-
schen den Inselgruppen. Die Mission: Tief in das Herz des
Gegners vordringen. Schwachpunkte katalogisieren. Den
Todesstoß vorbereiten.
DER AMMENWALD
Aufgeschäumtes Sumpfwasser, verzweifelte Schreie einer
Mutter, eine Strohpuppe, die auf einem Tümpel treibt –
die Siedler in der Region nennen ihn den Wald, der Kinder
frisst. Wie viele Söhne und Töchter über Jahrzehnte hinweg
unter dem finsteren Blätterdach verschollen sind, vermag
niemand zu sagen. Die Ammen haben sie geholt, sie alle.
Die Angst vor den Psychonautinnen sitzt tief und treibt die
Bauernklans mit ihren Kindern Richtung Toulouse, doch
irgendjemand muss für Nahrung sorgen, weswegen die Re-
sistance den Kampf gegen den Ammenwald aufgenommen
hat. Einen Sommer lang versuchte sie, die Ausläufer der
westlichen Baumgrenze in Brand zu setzen, um den gan-
zen Wald abzufackeln. Vergebens. Das zähe Buschwerk lässt
sich nicht niederbrennen, die Ammen sich nicht ausräu-
chern. Bereits nach wenigen Stunden ersticken die Flam-
men unter den dichten Kohlendioxidschwaden, die aus
dem schwelenden Morast quellen. Vier Wochen später hat
sich die Vegetation erholt und alles ist so, wie es immer war.
Zeit für eine andere Taktik. Seit einem Jahr sind die Kom-
battanten dazu übergegangen, in kleinen Trupps in den
Ammenwald vorzustoßen, um möglichst viele der Phero-
mantenidole zu sprengen, die dort verstreut im Unterholz
verborgen liegen. Treffen sie auf Drohnen oder Ammen, be-
ginnt eine erbarmungslose Jagd. Nur vom nördlichen Wald
halten sich die Resistance-Trupps fern, denn dort ragen be-
reits die ersten Lehmschlote zwischen den Bäumen auf. Ein
kleiner Vorgeschmack auf das, was dahinter lauert.
D A S N E U N T E Z I G G U R AT H
Nordwestlich des Ammenwalds, eingekeilt zwischen den
Ausläufern der Rhône-Sümpfe, haben Grenouilles aus Tou-
louse einen Beobachtungsposten in einen Hügel gegraben.
Die Stollen sind niedrig, behelfsweise mit Brettern abge-
[MARCUS AURELIUS]
stützt, im Innern knattert schallgedämmt ein Petrogenera-
tor, der mit seinen ständigen Aussetzern den angeheuerten
Schrotter regelmäßig zur Verzweiflung treibt. Die Abgase
werden durch einen Brunnen abgeleitet und geklärt, das
Wasser schmeckt nach Ruß. Unbedeutend, Hauptsache
unentdeckt bleiben, die Vorstöße zum Haufen sind gefähr-
lich genug. Tag für Tag werden drei der zwanzig stationier-
ten Hilfsspitalier von Gian d’Ecur, der kommandierenden
Epigenetikerin, aus dem Hügel gejagt: Proben einsammeln,
neue Probenbehälter aufstellen, nach Drohnen Ausschau
halten und die Höhe des Haufens kontrollieren. Der Hau-
fen. D’Ecurs Vermutung nach entsteht zwei Kilometer vom
Hügel entfernt das neunte Ziggurath – unterirdisch. Aber-
millionen von Insekten schleppen auf zwei hundertfünfzig
Meter breiten Straßen kleine Zellstoffklumpen durch den
Wald. Die Blätter, Rindenstückchen und Ästchen werden
am Treffpunkt der Insektenstraßen in einer Senke abgelegt,
aus der sich ein kreisrunder, fünfzig Schritt durchmessen-
der Komposthaufen wölbt. Seine Höhe beträgt exakt sie-
ben Meter und zwölf Zentimeter. Seit einem Jahr. Jeden
Tag. Der Haufen wächst nicht, egal wie viel Material an-
geschleppt wird. Zumindest nicht nach oben. Gian d’Ecur
hat unzählige Berichte an die Bastion gesandt und einen
Untersuchungstrupp angefordert, der den Zugang finden
soll. Ohne Erfolg. Sie soll Meldung machen, wenn die ers-
ten bewaffneten Drohnen auftauchen, vorher werden die
Ressourcen an anderer Stelle gebraucht.
D I E W A B E N S TA D T
Jenseits des Ammenwaldes liegt die Wabenstadt. Berichte
sind rar, die Zahl derer, die von diesem Ort zurückgekehrt
sind, lässt sich an zwei Händen abzählen. Das Gebiet presst
sich über Dutzende Kilometer hinweg in eine Senke und
gleicht einem gewaltigen, nicht enden wollenden Bienen-
stock. Die Luft ist staubtrocken, heiß und sie vibriert vom
hellen Sirren der Abermillionen und Milliarden Insekten,
die hier in einer einzigen gewaltigen Kolonie nisten. Wird
das Gefüge bedroht, verdunkeln riesige Schwärme aus Wes-
pen, Wildbienen, Termitenjungköniginnen, Heuschrecken
und anderem Geschmeiß die Sonne. Angelockt vom auf-
brandenden Tosen dieses Ungeziefersturms stürzen Hun-
derte primitiv bewaffneter Drohnen aus den umliegenden
Wäldern in die Wabenstadt, um das Nest gegen Eindring-
linge zu verteidigen. Ein offener Angriff wäre sinnlos, den-
noch weiß die Bastion, dass sie handeln muss. Nach Ansicht
der Spitalier werden in der Wabenstadt die großen Schwär-
me Süd-Frankas ausgebrütet. Die Pestizidproduktion läuft
auf Hochtouren.
DIE SCHLOTE
DES MACHIAWEN
Die Schlote des Machiawen prägen Franka: Sechzig Meter
und höher türmen sich die Lehmnadeln über den Baum-
wipfeln der Sümpfe auf, von wo aus sie unablässig Methan-
wolken in die Luft speien und die Lockstoffe ihres Herrn
dem Wind überantworten. An den Fundamenten wim-
melt es nur so von emsigen Baumeistern, gewaltigen Ter-
mitenstaaten, die unermüdlich Baumaterial herantragen.
Menschliche Hilfskräfte tun es ihnen gleich. Auf unsicht-
baren Pheromonrouten schleppen Drohnen Lehmklumpen
und verrottendes Holz heran, um den Termiten die Wege zu
verkürzen. Alles folgt einem Schema, alles greift ineinander.
Lediglich die Burnsammler der Sonnenwindschar brechen
aus dem Gefüge. Ihre Unterwerfung unter Machiawen si-
chert ihnen freie und damit chaotisch wirkende Bewegung
auf den Feldern zu; nahestehende Drohnen verharren und
erzittern ehrfürchtig, wenn eine ihrer Königinnen aus den
Schloten tritt und ihren Apokalyptikern neue Weisungen
für die Exilanten in Borca erteilt. Alles hat seinen Preis.
SOUFFRANCE
Expeditionen nach Souffrance sind zum Scheitern verur-
teilt. Jeder Schritt auf das Erdenchakra zu, führt aus der
angestammten Welt in eine neue Gegenwart. Methan la-
gert sich in den Lungenflügeln ein, macht das Atmen zur
Qual, lässt Farben sprechen und Pheromonbotschaften als
in der Luft schwebende Symbole Gestalt annehmen. Die
Umgebung ist unwirklich schön in ihrer abstrakten Perfek-
tion. Das Marduk-Öl beginnt auf der Haut zu kribbeln, zu
brennen, der eigene Körper wehrt sich, sehnt sich nach der
lange vermissten Einheit mit dem Ganzen. Drohnen bilden
Spaliere, heißen die Neuankömmlinge mit ausdruckslosen
Augen willkommen, nehmen ihnen zuvorkommend die
Gasmasken ab, schälen die Gäste vorsichtig aus dem stö-
renden Neopren. Die allgegenwärtige Liebe bricht einem
das Herz, das immer wilder in der eigenen Brust zu häm-
mern beginnt, vor Freude zerspringen will. Jetzt zeigt sich,
wer seinen Geist gestählt und Kontrolle über seinen Willen
erlangt hat – Flucht und damit der Verrat an den eigenen
Kameraden ist der einzige Ausweg. Heute ist nicht der rich-
tige Tag um alles zu opfern, denn Souffrance liegt noch Ki-
lometer entfernt.
THE KILLING GAME 25
DROHNEN
Niemand weiß genau, wie viele Menschen als Drohnen
der Pheromanten in den Rhône-Sümpfen vegetieren. Die
Schätzungen von Resistance und Spitaliern variieren zwi-
schen Zehn- und Hundertausenden, eine genauere Zäh-
lung ist unmöglich. Ganze Städte wurden von den Ammen
ausgeblutet. Vor allem im Norden der Region, wo die Droh-
nenkonzentration am stärksten ist, gibt es kaum noch freie
Klans. Die wenigen Einzelkämpfer, die verblieben sind, wei-
den die aufgegebenen Siedlungen aus und bleiben ständig
in Bewegung. Es sind hartgesottene Eremiten, die Fremden
nicht trauen und selbst den Rekrutierungsversuchen der
Resistance aus dem Weg gehen. Die meisten Sippen hinge-
gen haben ihren Widerstand irgendwann aufgegeben und
ihre Eigenständigkeit gegen den Nektar ihrer Königinnen
eingetauscht.
Diese Menschen sind degeneriert, nicht mehr als pri-
mitive Werkzeuge und leicht als solche zu erkennen: nackt,
das Haar verfilzt, auf der Brust blüht das frankische Stigma.
Eine Armee aus Leperos, die ihrer Kultur, Tradition und ih-
res Willens beraubt wurden und von Sporen vernebelt und
aufgebläht einen menschlichen Verteidigungswall um ihre
fremdartigen Herrscher bilden. Jeder Vorstoß gegen die
Absonderlichen lockt Drohnen an. Sie navigieren wie eine
große Einheit durch den unwegsamen Sumpf, sind gepolt
auf die Gefühle ihrer Meister, ohne eigene zu verspüren. Ihr
Leben zählt nicht. Es gibt kein Zögern, wenn sie sich auf
einen Feind des Gefüges werfen. Wer ihrem Gebiet zu nahe
kommt, dem droht der schnelle Tod. Giftpfeile, Stachelfal-
len, unwegsames Gelände und Orientierungslosigkeit brin-
gen selbst die bestgerüsteten Krieger zu Fall.
Droht keine unmittelbare Gefahr, dringen die Drohnen
als Späher bis an die Grenzen der Sümpfe vor, um ihren
Herren zu berichten. Regungslos stehen sie da, bilden lange
Reihen und harren für Tage an Ort und Stelle aus. Plötzlich
ertönt ein kollektives Raunen und die Drohnen beginnen,
sich zu einer unhörbaren Melodie im Wind zu wiegen.
Neue Befehle. Einige brechen aus der Ordnung aus, wen-
den sich um und rennen von einem unbekannten Eifer ge-
trieben in das Dickicht. Stunden später kehren sie zurück,
schleppen unter Aufbietung all ihrer Kräfte einen Baum-
stamm heran, um ihn mit einfachen Faustkeilen zu bear-
beiten. Unermüdlich, bis zum Umfallen. Geht eine Drohne
entkräftet zu Boden, nimmt eine andere das Werkzeug aus
ihren verkrampften Händen. Die Arbeit endet erst, wenn
das Idol aufgerichtet ist.
 IDOL DES MACHIAWEN
IDOL DES IOMEDES IDOL DES MURNAKIR
IDOLE
Die hölzernen Idole der Pheromanten gleichen grob be-
hauenen Monolithen, die mit einfachsten Werkzeugen
aus konserviertem Sumpfholz gefertigt werden. Sie zeigen
entfernt das Antlitz der jeweiligen Königin eines Droh-
nenstaats und werden von den primitiven Stämmen zur
Markierung des Territoriums aufgestellt, um die einzelnen
Herrschaftsbereiche voneinander abzugrenzen. Das Terrain
spielt dabei eine untergeordnete Rolle, obwohl die meisten
Idole gut sichtbar auf Lichtungen, im Unterholz oder auf
Inseln in den Schilfmeeren errichtet sind. Manchmal ragen
sie jedoch auch nur wenige Zentimeter aus einem Tüm-
pel heraus auf – ihre exakte Position ist wichtiger, als ihre
Sichtbarkeit, vermuten die Spitalier. Intakte Idole sind oft
mit getrockneten Menschenhäuten behangen oder vielfar-
bigem Drüsensekret beschmiert. Sie dienen den Pheroman-
ten als Leitposten, um Befehle an ihren Drohnenstaat zu
kommunizieren und werden entsprechend bewacht.
Spitalier und Resistance haben die Idole als Schwach-
punkte ausgemacht, um der Drohneninvasion Herr zu wer-
den. Die Taktik ist simpel: Sofern es das Gebiet zulässt, wird
um das Idol herum ein niedriger Graben gefurcht und mit
Petro gefüllt. Anschließend wird eine kleine Petrobombe
am Idol selbst platziert und gezündet. Die verbrennenden
Sekrete versetzen die Drohnen des Umlands sofort in einen
rauschhaften Verteidigungsmodus. Sie stürmen in Horden
herbei, bereit, sich auf einen Feind zu stürzen, den sie je-
doch nicht antreffen. Stattdessen wird der Petrograben in
Brand gesetzt, so dass die Drohnen in einem Ring aus Feuer
DAS NEUNTE IDOL
und Qualm eingeschlossen und ihrer Sicht beraubt sind.
Der Verteidigungsbefehl lässt sie weiter in dem Ring aus-
harren, während sie Schuss für Schuss durch die Gewehre
und Pfeilhagel der Resistance dezimiert werden. Brechen
dennoch Drohnen aus dem Ring aus, erledigen die Spreizer
der Famulanten den Rest. Allerdings häufen sich in letzter
Zeit Berichte über Zusammenstöße mit Ammen, die den
Drohnen bei derartigen Angriffen zur Hilfe kommen und
deren Gegenwehr koordinieren.
Eine von fünf Drohnen ist derart von Fäulnis durch-
drungen, dass sie bereits erste Mutationen aufweist. In der
Regel sprießen die walnussgroßen Drüsen unter den Ach-
seln, aber auch der Befall anderer Lymphknoten, etwa in
der Leistengegend oder am Hals, ist dokumentiert. Wird
eine solche Drohne getötet, versprüht sie im Todeskampf
säuerlich riechende Alarmpheromone, die sich mit einer
überwältigenden Geschwindigkeit von dreißig Metern pro
Minute über einen Kilometer hinweg ausbreiten, bevor sie
ihre Potenz verlieren. Alle Drohnen und Pheromanten im
betroffenen Gebiet werden sofort gewarnt und angelockt.
Dem Ausstoß ist nur durch schnelles Handeln beizukom-
men, etwa durch Versenken des Kadavers im Sumpfwasser.
Ist dafür keine Zeit oder ist es gelungen, einen Pheroman-
ten zur Strecke zu bringen, dessen Alarmpheromone um
ein Zehnfaches potenter sind, helfen nur noch die Ozon-
granaten aus der Herstellung der Spitalier von Montpellier.
Binnen Bruchteilen von Sekunden zerlegen diese sämtliche
Botenstoffe in ihre chemischen Bestandteile.
 OSTSEITS DER RHÔNE
Das südfrankische Grenzland um Toulon als Kernstadt profitiert maßlos von dem Zu-
sammenfluss der verschiedenen Kulturen. Auch wenn die Rhône-Sümpfe im Westen
und der verlorene Teil Frankas im Norden schwer passierbare Regionen sind, so bieten
doch das Mittelmeer, die Ausläufer Hellvetikas und der Korridor nach Genua genü-
gend Routen für Handel und Expeditionen. Die Handschrift der Neolibyer ist hier so
spürbar, wie nirgends sonst in Süd-Franka. Seitdem der Anubier Nephraim im Namen
Hamza Abubakars III. den denkwürdigen Waffenstillstand mit dem Pheromanten
Murnakir ausgehandelt hat, gedeiht die Region zusehends. Die Schwarmangriffe blei-
ben aus, auf den Feldern reifen Früchte und Wildweizen und selbst die Kinder sind
sicher – keine Ammen.
Stattdessen arbeiten Resistance, Africaner und Hellvetiker Hand in Hand, um den
überlebenswichtigen Brandweg weiter zu befestigen. In den Städten und Küstendör-
fern lernen Klans die Kunst der Selbstverwaltung, während Kredite der Handelsbank
die Gründung neuer Manufakturen und den Aufbau moderner Infrastrukturen ermög-
lichen. Der Grund ist keine Gutherzigkeit, denn das neolibysche Prinzip besagt, dass
Wohlstand das Ergebnis harter Arbeit und schlauen Handelns ist. Doch seit dem Frie-
den mit den Pheromanten kann endlich mit der Ausbeutung einiger der reichhaltigs-
ten Schrottadern Frankas begonnen werden, die in dieser Region verortet sind. Tag für
Tag dringen frankische und africanische Schrottertrupps ungehindert in die äußeren
Sumpfgebiete vor, um die dort verborgenen Reichtümer zu bergen und in die Häfen
zu transportieren. Als Lohn gibt es hartes Gold, alle profitieren, so dass die Africaner
inzwischen als Freunde, und nicht als Ausbeuter verstanden werden. Abseits dieses
Glanzes stehen verhüllte Gestalten in den Schatten und grämen sich. Der Erfolg der
Neolibyer ist zeitgleich ein Abgesang auf das Scheitern der Chronisten.

TOULON
Als Hamza Abubakar III. 2586 zum ersten Mal an Bord der
Unya in den Hafen von Toulon einlief, sah man ein Lä-
cheln auf seinem Gesicht. Eine aufgeschreckte Abordnung
Touloni machte ihm ihre Aufwartung, verängstigt und be-
eindruckt von den gewaltigen Schiffen, die hinter seinem
Flaggschiff am Horizont warteten. Während er die Lan-
deplanken überquerte, warfen seine Gefolgsleute bereits
Fässer von Bord – Gewürze, Nahrung und Petro. Willkom-
mensgeschenke. Nicht mehr, nicht weniger. Sieben Tage
lang dauerten die Verhandlungen mit dem Klan – Hamza
war nicht gekommen, um sich mit Gewalt zu nehmen, was
ihm ohnehin zustand. Er wollte Toulon aus freien Stücken
zu Füßen gelegt bekommen, und er bekam es, weil er den
Einwohnern der Stadt Frieden und Wohlstand versprach.
Die ortsansässigen Schrotter spuckten in den Sand – für
sie waren die Africaner nichts anderes als Aasfresser, mit
denen sie sich um die wenigen Knochen des Hinterlands
balgen würden müssen. Sie irrten.
Mit jedem weiteren Jahr, in dem Hamza die Handels-
konzession für Toulon erwarb, wandelte sich das Ant-
litz der Küstenstadt stärker. Am Rand von Ferrallies, dem
Schrotterbezirk, ließ er die größte Petro-Raffinerie Frankas
errichten, den Cour Argent baute er zu einem Umschlag-
hafen für die gewaltigen Schrottfrachter der Handelsbank
aus. Es folgte die Errichtung einer Universität, in der Eu-
ropäer Seite an Seite mit Africanern das Wissen der neuen
Welt studieren und mehren sollten. Anders als alle anderen
Neolibyer versuchte Hamza nicht, die Europäer mit exoti-
schen Gewürzen, bunten Stoffen und wilden Zirkustieren
zu beeindrucken. Er behandelte sie wie Geschäftspartner.

So versorgte er nicht nur seine eigenen Schrotter mit Mar-
duk-Öl, sondern auch die angeworbenen Unterstützungs-
trupps, um beide gleichermaßen vor den Pheromonfallen
in den Sümpfen zu schützen. Die Laderäume der Frachter
begannen sich zu füllen, Hamzas Investitionen zahlten sich
aus und die Schreiber der Handelsbank dankten überrascht
den Ahnen für die herausragenden Bilanzen – bis zum
Jahr 2588. Zwei Jahre nach seiner Ankunft verlor Hamza
innerhalb von drei Monaten zwei seiner Expeditionen an
die Drohnen Murnakirs, während gewaltige Ungeziefer-
schwärme die Küste entlang wanderten und verwüsteten.
Doch auch auf diese Herausforderung wusste der Plünderer
eine Antwort – er entsandte seinen Blutsbruder Nephraim
in die Sümpfe und dieser schloss einen beispiellosen Frie-
den mit den Pheromanten. Die Ausbeutung der reichhalti-
gen Schrottadern konnte beginnen.
Von da an ging es nur noch bergauf. Klans aus dem
Umland strömten in die Stadt, Perpignan und Montpellier
übertrafen sich gegenseitig mit Bündnisversprechen und
selbst Genua, die Alpenfestung und die Resistance entsand-
ten Unterhändler, um vom befreiten Toulon zu profitieren.
Heute tummeln sich auf den breiten Korridoren und in den
verwinkelten Gassen der Stadt mehr Schrotter und Händ-
ler, als sonstwo an der Küste Frankas. Und es heißt, Hamza
würde jeden Morgen von den Zinnen seines Palastes auf die
Stadt blicken und lächeln.
LEITPOSTEN MORVANT
Die Korpskommandatur der Territorialregion I reagierte ir-
ritiert, als die Africaner 2569 von Genua aus einen Weg über
den südlichen Zipfel der Alpen auskundschafteten und da-
bei drei Drangpanzer festfuhren. Als die Hellvetiker wenige
Wochen später zudem registrierten, dass von dem kleinen
Hafen Ducal aus Wegarbeiten in Richtung Nordosten und
Südwesten aufgenommen wurden, schlug die Verwunde-
rung in Ärger um. Sollten die Neolibyer etwa versuchen,
die zollträchtige Route Schwerer-Pfad-Berner-Passage
durch einen neuen Landweg zu umgehen? Mitten durch
das Alpenvorland hindurch? Eine Woche später ragten an
einem strategischen Scheitelpunkt, etwa dort, wo der neu
geschaffene Küstenweg von Ducal aus auf die Berner Pas-
sage treffen müsste, die Fundamente eines Leitpostens aus
der Erde. Nach zwei weiteren Wochen waren die Arbeiten
beendet. Ein graues, kompaktes Meisterwerk der Genie-
kunst, wie man sich in der Korpskommandatur gegenseitig
immer wieder versicherte, bevor man die ersten Zölle er-
hob. Jetzt waren beiden Seiten verärgert. Nach einigem Hin
und Her schlossen Hellvetiker und Neolibyer schließlich
ein Abkommen, das beide Seiten das Gesicht wahren ließ.
Die Africaner würden die Zölle entrichten, die Genietrup-
pen der Hellvetiker die unwegsamen Abschnitte des Brand-
wegs befestigen und warten. Tripol habe die Alpen unter-
schätzt, hieß es. Inzwischen ist der Leitposten eine wichtige
Wegmarke auf der Route Toulon/Genua. Die vor Ort stati-
onierten Genietrupps rücken regelmäßig aus, um marode
T O U L O N FA C T S H E E T
STADT: Toulon, Tech-Level III-IV
PROVINZ: Süd-Franka / Grenzgebiet
EINWOHNER: 52.000 / neolibysche Zählung
BEVÖLKERUNGSBILD: Klan Touloni / dominant,
Neolibyer / dominant, Geissler / dominant,
Schrotter / dominant, Apokalyptiker / zahlreich,
Resistance / zahlreich, Spitalier / vertreten,
Kleinere Sippen / vertreten, Hellvetiker / vereinzelt,
Chronisten / unbekannt
KLAN TOULONI: Führt seine Abstammung auf die
fünf ursprünglichen Sippen der Hafenstadt zurück,
die jeweils für die Verwaltung eines Stadtviertels
verantwortlich sind und aus ihren Reihen den
Bürgermeister wählen; der Klan unterhält sehr enge
Verbindungen zu den Neolibyern und profitiert
von günstigen Krediten durch die Kontore Hamzas;
jede Sippe hat Absolventen der Universität in die
Küstensiedlungen gesandt, um Manufakturen zu
errichten oder das Handelsnetzwerk auszubauen
OBERHAUPT: Hamza Abubakar III.
VERTRETENDE GEWALT: Zohra, die Consulin von
Toulon
BÜRGERMEISTER: Vericon, der Ältere
BESONDERHEITEN: Stadtbefestigungen, großer
Frachthafen, Industrieschmieden, Petro-Raffinerie,
Universität
HANDEL / WAREN: Petro, africanische Mineralsalze,
Schwefel, Marduk-Öl, Waffen, Munition, Sumpftiere,
Fischfang, Meeresfrüchte, Destillat, Gasmasken,
Filter, Schrott, Relikte des Urvolks, Schmiedewaren,
Generatoren und Aggregate
STADTGARDE: 12 Geißler-Rudel (250 Krieger) unter
Kommando von Ayubu, dem Bluthund, und dem
Oberbefehl von Hamza Abubakar III.;
30 Famulanten des Lazaretts L’Orage unter dem
Oberbefehl der Bastion du Montpellier;
160 Kombattanten der Resistance und 40 Grenouille-
Kämpfer unter dem Kommando von Zoé Morceau;
80 Stadtwachen der Beau Monde
ARTEFAKTHANDEL: Ausgedehnter Handel mit
mittleren bis großen Funden
KOMMUNIKATION: Richtfunknetzwerk über
Relaisstationen mit Toulon und Montpellier,
Drahtnetzfunk über Leitposten Morvant und Ducal
bis nach Genua und zur Informationsbrücke Carnest
THE KILLING GAME 29
 Abschnitte des Brandwegs zu sichern, die Nähe zum Sichel-
schlag lässt die Arbeiten nie enden. Gleichzeitig bewachen
zwei Dutzend Soldaten drei turmhohe Petrotanks – unter-
halten von den Neolibyern, zur Wartung des Brandwegs.
Africanische Schrotter und Kombattanten der Resistance
zählen zu den Stammgästen der aus dem Boden gesprosse-
nen Wirtschaftsgebäude, die den Leitposten in Gestalt von
Treibholzhütten und löchrigen Zelten belagern.
DER BRANDWEG
Eine breite Trasse schlängelt sich an der Küste entlang. Sie
führt von Genua aus gen Westen, vereint sich nach einem
beschwerlichen Weg durch die Ausläufer der Alpen mit der
Berner Passage und mäandert weiter Richtung Toulon.
Der Brandweg. Die einzig sichere Route über Land an die-
ser abgelegenen Südspitze Frankas. Die Trasse trägt ihren
Namen zu Recht: Africanische Schrotter und Kadetten der
Resistance patrouillieren hier fast auf jedem Kilometer. Im-
mer in Paaren, die Tanks auf ihrem Rücken mit Petro ge-
füllt. Ihre Mission ist die Wartung der zwei Schritte tiefen
Feuergruben, die sich im Abstand von jeweils zweihundert
Metern am Wegesrand finden. Sie füllen die Löcher mit ge-
trocknetem Dünengras, Stroh und Laub, zuletzt schaufeln
sie Sand auf das Brennmaterial und tränken die Mischung
mit Petro. So lassen sich die Gruben bei einem drohenden
Schwarmangriff leicht zu schwelenden Rauchfeuern ent-
zünden, die dem Ungeziefer die Orientierung rauben. Zwar
sind die Schwarmangriffe seit dem Pheromantenfrieden
seltener geworden, doch starker Wind treibt immer wieder
kleinere Schwärme in Richtung Mittelmeer ab. Es wäre zu
gefährlich, nicht vorbereitet zu sein.
DUCAL
Vor dem Bahnen des Brandwegs war Ducal nichts weiter
als ein schwer anzusteuerndes Drecksloch von einem Ha-
fen inmitten eines Geröllfelds – wenigen Auserwählten als
sicherer Umschlagplatz für Waffen und Burn bekannt. Bis
die Neolibyer kamen und Cardial, dem Raben der Sichel-
schar, ein unwiderstehliches Angebot unterbreiteten: Den
Brandweg und das Gold Tripols für das Aufrechterhalten
einer Enklave als Landungsort für verdeckte Operationen.
Seitdem treffen in dem vorgelagerten Hafen immer wieder
kleinere Expeditionsstreitkräfte der Africaner ein, um sich
innerhalb weniger Stunden in alle Windrichtungen zu ver-
streuen. Unbemerkt und unbeobachtet von Hellvetikern,
Chronisten und Spitaliern, denn Cardial sorgt mit seinen
Leuten dafür, dass der vorgelagerte Hafen vor neugierigen
Augen geschützt bleibt. Wer zu viele Fragen stellt, landet
als Rückfracht auf dem nächsten Neolibyerschiff – Sklaven
werden immer gebraucht. Ehrliche Gäste können sich im
Wegedorf vergnügen, das die Schar entlang des Brandwegs
errichtet hat. Hier wird gemeinsam Blutsbruderschaft ge-
schlossen, gehurt und Burn aus ganz Europa getauscht.
Übrigens auch von neugierigen Neolibyern, die unter dem
Einfluss von Eintracht glorreiche Pläne von vereinten Kräf-
ten und gegen die Handelsbank schmieden, nur um sich am
nächsten Morgen für den geschäftsschädigenden Unsinn
zu schämen, der in der Nacht über ihre Lippen gewandert
ist.
B E R N E R PA S S A G E
Die Berner Passage ist die zentrale Handelsroute nach
Borca. Vom Leitposten Morvant aus zieht sie sich mitten
durch eine der dicht besiedelten Kernregionen Hellvetikas
bis hinauf nach Bern. Alle vierzig Kilometer riegelt eine ge-
waltige und stark bewachte Talsperre den Verkehr auf der
Trasse ab, so dass auf einem Routenabschnitt immer nur
eine begrenzte Anzahl von Reisenden unterwegs ist. Sehr
zum Ärger der Karawanen, denn wer eine der Schleusen zu
spät erreicht, muss mitunter zwei bis drei Tage warten, be-
vor er seine Reise fortsetzen kann. Das kostet Zeit, weswe-
gen Sabotageakte und ausufernde Wettrennen unter den
Stammhändlern der Route an der Tagesordnung sind. Es

DER GROSSE EXODUS

Wiedertäufer findet man nur noch selten
in der Region. Viele der alten Kapellen und
Missionshäuser stehen heute leer oder wer-
den von den Kombattanten der Resistan-
ce als Kasernen und Waffenlager genutzt.
Domstadt stört es nicht. Der Kult zog sich
nach mehreren verheerenden Schlachten in
den Rhône-Sümpfen von der Mittelmeer-
küste zurück, gegen den ausdrücklichen
Wunsch der Spitalier. Doch die Täufer hat-
ten entschieden – der Rückhalt in der Be-
völkerung war zusammengebrochen und
damit auch der Wille der Kultführung, sich
weiter mit den Einheimischen Süd-Frankas
abzugeben. 2577 begann der große Exo-
dus nach Nordwesten gen Briton, in das
gelobte Land der Wiedertäufer. Dort hat-
ten schon Generationen von Anhängern
des gebrochenen Kreuzes erfolgreiche Mis-
sionierungswellen geführt und den Kult mit
den Klans der Atlantikküste verschmolzen.
Gemeinsam hüten sie dort eines der größ-
ten Geheimnisse der Wiedertäufer: das
Sternenfeuer.
gilt schnell zu sein, denn die Hellvetiker machen keine Aus-
nahmen – Bestechungsversuche werden mit Passageverbo-
ten geahndet. Diese strikten Sicherheitsmaßnahmen haben
einen guten Grund: den Schutz der Bevölkerung.
Linker und rechter Hand der Passage liegen die ver-
streuten Bergdörfer der Alpenklans. Manche grenzen direkt
an die Route, andere werden durch unwegsame Bergpfade
von der Trasse getrennt. Diese Siedlungen bilden das Rück-
grat der Alpenfestung – ihre Sippen produzieren Nahrung
und neue Rekruten für die Hellvetiker, ein unkontrollierter
Strom an Reisenden würde immer die Gefahr eines Angriffs
oder Aufstands bedeuten. Besser also, der Durchfluss wird
in kleine Züge zerteilt und überwacht. Nur die ständigen
Versorgungszüge der Spitalier, die aus dem Protektorat
über Bern nach Toulon und Montpellier gelangen, genie-
ßen freies Wegerecht. Im Gegenzug bereisen abgestellte
Enklavenärzte die Sippendörfer, um die medizinische Ver-
sorgung der Klans sicherzustellen.
Dank dieser starken Präsenz des Ärztekults und der
strengen Regulierung des Verkehrs gilt die Berner Passage
als eine der sichersten und einträglichsten Alpenpassagen
überhaupt. Es gibt sogar Händler, die ihr ganzes Leben auf
der Trasse verbringen. Sie kaufen von den durchziehenden
Karawanen Waren an, die sie an die Alpendörfer verkaufen,
und umgekehrt. An den Schleusen lagern außerdem Spiel-
leute, Schausteller und anderes Gesindel, das sich an den
Wartenden bereichern will.
I N F O R M AT I O N S B R Ü C K E
CARNEST
Das kantige Bollwerk spannt sich in schwindelerregender
Höhe zwischen zwei Steilwänden und wirft einen langen
Schatten auf den darunter liegenden Abschnitt der Berner
Passage. Während am Boden ein mit schweren Geschütz-
türmen befestigter Zollposten den Durchgangsverkehr
regelt, fließen zweihundert Schritt über den Köpfen der
Wachmannschaft die Informationen sämtlicher Horchpos-
ten der Alpenfestung zusammen. Die Informationsbrücke
Carnest fungiert als zentraler Intelligenzknotenpunkt und
ist der tatsächliche Grund für die massive Bewachung der
Berner Passage. Hier werden abgefangene Funksprüche
ausgewertet, Truppenbewegungen aller Verbündeten und
Feinde verzeichnet und verschlüsselte Übermittlungen
decodiert. Ein P-26-Kader sichert das Umland und behält
die Pässe im Auge, um jede noch so kleine Annäherung an
die Alpenpassage zu melden. Unter besonderer Bewachung
stehen die drei Drangpanzer, die 2569 in den unwegsamen
Bergen steckengeblieben sind und inzwischen als Wegpos-
ten entlang des Brandwegs von den Africanern genutzt
werden. Die Brückenkommandatur ist sich sicher – die
strategische Lage dieser Einheiten ist kein Zufall. Vielmehr
handelt es sich um drei Speerspitzen, die der Errichtung ei-
nes Brückenkopfes im Grenzland zwischen Franka, Purgare
und Hellvetika dienen. Spähmissionen im Rahmen der vor-
sorglich getroffenen Wartungskooperation haben unlängst
ergeben, dass die Drangpanzer jederzeit wieder mobilisiert
werden können und dass die Africaner in unmittelbarer
Nähe ihrer Stützpunkte versteckte Depots mit Treibstoff,
Munition und Vorräten unterhalten. Ein Grund mehr, die
Sicherung der Informationsbrücke als oberste Priorität ein-
zustufen.
ZOLLPOSTEN GRIONESSE
Der in einem idyllischen Tal gelegene Zollposten mit be-
nachbarter Siedlung ist ein notwendiges Übel im geord-
neten Alltag der Alpenfestung. Als Hauptumschlagsplatz
zwischen Westborca, Ostborca, Franka und Purgare wim-
melt es hier nur vor ungeschliffenen Hilfskräften, die den
massiven Warenumschlag abwickeln. Für jeden Hellveti-
ker ein Gräuel. Schmuggel und Diebstahl sind in Griones-
se keine Seltenheit, zeitgleich kommt es immer wieder zu
Konflikten zwischen den Handelszügen und Reisegruppen
der verschiedenen Kulte: In Grionesse treffen Wiedertäufer
auf Jehammedaner, Spitalier auf Apokalyptiker und Neoli-
byer auf Chronisten. Mittendrin verschiedenste Klans, die
alte Ressentiments gegeneinander hegen. Das eingesetzte
Regiment hellvetischer Soldaten muss häufig Sonderdiens-
te schieben, um der Lage Herr zu bleiben. Entsprechend
gereizt reagieren die Kameraden und Kameradinnen auf
kleinste Verstöße – Spaß versteht hier schon lange keiner
mehr.
CREMANT
Nach Cremant gelangt man nur über Umwege. Kranzler
persönlich hat dafür gesorgt, dass der Ort auf kaum einer
Karte verzeichnet ist. Selbst vielen Hellvetikern ist er unbe-
kannt, wenngleich eine Handvoll Sippen aus dem direkten
Umland die Siedlung als Handelsposten nutzt oder ihre
Heranwachsenden im Tausch gegen medizinische Versor-
gung in der kleinen Spitalierkaserne am Siedlungsrand ab-
gibt. Die stationierten Soldaten der Alpenfestung schauen
zu und schweigen. Sie sind eingeschworen, haben klare
Anweisung, sich nicht in die Belange von Obmann Charcu-
tier und dessen Korps „Die rote Meute“ einzumischen. Die
insgesamt zehn Preservisten sind handverlesene Komman-
deure Kranzlers, die sich bereits Orden und Ruhm erkämpft
haben. Von Cremant aus organisieren sie offiziell die fran-
kischen Truppen, die über den Sentier du Chasseur nach
Montpellier verschifft werden. Inoffiziell sieben sie aus. Die
Preservisten zählen zu den besten Strategen des Kultes und
sind von zentraler Bedeutung für die laufende Operation
„Mercure“, die einen vernichtenden Schlag gegen das Herz
des frankischen Feindes vorbereitet. Sie wählen gewissen-
haft die vielversprechendsten der durchreisenden Famu-
lanten aus, um sie auf das Feldlazarett Mercure vorzuberei-
ten. Zeitgleich erprobt das Korps verschiedene Ansätze, um
Rekruten im Feld, abseits des Spitals, auszubilden. Kranzler
will keine Leichensäcke zurückgesandt bekommen. Misser-
folge dieses extrem harten Drills enden deshalb als Fraß für
die Panzerschnecken, die in den Sümpfen jedes organische
Material zersetzen.
THE KILLING GAME 31
 WESTSEITS DER RHÔNE
Frankas Südwesten kennt keinen Frieden, sondern nur erbitterten Widerstand. Tou-
louse und Perpignan sind die Grundpfeiler dieser Region, in der die Klans versuchen,
ihre Wurzeln zum Urvolk wiederzubeleben und gleichzeitig ihre Brüdern und Schwes-
tern aus der gefährlichen Stasis zu reißen, in die sie der zermürbende Kampf gegen
die Pheromanten gestoßen hat. Ohne die Neolibyer wäre die Region vielleicht längst
an Souffrance gefallen. Der Händlerkult ist es, der das Hinterland mit Petro versorgt,
um den Schwärmen eine Grenze aus Rauch und Feuer aufzuzeigen. Er ist es auch, der
die Resistance mit Waffen und Marduk-Öl versorgt, um die wichtige „Route de la Ré-
sistance” zwischen Perpignan und Toulouse offen zu halten – für den Handel, wie für
die Hundertschaften an Famulanten, die von Montpellier aus bis nach Briton vorsto-
ßen. Die Atlantikküste mit ihren angespülten Frachtern und Tankern verheißt große
Profite, die ohne einen Landweg nicht wirklich ausgereizt werden können. Gleichzeitig
ist es von dort nur ein kurzer Weg bis in das kastilische Hochplateau. Das bislang un-
berührte kastilische Hochplateau.

PERPIGNAN
Perpignan ist ein Schmelztiegel, in dem die Jehammeda-
ner im schwarzen Garten des Löwen lagern. 2552 versenk-
te ein Bündnis aus Leoparden und Mittelmeerpiraten den
14.000-Tonnen-Frachter Sipho und den Waffen-Katama-
ran Kashka in der Fahrrinne des Hafens. Die Handels-
route nach Tripol wurde durchtrennt, doch viel schwerer
wog das auslaufende Öl, das die Frischwasserquellen der
Stadt vergiftete und das Umland erstickte. Jahrelang wa-
ren die Strände schwarz, Fische und Seevögel verendeten
zu Abertausenden, die Klans wanderten nach Toulouse und
Montpellier ab, bis auf zwei Dutzend Sippen. Unermüdlich
zogen die Familien Kanäle und Gräben durch das Hinter-
land, um das verseuchte Wasser abzupumpen, umzuleiten
und schließlich zu verbrennen. Ein probates Mittel, um die
Route nach Toulouse gegen Schwärme abzusichern – die
Spitalier bedankten sich mit Gasmasken gegen die Petro-
dämpfe und Chemikalien zur Reinigung des Trinkwassers.
Toulouse hingegen sandte Nahrung zu den verwandten
Sippen jenseits der Bordenoir – der schwarzen Grenze aus
Ruß, die sich auf das Umland gesenkt hatte.
Nachdem die Grundversorgung wieder hergestellt war,
wurde Teerklumpen um Teerklumpen von den Stränden
aufgelesen, die Petrosandschlacke aus der Fahrrinne ge-
baggert, gereinigt, so gut es ging, und nach Montpellier
verschifft. Mit den Dinaren wurden africanische Schrotter
angeheuert, um die Blockade zu zerlegen. Eine Handvoll
Putzerfische auf einem Wal aus Stahl, doch die Schrotter
zogen andere an – Apokalyptiker, Wiedertäufer und die
Resistance, denn Metall bedeutet Waffen und Waffen be-
deuten Handel. Die Neolibyer staunten. Niemand hätte je
wieder in Erwägung gezogen, die Konzession für Perpignan
zu ersteigern, doch der Klan Bordenoir hatte sich den Re-
spekt Tripols verdient und einen Korridor ins Hinterland
eröffnet.
Als sich zwei Jahrzehnte nach der Katastrophe das
kleinste je an den der frankischen Küste gesichtete Fracht-
schiff der Neolibyer durch die Fahrrinne zwängte, brandete
Jubel auf. Scharen africanischer Schrotter begannen mit
dem Umbau der versenkten Schiffe und der Verbreiterung
der Fahrrinne. Heute dient die Sipho als Handelskontor
und Frachthafen zugleich. Die Aufbauten des Megatonners
wurden demontiert und in neuen Plattformen verbaut, die
nahtlos in den ursprünglichen Hafen übergehen. Aus den
Gebeinen der Kashka erhebt sich ein fünfundzwanzig Me-
ter hoher Festungsturm über den Hafen, der mit der restau-
rierten Bewaffnung des einstigen Katamarans Perpignan
zur Seeseite hin gegen jegliche Piratenangriffe abschirmt.
An seinen Seiten prangen die roten Banner mit schwarzer
Faust des Klans Bordenoir ebenbürtig neben denen der
Handelsbank – Elani, die Schakalstochter und Consulin der
Stadt, besitzt ein feinsinniges Gespür für derlei Gesten.
Nominell haben die Bordenoir die Gewalt über die
Stadt inne, Elani hält sich aus Entscheidungen heraus und
verweist nur selten auf möglicherweise nicht bedachte
Auswirkungen. Stattdessen konzentriert sie sich voll und
ganz auf die Jehammedaner, die seit dem Exodus der Wie-
dertäufer in der Stadt ihre Lager aufgeschlagen haben. Vor-
wiegend hybrispanische Sippen, die, eingeladen vom Klan
Bordenoir, die Einwohnerzahl Perpignans wieder deutlich
haben anschwellen lassen und einträglichen Handel mit
Hybrispania ermöglichen. Bariel, der Hirte von Perpignan,
sieht das wachsende Lager als Segen und Fluch zugleich.
Zwar kann er von der Stadt aus die Fehde mit den Wieder-
täuferenklaven Queribus und Peyrepertuse weiterführen
und dem Kult einen Zufluchtsort in Franka bieten, auf der
anderen Seiten muss er jedoch zahlreiche Schwerter Jeham-
meds zum Schutz der Stadt und der Route de la Résistance
abstellen. Vielmehr stellen sich die Schwerter immer öfter
selbst ab, denn anders als der wenig ruhmreiche Graben-
kampf gegen das gebrochene Kreuz, werden Erfolge gegen
die Drohnen und deren Herren in der gesamten Stadt be-
jubelt – vom Volk. Eine gefährliche Tendenz, denn immer
wieder wechseln junge Männer und Frauen der unteren
Ränge zur Resistance, um diesem Volk seine Freiheit zu-
rückzugeben.
LA ROUTE
D E L A R É S I S TA N C E
Das Gelände westlich der Rhône-Sümpfe ist unübersicht-
lich. Zu oft haben sich die Gräben zwischen den franki-
schen Widerstandskämpfern und ausrückenden Drohnen
verschoben, als dass die Route de la Résistance eine klare
Front markieren würde. Fast willkürlich schlängelt sie sich
durch das Land: vorbei an Wiedertäufer-Kapellen, die Wi-
derstandsnester beherbergen, über kahle Hügelketten hin-
weg, die so sehr mit Pestiziden verseucht sind, dass in Tau-
send Jahren kein Grashalm dort sprießen wird, zwischen
zahllosen kleinen Siedlungen und Gedenkorten hindurch
bis hin zu den drei großen Städten, die der Weg verbindet.
Die nahe den Sümpfen gelegenen Passagen werden von
einem Geflecht aus Gräben, Wehrtürmen, Aussichtsplatt-
formen und geheimen Zufluchten gesichert, auf denen
Kämpfer der Resistance Schulter an Schulter mit Famu-
lanten Wache halten. Formieren sich neue Schwärme über
den Sümpfen, informieren Signalflaggen und –lichter die
benachbarten Türme. Minuten später flutet entlang des
betroffenen Abschnitts mit Petro versetztes Wasser in die
Kanäle – ein Funke reicht aus, um das Land für Tage un-
ter schwarzem Rauch zu ersticken. In der Umgebung von
Montpellier und dem Ammenwald reicht diese Taktik nicht
mehr aus – hier führen Trampelpfade Richtung Norden,
direkt in das Land des Feindes hinein. Tag für Tag stoßen
neue Kämpfer in das Refugium der Pheromanten vor, um
erzwungener Eintracht mit Flamme und Stahl zu begegnen
– und mit Fungizidgranaten.
P E R P I G N A N FA C T S H E E T
STADT: Perpignan, Tech-Level III-IV
PROVINZ: Süd-Franka / Freies Franka
EINWOHNER: ca. 50.000 / keine Volkszählung
BEVÖLKERUNGSBILD: Klan Bordenoir / dominant,
Neolibyer / dominant, Geissler / dominant,
Jehammedaner / dominant, Resistance / zahlreich,
Schrotter / vertreten, Kleinere Sippen / zahlreich,
Apokalyptiker / vereinzelt, Spitalier / vereinzelt
KLAN BORDENOIR: Die Sippen des Klans
Bordenoir stellen ein Fünftel der Einwohner
Perpignans und damit den größten Anteil der
verschiedenen Sippen; jede der Familien trägt die
Verantwortung über einen administrativen Bereich
der Stadt, von denen die Waffenmanufakturen und
zahlreichen kleinen Hüttenwerke, in denen die
hybrispanischen Erze veredelt werden, die größte
Einnahmequelle stellen
CONSULIN: Elani, die Pfote des grauen Schakals
OBERHÄUPTER: Veracq, die Faust von Perpignan,
Bariel, der Hirte von Perpignan
WAFFENMEISTER: Assegai
BESONDERHEITEN: Frachthafen mit Reparaturdock,
Geschützturm, Waffenmanufakturen, Hüttenwerke
HANDEL / WAREN: Hybrispanisches Vieh,
Reitpferde, Bergbau, Erze, Salze, Schwermetalle,
Stoffe, Ziegenprodukte, Petro, Marduk-Öl, Waffen,
Munition, Destillat, Gasmasken, Filter, Schrott,
Relikte des Urvolks, Schmiedewaren, Generatoren
und Aggregate
STADTGARDE: 120 Gardisten des Klans Bordenoir
unter Oberbefehl von Veracq;
Assegais Rudel, 16 Geißler unter dem Kommando von
Assegai (Frachthafen und Festungsturm);
200 Schwerter Jehammeds unter dem Oberbefehl von
Bariel;
30 Kombattanten der Resistance unter wechselndem
Kommando
ARTEFAKTHANDEL: Stetiger Handel mit kleinen
und mittleren Funden
KOMMUNIKATION: Richtfunknetzwerk über
Relaisstationen mit Toulon und Montpellier, tägliche
Botenreiter nach Toulouse
THE KILLING GAME 33
CAMP FIERTÉ
Das Ausbildungscamp Fierté ist der Amboss der Resistance,
auf dem junge Männer und Frauen von erfahrenen Kom-
battanten zu stolzen Widerstandskämpfern geschmiedet
werden. Der Drill ist hart. Ja, drei Monate sind keine lan-
ge Zeit, den Rest lernt ihr im Feld. Das Leben ist der beste
Lehrmeister – und das Sterben der Anderen. Maul halten!
Weitermachen, für Franka! Gemeinsam mit einer Hun-
dertschaft Spitalier vermitteln die Generäle der Resistance
den Frischlingen die Grundlagen im Kampf gegen die Aus-
geburten Souffrances und legen dabei ein besonderes Au-
genmerk auf den Kampf gegen die Drohnen. Die Ausbilder
werden nicht müde, die wahre Gefahr, die von den Leperos
ausgeht, zu betonen. Es ist nicht die zahlenmäßige Stärke
des Gegners, auch nicht seine Hörigkeit gegenüber den Ab-
sonderlichen – es ist vielmehr die Fähigkeit der weiblichen
Drohnen, jederzeit neue Pheromanten gebären zu können.
Deswegen gilt: Tötet die Weibchen zuerst.
Die Anubier, die seit geraumer Zeit einen Trakt des
Camps bewohnen, schweigen zu den Indoktrinationen des
Ärztekults. Sie kochen Marduk-Öl, entwickeln Medizinpas-
ten aus Sumpfkräutern, verteilen beides an die Rekruten,
sprechen Mut zu und erteilen den Todgeweihten den Segen
der Ahnen. Dann schütteln sie ungläubig die Häupter. Die
Krähe tanzt auf einem Bein, weil sie sich das andere abge-
pickt hat. Ein Adler tötet ein Herz, indem er sich hinein-
krallt und es zerquetscht, nicht indem er die schwärende
Haut um das Herz herum frisst und darauf hofft, dass das
Herz zu schlagen aufhört. Die Anubier wissen, dass die
Spitalier das längst begriffen haben und die jungen Wider-
standskämpfer lediglich als Ablenkung für den tatsächli-
chen Dolchstoß gebrauchen. Warum die Europäer nicht
den geraden Weg zum Ziel gehen, ist ihnen ein Rätsel.
TOULOUSE
Toulouse ist den versprengten Sippen Frankas ein Leucht-
feuer. Tag für Tag bahnen sich neue Flüchtlingstrecks ihren
Weg durch das Labyrinth aus Wachtürmen, Barrieren, Pe-
trogräben und Molluskgranaten, das die Stadt umringt. Je-
der Neuankömmling wird von der Gendarmerie erfasst und
mit einem Meldepass abgefertigt: Bauern in das Südviertel,
Handwerker zu den Manufakturen, Anwärter dort links zu
den Anwerbern, ja, die mit der Trommel. Den Pass nicht
verlieren, sonst heißt es einen Monat Petrogräben schau-
feln! Selbst die Famulantenhundertschaften auf ihrem Weg
nach Briton werden kontrolliert – aus Prinzip. Toulouse ist
die Resistance, die Resistance ist Toulouse. Der Klan lässt
keinen Zweifel daran, wer hier das Kommando hat.
Von den drei großen Stadttoren aus führen breite
Hauptstraßen geradewegs durch die Sippenviertel. Ganze
Familienverbände leben hier dicht gedrängt in mehrstöcki-
gen Gebäuden, deren Dächer durch Planken und Brücken
zu einem bunten Straßenmarkt verwoben sind. Jedes Haus-
dach ist eine kleine Insel – hier werden Wein und Käse ge-
reicht, dort Fladenbrot, Ziegenfleischspieße und vergorene
Milch. In den Sippenvierteln treffen kulturelle Ausprägun-
gen aus ganz Franka aufeinander. Einendes Element sind
nur die gemeinsam gesungenen Chansons, Lieder einer
längst vergessenen Zeit, die am Abend aus den Garküchen
schallen. Immer wieder unterbrochen von langen Momen-
ten andächtigen Schweigens, in denen die verschiedenen
Familien ihrer Angehörigen gedenken, die Seite an Seite für
die Resistance gefallen sind.
Jenseits der Sippenviertel breitet sich das Stadtzentrum
aus, deren westliche Grenze eine tiefe, langgezogene Sen-
ke bildet. In dem trocken gefallenen Kanal reihen sich die
Flachdächer zahlreicher Werkstätten und Handwerkshal-
len aneinander. Baumaterial, Waffen, Schrott, Haushalts-
waren, frankische Devotionalien – das Manufakturviertel
versorgt die Stadt mit allem Nötigen. Zwischen den Hand-
werkern treiben Neolibyer und Apokalyptiker mit dem
Handel, was die Logistiker der Resistance nicht für sich
beanspruchen. Vereinzelt stöbern Mittler der Chronisten
in den Hallen der Schrotter nach unentdeckten Artefak-
ten. Jenseits des Kanals schließt das Kapitolviertel an. Der
kleine Platz vor dem urvölkischen Großbau ist mit hölzer-
nen Stelen übersät, an denen die Aushänge und Bekannt-
machungen der Savants – sie selbst nennen sich Gelehrte,
das Volk spricht von Bürokraten – im Wind flattern. Dieser
Zweig der Resistance hat es sich zur Aufgabe gemacht, das
Wissen der Grande Nation zu bergen, zu archivieren und zu
erneuern. Während die einen aus dem Schlamm Parasites
geborgene Bücher restaurieren, fertigen andere Reproduk-
tionen an, die an die verschiedenen Camps der Resistance
verschickt werden. Abends wird gelesen, debattiert, proto-
kolliert und an der neuen Geschichte Frankas geschrieben.
Bemühungen, die Armand Malpierre, Marechal de Franka
und damit Oberbefehlshaber der Resistance, nicht einmal
mehr mit einem müden Lächeln quittiert. Während das Ka-
pitol in der Vergangenheit lebt, koordiniert Camp Etienne
die Gegenwart.
Die kasernenartige Anlage bildet den Mittelpunkt
THE KILLING GAME 35
T O U L O U S E FA C T S H E E T
STADT: Toulouse, Tech-Level III-IV
PROVINZ: Süd-Franka / Freies Franka
EINWOHNER: Stadtbevölkerung mit
Satellitenstädten 130.000 wachsend / Registrierung
durch die Resistance
BEVÖLKERUNGSBILD: Resistance / dominant,
Kleinere Sippen / dominant, Spitalier / zahlreich,
Schrotter / zahlreich, Wiedertäufer / vertreten,
Jehammedaner / vertreten, Apokalyptiker / vertreten,
Neolibyer / vereinzelt, Geißler / vereinzelt,
Anubier / vereinzelt, Chronisten / vereinzelt
OBERHAUPT: Armand Malpierre, Marechal de
Franka
VERTRETENDE GEWALT: Grande Savant Pélat du
Casse
BESONDERHEITEN: Befestigte Stadtmauer,
Brandlabyrinth, Kapitol, Camp Etienne,
Manufakturviertel
HANDEL / WAREN: Relikte des Urvolks, Weizen,
Gemüse, Milchprodukte, Vieh, Wein, Stoffe, Petro,
Marduk-Öl, Waffen, Pestizide, Munition, Destillat,
Gasmasken, Filter, Schrott, Schmiedewaren,
Munition
STADTGARDE: 150 Gendarmen unter Oberbefehl
von Pélat du Casse
Bataillon de Toulouse, 1.500 Kombattanten unter
Kommando von Fanele Deroin
Freikorps der freien Sippen Frankas, 600 Söldner
unter wechselndem Kommando
Einsatztruppen aus Montpellier, 100 Famulanten
und 300 Grenouilles unter dem Oberbefehl der
Registrarin von Süd-Franka
Kleinere Gefechtshaufen, 300 Freischärler und
Opportunisten
ARTEFAKTHANDEL: Stetiger Handel mit mittleren
und großen Funden
KOMMUNIKATION: Täglich Botenreiter nach
Perpignan und Montpellier, Drahtfunknetz nach
Aquitaine, Schrotterfunk
der Stadt. Auf ihren Höfen werden Kadetten gedrillt, in den
bunkerartigen Schulungsgebäuden angehende Sergents und
Commandantes von Veteranen in Feindlehre, Strategie und
Führung geschult, in den Lagern Wareneingänge verzeichnet,
Uniformen assembliert, Pestizidbomben gefertigt und Versor-
gungszüge kommissioniert. Die Marschbefehle erteilt der Kom-
mandostab, nachdem er die Tagesdepeschen und Funksprüche
über Truppenbewegungen und Verluste ausgewertet und sich
mit den Gesandten der Spitalier und Wiedertäufer beraten hat.
Das Ergebnis ist jeden Abend dasselbe: mehr Brandgräben im
Norden, Nordwesten und Osten, Nachschub für die verspreng-
ten Einheiten rund um die Rhône-Sümpfe, was an Männern
übrig bleibt als Nachhut Richtung Parasite.
QUERIBUS & PEYREPERTUSE
Die beiden letzten Bastionen des gebrochenen Kreuzes in
Süd-Franka werfen ihre Schatten in ein karges Hochtal, durch
das eine leichtgängige Passroute bis nach Hijos del Sol führt,
dem ersten Hauptlager der Jehammedaner in den Pyrenäen. Bis
zu dem Friedensabkommen zwischen beiden Kulten sahen sich
die Bergfesten immer wieder massiven Angriffen ausgesetzt,
doch Queribus und Peyrepertuse sind schwer einzunehmen.
Die Zinnen der Festungen wurden direkt aus dem Fels her-
aus gehauen und sichern die schmalen Bergpfade, die hinauf
zu den Toren führen. Zusätzlich haben die rund fünfhundert
hier stationierten Wiedertäufer überall Ausfallstollen durch
den Fels getrieben, so dass sie anstürmende Feinde leicht in die
Zange nehmen können. Dringen die Angreifer dennoch bis zu
den Toren vor, kann die Schwesterfestung mit Rauch- und Feu-
erzeichen verständigt werden, um einen Stoß in den Rücken
des Feindes zu führen.
Die Jehammedaner haben aufgehört, die bislang erlitte-
nen Verluste zu zählen. Seit dem Frieden ist es ihnen seitens
Domstadt gestattet, die Gebeine der Gefallenen zu bergen, um
sie den letzten Riten zu unterziehen. Immer wieder machen
die Karawanen, die zwischen Perpignan und Hijos del Sol ver-
kehren, am Taleingang halt, um die sterblichen Überreste ihrer
Brüder aus den Berghängen zu klauben. Wandern die Blicke der
Reisenden zu den Festungen hoch, brennt Hass in ihren Augen.
Jeder würde sein Leben geben, damit das gebrochene Kreuz in
den Dreck gestoßen und geschändet wird. Die Hirten von Per-
pignan und Hijos del Sol haben anders entschieden: Ihre Augen
verfolgen alle möglichen Nachschubrouten der Wiedertäufer
und spielen die gesammelten Erkenntnisse Banditen und an-
derem Gesindel zu. Jeder Frieden wird irgendwann brüchig, bis
dahin gilt es die Bergfestungen so schwach wie möglich zu hal-
ten.
H Y B R I S PA N I S C H E G R E N Z E
Mit den Pyrenäen beginnt das Reich der Jehammedaner. Das
karge Bergland ist der selbsterwählte Heimatort mehrerer Hun-
dert Familien, die hier ihre Lager aufgeschlagen haben. Durch
ihre ursprüngliche Lebensweise pflegen sie enge Bündnisse mit
den hybrispanischen Klans, die vielerorts bereits im Widderkult
aufgegangen sind. Seite an Seite vergießen die Krieger ihr Blut
gegen einmarschierende Africaner aus dem Süden und sichern
 TE PUEDES VENDER,
CUALQUIER OFERTA ES BUENA ?
SI QUIERES
PODER...
QUÉ FÁCIL ES
ABRIR TANTO LA BOCA PARA OPINAR,
Y SI TE PIENSAS ECHAR ATRÁS
TIENES MUCHAS HUELLAS QUE BORRAR.

[HÉROES DEL SILENCIO]

gleichzeitig das Hochland gegen Zugriffe aus dem Norden
ab. In der auf einem Tafelberg gelegenen Festungsstadt Hi-
jos del Sol werden Berichte über Feindbewegungen entlang
der gesamten Pyrenäen zusammengetragen und bewertet.
Mehrfach konnte eine Vorhut aus Richtung Perpignan
frühzeitig abgewehrt und über die Berge ins Hinterland
getrieben werden, weswegen die Siedlung auf den Karten
der Handelsbank als strategischer Schlüsselpunkt für den
Vorstoß in das hybrispanische Kernland markiert ist. Rot.
HIJOS DEL SOL
Hijos del Sol ist auf seine Art und Weise reich. Die hier le-
benden Familien danken Jehammed jeden Tag aufs Neue
für das Glück, das er ihnen beschert hat. Auf einem Hoch-
plateau gelegen, bietet die Siedlung rund zehntausend Je-
hammedanern und Sipplingen eine Zuflucht. Ihr Zentrum
ist um eine artesische Quelle herum errichtet, die den Ein-
wohnern als heilig gilt. Ein einfaches Röhren- und Rinnen-
system leitet das Wasser zwischen den unzähligen Geröll-
steinmauern hindurch zu den tieferliegenden Terrassen,
deren saftige Wiesen von Tausenden Ziegen und einigen
Hundert Pferden bevölkert werden. Trifft die Morgensonne
auf den Westhang der Stadt, glitzern die Wasserrinnen gol-
den, was der Siedlung ihren Namen eingebracht hat. Doch
das Idyll täuscht, denn um Hijos del Sol sind weitläufige
Verteidigungsanlagen in die Landschaft eingebettet. Unter
den breiteren Talwegen des Umlands ist der Boden ausge-
höhlt, so dass schwere Fahrzeuge unweigerlich in die Tiefe
gerissen werden. Oberhalb der schmaleren Zugänge reihen
sich Gerölllager aneinander, die jederzeit für Eindringlin-
ge zum Verhängnis werden können. Strategisch verteilte
Wachposten stellen sicher, dass herannahende Feinde früh-
zeitig entdeckt werden. Jeder hier ist sich der Bedeutung
der Festung im Konflikt gegen die Africaner bewusst und
bereit, für diesen Krieg sein Leben zu geben.

THE KILLING GAME 37

 DAS MIT TELMEER
Das Mittelmeer. An den Küsten nahe des Rhône-Deltas liegt der Geruch von Salz in
der Luft. Die sanften blauen Wogen bilden den Lebensraum für Abertausende See-
früchte, nähren Tiere und Menschen. Die See ist reich an Sauerstoff und Mineralien,
nur in Nähe der großen Städte mit in der Sonne schillernden Ölteppichen bedeckt.
Weiter südlich endet der Artenreichtum. Dichte Algenteppiche, von durchfahrenden
Booten und Frachtern zu abstrakten Mustern zerschnitten, dümpeln auf einer faulig
stinkenden Brühe. Unter ihnen ziehen riesige Quallenschwärme durch die Tiefe und
fangen, töten und zersetzen mit ihren Nesselfäden die letzten Fischschwärme. An der
Südostküste gibt es nicht einmal mehr gallertartiges Leben. Im Grenzgebiet zwischen
Franka, Purgare und Corpse zersieden die unterirdischen Lavaströme des Sichelschlags
das Meerwasser – die Gegend ist für Schiffe jeder Größe extrem gefährlich. Urplötz-
lich steigen große Gasblasen vom Meeresboden auf, die Boote in sich hinabstürzen
und turmhohe Meereswogen über sie hereinschlagen lassen. Noch tödlicher sind die
kleinen Blasen. Beginnt das Meer zu brodeln, schnallen sich die Seefahrer Gasmasken
um oder pressen sich wassergetränkte Tücher vor Mund und Nase. Ätzende Chlorgase
brennen auf der Haut. Dringen sie in die Lunge ein, gibt es ein Geisterschiff mehr, das
irgendwo an den Küsten Südost-Frankas angeschwemmt wird, falls es nicht vorher an
den Felsen zerschellt.

ROUTEN DER NEOLIBYER

Für Tripol ist das Mittelmeer das goldene Tor nach Euro-
pa. Tag für Tag treffen an der africanischen Küste Frachter,
Lastkatamarane und Schnellboote ein, die europäische
Waren und Artefakte ins Land des Löwen löschen. Die Mit-
telmeerrouten sind für die Neolibyer ein einträgliches Ge-
schäft, für die Handelsbank Lebensadern. Der Wohlstand
Africas hängt zum überwiegenden Teil von erfolgreichen
Handelsmissionen und geordnetem Warenverkehr ab. Ent-
sprechend findig ist der Kult, wenn es um den Schutz seiner
Routen gilt. Er weiß ganz genau, dass Albatrosse und Bus-
sarde nur auf eine Unachtsamkeit lauern, um unerbittlich
zuzuschlagen. Auf der anderen Seite ist es wenig profitabel,
jedes Schiff mit großen Wachmannschaften und schwerer
Bewaffnung auszustatten, wenn dieselben Truppen Expe-
ditionen in Europa begleiten könnten. So findet jeden Tag
erneut ein wahres Hütchenspiel auf den Wogen des Mittel-
meers statt.
Bereits in den Häfen werden gezielt falsche Informa-
tionen über Fracht und Routen gestreut, um Angreifer
in vorbereitete Hinterhalte zu locken. Auch fingierte La-
dungen sind keine Seltenheit: ein schrottreifer Frachter
als hübsch gemachte Braut; ein paar Kisten mit kostbaren
Waren zwecks Täuschung, dahinter stapelweise Petro und
Sprengstoff, mit Zeitzündern versehen. Sollen sich die Aas-
geier nur holen, was ihnen zusteht. Doch diese Spielchen
verschlingen, genauso wie die mit aller Härte geführten
Strafexpeditionen, zu viele Ressourcen. Als effizienter hat
es sich erwiesen, ständig mit eigenen Gewohnheiten zu
brechen. Manche der großen Frachter steuern erst gar nicht
Tripol an – stattdessen werden die Waren mitten im Nir-
gendwo auf geheimnisvollen, beweglichen Stahlinseln von
den Vertretern der Handelsbank gesichtet, bewertet und
umgeschlagen. Während der mit neuen Waren beladene
Frachter zurück nach Franka segelt, steuern viele kleinere
Schiffe neue Zielhäfen an, die gar nichts mehr mit der Rou-
te zu tun haben. Geht eines verloren, kommen vier andere
dafür ins Ziel. Die Verluste sind erträglich, trotz der immer
dreisteren Überfälle an den Küsten Africas durch die Leo-
parden.
DER SICHELSCHLAG
Das Meer brennt. Neue Inseln bilden sich hier Jahr um Jahr,
das Wasser brodelt und kocht. Vulkane speien kometenhaf-
tes Feuer in den Himmel, gewaltige Brocken aus kochen-
dem Gestein heulen durch die Luft. Wer diese Wasserstra-
ßen befährt, ist entweder todesmutig oder lebensmüde.
Nur wenige Scharen kennen die Zeichen und Wege durch
diese tödlichen Gefilde. Für sie ist der Irrgarten aus schrof-
fen Basaltinseln, starken Strömungen und Riffen der letzte
Ausweg, um die Schnellboote ihrer africanischen Häscher
abzuschütteln. Sichelschlagfahrer genießen ein besonders
hohes Ansehen unter den frankischen, purgischen und af-
ricanischen Scharen. Jede gelungene Flucht ist eine weitere
Geschichte, die in einem der vielen geheimen Nester ent-
lang der Küste erzählt wird.
DAS SCHWARZE NEST
Wenige Seemeilen vor der Steilküste von Corpse und da-
mit auf Hoheitsgebiet der purgischen Scharen ragt ein
widerborstiger Felsrücken aus dem Mittelmeer. Die Insel
hat keinen Namen und doch kennt sie jeder Apokalyptiker,
der sich je auf das Mittelmeer verirrt hat – auf ihr liegt das
Schwarze Nest.
Die Zufahrt in den natürlichen Hafen ist gefährlich –
die Strömungen zwischen Corpse und der Basaltinsel be-
strafen jeden Fehler mit dem Tod. Neuankömmlinge wer-
den unter lautstarkem Johlen der Scharmitglieder begrüßt,
die das Schwarze Nest ihre Heimat nennen. Mit bloßen
Füßen klettern sie auf den rostigen Aufbauten umher und
weisen den Steuerleuten einen Platz irgendwo entlang der
engen Fahrrinne zu. Hat das Schiff angelegt, wird es mit
Tauen, Ketten und Planken an die anderen Boote gebunden
und entladen.
Jenseits des Hafens, oben bei den Klippen, liegt eine
Festung aus Stahl und Rost. Es ist das Heiligtum von Callis-
to, der Anführerin der Schwarzen Schar. Abwehrtürme, mit
Maschinengewehren und Panzergeschützen bestückt, sind
auf bewegliche Ziele am Horizont ausgerichtet. Niemand
kommt auch nur in die Nähe der Insel, ohne die Gegenwehr
der Apokalyptiker zu spüren zu bekommen.
Von hier aus plagt die Schwarze Schar die Handelsrou-
ten der Neolibyer, organisiert den Schmuggel von Burn aus
ganz Europa, zieht gestohlene Kinder auf und formt aus ih-
nen gnadenlose Möwen und Raubkrähen, die in Zukunft
das Territorium der Piraten vergrößern sollen.
Neben den ständigen Bewohnern des Nests dient die
Insel auch als Versammlungsort für Absprachen, Pakte,
Gebietsaufteilungen und Rangkämpfe zwischen vielen der
kleineren Scharen, die an der Westflanke von Corpse ihre
eigenen Dinger drehen. Einmal im Jahr, immer bei Som-
mersonnenwende, kommen alle Zugvögel des Mittelmeers
im Schwarzen Nest zusammen, um Callisto ihre Ehrerbie-
tung zu erweisen. Eine Woche lang beherbergt die Anfüh-
rerin tausende Apokalyptiker in ihrem Reich. In dieser Zeit
wird über die ertragreichsten Schmuggelrouten verhandelt,
wie auch über die Burnernte der küstennahen Sporenfel-
der. Die Zugvögel tauschen und reparieren Waffen, setzen
Schiffe instand und schließen Friedensabkommen für das
nächste Jahr.
Sind sich die handelnden Parteien uneinig, entscheidet
das Tarot, das Callisto als Einzige legen darf, um Streitigkei-
ten zwischen rivalisierenden Scharen beizulegen. Zum Gu-
ten, wie zum Schlechten, ihre Neutralität ist unanfechtbar.
Hier hat niemand etwas zu verlieren oder zu gewinnen.
CORPSE
Die neunzig Schritt hoch aufragende Westküste der Insel
markiert die Grenze zu Purgare. Nicht navigierbar – die
Strömungen in Landnähe lassen jedes größere Schiff an
den Klippen zerschellen. Die Africaner haben es oft genug
versucht. Lediglich kleine Schiffskutter können Häfen wie
Ajaccio anfahren, wenn sie den Weg durch den Schrottwall
kennen, der die Zufahrt schützt. Auf alle anderen lauern
versteckte Harpunen und Sperrketten oder Petrobomben,
mit denen die Fahrrinne in ein loderndes Inferno verwan-
delt werden kann.
Geißler müssen in wendigen Torpedobooten an unkon-
trollierten Buchten anlanden und über Felsnadeln klettern,
um ins Landesinnere zu gelangen. Manchmal schwimmen
sie auch meilenweit und erreichen eine vorgelagerte Sand-
bank im Schutze der Nacht. Dann beginnen die Vergel-
tungsschläge gegen die ansässigen Piratennester. Die Rudel
sind kampferprobt – meist wird jedoch nur ein Albatross
oder Bussard ausgeschaltet, bevor eine Mission durch Auf-
deckung aus dem Ruder zu laufen droht. Die Geißler brin-
gen sich nach getanem Meuchelmord lieber in Sicherheit
und lassen die Vögel mit gestutzten Federn zurück.
Doch das war nicht immer so. Vor zehn Jahren mas-
sakrierten mehrere hochbezahlte Söldnertruppen Tripols
die Sonnenschar, eine äußerst gefährliche und aufsässige
Gruppe hartgesottener Apokalyptiker. Der Anführer und
eine Handvoll Getreue entwischten den blutdurstigen
Geißlern im letzten Augenblick. Zum Ärger der Handels-
bank. Seitdem spezialisieren sich die Einfallkommandos
nur noch auf Attentate auf die Anführer der Scharen.
Dieses lebensgefährliche Hin und Her ist notwendig,
denn Corpse ist den Africanern ein Felsbrocken im Han-
delsgetriebe, der sich einfach nicht sprengen lässt. Die Pira-
ten der Insel beeinträchtigen den Warenverkehr mit Roma
massiv, werden immer dreister, kosten immer mehr Dinare.
Da die Schrottwälle im Süden und Osten unüberwindbar
sind und die Westküste wegen ihrer Lage direkt am Sichel-
schlag unpassierbar ist, bleibt nur der Einsatz von ruchlosen
Geißlertruppen.
Für ihre Skrupellosigkeit bekannte und verachtete Kifo
können sich bei solchen selbstmörderischen Landgängen
ebenfalls ein Stück ihrer alten Ehre zurückverdienen, denn
auf Corpse gelten selbst die altbekannten Regeln des Chaga
nicht.
THE KILLING GAME 39

ANKER VON TOULON
Neben der Flagge der Neolibyer ist kein
Symbol so bekannt wie der Anker von
Toulon. Seit mehr als einhundert Jahren
weht das Banner im Westen der Stadt. Die
Symbolik ist leicht zu erkennen, denn der
Anker spiegelt die fünf Stadtviertel und
den Warenfluss zwischen ihnen. Gleich-
zeitig steht er für die Wellen und das
Meer, die Angelrouten der Fischer und
den handelnden Menschen, der seine
Ware entlang der Küste anpreist. Kaum
ein anderes Zeichen findet sich so oft als
Tätowierung auf Oberarmen unter den
alteingesessenen Bewohnern der Stadt.
Stolz prangt es ebenfalls auf der Fahne,
die über der Festung Toulons hängt.
TOULON
Toulon ist vom Geist der Neolibyer durchdrungen.
Kaum eine Stadt im Land der Krähe hat so vom Einfluss Africas profitiert, ist auf
vergleichbare Weise zu einem Statussymbol für Erfolg unter den Bannern des Handels
geworden. Und ihre Bedeutung wächst genauso rasch wie ihre Einwohnerzahl. Sie ist
zum Zentrum für jedweden Warenumschlag geworden, der aus Borca über die Alpen
gelangt. Für die Hellvetiker aus Territorialregion I ist sie Abwechslung vom tristen
Weiß der Berge. Den Apokalyptikern gewährt sie Schutz, Verästelung ihrer Geschäf-
te und Schmuggelwege. Der Hafen hingegen gewährleistet Profit für alle Beteiligten.
Doch der Erfolg gebiert Neid und Hass. Seit Jahren schon ist Toulon den Chronisten
in Justitian und Aquitaine ein Schmierfleck auf der Augenlinse. Die Stadt strotzt vor
Potential. Und sie birgt die Gefahr, mit den beiden anderen Küstenstädten Montpellier
und Perpignan zu einem mächtigen Bündnis von Stadtstaaten zu verschmelzen, das die
Vormachtstellung Justitians auf dem europäischen Kontinent ernsthaft in Frage stellen
kann. Die Richter sehen das Problem in der Freizügigkeit und den laschen Gesetzen
der Küstenstadt. Ginge es nach dem Senat, würde man eine Abteilung Stadtrichter und
Protektoren über die Alpen schicken, die den Neolibyern Ordnung und Verantwortung
in die Schädel prügeln. In ihren Augen ist Toulon ein Sumpf, der Gesetzlosigkeit aus-
brütet, und es ist nur eine Frage der Zeit, bis diese gezüchteten Banditen über die Berge
kommen und ihr angelerntes Fehlverhalten im Protektorat zu etablieren versuchen.
Damit muss Schluss sein. Neben Justitian kann keine, darf keine zweite Macht existie-
ren, die die Gesetze des Protektorats in Frage stellt.
Noch sitzen die Neolibyer fest im Sattel. Sie sind Meister der Weitsicht, ihre Pläne
reichen oft Jahre voraus, doch berauscht vom Erfolg der letzten Jahrzehnte fehlt ihnen
das Auge für die Details. Längst sind in Toulon verborgene Mächte am Werk, die an
der Substanz der Stadt nagen. Sie wollen die Herrschaft der Africaner auflösen, sie aus
der Stadt treiben, im Meer versenken und sich ihren Reichtum zu eigen machen. Eine
geheime Verschwörung gedeiht im Schoße Toulons, hinter den verschlossenen Türen
Terres Putains und in den Schrotterbezirken von Ferrallies. Sie gewinnt an Zustrom,
Mitläufern und Konspiranten. Bald schon wird sie ihre hässliche und von Neid zerfres-
sene Fratze ins Tageslicht recken und nach der Krone greifen.
COUR ARGENT
Wer nach Cour Argent kommt, tut dies, um Geld zu machen, um sich an den Schät-
zen des Urvolks zu bereichern oder bei großen Geschäften mitzumischen. Der Handel
blüht, die Menschenströme feilschen entlang der Märkte, kaufen und verkaufen alles,
was sie den Rhône-Sümpfen entrungen oder aus fremden Ländern importiert haben.
Africanische Schrotter löschen tonnenschwere Ladungen, die von den Frachtschif-
fen Tripols und Quabis‘ an den Nordhafen gelangen. Schnellboote aus Constantine
überbringen Truhen voller frisch geprägter Dinare an das Haus der Handelsbank und COUR ARGENT
freiwillige Geißler-Rudel melden sich zum Dienst an der Südküste und zum Auffri- Tech IV
schen der africanischen Streitkräfte. Siedlerschiffe aus Zillah und Algier landen an, die
Frachträume sind gefüllt mit Hab und Gut nordafricanischer Sippen, die sich in Toulon BEVÖLKERUNG:
ansiedeln und an den großen Gewinnen teilhaben wollen. Die Spitalier des nahegele- ca. 8.000, 70% Africaner, 30% Europäer
genen Lazaretts L’Orage überprüfen die Importe, gehen auf Nummer sicher, dass keine
Psychovoren zwischen organischem Material in die Stadt eingeschleppt werden. Da- STROMVERSORGUNG:
zwischen schreiten heranwachsende Lehrlinge und Schreiber der Neolibyer – sie kom- Hoch; Sicherung durch redundante
men aus allen Städten der Küste, um an der Universität von Toulon zu studieren und Notstromaggregate
Erfahrungen als junge Händler zu machen. Ausgestattet mit Krediten ihrer hochver-
schuldeten Heimatdörfer müssen sie ihr Können in Toulon unter Beweis stellen, ihre NAHRUNGSVERSORGUNG:
Sinne und ihren Menschenverstand schärfen um die ersten riskanten Unternehmun- Hoch; täglich frische Waren
gen planen. Beweisen sie Schläue und Verhandlungsgeschick, Kalkül und ein Händ-
chen für den Fluss des Geldes, dann warten unermessliche Reichtümer und Ruhm auf ANSÄSSIGE KULTE:
sie. Ein Blick nach Norden, den Hügel hinauf, zeigt deutlich, wie weit es die Besten Neolibyer, africanische Sipplinge &
unter den Neolibyern bringen. Hamzas Palast, der silberne Hof und namensgebend für Schrotter, Geißler, Anubier, Spitalier
das gesamte Viertel, thront dort wie ein Monument für die Ambitionen eines jeden, der
nach den Sternen zu greifen wagt. STIMMUNG:
Ein lautes Schiffshorn dröhnt volle Kraft voraus vom Nordhafen her. Der Bug don- Geschäftstüchtig, mild
nert in die See, die Frachträume bis unter die Decke mit frankischen Artefakten gefüllt.
Der Transporter bricht gen Süden auf – bald schon wird er sein Ziel auf den Märkten WICHTIGE AREALE:
Tripols erreichen – und mit jedem dieser Transportschiffe, das Toulons Hafen verlässt, Hamzas Palast, Universität von Toulon,
stirbt Frankas Geschichte und kulturelle Identität ein Stückchen mehr. Silberachse, Straße der Kontore

THE KILLING GAME 41

 HOW LONG HAVE YOU BEEN FREE
IN THIS WORLD OF HATE AND GREED ?
IS IT
B L A C K OR IS IT W H I T E ?
LET’S FIND ANOTHER COMPROMISE.
DIE UNIVERSITÄT
Hamzas Plan und Zohras Beitrag sahen es von Beginn an
vor, Toulons Bevölkerung an sich zu binden. Eine Uni-
versität, an der die Lehren und das Wissen der Neolibyer
weitergegeben werden konnte, war der Schlüssel dazu. Die
vermögendsten Familien der Südküste Frankas würden
ihre Kinder schicken, um sie die Geheimnisse der Neolibyer
erlernen zu lassen und die Beziehungen zum Händlerkult
zu zementieren. Das Schulgeld würde die Handelsbank in
Form von Schuldscheinen ausschreiben, die Sippen würden
mit Ländereien, Ernten, Werften, Häfen und Lagerhäusern
bürgen.
Gleichzeitig wäre die Universität bestens geeignet, die
Studenten von der Sache der Neolibyer zu überzeugen,
sie auf Gewinnoptimierung und Kapitalmacht zu schulen
und Unsinniges und Störendes, wie Stolz, Heimat, Kultur
und Verbundenheit aus ihren Köpfen zu waschen. Hamza
und Zohra waren sich von Anfang an einig. Nur wenn die
nächste Generation an Nachwuchsherrschern, Großgrund-
besitzern und Stammesvätern ohne Vorurteile aufwüchse
und sich am Fundament neolibyschen Handels bereicherte,
stünde der Plünderung Frankas nichts mehr im Wege und
der africanische Einfluss könnte bis an die Grenzen Borcas
getragen werden.
Und so wächst der Zulauf an Studenten in jedem Se-
mester. Das rote Lehrgebäude aus Backstein und Holz zählt
inzwischen drei Stockwerke. Tausende Folianten, Bücher,
Lexika und Atlanten füllen die enorme Bibliothek, und täg-
[WOLFSHEIM]
lich kommen neue Werke dazu, angeliefert aus Roma und
Cartagena. Der Campus selbst verfügt über zehn Schlafsäle,
in denen die knapp 300 Studenten untergebracht sind. Der
Stundenplan ist streng und jeder, der hier vier Jahre seines
Lebens verbringen wird, reißt sich in den Schreibsälen um
die besten Plätze, notiert und protokolliert jeden Wortfet-
zen, den die Tutoren von sich geben. Erst wenn die Büffel-
hörner am Abend von der Zinne am Dach der Universität
erschallen, endet ein Lehrtag. Dann versammeln sich die
Studenten auf dem zentralen Platz vor der Universität, wo
ein gewaltiges marineblaues Mosaik des Libyers im Boden
eingefasst ist, und bilden Arbeitsgruppen für die Nacht, um
die wichtigsten Lektionen des Unterrichts gemeinsam zu
vertiefen.
DAS
N E O L I B Y S C H E C O N S U L AT
Das Consulat ist das politische Herz Toulons und bestimmt
mit seinem Rhythmus die Geschicke der Stadt, die Ver-
handlungen mit Bittstellern und Ansässigen aus der Region
als auch Vereinbarungen, welche die Beziehungen der Neo-
libyer zu anderen Kulten betreffen. Die Wände des Consu-
lats haben in den letzten zehn Jahren so manches hochran-
gige Gesicht gesehen: Stabsoffiziere aus Territorialregion I,
die Petrolieferungen für Hellvetika forderten. Streamer aus
Aquitaine und Justitian, die Einheitsgebote auf kostbare
Artefakte aufgeben wollten. Emissäre der Wiedertäufer, die
Kredite für ihre Missionierungszüge in Purgare und Pollen
brauchten. Preservisten und Registrare aus dem fernen Spi-
tal und Arnsberg, die um den Brückenschlag zu den Anu-
biern warben.
Sie alle wollen die Gunst der Neolibyer erlangen.
Zohra, die Consulin Toulons und Halbschwester Ham-
zas, kennt die Wege der Diplomatie, weiß um die Allein-
stellungsmerkmale ihres Kultes, und wie viel Druck dieser
auf seine Konkurrenten ausüben kann, wenn nur die Ver-
träge stimmen. Inzwischen arbeiten knapp hundertfünfzig
Schreiber für die Consulin. Sie übersetzen, diktieren, ferti-
gen Schwursiegel, beraten und stellen Versicherungsschei-
ne aus. Die Wartezimmer vor dem Empfangssaal sind oft
bis zum Anschlag mit Antragsstellern, Boten und Herolden
gefüllt, die auf einen Termin zur Vorsprache warten. Längst
kann das Consulat nicht mehr alle Anfragen bearbeiten,
muss Termine um Monate verschieben oder Anträge im
Vorfeld abweisen.
STRASSE DER KONTORE
Wer eine Expedition in die Rhône-Sümpfe ausrufen will,
braucht Geld. Ein neolibyscher Plünderer stellt mit dem Er-
werb einer Konzession die Versorgung der Route, den Auf-
kauf der Artefakte und den Transport der Ware nach Africa
sicher. Schrotter können auch eigenständig Expeditionen
organisieren. Dazu braucht man Nahrung, Petro, Waffen,
Licht, Zelte, Kochgeschirr, Marduk-Öl. Nicht jeder Schrot-
ter kann so viele Dinare auf einen Schlag aufbringen, um
seinen Stoßtrupp auszustatten. Deshalb gibt es die Kontore
– junge neolibysche Schreiber und Händler, die als Geld-
verleiher auftreten. Es ist ihr erster Schritt in die große Welt
der Warenumschläge und auf der Straße der Kontore kön-
nen sie sich bewähren, indem sie Schrottern kleine Expe-
ditionskredite gewähren und sich somit einen Prozentsatz
am Ertrag samt Zinsen für den Kredit sichern. In kleinen
Kammerstuben am Straßenrand lauschen die Kontoristen
den Erzählungen der Schrotter, führen Befragungen über
die Unwägbarkeiten der Routen ab, diskutieren die mög-
lichen Gefahren und kalkulieren das Risiko. Die Schreiber
protokollieren Wort für Wort, rechnen an Schiefertafeln die
zu erwartenden Gewinne aus und ziehen die Ausgaben für
die Nutzung der Konzession ab. Hamza Abubakar III. will
schließlich an jedem Geschäft, das über seine Konzession
läuft, mitverdienen.
Ist eine Expedition erfolgreich, muss der Kontor ein
Fünftel seines Gewinns als Kommission an Hamzas Palast
bezahlen. Ein zweites Fünftel wird ihm für die Schreibstube
an der Straße der Kontore in Rechnung gestellt. Das dritte
Fünftel geht an die Handelsbank, um seinen Erlaubnis als
Geldverleiher nicht zu verlieren. Bleiben zwei Fünftel für
den erfolgreichen jungen Kontoristen. Genug, um einen
neuen Expeditionskredit auszuschreiben.
THE KILLING GAME 43
HAUS DER HANDELSBANK
Die Handelsbank ist mächtig. Sie wirft ihre langen Schatten
weit über das Meer in Richtung Europa. Wo sie ihre Nieder-
lassungen errichtet, schlägt bald schon der Takt des Geldes,
der Kredite und der Schulden. Wie viele Menschen, Dör-
fer, Städte inzwischen von der Handelsbank abhängen wie
ein Neugeborenes von der Muttermilch, vermögen nur die
Cheikhs von Tripol zu sagen. Und für Fremde würden sie
ihre Bilanzierer niemals öffnen.
Die Handelsbank ist es, an der die Kontore und Händ-
ler wie hungrige Schakale hängen, die Plünderern und
Seefahrern das Geld für die großen Unternehmungen leiht
und die mit einem Schlag Vermögen einfrieren oder konfis-
zieren kann. Enteignung ist die größte Schande, die einen
Neolibyer treffen kann. Und die Handelsbank besitzt alle
Befugnisse dazu.
In Toulon hat sie ihre Pforten eröffnet. Sie profitiert
von Hamzas Expedition und seinem Raubbau an Franka,
und deshalb unterstützt sie den Herrscher Toulons bei allen
seinen Vorhaben.
Lekon Ajabi, der vorsitzende Magnat des weißen
Prachtbaus, residiert schon längst nicht mehr in Toulon,
hat die Aufgaben der Handelsbank an seine Untergebenen
weitergereicht und fördert inzwischen den Petrohandel
in den Krisengebieten Hybrispanias. Aus Krieg lässt sich
immer guter Profit schlagen. Und Toulon ist mit Hamza
an der Macht bestens abgesichert. Lekons Aufsicht über
die Geschäfte der Handelsbank ist nicht mehr von Nöten.
Wenn sich Machtstrukturen und Finanzkreisläufe einmal
etabliert haben, wird das Gefüge von allen Beteiligten ver-
innerlicht und nach dem Erfolgsprinzip weiter gewirtschaf-
tet.

DIE SILBERACHSE
Eine gepflasterte Straße, wie mit dem Lineal gezogen, führt
an der Südwestseite von Hamzas Palast vorbei in Richtung
Terres Putain. Wer hier einkauft, kann es sich leisten. Eini-
ge der besten Händler Frankas und Africas bieten an Ort
und Stelle ihre Ware feil. Handwerker aus Port Lagagne
mieten Stände und stellen ihre Handwerkskunst aus. Ge-
handelt wird mit allem, was Wert besitzt. Von den schöns-
ten Vögeln und Schmetterlingen über Affen, Hyänen und
Paviane zu Gewürzen, Juwelen, fremden Metallen bis hin
zu Artefakten, urvölkischen Relikten, fremden Kunstwer-
ken, Statuen und Büchern. Alles, was man den Sümpfen der
Rhône entreißen konnte und was nicht für die Märkte in
Tripol gedacht ist, landet auf der Silberachse.
Die Stände selbst sind mit bunten Stoffen behangen,
die Marktschreier rufen laut Preise und Waren aus. Musik
tönt aus den Seitengassen und an kleinen Tischen und Sitz-
bänken wird Kaffee und Tee in Rindshörnern und hölzer-
nen Schalen ausgeschenkt. Man muss wissen, wonach man
sucht, um fündig zu werden, doch vielen Neolibyern ist der
Bazar von Toulon bereits bestens bekannt.
In einer der lichtlosen Sackgassen, hinter zwei Abzwei-
gungen und jenseits des Straßenlärms soll sich ein Meister-
 VERSORGUNG

Der Sumpf nimmt, doch der Sumpf gibt
auch zurück. Das Nahrungsangebot ist ge-
waltig und wenn es an einer Sache in Tou-
lon nicht mangelt, dann ist es vielfältiges
Essen. Täglich erreichen Sumpfjäger die
Stadt mit frischer Ware. Die Rhône ist ein
Paradies für Schlangen und sie sind eine
Delikatesse auf den Märkten, wo sie am
Spieß geräuchert und verkauft werden. Für
den doppelten Preis erhält man das Leder
gleich mit dazu. Frösche, Wachteln, Enten
werden zudem Kistenweise verkauft und
verarbeitet. In Terres Putain erhält man an
manchen Orten Kranichfleisch, oder Ferkel.
In Saint Chenil werden Echsen verarbeitet,
das Fleisch in Brotfladen gewickelt und die
Haut knusprig geröstet als Wegzehrung auf
einem Zweig dargeboten.
Port Lagagnes legendärer Fischmarkt
strotzt vor gutem Fang. Jeden Morgen
laden die Fischer Austern, Muscheln, fri-
schen Fisch, Garnelen und Meeresfrüch-
te am Strand ab. Schrotter besorgen sich
hier eine Stärkung für den Tag, schlürfen
Krabbensuppe und trinken Schlangenblut
zur Stärkung der Abwehrkräfte. Bald schon
führt es sie wieder in die Rhône-Sümpfe zu-
rück und sie wollen darauf vorbereitet sein.
Wer exotischere Nahrung sucht muss nach
Cour Argent aufbrechen. Der Bazar entlang
der Marktstraße bietet Gewürze, Früchte
und Wurzeln aus Africa, die sonst nirgend-
wo in Europa zu haben sind. Geißler geben
hier ihren Sold aus, trinken vergorene Milch
und essen bestes Fleisch. Das Rudel muss
gesund bleiben.
Einzig Ferrallies bietet kaum Abwechs-
lung für den Magen. Die ansässigen Plank-
ner stellen kleine Zelte für ihre Brüder auf.
In großen kupfernen Bottichen kochen sie
altes Leder in salzigem Meerwasser auf und
geben die nassen Klumpen an ihre mittel-
losen Brüder und Schwestern aus. Das Her-
umkauen auf dem warmen Lederfetzen sät-
tigt zwar nicht, doch es dämpft den Hunger
für eine Weile, bis genug Wechsel zusam-
menkommen um sich etwas Ordentliches
zu leisten.

schmied eingerichtet haben. Tuga, eine Legende unter den
africanischen Schrottern, fertigt hier die hervorragendsten
Gewehre für seine exklusive Kundschaft: große Jäger, die
nach Norden aufbrechen, um das gefährlichste Wild von
allen zu jagen. Psychonauten.
DER NORDHAFEN
Die Piers des Nordhafens sind die einzigen der frankischen
Küste, an denen die wahren Frachtkolosse des Mittelmeers
anlegen können. Und es sind nur sechs, vier zu wenig, für
Hamzas Geschmack. Zudem muss er Teile des östlichen
Piers für die vier Schnellboote freihalten, mit denen die
Geißler den Hafen sichern. Deswegen beginnt drei Stun-
den vor Morgengrauen ein neuer Tag, auch wenn der alte
erst fünf Stunden zuvor endete. Träger, Schlepper, Werfer,
Pumpenleute, Muschelschaber – die Tagelöhner, die sich
langsam an den großen Kais sammeln, haben tiefe Augen-
ringe und brennende Schultern. Männer und Frauen lassen
sich unter den Bannern der verschiedenen Kontore nieder,
kochen Tee und Kaffee auf den öffentlichen Kohlestellen.
Dann packen sie ihr Frühstück aus und tauschen das Mit-
gebrachte untereinander aus. Dem gemeinsamen Essen
wird gehuldigt – die nächsten sechzehn Stunden ist keine
Zeit mehr dafür. Mit dem ersten Signalhorn tauchen die
Neolibyer auf, flankiert von stummen Geißlern, den späte-
ren Aufsehern. Arbeitsgruppen werden zusammengestellt,
Aufträge verteilt, Tagesziele und Entlohnung genannt. Ein
kurzes Gedenken an die Ahnen und dann geht es los. Tau-
sende Kisten, Paletten, Körbe und Fässer werden jeden Tag
von den ankommenden Frachtern gelöscht, in die Lager-
hallen geschleppt oder auf kleinere Schiffe für Montpellier
und Perpignan umgeschlagen. Um die größeren Container
kümmern sich Lastkräne, der Rest ist Muskelarbeit. Keine
Pausen, wer zu langsam ist, wird angeschrien, weiter ge-
trieben. Immer wieder patrouillieren Geißler vorbei, doch
sie brauchen keine Peitschen, um die Arbeitsmoral zu be-
feuern. Die Menschen hier schinden sich freiwillig bis tief
in die Nacht, denn so lange dauert es für gewöhnlich, bis
die ausgehenden Ladungen an Bord der vormittags entla-
denden Frachter gebracht wurden. Wer vor Erschöpfung
zusammenbricht, wird von seinen Kameraden an die Seite
gezogen und den Anubiern überlassen. Wasser, Tee, geseg-
nete Öle für die Schläfen und ein paar freundliche Worte.
Dann geht es weiter. Der Handel rastet nie.
DIE LAGERHALLEN
Westlich des Nordhafens breiten sich die Lagerhallen aus.
Die langgezogenen Steinbauten sind fensterlos, in den Sei-
tenwänden klaffen alle zwanzig Meter hohe Tore, die nur
geöffnet werden, wenn ein Hafenläufer Waren ankündigt
oder ein Träger von der Silberachse mit einem Auftrag
winkt. Innen ist die Luft deutlich kühler als auf den Stra-
ßen. Tiersymbole und Ziffern, die auf den Boden und an die
Querträger gepinselt wurden, führen durch den Dschungel
aus Regalgängen und Warenstapeln. Alles was reingeht,
muss auch wieder raus, und dazu muss alles seine Ordnung
haben. Greise Neolibyer, ausgewählt wegen ihrer Integrität,
ihrer Erfahrung und ihres Gedächtnisses, weisen den Trä-
gern den Weg. Jeder einzelne hat die Hoheit über ein ganzes
Lagerhaus mitsamt zahlreichen Gehilfen. Diese stammen

THE KILLING GAME 45

 häufig aus den Heimatdörfern der Lagerbesitzer, unliebsa-
me Halbcousins, Neffen und Nichten, die durchgefüttert
werden wollen und nach Arbeit in Toulon gefragt haben.
Jetzt haben sie sie. Der Lagerist bestimmt jedoch alleine,
was nach vorne, was nach hinten, was nach oben und was
nach unten gehört. Wehe jedem, der dieses Ordnungsprin-
zip stört. Es kann Tage dauern, falsch eingelagerte Waren
wiederzufinden. Senkt sich die Nacht auf dieses Areal des
Viertels, verdreifacht sich die Präsenz der Geißler. Mit ab-
gerichteten Hyänen an der Leine patrouillieren sie jeden
Pflasterstein zwischen den Lagern. So sind Einbrüche eine
echte Seltenheit, wenngleich laut Verzeichnis eingelagerte
Waren immer wieder spurlos verschwinden.
DIE KASERNEN
Ursprünglich waren die Kasernen von den Hellvetikern
erbaut worden. Solide Konstruktion, Genie-Fertigung. Ein
vorgelagerter Außenposten. Doch mit dem Ausbau von
Leitposten Morvant wurde die Stationierung von Soldaten
in Toulon überflüssig und die Korpskommandatur wollte
die Truppen näher an Ducal und der Mündung vom Brand-
weg mit der Berner Passage wissen, als an der fernen Küste.
Die Hellvetiker vermachten ihren Kasernenbau, mitsamt
der dazugehörigen Verteidigungsmauer 2572 an die Toulo-
ni, als Zeichen des guten Willens, aber vorrangig um Kosten
zu sparen.
Der Ältestenrat Toulons ließ Jahrzehnte lang die Stadt-
milizen in den Kasernen ausbilden und die Resistance
wusste dort potentielle Rekruten für die frankische Armee
zu rekrutieren. Doch dann kamen die Neolibyer und die
Stadtmiliz der Touloni wurde mit einem Schlag obsolet. Die
kriegserfahrenen Geißler-Rudel hielten Einzug. Einige von
ihnen hatten an den Fronten im Balkhan und Hybrispania
gekämpft. Trotz geringer Mannstärke war ihr Auftreten
respekteinflößend. Das Bellen ihrer in die Luft gefeuerten
Sturmgewehre tat den Rest. Der Ältestenrat entschied, die
Kasernen an Hamza abzutreten, zur Unterbringung der af-
ricanischen Truppen.
Heute residieren zwölf Rudel unter Führung Ayubus
auf dem Areal. Die Verteidigungswälle wurden mit Sta-
cheldraht verkleidet, die Außenwände mit Bildern der
rächenden Ahnen bemalt. Schädel geköpfter Feinde und
Masken gefallener Geißler wurden an der Eingangspforte
aufgehängt, baumeln dort wie mahnende Erinnerung an
die Schlagkraft der Truppen. Das Arsenal im Inneren ist
beträchtlich. Allein die Waffenkammer verfügt über kis-
tenweise Munition, Macheten, Speere, Schilde, dekorierte
Sturmgewehre, Peitschen und Folterwerkzeug. Auf den
doppelt mit Stahl verschalten Wachtürmen sind zwei Feld-
haubitzen auf Drehlafetten aufgestellt, die bei Bedarf tief
ins Land oder auf die See hinausfeuern können. Der ausla-
dende Innenhof wird für Rudelkämpfe untereinander ge-
nutzt. Die Geißler versuchen wachsam zu bleiben, um hier,
fernab der Front, nicht zu ermüden. Manche von ihnen
melden sich sogar freiwillig, um africanische Schrotter auf
ihren Expeditionen zu unterstützen und die Sinne weit weg
von der Heimat zu schärfen.
D A S L A Z A R E T T L’ O R A G E
Von den Spitaliern ist kaum etwas geblieben nach den ver-
nichteten Feldzügen der Wachsmann-Lacroix-Expedition.
Einst wusste sich der Ärztekult mit seinen Kasernen in Tou-

TOULON BEI NACHT

Die Nächte verwandeln Toulons Straßen in
einen bunten Lichterreigen. An den Haupt-
straßen leuchten Straßenlaternen, deren
unstetes Pulsieren den Zustand des Mo-
duls preisgibt. In den Seitengassen flackern
Talglichter auf Fensterbänken, die einen in-
tensiven Geruch nach Nelken und geriebe-
ner Zitronenschale verströmen – gegen die
Insekten. Und in den Kanälen pendeln die
Positionslichter der Frachtkähne und Boo-
te auf und ab. Wer das Licht vergisst, kann
sich auf zum Brandweg machen. Ein Zusam-
menstoß bei Nacht kostet nicht nur die ge-
ladenen Waren, sondern kann zur Blockade
eines Kanals führen, was hohe Strafen nach
sich zieht. Gleiches gilt für den Hafen. Schif-
fe und Boote ohne Positionslicht gelten als
verdächtig. Wird eines entdeckt, nehmen
es Geißler in Schnellbooten in die Zange.
Mehr als einmal haben irgendwelche Irren
versucht, Sprengboote in die Frachter zu
steuern, um die Kolosse im Hafen zu ver-
senken. Oder schlimmer noch – Waren von
gerade erst eingelaufenen Schiffen zu lö-
schen.
Nur Saint Chenil liegt im Dunkeln. Viel-
leicht, um den ganzen Unrat, der hier durch
die Gassen kriecht, wenigstens bei Nacht
vergessen zu können.
 DAS GESETZ DER KÜSTE

Hamza Abubakar III. überließ den Touloni
die Gesetzgebung innerhalb der Stadt-
grenzen. Es war eine respektvolle Geste an
die alteingesessenen Familien und Sippen,
auf deren Schultern die Stadt errichtet wur-
de. Im Ältestenrat von Toulon wird seit je-
her über Kapitalverbrechen gerichtet. Mord
kennt nur eine Sühne – im Morgengrauen
wird der Verurteilte auf ein Boot gezerrt
und weit aufs Meer hinausgebracht. Wenn
die Sonne am höchsten steht werfen ihn
die Henker mit verbundenen Händen über
Bord. Nur seine Beine und endloses Stram-
peln können ihn jetzt noch retten. Doch
den Wenigsten gelingt der Weg zurück.
Anders verhält es sich mit niederen
Verbrechen. In Terres Putain gibt es gleich
mehrere „Arènes de l‘égalité“, Arenen des
Ausgleichs. An diesen Orten können Men-
schen, denen Unrecht widerfahren ist, vor
versammeltem Publikum ihre Peiniger zur
Rede stellen und eine öffentliche Entschul-
digung oder eine Wiedergutmachung ein-
fordern. Für die Viertelbewohner sind die
Tiraden eine willkommene Abwechslung,
vor allem wenn sie von einem bezahlten
Schandschreier gehalten werden. Nach
den Redebeiträgen befindet das anwesen-
de Publikum über die Schuld des Ange-
klagten, indem es bunte Glasscherben zur
Abstimmung in eine herum gereichte Vase
wirft. Rot heißt schuldig, Schwarz bedeutet
Freispruch. Das Urteil wird von Bezirksrich-
tern festgehalten und vollstreckt – die ei-
gentliche Strafe ist der Gesichtsverlust, den
der Angeklagte erleidet. Ist es ein Händler,
der beim Wiegen betrogen hat, muss er
die nächsten Wochen seine Preise ins Bo-
denlose senken oder gleich in eine andere
Stadt aufbrechen, denn niemand wird mehr
beim ihm einkaufen. Ist es ein Einbrecher,
muss er sich auf Stockhiebe und fliegende
Steine einstellen, die in den Straßen auf ihn
niederhageln, sobald er sich bei Tageslicht
blicken lässt. Einfache Delikte, wie kleine-
re Diebstähle, nicht gezahlte Strafgelder,
Zechprellerei oder die Erregung öffentli-
chen Ärgers werden mit Dienst auf dem
Brandweg bestraft. Zuerst mit einigen Ta-
gen, dann folgen Wochen und zuletzt gan-
ze Jahre voller Strafarbeit.
Eine Ausnahme von dieser Art der
Rechtsprechung bilden grundsätzlich Ver-
gehen gegen Africaner. Wer sich mit Ham-
zas Leuten anlegt, dem droht ein Schick-
sal in Ketten. Die Neolibyer dulden keine
ausufernden Gerichtsverhandlungen, keine
geistigen Aufstände und keinen Wider-
spruch. Geißler zerren den Angeklagten
an Bord des nächstbesten Frachters, der
ausläuft. Die Reise geht nach Africa, wo
der Schuldige den Rest seines Lebens auf
einer Plantage verbringen wird. Ähnlich ri-
goros geht es in Cour Argent zu, dem ein-
zigen Viertel, in dem das Tragen von Waf-
fen verboten ist. Besucher, die die Brücken
passieren wollen, müssen sämtliche Waffen
bei den wachhabenden Geißlern abgeben.
Dafür erhalten sie einen Pfandbrief, gegen
den sie die Waffen später wieder zurückfor-
dern können. Ohne Pfand keine Rückgabe.

lon und Umgebung zu brüsten, doch heute versteckt man
sein Gesicht hinter den Mauern der Bastion in Montpellier.
Zu beschämend waren die Niederlagen in den Sümpfen. Zu
groß die Verluste, um mit stolz geschwellter Brust vor der
Bevölkerung herzumarschieren und neue Truppen auszu-
heben. Den großmäuligen Versprechen der Ärzte konnte
in Toulon kaum noch jemand glauben. Und so wurde das
einstmals prächtige Truppenlager L’Orage in ein einfa-
ches Lazarett umgebaut und den Neolibyern als Zeichen
des guten Willens und zur Versorgung der Bevölkerung
zur Verfügung gestellt. Im Gegenzug für eine üppige Pacht
stellt Montpellier den afrikanischen Machthabern dreißig
Famulanten zur Verfügung, die als Wachen innerhalb Cour
Argents agieren dürfen, und vor allem den Nordhafen mit
seinen Warenströmen im Blick haben. Geprüft wird stich-
probenartig, vor allem bei Einfuhr verderblicher Güter aus
Africa.
Dem Lazarett selbst stehen weiterhin sechs Feldärzte
und zwei Chirurgen zur Verfügung, die sich um komplizier-
tere Krankheiten, Wunden und Brüche kümmern können.
Einzig die Patienten bleiben aus. Sowohl Neolibyer als auch
Geißler vertrauen sich lieber einem Anubier an, als von
einer haarlosen weißen Krähe behandelt zu werden. Die
Schrotter aus Ferrallies können sich Behandlungen erst gar
nicht leisten, und die Touloni aus Port Lagagne verzichten
allein wegen der nicht gerade ruhmreichen Vergangenheit
auf die Zusammenarbeit mit den Spitaliern. Stattdessen
verlassen sie sich lieber auf Hausmedizin, Wundkräuter aus
den Sümpfen und andere „Schmerzmittel” aus Terres Pu-
tain.
Außerhalb Cour Argents haben die Spitalier keine
Befugnisse – weder dürfen sie Kontrollen durchführen,
noch jemanden festsetzen. Weswegen sich inzwischen der
Dienst im Lazarett L’Orage mehr wie eine Bestrafung denn
eine Auszeichnung anfühlt.
DIE ZOLLHÄUSER
Toulons Haupteinnahmequelle und Grundstein für den
Erfolg der Neolibyer liegt in den Zollhäusern begründet. Al-
les, was aus Toulon verschifft wird, als auch alles, was nach
Toulon zum Verkauf hineingelangt, geht durch die Hände
der africanischen Schätzer, die im Auftrag Hamzas dort be-
schäftigt sind. Sie bewerten den Preis von Generatoren, Ar-
tefakten, Petrofässern und anderen Waren und berechnen
den Aufschlag. Sie nehmen Stichproben der importierten
Güter, beraten sich mit neolibyschen Händlern, die stapel-
weise Waren liefern lassen und bestimmen den Zollwert.
Hinzu kommt: In Toulon wird mit Dinaren bezahlt.
Chronistenwechsel werden kaum akzeptiert.

THE KILLING GAME 47

 Jeden Sonnenaufgang bestimmt das Haus der Handelsbank
den aktuellen Wechselkurs und lässt diesen von einem Bo-
ten an die Zollhäuser übermitteln. Damit kontrolliert die
Handelsbank die Devisen und schlägt Gewinne aus dem
Tausch von Wechseln, die aus dem Nordwesten oder über
die Alpen nach Toulon gespült werden.
Rhône-Sümpfen offensichtlich mehrere Lager und Produk-
tionsstandorte unterhalten haben muss. Koordinaten, Ho-
lokarten, Sicherheitscodes, Sender – alles, was der Bergung
weiterer UEO-Artefakte und Waffen dient, wird direkt an
den Palast geliefert.

DIE RAFFINERIE
Die Raffinerie ist Ormas Reich. Der enge Vertraute und Vet-
ter Hamzas ist unter den africanischen Schrottern eine Le-
gende – was er anfasst, wird von einem neuen Geist beseelt.
Unter seiner Aufsicht werden in dem weitläufigen Trakt
im Hafen Artefakte aufbereitet. Europäer sind hier nicht
einmal als Hilfskräfte geduldet. Eingehende Güter werden
auf großen Sondierungstischen bewertet, Brauchbares vom
Schrott getrennt und zur Weiterverarbeitung in die ent-
sprechenden Gewerkehallen gekarrt, die Ormas Schrottern
zugleich als Unterkünfte dienen. Dort werden die Artefakte
entweder zerlegt oder aufbereitet und aufgewertet, damit
sie in Tripol Höchstpreise erzielen. Würden die Chronisten
sehen, was hier achtlos in die Schmelztiegel für seltene Me-
talle wandert oder zu Ersatzteilen zerlegt wird, ihnen wür-
den sämtliche Dioden platzen.
Doch die africanischen Schrotter haben wenig Verwen-
dung für europäische Speichermedien, sofern darin nicht
Baupläne oder zumindest Informationen enthalten sind,
die den Weg zu großen Funden weisen. Interessant sind
vor allem die Hinterlassenschaften der UEO, die in den
DIE PETROTÜRME
In den Petrotürmen Toulons lagern Millionen Gallonen
Treibstoff. Wöchentlich legen Tanker an, um die dreißig
Meter hohen Speicher gefüllt zu halten – die Adern der Re-
sistance sind durstig, ohne Petro kein Brandweg und keine
Sicherheit vor den Schwärmen; aber auch kein Modul und
damit kein Strom in Toulon.
Für Ayubu sind die Türme eine Schwachstelle – nicht
mehr und nicht weniger. Hamza hatte darauf bestanden,
sie direkt im Hafen zu errichten. Inzwischen ließ Ayubu
sie sichern, mit Panzerplatten, Querverstrebungen, Platt-
formen und UEO-Geschützen, die die Türme von Seebun-
kern aus rechter und linker Hand flankieren. Zwischen den
Bunkern kann ein vom Modul entkoppeltes Aggregat eine
mächtige Sperrkette spannen – doch all das nützt nichts,
wenn ein Schiff die Türme von See aus unter Beschuss
nimmt und irgendeine der unzähligen Rohrleitungen trifft,
die zwischen den Türmen Petro, unreine Sedimente und
entstehende Gase umwälzen. Um die Explosionsgefahr zu
mindern, werden die Abfallprodukte über Unterwasserlei-
tungen direkt zum Modul gepresst. Sollen die Schrotter der
Krähe zusehen, wie sie den Dreck verfeuert kriegen.

AUF DEM WASSER

Toulon ist in Bewegung. Breite, von Men-
schenhand gehauene Kanäle und Was-
serstraßen durchziehen die Stadt wie ein
Flechtwerk. Auf ihnen werden Güter zwi-
schen den Vierteln transportiert. Auf kleine
Boote, Gondeln und Flöße werden Schwer-
last, Generatoren und Handelswaren gela-
den und über die Bucht von Ferralies nach
Port Lagagne oder Terres Putain verschifft.
Der Motorenlärm dröhnt über alles hinweg
und die Abgase hängen schwer in der Luft.
Da hilft nur, den Atem anzuhalten und die
Finger in die Ohren zu krallen, bis eine die-
ser Schrottgondeln vorbeigezogen ist.
In den kleinen Wasseradern, die die Vier-
tel durchziehen, entsorgen die Bewohner
ihren Unrat und erledigen Geschäfte. Von
den Händlern auf den Flößen und Gondeln
wird Brennholz und Petro, Baumaterial und
Nahrung gekauft. Die Dinare wechseln
hier schnell die Hand und das Gedränge
zwischen den Barken und Booten ist groß.
Straßenkinder betteln um ein Stück Brot,
oder stehlen es ganz einfach. Lauthals wird
gebrüllt, gefeilscht, und gestritten. Uner-
fahrene neolibysche Lehrlinge treten hier
mit erfahrenen Schrottern in den Kampf um
Kundschaft, Preis, Angebot und Nachfrage.
Bei den Bewohnern äußerst beliebt sind
die schwimmenden Garküchen, die sich im
Stundentakt von Kanal zu Kanal bewegen
und ihre Speisen verkaufen. Manche dieser
Garküchen bieten für einen kleinen Auf-
preis Sitzbänke und Tische, an denen man
mit Anderen sein Essen zu sich nehmen
kann und gleichzeitig zu einem anderen
Zielort angelangt. Über die Jahre hinweg
sind sie zu einer Institution geworden und
es ist inzwischen keine Seltenheit, dass vie-
le Händler, Neolibyer sowie reiche Touloni
ihre Geschäfte untereinander an den Ti-
schen der Garküchen besiegeln.
H A M Z A S PA L A S T
Cour Argents Kern wird einzig von einem Bauwerk dominiert: dem Palast des Plünderers Hamza Abubakar III.
Der Landgang im Sommer 2586 lag noch keine Woche zurück und die Verhandlungen mit dem Ältestenrat Tou-
lons waren in vollem Gange, da ließ der Neolibyer bereits einen seiner Schreiber nach Port Lagagne übersetzten.
Im Gepäck zwei Kisten voller Dinare. Die Anzahlung für das Herzstück von Cour Argent – den Hügel über dem
Nordhafen.
Der Schreiber war noch nicht mit einer endgültigen Antwort zurückgekehrt, da hatte Abubakar den Geißlern
und Kartographen schon befohlen, den Hügel zu vermessen und die Ecken eines neuen Verteidigungswalls mit
Speeren abzustecken.
Seit diesem Tag wird am Palast gebaut. Monat um Monat werden neue Trakte und Zimmer fertiggestellt, der
ausladende Garten mit Bäumen und Büschen bepflanzt und Gehwege aus geplündertem purgischem Marmor
verlegt. Kostbare Stoffe wehen an den Fenstern, Handwerker aus Toulon zimmern die Türflügel und verzieren sie
mit Reliefs von Hamzas Stammbaum, die die Nähe seiner Familie zu den Acht Ahnen belegen sollen.
Seltene Vögel, eingesperrt in Käfige aus gezwirbeltem Silber und Draht, hängen von den Decken des Lauben-
gangs, der zum Garten führt. Hier werden die Gäste des Plünderers auf Kissen und Diwanen mit africanischem
Tee, balkhanischem Ratluk und andalusischem Rosenwasser hofiert. Wer es bis hierher schafft und eine Audienz
mit dem Neolibyer bekommt, versteht schnell, welchen Reichtum Abubakar III. in den letzten zehn Jahren ange-
häuft hat. Der Palast ist längst nicht fertig, lässt Hamza die staunenden Gäste wissen. Er blickt in die Ferne auf das,
was er bereits geschaffen hat und was er noch schaffen wird.

DIE AUSSENMAUER
Die Außenmauer umspannt den Palast wie ein Panzergürtel
aus massivem Gestein. Kronen und Hörner ragen aus dem
Mauerwerk, Waffenplätze auf den Zinnen ermöglichen ra-
sche Feuersalven und Gegenschläge. Selbst mit einer Unter-
zahl an Verteidigern wäre der Wall ohne weiteres gegen ein
ganzes Heer zu halten. Das Südtor öffnet den Weg hinunter
zur Silberachse. Über das Osttor gelangt man zur Straße der
Kontore.
DIE INNENMAUER
Fällt die Außenmauer, können sich die Verteidiger auf die
höher gelegene Innenmauer zurückziehen und im Palast
verschanzen. Über den Wehrgang erreicht man von hier
aus alle anderen Gebäude des Palastes wie auch das Atrium.
AT R I U M
Ein ausladender Innenhof ist das Zentrum des Palastes.
Hier veranstaltet Hamza Empfänge für Magnaten und
Cheikhs aus Tripol und nimmt Gäste des Consulats in
Empfang. Jeden Sonnenaufgang vollziehen Ayubus Rudel
von hier aus ihren Gruß an die Ahnen, legen die Masken an
und überprüfen die Waffen, bevor sie ihre Stellungen rund
um den Palast und den Cour Argent beziehen.
DIE GÄRTEN
Die Gärten von Hamzas Palast verschlagen den Atem.
Skulpturen, Findlinge und seltene Pflanzen verteilen sich
auf dem Areal. Jeden fremdartigen Setzling, den der Plün-
derer erwerben konnte, ließ er hier einpflanzen und von
den Gärtnern hegen. Gepflasterte Wege mäandern durch
das Gelände, führen in einem Rundgang um den gesamten
Palast herum. In Sandbeeten wachsen Wüstenblumen, in
den Waldgärten gedeihen farbenfrohe und zierliche Blüten.
Ein Wasserbecken schneidet geradlinig durch das gehegte
Kleinod. Libellen schwirren über die Wasseroberfläche –
im Wasser schwimmen die seltensten Fische, derer Hamza
habhaft werden konnte. Wenn man zu lange hinein blickt,
überkommt einen ein tiefes Gefühl von Wehmut und Frie-
den. Zu wenige Orte wie dieser sind übrig auf der Welt.
DIE KERNHALLE
Eine sechzehn Schritte breite Treppe führt vom Atrium,
das die Palastfront bildet, auf das große Portal zu. Dieses
quadratische, zweiflüglige und sechs Meter hohe Tor wurde
vollständig aus Silber gefertigt und zeigt einen in das Metall
getriebenen Löwenkopf. Dahinter eröffnet sich die Kern-
halle des Palastes, ein kolossaler dreistöckiger Steinbau,
dessen Winkel und Terrassen einer Stufenpyramide nach-
empfunden sind.
Die Bilderflut an Eindrücken berauscht den Besucher.
Die Wahrnehmung scheint zu verschwimmen. Es reihen
sich Kunstwerke aus ganz Europa die Wände und Flu-
re entlang. Sämtliche Einlegearbeiten wurden aus Silber
und Platin gefertigt – gewonnen aus dem Schrott Frankas.
Unzählige Nischen, gefüllt mit Büchern, Leseecken, Kanz-
leien und Arbeitstischen, sind auf die knapp sechzig Zim-
mer der Kernhalle verteilt. Globen, Artefakte, Astrolabien
schmücken die unterschiedlichen Seitenräume, präparierte
Skelette von Tieren und Menschen verzieren die Wände.
Mammuthörner aus dem fernen Pollen stehen aufgebockt
in den Fluren der Kernhalle, von den Säulen hängen Masken
wilder Klans aus Britain und der Stukov-Wüste. Dreißig der
schönsten neolibyschen Flinten reihen sich im Trophäen-
zimmer auf. Jede einzelne ein Vermögen wert. Dazwischen
liegen juwelenbesetzte Dolche und Säbel von Jehammeda-
nern, aus Golddraht gezwirbelte Eikonen, Spieluhren und
Musikinstrumente aus dem Balkhan. Bedienstete karren
schwere Eisblöcke durch den Palast und stellen sie in schat-
tigen Ecken auf, um die Temperaturen angenehm kühl zu
halten. Palastmädchen verteilen Schalen mit getrockneten
Blüten entlang der Kanzleien, gießen Tee auf, füllen die
Halle mit Düften und Gewürzen aus aller Welt.

THE KILLING GAME 49

H A M Z A S P A L A S T 07

09 05

08

03

02

06
 10 11

04

12

01

01. AUSSENMAUER

02. INNENMAUER

0 3 . D A S AT R I U M

04. DIE GÄRTEN

05. DIE KERNHALLE

06. DAS WACHHAUS

0 7 . A U S S I C H T S P L AT T F O R M

08. DAS GASTHAUS

09. GEWÄCHSHÄUSER

10. DER AHNENTEMPEL

1 1 . S O N N E N P FA D

12. ANUBIS-SCHREIN
WACHHAUS
Schräg gegenüber der Kernhalle liegt das Wachhaus. Das
Gebäude ist den Geißler-Rudeln überlassen. Hier hat Ayu-
bu seine Räumlichkeiten, daneben sind die Schlafplätze, die
Munitionskammer und das Waffenarsenal der Geißler un-
tergebracht. Die Regel ist simpel: Vier Geißler-Rudel müs-
sen immer im Wachhaus verbleiben, während die anderen
acht Rudel in den Kasernen im Cour Argent stationiert
sind. Für den Notfall. Einmal die Woche werden die Rudel
ausgetauscht und wechseln ihre Position mit den verbliebe-
nen Brüdern in der Kaserne.
A U S S I C H T S P L AT T F O R M
Die Aussichtsplattform ragt wie eine Nadel siebzig Meter
aus der Flanke des Palastes empor. Im Inneren windet sich
eine Wendeltreppe zur Spitze. Von dort aus lässt sich Ham-
zas Reich überblicken. Kein anderer Ort ist geeigneter, um
mit eigenen Augen zu erkennen, was der Plünderer in den
zehn Jahren seit seiner Ankunft geschaffen hat. Der Blick
von der Plattform ist ehrfurchtgebietend und die Macht,
die in Hamzas Händen liegt, erst vollständig erfassbar,
wenn man von hier oben seine Augen bis zum Horizont
schweifen lässt. Würde ein Scharfschütze hier Stellung be-
ziehen, er hätte jeden Winkel des Cour Argent im Blick.
GASTHAUS
Das Gasthaus ist der Flügel für Bedienstete des Palastes und
seine hochdekorierten Gäste. Dreißig weitere Zimmer be-
finden sich hier und denen, die hier einkehren, soll es an
nichts fehlen. Kleine Brunnen spenden frisches Wasser,
Alkoven laden zum Dösen ein. Mit Gold bestickte Kissen,
seidene Tücher, gewobene und mit Bildern verzierte Tep-
piche – Hamzas Reichtum senkt sich selbst im Traum über
seine Gäste.
Die Trakte für die Dienerschaft, jeweils ausgestattet
mit einer eigenen Küche und verschiedenen Lagerräumen,
stehen den Haupträumen in Nichts nach. Hamza will alle
an seinem Erfolg teilhaben lassen. Den knapp zweihundert
Dienern des Palastes sollen die Annehmlichkeiten genauso
zugute kommen. Hamza weiß, wenn seine Bediensteten
den Palast als ihr Heim ansehen, werden sie ihn nicht ver-
kommen lassen, sondern seine Schönheit wahren, als wäre
es ihr eigenes Zuhause.
GEWÄCHSHÄUSER
Im Nordteil des Gartens, im Schatten der Kernhalle, liegen
die Gewächshäuser. In den gläsernen Gebäuden züchten
Hamzas Gärtner Heilkräuter und seltene Pflanzen, die der
Anubier Nephraim für die Herstellung des Marduk-Öls und
die Ahnenrituale benötigt. Zahllose Schmetterlingsarten
und Falter gleiten geräuschlos durch das schwüle Dickicht
im Inneren der Gewächshäuser. Die Raupen werden geern-
tet und zu den Krämereien nach Port Lagagne gebracht, wo
aus ihren Spinnfäden Seide für den Palast hergestellt wird.
DER AHNENTEMPEL
Eine Kuppel, mit Blattgold überzogen, krönt den Ahnen-
tempel. Es gibt keine Wände in dem Rundbau, nur Säulen,
die den offenen Raum und das Dachgewölbe stützen. Die
Ahnen sollen nicht daran gehindert werden, Einzug in
diesen Ort zu halten. Das Tempelinnere ist schlicht und
schmucklos. Nichts soll von den Riten ablenken. Ein kreis-
runder Altar mit einem Kohlebecken ist der Mittelpunkt
und das Heiligtum des Tempels. Es steht jedem Bedienste-
ten frei, hier in den Abendstunden zu beten, wenn die Son-
ne tief zwischen den Arkaden hindurch scheint.
S O N N E N P FA D
Vom Ahnentempel zieht sich der Sonnenpfad in gerader
Linie bis zum Osttor. Auf dieser kurzen Strecke finden die
Prozessionen der anubischen Initiantinnen statt, wenn sie
vom Tempel aus in die Stadt aufbrechen, um die schwar-
zen Schrotter für ihre nächste Expedition zu segnen und
Geschenke von Hamza an das Haus der Handelsbank zu
überbringen.  
DER ANUBIS-SCHREIN
Hamza ließ für seinen Halbruder Nephraim einen eigenen
Schrein erbauen, der südlich des Ahnentempels im Gar-
ten liegt und in den sich der Anubier zur Meditation zu-
rückzieht. Unter dem Schrein liegt Nephraims Gruft. Ein
unterirdisches Lager zugestellt mit Ahnenmasken, Schlan-
genkörben, rituellen Gegenständen und Nephraims per-
sönlichen Waffen. Bricht er in die Sümpfe auf, stattet er sich
in seiner Gruft zuvor mit allem Nötigen aus, um die Reise
zu überstehen.
D I E S C H AT Z K A M M E R
Tief im Hügel unter dem Palast lagert ein gutes Drittel von
Hamzas persönlichem Vermögen – der Rest besteht aus
Beteiligungen und Besitzungen in Africa. Das Gewölbe ist
weitläufig und fasst unglaubliche Besitztümer: Urvölkische
Weine, Fässer voll Marduk-Öl, Gewürze, Duat-Früchte,
Tinkturen und Stoffe aus Africa, Silber aus dem Balkhan
und Zehntausende frisch geprägter Dinare, Hunderte
Goldbarren, unschätzbar wertvolle Plündergüter aus der
ganzen Welt. Nicht mal Hamza hat noch einen genauen
Überblick über die eingelagerten Reichtümer.
Hinter mehreren Portalen und mit Stahl verzahnten
Türen, die mit urvölkischen ID-Schlössern gesichert sind,
liegt eine zweite Schatzkammer. In dieser lagern Hamzas
wahre Schätze. Einzigartige Artefakte, wie Schlüsselstäbe,
Holokarten und Signaturdekodierer, aber vor allem Wech-
sel. Glatt gepresste Chronistenwechsel, die meisten echt,
manche gefälscht, allesamt abgezählt und in handliche
Päckchen gerollt und auf Paletten gestapelt. Mit diesen
Devisen hält er den Wechselkurs unter Kontrolle und neigt
die Waage der Wechselstuben jeweils auf die Seite, die dem
Kult und ihm gerade den meisten Gewinn verspricht. 
FERR ALLIES
Armdicke Kabelspulen wühlen sich durch die aufgeweichten und mit grob gehaue-
nen Holzplanken ausgelegten Gehwege von Ferrallies. Die eingeschlossenen Luftbla-
sen unter den Bohlen machen laute Schmatzgeräusche, wenn die Schrotter mit ihren
Schubkarren und schweren Traggestellen darüber hinwegjagen. Pheromantenfürze
werden sie genannt. Die Schrotter lachen. Auch wenn sie wenig zu lachen haben.
An einer nahegelegenen Schrotthalle ist ein Drahtseil gerissen. Beim Zurückpeit-
schen hat es einem Plankner beide Beine gebrochen. Seine Brüder knien um ihn her-
um, versuchen ihm die Knochen zu schienen und ihn in sein Zelt zu hieven. Doch das
wird kaum sein Überleben sichern. Wenn er nicht stehen kann, kann er nicht arbeiten.
Und die Arbeit in Ferrallies ist alles, was er hat. Seit die Neolibyer Toulon übernom-
men haben, geht es mit dem Viertel bergab. Einst war es der Hauptumschlagplatz für
Artefakthandel und Wiederverwertung. Die Schätze der Rhône wurden hier verarbei-
tet, auseinandergenommen, geschätzt und nach Borca versandt. Der Goldrausch trieb FERRALLIES
Schrotter aus ganz Europa zusammen und das Viertel wurde über Jahre hinweg bei Tech IV
vielen Dreckwühlern schon als ein „zweites Technikzentrum” oder sogar als „neues
Bedain” gepriesen. Doch vor zwei Jahrzehnten ließen die Chronisten die Schrotter und BEVÖLKERUNG:
das Viertel fallen wie eine faulreife Frucht. Der Sumpf, die Drohnen und ihre Meister, Ca. 10.000, 11% Africaner, 89% Europäer
hatten den Technikkult bei seinem Vorstoß nach Norden in die Knie gezwungen. Die
Schrotter blieben zurück. Als Verlierer. STROMVERSORGUNG:
Mit den Africanern an der Macht wurde alles anders. Sie befehligten ihre eigenen Hoch; direkte Anbindung an das Modul
Schrottertrupps gen Norden, konzentrierten sich bei der Verarbeitung ihrer Funde auf
Cour Argent und Terres Putain, bauten neue Hallen und verschifften Artefakte über NAHRUNGSVERSORGUNG:
den Nordhafen statt die Kanäle und Frachtgondeln des Schrotterbezirks zu nutzen. Niedrig; neben Eigenversorgung nur
Während der Rest Toulons durch Handel und africanische Kaufkraft erblühte, verfiel Waren dritter Wahl verfügbar
Ferrallies zusehends.
Heute ist kaum etwas vom Glanz der Pionierzeit geblieben. Die Hundstage sind ANSÄSSIGE KULTE:
über Ferrallies hereingebrochen und sie wollen einfach nicht enden. Lagerhallen sind Europäische Schrotter, Sipplinge,
ausgeweidet, in den leerstehenden Manufakturen und Alkoven siedeln Schrotter in eingeschleuste Chronisten
kleinen Zelten und unter Planen. Sie halten sich über Wasser, indem sie Baumaterial
verarbeiten, Stahl und Blech walzen und schmieden, Reparaturen an Schiffen überneh- STIMMUNG:
men oder das Modul warten und damit den Cour Argent mit Strom versorgen. Immer Verwahrlost, industriell, laut
wieder machen sich kleine Gruppen Glücksritter gen Norden auf, stoßen in die Sümpfe
vor, doch ihnen fehlt das Wissen der africanischen Schrotter, die oft schon Monate zu- WICHTIGE AREALE:
vor eine freigelegte Schrottader ausgeplündert haben. Hinzu kommt das Marduk-Öl, Das Modul, Schätzerstuben,
mit dem die neolibyschen Schrottertrupps ausgestattet sind und das sie für die feindli- Schlagschmieden, Große Halle,
chen Drohnen nahezu unsichtbar macht. Bersterei

THE KILLING GAME 53

DIE SCHLAGSCHMIEDEN
In den Schlagschmieden klauben die Eisenbrüder sämtli-
che Gegenstände aus den Schrottbergen, die noch zu retten
sind. Fahrzeuggerippe, Schließanlagen, Werkzeuge, Gene-
ratoren und andere kleinere Maschinen werden repariert
oder bis auf die Spulen zerlegt und die Bestandteile weg-
sortiert. Lange haben die Africaner über die Sammelwut
der europäischen Aaskrähen geschmunzelt, doch in letzter
Zeit kommen immer wieder Gesandte aus dem Hafen, um
seltene und dringend benötigte Ersatzteile zu erwerben.
Die Verhandlungen führt ausnahmslos Deich, ein Gefolgs-
mann Nestors und Agent des Kartells aus Justitian. Dem
Kartellisten obliegt die Aufsicht über die Schlagschmieden.
Mit seiner grobschlächtigen Art raubt er den Africanern
den letzten Nerv. Er langweilt jeden Käufer mit peinlichen
Scherzen über die Herkunft und den Wert einer Ware, bis
es der Handelspartner leid und bereit ist, jeden Preis zu zah-
len. Weichkochen nennen die Schrotter der Schlagschmie-
den das und lieben ihren Deich für jeden dieser kleinen Sie-
ge über die verdammten Africaner.
DIE GROSSE HALLE
Der ursprüngliche Sinn der Großen Halle war das Zwi-
schenlagern und Umverteilen von Sumpfbeute, bevor sie
geschätzt, gewogen und geknackt werden konnte. Der Bau
verschlang Unmengen an Material und die Fertigstellung
zog sich über zwei Jahre hin. Borcische Manufakturisten
hatten Pläne und Konzeptzeichnungen aus Borca über die
Alpen gebracht und standen beim Bau mit Rat zur Seite. Die
Haltestreben und Masten waren den statischen Prinzipien
des Technikzentrums in Justitian nachempfunden worden.
Große Flügeltüren ließen sich über ein raffiniertes System
aus Flaschenzügen weit in die Höhe heben, um haushohe
Konstruktionen, Generatoren und Maschinen über ein
Schienensystem ins Innere zu transportieren und zu lagern.
Die Große Halle war der Stolz von Ferrallies.
Heute hat sie eine andere Funktion. Sie ist den Über-
bleibseln an Dreckwühlern ein Zuhause und Dach über
dem Kopf. Auf den mehrstöckigen Terrassen und in den
Werkbuchten und -nischen leben inzwischen weit über
fünfhundert Schrotter dicht an dicht. Kleine Schlafstätten
aus Stroh und gestopftem Leder, mit schweren Ketten gesi-
cherte Spinde, Tonnen und Ölfässer markieren das persön-
liche Lager jedes Schrotters, der in der Großen Halle lebt.
Es gleicht einem Bienenstock. Gerüste und Plattformen auf
Metallstelzen zerschneiden den Raum, recken sich hoch bis
zum Dach der hohen Halle, bieten auch dort oben noch
Platz für Plankner und Neuankömmlinge, die ihr Glück
in den Sümpfen versuchen wollen. Kabel schlängeln sich
zwischen den Nischen hindurch, verästeln sich an Kombi-
nationssteckern und führen über kleine Pfosten gespannt
nach draußen, die Straßen entlang bis zum Modul. Von
dort kommt der Generatorstrom, der das Licht in die Halle
bringt. Leuchtröhren flackern bei Nacht auf, erhellen die
unzählbaren kleinen Sitzgruppen aus Schemeln und Blech-
kisten, wo sich die Schrotter abends zusammenfinden, um
ihr Werkzeug und ihre Bewaffnung aufzubessern, Pläne zu
schmieden und Karten zu zeichnen. Hier erzählen sie sich
von ihren Wanderungen, von neuen und von unbrauchbar
gewordenen Wegmarken und vom Leben in der Wildnis.
SCHÄTZERSTUBEN
Zehn Schätzer arbeiteten hier einst Tag und Nacht, über-
prüften ungezählte angeschleppte Artefakte auf Tauglich-
keit und Funktion und bestimmten den Verkaufswert.
Doch mit der Ankunft der Africaner änderte sich alles. Die
Schätzer bewerten heute nur noch Schrott, der kiloweise in
die Schätzerstuben geschwemmt wird. Sie sortieren Metal-
le und kalkulieren die aktuelle Nachfrage, vermitteln unter
den Schrottern in den Schlagschmieden und der Bersterei
und verhandeln die Verkaufsmasse. Der Grimm ist ihren
Gesichtern abzulesen. Sie fühlen sich verraten und über-
rumpelt. Der Artefakthandel war ihr Ding, war das große
Versprechen der Chronisten, das sie einst nach Toulon ge-
lockt hat. Die Metalldetektoren wurden längst abgeschaltet
und die Werkbänke mit den großen Magnetspulen stehen
still. Was soll man schon an kostbarem Material aus ei-
nem Stück rostigem Blech herausschmelzen? Sie spucken
aus, nehmen einen Schluck und blicken aus dem niedrigen
Fenster hinüber nach Cour Argent. Den Africanern müsste
man es heimzahlen, schimpft einer aus dem Hintergrund.
Die anderen nicken stumm.
DIE STILLGELEGTEN
ALKOVEN
Drei Alkoven wurden von den Chronisten zwischen 2545
und 2567 in Ferrallies errichtet. Sie sollten den Artefakt-
strom katalogisieren und den Operationszentren der Chro-
nisten zuweisen. Ein Alkoven für Streamfragmente mit Zie-
lort Aquitaine, der zweite für Artefakte nach Justitian. Der
Dritte für die Versorgung in Toulon selbst. Die generator-
betriebenen und von Flutlichtern ausgeleuchteten Alkoven
waren mit schlagkräftigen Agenten und Planknern besetzt.
Wer auf das Gelände wollte, konnte die Sicherheitsschleu-
sen nur mit einer elektronischen Passmarke passieren, die
von den Chronisten persönlich an die besten Ruinenwölfe
ausgegeben wurde.
2577 kam dann alles anders. „Operation Toulon“ wurde
als gescheitert deklariert, die Streamer und Agenten über
Nacht in die Cluster zurückbeordert. Die gelagerten Be-
stände in den Alkoven nicht einmal mittransportiert. Die
Schrotter sollten erst in den kommenden Wochen und Mo-
naten von ihrem Schicksal erfahren.
Die Alkoven lagen brach. Doch die Chronisten hinter-
ließen Wanzen, in Fugen eingeschweißte und selbstauslö-
THE KILLING GAME 55
sende Kameras und Aufzeichnungsgeräte, die ein zukünfti-
ges Monitoring von Ferrallies aus den Clustern in Justitian
und Aquitaine erlauben würden.
Die Geräte befinden sich bis heute unentdeckt in den
Dachgiebeln und Metallsockeln rund um die zurückgelas-
senen Kultquartiere verteilt und übertragen jedes Gespräch
und jede Information im Umkreis von fünfhundert Metern
an die Auslesezentralen in den Clustern.
DIE FRACHTGONDEL
Die meisten Einwohner von Ferrallies leben vom Schrott-
sammeln und -sortieren. Während Väter und Mütter das
Umland nach neuen Funden durchwühlen, trennen die
Kinder zu Hause in den Hinterhöfen wiederverwertba-
re Metalle und Rohstoffe vom unbrauchbarem Schrott.
Bretter, Planken, Streben, Rohre, Träger, Bleche – all das,
was als Baumaterial wiederverwertet werden kann, wird
zur Frachtgondel getragen. Der breite Flusskahn, der ge-
rade noch so durch die Kanäle Ferrallies knirschen kann,
gehört Nestor. Seine Leute schätzen den Wert und zahlen
sofort. Sie wissen genau, dass viele ohne die wenigen Di-
nare und Wechsel den nächsten Tag nicht überleben wer-
den. Am späten Abend ertönt dann die Sirene – Zeit, Platz
zu machen, denn zwei stark motorisierte Kutter schieben
die vollbeladene Gondel jetzt in den Hafen. Wer ihren Weg
kreuzt, hat Pech gehabt. Eine Bremse gibt es nicht. Im Ha-
fen angekommen, werden die Güter abgeladen und von Ta-
gelöhnern in Container sortiert. Der Weiterverkauf findet
tonnenweise statt, sonst lohnt es sich für die Kontore nicht.
DER SCHMELZER
Der Schmelzer – ein nie ruhender Hochofen – steht di-
rekt an den Stegen von Ferrallies. Hier werden Stahlträger
und Bleche gezogen. Schrotter mit Kohlelunge schaufeln
röchelnd Stunde um Stunde Koks nach, andere halten die
Kompressoren in Gang, die die Glut anfachen. Die Hitze ist
sengend, vor allem, wenn das geschmolzene Metall in die
Gussrinnen fließt und die Luft zum Flimmern bringt. An
den Piers selbst karren Schrottkähne Schiffsladungen voll
rostigen Eisens und brüchigen Stahls heran. Über ihnen ist
ein dichtes Netz aus Stahlseilen gespannt, an denen elekt-
rische Flaschenzüge mit Kippschaufeln entlang quietschen.
Darunter eilen Schrotter umher, die klobige Kabelfernbe-
dienungen an Nackengurten schleppen und ständig nach
oben schauen. Denn wenn sich die zwei Schwebekräne
über die Köpfe hinweg bewegen, ist Vorsicht geboten und
die Kippschaufeln sind am Boden abzusetzen. Die engen
Steuerungskabinen der beiden Magnetkrallen sitzen direkt
unter den Schaufelkabeln. Ihre Aufgabe ist es, sperrige La-
dungen sofort von den Kähnen in den Ofen zu befördern,
damit der Betrieb nicht aufgehalten wird. Sobald einer der
großen Elektromagneten angeworfen wird, fallen alle Fern-
bedienungen in der Nähe aus. Auch sich plötzlich öffnende
Schließmechanismen an den Kippschaufeln sind keine Sel-
tenheit. Mehr als ein Dreckwühler wurde schon von einem
Geröllhagel aus Rostklumpen erschlagen.
DIE BERSTEREI
Die Bersterei ist kein Gebäude, sondern ein Viertel im Vier-
tel. Mit Hilfe der Eisenbrüder wollten die Chronisten hier
einen Mittelmeercluster errichten. Stützpfeiler wurden in
den Boden getrieben, Kanäle für Kabel und Zuleitungen
in den Boden gefräst, Blechhallen gesetzt, Stanzen, Wal-
zen und Pressen zur Artefaktausschlachtung errichtet und
zuletzt stählerne Aufbauten hochgezogen, die später die
Außenwände des neuen Kultquartiers werden sollten. Das
Später gab es nicht. Die Aufbauten sind eingeknickt, wer-
den als Brücken zwischen den Gebäuden genutzt, in denen
der harte Schrotterkern um Nestor die Stahl- und Kunst-
stoffverkleidungen großer Artefakte und Module aufbricht,
um die wertvollen Innereien freizulegen. Brauchbares wird
an die Neolibyer verkauft, Unbrauchbares rottet in den en-
gen Gängen draußen zwischen den Hallen vor sich hin. Der
Abtransport des Schrotts lohnt nicht, da das ganze Plastik
nur den Schmelzer ruinieren würde. So wird das Gelände
von Monat zu Monat unwegsamer – in manche Hallen
kommt man nur noch kriechend, durch die alten Versor-
gungsschächte. Nestor, der im Herzen der Bersterei das
Hauptquartier der Eisenbrüder errichtet hat, ist das mehr
als Recht. Und seit sich der legendäre Höhlenbär Eisenhau-
er vor wenigen Wochen an die Seite Nestors gestellt hat,
bekommt das Chaos ein System. Schrotthaufen werden zu
Barrikaden aufgeschichtet und verschweißt, eingeknickte
Aufbauten zu Wachgängen umfunktioniert und mit Ble-
chen geschützt, unübersichtliche Hallen zu Hinterhalten
vorbereitet und Schächte zu Fluchtwegen freigeräumt oder
als Todesfallen präpariert. Jeder hier ahnt längst, dass etwas
Großes im Gange ist.
DAS MODUL
Von Ferne betrachtet sieht das Modul wie ein mit Loch-
blech verhangener Kraken aus, der sich in einem Gewirr aus
Überlandleitungen verfangen hat. Als Fangarme wuchern
meterdicke Kabelstränge aus dem Dickicht der Bleche,
Stahlstreben, Holzbalken und in Reihe geschalteten Aggre-
gate. Vom Rost zerfressene Rohre keuchen und speien Wol-
ken schwarzen Qualms aus, das Ungetüm vibriert. Plötzlich
blinken rote Lampen durch den Petronebel, Warnsignale
fiepen. Überall schrecken Schrotter mit sorgenvollen Ge-
sichtern auf. Dann Stille. Die Ersten schleppen schon Kup-
ferspulen und fassgroße Sicherungen heran, zünden
Schweißgeräte, kriechen fluchend ins Innere des Moduls.
Von irgendwoher knarzt eine Lautsprecherstimme: „Batte-
rien zur 11! Bewegt eure Ärsche!“ Endlose Minuten später
erwacht das Biest unter ohrenzerfetzendem Kreischen zu
neuem Leben. Ein längerer Ausfall hätte katastrophale Fol-
gen gehabt. Neben Ferrallies hängen auch die anderen Vier-
tel, vor allem Cour Argent, am Stromnetz des gewaltigen
Generators, der mehr Öl frisst als ein Dutzend Drangpan-
zer. Jeden Ausfall quittieren die Africaner mit hohen Straf-
gebühren, der geschlossene Vertrag mit den Eisenbrüdern
kennt keine Schlupflöcher. Die Schrotter zahlen zähneknir-
schend. Niemand hier hat Lust, auf einer Plantage in Africa
zu enden.
T E R R E S P U TA I N
Im Westen von Toulon verschmilzt Altes mit Neuem. Terres Putain ist ein Hexenkessel
der Kulturen, traditionelle Familien, neue Siedler, Aspiranten der Resistance, dazwi-
schen Apokalyptiker aus den Parasitenstädten, toulonische Freischärler, Pioniere und
Sumpfjäger. Was hier an unterschiedlichen Individuen zusammenfließt, vermengt sich
zu einem der lebhaftesten und sündigsten Viertel der frankischen Südküste. Kaschem-
men und Gasthäuser reihen sich an- und übereinander, in den winzigen Gassen wird TERRES PUTAIN
gespielt und ausgeschenkt. Huren, Gesindel und Tagelöhner preisen ihre „vielfältigen” Tech III
Dienste an. Zwischendrin Jehammedaner, die ihren Lämmern die Kehle durchtrennen,
das Blut in die Kanäle laufen lassen und das frische Fleisch über offenem Feuer braten BEVÖLKERUNG:
und verkaufen. Ca. 11.000, 35% Africaner, 65% Europäer
In kleinen Spielhallen werden Wetten abgeschlossen, wird mit bunten Steinen auf
bemalten Brettern gespielt und gemeinsam gegessen, getrunken und gefeiert. In den STROMVERSORGUNG:
feuchten und halbgefluteten Kellern darunter finden riskantere Wettkämpfe im fah- Mittel; Anbindung an das Modul,
len Schein der Öllampen statt. Leichtsinnige Raubkrähen, vollgepumpt mit Glorie, die regelmäßige Schwankungen aufgrund
sich mit einem Messer bewaffnet einem tollwütigen Gendo stellen. Geißler, die ihre schlechter Leitungen
Rudelfolge durch Faustkämpfe untereinander mit scherbenversetzten Handschuhen
austragen. Hahnenkämpfe, lebendige Sprotten schlucken, Giftschlangen mit der blo- NAHRUNGSVERSORGUNG:
ßen Hand fangen, einen Dinar mit ungeschützten Fingern aus einer Schale mit Säure- Mittel; täglich frisches Fleisch, andere
quallen fischen – die Liste möglicher Wetten ist lang, und von falschem Mut berauscht Waren nur unregelmäßig und oft zweite
traut sich manch einer mehr zu, als gut für sein Leib und Leben ist. Wahl
Mit dem Gewinn aus einer Wette lässt sich jeder noch so krude Wunsch erfüllen.
Ob man nun Kopfgeldjäger sucht, jemanden in den Sümpfen verschwinden lassen will ANSÄSSIGE KULTE:
oder sein eigenes Waffenarsenal ausbauen möchte, es scheint für jedes noch so zwie- Sipplinge, Apokalyptiker, Geißler, Anu-
lichtige Vorhaben den richtigen Mittelsmann zu geben. Apokalyptiker verkaufen hier bier, Jehammedaner
hervorragende Munition, die sie von korrupten und burnabhängigen Hellvetikern vom
Leitposten Morvant im Tausch gegen hochpotentes Muse, Argus oder Glorie bekom- STIMMUNG:
men, während anubische Sicheln ihre Kampferfahrung gegen Psychonauten an euro- Vielschichtig, verschroben, vereinzelt
päische Schrotter verkaufen, die eine Expedition nach Norden wagen. aggressiv
Über all dem blüht das lukrative Geschäft mit den Bordellen, nackter Haut und
schnellem Vergnügen. Aus manchen nächtlichen Vereinigungen entspringen neun WICHTIGE ORTE:
Monate später Bastarde und Mischlingskinder, die im Morgengrauen nach Saint Camp Resistance, Schamhäuser,
Chenil verschifft werden, wo sie ohne Vater, Mutter, Namen oder Zukunft in der Or- Falschhaus, Waffenbrenner,
phanage aufwachsen. Schlachterei

THE KILLING GAME 57

LE CIRQUE
Das Cirque ist die erste von vielen Straßenkneipen, die in
Terres Putain zu finden sind. Den schmalen, langgezogenen
Schankraum durchzieht eine hölzerne Theke mit Hockern,
direkt gegenüber reihen sich Tische entlang der Wand auf.
In die Platten sind die Namen derer eingeritzt, die hier zum
letzten Mal mit ihren Kameraden eingekehrt sind, bevor
sie in die Sümpfe aufbrachen. Spitalier aus Borca, Resistan-
ce-Kadetten aus Toulouse, selbst Hellvetiker wurden hier
verewigt. Mitunter wurden auch deren Orden oder Abzei-
chen von ihren Waffenbrüdern an die Wand genagelt. Dem
Wirt ist es recht. Jaque hat drei Söhne im Krieg verloren,
seine Frau ist weggelaufen, schafft in den Schamhäusern
an. Burn. Ex. Es hört nie auf.
C A M P R E S I S TA N C E
Von Toulouse aus hat sich die Resistance über die Küsten-
städte ausgebreitet, wurde zum Schlagarm des Volkes, zu
selbsternannten Verteidigern Frankas. Alles im Sinne der
Spitalier, denn mehr Freiwillige im Kampf gegen den Pri-
mer sind unverzichtbar. Für die Neolibyer wiederum be-
deutet es weniger Ressourcenverbrauch und mehr Selbst-
verwaltung. Die Resistance übernimmt in den Städten die
Funktion von Bürgerwehren und stehenden Milizen. Das
bedeutet, dass die Neolibyer keinen zusätzlichen Sold für
geordnete Strukturen an ihre Geißler zahlen müssen und
diese stattdessen auf militärische Operationen schicken
können, die entsprechender Feuerkraft bedürfen.
Die Resistance hingegen sorgt für Frieden und Struktur
innerhalb des Stadtgebiets und finanziert sich vollständig
aus Steuern und Abgaben der Touloni. Das Camp selbst ist
eine langgezogene Stallung. Befestigt hinter einem Zaun
aus rostigen Stahlplatten und Feldplanen, beherbergt es
seine Truppen und drillt sie auf Moral, Ausfallformatio-
nen und Kriegsführung in den Sümpfen. Die Spitalier aus
Montpellier schicken ihre Abgesandten hierher, um Re-
sistance-Kämpfer als Grenouille-Truppen zu rekrutieren,
sie im Umgang mit Pestiziden und Kampfstoffen zu schulen
und sie in Taktiken zu unterrichten, die sich im Feld gegen
die Pheromanten und ihre Drohnen als nützlich erwiesen
haben.
Vor acht Monaten bezog Zoe Morceau als Generalin
der frankischen Resistance einen Flachbau auf dem Areal.
Seit ihrer Ankunft strukturiert sie die Truppen neu, verleiht
Orden und befördert Kadetten. Sie plant etwas.
 AS I WALK THROUGH THE VALLEY
OF SHADOW AND
I TAKE A LOOK AT MY
AND REALIZE T H E R E ’ S N O T H I N ’ L E F T.
‘CAUSE I’VE BEEN BLASTING
THAT EVEN MY MAMA THINKS THAT MY MIND IS GONE.
DIE SCHAMHÄUSER
Für viele Kriegsheimkehrer und Veteranen von der Phero-
mantenfront sind die Schamhäuser die erste Anlaufstelle
in Toulon. Die von Elstern verschiedener Scharen geführ-
ten Bordelle bieten für jede Preisklasse etwas. Wer hier nur
reden will, geht lieber eine Straße weiter zu den Kartenle-
gern. Manche haben sich auch auf die Wünsche von jungen
Neolibyern spezialisiert und weitläufige Bäder in ihre Keller
bauen lassen. Selbstredend ähneln die bunten Mosaikflie-
sen nicht im Entferntesten den Badehäusern Tripols, doch
der Wille zählt. Wachsame Raubkrähen stellen sicher, dass
für die gewünschten Diensten bezahlt wird.
LE BOUGE
Der Eingang liegt auf der Rückseite des abbruchreifen Ha-
fengebäudes, führt direkt hinab in den Keller. Es ist ruhig
hier, das Licht flackert, stammt von Stehlampen mit specki-
gen Schirmen. Statt Stühlen oder Sesseln gibt es Bänke,
statt Wänden Vorhänge, hinter denen teils Husten, teils
Keuchen hervordringt. Unwirklich gedämpft. Von irgend-
woher taucht ein kleiner Junge auf, in der Hand einen Zie-
genbalg. Eintracht? Er kennt die Antwort auf seine Frage,
nimmt den Neuankömmling mit dem schweißnassen Ge-
sicht bei der Hand und führt ihn zu einer freien Liege. Di-
nare wechseln den Besitzer, hinter einem Vorhang lugt das
misstrauische Auge eines Spechts hervor. Husten. Keuchen.
Stille.
D A S FA L S C H H A U S
Clavion, ein Kuckuck, der dem Raben Sacrocant aus Bay-
onne die Treue schwört, bietet in dem Falschhaus seine
Dienste an. An die Parole, die einem Besucher Einlass in das
verschachtelte Haus am Ende einer Hafenbucht gewährt,
gelangt man nur über zwei Mittelsmänner. Der erste gibt
ein Rätsel auf, welches der Antragssteller dem zweiten
übermitteln muss. Der zweite Mittelsmann, meist ein Mit-
DEATH
LIFE
AND LAUGHING SO LONG,
[COOLIO]
glied von Sacrocants Schar, enthüllt dem Antragsteller drei
mögliche Antworten. Der Antragssteller muss entscheiden,
welche der drei Antworten die richtige ist und nennt sie am
Eingang zum Falschhaus. Liegt der Antragssteller daneben,
beginnt die Suche nach dem ersten Mittelsmann von neu-
em. Ist sie richtig, so darf er hineintreten und Clavion sei-
nen Wunsch äußern. Wozu der Aufwand? Clavion gehört zu
den besten Fälschern, die man für Geld anheuern kann. Im
Inneren des Falschhauses beschäftigt er ein halbes Dutzend
der talentiertesten Handwerker, die er für harte Dinare
aus Port Lagagne abgeworben hat, und es gibt kaum einen
Wunsch, den der Kuckuck nicht erfüllen kann. Ob Bürger-
papiere für Justitian, Zollmarken für die Überquerung der
Berner Passage, neolibysche Flinten oder Neoprenanzüge
der Spitalier – selbst einen hellvetischen Grenadierharnisch
soll er schon bis ins kleinste Detail nachgebaut haben. Cla-
vions Kundschaft ist es ihm dankbar.
LA MOULE
Im Hafen von Terres Putain gelegen, trifft man in der über-
dachten Grillküche La Moule vor allem Einheimische. Auf
bunt zusammengewürfelten Sitzgelegenheiten drängen
sich Touloni dicht an dicht mit Schrottern, Jehammedan-
dern und anderen. Gemeinsam werden gebratene Aale ge-
gessen und wird Wein getrunken, oft bis tief in die Nacht.
In der Luft hängt der Geruch von frisch gegrilltem Fisch,
der zusammen mit Gemüse und noch warmem Weißbrot
gereicht wird. Einfaches Essen, aber frisch. Spezialität des
Hauses sind Miesmuscheln, die in großen Pfannen in ei-
ner wohlschmeckenden Brühe vor sich hin garen. Auf das
Rezept angesprochen, verteilt die beliebte Wirtin Madame
Manon gerne Schläge. Doch ihre Herzlichkeit ist nur ge-
spielt. Viele der hier einkehrenden Fischer sind Verwandte
und Zwischenträger der Schwarzen Schar. Sie arbeiten im
Auftrag des Bussards Sabata, die sich auf den Schmuggel
von Burn jeder Sorte spezialisiert hat. Weit draußen auf
THE KILLING GAME 59
dem Meer verladen die Fischer die heiße Ware und ver-
schieben sie heimlich ins La Moule, wo sie stapelweise im
Keller unter Fischkisten gelagert wird. In den Gassen rund
um die Grillküche kaufen neben Tagelöhnern selbst Hell-
vetiker und Geißler Glorie von den Finken der Schar. Die
aufputschende Wirkung hält sie wach und leistungsfähig.
Anwohner genießen sogar Kredit. Wer jedoch nicht zahlen
kann, kann die Schulden in einem der Schamhäuser abtra-
gen, die Madame Manon gehören.

DIE WAFFENBRENNER
Weit ab jeglicher Läden und Marktwege liegen die Gassen
der Waffenbrenner. Ihre Märkte verschwinden so schnell,
wie sie aufgeschlagen werden. Auf klapprigen Auslageti-
schen reihen sich für höchstens eine Stunde all jene Waf-
fen aneinander, die nicht gehandelt werden dürfen: Von
neolibyschen Flinten, Richtermusketen, Fungizidgewehren
und Gaskartuschen über Geißlergewehre, jehammedani-
sche Krummsäbel und Wegbereiteraufsätze bis hin zu den
Zierdolchen der Resistance. Auch Patronen gibt es, wenn
auch nicht im Übermaß. Die Preise sind hoch, dafür stellt
hier niemand Fragen. Die Händler sind Aasgeier sämtli-
cher Scharen des Umlands, die Waren Diebesgut, das die
Toten nicht mehr gebrauchen können. Finken halten nach
allen Richtungen hin Ausschau. Die Geißler wissen, dass
die Märkte stattfinden. Sie sind nur meistens nicht schnell
genug. Droht Gefahr, ziehen sich die Waffenbrenner in die
umliegenden Häuser zurück, in denen viele Helfershelfer
haben. Manche stellen verborgene Kellerräume als Waren-
lager zur Verfügung, andere verdienen sich ihren Lebens-
unterhalt damit, Waffen umzubauen, bis deren Herkunft
unkenntlich ist.

DIE SCHLACHTEREI
Mitten im Herzen von Terres Putain liegt die große Schlach-
terei mit angeschlossenem Fleischmarkt, wo die Touloni
ihren täglichen Bedarf decken. In den heruntergekomme-
nen Hallen wird erjagtes Wild und Vieh verarbeitet; ausge-
lassene Tierfette und zermahlenes Knochenpulver werden
an Schrotter weiterverkauft, die es für ihre Produkte ver-
werten. Dank der Freundschaft zwischen Nestor, dem An-
führer der Eisenbrüder, und dem balkhanischen Schlacht-
meister Goran sind die Beziehungen zwischen Fleisch- und
Schrottwerkern hervorragend. Für die Instandhaltung der
Anlagen und die Fertigung diverser Ersatzteile erhalten die
Eisenbrüder Vorzugspreise, dafür sind die Schrotter sofort
zur Stelle, wenn es einmal Händel mit den Jehammedanern
oder Africanern gibt, die ein gutes Stück Fleisch einfach
nicht zu würdigen wissen. Vielleicht haben die Beschwer-
den jedoch auch einen guten Grund. In den letzten Wochen
und Monaten sind immer wieder Schrotter, die offen mit
den Africanern sympathisiert haben, spurlos verschwun-
den. Fragt man unter den Eisenbrüdern nach deren Ver-
bleib, nuscheln sie Fleischmarkt und grinsen breit.
PORT L AGAGNE
PORT LAGAGNE
Der alte Stolz Toulons liegt in Port Lagagne begründet. Hier sammelten sich die ur- Tech III
sprünglichen Sippen, nutzten die warme und flache Bucht zur Zucht von Austern, bau-
ten Fischerboote, mit denen sie den Reichtum des Mittelmeeres ernten konnten und BEVÖLKERUNG:
spannen den Mythos ihrer Herkunft an den Stränden mit lautem Gesang, Algentee Ca. 22.000, 19% Africaner, 81% Europäer
und Fischöl. Noch heute ist Port Lagagne die Seele der Stadt, die ältesten Straßen und
Wege wurden hier gepflastert, die ersten Kanäle zum Frachttransport wurden hier ge- STROMVERSORGUNG:
zogen. In der Festung Toulon tagte der Ältestenrat über die Geschicke des einstigen Fi- Mittel; Anbindung an das Modul,
scherdorfes, besiegelte Abkommen und Verträge mit den Hellvetikern, Chronisten und massive Schwankungen während Un-
schließlich den Neolibyern. Noch heute weidet man sich an der einstigen Bedeutung. wettern und bei hoher Luftfeuchtigkeit
Ohne Port Lagagne und ohne den Ältestenrat gäbe es das Toulon von heute nicht, und
Vericon, der Gouverneur von Toulon, weiß dies bei jeder Ansprache an seine Anhänger NAHRUNGSVERSORGUNG:
bis zur vollständigen Ermüdung jedes Zuhörers zu wiederholen. Hoch; täglich frischer Fisch und
Port Lagagne hat jeden Grund stolz zu sein. In den Krämereien und Handwerks- Meeresfrüchte, außerdem regionale
stuben haben sich hervorragende Manufakturisten und Handwerker angesiedelt. Sie Spezialitäten
verarbeiten Gold, Silber und gefragte Edelsteine. Dazwischen wird seltenes Elfenbein
aus Africa geschnitzt, werden Perlen verarbeitet und aus Fischknochen, Muschelscha- ANSÄSSIGE KULTE:
len, Schlick und Holz bestes Kompositmaterial hergestellt. Bogenmacher, Netzweber, Sipplinge, Jehammedaner, Neolibyer,
Korbflechter und Juweliere reihen sich hier aneinander, stellen ihre Künste zur Schau Schrotter, Apokalyptiker, Wiedertäufer
und locken selbst reiche Neolibyer aus Africa, Hybrispania und Purgare an, zwischen
den Ständen zu flanieren und ihre Flinten, Bilanzierer und Urnen veredeln zu lassen. STIMMUNG:
Der auf Jahre ausgebuchte Kartograph Chenzira hat hier seine Werkstatt aufge- Gesellig, geschäftstüchtig, gediegen
schlagen, lässt die Arbeiter die Wände mit gespanntem Ziegenleder auskleiden und
kartiert darauf die Südküste Frankas in größtmöglichem Detail. Die Handelsbank in WICHTIGE AREALE:
Tripol zahlt ein Vermögen für Chenziras jährlich aktualisierte Karten und Atlanten, Festung Toulon, Fischmarkt,
denn sie bilden die Basis für den gesamten frankischen Konzessionshandel. Krämereien, Rote Küsterei

THE KILLING GAME 61

DER FISCHMARKT
Das Geschrei auf dem Fischmarkt ist legendär. Schwerge-
wichtige Frauen brüllen über die Stände hinweg, unter-
bieten die Preise vom Nachbarstand im Minutentakt. Da-
zwischen sonnengegerbte Fischer, gerade zurück von der
offenen See. Sie haben Beute gemacht. Im Schlepptau, die
jungen Fischerkinder, die am Strand den Fang direkt ver-
arbeiten. Mit Steinen und einfachem Werkzeug knacken
sie Schalentiere und Krabben, werfen das saftige Fleisch in
Töpfe hinein, fertig zum Abtransport. Zwei Knaben greifen
einen der Töpfe und rennen damit zu den Suppenküchen
– kleinen offenen Stuben aus Holz gezimmert – die über
den Strand verstreut sind. Arbeiter lehnen an den Tresen,
blicken gierig auf die heißen Eisenplatten, auf denen der fri-
sche Fisch gebraten wird, und auf die überkochenden Töp-
fe, in denen die Krabbensuppe schmort. Das Wasser läuft
ihnen im Mund zusammen.
Die Handwerker aus den Krämereien sind hier, sitzen
in kleinen Gruppen im Sand zusammen und brechen Aus-
tern auf, trinken purgisches Destillat und halten sich die
Bäuche vor Lachen. Eine kurze Pause, bevor die Arbeit in
den Werkstätten von vorne beginnt.
Neue Boote legen an. Die Fangnetze werden über Bord
geworfen und die Segel eingeholt. Ein weißhaariger Fischer
beginnt aus voller Kehle ein altes Lied anzustimmen und
von den Suppenküchen her stimmen die Gäste mit ein. Ein
Mädchen schleicht um die Stände herum, mit einem Korb
auf dem Rücken. Sie sammelt die heruntergeworfenen Mu-
schelschalen und schleppt sie zu ihrer Mutter, die an einem
der vielen Stege arbeitet und aus den Schalen Halsketten
und Armreifen macht. Glücksbringer in Toulon.
DIE FESTUNG TOULON
Auch wenn der Ältestenrat sie gerne Festung nennt und
sich mit ihr brüstet, so ist der Bau doch nichts weiter als
ein aufgebocktes Rathaus umgeben von einer Holzpallisa-
de. Die getrockneten Lehmziegel verleihen Substanz, die
Wehrtürme sollen bedrohlich wirken, doch sie sehen lä-
cherlich aus, wenn man sie mit den Befestigungsanlagen in
Cour Argent vergleicht. Einem gezielten Angriff würden sie
kaum standhalten können.
Trotzdem, oder vielleicht auch gerade weil die Festung
so überholt und mit der Historie der Stadt verwurzelt ist,
betrachten Vericon, Toulons Gouverneur, und sein Ältes-
tenrat sie mit Stolz. Der alte Glanz kehrt nicht zurück und
was bleibt, sind die verstaubten Erzählungen. Im Inneren
wird diesen Geschichten gehuldigt. An den Wänden hän-
gen die Fahnen, die Jahrzehnte vor den Neolibyern über der
Stadt wehten. Standarten und Banner längst vergangener
Zeiten, auf die sich nur noch die Ältesten in der Stadt be-
sinnen können. Dazwischen Verträge mit den neuen Herr-
schern, Gedichte, Wandteppiche, Streitkolben und viele an-
dere Trophäen, die sich über die letzten hundert Jahre hier
einfanden. Erinnerungsstücke an alte Zeiten.
DIE KRÄMEREIEN
Auf den ersten Blick wirken die Krämereien unscheinbar.
Werkstätten, Schmieden, Handwerksgilden, zusammen-
gepfercht in niedrige Holzhütten mit weit ausladenden
Vordächern und Ausstellungsständen im Schatten darun-
ter. Jedes Gebäude scheint auf eine andere Art von Waren
und Herstellungsprozessen spezialisiert zu sein, bietet
andere Dienstleistungen an. Von Schuhmachern, die Stie-
fel aus besten Schlangenleder fertigen, über Gummi- und
Kautschukverarbeitung für Ventildichtungen, Reparaturen
an Filtern und dergleichen, bis hin zu edelsten Juwelieren
und Goldschmieden findet sich hier eine Vielfalt an wert-
vollem Können und Waren. Jehammedaner kooperieren
mit Schrottern und Sipplingen, tauschen ihr Wissen über
Fertigungstechniken, Materialwerte und Metalle aus. Doch
hinter der geschäftigen Fassade wirken andere Kräfte.
Einem Leopardenlager, das hier im Verborgenen gedeiht,
dienen die Krämereien als Tarnung. Diese Vereinigung af-
ricanischer Händler, die sich dem Willen der Handelsbank
nicht unterwerfen will, untergräbt gezielt die Geschäfte der
Neolibyer. In den Räumen und Stollen eines unterirdischen
Traktes des Urvolks lagern Munition, Duatfrüchte, Salze,
Mineralien, Petro, Waffen und alles andere, was die Leo-
parden von den Mittelmeerpiraten an Diebesgut beziehen.
Zusätzlich werden hier Kredite ausgehandelt, zu deutlich
besseren Konditionen als in den Kontoren.
Das wichtigste Handelsgut sind jedoch Informationen.
Chronisten aus Aquitaine und Justitian kaufen alles an, was
sie über den Handelskult, Tripol, Erträge, Schrottadern und
dergleichen mehr in Erfahrung bringen können. Die Abge-
sandten der Mittelmeerscharen interessieren sich dage-
gen überwiegend für Ladungen und Routen auslaufender
Frachter. Zugang zu diesen Märkten erhält nur, wer einen
Bürgen vorweisen kann. Mitunter haben in der Vergangen-
heit Schrotter oder Jehammedaner die geheimen Losungen
an Agenten der Handelsbank preisgegeben; und dafür mit
dem Blut ihrer Familie bezahlt. Bei Verrat kennen die Leo-
parden nur Vergeltung als Antwort.
THE KILLING GAME 63
D E R P E R L FA N G
Der Eingang zum Perlfang ist von einem Vorhang aus zu-
sammengeflochtenen Muschelschalen verhängt. Dahinter
sitzen die Perlenfänger – junge Männer und Frauen, die
Haut von der Sonne verbrannt, die Haare verklebt und
strohig vom Salz des Mittelmeers. Sie brechen die Schalen
auf, suchen nach den Perlen. Die Taucher haben sich dar-
auf spezialisiert, entlang der Südseite von Saint Chenil nach
Muscheln zu fischen. Die Perlen erzeugen hohe Gewinne
bei den Africanern, gelten bei ihnen als Symbol der Frucht-
barkeit und sind begehrte Mitgift in den heimischen Dör-
fern. Doch gerade die jungen Neolibyer aus den Kontoren
interessieren sich noch aus einem anderen Grund für die
Taucher – Wetten.
Am Abend jedes vierten Tages versammeln sie sich an
den Klippen, um Säckchen voller Dinare auf die Größe der
nächsten Perle, die meisten Perlen in einem Tauchgang, die
längste Zeit unter Wasser oder einzelne Taucher zu setzen.
Ausgewählte Touloni legen die Quoten fest und überwa-
chen die Abläufe, streichen das Gold ein und zahlen Gewin-
ne aus. Für die Taucher ist dieses Spektakel lebensgefähr-
lich. Die Neolibyer locken mit Gewinnbeteiligungen, wenn
sich die Perlensucher über das Erträgliche hinaus schinden,
und stecken ihren Schützlingen Eintracht oder von Spi-
taliern erworbene Beruhigungsmittel zu. Beides hilft, die
aufkeimende Panik unter Wasser zu bekämpfen, wenn der
Atem knapp wird. Tödliche Unfälle werden in Kauf genom-
men, die Familien der Taucher angemessen entschädigt.
DIE ROTE KÜSTEREI
Die alte Wiedertäuferkapelle steht am Rand von Port Lagag-
ne, beim Übergang nach Saint Chenil, wo sie dem einstigen
Erhabenen Lacroix als Hauptquartier diente. Die glasierten
Kacheln der Außenwände leuchten immer noch in dem
Knallrot von damals, als damit der Unterbau der Küsterei
verkleidet wurde. Lacroix‘ Bidenhänder war das Einzige,
was man von dem Erhabenen nach seinem Tod aus den
Sümpfen fischte. Das Schwert wurde weit über dem Ein-
gangsportal eingefasst, hängt dort mehr wie ein Schandmal
denn wie eine Reliquie. Denn der Kult hat jeden Rückhalt in
der Bevölkerung Toulons verloren. Familien, deren Kinder
sich zu den Lehren der Wiedertäufer bekannt hatten und
schließlich ihr Leben in der verheerenden Wachsmann-Lac-
roix-Expedition in den Sümpfen gaben, hassen diesen Ort.
Im Vorbeigehen spucken sie an die roten Wände oder schla-
gen Stücke von den Kacheln ab.
Das kühle Innere hingegen dient vorbeiziehenden Pil-
gern als Andachtsstädte und zum Gedenken. Zwei Orgi-
asten wurden aus Briton abkommandiert, an der Küsterei
Wache zu stehen und den heiligen Ort sauber zu halten, die
Spucke abzuwaschen und täglich neue Kerzen aufzustellen.
Die Beiden sind der einzige Grund, warum die Küsterei
noch steht. Ginge es nach manchen wütenden Touloni,
wäre das rote Haus bereits dem Erdboden gleichgemacht.
Den Orgiasten gefällt diese aufgeheizte Stimmung nicht.
Nervös warten sie auf eine Ablösung oder Verstärkung ih-
rer Truppen. Allein die Stärke des Kults in Franka und ihr
Status schützt sie vor Schlimmerem.
DIE GOLDSCHMIEDE
Der winzige Schmiedehammer klackert monoton über den
goldenen Ring. Der Abrami sitzt in tiefer Konzentration
darübergebeugt, die Zungenspitze in den Mundwinkel ge-
klemmt. Er stammelt kurze Befehle an seine beiden Söhne.
Sie sollen das Schmelzgeschirr wenden und auf die Tempe-
ratur des edlen Metalls achten. Die beiden Ismaeli tun, wie
der alte Erech befiehlt.
Der Abrami schaut auf, wischt den Schweiß von der
Stirn und streift ihn mit der Handfläche am Hosenbein ab.
Die rote Dachplane seiner Werkstatt wirft warme Schatten
auf sein Gesicht. Die Kundschaft wartet. Die Neolibyer rei-
ßen sich um seine Ringe, Halsketten und Armreifen. Und
Erech schuftet für die Einnahmen. Spart jeden Dinar, um
seinen Bruder von den Plantagen in Africa freizukaufen.
Dieser hatte versucht, die Neolibyer zu betrügen. Mona-
te lang ging es gut für Erechs Bruder, bis die Schreiber die
gefälschten Bücher fanden und Melchior auf den nächsten
Transporter mit Fahrtziel Tripol schleifen ließen. Die Geiß-
ler ließen ihm nicht einmal die Zeit, sein Gebet an Jeham-
med zu schicken.
Erech kaut auf dem Leder seiner Schürze. Lange hat
er mit den Neolibyern verhandelt und sie haben ihm einen
Hoffnungsschimmer gegeben. Wenn er diesen Sommer sei-
ne Arbeit ordentlich verrichtet, dann kann er seinen Bruder
im nächsten Jahr freikaufen. Erech hofft, dass er sein Pens-
um halten kann. Die Gicht kriecht ihm langsam in die Hän-
de und der Rücken schmerzt. Wenn seine beiden Söhne
nur nicht so unfähig wären, das Geld würde viel schneller
zusammenkommen.
DIE AUSTERNBUCHT
Die Austernfischer stehen im knietiefen Schlick, bewaff-
net mit langen biegsamen Ruten. Die Ruten segeln durch
die Luft, schlagen nach den Möwen, die über den Fischern
kreisen und versuchen, ihnen die Muscheln aus den Kör-
ben zu klauen. Die Ruten peitschen auf, ziehen zischend
einen Luftzug hinter sich her. Manchmal genügt das, um
eine Möwe in den Schlick zu schleudern. Abendessen.
Austernzucht ist Knochenarbeit. Stundenlang waten die
Fischer durch den zähen Matsch oder rutschen kniend auf
Holzbrettern umher, um die Austern aus ihren Löchern zu
puhlen. Austernfieber nennen sie das Brennen in den Ge-
lenken, das von einem Arbeitsalltag im feuchten Schlamm
kommt. Doch die Africaner und Touloni lieben das fette
Muschelfleisch und zahlen einen ordentlichen Preis für die
saftige Ware.
SAINT CHENIL
Einst war Saint Chenil eine Krume, auf der göttliche Ehrfurcht gedieh, den Wiedertäu-
fern ein Heim, den Spitaliern ein Operationslager. Doch das ist lange her. Heute ist es
zu einem Haus für herrenlose Hunde verkommen.
Die Kapellen der Wiedertäufer stehen seit dem großen Exodus leer. Die Spitalier
haben ihre Lager geräumt. Die gusseisernen Kreuze wurden abgesägt, das achtschenk-
lige Kreuz der Spitalier blättert von den Hauswänden. Wer heute in Saint Chenil
wohnt, hat nirgendwo sonst auf der Welt ein Zuhause.
Waisenkinder leben auf den Straßen, dazwischen angeschwemmte Verlierer, inva- SAINT CHENIL
lide Schrotter, Blinde, Kranke, Flüchtlinge und versporte Burner, die jeden Mollusken Tech II
zum Bersten bringen würden. Wer hier strandet, wurde vom Leben vergessen, frisst die
Abfälle, die aus den Kanälen von Port Lagagne die Bucht hinuntertreiben, verrichtet die BEVÖLKERUNG:
niedrigsten Arbeiten und Dienste, bis ihn der nächste Winter dahinrafft. Wer überlebt, Ca. 1.500-2.000,
der schuftet sich in der großen Lederei zu Tode. Die Gase, die aus der Lauge aufsteigen, 3% Africaner, 97% Europäer
zersetzen die Lungen und verbrennen die Netzhaut.
Manch einer steht den ganzen Tag am Strand, mit einer langen Stange bewaffnet, STROMVERSORGUNG:
um Treibholz für das nächtliche Lager aus dem Wasser zu fischen. Andere kochen wi- Keine; vereinzelt Hausaggregate und
derwärtige Algenbrühe in löchrigen Schüsseln auf, um dem eigenen Magen vorzugau- Batterien
keln, dass es sich um Nahrung handelt. An den Klippen der Südseite Saint Chenils brü-
ten Echsen und wärmen ihre Glieder in der Sonne. Ein paar gezielte Steinwürfe und NAHRUNGSVERSORGUNG:
man hat wenigstens ein karges Abendessen. Keine; von der Hand in den Mund,
Zwischen den Ärmsten, den Verkrüppelten und den Ausgestoßenen hausen die vereinzelt Tauschhandel oder Abfälle
alten Familien und Sippen Toulons, die von den Veränderungen der Stadt und dem anderer Viertel
Wechsel der Gezeiten vergessen wurden und deren Stammbäume und Blutlinien sich
nun im Verblühen befinden. Manche von ihnen waren im Bündnis mit den Wieder- ANSÄSSIGE KULTE:
täufern und Spitaliern, doch als die Macht dieser Kulte schwand, schwand auch die Be- Sipplinge, versprengte Einzelgänger
deutung der Bewohner Saint Chenils. Die Spitalier rekrutieren keine Grenouilles mehr
in Toulon und der letzte Nasenring eines Berührten wurde vor über zwanzig Jahren STIMMUNG:
gestochen. Die Gebete, die Gesänge und die Predigten sind von den Straßen gewichen Abgeschlagen, karg, elend
und die Stille ist hineingezogen.
Wer untertauchen muss, vergessen werden will oder einfach mit der Welt abge- WICHTIGE AREALE:
schlossen hat, versteckt sich hier, denn niemand sucht in Saint Chenil nach irgend- Sacre Amiel, Orphanage, große Lederei,
wem. Zumindest nicht freiwillig. Südhafen

THE KILLING GAME 65

SACRE AMIEL
Eine heruntergekommene Kapelle. Purgischer Baustil. Klo-
big, und aus schwarzem Basalt gehauen, ragt sie im Zen-
trum von Saint Chenil empor. Die zwei rußgeschwärzten
Fenster gleich beim Haupteingang erinnern an die ausge-
brannte Augen eines steinernen Schädels. Das Eingangs-
tor ist zusammengebrochen. Im Inneren wird die ehemals
heilige Stätte nur noch von kränklichen Lichtstrahlen er-
hellt, die durch die Fugen und Aussparungen in der Decke
brechen. Obwohl es hallt, wirkt die Kapelle reglos und still,
genauso wie ihre Bewohner. Nach dem Abzug der Wieder-
täufer richteten sich hier ausgebrannte Burner und versehr-
te Kriegsveteranen ein. Sie streuten getrocknetes Moos und
Stroh zwischen die Gebetsbänke und legten Matten aus.
Diese schwarze Gruft würde ihnen bis zum Lebensende
eine Heimstatt sein. Inzwischen bevölkern knapp zwei-
hundert Heimatlose die Kapelle. In der Mitte brennt ein
niedriges Feuer, über dem gekocht wird, was an Almosen
und jämmerlichem Fang zusammenkommt. Adonai, ein
Eikonide der Jehammedaner, kommt täglich, um nach den
Menschen zu sehen, die hier leben. Er kümmert sich um
die Versehrten, wäscht ihre Wunden aus, organisiert Spen-
den in Port Lagagne und kauft Medizin in Cour Argent von
Spitaliern und Anubiern. Bei den Verlorenen gilt er als gu-
ter Geist der Sacre Amiel, der letzte Wächter, der den Men-
schen von Saint Chenil geblieben ist.
DER SÜDHAFEN
Der Südhafen kann kaum als ein solcher bezeichnet werden.
Das Wasser hat sich vor langer Zeit in stinkenden Schaum
verwandelt. Sämtlicher Unrat, der in Toulons Bucht fließt,
sammelt sich in Saint Chenil und schwappt als zähe, ölver-
seuchte Masse an die Kaimauern. Die hier vertäuten Boote
müssen aus dem Müll herausgerudert oder gar geschoben
werden, weil sich die Schrauben der Motoren sonst hoff-
nungslos verheddern würden. Hier legt nur an, wer un-
bedingt muss, oder wer sich woanders nicht mehr blicken
lassen kann. Die Ärmsten der Armen schnüren sich aus
Treibholz wackelige Flöße zusammen, um den Dreck nach
Brauchbarem zu durchwühlen. Man erkennt sie schnell
an den geröteten, mit Pusteln übersäten Unterarmen. Die
meisten leben nicht mehr lange.
DIE ORPHANAGE
Geteerte Holzplanken umspannen das verschachtelte Wai-
senhaus im Süden Saint Chenils. Aus den Schornsteinen
speit es niedrige Aschewolken. Auf den mit Kies gestreu-
ten Hof gelangt man nur durch ein schweres Eisengatter.
Für die Kinder, die hier abgegeben werden, ist es das Tor
zur Hölle. Wachsmann, ein ehemaliger Preservist, führt
die Anstalt aus dem Verborgenen heraus, hat sich nach
der verheerenden Sumpf-Expedition hierher zurückgezo-
gen und vor seinem Kult versteckt. In den Kellern baute
er sein Labor aus, die Führung des Waisenhauses über-
ließ er seinem Knecht Opis. Wachsmann erhält Kopfgeld
für jedes Kind, das er in der Orphanage aufnimmt. Meist
sind es verlorene Frauen aus Terres Putain oder Ferrallies,
die keine Hoffnung haben, das Kind durchzubringen und
es deshalb in den Schutz des Waisenhauses geben. Andere
Kinder sind Bastarde oder Mischlinge, deren Eltern die Bäl-
ger lieber verschwinden sehen wollen, als von ihnen beerbt
zu werden. Wachsmann interessieren diese Geschichten
nicht. Für ihn sind die Kinder eine Ressource. Er züchtigt
sie, vermietet sie als Heranwachsende an die Lederei oder
als Hilfsburschen an die Fischer von Port Lagagne. Andere
nutzt er zum Ausbau seiner Labore, gibt ihnen Diebstähle
auf oder verkauft sie an Apokalyptiker. Knapp vierhundert
Kinder zählt das Haus inzwischen. Sie leben zusammenge-
pfercht wie Tiere in den großen Schlafsälen, Bett an Bett.
Opis prügelt sie bis zur Besinnungslosigkeit, wenn sie nicht
gehorchen. Wachsmann hasst Dreck und Unordnung und
so gehört die Säuberung des Waisenhauses zu den täglichen
Aufgaben kleiner Gruppen. Ältere werden als Aufseher aus-
erkoren. Wenn sie die anderen Kinder überwachen und de-
nunzieren, verdienen sie sich damit freie Tage und gesüßtes
Wasser. Damit hält Wachsmann die Kinder in Schach, er-
zieht sie zur Mittäterschaft und raubt ihnen die Unschuld.
DIE GROSSE LEDEREI
Eine kleine Fähre legt unten am Steg an und Haakons
Handlanger bringen neue Ware an Land. Felle und Tier-
häute aus dem Rhône-Delta. Haakon, der Borcer, ist ein
grobschlächtiger Mann, Hasenscharte, Halbglatze und ver-
ätzte Fingerkuppen. Dazu eine stinkende Lederschürze und
Mundgeruch. Er bellt seine Arbeiter an, sorgsam mit der
Ware zu sein. Niemand würde sich freiwillig mit dem Lede-
rer abgeben. Trotzdem ist seine Lederware in ganz Toulon
und über die Grenzen hinaus gefragt. Die Verarbeitung ist
hervorragend. Die Färbungen satt. Woher der Borcer die
Rezepturen für die Chemikalien und Färbemittel hat, weiß
niemand.
Der Gestank in der Lederei ist bestialisch. Die Bleich- und
Färbebecken, die in den Boden eingelassen sind, glucksen
träge vor sich hin. Hölzerne Stege führen zwischen den Be-
cken vorbei, über brüchige Leitern geht es in die Laugen hi-
nab. Hier schuften Kinder und Heranwachsende, die Haa-
kon von Wachsmann als Arbeitskräfte mietet. Die Arbeit
hier ist nicht für Menschen gedacht.
Trotzdem gibt Haakon acht, das ihm die Waisenkinder
nicht wegsterben. Die Miete pro Kopf bezahlt er einen Mo-
nat im Voraus, und ein Knabe, der am Monatsanfang be-
reits in der Färbebrühe verreckt, treibt nur die Unkosten in
die Höhe.
Draußen, auf dem großen Hof, flattern die Leder zum
Trocknen über große Stangen gehängt im Wind. Morgen
werden sie nach Port Lagagne verschifft, um in den Krä-
mereien zu Kleidung und Schuhwerk weiterverarbeitet zu
werden.
DIE BARRAGE
Toulon endet an der Barrage. Der gewölbte Damm wurde
einst vom Urvolk errichtet, um vor der stürmischen See zu
schützen. Heute ist der Ort zu einer Pilgerstätte für Selbst-
mörder geworden. Wer seinem Dasein ein Ende setzen will,
tut es hier. Sich an den Wellenbrechern teilende Unter-
wasserströme ziehen jeden unweigerlich unter Wasser, der
sich den Fluten übergibt. Ein einfacher Tod, es ist nur ein
Sprung, heißt es. Doch wer nicht weit genug springt, wird
von angeschwemmtem Schrott oder verkantetem Treib-
holz aufgespießt, das sich wie ein Muschelriff an den unter-
spülten Mauern festgekrallt hat.
Am Südende führt eine rostige Steigleiter zu einem
alten Wachhaus empor, welches halb in die Klippen hin-
ein gebaut ist. Wachsmann hat den einzigen Schlüssel für
die massive Stahltür. Manchmal sehen ihn die Nachbarn
in stürmischen Nächten ins Haus hinaufsteigen und eine
Kerze ins Fenster stellen. Oft bleibt er für Stunden. Wohl,
um auf die Wellen und den Damm hinab zu starren, der
mindestens so viele Menschen wie der alte Bastard selbst
auf dem Gewissen hat, raunen die Anwohner.

UEO-VERSORGUNGSZENTRUM

Wachsmann erhielt den Code-Schlüssel
zum Wachhaus der Barrage von Obmann
Volta. Für den Notfall. Der Notfall kam zwei
Wochen später. Da war Volta tot, gesteinigt
und von Murnakirs Drohnen in Stücke ge-
hackt.
Seitdem bedient sich Wachsmann
klammheimlich an dem UEO-Versorgungs-
zentrum, das unter dem Keller des Wach-
hauses versteckt liegt. Wachsmann brauch-
te Jahre, um den Code richtig einzugeben
und das Portal zu öffnen. Hinter einer ver-
siegelten Stahltür, die selbst schwerstem
Artilleriefeuer standhalten würde, verbirgt
sich ein unfassbares Reservoir urvölkischer
Schätze.
Wann immer die Kopfgelder für die
Waisen knapp werden oder wichtige Che-
mikalien im Labor zur Neige gehen, steigt
Wachsmann in das geheime Lager hinab,
das sich von der Barrage aus durch das Erd-
reich an der Südseite von Saint Chenil nagt.
Manche der Gänge sind eingestürzt, doch
es gibt noch reichlich gut zugänglicher
Trakte vollgestopft mit Helmen, Schutzwes-
ten, Gasmasken, Filtern, Waffen, Munition,
Schlafsäcken, Zelten, Reinigungstabletten,
Notrationen und vielem mehr. Der alte Pre-
servist achtet darauf, jedes Mal verschiede-
ne Güter auf dem Schwarzmarkt zu veräu-
ßern. Bis auf die verdammte Generalin der
Resistance hat bislang auch noch niemand
Fragen gestellt. Doch das Weibsbild will
mehr Informationen, hat Wachsmann sogar
einmal bedroht. Das imponierte ihm. Viel-
leicht wird er mit ihr handelseinig werden.
Für einen guten Zweck, warum nicht? Doch
nur, wenn sie bettelt.

THE KILLING GAME 67

D I E K U LT E
S P I TA L I E R
Der Süden Frankas ist Spitaliergebiet, Montpellier das hie-
sige Hauptquartier des Ärztekultes. Von hier aus werden
sämtliche Nachschubrouten und Expeditionen geplant und
organisiert. Nahezu täglich treffen über die Berner Passage
und die Rhône neue Famulanten in den Städten ein. Vor
Ort erhalten sie Marschbefehle – auf den Brandweg, nach
Toulouse, Sümpfe. Wer die nächsten Wochen und Mona-
te überlebt, kann seinen Fronturlaub in den Küstenstäd-
ten antreten und sogar auf eine dauerhafte Versetzung an
das Mittelmeer hoffen. Der Krieg gegen die Pheromanten
brennt die meisten Frontkämpfer aus, nichts ist gefährli-
cher als ein Kamerad auf der Schneide zwischen Idealismus
und Wahnsinn.
CHRONISTEN
Hoch gesteckte Ziele, nicht die nötigen Mittel. Die Chro-
nisten hatten das Vertrauen der Bevölkerung Süd-Frankas
gewonnen und scheiterten schlussendlich an den Sümpfen.
Zu unergiebig, Rückzug. Dass den Neolibyer gelang, was
den Fragmenten verwehrt blieb, ist eine rot leuchtende Stö-
rung der sonst so makellosen Gleichungen des frankischen
Clusters. Derzeit beschränkt sich der Kult auf den einfachen
Handel. Über Toulouse als Vorposten Aquitaines dringen
Agenten und Mittler auf der Suche nach Handelspartnern
bis an die Küste vor, oft in Begleitung von Shuttern. Anfein-
dungen sind Alltag. Erschwert wird ihre Mission durch die
schwankenden Dinarkurse, denn die Wechselwerte zerfal-
len mitunter so plötzlich, wie im schwülen Sumpfklima das
Papier, auf dem sie gedruckt sind.
H E L LV E T I K E R
Wo Handel ist, ist Gewalt, wo Gewalt ist, wird Schutz be-
nötigt. Für die Alpenfestung ist der Süden Frankas eine
Goldgrube. Die Kontrakte mit den Spitaliern sichern me-
dizinische Versorgung, die Zollvereinbarungen mit den
Neolibyern spülen Gold, Petro und seltene Mineralien in
die Lager. Zuletzt gibt es genügend wohlhabende Händler,
die in dem von Apokalyptikern und Drohnen verseuchten
Gebieten auf den Geleitschutz der Hellvetiker setzen –
wem sonst sollten sie vertrauen? Für viele der Soldaten eine
gern gewählte Erlösung vom eintönigen Wachdienst. Die
Städte entlang der Küste sind außerdem ein beliebtes Ziel
für ausgedehnte Urlaubsstreifzüge: Destillat ist billig, die
Auswahl an Ablenkungen kaum zu überblicken. Zügellose
Ausschweifungen sind jedoch zu vermeiden, denn die Au-
gen und Ohren der Alpenfestung sind inzwischen überall.
Wer es übertreibt, wird unter Arrest gestellt und zurückge-
bracht. Der Kult kennt kein Pardon – in letzter Zeit gab es
einfach zu viele, die den Versuchungen der Städte dauerhaft
erlegen und desertiert sind.
RICHTER
Die Richter sind bis nach Bassham vorgedrungen. Das Pro-
tektorat erlebt seine weiteste Ausdehnung. Kann der Stadt-
staat noch größer werden? Der Senat in Justitian sieht es
so. Die Grenzlinien zwischen den Kulturen haben keine
Bedeutung für die Richtschaft. Es geht ihr einzig um Ge-
bietsansprüche, Okkupation und Städte, die den Ressour-
cenverschleiß von Borcas Metropole decken können. Schon
deshalb entsendet der Richterkult seit Jahren Schwarze
Richter in die Region, um ein Auge auf die politischen Ent-
wicklungen zu werfen. Protektoren werden ebenfalls in den
Süden Frankas geschickt, um die Sprache zu lernen und die
Stimmung der Bevölkerung auszuloten. Dazu gesellen sich
Kopfgeldjäger, die im Auftrag Justitians flüchtige Gesetzes-
brecher in den Sumpfstädten jagen und sie für nie verjährte
Verbrechen im Norden zur Rechenschaft ziehen.
SIPPLINGE
Die Sippen des Rhône-Deltas sind alt. Verwurzelt mit dem
Meer, dem Fischfang und in Allianzen mit den Neolibyern.
Über Generationen hinweg sind die Kulturen zusammen-
gewachsen, unter der Führung der Africaner erblüht und
erstarkt. Dazu mischt sich die Resistance. Von allen Klans
der Region sind sie der dominanteste. Nicht nur im Ein-
zugsgebiet von Toulouse gilt es als Ehrensache, die Reihen
der Resistance mit zumindest einem Nachkommen zu stär-
ken. Auch die herrschenden Klans der Städte unterstützen
die Camps und Widerstandsnester mit Ressourcen und ei-
genem Blut. Es geht um das gemeinsame Aufbäumen gegen
den übermächtigen Feind, der ganz Franka unter sein Joch
gezwungen hat: die Pheromanten. Wer sich im Kampf ge-
gen die Brut bewiesen hat, ist überall willkommen und kann
auf die Unterstützung der einfachen Bevölkerung zählen.
SCHROTTER
Die Mittelmeerküste wimmelt nur so von europäischen
und africanischen Schrottern. Die Artefaktfelder in den
Rhône-Sümpfen sollen gewaltig sein, Legenden und Ge-
rüchte ranken sich seit Jahrzehnten um ungeborgene
Schrottadern, verwachsene Städte tief im Sumpf und
mächtige Artefakte, die ihrer Zeit harren. Das Wettrennen
um diese Schätze wird nur durch die Macht der Pheroman-
ten und ihrer Drohnen ausgebremst. Jede Expedition ist ein
Spiel mit dem Tod, das die Africaner deutlich besser beherr-
schen. Wer sich ohne ihr teures Marduk-Öl in die Sümpfe
wagt, verreckt elendig an seiner Dummheit oder Armut.
Abseits gibt es für Schrotter Arbeit in den Häfen. Wer nichts
mehr riskieren kann oder will, den verschlägt es als Mecha-
niker in die Städte, wo er der Bevölkerung zuarbeitet und
sein Handwerk in harte Dinare umsetzt. Für ein einfaches
Auskommen reicht es, für mehr nicht.
NEOLIBYER
Ihnen gehört der Süden Frankas. Sie sind die Herren der
Küstenstädte. Die Handelsbank auktioniert die Konzessio-
nen für das Gebiet Jahr für Jahr an die umtriebigsten Händ-
ler des Kultes. Der Warenstrom lockt Aspiranten von der
Nordküste Africas in die Städte an Frankas Südküste. Vor
Ort kontrollieren sie die Märkte und Wechselkurse, sorgen
dafür, dass den Europäern so viel bleibt, dass es ihnen bes-
ser mit als ohne Neolibyer geht. Alles ist so viel einfacher,
wenn die Bevölkerung aus freien Stücken gibt – ein zwei-
tes Hybrispania wäre viel zu kostspielig. So treibt allein der
Schutz der Handelsrouten die Kosten nach oben. Apoka-
lyptiker sowie Leoparden, die sich dem Diktat der Handels-
bank nicht beugen wollen, setzen den Neolibyern zu. Doch
das ist nichts, was sich nicht kontrollieren ließe, sagen die
Händler und lächeln siegessicher.
GEISSLER
Der Name Ayubu verspricht Stolz, die Rhône-Sümpfe mit
ihren Pheromanten verheißen Ruhm. Die wenigsten Geiß-
ler brennen darauf, in den Städten Wachdienste zu über-
nehmen, auch nicht in Toulon. Entweder jagen sie die Fein-
de der Handelsbank auf dem Mittelmeer, oder sie mehren
ihr Ansehen durch Heldentaten auf dem Brandweg oder
Expeditionen in die Rhône-Sümpfe. Nicht jeder Tod ist
ruhmreich, manche Kameraden krepieren elendig in den
Sümpfen, andere werden von Sporen zerfressen selbst zu
Drohnen. Doch der Krieg zahlt sich aus, in Lohn und Ruhm.
ANUBIER
In Montpellier pflegen sie das junge Bündnis mit den Spi-
taliern, lernen, lehren. In den Städten und am Rand der
Sümpfe verarbeiten sie Duat-Früchte zu Marduk-Öl und
Pasten, spenden Rat und Trost. Ohne die Kinder des Scha-
kals gäbe es keine Front gegen die Pheromanten. Es gibt
keine Siedlung, in der Anubier sich nicht frei bewegen
könnten, ihr Rückzug wöge schwerer als der Zorn der Neo-
libyer und Geißler. Doch Reden allein reicht nicht. Immer
wieder brechen Anubier selbst in die Sümpfe auf, begleitet
von Söldnern aus allen Kulten. Was genau sie suchen, bleibt
ihr Geheimnis, wie auch die Herkunft der Schlüsselstäbe,
mit denen sie in versteckte Anlagen des Urvolks eindringen.
Allein, ihre Begleiter müssen draußen warten.
JEHAMMEDANER
Zu viele Africaner. In den Augen der Jehammedaner haben
sich die Franker an den Feind verkauft. Statt ihren eige-
nen Brüdern im Südwesten beizustehen, dingen sie sich
den Neolibyern aus freiem Willen als Sklaven an. Selbst
die Wiedertäufer besitzen mehr Ehre. Doch für eine offe-
ne Konfrontation ist es zu früh. Die Hirten sammeln ihre
Herden in den Städten, wachsen, beobachten, werden Teil
des öffentlichen Lebens. Solange die Africaner nicht über
Toulouse nach Hybrispania vorstoßen, herrscht Frieden.
Sollte es jedoch jemals zu einem solchen Angriff kommen,
werden sich die Widder erheben und den Löwen zurück ins
Meer drängen.
A P O K A LY P T I K E R
Mittelmeer, Rhône-Delta und die Küstenstädte beheima-
ten etliche Dutzend Scharen, die in Aussicht stehenden
Gewinne locken immer weitere aus Purgare, Hybrispania
und Borca an. Manche verbünden sich miteinander, andere
kämpfen um die einträglichsten Beutegründe. Burnhandel,
Raubzüge, Entführungen, Menschenhandel, Piraterie, aber
auch Glücksspiel, Hurerei und andere Vergnügungen er-
weisen sich als einträgliche Einnahmequellen. Bislang. Die
Scharen spüren eine nahende Veränderung, weise Raben
legen wiederholt dieselben Karten. Ein Zeichen, das umso
mehr Apokalyptiker in die Küstensiedlungen schwemmt.
Veränderungen müssen nicht unbedingt schlecht sein,
wenn einer verliert, gewinnt der andere.
WIEDERTÄUFER
Der Süden Frankas ist an den Demiurgen gefallen, die Ka-
pellen und Gärten der Wiedertäufer verwaist und geplün-
dert. Das gelobte Land liegt im Nordwesten und bis auf
einige Quartiere für nach Briton durchreisende Rotten,
unterhält der Kult keine Standorte mehr entlang der Küste.
Selbst die Spitalier greifen lieber auf ortskundige Kombat-
tanten der Resistance als auf ihre Waffenbrüder zurück. Das
reinigende Feuer spenden hier andere.
BLEICHER
Götter schlafen in den Sümpfen. Es muss so sein, anders
lassen sich die zahlreichen Artefakte auf den Märkten
Toulons, Montpelliers und Perpignans nicht erklären. Im-
mer wieder diese geheimen Zeichen, immer wieder lan-
den diese Relikte in den kalten Händen Unwürdiger. Für
die Erwecker des Kultes eine Schmach. Sie halten sich im
Untergrund, kundschaften alte Stollen des Urvolks aus, auf
der Suche nach Hinweisen auf unbekannte Bunker. Ohne
konkretes Ziel in die Sümpfe vorzudringen, wäre Selbst-
mord. Es ist besser, sich Expeditionen anzuschließen oder
die Funde rückkehrender Expeditionen zu sondieren, bevor
die Güter auf die Märkte gelangen. Schließlich gehören ge-
wissen Dinge ganz einfach nicht in falsche Hände.
THE KILLING GAME 69
GERÜCHTEKÜCHE
Die Handelsrouten in Süd-Franka sorgen für regen Aus-
tausch zwischen den Siedlungen. Über die Seewege, den
Brandweg, die Berner Passage und die Route de la Résistan-
ce gelangen Informationen in alle Kultzentren und grö-
ßeren Siedlungen. Selbst solche, die lieber geheim bleiben
sollten.
Nicht nur die Kulte belauern sich gegenseitig, auch die
Klans wetzen ihre scharfen Messer. Fakten über Handels-
karawanen, Reisewege und Nachschubtreffpunkte können
gegen die richtige Menge Dinare ohne größere Probleme
eingekauft werden. Nicht alle Informationen sind verläss-
lich, denn die Kulte streuen bewusst Gerüchte oder stellen
Fallen, um den ständigen Zwischenfällen Herr zu werden.
Dazu gibt es ein engmaschiges Geflecht aus Hörensagen
und Geschichten, die manchmal erfunden werden, um
überhaupt etwas zu erzählen zu haben, manchmal aber
auch ein Körnchen Wahrheit enthalten.
Unabhängig davon, ob die Charaktere aus der Region
stammen, oder kürzlich nach Süd-Franka gereist sind, sie
werden Gerüchte aufgeschnappt haben. Um festzulegen,
was den Charakteren unterwegs zu Ohren gekommen
ist, können Sie die nachfolgende Gerüchtetabelle nutzen.
Jeder Spieler sollte vor Spielbeginn einige dieser Gerüch-
te verdeckt zugesteckt bekommen. Dadurch erhält jeder
Charakter sein persönliches Hintergrundwissen und viel-
leicht auch einen persönlichen Antrieb, um später Teil des
Abenteuers zu werden. Es spielt dabei keine Rolle, ob Spie-
ler dieselben Gerüchte kennen. Das untermauert nur ihren
vermeintlichen Wahrheitsgehalt.
Die Gerüchte können hilfreich für ein Vorgeplänkel in
Toulon sein und den Ansatz für eigene Abenteuer bilden,
die als Vorspiel der nahenden Geschehnisse stattfinden.
Zusätzlich eignen sich manche Gerüchte auch, um sie an
anderer Stelle im späteren Spiel einzustreuen. Für den Fall,
dass die Spieler einen neuen Ansatz brauchen.
REGELN: Lassen Sie jeden Spieler vor Spielbeginn einen
Aktionswurf auf VER+Legenden durchführen. Charak-
tere aus Franka erhalten +1W auf den Wurf. Schrotter,
Apokalyptiker, Geißler und Anubier können ihren Hinter-
grund „Netzwerk“ auf den Wurf anrechnen. Sipplinge der
Resistance, Schrotter, Neolibyer, Richter, Chronisten und
Spitalier dürfen wählen, ob sie Zusatzwürfel aus „Netzwerk“
oder „Geheimnisse” zu ihrem Wurf addieren. Jeder Erfolg
wird mit jeweils einer Information aus der „Erfolg“-Katego-
rie der Gerüchteküche belohnt. Für erreichte Trigger gibt es
je nach Anzahl der Trigger jeweils ein besonderes Gerücht
aus der nachfolgenden Übersicht.
ERFOLG
a Seit Jahrzehnten herrscht Goldgräberstimmung
im Süden Frankas. Enorme Schätze liegen in den
Sümpfen begraben.
a Die Wiedertäufer haben die Region im großen
Exodus verlassen. Ihre neue Wahlheimat ist der
Nordwesten Frankas, das heilige Briton.
a Der Artefakthandel der Chronisten war erfolglos
in der Region. Sie konnten nie Fuß fassen und
blicken mit Verachtung auf die erblühten Städte
der Neolibyer.
a Bayonne und Ducal sind ruchlose Nester. Wer
jemanden für einen Auftragsmord sucht wird
dort schnell fündig. Jedoch sollte man seine
Schulden stets begleichen, sonst ist man bald der
Nächste auf der Todesliste.
a Wer sich mit den Neolibyern anlegt, wird als
Sklave nach Africa verschifft. Adieu, für immer.
a Der größte zusammenhängende Schrotterbund
sind die Eisenbrüder von Toulon.
a Früher war da, wo Hamzas Palast steht, kein Hügel.
Der wurde aufgeschüttet, um darin das ganze Gold
und die Schätze des Plünderers zu horten.
a Terres Putain ist das Territorium der
Apokalyptiker. Scharen aus dem ganzen Rhône-
Delta verkehren hier.
a In Saint Chenil kann man untertauchen. Allerlei
Gesindel, Verbrecher und Gesuchte leben dort
im Verborgenen.
a Für Deserteure zahlen die Hellvetiker enorme
Kopfgelder.
a Die wahren Herrscher der Rhône sind die
Pheromanten und ihre versklavten Drohnen.
Millionen von ihnen sollen in den Sümpfen im
Norden leben.
a Toulouse könnte bald zur uneinnehmbaren
Festung Frankas werden, die Resistance gewinnt
täglich Dutzende neuer Krieger, die sich ihr
anschließen.
a Wer Geld und Kredite für eine Expedition
braucht, sucht die Kontore in Toulon auf.
a Es gibt angeblich einen Meisterfälscher in Terres
Putain, der alles besorgen und fälschen kann.
Pässe, Bürgerpapiere, Waffen und Abzeichen.
a Ein Preservist hält sich in der Stadt versteckt.
1 TRIGGER
a In den Sümpfen der Rhône liegt ein Lazarettschiff
der Spitalier verborgen. Die Ärzte planen einen
Angriff auf Souffrance.
a Die Wiedertäufer haben sich aus Süd-Franka
zurückgezogen, weil es zum Bruch mit den
Spitaliern kam. Diese wollten sich lieber mit den
Anubiern verbünden.
a Irgendwo im Mittelmeer gibt es eine geheime Insel
der Apokalyptiker, auf der alle Schätze der Piraten
gelagert werden.
a Man sollte nicht zu viel von einer Sache auf
einmal verkaufen. Die Wechselkurse und Preise
drehen sich schneller, als ein Blatt im Wind. Da
macht den Africanern niemand etwas vor.
a Apokalyptiker prellen europäische Schrotter
gerne mit gestrecktem Marduk-Öl. Besser, man
schickt jemand anderen vor und zahlt etwas
mehr, als hinterher den Drohnen in die Arme zu
laufen, weil das Zeug nicht wirkt.
2 TRIGGER
a Sprengstoffe erzielen auf den Untergrundmärkten
Toulons gerade Höchstpreise. Vielleicht planen
die Schrotter irgendwas.
a In Perpignan und Toulouse heuern Chronisten
gerade jeden an, der eine Waffe halten kann. Es
heißt, der Kult habe Angst vor einem Angriff der
Africaner.
a Auf dem Mittelmeer kreuzt ein verlorener Frachter
der Neolibyer, voll beladen. Die Africaner sagen,
alles nur eine Legende. Aber in Toulon heißt es, dass
die Besatzung ihrem letzten Funkspruch nach von
einem Pheromanten angegriffen worden sei.
3+ TRIGGER
a Aus den innersten Kreisen des Clusters
gesickert: In den Rhône-Sümpfen sind zahlreiche
Produktionsstätten der UEO lokalisiert. Sie sind
der Nährboden für die ergiebigen Artefaktadern
der Gegend.
a Toulon ist auf einem geheimen UEO-Stützpunkt
errichtet. Der Untergrund der Stadt ist mit
Verbindungsgängen und Versorgungsstollen
durchzogen.
a Die Chronisten bereiten einen handfesten Konflikt
in Toulon vor. Alle Zeichen deuten auf Bürgerkrieg.
THE KILLING GAME 71
TIMELINE
2497: Die Expeditionen hellvetischer Streitkräfte aus Terri-
torialregion I führen an die frankische Südküste. Sie
verzeichnen erstmals ein verschlafenes Fischerdorf
mit dem Namen Toulon. Der Klan der Touloni nennt
die Region sein eigen, lebt dort zurückgezogen vom
Rest der Welt an der ausladenden Bucht. Die Klan-
väter beginnen mit Territorialregion I zu handeln,
Muschelware, Austern und Fischfang sichern die
Handelsbeziehungen zum Soldatenkult.
2521:
Toulon weckt die Neugier der Chronisten. Das Frag-
ment Ordinator, Gründer des Clusters von Aquitaine,
erreicht das Fischerdorf und scannt die Region. Seine
Berechnungen werden in wenigen Jahren für großen
Aufruhr sorgen.
2539: Die Chronisten im zentralen Cluster, die Ordinators
Aufzeichnungen studieren, entdecken eine gewaltige
Schrottader in den Sümpfen nördlich von Toulon. Sie
verschieben enorme Ressourcen an die frankische
Südküste. In Alkoven in ganz Borca können Schrotter
ihre Wechsel gegen handfeste Lagepläne und Karten
von Artefaktgruben im Norden Toulons eintauschen.
Ein wahres Schrottfieber setzt ein.
2544:
Die Schrotter zerren ein Fundstück nach dem an-
deren aus dem Morast. Doch die ganze Schlepperei
nach Borca zurück ist sinnfrei. Einige Ruinenwöl-
fe sind der Meinung, dass alles von africanischen
Schrottern geplündert würde, wenn man die Felder
aus den Augen ließe. Eine Verarbeitungsstelle muss
her, und Tauschhallen, und Alkoven. Der Blick fällt
auf die Nordspitze Toulons, wo ein alter Industrie-
park vor sich hin fault.
2545: Innerhalb eines kurzen Jahres siedeln sich knapp
5.000 Glücksritter in Toulon an. Jeder von ihnen
ist auf den großen Fund aus. Die einheimische Be-
völkerung, der Klan Touloni, kann die Eisenbrüder,
wie sich die Schrotter selbst taufen, nicht ausstehen.
Sie überfüllen die Stadt mit ihrem Gestank und ih-
rem Lärm. Die Urbevölkerung zieht sich nach Port
Lagagne zurück, in den alten Kern Toulons und ver-
sucht eine Barriere zwischen sich und dem Norden
der Stadt herzustellen, der jetzt den Namen Ferrallies
trägt.
2548: Die Touloni stöhnen unter dem Joch der Chronisten,
Spitalier und Wiedertäufer. Hohe Steuern, ständige
Überwachung, dazu absurde Hygieneverordnungen.
Die Wiedertäufer heben zeitgleich Rekruten aus der
Bevölkerung aus, stärken ihre Reihen.
2551: Erste Übergriffe auf Schrotter durch Drohnen in den
Rhône-Sümpfen. Schrotterrunen markieren jetzt Ge-
fahrenzonen, aber die Angriffe mehren sich. Selbst
in großen Stoßtrupps sind die Dreckwühler nicht si-
cher, da die Drohnen scheinbar unbeeindruckt end-
lose Reserven haben.
2568: Die Chronisten erkennen die Bedrohung durch die
Pheromanten jenseits der Sümpfe. Sie versuchen die
Spitalier und Wiedertäufer von einem Präventiv-
schlag zu überzeugen. Gemeinsam mit Resistance-
und Grenouille-Einheiten, werden gewaltige Schnei-
sen in den Sumpf gebrannt, um den Schrottern das
Graben zu ermöglichen. Der leitende Preservist
Wachsmann, ein gnadenloser Borcer mit einer Vor-
liebe für das Quälen gefangener Drohnen, nennt die
Operation nur gehässig „Trockenzeit”.
2569: Die Abrechnung für den Hochmut der Spitalier
kommt prompt und gnadenlos. Ein Pheromant na-
mens Murnakir führt eine Horde Drohnen ins Feld.
Hunderte Leperos, nackt, mit blühenden Stigmata
sind seine Krieger. Ihre Pfeile und Speerspitzen sind
mit Murnakirs Drüsensekreten bespickt. Selbst klei-
ne Wunden schwären zu Nekrosen heran, Amputati-
onen sind an der Tagesordnung.
2573: Die Spitalier können Murnakir keinen Einhalt ge-
bieten. Die Wachsmann-Lacroix-Expedition schlägt
fehl, zwei Hundertschaften Famulanten und ein gan-
zes Preservistenkorps wird von versporten Drohnen
aufgerieben und vernichtet. Die sechs Wiedertäufer-
rotten unter Lacroix ereilt ein ähnliches Schicksal.
Die Sümpfe stinken nach Tod. Murnakir droht nun
offen mit totaler Vernichtung, wenn sich die Truppen
nicht aus den Sümpfen zurückziehen. Die Chronisten
geben sich geschlagen. Die Verluste sind haushoch,
Schrotter werden massakriert oder verschwinden für
immer auf der anderen Seite. Der Technikkult bricht
seine Zelte ab und verlässt die Stadt, konzentriert sei-
ne Operationen nun auf das entfernte Montpellier,
wo die Voraussetzungen für einen Gegenschlag viel-
versprechender sind.
2577: Exodus. Die Schrotter sind sprachlos. Die Chronisten
haben sie einfach sitzen lassen. Die Spitalier haben
sich zusammengerollt und keinen Mucks gemacht.
Die Wiedertäufer haben ihre Kapellen verlassen und
sind nach Briton gezogen. Die Schrotter, die sich das
vermeintliche Glück von den Schrottadern im Nor-
den versprachen, sind im Stich gelassen worden. Viele
verlieren den Mut. Einige brechen auf nach Ost-Bor-
ca oder Bedain, in der Hoffnung auf bessere Zeiten.
Doch es gibt auch hartnäckige Dickköpfe, die sich
das Versprechen von Reichtum nicht nehmen lassen
wollen. Sie scharen sich um Nestor, einen wütenden
Leitwolf, der sie anpeitscht und immer wieder in klei-
nen Gruppen in die Sümpfe zurücktreibt. Er glaubt
fest daran, dass hinter der Pheromantengrenze noch
 weitaus größere Schätze begraben liegen.
2580: Toulon liegt brach. Die Stadt ist kurz davor, in die Be-
deutungslosigkeit abzurutschen.
2586: Hamza erwirbt die Konzession für Toulon. Erwirbt
sie Jahr um Jahr aufs Neue und baut die Stadt zu ei-
ner Festung des Handels aus. Er gibt Marduk-Öl in
Fässern an seine Schrotter aus, wodurch sie vor den
Pheromonfallen in den Sümpfen geschützt sind.
a Die Touloni handeln Autonomie für sich aus. Der Äl-
testenrat dankt es dem Plünderer und überschreibt
ihm im Gegenzug die absolute Herrschaft über die
Stadt.
a Hamza überzeugt seine Halbschwester Zohra davon,
den Posten des Consuls zu übernehmen. Alle politi-
schen Geschäfte bündeln sich fortan in ihren Hän-
den.
a Sein Vetter Orma leitet alle von Hamza abgesegneten
Expeditionen in die Sümpfe. Seine Erfahrungen aus
jahrelanger Arbeit in den Häfen von Syrakus wendet
er in Toulon an, um eine neue Generation africani-
scher Schrotter auszubilden.
2587: Der zentrale Cluster in Justitian bekommt Wind von
der Geschäftigkeit des Neolibyers. Die Fragmente
sind fassungslos.
2588: Murnakir im Norden ist auch für Hamzas Schrot-
ter und deren Expeditionen eine tödliche Gefahr. Er
lässt ein wendiges Schnellboot nach Zillah aufbre-
chen. Dort lebt sein Halbbruder Nephraim, hat sich
den Anubiern verschrieben. Nur die Götter können
den Pheromanten jetzt noch zähmen.
2589: Nephraim handelt Frieden mit den Pheromanten im
Norden aus. Der Sumpf wird die neue Grenzlinie.
2592: Der Unmut der Eisenbrüder wird immer größer. Fer-
rallies, der Schrotterbezirk, einst Herzstück Toulons
ist nur noch eine Müllhalde glückloser Gestalten.
Nestor, der Leitwolf der Eisenbrüder, glaubt immer
fester an einen gewalttätigen Umbruch, um die af-
ricanischen Schrotter von ihrem Erfolg abzuschnei-
den.
2593: Der Cluster von Aquitaine entsendet sein Paradig-
ma Mirage als Unterhändlerin nach Toulon. Sie soll
im Auftrag der Chronisten den Plünderer davon
überzeugen, endlich mit Aquitaine und Justitian zu-
sammenzuarbeiten. Mirages erste Mission scheitert
kläglich. Das Treffen von Hamza und Mirage endet
in einem Debakel und der Cluster ist bloßgestellt.
2594: Ayubu, der Bluthund, Legende unter den Geißlern,
erringt in Hybrispania einen Sieg nach dem anderen
für die africanische Sache. Hamza entsendet einen
Boten, um Ayubu davon zu überzeugen an die franki-
sche Küste zu kommen und ihm zur Seite zu stehen.
Er will Ayubus legendären Namen und seinen Ein-
fluss nutzen, um die eigenen Geißler-Rudel zu stär-
ken und gleichzeitig einen kriegerischen Gegenpol
zur Resistance-Generalin Zoe aufbauen.
2595:
Eine unbekannte Schar mit Namen Feuervögel nistet
in Toulon. Ihr Anführer, Rattler, ist vielen ansässigen
Apokalyptikern der Region ein Rätsel. Es gibt kaum
handfeste Informationen über seine Vergangenheit
noch kennt jemand die Ziele der Feuervögel.
2595: Operation Mirage beginnt.
a Kommando Requiem schleust sich in die Stadt ein,
beginnt mit der Infiltration zahlreicher Standorte
und schmuggelt Waffen und geheime Arsenale in die
Stadt, um Kollaborateure zu bewaffnen und auf den
bevorstehenden Bürgerkrieg vorzubereiten.
2596: Anführer der Schwarzen Schar – eines mächtigen
Bündnisses apokalyptischer Piraten – erleben wie-
derkehrende Visionen von brennenden Vögeln. In ih-
ren Alpträumen werden sie von einem Phönix heim-
gesucht. Das Tarot zeigt immerzu das gleiche Blatt.
a Kommando Requiem macht mit den Eisenbrüdern
gemeinsame Sache. Nestor schließt sich dem Ge-
heimbund an und plant die Entmachtung der Neoli-
byer mit Hilfe der Chronisten.
a Versorgungsstollen und Angriffstunnel werden von
Ferrallies und Terres Putain aus Richtung Cour Ar-
gent gegraben. Die Operation läuft auf Hochtouren.
Kommando Requiem will die Neolibyer an ihrem
verwundbarsten Punkt treffen und den Palast des
Plünderers einnehmen.
a Mirage gewinnt die Feuervögel für ihre Sache. Der ge-
heimnisumwitterte Anführer Rattler soll mit seinen
Scharfschützen und Söldnern für Rückendeckung
sorgen. Das Paradigma ahnt nicht, mit welchen
Mächten sie sich eingelassen hat. In ihrem Wahn, die
Neolibyer zu entmachten und Hamza zu entthronen,
lässt sie sich auf einen Pakt mit dem Phönix ein, der
ausschließlich seine eigenen Ziele verfolgt. Mirage ist
für ihn nichts weiter als eine Marionette, die nur an
einem einzelnen Strang baumelt.
a Noch 72 Stunden.
THE KILLING GAME 73
 K A P I T E L

DAS
SCHLANGENNEST
HAMZA
Der Korridor, der zum Ahnentempel führte, war schmal und
leer. Hamza ärgerte es, dass er nicht die Zeit fand, die richti-
gen Kunstwerke aus seiner Schatzkammer auszusuchen, um
die kahlen Wände dekorieren zu lassen. Es würde ihm den all-
morgendlichen Weg zu seinen Gebetsräumen verschönern
– doch es gab immer etwas Wichtigeres zu tun. dehnte sich seine Antwort, „für alle anderen.”
So wie jetzt. Schrotter hatten für Ärger in Ferrallies ge-
sorgt, blockierten die Frachtgondel seit mehreren Tagen.
Hamza musste gegensteuern. Er ließ Essensladungen an
den Bezirk liefern, um die aufgebrachten Arbeiter ruhig zu
stellen und sich Zeit zu kaufen, bis Orma aus den Sümpfen
zurück war. Sein Vetter würde in der Sprache der Eisenbrü-
der mit ihnen verhandeln.
Der Plünderer öffnete das holzvertäfelte Portal am
Ende des Korridors, Perlen und Brokat raschelten leise an
seinem Umhang. Er hatte seine weiße Uniform angelegt,
kein Makel verunreinigte sie. Er trug sie aus Respekt vor
den Ahnen, denen er jeden Morgen für sein Glück dankte.
Zwei Initiantinnen standen bereits am Altar und war-
teten auf ihn. Sein Halbruder Nephraim stand dahinter,
war im Gebet versunken. Hamza umrundete den Altar und
ignorierte die Initiantinnen, die ihm im Vorbeigehen den
Umhang abnahmen. Er küsste die Stirn seines Halbbruders
zur Begrüßung. Nephraim öffnete besorgt die Augen.
„Wie sind die Knochen gefallen?” fragte Hamza und
suchte in Nephraims Blick nach dem Ursprung der Sorge.
Nephraim seufzte. „Schlecht. Sehr schlecht. Kein Glück…”,
Die Initiantinnen kicherten und starrten verschämt auf
ihre Füße. Hamza brauchte einen Moment, um den Scherz
zu verstehen, doch dann brachen die Männer gleichzeitig in
schallendes Gelächter aus und fielen sich in die Arme.
„Du verdammter Anubier!”, grinste Hamza und
klatsche Nephraim auf die Schulter.
„Fast hättest du mir den Tag verdorben.”
„Abwechslung von deiner Glückssträhne täte dir gut”,
gab Nephraim trocken zurück, während sie zum Altar hin-
über gingen. Das Ritual war bereit. Eine Schieferplatte lag
dort in einem Bett aus glühenden Kohlen. Rosmarin und
Anis verbrannten darauf. Hamza hielt den Kopf darüber,
sog den aufsteigenden Qualm ein, hustete leicht. Eine Ini-
tiantin schöpfte Milch aus einer Schale und übergoss Ham-
zas Schädel damit. Perlweiße Flüssigkeit zog Rinnsale auf
seiner schwarzen Haut, rann über Brauen und Wangen und
tropfte auf die Schieferplatte. Mit lautem Zischen verkoch-
ten die Milchtropfen beim Aufprall. Die Ahnen waren ge-
priesen worden.
Ein ferner Knall ließ Hamza hochfahren. Fragend blick-
te er zu Nephraim herüber. Es klang, als wäre ein Cont-
ainerschiff in den Hafen gekracht.
„Havarie?”
Beide Männer lauschten. Draußen im Garten zwit-
scherten Vögel. Es klang friedvoll.
Ein zweiter Knall, diesmal viel näher. Das war kein Un-
fall, es war eine Explosion. Hamza stürmte los, Nephraim
folgte ohne Aufforderung. Die beiden hetzten durch den
westlichen Ausgang, Richtung Aussichtsplattform.
Die dritte Explosion erschütterte die beiden im vollen
Lauf. Verzweifelte Schreie wehten von Osten her über den
Palast. Atemlos preschten sie vorwärts, nahmen Stufen im
Sprung, überschlugen sich fast, stolperten aufwärts. Oben
angekommen fanden sie die Tür verschlossen vor. Das
Knattern von Gewehrfeuer war in der Ferne zu hören. Was
ging hier bloß vor sich?
„Mit Anlauf!” keuchte Hamza und die Blutsgeschwister
warfen sich mit aller Kraft gegen die verbarrikadierte Tür.
Die Scharniere knarzten, Staub rieselte auf Hamzas weiße
Uniform, eine Naht an seinem Ärmel riss auf. Sein Blick
gab zu verstehen, wie verärgert er darüber war. Mit voller
Wucht rammte er seine Schulter gegen die vernagelten
Holzplanken, Nephraim presste sich ebenfalls dagegen.
Ein lautes Ächzen, ein Ruck und der Rahmen sprang
aus der Fassung und ließ die Halbbrüder kopfüber auf die
Plattform fallen. Hustend richteten sie sich in der Staub-
wolke auf, rieben sich die Augen, versuchten einen Blick auf
die Stadt zu bekommen. Vor ihnen erstreckte sich Toulon.
Drei gewaltige schwarze Rauchsäulen ragten in den Him-
mel, der Cour Argent stand in Flammen und die Silberachse
war ein loderndes Inferno.
Nephraim stand mit offenem Mund und geweiteten
Augen am Geländer.
„Krieg”, sagte er fassungslos.
Hamza trat neben ihn, versuchte sich ein Bild zu ma-
chen. Sein Gesicht war verbissen, genervt strich er die Uni-
form glatt und klopfte den Staub ab.
„Deine Stadt. Was wirst du tun?”, fragte Nephraim in
Richtung des Feuermeers.
„Ich nehme sie mir zurück.”
THE KILLING GAME 77
 TOULON MUSS BRENNEN
Toulon ist zu einer monumentalen Demütigung für die Chronisten herangewachsen.
Der Erfolg der Neolibyer brennt in den Augen Justitians. Jede veröffentlichte Bilanz der
Handelsbank treibt die sonst so pragmatischen Gemüter des Technikkults an den Rand
des Zusammenbruchs. Der zentrale Cluster tobt.
Fest steht: die Artefakte Frankas sind nicht für Africa bestimmt. Die Ausbeutung
des europäischen Kontinents muss ein Ende haben. Zu lange haben die Chronisten
mitansehen müssen, wie das Erbe Frankas, und damit der Schlüssel zur Wiedergeburt
des Streams, auf rostige Transportschiffe verladen und nach Tripol verschifft wird.
Jedes vorangegangene Embargo, jeder Versuch der Verhandlung mit den Africa-
nern ist gescheitert. Mit Hamza Abubakar III. ist kein Geschäft zu machen. Jeden Tag
verliert der Cluster Artefakte, Wechsel und Wirkungsmacht.
Diese Plünderung muss aufgehalten und die Neolibyer müssen gestoppt werden.
Fieberhaft funkt Justitian an den Cluster von Aquitaine, dieser solle einen Plan entwi-
ckeln, um Toulons Africaner zu entmachten und den Artefakthandel an sich zu reißen.
Die Stadt soll durch eine Schattenregierung unterwandert, Kollaborateure bewaffnet
und in wichtige Entscheidungsfunktionen gesetzt werden. Ist die Opposition ausrei-
chend aufgebaut und ausgerüstet, soll ein blitzartiger Bürgerkrieg Toulon zurück unter
die Kontrolle der Chronisten bringen.
In den Wirren des bewaffneten Aufstands wird man die Neolibyer zurück nach
Montpellier, oder gleich ganz über das Mittelmeer treiben.
Mit Toulon unter Aufsicht des zentralen Clusters wäre es nur eine Frage der Zeit,
die anderen Küstenstädte von Handel und Versorgung abzuschneiden. In einem weit-
läufig angelegten Manöver könnte man in zweiter Instanz von Aquitaine und Toulon
aus einen Doppelangriff befehligen, der die gesamte frankische Südküste zurück unter
europäische Kontrolle bringt. Der Artefaktstrom würde versiegen und Tripols Han-
delswege nach Africa würden verdorren.
Der zentrale Cluster wähnt sich siegessicher.

O P E R AT I O N M I R A G E
Die Chronisten in Aquitaine haben die höchste Ressour-
censtufe für die geheime Mission freigegeben.
Sie tauften die Operation auf den Namen des Paradig-
mas Mirage. Als Namensgeberin ist sie mit der Vorberei-
tung betraut, koordiniert den Aufbau des kampfbereiten
Widerstands und lädt die aufgeheizte Stimmung zugunsten
des Technikkults weiter auf.
Ihr gesamtes Leben lang hat sie damit zugebracht,
Menschen zu manipulieren und deren Wahrnehmung über
die Chronisten positiv zu färben. Als Paradigma verschleiert
sie aktiv die Ambitionen ihres Kults, weckt stattdessen die
Habgier in Verbündeten und nutzt deren Schlagkraft aus,
um sie auf Ziele des Clusters auszurichten. Toulon ist ihre
Aufgabe.
Hier wird sie fündig. Die Stadt ist durchsetzt von Sub-
jekten, die nach der Macht greifen wollen, die bereit sind,
ihr Leben für einen Umbruch zu opfern. Dass sie dabei
nur die Bauernopfer der Chronisten sind, bemerken die
Verschwörer in ihrem Rausch erst gar nicht. Einmal ange-
laufen, bewegt sich die Operation zielgenau auf Tag X zu,
wartet nur auf ein Signal von Mirage, um die Umwälzung
einzuleiten.
Seit genau einem Jahr agiert das Paradigma aus dem
Untergrund heraus. Waffen, Munition und Sprengstoff sind
verteilt.
MACHTBLÖCKE
Toulon ist ein Schmelztiegel unterschiedlichster Fraktio-
nen und Motivationen. Die Vormachtstellung der Africaner
wird nicht nur von den Chronisten missmutig betrachtet.
In diesem Ameisenhaufen gibt es jede Menge politischer
Brandstifter, die sich im Falle eines Zusammenbruchs der
Ordnung sofort auf die verwundete Stadt stürzen würden,
um ihr Revier abzustecken.
Nicht nur innerhalb der Stadtgrenzen, in der gesamten
Region erwachen Raubtiere aus ihrem Winterschlaf, den
hungrigen Blick auf die Südküste gerichtet.
DIE HERRSCHER TOULONS
Die Africaner herrschen mit dem Rückhalt des Volkes. Seit
zehn Jahren überschwemmen sie Toulon mit Reichtum und
Arbeit. Die Bewohner halten zu ihnen, verneigen sich vor
ihren Herren. Doch Africas Erfolg hat die Herrscher Tou-
lons erblinden lassen. Sie sind unaufmerksam geworden,
sehen nicht, wie sich neidische Fratzen unter die Bevölke-
rung der Stadt mischen und ihnen nach dem Leben trach-
ten. Operation Mirage wird diese Glückssträhne beenden.
DIE EISENBRÜDER
Die Eisenbrüder stellen den harten Kern von Operation
Mirage. Der Erfolg ist an ihnen vorbeigezogen, sie sind die
abgeschlagenen Verlierer im Wettlauf um die Artefakte der
Rhône-Sümpfe gewesen. Sie fühlen sich verraten und im
Stich gelassen und Mirage weiß, wie sie deren Zorn in die
richtige Richtung lenken kann.
Das Paradigma kennt Nestors Hass auf die Neolibyer
und seine Sehnsucht, die Eisenbrüder aus ihrer Position am
Ende der Nahrungskette herauszuführen. Sie kann sich auf
die Loyalität der Schrotter verlassen. Als eingeschworene
Gemeinschaft sind sie nur allzu willig, es den Africanern
heimzuzahlen.
KOMMANDO REQUIEM
Mirage übernimmt Kommando Requiem, eine ruchlo-
se Schwadron aus Shuttern, angeführt von einem Fuse
namens Factor. Sie werden als Provokateure in die Stadt
eingeschleust, gleichzeitig sind sie für die Überwachung
zuständig und versorgen Mirage mit allen benötigten Ziel-
informationen, um die Operation zu steuern. Justitian leis-
tet seinen Beitrag und stellt Richter als Vollstrecker an die
Seite von Kommando Requiem. Der Schwarze Richter Arc-
ville kommandiert eine Bande aus Schöffen und Protekto-
ren, die während des Wiederaufbaus von Toulon das Gesetz
des Protektorats in der Stadt sprechen sollen.
DIE SCHWARZE SCHAR
Die Schwarze Schar hat nichts in Toulon verloren. Ihr Terri-
torium ist das Mittelmeer. Doch urplötzlich haben die drei
Anführer der Schar allesamt Visionen und Alpträume eines
aufsteigenden Phönix. Zeitgleich wird ein vorgelagertes
Schmugglernest in Toulon von einer unbekannten Grup-
pe verwüstet. Es gibt nur einen Überlebenden. Zeit für die
Schwarze Schar nach dem Rechten zu sehen und in Rich-
tung Toulon in See zu stechen.
DIE FEUERVÖGEL
Mirage will sich nicht einseitig auf die Eisenbrüder verlas-
sen. Sie weiß, dass sie ruchlose und korrupte Handlanger
braucht, um den Neolibyern die Stadt zu entreißen. Sie
durchkämmt die Unterwelt von Terres Putain und wird
fündig. Die Feuervögel, eine versprengte Schar von Apo-
kalyptikern, die sich, ohne Aufsehen zu erregen, mitten im
Herzen Toulons eingenistet hat. Rattler, ihr Anführer, ist
ein zynischer und gewaltbereiter Söldner. Seine Schar ist
bestens ausgestattet, den Bürgerkrieg erfolgreich zu führen.
DER KESSEL
Unabhängigkeit kommt mit einem hohen Preis. Im Kessel
herrscht kein gemeinsames Ziel, die Gruppierungen sind
verfeindet und uneins. Ohne Führung sind sie den politi-
schen Umbrüchen ausgeliefert und werden sich mit kom-
menden Machthabern arrangieren müssen.
THE KILLING GAME 79
DIE HERRSCHER
TOULONS
EROBERER
Zehn Jahre können die Welt verändern. In diesem Satz liegt
für die Neolibyer Gewissheit. In einer nahezu unscheinba-
ren Zeitspanne haben die Africaner in Toulon mehr erreicht
als alle anderen Kulte zusammen, die auf diesem Boden fast
ein halbes Jahrhundert lang um die Stadt gerungen hatten.
Und die Bevölkerung dankt es ihren Herrschern mit Lo-
yalität. Der Reichtum, mit dem der Plünderer Hamza Abu-
bakar III. diese Region überspült hat, verändert die Men-
schen, lässt sie zusammenrücken und beschert lange verlo-
ren geglaubten Frieden. Auch wenn die Touloni nicht mit
allem zufrieden sind, was die Neolibyer an Gesetzen verab-
schieden, die Gefahr, unter der Willkür und Herrschsucht
eines fremden Kultes unterzugehen, ist weitaus größer. Die
Africaner bieten den Schutz, den die Touloni als Lakaien
früherer Machthaber nie hatten. Schon deshalb unterstützt
der Ältestenrat von Port Lagagne die Entscheidungen des
Cour Argent ohne Widerspruch. Niemand will zurück zur
totalen Überwachung der Chronisten und weder nach den
kruden Regeln der Spitalier noch dem religiösen Fanatis-
mus der Wiedertäufer und Jehammedaner leben.
Ayubu, der Bluthund, verteidigt Toulon gegen Feinde
von Außen. Unter seinem Kommando bündelt sich eine
Streitmacht aus zwölf Geißler-Rudeln. Ihre Aufgabe: den
Cour Argent und Hamzas Palast mit ihrem Leben zu bewa-
chen und den Frieden innerhalb der Stadtgrenzen aufrecht
zu erhalten. Sie alle haben Hamza die Treue geschworen
und sich dazu verpflichtet, den Plünderer und seine Consu-
lin vor Gefahr zu beschützen. Niemand kommt ohne Wei-
teres an ihnen vorbei.
Zusätzlich zu seinen Geißlern unterhält Hamza beste
Beziehungen nach Perpignan und Montpellier. Die dort
ansässigen Neolibyer, Atuma und Elani, würden ihren
Kultbruder mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln un-
terstützen, sollte sich ein Konflikt anbahnen. Bewaffnete
Kriegsschiffe würden auslaufen, Geißler würden in Koms
ausschwärmen und Positionen im Umland beziehen. Tou-
lon wäre binnen 72 Stunden unter Belagerung. Und das
wäre nur die erste Welle.
Als Sohn Tripols besitzt Hamza Förderer und Gefolgs-
leute entlang der gesamten Mittelmeerküste. Sich mit dem
Plünderer anzulegen bedeutet, sich Feinde im großen Stil
zu machen. Unzählige Parteien profitieren von seiner Herr-
schaft und wollen seinen Status und seine Macht nicht in
Gefahr wissen. Im Falle einer kriegerischen Auseinander-
setzung kann Hamza auf die besten Truppen, die Africa zu
bieten hat, zurückgreifen.
HAMZA ABUBAKAR III.
Abubakar II. war ein mächtiger Magnat, tief verwurzelt in Tripols Elite, doch mit der
Treue hielt er es nicht besonders. Während er unzählige Kinder mit Sklavinnen und
Priesterinnen zeugte, gab ihm sein Eheweib nur einen einzigen Sohn. Hamza.
Der alte Abubakar starb, noch bevor der Neugeborene sprechen konnte, und das
Vermögen des Zweiten wurde an den Sohn vererbt. Es sollte das Startkapital für Ham-
zas Erfolg werden. Ohne im Schatten eines mächtigen Übervaters aufzuwachsen, ba-
dete Hamza in den Annehmlichkeiten neolibyschen Reichtums. Seine Schulzeit ver-
brachte er im Halbschlaf. Die Universität schwänzte er. Die Arbeit als Schreiber legte
er nach zwei Wochen nieder und stritt sich lauthals mit seinen Mentoren. Er war zu
Größerem bestimmt, als den vorbereiteten Weg seines Erzeugers zu bestreiten. Sein
Traum war es, die versprengten Teile seiner Familie zusammenzuführen, den Stamm-
baum der Abubakar zu vereinen und den Namen, den er trug, unvergessen zu machen.
Doch er brauchte einen Ort, der diesem Bündnis würdig wäre. Tripol war zu sper-
rig in seinen alteingesessenen Machtstrukturen. Sein Blick wanderte über die Landkar- VIEL FEIND, VIEL EHR
ten, über das Mittelmeer an die Küste Frankas. Toulon. Ein verschlafenes Nest, kaum Hamza hat mehr Feinde, als die Seiten
einer Konzession würdig, der Preis für den Erwerb auf Ramschniveau. Hamza schlug seines Bilanzierers zu fassen im Stande
zu. Binnen weniger Jahre belebte sein Schaffen die Stadt, erhob sie zu einem Bollwerk wären. Nicht nur Chronisten, Schrotter
des Umschlags und Handels. Der Wert der Waren, die sich aus den Sümpfen ernten und Richter wünschen ihm den Tod,
ließ, war nicht zu bemessen. ebenso viele neolibysche Cheikhs und
Die Handelsbank traute den Bilanzen kaum. Cheikhs mischten sich ein, mach- Vertreter der Handelsbank trachten nach
ten Hamza Angebote ihm die Konzession abzukaufen, andere wiederum planten, den einem schnellen Ableben des erfolgs-
Plünderer enteignen zu lassen oder ihn schlicht zu ermorden. Doch nichts dergleichen verwöhnten Plünderers. Das schnellste
geschah. Hamza hatte mächtige Verbündete in allen Lagern. Seine Halbgeschwister, Pferd zieht die größte Staubwolke hin-
verteilt über die gesamte nordafricanische Küstenlinie, waren ein spätes Geschenk ter sich her, sagt er sich und genießt den
seines verstorbenen Vaters. Er einte sie mit seinem Reichtum und seiner Vision des Ruhm, den ihm seine Feinde zutragen
Stammbaums der Abubakar. Sie sind sein verlängerter Arm, seine Spione, Mittelsmän- und dadurch seinen Namen unsterblich
ner und mächtigsten Unterstützer. machen.

ROLLENSPIEL FA M I L I E N B A N D E
Höher. Schneller. Weiter. Nichts hält Hamzas Ambitionen auf. Alles, was er anfasst, Der alte Abubakar hinterließ Hamza
wird zu Gold, seine Glückssträhne ist noch nie gerissen. Mit dem Selbstbewusstsein ein undurchschaubares Netzwerk an
eines ewigen Gewinners treibt er jedes Geschäft voran, trifft blitzschnelle Entscheidun- Halbgeschwistern, Vettern und Bluts-
gen, die über das Wohlergehen einer ganzen Region bestimmen, und beschließt Verträ- verwandten, die der Plünderer im Laufe
ge, die den Herrschaftsanspruch seiner Blutlinie über Jahrzehnte hinweg zementieren. der letzten Jahre ausfindig gemacht, ge-
fördert und protegiert hat. Sie sind die
PROFIL Äste der Blutlinie Abubakar, er ist ihr
ARCHETYP: Africa, Der Schöpfer, Neolibyer, Rang 5: Plünderer Stamm. Seine treuesten Blutsgeschwis-
ATTRIBUTE: KÖR 3, GES 4, CHA 6, VER 5, PSY 4, INS 3 ter, Nephraim, Zohra und Orma, holte
FERTIGKEITEN: Athletik 6W, Kraft 7W, Härte 7W, Nahkampf 7W, Beweglichkeit 7W, er zu sich nach Toulon. Dutzende andere
Schusswaffen 9W, Verhalten 10W, Ausdruck 10W, Führung 12W, Verhandlung 12W, sitzen in Städten verstreut um das Mit-
Fokus 9W, Wissenschaft 9W, Gerissenheit 8W, Täuschung 8W, Dominieren 10W, Wille telmeer herum, achten auf seine Wei-
10W, Reaktion 7W, Empathie 9W sungen, überwachen seine Warenströme
HINTERGRÜNDE: Verbündete 6, Autorität 6, Netzwerk 6, Ruf 6, Ressourcen 6, und stützen sein Reich.
Geheimnisse 6
BESONDERES: -4W bei Verhandlungen mit Chronisten; Seelenverwandt – kein Men-
taler Angriff kann Hamzas Vertrauen in Nephraim erschüttern POTENZIALE
POTENZIALE: Auf Augenhöhe 2, Krone der Schöpfung, Neun Leben 1, Waagschale 2 KRONE DER SCHÖPFUNG
INITIATIVE: 7W / 18 Egopunkte (Fokus) VORAUSSETZUNG: Neolibyer, min.
ANGRIFF: Krummdolch aus Marrakush-Stahl, 8W, Reichweite 1m, Schaden 6, Durch- Rang 5, CHA+Führung 12
dringend (1); Meisterwerk-Flinte, 11W, Distanz (50/400), Schaden 12, Donnerschlag Hamzas Erfolge sind Legende. Seine lan-
VERTEIDIGUNG: Passiv 2; Nahkampf aktiv (Parieren), Nahkampf 7W; Fernkampf ge, erfolgreiche und weise Führung hat
aktiv (Deckung suchen), Beweglichkeit 7W; Mental (Wille) 10W ein Netz geknüpft, welches auch unter
BEWEGUNG: 6m größten Belastungen nicht reißt. Schei-
PANZERUNG: Weiße Uniform, Panzerung 1 tert eine Unternehmung, zieht sich ein
VERFASSUNG: Versporung 0 / 20, Fleischwunden 14, Trauma 7 Verbündeter zurück, so dient sich sofort
BESONDERE AUSRÜSTUNG: Verbriefte Konzession der Handelsbank in Tripol für Tou- jemand Neues an, die Lücke zu füllen.
lon; Psychovorenholzschatulle (in den Deckel ist der Stammbaum der Abubakar graviert, Hat Hamzas Ruf den Wert 6, können sei-
auf einem Seidentuch ruht der erste Dinar, den Abubakar II. verdient hat) ne anderen Hintergründe nicht sinken.

THE KILLING GAME 81


MÄZENIN
Zohra ist vor Jahren dazu übergegangen,
die Bildung der Stadt zu fördern. Aus
ihrem Vermögen heraus stiftete sie die
Universität von Toulon. Nicht nur, um
der Bevölkerung ein Schmuckstück des
Wissens auf die Landkarte zu pflanzen,
sondern um sie in neolibysche Gesetzge-
bung und Gebote einzuweisen. Je mehr
die jüngste Generation auf die Ideale
ihres Kultes geprägt wird, desto geringer
die Gefahr einer feindlichen Übernahme
durch Aufständische, rebellisches Gedan-
kengut und Störfeuer durch andere Kul-
te. Frieden schmeckt am besten, wenn
alle daran glauben, dass er schmeckt.
ZU WICHTIG
Hamza hat ein Rudel von Ayubus bes-
ten Geißlern abkommandiert, um seine
Halbschwester zu bewachen. Auch wenn
der Plünderer ihre scharfe Zunge als Waf-
fe schätzt, weiß er um deren Nutzlosig-
keit, wenn seine Consulin körperlicher
Gewalt ausgesetzt wäre. Zu wichtig ist sie
für all seine politischen Belange, als dass
er zulassen könnte, dass ihr irgendein
Leid widerfährt. Wer ihr zu nahe kommt,
sieht im nächsten Augenblick Kampf-
messer aufblitzen und hört aufheulen-
de Maschinengewehre. Zohras Rudel
ist stets nur eine Haaresbreite entfernt,
versteckt im Dickicht der wogenden
Menschenmassen draußen auf den Stra-
ßen Toulons oder positioniert hinter Ge-
heimtüren in ihrem Consulat. Wer nicht
nach ihnen Ausschau hält, der sieht sie
erst, wenn es zu spät ist.
ZOHRA, CONSULIN VON TOULON
Hamzas Halbschwester ist die ewige Schlichterin von Toulon. Ihre Stimmlage trifft
stets den richtigen Ton, sie weiß dem Gegenüber wohlgesonnen zu sein oder einer
Forderung unnachgiebig Nachdruck zu verleihen. In Constantine legte sie gewalttätige
Streitigkeiten zwischen den Goldgräbern und den Münzprägern bei, indem sie beide
Seiten durch notariellen Druck an den Verhandlungstisch zwang. In Tunis wurde sie
stadtbekannt, als sie die Rechte der hochverschuldeten Stadtväter gegen die Handels-
bank vertrat. Die Pfändung des dortigen Ahnenhauses wendete sie ab, indem sie im
letzten Augenblick Dokumente einbrachte, die belegten, dass das Fundament vom Li-
byer selbst erbaut worden war.
Als Hamza sie nach Toulon holte, war sie bereits zu einer Veteranin auf diplomati-
schen Schlachtfeldern erwachsen. Sie wäre das Sprachrohr des Plünderers, würde die
Gemüter beruhigen, die Hamza vortags um ihr Vermögen gebracht hatte. Und Zohra
gefiel sich in der Rolle, Hamza kontrollierte den Handel, sie dirigierte derweil die Poli-
tik. Als Consulin bündelt sich die Macht der Region in ihren Händen. Jeder Kultist, der
Rang und Namen hat, muss bei ihr vorsprechen: sie degradiert protzige Preservisten
und hochdekorierte Hellvetiker zu jämmerlichen Bittstellern, denn wer sich bei Hamza
Geld leihen will, muss erst an ihr vorbei. Und sie alle brauchen Geld: für ihre Operati-
onen, um ihre Ressourcen zu sichern oder ihre Gefolgsleute zu bezahlen. Im Gegenzug
verlangt sie von den Botschaftern und Anführern der anderen Kulte konkrete Zusagen
und Abkommen. Keine Truppenbewegungen hier, keine regionalen Auseinanderset-
zungen dort. Das Gebot des neolibyschen Friedens muss gewahrt werden und Zohra
gibt darauf Acht, dass sich die Parteien daran halten. Wer einmal in ihr Geflecht aus
Abmachungen, Handschlägen und Vereinbarungen tappt, erfährt schnell wie es die
Neolibyer halten, wenn es ums Geschäftliche geht.
ROLLENSPIEL
Zohra verachtet schlechte Manieren und fehlendes Vokabular. Ein eindeutiges Zeichen
für die Unterlegenheit der Krähe dem Löwen gegenüber. Fließend spricht sie verschie-
denste europäische und africanische Dialekte, kennt sich bestens mit der Historie
Frankas und Borcas aus und kann Herrschergeschlechter der Region über Generatio-
nen hinweg rückwärts aufzählen. Wer sich mit ihr sprachlich duellieren will, sollte sich
auf schwere Gefechte vorbereiten.
PROFIL
ARCHETYP: Africa, Der Mentor, Neolibyer, Rang 5: Consul
ATTRIBUTE: KÖR 2, GES 2, CHA 5, VER 4, PSY 3, INS 3
FERTIGKEITEN: Athletik 5W, Härte 5W, Beweglichkeit 5W, Künste 9W, Verhalten 11W,
Ausdruck 11W, Führung 10W, Verhandlung 10W, Verführung 10W, Fokus 6W, Legen-
den 8W, Wissenschaft 10W, Gerissenheit 7W, Täuschung 7W, Dominieren 7W,
Reaktion 5W, Wille 8W, Empathie 9W
HINTERGRÜNDE: Verbündete 4, Autorität 5, Netzwerk 5, Ruf 4, Ressourcen 2,
Geheimnisse 4
BESONDERES: Wortgewaltig (+2W in Wortgefechten); Sprachgenie, spricht fließend
ein Dutzend africanische und europäische Dialekte und Sprachen
POTENZIALE: Auf Augenhöhe 2, Inspiration 1
INITIATIVE: 5W / 12 Egopunkte (Fokus)
ANGRIFF: -
VERTEIDIGUNG: Passiv 2; Nahkampf aktiv (Zurückweichen), Beweglichkeit 5W;
Fernkampf aktiv (In Deckung werfen), Beweglichkeit 5W; Mental (Wille) 8W
BEWEGUNG: 5m
PANZERUNG: Prächtiges Ornat aus Bengasi, Panzerung 1
VERFASSUNG: Versporung 0 / 16, Fleischwunden 10, Trauma 5
BESONDERE AUSRÜSTUNG: Dunkelblauer Samtbeutel mit versilberten Samenkörnern
(Körner werden in der Goldschmiede gefertigt; jedes einzelne ist ein kleines Kunstwerk und
gilt als Erinnerung für eine erwiesene Gunst; viele glaubten schon, Zohra im Handel über-
vorteilt zu haben, als diese ihnen zum Abschied ein Samenkorn in die Hand legte)
ORMA
Syracuse. Europäische Schrotter arbeiten Hand in Hand mit africanischen. Orma über-
wacht ein derangiertes Transportschiff, das ausgeweidet wird. Metallplatten krachen
vom Schiffsrumpf, der ächzende Stahl verbiegt sich unter ohrenbetäubendem Lärm.
Und trotzdem scheint es nicht laut genug zu sein, um die feindlichen Auseinander-
setzungen zwischen den Schrotterlagern zu unterbinden. Orma runzelt ungläubig die
Stirn, schon wieder springen sich purgische und africanische Arbeiter an die Gurgel,
bedrohen sich mit Messern und Lötkolben. Jeden Tag die gleiche unerträgliche Pro-
zedur. Wie Kinder, die sich um eine zerfledderte Puppe streiten, muss Orma sie aus-
einanderzerren und ihnen erneut die Regeln der Zusammenarbeit erklären. Sinnlos.
Schrotter sind keine Herdentiere.
Dann erreicht ihn am Kai ein Schreiber mit einem Brief seines Vetters Hamza von
der Südküste Frankas. Abubakar III. hat eine neue Konzession erworben, die Rhô-
ne-Sümpfe jenseits von Toulon stehen zur Artefakternte bereit. Hamza will Orma und
dessen beste Männer. Er soll die Expeditionen leiten und wird persönlich an der Aus- MARDUK-ÖL
beute beteiligt werden. Orma faltet den Brief mit zittrigen Fingern zusammen und Als Artefaktjäger Hamzas genießt Orma
lässt ihn in der Brusttasche verschwinden. Es ist die Gelegenheit seines Lebens. Noch uneingeschränkten Zugriff auf alle nö-
in der Nacht verliest er von Hand ein Dutzend seiner fähigsten Schrotter aus dem tigen Ressourcen, darunter auch das
Camp der Africaner und heuert ein schnelles Beiboot an, um im Morgengrauen die wertvolle Marduk-Öl, das der Anubier
Überfahrt nach Toulon zu beginnen. Sollen sich die wertlosen Arbeiter doch auf der Nephraim für die schwarzen Schrotter
Schrotterinsel streiten und bekriegen, bis ihnen die Zähne ausfallen. destilliert. In Ormas Lagerhäusern sta-
Er und seine Männer werden derweil neue Schrotter in Toulon ausbilden, mit fri- peln sich Fässer, gefüllt mit der teerar-
schen Reserven in die Sümpfe aufbrechen und ein Vermögen aus dem Brackwasser tigen Substanz, bis an die Decke. Genug
ziehen. Marduk-Öl um seine Schrotter für mo-
natelange Expeditionen in den Sümpfen
ROLLENSPIEL auszustatten.
Orma glaubt an den Geist der Gruppe. Gemeinsam ein Ziel zu verfolgen ist besser,
als den Einzelkämpfer zu spielen. Damit rennt er bei Hamza offene Türen ein. Der
Plünderer stellt ihm Ressourcen, Marduk-Öl und Landkarten zur Verfügung. Binnen H A U P TA D E R
weniger Monate schaffen es Orma und seine Männer eine kleine Armee aus hunderten Niemand kennt die Schrottadern der
africanischen Schrottern zu organisieren, sie in mobile, schlagkräftige Trupps aufzu- Sümpfe inzwischen besser als Orma. Seit
teilen und sich langsam durch das Dickicht der Sümpfe zu fressen. Die africanischen Jahren kartiert er die Funde, markiert sie
Schrotter überrumpeln die Eisenbrüder vollständig. Ihre Koordination, ihre Ausrüs- auf eine Landkarte, die er sich auf den
tung und ihr Zusammenhalt besiegeln ihren Erfolg. Chronisten und Eisenbrüder ha- Unterarm tätowiert hat. Seinen Berech-
ben den Wettlauf um die Artefaktadern endgültig verloren. nungen nach liegen noch größere Schätze
weitaus tiefer in feindlichem Territorium.
PROFIL Er vermutet die Hauptader in der Region
ARCHETYP: Africa, Der Abenteurer, Schrotter, Rang 4: Leitwolf zwischen dem Ammenwald und der Wa-
ATTRIBUTE: KÖR 2, GES 4, CHA 4, VER 3, PSY 2, INS 5 benstadt. Sie ist mit einer Sternrune auf
FERTIGKEITEN: Athletik 6W, Kraft 6W, Nahkampf 6W, Ausdauer 6W, Härte 6W, seinem Unterarm verzeichnet.
Handwerk 9W, Fingerfertigkeit 9W, Steuern 8W, Beweglichkeit 7W, Schusswaffen
6W, Heimlichkeit 8W, Verhalten 8W, Ausdruck 9W, Führung 9W, Artefaktkunde 9W,
Technik 8W, Legenden 7W, Wissenschaft 6W, Glaube 6W, Reaktion 5W, Empathie 9W,
Orientierung 10W, Wahrnehmung 10W, Primal 8W, Überleben 10W
HINTERGRÜNDE: Verbündete 4, Autorität 4, Netzwerk 4, Ruf 5, Ressourcen 6
BESONDERES: Leitwolf der africanischen Schrotter; +2W auf INS+Orientierung in POTENZIALE
den Rhône-Sümpfen; uneingeschränkter Zugang zu Hamzas Ressourcen ARTEFAKTGESPÜR
POTENZIALE: Artefaktgespür 3, Spürnase 3 VORAUSSETZUNG: VER+Artefakt-
INITIATIVE: 5W / 16 Egopunkte (Primal) kunde 8, INS+Primal 8
ANGRIFF: Machete, 6W, Reichweite 1, Schaden 8; Revolver, 6W, Distanz (10/40), Die Chronisten würden es Heurismen
Schaden 10 nennen, unterbewusste Skripte, nach
VERTEIDIGUNG: Passiv 2; Nahkampf aktiv (Blocken), Nahkampf 6W; Fernkampf aktiv denen der Geist Entscheidungen trifft,
(In Deckung gehen), Beweglichkeit 7W; Mental (Glaube) 6W bevor er sich dessen bewusst ist. Andere
BEWEGUNG: 6m nennen es Intuition oder Gabe. Orma
PANZERUNG: Schwarzer Fellmantel über ölgetränkter Lederkleidung, Panzerung 2 erhält auf alle Aktionswürfe mit VER+Ar-
VERFASSUNG: Versporung 3 / 12, Fleischwunden 12, Trauma 4 tefaktkunde oder VER+Technik Trigger
BESONDERE AUSRÜSTUNG: Fundkarte (tätowiert auf Unterarm); Stahlschraube mit in Höhe der Potenzialstufe, wenn es um
passender Mutter (Ormas einfaches Bildnis für Neuankömmlinge – für sich genommen, die Inbetriebnahme, Einschätzung oder
sind beide Dinge nutzlos, doch zusammen geben sie sich gegenseitig Halt) Reparatur von Artefakten geht.

THE KILLING GAME 83


SCHICKSAL
Ayubu weiß, dass die Geister auf ihn
warten. Sie stehen am schwarzen Ufer
seiner Träume, wetzen die Klingen, wer-
den über ihn richten, wenn die Zeit ge-
kommen ist, für immer in die Welt der
Toten einzutauchen. Der Dumisai ahnt
die Strafe, die ihn erwartet für all das
Blutvergießen, das er in seinem Leben
verschuldet hat. Er war ein gnadenloser
Kriegsherr und als solchem werden sie
seine Haut in Fetzen schneiden und ihm
das Herz aus der Brust reißen.
Ayubu fleht Nephraim an, die Geister
wohlwollend zu stimmen, doch der Anu-
bier winkt ab. Keine Segnung, die ihm
der Schakal geben könnte, wird die Hän-
de Ayubus vom Blut der Unschuldigen
reinwaschen. Er wird an den Taten sei-
ner Lebzeit gemessen werden. Ihm bleibt
nichts, als zu versuchen alles Schlechte
mit Gutem aufzuwiegen, bevor seine Zeit
endgültig gekommen ist.
POTENZIALE
BLUTHUND
VORAUSSETZUNG: Rang Dumisai,
PSY+Dominieren 8, INS+Primal 8
Auf der Jagd gibt es nur ein Ziel – die
Beute. Für Zögerer ist an Ayubus Seite
kein Platz. Wer immer als Verbündeter in
Sichtweite zum Bluthund kämpft, erhält
einen Bonus von +1W pro Potenzialstufe
auf seine Initiative.
LETZTER BISS
VORAUSSETZUNG: Rang Dumisai,
KÖR+Härte 10, INS+Primal 8
Erreicht Ayubu seinen maximalen Trau-
maschaden, kämpft er noch drei Run-
den ohne Mali weiter, bevor er leblos
zusammenbricht. Für diese letzten drei
Kampfrunden steht ihm sein gesamter
Egopool ein letztes Mal zur Verfügung.
AY U B U , D E R B L U T H U N D
Das Gewehrfeuer zerfetzt die Dunkelheit des Dschungels. Es riecht nach Napalm. Wie-
der Landgewinn. Ayubus Rudel ist unversehrt weiter in den Norden vorgedrungen. Ein
Guerrero kommt ihm vor den Gewehrlauf. Ayubu hat keine Zeit zum Nachdenken, sei-
ne Reflexe versenken Salve um Salve im Gegner. Erst als der Kriegslärm verebbt, blickt
er den Toten in die Gesichter. Kindersoldaten. Hybrispania kann keine Männer mehr
aufstellen. Das Land verblutet. In solchen Siegen liegt keine Ehre.
Doch der Ruf als gnadenloser Kriegsherr eilt Ayubu voraus.
Seine Feldzüge werden mit Ehrfurcht betrachtet, sowohl auf Seiten der Africaner
als auch der Guerreros. Wenn Ayubu eine Vorhut kommandiert, dann türmen sich die
Leichenberge. Eigenständig hat sein Vormarsch die Legendenbildung um die Geißler
im Nest der Krähe befeuert, sein Name selbst löst Furcht aus.
Dann plötzlich erscheint sein Moyo im Lager. Zwei Monde lang war er unterwegs,
hat jede Prüfung bestanden und Ayubu vor der Schande bewahrt. Er ist ausgemergelt
und hungrig wie ein Schakal. Seine letzte Prüfung bestand darin, Ayubus Schicksal von
einem Anubier deuten zu lassen. Doch der Moyo wagt kaum die Prophezeiung wie-
derzugeben. Ayubu ringt ihn in den Staub, bricht dem Moyo den Arm, will wissen, was
die Ahnen für ihn vorherbestimmt haben. Unter Tränen sagt der Moyo Ayubus Tod
voraus. Der Dumisai wird still. Die Ahnen haben ihn verlassen.
Eine Woche später erreicht ihn ein Läufer aus dem fernen Franka mit einer Bot-
schaft. Hamza will Ayubu in Toulon. Als seinen neuen Kriegsherrn.
ROLLENSPIEL
Der Dumisai ist ein Getriebener. Sein Ende naht. Vielleicht heute, vielleicht mor-
gen. Das war die Prophezeiung seines Moyo. Er ahnt, dass Toulon sein Grab ist, doch
weiß er nicht, in welcher Verkleidung der Tod zu ihm kommen wird. Deshalb hält
er Ausschau nach jeder Veränderung. Seine Sinne sind schärfer als noch vor Jahren
im Dschungel und er misstraut jedem, sogar Hamza. In letzter Zeit hat er seltsame
Bewegungen von Schrottertrupps außerhalb der Stadtmauern beobachten können.
Und vor einer Woche wurde ein gefluteter Stollen in Terres Putain entdeckt, der auf
keiner Karte verzeichnet war. Ayubu erkennt die Zeichen. Kampflos wird er nicht zur
Hölle fahren.
PROFIL
ARCHETYP: Africa, Der Herrscher, Geißler, Rang 4: Dumisai
ATTRIBUTE: KÖR 5, GES 5, CHA 2, VER 2, PSY 3, INS 4
FERTIGKEITEN: Athletik 10W, Faustkampf 11W, Kraft 10W, Nahkampf 11W, Ausdauer
10W, Härte 11W, Handwerk 8W, Beweglichkeit 9W, Schusswaffen 11W, Heimlichkeit
8W, Führung 8W, Legenden 6W, Gerissenheit 7W, Dominieren 9W, Glaube 8W, Reak-
tion 9W, Orientierung 6W, Wahrnehmung 7W, Primal 10W, Überleben 9W
HINTERGRÜNDE: Verbündete 3, Autorität 5, Ruf 6, Ressourcen 3, Geheimnisse 2
BESONDERES: + 2W auf PSY und CHA gegenüber Africanern
POTENZIALE: Bluthund 3, Die Ausdauer des Wildhunds 3, Letzter Biss
INITIATIVE: 9W / 18 Egopunkte (Primal)
ANGRIFF: UAO-Kampfmesser, 12W, Reichweite 1m, Schaden 7, Leichtgängig (2T);
Sturmgewehr mit Visier, 12W, Distanz (30/120), Schaden 11, Salven (3); Schwere Pistole, 11W,
Distanz (10/40), Schaden 12, Donnerschlag
VERTEIDIGUNG: Passiv 2; Nahkampf aktiv (Parieren), Nahkampf 12W;
Fernkampf aktiv (Haken schlagen), Beweglichkeit 9W; Mental (Glaube) 8W
BEWEGUNG: 10m
PANZERUNG: Geißlermaske (Bonus +2W auf PSY+Glaube gegen mentale Angriffe);
Tarnkleidung, Kampfstiefel, Flakjacke und Helm, Panzerung 4
VERFASSUNG: Versporung 2 / 16, Fleischwunden 22, Trauma 8
BESONDERE AUSRÜSTUNG: Handfunkgerät; Kompass; Funktionstaschen (Schmerz-
mittel (5 x Stufe 3), Riechsalz (Stimulanzium Stufe 1), Brennhölzer, Verbandszeug, Multi-
funktionswerkzeug, Sägedraht, 10m Seil, Taclight fürs Sturmgewehr, acht Ersatzmagazine)
NEPHRAIM
Nephraim steht in den Arbeitsräumen seines Halbbruders, blickt Hamza gelassen über
die Schulter, schaut ihm dabei zu, wie er Folianten wälzt, Konzessionen umschreibt
und Bilanzen schwärzt. Alles Irdische ist in Hamza gefangen. Nephraim verkörpert die
andere Seite. Das Reich der Ahnen. Er ist eins mit den Geistern. Sieht sie in den Steinen
und in der Rinde der Bäume, hört sie im Wind und spricht zu ihnen in der Welt des
Schlafes. Und er weiß, sie wachen über ihn und seinen Halbbruder, sind ihnen wohl-
gesonnen.
Seit er Murnakir gegenüberstand, kennt er die Abgründe, die hinter den Grenzli-
nien lauern. Alles Leben verglüht im Reich der Pheromanten. Seine Aufgabe ist es, die
Menschen Toulons vor ihnen zu beschützen, seine Fähigkeiten einzusetzen um ihren
Vormarsch zu stoppen und Frieden zu erzwingen, wo selbst die Spitalier gescheitert
sind.
Er nimmt eine Hand voll Samen in den Mund, beginnt auf ihnen herumzukau-
en. Sie zersplittern, graben sich in sein Zahnfleisch und seine Zunge, ihre kristallinen WESPENMENSCH
Spitzen verankern sich tief und sein Mund füllt sich mit Blut. Dann hört er sie. Die Nephraim ist der Einzige, der sich frei in
Drohnen, draußen in den Sümpfen, hört ihre Gedanken, wie sie lautlos zueinander den Sümpfen jenseits der Grenzlinie be-
sprechen und die Befehle der Pheromanten ausführen. Nephraim erkennt das Geflecht wegen kann. Seit seiner Konfrontation mit
aus unsichtbaren Nervenbahnen, das sich durch Franka zieht, Geruchsspuren fern Murnakir meiden Drohnen den Anubier
jeder menschlichen Wahrnehmung, die urtümliche Wortfetzen und Informationen oder nehmen ihn schlicht nicht wahr. Die
übertragen. Wenn der Anubier diese Sprache entschlüsseln würde, würde er bis hinein Spitalier wüssten nur zu gerne um den Ur-
in das Herz von Souffrance eindringen können. Das ist seine Bestimmung, deswegen sprung seiner Fähigkeiten, doch Nephraim
ist er hier. teilt sein Geheimnis nicht. Stattdessen
macht er seine Feldzüge in das Herz der
ROLLENSPIEL Finsternis allein. Manchmal verschwindet
Zwei Seelen wohnen in Nephraims körperlicher Hülle, die eine hütet seinen Halbbru- er für Wochen hinter den Grenzlinien.
der Hamza, spricht besonnen und barmherzig. Die andere dringt unerbittlich immer Was er an Erkenntnissen aus der Welt der
tiefer in das Reich der Pheromanten ein, versucht ihre Sprache und ihre Pläne zu er- Pheromanten zurück in die Welt der Men-
fassen. Der Anubier weiß, wie wichtig die Erkenntnis über den Feind ist. Ihn zu ver- schen bringt, wird er nur den Anubiern in
stehen bedeutet, ihn vernichten zu können. Auch deshalb schüttelt er verständnislos Montpellier berichten.
den Kopf, wenn er die Operationen der Spitalier und der Resistance beobachtet. Will
man die Sümpfe je erfolgreich erstürmen, muss man das Gehirn ausschalten, das die
Pheromanten steuert. SCHWARZE MAMBA
Seine gefährlichste Waffe: eine drei Me-
ter lange schwarze Mamba, die er in ei-
ner Umhängetasche immer bei sich trägt.
PROFIL Kommt ihm jemand zu nahe, schnellt sei-
ARCHETYP: Africa, Der Schüler, Anubier, Rang 3: Sichel ne Hand aus der Tasche und entlässt die
ATTRIBUTE: KÖR 3, GES 4, CHA 4, VER 3, PSY 3, INS 6 Giftschlange wie eine tödliche Peitsche.
FERTIGKEITEN: Athletik 7W, Faustkampf 9W, Kraft 6W, Nahkampf 9W, Ausdauer Ihr Nervengift wirkt binnen Sekunden,
7W, Härte 7W, Fingerfertigkeit 7W, Beweglichkeit 10W, Heimlichkeit 9W, Künste 8W, führt zu Benommenheit und Krämpfen.
Verhalten 8W, Ausdruck 9W, Legenden 9W, Medizin 7W, Wissenschaft 7W, Gerissen- Das Opfer quält sich noch Minuten, bis
heit 7W, Täuschung 9W, Glaube 9W, Reaktion 9W, Empathie 10W, Orientierung 10W, es endlich stirbt.
Wahrnehmung 12W, Primal 10W, Überleben 9W, Zähmen 8W
HINTERGRÜNDE: Netzwerk 2, Ruf 5, Ressourcen 3, Geheimnisse 3
BESONDERES: +3W gegen den Fraß; immun gegen das Gift der Schwarzen Mamba
POTENZIALE: Ahnenblick, Auge des Horus 3, Sechmets Schlaf 1 POTENZIALE
INITIATIVE: 9W / 20 Egopunkte (Primal) AHNENBLICK
ANGRIFF: Schwarze Mamba, 10W, Reichweite 2m, Schaden 1, ignoriert Panzerung VORAUSSETZUNG: Anubier,
(nur Ganzkörperpanzerung schützt), Vergiftet (7S, -2 Ego pro Runde + 1 Traumascha- INS+Wahrnehmung 10 / 1 x pro Tag
den pro Minute, bis zum Tod) Ist die Grenze zur Geisterwelt überschrit-
VERTEIDIGUNG: Passiv 2; Nahkampf aktiv (Zurückweichen), Beweglichkeit 10W; ten, sind die Einsichten allgegenwärtig.
Fernkampf aktiv (In Deckung gehen), Beweglichkeit 10W; Mental (Glaube) 9W Jeder Stein, jedes Lebewesen, jeder Wind-
BEWEGUNG: 7m hauch – es bedarf eines offenen Geistes,
PANZERUNG: Lederhose, Umhang aus geflochtenem Sumpfgras, Panzerung 0 um das leise Flüstern zu ergründen. Bei
VERFASSUNG: Versporung 3 / 18, Fleischwunden 14, Trauma 6 einem Wurf auf INS+Wahrnehmung (5)
BESONDERE AUSRÜSTUNG: Umhängetasche (für Schwarze Mamba); Beutel mit Bron- erhält der Charakter einen verschlüssel-
zeschale (Nahrung, Kräuter, Tarnfarben – das Schälchen ist sein wichtigstes Überlebens- ten Hinweis auf ein zukünftig eintreten-
werkzeug); Marduk-Essenz (+8E, wirkt sechs Stunden); Duat-Samen; Duat-Blut (Stufe 2) des Ereignis.

THE KILLING GAME 85

DIE EISENBRÜDER
GEMEINSAM
Europäische Schrotter, die in Toulon und Umgebung
überleben und durchkommen wollen, schließen sich den
Eisenbrüdern an. Kameradschaft, Verbindlichkeit und Brü-
derlichkeit sind die Grundlage für den Zusammenhalt. Sie
wurde über die Jahre von wechselnden Anführern geleitet
und der Name geht zurück auf die Gründertage von Ferral-
lies, als tausende Schrotter aus ganz Europa nach Toulon
kamen, um hier ihr Glück zu versuchen. Selbst nach dem
großen Scheitern in den Sümpfen blieb der Name der Verei-
nigung bestehen. Sie bietet denen Schutz, die sich in dieser
Region keine andere Zuflucht leisten können.
Schrotter, die sich den Eisenbrüdern verweigern, sind
auf sich allein gestellt. Informationen werden nur unter
Mitgliedern ausgetauscht, Arbeiten nur unter Brüdern
vermittelt. Ein Treueschwur reicht meist schon aus, um
aufgenommen zu werden. Gemeinsame Rituale, die Vertei-
lung von Rationen, die Zuweisung von Unterkünften, War-
tungen am Modul füllen den Alltag der Eisenbrüder. Auch
wenn sie sich seit Jahren keiner großen Erfolge rühmen
können, wenigsten gibt es die Gefolgschaft und man schafft
es gemeinsam durch den nächsten Winter.
Längst sind die Eisenbrüder dazu übergegangen, ihre
Fähigkeiten in allen Vierteln der Stadt als Mechaniker, Ar-
beiter, Tagelöhner, Hilfskräfte, Fährtenführer und Hand-
werker anzubieten, um sich über die harten Tage zu brin-
gen. Was übrig bleibt, wird untereinander geteilt.
Dass die Regeln auch eingehalten werden, dafür sorgt
Nestor, der Leitwolf und nomineller Anführer der Eisen-
brüder. Von seinem Hauptquartier in der Bersterei aus
– diesem Ungetüm aus Produktionshalle und unfertigem
Cluster – führt er die Bruderschaft an, hält in der Großen
Halle Reden an seine Leute und stimmt sie auf seine Pläne
ein. Er hat ein aufpeitschendes Versprechen für seine Zuhö-
rer: ihr Tag wird kommen.
SCHLAGKRAFT
Die Eisenbrüder wollen sich Toulon zurückholen. Nestors
Erklärungen sind simpel und einleuchtend. Sie waren zu-
erst hier, die Africaner haben ihnen die Artefaktadern unter
der Nase weggestohlen und ihre Leute mit dem verfluchten
Marduk-Öl unsichtbar für die Drohnen gemacht. Wenn
man die Neolibyer und ihre schwarzen Schrotter vertreibt
und sich das Öl unter den Nagel reißt, dann kann der Reich-
tum endlich dort ankommen, wo er hingehört.
Der Verbund der Eisenbrüder ist eine Legion, zählt über
tausend Mitglieder. Doch Nestor überschätzt ihre Schlag-
kraft gewaltig. Er zählt jeden Waisen, jede Schwangere und
 EVERYONE WILL SEE
AND EVERYONE
THAT BOY, YOU
I’M DIGGIN’ YOU A
jeden zahnlosen Krüppel mit dazu, um seinen Leuten Mut
zu machen. Der harte, kampferprobte Kern der Eisenbrüder
macht gerade mal zweihundert Schrotter aus. Zu wenige,
um sich einer Geißler-Armee, der Resistance und der Beau
Monde gleichzeitig zu stellen. Über Jahre verschiebt Nestor
den Zeitpunkt für seinen Angriff bereits.
Doch jetzt ist alles anders. Mit Hilfe seines Offiziers
Eisenhauer hat er ein gewaltiges Lager an Sprengstoff und
Waffen in die Stadt schleusen können. Hinzu kommt die
Unterstützung durch Kommando Requiem, das Kartell und
die Feuervögel. Zum allerersten Mal in Nestors Leben sieht
er seinen Plan Früchte tragen. Operation Mirage wird ein
voller Erfolg für die Eisenbrüder werden. Sie muss.
DAS KARTELL
Bosch hat von Operation Mirage Wind bekommen. Seine
großen Ohren sind überall, wenn es irgendwo darum geht,
einen Anteil für das Kartell herauszuschlagen.
Die Eisenbrüder und ihr moralisch aufgeladener Rä-
delsführer Nestor gehen ihm mit ihrem Gejammer gehörig
auf den Geist. Ist ja alles ganz tragisch: keine Artefakte, kein
Essen, heul, heul, die Neolibyer sind so böse, die schwarzen
Schrotter nehmen einem alles weg. Was für ein peinlicher
Haufen.
WILL KNOW
REAP WHAT YOU SOW
S H A L L O W GRAVE
[16 HORSEPOWER]
Der gute Bosch weiß, dass auf solche Bettwanzen kein Ver-
lass ist und vertraut lieber auf seine Jungs. Es geht schließ-
lich um Bares.
Er schickt seinen Offizier Deich aus dem Protektorat
los, mit vierzig Kartellschlägern im Tross, um in Toulon
nach dem Rechten zu sehen und Territorium für das Kartell
abzustecken. Deich soll Nestor bei seinem Racheplan un-
terstützen, damit Bosch ihm später einen Teil der Beute aus
den Rippen pressen kann. Eine Hand wäscht schließlich die
andere. So läuft das beim Kartell. Für den Fall, dass Nestor
bockig wird, sollen Deich und seine Jungs ihm halt die Bei-
ne brechen und den Eisenbrüdern vorschlagen, sich dem
Kartell anzuschließen. Zu deren Schutz versteht sich.
Deich und seine Jungs sind grobschlächtige Muskel-
pakete. Im Protektorat haben sie sich fette Bäuche ange-
fressen oder sich als Grubenkämpfer verdingt. Für ihren
Meister Bosch treiben sie Schulden ein und jagen Verräter
bis an die Protektoratsgrenzen. Doch Toulon ist ihr erster
Auftrag in fremden Gefilden. Sie haben die Mannstärke der
Eisenbrüder unterschätzt. Bis Bosch Verstärkung geschickt
hat, werden Wochen und Monate vergehen. Sie werden in
Unterzahl gegen Nestors Männer antreten müssen. Um
sich darauf vorzubereiten, stemmen sie zum Zeitvertreib
Gewichte, pumpen sich mit Bion und Glorie voll und befes-
tigen noch ein paar rostige Nägel mehr an ihren Keulen.
THE KILLING GAME 87

A G I TAT O R
Nestor kann reden. Besser als andere
Schrotter zumindest. Sein Ärger trifft
die Eisenbrüder direkt ins Herz. Wenn
er spricht, nicken sie und schlagen mit
Schaufeln gegen Metallfässer. Er verkör-
pert, was sie alle denken und bildet dar-
aus Sätze, die unter die Haut gehen. Sei-
ne Brüder stehen geschlossen hinter ihm.
Er ist ihr Leitwolf.
I N V E N TA R
KETTENSÄGENBAJONETT
Eine Schusswunde kann verheilen, aber
ein abgetrennter Arm wächst nicht nach.
Nestor hat sein Maschinengewehr mit
einer schartigen Titan-Kettensäge aus
UEO-Beständen erweitert, deren Zähne
selbst vor dünnen Stahlblechen kein Hal-
ten kennen. Frisst sich die Säge fest, kann
Nestor kurzfristig die Motorleistung
boosten, um die Säge sich selbst ihren
Weg freifressen zu lassen.
POTENZIALE
STUNDE DES BASTARDS
VORAUSSETZUNG: Schrotter, lange
Leidenszeit, PSY+Glaube/Wille 8,
INS+Überleben 10
Nestor hat in seinem Leben so viele
Rückschläge und Prügel einstecken müs-
sen, dass er nun von der brodelnden Wut
in seinem Inneren zehren kann. Wann
immer er in einer Auseinandersetzung
jemandem gegenübersteht, der ihn zu-
vor beleidigt, ausgenutzt, hintergangen
oder verhöhnt hat, gewinnt er in jeder
Kampfrunde einen Epopunkt zurück.
Jetzt ist seine Zeit.
NESTOR
Die Touloni nannten ihn den besten Schrotter der Stadt, und kauften bei den Africa-
nern. Die Chronisten versprachen ihm fette Beute und gemeinsame Geschäfte, und
ließen ihn einfach im Stich. Sprachlos sah er zu, wie Hamzas Handlanger sich durch die
Sümpfe wühlten und die Gewinne kassierten, die ihm und seinen Brüdern zustanden.
Nestor war immer im Nachteil. Sein ganzes verdammtes Leben lang zogen Andere an
ihm vorbei, führten ihn hinters Licht und stahlen ihm seinen Anteil. Warum hatten die
schwarzen Schrotter so viel Glück in den Sümpfen? Klar doch, weil sie sich mit diesem
Hexenöl einrieben und mit den schwarzen Scharlatanen gemeinsame Sache machten.
Verruchte Vetternwirtschaft!
Nestor hat es satt, der Verlierer zu sein. Es steht ihm bis zum Hals, stets am ausge-
streckten Arm zu verdursten. Alle Anderen sind Schuld. Seine Ehrlichkeit hat sich nicht
ausgezahlt. Wie dumm er doch war, immer auf die gleichen Versprechen reinzufallen.
Jetzt ist ein für allemal Schluss damit. Der Groll, der sich jahrzehntelang aufgestaut hat,
quillt ihm aus den Poren. Diese ganze Warterei hängt ihm zum Hals raus. Nestor be-
greift, dass nur er allein sein Schicksal bestimmen kann. Er lädt das Maschinengewehr
durch und ölt die Kettensäge. Was hat er denn noch zu verlieren? Sie haben ihm doch
schon alles genommen.
Mag ja sein, dass die Anderen stets schneller und schlauer als Nestor waren, doch
sie haben eine Kleinigkeit vergessen. Der Leitwolf hat die Loyalität seiner Brüder in
ganz Ferrallies hinter sich. Jahrelang haben sie als Verlierer an seiner Seite gestanden.
Die Versprechen ihnen gegenüber wurden ebenso oft gebrochen. Nestor ist die Lunte
an diesem vollgestopften Pulverfass. Er ist ihr Anführer. Mit einem Wort kann er den
wachsenden Jähzorn seines Kultes bündeln und den Hass der Eisenbrüder auf ein Ziel
lenken. Toulon wird brennen.
ROLLENSPIEL
Seit Beginn von Operation Mirage ist Nestors Eifer nicht mehr zu bändigen. Sein Le-
ben hat wieder einen Sinn. Diesmal geht es um Alles: Heimzahlung, Ausgleich, Sieg. Er
hat beschlossen, den Chronisten ein letztes Mal zu vertrauen, aber zu seinen Konditi-
onen. Die Ausgangslage ist diesmal eine andere. Er führt eine schlagkräftige Armee an
und die Maskengesichter brauchen ihn und seine Männer, um die Stadt einzunehmen.
Ohne die Eisenbrüder geht es nicht und das wird es sich ordentlich auf seinen Anteil
aufrechnen lassen.
PROFIL
ARCHETYP: Borca, Der Auserwählte, Schrotter, Rang 4: Leitwolf
ATTRIBUTE: KÖR 4, GES 3, CHA 4, VER 3, PSY 5, INS 5
FERTIGKEITEN: Athletik 6W, Kraft 9W, Nahkampf 9W, Härte 9W, Handwerk 8W,
Fingerfertigkeit 7W, Steuern 7W, Beweglichkeit 7W, Schusswaffen 8W, Heimlichkeit
6W, Ausdruck 7W, Führung 9W, Verhandlung 7W, Artefaktkunde 7W, Technik 7W,
Fokus 7W, Dominieren 8W, Reaktion 8W, Wille 9W, Empathie 7W, Orientierung 7W,
Wahrnehmung 9W, Überleben 10W
HINTERGRÜNDE: Verbündete 4, Autorität 4, Netzwerk 4, Ruf 3, Ressourcen 4,
Geheimnisse 3
BESONDERES: +2W auf INS+Orientierung in Toulon
POTENZIALE: Der Mob 3, Stunde des Bastards, Zäher Hund 2
INITIATIVE: 8W / 14 Egopunkte (Fokus)
ANGRIFF: Leichtes MG (Modifiziert), 7W, Distanz (30/80), Schaden 11, Salven (4);
Kettensägenbajonett, 9W, Reichweite 1m, Schaden 12, Furchterregend (3), Wucht (1T)
VERTEIDIGUNG: Passiv 2; Nahkampf aktiv (Blocken), Nahkampf 9W;
Fernkampfaktiv (In Deckung gehen), Beweglichkeit 7W; Mental (Wille) 9W
BEWEGUNG: 6m
PANZERUNG: Hartgummiharnisch, Panzerung 4, Isoliert; Schweißeroverall aus gefet-
tetem Leder, Panzerung 1, Feuerfest (4); Gesamtpanzerung 7
VERFASSUNG: Versporung 2 / 18, Fleischwunden 18, Trauma 9
BESONDERE AUSRÜSTUNG: Handfunkgerät; Lageplan (beinhaltet Schlüsselpositio-
nen, Nachschublager und Hinterhalte; schwer zu lesen (VER+Wissenschaft (4))
EISENHAUER
Einmal zu oft haben sie über ihn gelacht. Einmal zu oft haben sie von seinem Teller
gegessen. Einmal zu oft ist er geprellt worden. Eisenhauer hat tausend Gründe, wütend
zu sein. Sein Zorn war stets vergraben in seinem hungrigen Magen, füllte dort den lee-
ren Raum aus. Doch jetzt, an Nestors Seite, ist sein Magen endlich gefüllt und die Wut
bricht an die Oberfläche.
Um Eisenhauer ranken sich dutzende Gerüchte. Mal heißt es, er sei eine Legende.
Ein anderes Mal, er sei der Bruder eines in Verruf geratenen Höhlenbären aus Bor-
ca mit dem Namen Blechschmied. Mal sagt man, Eisenhauer beziehe seine Kräfte aus
Tinkturen und Fläschchen, mit denen die Apokalyptiker in Bayonne handeln, ein an-
deres Mal, dass er in den Sümpfen Unmengen an urvölkischem Zerstörungsmaterial,
Sprengstoff und Waffen geborgen hat.
Wahr ist jedenfalls, dass Eisenhauer bester Gesprächsstoff unter den Schrottern
von Ferrallies ist. Monatelang soll Nestor Eisenhauer belagert haben, um den Riesen
auf seine Seite zu ziehen. Vergebens. Erst als vor wenigen Wochen das Gerücht über ANABOLIKA
den Tod des Blechschmieds die Runde machte, änderte sich alles. Blechschmied bezog seine Tinkturen
Eisenhauer nahm umgehend die Rolle von Nestors Leibwächter an, schmuggelte von einem Grubenkämpfer namens Ata-
Sprengköpfe, Wuchtgeschosse und Waffen nach Ferrallies, stockte die Bersterei mit ma aus Justitian. Die Anabolika fördern
einem gewaltigen Arsenal für den Tag X auf. Mit dem Fuse Factor koordinierte er das rasanten Muskelwuchs und Schmerzre-
Arsenal, teilte Schlägertrupps nach Waffengattungen ein und unterrichtete unerfah- sistenz. Im Gegenzug erlöscht jegliche
rene Schrotter im Umgang mit explosiven Kampfstoffen. Er selbst würde die schwere fleischliche Gier beim Nutzer. Blech-
Artillerie anführen und Hamzas Palast in Schutt und Asche legen. Seit Eisenhauer mit- schmied teilte seine Rationen stets mit
mischt, wird das Wort Nestors nicht mehr in Frage gestellt und der Plan des Leitwolfs seinem Bruder Eisenhauer. Doch jetzt,
nimmt Gestalt an. Jeder Schrotter will bei der großen Abrechnung mitmachen. nach Blechschmieds Tod, gehen Eisen-
hauers Reserven langsam zur Neige. In
ROLLENSPIEL ein paar Monaten schon müsste er sich
Eisenhauer fixiert seine Opfer mit nur einem Blick. Wenn die kleinen Augen unter der wieder zurück nach Borca aufmachen,
wulstigen Stirn sichtbar werden und ein leises Rasseln durch den Mundfilter dringt, um Nachschub zu besorgen. Auf dem
verspürt man lähmende Furcht. Eisenhauer redet nicht. Er schlägt zu. Und wenn die Rückweg dann, wird er auch mit den
von fingerdicken Adern durchzogenen Arme ein Ziel finden, brechen Knochen und Schweinen abrechnen, die seinen Bruder
bersten Innereien. Er ist ein Tier. Einmal vom Zorn übermannt gibt es nichts, was die- auf dem Gewissen haben.
ser Walze aus Raserei und Gewalt Einhalt gebieten könnte.

POTENZIALE
PROFIL BÄRENWUT
ARCHETYP: Borca, Der Eremit, Schrotter, Rang 5: Höhlenbär VORAUSSETZUNG: Dauerhafter Ana-
ATTRIBUTE: KÖR 6, GES 3, CHA 1, VER 2, PSY 3, INS 4 bolikamissbrauch, KÖR+Härte 10
FERTIGKEITEN: Athletik 10W, Faustkampf 10W, Kraft 12W, Nahkampf 8W, Ausdauer Der Körper des Schrotters ist schon viel
10W, Härte 12W, Handwerk 8W, Schusswaffen 9W, Heimlichkeit 5W, Artefaktkunde zu lange Atamas Substanzen ausgesetzt,
7W, Technik 6W, Wissenschaft 5W, Gerissenheit 7W, Dominieren 9W, Reaktion 7W, als dass er noch den Gesetzen der Natur
Wille 7W, Orientierung 7W, Wahrnehmung 7W, Primal 8W, Überleben 10W folgt. Eisenhauer kann deutlich mehr
HINTERGRÜNDE: Ruf 5, Ressourcen 4, Geheimnisse 3 Schmerzen v terkraften, als ein norma-
BESONDERES: +3W beim Schrott sammeln; Passive Verteidigung +3 / aktive Verteidi- ler Gegner. Jede Wunde scheint ihn nur
gung +4W in der Bersterei noch rasender werden zu lassen. Erleidet
POTENZIALE: Bärenwut, Nitro 3, Spürnase 2, Zäher Hund 3 Eisenhauer in einem Kampf Trauma-
INITIATIVE: 7W / 16 Egopunkte (Primal) schaden, erhält er sofort 1W6 Egopunkte
ANGRIFF: Demontierte Heavy-Duty-Gatling, 7W, Distanz (50/200), Schaden 12, zurück. Zeitgleich verfällt er in eine Ra-
Salven (15); Handschuhe mit eingenähten Eisenstiften, 12W, Reichweite 1m, Schaden 8, serei, in der er keine Schmerzen mehr
Stumpf; UEO-Granatwerfer, 7W, Distanz (40/80), Schaden 15, Abweichend, wahrnimmt. Sämtliche Abzüge für Trau-
Donnerschlag, Explosiv maschaden werden vollständig ignoriert.
VERTEIDIGUNG: Passiv 2; Nahkampf aktiv (Blocken), Faustkampf 12W; Allerdings besteht ab jetzt in jeder Runde
Fernkampfaktiv (Einfach stehen bleiben), Beweglichkeit 3W; Mental (Wille) 7W die Gefahr, dass Eisenhauers Metabo-
BEWEGUNG: 10m lismus kollabiert. Am Ende jeder Runde
PANZERUNG: Panzerweste und Gesichtsschutz, Panzerung 5; Gesamtpanzerung 8 muss ein Aktionswurf auf KÖR+Härte (5)
VERFASSUNG: Versporung 2 / 14, Fleischwunden 24, Trauma 9 ausgeführt werden. Misslingt der Wurf,
BESONDERE AUSRÜSTUNG: Spritze (3 x Anabolika); Gefälschte Wechsel (VER+Wis- stirbt Eisenhauer nach 1W6 Runden an
senschaft (3), um sie als Nullifys zu identifizieren; Blechschmieds Blut klebt daran) einem Herzinfarkt.

THE KILLING GAME 89


KARTELLSCHLÄGER
Während Nestor die Eisenbrüder an-
führt, hat Deich Kartellschläger aus ganz
Borca zusammengetrommelt, um bei der
Operation zu helfen. Es sind von Bosch
bezahlte Leute, die sich im Protektorat
bereits einen Namen gemacht haben.
Sie bilden einen muskelbepackten Kern,
schwere Jungs für die groben Aufgaben.
Knochen brechen und Kiefer zertrüm-
mern. Nach Abschluss der Operation soll
Deich die Schläger ordnen und einen Teil
der Beute für Bosch sichern. Für den Fall,
dass Nestor und seine Eisenbrüder sich
in Deichs Weg stellen, hat Bosch seinem
Hund die Erlaubnis erteilt, Blut fließen
zu lassen. Schrottersieg bedeutet Schrot-
terkrieg.
I N V E N TA R
FLACHMANN
Ein Schluck Destillat morgens, mit-
tags, abends – wer will Deich das schon
verwehren. Das silberne Ding mit der
eingeritzten Krähe drauf hat er einem
africanischen Schrotter abgekauft, der
es irgendwelchen Piraten abgenommen
haben will. Sei es drum, Hauptsache, es
ist dicht. Was Deich nicht weiß – im Bo-
den des Flachmanns befindet sich eine
versteckte Karte, auf der die Koordinaten
von drei Krähennestern im Mittelmeer
verzeichnet sind.
DEICHS LIEBLINGSBUCH
Deich liest gerne in seinem kleinen Buch.
Nur Worte stehen dort nicht. Stattdessen
kleben darin Bilder, von Brüsten, Hüften,
Hintern, manchmal auch Gesichtern. Er
sammelt darin jeden Fetzen urvölkischer
Schönheit, streichelt über die abgebilde-
ten Haare. Was er nicht alles mit solchen
Weibern anstellen könnte, denkt er sich.
Dann öffnet er den Gürtel.
DEICH
Eine Stadt wie Toulon unter der Kontrolle der Schrotter. Deich grinst. Was für ein
Traum. Das Kartell hat ihn hierher geschickt. Als Unterhändler und Schlagarm für die
Eisenbrüder. Deichs Grinsen verformt sich zu einem urtümlichen Gelächter. Wenn
sein Meister, der alte Bosch, dieses Paradies nur erblicken könnte, er würde vor Freude
furzen.
Deich sieht seine Zukunft bereits vor sich: Brüste, Hüften, Destillat, Berge an Burn
und Feiern bis in den Morgengrauen. Reichtümer, wie sie noch kein Borcer vor ihm
erblickt hat. Er sieht sich in einen Löwenpelz gekleidet und Tabak rauchend auf einer
Veranda seinen Lebensabend ausklingen lassen.
Noch hat er nicht zu Ende geträumt, da zerrt ihn Nestor am Ohr herunter zu sich.
„Reiß dich zusammen, Deich!”, brüllt der Anführer der Eisenbrüder.
Deich macht sich missmutig zurück ans Werk, der Stollen muss heute noch fer-
tig ausgehoben werden. Verdammte Schinderei. Nestor, diese formlose Milbe, Deich
könnte ihn zerquetschen, ihn in eine rostige Konserve pressen und als Geschoss nach
Cour Argent feuern. Doch er muss sich zurückhalten, so hat es Meister Bosch befoh-
len. Was findet Bosch bloß an diesem mickrigen Schrotter? Deich überlegt eine Weile.
Dann dämmert ihm plötzlich die Antwort: Vielleicht sind sie verwandt? Beide sehen
aus wie Zwerge! Deich kann sein Gelächter kaum kontrollieren, der Schweiß perlt ihm
von der Stirn und er gräbt weiter. Und dann denkt er wieder an Brüste, an Frauen und
Alkohol, an die Reichtümer und den bevorstehenden Sieg. Wenn alles vorbei ist, wird
er sich Nestor schon vorknöpfen.
ROLLENSPIEL
Bosch hat Deich nicht wegen seiner hervorragenden geistigen Fähigkeiten auf diese
Mission geschickt, sondern wegen seiner endlosen Loyalität dem Kartell gegenüber.
Wie ein Hund würde Deich jeden anspringen, der seinem Herrchen zu Nahe kommt.
Und im Auftrag seines Herrchens schnüffelt er bei den Eisenbrüdern herum. Bosch will
wissen, welcher Anteil für das Kartell abfällt, wenn die Operation gelingt, will seinen
Anspruch auf die heiße Ware schnellstmöglich geltend machen, bevor sich die Chro-
nisten alles unter den Nagel reißen.
PROFIL
ARCHETYP: Borca, Der Visionär, Schrotter, Rang 5: Offizier
ATTRIBUTE: KÖR 5, GES 4, CHA 1, VER 2, PSY 3, INS 2
FERTIGKEITEN: Athletik 6W, Faustkampf 9W, Kraft 9W, Nahkampf 9W, Ausdauer
8W, Härte 9W, Handwerk 6W, Fingerfertigkeit 6W, Beweglichkeit 6W, Schusswaffen
9W, Artefaktkunde 6W, Gerissenheit 6W, Dominieren 9W, Wille 7W, Reaktion 7W,
Orientierung 6W, Wahrnehmung 6W, Primal 6W, Überleben 6W
HINTERGRÜNDE: Verbündete 4, Autorität 5, Netzwerk 2, Ruf 2, Ressourcen 2,
Geheimnisse 2
BESONDERES: Freibrief von Bosch (+2W auf PSY+Dominieren gegenüber Schrottern)
POTENZIALE: Darwin 1, Zäher Hund 3
INITIATIVE: 7W / 12 Egopunkte (Primal)
ANGRIFF: Schwere Pistole, 9W, Distanz (10/40), Schaden 12, Donnerschlag;
Schrottkeule, 9W, Reichweite 1m, Schaden 9, Stumpf
VERTEIDIGUNG: Passiv 2; Nahkampf aktiv (Blocken), Nahkampf 9W;
Fernkampfaktiv (Hinter anderen Schutz suchen), Beweglichkeit 6W; Mental (Wille) 7W
BEWEGUNG: 6m
PANZERUNG: Mechanikermütze; Overall mit Hartgummiprofilen, Panzerung 4;
Gesamtpanzerung 7
VERFASSUNG: Versporung 6 / 14, Fleischwunden 18, Trauma 8
BESONDERE AUSRÜSTUNG: Flachmann; Lieblingsbuch; Handfunkgerät; Gurt mit
diversen Handgranaten (4 x Sprenggranaten, 3 x Splittergranaten, 2 x Rauchgranaten);
Plastiktüte und Burn (3 x Glorie (Stufe 6))
HURLANT
Ihre beiden Töchter, Feme und Vermilla, starben im letzten Jahr. Sie war mit ihnen
in den Sumpf aufgebrochen. Eine letzter Versuch etwas Brauchbares zu finden, was
die Drei durch den kommenden Winter bringen würde. Hurlant verlief sich mit ihren
Töchtern im tiefen Dickicht der Rhône-Sümpfe, eine Wochenreise von Toulon ent-
fernt.
Feme starb zuerst. Erschöpfung. Vermilla schaffte es noch mit schwerem Sumpffie-
ber an der Seite ihrer Mutter zurück in die Stadt, doch Hurlant hatte keine Wechsel für
die Spitalier. An der L’Orage wurde sie wortlos abgewiesen. Die Schrotter in Ferrallies
versuchten das Mädchen zu retten, doch im Morgengrauen war auch Vermilla dahin.
Hurlant schrie, bis keine Luft mehr in ihren Lungen war und die geplatzten Äder-
chen ihre Augen blutrot färbten. Sie war dem Schicksal ausgeliefert. Wie alle anderen
Schrotter in Ferrallies war auch sie bedeutungslos für die Stadt und deren Herrscher
geworden. Kein falsches Mitleid würde ihre Mädchen je wiedererwecken.
Von Schmerz zerfressen schichtete sie Steine auf das kleine Grab ihrer Tochter. FRACHTGONDEL
Sie versuchte, die Wut mit Destillat zu ertränken, schlief mit Männern, die ihr in den Hurlants größte Waffe ist die Fracht-
eiskalten Nächten Wärme schenkten. Doch nichts half gegen die Leere und das Gefühl, gondel. Sie hält den Schlüssel zu diesem
dass drüben, jenseits der Brücke nach Cour Argent, die Schuldigen für den Tod ihrer schwimmendem Monstrum in der Hand.
Töchter saßen und sich die elenden Bäuche vollschlugen. Die größte Schwachstelle des Cour Ar-
Wie gern würde sie die Kinder der Africaner in die Sümpfe schicken, damit sie dort gent sind seine Petrotürme. Hurlant ist
genauso elendig verreckten wie ihre kleine Feme. ausgebrannt, hat nichts mehr zu verlie-
Ziellos heuert sie in der Bersterei an. Schwere Arbeit, doch sie kann sich mit dem ren. Wenn sie niemand rechtzeitig auf-
wenigen, was an Wechseln rumkommt, über Wasser halten. Doch es reicht nicht, um hält, wird sie sich am Tag X opfern und
die Qual zu vergessen. Nestor erkennt Hurlants Hass als Erster, reicht ihr die Hand und den Untergang Toulons anstimmen.
weiht sie in den Plan der Eisenbrüder ein. Er braucht eine verlorene Seele wie sie, eine,
die nicht davor zurückschrecken würde, so viele Menschen wie möglich mit in den Tod
zu reißen, um ihrem Schmerz Ausdruck zu geben.
Sie hat gelernt, die Frachtgondel zu fahren und notfalls zu blockieren. Wenn es
soweit ist, soll sie die Sprengladungen in die Petrotürme steuern und den Nordhafen in
ein Flammenmeer verwandeln. Es wird Hurlants Rache sein.

ROLLENSPIEL I N V E N TA R
Hurlant ist ein Wrack ohne Lebensinn. Das Einzige, das sie am Leben hält, ist die Su- VOLTAS VERMÄCHTNIS
che nach einem Schuldigen, den sie zur Verantwortung ziehen kann. Es ist ihr egal, ob Hurlant hat keinen Schimmer von dem
Dutzende oder Hunderte sterben müssen. Wert des Fundes, den sie damals, als sie
mit ihren Töchtern auf der verzweifelten
PROFIL Reise durch den Sumpf unterwegs war,
ARCHETYP: Franka, Der Märtyrer, Schrotter, Rang 2: Dachs an einem abgenagten Skelett machte. Das
ATTRIBUTE: KÖR 3, GES 3, CHA 2, VER 2, PSY 1 (3), INS 3 unscheinbare Büchlein mit dem rostigen
FERTIGKEITEN: Athletik 5W, Kraft 6W, Nahkampf 6W, Härte 6W, Handwerk 7W, Stahleinband und dem schwer zu lösen-
Steuern 8W, Beweglichkeit 7W, Schusswaffen 5W, Heimlichkeit 6W, Verführung 4W, den Schloss ist das alte Notizbuch von
Artefaktkunde 5W, Technik 5W, Täuschung 4W, Reaktion 4W, Wille 4W, Orientierung Obmann Volta, einem Preservisten der
6W, Wahrnehmung 6W, Primal 5W, Überleben 6W Wachsmann-Lacroix-Expedition. Volta
HINTERGRÜNDE: Verbündete 1, Netzwerk 2, Geheimnisse 2 war für die Ausrüstung seiner Truppe
BESONDERES: Schwere Psychose (-2W auf PSY) zuständig und hielt minutiös Protokoll
POTENZIALE: Halb so schlimm 2 über alle Lagerstätten der Preservisten,
INITIATIVE: 4W / 10 Egopunkte (Primal) von Cremant bis nach Toulon. Hinzu
ANGRIFF: Hurlants Brecher, 6W, Reichweite 1m, Schaden 9, Stumpf; Signalpistole, kommen Bestandslisten des geheimen
5W, Distanz (15/60), Schaden 5, Brandgefährlich UEO-Versorgungszentrums unter Saint
VERTEIDIGUNG: Passiv 2; Nahkampf aktiv (Ausweichen), Beweglichkeit 7W; Chenil, samt Schließcodes und Passwör-
Fernkampf aktiv (Deckung suchen), Beweglichkeit 7W; Mental (Wille) 4W tern für das Eingangsportal und die Not-
BEWEGUNG: 5m stromaggregate. Hurlant weiß mit alle-
PANZERUNG: Ölige Fleischerschürze aus beschlagenem Leder, Panzerung 2 dem nichts anzufangen, sie versteht kein
VERFASSUNG: Versporung 4 / 8, Fleischwunden 12, Trauma 4 Borcisch. Die Schrotterin hat das Büch-
BESONDERE AUSRÜSTUNG: Werkzeuggürtel (Bonus + 2W auf GES+Handwerk und lein stattdessen zum Schneidebrett für
GES+Fingerfertigkeit); Schneidebrett mit Eisenkante (Voltas Vermächtnis; schwer zu Knollen und Kartoffeln umfunktioniert
entziffern, erfordert Aufwändige Aktion VER+Wissenschaft (15 Erfolge), 1 Aktionswurf und trägt es stets in ihrer Arbeitsausrüs-
pro Stunde; beinhaltet Pläne, Verzeichnisse und Codes des UEO-Lagers unter Saint tung bei sich. Wenn sie wüsste, welches
Chenil); Funkzünder für Sprengladungen an Bord der Frachtgondel Vermögen darin schlummert.

THE KILLING GAME 91

KOMMANDO
REQUIEM
UNSICHTBAR
Toulon wird unterwandert. Das Paradigma Mirage ist von
einem verstohlenen Klüngel aus Provokateuren und Söld-
nern flankiert, die allesamt auf das Codewort „Kommando
Requiem“ hören. Mirage agiert als deren Strategin, sie ist
der Kopf der Operation, erteilt die Aufgaben und gibt die
Marschrichtung vor. Die Männer und Frauen, die dem
Kommando angehören, haben ihren Schwur an Justitian
und Aquitaine geleistet und ihr früheres Leben für den
Kampf an unsichtbaren Fronten fernab der Heimat einge-
tauscht. Sie sind ein Geheimbund – wo sie hingehen, verwi-
schen sie ihre Spuren und verschleiern ihre Taten.
Der Fuse Factor und seine vierundzwanzig Shutter ge-
hören zum Kommando. Er ist ihr Obskurant, sie sind seine
zwei Dutzend dreckigen Hände. Er hat sie über Jahre hin-
weg gefördert, ausgestattet und mit ihnen die Aufträge aus-
geführt, die nicht ans Tageslicht gezerrt werden durften.
Doch nicht nur die Chronisten sind an der Operation
beteiligt. In Justitian machten sie ihren Einfluss geltend,
übten Druck auf den Senat aus und zwangen ihn förm-
lich zur Zusammenarbeit. Auf Geheiß von Senator Rutgar
wurde eine Staffel aus dreißig Schöffen, Vaganten und Pro-
tektoren zusammengestellt, die dem Schwarzen Richter
Arcville unterstehen. Rutgar hat Arcville bewusst dazu aus-
erkoren, die Einheit im Auftrag des Protektorats an den fer-
nen Konfliktherd zu manövrieren und Mirage, Factor und
ihre Shutter bei der Übernahme Toulons zu unterstützen.
Arcville sei sein bester Mann, versprach Rutgar den Chro-
nisten zuversichtlich.
Seit einem Jahr bereits unterwandert Kommando Re-
quiem die Stadt, hat sich ein vollständiges Bild der Lage
verschafft, Wege ausgekundschaftet und ein unterirdi-
sches Versorgungssystem im Falle einer längeren kriegeri-
schen Auseinandersetzung ausgehoben. Hindurch werden
Waffen, Kriegsgerät und Aufklärer in die Stadt geschleust.
Sprengstoff klebt versteckt an Schlüsselstellen über den
gesamten Cour Argent verteilt. Am Tag X gilt es das pul-
sierende Herzstück vom Rest der Stadt abzuschneiden,
die Brücken nach Terres Putain und Ferrallies zu sprengen
und Hamzas Palast gewaltsam unter Kontrolle zu bringen.
Dann heißt es Stellung halten und ausharren, bis Verstär-
kung anrückt.
KOMMANDOZENTRALE
Kommando Requiem agiert aus den stillgelegten Alkoven
in Ferrallies heraus. Von dieser Hinterlassenschaft der
Chronisten aus verschafft sich Mirage einen Überblick
über die Stadt. Alle Frequenzen laufen in diesem Informa-
tionsknoten zusammen. Monitore blitzen im Dunkel der
unteren Etagen auf, Neonröhren flackern, Kondensations-
 YOU TAKE A MORTAL MAN
PUT
AND HIM IN CONTROL
WATCH HIM BECOME A
WATCH PEOPLE’S H E A D S A’ R O L L
A’RO L L ,
kälte mischt sich mit der stickigen Luft, reizt Augen und
Atemwege. Das Licht einer Bildwand brennt sich durch die
Dunkelheit der Kammer, die Silberachse flackert für einen
Augenblick auf dem leuchtenden Ausschnitt. Die Bildfolge
ist körnig, flatterhaft, zeigt Eindrücke, aufgenommen von
den Kameralinsen der Shutter, die den Cour Argent für den
Tag des Anschlags vermessen. Verkehrswege werden sicht-
bar, der Außenwall von Hamzas Palast, dann die Straße der
Kontore, Universität und das neolibysche Consulat.
Toulon wurde von Kommando Requiem vollständig
analysiert, die Schwachpunkte markiert und zur Zerstö-
rung freigegeben. Seit Wochen türmen sich die Informa-
tions-Caches in dem eigens für die Operation bereitgestell-
ten Server. Über tragbare Router in ihren Rucksäcken und
Anzügen filmen die Shutter jede Bewegung im Herzen der
Stadt und übertragen die Bildfolge im Sekundentakt zu den
stillgelegten Alkoven. Aus der unglaublichen Datenmasse
haben Mirage und Factor ein Angriffsmuster für Tag X er-
rechnet, um die Neolibyer in Schockstarre zu versetzen.
Nach Erfolg der Operation will Mirage die Alkoven neu
eröffnen lassen. Als erste Anlaufstelle für den zukünftigen
Artefakthandel unter der Kontrolle Aquitaines, während
die Bersterei zu einem brandneuen Cluster für die Arbeit
des Paradigmas umgebaut werden soll. Toulon wird endlich
den Chronisten gehören.
GOD
A’ROLL
[MEGADETH]
SCHWACHSTELLE
Das Kommando wähnt sich siegessicher und erkennt in
seiner Überheblichkeit nicht die eigenen Fehler. Und diese
sind menschlicher Natur.
Etwas, dass sich ein Paradigma wie Mirage nie eingeste-
hen könnte. Sie hat sich um des Sieges Willen mit Mächten
eingelassen, auf die sie keinen Einfluss hat. Rattler und die
Feuervögel sind der gefährlichste Abschaum, den sie jemals
für ihre Operation hätte auftreiben können. Der Fuse Fac-
tor ist der Schar bereits ins Netz gegangen, hat seinen Ver-
stand in den wärmenden Armen einer Elster verloren und
Geheimnisse verraten, die niemals in fremde Hände hätten
gelangen dürfen.
Und dann ist da der schwarze Richte Arcville, der sich
auf seinen Posten und seine Position mehr einbildet, als
Rutgar ihm je zugestehen würde. Er selbst ist nichts als eine
armselige Puppe, die zu jedem erdenklichen Zeitpunkt ge-
opfert werden kann. Noch trägt er seine eingebildete Wich-
tigkeit vor sich her. Mit eitlem Stolz in der Brust und voller
Selbstüberschätzung sieht er sich siegreich in die Heimat
zurückkehren. Bald schon wird er feststellen, wie es sich an-
fühlt, wenn Justitian den letzten Faden durchschneidet, an
dem er hängt.
THE KILLING GAME 93

KEIN PREIS ZU HOCH
Nie wird Mirage die Schmach vergessen,
die ihr Hamza zugefügt hat. Niemand hat
es je gewagt, so abfällig über ihren Kult zu
sprechen und seinen Einfluss so zu unter-
graben. Sie ist zu jedem Pakt bereit, der
zu Hamzas Vernichtung führt und Tou-
lon zurück in die Hände der Chronisten
spielt. Doch in ihrer blinden Verachtung
lässt sie sich auf Mächte ein, die sie nicht
kontrollieren kann. Rattler steuert ihre
Impulse und dirigiert ihre Handlungen,
um von seinem eigenen Plan abzulenken.
WUNDERKIND
Mirage ist das Wunderkind des Clusters
von Aquitaine. Sie ist von außerordent-
licher Wichtigkeit für die Chronisten und
ihr darf unter keinen Umständen Leid wi-
derfahren. Deshalb genehmigen die Frag-
mente jeden erdenklichen Schutz für das
Paradigma. Eine Geiselnahme Mirages
oder gar Folter wäre die größte anzuneh-
mende Katastrophe der Operation. Einer
solchen Situation müsste mit drastischen
Maßnahmen begegnet werden.
POTENZIALE
SITUATIONSANALYTIK
VORAUSSETZUNG: Rang Paradigma,
VER+Fokus 10, PSY+Gerissenheit 8
Mirages Gehirn gleicht einem urvöl-
kischen Rechenzentrum. Algorithmen
berechnen Wahrscheinlichkeiten zur
Manipulation von Ereignissen. Mirage
analysiert die nahe Zukunft, kalkuliert
ihre Gegner und leitet Gegenmaßnah-
men ein. Für jeden erwürfelten Trigger
PSY+Gerissenheit (3) steigt ihre Passive
Verteidigung um 1 für den Rest der Szene.
MIRAGE
Der Cluster von Aquitaine war ein Wunderwerk. Erschaffen von Menschenhand, aus-
gestattet mit der Weisheit des Urvolks und jenseits jeder Vorstellungskraft. Mirages
Augen funkelten, als sie sein Innerstes das erste Mal sah. Sie weinte vor Glück. Das
einzige Mal in ihrem Leben.
Sie kam als Kind in den Cluster. Die Chronisten hatten Logikaufgaben und Puzzle-
spiele in den umliegenden Dörfern von Aquitaine verteilt und testeten begabte Kinder.
Mirage stach heraus. Sie löste komplexe geometrische Formeln mit Leichtigkeit, lachte
vor Freude, wenn sie sekundenschnell Teile eines fremdartigen bunten Quaders nach
Farben codierte. Eines Morgens statteten zwei Fragmente Mirages Eltern einen Besuch
ab, überschütteten die Eheleute mit Wechseln und nahmen das Mädchen noch am
selben Abend mit nach Aquitaine.
Die Chronisten liebten ihr kleines Wunderkind, behüteten es, ließen Mirage in die
Welt des Streams eintauchen und lehrten es, die Macht der Maschine zu verstehen.
Jahre takteten dahin und das Mädchen wuchs zur Frau heran. Nie verspürte sie den
Drang, in die durchschaubare Welt ihrer Kindheit zurückzukehren. Der Cluster war
zum Inbegriff von Heimat für sie geworden. Und so gab sie sich vollends dem Kult hin,
entsagte menschlichen Trieben – Emotionen, Nähe, Lust waren Fremdworte, deren
Gebrauch sie nicht verstand. Stattdessen studierte sie mit dem Fleiß einer Hochbegab-
ten und erhob die Mission des Clusters zur Lebensaufgabe.
Wer ein schlechtes Wort über die Chronisten verlor oder die Arbeit des Kultes in
Frage zu stellen wagte, den erklärte sie zur Nemesis. Ein Angriff auf den Kult war ein
Angriff auf alles, was sie als Perfektion und Zuflucht begriff. Die Fragmente erkannten
ihre Hingabe und förderten sie in politischen Konflikten. Mirage wurde zum Paradig-
ma, sie war jetzt das Sprachrohr des Clusters. Ihre Aufgaben: die Außendarstellung der
Chronisten formen, diplomatische Schäden abwehren, bevor sie entstehen, die Stim-
mung in der Bevölkerung zugunsten der Chronisten beeinflussen.
ROLLENSPIEL
Mit der Naivität eines Kindes teilt Mirage die Welt in Schwarz und Weiß auf. Ent-
weder man ist für oder gegen die Sache der Chronisten. Ein Dagegen kommt einer
Kriegserklärung gleich. Nie würde sie auch nur für einen Augenblick an der Richtigkeit
und Rechtschaffenheit ihrer Operation zweifeln. Die Chronisten sind der letzte Licht-
schimmer der Zivilisation. Wer sich ihnen in den Weg stellt, huldigt der Barbarei und
muss ausgeschaltet werden. Nur das Ziel des Clusters zählt.
PROFIL
ARCHETYP: Franka, Der Rechtschaffene, Chronisten, Rang 5: Paradigma
ATTRIBUTE: KÖR 2, GES 3, CHA 4, VER 6, PSY 4, INS 1
FERTIGKEITEN: Athletik 6W, Kraft 6W, Faustkampf 6W, Härte 6W, Fingerfertigkeit
9W, Beweglichkeit 7W, Schusswaffen 8W, Heimlichkeit 8W, Ausdruck 9W, Führung
8W, Verhandlung 9W, Artefaktkunde 12W, Technik 12W, Fokus 12W, Legenden 10W,
Wissenschaft 10W, Gerissenheit 8W, Täuschung 9W, Dominieren 9W, Glaube 10W,
Reaktion 10W, Empathie 4W, Orientierung 4W, Wahrnehmung 6W
HINTERGRÜNDE: Verbündete 5, Autorität 5, Netzwerk 5, Ruf 5, Ressourcen 6,
Geheimnisse 5
BESONDERES: +3 Netzwerk für Provokationen; -2 Geheimnisse für andere Kulte
POTENZIALE: Fraktalgedächtnis 3, Situationsanalytik, Upload 3
INITIATIVE: 10W / 24 Egopunkte (Fokus)
ANGRIFF: Streamerhandschuh (SIGMA-Level), 8W, Reichweite 1m, Betäubt (8),
Leichtgängig (2T); Vocoder (SIGMA-Level), 12W/9W, Schaden 3+T Ego, Distanz (10),
Donnerschlag, Flächenschaden (45°)
VERTEIDIGUNG: Passiv 2; Nahkampf aktiv (Ausweichen), Beweglichkeit 7W;
Fernkampf aktiv (Deckung suchen), Beweglichkeit 7W; Mental (Glaube) 10W
BEWEGUNG: 6m
PANZERUNG: Chronistenanzug (SIGMA-Level), Panzerung 4, Isoliert, Kugelsicher (6),
SIGMA-Source (Stufe 6), Freon (2 x Stufe 3)
VERFASSUNG: Versporung 0 / 20, Fleischwunden 12, Trauma 6
BESONDERE AUSRÜSTUNG: Tracker (SIGMA-Level, kann Transponder zünden)
ARCVILLE
Das Protektorat. Ausgeweitet von Justitian bis an die Südküste Frankas. Grenzenlos.
Arcville rückt die Brille zurecht und liest gedankenverloren die Lageberichte. Soweit
läuft alles nach Plan. Die Bevölkerung wird Leitbilder brauchen, um den bevorste-
henden Machtwechsel zu verkraften. Natürlich werden sich ein paar Dinge ändern.
Die Gesetze des Protektorats müssen mit voller Härte angewendet werden. Schmeckt
nicht, aber Menschen sind Gewohnheitstiere. Mit der Zeit werden sie abstumpfen. Ein
Arbeitslager für Verbrecher muss her. Ferrallies bietet sich an, brütet Arcville. Darüber
hinaus Wachen, Patrouillen, Nachtruhe, Zapfenstreich. Loyalisten müssen unter der
Bevölkerung lokalisiert, Belohnungen für Denunziationen ausgeschrieben werden.
Kein Problem, Verräter gibt es überall. Er denkt weiter. Wiedertäufer ansiedeln lassen,
sie geben der Bevölkerung Halt, ersticken Rebellionen im Keim.
Arcvilles Hände wühlen sich durch seinen Bart. Im Kopf geht er seine Aufgabe
durch. Der Senat von Justitian hat die Operation bewilligt, er selbst ist im Auftrag
Rutgars hier, um die beteiligten Richter zu überwachen und ihre Befugnisse aufein- MARIONETTE
ander abzustimmen. Von Beginn an war ihm die Wichtigkeit seiner Aufgabe bewusst. Der Schwarze Richter bildet sich mehr
Er muss den Geist Justitians an die Küste Frankas tragen. Sobald Operation Mirage auf seine Position ein, als ihm wirklich
erfolgreich abgeschlossen ist, würde er die Richtschaft in der Stadt ausbauen, Schöffen zusteht. Rutgar billigt Arcvilles Einsatz
rekrutieren und Toulon in einen Hort des Gesetzes verwandeln. nur, weil der Senat die Unterstützung
Er blickt zurück auf die Lageberichte. Für den Augenblick, gesteht er sich ein, wird von Operation Mirage befohlen hat.
die Zusammenarbeit mit den Feuervögeln von Nutzen sein. Doch nach getaner Arbeit Rutgar hingegen setzt insgeheim auf ein
wird man sie internieren oder vertreiben müssen. Die Eisenbrüder sind Schläger, rich- Scheitern der Mission. In seinen Augen
tig eingesetzt sind sie zufriedenstellend, doch man wird Nestor an der kurzen Leine hat sich das Protektorat überdehnt, sucht
halten müssen. Zu viel Mitspracherecht verleitet zu Allmachtsfantasien, der Senat will chaotisch nach neuen Zielen, statt sich
unter keinen Umständen den Boden für ein zweites Kartell in Toulon bereiten. um die Verteidigung der bestehenden
Grenzen zu kümmern und die einfallen-
ROLLENSPIEL den Wilden abzuwehren, die Justitian
Arcville ist ein Macher durch und durch. Menschen katalogisiert er nach Brauchbar- umzingeln. Sollte sich nur das kleinste
keit, bewertet ihren langfristigen Nutzen für Justitians Zukunft oder verschleißt sie, Anzeichen auf ein Scheitern Arcvilles
wenn sie nur für den Augenblick von Wichtigkeit sind. Längst hat er seine Aufmerk- bemerkbar machen, wird Rutgar alle Ver-
samkeit der Bevölkerung Toulons zugewandt, sondiert die Lage. Vericon, dieser auf- bindungen zu dem Schwarzen Richter
geblähte Karpfen von einem Bürgermeister, und Zoe, die Generalin, werden die ersten kappen und ihn seinem Schicksal über-
sein, die er ausschalten wird, wenn der Umbruch kommt. Noch ist ihr Einfluss zu stark, lassen. Schon deshalb fiel Rutgars Wahl
doch Operation Mirage wird beide Parteien entkräften und sie in Arcvilles Fadenkreuz für Operation Mirage auf Arcville, denn
rücken. unter seinen Schwarzen Richtern kann er
am ehesten auf ihn verzichten.
PROFIL
ARCHETYP: Franka, Der Schöpfer, Richter, Rang 4: Schwarzer Richter
ATTRIBUTE: KÖR 4, GES 4, CHA 2, VER 3, PSY 3, INS 3 DAUPHINES LISTE
FERTIGKEITEN: Athletik 7W, Faustkampf 6W, Kraft 9W, Nahkampf 8W, Ausdauer Arcvilles Frau Dauphine betreut ein klei-
6W, Härte 8W, Steuern 7W, Beweglichkeit 5W, Schusswaffen 7W, Heimlichkeit 8W, nes Landhaus nahe Bassham, in dem sie
Verhalten 5W, Ausdruck 4W, Führung 6W, Fokus 6W, Legenden 6W, Gerissenheit 6W, sehnsüchtig auf die Rückkehr ihres Man-
Dominieren 6W, Reaktion 6W, Wille 5W, Empathie 4W, Orientierung 6W, nes Arcville wartet. Vorausgesetzt, dass
Wahrnehmung 8W, Überleben 4W, Zähmen 5W ihm etwas zustoßen sollte, hat er ihr eine
HINTERGRÜNDE: Verbündete 3, Autorität 3, Netzwerk 2, Ruf 1, Ressourcen 5, Liste mit Namen aller Schwarzen Rich-
Geheimnisse 3 ter, die im Protektorat tätig sind, hinter-
BESONDERES: +2 Netzwerk bei Informationsbeschaffung über Gesindel lassen. Im Falle seines Ablebens solle sie
POTENZIALE: Hammerschlag 3 sich an diese Richter wenden und Hilfe
INITIATIVE: 6W / 12 Egopunkte (Fokus) für ihren einsamen Lebensabend einfor-
ANGRIFF: Arcvilles Richthammer, 8W, Reichweite 1m, Schaden 10, Stumpf; dern. Arcville sieht nicht, dass er damit
Schwerer Revolver, 7W, Distanz (10/40), Schaden 12, Donnerschlag Dauphines Todesurteil unterschrieben
VERTEIDIGUNG: Passiv 2; Nahkampf aktiv (Blocken), Nahkampf 8W; hat.
Fernkampf aktiv (In Deckung gehen), Beweglichkeit 5W; Mental (Wille) 5W Aus Sorge um ihren Gatten hat sie
BEWEGUNG: 7m sich geradewegs nach Justitian begeben,
PANZERUNG: Schwarzer Ledermantel, Panzerung 2 um den den ersten Namen auf der Lis-
VERFASSUNG: Versporung 0 / 10, Fleischwunden 16, Trauma 7 te aufzuspüren. Iwanov. Rutgars besten
BESONDERE AUSRÜSTUNG: Brille mit Lederetui und Putztuch; Antiquarischer Kodex Mann.
(Weggeschenk von Rutgar, als Zeichen des „Vertrauens“); Goldene Taschenuhr (Dauphine
hat ein Abbild des gemeinsamen Landguts nahe Bassham eingravieren lassen)

THE KILLING GAME 95


DER RUF DER SIRENE
Alabaster hat Factors torkelnden Balztanz
gnadenlos durchschaut. Er enttarnt sich
jedes Mal von Neuem, wenn er wie beses-
sen nach Gründen stöbert, das Nest der
Feuervögel aufzusuchen, nur um sie zu se-
hen oder mit ihr zu sprechen. Der Fuse ist
ihr glücklos verfallen. Sie füttert ihn mit
Geschichten, entlockt ihm Geständnisse.
Längst hat er ihr den gesamten Plan von
Operation Mirage preisgegeben, sie über
die Hintermänner in Kenntnis gesetzt
und ihr die Zugangscodes zu Arsenalen
und Kommunikationskanälen verschafft.
Alabaster zieht daraus nur einen Nutzen:
Sie gibt die Informationen geballt an Ratt-
ler weiter, dem einzigen Menschen, dem
sie vertraut. Und der Phönix bereitet sich
auf seinen Tag der Abrechnung vor.
POTENZIALE
BACKDOOR
VORAUSSETZUNG: Rang Shutter,
PSY+Täuschung 6W
Fuses wie Factor haben gewisse Über-
lebensstrategien entwickelt, um ihre
Aufträge lebendig zu beenden. Eine der
besten ist es, erst gar nicht verdächtigt
zu werden, sondern einfach als un-
scheinbarer Impuls im Datenstrom mit-
zuschwimmen. Durch Backdoor erhält
der Charakter +1W je Potenzialstufe auf
PSY+Gerissenheit oder PSY+Täuschung,
wenn es darum geht, eine Gemeinschaft
als ebenbürtiges Mitglied zu infiltrieren
oder mit heiler Haut davon zu kommen.
FA C T O R
Die Chronisten brauchten einen Mann fürs Grobe. Jemanden, der keine Gebrechlich-
keiten hatte und sich mit Schmerzen bestens auskannte. Factor war schon zu Zeiten als
Shutter eher als Brecheisen denn als grandioser Stratege bekannt. Mirage wollte einen
Gefolgsmann, der sich mit den Schrottern auf eine Stufe stellen, mit ihnen Lachen
und Trinken konnte. Factor würde die Eisenbrüder leicht von der gemeinsamen Sache
überzeugen können.
Die Vorbereitungen liefen wie geplant. Woche für Woche öffnete Factor einen
Waffen-Cache nach dem anderen, den die Chronisten für ihn im Umland von Toulon
vergraben hatten, und schmuggelte die Ware mit Hilfe der Schrotter in die Stadt. In der
Bersterei wurde aufgeteilt, was vom Cluster an sanktionierter Technik für Operation
Mirage freigegeben worden war. Blendgranaten, Sprengstoff, Kettensägen, Munition.
Dazu Funkgeräte, Peilsender, Abfangantennen und Radioblocker. Die Maskenmänner
hätten ganze Arbeit geleistet, gluckste ein zahnloser Kartellist zu Factor herüber, als er
das Arsenal erblickte.
Die Lage war gesichert, jetzt hieß es ausharren, bis das Signal kam. Factor wollte
sich vorab mit den Feuervögeln in ihrem Nest in Terres Putain abstimmen, die Stollen
untersuchen und letzte Lagebesprechungen halten. Doch der Anblick dort sollte sein
Leben verändern. Factor war auf alles vorbereitet, nur nicht auf diese Frau. Er hatte
nie etwas Vergleichbares in seinem Leben gesehen noch gespürt. Alabaster, eine Elster,
verschlug ihm den Atem. Er wollte nur noch Eines, ihre Nähe spüren, ihre Hände auf
seinem zerfurchten Gesicht fühlen, sich in ihrer Umarmung vergraben. Nachts träum-
te er von ihr, tagsüber suchte er sie verzweifelt zwischen den Kanälen und Gassen des
Viertels. Keine Spur. Nervös kaute er auf seinen Fingern. Er musste sie haben.
Doch sie gehörte dem Anführer der Schar. Rattler.
ROLLENSPIEL
Factor ist besoffen vor Liebe. Er hat die Kontrolle über seine Gedanken verloren, schweift
unentwegt durch seine Erinnerungen, krallt sich an jedes Detail aus Alabasters Antlitz.
Sie ist ihm zum Fluch geworden, sein Verstand ist schwerelos und liebestrunken. Er
will die Elster besitzen, mit ihr über alle Berge verschwinden, Operation Mirage hat
längst keine Priorität mehr in seinen Kalkulation. Wenn er sie nicht haben kann, dann
hat sein Leben jeden Sinn verloren. Eifersucht frisst sich durch seine Synapsen, treibt
ihn zu immer leichtsinnigeren Entscheidungen.
PROFIL
ARCHETYP: Franka, Der Vermittler, Chronisten, Rang 4: Fuse
ATTRIBUTE: KÖR 5, GES 4, CHA 1, VER 4, PSY 2, INS 2
FERTIGKEITEN: Athletik 7W, Faustkampf 8W, Kraft 9W, Nahkampf 8W, Ausdauer
6W, Härte 8W, Handwerk 6W, Beweglichkeit 8W, Schusswaffen 9W, Heimlichkeit 7W,
Verhalten 5W, Artefaktkunde 8W, Technik 7W, Legenden 6W, Gerissenheit 7W,
Täuschung 7W, Dominieren 7W, Reaktion 6W, Wille 5W, Orientierung 5W,
Wahrnehmung 6W, Primal 6W, Überleben 5W
HINTERGRÜNDE: Verbündete 3, Autorität 1, Netzwerk 4, Ressourcen 4,
Geheimnisse 2
BESONDERES: Injizierter Transponder
POTENZIALE: Backdoor 2, Dead End 2, Download 1
INITIATIVE: 6W / 12 Egopunkte (Primal)
ANGRIFF: Maschinenpistole, 9W, Distanz (10/40), Schaden 7, Leichtgängig (2T),
Salven (3); Brecher, 8W, Reichweite 1m, Schaden 9, Stumpf
VERTEIDIGUNG: Passiv 2; Nahkampf aktiv (Blocken), Nahkampf 8W;
Fernkampf aktiv (In Deckung werfen), Beweglichkeit 8W; Mental (Wille) 5W
BEWEGUNG: 7m
PANZERUNG: Gepanzerter Overall und Überwurf, Panzerung 4
VERFASSUNG: Versporung 3 / 10, Fleischwunden 16, Trauma 7
BESONDERE AUSRÜSTUNG: Gurt mit diversen Handgranaten (3 x Sprenggranaten,
3 x Blendgranaten, 3 x Rauchgranaten); Influenzgranate (erzeugt durch Partikelwolke
elektrostatisches Feld für instabile Hochspannungsentladung)
DECOY 5
Es läuft nicht gut für Decoy 5. Die letzten Aufträge haben nicht den geforderten Er-
folg gebracht. Der Anschlag auf Atuma in Montpellier schlug fehl. Decoys Identität
wurde in Nord-Purgare kompromittiert. Noch darüber hinaus musste er ein Artefakt
gegen sein Leben eintauschen. Der Cluster hat eine erste Warnung ausgesprochen.
Eine zweite wird es nicht geben. Decoy weiß, dass er unter Beobachtung steht, dass er
angezählt ist und er ein erneutes Scheitern mit seinem Leben bezahlen würde.
Ein kalter Shocker im Nacken und ein schallgedämpfter Schuss zwischen die Au-
gen wären die letzten Eindrücke in Decoys kurzem Leben.
Der zentrale Cluster weiht Decoy in Operation Mirage ein. Er soll die eigenen Leu-
te infiltrieren und dafür Sorge tragen, dass alle Spuren, die zu den Chronisten als Auf-
traggeber führen könnten, verwischt werden. Im Falle des Scheiterns der Mission soll
Decoy alle eingeweihten Subjekte der Operation eliminieren. Die Anführerin Mirage
eingeschlossen. Nicht etwa, um mit den Handelnden abzurechnen, sondern um sie vor
Gefangennahme und Folter zu bewahren und die Preisgabe von Informationen zu ver- FLEMMING
hindern. Decoy weiß, dass er als Failsafe eingesetzt wird, und darin liegt seine Stärke. Decoy verfügt bei seinen Operationen
Er schleust sich bei Kommando Requiem als Richter ein, schlägt sich an die Seite über ein außerordentliches Arsenal an
von Arcville. Ein gefälschtes Schreiben des Senats reicht und der schwarze Richter frisst Tarnidentitäten, mit denen er bestimm-
Decoy aus der Hand. Zu einfach, denkt Decoy, das Kommando ist zu sehr von sich te Gruppierungen infiltriert. In Toulon
überzeugt. Es ist nur eine Frage der Überheblichkeit, bis jemand einen Fehler macht. spielt er die Rolle des frankischen Rich-
Nur wer? Decoy rennt die Zeit davon. Zu viele Fraktionen ziehen hier gleichzeitig die ters Flemming, der Arcville im Auftrag
Fäden, die Mischung ist brandgefährlich und kann eine Kettenreaktion auslösen, die Justitians zur Seite gestellt wird. Er gibt
alle Beteiligten in den Tod reißt. sich griesgrämig und wortkarg, kaut auf
Tabak herum und macht Notizen. Um
ROLLENSPIEL das Vertrauen seiner Gesprächspartner
Decoy ahnt, dass es bereits einen Verräter in den eigenen Reihen von Kommando Re- zu gewinnen, erzählt er vom Leben im
quiem gibt. Nur kann er ihn noch nicht lokalisieren, denn er kennt dessen Motivation Protektorat, das um ein Vielfaches si-
nicht. Der Shutter weiß, was auf dem Spiel steht. Ein Fehltritt und er wird namenlos cherer ist, als hier draußen an der Küste
als Wasserleiche draußen im Sumpf treiben. Er braucht mehr Informationen aus unab- zwischen Gesetzlosen, Halsabschneidern
hängiger Hand. In Chronistenuniform schleust er sich nach Terres Putain ein, sondiert und Mördern.
die Lage und kauft Informationen von anderen Parteien ein. Er muss herausfinden,
wer in dieser Operation wirklich das Sagen hat. I N V E N TA R
STREAMDROHNE
Eico ist eine von Decoy recodierte Spio-
nagedrohne. Er hat sie um rudimentäre
Sprachfunktionen erweitert und sie hat
PROFIL begrenzte Lernfähigkeit. Die Drohne ist
ARCHETYP: Borca, Der Eroberer, Chronisten, Rang 3: Shutter handtellergroß und kann mit ihrer Mi-
ATTRIBUTE: KÖR 4, GES 5, CHA 3, VER 4, PSY 4, INS 3 krosensorik sowohl Bilder als auch Ge-
FERTIGKEITEN: Athletik 8W, Kraft 8W, Nahkampf 7W, Ausdauer 6W, Härte 6W, räusche aufzeichnen, die Decoy über sei-
Handwerk 8W, Fingerfertigkeit 8W, Beweglichkeit 9W, Schusswaffen 9W, nen Opticalizer ausliest. Eico ist Decoys
Heimlichkeit 10W, Verhalten 7W, Ausdruck 6W, Artefaktkunde 7W, Technik 7W, fliegendes Auge, sein Frühwarnsystem
Fokus 6W, Legenden 6W, Gerissenheit 8W, Täuschung 8W, Dominieren 7W, und seine einzige Gefährtin.
Reaktion 7W, Wille 6W, Empathie 6W, Orientierung 5W, Wahrnehmung 7W
HINTERGRÜNDE: Netzwerk 4, Ressourcen 4, Geheimnisse 3 POTENZIALE
BESONDERES: Zugriff auf sanktionierte Technik MULTIPLY
POTENZIALE: Dead End 2, Download 2, Multiply 2 VORAUSSETZUNG:
INITIATIVE: 7W / 12 Egopunkte (Fokus) Chronisten, PSY+Täuschung 6
ANGRIFF: Kampfmesser, 8W, Reichweite 1m, Schaden 6, Leichtgängig (2T); Ich bin Viele. Manche Shutter streifen
Scharfschützengewehr mit Visier, 9W, Distanz (50/400), Schaden 11, Empfindlich eine andere Identität so lange über, bis
VERTEIDIGUNG: Passiv 2; Nahkampf aktiv (Blocken), Nahkampf 8W; Fernkampf aktiv sie zur zweiten Haut geworden ist. Mit
(Deckung suchen), Beweglichkeit 9W; Mental (Wille) 6W diesem Potenzial kann sich ein Chro-
BEWEGUNG: 8m nist eine Anzahl bewährter Deckiden-
PANZERUNG: Chronistenanzug, Panzerung 2, Erster Eindruck (+1W), titäten zulegen, die der Potenzialstufe
Source (Stufe 3), Fumor (Stufe 2), Entladung (Stufe 2) entspricht. Er wechselt so gekonnt von
VERFASSUNG: Versporung 0 / 12, Fleischwunden 12, Trauma 8 der einen Rolle zur anderen, dass er im
BESONDERE AUSRÜSTUNG: Opticalizer (Maske mit Spezialoptik; negiert sämtliche Zusammenhang mit der jeweiligen Iden-
Sicht-Mali durch Umwelteinflüsse); Streamdrohne mit Recording-Funktion und Display; tität +1W je Potenzialstufe auf PSY+Täu-
Dietriche; Tarnfarben; Richtermantel, Hut und Sonnenbrille (Panzerung 2) schung erhält.

THE KILLING GAME 97

DIE SCHWARZE
SCHAR
RAUBTIERE
Das Mittelmeer gehört Tripol, sagen die Neolibyer. Das
Mittelmeer gehört der Schwarzen Schar, sagen die Apoka-
lyptiker. Beide Seiten haben recht. Jeden Monat ändert sich
die Lage. Eine Handelsroute, die vortags noch als sicher und
ertragreich galt, kann im nächsten Augenblick zum Ruin
für die Besatzung und Konzession eines Magnaten führen,
wenn die Schwarze Schar zuschlägt. Doch auch die Zug-
vögel haben mit immer gefährlicheren Gegenschlägen der
Geißler zu rechnen. Überfälle werden ohne Gnade vergol-
ten – gefangenen Apokalyptikern droht Folter, Versklavung
oder Feuertod. So schnell wie der Reichtum geplünderter
Frachter angehäuft ist, so schnell kann das eigene Leben be-
reits im nächsten Augenblick erloschen sein. Wie so vieles
im Wesen eines Apokalyptikers ist auch das Dasein auf dem
Meer nur ein Rausch der Erlebnisse, an dessen jähem Ende
ein verkohlter Leichnam auf den Wellen dahintreibt.
Dennoch rühmt sich die Schwarze Schar damit, der
mächtigste zusammenhängende Bund von Apokalyptikern
auf dem Mittelmeer zu sein. Ihre drei Anführer Callisto,
Meridian und Sabata gelten als grandiose Strategen. Ihnen
ist mit herkömmlichen Methoden nicht beizukommen.
Tripol würde diejenigen mit Schiffsladungen an Dinaren
überschütten, die es vermögen, einen der drei Köpfe der
Schwarzen Schar abzuschlagen. Leichter gesagt als getan.
Denn unter der Flagge der Schar versammeln sich knapp
siebenhundert Piraten, bis an die Zähne bewaffnet, ge-
folgsam und loyal bis in den Tod. Auf wendigen Trimara-
nen, die mit schweren Bordgeschützen ausgestattet sind,
peitschen sie über die Wellen hinweg, liefern sich Gefechte
mit großen africanischen Transportschiffen. Derweil ver-
keilen sich ihre kleinen, höchst manövrierbaren Enterschif-
fe mit hydraulischen Haken in Schiffsrümpfen, häuten die
Außenhülle wie eine Zwiebel und ermöglichen den Piraten
einen blitzschnellen Einfall in den vollbeladenen Bord-
raum. Kampftaucher schießen vom Wasser aus mit Harpu-
nenarmbrüsten auf die Besatzung an der Reling, reißen die
aufgespießten Verteidiger hinab in die Fluten und erträn-
ken sie dort. Im Kampf Mann gegen Mann auf offener See
oder auf engen Küstengewässern nutzt die Schwarze Schar
Jetboote samt aufgepflanzten Lanzen oder Maschinenge-
wehren am Lenkrad. Dazu kommen Luftkissenfahrzeuge,
die ein schnelles Anlanden von Truppen an flachen Strän-
den und Buchten ermöglichen.
Ihre Ressourcen sind mannigfaltig, die Angriffstaktiken
selten vorhersehbar. Die Schwarze Schar ist eine Plage, der
die Neolibyer nicht alleine Herr werden können. Seit Jah-
ren schon werben sie für einen Schulterschluss mit ande-
ren Kulten der Südküste, um zu einem Vernichtungsschlag
 WHEN THE SWALLOWS F E L L F R O M T H E E AV E S ,

AND THE GULLS FROM THE SPIRES,

THE S TA R L I N G S , IN MILLIONS,
WOULD FEED ON THE G R O U N D WHERE THEY LIE

FLEE
AND THE AMBULANCE MEN SAID
“THERE’S NOWHERE TO FOR YOUR LIFE,”
SO WE STAY INSIDE,
AND WE’LL SLEEP UNTIL

THE WORLD OF MAN IS PARALYZED.

[ S H E A R W AT E R ]

auszuholen, doch bis jetzt ist niemand außer den Geißlern
bereit den Kampf aufzunehmen. Der Schaden in den Bilan-
zen der Handelsbank ist gewaltig, die Schadenfreude der
Chronisten ebenso.
SCHLECHTE ZEICHEN
Das Tarot der Apokalyptiker ist von Schar zu Schar ver-
schieden, Symbole und Muster werden von Raben und
Bussarden nach eigenen Traditionen gedeutet, verheißen
Glück, warnen vor Unheil oder enthüllen einen Blick auf
das Morgen nach dem Übermorgen. Eine bestimmte Abfol-
ge der Karten jedoch ist bei allen Scharen als Sinnbild für
das absolute Unheil bekannt: Der Absonderliche thront
über dem Schöpfer.
Werden diese beiden Karten übereinander gelegt,
steht die Zukunft unter einem schlechten Stern. Die Be-
deutung dieses Musters hat sich über die Jahrhunderte in
den Köpfen der Hellseher und Kartenleger verankert. Der
Absonderliche verkörpert Chaos, Zerstörung, Verheerung
und Untergang. Der Schöpfer steht für Geburt, Reinheit,
Lebenskraft.
Als einzelne Karten können sie eine Prophezeiung zum
Guten wie zum Schlechten wenden. In Kombination mitei-
nander hingegen stehen sie für die Wiedergeburt der dun-
kelsten Triebe, die Stunde Null, den Morgen, der niemals
kommen wird, und ein Labyrinth aus Qualen, aus dem es
kein Entrinnen gibt.
Nur dreimal in den vergangenen fünfhundert Jahren
soll diese Kombination überhaupt gelegt worden sein – bei
der Geburt des Pheromanten Markurant, dem Untergang
Exalts und am Tag vor dem Eshaton.
Vor wenigen Wochen erscheint wie aus dem Nichts das
fatale Muster bei den Kartenlegern der Schwarzen Schar.
Auch darüber hinaus, im gesamten Rhône-Delta, legen
Raben die verhängnisvolle Kombination, versuchen aus
ihr die Ankunft des folgenschweren Tages zu deuten, der
sich wie ein Sturm am Horizont zusammenbraut. Während
Zugvögel auf dem Festland noch interpretieren, nimmt die
Schwarze Schar bereits Witterung auf.
Toulon ist der Ursprung des Omens. Trimarane werden
aufgetankt, Munition verladen, Piraten aus den Nestern
gezerrt und ausgenüchtert. Morgen wird in See gestochen,
um die Südküste Frankas zu erreichen, bevor es zu spät ist.
Die Anführer sind sich einig – sie wollen ihrem Schicksal
zuvorkommen, es abwenden, bevor sie alle daran zugrunde
gehen.
Sie sind auf das Schlimmste vorbereitet.

THE KILLING GAME 99


FERNER MOND
Wie viele Apokalyptiker wuchs Callisto
unter Störchen auf. Sie wurde als Kind
entführt und zur Burn-Ernte in die Spo-
renfelder geschickt, sobald sie laufen
konnte. Ihre Eltern sah sie nie wieder. Sie
hat ihr gesamtes Leben im Kult verbracht,
seine schlimmsten und besten Seiten ge-
sehen und sich bis an die Spitze gekämpft.
Sie hat es zu Ruhm gebracht und verkör-
pert den Herzschlag der Apokalyptiker
wie kaum eine Zweite. Nur selten denkt
sie deshalb zurück an den Storch, der sie
auf den Namen Callisto taufte. Sie hat ge-
hört, es sei der Name eines fernen Mon-
des, irgendwo da draußen am Firmament.
POTENZIALE
SCHICKSALSSTERN
VORAUSSETZUNG: Apokalyptiker,
min. Rang 3, CHA+Führung 10, PSY+Ge-
rissenheit 10 / 1x pro Tag
Callistos Schicksalsstern scheint gleißend
hell am Nachthimmel. Ihre Zukunft ist
eng mit der des Kultes verwoben. Als
Rabe der Raben fällt es ihr leicht, selbst
andere Scharführer auf ihre Seite zu zie-
hen. Sie folgen ihr freiwillig, nichts wird
jemals Callistos Führungsanspruch er-
schüttern. Sie ist bereits jetzt eine Legen-
de. Ihre Autorität kann nur noch durch
freiwilligen Verzicht sinken.
CALLISTO
Der Himmel glüht. Die Sonne ist ein wabernder Feuerball, der das gelbe Gras versengt.
Drei Vögel stürzen herab, die Flügel gebrochen, die Federn verbrannt. Rabe, Bussard,
Albatross. In ihrem Todeskampf starren sie hinauf, sehen ihren Mörder mit ausgebrei-
teten Schwingen um die Sonne kreisen. Der Phönix.
Callisto erwacht unter Krämpfen und Fieber aus ihrem Schlaf, den Krug Wasser
neben ihrem Schlafplatz leert sie in einem Zug. Der selbe Traum, seit Wochen. Ein
Feuervogel macht Jagd auf die Anführer der Schar, verbrennt sie zu Asche.
Jahrelang hat sie die Macht der Apokalyptiker auf dem Mittelmeer ausgebaut, wur-
de zu einer gefürchteten Piratin, deren Beutezüge erhebliche Schäden in die Flanke
der Neolibyer rissen. Auf Corpse lieferte sie sich schwere Gefechte mit einfallenden
Geißler-Rudeln und hielt gleichzeitig die primitiven Klans aus dem unwirtlichen Hin-
terland in Schach. Niemandem gelang es, mit Callistos Piraten abzurechnen. Selbst der
Rabenmutter aus dem fernen Justitian blieb nichts anderes übrig, als ihr Lob zu über-
senden und gleichwohl nach ihrem Anteil aus den Beutezügen zu verlangen. Callisto
verschickte ein Viertel davon, denn sie wusste, mit wem sie teilen musste, um ihr Nest
sauber zu halten. Unter ihrem Einfluss vereinten sich die drei mächtigsten Scharen auf
der Pirateninsel Corpse zu einer einzigen – der Schwarzen Schar.
Doch jetzt schleicht sich die Angst in ihr Nachtlager. Dieser Fiebertraum lässt sie
nicht los, seine Bedeutung ist ihr fremd. Verzweifelt legt sie das Tarot. Die Karten zei-
gen immer und immer wieder dasselbe Blatt. Der Absonderliche liegt auf dem Schöp-
fer. Ein Mahlstrom droht, er bringt Chaos, Vernichtung und Tod. Sie muss die anderen
Anführer der Schar zu Rate ziehen und ruft sie zu einer Zusammenkunft.
ROLLENSPIEL
Callisto ahnt, dass ihr Traum mehr ist als nur ein Hirngespinst. Sie vertraut auf das Ta-
rot, kennt die Kraft seiner Prophezeiung. Unruhe breitet sich in ihr aus. Sie ist es nicht
gewohnt, ausgeliefert zu sein. Mit jedem Tag, der verstreicht, wird es schlimmer. Wer
auch immer hinter dem Symbol des Phönix steckt, sie wird ihn finden müssen, bevor er
sie und die anderen findet. Sie muss schneller sein als der Feuervogel.
PROFIL
ARCHETYP: Franka, Der Bewahrer, Apokalyptiker, Rang 3: Rabe
ATTRIBUTE: KÖR 3, GES 4, CHA 4, VER 3, PSY 5, INS 3
FERTIGKEITEN: Athletik 7W, Faustkampf 7W, Kraft 7W, Nahkampf 7W, Ausdauer
6W, Härte 7W, Fingerfertigkeit 7W, Steuern 10W, Beweglichkeit 8W, Schusswaffen
8W, Heimlichkeit 8W, Verhalten 7W, Führung 10W, Verhandlung 10W, Verführung
8W, Legenden 7W, Gerissenheit 11W, Täuschung 9W, Dominieren 8W, Glaube 10W,
Reaktion 7W, Empathie 8W, Orientierung 8W, Wahrnehmung 8W, Primal 8W,
Überleben 7W
HINTERGRÜNDE: Verbündete 6, Autorität 6, Netzwerk 4, Ruf 6, Ressourcen 5,
Geheimnisse 5
BESONDERES: Oberste Anführerin der Schwarzen Schar
POTENZIALE: Krähennest 3, Schicksalskarte 3, Schicksalsstern
INITIATIVE: 7W / 16 Egopunkte (Primal)
ANGRIFF: Repetierarmbrust, 10W, Distanz (15/60), Schaden 10; Klingenarmreif, 9W,
Reichweite 1m, Schaden 7, Leichtgängig (2T), Getarnt (4S)
VERTEIDIGUNG: Passiv 3; Nahkampf aktiv (Parieren), Faustkampf 9W;
Fernkampf aktiv (Wegducken), Beweglichkeit 8W; Mental (Glaube) 10W
BEWEGUNG: 7m
PANZERUNG: Lederpanzer, Panzerung 3
VERFASSUNG: Versporung 3 / 20, Fleischwunden 14, Trauma 8
BESONDERE AUSRÜSTUNG: Apokalyptisches Tarot; Rabenschmuck (Callisto pflegt
den alten Brauch, Treueschwüre zusammen mit einem Geschenk anzunehmen)
S A B ATA
Drei Ladungen Glorie nach Ducal, zwei Ladungen nach Ajaccio, eine über Elanis Route
nach Perpignan. Sabata gebietet dem Leoparden auf der letzten Route vorsichtig zu
sein und unter neolibyscher Flagge zu fahren, denn der Klan Bordenoir kontrolliere
unmarkierte africanische Fracht in letzter Zeit verstärkt. Eine wohlgemeinte Warnung
und ein Kuss auf die Wange, dann wünscht sie dem Händler eine sichere Überfahrt.
Sabata nimmt einen tiefen Zug aus ihrem Ziegenbalg – Argus. Es wird heiß hinter
ihrer Stirn, ihre Augenlider flimmern. Sie schreitet unter einem Vorhang hindurch, der
zu ihrem Nebenzimmer führt, wo der Opferaltar steht. Auf der steinernen Platte liegen
tote Sperlinge, die Flügel verdreht, die Köpfe abgerissen. Blut sammelt sich in einer
kleinen Lache in der Mitte der Platte. Sabata blickt hinein, versucht die Zukunft zu
erfassen. Das Burn in ihren Lungen brennt, feuert Signale in ihr Unterbewusstsein. Sie
blutet aus der Nase, roter Sud perlt ihr über die Lippen, tropft herab und vermischt sich
mit dem Blut der Sperlinge. Vor ihren Augen verformt sich die Lache, vibriert, fließt
auseinander, dann wieder zusammen. Ein Muster bildet sich, ein blutiger Irrgarten, der SCHLEICHHANDEL
pulsiert und keinen Ausweg zeigt. Für die Schwarze Schar kontrolliert Saba-
Sabata stemmt sich gegen den Altar, kreischt vor Verzweiflung und stößt die Platte ta den gesamten Burnschmuggel auf dem
um. Die Vision verebbt, nur ein leises Echo zwitschernder Sperlinge hallt in ihren Oh- Mittelmeer. Sie arbeitet mit Leoparden,
ren nach. Sie ist sich gewiss, ein Rachegeist hat die Welt der Lebenden betreten und Fischern des Rhône-Deltas, korrupten
wird nicht ruhen, bis er seine Vergeltung findet. Sabata muss ihre Schar warnen. Sie Spitaliern und Zugvögeln des Festlands
wirft ihren Umhang aus Federn über die Schultern und eilt hinunter zum Pier. Zum zusammen. Übergaben, Handel und Ver-
Schwarzen Nest ist es eine Tagesreise. ladungen finden mitten auf dem Meer
statt oder auf kleinen Inselketten, die di-
ROLLENSPIEL rekt vor Corpse liegen. Sabatas Schmugg-
Sabata ist die Augurin der Schwarzen Schar, ihr zweites Gesicht ist stets auf die Zu- ler sind ständig in Bewegung und liefern
kunft gerichtet. Über Jahre hinweg haben ihre Vorahnungen die Schar vor dem Un- Ware aus ganz Europa, die von hier aus
tergang bewahrt, ihr Gefahrensinn ist selbst unter anderen Hellsehern legendär. Doch die Küstenstäde Frankas, Africas und Hy-
der Argus-Missbrauch fordert schrittweise seinen Tribut. Es fällt ihr immer schwerer brispanias erreicht.
im Augenblick zu leben. Die Eindrücke, die aus der Zukunft auf sie einprasseln, verne- Auch deshalb hat sie Zugang zu allen
beln ihre Sicht auf das Jetzt. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Versporung überhand Burnsorten bester Qualität und weiß jede
nimmt und sie sich in dem endlosen Feld aus Möglichkeiten eines unbekannten Über- von ihnen für sich zu nutzen.
morgens verliert.

PROFIL
ARCHETYP: Hybrispania, Der Traditionalist, Apokalyptiker, Rang 3: Bussard
ATTRIBUTE: KÖR 2, GES 3, CHA 3, VER 4, PSY 4, INS 4 POTENZIALE
FERTIGKEITEN: Athletik 5W, Faustkampf 5W, Kraft 4W, Nahkampf 5W, Ausdauer 5W, ZWEITES GESICHT
Härte 4W, Fingerfertigkeit 6W, Steuern 7W, Beweglichkeit 6W, Künste 7W, Ausdruck VORAUSSETZUNG: Permanente Ver-
8W, Führung 6W, Verhandlung 6W, Legenden 10W, Medizin 6W, Wissenschaft 5W, sporung min. 4, INS+ Wahrnehmung 10,
Gerissenheit 6W, Täuschung 7W, Dominieren 9W, Glaube 10W, Reaktion 7W, INS+Empathie 10
Empathie 10W, Wahrnehmung 10W, Primal 8W Sabata sieht die Zukunft. Ununterbro-
HINTERGRÜNDE: Verbündete 4, Autorität 5, Netzwerk 4, Ruf 5, Ressourcen 3, chen. Aus den fragmentierten Teilstü-
Geheimnisse 6 cken webt sie ein Muster zusammen, das
BESONDERES: Vollständige Burnabhängigkeit: -4W auf PSY+Glaube außerhalb von ihre Schar vor Gefahren schützt und ihr
Rausch- und Stimulusphase Vorteile gewährt. Einmal pro Tag würfelt
POTENZIALE: Schwarzes Omen 3, Zweites Gesicht sie auf INS+Wahrnehmung (3). Bei Erfolg
INITIATIVE: 7W / 16 Egopunkte (Primal) erhalten die Scharmitglieder der Augurin
ANGRIFF: Koumaya-Dolch, 6W, Reichweite 1m, Schaden 5 +1W je erzieltem Trigger als Bonus auf
VERTEIDIGUNG: Passiv 2; Nahkampf aktiv (Parieren), Nahkampf 6W; Aktionen, die in unmittelbarem Zusam-
Fernkampf aktiv (Deckung suchen), Beweglichkeit 6W; Mental (Glaube) 10W menhang mit der Vision stehen. Steht ein
BEWEGUNG: 5m Angriff bevor, werden die Bonuswürfel
PANZERUNG: Lederbody und Umhang aus schwarzen Federn, Panzerung 2 auf die Initiative gerechnet, geht es um
VERFASSUNG: Versporung 15 / 20 (6 Punkte permanent), Fleischwunden 8, Trauma 6 Verhandlungen, wird der Bonus sozialen
BESONDERE AUSRÜSTUNG: Burnbalg (aus feinstem Eisvogelfell gefertigt); mehrere Le- Fertigkeiten zugeschrieben, geht es ums
derbeutel mit Burn (3 x Bion (Stufe 6), 3 x Glorie (Stufe 6), 3 x Eintracht (Stufe 6), 3 x Argus Überleben, greift der Vorteil für Instinkt-
(Stufe 6), 1 x Muse (Stufe 4)); Opferscheibe (heiliges Gestein, geschlagen in Zillah) fertigkeiten etc.

THE KILLING GAME 101


HERR DER MEERE
Meridian wuchs auf dem Meer auf, kennt
das Wasser besser als das Land. Ist er auf
See, ist es so gut wie unmöglich für ihn,
die Orientierung zu verlieren. Er kennt
jede Strömung und jeden Strudel, kann
selbst die unterirdischen Bewegungen des
Sichelschlags deuten und rechtzeitig um-
schiffen. Seine Schlupflöcher und Lager
sind deshalb an Ufern versteckt, an denen
kaum ein anderes Boot wagen würde an-
zulegen. Wird er verfolgt, so lockt er sei-
ne Häscher in gefährliche Gewässer und
lässt ihre Boote an scharfkantigen Klip-
pen zerschellen oder auf Grund laufen.
An Land hingegen fühlt er sich unsicher
und ausgeliefert, meidet den festen Bo-
den unter den Füßen am liebsten.
I N V E N TA R
DER ARMREIF
Um seinen linken Oberarm trägt Meri-
dian einen auffälligen Armschmuck. Zu-
sammengehalten von mehreren Leder-
bändern reiht sich dort kleines Strandgut
aneinander: Muschelschalen, blank ge-
scheuerte Holzsplinte, Federn, Steinchen
und Schraubenmuttern. Er ist nicht sen-
timental – jedes Teil ist charakterisierend
für einen bestimmten Ort, sei es eine
Insel mit einer seltenen Vogelart oder
ein Strand, an dem eine bestimmte Mu-
schelsorte heimisch ist. Erinnerungshilfen.
Meridian unterhält so viele Unterschlüpfe,
Waffenlager und Burnverstecke, dass er den
Überblick wahren muss. Die Hinweise des
Armreifs zu entschlüsseln und die Verstecke
zu lokalisieren, erfordert eine aufwändige,
kombinierte Aktion in INS+Überleben
und VER+Wissenschaft (100 Erfolge). Die
beiden Aktionswürfe dürfen 1 x pro Monat
nach fortschreitenden Nachforschungen
ausgeführt werden.
MERIDIAN
Vor wenigen Jahren vernichteten mehrere bis an die Zähne bewaffnete Geißler-Rudel
im Auftrag der Handelsbank die Sonnenschar, die bis dahin erfolgreichste Piratengrup-
pe an der Westflanke von Corpse. Ihr Anführer Vulco und eine Handvoll verbliebener
Möwen, die nicht im Maschinengewehrfeuer zerfetzt wurden, flohen nach Norden,
Richtung Justitian.
Meridian fand ein Machtvakuum vor, das gefüllt werden musste. Er war zur rich-
tigen Zeit am richtigen Ort, rekrutierte Neuankömmlinge, ließ das alte Nest abreißen
und Verwertbares zu einem neuen Versteck bringen. Das Mittelmeer war immer noch
die ertragreichste und am schwersten zu kontrollierende Schmuggelroute. Was sich
draußen auf See holen ließ, übertraf bei weitem alles, was bei Überfällen auf dem Land
zu holen war. Meridian machte sich seine Kenntnis über das Meer zu Nutze, plünderte,
raubte und erpresste, bis sein Erfolg unübersehbar geworden war. Es wäre nur eine
Frage der Zeit, bevor ihn ein ähnliches Schicksal wie Vulco ereilte.
Als Callisto ihm den Vorschlag unterbreitete, die Scharen von Corpse zu einer Ein-
zigen zu bündeln, um Stärke und Dominanz zu zeigen, schlug Meridian unverzüglich
ein. Zu dritt hatten sie den Geißlern weitaus mehr entgegenzusetzen als allein.
Plötzlich jedoch verändert sich Meridians Zuversicht. Er hat schon längst nicht
mehr an schlechte Vorahnungen geglaubt, da bemerkt er etwas im Augenwinkel. Es ist
wie eine Heimsuchung, die er nicht fassen kann. Etwas bewegt sich im Meer. Es wohnt
im Schlick. Es schlängelt sich durch den sandigen Boden. Meridian hat Visionen. Er
versucht die Zeichen zu deuten und mischt das erste Mal seit Jahren sein Tarot. Zwei-
mal, dreimal, viermal. Immerzu dasselbe Bild, die gleiche Abfolge: Der Absonderliche
liegt auf dem Schöpfer. Das schlimmste Omen. Alles Leben ist der Willkür ausgeliefert.
Die Ordnung zerbricht und Irrsinn quillt in die Welt. Wenn er die Augen schließt, sieht
er nur Bilder von zitternden, federlosen Raben. Blutend husten sie ihre Eingeweide
heraus.
ROLLENSPIEL
Meridian hatte nie viel für die Mystik seines Kultes übrig. Er lebte lieber in der Wirk-
lichkeit, wo Kugeln töten und ein verstecktes Messer das Überleben sichert. Umso
mehr verstören ihn die Trugbilder, die ihn nun unablässig begleiten. Seine Augen sind
gerötet vor Schlaflosigkeit. Er muss Callisto um Rat aufsuchen, um das Tosen in seinem
Kopf zu bändigen.
PROFIL
ARCHETYP: Purgare, Der Wanderer, Apokalyptiker, Rang 3: Albatross
ATTRIBUTE: KÖR 4, GES 4, CHA 2, VER 3, PSY 5, INS 4
FERTIGKEITEN: Athletik 8W, Faustkampf 6W, Kraft 8W, Nahkampf 10W,
Ausdauer 6W, Härte 9W, Fingerfertigkeit 7W, Steuern 10W, Beweglichkeit 9W,
Schusswaffen 7W, Verhalten 6W, Führung 5W, Verhandlung 5W, Verführung 7W,
Legenden 6W, Gerissenheit 7W, Dominieren 10W, Reaktion 8W, Wille 7W,
Orientierung 10W, Wahrnehmung 8W, Primal 7W, Überleben 7W
HINTERGRÜNDE: Verbündete 5, Autorität 5, Netzwerk 3, Ruf 5, Ressourcen 4,
Geheimnisse 2
BESONDERES: Bonus +2W auf INS+Orientierung auf dem Mittelmeer
POTENZIALE: 1.000 Wege 2, All-In 3, Links wie rechts 2
INITIATIVE: 8W / 14 Egopunkte (Primal)
ANGRIFF: Austarierte Zwillingssäbel mit Perlmuttgriffen, 12W (10W im Beidhändigen
Kampf), Reichweite 1m, Schaden 9
VERTEIDIGUNG: Passiv 3; Nahkampf aktiv (Blocken), Nahkampf 12W;
Fernkampf aktiv (Wegducken), Beweglichkeit 9W; Mental (Wille) 7W
BEWEGUNG: 8m
PANZERUNG: Weite rote Kutte mit Schmuck und Muscheln behangen, Panzerung 1
VERFASSUNG: Versporung 4 / 14, Fleischwunden 18, Trauma 9
BESONDERE AUSRÜSTUNG: Meridians Armreif; Ziegenbalg (3 x Glorie (Stufe 5));
Kupferfernglas (Beutegut aus Meridians erstem Angriff auf einen africanischen Frachter,
bei Fernbeobachtung +2W INS+Wahrnehmung)
IVAR
Ivars letzte Erinnerung sind endlose Schmerzen. Jemand presst ihn zu Boden, hat ihm
das Knie in den Nacken gedrückt. Die Stichflamme eines Bunsenbrenners faucht ne-
ben seinem Ohr. Die Luft knistert. Es riecht nach verbranntem Fleisch und kochendem
Blut. Er versucht sich aufzurichten, doch das Tier auf seinem Rücken kugelt ihm mit
einem Ruck die Schulter aus. Ivar schreit, windet sich, versteht nicht, was vor sich geht.
Kalter Schweiß perlt ihm in die Augen, sein Blick ist verschwommen. In einer dunklen
Ecke des Nestes macht er einen Storch seiner Schar aus. Jorane ist geknebelt und an
einen Stuhl gekettet, seine Augen irren verzweifelt umher, seine Brust bebt vor Angst.
Zu Joranes Füßen liegen Leichen verstreut. Ivar kennt sie alle. Allesamt Störche der
Schwarzen Schar.
Plötzlich tritt jemand in das Panorama von Ivars Blickfeld. Joranes Atem geht im
Stakkato, als er an der blutverschmierten Gestalt vor ihm hochblickt. Vom Boden aus
versucht Ivar das Gesicht des Mannes auszumachen, doch er erkennt nur dessen selt-
same Tätowierungen, die sich wie ein Irrgarten über den gesamten Rücken spannen. NESTBAU
Dann beginnt das Gemetzel. Ivar sieht, wie der Fremde mit einem Gewehrkolben auf Ivars Mission war es, in Toulon ein neues
Joranes Kopf einschlägt. Immerzu, Hieb um Hieb, bis der Schädel unter dem Hagel von Nest für die Schwarze Schar aufzubauen,
Schlägen mit einem lauten Knacken nachgibt. um in Zukunft Ducal und Bayonne zu
Stille. Niemand spricht. Kein einziger Ton während des gesamten Blutbads. umschiffen und direkt durch Toulon zu
Ivar will leben. Sein Todeskampf beginnt. Mit letzter Kraft versucht er sich gegen den schmuggeln. So weit, so harmlos.
Bullen zu stemmen, der ihn auf den Boden genagelt hat. Doch da hat ihn das Tier Die Störche, die ihn begleiteten, soll-
schon am Schopf, schlägt Ivars Kopf wie im Wahn auf die Holzbohlen. Blut und Staub ten Ausschau nach möglichen Rekruten
verkleben seine Augen, er sieht nichts mehr, hört nur das Aufheulen des nahenden für die Schar halten und Kinder für die
Bunsenbrenners, spürt dessen sengende Hitze. Sein Herz rast, und Ivar ist sich sicher, Burn-Ernte besorgen. Saint Chenil war
im nächsten Atemzug ist alles vorbei. dafür wie geschaffen. In der Orphanage
Urplötzlich erlösende Worte: „Tu ihm weh. Aber lass ihn am Leben. Wir brauchen gab es Kinder im Überfluss.
einen Lockvogel.” Einen Augenaufschlag später frisst sich die Stichflamme des Bunsen- Weswegen wurden sie angegriffen?
brenners durch Ivars Haut, sein Gesicht schmilzt. Endlose Schmerzen. Waren es Revierkämpfe unter Apokalyp-
tikern? Der Schmuggel hatte noch gar
ROLLENSPIEL nicht begonnen, das Nest befand sich
Als Ivar am Ufer des Schwarzen Nests angespült wird, weiß er nicht, wie viel Zeit seit noch nicht einmal im Aufbau.
der Folter vergangen ist. Tage? Wochen? Er hat jedes Zeitgefühl verloren, stolpert über Wollte jemand ein Zeichen setzen?
den Strand, sucht seine Schar. Er muss sie warnen. Vor dem Wahnsinnigen, der gekom- Eine Fehde? Wer würde es wagen, der
men ist, um mit ihnen abzurechnen. Schwarzen Schar so offen den Krieg zu
erklären?

PROFIL
ARCHETYP: Franka, Der Wanderer, Apokalyptiker, Rang 2: Specht VERLASSENES NEST
ATTRIBUTE: KÖR 2, GES 4, CHA 1 (3), VER 2, PSY 3, INS 4 Terres Putain. Ein aufgegebener Versor-
FERTIGKEITEN: Athletik 5W, Nahkampf 5W, Kraft 5W, Ausdauer 4W, Härte 5W, gungskeller zwischen dem Le Cirque und
Handwerk 7W, Fingerfertigkeit 6W, Beweglichkeit 5W, Schusswaffen 5W, Künste 3W, einem Nachbarhaus. Der Nestbau war
Verhalten 5W, Führung 4W, Verhandlung 5W, Verführung 4W, Legenden 7W, zwar noch nicht weit fortgeschritten, je-
Gerissenheit 7W, Täuschung 8W, Reaktion 6W, Wille 5W, Empathie 7W, doch hatte Ivar bereits eine Erstausstat-
Orientierung 5W, Wahrnehmung 6W, Primal 5W, Überleben 6W tung herangeschafft. Für die Angreifer
HINTERGRÜNDE: Verbündete 2, Netzwerk 3, Ressourcen 1, Geheimnisse 2 nicht von Interesse lagern in dem aufge-
BESONDERES: Verbranntes Gesicht (-2W auf CHA); Paranoia (+1W auf gebenen Keller noch immer vier Kanis-
INS+Wahrnehmung bei Hinterhalten) ter Petro, sieben Flaschen reines Destil-
POTENZIALE: Geschmeidig 1, Krähennest 1 lat, Werkzeuge, Drahtseilspulen, zwei
INITIATIVE: 6W / 10 Egopunkte (Primal) Handfunkgeräte mit leistungsschwachen
ANGRIFF: Messer, 6W, Reichweite 1m, Schaden 4, Leichtgängig (2T); E-Cubes, drei Armbrüste mit rund ein-
Wurfmesser, 5W, Distanz (3/10), Schaden 5 hundert Bolzen und eine Sammlung ein-
VERTEIDIGUNG: Passiv 2; Nahkampf aktiv (Zurückweichen), Beweglichkeit 5W; facher Nahkampfwaffen sowie Wechsel-
Fernkampf aktiv (Auf den Boden werfen), Beweglichkeit 5W; Mental (Wille) 5W kleidung und verschiedener Kleinkram.
BEWEGUNG: 5m Die Ziegenbälge voller Burn und die
PANZERUNG: Gestopfter und mit Nieten verstärkter Lederbodysuite, Panzerung 2 Dinare hinter den losen Wandbrettern
VERFASSUNG: Versporung 7 / 10, Fleischwunden 10, Trauma 5 (INS+Wahrnehmung (3)) hat Ivar eben-
BESONDERE AUSRÜSTUNG: Gürteltasche (Dinare und Wechsel); Plastikflasche mit falls nicht vergessen. Doch für nichts in
Petro und Brennhölzer (für das Schwein mit dem Bunsenbrenner); Strick (3 Meter lang); der Welt wird er noch einmal an diesen
Fallenbeutel (Stolperdraht und scheppernde Blechplättchen) verfluchten Ort zurückkehren.

THE KILLING GAME 103

DIE FEUERVÖGEL
SCHEITERHAUFEN
Der Ursprung der Feuervögel liegt irgendwo im tiefen
Nordwesten Frankas. Als Schar waren sie nie auffällig. Es
gibt kaum greifbare Informationen zu ihrer Vergangen-
heit, weder über ihren Anführer Rattler, noch dessen losen
Verbund aus Gefolgsleuten, der kaum zwanzig Mitglieder
umfasst. Auch wegen ihrer geringen Größe und ihren un-
durchsichtigen Geschäften haben sie bisher keine Auf-
merksamkeit auf sich gezogen, seit sie vor einem Jahr ihr
Nest in Terres Putain aufschlugen. Die Raben von Bayonne
und Ducal sind ahnungslos. Die Apokalyptiker, die seit Ge-
nerationen in Toulon ansässig sind, ebenfalls.
Niemand weiß: Die Feuervögel sind gekommen, um die
Welt in Brand zu setzen.
Gibt es etwas Gefährlicheres als einen wahnsinnigen,
von Vergeltung getriebenen Apokalyptiker? Ja – einen, der
es mit seinem gesamten Kult aufnimmt.
Rattler ist ein Phönix. Als solcher ist er seinem eige-
nen Grab entstiegen und hat sich aus der Asche erhoben.
Wer auch immer ihn dereinst töten wollte, lebt vermutlich
selbst schon lange nicht mehr. Auf seinem Pfad der Rache
hat Rattler alles aus dem Weg geräumt, das ihn an die Zeit
vor seiner geistigen Wiedergeburt erinnern könnte.
Doch sein Blutdurst ist längst nicht gestillt, denn der
Phönix verfolgt ein erbarmungsloses Ziel. Er will Toulon
in einen Scheiterhaufen verwandeln, nicht etwa, um die
Macht über die Stadt oder Region an sich zu reißen, son-
dern um sie in ein Schlachthaus zu verwandeln. Er will die
feindlichen Parteien gegeneinander ausspielen, so viel Ver-
wirrung wie möglich stiften und das Chaos des schwelen-
den Bürgerkriegs auf seinen Höhepunkt zusteuern. Denn
Rattler kennt seine Brüder und Schwestern. Er weiß, dass
die Apokalyptiker kommen werden, sobald sie den Leichen-
geruch Toulons vernehmen. Wie gierige Geier werden sie
um die tote Stadt kreisen und versuchen sich einzunisten.
Erst dann wird Rattlers Abrechnung beginnen. Er wird sie
töten, einen nach dem anderen, bis er bis zu den Knien in
ihrem Blut watet. Er wird sie bestrafen für das, was sie ihm
angetan haben. Dafür, dass sie ihn als Kind seiner Mutter
raubten, ihm das Töten beibrachten und ihm seine Un-
schuld nahmen.
Der Phönix hat andere um sich geschart, die sein
Schicksal teilen. Es sind die entartetsten Verbrecher und
Henker, die er auf seiner langen Reise ausfindig machen
konnte. Geschöpfe ohne Gnade – den Eltern gestohlen, von
Kindesbeinen an zu Mord und Folter erzogen und einem
selbstzerstörerischen Dasein preisgegeben.
Rattler will sie ermächtigen, Buße zu tun und Rache
an dem Kult zu nehmen, der ihr aller Leben zerstört, der
 GEFÄHRLICH IST WER SCHMERZEN
VOM FEUER
BANG BANG
GEFÄHRLICH DAS
MIT F E U E R DAS VOM
BANG
FEUER FREI!
sie zu herzlosen Bestien gemacht hat: den Apokalyptikern.
Mit dem Untergang Toulons wird Rattler seinen Lockruf
einläuten. Bald schon werden Apokalyptiker entlang der
gesamten Südküste aufbrechen, um sich auf den frischen
Kadaver zu stürzen. Dann wird die Stunde der Erlösung für
die Feuervögel schlagen und Rattlers Gemetzel wird endlos
sein.
ABGESANG
Rattler will so viele Apokalyptiker mit in den Tod nehmen,
wie er kann.
Dabei ist es ihm völlig gleich, wie viele andere Köp-
fe zusätzlich rollen müssen. Kommando Requiem, die
Schrotter, die Neolibyer – für den Phönix haben ihre Le-
ben keinen Wert. Sie sind seine Marionetten. Er muss sie
solange gegeneinander aufhetzen, bis sie an ihren eigenen
Bisswunden verbluten und die Stadt als faules Aas für die
Apokalyptiker überlassen. Nur deshalb schleust Rattler die
Feuervögel in das Geschehen ein. Er manipuliert Mirage,
wiegt sie in Sicherheit, belebt ihren Hass auf Hamza täg-
lich aufs Neue. Sie sieht nicht, dass der Phönix sie auf ihr
eigenes Verderben vorbereitet. In seinen Händen ist sie ein
brauchbares Werkzeug für seinen finalen Akt.
KENNT
DAS DEN GEIST VERBRENNT
G E B R A N N T E KIND
LEBEN TRENNT
EIN HEISSER S C H R E I
BANG
[RAMMSTEIN]
Rattler und seine Feuervögel kennen nur den Wahnsinn,
dem sie sich verschrieben haben. Es ist ihre Art abzurech-
nen. Der Terror, mit dem sie Toulon überfluten werden,
wird seinesgleichen suchen. Denn die Feuervögel fürch-
ten den Tod nicht und in der Welt der Lebenden haben sie
nichts mehr zu verlieren.
SCHLAGKRAFT
Der Sprengstoff, den die Eisenbrüder und Kommando
Requiem in die Stadt geschmuggelt haben, ist nichts, im
Vergleich zu dem, was Rattler mithilfe des desertierten Sap-
peurs Baptiste in Stellung gebracht hat.
Der abtrünnige Hellvetiker hat ein ganzes Alpenlager
seines Kultes leergeräumt, bevor er sich Rattlers Brigade
anschloss. Über Monate hat er die Sprengladungen in ganz
Toulon verteilt, von Port Lagagne bis Ferrallies. Versteckt
in Fugen zwischen Hauswänden, unter Brücken und an
Stegen, in verschachtelten Kneipenecken und Dachstühlen
ticken die Zeitbomben leise und unscheinbar vor sich hin.
Baptiste hat als einziger Kontrolle über die Zünder. Und
wenn Rattler ihm das Zeichen gibt, wird der Hellvetiker
sein Todesurteil über die Stadt sprechen und Toulon in eine
Hölle auf Erden verwandeln.
THE KILLING GAME 105

MUTTER
Niemand weiß, wer sie ist, nicht einmal
Rattler selbst. Doch weiß er, dass er sie
finden muss. Sie ist der Schlüssel zu seiner
Vergangenheit, hält die Antworten für ihn
bereit, die er so verzweifelt sucht. Er will
den Sinn hinter seinem Wahnsinn verste-
hen, den schwarzen Raum in seinem Kopf
ausleuchten, um endlich seinen Frieden
zu finden. Doch vorher muss er sich aus
der Asche erheben und die Welt in Brand
setzten. Dann, so ist er sich sicher, wird
sie ihn als seinen Sohn erkennen und ihn
endgültig in ihre Arme schließen.
POTENZIALE
RORSCHACH
VORAUSSETZUNG: Tätowierungen,
PSY+Dominieren 12, VER+Fokus 10
Rattlers bloße Anwesenheit löst bei An-
greifern blankes Unbehagen und Ner-
vosität aus. Es fällt schwer, die Konzen-
tration zu wahren, ihn überhaupt in den
Fokus zu nehmen. Seine Tätowierungen
sind ein überdimensionales Rorschach-
muster, in dem sich Kontrahenten verlie-
ren. 6en werden bei Angriffen auf Rattler
ganz einfach aus dem Würfelwurf ent-
fernt, wodurch auch die Wahrscheinlich-
keit für Patzer steigt.
UNGLÜCK
VORAUSSETZUNG: Phönix, PSY+Do-
minieren 12, PSY+Gerissenheit 10
Wer in das Feuer des Phönix blickt, ver-
brennt sich. Rattlers Gegenwart versetzt
ausnahmslos jeden in einen unterbe-
wussten Alarmzustand. Wem kein Ak-
tionswurf auf PSY+Glaube/Wille (4) ge-
lingt, erhält bei der Begegnung bei gleich
vielen 1en wie Erfolgen bereits einen Pat-
zer. Im Licht des Phönix versagen Reflexe
und antrainiertes Verhalten verkommt
zu konfusen Kurzschlussreaktionen.
R AT T L E R
Wie ein Kind starrt Rattler auf seine Finger, die er gegen die Sonne hält. Dort, wo Strah-
len die dünne Hautschicht durchbrechen, leuchten die Kuppen feuerrot. In diesem
Moment wirkt es, als hätte alles Leben auf Erden den Atem angehalten, als ob die Vögel
für immer verstummt seien und der Wind alle Kraft verloren hätte.
Woher Rattler kommt, was ihn antreibt, welche Geschichte hinter seinem Wirken
steht, darüber gibt es nur Vermutungen. Er weiß es allem Anschein nach selbst nicht.
Gerüchte ranken sich um die Schar, die einen Wahnsinnigen wie ihn verstoßen ha-
ben mag. Doch es gibt nur Legenden. Rattler selbst spricht nicht darüber. Er schweigt,
macht nur selten Bemerkungen, doch wenn er etwas sagt, dann hat jedes Wort das
Gewicht eines Grabsteins.
Gedanken kreisen in seinem Kopf herum, Zerrbilder, Figmente, gefolgt von ab-
solutem Nichts. Dröhnende Stille breitet sich in ihm aus, der Schrei einer Frau, die
er Mutter nennt, füllt den leeren Raum in seinem Schädel. Dann beginnt das Ritual,
das viele, die Rattler zu nahe kamen, nicht überlebten. Er legt den Zeigefinger auf sein
kahlgeschorenes Haupt. Vorsichtig fährt er die Linien seiner Tätowierungen entlang,
wie eine Maus, die einen Ausweg aus dem Labyrinth sucht, das sich über seinen gesam-
ten Körper spannt. Gerät er in eine Sackgasse, wird er leise, seine Augen schließen sich
sanft und er atmet stumm. Im nächsten Augenblick stirbt jemand.
Niemand ist in einem solchen Moment vor dem Phönix sicher, niemand kann vor-
hersehen, auf welches Opfer sein Todesurteil fällt. Feuervögel und andere Gefolgsleute,
die Rattlers Trance bereits erlebt haben, bringen sich umgehend außer Gefahr, verlas-
sen den Raum oder verschanzen sich hinter Stahltüren. Alabaster, seine Henkersbraut,
hingegen ist die Einzige, die bisher von seiner Mordlust verschont geblieben ist. Er hält
inne, wenn sie ihm in die Augen blickt, sein Blick weicht dem ihren aus, als wolle er
etwas vor ihr verbergen, das tief in ihm vergraben liegt. Fast so, als sei sie in der Lage,
sein Handeln zu durchschauen, wie eine Mutter, die den Wutausbruch eines Kindes
mit einem Augenaufschlag zu bändigen weiß.
ROLLENSPIEL
Rattler ist ein menschliches Mosaik aus Abgründen, die fern jedes Verständnisses
liegen. Sein Verhalten ist immer unberechenbar, jede seiner Handlungen hat bruta-
le Konsequenzen. Doch der Irrsinn hat Methode und verfolgt stets ein Ziel, das nur
Rattler selbst zu kennen scheint. Auch deshalb scheint es fast unwirklich, dass er nie
betrunken ist, Burn verachtet und jeder körperlichen Lust entsagt.
PROFIL
ARCHETYP: Kultur: ?, Der Absonderliche, Apokalyptiker, Rang 4: Phönix
ATTRIBUTE: KÖR 4, GES 4, CHA 4, VER 4, PSY 6, INS 5
FERTIGKEITEN: Athletik 9W, Faustkampf 10W, Kraft 8W, Nahkampf 10W,
Ausdauer 10W, Härte 10W, Beweglichkeit 10W, Schusswaffen 10W, Heimlichkeit 8W,
Ausdruck 10W, Führung 9W, Verhandlung 8W, Fokus 10W, Legenden 6W,
Gerissenheit 12W, Täuschung 10W, Dominieren 12W, Reaktion 12W, Wille 12W,
Empathie 10W, Orientierung 8W, Wahrnehmung 10W, Überleben 10W
HINTERGRÜNDE: Verbündete 3, Autorität 6, Netzwerk 4, Ruf 2, Ressourcen 5,
Geheimnisse 4
BESONDERES: Trance – in seiner eigenen Welt nimmt Rattler weder Schmerzen
(keine Wundabzüge durch Traumaschaden) noch Beeinflussungen (Mentale Angriffe
scheitern ohne Widerstreit) wahr; Bonus +2W auf INS+Orientierung und GES+Heim-
lichkeit in Toulon – Rattler kennt die Stadt samt Untergrund in- und auswendig
POTENZIALE: 1.000 Wege 3, Askese 3, Rorschach, Unglück
INITIATIVE: 12W / 20 Egopunkte (Fokus)
ANGRIFF: Abgesägte Schrotflinte, 11W, Distanz (5/10), Schaden 10, Streut, Doppellauf;
Eisenkette, 9W, Reichweite 2m, Schaden 8, Außer Kontrolle (2), Wucht (1T)
VERTEIDIGUNG: Passiv 2; Nahkampf aktiv (Ausweichen), Beweglichkeit 10W;
Fernkampf aktiv (Deckung suchen), Beweglichkeit 10W; Mental (Wille) 12W
BEWEGUNG: 9m
PANZERUNG: Lederhose und lange verfilzte Fellweste, Panzerung 2
VERFASSUNG: Versporung 0 / 24, Fleischwunden 20, Trauma 10
ALABASTER
Rattlers Finger schließen sich um Alabasters Hals wie ein Schraubstock. Er presst sie
gegen die Wand, ihre Lippen färben sich blau, Sterne blitzen vor ihren Augen. Es ist
Rattlers Art, Zuneigung zu zeigen. Er quält sie nur, er tötet sie nicht. Der goldene Käfig,
in dem er sie gefangen hält, hat keine Türen und kein Schloss. Sie könnte gehen, den
Wahnsinn und die Gewalt morgen schon hinter sich lassen, Rattler würde sie nicht
aufhalten. Doch sie kann es nicht.
Alabasters Seele ist zerschmettert und verkohlt. Es geschah vor langer Zeit. Ruß
überdeckt den Scherbenhaufen ihrer Vergangenheit. Jede Erinnerung daran ist ein
Glockenschlag im tiefen Nebel des Vergessens. Aus ihm ragen die Albträume, die Al-
abaster Nacht für Nacht heimsuchen. Der Einzige, der ihr die Angst vor dem Gestern
nehmen kann, ist Rattler. Sein Innerstes ist verbrannt, genauso wie das ihre. Doch aus
der Asche erhob sich etwas, das gefährlicher ist, als jeder von Alabasters Albträumen.
Auch wenn Rattler sie prügelt und ihr die Luft abdrückt, wenn er sich mit seinem gan-
zen Gewicht auf sie legt und sie würgt, weiß sie, dass er sie beschützt. Vor allen anderen, DIE KAPSEL
die das Gleiche mit ihr anrichten und ihr danach die Kehle aufschlitzen würden. Ratttlers Geschenk für ihre Treue war
Solange sie seine Wut erträgt, ist sie sicher vor dem Tod, der hinter ihr herschleicht. eine fingernagelgroße Kapsel aus Platin.
An seiner Seite fühlt sie sich unsterblich. Alabaster musste Rattler versprechen,
sie erst nach seinem Tod zu öffnen. In
ROLLENSPIEL dem unscheinbaren Metallstück ist ein
Alabaster hat mehr Herzen gebrochen, als sie sich zu erinnern im Stande ist. Wer ihr zusammengerollter Microfilm. Darauf
zu lange in die Augen blickt, fällt in einen endlosen Abgrund und verliert den Verstand. befinden sich die Koordinaten dreier
Wer sie einmal berührt, der wird sie niemals vergessen. Ihr ganzes Leben lang wollten RG-Bunker in den Pyrenäen samt Pass-
Männer sie besitzen, doch sie erwiderte deren Hoffnungen nicht, floh stattdessen vor wörtern für die Zeitschaltungen der dort
ihnen. Unzählige ihrer früheren Liebhaber – Raben, Schrotter, Chronisten – trachten schlafenden 900er. Alabaster trägt die
nun nach ihrem Leben. Wenn sie Alabaster nicht haben können, soll es auch niemand Kapsel in einer leeren Munitionshülse an
anderes tun. Von Eifersucht zerfressen hetzen sie ihr hinterher, hören sich nach ihr einem Lederband um den Hals.
um. Wo immer sie hingeht, wird sie von den Schatten derer verfolgt, die sie am liebsten
wieder in Ketten legen würden, um sich für immer an ihrer Schönheit zu weiden.
Rattler begehrt sie nicht. Sie ist ihm egal. Und deshalb ist sie ihm verfallen. Es gibt POTENZIALE
nichts, was sie von ihm trennen könnte, und sie würde ihm jeden Wunsch erfüllen, nur SIRENE
um sich in seiner Nähe weiter in Sicherheit zu wiegen. VORAUSSETZUNG: CHA+Verführung 9
Ihre Stimme verursacht Schwindel,
rauscht als Nachhall durch die Gehör-
gänge, selbst Tage später noch. Gerät
ein Verehrer in den Bann von Alabasters
PROFIL Stimme, werden die Worte, die über ihre
ARCHETYP: Franka, Der Sucher, Apokalyptiker, Rang 2: Elster Lippen fließen, zur Nebensache. Jeder
ATTRIBUTE: KÖR 2, GES 3, CHA 6, VER 2, PSY 3, INS 4 hört ohnehin nur das, was er hören will.
FERTIGKEITEN: Athletik 5W, Faustkampf 4W, Kraft 4W, Nahkampf 5W, Alabaster erhält +1W je Potenzialstufe auf
Ausdauer 5W, Härte 5W, Fingerfertigkeit 8W, Beweglichkeit 7W, Heimlichkeit 7W, CHA+Verführung und INS+Empathie,
Künste 7W, Verhalten 10W, Ausdruck 9W, Verführung 11W, Legenden 7W, wenn sie jemanden für sich gewinnen
Gerissenheit 6W, Täuschung 9W, Reaktion 5W, Wille 6W, Empathie 9W, will. Ihre Aktionswürfe zählen als fort-
Wahrnehmung 6W, Primal 6W laufender Mentaler Angriff. Die erzielten
HINTERGRÜNDE: Netzwerk 5, Ruf 3, Ressourcen 1, Geheimnisse 3 Trigger werden von den Egopunkten des
BESONDERES: Wirkt beruhigend auf Rattler während dessen Trance (INS+Empathie Opfers abgezogen, diese können dabei
(3), um zu Rattler durchzudringen); Bonus +2W auf PSY+Wille in Rattlers Gegenwart; aber nicht unter 1 sinken. Sobald die
Rorschach und Unglück haben keinen Effekt auf Alabaster Epopunkte auf 1 gesunken sind, nistet
POTENZIALE: Sirene 3 sich der Gedanke an die Elster im Geist
INITIATIVE: 5W / 12 Egopunkte (Primal) des Unterlegenen ein. Die Erinnerung an
ANGRIFF: Metallsplinte, 5W, Reichweite 1m, Schaden speziell, Durchdringend (2) sie ist allgegenwärtig, der Verehrer fühlt
VERTEIDIGUNG: Passiv 2; Nahkampf aktiv (Ausweichen), Beweglichkeit 7W; sich zu ihr hingezogen, will sie besitzen,
Fernkampf aktiv (In Deckung werfen), Beweglichkeit 7W; Mental (Wille) 6W beschützen. Bald schon wird die Elster
BEWEGUNG: 5m zum einzigen Lebensinhalt – in guten
PANZERUNG: Ausgefranster Poncho, Lederbodysuit, beschlagene Stiefel, Panzerung 2 wie in schlechten Zeiten. Mit der Zeit
VERFASSUNG: Versporung 0 / 12, Fleischwunden 10, Trauma 5 wandelt sich Begierde in die krankhafte
BESONDERE AUSRÜSTUNG: Lederhalsband mit Munitionshülse (enthält Platinkapsel, Obsession, in der ihr Männer hörig wer-
ein Geschenk von Rattler); Alabasters Kiste (viele Verehrer, viele Geschenke – Alabaster hat den. Oder sie zerstören wollen, weil sie
jeglichen Schmuck, Dinare und Wechsel in ihrem Lager gesammelt) Alabaster nicht besitzen können.

THE KILLING GAME 107


KOPFGELD
Die Wände des Außenposten Tirano,
nahe Bergamo werden von Fahndungs-
bildern Baptistes verziert. Das Kopfgeld
darunter beträgt 10.000 Wechsel für den-
jenigen, der den desertierten Sappeur zu
fassen bekommt. Lebendig oder tot spielt
hierbei keine Rolle. Baptiste hat sich er-
bitterte Feinde im eigenen Kult gemacht.
Für gestohlene Ausrüstung der Hellveti-
ker jedoch, die mit Baptiste in Verbindung
gebracht wird, gibt es keine Belohnung.
Die Hellvetiker werden ihr Equipment
keineswegs zurückkaufen, sondern es
konfiszieren. Die Alpenwächter kennen
bei solchen Geschäften keine Verhand-
lungsbasis.
SPRENGSTOFF
Baptiste hat seinerzeit erhebliche Men-
gen an Sprengmitteln und Zündern aus
den Außenlagern der Hellvetiker ent-
wendet. Darunter zwei Dutzend Zeitzün-
der, die an bereits präparierten Ladungen
quer über die Stadt verteilt sind. Am
Körper trägt er nur sieben Ladungen mit
sich: zwei Zeitzünder-, zwei Bewegungs-
zünder- und zwei Fernzünderladungen.
Die letzte Ladung ist eine Körperladung,
verbunden mit einem Totmannschalter,
den Baptiste jederzeit aktivieren kann.
Ein finales Feuerwerk, für den den Tag
des Phönix.
I N V E N TA R
BUNSENBRENNER
Das Verhörwerkzeug des Deserteurs ist
ein guter alter Handbunsenbrenner aus
den Geniedepots der Alpenfestung. Re-
gungslos senkt er die Stichflamme über
seine Opfer, schaut ihnen seelenruhig in
die Augen, wenn er sie foltert. Alles nur
eine Frage der Geduld.
BAPTISTE
Frühling. Nordhang. Ein befestigtes Dorf nahe Mulhouse. Drinnen, feindliche Kol-
laborateure und Rebellen gegen den hellvetischen Bund. Dazu Burnschmuggler. Die
Alpenfestung kannte nur ein Kommando. Die Spitalier hatten dafür bezahlt, dass die
Hellvetiker dem Treiben dort ein Ende setzen. Sie schickten eine verschwiegene Spe-
zialeinheit. Baptiste war der Mann mit dem Sprengstoff und den Granaten, er war für
das Höllenfeuer zuständig.
Es war eine dieser Missionen, in der man seinen Verstand verliert. Die Toten. Die
ausgeräucherten Augen. Die Granatsplitter in den Köpfen. Ein Mahnmal aus Leichen.
Und alles für Geld. Die Hellvetiker hatten Baptiste als Henker an die Bestbietenden
verkauft. Und er hat willfährig gehandelt. Wie ein echter Soldat. Nicht gefragt. Mit
dem Bajonett zugestochen und die Bauchdecke aufgeschlitzt. Irgendwann war die
Menschlichkeit weg. Mit dem Respekt vor dem Leben war es dahin. Zu oft schon hatte
er in sterbende Augen geblickt und kein Mitleid mehr empfunden. Er wollte nur rein-
spucken.
Seine Kameraden sahen ihn brechen, sahen die Gefahr in ihm quellen und wollten
ihn loswerden, ganz so wie die Korpskommandatur. Doch Baptiste roch den Braten,
witterte den Hinterhalt. Was für erbärmliche Kameraden sie waren. Statt dass sie ihn
lebendig begruben, vergrub er sie unter einer Steinlawine. Die Explosionen seiner vor-
tags versteckten Sprengköpfe hörte man kilometerweit.
Seine Flucht führte ihn nach Südwesten. Franka. Dort suchte er jemanden, dem er
seine Gewissenlosigkeit in den Dienst stellen konnte. Jemanden, der ihn dafür bezahl-
te. Nun war es Baptiste, der sich an die Bestbietenden verkaufte, und Rattler machte
ihm das beste Angebot.
ROLLENSPIEL
Baptiste ist ein pyromanischer Psychopath. Für Geld begeht er jedes Attentat. Auftrags-
mord sieht er als Spiel, die Zahl der Toten bei einem wohlplatzierten Sprengstoffan-
schlag als kalkulierte Effizienz. Er ist Rattlers Kettenhund der Zerstörung und in vie-
lerlei Hinsicht gleichen sich die Männer in ihrem Vernichtungswahn. Doch Baptiste
fehlt es an Rattlers Weitsicht, ohne den Phönix ist der desertierte Hellvetiker zu wenig
Eigenständigkeit in der Lage. Seine gewalttätige Dynamik entfaltet sich nur, wenn er
Befehle ausführt und Gehorsam zeigt. Immer noch ganz der alte Soldat.
PROFIL
ARCHETYP: Franka, Der Zerstörer, Hellvetiker, Rang 3: Sappeur
ATTRIBUTE: KÖR 4, GES 4, CHA 1, VER 2, PSY 4, INS 2
FERTIGKEITEN: Athletik 6W, Faustkampf 6W, Kraft 9W, Nahkampf 9W,
Ausdauer 8W, Härte 9W, Handwerk 9W, Fingerfertigkeit 9W, Beweglichkeit 6W,
Schusswaffen 9W, Heimlichkeit 8W, Technik 6W, Fokus 7W, Wissenschaft 6W,
Täuschung 5W, Dominieren 7W, Reaktion 8W, Wille 8W, Orientierung 5W,
Wahrnehmung 6W, Überleben 6W
HINTERGRÜNDE: Autorität 2, Netzwerk 3, Ruf 2, Ressourcen 4, Geheimnisse 3
BESONDERES: +2W auf Aktionswürfe zum Umgang mit Sprengstoff
POTENZIALE: Doktrin: Disziplin 3
INITIATIVE: 8W / 14 Egopunkte (Fokus)
ANGRIFF: Kampfmesser, 10W, Reichweite 1m, Schaden 6, Leichtgängig (2T); Leichtes
MG, 9W, Distanz (30/80), Schaden 11, Salven (4), Ladehemmung; Granatwerfer, 8W,
Distanz (20/60), Schaden 15, Abweichend, Donnerschlag, Explosiv
VERTEIDIGUNG: Passiv 2; Nahkampf aktiv (Parieren), Nahkampf 10W;
Fernkampf aktiv (Deckung suchen), Beweglichkeit 6W; Mental (Wille) 8W
BEWEGUNG: 6m
PANZERUNG: Hellvetiker-Harnisch, Panzerung 5, Feuerfest (8)
VERFASSUNG: Versporung 0 / 16, Fleischwunden 18, Trauma 8
BESONDERE AUSRÜSTUNG: Rucksack; Bunsenbrenner; Sprengladungen (2 x Zeit-
zünder, 2 x Bewegungszünder, 2 x Fernzünder, 1 x Körperladung mit Totmannschalter);
Alte Marschkarte (Lage vier hellvetischer Außenlager entlang der Berner Passage)
HEXELL
Eine Anhöhe. Sturm fegt über die Bergflanke, an der das Nest von Hexells Schar liegt.
Der Wind heult wie ein sterbender Hengst. Dunkelheit vor ihm. Dort zwischen den
Bäumen ist Bewegung. Er kann kaum etwas ausmachen, doch der Rabe Kelvis schreit
zu ihm hinüber, er solle endlich schießen. Hexell atmet aus. Der Lauf seines Gewehrs
sucht sein Ziel in der Finsternis. 300 Meter. Vielleicht mehr. Der Finger spannt den
Abzug. Die Salve jagt dem Opfer wie ein Raubtier aus heißem Blei hinterher. Der Flüch-
tige stirbt. Und etwas stirbt in Hexell. Für immer.
Kelvis jubelt. Hexell bleibt stumm, schwenkt sein Gewehr herum und schießt den
Raben über den Haufen. Im nächsten Augenblick ist er auf den Beinen. Rennt hinein in
die Dunkelheit, in die er vorher gefeuert hat, und verlässt seine erste Schar für immer.
Jahre verblassen im Dämmerlicht von Hexells Erinnerungen. Er schlägt sich durch,
als Auftragsmörder, von einer Schar zur nächsten, mal in Purgare, mal in Borca. Nie
bleibt er lange an einem Ort. Er kann die Morde kaum noch zählen, die er auf dem
Kerbholz hat. Doch seine Fähigkeiten gereichen zu gutem Lohn. Wenn er sich mit sei- I N V E N TA R
nem Gewehr auf die Lauer legt, dann ist niemand vor ihm sicher. Und die Apokalypti- SCHARFSCHÜTZENGEWEHR
ker zahlen gut für einen Meuchelmörder wie ihn. Hexells Scharfschützengewehr ist wie
Dann gerät er an Rattler. Der Phönix ist anders als alle, in deren Dienst Hexell eine Verlängerung seines Körpers. Er
vorher stand. Rattler zwingt ihn nicht zum Morden, stattdessen stellt er ihm eine ein- kennt jede Präzisionsschraube, jeden
fache Frage: Was wäre, wenn er Rache nehmen könnte für das, was sein Kult aus ihm kleinen Kratzer, jede Eigenart (+2W auf
gemacht hat? Wenn er Erlösung finden könnte? Hexell versteht nicht, doch Rattler be- GES+Schusswaffen). Das Gewehr zu zer-
deutet ihm auf das Meer zu schauen. Rattler flüstert, dass sie kommen werden, um ihn legen und in der eigens dafür erstellten
zu holen. Und es wird der Tag von Hexells Rache sein. Umhängetasche zu verstauen, kostet ihn
höchstens drei Atemzüge (2 Runden). Er
ROLLENSPIEL weiß, dass sein Instrument empfindlich
Hexell ist stoisch, blüht nie auf. Wenn er einen Auftrag bekommt, so erledigt er ihn mit ist. Hexell verwendet daher ausschließ-
der Präzision und Emotionslosigkeit eines kaltblütigen Jägers. Auch wenn er Rattlers lich Munition, die er selbst feingeschlif-
Plan in seiner Gesamtheit noch nicht begreift, so wird er nicht bei der Umsetzung zö- fen, geölt und präpariert hat (Durchdrin-
gern. Das Schießen ist die einzige Fähigkeit, die Hexell je gelernt hat. Nichts anderes gend 3).
definiert ihn, als den Lebensfaden eines Menschen aus der Ferne durch ein Zielfern-
rohr zu betrachten – und ihn mit einem gezielten Schuss zu zertrennen. Seine Opfer POLARISATIONSBRILLE
sehen ihn nicht, hören ihn nicht. In solchen Augenblicken ist Hexell ein Gott und sein Hexell nahm das Artefakt einem Skalar
Leben hat einen Sinn. ab, der auf seiner Todesliste stand. Die
Brille verfügt über verschiedenste Filter
und erweitert das Sichtfeld des Benutzers
um ein Vielfaches. Sie zeichnet im Nebel
PROFIL oder in einer Staubwolke gegnerische
ARCHETYP: Purgare, Der Zerwerfer, Apokalyptiker, Rang 2: Eule Konturen scharf, nimmt in der Nacht
ATTRIBUTE: KÖR 2, GES 6, CHA 2, VER 2, PSY 3, INS 2 Wärmequellen wahr, vermisst Silhouet-
FERTIGKEITEN: Athletik 6W, Faustkampf 6W, Kraft 6W, Nahkampf 6W, ten die sich hinter Wänden und Türen
Ausdauer 6W, Härte 6W, Handwerk 9W, Fingerfertigkeit 10W, Beweglichkeit 10W, verstecken und blendet Störendes aus.
Schusswaffen 10W, Heimlichkeit 10W, Technik 5W, Fokus 8W, Täuschung 6W, Sie tönt sich automatisch und passt sich
Reaktion 8W, Wille 8W, Orientierung 6W, Wahrnehmung 8W, Überleben 6W sekundenschnell an jede Lichtquelle an.
HINTERGRÜNDE: Ruf 4, Ressourcen 2, Geheimnisse 1 Hexell wäre mit ihr sogar in der Lage ein
BESONDERES: +4W bei einem Angriffswurf aus dem Hinterhalt; keine Sicht-Mali Ziel im Gegenlicht der Sonne zu treffen
durch Umwelteinflüsse; kein Malus beim Distanzschuss (Sicht-Mali durch Umwelteinflüsse und
POTENZIALE: Gefahrensinn 3, Todesengel Malus beim Distanzschuss entfallen).
INITIATIVE: 8W / 16 Egopunkte (Fokus)
ANGRIFF: Hexells Scharfschützengewehr, 12W, Distanz (100/1000), Schaden 11, POTENZIALE
Durchdringend (3), Empfindlich; Pistole, 12W, Distanz (10/40), Schaden 9 TODESENGEL
VERTEIDIGUNG: Passiv 2; Nahkampf aktiv (Zurückweichen), Beweglichkeit 10W; VORAUSSETZUNG: Rang Eule, Fokus
Fernkampf aktiv (In Deckung gehen), Beweglichkeit 10W; Mental (Wille) 8W Hexell hat keine Freude am Töten, nur
BEWEGUNG: 6m an dessen Perfektion. Setzt Hexell zu
PANZERUNG: Ledermantel, Panzerung 2 Beginn einer Runde Egopunkte ein, um
VERFASSUNG: Versporung 0 / 16, Fleischwunden 12, Trauma 5 seine Initiative und seinen ersten Akti-
BESONDERE AUSRÜSTUNG: Polarisationsbrille; Gewehrtasche (speziell für Hexells onswurf zum Angriff auf ein anvisiertes
Scharfschützengewehr gefertigt); Munitionskasten mit Waffenzubehör im Deckel; Tarn- Ziel zu erhöhen, so regeneriert er diese
netz (ein feines Netz aus Nylonfäden, das sich leicht mit Blättern, Gräsern oder Stofffetzen Egopunkte am Ende der Runde vollstän-
an die Umgebung anpassen lässt (Bonus +2W auf GES+Heimlichkeit)) dig, falls der erste Schuss zum Tod führt.

THE KILLING GAME 109

DER KESSEL
GEMEINSAM
Der Kessel ist ein buntes Feuergemisch unterschiedlicher
Fraktionen, Ziele und Ambitionen. Hier bündelt sich Fran-
kas größte Stärke und größte Schwäche in einer Front. Auf
der einen Seite die Resistance, ein von völkischem Inbrunst
getriebener Klan freier Menschen, deren Hoffnung auf eine
Wiedergeburt als Nation im nassen Unterholz der Rhô-
ne-Sümpfe vergraben liegt. Auf der anderen Seite die Tou-
loni, ein Klan mit Geschichte, Stolz und Ehrgefühl, durch
seine Allianzen eng verwoben mit den Neolibyern und ab-
hängig von Africas Raubbau an Frankas Gestaden.
Dazwischen reihen sich die Abtrünnigen, die Gesichts-
losen und die, die gerne unsichtbar bleiben würden. Toulon
hat vielen fragwürdigen Gestalten einen Zufluchtsort ge-
boten, und seit Jahrzehnten lecken sie sich die Finger nach
ihren eigenen Begehrlichkeiten, ungestört und unentdeckt
vom Rest der Welt.
In der Unabhängigkeit des Kessels liegt auch seine
Kraft. Wer auch immer das Erbe der Stadt antreten wird,
die Menschen werden sich anpassen, ihre Überlebensni-
sche finden und an der nächsten Zitze saugen.
Seit jeher war Toulon eine Sphäre der Mächte. Kulte
rissen sich um die Stadt und werden es auch in Zukunft
tun. Der Bevölkerung wird nichts anderes bleiben, als ih-
ren Hals nach dem Wind zu drehen, denn solange es nicht
gelingt sich als Fraktion einig zu werden, sind sie zu einem
Dasein als versprengtes und leicht zu kontrollierendes Ge-
folge verdammt.
Die Resistance würde nur zu gerne die Entscheidungs-
gewalt in Toulon übernehmen, doch ihr fehlt die wirt-
schaftliche Einsicht und das taktische Vermögen der Neo-
libyer. Die Touloni hingegen wollen erst gar nicht auf das
sanfte Polster verzichten, das die Africaner ihnen geschenkt
haben. Ein Leben unter der Knute der Spitalier und Chro-
nisten? Nein danke.
In der Uneinigkeit liegt Toulons schwerstes Verhäng-
nis. Solange sich niemand aus den eigenen Reihen erhebt
und die Verantwortung für ein gemeinsames Zusammen-
wirken erstreitet, werden die Bedürfnisse der Menschen im
Kessel auch weiterhin nur ein statisches Hintergrundrau-
schen sein – zu unwichtig, um bei irgendwem auf Gehör zu
stoßen.
Kann ein Fremder die Stadt erwecken und zu einem
höheren Ziel führen? Zoe Morceau, die Anführerin der Re-
sistance, hat den Willen zur Macht. Vericon, der Stadtvater
der Touloni stemmt sich dagegen. Sein Leben wurde vom
Luxus der africanischen Besatzer veredelt. Es gibt keinen
Grund für ihn, seine Gönner zu verraten. Schließlich ging
es ihm und den Nutznießern des neolibyschen Frühlings
nie besser.
ZOE MORCEAU
Die Welt ist ein Haufen Scheiße. Und die Kulte sind die Fliegen, die ihre Kreisbahn
darum ziehen. Nichts ist ihnen heilig, nichts von Belang, solange es nicht um ihre Or-
ganisationen geht, solange sie nicht als Einzige davon profitieren, während der Rest der
Menschheit jämmerlich zu Grunde geht.
Eine Ordnung muss zurückkehren, sagt Zoe. Ihre Augen sind zu Schlitzen verknif-
fen, ihr Blick nach Norden gerichtet. Die Ordnung einer Nation, größer als alle Kulte,
getrieben von Stolz, Sprache, Herkunft. Eine höhere Moral, durch die sich eine Ideolo-
gie wider die Habgier des Einzelnen durchsetzen lässt.
Zoe dreht sich zu ihren Gefolgsleuten, die geballte Faust streckt sie in den Himmel.
Sie träumt von Frankas Wiedergeburt. Der Erstürmung von Souffrance. Dem Donnern
der Hymnen eines ganzen Volkes. Sprache und Tradition sind die Essenz, die das Ge-
fühl dieser Einheit erzeugen. Die Menschen Frankas lechzen nach innerer Bedeutung,
sie wollen mehr als nur der Spielball der Mächte sein, ruft sie ihren Zuhörern zu. Die
Spitalier spielen Stärke, doch sie sind letztlich nur ein Orden, der wenigen Auserwähl- FRANKAS VORBILD
ten vorbehalten ist. Will man die Pheromanten besiegen, muss man die Millionen bün- Die Generalin ist bestens vernetzt und
deln. Ganz Franka muss sich mit einem Paukenschlag aus der Asche erheben und sein wird von Toulouse aus von Armand Mal-
Erbe antreten. Mit Feuer, Eisen und einem König, der diese Grande Nation zu führen pierre, dem Marechal de Franka, prote-
vermag. Zoes Gefolge jubelt ihr zu und ballert Gewehrsalven in den Himmel. giert. Er sieht in ihr ein flammendes Vor-
bild für eine neue Generation Franker, die
ROLLENSPIEL sich ihr gelobtes Land erkämpfen können,
Zoe ist die Anführerin der Resistance in Toulon. Als solche rekrutiert sie Männer und wenn sie sich nur von Zoes Feuer anste-
Frauen aus allen Lagern, will sie für ihre Idee erwecken. Ein vereintes Franka, unter cken lassen. Schon aus diesem Grund
einer gemeinsamen Flagge und Führung, das Land zurückerobert und die Knechtschaft überlässt er seiner Generalin weiträumi-
durch die Kulte beendet. In Zoe vereinen sich Inbrunst und Nationalstolz, Liebe zur ge Autonomie im Ausbau der Resistance
Heimat und Hass auf alles Unterdrückende. Spitalier, Neolibyer, Pheromanten glei- in Toulon. Sollte es ihr an irgendetwas
chermaßen, sie alle sind Parasiten, die das große Volk leersaugen und es für ihre Zwe- mangeln, Geld, Waffen, Soldaten, der
cke missbrauchen. Marechal wird dafür sorgen, dass sie es
Zoe wird deshalb demjenigen ihre Unterstützung gewähren, der das beste Angebot bekommt. Die Generalin verfügt über
für das Wohl Frankas abgibt. Wenn sie Agitatoren ausfindig machen kann, die sie für weitaus mehr Macht, als sie bisher zu be-
wert befindet, ihrem Widerstand beizutreten, wird sie alles tun, um sie auf ihre Seite zu greifen im Stande ist. Doch diese Position
ziehen. macht sie auch zur Zielscheibe. Wird sie
zu aufsässig, wird sich die Schlinge um
ihren Hals enger ziehen und ihre Geg-
ner werden versuchen sie kaltzustellen.
Eine Situation, die einer Kriegserklärung
PROFIL zwischen den Kulten und der Resistance
ARCHETYP: Franka, Der Traditionalist, Sipplinge: Resistance, Rang 4: Général gleichkäme.
ATTRIBUTE: KÖR 3, GES 3, CHA 4, VER 3, PSY 3, INS 4
FERTIGKEITEN: Athletik 6W, Kraft 7W, Nahkampf 7W, Ausdauer 6W, Härte 8W,
Steuern 6W, Beweglichkeit 8W, Schusswaffen 8W, Heimlichkeit 6W, Verhalten 6W, POTENZIALE
Ausdruck 8W, Führung 9W, Verhandlung 9W, Verführung 6W, Fokus 8W, LEITBILD
Legenden 8W, Gerissenheit 7W, Reaktion 7W, Wille 8W, Empathie 7W, VORAUSSETZUNG: CHA+Führung 8
Orientierung 7W, Wahrnehmung 6W, Überleben 6W Gemeinsam gegen den Feind, für eine
HINTERGRÜNDE: Verbündete 5, Autorität 4, Netzwerk 2, Ruf 4, Ressourcen 4, strahlende Zukunft. Wer Zoe folgt, wird
Geheimnisse 2 unweigerlich von ihrer offenen Hinga-
BESONDERES: +2W auf VER+Wissenschaft/Legenden im Zusammenhang be mitgerissen. Kämpfen Verbündete
mit der Geschichte und Kultur des fränkischen Urvolks an ihrer Seite, schließen sich die Reihen
POTENZIALE: Berge versetzen 2, Leitbild 3 um sie herum wie von selbst zu einer un-
INITIATIVE: 7W / 16 Egopunkte (Fokus) überwindbaren Front. Jeder, der unter
ANGRIFF: Offizierssäbel, 8W, Reichweite 1m, Schaden 10; Sturmgewehr, 8W, dem Befehl der Generalin kämpft, erhält
Distanz (30/120), Schaden 11, Salven (3); Pistole, 8W, Distanz (10/40), Schaden 9 +1W auf alle Aktionswürfe, die zu Zoes
VERTEIDIGUNG: Passiv 2; Nahkampf aktiv (Parieren), Nahkampf 8W; Verteidigung oder Unterstützung dienen.
Fernkampf aktiv (Geduckt vorrücken), Beweglichkeit 8W; Mental (Wille) 8W Weiterhin kann die Resistanceführerin
BEWEGUNG: 6m ihren Streitern durch kurze Brandreden
PANZERUNG: Uniform, Offiziersmantel und Atemmaske, Panzerung 3 neuen Mut verleihen. Bei einem erfolg-
VERFASSUNG: Versporung 0 / 16, Fleischwunden 16, Trauma 6 reichen Aktionswurf auf CHA+Führung
BESONDERE AUSRÜSTUNG: Feldstecher; Signalfackeln; Feldhandbuch der Resistance (3) regenerieren ihre Verbündeten sofort
(Rangordnung, Überlebenshinweise, Lieder und dergleichen mehr) Egopunkte in Höhe der Potenzialstufe.

THE KILLING GAME 111


Ä LT E S T E N R AT
Wöchentlich tagt der Ältestenrat unter
Vericon in der alten Festung Toulons. Die
Männer und Frauen des Rates sind seine
Zuträger, sie sind bestens informiert und
verbandelt mit der Bevölkerung der Stadt
auf allen Ebenen. Vericon ist auch des-
halb stets über die Stimmung innerhalb
Toulons im Bilde, kann sein Wissen an
die Neolibyer veräußern und seine Beloh-
nungen dafür einstreichen. Gleichzeitig
behält er alle Parteien im Blick und kann
zukünftige Allianzen vorbereiten.
LE BEAU MONDE
Vericon untersteht eine streitbare Stadt-
wache, welche die Befehle des Ältesten-
rats befolgt und die Funktion einer Miliz
übernimmt. Achtzig Männer und Frauen
stehen im Dienst der sogenannten „Beau
Monde”, Toulons feinster Gesellschaft.
Ausgestattet sind sie mit Säbeln und Ge-
wehren neolibyscher Fertigung, die Veri-
con für seine Kämpfer erworben hat. Ein
blauer Schal und eine blaue Filzkappe ma-
chen sie leicht erkennbar. Eine Entourage
von sechs Leibwächtern begleitet Vericon
bei Veranstaltungen außerhalb der Fes-
tung Toulons.
PAT R I A R C H E N B U N K E R
Vericon hat Zugang zu allen wichtigen
Knotenpunkten der Stadt. Der wichtigs-
te liegt direkt unter der Festung Toulons.
Ein Patriarchenbunker voller Nahrungs-
mittel, Geld, Notfall-Signalpistole, Über-
lebensausrüstung, drei Brieftauben und
verstecktem Zufluss zu einem Kanal in
Port Lagagne. Von hier aus kann er mit ei-
nem bereitgestellten Beiboot die Festung
Toulon unversehrt verlassen und sich im
Falle einer feindlichen Auseinanderset-
zung klammheimlich aus der Gefahren-
zone bringen.
VERICON
Die Zeit verändert alles. Vericon schlürft eine fette Auster aus und wirft die Schale auf
den ausgelutschten Muschelhaufen vor sich. In den letzten dreißig Jahren als Ober-
haupt und Vertreter des Klans der Touloni hat er einiges gesehen. Wechselnde Mächte,
Wiedertäufer, Spitalier, Chronisten, die Stadt mal in den Händen des einen, dann des
anderen Kultes. Unter den Chronisten war es schlechter, erinnert er sich. Doch die
Umwälzungen von damals sind an ihm vorbeigegangen. Heute geht es ihm besser denn
je. Unter Hamza hat er seine Autonomie ausbauen und Rechte für die Bevölkerung er-
streiten können, die ihm die Maskengesichter stets verwehrt hatten. Wenn es nach ihm
und dem Ältestenrat ginge, könnte es immer so weitergehen. Toulon blüht unter dem
neolibyschen Frieden, doch Vericon ahnt, dass bald schon neue Umwälzungen bevor-
stehen. Wenn er mit seinen Vertrauten spricht und die Stimmungen der Straßen und
Tavernen aufsaugt, weiß er, dass nicht alle Bürger Toulons seine Sicht der Dinge teilen.
Die Waagschale wird zur Seite kippen, neue Lager werden sich bilden, Jähzorn und
Neid wird sich Bahn brechen und das Spiel wird von vorne beginnen. Toulon ist ein
wichtiger Nabel dieser Welt, Dreh– und Angelpunkt des Handels der gesamten Süd-
küste Frankas und damit der Zankapfel kommender Generationen. Vericon wird sich
vorbereiten und mit neuen Herrschern genauso taktieren wie mit den vorangegangen.
Er ist ein Spieler. Doch er weiß, dass er ohne Ass im Ärmel spielt. Die Zeiten haben
sich geändert und doch verändert sich nichts.
ROLLENSPIEL
Edle Gewänder, üppige Mätressen, Austern und Wein, die erlesensten Gewürze, die
reichhaltigsten Speisen. Dazu die Feste mit Musikanten, Schauspiel, Tänzerinnen. Die
Neolibyer wussten, wie man zu leben verstand. Und er, Vericon, hatte sich ein Stück
von diesem Reichtum abgeschnitten, für sich und seine ganze Sippe. Es ist sein Klan,
der ganz besonders vom wirtschaftlichen Aufschwung profitiert. Dass er dabei die
größten Zuwendungen für sich selbst abzweigt, ist nur gerecht, trägt er doch die größ-
te Verantwortung. Wenn es um innerstädtische Angelegenheiten geht, führt kein Weg
an ihm vorbei. Sicherlich, die Neolibyer sind die Herrscher der Stadt. Unter Toulons
Stadtbevölkerung jedoch ist er die Nummer Eins. Vericon betrachtet sich ein letztes
Mal im Spiegel. Seine Garderobe ist ehrwürdig und herrschaftlich, ohne jedoch zu prot-
zen. Demut und Bescheidenheit vortäuschen. Sein feister Unterarm streicht sich eine
Strähne aus der Stirn und verschwindet wieder im weiten Ärmel.
PROFIL
ARCHETYP: Franka, Der Vermittler, Sipplinge: Touloni, Rang 4: Bürgermeister
ATTRIBUTE: KÖR 2, GES 2, CHA 3, VER 4, PSY 4, INS 2
FERTIGKEITEN: Kraft 4W, Härte 4W, Schusswaffen 4W, Verhalten 7W, Ausdruck 7W,
Führung 7W, Verhandlung 7W, Verführung 5W, Artefaktkunde 5W, Legenden 7W,
Wissenschaft 6W, Gerissenheit 8W, Täuschung 6W, Wille 5W, Empathie 6W,
Wahrnehmung 5W, Primal 4W
HINTERGRÜNDE: Verbündete 3, Autorität 4, Netzwerk 2, Ruf 1, Ressourcen 4,
Geheimnisse 2
BESONDERES: +2W auf CHA+Verhandlung gegenüber Touloni; Nomineller Oberbe-
fehl über die Beau Monde, die sechs Leibwächter für Vericon abstellt
POTENZIALE: Geistesblitz 2
INITIATIVE: 4W / 8 Egopunkte (Primal)
ANGRIFF: Kleine Pistole, 4W, Distanz (10/40), Schaden 7, Getarnt (4S)
VERTEIDIGUNG: Passiv 2; Nahkampf aktiv (Zurückzucken), Beweglichkeit 2W;
Fernkampf aktiv (Zu Boden werfen), Beweglichkeit 2W; Mental (Wille) 5W
BEWEGUNG: 2m
PANZERUNG: Herrschaftliche Garderobe hervorragender Qualität, Panzerung 0
VERFASSUNG: Versporung 0 / 10, Fleischwunden 8, Trauma 6
BESONDERE AUSRÜSTUNG: Siegelkette (schwere Amtskette, zeigt das Stadtwappen
mit dem Anker von Toulon); Metallzylinder (beinhaltet Graphitstift, Draht und kleine
Zettel für Brieftaubenpost); Taschenspiegel; Taschentücher; Beutel mit Dinaren und
einem versilberten Samenkorn
ADONAI
Gnade. Jahrhunderte lang haben die Jehammedaner gegen alle anderen Krieg geführt.
Gegen die Wiedertäufer, gegen die Spitalier, gegen sich selbst.
Adonai vergräbt eine fremdartige Eikone draußen im nassen Sand von Saint
Chenil. Er blickt auf die Wellen, die sich vor ihm brechen, auf die schaumige Gischt, die
seine Knöchel umfließt, und markiert den Ort seines Verstecks.
Der Hass hat den Glauben überflutet und die Herzen der Menschen vergiftet. Ado-
nai ist nach Toulon gekommen, um Gnade walten zu lassen.
Sein Weg führte ihn aus dem fernen Hybrispania hierher. Immer allein, immer
auf Wanderschaft. In seinem Besitz nur das Nötigste, um Jehammeds Lehre treu zu
bleiben. An der Grenze zu Franka stand er einem sterbenden Hirten seines Kultes bei.
Der Alte hatte ein gutes Leben geführt und Adonai entließ ihn gesegnet in den Tod.
Die zurückgebliebene Herde vermachte ihm ein letztes Geschenk, bevor er aufbrach.
Eine Eikone, wie sie Adonai noch nie gesehen hatte. Die Kinder des Hirten nannten das
Relikt „Jehammeds Stern”. Adonai versprach die Eikone zu hüten und an einen Ort zu I N V E N TA R
bringen, an dem sie sicher sein würde. JEHAMMEDS STERN
Diesen Ort sucht er seit Jahren vergebens. Die Welt um ihn herum brennt. Und bis Der Eikonide selbst ahnt nicht, was es
dieser Schwelbrand nicht erloschen ist, muss er die Eikone verstecken. mit dem Relikt auf sich hat, das ihm der
Stamm des verstorbenen Hirten auf sei-
ROLLENSPIEL ner Reise vermachte. Die Eikone ist ein
Adonai verkörpert die besten Eigenschaften seines Kultes. Er ist ein gnädiger, tief gläu- uraltes Artefakt, Teil einer weitaus größe-
biger Mensch, der aus den Lehren Jehammeds die Weisungen für seine Mitmenschen ren Konstruktion, und kann seine Funk-
zu ziehen versucht. Er teilt seine letzte Wegzehrung mit Hungernden, seinen Umhang tion erst entfalten, wenn es mit den feh-
mit Frierenden und spendet jenen Trost, die keine Hoffnung haben. Er ist die gute See- lenden Komponenten zusammengeführt
le von Saint Chenil und jeder Aussätzige und Verlorene würde sich auf Adonais Seite wird. Jehammeds Stern gehört unweiger-
schlagen, sollte ihm jemand zu Nahe treten. lich zu einem anderen Teilstück. Und so
Doch Adonai verachtet Gewalt. Mit würdevollem Blick schaut er einem Widersa- betrachtet Adonai die seltsame Eikone,
cher in die Augen und bittet ihn bei Seite. Seine Stimme ist kristallklar, seine Berüh- hält sie gegen das Licht und bewundert
rung nimmt den Zorn. Etwas Heiliges umgibt ihn. In einer Welt, die jedes Maß verloren ihre Schönheit. Vielleicht wird sich ihm
hat, ist seine Frömmigkeit etwas Fremdes und Unvorhersehbares. Es löst Verwunde- der Sinn dahinter eines Tages erschlie-
rung aus und bändigt die Wut. Er ist Toulons Beschützer, und die Menschen vertrauen ßen. Doch bis es soweit ist, vergräbt er
auf ihn. sie jeden Morgen am Strand von Saint
Chenil aufs Neue, markiert die Stelle,
und wechselt die Position beim nächsten
Sonnenaufgang.

PROFIL
ARCHETYP: Hybrispania, Der Märtyrer, Jehammedaner, Rang 3: Eikonide
ATTRIBUTE: KÖR 4, GES 3, CHA 5, VER 2, PSY 5, INS 3
FERTIGKEITEN: Athletik 6W, Faustkampf 6W, Kraft 7W, Nahkampf 8W, Härte 10W,
Handwerk 5W, Fingerfertigkeit 5W, Steuern 8W, Beweglichkeit 5W, Künste 6W,
Verhalten 10W, Ausdruck 9W, Führung 9W, Verhandlung 8W, Fokus 6W,
Legenden 8W, Medizin 5W, Gerissenheit 6W, Glaube 11W, Reaktion 7W, Empathie 9W, POTENZIALE
Orientierung 5W, Wahrnehmung 7W, Überleben 5W, Zähmen 6W BARMHERZIGKEIT
HINTERGRÜNDE: Autorität 3, Netzwerk 5, Ruf 6, Geheimnisse 1 VORAUSSETZUNG: Rang Eikonide,
BESONDERES: +1W auf CHA+Verhandlung im Kontakt mit anderen Kulten Eikonidin oder Orakel, PSY+Glaube 10
POTENZIALE: Askese 2, Barmherzigkeit 3, Eikonensegen 2 Adonai ist erfüllt vom unerschütterli-
INITIATIVE: 7W / 12 Egopunkte (Fokus) chen Vertrauen in Jehammed. Eine Aura
ANGRIFF: Wanderstab, 8W, Reichweite 2m, Schaden 5, Stumpf der Unantastbarkeit hüllt ihn ein, ent-
VERTEIDIGUNG: Passiv 2; Nahkampf aktiv (Blocken), Nahkampf 8W; rückt ihn von weltlichen Gefahren. Ob
Fernkampf aktiv (In Deckung gehen), Beweglichkeit 5W; Mental (Glaube) 11W gläubig oder nicht, wer auch immer die
BEWEGUNG: 6m Hand gegen den Eikoniden erhebt, muss
PANZERUNG: Widderfellmantel über handgefertigtem Lederwams, Panzerung 3 einen Aktionswurf auf PSY+Glaube/
VERFASSUNG: Versporung 0 / 22, Fleischwunden 20, Trauma 9 Wille (3 + Potenzialstufe) bestehen. Bei
BESONDERE AUSRÜSTUNG: Jehammeds Stern (eingeschlagen in ein Widderfell, vergra- Misserfolg verliert er für seinen uner-
ben am Strand – nur Adonai kennt die genaue Stelle); Widderhorn mit Blutpaste (stammt träglichen Frevel Egopunkte in Höhe der
von einem heiligen Widder, der sich für seine Herde geopfert hat – Adonai zeichnet damit Potenzialstufe x 2. Die Gewissensbisse
das Symbol Jehammeds auf die Stirn von Kranken; solange es nicht abtrocknet, +4W auf werden den Angreifer noch Wochen spä-
Aktionswürfe zur Gesundung) ter heimsuchen.

THE KILLING GAME 113


K I N D E R S O L D AT E N
Die Kinder der Orphanage hassen und
fürchten den Grenouille gleichermaßen.
In ihren Augen ist er ein Dämon, der nur
von einem noch größeren Dämonen be-
herrscht wird. Wenn sie die Gelegenheit
hätten, würden sie sich augenblicklich
an ihrem Peiniger rächen und ihn in ei-
ner Laugegrube in der Lederei ertränken.
Doch sie haben Angst vor ihm, vor sei-
nen Wutanfällen und Schlägen. Sie sind
nicht stark genug und er kontrolliert sie
ununterbrochen, lässt sie hungern und
draußen im Hof übernachten, wenn sie
nicht gehorchen. Seine Strafen sind ent-
würdigend, rauben Willen und Kraft, sich
gegen ihn zur Wehr zu setzen.
I N V E N TA R
KRIEGSARSENAL
Auch wenn Opis in seinem zerfledder-
ten Neoprenanzug und seiner undichten
Gasmaske wie ein alberner Spitalier-Ab-
klatsch wirkt: sein Fundus an Devotio-
nalien und Kriegsmaterial aus Spitalier-
beständen hat es in sich. In Vorbereitung
auf die Ernennung zum Spitalier durch
Wachsmann hat Opis in den letzten Jahr-
zehnten alles zusammengeklaut, was er
konnte, um seinen Posten in bester Aus-
rüstung anzutreten. Wann immer ein
Famulant in Terres Putain unvorsichtig
mit seinem Rucksack war, griff Opis zu.
Den Sumpf hat er mehrfach angstlos
durchquert und ist zu seiner Verwun-
derung nicht ein einziges Mal angegrif-
fen worden. Von dort schleppte er jeden
vermoosten Preservistenhelm und jeden
verrosteten Spreizer zurück nach Saint
Chenil. Sein Hort platzt inzwischen aus
allen Nähten. Vor allen Dingen haben es
ihm die bunten Giftgasgranaten der Pre-
servisten angetan. Sie riechen so schön
nach den Senfkörnern aus seiner Jugend.
OPIS, DER GRENOUILLE
Opis ist eine Wanderratte von einem Mensch. Er ist Wachsmanns Häscher und größter
Bewunderer, kennt jede Geschichte des legendären Preservisten auswendig, leckt an
jedem Wort aus Wachsmanns Mund, als wäre es Honigsud.
Er ist Wachsmanns Lakai, tut alles für den Alten. In den Sümpfen stellt er Fallen
auf, um Drohnen zu fangen und bewusstlos zu prügeln. Die Opfer zerrt er in Wachs-
manns Labor. Hilft dort seinem Lehrmeister, sie aufzuschneiden und in ihren Gedär-
men zu wühlen. Wie ein echter Doktor.
Eines Tages wird Wachsmann Opis zum echten Spitalier küren, so hat er es ver-
sprochen. Er muss sich anstrengen und von dem Alten lernen. Lernen, den Feind zu
bekämpfen und ihn auszuschalten. Und er muss lernen, die Kinder der Orphanage zu
züchtigen, damit sie jedem seiner Befehle gehorchen. Wachsmann hat ihm etwas zu-
geflüstert. Opis ist auserkoren, Wachsmanns Erbe zu vollenden, sollte dem Alten etwas
zustoßen. Opis Augen leuchten, er versteht, was Wachsmann sagen will. Er muss die
Kinder bewaffnen und mit ihnen in die Sümpfe aufbrechen. Es ist seine Aufgabe, das
letzte Gefecht gegen die Pheromanten anzutreten. Doch Opis braucht Waffen.
Da dämmert es dem Häscher plötzlich: die Resistance! Als Grenouille schafft er
es tief in ihr Lager, kann direkt aus der Quelle schöpfen, aus der sich der frankische
Widerstand formiert. Zoe, diese lächerliche Frau, ist die Anführerin dort. Er könnte sie
ausschalten. Ein Stoß mit dem Messer nur und es wäre vorbei. Aber nein, noch ist nicht
der Zeitpunkt. Wachsmann wird schon wissen, warum er sie am Leben lässt.
ROLLENSPIEL
Woche für Woche schleicht sich Opis ins Camp Resistance, mimt den vorbereiteten
Grenouille, der Gewehr bei Fuß steht. Doch wenn ihm keiner über die Schulter blickt,
macht er sich am Arsenal zu schaffen. Eine Pestizidgranate hier, drei Munitionsköpfe
dort, ein Sack voll Schwarzpulver über die Schulter und dann unbeteiligt dreinschauen
und auf einem Floß nach Saint Chenil verschwinden. Opis leckt sich die Lippen. Noch
hat die Resistance keinen Ressourcenschwund bemerkt. Zu versessen ist man im Camp
auf die Worte der Generalin Zoe.
Inzwischen bunkert genug Kampfstoff in der Orphanage, um einen kleinen Bür-
gerkrieg auszulösen. Wachsmann ist stolz auf Opis. So glaubt der es zumindest.
PROFIL
ARCHETYP: Franka, Der Wanderer, Sipplinge: Grenouille, Rang 2: Grenouille
ATTRIBUTE: KÖR 4, GES 2, CHA 1, VER 1, PSY 2, INS 4
FERTIGKEITEN: Athletik 6W, Faustkampf 6W, Kraft 7W, Nahkampf 6W, Ausdauer
7W, Härte 7W, Fingerfertigkeit 6W, Beweglichkeit 5W, Heimlichkeit 6W, Verhalten 3W,
Fokus 4W, Legenden 5W, Medizin 4W, Wissenschaft 4W, Gerissenheit 6W, Täuschung
7W, Dominieren 7W, Glaube 5W, Reaktion 4W, Orientierung 5W, Wahrnehmung 6W,
Überleben 5W
HINTERGRÜNDE: Netzwerk 1, Ressourcen 3, Geheimnisse 1
BESONDERES: +2W auf PSY+Täuschung gegen Angehörige der Resistance;
+2W auf VER+Legenden im Zusammenhang mit Wachsmanns Erzählungen
POTENZIALE: Phalanx 1
INITIATIVE: 4W / 8 Egopunkte (Fokus)
ANGRIFF: Traqueur, 6W, Reichweite 2m, Schaden 7;
Totschläger, 7W, Reichweite 1m, Schaden 5, Stumpf
VERTEIDIGUNG: Passiv 2; Nahkampf aktiv (Blocken), Nahkampf 6W / 7W;
Fernkampf aktiv (Zu Boden werfen), Beweglichkeit 5W; Mental (Glaube) 5W
BEWEGUNG: 6m
PANZERUNG: Zerfledderter Spitalieranzug mit undichter Gasmaske, Panzerung 2
VERFASSUNG: Versporung 7 / 10, Fleischwunden 14, Trauma 6
BESONDERE AUSRÜSTUNG: Gebrauchte Spitalierausrüstung (Kalkbeutel, zerbroche-
ner Molluskenbehälter, Feldverband, unbeschriftete Ampullen und Metallspritze, Teile ei-
nes Chirurgenbestecks und diverse Rangabzeichen)
WACHSMANN
Die Bestie in Wachsmanns Seele liegt in einem tiefen Schlaf.
Einst war er Preservist, vom Spital entsandt, um der Macht der Pheromanten
Herr zu werden. Gemeinsam mit dem Erhabenen Lacroix, einem Wiedertäufer, der
Wachsmanns grausamen Neigungen in nichts nachstand, läutete er die „Trockenzeit”
ein. Gemeinsam tanzten sie zur Melodie von Mord und Totschlag. Keine Gräuel waren
ihnen fremd, um Leperos zu jagen, zu fangen, sie zu quälen und zu töten. War die
Vernichtung der Homo-Degenesis-Brut nicht die höchste Aufgabe eines Preservisten?
War es nicht das, wofür er geschaffen worden war? Sein Herz war ein gewissenloser
Fleischklumpen, der leblos vor sich hintaktete. Einzig das Morden, die totale Vernich-
tung des Gegners erregte ihn, feuerte ihn zu Höchstleistungen an. ‘68 hatten sie eine
Armee von außerordentlicher Schlagkraft zusammengeführt. Zwei Preservisten-Korps,
Hundertschaften an Famulanten und vier Wiedertäuferrotten waren versammelt, um
den Sumpf nach Norden zu durchbrechen. Mit Feuer und Schwert würden sie die Ein-
geweide der Pheromanten zerteilen und ausräuchern. Doch es sollte anders kommen. PRESERVISTENFLUCH
Der Vergeltungsschlag der Absonderlichen traf die Wachsmann-Lacroix-Expediti- Wachsmann bündelt alles Widerwärti-
on mit nie dagewesener Härte. Die Noumenon-Vocalizer verzeichneten gewaltige Ent- ge und Abscheuliche der frühen Preser-
ladungen, deren Nachhall erst nach Jahren verebbte. Wachsmann hatte dieses Him- vistenlehre in sich, aus einer Zeit, bevor
melfahrtskommando zu verantworten. Doch der Preservist floh, statt sich dem Spital Kranzler die Rolle des Korps-Obmanns
zu stellen. In Saint Chenil tauchte er unter, ließ die Zeit verstreichen, bis sein Name übernahm. Ihre ursprünglichen Metho-
langsam aus den Gedächtnissen verschwand. Die Spitalier erklärten ihn für tot und den, ihre Doktrin, ihr Überlegenheitsge-
stellten schließlich die Suche nach ihm ein. fühl personifizieren sich in Wachsmann.
Schon deshalb muss der alte Preservist
ROLLENSPIEL die Entdeckung durch seinen Kult fürch-
Niemals würde sich Wachsmann einen Fehler eingestehen. Er kennt keine Schuld. ten. Er ist sich sicher, Kranzler würde
Weder für die Männer, deren Ableben er zu verantworten hat, noch für die Mordlust, alles daran setzen, Wachsmann zu fas-
die ihn sein Lebtag lang antrieb. Im Geiste steht er über dem Gesetz, verachtet seinen sen und ihn für seine fehlgeschlagene
Kult, weil dieser ihn nicht als Held gepriesen hat, sondern ihn aus den Annalen tilgte. Expedition zur Rechenschaft zu ziehen.
Wenn es nach ihm ginge, würde er die Preservisten erneut ausheben und den Feldzug Um seiner gerechten Strafe zu entgehen,
glorreich zu seinem Ende führen. Die Konsultanten hätten ihn unterstützen müssen. hat sich Wachsmann in Saint Chenil ver-
Er war so nahe dran. Nichts dergleichen. krochen, wo er im Geheimen an seinem
Nur in seinem Labor im Keller der Orphanage fühlt er sich noch in die alten Tage Plan arbeitet. Er will die Indoktrinierung
zurückversetzt. Dort betreibt er Experimente an Drohnen, die ihm Opis aus den Sümp- der Preservisten auf die Kinder seiner
fen heranschleppt, schneidet sie auf, amputiert Gliedmaßen und zieht ihnen die Haut Orphanage übertragen. Aus ihnen will
ab. Alles zum Wohle der Menschheit, versteht sich. er kaltblütige Kindersoldaten formen,
die seinem Willen hoffnungslos ergeben
PROFIL sind. Und mit denen er in den Krieg ge-
ARCHETYP: Borca, Der Fanatiker, Spitalier, Rang X: Altvorderer gen die Pheromanten ziehen kann, um
ATTRIBUTE: KÖR 2 (5), GES 2 (5), CHA 2, VER 5, PSY 5, INS 2 die Expedition abzuschließen, mit der
FERTIGKEITEN: Athletik 6W, Kraft 6W, Nahkampf 6W, Ausdauer 6W, Härte 6W, vor Jahrzehnten alles begann.
Fingerfertigkeit 6W, Steuern 6W, Beweglichkeit 6W, Schusswaffen 6W, Fokus 10W,
Legenden 10W, Medizin 10W, Wissenschaft 10W, Gerissenheit 8W, Täuschung 8W,
Dominieren 10W, Reaktion 8W, Wille 10W, Orientierung 6W, Wahrnehmung 6W, POTENZIALE
Überleben 6W ÜBERLEBENSWILLE
HINTERGRÜNDE: Netzwerk 2, Ruf 5, Ressourcen 6, Geheimnisse 3 VORAUSSETZUNG: Rang Preservist,
BESONDERES: Vergreisung (-3W auf KÖR und GES); Resistenzaufbau (+3W auf alle Fokus, PSY+Wille 10
Aktionswürfe gegen Krankheiten und Gifte); Skrupellosigkeit (+2W gegen Mentale An- Wachsmann ist ein Preservist der alten
griffe jeder Art) Schule. Er kann seinen Geist auf ein einzi-
POTENZIALE: Preservalis 3, Preservist alter Schule 3 , Überlebenswille ges Ziel fokussieren und Reserven freiset-
INITIATIVE: 8W / 20 Egopunkte (Fokus) zen, die jenseits des Menschlichen liegen.
ANGRIFF: Preservalis-Schwert, 8W, Reichweite 1m, Schaden 10; Pistole, 7W, Distanz Er erwarb diese Techniken im Tausch ge-
(10/40), Schaden 9 gen sein Gewissen. Auch wenn er alt und
VERTEIDIGUNG: Passiv 2; Nahkampf aktiv (Parieren), Nahkampf 8W; gebrechlich wirkt, die Doktrin ist immer
Fernkampf aktiv (In Deckung werfen), Beweglichkeit 6W; Mental (Wille) 10W noch in ihm. Gelingt ihm in einer auswe-
BEWEGUNG: 6m glosen Situation ein Wurf auf PSY+Wille
PANZERUNG: Schwarze Kutte, Panzerung 1 (4), verdoppeln sich Wachsmanns Ego-
VERFASSUNG: Versporung 10 / 20, Fleischwunden 12, Trauma 7 punkte (auch über das Maximum hinaus)
BESONDERE AUSRÜSTUNG: Ledernes Etui (ausrollbar, enthält Spritzbesteck, und er ignoriert bis zum Ende der Szene
3 x Narkotika (Stufe 3), 3 x Stimulanzien (Stufe 3), 3 x Schmerzmittel (Stufe 3) alle Mali durch Traumaschaden.

THE KILLING GAME 115

 K A P I T E L

OPERATION
MIRAGE
R AT T L E R
Sie ist das schönste Wesen auf Erden. Die Sonne blitzt
durch ihr Haar, das Licht flutet durch ihre Strähnen. Er
kann ihr Gesicht kaum im Gegenlicht erkennen, doch es
gibt keinen Zweifel: sie ist das Beste, das er jemals kannte.
Ihre Arme umschließen seinen kleinen Körper, drücken ihn
fest an sich. Er riecht ihre Haut, küsst ihre zarte Brust, sei-
ne Augen wandern über ihre Sommersprossen hinweg. Das
hohe Gras um sie herum raschelt im Wind und sie streichelt
durch seinen weichen Schopf. Er ist so jung. So zerbrech-
lich. Sein Blick sucht den ihren, er sieht sie sprechen, doch
es erklingt kein einziger Ton. Da ist nur dieses Licht hinter
ihr, das mit der Kraft allen Lebens durch ihre funkelnden
blonden Strähnen scheint. In ihren Armen ist er sicher. Er
liebt sie. Seine Mutter.
Plötzlich schwarze Hände überall. Sie kommen aus
dem hohen Gras, greifen nach ihm. Wie Schraubstöcke um-
schließen sie seine Arme und Beine, reißen ihn aus ihrem
Schoß. Er sieht die verzweifelten Augen seiner Mutter. Da-
rin spiegelt sich bodenlose Angst. Sie versucht ihn festzu-
halten, doch die schwarzen Hände sind stärker, schneller,
zerren ihn von ihr weg. Sie wird immer kleiner, Grashalme
schieben sich in sein Blickfeld, ihre Konturen verschwim-
men vollends. Sie schreit. Geräuschlos. Er schreit. Doch die
Welt ist verstummt. Überall sind nur schwarze Hände und
Gras, das bis zum Himmel reicht und das allmächtige Licht
auslöscht.
Die erste Explosion reißt ihn aus dem Tagtraum. Er braucht
zwei Augenaufschläge, um im Jetzt anzukommen, blickt
sich um. Der Tunnel vor ihm kollabiert unter einem geister-
haften Ächzen. Eine Staubwolke wabert vorwärts. Die drei
Schrotter neben ihm im Stollen nicken hinüber, bedeuten
ihm, dass alles nach Plan läuft. Er gibt ihnen zwei Handzei-
chen zurück, sie sollen weitermarschieren und die anderen
Sprengladungen zünden.
Mit seiner Hand fährt er sich über den kahlen, schweiß-
gebadeten Schädel. Es ist unerträglich heiß und stickig hier
unten. Seine Finger tasten nach den schorfigen Tätowie-
rungen, die seinen Kopf wie ein Irrgarten umspannen. Wa-
rum dieser Traum, immer und immer wieder?
Weitere Explosionen donnern mehrere Straßenzüge
entfernt. Der Schrotter mit dem verbrannten Ohr dreht
sich zu ihm. „Mach schon Rattler, wir müssen hier raus! Die
ganze Decke kommt jeden Moment runter!”
Rattler greift nach seiner Schrotflinte, macht zwei
Schritte auf die drei Schrotter zu.
Aus dem Funkgerät des Schrotters erklingt eine holzige
Stimme „Ferrallies ist dicht, wir haben den Norden unter
Kontrolle.”
Der Schrotter springt auf und klatscht mit seinen Brü-
dern ab. „Wir haben sie am Arsch!”, jauchzt er vor Freude.
Dann wieder zurück zu Rattler: „Hast du gehört Mann, die
Stadt gehört uns!”
„Uns?”, fragt Rattler ungläubig. Seine Augen sind zu
Schlitzen verengt. Das Gesicht seiner Mutter flackert vor
seinem inneren Auge. Er versucht sich zu erinnern, doch
ihre Züge verschwimmen im Halbschatten. Da ist nur die
Sonne, die ihn blendet. Das Stöhnen des zusammenbre-
chenden Stollens zerreißt seine Erinnerung. Er hebt die
Schrotflinte an und feuert dem Schrotter auf Armeslänge
ins Gesicht. Der Feuerstoß lässt die beiden anderen Dreck-
wühler aufspringen. Der erste ist kaum auf den Beinen,
da zertrümmert Rattlers Gewehrkolben sein Jochbein und
lässt ihn im Staub zu Boden gehen. Der zweite irrlichtert
mit vor Angst geweiteten Augen rückwärts, versucht ver-
zweifelt einen alten Revolver aus seinem Gurt zu ziehen.
Rattler ist heran, setzt die Schrotflinte auf, drückt ab. Eine
Blutfontäne spritzt durch die Luft. Das Echo des Schusses
jagt den Gang hinunter.
„Mir!”, spuckt Rattler auf den Toten hinunter und setzt
sich in Bewegung.
Die Stunde seiner Abrechnung hat soeben begonnen.
THE KILLING GAME 119
VOR SPIELBEGINN
Ihre Spieler haben die Südküste Frankas erreicht. Sie sind in Toulon angekommen.
Glückwunsch. Das Schlimmste steht ihnen noch bevor.
Zu welchem Zeitpunkt sie das vorliegende Abenteuer „OPERATION MIRAGE” in
ihre Kampagne einbauen wollen, ist Ihre Entscheidung. Sie können es an den Anfang
einer lang angelegten Kampagne im Rhône-Delta stellen, um Ihre Spieler gleich zu Be-
ginn in die Wirren des Bürgerkriegs zu reißen und ihnen harte Entscheidungen abzu-
verlangen. Sie können aber auch wochenlang kleine Abenteuer in Toulon und Umland
ansetzen, sich Zeit lassen und die Spieler zu Kollaborateuren der Operation machen.
Wenn Ihre Spieler die Region und deren Akteure erst einmal zu schätzen gelernt ha-
ben, werden die kommenden Ereignisse einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Es
sei jedoch vorab gesagt, dass es Ihr Spiel und Ihre Kampagne ist. Sie treffen die Ent-
scheidungen, in welcher Form Sie das vorliegende Abenteuer nutzen oder umgestalten
wollen. Sie entscheiden die Wege, die Ihre Spieler in bestimmte Szenen hineinführen,
und können die Abfolge der Ereignisse nach Ihrem Belieben ändern. Jeder Spielleiter
wird die Geschichte an seine Gruppe anpassen müssen. Zugleich wird es für die Spieler
unmöglich sein, an allen Orten des Geschehens gleichzeitig zu agieren.
Deshalb ist es wichtig, dass Sie sich aus dem Chaos der Ereignisse die passenden
Szenen zusammensuchen und die verknüpfenden Elemente eigenständig definieren.
Im folgenden Kapitel werden sich Episoden innerhalb verfeindeter Gruppen abspielen.
Das Gerüst des Abenteuers sind Schlüsselszenen, die zu seinem Finale führen. Die Zwi-
schenräume sollten Sie nach Möglichkeit Ihren Spielern überlassen, sie zum Handeln
animieren und ihnen schnelle Reaktionen abverlangen, damit die Geschichte nicht an
Tempo verliert.
„OPERATION MIRAGE” ist ein Abenteuer für erfahrene Spielleiter und hartge-
sottene Charaktere. Ihre Gruppe wird an die Grenzen der eigenen Erschöpfung gehen
müssen, um im Kugelhagel des gewaltsamen Umbruchs von Toulon zu bestehen.

PERSPEKTIVEN
In Toulon sind unzählige Fraktionen gleichzeitig am Werk. Ihre Motivationen werden
sich im Laufe des Abenteuers entfalten und sie werden ihre Stellungen beziehen. Als
Spielleiter werden Sie im Verlauf der Geschichte entscheiden müssen, welche Perspek-
tive Sie in den Vordergrund stellen möchten und auf welche Seite Sie Ihre Spieler ma-
növrieren wollen. Ist Ihre Gruppe unabhängig, dann entwickelt sich die Dynamik ohne
ihr Zutun. Sind Ihre Spieler jedoch mit einer der agierenden Fraktionen im Bündnis,
werden sie für deren Ambitionen kämpfen und eventuell auch geradestehen müssen.
Die Einstiege sind vielfältig. Im Folgenden geben wir nur einige Beispiele. Die voran-
gegangenen Kapitel schlüsseln zusätzliches Material auf, geben diverse Eintrittspunkte
in den Verlauf der Geschichte.

DIE HERRSCHER TOULONS

Wollen Ihre Spieler den Status Quo festigen und die Neolibyer an der Macht halten?
Reichtum und Bündnisse locken bei Erfolg. Doch die Africaner sind unter Belagerung.
Sich auf die Seite Hamzas zu schlagen, bedeutet mit den Chronisten zu brechen und
deren kaltblütigen Jähzorn heraufzubeschwören.

DIE EISENBRÜDER
Die Helden des Klassenkampfs und die Rache der Abgehängten. Vielleicht gehören Ihre
Spieler den Eisenbrüdern an, unterstützen sie bei deren Abrechnung an den schwarzen
Machthabern. Nestors Worte tragen das Feuer der Freiheit in sich und die Schrotter
waren dem Sieg noch nie so nahe. Können die Spieler die Eisenbrüder unterstützen
und den Bürgerkrieg zu deren Gunsten steuern?
KOMMANDO REQUIEM A LT E R N AT I V E N
Umwälzung, Spionage, Infiltration und Koordination sind die Stärken dieser Frakti- Agieren Ihre Spieler aus der Region her-
on. Sie können Ihre Spieler zu Handlangern des Paradigmas Mirage machen. Vielleicht aus, ist eine Vielzahl an Startpunkten für
sind sie wegen ihrer vortrefflichen Fähigkeiten als Provokateure oder wegen ihrer Lo- das Abenteuer vorhanden.
yalität Justitian gegenüber ins Abenteuer geschleust worden.

DIE SCHWARZE SCHAR 1 . B AY O N N E

Vielleicht beginnt ihr Abenteuer auch auf dem Mittelmeer als Häscher der Schwarzen Im Auftrag von Sacrocant, dem Raben
Schar. Als Unbeteiligte werden Ihre Spieler durch die verheerenden Prophezeiungen von Bayonne, könnten die Charaktere
des Tarots in den Strudel der Ereignisse hineingerissen. Im Auftrag Callistos müssen versuchen, während der Ereignisse von
sie nach dem Ursprung des Phönix Ausschau halten. Operation Mirage Versorgungswege auf-
recht zu erhalten und in Toulon ansäs-
DIE FEUERVÖGEL sige Apokalyptiker der Rhône-Schar aus
Halten Sie Ihre Spieler aus den Geschäften der Feuervögel weitestgehend heraus. Ratt- der Stadt zu schleusen.
lers zerstörerische Eigendynamik ist ein essentieller Teil des letzten Kapitels „TAG DES
PHÖNIX”. Führen Sie Ihre Spieler zu früh in diese Fraktion ein, rauben Sie sich das 2.DUCAL
Feuer für den finalen Showdown. Cardial, der Rabe von Ducal, hat stets
gute Geschäfte mit den Neolibyern ge-
DER KESSEL macht und will ihre Macht nicht in Ge-
Unabhängigkeit hat einen hohen Preis. Entscheidungsfreiheit bedeutet, ohne Unter- fahr sehen. Als Kundschaft für seine Im-
stützung der Kulte auskommen zu müssen und zwischen Ambitionen unterschied- porte sind sie zu wichtig, zementieren
licher Parteien verkeilt zu sein. Die Resistance will die Entscheidungsgewalt über seine Einflusssphäre.
Toulon. Im Windschatten der Ereignisse wird Zoe Morceau versuchen, ihren Machtan-
spruch zu festigen. 3.ALPENFEUER
Gegen den Willen Vericons versteht sich. Wozu neue Herrscher, wenn die alten Der Leitposten Morvant sucht verzwei-
doch alles richtig gemacht haben? Vericon wird alles daransetzen, Toulon als Enklave felt nach dem desertierten Hellvetiker
der Neolibyer zu halten, und die Africaner mit Waffengewalt unterstützen. Baptiste. Außenposten Tirano hat sogar
Vielleicht schlagen sich die Spieler auch auf die Seite Adonais, versuchen Saint Chenil ein gewaltiges Kopfgeld auf den Sappeur
und seine verlorenen Seelen zu schützen und sie aus der Gefahr, die sie nicht verur- ausgelobt. Jeder Hinweis, der zu dessen
sacht haben, herauszuhalten. Ergreifung führt, wird zusätzlich mit
Schlussendlich ist da noch das Geheimnis um Wachsmann. Kann der greise Preser- hellvetischer Bündnistreue und freiem
vist die Spieler womöglich auf seine Seite ziehen oder ist sein Schrecken so grauenhaft, Geleit durch die Alpen belohnt.
dass sich die Spieler im Eifer des Bürgerkriegs gegen ihn stellen und sein Versteck plün-
dern? 4.BRUDERSTÄDTE
Montpellier und Perpignan, Toulons
Bruderstädte, werden nicht tatenlos
A U F TA K T zusehen, wie Toulon, Africas Nabel des
Auch wenn Operation Mirage den Höhepunkt dieses Buches darstellt, die Region um Handels, unter Feuer genommen wird.
Toulon herum bietet unzählige Aufhänger für Kampagnen und Abenteuer, die Sie mit Sollten die ansässigen Consuln Elani und
Ihren Spielern vorab erleben können. Burnschmuggel entlang der Berner Passage, Ex- Atuma von dem ausbrechenden Bürger-
peditionen in die Rhône-Sümpfe, Scharmützel mit Drohnen, Pheromantenjagd oder krieg mitbekommen, werden sie ihre
Nahrungslieferungen an das Feldlazarett Mercure. Armada aus Kriegsschiffen auslaufen las-
Hinzu kommen Schrotteraufstände, die Suche nach Artefakten im brackigen sen, um Hamza zu Hilfe zu eilen.
Sumpfwasser, die Gefahren des Schwarms und die Vernichtung von gesichteten Idolen.
Der Zusammenfluss der Kulturen, Kulte und Feinde ist so vielseitig, dass man leicht 5 . S P I TA L I E R
in Versuchung geraten könnte, alles zu überspringen, nur um direkt im Abenteuer zu Ein Zusammenbruch Toulons bedeutet
beginnen. ein Absterben des Brandwegs, des Binde-
Lassen Sie sich Zeit. Bauen Sie die Stimmung auf, zeigen Sie ihren Spielern das glieds zur Berner Passage. Eine Katastro-
Land und die Leute, ihren Überlebenskampf und ihre Sehnsucht nach Freiheit. Die phe in den Augen der Spitalier, die alles
Eindrücke der Spieler werden deren eigenen Entscheidungen bestärken und es der daran setzen würden, die Marschrouten
Gruppe erleichtern, sich auf die Seite einer Fraktion zu schlagen, deren Motivationen der Hundertschaften in Sicherheit zu
sie versteht. wissen.

THE KILLING GAME 121


IN THY BLOOD
Spielrunden, die zuvor in Lucatore den
Geschehnissen um Altairs Tod auf den
Grund gegangen sind, können nahtlos an
THE KILLING GAME als Folgekampag-
ne anschließen.
Die offensichtlichste Überleitung ist
die Verfolgung von Decoy 5 – nach sei-
ner Kompromittierung in Nord-Purgare
führt sein Weg zurück durch die Alpen
nach Franka, zurück in angestammtes
Territorium. Von hier aus nimmt er Kon-
takt zum Cluster auf. Die Spieler können
seine Spur bis Toulon verfolgen und ver-
suchen, seine Tarnidentität zu entschlüs-
seln. Doch er ist vorerst untergetaucht.
Eine andere Überleitung bietet Je-
hammeds Scheibe. Haben die Spieler die
Übertragung aktiviert, sendet das Arte-
fakt ein undeutliches, schwaches Signal,
versucht sich an eine Emissionsquelle in
Toulon zu koppeln, die aber nicht genau
lokalisiert werden kann. Doch innerhalb
der Stadtgrenzen ist es am stärksten.
N E U I N D E R S TA D T
Verschaffen Sie Ihren Spielern einen Eindruck vom Alltag und Leben in Toulon. Ein
ausgiebiges Mittagessen auf einer schwimmenden Garküche in Terres Putain, eine
zähe Verhandlung auf der Straße der Kontore, die erste Orange ihres Lebens auf der Sil-
berachse im Cour Argent oder eine deftige Fischsuppe am Fischmarkt von Port Lagag-
ne, samt Trompeten und Seemannsliedern. Hauchen Sie der Stadt durch einprägsame
Szenen Leben ein. Zeigen Sie Ihren Spielern die Vielfalt. Toulon sieht jeden Tag neue
Gesichter, der ewige Fluss von Waren und Handel spült ständig neue Gestalten in die
Stadt und andere am nächsten Tag wieder fort.
Neuankömmlinge werden selten schräg beäugt, können leicht Unterkunft und gu-
tes Essen auftreiben und die Gastfreundschaft der Touloni genießen. Die Stadt lebt von
ihren Besuchern, sie sind das Rückgrat seiner Wirtschaft.
K O N TA K T E U N D N E T Z W E R K
Haben sich Ihre Spieler mit der Region vertraut gemacht, erlauben Sie ihnen ihr Netz-
werk innerhalb der Stadt auszubauen oder vielleicht sogar ein eigenes Operationsquar-
tier aufzuschlagen. Kennen sich die Charaktere bereits aus vorangegangenen gemein-
samen Abenteuern, verfolgen sie womöglich ähnliche Ziele und Absichten innerhalb
der Stadtgrenzen. Lernen sie sich hingegen erst kennen, werden sie schnell feststellen,
dass antrainierte Verhaltensmuster zwischen den Kulten sich in Toulon anders dar-
stellen als im Protektorat oder in Purgare. Die Menschen sind geselliger. Der ständige
Zulauf aus fremden Ländern hat die Touloni aus der Isolation getrieben und weltof-
fener gemacht. Was nicht heißen soll, dass es keinen Grund für Streitereien gibt. Ein
blöder Spruch und ein schiefer Blick auf die Frau des Fischers vom Tisch gegenüber
und man hat schnell eine Faust im Gesicht. Doch die Reibereien enden meist, bevor
es ernst wird.
Zwischen den Ereignissen können Sie ihre Spieler animieren, ihre Kontakte aus-
zuweiten oder neue Verbündete zu gewinnen. Je besser sie sich auf fremden Boden
auskennen, desto leichter wird es ihnen später fallen, wichtige Entscheidungen zu tref-
fen beziehungsweise sich zielsicher durch die Stadt zu bewegen. Die fünf Bezirke sind
auf unterschiedlichste Weise miteinander verknüpft. Über Straßen, Wasserwege, Stege
und Piers gelangt man in das nächstgelegene Viertel. Wenn ihre Spieler die Stadt ken-
nen, werden sie wissen, wo sie Schutz suchen müssen, wenn es brenzlig wird.
GESPRÄCHSSTOFF
Menschen reden gerne. Vor allen Dingen, wenn man sie nach ihrer Meinung fragt.
Wollen sich Ihre Spieler in einer Gaststätte, Garküche oder Eckkneipe umhören und
nach Informationen Ausschau halten, können Sie durch nachfolgende Tabelle leicht
für Gesprächsstoff mit der Bevölkerung Toulons sorgen. Ein erfolgreicher Wurf auf
INS+Empathie (2), PSY+Gerissenheit (2) oder CHA+Verhalten (2) zusammen mit ein
paar spendierten Gläsern Wein oder Destillat lösen die Zunge und lassen Eindrücke
und Geschichten heraussprudeln.
EINDRÜCKE
a THIEBAULT, DER AUSTERNFISCHER: „Die Arbeit
ist hart, aber es lohnt sich. Die Africaner müssen
ihr Geld ja irgendwo lassen. Ja, die Kanäle in Port
Lagagne führen alle in die Austernbucht. Von dort aus
gelangt man leicht ins Umland der Stadt.”
a LORIOT, DER EISENBRUDER: „Ich hab noch drei
Zähne im Maul. Mir würden auch zwei ausreichen, um
den verdammten Neolibyern die Eier abzubeißen! Alles
haben sie uns genommen. Sogar unsere Zähne!”
a UMA, DIE NEOLIBYSCHE SCHREIBERIN: „Nein, im
Consulat sind keine Termine für eine Vorsprache frei.
Am besten in sechs Monaten zurückkommen. Nein, wir
machen keine Ausnahmen, außer es ist für die Consulin
Zohra von Belang.”
a GORDEFOIX, DER BORDENOIR: „Ich studiere
an der Universität. Meine Eltern haben für die
Ausbildung bezahlt. Wenn ich fertig bin, werde ich
eine Parzelle in Perpignan zugesprochen bekommen,
die ich leiten werde. Einmal drin werde ich mich bis
an die Spitze hocharbeiten. Wir Franker können es
genauso weit bringen wie die Africaner.”
a NOEL, DIE WAISE AUS SAINT CHENIL: „Darf ich
ihr Leder ausbessern, Herr Schrotter? Nein, ich kenne
meine Eltern nicht. Ich wohne in der Orphanage mit
allen anderen. Darf ich ihren Schuh flicken, Herr
Spitalier?”
a CUIVRE, OFFIZIER DER BEAU MONDE: „Erzähl
mir, was du willst, aber dass wir seit Jahren Frieden
haben, stinkt. Wenn du mich fragst, alles nur eine
Frage der Zeit, bis den Leuten die Nerven durchgehen
und alle oben in Hamzas Palast wohnen wollen. Gier
ist menschlich.”
a MARTINEZ, DER HYBRISPANISCHE HÄNDLER:
„Spreche nicht gut. Suche Stand. Habe Ware. Gute
Munición. Säbel. Messer. Por qué will keiner kaufen?
Keine Cojones in der Stadt.”
a ORLY, DER ALTERNDE ZINKSCHMIED: „Die
Chronisten und Spitalier waren der Abschaum.
Abgaben, Kontrollen, Hausdurchsuchungen. Noch ein
paar Jahre länger und unsere Generation hätte ihnen
mit Steinen die Schädel eingeschlagen. Die Africaner
sind ein Segen, lassen uns in Ruhe und sorgen für Arbeit.
Rebellion gegen die Herrscher? Wozu? Bist du verrückt?”
a DAR-UGUDAI, DER SCHWARZE SCHROTTER: „In
den Sümpfen habe ich alles Mögliche gesehen. Selbst
die Ahnen haben dort keine Macht. Wir müssen uns auf
unsere Instinkte und unser Öl verlassen, um vor den
Drohnen unsichtbar zu bleiben. Es gibt Tausende dort,
wo wir letzten Monat gegraben haben. Gefährliches
Land dort draußen.”
a EDITH, DIE WÜTENDE FISCHERFRAU: „Jeden Monat
beschweren sich die Spitalier hier. Einmal kommt ihnen
ein Rucksack abhanden, ein anderes Mal einer von ihren
komischen Speeren. Was, verdammt nochmal, hab ich
damit zu tun? Sollen mich gefälligst in Ruhe lassen und
auf ihre Ausrüstung aufpassen! Hässliche Seegurken.”
a COGNAC, DER SPECHT AUS BAYONNE: „Wir
brennen in Bayonne den besten Alkohol in der ganzen
Region. Blödsinn, das Destillat aus Bassham ist nichts
im Vergleich hierzu. Komm doch einfach im Le Cirque
vorbei und überzeug dich selbst.”
a NAZAIRE, DER JEHAMMEDANISCHE METZGER:
„Herz, Hirn, Lunge, alles gute Ware. Das Fleisch ist gut,
sauber vom Knochen gelöst. Jehammed sei gepriesen,
ich verkaufe nichts an Wiedertäufer.”
a ANTOINE, HELLVETISCHER SOLDAT: „Auf Ausgang.
Brauche Ablenkung. Zwei Wochen, dann geht es zurück
in den Schnee. Ihr wisst nicht zufällig, wo ich an ein
bisschen Glorie kommen kann? Ja, ich hab von vielen
Deserteuren gehört, die in den Sümpfen Unterschlupf
suchen. Ist ja auch kein Wunder, nur Verrückte gehen
dort freiwillig hinein.”
a COIPEL, DER GERISSENE KONTOR: „Zehn Dinare
für achtzehn Wechsel. Wenn du heute kaufst, kannst
du morgen zweiundzwanzig Wechsel zurückhaben. Das
Haus der Handelsbank hat an diesem Morgen die Kurse
prognostiziert. Wenn du mehr einsetzen willst, gerne.
Dein Risiko.”
a AGADIR, DER LEOPARD: „Bessere Preise, bessere
Konditionen. Wenn du in den Krämereien nach mir
suchst, dann warte immer mittags bei den Drahtziehern.
Ich mache meine Runde um den Stand und du kannst
mir folgen. Nein, keine Neolibyer, sonst gibt es kein
Geschäft.”
a ARCHARD, KADETTIN DER RESISTANCE: „Meine
Mutter hat mir mal aus einem alten Buch vorgelesen.
Wir Franker waren einst ein Volk, hatten einen König
und eine Hymne, die jedes Kind auswendig kannte.
Glaubst du nicht, dass es sich lohnt dafür zu kämpfen?”
a MATTEO, DER PURGISCHE TAGELÖHNER: „Klar
Mann, ich hab‘s mit eigenen Augen gesehen. Viel
Bewegung auf dem Meer, Richtung Corpse. Warum
glaubt mir keiner? In Genua spricht man an jeder Ecke
darüber.”
a WERKZEUG, DER BORCISCHE SCHROTTER:
„Wenn du nicht zu den Eisenbrüdern gehörst, hast
du in der Stadt keine Chance. So läuft das nicht unter
uns Schrottern. Jeder für sich, nicht alle gegen einen.
Hoffentlich scheißt ihnen jemand gehörig in den Hals.
Ich ziehe jedenfalls weiter nach Westen.”
THE KILLING GAME 123
 72 STUNDEN
ERSCHÖPFUNG
THE KILLING GAME lebt von Höchstgeschwindigkeit. Die Charaktere werden un-
vermittelt aus ihrem Alltag gerissen und in die Gräben zwischen verfeindeten Bürger-
kriegslagern gezwungen. Atempause? Fehlanzeige. Jeder muss um sein Leben rennen.
Die Ereignisse treiben die Charaktere vor sich her und bis an ihre Grenzen. Ständige
Lebensgefahr, Explosionen, Nahrungsmittelknappheit, Durst – die kommenden Tage
werden zermürbend. Während sich Nahrung und Wasser irgendwie auftreiben lassen,
verkommt Schlaf zur Mangelware.
Ein Charakter kann ohne Einbußen seiner mentalen Leistungsfähigkeit 20 +
KÖR+Härte Stunden wach bleiben. Danach kommt es zu den ersten Aussetzern und er
erhält einen Malus von -2W auf alle seine Handlungen. Seine Bewegungen werden un-
kontrolliert, die Augen brennen, am Rande seiner Wahrnehmung tanzen Schatten. Ab
jetzt muss er für jede weitere Stunde, die er wach bleiben will, einen Egopunkt opfern.
Ist der letzte Egopunkt aufgebraucht, steigt der Malus auf -4W. Ab jetzt hält
ihn nur noch reine Willenskraft vom Schlafen ab – die Erfolge bei einem Wurf auf
PSY+Glaube/Wille geben an, wie viele Minuten sich der Charakter wach halten kann,
bevor ein neuer Wurf fällig wird. Beim ersten Fehlschlag holt sich der Körper sofort,
was er braucht, und der Charakter schläft an Ort und Stelle ein. Wird er geweckt, kann
er den Wurf mit jeweils +1 Schwierigkeit wiederholen.
Für jede Stunde, die er hingegen schläft, regeneriert er ein Viertel seiner durch
Schlafentzug verlorenen Egopunkte. Schläft er volle vier Stunden durch, beginnt die
Marter von vorne. Lediglich die Laune des Charakters wird beschissen sein.

BURN
Auch Burn hilft bei Schlafentzug, denn der Funke des Er-
denchakras entzündet ausreichend Energie, um mitunter
tagelang dahin zu driften. Während der Dauer von Rausch-
und Stimulusphase müssen Charaktere keine Egopunkte
opfern, auch nicht nachträglich. Hat der Burner Eintracht
inhaliert, erleidet er zudem keinen Malus von -2W durch
Übermüdung.
STIMULANZIEN
Analeptika beeinflussen die Auswirkungen des Schlaf-
entzugs massiv. Während der herkömmlichen Wachpha-
se (20 + KÖR+Härte Stunden) profitieren Charaktere von
dem im KATHARSYS (S. 177) beschriebenen Stimulanzef-
fekt. Anschließend ändert sich die Wirkung. Der Charakter
bekommt keinen Bonus mehr, erleidet dafür jedoch auch
nicht den Malus von -2W durch Übermüdung. Er ist auf-
gedreht und voller Energie. Sein Körper tourt im Grenzbe-
reich – auf Kosten der eigenen Gesundheit.
Statt jede Stunde einen Egopunkt zu verbrennen, erhält
der Charakter jeweils einen Schaden. Durch diese Auszeh-
rung entstehender Traumaschaden verursacht zunächst
keine Wundabzüge. Sobald die Wirkung der Stimulanz
nach Stufe x 3 Stunden nachlässt, erleidet der Charakter
auf einen Schlag alle Nachteile. Er erhält den Malus von
-2W und verliert die Egopunkte, die er eigentlich hätte auf-
wenden müssen. Ist sein Egovorrat dadurch aufgebraucht,
bricht er sofort für 1W Stunden ohnmächtig zusammen.
FORTBEWEGUNG
Toulon verwandelt sich innerhalb weniger Stunden in ein
Kriegsgebiet. Ganze Straßenzüge werden mit Barrikaden
abgeriegelt, seien es Balkensperren oder gesprengte Häu-
serfronten, die Zugänge mit Trümmern blockieren. Auf
dem Pflaster und im Hafen lodern Petrolachen, schwarzer
Qualm beißt in den Augen und verhüllt die Sicht auf He-
ckenschützen. Durch die Trümmer streifen von Burn auf-
gepeitschte Plünderer. Fraktionslose Verlierer, die ihre Zeit
gekommen sehen. Sie locken Opfer gezielt in Hinterhalte,
drehen den Spieß um. Jede Fortbewegung durch die um-
kämpften Gebiete der Stadt wird zu einem Hindernislauf
für die Charaktere. Von den Anwohnern haben sie keine
Hilfe zu erwarten: wer nicht zu einem der Sammellager
fliehen kann, verschanzt sich, so gut es geht, und schießt
auf alles, was sich rührt.
Während der 72 Stunden von Toulon werden die Cha-
raktere verschiedene Routen durch die Stadt finden müs-
sen, um zu den unterschiedlichen Schauplätzen zu gelan-
gen. Als Spielleiter können Sie die nachfolgende Sammlung
von Ereignissen und Begegnungen zur Anreicherung dieser
Vorstöße einsetzen.
JAGDFIEBER
Konfrontationen lauern an jeder Ecke. Eine Bande Eisen-
brüder, die ihre Wut an africanischen Gefangenen auslässt,
Apokalyptiker einer ansässigen Schar, die das Chaos für ihre
eigenen Zwecke nutzen wollen, oder Plünderer, die sich auf
den Schlachtfeldern bewaffnet haben und auf Beute aus
sind. Die Spieler entscheiden, wer Jäger und wer Gejagte
sind. In jedem Fall spielt das Terrain in Toulon eine beson-
dere Rolle.
Nimmt die Gruppe die Verfolgung auf, um zum Bei-
spiel jemanden daran zu hindern, Hilfe zu holen oder die
Charaktere zu verraten, führt die Jagd je nach Viertel durch
Trümmerhaufen und brennende Hausruinen oder hinauf
auf die Dächer und Gerüste der Hafenanlagen. Auch Kai-
anlagen und Boote können als Fluchtweg genutzt werden.
Mit Aktionswürfen auf KÖR+Athletik und GES+Beweglich-
keit sprinten die Charaktere über Dächer, vermeiden Stürze
und weichen umgeworfenen Gerüsten, herumschwingen-
den Lastketten und Stromkabeln aus. Bei Fehlschlägen dro-
hen Fleischwunden und unerfreuliche Begegnungen. Wer
will schon durch ein Dach einbrechen und mitten in einer
Leperoshöhle landen?
VORSICHT
Ein Durchgang, dahinter eine Gasse, die mehrere Hinter-
höfe verbindet. Ideal, um abseits der Hauptwege voranzu-
kommen. Doch es ist ein Fluchtweg, der von Schrottern
oder Apokalyptikern präpariert wurde. Der Stolperdraht
am Anfang (Verborgen 4S) löst eine Sprengladung aus, die
den Rückweg mit einer Schuttlawine abschneidet – eigent-
lich, um Verfolger abzuschütteln. Der Rest des Weges ist zur
Sicherheit mit zwei Fallgruben (Verborgen 2S, angespitzte
Eisenprofile, Schaden 9), einem Fangeisen (Verborgen 4S,
Schaden 8) und einer Brandstaubmine (Verborgen 3S, Scha-
den 8, Brandgefährlich, Wolke (3 Meter, 1 Runde)) präpa-
riert. Wer den Weg nicht kennt, hat hier nichts verloren.
BLIND
Leise kommt der Tod. Mit einem erfolgreichen Wurf auf
INS+Wahrnehmung (4) können die Charaktere das na-
hende Unheil frühzeitig wittern und Gegenmaßnahmen
ergreifen. Der Wind treibt Wolken giftiger Dämpfe in ihre
Richtung, in 3 Runden sind sie eingehüllt. Entweder han-
delt es sich um Petrorauch (Vergiftet (3S, 1 Fleischwunde
pro Runde)), der durch die Straßen wallt, oder um eine ver-
dichtete Senfgaswolke (Vergiftet (5S, 1 Trauma pro Runde)),
die von panischen Famulanten entfesselt wurde. Geraten
die Charaktere in die Wolke, werden sie jede Runde er-
neut vergiftet. Sie müssen einen Ausweg finden, was auf-
grund der eingeschränkten Sicht (-2W) schwierig wird. Erst
nachdem ein Charakter mit einer aufwändigen Aktion in
INS+Orientierung 12 Erfolge gesammelt hat, hat er sich aus
der Gefahrenzone in Sicherheit gebracht.
H A LT
Schwere Balken, scharfkantiger Stahlschrott, ein paar Ble-
che und Stangen, alles zusammengehalten von zahllosen
Schweißnähten – an der Straßensperre führt kein Weg
vorbei. Ungefähr doppelt so viele Wachen (je nach Viertel
Eisenbrüder, Apokalyptiker, Geißler oder Plünderer) wie
die Charaktere haben sich hinter der Barrikade verschanzt
(Volle Deckung, Passive Verteidigung +4). Doch irgendwie
müssen die Charaktere durchbrechen.
Wollen die Charaktere die Barrikade stürmen, werden
sie mit Geschossen eingedeckt. Sie müssen jeden Hausein-
gang und jeden Trümmerhaufen als Deckung nutzen, bevor
sie die Sperre mit KÖR+Athletik (2) überwinden und in den
Nahkampf einsteigen können. Mit GES+Handwerk (Auf-
wändige Aktion, 20 Erfolge, 15 min.) können die Charaktere
sich eine mobile Deckung aus einem Karren und Schrott
bauen (Teilweise Deckung, Passive Verteidigung +2).
Eine weniger gefährliche Option wäre eine Ablenkung
(PSY+Gerissenheit (2)) mit einem Überraschungsangriff zu
kombinieren (Anschleichen, Widerstreit mit GES+Heim-
lichkeit gegen INS+Wahrnehmung), um so die Wachen ins
Kreuzfeuer nehmen zu können.
Zuletzt bleibt immer noch Verhandlung. Unter den
gegenwärtigen Umständen ist in Toulon jeder käuflich, so
dass nach offenem Gespräch vielleicht ein paar Gegenstän-
de oder Dinare den Besitzer wechseln und die Charaktere
ihres Weges ziehen dürfen (Bestechen: Widerstreit mit
CHA+Verführung gegen PSY+Glaube/Wille; Verhandeln:
CHA+Verhandlung gegen CHA+Verhandlung; Einschüch-
tern: PSY+Dominieren gegen PSY+Glaube/Wille).
KUGELHAGEL
Ein Schuss zerreißt die Stille und plötzlich bricht die Hölle
los. Mörsergranaten schlagen ein, der Boden zittert, ganze
Häuser sacken seufzend in sich ein. Durch die Staubwolken
und auflodernden Flammen stürmen Kombattanten auf
das Schlachtfeld und die Charaktere sind mittendrin. Jetzt
heißt es: Entscheidung treffen. Ergreifen die Spieler für eine
der Seiten Partei, werden sie in einen Häuserkampf hin-
eingezogen. Einmal als Feinde ausgemacht, geraten sie ins
Visier der Gegenseite. Die Alternative lautet sich irgendwo
eingraben, ausharren und seine eigene Haut so teuer wie
möglich verkaufen.
MASSAKER
Fliegen, Ratten, Straßenköter, Leichenfledderer – sie alle
werden vom Gestank der Verwesung angelockt. Die Cha-
raktere können jederzeit auf die Hinterlassenschaften einer
Hinrichtung oder eines brutalen Abschlachtens stoßen.
Es gibt keine Ordnung mehr, wer eine Waffe hat, ist im
Recht. Eine Untersuchung (INS+Wahrnehmung, VER+Me-
dizin und/oder PSY+Überleben) kann wertvolle Hinwei-
se geben – exekutierte Geißler mit Stromverbrennungen
an den Hälsen oder auf dem Boden verstreute Seiten aus
dem Richterkodex sprechen ihre eigene Sprache. Allerdings
kann es auch sinnvoll sein, den Ort des Geschehen schnell
zu verlassen. Für den Fall, dass die Gefahr noch irgendwo in
der Nähe lauert.
MITKOMMEN
Sind die Charaktere zur falschen Zeit am falschen Ort, kön-
nen sie leicht die Aufmerksamkeit einer der Fraktionen auf
sich ziehen. Geißler halten die Gruppe für Hilfstruppen
der Touloni, Eisenbrüder glauben, die Charaktere gehören
zu Kommando Requiem und so weiter. Da innerhalb kür-
zester Zeit jeder Überblick, wer auf wessen Seite kämpft,
verloren geht, können die Charaktere versuchen, sich
durchzubluffen und das Spiel mitzuspielen. Erfolgreiche
Widerstreite mit PSY+Täuschung gegen INS+Empathie
vermeiden eine offene Auseinandersetzung. Dass die Cha-
raktere dafür vielleicht Petrokanister an eine Front schlep-
pen, eine Barrikade errichten, einen Hinterhalt vorbereiten
oder vorübergehend Gefangene bewachen müssen, kostet
sie lediglich Zeit. Die Gruppe kann so allerdings auch an
wertvolle Informationen gelangen.
THE KILLING GAME 125
PROLOG :
D E R TA G D AV O R
Es braut sich was zusammen. Sind die Charaktere unabhängig und stehen sie nicht in
Verbindung zur Operation Mirage, können Sie den Prolog dazu nutzen, um Ihre Grup-
pe in Alarmbereitschaft zu versetzen.
Die nachfolgenden Szenen sind Momentaufnahmen, falls Sie die Spieler unmittel-
bar und ohne Vorbereitung in das Abenteuer stolpern lassen möchten. Die Ereignisse
spielen jeweils an unterschiedlichen Orten in der Stadt, so dass Sie die Charaktere
mit Toulon bekannt machen können. Besonders die einzelnen Knotenpunkte sollten
Erwähnung finden, damit es der Gruppe hinterher leichter fällt, sich zu orientieren. Ob
Sie alle Szenen oder nur eine Auswahl spielen, bleibt selbstverständlich Ihnen überlas-
sen. Die Ereignisse sind für das eigentliche Abenteuer nicht von zentraler Bedeutung,
geben jedoch erste Hinweise auf die größeren Triebfedern im Hintergrund.
Daher eignet sich der Prolog auch, um aus einer vorangehenden Kampagne in und
um Toulon zu OPERATION MIRAGE überzuleiten. Sofern die Charaktere nicht ohne-
hin schon bis zum Hals mit drinstecken.

SZENE 01 //
C O U R A R G E N T: D E R L A S T K A H N
Wenn Leute keine Ahnung vom Steuern haben, geschehen Unglücke. Es kracht und
scheppert am Kanal, der den Cour Argent von Terres Putain trennt. Irgendein gottlo-
ser Schrotter hat seinen Lastkahn quergestellt, das verdammte Ding hat sich zwischen
zwei Hafenkais verkeilt und stoppt jetzt den Verkehr auf der Wasserstraße. Nichts geht
mehr. Eine Flut an empörten Rufen schallt aus dem Kanal empor, Floßfahrer, schwim-
mende Garküchen und kleine Fähren bilden einen Rückstau bis in die Bucht hinaus.
Vielleicht sind die Charaktere an Bord eines der eingekeilten Boote und sitzen fest.
Jeder ist hier sturer als der andere, keiner will auch nur einen Schritt zurückweichen.
„Sag einer dem verdammten Schrotter, er soll seinen Kahn freisetzen!”, brüllt eine ver-
rauchte Stimme von den Pontons zu den Booten hinüber.
Auf dem Wasser kocht derweil die Stimmung über, die Rangeleien zwischen Gar-
küchenfahrern und Fährschiffern drohen zu eskalieren.
Die Charaktere können Streitigkeiten mit CHA+Verhandlung (2) schlichten. An-
sonsten wird es ungemütlich – zwar gibt es nur eine handfeste Prügelei, allerdings
kommt dadurch Bewegung in die Boote und Flöße. Wer keinen Wurf auf GES+Beweg-
lichkeit (2) schafft, geht über Bord. In voller Montur zu schwimmen, ist kein Vergnügen
(KÖR+Athletik (3)). Um den Charakter zurück an Bord zu hieven, muss der Gruppe ein
gemeinsamer Aktionswurf auf KÖR+Kraft (5) gelingen.
Keinen Augenblick später trifft ein africanischer Gesandter mit fassungslosem
Blick und von vier Bewaffneten flankiert am Kanalufer ein. Glasklar: Die Lage wird
ernst. Der Gesandte fordert, dass der Kanal geräumt wird. „SOFORT!” Er bedeutet den
Geißlern, an Bord zu gehen, um dem Schrotter zu helfen, das Boot zurückzusetzen.
Plötzlich gehen dem Lastkahnfahrer alle Sicherungen durch. Der Motor des Kahns
jault gequält auf und der Bug gräbt sich unter lautem Kreischen in einer steinernen
Kanaltreppe fest. Der Schrotter wirft einen gehetzten Blick um sich, nach links, nach
rechts, dann springt er seitlich über Bord. Der Gesandte zeigt mit dem Finger auf
den Flüchtigen, bellt den Geißlern africanische Befehle zu. Die Geißler starren dem
Lastkahnfahrer hinterher, der in seiner Panik durch die Brühe in Richtung des gegen-
überliegenden Kanalufers schwimmt. Zögern. Keiner will einen Fuß in das stinkende
Abwasser tauchen, ein Verlegenheitsschuss fällt. Dann ist der Schrotter in einem Sei-
tenkanal verschwunden. Stille.
Der Gesandte stößt einen Schwall africanischer Flüche zum Himmel und tadelt die
Geißler wie unnütze Schulkinder. Dann macht er wütend kehrt und schreitet davon.
Der Geißlertrupp springt an Bord des Lastkahns und begutachtet den völlig verkeilten
Bug. Der Truppenführer verschafft sich einen Blick über den Rückstau, dann schüttelt
er verzweifelt den Kopf. Der Kanal ist dicht.
VERFOLGUNG SCHLACHTHAUS
Die Charaktere können die Verfolgung des Schrotters aufnehmen. Bergmann, ein Ei- Es macht keinen Sinn, Goran unter
senbruder, ist nervös geworden – der Kanal ist zwar dicht, aber beinahe wäre er von Druck zu setzen. Doch die Charaktere
den Africanern festgesetzt worden. Jetzt bloß schnellstmöglich untertauchen. Für ein haben einen Augenblick, um sich auf dem
Verhör in der Geißlerkaserne hat Bergmann nicht die nötigen eisernen Nerven. Mit großen Viehgelände umzusehen. Das
einem Aktionswurf auf INS+Überleben (2) können die Charaktere die Spur des Schrot- Areal ist unübersichtlich, Stallungen und
ters bis zum Schlachthaus verfolgen. Dort verliert sie sich. Fertigungsstände versperren den Blick.
Versuchen die Charaktere die Schlachter einzuschüchtern, um an Informationen Dazu gibt es mindestens sechs Ausgänge
zu kommen, stellt sich ihnen eine Wand aus Muskeln, Fleischerhaken, Lederschürzen, raus auf die Straßen. Ein aufgeplusterter
Messern, Beilen und Macheten entgegen. Goran, der Inhaber des Schlachthauses, mag Hahn kreuzt den Weg der Charaktere,
keine Schnüffler. Er klatscht ein großes Stück Schinken auf den Tresen und massiert kräht aufgebracht in ihre Richtung. Der
das Fett. „Keine Schrotter. Nur Schinken”, ist sein letztes Wort. Schrotter ist entkommen.

SZENE 02 //
FERRALLIES: DER GETRETENE HUND
Das andere Gesicht von Toulon erstreckt sich im Osten der Stadt. Gassen, die von den
Hauptwegen abzweigen, sind mit Schutt und Schrottresten verstopft. Baumaterial, das
nicht zum Einschmelzen oder Verbrennen taugt.
Es ist möglich, dass sich die Charaktere auf der Suche nach günstigen Ersatzteilen
hierher verirrt haben. Oder sie suchen einen Handwerker, der defekte Ausrüstung aus-
bessert und optimieren kann. Gründe am frühen Abend durch Ferrallies zu streifen,
gibt es nicht viele.
Die Werkstätten, in denen die Schrotter bis zur Dämmerung schuften, sind zu den
Straßen hin offen, erlauben einen Blick von draußen in die Stuben hinein.
An den grob zusammengezimmerten Werkbänken reihen sich Rücken an Rücken
breite Schultern aneinander. Mit improvisierten Werkzeugen und roher Gewalt zerle-
gen die Schrotter Funde und schlachten sie aus.
Zwischen den Arbeitern tummeln sich Kinder, gehen ihren Eltern zur Hand, geben
sich Mühe, um keinen mürrischen Schlag auf den Hinterkopf abzubekommen.
Weiter die Straße runter, dann eine schiefe Treppe hinauf in eine enge Seitengasse
hinein. Die Charaktere müssen sich regelrecht durchzwängen, um weiterzukommen.
Feindselige Blicke, missmutige Augenpaare, verachtungsvolles Mustern von Kopf bis
Fuß. Die Einwohner von Ferrallies sind Fremde nicht gewöhnt.
Die Eindrücke überschlagen sich. „Achtung! Nicht das Kabel anpacken!” Kehliges
Gelächter brandet herbei. „Idiot!” Funken sprühen. Der Geschmack von Eisen klebt
auf der Zunge, als hätte man ein Glas Blut hinuntergestürzt. Allgegenwärtiger Lärm
klingelt in den Ohren. „E-Cubes laden? Echte E-Cubes? Dritter Durchgang, dahinten
links.”

ORIENTIERUNGSLOS
Sobald sich die Charaktere abseits der Verkaufsadern bewegen, lässt der Lärm nach.
Hier liegen die Wohnquartiere. Kabel hängen wie Schlingpflanzen von den Hausfron-
ten, hier und da blitzt Kupfer durch die Isolierung. Die Fenster sind mit Planen und
Lumpen verhangen, statt Türen gibt es vernagelte Bretter. Leitern und Stege verbinden
die einzelnen Bereiche der Häuser miteinander, darunter wurden Durchgänge zwi-
schen den Häusern hindurch getrieben, um Höfe und dahinter liegende Wege erreich-
bar zu machen. Ein Labyrinth – und die Charaktere haben sich verirrt. Hier hilft kein
Orientierungssinn, denn in der hereinbrechenden Dunkelheit sieht alles gleich aus.
Ein erfolgreicher Wurf auf INS+Orientierung (2) führt die Gruppe wenigstens zu
einer Eckkneipe zurück, wo sie nach dem Weg fragen können. Der Ort hat den Charme
von einem Loch in der Wand. „Borkas Stolts” steht falsch geschrieben auf dem Schild
über dem Eingang. Die Luft im Schankraum ist vergiftet von menschlichen Abgasen
und alkoholischen Ausdünstungen – man erkennt kaum die drei kurzen Tische und
Sitzbänke im Qualm, der von der Decke hängt. Ein gutes Dutzend lustloser Gestalten
lungert hier herum, schaufelt grauen Haferbrei und spült mit Destillat aus Kanistern
nach. Die Stille herrscht schon, bevor die Charaktere eintreffen. Fragen werden mit
bleiernem Schweigen und entnervtem Seufzen beantwortet.
Der spindeldürre Wirt und seine Gäste beachten die Charaktere erst gar nicht.

THE KILLING GAME 127

WISAL
Der africanische Schrotter ist einer der
wenigen Einwohner von Ferrallies, die
nicht mit den Eisenbrüdern im Bünd-
nis sind. Als Einzelgänger hat er es hier
nicht leicht. Vor Jahren verliebte er sich
in eine frankische Schrotterin, nahm Ab-
schied vom Cour Argent und der Arbeit
im Hafen. Seine Geliebte verschwand,
hinterließ ihm nur einen Sohn, den Wisal
in Ducal an die Apokalyptiker verkaufen
musste, um über die schweren Winter zu
kommen. Seitdem ist der alte Schrotter
auf sich allein gestellt. Die Charaktere
haben in ihm vielleicht einen wichtigen
Verbündeten für spätere Ausflüge nach
Ferrallies gewonnen. Der Africaner hält
rein gar nichts von den Eisenbrüdern
und er wird der Gruppe mit seinem Wis-
sen über das Viertel sicher helfen können.
KREISEL
Der geprügelte Schrotter hat ein ruhiges
Händchen, was ihn zu einem der besten
Drahtzieher von Ferrallies macht. Küm-
mern sich die Charaktere mit VER+Me-
dizin (2) um ihn, bedankt er sich zwar
flüchtig, versucht die Charaktere aber
umgehend abzuwimmeln. Er hat eindeu-
tig Angst. Wovor, lässt sich nicht sagen,
denn er macht sich schleunigst aus dem
Staub.
Wer nicht von hier ist, hat hier auch nichts verloren.
Mit einem erfolgreichen Wurf auf CHA+Verhalten (2) und den richtigen Worten
oder einer Runde Destillat erregt die Gruppe mit ihrer Fragerei nach dem Ausweg aus
dem Viertel Wisals Aufmerksamkeit. Der africanische Schrotter hat seine besten Jahre
hinter sich, ein grauer Bart umrahmt sein zerfurchtes Gesicht. Der Anblick ist unge-
wohnt, denn die meisten Einwohner von Ferrallies leben nicht lang genug. „Ich bring
euch zurück zur Hauptstraße, wollte eh’ gerade gehen”, brummt er in seinen Bart. Ein
kurzer Abschied in die Runde, dann tritt der Schrotter hinaus auf die Gasse und streckt
sich. „Nicht von hier, was? Folgt mir.” Dann marschiert er mit watschelnden Schritten
und gekrümmtem Rücken los. Auf dem Weg durch die verwinkelten Gänge und Gas-
sen sucht er das Gespräch. „Sumpffieber. Meine Hände sind hinüber. Verkaufe Wissen.
Arbeit ist zu schwer”, erzählt er knapp vor sich hin, zeigt den Charakteren seine ver-
knöcherten, steifen Finger. „In Ferrallies komme ich durch. Irgendwie. Wir tauschen
hier. Niemand hat Geld”, schweift er ab. „Zurück nach Africa? Nein, mein Sohn ist noch
hier. Ist bei den Zugvögeln gelandet. Irgendwann sehe ich ihn wieder.” An einer Kreu-
zung hält der Africaner unvermittelt inne und starrt linker Hand die Gasse hinunter.
HACKORDNUNG
„Du elender Molch! Wir haben deinem Arsch Arbeit in der Bersterei verschafft, und du
rückst die verdammte Spule nicht raus?”
Fünf grobschlächtige Gestalten treten auf einen Schrotter, der am Boden liegt, ein.
„Eisenbrüder!”, warnt Wisal die Charaktere mit erschrockenem Blick, dann deutet er
geradeaus. „Ihr müsst da lang, ich suche mir einen anderen Weg. Passt auf euch auf!”
Mit diesen Worten eilt er zurück in die Dunkelheit, biegt um eine Ecke und ist ver-
schwunden.
Noch ein Tritt. Das Opfer kugelt sich stöhnend zusammen, zieht den Kopf zwi-
schen den Knien ein. Von der Stelle, an der die Charaktere stehen, hören sie, wie der auf
dem Boden liegende Schrotter zu kotzen beginnt. „Wo ist der Scheißdraht, wir haben
keine Zeit mehr!”
Die Gruppe hat die Wahl. Entweder schleicht sie mit GES+Heimlichkeit (2) über
die Kreuzung Richtung Hauptstraße oder sie mischt sich ein. Misslingt der Wurf oder
eilen die Charaktere dem am Boden liegenden Kreisel zur Hilfe, gehen die fünf Schlä-
ger sofort auf Kollisionskurs. „Unser Streit! Unser Bezirk! Mischt euch nicht ein!”
Ein Wurf auf PSY+Dominieren (4) kann eine herannahende Auseinandersetzung
augenblicklich beenden. Die Eisenbrüder hier sind kleine Fische, die den Befehlston
gewohnt sind. Endet die Einschüchterung im Misserfolg, dann folgt ein wüster Faust-
kampf. Sobald der erste Schrotter jedoch echten Schaden erleidet oder eine Schusswaf-
fe ins Spiel kommt, ergreifen die Kerle die Flucht. Sie müssen ihre Kräfte für den morgi-
gen Tag schonen. „Wir kriegen euch noch, ihr Schweine!”, hallt es die Straße hinunter.
Dann sind sie weg.
SZENE 03 //
T E R R E S P U TA I N : G E F L U T E T E R S T O L L E N
Wie vieles andere in Terres Putain muss man eines Tages auch die schwimmenden Kü-
chen ausprobieren. Die Charaktere sind versehentlich in ein Geschäftsessen geplatzt,
doch der Gastgeber, ein wohlhabender Kontor namens Hadir, zeigt großmütige Gast-
freundschaft. An den zwei langen Tischen zu Mitte des Floßes sitzen knapp zwanzig
Gäste, verhandeln über Geld, rauchen gerollte Tabakblätter und erwarten das Festes-
sen. Der Koch Aldoraque reicht die Speisen in metallenen Trögen über die glühende
Kohleplatte vor ihm. Die Gäste greifen zu: Linseneintopf, geschmortes Lamm, gekoch-
te Karotten, besser geht es nicht.
Irgendwann beugt sich Hadir zu einem der Charaktere rüber: „Willst du nicht dei-
ne Waffe bei mir verpfänden? Gebe gutes Pfand raus. Vielleicht reicht es, um eine Ex-
pedition auszurufen. Führt schnell zu Gewinn, und so ein straffer Kerl wie du braucht
keine Waffe, oder?”
Kaum hat der Kontor zu Ende gesprochen, ächzt es geisterhaft von links. Ein drei-
stöckiges Gebäude entlang des Kanals wölbt und verzieht sich, kippt wie ein schlafen-
der Riese vorwärts, stöhnt und kracht mit einem Schlag ins Wasser.
Die Charaktere sind keine fünf Meter von den herabstürzenden Gesteinsblöcken und
der zusammenfallenden Häuserfront entfernt. Es regnet Ziegel und Dachbalken, Wel-
len schlagen nach oben, werfen das Floß unruhig hin und her. Gäste fallen in den Kanal
oder krallen sich verzweifelt an den Holzplanken der Garküche fest. Auch die Charak-
tere wippen vor und zurück, müssen sich an den verschraubten Tischen festhalten, um
nicht von Bord geworfen zu werden (Kombination, PSY+Reaktion (3) + KÖR+Kraft (2)).
So schnell wie es begann, ist das Schauspiel auch wieder vorüber. Das Haus ist weg.
Größtenteils vom Erdboden verschluckt und in sich zusammengebrochen. Menschen
beginnen sich am Einsturzloch zu sammeln.

AN ORT UND STELLE

Das Floß legt an, Hadirs Gästen steht der Schreck ins Gesicht geschrieben. Sie stürmen
von Bord, bevor der Kontor eine neue Einladung mit ihnen ausmachen kann. Seine
Geschäfte an diesem Tag haben sich erledigt.
Begutachten die Charaktere den Ort des Geschehens, wird ein Aktionswurf auf
VER+Wissenschaft (3) oder GES+Handwerk (2) fällig. Bei Erfolg erkennen sie, dass die
Kanalwand nach innen gesackt und das Fundament unterspült worden ist. Klettert
einer der Charaktere in die Unglücksstelle hinab, steht ihm ein Wurf auf INS+Wahr-
nehmung (4) zu, um zwei Schaufeln und eine Spitzhacke zu entdecken, die bald vom
einlaufenden Wasser überspült sein werden.

EIN SURREN IN DER LUFT

Niemand der Umstehenden kann sich darauf einen Reim machen. Es herrscht allge-
meine Ratlosigkeit, ein Bezirksrichter stößt dazu, begleitet von drei Wachen. Bestands-
aufnahme, ein paar beruhigende Worte für die Umstehenden.
Zeigen die Charaktere dem Offiziellen ihre Entdeckung, reagiert er verständnislos.
„Wer sollte denn schon ein Haus zum Einsturz bringen wollen? Wer seid ihr? Baumeis-
ter? Zeugen wie euch kann man nicht gebrauchen”, empört er sich. Jeder hier solle froh
sein, dass das Haus leer stand. Kaum auszudenken, wie viele Verletzte es gegeben hätte.
„Ich vermute, miserabel ausgeführte Bauarbeiten von Schrottern aus Ferrallies. Taugt
zu nichts, das Pack. Fall abgeschlossen”, proklamiert der Bezirksrichter rechthaberisch.
„Los, Loch absichern!”
Mit einem gelungenen Wurf auf INS+Wahrnehmung (3) können die Charakte-
re ein leises Summen hoch über ihren Köpfen vernehmen. Im Gegenlicht der Sonne
kaum wahrnehmbar schwebt dort ein kleines Fluggerät. Es ist Eico, Decoys kleine und
wendige Streamdrohne.
Die Charaktere müssen in einen Widerstreit mit Decoy treten (PSY+Täuschung ge- DECOY 5
gen CHA+Ausdruck des Shutters), falls sie die Entdeckung vorerst geheim halten wollen. Waren es die Charaktere, die seinerzeit
Sollte Decoy ihr Verhalten jedoch auffällig finden oder nähern sich die Charaktere sei- Decoy 5 in Lucatore demaskiert haben,
nem Standort, fällt die Drohne im steilen Sinkflug in eine hinter dem angrenzenden Haus hat er sie ab jetzt auf seinem Radar. Aber
liegende Gasse ab. Dort hat sich der Shutter verborgen, um das Geschehen genauer zu auch, wenn ihm die Gruppe völlig un-
beobachten. Sobald der Chronist die Drohne geborgen hat, sucht er das Weite. Die Cha- bekannt ist – Sündenböcke sind immer
raktere können mit GES+Beweglichkeit (3) die Verfolgung bis zu einer Abzweigung auf- nützlich. In beiden Fällen wird Decoy die
nehmen, die in eine Sackgasse mündet. Kein Ausgang, nicht mal ein unvergittertes Fens- Charaktere von Zeit zu Zeit auszuspä-
ter, der schwarz gekleidete und vermummte Fremde ist ganz einfach verschwunden. Mit hen versuchen. Je nachdem, wie sich die
INS+Wahrnehmung (4) können die Charaktere eine gusseiserne Abflussplatte am Ende Operation entwickelt, wird er ihnen viel-
der Gasse ausfindig machen, verborgen hinter aufgestapeltem Gerümpel. Ein Wurf auf leicht sogar Hinweise zukommen lassen.
KÖR+Kraft (3) wuchtet die Platte auf – die Spuren zeigen deutlich, dass die Platte re- Natürlich damit sie ihm die Drecksarbeit
gelmäßig bewegt wird. Der dahinter liegende Schacht ist eng und führt direkt in einen abnehmen, statt hinterher alles alleine
nassen Keller, in dem die Fährte endet. aufräumen zu müssen.

SZENE 04 //
PORT LAGAGNE: DER GEISSLERHELM
Auf dem Fischmarkt. Es ist kurz nach 11:00 Uhr morgens, eine Nebelbank lüftet sich
über dem Strand von Port Lagagne, die Sicht auf den Nordosten der Stadt klärt auf.
Kinderlachen klingt hell aus dem geschäftigen Rauschen des Fischeralltags, Köchin-
nen schreien die Preise für ihr Essen zu den Gästen hinüber, von den Garküchen weht
der Geruch von gekochten Makrelen und frischen Sardinen heran. Ein Touloni mit

THE KILLING GAME 129

gebrochenem Arm gibt rundenweise Branntwein aus und beschwert sich, dass seine
Takelage gerissen ist und er nicht mehr segeln kann.
Vielleicht sind die Charaktere gerade erst mit einem der Boote angekommen oder
spät aufgewacht und zum Frühstück auf dem Fischmarkt. Urplötzlich schmeckt für
einen der Charaktere alles nach Salz – er hat eine volle Ladung Meerwasser ins Gesicht
bekommen. Eine giftgrüne Alge hängt ihm quer über der Backe. Die umher tollenden
Kinder explodieren fast vor Lachen. Ein Junge kneift sich in die Nase, sein Kopf hoch-
rot vor Gekreische und Belustigung. Die Mädchen kichern lauthals, verstecken sich
zwischen den Beinen der anwesenden Fischer.
Es sieht so aus, als ob die Ladung Salzwasser für jemand anderen bestimmt war
und nur zufällig den Charakter traf. Nichtsdestotrotz sorgt der Zwischenfall für große
Belustigung. Einige Fischer drehen sich um, werfen den Charakteren tröstende oder
belächelnde Blicke zu: „Blickt nicht so finster drein!”, ruft einer herüber. „Uns passiert
das jeden Tag.” Gelächter. Die Charaktere werden ordentlich auf den Arm genommen,
falls sie sich zu sehr über den Kinderspaß ärgern. Die Fischerkinder sind harmlos, spie-
len und toben herum.
Lassen Sie die Charaktere auf INS+Wahrnehmung (2) würfeln. Bei Erfolg sieht der
Bottich, aus dem die Algenbrühe herangeschwappt kam, seltsam vertraut aus. Die Kin-
der spielen mit einem Geißlerhelm. Der UAO-Schriftzug ist klar erkennbar, der Helm
selbst trägt die himmelblaue Färbung wie alle anderen Geißlerhelme auch.
Wollen die Charaktere dem seltsamen Spielzeug nachgehen, brauchen sie einen
Erfolg auf INS+Empathie (1), sonst weichen die Kinder immer weiter zurück und ver-
stecken sich zwischen den Beinen der Umstehenden.
Gelingt der Wurf, dürfen die Charaktere den Helm begutachten. Ganz klar, Ein-
schussloch. Ein Wurf auf VER+Wissenschaft (2) enthüllt eindeutig, dass der Lauf direkt
auf das Metall gesetzt wurde. Hinrichtung.
Fragen die Charaktere die Kinder aus, woher sie den Helm haben, blicken diese
verängstigt drein. Sie fürchten sich davor, etwas angestellt zu haben. Um sie davon zu
überzeugen, dass ihnen für die Wahrheit keine Bestrafung droht, ist ein erfolgreicher
Wurf auf PSY+Gerissenheit (3) oder INS+Empathie (3) von Nöten. Sind die Charaktere
erfolgreich, führen die Kinder sie vom Strand weg in Richtung der Innenstadt von Port
Lagagne.

AM KANAL
Die Kinder sind aufgeregt. So weit weg vom Strand dürfen sie eigentlich nicht spielen.
Nur heute morgen hatten sie sich fortgeschlichen, weil einer von ihnen einen Ball im
Kanal gesehen haben wollte. Als sie an die Stelle kamen, an der sie jetzt mit den Charak-
teren stehen, war dort kein Ball. Mit einem Kescher, den sie vom Strand mitgenommen
hatten, fischten sie im trüben Algenwasser umher, bis der Helm zum Vorschein kam.
„Hier, genau an dieser Stelle war es. Heute Morgen, bei Sonnenaufgang”, sagt der
kleine blonde Neville und zeigt auf die schwarze Suppe zwei Meter unter dem hölzer-
nen Pier, auf dem die Charaktere stehen und nach unten blicken.
„Meine Mama hat gesagt, dass man nicht in die Kanäle springen darf. Sonst wird
man von den Toten gefressen, die da unten leben”, sagt Joanina besorgt. „Stimmt gar
nicht. Mein Papa ist mal reingeklettert und konnte bis zum Hals im Wasser stehen!”
Während die Kinder beginnen, um den Tiefgang des Kanals zu zanken, können die
Charaktere entscheiden, ob sie der Sache auf den Grund gehen wollen. Rein in das ste-
hende Wasser oder nach Cour Argent zu den Kasernen, um die Geißler aufzusuchen.

DER TOTE IM WASSER

Ist einer der Charaktere mutig oder leichtsinnig genug, in den Kanal hinabzusteigen,
wird schnell klar: es ist tiefer als erwartet. Er steht gerade so auf den Zehenspitzen, das
Wasser ist eiskalt und so trüb, dass er ohnehin nichts sehen kann, wenn er untertaucht.
Traut sich ein Charakter kopfüber in die ölige Mischung aus Abwasser und Algensaft,
dann lassen Sie ihn auf INS+Wahrnehmung (3) würfeln. Bei Erfolg bekommt er irgend-
etwas zu greifen, das sich nach Stoff anfühlt. Versucht er, es nach oben zu ziehen, ist
mehr als nur ein leichter Ruck erforderlich. Was auch immer er da in der Hand hat, es
ist verkeilt, klemmt und lässt sich nur schwer bewegen. Ein Wurf auf KÖR+Stärke (2)
ist nötig, um den Fund freizubekommen.
Geschafft. Eine schmutzige, aufgeblähte Weste treibt nach oben. Dann taucht ein Ge- BEI DEN KASERNEN
sicht aus dem Wasser auf. Ein junger Geißler. Kopfschuss. Die Stirn ist zerfetzt, die Wenden sich die Charaktere mit oder
Augen sind durch den Druck des gewaltsamen Kugelaustritts aus den Höhlen gesprun- ohne diese Erkenntnisse an die Geiß-
gen. Schwarzes Wasser perlt ihm aus Nase und Mund, benetzt seine Wangen und sein ler in Cour Argent, nimmt der Tag eine
Kinn. Die Kinder sind still. Joanina weint vor Angst. unerfreuliche Wendung. Für Stunden
Zerren die Charaktere den Leichnam aus dem Wasser, rennen die Kinder krei- werden sie in Verhörräumen festgehalten
schend zurück zum Strand zu ihren Eltern. Untersuchen sie den Toten mit VER+Medi- und immer wieder befragt. Die Kinder
zin (4) oder VER+Wissenschaft (3), können sie schnell den Hergang der Tat bestimmen. sind natürlich längst untergetaucht, kei-
Die Leiche des jungen Kriegers wurde mit Steinen beschwert und im Kanal versenkt. ner will die Aufmerksamkeit der Africa-
Der Leichnam weist bis auf die Kopfwunde keinerlei Spuren von Gewalteinwirkung ner auf sich ziehen. Irgendwann in den
oder Kampfspuren auf. Das lässt nur einen Schluss zu: Es war eine Hinrichtung. Abendstunden werden die Charaktere
schließlich entlassen. Mit dem deutli-
chen Hinweis, sich aus dieser Angele-
SZENE 05 // genheit herauszuhalten, wenn sie keinen
S A I N T C H E N I L : D A S TA R N B O O T Ärger kriegen wollen.
Wer sich freiwillig in Saint Chenil aufhält, ist selbst schuld. Was auch immer die Cha-
raktere an den Südzipfel getrieben haben mag, es wird sie nicht lange dort halten. Es ist
Mittag, doch hier draußen zwischen den Verwahrlosten fühlt sich selbst der hellste Tag
wie die dunkelste Nacht an.
An einem verlassenen Strand bietet eine dünne Frau rostige Konserven an. Sie sind
leer. Bestenfalls gut genug, um darin Munitionshülsen im Schrank aufzubewahren. Sie
lächelt matt, die Augen sind schwarz und von noch schwärzeren Augenringen umran-
det. Es ist der Vorplatz von Sacre Amiel, der alten Wiedertäuferkapelle. Ein Luftzug aus
Elend liegt über dem Heiligtum. Wohin die Charaktere auch blicken, in jeder Seiten-
gasse siecht jemand dahin oder schläft in seinem Kot.
Bevor sich die Charaktere versehen, versucht ein beinloser Krüppel sich an ihrer
Ausrüstung zu schaffen zu machen. Es ist leicht ihn zu verscheuchen (PSY+Dominie-
ren (1)), doch sein aufgebrachtes Fluchen weckt andere wie ihn, die sich plötzlich nach
den Charakteren umsehen. Unheimlicher Ort. Niemand spricht, nur der warme Wind
weht über den Platz. Vereinzelt erhebt sich eine Gestalt, die nicht so schwach ist, ein-
fach liegen bleiben zu müssen.
Bewegen sich die Charaktere vom Platz weg, lassen Sie alle Charakter einen Wür-
felwurf auf INS+Wahrnehmung machen. Der Spieler, der den Wurf mit den wenigsten
Erfolgen oder gar keinem Erfolg hat, bemerkt plötzlich, dass ihm ein Gegenstand ab-
handen gekommen ist. Ein Blick über die Schulter: die Konservenhändlerin rennt mit
dem Diebesgut in Richtung Strand.

HINTERHER ELAINE
Die Diebin ist flink wie ein ausgehungertes Wiesel, rennt mit der Kraft der Verzweif- Behandeln die Charaktere Elaine nicht
lung vor den Charakteren weg. Elaine kennt jeden Stein, jeden Graben und jede Beson- wie ein Stück Dreck, können sie eine
derheit Saint Chenils in- und auswendig. Was auch immer sie gestohlen hat – kann sie wertvolle Verbündete gewinnen. Die
es in Dinare verwandeln, schafft sie es durch den nächsten Monat. Sie setzt alles daran, Diebin weiß zwar nichts über das Tarn-
den Verfolgern zu entkommen. Die Charaktere erhalten dagegen -2W auf den nun an- boot, dafür aber alles, was auf den Stra-
stehenden Aktionswurf in KÖR+Athletik (3), denn das Gelände hat seine Tücken. ßen und hinter vielen der Mauern von
Sollten die Charaktere Elaine stellen, wird sie sich in ihr Schicksal ergeben, um Saint Chenil vor sich geht. Im Gespräch
Vergebung flehen, betteln und sich in den Dreck werfen. Die Charaktere müssen mit warnt sie die Charaktere ausdrücklich
PSY+Glaube/Wille (3) dagegen halten, um der Diebin nicht doch noch ein paar Dinare vor dem Alten in der Orphanage. Das
zu überlassen. Haus auf dem Hügel sei kein guter Ort,
für niemanden. Die armen Kinder. Wol-
UNERWARTET len die Charaktere mehr Details wissen,
Mitten im Gespräch, oder falls die Charaktere sich gerade am Hafenbecken ihre Nie- müssen sie zahlen. Nichts ist umsonst.
derlage gegen die Diebin eingestehen müssen, werden sie von einem Ereignis unten
am Hafen abgelenkt. Aus dem Windschatten eines kleinen Frachters, der gerade in den
Hafen einläuft, bricht ein kleineres, deutlich schnelleres Boot hervor, das kaum eine
Kopfhöhe über die Wasseroberfläche aufragt. Ein erfolgreicher Wurf auf INS+Wahr-
nehmung (3) lässt die Charaktere das Boot mit den Augen verfolgen. Es steuert direkt
auf die Anlagen von Ferrallies zu, wo es unter den Hafenaufbauten verschwindet. Mit
VER+Technik (5) kann ein Charakter mutmaßen, dass es sich dabei um ein Tarnboot
gehandelt haben muss.

THE KILLING GAME 131

07:00 AM

D E R TA G X

0 1 . F E U E R TA U F E
Cour Argent. Es ist Sommer. Morgens. Die Brise ist frisch. Die ersten Stände eröffnen
rund um die Silberachse, die Händler legen ihre Waren aus. Fischer kehren von der
Ausfahrt zurück in den Nordhafen. Frauen tragen Warenkörbe die Straßen entlang.
Kinder helfen. Die Wellen rauschen sanft, brechen sich leise an den Kaimauern.
Die erste Explosion zerreißt das Treiben wie ein Artillerieschlag. Eine Welle aus
angestauter Hitze breitet sich aus, Feuerblasen zerplatzen in der Luft, ziehen Schneisen
geschmolzener Splitterfäden hinter sich her. Die Druckwelle gräbt sich durch das Pflas-
ter, hebt Steine aus den Fugen, lässt Marktstände zusammenbrechen und fegt Men-
schen und Tiere von den Beinen. Es regnet Metallklumpen, Holzscheite, Vogelkäfige
und Körperteile. Das Pfeifen des Knalls übertönt jedes Geschrei. Ein unbeschreiblich
hoher Ton frisst sich durch den Gehörgang, lässt das Donnern der Explosion wie ein
fernes Gewitter erscheinen. Brennende Fässer und kokelnde Orangen rollen über die
Straße. Ein Pavian liegt am Boden, ein Trümmerteil hat seine Bauchdecke aufgeschlitzt
und seine Eingeweide über die Straße verteilt. Gebäude zittern, brennen und brechen
mit müdem Stöhnen in sich zusammen. Verwundete taumeln aus den einstürzenden
Häuserfronten, blutüberströmt und von Gesteinsscherben zersiebt. Ihre Augen irrlich-
tern fassungslos umher. Manche von ihnen haben keine Arme mehr. Andere Überle-
bende krallen sich an den Toten fest, schreien, doch kein Laut ist zu hören. Gerade
noch pulsierte hier das Leben, jetzt herrscht der Tod.
Ein schwarzes Loch klafft an der Stelle, wo die Silberachse eben noch den Cour
Argent durchschnitt. Eine Rauchsäule windet sich in den Himmel, glühende Teilchen
und Funken schweben an ihr herab, entzünden die Dächer und setzen die anliegenden
Gebäude in Brand.
Eine zweite Explosion lässt alle zusammenschrecken. Westwärts, Richtung Terres
Putain, bläht sich eine Aschewolke bedrohlich über den Häusern auf. Die Kaserne. Sie
ist vernichtet.
Keinen Herzschlag später – die dritte Explosion. Die Schockstarre sitzt so tief, dass
niemand die Rauchsäule wahrnimmt. Ostwärts, Richtung Ferrallies, ist die Brandweg-
brücke gesprengt.
Der Terror ist nach Toulon gekommen.

A U S N A H M E Z U S TA N D
Die Eisenbrüder haben an drei Orten im Cour Argent gewaltige Sprengladungen ge-
zündet, um Tag X und den Sturm auf Hamzas Palast einzuläuten. Die Zerstörung der
Silberachse soll die Bevölkerung in Angst und Schrecken versetzen und in eine chao-
tische Flucht treiben. Die zweite Ladung an der Kaserne zielt auf die Vernichtung der
dort stationierten Geißler-Rudel ab. Die letzte Sprengung gilt dem Kappen der Ver-
bindung von Cour Argent nach Ferrallies, um einem Vergeltungsschlag der Resistance
und der Beau Monde entgegenzuwirken. Alles läuft nach Plan, Operation Mirage hat
begonnen.
I. S T U R M A U F D E N PA L A S T S TA N D O R T
Der Cour Argent ist erschüttert, das Zentrum Toulons steht in Flammen. Tag X ist über Je nachdem, wo sich die Charaktere zum
die Stadt hereingebrochen, so wie es die Verschwörer geplant haben. Zeitpunkt der Explosionen aufhalten,
Von Osten her strömen flüchtende Bürger in Richtung der Brücke hinüber nach überschlagen sich die Ereignisse. Im Ide-
Terres Putain. Ihre Gesichter sind vor Angst verzerrt. alfall wurden die Charaktere auf dem
Nestor und Eisenhauer treiben einen Stoßtrupp aus schwer bewaffneten Schrot- Cour Agent (Abschnitte I bis IV) oder im
tern durch die Gassen des brennenden Bezirks. Es ist die Hauptstreitmacht der Eisen- Nordhafen (Abschnitt V) überrascht und
brüder. Sie branden über die Straße der Kontore auf den Palast zu. Gute zweihundert direkt in den Bürgerkrieg hineingezo-
Mann bilden den harten Kern der Angreifer. gen. Entscheiden Sie, welche Abschnitte
Die Ausschussware der Eisenbrüder verteilt sich auf die angrenzenden Bereiche zu den Entscheidungen der Charaktere
Cour Argents. Wer der Meute vor die Füße kommt, auf den wird gnadenlos gefeuert. passen. Falls die Charaktere in Terres Pu-
Händler werfen sich in Deckung, Mütter kauern mit ihren Kindern in Hauseingängen. tain, Port Lagagne oder Saint Chenil sind,
Kontore werden von Schrottern durch die Gassen gejagt und im Lauf niedergeknüp- können sie sich auf die Seite von Zoe und
pelt. Chaos. der Beau Monde schlagen – springen Sie
Am Palast angekommen, bezieht Eisenhauer auf einem nahegelegenen Hausdach einfach zu Szene 02. War die Gruppe in
Position. Er hat eine schwere Panzerfaust herangekarrt, drei Handlanger schleppen Ferrallies, stürmt sie jetzt wahrscheinlich
Granaten herbei. Der Riese stopft die erste in den Lauf, hebt das Geschütz an, zielt auf Hamzas Palast oder zählt zu den Flücht-
die Außenmauer und feuert. Ein Blitzschlag schießt aus dem vorderen Rohrende und lingen.
die Granate gräbt sich mit Wucht in den Verteidigungswall. Detonation. Steine hageln.
Die Schrotter jubeln.

I I . A M C O N S U L AT A U S S TAT T U N G
Während Eisenhauer den Palastwall mit Granaten eindeckt, hat sich ein zweiter Trupp Die marodierenden Schrotter wurden von
um Deich herum formiert. Der Offizier und zwei Dutzend Kartellschläger stürmen Kommando Requiem und Eisenhauer be-
das Consulat. Mit einem Rammbock aus verschweißtem Schrott durchbrechen sie das waffnet. Viele von ihnen tragen Musketen
Fronttor, der Weg in den Innenhof ist frei. samt Munition, dazu kommen Handgra-
Die Kartellschläger, aufgeputscht durch Glorie und Bion, stürzen sich auf die hilf- naten, Wunderwerk-Gewehre, Brennfla-
losen Schreiber und Bediensteten. Frauen und Mädchen werden an den Haaren in den schen oder selbstgemachte Armbrüste,
hinteren Bereich des Innenhofs gezerrt und angekettet. Männer hingegen werden von von einem ganzen Arsenal an Nahkampf-
den Kartellisten einfach zu Boden geschlagen. Deichs Leute lassen ihrer Wut freien waffen ganz zu schweigen. Die Mehrzahl
Lauf. Die Schrotter prügeln erbarmungslos auf ihre Opfer ein, mit Brecheisen und Na- ist schwer gepanzert in die Schlacht um
gelkeulen. Blut färbt den Innenhof rot. den Cour Argent gezogen. Neben Schil-
Der Kartelloffizier tobt derweil durch die Kanzleien. Wie ein tollwütiger Hund den, Schweißerbrillen oder Helmen tra-
bricht er Türen auf, sucht und schreit nach Zohra. Er will sie als Gefangene, um sie gen die Schrotter zumeist Gummi- oder
nach Ferrallies zu verschleppen und später Kopfgeld für sie erpressen zu können. Die Metallharnische sowie Beinschützer. Ei-
Consulin hat sich mit zwei Lehrlingen in ihrem Arbeitszimmer verschanzt. Deich ist nige haben mit Asbest verstärkte Mäntel
bald bei ihr. übergestreift.

UNTERZAHL

Im ersten Akt kämpfen die Charaktere, so-
fern sie nicht aufseiten der randalierenden
Eisenbrüder oder des Kommando Requiem
stehen, in Unterzahl.
Eine falsche Bewegung und sie werden
mit Feuersalven eingedeckt. Schrotter und
Chronisten beziehen Schießscharten auf
Hausdächern oder observieren von dort
die Gassen und Straßen des Cour Argent.
Leichtsinnigkeit führt zum Tod und die Cha-
raktere sollten sich dessen bewusst sein. Si-
cher durch den Häuserkampf zu manövrie-
ren und nicht entdeckt zu werden, ist eines
der Spannungsmomente des ersten Akts.
Sind die Charaktere allesamt hartge-
sottene Veteranen, mit genügend Kriegser-
fahrung und hochgerüstet, können Sie die
Zahl der Angreifer in den jeweiligen Aus-
einandersetzungen der unterschiedlichen
Szenen nach oben justieren.
Handelt es sich bei den Charakteren um
unerfahrene Anfänger, können Sie die Geg-
nerzahl entsprechend nach unten regulie-
ren, um ihnen eine Chance offenzuhalten,
den Konflikt zu überstehen.
Wechseln Sie von Szene zu Szene zwi-
schen Niederlage, Rückzug und Vormarsch
sowie Erfolg. Das erhöht die Dynamik der
Szenen und gibt den Handlungen der Cha-
raktere eindeutiges Gewicht.

THE KILLING GAME 133


AUSWEG
Nur einer der Geißler wird die Ausein-
andersetzung überleben. Er zieht sich
erschöpft die Maske vom Gesicht und
berichtet. Die Lage ist chaotisch, der Weg
zum Palast versperrt. Die seiner Meinung
nach einzige Option: Die Charaktere eva-
kuieren die Frauen, Mädchen und Ver-
letzten zum Lazarett L’Orage im Nord-
hafen. Er selbst wird versuchen, sich zum
Palast durchzuschlagen, um von Zohras
Entführung zu berichten.
ZOHRAS GEISSLER
Greifen die Charaktere ein, müssen sie sich Deichs Männern stellen.
Dabei erhalten sie unverhofft Hilfe: Zohra hatte ihre sechs Leibwächter zum Palast
gesandt, da sie keinen direkten Angriff auf das Consulat erwartet hatte. Drei der Geiß-
ler sind zurückgekehrt und versuchen, über ein angrenzendes Dach in den Innenhof
einzudringen. Sie haben ihre Munition bereits auf dem Weg verschossen, sind aber im
Nahkampf gegen die Kartellhunde wertvolle Verbündete. Mit PSY+Wahrnehmung (2)
können die Charaktere die Geißler entdecken und bei Erfolg mit CHA+Ausdruck (2)
Kontakt über Zeichensprache mit ihnen aufnehmen, um den gemeinsamen Angriff zu
koordinieren.
Der Gruppe bleibt kaum Zeit. Drei Runden nach Kampfbeginn hat Deich Zohras
Lehrlingen den Schädel eingeschlagen und die Consulin überwältigt. Mit einer Grana-
te sprengt er sich den Weg nach draußen frei, die bewusstlose Zohra über der Schulter.
Deichs Männer decken seinen Rückzug und ergreifen die erste Gelegenheit, sich selbst
aus der Kampfzone zu bringen. Zeit, die Geiseln zu retten und die Verwundeten zu
versorgen.
III. PLÜNDERUNG
Vor dem Haus der Handelsbank türmen sich Tote und Verletzte. Eine Gruppe Plün-
derer ist ins Haus eingedrungen. Etwa dreißig Schrotter nehmen mit schweren Häm-
mern die Außenwand auseinander, andere schlagen auf wehrlose Schreiber und Buch-
halter ein. Ein Shutter kontrolliert die ganze Aktion, erteilt Befehle.
„Nein, nicht den. Ihn brauchen wir. Gefangen nehmen!“, scheppert seine blecher-
ne Stimme aus dem Vocoder.
Von drinnen schleppen Eisenbrüder kistenweise Dinare nach draußen. Der Shut-
ter gibt Anweisungen: Sie sollen eine Kette bis runter zu den Booten bilden und das
Diebesgut darauf verladen. Alles muss in die Bersterei.
Plötzlich reißt er seinen Schocker vom Gürtel und rammt ihn einem grauhaarigen
Schrotter in den Rücken. Der Eisenbruder geht zu Boden, verdreht sich vor Schmerz.
Dinare kullern aus seinen Händen und rollen aus seinen Taschen.
Von links kommt ein Schrotter, mit Schweißerbrille und rotem Staubtuch vor dem MACHTLOS
Gesicht. Er rennt heran und tritt dem wehrlosen Dreckwühler im vollen Lauf zwei Sind die Charaktere in der Nähe, können
Zähne aus. sie das Schauspiel heimlich mitverfolgen.
„So nicht, du verdammter Scheißkerl. Teilen! Das war die Abmachung. Steh auf Ein einfacher Wurf auf GES+Heimlich-
und mach weiter!”, schreit er den Dieb an. Dann packt er ihn am Kragen und zerrt ihn keit (1) ist ausreichend. Ein offener Kampf
zurück auf die Beine. Die umstehenden Schrotter, die das Schauspiel mitangesehen bei einer solchen Übermacht wäre aus-
haben, arbeiten noch schneller. sichtslos, die Gruppe kann jedoch versu-
chen, einige der Verletzten in Sicherheit
zu bringen.
I V. B Ü C H E R V E R B R E N N U N G Mit einem gezielten Ablenkungsma-
An der Universität geht ein Trupp aus Schöffen, Eisenbrüdern und Shuttern ans Werk. növer (zum Beispiel einem Scheinangriff
Richter? Hier in Toulon? Unmöglich! mit PSY+Täuschung (2), anschließend
Ein halbes Dutzend Schrotter hat sich mit Spitzhacken und Schaufeln daran ge- Flucht mit Widerstreit in KÖR+Athletik
macht, das marineblaue Mosaik des Libyers zu zerstören. Mit jähzornigen Schlägen und verstecken mit GES+Heimlichkeit)
brechen sie die Bodenkeramik in Stücke, reißen den Boden auf und verwüsten das Bild- kann ein Teil der Charaktere die Auf-
nis. Aus einem Fenster im dritten Stock fliegen Bücher und Folianten auf den Vorplatz. merksamkeit der Schrotter kurzfristig
Schrotterkinder werden von den Älteren dazu angestiftet, alle Bücher auf einen Hau- auf sich ziehen. Diese Maßnahme er-
fen zu werfen. laubt es den übrigen Charakteren, über
„Verbrennt den ganzen Dreck, Kinder! Alles mit Petro übergießen”, ruft ein Dreck- GES+Heimlichkeit (2) im Rücken der
wühler mit fettigen Haaren und hervorstehenden Zähnen zu ihnen herüber. Plünderer Verwundete von der Straße
Keine dreißig Schritt entfernt, im Schatten der Pinien im Hof, haben Schöffen die zu bergen und in Sicherheit zu bringen.
Studenten zusammengetrieben. Sie teilen die Europäer und Africaner mit vorgehal- Misserfolge führen, wie jeder offene An-
tenen Musketen in zwei Gruppen auf. Zwei Protektoren laden ihre Gewehre durch, griff, unweigerlich zu einer Hetzjagd.

THE KILLING GAME 135


SEITENWECHSEL
Vielleicht haben Nestors Reden die Cha-
raktere vorab eingelullt. Oder die Gruppe
ist Kommando Requiem auf den Leim
gegangen und hat sich für die Zwecke
der Geheimoperation instrumentalisieren
lassen. Spätestens nach den Massener-
schießungen sollte den Charakteren das
Ausmaß der Bestialität bewusst werden,
die sich hier Bahn bricht. Die Fronten
verschwimmen vollends und laufen auf
ein Massaker hinaus. Jetzt haben die Cha-
raktere die Möglichkeit, Position zu be-
ziehen und die Seiten zu wechseln, sonst
machen sie sich an dem Studentenmord
mitschuldig.
zielen auf die Köpfe der schwarzen Studenten.
Ein Shutter mit Kaskadierer schreitet feierlich vor den Studenten her und verlaut-
bart in fließendem Frankisch aus seinem tragbaren Verstärkerstab: „Wenn Perpignan,
Toulouse oder Montpellier eure Heimat ist, wenn Franka euer Erbe ist, dann dürft ihr
gehen.” Die Studenten, die meisten sind keine fünfzehn Winter alt, schauen verängs-
tigt, verstehen das Kommando nicht. Ein Schöffe greift ein, reißt einen jungen Sanglier
am Halstuch zu sich und brüllt: „Hau endlich ab! Und nimm dein verlottertes Küsten-
pack mit!”
Vorsichtig setzen sich die weißen Studenten mit erhobenen Händen in Bewegung,
werfen zögerlich Blicke über die Schultern zu ihren schwarzen Mitschülern, doch diese
werden nur weiter in Richtung Hauswand getrieben.
„Was geschieht mit uns?”, fragt ein junger Africaner mit Tränen in den Augen.
Bevor er seinen nächsten Atemzug machen kann, trifft ihn bereits ein Gewehrkolben
seitlich ins Gesicht. Der Junge strauchelt benommen und stolpert zu Boden, Blut quillt
ihm aus dem aufgeplatzten Jochbein. Der Shutter wendet sich zu dem Studenten um,
schaut auf ihn herab, dann wandert sein Blick im Kreis durch die Protektoren und
Schöffen, die bereits die Zähne blecken.
„Der Rest wird hingerichtet.”
RETTUNG
Die Charaktere können versuchen, so viele Studenten wie möglich vor der Exekution
zu bewahren. Hier hilft nur rohe Gewalt. Neben zwei Shuttern umringen zwei Protek-
toren und sechs Schöffen die Studenten.
Falls die Charaktere eingreifen, eskaliert die Situation und es bricht Chaos aus. Die
Shutter ziehen sich augenblicklich zurück, um Eisenbrüder als Verstärkung zu holen.
In der Hitze des Gefechts werden so viele Studenten wie möglich die Flucht ergrei-
fen und versuchen, vom Universitätsgelände zu gelangen.
Währenddessen wenden sich die sechs Schöffen mit gezückten Waffen den Cha-
rakteren zu. Die Protektoren hingegen legen ihre Gewehre an und schießen den
flüchtenden Studenten in den Rücken. Sie wollen möglichst viele von ihnen erwischen
und fluchen, wenn ein Schuss daneben geht.
Die Charaktere haben genau fünf Minuten für ihren eigenen Rückzug, bevor die
Shutter mit den Schrottern zurück sind.
Greift die Gruppe nicht ein, werden die africanischen Studenten gnadenlos hinge-
richtet. Ihre Körper werden geplündert, die Kleider abgenommen und die Leichen in
dem nahen Kanal entsorgt.
V. G E I S E L N A H M E
Während im Hintergrund von Cour Argent Granateneinschläge über die Häuser hin-
wegbellen, findet am Nordhafen ein völlig anderes Schauspiel statt.
Die Famulanten und Feldärzte des Lazaretts L’Orage sind entwaffnet und gefangen
genommen worden. Die Hände mit Draht auf den Rücken gefesselt, werden sie in ei-
ner Reihe zu den Piers gebracht, wo ein großes Lastenfloß mit Außenbordmotor bereit-
steht. Sechs Schrotter und zwei Schöffen eskortieren die dreißig Famulanten – Waffen
im Anschlag. Zwei Schrotter richten die Läufe von Fungizidgewehren, die sie von den
Spitaliern erbeutet haben, auf die Gefangenen. Die übrigen Eisenbrüder und Schöffen
sind mit Musketen und Macheten bewaffnet.
Eine hünenhafte Schrotterin mit kantigem Gesicht, gelben Zähnen und rostroten,
verfilzten Haaren hat das Kommando. Es ist Hurlant, die am Kopf des Trosses vorweg
geht. Plötzlich wirbelt sie herum und schreit einen Feldarzt voller Hass an:
„Erinnerst du dich an mein Gesicht, du armseliger Doktor?”
Mit einer Eisenstange schlägt sie ihm auf die Bauchdecke, zieht mit Schwung durch
und reißt den Kolben zurück an sich heran. Der Spitalier übergibt sich augenblicklich
und bricht in einer Lache aus Magensäften zusammen. Er ringt nach Luft.
„Meine Tochter hat genauso gekotzt, bevor sie krepiert ist.” Sie holt zu einem zwei-
ten Schlag auf den Zusammengebrochenen aus. Die Eisenstange trifft auf den Rücken,
das Neopren zerreißt unter der Gewalt des Aufpralls. Der Feldarzt bricht ohnmächtig
zusammen, doch Hurlant hört nicht auf, sich ihre Wut aus dem Leib zu schreien.
„Ihr verdammten Schweine hättet sie retten können!” Die Stange hebt sich zum dritten BEFREIUNG
Mal, doch bevor Hurlant den Kopf des Gefangenen zertrümmern kann, ergreift eine Handeln die Charaktere schnell und ent-
Hand die Waffe, hält sie mit eisernem Griff umklammert. schlossen, können sie die vier Wachen
„Genug!” überwältigen und die Spitalier befreien.
Ein unscheinbarer Mann in einem speckigen, schwarzen Mantel ist heran, die Hagel, einer der beiden Schrotter, hat sich
Augen hinter getönten, runden Augengläsern versteckt, Bart, Halbglatze. Er ist einen mit einem Fungizidgewehr bewaffnet,
Kopf kleiner als die Schrotterin, kantig und kräftig. das mit Brandstaub geladen ist (Schaden
„So funktioniert Rache nicht, Hurlant. Lass die Ärzte leben, wir brauchen sie in 8, Brandgefährlich). Der andere Schrot-
Ferrallies, um unsere Leute zusammenzuflicken.” ter und die beiden Schöffen werden ihre
„Misch dich nicht ein, Arcville! Das hier ist meine Sache.” Musketen abfeuern (Schaden 8) und dann
„Ich mische mich nicht ein. Ich gebe dir einen Befehl!” Mit diesem Satz lehnt sich im Nahkampf versuchen, die Charaktere
der Brillenträger zu Hurlant hinüber. Sie spuckt ihm auf die Gläser, entreißt die Ei- vom Pier ins Wasser zu rammen (Wider-
senstange aus seinem Griff und schleudert die Waffe mit einem hysterischen Schrei im streit mit KÖR+Faustkampf/Nahkampf
hohen Bogen über den Hafen. Zwanzig Meter weiter schlägt die Stange auf, scheppert gegen KÖR+Faustkampf/Nahkampf oder
dumpf über das Pflaster. KÖR+Kraft). Charaktere, die ins Wasser
Die Schrotterin glüht vor Wut, macht drei Sätze zu einem kleinen Beiboot und gefallen sind, versucht Hagel mit Feuer-
startet den Motor. Wasser schäumt auf, in einer Kurve umrundet sie den Pier und rast stößen einzudecken.
über die Bucht nach Osten.
Arcville dreht sich zu den übrigen Schrottern um. „Ihr dort, mit den Spitaliern auf DAS FUNKGERÄT
das Floß! Bringt sie nach Ferrallies! Sie sollen mit der Arbeit beginnen. Und nehmt den Hagel trägt ein aus mehreren Altgeräten
Verwundeten mit!” Mit einem Fingerzeig deutet er auf drei der schwer bewaffneten zusammengebautes Funkgerät bei sich.
Schrotter. „Der Rest von euch kommt mit mir.” Dann setzt er sich in Bewegung, die Nehmen die Charaktere es dem Schrotter
Schrotter folgen. ab, erhalten sie später die Gelegenheit,
Zurück bleiben zwei Eisenbrüder und zwei Schöffen, die mit vorgehaltenen Waffen sich in die Kommunikation der Eisen-
die Gefangenen auf das Floß scheuchen. brüder einzuklinken. Dazu müssen sie
die Verschlüsselung des Gerätes knacken,
was einen kombinierten Aktionswurf auf
V I . N A C H T E R R E S P U TA I N VER+Artefaktkunde (3) und VER+Tech-
Die Wachen sind besiegt, die Spitalier befreit. Gemeinsam mit den Charakteren und nik (2) erfordert.
den Ärzten legt das große Floß vom Kai ab. Greifen die Charaktere während der
„Wisst ihr, was hier vor sich geht?”, fragt der Feldarzt Remagnac und schildert im Geiselnahme nicht ein, können sie auch
Anschluss erschöpft die Ereignisse der letzten Stunde. „Kaum waren die Explosionen einem anderen Schrotter ein Funkgerät
zu hören, brach eine Gruppe Schrotter in das Gelände der L’Orage ein. Sie kamen in abnehmen oder eventuell den Techniker
den zweiten Stock gerannt, warfen die Kranken aus den Fenstern und trieben unsere der Gruppe selbst eins bauen lassen.
Leute zusammen.”
Ein Famulant berichtet: „Ich hab auch Richter und Chronisten gesehen. Hier ist DAS MODUL
was Großes im Gange.” Die Stromverbindungen, die vom Modul
Das Lastenfloß treibt raus auf die Bucht, die Charaktere können es über die langen nach Cour Argent führen, wurden kurz
Ruder und den kleinen Motor leicht steuern (Aktionswurf GES+Steuern (1)). Von Bord nach den Explosionen von den Eisenbrü-
aus haben sie Blick auf den gesamten Cour Argent. Überall ist Feuer und Rauch, der dern durchgefräst. Toulon ist vom Strom-
Palast hüllt sich in eine schwarze Wolke, aus der vereinzelt grelle Explosionsblitze gäh- netz abgeschnitten. Nur noch Ferrallies
nen. Donnern und Gewehrsalven sind zu hören. Werfen die Charaktere einen Blick auf hat Elektrizität. Wer kein Notstrom-
die Bucht, sehen sie überall Flüchtlinge aus dem Cour Argent, Familien und Händler, aggregat besitzt oder einen Petromotor
auf kleinen Booten oder schwimmend im Wasser. Einige Famulanten versuchen, die umfunktioniert und zum Laufen bringt,
Menschen aus dem Wasser auf das sichere Floß zu ziehen. wird die nächsten Nächte mit Fackeln
Am Nordhafen zeichnen sich Silhouetten ab. Schrotter haben die Flucht bemerkt, und Öllampen verbringen müssen. In
schlagen Alarm. Ferrallies hingegen knistern die Leitun-
„Wir müssen zum Camp der Resistance. Nach Terres Putain”, sagt Remagnac. „Un- gen vor Überlastung.
sere Kräfte bündeln.”
„Generalin Morceau ist die Einzige, die uns helfen kann”, mischt sich ein anderer
Spitalier von der Seite ein.
„Und Verstärkung holen. Aus Montpellier”, schließt Remagnac besorgt ab.
Mit einem erfolgreichen Wurf auf INS+Wahrnehmung (2) können die Charaktere
ein gekapertes Torpedoboot beim Hafen ausmachen, das nahe der brennenden Ka-
serne ausschert. Das Gefährt heult von ferne auf und schießt mit rasender Geschwin-
digkeit in einem langen Bogen über das Wasser. Dann frisst es sich in einer scharfen
Drehung durch die Wellen, nimmt direkten Kurs auf das Floß. Ein knapper Kilometer
trennt es noch von den Charakteren und den geretteten Famulanten.
Mit INS+Wahrnehmung (2) können die Charaktere vier Umrisse erkennen, Schrot-

THE KILLING GAME 137

 10:00 AM
AUFPRALL
Gelingt es den Charakteren nicht, die
Angreifer auszuschalten, müssen sie das
Floß als Waffe einsetzen. Über GES+Steu-
ern (3) können sie eine der vielen Strö-
mungen im Hafen ausnutzen, um den
Weg der Angreifer zu kreuzen. Bei Erfolg
dreht das Floß unvermittelt bei, das Tor-
pedoboot kann nicht mehr ausweichen.
Ein Wurf auf GES+Beweglichkeit (2) ist
nötig, um rechtzeitig von Bord zu sprin-
gen. Sekundenbruchteile später kollidiert
das Floß mit dem Bug des Torpedoboots.
Beide Fahrzeuge zerschmettern in tau-
send Stücke. An Trümmerteile geklam-
mert und mit vereinten Kräften schaffen
es die Charaktere – und die meisten Fa-
mulanten – nach Terres Putain.
ter vermutlich. Bevor sie Zeit haben, ihre Gedanken zu beenden, sehen sie die Mün-
dungsfeuer aufblitzen. Sie werden von einem Schützen auf dem Boot unter Beschuss
genommen!
EINGEKREIST
Die Eisenbrüder wollen das Floß nicht rammen, die Spitalier werden noch gebraucht.
Sie beginnen das Gefährt in fünfzig Metern Entfernung zu umkreisen, so dass der
Schütze (Jagdgewehr, Schaden 6) vom Aufbau aus die Charaktere unter Beschuss neh-
men kann. Der entstehende Wellengang lässt das Floß bedenklich hin und her schwan-
ken. Die Charaktere erhalten Passive Verteidigung +2, allerdings auch einen Malus von
-2W auf all ihre Aktionen. Misslingt eine mit Bewegung verbundene Handlung, muss
der Charakter GES+Beweglichkeit (2) würfeln, damit er nicht über Bord geht. Im Was-
ser wird KÖR+Athletik (3) fällig, um nicht von der eigenen Ausrüstung unter Wasser
gezogen zu werden und in der Nähe des Floßes zu bleiben. Nur mit vereinten Kräften
(Gemeinsame Aktion, KÖR+Kraft (5)) kann er wieder an Bord gezogen werden.
Um den Tank des Torpedoboots ausfindig zu machen, muss ein Aktionswurf
auf VER+Technik (3) gelingen. Anschließend können die Charaktere versuchen, mit
Feuerwaffen den Tank zu treffen und das Torpedoboot so zur Explosion zu bringen
(Gezielter Angriff, GES+Schusswaffen (4)). Eine zweite Möglichkeit wäre, den Fahrer
auszuschalten. Aufgrund der hohen Geschwindigkeit liegt die Schwierigkeit bei 5 – er-
wischen die Charaktere ihn, gerät das Boot sofort außer Kontrolle, wobei es sich mehr-
fach überschlägt und auf dem Wasser zerschellt.
0 2 . D I E L I N I E N M Ü S S E N H A LT E N
Terres Putain, Ostseite. Rettende Arme ziehen die Charaktere und Spitalier vom Floß
oder aus dem Hafenbecken an Land. Menschen helfen, wo sie nur können. In den Stra-
ßen herrscht helle Aufregung. Verwundete werden an Ort und Stelle behandelt. Kinder
rennen mit Wassereimern zwischen den Erwachsenen hin und her, bringen Verbands-
tücher und stützen Alte. Überall herrscht Fassungslosigkeit, keiner scheint den Angriff
zu begreifen.
„Wir halten die Brücke nach Cour Argent. Unsere Jungs haben sich eingegraben”,
ruft ein schwarzbärtiger Kämpfer der Beau Monde, Toulons Stadtwache, zuversichtlich
in die Menge.
Die Menschen bilden ein Spalier für die Spitalier und die Charaktere. Remagnac
ruft den Famulanten zu, ihm zum Camp Resistance zu folgen. Das Viertel ist in Auf-
ruhr. Die Anwohner haben ihr Tagesgeschäft, ihre Läden und ihre Arbeit verlassen,
versuchen sich ein Bild der Lage zu verschaffen. Selbst hier, knappe vier Kilometer von
den dramatischen Ereignissen in der Krisenzone entfernt, ist noch immer das ferne
Krachen und Brüllen des Krieges zu vernehmen.
Nach einem zwanzigminütigen Marsch durch die Gassen erreichen die Charaktere
das Lager der Resistance. Vernarbte Gesichter schauen von den Wachtürmen herab.
Männer und Frauen in selbstgeschneiderten Uniformen stehen Gewehr bei Fuß, salu-
tieren vor den vorbeiziehenden Famulanten.
Im Inneren werden Barrikaden errichtet, Soldaten bereiten sich auf einen Ausfall
vor und die Bevölkerung karrt Verpflegung, Wasser und Decken heran. Auf einem Po-
dium macht Remagnac die Anführerin aus, die sich in einem lautem Streit mit einem
dicken, untersetzten Mann befindet: Vericon, Bürgermeister von Toulon.
„Generalin Morceau, die L’Orage meldet sich freiwillig zum Dienst. Wir haben
schwere Gefechte in Cour Argent”, beginnt Remagnac, ohne zu zögern, und salutiert
zum Podium hinauf.
„Diese Gruppe hier”, fährt er fort und zeigt dabei auf die Charaktere, „hat uns und
andere Unschuldige gerettet. Ihnen gebührt Gehör.”
Die Generalin salutiert zu den Charakteren und winkt sie zu sich hinauf. Mit ei-
nem Fingerzeig bedeutet sie Remagnac, seine Männer in eine niedrige Kaserne zu brin-
gen und sie zu verpflegen.
„Wer seid ihr? Was geht dort draußen vor?”
Die Charaktere haben kaum Zeit, von den Erlebnissen zu berichten, als Vericon ihnen
schon ins Wort fällt: „Wir können unsere Männer nicht dort hineinschicken. Sie gehen
 DER EMISSIONSSCHILD

Factor hat in Vorbereitung auf Operation
Mirage einen Emissionsschild um die Stadt
herum errichtet, der Radiowellen und da-
mit Funkverbindungen schluckt. Toulon ist
von der Kommunikation zu anderen Städ-
ten der Region abgeschnitten, im Inneren
funktioniert der Funk hingegen ohne Ein-
schränkungen. Die Eisenbrüder nutzen ih-
ren Schrotterfunk und Kommando Requiem
kommuniziert über eine eigene sichere Ver-
bindung.
Der Schild wird von Frequenzemittern
aufgebaut, die Factor in den letzten Tagen,
verteilt über alle Stadtbezirke, auf Haus-
dächern oder in versteckten Hinterhöfen
aufgestellt hat. Die faustgroßen, zylindri-
schen Antennenköpfe sind auf Dreibeinen
aufgebockt, die wiederum fest mit dem
Untergrund verschraubt wurden. Aus der
Nähe ist deutlich ein instabiles, statisches
Rauschen vernehmbar.
Nur noch vier dieser Emitter sind intakt:
in Cour Argent, Ferrallies, Terres Putain und
Port Lagagne. Der Antennenkopf in Saint
Chenil ist nicht mehr dort, wo er sein sollte.
Bettler haben ihn entdeckt und abmontiert,
um aus dem seltsamen Ding ein paar Dina-
re zu schlagen.
Dementsprechend hat der Schild einen
Defekt, er schluckt die Funkverbindungen
nicht vollständig. Besonders starke Signa-
le können ihn durchdringen, wenn auch
völlig zerstückelt und schwer verständlich.
Um den Schild vollständig in sich zusam-
menbrechen zu lassen, müssen alle übrigen
Emitter zerstört werden.
Um die Ziele zu lokalisieren, kann ein Funk-
gerät über einen kombinierten Aktionswurf
in VER+Artefaktkunde (3) und GES+Finger-
fertigkeit (2) so modifiziert werden, dass es
das Intervallrauschen eines Emitters polari-
siert.
Ein Wettlauf mit der Zeit beginnt, denn
Factor registriert jede weitere Schwankung
des Schildes und wird sofort Shutter aus-
senden, um die übrigen Antennenköpfe zu
sichern. Er selbst behält den letzten Emitter
auf dem Dach des stillgelegten Alkovens
in Ferrallies im Auge. Solange dieser nicht
deaktiviert wird, bleibt das Kommunikati-
onsnetz auch weiterhin instabil. Und nach
Ferrallies ist ohne Boot kein Durchkommen.

uns direkt in den Tod. Lass uns mit dem Gegenschlag warten und die Stellung halten,
bis sie verhandeln wollen!” Der Bürgermeister sieht besorgt aus. Schwere Augenringe FÜR FRANKA
und hängende Backen lassen sein Gesicht wie eine bleiche, geschmolzene Kerze er- Suchen die Charaktere das Gespräch mit
scheinen. Sein schwarzes Haar hängt ihm schlaff und nass über die Stirn. Zoe, so nimmt sich die Generalin ein paar
„Wir wissen noch nicht einmal, wer uns angreift, Vericon, und du willst schon den flüchtige Augenblicke für sie Zeit. Zwar
Schwanz einziehen? Was dort passiert, ist ein Angriff auf uns alle. Wir leben unter Tou- wird das Gespräch ständig von Läufern
lons Anker, nicht unter der Schrotterrune.” unterbrochen, die Nachrichten bringen
Den Charakteren wird schnell klar, Zoe ist die Macherin, Vericon der Zweifler. Der oder Zoes Befehle weitertragen, doch die
Streit geht hin und her, beide sind sich über die Vorgehensweise uneinig. Generalin gratuliert den Charakteren zur
Morceau wirft den Kopf zur Seite, blickt die Charaktere auffordernd an. „Was ist erfolgreichen Rettung der Spitalier.
mit euch? Ich kann jeden Mann gebrauchen.” Anschließend versucht sie mit Nach-
Vericon verdreht die Augen. Zoe hebt den Finger und bedeutet dem Bürgermeister druck, die Gruppe auf ihre Seite zu zie-
zu Schweigen. Sie will keine Widerworte mehr. hen. Für Toulon, für Franka. Nicht als
„Du schickst die Männer in ihr Verderben!” Vericon schwitzt, sein Atem geht Teil der kämpfenden Verbände, sondern
schwer und die Schweinsaugen quellen hervor. als Verbündete, die sich unabhängig be-
„Wir greifen an.” Sie blickt zum Himmel auf, zögert. „Am Mittag. Wenn die Sonne wegen sollen. Schließlich kann Zoe sich
am höchsten steht. Bis dahin haben sich die Schrotter verausgabt. Wir kriegen sie, so- nicht um alles kümmern. Schlagen die
bald ihre Beine müde werden.” Wer auch immer diese Frau ist, sie weiß, was sie will. Charaktere die offene Hand aus oder
Vericon wirft verzweifelt die Arme in die Luft und stapft fluchend vom Podium. versuchen sie sogar, sich als Söldner an-
„Hamza ist so nicht geholfen!”, brüllt er aus voller Kehle. „Siehst du denn nicht? werben zu lassen, endet das Gespräch. Sie
Die Schrotter haben die Kaserne in die Luft gejagt!” sucht Leute, die aus Überzeugung für die
Wild gestikuliert er in Richtung Nordosten, in Richtung Cour Argent. Dann ent- gemeinsame Sache kämpfen, nicht des
fernt er sich aufgebracht vom Podium. Soldes wegen.

THE KILLING GAME 139


AUF SEITEN AFRICAS
Sind die Charaktere im Bündnis mit den
Herrschern von Toulon, kann die Ge-
schichte alternativ auch an dieser Stelle
beginnen. Die Gruppe ist bei Hamza im
Palast zu Gast, treibt mit den Africa-
nern Handel oder steht sogar in Hamzas
Schuld. In diesem Fall ziehen sich die Cha-
raktere wahrscheinlich vom Schlachtfeld
auf dem Cour Argent hinter die Palast-
mauern zurück und sind seit den ersten
Explosionen an Hamzas Seite.
RAUSCHEN
Konnten die Charaktere Hagels Funkge-
rät oder eine Alternative in ihren Besitz
bringen, beginnt dieses plötzlich zu rau-
schen. Mit VER+Technik (1) kann das Si-
gnal leicht entzerrt werden, so dass die
Charaktere Hamzas erfolglosen Hilferuf
an seinen Vetter abhören können. Es ist
ein Leichtes, mit Hamza Kontakt aufzu-
nehmen. Er bittet die Charaktere um Hil-
fe: sie müssen herausfinden, warum der
Funk blockiert ist, und das Problem lösen.
Nur die Unya kann jetzt noch helfen. Im
Gegenzug bietet er den Charakteren si-
cheres Geleit und Zuflucht an.
I. VERTEIDIGUNG
Hamzas Palast, der Lärm raubt einem den Verstand. Ostseitig ist die Außenmauer in
sich zusammengebrochen. Unablässige Granateneinschläge haben das Gestein ge-
sprengt und ein klaffendes Loch hinterlassen, das mitten in Hamzas Gärten führt. Ge-
fechte toben. Die Verteidiger sind hoffnungslos unterlegen. Hamza stehen nur noch
vier Rudel bei. Kaum dreißig Mann, allesamt unter Ayubus Kontrolle. Der Dumisai hat
sie zu einem einzigen Rudel gebündelt.
Schüsse pfeifen über die Zinnen hinweg, werden mit Sturmgewehrsalven der
Geißler beantwortet. Doch es kümmert die Eisenbrüder nicht. Dutzende von ihnen
haben sich unter einem hohen, tragbaren Rammbock samt Stahldach, Stacheldraht,
Wellblech und Isoliergummi verschanzt. Keine der Kugeln, die Ayubus Krieger abfeu-
ern, hat genügend Durchschlagskraft, um sich in die Schulter eines der Schrotter unter
dem Schutzdach zu graben.
Atemlos hetzen Unterstützer der Eisenbrüder über die großen Rasenflächen des
Gartens. Sie zerren schweres Gerät in Karren heran, schieben es unter die Schutz-
hülle des Rammbocks, die sich inzwischen fugendicht an die Mauer zum Wachhaus
schmiegt.
Eisenhauer und Nestor ziehen die Schutzplanen von den Maschinen. Gewaltige
Presslufthämmer samt petrobetriebener Kompressoren kommen zum Vorschein. Der
nötige Nachdruck, um die Innenmauer des Palastes zu Feinstaub zu pulverisieren.
In seiner Kanzlei oben im Palast versucht Hamza verzweifelt, die Funkverbindung
zu seinem Vetter Orma aufzubauen. Dieser ist gerade mit der Unya, dem prächtigsten
und größten Transportschiff aus der Werft des Plünderers, auf dem Weg zurück nach
Toulon. Hamza will seinen Vetter warnen und ihn anweisen, am Nordhafen zum Ste-
hen zu kommen, damit der Neolibyer samt seiner Geißler an Bord gehen kann. Auf der
Unya kann ihnen niemand etwas anhaben.
AUF DEM DACH
Sind die Charaktere an Hamzas Seite, können sie ihn dabei unterstützen, die Funkver-
bindung herzustellen. Hamza vermutet, dass die Verbindung zur Antenne auf dem Pa-
lastdach abgerissen ist und er deshalb keine Antwort erhält. Die Charaktere sollen sie
bergen, so dass sie die Antenne in der Kanzlei aufstellen und anschließen können. Der
Weg über die Treppe auf das Dach ist nicht das Problem. Doch die Antenne, ein kleines
Monstrum mit Gestänge und einer Länge von drei Metern, befindet sich auf der ent-
gegengesetzten Dachseite. Mindestens zwei Charaktere müssen mit GES+Beweglich-
keit über das Dach sprinten (Aufwändige Aktion, 9 Erfolge), mit GES+Handwerk die
Befestigung lösen (Aufwändige Aktion, 6 Erfolge) und die Antenne mittels KÖR+Kraft
in Sicherheit schleppen (Kooperative Aufwändige Aktion, 15 Erfolge). Dass sie dabei
von den angreifenden Schrottern unentdeckt bleiben, ist unmöglich. Jede Runde wer-
den die Charaktere abwechselnd mit Musketen unter Beschuss genommen. Durch den
Sprint auf dem Hinweg und die teilweise Deckung durch die Antenne beim Rückweg
erhalten sie einen Bonus von +2 auf ihre Passive Verteidigung. Zurück in der Kanzlei
reicht ein Wurf auf VER+Technik (2), um die Antenne anzuschließen. Das Signal ist
unverhältnismäßig schwach. Irgendetwas stört den Funk.
II. SCHWARZE HOFFNUNG
Nephraim betritt Hamzas Kanzlei.
„Sie haben unsere Schwester.” Sein Blick ist verfinstert, die Mundwinkel vor Ab-
scheu verzogen. „Sie werden Kopfgeld für sie verlangen.”
„Eisenbrüder. Haben wir nicht alles getan, um sie die letzten zehn Jahre bei Laune
zu halten?”, fragt Hamza ungläubig in den Raum. Er lauscht nach dem Gefechtslärm
draußen im Hof.
„Sie werden jeden Moment durchbrechen”, sagt der Anubier.
„Ich kann Zohra hier nicht zurücklassen. Wir müssen Verstärkung von Elani und
Atuma anfordern. Sie schulden es uns!” Hamza klingt verzweifelt.
„Nein, der Nordhafen ist die einzige Rettung. Du kannst hier nicht ausharren, du
musst aus Toulon raus”, erwidert Nephraim.
„Es kann noch Stunden dauern, bis Orma die Stadt erreicht!” Hamzas Zorn ist of-
fensichtlich. Nervös hämmert er mit den Fingerkuppen auf dem Pult herum.
„Überlass den Schrottern den Palast und die Schätze. Rette dein Leben.”
„Und was ist mit dir? Ich lasse dich nicht zurück!”
„Sie brauchen jemanden, der ihnen Marduk-Öl kocht. Sie werden mir nichts tun.”
Hamza schweigt. Sein leerer Blick verharrt im Raum. Dann nimmt er eine seiner
Flinten von der Wand, lädt sie durch.
„Bereite Ayubu auf den Durchbruch vor! Wir borden die Unya, sammeln unsere
Kräfte. Im Morgengrauen greifen wir Ferrallies an.”

ABLENKUNG AUS DER FERNE

Damit Ayubu und Hamza den Ausfall aus dem Palast schaffen, brauchen sie ein Ablen- Halten sich die Charaktere nicht im
kungsmanöver. Die gesamte Außenmauer ist umstellt. Eisenbrüder und Kommando Palast, sondern in Zoes Lager auf, be-
Requiem warten nur auf eine falsche Bewegung des Neolibyers und seiner Geißler, um obachten sie das Signalfeuer über dem
sie unter Feuer zu nehmen. rauchverhangenen Hügel aus der Ferne.
Nephraim will es zur Aussichtsplattform schaffen und dort ein Signalfeuer zünden, Von der Turmspitze der Aussichtsplatt-
um die Eisenbrüder zu verunsichern. Das Feuer gilt an Feiertagen zu Hamzas Herr- form schießt eine magnesiumblaue Säule
schaft verbündeten Kriegsschiffen aus Montpellier und Perpignan als Willkommens- zwanzig Meter himmelwärts. Feuerwerk
gruß. Jetzt ist es nichts weiter als eine Finte, um die Belagerer für einige Minuten abzu- entzündet sich daran, sprüht seitwärts
lenken und Hamza und Ayubu die Zeit zu verschaffen, durch das Südtor ausbrechen zu aus der Lichtfontäne. Die zerplatzenden
können. Funkensterne wirken wie ein Zeichen des
Die Eisenbrüder werden sich vergewissern müssen, dass tatsächlich keine Kriegs- Sieges über die Angreifer.
flotte in der Bucht Einzug hält. Jemand mit Funkgerät muss runter zum Nordhafen Die Resistance ist verunsichert. Von
und Meldung machen. Das Letzte, was Nestor und Eisenhauer in diesem Moment ge- der Brücke aus gibt es keinen vollständi-
brauchen können, ist eine offene Flanke an der Bucht. gen Blick bis zum Horizont. Sollten sich
Es sind nur wenige Augenblicke, die Verwirrung stiften sollen. Eine Verzweiflungs- dort Schiffe abzeichnen, wäre es unmög-
tat, aber vielleicht der einzige Weg. lich sie von hier aus zu erkennen. Ist das
die erhoffte Rettung für Toulon? Haben
DURCH DAS SÜDTOR Montpellier und Perpignan Kreuzer in
Von der Aussichtsplattform steigt ein gleißender Feuerstrahl auf, Kanonenschläge don- den nahen Gewässern gehabt?
nern, Funkenwirbel stieben durch die Luft. Ayubu hat seinen Geißlern befohlen, im Zoe zweifelt nicht einen Augenblick
Takt des Signals zum Gegenschlag auszuscheren. daran. Das ist der Moment der Rück-
Die erste Gruppe soll ins Bodengefecht, Stellung hinter den Bäumen und auf dem eroberung. Sofort erteilt sie Marschbe-
Gelände beziehen, das Kampfgeschehen über den Sonnenpfad zum Osttor verlagern. fehl. Auf zur Silberachse!
Die Hauptgruppe soll das Südtor stürmen und Hamza so die Flucht ermöglichen. Ver-
teidigen die Charaktere den Palast, wagen sie unter der Führung von Ayubu gemein- IN STELLUNG
sam mit Hamza und zehn Geißlern den Ausbruch. Hexell hat sich in Stellung gebracht. Ir-
Der Weg führt entlang der Südwestmauer bis zum Wachturm, der das Tor flan- gendwo da draußen. Mit gezielten Kopf-
kiert. Im Osten knattern erste Gewehrsalven – die übrigen zwanzig Geißler sind ausge- schüssen tötet er Eisenbrüder und Shut-
schwärmt, verwickeln die abgelenkten Belagerer in Kämpfe und ziehen die Aufmerk- ter aus einem Kilometer Entfernung.
samkeit auf sich. Ayubu treibt die Gruppe zur Eile an. In den Wachturm, dann nach Rattler hat ihm einen Auftrag gegeben:
oben, auf die innere Wehrmauer. Der Plan funktioniert. Die Angreifer im äußeren Ring Hamza darf unter keinen Umständen
rennen Richtung Osten. Ayubu hebt die Hand – Moment noch – dann gibt er das Zei- etwas zustoßen. Der Scharfschütze deckt
chen. Fünf der Geißler werfen Seile über die Mauer, seilen sich nach unten in das Pi- die Flüchtenden wie eine Hand Gottes.
niendickicht ab, sichern. Hamza, Ayubu und die Charaktere (KÖR+Athletik (2)) folgen. Ein kombinierter Wurf auf PSY+Reaktion
Zuletzt die Nachhut. Keine Angreifer. Hamza runzelt die Stirn. Zu leicht. Ayubu drängt (4) und INS+Orientierung (3) muss ge-
weiter, vorwärts durch den äußeren Ring zum Südtor. lingen, um den Mündungsblitz rechtzei-
Die massiven Torflügel sind aus den Angeln gesprengt, hängen verkeilt im Durch- tig zu erkennen und damit die Richtung
gang. Die Gruppe rückt vor, die Umgebung mit angelegten Gewehren im Blick. Die des Schützen auszumachen. Wer schießt
Rampe hinunter. Der Vorplatz ist mit Barrikaden und Trümmerteilen übersät. Plötz- dort? Unerklärlich für den Moment.
lich segelt eine Granate durch die Luft. Hinterhalt! Gerät die Gruppe um Hamza in Be-
Aus den angrenzenden Gebäuden fluten Shutter und Eisenbrüder das Areal. Die drängnis, ist Hexell bereit. Von seiner
zugeburnten Schrotter schreien vor Blutgier, werfen sich mit Schrottprügeln auf die Stellung aus kann er den Africanern bis
Geißler und gehen im Gewehrfeuer unter. Mann gegen Mann. zur Silberachse den Rücken freihalten.
Die Charaktere müssen Hamza flankieren, Ayubu im Blick behalten und die Geiß- Unter seiner Deckung kann der Trupp
ler unterstützen. Die Übermacht ist erdrückend, Rücken an Rücken kämpfen sie um sich Richtung Nordhafen in Bewegung
ihr Leben. Aus dem Nichts taucht ein Berg von Schrotter vor Hamza auf, die Augen setzen. Dann verschwinden sie aus He-
weit aufgerissen, die krude Blechaxt zum Schlag hoch erhoben. Plötzlich ein lautes Zi- xells Blickfeld.
schen. Der Kopf des Hünen zerstiebt in einer Blutwolke. Der Weg führt über Leichen.

THE KILLING GAME 141

 02:00 PM
ZUSAMMENFÜHRUNG
Waren die Charaktere bis zu diesem Zeit-
punkt Teil von Zoes oder Hamzas Lager,
fließt die Geschichte an diesem Punkt
zusammen und die Handlungsstränge
kreuzen sich.
UNTER FEUER
Kugeln pfeifen den Charakteren um die
Ohren. Zwar visiert keiner der Schrotter
die Charaktere direkt an, aber es besteht
die Gefahr eines Streiftreffers, sobald sich
ein Charakter aus der Deckung bewegt.
Will ein Charakter seine Stellung wech-
seln, muss ihm ein Wurf auf GES+Heim-
lichkeit (3) oder auf GES+Beweglichkeit
(3) gelingen, ansonsten erwischt ihn eine
Kugel (8 Schaden, Rüstung schützt). Ver-
sucht einer der Charaktere, Tank, Wasser-
zufuhr oder Fahrer zu treffen, gerät er bei
einem Fehlschlag sofort unter massiven
Beschuss. Für einen erneuten Versuch,
muss er in jedem Fall erst seine Position
wechseln.
03. TOD AUF DER SILBERACHSE
Die Sonne steht im Zenit, das Gewehrfeuer ist verebbt. Es sieht nach einer Verschnauf-
pause aus. Nicht so für die Resistance. Zoe befiehlt, in drei Keilformationen in Richtung
Silberachse durchzubrechen. Sind die Charaktere mit von der Partie, laufen sie in Zoes
Keil mit. Ein Flügel schert zu den zerstörten Kasernen aus, ein zweiter Trupp stürmt
nach Nordosten und versucht die Flanke zu sichern. Die Resistance-Einheiten und die
Beau-Monde-Kämpfer unter Zoe beziehen Stellung am westlichen Zufluss zur Silber-
achse. Der Cour Argent ist entvölkert. Nichts bewegt sich die Straße herunter. Zoe
nimmt einen Feldstecher und übergibt ihn an einen der Charaktere.
„Spähen!”, kommandiert sie. „Schlag Alarm, wenn sich etwas bewegt!”
Der Charakter blickt durch die Linsen die weite, menschenleere Straße hinunter.
Vogelkäfige drehen sich im Wind, die Papageien darin sind zu formlosen Klumpen ver-
brannt. Zerrissene Markisen flattern über die Toten hinweg. Vereinzelt ragen Körper-
teile aus den Trümmern und dem Schutt, den die erste Explosion hinterlassen hat.
Eine dünne Schicht Aschestaub hat sich wie ein schemenhaftes Leichentuch über die
Silberachse gelegt, als ob sie das Grauen verdecken wolle, das dort begraben liegt.
Plötzlich bewegt sich was von Norden in den Straßenzug hinein. Blaue Helme
kommen ins Bild, hechten über das Trümmerfeld. Fünfhundert, sechshundert Meter
von Zoe und den Charakteren entfernt. Die Africaner haben es geschafft.
Zoe gibt dem Kommandeur der Beau Monde ein Signal. Dieser greift zu einer sil-
bernen Pfeife an seiner Westentasche und bläst hinein. Drei scharfe Töne schallen die
Silberachse hinunter. Die Africaner geben Handzeichen zurück. Die Resistance soll
aufschließen.
I. FEUERSCHUTZ
Die Resistance und die Charaktere hechten die Straße hinunter. Nicht einmal die halbe
Strecke liegt zurück, als plötzlich am östlichen Ende der Silberachse ein gepanzerter
Wagen aufheult. Das Gefährt spuckt Feuer und Rauch, ein Rammkeil ragt aus der mit
Stahlplatten und Metalldornen vernieteten Front. Dutzende Schrotter haben auf der
dahinter liegenden Ladefläche Stellung bezogen. Der Verbrennungsmotor knurrt un-
ter der Haube. Die schweren, mannshohen Räder drehen auf der Stelle. Dann setzt sich
das Monstrum mit einem hungrigen Ruck in Bewegung und rast pfeilgerade die Achse
hinunter. Der Rammkeil bricht durch Stände hindurch und katapultiert Hindernisse
von der Fahrbahn. Der Panzerwagen beschleunigt und die Schrotter eröffnen das Feu-
er. Ein Kugelhagel deckt die Africaner und die Resistance ein. Geißler und Resistance
erwidern die Schüsse. Noch zweihundert Meter.
D E R PA N Z E R W A G E N
Der Panzerwagen hat drei Schwachstellen: den seitlich verschweißten Tank, den Was-
serzulauf gegen Überhitzung und den Fahrer. VER+Technik (3) oder INS+Wahrneh-
mung (3), um die Schwachstellen auszumachen und ins Visier zu nehmen. In voller
Geschwindigkeit und auf Distanz ist ein gezielter Schuss nötig, um eines der drei Ziele
zu treffen.
Tank (Schwierigkeit 5): Die rechte Seite des Panzerwagens explodiert und das Fahr-
zeug kippt nach links, schlittert noch einige Dutzend Meter weiter in einen Schutt-
haufen. Die Schrotter werden von der Ladefläche geschleudert. Einige überleben und
kämpfen nach einem Moment der Orientierungslosigkeit weiter.
Wasserzufuhr (Schwierigkeit 4): Eine Dampffontäne behindert die Sicht des Fah-
rers und er versenkt die Front des Panzerwagens in einer Hauswand. Die Schrotter
stürmen von der Ladefläche und gehen sofort in Kampfposition.
Der Fahrer (Schwierigkeit 3 + 6): Die Kugel durch den gepanzerten Schlitz des Fah-
rerhauses hindurch zu jagen und den Schrotter auszuschalten, erfordert enormes Kön-
nen und einen Kombinationswurf aus INS+Wahrnehmung (3) und GES+Schusswaffen
(6). Trifft die Kugel, verliert der Fahrer sofort die Kontrolle und der Panzerwagen bu-
ckelt vornüber. Die Schrotter werden in hohem Bogen aus dem Fahrzeug geworfen
und schlagen mit gebrochenen Knochen und zertrümmerten Schädeln auf oder wer-
den gleich unter dem Stahlungetüm begraben. Drei Herzschläge später geht der Wagen
in einer gewaltigen Explosion in Flammen auf.
KEIN ZURÜCK
Das Knattern der Gewehrsalven ist nicht zu überhören. Die Explosion des Panzerwa- A B G E FA N G E N
gens lockt Verschwörer hinunter zur Silberachse. Jeden Moment kann Verstärkung von Kommando Requiem hat Hamzas Hilfe-
allen Seiten einbrechen. Die Marktstraße liegt zu zentral und ist wegen der zahlreichen ruf an Orma abgefangen. Mirage gibt den
Nebenstraßen kaum zu verteidigen. Versuchen die Truppen sich hier zu verschanzen, Eisenbrüdern den Befehl, sich zu sam-
werden sie aufgerieben. Ayubu und Zoe tauschen Kommandos aus. Verunsicherung ist meln und Hamzas Festnahme vorzuberei-
auf beiden Gesichtern zu lesen. ten, sobald sich das Schiff nähert. Mirage
„Die Resistance zurück auf den Posten, zur Brücke. Ihr müsst den Westen sichern will den Plünderer unter allen Umstän-
und die Schweine zu euch locken”, bellt der Dumisai unter der Maske hervor. den lebend. Wenn sie sowohl Hamza als
„Wer noch stehen und kämpfen kann, kommt mit mir. Durchbruch bis zur Raffine- auch Zohra in ihrer Gewalt hat, kann sie
rie.” Er deutet nach Süden. zu einem späteren Zeitpunkt Zugeständ-
„Vergiss die Raffinerie, Ayubu.” Hamza ist heran. Ein Streifschuss hat ihn am Hals nisse von den Neolibyern an Frankas Küs-
erwischt. Ein Rinnsal Blut sickert am Kragen entlang, färbt seine weiße Uniform leuch- te erpressen, sie zum Rückzug zwingen
tend rot. „Die Eisenbrüder werden dort plündern. Wir müssen zu den Zollhäusern und und dem Cluster in Aquitaine einen Vor-
uns verschanzen.” teil verschaffen.
Der Dumisai überlegt kurz, dann breitet er vor den Charakteren einen Stadt- Nestor verweigert dem Paradigma
plan aus. „Ich brauche Feuerschutz. Eine Handvoll von euch lenkt die Eisenbrüder an jedoch den Befehl. Er will Hamzas Kopf.
der Raffinerie ab. Versteckt euch bei den Lagerhallen!” Mit Nachdruck blickt er den Der Plünderer ist die Verkörperung von
Nächststehenden an: „Wenn ihr angegriffen werdet, zieht euch nach Westen zur Kaser- allem Schlechten, das Nestor je wider-
ne zurück und lasst die Resistance einen Korridor für euch freihalten.” Dann wendet er fahren ist. Dafür will er ihn bezahlen las-
sich seinen Männern zu. „Wir umrunden die Raffinerie über die Ostseite und beziehen sen. Im engsten Kreis seiner Unterstützer
Position an den Zollhäusern. Das Gelände zum Hafen ist nach allen Seiten offen, dort verhängt er eine Belohnung für den, der
geraten wir in keinen Hinterhalt.” Hamza zu töten vermag.

THE KILLING GAME 143

07:00 PM
II. STÖRFUNK
Ayubus Rudel hechtet von Häuserzeile zu Häuserzeile Richtung Osten.
Die Charaktere können derweil nach Westen zu den Lagerhallen durchbrechen.
Während sie die Straßenzüge entlanghuschen, bemerken sie: kaum Widerstand, kaum
Bewegung.
Ein Wurf auf INS+Wahrnehmung (2) verrät, dass die Luft rein ist. Wo sind die Geg-
ner? Sie scheinen nicht wie vermutet an der Raffinerie auszuharren.
Trotzdem, Vorsicht ist geboten. Es ist still, fast schon zu sehr. Die Lagerhäuser sind
in Sicht, Tore wurden aufgestoßen, aus Gebäuden quillt Qualm. Möwen kreisen über
den niedrigen Rauchwolken, die Luft ist von Aschepartikeln verhangen. An manchen
Pforten liegen Tote, die Körper verdreht, die Gesichter im Staub vergraben.
Urplötzlich faucht das Funkgerät, das die Charaktere dem Schrotter am Hafen
abgenommen haben. Es knistert, rauscht, dann springt es zu einer bizarren Tonfolge
über, die einer Rückkopplung gleicht. Ein Wurf auf VER+Wissenschaft (3) gibt Auf-
schluss: Irgendetwas stört das Frequenzfeld des Geräts, es schlägt immer stärker aus.
Gelingt eine Kombination aus VER+Technik (3) und INS+Orientierung (2), können sich
die Charaktere der Störquelle nähern.
An einer Steigleiter aus rostigen Bügeln geht es hinauf auf das Dach eines nahen
Lagerhauses. Das Geräusch überschlägt sich fast. Dort drüben spannt sich ein Tau rauf
zum nächsten Gebäude. Von hier lässt sich schwer erkennen, was auf der gegenüberlie-
genden Seite für die Frequenzstörung sorgt. Drei Meter müssen überwunden werden.
Nach unten sind es von hier aus knappe zehn Meter. Wollen sich die Charaktere am
Tau entlanghangeln, um auf die andere Seite zu gelangen, müssen sie einen Wurf auf
KÖR+Athletik (3) absolvieren. PSY+Gerissenheit (1), um auf die Idee zu kommen, sich
mit einem Gürtel oder Seil am Tau zu sichern, denn misslingt der Wurf, rutscht ein
ungesicherter Charakter ab und schlägt in der Lagergasse auf (Fallschaden 20).
Auf dem anderen Dach angekommen, sehen die Charaktere den Ursprung des
Störfunks sofort. Ein Emitter pulst seine Frequenz, verschraubt auf dem Wellblech der ABZWEIGUNG
Lagerhallendecke. Nähern sich die Charaktere dem Objekt, können sie einen Wurf auf Für den Fall, dass die Charaktere sich be-
INS+Wahrnehmung (2) würfeln. Gelingt die Probe, erkennen sie am Einstieg in die La- reits vor dieser Szene auf die Suche nach
gerhalle einen leblosen Körper, der zusammengerollt auf dem Hausdach liegt. Es ist ein den Emittern gemacht haben, geraten sie
schwarzer Schrotter. Einer von Ormas Leuten. anstelle des schwarzen Schrotters unter
Versuchen die Charaktere dem Körper näher zu kommen, blickt dieser unvermit- Beschuss. Factor reagiert sofort, wenn der
telt in ihre Richtung. Die Charaktere erkennen Verzweiflung in seinem Blick. Blut rinnt Frequenzschild bedroht wird. Die Szene
ihm aus dem Mund. Er versucht die Charaktere zu warnen, doch er bekommt keinen kann entsprechend vorgezogen werden.
Laut heraus.

H I N T E R H A LT
Factor hat bemerkt, dass jemand seinen Emitter auf dem Dach eines Lagerhauses im
Cour Argent manipulieren wollte. Irgendein schwarzer Schrotter hat die Funksequenz
lokalisiert und versucht, die Antenne zu zerstören. Factor hat ihm dafür eine Maschi-
nengewehrsalve in den Bauch gejagt und sich auf dem gegenüberliegenden Dach einer
angrenzenden Lagerhalle versteckt, um sicherzugehen, dass sich niemand sonst dem
Emitter nähert. Wenn er die Charaktere bemerkt, eröffnet er ohne nachzudenken das
Feuer. Seine Jahre als Shutter gehen mit ihm durch. Er ist der geborene Attentäter,
spürt es in jeder Faser seines Körpers. Die Salven schlagen neben den Charakteren ein,
sie müssen in Deckung, um von Factors Vergeltung verschont zu bleiben. Der Fuse
ist erbarmungslos. Er will die Saboteure schnellstmöglich beseitigen, um sich wieder FA C T O R S A G E N D A
„Operation Mirage” zuwenden zu können. Sind die Charaktere in der Lage, das Feuer Factor wird sich unter keinen Umstän-
zu erwidern und ihn in Bedrängnis zu bringen, fackelt er nicht lange. Aus seinem Gür- den ergeben oder den Kampf fortführen,
tel zieht Factor eine fremdartige Granate und wirft sie zielgenau auf das Hausdach, auf wenn er sich den Charakteren unterlegen
dem sich die Charaktere befinden. Das metallene Ei springt über das Wellblech, blinkt fühlt. Sobald er erkennt, dass er in Ge-
dreimal, dann verpufft es schlagartig in einer blauen Dunstwolke. Mit rasender Ge- fahr gerät, wird er flüchten und sich mit
schwindigkeit hüllt der Nebel die Umgebung ein, Energieblitze schießen zwischen den Kommando Requiem vereinen. Er nutzt
Quellwolken auf, entladen sich am Metall. Die Luft dehnt sich, statische Energie staut seine Ortskenntnis, Abkürzungen und
sich auf, saugt Staubpartikel in ihren Wirkungsradius. VER+Technik, VER+Artefakt- Ausrüstung für ein schnelles Abtauchen
kunde oder VER+Wissenschaft (4) macht klar: die Wolke kann sich jeden Augenblick im Cour Argent. Doch die Charaktere
in einem gewaltigen Blitzschlag entladen und das gesamte Dach des Lagerhauses unter dürften jetzt einen ersten Eindruck von
Hochspannung setzen. Organisches Material, die Charaktere mit eingeschlossen, wür- den Hintermännern des Angriffs haben:
de binnen Sekundenbruchteilen in Flammen aufgehen. die Chronisten. Was geht hier vor sich?
Die einzige Rettung verheißt ein Sprung vom Dach. Mit KÖR+Athletik (3) schaffen VER+Legenden (2), um zu erkennen, dass
es die Charaktere, durch eines der gegenüberliegenden Fenster oder ein niedriger lie- es sich bei ihrem Gegner um einen Shut-
gendes Vordach zu brechen (Sturzschaden 3, bei Misserfolg 9). ter handeln könnte.

IN DER ZWISCHENZEIT

Während die Charaktere bei den Lager-
häusern gegen Factor bestehen müssen,
spielt sich Dramatisches an der Brücke nach
Terres Putain ab. Zoe und die Resistance
werden unter schweres Gefechtsfeuer ge-
nommen. Die Resistance als auch die Beau
Monde erleiden erhebliche Verluste und
den Eisenbrüdern gelingt es, die Verteidi-
ger erneut über die Brücke zu treiben. Zoe
und ihre Männer müssen sich eingraben
und den Übergang nach Terres Putain hal-
ten. Sie können Ayubu und Hamza zu die-
sem Zeitpunkt nicht mehr zu Hilfe eilen.
In Ferrallies bricht inzwischen Jubel
über den spektakulären Überfall der Ei-
senbrüder auf den Cour Argent aus. Die
Bevölkerung, die den Schrottern dort eini-
germaßen wohlgesonnen war, alliiert nun
eindeutig mit den Angreifern. Verletzte Ei-
senbrüder werden versorgt, die Menschen
raffen Vorräte zusammen, um die Rebellion
gegen die Neolibyer zu unterstützen. An-
dere legen mit kleinen Booten und Flößen
an der Ostseite des Cour Argent an, um zu
plündern, was noch nicht von den Eisen-
brüdern davongekarrt worden ist. Selbst
unabhängige Schrotter, die vorher Nes-
tor abgeschworen hatten, sehen jetzt ihre
Chance. Der Bürgerkrieg gewinnt Zulauf
und Geschwindigkeit. Es sieht fast so aus,
als ob ein gesamter Bezirk sich gegen den
Rest der Stadt erhebt.
Den Wenigen, die den Angriff verur-
teilen, bleibt nichts weiter als die Flucht.
Über den Brandweg brechen Familien und
Einzelgänger nach Ducal aus, um sich vor
der Willkür der Eisenbrüder in Sicherheit
zu bringen. Die Schreckensherrschaft der
Schrotter hat begonnen.

THE KILLING GAME 145

 09:00 PM
UNTERWANDERT
Sind unter den Charakteren Richter oder
Chronisten, werden beim ersten Zusam-
mentreffen mit Shuttern oder Schöffen
Fragen aufkommen. Richter und Chro-
nisten können einen Wurf auf VER+Le-
genden (4) ablegen. Haben sie den Hin-
tergrund Geheimnisse, erhalten sie +1W
je Stufe auf diesen Wurf. Je größer die
Anzahl der Trigger, desto detaillierter die
Informationen:
ERFOLG, KEIN TRIGGER: Die Chro-
nisten in Toulon sind Shutter. Manche
arbeiten für den Cluster, die meisten
aber auf eigene Rechnung. Gleiches gilt
für die Schöffen – diese sind nicht offi-
ziell Teil des Kultes, sondern werden als
Hilfstruppen ausgerüstet und eingesetzt.
Manche verdingen sich als Söldner, was
für einen geplanten und koordinierten
Angriff spricht. Noch kein Grund zur Sor-
ge. Wenn die Führungen der Kulte aber
etwas damit zu tun haben, ist etwas Gro-
ßes im Gange.
1+ TRIGGER: Shutter werden oft für
geheime Missionen eingesetzt. Auch die
Richter sollen eine Einheit haben, die sich
um derlei Angelegenheiten kümmert. Al-
les deutet darauf hin, dass hier mehr vor
sich geht, als es den Anschein hat.
3+ TRIGGER: Die Ausrüstung der Shutter
und Schöffen ist auffällig gut – stellenwei-
se neu, unbenutzt, so als ob sie frisch aus
dem Lager stammen würde. Hier ist ganz
klar eine verdeckte Operation im Gange.
Irgendwo in Toulon müssen Hinterleute
sein, die die Fäden in der Hand halten.
04. ORMAS RÜCKKEHR
Endlich. Erlösung. Blicken die Charaktere auf die Bucht hinaus, sehen sie den Schat-
tenriss eines gewaltigen Transportschiffes über den Horizont gleiten. Die Unya. Sie
steuert direkt auf den Hafen zu. An Bord sind Ormas Männer, Bewaffnung, Munition
und Ausrüstung. Schaffen es Hamza und Ayubu an Bord des Transporters, gibt es für
die Eisenbrüder keine Möglichkeit mehr, den Plünderer zu erwischen. Nur eine Schar
apokalyptischer Piraten samt Enterschiffen könnte der Unya dann noch gefährlich
werden. Schrotter sind Landratten und sie sind auf eine Auseinandersetzung in der
Bucht nicht vorbereitet. Alles läuft auf eine finale Konfrontation am Nordhafen hinaus.
Sollte Hamza an Deck gelangen, wird er Montpellier und Perpignan um Hilfe rufen.
Nichts dergleichen darf geschehen. Die Eisenbrüder sind zu allem bereit, um die Ret-
tung des Plünderers zu verhindern.
I. STURM ZUM PIER
Ayubu, Hamza und die übrig gebliebenen Geißler setzen sich beim Anblick des Schiffes
in Bewegung. Falls die Charaktere in der Zwischenzeit nicht bereits zu den Africanern
vorgestoßen sind, können sie von ihrer erhöhten Position auf den Dächern der Lager-
häuser aus Bewegungen erspähen.
Die Unya teilt die Wellen, bewegt sich unaufhaltsam auf Pier Eins zu, den einzigen,
der den Hubraum des Schiffes zu fassen imstande ist. Ein knapper Kilometer trennt die
Flüchtenden vom Pier. Der Hafen ist offenes Gelände. Tödlich. Heckenschützen oder
ein Zangenangriff von zwei Seiten und sie wären hilflos ausgeliefert. Die Deckung ist
karg, nur vereinzelte Sandsäcke, Fässer, ungelöschte Schiffsladungen und andere Hin-
dernisse geben marginalen Schutz.
Hamzas Tross eilt von einer Position zur nächsten. Die Charaktere haben jetzt die
Chance aufzuschließen. Um von Deckung zu Deckung zu hechten und das Areal im
Blick zu behalten sind erfolgreiche Kombinationswürfe auf GES+Beweglichkeit (2) und
INS+Wahrnehmung (2) erforderlich. Nichts. Keine feindlichen Bewegungen. Nur fer-
ner Galopp ist plötzlich zu hören. Hufe?
ÜBERMACHT
Zehn Schöffen auf Pferden reiten von der Silberachse hinunter zum Nordhafen, be-
waffnet mit Hämmern und flankiert von reitenden Protektoren mit Musketen. Aus
der Raffinerie brechen Shutter und Schrotter aus ihrem Versteck, stürmen auf Ham-
zas Gruppe zu. An Pier Sechs legen Boote aus Ferrallies an. Eisenbrüder stürmen über
ausgeworfene Metallstege auf das Hafengelände. Von überall her ertönt Geschrei und
Angriffslärm.
Im Osten, hinter der L’Orage, wölbt sich eine Staubwolke über die Hausdächer.
Etwas rast auf den Hafen zu. Ein gekaperter Geißlerkom legt sich in die Kurve, bret-
tert mit Höchstgeschwindigkeit auf den Kai zu. Eisenhauer steht auf dem Heck und
hält mit dem Lauf seiner auf dem Dach montierten Minigun Ausschau nach Opfern.
Ein zweiter Schrotter steuert das Gefährt in scharfen Kurven durch den Hindernispar-
cours. Sobald Eisenhauer vom Heck eine Bewegung ausmacht, drückt er auf Dauerfeu-
er und die Minigun rotiert im Geschosshagel.
Hamza, Ayubu und die Charaktere sind eingekesselt.
VON ALLEN SEITEN
Schöffen und Protektoren fluten in die Frontlinien hinein, Musketen speien Blei und
Rauch, der den Pier einnebelt. Der Ansturm reißt eine Schneise in die Reihen der Ver-
teidiger, in die sofort mehrere Dutzend Schrotter und Shutter einfallen. Der Tod hat
seine Henker geschickt.
Im Chaos des Angriffs sind Nerven aus Stahl gefragt. Durchhalten. Die Augenbli-
cke, die vergehen, bis die Unya anlegt, dehnen sich wie zähe Stunden und jede Minute
Überleben zählt. Mut und der Trieb zur Selbsterhaltung erfüllt die Charaktere: An-
gesichts der überwältigenden Zahl von Angreifern würfelt
jeder Spieler einen W6 – das Ergebnis gibt an, wie viele
Egopunkte der Charakter zurückgewinnt. Jetzt müssen die
Charaktere alles geben, Rücken an Rücken mit den Africa-
nern kämpfen und sich gegenseitig schützen.
Die Berittenen wüten – reihenweise fallen Geißler un-
ter den Hammerschlägen. INS+Zähmen (3), um ein Pferd
aufbocken zu lassen, dann kann der Reiter von einem Ver-
bündeten heruntergezerrt oder -geschlagen werden (Wi-
derstreit, KÖR+Faustkampf/Nahkampf gegen KÖR+Kraft).
Einmal am Boden, ist jeder Vorteil dahin.
Eisenbrüder und Shutter spielen ihre zahlenmäßige
Überlegenheit aus und versuchen, einzelne Opfer einzu-
kreisen und durch schiere Masse zu überwältigen. Ein um-
ringter Charakter erhält -2W auf alle seine Kampfaktionen,
die Angreifer hingegen +2W auf alle Aktionen gegen das
Opfer. Dafür sind sie abgelenkt. Kommt dem Verteidiger
ein Verbündeter zu Hilfe, erhält dieser in der ersten Runde
+2W auf seine Angriffe. Verwundet er einen der Schrotter
oder Shutter, entsteht eine Bresche, aus der ein bedrängter
Charakter ausbrechen und den Malus abstreifen kann. Es
ist die Hölle auf Erden.
Und dann ist da noch Eisenhauer auf dem umherkur-
venden Kom. Seine Salven zersieben jede Deckung und
schlagen wahllos im Kampfgeschehen ein. Wo immer der
Höhlenbär Africaner sieht, hält er arglos drauf, ohne Rück-
sicht auf die eigenen Leute, seien es Eisenbrüder, Richter
oder Shutter. Schwenkt eine Salve in die Richtung der Cha-
raktere, müssen sie einen Wurf auf VER+Fokus (3) oder
INS+Primal (3) bestehen, um den Überblick im Getümmel
zu bewahren und sich bewusst oder instinktiv mit GES+Be-
weglichkeit (3) in Sicherheit werfen zu können. Andernfalls
oder bei einem Fehlschlag erwischt sie eines von Eisenhau-
ers Geschossen (Schaden 12). Die 6.000 Schuss in der ge-
schulterten Munitionsbatterie auf seinem Rücken reichen
aus, um die ganze Nacht um sich zu schießen.
Wollen die Charaktere Eisenhauer stoppen, müssen sie
den Fahrer des heranrasenden Koms ausschalten. Ein ge-
zielter Schuss (GES+Schusswaffen (5)) lässt den Schrotter
das Steuer herumreißen. Die Lenkung blockiert sofort. Der
Geißlerbuggy überschlägt sich, Eisenhauer wird vom Heck
geschleudert und schlägt zwanzig Schritt weiter in einer
Lagerhalle ein. Er ist verwundet, jedoch nicht tödlich. Seine
Bärenwut gewinnt die Oberhand, er nimmt keine Schmer-
zen mehr wahr. Es wird zwanzig Runden dauern, bis er sich
aus den Trümmern zurück ins Gefecht gekämpft hat. Aus-
reichend Zeit, um die übrigen Angreifer in Schach zu hal-
ten, bis die Unya den Hafen erreicht.
II. EINSCHLAG
Das Schiffshorn schallt wie der Zorn Gottes über den
Schlachtenlärm hinweg. Orma steuert den Koloss direkt
auf das Hafenbecken zu. Die Stahlhülle knirscht über das
uralte Gestein. Eine Druckwelle geht durch den Boden,
zerbröselt den Mörtel und katapultiert das Mauerwerk in
die Luft. Ödes Stöhnen brandet vorwärts, der Schiffsrumpf
verformt sich unter dem Druck des Antriebs und wirft
jeden zu Boden, der sich nicht in nahen Türrahmen
verkrallt oder an gusseisernen Pollern festhält. Eine Flut aus
Trümmerbrocken überrollt den Nordhafen, zieht Fontänen
zermahlener Staubwolken hinter sich her, verformt das
Angesicht des Kais bis zur Unkenntlichkeit.
Der Titan ist eingeschlagen.
Die Gefechte setzen für einen Augenblick aus. Orien-
tierungslosigkeit überkommt die Charaktere wie auch die
Kämpfenden. Pier Eins hat erheblichen Schaden genom-
men. Doch es gibt kein Durchatmen, schon im nächsten
Moment fliegen rettende Seile und Zugketten von Bord der
Unya. Orma richtet die Bordlafette auf den Hafen aus und
setzt die Eisenbrüder unter Feuer. Die erste Salve durch-
siebt eine Gruppe Angreifer und reißt sie in Stücke. Jetzt
oder nie. Hamza, Ayubu und die Charaktere müssen zu Pier
Eins hinunterstürmen und die Unya borden.
„Hamza zuerst!”, brüllt Ayubu den Charakteren zu.
„Rückzug. Feuer aufrecht erhalten. Versteckt euch hinter
unseren Schilden!”
Ayubu und seine Geißler formieren einen Wall aus
Ahnenmasken, die Läufe ihrer Sturmgewehre blitzen zwi-
schen ihren mannshohen Schilden hindurch.
„Keine Munition!”, schreit ein Simba von links. „Leer-
geschossen!”, ertönt es von rechts. Ayubu wirft dem erst-
besten Charakter seine geladene Pistole zu.
„Decken! Nur feuern, wenn du auch triffst.”
Da peitschen bereits die ersten Kugeln über die Vertei-
diger hinweg oder schlagen in den stahlverstärkten Holz-
schilden ein.
Plötzlich verstummt das Surren von Ormas Bordkano-
ne. Die Munitionszufuhr ist blockiert. Hamza hat inzwi-
schen den Rumpf des Schiffes erreicht, wird an einer Kette
von den schwarzen Schrottern nach oben an Deck gezogen.
Schüsse schlagen neben ihm im Metall ein. Ormas Schrot-
ter erwidern das Feuer, so gut sie können.
Ayubu blickt zu den Charakteren. „Ihr zuerst! Wir hal-
ten euch den Rücken frei.” Ohne zu zögern kommandiert
er einen Ausfallschritt, seine Geißler stürmen vorwärts zur
nächsten Deckung und verfeuern ihre letzten Patronen. Es
sieht so aus, als wolle Ayubu die Schrotter in den Nahkampf
zwingen.
SCHILDWALL
Die Charaktere müssen fünf Kampfrunden unter vollem
Feuer überstehen. Hinter dem Schildwall der Africaner sind
sie gut geschützt (Passive Verteidigung +4). Je mehr Schrot-
ter sie ausschalten, desto besser. Will ein Charakter einen
Eisenbruder anvisieren, muss er dafür seine Deckung teil-
weise aufgeben (Passive Verteidigung +2). Jeder Schuss wird
mit einem Gegenangriff beantwortet.
THE KILLING GAME 147
 11:00 PM
RAUF UND RUNTER
Um Yuma zu folgen, müssen sich die
Charaktere entweder mittels KÖR+Ath-
letik (2) ebenfalls abseilen, oder eine der
Notstrickleitern auswerfen und langsam
die Bordwand hinunterklettern. In voller
Ausrüstung zum Schlepper zu schwim-
men, erfordert einen Wurf auf KÖR+Ath-
letik (3). Ansonsten müssen die Charak-
tere warten, bis Yuma den Schlepper zur
Unya bugsiert hat und sie aufspringen
können.
05. DAS LETZTE GEFECHT
Die Charaktere haben es zum Schiffsrumpf geschafft. Schwere Taue werden zu ihnen
hinabgeworfen, um sie auf das rettende Deck zu ziehen. Kaum auf halber Höhe sehen
sie, wie die Geißler samt ihrem Dumisai in den Nahkampf übergehen. Mit Kampfmes-
sern und Macheten gehen sie in den Mann, machen einen Eisenbruder nach dem an-
deren nieder. Oben angekommen, können sich die Charaktere in Sicherheit werfen
und sich einen Überblick über den gesamten Nordhafen verschaffen. Mündungsblitze
fauchen durch die Nacht. Überall wimmelt es nur so von Schrottern. Auf dem ganzen
Areal liegen Verwundete, Bewusstlose und Tote verstreut.
„Du hast den verdammten Kahn festgefahren!”, hören die Charaktere Hamza auf
Deck herumschreien.
„Wir brauchen den Schlepper!” Orma zeigt mit dem Finger auf ein dickbauchiges
kleines Boot, das am Hafenufer vertäut ist. „Yuma, kannst du das Ding steuern?”, ruft
Orma zu einem seiner Männer.
„Ja, aber wir brauchen jemanden, der die Zugketten verankert.”
Reihum blicken Hamza, Orma und Yuma die Charaktere fragend an.
„Mir nach!” Yuma sprintet zwanzig Schritte über das Deck hinweg, greift sich
ein Seil, schlingt es um die Brust und springt von Bord. In drei Sätzen seilt er sich am
Schiffsrumpf ab und beginnt zum Schlepper zu schwimmen.
I. DER SCHLEPPER
Die Zeit läuft davon. Yuma hat den Schlepper erreicht, startet den Motor durch. Das
Flutlicht springt an und der bauchige Kahn setzt zurück. Von der Unya aus schleudern
Ormas Männer schwere Zugketten ins Wasser.
Während Yuma den Schlepper auf Kurs hält, müssen die Charaktere die massiven
Ketten mit Hakenstangen einfangen, zum Heck ziehen und unter Spannung halten
(Gemeinsamer Aktionswurf auf KÖR+Kraft (10)). Nun kann einer der Charaktere mit
einem Wurf auf GES+Fingerfertigkeit (4) die losen Enden in den massiven Haken der
Winde einspannen.
Plötzlich überschlägt sich alles. Die Eisenbrüder haben den Schlepper bemerkt. Es
hagelt Steine, Wurfgeschosse, Gewehrsalven. Yuma ist im Fahrerhaus ausgeliefert, die
Charaktere auf dem Heck hingegen sind noch geschützt. Geben sie Yuma das Zeichen,
dass die Zugketten eingespannt sind, malträtiert dieser den Antrieb bis zum Maximum
und wendet den Schlepper.
Je weiter der Kahn beidreht, desto mehr geraten die Charaktere in die Schusslinie.
Plötzlich Feuerpause. Eine massige Silhouette schiebt sich durch die Angreifer, stößt
einen Handlanger aus dem Weg. Eisenhauer!
Der kolossale Schrotter ist zurück, schultert seinen Granatwerfer und versucht
den Schlepper einzuäschern. Yuma gibt alles, um die Unya freizusetzen. Die Ketten
spannen sich straff, stöhnen, knarzen, einzelne Glieder wetzen aneinander. Granaten
schlagen im Wasser ein, turmhohe Wasserfontänen schießen nach oben.
Gedanken und Handlungen überschlagen sich, der Schlepper legt sich förmlich
seitwärts, das Getriebe kreischt am Anschlag, wird nur vom geisterhaften Stöhnen der
Unya übertönt. Die Stahlhalterungen des Gewindes krächzen, Keilnieten schießen mit
Überdruck aus dem Metallmantel der Verankerung. Der Schlepper droht auseinander-
zureißen.
Dann. Ein Ruck. Die Zugketten entspannen. Die Unya läuft aus.
Die Charaktere haben noch einen letzten Augenblick, um das Mündungsfeuer ei-
ner heranfliegenden Granate aus Eisenhauers Panzerfaust zu erkennen und sich ins
sichere Wasser zu stürzen. PSY+Reaktion (2) und GES+Beweglichkeit (2), um dem Ge-
schoss auszuweichen (bei Misserfolg 10 Schaden und von Bord geschleudert).
Keinen Herzschlag später schlägt die Granate in der Fahrerkabine ein und der
Schlepper explodiert in tausend Stücke. Yuma ist dahin.
II. DER TOD DES DUMISAI
Es regnet Stahlplatten und glühende Späne. Druckwellen jagen durch das Buchtwasser,
schäumen zu tosenden Sturmfluten auf. Die Charaktere werden von Strudeln mitge-
rissen und wieder an die Wasseroberfläche geschleudert. Der Kraft der Explosion kön-
nen sie selbst mit größter Anstrengung nichts entgegensetzen.
Mit letzter Kraft können sie sich an umhertreibende Holzplanken klammern.
Die Unya bricht aus dem Hafenbecken aus, steuert rückwärts auf die Mitte der
Bucht zu. Das Heck des Transporters schlägt gewaltige Wellen und spült die Charakte-
re weit vom Nordhafen weg.
Auf dem Pier sind Ayubu und sein Rudel eingekreist. Schrotter und Schöffen er-
schlagen die letzten stehenden Kämpfer mit unbarmherzigen Hieben. Klingen blit-
zen im Gewitter der Gewehrfeuer. Hämmer schlagen Stahlhelme ein, angefeilte Ei-
senstangen bohren sich durch Flakwesten. Blut fließt. Nagelkeulen rasen herab, reißen
schreckliche Wunden.
Ein Simba wird niedergerungen, zwei Eisenbrüder spießen ihn mit einem spitzen
Kolben auf. Ein anderer Geißler kollabiert unter den Hieben aus selbst gemachten
Morgensternen und Bajonettstichen. Das Gemetzel nimmt kein Ende.
Die Charaktere sehen Ayubu. Aus seinem Rücken ragen abgebrochene Messerklin-
gen und gesplitterte Speerschäfte. Immer und immer wieder schlagen die Eisenbrüder
in ihrem Blutrausch auf den Dumisai ein. Steine prasseln auf seinen Kopf, Schläge von
links, Tritte von rechts. Messer graben sich in seine Seite, ein stumpfer Axthieb zer-
schlägt seine Ahnenmaske. Dann haben sie ihn am Boden. Macheten hacken auf ihn
ein. Eisenstangen zertrümmern seine Knochen. Der Dumisai schreit kein einziges Mal.
Ayubu kämpft bis zum letzten Atemzug.

WESTWÄRTS
Hamza ist gerettet. Die Wellen der Bucht lassen die Charaktere langsam zurück in
Richtung Terres Putain treiben. Der Cour Argent brennt noch immer. Ganze Häuser-
zeilen haben Feuer gefangen, sprühen Funken in den wolkenlosen Himmel. Über ih-
nen ist die Nacht sternenklar. Die Schlacht ist verloren. Der Krieg noch nicht.

THE KILLING GAME 149

05:00 AM

D E R TA G
DANACH
0 6 . K Ö N I G F Ü R E I N E N TA G
Die Nacht hat ihr Tuch über Toulon gelegt. Während im Westen der Stadt die Stra-
ßen mit Öllaternen und Fackeln beleuchtet werden, brennt der Cour Argent lichterloh.
Nestor und seine Eisenbrüder haben Hamzas Palast eingenommen. Die Schatzkam-
mer wird leergeräumt. Alles, was in den Augen der Schrotter Wert besitzt, wird über
eine Plünderkette zum Hafen runtergereicht und nach Ferrallies verschifft. Noch bei-
ßen sich die Eisenbrüder an der zweiten Kammer die Zähne aus. Schweres Gerät muss
aus der Bersterei herangekarrt werden, um das urvölkische Portal zu den Artefakten
zu durchbrechen.
Derweil findet im oberen Teil von Hamzas Palast ein Bildersturm unbegreiflichen
Ausmaßes statt. Mauern werden eingerissen, Kartellisten zerschmettern das Mosaik
im Atrium und hebeln es aus den Fugen. In der Kernhalle wüten Eisenbrüder, verbren-
nen Relikte des Urvolks, Atlanten, Bücher, zerschlagen Keramiken und Statuen. Einige
Schrotter haben sich Hamzas Gewänder übergeworfen, stolzieren in blauen und wei-
ßen Roben durch den Saal, schlürfen Weinvorräte aus Silberbechern.
Das Vandalentum ist grenzenlos. Nestors Männer wollen jede Erinnerung an den
Plünderer zu Staub zermahlen.

NEPHRAIM
Die Schrotter haben Nephraim festgesetzt. Nestor hält ihn im dritten Stock der Kern-
halle gefangen. Der Anubier ist angekettet und schwer verwundet. Die Eisenbrüder
wollen ihm das Rezept für das Marduk-Öl aus dem Leib prügeln. Solange er es nicht
preisgibt, darf der Anubier nicht sterben. So hat es Nestor befohlen.

I. ZURÜCK IM CAMP
Die Charaktere haben es zurück ins Camp Resistance geschafft. Erschöpft, verletzt und
von den Stunden des Vortags ausgezehrt, kehren sie durch das verschanzte und schwer
bewachte Haupttor auf dem Gelände ein. Drinnen herrscht Aufregung. Überall sind
Verwundete. Die Famulanten und Feldärzte rennen umher, versuchen verzweifelt Blu-
tungen zu stoppen, Schrotkugeln zu entfernen und diejenigen zu retten, die an der
Grenzlinie zwischen Leben und Tod schweben.
Weiter hinten im Lager sind die Toten aufgebahrt, die aus dem Cour Argent ge-
borgen werden konnten. Mütter weinen um ihre gefallenen Söhne, schreien sich den
Schmerz aus den Leibern.
Auf der Westseite lagern Flüchtlinge, Händler, Kontore. Jeder, der sich gestern le-
bend aus dem Cour Argent retten konnte, blickt sorgenvoll ins Leere, zählt sein Hab
und Gut oder sucht zwischen den hastig aufgebauten Schlafstätten nach Angehörigen.
Die Charaktere haben kurz Zeit, um sich Hilfe zu suchen und sich einen Blick über die
Lage zu verschaffen.
Wenn sie Remagnac aufsuchen, wird er ihnen die Zahl der Gefallen auflisten.
„Wir haben vierundfünfzig Tote aufseiten der Resistance. Vierzehn von ihnen sind
Kämpfer der Beau Monde. Junge Leute, kaum zwanzig Winter alt.” Dann schaut er
mit verkniffenen Augen über die Schulter eines Charakters und sagt: „Die Verwunde-
ten sind noch nicht gezählt. Wir wissen nicht, wie viele die
Nacht überstehen werden.”
Fragen die Charaktere nach medizinischer Hilfe oder
Verpflegung, stellt ihnen Remagnac alles zur Verfügung,
was er entbehren kann. Doch seine Mittel sind begrenzt.
Der Großteil seiner Ausrüstung befindet sich noch in der
L’Orage oder wurde von Eisenbrüdern geplündert.
Wenn die Charaktere nach Essbarem suchen, zeigt Re-
magnac auf das Versorgungszelt. Im Inneren kochen die
Jüngsten der Resistance gemeinsam mit Jehammedanern
Eintöpfe vom Vortag auf, reichen geschmortes Fleisch in
Blechschüsseln über die Tische. Die Soldaten sitzen mit
eingezogenen Schultern und gesenkten Köpfen da, stopfen
sich gedankenverloren Brotstücke in den Mund. Viele von
ihnen haben gestern gute Kameraden verloren. An anderen
Tischen ist die Stimmung gereizt, einige Kadetten fluchen
vor sich hin: „Was haben wir diesen armseligen Eisenbrü-
dern jemals angetan?” Und: „Glaub mir! Ich hab gestern
Mittag Chronisten gesehen, die an der Seite der Schrotter
gekämpft haben.” – „Unsinn, Chronisten können nicht
kämpfen. Außerdem, was wollen die hier? Die sind seit drei-
ßig Jahren nicht mehr in Toulon gewesen.”
Hört man den verschiedenen Gesprächsfetzen zu, erge-
ben sich unterschiedliche Thesen. Doch niemand scheint
so recht zu verstehen, wie es zu dem Überraschungsangriff
kommen konnte und was tatsächlich dahinter steht.
„Ich sag euch, das haben uns die Neolibyer eingebrockt.
Die haben sich mächtig mit ihrem Artefakthandel verzet-
telt”, hört man aus der Ecke des Zeltes. Aus der anderen
Ecke dringt: ”Vielleicht sollten wir mit den Schrottern ver-
handeln, bevor noch mehr Blut fließt.” Darauf folgt die Er-
widerung mit Gebrüll: „Bist du krank, du verdammter Beau
Monde? Willst du schon Stiefel lecken, bevor das Blut daran
getrocknet ist?”
Plötzlich gibt es Aufruhr vor dem Zelt.
II. DER UNTERHÄNDLER
Eilen die Charaktere nach draußen, sehen sie das erste Grau
des Tages. Eine Nebelbank hat sich vom Meer aus über die
Stadt gewälzt, taucht Terres Putain in schummeriges Licht.
An der Pforte zum Camp herrscht Aufregung, Zoe und Ve-
ricon streiten lauthals. Treffen die Charaktere ein, hören sie
nur die letzten Worte der Auseinandersetzung.
„Nein, du hättest auf mich hören sollen. Hamza ist ver-
loren. Sein Schiff liegt draußen in der Bucht. Wir hätten uns
vereinen müssen.”
„Halt den Mund, alter Mann. Du bist das Franka von
gestern. Die Resistance ist das Franka von morgen. Spiel al-
leine Unterwerfung, soviel du willst! Wenn wir die Stadt zu-
rücknehmen, gehört sie uns und nicht mehr Hamza. Dann
verhandelst du mit mir.”
Zoe ist rot vor Zorn. Vericon schwitzt vor Anstrengung
und Geschrei.
THE KILLING GAME 151
„Generalin Morceau, dort!”, ruft ein Kadett dazwischen,
zeigt mit seinem Finger auf eine Gasse zwischen den Häu-
sern. Augenblicklich gehen Dutzende Gewehrläufe in Po-
sition, zielen auf eine Gestalt, die sich langsam und hum-
pelnd auf das Camp zu bewegt. Ein Grinsen schält sich aus
dem Nebel. Die Silhouette nimmt Form an. Ein greiser Ei-
senbruder zieht sein lahmes Bein hinter sich her, sein Blick
ist auf die Menschentraube vor ihm gerichtet.
„Der Leitwolf Nestor will den Frieden mit Toulon ver-
handeln”, krächzt der alte Schrotter. Er ist sichtlich ange-
trunken, nimmt einen tiefen Zug aus der Feldflasche und
beginnt zu lachen. „Ergebt euch und schwört ihm die Treue,
und wir können morgen mit dem Wiederaufbau der Stadt
beginnen.” Er macht drei schlurfende Schritte vorwärts.
Mit seinem verdreckten Ärmel wischt er sich über den
Mund, rülpst und bläst seine Fahne in die Luft. Er wankt,
konzentriert sich, will noch etwas hinzufügen.
„Wir können alle Freunde sein. Ihr und die Eisenbrü-
der. Bringt uns den Kopf des verdammten Africaners vom
Schiff und wir lassen euch alle am Leb...”
Er hat nicht zu Ende gesprochen, da macht Zoe drei
Schritte auf ihn zu, zieht ihre Pistole und exekutiert den
Schrotter aus einer Armlänge Entfernung mit einem Schuss
in die Stirn. Der Kopf fegt rückwärts, die Knie geben nach
und der leblose Körper schlägt dumpf auf dem Boden auf.
Zoe zögert nicht und entleert den Rest ihres Magazins auf
den Toten. Sie wirbelt herum, deutet auf einen ihrer Män-
ner: „Kette den Krüppel an ein Pferd und treib es über die
Brücke nach Cour Argent! Der Rest von euch macht sich
kampfbereit. Um Punkt 9:00 Uhr machen wir einen Aus-
fall.”
„Du Kretin! Du Imbezil!” Vericons Brüllen überschlägt
sich, sein Geschrei leiert vor Aufregung: „So funktioniert
Diplomatie nicht!”
Zoe ist unbeeindruckt, würdigt den Bürgermeister kei-
nes Blickes.
„Beau Monde, sammelt euch! Wir ziehen uns in die
Festung Toulon zurück. Sofort.”
„Wir schaffen es auch ohne dich, du alberner Gnom”,
wirft sie ihm gehässig zu. „Wer der Resistance die Treue
entsagt, den werden wir hinrichten, sobald wir uns die
Stadt zurückgenommen haben. Auf Verrat steht der Tod”,
sagt Zoe in Richtung der Versammelten, gibt ihren Worten
besonderen Nachdruck, indem sie den Kämpfern der Beau
Monde in die Augen blickt.
ZU VIELE FRONTEN
Vericon kann Zoes Entscheidung nicht fassen. Er ist außer
sich und begibt sich augenblicklich zurück nach Port Lagag-
ne. Die Situation scheint festgefahren. Die Parteien selbst
sind verfeindet und uneinig. Die Rückeroberung Toulons
erscheint eine unmögliche Aufgabe, wenn nicht bald Ver-
stärkung eintrifft. Überall in der Stadt gibt es Brandherde.
Den Charakteren selbst ist es nicht möglich, auf alles zu
reagieren, was sie an Informationen von den Bürgern und
Flüchtlingen aufschnappen. Um sich einen Blick von der
Gesamtlage zu verschaffen, müssen sie mit Menschen spre-
chen, sowohl im Lager der Resistance als auch draußen auf
den Straßen von Terres Putain.
DIE LAGE
a Port Lagagne brennt an der Grenze zu Saint Chenil.
Während der gestrigen Angriffe auf den Cour Argent
haben Bettler und Krüppel vom Armenviertel nach
Port Lagagne übergesetzt und Nahrungsmittel im Sü-
den der Stadt geplündert. Fischer und Seefahrer haben
sich blutige Auseinandersetzungen mit den Dieben
und Räubern geliefert, bauen nun Barrikaden und ver-
schanzen sich.
a Flüchtlinge aus Cour Argent sind über den Brandweg
nach Bayonne aufgebrochen, um Unterstützung zu
holen. Wo immer man sich umhört, die Berichte
über Chronisten sind dieselben. Die Leute schwören
darauf, den Technikkult in Zusammenarbeit mit den
Schrottern gesehen zu haben. Berichte über Richter, die
mitmischen, tauchen ebenso auf. Niemand vermag den
Zusammenhang erkennen.
a Die Unya liegt in der Mitte der Bucht, es gibt keine
Funkverbindung zur Besatzung. Späher am Fischmarkt
können keine Bewegungen an Deck feststellen. Es gab
jedoch auch keine Angriffe von Eisenbrüdern auf den
Transporter. Nach Wissen der Bevölkerung und der
Resistance verfügen die Schrotter in Ferrallies über
keinerlei Wasserfahrzeuge, mit denen sie sich der Unya
nähern oder ihr Schaden zufügen könnten. Es scheint,
als warteten Hamza und seine Männer auf Verstärkung.
a Die Schrotter sind hervorragend vorbereitet und aus-
gestattet gewesen. Alle Hinweise deuten darauf hin,
dass die Aktion von langer Hand geplant und von
fremden Kräften gefördert wurde. Aber von wem? Und
weswegen? Wer versucht hier mit den Africanern ab-
zurechnen?
a Über Nestor lässt sich nur in Erfahrung bringen, dass
er ein verbitterter Leitwolf ist, dessen Hauptquartier in
der Bersterei liegt und dessen Karriere als Artefaktjäger
mit dem Einzug der Africaner zugrunde ging. Ein
Angriff aus Rache? In so großem Stil? Wer sind die
anderen Schrotter vom Vortag? Eisenhauer? Deich?
Charaktere können einen Wurf auf VER+Legenden (4)
versuchen, um sich aus den Gerüchten, die unter der
Bevölkerung zu hören sind, ein grobes Bild zu machen.
Welche Mächte haben hier ihre Finger im Spiel und
warum führen so viele Gerüchte nach Borca?
a Noch immer ist jegliche Funkverbindung aus der Stadt
nach draußen gestört. Etwas blockiert die Frequenzen,
und es hat mit dem Angriff auf die Charaktere bei den
Lagerhäusern und dem seltsamen Emitter zu tun. Wer
war der Angreifer? Und gibt es noch mehr von den
Störantennen im Stadtgebiet?
a Die Versorgung der Stadt kann nur für einige Tage
aufrecht erhalten werden. Wenn die Ordnung nicht
wiederhergestellt wird, droht ein Zusammenbruch.
 08:00 AM

07. TEILE UND HERRSCHE

Während die Charaktere sich über die Gesamtlage in Kenntnis setzen und der Re-
sistance beim Ausrücken aus dem Lager zusehen, beginnt plötzlich das Funkgerät, das
die Charaktere dem Schrotter am Hafen abgenommen haben, Geräusche zu machen.
Eine kratzige Stimme dringt aus dem Lautsprecher.
„Bergmann an Hagel, Bergmann an Hagel, geh ran du verdammter Idiot! Over.”
„Entweder der pennt oder ist hinüber”, mischt sich eine zweite Stimme ein.
„Wenn das Arschloch pennt, jag ich ihm ’ne Ladung Schrot ins Hirn.”
„Lass auf die 16 wechseln, der Chronistenfunk ist sicherer. Vielleicht hat er sein
Funkgerät verloren,” sagt der Zweite. GEHEIMSPRACHE
Eine kurze Stille, dann: Die Schrotter haben sich verplappert. Die
„Hm. Hast recht. Was ist der Code nochmal?” Charaktere haben den Code, um sich in
„Merk’s dir endlich, du elender Hund! 64-152. Over.” das Kommunikationsnetz von Komman-
do Requiem einzuklinken. Schaffen sie
es, das Funkgerät richtig einzustellen,
I. EINE FRISCHE SPUR können sie ab jetzt Gespräche anzapfen,
Kaum haben die beiden Schrotter ihr Gespräch beendet, wird das Funkgerät von einer die auf einer separaten Wellenlänge lau-
Störwelle erfasst. Sie gleicht dem Frequenzrauschen vom Vortag. Es scheint ein Stör- fen. Ein Aktionswurf auf VER+Technik (3)
feld in Terres Putain zu geben, ähnlich dem, das die Gruppe gestern in Cour Argent oder VER+Artefaktkunde (2) muss gelin-
ausfindig machen konnte. Von ihrer aktuellen Position aus kann das Signal nur von gen, um in den versteckten Kanal einzu-
Südwesten her kommen. Ein erfolgreicher Wurf auf VER+Technik (2) und die Charak- brechen.
tere können den Ursprung der Welle orten. Sind die beiden Schrotter etwa in der Nähe?
Nehmen die Charaktere die Verfolgung auf, geht es durch die Straßen und Gassen
von Terres Putain die Hügel hinauf. Der Morgen liegt noch im schwachen Licht, doch
überall zwischen den Häusern begegnen sie Familien, die ihre Habe auf Eselkarren ver-
frachten und versuchen, die Stadt zu verlassen. Mütter pressen ihre Neugeborenen fest

THE KILLING GAME 153

 09:00 AM
FA C T O R S G A N G A R T
Factor kämpft bis zum letzten Blutstrop-
fen. Er hat nichts zu verlieren. Alabaster
hat ihm sein Herz gebrochen. Kann er
nicht mit ihr fliehen, so hat sein Leben
keinen Sinn. Wird er schwer verwundet,
so zögert er nicht und löst eine Spreng-
granate an seinem Gurt, um einer Gefan-
gennahme zu entgehen. Ist er dazu nicht
in der Lage, so zerbeißt er die Giftkapsel,
die er als Fuse in seinem Mund trägt. Sei-
ne Lippen laufen blau an, die Augen quel-
len hervor, aus der Nase strömt Blut. Sein
Hals schwillt an und er verendet unter
elendem Röcheln und Atemnot.
an die Brust, Väter sind mit Äxten oder Harpunen bewaffnet, blicken grimmig drein
und halten Ausschau nach jedem, der ihrer Familie zu nahe tritt.
Die Fährte der Störwelle wird stärker, die Charaktere sind kurz davor, sie zu orten.
Sie sind in der Gegend rund um die Waffenbrenner-Märkte angekommen. Verschach-
telte Häuser, übereinander gestapelte Dächer, Kupferrohre, die aus den Wänden ragen
und heißen Dampf aus dem Inneren der Häuser speien. Das Terrain ist unübersichtlich,
die Wahrscheinlichkeit, den Emitter von hier unten zu finden, nicht sonderlich hoch.
Nach knappen fünf Minuten stellen sie fest, dass sie im Kreis gelaufen sind. Ein Blick
von oben muss her. An einem kleinen Gasthaus führt eine klapprige Holztreppe auf
einen nahegelegenen Dachstuhl. Ein kurzer Sprung und die Charaktere sind auf der
anderen Seite. Das Funkgerät ächzt scharf auf. Die Spur wird wärmer.
Die Charaktere nehmen zwei weitere Dächer im Sprung, dann ein kurzer Sprint bis
zu einem kleinen Wald aus Schornsteinen. Dort, der zweite Emitter. Dieselbe Konst-
ruktion wie in Cour Argent. Eine Fußspur führt durch den Ruß auf dem Blechdach di-
rekt zur Antenne. Ein erfolgreicher Wurf auf INS+Überleben (2) verrät, die Fußabdrücke
sind frisch, jemand war vor kaum einer Viertelstunde hier, hat an der Antenne gekniet,
vielleicht etwas repariert. Trigger enthüllen ein seltsames Sohlenprofil. Die Spur führt
wieder vom Dach hinunter. Die Charaktere können zum Rand huschen und einen Blick
nach unten werfen.
II. DAS NEST DER FEUERVÖGEL
Die Charaktere haben kaum Zeit über den Rand zu blicken, da sehen sie schon den
Chronisten, der sie vortags bei den Lagerhäusern mit Kugeln und Granaten eindeckte.
Schräg in der Gasse unter ihnen schaut er sich nach links und rechts um, dann ver-
schiebt er eine falsche hölzerne Hauswand und taucht in die Dunkelheit dahinter ein.
Die Geheimtür rollt zurück in Position. Er hat die Charaktere nicht gesehen. Es ist ihre
Chance, dem Chronisten hinterherzueilen und mit ihm abzurechnen.
Die falsche Wand sitzt in einer Fuge auf einem Kugellager und ist leicht zu ver-
schieben. Dahinter führt eine alte modrige Treppe zwanzig Stufen hinab in ein Keller-
gewölbe. Die Wände sind feucht, das Geländer glitschig, Moos wächst auf den Stufen.
Hinter den Charakteren schließt sich die falsche Holzwand, ohne einen Ton zu ma-
chen. Die Charaktere finden am Fuß der Treppe ein Eisengatter, das halb offen steht.
Dahinter führt eine Schleuse hinein in einen größeren Trakt. Es tropft von der Decke,
auf dem Boden sind Pfützen, Stege aus Lochblech und Holz führen über die Rinn-
sale tiefer in die Räume. Niemand hier. Keine Geräusche, keine Gespräche, nur das
unablässige Glucksen des Wassers. Schleichen die Charaktere voran, sind Würfe auf
GES+Heimlichkeit um -2W erschwert. Sie können Kerzenlichter und Öllampen aus-
machen, diese flackern in kleinen Nischen und Schlafkojen in dem verzweigten Keller.
Der Ort sieht nicht nach einer Zuflucht für Maskengesichter aus. Vielmehr gleicht er
einer geheimen Wohnstatt. Wo ist der verdammte Chronist?
„ALABASTER!”, schallt es urplötzlich den Gang hinunter. Ein Schatten huscht
über die Wände, sechs Nischen von der Position der Charaktere entfernt. „Alabaster,
die Luft ist rein.” Dann nach einer kurzen Pause: „Mein Auftrag ist vorbei. Lass uns von
hier verschwinden.” Die Charaktere hören ein Rumpeln. Dann bricht sich Verzweif-
lung durch die Stimme. „Ich tue dir nichts! Wir können gemeinsam neu anfangen. Ich
werde dich besser behandeln als jeder andere. ALABASTER!”
Verstecken sich die Charaktere in einer der Nischen, dann lassen Sie den aufmerk-
samsten Spieler auf INS+Wahrnehmung (3) würfeln. Bei Erfolg erkennt der Charakter
Zehenspitzen, die hinter einer Regalwand hervorblitzten. Sehen die Charaktere dahin-
ter nach, erblicken sie eine splitternackte Frau, die erschrocken den Zeigefinger an die
Lippen hebt und mit der anderen Hand eine Schneidebewegung an ihrem Hals entlang
vollführt. Die Fremde ist im Zwielicht kaum zu erkennen, doch sie sieht verängstigt
und mitgenommen aus, als ob sie um ihr Leben fürchtet.
„Du hast mir versprochen, auf mich zu warten!” Die Stimme schwingt von wehlei-
dig hinüber zu vorwurfsvoll, bewegt sich auf die Nische, in der die Charaktere stecken,
zu. Wenn sie jetzt angreifen, haben sie einen Vorteil von +2W auf ihre Initiativewürfe.
Aus einem Seitengang tritt Factor, der Chronist vom Vortag. Einen Herzschlag lang
blickt er den Charakteren verdutzt in die Augen, dann bricht das Gefecht aus.
ALABASTERS WAHRHEIT
Factor liegt in seiner Blutlache, die Hände gekrümmt, der Körper verdreht.
„Er war besessen von mir. Wollte mich entführen.” Alabaster tritt aus der Nische
heraus, schaut entsetzt auf Factors Leichnam herab. „Ich war seine Hure. Er konnte
nicht mehr ohne mich leben.”
Sie kniet sich nieder und schließt ihm die Augen. Eine Narbenlandschaft aus Fur-
chen überzieht ihre Schultern, Schlüsselbeine, Rippen, ihren Busen. Brandwunden,
Stichwunden, Blutergüsse verunstalten ihre bleiche Haut. Ihr schneeweißer Haar-
schopf fällt ihr vor die Augen, ihre Stimme zittert, als sie sich wieder aufrichtet und
die Charaktere anblickt. „Er hätte mir die Kehle aufgeschlitzt, wenn ihr nicht geholfen DIE LÜGEN DER ELSTER
hättet.” Alabaster zieht alle Register, um die
Ihre Augen wandern von Charakter zu Charakter. Alabaster ist so schön, dass es die Gunst der Charaktere für sich zu gewin-
Sprache verschlägt, ihr Blick so entkräftet und erschöpft, dass man sich darin verlieren nen und aus dem Nest zu entkommen.
kann. Auf die Frage, was sie über den toten Chronisten zu ihren Füßen weiß, blickt sie Sie spielt Unschuld und Verletzlichkeit
voller Mitleid auf den verkrampften Körper. vor, um den Charakteren vorzugaukeln,
„Ein Fuse. Hat sich in die Stadt geschleust, um die Schrotter aufzuhetzen. Er hat dass sie deren Schutz benötigt. Wenn sie
viel geredet. Über sich und seine Mission.” Dann macht sie eine Pause und schaut in Antworten gibt, dann lügt sie dabei nicht,
den leeren Raum hinein. „Die Chronisten steuern diesen Krieg. Von Justitian und Aqui- sondern erzählt schlicht ihre Version der
taine aus. Über Monate wurde alles vorbereitet.” Wahrheit und lässt die Dinge aus, die
Fragen die Charaktere sie nach dem Ort hier aus, sagt sie matt: „Es ist das Versteck ihr gefährlich werden könnten. Deshalb
meiner Schar. Feuervögel. Unsere Männer sind draußen und helfen der Resistance.” können die Charaktere selbst bei einem
Dann beginnt sie hastig, einen ledernen Bodysuit überzustreifen, wirft einen schwe- erfolgreichen Wurf auf INS+Empathie
ren Poncho über. Mit zwei Handgriffen schlüpft sie in ein Paar eisenbeschlagener Stie- oder CHA+Ausdruck keine Lüge erken-
fel. Sie greift nach einem Tragebeutel und stopft Kleider und Habseligkeiten, Ringe, nen. Kommt einer der Charaktere ihr zu
Schmuck, Dinare und zusammengerollte Wechselscheine hinein. nahe, wird sie die anderen anflehen, ihr
„Ich werde von hier verschwinden. Wir haben dieses Nest aufgegeben”, erklärt sie zu helfen, und versuchen, einen Keil in
und seufzt. „Wir ziehen weiter. Nach Bayonne oder Ducal. Hier ist es nicht mehr si- die Gruppe zu treiben.

THE KILLING GAME 155

NÜTZLICH
Rattler und seine Höllenhunde haben
diesen Ort längst verlassen, bereiten sich
auf ihren Teil der Abrechnung vor. Keiner
von ihnen plant, zu ihrem Quartier zu-
rückzukehren. Alabaster blieb zurück, um
Factor aus Ferrallies wegzulocken und
Rattler den Rücken für seine nächsten
Schritte freizuhalten. Der Phönix vertraut
darauf, dass seine Elster die Fähigkeiten
besitzt, zur Not auch alleine mit dem Fuse
fertig zu werden. Die Charaktere sind
eine willkommene Hilfe für Alabaster.
So muss sie wenigstens nicht Factors Ge-
ruch und Schweiß ertragen, bevor sie sein
Licht ausbläst.
FA C T O R S Ü B E R R E S T E
Zusammengebrochen mit Schaum vor
dem Mund oder in Stücken über den
Raum verteilt – Factor ist tot und die Cha-
raktere müssen INS+Wahrnehmung (3)
würfeln. Ist keiner der Würfe erfolgreich,
beginnt die Haut über Factors Unterkie-
fer Blasen zu schlagen. Der Transponder
in Factors Zahnfleisch überhitzt und zer-
schmilzt zu einer hochgiftigen Metallle-
gierung.
Bei Erfolg bemerken die Charaktere
ein rhythmisches Knacken – der Trans-
ponder registriert keinen Herzschlag
mehr, wechselt in den Selbstzerstörungs-
modus und beginnt zu glühen. Ein oran-
gefarbenes Leuchten scheint durch Fac-
tors Backe hindurch.
Der Countdown läuft: mit einem
Kombinationswurf auf VER+Medizin (3)
und GES+Fingerfertigkeit (3) kann ein
Charakter den stoßweise vibrierenden
Transponder bergen. Sobald dieser wie-
der einen Puls wahrnimmt, aktiviert sich
der Ruhemodus von selbst.
Es ist zwar heikel, den Transponder
mit sich zu führen, aber auch lohnens-
wert. Der Metallstift beinhaltet Freigaben
für etliche sanktionierte Caches. Nullify,
der Skalar, der Factor orchestriert hat, war
großzügig.
Über VER+Technik (5) kann ein Cha-
rakter mit dem passenden Werkzeug die
Transpondersensorik deaktivieren und
die Gefahr der Überhitzung bannen. Bis
dahin muss der Charakter den Stift je-
doch am Körper tragen.
cher.” Dann macht sie auf dem Absatz kehrt und bewegt sich Richtung Ausgang.
Versuchen die Charaktere, sie aufzuhalten, schießen ihr Tränen in die Augen. Mit be-
bender Stimme sagt sie: „Bitte, lasst mich gehen! Mir haben schon so viele andere vor
euch Schmerzen zugefügt.”
Hören die Charaktere auf, sie zu bedrängen, schreitet sie zum Ausgang. Dann ruft
sie noch einmal zurück: „Im Lager ist Burn. Und Rationen für zwei Tage. Unsere Leute
haben auch Munition dagelassen, für den Fall, dass ich sie brauche. Schnappt euch,
was ihr verwerten könnt, und verschwindet, bevor euch jemand entdeckt.” Sie steht in
einem Rechteck aus Licht, das nach oben auf die Straße führt, blickt nach unten auf die
Stahlkappen ihrer Stiefel und sagt: „Danke. Für alles.” Dann ist sie fort.
III. DURCHSUCHUNG
Beginnen die Charaktere damit, das Nest zu durchsuchen und sich nach Brauchbarem
umzusehen, bemerken sie, dass das Gewölbe viel verwinkelter ist, als es vorerst den
Anschein hatte.
Ein Raum gleicht einem Schlafplatz. Spinde reihen sich entlang der Wände und
eine Werkbank steht in einer Ecke. Darauf liegen Munitionshülsen verstreut. Ein erster
Blick enthüllt, dass es sich um Munition für einen Wegbereiter handelt. Hellvetiker,
hier? Stöbern die Charaktere durch die Spinde, finden sie vergilbte Lagepläne. Schwer
zu entziffern, aber ein erfolgreicher Wurf auf VER+Wissenschaft (2) verrät Lagerstätten
der Hellvetiker in Territorialregion I. Bestandslisten von Sprengstoffen sind ebenfalls
darauf eingetragen.
Suchen die Charaktere weiter, kommt ein eingeklemmter Sappeurs-Orden der
Hellvetiker zum Vorschein, der zwischen die Bodendielen gerutscht ist und fest-
getreten wurde. Versucht der Entdecker den Fund herauszulösen, bemerkt er mit
INS+Wahrnehmung (3), dass sich die Bretter leicht lösen lassen. In einer Mulde liegt
ein fein säuberlich in Ölpapier eingeschlagener Waffenkasten, auf dem das Siegel der
Alpenfestung prangt – ein Wegbereiter.
Ein zweiter Raum ist ein Gemeinschaftsraum. Ein schwerer Tisch ist in der Mitte
aufgebockt, spärliches Essen und aufgebrochene Burnknospen liegen darauf verstreut.
Die feuchten Wände sind mit einer Kohlezeichnung beschmiert, die aussieht wie eine
Stadtkarte, codiert in Geheimsprache. Ein gelungener Wurf auf VER+Wissenschaft (3)
enthüllt, was die Zeichnung darstellen soll: Sie zeigt die westliche Seite von Terres Pu-
tain, nahe der Brücke am Übergang zum Cour Argent. Drei Häuser sind dort mit Kreu-
zen versehen. An der gegenüberliegenden Wand finden die Charaktere eine ähnlich
krude Zeichnung. Auf ihr zu sehen: ein Kind, das von einem Storch verschlungen wird,
der Vogel wiederum steckt im Maul einer Klapperschlange.
In einer Einbuchtung hängt ein herabgerissener Vorhang, der eine Nische mit an-
grenzendem Schwerlastregal verdeckt. Darin lagern geplünderte Munitionskisten (34
Schuss Kaliber 5,56x45mm, 16 Schuss Kaliber .357, 27 Schuss Kaliber .44 und 22 Schuss
Kaliber 12 Schrot), Zünddrahtspulen und eine Werkzeugtasche (Stufe 3). Auf dem
obersten Regalboden, ziemlich weit hinten (INS+Wahrnehmung (3)), liegt eine kleine
Ledertasche aus Spitalierbeständen (3 x Antibiotika Stufe 3, 17 x Exkapseln).
Am Ende einer Schleuse entdecken die Charaktere eine geschlossene Tür. Sie aus
den Angeln zu heben, bedarf eines gemeinsamen Aktionswurfes auf KÖR+Kraft (9).
Dahinter liegt ein dunkles und anspruchslos eingerichtetes Zimmer, das mehr einem
Meditationsraum als einer Wohnstatt gleicht. In der Ecke des Raumes kniet eine men-
schengroße Gestalt. Ein schmutziges, feuchtes Laken hängt darüber, gibt nur die un-
gefähre Form preis. Nähern sich die Charaktere und ziehen das Laken herab, steigt
beißender Gestank auf. Unter dem Laken verbirgt sich ein Dornengeflecht aus toten
Vögeln – mit Draht und Zwirn aneinander gebundene Drosseln, Amseln, Finken, Spat-
zen, Dohlen und Elstern, die grob eine kniende weibliche Figur mit ausgestreckten
Armen nachahmen. Die Szenerie ist gespenstisch, Dutzende toter Vogelaugen starren
die Charaktere an, untermalt von dem unablässigen Tropfen der nassen Decke und
Wände.
Die Charaktere stehen vor mehr Fragen als Antworten. Wer auch immer die Feu-
ervögel sind, ihr Geschmack ist makaber. Alabaster hätte vielleicht Licht ins Dunkel
bringen können, doch die Elster ist fort.
 11:00 AM

08. BESTIMMUNG
Die Charaktere sind zurück auf der Straße. Eilen sie zum Camp der Resistance, ist dort
inzwischen jeder Mann, der noch stehen kann, in Bewegung. Die Famulanten haben
sich behelfsmäßig ausgestattet, Grenouille-Kämpfer schultern Rucksäcke und prüfen
ihre Traqueure. Kadetten der Resistance zählen ihre Kugeln und füllen Brandflaschen.
Die Kämpfer der Beau Monde legen Lederharnische an oder hängen sich Trinkflaschen
um – manch einer blickt mürrisch in die Ferne. Die Zähne sind gebleckt, die Lippen
schmal vor Anspannung, Kiefer knirschen. In Maisblätter eingerollter Tabak wird he-
rumgereicht, die Soldaten ziehen nervös an den Glimmstängeln, Übermüdung steht
jedem von ihnen ins Gesicht geschrieben.
Doch sie werden keine Ruhe bekommen. Zoe will zu einem gezielten Gegenschlag
ausholen und die Stadt unter Kontrolle der Resistance bringen. Der Augenblick könnte
nicht geeigneter für sie sein. In den Augen der Generalin haben Toulons Herrscher die
Stadt aufgegeben, den Rückzug auf die Unya wertet sie als ein Zeichen von Feigheit. Es
ist nun an ihr, das Blatt zu wenden und den Cour Argent zu stürmen, damit sie die Vor-
machtstellung der Resistance behaupten und mit den Eisenbrüdern abrechnen kann.
Es ist ihre Bestimmung.

I . B R I E F TA U B E N
Plötzlich hetzt der Bürgermeister mit einem Bediensteten der Festung Toulon zurück
ins Camp. Der Diener trägt einen Käfig mit drei Tauben und hat sichtlich Mühe, mit
seinem aufgebrachten Herrn Schritt zu halten. Vericon rennt über den ausgetretenen
Innenhof des Camps, die Stummelbeine machen eilige Schritte, während er sich im
Lauf den Schweiß aus dem Gesicht wischt. Mit hastigem Blick sucht er nach Generalin
Morceau zwischen den gerüsteten Kriegern. Sie steht dort gemeinsam mit Remagnac
und bespricht die Lage.
„Zoe. Generalin Zoe. Bitte, hör mich an!”, hustet Vericon und quetscht sich zwi-
schen den Herumstehenden hindurch.
Die Charaktere sind ganz nahe am Geschehen.
„Was willst du, Vericon? Warum bist du nicht im Bett mit deinen Weibern?”
„Bitte!”, sagt er atemlos. „Hör mir zu! Wir schicken diese Männer in den sicheren
Tod, wenn wir nicht auf Unterstützung warten.” Zoe hebt die Augenbraue.
„Schau her, ich habe Brieftauben gebracht. Wir können Perpignan, Montpellier
und Toulouse um Hilfe bitten.”
„Du bist ein hilfloser, verrückter, alter Mann. Deine Zeit läuft ab”, gibt sie ihm ver-
achtungsvoll zurück.
Der Bürgermeister wedelt mit den Armen, reißt seinem Diener den Käfig aus der
Hand und brüllt: „Sei’s drum! Aber es ist unsere einzige Möglichkeit. Die Funkverbin-
dung ist unterbrochen. Wir brauchen Unterstützung! Wir brauchen die Africaner! Sonst
sind alle unsere kampffähigen Männer morgen in Gräbern statt bei ihren Frauen.”
Vericon stellt den Käfig ab und greift nach den Tauben. Eine nach der anderen
zieht er heraus. Mit seinen dicken Fingern macht er flinke Bewegungen, bindet den
Vögeln Nachrichten um die Beine, bittet seinen Diener, die abflugfertigen Tauben zu
halten, bis er fertig ist. Zoe beobachtet den hektischen Mann mit herabwürdigendem
Blick. Sie lässt erkennen, wie sehr sie seine Fahrigkeit und sein kriecherisches Beneh-
men verachtet. Vericon nimmt seinem Helfer die drei Tauben ab, dreht sich hoffnungs-
voll zu Zoe.
„Du wirst mir danken, für jedes Leben, das diese Tauben retten.”
Der Bürgermeister wirft die Vögel in die Luft. Die Tauben flattern, schlagen mit DER SCHÜTZE
den Flügeln und steigen in den Himmel auf. Vericon blickt zufrieden zu den Wolken, Hexell hat die Tiere von einem Hausdach
verfolgt, wie seine Tiere in einer Kurve über das Camp segeln. im Westen Terres Putains erspäht und
Plötzlich knallt es dreimal in kurzer Abfolge. Die Tauben zerstieben zu einer Feder- vom Himmel geholt. Rattler will keine
wolke, stürzen tot zu Boden. Jemand hat die Tiere vom Himmel geschossen. Vericon Einmischung von außerhalb, bevor sein
blickt mit offenem Mund auf die herabschwebenden Federn. Keiner weiß, woher der Plan nicht vollendet ist. Kommando Re-
Schütze gefeuert hat. Doch der Generalin reicht das Schauspiel. quiems Emissionsschild spielt ihm in die
„Großartige Idee, Bürgermeister! Resistance, wir setzen über nach Cour Argent. Hände und Hexell sorgt dafür, dass die
Sofort! Hamza hat seine Domäne aufgegeben. Es ist an uns, die Stadt zurückzuerobern Stadt auch auf anderen Wegen von der
und den Eisenbrüdern den Arsch zu versohlen.” Kommunikation abgeschnitten ist.

THE KILLING GAME 157

 01:00 PM
SCHROTT UND FLEISCH
Die Zeichen sind zu eindeutig, um auf
Zufall schließen zu lassen. Es sieht da-
nach aus, dass die Eisenbrüder mit den
Schlachtern unter einer Decke stecken.
Wahrscheinlich war das auch der Grund,
warum der Schrotter, der den Lastkahn
im Kanal festfuhr, so leicht entkommen
konnte. Wenn die Charaktere es schaffen,
sollten sie die Beau Monde oder die Re-
sistance über ihre Vermutung in Kenntnis
setzen. Mit so vielen Verbündeten ist es
kaum verwunderlich, dass die Schrotter
einen solchen Erfolg bei ihrem Angriff auf
die Stadt hatten.
09. VORWÄRTS UND RÜCKWÄRTS
Informieren die Charaktere Zoe über ihren Fund im Nest der Feuervögel, kann sie sich
keinen Reim auf die Schar machen. Zeigen die Charaktere ihr die markierten Häuser
auf der Karte, bestätigt sie deren Positionen. Was sich dort befindet, kann sie nicht
sagen, aber sie empfiehlt den Charakteren, sich dort umzusehen und Bericht zu erstat-
ten. Erzählen sie der Generalin von den Emittern und dem Fuse, legt sie die Vermutung
nahe, dass sich an den Stellen vielleicht ebenfalls Frequenzstörer befinden könnten.
Dann sollen die Charaktere die Emitter umgehend zerstören. Sie selbst wird die Re-
sisitance über die Brücke nach Cour Argent führen. Ihr Ziel ist es, die ausgebrannte
Kaserne zu nehmen und sich vorerst dort zu verschanzen. Dann will sie am Abend aus
zwei Richtungen zum Palast vorstoßen.
I . U N T E R TA G E
Die Charaktere brauchen nicht lange, um das erste markierte Gebäude auf einer Land-
karte ausfindig zu machen und sich dem Objekt zu nähern. Es befindet sich nur einen
Steinwurf vom Schlachthaus entfernt. Waren die Charaktere am Tag vor dem Angriff
auf den Cour Argent hier, um nach dem Schrotter zu suchen, erkennen sie das Gebäude
sofort wieder. Ein zusammengefallener Unterstand trennt die offene Straße vom Zu-
gang zu einem verschachtelten Hinterhof. Das Tageslicht fällt schief auf den Platz da-
hinter – die Gebäude, die den Hof einzäunen, scheinen allesamt leerzustehen.
Herabgefallene Metallbleche und Holzplanken liegen verstreut auf dem nassen Are-
al herum. Suchen die Charaktere nach Auffälligkeiten, dann brauchen sie einen erfolg-
reichen Wurf auf INS+Überleben (3). Unter mehreren Holzplanken bemerken sie einen
doppelten Boden. Heben sie die Verdeckung an, kommt darunter ein enger Schacht zum
Vorschein, kaum breit genug, um sich hindurchzuquetschen. Eine Leiter führt geschätz-
te zwanzig, dreißig Schritte in den Schacht hinab. Unten herrscht absolute Dunkelheit,
Abwasser perlt in das Loch hinunter. Klettern die Charaktere nach unten, kommen sie
in feuchtem Schlamm an. Sie müssen mit Fackeln, Lampen oder Strahlern für Licht
sorgen, sonst können sie nicht einmal die Hand vor ihren eigenen Augen erkennen.
Ein Stollen führt von hier aus ostwärts, kaum hoch genug, um darin zu stehen, kaum
breit genug für zwei Schulterpaare. Bewegen sich die Charaktere vorwärts, erkennen sie
gleich, dass der Bau nicht sonderlich stabil ist. Das Grundwasser liegt in Toulon nahe der
Oberfläche, sickert an manchen Stellen durch das Erdreich, sammelt sich zu Pfützen in
den Fußabdrücken der Charaktere. Geht die Gruppe weiter, verzweigt sich der Stollen
nach einigen hundert Metern. Ein deutlich kleinerer Seitenarm biegt nach Norden ab,
der Hauptstollen führt weiter in östlicher Richtung. Ein Wurf auf INS+Orientierung (2)
enthüllt, dass es sich vermutlich um einen zweiten Zugang zum Hauptstollen handelt,
wahrscheinlich von einem der drei auf der Karte vermerkten Gebäude in Terres Putain.
Folgen die Charaktere dem Hauptstollen weiter, gelangen sie nach etwa hundert Me-
tern an den Schauplatz einer Hinrichtung.
Drei Schrotter liegen tot im Stollen. Mit einem Wurf auf VER+Medizin (2) wird klar:
zwei wurden aus nächster Nähe mit Schrotkugeln erschossen, der dritte starb durch ei-
nen Schädelbruch. Die Leichen wurden nicht geplündert, alle haben Waffen, Munition
und Ausrüstung bei sich. Weiter hinten finden die Charaktere Grabwerkzeug und einen
Karren. In einer Pfütze liegt ein Empfängerradio, eingestellt auf Schrotterfrequenz.
Wer auch immer die Schrotter umgebracht hat, ließ ihnen keine Zeit zum Handeln
und griff sie hinterrücks an. Ein Racheakt? Unwahrscheinlich. Es scheint, als hätten die
toten Eisenbrüder ihren Mörder gekannt und wären gemeinsam mit ihm hier unten
gewesen.
DECOY 5
Die Charaktere sind noch am Ort des Geschehens, da hören sie bei Erfolg auf
INS+Wahrnehmung (2) ein leises Surren hinter sich, aus der Richtung, aus der sie vorhin
kamen. Horchen sie auf, vernehmen sie Schritte, die durch die Pfützen waten. Langsam,
nur eine Person und sie versucht sich so heimlich wie möglich zu bewegen.
Gehen die Charaktere in Stellung, müssen sie ihre Lichtquellen ablegen und Würfe
auf GES+Heimlichkeit (3) bestehen. Ein roter Lichtstrahl zuckt voran, das Surren kommt
immer näher. Eine faustgroße Drohne taumelt durch den engen Gang, stößt an Stütz-
balken, taucht darunter weg und fliegt zum Kampfplatz. Sie hat die Charaktere nicht
erspäht. Ihr Suchstrahl ist auf die Leichen gerichtet, wandert über die erschossenen
Schrotter hinweg. Dahinter taucht aus dem Schwarz des Tunnels ein bernsteinfarbenes
Augenpaar auf. Die dazugehörige Gestalt ist in einen langen grauen Mantel mit Kapuze
gehüllt, ein Scharfschützengewehr hängt ihr über der Schulter. Chronist. Eindeutig.
Legen die Charaktere auf ihn an und stürmen vorwärts, surrt die Drohne auf, blinkt
aufgeregt und entlässt einen hysterischen Alarmton.
Der Chronist wird nicht unvorbereitet gegen eine Übermacht antreten. Im engen
Stollen hat er kaum Möglichkeiten zu manövrieren, seine Waffe anzulegen oder gar zu
entkommen.
Stattdessen hebt er die Hände und ergibt sich kampflos.
„Ich bin kein Feind”, sagt er. Langsam bewegt er seine Hand an die Maske und zieht
sie herab, um sein Gesicht zu entblößen. Das Gesicht eines Mannes, mit verbundener
Stirn, ausgezehrt und von einem Stoppelbart umrahmt, kommt zum Vorschein. „Ich
gehöre nicht zu den Angreifern.”
Fragen die Charaktere ihn aus, stellt er sich als Decoy 5 vor. „Ich arbeite im Auftrag
Justitians. Eine geheime Zelle namens Kommando Requiem hat sich gegen den Willen GEKREUZTE WEGE
des Clusters gestellt und einen Bürgerkrieg in Toulon angezettelt.” Kennen die Charaktere Decoy aus den
Er zeigt den Charakteren sein Wundmal auf der Stirn, dort wo der Strichcode aus- Ereignissen rund um Lucatore, so ver-
gebrannt wurde, als Beweis seiner geheimen Mission. „Der Cluster hat mich darauf an- hält sich die Szene entsprechend anders.
gesetzt, die Anführerin der Zelle ausfindig zu machen und auszuschalten. Ihr Name ist Haben die Charaktere Decoys Leben ver-
Mirage. Die ganze Operation ist auf ihren Namen getauft.” schont, steht er gewissermaßen in ihrer
Dann blickt er sich im Stollen um, sucht mit seinen Augen die Stützbalken ab. Schuld und wird versuchen, sie auf seine
„Die Schrotter haben überall in der Stadt Stollen wie diesen gegraben. Von Ferrallies Seite zu ziehen. Er hat längst herausge-
und Terres Putain aus. Sie alle führen nach Cour Argent. In Hinterhöfe und leerstehen- funden, dass neben Kommando Requiem
de Keller. So haben es die Eisenbrüdern geschafft, die Sprengladungen unbemerkt zu noch andere Machenschaften am Werk
platzieren und gestern das Zentrum von Toulon zu zerstören”, erklärt er lakonisch. sind. Er selbst versucht herauszufinden,
Die Drohne schwebt langsam zurück zu Decoy, surrt neben seinen erhobenen Hän- was es mit den Feuervögeln auf sich hat,
den. „Oh”, stößt er plötzlich aus, „der Stützbalken dort oben sieht nicht sonderlich stabil weswegen er sich geradewegs in die Tun-
aus. Würde mich wundern, wenn der nicht jeden Moment nachgeben würde.” nel begeben hat.

I I . R AT T E N T U N N E L
Der Stützbalken stöhnt gefährlich laut auf. „Lauft!”, brüllt Decoy und stürmt rückwärts.
Die Charaktere stürzen vorwärts. Hinter ihnen kommt der gesamte Tunnelabschnitt
herab. Trümmer brechen von der Decke, Stützbalken kollabieren unter dem Druck des
Einsturzes, Holzsplitter schießen pfeilschnell durch den Tunnel. Die Charaktere müs-
sen um ihr Leben rennen. Eine Staubwolke überholt die Charaktere, bläst an ihnen vor-
bei. Geschafft!
Decoy ist auf der anderen Seite. Eico, seine Drohne, bei den Charakteren.
Sie rauscht leise, schwebt ziellos in der Luft. Plötzlich springt ihr Suchstrahl an und
die Stimme ihres Besitzers knistert aus einem eingebauten Mikrofon. Die Verbindung
ist schlecht, aber man kann Decoy verstehen:
„Der Nebentunnel ist frei. Ich versuche mich durchzuschlagen. Ihr müsst Eico nach
draußen bringen, bevor ihre Batterie zur Neige geht. Ich versuche zu euch aufzuschlie-
ßen, wenn ich einen anderen Weg nach Cour Argent gefunden habe.”
Der Chronist klingt aufgekratzt. „Bitte, beschützt die Drohne! Sollte sie sich ab-
schalten, müsst ihr sie mitnehmen. Ich kann sie nur an der Oberfläche orten. Ich flehe
euch an, lasst sie nicht im Tunnel zur...”
Dann reißt die Verbindung ab. Die Charaktere blicken in den dunklen Schlauch,
der vor ihnen liegt. Bewegen sie sich vorwärts, folgt ihnen die Drohne im Schritttempo.
Nach etwa zehn Minuten gelangen sie an eine Stelle, an der die Wände plötzlich nahtlos
mit Schrott ausgekleidet sind. Der Stollen gleicht jetzt einer kreisrunden Schleuse aus
Metall. Eico fliegt in den metallenen Schacht hinein, ihr Suchstrahler leuchtet die rosti-
ge Verschalung entlang. Es sieht eindeutig so aus, als hätten die Schrotter diese Schleu-
sen in Vorbereitung auf ihren Angriff durch die Kanäle hindurch gezogen. Versorgungs-
tunnel für unsichtbare Truppenbewegungen.
Durchqueren sie die Schleuse, finden sie am anderen Ende eine Steigleiter, die nach

THE KILLING GAME 159

 03:00 PM
CHRONISTENWELLE
Mit Mirages Durchsage bricht Aufregung
aus dem geborgenen Funkgerät. Auf dem
geheimen Chronistenkanal herrscht Ver-
unsicherung und Unverständnis. Auch
wenn die Charaktere nicht alle verschlüs-
selten Sätze der Geheimsprache verstehen,
mit einem einfachen Wurf auf INS+Em-
pathie (2) erkennen sie sowohl Verwir-
rung als auch Argwohn in den Reaktio-
nen. Niemand scheint den Rückzug zu
begreifen. Wer oder was kompromittiert
die Operation? Bekommen die Neolibyer
etwa die ersehnte Unterstützung?
oben führt. Klettern sie nach oben, gelangen die Charaktere in einen staubigen Keller,
vollgestellt mit Werkzeug, Schubkarren und Fässern voller Erdreich, fertig zum Abtrans-
port. Eico macht nervöse Blinksignale und fliegt vom Keller hinauf ins Erdgeschoss, um
zu scannen, ob die Luft rein ist.
Folgen ihr die Charaktere, führt eine Treppe hinauf in einen aufgegebenen Ge-
schäftsraum. Eine kleine Manufaktur breitet sich vor ihnen aus, die Schränke sind leer-
geräumt, Werkzeug verrottet, Waren gibt es keine. Durch eine enge, vernagelte Fenster-
front blitzt Tageslicht. Ein Blick hindurch verrät, die Charaktere sind unterirdisch bis
zur menschenleeren Silberachse vorgedrungen. Das Haus, in dem sie sich befinden, liegt
rückseitig zum Hafen von Cour Argent, keine fünfhundert Meter von der Kaserne ent-
fernt. Ein Hinterausgang führt zu einem kleinen Pier, an dem ein schäbiges Motorboot
vertäut ist. Urplötzlich knarzt das Funkgerät auf.
Eine Frauenstimme ertönt blechern auf der geheimen Chronistenwelle.
„Mirage an Kommando Requiem, Mirage an Kommando Requiem. Die Operation
wurde kompromittiert. Sofortiger Rückzug aus dem Cour Argent. Ich wiederhole, sofor-
tiger Rückzug aus dem Cour Argent. Treffpunkt für alle Einheiten am Alkoven.”
Eicos Elektronik beginnt verrückt zu spielen. Verbindung hergestellt. Decoys Stim-
me scheppert durch das Mikrofon:
„Das ist die Verräterin. Der Alkoven ist in Ferrallies, nördlich der großen Halle. Ihr
müsst versuchen, dorthin zu kommen. Ich versuche, mich durch einen anderen Versor-
gungstunnel zu schlagen. Nordöstlich von eurer Positi...” Die Übertragung endet abrupt
und Eico fällt wie ein Stein auf die Holzbalken des Piers. Ihre Batterie ist aufgebraucht.
ÜBER WASSER
Die Charaktere haben keine Zeit nachzudenken. Sie müssen die Drohne verpacken und
schnellstmöglich einen Stadtplan sichten. Ihre Finger fahren über die Karte, lokalisieren
die große Halle. Nördlich davon soll der Alkoven liegen. Durch den Cour Argent zu het-
zen wäre Selbstmord, aber das schäbige Motorboot ist eine Möglichkeit. Springen die
Charaktere auf, müssen sie einen Wurf auf GES+Steuern (2) schaffen, um den Motor zu
zünden. Das Boot ist klein, wendig und hat gerade genug Platz für die Charaktere. Mit
allem, was der Motor hergibt, peitschen sie über die Bucht hinweg. Die mächtige Unya,
Hamzas Transporter, kommt ins Bild. Der Titan liegt und bewegt sich nicht. Warten die
Africaner auf jemanden?
10. HURLANTS RACHE
Mitten in der Bucht, die Charaktere sind auf der Höhe des Nordhafens angelangt,
schlägt das Funkgerät erneut Alarm.
„Hurlant! Die Schweine haben uns verraten! So, wie ich es immer vorausgesagt
habe!”, schreit eine Männerstimme. „Was? Wer?”, antwortet eine Frau.
„Diese verdammten Chronisten! Ich wusste, sie würden nicht zu ihrem Wort ste-
hen. Ich sag’s dir, es reicht! Jetzt schnappe ich mir Eisenhauer und einen Haufen Män-
ner. Wir werden den Alkoven einäschern und jeden von ihnen zur Hölle schicken.”
„Soll ich dich dort treffen?”
„Nein, du tust, was wir abgemacht haben. Jag die Frachtgondel in die Petrotürme,
deck die Bucht mit Feuer ein! Hamza soll auf seinem Schiff durchschmoren. Ich nehme
mir Mirage vor.”
„Verstanden!”
Der Funkspruch ist kaum vorüber, da können die Charaktere schon die Frachtgon-
del erspähen, die von Osten aus dem Hafen von Ferrallies ausbricht. Ein breiter, mit
Schrott beladener Kahn bewegt sich träge durchs Wasser, die Ladefläche voller Müll
brennt lichterloh. Kurs: Petrotürme.
Die Charaktere haben nur eine Chance, wenn sie die Katastrophe verhindern wol-
len. Sie müssen Hurlant stoppen.
I. DIE FRACHTGONDEL
Die Charaktere müssen schnell sein, den Motor ihres Bootes auf Höchstleistung brin-
gen, um die Frachtgondel einzuholen. GES+Steuern (3) und sie nehmen die Bugwellen
 05:00 PM

im Sprung, und nähern sich dem Koloss aus Stahl, Rost und züngelnden Flammen. Die
gesamte Ladefläche ist ein einziges Inferno. Mit dem Enterhaken müssen sie ihr Boot
an der Frachtgondel verankern, um an Bord zu klettern.
Ein Wurf auf KÖR+Athletik (2) ist nötig, um sicher auf der anderen Seite zu landen.
Hurlant wirft einen Blick über die Schulter, knurrt, dann bricht sie wie eine Furie aus
der Fahrerkabine, als sie die Charaktere auf ihrem Fahrzeug bemerkt.
„SCHWEINE! VERRÄTER! HURENSÖHNE! ICH REISSE EUCH IN STÜCKE!” PETROTÜRME
Sie flucht hysterisch, schwingt ihren Brecher und geht direkt auf den ersten Cha- Die Charaktere können einen Kombina-
rakter los. Ihre Augen sind geweitet, sie schnaubt wie ein tollwütiger Stier, den Mund tionswurf auf VER+Wissenschaft (3) und
zu einer hässlichen Fratze verzogen. Glorie brennt in ihren Lungen. Hurlant hat ihre VER+Technik (2) ablegen, um sich der tat-
gesamten Vorräte auf einmal inhaliert, um mit einem großen Knall vom Leben Ab- sächlichen Gefahr durch die Petrotürme
schied zu nehmen. Der Kahn hält weiter Kurs auf die Petrotürme. Die Charaktere müs- bewusst zu werden. In den Tanks lagern
sen die rasende Schrotterin überwältigen, um die Frachtgondel zu stoppen. gewaltige Treibstoffvorräte. Fängt einer
Der Kampf ist bestialisch. Hurlant kennt kein Erbarmen, verglüht förmlich in ih- der Türme Feuer, löst das eine Kettenre-
rem Hass. Bekommt sie einen der Charaktere zu fassen, wird sie alles daran setzen, sich aktion aus. Abermillionen Barrel Petro
in seinem Ohr oder Hals zu verbeißen, ihm die Augen auszukratzen oder versuchen, würden in den Hafen auslaufen und die
sich mit ihm in das Feuer auf der Ladefläche zu werfen. Die Schrotterin kämpft mit der gesamte Stadt in ein Höllenfeuer verwan-
Wut einer Außenseiterin, die nichts mehr zu verlieren hat und so viele andere mit in deln, aus dem es kein Entrinnen mehr
den Tod reißen will, wie möglich. gäbe. Für niemanden.

KURSWECHSEL
Die Charaktere haben Hurlant besiegt. Die hünenhafte Schrotterin liegt mit erstarrten
Augen in einer Lache aus Blut und Körpersäften, die letzten Zuckungen entweichen
ihrem Körper. Doch die Gefahr ist nicht gebannt, denn die Gruppe muss es immer
noch schaffen, die Frachtgondel zum Stehen zu bringen. Besteigen sie das Führerhaus,
erkennen sie, dass Hurlant den Zündschlüssel abgebrochen und das Lenkrad eingeras-
tet hat. Verflucht! Die Petrotürme werfen bereits bedrohliche Schatten über das Was-
ser. Die einzige Möglichkeit, die sich bietet, ist ein vereinter Kraftakt, um die Sperre zu
brechen und das Lenkrad rechtzeitig herumzureißen. Die Charaktere benötigen einen
Hebel, eine Stange oder einen Brecher, um ihn zwischen dem Steuereisen zu verkeilen
und sich mit KÖR+Kraft dagegen zu stemmen (Kooperative Aufwändige Aktion, 14 Er-
folge). Ihnen bleiben vier Runden. Sind sie erfolgreich, dreht die Frachtgondel schlag-
artig vom Kurs ab, vollzieht eine halbe Drehung und schmettert mit ihrer Front in eine
Kaimauer am Hafenbecken von Ferrallies. Die Charaktere werden von der Wucht des
Aufpralls durchgerüttelt. Brennende Schrottladungen fallen von der Ladefläche, es
zischt und spuckt aus dem Wasser. Der Zusammenprall mit den Türmen wurde im
letzten Augenblick abgewendet. Ausatmen.

DAS SCHNEIDEBRETT
Die Charaktere haben kaum einen Herzschlag lang Zeit sich auf der Frachtgondel um-
zusehen oder nach brauchbarem Schrott Ausschau zu halten. Sie müssen schnellst-
möglich verschwinden, denn hier unten am Hafen droht ihnen die Entdeckung.
Gestehen Sie den Charakteren jedoch einen Wurf auf INS+Wahrnehmung (4) zu.
Hat der Wurf Erfolg, so bemerkt einer der Charaktere ein skurriles Schneidebrett auf
der Armatur des Führerhauses. Kartoffelscheiben und ein Messer liegen daneben. Ein
näherer Blick enthüllt einen kniffligen Schließmechanismus an der Außenkante, der
sich mit geschickter Handarbeit auseinanderfriemeln ließe. Wer baut so etwas kompli-
ziertes und nutzt es dann zum Kartoffelschneiden? Es sieht keineswegs nach Schrotter-
mechanik aus, dafür sind die Fugen zu filigran. Für lange Überlegungen ist jedoch im
Moment keine Konzentration vorhanden.
Aus dem Augenwinkel bemerken die Charaktere, dass sich die Unya plötzlich in
Bewegung setzt. Der Bug des Schiffes beginnt sich in Richtung des offenen Meeres zu
wenden, als ob der schwere Transporter seine Position wechseln würde. Will Ham-
za Toulon etwa verlassen? Hatte Zoe recht und die Herrscher Toulons ergeben sich
kampflos? Die Charaktere können es nicht erahnen. Sie müssen weg von hier, raus aus
der Schusslinie, bevor eine Patrouille Eisenbrüder sie erspäht. Eine Rampe am Hafen
führt auf die Ladefläche eines niedrigen Vordachs, kaum zwanzig hastige Schritte von
ihrer jetzigen Position. Von dort können sie sich über die Dächer hinweg zum Alkoven
durchschlagen. Jede Minute zählt.

THE KILLING GAME 161

1 1 . S C H AT T E N R I S S E
Die Charaktere hechten über die Hausdächer von Ferral-
lies, springen über die verwinkelten Gassen unter ihnen,
rennen in Deckung, halten Ausschau nach Spähern. Die
Luft ist rein. Weiter.
Die Sonne brennt auf den rostigen Wellblechen, blen-
det die Charaktere. Von einem höher gelegenen Hallendach
haben sie eine hervorragende Aussicht auf die Bucht. Ein
Blick zurück: die Unya hat sich einmal um ihre eigene Achse
gedreht. Aus ihrem Kielwasser sehen sie ein kleines Schnell-
boot ausscheren, das sich mit überhöhter Geschwindigkeit
vom Transporter wegbewegt und sich auf direktem Weg
nach Cour Argent befindet. Der Fahrer ist selbst mit einem
Fernglas kaum auszumachen. Schickt Hamza einen Unter-
händler zu den Schrottern? Die Charaktere wissen es nicht.
Aus der Ferne bahnt sich zusätzlich Motorenlärm an. Ver-
suchen die Charaktere, die Quelle ausfindig zu machen, se-
hen sie plötzlich zwei Trimarane, die vom offenen Meer aus
pfeilgerade in die Bucht hineinjagen.
P I R AT E N
Die Trimarane sind nur die Vorhut. Werfen die Charaktere
einen Blick zum Horizont, sehen sie plötzlich eine Armada
an Booten und Schiffen, die sich dem Hafen nähert.
Haben die Neolibyer doch endlich Verstärkung ge-
schickt? Die Charaktere können zwei Dutzend Schat-
tenrisse von Wasserfahrzeugen unterschiedlicher Größe
ausmachen. Versuchen sie mit einem Feldstecher oder
Zielfernrohr etwas zu erkennen, können sie Symbole oder
Flaggen auf den Schiffsmasten ausmachen.
Sobald sie die Linse scharf stellen, sehen sie deutlich:
an einem Schiff flattert eine schwarze Flagge mit weißem
Vogel darauf. Apokalyptiker? Piraten!
Kaum haben die Charaktere die Flagge erspäht, krei-
schen die Trimarane bereits über die Wellen der Bucht,
ziehen eine langgezogene Kurve um die Unya herum. Ur-
plötzlich löst sich ein Warnschuss aus der Bordlafette eines
Trimarans. Das Geschoss zischt im hohen Bogen durch die
Luft und explodiert nur wenige Dutzend Meter über der
Unya in einem gleißenden Feuerball. Will die Vorhut auf
sich aufmerksam machen?
Ein Blick zurück zum Horizont, die Schiffe halten wei-
terhin Kurs auf Toulon. Was geschieht hier? Dröhnendes
Motorengeheul füllt die Luft über dem Hafenbecken.
Sind die Piraten etwa hier, um die Verwundbarkeit
Toulons auszunutzen und zu plündern?
Von hier oben lässt sich das nicht sagen. Die Charaktere
müssen weiter zum Alkoven, sie haben keine Gelegenheit,
auszuharren und das Schauspiel zu beobachten. Was auch
immer dort unten vor sich geht, sie werden es später her-
ausfinden müssen.
 06:00 PM

12. IM HAUPTQUARTIER
Die Charaktere haben es geschafft. Sie haben auf der Karte die Position des stillgelegten
Alkovens verfolgen können. Gleichzeitig haben sie den Schrotterfunk abhören können,
um die Positionen und die Bewegungen der Eisenbrüder einzuschätzen. Sie sind den
Schrottern eine halbe Stunde voraus.
Von einem Anliegerdach aus können sie die Straße um den Alkoven erspähen.
Leergefegt. Niemand in Sicht. Umrunden sie das Areal aus dreizackigen Metallgiebeln
und stählernen Stützstreben, sehen sie, dass es über die Rückseite am sichersten ist, auf
das Gelände einzubrechen.
Die Charaktere müssen sich mit KÖR+Athletik (2) an einer gespannten Kette ent-
langhangeln, um den Zaun aus schartigem Metall und spitzem Stacheldraht zu über-
winden.
Auf der anderen Seite. Blick nach links, rechts, immer noch keine Wachen. Die Luft
ist staubig und knistert statisch. Kabelgewinde wühlen sich durch den Boden, manche
von Kupferrohren ummantelt, andere schlängeln sich wie Efeu freiliegend die Wände
empor. Nach einem Wurf auf INS+Wahrnehmung (3) bemerkt einer der Charaktere
leere Munitionshülsen am Hinterausgang. Genau dieselbe Munition wie im Nest der
Feuervögel.
Ein Blick in den Alkoven hinein verrät das Ziel der Kugeln. Am Fuß einer Treppe,
die nach unten in das Gebäude führt, liegt ein toter Shutter, ausgebreitet wie ein See-
stern. In seiner Brust klafft ein Loch, gerissen von einem gewaltigen Kaliber. Die Cha-
raktere sind noch nicht hinabgestiegen, da können sie bei einem erfolgreichen Wurf
auf INS+Wahrnehmung (2) eine winzige Lichtschranke in Höhe ihrer Knöchel bemer-
ken, die unstetig flackernd die winzigen aufgewirbelten Staubkörner ihrer Schritte an-
strahlt. Blicken sich die Charaktere weiter um, sehen sie, dass entlang des Zauns eine
brüchige Schiene entlangläuft. Eine winzige Kamera, aufgepflanzt auf einem kleinen I N F O R M AT I O N S F L U S S
Kugellager, fährt langsam und unauffällig an dem Schienensystem entlang, stellt ihre Die Ausrüstung des Alkovens ist überwäl-
Linse auf die Charaktere scharf. Eine Überwachungsanlage? tigend. Mit einem Kombinationswurf auf
Gelangen die Charaktere nach unten, stehen sie neben dem erschossenen Chro- VER+Artefaktkunde (4) und VER+Tech-
nisten in einem achteckigen Vorraum aus rostigen Rohren und mit Blech ausgekleide- nik (3) können die Charaktere untensteh-
ten Wänden vor einer schweren, tresorähnlichen Stahltür. Der an der Tür angebrachte endes in Erfahrung bringen. Chronisten
Scanner ist herausgerissen, die massiven Sicherungsbolzen sind durchgeschmort und können den Hintergrund Geheimnisse
rot glühendes Metall tropft immer noch vom Schließmechanismus herab. Ein Wurf auf einbringen. Sie erhalten +1W je Stufe:
VER+Wissenschaft (3) verrät, dass die Tür mit seltenen Chemikalien zum Schmelzen
gebracht wurde. Trigger ergeben, dass diese aus dem Arsenal der Sappeure stammen. ERFOLG, KEIN TRIGGER: Kameras wur-
Horchen sie, können sie außer elektrisch aufgeladenem Rauschen und vereinzel- den über die gesamte Stadt verteilt. Die
ten Blinkgeräuschen nichts vernehmen. Es ist totenstill. Stromversorgung reicht nicht aus, um
alle gleichzeitig anzusteuern. Die Auf-
KOMMANDOZENTRALE zeichnungen werden über Bewegungs-
Tauchen die Charaktere in die Dunkelheit hinter der Tür ein, sehen sie sofort zwei sensoren ausgelöst.
ausgestreckte Leichen in einer Blutlache auf dem Boden liegen. Die toten Chronisten
haben keine Waffen bei sich. Der Tod traf sie unvorbereitet. Bewegen sich die Charak- 1+ TRIGGER: Über ein Bedienfeld ist es
tere weiter durch den Gang, sehen sie an dessen Ende helles, flackerndes Licht, das sich möglich, die Kameras gezielt zu aktivie-
durch die Dunkelheit brennt. ren und sich einen Überblick über die
Die Charaktere haben eine Kommandozentrale entdeckt. Ein kreisrunder Raum, Lage zu verschaffen.
umzäunt von unzähligen Bildwänden, liegt hier unten verborgen. Ein rotes Alarmlicht
pulsiert von der Decke. Über eine kleine metallene Brücke kommen die Charaktere 3+ TRIGGER: Einige Ausrüstung im Al-
auf die Kommandoplattform und können sich umsehen. Auf den Monitoren und auf- koven hat SIGMA-Level. Dabei handelt es
gespannten Projektionspanels huschen Bilder des gesamten Cour Argent hin und her, sich um besonders hochwertige Kompo-
auf anderen sind Straßenzüge aus Ferrallies oder Terres Putain zu erkennen. Es ist eine nenten und Gegenstände, die speziell für
einzigartige Überwachungszentrale, ein Knotenpunkt, an dem Informationen aus der verdeckte Operationen entwickelt wur-
ganzen Stadt zusammenlaufen und sich bündeln. Auf bernsteinfarbenen Bildschirmen den. Unbezahlbar.
laufen Zahlenreihen und wirre Kalkulationen ab, dazwischen blinken Lichter auf Emp-
fängergeräten und Tonträgern. Aufnahmespulen winden sich träge auf den Tischen 5+ TRIGGER: Es gibt ein Subnetz im
und zeichnen Gespräche auf. Ganz Toulon verschmilzt an diesem Punkt zu einer zu- System. Alle Aufzeichnungen werden
sammenhängenden Datenblase. zeitverzögert über eine verschlüsselte
Der Wert der Ausstattung lässt sich nicht in Wechseln bemessen. Wer so viele Res- Verbindung in das Netzwerk eines Ska-
sourcen freigibt, um eine Operation auszurüsten, der verspricht sich vom Erfolg der lars übertragen, dessen ID die Charaktere
Mission mehr als nur ein paar geplünderte Schätze. Wer auch immer hier die Fäden extrahieren können: Nullify.

THE KILLING GAME 163

gezogen hat, er bekommt Unterstützung von ganz oben.
Die Charaktere sind noch dabei, sich umzusehen, da
springt plötzlich eine schwarze Bildwand an und zeigt eine
zeitversetzte Aufnahme der Charaktere, wie sie geradewegs
die Treppen zum Alkoven hinabkommen. Die Überwach-
ungslinsen scheinen alles aufzuzeichnen, was sich rund um
und innerhalb des Alkovens abspielt.
Um die Aufnahme zurückzuspulen, ist ein Wurf auf
VER+Artefaktkunde (3) notwendig. Die Charaktere müssen
knapp vier Stunden am Zeitraffer rückwärts drehen, um die
letzten Bilder zu erfassen. Da ist etwas!
ENTFÜHRUNG
Kein Ton. Nur statisches Summen im Hintergrund. Zwei
Männer stürmen den Alkoven. Ohne lange zu fackeln neu-
tralisieren sie die Wachen. Der eine scheint ein rotbärtiger
Hellvetiker zu sein, trägt einen verdreckten weißen Har-
nisch. Der andere ist kahl, von Kopf bis Fuß mit Tätowie-
rungen übersät und ein schwarzer Fellmantel hängt wie ein
Überwurf von seinen Schultern. Apokalyptiker?
Da kommt auch schon eine Frau ins Bild. Chronistin.
Sie versucht, eine Ladung an ihrem Anzug zu zünden, doch
der Hellvetiker trifft sie mit dem Gewehrkolben an der
Schläfe und schlägt sie zu Boden. Sofort setzt sich der Har-
nischträger an das Armaturenbrett und beginnt mehrere
Regler zu bewegen, verschafft sich ein Bild der Lage. Der
Tätowierte kniet sich in den Rücken der Chronistin und
zerschneidet mit einem Messer und drei schnellen Hand-
bewegungen die Kabelführungen an ihrem Anzug. Funken
sprühen. Er hat sie unschädlich gemacht. Dann reißt er sie
an den Haaren nach oben, zerrt sie hinter sich her und wirft
sie auf einen Kontrollstuhl.
Die Chronistin ist gefasst, die Einstellung fährt nah an
ihr Gesicht. Sie scheint die Angreifer zu kennen. Die Ein-
stellung wechselt. Der Tätowierte redet mit seiner Geisel,
macht Mundbewegungen, als ob er Explosionen nachah-
men würde. BOOM! BOOM! Er streichelt der Chronistin
sanft über die Wange, seine Finger fahren durch ihren kur-
zen Schopf. Dann schlägt er ihren Kopf dreimal auf das Ar-
maturenbrett.
Er fragt den Hellvetiker etwas, der nickt kurz und stellt
ein Mikrofon vor das Gesicht der Frau. Sie wirkt kraftlos,
doch der Tätowierte schaut nur zum Hellvetiker hinüber
und schnalzt mit der Zunge. Dann legt er seinen Finger auf
sein geschorenes Haupt und beginnt die Linien seiner Tä-
towierungen entlang zu fahren. Der Hellvetiker tritt an die
Frau heran, aus seiner Gürteltasche zieht er einen tragbaren
Bunsenbrenner. Die Stichflamme leuchtet grell auf, er er-
greift die Frau von hinten und nähert sich mit der glühen-
den Flammenzunge ihrem Gesicht. Die Charaktere sehen
sie schreien, eine Strähne fängt Feuer, dann lässt der Peini-
ger urplötzlich von ihr ab. Die Frau keucht, atmet schwer,
beugt sich über das Mikrofon und spricht hinein. Keine
zwanzig Sekunden später verpasst ihr der Hellvetiker einen
brutalen Hieb mit seinem Gewehrkolben in den Nacken.
Die Frau sackt bewusstlos zusammen. Der Tätowierte ver-
dreht ihre Arme, legt sie in Ketten, woraufhin der Hellveti-
ker sie wie einen nassen Sack über die Schulter wirft und
beide die Kommandozentrale mit ihrer Geisel verlassen.
BEWEGUNGEN
Die Übertragung bricht ab. Mehrere Bildwände zünden
gleichzeitig, als ob ein Alarm ausgelöst wurde. Ein Panel
zeigt eine wilde Meute Schrotter, fünfzig bis sechzig von ih-
nen, die sich einen Weg durch Ferrallies bahnen. Auf einer
eingeblendeten Stadtkarte lässt sich ihre Position lokalisie-
ren, keine zehn Minuten vom Alkoven entfernt. Nestor, ihr
Anführer, schreitet mit Eisenhauer vorneweg.
Eine zweite Bildwand zeigt eine Handvoll Richter, die
sich dem Alkoven aus östlicher Richtung nähern. Sie sind
ausgerüstet mit Rucksäcken und Schlafmatten, als ob sie
sich im Aufbruch befänden. Sie werden von dem Richter
angeführt, den die Charaktere am ersten Tag im Hafen sa-
hen, als sie die Spitalier retteten.
Die Charaktere sehen, wie Nestor sich ein Funkgerät
reichen lässt und hineinzusprechen beginnt. Im gleichen
Augenblick beginnt das Funkgerät der Charaktere zu knar-
zen, als ob es direkt neben einem Emitter liegen würde. Der
Emissionsschild! Eine der Störantennen muss hier im Alko-
ven sein. Vielleicht auf dem Dach?
Schalten die Charaktere das Funkgerät ein, hören sie
Nestors Stimme:
„DEICH! Meld dich!”
„Der Deich spricht”, tönt es tumb zurück.
„Komm gefälligst mit deinen Männern zum Alkoven!
Wir rechnen jetzt mit dem Kommando ab. Sofort! Und
bring die Consulin her! Wir schneiden ihr den verdammten
Schädel ab und schießen den Kopf auf Hamzas Schiff. Dann
hat er seine Warnung, was wir mit jedem Africaner machen,
der sich zurück an Land wagt.”
„Sollen wir die Mädchen auch mitbringen?”, fragt die
lahme Stimme.
„Ja Mann, unsere Jungs sollen sich nachher austoben.
Setz dich in Bewegung!”
Das Gespräch endet abrupt und eine dritte Bildwand
leuchtet auf. Sie zeigt das Innere der Schlagschmieden. Die
Kartellisten treiben die Mädchen des Consulats zusammen,
Zohra, die Consulin, ist mittendrin. Gemeinsam mit ihrem
Tross aus Geiseln setzt sich Deich mit vieren seiner Schlä-
ger in Gang.
ENTSCHEIDUNGEN
Den Charakteren stehen harte Entscheidungen bevor. Sie
müssen reagieren oder es gibt ein Massaker. Außerdem
können sie nicht im Alkoven bleiben, denn jeden Moment
werden sowohl die Eisenbrüder als auch die Richter hier
aufschlagen.
Ein Blick auf die Karte verrät, die Schlagschmieden
a
sind knappe drei bis vier Minuten entfernt. Die Charak-
tere könnten Deich den Weg abschneiden und versuchen,
Zohra und die sechs Consulatsmädchen zu befreien. Noch
haben sie Vorsprung, doch der wird immer geringer.
Der dritte Emitter muss irgendwo auf dem Dach sein.
a
Wird er nicht zerstört, wird das Funknetz weiterhin instabil
sein und Hilfe bleibt fern. Sollte sich ein Charakter auf das
Dach begeben, muss er schnell sein, bevor ihn die heranna-
henden Schrotter dort oben entdecken.
1 3 . A R C V I L L E S FA L L
Setzt sich einer der Charaktere in Bewegung, um den Emit-
ter auf dem Dach des Alkovens zu suchen, so ist dieser
schnell ausgemacht. Das Problem ist jedoch, er befindet sich
an der Spitze eines stählernen Mastes, der aus dem Dach-
rücken des Alkovens ragt, in etwa zwanzig Metern Höhe.
Dort hängt er in einem Wust aus Kabeln. Auf den Emitter
zu schießen, ist Selbstmord. Der Charakter würde umge-
hend die Aufmerksamkeit der herannahenden Schrotter
erregen. Doch in der Abenddämmerung ist es ein Leichtes,
unentdeckt seitwärts am Mast hochzuklettern und zu ver-
suchen, den Emitter aus den Kabelsträngen herauszulösen
und auszuschalten.
I. TOD DES RICHTERS
Aus erhöhter Position ist die Sicht auf den Vorplatz des Al-
kovens gut. Von zwei Seiten nähern sich die Parteien. Die
Richter rennen kurzerhand in ihren eigenen Tod.
Der Charakter muss mit aller Kraft an den Gelenken
des Emitters zerren, um ihn freizubekommen: KÖR+Athle-
tik (2), um nicht vom Mast zu rutschen und auf dem Dach
aufzuschlagen, sowie KÖR+Kraft (3), um das verdammte
Ding aus seinem Kabelnetz zu reißen.
Ein Schrotter sichert den Vorplatz, sucht mit einem
Fernrohr das Dach ab. Der Charakter muss GES+Heimlich-
keit (4) würfeln, um sich hinter dem Kabelnest am Mast zu
verstecken und weiterhin Sicht zu behalten. In der Dunkel-
heit bekommt er einen Bonus von +2W, um vor dem Späher
unentdeckt zu bleiben.
Geschafft. Unten bricht derweil die Hölle los. Der Cha-
rakter sieht, wie die Überzahl an Schrottern die Richter aus
etlichen Gassen heraus umzingelt. Schreie hallen über den
Vorplatz, die Richter sind völlig überrascht vom Angriff.
Manche haben kaum Zeit, ihre Rucksäcke zu Boden zu
werfen, da werden sie schon mit scharfkantigen Rohren ins
Gesicht getroffen und zu Boden gerungen. Die Schrotter
schlagen von allen Seiten auf die Schöffen ein. Der Charak-
ter kann erspähen, wie der Richter vom Hafen verzweifelt
versucht, seine Muskete abzufeuern, doch da haben drei
Eisenbrüder ihn schon im Griff, zerren ihn aus dem Kampf-
geschehen zu Eisenhauer und Nestor hinüber.
„Arcville! Du kriecherischer Hurensohn”, brüllt Nestor.
„Habe ich eurem Kommando nicht dutzendfach gesagt,
ihr sollt euch an die Abmachung halten? Und was jetzt?”
„Nestor, hör zu, mach keinen Fehler! Mirage hat alles
im Alleingang abgeblasen, ich habe damit nichts...ungh!”
Arcville wird von Eisenhauers Stiefel im Gesicht getroffen.
„Bitte Nestor, wir sind auf deiner Se...ungh!” Eisenhau-
er stampft auf Arcvilles Kopf, drückt ihn in das Pflaster.
„Nestor, Justitian steht an deiner Seite, wir können al-
THE KILLING GAME 165
les auf...unghghhh!” Der Höhlenbär verlagert langsam sein
gesamtes Gewicht auf Arcvilles Schädel.
„Du elender Verräter! Eisenhauer, mach ihn endlich
fertig! Der Rest von euch sichert den Alkoven, wir nehmen
alles mit”, befiehlt Nestor den Eisenbrüdern, und fällt damit
gleichzeitig Arcvilles Todesurteil. Eisenhauer beginnt wie
besessen auf dem Schädel des Richters herumzutrampeln,
tritt den Kopf von links nach rechts, stampft von oben dar-
auf herab, bis der Richter aufhört sich zu regen.
Der Charakter auf dem Alkovendach ist in Lebensge-
fahr. Verschwindet er nicht augenblicklich von seiner Po-
sition, droht ihm Arcvilles Schicksal, wenn er in die Hände
der ausschwärmenden Eisenbrüder gerät. Es gibt nur einen
Weg, das Dach so schnell wie möglich zu verlassen und
hinter dem Zaun in einer Seitengasse zu verschwinden:
ein armdickes, totes Kabel, das sich vom Mast hinüber zum
nächsten Dach spannt. KÖR+Athletik (3) und der Charakter
ist in Sicherheit. Vorerst.
II. ZOHRAS BEFREIUNG
Sind die Charaktere zu Zohras Rettung geeilt, haben sie
jetzt ihre letzte Chance, die Consulin und ihre Schreibe-
rinnen aus den Klauen des Kartells zu befreien. Deich biegt
mit seinen Männern aus einer verschachtelten Gasse in
eine angrenzende Straße ein. Überall auf der Strecke liegen
Fässer verstreut, Stahlträger ragen aus den Wänden, Kisten
sind meterhoch mit Schrott und anderem Baumaterial ge-
stapelt. Plötzlich hören die Charaktere eine Frauenstimme:
„Wenn du wüsstest, was wir in Africa mit Anstiftern wie
euch anrichten. Wir schneiden euch im Schlaf die Bäuche
auf, und legen Schlangen hinein. Dann nähen wir euch wie-
der zu.” Es ist Zohras Stimme.
„Deich, stimmt es, was die Frau sagt?”, fragt einer der
Kartellschläger.
„Woher soll ich das wissen? War noch nie in Africa!”,
gibt Deich plump zurück.
Die Gruppe bewegt sich langsam auf die Charaktere zu.
Deich und seine Männer flankieren Zohra und die Mäd-
chen. Die Charaktere haben Zeit, in Deckung zu gehen und
einen Überraschungsangriff vorzubereiten.
„In diesem Augenblick bewegen sich drei Kriegsschiffe
auf Toulon zu, an Deck Hunderte von Geißlern. Sie haben
Hyänen an Bord und sie lieben die Anführer von Aufstän-
den ganz besonders, Deich.”
„Halt den Mund, Frau, oder ich stopf ihn dir!”, bellt
Deich nervös.
„Die Geißler schnappen dich und ziehen dich nackt
aus. Dann ketten sie dich im Hyänenzwinger an und lassen
die brünftigen Männchen auf dich los, damit sie dich be-
steigen. Wochenlang”, erklärt die Consulin nüchtern.
Deich wirbelt herum, schreit bis zum Anschlag: „Ich
mach dich fertig, du dumme Fotze!” Jetzt ist der Moment.
Deich und seine Kämpfer sind abgelenkt.
OFFENSIVE
Deich hat den Rücken zu den Charakteren, sie erhalten bei
Angriff einen Bonus von +2W auf die Initiative. Der Kampf
bricht aus. Die Kartellschläger sind mit Glorie und Bion
vollgepumpt. Einer von ihnen schnappt sich eines der Mäd-
chen und bricht zu einer Deckung aus, will sie als mensch-
lichen Schutzschild benutzen. Ein anderer stürmt zu einem
Haufen mit Fässern und beginnt damit, sie nach den Cha-
rakteren zu werfen. Deich und der Rest versuchen, die Ret-
ter in den Nahkampf zu verwickeln. Darin sind sie geschult
und am gefährlichsten. Die Charaktere müssen das Terrain
bestmöglich für sich nutzen.
PSY+Gerissenheit (3), um rechtzeitig die locker stehen-
den Stahlstreben an einer Hauswand zu sehen und zum
Einsturz zu bringen. Sie begraben einen der Schläger unter
lautem Krachen und Getöse. GES+Beweglichkeit (2), um
den heranfliegenden Fässern auszuweichen und an den
Werfer heranzukommen, um ihn auszuschalten.
GES+Schusswaffen (5), um den Geiselnehmer mit ei-
nem gezielten Schuss in die Stirn zu treffen und das Leben
des Mädchens zu retten.
III. EISENHAUERS ZORN
Deich und seine Männer sind erschlagen und Zohra samt
ihren sechs Schreiberinnen befreit. Zohra wirft den Cha-
rakteren einen dankenden Blick zu.
Mit Wucht tritt sie in die Seite eines toten Kartellisten.
„Borcische Schweine! Euer Kartell wird dafür bezahlen.”
Sie schaut zu den Charakteren auf. „Wir müssen hier weg.
Ist Hamza auf der Unya? Ihr müsst die Mädchen und mich
dort hinbringen. Hier sind wir verloren.”
Sie hat kaum den Satz beendet, da hören die Charak-
tere einen heulenden Kampfschrei über die Dächer wallen.
Eisenhauer.
Nestor muss die Bildwände im Alkoven entdeckt und
den Überfall auf Deich mitangesehen haben. Schon hören
die Charaktere scheppernde Rüstungen und Dutzende
Schritte. Sie müssen rennen. Sie haben keine andere Chan-
ce, als die Flucht zu ergreifen. Sich den tobenden Schrottern
zu stellen, wäre Selbstmord. Von ihrer Position aus sind es
fünf Minuten zum nächsten Kanal. Wenn sie dort ein Boot
finden, schaffen sie es in die Bucht.
Die Hatz beginnt. Schon rennen die ersten Schrotter
von Norden in die Straße hinein. Die Mädchen und die
Consulin geben ihr Bestes, mit den Charakteren Schritt zu
halten. Die Gassen sind verwinkelt, hinter ihnen schreien
und kreischen die Verfolger. Eine Kugel schlägt in einer
Hauswand ein. Holzsplitter und grobe Lehmklumpen plat-
zen heraus. Weiter.
Eine steinerne Treppe hinunter. Ein Mädchen stolpert.
Zwei Griffe und sie ist auf den Beinen. Ein lauter Schrei
von Westen, Eisenbrüder versuchen, ihnen den Weg abzu-
schneiden. Die Beine brennen, die Knie schmerzen. Dort,
über die Barrikade. Dann die Brücke hinüber. Links in den
Kanal hinein. Ein Boot schwimmt dort drüben. Aus der
Straße hinter ihnen flutet eine Welle aus Raserei, versucht
sie einzuholen.
Die Charaktere springen ins Boot, die Mädchen versu-
chen über den Rand hineinzuklettern. Zohra hilft. Ihre Au-
gen sind vor Angst weit aufgesperrt, sie wirft den Kopf hin
und her, schaut in alle Richtungen. Pistolenschüsse. Herz-
rasen. Der verdammte Motor springt nicht an. Zohra wird
 09:00 PM

starr vor Schreck. Auf der gegenüberliegenden Kanalseite bricht Eisenhauer durch eine
verbarrikadierte Holztür. Die morschen Balken fliegen in alle Himmelsrichtungen. Er
schüttelt den Schädel wie ein aufgebrachtes Tier, sieht das Boot und nimmt Anlauf.
Mit einem gewaltigen Satz stößt er sich vom anderen Ufer ab, segelt meterweit
durch die Luft und schlägt auf der Kanalseite diesseits der Charaktere ein. Die Wucht
seines Sprungs lässt ihn gegen eine Hauswand prallen. Das Vordach kippt herab, Staub
rieselt, Planken und Rohre lösen sich. Der Motor des Bootes ächzt erschöpft.
Eisenhauer stemmt sich auf die Beine, ergreift eine lange Holzlatte und stürmt auf
das Boot zu. Seine Bärenwut hat überhand genommen, er ist ein rasendes Ungetüm
aus Hass und Vernichtungswillen. Der erste Schlag mit der Latte geht daneben. Die
Kraft des Aufpralls zerreißt das Holz in dutzende Einzelteile.
Eisenhauer ist es egal, er geht mit bloßen Händen an die Charaktere heran, ver-
sucht das Boot zu besteigen und dem erstbesten Gegner die Finger um den Hals
zu legen. Die Mädchen kreischen auf. Er greift nach einer Schreiberin, wirft sie mit KAMPF MIT DER BESTIE
Schwung über Bord. Das Boot wippt wie verrückt. Die Schläge, die auf Eisenhauer ein- Eisenhauer ist ein schnaubendes Tier in
prasseln, ignoriert er. Seine Augen sind blutrot, sein Kopf pulsiert vom Überdruck, die Menschengestalt. Lassen sie die Charak-
Adern an seinen Armen scheinen zu explodieren, ein fernes Rasseln dringt durch sei- tere auf PSY+Glaube/Wille (3) würfeln,
nen mit eisernen Hauern beschlagenen Mundfilter. Urplötzlich verdreht er den Blick um am Anfang einer Runde überhaupt
gen Sternenhimmel, stöhnt auf, sein Rücken presst sich durch, als ob ihn ein Speer der auf den tobenden Riesen einschlagen
Länge nach durchbohren würde. zu können. Misslingt der Wurf, muss
„GNNNNNNHHHGGGGGG!” Eisenhauers Gurgeln ist wie ein herannahendes der Charakter einen Egopunkt opfern,
Gewitter. Seine Hände verkrampfen sich auf seiner Brust, Spucke schießt wie eine um agieren zu können. Bei einem Patzer
Fontäne aus seiner Filtermaske. Dann kollabiert er unter lautem Krachen auf dem stei- flieht er sofort. Alle Urinstinkte stellen in
nernen Steg. Regungslos. Herzinfarkt. einer Konfrontation mit Eisenhauer auf
Die Charaktere müssen sich mit dem Ruder von der Kanalwand abstoßen. Flucht um.

THE KILLING GAME 167

10:00 PM

14. ENTHÜLLUNGEN
Das Boot, mit dem die Charaktere samt der Consulin und ihren Schreiberinnen geflo-
hen sind, treibt in die Bucht hinaus. Es ist tiefschwarze Nacht hier draußen. Die Cha-
raktere sehen die Unya, umzingelt von Dutzenden kleinen Schiffen und Trimaranen
wie von einem Schwarm Raubfische, die einen kolossalen Wal umkreisen. Die Parteien
scheinen sich gegenseitig zu belauern.
Plötzlich erfasst ein Kegel aus blauem Licht die Charaktere. Ein kreisrunder Schein-
werfer brennt am Bug eines Enterschiffs, das sich dem Boot der Gruppe im Schutze der
Dunkelheit genähert hat. Schattenrisse mit geladenen Armbrüsten zielen von Deck aus
auf das kleine Ruderboot, nehmen die Charaktere samt den geretteten Geiseln ins Vi-
sier. „Versucht zu fliehen und wir rammen euch in Stücke”, schallt eine Drohung vom
Schiff zu ihnen herüber.

I. MERIDIAN
Das Enterschiff zieht mit dem Boot der Charaktere gleichauf. Taue werden zu ihnen
hinabgeworfen. „Klettert rauf! Meridian will mit euch reden.”
An Bord werden die Charaktere und Zohra sofort zur Brücke geführt. Die Mäd-
chen unter Deck. „Keine Sorge, wir tun ihnen nichts”, gibt ein Pirat der Consulin zu
verstehen. Der Apokalyptiker, der die Gruppe die Treppe hinauf führt, ist sonnenge-
gerbt, trägt gebleichtes Haar und Brandmale und ist bestens ausgerüstet. Die anderen
haben eine ähnliche Aufmachung. Oben angekommen, hämmert der Blonde an eine
Tür, dann ruft er hindurch: „Wir haben die Leute vom Boot.”
Er öffnet die Tür zur Kommandobrücke und lässt die Charaktere hinein. Ein Mann
in roter Robe, mit Ziegenbart und aufwendigem Muschelschmuck steht an einem
Tisch vor ausgebreiteten Lageplänen. Er zieht Tarotkarten aus einem Stapel, wirft ei-
nen kurzen Blick auf jede einzelne, dann zerknäult er sie und schleudert sie durch den
Raum.
Als er die Charaktere bemerkt, macht er eine Handbewegung zu den Destillatfäs-
sern an der Wand, bedeutet den Charakteren wortlos, sich zu bedienen.
„Bei Neptun, was zur Hölle geht dort draußen vor sich?”, fragt Meridian auf Fran-
kisch mit schwerem purgischem Akzent.
Zohra ergreift blitzschnell das Wort in fließendem Purgisch: „Eine Allianz aus
Chronisten, Schrottern und Richtern. Sie haben einen Bürgerkrieg begonnen und den
Cour Argent eingeäschert. Alles nur, um meinen Bruder Hamza gefangenzunehmen.”
„Hamza Abubakar III., den Plünderer von Toulon?”, fragt der Robenträger ungläu-
big und mustert sie.
„Ja, sie haben ihn aus dem Palast verjagt und er hat sich auf der Unya verschanzt.”
„Dann bist du also die ehrenwerte Zohra, Consulin von Toulon?” Der Apokalypti-
ker grinst mit einem Mundwinkel, als ob er die Beute seines Lebens gemacht hätte.
„Natürlich bin ich die Consulin!”, erwidert Zohra empört, fast als wäre sie beleidigt
darüber, dass er sie nicht sofort erkannt hat.
„Und, mit welchem purgischen Fischerklan haben wir die Ehre?”
„Mein Name ist Meridian, Albatross der Schwarzen Schar. Auf dem Meer bin ich
dein Todfeind. In deiner Bucht bin ich dein Gast. Und in diesem Augenblick bin ich
deine einzige Hoffnung.” Sein Lächeln gefriert, der Klang seiner Stimme schwenkt in
einen überlegenen Tonfall.
„Ivar!”, ruft er laut in den Raum hinein. Aus einer unbeleuchteten Ecke schält sich
ein junger Mann aus den Decken und Kissen. Er war die ganze Zeit dort, hat alles mit
angehört. Jetzt tritt er langsam ins Licht der Kajüte. Seine rechte Gesichtshälfte ist ge-
schmolzen, die Haut eine schwärende, nässende Wunde voller Blasen und Brandmale.
„Jemand hat meinen Liebling Ivar so zugerichtet. Er war ein hübscher Junge. Jetzt
fällt es mir schwer, ihn anzusehen.” In Meridians Worten schwingt Abscheu und Rach-
sucht. „Ich suche einen Mann, der einen Irrgarten als Tätowierung auf seinem Körper
trägt. Ihn und seinen Leibwächter, einen Hellvetiker.”
Haben die Charaktere die Bilder der Überwachungskamera vom Alkoven im Kopf,
wissen sie sofort, wen Meridian mit seiner Beschreibung meint. Erzählen die Charak-
tere von ihrer Sichtung, hört Meridian ihnen aufmerksam zu. Fragen sie den Albatross,
wer der Tätowierte ist, lacht er kurz ungläubig auf.
 „Ich weiß es selbst nicht. Aber ich weiß, dass etwas Selt-
sames vor sich geht.”
Er zeigt auf sein Tarot, nimmt zwei Karten vom Stapel
und legt sie übereinander.
„Der Absonderliche thront auf dem Schöpfer. In unse-
rer Sprache bedeutet dies das schlimmste Omen. Seit Wo-
chen legen ich und andere Anführer meiner Schar dasselbe
Blatt. Immer und immer wieder.” Er blickt zu den Charak-
teren auf, um zu sehen, ob sie ihm folgen können.
„Alle Spuren führen nach Toulon. Der Ursprung des
Omens liegt hier.” Seine Augen wandern dabei zu Ivar hin-
über. Der junge Mann mit dem verbrannten Gesicht spricht
leise, fast andächtig: „Er und seine Männer haben ein Nest
von uns innerhalb der Stadtgrenzen angegriffen. Vor drei
Wochen. Sie haben jeden unserer Leute getötet. Grundlos.
Mich ließen sie am Leben, um von ihnen zu berichten.”
Meridian zieht einen Säbel aus der Scheide an seinem
Gurt, hält die Klinge ans Licht. „Wir wollen wissen, warum.
Danach werden wir dem Tätowierten die Haut abziehen
und eine neue Flagge daraus nähen.”
In diesem Moment hören die Charaktere einen Don-
nerschlag von der Stadt herüberbranden. Dann zwei, vier,
sechs Explosionen. Meridian, Zohra und Ivar eilen zum
Fenster, blicken gemeinsam mit den Charakteren durch die
Scheibe. Cour Argent brennt erneut. Ferrallies ebenfalls.
Haushohe Feuersäulen schießen in den Nachthimmel,
speien Ascheregen und Glut in Richtung Wolkendecke.
„Sprengladungen”, sagt Ivar ehrfurchtsvoll. Plötzlich
rennt Zohra zum gegenüberliegenden Fenster.
„Dort, seht!”, ruft die Consulin. Eine rote Signalrake-
te steigt über der Unya auf, hängt leuchtend wie ein naher
Stern über dem Schiff in der Luft.
Meridian versteht nicht. „Hamza will verhandeln”, sagt
die Consulin mit einem Hoffnungsschimmer in den Augen.
„Mit deiner Schar.”
I I . A N B O R D D E R U N YA
Meridian manövriert sein Enterschiff über die Bucht zur
Unya. Von der Reling des Transporters regnet es Taue und
Ketten herab, um die Besatzung des Enterschiffs nach oben
zu ziehen. An Deck angekommen, werden die Charakte-
re von schwarzen Schrottern in Empfang genommen. Sie
sehen übermüdet und aufgekratzt aus. Den Charakteren
nicht unähnlich. Zohra wird mit einem erleichterten Lä-
cheln empfangen. Meridian, die Consulin und die Charak-
tere werden unter Deck gebracht. Selbst im Inneren des
Schiffes ist Hamzas Reichtum spürbar. Ein geflochtener
Bastteppich führt geradewegs zu einem Portal aus verzier-
tem Dschungelholz und versilberten Türgriffen. Dahinter
eröffnet sich Hamzas Kanzlei. Der Raum gleicht einem
Sanktuarium aus Relikten, Trophäen und Seekarten. Orma
THE KILLING GAME 169
kniet über einen Empfänger gebeugt. Hamza steht derweil
vor einer großen Karte Toulons.
„Zohra!”, der Plünderer stößt einen Schrei der Erleich-
terung aus, nimmt seine Halbschwester in die Arme und
nickt zu den anderen Neuankömmlingen herüber.
Die Charaktere haben noch keinen Augenblick Zeit,
um sich umzusehen, da bekommt Orma eine Verbindung
über den Empfänger. Eine rauschende Frauenstimme ist
am anderen Ende. Die Generalin Zoe Morceau.
„An alle verfügbaren Männer und Frauen des freien Fr-
anka. Nehmt eure Waffen und stürmt den Cour Argent. Die
Eisenbrüder sind eingekreist. Die Resistance ist nur noch
zwei Häuserblocks vom Palast entfernt. Wir haben mehrere
Sprengungen im Zentrum und im Osten der St…”
„Abgebrochen”, sagt Orma. „Bist du nach Perpignan
durchgekommen?”, fragt Hamza. „Ja, ich habe einen Mor-
secode absetzen können. Die Funkverbindung ist zurück,
aber nicht vollständig.”
„Willst du deine Stadt zurückhaben, Plünderer?”, fragt
Meridian schamlos in den Raum hinein.
„Hamza, das ist Meridian, einer der Anführer der
Schwarzen Schar. Er hat uns in der Bucht gerettet”, erklärt
Zohra. Die beiden Männer begrüßen sich mit einem vor-
sichtigen Handschlag.
„Was willst du von mir?”, fragt Hamza den Piraten.
„Amnestie. Für meine Schar. Wir sind mit dreihundert
Mann in deiner Bucht. Bestens ausgestattet. Kampfbereit.
Wir können dir Toulon bis zum Morgengrauen zurück-
geben.” Meridian streicht sich siegesgewiss den Bart glatt.
Dann fährt er fort: „Keine Geißler mehr auf Corpse. Keine
Attentate mehr auf unsere Leute. Freies Geleit, für ein Jahr,
für alle Scharen des Mittelmeers.”
„Das liegt außerhalb meiner Macht. Tripol macht Jagd
auf deine Leute, ob ich es will oder nicht”, gibt Hamza an-
gespannt zurück.
„Dann wirst du dafür Sorge tragen, Plünderer! Geschäft
ist Geschäft!”, brüllt Meridian aufgebracht in Hamzas Rich-
tung. „Glaubst du etwa, ich schenke dir deinen Palast ein-
fach so zurück? Wir sind deine einzige Hilfe. Bis Montpel-
lier oder Perpignan Schiffe schicken, ist von Toulon nicht
mehr übrig als ein rauchender Kadaver.”
„Die Generalin wird den Cour Argent für sich bean-
spruchen, wenn sie den Palast einnimmt”, fügt Zohra be-
sorgt hinzu. „Dann haben wir keine Grundlage, um zu ver-
handeln.”
Hamzas Stirn runzelt sich. Sein Gesicht verrät, dass er
Geschäfte wie dieses hasst. „Abgemacht,“ sagt er verbissen.
„Noch etwas.” Meridian ist noch nicht fertig mit seinen
Forderungen. „Wir wollen den Kopf eines Mannes, der ei-
nen Irrgarten aus Tätowierungen auf seinem Körper trägt.
Du wirst deine Stadt auf der Suche nach ihm auf den Kopf
stellen lassen müssen.”
Sowohl Orma als auch Hamza blicken sich sprachlos
an, als ob sie nicht glauben können, was geradewegs über
Meridians Lippen gekommen ist.
„Kahlgeschoren? Drahtig? Ein schwarzer Irrgarten von
Kopf bis Fuß?”, fragt Orma den Apokalyptiker zurück. Jetzt
ist es an Meridian, überrumpelt dreinzublicken.
„Ihr kennt ihn etwa?”, fragt der Pirat ungläubig.
„Er hat uns heute Mittag ein unsagbar kostbares Ge-
schenk gemacht”, sagt Hamza grimmig. „Es ist unten, im
Heizungskeller.”
KEIMZELLE
Die Charaktere eilen mit Hamza, Orma und Meridian die
Treppen zum Heizungskeller hinab.
„Er tauchte um den Mittag herum auf. In einem
Schnellboot. Und ließ eine weiße Flagge wehen”, erklärt
Orma im Laufschritt. „Wir wussten nicht, wer er ist und
was er will. Er winkte nur zum Schiff hinüber, dann beugte
er sich runter und warf einen großen Sack über Bord.”
Die Gruppe läuft eine schmale Schleuse entlang, ihre
Schritte schlagen hart auf dem Riffelblech auf. „Zwei von
meinen Männern seilten sich sofort ins Wasser ab, um den
Sack zu bergen. Der Tätowierte machte augenblicklich mit
seinem Boot kehrt und fuhr in direkter Linie nach Cour Ar-
gent fort. Wir konnten uns keinen Reim darauf machen.”
Sie sind an einer versiegelten Tür angelangt. Orma be-
ginnt damit, die Schlösser zu entriegeln. „Aber als wir den
Sack an Deck brachten, fanden wir das hier.” Die Tür öff-
net sich mit einem zähen Geräusch. Licht aus dem Gang,
in dem sie stehen, scheint in die Dunkelheit des Heizungs-
kellers hinein. Eine Frau kommt zum Vorschein. Sie blinzelt
mit den Augen im blendenden Gegenlicht. Die Chronistin.
„Darf ich vorstellen: Mirage. Anführerin von Komman-
do Requiem und Keimzelle des Aufstandes”, verkündet
Hamza feierlich.
Mirage ist an ein Heizungsrohr gekettet und sieht übel
zugerichtet aus. Ihr Haar ist angekokelt, ihr Gesicht hat
Schrammen und Blutergüsse.
„Bring die Schlange nach oben, ich will von ihr hören,
was sie über den Tätowierten weiß”, sagt Hamza zu Orma
hinüber.
Die Frau wirft einen verachtungsvollen Blick in die
Runde, bleibt mit ihren Augen an den Charakteren hängen.
Es sieht aus, als versuche sie, sich ihre Gesichter einzuprä-
gen. „Deine Stunde ist gekommen, Hamza”, spuckt die Frau
dem Plünderer vor die Füße.
„Franka wird sich vom africanischen Virus erholen.
Meine Mission ist erfolgreich und dein Reich ist hinüber.
THE KILLING GAME 171
Nicht mal deine neuen Freunde können dich jetzt noch ret-
ten”, gackert sie höhnisch, ihr Mund ist voller Blut, die Zäh-
ne leuchten rot. Dann trifft Orma sie mit dem Griff seiner
Pistole am Hinterkopf und schlägt sie bewusstlos.
III. VERHÖR
Zurück in der Kanzlei wacht Mirage langsam wieder auf.
Hamza sitzt ihr gegenüber. Meridian, Orma und die Cha-
raktere stehen um den Tisch herum.
Der Plünderer hat eine kleine hölzerne Schatulle vor
Mirage abgestellt. Ihr Blick ist verschwommen, sie versucht
sich zu orientieren. Hamza öffnet die Schatulle vorsichtig.
Darin kommt ein silberner Dinar auf einem seidenen Tuch
zum Vorschein.
„Der erste Dinar meines Vaters”, sagt Hamza stoisch.
Mirage versteht nicht.
„Der Libyer prägte diese Münze eigenhändig und vor
langer Zeit. Über Generationen wechselte sie die Hände, bis
sie in den Besitz meiner Familie kam. Mein Vater vererbte
sie mir noch vor meiner Geburt. Sie ist mehr Wert als alle
Schätze in meinem Palast. In ihr bündelt sich der Geist der
Neolibyer.” Er nimmt sie vorsichtig aus der Schatulle, legt
sie zwischen Daumen und Zeigefinger und hält sie Mirage
vor das Gesicht.
„Mit ihr allein kann ich Toulon morgen schon neu auf-
bauen. Ihr Wert ist unermesslich. Sie ist das Fundament
unseres Glaubens.” Er dreht die Münze zwischen seinen
Fingern.
„Artefakte sind Ware. Ihr Wert ist ein Bruchteil des-
sen, was Glaube wert ist. Dein Glaube hängt an Waren,
Ressourcen, Artefakten. Er ist wertlos, wenn die Quelle
versiegt. Unser Glaube ist das Kapital und dieser Wert ist
unerschöpflich.”
Seelenruhig legt er den Dinar zurück in die Schatulle
und verschließt sie.
„Ich werde dir nicht wehtun, Mirage. Stattdessen wer-
de ich dir zeigen, wie ich deinem Kult wehtun werde. Ich
werde deinen Kult demaskieren, eure Märkte zusammen-
brechen lassen, eure Schrotter aufkaufen, eure Städte mit
Wechseln überfluten und euren Artefakthandel entwerten.
Du wirst mitansehen müssen, wie nichtig und ersetzbar
dein Glaube an das Urvolk und seine Relikte ist.”
Mirages Augen sind geweitet, sie registriert jede Bewe-
gung des Plünderers.
„Oder…”, fügt er hinzu, „du redest mit uns.”
WAHRHEITEN
„Sein Name ist Rattler”, beginnt Mirage ihre Ausführung.
„Ich rekrutierte ihn für die Operation. Als Reserve. Für den
Fall, dass die Eisenbrüder Schwierigkeiten machen.”
„Wer ist er?”, fragt Meridian, lehnt sich in ihr Blickfeld.
 03:00 AM

„Er führt die Feuervögel an. Eine unbekannte Schar. Nur eine Handvoll Mitglieder.
Seine Leute sind gewissenlose Mörder, die auf Bezahlung arbeiten. Sie brauchten keine
andere Motivation. Er hatte vollen Zugriff auf unser Arsenal, kannte den Ablauf des
Operationsplans im Detail. ”
„Was will er?” Der Pirat wird ungeduldig.
„Er wollte mir helfen.” Sie blickt zu Hamza hinüber. „Helfen, ihn auszuschalten.”
Meridian packt sie an der Kehle. „Was noch? Hat er jemals von einem Phönix ge-
sprochen? Zeichen? Symbole?”
Mirage versucht sich loszureißen. „Nein! Er selbst ist ein Phönix! So nennen ihn die
Mitglieder seiner Schar.”
Der Apokalyptiker schlägt vor Wut mit den Handballen auf den Tisch.
„Sonst nichts?”, stöhnt Meridian in seiner Verzweiflung. „Du willst mir doch nicht
weismachen, dass ein schäbiger Auftragsmörder sich in meinem Kopf eingenistet hat
und mit meinen Gedanken verrückt spielt!”, schreit er der Chronistin ins Ohr.
„Warum hat er dich verraten? Bist du seine Komplizin? Sollst du für ihn das Schiff
hier ausspionieren?” Der Verfolgungswahn geht mit Meridian durch, er glaubt der
Chronistin kein Wort. Er greift zu seinem Säbel, reißt Mirages Arm der Länge nach
über den Tisch und hebt die Klinge zum Schlag.
„Rede, oder ich hacke dir deinen Arm ab!” Meridians Nerven liegen blank.
Hamza blickt Mirage seelenruhig von der anderen Tischseite in die Augen. „Soll-
te meinem Bruder Nephraim etwas zugestoßen sein, werde ich dir den anderen Arm
ebenfalls abnehmen.”
Plötzlich öffnet sich die Tür und einer von Ormas Schrottern stürmt hinein.
„Hamza, wir haben Gäste.”

CRESCENDO
„Steck den Säbel weg!”, dringt ein Befehl aus dem Gang heraus in den Raum hinein.
Zwei Frauen treten ein, die eine schwarz, die andere weiß.
Meridian senkt den Arm und lässt den Säbel zurück in die Scheide fahren.
Die beiden Frauen treten an den Tisch heran. „Callisto und Sabata, die Herrinnen
der Schwarzen Schar”, sagt Meridian respektvoll. Die Frauen blicken in die Runde, ihre
Gesichter sind vor Ernst verhärtet, die Schläfen und Münder angespannt.
„Er hat uns ein Zeichen geschickt. Es lag zusammengerollt neben einem toten
Schrotter auf einem Floß, das draußen auf der Bucht trieb”, sagt Callisto. Sie wirft ein
ledernes Tuch auf den Tisch, schlägt es auf.
Die Charaktere sehen Zeichnungen darauf, die an die Wandbilder im Nest der
Feuervögel erinnern. Ein Phönix ist dort abgebildet, in dem Feuer seiner Schwingen
verbrennen andere Vögel und stürzen vom Himmel. GEDANKENSTURM
„Er ist hier und hat die ganze Zeit auf uns gewartet”, spricht Sabata verheißungs- Wer ist Rattler? Was will der Phönix? Was
voll. Ihre Augen blicken an den Charakteren vorbei auf einen unbestimmten Punkt. ist Mirages wahre Agenda? Warum ist die
Sie zieht Luft zwischen ihren Zähnen hindurch, als ob sie etwas Schreckliches erblickt Schwarze Schar hier? Jede Antwort eröff-
hätte, doch die Stelle, auf die ihr Blick fällt, ist leer. net neue Fragen. Seit zwei Tagen tobt der
„Alle Vorsehungen waren richtig. Der Rachegeist hat Menschenform angenom- Bürgerkrieg in Toulon. Die Charaktere
men. Er hat den Ort seiner Abrechnung gewählt. Die Stadt ist sein Altar, der Weg hin- sind durch die Hölle gegangen und haben
ein führt durch einen Irrgarten aus Blut.” überlebt. Sie werden diese Erfahrung nie-
Ein ungläubiges, gurgelndes Lachen dringt von der anderen Seite des Tisches. mals vergessen. Morgen steht ihnen ein
„Rachegeist?” Mirage wischt sich das Blut aus dem Mund. „Das ganze Burn hat entscheidender Tag bevor. Die Gedanken
euer Gehirn lahmgelegt. Rattler ist ein Mensch”, sagt sie belustigt. rasen umher, das Herz schlägt wütend in
„Wer ist diese Frau?”, fragt Callisto zu Meridian hinüber. der Brust. Wer auch immer dieses Chaos
„Mirage. Chronistin. Hat mit dem Phönix gemeinsame Sache gemacht”, gibt er ihr zu verantworten hat, muss aufgehalten
als Antwort. „Sie hat die Opera...” werden.
„Gut”, schneidet ihm Callisto scharf ins Wort. „Mach alle Männer für den Angriff Eine letzte Woge aus Entschlossen-
bereit! Wir brechen in drei Gruppen auf. Sabata nimmt Terres Putain, Meridian, du heit und Bestimmung erfüllt die Gruppe.
landest in Ferrallies. Ich gehe in Cour Argent an Land.” Sie blickt zum Plünderer. Wenn sie es bis hierhin geschafft haben,
„Toulon ist deine Stadt. Sieh zu, dass deine Schrotter genauso bluten wie meine dann geht es auch bis zum bitteren Ende.
Zugvögel. Wir greifen im ersten Licht der Sonne an.” Jeden Charakter überkommt neuer Mut
Dann wendet sie sich Mirage zu. „Und Meridian, sorge dafür, dass die Chronistin mit dem Eintritt der Schwarzen Schar in
an vorderster Front bei mir mit dabei ist. Wir werden Schilde brauchen. Ihr Anzug sieht das Kampfgeschehen. Bis jetzt verbrauch-
aus, als ob er Kugeln gut verträgt.” te Egopunkte füllen sich vollständig wie-
Sie macht auf dem Absatz kehrt und setzt sich in Bewegung. der auf.

THE KILLING GAME 173

 K A P I T E L

TAG DES PHÖNIX

05:59 AM

D E R TA G
DES PHÖNIX
1 5 . A M A N FA N G WA R D A S L I C H T
Es prickelt auf der Haut, als würde man in einem Bett aus Ameisen liegen. Anspan-
nung macht sich auf den Gesichtern der Schwarzen Schar breit. Dazwischen rüsten
sich Hamzas Schrotter. Die Rückeroberung Toulons beginnt jeden Augenblick. Die
Charaktere sind mittendrin.
Gruppen werden aufgeteilt, Schlachtpläne ermittelt, Offiziere bestimmt. Jeder ver-
fügbare Mann, jede kampferfahrene Frau wird gebraucht.
Hamza hat mit der Schwarzen Schar paktiert, um seine Stadt aus den Händen der
Eisenbrüder zu reißen. Nach zwei blutrünstigen Tagen und zwei zerstörerischen Näch-
ten haben sich zwei höchst unterschiedliche Mächte verbündet, um dem Morden und
den Plünderungen ein Ende zu setzen. In den Augen spiegelt sich Entschlossenheit
und der Wille, den Eisenbrüdern den Angriff heimzuzahlen und die unzähligen Toten
zu rächen, die dieser sinnlose Krieg gefordert hat.
„Kopfgeld! Für denjenigen, der mir das Haupt von Rattler bringt!”, schreit Callisto
zu den versammelten Apokalyptikern.
„Kopfgeld für jeden toten Eisenbruder. Freies Geleit in meinem Reich für den, der
meinen Bruder Nephraim findet und befreit”, ruft Hamza seinen Leuten zu.
Mit einem Ruck setzt sich die Unya in Bewegung. Die Enterschiffe und Trimarane
der Schwarzen Schar schwärmen aus. Terres Putain, Cour Argent und Ferrallies sind
die Ziele.

I . E I N G R A U E R TA G
Der Cour Argent ist mit einem grauen Nebel verhangen. Eine Brise hat eine Regen-
front über die Bucht getrieben und das ausgebrannte Herz der Stadt mit einem kurzen
Schauer benetzt. Der schwache Regen hat die letzten Flammenherde gelöscht, aus den
feuchten Schwelbränden quellen graue Schwaden, treiben träge aufwärts zum ankla-
genden Himmel.
Vor den Augen der Charaktere verbiegt sich das Panorama unwirklich. Der Glanz
von Toulon ist geschmolzen, verkohlt und ausgebrannt. Die Neolibyer sind gefallen.
Die Charaktere sind auf einem Jagdboot der Schwarzen Schar. Mit an Bord: Callisto,
zwei Dutzend Piraten, Hamza, Orma, sechzehn Schrotter und die Chronistin.
Mirages linkes Bein zappelt nervös. Sie ahnt, welches Schicksal ihr droht, wenn
Hamza den Palast zurücknimmt.
Das Jagdboot legt an Pier Sechs an, gleich bei der L’Orage, dem Feldlazarett der Spi-
 07:07 AM

talier. Die Gruppe geht von Bord, drei Apokalyptiker flankieren die Chronistin, lassen
sie nicht aus den Augen. Mirages Hände sind auf ihrem Rücken verbunden. Einer der
Piraten stößt sie vorwärts. „Beweg dich, Schlange!”
Armbrüste sind gespannt, Gewehre angelegt. Die Gruppe bewegt sich vorsichtig
über den Pier in Richtung Feldlazarett. Niemand hier soweit.
Callisto gibt den Charakteren ein Handzeichen, sie sollen das Lazarett westseitig
mit Orma und der Chronistengeisel umrunden. Sie geht mit Hamza und ihrer Gruppe
ostseitig herum.
Die Gasse vor ihnen ist leer. Schritt folgt auf Schritt.
„Was hat dich eigentlich dazu bewogen, Hamzas Schoßhund zu werden?”, fragt
Mirage plötzlich unvermittelt zu Orma hinüber.
„Es gibt Besseres, als in muffigen Alkoven herumzusitzen und auf Bildschirme zu
starren”, gibt er gehässig zurück.
„Wenn du mit uns tauschen würdest, dann hättest du den vollen Gewinn und nicht
nur eine erbärmliche Beteiligung”, sagt sie zynisch.
„Hält diese Schlampe eigentlich nie den Mund?”, fragt einer der Piraten ungläubig.
Plötzlich wirbelt eine staubige Zeltplane in die Luft, ein Eisenbruder mit weit aufge-
sperrten Augen hetzt darunter hervor. Er ist in Panik, versuchte, sich darunter vor der
herannahenden Gruppe zu verstecken, und nun sind ihm die Nerven durchgebrannt.
Er sprintet wie ein aufgeschrecktes Reh an der Gruppe vorbei. Ein Apokalyptiker denkt
nicht, handelt sofort. Ein Bolzen löst sich aus seiner Armbrust, durchbohrt den Hals
des Schrotters im Lauf. Der Eisenbruder kracht in einen ausgebrannten Stand hinein
und verendet röchelnd und elendig. Fässer und aufgebahrte Kisten brechen über ihm
zusammen, es scheppert laut durch die Gasse.
„Du Idiot!”, faucht Orma zu dem Piraten hinüber, sein Gesicht vor Wut verzerrt.

AUSSICHTSLOS
„Legt sofort die Waffen ab!”, schallt es auf einmal die Gasse hinunter. Schwarz-weiße VORURTEILE
Uniformen stehen im fahlen Tageslicht am Ausgang zur Straße. Spitalier. Remagnac Die katastrophale Auseinandersetzung
und seine Famulanten. Sie haben Teile ihrer Ausrüstung aus der L’Orage bergen kön- zwischen der Gruppe und den Spitaliern
nen, sind mit Spreizern bewaffnet und bilden beim Anblick der Gruppe eine Phalanx. lässt sich nur verhindern, wenn die Cha-
Remagnacs Blick ist von Entsetzen erfüllt – er hat die Hinrichtung des Schrotters mit- raktere schnell agieren und das Wort er-
angesehen. „Im Namen der Rückeroberer Toulons”, die Spitalier machen einen Ausfall- greifen. Haben sie Remagnac gerettet und
schritt in die Gasse hinein, die Spreizer senken sich in Richtung der Gruppe, „befehle ihm in vorangegangen Szenen geholfen,
ich euch, die Waffen abzulegen!” müssen sie Würfe auf CHA+Verhalten
Die Phalanx bewegt sich weiter. „Wir sind Hamzas Leute”, schreit Orma zurück (4) absolvieren, um die aufgeladene Si-
„wir sind geko...” tuation zu beruhigen. Der Spitalier ver-
„Warum habt ihr eine Chronistin als eure Gefangene?”, unterbricht ihn Remag- traut nach den chaotischen Ereignissen
nac scharf, seine Augen wandern misstrauisch über die Bewaffnung der Schrotter und der letzten Tage niemandem mehr und
Apokalyptiker. Orma blickt verständnislos zum Feldarzt hinüber: „Sie ist die Keim...” spult seine antrainierten Verhaltensmus-
„Helft mir!”, kreischt Mirage plötzlich dazwischen, stößt sich ab und rammt sich ter ab. Er sieht mit an, wie ein hilfloser
mit ihrer Schulter an zwei Apokalyptikern vorbei. Sie rennt auf die Spitalier zu. Rema- Schrotter umgebracht wird und dann hat
gnac ist fassungslos, er versteht die Situation nicht im Geringsten. die Gruppe auch noch eine Chronistin in
„Troia!”, brüllt ein Apokalyptiker von rechts, zielt mit seinem Revolver auf die ihrer Gewalt, die Angehörige eines Kults,
flüchtende Chronistin. der beste Beziehungen und Allianzen mit
„NEIN!” Orma ist zu weit weg, um den Schützen aufzuhalten. Die Charaktere ha- den Spitaliern pflegt. Remagnacs Nerven
ben eine letzte Chance. Ein erfolgreicher Wurf auf PSY+Reaktion (3) und sie können liegen blank. Er weiß, dass jedes Zögern
sich rechtzeitig auf den Schützen werfen. Ein Schuss löst sich, ricochetiert im stumpfen in diesem Krieg mit dem Tod seiner Leute
Winkel von der gegenüberliegenden Hauswand und trifft einen Famulanten im Bauch. bestraft werden könnte.
Der Spreizer fällt ihm aus den Händen, scheppert laut über das Pflaster. Zwei Kamera-
den reißen ihn sofort zur Seite, um ihn zu versorgen. Die Spitalier verstehen den Schuss
als Angriff und stürmen augenblicklich vorwärts. Mirage hetzt an den Spitaliern vorbei,
während Apokalyptiker und Schrotter das Feuer auf die Famulanten eröffnen.
„LASST SIE NICHT ENTKOMMEN!” Ormas Verzweiflungsschrei geht im Getöse
des aufprallenden Lanzenwaldes unter.
Die Charaktere haben keine Chance, in das Missverständnis einzugreifen. Beide
Seiten schlagen und stechen aufeinander ein. Blut besudelt den Boden.
Mirage hechtet zum Ende der Gasse. Sie müssen sich an der verkeilten Phalanx
vorbeikämpfen, um die Chronistin einzuholen.

THE KILLING GAME 177

 08:16 AM
ZWISCHEN FRONTEN
Die Charaktere sind zwischen allen Par-
teien verkeilt, niemand will hier auf sei-
nen großen Triumph verzichten. Zoe
macht ernst. Es ist ihre Gelegenheit sich
als Retter von Toulon darzustellen. Unter
ihrer Führung wurden die Eisenbrüder im
Cour Argent geschlagen. Der Gewinn, den
sie sich von ihrem Handeln verspricht, ist
die Freiheit von der Knechtschaft durch
die Kulte. Toulon, Franka, ihre Heimat.
Auf diesem Boden tragen fremde Mächte
ihre blutigen Fehden aus. Doch das soll
nicht so bleiben. Die Generalin ist zu al-
lem bereit, um Franka vom Joch der Un-
terdrückung zu erlösen.
I I . AT E M L O S
Mirage rennt um ihr Leben. Die Charaktere sind gerade aus der Gasse heraus, da sehen
sie Callisto, Hamza und die anderen Apokalyptiker um die Ecke stürmen, angelockt
vom Gefechtslärm hinter ihnen. Sie erblicken die Gruppe, dann die fliehende Chronis-
tin, tauschen verständnislose Blicke aus und hechten vorwärts.
Das Paradigma stürzt an den Zollhäusern vorbei, über Trümmerschutt und Ge-
stein, springt über Hindernisse, wirft keinen Blick zurück, sondern schlägt Haken wie
Freiwild. Sie ist flink, wendig, eine Getriebene. Die Charaktere müssen in einen Wider-
streit gegen Mirages Wert in KÖR+Athletik treten (6W). Ihr Vorsprung beträgt knappe
sechzig Meter.
„Hinterher!” Im Rücken der Charaktere hören sie Hamza und Callisto fluchen.
„Ausschwärmen!” und „Weg abschneiden!” und „Helft Orma!”
Mirage wirft sich in eine Seitengasse oberhalb der Raffinerie. Die Charaktere fol-
gen, rennen, springen über Körbe, Kisten, Leichen. Sie hetzt vorneweg.
Ein leuchtender Ausgang ist in Sicht. Sie stürmt hinaus, stolpert über ein ausge-
strecktes Bein und segelt in hohem Bogen, Gesicht voran, über den mit Steinen ge-
pflasterten Gehweg. Die Charaktere erreichen die Mündung der Gasse.
Eine Handvoll Flintenläufe gehen augenblicklich hoch, zielen auf die Köpfe der
Charaktere. Abzeichen der Resistance blitzen auf, die Halstücher und Kappen der Beau
Monde leuchten Blau in der gleißenden Morgensonne. Generalin Morceau hat Mirage
im Schwitzkasten, blickt mit erhobener Pistole zu den Charakteren. „Kein Fehltritt!”,
warnt sie die Gruppe. „Die Chronistin gehört mir.”
In dem Augenblick brechen Hamza, Callisto und die Apokalyptiker aus einer Ne-
bengasse von Osten her auf den Gehweg. Von Süden her werden sie alle plötzlich von
Orma und seinem Trupp aus Überlebenden flankiert.
„Mirage gehört uns.” Hamzas Gesicht ist verbissen, seine Worte zischen zwischen
seinen weißen Zähnen hindurch, seine Flinte hat er im Anschlag.
„Wir haben die ganze Nacht für Toulon geblutet. Ich habe unzählige Tote auf mei-
ner Seite. Wir haben die Eisenbrüder im Palast geschlagen und die Chronistin ist meine
Beute!”, sagt Zoe. Ihre blauen Augen sind kristallklar, auf ihrer Stirn zeichnen sich wü-
tende Furchen ab. Beau Monde und Resistance bilden einen Kreis um ihre Anführerin.
„Du kannst die Chronistin nicht haben! Sie ist die Einzige, die den Weg zum Täto-
wierten kennt.” Callisto spricht zornig, ihre Lippen spannen sich, die Repetierarmbrust
zielt auf Zoe. Die Generalin verzieht eine Augenbraue. „Wer ist diese Frau?”, fragt sie
verwundert in die Runde ihrer Beschützer.
„Callisto, die Herrin der Schwarzen Schar”, knurrt Orma zu ihr hinüber und macht
einen Schritt auf Zoes Wächter zu. „Sie ist hier, um uns zu helfen, Toulon zurück...”
„Die Resistance braucht keine Hilfe!”, schreit Zoe. „Wir haben uns die Stadt zu-
rückgeholt, während ihr feige auf eurem Scheißboot gesessen habt!”
Hamza macht einen Stechschritt vorwärts, seinen Gewehrkolben an die Schulter
gepresst, Zoe im Visier. „Hunderte meiner Geißler sind gefallen, dazu Hunderte Un-
schuldige und du willst dich um eine Geisel streiten?”
„Töte den Bastard, Zoe! Hamza ist der africanische Virus. Unter ihm kann es kein
freies Franka geben. Niemals!”, krächzt Mirage dazwischen, würgt blutigen Schleim
hoch und spuckt in Richtung des Plünderers.
Hamzas Gewehrlauf schwenkt langsam von Zoes Kopf zu Mirages. Orma bewegt
sich vorsichtig seitwärts. „BLEIB, WO DU BIST!”, brüllt ein Beau Monde in seine Rich-
tung. Schweißperlen sammeln sich auf der Stirn des jungen Gardisten. Die Situation ist
ein Patt für alle Beteiligten. Eine falsche Bewegung von irgendjemandem und es gibt
ein Massaker.
Mirage gurgelt, blutgetränkter Speichel tropft ihr aus dem Mundwinkel. „Du elen-
der Neolibyer, siehst du nicht, was du angerichtet hast? Du hast ein ganzes Volk gegen
dich erhoben.” Sie lacht spöttisch. Mit einem Ruck ihres Unterarms würgt die Genera-
lin das Gelächter ab und presst Mirage den kalten Pistolenlauf an die Schläfe.
„Du willst die Artefaktschlampe lebend? Dann gib mir dein Reich, Hamza! Wir
haben für die Stadt gekämpft – jetzt gehört sie der Resistance!” Zoes Blick ist eisern.
Drohend drückt sie den Pistolenlauf tiefer in Mirages Haut.
„Ich habe keinen Schimmer, wer du bist, Generalin.”
Callisto umrundet den Kreis von Zoes Beschützern. „Aber
wir Zugvögel plündern lieber die Schiffe von reichen Neo-
libyern als von armseligen Freiheitskämpfern.” Ein Lächeln
huscht über Callistos Gesicht. Die Charaktere müssen ei-
nen Wurf auf INS+Wahrnehmung (4) bestehen, um zu se-
hen, was Callisto sieht. Gelingt der Wurf, erkennen sie vage,
dass sich eine Gruppe Piraten von Westen heranschleicht,
genau im toten Winkel der Resistance. Callisto versucht,
Zoes Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, um sie abzulen-
ken.
STUNDE DER HENKER
Es ist ein Gefecht aus Blicken, zögerlicher Berechnung und
langjähriger Kampferfahrung. Die Pupillen der Anführerin
der Schwarzen Schar weiten sich und verraten den Plan.
Lassen Sie die Charaktere auf INS+Empathie (3) würfeln,
um den Moment des Angriffsbefehls in Callistos Augen ab-
zupassen. Sind sie erfolgreich, erhalten sie einen Bonus von
+2W auf den darauffolgenden Initiativewurf.
Jetzt!
Ein Bolzen löst sich zischend aus Callistos Armbrust
und durchbohrt Zoes Schulter. Im nächsten Augenauf-
schlag knallen Dutzende Schüsse gleichzeitig. Aus allen
Rohren wird gefeuert und die Situation gerät vollends au-
ßer Kontrolle. Die Charaktere müssen in Deckung hechten,
um nicht von einem Querschläger getroffen zu werden
oder eine gezielte Salve abzubekommen. Überall gehen
junge Kämpfer zu Boden, Kadetten werden zersiebt und
kollabieren im Gewehr- und Armbrustfeuer. Zwischen den
fallenden Soldaten erkennen die Charaktere Zoes Silhouet-
te. Sie zerrt die Chronistin hinter sich her und versucht,
über die letzte offene Gasse nach Norden auszubrechen, auf
Hamzas Palast zu. Die Charaktere sind am nächsten dran.
Nur sie können die Verfolgung rechtzeitig aufnehmen und
die Generalin daran hindern, sich mit ihrer Geisel hinter die
Palastmauern zu flüchten.
III. HETZJAGD
Zoe hat es erwischt, doch es macht sie nicht langsamer. Im
Gegenteil, sie hat nur ein Ziel: mit Mirage zu entkommen.
Die Chronistin ist ihr Druckmittel gegen Hamza, sie ist die
perfekte Geisel.
Die Charaktere können die beiden Flüchtenden durch
die nächste Gasse hindurch verfolgen. Zoe benutzt Mirage
als Schutzschild gegen jegliches Gewehrfeuer vonseiten der
Charaktere. Sie weiß, niemand von Hamzas Leuten würde
es wagen, die Chronistin versehentlich zu töten. Gleichzei-
tig zielt sie in die Gasse hinein und feuert Pistolenschuss
um Pistolenschuss auf ihre Verfolger. Kugeln stieben an den
Ohren der Charaktere vorbei.
Dort hinten, die Außenmauer des Palastes kommt ins
Bild. Jeden Moment kann Verstärkung für die Generalin aus
einer der vielen Nebenstraßen herausbrechen.
An einer Kreuzung haben sie Zoe endlich eingeholt. Sie
steht mit dem Rücken zu einem Eckgebäude. Nur ein Stra-
ßenzug trennt sie jetzt noch von der rettenden Festung.
„Was treibt Verräter wie euch dazu, mit dem Africaner
zu paktieren?”, keift Zoe von der anderen Straßenseite zu
den Charakteren hinüber. Ihr Pistolenlauf wankt nervös
umher, peilt mal den einen, mal den anderen Charakter an.
„Warum stellt ihr euch in den Weg der Freiheit? Seid ihr so
hörig, dass ihr jedem Hund, der euch Geld bietet, am Arsch-
loch schnüffelt?” Ihr Gesicht ist bleich, der Bolzen steckt tief
in ihrer Schulter, Blut tränkt den Mantel. Mirage steht aus-
gezehrt vor ihr. Zoe manövriert sie in Position, um mög-
lichst vollständige Deckung vor Angriffen zu haben. Mit
CHA+Verhalten (4) können sie versuchen, die Generalin in
ein Wortgefecht zu verwickeln, um sich Zeit zu erkaufen.
Ein Misserfolg zieht eine prompte Antwort nach sich. Zoe
versucht einen der Charaktere mit einem gezielten Schuss
außer Gefecht zu setzen.
„Verdammte Söldner! Die Welt wäre ein so viel besse-
res Scheißhaus, wenn Schweine wie ihr aus Überzeugung
kämpfen würden statt aus Habgier.” Ihr Blick ist angewi-
dert. Nichts kann sie zur Aufgabe zwingen. Für diesen Mo-
ment hat sie ihre besten Jahre geopfert. Sie ist ihrem Ziel so
nah wie nie zuvor.
Ein lauter Knall von links lässt die Charaktere aufschre-
cken. Zoes Handgelenk zersplittert in einer Blutwolke. Ihre
Pistole wird von der Wucht eines Projektils in weitem Bo-
gen durch die Luft geschleudert und landet irgendwo im
Staub. Die Generalin kreischt einen ohrenbetäubenden
Schmerzensschrei und wirbelt herum, um den Schützen
ausfindig zu machen.
„HÖR AUF!”, schreit eine leiernde Stimme eine laute
Warnung hervor. Vericon. Er steht mit zitternden Armen
auf der Veranda eines kleinen Ladens, in der Hand eine
winzige Pistole. Krampfhaft versucht er, seine Aufregung
zu unterdrücken, doch es gelingt ihm nicht.
Zoe stößt Mirage von sich. Ihre linke Hand greift nach
dem Offizierssäbel. Das Metall gleitet aus der Scheide und
sie stürzt auf den Bürgermeister zu.
„Ich bring dich um, du jämmerliche Zecke!”
In fünf schnellen Sätzen hastet sie über die Straße auf
Vericon zu. Sie ist schwer verwundet, doch nun brennen
der Generalin endgültig alle Sicherungen durch. Haben die
Charaktere keine Munition mehr, müssen sie gegen Zoe
in den Nahkampf gehen, um sie aufzuhalten. Da Vericon
ihre rechte Hand zerschossen hat, kämpft sie wie im Fieber
linkshändig weiter (-2W). Die Entschlossenheit, mit dem
Bürgermeister abzurechnen, treibt sie an die Grenzen einer
blinden Raserei.
Mirage erkennt ihren Moment. In zwei Atemzügen ist
sie auf den Beinen und brennt in Richtung Palast durch. Je-
mand muss sie aufhalten. Kann sich einer der Charaktere
aus dem Kampfgeschehen mit der Generalin lösen, kann er
mit der Verfolgung beginnen.
THE KILLING GAME 179
09:11 AM

16. EIN LEERER HIMMEL

Zwanzig Meter. Die Beine brennen unter Krämpfen. Zehn Meter. Die Lungen stechen,
als würden sie zu Asche verkohlen. Fünf Meter. 72 Stunden Krieg kennen kein Erbar-
men. Drei, zwei, eins, die Hand greift nach Mirages Schopf. Null: Aufprall!
Der schnellste Charakter stürzt mit der Chronistin in das weiche Gras des Palast-
gartens, schlittert über das nasse Erdreich, Grashalme wirbeln herum. Der Sturz presst
die Luft aus Mirages Lungen, sie stöhnt, schnappt nach Atem, reißt und zerrt, versucht
alles, um zu entkommen.
Die Charaktere haben die Flüchtige auf dem Boden von Hamzas einstigem Reich.
Der Anblick um sie herum ist deprimierend. Tote liegen über den gesamten Palast-
garten verstreut. Aufgespießt, zweigeteilt, erschossen. Eisenbrüder, Resistance, Geiß-
ler – der Tod macht zwischen Kulten und Klans keinen Unterschied. Die Augen sind
verdreht, die Körper entstellt. Es ist ein bizarres Schlachtfeld, vor dem Hintergrund der
verlorenen Schönheit dieses Ortes. Gespenstisch. Krank. Die Frau am Boden hat all das
hier zu verantworten. Gibt es einen Himmel, so ist er leer. Kein Gott würde ein solches
Gemetzel mitansehen wollen.
„Lasst mich los, ihr Affen!” Mirage zappelt und windet sich, spuckt Grashalme
aus und versucht sich aus dem Griff zu befreien. Dann Lärm hinter den Charakteren.
Durch das Loch, das Eisenhauer in die Außenmauer geschossen hat, dringen Hamza
und Callisto samt ihrer Piraten. Über das Südtor stürmen Orma und das übrige Kom-
mando schwarzer Schrotter und Apokalyptiker.
„Dein Hochmut ist nichts mehr wert, Plünderer, die Eisenbrüder haben dir die
Grundlage gestohlen”, ächzt die Chronistin.
Orma stürmt zu den Charakteren hinüber, geht in die Knie und boxt Mirage auf
die Nase, um sie zum Schweigen zu bringen.
„Orma!”, ruft Hamza bissig. „Sie bringt uns nichts, wenn sie tot ist.”
Sofort lässt der Schrotter von ihr ab und tritt entnervt die aufgewühlten Erdklum-
pen davon. „Sieh dir an, was sie angerichtet haben.”
Hamza schweigt, blickt ernst zu den zertretenen Blumenbeeten, versucht einen
Stängel aufzurichten, doch die Blüte senkt sich matt ins Beet zurück.
„Weiter”, sagt er entkräftet, bedeutet den Charakteren, Mirage hochzuhieven und
sie zu bewachen.
Der Tross umrundet das Fischbecken. Vier tote Eisenbrüder schwimmen kopfun-
ter an der Wasseroberfläche. Neben dem Becken zwei weitere. Und dort noch einer,
gleich neben einer hastig aufgebauten Feuerstelle. Zerschmetterte Stuhlbeine ragen
aus der Kohle heraus. Daneben breitet sich ein Teppich aus Fischknochen aus, Gräten
liegen überall im Gras verstreut. Die Schrotter haben Hamzas Sammlung leergefressen.
Angewidert wendet der Plünderer seinen Blick ab, schaut hoch zu den Zinnen der In-
nenmauer, um Bewegungen auszumachen.
Ein paar scheue Gesichter ragen zwischen den Mauerblöcken hervor.
„Ich bin Hamza Abubakar III., der rechtmäßige Herrscher von Toulon. Die Gene-
ralin Zoe Morceau ist tot. Ihr habt hart gekämpft und euch gebührt Dank. Legt eure
Waffen nieder und lasst uns unsere Kräfte sammeln!”, ruft der Plünderer die Mauern
empor. Oben herrscht Verwirrung.
„Öffnet das Haupttor und wir werden keinen Schuss abfeuern. Dieser Wahnsinn
muss ein Ende haben.”

I. HEIMKEHR
Zögerlich reagieren die Palasteroberer auf Hamzas Angebote und Zureden. Träge öff-
net sich das Portal am Haupteingang. Hamza, Callisto, Orma, die Charaktere und ihre
Gefangene Mirage schreiten voran.
Hinter ihnen der gesammelte Tross der Piraten der Schwarzen Schar. Jeder Apo-
kalyptiker, der nicht mit Meridian oder Sabata in den anderen Vierteln an Land gegan-
gen ist. Das Atrium gleicht dem Vorhof zur Hölle. Fliegen surren über den Leichen,
Rinnsale aus Blut mäandern zwischen dem zerschlagenen Bodenmosaik umher, mit
jedem Schritt bleibt man in einer Lache kleben. Gespaltene Schädel, verbrannte Lei-
ber. Wo immer der Blick hingeht, schält sich ein weiterer Toter aus dem Trümmerfeld.
Der Palast selbst ist nicht wiederzuerkennen. Herausgerissene Türen, zerschmettertes
Mauerwerk, ausgebrannte Fenster. Die Fratze des Neids zeigt ihr elendes Antlitz – wer
hier gewütet hat, der wollte jede Erinnerung an Hamzas Erfolg zerstören.
Sechs ausgemergelte Kadetten der Resistance kommen auf die Charaktere zu, le-
gen vorsichtig ihre Flinten zu Hamzas Füßen.
„Wo ist der Rest?”, fragt Hamza ohne zu zögern.
„Wir sind der Rest”, antwortet ein Kadett mit zerschossenem Ohr. „Die anderen
sind hinüber. Wir haben bis zum letzten Mann für Zoes Sache gekä...”
„Genug. Setzt nach Terres Putain und Port Lagagne über! Sagt den Menschen, der
Krieg ist vorbei! Sagt ihnen ebenfalls, sie sollen alles an Verpflegung bereitstellen, des-
sen sie habhaft sind! Ich zahle den doppelten Preis auf alle Waren.”
Dann dreht sich der Plünderer zu Mirage und spuckt ihr unvermittelt ins Gesicht.
„War es dir all die Toten wert, Chronistenfrau?” Seine Stimme zittert, seine Augen
sind glasig. Ein Speichelfaden rinnt über Mirages Stirn, baumelt von ihrer Braue. Ihr
Blick ist gesenkt, sie starrt auf ihre Füße und spricht leise und bestimmt.
„Du hast keine Ahnung von dem, was du redest, Neolibyer. Wenn du unser Wis-
sen hättest, wüsstest du, dass es jeden Toten wert ist, um die Zivilisation des Urvolks
wiederaufzubauen. Du kannst mir deine silberne Münzensammlung zeigen und mir
vom Wert deines Kapitals erzählen, soviel du willst. Mein Kapital ist der Stream…” Sie
hebt den Blick, der Speicheltropfen fällt zu Boden. „Und sein Wissen ist unerschöpf-
lich.” Hamzas Ohrfeige folgt ohne Vorwarnung und mit einem peitschenden Knall. Die
Chronistin stolpert zu Boden und bleibt entkräftet liegen.
„Durchsucht den Palast nach meinem Bruder Nephraim! Und tötet jeden Eisen-
bruder, der noch atmet!”

II. ERLÖSUNG
„Orma, bring die Chronistin ins Wachhaus! Ihr dort”, Hamza zeigt auf die Charaktere,
„hoch mit mir auf die Mauer! Ich will mir einen Überblick verschaffen.” Hamza läuft
mit den Charakteren eine Treppe zur Innenmauer empor. Unten schwärmen die Apo-
kalyptiker aus, um nach dem Halbbruder des Plünderers zu suchen. „Ich kann euch
nicht genug für eure Unterstützung danken. Wenn dieser Tag ein Ende hat, werde ich
neue Verbündete brauchen, um Toulon wieder aufzubauen.”
Sie sind auf der Innenmauer angelangt, über dem Eingangsportal.
Hamza blickt auf den zerstörten Cour Argent hinab. „Ich werde jede helfende
Hand benötigen. Ich brauche Botschafter, Menschen, die einen guten Draht zu den
anderen Kulten haben. Damit sich ein solcher Krieg nie wieder ereignet. Ich muss Brü-
cken bauen, auch wenn mein Herz nach Vergeltung schreit. Gemeinsam können wir
diese drei Tage vergessen machen. Wir können neu beginnen.“ Eine leichte Brise weht
vom offenen Meer über die Stadt, die See glitzert, der Himmel ist aufgeklart. Hamza
blinzelt vor Erleichterung, als könnte er seinen Augen nicht trauen.
„Dort!” Sein Finger deutet zum Horizont hin. Dann sehen die Charaktere es auch.
Drei gewaltige Schlachtkreuzer wabern wie eine Luftspiegelung über das Mittelmeer.
„Perpignan, Montpellier. Elani und Atuma haben unseren Hilferuf erhalten.” Seine
Schultern sacken nach vorn, fast stürzt er vor Erschöpfung über die Zinne.
Blicken sich die Charaktere zum Schloss hin um, lassen Sie ihre Spieler einen Wurf
auf INS+Wahrnehmung (3) machen. Bei Erfolg bemerken sie eine Reflektion, oben auf
der Aussichtsplattform. Erwürfeln sie einen Trigger, erkennen sie den Ursprung sofort.
Ein Gewehr. Scharfschütze.
Die Charaktere haben noch keine Zeit, um darüber nachzudenken, da stürmt ein
Pirat mit aufgerissenen Augen und wedelnden Armen aus der Kernhalle die Treppe
hinunter und brüllt:”BOMBE! BOMBE! BOMBE!”
Einen Sekundenbruchteil später detoniert das Atrium.

THE KILLING GAME 181

 10:10 AM
ZWEI MINUTEN
Baptiste hat in den frühen Morgenstun-
den die Schatzkammer unter dem Palast
mit Sprengladungen ausgekleidet und
mit einer Lichtschranke versehen. Als
die ersten Zugvögel in die Schatzkammer
aufbrechen, um nach Nephraim zu su-
chen, lösen sie die Zeitschaltung aus. Von
da an sind es nur noch zwei Minuten bis
zur ersten Detonation.
HEXELLS RACHE
Hexell hat sich während der Wirren der
letzten Nacht und der Rückeroberung
des Palasts auf die Aussichtsplattform
geschlichen und dort bis zum Morgen
ausgeharrt. Er ist bereit. Nur schweres Ar-
tilleriefeuer könnte ihm in seiner Kanzel
gefährlich werden. Sein Auftrag ist sim-
pel und erfordert die Perfektion seines
Könnens: so viele Zugvögel wie möglich
umbringen. Rattler hat seinen Henker
darauf gedrillt, dass dieser den heutigen
Tag nicht überleben wird. Doch er hat die
einzigartige Gelegenheit, mit dem Kult,
der ihn zum Meuchelmörder machte,
abzurechnen. Hexell zielt auf alle Apoka-
lyptiker, die er am Boden des Atriums, auf
den Palastmauern oder im Garten ausma-
chen kann. Andere Kultisten sind bedeu-
tungslos für ihn. Ist hingegen ein Apoka-
lyptiker unter den Charakteren, wird er
alles daran setzen, ihn zu erwischen. Ein
Fehlschuss verärgert Hexell so sehr, dass
er sich entsprechend in dem Ziel verbeißt
und einfachere Opfer außer Acht lässt.
Erkennen die Charaktere sein Schuss-
muster durch einen Wurf auf INS+Em-
pathie (4), können sie versuchen, Hexells
Salven von den verwundeten Apokalypti-
kern im Atrium abzulenken.
III. TOD VON OBEN
Die Explosion ist ohrenzerfetzend. Eine Druckwelle presst das Atrium in die Höhe, als
würde ein Riese einatmen. Der Boden wölbt sich, Piraten, Leichname, Trümmerteile
werden erbarmungslos von der rasenden Verpuffungswolke in die Luft katapultiert.
Dann sackt die Erdblase augenblicklich in sich zusammen.
Die Charaktere müssen einen Aktionswurf auf PSY+Reaktion (2) oder KÖR+Kraft
(2) ablegen, um nicht von der Druckwelle über die Mauer gefegt zu werden und zwan-
zig Meter tiefer im Palastgarten aufzuschlagen. Hamza klammert sich neben ihnen an
einer Zinne fest, versucht seinen Kopf vor herabfallendem Schutt und Steinquadern
zu schützen, die wie herrenlose Hunde ziellos durch die Luft jaulen und rund um den
Palastgarten einschlagen. Dann hagelt ein Gewitter aus Dreck, Staub und Erdkrümeln
über die Charaktere hinweg. Ein Blick über den Mauerrand. Das Atrium existiert nicht
mehr. Der Krater ist ein klaffendes Niemandsland, schwarz und tot.
„Die Schatzkammer”, flüstert Hamza ungläubig.
Eine aschegraue Staubwolke verdunkelt den Palast und den Himmel darüber.
Durch den Rauch stolpern überlebende Apokalyptiker und Schrotter. Verzerrte
Schmerzensschreie wehen zu den Charakteren auf der Innenmauer hinauf. Dann be-
ginnt eine erbarmungslose Schussfolge. Projektile jagen von der Aussichtsplattform
herab. Jede Salve ist ein Treffer, ein Apokalyptiker nach dem anderen wird mit gezielten
Schüssen exekutiert. Mündungsblitze flackern durch die Staubwand hindurch, alle von
derselben Position aus.
„HECKENSCHÜTZE!”, schreit Hamza zu den Charakteren hinüber, presst sich in
die volle Deckung hinter der Zinne. Der Plünderer steht unter Schock, sein Atem geht
stoßweise, seine Hände beben.
„Er ist auf der Plattform! Nur ein Weg nach oben. Über den Ahnentempel. Durch
den langen Korridor. Das Dach gibt euch Feuerschutz. Dann hoch zum Turm.” Er wirft
den Charakteren seine Flinte zu. „Noch vier Kugeln!”
Dann erhebt er sich mit zitternden Knien und versucht, an den Charakteren vorbei
zum Waffenhaus zu hechten. „Ich muss Orma finden!”, ruft er verzweifelt.
Die Charaktere haben keine Zeit zum Überlegen. Sie müssen vom Wehrgang run-
ter und den Palastgarten zum Ahnentempel im Schutz der Mauer umrunden. Eine ros-
tige Enterkette liegt keine zehn Schritt von ihnen entfernt. Eine Hinterlassenschaft der
Eisenbrüder. Mit ihr können sie sich außerhalb des Sichtfelds des Heckenschützen in
den Garten abseilen. Dann schlagen erneut Projektile ein. Der Schütze feuert wie im
Wahn auf jede Bewegung im Atrium.
I V. K E I N S T E R N
Herzrasen. Ein Fehler und der Tod reißt die Charaktere ins Verderben. Die Kette ist
an der Zinne befestigt. Runter. KÖR+Athletik (2), um nicht an der steilen Wand abzu-
rutschen und mit gebrochenen Knochen zwanzig Meter tiefer aufzuschlagen. Unten.
Durchatmen. Sie sind im toten Winkel des Schützen. Plötzlich, ein manisches Krei-
schen, laut wie eine herannahende Kettensäge. Sabata stürzt durch das Südtor, die lan-
ge Treppe hinauf, nimmt mehrere Stufen im Sprung. Eine Handvoll Piraten versucht,
mit ihr Schritt zu halten. Ihr Gesicht ist vor Entsetzen entstellt, die Augen aufgerissen,
als hätte sie in den Abgrund zur Hölle geblickt.
„ER IST HIER!”, schreit sie unerträglich laut.
Ein gezielter Schuss trifft sie mitten im Lauf, ihr Körper wird von der Treppe ge-
schleudert und sie schlägt wie eine zerschmetterte Puppe im Gras auf. Sie liegt re-
gungslos auf dem Rücken. Ein faustgroßes Loch klafft in ihrer Brust. Das Gesicht aus-
druckslos, die Augen in den Himmel gerichtet, als ob sie Sterne zählen würde. Doch es
scheint kein Stern. Sie ist tot.
Die Piraten hinter ihr versuchen vergeblich, zu ihrem Bussard vorzudringen, doch
die aufheulenden Schüsse mähen einen nach dem anderen von ihnen nieder. Jemand
rechnet hier mit Apokalyptikern ab. Ohne Gnade.
Die Charaktere haben keine Chance, irgendeinen von ihnen zu retten. Bewegen sie
sich von der Mauer weg, droht ihnen dasselbe Schicksal wie Sabata. Sie eilen vorwärts,
durchs Gestrüpp, unter Bäumen entlang, am Anubisschrein vorbei, Richtung Ahnen-
tempel.
 11:11 AM

V. D E R A B S O N D E R L I C H E
Eine nackte Anubierin liegt vor den Charakteren im Gras. Geschändet und erdrosselt.
Die Wangen sind hohl, die Augen seltsam verdreht. Haare wurden ihr büschelweise
herausgerissen, Blutergüsse übersähen ihren schmalen Körper, ein Strick hängt um ih-
ren dünnen Hals.
Fliegen stieben nervös auf, als sich die Charaktere der Initiantin nähern. Der Lei-
chenduft ist überwältigend. Da knallt es plötzlich laut aus dem Tempel heraus.
Ein Schrei dringt aus dem Inneren. Hetzen die Charaktere zu den Säulen hinüber,
können sie einen Blick in das karge Innere werfen.
Callisto liegt dort am Boden, ihr Unterschenkel ist von einem Schuss zerfetzt, ihr
Gesicht vor Schmerzen verzerrt. Sie ist starr vor Angst, ihr Atem überschlägt sich chao-
tisch. Sie versucht von der Stelle wegzukriechen, doch sie schafft es nicht.
„Hast du dich nie gefragt, was aus uns hätte werden können, wenn die Welt eine
andere wäre?” Männerstimme. Eine Figur schält sich aus dem Halbschatten des Tem-
pelinneren. Seine Gestalt ist ungreifbar, eine Tätowierung, die sich wie ein Irrgarten R AT T L E R S G E S P Ü R
über seinen gesamten nackten Oberkörper und Kopf spannt, lässt ihn wie ein Trugbild Der Phönix hat die Charaktere bemerkt.
erscheinen. Seine abgesägte Schrotflinte ist auf Callisto gerichtet. Er bewegt sich unstet, gibt ihnen kein
„Du bist der Phönix”, winselt die Apokalyptikerin. sauberes Ziel für einen Hinterhalt, statt-
„Das ist euer Name für das Unaussprechliche, für eure finstersten Ängste, Callisto. dessen umrundet er Callisto, mal steht
Warum nennst du mich nicht nach den Karten? Ich bin der Absonderliche. Ich throne er vor ihr, mal hinter ihr. Die Charakte-
auf dem Schöpfer.” Seine Stimme rasselt wie der Schwanz einer Klapperschlange. re müssen mehrfach ihre Position hinter
„Was willst du von uns? Warum tötest du uns?” Callisto schreit ihre Fragen hinaus, den Säulen des Ahnentempels wechseln,
als ob die Antworten den Wahnsinn beenden könnten. wenn sie einen wirksamen Angriff vorbe-
Der Tätowierte ergreift sie an den Haaren und zerrt sie auf den Altar. „Schau mir reiten oder das Geschehen im Inneren im
ins Gesicht!” Er presst den Lauf seiner Schrotflinte auf ihr Kinn. Auge behalten wollen.

THE KILLING GAME 183

 11:13 AM
ANTLITZ DES TODES
Der Kampf gegen Rattler ist die schwerste
Prüfung, der sich die Charaktere in den
letzten drei Tagen stellen müssen. Wer
auch immer Rattler ist, welche Motiva-
tionen er verfolgt oder woher er seinen
Vernichtungswillen befeuert, ist ihnen
unerklärlich. Doch sie alle fühlen seine
fremdartige Ausstrahlung, sehen sein
groteskes Verhalten und spüren seinen
absonderlichen Hass. Die alleinige Nähe
zum Phönix löst gewalttätige Urtriebe
aus, treibt die Charaktere an den Rand
der Raserei. Bestehen sie gegen den Phö-
nix, überkommt sie ein Gefühl von Er-
lösung. Im Kampf verlorene Egopunkte
regenerieren vollständig. Der Absonder-
liche ist tot.
„Wir waren mal Kinder. Du und ich. Das unschuldigste Leben auf Erden”, beginnt er.
„Wir wurden zu dem gemacht, was wir heute sind. Wir sind nicht mit Blut an den
Händen geboren worden, andere haben uns das Morden beigebracht.”
Callistos Pupillen irrlichtern umher, sie ist dem Wahnsinnigen und seiner Schuss-
waffe vollends ausgeliefert.
„Der Storch, der dich deinen Eltern geraubt hat. Ich habe ihn gefunden”, sagt er
überlegen, grinst seine Gefangene hämisch an. Callisto ist versteinert, sie versteht
nicht. „Ich musste ihn tagelang quälen, bis er sich an jedes Kind erinnerte, dass er je-
mals dessen Eltern gestohlen hatte.” Der Tätowierte senkt seinen Kopf ganz nah an
Callistos Ohr. Behutsam küsst er ihre Wange und presst den Lauf seiner Flinte unter
ihr Kinn, bewegt ihr Gesicht so, dass sich ihre Augen treffen.
„Mutter liebte uns. Du warst ihr Stern, ich ihre Sonne.” Seine Stimme bricht, seine
Worte sind trüb und schwer wie Blei. Callisto gefriert. Wie hypnotisiert starrt sie durch
den Tätowierten hindurch.
„Ich werde die Apokalyptiker vernichten. Für das, was sie uns angetan haben,” flüs-
tert er und zwingt seine Lippen auf ihren Mund. „Und ich beginne mit dir, Schwester.”
Dann wirbelt er plötzlich herum und feuert in Richtung der Charaktere.
VI. PHÖNIXFEUER
Rattler denkt nicht, er handelt. Jede seiner Bewegungen gleicht kaltblütiger Koordi-
nation. Er hechtet zwischen den Säulen umher, taucht aus der Deckung auf, lockt die
Charaktere in den Tempel hinein und dann wieder hinaus. Als würde er mit ihnen spie-
len. Der Phönix hat keine Angst vor dem Tod. Er weiß, dass es ihn früher oder später
erwischen wird, doch gerade seine Leichtsinnigkeit gibt ihm jetzt den Vorteil. Er wird
versuchen die Charaktere in den Nahkampf zu zwingen. Seine Schrotflinte nutzt er wie
einen Schlagkolben, wehrt Schläge ab und bricht Knochen.
Sein Tanz aus Ausweichen, Hechten, Seitwärtslaufen und in Deckung gehen ist
ein Verwirrspiel ohne Konzept, löst Verunsicherungen aus. Antrainierte Kampfmuster
greifen nicht gegen den Phönix. Mehr noch, er ist in der Lage, blitzschnell unter Schlä-
gen hindurchzutauchen, sich aus der Gefahrenzone zu begeben, nur um sofort wieder
gnadenlos an den Mann zu gehen. Er nutzt seine Gerissenheit gegen die Charaktere
aus. Jede Runde würfelt er PSY+Gerissenheit im Widerstreit gegen PSY+Gerissenheit
des Angreifers. Ist Rattlers Wurf erfolgreich, kann der Phönix mit GES+Beweglichkeit
ausweichen und der Angreifer vergräbt seinen Hieb versehentlich in einem anderen
Mitglied der Truppe. Ist ein Apokalyptiker unter den Charakteren, versucht Rattler ihn
gezielt von der Gruppe zu trennen und zu überwältigen.
Callisto versucht den Charakteren beizustehen, doch sie ist schwer verwundet und
kämpft mit einem Malus von -4W. Können die Charaktere Rattler in Richtung des Al-
tars manövrieren, versucht sie ihren Klingenarmreif in seiner Flanke zu vergraben.
Rattlers Gelächter erfüllt den Tempel jedes Mal, wenn eine Aktion der Charaktere
daneben geht. Er verhöhnt sie laut, provoziert sie: „Na kommt schon. Das geht besser.”
Dann stürmt er vorwärts und schlägt einem der Charaktere im Lauf den Gewehrkol-
ben auf die Schläfe. Nur gemeinschaftlich ausgeführte Aktionen sind in der Lage, dem
Bewegungsmuster des Phönix beizukommen und seiner Gewalt ein Ende zu setzen.
Die Charaktere müssen ihn gemeinsam umzingeln und einer von ihnen muss zu einem
gezielten Angriff übergehen. Ist der gezielte Angriff ein Misserfolg, kommt die Vergel-
tung sofort und Rattler greift aus der Verteidigung heraus den Charakter an, der den
Hinterhalt legen wollte. Ein solcher Gegenangriff des Phönix muss mit einer Erschwer-
nis von -3W pariert werden.
Im Gefecht wird Rattler versuchen, einen der Charaktere als Geisel zu nehmen.
Gelingt es ihm, einen Charakter in den Nahkampf zu ziehen, wird er versuchen ihn
von hinten zu umklammern und als Deckung gegen Schläge und Schüsse zu benutzen.
Der gefangene Charakter muss einen Widerstreit mit KÖR+Faustkampf/Kraft gegen
Rattlers KÖR+Faustkampf (10W) gewinnen, um sich aus dem Würgegriff zu befreien.
Der ausgebrannte Phönix kämpft bis zum bitteren Ende. Er ist ein Mörder, der kein
Gewissen kennt. An seinen Händen klebt das Blut von Hunderten. Er wird sich nicht
ergeben, sondern lachend zur Hölle fahren. Sein Untergang ist seine Bestimmung und
sein Pfad in die Unterwelt ist gepflastert mit den Leichen seiner Gegner.
 11:59 AM

VII. DER HECKENSCHÜTZE

Callisto schleppt sich zu Rattlers Leichnam hinüber. Sie ist überwältigt von den Erfah-
rungen der letzten Minuten. Fieberhaft sucht sie sein erstarrtes Gesicht nach etwas
Vertrautem ab, ihre Lippen beben, ihre Hände gleiten über Rattlers blutverschmierten
Körper. Mit den Fingern fährt sie die Linien seiner Tätowierungen nach. Was auch
immer er über Callisto wusste, es war mehr, als die Apokalyptikerin über sich selbst
weiß. Erschöpft bricht sie über ihrem Bruder zusammen, kann ihr Schluchzen nicht
länger unterdrücken.
Plötzlich dämmern die pfeifenden Schüsse von der Aussichtsplattform zurück in
die Gegenwart. Der verdammte Heckenschütze ist noch dort oben. Die Charaktere
müssen raus und durch den Korridor. Sie rennen durch den langgezogenen, überdach-
ten Flur. Nur ihre Schritte hallen über den Marmor, untermalt von aufpeitschenden
Projektilen, die sich in die letzten lebenden Körper versenken. Hinauf.
Die Treppen winden sich wie eine überdimensionale Schraube nach oben, bis zur
Krone. Jeder Meter ist eine absurde Qual, jede Stufe ein neues Foltereisen in diesen
nicht enden wollenden Kriegsstunden. Auf dem letzten Absatz kommen den Charak-
teren tote Eisenbrüder entgegen. Erschossen.
Endlich, ein Rechteck aus Licht, die Tür zur Plattform. Staubflocken wehen in den
Turm hinein, die Schritte knarzen auf den morschen Holzbohlen. Heimlichkeitswürfe
sind um -2W erschwert.
Ein Blick durch das Rechteck, die Charaktere können nichts erkennen. Sie müssen
hinausstürmen und sofort nach allen Seiten sichern, denn der geradlinige Blickwinkel
vom Treppenhaus und der Zugang auf die Plattform geben ihnen keine Gelegenheit für
einen Überraschungsangriff.

IM HIMMEL DES TODESENGELS

Die Charaktere stürmen auf die Plattform hinaus. Dichte Rauchschwaden ziehen vor-
bei. Glutfunken stieben vom Wind getragen aufwärts.
Linksseitig sitzt ein Mann an das Geländer gelehnt. Stille. Sein Präzisionsgewehr
liegt neben ihm. Unter seiner seltsamen Brille blickt er zu den Charakteren auf. Die
Augengläser verfärben sich automatisch, schwenken von Orange zu Purpur, arretieren
sich im Gegenlicht, die Blenden ziehen sich mechanisch zusammen und stellen die
Augenlinsen scharf. Alles eine Sache von Sekunden.
Er zeigt sich weder überrascht, noch macht er Anstalten anzugreifen. Stattdessen
gluckst er ein schräges Lachen, zeigt seine gelben Zähne und zieht an einem aufgeroll-
ten Tabakstengel.
Der Heckenschütze spricht keinen Ton, richtet sich bedächtig auf und klopft sich
den Staub vom Mantel. Dann hebt er langsam die Hände, als wolle er sich ergeben,
und macht einen Schritt rückwärts zum Geländer. Sein Benehmen ist wirr, als ob er
seine innere Belustigung nicht beherrschen kann. Er reagiert nicht auf Fragen, sondern
keucht immer wieder unbeherrschtes Gelächter hervor. Eine Windböe ergreift seinen
Mantel, der Stoff flattert wie ein schwarzes Flügelpaar.
Nähern sich die Charaktere, macht der hagere Mann einen vollen Schritt rück-
wärts. Sein Kopf senkt sich seitlich, als ob er jede Reaktion der Charaktere durch seine
getönten Linsen beobachtet.
Dann blickt er plötzlich zum Palast hinunter, seine ausgestreckte Hand ballt sich KURZSCHLUSS
zur Faust, nur der Daumen ragt heraus. Versuchen die Charaktere zu erkennen, wem Brennen den Charakteren beim Anblick
das Handzeichen gegolten hat, sehen sie mehrere Figuren auf dem gegenüberliegenden Hexells die Nerven durch und richten sie
Dach der Kernhalle. Durch die Rauchschwaden hindurch können sie Hamza, Mirage den Heckenschützen augenblicklich hin,
und Orma ausmachen. Doch da sind noch zwei weitere Männer. Der Qualm ist zu verhält sich die Szene nicht unähnlich.
dicht, die Gestalten zu unscharf – sie verschwimmen im verschleierten Hintergrund. Der Meuchelmörder macht keine An-
Den Charakteren bleibt kein Herzschlag Zeit, um die Situation einzuschätzen, da zeichen sich zu wehren. Er nimmt seinen
lehnt sich der Heckenschütze mit einen Satz rückwärts und stürzt wortlos über das Tod furchtlos in Kauf.
Geländer. Selbstmord. Nach seinem Tod, erkennen die Cha-
Die Gruppe kann gerade noch zum Rand hetzen, um seinen Körper unten im Kra- raktere die Gruppe aus fünf Silhouetten
ter einschlagen zu sehen. Eine graue Aschewolke quillt kreisrund auf, als hätte man auf dem niedriger liegenden Hausdach
einen Stein in ein tiefes, staubiges Loch geworfen. Der Schütze liegt mit ausgestreckten der Kernhalle. Zusätzlich erlangen sie He-
Armen und Beinen im Schutt, der schwarze Mantel formt Schwingen. Wie ein gefalle- xells Polarisationsbrille, die ihnen in der
ner Engel. Ein Todesengel. nächsten Szene behilflich sein kann.

THE KILLING GAME 185

 00:00 PM
PRÄZISIONSTREFFER
Das Gewehr liegt perfekt in der Hand,
austariert, leicht wie eine Feder und doch
tödlich in seiner Zerstörungskraft. Ein
gezielter Schuss kann Nephraim erlö-
sen und dem Drama auf dem Dach ein
Ende setzen. INS+Wahrnehmung (2),
um den richtigen Augenblick abzupas-
sen und im selben Moment abzudrücken.
GES+Schusswaffen (5), um die Kugel in
der Stirn des Hellvetikers zu vergraben.
VIII. DIE STUNDE NULL
Die Charaktere müssen handeln. Hexells Präzisionsgewehr liegt dort, vollständig
durchgeladen. Legt einer der Charaktere an und blickt hindurch, macht er sofort Orma
und Mirage aus. Hamzas Vetter hat einen Bauchschuss erlitten, hält sich seine Wunde
verkrampft. Mirage wankt von einem Bein zum anderen, kann vor Erschöpfung kaum
noch gerade stehen. Hamza steht vor ihnen, seine Bewegungen sehen aus, als ob er
verhandeln – nein, als ob er flehen würde. Schwenkt das Zielfernrohr weiter, erkennen
sie einen rotbärtigen Hellvetiker mit einer Geisel. Nephraim.
Augen, Mund und Hände sind dem Anubier verbunden, eine schwere Kette hängt
um Nephraims Hals. Die Kettenglieder hängen von seiner Schulter herab und führen
wieder aufwärts zum Hals des Hellvetikers. Der Rotbärtige hat seine Geisel an sich
gekettet.
Die Charaktere verstehen kein Wort von dem Gespräch, das unten stattfindet, se-
hen nur, wie der Hellvetiker seinen Gefangenen wie eine Puppe an den Haaren vor sich
herbewegt und ihm sein Sturmgewehr an den Kopf hält. Nephraim sieht schrecklich
zugerichtet aus. Der Anubier blutet aus etlichen Wunden und sein linkes Bein scheint
gebrochen. Der Hellvetiker selbst ist blutverschmiert, als wäre er durch ein Schlacht-
haus gerobbt. Sein Harnisch ist verdreckt, sein Blick verbissen und irr zugleich. Ein er-
folgreicher Wurf auf INS+Empathie (3) und der Charakter erkennt, dass der Hellvetiker
nicht auf Hamzas Angebote reagiert, stattdessen droht er dem Neolibyer mit etwas.
Was genau, lässt sich nicht sagen. Die Situation ist undurchsichtig. Plötzlich blickt der
Hellvetiker hinauf zur Plattform, genau in die Linse des Scharfschützengewehrs. Es ist
der einzig richtige Moment. Ein gezielter Schuss und der Geiselnehmer ist tot. Nur ein
letzter Schuss.
DIE LETZTE KUGEL
Das Projektil löst sich aus der Kammer wie ein wütender Komet, der die Atmosphäre
zerschneidet. Das Geschoss kreischt endlos lang über das Atrium hinweg, da hat sich
die Kugel längst mit 5.000 Fuß pro Sekunde durch den Kopf des Hellvetikers gebohrt
und seinen Schädel in Stücke gerissen.
Eine Blutfontäne zischt meterhoch und prasselt wie feuchter Nebel auf den zusam-
mengebrochenen Körper des Geiselnehmers. Die Wucht des Aufpralls hat Nephraim
zu Boden geworfen, blind und taumelnd versucht er sich aufzurichten.
Hamza und Orma blicken entgeistert zu den Charakteren hoch. Sie brechen in
Panik aus, rennen zum Leichnam hinüber, zerren an der schweren Eisenkette. Hamza
ist bei Nephraim, nimmt ihm die Augenbinde ab, löst den Knebel, rüttelt wie im Wahn
an der Kette, schreit zu Orma hinüber. Der Schrotter schreit zurück, zieht an dem Hal-
seisen, das sich um den Nacken des toten Hellvetikers spannt, versucht alles, um es
irgendwie über den zerschossenen Schädel zu stülpen. Hamzas Bewegungen sind ohn-
mächtig, sein Gesicht vor Entsetzen bis zur Unkenntlichkeit verzerrt. Orma schlägt wie
verrückt auf den Schädel ein, versucht den Kiefer zu brechen, um das Eisen über die
Knochen zu schaben. Mit letzter Kraft treibt er einen stählernen Kolben dazwischen,
hebelt, presst, als ob sein Leben davon abhinge.
Plötzlich werden beide Männer still, schauen einander verloren an. Hamza hält
Nephraims Gesicht mit beiden Händen, spricht zu ihm, versucht seinen Bruder, von
der Kette zu befreien, doch es geht einfach nicht. Orma hastet zu Hamza hinüber, reißt
ihn am Hals rückwärts, zerrt ihn von Nephraim weg. Der Anubier wankt, versucht sich
gleichzeitig in die andere Richtung zu bewegen. Die Kette spannt sich und zieht den
Leichnam im Halbkreis hinter sich her.
Hamza wehrt sich gegen Ormas Griff, will zu seinem Halbbruder zurück, doch
der schwarze Schrotter kämpft mit aller Kraft dagegen an, würgt und schleift seinen
Herren zum Rand des Daches.
Die zusammengebrochene Mirage kauert dort kraftlos und ohne Fluchtwillen.
Orma greift mit seiner freien Hand nach ihren Haaren, reißt sie mit einer unbarm-
herzigen Bewegung auf ihre Beine und wirft sich mit ihr und Hamza vom Dach zum
darunterliegenden Stockwerk und aus dem Blickfeld der Charaktere. Nephraim macht
noch zwei Schritte, kollabiert schließlich vor Erschöpfung.
Er wirft einen letzten Blick über seine Schulter, zum Hellvetiker, an dessen Hals
sein Leben hängt. Dann geht alles in Flammen auf.
 00:01 PM

AL L TH AT IS NE C E S S A RY
FOR EVIL TO TRIUMPH
IS FOR GOOD MEN
TO DO NOTHING
[BURKE]

IX. FLAMMENMEER
Die Explosion auf dem Dach der Kernhalle zertrümmert das gesamte dritte Stock-
werk. Der Lichtblitz überflutet die Charaktere oben auf der Plattform, schwarze Sterne
funkeln vor ihren Augen, der Boden unter ihren Füßen wankt bedrohlich. Der Palast
knackt entzwei. Ein gewaltiger Riss gähnt in der Front, dehnt die Architektur ausein-
ander. Ziegel und Zinnen brechen in den Atriumskrater hinab, granulieren im Fall zu
mehligem Steinpulver. Die Charaktere haben mit ihrem erlösenden Schuss Nephraims
Ende eingeläutet. Ihr Handeln war sein Verderben.
Doch es endet nicht. Kein Atemzug vergeht, da brandet der Knall einer gewaltigen
Explosion von Osten her. Die Charaktere haben noch Zeit, ihre Hälse zu wenden, da
sehen sie, wie das Modul in Ferrallies in die Luft fliegt, als hätte jemand eine Granate
in einen Ameisenhaufen geworfen. Ein Energieblitz peitscht durch die Explosionswol-
ke hindurch, entlädt sich an umhersegelnden Holzmasten, taumelnden Metallblechen
und pulverisierten Gesteinsklumpen. Eine Kettenreaktion folgt prompt. Entlang ei-
ner gedachten Linie vom Modul aus nach Cour Argent entzündet sich eine Perlen-
schnur kleinerer und größerer Explosionen. Der Lärm ist so überwältigend, das Beben
so einschüchternd, dass es sich anfühlt und aussieht, als ob die Erdkruste mit einem
Schlag aufplatzen würde. Weiße Feuerblasen rasen zum wolkenlosen Blau des Him-
mels hinauf, geschmolzenes Metall regnet in gleißendem Farbenspiel ins Meer hinab,
menschengroße Trümmerstücke katapultieren zornig durch die Luft und regnen wie
wütende Faustkeile auf die Stadt herab.
Im Westen, in Terres Putain grollt der Boden auf. Am Camp der Resistance, am
Schlachthaus und in der Innenstadt folgen drei Donnerschläge unmittelbar aufeinan-
der. Ein Wirbelsturm aus Verpuffungsqualm und explodierenden Häuserzeilen wächst
himmelwärts, pulsiert durch sämtliche roten und gelben Farbspektren und bricht end-
gültig als braune Schuttwolke in sich zusammen. Selbst im fernen Port Lagagne leuch-
ten Feuerbälle auf.
Baptistes Totmannschalter hat funktioniert. Die Charaktere haben Toulons
Schicksal besiegelt.

THE KILLING GAME 187

X. ÜBERLEBEN
Die Charaktere haben den Untergang Toulons vom besten Aussichtsplatz der Stadt
mitangesehen. Vielleicht sind sie sich ihrer Schuld noch nicht bewusst. Vielleicht sitzt
der Schock zu tief. Vielleicht begreifen sie die Konsequenzen ihres Handelns erst in
wenigen Tagen.
Wollen die Charaktere nach Überlebenden im Palast suchen, müssen sie von der
Plattform runter. Der Abstieg ist seltsam still. Die Minuten fühlen sich an wie Stun-
den. Draußen. Der Heckenschütze hat ganze Arbeit geleistet. Nichts bewegt sich. Kein
Körper rührt sich. Die Charaktere waten durch ein Massengrab. Kein Vogel zwitschert,
nicht mal der Wind gibt sich Mühe. Von überall schweben kleine Ascheflocken herbei,
beißen in den Augen. Der Boden fühlt sich noch immer warm an von der Explosion in
der Schatzkammer, vom Krater her wabert ein heißer Luftstrom herauf.
Ein Mammutzahn liegt einsam auf dem Weg durch den Garten. Die Gravuren des
Reliefs sind noch intakt, die Geschichte eines fernen Klans, irgendwo im östlichen Pol-
len, ist darauf eingekerbt. Erinnerungsstücke und Trophäen aus Hamzas großer Halle
ragen aus dem kurzgeschorenen Gras. Einst bedeuteten sie den Reichtum des Plünde-
rers, markierten seine Macht und seinen Einfluss. Jetzt sind sie bedeutungslose, sinnlo-
se, zerborstene Scherbenhaufen.
Die Charaktere umrunden die Kernhalle auf dem Weg zu den Gewächshäusern.
Dort drüben können sie Hamza erkennen. Er kniet mit dem Rücken zu den Charakte-
ren, umgeknickte Sträucher und abgerissene Äste umrahmen seine zusammengekau-
erte Form.
Nähern sich die Charaktere, sehen sie Mirage etwas weiter abseits im Gras sitzen.
Orma liegt entkräftet auf der Seite, atmet flach, die Augen halb geschlossen, seine Hän-
de in seiner Bauchwunde verkrallt.
Mirage glotzt auf einen leeren Punkt zu ihren Füßen, ein Speichelfaden rinnt ihr
aus dem Mundwinkel. Sie hat keine Kraft mehr, um sich der Gefangennahme zu wi-
dersetzen. Machtlos, kultlos, hilflos sitzt sie zwischen angesengten Grashalmen und
wartet auf ihr Todesurteil. Ihre Mission ist misslungen, sie ist in feindlichen Händen.
Übergibt Hamza sie an die Geißler, wird sie Franka nie wiedersehen.
Blicken die Charaktere zu Hamza hinüber, erkennen sie augenblicklich, dass sich
der Plünderer über den toten Nephraim gebeugt hat. Er hält seinen Bruder im Schoß,
wippt wie in Trance hin und her, sein Gesicht starr vorwärts gerichtet, die Zähne in
der Unterlippe vergraben. Seine Augen sind wässrig, Tränen ziehen Furchen durch die
staubbedeckten Wangen. Eine hölzerne Schatulle liegt offen vor ihm.
Seine Hände zittern vor Zorn, der silberne Dinar seines Vaters kommt in seiner
Handfläche zum Vorschein. Behutsam presst er ihn auf die verbrannte Stirn seines
Bruders, drückt das Silber in die geschundene Haut, schluchzt. Seine Schultern beben.
Seine Arme umschließen seinen toten Bruder, als könnte seine Umarmung ihn wie-
dererwecken.
„War es das, was du sehen wolltest, Mirage?” Hamzas Worte sind von Hass ge-
tränkt, jede Silbe faucht er zwischen seinen Zähnen hindurch.
„Wolltest du mich brechen sehen?” Er würgt. „Du hast es geschafft. Dein Kult hat
es geschafft.” Wimmern mengt sich in die wütenden Worte.
„Du hast alles, was gut in meinem Leben war, alles, wofür es sich zu leben gelohnt
hat, zerstört!”
Mirage schaut von ihrem Sitzplatz in Hamzas Richtung. Fast erscheint es, als ob
sie so etwas wie Mitleid empfinden könnte, als ob sie erst jetzt die Gesamtheit ihrer
Handlungen begreifen würde.
„Wenn ich noch eine Kugel in der Kammer hätte, würde ich dir den Kopf wegbla-
sen”, mischt sich Orma dazwischen. Er stemmt sich auf. Blutend kriecht er zu Mirage
hinüber und legt ihr die Finger um den Hals, doch er hat keine Kraft mehr, um zuzu-
drücken. Sein Mund schäumt. Sämtliche Äderchen in seinen Augen sind geplatzt.
„Nein, Orma!” Hamzas Stimme ist eisern. „Wir sind besser als sie.”
Orma versteht Hamzas Reaktion nicht, doch lässt er von Mirages Hals ab.
„In einem Buch des Urvolks steht geschrieben, dass Königsmord die schlimmste aller
Sünden ist.” Verachtung schwimmt auf den Worten des Plünderers. „Eine Sünde, so
groß, dass sie die Diplomatie, nein, die Zivilisation selbst in Frage stellt. Wer Könige
tötet, ist ein primitiver Barbar.”
Mirage horcht auf.
vWir töten keine Könige,” sagt Hamza zynisch. „Chronisten töten Könige.”
Für einen Augenblick herrscht Stille. Nichts rührt sich. Orma beobachtet seinen
Herren stumm. Mirage will eine Antwort geben, doch sie hat keine Argumente.
Dann schallt plötzlich das Schiffshorn eines Schlachtkreuzers am Nordhafen. Per-
pignan und Montpellier sind eingetroffen. Orma bricht vor Erleichterung zusammen,
lacht irr in das Gras hinein, kann nicht glauben, dass er die Strapazen der letzten Tage
überlebt hat. Er schielt verstohlen zu den Charakteren hinüber. Hoffnung strahlt in
seinen Augen. Hamza blickt zu ihnen auf. Er nickt dankend und ehrfurchtsvoll. Seine
Augen sind aufrichtig und klar. Er ist gemeinsam mit der Gruppe durch die Hölle ge-
gangen. Ein Schicksalsband verbindet ihn mit den Charakteren.
Sie haben kaum eine Sekunde, um Hamzas Blick zu beantworten, da raschelt es
plötzlich im Gebüsch. Eine schemenhafte Figur in grauem, bodenlangem Mantel und
mit Kapuze über dem Kopf stürmt aus dem Gestrüpp, eine schwere Pistole im An-
schlag. Sechs Schritte und sie ist über den Rasen hinweg, stürmt auf Mirage zu. Ein
Schuss löst sich. Dann ein zweiter. Munitionshülsen rotieren durch die Luft. Ein dritter
Schuss. Der Attentäter ist ganz nah, die Maske, die er trägt, ist eine alte Bekannte. Ein
vierter Schuss. Die Gedanken der Charaktere überschlagen sich, ihre Waffen gehen in
Position. Fünfter Schuss. Decoy 5. Sechster Schuss. Kopftreffer. Mirage schlägt im Gras
auf. Das Magazin ist leergeschossen.

FIN

THE KILLING GAME 189

EPILOG
a Der Krieg um Toulon ist vorbei. Die verheerende
Bilanz der letzten Tage: 1.200 Tote, über 1.600
Verwundete. Die Geißler und die Resistance wurden
vollständig ausradiert. Der harte Kern der Eisenbrüder
ebenso. Anubier aus Montpellier veranstalten über
Tage hinweg eine Bestattungszeremonie für die
africanischen Gefallenen. Die Toten werden dem
Meer übergeben. Auf brennenden Flößen treiben sie
hinaus aufs offene Meer.
a Hamzas Reich ist zerstört, doch der Plünderer denkt
nicht daran aufzugeben. Er will Toulon wieder
aufbauen, mit eisernem Willen und der Unterstützung
seiner Verbündeten. Seine Glückssträhne jedoch ist
gerissen. Als er mit der Handelsbank Kredite für den
Wiederaufbau verhandeln will, findet sich kein einziger
Seelenwäger in Tripol, der für den Plünderer bürgen
möchte. Hamza muss den Großteil seiner Besitzungen in
Africa abtreten, um an frisches Kapital zu kommen. Reißt
seine Glückssträhne erneut, ist er ruiniert.
a Mirage ist tot. Die Chronisten haben ihr wertvollstes
Paradigma verloren. Über Wochen setzen sie alles
daran, die Spuren, die nach Aquitaine und Justitian
zurückführen, zu verwischen. Dementi folgt auf
Dementi. Währenddessen bemüht sich der zentrale
Cluster um Schadensbegrenzung und eröffnet die
Jagd nach den wenigen Überlebenden von Operation
Mirage. Wieder schwärmen Shutter aus, um die
letzten Hintermänner kaltzustellen. Die Aktion wird
vom Skalar Nullify koordiniert und überwacht.
a Decoy 5 steht auf der Todesliste des zentralen Clusters.
Er weiß zuviel. Sowohl über Operation Mirage als auch
über die Fragmente, die die Operation von Justitian
aus steuerten. Der Cluster sucht händeringend
Meuchelmörder, die sich des Shutters annehmen. Am
besten geeignet für den Auftragsmord: Kultisten, die
mit den Chronisten verfeindet sind, damit sich die
Spuren nicht zurückverfolgen lassen.
a Orma hat Dutzende seiner treuesten Männer verloren.
Der schwarze Schrotter hat schwere Monate vor sich. Er
muss neue Schrotter ausbilden, seine Arbeit von vorne
beginnen. Doch ihm gehen die Marduk-Öl-Reserven
zur Neige. Die Expeditionen in die Rhône-Sümpfe
werden immer riskanter. Hamza hat nicht die Mittel,
neues Marduk-Öl zu importieren, sein Kapital ist im
Wiederaufbau gebündelt. Doch wenn Orma keinen
Erfolg in den Sümpfen hat, kann auch Toulon nicht zu
seinem alten Glanz zurückkehren. Die beiden Africaner
stehen unter Zugzwang. Das Marduk-Öl ist die Essenz
des Erfolgs.
a Zohra nimmt die Arbeit im Consulat erneut auf.
Die Neolibyer sind geschwächt und sie weiß, dass
ihre Verhandlungsbasis nicht dieselbe wie vor den
Kriegstagen ist. Dennoch fragt sie jeden Botschafter
und jeden Gast nach dem Kartell aus. Die borcische
Schrottervereinigung, die den Offizier Deich nach
Toulon geschickt hat, ist mit einem blauen Auge
davongekommen und taucht fast überhaupt nicht in der
Aufklärung der Ereignisse auf. Zohra will das ändern. Sie
heuert Mittelsmänner an, die sich im Protektorat nach
den Hintermännern des Kartells umhören sollen. Sie
plant etwas. Revanche.
a Die Atmosphäre zwischen Neolibyern und Chronisten
in Franka ist vergiftet, mehr noch, als sie es ohnehin
schon war. Die Reaktionen sind offen feindselig. Alkoven
werden mit falschen Wechseln geflutet, Schrottern
wird zusätzlicher Sold für africanische Missionen
geboten, neolibysche Händler werben Schätzer an,
um Artefakteinkäufe zu überwachen. Perpignan und
Montpellier verurteilen den Angriff auf Toulon aufs
Schärfste, auch wenn sich im Cluster von Aquitaine kein
einziges Fragment zu Operation Mirage bekennen will.
a Ferrallies ist vernichtet. Das Modul ist vollständig
zerstört. Toulon braucht ein neues Stromnetz. Der
Leitposten Morvant bietet seine Hilfe an, wenn die
Hellvetiker im Gegenzug freie Petrolieferungen für die
Alpenfestung bekommen. Hamza schlägt zerknirscht
ein, eine seiner Haupteinnahmequellen bricht weg.
a Nestor hat überlebt. Gemeinsam mit zwölf seiner
besten Männer hat er sich in der Nacht vor der
Rückeroberung davongestohlen. Auf dem Brandweg
ist er mit allen geplünderten Schätzen, die seine
Männer tragen können, über Ducal nach Purgare
geflohen. Er will Borca über den Schweren Pfad hinter
Bergamo erreichen, um die schwer bewachte Berner
Passage zu umgehen. Im Gepäck trägt die Gruppe ein
Vermögen bei sich, und Nestor will einen Neuanfang
für sich und seine Männer in der Heimat. Nächstes
Ziel: Protektorat.
a Die Bärenbrüder Blechschmied und Eisenhauer sind
 tot. Doch ihre Legende lebt unter Schrottern weiter.
Angeblich soll das Geschwisterpaar einen dritten
Bruder gehabt haben.
a Vericon übernimmt die Kontrolle über das westliche
Toulon in den Tagen des Wiederaufbaus. Terres Putain
hat massiven Schaden genommen, Port Lagagne
hingegen ist weitestgehend verschont geblieben. Der
Bürgermeister bündelt den Überlebenswillen der
Fischerleute und stellt sich hinter Hamza und die
Neolibyer. Gemeinsam wollen sie ein neues Fundament
für die Stadt errichten. Um Brandherden und
politischen Manövern entgegenzuwirken, verbannt er
Mitglieder der Resistance bis auf Weiteres aus der Stadt.
a Toulouse ist erschüttert über die Nachricht von Zoes
Tod. Armand Malpierre, der Marechal de Franka, hat
seine von ihm protegierte Generalin verloren und
damit das Leitbild einer heranwachsenden Generation
von Freiheitskämpfern. Starren Blickes versucht er,
die Ereignisse, die sich in Toulon abgespielt haben, zu
entwirren, doch die Erkenntnisse sind nichtssagend.
Die Mörder seiner Generalin unauffindbar. Er lobt hohe
Kopfgelder für Informationen oder deren Ergreifung
aus, sendet Spione und Aufklärer an die gesamte
Küstenregion. Irgendjemand wird irgendetwas wissen.
a Meridian, der Albatross, hat wie durch ein Wunder
überlebt. Sein Unbehagen vor festem Boden unter den
Füßen hat ihn dazu getrieben, auf seinem Schiff zu
bleiben, während in Ferrallies die Bomben hochgingen.
a Callistos Bein verheilt nicht. Eine Woche nach den
Ereignissen des Tag X frisst sich der Wundbrand
durch ihre Schusswunde. Die Anubier müssen ihr
den Unterschenkel amputieren. Einbeinig ist sie
nicht mehr zum Kampf in der Lage und überträgt die
Führung der Schwarzen Schar an Meridian. Callisto
widmet sich nur noch ihrer Vergangenheit. Rattler hat
sein Wissen mit ins Grab genommen, doch die Frage,
woher Callisto stammt, verzehrt die Apokalyptikerin
von Innen heraus. Sie widmet sich der verzweifelten
Suche nach Antworten, legt das Tarot, sucht die
Weisheit von Sehern und Auguren. Sabata hätte ihr
helfen können, doch der Bussard ist tot.
a Die Schwarze Schar hat fast zweihundert Piraten
verloren. Allein siebzig von ihnen gehen auf
Hexells Kerbholz, der Rest wurde von Explosionen
in Terres Putain und Ferrallies zerrissen. Doch
Hamza hält sein Wort. Er verhandelt ein Jahr freies
Geleit für die Schwarze Schar, Tripol soll sich aus
den Angelegenheiten der Apokalyptiker auf dem
Mittelmeer heraushalten. Zeit, die die Piraten
brauchen werden, um ihre Reihen zu füllen und
wieder zu alter Stärke zu kommen. Auch wenn die
Handelsbank zerknirscht über die Abmachung ist,
sie schuldet dem Plünderer nun wenigstens keine
Gefallen mehr.
a Alabaster streift westwärts Richtung Hijos del Sol. Der
einzige Mann, den sie jemals liebte, hat sie zurückgelassen.
Ihr Herz ist zerschmettert, die Erinnerung an Rattler
verheilt nicht. Mit der Kapsel, die ihr der Phönix
schenkte, betritt sie das bergige Land der Pyrenäen, in
der Hoffnung, Erlösung für ihren Schmerz zu finden.
Warum auch immer Rattler sie hierher geschickt hat, sie
wird es herausfinden.
a In den Monaten des Wiederaufbaus florieren die
Parasitenstädte Bayonne und Ducal. Das durch den
Bürgerkrieg entstandene Machtvakuum lockt die
Raben Sacrocant und Cardial aus ihren Nestern
in Toulons Sphäre hinein. Beide Anführer planen,
Teile der Stadt unter ihre jeweilige Kontrolle zu
bringen. Sacrocant greift nach den Überresten von
Terres Putain, während Cardial das völlig verwüstete
Ferrallies als neuen Standort bestimmt.
a In Justitian herrscht derweil Aufregung bei den
Advokatenfamilien der Richtschaft. Eine Frau namens
Dauphine besucht Haus für Haus, spricht besorgt über
ihren Mann Arcville, der angeblich ein Geheimagent
der Richter war und auf seiner Mission verschwunden
ist. Die Advokaten sind perplex, niemand will von
einem Schwarzen Richterbund wissen, der geheime
Agenten an fernen Fronten steuert. Der Kommissar
Levantis nimmt sich Dauphines Geschichte an
und stöbert im Sumpf des Senats nach Antworten.
Gemeinsam mit der besorgten Frau sucht er in ganz
Justitian nach einem Mann namens Iwanov.
a Nephraim, der Wespenmensch, ist tot. Drei Monate nach
dem schrecklichen Bürgerkrieg von Toulon gibt es die
erste Sichtung einer Drohne jenseits der Sumpfgrenze.
Drei Wochen später steigt die Zahl der Sichtungen auf
vierzig an. Murnakir regt sich. Er nimmt den schützenden
Geruch des Anubiers nicht mehr wahr.
THE KILLING GAME 191

BRANDHERDE
Überall in der Stadt herrschen noch im-
mer kleinere Brandherde. Schrotterzel-
len werden aufgestöbert und ausgeräu-
chert. Derweil bemüht sich die Stadt um
Aufklärung der Ereignisse. Die Bezirke
suchen händeringend nach Helfern, um
Verwundete zu behandeln oder verschüt-
tete Straßenzüge freizuräumen und Brän-
de zu löschen. Jeder Mann und jede Frau
sind gefragt.
E I N N E U E R TA G
I. NACHWEHEN
Der Krieg ist vorbei. Ein neuer Tag bricht an über Toulon. Schlachtkreuzer aus Perpig-
nan und Montpellier liegen im Hafenbecken. Fast stündlich treffen neue Versorgungs-
schiffe ein. Geißler haben die wichtigsten Verkehrsknoten innerhalb der Stadtgrenzen
gesichert, patrouillieren schwer bewaffnet in den Bezirken und fahnden nach Rebellen.
Bürgerwehren bilden sich in Port Lagagne. Bewaffnete Fischer schließen sich zusam-
men, um Straßenzüge zu sichern und vor Plünderungen zu schützen. Besonders an der
Grenze zu Saint Chenil kommt es immer wieder zu Streitigkeiten und gewalttätigen
Auseinandersetzungen.
II. TOTENSTILLE
Unterhalb von Sacre Amiel, am grauen Strandufer, liegen in einer langen Reihe Tote
aufgebahrt. Eisenbrüder. Ein Mann steht bis zu den Knien im Wasser. Mit einem lan-
gen hölzernen Stab fischt er nach vorbeitreibenden Leichen, zerrt sie aus den Fluten
an den Strand. Er plündert nicht. Behutsam streckt er die Toten nebeneinander aus,
segnet sie, schließt ihnen die Augen. Dann geht er zurück ins Wasser, um den nächsten
Erschossenen herauszuziehen.
Ein kleines Fischerboot rudert heran. Vier aufgebrachte Touloni schreien lauthals
zu dem einsamen Totensammler herüber. „Du dreckiger Jehammedaner! Was küm-
merst du dich um die toten Schrotter? Hast du nicht gesehen, was sie uns angetan
haben?” Einer der Fischer springt in die Gischt, mit plumpen Schritten versucht er zum
Strand zu waten. „Du solltest den Schweinen die Augen ausstechen, statt sie zu segnen,
du erbärmliche Missgeburt!” Der Fischer zieht einen Schlagstock aus seinem Gürtel,
die anderen drei folgen ihm aus ihrem Boot heraus zum Strand.
Der Jehammedaner zeigt sich unbeeindruckt, reagiert nicht auf den herannahen-
den Touloni, sondern widmet sich weiter den Toten.
„Wie kannst du es wagen, uns so zu entehren, du jämmerlicher Ziegenficker?”,
brüllt der Frontmann. „Wo warst du, als unsere Leute von den Schrottern abgeknallt
wurden?”, ruft ein anderer.
Die vier umkreisen den Jehammedaner auf Armlänge, doch dieser blinzelt nicht
mal in die Richtung der Fischer. Stumm geht er seinem Geschäft nach.
Die Wut der Fischer kocht über, ein Hieb mit dem Schlagstock trifft den Jeham-
medaner am Rücken. Er geht mit einem Knie zu Boden, die Augen verkniffen, doch
er würdigt den Angreifer keines Blickes. Stattdessen faltet er die Hände eines toten
Schrotters übereinander. Die Fischer sind verwirrt, der Gleichmut des Jehammedaners
erregt sie noch mehr.
III. BEGRÄBNIS
Die Charaktere können die Szene aus kaum zwanzig Schritt Entfernung beobachten.
Entscheiden sie sich, dem Jehammedaner zu helfen, müssen sie einschreiten und sich
zwischen ihn und die Fischer stellen. Die Angreifer sind Halbstarke, die sich nur in der
Gruppe überlegen fühlen. Sobald ihnen jemand die Stirn bietet, der ihnen gefährlich
werden könnte, verlässt sie der Mut.
„Was wollt ihr? Mischt euch nicht ein! Unsere Angelegenheit!”, mault einer von
ihnen halbherzig.
Entscheiden die Charaktere, die Fischer mit Gewalt zu verscheuchen, oder ziehen
sie scharfe Waffen, um die Konfrontation blutig beizulegen, bricht der Jehammedaner
augenblicklich sein Schweigen.
„NEIN!” Seine Stimme ist tief und bestimmt.
 „Kein Blutvergießen mehr. Es ist vorbei.” Er baut sich zwischen den Fischern und AUFKLÄRUNG
den Charakteren auf, fast so, als würde er seine Angreifer vor der Gruppe beschützen Die Aufarbeitung der Ereignisse der ver-
wollen. Sein Blick ist glasklar, er starrt den Charakteren in die Augen, als würde er gangenen Tage wird Wochen und Monate
durch sie hindurchschauen. Ein demütiger Ausdruck umrahmt sein bärtiges Gesicht. in Anspruch nehmen. Die Stimmung in der
„Geht! Lasst die Toten ruhen!”, befiehlt er den Fischern in seinem Rücken. Stadt ist gekippt, die Eisenbrüder haben
Die vier Männer machen vorsichtige Schritte rückwärts, zurück ins Wasser. Einer sich endgültig jedes Wohlwollen der Bevöl-
wirft seinen Schlagstock in den feuchten Sand, als Zeichen, dass sie den Konflikt mit kerung verspielt. Wer eindeutig als europä-
den Charakteren vermeiden wollen. In drei Augenaufschlägen sind sie zurück im Boot ischer Schrotter ausgemacht werden kann,
und rudern hastig davon. wird es in nächster Zeit in Toulon schwer
„Jeder Tote ist einer zu viel”, murmelt der Bärtige, blickt voller Trauer herab auf die haben. Die Schrotterrune ist zum Sym-
Schrotterleichen. Dann zurück zu den Charakteren. bol eines sinnlosen Aufstandes verkom-
„Helft mir, sie zu begraben.” Er macht fünf Schritte von den Charakteren weg, und men, wird im Vorbeigehen bespuckt oder
zieht mit seinem hölzernen Stab eine Linie durch den Sand. Dann markiert er im rech- gleich von den Hauswänden geschabt.
ten Winkel eine zweite Linie. Eine dritte und vierte Sandspur beenden das Feld.
„Ein Grab. Für alle”, flüstert er und greift nach einer Schaufel.

I V. E R L Ö S U N G
Adonai und die Charaktere schaufeln stumm bis zum Sonnenuntergang. Der Jeham-
medaner spricht nicht viel. Schweigend teilt er Brot und Wasser mit den Charakteren,
blickt zur untergehenden Sonne, dann wieder zum Loch.
„Wir alle waren mal Kinder”, brummt er, als er sich die ersten Leichen von den
Charakteren ins Loch hinabreichen lässt und sie behutsam ins Grab legt.
„Du, ich, sie.” Adonais Blick schweift über die Toten. „Er. Und sie. Der dort drüben
auch.” Ein Seufzen dröhnt aus seiner Brust.
„Warum verstummt unser Kinderlachen? Warum verlässt uns die Unschuld?”
Seine Fragen hängen in der Luft, suchen träge nach Antworten. Er bettet die letzte
tote Schrotterin in das frische Grab, wischt ihr die schwarzen Locken von der weißen
Stirn. Für einen Moment verliert er sich in ihrem erstarrten Antlitz. Dann streift er sein
Schafsfell ab und legt es über ihr Gesicht.
Adonai lässt sich von den Charakteren aus der Grube ziehen und beginnt eilig,
nassen Sand über die Leichen zu schaufeln.

V. D E R L U M P E N
Stunden vergehen, bis die Toten begraben sind. Der Nachthimmel ist sternenklar. Ein
Meer aus unendlichen Möglichkeiten funkelt am Firmament. Adonai hat ein kleines
Lagerfeuer entzündet und kocht Tee auf, schenkt den Charakteren das heiße Getränk
in Zinnbechern aus.
Stille liegt über Toulon. Die Stadt hat gelitten. Verwundet und schwarz liegt sie
brach, ihr einstiges Leuchten ist zu einem kränklichen Flackern aus Öllampen und Fa-
ckeln verkommen.
„Den Ort, den ich suche, gibt es nicht”, sagt Adonai plötzlich. Er beginnt in seinem
Rucksack zu kramen. Ein speckiger Lumpen kommt zum Vorschein.
„Orte tragen keine Hoffnung. Menschen tragen Hoffnung.” Vorsichtig reicht er
den Charakteren den Lumpen hinüber. „Nur Menschen können Jehammeds Stern be-
hüten.” Seine Augen fahren zum Sternenhimmel hinauf, dann erhebt er sich und stapft
in die Dunkelheit davon.
Öffnen die Charaktere den Lumpen, erblicken sie eine mattschwarze Scheibe mit
filigranen Gravuren. Jehammeds Stern.

THE KILLING GAME 193


DIE LETZTE SZENE
Die nachfolgende Szene bildet den Ab-
schluss der Kampagne. Sie kann nach
Belieben Tage oder Wochen nach dem
Wirren von Operation Mirage platziert
werden. In diesem Epilog enthüllt sich
das letzte große Geheimnis um Wachs-
mann, den legendären Preservisten, der
einst versuchte, den Sumpf mit Feuer und
Schwert zu durchqueren, und dessen ver-
hängnisvolle Expedition zum Mahnmal
des Hochmuts und des Scheiterns wurde.
ARSENAL
Die Größe der Versorgungshalle als auch
die Bestandslisten von Obmann Volta
lassen nur Vermutungen darüber zu, wel-
ches Ausmaß das hier gelagerte Kriegsma-
terial hatte. Würde ein solches Arsenal in
die falschen Hände fallen, dann ließe sich
damit eine ganze Region unterjochen.
Vorausgesetzt, man befehligt eine Armee,
die mit den Waffen, der Munition, und
der Medizin umzugehen weiß.
WACHSM ANNS ERBE
I. GEHEIME LAGER
Haben die Charaktere Hurlants Schneidebrett auf der Frachtgondel entdeckt, ist jetzt
der richtige Moment, sich den komplizierten Verschlussmechanismus näher anzuse-
hen. Die Kante des kleinen Bretts ist mit faserdünnen Metallstreifen beschlagen, die
jeweils in unterschiedlichen Fugen zueinander angeordnet sind. Die Fasern müssen
mit viel Fingerspitzengefühl innerhalb der Fugen in die richtige Position verschoben
werden, um den Inhalt des Schneidebretts freizugeben.
Ist einer der Charaktere erfolgreich und knackt die Kombination, springt der De-
ckel auf und gibt ein unscheinbares Büchlein mit vergilbten Blättern frei.
Fein säuberlich und in schwer zu entziffernder Miniaturschrift (Aufwändige Ak-
tion in VER+Wissenschaft, 15 Erfolge, 1 Stunde) sind dort Bestandslisten auf Borcisch
aufgeführt: „10 Kisten Antiseptika, Volumen 8 Liter/Kanister, 20 Kanister/Kiste; 16
Koffer Verbandszeug; Schmerzmittel diverse, 100 Kisten...” und so weiter.
Arbeiten sich die Charaktere durch die Tabellen, erkennen sie, dass hier ein oder
mehrere Lagerbestände von geheimen UEO-Versorgungszentren aufgelistet sind. Jede
Tabelle ist mit einer Unterschrift versehen, „Obmann Volta” steht dort geschrieben.
Auf den letzten Seiten sind Passwörter und Koordinaten zu den jeweiligen Zugangs-
orten vermerkt. Ein gelungener Wurf auf VER+Fokus (3) und ein Versorgungszentrum
lässt sich augenblicklich lokalisieren. Hier in Toulon, in Saint Chenil. Die Barrage.
II. AM WACHHAUS
Nacht. Wellen brechen sich tosend an der Barrage. Ein Wachhaus ragt einsam und farb-
los an einer Klippe empor. Es ist stockfinster. Die Charaktere bewegen sich über einen
kleinen Trampelpfad auf den Eingang zu. Die Tür steht weit offen.
Drinnen. Kein Luftzug, kein Geräusch. Die Charaktere sichern nach allen Seiten.
Eine knarzige Treppe führt ins Untergeschoss. Ein Aggregat summt aus der Ferne.
Zwölf Stufen hinab und die Gruppe steht in einem kargen und eingestaubten Vorraum.
Überall sind Fußspuren. Kindergroße Fußspuren. Ein Wurf auf INS+Überleben (2) ver-
rät, dass die Abdrücke kaum älter als einen Tag sind.
Sie führen zu einem mechanischen Portal, verkleidet mit Stahlbolzen und Siche-
rungsriegeln. Die armdicken Türflügel sind weit aufgestoßen, enthüllen einen Blick
in eine endlos erscheinende dunkle Lagerhalle dahinter. Leuchten die Charaktere den
Weg aus, sehen sie die Fußabdrücke über den Boden des gesamten Lagerhauses ver-
teilt. Die Regale sind leergeräumt. Alles, was nicht mit dem Boden oder den Wänden
verplombt ist, wurde abtransportiert. Nur trostlose urvölkische Piktogramme weisen
noch darauf hin, was hier einst gelagert wurde. Munition, Waffen, Medizin, Decken,
Pestizide, Nahrung und dergleichen mehr.
Hintere Bereiche der Lagerhalle scheinen vor Jahrzehnten in sich zusammenge-
stürzt zu sein. Niemand gelangt durch die herabgefallenen Trümmerwände hindurch.
Wer auch immer vor den Charakteren hier war, hat ganze Arbeit geleistet und nichts
Verwertbares übrig gelassen.
III. DRAUSSEN
Versuchen die Charaktere vor dem Wachhaus nach Spuren zu suchen, krächzt eine
heisere Stimme zu ihnen hinüber. „Sind schon weg.”
An einem zusammengefallenen Holzzaun steht eine schräge und abgemagerte Fi-
gur in einem Umhang aus Lumpen. Ein Bettler. Saint Chenils Ureinwohner.
„Der Alte war schon um den Mittag hier. Hat alles mitgenommen. Die Kinder ha-
ben getragen, was sie konnten.”
 Fragen die Charaktere den Bettler aus, sagt dieser: „Ich kenn den Alten nicht. Weiß
nur, dass er öfter herkommt. Der hat immer wieder irgendwelche kränklichen Buben
dabei. Unten aus der Orphanage.”
Stochern die Charaktere weiter, rülpst der Bettler laut und zeigt sein morsches Ge-
biss mit einem breiten Grinsen. „Helft doch einem hübschen Herrn wie mir mit ein
paar Dinaren aus”, gurgelt er. „Danke. Ich kann es morgen zurückzahlen. Ehrenwort!”
Dann erzählt er: „Heute Mittag kam er mit knapp achtzig Burschen hierher. Die
haben stundenlang alles aus dem Haus getragen und auf einen Eselkarren verladen.
Hat ganz schön gedauert. Sein Knecht war auch dabei. Ein grobschlächtiger Hund.
Sieht aus wie ein Doktor. Sind mit dem ganzen Zeug zurück in Richtung Waisenhaus.”
Er grunzt, dann deutet er mit dem Arm die Straße hinunter.
„Der Alte ist ein verrückter Dämon. Wenn er dir in die Augen blickt, dann frisst er
deine Seele“, sagt der Bettler unheilvoll und wankt alleine den Trampelpfad entlang.

I V. D I E O R P H A N A G E
Das Waisenhaus von Saint Chenil liegt auf einer Anhöhe am Rand des Viertels. Ein
schmutziger Weg, gesäumt von spärlich beleuchteten Hurenhäusern, windet sich den
kleinen Hügel bis zur Eingangspforte hinauf. Ein Zaun aus Metallplatten und Holz-
paneelen verbirgt den Innenhof vor neugierigen Blicken.
Die Gruppe erreicht das Gatter in wenigen hastigen Schritten. Es hängt leicht an-
gelehnt in seinen rostigen Scharnieren, wippt unheimlich hin und her.
Der Innenhof ist mit Kies ausgelegt. Der Mond leuchtet auf das weiße Bett aus
Kieselsteinen. Kein Müll, kein Dreck. Alles sauber und ordentlich. Wer hier haust, der
gibt Acht auf sein Anwesen.
Die Orphanage reckt sich drei Stockwerke empor. Es ist ein schwarzes Haus mit
verschachtelten Seitenflügeln und aufragenden Dachstühlen. Aus den Fenstern scheint
kein Licht. Das Gebäude sieht verlassen aus, als hätte man es nur Stunden vorher auf-
gegeben. Zwei Hühner schrecken aus ihrem Schlaf und flattern gackernd durch die
Luft, als die Charaktere sich dem Eingang nähern.
Betreten sie den Bau, schlägt ihnen modrige Kälte entgegen. Im Inneren ist es zu-
gig und leer. Die Räume haben hohe Decken und doch sind die Fenster nach drau-
ßen kaum größer als Schießscharten und liegen alle so hoch, dass man sie kaum mit
ausgestrecktem Arm erreichen kann. Holzbohlen auf dem Fußboden sind blitzblank
gescheuert, vereinzelt stehen Wascheimer und Lappen in den leeren Ecken herum. Wo
auch immer die Charaktere hinsehen, es findet sich kein Staubkorn. Sie durchschrei-
ten einen Speisesaal, leere Fressnäpfe reihen sich makellos und akkurat nebeneinan-
der, platziert auf den langen Tischen. Einen Saal weiter entdecken sie eine Schlafstätte.
Dutzende Strohmatratzen liegen dicht an dicht beieinander, doch keine einzige Decke REINLICHKEIT
liegt darauf. Alles wirkt, als hätten die Bewohner ihre Zelte vollständig abgebrochen Die übertriebene Sauberkeit des Waisen-
und wären mit sämtlichem Hab und Gut davongerannt. Aber vor wem oder was? hauses lässt nur einen Schluss zu. Hier ist
Die Charaktere treten in einen langen Korridor hinein, der zu einem Seitenflügel jemand am Werk gewesen, der sich mit
des Gebäudekomplexes führt. Dort, am Ende des Ganges, schimmert ein fahles Licht Disziplin, Ordnung und Befehlsketten
unter einem Türspalt hindurch. Schleichen sie sich vorsichtig heran, können sie an der auskennt. Ist es möglich, dass Spitalier die
Tür lauschen. Stille. Sie können keinen Ton ausmachen, zumindest nicht, solange diese Kinder überwacht und erzogen haben?
verschlossen ist. Im Gebäude selbst verweist nichts auf
Hinter der Tür fällt eine Leiter steil nach unten in einen, mit Holzplanken verklei- den Kult. Doch die Zusammenhänge zwi-
deten Schacht ab. Eine verrußte Öllampe flackert am Schachtboden lustlos vor sich schen Voltas Büchlein und der Orphana-
hin, ihr Licht ist kaum hell genug, um drei Meter weit hineinzuspähen. Dann plötzlich ge verdichten sich. Ist der Alte, den der
ein Rumpeln. Darauf ein Geräusch, als ob ein Glas zerbricht. Bettler erwähnt hat, etwa ein Spitalier?

THE KILLING GAME 195


A LT E S C H U L E
Ist ein Spitalier unter den Charakteren,
darf er beim Anblick der zerschnittenen
Leiber und des obskuren Labors einen
Wurf auf VER+Legenden (3) machen, mit
seinem Wert in Geheimnisse als Bonus.
Ist der Wurf erfolgreich, erinnert er sich
womöglich an die Schauergeschichten
aus seiner Ausbildungszeit. Die Gerüchte
besagen, dass die Preservisten an Fran-
kas Küste einst zu einem verschworenen
Bund gehörten, der sich weit über die
Grenzen der Menschlichkeit erhob, um
die Menschheit als Ganzes zu retten. Ihre
Methoden gingen über alles hinaus, was
innerhalb der Mauern des Spitals erlaubt
gewesen wäre. Man nannte diese Pre-
servisten die Anhänger der Alten Schule.
Ihre Geheimnisse und ihre Doktrin nah-
men sie nach der gescheiterten Wachs-
mann-Lacroix-Expedition mit ins kalte
Grab.
V. D A S L A B O R
Folgen die Charaktere der Geräuschquelle, sind Würfe auf GES+Heimlichkeit (3) nötig,
um unentdeckt zu bleiben. Unten weht ihnen beißender Gestank in die Nase. Der kon-
zentrierte Geruch von Desinfektionsmittel brennt sich durch die Schleimhäute, lässt
sie unmittelbar austrocknen. Darunter mischt sich eine Spur Leichenduft. Schwer und
süßlich klebt er in der Luft, als hätte man einen nassen Kadaver freigelegt. Ein weiteres
Rumpeln, dann folgt eine Reihe unverständlicher Flüche. Von ihrer Position aus erken-
nen sie einen Raum, der sich am Ende des Durchgangs öffnet. Im Gegenlicht lassen
sich schemenhafte Gerätschaften ausmachen – Reagenzgläser und Flaschen glitzern
im warmen Lampenschein, krude Formeln sind entlang der Wände drapiert.
Ein Labor?
Die Charaktere müssen sich vorsichtig durch die Schatten bewegen, um ein schär-
feres Bild zu erhaschen. Sind sie an den Eingang zum Raum gelangt, starrt ihnen eine
Frauenleiche entgegen. Ausgebreitet liegt sie auf einem Operationstisch. Auf ihrer
Brust prangt ein vollständiges frankisches Stigma, ihre Bauchdecke ist geöffnet, ihre
Innereien sind ihr entnommen worden und lagern in metallenen Wannen um die Tote
herum. Drohne.
Riskieren die Charaktere einen Blick hinein, eröffnet sich vor ihnen ein Kabinett
des Grauens. Abgetrennte Köpfe und Gliedmaßen schwimmen in trüber Flüssigkeit in
gläsernen Bottichen. Abgeschnittene Arme und Beine liegen auf Tischen verstreut, an
manchen wurde die obere Hautschicht fein säuberlich abgetrennt und die Muskulatur
darunter freigelegt. Auf einem anderen Tisch liegen menschliche Kiefer, daneben Zäh-
ne, die mit einer Zange aus den Knochen herausgebrochen wurden.
Eine vermummte Gestalt eilt bucklig im hinteren Bereich des Labors umher, ver-
packt hastig Operationsbestecke und Zeichnungen, stopft einen Sack nach dem ande-
ren voll mit Werkzeug. Plötzlich hält sie inne, als ob sie etwas bemerkt hätte.
„Zeigt euch!” Die Stimme ist aufgekratzt und herrisch. Langsam dreht sich die Fi-
gur zu den Charakteren um. Ein hässlicher, alter Mann kommt zum Vorschein. Sein
Kopf ragt aus seiner Robe wie der Schädel eines Geiers. Schlohweißes Haar umrahmt
seine verrunzelte Fratze. Das muss der Alte sein, von dem der Bettler gesprochen hat.
Er schielt zu den Charakteren hinüber, mustert sie von Kopf bis Fuß. „Was macht
ihr auf meinem Anwesen?” Seine Bewegungen sind abgehackt, mürrisch. Ohne seinen
Blick von der Gruppe zu nehmen, greift er Skalpelle und Zangen und wirft sie in einen
Beutel. Fragen die Charaktere nach dem Versorgungszentrum, hält er inne, versucht
unter seinen buschigen Augenbrauen zu lesen, was die Charaktere womöglich über ihn
wissen. „Schicken euch die Spitalier?”, zischt er ungeduldig zurück.
Zehn Meter liegen zwischen den Charakteren und dem alten Mann. Er vermisst
jeden Meter Freiheit zwischen sich und der Gruppe mit fahrigen Kopfbewegungen.
Auch wenn er greisenhaft wirkt, seine Bewegungen sind kontrolliert, seine Handgriffe
sitzen mit außerordentlicher Präzision.
Plötzlich dringt ein gehauchtes Stöhnen aus dem Halbschatten des Nebenzim-
mers. In einem hüfthohen Zwinger bewegt sich eine Kindergestalt. Sie ist dort einge-
sperrt. Ihre Finger rütteln schwach am Gitter.
„Was denn, bricht euch etwa das Herz, wenn ihr eine Drohne in einem Käfig seht?”,
schnattert er zynisch.
Der nackte Junge im Zwinger ist kaum zehn Jahre alt. Ein Stigma glüht vollendet
auf der kleinen Brust. Sein leerer Blick starrt zu einem Punkt jenseits der Charaktere.
„Wenn ihr wegen der Kinder hier seid, dann seid ihr zu spät!”, krächzt der Greis.
Ein hämisches Kichern folgt seinen abgehackten Sätzen.
Machen die Charaktere auch nur einen Schritt vorwärts oder in Richtung des Kä-
figs, um die Drohne zu befreien, greift er blitzschnell unter den Tisch. Im nächsten
Augenblick funkelt eine schwarze Klinge in seinen Händen. An der Parierstange prangt
das achtschenklige Spitalierkreuz. Ein Preservalisschwert.
„Wagt euch und ich schneide euch in Stücke.” Er manövriert das Schwert, als ob es
die Verlängerung seines Armes ist. Spätestens jetzt dürfte den Charakteren klar sein,
dass sie es mit einem gealterten Preservisten zu tun haben.
„Wisst ihr überhaupt, wer euch gegenübersteht?”, fragt er spöttisch und deutlich
verärgert darüber, dass er nicht als der erkannt wird, der er ist. DAS ERBE
„Ich bin der Wachsmann. Der Drohnenbrecher. Ich zerfetze die Eingeweide der Die Charaktere sind zu spät. Während
Pheromanten. Mein Kampf ist die Rettung der Menschheit.” Seine Zähne sind ge- Wachsmann ihnen in einem letzten Kampf
fletscht, seine Fratze vor Wut verzerrt. „Aus dem Weg!” die Stirn bietet, hat Opis die Kinder der
Mit einem Satz ist er im Nebenraum. Er beugt sich über den Zwinger, treibt die Orphanage bereits auf einen Sumpfkutter
Klinge seines Schwertes zwischen die rostigen Eisenstangen und versucht die gefange- gepfercht. Mit an Bord das Arsenal aus
ne Drohne zu erstechen. Kampfstoffen, das Opis über die Jahre zu-
sammengeklaut hat. Ebenso die gesamte
Ausrüstung aus dem UEO-Versorgungs-
VI. ENDE EINER ÄRA zentrum.
Die einzige Möglichkeit, die Drohne zu retten, ist, sich dem Wachsmann im Gefecht Wachsmann hat seinen hörigen
zu stellen. Knecht zum Spitalier gekürt und ihm sei-
Der Greis kämpft mit der Präzision eines Mannes, der sein Lebtag mit seinem ne endgültige Aufgabe zugewiesen. Er soll
Schwert verbracht und das Morden als Religion verinnerlicht hat. Auch wenn er ge- in die Sümpfe aufbrechen und mit den
brechlich wirkt – seine Hiebe und Finten sind tödlich. Seine Indoktrinierung und Dis- Kindersoldaten in das Herz der Phero-
ziplin nehmen Überhand, er ist wieder Preservist durch und durch. Ein blutrünstiges manten vordringen. Dort soll er den Ver-
Duell bricht aus. Die Enge des Labors nutzt Wachsmann zu seinem Vorteil, wirft Re- nichtungsschlag durchführen.
gale um, lockt Gegner in Ecken hinein und versucht sie mit einem gezielten Angriff Opis kennt sein Ziel. Die Rhône hin-
außer Gefecht zu setzen. Sieht er eine Möglichkeit, schleudert er ätzende Flüssigkeiten auf, Richtung Souffrance.
oder brennbare Chemikalien nach den Charakteren. Er ahnt, dass seine letzte Stunde Der Kutter legt in diesem Moment an
geschlagen hat, und kämpft unermüdlich und ohne eine Möglichkeit des Rückzugs bis der großen Lederei ab. Fünfzig der jüngs-
zum bitteren Ende. ten und schwächsten Waisen hat Opis
„Mein Erbe”, gurgelt es aus seinem verquollenen Mund. Er verkrallt sich in seinen dem Borcer Haakon überlassen. Der Be-
Wunden, hustet Blut, lacht sein letztes Lachen. Seine Augen fixieren seine Mörder, trieb muss schließlich weitergehen. Die
selbst im Tod ist sein Ausdruck gnadenlos. restlichen dreihundertfünfzig Kinder rei-
Der letzte Preservist der alten Schule verendet in einer Blutlache auf dem Boden sen mit ihrem Anführer in eine ungewisse
seines Labors. Mit ihm stirbt eine Ära. Zukunft.

THE KILLING GAME 197

JEHAMMEDS STERN
Das Artefakt, das die Charaktere von Adonai erhalten ha-
ben, ist eine fremdartige, hauchdünne Platte. Das Material
ist unbestimmbar, die Fertigung hochpräzise. Sie gibt bei
Druck nicht nach und fühlt sich eiskalt an. Körperwärme
springt nicht auf die Oberfläche über.
Sind die Charaktere in Besitz von Jehammeds Schei-
be, dann bemerken sie ein stilles Frequenzrauschen, wenn
der Stern in die Nähe der Scheibe gelangt. Legen sie den
Stern auf die Scheibe, fügt er sich passgenau in die Mulde
ein. Ein Magnetfeld polarisiert sich augenblicklich und der
Stern arretiert akkurat in seiner Endposition. Die feinen
Gravuren beginnen zu schimmern, fast sieht es so aus, als
ob sich Lichter innerhalb der Platte und entlang der Lini-
en bewegen würden. Das mattschwarze Artefakt hat sein
Bett gefunden. Sehen sich die Charaktere die Gravuren ge-
nauer an, müssen sie einen kombinierten Wurf auf VER+
Artefaktkunde (5) und VER+Wissenschaft (4) bestehen,
um die Bedeutung zu erfassen.
Während Jehammeds Scheibe eine Art Empfänger
oder Verstärker zu sein scheint, gleicht Jehammeds Stern
einem Astrolabium – einem urvölkischen Messgerät zur
Berechnung von Koordinaten am Sternenhimmel. Das
alte Symbol für Jupiter prangt über der Mitte, umrahmt
von planetaren Wendekreisen. Die vier zackigen Sternen-
symbole sind nach den jeweiligen Jupitermonden, Europa,
Io, Callisto und Ganymed, die auf Jehammeds Scheibe ver-
zeichnet sind, ausgerichtet.
Im Zentrum von Jehammeds Stern ist eine Ausspa-
rung. Ein genauerer Blick in die kreisrunde Fuge ent-
hüllt eine winzige Fassung für ein weiteres Instrument.
Etwas fehlt, um dieses sonderbare Artefakt zu vollenden.
Ein Stift oder eine Nadel, die genau in das Loch hinein-
passt und das Messgerät mit einer Fluchtlinie ausstattet.
Worum es sich bei dem letzten Teilstück handeln
könnte, lässt sich nur vermuten.
Untersuchen die Charaktere die Gravuren weiter,
dann erkennen sie, dass sich ein verschlüsselter Code hin-
ter den fremdartigen Symbolen verbirgt. Alles deutet auf
ein Stellenwertsystem hin, doch der Stern gibt keinen Auf-
schluss darüber, aus welchem Winkel die Symbole zu lesen
und somit zu entschlüsseln sind.
Eine Koordinatenachse zur Positionsbestimmung in
Bezug auf Fläche und Raum liefert ein zusätzliches Indiz,
doch solange der Symbolcode nicht geknackt ist, fehlt der
eindeutige mathematische Zusammenhang.
JEHAMMEDS WILLE
Sind Jehammedaner unter den Charakteren oder Cha-
raktere mit einem Aktionswert in VER+Legenden von
6W und höher, dürfen sie würfeln, um ihre Erinnerungen
nach Hinweisen in der Vergangenheit zu durchforsten.
Nach einer uralten Legende des Widderkults stattete
der letzte Prophet Jehammed seine Jünger vor dem Esha-
ton mit einem mächtigen Artfakt aus. Das Objekt, vom
Gefolge des Propheten nur „Jehammeds Wille“ getauft,
sollte sicherstellen, dass sich Menschen niemals zu Göt-
tern am Firmament erheben und den Himmel bevölkern,
der nur dem einen wahren Gott vorbehalten ist, dem auch
der letzte Prophet seine Treue schwört.
Jehammeds Wille sollte den Jüngern des letzten Pro-
pheten eine Waffe sein, mächtig genug, um mit ihr den
Hochmut derer zu vergelten, die danach strebten, Gottes
Thron einzunehmen. Selbst wenn der letzte Prophet nicht
mehr unter den Jehammedanern weilte, das Artefakt wür-
de Gottes gerechten Zorn bündeln und ihm ein Ziel geben.
Doch mit dem Eshaton zerbrach Jehammeds Wille.
Über die Jahrhunderte wurden Teilstücke gefunden, von
fremden Mächten erobert, wiederentdeckt, wechselten
die Besitzer, wurden verkauft, gestohlen, verscharrt und
erneut ausgegraben. Doch niemandem gelang es, die Ein-
zelteile wieder zu einem Ganzen zusammenzufügen.
Ob die Legende der Wahrheit entspricht, lässt sich
nicht bestimmen. Doch dass sich hinter der Scheibe und
dem Stern mehr verbirgt als ein Transmitter und Koordi-
natensystem, lässt sich nicht von der Hand weisen.
DIE GEHÖRNTEN NEUN
Aries, der Anführer der Jehammedaner, setzt alles daran,
die Teilstücke von Jehammeds Willen ausfindig zu ma-
chen und das Artefakt zu vollenden. Um aller Einzeltei-
le habhaft zu werden, hat er seine Todesschwadron, die
Gehörnten Neun, von der Kette gelassen. Diese Gruppe,
bestehend aus hellvetischen Infiltratoren und Arianoi,
sind treu ergebene Diener des Marodeurs. Sie alle haben
von seinem Blut gekostet und seine Unsterblichkeit ge-
schmeckt. Aries steht mit jedem von ihnen in mentalem
Kontakt, durchdringt ihre Gedanken, navigiert sie von
Nord nach Süd und von Ost nach West. Atemlos jagen sie
den Bruchstücken von Jehammeds Willen hinterher. Es ist
ihre einzige Aufgabe, ihr Lebenszweck. Wer sich den Ge-
hörnten Neun in den Weg stellt, spürt Aries’ Zorn.
B R I TA I N
Als hätten die Spitalier nicht schon genug mit dem ver-
lorenen Grenzposten Nord und den einfallenden Schwär-
men aus Parasite zu kämpfen! Da häufen sich plötzlich Be-
richte über Klans aus Britain, die erstmals die Grenze am
Januskrater überschritten und die Stukovwüste durch-
quert haben.
Sie nennen sich Pictons und ihre Körper sind mit flu-
oreszierenden Farben bemalt. Urvölkische Sternensymbo-
le prangen auf ihrer Brust und ihren Gliedern. Primitiv,
blutrünstig und mit technisch hochwertigen Waffen aus-
gestattet überfallen sie Randgebiete des Protektorats in
Franka im Herbst des Jahres 2596.
Preservisten gelingt es, eine Handvoll Pictons gefan-
genzunehmen und sie mit Beihilfe der Chronisten bis zur
Kapitulation zu foltern, um Informationen über ihren
Auftrag in Erfahrung zu bringen.
Die extrahierten Antworten lösen Unbehagen aus.
Die Pictons sind Argyres Sklavenkrieger. Der Aasgeier hat
sie durch die Wüste geschickt, um ein Artefakt für ihn zu
bergen. Ein Streamer namens Ampere, der im Auftrag des
zentralen Clusters die Gefangenen untersucht, erkennt,
dass die Wilden auf drei unterschiedliche Meme geeicht
wurden. Die konditionierten Symbole entsprechen einer
Scheibe, einem Stern und einem Speer.
Die gefangenen Pictons enthüllen jedoch noch mehr.
Die Artefaktjagd ist nur eine von zwei eingepflanzten
Konditionierungsmustern. Die zweite, darunterliegende
mentale Prägung fokussiert sich auf die Vernichtung einer
Person, die mit dem schwarzen Sonnenauge der Bleicher
in Verbindung steht.
Helios, der Schläferprophet.
UNGEWISSE ZUKUNFT
Die Ereignisse überschlagen sich. Im Jehammedanischen
Quartier in Justitian soll angeblich ein Arianoi gesichtet
worden sein. Die Einheimischen sprechen mit Ehrfurcht
von ihm. Sein Name ist Naraka. Als die Richter den Ge-
rüchten auf den Grund gehen wollen, führen die Spuren
ins Nichts…
Verfolgen sie weitere Enthüllungen rund um Jeham-
meds Stern auf www.degenesis.com.
THE KILLING GAME 199
E R FA H R U N G U N D B E L O H N U N G

Es ist vollbracht. Die letzten Hürden der Kampagne sind genommen, die Charaktere stehen am Scheideweg aus Erfahrun-
gen und zukünftigen Abenteuern. Hinter ihnen liegen Tage und Wochen voller Enthüllungen und Grenzüberschreitungen.
Nichts kann die Umbrüche von Toulon vergessen machen.
Haben sie die Kampagne „OPERATION MIRAGE“ in mehreren Sitzungen durchgespielt, dann erhalten die Charaktere
für jeden Spielabend 1EP. Die 72 Stunden von Toulon lassen sich hervorragend in 9 Sitzungen zu jeweils 8 Stunden Spielzeit
aufteilen, um das Geschehen möglichst zeitnah zu erleben. Wenn sie die Anzahl der Sitzungen halbiert haben, um die Sze-
nen stärker zu komprimieren, können sie stattdessen auch 2EP pro Sitzung vergeben.
Jeder Charakter erhält darüber hinaus 1EP pro gespielter Szene innerhalb des Abenteuers. Vergeben sie +1EP, wenn eine
lebensbedrohliche Situation überwunden, eine neue Enthüllung oder eine einzigartige Erfahrung gemacht wurde. Hat sich
ein Spieler durch besonders herausragende Einzelleistungen hervorgehoben, können sie den Charakter mit +1EP entloh-
nen, wenn das Spielgeschehen maßgeblich durch seine Aktionen beeinflusst wurde.
Am Ende jedes Akts und am Ende der Kampagne erhalten die Charaktere zusätzliche Erfahrungspunkte. Die genaue
Anzahl können sie der nachfolgenden Liste entnehmen:

NEU IN DER STADT AKT 2: DER TAG DANACH

Netzwerk aufgebaut +1EP
Bevölkerung ausgefragt +1EP
Sich mit der Region vertraut gemacht +1EP
Verbündete außerhalb der Stadtmauern gefunden +1EP
Expeditionen in die Sümpfe überlebt +2EP
Drohnen besiegt +1EP
Gerüchten nachgegangen +1EP
PROLOG: DER TAG DAVOR
Den Schrotter Bergmann verfolgt +1EP
Wisal kennengelernt und geholfen +1EP
Dem Schrotter Kreisel beigestanden +1EP
Decoy 5 erspäht und verfolgt +1EP
Die Fischerkinder beruhigt +1EP
Den toten Geißler aus dem Kanal gefischt +1EP
Tarnboot der Schwarzen Schar entdeckt +1EP
Elaine als Verbündete gewonnen +1EP
AKT 1: DER TAG X
Die Explosion der Silberachse miterlebt +2EP
Zohra und den Geißlern im Consulat beigestanden +2EP
Verwundete beim Haus der Handelsbank gerettet +2EP
Die Studenten der Universität beschützt +4EP
Die Spitalier am Hafen gerettet +4EP
Den Angriff der Schrotter auf dem Floß überstanden +2EP
Palastantenne aufgerichtet +1EP
Hamza bei der Flucht geholfen +2EP
Den Panzerwagen unschädlich gemacht +3EP
Den ersten Emitter zerstört +1EP
Factors Hinterhalt überlebt +2EP
Den Geißlern am Nordhafen beigestanden +2EP
Den Schlepper angekoppelt +2EP
Eisenhauers Dauerfeuer überlebt +2EP
In die Chronistenfrequenz eingeklinkt +1EP
Den zweiten Emitter aufgespürt +1EP
Factor besiegt +3EP
Alabaster freigelassen +2EP
Das Nest der Feuervögel durchsucht +1EP
Den Stollen am Schlachthaus entdeckt +1EP
Decoy 5 geholfen und Eico gerettet +2EP
Hurlant auf der Frachtgondel besiegt +3EP
Den Alkoven durchsucht +3EP
Den dritten Emitter abgeschaltet +1EP
Deich besiegt und Zohra gerettet +4EP
Eisenhauers Bärenwut überlebt +2EP
Die Schwarze Schar kennengelernt +1EP
Mirage verhört +2EP
AKT 3: DER TAG DES PHÖNIX
Remagnac aufgehalten +2EP
Sich der Resistance gestellt +1EP
Zoe besiegt und Vericon gerettet +3EP
Mirage an der Flucht gehindert +2EP
Detonation des Atriums überlebt +2EP
Hexells Kugelhagel entkommen +3EP
Sich Rattler gestellt und ihn besiegt +7EP
Baptiste hingerichtet +3EP
Das Ende Toulons eingeläutet +7EP
EPILOG: EIN NEUER TAG
Adonai beigestanden +1EP
Massengrab ausgehoben +1EP
Jehammeds Stern erhalten +3EP
UEO-Versorgungszentrum entdeckt +2EP
Wachsmanns Geheimnis gelüftet +2EP
Wachsmann besiegt +4EP
K U LT K A R T E N U N D H I N T E R G R Ü N D E
SPITALIER: Haben die Charaktere den Famulanten der
L‘Orage bis zum bitteren Ende beigestanden, so erhöhen
sich ihre Werte in Verbündete oder Netzwerk um +1. Zu-
sätzlich steigt die Augenzahl auf dem weißen Würfel der
Kultkarte um +1. In Montpellier sind sie willkommen, in
Feldlazaretten rund um die Rhône erhalten sie Hilfe.
Haben sie zusätzlich das Geheimnis um Wachsmann
gelüftet und Voltas Büchlein an die Spitalier überreicht,
steigt ihr Netzwerk bei Preservisten um +2.
CHRONISTEN: Wenn sich die Charaktere dem Kommando
Requiem entgegengestellt und zum Scheitern von Operati-
on Mirage beigetragen haben, sind sie ab jetzt bei den Chro-
nisten verhasst. Auch wenn sich die Maskenmänner nicht
öffentlich dazu bekennen würden, die Augenzahl auf dem
schwarzen Würfel der Kultkarte steigt um +4. Die Charak-
tere werden im Geheimen als Saboteure und Todfeinde des
Kultes angesehen, es fällt ihnen immer schwerer in Alkoven
zu tauschen oder überhaupt an konkrete Informationen zu
kommen. Hatten die Charaktere vorab Verbündete oder
Netzwerk innerhalb der Chronisten, so sinken diese Hin-
tergrundwerte um -1.
HELLVETIKER: Ist der Deserteur Baptiste durch die Hände
der Charaktere gefallen und sie bleiben den Beweis dafür
nicht schuldig, können sie ein sattes Kopfgeld einstreichen.
Der Wert in Ressourcen steigt für alle Charaktere um +1,
zusätzlich erhalten sie zollfreie Passage durch die Alpen
und die Augenzahl auf dem weißen Würfel erhöht sich um
den Wert von +2.
SIPPLINGE: Zoes Ruhm wird in der Resistance unvergessen
bleiben. Sollte der Marechal de Franka, Armand Malpierre,
die Mörder seiner Generalin ausfindig machen, droht den
Charakteren eine Veränderung von +3 auf dem schwarzen
Würfel der Kultkarte. Die Zusammenarbeit mit der Re-
sistance verfinstert sich. Gleichzeitig gewinnen sie jedoch
Vericon, den Bürgermeister, als Verbündeten und Ratgeber
hinzu. Die Sipplinge unter den Charakteren erhalten +1 auf
ihren Wert in Verbündete, für alle anderen steigt der Wert
in Netzwerk um +1.
SCHROTTER: Haben sich die Charaktere gegen Nestor und
seine Eisenbrüdern gestellt und ihre Vernichtung herbeige-
führt, trüben sich zukünftige Verhandlungen mit europä-
ischen Schrottern. Die Augenzahl auf dem schwarzen Wür-
fel auf der Kultkarte erhöht sich um +2. Sind sie überdies
für den Tod von Eisenhauer verantwortlich, steigt ihr Wert
in Ruf um +1.
Haben sie den Offizier Deich auf dem Gewissen, wer-
den sie zu einem späteren Zeitpunkt mit dem Kartell in
Schwierigkeiten geraten. Bosch mag keine offenen Rech-
nungen. Bei Verhandlungen mit dem Kartell, erhalten sie
einen Malus von -2W.
Sind sie Orma treu geblieben und haben an seiner Seite
gekämpft, erhalten sie bei africanischen Schrottern an Fr-
ankas Südküste und auf Syracuse in Zukunft einen Wert
von +2 auf Netzwerk oder Verbündete.
NEOLIBYER: Hamza vergisst die Hilfe der Charaktere
nicht. Auch wenn sein Reich angeschlagen ist, stellt er ih-
nen alles zur Verfügung, was er entbehren kann. Ihr Wert
in Verbündete, Ressourcen und Ruf steigt um +1. Neolibyer
erhalten zusätzlich +1 auf ihren Hintergrund Autorität. Die
Augenzahl des weißen Würfels auf der Kultkarte steigt um
+4. Den Charakteren stehen Tür und Tor nach Africa offen.
GEISSLER: Nicht nur die Rudel des Rhône-Deltas werden
den Ruhm des Dumisai nie vergessen. Diejenigen, die an
Ayubus Seite gekämpft haben, verdienen den Respekt der
Ahnen. Der Wert in Ruf steigt um +1, die Augenzahl auf
dem weißen Würfel der Kultkarte um +2.
ANUBIER: Auch Anubier können sich dankbar erweisen.
Die Schlacht um Toulon wird Gespräche mit den Schakalen
in Zukunft vereinfachen. Wenn auch nur marginal. Die Au-
genzahl des weißen Würfels auf der Kultkarte steigt um +1.
JEHAMMEDANER: Übergeben die Charaktere Jehammeds
Stern, so ist ihnen der Dank des gesamten Kultes gewiss.
Der Wert auf dem weißen Würfel steigt um +4. Netzwerk
oder Verbündete steigen um +3.
Handeln die Charaktere hingegen leichtsinnig mit dem
Artefakt, missbrauchen es, verkaufen es an Chronisten oder
Bleicher, so machen sie sich zu Feinden des Widderkults.
Der schwarze Würfel steigt in einem solchen Fall um +4.
Behalten die Charaktere das Artefakt für sich und ver-
suchen sie, dessen Geheimnis zu lüften, so heften sich als-
bald die Gehörnten Neun an ihre Fersen. Früher oder später
werden die Charaktere mit Aries’ Häschern persönlich zu
tun bekommen.
APOKALYPTIKER: Ist der Phönix durch die Hände der
Charaktere ums Leben gekommen, so ist ihnen der Dank
bei Apokalyptikern des Mittelmeers und des Rhône-Deltas
sicher. Der Wert in Ruf steigt um +2. Sie können sich bei
den Piraten auf freie Überfahrten zwischen Purgare und
Franka verlassen. Die Augenzahl auf dem weißen Würfel
steigt um +2. Die Charaktere erhalten überdies Zugang zu
den Mitteln der Schwarzen Schar. Sie können ihren Wert in
Verbündete und in Ressourcen mit einem Abzug von -2 auf
Apokalyptiker anwenden.
THE KILLING GAME 201
WACHEN, GEGNER UND HANDLANGER
EISENBRÜDER
KAMPFWERTE
INITIATIVE: 4W / 12 Egopunkte
ANGRIFF: Brecher, 6W, Reichweite 1m, Schaden 8,
Stumpf; Wunderwerk, 6W, Distanz (10/40), Schaden 8,
Vorderlader oder Muskete, 6W, Distanz (10/40), Schaden 8,
Vorderlader; Brandflaschen, 6W, Distanz (5/30), Schaden 6,
Brandgefährlich
VERTEIDIGUNG: Passiv 2; Nahkampf aktiv (Blocken),
Nahkampf 8W; Fernkampf aktiv (Verschanzen),
Beweglichkeit 5W; Mental 6W
BESONDERES: GES+Handwerk 7W, PSY+Dominieren
7W, INS+Orientierung 6W, INS+Wahrnehmung 6W
BEWEGUNG: 6m
PANZERUNG: Schweißerbrille und Schrotterpanzer, Pan-
zerung 4, Instabil (6) oder Hartgummiharnisch und Helm,
Panzerung 5, Isoliert; Blechschild, Verteidigung +1W/0, An-
griff -1W
VERFASSUNG: 18 (Trauma: 9)
TAKTIK: Wüten
Die Eisenbrüder sind aufgepeitscht, zu allem bereit und
wissen genau, dass Nestor jetzt auf sie zählt. Wie tollwüti-
ge Hunde stürzen sie sich auf ihre Opfer. Macht die Meute
dabei einen der Unterdrücker nieder, regenerieren alle be-
teiligten Eisenbrüder sofort einen Egopunkt. Der Tag der
Rache ist endlich da!
KARTELLISTEN
KAMPFWERTE
INITIATIVE: 6W / 14 Egopunkte
ANGRIFF: Brecher, 8W (10W), Reichweite 1m, Schaden 9
(10), Stumpf; Schrotflinte, 8W, Distanz (5/20), Schaden 10,
Streut, Doppellauf oder Granatwerfer, 6W, Distanz (20/60),
Schaden 14, Abweichend, Donnerschlag, Explosiv
VERTEIDIGUNG: Passiv 2; Nahkampf aktiv (Blocken), Nah-
kampf 8W (10W); Fernkampf aktiv (Verschanzen), Beweg-
lichkeit 6W; Mental 6W
BESONDERES: GES+Handwerk 5W, PSY+Gerissenheit 8W,
PSY+Dominieren 8W, INS+Wahrnehmung 7W
BEWEGUNG: 7m
PANZERUNG: Helm oder Maske, Hartgummiharnisch,
verstärkter Ledermantel, Panzerung 5, Feuerfest (4), Isoliert
VERFASSUNG: 18 (22) (Trauma: 9 (11))
TAKTIK: Zuschlagen
Die Kartellschrotter sind echten Ärger gewöhnt. Ein biss-
chen Burn und dann rein ins Getümmel, solange es sich
lohnt. Ohne Aussicht auf einen echten Gewinn ziehen sich
die Kartellisten im Ernstfall lieber zurück, um später oder
woanders zuzuschlagen. Jeder von Deichs Muskelbergen ist
zugeburnt, entweder mit Glorie (siehe Werte in Klammern)
oder mit Argus (Initiative 10W, keine Überraschung).
KOMMANDO REQUIEM
KAMPFWERTE
INITIATIVE: 7W / 14 Egopunkte
ANGRIFF: Schocker, 6W, Reichweite 1m, Betäubt (8); Stahl-
rute, 6W, Reichweite 1m, Schaden 6, Stumpf; Automa-
tik-Pistole, 6W, Distanz (10/40), Schaden 7, Leichtgängig
(3T); Rauch- & Blendgranaten, 6W, Distanz (10/40)
VERTEIDIGUNG: Passiv 2; Nahkampf aktiv (Parieren), Nah-
kampf 6W; Fernkampf aktiv (Deckung suchen), Beweglichkeit
6W; Mental 6W
BESONDERES: GES+Handwerk 7W, GES+Heimlichkeit
8W, VER+Artefaktkunde 6W, PSY+Gerissenheit 7W,
BEWEGUNG: 6m
PANZERUNG: Abgewetzter Shutteranzug und Lederman-
tel, Panzerung 3
VERFASSUNG: 12 (Trauma: 6)
TAKTIK: Hinterhalt
Risiko-Faktor hoch, Score niedrig. Die bei Operation Mira-
ge eingesetzten Shutter sind für den Cluster untragbar. Ge-
waltbereit, zu lange unabhängig, kaum zu führen. Genau
richtig für Toulon. Und mit anderen Worten: entbehrlich.
Die Shutter überlassen den Eisenbrüdern die Front und be-
wegen sich lieber abseits der Schlacht. Sie „kümmern“ sich
um die Gefangenen oder legen Hinterhalte mit Sprengfal-
len, Minen oder auch einfach Feuer (+2W auf GES+Hand-
werk beim Präparieren von Fallen).
ARCVILLES BANDE
KAMPFWERTE
INITIATIVE: 5W / 12 Egopunkte
ANGRIFF: Richthammer, 7W, Reichweite 1m, Schaden 9,
Stumpf, Wucht (2T); Richtermuskete, 8W, Distanz (10/40),
Schaden 8, Vorderlader; Steinschlosspistole, 8W, Distanz
(5/20), Schaden 8, Vorderlader
VERTEIDIGUNG: Passiv 2; Nahkampf aktiv (Blocken), Nah-
kampf 7W; Fernkampf aktiv (Deckung suchen), Beweglich-
keit 7W; Mental 8W
BESONDERES: GES+Steuern 7W, PSY+Dominieren 8W
BEWEGUNG: 6m
PANZERUNG: Ledermantel, Panzerung 2
VERFASSUNG: 16 (Trauma: 7)
TAKTIK: Kavallerie / Stellungskampf
Die Schöffen und Protektoren unter dem Kommando des
Schwarzen Richters sind eine eingeschworene, befehlsge-
wohnte Gemeinschaft. Jeder von ihnen besitzt ein kampfer-
probtes Pferd, weswegen sie als Kavallerie eingesetzt wer-
den können (siehe KATHARSYS: Fortbewegungsmittel im
Kampf). Im Bodenkampf flankieren sich die Schöffen und
Richter gegenseitig. Auch schnelle Stellungswechsel gehö-
ren zu den eingeschliffenen Strategien (+2W auf ersten An-
griff nach Scheinrückzug).
R AT T L E R S G E F O L G E
KAMPFWERTE
INITIATIVE: 6W / 18 Egopunkte
ANGRIFF: Messer, 8W, Reichweite 1m, Schaden 4, Leicht-
gängig (2T); Schwere Armbrust mit Zielfernrohr, 9W, Dis-
tanz (30/120), Schaden 12 oder Scharfschützengewehr, 10W,
Distanz (50/400), Schaden 11, Empfindlich
VERTEIDIGUNG: Passiv 2; Nahkampf aktiv (Parieren),
Nahkampf 8W; Fernkampf aktiv (Geduckt laufen), Beweg-
lichkeit 8W; Mental 4W
BESONDERES: GES+Heimlichkeit 9W, PSY+Gerissenheit
8W, PSY+Täuschung 8W, INS+Wahrnehmung 7W
BEWEGUNG: 7m
PANZERUNG: Lederhose und -mantel, Panzerung 2
VERFASSUNG: 14 (Trauma: 7)
TAKTIK: Häuserkampf
Nichts zu verlieren, alles zu gewinnen – die Feuervögel wol-
len Toulon in Flammen sehen. Wann immer möglich, lau-
ern sie ihren Gegnern aus dem Hinterhalt auf und setzen
gezielte und tödliche Nadelstiche (+2W GES+Heimlichkeit
in Toulons Straßen). Lässt es sich nicht vermeiden oder
werden die Feuervögel in die Ecke gedrängt, kämpfen sie
Seite an Seite. Jeder Versuch, diesen Widerstand zu ersti-
cken, facht den brennenden Hass der Feuervögel nur noch
mehr an. Wird ein Scharmitglied getötet, erhalten umste-
hende Feuervögel sofort +1W6 Egopunkte.
DIE SCHWARZE SCHAR
KAMPFWERTE
INITIATIVE: 8W / 12 Egopunkte
ANGRIFF: Entermesser, 6W, Reichweite 1m, Schaden 7;
Wurfmesser, 9W, Distanz (3/10), Schaden 6; Harpunen-
armbrust, 7W, Distanz (10/40), Schaden 8 oder Revolver,
9W, Distanz (10/40) Schaden 10
VERTEIDIGUNG: Passiv 3, immer in Bewegung; Nahkampf
aktiv (Ins Leere laufen lassen), Beweglichkeit 10W; Fern-
kampf aktiv (Wegducken), Beweglichkeit 10W; Mental 7W
BESONDERES: GES+Steuern 7W, PSY+Dominieren 8W
BEWEGUNG: 9m
PANZERUNG: Lederweste oder -kleidung, Panzerung 1
VERFASSUNG: 16 (Trauma: 7)
TAKTIK: Enterkampf
Beweglichkeit ist alles. Die Piraten der Schwarzen Schar
sind abgebrühte Kämpfer, die als Beute gut bewachte Han-
delsschiffe mit bis an die Zähne bewaffneten Geißlern ge-
wohnt sind. Gerade auf beengtem Raum, wie zum Beispiel
unter Deck eines Schiffes, in Gassen oder zwischen Streben
und Gerüsten erhalten sie keinen Malus durch den Um-
gebungseinfluss. Im Gegenteil – ihre Passive Verteidigung
steigt auf 4, denn die Piraten sind es gewohnt, derlei beeng-
te Verhältnisse zu ihrem Vorteil auszunutzen.
R E S I S TA N C E
KAMPFWERTE
INITIATIVE: 7W / 12 Egopunkte
ANGRIFF: Gewehr, 6W, Distanz (30/120), Schaden 6;
Bajonett, 8W, Reichweite 1m, Schaden 5 ODER Pistole,
6W, Distanz (10/40), Schaden 9; Säbel, 8W, Reichweite 1m,
Schaden 9; Brandflaschen, 6W, Distanz (5/30), Schaden 6,
Brandgefährlich
VERTEIDIGUNG: Passiv 2; Nahkampf aktiv (Parieren),
Nahkampf 8W; Fernkampf aktiv (Deckung suchen), Be-
weglichkeit 6W; Mental 8W
BESONDERES: KÖR+Ausdauer 7W, VER+Legenden 6W,
INS+Orientierung 6W
BEWEGUNG: 7m
PANZERUNG: Lederpanzer über Uniform, Panzerung 3
VERFASSUNG: 16 (Trauma: 7)
TAKTIK: Ansturm / Feuergefecht
Die Kämpfer der Resistance haben sich einer Sache ver-
schworen, die größer ist, als sie selbst: Franka. Rückzug ist
nur eine Option, wenn er befohlen wird. Entschlossenheit
und Geschlossenheit lautet die Devise. Stürmen mehr als
zehn Kämpfer der Resistance über offenes Feld auf einen
Gegner zu, erhalten sie einen Bonus von +1W auf ihre An-
griffsaktionen. Zusätzlich erhalten Kämpfer der Resistance
1 Punkt Ego zurück, wenn sie eine fremde Stellung einge-
nommen haben. Der Geist des Augenblicks treibt sie erbar-
mungslos voran.
GRENOUILLES
KAMPFWERTE
INITIATIVE: 4W / 6 Egopunkte
ANGRIFF: Traqueur, 4W, Reichweite 2m, Schaden 6
VERTEIDIGUNG: Passiv 2; Nahkampf aktiv (Blocken), Nah-
kampf 4W; Fernkampf aktiv (Auf den Boden werfen), Be-
weglichkeit 4W; Mental 2W
BESONDERES: VER+Medizin 4
BEWEGUNG: 3W
PANZERUNG: Gasmaske mit improvisiertem Filter und ge-
brauchte Spitalieranzüge, Panzerung 1, Versiegelt (+2E)
VERFASSUNG: 10 (Trauma: 5)
TAKTIK: Formationskampf / Rückzug
Die Grenouille sind in ihrer Ausbildung noch lange nicht so
weit. Sofern sich eine Rückzugsmöglichkeit bietet, werden
sie diese dankbar ergreifen, denn ihr Formationskampf er-
innert nur entfernt an die Phalanxen der Spitalier. Tatsäch-
lich stehen sich die Mitglieder der Hilfstruppe eher im Weg,
als dass sie sich gegenseitig unterstützen. In Formation er-
hält ein Grenouille ab dem ersten Nebenmann einen Bo-
nus von +1W auf seine Verteidigung, allerdings auch einen
Malus von -2W auf seine Angriffe aufgrund sich kreuzender
Traqueure.
THE KILLING GAME 203
L ‘ O R A G E - FA M U L A N T E N
KAMPFWERTE
INITIATIVE: 4W / 8 Egopunkte
ANGRIFF: Spreizer, 5W, Reichweite 2m, Schaden 6,
Zerschneiden; Fungizidgewehr, 5W, Distanz (2/8),
Brandstaub, Schaden 8, Brandgefährlich oder Chlorgas,
Vergiftet (5S, 1 Trauma pro Runde, Stärke -1 pro Runde,
Wurf auf KÖR+Härte (Stärke) kann jede Runde erneut
durchgeführt werden)
VERTEIDIGUNG: Passiv 2; Nahkampf aktiv
(Zurückweichen), Beweglichkeit 7W; Fernkampf aktiv
(Deckung suchen), Beweglichkeit 7W; Mental 3W
BESONDERES: VER+Medizin 6W, VER+Wissenschaft 6W,
INS+Wahrnehmung 6W
BEWEGUNG: 4m
PANZERUNG: Gasmaske mit Atemtüchern, Stufe 1:
+1E gegen Kontamination mit Versporung, Keimen und
Umweltgiften; Spitalieranzug, Panzerung 2, Versiegelt
(+2E), Angesehen (Patienten, +1W)
VERFASSUNG: 10 (Trauma: 5)
TAKTIK:  Formationskampf / Kampfstoffe
Den Famulanten der L‘Orage fehlt jedwede Fronterfah-
rung. Die Anlagen sind zwar gegeben, denn in Formation
können sie einen Gegner ohne weiteres auf Abstand halten
(Potenzial: Phalanx Stufe 2). Dennoch werden sie es vorzie-
hen, sich aus Kämpfen herauszuhalten und einen nachset-
zenden Gegner nur in äußerster Not mit Brandstaub und
Chlorgas eindecken. Als angehende Feldärzte sind sie sich
der verheerenden Wirkung ihrer Waffen nur allzu bewusst.
BEAU MONDE
KAMPFWERTE
INITIATIVE: 5W / 8 Egopunkte
ANGRIFF: Gewehr, 6W, Distanz (30/120), Schaden 6;
Säbel, 6W, Reichweite 1m, Schaden 8;
VERTEIDIGUNG: Passiv 2; Nahkampf aktiv
(Zurückweichen), Beweglichkeit 7W; Fernkampf aktiv
(Deckung suchen), Beweglichkeit 7W; Mental 4W
BESONDERES: GES+Heimlichkeit 7W, CHA+Verhalten
8W, INS+Orientierung 7W
BEWEGUNG: 6m
PANZERUNG: Barett mit Abzeichen (Anker Toulons),
verstärkte Uniform mit Rangabzeichen, Panzerung 2
VERFASSUNG: 12 (Trauma: 5)
TAKTIK: Hinterhalte / Stellung halten
Die Männer und Frauen der Beau Monde sind eine erfahre-
ne Miliz, deren Ausrüstung sich in tadellosem Zustand be-
findet. Ihre besondere Stärke ist ihre Ortskenntnis. Sobald
die Touloni ihre Stellung frei wählen können, erhalten sie
+2W auf GES+Heimlichkeit, um ihre Gegenwart zu tarnen.
Es ist für sie ein Leichtes, den perfekten Hinterhalt zu le-
gen, denn Toulon ist ihre Stadt.
Ähnliches gilt für den Fall, dass sich die Beau Monde
eingräbt. Auch hier ist es für sie keine große Herausforde-
rung, Material für Barrikaden und improvisierte Schutz-
wälle zu organisieren. Sie erhalten +5 statt +4 auf ihre Passi-
ve Verteidigung bei voller Deckung.
AY U B U S G E I S S L E R
KAMPFWERTE
INITIATIVE: 9W / 12 Egopunkte
ANGRIFF: Kampfmesser, 9W, Reichweite 1m, Schaden
5, Leichtgängig (2T); Sturmgewehr, 8W, Distanz (30/120),
Schaden 11, Salven 3; Pistole, 8W, Distanz (10/40), Schaden 9
VERTEIDIGUNG: Passiv 3; Nahkampf aktiv (Parieren),
Nahkampf 12W; Fernkampf aktiv (Haken schlagen),
Beweglichkeit 8W; Mental 10W
BESONDERES: KÖR+Athletik 9W, KÖR+Ausdauer 9W,
CHA+Führung 7W
BEWEGUNG: 8m
PANZERUNG: Geißlermaske, gegen Mentale Angriffe
PSY+Glaube/Wille +2W; Flakjacke und Helm, Panzerung 4;
Ovalschild, Verteidigung +2W/+1, Angriff -1W
VERFASSUNG: 18 (Trauma: 9)
TAKTIK: Mann gegen Mann / Veteranen
Ayubus Geißler sind gestählt vom Kampf gegen die hy-
brispanischen Guerreros. Als aufeinander eingespielte
Truppe können sie auf die Erfahrungen und Taktiken pro-
fessioneller Kriegsführung zurückgreifen. Sobald Ayubus
Männer während eines Gefechts Kommandos und Befehle
austauschen und sich gegenseitig abstimmen, erhalten sie
einen Bonus von +2W auf ihre Initiative.
Sind die Geißler von ihren Waffenbrüdern getrennt,
suchen sie den ehrenhaften Kampf Mann gegen Mann. Kei-
ner von ihnen würde zögern, sein Leben für einen der ihren
zu geben. Und wenn Ayubu es wünscht, marschieren seine
Leute für ihn durchs Feuer.
AFRICANISCHE SCHROTTER
KAMPFWERTE
INITIATIVE: 3W / 8 Egopunkte
ANGRIFF: Verschiedenes Werkzeug, 3W, Reichweite 1m,
Schaden 6; Revolver, 4W, Distanz (10/40), Schaden 10
oder Schrotflinte, 4W, Distanz (5/20), Schaden 10, Streut,
Doppellauf
VERTEIDIGUNG: Passiv 2; Nahkampf aktiv
(Zurückweichen), Beweglichkeit 6W; Fernkampf aktiv
(In Deckung werfen), Beweglichkeit 6W; Mental 5W
BESONDERES: GES+Handwerk 7W, VER+Artefaktkunde
7W, VER+Technik 6W
BEWEGUNG: 4m
PANZERUNG: Leichte Alltagskleidung, vereinzelt Kaftane
oder Overall, Panzerung 0; Behangen mit Habseligkeiten,
Panzerung 1
VERFASSUNG: 10 (Trauma: 6)
TAKTIK: Rückzug / Verschanzen
Die africanischen Schrotter trifft die Eskalation hart und
unvorbereitet. Sie haben keinerlei Kampfausbildung, ge-
schweige denn Erfahrung.
Was sie an Waffen bei sich tragen, ist entweder impro-
visiert oder von der Straße geklaubt. Werden sie in einen
Kampf verwickelt, ziehen sie sich schnellstmöglich zu-
rück, um sich irgendwo zu verschanzen. Sollte ihnen ein
Gegner folgen, ergeben sie sich oder kämpfen aus purer
Verzweiflung um ihr Leben.
MURNAKIRS DROHNEN
Die Drohnen Murnakirs sind kaum mehr als leere Hül-
len, die auf unsichtbaren Straßen durch die Rhône-Sümp-
fe streifen. Ihre Leiber sind ausgemergelt, denn selbst das
Hungergefühl wird durch die stille Eintracht, die sie alle
miteinander verbindet, unterdrückt. Sie essen nur, wenn
sie den Befehl dazu erhalten.
ARBEITER
KAMPFWERTE
INITIATIVE: 5W / 8 Egopunkte
ANGRIFF: Faustkeil, 5W, Reichweite 1m, Schaden 3, Leicht-
gängig (3T), Zerbrechlich
VERTEIDIGUNG: Passiv 1; Nahkampf aktiv (Arm heben),
Faustkampf 5W; Fernkampf aktiv (Geduckt laufen), Beweg-
lichkeit 5W; Mental unbeeindruckt
BESONDERES: KÖR+Faustkampf 5W, KÖR+Ausdauer 6W,
GES+Handwerk 6W, GES+Heimlichkeit 6W
BEWEGUNG: 3m
PANZERUNG: Nackt, Panzerung 0
VERFASSUNG: 6 (Trauma: 5)
TAKTIK: Überrennen
Einzeln stellt ein Arbeiter keinerlei Gefahr für einen wehr-
haften Gegner dar. Aber Drohnen sind selten einzeln in den
Rhône-Sümpfen anzutreffen. Bei einem Kampf stürzen sich
die Arbeiter ohne Rücksicht auf ihr eigenes Leben auf den
Gegner, greifen in seine Arme, krallen sich in seine Haare
und kratzen ihm die Haut vom Fleisch. Ausschlaggebend
ist die zahlenmäßige Überlegenheit. Sind es dreifach so vie-
le Drohnen wie Verteidiger, erhalten die Arbeiter +1W auf
alle Aktionswürfe im Kampf, während die Gegner einen
Malus von -1W erhalten. Bei einer fünffachen Übermacht
steigt der Bonus auf +3W, der Malus auf -3W, bei einer mehr
als achtfachen Überlegenheit auf +5W und auf -5W. Sinkt
KÖR+Athletik durch den Malus auf oder unter Null, sind
die Verteidiger übermannt und handlungsunfähig.
KRIEGER
KAMPFWERTE
INITIATIVE: 6W / 10 Egopunkte
ANGRIFF: Keule, 6W, Reichweite 1m, Schaden 5, Stumpf;
Blasrohr, 6W, Distanz (3/12), Schaden 4, Vergiftet (5S, 1
Trauma pro Runde, Wurf auf KÖR+Härte (Stärke) kann
jede Runde erneut durchgeführt werden)
VERTEIDIGUNG: Passiv 2; Nahkampf aktiv (Blocken), Nah-
kampf 6W; Fernkampf aktiv (Geduckt laufen), Beweglich-
keit 6W; Mental unbeeindruckt
BESONDERES: GES+Handwerk 6W, GES+Heimlichkeit
8W, INS+Wahrnehmung 6W
BEWEGUNG: 6m
PANZERUNG: Lendenschurz, Panzerung 0
VERFASSUNG: 8 (Trauma: 6)
TAKTIK: Fallen stellen / Hinterhalte legen
Drohnenkrieger streifen als Wächter entlang der Grenzen,
präparieren Fallen mit potenten Giften und locken Angrei-
fer hinein. Oder sie schleichen sich an und attackieren aus
dem Hinterhalt. Im Sumpf sind sie fast unsichtbar.
IDOL-TRÄGER
KAMPFWERTE
INITIATIVE: 7W / 12 Egopunkte
ANGRIFF: Krallenhände, 7W, Reichweite 1m, Schaden 7
VERTEIDIGUNG: Passiv 2; Nahkampf aktiv (Ausweichen),
Beweglichkeit 7W; Fernkampf aktiv (In Bewegung bleiben),
Beweglichkeit 7W; Mental unbeeindruckt
BESONDERES: GES+Handwerk 7W, GES+Heimlichkeit
8W, PSY+Dominieren 9W, INS+Primal 8W
BEWEGUNG: 7m
PANZERUNG: Idolmaske, Furchterregend (2), Panzerung 0
VERFASSUNG: 10 (Trauma: 7)
TAKTIK: Alarmieren
Ein Fünftel aller Drohnen hat seine Menschlichkeit für im-
mer abgestreift. Unter ihren Achseln wuchern Drüsen, die
Lymphknoten sind bis zum Bersten geschwollen, Verhär-
tungen überziehen die Haut. Diese Leperos sind die Vor-
hut der Pheromanten, verbergen die eigene Identität hinter
hölzernen Masken, den Gesichtern ihrer Herren.
Idol-Träger stehen in ständiger Verbindung mit ih-
ren Königinnen, erfahren aus dem Wind, wo der nächste
Grenzstein errichtet werden soll, markieren die Pheromon-
marker mit neuen Weisungen, rufen Arbeiter zusammen,
lesen den Strom der Insekten im Unterholz, der sie vor Ein-
dringlingen warnt.
Sind die Grenzen oder Marker bedroht, werfen sich
Idol-Träger ohne Rücksicht auf ihr eigenes Leben auf den
Feind. Sie sind Teil des Ganzen, ihr Tod hat nur einen
Zweck – noch mehr Verteidiger heranzurufen. Im Augen-
blick des Todes zerplatzen die Drüsen und versprühen ein
säuerlich riechendes Warnsekret. Ein Wurf auf INS+Primal
gibt an, wie stark der eintretende Effekt ist:
ERFOLG, KEINE TRIGGER: Das Warnsekret lockt in-
nerhalb einer halben Stunde alle Drohnen im Umkreis von
einem Kilometer zum Ort des Todes. Pheromanten im selben
Umkreis registrieren, dass ein Idolträger verstorben ist.
1+ TRIGGER: Für jeden erzielten Erfolg wird der Duft des
verstorbenen Idol-Trägers einhundert Meter weiter ins
Umland getragen. Der starke Geruch wirkt sich auf umste-
hende Charaktere aus – ohne Gasmaske oder Atemschutz
schwellen in Sekundenschnelle die Nasenschleimhäute an,
Tränen vernebeln unkontrolliert den Blick (Vergiftet, die
Schwierigkeit entspricht den erzielten Erfolgen, -1W auf
alle Aktionen, 30 min).
3+ TRIGGER: Das verspritzte Sekret ist zusätzlich zu allen
übrigen Effekten derart potent, dass die herangelockten
Drohnen in einen erhöhten Erregungszustand versetzt
werden. Der Tod ruft Trauer und Zorn zugleich hervor, im
Kampf erhalten alle Drohnen +2W auf ihre Aktionswürfe
gegen die gemeinsame Gefahr.
5+ TRIGGER: Der Idol-Träger versprüht einen individu-
ellen Geruch, der bis zu Murnakir selbst dringt. Zwar hat
das Ereignis keinerlei Bedeutung für ihn, doch im selben
Augenblick wissen alle Ammen, Exilanten und Idol-Träger
von dem Ort des Geschehens.
THE KILLING GAME 205
AUSRÜSTUNG
NAHKAMPFWAFFEN
KAMPFMESSER
Gefertigt aus urvölkischen Stahllegierungen sind Kampf-
messer aus UEO- oder UAO-Beständen begehrte Nah-
kampfwaffen. Die Sägekante an der Rückseite der Klinge
ist in der Wildnis hilfreich und reißt beim Gegner schwere
Wunden.
Die Parierstangen von UEO-Kampfmessern sind mit
Stahlösen erweitert, wodurch diese sich als Bajonett auf
die meisten Sturmgewehre pflanzen lassen.
UAO-Kampfmesser sind auch als Geißlerdolche be-
kannt und werden innerhalb eines Rudels als Auszeichnung
des Chaga an seine Kämpfer weitergegeben. Die Parierstan-
ge geht einseitig in einen Griffschutz über, wodurch das
Messer auch als Schlagring genutzt werden kann.
BESONDERHEIT: Mit einem UEO-Kampfmesser kann
ein Sturmgewehr aufgerüstet werden, ohne dass Slots ver-
braucht werden. Das Gewehr kann anschließend als Nah-
kampfwaffe geführt werden, der Schaden entspricht dem
des Kampfmessers.
Ein UAO-Kampfmesser kann hingegen auch als Schlag-
ring eingesetzt werden. Die Werte entsprechen dem eines
herkömmlichen Schlagrings, allerdings behält die Waffe
die Leichtgängigkeit des Kampfmessers. Der Geißlerdolch
zählt als Kultgegenstand für Geißler.
S TA H L R U T E
Diese biegsamen Metallstangen sind weder so klobig noch
so auffällig wie eine Keule, aber genauso wirkungsvoll.
Neben der Standardvariante, die bevorzugt von Schöffen,
hellvetischen Schleusenwachen und anderem Wachper-
sonal zur Wahrung der Ordnung eingesetzt wird, ist auch
die Teleskopvariante verbreitet. Die eigentliche Stange lässt
sich nach Lösen der Arretierung in einem kleinen Zylinder
versenken, der nicht weiter auffällt.
BESONDERHEIT: In der Teleskopvariante kostet die Stahl-
rute 300 CW und erhält zusätzlich die Eigenschaft Getarnt
(2S), sofern sie nicht ausgefahren ist. Diese Variante zählt
außerdem als Kultgegenstand für Chronisten (Shutter).
FEUERWAFFEN
ABGESÄGTE SCHROTFLINTE
Es erfordert präzises Sägen und gute Werkzeuge, um eine
Schrotflinte zu kürzen, ohne die Läufe zu ruinieren (GES+
Handwerk (4)). Anschließend lässt sich die Flinte ohne gro-
ße Schwierigkeiten unter einem Mantel oder in einer wei-
ten Jacke verbergen, was anders kaum möglich wäre.   Oder den Gegner in den Nahkampf zwingt.
BESONDERHEIT: In manchen Fällen wird der Gewehrkol-
ben einer Schrotflinte auch zu einem Pistolengriff umgear-
beitet (verbraucht 1 Slot). Eine solche Waffe kostet 200 CW
mehr, erhält dafür jedoch auch +1W Handlichkeit.
H E A V Y- D U T Y- G A T L I N G
Dieses Modul wird ausschließlich für Sonderoperationen
vergeben. Da Überhitzung durch das Gatling-Prinzip ver-
mieden wird, ist die Feuerkraft dieser Waffe legendär, der
Munitionsverbrauch jedoch für herkömmliche Aufgaben
unangemessen hoch. Jedem Fourier tritt der Schweiß auf
die Stirn, wenn er einen Munitionskanister mit 6.000
Schuss ausgeben muss.
BESONDERHEIT: Mit Munitionskanister belegt die He-
avy-Duty-Gatling 3 Slots. Montiert entfällt aufgrund von
Stabilisatoren der Malus von -2W für die Handhabung.
G R A N AT E N
B L E N D G R A N AT E
Granaten auf Magnesiumbasis werden wie Schockgranaten
vor allem zur Einleitung eines schnellen Zugriffs verwen-
det. Bei Zündung wird ein extrem grell flackernder Licht-
blitz erzeugt, der nur mit vorgehaltener Hand abgeschirmt
werden kann. Die Opfer sind kurzfristig geblendet.
WIRKUNG: Wird ein Charakter von einer Blendgranate
überrascht, erhält er -5W auf sämtliche Aktionen, die Sicht
erfordern. Dieser Malus reduziert sich in jeder nachfolgen-
den Runde um 1W.
O Z O N G R A N AT E
Diese Kampfmittel wurden speziell für die Vorstöße gegen
die Pheromanten entwickelt. Zwar sind die stabförmigen
Granaten teuer in der Herstellung und eher klobig zu hand-
haben, doch für die Vorstöße nach Franka sind sie unver-
zichtbar.
WIRKUNG: Einmal gezündet wird explosionsartig Ozon
freigesetzt, das augenblicklich alle Botenstoffe im Wir-
kungsradius zersetzt. Gegen die Alarmpheromone der
Idol-Träger sind Ozongranaten daher überlebenswichtig.
Pheromanten, die sich bei Explosion im Wirkungsradius
aufhalten, sind kurzfristig desorientiert und erhalten für
zwei Runden einen Malus von -4W beim Wirken ihrer Phä-
nomene.
R A U C H G R A N AT E
Anders als explosive Granaten brennt eine Rauchgranate
längere Zeit ab, wobei sie kontinuierlich Rauch ausstößt.
Die Farbe des Rauchs variiert, da gerade Hellvetiker Rauch-
granaten auch als Signalgeber einsetzen. Bei passenden
Windverhältnissen oder in geschlossenen Räumen redu-
ziert der Rauch innerhalb von 1W6 Runden die Sichtweite
auf eine Armlänge, was den Rückzug deutlich erleichtert.
  
WIRKUNG: Die Granate brennt nach Zündung für 30 Run-
den. Wie lange der Malus von -4W auf alle Aktionen, die
Sicht erfordern, anhält, hängt stark von den Raum- und
Windverhältnissen ab.
S C H O C K G R A N AT E
Ähnlich wie Blendgranaten dienen Schockgranaten vor al-
lem der Verwirrung und Überraschung. Sie detonieren be-
sonders laut, was ohne Schutz des Gehörs sofort zu einem
kurzzeitigen Knalltrauma führt. Chronisten kombinieren
gerne die Effekte von Schock- mit denen von Blendgrana-
ten.
WIRKUNG: Opfer eines Knalltraumas können zwei Run-
den lang keine Egopunkte einsetzen. Schock-Blend-Grana-
ten addieren die Wirkung beider Kampfmittel, allerdings
steigen die Kosten auf 200 CW und die Handhabung be-
trägt -1W.
RÜSTUNGEN
SHUTTERANZUG
Shutter, Fuses und andere Angehörige des Kultes, die sich
auf geheimer Mission befinden, haben wenig Verwendung
für den Glitter, der Chronistenanzüge normalerweise
ziert. Sipplinge lassen sich durch derlei Tand vielleicht ein-
schüchtern, aber im Untergrund gelten andere Regeln.
BESONDERHEIT: Shutteranzüge wurden entglittert und
sind damit deutlich weniger auffällig. Ansonsten sind sie
genau wie herkömmliche Chronistenanzüge zur Aufwer-
tung durch Module geeignet.

NAHKAMPFWAFFEN
(KÖR+NAHKAMPF)

Bezeichnung Hand. Dist. Schaden Eigenschaften Last Tech Slots Wert Ress. Kult

Eisenstange -2W 1 4+K/2 Stumpf, Wucht (2T) 2 II 1 20 -

Entermesser - 1 4+K/3 1 II 1 200 -
Faustkeil - 1 1+K/2 Leichtgängig (3T), Zerbrechlich, Faustkampf 1 I - 5 -
Kampfmesser +1W 1 3+K/3 Leichtgängig (2T) 1 II 1 450 2 Geißler
Kettensäge -2W 1 12 Empfindlich, Furchterregend (3), Wucht (1T) 3 IV 1 1000 3 Hellvetiker
Machete - 1 6+K/3 2 II 1 450 -
Stahlrute +1W 1 3+K/2 Stumpf 1 III 1 250 2 Chronisten
Traqueur - 2 3+K/3 3 II 2 200 -
Wanderstab - 2 1+K/2 Stumpf 2 I 1 30 -

FEUERWAFFEN
(GES+SCHUSSWAFFEN)

Bezeichnung Kaliber Hand. Dist. Schaden M a g . Eigenschaften Last Tech Slots Wert Ress. Kult

Abges. Schrotflinte 12mm Schrot - 5/10 10 2 Streut, Doppellauf 2 IV 2 1600 -

Heavy-Duty-Gatling 5,56x45mm -2W 50/200 12 Gurt Salven (15) 7 IV 2 12000 5 Hellvetiker

GRANATEN
(GES+SCHUSSWAFFEN)

Bezeichnung Hand. Dist. Schaden Eigenschaften Last Tech Wert Ress. Kult

Blendgranate - 10/40 speziell Abweichung, Wolke (5 Meter, 1 Runde) 1 IV 80 2 Chronisten, Hellvetiker

Ozongranate -1W 10/40 speziell Abweichung, Wolke (15 Meter, 1 Runde) 1 IV 500 3 Spitalier, Resistance
Rauchgranate - 10/40 speziell Abweichung, Wolke (5+ Meter, 30 Runden) 1 IV 80 2 Chronisten, Hellvetiker
Schockgranate - 10/40 speziell Abweichung, Donnerschlag,
Wolke (5 Meter, 1 Runde) 1 IV 110 2 Chronisten, Bleicher
Sprenggranate - 10/40 15 Abweichung, Donnerschlag, Explosiv 1 III 300 -

RÜSTUNGEN

Bezeichnung Panzerwert Eigenschaften Last Tech Slots Wert Ress. Kult

Shutteranzug 2 speziell 1 IV 2 300 3 Chronisten

THE KILLING GAME 207

PROLOG
VOR 23 JAHREN: Mirage wird in den Cluster von Aquitaine
gebracht. Ihre Ausbildung zur Chronistin beginnt.
VOR ZEHN JAHREN: Hamza Abubakar III. erwirbt die Kon-
zession für Toulon von der Handelsbank.
VOR ZWEI JAHREN: Mirage und Hamza führen eine einzige
gemeinsame Verhandlung. Das Gespräch verläuft zu
Mirages Ungunsten. Das Wunderkind der Chronis-
ten ist blamiert und verliert ihr Gesicht.
VOR EINEM JAHR: Mirage entschließt sich mit Hilfe der
Cluster von Aquitaine und Justitian zu einem gewalt-
tätigen Paradigmenwechsel in Toulon. Ziel: die Ent-
machtung Hamza Abubakars III.
VOR DREI MONATEN: Ein desertierter Hellvetiker namens
Baptiste beginnt im Auftrag des Phönix Rattler da-
mit, die Schwachstellen der Stadt ausfindig zu ma-
chen und zu katalogisieren. Er platziert Sprengstoff
an allen wichtigen Knotenpunkten über ganz Toulon
verteilt.
VOR ACHT WOCHEN: Der Höhlenbär Eisenhauer, Legende
unter den Schrottern, schließt sich der Untergrund-
bewegung der Eisenbrüder an. Er schmuggelt um-
fassende Waffendepots in die Stadt und rüstet die
Eisenbrüder aus.
VOR SECHS WOCHEN: Callisto, die unangefochtene An-
führerin der Schwarzen Schar, wird von Fieberträu-
men heimgesucht. Ein Phönix nimmt Rache an ihr.
Immer und immer wieder. Als sie das Tarot befragt,
zeigt sich nur der Absonderliche, der über dem
Schöpfer thront. Das schlimmste aller Omen.
VOR DREI WOCHEN: Ivar, ein Apokalyptiker der Schwar-
zen Schar, wird schwer verwundet an den Ufern des
Schwarzen Nests angespült. Seine Störche wurden
massakriert, ihm wurde das Gesicht verbrannt. Eine
Kriegserklärung? Von wem? Ivar erinnert sich nur an
einen Tätowierten.
VOR ZWEI WOCHEN: Der Dumisai Ayubu beobachtet selt-
same Bewegungen außerhalb der Stadtgrenzen. Die
Eisenbrüder erscheinen verschlagener als sonst.
Dann macht einer seiner Männer Bericht über einen
unkartierten Stollen in Terres Putain. Der Bluthund
wittert, dass etwas im Gange ist, doch seine Kame-
raden wiegen ihn in Sicherheit. Toulon ist nicht der
Dschungel Hybrispanias.
VOR SIEBEN TAGEN: Der Fuse Factor hat sein größtes tech-
nisches Wunderwerk vollendet: ein Emissionsschild,
mit dem sich Radioübertragungen blockieren lassen
und mit dessen Hilfe er die Stadt auf einen Schlag
von jeglicher Kommunikation mit der Außenwelt ab-
schneiden kann. Der Schild wird von einzelnen Emit-
tern aufrecht erhalten, die Factor über die gesamte
Stadt verteilt auf Hausdächern montiert hat. Wenn
er von Mirage den Befehl erhält, wird er sämtliche
Frequenzkanäle kappen.
VORGESTERN: Der Dumisai will dem Stollen auf den Grund
gehen und schickt einen jungen Dufu, um sich bei
der Schlachterei umzusehen. Der unerfahrene Geiß-
ler stolpert in einen Hinterhalt und wird von Eisen-
brüdern hingerichtet. Sie entsorgen seinen Leichnam
in einen Kanal von Port Lagagne, um Spuren, die zum
Tatort zurückführen, zu verwischen. Die Eisenbrü-
der können nicht vorsichtig genug sein.
GESTERN: Bergmann, ein Schrotter, der mit Nestor im Bund
ist, soll einen Kahn im Kanal, der Terres Putain von
Cour Argent trennt, verkeilen, um Geißler aus der
nahe gelegenen Kaserne abzulenken. Während der
Kahn aus dem Brackwasser geborgen wird, damit
sich der Rückstau auf der Wasserstraße auflösen
kann, platzieren Schrotter rund um die Kaserne meh-
rere Sprengköpfe, die ihnen Eisenhauer für den Tag
X zugespielt hat. Bergmann gehen bei der Aktion die
Nerven durch und er flieht, bevor er festgenommen
werden kann.
a Der Drahtzieher Kreisel macht Ärger. Er hätte ei-
gentlich Sprengstoffspulen für die Operation, die am
morgigen Tag stattfindet, fertigstellen sollen. Statt-
dessen hat er kalte Füße bekommen und sich vor der
Arbeit gedrückt. Ein Haufen Eisenbrüder versucht, es
ihm mit Tritten und Schlägen heimzuzahlen.
Ein unkartierter Stollen wird geflutet und bricht zu-
sammen. Dabei stürzt ein mehrstöckiges Gebäude
an einer viel befahrenen Wasserstraße in Terres Pu-
tain ein. Die Einsturzstelle wird sofort gesichert. Der
Shutter Decoy 5 stellt dort Nachforschungen an.
a Die Leiche des ermordeten Geißlers wird in Port
Lagagne aus einem Kanal gefischt. Kinder haben mit
dem Helm des Toten gespielt und dabei eine Such-
aktion nach dem Dufu losgetreten. Die Geißler sind
ratlos. Wer würde es wagen, sich mit Africas besten
Kriegern anzulegen?
a Ein Tarnboot der Schwarzen Schar erreicht Toulon.
Es soll die Gewässer nach Fallen durchsuchen und
den herannahenden Piraten einen Blick auf die Lage
an den Häfen samt möglicher Anlegeplätze verschaf-
fen. Apokalyptiker hassen Überraschungen. Außer,
sie bringen selbst welche.
D E R TA G X
07:00 AM: Drei Explosionen zerreißen den Cour Argent. Die
Silberachse, die Kaserne und die Brücke nach Ferral-
lies werden gesprengt. Die Eisenbrüder läuten den
Tag X mit Terror ein.
a Die Hauptstreitmacht unter Eisenhauer und Nes-
tor belagert den Palast von Hamza Abubakar III. Es
hagelt Granaten. Lange wird die Außenmauer dem
Dauerfeuer nicht standhalten können.
a Am neolibyschen Consulat macht sich Deich mit
seinen Kartellschlägern zu schaffen. Sie versuchen
Zohra, die Consulin, als Geisel zu nehmen, um spä-
ter Lösegeld für sie zu fordern. Die Geißler, die Zohra
schützen sollen, werden aufgerieben.
a Das Haus der Handelsbank wird von Schrottern und
Shuttern geplündert. Es gibt Tote und Verletzte. Kon-
zessionen, Dinare, Goldreserven werden gestohlen
und über eine Menschenkette nach Ferrallies ver-
frachtet.
a Eisenbrüder und Kommando Requiem überfallen die
Universität. Sie verbrennen Bücher und exekutieren
africanische Studenten. Der Geist der Neolibyer soll
vollständig getilgt werden.
a Remagnac und seine Famulanten aus dem Lazarett
L’Orage werden als Geiseln genommen. In Ferrallies
sollen sie die Verpflegung der verwundeten Eisen-
brüder sicherstellen. Die Schrotterin Hurlant koordi-
niert die Gefangennahme. Sie hat eine Rechnung mit
den Spitaliern offen.
a Am Nordhafen kommt es zu einer Konfrontation.
Die Famulanten der L’Orage werden gerettet und
können nach Terres Putain fliehen.
10:00 AM: Lagebesprechung im Camp Resistance. Die Ge-
neralin Zoe Morceau und der Bürgermeister Vericon
sind sich uneinig. Die Generalin sucht den Angriff,
der Bürgermeister die Verhandlung.
a Währenddessen gehen Eisenbrüder mit schwerem
Gerät gegen die Innenmauer von Hamzas Palast vor.
Die Geißler verteidigen sich mit stark dezimierten
Truppen.
a Ein Ablenkungsmanöver aufseiten der Africaner soll
die Angreifer verwirren. Auf der Aussichtsplattform
wird ein Signalfeuer gezündet, was den Sieg über die
Schrotter vortäuschen soll. Der Moment gereicht,
um es Hamza zu ermöglichen unter dem Schutz von
Ayubu und seinen Geißlern aus dem Palast zu flie-
hen. Der Anubier Nephraim bleibt zurück.
03:00 PM: Auf der Silberachse kommt es zu einem Zusam-
mentreffen von Resistance, Kämpfern der Beau Mon-
de und Geißlern. Die drei Kampftruppen versuchen
den Rückzug zu organisieren. Die Eisenbrüder sind
in der Übermacht und bestens ausgestattet.
a Die Eisenbrüder jagen einen Panzerwagen die ausge-
brannte Silberachse hinunter. Es kommt zu schwe-
ren Gefechten. Die Resistance muss sich auf ihren
Posten hinter der Brücke von Terres Putain zurück-
ziehen, während Ayubus Rudel zu den Zollhäusern
ausschert.
07:00 PM: Ein seltsames Frequenzfeld blockiert Radioüber-
tragungen und Notrufe über Schrotterfunk an die
Region. Innerhalb der Stadgrenzen funktioniert die
Übertragung hingegen.
a Bei den Lagerhäusern kommt es zu einer rasan-
ten Auseinandersetzung mit dem Fuse Factor. Sein
Emissionsschild verhindert jede Kommunikation der
Stadt nach außen, und er verteidigt seine Emitter mit
Waffengewalt.
09:00 PM: Hamza, Ayubu und die Geißler versuchen, zum
Pier 1 am Nordhafen zu stürmen, um sich auf die he-
rannahende Unya, das Transportschiff der Africaner,
zu retten. Ein brutales Gefecht entbrennt. Schöffen,
Schrotter und Shutter versuchen, die Flüchtenden
einzukreisen und zu töten. Nestor persönlich hat ein
Kopfgeld auf Hamza ausgerufen. Die Angreifer be-
kommen zusätzlich Feuerschutz von Eisenhauer.
a Orma steuert die Unya auf Grund und verkeilt den
Schiffsrumpf. Der Einschlag ist gewaltig. Die schwar-
zen Schrotter geben den zurückziehenden Geißlern
Feuerschutz. Hamza schafft es, auf das sichere Deck
des Schiffes zu gelangen.
11:00 PM: Die Unya kann nicht ablegen. Es ist nur eine Frage
der Zeit, bis die Schrotter das Schiff vom Hafen aus
entern. Die Geißler halten den Widerstand mit letz-
ter Kraft aufrecht.
a Ein Schlepper muss die Unya aus ihrer Lage befreien,
damit der Koloss auslaufen kann. Kaum sind die Zug-
ketten befestigt, gelangt das Transportschiff aus der
Gefahrenzone. Der Schlepper explodiert nur Sekun-
den später im Granatenfeuer.
a Ayubu und seine Geißler kämpfen bis zum letzten
Mann. Doch der Kampf ist aussichtslos. Sie wer-
den vollends von der Übermacht der Schrotter und
Schöffen aufgerieben. Der Dumisai geht im Hagel
Dutzender Hammer- und Keulenhiebe unter.
THE KILLING GAME 209
D E R TA G D A N A C H
05:00 AM: Die Eisenbrüder haben Hamzas Palast eingenom-
men. Die Schrotter wüten gnadenlos. Sie wollen das
Erbe des Neolibyers vollständig ausradieren.
a Im Camp der Resistance sammeln sich derweil die
Überlebenden des Vortags. Zoe entwickelt einen
Schlachtplan für den kommenden Vormittag. Ein
besoffener Eisenbruder taucht am Camp auf und ver-
sucht sich in Diplomatie. Zoe versteht sein Verhalten
als Kriegserklärung und exekutiert ihn vor Ort.
a Die Lage in der Stadt ist unübersichtlich. Immer
mehr kleinere Brandherde beginnen zu lodern, zer-
ren am Zusammenhalt der Bevölkerung.
08:00 AM: Über Funk geben zwei Schrotter versehentlich
den Zugangscode zu einem gesicherten Chronis-
tenkanal frei. Ab jetzt kann Kommando Requiems
Kommunikation abgehört werden.
a Ein zweiter Frequenzemitter wird in Terres Putain
ausfindig gemacht und zerstört. Auch er trägt die
Handschrift des Fuses Factor.
09:00 AM: Factor versucht, im Nest der Feuervögel seine
geliebte Alabaster zu entführen und mit ihr aus der
Stadt zu verschwinden, doch er gerät in einen Hin-
terhalt und wird getötet.
a Hinweise im verlassenen Nest der Apokalyptiker
deuten auf markierte Positionen in Terres Putain
hin. Die Feuervögel sind bestens über die Bewegun-
gen der Schrotter informiert. Warum?
11:00 AM: Vericon versucht Zoe davon zu überzeugen, nicht
noch mehr Männer für den Gegenangriff zu opfern.
Stattdessen will er mit Hilfe von Brieftauben Verstär-
kung aus den umliegenden Städten der Region holen.
a Die Tauben werden von einem unbekannten Schüt-
zen vom Himmel geschossen.
01:00 PM: Ein geheimer Stollen wird in der Nähe des
Schlachthauses entdeckt und führt unterirdisch bis
zur Silberachse. Vermutlich gibt es ostseitig in Fer-
rallies ebenfalls solche Versorgungsstollen, was den
Überraschungsangriff der Schrotter am Vortag erklä-
ren dürfte.
a Der Chronist Decoy 5 befindet sich auf geheimer
Mission in der Stadt. Er versucht die Anführerin des
Aufstands, Mirage, ausfindig zu machen.
03:00 PM: Kommando Requiem erhält von Mirage auf
dem verschlüsselten Funkkanal den Befehl zum so-
fortigen Rückzug aus der Operation. Der Verrat an
der gemeinsamen Sache lässt Nestor überschäumen.
Er befiehlt Hurlant, die Petrotürme mit Hilfe der
Frachtgondel zu vernichten und den Nordhafen in
einem Flammenmeer zu ertränken.
05:00 PM: Hurlant ist besiegt und die Frachtgondel im letz-
ten Augenblick vom Kurs abgewendet, da zeichnet
sich am Horizont die nächste Gefahr ab. Dutzende
Piratenschiffe laufen in die Bucht von Toulon ein.
06:00 PM: Das geheime Versteck von Kommando Requiem
wurde angegriffen, das Paradigma Mirage von zwei
Unbekannten, einem Tätowierten und einem Hell-
vetiker entführt.
a Zeitgleich nähert sich Nestor samt Eisenhauer und
seinem Gefolge dem Alkoven. Die Eisenbrüder
wollen mit Kommando Requiem abrechnen. Der
Schwarze Richter Arcville und seine Schöffen gehen
den aufgebrachten Schrottern in die Hände und wer-
den allesamt hingerichtet.
a Derweil bringt Deich die Geisel Zohra zum Alkoven.
Nestor will die Gefangene exekutieren. Als Warnung
für Hamza.
09:00 PM: Zohra und ihren Schreiberinnen gelingt die Flucht.
Sie werden jedoch von einem rasenden Eisenhauer
und einer Meute blutrünstiger Schrotter verfolgt.
10:00 PM: Meridian von der Schwarzen Schar bringt Zohra
und die Schreiberinnen in Sicherheit. Die Apokalyp-
tiker sind in der Stadt, um nach einem Tätowierten
Ausschau zu halten, der mit ihren Prophezeiungen in
Verbindung steht.
a Zoe schlägt sich derweil mit der Resistance zum Pa-
last durch. Die geschwächten Eisenbrüder im Inne-
ren warten auf Verstärkung aus Ferrallies, doch da
brechen die Versorgungstunnel in sechs großen De-
tonationen in sich zusammen. Jemand hat die Stollen
in die Luft gesprengt.
a Hamza will mit der Schwarzen Schar an Bord der
Unya verhandeln. Er sucht das Bündnis mit den Pi-
raten. Dort stellt sich heraus, dass der Tätowierte
dem Africaner die Urheberin des Aufstands als Geisel
übergeben hat. Mirage ist in Hamzas Händen. Mit ihr
in seiner Gewalt kann der Plünderer Druck auf die
Chronisten ausüben. Die Apokalyptiker bieten dem
Neolibyer einen Pakt zur Rückeroberung Toulons
an. Im Morgengrauen wird angegriffen. Hamza will
den Augenblick ausnutzen, bevor die Resistance An-
spruch auf die Stadt erheben kann.
TA G D E S P H Ö N I X

05:59 AM: Die Streitmacht der Apokalyptiker und africani-
schen Schrotter landet an drei Orten der Stadt gleich-
zeitig. Eine blitzschnelle Rückeroberung steht bevor.
07:07 AM: Die Famulanten der L’Orage und die Piraten der
Schwarzen Schar geraten in ein Gefecht aus Miss-
verständnissen. Die Nerven liegen blank und es folgt
eine blutige und sinnlose Auseinandersetzung. Mira-
ge gelingt in den Wirren des Kampfes die Flucht.
08:16 AM: Mirage gerät in Zoes Hände. Die Generalin will
die Geisel nutzen, um Zugeständnisse von Hamza zu
erpressen. Sie hat in der vorangegangen Nacht die
Stadt erobert und ihre Männer für ihre Vision eines
freien Franka geopfert. Nun will sie Toulon unter
der Flagge der Resistance sehen und die Stadt für
ihre Ideologie vereinnahmen. Ein Patt zeichnet sich
zwischen Resistance, Africanern und Apokalyptikern
ab, eine falsche Bewegung kann zu einem Blutbad
zwischen den Parteien führen. Die Waffen sind im
Anschlag.
11:59 AM: Der Heckenschütze springt in den Tod. Auf dem
gegenüberliegenden Dach der Kernhalle spielt sich
inzwischen ein anderes Drama ab. Hamza, Orma
und ihre Geisel Mirage konfrontieren den mysteri-
ösen Hellvetiker Baptiste. Er hat seinerseits Hamzas
Halbbruder Nephraim als Gefangenen an seiner Sei-
te. Nephraim ist über eine schwere eiserne Halskette
mit dem Hellvetiker verbunden. Hamza versucht mit
dem Attentäter zu verhandeln.
Vergebens.
00:00 PM: Die Stunde Null. Aus einem Hinterhalt heraus
wird der Hellvetiker erschossen. Verzweifelt und un-
ter Schock versuchen Hamza und Orma gemeinsam,
Nephraim von der Kette, die am Körper des Hellveti-
kers befestigt ist, zu befreien. Doch es gelingt ihnen
nicht. Die Situation ist ausichtsslos. Orma bleibt
nichts anderes übrig, als sich mit letzter Kraft samt
Hamza und Mirage vom Dach zu stürzen. Im nächs-
ten Moment explodiert der dritte Stock der Kernhalle
und katapultiert Nephraim in den sicheren Tod.

a Zoe flieht im Eifer des Gefechts mit ihrer Geisel. Sie
ist zu allem bereit. Doch Vericon, der Bürgermeister,
stellt sich der fanatischen Generalin in letzter Sekun-
de in den Weg. Wieder kann Mirage fliehen.
09:11 AM: Hamzas Männer holen Mirage im zerstörten
Palast ein. Hunderte Tote säumen den Garten. Von
den Eroberern, der Resistance, sind nur noch sechs
Männer am Leben. Hamza verhandelt den sofortigen
Waffenstillstand und verlangt Einlass in sein zerstör-
tes Refugium.
00:01 PM: Baptistes Totmannschalter löst die von ihm plat-
zierten Sprengladungen in ganz Toulon aus und
taucht die Stadt in ein Feuermeer. In Ferrallies, Terres
Putain und Port Lagagne detonieren die Sprengköpfe
des Hellvetikers. Die Stadt verwandelt sich in einen
Scheiterhaufen. Die Explosionen kosten unzählige
Menschenleben und besiegeln den Niedergang Tou-
lons. Rattlers Plan ist aufgegangen.

10:10 AM: Eine gewaltige Explosion lässt das Atrium in sich

zusammenbrechen. Baptiste hat in der Nacht der FIN
Rückeroberung die Schatzkammer mit Sprengstoffen
und einer Lichtschranke versehen. Auf der Aussichts-
plattform hat sich währenddessen ein unbekannter
Heckenschütze verschanzt und tötet mit gezielten
Schüssen Apokalyptiker auf dem gesamten Palastge-
lände.

11:11 AM: Der Phönix Rattler hat Callisto, die Anführerin

der Schwarzen Schar, in seiner Gewalt und bereitet
ihr Ende vor. Im letzten Augenblick, bevor der Phönix
ihr das Leben nehmen will, verrät er der Apokalypti-
kerin das Geheimnis ihrer gemeinsamen Herkunft.

11:13 AM: Callisto ist gerettet. Rattler ist tot. Mit ihm stirbt
der Wahnsinn, den er über Toulon gebracht hat.
Doch auch seine Geheimnisse nimmt der seltsame
Mann mit den fremdartigen Tätowierungen mit ins
Grab. Die Gefahr ist noch nicht gebannt. Der He-
ckenschütze tötet pausenlos weiter.

THE KILLING GAME 211

 NACH BAYONNE

DER BRANDWEG

COUR ARGENT

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9
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DER NORDHAFEN
TERRES PUTAIN
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19

28 30

32

PORT LAGAGNE
29
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31

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TOULON
2596 A.D.
0 500 2500m
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18
15 16
DER BRANDWEG

NACH DUCAL
17

FERRALLIES

COUR ARGENT
01. H AMZAS PALAST
02. DIE UNIVERSIT ÄT VON TO U L O N
03. DAS NEOLIBY SCH E CO NSU L AT
04. H AUS DER H ANDELSBANK
05. DIE LAGERH ALLEN
06. DIE KASERNEN
07. DAS LAZARET T L’ORAGE
08. DIE ZOLLH ÄUSER
09. DIE RAFFINERIE
10. DIE P ET ROT ÜRME

FERRALLIES
11. DIE SCH LAGSCH MIEDE N
12. DIE GROSSE H ALLE
13. SCH ÄT ZERST UBEN
14. DIE ST ILLGELEGT EN A L KO V E N
15. DIE FRACH T GONDEL
16. DER SCH MELZER
17. DIE BERST EREI
18. DAS MODUL

TERRES PUTAIN
19. LE CIRQUE
20. CAMP RESISTANCE
21. DIE SCH AMH ÄUSER
22. LE BOUGE
DER SÜDHAFEN 23. DAS FALSCH H AUS
24. LA MOULE
25. DIE WAFFENBRENNER
34 26. DIE SCH LACH T EREI

POR T LAGAGNE
37
36 27. DER FISCH MARKT
28. DIE FEST UNG T OULON
29. DIE KRÄMEREIEN
30. DER P ERLFANG
31. DIE ROT E KÜST EREI
32. DIE GOLDSCH MIEDE
35
33. DIE AUST ERNBUCH T

SAINT CHENIL
SAINT CHENIL 34. SACRE AMIEL
35. DIE ORP H ANAGE
38 36. DIE GROSSE LEDEREI
37. DIE BARRAGE
38. DER ALT E FRIEDH OF
TOULON MUSS BRENNEN