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Die Mauer teilte 28 Jahre die Stadt Berlin, trennte Familien und Freunde.

Soldaten kontrollierten
sie und sollten Flüchtlinge stoppen. Einige haben dabei Menschen getötet. Viele waren vom
DDR-System nicht überzeugt, hatten aber keine Wahl. Wie haben die Soldaten die Zeit an der
Mauer erlebt? Wir sprechen darüber mit Horst Meerbaum.

Herr Meerbaum, Sie waren als Soldat an der Mauer in Berlin?

Ja, die Mauer stand gerade erst ein Jahr. Ab Herbst 1962 war ich als Grenzsoldat beim Militär an
der Mauer in Berlin.

Mussten Sie nach Berlin oder sind Sie freiwillig dorthin gegangen?

Ich konnte nicht wählen. Ab diesem Jahr mussten wieder alle jungen Männer in der DDR für 18
Monate als Soldat zum Militär. Vorher war das freiwillig. Da hatte ich einfach Pech.

Wo genau waren Sie in Berlin?

Unser Gebiet ging von der Bernauer Straße bis zum Jahnstadion. Dort sind wir an der Mauer
entlanggelaufen. Wenn es geregnet hat oder sehr kalt war, war es schrecklich, sonst meist sehr
langweilig. Acht Stunden dauerte eine Schicht. Die Waffe mussten wir die ganze Zeit am Körper
tragen. Wir haben die Grenze kontrolliert und sollten Flucht verhindern.

Auch mit der Waffe?

Ja, wenn ein Flüchtling nicht stehen bleibt, wenn wir „Halt!“ rufen. Dann sollten wir auf die Beine
schießen. Zum Glück ist das bei mir nie passiert. Meine Kollegen und ich hatten große Angst
davor. Ich wollte nie auf einen Menschen schießen und die meisten anderen auch nicht. Klar, es
gab auch Soldaten, die an dieses System geglaubt haben. Manche waren freiwillig an der
Grenze. Und die vielen Toten und Verletzten, die sind ja Realität. Ich fand es nicht richtig, dass
ein Staat Menschen verbietet, zu gehen. Aber das durfte ich natürlich nicht sagen. Es war
schwierig. Man wusste nie, wem man vertrauen konnte.

Haben Sie selbst während der Zeit mal an eine Flucht in die BRD gedacht?

Nein, nie. Ich habe auf dem Land gelebt, weit weg von Berlin. Es ging mir gut. Zu Hause hatte ich
schon seit der Schule eine Freundin. Die wollte ich heiraten und mit ihr eine Familie gründen. Ich
hatte auch keine Verwandten in der BRD. Damals, mit 22 Jahren, war das kein Thema für mich.

Haben Sie bei den Kontrollen mit Menschen aus Westberlin gesprochen?

Das war streng verboten. Wir durften mit niemandem sprechen. Offiziell waren die Menschen aus
der BRD ja böse und Feinde unseres Landes. Aber denen haben wir nur leidgetan. Wir haben
uns gefreut, wenn uns jemand zum Beispiel an Weihnachten während unserer Schicht Alkohol,
Zigaretten, Schokolade oder Bananen und Orangen gebracht hat.

Hat das niemand gemerkt?


Meistens nicht. Aber es war gefährlich für uns. Aber wir waren ja jung und unvernünftig. Und die
Sachen aus dem Westen waren für uns etwas ganz Besonderes. So etwas gab es bei uns ja
nicht.

Was ist passiert, wenn jemand etwas bemerkt hat?

Dann gab es Strafen: Urlaubsverbot zum Beispiel. Oder man musste längere Zeit immer wieder
sehr unbeliebte Arbeiten machen. Ich habe auch mal mehrere Tage im Gefängnis gesessen.

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